M. Hatzenbühler M. Fresenius M. Heck J. Benrath Repetitorium Schmerztherapie Zur Vorbereitung auf die Prüfung »Spezielle Schmerztherapie«
M. Hatzenbühler M. Fresenius M. Heck J. Benrath
Repetitorium Schmerztherapie Zur Vorbereitung auf die Prüfung »Spezielle Schmerztherapie«
2., vollständig aktualisierte Auflage Mit 38 Abbildungen
123
Dr. med. Michael Hatzenbühler
Dr. med. Michael Heck
Krankenhaus Hetzelstift Stiftstraße 10 07434 Neustadt/Weinstraße E-mail:
[email protected]
Niedergelassener Anästhesist Weberstr. 10 69120 Heidelberg E-mail:
[email protected] http://www.die-anaesthesie-praxis.de
Dr. med. Michael Fresenius Evangelisches Krankenhaus Düsseldorf Klinik für Anaesthesiologie, operative Intensiv- u. Schmerztherapie Kirchfeldstraße 40 40217 Düsseldorf E-Mail:
[email protected]
ISBN-10 3-540-33300-2 ISBN-13 978-3-540-33300-5 ISBN 3-540-01311-3
Dr. med. Justus Benrath Institut für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin Universitätsklinikum Mannheim Theodor-Kutzer-Ufer 68167 Mannheim E-mail:
[email protected].
2. Auflage 2007 Springer Medizin Verlag Heidelberg 2. Auflage 2007 Springer Medizin Verlag Heidelberg 1. Auflage 2004 Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Verlag. springer.de © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2007 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichenund Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Haftung übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Ulrike Hartmann, Dr. Anna Krätz, Heidelberg Projektmanagement: Gisela Schmitt, Heidelberg Copy-Editing: Michaela Mallwitz, Tairnbach Design: deblik Berlin SPIN 1130 6283 Satz: TypoStudio Tobias Schaedla, Heidelberg Druck: Stürtz GmbH, Würzburg Gedruckt auf säurefreiem Papier
22/2122 – 5 4 3 2 1 0
V
Curricula vitae Dr. med. Michael Hatzenbühler
▬ Studium der Humanmedizin an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg ▬ 1991 bis 1994 Assistenzarzt im Krankenhaus Hetzelstift Neustadt an der Weinstraße; 1993 Promotion an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg ▬ Seit 1994 Assistenzarzt an der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin der Universität Heidelberg ▬ Seit 1998 Facharzt für Anästhesiologie ▬ seit Mai 2004 Oberarzt im Krankenhaus Hetzelstift/Neustadt. ▬ Zusatzqualifikationen: »Spezielle Schmerztherapie«, Spezielle anästhesiologische Intensivmedizin«, »Notfallmedizin« und »Palliativmedizin« Dr. med. Michaeld Fresenius
▬ Studium der Humanmedizin an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg ▬ 1991 bis 2000 Assistenzarzt an der Ruprecht-Karls-Universiät Heidelberg; 1994 Promotion an der Philipps-Universität Marburg ▬ Seit 1997 Facharzt für Anästhesiologie ▬ 2000/01 Oberarzt am Kreiskrankenhaus Sinsheim ▬ Seit 2001 ltd. Oberarzt am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf ▬ Zusatzqualifikationen: »Spezielle Schmerztherapie, Spezielle anästhesiologische Intensivmedizin, Notfallmedizin und OP-Management. Dr. med. Michaeld Heck
▬ Studium der Humanmedizin und Promotion an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg ▬ 1989–1999 Assistenzarzt an der Universität Heidelberg ▬ Seit 1994 Facharzt für Anästhesiologie ▬ Seit 1999 niedergelassener Anästhesist in Heidelberg ▬ Zusatzqualifikationen: »Spezielle anästhesiologische Intensivmedizin« und »Notfallmedizin«
Dr. med. Justus Benrath
▬ Studium der Humanmedizin an den Universitäten Heidelberg und Glasgow ▬ 1997 Promotion an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg ▬ 1997–2001 Assistenzarzt an der Klinik für Anästhesiologie, Universität Heidelberg ▬ 2001–2006 Assistenzarzt an der Universitätsklinik für Anästhesie und allgemeine Intensivmedizin, Medizinische Universität Wien ▬ 2006 Facharzt für Anästhesiologie ▬ seit 2006 Facharzt am Institut für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Mannheim ▬ Zusatzqualifikationen: »Notfallmedizin«, »Spezielle Schmerztherapie«
VII
Vorwort zur 2. Auflage Durch das große Interesse vieler Kollegen aus unterschiedlichen Fachdisziplinen an der Schmerztherapie war die erste Auflage des »Repetitorium Schmerztherapie« schnell vergriffen. Auch neue Erkenntnisse hielten Einzug in den Alltag des Schmerztherapeuten. Des Weiteren hat sich die Schmerztherapie als fester Bestandteil in der Aus- und Weiterbildung vieler Fachdisziplinen etabliert. So wurde diese 2. Auflage des »Repetitorium Schmerztherapie« notwendig. Das vorliegende Buch berücksichtigt neueste Entwicklungen der Schmerztherapie. Zusätzlich wurden bislang unterrepräsentierte Bereiche ausführlicher dargestellt (z.B. Kinderschmerztherapie) und die Kapitel komplett überarbeitet. Unverändert zeichnet sich dieses Repetitorium durch seinen prägnanten Telegrammstil und seine komplexen tabellarischen Zusammenstellungen aus. Es erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die bewährte Gliederung in einen allgemeinen und einen speziellen Teil mit ausgewählten Krankheitsbildern wurde beibehalten. Diese zweite Auflage ist zur Prüfungsvorbereitung als auch für den klinischen Alltag des Mediziners geeignet. Aus zahlreichen Leserbriefen wissen wir, dass dieses Buch sehr gerne als Nachschlagewerk (z.B. Medikamentendosierung) oder zur schnellen Orientierung (z.B. Überblick über therapeutische Optionen) herangezogen wird. Als Repetitorium kann und soll es jedoch nicht die Komplexität der Schmerztherapie abbilden oder gar vermitteln. Insofern ist z.B die Darstellung somatoformer Schmerzen und deren Behandlung durch psychotherapeutische Therapien unterrepräsentiert. Hier verweisen wir auf die bekannten Standardwerke der Schmerztherapie und auf die klinischen Lehrer. Über konstruktive Kritik und Hinweise aus der Leserschaft sind wir auch zukünftig dankbar.
Neustadt/Wstr., Düsseldorf, Heidelberg und Mannheim im Oktober 2006 Dr. med. Michael Hatzenbühler Dr. med. Michael Fresenius Dr. med. Michael Heck Dr. med. Justus Benrath
IX
Inhaltsverzeichnis Erläuterung einiger Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . XI
A Allgemeiner Teil 1 2 3 4 5 6
Definitionen und physiologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Pharmakotherapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11 Opioidtherapie bei Nieren- und Leberinsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .47 Invasive Schmerztherapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .49 Akute/postoperative Schmerztherapie . . . . . . . .63 Stimulationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .89
B Spezieller Teil: Krankheitsbilder 7 8 9 10 11 12 13 14
Neuropathischer Schmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .95 Tumorschmerztherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Kopfschmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Rückenschmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 HWS-Syndrom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Fibromyalgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Rheumatischer Schmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Palliativmedizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
XI
Erläuterung einiger Abkürzungen AAA AaDO2 ACh ACT ADH AEP AF AGW AK ALI AMV Anm ANV AP ARDS
AS ASA ASB ASD ASS AT ATC avDO2 BE BEL BGA BIPAP BSG BtMVV BZ C CAO caO2 CARS CAVHD CAVHF CBF CBV
abdominelles Aortenaneurysma alveoloarterielle Sauerstoffpartialdruckdifferenz Acetylcholin »activated clotting time« antidiuretisches Hormon akustisch evozierte Potenziale Atemfrequenz Atemgrenzwert Antikörper »acute lung injury« Atemminutenvolumen Anmerkung akutes Nierenversagen arterieller Systemdruck »acute respiratory distress syndrome« (früher: »adult respiratory distress syndrome«) Aminosäuren American Society of Anesthesiologists »assisted spontanuous breathing« Akuter Schmerzdienst Acetylsalicylsäure Appendektomie automatic tube compensation arteriovenöse Sauerstoffdifferenz »base excess« (Basenüberschuss) Beckenendlage Blutgasanalyse oder Bundesgesundheitsamt (aus Kontext ersichtlich) »biphasic positive airway pressure« Blutsenkungsgeschwindigkeit Betäubungsmittelverordnung Blutzucker Compliance »chronic airflow obstruction« arterieller Sauerstoffgehalt »compensatory antiinflammatoric response syndrome« kontinuierliche arteriovenöse Hämodialyse kontinuierliche arteriovenöse Hämofiltration bzw. Spontanfiltration zerebraler Blutfluss (Hirndurchblutung) zerebrales Blutvolumen
CC CGRP CHE CI CIP CLA Cm CMRO2 CMV CO CO2 COLD COPD COT CPAP CPP CPPV CRPS CRPS CSE CSF CTZ CV cvO2 CVVHD CVVHDF CVVHF DBS
DBS DD DIC DIFF.-BB DK DLCO DLV
»closing capacity« (Verschlusskapazität) »calcitonin gene-related peptide« Cholinesterase »caridac index« (Herzindex) »critical illness polyneuropathy« Konzentration des Lokalanästhetikums minimale Konzentration »cerebral metabolic rate for oxygen« (zerebraler Metabolismus) Zytomegalievirus Herzzeitvolumen (Herzminutenvolumen) Kohlendioxid »chronic obstructive lung disease« »chronic obstructive pulmonary disease« »clot observation time« »continuous positive airway pressure« zerebraler Perfusionsdruck »continuous positive pressure ventilation« komplexes regionales Schmerzsyndrom »complex regional pain syndrome« (komplexes regionales Schmerzsyndrom) kombinierte Spinal- und Epiduralanästhesie Liquor cerebrospinalis Chemorezeptorentriggerzone »closing volume« (Verschlussvolumen) venöser Sauerstoffgehalt kontinuierliche venovenöse Hämodialyse kontinuierliche venovenöse Hämodiafiltration kontinuierliche venovenöse Hämofiltration Double-burst-Stimulation oder »deep brain stimulation« (je nach Zusammenhang) »deep brain stimulation« Differenzialdiagnose disseminierte intravasale Koagulopathie (Verbrauchskoagulopathie) Differenzialblutbild Blasendauerkatheter Diffusionskapazität der Lunge für CO »different lung ventilation« (seitendifferente Beatmung)
XII
Erläuterung einiger Abkürzungen
DO2 DREZ
DS DTI ECCO2R ECMO ECT EDCF EDRF EDV EF EK EKK EKZ EMG EMLA EPMS ERV ESV ESWL etCO2 FAO2 FCKW FDA FEV1 FEV1/FVC FexCO2 FFP FFS FG FIO2 FKW FRC FS FSME FSP FVC GABA GCS GFR GHB GI GISA
Sauerstoffangebot »dorsal root entry zone coagulation« (Thermokoagulation der Hinterwurzeleintrittszone) Druckschmerz Dauertropfinfusion extrakorporale CO2-Elimination extrakorporale Membranoxygenierung »ecarin clotting time« »endothelium-derived contracting factor« »endothelium-derived relaxing factor« enddiastolisches Volumen Ejektionsfraktion (Auswurffraktion) Erythrozytenkonzentrat extrakorporaler Kreislauf extrakorporale Zirkulation Elektromyogramm eutektische Mixtur von Lokalanästhetika extrapyramidal-motorische Störungen exspiratorisches Reservevolumen endsystolisches Volumen extrakorporale Stoßwellenlithotripsie endexspiratorische CO2-Konzentration (in Vol.-%) alveoläre Sauerstoffkonzentration fluorierte Chlorkohlenwasserstoffverbindungen Food and Drug Administration Ein-Sekunden-Kapazität relative Ein-Sekunden-Kapazität in % exspiratorische CO2-Konzentration Fresh-frozen-Plasma freie Fettsäuren Frühgeborene inspiratorische Sauerstoffkonzentration fluorierte Kohlenwasserstoffe funktionelle Residualkapazität Fettsäuren Frühsommermeningoenzephalitis Fibrin(ogen)spaltprodukte forcierte Vitalkapazität γ-Aminobuttersäure Glasgow Coma Scale glomeruläre Filtrationsrate γ-Hydroxybuttersäure gastrointestinal Glykopeptid-intermediär empfindlicher Staphylococcus
GLOA GRIP GSB HF HFV
ganglionäre lokale Opioidanalgesie Göttinger Rücken-Intensiv-Programm Ganglion-stellatum-Blockade Herzfrequenz »high frequency ventilation« (Hochfrequenzbeatmung) HLM Herz-Lungen-Maschine HMV Herzminutenvolumen HPV hypoxische pulmonale Vasokonstriktion HRST Herzrhythmusstörungen HTMHigh-threshold-mechanoreceptiveNozizeptor Nozizeptor HTPL Herztransplantation HWZ Halbwertszeit HZV Herzzeitvolumen (Herzminutenvolumen) i.m. intramuskulär i.v. intravenös IAP intraabdomineller Druck ICP intrazerebraler Druck ICR Interkostalraum ID Innendurchmesser IE internationale Einheit IHSS idiopathische hypertrophe Subaortenstenose Ind Indikation IPPV »intermittent positive pressure ventilation« (kontrollierte Beatmung) IRDS »infant respiratory distress syndrome« IRV inspiratorisches Reservevolumen ITN Intubationsnarkose IVRA intravenöse Regionalanästhesie IVRSB intravenöse regionale Sympathikusblockade KG Körpergewicht KH Kohlenhydrate KHK koronare Herzerkrankung KI Kurzinfusion KI Kontraindikation KOD kolloidosmotischer Druck KOF Körperoberfläche KS Kopfschmerz KUSS kindlicher Unbehagen- und Schmerz-Score (zur Schmerzmessung) LA Lokalanästhetikum (Lokalanästhetika) LAP linker Vorhofdruck LCT »long chain triglycerides« (langkettige Triglyzeride) LE Lungenembolie
XIII Erläuterung einiger Abkürzungen
LTMNozizeptor LVEDP LVEDV LVEF LVF LVP LVSWI MAC MAP MCS MCT MEP MER MG MM MMEF MODS MOV MPAP MR MRSA MRSE MS MSSA MTX N2 N2O NARI
NCA ndMR NLA NLG NMB NMDA NMH NMM NO NRS
Low-threshold-mechanoreceptiveNozizeptor linksventrikulärer enddiastolischer Druck linksventrikuläres enddiastolisches Volumen linksventrikuläre Ejektionsfraktion (Auswurffraktion) linksventrikuläre Pumpfunktion linker Ventrikeldruck linksventrikulärer Schlagarbeitsindex minimale alveoläre Konzentration mittlerer arterieller Druck Motorkortexstimulation »middle chain triglycerides« (mittelkettige Triglyzeride) motorisch evozierte Potenziale Muskeleigenreflex Molekulargewicht Muttermund maximaler mittlerer exspiratorischer Flow »multiple organ dysfunction syndrome« Multiorganversagen mittlerer Pulmonalarteriendruck Muskelrelaxanzien methicillinresistenter Staphylococcus aurens methicilinresistenter Staphylococcus epidermidis Magensonde methicillinempfindlicher Staphylococcus aurens Methotrexat Stickstoff Stickoxidul (Lachgas) »selective noradrenalin re-uptake inhibitors (selektive Noradrenalinwiederaufnahmehemmer) »nurse controlled analgesia« nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien Neuroleptanästhesie Nervenleitgeschwindigkeit neuromuskuläre Blockade N-Methyl-D-Aspartat niedermolekulares Heparin neuromuskuläres Monitoring Stickstoffmonoxid numerische Ratingskala (zur Schmerzmessung)
NSAID NSAR NTPL NW NYHA O2 OTFC P p p.o. PAF PAK pAO2 paO2 PAP pAVK PC PCA PCEA PCEA PCEA PCIA pCO2 PCWP PDA PDK PEEP PEG PET petCO2 Pha pHi PNP PONV ppm psO2 PTC PTT PTZ pvO2 PVR
»nonsteroidal anti-inflammatory drugs« (nichtsteroidale Antiphlogistika) Nichtsteroidale Antirheumatika Nierentransplantation Nebenwirkung New York Heart Association Sauerstoff oral-transmukosales Fentanylcitrat Druck Partialdruck per os plättchenaktivierender Faktor Pulmonalarterienkatheter alveolärer O2-Partialdruck arterieller O2-Partialdruck Pulmonalarteriendruck Periphere arterielle Verschlusskrankheit zz Kap. 5 »patient-controlled analgesia« (patientenkontrollierte Analgesie) Patientenkontrollierte epidurale Analgesie »patient-controlled epidural analgesia« patientenkontrollierte Epiduralanalgesie patientenkontrollierte intravenöse Analgesie CO2-Partialdruck Pulmonalkapillardruck = Wedgemitteldruck Periduralanästhesie Periduralkatheter »positive endexpiratory pressure« (positiver endexspiratorischer Druck) perkutane endoskopische Gastrostomie Positronen-Emissions-Tomographie endexspiratorischer CO2-Partialdruck Pharmakologie intramukosaler pH-Wert Polyneuropathie »postoperative nausea and vomitting« (postoperative Übelkeit und Erbrechen) »parts per million« = ml/m3 partielle oder funktionelle Sauerstoffsättigung »post tetanic count« (posttetanische Zahl) partielle Thromboplastinzeit Thrombinzeit gemischtvenöser Sauerstoffpartialdruck pulmonaler Gefäßwiderstand
XIV
PZN QL Qs/Qt R RAP RBF RQ RR RV RVEF RVP RVSWI RWBS RZ SaO2 SCS SEP SHT SI SIP SIRS SMP SNRI
SO2 SPA SSEP SSRI
SSRI SSW SV SVES SvjO2 SVR TAA TAAA TAT TCA TE TEE
Erläuterung einiger Abkürzungen
Postzosterneuralgie Lungenperfusion intrapulmonaler Shunt Resistance (Atemwegswiderstand) rechter Vorhofdruck renaler Blutfluss respiratorischer Quotient systemarterieller Blutdruck (nach Riva-Rocci) Residualvolumen rechtsventrikuläre Ejektionsfraktion (Auswurffraktion) rechter Ventrikeldruck rechtsventrikulärer Schlagarbeitsindex regionale Wandbewegungsstörungen Reptilasezeit fraktionelle arterielle Sauerstoffsättigung »spinal cord stimulation« somatisch evozierte Potenziale Schädel-Hirn-Trauma Schlagvolumenindex »sympathetically independent pain« (sympathisch unabhängiger Schmerz) »systemic inflammatoric response syndrome« »sympatically maintained pain« (sympathisch unterhaltener Schmerz) »serotonine noradrenaline re-uptake inhibitors« (Serotonin-NoradrenalinWiederaufnahmehemmer) fraktionelle Sauerstoffsättigung Spinalanästhesie somatosensorisch evozierte Potenziale »selective serotonine re-uptake inhibiotors« (selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer) Serotoninreuptakeremmer Schwangerschaftswoche Schlagvolumen supraventrikuläre Extrasystole(n) jugularvenöse Sauerstoffsättigung systemischer Gefäßwiderstand thorakales Aortenaneurysma thorakoabdominelles Aortenaneurysma Thrombin-Antithromin-III-Komplex trizyklische Antidepressiva Tonsillektomie transösophageale Echo(kardio)graphie
TEG TENS TFA TG THAM TIVA TK TLA TLC TM TOF TRALI TUR-Blase TURProstata TZA UBF UFH URS VA VA/Q VAS VC VCO2 VD VES VK . VO2 VRS VT VT VVBP vWF WM WW ZVD
Thrombelastogramm transkutane elektrische Nervenstimulation Trifluoracetylchlorid Triglyzeride Tris-Hydroxy-Aminomethan totale intravenöse Anästhesie Thrombozytenkonzentrat therapeutische Lokalanästhetikumapplikation totale Lungenkapazität Tendomyopathie »train-of-four« »transfusion-related acute lung injury« transurethrale Elektroresektion der Blase transurethrale Elektroresektion der Prostata trizyklische Antidepressiva uteriner Blutfluss normales (unfraktioniertes) Heparin Ureterorenoskopie alveoläre Ventilation Ventilations-Perfusions-Verhältnis visuelle Analogskala (zur Schmerzmessung) Vitalkapazität CO2-Produktion Totraumvolumen ventrikuläre Extrasystole(n) Verteilungskoeffizient Sauerstoffaufnahme (Sauerstoffverbrauch) »verbal rating scale« (zur Schmerzmessung) Tidalvolumen (Atemzugvolumen) ventrikuläre Tachykardie venovenöse Biopumpe (Bypass) von-Willebrand-Faktor Wirkmechanismus Wechselwirkung zentraler Venendruck
1 Definitionen und physiologische Grundlagen
Definition Die Definition für »Schmerz« nach der International Association for the Study of Pain (IASP 1986) lautet: Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder potenzieller Gewebeschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird.
Akuter Schmerz hat als Warnsystem eine physi-
ologisch sinnvolle lebenserhaltende Funktion, da er schmerzvermeidendes bzw. heilungsförderndes Verhalten auslöst. Der akute Schmerz wurde bereits von Homer in der Ilias als »bellender Wachhund der Gesundheit« beschrieben. Chronischer Schmerz besitzt keine physiologische Bedeutung. Er hat nicht nur seine Warnfunktion verloren, sondern schädigt den Körper
im Sinne einer eigenständigen Schmerzkrankheit (⊡ Abb. 1.1).
Schmerzbegriffe ▬ Allodynie (statisch/dynamisch auf Berührung oder auf Kälte/Wärme): Ein gewöhnlich nicht schmerzhafter Reiz löst eine Schmerzempfindung aus, z. B. wird ein Pinselstrich bei der Postzosterneuralgie im entsprechenden Dermatom als schmerzhafte Berührung empfunden ▬ Anaesthesia dolorosa: Schmerzen in einem anästhetischen Hautareal, dessen Nervenversorgung unterbrochen worden ist (erkrankungs-, verletzungs- oder behandlungsbedingt) ▬ Analgesie: Fehlende Schmerzempfindung auf einen normalerweise schmerzhaften Reiz
⊡ Abb. 1.1. Biologische Bedeutung des Schmerzes
4
1
Kapitel 1 · Definitionen und physiologische Grundlagen
▬ Anästhesie: Hier Empfindungslosigkeit eines Hautareals, Steigerung der Hypästhesie, der Empfindungsminderung ▬ »Complex Regional Pain Syndrome« (CRPS): Das CRPS kann kausal vom sympathischen Nervensystem unterhalten werden (»sympathetically maintanined pain«, SMP) oder vom sympathischen Nervensystem unabhängig sein (»sympathetically independent pain«, SIP) ▬ Deafferenzierungsschmerz: Nach kompletter Durchtrennung eines Nervs oder einer Nervenwurzel auftretende sensible und motorische Störungen, begleitet von Hyperalgesie, Allodynie und Dysästhesie ▬ Dysästhesie: Abnorme unangenehme Empfindung spontan oder auf einen Berührungsreiz hin; z. B. wird ein Pinselstrich als unangenehme Berührung empfunden ▬ Hypalgesie: Herabgesetzte Schmerzempfindung auf einen Schmerzreiz, erhöhte Schmerzschwelle ▬ Hyperalgesie: Übermäßig starke Schmerzempfindung auf einen Schmerzreiz, erniedrigte Schmerzschwelle ▬ Neuralgie: Schmerzen im Innnervationsgebiet eines Nervs oder eines Nervenplexus, häufig mit der Qualität blitzartig einschießend (= neuralgiform oder besser lanzinierend) ▬ Neuropathischer Schmerz: Schmerz, ausgelöst durch eine primäre Läsion oder Dysfunktion im peripheren oder zentralen Nervensystem, s. zentraler Schmerz ▬ Noxe: Reiz, der in der Lage ist, Gewebe zu schädigen oder zu verletzen ▬ Nozizeptiver Schmerz: Schmerz, ausgelöst an Nozizeptoren durch einen noxischen Stimulus ▬ Nozizeptor: Freie Nervenendigung, die normalerweise eine hohe Erregungsschwelle besitzt und daher nur durch noxische Reize erregt werden kann ▬ Parästhesie: Abnorme, nicht unangenehme Empfindung spontan oder auf einen Berührungsreiz hin;
z. B. wird ein Pinselstrich als »Ameisenlaufen« empfunden ▬ Präemptive Analgesie/präventive Analgesie (vorbeugende Analgesie): Erstmals 1992 klinisch vorgestelltes Konzept der Analgetikagabe vor dem Auftreten von Schmerzreizen. Grundlage sind Erkenntnisse über die periphere und zentrale Sensibilisierung (s. unten), die zum akuten postoperativen Schmerz beitragen und zur Chronifizierung postoperativer Schmerzen führen. Voraussetzung für die präventive Analgesie ist die Analgetikagabe nicht nur prä- und intraoperativ, sondern auch postoperativ bis zum Abklingen der akuten Schmerzen meist zwischen dem 3. und 6. postoperativen Tag. So kann das Schmerzleitungssystem präventiv vor übermäßiger nozizeptiver Aktivierung geschützt werden, daher auch: protektive Analgesie ▬ Projizierter Schmerz: Schmerz im Versorgungsgebiet eines Nervs nach dessen mechanischer Reizung; z. B. Schmerz im kleinen Finger nach Druck auf den N. ulnaris ▬ Pseudoradikulärer Schmerz: Peripher ausstrahlender, meist diffuser, dumpf ziehender Schmerz meist muskuloskelettalen Ursprungs, keine Hypästhesie oder Analgesie, eher Dysästhesie und Muskeltonusveränderungen; z. B. Koxarthrose mit Schmerzausstrahlung am ventralen Oberschenkel bis zum Knie ▬ Radikulärer Schmerz: Durch Reizung oder Schädigung eines Nervs oder einer Nervenwurzel bedingter segmental orientierter Schmerz mit Hyp- oder Anästhesie im entsprechenden Dermatom und Paresen oder Plegien im Bereich der Kennmuskeln des Nervs; z. B. Schmerzen entlang des lateralen Ober- und Unterschenkels mit Fußsenkerschwäche bei Druck auf die Nervenwurzel S1 ▬ Schmerzgedächtnis: Erhöhte Empfindlichkeit des nozizeptiven Systems, die durch Schmerzreize wie z. B. Entzündungen, Traumata oder operative Eingriffe ausgelöst wurde und diese überdauert ▬ Sensibilisierung: Funktionsveränderung nozizeptiver Neurone, klinisch als Allodynie, Hyperalgesie und/oder Spontanschmerz auftretend. Periphere Sensi-
5 Schmerzleitung
bilisierung durch Neurone des peripheren Nervensystems oder zentrale Sensibilisierung durch Neurone des zentralen Nervensystems ▬ Übertragener Schmerz: Fehlerhafte Lokalisation eines viszeralen Schmerzes in ein bestimmtes Dermatom aufgrund der segmentalen Verschaltung der viszeralen und kutanen Afferenzen im Hinterhorn auf die gleiche Neuronenpopulation; z. B. Schmerzen im linken Arm bei Herzinfarkt ▬ Zentraler Schmerz: Schmerz, ausgelöst durch eine primäre Läsion oder Dysfunktion im zentralen Nervensystem; z. B. halbseitige Allodynie nach Thalamusblutung ▬ CRPS Typ 1 (früher: sympathische Reflexdystrophie, M. Sudek): ▬ CRPS Typ 2 (früher: Kausalgie): Schmerzsyndrom mit obligatem Nachweis einer Nervenläsion Für beide Formen gilt: mit Latenz auftretende brennende Schmerzen, Allodynie, Dysästhesie, Hyperalgesie, Ödem, trophische Störungen der Haut, Störung der Vaso- und Sudomotorik. Schmerzsyndrom nach (Bagatell-)trauma der oberen oder unteren Extremität ohne offensichtliche Nervenläsion
1
aktiviert werden und primär eine hohe Entladungsfrequenz aufweisen – »Stumme« oder »schlafende« Nozizeptoren, die erst nach vorausgegangener Sensibilisierung, z. B. im Rahmen von Entzündungen, durch eine Noxe erregt werden
Nozizeptoraktivierung Beispiele für direkte Aktivierung von Nozizeptoren (⊡ Abb. 1.3) über ▬ Vanilloidrezeptor (VR1): nichtselektiver Kationenkanal, wird durch die Anlagerung von Capsaicin (roter Pfeffer) oder andere Vanilloide geöffnet ▬ Tetrodotoxin- (TTX) resistenter Natriumkanal: befinden sich nur auf Nozizeptoren, deren Anzahl ist unter pathologischen Bedingungen gesteigert Beispiele für indirekte Sensibilisierung von Nozizeptoren (⊡ Abb. 1.3) durch ▬ Prostaglandin über EP3-Rezeptor ▬ Bradykinin über B2-Rezeptor ▬ Serotonin über 5HT-Rezeptoren ▬ Protonen erregen Nozizeptoren direkt und anhaltend
Nozizeptortypen Schmerzleitung ▬ Einteilung nach Reizqualität – Mechanonozizeptor: Spricht praktisch nur auf starke mechanische Reize an – Thermonozizeptor – Polymodaler Nozizeptor: Ansprechen des Nozizeptors auf mechanische, thermische und chemische Reize ▬ Einteilung nach Reizschwelle – Niederschwellige Nozizeptoren, so genannte LTM- (»low-threshold mechanoreceptive«) Nozizeptoren, die durch nichtnoxische und noxische Reize aktiviert werden und über einen weiten Bereich eine zur Reizintensität lineare Entladungsfrequenz aufweisen – Hochschwellige Nozizeptoren, so genannte HTM- (»high-threshold mechanoreceptive«) Nozizeptoren, die durch bestimmte Noxen
Weiterleitung der Schmerzempfindung von der Peripherie ins Hinterhorn des Rückenmarks über ▬ myelinhaltige A-Fasern (gute Schmerzlokalisation, scharfe, stechende Schmerzqualität), 10–25 m/s Leitungsgeschwindigkeit, 1–4 µm Durchmesser ▬ unmyelinisierte C-Fasern (schlecht lokalisierbare, anhaltende, dumpfe Schmerzqualität), 0,5–2 m/s Leitungsgeschwindigkeit, <1,5 µm Durchmesser Im Hinterhorn des Rückenmarks erfolgt die Umschaltung auf zentrale Neurone der Laminae I und II (Substantia gelatinosa). Neurotransmitter sind hier Glutamat und Substanz P. Projektionsneurone leiten die Schmerzimpulse zum Thalamus,
6
1
Kapitel 1 · Definitionen und physiologische Grundlagen
zur Formatio reticularis, zum limbischen System und zum Mittelhirn weiter. Wichtigste aufsteigende Schmerzbahn ist der Tractus spinothalamicus (⊡ Abb. 1.2).
▬
Schmerzhemmende Mechanismen Neben den nozizeptiven (schmerzweiterleitenden) Komponenten existieren im ZNS 2 nozifensive (schmerzhemmende) Mechanismen. Diese verhindern, dass jeder starke Schmerzreiz einen Chronifizierungsprozess auslöst.
▬
Segmentale Schmerzhemmung ▬ Tonisch aktive hemmende Interneurone reduzieren die Übertragung nozizeptiver Impulse im Hinterhorn des Rückenmarks durch die Ausschüttung der Neurotransmitter γ-Aminobuttersäure (GABA) und Glyzin. Die segmentale Hemmung wird therapeutisch genutzt: TENS, Akupunktur, Quaddelung mit LA, Kryotherapie, Wärmeapplikation, SCS.
▬
zu den Thalamuskernen. Von den lateralen Thalamuskernen zum somatosensorischen Kortex S1 (Gyrus postcentralis; ⊡ Abb. 1.2) Affektive Komponente durch Einbindung des limbischen Systems, das zur Bewertung des Sinneseindrucks Schmerz führt. Von den medialen Thalamuskernen wird nozizeptive Information zum Hypothalamus und zum Pallidum geleitet. Hier ensteht der Motivations- und Gefühlsaspekt des Schmerzes (⊡ Abb. 1.2) Vegetative Komponente aufgrund von Verbindungen zwischen dem Tractus spinothalamicus und der Formatio reticularis sowie weiteren Verbindungen zum Hirnstamm mit der Induktion von Schlafstörungen, Schwitzen, Tachykardie etc. Kognitive Komponente mit bewusster Verarbeitung des Schmerzes und Bewertung anhand bereits erfolgter Schmerzerfahrungen Motorische Komponente mit (spinalem) Wegziehreflex bei akutem Schmerz. Sie tritt jedoch auch in Form von Muskelverspannungen auf und unterhält so den Circulus vitiosus »Schmerz – Schonhaltung – Muskelverkürzung – Muskelverspannung – Schmerz«
Deszendierende Schmerzhemmung
Sensibilisierungsvorgänge Die deszendierende Schmerzhemmung funktioniert über vom periaquäduktalen Grau zu den Projektionsneuronen im Hinterhorn des Rückenmarks absteigende Bahnen (⊡ Abb. 1.2). Es kommt zur Hemmung der Übertragung nozizeptiver Impulse durch die Ausschüttung von Serotonin und Noradrenalin. Die deszendierende Hemmung wird aktiviert durch: Opioide, Antidepressiva, SCS.
Schmerzkomponenten ▬ Sensorisch-diskrimative Komponente mit dem Endpunkt am Gyrus postcentralis, wodurch eine Schmerzlokalisation aufgrund der somatotopen Gliederung (Homunkulus) ermöglicht wird. Leitungsbahn von der Substantia gelatinosa Laminae I und II des Rückenmarks über den Tractus spinothalamicus nach Kreuzung auf gleicher Rückenmarkebene in der vorderen Kommissur
Periphere Sensibilisierung Unter peripherer Sensibilisierung versteht man Funktionsänderungen peripherer nozizeptiver Neurone. Eine Sensibilisierung kann am peripheren Nozizeptor im Rahmen einer Entzündungsreaktion erfolgen. Die Erregungsschwelle wird gesenkt durch die direkte Aktivierung von Nozizeptoren bei Zellschädigung durch K+, ATP und H+ im Rahmen des Zelluntergangs. Zusätzliche Erniedrigung der Erregungsschwelle durch die Freisetzung von Entzündungsmediatoren wie z. B. ▬ Bradykinin (B1und B2-Rezeptoren) ▬ Serotonin und Histamin aus Mastzellen ▬ Prostaglandine E2 und F2 ▬ Neuropeptide Substanz P und CGRP (»calcitonin gene-related peptide«) aus primär afferenten C-Fasern
7 Sensibilisierungsvorgänge
1
⊡ Abb. 1.2. Verlauf der schmerzleitenden und schmerzhemmenden Schmerzbahnen von der Peripherie bis zum Kortex. (Aus: Brune et al. 2001)
8
1
Kapitel 1 · Definitionen und physiologische Grundlagen
▬ plättchenaktivierender Faktor (PAF) ▬ Sauerstoffradikale ▬ Interleukine (IL-1, IL-6, IL-8; ⊡ Abb. 1.3)
mas begrenzte, Hyperalgesie. Hinzu treten häufig Allodynie, Dysästhesie und Spontanschmerzen.
Anmerkung: Substanz P wird zusammen mit dem Neuropeptid CGRP im Rahmen der so genannten neurogenen Entzündung direkt aus den Nerven-
Zentrale Sensibilisierung
endigungen von afferenten C-Fasern freigesetzt und führt damit zu einer Verstärkung der Schmerzund Entzündungsreaktion, z. B. bei Migräne. Eine periphere Sensibilisierung liegt auch dann vor, wenn der periphere Nerv traumatisch oder (nutritiv-)toxisch geschädigt ist. Dann kann sich in eine Spontanaktivität, so genannte »ektope Aktivität« entwickeln; z. B. Spontanschmerzen bei Nervendurchtrennung oder bei diabetischer Polyneuropathie. Charakteristika einer peripheren Sensibilisierung ist die primäre, d. h. auf das Areal des Trau-
Die zentrale Sensibilisierung ist charakterisiert durch die Funktionsänderung von nozizeptiven Neuronen im ZNS durch ▬ Steigerung der synaptischen Übertragungsstärke, so genannte Langzeitpotenzierung (LTP), in Hinterhornneuronen. Als Folge eines sehr starken Schmerzreizes kommt es durch die Aktivierung von NMDA (N-Methy-D-Aspartat)-Rezeptoren bei nachfolgender Reizung zu einem verstärkten Einstrom von Kalziumionen in die Hinterhornneurone. Diese erhöhte intrazelluläre Kalziumionenkonzentration führt zur Aktivierung von Enzymsystemen, was in einer
⊡ Abb. 1.3. Sensibilisierung und »Desensibilisierung« einer C-Fasernervenendigung. (Nach Heppelmann 1990)
9 Einteilung des Schmerzes
▬ ▬
▬
▬
Phosphorylierung von NMDA-Rezeptoren und einer vermehrten Neubildung von Rezeptormolekülen resultiert Zugrundegehen von hemmenden Interneuronen der segmentalen Hemmung, z. B. bei traumatischer Querschnittslähmung Funktionsveränderung von hemmenden Interneuronen, die zu aktivierenden Interneuronen werden und damit schmerzverstärkend statt schmerzhemmend wirken Aktivitätsänderung oder Funktionsverlust der deszendierenden, schmerzhemmenden Bahnen vom periaquäduktalen Grau zu den Rückenmarksegmenten Veränderung des Repräsentationsareals im sensorischen Kortex
1
von Koanalgetika wie Antidepressiva und Antiepileptika. Häufig kommen zusätzlich psychologische Verfahren zur Schmerzbewältigung, Physiotherapie sowie Entspannungsverfahren und komplementäre Therapieverfahren zur Anwendung. Einteilung des chronischen Schmerzes nach den 3 Chronifizierungsstadien von Gerbershagen (Mainz Pain Staging System, MPSS): ▬ Beurteilung nach zeitlichen Aspekten des Schmerzes ▬ nach räumlichen Aspekten des Schmerzes ▬ nach dem Medikamenteneinnahmeverhalten und ▬ nach der Patientenkarriere.
Pathophysiologischer Aspekt
Einteilung des Schmerzes Zeitlicher Aspekt Akuter Schmerz Kurzzeitig bestehender, meist operativ, traumatisch oder entzündlich bedingter Schmerz mit einer zeitlichen Dauer <1 Monat; bei Schmerzpersistenz >1 Monat spricht man von einem chronifizierenden Schmerz. Medikamentöse Therapie nach WHO-Stufenschema mit NSAR und einer Kombination von retardierten und schnellwirksamen Opioiden. Die postoperative Schmerztherapie ist die (symptomatische) Behandlung akuter Schmerzzustände, die (primär) auf das Operationstrauma zurückzuführen sind.
Chronischer Schmerz Länger als 3–6 Monate bestehende Schmerzsymptomatik, z. B. bei Osteoporose, degenerativ bedingten Wirbelsäulenveränderungen. Es liegt keine akute Gewebeschädigung (mehr) vor. Chronischer Schmerz ist als eigenständige Schmerzkrankheit zu werten und führt häufig zur physischen und psychischen Erschöpfung sowie zur sozialen Isolation. Medikamentöse Therapie durch langfristige, orale Gabe retardierter Opioide nach Zeitplan als Retardtablette oder Pflaster. Zusätzlich Anwendung
Nozizeptorschmerz Nozizeptive Schmerzen entstehen sowohl durch direkte Aktivierung der Nozizeptoren bei mechanischen, thermischen oder chemischen Noxen als auch durch indirekte Sensibilisierung der Nozizeptoren bei Entzündungsreaktionen (⊡ Abb. 1.3). Nozizeptive Schmerzen sind belastungsabhängig und meist gut behandelbar mit Nichtopioidanalgetika. Einteilung ▬ Somatischer Schmerz:
Eng umschriebener und gut lokalisierbarer Schmerz von scharfem, stechendem bis dumpfdrückendem Schmerzcharakter im Bereich der Haut, des Bindegewebes und der Muskulatur; z. B. postoperativer akuter Schmerz. ▬ Viszeraler Schmerz: Schlecht lokalisierbarer dumpfer oder brennender, diffuser Schmerz, gelegentlich auch krampfartig, ausgehend vom Peritoneum, von parenchymatösen Organen und Hohlorganen; z. B. Schmerz durch Gallenkolik.
Neuropathischer Schmerz Neuropathische Schmerzen entstehen durch eine primäre Läsion oder Dysfunktion peripherer oder zentraler Neurone mit brennendem, bohrendem, elektrisierendem und einschießendem Schmerzcharakter, Allodynie, Hpyeralgesie und Dysästhe-
10
1
Kapitel 1 · Definitionen und physiologische Grundlagen
sie. Meist ist er wetterabhängig und wenig opioidsensibel, z. B. Phantomschmerz, Postzosterneuralgie, Trigeminusneuralgie, Polyneuropathie, CRPS Typ 2. Sonderform des neuropathischen Schmerzes:
– vorausgegangene durchgeführte erfolgreiche und frustrane bisherige medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapieversuche (Verträglichkeit, Nebenwirkungen) – Sozial- und Familienanamnese – aktuelle Medikation
Sympathisch unterhaltener Schmerz (SMP = »sympathetically maintained pain«)
Hier kommt es zur Kopplung zwischen efferenten postganglionären sympathischen Neuronen und afferenten nozizeptiven Neuronen. Diese Verbindung der sonst völlig getrennten Nervensysteme kommt über eine »sympathisch-afferente Kopplung« zustande ( Kap. 7). Nozizeptive Fasern exprimieren α-adrenerge Rezeptoren, deren Aktivierung durch Noradrenalinfreisetzung bei der tonischen Aktivität des sympathischen Nervensystems zur Schmerzverstärkung führen.
Schmerzdokumentation Erfassung des Schmerzes durch: ▬ Evaluierte Fragebögen, z. B. der Deutschen Schmerzgesellschaft (DSG) oder der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) mit Erfassung der Lebensqualität (SF 36), der depressiven Veränderungen (Depressionsscore nach Zerssen, ADS), der affektiven Schmerzeinschätzung (Affektscore, SES) sowie der Beeinträchtigung von alltäglichen Aktivitäten (Pain Disability Index, PDI) ▬ Erhobene Schmerzanamnese; diese gliedert sich in – Schmerzbeginn – Schmerzlokalisation – Schmerzqualität – Schmerzintensität – Schmerzverlauf (zeitliches Auftreten und Dauer des Schmerzes, Durchbruchschmerzen, bewegungsabhängige Schmerzen) – schmerzverstärkende und schmerzreduzierende Faktoren – subjektive Beeinträchtigung – Begleitbeschwerden, z. B. verminderte Leistungsfähigkeit, Schlafstörungen, Verstimmungen, Gewichtsverlust etc.
Quantifizierung von Schmerzen Die Quantifizierung eines klinischen oder experimentellen Schmerzes ist mit subjektiven und objektiven Messinstrumenten (Algesimetrie) möglich. Für die Klinik ausreichend ist häufig die Erfassung der Schmerzintensität mittels ▬ Analogskalen – visuelle Analogskala (VAS): 0–10 mit Hilfe eines 10 cm langen Lineals – numerische Ratingskala (NRS): 0–10 durch Umsetzen der Schmerzstärke in eine Zahl: »Null bedeutet kein Schmerz, und Zehn bedeutet maximaler Schmerz; wie stark sind die Schmerzen momentan?« ▬ Deskripitve Skalen – »verbal rating scale« (VRS): Einteilung der Schmerzstärke durch die Patienten in keine, leichte, mäßige, starke, sehr starke, unerträgliche Schmerzen ▬ Piktogramme – Smiley-Skala für Kinder ▬ Fremdbeurteilung bei Kindern <5 Jahre durch Fremdbeurteilung (physiologische Parameter, kindliches Verhalten) oder anhand des kindlichen Unbehagenund Schmerz-Scores (KUSS; Kap. 5).
2 Pharmakotherapie
Indikationen Überblick über die in der Schmerztherapie angewendeten Substanzgruppen ▬ ▬ ▬ ▬ ▬
Nichtopioidanalgetika Opioidanalgetika Sonstige Substanzen Phytotherapeutika Kotherapeutika
Neben der Pharmakotherapie sollten adjuvante Methoden zur Anwendung kommen, wie physikalische Therapie (Wärme- und Kältebehandlung, aktive Physiotherapie etc.), psychologische und psychiatrische Therapieansätze.
Medikamente Nichtopioidanalgetika Saure, antiphlogistisch-antipyretische Analgetika (= nichtsteroidale Antirheumatika; NSAR) Gemeinsames Kennzeichen aller Substanzen dieser Gruppe ist der niedrige pKA-Wert von 3–5,5 sowie die hohe Eiweißbindung (>90%). NSAR untergliedern sich wiederum in: ▬ Salicylate (Acetylsalicylsäure und Diflunisal) ▬ Arylessigsäuren (Diclofenac, Indometacin, Acetmetacin) ▬ Arylproprionsäure (Ibuprofen, Flurbiprofen, Naproxen, Ketoprofen, Dexibuprofen) ▬ Anthralinsäuren (Mefenaminsäure, Flufenamin) ▬ Heterozyklische Ketoenolsäuren (Piroxicam, Meloxicam, Lornoxicam) ▬ Pyrazolone (Metamizol, Phenylbutazon)
▬ Besonders entzündliche Schmerzzustände sowie Knochenschmerz, Weichteilschmerz, viszeraler Schmerz Wirkmechanismus
▬ Hemmung der peripheren Prostaglandinsynthese durch unselektive Hemmung des Enzyms Cyclooxygenase (Typ 1 und 2); dadurch PG E2 und PG I2 (Prostazyklin) erniedrigt. Bradykinin, Histamin und Serotonin können hierdurch periphere Nozizeptoren schlechter erregen. Antiphlogistische und antipyretische Wirkung sowie Nebeneffekte (Nierendurchblutung, Thrombozytenaggregation und Magenschleimhautschutz erniedrigt) ▬ Hydrophile/lipophile Molekülpolarität, Säurecharakter (pKa-Wert: 3–5,5), hohe Plasmaeiweißbindung (>90%) ▬ Anreicherung in Leber, Milz, Blut und Knochenmark sowie im sauren und entzündlich veränderten Gewebe Kontratindikation
▬ Niereninsuffizienz mit Kreatininclearance <30 ml/min ▬ Leberinsuffizienz (Child-Pugh-Score >7) ▬ Ulkusanamnese ▬ Bestehende Blutungsgefahr ▬ Kein ASS bei Kindern unter 12 Jahren! ! Cave: ▬ Vorsicht bei der Kombination von NSAR mit ACE-Hemmern, oralen Antikoagulanzien, Heparinen oder Chemotherapie mit Methotrexat.
