Santa, bring mir einen Mann
Tiffany White
Julia Weihnachten 14-2 – 1/01
Gescannt von suzi_kay Korrigiert von briseis
...
39 downloads
625 Views
567KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Santa, bring mir einen Mann
Tiffany White
Julia Weihnachten 14-2 – 1/01
Gescannt von suzi_kay Korrigiert von briseis
PROLOG 15. Dezember Es schneite. Schon wieder! Claudia Claus hatte gerade seinen Bauch bewundert, und trotz ihrer vielen Ehejahre und der Rettungsringe auf den Hüften sorgte der Mann immer noch für wohlige Schauer auf ihrer Haut, wenn er sie mit seinem weißen Bart im Gesicht kitzelte. Auch liebte sie ihr gemeinsames Leben, aber der Himmel allein wusste, warum ihr dieses Jahr zu Weihnachten hier die Decke auf den Kopf fiel. Der heulende Dezemberwind, der heranfegende Schnee und die Einsamkeit hier am Nordpol machten ihr ungewohnt schwer zu schaffen. Sie hatte genug von Eis und Schneestürmen, den scheußlich niedrigen Temperaturen und wurde schlichtweg von Santa ignoriert, der wie besessen seine Reise vorbereitete. Eigentlich sollte man erwarten, dass er alles im Schlaf erledigen konnte. Aber nein! Er war nervös und pingelig, als wäre es das allererste Mal, dass er den Schlitten und die Rentiere hervorholte. Sie brauchte unbedingt eine Ablenkung - ein eigenes kleines Weihnachtsprojekt. Santa würde sie nicht einmal vermissen, wenn sie ein paar Tage Urlaub machte, da er viel zu sehr damit beschäftigt war, den Elfen im Nacken zu sitzen, die in seiner Werkstatt Geschenke produzierten. Als sie ihm gestern Abend verführerisch in den Nacken gehaucht hatte, um ihn ins Schlafzimmer zu locken, besaß er doch die Frechheit zu behaupten, sie wäre ein wenig aus dem Leim gegangen! Ziellos wanderte sie auf und ab. Santas unverschämte Bemerkungen noch deutlich im Ohr, suchte sie sich ein Videoband mit Aerobic-Übungen heraus und gab sich eine Weile redlich Mühe, sich Claudia Schiffers Formen anzunähern. Lange fesselten die schweißtreibenden Verrenkungen sie nicht. Es war entmutigend! Und wenn sie noch so viel herumhüpfte, so feste Schenkel wie Claudia würde sie nie haben. Jedenfalls nicht ohne David Copperfields Zauberkünste! Sie zog das Videoband wieder heraus, griff nach dem Hochglanzmagazin für Frauen, das sie sich besorgt hatte, und machte es sich damit in ihrem Ohrensessel im Schlafzimmer gemütlich. Ein Artikel fiel ihr ins Auge. Frauen sollten sich selbst verwirklichen, stand darin. Sich nicht um Konventionen scheren. Ihr eigenes Leben leben. Genau das hatte ihr gefehlt - ein echter Grund für ihre kleine Flucht vor der ewigen Kälte und Langeweile. Und vor dem Keksebacken. Sie stand auf und zog unter dem riesigen Himmelbett ihren verstaubten Koffer hervor. Ein verschmitztes Lächeln hob ihre Mundwinkel, als sie begann, ihre Reise in den Süden zu planen. Sicher, St. Louis lag nicht so weit südlich, aber sie hatte das Gefühl, es wäre nicht weise, tief gebräunt zum Nordpol zurückzukehren. Und so wie die Dinge lagen, würde sie Santa ein hübsches Geschenk als Friedensangebot mitbringen müssen.
1. KAPITEL 16. Dezember Jedes Jahr stellte Hollie Winslow am Thanksgiving Day ihren Weihnachtsbaum auf, und jedes Jahr kam ihre Freundin Sarah Smith am Valentinstag herüber, um ihr beim Abschmücken zu helfen. Hollie wusste, Sarah hielt sie für leicht überkandidelt, weil sie mit Weihnachten so viel Aufwand trieb, aber das war ihr egal. Sie fand diese Zeit des Jahres einfach zauberhaft, und ihrer Meinung nach konnte man gar nicht genug tun, um sie entsprechend zu würdigen. Wie wundervoll die glitzernden Lichterketten und der blütenweiße Schnee auf den Giebeln, Türmchen und Erkern aussehen, dachte Hollie, als sie an den gepflegten alten Häusern in der Wisteria Avenue entlangfuhr. So richtig weihnachtlich ... Sie war auf dem Weg zu ihrem Büro in der Maklerfirma Premiere Homes, um vor ihrem alljährlichen Urlaub noch ein letztes Mal den Anrufbeantworter abzuhören. Abrupt trat sie auf die Bremse. Im Vorgarten des reich verzierten, im viktorianischen Stil erbauten Hauses, das sie fast passiert hatte, stand ein Schild. Sie hatte ergebnislos versucht, den Besitzer des Hauses ausfindig zu machen, um es anbieten zu können. Verdammt, nun sah es ganz so aus, als hätte ein anderer Immobilienmakler mehr Glück gehabt! Neugierig, wer wohl dahinter steckte, fuhr sie schwungvoll im Rückwärtsgang zurück, um direkt vor dem Haus zu parken. Ihr Wagen geriet ins Rutschen. Aber sie hatte Glück, keine Stoßstange wurde geknickt, und erleichtert atmete sie auf, als der rote Sportwagen unbeschädigt aus der Zufahrt zum Nebenhaus herausschoss. Sie musste die Augen ein wenig zusammenkneifen, um überhaupt lesen zu können, was auf dem Schild in dem großen Vorgarten stand. Miss Claudia, Wahrsagerin, Sonderhonorare zu den Festtagen Hollie wurde noch neugieriger. Sie beschloss zu erkunden, wer das Haus gemietet hatte und von wem. Wenn es nur für kurze Zeit vergeben war, würde es vielleicht nach den Feiertagen zu vermieten oder zu verkaufen sein. Und während ihres Urlaubs wollte sie sowieso nicht arbeiten. Die nächsten zehn Tage waren bis auf die Minute sorgfältig verplant. Entschlossen stieg sie aus und marschierte durch den Vorgarten, die Verandastufen hinauf und drückte den Klingelknopf. Statt der erwarteten Person mit riesigen goldenen Ohrringen und Spitzenschal öffnete ihr eine modisch gekleidete weißhaarige Frau in rotem Sweatshirt und grünen Leggings. „Kommen Sie herein, kommen Sie herein", sagte sie, als hätte sie Hollie bereits erwartet. „Ich bin Miss Claudia." „Hollie Winslow", stellte sich Hollie vor, schüttelte Miss Claudia die Hand und lächelte, als sie den Aufdruck auf dem roten Pullover der Frau las. Es war ein fröhlicher Werbespruch für St. Louis neben dem bunten Werk eines bekannten lokalen Künstlers. Macht sich gut auf dem Sweatshirt, fand Hollie. „Möchten Sie, dass ich Ihnen die Zukunft voraussage? Mein besonders günstiges Feiertagshonorar beträgt nur fünfzig Dollar." Hollie warf einen Blick auf ihre spezielle Weihnachtszeituhr mit einem Tannenbaum auf dem Zifferblatt. „Ich muss gleich im Büro sein ..." „Schön, dann kann ich Ihnen ein Minihandlesen für, sagen wir, fünfundzwanzig Dollar anbieten. Ich beschränke mich dann nur auf die wichtigsten Punkte." „Die wichtigsten Punkte?" Miss Claudia lachte fröhlich. „Na ja, Sie wissen schon - das, was der Weihnachtsmann Ihnen bringt, wenn Sie immer ein braves Mädchen waren. Und natürlich waren Sie immer ein braves Mädchen." Wie Recht hatte Miss Claudia doch. Nachdem ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren, als Hollie sieben Jahre alt gewesen war, kam sie in verschiedene
Waisenhäuser. Da sie nie adoptiert wurde, kam sie schließlich zu Pflegeeltern. Sie gab sich Mühe, lieb und brav zu sein, auch wenn sie sich damit keine Liebe errang, sondern nur ein erträgliches Leben. Die Jugendbehörde wollte nicht, dass sie sich zu sehr an eine Familie gewöhnte, so musste sie alle paar Jahre die Familie wechseln. All dies und ihre Einsamkeit ließen ein starkes Bedürfnis nach einem eigenen Heim in ihr wachsen. Vielleicht war das auch der Grund, warum sie Immobilienmaklerin geworden war - das richtige Haus für ihre Kunden zu finden, das ihnen ein Heim werden konnte. Und wenn es ihr gelang, erfüllte es sie jedes Mal mit großer Befriedigung. Bei diesem Gedanken musste Hollie lächeln. Seit ihrer Kindheit hatte sie eine besondere Beziehung zu Häusern. Für sie waren sie fast so wie Menschen. Und jedes Mal, wenn sie ein Haus verließ, war es ein Abschiednehmen. Sie schaute sich in der Eingangshalle um, fasziniert von der Eichentreppe, der Wandverkleidung und der besonderen Atmosphäre. Irgendetwas ging von diesem Haus aus, das sie anrührte. Und es wäre sicherlich ziemlich unhöflich, sich nun von Miss Claudia nicht die Zukunft voraussagen zu lassen -besonders da sie noch mehr von dem Haus sehen und den Namen seines Besitzers erfahren wollte. „Also gut, einverstanden ..." Miss Claudia nickte und nahm Hollie den roten weiten Mantel ab. Nachdem sie ihn auf die Garderobe aus Messing gehängt hatte, führte sie Hollie in den Salon, den ein riesiger, wunderschön geschmückter Weihnachtsbaum beherrschte. Vielleicht hatte Miss Claudia das Haus geerbt. Es passt zu ihr - beide wirken gemütlich, vertraut und einladend, dachte Hollie, als sie sich in einen der mit grünem Samt bezogenen Ohrensessel setzte, die vor dem flackernden Kamin standen. „Also, was möchten Sie wissen?" fragte Miss Claudia und setzte sich ihr gegenüber. „Wer der Eigentümer des Hauses ist", erwiderte Hollie mit einem Lächeln. Miss Claudia lachte. „Stimmt, Sie sind ja Immobilienmaklerin! Also, ich bin es nicht. Ich habe es nur für die Feiertage gemietet. Es wurde über eine Zeitungsannonce angeboten. Bevor Sie gehen, gebe ich Ihnen die Telefonnummer. Soweit ich weiß, wurde das Haus testamentarisch vermacht, aber der betreffende Erbe kann es erst nach den Feiertagen in Besitz nehmen." Hollies Stimmung sank. Es war ein so wundervolles Haus, aber es sollte wohl nicht sein. „Sicherlich möchten Sie auch noch etwas anderes wissen", sagte Miss Claudia. Hollies Gesicht hellte sich auf. „Okay, was bringt mir Santa Claus zu Weihnachten?" „Santa bringt Ihnen dies Jahr ein ziemlich großes Geschenk." „Wie groß denn?" „Einsfünfundachtzig." „Wie bitte?" „Santa bringt Ihnen kein großes Paket mit einer Schleife drumherum - er bringt Ihnen einen Galan." Miss Claudia lehnte sich in ihrem Sessel zurück, offensichtlich zufrieden mit ihrer Neuigkeit. „He, einen Moment, bitte! Wollen Sie mir sagen, ich muss damit rechnen, am Weihnachtsmorgen einen Mann unter meinem Tannenbaum vorzufinden?" fragte Hollie und lachte nervös. „Genau. Möchten Sie sonst noch etwas wissen?" „Aber... auf meinem Wunschzettel steht kein Mann. Ich wünsche mir einen Brotbackautomaten - Sie wissen schon, diese tollen Dinger, in die man Mehl und Wasser gibt, und heraus kommt ein fertiges Brot." Sie wünschte ihn sich wirklich und fühlte sich gezwungen, eine Erklärung zu liefern. „Vor ein paar Wochen habe ich einmal Brot aus einem Brotbackautomaten in einem Kaufhaus probiert. Es duftete herrlich und schmeckte einfach super!" Miss Claudia lächelte verschmitzt. „Das kann ein Mann auch."
Hollie fühlte, wie sie rot wurde. Und sie wusste, Miss Claudia sah es. Das war das Schlimme an einer hellen Haut - jedes Mal, wenn sie errötete, leuchtete sie wie ein illuminierter Weihnachtsbaum. „Sind Sie sich wirklich sicher? Ich bin mir nämlich nicht sicher, ob ich einen haben ... ich meine, ich bin eigentlich gar nicht bereit für..." „Die Liebe? Wie kann jemand nicht für die Liebe bereit sein?" fragte Miss Claudia erstaunt. „Nein, das meinte ich nicht. Ich würde mich schon gern verlieben, aber in den richtigen Mann." „Und bislang haben Sie noch nicht viel Glück mit den Männern gehabt?" riet Miss Claudia. „Die Tendenz geht leider dahin, dass sie mich enttäuschen." „Dieser nicht." „Das sage ich mir auch jedes Mal. Also, zumindest möchte ich noch meinen Urlaub beginnen, ehe mir ein Mann am Weihnachtstag mein Leben auf den Kopf stellt." „Wissen Sie, Hollie, Ruhe und Frieden werden manchmal überschätzt." „Das werden Männer manchmal auch", brummte Hollie ein paar Stunden später am Ende ihres Arbeitstages im Maklerbüro. Noch fünf Minuten, dann begann ihr Urlaub. Glücklicherweise war das Geschäft um Weihnachten herum immer flau, und sie hatte einen nachsichtigen Boss. Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. In wenigen Minuten würde sie von hier verschwunden sein, und so begann sie ihre Siebensachen zusammenzusammeln. Da klingelte das Telefon. „Premiere Homes", meldete sie sich, dachte dabei aber: Verschwinde! „Ich brauche einen Immobilienmakler, um ..." Hollie unterbrach den Kunden, bevor er zu sehr ins Detail ging. Durch die vordere Scheibe konnte sie Sandy Martin vom Empfang sehen, wie sie gerade auf den Parkplatz einbog. Wenn sie diesen Kerl hinhalten konnte, würde Sandy alles Weitere übernehmen. „Wenn Sie bitte einen Moment warten, dann stelle ich Sie zur Rezeption durch. Man wird dort mit Ihnen einen Termin ..." „Nein, das dauert mir zu lange. Ich brauche sofort einen Immobilienmakler. Ich habe ein Haus gefunden, das ich mir heute ansehen möchte." „Aber..." Er ist besser als ich, das zu bekommen, was er will, dachte sie. „Ich muss bis Weihnachten ein Haus haben. Ich bin gerade aus einer anderen Stadt hergezogen", sagte die tiefe Stimme entschlossen und beharrlich. Hollie spürte, wie sie schwach wurde, trotz ihrer Urlaubspläne. Natürlich wollte jeder mit seiner Familie Weihnachten ein Zuhause haben. Kein Mann wollte, dass seine Familie das Fest in einem Hotel verbrachte. Er drängte weiter. „Hören Sie, ich mache es Ihnen wirklich ganz einfach", sagte er weniger bestimmt. „Ich verzichte auf alle Inspektionsrechte – und zahle bar." Ein bar zahlender Kunde war der Traum jedes Immobilienmaklers und der Verzicht auf die Inspektionsrechte noch die Krönung. Nur ein Dummkopf würde sich einen derart lukrativen Kunden mit einem solchen Potenzial entgehen lassen. Und eine Frau, deren alter Wagen inzwischen fast eine Symbiose mit der Werkstatt eingegangen war, musste schlichtweg verrückt sein. Die Anzahlung für einen neuen Wagen schwebte bereits in ihrem Kopf, und Hollie ahnte die Kapitulation. „Wo ist das Haus, das Sie sich ansehen möchten? Haben Sie eine Adresse für mich?" „Ja. Ich hielt an und habe sie mir aufgeschrieben, als ich das Verkaufsschild im Garten stehen sah." Er nannte ihr die Adresse, und sie gab sie gleich in den Computer ein, um zu sehen, ob und welche Informationen sie darüber hatten. Sie fand das Objekt sehr schnell. Es stand in der Liste der Dreihunderttausenddollar-Häuser - das bedeutete, wenn sie verkaufte,
waren neuntausend Dollar Provision für sie drin! „Welche Zeit würde Ihnen für eine Besichtigung passen, wenn ich einen Termin vereinbaren kann?" fragte sie so locker wie möglich. „So bald wie möglich. Ich möchte bis Weihnachten ein Haus gekauft haben", unterstrich er noch einmal. „Okay, dann sehe ich zu, ob ich einen Termin vereinbaren kann. Während der Feiertage ist es natürlich schwierig, also machen Sie sich nicht zu große Hoffnungen. Geben Sie mir bitte Ihre Telefonnummer, ich rufe Sie dann an, sobald ich etwas weiß." Er nannte ihr den Namen seines Hotels. „Und Ihr Name?" fragte sie weiter. „Noel." „Sagten Sie Noel?" „Wieso, gibt es damit ein Problem?" fragte er, leichte Gereiztheit in der Stimme. „Nein, nein. Es ist nur, weil Weihnachten vor der Tür steht und Ihr Name auf Französisch Weihnachten heißt. Mein Name ist Hollie Winslow, und Hollie heißt Stechpalme oder Hex, und zu Weihnachten sind Stechpalmen ..." „Ich erwarte Ihren Anruf, Miss Winslow", unterbrach er sie so barsch, dass sie sich ziemlich blöd vorkam mit ihrem Gestammel von Weihnachten und Stechpalmen. Sie legte auf. Ich muss ja den Mann nicht mögen, dem ich ein Haus verkaufen will, und er mich auch nicht, dachte sie trotzig. Was sich also weiter den Kopf darüber zerbrechen, welchen Eindruck sie auf ihn gemacht hatte? Kein besonders viel versprechender Urlaubsanfang, dachte Hollie an diesem Abend in Leo's Garage, ihrer Autowerkstatt. Ihr Wagen brauchte einen neuen Auspuff, und sie wartete schon eine Stunde darauf. Ihr alter war einfach auf der Straße abgefallen, mitten im Berufsverkehr, und auf der Fahrt zur Werkstatt hatte sie so viel Lärm gemacht wie ein Panzer in voller Fahrt. Sandy hatte ihr eine Mitteilung auf dem Pager geschickt, dass ein Mr. Noel Hawksley im Büro auf sie wartete und sie zu sprechen verlange. Er war mehr als aufgebracht, weil sie ihn nicht wie versprochen angerufen hatte. Wollte wissen, ob Miss Winslow immer so unzuverlässig sei. Und zweifelsohne war das alles in Hörweite ihres Chefs abgelaufen. Sie würde ihn morgen früh anrufen und alles erklären. Den ganzen Nachmittag hatte sie damit verbracht, Häuser in der Preislage zu suchen, die für Mr. Hawksley in Frage kamen, falls es ihr nicht gelang, den Immobilienmakler zu erreichen, der das Haus in seiner Liste führte. Und bislang hatte sie ihn noch nicht erreichen können. Und dann war ihr verdammter Auspuff abgefallen. Entnervt schrieb sie einen Scheck für den Auspuff aus. Weitere dringende Nachrichten auf dem Pager hatte sie während ihres ungeduldigen Wartens glücklicherweise nicht bekommen. Dann warf sie einen ungeduldigen Blick auf ihr Handy, das neben ihrer Tasche auf dem Tresen lag. Funktionierte es überhaupt? Nicht ein einziges Mal hatte das verflixte Ding geklingelt. Es war mehr als frustrierend, während der Feiertage einen Makler erreichen zu wollen! Und so wie es aussah, würde sie ihn nicht mehr vor morgen erreichen. Wieder schaute sie auf ihre Uhr. Elena, ihr Patenkind, war zwar schon vier Jahre alt, hatte aber die Geduld einer Zweijährigen. Elenas Mutter Sarah, Hollies beste Freundin, wäre bestimmt nicht erfreut, wenn sie zum alljährlichen Plätzchenbackmarathon zu spät käme. Sehr wahrscheinlich hatte sie sowieso schon damit begonnen. Hollie erinnerte sich an die weiße Schokolade, die sie Sarah mitbringen sollte. Sie musste sie noch irgendwo kaufen und würde somit noch später kommen. Wenn sie nicht auf den Anruf des Maklers wartete, würde sie jetzt Sarah anrufen. „Klingle endlich, verdammt noch mal", murmelte sie und starrte auf das stumme Telefon. Sie hoffte, all dies war kein Vorgeschmack dessen, was sie während der freien Tage erwartete.
Sie wusste, ihr Urlaub würde erst richtig beginnen, wenn sie ihren neuen Kunden zufrieden gestellt und seine Familie Weihnachten ein neues Zuhause hatte. Mit etwas Glück würden sie morgen früh in das Haus kommen, für das er sich interessierte. Sie lächelte, als sie Matt ihren Scheck reichte. Matt war neu in der Werkstatt. „Bestellen Sie bitte Leo meinen Dank, dass er die Reparatur so prompt erledigt hat." „Onkel Leo sagt, Sie können jederzeit vorbeikommen, wenn Sie Probleme haben." Hollie lachte. „Ja, weil ich ihm mit den Reparaturen meiner alten Schrottlaube seine Kreuzfahrt finanziere." „Ich glaube eher, es hängt mit Ihrem zauberhaften Lächeln zusammen." Hollie errötete, und er wandte sich ab, um den Scheck in die Kasse zu legen. Eine Frau in Pullover und Jeans kam herein. Sie wollte, dass man ihr einen platten Reifen reparierte. Beim Anblick dieses roten Pullovers musste Hollie an Miss Claudias Vorhersage denken, sie würde ein ein Meter fünfundachtzig großes Geschenk zu Weihnachten bekommen. Leos Neffe Matt hatte einen knackigen Po und schätzungsweise ungefähr diese Größe. „Wie groß sind Sie, Matt?" überraschte sie ihn und sich selbst mit ihrer Frage, als er sich wieder umdrehte, um ihr ihre Quittung zu geben. „Wie groß ich bin?" wiederholte er verständnislos. Sie nickte. „Ein Meter achtzig", antwortete er und griff nach dem Telefon an der Wand. Na schön, Matt kam also nicht in Frage. Nur ein Wunder konnte bewirken, dass er bis Weihnachten noch fünf Zentimeter wuchs - und sie einen hoch gewachsenen, gut aussehenden Galan zu Weihnachten bekam. Aber ein Mädel durfte doch wenigstens hoffen, oder? Auf dem Heimweg von der Werkstatt legte sie die Kassette mit Weihnachtsmusik von Kenny G ein und fühlte, wie sie sich entspannte, als die beruhigende Musik den Wagen erfüllte. Mitten in einem Tenorsaxofonsolo musste sich ausgerechnet das Handy melden. Hollie drückte auf den Empfangsknopf. „Wo bist du? Du solltest längst hier sein!" Sarah ließ sich ihre Verärgerung deutlich anmerken. „Und du solltest der Immobilienmakler sein, auf dessen Anruf ich so dringend warte. Was ist los, Sarah?" „Elena beharrt darauf, dass ich das Plätzchenbacken unterbreche und ihr die Haare so zu einem Zopf im Nacken flechte wie bei Tante Hollie. Hast du an die weiße Schokolade gedacht?" „Ja, ja. Sag Elena, sie soll sich ein Band für ihren Zopf suchen, und du selbst wirfst eine Beruhigungspille ein, bis ich da bin." „Und wann wird das sein?" „Auf jeden Fall noch heute Abend." „Hollie!" „Okay, okay. Fünfzehn Minuten. Es sei denn, es taucht Eins-fünfundachtzig auf, dann brauchst du nicht mehr auf mich zu warten." „Was?" „Ich erzähle es dir, wenn ich da bin." „Wie auch immer, beeil dich bitte, und komm schleunigst her. Nein, Elena, ich kann den Hund nicht mit Schokoplätzchen füttern ..." Elena öffnete, als Hollie einige Zeit später klingelte. Sie war vier, hatte ihren eigenen Kopf, einen Sinn fürs Dekorative und gesteigertes Interesse an Make-up und Frisuren. Sie trug gerade ein Kleid im Empirestil aus Jeansstoff, Boots und ihren großen braunen Teddybärrucksack auf dem Rücken. „Du kommst spät", verkündete sie. „Wohin gehst du?" erkundigte sich Hollie bei Elena, als Sarah den Kopf um die Ecke
steckte. Sie hatte Mehl auf der Nase, ihr Pferdeschwanz hing schief im Nacken. Einzelne Haarsträhnen hatten sich gelöst und rahmten wirr ihr Gesicht. „Sie geht nirgendwohin", erklärte Sarah. „Sie will nur partout ihren Teddybärrucksack nicht abnehmen. Sie schläft sogar damit." „Sie könnte sich bei den Pfadfindern bewerben - allzeit bereit, weißt du." „Ja, klar. Ich stecke bis zu den Handgelenken in Plätzchenteig. Hast du an die weiße Schokolade gedacht?" „Hier ist sie." Hollie zauberte sie hervor. „Und ein neuer Auspuff war fällig - deswegen komme ich so spät. Jedes Mal, wenn ich ein paar Kröten auf meinem Spezialkonto für Plastische Chirurgie liegen habe, frisst meine Karre sie wieder auf." „Was ist Lastische Schrugie, Mom?" wollte Elena wissen. „Tante Hollie möchte gern einen größeren Busen haben", erklärte ihr Sarah. „Ich auch." Elena nickte verständnisvoll. Sarah schüttelte den Kopf. „Weißt du, Hollie, wenn sie dreizehn ist, kann sie bei dir wohnen." „Super. Dann habe ich endlich jemanden, von dem ich mir ein völlig neues Outfit ausborgen kann." „Ich weiß wirklich nicht, wer von euch den schlechteren Einfluss ausübt." Sarah nahm die weiße Schokolade und bedeutete Hollie mit einem Kopfnicken, ihr in die Küche zu folgen. „Du kannst die geschmolzene weiße Schokolade und Butter über die Kekse geben, wenn sie aus dem Herd kommen." „Und was ist mit meinem Zopf?" bettelte Elena. Ihr mit Lippenstift verschmierter pinkrosa Mund zeigte, wie großzügig sie das Make-up ihrer Mutter bereits in Anspruch genommen hatte. „Geht gleich los", versprach ihr Hollie und ergriff Elenas zerrende Hand. „Ich stelle die Zeitschaltuhr ein", rief Sarah. Hollie winkte ihr über Elenas Kopf hinweg zu. „Ja, ja." „Soll ich dir das Weihnachtslied vorsingen, das ich im Kindergarten gelernt habe?" fragte Elena, als sie auf den chintzbezogenen Schemel vor Sarahs Frisierkommode kletterte. Ohne auf eine Antwort zu warten, schmetterte sie Santa Claus is Coming to Town, während Hollie ihr die Haare zu einem breiten Zopf im Nacken flocht. Beide waren gleichzeitig fertig. „So, nun wollen wir deiner Mom bei den Keksen helfen." „Okay." Elena hüpfte vom Schemel. „Mom hat gesagt, ich darf die Engelkekse mit Zuckerguss übergießen." Der leckere Duft des Weihnachtsgebäcks begrüßte sie, als sie wieder in die Küche kamen. Sarah war gerade dabei, weiteren Teig auszurollen. „Gib mir die Engelform, Elena", sagte sie zu ihrer Tochter, und dann zeigte sie ihr, wie man damit umging. Während Elena eifrig damit beschäftigt war, Engelgebäck auszustechen, nahm Hollie Sarah ins Kreuzverhör und fragte sie unverblümt nach ihrem Liebesleben. „Dann bekommst du also einen dicken Diamanten zu Weihnachten?" „Ja, wenn ich mir selbst einen kaufe." „Wieso, was ist denn geschehen?" „Es hat nicht funktioniert. Er ging mit Elena großartig um, aber..." „Aber du willst einen Mann nicht nur heiraten, weil er gut mit deiner Tochter auskommt, oder?" „Findest du das falsch, Hollie?" „Nein, ich glaube, wenn du glücklich bist, ist es auch Elena. Du hast sie adoptiert, weil du so viel Liebe zu geben hast. Wenn du den Mann findest, den ihr beide lieben könnt, dann zögere nicht. Es gibt keinen Grund, sich mit weniger zufrieden zu geben. Außerdem, wenn ich diesen Burschen nicht mag, den mir Santa Claus unter meinen
Weihnachtsbaum legt, schicke ich ihn zu dir rüber." „Was für ein Bursche? Wovon sprichst du? Ist mir irgendeine Verabredung entgangen?" fragte Sarah, während sie versuchte, Unterhaltung und ihre Kekse unter einen Hut zu bringen. Seit sie Elena adoptiert hatte, hatte sie ihren eigenen Catering-Dienst von zu Haus aus geführt. Es verschaffte ihr ein gutes Einkommen und gab ihr gleichzeitig die Zeit, ständig mit Elena zusammen zu sein, ehe diese in die Schule musste. Sie überlegte, ihr Geschäft zu vergrößern, wenn ihr kleines Mädchen in die erste Klasse kam. „Also, Miss Claudia hat gesagt, dass ich unter meinem Weihnachtsbaum einen Galan finde. Tatsächlich und versprochen." „Und wer ist Miss Claudia ...?" „Sie ist die Wahrsagerin, die dieses reizende viktorianische Haus gemietet hat, von dem ich dir erzählte. Für einen kleinen Obolus erzählt sie dir, was die nahe Zukunft für dich bereithält. Vielleicht solltest du auch einmal hingehen. Sie ist wirklich eine echte Type." Sarah konnte gut ein wenig Spaß vertragen. „Das Geld kann ich mir sparen. Ich weiß, was die nahe Zukunft für mich bereithält Partys. Ich habe an fast jedem Abend von jetzt bis Neujahr eine Party auf der Liste." „Das hast du davon, wenn du zum Martha-Stewart-Klon wirst!" „He, verspotte nicht mein Idol!" Sarah schnitt ihr eine Grimasse und schob die Kekse in den Herd. Martha Stewart war Amerikas bekannteste Lehrmeisterin, wenn es darum ging, den Haushalt perfekt zu organisieren, erfolgreich eine Traumhochzeit auszurichten oder eine Party mit allen Schikanen zu schmeißen. Sie gab sogar ein eigenes Hochglanzmagazin, das Martha Stewart Living, heraus. „Die ewig fröhliche Martha nervt mich. Ihre so genannten einfachen Projekte erfordern mehr Kenntnisse und Fähigkeiten, als ich sie im ganzen Leben erlernen kann. Dennoch habe ich vor, eins dieser Pfefferkuchenhäuser zu backen, das man ihren Worten nach mit links erledigen kann." „Ein Pfefferkuchenhaus! Tante Hollie, kann ich dir dabei helfen?" Elena hüpfte aufgeregt von einem Bein aufs andere. „Natürlich, Kleines. Ich habe Urlaub - na ja, zumindest fast. Bis ich Noel losgeworden bin." „Und wer ist Noel?" fragte Sarah. „Ein Kunde. Ich muss für ihn und seine Familie bis Weihnachten ein Haus finden. Hoffentlich gefällt ihm das, das ich ihm morgen zeigen will. Da er bar zahlen will, könnte er mir ein sehr schönes Weihnachten bereiten. Es wäre die Anzahlung für einen neuen Wagen." „Kann ich an dem Abend bei dir übernachten, wo wir das Pfefferkuchenhaus machen, Tante Hollie?" „Klar, Kleines. Deine Mom kann gut eine kleine Verschnaufpause gebrauchen mit all den Partys, die auf sie warten. Wir holen uns The Little Princess aus der Videothek, nehmen ein Schaumbad, malen unsere Zehennägel knallrot an und essen Kekse im Bett." „Können wir nicht gleich los?" Elena schlang die Arme um Hollie. „Nein, heute Abend müssen wir die Kekse backen, die wir im Bett essen wollen. Du musst sie außerdem noch mit Zuckerguss verzieren, hast du das vergessen?" sagte sie und strich Elena liebevoll übers Haar. Elena nickte, und ihre Augen strahlten vor Aufregung. Ob ich irgendwann einmal auch eine Tochter haben werde? dachte Hollie. Zuerst brauche ich allerdings einen Ehemann, fiel ihr ein, da sie nicht annähernd so mutig war wie Sarah, die ihre Tochter allein aufzog. Da Hollie nie zu einer richtigen Familie gehört hatte, besaß sie nicht den Mut, ihrem Kind das vorzuenthalten, was sie selbst so schmerzlich vermisst hatte. Und ihre Sehnsucht nach einem Heim und einer traditionellen Familie war trotz der beziehungsscheuen Männer, die sie kennen gelernt hatte, nicht weniger geworden. Leider schien die Männer, die eine richtige Familie wollten, das gleiche Schicksal ereilt zu haben wie die Dinosaurier - sie waren ausgestorben und vom Angesicht der Erde verschwunden!
Noel Hawksley starrte auf das Telefon in seinem Hotelzimmer, das einfach nicht klingeln wollte. Gleich am frühen Morgen wollte er zum Maklerbüro gehen und sicherstellen, dass Hollie Winslow endlich seine Nachricht bekam. Die junge Frau am Empfang hatte wohl vergessen, sie weiterzugeben. Er wollte so schnell wie möglich den Vertrag für das Haus abschließen, das er gesehen hatte. Er hatte sich bis zum neuen Jahr Urlaub genommen, um alles unter Dach und Fach zu bringen. Auf keinen Fall wollte er Weihnachten in den USA verbringen. Für ihn war der ganze Kümmel nur ein großer Humbug. Er fing an, sich auszuziehen, und hängte seinen Anzug in den winzigen Schrank. Der maßgeschneiderte Anzug saß perfekt an seinem durchtrainierten Körper. Er nahm sich vor, solange er hier festsaß, irgendwo in der Nähe ein Fitnessstudio ausfindig zu machen. Das würde ihm helfen, seinen Frust abzuarbeiten und seinen Körper in Form zu halten. Den neuen Job würde er dann im neuen Jahr in hervorragender körperlicher Kondition antreten. Er gehörte nicht zu den Männern, die ständig die Tiefen ihrer Seele ergründeten. Es war besser, nicht in trübem Wasser zu fischen. Stattdessen konzentrierte er sich auf seine berufliche Karriere - sie verschaffte ihm die erwünschten Anreize und kleine Fluchten. Apropos Flucht. Letztes Jahr zu Weihnachten war ihm gerade noch die Flucht vor Marcy gelungen. Seine damalige Verlobte besaß ausgeprägte Besitzansprüche, vor denen er jetzt in Sicherheit war - auch wenn er das damals nicht gleich begriffen hatte. Flucht. Genau das hatte er vor, aber zuerst musste er ein Haus finden. Er griff nach der Fernbedienung auf dem Nachttisch neben dem großen Doppelbett und schaltete den Fernseher ein. Immerhin schien Hollie Winslow den Weihnachtstrubel ebenso wenig zu mögen wie er selbst. Das ist immerhin ein Trost, dachte er und streckte sich nackt auf dem Bett aus. Eine gefühlsduselige Verfechterin weihnachtlicher Sitten und Gebräuche hatte ihm gerade noch gefehlt. Währenddessen am Nordpol... Claudias Notiz war ärgerlich knapp gehalten. Santa Claus beäugte sie misstrauisch und vermisste einen Hinweis darauf, in welches Seebad Claudia zur Erholung fahren wollte. Seine Frau war nicht mehr dieselbe, seit sie angefangen hatte, Fitnessübungen nach diesen Videobändern zu machen und komische Frauenzeitschriften zu lesen. Neue Frau hieß eine davon bezeichnenderweise! Nicht, dass er sich beschweren wollte. Er fand Claudia unglaublich sexy in ihrer engen Elfenstrumpfhose, die sie zu einem schrillen Weihnachtspullover trug. Aber dennoch, er wäre um einiges glücklicher, wenn er wüsste, wo sich dieses Seebad befand ... und wo sie die Weihnachtsplätzchen versteckt hatte.
2. KAPITEL 17. Dezember Noel Hawksley parkte seinen schwarzen Lexus vor dem Gebäude von Premiere Homes. Nachdem er seinen morgendlichen Kaffee getrunken hatte, war er sofort losgefahren, damit er Miss Winslow nicht wieder verpasste. Er stöhnte auf, als im Radio das nächste Weihnachtslied erklang. Er stellte den Motor ab und damit das Lied, was ihm sehr viel leichter fiel, als seine Abneigung gegen das Weihnachtsfest abzustellen. Am Weihnachtstag geboren, hatte er als Kind niemals ein echtes Geburtstagsgeschenk bekommen. So hatte er diesen Tag von Anfang an gehasst. Und dann war er ins Einzelhandelsgeschäft eingestiegen. Sein Job bestand darin, neue Standorte für Bon Marche zu finden, die landesweite Kette von Warenhäusern gehobenen Standards. Jedem in dieser Branche graute irgendwann vor Weihnachten. Überarbeitet und gestresst bis zum Gehtnichtmehr, flüchtete Noel jedes Jahr Heiligabend nach St. Barth in der Karibik. Mengen von gut gebauten Frauen in Bikinis und unberührte weiße Strände entschädigten ihn für den grässlichen Weihnachtsrummel, der ihm jedes Jahr die Mordlust in die Fingerspitzen trieb. Das einzige Mal, wo er so dumm gewesen war, seine Meinung über Weihnachten zu ändern, hatte in einem Desaster geendet. Vor einem Jahr, am Heiligabend, hatte die Frau, die er zu lieben glaubte, die Verlobung gelöst. Er hatte es Marcy nie verziehen, und sein Hass auf Weihnachten hatte sich nur noch vertieft. Noel stieg aus und marschierte ins Maklerbüro, entschlossen, endlich zu bekommen, was er sich vorgenommen hatte. „Mein Name ist Noel Hawksley. Ich möchte Miss Winslow sprechen", erklärte er der jungen Frau an der Rezeption, die gerade einen Anruf entgegennahm. „Erste Tür rechts", hauchte sie, die Hand auf dem Hörer. Noel folgte der Anweisung und fand eine üppige Brünette an einem unaufgeräumten Schreibtisch vor. Sie murmelte etwas vor sich hin, während sie in dem Stapel vor sich etwas suchte. „Elena, du kleines Biest, wenn du dir mein Telefonbuch geschnappt hast, um es als Malbuch zu benutzen ..." Da sie mit ihrer Tätigkeit fortfuhr, ohne ihn wahrzunehmen, schaute sich Noel unterdessen ein wenig im Raum um. Als sein Blick auf das Poster zu ihrer Rechten fiel, lachte er schallend, und das machte Hollie auf seine Anwesenheit aufmerksam. Es war ein Foto des berühmten Hearst Castle, San Simeon, und quer darüber stand gedruckt: Blitzschnell verkauft. Die Frau wurde rot und versuchte ihre Verlegenheit durch ein schnelles, geschäftsmäßiges: „Kann ich Ihnen behilflich sein?" zu überspielen. Er streckte ihr die Hand hin. „Noel Hawksley. Erinnern Sie sich vielleicht noch daran, mit mir gesprochen zu haben?" „Natürlich. Ich habe gerade Ihre Nummer gesucht, um Sie anzurufen. Ich hatte Schwierigkeiten, die Immobilienmaklerin zu erreichen, aber heute Morgen hat sie endlich auf meine Nachricht reagiert, und ich habe einen Termin abgemacht. Die Besitzer sind zurzeit auf Reisen, aber wir können jederzeit mit dem Schlüssel der Maklerin zu einer Besichtigung ins Haus hinein." „Meinetwegen kann es jederzeit losgehen", informierte er sie und warf dabei einen Blick auf ihren chaotischen Schreibtisch. Ein Fläschchen roter Nagellack, ein Männerdeodorant, Füller, Kugelschreiber, ein Handy und diverse Papiere und Unterlagen gaben sich dort ein farbenfrohes Stelldichein. Hollie Winslow schob schwungvoll alles zusammen in ihren Aktenkoffer und warf Noel ein Lächeln zu. „Ich bin bereit." Sie führte ihn zu ihrem Wagen, und auf der Fahrt zum Haus las er sich die detaillierten Unterlagen über das Objekt durch. Nur mit Mühe enthielt er sich einer bissigen Bemerkung zu ihrer offensichtlichen Neigung, ständig die Fahrbahn zu wechseln. Normalerweise regte er sich über solche Typen wahnsinnig auf, aber je eher er heute die Sache hinter sich
brachte, umso besser. Da kam ihm diese rasante Maklerin nur gelegen. „Haben Sie eine Privatschule oder eine Staatliche Schule im Sinn?" fragte sie, als sie an einer Ampel warten mussten. „Ich gehe nicht mehr zur Schule", kam die trockene Antwort. „Nein, ich meinte ... Ach, dann haben Sie keine Kinder." „Keine Kinder." „Ich verstehe. Also, das Haus liegt in einer guten Wohngegend, nicht weit von der Galleria. Ihre Frau wird dort bestimmt gern einkaufen. Ich mache dort auch meine Weihnachtseinkäufe." „Keine Frau", erwiderte er mit unbewegter Miene. „Oh ... Nun, dann wird Ihnen eben das Einkaufen dort gefallen." „Nein, das wird es nicht." „Ach, dann sind Sie wie die meisten Männer und mögen nicht einkaufen." „Es geht nicht ums Einkaufen. Es hängt mit der Jahreszeit zusammen." „Mögen Sie die Weihnachtsfeiertage nicht?" fragte sie überrascht. „Ich hasse sie." Das schien sie zu schockieren. Es war, als hätte er gesagt, er glaubte nicht an den Weihnachtsmann. Vielleicht sollte er ein wenig umgänglicher sein. Sie schien Weihnachtseinkäufe zu lieben - auf dem Rücksitz stapelten sich noch unverpackte Geschenke in jeder Form und Größe, mehrere Rollen Geschenkpapier und glitzernde Schleifenbänder nebst fertigen Schleifen in allen Farben. Bestimmt würde es sie erstaunen, wenn sie erfuhr, wie gut er sich mit Einkäufen auskannte. Mehr als sie selbst. Er wusste, welches Angebot den Konsumenten in einen Kaufrausch versetzte. Wusste, welche Musik sie dazu bringen würde, jegliche Kaufhemmung zu verlieren. Wusste, welche Farbe sie verführen würde, genügend lange in einer bestimmten Abteilung zu verweilen, um am Ende dort etwas zu kaufen. Und mehr als alle technischen und wissenschaftlichen Ressourcen stand ihm etwas weitaus Wertvolleres zur Verfügung: sein Instinkt, was Trends und die Kaufwünsche der Massen betraf. Genau das verschaffte ihm hohes Ansehen in der Firma - und ein angenehm üppiges Gehalt. Aber nicht das Geld trieb ihn an oder befriedigte ihn. Es war die Neugier. Er war immer rastlos und leicht zu langweilen. „Da sind wir", verkündete Hollie, als sie vor dem zweistöckigen Haus hielten. Ein gepflasterter Weg führte zu einer breiten Veranda. „Das stimmt." Er folgte ihr. Sie ging langsamer, als sie fuhr, aber das konnte an dem knöchellangen schwarzen Gabardinerock liegen, den sie trug. Ihre schlanken Fesseln wurden umschlossen von Wildlederstiefeln mit acht Zentimeter hohen Absätzen. Ihre kurze schwarze Wildlederjacke bedeckte den Rest von ihr und verbarg die interessanteren Teile ihrer Anatomie. Ein Kranz aus Tannenzweigen an der Haustür war der einzige weihnachtliche Schmuck, wie Noel auffiel, während Hollie in ihrem Aktenkoffer nach dem Hausschlüssel fischte. So wie viele Geschäftsfrauen benutzte sie ihren Aktenkoffer offenbar auch als Handtasche, um nicht beides mit sich herumschleppen zu müssen. „Elena, ich erwürge dich", murmelte sie vor sich hin. „Gibt es ein Problem?" erkundigte er sich, als sie immer hektischer wühlte und sich schließlich auf ein Knie sinken ließ, um besser suchen zu können. „Ich kann den Hausschlüssel nicht finden, obwohl ich sicher bin, dass er hier drinnen sein muss. Wenn ich ihn verloren habe, kostet mich ein neues Schloss ein Vermögen. Bitte, spuck ihn aus!" flehte sie nun den Aktenkoffer frustriert an. Miss Winslow verhielt sich so professionell und organisiert wie eine Vierjährige. Er konnte sich nicht vorstellen, dass der Spruch in ihrem Büro auf sie gemünzt war. Er hatte Mühe, nicht ungeduldig mit dem Fuß zu tappen, während sie weiterhin in ihrem Aktenkoffer wühlte. Er war davon überzeugt, dass der Schlüssel überall sein konnte, aber nicht in diesem Koffer. Das war kein gutes Omen, was die Hausbesichtigung
und einen schnellen Verkaufsabschluss betraf. „Er ist nicht da", gab sie schließlich auf. Eigentlich war keiner von ihnen überrascht. „Und was nun?" fragte er, während er zusah, wie sie ihren ganzen Kram wieder in den Aktenkoffer stopfte. Er war wirklich neugierig, wie sie die Lage meistern würde. „Also, mir gefiele es gar nicht, wenn wir ganz umsonst hergefahren wären." Sie strich sich ihre vollen braunen Haare zurück und überlegte einen Moment. Noel nutzte die Zeit, sich ihre ausdrucksstarken grünen Augen genauer anzusehen. „Okay, okay, wir können auch durch die Fenster schauen, wo wir doch schon hier sind." Sie ging hinüber zu dem Fenster zu ihrer Linken. Da die Gardinen zurückgebunden waren, konnte man durch die Doppelscheiben hineinsehen. Es ist ihr tatsächlich ernst, dachte er verblüfft, als sie nun begann, ihm das Innere des Raums zu beschreiben. Sie wollte ihm das Haus verkaufen, nachdem er gerade mal einen Blick auf die Außenwände hatte werfen können! „Sehen Sie, das Haus besitzt einen Kamin. Das ist doch eine nette kleine Draufgabe, finden Sie nicht? Für geschäftliche Abendessen ein unbedingtes Plus, meine ich." Er stellte sich neben sie und blickte ins Hausinnere, dann sah er wieder sie an. „Ich veranstalte zu Haus keine Geschäftsessen. Ich bin Single, deswegen esse ich in Restaurants. Soweit ich weiß, ist St. Louis für seine ausgezeichneten Restaurants bekannt." „Das stimmt. Besonders was die italienische Küche betrifft." Offenbar wild entschlossen, ihre blödsinnige Idee weiterzuverfolgen, ging sie zum Nebenfenster. „Sehen Sie, auch der Wohnraum hat einen Kamin." Es schreckte sie nicht ab, dass er stehen blieb, sondern sie vervollständigte ungerührt die Liste der verkaufsfördernden Aspekte des Zimmers. „Schauen Sie nur, die wundervollen alten Deckenbalken und den handwerklich perfekt verlegten Holzfußboden. Und die Verandatüren haben sogar Fensterstege." „Mich interessiert mehr, ob die Küche eine Mikrowelle hat und ob der Wohnraum groß genug ist, um einen großen Fernseher und einen normal großen Poolbillardtisch unterzubringen." „Einen Poolbillardtisch?" wiederholte sie, sichtlich überrascht. Anscheinend hatte sie ihn anders eingeschätzt. Sein maßgeschneiderter Anzug ließ nicht vermuten, dass er für Motorradfahren und verrauchte Zimmer einiges übrig hatte. Er zuckte mit den Schultern. „Manche entspannen sich mit Yoga oder Angeln. Bei mir ist es Poolbillard." „Dann wollen wir uns einmal die Rückseite ansehen", schlug sie vor. „Das Haus hat den typischen Zuschnitt der traditionellen Häuser in St. Louis mit einem Wohn- und Esszimmer an der Vorderseite und Küche und Kinderzimmer nach hinten heraus." Mut hatte sie, das musste er ihr zugestehen. Und da er nichts Besseres zu tun hatte, schlenderte er hinter ihr her zur Rückseite, um zu sehen, was dort die Fenster boten. Falls man überhaupt hineinsehen konnte. Von der breiten Veranda aus Zedernholz, die sich an der gesamten Rückseite entlangzog, hatte man einen guten Einblick in die hinteren Räume. Noel ließ Miss Winslow zuerst die wenigen Stufen hinaufgehen und genoss den Anblick. Ihre schwingenden Hüften waren weitaus interessanter als der ausgedehnte Garten, der das Haus umgab. „Für Ihre Bedürfnisse ist hier wahnsinnig viel Platz", rief sie bestens gelaunt, als sie die wirklich große Wohnküche erblickte. „Und sehen Sie, die Kücheninsel in der Mitte hat eine eingebaute Mikrowelle, und die Küche hat sogar weiße Einbauschränke mit Glasscheiben. So brauchen Sie nicht lange nach der Kaffeedose zu suchen, wenn Sie morgens noch im Tran sind." Er erkannte sehr wohl die Spitze, musste aber zugeben, das Haus kam seinen Vorstellungen ziemlich entgegen. „Okay, es sieht hier unten nicht schlecht aus, aber was ist mit dem Obergeschoss? Ich
brauche Platz für ein Arbeitszimmer -mit ausreichender elektrischer Kapazität für Fax, Computer, Kopierer und so weiter." Er schaute hinauf zu den Fenstern über ihnen, dann sah er wieder Hollie an. „Also, wenn ich Sie hochhebe, und Sie stellen sich auf meine Schulter, dann könnten Sie mir berichten..." Hollie starrte auf ihren langen, engen Rock und ihre Stiefel, dann blickte sie wieder Noel an. „Kommt gar nicht in Frage. Sie werden Ihre Fantasie bemühen müssen." Ihre Antwort wurde mit einem lasziven Grinsen seinerseits belohnt. Hollie wusste selbst, sie hatte einen schlechten Start hingelegt, und natürlich hielt er sie für unfähig. Aber wenn sie erst ihre Provision einstrich, würde sie lächeln, nicht er. Und sie würde ihm das Haus verkaufen, denn darin war sie einfach gut. Mr. Hawksley wird sich noch wundern, wie gut! dachte sie. Hollies Trick, Noel das Haus von außen zu verkaufen, hatte nicht funktioniert. Sie konnte einfach nicht fassen, dass sie es überhaupt versucht hatte. Aber manchmal ritt sie einfach der Teufel, sie konnte es dann nicht lassen. Und ganz besonders, wenn sie einen so steifen Typen wie ihren breitschultrigen, hoch gewachsenen Kunden vor sich hatte. Noel Hawksley besaß perfekte Manieren und hatte einen sonderbaren Effekt auf sie. Sie war seltsam nervös und befangen, als ginge es um ihr erstes Date und nicht darum, einen ersten Blick auf ein Verkaufsobjekt zu werfen. Ihr wurde klar, sie wollte nicht nur aus beruflichen Gründen ins Haus hinein. Sie wollte, dass er sie mochte. Warum? Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie ihn überhaupt mochte. Eins allerdings war sicher: Auf irgendwelche Spielchen ließ er sich nicht ein. Das Wort „Spiel" kam in seinem Vokabular anscheinend nicht vor. Sein Ton war und blieb geschäftlich, und das ist mir nur recht, dachte sie, als sie ihm eine Weile später wieder im Büro am Schreibtisch gegenübersaß. Sie wollte ihm ähnliche Häuser in der Gegend an ihrem Computer heraussuchen, wenn ihm das Innere des Hauses nicht gefiel, das er zuerst gesehen hatte. Sie fluchte unterdrückt. „Sagten Sie Mist!?" fragte er. Sie blickte vom Bildschirm auf. „In diesem hier gibt es nicht genügend Platz für ein zusätzliches Arbeitszimmer." Sie seufzte und wünschte, sie wäre jetzt zu Haus und könnte Duftkugeln basteln, die diesen herrlichen Weihnachtsduft in ihren Zimmern verströmen würden. Stattdessen ließ sie sich von der Aussicht auf eine fette Provision dazu hinreißen, ihre Weihnachtsvorbereitungen liegen zu lassen ... Noel Hawksley, der Single, entpuppte sich mehr und mehr als nervtötender Grinch. Er gehörte zu den Kunden, die sich ausgiebig Zeit nahmen, genau das ihren Vorstellungen entsprechende Objekt zu finden. Obwohl er behauptete, bis Weihnachten einziehen zu wollen. „Vielleicht sinkt Ihr Blutzuckerspiegel ab, und Sie sind deswegen gereizt. Was halten Sie davon, wenn ich Sie zum Essen einlade? Dann können wir kurz bei Elena vorbeischauen, wer immer das auch ist, den Schlüssel holen und uns den Rest des Nachmittags das Haus ansehen." „Elena ist mein Patenkind. Ihre Mutter Sarah ist meine beste Freundin. Aber wegen des Essens haben Sie absolut Recht." Hollie fuhr ihren Computer herunter. Sie hatte zum Frühstück nur einen klebrigen bunten Engelkeks gegessen, den sie gestern Abend heimlich Sarah stibitzt hatte, nicht ohne dabei Elena verschwörerisch zuzuzwinkern. „Okay, ich lasse mich von Ihnen zum Essen einladen, da Sie darauf bestehen. Aber zuerst muss ich bei Sarah anrufen, um sicherzugehen, dass sie auch zu Haus ist." Wie sich herausstellte, fuhren sie zuerst zu Sarah, da Elena später Tanzunterricht hatte. Als Hollie klingelte, hörte sie Kinderschritte und eine Piepsstimme sagen: „Ich mach auf, Mommy." Hollie schickte schnell ein Stoßgebet zum Himmel, dass Elena nicht mit irgendetwas Peinlichem herausplatzte. Sarah hielt viel von repressionsfreier Erziehung. Die Tür wurde aufgerissen, und Elena warf sich Hollie in die Arme. „Kann ich heute
Abend bei dir schlafen, Tante Hollie? Bitte, bitte!" „Ich..." „Wer ist der? Dein neuer Freund?" „Tut mir Leid", entschuldigte sich Sarah. Sie kam gerade zur Tür, als Hollie tomatenrot anlief. „Elena ist wegen Weihnachten schrecklich aufgeregt. In der Hinsicht ist sie wie Hollie. Elena, runter da. Mit deinen Schuhen machst du Tante Hollies hübschen Rock schmutzig." Elena nahm die Arme von Hollies Hals, streckte sie in Richtung Noel aus und wollte offenbar den Kuschelplatz wechseln. Noel trat zwei Schritte zurück. „Komm, Kleines", sagte Hollie, setzte das Kind ab und ergriff ihre Hand. „Lass uns nach meinem Schlüssel und dem Telefonbuch suchen, die du dir gestern Abend ausgeborgt hast. Weiß du noch, wo du die Sachen verstaut hast?" „Sarah Smith", stellte sich Sarah vor, streckte ihre Hand aus und schüttelte den Kopf. „Sie müssen Elena verzeihen. Sie ist ziemlich ungeniert." „Was Sie nicht sagen", meinte er trocken. „Wollen Sie nicht mit in die Küche kommen? Unsere Hündin kratzt an der Küchentür. Sie will herein." Noel folgte ihr, neugierig, was ihn noch alles erwartete. Rundherum herrschten ähnlich chaotische Verhältnisse wie auf Miss Winslows Schreibtisch. Sie passierten das Esszimmer, auf dessen Tisch sich eine beachtliche Sammlung Tupperware häufte. Man könnte meinen, dass Sarah Smith im Begriff war, eine Tupperparty auszurichten. „Ich bin gerade beim Backen", erklärte Sarah. „Seit ich Elena adoptiert habe, übe ich meinen Beruf von zu Haus aus aus. Ich habe einen Catering-Service. Und dieses Jahr haben meine Kunden Riesenmengen an Weihnachtsgebäck bestellt. Niemand scheint heut mehr Zeit zum Backen zu haben, Gott sei Dank." Sarahs Küche war so einladend wie ihre Besitzerin. Die Hängeschränke mit ihren Milchglasscheiben waren gefüllt mit allerlei weihnachtlichen Dingen, und auf dem Regal über der Kücheninsel drängten sich Töpfe und Pfannen. Sarah öffnete die Küchentür, als Noel sich an den runden Tisch am Fenstererker setzte. Ein zotteliger schwarz-weißer Hund sprang auf Noels Schoß, legte ihm seine kleinen Pfötchen auf die Brust und leckte ihm eifrig das Gesicht. „Midnight, runter!" befahl Sarah. Midnight hörte anscheinend schlecht. „Sie haben doch keine' Angst vor Hunden, oder?" fragte Sarah, scheuchte die Hündin von Noels Schoß und gab ihr zur Ablenkung einen Hundekuchen. „Nein, das nicht, aber ich bin Hunde nicht gewohnt." „Wie schade. Es ist bestimmt nicht einfach, ständig beruflich auf Achse zu sein für seine Karriere." Sarah und Hollie hatten sich also über ihn unterhalten. Interessant. „Mir gefällt es so. Ich mag Herausforderungen." „Dann ist Hollie die richtige Frau für Sie. Obwohl Männer sie leider immer wieder enttäuschen. Huch, das hätte ich nicht sagen sollen!" Sarah schaute betreten drein. Bevor Noel fragen konnte, warum Männer Hollie enttäuschten, kam das Objekt ihrer Unterhaltung in die Küche. Triumphierend hielt sie ihr Telefonbuch hoch. „Ich habe es in Elenas Rucksack gefunden. Ich musste es gegen deinen dunkelroten Lippenstift eintauschen, Sarah. Nun fehlt nur noch der Schlüssel!" „Du hast ihr doch nicht den Lippenstift..." Sarah war schon in Richtung Schlafzimmer unterwegs, bevor Hollie ihr sagen konnte, dass sie sie nur auf den Arm genommen hatte. Sie hatte das Buch gegen den pinkfarbenen Lippenstift eingetauscht. „Also, was meinen Sie?" fragte Hollie und setzte sich Noel gegenüber an den Tisch. „Meinen?" Er sah sie verwundert an. „Na ja, was Sie von Sarah halten ..."
„Sie ist nett..." „Nett? Sie ist einfach super! Tolle Beine, große blaue Augen, dazu eine wahnsinnig gute Köchin und noch bessere Mutter!" „Ich dachte, wir wären auf der Suche nach einem Haus für mich." „Natürlich. Aber Sie sind Single, und da dachte ich, vielleicht würden Sie ..." „Einen großartigen Vater für Elena abgeben?" „Als sie erschrocken vor ihr zurückwichen, war das nicht unbedingt mein erster Gedanke, wenn ich ehrlich bin." „Ich weiß mit kleinen Kindern nichts anzufangen", wich er aus. „Dann sind Sie der Falsche für Sarah. Sie möchte noch ein Kind adoptieren." „Verkuppeln Sie immer nebenher?" fragte er und rieb mit seinen langen Fingern auf der Tischplatte herum. „Sehr zu Sarahs Bedauern. Sie meint, sie könne Kinder auch ohne Vater aufziehen. Ich bin mir da nicht so sicher. Was meinen Sie?" „Ich habe meine Kindheit in einem Internat verbracht. Meinen Vater sah ich nur in den Ferien." „Wie schrecklich." „Finden Sie?" „Sie nicht?" Hollie fand seinen Gleichmut ziemlich erstaunlich. Ihr hatten ihre Eltern immer gefehlt, er hatte sie gehabt, aber anscheinend hatte ihm diese Bindung nicht viel bedeutet. Sie hatte immer gedacht, jedes Kind sehne sich danach. „Sehen Sie Ihre Eltern noch oft?" fragte sie neugierig. „Im Urlaub - Weihnachten ausgenommen. Das feiere ich nur auf einer warmen Insel fernab von diesem verrückten Getue um die Weihnachtsfeiertage." „Wie kann man Weihnachten nicht mögen?" Sie meinte es ernst. „Es ist die schönste, zauberhafteste Zeit des Jahres, in der alles möglich ist. Wirklich alles." Midnight, mit ihrem Hundekuchen fertig, sprang auf Hollies Schoß, und geistesabwesend tätschelte Hollie ihr den Rücken. „Sie haben völlig Recht." Er schien nicht weiter darüber sprechen zu wollen. „Welche Zeit zeigt denn Ihr Lichterbaum an?" fragte Noel und deutete auf ihre Weihnachtsuhr. Seiner Miene nach zu urteilen, fand er sie nicht so toll. „Eindeutig Zeit zum Essen. Kannst du uns vielleicht einen kleinen Happen machen, während ich nach dem Hausschlüssel suche?" wandte sie sich an Sarah, die gerade hereinkam. „Da Elena nicht bereit ist, sich den pinkfarbenen Lippenstift abzuschminken, müssen wir etwas finden, das farblich dazu passt. Was haltet ihr von einem Sandwich mit Erdnussbutter und Gelee?" „Du scheinst zu viel in der Gesellschaft von Vierjährigen zu verbringen", meinte Hollie und rümpfte die Nase. „Hast du denn nichts für Erwachsene?" „Wie wäre es mit gegrillten Käsesandwiches?" „Perfekt. Ich helfe dir. Sie haben doch nichts dagegen, hier eine Kleinigkeit zu essen, oder, Noel? So haben wir mehr Zeit, uns das Haus anzusehen." Noel nickte nur, er war überstimmt. Gerade als es in der Küche köstlich buttrig anfing zu duften, kam Elena hereingewandert. Sie hatte eine Videokassette mit Cinderella in der Hand. „Mommy, ich komme nicht an den Videorekorder. Kannst du für mich die Kassette einlegen? Ich möchte mir den Film ansehen, bis die Ballettstunde beginnt." Sarah war gerade dabei, Salat zu waschen, und Hollie behielt die Käsesandwiches im Auge, damit sie nicht anbrannten. Beide Frauen drehten sich zu Noel um. „Ich kenne mich mit Videorekordern aus", versicherte er, stand auf und nahm Elenas Hand. „Du siehst aus wie der schöne Prinz", hörten die beiden Frauen Elena sagen, als Noel
ihr hinausfolgte. „Ist dir eigentlich klar, dass eine Vierjährige viel besser kuppeln kann als wir?" „Ja, und ich werde sie in ihrem Zimmer einschließen, bis sie älter als dreizehn ist. Und genau das ist auch der Grund, warum ich daran denke, einen älteren Bruder für sie zu adoptieren." „Was hältst du von Noel?" flüsterte Hollie, damit niemand mitbekam, dass sie sich über ihren Gast unterhielten. „Welche Art Mann mag weder Kinder noch Hunde?" kam Sarahs trockene Antwort. „Es sieht so aus, als würde er sie beide fürchten." „Er wuchs in Internaten auf und wird den Umgang mit ihnen nicht gewohnt sein." „Wirklich traurig." „Er wirkt auch irgendwie traurig, nicht wahr?" Hollie legte die Käsesandwiches auf eine Wärmeplatte und begann, weitere zu grillen, während Sarah den Salat zubereitete. „Er sagt, er liebt Herausforderungen, also habe ich ihm gesagt, du bist die richtige Frau für ihn." Hollie ließ den Pfannenschieber fallen. „Das ist nicht wahr!" „Doch. Geschieht dir nur recht. Glaub ja nicht, ich wüsste nicht, welche Kuppeleien du im Sinn hast." „Aber nun wird er denken, ich wäre scharf auf ihn." „Bist du es denn nicht?" „Ganz das Gegenteil." „Das kannst du deiner Großmutter erzählen!" „Ich bin wirklich nicht interessiert." Sie schüttelte heftig den Kopf. „Er ist nicht mein Typ." Sarah lachte. „Ja, zu groß, zu breitschultrig, zu attraktiv." „Er lächelt so selten", beharrte Hollie. „Er wird mehr lächeln, wenn er längere Zeit mit dir zusammen verbringt. Du bist wirklich zum Piepen." „Ich will ihm nur ... huch!" Hollie konnte gerade noch das Sandwich auffangen, das vom Schieber herunterzurutschen drohte. „... ein Haus verkaufen, und das ist alles. Und hoffentlich in Rekordzeit, damit ich endlich meinen Urlaub genießen kann. Mit etwas Glück finden wir heute Nachmittag etwas, und Mr. Noel Hawksley, dieser Grinch, gehört der Vergangenheit an." „Grinch?" „Er hasst Weihnachten." Sarah brach in schallendes Gelächter aus. „Ihr zwei seid füreinander geschaffen!" prustete sie. „Einer ist das genaue Gegenteil vom anderen!" „Mach nur so weiter", tat Hollie beleidigt und tätschelte sich ihre widerborstigen Locken. „Und dabei wollte ich dir gerade sagen, wie gut mir deine neue Frisur gefällt." „Wirklich? Es ist ein Kaugummischnitt." Sarah trug die Schüssel mit dem Salat zum Tisch. „Kaugummischnitt?" Hollie stellte den Teller mit den goldbraunen Käsesandwiches dazu. „Heute Nacht krabbelte mein goldiges Zuckerpüppchen in mein Bett, weil sie einen Albtraum hatte, und irgendwie geriet ihr Kaugummi in mein Haar. So war eben ein Kurzhaarschnitt fällig. Ich muss zugeben, er ist um einiges praktischer als lange Haare." „Damit siehst du aus wie Demi Moore in Ghost." „Dann behalte ich ihn." „Ruf den Grinch und Elena, ich hole indessen die Teller, Servietten und Pommes frites", sagte Hollie, da sie Noel nach Sarahs Kuppelversuchen nicht allein gegenübertreten wollte. Ihre eigenen Versuche waren wenigstens ein wenig diskret gewesen. Zuckerpüppchen half ihr auch nicht gerade, indem sie darauf hinwies, dass Noel wie der Märchenprinz aussah.
Nicht einmal sie selbst glaubte, dass es eine gute Fee gab, die Noel in jemanden verwandelte, mit dem man gern zusammen war. Und sie hatte nur einen einzigen Plan: so schnell wie möglich ein Haus für Noel zu finden und einen Wagen für sich, von der netten Provision, die sie einstreichen würde. Ende der Geschichte. Keine magischen Schuhe, kein rauschender Ball, kein gut aussehender, düsterer Prinz. Also, das nannte sie ein Happy End. Noel schaute auf die kleine Prinzessin, die auf seinen Schoß gekrabbelt war, nachdem er das Cinderella-Video in den Rekorder geschoben und sich auf dem Sofa niedergelassen hatte. Sie schien sich dort ausgesprochen wohl zu fühlen und hatte sich an ihn gekuschelt, während sie den Film anschaute. Zu seiner eigenen Überraschung fühlte er sich ebenfalls wohl. Als Nächstes würde er noch an Märchen glauben. Und schöne Weihnachten. Und Happy Ends. Ihm war klar, er musste auf der Hut sein. Besonders gegen diese pfiffige Immobilienmaklerin, die seine Fantasie anregte, wie er sich eingestehen musste. Was war an Hollie Winslow, dass er so reagierte? Wo war sein kühler Verstand geblieben? Unterdessen am Nordpol... Santa Claus saß in seinem bequemen Sessel, die rot bestrumpften Füße auf dem Hocker. Sein gemütlicher Bauch war bedeckt mit Frauenzeitschriften, die er in Claudias Badezimmer gefunden hatte. Mit etwas Glück würde er darin das Seebad finden, in das sie sich abgesetzt hatte. Vielleicht hatte sie den Namen unterstrichen und verriet sich damit unabsichtlich. Mit den Plätzchen hatte er kein Glück gehabt. Er hatte gesucht und gesucht, sogar in den Quartieren der Elfen. Sie hatten behauptet, nichts davon zu wissen. Auch im Rentierstall war er nicht fündig geworden. Vielleicht hatte er sich die Kekskrümel auf Rudolphs Nase auch nur eingebildet. Claudia hatte das Rentier doch nicht etwa mit den Schokoladenkeksen gefüttert, weil sie auf ihn sauer war? Er blätterte die Seite um, griff nach der Fernbedienung und zappte, bis er das Hockeyspiel gefunden hatte. Das spannende Match entschädigte ihn nur mäßig dafür, dass er sich dabei mit ein paar Diätcrackern zufrieden geben musste, die er in der Küche ausgegraben hatte.
3. KAPITEL 18. Dezember „Also, was geschah mit Mr. Smith?" erkundigte sich Noel am Nachmittag auf dem Weg zu dem Haus, an dem er interessiert war. Hollie hatte endlich den Schlüssel gefunden, in ihrer anderen Handtasche. Elena konnte ihn gar nicht gehabt haben. „Es gibt keinen Mr. Smith. Hat es nie gegeben. Sarah hat Elena adoptiert." „Und was meinen Sie? Braucht Elena einen Vater? Sie scheint mir ein glückliches Kind zu sein, vielleicht ein wenig verwöhnt." „Da ich in Waisenhäusern und Pflegefamilien aufgewachsen bin, werde ich immer der Meinung sein, es sollten zwei Eltern da sein." „Wieso sind Sie in Waisenhäusern aufgewachsen?" In der nächsten Sekunde brüllte er: „Vorsicht, dieser Vollidiot in dem dicken Schlitten wechselt einfach auf unsere Spur!" Hollie gelang es, dem glatzköpfigen Fahrer auszuweichen, den sie auch schon selbst bemerkt hatte. „Meine Eltern kamen bei einem Autounfall ums Leben, als ich noch klein war." „Und man hat Sie nicht adoptiert? Ich kann es kaum glauben, bei Ihren süßen Locken! Oder haben Sie viel Ärger gemacht? So viel, dass keiner Sie mehr niedlich fand?" „Ich habe anscheinend immer vergessen, wann Besuchstag war", versuchte sie zu erklären. „Wenn uns potenzielle Adoptiveltern besuchten, war ich immer zufällig nicht da." „Sehr wahrscheinlich hockten Sie gerade in einem fremden Obstbaum und klauten Birnen, die sie anschließend den anderen Kindern verkauften." Hollie lachte. „Woher wissen Sie das?" „Ich bin im Handel tätig." „Und wie kommt es, dass Sie in Internaten aufwuchsen?" fragte sie, als sie die Straße hinunterfuhren, in der das Haus stand. „Mein Vater war Botschafter in den Niederlanden. Er verliebte sich in ein holländisches Mädchen, und die beiden kamen beruflich ein wenig in der Welt herum. So wurde ich in ein Internat in Den Haag geschickt." „Deswegen also der leichte Akzent." „Ja, stimmt", gab er ihr Recht. Sie hielten vor dem Haus an. „Kommen Sie, Miss Winslow, sehen wir, ob Sie mir dieses Haus auch von innen verkaufen können." Eine leichte Brise lüpfte die rote Schleife an der Haustür, als Hollie den Schlüssel ins Schloss steckte. „Schreiben Sie sich bitte ein." Sie reichte ihm die Besucherliste, die auf dem Tisch lag, dazu einen Stift. Schon auf den ersten Blick war zu sehen, das Haus war vom Fachmann eingerichtet worden. Aber die persönlichen Dinge, die einem Haus die Wärme gaben, fehlten. Hier hätte auch niemand leben können. Hollie empfand Mitleid mit dem Haus. Nirgendwo Bilder von irgendwelchen Lieben. Keine Kinderzeichnungen oder lustige Cartoons, nicht einmal kitschige Magnetfiguren an der Kühlschranktür. Abgesehen von den Kleidern in den Schränken sah das Haus aus wie ein Musterhaus aus einem der Neubaugebiete in der Nähe. „Wie finden Sie es?" fragte Hollie, als sie die Treppe ins Obergeschoss hochgingen. „Sie sind die Verkäuferin - sagen Sie es mir. Warum sollte ich dieses Haus kaufen?" „Es liegt in einer guten Gegend, der Preis ist akzeptabel, die Grundkosten gering, und Sie können noch vor Weihnachten einziehen", erwiderte sie, während sie auf ihren Unterlagen nachschaute, dass auch alles stimmte. „Aber..." „Aber?" „Ich höre ein Aber aus Ihrer Stimme heraus. Sagen Sie mir, warum ich es nicht kaufen sollte." Hollie schlenderte hinüber zu den großen Küchenfenstern und schaute hinaus in den
wirklich riesigen Garten. Der Kühlschrank sprang an und summte in das Schweigen zwischen ihnen. Schließlich antwortete sie. „Ich glaube nicht, dass es das richtige Haus für Sie ist." So, nun war es heraus - und sie hatte wohl den Verstand verloren. Schließlich sollte sie ihm den Kauf schmackhaft machen, nicht ihn auch noch davon abhalten. „Dies ist ein trauriges Haus, das eine glückliche Familie verdient." „Was?" Er starrte sie fassungslos an. „He, ich mag es ebenso wenig wie Sie, aber Sie haben mich gefragt, so habe ich geantwortet. Ich glaube nicht, dass Sie und das Haus zusammenpassen, egal, wie gern ich es Ihnen verkaufen und endlich meinen Urlaub antreten möchte." „Das ist der einzige Grund - dieses Gefühl, das Sie in Bezug auf mich und dieses Haus haben?" Hollie nickte. „Dann wollen wir ein Angebot aufsetzen", forderte er sie auf und setzte sich an den Küchentresen. „Sie haben doch sicher daran gedacht, ein Formular mitzubringen?" „Natürlich." Sie setzte sich zu ihm an den Tresen und holte das benötigte Formular aus ihrem Aktenkoffer. „Welches Angebot möchten Sie einsetzen?" fragte sie, nachdem sie die Standardinformationen eingetragen hatte. „Sagen wir, zwanzigtausend Pfund unter dem verlangten Verkaufspreis." Sie sagte nichts darauf, sondern trug die Summe ein. „Sie sind nicht einverstanden?" „Es ist Ihr Geld. Ich wundere mich nur über Ihr Feilschen, wo Sie möglichst vor Weihnachten einziehen und die Stadt wieder verlassen wollen." „Niemand erwartet, den vollen Preis zu bekommen. Ich mag zwar dringend ein Haus gebrauchen, aber dumm bin ich nicht. Oder traurig", setzte er noch hinzu. Hollie lachte. „Sie mögen es nicht, wenn Ihnen jemand etwas vorschreibt, nicht wahr?" „Sie etwa?" konterte er und unterschrieb das Papier, das sie ihm über den Tresen zuschob. Volltreffer. Sie hatte es tatsächlich nicht gern, wenn man ihr etwas vorschrieb. Sie war durch ihre elternlose Jugend sehr selbstständig geworden. „Also, ich werde dem Verkäufer Ihr Angebot unterbreiten und Ihnen so bald wie möglich Bescheid geben." Sie faltete das Formular zusammen und steckte es in ihren Aktenkoffer. Dann holte sie ihr Handy heraus. „Ich muss nur noch einmal kurz telefonieren, dann können wir los." Noel inspizierte das Haus nicht weiter, während sie telefonierte. Er schien völlig uninteressiert zu sein. Sehr wahrscheinlich ist das Haus nur eine finanzielle Investition, überlegte sie. Er hatte es wohl satt, nur in Hotelzimmern zu wohnen. Sarah hatte etwas davon erzählt, er würde jedes Jahr an einen anderen Ort umziehen, weil er dort eine neue Filiale eröffnete. Was für ein schrecklich einsames Leben. Kein Wunder, dass so viel Traurigkeit von ihm ausging. Er und das Haus taten ihr Leid. Hollie hatte ihren Ohren nicht getraut, als Noel ihr anbot, sie beim Einkaufen zu begleiten, bis sie eine Reaktion auf sein Angebot hörte. Mit Schrecken hatte sie sich vorgestellt, sich mit einem muffigen Begleiter herumschlagen zu müssen, der sich darüber beschwerte, wie lange sie mit ihrem Make-up brauchte, oder über die Massen der Weihnachtseinkäufer und das lange Warten stöhnte. Stattdessen war er unerwartet sogar eine Hilfe gewesen. Mit seiner Unterstützung hatte sie schnell ihre geschäftlichen Geschenke eingekauft und auch noch die Barbiepuppe gefunden, die Elena sich sehnlichst wünschte. Es war die letzte dieser Barbiepuppen in dem Spielzeuggeschäft gewesen. Leider hatte sie nur die falsche Kleiderfarbe. Elena wünschte sie sich mit einem
pinkrosa Outfit, nicht in Apricot. Noel verstand sogar den Unterschied. Die Arme voller Geschenke, stand Hollie nun mitten im Geschäft und überlegte. Er hatte ihr angeboten, die Sachen zu tragen, aber sie wollte ihr Glück nicht auf die Spitze treiben. Am klügsten war es, sie gingen zum Wagen zurück und luden die Pakete in den Kofferraum. Dennoch konnte sie sich nicht entschließen, die Puppe zu kaufen, da das Geschäft am anderen Ende des Einkaufszentrums vielleicht noch eine mit pinkrosa Kleid hatte. Andererseits, wenn sie die Puppe wieder hinlegte, bestand das Risiko, dass jemand anderer sie gekauft hatte, sollte sie unverrichteter Dinge aus dem anderen Laden zurückkehren. Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach? sinnierte sie und war drauf und dran, die mit dem falschen Kleid zu nehmen, als gar keine mehr zu bekommen. „Hier, halten Sie mal einen Moment", sagte sie dann impulsiv und drückte Noel Hawksley ihre Geschenkpakete samt Barbie-puppe in die Hand. Anschließend schob sie ihm noch zwei kleine Päckchen mit Barbiezubehör in die Jackentasche. „Was auch immer passiert, geben Sie ja die Barbiepuppe nicht aus der Hand", befahl sie ihm. „Ich bin gleich zurück." „Wohin...", fing Noel an, aber sie war schon in der Menge verschwunden. Also blieb ihm nichts übrig, als zu warten - nicht gerade seine Lieblingsbeschäftigung. Und noch schlimmer, eine Frau mit roten Haaren warf begehrliche Blicke auf die Barbiepuppe. Das vierjährige Ebenbild der Frau zerrte ungeduldig an ihrem Arm und schrie: „Ich will die Puppe haben, Mommy. Ich will sie! Ich will!" „Es sind keine mehr da", versuchte die Frau sie mit geduldiger Stimme zu besänftigen. „Aber ich will sie haben!" kreischte die Kleine. Müde und gereizt und voll weihnachtlicher Gefühle präsentiert sich das Publikum, dachte Noel trocken und wünschte sich meilenweit fort. Er schaute sich nach Hollie um, aber sie blieb verschwunden. Wenn er sich jetzt vom Fleck rührte, würde sie ihn niemals wieder finden. „Ich will die Barbiepuppe, Mommy! Warum hat der Mann eine Barbiepuppe?" Großartig! Jetzt kam er sich bereits wie ein Perverser vor, und Köpfe drehten sich zu ihm herum. Leute starrten ihn an. Die Frau mit dem Kind im Schlepptau kam näher. „Haben Sie vor, die Puppe zu kaufen?" fragte sie. „Vielleicht", erwiderte er ehrlich. „Und wann werden Sie das wissen? Denn wenn Sie sie nicht kaufen wollen - meine Tochter möchte sie haben." „Ich warte auf jemanden", erklärte Noel lahm. „Kann ich sie halten?" fragte das kleine Mädchen, glitzernde Tränen in den großen Augen. Noel ließ sich erweichen. Was konnte es schon schaden, sie die Puppe halten zu lassen? Bestimmt würde sie sie schnell langweilig finden und etwas anderes wollen. Mit einem stummen Seufzer gab er ihr die Puppe und wurde mit einem Lächeln belohnt. Noel wünschte, Hollie würde endlich wieder auftauchen. Eine andere junge Frau, schätzungsweise um die zwanzig, lenkte ihn ab, indem sie seine Jacke befühlte. „Wo haben Sie die gekauft? Ich brauche ein Geschenk für meinen Freund, und Ihre Jacke gefällt mir richtig gut. War sie sehr teuer?" „Sie ist von ..." Noel konnte sich im Moment nicht erinnern, von welchem Modedesigner sie stammte. „Darf ich mir das Markenschild einmal ansehen?" fragte die junge Frau ungeniert, rückte dichter heran und hob den Arm. „Calvin Klein", stieß Noel hervor und wich gleichzeitig zurück. Allmählich wurde ihm warm. Wo blieb Hollie nur?