12
Kapitel 2 · Pharmakotherapie
▬ Besonders hohes Komplikationsrisiko unter
2
NSAR ( Übersicht). Das ulzerogene Risiko ist unter NSAR 4- bis 5-fach, in Kombination mit Kortikoiden sogar 15-fach erhöht!
▬ Vorwiegend fiebersenkend, nicht antiphlogistisch ▬ Metamizol wirkt auch spasmolytisch
Nichtopioidanalgetika ohne antipyretische und antiphlogistische Wirkung ▬ Flupirtin und Nefopam
Komplikationriskio unter NSAR ▬ Gastrointestinale Komplikationen: – >65/70 Jahre – Bekannte Ulkuskrankheit – Gastrointestinale Blutungen in der Anamnese – Kortikosteroidtherapie ▬ Störungen der Nierenfunktion: – >65/70 Jahre – Vorbestehende Nierenerkrankung – Arterielle Hypertonie – Herzinsuffizienz – Komedikation mit Diuretika oder ACE-Hemmern – Flüssigkeitsdefizit
Selektive Cyclooxygenase-2-Hemmer (Coxibe) Die Nebenwirkungen der NSAR führten zur Entwicklung der selektiven Cyclooxygenase-2-Hemmer, da hierdurch die magenschleimhautschützende Prostaglandin-E-Synthese (über Cyclooxygenase-I) nicht gehemmt wird. Indikationen
▬ Vor allem bei Patienten mit anamnestisch erhöhtem Komplikationsrisiko wie z. B. Ulkusanamnese (Reduktion der gastrointestinalen Komplikationsrate bei Langzeiteinnahme um 50% im Vergleich zu NSAR) ▬ Reaktive Arthrose, rheumatoide Arthritis (nur Celebrex)
! Zur Ulkusprophylaxe während der Verordnung von NSAR sollten Protonenblocker Omeprazol (Antra 20 mg/Tag), Lansoprazol (Lanzor oder Agopton 15–30 mg/Tag) oder Misoprostol (Cytotec 4-mal 200 µg/Tag; maximal 800 µg/Tag) verordnet werden. Die Verordnung von H2-Blockern (z. B. Ranitidin) und anderer Antazida wie Sucralfat ist ineffektiv!
Nicht saure antipyretische Analgetika Diese untergliedern sich in: ▬ P-Aminophenole bzw. Aniline (Paracetamol) ▬ Nicht saure Pyrazolone (Metamizol, Phenazon, Propyphenazon) Indikation
▬ Leichte Schmerzzustände bzw. kolikartige Schmerzen, Fieber Wirkmechanismus
▬ Hemmung der zentralen Prostaglandinsynthese im Rückenmark und im Hypothalamus, in hohen Dosen Hemmung der Prostaglandinfreisetzung
Kontraindikationen
▬ GI-Blutung, aktive peptische Ulzera Wirkungmechanismus
▬ Selektive (d. h. >100-fach stärkere Hemmung der COX 2 als der COX 1), zeitabhängige Hemmung der Cyclooxygenase 2 ▬ Cyclooxygenase 2 wird unter physiologischen Bedingungen (konstitutiv) in Monozyten/ Makrophagen, Endothelzellen, Osteoblasten, Chondrozyten exprimiert und kann in Gehirn, Niere, Rückenmark und Sexualorganen nachgewiesen werden. Die COX 2 wird durch Glukokortikoide und antiinflammatorische Zytokine (Il-4, IL-10, IL-13) gehemmt und durch TNF-α, IL-1, Mitogene und Wachstumsfaktoren induziert. ▬ Vorteil: Keine Hemmung der Thrombozytenaggregation (rückenmarknahe Anästhesieverfahren sind unter Therapie mit COX-2-Hemmern durchführbar).
2
13 Medikamente
▬ klinisch gesicherte koronare Herzkrankheit ▬ klinisch gesicherte zerebrovaskuläre Erkrankung ▬ Herzinsuffizienz (NYHA-Stadium II–IV) ▬ postoperative Schmerztherapie nach koronarer Bypassoperation (Parecoxib) ▬ unkontrollierter Hypertonus (nur Etoricoxib) ▬ erhebliche kardiovaskuläre Risikofaktoren (z. B. Hypertonus, Hyperlipidämie, Diabetes mellitus, Rauchen) ▬ periphere arterielle Verschlusskrankheit ▬ Alter <18 Jahre
▬ Celecoxib (Celebrex) – Hemmt die COX-2 ca. 375-mal stärker als die COX-I – Relativ langsame orale Resorption (maximale Spiegel erst nach 2 h erreicht) – Metabolisierung über das hepatische Cytochrom P450 2C9 – HWZ: 11 h ▬ Parecoxib (Dynastat) – Einziges i.v.-Präparat, das, als Prodrug verabreicht, durch eine schnelle hepatische Hydrolyse zum wirksamen Valdecoxib metabolisiert wird – Wirkdauer: 6–12 h ▬ Etoricoxib (Arcoxia) ▬ Lumiracoxib (Prexibe)
Präparate
! Zurzeit ist nur Parecoxib (Dynastat) und Lumiraco-
Kontraindikationen und Anwendungsbeschränkungen der Coxibe gemäß der Europäischen Arzneimittelagentur (European Medicines Agency) und den Herstellerinformationen; EMEA)
Zurzeit sind folgende Präparate auf dem deutschen Markt:
xib (Prexibe) zur postoperativen Schmerztherapie zugelassen.
Dosierungsübersicht von Nichtopioidanalgetika Generic name
Handelsname
Analgesie Einzeldosis [mg/70 kgKG]
Aspisol, Aspirin
500–1000 i.v. od. p.o.
Analgesie Einzeldosis [mg/kgKG]
Wirkdauer [h]
Tageshöchstdosis [mg]
4–6
4000–6000
Salicylate Acetylsalicylsäure
Wirkmechanismus ASS steigert den Sauerstoffverbrauch der Zelle, dadurch CO2 erhöht; Stimulation des Atemzentrums Nebenwirkungen Thrombozytenaggregationshemmung, gastrointestinale Nebenwirkungen, Übelkeit, Erbrechen, Bronchospasmus (10–15% der Asthmatiker), allergische Reaktion, bei Kindern <12 Jahre Gefahr des Reye-Syndroms Anmerkungen Halbwertszeit: dosisabhängig 10 min bis 2 h Orale Bioverfügbarkeit: ca. 50% (dosisabhängig) Wegen Nebenwirkungen möglichst keine Dauertherapie Diflunisal
Fluniget
250–500
Anmerkungen Wiederholung ca. 8 (–12) h, gute Wirkung bei Knochenschmerzen Halbwertszeit: 8–12 h (dosisabhängig) Orale Bioverfügbarkeit: 80–100%
12
1500
14
Kapitel 2 · Pharmakotherapie
Generic name
2
Handelsname
Analgesiedosis [mg/70 kgKG]
Analgesiedosis [mg/kgKG]
Wirkdauer [h]
Tageshöchstdosis [mg]
Voltaren dispers, Voltaren resinat, Voltaren supp
50–100 p.o.
0,5–1 (–2) Supp.
8–12
150–200 (–250) (3 mg/kgKG/Tag)
Arylessigsäuren Diclofenac
Wirkmechanismus COX 2 präferenzielle Substanz (COX-2-Hemmung >COX-I-Hemmung) Halbwertszeit: 2 h Nebenwirkungen Leberschäden, reversibler Transaminasenanstieg (in bis zu 4% der Fälle), Blutung, Allergie, in Kombination mit nephrotoxischen Substanzen erhöhte Gefahr der Nierenschädigung, hoher First-pass-Effekt (20–40%), daher 40–80% Bioverfügbarkeit bei oraler Einnahme Anmerkungen Ab dem 1. Lebensjahr zugelassen Voltaren K Migräne als Gelkapsel mit schnellerem Wirkbeginn Intravenöses Diclofenac als Kurzinfusion (Neo-Dolpasse mit 75 mg Diclofenac plus Orphenadrin (= Myotonolytikum) 30 mg und Acetylcystein 250 mg auf 250 ml Infusionslösung; maximal 200 mg/Tag) Tolmetin
Tolectin
400
4–6
2000
Nebenwirkungen Hohe Inzidenz an Nebenwirkungen; vorwiegend bei rheumatischer Arthritis oder Osteoarthritis Aceclofenac
Beofenac (Filmtbl.)
100
12
200
Nebenwirkungen Erhöhter Plasmaspiegel von Cimetidin, Miconazol, Amiodaron; Nephrotoxizität von Ciclosporin und Tacrolimus erhöht Anmerkungen Bei gleichzeitiger Einnahme von ACE-Hemmern: Risiko eines akuten Nierenversagens bei dehydrierten Patienten Indometacin
Amuno Supp.
50–100
4–6
150–200 (3,5 mg/kgKG/Tag)
Nebenwirkungen Gastrointestinale Nebenwirkungen (bis zu 8% der Fälle), ZNS-Störungen (Schwindel und Kopfschmerz), Leukopenie, Transaminasenanstieg, Phototoxizität, schwere Hautschäden Anmerkungen Mittel der Wahl bei akutem Gichtanfall, auch gute schleimhautabschwellende Wirkung Halbwertszeit: 2–3 h Orale Bioverfügbarkeit: 100% Acemetacin
Rantudil, Acephlogont, Acemetacin Heumann etc.
Wirkmechanismus Prodrug von Indometacin Halbwertszeit: ca. 4 h Anmerkungen Bei Gichtanfall 1-mal 180 mg
1- bis3-mal 30–60
6–12
180
2
15 Medikamente
Generic name
Handelsname
Analgesiedosis [mg/70 kgKG]
Analgesiedosis [mg/kgKG]
Wirkdauer [h]
Tageshöchstdosis [mg]
500–1000
Initial 25–35 rektal bzw. 20 p.o., Wiederholungsdosis 20 rektal bzw. 15 p.o. alle 6–8 h
6–8
4000 (Kinder maximal 90 mg/kgKG/ Tag) Neugeborene: 60 mg für maximal 3 Tage
Anilinderivate (p-Aminophenole) Paracetamol
Ben-u-ron supp; p.o.
Indikationen Medikament der 1. Wahl bei Kindern, schon ab dem Neugeborenenalter und während Schwangerschaft zugelassen (Neugeborene besitzen noch keine mischfunktionellen Oxidasen und können daher den toxischen Metaboliten N-Acetyp-benzochinonimin nicht abbauen) Wirkmechanismus Bioverfügbarkeit: 70–100%, dosisabhängig Nebenwirkungen Lebernekrose bei Überdosierung (ab 7 g/Tag bei Erwachsenen), Harnwegstumoren bei chronischer Anwendung Kontraindikationen Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel, ausgeprägte Leberinsuffizienz Anmerkungen Cave: Komedikation mit Enzyminduktoren (Rifampicin!) führt zu höheren toxischen Metabolitspiegeln! Maximale Wirkung des Suppositoriums erst nach 2–3 h, oral bereits nach 30 min; frühe rektale Gabe notwendig Gegebenenfalls in Kombination mit 2,5–10 mg Codeinphosphat (Talvosilen) Arneimittelinteraktion mit Phenobarbital, Phenytoin, Carbamazepin, Rifampicin Bei Alkoholmissbrauch verstärkte Leberschädigung; Wirkungsverstärkung von oralen Antikoagulanzien möglich; Zidovudin: Neutropenie Paracetamol i.v. (seit 3/2002)
Perfalgan
1000; als Kontraindikationen über 15 min (!); Kinder: 15 mg/ kgKG
6
4000 (für Kinder ab 33 kgKG zugelassen)
Proparacetamol
Pro-Dafalgam
1000–2000 auf 100 ml NaCl 0,9% oder G5%
8
8000 (für maximal 2 Tage postoperativ zugelassen)
Wirkmechanismus Umwandlung der Prodrug Proparacetamol durch Plasmaesterasen in Paracetamol und Diethylglycin (1 g Propacetamol = 500 mg Paracetamol), hepatische Metabolisierung (60–80%) zu Glukuron- und Sulfonverbindungen; <5% Metabolisierung über CYP450-System zum toxischen N-Acetyl-p-benzochinonimin Nebenwirkungen Schmerzhafte Injektionsstelle, Emesis, Vomitus, Blutdruckabfall, Tachykardie Kontraindikationen Schwere Leber- und Niereninsuffizienz, hereditäre Hyperbilirubinämie, Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel; bekannte Überempfindlichkeit Anmerkungen Cave: Infusion über 15 min; Reduktion der analgetischen Potenz bei Infusion >20 min!
16
Kapitel 2 · Pharmakotherapie
Generic name
2
Handelsname
Analgesiedosis [mg/70 kgKG]
Analgesiedosis [mg/kgKG]
Wirkdauer [h]
Tageshöchstdosis [mg]
Novalgin
1000–2000 als Kurzinfusion i.v. oder 20–40 Gtt. p.o.
10–15 (–30) als Kurzinfusion i.v. über 15 min oder 0,5 Gtt./kgKG p.o. (500 mg/ml)
4 (–6)
4000–6000
Pyrazol(In)One Metamizol
Indikation Viszeraler (kolikartiger) Nozizeptorschmerz Wirkmechanismus Wird nach Applikation erst zu den aktiven Metaboliten 4-Methylaminophenazon und Aminophenazon metabolisiert; vorwiegend renale Elimination, Rotfärbung des Urins durch den Metaboliten Rubazonsäure möglich Halbwertszeit: 6–7 h Nebenwirkungen Kreislaufkollaps (Schocksymtomatik) bei schneller Injektion (<30 min), Allergie, selten Agranulozytose (1:1 Mio.) mit höherem Risiko bei längerer Einnahme (bis 20-fach erhöht): sofortige Gabe von G-CSF (Neupogen) 5 µg/kgKG s.c. Kontraindikationen Akute hepatische Porphyrie, Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel, bekannte Pyrazolallergie, Blutbildstörungen und Nierenfunktionstörungen (relative Kontraindikation) Anmerkungen Ab dem 3. Lebensmonat zugelassen Höhere analgetische Potenz als Paracetamol, gut spasmolytisch und antipyretisch, kein Wirkverlust bei Daueranwendung In der Tropfenform, auch bei Dysphagie einsetzbar Propyphenazon
Isoprochin P Lacktabletten (=500 mg)
3-mal 1–2 Lacktbl./Tag
8
4000
Anmerkungen In Lateinamerika und vielen Ländern Asiens und Osteuropas sehr verbreitet. In Deutschland noch in einigen Mischpräparaten wie z. B. Migränemitteln enthalten Anthranilsäure (= Fenamate) Mefenaminsäure
Parkemed (250 mg); Ponalar (500 mg)
3-mal 250–500/ Tag
3–4
1500
Wirkmechanismus Orale Bioverfügbarkeit: 70% Halbwertszeit: 1–2 h Flufenaminsäure
Dignodolin Salbe
3- bis 4-mal pro Tag dünn auftragen
Nebenwirkungen Diarrhö, großflächige Exantheme
! Die Fenamate werden wegen unerwünschter Nebenwirkungen wie Diarrhö, Krämpfe und in einigen Fällen Nephrotoxizität nur noch selten in der Schmerztherapie eingesetzt.
2
17 Medikamente
Generic name
Handelsname
Analgesiedosis [mg/70 kgKG]
Analgesiedosis [mg/kgKG]
Wirkdauer [h]
Tageshöchstdosis [mg]
24
40
Heterozyklische Ketoenolsäuren (= Oxicame) Piroxicam
Felden
10–20
Wirkmechanismus Orale Bioverfügbarkeit: 100% Nebenwirkungen Gerinnungsstörungen, gastrointestinale Nebenwirkungen inkl. peptische Ulzera Anmerkungen Halbwertszeit: ca. (14-) 40 (–160) h (enterohepatischer Kreislauf ) Meloxicam
Mobec
7,5–15
24
Wirkmechanismus Erster so genannter präferenzieller Cox-2-Hemmer Orale Bioverfügbarkeit: ca. 90% Halbwertszeit: ca. 20 h Nebenwirkungen Gerinnungsstörungen, gastrointestinale Nebenwirkungen Lornoxicam
Telos
8–16 (3-mal 4 oder 2-mal 8)
12
Maximal 12 bei Niereninsuffizienz
Wirkmechanismus Orale Bioverfügbarkeit: ca. 100% Halbwertszeit: 4–10 h Nebenwirkungen Bauchschmerzen und Dyspepsie 2-Arylproprionsäuren (= Profene) Ketoprofen
Orudis Ketoprofen
50 p.o. 200 retard
6 24
150–200
6–8 12 (ret.)
2400 (maximal 40 mg/kg/Tag bei Kindern)
Wirkmechanismus Orale Bioverfügbarkeit: ca.90% Nebenwirkungen Glottisödem, Asthma, gastrointestinale Nebenwirkungen Anmerkungen Cave: Zur intravenösen Gabe in Deutschland nicht zugelassen! Halbwertszeit: 2–4 h Ibuprofen
Aktren, IbuTAD, ibuprof
200/400/ 600/800
15–20 s.c. (1mal/Tag)
Wirkmechanismus Orale Bioverfügbarkeit: 100% Nebenwirkungen Hautreaktion, Blutbildung; Pseudotumor cerebri, Kopfschmerz, Sehstörungen sowie Meningitis Wechselwirkungen Retention von Lithium, verminderte renale Elimination von Methotrexat Anmerkungen Ab dem 6. Lebensjahr zugelassen (Applikation in 3–4 Einzeldosen) Ibuprofen hat die geringste ulzerogene Potenz von allen NSAR (bei Dosen bis 1,2 g) In den unterschiedlichsten Applikationsformen erhältlich, z. B. als Granulat, Retardkapsel, Saft, Suppositorium
18
2
Kapitel 2 · Pharmakotherapie
Generic name
Handelsname
Analgesiedosis [mg/70 kgKG]
Dexibuprofen
Deltaran 200/300/400
200–400–600– 900 mg (verteilt auf 1–3 ED)
Analgesiedosis [mg/kgKG]
Wirkdauer [h]
Tageshöchstdosis [mg]
8
1200 (maximale ED: 400 mg)
(8-) 12
1000
Anmerkung Das aktive S(+)-Enantiomer besitzt weniger Nebenwirkungen als das Razemat Naproxen
Proxen
250–500
Wirkmechanismus Einziges reines S-Enantiomer in der Gruppe der Arylproproinsäuren, sonst wird das R-Enantiomer partiell in das wirksamere S-Enantiomer umgewandelt (Inversion bei Ibuprofen ca. 50–80%, Ketoprofen 10% und Flurbiprofen <5%) Nebenwirkungen Gastrointestinale Beschwerden, Hautreaktionen, Blutbildungsstörungen Anmerkungen Die lange Halbwertszeit (12–15 h) beruht wahrscheinlich auf einer enterohepatischen Zirkulation Flurbiprofen
Froben
50–100 (=1–2 Tbl.)
4–8(–12)
300
24
1800
Indikationen Stark entzündungshemmend Somatischer (ossärer) Nozizeptorschmerz Nebenwirkungen Kopfschmerz, Schwindel, Somnolenz, Störungen der Hämatopoese, Ödembildung Anmerkungen Halbwertszeit: 2,5–4 h Oxaprozin
Danoprox, Dayrun
600–1200 (=1–2 Filmtbl.)
Indikationen Zur Behandlung von mehreren akuten oder chronischen Entzündungen, z. B. pcP, Weichteilrheumatismus, Spondylitis ankylosans, aktivierte Arthrosen Anmerkungen Cave: Sonnenallergie Halbwertszeit: 50 h Tiaprofensäure
Surgam mite 200, Surgam 300
2-mal 300 oder 3-mal 200
8–12
600–800
Dexketoprofen
Sympal 25
3-mal 25 oder 4- bis 6-mal 12,5 p.o.
6–8
75 (bei Nieren- oder Leberinsuffizienz 50)
Toratex (in der BRD nicht mehr im Handel)
30
4–6
120
Sonstige Ketorolac
0,5–1 i.v./p.o.
Nebenwirkungen Gastrointestinale Nebenwirkungen, allergische Reaktion, akute Niereninsuffizienz
2
19 Medikamente
Generic name
Handelsname
Analgesiedosis [mg/70 kgKG]
Tolyprin
600 (=1 Amp.) 1–2 Filmtbl./Tag
Analgesiedosis [mg/kgKG]
Wirkdauer [h]
Tageshöchstdosis [mg]
Benzotriazin Azapropazon
1200
Nebenwirkungen Hohe Rate an gastrointestinalen Nebenwirkungen, photosensible Reaktionen, Transaminasenanstieg, cholestatisches Syndrom, hämolytische Anämie und allergische Alveolitis Anmerkungen Ab 14. Lebensjahr zugelassen Nichtopioidanalgetika ohne antipyretische und antiphlogistische Wirkung Flupirtin
Katadolon
100–200 p.o., 150 rectal
(6-) 8 p.o.
600 p.o.; 900 rektal
Indikationen Muskuloskelettaler Schmerz und/oder neuropathischer Schmerz mit erwünschter Muskelrelaxierung Wirkmechanismus Orale Bioverfügbarkeit: 90%; Halbwertszeit: 6–8 h Aktivierung von spannungsabhängigen neuronalen K+-Kanälen (SNEPCO-Prinzip = »socalled neuronal potassium channel opener«) Membranhyperpolarisation infolge Kaliumausstrom, welche zur Hemmung des NMDA-induzierten Kalziumeinstromes führt (früher als »NMDA-Antagonist« bezeichnet); wirkt der Chronifizierung somit entgegen, Stimulation noradrenerger deszendierender antinozizeptiver Bahnen im Rückenmark Nebenwirkungen Gastrointestinale Nebenwirkungen (Obstipation), Müdigkeit, Schwindel, Schwitzen, Hautreaktionen, grüner Urin, Mundtrockenheit, zentrale muskelrelaxierende Wirkung (meist erwünscht bei muskuloskeletalen Spannungszuständen, Wirkmechanismus über Hemmung polysynaptischer Reflexe im Rückenmark), Anstieg der Leberenzyme Anmerkungen Gehört als Triaminopyridin zur Gruppe der Pyrazolonderivate (Cave bei bekannter Allergie gegen Metamizol) Dosisreduktion bei Niereninsuffizienz Gegenwärtig nur für die Behandlungsdauer von 4 Wochen zugelassen Neuerdings auch als Injektionslösung erhältlich Nefopam
Ajan
30–90 p.o., 10 i.v.
8
M;aximal 270
Wirkmechanismus Renale Elimination zu 95%; Halbwertszeit: 4 h Gehört zur Gruppe der Benzoxazocine Wirkt zentral und nicht spinal Nebenwirkungen Häufig: Übelkeit, Erbrechen, Schweißausbrüche, Verwirrtheitszustände, Schläfrigkeit, Herzfrequenz- und Blutdruckanstieg Gelegentlich: Benommenheit, motorische Unruhe, Schwindel, Mundtrockenheit Selten: Einschlafstörungen, Sehstörungen Kontraindikationen Myokardinfarkt, Epilepsie, Störungen der Leberfunktion Anmerkungen Keine antipyretische oder antiphlogistische Wirkung
Eine Übersicht über das Wirkprofil der Nichtopioidanalgetika zeigt ⊡ Tabelle 2.1.
20
Kapitel 2 · Pharmakotherapie
! Ab einer bestimmten Dosis ist bei den meisten Analgetika keine Steigerung der Schmerzreduktion mehr zu
2
erzielen, wohl aber der Nebenwirkungen. Analgetische Mischpräparate, z. B. mit Koffein, sind heutzutage in der Therapie chronischer Schmerzen oder Kopfschmerzen obsolet! Sie fördern die Medikamentabhängigkeit.
Generic name
Handelsname
Dosis [mg]
Wirkdauer [h]
Proteinbindung [%]
Bioverfügbarkeit [%]
Tageshöchstdosis [mg]
Celecoxib
Celebrex
100–200 p.o.
12
97
70
400
Etoricoxib
Arcoxia
60, 90, 120 mg
24
120
6–12
80
Coxibe
Cave: Dosisreduktion bei Leber- und Niereninsuffizienz Parecoxib
Dynastat
Initial 40; Wiederholungsdosis 20
Indikation Zur kurzfristigen postoperativen Schmerztherapie (<3 Tage) Ab 18 Jahre zugelassen, Dosisreduktion bei älteren Patienten >65 Jahre Komedikation mit Fluconazol, eingeschränkter Leberfunktion (Child-Pugh-Score >7–9), Gewicht <50 kg KG Wirkmechanismus Metabolisierung: über das Cytochrom-P450-System (hauptsächlich CYP2D6, aber auch 3A4, 2C9) Halbwertszeit: ca. 8 h (Umwandlung von Parecoxib in Valdecoxib mit Halbwertszeit von 22 min) Kontraindikationen Floride Ulzera, entzündliche Darmerkrankungen, Herzinsuffizienz, allergische Reaktion auf NSAR oder andere Coxibe, Stillzeit und letztes Trimenon der Schwangerschaft
⊡ Tabelle 2.1. Übersicht über die Wirkprofile der Nichtopioidanalgetika Analgetisch
Antiphlogistisch
Antipyretisch
Spasmolytisch
GI-Blutungsrisiko
Indometacin
+++
+++
++
0
+++
Ibuprofen
+++
+
+
++ (Uterusmuskulatur)
++
Diclofenac
++
++
+
0
+
Metamizol
+++
0
+++
+++
0
COX-2-Hemmer
++
++
0
0
0
Paracetamol
++
0
+++
0
0
Flurbiprofen
++
+++
+
0
+
Flupirtin
++
0
++
++
0
2
21 Medikamente
Opioidanalgetika Definition Opiate – Opioide Opiate sind analgetisch wirksame Substanzen, die aus dem Extrakt des Schlafmohns (Opiumsud des Papaverum somniferum) gewonnen werden; zu diesem zählen Morphin, Heroin, Codein, Hydromorphon und Thebain (Vorstufe bei der Buprenorphingewinnung, wegen konvulsiver Potenz kein klinischer Einsatz). Opioide sind synthetisch oder halbsynthetisch hergestellte opiatähnliche Stoffe.
Eigenschaften Körpereigene bzw. endogene Opioide sind die βEndorphine (aus der Hypophyse) sowie die Metund Leukenkephaline und die Dynorphine (aus den neuronalen Endigungen). Enkephaline verhindern nach Anlagerung an ihren präsynaptischen Rezeptor über einen verminderten Ca2+-Einstrom die Freisetzung von z. B. Glutamat; postsynaptisch kommt es über einen erhöhten K+-Ausstrom zur Hyperpolarisation. Exogene Opioide führen über die Bindung an µ-Rezeptoren zu einer Hyperpolarisation der Nervenzellmembran infolge verlängerten K+-Ausstroms und damit zu einer herabgesetzten Erregbarkeit. Daneben führt die Opioidrezeptorstimulation zu einer Aktivierung der Phospolipase A2 mit
gesteigerter Bildung von Metaboliten des 12-Lipooxygenase-Weges, wodurch es über Aktivierung von spannungsabhängigen Kaliumkanälen zu einer verminderten Transmitterfreisetzung kommt. Dieser Effekt wird durch Nichtopioidanalgetika infolge Cyclooxygenasehemmung noch weiter verstärkt. In der chronischen Schmerztherapie sollte der Schmerz mit Opioiden bis zu einem akzeptablen Schmerzniveau austitriert werden (intravenös oder als schnell wirksame Tropfen- oder Tablettenform). Nachdem so ein opioidsensibler Schmerz nachgewiesen wurde und die individuelle Dosis bestimmt ist, sollte anschließend eine retardierte, orale Darreichungsform bevorzugt werden, welche unter Berücksichtigung der Wirkdauer, gemäß dem Prinzip der Antizipation, über den Tag verteilt eingenommen wird. Ist das Dosierungsintervall fälschlicherweise zu lang bzw. die Einzeldosis des Opioids zu niedrig gewählt, entsteht das Phänomen der Pseudoaddiktion, d. h. der Patient entwickelt eine Gier nach der nächsten Dosis (iatrogene Abhängigkeit).
Schwache Opioide Es handelt sich um Opioide mit einer im Vergleich zu Morphin geringeren Wirksamkeit. Die Verschreibung von schwachwirksamen Opioiden unterliegt nicht der BtMVV! Die Verordnug erfolgt auf einem »normalen« Rezept.
Dosierung von schwachwirksamen Opioiden Generic name
Handelsname
Dosis [mg]
Wirkdauer [h]
Potenz (Morphin =1)
Tageshöchstdosis [mg]
Codeinphosphat
codi OPT Codeinum, Codipront, Codyl
3- bis 4-mal 30–60 (1 Tbl. =60 mg Codein)
4–5
0,08–0,1 (120 mg Codein =10 mg Morphin)
270–300 (maximal 5 Tbl.)
Indikationen Extrem guter antitussiver Effekt Wirkmechanismus Codein wird zu ca. 10% durch o-Demethylierung zu Morphin metabolisiert. Etwa 10% der Bevölkerung können wegen eines Enzymmangels (CYC 450 2D6) Codein nicht zu Morphin metabolisieren; als Substitutionstherapeutikum bei Drogensüchtigen unterliegt dann Codein der BtMVV Halbwertszeit: 2–4 h; Bioverfügbarkeit 70% Anmerkungen Kinder <14 Jahre: 3-mal 15 mg/Tag; Kinder >14 Jahre: 3-mal 30 mg/Tag
22
2
Kapitel 2 · Pharmakotherapie
Generic name
Handelsname
Dosis [mg]
Wirkdauer [h]
Potenz (Morphin =1)
Tageshöchstdosis [mg]
Dihydrocodein
DHC 30/60/90 (teilbare Tablette)
2- (bis 3)-mal 60–120
8–10 (-12)
0,1–0,13 (100 mg DHC =10 mg Morphin)
360 (400–500 nach Striebel, 480 mg nach Braun)
Indikationen Neben der analgetischen auch gute antitussive Wirkung Wirkmechanismus Dihydrocodein wird in Morphin umgewandelt, Histaminfreisetzung; Anstieg der Leberenzyme Bioverfügbarkeit: 70% Nebenwirkungen Akuter Asthmaanfall, Pankreatitis, hohe Obstipationsrate Tilidin/Naloxon seit 1978 in Tropfen- und seit 1997 in Retardform erhältlich
Valoron N, Tiligetic-, Findol, Tilidin plusTropfen
50–100 (=20–40 Gtt.)
2–4
Valoron N RetardTbl.
2–3-mal 50–150 (-200)
8–10
0,2
600
Wirkmechanismus Hohe Bioverfügbarkeit: 90%; Halbwertszeit von Nortilidin: 3–5 h Relative Kontraindikation Leberinsuffizienz Anmerkungen Hepatische Umwandlung des Tilidins (Prodrug) in die eigentliche Wirkform Nortilidin; wegen Naloxonzusatz nicht mit anderen Opioiden kombinieren! Nortilidin wird nicht renal ausgeschieden, deshalb bei Patienten mit Niereninsuffizienz den anderen Präparaten der WHO-Stufe II vorzuziehen. Durch Kombination mit dem Opioidantagonisten Naloxon soll die Darmparalyse als auch die Missbrauchsgefahr reduziert werden Oral zugeführtes Naloxon verbleibt z. T. im Darm (lokale Wirkung auf glatte Muskulatur), enteral resorbiertes Naloxon unterliegt einem hohen First-pass-Effect in der Leber, sodass erst nach hohen Dosen ein systemischer antagonistischer Effekt zu erwarten ist (Schutz vor Überdosierung, Missbrauch) Bei ausgeprägter Leberinsuffizienz kann die Wirkung von Tilidin abgeschwächt sein Bei sehr hoher Dosierung (10-bis 20-faches der Normaldosis) kommt es bei Opioidabhängigen aufgrund der fehlenden Naloxonelimination (Naloxon-3-glukuronid) bei der ersten Leberpassage zum Auftreten einer akuten Entzugssymptomatik Keine spasmogene Wirkung Keine parenterale Applikation möglich 1 Gt. =2,5 mg Tilidin und 0,2 mg Naloxon Tramadol
Tramal, Tramadolor, Tramagetic etc.
50–100
2–4
Tramundin SL
100 mg, wovon 25 mg schnell (S) und 75 mg langsam (L) wie eine Retardtablette freigesetzt werden
Tramal long; Tramundin retard
2- bis 3-mal 100–200
8–12
0,1
0,1
400 (nicht dialysierbar!)
400 (–600)
Indikationen Opioid der 1. Wahl bei mittelstarken Schmerzen Wirkmechanismus Stimulation von µ-Opioidrezeptoren sowie Interaktion mit dem Serotonin-/Noradrenalin-System der Schmerzverarbeitung Bioverfügbarkeit: ca. 70%; Halbwertszeit: 6 h Nebenwirkungen Übelkeit, Erbrechen, Sedierung, Schwitzen, selten Obstipation und Miktionstörungen Anmerkungen Geringe spasmogene Wirkung (verwendbar bei Pankreatitis) Verminderung der analgetischen Wirkung bei simultaner Verabreichung vom Carbamazepin
2
23 Medikamente
Generic name
Handelsname
Dosis [mg]
Kombination aus Paracetamol und Tramadol
Zaldiar
4-mal 2 Tbl.; 1 Tbl. =325 mg/37,5 mg
Dextropropoxyphen
Develin ret.
150–300; 1 Kaps. =150 mg)
Wirkdauer [h]
Potenz (Morphin =1)
Tageshöchstdosis [mg]
8–12
0,05
600
Nebenwirkungen Ausgeprägte Obstipation, Müdigkeit, Benommenheit bzw. Schwindel Anmerkungen Ausgeprägter Ceilingeffekt Agonist-Antagonist
Starke Opioide ▬ Opioide mit einer gleich hohen oder stärkeren analgetischen Potenz als Morphin ▬ Unterscheidung in synthetische und halbsynthetische Opioide ▬ Klassifikation nach Rezeptordynamik (Agonist/Antagonist)
▬ Unterschiedliche intrinsische Aktivität bzw. Wirkstärke ▬ Kein Medikament der Wahl bei neuropathischen, muskulären oder emotionalen Schmerzen
Dosierung von starkwirksamen, oral einzunehmenden Opioiden
a
Generic name
Handelsname
Einzeldosis [mg]
Wirkdauer [h]
Potenz (Morphin =1)
Tageshöchstdosis [mg]
Nichtretardiertes Morphinsulfat
Sevredol
10/20b
4
1
Maximal alle 4 h bzw. 6-mal pro Tag
Retardiertes Morphinsulfata
MST Mundipharma, M-Long, M-dolor
10/20/30/60/90
8–12
1
Limitiert durch Nebenwirkungen
Buprenorphin
Temgesic 0,2 mg, Temgesic forte 0,4 mg
0,2–1,2
6–8
30–50–60
4–5 wg. Ceilingeffekt
L-Methadon
Polamidon
2,5–5 (20 Gtt. =1 ml =5 mg), 10 mg p.o. =5 mg i.v
8–12
2–4
Limitiert durch Nebenwirkungen, Cave bei Niereninsuffizienz
Oxycodon
Oxygesic
10–20
8–12
1,5–2
Limitiert durch Nebenwirkungen
Hydromorphon
Palladon Nicht retardiert
1,3 und 2,6 mg
6–8
Retardiert
4, 8, 16, 24 mg (4 mg p.o.=2 mg i.v.)
8–12
Dilaudid (i.v.)
1 ml = 2 mg
6–8 h
6–7,5 Orale Bioverfügbarkeit ca. 50%
6–7,5
–
Erhöhung der oralen Morphintagesdosis bei inadäquater Schmerzreduktion um ca. 30–50%. des Durchbruchschmerzes sollte die Höhe der jeweiligen Zusatzdosis 1/6 der Tagesdosis des Morphins betragen.
b Zur Therapie
24
2
Kapitel 2 · Pharmakotherapie
Transdermale therapeutische Systeme (TTS) Membran- oder Reservoirpflaster
Matrixpflaster ▬ TranstecPRO, Durogesic SMAT
(Fentanyl-HEXAL TTS) Der Wirkstoff ist zusammen mit dem Lösungsvermittler Ethanol in einem gelhaltigen Resorvoir gelöst; zwischen Reservoir und Klebeschicht befindet sich eine Kontrollmembran, die die Freisetzungsrate kontrolliert. Bei Verletzung der Membran kommt es zum unkontrollierten Medikamentenaustritt mit der Gefahr der Überdosierung.
Der Wirkstoff ist direkt in der Polymermatrix der Klebeschicht eingebettet, die eine kontinuierliche Abgabe sicherstellt. Das Pflaster kann theoretisch geteilt werden (z. B. bei Kindern) ohne Gefahr des Medikamentenaustritts. Einen Vergleich der Pflastersysteme (Matrixvs. Reservoirpflaster) zeigt ⊡ Abb. 2.1.
Aufbau - Reservoirpflaster transparente
Wirkstoffreservoir
Oberseite Klebeschicht
Hightec-Membran mit kontrolliertem Wirkstoffdurchlass
Epidermis
Diffusionsstrecke
Dermis Blutbahn
Aufbau - Matrixpflaster Wirkstoff-Matrix mit kontrollierter Wirkstoff-Freisetzung transparente
Keine Membran gesteuerte Freisetzung
Oberseite
Klebeschicht
Epidermis Dermis Blutbahn
⊡ Abb. 2.1. Pflastersystemvergleich: Matrix- vs. Reservoirpflaster. (Nach Grond 2005)
Diffusionsstrecke
25 Medikamente
2
Nebenwirkungen: Übelkeit und Erbrechen. Anmerkungen
Beispiele für Matrixpflaster ▬ TranstecPRO – 2-maliger Wechsel pro Woche – Höchstmenge für Buprenorphin ist auf 800 mg angehoben worden, d. h. nur die 24-er TranstecPRO-Packung mit 70 µg/h muss auf dem BtM-Rezept mit einem »A« gekennzeichnet werden – Aktuell wird bei der Umstellung von Morphin sowohl für Fentanyl als auch für Buprenorphin ein Umrechnungsfaktor von 100 : 1 angegeben – Buprenorphin wird zu 90% über die Leber ausgeschieden, daher keine Dosisreduktion bei Niereninsuffizienz ▬ Durogesic SMAT – Wechsel alle 72 h – Ab 12,5 µg/h (Durogesic SMAT 12) bereits für Kinder ab dem 2. Lebensjahr zugelassen. – Cave: Metabolisierung von Fentanyl über Cytochrom P450 3A4. Interaktion mit Erythromycin, Itraconazol, Ketoconazol, Diltiazem, Cimetidin und Ritonavir (Proteaseinhibitor bei HIV-Therapie)
Das neue Matrixpflaster Durogesic SMAT hat eine sichere Wirksamkeit von 72 h (Durogesic TTS 48–72 h). Transtec PRO hat 84 h Wirkdauer, d. h. 3,5 Tage, das bedeutet nur 2-mal/Woche Pflasterwechsel, jeweils an festen Tagen. Inzwischen sind weitere Fentanylpflastersysteme auf dem Markt: ▬ Fentanyl-HEXAL MAT; 25, 50, 75, 100 µg/h ▬ Fentanyl-HEXAL TTS; 25, 50, 75, 100 µg/h ▬ Fentanyl-ratiopharm; 25, 50, 75, 100 µg/h ▬ Fentanyl Sandoz; 25, 50, 75, 100 µg/h ▬ Matrifen; 12,5, 25, 50 und 100 µg/h-Größen ▬ und weitere Systeme ! Cave: Fentanyl-Generic-Pflaster sind zzt. nur ohne Beschriftung verfügbar, d. h. sie sind verbunden mit Dosisunsicherheit und Verwechslungsgefahr mit anderen transdermalen Therapiesystemen (z. B. Hormonpflaster).
Nebenwirkung der Opioide
Iontophoretisches transdermale System (ITS)
Das ITS ist eine neue Applikationsform für Fentanyl, wobei 40 µg Fentanyl transdermal mittel eines sehr schwachen elektrischen Stroms durch ein scheckkartengroßes elektronisches Gerät (Ionsys) über 10 min nach 2-maligem Knopfdruck appliziert wird. Die Sperrzeit beträgt 10 min. Das System ist seit 2006 im Handel.
A. Passagere Nebenwirkungen: Übelkeit, Erbrechen, Schläfrigkeit, Schwindel, Verwirrtheit, Juckreiz B. Persistierende Nebenwirkungen: Obstipation C. Seltene Nebenwirkungen: Schwitzen, myotonische Krämpfe (nur bei extremer Dosierung), Muskelrigidität, Mundtrockenheit, Depression als Späteffekt, sekundäre Amenorrhö D. Häufige Nebenwirkungen: Spastische Obstipation, Miktionsstörungen
Dosierung von transdermal applizierbaren Opioiden Generic name
Handelsname
Pflastergrößen [µg/h]
Dosis [µg/h]
Wirkdauer [h]
Potenz (Morphin =1)
Tageshöchstdosis [mg]
Starkwirksame, transdermal applizierbare Opioide Fentanyl transdermal
Durogesic SMAT
25/50/75/100
25–400
72
70–100
Limitiert durch Opioidnebenwirkungen
Buprenorphin
Trans-Tec Pro
35/52,5/70
35–140
84 (=3,5 Tage)
70
4 (Ceilingeffekt)
26
2
Kapitel 2 · Pharmakotherapie
Therapie der Opioidnebenwirkungen
Nalbuphin
Die Therapie der Opioidnebenwirkungen wird in Kap. 8 im Rahmen der Tumorschmerztherapie besprochen.