Die junge Frau ließ sich nicht abwimmeln. Mittlerweile war ihm klar geworden, dass sie an mehr als nur seiner Jacke interessiert war. „Soll diese Puppe für Ihre kleine Tochter sein?" fragte sie. Ebenso gut hätte sie fragen können: Sind Sie verheiratet? „Nein. Sie ist für ..." Er schaute sich wieder um, und ihm brach der Schweiß aus. Die junge Frau und ihre Tochter waren verschwunden! Und mit ihnen die Barbiepuppe. „Entschuldigen Sie mich", sagte er und entfernte sich von der jungen Frau, die mit ihm zu flirten versucht hatte, um die beiden zu finden, die ihn um die Puppe erleichtert hatten. Er wollte nicht ohne Puppe dastehen, wenn Hollie zurückkehrte. Vor der Kasse standen sie nicht. Sie mussten in Windeseile bezahlt und sich aus dem Staub gemacht haben, und nun würde er sie nie mehr finden. Dann brauchte er auch nicht mehr im Laden auf Hollie zu warten. Er konnte ebenso gut nach ihr suchen und ihr eingestehen, dass er die Sache verpatzt hatte. Er meinte Hollie vorhin etwas von einem weiteren Spielzeuggeschäft murmeln gehört zu haben, als sie den Laden verließ. Höflich erkundigte er sich bei einer der Angestellten und erfuhr, dass es tatsächlich ein weiteres Geschäft am südlichen Ausgang des Einkaufszentrums gab. Schnurstracks marschierte er durch die Ladentür, als plötzlich ein schrilles Piepen seine Ohren beleidigte. „Bleiben Sie stehen, Sir!" bellte ein junger Angestellter ihm nach. Während Noel der Aufforderung Folge leistete, rief der junge Mann dem Geschäftsführer zu, zu ihnen zu kommen. Der Geschäftsführer hatte immer noch Pickel im Gesicht und kompensierte seine Jugend damit, dass er sich wichtig tat. „Kommen Sie zurück in den Laden, und folgen Sie mir", befahl er Noel. Noel biss die Zähne zusammen. „Da muss ein Missverständnis vorliegen." „Kommen Sie mit in mein Büro!" Alle Kunden blieben stehen und starrten Noel an. Er kam sich vor wie ein Krimineller. Er wusste, er hatte nichts mitgehen lassen. In diesem Moment kam endlich Hollie zurück. „Hallo, John, wie geht's dem neuen Haus?" Sie hatte John Pritchard vor ein paar Monaten kennen gelernt, als sie ihm und seiner jungen Frau half, ein günstiges kleines Haus zu finden. „Großartig. Meine Frau und ich sind nach wie vor begeistert. Aber etwas anderes, Hollie ... Kennen Sie diesen Mann hier?" fragte John. „Ja, er macht mit mir einen Einkaufsbummel. Warum fragen Sie?" „Die Diebstahlsicherung schlug an, als er den Laden verlassen wollte." „Was? Haben Sie etwa versucht die Barbiepuppe zu stehlen, Noel?" neckte sie ihn. „Ich habe diese Puppe nicht einmal mehr", knurrte Noel grimmig. „Was?" Das klang auf einmal gar nicht mehr neckisch. „Was meinen Sie damit, Sie haben die Barbiepuppe nicht mehr?" „Ich gab sie einem kleinen Mädchen zum Halten, und sie verdünnisierte sich damit", erklärte Noel. „Sehen Sie, John, das war es. Irgendwelche kleinen Kinder haben den Alarm ausgelöst." John warf einen fragenden Blick hinüber zu dem jungen Angestellten. Der schüttelte den Kopf. „Wir müssen einen Blick auf Ihre Einkäufe werfen, Sir", beharrte John. „John, bitte!" Hollie verdrehte die Augen. Aber der junge Mann war offenbar entschlossen, sich Gewissheit zu verschaffen. Noel reichte ihm die Päckchen und Tüten. Er kannte sich mit Sicherheitssystemen aus, und irgendetwas hatte den Alarm ausgelöst. Es sei denn, die Anlage war defekt. Aber bestimmt hatte ihm jemand versehentlich etwas in eine der Einkaufstüten gesteckt, und es würde sich leicht erklären lassen.
John prüfte die Päckchen und Tüten, während alle, wirklich alle im Laden herüberstarrten, als wären sie Zeuge beim Höhepunkt eines Dreiakters. Und dann stellte sich heraus, in den Einkäufen fand sich nichts aus diesem Laden. „Sehen Sie, ich habe es doch gesagt", erklärte Hollie triumphierend. „Ich muss Sie jetzt noch bitten, Ihre Taschen zu entleeren, Sir", ignorierte John Hollie. „John!" „Das ist leider Vorschrift, Hollie." Dann musste das System defekt sein. Mit einein übertriebenen Seufzer griff Noel in seine Jackentasche - und erstarrte. Außer dem Kleingeld befand sich noch etwas darin. Zögernd holte er es heraus. „Ich weiß nicht, wie das da hineingekommen ist", erklärte er entschieden und starrte auf die zwei kleinen Päckchen mit Barbiezubehör, als wären es winzige Marsmenschen, die irgendwie in seiner Tasche gelandet waren. „Ich aber!" rief Hollie. „Sie?" fragten John und Noel wie aus einem Mund. „Ich habe sie hineingeschoben, als ich Ihnen meine Einkäufe in die Hand drückte." „Vielen Dank, dass Sie mich informiert haben." Noel konnte den Sarkasmus in seiner Stimme nicht unterdrücken. „Dann ist es also tatsächlich nur ein Missverständnis", sagte John und nahm die beiden Päckchen. „Sie hatten wirklich nicht vor... äh ..." „Nein, ich kann Ihnen versichern, ich hatte nicht vor... äh ..." informierte ihn Noel kühl. „Darf ich jetzt gehen?" „Gehen Sie", gestattete ihm John großzügig. „Und Sie, Hollie, achten Sie das nächste Mal darauf, dass Sie ..." „Das werde ich, John, versprochen." Sie eilte aus dem Laden hinter Noel her, dessen lange Beine ihn zum nächsten Ausgang trugen. „Warten Sie doch auf mich", sagte Hollie atemlos, als sie ihn endlich eingeholt hatte. „Sehen Sie denn nicht das Lustige an der Situation?" versuchte sie ihr Glück, als sie das Einkaufszentrum zusammen verließen. Er blieb stehen und starrte sie düster an. „Was ist daran lustig, beinahe wegen Ladendiebstahls verhaftet zu werden", erklärte er. „Meiner Ansicht nach nicht das Geringste." „Na, kommen Sie, fanden Sie die Vorstellung nicht ein wenig aufregend, in Handschellen abgeführt zu werden?" Er sah sexy aus, wenn er sauer war. Und es gefiel ihr, ihn aus der Fassung zu bringen. „Nein." „Ja, ich vergesse immer wieder, was für ein steifer Typ Sie sind", sagte sie, als er ihre Einkaufstüten nahm, die sie abgestellt hatte, und ihr zum Wagen folgte. „Ich bin nicht steif!" Das ging ihm jetzt entschieden zu weit. „Na klar, Sie sind die Lockerheit in Person!" Nun regte sie sich über ihn auf. „Okay, okay, sagen wir, wir sind jetzt quitt." „Quitt?" Er glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Sie öffnete den Kofferraum, und er hievte ihre Einkäufe hinein. „Ja, quitt. Meinetwegen wären Sie beinahe verhaftet worden, aber Sie haben das kleine Mädchen mit meiner Barbie-puppe verschwinden lassen. Wissen Sie, wie schwierig es ist, eine solche Puppe zu finden? Es ist Elenas allergrößter Wunsch." „Also, ich konnte dem Mädchen die Puppe doch nicht mit Gewalt wieder abnehmen, oder? Was meinen Sie, was das für einen Aufstand gegeben hätte!" Hollie lachte, als sie beide einstiegen. „Mann, Sie scheuen wirklich jede peinliche Situation." „Ich glaube nicht, dass jemand, der bei klarem Verstand ist, es genießt, in Handschellen abgeführt und ins Gefängnis geworfen zu werden. Ich kann mir etwas Schöneres vorstellen."
„Kopf hoch, Noel. Wenn es nach der Boulevardpresse geht, müsste man mir Fingerabdrücke abnehmen. Irgendeine dumme Studie will herausgefunden haben, dass es in der Immobilienmaklerbranche mehr Kriminelle als in allen anderen gibt. Da wir Zugang zu den Häusern der Leute haben ..." „Wo wir gerade von Häusern sprechen, Ihr Pager hat sich noch nicht gemeldet, oder? Ich meine, dass mein Angebot angenommen wurde?" „Das hätte ich Ihnen doch gesagt." Sie fuhr vom Parkplatz herunter. „Selbst bei all dieser Aufregung?" „Ich weiß, Sie glauben mir nicht, aber in meinem Job bin ich gut." „Dann haben Sie John ein Haus verkauft?" „Ja, das süßeste kleine Haus, als er zum Geschäftsführer befördert wurde." Sie fuhren durch Kirkwood. Den Straßenlaternen hatte man große rote Laternen übergestülpt, und die Laternenpfähle waren mit Grün geschmückt. Hollie fand es zauberhaft. Noel hingegen vergrub sich in seine schlechte Laune, obwohl Hollie sich viel Mühe gab, ihn aufzuheitern. Er wollte sich nicht eingestehen, dass er Hollie anziehend fand. Aber Hollie brauchte niemanden, um Spaß zu haben. Das konnte sie ganz allein. Sie hatte es während ihrer mehr oder weniger einsamen Jugend gelernt. Sie fing an, Madonnas schmalzige Version von Santa Baby zu singen, während sie Richtung Garveys Restaurant fuhren. Sie wusste, seine bekannten Zwiebelhäppchen und ein eiskaltes Produkt einer einheimischen Brauerei würden Noels Stimmung garantiert heben. Noel saß neben ihr und kam sich vor, als balanciere er an einem Abgrund, immer wieder erschüttert von Gleichgewichtsstörungen. Hollie Winslow konnte ihn wütend machen, zum Lachen bringen, verlegen machen - sie brachte ihn dazu, etwas zu empfinden. Sie war eine gefährliche Frau. Je eher er ein Haus kaufte, desto besser. Er hatte sie gerade erst kennen gelernt, und doch wusste er es bereits. Er fühlte seinen Körper mehr denn je. Er hatte angeboten, mit ihr einkaufen zu gehen. Er hätte alles Mögliche angeboten, nur damit er mit ihr zusammen sein konnte. Es ging alles viel zu schnell. Es gefiel ihm nicht. Und doch wünschte er sich nichts mehr. Und am allermeisten hoffte er, sie nicht zu enttäuschen. Garvey's, Bistro und Sportlerbar, war für köstliches Essen, eine lockere, stimmungsvolle Atmosphäre und die großen Fernseher bekannt, auf die man von jedem der Tische aus einen ungehinderten Blick hatte. Da man zu zweit ein leckeres Gericht für unter zwanzig Dollar bekam, war hier immer viel los, selbst an einem Mittwochabend. Hollie schlug vor zu bestellen, da sie alle Gerichte inzwischen auswendig kannte. Er war einverstanden, und so orderte sie Onion Blossom Appetizer, die Garveys Ruf, ein genialer Küchenchef zu sein, aufgebaut und gefestigt hatten. Anders als die meisten frittierten Zwiebeln, waren diese hier nicht glitschig. Der Teig, der sie umhüllte, war würzig und knusprig. Die hübsche junge Kellnerin brachte ihnen die Vorspeise zusammen mit zwei kalten Bier, während sie auf die ebenfalls bestellte Grilled Chicken Pasta, ein Nudelgericht mit gegrilltem Huhn, Pilzen, Knoblauch, Basilikum und Petersilie, warteten. „Sind Sie sicher, dass Ihr Pager funktioniert?" fragte Noel. „Aber sicher. Sie müssen noch ein wenig Geduld haben. Ein Haus zu verkaufen ist oft mit Gefühlen verbunden, selbst wenn man sich längst dazu entschlossen hat. Ich habe es schon erlebt, dass Leute in der allerletzten Minute ihre Meinung wieder geändert haben." „Aber Sie meinen doch, ich bekomme das Haus?" „Ich weiß es nicht. Es steht noch nicht lange zum Verkauf. Ich denke aber, sie werden auf Ihr erstes Angebot reagieren." „Es kann sich also noch hinziehen ..." „Ja. Probieren Sie die Zwiebeln, und hören Sie auf, sich Gedanken zu machen. Dafür bin ich zuständig. Haben Sie diesen Film schon gesehen?" Sie konnte der Versuchung
einfach nicht widerstehen zu fragen, als Noel in die knusprigen Zwiebeln biss und ein anerkennendes Geräusch von sich gab. „Ich liebe ihn." Es lief gerade Das Wunder in der 34. Straße mit Mara Wilson und Dylan McDermott, eine rührselige Weihnachtsgeschichte. „Bislang konnte ich es vermeiden." Er warf einen kurzen Blick auf den Fernseher, dann schnell wieder fort, als wolle er sich nicht von der weihnachtlichen Atmosphäre einfangen lassen. „Wie kommt es, dass Sie ein Haus kaufen wollen, anstatt es zu mieten, oder im Hotel wohnen, während Sie hier eine neue Filiale eröffnen?" fragte Hollie. „Aber denken Sie nicht, ich will Ihnen den Kauf ausreden." „Dies könnte meine letzte Filialeröffnung sein." „Hat man Ihnen gekündigt? Werden Sie arbeitslos sein? Muss ich Ihre Kreditwürdigkeit überprüfen lassen?" „Nichts von alledem. Ich habe Ihnen bereits gesagt, ich zahle bar. Aber mein Job langweilt mich, und ich brauche eine neue Herausforderung. Mich interessiert der weltweite Internetmarkt." Natürlich. Er sprach sicherlich mehr als nur eine Sprache. Er hatte seine Ausbildung in Europa erhalten. Es zeigte sich sogar in seiner Kleidung. Sie hatte einen europäischen Touch. Er zog sich ausgesprochen gut an. Besser als die meisten Männer, die sie kannte. Zuerst hatte sie es auf seinen Beruf zurückgeführt. Aber nun wusste sie es besser. Noel Hawksley hatte Stil. Wie attraktiv er war, daran wollte sie nicht denken. Kein Weihnachtsfan mit Selbstrespekt konnte einen Grinch attraktiv finden. Das wäre mehr oder weniger emotionaler Selbstmord. Ein junger Mann kam heran und blieb an ihrem Tisch stehen. „Hi, ich bin Jake. Ihre Kellnerin musste weg. Der Wagen ihrer Mutter hat den Geist aufgegeben. Ich kümmere mich von jetzt an um Ihre Bestellung. Möchten Sie vielleicht noch etwas anderes?" Jakes Lächeln war wirklich umwerfend, und sein Blick wanderte kurz hinüber zum Fernseher, ehe er Hollie wieder anblickte. „Entschuldigen Sie, aber ich liebe diesen Film einfach." „Wie groß sind Sie, Jake?" fragte Hollie impulsiv, um sich von ihren irritierenden Gedanken abzulenken. „Einsdreiundachtzig. Bestimmt denken Sie, ich spiele Basketball, oder? Stimmt auch, und ist es nicht c6"ol, dass wir bei den Ausscheidungskämpfen dabei sind? Möchten Sie ein Autogramm?" witzelte er. „Nur unser Essen", mischte sich Noel ein. „Klar, ich kümmere mich sofort darum." Er verschwand. „Warum haben Sie ihn nach seiner Größe gefragt?" „Reine Neugier, mehr nicht", wich Hollie aus. Wenige Momente später brachte Jake ihre Pasta. Kaum hatte er sie abgestellt, meldete sich Hollies Pager. „Es klappt jedes Mal. Wieder einmal ein kaltes Essen", beschwerte sie sich und besah sich die Nachricht. „Sieht so aus, als hätten wir eine Antwort. Ich rufe gleich an. Fangen Sie aber ruhig schon an, sonst wird Ihr Essen auch kalt." Wenige Minuten später kam sie mit der Antwort für Noel zurück. „Tut mir Leid. Mit dem Haus wird es nichts. Jemand hat gleichzeitig ein Angebot abgegeben, das näher am geforderten Preis lag. Natürlich hat der Besitzer ihm den Vorzug gegeben." Noel wusste nicht, wie er auf die Nachricht reagieren sollte. Eigentlich hätte er enttäuscht sein müssen, nicht seltsamerweise erleichtert, weil er nun noch mehr Zeit mit Hollie verbringen konnte. Er war es nicht gewohnt, dass er nicht bekam, was er haben wollte. Noel Hawksley ahnte, dass diese Weihnachtsfeiertage sein Leben verändern würden. Ob er es wollte oder nicht.
Währenddessen am Nordpol... Na ja, wenigstens freuen sich die Telefongesellschaften, dachte Santa, während er das nächste Seebad in wärmeren Gefilden anrief. Bislang hatte er noch kein Glück gehabt und Claudia ausfindig machen können. Aber warum sollte er nicht auch die Telefongesellschaften dieses Jahr mit einem Weihnachtsgeschenk beglücken? „Hallo, ich versuche meine Frau zu erreichen. Ist in Ihrem Ort vielleicht jemand unter dem Namen Claudia Claus abgestiegen?" Er wartete, während die Person am anderen Ende der Leitung nachsah. „Nein, tut mir Leid, Sir. Wir haben hier niemanden gemeldet, der so heißt." Mit düsterem Gesicht legte Santa auf. Eigentlich hatte diese ganze Sucherei keinen Sinn. Sehr wahrscheinlich hatte sich Claudia unter einem anderen Namen angemeldet. Wenn sie ihm nur nicht so fehlen würde ... Es war das erste Mal, dass sie voneinander getrennt waren, und es machte ihm klar, wie sicher er sich ihrer bislang gefühlt hatte. Er hoffte, sie wollte ihm nur eine Lektion erteilen und war nicht für immer fortgegangen. Um sich von dieser schwarzen Aussicht abzulenken, zog er seinen Parka an und ging hinaus zu seiner Werkstatt. Die Elfen waren ziemlich muffig, weil sie Überstunden machen mussten, um noch mehr Barbiepuppen mit pinkfarbenen Kleidern herzustellen. Es schien, als wollte jedes kleine Mädchen auf der Welt eine Barbie im rosa Kleidchen haben.
4. KAPITEL Auf dem Weg zum Büro, wo Hollie sich noch ein paar Adressen aus dem Computer holen wollte, damit sie sich mit Noel weitere Häuser ansehen konnte, kam sie an dem viktorianischen Haus vorbei. Sie fuhr auf die Auffahrt und stellte den Motor aus. Vielleicht würde dieses Haus Noel gefallen. Beim letzten Mal hatte sie ganz vergessen, sich die Telefonnummer des Besitzers von Miss Claudia geben zu lassen. Sie wollte gerade klingeln, da wurde die Tür geöffnet, und zwei junge Mädchen im Teenageralter kamen heraus. Sie unterhielten sich angeregt über das, was sie gerade erfahren hatten. Hollie ging hinein. „Hallo", rief sie. Miss Claudia rief zurück: „Ich komme sofort." Gleich darauf tauchte sie auf. „Hallo ... Hollie, nicht wahr?" „Ja. Ich hatte vergessen, mir die Telefonnummer des Hausbesitzers geben zu lassen. Ich habe einen Kunden, der sich möglicherweise für das Haus interessiert." „Warten Sie, ich hole sie gleich." Miss Claudia verschwand in einem der Zimmer und kehrte mit einer Visitenkarte zurück. „Hier haben Sie sie." Sie reichte Hollie die Visitenkarte. „Wie geht es Ihrem Galan?" „Sie meinen den Einsfünfundachtziger?" fragte Hollie und verstaute die Visitenkarte in ihrer Handtasche. Miss Claudia nickte. „Bislang habe ich ihn noch nicht zu Gesicht bekommen. Sehr wahrscheinlich muss ich mir am Weihnachtsmorgen eine Pizza bestellen und den Lieferburschen überfallen, damit ich einen Einsfünfundachtziger unter meinem Tannenbaum finde!" „Das verstehe ich nun wirklich nicht", meinte Miss Claudia sichtlich verwundert. „Irgendwie muss sich ein Fehler in meine Kalkulation eingeschlichen haben. Er hätte schon längst aufgetaucht sein müssen." „Machen Sie sich deswegen keine Gedanken. Vielleicht bekomme ich ja diesen Brotbackautomaten, den ich mir gewünscht habe. Aber nun muss ich los. Danke für die Telefonnummer." Draußen warf Hollie einen Blick auf ihre Armbanduhr und sah, sie musste sich wirklich beeilen. Sie hatte sich mit Noel im Büro verabredet, und er war ziemlich pingelig, was Pünktlichkeit betraf. Das wusste sie inzwischen. Und wenn sie mit ihm den ganzen Tag lang Häuser ansah, sollte er nicht in schlechter Laune sein. Auf jeden Fall musste er dringend lernen, nicht immer den Miesepeter herauszukehren. Mit einem schnellen Blick in den Rückspiegel setzte sie zurück. Geradewegs in einen anderen Wagen hinein. Nun würde sie doch zu spät kommen, und Noel würde wütend werden. Der Tag war auf einmal völlig verdorben. Noel war bereits aus seiner Limousine ausgestiegen, die Hände in die Hüften gestemmt, und besah sich den Schaden. Dann blickte er ihr entgegen. „Ist alles in Ordnung mit Ihnen?" erkundigte er sich besorgt. „Natur..." Auf einmal wurde ihr ein wenig schwummrig im Kopf. Als sie den Schaden an seinem Kopf sah, gesellte sich Übelkeit hinzu. Feige ergab sie sich der nahenden Ohnmacht. Seine starken Arme fingen sie gerade noch rechtzeitig auf. „Hollie, Hollie..." Als sie seine erschrockene Stimme hörte, verscheuchte sie die Benommenheit und öffnete die Augen. „Mir geht es gut. Sie können mich wieder loslassen. Ich habe zum Frühstück nur eine Flasche Wasser getrunken. Mein Blutzuckerspiegel muss für ein paar Sekunden abgesackt sein." Sie bemerkte, wie er wieder auf seinen Wagen sah. „O nein, sehen Sie doch nur - Ihr Wagen! Woher kamen Sie eigentlich? Bevor ich zurücksetzte, habe ich doch noch in den Rückspiegel geschaut."
„Ihr Rückspiegel muss einen toten Winkel haben - oder Sie. Aber vergessen Sie erst einmal die Wagen. Ich möchte wissen, wie es Ihnen geht." „Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich endlich wieder absetzen würden, damit Sie sich selbst überzeugen können, dass es mir gut geht." Sie war froh, dass er sich mehr um sie als um seinen Wagen Sorgen machte. Sie kannte Männer, wo das nicht der Fall war. Er stellte sie wieder auf ihre eigenen Füße, und sie registrierte, dass ihre Beine sie wieder trugen, ohne in den Knien einzuknicken. „Ich glaube, beide Autos sind fahrbereit. Ich habe nur einen Blechschaden am Kotflügel. Wollen wir nicht zu Ihnen nach Haus fahren und die Versicherungsangelegenheiten erledigen? Bestimmt ist es dort bequemer - und sicherer noch dazu." Es fing an zu schneien, als Hollie und Noel ihre beschädigten Fahrzeuge vor Hollies kleinem weißen Haus mit der kirschroten Haustür und den grünen Fensterläden abstellten. „Warten Sie, stützen Sie sich auf mich", bot er Hollie an, als er ihr aus dem Wagen half. Als sie die Tür erreichten, nahm er ihr den Schlüssel ab und schloss auf. Dann folgte er ihr nach drinnen. Als Erstes nahm er den intensiven Tannenduft wahr. Ihr Weihnachtsbaum verkündete aller Welt, mit welcher Pracht er die Feiertage zu begrüßen gedachte. Alles funkelte und blitzte - Fenster, Spiegel, Glasschüsseln mit Früchten und Süßigkeiten, wie er sah, als sie vom winzigen Flur in den Wohnbereich traten. Er bestand aus einer offenen Küche und einem Wohnraum, der gleichzeitig auch als Esszimmer diente. Die großen Fenster schauten auf den schneebedeckten Garten. Hollie unterdrückte ein Frösteln. „Ich glaube, ich mache den Kamin an." „Sagen Sie mir nur, wo das Holz liegt, dann kümmere ich mich darum", erklärte Noel sofort. „Ich muss Sie leider enttäuschen, Buffalo Bill, aber das geht bei mir im Handumdrehen. Der Kamin ist gasbeheizt, auch wenn er echt aussieht. Dadurch wird es nicht so schmutzig im Haus. Kommen Sie, ich zeige es Ihnen." Sie hatte Recht. Er sah wirklich absolut echt aus. Er half ihr aus dem roten Mantel, und sie hängte beide Mäntel in den Garderobenschrank im Flur. Als sie zurückkehrte, rollte sie mit den Schultern und stöhnte. „Ich dachte, Ihnen wäre nichts geschehen." Er begann sich vom Sofa zu erheben. „Ich bin nur ein wenig steif vom Fahren", erklärte sie. „Ich hole uns jetzt eine heiße Schokolade und ein paar Plätzchen, und dann können wir die Autoversicherung anrufen." „Kann ich helfen?" „Nein, genießen Sie nur das Kaminfeuer." Genau das tat Noel, während er sich im Raum umschaute. Kerzenhalter aller Größen und Formen - inklusive ausgehöhlter Äpfel auf dem Couchtisch - standen überall herum. Über dem Kaminsims war eine Girlande aus Tannenzweigen angebracht, in die Stechpalmen und Schleierkraut eingearbeitet waren. An einem dicken gelben Band hingen die Weihnachtskarten, die Hollie bereits erhalten hatte. Er lächelte. Trotz seiner Abneigung gegen Weihnachten gefiel es ihm, wie sie die Räume dekoriert hatte. Noel starrte ins Feuer. Die Flammen übten einen hypnotischen Reiz auf ihn aus, machten ihn schläfrig. Gestern hatte er sich noch bis spät in die Nacht in seinem Hotelzimmer einen Film angesehen. Sobald er den Hauskauf erledigt und sich auf einer sonnigen Karibikinsel entspannt hatte, würde er mit den Vorbereitungen für die Eröffnung der neuen Filiale beginnen. Da er sich immer hundertprozentig auf eine Aufgabe stürzte, wusste er nicht so recht, was er mit sich anfangen sollte, wenn er nicht gerade arbeitete. Das war wohl auch der Grund, warum er Hollie so sehr drängte, ihm ein Haus zu suchen. Und er empfand durchaus Schuldgefühle dabei, denn sie hatte eigentlich Urlaub. Vielleicht fanden sie ja nachher ein Haus. Wenn es nicht mehr schneite. Im Augenblick
war ihm nur danach, am warmen Feuer zu sitzen und sich zu entspannen. Es war wirklich gemütlich in ihrem Haus. „So, da bin ich wieder", verkündete Hollie, ein Tablett in den Händen mit zwei Tassen Kakao darauf, das sie auf dem Couchtisch abstellte. „Ich habe ein wenig ButterscotchSchnaps in den Kakao gegeben. Der Karamellgeschmack wird unsere Nerven beruhigen na gut, zumindest meine. Wie schmeckt es?" rief sie ihm über die Schulter zu, als sie die Kekse holte, die sie in der Mikrowelle aufgewärmt hatte. „Angenehm weich. Hören Sie", fuhr er fort, als sie mit dem Plätzchenteller kam, „haben Sie nicht irgendwelche Spiele, die wir spielen können? Wir werden warten müssen, bis es zu schneien aufgehört hat, bevor wir uns die Häuser ansehen können." Sie griff nach einem Schokoladenkeks und biss hinein, während sie überlegte. „Ich habe Monopoly. Und natürlich Mensch Ärgere Dich Nicht, wenn Elena hier einmal übernachtet." „Monopoly", entschied er sich. „Wollen Sie nicht inzwischen die Versicherung anrufen, während ich das Spiel suche?" schlug sie vor, nachdem sie einen Schluck von der heißen Schokolade getrunken hatte. Sie reichte ihm das Handy. Er sieht tatsächlich aus, als würde er sich wohl fühlen, dachte sie, als sie im Schrank nach dem Spiel suchte. Der Blechschaden hat ihm die Laune nicht verdorben. Aber sie musste ja schließlich die Rechnung für die Reparatur bezahlen, nicht er ... Jeden Schaden über dreihundert Dollar musste sie selbst tragen, denn höher schätzte ihre Versicherung ihren Wagen nicht mehr ein. Aber immerhin war der Wagen noch fahrbereit. Sie schaute aus dem Fenster des Zimmers, in dem Elena immer schlief, wenn sie über Nacht blieb. Zumindest den größten Teil der Nacht, denn sehr früh am Morgen kam sie fast immer in Hollies Bett gekrabbelt. Es schneite immer noch. Wenn es so weiterging, würde sie es nicht mehr schaffen, bis morgen noch eine Barbiepuppe für Elena zu besorgen. Der Mann in ihrem Wohnzimmer hatte ihren gesamten Urlaub durcheinander gebracht. Und noch schlimmer - sie ebenfalls. Noel Hawksley war ein irritierender Mann. Er erinnerte sie daran, dass sie eine Frau war. Ein sexuelles Wesen. Sie lächelte, als sie nach dem Spiel griff. Durcheinander oder nicht - sie war entschlossen, diese Runde mit Noel zu gewinnen. Aber sie gewann sie nicht. Noel spielte wie Attila, der Hunnenkönig. Obwohl Hollie wusste, seine aggressive Spiel weise wurde angefeuert durch sein Bedürfnis, in einem bestimmten Licht zu erscheinen, war sie keine gute Verliererin. Zumindest nicht beim zweiten Mal. „Das war's. Ich habe keine Lust mehr turn. Spielen", verkündete sie entschlossen, als er sich über seinen zweiten Sieg lautstark freute. „Aber es schneit noch immer, und ich habe noch nicht Mensch Ärgere Dich Nicht gespielt", beschwerte er sich und verputzte den letzten Keks. „Ich habe noch ein paar Sachen zu tun, wie zum Beispiel die Geschenke einzupacken, die ich gestern gekauft habe. Wollen Sie nicht helfen?" fragte sie, weil sie wusste, dass er dazu bestimmt keine Lust hatte. „Ich habe zwei linke Hände", verkündete er. „Haben Sie etwas dagegen, wenn ich hier auf dem Sofa ein kleines Nickerchen halte, bis es zu schneien aufgehört hat? Sie wecken mich dann doch, oder?" „Sicher, legen Sie sich nur hin", meinte sie, als er seine Schuhe auszog und - endlich - die Krawatte lockerte. Es entging ihr nicht, dass er genau auf ihr langes Sofa passte. Sie war hin- und hergerissen gewesen zwischen einem Zwei- und einem Dreisitzer. Aber sie hatte sich dann doch für das große, bequeme Sofa mit dem blaugelben Bezug aus Chintz entschieden. Und er sah sogar auf dem Chintz nicht fehl am Platz aus. Als Hollie endlich ihre Geschenke zusammensammelte, schnarchte Noel leise vor dem
Kamin. Weihnachten brachte jedes Jahr ihre Kreativität zu voller Blüte, und sie dachte sich jedes Jahr etwas Neues aus, um ihre Präsente zu verschönern. Dieses Jahr hatte sie sich für schlichtes weißes Papier und rotes Schleifenband entschieden. Mit Hilfe einer Klebepistole, Strasssteinchen, Aufklebern und Schleifen schmückte sie jedes einzelne Geschenk individuell mit Weihnachtsmännern, Elfen und Rentieren, schrieb mit rotem Filzstift den Namen des Empfängers und verzierte ihren schwungvollen Schriftzug mit rotem Glimmerpulver. Sie hatte nicht gedacht, dass sie sich so viel Mühe machen würde, weil diese kreative Tätigkeit ausgesprochen zeit- und arbeitsaufwendig war. Aber als sie dann all die Geschenke unter dem Tannenbaum gestapelt hatte, sahen sie wundervoll festlich und weihnachtlich aus. Noel erwies sich als ein Mann mit sehr gesundem Schlaf. Er hatte sich nicht ein einziges Mal gerührt. Sie betrachtete ihn im Schlaf und ging ihren Gefühlen für ihn nach. Der ersten Gereiztheit war das zähneknirschende Eingeständnis gefolgt, dass sie ihn in gewisser Weise attraktiv fand. Sie konnte ihn sich als einsamen Jungen im Internat vorstellen, und dies ließ sie ihm viel verzeihen. Sie kannte diese Einsamkeit nur zu gut. Auf einmal veränderte sich sein Gesicht, hellte sich auf. Noel gab ein leises Stöhnen von sich, und ein sexy Lächeln schlich sich um seine Lippen. Vielleicht träumt er von mir, dachte sie versonnen. Im nächsten Augenblick rief sie sich zur Ordnung. Sie wollte nicht ... Also, wenn sie klug war, sann sie nicht groß darüber nach, wie es sein musste, wenn seine Lippen über ihren schwebten ... Ob er gut im Küssen war? Würde sich alles um sie drehen, wenn er sie küsste? Eigentlich gehörte sie nicht zu den Frauen, denen schnell schwindlig wurde, aber Noel Hawksley war groß und sah atemberaubend gut aus. Bei Typen wie ihm blieb Frauen sicher reihenweise die Luft weg! Schlank und fit, war er sehr wahrscheinlich ein ausdauernder Liebhaber. Oder eher ein selbstsüchtiger Liebhaber? Griesgrämig, wie er sich meistens präsentiert, wird er für zärtliche, einfühlsame Verführung nicht viel übrig haben, dachte sie. Er würde sie im Sturm erobern, sich nehmen, was er wollte, und dann verschwinden. Bestimmt gehörte er nicht zu denjenigen, die ihrer Geliebten morgens das Frühstück ans Bett brachten. Zärtlich. Ein echter Witz. So etwas war ein Fremdwort für ihn. Nur weil er im Schlaf zum Küssen aussah, bedeutete das noch lange nicht, dass er im wachen Zustand der Traummann schlechthin war. Wenn sie zu den Frauen gehörte, die glaubten, sie könnten Männer verändern, glaubten, Männer könnten sich ändern, dann wäre Noel vielleicht eine echte Herausforderung. Aber ihre schlechten Erfahrungen hatten sie gelehrt, dass Menschen sich selten ändern. Noel war das, was er war. Ein Grinch. Ein sexy Grinch zwar, aber dennoch ein Grinch. Da war es wohl am besten, sich gar nicht erst irgendwelchen dummen Träumen hinzugeben. Es sollte ihr reichen, sich vorzustellen, wie es wohl sein mochte, wenn dieser Mann auf dem Sofa sie küsste, streichelte und ... mehr tat. Aber deswegen ihre Schutzmauern niederzureißen und sich seinem zweifelhaften Charme zu ergeben wäre eine Dummheit, die sie sich nicht leisten konnte. Sie wusste, im Extremfall konnte er ihr das Herz brechen. Geschäft. Daran war Noel interessiert. Er wollte noch vor Weihnachten ein Haus haben. Und darauf sollte sie sich tunlichst konzentrieren. Sie würde ein Haus für ihn finden, dem er nicht widerstehen konnte. Sie würde das Geschäft abschließen und ihren neuen Wagen bekommen, und sie beide würden froh und glücklich Weihnachten feiern. Falls Noel Hawksley überhaupt in der Lage war, Weihnachten zu feiern.
Seine Augen bewegten sich hinter den geschlossenen Lidern. Er träumte. Sehr wahrscheinlich davon, den Weihnachtsmann umzubringen, dem boshaften Lächeln nach zu urteilen, das seine Züge gerade beherrschte. Hollie warf einen Blick zum Fenster. Verdammt! Es schneite noch immer. So wie es aussah, würden sie sich neue Häuser nicht vor morgen ansehen können. Sie beschloss, ihr Kirschwalnussbrot zu backen, das sie alljährlich zu Weihnachten an die Nachbarn verteilte. Ein Blick in den Kühlschrank zeigte ihr, sie hatte alle Zutaten im Haus. Außer Eiern. Da um die Ecke ein kleiner Supermarkt lag, beschloss sie, schnell hinzulaufen, während Noel friedlich schlief. Sie griff nach ihrem roten Mantel und eilte hinaus ins Schneetreiben. Und auf dem Weg zum Supermarkt kehrten ihre Gedanken immer wieder zu dem sehr komplizierten, sehr sexy und besonders nervtötenden Mann zurück, der auf ihrem Sofa schlief. „Wissen Sie, dass ich vorhabe, Sie nach meiner Pfeife tanzen zu lassen?" Ich träume, dachte Noel. Seine Maklerin benahm sich wirklich ausgesprochen unprofessionell. In ihren Augen war deutlich zu lesen, was sie vorhatte - sie wollte ihn verführen! Neckisch wickelte sie sich eine ihrer Locken um den Finger. Das provokative Outfit musste sie sich gerade erst angezogen haben. Ein kurzes T-Shirt schmiegte sich um ihre schönen Brüste. Er wusste, sie würden wippen, wenn sie weiter auf ihn zuging, denn genau das hatten sie eben getan. Seine Maklerin hatte entweder kein Bedürfnis, einen BH zu tragen, oder sie hatte es nicht nötig. Die beigefarbene Baumwollhose mit der Kordel schwang locker um ihre schmalen Hüften, so tief, dass sich ihr ausgesprochen niedlicher Bauchnabel zeigte. Ein Bauchnabel, den er nur zu gern mit der Zunge erkundet hätte. „Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie genau das täten", hörte er sich sagen. „Möchten Sie mich anfassen?" fragte sie, blieb aber noch gerade außer Reichweite. „Unbedingt." Er griff nach ihr, aber sie wich ihm aus. „Zuerst die Regeln", erklärte sie. „Regeln?" „Ja. Ich darf Sie anfassen, aber Sie mich nicht." Er überlegte einen Moment. Es war zwar nicht der beste Handel, aber besser als überhaupt kein Anfassen. Er hob als Zeichen der Aufgabe beide Hände. „Okay, Sie sind der Boss. Ich bin Ihre Spielwiese." „Ich glaube, ich traue Ihnen nicht so recht." Sie musterte ihn einen Augenblick, dann befahl sie: „Verschränken Sie die Hände hinter dem Kopf." „Schon erledigt." Sie kniete sich vor ihn hin. „Sie sehen ganz nett aus, wissen Sie. Diese klaren blauen Augen und die dunklen Wimpern sind eine tödliche Mischung." „Sie schmeicheln mir nur, damit Sie bekommen, was Sie haben wollen, so wie alle Frauen es tun." „Viele Frauen..." „Legionen." Er versuchte sie zu ärgern. „Aber ich tue das nicht." Hollie sagte es mit so ruhiger Sicherheit, dass er es ihr glaubte. Er glaubte ihr, weil ihre Berührung so sanft und zärtlich war, als sie nun seine Wangen, Augen und Lippen streichelte. „Nein, Sie nicht", hauchte er. Sie fing an, ihm das Hemd aufzuknöpfen. „Ich kann die Wärme Ihrer Haut durch den Stoff hindurch fühlen. Ich mache Sie heiß, stimmt's, Noel?" „Ach, könnten Sie sich nicht ein wenig beeilen ...", bat er und konnte sich kaum noch beherrschen. „O nein. Wir tun es langsam, quälend langsam. Ich habe vor, Sie leiden zu lassen, damit Sie sich Ihr Vergnügen verdienen. Sie sind nicht der Einzige, der Spielchen spielen kann, Mr. Hawksley." „Ich denke, unter diesen Umständen sollten wir die Förmlichkeiten lassen. Sag Noel zu
mir." „Aber dir gefällt dein Vorname nicht, oder?" „Nicht so ganz, wenn ich ehrlich bin." „Ich mag ihn. Noel und Hollie - hört sich an, als passten wir zueinander." Sie schob ihm das Hemd auseinander. „Hm ... glatte warme Haut und steinharte Muskeln. Sehr beeindruckend für einen Geschäftsmann, Noel. Woher hast du diesen Waschbrettbauch?" „Freeclimbing. Es stählt den Mut und entspannt vom Stress. Die Gefahr bringt dich dazu, dich auf den Moment zu konzentrieren." Sie senkte den Kopf und fing an, seine erhitzte Haut zu küssen, begann bei seinen flachen braunen Brustspitzen und dem flachen Waschbrettbauch, über den er plötzlich froh war. Und als ihre süßen Lippen seinem Gürtel immer näher kamen, kam ganz besonderes Leben in ihn. Nichts hätte er lieber getan, als seine Finger in ihren vollen lockigen Haaren zu vergraben. Aber er wusste, damit würde er den Zauber brechen. So hielt er seine Hände hinter dem Kopf verschränkt und überließ sich ihren hungrigen Lippen. Sie hob den Kopf und schaute ihm direkt in die Augen. Ihre Pupillen waren riesengroß. „Erlaubnis erteilt?" fragte sie, die Hand an seinem Gürtel. „Wie du vielleicht erraten hast, gibt es das Wort „Nein" nicht mehr in meinem Vokabular", keuchte er. Sie lachte, ein kehliges, aufreizendes Lachen. Sein Körper reagierte noch heftiger, so heftig, dass es schon fast schmerzte. Sie öffnete seinen Gürtel und zog ihn aus den Schlaufen. Während sie ihn träge anlächelte, löste sie den Knopf über dem Reißverschluss. „Ist es so ein wenig bequemer?" neckte sie ihn. „Wirklich nur ein wenig. Wenn es geht, beeil dich ein bisschen." „Mir ist schon aufgefallen, dass Sie ganz schön ungeduldig sein können, Mr. Hawksley. Vielleicht sollten wir ..." „Mach zu!" Sie lachte und begann seinen Reißverschluss herunterzuziehen. Ihr Lachen versprach viel. „Du hast mir etwas verheimlicht, Noel. Du hast getan, als wärst du ein Grinch, und dabei hattest du die ganze Zeit über ein Geschenk für mich." Ihre Hand nahm sich, was sie haben wollte. „Und ein sehr, sehr beeindruckendes Geschenk." „Freut mich, dass es dir gefällt", keuchte er, als ihre Finger eine sanfte Massage begannen. „Mir gefällt es so gut, dass ich dich küssen könnte!" erklärte sie. „Genau hier." Und sie setzte es in die Tat um. Ein heißer Blitz durchzuckte ihn. Und dann weckte ihn ein Geräusch an der Haustür. Im ersten Moment war Noel völlig desorientiert. Der Traum war so real gewesen. So heiß. Noch immer spürte er seine Nachwirkungen. Damit war klar, dass es glatt gelogen wäre, hätte er seine Beziehung zu Hollie Winslow als rein geschäftlich bezeichnet. Er musste sich wohl oder übel eingestehen, er fand sie sehr attraktiv. Und nicht nur körperlich. Nein, Hollie Winslow rührte Seiten in ihm an wie noch keine Frau vor ihr. Und dann lachte er. Sehr wahrscheinlich war für sie alles einfach nur ein Geschäft. Auch, dass sie so nett zu ihm war, war Taktik. Sie rechnete sich wohl aus, dass er eher ein Haus von ihr kaufte, wenn er sie mochte. Mann, bleib auf dem Boden der Tatsachen, ermahnte er sich. Aber als sich die Haustür öffnete, wünschte er sich doch, sie würde so nett zu ihm sein wie in seinem Traum. Als Hollie den Schlüssel ins Schloss ihrer Haustür steckte, rückte sie die Einkaufstüte zurecht, die sie auf ihrer Hüfte abstützte. Bloß jetzt die Eier nicht zerbrechen! Ein Blick
auf ihre Armbanduhr zeigte ihr, sie war ungefähr eine halbe Stunde fort gewesen. Wegen des dichten Schneetreibens waren nur wenige Leute unterwegs, so dass sie an der Supermarktkasse überhaupt nicht hatte warten müssen. Noel saß auf dem Sofa und reckte sich, als sie das Wohnzimmer betrat. Sie schnitt eine Grimasse, dann eilte sie in die Küche und stellte ihre Einkäufe auf den Arbeitstresen. Eine große Einkaufstüte mit Tupper-Artikeln stand bereits dort. „Woher sind die denn?" fragte sie Noel, der gerade hereinkam. „Sarah ist auf einen Sprung vorbeigekommen und hat sie hier gelassen. Da Elena bei einer Freundin war, wollte sie schnell ein paar Dinge erledigen, solange sie Gelegenheit dazu hatte." Hollie blickte Noel ins Gesicht. „Sie hat nicht noch irgendetwas gesagt?" fragte sie. „Doch, ja. Irgendetwas davon, dass Sie sie anrufen sollen. Sie möchte, dass Sie Elena ins Einkaufszentrum zum Weihnachtsmann mitnehmen, weil sie in letzter Minute einen großen Auftrag bekommen hat." „Mehr hat sie nicht gesagt?" fragte Hollie, den Kopf tief im Kühlschrank, weil sie gerade die Eier und den Wein darin verstaute. „Nein, mehr nicht." Sie schloss die Kühlschranktür und richtete sich auf. Noel hatte vorhin im Schlaf so süß und sexy zugleich ausgesehen, dass sie sich spontan zu ihm umdrehte und ihm einen Kuss auf die Nase gab. „Wofür war das denn?" fragte er erfreut, aber auch ein wenig überrascht. Hollie zuckte mit den Schultern. „Es ist Weihnachten. Sie sahen so ..." Sie sprach nicht weiter. Was war eigentlich in sie gefahren? Küsste ihn so einfach auf die Nase? Und ihre Erklärung war noch idiotischer. Aber was sollte sie nun sagen? Dass sie ihn geküsst hatte, weil er so sexy ... und süß ausgesehen hatte? „Handeln Sie immer so impulsiv?" erkundigte sich Noel mit Schalk in den Augen. „Sie nie?" schmollte sie und biss sich auf die Unterlippe. Das lenkte Noels Aufmerksamkeit auf ihren vollen Mund. Er musste an den Traum denken, den Sarah mit ihren Plastikschüsseln gestört hatte. Ihm war die Situation furchtbar peinlich gewesen. Hoffentlich hatte Hollies Freundin ihm nicht angesehen, wie erregt er nach seinem kleinen Schläfchen gewesen war. „Jetzt wäre wohl nicht der richtige Zeitpunkt, Sie um einen Gefallen zu bitten, oder?" fragte Hollie mutig. „Ich gehe nicht mit Elena zum Weihnachtsmann, falls Sie das im Sinn haben." „Nein, ich habe Ihre eingefleischte Abneigung gegen Weihnachten nicht vergessen. Aber ich brauchte Hilfe bei den Tannenbaumlichtern. Irgendwo muss ein Kurzschluss in der Lichterkette sein, denn sie gehen ständig wieder aus. Ich dachte, vielleicht könnten Sie den Fehler finden. Ich weiß nicht, welche Leitung den Kurzen hat, und habe keine Lust, gleich eine neue Lichterkette zu kaufen." „Ich sehe es mir einmal an", erklärte er sich einverstanden. „So wie es draußen aussieht, werden wir heute Nachmittag keine Häuser mehr besichtigen können. Der Schnee liegt bestimmt schon fünfzehn Zentimeter hoch. Bestimmt haben Sie nichts dagegen, wenn ich auch noch die Auffahrt freischaufle, oder?“ „Das würden Sie tun?" „Warum denn nicht? Auf diese Weise erfahre ich, ob sich in diesem Haus ein Schneeschieber befindet", spaßte er. „Also, wenn es aufhört zu schneien, kümmere ich mich um die Auffahrt. Aber nun wollen wir uns die Lichterketten an Ihrem Tannenbaum einmal ansehen." Er machte sich auf den Weg zum Baum in der Ecke. „He, einen Moment, bitte. Was meinten Sie, als Sie sagten, Sie würden dann wissen, ob sich in diesem Haus ein Schneeschieber befindet?" „Hatte ich es nicht erwähnt? Ich habe das Haus gefunden, das ich haben will. Dies hier." Es war nicht nur für Hollie eine Riesenüberraschung, sondern für ihn ebenfalls. Bevor er
es ausgesprochen hatte, hatte er nicht gewusst, dass er ihr Haus haben wollte. Aber kaum hatte er es gesagt, wusste er, es stimmte. Hollies Haus entsprach dem Fantasiebild eines Zuhauses, das er nie gekannt hatte. Es war warm und einladend. So einladend, dass er auf dem Sofa eingeschlafen war. Und die wenige Zeit hier hatte ihm klargemacht, wie viel Sehnsucht nach einem richtigen Heim in ihm steckte, auch wenn er solche Emotionen bislang immer unterdrückt hatte. Hollie hatte ihm bewusst gemacht, was ihm in seinem Leben fehlte. Er hatte seine beruflichen Träume verwirklicht, und vielleicht war es an der Zeit, dass er sich einmal klarmachte, wie seine persönlichen Bedürfnisse aussahen. Er hatte das Gefühl, Hollie würde viele davon erfüllen können - so etwas wie in seinem Traum zum Beispiel! Sie war schlichtweg sexy, aber er wollte mehr als nur diesen Hunger befriedigen. Er wollte einen Seelenverwandten. Zum ersten Mal in seinem Leben ging ihm der Gedanke durch den Kopf, ob er diesen Menschen gefunden hatte ... in Hollie. Er wollte, dass sie Teil seines Traums wurde. Und das bedeutete, ihr Haus zu kaufen. Währenddessen am Nordpol... „Ich hoffe doch, Mrs. Claus kommt zurück, bevor wir am Heiligabend aufbrechen müssen", sagte Rudolph zu Prancer. „Santa ist miesester Laune, seit sie sich diesen kleinen Urlaubstrip gegönnt hat." Prancer tänzelte durch seinen Stall. „Eins weiß ich sicher -seine Stimmung würde sich erheblich verbessern, wenn wir die Schokoladenplätzchen finden könnten, die Mrs. Claus vor ihrer Abreise versteckt hat." „Damit würde ich nicht unbedingt rechnen ...", sagte Rudolph, und seine Nase wurde knallrot. „Rudolph, das glaube ich nicht! Du hast sie doch nicht gefunden und aufgefressen?" „Wer, ich?" Prancer schüttelte den massigen Kopf. „Das wird eine anstrengende Schlittenfahrt Heiligabend, fürchte ich."
5. KAPITEL Noel konnte es kaum glauben, aber er stand tatsächlich wieder in einem Einkaufszentrum, obendrein in einer langen Schlange Wartender, und harrte Santa Claus, der da kommen sollte. Ungeduldige Kinder drängelten und schubsten, sie wollten Santa Claus unbedingt ihre Wünsche ins Ohr flüstern. Hollie hatte darauf bestanden, dass er sich mit ihr und Elena in die Schlange einreihte, falls er die Diskussion über den Verkauf ihres Hauses weiterführen wollte. Und da er ungeduldig und rastlos war und sie unbedingt zum Verkauf überreden wollte, stand er nun hier. Allerdings hatte sie ihm bereits mehrfach erklärt, sie würde nicht verkaufen. Aber das schreckte ihn nicht ab. Noel musterte unauffällig Hollie und Elena. Hollie kniete gerade vor Elena und versuchte das funkelnde Diadem, das Elena unbedingt tragen wollte, im Haar der Kleinen zu befestigen. Es war seitlich her abgerutscht, und es war nicht einfach, es wieder festzustecken, denn Elena schnatterte vor Aufregung unentwegt und wackelte dabei ständig mit dem Kopf. „Um wie viele Wünsche kann ich Santa Claus bitten?" wollte sie jetzt wissen. „Wird er sauer, wenn ich zu viel haben will?" „Ich glaube, drei Wünsche wären richtig", meinte Hollie trocken. „Aber überleg sie dir gut, während wir hier warten. Vergeude sie nicht mit solch dummen Wünschen wie: dass Midnight nicht mehr bellt, wenn Flugzeuge über ihn hinwegfliegen." Elena kicherte. „Sie glaubt immer, sie kann sie fangen." Hollie kitzelte Elena am Bauch. Elena wollte Santa Claus unbedingt ihr Diadem zeigen. Und ganz besonders ihre neongelbe Sonnenbrille, besonders angebracht im tief verschneiten Winter. Der Rest ihres Outfits bestand aus einem knappen weißen T-Shirt unter einem Jeansoverall, sqhwarz-weißen Fußballschuhen und ihren Talmihalsbändern. Noel musste lächeln. Elenas Stil war wirklich bezaubernd. Sie würde ein großartiges Model für die Kinderabteilung der neuen Filiale abgeben, die er eröffnen würde. Immerhin war es ein Trost für ihn, dass er nicht der einzige Mann inmitten aufgeregter Mädchen und Jungen war. Geduldig standen eine ganze Reihe Väter mit ihren zappeligen Kindern vor und hinter ihm, während die Mütter ihren Sprösslingen die Kleider zurechtrückten und ihnen die Haare kämmten. Immer und immer wieder, da die Kinder ständig herumhopsten. Der Lärm, den die Kinder veranstalteten, war ohrenbetäubend und übertönte zeitweise die Weihnachtslieder aus den Lautsprechern. Wenn jemand mit ihm gewettet hätte, er würde fünf Tage vor Weihnachten freiwillig untätig in einem Einkaufszentrum herumstehen, hätte er jede Summe dagegen eingesetzt und verloren. Er erwartete, jeden Augenblick einen juckenden Ausschlag auf seinem Arm zu entdecken. Letztes Weihnachten hatte Marcy darauf bestanden, dass er sie begleitete, als sie die teuren Geschenke einkaufen wollte, die sie sich von ihm wünschte. Nachdem sie die Verlobung gelöst hatte, hatte er nichts davon wieder gesehen, im Gegenteil, sie hatte sogar noch einige seiner Dinge haben wollen. „Ich weiß einen Wunsch, den ich Santa Claus zuflüstern kann!" erklärte Elena, während Noel ahnte, was kommen würde, und sich innerlich wand. „Er soll mir die Barbiepuppe mit dem pinkrosa Kleid bringen." Hollie warf Noel einen grimmigen Blick zu. Jetzt stecken Sie in Schwierigkeiten, schien sie zu sagen. Aber das war nichts Neues. Schließlich stand er in einem überfüllten Einkaufszentrum mit einer Frau, die eine Mischung aus Ballerina und Kickboxer war, und einem Kind, das unter ihrem Einfluss aufwuchs. Und dieser Ausdruck bekam eine völlig neue Bedeutung, wenn er an Hollie dachte. Unter ihrem Einfluss hatte er einen so heißen Traum gehabt, dass er rot vor Verlegenheit aufgewacht war. „Ich bin sicher, Santa Claus bringt dir deine Barbiepuppe", versicherte Noel Elena, als Hollie die Augenbraue hob. „Was wünschst du dir denn noch?"
„Ich möchte ein paar Ringe, so wie Hollie sie hat." Hollie drehte an den schmalen, edelsteinbesetzten Reifen am Ringfinger der rechten Hand. Als sie Noels Interesse sah, erklärte sie: „Elena ist hin und weg von diesen Ringen, seit ich sie mir im vergangenen Sommer gekauft habe. Ich habe ihr erzählt, dass es solche noch nicht in ihrer Größe gibt. Trotzdem fragt sie mich jedes Mal, wenn sie zu mir kommt, ob sie jetzt schon alt wären." „Alt?" „Das ist ein Trick, mit dem sie mich hereinlegen will. Wenn sie hier bei mir übernachtet, sieht sie sich alle meine Schmuckstücke an und fragt, ob eins davon alt sei. Sie darf alles mitnehmen, was alt ist. Sicherlich ist Ihnen schon aufgefallen, dass sie ganz wild nach Schmuck ist." „Ja. Wenn sie einmal heiratet, wird sie ihren Ehemann in den Ruin treiben..." „Was wünschst du dir denn?" unterbrach ihn Elena. „Dass Hollie mir ihr Haus verkauft." Entsetzt starrte sie ihn an. „O nein! Du darfst nicht wegziehen, Tante Hollie!" Elena umklammerte Hollies Hand. Eine Träne rollte ihr über das plötzlich blasse Gesicht. „Keine Bange, ich ziehe nicht fort!" beruhigte sie Hollie. „Aber..." „Wir werden Noel ein richtig schönes Haus suchen, eins, das ihm sehr gut gefällt. Er hat nur Spaß gemacht, dass er mein Haus haben will." Vor dem aufgeregten Kind wollte Noel nicht weiter auf seinem Entschluss bestehen. Aber er verstand die Aufregung nicht. Hollie konnte doch näher zu Sarah und Elena ziehen. Bestimmt würde Elena sich riesig darüber freuen. Vielleicht konnten die drei sogar zusammenziehen, wenn sie etwas Passendes fanden. Er hatte nichts, wohin er gehen konnte. Von dem unpersönlichen Hotelzimmer, in dem er abgestiegen war, einmal abgesehen. „Und was wünschen Sie sich?" wandte er sich an Hollie. „Dass kein Grinch mir mein Weihnachten verdirbt", erwiderte sie mit gerunzelter Stirn. „Was ist denn ein Grinch, Tante Hollie?" „Jemand, der Weihnachten nicht mag." „Ach, das machst du wieder wett. Jeder liebt doch Weihnachten." Elena wartete eine Bestätigung gar nicht ab, sondern zupfte an Hollies Hand, endlich weiterzugehen. Ein Blitzlicht flammte auf, als das Kind vor ihnen in der Schlange auf Santas Schoß gehoben wurde. Noel betrachtete Santa Claus, während der kleine Junge von seinem Schoß herunterglitt und Elena hinaufklettern durfte. Er sieht ein wenig gierig und schäbig aus, dachte er dabei. Aber Hollie schien es nicht zu bemerken. Sie sah den Zauber. Sie machte den Zauber. Für sich selbst. Für Elena. Für ihn. Zum ersten Mal fragte er sich, wie es wohl sein mochte, ein Kind zu haben. Fragte es sich mit dem Herzen, nicht abstrakt, als stünde er neben sich. So, wie er sich wohl die Frage gestellt hätte, wenn er sich letztes Jahr zu Weihnachten verlobt hätte. Er war über dreißig, und damals schien es an der Zeit zu sein zu heiraten. Er hatte geglaubt, dass diese Frau ihm etwas bedeutete, aber nun wusste er, er hatte sie nicht geliebt. Liebe machte viel mehr Angst. Seit seiner Einschulung im Internat war er nicht mehr so beunruhigt gewesen. Es hatte dort ein strenger, militärischer Ton geherrscht. Gefühle wurden nicht ermuntert, Gehorsam war gefragt. „Ho, ho, ho! Und was soll dir Santa Claus bringen, kleines Mädchen?" Elena schenkte Santa ein bezauberndes Lächeln. „Ich möchte eine Barbiepuppe mit pinkfarbenem Kleid."
„Und was sonst noch?" „Ein paar Ringe wünsche ich mir, so schmale mit blitzenden Steinen, weißt du ..." „Noch etwas?" fragte Santa, als der Fotograf sein Bild schoss. Elena überlegte einen Moment lang, dann kam sie mit ihrem dritten, uneigennützigen Wunsch heraus. „Ich möchte, dass du Mommy einen Freund bringst." „Oh ..." Santa wirkte ein wenig überrascht. Da nahm Elena seine Hand und flüsterte ihm etwas ins Ohr. „Natürlich darfst du noch einen vierten Wunsch äußern", erklärte daraufhin Santa großmütig. Offensichtlich war er heilfroh, um den Wunsch nach einem Freund für Elenas Mutter herumgekommen zu sein. „Also, was wünschst du dir noch?" „Ich möchte, dass Tante Hollie und er", sagte sie laut und deutete auf Noel, „sich küssen, damit Tante Hollie nicht wegziehen muss." Dieser Wunsch war kaum einfacher als der vorige. Santa blickte Noel Hilfe suchend an. Aller Augen richteten sich erwartungsvoll auf sie. Die Mütter wirkten hoffnungsvoll. Die Väter amüsiert. Die Kinder kicherten. Als Noel und Hollie wie angewurzelt dastanden, rief einer der Väter laut: „Küssen Sie sie doch, verdammt noch mal. Ich muss meinen Sohn noch zum Hockeyspiel bringen!" Hollie mochte ihn nicht ansehen. Sie war sicherlich so rot im Gesicht wie Santas Kostüm. Vor allem weil sie wollte, dass Noel sie küsste. Noel, der sich Sorgen um Elena machte, tat etwas, was nicht zu ihm passte. Gefühle in der Öffentlichkeit zur Schau zu stellen war eigentlich nicht sein Stil. Er machte einen Schritt auf Hollie zu. Sie wich einen Schritt zurück, nervös, und sie sah aus, als würde sie gleich ohnmächtig werden. Er rettete die Situation, indem er sie in die Arme zog und sich gleichzeitig vorbeugte, so dass sie sich nach hinten lehnen musste. Er sah ihr in die verwirrten Augen, senkte den Kopf und küsste sie - für Elena und das Publikum. Sein Mund glitt zart über ihre Lippen, dann wurde der Kuss leidenschaftlicher, sie lief wieder rot an und drehte den Kopf zur Seite. Applaus brandete auf, Noel kam wieder zu Sinnen und ließ Hollie rasch los. Sie wirkte wie vor den Kopf geschlagen. „Danke, Santa", sagte Elena, sprang von seinem Schoß herunter und grinste breit. „Bist du nun zufrieden, du kleines Biest?" fragte Hollie und ergriff Elenas Hand. „Ja. Noel hat mich nur angeschmiert, dass er dein Haus kaufen will, nicht wahr?" Hollie nickte. Nun, Elena schien sich damit zufrieden zu geben, aber Noel war anderer Ansicht. Er wollte das Haus immer noch ... und noch mehr Küsse von Hollie. Konnte es sein, dass er dabei war, sich in sie zu verlieben? Oder war er es nur leid, allein zu sein? Um diese Jahreszeit konnte er seinen Gefühlen nie trauen. Deswegen flüchtete er Weihnachten immer. „Wohin gehen wir jetzt?" fragte Elena, als sie das kleine Einkaufszentrum verließen. „Noel und ich wollten ein Haus für ihn suchen, gleich nachdem wir dich zu Hause abgeliefert haben." „Kann ich mitkommen?" „Nein, deine Mutter will, dass du dein Zimmer aufgeräumt hast, wenn Santa Claus dir deine Geschenke bringt. Santa mag kleine Mädchen mit aufgeräumten Zimmern." „Na gut...", lenkte Elena ein, wenn auch sichtlich ungern. Auf der Fahrt zu Elenas Mutter fiel Noel ein, er hatte Hollies Schlafzimmer noch nicht gesehen. „Vielleicht gefällt dies hier Ihnen besser", meinte Hollie auf dem Weg zur Haustür, nachdem sie den Wagen abgestellt und Noel die Unterlagen gegeben hatte. Es war das
dritte Haus, das sie sich ansahen, aber keins hatte ihm so richtig gefallen, wie er meinte. Hollie hielt das für fadenscheinige Ausreden. Für sie war klar, er wollte ihr Haus haben und tat ihr nur einen Gefallen, indem er sich andere Häuser anschaute. Sie hatte ihm gesagt, sie würde es sich überlegen. Aber sie hatte gelogen. Sie liebte ihr Haus, und ihr Haus liebte sie. Sie beide waren ein gutes Paar. Und sie und Noel waren es nicht, egal, wie gut er küsste. Sie wollte Noel sagen, sie könne ihm nicht mehr helfen. Was so viel versprechend begonnen hatte, war ihr allmählich zu kompliziert geworden. Aber sie musste weitermachen. Es machte keinen guten Eindruck, wenn eine erfolgreiche Immobilienmaklerin in einer Schrottlaube durch die Gegend fuhr. Sie brauchte die Provision. Ihre berufliche Karriere stand auf dem Spiel. Also durfte sie nicht aufhören, bevor sie Noel nicht ein Haus verkauft hatte. Und zudem stand ihr Urlaub auf dem Spiel. Je länger die Suche dauerte, desto weniger,freie Tage würde sie haben. Und bei dem jetzigen Tempo würden sie noch im neuen Jahr auf der Jagd nach einem geeigneten Haus sein. Und ihr Haus stand auf dem Spiel. All ihre Probleme würden gelöst sein, wenn sie es ihm verkaufte. Aber sie konnte und wollte es nicht. Es gehörte ihr. Die einzigen Wurzeln, die sie je geschlagen hatte. Ihr Herz stand ebenfalls auf dem Spiel. Und darüber mache ich mir am meisten Sorgen, dachte sie. In Noel hatte sie einen verwandten Geist erkannt. Sie sahen die Welt nicht mit den gleichen Augen, aber beide hatten die Erfahrung der Einsamkeit gemacht. Hollie war wild entschlossen, ihre kleine Welt zu einem Paradies zu machen. Noel bedrohte diesen Frieden. Sie wollte nicht enttäuscht werden, und solange sie alles in der Hand hatte, konnte das nicht geschehen, das wusste sie. Nur wenn sie sich Hoffnungen machte, dass jemand sie wirklich lieben könnte, war sie verletzlich. Vielleicht lebte sie deswegen mit einem Bein in der wirklichen und mit dem anderen in ihrer eigenen Fantasiewelt. Die reale Welt hatte es an sich, dass sie einen enttäuschte. „Also, dies hier sieht aus, als könnte es Ihnen gefallen", sagte Noel, als sie das einstöckige Haus betraten, das ganz im Landhausstil eingerichtet war. „Wir sind auf der Suche nach einem Haus für Sie, nicht für mich", stellte sie klar. „Sie bemühen sich ja nicht einmal, ein anderes Haus zu finden", beschwerte sich Noel. „Ich habe es Ihnen doch schon gesagt - ich will nicht umziehen. Warum glauben Sie mir nicht und akzeptieren es einfach? Mein Haus ist nicht sehr groß. Es gibt nicht genügend Platz für ein großes Arbeitszimmer oder einen Billardtisch. Dieses Haus andererseits bietet beides. Geben Sie ihm zumindest eine Chance." Er ging mit ihr durchs Haus, ließ sie ihre Verkaufsbemühungen anbringen und besondere Vorzüge hervorheben. Wie zum Beispiel, dass das Arbeitszimmer vom Schlafzimmer abging, den Kamin in der Küche und den eingebauten Swimmingpool im Keller. Er gab ihr in allem Recht, nur kaufen wollte er das Objekt nicht. Ihr Haus gefiel ihm besser. Und so schlössen sie wieder eine Haustür hinter sich ab, ohne dass er ein Angebot abgegeben hatte. Hollie fügte sich zähneknirschend in ihr Schicksal, auch morgen mit ihm durch die Gegend ziehen zu müssen. Damit war der Freitag für sie gelaufen. Das bedeutete leider, dass sie sich mit den Massen würde herumschlagen müssen, die die letzten Feiertagsvorbereitungen am Wochenende erledigten. Sie musste einfach ein Haus für Noel finden. Das Haus eines anderen. „Elena hat mir erzählt, du hast Noel im Einkaufszentrum geküsst!" sagte Sarah später
am Abend, als die beiden vor dem Fernseher saßen, dem Programm jedoch wenig Aufmerksamkeit schenkten. Elena lag zusammengerollt auf dem Fußboden und schlief zusammen mit Midnight. Sie war mitten bei Pocahontas eingeschlafen und auch nicht aufgewacht, als sie die Videokassette aus dem Rekorder geholt und Nachrichten eingeschaltet hatten. „Hat sie dir auch erzählt, dass es allein ihre Idee war?" Hollie pustete auf die frisch lackierten Fingernägel ihrer linken Hand. „Das hat sie ausgelassen. Wie hat sie das denn geschafft?" „Sie hat sich von Santa Claus gewünscht, dass wir uns vor aller Augen küssen. Aus irgendeinem Grund glaubt sie, dann würde ich mein Haus nicht an Noel verkaufen." „Wann hast du dich denn entschieden, es an ihn zu verkaufen? Habe ich da was nicht mitbekommen?" Sarah griff nach dem Fläschchen mit dem Überlack für ihre Nägel. „Ich will doch gar nicht an ihn verkaufen. Aber Noel akzeptiert das einfach nicht. Er hat es sich in den Kopf gesetzt, mein Zuhause zu seinem zu machen. Er ist richtig darauf fixiert. Ich versuche verzweifelt, ihm diese blöde Idee auszureden und das perfekte Haus für ihn zu finden." „Aber bislang hattest du noch kein Glück ..." „Nein." „Hm. Und wie küsst er? Glaub nicht, dass mir nicht auffällt, dass du das Thema vermeidest." „So wie alles, was er vorher schon gemacht hat." „Geschickt, stimmt's?" „Und süß." „Süß - also, das ist etwas Neues. Wirklich süß?" „Mach keine Geschichten daraus. Er war zufällig anwesend. Schließlich war es ja nicht seine Idee. Oder meine", fügte sie hinzu, als sie den viel sagenden Ausdruck in Sarahs Augen sah. „Dann ist Elena möglicherweise klüger als du. Er ist wirklich beeindruckend, Hollie." Sarah schob den Pinsel zurück ins Fläschchen und betrachtete ihr Werk. „Elena ist klüger als wir beide zusammen, Sarah. Aber dennoch lasse ich mir nicht von einer Vierjährigen vorschreiben, mit wem ich etwas anfange und mit wem nicht. Außerdem bringt mir der Weihnachtsmann einen Galan ins Haus. Ich muss nur noch Noel loswerden." „Verkauf ihm doch dein Haus." Hollie wusste, das wäre die praktische Antwort. Aber sie konnte ihm ihr Haus nicht verkaufen. Konnte es einfach nicht. Irgendwo musste es doch ein Haus geben, das ihm gefiel. Sie hatte es einfach bislang nur noch nicht gefunden. Vielleicht morgen früh, wenn sie frisch und ausgeruht war ... „Hat Elena dir auch erzählt, dass sie sich vom Weihnachtsmann gewünscht hat, er möge dir einen Freund bringen?" wechselte Hollie nun das Thema, während sie darauf warteten, dass der Nagellack trocknete. Sie wollten Elena ins Bett bringen. „Daher kommt er also ..." „Was? Du hast jemanden kennen gelernt? Warum hast du mir das nicht erzählt?" Hollie lehnte sich auf dem Sofa zurück und zog die Beine an. „Er ist Feuerwehrmann und wirklich süß. Heute Morgen war er hier, um das Kätzchen der Nachbarn aus dem Baum zu holen. Die Miezekatze traute sich nicht wieder herunter. Er war wirklich lieb mit den Kätzchen und den Kindern. Aber ich glaube, er ist ein wenig jung für mich." „Wie alt ist er denn?" „Ich kann es nicht genau sagen. Ich denke, Ende zwanzig vielleicht." „Alt genug, um wählen zu dürfen", meinte Hollie und schleuderte ein Kissen auf Sarah. „Du bist ja so fies!" „Ich?" Die beiden Frauen kicherten so laut, dass Elena aufwachte.
„War Santa Claus schon da?" fragte sie und rieb sich die schläfrigen Augen. „Noch nicht, Kleines. Du musst noch ein paar Tage Geduld haben. Weihnachten ist erst Mittwoch. Schlaf wieder ein." Als Hollie das Kind auf den Arm hob, schlössen sich Elenas Augen schon wieder. Sarah begleitete sie in Elenas Kinderzimmer, die beiden Frauen gaben ihr noch einen Gutenachtkuss und wünschten der Kleinen schöne Träume. „Also, wie heißt dein Feuerwehrmann?" fragte Hollie, als sie zurück ins Wohnzimmer gingen, um sich die nächsten Nachrichten anzusehen. Eigentlich interessierte sie nur, ob es Weihnachten noch mehr Schnee geben würde. „Rick Winzen." „Und, wirst du dich mit ihm verabreden?" wollte Hollie neugierig wissen. „Er hat mich noch nicht dazu eingeladen, wenn du das meinst." Hollie schaute ihre Freundin an. Sarah war fünfunddreißig, wirkte aber glatt zehn Jahre jünger. Wenn sie etwas haben wollte, versuchte sie es zu bekommen, und normalerweise schaffte sie es auch. Dieses Zögern war neu an ihr. Sie wirkte sogar fast scheu. „Du hast diesen Rick Winzen gern, nicht wahr?" „Vielleicht." „Weißt du was - warum gehst du nicht einmal zu Miss Claudia und befragst ihn wegen Rick?" „Wirklich, Hollie. Ich habe einen so vollen Terminkalender, dass selbst Santa Claus und seine Elfen in Panik geraten würden. Für morgen stehen die Vorbereitungen für ein Abendessen für vierundzwanzig Personen auf meiner Liste, und es muss bis sieben Uhr angeliefert sein. Da fehlt mir die Zeit, deine Lieblingswahrsagerin zu besuchen. Außerdem ist Rick bestimmt nicht an mir interessiert. Er ist einfach nur ein netter Kerl, der höflich ist." Es klang ziemlich bedauernd. „Ich glaube ..." Hollies Gedanken wurden vom Klingeln des Telefons unterbrochen. „Wer könnte das sein?" fragte Sarah und warf einen Blick auf die Uhr am Videorekorder. „Es ist schon nach zehn." Da Hollie näher am Telefon saß, nahm sie ab. „Einen Moment bitte", sagte sie zum Anrufer und warf Sarah das schnurlose Telefon zu. Sarah fing es auf und sah sie fragend an. „Er ist es", hauchte Hollie. „Hallo ...?" meldete sich Sarah mit ungewohnter Schüchternheit. „Hallo, Rick", sagte sie dann, nachdem sie einen Moment gelauscht hatte. „Hören Sie, ich mag mich vielleicht irren, aber ich habe keinen Ehering gesehen, so dachte ich, möglicherweise gibt es keinen Mr. Smith ... und vielleicht haben Sie Lust, morgen mit mir auszugehen?" „Morgen Abend?" Sarah strahlte übers ganze Gesicht, als sie Hollie anblickte. Hollie nickte heftig. „Nein, nicht am Abend. Da habe ich eine unaufschiebbare Verpflichtung. Aber ich dachte, vielleicht kommen Sie und Elena zum Essen zu mir. Anschließend gehen wir ins Nussknacker-Ballett. Meine Schwester kann uns Karten besorgen." „Einen Moment, bitte, Rick." Sarah presste den Hörer gegen ihre Brust, damit er nichts verstehen konnte. „Hollie, er will mit mir und Elena morgen ins Nussknacker-Ballett!" „Sag Ja." „Aber ich kann nicht. Morgen muss ich doch das Essen für den Abend vorbereiten." „Geht ihr zwei nur. Um das Essen kümmere ich mich." „Und was ist mit Noel?" „Das ist kein Problem - mach dir deswegen keine Gedanken. Also, sag zu. Das mit dem Essen schaffe ich schon." Sarah blickte Hollie unsicher an, ob sie deren großzügiges Angebot annehmen sollte.