▬ Nubain mite/20 ▬ Antagonist (am µ-Rezeptor) und partieller Agonist (am κ-Rezeptor) ▬ Etwa halb so stark wie Morphin ▬ 1 Amp. à 1 ml =10/20 mg – Pharmakologie Metabolisierung in der Leber zu inaktiven Metaboliten Eiweißbindung: 25–40% Wirkungseintritt nach 2–3 min bei i.v.-Gabe und ca. 15 min nach i.m.-Gabe Halbwertszeit: 5 h Wirkdauer: 3–6 h – Indikationen Akute, leichte Schmerzen (auch bei Kindern) Antagonisierung einer Atemdepression – Dosierung Kinder: – 0,1–0,25 mg/kgKG i.v. oder i.m., bei Bedarf Wiederholung alle 3–6 h – Maximale Einzeldosis 0,25 mg/kgKG – Maximale Tagesdosis 2,0 mg/kgKG Erwachsene – 0,15–0,30 mg/kgKG i.v. oder i.m., bei Bedarf Wiederholung alle 3–6 h – Maximale Einzeldosis 0,30 mg/kgKG – Maximale Tagesdosis 2,4 mg/kgKG
Beschreibung der Einzelpräparate Morphin ▬ Sevredol, MST Mundipharma, Morphin Merck
▬ Basis- und Referenzopioid in der Tumor- und chronischen Schmerztherapie, natürliches Alkaloid des Opiums ▬ Partialagonist (am µ-Rezeptor) ▬ 1 Amp. à 1 ml oder 2 ml =10 oder 20 mg ▬ 1 Tbl. Sevredol à 10 oder 20 mg ▬ 1 MST Tbl. =10, 20, 30, 100, 200 mg ▬ 30-Tage-Höchstmenge nach der BtMVV: 20000 mg – Pharmakologie Metabolisierung in der Leber zu 2 Hauptmetaboliten: M-3-Glukuronid (analgetisch unwirksam), M-6-Glukuronid (eigentlicher aktiver Wirkstoff, Verhältnis von Morphin zu M-6-G im Serum ca. 1:10) sowie zu einem geringen Anteil zu Codein und Normorphin Geringe Eiweißbindung: 30% Orale Bioverfügbarkeit: ca. 20–30% Wirkungseintritt je nach Galenik: – Parenteral: nach 30–60 s – Oral nichtretardiert: nach 15–20 min – Oral retardiert: nach 40–60 min Wirkdauer: 3–5 h bei i.v.-Gabe, 8–12 h als orales Retardpräparat (MST continuus und Capros bis 24 h Wirksamkeit) Halbwertszeit: 2–3 h für Morphin und ca. 2 h für Morphin-6-Glucuronid (M-6-G) – Indikationen Akute und chronische starke Schmerzen – Nebenwirkungen Siehe bei Opioide, zusätzlich Konvulsionen, psychomimetische Reaktionen, Schweißausbrüche und Halluzinationen – Kontraindikationen Schwangerschaft und Stillzeit nur bei strenger Indikationsstellung Relative Kontraindikationen bei Niereninsuffizienz (Akkumulation von Morphin-6Glucuronid)
Pentazocin ▬ Fortral ▬ Antagonist (am κ-Rezeptor) und partieller Agonist (am κ-Rezeptor), wird heutzutage wegen ausgeprägten psychomimetischen Nebenwirkungen, Anstieg des pulmonalarteriellen Mitteldruckes nicht mehr klinisch eingesetzt
Oxycodon ▬ Oxygesic ▬ Semisynthetischer, reiner µ-Agonist, seit 1998 in Deutschland für die orale Schmerztherapie auf dem Markt ▬ Nur oral verfügbar ▬ 1 Retardtbl. =5/10/20/40/80 mg Oxycodon ▬ Potenz im Vergleich zu Morphin: ca. 2:1 ▬ 30-Tage-Höchstmenge nach der BtMVV: 15000 mg
27 Medikamente
– Pharmakologie Hohe Bioverfügbarkeit (ca. 60–85%) Orale Äquivalenz zu Morphin wie 1:2, d. h. 30 mg Oxycodon entsprechen 60 mg Morphin keine klinisch relevanten aktiven Metaboliten wie z. B. beim Morphin Kein Ceilingeffekt Wirkbeginn nach ca. 60 min Halbwertszeit: 2–3 h Wirkdauer: ca. 12 h ein Großteil der Patienten benötigt allerdings nach Meinung der Autoren eine 8-stündliche perorale Einnahme von Oxycodon. konstante Plasmaspiegel nach 24–26 h – Indikation Starke und stärkste Schmerzen – Dosierung Oral: initial 2-mal 10 mg/Tag Umrechnung von oralem Morphin auf Oxycodon =2:1, d. h. 60 mg Morphin p.o. =30 mg Oxycodon p.o. – Nebenwirkungen Siehe bei Opioide, jedoch geringe Inzidenz an Übelkeit und Erbrechen sowie Verwirrtheitszuständen im Vergleich zu Morphin Geringere Kumulationsgefahr bei Niereninsuffizienz – Kontraindikationen Akute hepatische Porphyrie Kinder <12 Jahre Asthma bronchiale Gallenkolik Schwangerschaft und Stillzeit nur bei strenger Indikationsstellung
Buprenorphin ▬ Temgesic ▬ Partialagonist (am µ-Rezeptor) und Antagonist (am κ-Rezeptor). Partialagonisten wirken nach alleiniger Gabe agonistisch, bei Zufuhr nach vorheriger Gabe reiner Agonisten heben sie deren Wirkung teilweise oder vollständig auf, Problem beim Opioidrotating ▬ Einziges Opioid mit nachgewiesener Effektivität im Rahmen der GLOA ▬ 1 Amp. à 1 ml =0,3 mg
2
▬ 1 Tbl. =0,2 mg; Temgesic forte-Tbl. =0,4 mg (sublinguale Gabe, besonders bei Schluckstörungen einsetzbar) ▬ 30-Tage-Höchstmenge nach der BtMVV: 150 mg ▬ Rund 60-fach stärker wirksam als Morphin – Pharmakologie Metabolisierung in der Leber und Ausscheidung als einziges Opioid überwiegend mit der Galle (ca. 70%) mit enterohepatischem Kreislauf, 10% unverändert renale Ausscheidung 95–98% Eiweißbindung Orale Bioverfügbarkeit: ca. 50–55% Wirkungseintritt: nach 5–15 min Maximale Wirkung: nach ca. 60 min Wirkdauer: 6–8 h Halbwertszeit: 2–5 h – Indikationen Akute und chronische schwere Schmerzen – Dosierung Sublingual: 2–6 µg/kgKG (0,2–0,4 mg), ggf. Wiederholung alle 6–8 h i.m., i.v.: 2–4 µg/kgKG (0,15–0,3 mg), ggf. Wiederholung alle 6–8 h Maximale Tagesdosis: 1,2 mg – Nebenwirkungen Siehe bei Opioide, zusätzlich Konvulsionen, psychomimetische Reaktionen, Schweißausbrüche und Halluzinationen Mögliche Minderung der Wirkung reiner Opioidagonisten durch Verdrängung aufgrund höherer Rezeptoraffinität Wegen hoher Rezeptoraffinität ist eine Antagonisierung bei Nebenwirkungen wie Atemdepression mit extremen Dosen von Naloxon möglich Bei Atemdepression evtl. Atemstimulans – Doxapram (Dopram) 1 Amp. à 1 ml =20 mg langsam i.v.: Kurzinfusion; 0,1 bis maximal 1,5 mg/kgKG Cave: Blutdruck erhöht durch Adrenalinausschüttung Halbwertszeit: 6–15 min oder – Amiphenazol (Daptazile 150 mg i.v.) Mögliche Entzugssymptomatik erst relativ spät mit einer Latenz von 1–2 Wochen
28
Kapitel 2 · Pharmakotherapie
Ceilingeffekt bei 3–4–5 mg (d. h. Dosissteigerung macht keine zusätzliche Analgesie)
2
– Kontraindikation Schwangerschaft und Stillzeit nur bei strenger Indikationsstellung – Transdermale Applikation von Buprenorphin seit September 2001 als TTS (Transtec-Pflaster) bei Patienten >18 Jahren möglich. Transtec Pro-Pflaster (von Fa. Grünenthal) gibt es in 3 Pflastergrößen: – 25 cm =20 mg Buprenorphin =35 µg/h – 37,5 cm =30 mg Buprenorphin = 52,5 µg/h – 50 cm = 40 mg Buprenorphin = 70 µg/h Transtec-Pro wirkt 84 h, d. h. 3,5 Tage, somit gibt es 2 feste Wechselezeiten in der Woche (z. B. Montag Morgen und Donerstag Abend) Die Äquipotenz von von oralem Morphin und Buprenorphin transdermal ist in ⊡ Tabelle 2.2 gezeigt. ▬ Cmax nach 3–5 Tagen (stabile Plasmaspiegel) ▬ MEC nach 12–24 h ▬ Kein Medikamentenreservoir mit semipermeabler Membran wie beim Fentanylpflaster, sondern Matrixtechnik, d. h. das Pflaster könnte geteilt werden! Keine Gefahr der Überdosierung bei Pflastereinriss. ▬ Pflasterwechsel nach 3 Tagen ▬ Als partieller Antagonist nur mit Temgesic sublingual kombinierbar (z. B. bei Schmerzspitze)
⊡ Tabelle 2.2. Äquipotenz von oralem Morphin und Buprenorphin transdermal (Transtec) Orales Morphin [mg/Tag]
BuprenorhinPflaster [µg/h]
PflasterNr.
Bis 60
35
1
61–90
52,5
2
91–120
70
3
121–150
87,5
1+2
Je weitere 30 mg/Tag
Je weitere 17,5 µg/h
Äquipotenzdosis zur Maximaldosis Buprenorphinplaster: 240 mg
Maximaldosis bei Ceilingeffekt: 140 µg/h
Vorteile ▬ Geringere Obstipationsrate als bei der sublingualen Applikationsform ▬ Gute Hautverträglichkeit ▬ Keine Kumulation bei Niereninsuffizienz
Nachteile ▬ Ceilingeffect ▬ Probleme beim Opioidrotating möglich ▬ Kombinierbarkeit mit anderen Opioiden fraglich ▬ Schlecht steuerbar
Das Buphrenorphinpflaster ist als eine Substanz zwischen der WHO-Stufe II und III anzusehen.
Hydromorphon ▬ Palladon ▬ Reiner µ-Agonist ▬ Seit 1999 in Deutschland als Retardkapsel und seit 2004 als schnellwirksame Hartkapsel verfügbar ▬ Geeignet für die orale Schmerztherapie besonders bei Patienten mit Niereninsuffizienz, multimorbiden Patienten und Patienten mit Polypharmakotherapie – Dosierung Retardkapsel (Palladon) à 4, 8, 16, 24 mg Hydromorphon Hartkapsel à 1,3 oder 2,6 mg Hydromorphon zur stündlichen Einnahme als Rescuedosis bei retardierter Einstellung mit 2-mal 4 mg bzw. 2-mal 8 mg p.o. Anmerkung: 1, 3 mg Hydromorphon =10 mg Morphin 1 Amp. Dilaudid à 1 ml=2,0 mg Hydromorphon Potenz im Vergleich zu Morphin: ca. 6- bis 7,5-fach (enteral), ca. 5-fach (parenteral) 30-Tage-Höchstmenge nach der BtMVV: 5000 mg – Pharmakologie Stabile orale Bioverfügbarkeit: ca. 40–50% Niedrige Plasmaeiweißbindung: ca. 8%; keine Pharmakoninteraktionen aufgrund von Verdrängung anderer Medikamente aus der Proteinbindung zu erwarten Keine Beeinflussung des Enzyms Cytochrom P450
29 Medikamente
Keine aktiven Metaboliten, deshalb auch bei Patienten mit Niereninsuffizienz geeignet Kein Ceilingeffekt, d. h. keine klinisch relevante Wirkbegrenzung nach oben Wirkbeginn nach ca. 1–2 h (Retardkapsel) bzw. innerhalb 30 min bei Hartkapsel Wirkdauer für Retardform: ca. 12 h (2-malige Applikation erforderlich), für Hartkapsel: ca. 4 h Kurze Halbwertszeit: 2,6 h – Dosierung Oral: 2-mal 4 mg, ggf. um je 4 mg (=30 mg Morphin) steigern Kinder: 0,08 mg/kgKG alle 12 h Parenteral: Erwachsene und Kinder >12 Jahre: 1–2 mg i.m./s.c. oder 1–1,5 mg i.v. ▬ Anmerkung: Umrechnung von oralem Morphin auf orales Hydromorphon: Hydromorphonmenge = Morphinmenge dividiert durch 7,5, z. B. 90 mg Morphin p.o. entspricht ca. 12 mg Palladon p.o. – Nebenwirkungen Siehe bei Opioide Urtikaria ▬ Anmerkung: Soll im Vergleich zu Morphin geringere obstipierende Wirkung besitzen. – Wechselwirkungen Unter Cimetidingabe: höhere Plasmakonzentrationen von Hydromorphon ▬ Jurnista = Hydromorphon mit 24h-Wirksamkeit durch OROS-Technologie. 8 mg-, 16 mg-, 32 mg- und 64 mg-Tablette.
Metabolisierung hauptsächlich über die Leber (>50%), jedoch auch bis zu 40% unverändert über die Niere 85% Eiweißbindung Wirkeintritt nach ca. 20 min parenteral und nach 60 min oral Maximale Wirkung nach ca. 40 min, Wirkdauer: 6–8 h Potenz im Vergleich zu Morphin: 2–3–4-fach – Indikationen Neuropathischer Schmerz Entwöhnung Prämedikation bzw. perioperative Substitution bei Drogenabhängigen – Dosierung – Entwöhnung: 3- bis 6-mal 1/2–1 Amp. i.v., s.c., bis 7,5 mg – Tägliche Erhaltungsdosis: 0,5–0,8 mg/kgKG (maximal 1,0 mg/kgKG, da Kumulationseffekte auftreten, insbesondere bei Leberinsuffizienz) – Prämedikation Opiatabhängiger: 5–10 mg i.m. 10–20 mg p.o. (Wirkbeginn nach 30–60 min)
Fentanyl ▬ Seit 2005 Umstellung von Durogesic TTS (= Membranpflaster) auf Durogesic SMAT (= Matrixpflaster) – Ab dem 2. Lebensjahr zugelassen – Als Durogesic SMAT 12 mit 12 µg/h als kleinstes Pflaster verfügbar – 5 verschiedene Größen (12, 25, 50, 75 und 100 µg/h)
L-Methadon ▬ L-Polamidon ▬ Opioidagonist mit niedrigem Suchtpotenzial ▬ Soll bei neuropathischem Schmerz stärker wirken als Morphin ▬ Linksdrehendes Enantiomer von Methadon ▬ Das D-Isomer hat einen guten antitussiven Effekt – 1 Amp. à 1 ml=2,5 mg – 20 Gtt.=1 ml=5 mg ▬ Bioverfügbarkeit bei oraler Einnahme: 90% ▬ 30-Tage-Höchstmenge nach der BtMVV: 1500 mg – Pharmakologie Halbwertszeit: 18–24(–60) h (variiert extrem stark)
2
Vorteile ▬ Bessere Hautverträglichkeit bzw. geringere allergische Spätreaktionen aufgrund der Klebesubstanz Duro-Tak 4287 ▬ Bessere dermale Haftung (vorteilhaft für Sportler oder stark schwitzende Patienten) ▬ Theoretisch teilbar durch Zerschneiden (Cave: dann meist Off-label-Gebrauch aufgrund der Veränderung eines Medikaments) ▬ Sichere Wirksamkeit für 72 h
30
2
Kapitel 2 · Pharmakotherapie
▬ Fentanyl ist stark lipophil, deshalb transdermale Applikation möglich ▬ Seit Oktober 1995 in Deutschland zugelassen ▬ Seit Anfang 1998 ist auch die ambulante Einstellung des Patienten auf transdermales Fentanyl erlaubt. ▬ Seit Juni 1999 ist Fentanyl auch zur Therapie starker und sehr starker nicht neoplastisch bedingter chronischer Schmerzen zugelassen.
Vorteile ▬ Von der gastrointestinalen Motilität unabhängige, kontinuierliche Abgabe ▬ Geringere Obstipations- und Emesisneigung ▬ Verbesserte Vigilanz bei meist gleichzeitig verbesserter Analgesiewirkung nach der Umstellung (gilt besonders für die Umstellung von WHO-Stufe-II-Analgetika) ▬ Bessere Wirkung bei neuropathischem und bei pseudoradikulärem Schmerz im Vergleich zu retardiertem Morphin bei äquipotenter Dosierung ▬ 30-Tages-Höchstmenge beträgt nach der BtMVV 1000 mg
Nachteile ▬ Kann bei Umstellung von Morphin Dysphorie hervorrufen ▬ Entgegen den Herstellerangaben kann es zu sehr unterschiedlichen Fentanylspiegeln bei einzelnen Patienten kommen (hohe intraund interindividuelle pharmakokinetische Unterschiede)
Anmerkungen: Die Äquivalenzdosis zwischen Fen-
tanyl transdermal und Morphin wird allgemein mit 70 : 1 angegeben (nach US-Studie doppelt so hoch: 140–150 : 1). Durogesic ist bis maximal 200–400 µg/h sinnvoll anwendbar
Neueinstellung auf Fentanyl transdermal (Durogesic SMAT) ▬ Kleinste Durogesic-Pflastergröße (maximale Wirkung nach 12–24 h) ▬ In den ersten 12 h zuvor gegebene Analgetika weiter geben ▬ Bei Bedarf zusätzlich schnell wirksames Morphin p.o. oder s.c. ▬ Nach 3 Tagen Neuberechnung der Pflastergröße anhand des zusätzlichen Morphinbedarfs (⊡ Tabelle 2.3) ▬ Spätestens alle 72 h neues Pflaster aufkleben ▬ Rescuemedikation: schnell wirksames Morphinsulfat p.o.: ca. 1/6 der in den letzten Tagen benötigten oralen Tagesmorphinmenge oder Actiq ▬ Kombination mit Nichtopioidanalgetika
Umstellung von Morphin auf Fentanyl transdermal (Durogesic) ▬ Durogesic-Pflastergröße entsprechend der Umrechnung wählen (⊡ Tabelle 2.3) ▬ Letzte Retardmorphingabe bei Pflasterapplikation ▬ Bei Bedarf zusätzlich schnell wirksames orales Morphinsulfat: – Morphin Merck Tropfen 2% (16 Gtt.=20 mg) oder – Sevredol-Tbl. 10/20 mg
⊡ Tabelle 2.3. Äquipotenz von Fentanyl, Morphin und Fentanyl transdermal (Durogesi) Oxycodon oral [mg/Tag]
Morphin i.v. [mg/Tag]
Morphin p.o. [mg/Tag]
Durogesic [µg/h]
Pflastergröße [cm2]
Bis 45
10–22
90
25
10
46–75
23–37
–150
50
20
76–105
38–57
–210
75
30
106–135
53–67
–270
100
40
Je weitere 30
Je weitere 15
Je weitere 60
Je weitere 25
Je weitere 10
31 Medikamente
▬ Nach 3 Tagen Neuberechnung der Pflastergröße anhand des zusätzlichen Morphinbedarfs (60 mg p.o. Mehrbedarf =25 µg/h Fentanyl)
Fentanylcitrat ▬ Oral-transmukosales Fentanylcitrat (OTFC) ▬ Fentanyl-Lutschtablette Actiq ▬ In 6 verschiedenen Wirkstärken: 200 µg, 400 µg, 600 µg, 800 µg, 1200 µg, 1600 µg ! Cave: Überdosierung! Beginn mit 200-µg-Stick, bei unzureichender Analgesie Anwendung einer zweiten Dosiereinheit gleicher Stärke nach 15 min, bei adäquater Analgesie bei erneutem Durchbruchschmerz primär höhere Dosis.
– Indikation Bedarfsmedikation im Rahmen von starken Durchbruchschmerzen bei Tumorpatienten, deren chronischer Schmerz bereits mit einem Opioid behandelt wird – Pharmakokinetik 25% werden schnell transmukös resorbiert 75% werden enteral aufgenommen, wobei
50% durch die Leberpassage (First-pass-Effekt) abgebaut werden, so ist nur 50% der angebotenen Fentanyl-Menge bioverfügbar (⊡ Abb. 2.2) – Wirkmechanismus Schneller Wirkungseintritt durch transmukös aufgenommenes Fentanyl (in weniger als 5 min, mit 5–10 mg Morphin i.v. vergleichbar) Mittellang anhaltender Effekt (ca. 1–2 h) durch enteral resorbiertes Fentanyl – Anwendung Fentanylstick nicht lutschen, sondern an der Wangenschleimhaut reiben (erhöht die transmukosal aufgenommene Menge). Maximal 4 Sticks/Tag anwenden. Eine Übersicht starkwirksamer Opioide zeigt ⊡ Tabelle 2.4.
Opioidwechsel (Opioidrotating) Treten unter der Anwendung von hochpotenten Opioiden nicht beherrschbare Nebenwirkungen (starke Übelkeit, Schwitzen, Obstipation etc.) auf, so sollte ggf. ein Opioidwechsel erfolgen.
⊡ Tabelle 2.4. Übersicht starkwirksamer Opioide Substanz
Applikation
Wirkdauer [h]
Dosisintervall
Wirkbeginn [min]
Maximale Wirkung nach [min]
Morphinsulfat (Sevredol)
p.o.
4
6-mal tgl.
20
60
Morphin ret. (MST)
p.o.
8–12
2- bis 3-mal tgl.
60
240
12–24
1- bis 2-mal tgl.
60
240
(MST continus)
2
Buprenorphin (Temgesic)
s.l./i.v/s.c.
6–8
3-mal tgl.
15
120
Piritramid (Dipidolor)
i.v.
2–4
6-mal tgl.
50
20
Methadon
p.o.
6–12
2- bis 3-mal tgl.
30
80
Levomathadon (L-Polamidon)
p.o./s.c.
6–12
2- bis 3-mal tgl.
30
80
Hydromorphon (Palladon)
p.o.
12
2-mal tgl.
60
100
Hydromorphon (Dilaudid)
i.v.
3–4
6-mal tgl.
5
30
Oxycodon (Oxygesic)
p.o.
8–12
2- bis 3-mal tgl.
60
100
Fentanyl-Lutschtbl. (Lolly), (Actiq)
Oral/ bukkal
2
bis zu 4-mal tgl.
5
15
32
Kapitel 2 · Pharmakotherapie
Beispiel: Umstellung 120 mg Morphin p.o./ Tag auf Durogesic
2
▬ 120 mg Morphin p.o/Tag entsprechen rechnerisch Durogesic 50 µg/h 1. Tag: 50% der erechneten Menge Durogesic = Durogesic 25 µg/h Bei Schmerzen 10 mg Sevredol (maximal alle 4 h) zusätzlich 2. Tag: Wenn >30 mg Sevredol/Tag notwendig, Dosisanpassung auf Durogesic 50 µg/h
! Die Morphinäquivalenzdosis (⊡ Tabelle 2.6) ist definitonsgemäß die Dosis eines Opioids, angegeben in Milligramm, die intramuskulär verabreicht, der Wirkstärke von 1 mg Morphin intramuskulär entspricht. Oral verabreicht variieren die Äquivalenzdosen entsprechend der oralen Bioverfügbarkeit der jeweiligen Opioide.
Verordnung von BtM Auszug aus der BtMV (Betäubungsmittel-Verordnung):
⊡ Abb. 2.2a, b. Bioverfügbarkeit von oral appliziertem Fentanyl
Allgemein unterliegen die Äquivalenzdosen sehr großen individuellen Schwankungen, sodass diese nur als grobe Orientierung dienen dürfen. Die Umstellung auf ein anderes Opioid (Opioidrotating) bleibt dem erfahrenen Anwender von Opioiden vorbehalten. Jede Opioidumstellung beinhaltet die nicht sicher auszuschließende Gefahr der Überdosierung (Ateminsuffizienz) bzw. der Unterdosierung (Schmerzzunahme). Prinzipiell sollten nur 50% der errechneten Äquivalenzmenge am 1. Tag der Umstellung verordnet werden (⊡ Tabelle 2.5). Die zweiten 50% sollten als Bedarfsmedikation eingenommen werden. Am 2. Tag erfolgt die Therapiekontrolle des Opioidrotating mit evtl. durchzuführender Dosierungsanpassung.
In begründeten Einzelfällen und unter Wahrung der erforderlichen Sicherheit des Betäubungsmittelverkehrs darf der Arzt für einen Patienten, der in seiner Dauerbehandlung steht, von den Vorschriften des Absatzes 1 hinsichtlich 1. des Zeitraums der Verschreibung, 2. der Zahl der verschriebenen Betäubungsmittel und 3. der festgesetzten Höchstmengen (⊡ Tabelle 2.7) abweichen. Eine solche Verschreibung ist mit dem Buchstaben A zu kennzeichnen.
Nebenwirkungen von Opioiden bei chronischer Schmerztherapie
Weitere Details sind in Kap. 8 (im Hinblick auf Tumorschmerz) und Kap. 14 (im Hinblick auf Palliativmedizin) dargestellt. ▬ Übelkeit und Erbrechen (ca. 20%) ▬ Chronische Obstipation bis zu 100% (keine Toleranz); Gabe von Laxanzien bei chronischer Tumorschmerztherapie obligat
2
33 Medikamente
▬ Sedierung (initial bis zu 20%) ▬ Verwirrtheit (ca. 2%) und Halluzinationen (bis zu 1%), dann Dosisreduktion und Opioidwechsel, langsame Dosiserhöhung
⊡ Tabelle 2.7. Übersicht über die Betäubungsmittelhöchstmengen (Auszug) Medikament
Höchstmenge
Methadon
3.000 mg
⊡ Tabelle 2.5. Empfohlene Umrechnungsfaktoren bei Opioidwechsel
Methylphenidat
1.500 mg
Modafinil
12.000 mg
Vorheriges Opioid
Faktor
Nachfolgendes Opioid
Morphin
20.000 mg
Morphin p.o.
0,5
Oxycodon p.o.
Opium, eingestelltes
4.000 mg
0,13
Hydromorphon p.o.
Opiumextrakt
2.000 mg
0,01
Fentanyl transdermal
Opiumtinktur
40.000 mg
Oxycodon
15.000 mg
Pentazocin
15.000 mg
p.o.a
0,3
L-Methadon
Oxycodon p.o.
1–2
Morphin p.o.
Hydromorphon p.o.
7,5
Pethidin
10.000 mg
Fentanyl transdermal
100
Phenmetrazin
600 mg
Buprenorphin s.l.
40
Piritramid
6.000 mg
L-Methadon p.o.
(3)
Tilidin
18.000 mg
a
Beginn mit 10% der oralen Morphintagesdosis als Einzeldosis, jedoch nicht mehr als 6 mg, alle 3 h wiederholbar.
⊡ Tabelle 2.6. Umrechnungstabelle der Dosisäquivalenzen bei Opioidwechsel Substanz
Dosisäquivalenz im Vergleich zu Morphin
10 mg Morphin i.m. entsprechen
Bioverfügbarkeit [%]
Verhältnis oral : parenteral
Morphinsulfat (Sevredol)
30 mg p.o.
30
1:0,3
Morphin ret. (MS) (MST continuus)
30 mg p.o.
30
1:3
Buprenorphin (Temgesic)
60-fach
0,2 mg s.l.; 0,15 mg i.m.
50
1:0,5
Piritramid (Dipidolor)
0,75-fach
7,5 i.v.
–
–
Methadon
1,5- bis 2-fach
20 mg p.o.
80
1:0,8
Levomathadon (L-Polamidon)
3- bis 4-fach
10 mg p.o.
80
1:0,8
Hydromorphon (Palladon)
7- bis 8-fach
2–4 mg p.o.
50
1:0,5
Hydromorphon (Dilaudid)
7- bis 8-fach
1–2 mg p.o.
–
–
Oxycodon (Oxygesic)
1,5- bis 2-fach
15 mg p.o.
80
1:0,8
34
2
Kapitel 2 · Pharmakotherapie
▬ Schwitzen: Anticholinergika (Neuroleptika, Antidepressiva), Antihyperhydrotikum (Salbeitee, Tbl., Ganzköperwaschung: 2 Essl. Salbei auf 4–5 l Wasser) ▬ Harnverhalt: Absetzen von anticholinerg wirkenden Substanzen, Carbachol 2 mg p.o. oder 0,25 mg s.c., ggf. Opioidrotating Therapie-/Prophylaxemöglichkeiten der Opiatnebenwirkungen Antiemetika Bei Übelkeit Gabe von Antiemetika, z. B.: ▬ Metoclopramid (MCP ratiopharm, Paspertin):
▬ ▬ ▬
▬
▬ ▬
3- bis 6-mal 20–30 Gtt. vor der Opioideinnahme Domperidon (Motilium): 3- bis 4-mal 20 mg p.o. Haloperidol (Haloperidol ratiopharm Tropfen, Haldol Janssen): 3-mal 0,5–1 mg (5–10 Gtt.) vor dem Essen bzw. 0,5–2,5 mg alle 8–12 h Cyclizine (Marzine/Valoid) über die internationale Apotheke (Wellcome Österreich): 3-mal 50 mg plus Metoclopramid (Paspertin) 3-mal 20 Gtt. (wirkt antagonistisch am muskarinergen ACH-Rezeptor und am H1-Rezeptor im Brechzentrum) – Wirkmechanismus Antidopaminerge Wirkung Dimenhydrinat (Vomex Supp. 150 mg): Jugendliche ab 14 Jahre und Erwachsene 1- bis 3-mal 1 Supp. pro Tag oder notfalls unter stationären Bedingungen 1 Amp (=62 mg) i.v. – Nebenwirkungen Leicht sedierend, extrapyramidale Dyskinesien, irreversible Spätdyskinesien, Parkinsonoidsyndrom Glukokortikoide: Dexamethason (Fortecortin) 2- bis 3-mal 4–8(-16) mg/Tag oder Prednison (Decortin) 3-mal 50–250 mg i.v. Marinol (Dronabinol): initial 2-mal 1 Kaps., durchschnittlich. 2- bis 3-mal 2,5 mg/Tag
Bei Erbrechen während der Tumorschmerztherapie und der Bestrahlung empfiehlt sich auch ein Therapieversuch mit Serotoninantagonisten: ▬ Tropisetron (Navoban): 1- bis 2-mal 5 mg p.o. ▬ Granisetron (Kevatril): 2- bis 3-mal 3 mg p.o. ▬ Alizaprid (Vergentan): 4-mal 50–200 mg p.o. bzw. i.m.
Bei therapierefraktärem Erbrechen Versuch mit: ▬ Promethazin (Atosil): 2- bis 3-mal 25 mg ▬ Triflupromazin (Psyquil): 2- bis 3-mal 10– 20 mg Obstipationstherapie/-prophylaxe mit Laxanzien Bei Obstipation Gabe von z. B.: ▬ Lactulose (Bifiteral): Granulat oder Sirup initi-
▬ ▬
▬
▬
▬
▬
al 3-mal 1 Essl., dann nach Stuhlkonsistenz und Frequenz – Kinder <3 Jahre 3-mal 2 ml initial – Kinder >3 Jahre 3-mal 5 ml initial Natriumpicosulfat (Laxoberal): 1–2 Tbl. bzw. 10–20 Gtt. (=5–10 mg) – Kinder ab dem 4. Lebensjahr 4–8 Gtt./Tag Macrogol 3350 (Movicol): biologisch inerte Substanz, deshalb kein Abbau im Darm, keine Resorption, keine Fermentation durch die Darmflora Wird nach Auflösung in 125 ml Wasser getrunken Bindung von Wasser Verhärtete Fäzes werden aufgeweicht – Erwachsene und Kinder ab dem 14. Lebensjahr initial 2- bis 3-mal 1 Beutel/Tag, dann 1 Beutel/Tag bzw. je nach Stuhlkonsistenz bis 3 Beutel/Tag Bisacodyl (Dulcolax): 1–2 Drg. (=5–10 mg) abends, Wirkungseintritt nach etwa 10 h; nüchtern eingenommen erfolgt der Wirkungseintritt nach etwa 5 h bzw. 1 Supp. (=10 mg) führt kurzfristig – nach 15–30 min – zu einer Entleerung des Darmes Trockenextrakt aus Alexandriner-Sennesfrüchten (Liquidepur N): – Ab dem 12. Lebensjahr 1 Teel./Tag abends; bei hartnäckiger Obstipation ausnahmsweise 3-mal 1 Teel./Tag Paraffin (Obstinol M): 1–2 Messbecher (=30– 60 ml) bei Bedarf, Gleitmittel – Nebenwirkungen Fremdkörpergranulome, Resorptionsstörungen von fettlöslichen Vitaminen, Gefahr der Aspirationspneumonie CO2-produzierende Suppositorien (Lecicarbon): 1 Supp.bei Bedarf
▬ Einlauf, Klysma
35 Medikamente
▬ Amidotrizoat (Gastrografin): 50–100 ml p.o., jodhaltiges Röntgenkontrastmittel (Ultima ratio!) ▬ Manuelles Ausräumen
Wirkmechanismus
! Neu: ▬ Naloxon (Narcanti) 10–30 mg/Tag p.o.
Indikationen
bei opioidinduzierter Obstipation oder ▬ Papaverin p.o. (keine Beeinfussung der Analgesie)
2
▬ Hemmung der Osteoklastenaktivität ▬ Hemmung der Knochenresorption sowie Reduktion der Osteoklastenanzahl
▬ Bewegungsabhängige Schmerzen bei Osteoporose ▬ Knochenmetastasen (osteolytisch), z. B. bei Mamma- oder Prostata-NPL Nebenwirkungen
! Cave: Agiolax, Liquidepur, Bekunis-Tee gelten als fraglich kanzerogen, gentoxisch.
▬ Gefahr des Nierenversagens bei zu schneller i.v.-Gabe (langsame Infusion: >2 h) Kontraindikationen
Laxanzien in der Opstipationstherapie/ -prophylaxe ▬ Laxanzien der 1. Wahl: – Antiresorptiv und hydragog wirkende Laxanzien: Natriumpicosulfat, Bisacodyl – Peristaltikfördernder Effekt am Plexus myentericus, Hemmung der Na+- und H2O-Resorption: Antragykoside ▬ Laxanzien der 2. Wahl: – Laxanzien mit Wirkung auf den Defäkationsreflex: Supp. zur Stuhlaufweichung (Glycerin) und Förderung der Peristaltik (Bisacodyl) oder Dehnung (Lecicarbon) – Osmotisch wirksame Laxanzien (Lactulose) ▬ Stufenschema: 1. Laxoberal, evtl. Lactulose 2. Macrogol + Laxoberal 3. Macrogol + Laxoberal + Obstinol M 4. Macrogol + Laxoberal + Obstinol M + Lecicarbon-Supp./Klysma/Einlauf
▬ Kinder ▬ Ausgeprägte Niereninsuffizienz! Hinweis zur Präparateauflistung – * #
Nach Semek et al. (2001) Zulassung zur Osteoporosetherapie Zulassung bei Knochenmetastasen
Etidronsäure* ▬ Diphos, Etidronat
▬ Älteste Substanz – Dosierung 400 mg/Tag für 14 Tage; dann 10 Wochen Pause und nur 1000 mg Kalziumsubstitution/Tag 1 Filmtbl. = 200/400 mg Clodronsäure# ▬ Bonefos, Ostac – Dosierung
2 Filmtbl. (=1600 mg) oder 4 Kaps. (=1600 mg) p.o./Tag oder – Nebenwirkungen Diarrhö ▬ Anmerkung: Tendenziell weniger skelettale Komplikation bei metastasierendem Mammakarzinom.
Sonstige Substanzen Bisphosphonate Derzeit sind 8 verschiedene Substanzen auf dem deutschen Markt.
Pamidronsäure# ▬ Aredia – Indikation
Knochenmetastasen
36
2
Kapitel 2 · Pharmakotherapie
– Dosierung 15–90 mg, z. B. 15 mg/h in NaCl 0,9% über 4–6 h (Serumkalzium- und Phosphatkontrollen) alle 3 Wochen – Nebenwirkungen Temperaturerhöhung um 1–2°C.
Kortikosteroide (Steroidal AntiInflammatory Drugs) Substanzen
▬ Prednisolon (Decortin H) ▬ Dexamethason (Fortecortin) Wirkung
Ibandronsäure# ▬ Bondronat – Indikation
Knochenmetastasen – Dosierung 1-mal 2–6 mg in 500 ml NaCl 0,9% oder G5% i.v. über 2 h Maximal 6 mg/Tag alle 3 Wochen Alendronsäure* ▬ Fosamax – Indikation
Osteoporose, – Dosierung 10 mg (=1 Tbl./Tag). Tiludronsäure ▬ Skelid – Indikation
Nur für M. Paget – Dosierung 2 Tbl./Tag (= 400 mg/Tag) p.o.für 3 Mon. - Nebenwirkungen Schwindel, Kopfschmerz, Asthenie Zoledronsäure ▬ Zometa – Indikation
Zumorbedingte Hyperkalzämie – Dosierung 4 mg in 50 ml NaCl 0,9% über 15 min (ausreichende Hydratation) Risedronsäure ▬ Actonel – Indikation
Postmenopausale Osteoporose – Dosierung 1 Tbl./Tag (=5 mg); mindestens 30 min vor der erstmaligen Aufnahme von Nahrung
▬ ▬ ▬ ▬
Antiphlogistisch Antiödematös Appetitanregend (in niedriger Dosierung) Stimmungsaufhellend
Wirkmechanismus
Glukokortikoide führen neben einer Prostaglandinsynthesehemmung via Lipocortin zu einer Synthesehemmung proinflammatorischer, die COX 2 induzierender Zytokine sowie zu einer Unterdrückung der COX-2-Bildung im Entzündungsgewebe. Indikationen
▬ Leberkapselschmerzen, z. B. bei Metastasen ▬ Erhöhter intrakranieller Druck bzw. Kopfschmerz bei Hirnmetastasen ▬ Lymphödem oder generelle Entzündungsreaktionen ▬ Knochen- und Gelenkschmerzen ▬ Neuropathische Schmerzen bei tumorbedingter Nerven- und Rückenmarkkompression ▬ Lateraler Bandscheibenprolaps mit neuritischem Schmerz Dosierung
▬ Initial Stoßtherapie für 10–14 Tage: ▬ Prednisolon (Decortin H): – 40–80 mg/Tag – Anschließend Reduktion unter die CushingSchwelle 7,5–10 mg/Tag ▬ Dexamethason (Fortecortin): – Initiale Einzeldosis von 8–24 mg/Tag, dann z. B. 8–2–0 mg/Tag – Danach Reduktion unter Cushing-Schwelle 1–2 mg/Tag innerhalb von 1 Woche Nebenwirkungen
▬ Blutzucker- und Blutdruckanstieg ▬ Erhöhtes Thromboserisiko
37 Medikamente
Anmerkung: Möglichst unter der Cushing-Schwelle dosieren oder auf 10 Tage beschränken.
Spasmolytika ▬ Butylscopolamin (Buscopan) ▬ Butylscopolamin + Paracetamol (Buscopan plus) Wirkmechanismus
▬ Parasympatholytikum mit spasmolytischer Komponente sowie Sekretproduktionshemmung und Eindickung Indikation
▬ ▬ ▬ ▬
Schmerzen von Hohlorganen In der Palliativmedizin bei »Todesrasseln« Ileus Gesteigerte Sekretproduktion
Dosierung
▬ 10 mg i.v., i.m., s.c., rektal, p.o. ▬ 20–40 mg alle 4–6 h (maximal 100 mg/Tag) bei Todesrasseln Kontraindikationen
▬ Tachyarrhythmie ▬ Engwinkelglaukom Nebenwirkungen
▬ Siehe Anticholinergika (teilweise Enzyminduktion)
Calcitonin ▬ Karil: Lachscalcitonin – Indikationen Phantomschmerz (nicht bei Stumpfschmerz) CRPS I (leichtere Formen), maligne Plexusläsionen Schmerzhafte Querschnittsläsionen Osteoporose Knochenschmerzen infolge osteolytischer Knochenmetastasen Hyperkalziämie M. Paget – Dosierung 100–200 IE/Tag in 500 ml NaCl 0,9% über >2 h für 3–5 Tage Gegebenenfalls mit Antiemetikum kombiniert, evtl. Karil-Nasenspray 1 Hub/Tag
2
– Wirkmechanismus Direkte zentrale analgetische Wirkung durch Anhebung der Schmerzschwelle, wahrscheinlich durch Aktivierung der serotoninergen absteigenden Schmerzhemmsysteme – Nebenwirkungen Übelkeit, Erbrechen (ggf. Ondansetron vor der Gabe), Flush mit Hautrötung, Hitzewallungen, Durchfall, Kopfschmerz, orthostatische Dysregulation Anmerkung: Lachscalcitonin scheint effektiver zu sein als humanes Calcitonin (Cibacalcin) und besitzt außerdem eine längere Halbwertszeit. Die subkutane oder nasale Applikation hat eine geringere Effektivität als die intravenöse Gabe.
α2-Agonisten Clonidin ▬ Catapresan – Indikationen
Adjuvanter Einsatz bei regionaler (rückenmarknaher) Analgesie Als Monotherapeutikum bei neuropathischem Schmerz und sympathisch vermittelten Schmerz (SMP) In Kombination mit Opioidanalgetikum – Dosierung 1- bis 2-mal 0,15 mg i.v. oder p.o. – Epidural (nur bei Normovolämie erlaubt): Bolusinjektion >5 µg/kgKG plus ggf. kontinuierlich 20–40 µg/h; Bolusinjektion in Kombination mit Opioid <5µg/kgKG – Intrathekal: 1–2,5 µg/kgKG als Bolus, ggf. kontinuierlich 10–20 µg/h – Wirkmechanismus Zentrale α2-Rezeptorstimulation Zentrale Sympathikolyse: Analgesie, Sedierung, Anxiolyse, Blutdruck- und Herzfrequenzabfall durch α2-Stimulation des Nucleus tractus solitarii Additiver Synergismus zu Opioiden und Lokalanästhetika Bei epiduraler Anwendung Hemmung der Schmerzverarbeitung (Nachahmung des Neurotransmitters Noradrenalin) – Kontraindikationen Hypovolämie, Bradykardie.
38
2
Kapitel 2 · Pharmakotherapie
▬ Cave: Bei Patienten, die auf einen erhöhten Sympathikotonus angewiesen sind. – Nebenwirkungen Blutdruck initial erhöht, dann erniedrigt Bei Hypertonikern ausgeprägte Bradykardie Sedierung Mundtrockenheit Reboundhypertension
Paresen der benachbarten Muskulatur durch systemische Ausbreitung oder retrograden Transport in periphere Nerven
Cannabis Cannabis ist ein Substanzengemisch, das als Kraut (= Marihuana; getrockneter Hanf) oder als Harz der Hanfpflanze (= Haschisch) bekannt ist.
Lithium
Dronabinol
Lithiumcarbonat ▬ Quilonum, Hypnorex – Indikationen
Dronabinol ist ein Cannabinoid und natürlicher Bestandteil der Pflanze Cannabis sativa L. (Hanf, Marihuana). Dronabinol ist seit 1985 in den USA unter dem Handelsnamen Marinol als Fertigarzneimittel für die Behandlung chemotherapiebedingter Übelkeit und – ebenfalls in den USA – seit 1992 zur Therapie der Kachexie und zur Appetitstimulation bei Aids-Patienten zugelassen.
Neben Verapamil Mittel der 1. Wahl bei Clusterkopfschmerz und endogener Depression – Dosierung Initial 1-mal 400–450 mg, ab dem 4. Tag 2mal 400–450 mg (=2-mal 10,8–12,2 mmol) retardiertes Lithium (Hynorex retard oder Quilonum retard nach Nüchternserumspiegel 0,6–0,8 mmol/l) – Wirkmechanismus Nicht geklärt – Nebenwirkungen Hypothyreose, Tremor
Botulinumtoxin A Botox =100 IE (in der Injektionsflasche), Dysport =500 IE (in der Injektionsflasche) – Indikationen
Spannungskopfschmerz Myofasziales Schmerzsyndrom mit Triggerpunkten Spastische Bewegungsstörungen Zevikale Dystonie Kindliche Zerebralparese Halswirbelsäulenschleudertrauma – Wirkmechanismus Nach spezifischer Aufnahme in die cholinergen terminalen Nervenendigungen Hemmung der ACH-Freisetzung durch Interaktion mit vesikalen Freisetzungsmechanismen Wahrscheinlich Reduktion der Freisetzung von algogenen Substanzen (z. B. Substanz P) – Nebenwirkungen Bildung von AK mit zunehmendem Wirkverlust Allergische Reaktion
Verschreibungsmöglichkeit
In Deutschland steht Dronabinol in Anlage III des Betäubungsmittel-Gesetzes (BtMG) und kann ohne Indikationseinschränkungen auf Betäubungsmittelrezept (ähnlich wie z. B. Morphin) verschrieben werden. Tetrahydrocannabinol (THC) ist die wirksame isolierte Reinsubstanz, verfügbar in Tablettenform als Dronabinol (Marinol), als Tropfen (in öliger Suspension oder alkoholischer Lösung) oder Kapseln (=5 mg) Effekte: analgetisch, spasmolytisch, stimmungsaufhellend und appetitanregend Indikationen
Tumorkachexie aufgrund von Inappetenz (appetitanregende Wirkung des THC) Therapieresistente Übelkeit und Erbrechen im Rahmen der Chemotherapie Muskuläre Krämpfe und Spastik Eventuell als Ergänzung bei unzureichender, hochdosierter Opioidtherapie – Dosierung Initiale Dosierung: 2-mal 1/2 Kaps., anschließend Hochtitrierung bis zum gewünschten Erfolg Bei Chemotherapie: 5–15 mg ca. 1–3 h vor Beginn und anschließend alle 2–4 h – Pharmakologie Wirkbeginn: nach oraler Applikation innerhalb von 30 min
39 Medikamente
Wirkungsmaximum nach 2–4 h Wirkdauer: bezüglich der psychotropen Effekte 4–6 h, bezüglich der appetitstimulierenden Effekte bis zu 24 h und länger Plasmaproteinbindung: ca. 97% Orale Bioverfügbarkeit nur 10–20% aufgrund eines sehr hohen First-pass-Effekts Halbwertszeit: primär 4 h (Umverteilung) und terminale Halbwertszeit von 25–36 h – Elimination Dronabinol und seine Metaboliten werden über Fäzes und Urin ausgeschieden. Die biliäre Exkretion ist der Hauptausscheidungsweg, und ca. 50% von radioaktiv markiertem, oral verabreichtem Dronabinol werden innerhalb von 72 h in der Fäzes wiedergefunden, 10–15% sind im Urin nachweisbar, davon weniger als 5% unverändert. Nach einer einzigen oralen Dosis von Dronabinol können seine Metaboliten über 5 Wochen in Urin und Fäzes nachgewiesen werden. – Wirkmechanismus Antidopaminerge Wirkung – Nebenwirkungen Tachykardie, Hypertonie, trockener Mund, gerötete Augen, Verwirrtheitszustände, veränderte Sinneswahrnehmung, Halluzinationen, Angstzustände ! Bislang keine Zulassung in Deutschland. Nur Off-label-Gebrauch möglich.
Antiarrhythmika Lidocain ▬ Xylocain 2%, Mexiletin – Wirkmechanismus
Membranstabilisierung – Indikationen Mittel der 2. Wahl bei zentralem Schmerz und neuropathischem Schmerz, z. B. therapierefräktäre Polyneuropathie – Dosierung Initial 2 mg/kgKG als Kurzinfusion, Steigerung auf 3–4 mg/kgKG/Infusion über 2–4 Tage Anschließend bei positivem Effekt orale Therapie fortsetzen mit Mexiletin 2-mal 100–200 mg/Tag p.o.; maximale Tagesdosis 400–450 mg
2
– Nebenwirkungen Beeinflussung des kardialen Reizleitungssystems, Krampfanfälle
Zentrale Muskelrelaxanzien Baclofen, Derivat der γ-Aminobuttersäure ▬ Lioresal (Baclofen) – Wirkmechanismus
Wirkung über GABAb-Rezeptoren mit Hemmung der Freisetzung der erregenden Neurotransmitter Glutamat und Aspartat Halbwertszeit: 2–6 h – Indikationen Muskuloskelettaler Schmerz bei Hartspann Zentrale Spastik im Rahmen von multipler Sklerose oder Querschnittslähmung Spannungskopfschmerz Trigeminusneuralgie Tetanus – Dosierung 3-mal 5–10–20 mg initial Steigerung alle 3 Tage um 5–10 mg auf ca. 60 mg/Tag, maximal 80 mg/Tag Ausschleichen zu Therapieende Bei Niereninsuffizienz Dosisreduktion – Nebenwirkungen Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Ataxie, Benommenheit, Krämpfe Tetrazepam ▬ Musaril, Musaril primo – Wirkmechanismus
Benzodiazepinderivat mit Wirkung über GABAa-Rezeptoren Halbwertszeit: 12 h – Indikationen Zervikal- und Lumbalsyndrom, Spastik – Dosierung Initial 50 mg/Tag, tgl. um 25 mg steigern Mittlere Tagesdosis: 50–200 mg Bei Spastik bis zu 400 mg/Tag – Nebenwirkungen Müdigkeit, Hypersalivation, Polydipsie, Miktionsstörungen, Halluzinationen, in Einzelfällen schwere Hautreaktionen ! Cave: Abhängigkeitspotenzial.
40
Kapitel 2 · Pharmakotherapie
Myotonolytika
2
Generic name
Handelsname
Dosis [mg]
Wirkdauer [h]
Tolperison
Mydocalm
50–100
6–8
Tageshöchstdosis [mg]
Wirkmechanismus Membranstabilisierender Natriumkanalblocker und Unterdrückung von mono- und polysynaptischen Reflexen im Rückenmark Kontraindikationen Myasthenia gravis, Kinder unter 3 Monaten Anmerkungen Sehr geringe Sedierung Flupirtin
Katadolon
100
8
600
Tetrazepam
Musaril
50–100
8
400
Tizanidin
Sirdalud 2/4/6 mg
3-mal 2–4 mg, optimale Dosis 12–24 mg/Tag
36
Wirkmechanismus α2-Adrenorezeptoragonist, der polysynaptische Reflexe über eine Verhinderung der Glutamat- und Aspartatfreisetzung im Rückenmark hemmt Nebenwirkungen Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Schwindel, Schlafstörungen, Blutdruckabfall, allergische Hautreaktionen, Ataxie, Angstzustände, Anstieg der Leberenzyme Baclofen
Lioresal
3-mal 5–20 mg
80
Phytotherapeutika In der Schmerztherapie kommen auch die folgenden pflanzlichen Präparate zur Anwendung: Wirkstoff
Handelsname
Dosierung
Bemerkung
Weidenrindentrockenextrakt
Rheumakaps
1- bis 2-mal 1 Kaps./Tag; mit reichlich Flüssigkeit einnehmen
480 mg mit 12,5% Salicin (=60 mg Salicin); antiphlogistisch wirkend
Indikationen Fieberhafte Erkrankungen, rheumatische Beschwerden, Kopfschmerzen Nebenwirkungen Selten Magen- und Darmbeschwerden sowie Überempfindlichkeitsreaktionen Kontraindikationen Überempfindlichkeit gegen Salicylate, eigentlicher Wirkstoff ist Salicin Pestwurzextrakt
PetadolexKapseln
1- bis 3-mal 1–3 Kaps./Tag mit Flüssigkeit; bei Migräne: 2-mal 2 Kaps./Tag
25 mg Extr. Rad. Petasit.
Indikationen Vasomotorischer Spannungskopfschmerz, Migräne, Nacken- und Rückenschmerzen beim Zervikalsyndrom und bei Bandscheibenschäden, Koronarspasmen, pektanginöse Beschwerden, Altersherz, Bronchialasthma, Lungenemphysem
41 Medikamente
Wirkstoff
Handelsname
Dosierung
Bemerkung
Zitterpappelrinde und -blätter, echtes Goldrutenkraut, Eschenrinde
PhytodolorTinktur
3- bis 4-mal 20–30–40 Gtt/ Tag; mit Flüssigkeit
46 Vol.-% Ethanol
Indikationen Akute und subakute rheumatische Erkrankungen (z. B. Lumbago, Ischialgien), Neuralgien Nebenwirkungen Selten Magen- und Darmbeschwerden sowie Überempfindlichkeitsreaktionen Teufelskrallenwurzel
Rivoltan
2-mal 1 Filmtbl./Tag; unzerkaut zu den Mahlzeiten
480 mg Trockenextrakt
Indikationen Unterstützende Therapie bei Verschleißerscheinungen des Bewegungsapparates Kontraindikationen Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre, Kinder <12 Jahre Brennesselblättertrockenextrakt
Rheuma-Hek
2-mal 1–2 Kaps./Tag
268 mg Trockenextrakt
Indikationen Unterstützende Behandlung rheumatischer Beschwerden und LWS-/BWS-Beschwerden Kava-Kava-Wurzelstockextrakt
Antares 120
2-mal 1 Filmtbl./Tag
Indikationen Nervöse Angst-, Spannungs- und Unruhezustände (wirkt auch auf die quergestreifte Muskulatur) Nebenwirkungen Gelbliche Haut Wechselwirkungen Eventuell Wirkungsverstärkung zentral wirkender Substanzen wie Barbiturate, Alkohol, Muskelrelaxanzien und Psychopharmaka Kontraindikationen Endogene Depression, Kinder <12 Jahre Pfefferminzöl
Euminz
Mehrmals tgl. auf Stirn und Schläfen auftragen
Eventuell Wiederholung im Abstand von 15 min; wenn nach 2 h keine Besserung eintritt, die Behandlung abbrechen
Indikationen Leichte und mittelschwere Kopfschmerzen vom Spannungstyp (keine Wirkung bei Migränekopfschmerz) Nebenwirkungen Bei empfindlichen Personen evtl. Brennen und Rötungen der Haut, die nach gründlichem Abspülen mit Wasser abklingen. Selten allergische Hautreaktionen Bromelaine, Trypsin und Rutosid
Phlogenzym
3-mal 2 Tbl./Tag
90 mg Bromelaine, 48 mg Trypsin, 100 mg Rutosid
Indikationen Ödeme, Entzündungen oder Schmerzen aufgrund von Trauma, Thrombophlebitis, rheumatische Erkrankungen, aktive Osteoarthrosen, extraartikuläre rheumatische Erkrankungen, Entzündungen im Bereich des Urogenitaltraktes
2
42
Kapitel 2 · Pharmakotherapie
Kotherapeutika Antidepressiva
2
Trizyklische Antidepressiva
▬ Eigener indirekter analgetischer Effekt bei niedriger Dosierung (10–50% der üblichen Antidepressivadosis); vor der antidepressiven Wirkung einsetzend (3–7. Tag) – Wirkmechanismus Durch Hemmung der Rückresorption von Noradrenalin und/oder 5-Hydroxytryptamin Aktivierung der zentralen noradrenergen und serotoninergen schmerzhemmenden Systeme; z. T. auch unspezifische zentralnervöse Dämpfung ▬ Synergismus zu Opioiden – Substanzen Amitriptylin (Saroten, Laroxyl), Doxepin (Aponal), Imipramin (Tofranil), Clomipramin (Anafranil): antriebssteigernd, Maprotilin (Ludiomil), Trimipramin (Stangyl) und Desipramin (Pertofran): ein sekundäres Amin sowie Nortriptylin (Nortrilen): insbesondere bei Hypotonieneigung – Indikationen – Vorwiegend bei neuropathischen Schmerzen mit Brennschmerzkomponente – Monotherapie des chronischen Spannungskopfschmerzes, des posttraumatischen Kopfschmerzes, des myofaszialen Syndroms, der diabetischen Polyneuropathie – Opioidresistente, neurogene Tumorschmerzen durch Kompression der Nervenwurzeln – Schlafstörungen bei Tumorerkrankung Amitriptylin
▬ Wirkt sedierend, später ggf. leicht antriebssteigernd ▬ z. B. Saroten, Laroxyl – Dosierung Initial 10–25 mg p.o. zur Nacht 2. Woche 25–50 mg/Tag p.o. zur Nacht 3. Woche: 75 mg/Tag. zur Nacht Weitere Steigerung auf 25–0–75 mg möglich, maximal 150 mg Halbe orale Dosis kann ggf. auch i.v. appliziert werden!
▬ Anmerkung: Bei frühmorgendlichem »hangover« Gabe bereits um 20.00 Uhr mit Wirkbeginn um ca. 22.00 Uhr – Kontraindikationen Glaukom, Prostatahypertrophie, höhergradige AV-Blockierungen, akutes Delir, akute Intoxikation, erhöhte Krampfbereitschaft ▬ Bei Erfolglosigkeit (frühestens nach 6 Wochen) Präparatewechsel, z. B. Doxepin Doxepin ▬ z. B. Aponal – Dosierung
Initial 5–10 mg abends Bis 75 mg steigern, z. B. 25–0–50 mg ▬ Anmerkung: Bevorzugter Einsatz bei Patienten mit kardialen Risikofaktoren: geringerer anticholinerger Effekt, geringgradig stärkere Sedierung als bei der Einnahme von Amitriptylin Imipramin ▬ z. B. Tofranil – Dosierung
3-mal 10–50 mg ▬ Mittel der Wahl auch bei Kindern: – Dosierung Initial 0,2 mg/kgKG/Tag Bis auf 1–2 mg/kgKG/Tag über 2–3 Wochen steigerbar – Indikationen Insbesondere bei Rückenschmerzen – Wirkmechanismus Hemmung der Noradrenalin- und Serotoninwiederaufnahme Clomipramin ▬ z. B. Anafranil – Dosierung
Initial 10–10–0 bis 25–25–0 mg Später 75 mg Retardtbl. morgens ▬ Antriebssteigernd bzw. thymeretisch Maprotilin ▬ z. B. Ludiomil, Mirpan – Dosierung
Initial 2-mal 10–25 mg/Tag ▬ Psychisch stabilisierend, z. B. bei Patienten mit Suizidgefahr einsetzbar
43 Medikamente
Trimipramin ▬ z. B. Stangyl – Dosierung
Initial 50 mg/Tag Langsam bis auf mittlere Tagesdosis von 75– 150 mg erhöhen 1 Gt.=1 mg
2
Pharmakologie
▬ ▬ ▬ ▬
Hohe Plasmaeiweißbindung: ca. 85% Bioverfügbarkeit: 50% Halbwertszeit: 20–40 h Metabolisierung über das Cytochrom P450 zum aktiven Metaboliten Demethyl-Mirtazapin
Antikonvulsiva Nortriptylin ▬ Nortrilen – Dosierung
Initial 3-mal 10 mg/Tag Bis maximal 150 mg/Tag steigern – Nebenwirkungen Anticholinerge Herz-Kreislauf-Wirkungen (s. Anticholinergika) Orthostatische Dysregulation, Müdigkeit, Mundtrockenheit, Obstipation, Harnverhalt, Tachykardie, Akkommodationsstörungen, Mydriasis, Hemmung der Herzfrequenzvariabilität ! Die kombinierte Einnahme von Carbamazepin und Antidepressiva führt aufgrund einer Enzyminduktion durch die Antiepileptika zu niedrigeren Serumspiegel der Antidepressiva, deshalb ist evtl. eine höhere Dosierung notwendig.
Noradrenerges und spezifisches serotonerges Antidepressivum (Mirtazapin = Remergil) Indikation
▬ Depressive Erkrankung Dosierung
▬ 15–30(–45) mg/Tag am Abend ▬ 30 mg Filmtabl. oder Lsg. mit 15 mg/ml zur i.v.-Gabe in G5% Wirkmechanismus
▬ Aktivierung des deszendierenden, schmerzhemmenden Systems ▬ α2-antagonistische Wirkung ▬ 5-HT2-Blockade (schlafinduzierend durch antihistaminergen Effekt, zusätzlich auch anxiolytisch)
Indikation
▬ Neuropathischer Schmerz (attackenförmig, einschießender Schmerzcharakter, z. B: bei Nerveninfiltration und -kompression, Deafferentierungsschmerz) ▬ Trigeminusneuralgie ▬ Postherpetische Neuralgie ▬ Schmerzhafte Polyneuropathien (diabetisch) Wirkmechanismus
▬ Erhöhung der Depolarisationsschwelle ▬ Analgetische Eigenwirkung bei neuralgischen Schmerzen ▬ Additiver Synergismus zu verschiedenen Analgetika ! Cave: Offiziell zugelassen bei neuropathischen Schmerzen sind nur Carbamazepin, Phenytoin und Gabapentin. Für die anderen Präparate besteht somit besondere Aufklärungspflicht.
Carbamazepin ▬ Timonil, Sirtal, Tegretal – Dosierung
2-mal (100–)200–1600 mg/Tag in 3–4 Einzeldosen, initial 100–200 mg abends Dosierung nach Klinik und weniger nach Serumspiegel (Normalwert: 5–10 mg/Tag) – Nebenwirkungen Müdigkeit, Schwindel, Ataxie, Übelkeit, Sehstörungen (Doppelbilder), Leukopenie, Leberfunktionsstörungen, Exanthem, Kopfschmerzen Phenytoin ▬ Zentropil – Dosierung
Initial 2-mal 50–100 mg, später 2- bis 3-mal 100 mg/Tag, maximal 400 mg/Tag (ggf. Spiegelbestimmung im Serum: 10–20 mg/Tag)
44
2
Kapitel 2 · Pharmakotherapie
▬ Cave: Enzyminduktion – Nebenwirkungen Exanthem, Müdigkeit, Verwirrtheitszustände, Ataxie, Übelkeit, Erhöhung der Leberenzyme, Gingivahyperplasie, Hirsutismus Gabapentin ▬ Neurontin – ein GABA-Analogon – Indikationen
Diabetische und postherpetische Neuropathie Migräneprophylaxe Trigeminusneuralgie CRPS I Neuropathische Schmerzsyndrome – Dosierung 1. Tag; 3-mal 100 mg, ggf. 300 mg als Einzeldosis zur Nacht 2. Tag: 3-mal 200 mg Gegebenenfalls muss bei primär positivem Effekt die Dosis auf 1200–1800 mg/Tag gesteigert werden Maximal empfohlene Dosis für ambulante Patienten 2400 mg Nach Langzeitanwendung langsam ausschleichen Sehr teures Präparat! – Pharmakologie Bioverfügbarkeit: dosisabhängig ca. 60% bei 300 mg und 35% bei 1600 mg Maximale Plasmaspiegel nach 2–3 h Proteinbindung: <3% Wird zu 100% unverändert über die Niere ausgeschieden Eliminationshalbwertszeit: 6–8 h – Wirkmechanismus im Bereich des Hinterhorns 1. Hemmung der exzitatorischen glutaminergen Transmission (vermehrter Abbau von Glutamat und verminderte NMDA-Rezeptoraktivierung) 2. Verstärkung der inhibitorischen GABAergen Transmission (gesteigerte GABASynthese und Freisetzung) 3. Bindung an spannungsabhängige Kalziumkanäle (Verhinderung des »wind-up« durch Hemmung der Transkription von immediate »early genes«)
– Nebenwirkungen Beeinflussung des Blutzuckerspiegels (Kontrolle beim Diabetiker) – Kontraindikationen Pankreatitis, Kinder <12 Jahre, Schwangerschaft, Stillzeit Pregabalin ▬ Lyrica
GABA-Analogon, ist seit 06.07.2004 in Europa zugelassen – Indikationen Neuropathischer Schmerz, insbesondere PZN und diabetische Polyneuropathie sowie Epilepsie – Dosierung Initial 2-mal 75 mg/Tag, nach der 1. Woche Steigerung auf 300 mg/Tag, maximal 600 mg/Tag in 2–3 Einzeldosen (die Dosierung im Einzelnen zeigt ⊡ Tabelle 2.8) – Pharmakologie Orale Bioverfügbarkeit: >90% Keine Bindung an Plasmaproteine oder Interferierung mit anderen Arzneimitteln Metabolisierung: zu 98% unveränderte renale Ausscheidung HWZ: 6,3 h »Steady state« nach 24–48 h Cytochromunabhängige, fast vollständige renale Elimination (Zusatzdosis nach Hämodialyse) – Wirkmechanismus Bindung an α2-δ-Untereinheit von spannungsabhängigen Kalziumkanälen auf der Nervenzellmembran, hauptsächlich an den Endigungen der primären afferenten Nozizeptoren im Rückenmark Modulation des Kalziumeinstroms und damit der Neurotransmitterfreisetzung Keine Bindung an GABA-A- oder -B-Rezeptoren Wirkt anxiolytisch, antiallodynisch, antihyperalgetisch, Nachtschlaf verbessernd – Nebenwirkungen Benommenheit, Somnolenz, Schwindel, Gewichtszunahme und vereinzelt periphere Ödeme
45 Medikamente
⊡ Tabelle 2.8. Dosierung von Pregabalin bei Niereninsuffizienz Kreatinin-Clearance [ml/min]
a
Gesamttagesdosis von Pregabalin
Dosisaufteilung
Anfangsdosis [mg/Tag]
Höchstdosis [mg/Tag]
≥60
150
600
2- oder 3-mal tgl.
≥30 bis <60
75
300
2- oder 3-mal tgl.
≥15 bis <30
25–50
150
Als Einzeldosis oder 2-mal tgl.
<15
25
75
Als Einzeldosis
Zusatzdosis nach Hämodialyse (mg)
25
100
Als Einzeldosisa
Die Zusatzdosis ist eine einzelne, ergänzende Dosis zur Basisdosierung.
– Kontraindikationen Schwangerschaft, Stillzeit, Kinder und Jugendliche <18 Jahre, hereditäre Galaktoseintoleranz, Lapp-Laktasemangel oder Glukose-Galaktose-Malabsorption (Maag u. Baron 2005) Clonazepam ▬ Rivotril
▬ Wirkung über Benzodiazepinrezeptor mit konsekutiver Steigerung der hemmenden Wirkung von γ-Aminobuttersäure (GABA) – Dosierung Initial 1,5 mg/Tag p.o in 3 Einzeldosen (=3mal 5 Gtt./Tag) Dann langsam um 0,5–1 mg bis zu einer Erhaltungsdosis von 4–6 mg/Tag in 2–3 Einzeldosen steigern Die Tropfenform gewährleistet in der Aufsättigungsphase eine gute Dosierbarkeit (1 ml =2,5 mg =25 Gtt., d. h. 1 Gt. =0,1 mg) – Nebenwirkungen Müdigkeit (initial), Schwindel, Muskelrelaxation Valproinsäure ▬ Ergenyl – Indikationen
Neuropathischer Schmerz, Migräneprophylaxe, – Dosierung 3-mal 200 mg/Tag; maximal 1200 mg/Tag
2
3 Opioidtherapie bei Nieren- und Leberinsuffizienz
Niereninsuffzienz Die Schmerztherapie bei Niereninsuffizienz zeigt ⊡ Tabelle 3.1. ⊡ Tabelle 3.1. Schmerztherapie bei Niereninsuffizienz Substanz
Bemerkung
Fazit
Morphin
Kumulation der renal zu eliminierenden Metaboliten, z. B. Morphin-6-Glukuronid (aktiv; verursacht lang anhaltende Atemdepression, chronische Übelkeit etc.) und Morphin-3Glukuronid (vermutlich inaktiv)
Dosis reduzieren bei terminaler Niereninsuffizienz
Pethidin
Kumulation des aktiven Metaboliten Norpethidin (geringe Affinität zu Opioidrezeptoren, kann aber zu zentralnervösen exzitatorischem Phänomen führen: Tremor, Unruhe, zerebrale Krampfanfälle)
Bei terminaler Niereninsuffizienz vermeiden; keine Behandlung chronischer Schmerzen, da neurotoxischer Metabolit: Norpethidin
Codein
Atemdepression und narkotische Wirkung bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz beobachtet. Effekt nicht erklärlich, da <10% unverändert über Nieren eliminiert werden
Dosis reduzieren oder Analgetikum wechseln
Dihydrocodein (= retardiertes Codein)
Atemdepression und narkotische Wirkung bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz. Analgetisch wirksam = Dihydromorphin
Dosis reduzieren oder anderes Analgetikum verwenden
Tramadol
Atemdepression und narkotische Wirkung bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz; Halbwertszeit evtl. verlängert
Dosis reduzieren
Levomethadon
Mögliche Kumulation von L-Methadon und Hauptmetabolit (Hydromorphon-3-Glukuronid: evtl. neuroexzitatorische Wirkung), fraglich kompensatorisch gesteigerte biliäre Elimination
Dosis bis zu 50% reduzieren
Buprenorphin
Kumulation des schwach potenten aktiven Metaboliten Norbuprenorphin: vermutlich ohne klinische Bedeutung; Ausscheidung hauptsächlich über Fäzes
Normale Dosis
Fentanyl
Clearance bei Urämie reduziert, nach kontinuierlicher Applikation kann Sedierung noch lange anhalten
Bei Langzeitgabe Dosis reduzieren, evtl. Analgetikum wechseln
Hydromorphon
Hauptmetabolit Hydromorphon-3-Glucuronid (kaum aktiv) wird renal eliminiert; evtl. Auslösen von Harnleiterspasmen
Normale Dosis
Tilidin/Naloxon
Elimination unverändert
Normale Dosis
Oxycodon
Elimination von Oxycodon und seinen Metaboliten (Oxymorphon und Noroxymorphon: beide inaktiv) reduziert
Dosis reduzieren; im Tagesdosisbereich von 200 mg normale Dosis
48
Kapitel 3 · Opioidtherapie bei Nieren- und Leberinsuffizienz
Leberinsuffizienz Die Schmerztherapie bei Leberinsuffizienz zeigt ⊡ Tabelle 3.2.
3
⊡ Tabelle 3.2. Schmerztherapie bei Leberinsuffizienz Substanz
Bemerkung
Fazit
Morphin
Glukuronidierungskapazität der Leber reduziert, dadurch orale Bioverfügbarkeit erhöht, Clearance und Halbwertszeit verlängert
Dosis reduzieren, besonders bei oraler Applikation (reduzierter First-pass-Metabolismus)
Pethidin
Metabolisierung von Pethidin (Meperidin) zu Norpethidin reduziert, dadurch Bioverfügbarkeit und Halbwertszeit von Pethidin verlängert. Norpethidinelimination reduziert, Krampfänfälle möglich
Dosis besonders bei oraler Applikation reduzieren; wiederholte Applikationen vermeiden
Codein
Metabolisierung zu analgetisch wirksamem Morphin reduziert (Codein selbst nicht analgetisch wirksam)
Anderes Analgetikum verwenden
Dihydrokodein
Keine Daten
Oxycodon
Clearance reduziert; Halbwertszeit verlängert (4-fach)
Dosis reduzieren
Tramadol
Halbwertszeit von Tramadol und von seinem Hauptmetaboliten (0-Demethyl-Tramadol) etwa verdoppelt
Dosis reduzieren
Tilidin/Naloxon
Mangelnde Metabolisierungzu Nortilidin (Tilidin = Prodrug) plus reduzierter First-pass-Effekt von Naloxon; reduzierte Wirksamkeit
Anderes Analgetikum verwenden
Buprenorphin
Effekte vermutlich abhängig von P450-Aktivität; First-pass-Effekt stark reduziert
Dosis reduzieren
Fentanyl
Kinetik unverändert, bei reduzierter Elimination
Normale Dosis
Levomethadon
Elimination unverändert; Halbwertszeit jedoch verlängert
Normale Dosis
Hydromorphon
Clearance reduziert; Bioverfügbarkeit erhöht
Dosis reduzieren
4 Invasive Schmerztherapie
Überblick über die invasiven Therapieverfahren ▬ ▬ ▬ ▬ ▬
Invasive Medikamentenapplikation Lokalanästhesie Regionalanästhesie Sympathikusblockade Intravenöse regionale Sympathikusblockade (IVRSB) ▬ Neurodestruierende Verfahren ▬ Stimulationsverfahren
Invasive Medikamentenapplikation Subkutane oder intravenöse Medikamentenapplikation
Vorteile ▬ Sichere und zuverlässige Applikation ▬ Keine Resorptionsverzögerung ▬ Bei intravenöser Applikation: schnelle Anschlagzeit, dadurch gute Steuerbarkeit
Nachteile ▬ Personell und apparativ aufwändig
Epidurale Medikamentenapplikation Die epidurale Medikamentenapplikation eignet sich für die vorübergehende Therapie, z. B. die postoperative Schmerztherapie. Häufig wird eine Kombination aus Lokalanästhetikum und Opioid verwendet. Zur Dauertherapie, z. B. Tumorschmerztherapie, wird die intrathekale Applikation durch Pumpen bevorzugt, Lokalanästhetika werden dabei nicht eingesetzt.
Indikationen
▬ Hoher Dosisbedarf ▬ Unmöglichkeit der enteralen Medikamentenzufuhr: – Bei Übelkeit und Erbrechen, z. B. im Rahmen von Chemotherapie oder Subileus – Bei Unmöglichkeit der oralen Applikation durch Schluckschwierigkeiten, z. B. bei einem Tumor im Oropharynx ▬ Bei langfristig hohem Dosisbedarf, z. B. in der Tumorschmerztherapie, auch mit PCA (»patient-controlled analgesia«)-Pumpe über Port-acath
Indikationen
▬ Postoperative Schmerztherapie ( Kap. 5) ▬ Hoher Dosisbedarf ▬ Unmöglichkeit der enteralen Medikamentenzufuhr
Vorteile ▬ Sichere und zuverlässige Applikation ▬ Keine Resorptionsverzögerung ▬ Keine Beeinflussung der Motorik bei niedrigdosierter Gabe von LA ▬ Einsparung von Opioiden, dadurch Reduktion von Nebenwirkungen ▼
50
Kapitel 4 · Invasive Schmerztherapie
Intrathekale Medikamentenapplikation ▬ Kontinuierliche Applikation über eine Pumpe mit Basalrate möglich, zusätzliche Bolusgaben als PCEA (»patient-controlled epidural analgesia«) zur individuellen Dosierung möglich
Nachteile
4
▬ Personell und apparativ aufwändig ▬ Bei der langfristigen Anwendung von Lokalanästhetika kann ein Wirkungsverlust (= Tachyphylaxie) eintreten
Beispiele für Medikamentenmischungen ▬ Bupivacain 0,125% + Sufentanil 0,75 µg/
ml* – Herstellung: 25 ml Bupivacain 0,25% (=62,5 mg) 37,5 µg Sufentanil (=7,5 ml Sufenta epidural) 17,5 ml NaCl 0,9% – Initialbolus: 8–15 ml – PCEA-Basisrate: 6–10 ml/h – PCEA-Bolus: 4 ml, maximal alle 20–30 min ▬ Ropivacain 0,16–0,17% + Sufentanil
0,75–1 µg/ml* – Herstellung: 40 ml Ropivacain 0,2% (=80 mg) +7,5–10 ml Sufenta epidural (=37,5–50 µg Sufentanil) (+2,5 ml NaCl 0,9%) – Initialbolus: 8–12 ml – PCEA-Basisrate: 5–10 ml/h – PCEA-Bolus: 4 ml, max. alle 20–30 min – Sufentanildosierung nur geeignet für Überwachung auf Intensivstation oder für Patienten mit zuvor hoher systemischer Opioiddosierung ▬ Ropivacain 0,2% + Fentanyl 2,5 µg/ml* – Herstellung: 40 ml Ropivacain 0,2% (=80 mg) +2 ml Fentanyl (=100 µg Fentanyl) +8 ml NaCl 0,9% – Initialbolus: 8–12 ml – PCEA-Basisrate: 5–10 ml/h – PCEA-Bolus: 4 ml, maximal alle 20–30 min * Keine Zulassung zur epiduralen Anwendung.
Medikamentenapplikation über Spinalkatheter im Rahmen der Überprüfung der Effektivität der hochdosierten Gabe von Opioiden sowie zur Ermittlung der adäquaten Dosierung. Später kontinuierliche Gabe über Port-a-cath mit externer Pumpe oder über transkutan auffüllbare Infusionspumpen. Indikationen
▬ Nozizeptiver und neuropathischer Tumorschmerz, der mit nichtinvasiven Maßnahmen nicht ausreichend behandelbar ist ▬ Systemische Nebenwirkungen einer notwendigen hochdosierten Opioidtherapie, z. B. Darmparalyse ▬ Selten: Schmerzen nichtmaligner Ursache, die mit anderweitiger Therapie nicht ausreichend behandelbar sind, z. B. CRPS, Phantomschmerz
Vorteile ▬ Geringe systemische Nebenwirkungen im Vergleich zur oralen oder intravenösen Gabe
Nachteile ▬ Hochinvasives Verfahren ▬ Nur bei entsprechender Erfahrung und Logistik einsetzbar ▬ Hohe Infektionsgefahr, da Fremdkörperimplantation intrathekal
Medikamente ▬ Morphin
– Wirkdauer 8–12 h – Verhältnis der geschätzten Tagesdosis bei unterschiedlicher Applikation: Oral : intravenös : epidural: intrathekal entspricht ungefähr 150 : 50 : 10 : 1 ▬ Sufentanil – Wirkdauer 3 h ▬ Fentanyl – Wirkdauer 1–2 h Anmerkung: Keine Zulassung zur rückenmarknahen Applikation
51 Lokalanästhesieverfahren
Mögliche Koanalgetika ▬ Clonidin ▬ S(+)-Ketanest Anmerkung: Keine Zulassung zur rückenmarkna-
hen Applikation ▬ Baclofen – Wird zur Behandlung (schmerzhafter) Spastik eingesetzt
4
Lokalanästhesieverfahren Quaddelung Definition
Intrakutane Applikation eines Lokalanästhetikums im Rahmen der Neuraltherapie Wirkmechanismus
Pumpentypen
Anlage eines Katheters, dessen Spitze im Intrathekalraum auf Höhe Th8 zu liegen kommt. Anschluss an einen Port mit Medikamentenapplikation über eine extrakorporale Pumpe oder Anschluss an eine implantierbare Meikamentenpumpe.
▬ Gegenirritationsverfahren (Details in Kap. 1: Segmentale Hemmung), das den Circulus vitiosus »Schmerz–Schonhaltung–Muskelverkürzung–Muskelverspannung–Schmerz« durchbrechen soll Indikationen
Nicht implantierbare Pumpen
Das Medikament wird nach transkutaner Punktion eines im Thoraxbereich implantierten Ports intrathekal verabreicht. Gängige Pumpensysteme: z. B. Pegasus light (kleinste und leichteste Pumpe) der Fa. LogoMed, CADD Legacy Pumpe der Fa. Smith.
▬ Muskuloskelettale Störungen Durchführung
Implantierbare Infusionspumpen
▬ Meist 5–10 Quaddeln mit je 0,1–0,3 ml LA mit dünner Nadel (25 G) im schmerzhaften Areal oder im benachbarten Dermatom ▬ Auch kontralateral durchführbar
Das Medikament wird direkt von einer implantierten Pumpe in den Spinalraum appliziert. Auffüllung des Pumpenreservoirs alle 3–6 Wochen durch transkutane Punktion mittels spezieller Punktionsnadeln unter streng sterilen Bedingungen.
Triggerpunktinfiltration/TLA (therapeutische Lokalanästhetikumapplikation) Definition
Pumpentypen ▬ Elektronische Pumpe z. B. Synchromed I und II der Fa. Metronic. – Vorteile: nichtinvasive Dosisänderung und variable Programmierung mittels Telemetrie – Nachteil: sehr teuer ▬ Gasdruckpumpen z. B. Codman 3000-Pumpe mit flüssigem Fluorcarbonat (Freon) mit einem Dampfdruck von 300 mmHg bei 37°C. Die Pumpen geben kontinuierlich nur ein bestimmtes Volumen (0,25 ml oder 0,5 ml) pro Stunde ab, d. h. die Dosis muss über die Medikamentenkonzentration berechnet werden. – Vorteile: billiger als elektronische Pumpen – Nachteil: Dosisanpassung aufwändig, insbesondere rasche Dosissteigerung
Lokalanästhetikumapplikation in so genannte Triggerpunkte. Triggerpunkte sind umschriebene Muskel-, Faszien- oder Sehnenbereiche, die spontan oder auf Druck stark schmerzhaft sind. Wirkmechanismus
▬ Direkte Unterbrechung des Circulus vitiosus »Schmerz–Schonhaltung–Muskelverkürzung– Muskelverspannung–Schmerz« Indikationen
▬ Muskuloskelettale Störungen ▬ Myogelosen Durchführung
▬ Direkte Applikation eines LA in die schmerzhafte Region (Muskulatur, Bänder, Sehnenansätze) ▬ Die Infiltration ist oft schmerzhaft
52
Kapitel 4 · Invasive Schmerztherapie
! Wiederholung nur bei gutem therapeutischem Ef-
4
fekt, d. h. nur dann, wenn die Schmerzreduktion die Wirkdauer des LA überdauert. Langfristiger Erfolg nur bei zusätzlicher Therapie (z. B. aktive und passive Heilgymnastik, Ausgleich von Fehlhaltungen, Entspannungsübungen) der Grunderkrankung. Sonst Gefahr der iatrogenen Unterstützung der Chronifizierung, wenn der Patient nicht selbst aktiv wird, sondern in Passivität verharrt.
Diagnostische Blockade
Sie dient zur Testung, ob eine Blockadeserie geplant werden soll. Die diagnostische Blockade ist obligat vor einem neurolytischen Verfahren, um den zu erwartenden Therapieerfolg testen zu können. ! Cave: Nervenblockaden besitzen einen hohen Placebo-Effekt. Es ist stets ein kritisches Hinterfragen des Therapieerfolgs notwendig.
Durchführung
Periphere Regionalanästhesieverfahren Nervenblockaden Voraussetzungen für Nervenblockaden
▬ Ausführliche Aufklärung über den angestrebten Therapieerfolg und evtl. Nebenwirkungen ▬ Schriftliche Einwilligung des Patienten ▬ Überprüfung der Gerinnungswerte (PTT, Quick, Thrombozyten im Normbereich), evtl. Absetzen gerinnungshemmender Medikation (Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin; Kozek-Langenecker et al. 2005) ▬ Gute anatomische Kenntnisse ▬ Sterile Bedingungen ▬ Röntgenkontrolle mit Bildwandler oder Blockade ultraschallgezielt ▬ Viele Blockaden sind auch ultraschallgezielt durchführbar, Voraussetzung sind jedoch spezielle Kenntnisse und ein hochauflösendes Ultraschallgerät ▬ Wiederholung notwendig, um Fehlinterpretationen zu vermeiden; Austestung der Blockade mittels Warm/kalt- bzw. Spitz/stumpf-Diskrimination wichtig, um Nervenblockade sicher zu verifizieren ▬ Dokumentation des Blockadeerfolgs durch Schmerztagebuch ▬ Eventuell Austestung mittels Katheter und »geblindeter« Applikation der Testsubstanzen (NaCl 0,9%, Clonidin, Opioid, LA), um Placebo-Effekt auszuschließen Einteilung in: ▬ Diagnostische Blockade ▬ Therapeutische Blockade
▬ Applikation von LA ▬ Dokumentation der blockierten Hautareale ▬ Dokumentation der qualitativen und quantitativen Veränderung der Schmerzen Therapeutische Blockade Voraussetzung
▬ Durch diagnostische Blockade nachgewiesene langanhaltende Schmerzreduktion (mindestens über die doppelte HWZ des verwendeten LA hinaus) Indikation
▬ Vorübergehende Schmerzausschaltung bei neuropathischem Schmerz, z. B. bei akutem Herpes zoster oder bei (Postzoster-) Neuralgie Durchführung
▬ Blockadeserie von 5–10 Blockaden mit lang anhaltendem LA oder besser, falls möglich, Anlage eines Nerven-/Plexuskatheters ! Bei Einzelblockaden Wiederholung der Infiltration am besten vor Wiederkehr der Schmerzen. Es ist stets ein kritisches Hinterfragen des Therapieerfolgs notwendig.
Interkostalnervenblockade Weitere Details zur Interkostalnervenblockade finden sich in Kap. 5 (Akute/postoperative Schmerztherapie). Indikationen
▬ Akute Thoraxschmerzen (postoperativ, akute Zosterneuralgie) ▬ Interkosaltneuralgie ▬ Postzosterneuralgie ▬ Tumorschmerz
53 Periphere Regionalanästhesieverfahren
Durchführung
▬ Die Durchführung ist dargestellt in ⊡ Abb. 5.9 ▬ Seitenlage auf der nicht betroffenen Seite, Arm der betroffenen Seite über den Kopf legen ▬ Hautanästhesie in der hinteren Axillarlinie ▬ Aufsuchen des Rippenunterrandes, Punktion auf den Rippenunterrand zu bis zum Knochenkontakt ▬ Kanüle etwas zurückziehen und entlang der Rippe nach kaudal bis zum unteren Rippenrand vorschieben, nach Absinken der Nadel in die Tiefe 2–3 mm vorschieben ▬ Aspiration und Injektion ▬ Ideal: ultraschallgezielte Punktion mit Darstellung der Pleura und der Kanüle Medikamente
▬ 3–5 ml Bupivacain 0,25% pro Nerv Komplikationen
▬ Hämatom, Infektion, Pneumothorax (aufklären!)
Facettennervenblockade Indikationen
▬ Rückenschmerzen mit pseudoradikulärer Ausstrahlung liegt häufig die Reizung der Wirbelbogengelenke (Facettengelenke) zugrunde; Schmerzauslösung bei Seitneigung, Rotation, Aufrichten aus der Beuge und Reklination der LWS ▬ Zervikale oder lumbale Facettenarthropathie
4
▬ Markieren der Dornfortsätze, der Oberrand des Dornfortsatzes entspricht der Unterkante des Querfortsatzes ▬ Hautinfiltration 5–6 cm paravertebral, Punktion in einem Winkel von 40–50° nach mediokaudal zum Oberrand des Querfortsatzes bis zum Knochenkontakt, meist Auslösen eines dumpfen Schmerzes im Rücken ohne radikuläre Ausstrahlung ▬ Im schrägen Strahlengang 15–20° können die Facettengelenke sicher identifiziert werden ▬ Positionskontrolle durch 0,1–0,3 ml Kontrastmittel, das sich auf dem Processus articularis superior ausbreitet und nicht in die Muskulatur abfließt ▬ Blockade auch ultraschallgezielt möglich ▬ Diagnostische Blockade mit 0,5 ml Bupivacain 0,5% Bei zweimaligem Ansprechen auf die diagnostische Blockade: ▬ Therapeutische Blockade mit Radiofrequenzstimulation nach Lokalanästhesie Spezielle Nadeln erlauben eine Temperaturerhöhung an der Spitze von 80°C, die für 90 s appliziert wird; dadurch erfolgt eine Koagulation des Nervs mit Anhalten des analgetischen Effekts für ca 3–6 Monate
Supraskapularisblockade Die Blockade kann die orale Medikation nicht ersetzen, aber unterstützen.
Anatomie
Indikationen
▬ Die Hauptinnervation der Facettengelenke kommt aus Ästen der Rami dorsales der Spinalnerven des zugehörigen sowie des oberhalb liegenden Segments; daher ist die Blockade des betroffenen und des darüber liegenden Segments nötig ▬ Mindestens 3 Segmente werden blockiert, in der Regel L2, L3 und L4; für tiefsitzende Kreuzschmerzen L4, L5, S1
▬ Schmerzzustände im Schulterbereich und im Schultergelenk ▬ Rheumatische und degenerative Erkrankungen des Schultergürtels ▬ Pseudoparetische, versteifte Schulter (Mobilisierung bei Ankylose im Schultergelenk) ▬ Tumorschmerzen ▬ Hyperalgetische akut schmerzhafte Schulter, nach Immobilisation eines Arms, Trauma oder Operation
Durchführung
▬ Patient in Bauchlage, Unterpolsterung des Bauchs mit einem Kissen zur Aufhebung der Lendenlordose
Durchführung
▬ Sitzende Position des Patienten ▬ Blockade ultraschallgezielt möglich
54
4
Kapitel 4 · Invasive Schmerztherapie
▬ Eingehen in der Mitte einer mit Daumen und kleinem Finger markierten Linie zwischen Akromion und medialem Rand des Schulterblatts ▬ Punktion senkrecht zur Hautoberfläche bis zum Knochenkontakt in die Tiefe von 3,5–5 cm ▬ Die Kanüle wird dann medial und lateral korrigiert, bis man die Incisura scapulae erreicht ▬ Der Patient verspürt während der Injektion ein Ziehen im Oberarm und im Schultergelenk (das gezielte Auslösen von Parästhesien ist nicht notwendig, kann aber ungewollt auftreten) Medikamente
▬ Diagnostisch 5 ml Lokalanästhetikum, z. B. Prilocain 1% oder Mepivacain1% ▬ Therapeutisch 5–10 ml Bupivacain 0,5%, bei akuten Zuständen ist ein Zusatz von je 2–4 mg Dexamethason oder 40–80 mg Triamcinolon bei der 1. und 2. Blockade möglich
Blockade der Nn. iliohypogastricus und genitofemoralis Indikationen
▬ Leistenschmerzen ▬ Postherniotomiesyndrom ▬ Regionalanästhesie für Herniotomien Durchführung
▬ Die Durchführung ist dargestellt in ⊡ Abb. 5.8 ▬ Rückenlage des Patienten ▬ Punktionsstelle 1–2 cm kranial und 1–2 cm medial der Spina iliaca anterior superior ▬ Fächerförmiges Injizieren von 10 ml Bupivacain 0,5% ▬ Besser: ultraschallgezielte Blockade mit Darstellung der Nerven unter den beiden Muskelschichten M. abdominis externus und internus, oberhalb des M. abdominis transversus; dabei Gabe von 2–3 ml LA pro Nerv
nem Schmerz (SMP = »sympathetically maintained pain«). Hier kommt es zu einer Kopplung zwischen efferenten postganglionären sympathischen Neuronen und afferenten nozizeptiven Neuronen. Nozizeptive Fasern exprimieren α-adrenerge Rezeptoren, die durch Noradrenalinfreisetzung bei der tonischen Aktivität des sympathischen Nervensystems zur Schmerzverstärkung führen. Eine Sympathikusblockade kann den sympathisch unterhaltenen Schmerz vermindern. Indikationen
▬ Bei klinischen Hinweisen auf einen sympathisch unterhaltenen Schmerz, d. h. bei sudomotorischen oder vasomotorischen Störungen, z. B. bei CRPS I und II ▬ Akuter Herpes zoster, Postzosterneuralgie ▬ Trigeminusneuralgie ▬ (atypischer) Gesichtsschmerz ▬ Deafferenzierungsschmerz, Phantomschmerz ▬ Schmerzen durch Polyneuropathie ▬ Zur Durchblutungssteigerung bei pAVK, M. Raynaud Man unterscheidet: ▬ Diagnostische Sympathikusblockaden ▬ Therapeutische Sympathikusblockaden
Diagnostische Sympathikusblockaden Diagnostische Sympathikusblockaden differenzieren zwischen sympathisch unterhaltenem Schmerz (SMP = »sympathetically maintained pain«) und sympathisch unabhängigem Schmerz (SIP = »sympathetically independent pain«). Zur sicheren Differenzierung sind mindestens 2 Blockaden notwendig, weil je nach Blockadeort nicht immer falsch negative Blockadeergebnisse ausgeschlossen werden können (Erfolgskontrolle z. B. bei Ganglion cervicale superius nicht möglich). Je nach Schmerzsyndrom und Patient kann der Anteil von SIP/SMP variieren. ! Die Blockade des Plexus axillaris oder eine Peri-
Sympathikusblockaden Das sympathische Nervensystem ist an der Entstehung und dem Aufrechterhalten vieler Schmerzen beteiligt, man spricht von sympathisch unterhalte-
duralanästhesie ist zur Diagnostik des SMP/SIP nicht geeignet, weil immer somatische Afferenzen mitblockiert werden. Nur reine Sympathikusblockaden sind sinnvoll.
55 Sympathikusblockaden
Reine Sympathikusblockaden ▬ Ganglion-stellatum-Blockade (GSB) ▬ Sonderform: ganglionäre lokale Opioidanalgesie (GLOA) am Ganglion cervicals superius oder selten am Ganglion stellatum ▬ Intravenöse regionale Sympathikusblockade (IVRS) ▬ Lumbale Grenzstrangblockade (s. unten: Neurodestruierende Verfahren) ▬ Plexus-coeliacus-Blockade Grenzstrangblockade (s. unten: Neurodestruierende Verfahren)
Therapeutische Sympatikusblockaden
▬ ▬ ▬ ▬
4
(atypischer) Gesichtsschmerz CRPS II Hyperhidrosis Durchblutungsstörungen der oberen Extremität, z. B. M. Raynaud
Absolute Kontraindikationen
▬ Gerinnungsstörung ▬ Kontralaterale Rekurrensparese ▬ Kontralaterale Phrenikusparese Voraussetzungen
▬ Intravenöser Zugang ▬ Beatmungsmöglichkeit ▬ Nüchterner Patient
Indikationen
▬ Durch diagnostische Blockade nachgewiesene SMP Durchführung
▬ Meist Blockadeserie von 5–10 Blockaden, Wiederholung alle 1–3 Tage, am besten im schmerzfreien Intervall ! Zu empfehlen sind mindestens 2 diagnostische Blockaden. Bei Wiedereintritt der Beschwerden evtl. Durchführung einer Blockadeserie mit Sympathikusblockaden im schmerzfreien Intervall. Beispiel: bei 4-tägiger zufriedenstellender Schmerzreduktion werden jeweils am 3. Tag weitere therapeutische Blockaden durchgeführt. Nach ca. 5 Blockaden machen wir eine Blockadepause, um den Therapieerfolg zu überprüfen. Bei Wiederauftreten der Schmerzen evtl. Durchführung einer erneuten Blockadeserie.