Hollie bestand darauf. „Rick, wir kommen sehr gern mit", sagte sie schließlich ins Telefon. „Um wie viel Uhr?" „Was halten Sie davon, wenn ich Sie um elf abhole?" „Wunderbar!" Sarah verabschiedete sich und trennte die Verbindung. Dann warf sie Hollie das Telefon zu und jubelte: „Er mag mich!" „Natürlich mag er dich. Und jetzt fahre ich nach Haus. Wenn ich morgen Martha Stewart spielen soll, muss ich gut ausgeruht sein." „O Hollie, bist du dir wirklich sicher?" „Lass mich gehen, ehe ich wieder zu Verstand komme", neckte sie Hollie und zog sich ihren Mantel über. „Aber was ist mit Noel?" „Ich werde ihm sagen, es läge ein Notfall vor, und dann muss er sich damit abfinden." „Also, beliebt wirst du dich damit bei ihm nicht machen." „Sarah, ich glaube nicht, dass man sich bei einem Grinch beliebt machen kann." „Vielleicht ist er gar kein echter Grinch." „Bis morgen, Sarah." „Bis morgen." Hollie eilte zu ihrem Wagen und verscheuchte die Gedanken an die Erinnerung, dass Noel überhaupt nicht wie ein Grinch geküsst hatte. Noel saß auf dem Bett, die Zeitung um sich herum ausgebreitet. Er befasste sich gerade mit der Konkurrenz. Die Seiten waren voller Weihnachtsanzeigen. Zuerst hatte er versucht, sich durchs Fernsehen abzulenken, aber auf allen Kanälen liefen Weihnachtssondersendungen, und die Werbung war noch unerträglicher. Auch die Anzeigen hatten samt und sonders einen Bezug zum Weihnachtsfest, aber immerhin konnte er sie mit Abstand betrachten und auf ihre Werbewirksamkeit hin analysieren. Aber auch hier hielt sein Interesse nicht sehr lange vor. Schon bald war er mit den Gedanken uneingeschränkt bei seinem gegenwärtigen Problem. Er verstand einfach nicht, warum Hollie sich so hartnäckig weigerte, ihm ihr Haus zu verkaufen. Sie hatte sogar sein Angebot abgelehnt, zusätzlich noch die Umzugskosten zu bezahlen, ebenso wie das, mehr als den normalen Marktpreis zu bezahlen. Hatte sie denn überhaupt keinen Geschäftssinn? Sie brauchte Geld für einen neuen Wagen - selbst er konnte das sehen. Allmählich wuchs in ihm der Verdacht, dass sie sich aus persönlichen Gründen weigerte. Ihm kam die sonderliche Idee, dass sie nicht wollte, dass er in ihrem Haus wohnte. Und noch nie hatte er sonderbare Ideen gehabt. Aber was sollte er denn sonst denken, da sie sich so beharrlich weigerte? Vielleicht sollte er eine Kampagne mit dem Ziel starten, sich ihr sympathischer zu machen. Vielleicht würde sie ihm dann das Haus verkaufen. Er hätte niemals gedacht, dass er gewissen Ansprüchen genügen müsste, um etwas kaufen zu können. Immerhin war es einen Versuch wert. Auf der anderen Seite bekam er immer mehr das bedrückende Gefühl, seinen gesamten Weihnachtsurlaub in den USA verbringen zu müssen. Was muss ich nur tun, damit Hollie mir ihr Haus verkauft? fragte er sich grübelnd. Und fing an, eine Liste der Möglichkeiten aufzustellen. Nachdem er seinen Plan gemacht hatte, wurde er wieder zuversichtlicher, in ein oder zwei Tagen schon unter der Sonne der Karibik liegen und nach dem Urlaub in sein neues Haus einziehen zu können. Währenddessen am Nordpol... Santa saß an seinem Computer und spielte ein Spiel, das er selbst kreiert hatte. Rentiere mussten darin bestimmte Hürden überwinden. Er spielte schon die halbe Nacht. Allmählich wurde sein Daumen taub.
Es war ein verzweifelter und dummer Versuch, nicht ständig daran denken zu müssen, wie sehr ihm seine Frau fehlte. Er wusste, er musste sich zusammennehmen und sich bald auf den Weg machen, sonst würde ihn der Osterhase in der Gunst vieler Jungen und Mädchen glatt übertrumpfen.
6. KAPITEL 21. Dezember Hollie hatte gehofft, einen Tag ohne Noel verbringen zu können. Es war ihr nicht vergönnt. Als sie ihn anrief, um die Hausbesichtigungen abzusagen, bot er an, vorbeizukommen und ihr zu helfen, damit sie schneller fertig wurde. Damit könnten sie nur Zeit gewinnen, und sie würden vielleicht heute ein Haus für sie finden, meinte er. Hollie fand das ziemlich dreist. Noel Hawksley kam ihr vor wie ein Hund, der sich hartnäckig weigerte, seinen Knochen herzugeben. Er glaubte wirklich, er könnte sie überreden, ihm ihr Haus zu verkaufen. Nicht lange darauf sah sie seinen Wagen auf Sarahs Zufahrt rollen. Sehr wahrscheinlich würde sie durch ihn nur mehr Zeit brauchen, denn seine einzige Erfahrung mit Essen beschränkte sich auf Restaurants, wie sie vermutete. Der Schaden an seinem schicken Wagen war übrigens repariert worden, wie sie sehen konnte, alle Unfallspuren an der Stoßstange waren verschwunden. Ihre Versicherung hatte es bezahlt. Er war so elegant wie sein Wagen. Selbst in Freizeitkleidung - bequeme Hose, blauer Pullover unter der Bomberjacke -wirkte er schlank und unglaublich sexy. Midnight begann loszubellen, als sie die Türklingel hörte. Aber als Hollie sie zur Ruhe rief, begab sie sich wieder an ihren Stammplatz am Fenster, wo sie die Vögel an der Futterstelle beobachten konnte. Als Noel hereinkam, schlug er sofort den Weg zur Küche ein. „Der Fernseher ist dort drinnen, wie Sie sich sicher erinnern", meinte Hollie und deutete aufs Wohnzimmer. „Aber ich bin zum Helfen hergekommen", beharrte Noel. „Ich dachte, Sie hätten Spaß gemacht." Er starrte sie an. „Ich mache niemals Spaß." „Eigentlich müsste ich das inzwischen wissen. Wie komme ich nur auf einen so absurden Gedanken?" sagte sie trocken. „Okay, hängen Sie Ihre Jacke in den Schrank, rollen Sie die Hemdsärmel hoch, und dann weise ich Sie in Ihre Arbeit ein." Warum nur habe ich nicht sofort Nein gesagt? schimpfte Hollie stumm mit sich. Der Gedanke, dass sie ihn gern hier sah, schlich sich in ihren Kopf und gefiel ihr nicht. Sie hatte sich daran gewöhnt, ihn jeden Tag zu sehen. Und ihr kam der Verdacht, er würde ihr fehlen, wenn er abreiste ... falls er es überhaupt jemals tat. Noch nie hatte sie einen Kunden wie ihn gehabt. Und noch nie hatte sie sich so zu einem hingezogen gefühlt. „Also, was soll ich tun?" Noels Worte durchbrachen ihre Gedanken, und sie konnte sich gerade noch fangen. Sonst hätte sie gesagt: Küss mich noch einmal so wie im Einkaufszentrum. Was war nur los mit ihr? „Legen Sie die Schinkenstreifen in die Mikrowelle", befahl sie ihm. „Währenddessen hole ich die anderen Zutaten." Hollie streifte ihre Ringe ab und legte sie beiseite, damit sie aus dem Weg waren. Dann konzentrierte sie sich auf ihre Arbeit, versuchte so gut wie möglich zu ignorieren, wie gut Noel duftete und wie sehr seine Nähe sie irritierte. Sie holte das Paniermehl und das italienische Salatdressing aus dem Schrank und verteilte es auf zwei Schüsseln. In eine weitere Schüssel kam gemahlener Käse. Dann machte sie sich daran, ein Dutzend Karotten zu raspeln. Als Noels Schinkenstreifen kross waren, zeigte sie ihm, wie man die Rouladen machte. Sie tauchte das Rouladenfleisch zuerst in die italienische Salatsoße und wälzte es im Paniermehl. Dann legte sie eine Scheibe Schinken darauf und gab mit einem Teelöffel Käse und Karotten hinzu. Dann wurde die Roulade zusammengerollt und mit drei Zahnstochern zusammengehalten. „Sie können die Rouladen machen, und ich kümmere mich um die Soße, in der sie dann schmoren können", schlug sie ihm vor. „Meinen Sie, Sie schaffen es allein? Bedauern Sie es noch nicht, mir Ihre Hilfe angeboten zu haben?" „Keine Bange, ich schaffe es schon", versicherte er ihr.
Sie arbeiteten in kameradschaftlichem Schweigen, jeder in seine Gedanken versunken. Schließlich durchbrach Noel das Schweigen mit einer Frage. „Wie kommt es eigentlich, dass Sie Immobilienmaklerin geworden sind?" „Schon immer habe ich Häuser geliebt, und so hat es sich irgendwie ergeben", meinte Hollie und rührte weiter in der Soße. „Das scheint mir eine ziemlich anstrengende Art, sich seine Brötchen zu verdienen", sagte er. „Haben Sie nicht eine Menge Probleme mit manchen Kunden?" „Ihnen ist vielleicht schon aufgefallen, dass ein Makler lernt, den Frust seiner Kunden an sich abprallen zu lassen - zumindest meistens. Beharrlichkeit führt zum Verkauf. Und Sie müssen bereit sein, Einsatz zu bringen, sonst verlieren Sie den potenziellen Kunden an einen anderen Makler." Er schwieg einen Moment, dachte über ihre Antwort nach. „Wieso fragen Sie? Denken Sie daran, den Job zu wechseln und Makler zu werden?" fragte Hollie, als sie die Gasflamme unter der Pfanne mit der Bratensoße entzündete. „Ganz bestimmt nicht. Das wäre nichts für mich." „Das ist nur gut, denn Sie würden den Kunden bestimmt erwürgen, wenn er es sich zum achtunddreißigsten Mal anders überlegt!" „Soll das ein kleiner Seitenhieb sein?" „Nein, Sie haben Ihren Entschluss gefasst. Ich arbeite daran, ihn zu ändern." „Warum sind Sie so dickköpfig?" „Ich?" Sie runzelte die Stirn. „Ja, Sie. Ich biete Ihnen mehr Geld für Ihr Haus, als es wert ist." „Nicht alle Dinge im Leben sind mit Geld zu bezahlen. Aber da Sie vermutlich mit einem silbernen Löffel im Mund zur Welt gekommen sind, können Sie so etwas natürlich nicht wissen." Der Wagen eines Paketdienstes hielt in diesem Moment vor dem Haus, und ein Mann hastete den Weg zur Haustür entlang. Gleich darauf klingelte es. Midnight begann loszubellen, und Hollie ließ aus Versehen den Löffel fallen, mit dem sie gerade die Soße probierte. In die Pfanne. Sie fluchte unterdrückt. „Ich öffne", bot Noel an, wusch sich die Hände, griff nach dem Handtuch und eilte zur Haustür. „Kümmern Sie sich um den Hund." Aber Midnight entwischte Hollie und raste zwischen Noels Beinen hindurch ins Freie, als Noel die Haustür öffnete. „Midnight!" schrie Hollie dem fliehenden Hund hinterher. Aber Midnight genoss die gewonnene Freiheit und jagte über den matschigen Rasen, so schnell ihre kurzen Beine sie trugen. Wieder einmal hatte sich das Wetter in St. Louis schnell geändert, es war wärmer geworden, und der Schnee war geschmolzen. „Unterschreiben Sie fürs Päckchen", befahl Noel Hollie, als sie die Tür erreichte. „Ich hole den Hund wieder." „Aber..." „Ohne Sie weiß ich sowieso nicht, was ich in der Küche machen soll", erklärte er ihr. „Außerdem werde ich Midnight schnell eingefangen haben. Sie ist ja ziemlich winzig." Als er sich davonmachte, Midnight einzufangen, hatte sie nicht den Mut, ihm zu erzählen, dass er sehr wohl seine Schwierigkeiten mit dem Hund haben würde, auch wenn er klein war. „Ma'am, könnten Sie bitte unterschreiben?" Der Mann hatte es sichtlich eilig. Der Weihnachtsfeiertage wegen musste er zwei Schichten arbeiten. Hollie unterschrieb für Sarahs Päckchen und ging zurück in die Küche. Sie hatte Berge von Kartoffeln für das Kartoffelpüree zu schälen, das zu den Rouladen serviert werden sollte. Auf Männer war wirklich kein Verlass, wenn es um die unangenehmeren Arbeiten in der Küche ging. „Verdammter Köter", fluchte Noel vor sich hin, als er auf dem aalglatten Rasen ausrutschte
und lang hinflog. Midnight bellte ihn an, hielt sich aber schlauerweise außerhalb von Noels Reichweite. Noel starrte das kleine Fellbündel missmutig an, dann schaute er auf seine verschmutzte Hose. Ein großer grüner Grasfleck prangte auf dem einen Knie, und seine Hand schmerzte dort, wo sie Bekanntschaft mit einem Stein gemacht hatte. Die Haut war abgeschürft. „Komm her, Midnight", befahl er dem Hund in strengem Ton. Keine Reaktion. „Ich habe gesagt, komm her!" Midnight bellte und trabte langsam von dannen, nicht ohne sich jedoch ab und zu umzusehen. Das Mistvieh glaubt, wir spielen ein Spiel, dachte Noel missmutig. Am besten wäre es, sie so lange auszusperren, bis sie hungrig wurde und wieder nach Haus kam. Aber das würde wohl eine ganze Weile dauern. Midnight war wohlgenährt und kannte nur den eingezäunten Garten. Den köstlichen Geschmack der Freiheit würde sie nicht so schnell wieder aufgeben. Noel konnte den Hund nicht einfach sich selbst überlassen, denn das Tier war dumm genug, unter die Räder zu kommen. Gereizt rappelte er sich auf, um erneut auf Jagd zu gehen. Irgendwie kam ihm die Aktion ziemlich albern vor. Wäre Midnight ein Schäferhund oder Ähnliches gewesen, okay. Aber hinter einem solchen Winzling herzujagen wirkte einfach lächerlich. Dennoch würde Elena verzweifelt sein, wenn sie nach Haus kam und der Hund verschwunden war. Was blieb ihm anderes übrig, als die Verfolgung wieder aufzunehmen ... „Komm her, mein Mädchen", lockte Noel, versuchte harmlos zu klingen und dabei unauffällig näher an die Hündin heranzurücken, ohne dass Midnight bemerkte, was er vorhatte. Wie schwer konnte es sein, ein so winziges Ding endlich einzufangen? Er hatte nicht vor, sich von einem Fellbündel austricksen zu lassen. Midnight setzte sich und wartete, sah zu, wie Noel langsam näher kam. Sie neigte den Kopf zur Seite und lauschte, als Noel mit Engelszungen säuselte, sie möge sich doch bitte nicht vom Fleck rühren. „So ist es richtig, Mädchen. Bleib einfach still sitzen, bis ich bei dir bin und dir deinen süßen kleinen Hals umdrehe." Aber sobald Noel in Greifnähe war, machte Midnight ein paar anmutige Sprünge zur Seite und kläffte Noel an, als wäre er ein gemeiner alter Hundefänger. Frustriert versuchte Noel einfach, den im Zickzack rasenden Hund einzufangen, wurde aber fast ohnmächtig, als er in vollem Lauf gegen einen Ast rannte. Er sah buchstäblich Sterne. Ein wenig benommen im Kopf, blieb er erst einmal dort sitzen, wo er gelandet war. Und genau das hätte er von Anfang an tun sollen, denn Midnight kam fiepend heran, sprang auf Noels Schoß und leckte ihm eifrig das Gesicht. Aber da kamen ein paar Nachbarskinder auf ihren Mountain-bikes vorbei, erregten Midnights Aufmerksamkeit, und mit einem Satz sprang sie wieder von Noels Schoß herunter und jagte nun den Jungs nach. Fröhlich bellend tanzte sie zwischen den Fahrrädern umher. Noel stützte den Kopf in den Händen ab und wünschte, er wäre auf einer sonnigen Insel und sein Kopf würde schmerzen, weil er einen Kater hatte. Aber er musste sich zusammennehmen und Midnight nachjagen. Bevor er sie aus den Augen verlor. Oder nicht mehr hörte. Mühsam und widerwillig erhob er sich vom feuchten Boden und nahm die Jagd wieder auf.
Noel ist wirklich schon lange fort, dachte Hollie beunruhigt. Sie schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass Midnight nichts passiert war. Elena würde einen Schreikrampf bekommen, und ihr Urlaub wäre endgültig im Eimer. Sie goss die Kartoffeln ab und schüttete sie in eine große Schüssel, um sie zu pürieren. Auch als sie schließlich das Kartoffelpüree fertig und nach den Rouladen im Herd gesehen hatte, war von Noel und Midnight immer noch nichts zu sehen. Während sie die restlichen Speisen für die Dinnerparty zurechtmachte, wuchs ihre Besorgnis. Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Wo bleibst du nur, Noel?" fragte sie in den leeren Raum hinein. Sarah und Elena würden noch nicht so bald wiederkommen, dennoch machte sie sich Sorgen. Um sich abzulenken, stellte sie das Radio an. Da der Sender einen Wortbeitrag lieferte, drehte sie weiter, bis sie Weihnachtsmusik hörte. Sie kehrte zum Kühlschrank zurück, holte die Endivien heraus und den römischen Salat, um alles zu waschen. Beim Abspülen der Blätter überlegte sie, was sie alles noch bis Weihnachten zu erledigen hatte. An oberster Stelle auf der Liste stand eine Barbiepuppe mit pinkfarbenem Kleid für Elena. Und dann wollte sie versuchen, kandierte Früchte zu machen. Ach ja, sie musste auch noch die Zutaten für das Lebkuchenhaus besorgen, das sie und Elena zusammen an einem der Abende herstellen wollten. Und dann fehlte ihr auch noch der Baumschmuck für dieses Jahr. Jedes Jahr kaufte sie ein neues Stück dazu - eine Sitte, mit der sie begonnen hatte, als sie das Haus kaufte. Als ihr dann einfiel, dass sie ganz vergessen hatte, am fünfzehnten Dezember einen Granatapfel zu küssen, keuchte sie leise auf. Nun würden sich nicht all ihre Weihnachtswünsche erfüllen. Stattdessen hatte sie einen Grinch geküsst - und was das bedeutete, war unmöglich zu sagen. Noel hätte locker den Tag mit etwas anderem verbringen können, als ihr in der Küche beim Kochen zu helfen und obendrein einem Hund nachzujagen, den die Abenteuerlust gepackt hatte! Wollte er bei ihr Punkte machen, damit sie ihm ihr Haus doch noch verkaufte? Er hatte so getan, als wollte er ihr helfen, damit sie nachher noch Zeit hatten, sich Häuser anzusehen. Aber inzwischen fragte sie sich, ob der wahre Grund war, dass er sich einsam fühlte. Sie hatte gerade den Salat fertig gewaschen und ließ das Wasser ablaufen, da klingelte es an der Haustür. Sie trocknete sich rasch die Hände ab, eilte zur Tür und hoffte, dass es Noel und Midnight waren. Ihre Hoffnung erfüllte sich. Midnight zitterte vor Kälte in Noels Armen, aber ansonsten schien sie okay zu sein. Noel hingegen sah aus, als wäre er unter einen Lastwagen geraten. „Was ist passiert?" rief sie entsetzt und nahm Noel den Hund ab. „Ist alles in Ordnung mit Ihnen?" „Ich muss mich erst einmal hinsetzen ..." Sie half Noel aufs Sofa. „Könnten Sie bitte die Musik abstellen? Und das Licht ausmachen?" Hollie erfüllte ihm sofort seine Bitte. Midnight, müde von ihrem wilden Ausflug, strebte in Elenas Zimmer. „Erzählen Sie, was ist geschehen?" fragte Hollie noch einmal, als sie zu Noel zurückkehrte. „Mein Kopf hat Bekanntschaft mit einem tiefen Ast gemacht, als ich den Hund jagte. Und ich bin fast ohnmächtig geworden. Dann musste ich auch noch unter einen Wagen kriechen, um das Biest endlich zu fassen zu bekommen." „Das tut mir Leid, Noel. Kann ich irgendetwas für Sie tun?" „Ja, das können Sie tatsächlich. Ich neige zu Kopfschmerzen und muss noch ein Rezept einlösen." Er griff in die Hosentasche und zog seine Brieftasche heraus. „Hier, nehmen Sie sie. Geld und meine Krankenversicherungskarte sind drin. Ich warte hier, bis Sie zurück
sind." „Ich weiß nicht, ob ich Sie in diesem Zustand allein lassen sollte. Sie könnten eine Gehirnerschütterung oder Ähnliches haben", sagte Hollie besorgt. „Nein, mir geht es gut. Ich habe eine Beule an der Stirn und Kopfschmerzen, aber mir ist nicht schwindlig oder übel. Es wäre wirklich nett, wenn Sie mein Rezept einlösen könnten." Sie nahm die Brieftasche, schrieb ihre Handynummer auf eine ihrer Visitenkarten und legte sie auf den Tisch neben ihn. „Sie können mich jederzeit übers Handy erreichen, wenn etwas sein sollte", sagte sie, holte das schnurlose Telefon und legte es neben die Visitenkarte. „Danke." „Okay, ich fahre jetzt los", erklärte sie und machte sich auf den Weg zu Haustür. „Hier riecht es aber gut", murmelte er, als sie hinausging. Da es der letzte Sonnabend vor dem Weihnachtsfest war, waren nicht nur die Straßen, sondern auch die Läden rammelvoll. Der Drugstore war da keine Ausnahme. Am Verkaufstresen stand eine Riesenschlange, und es würde lange dauern, ehe sie dran war. Da sie genügend Zeit hatte, begann sie in Noels Brieftasche nach seiner Versicherungskarte zu suchen. Sie fand die Kreditkarte einer Mineralölgesellschaft, VISACard, ATM-Card und eine American-Express-Card, ehe sie auf die Versicherungskarte stieß. Als sie die anderen wieder in die vorgesehenen Fächer schob, fiel ihr Blick auf seinen Führerschein. Nein, das konnte nicht sein. Er war größer. Oder kleiner. Leute flunkerten doch manchmal bei den Angaben für den Führerschein, oder? Im Grunde ihres Herzens wusste sie jedoch, dass die Zahl stimmte. Noel Hawksley war ein Einsfünfundachtzig-Grinch. „Der Nächste, bitte", sagte die Apothekerin, und Hollie rückte ein Stückchen vor. Hollie war eine ganze Stunde unterwegs. Als sie zu Sarahs Wohnung zurückkehrte, schlief Noel friedlich auf dem Sofa, wo sie ihn verlassen hatte. Sie berührte vorsichtig die Beule an seiner Stirn und zuckte zusammen, weil sie so groß war. Armer Noel! Er musste einen ordentlichen Schlag gegen den Kopf bekommen haben. Nachdem sie die Tüte mit dem Medikament auf den Tisch gelegt hatte, begab sie sich in die Küche, um das Essen für die Party fertig zu stellen. Midnight hatte sie begrüßt, als sie zurückgekehrt war, sie erkannt und sich in die Küchenecke gelegt. Sie hoffte wohl auf einen oder zwei Bissen von dem, was so lecker roch. „Du verdienst überhaupt nichts", schimpfte sie mit ihr, als sie den Bettelblick sah. Midnight bellte. Und bekam, was sie wollte, in gewisser Hinsicht. Hollie suchte in den Schränken nach, fand eine Schachtel mit Trockenfutter und gab der Hündin davon, damit sie mit ihrem Gebell Noel nicht weckte. Sie wollte sich ein paar Dinge durch den Kopf gehen lassen, bevor sie Noel mit ihrem neuen Wissen konfrontierte, dass er der Galan war, den ihr Santa Claus zu Weihnachten bringen würde. Sie war sich nur nicht sicher, wie sie das finden sollte. Sie holte ein paar Bündel Karotten aus dem Kühlschrank und putzte sie gründlich, um sie dann in der Küchenmaschine zu verarbeiten. Noel sah eindeutig klasse aus. Und er war groß. Einsfünfundachtzig. Klug. Erfolgreich. Ein echter Held, der Elenas Köter gerettet hatte. Er hatte eine Menge bewundernswerter Eigenschaften. Aber er war auch ein Grinch. Und damit für sie nicht der Richtige. Sie würde nicht zulassen, dass ihre unglückliche Kindheit ihre Zukunft bestimmte. Stattdessen versuchte sie, die sonnige Seite des Lebens zu sehen und so viel Liebe, Spaß und gute Freunde zu haben wie möglich. Es stimmte schon, sie hatte nicht viel Geld. Aber sie war glücklich.
Sie gestattete es sich nicht, über die Ungerechtigkeiten des Lebens zu jammern. Das war der sichere Weg, ein echter Miesepeter zu werden. Jetzt wusste sie, Santa Claus hatte Sinn für Humor. „Ha, ha!" murmelte sie. „Was ist denn so lustig?" Sie fuhr erschrocken zusammen. Noel stand da, die Drugstore-Tüte in der Hand. „Brauchen Sie etwas?" fragte sie. „Meinen Sie, Sie sollten schon aufstehen?" Er lehnte sich gegen den Arbeitstresen. „Was riecht hier so gut?" fragte er. „Die Rouladen. Was mich daran erinnert, sie müssen aus dem Ofen." Sie griff nach den Küchenhandschuhen und tat genau das, während Noel die Tüte öffnete und sein Schmerzmittel herausholte. „Wo stehen Gläser?" fragte er. Hollie öffnete den Küchenschrank, nahm ein Wasserglas heraus und reichte es Noel. Er füllte es mit Wasser aus dem Wasserhahn, nahm zwei Tabletten aus dem Plastikröhrchen und spülte sie mit einem kräftigen Schluck herunter. Dann stellte er das leere Glas ab und massierte sich den Nacken. „Ich glaube, heute wird es nichts mehr mit den Häusern. Wir können morgen früh damit anfangen, wenn es Ihnen passt", meinte er dann. „Soll ich Sie ins Hotel zurückfahren?" bot sie ihm an. „Nein, danke. Ich brauche heut nur noch ein heißes Bad und etwas Schlaf. Ich rufe Sie morgen früh an." Mit einer gemurmelten Verwünschung in Richtung Midnight nahm Noel seine Jacke und ging. Völlig unbeeindruckt blieb Midnight auf ihrem Platz liegen, mit einem Ausdruck im Gesicht, als könne sie nicht gemeint sein. Hollie lachte. „Du brauchst gar nicht so unschuldsvoll zu tun. Du bist ein sehr ungezogener Hund." Midnights einzige Reaktion war ein müdes Schwanzwackeln. Hollie schüttelte den Kopf und machte die Musik wieder an. Fröhlich sang sie die Weihnachtslieder, während sie das Essen nach Sarahs schriftlichen Angaben fertig stellte. Als sie damit fertig war und auf Sarah und Elena wartete, fiel ihr ein, sie konnte ja versuchen, den Besitzer des viktorianischen Hauses anzurufen. Aber es nahm niemand ab. Nachdem sie die Küche aufgeräumt und alles abgewaschen hatte, setzte sie sich vor den Fernseher, um Nachrichten zu sehen. Sarah und Elena kehrten zurück. Und sie wusste nicht zu sagen, wessen Augen mehr strahlten, Elenas oder Sarahs. Und dann sah sie endlich auch den Grund, warum sie gewartet hatte, dass Sarah nach Haus kam. Rick Winzen betrat die Küche. Er hatte freundliche braune Hundeaugen und viele Muskeln. „Hi, ich bin Rick", stellte er sich ohne große Umstände vor. „Ich bin Hollie", sagte sie und schüttelte ihm die Hand. Ihre verschwand fast darin. „Du bist Tante Hollie!" berichtigte sie Elena sofort. „Nur für dich, mein Kleines. Und wie war es? Hat euch die Nussknackersuite gefallen?" „Es war wunderschön", schwärmte Sarah. „Ich werde Ballerina", verkündete Elena und versuchte eine Pirouette. „Es hat mich gefreut, Sie kennen zu lernen, Hollie, aber jetzt muss ich leider wieder los", erklärte Rick. „Ich hatte nicht mit so viel Verkehr gerechnet. Heute Abend findet bei uns im Feuerwehrhaus eine Wohltätigkeitsveranstaltung zu Gunsten unterprivilegierter Kinder statt." „Tschüs", sagte Elena, die gerade Midnight tätschelte, und blickte auf. „Hast du nicht etwas vergessen?" meinte Sarah mit leichtem Tadel in der Stimme. „Ach ja ... es war ganz toll, Rick. Vielen Dank für die Einladung", bedankte sich Elena.
„Bitte, gern geschehen", meinte Rick und wandte sich an Sarah. „Also, morgen Abend um sieben hole ich dich ab, ja?" erinnerte er sie. „Geht es immer noch in Ordnung, dass Elena morgen bei dir übernachtet?" fragte Sarah, als Rick gegangen war. „Wenn nicht, kann ich versuchen, einen Babysitter zu bekommen." „Am Samstag vor Weihnachten? Nein, ich habe Elena versprochen, mit ihr zusammen ein Lebkuchenhaus zu bauen, auch wenn das eigentlich völlig verrückt ist. Sehr wahrscheinlich werden wir nur Lebkuchenmännchen backen." „Warum ist Midnight denn so schmutzig?" fragte Elena. „Sie war draußen und braucht dringend ein Bad", erwiderte Hollie. „Sie war draußen? Wie hast du sie denn wieder eingefangen?" fragte Sarah. „Das müssten wir Noel fragen. Aber ich denke, wir sollten es nicht sofort tun." Besonders nicht, da sie an ein langes, heißes Bad dachte, an Noel, wie er sich in der Wanne entspannte - nackt. „Gab es irgendwelche Schwierigkeiten mit dem Essen?" erkundigte sich Sarah und warf einen Blick in die Aluminiumbehälter, in denen Hollie das Essen verstaut hatte. „Nein, überhaupt nicht. Es war ein Kinderspiel. Ach, ich hoffe, du wolltest keinen Nachtisch, denn aufgeschrieben hattest du nichts." „Der Kuchen kommt von Krausse. Ihre Sachen sind so schön, dass man sie gar nicht essen mag. Du hättest die Schokoladenstatue sehen sollen, die sie für eine Hochzeit im Zoo hergestellt hat." „Wo wir gerade von leckeren Dingen reden ...", neckte sie Hollie. „Was meinst du?" Sarah wurde rot. „Tu nicht so ahnungslos. Rick ist der süßeste Feuerwehrmann, den ich je gesehen habe." „Du findest ihn süß?" „Sehr süß sogar." „Ich auch." „Und du hast schon eine zweite Verabredung mit ihm. Er ist schnell. Du musst es ihm angetan haben." „Was heißt angetan?" wollte Elena neugierig wissen. „Äh ... das sagt man, wenn jemand einen anderen mag", erklärte Hollie der Kleinen. „Du meinst, Noel mag dich?" „Wer hat dir das denn gesagt?" fragte Hollie nach. „Niemand. Ich weiß es einfach." „Alle außer dir wissen es", bekräftigte Sarah noch. Und Hollie schleuderte den Küchenhandschuh nach ihr. „Oh, ah, ohhhh ...", stöhnte Noel, als er sich langsam in das heiße Wasser gleiten ließ, um seinen schmerzenden Gliedern etwas Gutes zu tun. Er kam sich vor, als hätte er eine volle Halbzeit Football gespielt, anstatt nur einen Winzling von Hund zu jagen. Aber er merkte, wie seine Kopfschmerzen nachließen. Er konnte es nicht fassen, dass es so schmerzhaft war, Hollie dazu zu bringen, ihn zu mögen. Er hoffte, er hatte genügend Pluspunkte bei ihr gesammelt, die diesen Schmerz wert waren. Und nun war er hungrig. Das lag wohl daran, dass Hollies Essen so köstlich geduftet hatte. Vielleicht, wenn er auf ihr Mitleid baute, würde er sie dazu bringen, ihn zu sich nach Haus zum Essen einzuladen. Morgen Abend, wenn sie sich ein paar Häuser angesehen hatten, kam seine Stunde mit Hollie. Das schuldete sie ihm wenigstens. Er hatte es sich verdient. Noel ließ sich tiefer ins heiße Wasser gleiten und lächelte. Ja, morgen Abend würden Hollie und er da weitermachen, wo der Kuss aufgehört hatte ...
Währenddessen am Nordpol... Santa stöhnte, als er sich in die Badewanne mit dem heißen Wasser gleiten ließ, die inmitten von Schneewehen im Freien stand. Er war müde und gereizt. Ohne Claudia brachte nichts richtig Spaß. Vor allem das heiße Bad nicht. Er streckte sich lang aus und ließ seine Gedanken zurück zu der sternenklaren Nacht wandern, als sie mit dem Schneemobil losgefahren waren und schließlich in der Badewanne landeten. Dampf stieg in die kalte Luft, und Santa fragte sich, wo diese störrische Frau nur stecken mochte. Er hatte ja inzwischen verstanden, was sie ihm aufzeigen wollte. Es wurde Zeit, dass sie wieder nach Haus kam. Sie fehlte ihm, verdammt noch mal.