Ganglion-stellatum-Blockade (GSB) Anatomie
▬ Das Ganglion stellatum liegt auf dem Querfortsatz des 6. HWK und versorgt sympathisch Teile des Kopfs, den Hals, den ipsilateralen Arm und den oberen Thorax (Quadrantenblockade) Indikationen
▬ Herpes zoster bzw. Postzosterneuralgie ▬ Trigeminusneuralgie
Durchführung
▬ Anteriorer paratrachealer Zugang nach Herget, andere Zugänge sind wegen hoher Komplikationsrate obsolet (⊡ Abb. 4.1) ▬ Patient in Rückenlage, Kissen unter der Schulter, leicht überstreckter Kopf in Mittelstellung, der Patient darf während der Blockade nicht schlucken oder sprechen! ▬ Die Blockade ist ultraschallgezielt möglich ▬ Punktionsort: ca. 3 cm lateral und 3 cm kranial der Fossa jugularis im tastbaren Sulkus zwischen Trachea und M. sternocleidomastoideus in Höhe des Ringknorpels (C6) ▬ Palpation und Verdrängung der A. carotis nach lateral, evtl. Palpation des Querfortsatzes des 6. HWK ▬ Streng sagittale Punktion bis zum Knochenkontakt mit dem Querfortsatz ▬ Nach Knochenkontakt Nadel ca. 3 mm zurückziehen und nach negativem Aspirationsversuch vorsichtige Injektion über immobile Nadel (Verlängerungsschlauch, Hilfsperson nimmt die Injektion vor) ▬ Patienten aufsetzen, damit sich das LA nach kaudal ausbreitet Dosierung
▬ Je nach gewünschter Blockade: – Kopf: 5 ml Bupivacain 0,25–0,5% – Kopf, Hals, Arm: 10–15 ml Bupivacain 0,25– 0,5%
56
Kapitel 4 · Invasive Schmerztherapie
4
⊡ Abb. 4.1. Topographie des Ganglion stellatum (1 V. jugularis interna; 2 A. carotis; 3 N. vagus; 4 GCS; 5 M. longus colli). (Nach Aulberger u. Niesel 1990)
Blockadekontrolle
▬ Horner-Syndrom (Miosis, Ptosis, Enophthalmus) zeigt die sichere Blockade im Bereich des Kopfes an ▬ Anstieg der Hauttemperatur >0,5°C im Kopf, Hals, Arm kann zur objektiven Dokumentation herangezogen werden ▬ Heiserkeit ▬ Anschwellen der Nasenschleimhaut (Guttmann-Zeichen) Komplikationen
▬ Intravasale Applikation in A. vertebralis mit sofortigem Krampfanfall möglich, daher Intubationsbereitschaft ▬ Rekurrensparese ▬ Meist symptomlose Phrenikusblockade ▬ Extrem selten: Perforation von Trachea (Hustenreiz) oder Ösophagus
Ganglionäre lokale Opioidanalgesie (GLOA) Durch lokale Applikation eines Opioids am sympathischen Ganglion kann eine analgetische Wirkung erzielt werden. Indikationen
▬ GLOA am Ganglion cervicale superius bei Trigeminusneuralgie, Postzosterneuralgie, (atypischem) Gesichtsschmerz ▬ Selten durchgeführt: GLOA am Ganglion stellatum bei CRPS
Vorteil ▬ Geringe Komplikationsrate
Nachteile ▬ Keine Blockadekontrolle durch HornerSyndrom oder Anstieg der Hauttemperatur möglich
57 Intravenöse regionale Sympathikusblockade (IVRSB)
4
Dosierung
Durchführung
▬ GLOA Ganglion cervicale superius: 0,03– 0,045 mg Buprenorphin ad 1,5 ml NaCl 0,9% ▬ GLOA Ganglion stellatum: 0,03–0,045 mg Buprenorphin ad 5–15 ml NaCl 0,9%
▬ Sitzende oder liegende Position des Patienten ▬ Leicht überstreckter fixierter Kopf ▬ Schleimhautdesinfektion und -anästhesie mit Lidocain-Spray 4% ▬ 25-G-Sprottenadel, spezieller Abstandhalter obligat ▬ Bei herausgestreckte Zunge diese mit Zungenspatel hinunterdrücken, Aufsuchen des Spatium parapharyngeale an der Rachenhinterwand hinter dem Gaumenbogen, ca. 1–2 cm lateral ▬ Hier Punktion, Aspiration, dann Applikation von 0,03–0,045 mg Buprenorphin ad 1–2 ml NaCl 0,9% (⊡ Abb. 4.2)
! Buprenorphin ist wegen seiner hohen Rezeptoraffinität am besten geeignet. Man erreicht so die höchste lokale Wirkung bei geringstem systemischem Effekt. Es besteht eine 100-fach höhere µ-Rezeptordichte im Ganglion als im Hinterhorn, zusätzlich wahrscheinlich hemmende Wirkung auf C-Fasern. Allerdings lässt sich auch mit NaCl 0,9% eine schmerzhemmende Wirkung erzielen. Die GLOA ist aufgrund der geringen Komplikationen Methode der Wahl zur therapeutischen Sympathikusblockade. Eine diagnostische Blockade ist nicht möglich.
Manche Patienten berichten von einem kurzen, schmerzhaften Gefühl im Nacken-Hinterkopf-Bereich und selten von Übelkeit ! Cave: Niemals Applikation von Lokalanästhetika:
GLOA am Ganglion cervicale superius Es handelt sich um eine insgesamt einfache, wirkungsvolle und nebenwirkungsarme Methode. Indikationen
▬ Schmerzen im Bereich des Gesichts, z.B: – Herpes zoster, Postzosterneuralgie – atypischer Gesichtsschmerz – Gesichtsneuralgien
Gefahr des zentralen Krampfanfalls bei versehentlicher Injektion in die A. carotis!
Intravenöse regionale Sympathikusblockade (IVRSB) Modifizierter Bier-Block = intravenöse Regionalanästhesie (IVRA). Zusätzlich zum LA wird Guanethidin (Ismelin) verwendet, das die Noradrenalin-
⊡ Abb. 4.2. Topographie des Ganglion cervicale superius. (Nach Aulberger u. Niesel 1990)
58
Kapitel 4 · Invasive Schmerztherapie
speicher sympathischer Nervenfasern entleert und die Wiederaufnahme von Noradrenalin für 2–4 Tage blockiert.
! Tipp: Bei extrem starkem initialem Brennschmerz kann ein Lokalanästhetikum (z. B. 10–20 ml Lidocain 0,5% i.v.) 2 minvor dem Guanethidin in die betroffene Extremität injiziert oder ein Opioid (z. B. Piritramid 7,5–15 mg i.v.) über den kontralateralen intravenösen Zugang gegeben werden.
Indikationen
4
▬ Zur Diagnostik und Therapie von sympathisch unterhaltenen Schmerzen der oberen oder unteren Extremität Voraussetzungen
▬ Bei erfolgreicher Blockade Sympathikolyse durch eine deutlich überwärmte (>0,5°C) und trockene, maximal durchblutete Haut
▬ Reanimations- und Intubationsbereitschaft ▬ Spezielle Blutleeremanschetten
Dosierung
Durchführung
▬ Anlage eines möglichst distalen intravenösen Zugangs an der zu blockierenden Extremität ▬ 2. intravenöser Zugang (für Notfälle) an der nicht zu blockierenden Extremität ▬ Erzeugen einer blutleeren Extremität durch Anheben und Auswickeln der Extremität mittels elastischer (Esmarch-) Binde ▬ Doppelmanschette anlegen, Aufblasen der proximalen Manschette mindistens 50 mmHg über systolischem Blutdruck ! Tipp: Kontrolle der Blutleere über Pulsoxymetrie.
▬ Entfernen der Esmarch-Binde und intravenöse Applikation des LA, nach 2 min des Guanethidins (Diffusion aus dem Gefäßsystem ins Gewebe) ▬ Aufblasen der distalen Manschette mind. 50 mmHg über systolischem Blutdruck ▬ Engmaschige Kontrolle des Blutdrucks! ! Frühestens nach 15–20 min dürfen die Blutleeremanschetten langsam geöffnet werden. Bei zu frühem Öffnen der Manschetten kommt es zu systemischen Nebenwirkungen, z. B. massivem Blutdruckabfall!
Kontrolle
▬ Beim SMP kommt es durch die Freisetzung von Noradrenalin zu einem initial verstärkten Brennschmerz in der Extremität, der langsam abklingt und in eine Schmerzreduktion/Schmerzfreiheit übergeht
▬ Obere Extremität: 5–10 mg Guanethidin in 20 ml NaCl 0,9% ▬ Untere Extremität: 10–20 mg Guanethidin in 40 ml NaCl 0,9% ! Bei wiederholter Anwendung kann es zur deutlichen Wirkungsverlängerung der Blockade und damit zur Schmerzreduktion kommen.
Neurodestruierende Verfahren ▬ ▬ ▬ ▬
Neurolytische Verfahren Thermokoagulation oder Kryotherapie Perkutane Chordotomie Selektive Rhizotomie
Neurolysen (chemische – thermische Neurolysen) Die Wirkung der Nervenblockaden mit Lokalanästhetika ist auf Stunden beschränkt. Bei Ansprechen auf eine diagnostische Blockade besteht die Möglichkeit der neurolytischen Nervenblockade. Durch die nervennahe Applikation von hochprozentigem Alkohol (50%) oder Phenol (6–10%) kommt es zur Denaturierung der Proteine und somit zu einer nichtselektiven Schädigung von neuronalen Strukturen und umgebendem Gewebe. Neurolysen sind als Ultima Ratio bei therapieresistenten Schmerzen und erst nach mindestens einmaliger prognostischer Blockade durchzuführen. ▬ Wirkdauer: ca. 3–6 Monate ▬ Nebenwirkung: Deafferenzierungsschmerz
59 Neurodestruierende Verfahren
4
Methoden
▬ Neurolyse am Plexus coeliacus und des lumbalen Sympathikusgrenzstrangs
Blockade und Neurolyse am Ganglion coeliacum Wirkmechanismus
▬ Ausschalten viszeraler Afferenzen und sympathischer Efferenzen Indikationen
▬ Gürtelförmige Tumorschmerzen im Oberbauch durch Pankreas- oder Magenkarzinom ▬ Auch bei retroperitonealen Lymphomen, Pankreaskopfzysten und chronischer Pankreatitis möglich Am besten sprechen Pankreaskopfkarzinome auf eine Neurolyse an. Durchführung
▬ Patient in befindet sich in Bauchlage, Unterpolsterung des Bauchs mit einem Kissen zur Aufhebung der Lendenlordose ▬ Markieren der Dornfortsätze von Th12, L1 und L2 (⊡ Abb. 4.4) und Markierung der 12. Rippe ▬ Unter Bildwandlerkontrolle werden beidseits 15 cm lange Kanülen 7 cm lateral des Processus spinosus von L1 oder L2 in einem Winkel von 30–40° auf den Wirbelkörper von L1 vorgeschoben (⊡ Abb. 4.3, 4.4). Nach Knochenkontakt in ca. 7–8 cm Tiefe Zurückziehen der Nadeln und steileres Einführen ca. 60° (⊡ Abb. 4.4), unmittelbar vorbei am Wirbelkörper LWK 1 bis ca. 1–2 cm ventral der Wirbelkörpervorderkante ▬ Aspirationskontrolle in 2 Ebenen (bei Blutaspiration – rechts V. cava, links Aorta – Vorschieben oder Zurückziehen der Nadelspitze) ▬ Lagekontrolle durch Kontrastmittelgabe unter Durchleuchtung in 2 Ebenen, das Kontrastmittel soll sich wolkig vor dem Wirbelkörper L1 verteilen ▬ Medikamentenapplikation ▬ Überwachung der Vitalparameter für 30 min unmittelbar nach der Blockade, dann Blutdruckkontrolle 2-stündlich bis 8 h nach der Blockade, Kontrolle des Blutbilds und der Gerinnung 8 h nach der Blockade
⊡ Abb. 4.3. Blockade des Ganglion coeliacum (dorsale Ansicht). (Nach Aulberger u. Niesel 1990)
Dosierung
▬ Diagnostische Blockade: 40 ml Bupivacain 0,25% ▬ Therapeutische Blockade/Neurolyse: 40 ml Bupivacain 0,25%, dann 40 ml eines 1 : 1-Gemischs aus 96%-igem Alkohol und Kontrastmittel Komplikationen
▬ Intravasale, subarachnoidale oder peridurale Injektion (Bildwandlerkontrolle!) ▬ Blutdruckabfall durch Sympathikusblockade ▬ Blutung in den Peritonealraum mit ggf. transfusionsbedürftigem Hb-Abfall durch Punktion der Aorta oder der der V. cava ▬ Vermehrte Darmperistaltik bis Diarrhö (44%), sexuelle Dysfunktion ! In 70–90% zufriedenstellende, d. h. partielle oder komplette Schmerzlinderung. Je weniger weit das Tumorwachstum die anatomischen Strukturen verdrängt, umso erfolgreicher ist die Blockade. Im fortgeschrittenen Stadium ist dann die CT-gezielte Blockade sinnvoll.
60
4
Kapitel 4 · Invasive Schmerztherapie
⊡ Abb. 4.4. Blockade des Ganglion coeliacum (Querschnitt); die Nadelspitze befindet sich retroperitoneal in der Nachbarschaft von Aorta und V. cava inferior). (Nach Aulberger u. Niesel 1990)
Blockade und Neurolyse des lumbalen Sympathikusgrenzstrangs Indikationen
▬ Periphere arterielle Verschlusskrankheit der Stadien III und IV ▬ Phantomschmerzen ▬ CRPS II ▬ Thrombangitis obliterans ▬ Chronisch maligne Schmerzen im Unterbauch (Colon descendens, Sigma, Rektum, Uterus, Blase) Durchführung
▬ Patient befindet sich in Bauchlage, Unterpolsterung des Bauchs mit einem Kissen zur Aufhebung der Lendenlordose ▬ Punktionstellen: 7 cm lateral des Dornfortsatzes LWK 2, LWK 3 und LWK 4 ▬ Punktionsrichtung: Leicht medial 30–40° bis zum Knochenkontakt mit den Querfortsätzen, dann Zurückziehen der Nadeln und Korrektur der Punktionsrichtung, sodass man direkt oberhalb des Querfortsatzes auf den Wirbelkörper bis zum Knochenkontakt vorgehen kann ▬ Zurückziehen der Nadeln und Korrektur der Stichrichtung nach lateral knapp am Wirbelkörper vorbei bis zu seinem ventrolateralen Rand
▬ Die Seit-zu-Seit-Durchleutungskontrolle projiziert die Kanülenspitzen auf Höhe der vorderen Wirbelkörperkante ▬ Aspirationskontrolle, dann Applikation von je 1–2 ml Kontrastmittel, das sich ventral der Wirkbelkörperkanten ausbreitet ▬ Bei Ausbreitung des Kontrastmittels in die Psoasmuskulatur im a.-p.-Strahlengang weiteres Vorschieben der Kanülen ▬ Medikamentenapplikation ▬ Überwachung der Vitalparameter für 30 min unmittelbar nach der Blockade, dann Blutdruckkontrolle 2-stündlich bis 8 h nach der Blockade, Kontrolle des Blutbilds und der Gerinnung 8 h nach der Blockade Dosierung
▬ Prognostische Blockade: je 3 ml Bupivacain 0,25% ▬ Therapeutische Neurolyse: je 5 ml 1 : 1-Gemischs aus 96%igem Alkohol und Kontrastmittel Komplikationen
▬ Intravasale, subarachnoidale oder peridurale Injektion (Bildwandlerkontrolle!) ▬ Blutdruckabfall durch Sympathikusblockade ▬ Blutung in die Loge des M. psoas mit ggf. transfusionsbedürftigem Hb-Abfall ▬ Sexuelle Dysfunktion bei beidseitiger Blockade
61 Stimulationsverfahren
4
Intrathekale Neurolyse
Indikationen
Einbringen von Alkohol oder Phenol in den Spinalraum. Dieses Verfahren wird heute nur noch selten durchgeführt. Die Funktion der motorischen und sympathischen Vorderwurzeln muss erhalten bleiben. Verwendung von hypobarem Alkohol oder hyperbarem Phenol plus entsprechende Lagerung. Die Wirkdauer beträgt wenige Wochen bis 2–3 Jahre; ggf. Wiederholung. Das Problem ist die Beschädigung der Vorderwurzel mit motorischen Lähmungen im Lumbalbereich und Störungen der Darm- und Blasenkontrolle. Anwendung nur bei Patienten mit Anus praeter und kontinuierlicher Harnableitung.
▬ Deafferenzierungsschmerz infolge eines zervikalen oder lumbalen Wurzelausrisses (Erfolgsquote 80%)
Sonderform: Sattelblockneurolyse
Sie wird bei sitzendem Patienten mit hyperbarem Phenol durchgeführt. Hierbei werden nur sakrale Fasern ausgeschaltet. Da die sakralen Fasern an der Blasen- und Darmfunktion nicht beteiligt sind, kann diese Methode auch bei Patienten ohne kontinuierliche Harnableitung und Anus praeter durchgeführt werden.
Thermische Neurolysen Vorübergehende Ausschaltung von Nervenbahnen durch Kälte- oder Hitzeanwendungen mittels Spezialsonden (Kryosonden oder Hitzeapplikatoren). ! Diagnostische Blockade, Anwendung eines Bildwandlers. Die neuroablativen Verfahren kommen in den letzten Jahren aufgrund einer verbesserten multimodalen bzw. medikamentösen Schmerztherapie immer seltener zur Anwendung.
Selektive Rhizotomie Durchtrennung der schmerzleitenden Fasern an der ventralen Seite der Hinterwurzelfaser bei sonst therapieresistenten Schmerzen. Indikationen
▬ Deafferenzierungsschmerz infolge eines zervikalen oder lumbalen Wurzelausrisses (Erfolgsquote 80%) ▬ Bei bestimmten Spastiken
Stimulationsverfahren Spinal Cord Stimulation (SCS) Stimulation des Rückenmarks über epidural implantierte Elektroden mit in die Bauchwand implantiertem Generator. Ultima Ratio bei Versagen einer interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie Indikationen
▬ Radikuläre neuropathische Schmerzen mit konstanter Schmerzintensität ▬ PAVK, Ischämieschmerz ▬ Therapieresistente AP-Symptomatik ▬ Postdiskotomiesyndrom ▬ CRPS ▬ Stumpfschmerz ▬ Plexusausriss bzw. Deafferenzierungsschmerz Wirkmechanismus
Thermokoagulation der Hinterwurzeleintrittzone (DREZ) Thermokoagulation der Hinterwurzeleintrittszone (DREZ = »dorsal root entry zone«), 10–20 Wiederholungen erforderlich, ca. 2–3 mm lateral entlang der Fissura posterolateralis.
▬ Freisetzung von endogenen Opioiden, Aktivierung der körpereigenen deszendierenden und segmentalen Schmerzhemmung ! Eine Implantation sollte erst erfolgen nach erfolgreicher Probestimulation >5 Tage mit Schmerzreduktion 50% auf der VAS.
62
Kapitel 4 · Invasive Schmerztherapie
Komplikationen
▬ Zahlreiche technische Komplikationen, z. B. Elektrodendislokation, Elektrodenbruch ▬ Der Generator muss nach ca. 2–3 Jahren ersetzt werden
4
Tiefe Hirnstimulation, Deep Brain Stimulation (DBS) Reizung tiefer Hirnstrukturen über implantierte Elektroden, mit Stimulation des ventroposterioren Thalamuskerns bzw. des hinteren Abschnitts der Capsula interna und Aktivierung der körpereigenen Schmerzhemmung.
Motorische Hirnrindenstimulation, Motorkortexstimulation (MCS) Stimulation des motorischen Kortex durch Flächenelektroden, die nach Kraniotomie auf den motorischen Kortex aufgelegt werden. Orthodrome Aktivierung von motorischen und medialen Thalamuskernen sowie sekundär von Zentren, die an der Schmerzverarbeitung beteiligt sind, z. B. der anteriore cinguläre Kortex.
Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) Aktivierung der körpereigenen segmentalen Schmerzhemmung durch Stromfluss zwischen 2 Hautelektroden, Freisetzung von endogenen Opioiden. Details sind in Kap. 6 (»Stimulationsverfahren«) dargestellt.
5 Akute/postoperative Schmerztherapie
Einleitung Nach Wiebalck et al. (1995) erleiden bis zu 75% der Patienten postoperativ Schmerzen. Nach einem Fazit des Berufsverbands der Deutschen Anästhesisten und des Berufsverbands der Deutschen Chirurgen (1993) sind erhebliche Defizite bei der Erfüllung des Anspruchs der Patienten auf angemessene Schmerzbehandlung unverkennbar. Nach Umfrageergebnissen hat eine gute Schmerztherapie für den Patienten bei der Gesamtbeurteilung der Qualität eines Krankenhauses einen hohen Stellenwert. ! Eine effektive Akutschmerztherapie verbessert das Image des Krankenhauses in der Öffentlichkeit und stellt somit einen Wettbewerbsvorteil dar.
Rechtsgrundlage der Schmerztherapie Neben der besonderen Bedeutung für die Patientenversorgung hat die postoperative Akutschmerztherapie auch forensische Aspekte, da deren Unterlassung Verstöße darstellt (Weissauer 1993): ▬ gegen das Berufsrecht (§ 1,2, Leiden lindern und gewissenhafte Ausführung nach den Regeln der Kunst), ▬ gegen das Zivilrecht (§ 823, 1,2 BGB, Vermeiden von Gesundheitsschäden), ▬ gegen das Strafrecht (§ 229, 323c StGB, fahrlässige Körperverletzung durch unterlassen Schmerztherapie und Unterlassen der Hilfeleistung) und ▬ gegen das Grundgesetz (Artikel 2 II GG, Recht auf Freiheit von Schmerzen).
Definition Postoperative Schmerztherapie ist die (symptomatische) Behandlung akuter Schmerzzustände, die (primär) auf das Operationstrauma zurückzuführen sind. Die Definition grenzt sich von der chronischen Schmerztherapie ab und betont die kausale Therapie. Der akute Schmerz ▬ hat eine sinnvolle, evtl. sogar lebenserhaltende Funktion, ▬ besitzt Warnfunktion, die auf eine Gefahr aufmerksam macht, ▬ löst über Schmerzwahrnehmung entsprechende Schutzreaktionen aus, ▬ fördert die Wundheilung durch Ruhigstellung, ▬ besitzt große Akzeptanz durch die Mitmenschen.
Es besteht des Weiteren eine ethisch-moralische Verpflichtung des Arztes gegenüber seinem Patienten (Uhlenbruck 1994) und ein ökonomischer Anspruch der Beitragszahler (Vermeidung von kostenintensiven Komplikationen durch adäquate Schmerztherapie bei immer knapper werdenden finanziellen Ressourcen). Eine inadäquate Schmerztherapie führt zur Initiierung von Folgeschäden (Morbitität und Mortalität erhöht), birgt die Gefahr der Chronofizierung des Schmerzes insbesondere nach Polytrauma (17– 50%), Thorakotomien (29–67%) und Amputationen (30–83%), führt zur Erhöhung der kurz- und langfristigen Krankheitskosten. Als intensiver Stressfaktor belastet unterlassene Schmerztherapie zudem die kardiopulmonalen, endokrin-metabolischen, gastrointestinalen und immunologischen Körperfunktionen.
64
Kapitel 5 · Akute/postoperative Schmerztherapie
Vorteile einer effektiven Schmerztherapie (nach Brodner et al. 1997)
5
▬ Thromboseprophylaxe aufgrund schnellerer Mobilisierung ▬ Pneumonieprophylaxe aufgrund besserer Lungenfunktion und Hustenclearance ▬ Verbesserte gastrointestinale Funktion und Wundheilung ▬ Stressprophylaxe mit niedrigerem Sympathikotonus (VO2 erniedrigt, Immunität gestärkt, Hyperkoagulabilität erniedrigt, Stoffwechselstabilität) ▬ Vermeidung einer Schmerzchronifizierung in bestimmten Fällen (z. B. chronisch regionales Schmerzsyndrom Typ II)
Ziele der postoperativen Schmerztherapie im Kontext eines multimodalen postoperativen Therapiekonzepts ▬ Schmerzfreie frühe Mobilisation ▬ Frühe enterale Nahrungsaufnahme und Entfernung der Magensonden und Drainagen ▬ Beschleunigte Rekonvaleszenz und frühe Entlassung aus der stationären Behandlung ▬ Effektive postoperative Schmerzkontrolle und Patientenzufriedenheit (⊡ Abb. 5.1)
Schmerzprophylaxe im Rahmen der akuten Schmerztherapie ▬ Präoperatives Patientengespräch des Operateurs/ASD (Akuter Schmerzdienst) mit Einschätzung des präoperativen Schmerzstatus ▬ Präoperative Erhebung einer Schmerzanamnese, Schmerzmessung und Informationsübermittlung über postoperativ zu erwartende Schmerzen sowie Therapiekonzepte ▬ Planung des Anästhesie- (z. B. Kombinationsanästhesie, regionalanästhesiologisches Verfahren bei Amputationen) und Analgesieregimes. ▬ Operationsplanung (z. B. Schnittführung: Längsschnitt vs. Subkostalschnitt) und Wund-
verschluss (Klammernaht vs. Nahtverschluss, lokale Infiltration von Lokalanästhetika in den Wundbereich), minimal invasive Operationsverfahren vs. offene Verfahren, Anzahl oder Lokalisation von Drainagen, atraumatische Operationstechniken, schonende intraoperative Lagerungsmaßnahmen ▬ Einleitung einer präoperativen Schmerztherapie bei vorhandenen Schmerzen (Phantomschmerzprophylaxe) und konsequente postoperative Schmerztherapie
Organisationsstrukturen einer perioperativen Schmerztherapie ▬ Für die Mehrzahl der Patienten mit kleinen und mittleren Eingriffen genügt die Durchführung einer standardisierten, schriftlich fixierten Basisanalgesie nach Stufenkonzept (Nichtopioid wie z. B. Paracetamol, klassische NSAID wie Diclofenac oder Ibuprofen, selektive Cylooxygenase-2-Hemmer wie z. B. Parecoxib oder Metamizol in Kombination mit Piritramid i.v./s.c. oder Tilidin/Naloxon p.o. bzw. Tramadol i.v./p.o. Die Schmerztherapie wird auf Station von speziell geschultem Pflegepersonal durchgeführt (regelmäßige Visite des Pflegepersonals mit Beurteilung des Sedierungsgrades, der Atemfrequenz und der Schmerzintensität). ▬ Für Patienten nach größeren operativen Eingriffen und/oder stark schmerzhaften Eingriffen erfolgt die Betreuung durch den Akuten Schmerzdienst (ASD) mit Anwendung von Verfahren der speziellen Schmerztherapie (PCIA = patientenkontrollierte intravenöse Analgesie, Infiltration/Instillationen und regionale Analgesie durch PDA oder periphere Nervenkatheter). Hierdurch kommt es zu größerer Patientenzufriedenheit, früherer intensiver Mobilisation, Verringerung von Komplikationen und einer Verkürzung der Liegedauer (⊡ Abb. 5.2). Nebenwirkungen der PCIA: Übelkeit, kognitive Beeinträchtigung, Schwindelgefühl oder milde Sedierung, Obstipation, starke Sedierung und Atemdepression.
65 Organisationsstrukturen einer perioperativen Schmerztherapie
⊡ Abb. 5.1. Ziele einer effektiven postoperativen Schmerztherapie
⊡ Abb. 5.2. Stufenschema der Analgesie im postoperativen Bereich
5
66
Kapitel 5 · Akute/postoperative Schmerztherapie
Vorteil regionaler Techniken zur Anästhesie/Analgesie im Vergleich zur Allgemeinanästhesie ⊡ Tabelle 5.1 zeigt die Vorteile regionaler Techni-
ken zur Anästhesie/Analgesie im Vergleich zur Allgemeinanästhesie.
5
4 mögliche Organisationsformen der postoperativen stationären Schmerztherapie ▬ Konsilarische, schmerztherapeutische Tätigkeit durch den Anästhesisten auf Anfrage in besonderen Fällen ▬ Übernahme bestimmter Aufgaben (z. B. Betreuung von Patienten mit PCA- und PCEA-Pumpen) durch den Akuten Schmerzdienst nach Absprache mit den stationsführenden Fachdiziplinen ▬ Übernahme des gesamten stationären Schmerzdienstes durch die Anästhesieabteilung ▬ Fachübergreifender, interdisziplinärer Schmerzdienst Zurzeit gilt bei fehlender anders lautender Absprache folgende Regelung (BDA/BDC): Fachlich zuständig für die Schmerztherapie ist ▬ auf chirurgischen Bettstationen und auf chirurgisch geführten Intensivstationen der Chirurg, ▬ im Aufwachraum und auf der anästhesiologisch geführten Intensivstation der Anästhesist in Kooperation mit dem Operateur.
Struktur des Akuten Schmerzdienstes (ASD) Ein Akutschmerzdienst sollte folgenden Qualitätsanforderungen genügen: ▬ mehrmals täglich Visite (Personal!), ▬ 24-h-Erreichbarkeit, ▬ schriftliche Vereinbarungen zur postoperativen Therapie, ▬ Erhebung und Dokumentation der Schmerzintensität.
In Deutschland fehlen derzeit in den meisten Kliniken etablierte Akutschmerzdienste, die diesem Qualitätsstandard entsprechen. Durch die Implementierung eines ASD können die Effektivität der postoperativen Schmerztherapie gesteigert und stationäre Komplikationen reduziert werden (⊡ Abb. 5.3)! Die Gründe für eine ineffektive Akutschmerztherapie zeigt ⊡ Tabelle 5.2. ⊡ Tabelle 5.1. Vorteile der Regionalanalgesie (Mod. nach Jage et al. 2005) Kriterium
Vorteil
Magen-Darm-Atonie
Etwa 2 Tage kürzer
Myokardinfarkt
Etwa 30% geringer
Kardiovaskuläre Komplikationen
Etwa 75% geringer
Lungenembolie (ohne Thromboseprophylaxe)
Etwa 50% geringer
Thromboembolie (ohne Thromboseprophylaxe)
Etwa 40% geringer
Pulmonale Infektionen
Etwa 30% geringer
Blutverlust, Blutbedarf
Etwa 20–30% geringer
Postoperative Beatmungsdauer
Etwa 40% kürzer
Chirurgische Komplikationen
Etwa 50% geringer
Reoperations-/Amputationsrate nach peripheren Bypassoperationen
Etwa 50% geringer
Verweildauer im Krankenhaus (nach bestimmten größeren Eingriffen)
>30–50% kürzer
Erfüllung von Entlassungskriterien 25–30% früher Krankenhauskosten
>20–50% geringer
⊡ Tabelle 5.2. Gründe für eine ineffektive Akutschmerztherapie und deren Häufigkeit. (Nach Meissner 2001; Klopfenstein 2000; Nolli 1997) Gründe
Häufigkeit (%)
Organisatorische Probleme
62,5
Zeitmangel
61,9
Mangelnde Motivation
38,8
Komplexität der Schmerzbehandlung
37,7
Schwierigkeit der Schmerzmessung
37,0
Mangelhafte Kenntnisse über die Schmerzbehandlung
30,1
67 Medikamentöse postoperative Schmerztherapie
5
▬ Übelkeit, Erbrechen, Obstipation durch Opioide ▬ Harnverhalt unter Opioiden und Regionalanalgesie ▬ Nierenfunktionsstörungen und gastrointestinale Blutungen (Cave: Kreatinin >2,0 mg/Tagl) unter der Gabe von NSAR ▬ Kreislaufdepression (unter schneller intravenöser Applikation von Metamizol, Dolantin) ▬ Allergische Reaktionen
⊡ Abb. 5.3. Anzahl der Kliniken in den USA, Kanada und Deutschland, die einen akuten Schmerzdienst eingerichtet haben. (Mod. nach Stamer et al. 2002)
Medikamentöse postoperative Schmerztherapie Medikamentenauswahl
Die Einrichtung eines ASD ist sowohl aus logistischen Gründen als auch aus Erwägungen der Qualitätskontrolle und der Patientensicherheit/Zufriedenheit sinnvoll und notwendig!
Anwendung eines Stufenkonzepts in der postoperativen Schmerztherapie, das der zur Tumorschmerztherapie spiegelbildlich ist (⊡ Abb. 5.4): ▬ Applikation von schwachwirksamen oder starkwirksamen Opioiden:
Schmerzmessung ▬ Neben Temperatur, Puls, Blutdruck und Atmung muss auch mehrmals täglich die Schmerzintensität in Ruhe und bei Bewegung bzw. Husten gemessen werden ▬ Schmerz ist nach der Amerikanischen Schmerzgesellschaft das 5. Vitalzeichen (JAMA 1995) ▬ Schmerzmessung und Dokumentation sollte in folgenden Situationen zusätzlich durchgeführt werden: – Nach jeder schmerztherapeutischen Maßnahme in einem geeigneten Intervall zur Therapiekontrolle – Bei unerwartet starken Schmerzen mit Veränderung von Vitalparametern – Vor und nach therapiebedingten schmerzhaften Maßnahmen
– bei mittelstarken bis stärkeren Schmerzen, – nach umfangreichen Thorax- und abdominalchirurgischen Operationen sowie – nach größeren Eingriffen an Skelettsystem und/oder Weichteilen. ▬ Applikation von Nichtopioidanalgetika (NSAR und nicht saure Analgetika): – bei leichten Schmerzen, – nach kleinen Eingriffen im Skelett- und Weichteilbereich,
Risiken der medikamentösen Schmerztherapie ▬ Atemdepression unter Opioidanalgetika (Warnzeichen: Vigilanzminderung/Somnolenz und AF <10/min)
⊡ Abb. 5.4. Stufenschema der akuten Schmerztherapie (Mod. nach Simanski u. Neugebauer 2003)
68
Kapitel 5 · Akute/postoperative Schmerztherapie
– zur Supplementierung einer Schmerztherapie mit Opioiden nach größeren chirurgischen Eingriffen (»balanced analgesia«).
Applikationsformen der medikamentösen Schmerztherapie Methoden der Wahl
5
▬ Intravenöse, titrierte Bolusgabe von Opoiden oder ▬ Kurzinfusion von Nichtopioidanalgetika.
Intravenöse PCA (Patient Controlled Analgesia) ▬ Patientenkontrollierte Analgesie (»patient controlled analgesia«; PCA): Wichtigstes Prinzip der postoperativen Schmerztherapie, individuelle Titration des postoperativen Analgetikabedarfs durch den Patienten ▬ Sicheres Verfahren bei Verzicht auf eine Basisbzw. Hintergrundinfusion ▬ Anwendbarkeit evtl. schon bei älteren Kindern ab dem 5. Lebensalter (»Gameboy-fähig«) Sonderform
Alternativ
▬ Subkutane Injektion auch durch nichtärztliches Personal, z. B. Piritramid, Morphin oder Hydromorphon. ▬ Rektale Applikation von Nichtopioidanalgetika (z. B. Diclofenac, Paracetamol – ⊡ Abb. 5.2 –, Metamizol). Nachteil dieses Verfahrens: verzögerter Wirkbeginn und variable intestinale Resorption der Medikamente. Mit Ausnahme von Morphin-Zäpfchen als MSR sind zzt. keine stärkeren Opioide zur rektalen Applikation verfügbar. ▬ Orale Applikation von schwachwirksamen Opioiden, z. B. Tilidin/ Naloxon-Trpf., Tramadol-Trpf., in der späten postoperativen Phase. ▬ Nasale Applikation z. B. Fentanyl, zzt. noch experimentell oder orale/transmukosomale Applikation als »FentanylLolly« (Actiq). Obsolet in der modernen, postoperativen Schmerztherapie
▬ Intramuskuläre Applikation: Schmerzhaftigkeit der Injektion, langsamer Wirkeintritt, unzuverlässige Resorption und Gefahr des potenziellen Injektionsschadens, z. B. Nervenläsionen, Spritzenabszesse. ▬ Transdermale Applikation: Starkwirksame Opioide, z. B. Fentanyl- (Durogesic-) oder Buprenorphin- (Transtec-)Pflaster. Ablehnungsgründe: notwendiger langsamer, dermaler Depotaufbau des Medikamentes in den ersten 10 h und schlechte Steuerbarkeit.
▬ »Nurse controlled analgesia« (NCA) bei entsprechender Ausbildung der Krankenschwestern in der Schmerzbeurteilung bei Kleinkindern. Eine sorgfältige Überwachung ist bei Kleinkindern nach Opioidgabe (Atemfrequenz, Atemtiefe, Sedierung, Pulsoxymetrie, Respirationsmonitor) unbedingt notwendig. ▬ Parents-controlled Analgesia (PCA) für Kinder ab dem 1. Lebensjahr nach entsprechender Einweisung der Eltern. !Cave: Außerkraftsetzen der Sicherheitsphilosophie der PCA: Der Patient kann nur solange drücken, wie seine Vigilanz es erlaubt.
Indikationen
▬ Große abdominelle und thorakale Eingriffe sowie Eingriffe, bei denen mit einem lang anhaltenden starken postoperativen Schmerz zu rechnen ist ▬ Patienten mit anamnestisch zu erwartender stärkerer Schmerzsymptomatik ▬ Patienten mit intermittierend schmerzhaften Interventionen ▬ Zur Dosisfindung für eine Dauerschmerztherapie Kontraindikationen
▬ Bekannte respiratorische Insuffizienz, Schlafapnoe, unklare neurologische Erkrankungen, Suchtanamnese, fehlende Kooperation sowie kognitive Fähigkeiten des Patienten
5
69 Medikamentöse postoperative Schmerztherapie
Vorteile
Verbrauchsanhaltszahlen in mg/70 kgKG/Tag
▬ Bessere postoperative Analgesie und Patientenzufriedenheit im Vergleich zu einer standardisierten Basisanalgesie durch das Pflegepersona ▬ Entlastung der Pflege (ca. 35 min/Patient/Tag) ▬ Geringe Komplikationsraten (u. a. durch Frühmobilisierung) ▬ Reduktion der Krankenhausverweildauer ▬ Reduzierter Analgetikabedarf bei Kombination mit Cyclooxygenase-2-Hemmern (signifikante Abnahme des Opioidverbrauchs im Mittel um bis zu 37%)
▬ ▬ ▬ ▬ ▬
Infusion 1. Bestückung mit Dipidolor: Ampullen Dipidolor (6 ml =45 mg Piritramid) +39 ml NaCl 0,9% (1,0 mg/ml) 2. Bestückung mit MSI: 2,5 ml Morphin 2% (20 mg/ml) +47,5 ml NaCl 0,9% (1,0 mg/ml) 3. Bestückung mit Tramal: 5 ml Tramadol (50 mg/ml) +45 ml NaCl 0,9% (5,0 mg/ml) 4. Bestückung mit Dolantin: 5 ml Pethidin (50 mg/ml) +45 ml NaCl 0,9%(5,0 mg/ml)
Nachteile ▬ Durch Opioide bedingt: Atemdepression (ca. 0,3%), Übelkeit (vorwiegend bei Tramadol), Erbrechen, Juckreiz, Verwirrtheit, Halluzinationen, Obstipation ▬ Personalintensives Verfahren (ASD) ▬ Blutdruck- und Herzrhythmusprobleme ▬ Thrombophlebitis
Morphin 50 mg Pethidin 290 mg Piritramid 50 mg Tramadol 250–300 mg, Fentanyl 0,8 mg
!
▬ Gefahr des Krampfanfalls. ▬ Bei Parallelinfusion immer ein Rückschlagventil
Beispiele der PCA-Medikation und Dosierung für Erwachsene bzw. Kinder zeigen ⊡ Tabelle 5.3 und 5.4.
verwenden, um über einen retrograden Medikamentenfluss ins Infusionssytem eine unbeabsichtigte Bolusgabe zu vermeiden.
⊡ Tabelle 5.3. Beispiele der PCA-Medikation und Dosierung für Erwachsene. (Nach Jage u. Hartje 1997) Generic name
Präparat
Konzentration [mg/ml]
Boli [mg]
Boli [mg/kg KG]
Lock-out-time [min]
4-h-Limit [mg/4 h]
Piritramid
Dipidolor
1,0
1,5–2
0,02–0,04
10–15
30–40
Morphin
MSI
1,0
1–1,5
0,01–0,05
5–10
30
Tramadol
Tramal
5,0
20–30
0,2–0,3
5–10
200
Pethidin
Dolantin
5,0
5–25
0,1–0,2
8–10
⊡ Tabelle 5.4. Beispiele der PCA-Medikation und Dosierung für Kinder Generic name
Präparat
Konzentration [mg in 50 ml]
Boli [µg/ kg KG]
Lock-out-time [min]
4-h-Limit [µg/kg KG/4 h]
Piritramid
Dipidolor
1,5
20–30
10
200 (500)
Morphin
MSI
1,0
20
10
300
70
Kapitel 5 · Akute/postoperative Schmerztherapie
Medikamentenauswahl Die Kombination von Nichtopioid- und Opioidanalgetika zeigt einen synergistischen analgetischen Effekt im Sinne der »balanced analgesia«, dadurch Reduktion sowohl der einzelnen Medikamentennebenwirkungen als auch der Dosierungen der einzelnen Substanzen.
5
Nichtopioidanalgetika Einteilung Saure, antiphlogistisch-antipyretische Analgetika = nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) Diese untergliedern sich in: ▬ Salicylate (Acetylsalicylsäure), ▬ Arylessigsäuren (Diclofenac, Indometacin, Acetmetacin), ▬ Arylproprionsäuren (Ibuprofen, Naproxen, Ketoprofen), und Substanzen, die für die akute Schmerztherapie nicht von Bedeutung sind: ▬ Anthralinsäuren (Mefenaminsäure, Flufenamin), ▬ Hetereocyclische Ketoenolsäuren (Piroxicam, Meloxicam, Lornoxicam).
▬ Alter <12 Jahre (für ASS) ▬ Leberinsuffizienz mit Child-Pugh-Score >7 (a) für Paracetamol Nebenwirkungen
▬ Gastrointestinale Blutungen: Das Risiko für eine Blutung im oberen GI-Trakt steigt bei Einnahme eines unselektiven NSAR um das 5-fache! Ebenso steigt das Ulkusrisiko mit dem Lebensalter an (<65 Jahre: ca. 7%; 65–75 Jahre: ca. 25%); ca. 2000 Todesfälle pro Jahr sind auf die NSAR-Einnahme zurückzuführen! Das gastrointestinale Blutungsrisiko ist substanz- und dosisabhängig (⊡ Abb. 5.5). Vor- und Nachteile der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) Vorteile ▬ ▬ ▬ ▬
Gute und andauernde Analgesie Weniger Nausea und Emesis als Opioide Keine Atemdepression Antiphlogistisch
Nachteile ▬ Hemmung der Thrombozytenfunktion ▬ Gefährdung der Nierenfunktion ▬ Gastrointestinale Komplikationen
Kontraindikationen
Absolute (a) und relative (r) Kontraindikationen gegen die Anwendung eines NSAR: ▬ Floride Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes, z. B. Gastritis, Magen-Darm-Ulzera (a); nicht gültig für Metamizol und Paracetamol ▬ Gerinnungsstörungen (a) ▬ Niereninsuffizienz mit Kreatininclearance <30 ml/min, schwere arteriosklerotische Perfusionsminderung der Niere (a) ▬ Behandlung mit potenziell nephrotoxischen Pharmaka, z. B. Diuretika, Antibiotika (a) ▬ Hypovolämie (r) ▬ Schwere Anämie (a) ▬ Herzinsuffizienz, Aszites (a) ▬ Allergische Diathese, Asthma bronchiale (r) ▬ rezidivierende Magen-Darm-Beschwerden, anamnestisch Magen-Darm-Ulzera (r)
Nichtsaure antipyretische Analgetika Diese sind untergliedert in: ▬ P-Aminophenole bzw. Aniline (Paracetamol, Propacetamol) und ▬ nichtsaure Pyrazolone (Metamizol, Phenazon, Propyphenazon).
Selektive Cyclooxygenase-2-Hemmer ▬ Coxibe (Parecoxib, Celecoxib (Celebrex), Etoricoxib (Arcoxia) und Lumiracoxib) ! Derzeit ist nur Parecoxib (Dynastat) und Lumiracoxib (Prexibe) zur postoperativen Schmerztherapie zugelassen.
71 Nichtopioidanalgetika
5
⊡ Abb. 5.5. Risiko für eine komplizierte peptische Ulkuserkrankung wie z. B. Blutung mit/ohne Perforation. (Mod. nach Gutthann 1997)
Wirkmechanismus
▬ Hemmung der peripheren Prostaglandinsynthese durch – Unselektive Hemmung des Enzyms Cyclooxygenase (Typ 1 und 2) bei NSAR und nichtsauren Analgetika [PG E2 und PG I2 (Prostazyklin) erniedrigt] – Selektive Cyclooxygenase-2-Hemmer (Keine Hemmung der magenschleimhautschützenden Prostaglandin-E-Synthese!) Kontraindikationen bzw. Anwendungsbeschränkungen der Coxibe gemäß der Europäischen Arzneimittelagentur (EMEA, European Medicines Agency) und den Herstellerinformationen
▬ Klinisch gesicherte koronare Herzkrankheit ▬ Klinisch gesicherte zerebrovaskuläre Erkrankung ▬ Herzinsuffizienz (NYHA-Stadium II–IV) ▬ Postoperative Schmerztherapie nach koronarer Bypassoperation (Parecoxib) ▬ Unkontrollierter Hypertonus (nur Etoricoxib) ▬ Erhebliche kardiovaskuläre Risikofaktoren (z. B. Hypertonus, Hyperlipidämie, Diabetes mellitus, Rauchen) ▬ Periphere arterielle Verschlusskrankheit ▬ Alter <18 Jahre
! Valdecoxib (Bextra) wurde von Pfizer wegen lebensbedrohlicher Hautreaktionen im April 2005 freiwillig vom Markt genommen. Zuvor musste Rofecoxib (Vioxx) wegen kardialer Nebenwirkungen vom Markt genommen werden.
Derzeitige Verfügbarkeit von intravenösen Nichtopioidanalgetika in Deutschland ▬ Metamizol (Novalgin): 1,0/2,5-g-Ampulle als Kurzinfusion ▬ Paracetamol (Perfalgan): 1000/500-mgFlasche ▬ Parecoxib (Dynastat): 40-mg-PulverDurchstechflasche ▬ Diclofenac (Alvoran): 75-mg-Ampulle ▬ Lysin-Acetlysalicylat (Aspisol): 500-mgTrockensubstanz
Wirkmechanismus
Die Wirkcharakteristika der Nichtopioidanalgetika sind in ⊡ Tabelle 5.5 dargestellt. Nebenwirkungen
Die Nebenwirkungen einiger Nichtopioidanalgetika zeigt ⊡ Tabelle 5.6.