7. KAPITEL 22. Dezember „Das Haus ist einfach genau das Richtige für Sie", beharrte Noel. „Sehen Sie doch die Decken im Wohnraum. Hoch wie in einer Kathedrale. Da können Sie jeden Tannenbaum hineinstellen, egal, wie groß er ist." „Ich habe bereits ein Haus." Sie breitete die Arme weit aus, um ihm zu zeigen, wie groß dieser Raum war. „Sie hingegen könnten sich hier einen Turnierbillardtisch hineinstellen!" Er ignorierte den Einwurf. „Sehen Sie sich auch die Küche an", fuhr er fort. „Ausgestattet mit allen Schikanen. Sie sind eine hervorragende Köchin, wenn man nach dem köstlichen Duft von gestern Abend gehen darf. Es gibt hier einen Herd mit Umluft und dazu einen großen Mikrowellenherd. Hier können Sie so viele Weihnachtskekse backen, wie Sie möchten. Der Gasherd hat allein schon sechs Flammen. Die reinste Verschwendung, was mich betrifft, denn ich benutze höchstens eine Kaffeemaschine." „Ich habe bereits ein Haus", wiederholte sie beharrlich. „Nicht mehr, wenn ich es kaufe." Er verschränkte die Arme vor der Brust, um zu zeigen, dass er genauso stur sein konnte. „Lassen Sie's gut sein, Noel. Allmählich tun mir die Füße weh", stöhnte Hollie und streifte sich ihre hochhackigen modischen Pumps ab. Sie hatte viel zu viel für sie bezahlt, aber da Elena ständig fragte, ob sie nicht inzwischen alt seien, wusste sie, sie waren doch ihren Preis wert. Wenn sie sie trug, fühlte sie sich sicherer. Und genau deswegen trug sie sie heute. Sie war entschlossen, heute ein Haus für Noel zu finden. Basta. „Mir tut der Kopf weh", konterte Noel. „Und das ist allein Ihre Schuld." Wegen seines Missgeschicks mit Midnight spekulierte der Kerl auf ihre Schuldgefühle. Aber das würde sie ihm nicht durchgehen lassen. „Okay, lassen Sie uns gehen. Das beste Haus habe ich für zuletzt aufgespart. Bestimmt wird es Ihnen gefallen, da bin ich ganz sicher", erklärte sie in überzeugendem Ton und schlüpfte wieder in ihre Schuhe. „Noch haben Sie sich Ihre Provision nicht verdient", murrte er und folgte ihr zur Haustür. „Wenn Sie bis Weihnachten noch in die Karibik wollen, sollten Sie schnellstens kauffreudiger werden, wenn wir Häuser gefunden haben, die Ihren Wünschen entsprechen, sonst wird es nichts mehr damit", warnte sie ihn. „Falls Sie es vergessen haben sollten übermorgen ist schon Heiligabend." „Nur noch zwei Tage zum Einkaufen bis Weihnachten. Ich weiß, ich weiß." Er verzog das Gesicht. „Man kann sich ja kaum umdrehen, ohne ständig von allen Seiten mit diesem Datum bombardiert zu werden." „Wo wir gerade vom Einkaufen sprechen, wir müssen auf dem Weg zum letzten Haus noch einmal bei Julian's anhalten." „Ihr Friseur?" riet er. „Ein Schuhladen. Sie haben endlich die Schuhe hereinbekommen, die ich für Weihnachten haben wollte." „Wieso, haben sie kleine Weihnachtsglöckchen daran befestigt?" brummte er und rieb sich die schmerzende Stirn. „Nein, sie sind aus weißem Satin mit Knöchelriemchen und winzigen Rosenblüten." „Ich werde im Wagen warten." Er rutschte tiefer in den Sitz und schloss die Augen. Sie war froh, dass er im Wagen wartete. So konnte er wenigstens nicht anzüglich die Augenbrauen heben, als sie spontan noch ein Paar rote Sandaletten kaufte. „Frohe Weihnachten, Hollie", wünschte sie sich halblaut dabei. Nun brauchte sie wirklich die Provision für den Verkauf des Hauses an Noel. Sie verstaute die Schuhkartons im Kofferraum, und da fiel ihr der kleine Korb für das Weihnachtsgebäck für die Nachbarn ins Auge. Sie war mit ihren Weihnachtsvorbereitungen absolut nicht im Zeitplan! Hollie nahm sich vor, nachher an die Körbe zu denken, und warf den Kofferraumdeckel mit Schwung zu. Noel würde
dieses oder ein anderes Haus kaufen! „Stimmt irgendetwas nicht mit den Schuhen?" erkundigte sich Noel und warf ihr einen fragenden Blick zu, als sie neben ihn auf den Fahrersitz schlüpfte. „Nein, wieso?" „Na, so wie Sie die Kofferraumklappe zugeknallt haben, dachte ich, es hätte irgendein Problem gegeben." Es gab ein Problem, und das war er selbst. Aber sie riss sich zusammen und verheimlichte es ihm, wobei ihr ihre Routine als Immobilienmaklerin zugute kam. Den Mund zu halten, wenn man am liebsten laut geschrien hätte, gehörte zu den zehn wichtigsten Wesenszügen eines erfolgreichen Immobilienmaklers. „Ach übrigens, einen Punkt können Sie von Ihrer Liste streichen", sagte Noel, als sie nicht antwortete. „Ich habe eine Barbiepuppe mit pinkfarbenem Kleid gefunden." Ihr Kopf fuhr herum. „Wie denn? Ich habe überall vergeblich danach gesucht. Es ist dieses Jahr zu Weihnachten der Renner, und keine einzige Puppe war mehr zu bekommen." „Vergessen Sie nicht, ich bin in dem Geschäft tätig. Ich weiß, wo und wie ich einkaufen muss." „Klar, Sie klauen einfach etwas und versuchen sich nicht schnappen zu lassen, wenn Sie aus dem Geschäft verschwinden", spottete sie. Sie konnte einfach ihre Zunge nicht im Zaum halten. „Erinnern Sie mich bloß nicht daran. Ich habe jemanden daran erinnert, dass er mir noch einen Gefallen schuldet, okay? Also machen Sie sich wegen der Puppe keine Gedanken. Sie ist per Kurier unterwegs und wird rechtzeitig zu Weihnachten hier sein." „Sie müssen immer noch dieses Haus kaufen." Sie bog in die stille Straße ein, an der es lag. Bezeichnenderweise hieß sie Mistletoe Lane - Mistelzweigweg. Sie hoffte, Noel fiel der Name nicht auf. Bestimmt würde er nicht gern in einer Straße wohnen, deren Name ihn ständig an Weihnachten erinnerte. „Es liegt so abgeschieden, dass niemand Sie beim Arbeiten stören wird und Sie sich jederzeit am Billardtisch entspannen können", begann Hollie mit ihrer Verkaufsstrategie, als sie ausstiegen und aufs Haus zugingen. „Und ich sitze hier gefangen, wenn der Schneepflug nicht auftaucht", erwiderte Noel trocken. „Die Straße ist nicht so steil, dass Sie einen Schneepflug brauchen, um herauszukommen." Hollie holte den Hausschlüssel aus ihrem Aktenkoffer, als sie die massive Eichenholztür mit den geschliffenen Glaseinsätzen erreichten. „Es liegt zudem verkehrsgünstig, so dass Sie schnell bei der neu eröffneten Filiale sein werden. Und ebenso schnell sind Sie am Flughafen oder beim Spiel Ihrer Lieblingsfootballmannschaft." „Die Lage. Die Lage. Die Lage. Das ist wohl das A und O für einen Makler, oder?" „Richtig. Sie verspricht einen hohen Wiederverkaufswert. Und dieses Haus ist gerade erst zum Verkauf angeboten worden. Sie sollten zuschlagen, ehe jemand anders es sieht. Das wird nämlich schneller passieren, als Ihnen lieb sein kann. Im Augenblick ist der Bedarf an Häusern sehr groß. Deswegen hat Ihr Angebot auch nicht ausgereicht, und Sie haben das Haus nicht bekommen." „Wir werden sehen." Sein knapper Kommentar war kein gutes Omen, aber Hollie ignorierte es einfach. Sie würde ihm dieses Haus verkaufen, weil es genau richtig für ihn war. Und da er noch vor Weihnachten die Stadt verlassen wollte, musste sich ein weiterer einsfünfundachtzig großer Galan auf dem Weg von Santa Claus zu ihr befinden. Sie wünschte, sie hätte niemals auch nur einen Blick auf Noels Führerschein geworfen, denn das hatte seine sowieso schon starke Anziehungskraft auf sie noch verstärkt. Sie hatte keine Lust, sich mit einem Paar breiter Schultern, feurigen blauen Augen und einem muskulösen Körper einzulassen. Auch wenn er ihr Herz zum Hämmern brachte und sie sich ständig erotischer Tagträume erwehren musste! Es war schrecklich sie fragte sich viel zu oft, wie es wohl sein mochte, wenn seine festen, schlanken Finger
über ihre Haut glitten, sie erkundeten, liebkosten. Nein, egal, wie groß die Verlockung auch war, sie wollte nicht zulassen, dass seine negative Grundeinstellung ihr das Leben vermieste. Noel Hawksley war bestimmt nicht gemeint, als Santa Claus den perfekten Galan für sie ausgesucht hatte. Einen Moment lang blieben sie in der riesigen Eingangshalle stehen. Neben der Treppe ins erste Stockwerk stand die Statue eines Wildpferdes, das sich gerade aufbäumte. „Ist es nicht umwerfend?" sagte Hollie, als sie ihren Rundgang fortsetzten und in den Wohnraum sehen konnten. Die Fenster, die vom Boden bis zur Decke reichten, boten einen weiten Ausblick auf die Landschaft. „Mir gefällt das Pferd." Es klang sarkastisch. „Vielleicht können wir den Besitzer dazu bringen, es hinauszuwerfen", sagte Hollie unbeirrt, als sie die zwei Stufen hinunterging, die in den versenkten Wohnraum führten. Er schlurfte hinter ihr her. „Es ist schrecklich hell hier drinnen." „Ja, ist es nicht wundervoll?" Absichtlich missverstand sie ihn. „Und sehen Sie hier drüben. Ein Wintergarten. Hier kann man an regnerischen Tagen wunderbar sitzen." Er brummte irgendetwas Unverständliches vor sich hin. „Zur Küche geht es hier entlang", rief Hollie Noel zu, der vom Wintergarten aus auf die schneebedeckten bewaldeten Hänge starrte. „Noel?" „Ich komme." Er riss sich los und folgte Hollie in die Küche. Seine Miene war nicht anders als düster zu bezeichnen. „Sie ist zwar nicht sehr groß, aber zweckmäßig eingerichtet. Und hat einen eingebauten Mikrowellenherd. Die Arbeitsplatten sind mit Fliesen belegt und sämtliche Geräte höchstens zwei Jahre alt." Er nickte nur. Sie vermochte einfach nicht zu erkennen, was er von dem Haus hielt. Absichtlich ließ er sie im Dunkeln tappen. „Ich nehme an, die Schlafräume sind oben?" „Es gibt ein Schlafzimmer im Erdgeschoss, und zwei weitere Gästezimmer befinden sich im ersten Stock. Ich sollte nicht vergessen, das Loft mit Ausblick auf den Wohnraum zu erwähnen. Es wäre der perfekte Platz für Ihren Fernseher und den Billardtisch. Wollen wir uns das einmal ansehen?" Ohne seine Antwort abzuwarten, durchquerte sie die Eingangshalle und begann die Treppe hochzugehen. Sie hörte seine Schritte hinter sich. Als sie das oberste Stockwerk -erreichten, betraten sie das große Loft. Es bot den gleichen Ausblick wie der Wohnraum, und man konnte von dort den Swimmingpool sehen. „Nicht schlecht", gab Noel zu. Sie machten eine kurze Besichtigungstour durch die anderen Zimmer und Bäder, dann gingen sie wieder nach unten, um sich das Schlafzimmer anzusehen. Es überraschte durch seine Größe. Allein der begehbare Kleiderschrank entsprach den Dimensionen eines normalen Schlafzimmers. „Gibt es hier ein Echo, wenn ich etwas sage?" erkundigte sich Noel ironisch. Übermütig fragte sich Hollie, ob er wohl gern den Widerhall seines Namens im Schlafzimmer hören würde. „Woran denken Sie?" fragte er, als er das Lächeln auf ihrem Gesicht sah. Ertappt, suchte sie rasch Zuflucht zu einer Lüge. „Ich wollte es eigentlich nicht sagen, aber es kostet Sie bestimmt ein Vermögen, unter der Decke einen Spiegel anbringen zu lassen ..." Leider merkte sie zu spät, dass ihre Lüge ebenso schlimm war wie ihr Gedanke zuvor. „Also, Miss Winslow!" Um ihn abzulenken, eilte sie in das wirklich beeindruckende Bad mit der Doppeldusche, die wirklich ausgesprochen einladend aussah. „Die wird wohl für Ihre
Einsfünfundachtzig reichen", meinte sie, ohne nachzudenken. „Haben Sie mich etwa vermessen?" „Oh ... Also, zufällig habe ich Ihre Größe im Führerschein gesehen, als ich in der Brieftasche nach der Versicherungskarte suchte." Er ließ sie einen Moment lang hängen und machte es ihr schließlich noch peinlicher. „Dann kennen Sie ja nun all meine intimen Details", neckte er. War sie unbewusst näher an ihn herangerückt - oder er an sie? Sie blickten sich gleichzeitig in die Augen, schufen einen gefährlichen Moment, in dem die gegenseitige Anziehung übermächtig zu werden drohte. Noel hob die Hand, berührte ihr Gesicht, während Hollie stocksteif dastand, atemlos. „Auf Ihrer Wange ist eine Wimper", erklärte er und strich sie sanft fort. Dann trat er einen Schritt zurück, und die Spannung des Augenblicks löste sich auf. Aber die Anziehung blieb bestehen ... lauerte im Hintergrund. „Äh ... möchten Sie jetzt vielleicht die Garage sehen?" fragte sie, und ihre Stimme krächzte, verriet sie. „Ja, warum nicht?" Hollie musste sich zwingen, nicht aus dem Schlafzimmer zu rennen, als sie sich von ihm abwandte. Sie war wirklich kurz davor gewesen, etwas ganz Dummes zu tun. Wenn Elena sie nur nicht zu diesem Kuss gezwungen hätte. Immer noch flüsterte ihr eine leise innere Stimme aufregende Sachen zu ... Die Garage lag an der linken Hausseite, und am Garagentor hing ein Basketballkorb. Noel nahm den Basketball auf, der auf dem Weg davor lag, dribbelte gekonnt, sprang hoch und legte den Ball in den Korb. Mit einem Grinsen fragte er dann provozierend: „Wollen wir ein Spielchen machen? Sie gegen mich? Sie haben doch keine Angst vor mir, oder?" „In Pumps spiele ich grundsätzlich nicht Basketball, vielen Dank." „Dann ziehen Sie sie doch aus", schlug er vor. „Ich denke nicht daran. Ich habe schon einige Spielchen mit Ihnen hinter mir, Noel, vergessen Sie das nicht. Sie legen es mir zu sehr darauf an, unbedingt zu gewinnen." Er hörte mit dem Dribbeln auf und balancierte den Ball mit einer Hand auf der Hüfte. „Warum sollte man sonst spielen?" fragte er. Sie zuckte mit den Schultern. „Ich gebe zu, ich spiele auch, um zu gewinnen. Aber ich habe ebenso einfach Spaß am Spielen. Nicht alles muss in Konkurrenzkampf ausarten. Manchmal ist der Spaß das Wesentliche." „Dann ist es Ihnen also eigentlich egal, ob Sie mir dieses Haus verkaufen oder nicht? Stimmt das?" „Nein, dies hier ist kein Spiel für mich, Noel. Dies hier ist mein Beruf, mein Job. Sie wollten, dass ich ein geeignetes Haus für Sie finde. Das habe ich. Nun ist es an der Zeit, dass Sie deswegen eine Entscheidung treffen." Noel ließ den Ball fallen, der an den Wegrand rollte. „Mann, Sie sind wirklich knallhart. Nimm oder lass es - das ist Ihr Motto?" „Ich habe Ihnen doch gesagt, weitere Häuser kann ich Ihnen nicht zeigen." Seine Augen sagten, darüber ließe sich streiten, aber er war klug genug, nicht zu weit zu gehen. „Okay, ich sage Ihnen was: Ich habe Ihr Haus eigentlich noch gar nicht richtig gesehen, nur einen Teil davon. Wollen Sie mich nicht mit zu sich nach Haus nehmen, und dann entscheide ich mich zwischen den beiden Häusern?" Hollie musste zugeben, es war immerhin ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn sie nicht unbedingt scharf darauf war, ihm den Rest ihres Hauses zu zeigen. Aber vielleicht würde sie ihn überzeugen können, ein Angebot auf dieses Haus abzugeben, wenn sie ihm seine Wünsche erfüllte und nett zu ihm war. Dann würde sie ihn endlich los sein. „Also gut, ich zeige Ihnen mein Haus", erklärte sie sich einverstanden. „Aber ich verkaufe es nicht, um das noch einmal deutlich zu sagen." Es wäre nicht fair, bei ihm
einen falschen Eindruck zu erwecken. Andererseits wusste sie, ihre Weigerung interessierte ihn so gut wie gar nicht. Er schien immer noch davon überzeugt zu sein, sie doch noch herumkriegen zu können. „Ich möchte es mir nur ansehen ..." . Wieso klang eigentlich alles, was er sagte, als redeten sie über Sex? Oder lag es nur an ihr? „Wo wir vom Ansehen sprechen ... Möchten Sie auch noch den Keller oder das Gelände sehen, bevor wir losfahren? Dann bleiben für Sie keine Fragen offen." Er gestattete es ihr, ihn herumzuführen, ohne dass er weitere Bemerkungen machte. Sie hatte den Eindruck, als ginge ihm etwas im Kopf herum. Sie hoffte, es hatte damit zu tun, ein Angebot auf das Haus abzugeben. Als sie in den Wagen stiegen und die lange Straße entlangfuhren, fragte er: „Gefällt es Ihnen?" „Es spielt keine Rolle, ob es mir gefällt oder nicht." „Für mich schon." „Dann gefällt es mir. Ich würde mir das Haus kaufen, wenn ich das Geld dazu hätte, okay?" „Was hat Ihnen am besten daran gefallen?" „Die großen Verandatüren, die vom Schlafzimmer zum Swimmingpool führen." „Also ... das hat durchaus etwas Romantisches, da gebe ich Ihnen Recht." Dachte er das Gleiche wie sie? Dass es sehr praktisch wäre, mitten in der Nacht nackt zu baden, und das wiederum würde dazu führen, dass ... „Es war ein langer Tag, und wir beide haben nichts Anständiges gegessen. Was halten Sie davon, wenn ich Sie zum Essen einlade, und dann fahren wir zu Ihnen nach Haus?" Es lag an ihr. Sie hatte an Verführung gedacht, er an Essen. „Essen gehen ist leider unmöglich, weil ich heute Abend etwas anderes vorhabe", sagte sie. Er antwortete einen Moment lang nichts, dann seufzte er. „Ach so, Sie haben eine Verabredung." Sie nickte und fuhr von der Zufahrtsstraße auf den Highway. „Ja, mit einer Vierjährigen. Elena bleibt über Nacht bei mir. Ich muss kurz bei ihrer Mutter vorbeifahren und sie abholen, denn Sarah hat eine echte Verabredung." „Dann lade ich Sie beide zum Essen ein. Ich lasse Elena sogar aussuchen." „Nein, ganz bestimmt nicht, es sei denn, Sie wollen im Honey Bear's Pizza Cave beim Essen von als Bären verkleideten Kellnern bedient werden." „Es ist wohl doch keine so gute Idee, sie das Restaurant auswählen zu lassen ..." Aber beide hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Elena bettelte und drängelte so lange, bis sie doch zu Honey Bear's Pizza Cave fuhren. Das Essen war dann doch besser zu ertragen, als Hollie vermutet hatte. Es wurde schnell serviert, und da sie buchstäblich einen Bärenhunger hatte, ließ sie es sich schmecken. Auch Noel aß alles auf, was der Bär vor ihn hinstellte, und schien sich nicht daran zu stören, dass die Pizzas die Form von Bärenklauen und Bienenstöcken hatten. Auf der Rückfahrt plapperte Elena unentwegt, glücklich, dass man ihr alle Wünsche erfüllt hatte. Und wenn Noel ein Angebot auf das Haus in der Mistletoe Lane abgibt, werde ich heute Abend genauso glücklich sein wie sie, dachte Hollie. „Backen wir nachher ein Lebkuchenhaus?" wollte Elena wissen, als sie wieder in Hollies Haus waren. Hollie fuhr ihr liebevoll durchs Haar. „Der Plan hat sich ein wenig geändert, Kleines. Statt des Lebkuchenhauses machen wir Schneeflocken. Noel und ich haben einfach zu viel Zeit für die Besichtigung der Häuser gebraucht." „Schneeflocken?" fragte Elena interessiert. „Ja, das knusprige Schmalzgebäck, das wie Schneeflocken geformt ist und über das man
dann Puderzucker streut. Ich habe noch eine hübsche Blechdose mit Schneemännern darauf. Du kannst ein paar Kekse hineintun und sie deiner Mom zu Weihnachten schenken, okay?" „Ja." Elena nahm ihren Teddy, um ihn ins Bett zu bringen. Noel ergriff Hollies Hand und zog daran. „He, ich bin auch noch da. Sie wollten mir doch das Haus zeigen." „Richtig. Aber wir müssen vorsichtig sein. Ich möchte nicht, dass Elena sich wieder aufregt, weil sie Angst bekommt, ich könnte ausziehen. Wollen Sie sich nicht von ihr das Haus zeigen lassen?" schlug sie vor, als das kleine Mädchen den Flur entlang auf sie zukam. „Elena, möchtest du nicht Noel einmal durchs Haus führen, dann kann ich inzwischen alles für die Schneeflockenkekse vorbereiten?" „Ja, gern." Elena war einverstanden, ergriff Noels Hand und zog ihn mit sich zu dem Zimmer, aus dem sie gerade gekommen war. „Dies hier ist mein Zimmer, wenn ich bei Tante Hollie übernachte", erklärte sie ihm gleich darauf. Sie sprang aufs Bett und hüpfte auf und ab. „Ich habe ihr geholfen, es in meiner Lieblingsfarbe zu malen. Sie nennt es strohgelb." Noel besah sich den hellgelb gestrichenen Raum. Ein hoher Spiegel lehnte an der einen Wand, und Hüte und Handtaschen und Schuhe mit hohen Absätzen lagen überall herum. „Das sind Tante Hollies alte Sachen. Ich darf sie anziehen, wenn ich hier bin. Gefällt dir mein neues Kleid?" Elena zupfte an dem rotweißen Trägerkleid, das sie zusammen mit einem weißen Unterrock angezogen hatte. An den Füßen hatte sie Wanderstiefel, aus denen spitzenbesetzte Strümpfe hervorlugten. „Also, dein Kleid gefällt mir. Sind das da deine Lieblingsbücher?" Er deutete mit dem Kopf auf einen Stapel neben dem Bett. „Ja, die mag ich am allerliebsten", erwiderte Elena und reichte ihm zwei davon. „Willst du sie mir vorlesen?" „Was hältst du davon, wenn du mir erst das Haus zeigst und ich dir später vorlese, wenn du mit Tante Hollie die Schneeflockenkekse gebacken hast?" Danach würde die Kleine sicher schnell einschlafen. Und genau das hatte Noel im Sinn. „Na gut. Aber komm jetzt, nun zeige ich dir Hollies Schlafzimmer." Gut, dachte Noel, endlich bekomme ich ihr Schlafzimmer, ihr persönliches Reich zu sehen. Elena war noch eine unbekannte Größe in seinem Plan für den Abend, aber irgendwann musste das Kind ja schlafen gehen. Und danach hatte er Tante Hollies ungeteilte Aufmerksamkeit. Elena schob vertrauensvoll ihre kleine Hand in seine große und zog ihn weiter mit sich, bis sie Hollies Schlafzimmer erreicht hatten. „Es ist wirklich sehr hübsch", verkündete sie. Das Kind hatte Recht. Es war in sanften Pastellfarben dekoriert. Noel musste leise lachen, als er den Miniaturweihnachtsbaum mit den Lichtern und Tannenbaumschmuck auf dem Tischchen neben ihrem Bett sah. Elena ging zum Weihnachtsbaum und steckte den Stecker in die Steckdose. Ihre Augen leuchteten auf. „Tante Hollie hat in jedem Zimmer einen Weihnachtsbaum. Wenn ich groß bin, werde ich auch einen haben." „Ganz bestimmt", gab ihr Noel Recht. Plötzlich war über ihnen auf dem Dach ein scharrendes Geräusch zu hören. Elenas Augen wurden riesengroß. „Meinst du, das ist schon Santa Claus?" fragte sie aufgeregt. Noel lachte. „Nein, ich glaube nicht, dass er vorher schon übt. Normalerweise kommt er immer erst am Heiligabend, soweit ich weiß." „Oh." Elena sprang auf Hollies Bett und begann darauf rumzuhüpfen. Sie kam wohl an keinem Bett vorbei, ohne sich darauf auszutoben. „Tante Hollie hat das weichste Bett, das ich kenne", rief sie begeistert. Sieht ganz so aus, dachte er trocken. Es war mit einem zart-rosa Bettüberwurf bedeckt, und am Kopfende lagen mehrere weiße Kissen mit pastellfarbenen, bestickten Kanten. Das
altmodische Bett stand hoch über dem Fußboden. Nachdem Elena genügend herumgehüpft war, sprang sie vom Bett herunter und ging hinüber zu der großen Pinienfrisierkommode. „Tante Hollie hat ganz viele schöne Sachen hier drinnen. Willst du sie einmal sehen?" Sie zog eine Schublade auf, in der ein Stapel pastellfarbener Dessous aus Seide, Satin und Spitzen lagen. „Sie hat gesagt, erst wenn ich groß bin, kann ich sie anziehen." Elena nahm einige der Dessous heraus und schmiegte sie träumerisch gegen ihren Kopf. Noel hätte das am liebsten auch getan. Hollie störte seine Gedanken. „So groß ist das Haus nun auch nicht!" rief sie aus der Küche. „Kommt, ihr zwei. Wir wollen mit den Schneeflocken beginnen." Er sollte Schneeflocken machen? Viel lieber würde er Liebe machen. Schon seit heute Morgen hatte er derartige Pläne im Kopf - falls Elena jemals ins Bett kam! Er sollte sich tatsächlich an der Weihnachtsbäckerei beteiligen! Hollie informierte ihn umgehend über die Einzelheiten, als Elena und er in die Küche zurückkehrten. „Also, stellen Sie diese hier in den Backofen, und dann setzen wir ein Angebot auf, wenn Sie sich entschlossen haben", sagte sie energisch, während sie Zitronenschale rieb. ^ Die nächste Stunde fabrizierten sie Schneeflocken. Hollie übernahm das Ausbacken in heißem Öl, und Noel und Elena streuten anschließend Puderzucker darüber. Als sie damit fertig waren, waren Noel und Elena über und über mit Puderzucker bedeckt und sahen selbst wie Schneeflocken aus. Nachdem das Gebäck abgekühlt war, war es endlich auch Zeit für Elena, ins Bett zu gehen. Und sie bestand darauf, dass ihr Noel noch etwas aus ihrem Lieblingsbuch vorlas, wie er es versprochen hatte. Hollie räumte derweil in der Küche auf, putzte und wischte, bis alles blitzblank war. Als Noel schließlich mit der Nachricht zurückkehrte, dass Elena eingeschlafen war, hängte Hollie gerade das feuchte Geschirrhandtuch zum Trocknen auf. Endlich waren sie allein. „Zumindest für den Augenblick", meinte Hollie. „Also, wie haben Sie sich entschieden? Wollen Sie ein Angebot auf das Haus in der Mistletoe Lane abgeben?" „Sind Sie wirklich sicher, Sie wollen mir nicht dies Haus hier verkaufen?" fragte er zum wiederholten Mal und setzte sich an den Arbeitstresen. Hollie hatte inzwischen Block und Kugelschreiber geholt. „Und was den Straßennamen betrifft, da bin ich mir gar nicht sicher ..." „Ich ja." „Und Ihnen hat das Haus wirklich gefallen? Sie haben es nicht nur gesagt, damit ich es kaufe?" „Ich habe es Ihnen doch erklärt - wenn ich das Geld hätte, würde ich es mir selbst kaufen. Es ist ein großartiges Haus zu einem anständigen Preis. Wenn Sie vorhaben, sich bis Weihnachten noch ein Haus zu kaufen, sollten Sie es nehmen." „Okay, lassen Sie uns ein Angebot aufsetzen", sagte er. „Ich kann sogar mit dem Straßennamen leben." Er runzelte die Stirn. Hollie war erleichtert, aufgeregt und traurig auf einmal. Erleichtert, dass Noel ihr Haus nicht mehr unbedingt kaufen wollte. Aufgeregt, weil sie nun die Verkaufsprovision bekommen würde. Und traurig, weil sie nun Noel nicht mehr jeden Tag sehen würde. Denn sosehr er sie auch aufregte, sie hatte sich an ihn gewöhnt, seinen Duft, seine Gesellschaft. Und dann war da noch die Sache mit dem Kuss. Er hätte ihr ja durchaus auch nur einen Kuss auf die Wange geben könne^. Oder einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. Er hätte sich sogar weigern können. Aber genau das hatte er nicht getan. Stattdessen hatte er ihr einen richtigen Kuss gegeben. Einen sehr realen, romantischen Kuss. Die Art Kuss, die ... zu etwas führte. Es war kein flüchtiger Kuss zwischen Immobilienmaklerin und Kunden gewesen, weil ein Hauskauf erfolgreich abgeschlossen worden war.
Wie auch immer, der Kuss hatte zu nichts weiter geführt. Es stimmte zwar, ihre Beziehung war etwas entspannter geworden ... weniger förmlich und dafür neckender ... aber dabei war es auch geblieben. Nun würde es so schnell vorüber sein, wie es begonnen hatte. Sie würde Noels Angebot dem Besitzer vorlegen. Vielleicht würde er noch versuchen, etwas mehr herauszuholen, aber schließlich würde er Noels Angebot annehmen. Und Noel würde schnurstracks auf seine Karibikinsel verschwinden. „Wie lange wird es ungefähr dauern, bis der Vertrag abgeschlossen sein wird?" erkundigte sich Noel und unterbrach damit ihre Gedanken. Seine romantischen Pläne passten nicht zu ihrem Wunsch, den Verkauf so schnell wie möglich abzuschließen. Er dachte ans Bett und sie nur ans Geschäft. „Warum fragen Sie? Möchten Sie das Telefon benutzen und bei der Fluggesellschaft anrufen und einen Flug buchen?" Er hatte es wirklich brandeilig wegzukommen. „Gute Idee", heuchelte er, enttäuscht, dass aus seinen Plänen für den Abend wohl nichts wurde. „Dann rufen Sie an", sagte sie, blickte ihn aber dabei nicht an. „Mit etwas Glück kann morgen alles erledigt sein. Und falls notwendig, können Sie den Rest telefonisch von Ihrer Insel aus erledigen/' Ohne sich groß anzustrengen, hatte er es geschafft, ihre Hoffnungen auf ein frohes und glückliches Weihnachtsfest zu zerstören. . Diesmal waren ihre aufregenden Tagträumereien einfach etwas zu unrealistisch gewesen. Diejenigen, die sie sich selbst gegenüber eingestanden hatte. Bis jetzt. Währenddessen am Nordpol... „Wie konnte Claudia mich nur hier allein zurücklassen?" murmelte Santa mürrisch vor sich hin und schob heftig den zweiten geleerten Aluminiumbehälter von sich. „Mit DiätFertiggerichten im Kühlschrank!" Santa hasste es, wenn Leute, die ihre schlechten Gewohnheiten ablegten, auch zugleich ihren Humor verloren. Oder war sein voller Terminkalender der Grund dafür, dass Claudia nicht mehr so wie früher lachte? Er nahm sich wieder den Test in Claudias schicker Frauenzeitschrift vor, in der er nach einem Hinweis auf ihren Aufenthaltsort gesucht hatte. In diesem Test konnte man herausfinden, ob in der eigenen Ehe etwas nicht so recht stimmte. Er kreuzte die letzten Antworten an und erfuhr, was ihm Claudias Abreise eigentlich schon deutlich genug gesagt hatte. Er würde einige Dinge in seinem Leben ändern müssen. Für den Anfang wäre vielleicht ein Diamantanhänger in Form eines Tennisschlägers nicht schlecht. Und eine kleine Tennishalle. Claudia würde in diesem kurzen weißen Röckchen ausgesprochen sexy aussehen ... wenn sie jemals zurückkam.
8. KAPITEL 23. Dezember „Also, erzähl, wie war es gestern mit deinem Feuerwehrmann?" fragte Hollie. Sie saß auf Sarahs gestreiftem Sofa, die Füße auf dem eichenen Couchtisch. „Er kommt heute Abend zu uns, um mit uns zusammen Heiligabend zu feiern. Willst du nicht Noel mitbringen?" bot ihr Sarah an. „Der wird schon längst fort sein." „Du hast ihm doch nicht dein Haus verkauft, nicht wahr, Hollie?" „Nein, aber endlich habe ich eins gefunden, das ihm gefiel. Heute Morgen haben wir sein Angebot vorgelegt, und nun warte ich darauf, vom Besitzer etwas zu hören", erklärte sie und klopfte auf den Pager, den sie immer bei sich hatte. „Es ist schon komisch. In der einen Minute will er unbedingt mein Haus haben - und in der nächsten will er ein ganz anderes kaufen. Nicht, dass ich mich nicht über die fette Provision freue und auch darüber, dass ich mein Haus behalte ... aber dennoch ..." Sarah trank einen Schluck von dem Honig-Zitronentee, den sie ihnen gemacht hatte. „Also, eine Erklärung könnte es geben - auch wenn sie ein wenig an den Haaren herbeigezogen sein mag. Aber ist dir je der Gedanke gekommen, dass ihm dein Haus gefällt, weil du ihm gefällst? Vielleicht wollte er auf diese Art dich in sein Leben einbeziehen - sozusagen symbolisch." Hollie lachte nervös. „Danke, Miss Freud. Selbst wenn ich deiner Analyse glauben würde - weswegen will er denn nun ein anderes Haus kaufen? Kannst du mir das vielleicht auch erklären?" Sarah zuckte mit den Schultern. „Frag mich nicht ... Vielleicht ..." Sie brach ab und grinste Hollie triumphierend an. „Weil er ein Haus haben will, das groß genug für euch beide ist!" Hollie wurde rot. „Quatsch! Ich kenne den Mann doch kaum. Und er kennt mich ebenso wenig." „Na klar!" schnaubte Sarah. „Seit über einer Woche verbringst du Tag für Tag mit ihm. Ihr kennt euch inzwischen in- und auswendig. Und außerdem ... eins will ich dir auch noch sagen - zwischen euch beiden funkt es ständig gewaltig. Wieso siehst du das eigentlich nicht? Ich kann mir vorstellen, wenn du Noel nett fragst, wird er über Weihnachten hier bleiben." „Garantiert nicht. Er ist ein Grinch, ein Weihnachtsmiesepeter, hast du das etwa vergessen? Außerdem kann er es kaum erwarten, auf seine geliebte Karibikinsel zu kommen." „Na hör mal, Hollie. Gib der Sache doch eine Chance. Gib Noel eine Chance. Bestimmt kann ein Weihnachtsfan wie du ihn dazu bringen, mit uns Weihnachten zu feiern. Ich weiß, Elena würde ihn gern hier haben. Als sie nach Haus kam, redete sie ununterbrochen davon, dass Noel ihr aus den Büchern vorgelesen hatte, die du ständig für sie sammelst." Hollie lachte. „Wir dachten, sie wäre längst eingeschlafen, aber sie blieb wach und bettelte, dass Noel ihr noch mehr vorlas. Wir beide waren hundemüde, als sie dann schließlich doch einschlief!" „Aha, er machte dir also doch den Hof. Er ist noch geblieben, nachdem ihr sein Angebot aufgesetzt habt. Tut mir Leid, dass Elena die ganze Sache für euch zwei ein wenig ... verpatzt hat." Dann kicherte Sarah mädchenhaft. „So Leid tut es mir eigentlich nicht, wenn ich's mir recht überlege. Sonst hätten Rick und ich nicht schmusen können ..." „Sarah! Es war eure zweite Verabredung!" „Nun, beim ersten Mal hatte ich ein Kind dabei. Ich konnte doch nicht mitten in der Nussknackersuite schmusen, oder?" „Das habe ich nicht gemeint, und das weißt du auch, du Flittchen! Vor der dritten Verabredung darf man nicht schmusen."
„Midnight, runter mit dir!" schimpfte Sarah mit dem kleinen Hund, als er sich eine Schneeflocke aus der offenen Schneemanndose vom Couchtisch schnappte. „Und du, Hollie, sag mir, wo es steht, dass man erst beim dritten Mal schmusen darf." „Ich habe es irgendwo gehört." Hollie schnaubte missbilligend. „Außerdem hat Noel mir nicht den Hof gemacht. Er war nur einsam und mochte nicht zurück in sein Hotelzimmer fahren. Und er hat wirklich versucht, Elena zum Einschlafen zu bringen." „Das kann ich mir vorstellen", murmelte Sarah vor sich hin. „Ich finde, du solltest ihn zumindest fragen, ob er Heiligabend kommen möchte. Es kann durchaus sein, dass er hier in St. Louis bleibt, wenn er irgendwohin gehen kann." Hollie faltete die Liste zusammen, auf der sie vermerkt hatte, was sie alles noch erledigen musste, und zog sich dann ihre Schuhe an. „Überleg doch nur, Sarah. Ein sonniger Strand, warmer Sand, eine milde Meeresbrise ... er wird nicht bleiben. Und ich muss auch los. So gern ich hier gemütlich mit dir sitzen würde, aber ich muss noch allerhand erledigen. Soll ich dir irgendetwas mitbringen, jetzt, wo ich endlich offiziell Urlaub habe und Noel keine weiteren Häuser mehr zeigen muss?" „Danke, ich habe alles. Aufträge habe ich für die nächsten Tage nicht, und die Witmers waren begeistert vom Essen. Vielen Dank noch einmal." Als Hollie aufstand, um zu gehen, meldete sich ihr Pager. Sie warf einen Blick auf das Display. „Man kann noch so gut planen ... Es geht um Noels Angebot", sagte sie seufzend. „Darf ich einmal dein Telefon benutzen?" „Als müsstest du überhaupt fragen. Lauf, Mädchen." Sarah drückte die Klingel an dem schönen alten viktorianischen Haus. Sie hatte den Eindruck, Hollie könnte gut alle Hilfe gebrauchen, die sie bekommen konnte. Deswegen hatte sie beschlossen, der Wahrsagerin einen kleinen Besuch abzustatten. Miss Neugier Elena hatte sie bei einer Freundin in der Nachbarschaft untergebracht. Die Frau, die ihr öffnete, zerstreute auf Anhieb ihre Vorbehalte. Charmant bat Miss Claudia sie in den Wohnraum und bat sie, sich an den Kamin zu setzen. „Was möchten Sie denn erfahren?" fragte Miss Claudia und nahm Sarahs Hand. „Möchten Sie herausfinden, ob Ihr Catering-Service weiterhin gut läuft oder ob die kleine Elena noch Geschwister bekommt?" „Nun, ich ... äh ..." Vielleicht sollte ich nicht so überrascht sein, dachte Sarah verwirrt. Schließlich ist Miss Claudia ja Wahrsagerin. „Oh, Sie möchten etwas über Ihren Feuerwehrmann erfahren, so rot wie Sie gerade werden." „Er ist nicht mein Feuerwehrmann. Ich meine ..." „Oh, keine Angst, er gehört ganz und gar Ihnen, Honey." Miss Claudia tätschelte ihr die Hand. „Wirklich?" Miss Claudia nickte. „Sie mögen ihn, nicht wahr?" „Ja, aber er ist ein wenig ..." „Sie brauchen jemanden, der jünger ist, Ihretwegen und auch Elenas wegen. Außerdem: Wegen seiner vielen Brüder und Schwestern ist er für sein Alter ein sehr erwachsener junger Mann." „Das scheint er zu sein. Aber deswegen bin ich eigentlich nicht hergekommen. Ich wollte Sie wegen meiner Freundin Hollie befragen. Hollie Winslow. Sie hat Sie besucht, und Sie haben ihr erzählt, Santa Claus würde ihr zu Weihnachten einen einsfünfundachtzig großen Galan bringen." „Sie glaubt es nicht, stimmt's?" „Aber ich glaube es. Ich glaube,«sie hat ihn bereits kennen gelernt, ist aber zu dickköpfig, entsprechend zu handeln", erwiderte Sarah. Miss Claudia beugte sich vor und lächelte. „Sie sind beide zu dickköpfig."