72
Kapitel 5 · Akute/postoperative Schmerztherapie
⊡ Tabelle 5.5. Wirkcharakteristika der Nichtopioidanalgetika (Mod. nach Steffen 2005) Ibuprofen
Diclofenac
ASS
Coxibe
Metamizol
Paracetamol
Analgetisch
+++
+++
++
++
+++
++
Antiphlogistisch
++
+++
++
++
(+)
(+/-)
Antipyretisch
++
+
++
-
+++
+++
Spasmolytisch
-
-
-
-
+++
-
Wirkort
Peripher/zentral Prostaglandine erniedrigt
Peripher/zentral Prostaglandine erniedrigt
Peripher/zentral Prostaglandine erniedrigt
Peripher/zentral Prostaglandine erniedrigt
Zentral
Zentral
5
⊡ Tabelle 5.6. Nebenwirkungen einiger Nichtopioidanalgetika Blutdruck
Gerinnungssystem
Niere
Wundheilung
Haut, Agranulozytose
Gelegentliche Hypotensionen
Diclofenac
Parecoxib
ZNS
Leberversagen bei Überdosierung
Paracetamol i.v. Metamizol
Allergische Magen-DarmTrakt Reaktionen
Leber
Gelegentliche Erhöhung der Transaminasen, Leberzellschaden
Vorübergehende Hemmung der Thrombozytenaggregation
Haut
Erhöhung der Retentionswerte
Häufig Hyper- und Hypotonie
Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Auftreten von Ulkus/Blutung
Kopfschmerz, Benommenheit, Schwindel
Gelegentlich gastrintestinale Ulzera
Zerebrovaskuläre Störungen
Sternale Wundheilung
Dosierung und Wirkdauer verschiedener NSAR zur postoperativen Schmerztherapie Wirkstoff
Handelsname
Dosis [mg]
Wirkdauer [h]
Tageshöchstdosis [mg]
Applikationsform
Zulassung/ Bemerkung
4–6
6000
i.v.; p.o.
Cave: <12 Jahre
Saure, antiphlogistisch-antipyretische Analgetika Acetylsalicylsäure
Aspisol, ASS-Brause
500–1000
Nebenwirkungen Thrombozytenaggregationshemmung, gastrointestinale Nebenwirkungen, Übelkeit, Erbrechen, Bronchospasmus (10–15% der Asthmatiker), allergische Reaktion Anmerkungen ASS bei Kindern steigert den Sauerstoffverbrauch der Zelle, deshalb CO2 erhöht mit konsekutiver Stimulation des Atemzentrums Spielt aufgrund einer Erhöhung des postoperativen Blutungsrisikos in der akuten Schmerztherapie keine Rolle mehr
5
73 Nichtopioidanalgetika
Wirkstoff
Handelsname
Dosis [mg]
Wirkdauer [h]
Tageshöchstdosis [mg]
Applikationsform
Zulassung/ Bemerkung
Diclofenac
Voltaren Supp.
0,5–1(– 2) mg/kgKG
8–12
200–250 (3 mg/kg/Tag)
Supp. (≥12,5 mg)
Voltaren dispers
50–100
p.o.
Alvoran
75
i.v.
Ab dem 1. Lebensjahr; analgetischer Effekt des Supp. erst nach 1 h
Nebenwirkungen Leberschäden, reversibler Transaminasenanstieg (in bis zu4% der Fälle), Blutung, Allergie, Nephrotoxizität Anmerkungen COX 2 präferenzielle Substanz (COX-2-Hemmung >COX-I-Hemmung); Intravenöses Diclofenac als Kontraindikationen (Neo-Dolpasse mit 75 mg Diclofenac plus Orphenadrin (= Myotonolytikum) 30 mg und Acetylcystein 250 mg auf 250 ml Infusionslösung; maximal 200 mg/Tag) Indometacin
Amuno
50–100
Confortid
50
Amuno
75 retard oder 25/50
Indopaed
1 mg/kgKG
8
150–200 (3,5 mg/kg/ Tag)
12–24
Supp.
Ab dem 2. Lebensjahr
i.v. (Confortid) p.o. Saft (IndoPaed)
Nebenwirkungen Gastrointestinale Nebenwirkungen in bis zu 8% der Fälle, ZNS-Störungen (Schwindel und Kopfschmerz), Leukopenie, Transaminasenanstieg, Phototoxizität, schwere Hautschäden Anmerkungen Gute schleimhautabschwellende Wirkung Ibuprofen
Aktren
500/600
IbuTAD
200/400/ 600/800 sowie 600 mg Granulat
Ibuprof
400 mg Lösung
4–6
2400 (maximal 40 mg/kg/Tag bei Kindern)
Supp.
Ab dem 6. Lebensjahr
Oral
s.c. (1-mal/ Tag)
Anmerkungen Geringste ulzerogene Potenz von allen NSAR (bei Dosen bis 1,2 g) Ketoprofen
Orudis, Ketoprofen von ct
100
6–8
200(–300)
Supp., 0ral (200 ret.), i.m.
(8)–12
1000
Supp., oral
Anmerkungen Zur intravenösen Gabe in Deutschland nicht zugelassen Naproxen
Proxen
250–500
Anmerkungen Einziges reines S-Enantiomer in der Gruppe der Arylproprionsäuren
Aufgrund von enterohepatischem Kreislauf extrem lange Halbwertszeit (12–15 h)
74
Kapitel 5 · Akute/postoperative Schmerztherapie
Wirkstoff
Handelsname
Dosis [mg]
Wirkdauer [h]
Tageshöchstdosis [mg]
Applikationsform
Zulassung/ Bemerkung
500–1000
6–8
4000
Supp., p.o.
Ab dem Neugeborenenalter und auch in der Schwangerschaft zugelassen
Nichtsaure antipyretische Analgetika Paracetamol
Ben-u-ron supp
Kontraindikationen Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel, Alkoholkrankheit, vorbestehender ausgeprägter Leberschaden/Leberzirrhose mit höherem Child-Pugh-Stadium, Unterernährung, CYP1A2-Polymorphismus, simultane Gabe von Barbituraten und andere CYP-Induktoren, bekannte Paracetamolallergie
5
Wirkmechanismus Hemmung der Cyclooxygenase-3, Aktivierung der absteigenden schmerzhemmenden Bahnen, spinale Wirkung über NMDA-Rezeptoren und Beeinflussung des NO-Metabolismus, keine Beeinflussung der Thrombozytenaggregation und der Nierenfunktion Anmerkungen Die analgetische Wirkung ist abhängig von zentralnervösen Wirkspiegel, der durch eine Paracetamolinfusion <15 min schnell erreicht wird Gegebenenfalls in Kombination mit 2,5–10 mg Codeinphosphat (in Talvosilen) Bei Alkoholmissbrauch: verstärkte Leberschädigung; Wirkungsverstärkung Cave Komedikation mit Enzyminduktoren (Rifampicin!) führt zu höheren toxischen Metabolitspiegeln Lebernekrose bei Überdosierung (ab 7 g/Tag bei Erwachsenen) Maximale Wirkung des Suppositoriums erst nach 2–3 h, oral bereits nach 30 min, deshalb frühe Gabe notwendig Paracetamol (seit 3/2002)
Perfalgan (500 mg, 1000 mg)
Erwachsene >50 kgKG: 1000 mg; Kinder ab 10 kgKG: 15 mg/kgKG
6
4000, maximal 60 mg/kgKG
i.v.
10 mg/ml Infusionslösung in 50 oder 100 ml; schnelle Infusion <15 min
Kontraindikationen Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel, schwere Leberfunktionsstörung, Allergie auf Paracetamol oder Propacetamolhydrochlorid Anmerkungen Wirkungseintritt nach 5–10 min Maximale Wirksamkeit nach 30–45 min Plasma-HWZ: 2,7 h Repetition maximal alle 4 h Guter analgetischer Effekt (Perfalgan 1 g entspricht 2,5 g Metamizol i.v. oder 10 mg Morphin i.m. oder 75 mg Diclofenac i.m.) Proparacetamol
Pro-Dafalgan
1000–2000 auf 100 ml NaCl 0,9% oder G5%
8000
i.v.
Für maximal 2 Tage postoperativ zugelassen
Nebenwirkungen Schmerzhafte Injektionsstelle, Emesis, Vomitus, Blutdruckabfall, Tachykardie Kontraindikationen Schwere Leber- und Niereninsuffizienz, hereditäre Hyperbilirubinämie, Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel; bekannte Überempfindlichkeit Wirkmechanismus Umwandlung des Prodrug Proparacetamol durch Plasmaesterasen in Paracetamol und Diethylglycin (1,0 g Propacetamol = 500 mg Paracetamol), hepatische Metabolisierung (60–80%) zu Glukuron- und Sulfonverbindungen; <5% Metabolisierung über CYP 450-System zum toxischen N-Acetyl-p-benzochinonimin; Infusion über 15 mi Anmerkung Reduktion der analgetischen Potenz bei Infusion >20 min
5
75 Nichtopioidanalgetika
Wirkstoff
Handelsname
Dosis [mg]
Wirkdauer [h]
Tageshöchstdosis [mg]
Applikationsform
Metamizol
Novalgin Novaminsulfon, Metalgin
1000–2500
4–6
5000–6000
i.v., p.o., Supp.
Zulassung/ Bemerkung
Kontraindikationen Akute hepatische Porphyrie, Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel, bekannte Pyrazolallergie, Blutbildstörungen und Nierenfunktionstörungen (relativ) Anmerkungen Gut spasmolytisch und antipyretisch Kein Wirkverlust bei Daueranwendung Als Tropfenform auch bei Dysphagie einsetzbar Vorwiegend renale Elimination, Rotfärbung des Urins durch den Metaboliten Rubazonsäure möglich Nebenwirkungen Kreislaufkollaps (Schocksymtomatik) bei schneller Injektion (<30 min), Allergie Agranulozytose (mit bis 20-fach höherem Risiko bei längerer Einnahme; ⊡ Tabelle 5.7); Therapie der Agranulozytose: G-CSF (Neupogen) 5 µg/kgKG s.c. (The International Agranulocytosis and Aplastic Anaemia Study 1986) Ketorolac
Toratex
30
4–6
120
i.v.
In Deutschland nicht mehr zugelassen
Anmerkungen Gute analgetische und antiphlogistische Wirkung In Deutschland seit 1993 nicht mehr zugelassen, in den USA (für 5 Tage) und einigen europäischen Ländern noch im Handel
⊡ Tabelle 5.7. Inzidenz der Agranulozytose in verschiedenen Ländern Land
Inzidenz der Agranulozytose pro 1. Mio. Patienten
Schweden
700
Argentinien
4
Deutschland und Spanien
1
Thailand
0,02
▬ Akuter Gichtanfall (Etoricoxib), Osteoarthritis (Lumiracoxib) ▬ Patientenalter <18 Jahre ! Valdecoxib (Bextra) wurde Anfang 2005 wegen lebensbedrohlichen Hautreaktionen freiwillig vom Markt zurückgenommen. Zuvor musste Rofecoxib ( Vioxx) wegen kardialer Nebenwirkungen ebenfalls vom Markt genommen werden.
Wirkungmechanismus
Selektive Cyclooxygenase-2-Hemmer (Coxibe) Indikationen
▬ Meist rheumatoide Arthritis und degenerative Arthrose bzw. Osteoarthritis ▬ Postoperative Schmerztherapie (Parecoxib, Lumiracoxib)
▬ Selektive, zeitabhängige Hemmung der Cyclooxygenase-2 (COX-2 : COX-1 = ≥100 : 1) Kontraindikationen und Anwendungsbeschränkungen (gemäß der Europäischen Arzneimittelagentur (EMEA, European Medicines Agency) und den Herstellerinformationen)
▬ Klinisch gesicherte koronare Herzkrankheit [höhere Myokardinfarktrate unter dem Coxib
76
Kapitel 5 · Akute/postoperative Schmerztherapie
Rofecoxib im Vergleich zu Naproxen bei Langzeitanwendung (VIGOR-Studie)]
5
▬ Stillzeit und letztes Trimenon der Schwangerschaft
▬ Klinisch gesicherte zerebrovaskuläre Erkrankung ▬ Herzinsuffizienz (NYHA-Stadium II–IV) ▬ Postoperative Schmerztherapie nach koronarer Bypassoperation (Parecoxib) ▬ Unkontrollierter Hypertonus (nur Etoricoxib) ▬ Erhebliche kardiovaskuläre Risikofaktoren (z. B. Hypertonus, Hyperlipidämie, Diabetes mellitus, Rauchen) ▬ Periphere arterielle Verschlusskrankheit ▬ Floride Ulcera oder gastrointestinale Blutungen, entzündliche Darmerkrankungen ▬ Allergische Reaktion auf NSAR oder andere Coxibe
Vorteile ▬ Keine Hemmung der gastralen Prostaglandinsynthese, keine Beeinflussung der Thrombozytenfunktion (rückenmarknahe Anästhesieverfahren könnten unter Therapie mit COX-2-Hemmern durchgeführt werden) ▬ Teilweise lange Wirkdauer (12–24 h) ▬ Gute analgetische Wirkung (40 mg Parecoxib i.v. entsprechen 2,5 g Metamizol i.v.) ▬ Einsparung von Opioiden bei prä-/intraoperativer kombinierter Gabe (20–36%)
Wirkstoff
Handelsname
Dosis [mg]
Wirkdauer [h]
Tageshöchstdosis [mg]
Parecoxib ab 4/2002 zugelassen
Dynastat
ED: 20–40, WD: 20, i.v.Bolus oder i.m.
6–12 (oralchirurgisch: 12–24 h)
80
Nebenwirkungen Übelkeit, Erbrechen, Juckreiz, Hyper- und Hypotonie, Nierenfunktionsstörungen nach Bypassoperation oder unter Kombination mit ACE-Hemmern und Diuretika, Rückenschmerzen, Hypästhesien, Agitation, Insomnie, Kreatininanstieg, Oligurie und periphere Ödeme, Anämie, Dyspepsie mit Flatulenz Wirkmechanismus Parecoxib wird als Prodrug verabreicht und schnell durch hepatische Hydrolyse in den aktiven Wirkstoff Valdecoxib und Proprionsäure umgewandelt (altersunabhängig, unabhängig von Leber- und Nierenfunktion) Metabolisierung zu 80% über das Cytochrom-P450-System (hauptsächlich CYP2D6, aber auch 3A4, 2C9) sowie über CYP450-unabhängige Glucuronidierung (ca. 20%) Entstehung eines aktiven, ebenfalls Cox-2-selektiven Metaboliten (SC-66905), der für 5–10% der klinischen Wirkung verantwortlich ist Anmerkungen Wirkbeginn bereits nach 7–13 min, Plasmaspitzenspiegel nach ca. 30 min (i.v.) und 60 min (i.m.). Dosisreduktion bei: Patienten >65 Jahre und einem Gewicht <50 kg KG, Komedikation mit Fluconazol, deutlich eingeschränkter Leberfunktion (Child-Pugh-Score >7–9) Pharmakodynamik oder -kinetik von Midazolam, Fentanyl und Alfentanil (beide CYP 3A4) sowie Propofol (CYP 2C9) wird durch Valdecoxib nicht beeinflusst! Etoricoxib
Arcoxia
1×60 p.o. (Arthrose), 1mal 90 p.o. (rheumatoide Arthritis), 1-mal120 p.o. (Gichtarthritis)
12–24
Indikation Aktivierte Arthrose, rheumatoide Arthritis und akute Gichtarthritis Kontraindikationen Schwere Leberinsuffizienz und Niereninsuffizienz (Kreatininclearance <30 ml/min)
60–90–120
5
77 Opioide
Celecoxib
Celebrex
2-mal 100–200 mg p.o.
6–8 h
400
Indikation Aktivierte Arthrose und rheumatoide Arthritis Kontraindikationen Sulfonamidallergie (Kreuzreaktion!), Lactuloseintoleranz Metabolisierung HWZ: 8–12 h; hepatische Metabolisierung: über das Cytochrom-P450-System (CYP2C9) Anmerkungen Dosisreduktion bei Alter >65 Jahren und mäßiger Leberinsuffizienz und leichter bis mäßiger Niereninsuffizienz Lumiracoxib
Prexibe
Anmerkungen Signifikant wenig Magen-Darm-Ulzera im Vergleich zu den NSAR Zulassung für die Indikationen: postoperative Schmerztherapie, Osteoarthritis und rheumatoide Arthritis in Großbritannien Rofecoxib
Vioxx, Vioxx Dolor
Nicht mehr auf dem Markt!
Valdecoxib
Bextra
Nicht mehr auf dem Markt!
Opioide Einsatz von Opioiden in der postoperativen Schmerztherapie ▬ Nach größeren abdominal- und thoraxchirurgischen Eingriffen ▬ Bei starken Schmerzen Wirkstoff
Handelsname
Potenz
Durchschnittsdosis [mg]
Applikationsform
Dosis [mg/ Wirkdauer kg] [h]
Tageshöchstdosis [mg]
Tramadol
Tramal
0,05–0,1
50–100 100 Supp. 20–40 Gtt.
i.v. Supp. Oral
0,5–2
2–4
400
Pethidin
Dolantin
0,1
50–100 100 25–50 Gtt.
i.v. Supp. Oral
0,5–1,5
2–4
600
Piritramid
Dipidolor
0,7–0,8
7,5–15
i.v., s.c.
0,1–0,3
5–6
–
Morphin
MSI
1
5–10
i.v., s.c., 0,02–0,1 Supp., Trpf.
3–5
–
Buprenorphin
Temgesic
30–50
0,15–0,3, 0,2/0,4
i.v., s.l.
0,02–0,06
6–8
1,2
L-Methadon
L-Polamidon
2–4
2,5–5-(15), (20 Trpf. =1 ml =5 mg)
i.v., oral (Trpf.)
0,1 i.v. bzw. 8–12–24 0,2 p.o.
Hydromorphon
Dilaudid
5–6,5
1–1,5–2
i.v., s.c.
4
–
Tilidin/Naloxon
Valoron-Trpf.
0,2
50–100 (=20– 40 Gtt.)
Trpf.
4–6
600
10 mg p.o. =5 mg i.v
! Pentazocin (Fortral) und Nalbuphin (Nubain) finden wegen hoher Nebenwirkungsraten in der akuten/postoperativen Schmerztherapie keine Verwendung mehr.
78
Kapitel 5 · Akute/postoperative Schmerztherapie
Koanalgetika in der akuten Schmerztherapie
Übelkeit und Erbrechen
Clonidin ▬ Catapresan – Dosierung
2–4 µg/kgKG i.v. über 10–15 min titriert
5
Therapie von Nebenwirkungen der akuten Schmerztherapie
– Nebenwirkungen Sedierung, Bradykardie und Hypotonie, paradoxer Effekt (Blutdruckanstieg bei zu schneller Injektion), Kombination mit Opioiden führt zur Reduktion der notwendigen Opioidgabe um 30–50% ▬ Butylscopolamin (Buscopan) – Dosierung 10 mg Supp. oder 20 mg i.v. – Wirkmechanismus Polarisierter Muskarinrezeptorantagonist bei Spasmen der glatten Muskulatur
⊡ Tabelle 5.8 zeigt die medikamentöse Behandlung von Übelkeit und Erbrechen.
Schmerztherapie bei opioidgewöhnten Patienten ▬ Postoperativ hoher Analgetikabedarf aufgrund von µ-Rezeptor-Downregulation und hepatischer Enzyminduktion mit schnellerer Elimination des Analgetikums ▬ Substitution des Grundbedarfs plus des operativ bedingten Analgetikabedarfs, evtl. PCA mit Basisinfusion (Vermeidung von Entzugssymptomen)
⊡ Tabelle 5.8. Medikamentöse Behandlung von Übelkeit und Erbrechen Substanzklasse
Generic name
Handelsname
Dosis [mg]
Applikationsform
Intervall
Dopaminantagonist
Metoclopramid
MCP, Paspertin
30 Gtt. (=10 mg); 20 mg Supp.; 10 mg i.v.
Oral (Trpf./Saft); Supp.; Amp.
6–8 h
Neuroleptika
Droperidol
Dehydrobenzperidol
1,25–2,5
i.v.
8–12 h
Haloperidol
Haldol Janssen
0,5–1,5
i.v.; p.o.
8–12 h
Triflupromazin
Psyquil
5–10
i.v.
6–8 h
Dolasetron
Anemet
12,5/50
i.v.; p.o.
Ondansetron
Zofran
4–8
i.v.; p.o.
8–12 h
Dimenhydrinat
Vomex
50
p.o.
8h
62
i.v.
40/70/150
Supp.
Serotoninantagonisten Antihistaminika
Cyclizin
Valoid
50
i.v.
Kortison
Dexamethason
Fortecortin
4–8 mg
i.v.
Anticholinergika
Scopolamin
Scopoderm TTS
1,5 mg
Pflaster
8h
Etwa 3 Tage
79 Schmerztherapie bei Kindern
▬ Perioperative Fortsetzung der Substitutionsmedikation [1000 mg Heroin i.v. entsprechen ca. 70 mg Methadon p.o. oder 35 mg Levomethadon (L-Polamidon) p.o. (10 mg L-Polamidon =40 Gtt. p.o. =5 mg i.v.) ▬ Verzicht auf partielle Agonisten oder Agonisten/Antagonisten (z. B. Buprenorphin/Nalbuphin) ▬ Bevorzugung von regionalanalgetischen Verfahren ▬ Bei Unruhezuständen: evtl. Gabe von Clonidin (2–4 µg/kgKG i.v.) ! Cave: Unerkannte Polytoxikomanie und Gefahr des Missbrauchs bei PCA-Methoden.
Schmerztherapie bei ehemals Drogenabhängigen ▬ Entzugssymptome bis 6 Monate nach Entzug möglich ▬ Bevorzugung von Nichtopioidanalgetika und Regional(analgesie)verfahren zur postoperativen Schmerztherapie ▬ Intraoperativ: Gabe von Opioiden mit langer Wirkdauer ▬ Vermeidung von kurzwirksamen Opioiden mit schnellem Wirkbeginn ▬ Kein PCIA-Verfahren, keine Bolusinjektionen (»Kick«) ▬ Eventuell Gabe von partiellen Opioidagonisten (geringeres Abhängigkeitspotenzial) ▬ Bevorzugung von Retardpräparaten oder kontinuierliche, schmerzadaptierte Opioidapplikation ▬ Präoperative Aufklärung und Dokumentation über schmerztherapeutisches Vorgehen und Einwilligung aus forensischen Gründen
Schmerztherapie bei Kindern ▬ Ungeborene Kinder ab der 24. Schwangerschaftswoche können Schmerzen verspüren, aufgrund der neuronalen Unreife u. U. sogar in höherer Intensität
5
▬ Wenn notwendig, sollten bei Kindern auch starkwirksame Analgetika eingesetzt werden. Kinder sind bei gleichen Eingriffen im Vergleich zu Erwachsenen unterversorgt (Schlechter et al. 1989) ▬ Eine kindgerechte Applikationsweise ist anzuwenden (keine intramuskulären Injektionen, Bevorzugung von Suppositorien) ▬ Ergänzung der Schmerztherapie durch periphere Blockaden (Herniotomien, Phimosen etc.) ▬ Anlage der Blockade wenn möglich intraoperativ ▬ Messung der Schmerzintensität – ab 5 Jahren mit Smiley-Skalen – unter 5 Jahren durch Fremdbeurteilung (physiologische Parameter, Verhalten oder KUSS (objektiver Schmerzscore nach Broadmann 1988; ⊡ Tabelle 5.9) – ältere Kinder nach VAS, NRS oder VRS
Medikamente zur pädiatrischen Schmerztherapie Nach einer Umfrage von Frau Bremerich 2001 kommen in Deutschland bei Kindern die in der Übersicht genannten Substanzen im Rahmen der postoperativen Schmerztherapie zum Einsatz.
Medikamente zur Schmerztherapie bei Kindern ▬ Nichtopioide – 93% Paracetamol rectal – 52% Metamizol – 27% Diclofenac – 3% ASS – 7% Ibuprofen ▬ Opioide – 82% Piritramid – 23% Pethidin – 4% Pentazocin – 29% Tramadol – 5% Morphin – 8% Fentanyl – 1,5% Buprenorphin
80
Kapitel 5 · Akute/postoperative Schmerztherapie
Alterabhängige Zulassung
Dosierung [mg/kgKG]
Applikationsform
Dosisintervall [h]
Supp.: Einzeldosis: 35–45; Wiederholungsdosis: 10–20
i.v., Supp. (6- 6–8 stündlich)
Oral: 10–20; Wiederholungsdosis 15
Oral
Tageshöchstdosis [mg/kgKG]
Pädiatrische Schmerztherapie Paracetamol (Ben-u-ron)
Ab dem Neugeborenenalter in allen Darreichungsformen
5
Frühgeborene <32 Gestationswochen: 35 (für maximal 48 h); Frühgeborene <36 Gestationswochen: 60 (für maximal 48 h); Neugeborene: 60 (für maximal 48 h); Kleinkinder 90 (für maximal 72 h)a
Kontraindikationen Leber- und Niereninsuffizienz Anmerkungen Paracetamol oral in einer Dosis von 40 mg/kg KG ist nach Studienlage effektiv bei AT/TE und PC Diclofenac (Voltaren)
Oral: >6 Jahre; rektal: >15 Jahre; i.m.: >18 Jahre; i.v.: nein
0,5–1
i.v., Supp., oral
8–12
2,5
i.v.; s.c.
4–6
60–80
i.v., s.c.; Supp.; Trpf.
(6–)8
20 (6–12 Jahre); 40 (>12 Jahre)
2–3; Wiederholungsdosis: 1–2
i.v., s.l.
6–8
6–9
Kontraindikationen Allergisches Asthma, Gastritis, Gerinnungsstörungen Anmerkungen Potentestes NSAR, keine Beeinflussung der Blutgerinnung Metamizol (Novalgin)
Oral: ab 3 Monate; rektal: >4 Jahre, i.v.: >1 Jahre
10–15; über 15 min Kurzinfusion oder 2,5–3 mg/ kgKG/h als Perfusor; 0,5 Gtt./kgKG p.o.
Kontraindikationen Allergisches Asthma, Porphyrie, Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenasemangel, Atopie Anmerkungen Anschlagzeit: i.v. 30 min, rektal 60 min, oral 30–60 min; Wirkdauer: 4–6 h Ibuprofen (Nuro- Oral: >6 Monate; fen, Dolormin 2% rektal: >6 Jahre; i.m.: ab 6. Monat oder >18 Jahre; i.v.: nein Dolormin 4% ab 3. Lebensjahr)
3–10
Kontraindikationen Allergisches Asthma, Gastritis Anmerkungen Kein erhöhtes Bronchospasmusrisiko bei Astmakindern Ketoprofen (Orudis) Indometacin (Indo-paed)
Ab 2 Jahre
1
i.v., oral (Trpf.)
8
3
Naproxen (Proxen)
Ab 1 Jahr
5–10
i.v., s.c., Trpf.
12
30
Anmerkungen: a Neugeborene besitzen noch keine mischfunktionellen Oxidasen und können daher den
toxischen Metaboliten N-Acety-p-benzochinonimin nicht aufbauen.
81 Schmerztherapie bei Kindern
⊡ Tabelle 5.9. Kindliche Unbehagens- und Schmerzskala (KUSS) nach Büttner et al. (1998) – postoperativer Schmerz bei nicht beamteten Kindern. (Mod. nach Zernikow 2003) Klinische Beobachtung
Bewertung
Punkte
Weinen
Nicht
0
Stöhnen, Jammern, Wimmern
1
Schreien
2
Entspannt, lächelt
0
Mund verzerrt
1
Mund und Augen grimassieren
2
Neutral
0
Unstet
1
Aufbäumen, Krümmen
2
Gesichtsausdruck
Rumpfhaltung
Beinhaltung
Motorische Unruhe
Neutral
0
Strampeln, Treten
1
An den Körper gezogen
2
Nicht vorhanden
0
Mäßig
1
Ruhelos
2
Summe Anmerkungen 1. 15 s Beobachtungsdauer, Verlauf ist entscheidender als Einzelbeobachtung 2. Ab 4 Punkten besteht manifester Analgetikabedarf 3. Vigilanz! Ein schlafendes Kind hat keinen akuten Analgetikabedarf 4. Nach einer Umfrage von Frau Stamer (2005) verwenden nur 4% der befragten Krankenhäuser den KUSS-Score
! Cave: Die Verordnung »Paracetamol bei Bedarf« ohne Dosislimit ist ein Kunstfehler!
Anmerkung: Kinder haben eine geringere Glukoro-
nidierungskapazität als Erwachsene. ! Cave:
▬ NSAR nach Tonsillektomie (erhöhte Blutungsgefahr),
▬ Kein ASS wegen Gefahr des Reye-Syndroms; ▬ Cyclooxygenase-2-Hemmer sind im Kindesalter gegenwärtig nicht zugelassen.
5
82
Kapitel 5 · Akute/postoperative Schmerztherapie
Opioide bei Kindern
5
Bolusgröße [mg/kgKG]
Basisrate [mg/kg/h]
Applikationsform
Tageshöchstdosis [mg/kgKG]
Dipidolor >6 Monate
0,05–0,1; PCA-Boli: 0,03 (maximal 2 mg Gesamtbolus)
Möglichst keine; ausnahmsweise: 0,01–0,03
i.v.
Keine
Morphin
0,05–0,1; PCA-Boli: 0,025 (maximal 2 mg Gesamtbolus)
0,01–0,03 Gesamtbolus
i.v.; Supp.; oral (0,2–0,25 mg/ kgKG), oral ret.: 0,5 mg/kgKG
Keine
Nalbuphin
0,1–0,2
0,04–0,1
i.v.
Tramadola
0,5–1,0 als Kurzfinfusionen über 15–20 min; PCA-Boli: 0,5 mg/kgKG (maximal 25 mg Gesamtbolus
0,25
i.v.; oral ret.: 0,5–2 mg/kgKG; rektal: 0,5–1,5 mg/kgKG
a
Bei kontinuierlicher Gabe keine erhöhte Rate an Übelkeit oder Erbrechen. Bei Übelkeit Gabe von Dimenhydrinat (Vomex Supp.) als Mittel der 1. Wahl. PCA bei Kindern ab dem Gameboy-fähigen Alter von ca. 5 Jahren möglich.
Anmerkungen:
i.v. 6; oral/rektal 6–8
Lokalanästhetika. Die empfohlenen Höchstdosen von Lokalanästhetika im Kindesalter zeigt ⊡ Tabelle 5.10, Beispiele für den Einsatz von Lokalanästhetika im Kindesalter sind in ⊡ Tabelle 5.11 dargestellt. ! Cave: Prilocain nicht beim Neugeborenen anwenden (Methämoglobinbildung).
Vorteile des gemischten Agonisten/ Antagonisten Nalbuphin (Nubain)
Lokal- und Regionalanalgesie im Kindesalter
▬ Große therapeutische Breite ▬ Unterliegt nicht der Betäubungsmittelveror dnung(BtMVO) ▬ Sedation (oft erwünscht) ▬ Atemdepression geringer als bei anderen Opioiden
Die medikamentöse Schmerztherapie kann in der postoperativen Phase gerade bei Kindern durch zahlreiche lokal- und regionalanalgetische Maßnahmen in sinnvoller Weise ergänzt werden. Die thorakale Periduralanästhesie hat bei ausgedehnten Ober- und Mittelbaucheingriffen in der frühen postoperativen Phase evidente Vorteile.
Nachteile des gemischten Agonisten/ Antagonisten Nalbuphin (Nubain) ▬ Ungenügende Wirksamkeit bei starken Schmerzen ▬ Nausea und Emesis ▬ Sedation
Vorteile der Regionalanalgesie ▬ Ruhige Aufwachphase infolge Schmerzfreiheit ▬ Verbesserte Wundheilung ▬ Geringe Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Sedierung, Atemdepression
Lokalanästhetika im Kindesalter Bupivacain ist das Mittel der Wahl aufgrund langer Wirkdauer. Vorsicht bei Neugeborenen <3 Monaten aufgrund einer geringeren Proteinbindung als beim Erwachsenen mit der Gefahr der Lokalanästhetikaintoxikation. Bei Säuglingen >3 Monaten großes Verteilungsvolumen und längere Halbwertszeit der
Lokalanalgesie
Die medikamentöse postoperative Schmerztherapie kann sinnvollerweise durch z. T. bereits präund intraoperativ ausgeführte lokalanlagetische Maßnahmen unterstützt werden:
83 Schmerztherapie bei Kindern
5
⊡ Tabelle 5.10. Empfohlene Höchstdosen von Lokalanästhetika im Kindesalter Medikament
Maximaldosis nach Arthur [mg/kgKG]
Grenzdosis nach Niesel et al. [mg/kgKG] Subkutanes Gewebe
Stark durchblutetes Gewebe
2
2
1
7
6/7a
3
Mepivacain (Scandicain)
7
6/7a
3
Prilocain (Xylonest)
8
8,5
4,5
Ropivacain (Naropin)
3b
Bupivacain (Carbostesin) Lidocain (Xylocain)
a
Mit Adrenalinbeimischung 1 : 200.000. b Nach Morton (2000).
⊡ Tabelle 5.11. Beispiele für den Einsatz von Lokalanästhetika im Kindesalter Eingriff
Peripheres Analgetikum
Opioid
Regionalanästhesie
Leistenhernie, Orchidopexie
NSAR
–
Kaudalanästhesie oder Wundinfiltration oder Ilioinguinalblockade
Ligatur der V. spermatica
NSAR
–
Wundinfiltration
Appendektomie
Paracetamol
Opioid
Wundinfiltration
Nabelhernie
NSAR
–
Wundinfiltration
Zirkumzision
NSAR
–
Peniswurzelblock
Hypospadie
NSAR
2. Tag Opioide
Kaudalanästhesie
Eingriffe an Blase und Ureter
Paracetamol
Opioide
Kaudalanästhesie
Pyloromyotomie
Paracetamol
ggf. Opioide
Weichteilinfiltration
Adenotomie
Paracetamol
–
–
Tonsillektomie
Paracetamol
Opioide als Bolus
–
1. Wundinfiltation z. B. bei Kindern mit 0,2–0,4 ml/kgKG Bupivacain 0,25–0,5% (ca. 1 mg/kgKG) durch den Operateur – einfach durchzuführen, zusätzlich bakteriozider Effekt des Lokalanästhetikums Bupivacain 2. Intraartikuläre Instillation von 10–20 ml Ropivacain (Naropin) 0,2%, z. B. nach Arthroskopie 3. Oberflächenanalgesie z. B. durch lokale Applikation von LA wie Lidocain-Gel 2% bei Phimosenoperation alle 5 h oder EMLA-Salbe bei der Entnahme von Spalthaut
Anmerkung: Gerade zur postoperativen Schmerztherapie bei Kindern nach urologischen, anorektalen und orthopädischen Eingriffen ist die Kombination von systemischer Analgesie und Lokal- oder Regionalverfahren sehr effektiv. Regionalanalgesie
Neben der Lokalanalgesie kommen in der postoperativen Schmerztherapie auch routinemäßig regionalanalgetische Verfahren zum Einsatz. Mögliche regionalanalgetischeVerfahren
▬ Peniswurzelblock und Kaudalblockade bei Kindern
84
Kapitel 5 · Akute/postoperative Schmerztherapie
▬ Blockaden des Plexus brachialis oder lumbalis als 3-in-1-Block oder Psoaskompartmentblock ▬ Ilioinguinalblockaden bei Herniotomien ▬ Anlage eines interpleuralen Katheters bei Thorakotomie ▬ Interkostalblockaden bei Rippenschmerzen ▬ Kontinuierliche Periduralanalgesie mit lumbalem oder thorakalem Zugang
5
! Die Regionalverfahren (Epiduralanalgesie oder Plexusanästhesien) sind insbesondere bei Extremitätenamputationen von Vorteil: bis zu 50% weniger Phantomschmerzen (Bach 1988, Strumpf 1991). ⊡ Abb. 5.6. Anatomie der Peniswurzel
Spezielle regionalanalgetische Verfahren im Detail Peniswurzelblock Indikationen
▬ Phimosen- und Hypospadieoperatioen Dosisierung
▬ 0,2 ml/kg Bupivacain 0,5–0,75% (ca. 1 mg/kgKG) ohne Adrenalin je paramediane Seite in den subpubischen Raum: – 6–12 Monate: 2-mal 1 ml, – 3–5 Jahre: maximal 2-mal 3 ml, – 6–12 Jahre: maximal 2-mal 4 ml – Neugeborene: 0,8–1,0 ml Lidocain 1% ▬ Wirkdauer 12(–24) h Durchführung
▬ Punktionsort: Direkt an der Penisumschlagfalte in der Medianlinie ▬ Stichrichtung: Senkrecht zur Körperoberfläche, jeweils 30° nach links bzw. rechts Anmerkung: Wichtig ist die subfasziale Injektion,
d. h. es darf keine Hautquaddel sichtbar werden (⊡ Abb. 5.6). Komplikationen
▬ Hämatome ▬ Urethralverletzungen
Kaudalblockade Indikationen
▬ Eingriffe unterhalb des Nabels (
▬ Zur Supplementierung einer Allgemeinanästhesie: – Bupivacain 0,125%–0,175–0,25% oder Ropivacain 0,2% – Je nach Anästhesieausbreitung: Bis L1: 0,8 ml/kgKG Bis Th10: 1 ml/kgKG (z. B. für Leistenhernienoperation) Bis Th4–6: 1,2 ml/kgKG ▬ Injektionsgeschwindigkeit: 1 ml LA-Lösung/s »single shot« oder Kathetertechnik ▬ Anmerkung: Durch Zugabe von Clonidin 2 µg/ ml bzw. Adrenalin 2,5–5 µg/ml LA kann die Anästhesiedauer verlängert werden (Clonidin ist nicht für die peridurale Applikation zugelassen). ▬ Wirkdauer Dosis- und altersabhängig (je jünger das Kind, umso kürzer die Wirkung; bei Neugeborenen maximal 2 h)
85 Schmerztherapie bei Kindern
5
Durchführung
Dosierung
▬ Steriles Lochtuch, sterile Handschuhe und ausgiebige Hautdesinfektion ▬ Stumpfe Kaudalnadel (22–20 G) ▬ Punktion des Periduralraums über den Hiatus sacralis nach Passage des Lig. sacrococcygeum (Klick-Phänomen; ⊡ Abb. 5.7) ▬ Anmerkung: Aufgrund des lockeren Gewebes im Periduralraum kann von einer guten Ausbreitung bis zu thorakalen Segmenten ausgegangen werden.
▬ 20–30 ml Bupivacain 0,25–0,5% oder 1,5 ml/ kgKG Bupivacain in den Pleuraspalt nach intraoperativer Katheteranalge oder »blinder« postoperativer Punktion des Pleuraraums und Einlage eines Katheters ▬ Wirkdauer: 4–6 h
Intrapleurale Katheter Indikationen
▬ Thoraxeingriffe bzw. Thorakotomien, unilaterale Rippenfrakturen
Interkostalblockade Indikationen
▬ Thoraxdrainagenschmerz ▬ Blockade über mehrere Dermatome ober- und unterhalb des Hauptschmerzes Dosierung
▬ 2–3 ml Bupivacain 0,25% (pro Interkkostalnerv) im Bereich des Angulus costae oder der Axillarlinie um die Interkostalnerven herum Wirkdauer
▬ 8–12 h Durchführung
▬ Punktionsort: Angulus costae oder hintere/mittlere Axillarlinie ▬ Blockade über mehrere Dermatome ober- und unterhalb des Hauptschmerzes (⊡ Abb. 5.8) Nervus-ilioinguinalis- und -iliohypogastricusBlockade Indikationen ⊡ Abb. 5.7. Zugang der Kaudalanästhesie. 1 Spina iliaca post sup, 2 Os sacrum, 3 Cornua sacralia, 4 Hiatus sacralis, 5 Os coccygeum, 6 Sacrococcygealgelenk, 7 Crista sacralia
⊡ Abb. 5.8. Anatomie der Interkostalregion
▬ Postoperativer oder posttraumatischer segmentaler Leistenschmerz, z. B. nach Herniotomien oder Orchidolysen
86
Kapitel 5 · Akute/postoperative Schmerztherapie
Dosierung
Kontraindikationen
▬ 0,1–0,5 ml/kgKG Bupivacain 0,25–0,5% isobar ▬ Cave: Rasche Resorption des LA aus der Abdominalwand, ggf. nur einseitige Blockade unter Beachtung einer Höchstdosis von 2 mg/kgKG. ▬ Wirkdauer: 4–6 h
▬ Gerinnungsstörungen, gerinnungshemmende Medikamente, lokale Infektionen, Ablehnung durch Patienten, Kyphoskoliose(relative Kontraindikation)
Durchführung
5
▬ Infiltration des LA mittels 22- bis 24-G-Nadel medial (0,5–2 cm) und etwas kranial von der Spinailiaca anterior superior ▬ 2/3 des Volumens subfaszial unter die Externusaponeurose und 1/3 subkutan (⊡ Abb. 5.9). Anmerkung: Gerade bei Herniotomien im Kindesalter kann der Ilioinguinalisblock zu einer ersten schmerzfreien postoperativen Phase führen. Komplikationen
▬ Vorübergehende Lähmung des N. femoralis ▬ Kolonperforation Kontinuierliche Epiduralanalgesie Indikationen
▬ Thorakale und/oder abdominalchirurgische Eingriffe (z. B. Ösophagusresektion) ▬ Frühe postoperative Bewegungstherapie (z. B. Motorschienenmobilisation nach Knieoperation)
Vorteile einer postoperativen PDA gegenüber ITN ▬ Exzellente Analgesiequalität (auch im Vergleich zur intravenösen PCA-Technik) sowohl in Ruhe als auch bei Bewegung oder Husten ▬ Frühe Mobilisierbarkeit und bessere Gelenkbeweglichkeit ▬ Wenig Nebenwirkungen: Übelkeit, Vigilanzdämpfung, Atemdepression ▬ Peristaltikanregender Effekt durch Sympathikolyse ▬ Geringere Einschränkung der Lungenfunktion und Reduktion pulmonaler Komplikationen ▬ Verbesserte Koronarperfusion, deshalb weniger Myokardischämien bei kardialen Risikopatienten ▬ Geringere Thrombose- und Reokklusionsraten nach gefäßchirurgischen Eingriffen ▬ Stressantwort und Sauerstoffverbrauch reduziert ▬ Geringere Inzidenz an Phantomschmerzen ▬ Reduktion von Chronifizierungsprozessen oder Komplikationen wie z. B. komplexes regionales Schmerzsyndrom ▬ Verkürzte Krankenhausaufenthaltsdauer
Nachteile einer postoperativen PDA
⊡ Abb. 5.9. Leitstrukturen des Ilioinguinal- und Iliohypogastricusblocks
▬ Aufwändige postoperative Betreuung infolge notwendiger Überwachungsmaßnahmen (s. unten) ▬ Eventuell Beeinträchtigung der Motorik und Sensibilität durch zu hohe LA-Konzentrationen ▬ Miktionsstörungen (Cave: Blasen- und Mastdarmstörungen, Inkontinenz!) ▬ Eventuell Verschleierung von postoperativen Komplikationen ▬ Herz-Kreislauf-Probleme (Hypotonie, Bradykardie ▼
5
87 Schmerztherapie bei Kindern
▬ Drucknekrosen ▬ Gefahr von Katheterinfektionen (Diagnostik s. unten), ▬ Allergischen Reaktionen ▬ Katheterverwechslungen (akzidentelle epidurale Applikation von systemisch zu applizierenden Medikamenten)
Einstellung der PCEA-Pumpe bei Kindern: ▬ Kontinuierliche Infusionsrate: bis maximal 0,4 mg/kgKG/h ▬ Bolusgabe: 0,5 mg/kgKG bei sakraler und 1 mg/kgKG bei lumbaler Kathederlage Anmerkung: Bei Säuglingen ist eine Dosisreduktion um 50% erforderlich.
Anmerkung: Eindeutige Kennzeichnung, ggf. Beschriftung, der Zuspritzstutzen (grünes Pflaster oder gelbe Drei-Wege-Hähne). ⊡ Tabelle 5.12. Erwünschte Anästhesieausbreitung und bevorzugte Punktionshöhe zur perioperativen epiduralen Analgesie
Aufgaben der mehrmals täglich duchgeführten PDK-Visite ▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬
Überprüfung der Einstichstelle Kontrolle der Vigilanz Kontrolle der Kreislaufparameter Kontrolle der Atemfrequenz Kontrolle von Motorik und Sensibilität Fragen nach: – Rücken-/Kopfschmerzen – Lähmungen oder Schmerzen in den Beinen – Neu aufgetretenen Blasen- und Mastdarmstörungen bzw. Inkontinenz – Fieber (CRP/Leukozyten)
Die erwünschte Anästhesieausbreitung und die bevorzugte Punktionshöhe zur perioperativen epiduralen Analgesie zeigt ⊡ Tabelle 5.12.
Region/Indikation
Anästhesieausbreitung
Punktionshöhe
Thorakotomien
Th2–8
Th6–7
Thorakoabdominal
Th4–12
Th7–9
Oberbauch
Th6–12
Th8–10
Unterbauch
Th8–12
Th10–12
Abdominale Aorta
Th8-L2
Th10–12
Untere Extremität
Th12-S1
L3/4
Für den besten Analgesieeffekt bei geringster Lokalanästhetika-/Opioidmenge muss die PDK-Spitze im Zentrum der nozizeptiven Afferenz liegen!
Verwendete Lokalanästhetika für PCEA (Konzentration für postoperative Schmerztherapie) Substanz
Konzentration [%]
Infusionsrate [ml/h]
Bolus [ml]
Sperrzeit [min]
Bupivacain
0,125–0,25
4–6
Thorakal: 2–4; lumbal: 3–6
30
Ropivacain
0,2–0,3
4–6
Thorakal: 4–8; lumbal: 6–14
30
Anmerkungen Eventuell plus 0,75–1 µg/ml Sufentanil oder 2 µg/ml Fentanyl (Cave: Fentanyl ist zur rückanmarknahen Anwendung nicht zugelassen!) In der hier angegebenen Opioiddosierung ist intensive Überwachung notwendig; das Überwachungsausmaß ist abhängig von der Opioidkompetenz des Patienten (z. B. Tumorpatienten)
88
Kapitel 5 · Akute/postoperative Schmerztherapie
Nicht medikamentöse postoperative Schmerztherapie
5
▬ Lokale Kälteapplikation (etabliert) ▬ Kryoanalgesie bei Thorakotomie und Herniotomien: Induktion von reversiblen Nervenschäden durch 2-malige –intraoperativ oder postoperativ – transkutane Applikation einer Kältenoxe (N2O und CO2) Schmerzreduktion für 2–3 Wochen Verfahren nicht etabliert ▬ Gegenirritationsverfahren (TENS, Akupunktur)
Kosten der postoperativen Schmerztherapie Die direkten und indirekten Kosten der postoperativen Schmerztherapie auf der Grundlage eines multimodalen Konzeptes und unter Betreuung eines akuten Schmerzdienstes belaufen sich nach Jage et al. (2002) je nach Ausstattung der Kllinik auf 75–240 € pro Patient.
6 Stimulationsverfahren
Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS)
Besondere Vorsicht ist bei Kindern und vigilanzgestörten Patienten geboten! Anmerkung: Elektroden nicht in entzündeten Arealen oder über Wunden platzieren.
Indikationen
▬ ▬ ▬ ▬
Stumpf- und Phantomschmerz Lumbalgie/Lumboischialgie HWS-Syndrom, Schulter-Arm-Syndrom Kopfschmerz vom Spannungstyp, Gesichtsschmerz ▬ Postzosterneuralgie ▬ CRPS ▬ Schmerzen nach peripheren Nervenläsionen
Nebenwirkungen
▬ Verätzungen Anmerkung: Gefahr kann vermieden werden, indem mit bidirektionalen Wechselströmen gearbeitet wird; kein effektiver Ionentransport, d. h. keine Elektrolyse; Unterscheidung zwischen Anode und Kathode nicht mehr sinnvoll ▬ Verbrennungen
Wirkmechanismus
1. Stimulation von kutanen Aβ-Fasern peripherer Nerven (afferent, myelinisiert, schnell leitend) mit hochfrequenten Strömen (ca. 100 Hz). Aktivierung inhibitorischer Mechanismen im Hinterhorn des Rückenmarks. So segmentale Unterdrückung bzw. Verringerung der über Aδ- und C-Fasern einlaufenden Schmerzimpulse auf Rückenmarksebene. 2. Stimulation lumbaler Afferenzen mit niederfrequenten Strömen (2–3–10 Hz). Freisetzung von Endorphinen. Anmerkung: Dieser Effekt kann durch Naloxon-
gabe aufgehoben werden. Kontraindikation
▬ Absolute Kontraindikationen: Demandschrittmacher, Stimulation über Karotissinus ▬ Relative Kontraindikationen: Gravidität, Allergien, Stimulation über großen Metallplatten (Wärmeentwicklung!)
Technik
▬ Reizparameter: Frequenz [Hz], Amplitude [mA], Impulsdauer [ms] machen unterschiedliche Stimulationsmuster möglich, z. B. kontinuierlich, intermittierend in Impulsgruppen, so genannte Burststimulation, amplitudenmoduliert, frequenzmoduliert ▬ Einkanalig mit einem Elektrodenpaar oder mehrkanalig mit mehreren Elektrodenpaaren; die Stromdichte ist von der Elektrodengröße abhängig (s. Nebenwirkungen) ▬ Reizort: im Schmerzareal, über den das Schmerzareal versorgenden Nervenstämmen, evtl. symmetrisch kontralateral zum Schmerzareal ▬ Individuelle Einstellung des TENS-Gerätes erforderlich: Es dürfen keine Schmerzen auftreten. Ziel: erträgliches Kribbeln ohne muskuläre Reizantwort ▬ Viele verschiedene Geräte im Handel erhältlich; Hersteller z. B. Firma KomMed, Schwamedico
90
Kapitel 6 · Stimulationsverfahren
Akupunktur Indikationen
▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬
Kopfschmerzen Dysmenorrhö Geburtsschmerz Myofasziales Schmerzsyndrom Lumbalgie Erbrechen
Wirkmechanismus
6
Der Wirkmechanismus ist noch nicht geklärt; wird auch heute noch gern im Bereich der asiatischen Mystik gesucht (Ergebnis einer holistischen Betrachtungsweise von Kranksein).
Nebenwirkungen
▬ ▬ ▬ ▬
Vorübergehende Symptomverschlimmerung Infektionen Muskelkaterähnliche Schmerzen Orthostase, Kollapsneigung
Intrakutane Reiztherapie (Quaddelung) Die intrakutane Applikation einer Quaddel ist ein reizadditives Verfahren. Indikation
▬ Muskuloskelettale Störungen Vorgehensweise/Wirkmechanismus
Einteilung
▬ ▬ ▬ ▬
Körperakupunktur (Nahpunkte, Fernpunkte) Ohrakupunktur Hand-/Fußakupunktur Punktauswahl: – Ahshi-Punkte bzw. Locus-dolendus-Punkte: Punkte des maximalen Schmerzes – Nahpunkte: Lokale Punkte, z. B. über Gelenkbereichen, bzw. Akupunkturpunkte im gleichen Segment – Fernpunkte: Orientieren sich an den Meridianen, z. B. Mu-Punkte auf ventralem Rumpf (akute Erkrankungen mit starken, evtl. kolikartigen Schmerzen der Hohlorgane) oder Paravertebrale Shu-Punkte (Ausbreitungsgebiet des R. dorsalis des Spinalnervs mit hohem Anteil vegetativer Fasern) – Kontralaterale Fernpunkte: – Allgemein wirksame Punkte, z. B. BaHui/ DuMei 20 an der Kalotte (Kopfschmerzen) Anmerkung: Bei Migräne (vorwiegend Gallenblasenpunkte), bei Schmerzen im Bewegungsapparat (z. B. Dickdarm 4, Leber 3, Magen 44)
Kontraindikation
▬ Relative Kontraindikationen: Gerinnungsstörungen, Schwangerschaft (Auslösen vorzeitiger Wehen), Hypotonie
▬ Streng intrakutane Applikation eines wässrigen Mediums oder Luft in einer Menge von 0,1–0,2 ml ▬ Quaddel von ca. 1 cm Durchmesser ▬ Zum Zeitpunkt der Injektion mechanische, z. T. chemische, Reizung der entsprechend der Fläche vorhandenen Nozizeptoren (5000–8000 Rezeptoren) ▬ Heftiger, brennender Schmerz (Gegenirritationsverfahren), der auf der Hautoberfläche wahrgenommen wird (relativ schnellere Afferenz über Aδ-Fasern) ▬ Sofortige muskuläre Reizantwort in Form von Anspannen der regionalen oder segmentalen Muskulatur ▬ Nach Sistieren des Quaddelschmerzes erfogt eine muskuläre Relaxation, nach kurzer Zeit eine lokale Hyperämie als Ausdruck der reflektorischen Sympathikolyse ▬ Nachlassen/Sistieren der klinischen Symptomatik (Gate-control-Theorie: irritierte Strukturen können nicht mehr oder nur reduziert via C-Fasern/Rückenmarkhinterhörner leiten) ! Cave: Die Subkutis ist rezeptorarm, sie kann den umgehenden Schmerz als Ausdruck einer reflextherapeutischen Wirkung nicht produzieren. Das zeitliche Auftreten des Schmerzes gibt den entscheidenden Hinweis auf das technische Gelingen des Verfahrens, die intrakutane Applikation.
91 Intrakutane Reiztherapie (Quaddelung)
▬ Injektion mit – Luft – NaCl 0,9% – Lokalanästhetikum (z. B. Lidocain, Procain) oder – Plenosol (Mistelextrakte) ▬ Quaddelanzahl: abhängig von den Reaktionen des Patienten auf dieses Verfahren ▬ Quaddellokalisation: – Paravertebral: Wirbelsäulenproblematik – Periartikulär: Gelenkerkrankungen – Segmental: viszerovertebrale Syndrome, Akupunkturpunkte Sekundäreffekte
▬ Quaddel mit Luft: Auflockerung und Reizung des kutanen Bindegewebes bei relativ mildem Quaddelreiz. ▬ Quaddel mit NaCl 0,9%: Intensive initiale Irritation der kutanen Rezeptoren, dadurch kräftigere sympathische Entspannung. Unspezifische segmentale Reiztherapie. ▬ Quaddel mit Lidocain: Dem Kochsalz vergleichbare Anfangseffekte, schmerzfreies Areal jedoch um ein Vielfaches größer als Quaddelareal; zusätzlich ausgeprägtes Wärmegefühl. ▬ Quaddel mit Procain: Bereits am Injektionsort rasche Spaltung in unspezifische Gewebeesterasen; ausgeprägte lokale Vasodilatation; starkes Wärmegefühl. Interessant bei ausgeprägter vasokonstriktorischer Komponente. ▬ Quaddel mit Plenosol: Induktion einer lokalen Entzündung (im Dermatom) innerhalb eines Tages. Reaktive Beantwortung im ganzen Segment. Induktion von neuralen und (!) immunologischen-zellulären Prozessen. Versuch, chronifizierte Entzündungsreaktionen über einen aktuellen Entzündungsreiz zu löschen. Einsatz z. B. bei fortgeschrittenen degenerativen Gelenkerkrankungen.
6
7 Neuropathischer Schmerz
Allgemeines Definition ▬ Peripherer neuropathischer Schmerz Schmerz, der ausgelöst wird durch eine primäre Läsion oder Dysfunktion im peripheren Nervensystem, z. B. Postzosterneuralgie. Periphere neuropathische Schmerzen können durch das sympathische Nervensystem moduliert werden, man spricht von sympathisch unterhaltenem Schmerz (SMP = »sympathetically maintained pain«). Hier kommt es zu einer Kopplung zwischen efferenten postganglionären sympathischen Neuronen und afferenten nozizeptiven Neuronen. ▬ Zentraler neuropathischer Schmerz Schmerz ausgelöst durch eine primäre Läsion oder Dysfunktion im zentralen Nervensystem; z. B. halbseitige Allodynie nach Thalamusblutung. Der neuropathische Schmerz ist charakterisiert durch eine brennende, ziehende, elektrisierende, blitzartig einschießende Schmerzkomponente. Zusätzlich finden sich häufig Allodynie, Parästhesie/ Dyästhesie oder Hyperalgesie und Kraftminderung im Bereich der Kennmuskeln. Eine Gliederung des neuropathischen Schmerzes zeigt ⊡ Abb. 7.1.
Ätiologie ▬ Mechanisch: Engpasssyndrome, Bandscheibenvorfall, Plexusausriss, Kompression durch fehlerhafte (intraoperative) Lagerung
▬ Entzündlich: Zosterneuralgie, Postzosterneuralgie, Borreliose, multiple Sklerose ▬ Metabolisch: Diabetes mellitus, Urämie, Hepatopathie ▬ Toxisch: Alkoholismus, medikamentös-toxisch ▬ Ischämisch: pAVK, zerebraler Insult
Diagnostik Diagnostik des neuropathischen Schmerzes ▬ Klinische Untersuchung Neurologische Untersuchung mit Beurteilung der – Sensibilität: Berührung, Lage, Vibration, Temperatur – Trophik: Haut, Muskulatur, Durchblutung, Sudomotorik – Motorik: Muskeleigenreflexe, Muskelkraft wird in 5 Grade eingeteilt (0: keine Muskelaktivität bis 5: normale Kraft) ▬ Apparative Untersuchung – Elektroneurographie: Differenzierung zwischen axonaler Schädigung und Demyelinisierung möglich, Engpasssyndrome diagnostizierbar – Elektromyographie (EMG): Unerscheidung zwischen akuter und chronischer neurogener Schädigung – Quantitative sensorische Testung (QST): Messung der thermischen und mechanischen Empfindungsschwellen, Schmerzschwellen u nd Schmerztoleranzschwellen; diskrete sensorische Defizite sind diagnostizierbar
96
Kapitel 7 · Neuropathischer Schmerz
7
⊡ Abb. 7.1. Gliederung des neuropathischen Schmerzes
Durch die klinische und apparative Untersuchung sind erfassbar: ▬ Sensible und motorische Reizsymptome (»Plussymptomatik«): Dysästhesie, thermische/mechanische Hyperalgesie, Hyperreflexie. ▬ Sensible und motorische Ausfallserscheinungen (»Negativsymptomatik«): Analgesie, Hypästhesie, Anästhesie, Hyporeflexie.
Therapie ▬ Kausale Therapie Wiederherstellung der Nervenfunktion durch Vermeidung weiterer neuronaler Schädigung (optimale Blutzuckereinstellung, Alkoholabstinenz, Entlastung eingeklemmter Nerven). Die kausale Therapie bewirkt jedoch lediglich eine Verhinderung der weiteren Nervenschädigung. Bereits bestehende Schäden bilden sich, wenn überhaupt, nur sehr langsam zurück. Daher ist
zusätzlich stets eine symptomatische Therapie erforderlich. ▬ Symptomatische Therapie Reduktion der Schmerzen medikamentös durch eine Kombination von Antikonvulsiva, trizyklischen Antidepressiva und Opioiden. Wenn möglich, zusätzlich nichtmedikamentöse Verfahren (Nervenblockaden; Kap. 4).
Prinzipien der symptomatischen Therapie ▬ Langsames Aufdosieren, besonders wichtig bei älteren Patienten, bis erwünschte Schmerzreduktion oder unerwünschte Nebenwirkungen eintreten. ▬ Kombination der Medikamentenklassen untereinander und miteinander bringt besseren Therapieerfolg bei geringen Nebenwirkungen als Monotherapie. ▼
97 Allgemeines
▬ Individuelles und langwieriges medikamentöses Einstellen erfordert von Arzt und Patient gleichermaßen Geduld. ▬ Frühzeitig auch adjuvante (TENS, Akupunktur) und invasive (Regionalanästhesie, Sympathikusblockaden) Therapiemaßnahmen bedenken. ▬ Erhaltungsdosis nach Wirkung und Nebenwirkung. Reduktion und evtl. Auslassversuch sind nach 3–6 Monaten erfolgreicher Therapie sinnvoll.
Wirksamkeit der medikamentösen Therapiemöglichkeiten Beurteilt nach aktueller Studienlage und klinischer Erfahrung; ausführliche Beurteilung mit Angabe der Nebenwirkungen und Kontraindikationen in Kap. 2.
Antikonvulsiva ▬ Carbamazepin 2-mal 200 mg bis maximal 1200 mg/Tag, Dosissteigerung jede Woche und/oder ▬ Gabapentin 3-mal 300 mg/Tag bis 3600 mg/Tag, Dosissteigerung jeden 3. Tag und/oder ▬ Pregabalin 2-mal 75 mg/Tag bis maximal 600 mg/Tag, Dosissteigerung rascher möglich als bei Carbamazepin und Gabapentin
Antidepressiva Nichtselektive Monoaminwiederaufnahmehemmer ( TZA = trizyklische Antidepressiva)
Hemmung der Aufnahme von Serotonin, Noradrenalin und Dopamin, dadurch Stimmungsaufhellung und Antriebsteigerung. Durch fehlende Selektivität allerdings viele und z. T. erhebliche Nebenwirkungen (Müdigkeit, Gewichtszunahme, Schwindel, orthostatische Dysregulation, Mundtrockenheit, Harnverhalt). Direkter analgetischer Effekt durch Aktivierung der körpereigenen Schmerzhemmung ( Kap. 1). ▬ Amitriptylin 10–75 mg/Tag
7
▬ Clomipramin 20–100 mg/Tag ▬ Doxepin 10–75 mg/Tag TZA werden, trotz der Nebenwirkungen, seit Jahrzehnten erfolgreich als Koanalgetika bei neuropathischem Schmerz eingesetzt. Eine Weiterentwicklung mit selektiverer Wirkung sind die selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmer. Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI = »selective serotonine re-uptake inhibiotors«)
Aktivierung, Stimmungsaufhellung und Angstlösung durch Selektivität; die Nebenwirkungen sind entsprechend geringer. Kaum Müdigkeit und Gewichtszunahme, v. a. keine anticholinergen Effekte. ▬ Fluoxetin ▬ Citralopram ▬ Escitralopram ▬ Paroxetin Paroxetin und Citalopram (40 mg abends) haben eine mit TZA vergleichbare Wirkung. Sonst gibt es allerdings kaum Studien zur Wirkung der SSRI beim neuropathischen Schmerz. Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI = »serotonine noradrenaline re-uptake inhibitors«)
SNRI hemmen sowohl die Wiederaufnahme von Serotonin als auch von Noradrenalin und wirken dadurch gleichzeitig stimmungsaufhellend und antriebssteigernd. Die Wiederaufnahmehemmung von Noradrenalin setzt allerdings erst mit höherer Dosierung ein. SNRI sind wesentlich nebenwirkungsärmer als die TZA. ▬ Venlafaxin (Efectin, Trevilor) ▬ Milnacipran (Dalcipran, Ixel) ▬ Duloxetin (Yentreve, Cymbalta) Duloxetin scheint nur indirekt über die Stimmungsaufhellung analgetisch zu wirken. Eine endgültige Bewertung der SNRI, insbesondere von Duloxetin, zur Schmerztherapie steht noch aus.
98
Kapitel 7 · Neuropathischer Schmerz
Selektive Noradrenalinwiederaufnahmehemmer (NARI = »selective noradrenalin re-uptake inhibitors«)
Wirkung selektiv nur auf die Wiederaufnahme von Noradrenalin. Im Vergleich zu den TZA und SSRI tritt eine raschere Verbesserung der sozialen Fähigkeiten auf; Interesse und Motivation werden gesteigert. ▬ Reboxetin (Solvex, Edronax) ▬ Viloxazin (Vivalan)
Spezielle Krankheitsbilder 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Mononeuropathien Polyneuropathien Phantomschmerz Komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS) Zentraler neuropathischer Schmerz Sympathisch unterhaltener Schmerz (SMP)
Mononeuropathien Antiarrhythmika
7
▬ Lidocain initial 2–3 mg/kgKG über 1 h i.v. (unter Monitoring), später bis 4–5 mg/kgKG über 1 h i.v., 1-mal pro Woche für 5 Wochen (bis zu 21 Tage Schmerzfreiheit); bei Effekt später Umstellung auf ▬ Mexitil bis10 mg/kgKG/Tag p.o. (nachgewiesene Schmerzreduktion). Anmerkung: Beide Substanzen sind zur Schmerztherapie nicht zugelassen!
Brennende, einschießende Schmerzen im zugehörigen Dermatom. Zusätzlich schlaffe Lähmung der versorgenden Muskulatur möglich. ! Prinzipiell sollte bei typischen neu aufgetretenen Neuralgien intensiv nach der Ursache gesucht werden (z. B.: Kieferzysten bei Mandibularisneuralgie, Tumorsuche!), da dann eine kausale Therapie und damit Schmerzfreiheit erreicht werden kann. Bei lange bestehenden Neuralgien ist die Symptomatik oft chronifiziert und damit eine operative Therapie nicht indiziert.
Capsaicin
Deafferenzierungsschmerz
Wirkt an spezifischen Vanilloid-Rezeptoren auf nichtmyelinisierten nozizeptiven C-Fasern. Dies führt zur Entspeicherung der Neuropeptide Substanz P und CGRP, wodurch initial eine Schmerzverstärkung und sekundär, nach 4 Wochen, eine nachgewiesene Schmerzreduktion eintritt. Wichtig und mühsam: Capsaicin 0,05–0,075% regelmäßig mindestens 4-mal täglich auftragen.
Nach kompletter Durchtrennung eines Nervs oder einer Nervenwurzel auftretende sensible und motorische Störungen, begleitet von Hyperalgesie, Allodynie und Dysästhesie.
Opioide Entgegen der jahrzehntelang geltenden Lehrmeinung sind Opioide auch beim neuropathischen Schmerz wirksam, wenn auch nicht so stark wie beim nozizeptiven Schmerz. Ein Therapieversuch mit niedrigpotenten und hochpotenten Opioiden ist auf alle Fälle sinnvoll. Unter den hochpotenten Opioiden soll Oxycodon besonders gut bei neuropathischem Schmerz wirken. Die meisten prospektiven Studien zur Schmerzreduktion bei diabetischer PNP liegen für Tramadol mit einer Tagesdosis von 200 mg/Tag vor.
Engpasssyndrome Auslösung der Schmerzen durch Druck oder starkes Klopfen mit dem Zeigefinger aus dem Handgelenk heraus auf den Nerv proximal des Engpasses (Hofmann-Tinel-Zeichen). Therapie
▬ Physiotherapie, Lagerungsschienen ▬ Medikamentöse Therapie ▬ Erst diagnostische, dann therapeutische Blockadeserie mit LA und Kortison ▬ Operative Dekompression
Karpaltunnelsyndrom Ätiologie
Chronische Kompression des N. medianus unter dem Lig. carpi transversum (Retinaculum flexorum).
99 Spezielle Krankheitsbilder
7
Klinik
N. iliohypogastricus/N. ilioinguinalis
Nächtliche Parästhesie/Dysästhesie, stechende Schmerzen in der Handfläche, Kraftverlust bei Faustschluss durch Schwäche der Tenarmuskulatur (positives Flaschenzeichen).
Ätiologie
Therapie
Klinik
▬ Physiotherapie, Lagerungsschienen ▬ Medikamentöse Therapie ▬ Therapeutische Blockadeserie mit LA und Kortison ▬ Offene oder endoskopische Dekompression
Hypästhesie, Parästhesie/Dysästhesie im Bereich der Haut oberhalb und unterhalb des Leistenbands, der Symphyse.
Sulcus-ulnaris-Syndrom Ätiologie
Chronische Kompression des N. ulnaris im Bereich des Ellbogens durch Kompression (z. B. Lagerungsschaden), Überbeanspruchung (»Tennisellbogen«). Klinik
Schmerzen bei Ausübung von Druck auf den Ellbogen, Parästhesie/Dyästhesie auf der äußeren Armseite (Ulnarseite) im Bereich des Unterarms und der Hand.
Selten Tumoren, Abszesse im Retroperitoneum; häufig iatrogene Schädigung der Nerven durch Herniotomie.
Therapie
▬ Medikamentöse Therapie s. oben ▬ Therapeutische Blockadeserie mit LA, idealerweise ultraschallgezielt (⊡ Abb. 5.9).
N. cutaneus femoris lateralis Ätiologie
Iatrogen bei Beckenkammbiopsie oder Hüftoperationen. Kompression des Nervs durch Tragen zu enger Kleidung (»Jeansnerv«) oder während der Schwangerschaft führt zur Meralgia paraesthetica. Klinik
Hypästhesie, Parästhesie/Dysästhesie im Bereich des vorderen lateralen Oberschenkels.
Therapie
s.o., therapeutische Blockadeserie mit LA und Kortison, operative Dekompression.
Therapie
Tarsaltunnelsyndrom
Trigeminusneuralgie
Ätiologie
Siehe Kap. 9 (»Kopfschmerz«).
Chronische Kompression des N. tibialis unter dem Retinaculum flexorum im Bereich des Malleolus medialis.
Akute Zosterneuralgie
Klinik
Parästhesie/Dyästhesie auf der Fußsohle, später Parese der Fußmuskulatur Therapie
▬ Physiotherapie, Lagerungsschienen ▬ Medikamentöse Therapie ▬ Therapeutische Blockadeserie mit LA und Kortison ▬ Operative Dekompression
▬ Therapeutische Blockadeserie mit LA
Ätiologie
Zoster ist eine akute neurodermale Erkrankung durch Reaktivierung latenter Varicella-zoster-Viren in den Spinal- und Hirnnervenganglien. Auslösung durch unterschiedliche exogene und endogene Reize mit konsekutiver akuter Radikulitis/Neuritis und Atrophie der Nervenzellen im Bereich der spinalen Hinterhörner. Es kommt zum Befall der peripheren Nerven und der Haut. Inzidenz
30–40% der Bevölkerung, Altersgipfel zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr. Risikofaktoren: Immunsuppression, Alkoholismus, Chemotherapie, Radiatio.
100
Kapitel 7 · Neuropathischer Schmerz
Verlauf
Differenzialdiagnose
▬ Restitutio ad integrum ▬ Wie bei der Postzosterneuralgie (s. unten)
Interkostalneuralgie, Lumbalgie, Radikulopathie anderer Genese (Borreliose), idiopathische oder symptomatische Trigeminusneuralgie, atypischer Gesichtsschmerz.
Klinik der akuten Zosterneuralgie
7
▬ Meist brennende Schmerzen im betroffenem Segment, meist in den thorakalen Segmenten (bis zu 60% der Fälle), insbesondere Th5 (bis zu 20%); in 30–40% auch beidseitiger Befall ▬ Einschießende Schmerzen, Dysästhesie, häufig statische und dynamische Berührungsallodynie (Patienten ertragen das Tragen von Kleidung nicht) ▬ Dermatologische Veränderungen (herpetiforme Bläschen, Pigmentveränderungen) ▬ Allgemeines Krankheitsgefühl, Fieber ! Bei Abheilung der Hauteffloreszenzen klagen noch 12–20% der Patienten aller Altersklassen über Schmerzen, nach einem Monat noch 9–15% und ein Jahr später noch 2–5%.
Wichtige Sonderformen ▬ Zoster ophtalmicus: Bei Befall des 1. Trigemi-
nusastes mit Gefahr der Erblindung durch eine Keratitis und Iritis ▬ Zoster oticus: gelegentlich mit Fazialisparese, Tränensekretions- und Geschmacksstörungen ▬ Zoster sine herpete: Effloreszenzen können fehlen ▬ Präherpetische Zosterneuralgie: Schmerzen vor dem Hautausschlag, z. T. motorische Beteiligung möglich ▬ Zoster generalisatus ▬ Zosterangiitis mit der Gefahr eines zerebralen Insults Diagnose
▬ Klinisch durch die typischen Effloreszenzen und den charakteristischen Schmerz ▬ Labor – Virusnachweis (Tzanck-Test) bis zum 10. Tag nach Ausbruch der Effloreszenzen – Labor in der Akutphase meist nicht notwendig, später Tumorabklärung empfohlen!
Therapie
Die Therapie der akuten Zosterneuralgie hat 3 Ziele: 1. Verhinderung der Virenausbreitung, insbesondere bei immunsupprimierten Patienten, 2. Bekämpfung der akuten Schmerzen und dadurch 3. Verhinderung der Postzosterneuralgie. ▬ Aciclovir (Zovirax) 4- bis 5-mal 800 mg p.o. für 5–7 Tage 3-mal 5–10 mg/kgKG i.v. für 5–7 Tage – Nebenwirkungen: Niereninsuffizienz, reversible neurologische Erscheinungen, Anstieg der Leberwerte, Panzytopenie, MagenDarm-Störungen, Hautausschlag – Kontraindikationen: Eingeschränkte Nierenoder Leberfunktion (Dosisanpassung erforderlich) ▬ Valaciclovir (Valtrex) 3-mal 1000 mg p.o. für 5–7 Tage – Nebenwirkungen und Kontraindikationen wie Aciclovir ▬ Famciclovir (Famvir) 3-mal 250 mg p.o. für 5–7 Tage – Nebenwirkungen und Kontraindikationen wie Aciclovir Akutschmerztherapie
▬ Lokal: Kühlung und Pasta zinci (3- bis 5-mal/ Tag dünn auftragen) ▬ Applikation von Lotio alba aequosa unter Zusatz von 1%igem Aureomycin oder 3 Tbl. Aspirin à 500 mg zermörsert und mit Diäthyläther gelöst ▬ NSAR, Metamizol und häufig Supplementierung mit Opioiden (Tramadol) ▬ Regionalanästhesie je nach betroffenen Dermatomen: – Therapeutische Interkostalblockaden bei thorakalem Befall – Epiduralanästhesie bei lumbalem Befall – Sympathikusblockaden ( Kap. 4): Ganglion-Stellatum-Blockaden oder GCSGLOA bei Zosterneuralgie im Kopfbereich
101 Spezielle Krankheitsbilder
▬ Klinisch bewährt hat sich der frühzeitige Einsatz von Antikonvulsiva, zur möglichen Verhinderung der Postzosterneuralgie, z. B. Gabapentin aufdosieren bis 3-mal 600 mg/Tag ▬ Glukokortikoide: Stoßtherapie, z. B. Dexamethason 1. Tag 32 mg; 2. Tag 16 mg; 3. Tag 8 mg; 4./5. Tag 4 mg; dann absetzen (Nur bei immunkompetenten Patienten, sonst evtl. generalisierter Verlauf!)
Postzosterneuralgie Ätiologie
Persistenz oder Neuauftreten der neuropathischen Schmerzen 2–3 Monate nach Beginn einer Zosterneuralgie. Inzidenz
20–25% aller Zosterinfektionen; 70% bei über 70Jährigen; 90% bei Immunsupprimierten; 15% Dauer länger als 6 Monate. Klinik
▬ Hautveränderungen und Sensibilitätsstörungen (segmental) ▬ Narbenbildung mit pigmentiertem Randsaum ▬ Hypästhesie, Hypalgesie, Parästhesie/Dysästhesie ▬ Juckreiz möglich ▬ 3 typische Schmerzformen (häufig in Kombination): – brennend-bohrender Dauerschmerz – kurze, einschießende Schmerzattacken – Berührungsschmerzen als mechanische Allodynie Diagnose
▬ Akuter Herpes zoster in der Anamnese im schmerzhaften Hautareal ▬ Beweisend sind spezielle IgM-Antikörper gegen Varicella-zoster-Virus
7
! Initiale Schmerzverstärkung. Hinweis: evtl. Benzocain-Salbe oder EMLA-Salbe ca. 1 Woche lang 30 min vor Capsaicin-Creme auftragen; dies bewirkt konsekutive Entleerung der Vesikel für Neuropeptide (CGRP und Substanz P) der nozizeptiven C-Fasern.
Systemische medikamentöse Therapie ▬ Antikonvulsiva
allein oder in Kombination mit TCA ▬ Carbamazepin 2-mal 200 mg bis maximal 1200 mg/Tag und/oder ▬ Gabapentin 3-mal 300 mg/Tag bis 3600 mg/Tag Bei Therapieversagen Versuch mit ▬ Pregabalin 2-mal 75 mg/Tag bis maximal 600 mg/Tag, Dosissteigerung rascher möglich als bei Carbamazepin und Gabapentin ▬ Trizyklische Antidepressiva (TZA) Amitriptylin 10–75 mg/Tag und Doxepin 10– 75 mg/Tag; SSRI wie Desipramin und Maprotilin sind nicht wirksam! ▬ Opioide Keine Medikamente der 1. Wahl, aber Therapieversuch sinnvoll; Oxycodon soll von den Opioiden am besten bei neuropathischem Schmerz wirken Invasive Schmerztherapie
Ein Therapieversuch bei konservativ nicht therapierbaren Schmerzen ist immer sinnvoll. Nach erfolgreicher diagnostischer Blockade eine Serie von 5–10 (Sympathikus-) Blockaden durchführen. Repetition am besten im schmerzfreien Intervall. Adjuvante Therapie
Therapie Topische medikamentöse Therapie ▬ Lokale Applikation von Capsaicin-Salbe 0,025–
0,05% (Dolenon Linimend) 2- bis 4-mal/Tag für 4–6 Wochen
▬ TENS, bei Allodynie auch kontralateral möglich ▬ Akupunktur, bei Allodynie auch an Fernpunkten (Ohrakupunktur); Wirkung umstritten
102
Kapitel 7 · Neuropathischer Schmerz
Polyneuropathie Definition Generalisierte Erkrankung peripherer Nerven, die zu motorischen, sensiblen und vegetativen Ausfällen führen kann. Die häufigsten Ursachen sind in Mitteleuropa Diabetes mellitus (bis 30% aller Diabetiker) und Alkoholabusus.
Leitsymptome
7
▬ Motorische Reizsymptome: vorwiegend nächtliche, schmerzende Wadenkrämpfe – Gangunsicherheit, Ataxie: Vibrationsempfinden und Lagesinn meist schon früh im Verlauf der Erkrankung herabgesetzt ▬ Sensible Reizsymptome: spontan oder durch äußere Reize ausgelöste Parästhesien/Dysästhesien typischerweise mit distaler handschuhoder sockenförmiger Verteilung – »Burning feet«: schmerzhaftes Kälte- oder Hitzegefühl meistens der Fußsohlen oder
seltener der Handinnenflächen, Verstärkung durch Laufen und durch Erwärmung – »Restless legs«: tief empfundene, dumpf drückende Missempfindung der Beine mit imperativem Bewegungsdrang, kurzzeitige Besserung nach Bewegung, meist abends vor dem Einschlafen auftretend – Spontanschmerzen: hell, scharf, spitz, schneidend, brennend oder dumpf, drückend, ziehend ▬ Vegetative Reizsymptome: Ödeme, Hyperoder Hypohidrosis, livide Hautverfärbung, Rötung, Blässe, trophische Störungen Diagnostik
▬ Genaue Anamnese (Alkohol!) ▬ Neurologische klinische Untersuchung ▬ Neurologische apparative Abklärung mit NLG, EMG Differenzialdiagnose
Die Differenzialdiagnose der Polyneuropathien zeigt ⊡ Tabelle 7.1.
⊡ Tabelle 7.1. Differenzialdiagnose der Polyneuropathien (PNP) Polyneuropathie
Differenzialdiagnose
Diabetische PNP
Distal symmetrische und proximal asymmetrische Form, autonome Störungen
Alkoholtoxische PNP
Neurologische und internistische Alkoholfolgeerkrankungen
Medikamenteninduzierte PNP
Zytostatika (Vinblastin, Vincristin, Cisplatin), Tuberkulostatika, Antibiotika, Virostatika, Migränemittel, Antirheumatika
Toxische PNP
Lacke, Klebstoffe, Schmiermittel, Keramikglasuren, Rattengift, Insektizide
PNP bei Arteriopathien
pAVK, Kollagenosen (Differenzialdiagnose: Autoantikörper, Rheumafaktoren), M. Wegener
PNP bei Urämie und Hepatopathie
Laborchemischer Nachweis
Paraneoplastische PNP
Primärtumornachweis (Bronchialkarzinom, Lymphome, Ovarialkarzinom, Magenkarzinom)
PNP bei HIV
Gewichtsverlust, opportunistische Infektionen, Kaposi-Sarkom (Differenzialdiagnose: HIV-Test)
Infektionsbedingte PNP
Borreliose, FSME, CMV, Lepra, Varicella-zoster-Infektion
Plasmozytom und benigne Gammopathie
Multipler Befall von Wirbeln, Becken, Schädel, Myelomniere (Differenzialdiagnose: BSG, monoklonale IgG, Bence-Jones-Proteine, Röntgenaufnahme des Schädels)
Guillain-Barré-Polyneuritis
Rasch aufsteigende oder langsam progrediente oder rezidivierende sensible und motorische Ausfälle, Liquoreiweißerhöhung (Differenzialdiagnose: Elektrophysiologie, Liquorpunktion)
Funikuläre Spinalerkrankung
Vitmin-B12-Mangel, Folsäuremangel, perniziöse Anämie
Hereditäre PNP
Familienanamnese
Criticall-illness-PNP
Nach Intensivaufenthalt mit (längerer) Beatmung
103 Spezielle Krankheitsbilder
Therapie
1. Möglichst kausale Therapie der Grunderkrankung 2. Symptomatische Therapie, orientierend an den klinischen Symptomen Bei sensiblen Reizsymptomen wie Parästhesie, Dysästhesie, Hyperpathie, einschießenden neuropathischen Schmerzen: ▬ Carbamazepin 600 mg/Tag (200–1200 mg/Tag) ▬ Gabapentin 1800 mg/Tag (900–3600 mg/Tag) ▬ Pregabalin 300 mg/Tag (150–600 mg/Tag) ▬ Phenytoin 300 mg/Tag (100–600 mg/Tag) Bei »burning feet«: ▬ Amitriptylin 75 mg/Tag (25-100 mg/Tag) ▬ Clomipramin 75 mg/Tag (25–150 mg/Tag) Bei »restless legs«: ▬ 1. Wahl: L-Dopa/Benserazid Beginn mit 62,5 mg abends, dann langsame Steigerung bis 125–500 mg/Tag ▬ 2. Wahl: Carbamazepin 600 mg/Tag (200–1200 mg/Tag) ▬ 3. Wahl: Clonazepan 0,5–3 mg/Tag Clonidin
150–300 µg/Tag Bei nächtlichen Wadenkrämpfen: ▬ Chinin/Theophyllin 520/390 mg/Tag ▬ Dantrolen 25 mg/Tag ▬ Baclofen 5–25 mg/Tag ▬ Diazepam 5–10 mg/Tag ▬ Verapamil 120 mg/Tag ▬ Vitamin E (Eplonat) 400 IE/Tag
7
▬ Vitamin B2 (Werdo) 20 mg/Tag ▬ Kalzium (Calcium-Sandoz) 1–2 g/Tag ▬ Magnesium (Magnesiocard) 15 mmol/Tag Bei vegetativen Störungen (Ödem, Zyanose, Hyperhidrose): ▬ Dihydroergotamin (Dihydergot) 3–6 mg/Tag ▬ Phenoxybenzamin (Dibenzyran) 40–60 mg/Tag (langsam über 6 Wochen steigern) ▬ Calcitonin 100 IE/Tag für 1 Woche, danach alle 2 Tage für 3–4 Wochen ! Oben aufgeführte medikamentöse Therapievorschläge sind Therapieversuche, d. h. diese Medikation sollte bei Nichtansprechen abgesetzt werden. Dieses Vorgehen muss zuvor mit dem Patienten besprochen werden. Häufig ist die Kombination mehrerer Medikamentengruppen effektiver als eine Monotherapie.
Phantomschmerz Klinisch wichtige Unterscheidung des Phantomschmerzes ▬ Stumpfschmerz Schmerzen im Bereich des Extremitätenstumpfs; akut postoperativ nach Amputation oder chronisch z. B. durch Prothesenirritation oder Neurombildung. Das Auftreten von Phantomschmerzen wird durch starke Stumpfschmerzen begünstigt. Die perioperative Schmerztherapie im Sinne einer präventiven/protektiven Schmerztherapie bei Extremitätenamputation ist daher besonders wichtig ( Kap. 1 und 5)! ▬ Phantomsensationen Nichtschmerzhaftes Gefühl, dass die nicht mehr vorhandene Extremität noch vorhan▼
104
Kapitel 7 · Neuropathischer Schmerz
den sei. Telescoping möglich (z. B. Schmerz im Fuß wird direkt am Oberschenkelstumpf wahrgenommen).
7
▬ Phantomschmerz Schmerz, der in der nicht mehr vorhandenen Extremität lokalisiert wird. Besonders häufig in distalen Extremitäten und im Gesicht, Regionen mit großen kortikalen Repräsentationsfeldern. Der Phantomschmerz ist das klassische Beispiel eines Deafferenzierungsschmerzes: Nach kompletter Durchtrennung eines Nervs oder einer Nervenwurzel auftretende sensible und motorische Störungen, begleitet von Allodynie, Dysästhesie und Hyperalgesie.
Phantomschmerzen treten jedoch nicht nur nach Extremitätenamputationen, sondern auch nach Mastektomie auf. Chronische Schmerzen nach operativen Eingriffen sind nicht selten (⊡ Tabelle 7.2). Symptome
▬ Brennender, juckender, elektrisierender oder krampfartig einschießender Schmerz ▬ Meist in den Abendstunden und nachts Schmerzmaximum mit Störung des Nachtschlafs
Prophylaxe ▬ Ideal: kontinuierliche Schmerzausschaltung
mit LA und Opioiden über präoperativ angelegten Katheter (Plexuskatheter, Epiduralkatheter) im Rahmen einer protektiven Schmerztherapie ( Kap. 1) ▬ Bei Kontraindikationen gegen Regionalanästhesieverfahren: Perioperative S(+)-Ketamin-Gabe: – präoperativ: 0.5 mg/kgKG als Bolus – intra- und postoperativ: 2 µg/kgKG als Infusion über Perfusor für 24 h, dann – 1 µg/kgKG als Infusion über Perfusor für weitere 24 h Therapie des aktuen Phantomschmerzes ! Zur Verbesserung der Prognose möglichst frühzeitiger Therapiebeginn! Die Anmeldung eines Patienten mit akutem Stumpfschmerz oder neu aufgetretenem Phantomschmerz ist als Notfallbehandlung anzusehen. Nach 4-wöchiger Schmerzsymptomatik sind nur noch 10% erfolgreich therapierbar.
Mittel der 1. Wahl bei kurzzeitig bestehendem Phantomschmerz sind: ▬ Regionalanästhesie, wenn möglich (s. oben) ▬ Calcitonin i.v. 100–200 IE täglich in 500 ml 0,9% NaCl über mehr als 2 h für 3–5 Tage geben; Nebenwirkungen: Hitzewallungen, orthostatische Dysregulation, Übelkeit, daher ggf. in Kombination mit einem Antiemetikum
⊡ Tabelle 7.2. Entstehung von chronischen Schmerzen nach verschiedenen operativen Eingriffen Operativer Eingriff
Anteil chronischer postoperativer Schmerzen
Extremitätenamputation
Stumpfschmerzen bis 57%, Phantomschmerzen bis 55%
Thorakotomie konventionell
Postthorakotomieschmerz bis 40%
Thorakotomie videoassistiert
Postthorakotomieschmerz bis 22%
Sternotomie median
Brustschmerzen bis 25%
Mastektomie
Phantomschmerz bis 17%, Narbenschmerz bis 31%
Tiefe anteriore Rektumresektion
Rektale Schmerzen bis 10%
Cholezystektomie offen oder laparoskopisch
Abdominelle Schmerzen bis 10%
Herniotomie
Narbenschmerzen bis 10%
Zahnextraktion
Zahnschmerzen bis 7%
105 Spezielle Krankheitsbilder
▬ ▬
▬ ▬
Nach 3 Sitzungen sind bis zu 75% der Patienten längerfristig schmerzfrei bzw. schmerzreduziert, Wirkbeginn nach Minuten bis Stunden, hilft nicht bei Stumpfschmerz oder Phantomsensationen Amitriptylin bei Brennschmerzen langsam einschleichend bis zu einer Tagesdosis von 50–75– 150 mg/Tag Carbamzepin bei einschießendem Schmerz mit 2-mal 100 mg/Tag bis 1200 mg/Tag, evtl. Kombination mit Gabapentin (Neurontin) 900 mg bis maximal 2400 mg/Tag oder Pregabalin (Lyrica) bis 600 mg/Tag Nichtopioidanalgetika und Opioide v. a. perioperativ sinnvoll TENS kontralateral (primär 70%ige Erfolgsrate, nach 1 Monat 50% und nach 5 Jahren nur noch 28%)
7
▬ Physikalische Therapie, Prothesentraining ▬ SCS-Probestimulation ▬ Intrathekale Opioidapplikation Chronische Phantomschmerzen sind schwierig zu behandeln! Wir empfehlen die Austestung der oben genannten verschiedenen Medikamentengruppen. Um unsinnige Medikamenteneinnahmen zu vermeiden, sollte eine medikamentöse Dauertherapie nur durchgeführt werden, wenn ein sicherer Effekt nachgewiesen ist. Dosisreduktion und evtl. Auslassversuch sollten alle 3–6 Monate angestrebt werden.
Komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS = »complex regional pain syndrome«)
Weitere Therapieoptionen ▬ Frühzeitig an Sympathikusblockaden denken!
▬ ▬ ▬ ▬
Der akute Phantomschmerz ist wahrscheinlich erst einmal ein peripherer neuropathischer Schmerz, der sympathisch unterhalten sein kann. Zuerst diagnostische, dann evtl. therapeutische Sympathikusblockade ( Kap. 4). Therapieversuch mit hochpotenten Opioiden. Oxycodon soll bei neuropathischem Schmerz effektiver wirken als andere Opioide. S(+)-Ketamin (0,5 mg/kgKG) p.o. Niedrigdosiertes Thiopental (Trapanal): 50 mg i.v. führt gelegentlich zur Schmerzreduktion. Gegebenenfalls Amantadin (PK-Merz) 200 mg über 3 h (bis zu 85% erfolgreiche Schmerzreduktion).
Einteilung des CRPS seit 1996 ▬ CRPS Typ I – früher M. Sudeck nach dem gleichnamigen Erstbeschreiber (1902) oder nach Bonica (1953) sympathische Reflexdystrophie (SRD) genannt – mit in der Tiefe lokalisierten diffusen oder generalisierten Brennschmerzen der gesamten Extremität im distalen Bereich der initialen Gewebeschädigung. Schmerzsyndrom nach (Bagatell-) Trauma ohne nachgewiesene Nervenläsion. ▬ CRPS Typ II – früher Kausalgie nach W. Mitchell (1872) – ist ein Schmerzsyndrom mit obligatem klinischem und elektophysiologischem Nachweis einer Nervenläsion.
Therapie des chronische Phantomschmerzes
▬ Therapieversuch mit Calcitonin nach obigem Schema ▬ Antikonvulsiva und Antidepressiva; NSAR meist unwirksam ▬ Regionalanästhesie peripher und/oder rückenmarknah ▬ Therapieversuch mit hochpotenten Opioiden ▬ Therapieversuch mit S(+)-Ketamin i.v. oder p.o. ▬ Therapieversuch mit Lidocain i.v. ▬ Gegenirritation (TENS, Akupunktur?) ▬ Psychotherapie, Biofeedback
Symptome ! Die Symptome sind oft nur in der Frühphase vorhanden. Im Endstadium eines CRPS fehlen oft die Symptome, sodass die Diagnose dann lediglich durch Kenntnis der Anamnese zu stellen ist.