„Aber woher ..." „Ich weiß, Sie wollen Ihrer Freundin helfen, Sarah", unterbrach sie Miss Claudia mit einem Lächeln. „Aber die beiden müssen es ganz allein auf die Reihe kriegen. Hollie muss begreifen, dass Noel genau das bietet, was sie braucht." „Und ich kann nichts dazu beitragen?" fragte Sarah, denn sie wollte so gern, dass ihre Freundin das Glück fand, das sie verdiente. „Die beiden schaffen es schon allein", beruhigte sie Miss Claudia. Sarah lächelte erleichtert. „Also, dann kann ich mich ja danach erkundigen, wie es mit meinem Catering-Service weitergeht." „Ich glaube, wenn Ihr Feuerwehrmann es richtig macht, werden Sie ihn verwöhnen, und dazu ..." „Noch mehr Kinder!" „Wenn Sie sie haben wollen." „Elena wird begeistert sein. Schon die ganze Zeit bettelt sie, dass sie noch eine kleine Schwester haben möchte. Ach übrigens, Sie wissen nicht zufällig, wo ich noch eine Barbiepuppe mit einem pinkfarbenen Kleid herbekomme?" „Sie ist schon auf dem Weg." „Sie meinen, Santa Claus bringt sie?" „Mit der Hilfe eines Kuriers." Sarah schaute auf ihre Armbanduhr. „Huch, ich muss los. Elena wird sich fragen, wo ich bleibe." „Frohe Weihnachten wünsche ich Ihnen, Sarah", sagte Miss Claudia, als sie Sarah zur Tür brachte. Sie lächelte, weil sie wusste, dass Sarahs selbstlose Adoption der kleinen Elena mit süßen Zwillingsjungen belohnt werden würde. Elena sollte es nur so lange wie möglich genießen, die kleine Prinzessin zu sein! Als Claudia in die Küche ging, um sich eine Suppe warm zu machen, fragte sie sich, wie es wohl Santa gehen mochte. Und sie fragte sich, ob sie ihm ebenso fehlte wie er ihr. „Herzlichen Glückwunsch zum neuen Haus", sagte Hollie und stieß mit Noel an. Champagner perlte in den Gläsern. „Und das ohne langes Feilschen mit dem Vorbesitzer. Mein erstes Angebot wurde akzeptiert." „Das nennt man Glück", sagte sie und schenkte ihm Champagner nach. Er hatte eine Flasche mitgebracht, um den Vertragsabschluss zu feiern. „Sie haben sich ja so schick gemacht", bemerkte sie mit einem Blick auf seinen Anzug und die Seidenkrawatte. „Sind Sie sicher, Sie haben noch nicht mit der Arbeit angefangen? Und Sie wollen auch weiterhin Weihnachten nicht in der Stadt verbringen, oder?" Hollie versuchte ihre Hoffnung nicht durchklingen zu lassen. „Ich habe einen Flug für morgen Nachmittag um zwei gebucht. Und schick angezogen bin ich, wie Sie es nennen, weil ich dachte, wir könnten das Ereignis mit einem netten Essen feiern. Ich habe es Ihnen ziemlich schwer gemacht, und Sie verdienen es, von mir eingeladen zu werden." „Essen?" Er nickte. „Überall - nur nicht in Honey Bear's Pizza Cave\" „Ich müsste mich noch duschen und umziehen ..." Sie wusste, die meisten Männer hassten es, ständig auf Frauen warten zu müssen. „Tun Sie das. Wir haben Zeit genug. Sagen Sie mir nur, wo Sie essen gehen möchten, dann bestelle ich telefonisch einen Tisch, während Sie sich fertig machen." Hollie trank einen Schluck Champagner und fühlte sich seltsam leicht im Kopf. Das musste am Champagner liegen -woran denn sonst? Nicht an dem Mann, der aussah, als wäre er gerade einem Herrenmagazin entstiegen ... Sie erinnerte sich, dass Sarah einmal von einem eleganten Restaurant in Clayton mit einem komischen Namen
gesprochen hatte. Wie hieß es noch? Crazy ...? „Crazy Fish", sagte sie. „Da wollte ich schon lange einmal hin." „Gut, dann fahren wir ins Crazy Fish. Ab mit Ihnen!" sagte er lächelnd, trank seine Champagnerflöte leer und stellte sie auf den Tresen. „Das Telefonbuch liegt in der Küche", informierte sie ihn, winkte ihm zu und verschwand Richtung Schlafzimmer. Nachdem er angerufen und einen Tisch für zwei Personen bestellt hatte, machte er es sich mit seinem frisch gefüllten Champagnerglas auf dem Sofa bequem. Er hatte sich ausgerechnet, Hollie würde ungefähr eine Stunde benötigen, dazu kam noch eine halbe Stunde Fahrt zum Restaurant. Als er auf dem Sofa saß, musste er unwillkürlich an den verschneiten Tag denken, an dem er darauf eingeschlafen war -und an seinen sexy Traum mit Hollie. Die lebhafte Erinnerung daran erregte ihn. Er stellte seine Champagnerflöte beiseite, stand auf und ging den Flur entlang. Aus Hollies Badezimmer hörte er das Wasser rauschen. Ein weiteres Bild stand ihm plötzlich vor Augen. Die Kommodenschublade, die Elena aufgezogen hatte wie die Büchse der Pandora. Es verlockte ihn, in ihr Schlafzimmer zu gehen. Das Wasser rauschte immer noch, Dampf drang unter der Tür hindurch ins Schlafzimmer. Und der Duft von Hollies parfümierter Seife. Sie roch nach Geißblatt und Moschus. Nun gab es für seine Hormone kein Halten mehr. Er zog die Kommodenschublade auf und besah sich den Inhalt. Aus rein beruflicher Neugier, versuchte er sich einzureden. Schließlich war er ja in dem Geschäft tätig. Er nahm zuerst einen BH, der mit verschwenderischer venezianischer Spitze und zarten Satinröschen ausgestattet war, heraus, legte ihn und den dazu passenden Slip aber zu Gunsten eines weißen Teddys mit wunderschöner Lochstickerei wieder beiseite. Spontan legte er den Teddy aufs Bett. Dann ging er hinüber zu ihrem Kleiderschrank und schaute nach, was darin hing. Ein zitronengelbes Kostüm gefiel ihm zwar, aber es war nicht genau das, was er im Sinn hatte. Er suchte weiter und fand den perfekten Kandidaten für das Essen im Crazy Fish: ein eng geschnittenes weißes Top mit einem faszinierenden Dekollete und einem langen schwarzen Strickrock. Er legte alles zusammen zum Teddy, betrachtete es prüfend, und dann ging er zurück zur Schublade, um eine hauchdünne durchsichtige Strumpfhose zu holen. Das Wasser in der Dusche rauschte immer noch. Noel wusste, er riskierte, den ganzen Abend zu verderben ... Schuhe! Beinahe hätte er sie vergessen. Für Schuhe hatte sie besonders viel übrig, die Auswahl war also wirklich wichtig. Die obersten Regale ihres Schuhschranks standen voller Schuhkartons. Dass sich auf jedem ein Abbild der Schuhe befand, machte ihm die Auswahl einfach. Nach einer kurzen Überprüfung entschied er sich für ein paar hübsche schwarze Pumps mit elastischen gekreuzten Riemchen und bestimmt fünf Zentimeter hohen Absätzen. Rasch nahm er die Schuhe aus dem Karton und stellte sie zu den anderen Sachen, die er ausgewählt hatte. Die Dusche wurde abgestellt, und die Türen der Kabine öffneten sich. Jetzt würde sie nach ihrem Badelaken greifen. Einen Moment lang stellte er sie sich nackt vor, Tropfen liefen über ihre samtige Haut ... Noel riss sich zusammen und verließ leise den Raum, um im Wohnzimmer auf sie zu warten. Wie würde sie wohl reagieren, wenn sie die Sachen auf dem Bett sah? Er wusste, er war in ihren privatesten Bereich eingedrungen. Schrieb ihr etwas vor. Besitzergreifend. Und vielleicht dumm.
Aber wenn sie so reagierte, wie er hoffte, dann würde er über die Weihnachtsfeiertage auf der Insel ein paar schöne Erinnerungen haben. Und allein schon der Gedanke, dass sie die Kleidungsstücke anhatte, die er ausgesucht hatte, würde ihn heute Abend erregen, wenn er ihr im Restaurant gegenübersaß. Er wusste nicht, warum er das getan hatte. Noch nie hatte er so etwas getan. Noch nie hatte er sich so exponiert, sich so weit aus dem Fenster gehängt. Das Warten kam ihm wie eine Ewigkeit vor, auch wenn nur Sekunden vergingen. Hatte sie schon das Badezimmer verlassen? Hatte sie die Kleidungsstücke auf dem Bett entdeckt? Wenn ja, was würde sie von ihm denken? Was würde sie tun? Es war so ruhig, dass er das Knacken der brennenden Scheite im Kamin hören konnte. Er stand auf und begann rastlos auf und ab zu gehen. Auf dem Klavier entdeckte er eine Schüssel mit kandierten Früchten. Er nahm eine Weintraube und steckte sie in den Mund, bevor er begriff, was er tat. Aber die fruchtige Süße der Weintraube regte seine Sinne nur noch mehr an. Er setzte sich ans Klavier und begann auf den Tasten herumzuklimpern, spielte einen bekannten Song nach dem Gehör. Er war ein mittelmäßiger Spieler, aber das Spielen entspannte ihn. Da meinte er zu hören, dass Hollie seinen Namen rief. „Haben Sie mich gerufen?" rief er zurück, verließ das Klavier und ging den Flur entlang zu ihrem Schlafzimmer. Er hoffte nur, er hatte es sich nicht eingebildet. Vielleicht war es nur seine überhitzte Fantasie gewesen. „Könnten Sie bitte hereinkommen?" hörte er Hollie rufen, als er gerade an einem gerahmten Foto von Elena vorbeikam, das an der Flurwand hing. Sie trug darauf ein Ballerinakostüm. Nachdem er an Elenas Zimmer vorbeigegangen war, betrat er Hollies Schlafzimmer. Er wusste nicht, was ihn erwartete. Sie war angezogen. Sie trug genau das Outfit, das er ausgesucht hatte. Und zu seiner Erleichterung sah er, dass sie lächelte. Sie öffnete eine Samtschatulle auf ihrer Frisierkommode. „Ich dachte, Sie würden vielleicht auch gern den Schmuck aussuchen. Dann muss ich nur noch mein Haar machen, und wir können los." Sie sah unglaublich sexy aus in den Sachen, die er zusammengestellt hatte. Süß und sexy zugleich. War alles nur eine Falle? Würde sie ihm gleich wegen seiner Frechheit die Leviten lesen? Ein wenig unsicher ging er zu ihr und blickte in die Schatulle. Ausgefallene Schmuckstücke lagen darin. Engel, Herzen, Monde, Sterne und dergleichen mehr. Noel entschied sich für rot-grün glitzernde Ohrringe, die zu Weihnachten passten, wie er fand. Er stand dicht genug, um zu sehen, dass Hollies Ohrläppchen ein feines Loch hatten. Dicht genug, um sich augenblicklich zu wünschen, an ihren Ohrläppchen knabbern zu dürfen. Für den Anfang. Sie lächelte, als sie sah, was er ausgesucht hatte. „Möchten Sie ihn hineinstecken?" fragte sie. Er verschluckte sich fast an seiner Zunge, dachte, sie hätte seine Gedanken gelesen. Sie drehte ihm ihr Ohr zu, wartete, und ihm wurde klar, sie sprach von dem Ohrring in seiner Hand. Er nickte stumm, weil er Angst hatte, es würde nur ein Krächzen herauskommen, wenn er den Mund aufmachte. In seiner Nervosität brauchte er ziemlich lange, ehe er den Ohrring richtig im Ohrläppchen hatte.
„Danke", sagte sie und wandte ihm das andere Ohr zu. „Bitte seien Sie so lieb und befestigen diesen hier auch. Ich habe mir gerade die Nägel lackiert und möchte mir nicht den Lack ruinieren", erklärte sie ihm und pustete auf die Nägel. Eine interessante Geste. Natürlich konnte es sein, dass sie nur den Lack schneller abtrocknen lassen wollte, aber ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie höchst zufrieden war. Er wollte lieber nicht darüber nachdenken, weswegen. Eigentlich wollte er überhaupt nicht denken. Und dann gab er es wirklich auf. Er ließ die Fingerspitzen von ihrer Ohrmuschel zu ihrem Kinn gleiten, strich mit dem Daumen über ihre Lippen, senkte den Kopf und küsste sie. Wie von selbst schoben sich seine Finger in ihre feuchten Haare, und sie öffnete ihre Lippen. Hungrig erforschte er ihren köstlichen Mund. „Wir kommen zu spät", sagte sie, als er den Kopf endlich wieder hob. „Macht es dir etwas aus?" fragte er. Als Antwort umfasste sie seinen Kopf, zog ihn herunter und erwiderte seinen Kuss. Der einladende Kuss raubte ihm seine Selbstbeherrschung. Noel hob Hollie auf die Arme, ohne den Kuss zu unterbrechen, und trug sie quer durch den Raum. Sie klammerte sich an seinen breiten Schultern fest, noch immer atemlos. „Was tust du da?" keuchte sie, als beide nach Luft rangen. „Dein Bett hat mich vom ersten Moment an fasziniert. Es sieht aus wie eine dahinschwebende Wolke, dicht über dem Fußboden. Ich wollte sehen, ob es so sanft und einladend ist, wie es aussieht." Hollie quiekte auf, als er sie einfach auf die Matratze fallen ließ. Sie hüpfte einmal hoch und versank dann in den weißen Kissen. Hastig lockerte Noel seine Krawatte und warf sie zusammen mit seinem Jackett einfach fort, dann sprang er zu Hollie aufs Bett. Er legte sich neben sie und flüsterte ihr all das ins Ohr, was er sich erträumte mit ihr, was ihre Lippen anstellen könnten. „Ist das eine Bitte?" fragte sie. „Vielleicht später", erwiderte er und schob ihren Rock hoch, als sie ihre Hüften anhob, um ihm zu helfen. Er umfasste ihren Po mit beiden Händen, presste sie an sich und stöhnte auf. Seine Finger glitten zu den Druckknöpfen ihres weißen Teddys, rissen sie auf. Auch die Strumpfhose widerstand seinem Ansturm nicht. Hollie keuchte überrascht, als sie Noels Lippen auf dem heißen Punkt zwischen ihren Beinen spürte. Mit Zähnen und Zunge reizte er die empfindsame Stelle, bis Hollie es nicht mehr aushielt. Hatte sie beide Hände gerade noch in das Laken gekrallt, so umfasste sie jetzt Noels Kopf, leitete ihn, zeigte ihm, wie er ihr höchstes Vergnügen bereiten konnte. Und dann war es um sie geschehen. Eine köstliche Welle überrollte sie und ließ sie in süßer Schwäche ermattet zurück. Noel nahm ihre Hand und küsste ihre Innenfläche, dann streckte er sich neben Hollie aus, lauschte ihren Atemzügen, bis sie sich wieder normalisiert hatten. „Wie komme ich zu der Ehre?" fragte sie, drehte sich auf die Seite und strich ihm mit den Fingern über die breite Brust. „Ich bin eben ein Gentleman", erwiderte er. „Ein Gentleman? Interessante Definition dieses Begriffs, findest du nicht?" „Weißt du, man könnte auch sagen, ich gebe einen Gefallen zurück." Er erzählte ihr von seinem Traum mit ihr. Sie lachte leise. „Ja ..." Er legte sich auf den Rücken und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Seine Erregung war nicht zu übersehen. Sie fasste ihn an, streichelte ihn. „Also, was meinst du?" fragte sie.
„Im Augenblick kann ich nicht denken. Mein Gehirn ist völlig blutleer, weil das Blut... woandershin geflossen ist." „Ich wollte sagen, was meinst du, ist das Bett so weich, wie du es dir vorgestellt hast? Gefällt es dir?" „Hm", war alles, was er sagte, als sie ihren Griff verstärkte, um eine Antwort zu erhalten. Und dann senkte sie den Kopf. „He, warte einen Moment!" Er hob ihren Kopf wieder an. „Wollen wir nicht zuerst essen gehen und hinterher zurückkommen und hier den Nachtisch genießen?" Sie lachte, weil sie wusste, eigentlich wollte er nicht warten. „Ich sage Sarah immer, im Leben ist nichts sicher - deswegen den Nachtisch zuerst." Da rollte er sich mit ihr herum, legte sich auf sie und hielt ihre Hände fest. Er senkte den Kopf, küsste sie hungrig und leidenschaftlich, als er zu ihr kam, besitzergreifend und fordernd zuerst, dann langsam und aufreizend. Aber schon bald fanden sie einen gemeinsamen Rhythmus, wurden schneller und gieriger, bis sie zusammen die Ziellinie erreichten. Als Hollie einige Momente später die Augen öffnete, sah sie, dass Noel keinen Faden mehr am Leib hatte, während sie noch immer angezogen war, ja, selbst die Schuhe noch trug. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie mit einem Mann geschlafen und dabei nicht einmal die Schuhe ausgezogen. Wie aufregend! Und sie ahnte, dass er wusste, wie erotisch sie das fand. Er hatte auf Anhieb eins ihrer Lieblingspaare aus ihren vielen Schuhen ausgewählt. Ein durchschnittlicher Mann hätte das wohl nicht gekonnt. Aber er war eben kein durchschnittlicher Mann. Das hatte sie eigentlich schon vom ersten Moment an gewusst, als er in ihr Büro und ihr Leben getreten war. Und morgen Nachmittag würde er aller Wahrscheinlichkeit nach fort sein. Aber daran wollte sie jetzt nicht denken. Sie wollte ihren Urlaub genießen. Er hatte ihr keine schönen Worte gemacht, um sie ins Bett zu bekommen. Es war gar nicht nötig gewesen. Seit er sie im Einkaufszentrum geküsst hatte, war sie bereit gewesen. Wenn sich ihr Weihnachtswunsch erfüllte, würde er seine Meinung ändern und bleiben. Aber sie wollte sich keine Hoffnungen machen. Auch wenn sie wusste, sie würde ihm ein wundervolles Weihnachtsfest bereiten können. „Ich weiß nicht, wie es bei dir ist, aber ich bin hungrig wie ein Wolf", durchbrach Noel ihre Gedanken, als er sich herumrollte und dabei fast aus dem Bett fiel. Er konnte es gerade noch verhindern. „Bestimmt finde ich in der Speisekammer einen Happen zu essen", meinte sie. „O nein. Ich habe dir ein richtig schickes Essen versprochen, und du wirst dieses schicke Essen auch bekommen", widersprach er sofort. „Außerdem hast du heute Abend schon für mich ... gekocht." Damit er ihr Erröten nicht sah, schaute sie auf die Uhr auf dem Nachttisch. „Ich glaube, die Tischreservierung können wir vergessen." „Dann bestellen wir einen neuen. Ich werde sagen, wir seien aufgehalten worden. Aber zuerst werde ich einmal duschen. Willst du nicht für ein paar Minuten die Augen schließen?" Dagegen hatte sie absolut nichts einzuwenden. Das Bett war so verlockend weich. Sie würde noch einen Moment lang liegen bleiben und sich dann etwas anderes zum Anziehen suchen. Oder vielleicht sollte sie Noel wieder aussuchen lassen. Es hatte ihr gefallen. Aufregend war es gewesen, aus dem Bad zu kommen und auf dem Bett ausgebreitet die Sachen vorzufinden, die sie für ihn tragen sollte. Und der Gedanke, dass er sich ihre Dessous angesehen hatte, machte sie richtig an. Wie mochte er über ihr Faible für
Reizwäsche denken? Sie hörte verträumt, wie er die Dusche andrehte, und stellte sich anschaulich vor, wie das Wasser über seinen festen, muskulösen Körper rauschte. Als ein lauter Schmerzensschrei ertönte, setzte ihr Herz einen Schlag lang aus. Mit einem Satz war sie aus dem Bett und rannte zum Badezimmer. War er ausgerutscht und hatte sich verletzt, vielleicht sogar etwas gebrochen? Es war viel schlimmer. Noel klammerte sich am Band des Waschtischs fest, das Gesicht totenbleich und schmerzhaft verzogen. „Was ist los?" rief sie besorgt. „Der Lockenstab", keuchte er rau. „Ich habe mich daran verbrannt, als ich mich vorbeugte. Ich wusste nicht, dass er angeschaltet war." Du lieber Himmel, kein Wunder, dass er ganz blass war. Er hatte sich fast kastriert. Und sie war nur froh, dass sie den Nachtisch vorab genossen hatten. Denn es würde eine Weile dauern, bis an ein solches Vergnügen wieder zu denken war ... Währenddessen am Nordpol... „Wir müssen irgendetwas tun", erklärte Terrell, das Oberhaupt der Elfen. Die dienstbaren Geschöpfe hatten sich alle zu einer Dringlichkeitssitzung am Abend vor der bedeutendsten Nacht des Jahres getroffen. „Aber was denn?" wollte ein Rotschopf namens Sammy wissen. „Selbst Santa weiß nicht, wohin seine Frau verschwunden ist. Sie ist schuld daran, dass er ständig schlecht gelaunt ist." „Ich bin sicher, wenn wir zusammen überlegen, fällt uns schon etwas Richtiges ein. Er kann morgen Nacht nicht mit dem Schlitten und den Rentieren los, um die Geschenke an die vielen Jungen und Mädchen auszuliefern. Dazu ist er viel zu deprimiert." „Ich habe die Lösung!" rief da Sammy. „Eine Elfenpatrouille!" „Die Elfenpatrouille!" rief der Rest wie aus einem Mund. Als Rudolph sich weigerte, die Rentiere zu führen, weil sein Kitz geboren werden sollte, war die Patrouille das letzte Mal eingesetzt worden. Sie hatten Clarabell, den Clown, ausfindig gemacht und sich von ihm die dicke rote Nase für Prancer ausgeliehen, der die Rentiere führen sollte. Die Elfen legten ihre Hände alle aufeinander und sagten: „Alle für einen und einer für alle - bis ein Meter zwanzig gilt das für alle. Wir machen uns auf den Weg. Denn ohne Santa Claus gibt es kein richtiges Weihnachten. Ho, ho, ho." Gemeinsam öffneten sie die große Eichentruhe und holten die Elfenpatrouillenhelme heraus.
9. KAPITEL 24. Dezember Bis gestern Abend wusste ich wirklich nicht, was ich mir zu Weihnachten wünschen sollte, dachte Hollie, und dann hatte ich einen Tag eher Bescherung! Sie lachte leise und streckte sich ausgiebig. Obwohl noch so vieles zu erledigen war, lag sie immer noch im Bett. Es war herrlich, einfach faul in den Kissen zu liegen und in Erinnerungen an den gestrigen Abend zu schwelgen - nun ja, zumindest bis zu dem Augenblick, als Noel aus der Dusche getreten, nach dem Handtuch gegriffen und sich dabei vorgebeugt hatte. Damit war das Essen gegessen gewesen. Der Abend insgesamt. Romantik. Er war hinausgehumpelt, gefolgt von einem Schwall ihrer mitfühlenden Entschuldigungen. Hollie zog sich das Kissen heran und atmete tief den Duft von ihm ein, ein köstlicher Geruch nach Kaminrauch und frischer Zitrone. Sie lag nackt unter der Decke - bis auf die Ohrringe, die er ausgesucht hatte. Sie hatte sie angelassen, als sie sich auszog, nachdem Noel gegangen war. Sie hatte auch noch den Stecker des Lockenstabs herausgezogen, ihn an einen sicheren Platz zum Abkühlen gelegt, geduscht und war ins Bett gegangen. Aber sie hatte nicht einschlafen können. Sie war einfach zu aufgedreht gewesen. Sie war mit einem Mann zusammen gewesen, der wusste, was er wollte, und nicht zu schüchtern war, zu nehmen und zu geben. Noch nie hatte es Hollie so viel Spaß gemacht, mit einem Mann zu schlafen, wie mit Noel. Er hatte sie verführt, indem er sie nicht berührte, sondern die Sachen auswählte, die sie für ihn tragen sollte. Der Gedanke hatte sie erregt, dass er sich ihre Kleidung und Unterwäsche angesehen hatte, während sie nackt unter der Dusche stand. Bei einem anderen Mann wäre das eine unverzeihliche Frechheit gewesen, aber Noel hatte es auf so romantische Weise getan, dass sie es nur aufregend fand. Die Uhr auf dem Nachttisch neben ihr zeigte an, sie musste aufstehen, egal, wie wundervoll es war, im Bett zu faulenzen. Aber die Gedanken schweiften wieder ab, riefen ihr jede seiner Liebkosungen in den Sinn, gemurmelte Worte in einer erregenden Sprache, als sie sich liebten. Ihr knurrender Magen unterbrach rüde ihre Schwärmereien. Gestern Abend hatten sie es nicht mehr zum Restaurant geschafft, und sie hatte vergessen zu essen. So reckte sie sich ausgiebig und setzte sich auf. Die Bettdecke fiel herunter und enthüllte ihre Nacktheit. Hollie lachte. Sie war mit Noel intim gewesen, wie es inniger nicht hätte sein können und er hatte noch nicht einmal ihre Brüste gesehen! Bei einem anderen Mann wäre das nicht passiert. Aber gerade das machte Noel zu einem besonderen Mann. Sie schlüpfte aus dem Bett, nahm sich ein langes weißes T-Shirt aus dem Schrank und gürtete es in der Taille mit Noels Krawatte. Er hatte sie hier vergessen. Barfuß tappte sie zur Küche und checkte den Anrufbeantworter, ob Noel angerufen hatte. Zu ihrer Enttäuschung war das nicht der Fall. Aber da meldete sich wieder der Hunger, und sie suchte in den Schränken nach etwas Essbarem. Da ihr feierlich zu Mute war, machte sie sich ihr Lieblingsfrühstück - Belgische Waffeln und Eiscreme. Die Kombination aus heißen Butterwaffeln und kaltem Vanilleeis beruhigte ihren knurrenden Magen. „Na komm schon, ruf an", sagte sie, wischte sich mit einer Serviette den Mund ab und starrte auf das stumme Telefon. Eins hasste sie an einer Gesellschaft, in der die Männer die Initiative ergriffen - das Warten. Da klingelte es an der Haustür, und ihr Herz machte einen Satz.
Noel! Das war ja noch viel besser als nur ein Anruf. Sie hoffte, er war gekommen, um ihr zu sagen, dass er seine Meinung geändert hatte und Weihnachten nicht wegflog. Dann konnte sie ihn noch zum Weihnachtsfest zu Sarah einladen. Aber als sie aus dem Fenster schaute, stellte sie fest, dass sie sich geirrt hatte. Ein Mann mit einem Päckchen und einem Klemmbrett stand vor der Tür. Sie nahm eine der festlich geschmückten Tüten mit Gebäck, die sie zu Weihnachten verschenken wollte, und öffnete die Tür. Wer mag mir nur ein Geschenk schicken, überlegte sie dabei. Nachdem sie den Empfang quittiert hatte, wünschte sie ihm ein frohes Weihnachtsfest und gab ihm die Tüte mit den selbst gebackenen Keksen. Bevor der Mann seinen Kleinlaster wieder erreichte, hatte sie das Päckchen schon aufgerissen. Es sieht so aus, als hätte ich in diesen Tagen ebenso wenig Geduld wie Elena, dachte sie selbstironisch. Es war eine Barbiepuppe mit pinkfarbenem Kleid, so wie Noel es versprochen hatte. Er hatte Elenas Weihnachten gerettet. Sie wäre sicher todtraurig gewesen, wenn ihr Lieblingswunsch nicht erfüllt worden wäre. Als Hollie gerade das Geschenk hübsch einpacken wollte, klingelte das Telefon. Endlich. Sie ging hinüber zum Apparat und nahm den Hörer ab. „Tante Hollie, Tante Hollie, heute Abend kommt Santa Claus!" Es war nicht Noel, aber dafür jemand, den sie fast ebenso gern hörte - Elena, die sie immer zum Schmunzeln brachte. „Bist du sicher, dass es heute Abend ist?" neckte sie sie. „Vielleicht hast du die Tage falsch gezählt?" „Nein, bestimmt nicht. Mommy sagt auch, dass heute Heiligabend ist. Und ich muss früher ins Bett, damit wir die Milch und die Kekse für Santa Claus hinstellen können. Rick kommt heute Abend zu uns." „Ich finde Rick nett", sagte Hollie und hoffte, Elena mochte ihn auch. „Er hat am Feuerwehrhaus einen kleinen Hund mit süßen Flecken. Er heißt Shana. Und Mommy sagt, er kocht für die Feuerwehrleute." „Shana kocht für die Feuerwehrleute?" „Nein, Tante Hollie, ein Hund kann doch nicht kochen. Rick kocht Feuerwehr-Chili und so ein Zeug. Er hat gesagt, er hat extra welches für mich gekocht." „Gut, dann sehen wir uns heute Abend, okay?" „Ja, und Mommy will noch mal mit dir sprechen, Tante Hollie." Sarah kam ans Telefon und stellte Hollie eine Frage, die sie nur zu gern hätte beantworten können. „Kommt Noel heute Abend auch mit?" „Ich weiß es nicht." „Du hast ihn doch gefragt, oder?" „Ich ... also, es ergab sich nicht der richtige Augenblick, und er musste früh gehen." „Was soll das denn heißen?" Hollie berichtete, was mit dem Lockenstab geschehen war, und legte auf, als ihre beste Freundin einfach nicht aufhören wollte zu lachen. Und da sie fand, nun hätte sie lange genug gewartet, beschloss sie zu handeln. Jedes Mal, wenn sie ein Haus verkaufte, schenkte sie ihrem Kunden einen Präsentkorb als Dankeschön. Sie beschloss, einen für Noel zusammenzustellen und ihn ihm ins Hotelzimmer zu bringen. Das bot ihr außerdem die Gelegenheit, ihn zu Sarah einzuladen. Und was am wichtigsten war ... sie konnte sich davon überzeugen, dass es ihm gut ging. Da er um zwei Uhr abflog, musste sie sich beeilen. Rasch schmückte sie den Korb mit buntem Papier und einer Schleife. Nun fehlten nur noch die Präsente. Sie duschte schnell, zog sich an und verließ das Haus. Eine gute Flasche Wein, Kräcker und Käse kaufte sie im Supermarkt ein. Und im
Drugstore entdeckte sie neongelbe Heftpflaster, denen sie nicht widerstehen konnte. Gegen zwölf Uhr hatte sie den Korb gefüllt und befand sich auf dem Weg zu Noels Hotel. Hollie war entschlossen, in Noels Zimmer zu gelangen. Sie wartete, bis die junge Frau an der Rezeption von einem Mann abgelöst wurde. Die junge Frau hätte nämlich ihre Lüge sofort durchschaut, während der Mann leichter zu täuschen sein würde, wenn sie ihren Charme spielen ließ. Das wusste sie aus Erfahrung. „Entschuldigen Sie bitte, ich habe für meinen Freund eine Überraschung dabei, und er hat auf mein Klopfen nicht geöffnet. Meinen Sie, er ist noch in seinem Zimmer? Vielleicht ist er ja eingeschlafen?" Sie lächelte ihn strahlend an. „Einen Moment bitte, ich werde nachsehen", erklärte sich der junge Mann eifrig bereit. Er schaute in seinem PC nach und nickte. „Er ist noch nicht abgereist", berichtete er dann. „Aber er hat einen Platz im Zubringerbus zum Flughafen." Hollie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Ich möchte ihn unbedingt noch einmal sehen, und ich habe auch noch das Geschenk für ihn. Könnten Sie mir nicht den Zweitschlüssel geben, damit ich ihm den Korb ins Zimmer stellen kann?" „Ich darf eigentlich nicht..." Sie ließ ihn nicht zu Ende reden, sondern legte ihre Hand auf seine und sah ihn bittend an. „Aber es ist doch Weihnachten, und ich bin in einer Minute zurück. Versprochen." Da gab er nach. Er war einfach kein Gegner für ihre Tricks. „Aber beeilen Sie sich", warnte er sie, „bevor jemand merkt, dass der Schlüssel nicht da ist." Sicher meinte er damit seine junge Kollegin. „Bin sofort zurück", versprach sie ihm, nahm den Schlüssel und zwinkerte ihm zu. Hollie war ziemlich nervös, als sie mit ihrem Präsentkorb vor Noels Zimmertür stand. Würde sie einen dummen Eindruck machen? Noch schlimmer, einen verzweifelten? Vielleicht sollte sie einfach wieder gehen. Einfach alles vergessen. Noel vergessen. Nein, schließlich war sie nun hier. Sie war nicht der Typ, der einfach aufgab, wenn er sich ein Ziel gesetzt hatte. Deswegen war sie auch eine gute Immobilienmaklerin. Sie brachte Sachen zu Ende, egal, wie schwierig sie waren. Hollie holte tief Luft, atmete aus und klopfte an die Tür. „Noel, ich ..." Als jemand öffnete, war es eindeutig nicht Noel. Aber die Frau, die jetzt vor Hollie stand, erwartete Noel offensichtlich. „Wer sind Sie?" verlangte sie zu wissen. „Ist das ein Abschiedspräsent des Hotels?" Hollie schaute auf ihren weihnachtlich verpackten Präsentkorb. „Nein, ich ... wer sind Sie denn?" platzte sie heraus und starrte auf die exquisite schwarze Spitze, die unter dem Bademantel mit dem Hotelemblem auf der Brusttasche hervorlugte. „Wo ist Noel?" „Und wer will das wissen?" Die Unbekannte klang ziemlich besitzergreifend. „Ich bin Hollie. Hollie Winslow. Ich, ich habe Noel das Haus verkauft", hörte sie sich stammeln. „Oh, das erklärt allerdings den Präsentkorb. Sie sind Noels Immobilienmaklerin. Das bedeutet, er hat ein Haus für uns gefunden!" „Uns?" „Ich bin Marcy Walker, Noels Verlobte", erklärte die dunkelhaarige Frau und wedelte mit einer perfekt manikürten Hand, an der ein dicker Diamantring blitzte, vor Hollies Nase herum. „Ich bin gerade aus Atlanta gekommen. Noel muss nur für ein paar Minuten hinausgegangen sein, aber das Zimmermädchen hat mich ins Zimmer gelassen. Wenn Sie
möchten, nehme ich den Korb für ihn entgegen." „Sie fliegen mit Noel über Weihnachten in die Karibik?" „Ja. Jedes Jahr um diese Zeit kann er es kaum erwarten wegzukommen. " Natürlich. Sie waren das perfekte Paar. Das hatte sie schon gesehen, als ihr die Tür geöffnet wurde. Sie kam sich vor wie der größte Blödmann aller Zeiten. „Nun, dann wünsche ich Ihnen einen schönen Flug", sagte Hollie, reichte ihr den Korb und wollte plötzlich weder Noel sehen, noch von ihm gesehen werden. Sie wollte nur noch so schnell wie möglich aus dem Hotel verschwinden. Und sie würde nicht weinen. Nein, das würde sie nicht. „Na gut, dann flenne ich eben doch, verdammt noch mal", schluchzte sie, als sie in den Wagen stieg. Warum musste ausgerechnet ihr wieder so etwas passieren? Noel Hawksley konnte sie nicht enttäuschen, weil sie von Anfang an gewusst hatte, er würde sie enttäuschen. Er hatte die Tatsache, dass er sozusagen mit einem Fuß schon im Flugzeug stand, nie vor ihr verschwiegen. Ebenso wenig, dass er Weihnachten hasste, ihren Lieblingsfeiertag. Das hatte er offen gesagt, und das nicht nur einmal. Sie hatte eine dicke Provision eingesackt, und damit würde sie sich einen neuen Wagen kaufen können. Sie sollte eigentlich glücklich sein. Noel Hawksley hatte getan, was sie eigentlich für unmöglich gehalten hatte. Er hatte ihr Weihnachten verdorben. Und dann musste sie unter Tränen lächeln. Sie hatte ihm ebenfalls Weihnachten versaut, wenn auch unabsichtlich. Mit ihrem heißen Lockenstab. Er mochte die Weihnachtsfeiertage mit seiner Verlobten verbringen, aber er würde die ganze Zeit immer wieder an sie, Hollie, denken müssen. Und nach der schmerzhaften Bekanntschaft mit dem Lockenstab würde er sich ebenso wenig amüsieren können wie sie. Und Marcy würde auch nicht auf ihre Kosten kommen, trotz ihrer scharfen Dessous. Das war immerhin ein kleiner Trost. „Tante Hollie, ich dachte schon, du kommst nicht mehr!" rief Elena, als sie ihr am Abend die Tür öffnete. „Sind diese Geschenke alle für mich?" „Warst du denn auch ein braves kleines Mädchen?" fragte Hollie, zog ihren Mantel aus und hängte ihn an die Garderobe im Flur. „Ja." „Nun, dann leg die Geschenke unter den Tannenbaum - und dass du mir nicht nachsiehst, welche für wen sind. Und auch nicht schütteln", fügte sie noch über die Schulter hinzu, als sie losging, um Sarah zu finden. „Bloß nicht so viel Paprika", ermahnte Sarah gerade Rick, der in der Küche kochte. „Also, nach einem Weihnachtsschinken riecht mir das hier nicht", sagte Hollie. „Elena hat darauf bestanden, dass Rick sein Feuerwehr-Chili macht", erklärte Sarah. „Dieser Heiligabend wird ein wenig unkonventionell." „Was kann man in deinem Haus anderes erwarten?" meinte Hollie trocken und bat dann um eine Schürze, weil sie mithelfen wollte. „Nein, du wirst mir beim Baum helfen. Rick behauptet, hier alles im Griff zu haben." Sarah steuerte Hollie resolut hinaus ins Wohnzimmer. Dort standen neben dem nackten Tannenbaum Kartons mit Lichtern und Christbaumschmuck. Es war bei Sarah so Sitte, den Weihnachtsbaum erst am Heiligabend zu schmücken. Hauptsächlich deshalb, weil Midnight immer wieder den Tannenbaumschmuck von sämtlichen Zweigen riss, an die sie heranreichte. Und das Lametta auffraß. Im Augenblick lag sie mitten zwischen den Geschenken unter dem Baum, die Unschuld in Person.
Als sie außer Kicks Hörweite waren und Elena ihn in der Küche mit Fragen löcherte, flüsterte Sarah: „Was ist los?" „Nichts." Hollie nahm eine der Lichterketten auf. „Hast du schon probiert, ob alle Kerzen intakt sind?" „Na komm schon, Hollie, deine Augen sind fast zugeschwollen. Du hast geweint." „Ich habe im Fernsehen eine rührselige Weihnachtsgeschichte gesehen. Da muss ich immer heulen, das weißt du doch", log Hollie. „Na schön. Aber was ist mit Noel? Kommt er heute Abend?" fragte Sarah weiter. Hollie schüttelte den Kopf und steckte den Stecker der Lichterkette in die Steckdose, um zu sehen, ob sie funktionierte. „Er fliegt wie geplant in die Karibik." „Das tut mir Leid für dich." Sarah berührte sanft Hollies Arm. „Es ist schon gut. Er war ja nur ein Kunde. Ich habe ihm ein Haus verkauft und ..." Hollie begann zu schniefen. „Was ist?" fragte Sarah besorgt. „Er ist verlobt, Sarah." Hollie wischte sich mit dem Handrücken die Augen trocken und versuchte ihre Gefühle wieder in den Griff zu bekommen. Sie wollte mit ihrer Traurigkeit Sarah und Elena nicht das Weihnachtsfest verderben. So zwang sie sich zu einem fröhlichen Ton und sagte: „Und sie ist schön." „Was meinst du damit? Woher willst du das wissen?" fragte Sarah und nahm die Lichter, die Hollie ihr um den Baum herum reichte, und legte sie in die Zweige. „Ich habe sie gesehen", erklärte ihr Hollie. „Sie war in Noels Hotelzimmer, als ich ihm den Dankeschön-Präsentkorb bringen wollte, weil er über mich das Haus gekauft hat." Hollie nahm die nächste Lichterkette und überprüfte sie ebenfalls an der Steckdose. „Vielleicht hat die Frau dich angelogen", meinte Sarah mit gerunzelter Stirn. Hollie schüttelte den Kopf. „Sie hat mir ihren Verlobungsring gezeigt. Ein riesiger Diamant." „Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll." Das Klingeln an der Haustür verhinderte, dass sie irgendetwas sagte. Sie wollte aufmachen, aber Elena kam ihr zuvor und raste vor ihr zur Tür. „Ich mach auf!" rief sie aufgeregt. Hollie fiel die Lichterkette aus den Händen, als sie Elena voller Freude rufen hörte: „Noel!" Was wollte er hier? Hatte er wirklich den Nerv, hier aufzutauchen? Er musste doch wissen, dass sie sein kleines Geheimnis inzwischen kannte. Sie wollte ihn nicht sehen. Und er sollte sie auch nicht sehen. Hastig rieb sie sich ihre Augen. Sarah kam, um sie zu holen. „Er möchte dich sehen, Hollie", sagte sie. Alle hatten Elenas freudigen Ausruf gehört. „Nein, ich will nicht. Das kannst du ihm sagen." Elena kam herangerannt, in den Händen einen leuchtend bunt verpackten Karton. „Noel hat mir ein Geschenk mitgebracht!" rief sie strahlend. „Leg es unter den Tannenbaum, Liebes", befahl ihr Sarah und blickte Hollie dabei bittend an. „Sprich zumindest mit ihm", bat sie. Da Hollie keine Szene machen und auch nicht den Heiligabend verderben wollte, gab sie nach und ging zur Haustür. „Kann ich hereinkommen?" fragte Noel. „Nein, ich komme raus." Sie griff nach ihrem Mantel, schlüpfte hinein und ging zu ihm nach draußen. „Hollie, du musst es mich erklären lassen", begann er. Sie erwiderte zuerst nichts, sondern biss sich auf die Unterlippe, damit sie ihren Schmerz bei sich behalten konnte. Schließlich sagte sie: „Ich glaube nicht, dass du mir eine befriedigende Erklärung liefern kannst, Noel. In erster Linie verdient deine Verlobte eine Entschuldigung von dir, nicht ich. Ich habe den Ring gesehen, Noel. Du wirst mir doch nicht
weiszumachen versuchen, dass es gar nicht dein Verlobungsring ist, oder?" „Es ist mein Ring", gab er zu. „Aber ..." „Leb wohl, Noel." Sie drehte sich um, um hineinzugehen, aber er packte sie am Arm. „Warte, Hollie, du musst mir zuhören. Hör mir doch wenigstens einmal zu. Du irrst dich, was ..." Rick, der offenbar vom Küchenfenster aus zugesehen hatte, öffnete die Tür. „Ist alles in Ordnung, Hollie?" fragte er besorgt nach. Und es klang, als würde er ihr sofort zu Hilfe kommen, wenn notwendig. „Ja, danke, es ist alles in Ordnung", erwiderte sie. Er ging wieder hinein und schloss die Tür hinter sich. „Marcy Walker ist meine Exverlobte, Hollie", fuhr Noel in drängendem Ton fort. „So, dann hattet ihr also einen netten kleinen Streit. Ich bin sicher, du renkst das wieder ein. Jetzt muss ich mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern", sagte Hollie und warf einen viel sagenden Blick auf seine Hand, die immer noch ihren Arm hielt. Er nahm die Hand fort. „Nein, du hörst mir nicht richtig zu, Hollie. Ich hätte gestern Abend nicht mit dir geschlafen, wenn ich noch mit Marcy verlobt wäre. Sie hat letztes Jahr am Heiligabend die Verlobung gelöst. Nun sieht es so aus, als würde sie es bereuen und einen Neuanfang versuchen wollen." „Und ich denke, das solltest du auch", log sie, und der kalte Wind ließ sie frösteln. „Hollie, du bist unvernünftig. Warum willst du dir nicht anhören, was ich dir zu sagen versuche?" bat er und schob seine Hände tief in die Manteltaschen. Sonst hätte er sie wieder gepackt. „Ich weiß, was ich gesehen habe, Noel. Ich kam ins Hotel, um dich für heute Abend hierher einzuladen, wollte dich überzeugen, fortzulaufen sei keine Alternative. Aber als mir die Tür zu deinem Zimmer geöffnet wurde, wurde mir klar, dass du nicht davonläufst, sondern zu einer anderen Frau. Einer halb nackten Frau in deinem Hotelzimmer, die deinen Verlobungsring trägt. Du kannst es drehen und wenden, wie du willst, meine Meinung ändere ich nicht mehr. Ich denke, du solltest jetzt gehen." „Vielleicht hast du Recht. Zu dieser Jahreszeit hatte ich nie viel Glück." Er drehte sich um und ging zu seinem Wagen. Hollie musste ihren ganzen Willen aufbieten, um nicht hinter ihm herzurennen und ihn festzuhalten. Aber sie wollte nicht irgendeinen Mann haben. Sie wollte einen Mann, der sie nicht enttäuschte. Einen Mann, dem sie glauben konnte. Als Hollie wieder ins Haus kam, deckte Sarah gerade den Tisch, und Elena hängte Tannenbaumschmuck auf. Midnight tanzte um ihre Füße herum und versuchte einiges davon wieder abzureißen. „Was kann ich helfen?" erkundigte sich Hollie betont fröhlich. „Sie können den Salat machen, wenn Sie wollen", bot ihr Rick an. „Ach, warten Sie, ich mache doch besser den Salat, und Sie schneiden die Zwiebeln, die zusammen mit dem geraspelten Käse auf das Chili kommen." Hollie wusste, er bot ihr das Zwiebelschneiden an, weil er die Tränen in ihren Augen gesehen hatte, und die Zwiebeln würden eine gute Ausrede für sie sein. Sarah hatte wirklich den großen Fang mit ihm gemacht. Sie hoffte nur, ihre Freundin würde es auch erkennen. Der Rest des Abends war für Hollie eine einzige Qual. Rick und Sarah waren so verliebt ineinander, dass es einfach nur schmerzlich für Hollie war, in ihrer Nähe zu sein. Aber als gute Freundin verbarg sie es, lobte Rick für seine Kochkünste, unterhielt sich gespielt fröhlich mit Elena und signalisierte Sarah mit den Augen, dass alles in Ordnung war. Und nur sehr kurz kam ihr einmal ein Zweifel, ob ihre Entscheidung richtig gewesen war, Noel fortzuschicken. Es war in dem Augenblick, als Elena unbedingt wissen wollte, ob Noel zurückkommen würde und warum er fortgegangen war, ohne mit ihnen zu essen.
Als Hollie ihr erklärte, dass er nur vorbeigekommen war, um sich zu verabschieden, weil er auf Urlaubreise ging, wollte Elena unbedingt das Geschenk öffnen, das er ihr mitgebracht hatte. Um die Situation zu entspannen, gestattete Sarah es ihr. Hollie fing fast an zu weinen, als sie sah, was er Elena geschenkt hatte. Irgendwie hatte er es geschafft, einen Satz jener besonderen Ringe aufzutreiben, die für ihre kleinen Finger passten. Voller Freude tanzte Elena herum und zeigte jedem ausgiebig ihre wunderschönen funkelnden Ringe. Gleich danach ging Hollie. Milch und Kekse für Santa Claus hinstellen, das konnten Sarah und Rick auch allein. Sie gehörte nicht dazu. Zum ersten Mal fühlte sich Hollie wirklich einsam, auch wenn sie ihr Leben lang allein gewesen war. Sie machte nicht einmal die Lichter am Weihnachtsbaum an, als sie nach Haus kam. Sie war froh, dass es um sie herum dunkel war. Es war so tröstlich. Claudia Claus massierte sich die Schläfen. Sie hatte Mist gebaut. Sie hatte gedacht, es würde genügen, die Bedienungsanleitung von Santas Notebook zu lesen und danach vorzugehen. Aber irgendwo musste sie etwas falsch verstanden haben. Santa benutzte den Computer, um die Wünsche der Kinder zu erfüllen. Er tippte die Wünsche nur in den Computer ein, und damit war die Sache erledigt. Vielleicht hätte sie sich besser nicht in Hollies Leben einmischen sollen. Es war ihre Schuld, dass Hollie nun unglücklich war. Sie war sich so sicher gewesen, dass Noel der Richtige für Hollie war. So sicher, dass sie zwei verwandte Seelen vereinen würde. Beide verdienten es, glücklich zu werden. Santa würde sauer sein, wenn er herausfand, dass sie sein Spezialnotebook mitgenommen und alles verdorben hatte. Aber sie konnte sich doch jetzt nicht am Nordpol blicken lassen, nachdem sie gleich bei ihrem ersten Projekt versagt hatte. Was war bloß schief gelaufen? Jahrelang hatte sie Liebesgeschichten gelesen und liebte Happy Ends über alles. Und nun musste sie erkennen, wie leicht es war, jemanden zum Weinen zu bringen. Jemanden zum Lachen zu bringen, das war eine viel schwierigere Aufgabe. Aber sie würde es schaffen. Noch hatte sie Zeit, eine wahre Liebe Wirklichkeit werden zu lassen. Noch war das Weihnachtsfest nicht zu Ende. Sie las die Bedienungsanleitung noch einmal sorgfältig von vorn bis hinten durch. Und begriff, dass sie vergessen hatte zu speichern. Sie drückte die Speichertaste, um Hollies Weihnachten zu retten. Währenddessen am Nordpol... „Zeit, endlich aufzubrechen, Santa", sagte Terrell und warf einen prüfenden Blick auf seine Armbanduhr. „Das ist wohl so." Santa seufzte und nahm seinen roten Anzug vom Oberhaupt der Elfen entgegen. Als er fertig angezogen war - bis hinunter zu seinen auf Hochglanz polierten Stiefeln -, begleitete Terrell ihn hinaus zum Schlitten. Die Rentiere stampften schon ungeduldig mit den Hufen. Sie waren vor der großen Reise immer aufgeregt. Sie hatten schon Wetten abgeschlossen, wie lange diesmal alles dauern würde. Prancer gewann niemals, aber er kam immer mit dem dicksten Bauch zurück. Er hatte eine Nase dafür, wer die saftigsten Karotten für die Rentiere auf die Haustreppe legte. Als Santa sich auf den Schlitten setzte und die Säcke mit den Geschenken festgezurrt waren, magische, bodenlose Säcke, holte Terrell ein Stück Papier aus seiner Hosentasche.
„Dies hier ist für dich", sagte er und reichte es Santa. „Was ist das? Noch ein Name auf der Liste für die Spielzeuge?" „Nein, dort steht, wo Mrs. Claus im Moment ist." „Du hast sie gefunden!" Terrell nickte. „Und, Sir, hinten im Schlitten steht ein Picknickkorb für ein romantisches Essen zu zweit. Ich dachte, du würdest vielleicht noch später einen kleinen Happen mit deiner Frau essen wollen..."
10. KAPITEL Enttäuscht von sich selbst, wachte Hollie am Weihnachtsmorgen auf, weil sie sich am Abend zuvor in den Schlaf geweint hatte. Sie schlug die Bettdecke zurück und ging in die Dusche. Sie hatte sich nun lange genug selbst bemitleidet. Sie wollte endlich ihren Urlaub genießen. Wieder Freude an Weihnachten empfinden. Wieder die Kontrolle über ihr Leben übernehmen. Es mochte ja sein, dass Noel sie reichlich durcheinander gebracht und sie sich Hals über Kopf in ihn verliebt hatte, aber sie würde das schon überstehen. Heute war genau der Tag, um einen Neuanfang zu machen, an Wunder zu glauben und jemanden zu lieben, selbst wenn es nur sie selbst war. Nach einem Frühstück mit Engelgebäck und heißem Kakao ging sie hinaus zum Briefkasten, um nach Post zu sehen. Gestern hatte sie überhaupt nicht daran gedacht. Im Briefkasten lag eine Überraschung für sie bereit. Irgendjemand hatte ihr ein Blumensträußchen hineingelegt. Ein Strauß aus apricotfarbenen Tulpen, Ehrenpreis, Bouvardien und Johanniskraut - um diese Jahreszeit musste er ein halbes Vermögen gekostet haben. Voller Freude über diese charmante Geste nahm sie den Blumenstrauß heraus. Er wurde von einer großen roten Schleife zusammengehalten, an der eine weiße Karte befestigt war. Frohe Weihnachten stand darauf. Lange konnten die Blumen noch nicht im Briefkasten liegen, sonst hätten sie unter der Kälte gelitten. Sie schaute sich um, ob irgendwo in der Nähe ein Wagen stand, konnte aber keinen sehen. Wer auch immer diese Blumen gebracht hatte, er war bereits wieder fort. Und dann ließ sie aus Versehen die Karte fallen. Sie flatterte zu Boden und blieb dort mit der Schrift nach unten liegen. Auf die Rückseite hatte Noel seinen Namen gekritzelt. Er musste gerade eben hier gewesen sein. Sie hatte ihn um Minuten verpasst. Warum hatte Miss Claudia sie nicht zufrieden gelassen? Warum musste sie ihr unbedingt einen einsfünfundachtzig großen Grinch zu Weihnachten bringen, der ihr das Herz brach? Sie würde nicht an ihn denken. Sie würde es nicht tun. Nein. Als sie wieder im Haus war, hätte sie fast den Strauß in den Mülleimer geworfen. Aber im letzten Moment stellte sie das Sträußchen dann doch in eine kleine Vase. Plötzlich dämmerte es ihr, was die frischen Blumen bedeuteten. Noel war nicht mit Marcy in die Karibik geflogen. Er war überhaupt nicht weggeflogen. Aber was hieß das nun? Sie verscheuchte ihre Zweifel, schaltete die Stereoanlage an und legte ihre Lieblingsweihnachtslieder auf. Dann nahm sie sich ihren Aktenkoffer vor, um ihn aufzuräumen. Als sie damit fertig war, fiel ihr auf, dass der Schlüssel fehlte. Aber diesmal konnte Elena ihn nicht genommen haben. Sie musste ihn in dem Haus in der Mistletoe Lane vergessen haben, das Noel gekauft hatte. Dort hatte sie ihn das letzte Mal gesehen, soweit sie sich erinnerte. Da die Besitzer am Morgen zurückkommen würden, musste sie hinfahren und hoffen, dass sie irgendeine Tür unverschlossen gelassen hatte, damit sie den Schlüssel herausholen konnte. Sie wollte sowieso aus dem Haus. Hier gab es einfach zu viele Erinnerungen an Noel. Also zog sie sich warm an und machte sich auf den Weg. Weihnachten war immer der ruhigste Tag des Jahres. Die Straßen waren verwaist, als sie zum Haus in der Mistletoe Lane fuhr. Sie musste an Elena denken und daran, ob ihr wohl die Barbiepuppe mit dem pinkfarbenen Kleid gefiel. Wenn sie wieder zurück war, würde sie sie anrufen.
Zu Hollies Überraschung parkte Noels Luxuslimousine vor dem Haus. Sie musste ihm den Schlüssel gegeben haben. Ihr erster spontaner Gedanke war, wieder zurückzufahren. Aber das ging nicht, denn sie musste sich den Schlüssel holen. Also stieg sie aus und ging hinüber zum Haus. Sie probierte, ob die Tür offen war. Sie war offen. Hollie zögerte. Vielleicht war Noel mit Marcy hier. Vielleicht zeigte er ihr gerade das Haus, das er für sie gekauft hatte. Und sie wusste nicht, ob sie mit der Situation zurechtkommen würde, wenn sie es mit eigenen Augen sah. Aber sie brauchte den Schlüssel. So drückte sie die Klinke herunter, öffnete die Tür und betrat das Haus. „Ist hier jemand?" rief sie laut. Keine Antwort. Es war sehr still im Haus. Vielleicht war er gerade draußen, auf der Rückseite. Nervös knetete sie ihre Finger. Ich schaffe es, redete sie sich Mut zu. Sie atmete tief durch und machte sich auf den Weg zur Küche. Sehr wahrscheinlich hatte Noel den Schlüssel dort hingelegt. Aber sie schaffte es gar nicht mehr bis zur Küche. Stattdessen blieb sie wie angewurzelt stehen, als sie Noel vor dem leeren Kamin auf dem Boden sitzen sah. Er starrte auf den Diamantring in seinen Händen. Sie räusperte sich. „Ich bin wegen des Schlüssels hergekommen", sagte sie. Er blickte überrascht auf. „Er liegt auf dem Arbeitstresen in der Küche." Mit dem Kopf deutete er Richtung Küche, die vom Esszimmer abging. „Kaufst du einer Frau jedes Jahr zu Weihnachten einen Verlobungsring? Macht dich das an?" Sie konnte einfach nicht anders, und es kam ziemlich anklagend heraus. „Nein, dieses Jahr nicht", erwiderte er ruhig. „Ich habe dir doch erzählt, es ist der Ring vom letzten Jahr. Marcy wollte ihn nicht haben, obwohl ich es ihr angeboten hatte. Als klar wurde, ich war nicht daran interessiert, die Beziehung mit ihr wieder aufzunehmen, warf sie mir den Ring an den Kopf und ging." „Ich verstehe." Sagte er die Wahrheit? Wie gern wollte sie ihm glauben. Doch nach dem Schock, in seinem Hotelzimmer die halb nackte Marcy vorzufinden, hatte ihr Selbstbewusstsein arg gelitten. „Weißt du nicht, dass ich dieses Haus für dich kaufe?" fragte er und musterte prüfend ihr Gesicht. So, als suchte er nach einem Zeichen, dass er sich nicht in ihrer Beziehung geirrt hatte. „Was?" Sie starrte ihn fassungslos an. Hatte sie sich verhört? „Deswegen wollte ich doch wissen, wie es dir gefällt, wollte sicher sein, dass du es wirklich magst. Ich wollte, dass wir hier glücklich werden. So glücklich, wie du jetzt in deinem kleinen Haus bist. Ich wollte, dass wir hier Kinder großziehen. Weißt du, Hollie, als ich dein Haus kennen lernte, da begriff ich, ich war gar nicht auf der Suche nach einem Haus." Er zögerte einen Moment lang. „Ich war auf der Suche nach einem Heim." Da begann sie zu weinen. „O Noel..." Er stand endlich auf und nahm sie in die Arme. „Hollie, Liebste ... Ich war bislang immer der Meinung, in meinem Privatleben würde ich durchaus Risiken wagen. Aber nachdem ich dich kennen gelernt hatte, hatte ich gar keine eigene Wahl mehr. Es war, als hätte dich jemand persönlich für mich ausgesucht. Jemand, der genau wusste, wie die Frau war, die ich mir in meinen Träumen vorstellte." Hollie ließ sich von Noel die Tränen mit dem Daumen abwischen, als er schwor: „Ich will dich. Ich brauche dich. Ich liebe dich, Hollie. Bitte, bring deinen Zauber in mein Leben. Erst als ich dachte, ich würde dich verlieren, wurde mir klar, wie einsam ich eigentlich war. Wir gehören zusammen, Hollie. So wie Apfelstrudel und Vanilleeis, Dornröschen und der Prinz, Weihnachten und Santa Claus."
Ihr Lächeln kämpfte sich wie ein Sonnenstrahl durch die Tränen. „Es ist nie ein Mistelzweig da, wenn man einen braucht", schniefte sie. „Aber wir stehen mitten auf der Mistletoe Lane, Sweetheart", sagte Noel und küsste Hollie mit einer Leidenschaft, die Miss Claudia aufseufzen ließ. Es gab nichts Schöneres als ein Happy End! Währenddessen am Nordpol... „Du hast mir schrecklich gefehlt", sagte Santa und strich Claudia liebevoll über die Wange. „Du meinst, du warst nicht so stark beschäftigt, dass dir meine Abwesenheit nicht auffiel?" „Du bist meine Frau, Claudia. Wie kannst du nur denken, du würdest mir nicht fehlen?" fragte Santa und umarmte sie. „Hör mal, hast du etwa abgenommen?" Claudia sah ihn mit gerunzelter Stirn an. „Ich habe mich förmlich vor Kummer verzehrt." „Dann hast du also nicht herausgefunden, wo ich die Schokoladenkekse versteckt hatte?" Claudia lachte leise auf. Sie erhob sich und versprach, mit einer Überraschung für ihn gleich wieder zurück zu sein. Wenig später schleppte sie eine gut gefüllte bunte Blechdose mit selbst gebackenen Weihnachtskeksen und ein Sechserpack Bier herbei. „Wo hast du das denn bloß versteckt gehabt?" wollte Santa wissen, als sie beides neben ihn vor den Kamin stellte. Sie drückte ihm eine Flasche Santa's Pils in die Hand und nahm sich dann selbst eine. „Dies habe ich extra für dich in einer kleinen Brauerei in St. Louis brauen lassen. Und die Kekse hatte ich beim Laufband versteckt. Wenn du es aufgestellt hättest, um wie versprochen ein bisschen Fitness zu treiben, hättest du die Kekse gefunden!" Santa stieß mit ihr an und grinste breit. „Auf meine Frau, und ich Verspreche dir, das Laufband aufzustellen und niemals wieder zu glauben, dass ich deiner sicher sein kann." „Und auch, das Fitnessgerät zu benutzen", fügte Claudia hinzu, nachdem sie beide einen Schluck getrunken hatten. „Jetzt bin ich dran", sagte Santa und zog ein schmales Päckchen aus der Tasche. „Hier ist mein Geschenk für dich." „Was ist es?" rief Claudia aufgeregt und voller Freude. „Mach es auf, dann wirst du es wissen." Wie der Blitz hatte sie das Geschenkpapier entfernt. Sie war fast so schnell wie Elena in dieser Hinsicht. „O Santa! Es ist wunderschön!" „Dazu gehört noch ein Tennisplatz. Dann können wir zusammen spielen." „Ein Spiel der Liebe", seufzte Claudia glücklich. „Ho, ho, ho."
11. KAPITEL „Aber die Geschäfte sind doch jetzt geschlossen", sagte Hollie, als Noel auf den Parkplatz des schicken Einkaufszentrums einbog, wo sich das Geschäft befand, das er eröffnen würde. „Ich weiß", erwiderte er, als er am südlichen Ende des Einkaufszentrums den leise surrenden Motor seiner Limousine abstellte. „Aber ich habe einen Schlüssel für den Laden." „Du meinst, du musst arbeiten? Ich dachte, wir würden Valentinstag feiern?" Einen leicht schmollenden Unterton konnte sie nicht vermeiden. „Ich will nicht arbeiten. Für die große Eröffnung ist alles vorbereitet. Aber bevor der Laden morgen früh eröffnet wird, dachte ich, wir beide könnten hier ungestört meinen Lieblingsfeiertag feiern. Ohne dass uns jemand dabei stört..." „An einem Freitagabend um halb elf ein ruhiges Plätzchen zu finden ist bestimmt nicht einfach, da gebe ich dir Recht", meinte Hollie, und die Idee gefiel ihr von Sekunde zu Sekunde besser. „Na ja, schließlich musstest du noch so spät arbeiten, um einen Vertrag für einen Kunden aufzusetzen. Aber das war schon in Ordnung, so hatte ich genügend Zeit, dies hier vorzubereiten." „Was vorzubereiten?" „Das wirst du schon sehen ..." Hollie war ganz aufgeregt und nervös, als Noel sie in das kleine exklusive Einkaufszentrum führte. Sich um diese Zeit heimlich zusammen in den neuen Laden zu schleichen hatte etwas Aufregendes, fast Erotisches an sich. Noel hatte sich persönlich darum gekümmert, dass hier alles perfekt war. „Komm", sagte er und zog sie mit sich. Gern hätte sie sich noch ein wenig in Ruhe umgesehen. Sie und Sarah kauften meistens in Secondhandläden und bei Garagenflohmärkten, anstatt viel Geld für ihr Outfit auszugeben. Die einzige größere Ausgabe in der letzten Zeit war der neue Wagen gewesen. Von der Verkaufsprovision hatte sie eine Anzahlung geleistet. Seit sie zusammen waren, hatte Noel ihr eine völlig neue Welt gezeigt. Eine Welt, von deren Existenz sie natürlich wusste, zu der sie aber niemals wirklich Zugang gehabt hatte. Es kam ihr fast vor wie ein Märchen. Noel hatte von Hochzeit gesprochen, und obwohl sie beide ihre Ängste hatten, waren sie doch ineinander verliebt. „Du hast es wirklich gut vorbereitet", sagte Hollie, als sie vor dem Juwelentresen stehen blieben, auf dem auf einem Tablett zwei Gläser und eine Flasche im Sektkühler auf sie warteten. „Ich habe dir doch gesagt, es ist mein Lieblingsfeiertag", erwiderte Noel. Er ging hinter den Tresen und spielte den Gastgeber, schenkte Champagner in die beiden Gläser ein, nachdem er schwungvoll den Korken herausgezogen hatte. Weiß schäumte der edle Rebensaft über, und er fing ihn mit einem blütenweißen Tuch auf. „Auf uns", sagte er und hielt ihr ein Glas hin. „Auf uns!" Hollie kicherte, weil ihr die glitzernden Bläschen in die Nase stiegen und sie kitzelten, als sie einen Schluck trank. „Denk daran, was das letzte Mal geschah, als wir Champagner tranken", warnte sie ihn. „Ich hatte gehofft, dass er eine solche Wirkung haben würde", neckte er sie. „Vorsichtshalber habe ich alle Lockenstäbe weggeschlossen." „Noel!" „Es ist schon okay. Ich bin so gut wie neu, ein Dauerschaden ist nicht entstanden. Der Arzt hat mir gestern grünes Licht gegeben." „Das sind ja gute Neuigkeiten." Sie stieß mit ihm an. „Siehst du hier irgendetwas, was dir gefällt?" fragte er sie und grinste dabei. Sie beugte sich über den Tresen und zog ihn an der Krawatte zu sich herüber. „Ja, du,
mein Süßer." „Ich meinte doch irgendein Schmuckstück ..." „Oh ..." Sie beugte sich nicht weiter vor, sondern schaute auf die Schatullen unter dem Glastresen. „Was willst du damit sagen?" „Du Wirst doch wohl einen anständigen Mann aus mir machen, oder?" Sie gab seine Krawatte frei und besah sich die Kästen mit den Verlobungsringen ein wenig ernsthafter. „Such dir einfach einen aus", meinte Noel. „Für heute Abend oder für immer?" fragte sie und blickte ihm ins Gesicht, um zu sehen, ob er es wirklich ernst meinte. „Wenn ich dir einen Verlobungsring schenke, dann mit der Absicht, dass du ihn nie wieder abnimmst." Hollie sah die Liebe in seinen Augen, und sie vertraute ihr. Sie schaute wieder auf die Ringe und deutete auf einen Ring mit einem viereckig geschliffenen Stein in einer schlichten Fassung. Er nahm ihn heraus und schob ihn ihr über den Ringfinger. „Er passt!" kreischte sie voller Freude los. „Nimm dir ruhig Zeit, bis du ganz sicher bist. Du kannst auch noch weitere Ringe ausprobieren," „Nein, das ist nicht nötig", versicherte sie ihm. „Ich weiß, wann etwas das Richtige ist. Dieser hier ist richtig." „Dann komm", sagte er und packte ihre Hand. „Wohin?" wollte sie wissen. „Du wirst es gleich sehen." Er ging mit ihr hinüber zum Fahrstuhl, und sie fuhren hinauf in den ersten Stock, zu den Brautmoden. „Du erwartest doch wohl nicht, dass ich mich heute Abend schon für ein Hochzeitskleid entscheide, oder?" fragte sie. „Nein. Ich habe nur eine Überraschung für dich. Setz dich hierher", befahl er ihr und deutete auf ein weich gepolstertes niedriges Sofa. „Schließ die Augen, ich bin gleich zurück." Während Hollie mit geschlossenen Augen dasaß, überlegte sie, was Noel wohl vorhatte. Die letzten Wochen hatte er sich trotz seines oft düsteren Ausdrucks als echter Romantiker erwiesen. „Behalt ja die Augen geschlossen", forderte er sie auf, als er wiederkam. Sie hörte, wie er sich vor sie hinkniete. Dann das Rascheln von Seidenpapier... „Was ist das?" wollte sie unbedingt wissen. „Stell deinen Fuß auf mein Knie", befahl er und hob ihn hoch, als sie gehorchte. Dann streifte er ihr einen Pumps ab und massierte einen Moment lang ihren Fuß. „Was, eine Fußmassage ist deine Überraschung für mich?" versuchte sie zu erraten. „Aber denk nicht, dass ich mich beschwere - mach nur weiter." Aber er hörte auf und zog ihr einen anderen Schuh an. „So, nun kannst du die Augen aufmachen." Sie tat es, und ihr stiegen die Tränen in die Augen. „Sie sind traumhaft", hauchte sie und betrachtete die Hochzeitsschuhe, die er extra für sie hatte anfertigen lassen. Sie waren aus weißem Brokat und kunstvoll mit kleinen Perlen und australischen Kristallen verziert. „Dann gefallen sie dir also?" „Ob sie mir gefallen? Ich bin hingerissen! Begeistert! Und wenn Elena kommt, werde ich sie einschließen. Sie sehen aus wie Schuhe für eine Prinzessin." „Sie sind für eine Prinzessin gemacht worden", sagte er und schob sanft ihren Fuß in den zweiten Schuh. „Und wo ich gerade vor dir knie - da gibt es noch etwas, was ich dich fragen wollte. Willst du meine Frau werden, Hollie, und mir jedes Jahr ein wunderschönes Weihnachten bereiten?" „Ja, ich will deine Frau werden, Noel. Du darfst deine Verlobte küssen."
Er erhob sich und ließ sich nicht zwei Mal bitten. Sein Kuss war so perfekt wie die Schuhe an ihren Füßen. „Versuch einmal darin zu gehen", forderte er sie auf, nachdem sie wieder genügend Luft bekamen. „Falls sie drücken, kann ich sie ..." „Nein, es bringt Pech, die Hochzeitsschuhe vor der Trauung anzuziehen. Sie fühlen sich außerdem wundervoll an." Sie streifte sie ab, wickelte sie ins Seidenpapier ein und schloss den Karton wieder. „Nun, ich habe noch eine Überraschung für dich", sagte Noel, klemmte sich den Schuhkarton unter den Arm und bedeutete ihr, ihm zu folgen. Gehorsam folgte sie ihm, bis er im nächsten Stockwerk in der Sportartikelabteilung stehen blieb. „Was wollen wir denn hier?" fragte Hollie verwundert. „Ich dachte, wir würden hier zelten." „Zelten? Ich hasse Zelten." „Dies hier wird dir gefallen. Vertrau mir. Bislang war doch alles ganz gut, oder?" Mehr als nur gut. Es war bezaubernd. Er war bezaubernd. Er hatte magische Momente geschaffen und sie in einen Bann gezogen, den sie nie wieder brechen wollte. Aber zelten? Er streckte ihr die Hand entgegen. Und sie sagte Ja, konnte ihm die Bitte einfach nicht abschlagen. Er führte sie zu einem großen Zelt, öffnete den Reißverschluss und bedeutete ihr mit einer Handbewegung hineinzugehen. Sie beugte sich vor und keuchte überrascht auf. Unter der Zeltdecke hingen pralle rote Herzluftballons. Auf einem kleinen Campingtisch stand eine Schüssel mit in Schokolade getauchten Erdbeeren. Es war so romantisch. Da hörte sie, wie der Zelteingang hinter ihr zuschlug. Noel war ebenfalls hereingekommen. „Hast du heute überhaupt gearbeitet?" fragte sie und griff nach einer Erdbeere. „Ich habe es heimlich gemacht, gleich nachdem der Laden geschlossen war. Niemand wird es je erfahren. Es ist unser kleines Geheimnis." „Ich werde es bestimmt nicht weitererzählen", sagte sie und ließ die Schokolade auf der Zunge zergehen. Die Erdbeere schmeckte himmlisch. „Meinst du nicht, ich hätte auch eine nette Geste verdient?" fragte er, zog sie in die Arme und küsste sie verführerisch. Es war klar, was er wollte: sie hier gleich auf der Stelle lieben. „Du meinst... hier ... im Zelt?" „Ja", flüsterte er ihr ins Ohr. „Jetzt?" „Ja." „Aber ..." „Wir sind allein hier, und draußen regnet es. Hörst du nicht, wie der Regen aufs Dach trommelt? Bekommst du da keine romantischen Gefühle?" Doch. „Krawatten passen nicht zum Camping", sagte sie, löste den Knoten und zog den Schlips aus dem Kragen. „Jacken auch nicht", meinte er, streifte ihr die Jacke ab und ließ sie einfach zu Boden fallen. „Darauf habe ich schon seit Wochen gewartet", fuhr er fort. „Dies hier hast du schon seit Wochen geplant?" „Klar. Und darauf gewartet, dass es abheilt." „Du musst ziemlich frustriert gewesen sein." „Das kannst du wohl sagen!" Er begann ihr die Weste aufzumachen, die sie unter der Jacke getragen hatte, und dabei küsste er ihre Schläfen. Als er die Knöpfe langsam nacheinander geöffnet hatte, schob er die Weste auseinander, umfasste ihre Brüste und nahm eine ihrer Knospen in den
Mund. Seine Zunge spielte mit der dunklen festen Knospe und sandte köstliche Schauer durch Hollies Körper. „Es ist so unglaublich verrucht", hauchte sie, während sie an seiner Gürtelschnalle nestelte. „Ich weiß", erwiderte er, öffnete den Vorderverschluss ihres BHs, um freien Zugang zur Spielwiese zu bekommen. Sie zog seinen Gürtel aus den Schlaufen und ließ ihn zu Boden fallen. Leise stöhnte sie auf, als er mit Händen und Lippen ihre Haut liebkoste. „Ich will dich nackt sehen, neben mir", sagte er heiser und zog sie ungeduldig aus. Heiß und bereit half sie ihm, konnte sich und ihn nicht schnell genug aus der Kleidung befreien. Endlich waren sie nackt, drängten sich aneinander, gierig, den Körper des anderen zu spüren. Sie fühlte deutlich seine Erregung und presste sich an ihn. Seine Zunge zeigte ihr, was er wollte, und erfüllte ihren Mund mit süßen Versprechen. „Ich kann nicht länger warten", keuchte er rau. „Dann komm", flüsterte sie und nahm ihn auf. In diesem Moment erklangen Stimmen. Beide erstarrten zu Salzsäulen. „Ich denke, wir werden genau hier drehen, Jonathon. Sind Sie damit einverstanden, Mr. Baker?" fragte draußen jemand. „Verdammt!" „Was ist los? Wer sind diese Leute?" flüsterte Hollie aufgeregt. „Es ist der Filialleiter. Ich habe ganz verschwitzt, dass das Lokalfernsehen heute Abend einen Fernsehspot über die Neueröffnung drehen will." „Das hast du vergessen?" flüsterte sie und errötete am ganzen Körper. Sie lag noch immer unter Noel. „Ich hatte so viele andere Sachen im Kopf", murmelte er und bewegte nicht einen Muskel. Da erklang draußen eine weitere Stimme. „Ich bin Chriss Meyer von Channel Five im Bon Matche, das seine Tore in St. Louis morgen früh um zehn Uhr öffnen wird. Wir befinden uns hier in der Filiale und ..." Hollie fühlte, wie Noel sich in ihr zu bewegen begann. „Was tust du da?" wisperte sie ihm ins Ohr und versuchte zu ignorieren, wie gut es ihr gefiel. „Bist du verrückt?" „Ich muss es tun. Ich muss es einfach." „Noel!" Sie versuchte ihn dazu zu bringen, sich nicht mehr zu bewegen. „Ruf ja nicht meinen Namen oder etwas anderes", sagte er, ignorierte ihre Bemühungen einfach und bewegte sich nun mit Kraft. „Schrei nicht, oder wir beide sind heute Abend in den Nachrichten." Hollie musste all ihren Willen aufbieten, keinen Mucks von sich zu geben. Und es war jede entsetzliche, aufregende Sekunde wert, als sie Chriss im Hintergrund weiter seine Ansage vortragen hörte. Zwischen Lust und wachsendem Entzücken sandte Hollie ein Stoßgebet gen Himmel, dass niemand auf die Idee kommen möge, in dieses Zelt zu schauen ... Endlich erreichten sie gemeinsam den Höhepunkt, pressten sich gegenseitig die Hand auf den Mund, um das Fernsehteam nicht doch noch auf sich aufmerksam zu machen. „Einen schönen Valentinstag wünsche ich dir, Sweetheart", murmelte Noel atemlos. Hollie antwortete nicht. Sie plante schon, wie sie es ihm heimzahlen konnte. Zu Weihnachten.
-ENDE-