▬ Sensibilität – brennende, bohrende Spontanschmerzen, – mechanische und thermische Hyperalgesie, Allodynie; auch Hypalgesie möglich,
106
Kapitel 7 · Neuropathischer Schmerz
– typisch: Schmerzzunahme in der Nacht, Schmerzabnahme durch Hochlagerung (Orthostasephänomen). Suprasystolische Kompression mit Blutdruckmanschette (>300 mmHg an der oberen und >500 mmHg an der unteren Extremität) bewirkt nach 1–2 min für kurze Zeit eine Schmerzreduktion (Ischämietest).
7
▬ Motorik – Ruhe- und Aktionstremor, grobe Kraft erniedrigt, Beweglichkeit erniedrigt. ▬ Trophische Störungen – Haut, Nägel, Muskeln, Knochen; dadurch Bewegungseinschränkung. ▬ Autonomes Nervensystem – abnorme gesteigerte oder reduzierte Hautdurchblutung; erst rötlich-livide, dann blasse Hautverfärbung, – gesteigerte Schweißproduktion, – distales Ödem. ▬ Psychische Begleitsymptome – inadäquate Affektverarbeitung, – gestörtes Körperschema: die Patienten empfinden die Extremität als fremdartig (früher wurde das CRPS gar als rein psychische Erkrankung interpretiert!).
▬ Laborwerte, einschließlich Entzündungsparameter, sind oft unauffällig ▬ Diagnostische Sympathikusblockade: IVRSB mit Guanethedin führt zu sofortiger Schmerzreduktion
Therapie Die Therapieprinzipien lauten: 1. Ein monomodaler Therapieansatz ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Frühzeitige multidisziplinäre Therapie! 2. Je chronifizierter der Schmerz, desto bedeutsamer werden psychosoziale Faktoren und desto unwichtiger werden invasive Verfahren. ▬ Physiotherapie, Eisanwendung, Lymphdrainage ▬ Hochlagerung der Extremität ▬ Gabe von NSAR, ggf. Opioide ▬ Gegebenenfalls Therapieversuch mit membranstabilisierenden Substanzen wie z. B. Carbamazepin, Phenytoin oder Mexiletin ▬ Gegebenenfalls Therapieversuch mit dem selbst leicht analgetisch wirkenden Calcitonin (1–2 Wochen 1-mal tgl. 50–100 IE, d. h. 1–2 Amp. s.c. oder i.m.oder langsam i.v. oder intranasal als Sprühstoß) ▬ Therapeutische intravenöse regionale Sympathikusblockade (IVRSB):
Therapeutisch wichtige symptomatische Stadieneinteilung (⊡ Tabelle 7.3): ▬ Stadium I: Ruheschmerz und Ödem ▬ Stadium II: Nur Belastungs- und Bewegungsschmerz ▬ Stadium III: Nur Funktionsschmerz
Diagnostik ▬ Anamnese ▬ Körperliche Untersuchung: überwärmte, geschwollene Extremität mit glänzender Haut im Anfangsstadium ▬ Kraftmessung ▬ Orthostasetest, Ischämietest ▬ Röntgen: fleckige Entkalkungsareale im Knochen (niedrige Sensitivität!) ▬ 3-Phasen-Skelettszintigraphie: Überaktivität des Knochenstoffwechsels (hohe Sensitivität!)
2,5(–10) mg Guanethidin (Ismelin) in 30–40 ml NaCl 0,9% in die betroffene Extremität i.v., bei gutem Effekt: Blockadeserie von 4 weiteren IVRS innerhalb von 2 Wochen (wegen primärer Schmerzzunahme sollte vor der Guanethidin-Gabe eine Applikation von Lidocain in die betroffene Extremität oder eine systemische Analgesie mit 7,5–15 mg Piritramid (Dipidolor) i.v erfolgen). Als Alternativen kommen in Frage: ▬ GLOA am Ganglion stellatum mit 0,03–0,045 mg Buprenorphin in 10 ml NaCl 0,9% oder ▬ Ganglion-stellatum-Blockade mit 5–10 ml Bupivacain 0,25% ▬ oder Plexus-brachialis-Katheter mit kontinuierlicher Gabe von LA über Tage ▬ oder, wenn die untere Extremität betroffen ist, Katheterepiduralanalgesie (PDK) bis zu 2 Wochen Dauer
7
107 Spezielle Krankheitsbilder
⊡ Tabelle 7.3. Tabellarischer Therapieüberblick beim komplexen regionalen Schmerzsyndrom (CRPS) Stadium
Leitsymptome
Physikalische Therapie
Krankengymnastik
Psychotherpie
Medikamentöse Therapie
Invasive Verfahren
Stadium I
Spontanschmerz, Ödem, rötlichlivide Hautverfärbung
Hochlagerung, Immobilisation, Lagerungsschiene, Lymphdrainage
Überwiegend kontralateral, ipsilateral nur rumpfnahe Gelenke
Entspannungstherapie, Körperwahrnehmungstraining
Analgetika (WHO-Stufe I+II), Psychopharmaka
GLOA oder Grenzstrangblockade
Stadium II
Nur noch Belastungs- und Bewegungsschmerz
Individuelle Funktionsschienen, aufsteigende Bäder, Lymphdrainage
Übergang zur aktiven ipsilateralen Krankengymnastik, Dekonditionierungstraining bei Allodynie, Ergotherapie
Eventuell spezielle psychotherapeutische Verfahren
Kortikoide, Analgetika ausschleichen
In der Regel keine, sonst wie in Stadium I
Stadium III
Funktionseinschränkung
Keine spezielle
Ergotherapie
Nach Einzelfall
Keine
Keine
Zentraler neuropathischer Schmerz
! Ungefähr 1–3% der Schlaganfallpatienten entwickeln einen zentralen Schmerz.
Definition Zentral bedingtes Schmerzsyndrom, das auf einer Läsion des Thalamus oder der zentralen trigeminothalamischen Bahnen beruht. Aufgrund dieser zentral gestörten Schmerzverarbeitung entwickelt sich ein verändertes Körperempfinden, sodass man auch von einer »Körperwahrnehmungsstörung« sprechen kann. Beginn der Schmerzsymptomatik meist 2–6 Wochen nach der Läsion; Auftreten auch nach Jahren möglich.
Ätiologie ▬ Thalamusläsion bedingt durch – Ischämischen Insult – Intrazerebrale Blutung – Hirntumor – Hirnabszess – Zerebrale Toxoplasmose – Multiple Sklerose (bis zu 40% der Patienten) ▬ Extrathalamische Ursachen – Ischämischer Insult – Intrazerebrale Blutung – Rückenmarktrauma – Rückenmarktumor, -infarkt, -blutung – Syringobulbie, Syringomyelie
Leitsymptome ▬ Störung der Sensibilität in Form eines Hemisyndroms
▬ Veränderung der Berührungsempfindung in Form von Parästhesie, Dysästhesie, Hyperalgesie
▬ Störung der Temperaturwahrnehmung und Nozizeption; oft »Schraubstockgefühl« und Gefühl der »angeschwollenen Körperhälfte oder Extremität« ▬ Schmerzqualität: Dauerschmerz brennend, bohrend, stechend, schneidend, oder einschießender Schmerz ▬ Schmerz triggerbar durch bestimmte Körperhaltung, Bewegung, viszerale Stimuli (gefüllte Blase) oder seelische Komponenten (Angst)
Diagnostik Neurologische Prüfung von ▬ Schmerzschwellen (QST) ▬ Berührungs- und Vibrationsempfinden ▬ Lagesinn und 2-Punkt- und Spitz/stumpf-Diskrimination ▬ Apparative neurologische Untersuchung ▬ Bildgebende Verfahren (CT, MRT)
108
Kapitel 7 · Neuropathischer Schmerz
Differenzialdiagnosen
7
Unterscheidung zwischen neu aufgetretenem Schmerz nach zentraler Schädigung und sekundärer Verschlechterung einer Schmerzsymptomatik, die schon vor dem Trauma bestand (Suche nach primärer Schmerzursache). ▬ Schulterschmerz nach Schlaganfall – Lokaler, nozizeptiver Schulterschmerz auf der Seite der Parese, ggf. bekannte Arthrose Diagnose: klinisch-neurologischer Befund, Röntgen ▬ Gesichtsschmerz bei multipler Sklerose – Einschießende, neuropathische Schmerzen im Versorgungsgebiet eines oder mehrerer Trigeminusäste Diagnose: neurologischer Befund, SEP des N. trigeminus, Blinkreflex ▬ Muskelschmerz bei multipler Sklerose – Schmerzhafte Spasmen der Beinmuskulatur Diagnose: neurologischer Befund, EMG ▬ Spinale Raumforderung, spinales Rückenmarktrauma
– Paraparese der Beine, bilaterale Sensibilitätsstörung, Blasen- und Mastdarmstörung Diagnose: Anamnese, neurologischer Befund, MRT ▬ Syringomyelie, Syringobulbie – Bilateral, asymmetrisch verteilte dissoziative Sensibilitätsstörung – Beginn häufig an Armen und Händen – Atrophische Paresen der Arme – Zentrale Paraparese der Beine – Horner-Syndrom – Hirnnervenausfälle – Über Jahre hinweg progrediente Symptomatik Diagnosesicherung mittels MRT
Therapie Oft kann keine vollständige Schmerzfreiheit, sondern lediglich eine Linderung der Schmerzen erzielt werden! ▬ Medikamentöse Therapie – Antidepressivum, z. B. Amitriptylin, evtl. in Kombination mit Antikonvulsivum – Bei Dysästhesie oder einschießendem Schmerz: Antikonvulsivum, z. B. Carbamazepin oder Gabapentin oder Pregabalin
– Amantadin (PK-Merz) als Kurzinfusion – Analgetika, die die Blut-Hirn-Schranke überwinden können (Paracetamol, Metamizol), zeigen oft gute analgetische Wirkung – Opioide und NSAR sind nicht indiziert! ▬ Nichtmedikamentöse Therapie – Verhaltenstherapie – Ultima ratio: Möglichkeit der »deep brain stimulation« (DBS) oder Motorkortexstimulation (MCS; Kap 4).
Sympathisch unterhaltener Schmerz (SMP = »sympathetically maintained pain«) Hier kommt es zur Kopplung zwischen efferenten postganglionären sympathischen Neuronen und afferenten nozizeptiven Neuronen. Diese Verbindung der sonst völlig getrennten Nervensysteme kommt über eine »sympathisch-afferente Kopplung« zustande. Nozizeptive Fasern exprimieren α-adrenerge Rezeptoren, deren Aktivierung durch Noradrenalinfreisetzung bei der tonischen Aktivität des sympathischen Nervensystems zur Schmerzverstärkung führen. Zusätzlich werden neuroplastische Prozesse auf Rückenmarkebene und komplexe Umbauprozesse in der Formatio reticularis diskutiert. Die Pathogenese des sympathisch unterhaltenen Schmerzes (SMP) zeigt ⊡ Abb. 7.2. ! SMP ist keine Diagnose! Grundsätzlich kann jeder neuropathische Schmerz durch das sympathische Nervensystem unterhalten werden. Daher sind frühzeitig diagnostische Sympathikusblockaden sinnvoll.
Ein sympathisch unterhaltener Schmerz (SMP) ist nicht nur bei komplexem regionalem Schmerzsyndrom (CRPS) vorherschend, sondern auch bei folgenden Schmerzsyndromen beteiligt: ▬ Zosterneuralgie und Postzosterneuralgie ▬ Trigeminusneuralgie ▬ Phantomschmerzen ▬ Postlaminektomiesyndrom
109 Spezielle Krankheitsbilder
7
⊡ Abb. 7.2. Pathogenese des sympathisch unterhaltenen Schmerzes (»sympatically maintained pain«; SMP)
Schmerzqualität
Diagnostische Sympathikusblockaden
▬ Brennender, ziehender, einschießender Schmerz ▬ Allodynie, Hyper-, Hyp- oder Dysästhsie ▬ Trophische Störungen, gestörte Schweißsekretion ▬ Reduzierte Motorik, eingeschränkte Beweglichkeit
Zur Diagnose des sympathisch unterhaltenen Schmerzes (SMP) können je nach Lokalisation folgende Blockaden durchgeführt werden (⊡ Abb. 7.3; Details in Kap. 4): ▬ Ganglion cervicale superius ▬ Ganglion stellatum ▬ Lumbaler Sympathikusgrenzstrang ▬ Plexus coeliacus
Diagnosesicherung Diagnostische Sympathikusblockaden beweisen
das Vorliegen einer sympathischen Beteiligung am neuropatischen Schmerz. Eine diagnostische Blockade gilt als erfolgreich, wenn sie eine Reduktion der VAS/NRS um >50% ermöglicht (Schmerztagebuch führen lassen!). Zusätzlich zur Sympathikusblockade möglich ist die Guanethidinblockade. Bei technisch korrekt durchgeführter Sympathikusblockade kann ein Restschmerz bestehen bleiben. Dieser Anteil am Gesamtschmerz wird als »sympathisch nicht unterhaltener Schmerz« (SIP = »sympathetically independend pain«) bezeichnet.
!
▬ Verifizierung des Temperaturanstiegs in der betroffenen Körperregion zum sicheren Nachweis der Sympathikusblockade (ein Horner-Syndrom beweist z. B. bei einer Stellatumblockade nicht sicher die Blockade der sympathischen Fasern der oberen Extremität!). ▬ Erfahrung erforderlich, viele falsch positive und falsch negative Ergebnisse. ▬ Zum Ausschluss eines sympathisch unterhaltenen Schmerzes sind meist 2 diagnostische Blockaden erforderlich!
110
Kapitel 7 · Neuropathischer Schmerz
7
⊡ Abb. 7.3. Algorithmus für die Diagnostik des sympathisch unterhaltenen Schmerzes (»sympatically maintained pain«; SMP)
Guanethidinblockade
Sichere, aber aufwändige Methode zum Nachweis eines SMP ( Kap. 4). Guanethidin entleert die peripheren Noradrenalinspeicher. Nach initialer Schmerzverstärkung (Hinweis auf suffizient durchgeführte Blockade) kommt es zu einer deutlichen Schmerzreduktion bei sympathisch unterhaltenem Schmerz (SMP). ! Aus Sicherheitsgründen immer einen venösen Zugang an der nicht blockierten Extremität legen.
Therapie des sympathisch unterhaltenen Schmerzes (SMP)
Die interventionelle Therapie des SMP zeigen ⊡ Abb. 7.4 und ⊡ Tabelle 7.4. ▬ Medikamentöse Therapiemöglichkeiten – Antidepressiva – Antikonvulsiva – Capsaicin-Applikation – Lidocain-Infusionen
▬ Therapeutische Sympathikusblockaden Die therapeutischen Sympathikusblockaden sind detailliert dargestellt in Kap. 4 (»Sympathikusblockaden«).
111 Spezielle Krankheitsbilder
7
⊡ Abb. 7.4. Algorithmus für die interventionelle Therapie des sympathisch unterhaltenen Schmerzes (»sympatically maintained pain«; SMP)
⊡ Tabelle 7.4. Invasive Verfahren zur Beeinflussung des sympathisch unterhaltenen Schmerzes (SMP), so genannte Sympathikusblockaden Bezeichnung
Verfahren
Wirkort
Injektion von LA an den sympathischen Grenzstrang
Prä- und postganglionäre Blockade sympathischer Efferenzen
Injektion von niedrigdosiertem Buprenorphin an Ganglien mit sympathischen Fasern
Unbekannter Wirkort, keine efferente Blockade
Sympathektomie
Operative Entfernung oder medikamenöse Neurolyse der Grenzstrangganlien
Prä- und postganglionäre Ausschaltung sympathischer Efferenzen
Intravenöse regionale Sympathikolyse (IVRS)
Injektion eines NoradrenalinReuptake-Hemmers (Guanethidin) in die betroffene Extremität
Ausschließlich postganglionäre Blockade
Grenzstrangblockade
– zervikal: Stellatumblockade – lumbal: lumbale Sympathikusblockade
Ganglionäre lokale Opioidanlagesie (GLOA)
– am Ganglion cervicale superior – am Ganglion stellatum
8 Tumorschmerztherapie
Erwachsene »Tumorschmerz« per se existiert nicht! Tumorschmerz ist die Folge verschiedener Ursachen, wobei man die psychologischen und emotionalen Aspekte der Schmerzgenese immer berücksichtigen muss. Dies bedeutet, den Patienten und sein soziales Umfeld in die Therapie zu integrieren. Jeder Tumorschmerz verpflichtet zur Behandlung. Die Behandlung des Tumorschmerzes ist eine Notfallbehandlung. Etwa 50–80% aller Krebspatienten leiden im fortgeschritten Stadium an Schmerzen. Über 80% der Tumorpatienten kann durch eine effektive Schmerztherapie (= akzeptable Schmerzreduktion oder sogar Schmerzfreiheit) geholfen werden! Wichtige Fragen, die zu Beginn der Behandlung zu klären sind: ▬ Ist der Patient über seine Erkrankung adäquat aufgeklärt? ▬ Was sind die Therapieziele? ▬ Welche Erwartung stellt der Patient an seinen Therapeuten? ▬ Wie reagiert die Familie auf diese Erkrankung?
Grundregeln der Tumorschmerztherapie Unabdingbare Voraussetzung für die Tumorschmerztherapie ist die Eruierung der Ätiologie und der zugrunde liegenden Pathogenese des Schmerzes. Daher sollte eine Abklärung der Symptome vor der Behandlung erfolgen (aber: nicht um jeden Preis eine Diagnostik! Keine belastende
Diagnostik bzw. nur dann, wenn sich hieraus therapeutische Konsequenzen ergeben). Häufig haben bestimmte Schmerzarten ursächlich nichts mit dem Tumor zu tun (z. B. Migräne, Bandscheibenvorfall). Wenn möglich, kausale Therapie oder Therapie des auslösenden Pathomechanismus anstreben (Chemo-, Hormon- und Strahlentherapie, Radionuklidtherapie, palliative operative Eingriffe). Besprechen aller Behandlungsmöglichkeiten mit dem Patienten und der Familie. Ausnutzen aller nichtmedikamentösen Therapien wie z. B. physikalische Maßnahmen, Massagen, Physiotherapie, Wärme-/Kälteanwendungen. Symptomatische, medikamentöse Therapie mit langwirksamen Analgetika auf oralem Weg (»by the mouth«), nach festem Zeitschema (»by the clock«), gemäß dem WHO-Schema an die Schmerzsituation angepasst (»by the ladder«), mit zusätzlicher, schnellwirksamer Bedarfsmedikation bei »breakthrough pain«. Dabei ist auf größtmögliche Selbstbestimmung des Patienten achten. Vorsicht vor Umsetzung starrer Schemata oder Protokolle. Immer sind individuelle selbstbestimmte Therapie anzustreben. Prophylaktische Therapie von zu erwartenden medikamentösen Nebenwirkungen wie z. B. Übelkeit, Obstipation, Unruhe, Angst durch geeignete Adjuvanzien (Antiemetika, Laxanzien etc.). Regelmäßige Kontrolle des Analgesieniveaus bzw. des Therapieerfolgs und evtl. Dosisanpassung bei Ineffektivität bzw. unzureichener Analgesie. Ausarbeitung eines schriftlichen Therapieplans für Patient und Angehörige. Therapieoptionen immer abwägen. Wie groß ist der Nutzen, wie groß ist die Belastung für den Patienten?
114
Kapitel 8 · Tumorschmerztherapie
Reaktive Depressionen folgen oder begleiten oft die Schmerzsymptomatik. Die Bewusstwerdung der Krankheit wird oft durch den Schmerz eingeleitet und emotionale Bewältigungspropleme oft durch Schmerzäußerungen ausgedrückt. Nicht die Änderung der Schmerzmedikation ist die notwendige Konsequenz, sondern das ausführliche, einfühlsame Gespräch mit dem Patienten. Erst wenn diese unterstützenden Gespräche erfolglos bleiben, können Anxiolytika und Antidepressiva eingesetzt werden. Durch adäquate Schmerztherapie kann nach Zech (1995) bei 76% der Patienten ein guter, bei 12% ein ausreichender und bei nur 12% ein unzureichender Erfolg erreicht werden!
Ätiologie des Tumorschmerzes
8
1. Tumorbedingte Schmerzen (60–90%) – Infiltration oder Kompression von Nervengewebe – Weichteilinfiltration – Knochenmetastasen – Tumornekrosen an Schleimhäuten mit Ulzerationen und Perforation – Ausbildung eines Hirnödems – Pathologische Frakturen – Obstruktion von Hohlorganen 2. Therapiebedingte Schmerzen (10–25%) – Schmerzen durch Folgen der Chemotherapie (Stomatitis, periphere Neuropathie, steroidbedingte Osteonekrose) – Schmerzen durch Folgen der Strahlentherapie (Osteoradionekrose, Myelopathie, Plexopathie) – Postchirurgische Schmerzsyndrome (Postmastektomiesyndrom, Postthorakotomiesyndrom, Stumpf- und Phantomschmerzen) 3. Tumorassoziierte Schmerzen (5–20%) – Myofasziale Schmerzen bedingt durch statische Fehlhaltung nach Osteolysen oder Bestrahlung – Pilzinfektionen – Postzosterneuralgie (infolge geschwächter Immunabwehr) – Paraneoplastische Syndrome (Arthralgien, M. Raynaud) – Venenthrombose und Dekubitusulzera
⊡ Abb. 8.1. Pathophysiologische Klassifikation der Schmerzursachen
4. Tumorunabhängige Schmerzen (3–10%) – Migräne, Spannungskopfschmerz – Trigeminusneuralgie – »Hexenschuss« – Arthritis etc. Die pathophysiologische Klassifikation der Schmerzursachen zeigt ⊡ Abb. 8.1.
Wesentliche Gründe für die Unterversorgung von Tumorpatienten ▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬
Schmerzdiagnose unkorrekt Schmerzintensität unterschätzt Dosierungsintervall zu lang Dosierung zu niedrig Bevorzugung schwacher Opioide Angst vor Toleranz und Entzug Angst vor Abhängigkeit Unsicherheit im Umgang mit der BtMVV (Betäubungsmitterverordnung) ▬ Kein Koanalgetikum eingesetzt ▬ Spezielles Verfahren nicht bedacht
Pathogenese der Schmerzen ▬ ▬ ▬ ▬
Emotionale Schmerzen Nozizeptorschmerzen Neuropathische Schmerzen Paraneoplastische Schmerzphänomene
115 Erwachsene
Emotionale Schmerzen Nicht immer bedeutet die Äußerung von Schmerz eine zunehmende Gewebeschädigung oder Irritation des Nervensystems durch den Tumor. Oftmals drückt der Patient unbewusst seine Hilflosigkeit und Ohnmacht gegenüber der Tumorerkrankung durch Schmerzäußerungen aus. Dies muss vom Schmerztherapeuten erkannt werden! Es ist leichter, wegen Schmerzen als vor Hilflosigkeit zu weinen. Es ist leichter, Pillen zu schlucken, als sich der Realität der finalen Erkrankung und all ihrer Auswirkungen zu stellen. Der Patient und sein soziales Umfeld benötigen dann maximale Unterstützung in der Bewältigung dieser Probleme (Seelsorger, Psychologe, Mensch). In diesen Fällen keine Dosiserhöhung von Opioiden, kein Präparatewechsel, kein Umsteigen auf eine höhere WHO-Stufe oder auf invasive Techniken. Diese Aspekte werden auch in einer WHOEmpfehlung (1990 Report of a WHO Expert Committee: cancer pain relief and palliative care) zur Tumorschmerztherapie besonders hervorgehoben: »Die Therapie anderer Symptome wie psychologischer, sozialer und seelischer Probleme ist von größter Bedeutung. Der Versuch, die Schmerzen zu therapieren, ohne sich den nichtphysischen Bedürfnissen der Patienten zuzuwenden, wird voraussichtlich zu Frustrationen führen und scheitern.«
8
bedingter Nervenkompression oder Nerveninfiltration. Durch Antikonvulsiva oftmals akzeptabel therapierbar. ▬ Sympathalgien Bei Mitbeteiligung des sympathischen autonomen Nervensystems kommt es zu sympathisch unterhaltenen Schmerzen (SMP = »sympatically maintained pain«), die mit Durchblutungsstörungen, Schweißneigung und trophischen Störungen einhergehen können. Indikation für Sympathicusblockaden. ▬ Deafferenzierungsschmerzen Werden Nerven oder Nervenwurzeln komplett durch Tumorinfiltration durchtrennt, treten Sensibilitätsstörungen und motorische Störungen auf. Gleichzeitig können Hyperalgie, Allodynie und Dysästhesien auftreten; dies ist bedingt durch den Ausfall von Aδ-Fasern, was den Ausfall des segmental schmerzhemmenden Systems bedeutet.
Paraneoplastische Schmerzphänomene Sie sind durch pathophysiologische Erkenntnisse allein nicht zu erklären. Angenommen wird eine zentrale oder humorale Ursache.
Diagnostik Nozizeptorschmerzen Nozizeptorschmerzen entstehen durch direkte Irritation der Nervenendigungen (Nozizeptoren) im Gewebe, durch mechanische, thermische oder chemische Reize. Sie sind durch den Einsatz von Nichtopioiden und Opioiden (WHO-Stufenschema) eigentlich immer beherrschbar.
Neuropathische Schmerzen Neuropathische Schmerzen entstehen durch unmittelbare Schädigung des peripheren oder zentralen Nervensystems oder durch Deafferenzierung (z. B. Phantomschmerz). Sie sind oft nicht opioidsensibel und erforden den Einsatz von Koanalgetika (Antidepressiva, Antikonvulsiva). Gliederung in ▬ Neuralgiforme Schmerzen Brennende und einschießende Schmerzen in das betroffene Dermatom bei direkter tumor-
Grundlage der Tumorschmerztherapie ist eine gezielte Schmerzanamnese und Diagnostik. Ziel ist es, das aktuelle Tumorstadium zu erfassen (Knochenmetastasen, Harnstau usw.). Nur so können die Schmerzsymptome bzw. neue Schmerzereignisse der Tumorerkrankung ursächlich zugeordnet und kausal oder symptomatisch behandelt werden. Nach einer gezielten Untersuchung können Schmerzen nach ihrer Genese behandelt werden. Wichtigstes differenzialdiagnostisches Instrument ist dabei die exakte Schmerzanamnese, die Fragen nach Art, Dauer, Länge und Charakter des Schmerzes beinhaltet. Eine ausführliche Anamnese allein kann belastende Untersuchungen vermeiden. Es ist jedoch grob fahrlässig, bei Schmerzpatienten mit einer Tumoranamnese auf eine klärende bildgebende Diagnostik oder klärende Untersuchungen zu verzichten.
116
Kapitel 8 · Tumorschmerztherapie
! In der Finalphase einer Tumorerkrankung sollte jedoch auf überflüssige belastende Diagnostik ohne therapeutische Konsequenz verzichtet werden. Spätestens in der Finalphase müssen reflexartig ablaufende Diagnosevorgänge kritisch hinterfragt werden.
Schmerztherapie Allgemeine Regeln
8
Man unterscheidet kausale und symptomatische Therapie. Zu den kausalen Therapien zählt die Chemo-/ Hormontherapie, die Operation, die Bestrahlung und die Radionuklidtherapie. Symptomatische Therapien beschränken sich auf die Linderung der Symptome. Um alle kausalen Therapieoptionen auszuschöpfen, ist ein umfangreiches Spezialwissen nötig. Hier wird deutlich, dass Tumorschmerztherapie eine interdisziplinäre Aufgabe darstellt. Bei 80% der Tumorpatienten ist die medikamentöse Therapie zur Linderung der Schmerzen ausreichend, wenn folgende Grundsätze berücksichtigt werden: ▬ Analgetika und Kotherapeutika nach festem Zeitschema anwenden.
⊡ Abb. 8.2. WHO-Stufenschema
▬ Die medikamentöse Therapie erfolgt nach dem WHO-Stufenschema (Stufe I–III; ⊡ Abb. 8.2). ▬ Immer eine Begleitmedikation wie Laxanzien und Antiemetika verordnen. ▬ Die Applikationsart muss individuell festgelegt werden. Die orale Medikation sollte bevorzugt werden; evtl. transdermale Applikation von Fentanyl oder Buprenophin. ▬ Zusatzmedikation für den Bedarfsfall einkalkulieren. ▬ Keine Analgetika mit gleichem pharmakologischem Wirkprinzip kombinieren. ▬ Aufklärung der Patienten und Angehörigen über Wirkungen und Nebenwirkungen. ▬ Anfertigung und Aushändigung eines Medikamentenplanes. ▬ Regelmäßige Therapiekontrolle (Schmerzreduktion und Nebenwirkungen).
WHO-Stufenschema ▬ Von der WHO im Jahre 1989 veröffentlicht. ▬ Prinzipiell sollte mit der niedrigsten Stufe begonnen werden, ggf. muss bei bereits initial starken Schmerzen auf einer höheren WHOStufe eingestiegen und somit einzelne Stufen übersprungen werden (⊡ Abb. 8.2).
117 Erwachsene
▬ Das WHO-Schema orientiert sich nur an der Schmerzstärke und nicht an der Schmerzätiologie. ▬ Koanalgetika sollten sehr früh und parallel eingesetzt werden. ▬ Nutzung aller Möglichkeiten der physikalischen Therapie für den Patienten. ! Die Anwendung physikalischer Therapien sowie der gezielte Einsatz von Begleitmedikation und Analgetika, eingebettet in eine ganzheitliche Patientenbetreuung, sind die tragenden Fundamente des WHO-Stufenschemas.
Viel zu oft werden die psychologischen und verhaltenstherapeutischen Möglichkeiten vernachlässigt. Die WHO weist in ihrem oben zitierten Artikel ausdrücklich darauf hin, dass erfolgreiche Schmerztherapie sich nicht nur um physische Schmerzen kümmert, sondern immer nichtphysische, emotionale, soziale, psychologische Aspekte mitbehandeln muss. Dies ist nicht Aufgabe von Spezialisten wie Psychologen und Seelsorgern, sondern die Aufgabe und der Auftrag an jede Berufsgruppe, die Tumorpatienten betreut. Wir müssen den Patienten in seiner Gesamtheit und in seiner komplexen Ausnahmesituation begreifen und betreuen. Dabei ist menschliche Zuwendung speziellem medizinischem Wissen gleichwertig. Anmerkung: Neuerdings werden invasive schmerztherapeutische Techniken auch einer neu definierten WHO-Stufe IV zugeordnet. Der offene, einfühlsame und ehrlich kommunikative Umgang mit dem Patienten, der auch eine »schlechte Nachricht« mit einschließt, ist langfristig bei der Betreuung des Tumorpatienten der aufrichtigere und bessere Weg und wird meist vom Patienten akzeptiert (sonst sekundär tiefe Depression und Vertrauensverlust beim Patienten). Gleiches gilt auch für die Angehörigen des Patienten.
Therapie
sind meist nicht durch Opioide oder Muskelrelaxanzien beeinflussbar. Hier helfen Wärmeanwendungen (»heiße Rolle«, warme Wickel, o. ä.) oder bei Lymphödemen eine Lymphdrainage und keine Diuretikatherapie. Psychoonkologische Betreuung
Spezielle Verarbeitungsstrategien, Visualisierungsübungen, Krisenintervention durch qualifiziertes Personal. Nichtmedikamentöse, adjuvante Tumorschmerztherapie
▬ Chemo- und Hormontherapie: Auch ohne morphologische Tumorregression oft guter analgetischer Effekt. ▬ Perkutane Radiatio: Nach 3 Wochen Eintritt des analgetischen Effektes, primär ggf. Schmerzzunahme durch Ödembildung. ▬ Radioisoptopengabe/Radionuklidtherapie: Üblicherweise mit Anwendung von Strontium89-Chlorid. Die Therapie hat eine Ansprechrate von bis zu 80%, evtl. initiale Schmerzzunahme (gutes Zeichen) mit Schmerzreduktion nach 3–4 Wochen, die ca. 6 Monate anhält, evtl. Wiederholung. ▬ Antibiotikatherapie: Bei superinfizierten Haut- und Weichteilmetastasen.
Medikamentöse Therapie Adjuvanzien und Kotherapeutika
Je nach Ursache der Schmerzen sollten gezielt Koanalgetika eingesetzt werden (oftmals kann nur durch den Einsatz dieser Medikamente eine adäquate Schmerzreduktion erzielt werden (z. B. bei neuropathischen Schmerzen). Zur Behandlung kommen Antidepressiva, Antikonvulsiva, Antiarrhythmika und Clonidin ( Kapitel Pharmakotherapie). Biphosphonate und Kortison haben einen festen Platz in der Schmerztherapie von Knochenmetastasen ( Kap. 2 »Pharmakotherapie«).
Nichtmedikamentöse Therapie Physikalische Therapie
Myogelosen als Folge übertragener viszeraler Schmerzen oder als Folge primär ossärer Ursachen
8
Nichtopiod- und Opioidanalgetika WHO-Stufe I
118
8
Kapitel 8 · Tumorschmerztherapie
WHO-Stufe I bei leichten Schmerzen (
Ereicht man durch den Einsatz von WHO-StufeI-Medikamenten binnen 24 h keine zufriedenstellende Schmerzreduktion (VAS<2–3) mit erholsamem Nachtschlaf bzw. bei initial mittelgradiger Schmerzstärke (VAS 3–5), sollte auf WHO-Stufe II mit niederpotenten Opioiden in Kombination mit Nichtopioidanalgetika übergegangen werden. Bevorzugung von Retardpräparaten dieser Gruppe wie z. B. Dihydrocodein (60–120 mg, 8bis 12-stündlich), Tilidin/Naloxon (100–200 mg, 8- bis 12-stündlich), Tramadol (100–200 mg, 8bis 12-stündlich), Codein (allerdings nur in nichtretardierter Form mit 60 mg, 3- bis 4-stündlich) sowie das seltener eingesetzte Dextropropoxypen 150 mg, 8- bis 12-stündlich
Tramadol und Tilidin/Naloxon stehen auch in nichtretardierter Darreichungsform mit einer Wirkdauer von 4–6 h zur Verfügung. Bei der Verabreichung der Medikamentenkombination Tilidin/Naloxon ist zu bedenken, dass dieses Medikament den Opioidantagonisten Naloxon enthält. Man erhofft sich durch die Zugabe von Naloxon eine geringere Nebenwirkungsrate (Obstipation, Müdigkeit). Allerdings ist dieses Medikament dadurch wegen der Gefahr der Schmerzverstärkung nicht mit anderen Opioiden kombinierbar. ! Bei zu erwartender Schmerzprogression ist es sinnvoll, die WHO-Stufe II zu überspringen und direkt mit hochpotenten Opioiden, niedrig dosiert, zu beginnen.
WHO-Stufe III
Bei initialer Schmerzstärke VAS>7 oder bei nicht zufriedenstellender Schmerzreduktion unter WHOStufe II (VAS>2–3) und schmerzbedingt eingeschränkte Nachtruhe sollten direkt Medikamente der WHO-Stufe III, d. h. hochpotente Opioide, zur Anwendung kommen (⊡ Tabelle 8.1 und 8.2). Morphin ist in der Therapie tumorbedingter Schmerzen das Medikament der Wahl (längste klinische Erfahrung und relativ preiswert). Es steht in allen (außer der transdermalen) Applikationsformen (oral, rektal, sondengerecht, parenteral, peridural, spinal, intrathekal) und in retardierter und nichtretardierter Form (als Sevredol 10/20 mg zur oralen Therapie) zur Verfügung. Anmerkung: Bei Therapieerfolg, d. h. VAS 0–2, kann man versuchen, abweichend von der Empfehlung der WHO, auf die peripheren Analgetika zu verzichten, um die Nebenwirkungen dieser Substanzgruppe zu vermeiden. Sind in diesem Auslassversuch die Schmerzen mit Opioiden allein nicht beherrschbar, sollte das periphere Analgetikum wieder gegeben werden, die alternativ oft durchgeführte Dosissteigerung des Opioids ist dann oft nicht ausreichend. Insgesamt ist der Morphinverbrauch im internationalen Vergleich in Deutschland eher gering (⊡ Abb. 8.3).
119 Erwachsene
⊡ Tabelle 8.1. Übersicht über nichtretardierte Morphinpräparate mit kurzer Wirkdauer Applikationsweg
Präparate
Dosierung
oral
Morphin Merck Tropfen 0,5% Morphin Merck Tropfen 2% Sevredol 10, Sevredol 20
1 ml (16 Tr.) = 5 mg 1 ml (16 Tr.) = 20 mg Tabl. à 10 mg, 20 mg
rectal
MSR 10, 20, 30 Suppositorien
Supp. à 10, 20, 30 mg
subcutan, i.m., i.v.
MSI 10, MSI 20 Injektionslösung Morphin Merck 10 mg, 20 mg
1 ml à 10 mg, 20 mg
für Pumpen und Portsysteme
MSI 100, MSI 200 Amp. Morphin Merck 100 mg Amp.
5 ml à 100 mg 10 ml à 200 mg
⊡ Tabelle 8.2. Übersicht über retardierte Morphinpräparate mit langer Wirkdauer Applikationsweg
Präparate
Einnahmeintervall
Dosierung
oral
MST-Tbl. Morphin Merck Tetardtbl. Kapanol-Tbl.
8 bis 12 h
10, 30, 60, 100, 200 mg
8 bis 12 h 8 bis 12 h
10, 30, 60, 100 mg 10, 50, 100 mg
M-long-Retardkps. M-dolor-Retardkps. Capros-Kps. MST-Continus-Kps. MST-Retardgranulat (Trinksuspension)
8 bis 12 h 8 bis 12 h 8 bis 12 h 12 bis 24 h
10, 30, 60, 100 mg 10, 30, 60, 100 mg 10, 30, 60, 100, 200 mg 30, 60, 100, 200 mg Beutel à 20, 30, 60, 100, 200 mg
Sonde
⊡ Abb. 8.3. Morphinverbrauch im internationalen Vergleich
12 h
8
120
Kapitel 8 · Tumorschmerztherapie
! Applikationsformen der Opioide
8
▬ Grundsätzlich ist die orale Applikationsform zu bevorzugen ▬ Umsteigen auf andere Applikationsart, wenn: – Orale Applikation nicht mehr möglich (anhaltendes Erbrechen, Tumor im Oropharynx, Ösophaguskarzinom; Dysphagien oder Passagestörungen, Mukositis, Aversion gegen Opioide) – Orale Applikation nicht mehr sinnvoll bzw. zuverlässig (hohe Dosis mit starken Nebenwirkungen, psychomimetische Veränderungen) – Nebenwirkungen der oralen Applikation (persistierende therapierefraktäre Übelkeit) – Alternativen sind folgende Applikationsformen: – Subkutan – Transkutan/Tagermal – Intravenös – Peridural – Intrathekal – Intraventrikulär
▬ Keine psychische Abhängigkeit (d. h. Sucht) durch starkwirksame Opioide bei Tumorpatienten.
▬ Keine Toleranzentwicklung gegenüber der analgetischen und obstipierenden Wirkung der Opioide, d. h. die oft notwendige Dosissteigerung ist meist durch Tumorprogression bedingt, und die Ileusprophylaxe muss dauerhaft eingenomen werden. Eine Toleranzentwicklung besteht jedoch bezüglich der sedierenden und atemdepressiven Wirkung der Opioide.
▬ Physische Abhängigkeit bei längerer Einnahme (>4–6Wochen) von Opioiden, darum langsame Dosisreduktion entsprechend der HWZ des eingesetzen Opioids: 10–20% Dosisreduktion pro 1–3 Tage.
Symptomatik des körperlichen Entzugs ▬ ▬ ▬ ▬ ▬
Motorische Unruhe, Schlafstörungen Psychische Agitiertheit Schwitzen, Gähnen Muskel- und Magenkrämpfe (später) Neurogenes Lungenödem (selten)
Therapie der Opiatnebenwirkungen Andere starkwirksame Opioide (⊡ Tabelle 8.3) ▬ Hydromorphon (Palladon) und Oxycodon (Oxygesic) verursachen weniger psychomimetische Nebenwirkungen und sind damit bei älteren Patienten von Vorteil. ▬ Fentanyl ist eine weitere Substanz, die in transdermal applizierbarer Form in verschiedenen Pflastergrößen zur Verfügung steht (Durogesic-SMAT von Jansen-Cilag, Generica von Ratiopharm, Hexal usw.). ▬ Buprenorphin ein weiteres hochpotentes Opioid, es ist als Temgesic oral und i.v. verfügbar und seit September 2001 transdermal als Transtec-Pflasters auf den Markt.
! Cave: Fentanyl-Generic-Pflaster sind zum Teil ohne Beschriftung, d. h. verbunden mit Dosisunsicherheit und Verwechslungsgefahr mit anderen transdermalen Therapiesystemen (z. B. Hormonpflaster).
Die Therapie der unter Opioiden auftretenden Nebenwirkungen zeigt ⊡ Tabelle 8.4. WHO-Stufe IV
Ein unter oraler medikamentöser Therapie refraktärer Tumorschmerz oder bei therapierefraktären Nebenwirkungen der Opioidtherapie sollte auf die WHO-Stufe IV übergegangen werden. Hierunter versteht man invasive(re) Techniken der Schmerztherapie. Am erfolgreichsten ist die parenterale Verabreichung von Opioiden, wobei der subkutane Weg den intravenösen Zugangsweg (über Port) abgelöst hat (kein Schmerzpatient braucht zur parenteralen Schmerztherapie einen Port). ! Morphin, Haloperidol, Metamizol und Metoclopramid können suffizient subkutan appliziert werden.
Weitere Methoden sind Applikation von Lokalanästhetika bei muskulärem Schmerztrigger, periphere
121 Erwachsene
8
⊡ Tabelle 8.3. Auswahl starkwirksamer Opioide Wirkstoff
Präparat
Darreichungsform
Applikationsweg
Dosierungsintervall
Äquipotenzdosierung
Buprenorphin
Temgesic
Amp. à 0,3 mg
s.c., i.m.
6–8 h
0,3 mg Temgesic i.v. =10 mg Morphin i.v.
Tbl. à 0,2 mg
i.v.
6–8 h
1 Tbl. Temgesic p.o. =10 mg Morphin p.o.
Forte-Tbl. à 0,4 mg
s.l.
Transtec
Pflaster à 35, 52,5, 70 µg/h
Transdermal
72 h
L-Polamidon
Tbl. à 2,5 mg
p.o.
6–8 h
5 mg L-Polamidon =10 mg Morphin p.o.
Levomethadon
1 Tbl. Forte =20 mg Morphin p.o.
Gtt.: 1 ml = 5 mg Oxycodon
Oxygesic
- Tbl. à 10, 20, 40 mg
p.o.
12 h
10 mg Oxycodon p.o. =20 mg Morphin p.o.
Hydromorphon
Palladon
Retardkaps. à 4, 8, 16, 24 mg
p.o.
12 h
7,5-fache Potenz im Vergleich zu Morphin
Dilaudid
Amp. à 2 mg
s.c., i.m.
Durogesic-SMAT
12, 25, 50, 75 und 100 µg/h
Transdermal
(48–) 60–72 h
90 mg Morphin oral =25µg/h; dann je weitere 60 mg Morphin plus 25 µg/h
Matrixpflaster von Ratiopharm
25, 50, 75 u. 100 µg/h
Transdermal
72 h
Wie Durogesic-SMAT
Matrixpflaster von Hexal
25, 50, 75 u. 100 µg/h
Transdermal
72 h
Wie Durogesic-SMAT
Membranpflaster von Hexal
25, 50, 75 u. 100 µg/h
Transdermal
72 h
Wie Durogesic-SMAT
Fentanyl
Regionalanästhesieverfahren, Sympathikusblockaden und die rückenmarknahe Applikation von Medikamenten wie z. B. Morphin, Clonidin, Baclofen. Anmerkung zur subkutanen Applikation
▬ Über spezielle subkutane Verweilkanülen oder normale subkutan positionierte, intravenöse Verweilkanülen oder »Butterflys«. ▬ Subkutane Applikation ist äquipotent zur intravenösen Applikation, d. h. Wechsel jederzeit möglich. (Anschlagzeit bei Bolusgabe verlängert, ca. 10–15 min). ▬ Einsatz von PCA-Systemen möglich; häusliche Versorgung meist unproblematisch; Bolus-
funktion bei Durchbruchschmerzen programmierbar. Eventuell gleichzeitige Applikation von Metamizol, Butyl-Scopolamin, Metoclopramid und/ oder Dexamethason. ▬ Intravenöse Applikation zu bevorzugen, wenn subkutane Resorption nicht sicher erfolgt (z. B. in lympahtisch gestauten Körperregionen) oder häufig lokale Infektionen an der Punktionsstelle auftreten. Eine Umrechnungstabelle verschiedener Opiode und unterschiedliche Applikationsmodi zeigt ⊡ Tabelle 8.5.
122
Kapitel 8 · Tumorschmerztherapie
⊡ Tabelle 8.4. Therapie der Opiatnebenwirkungen Symptome
Differenzialdiagnose
Therapie
Sedierung
Sedierende Medikamente, Hyperkalzämie, Niereninsuffizienz, Tumorprogredienz, Hirnmetastasen, Sepsis usw.
Reduktion der Opioiddosis, evtl. Änderung des Behandlungsintevalls, Arzneimittel überprüfen, Opioidwechsel
Verwirrtheit, Halluzinationen, Alpträume
Bei progredienter Tumorerkrankung zahlreiche Gründe für Verwirrtheit vorhanden (organisch, septisch, medikamentös, metabolisch, psychisch etc.)
Dosisreduktion bzw. Opioidwechsel, Nichtopioide, Neuroleptika (z. B. Haloperidol 2- bis 3-mal 1 mg), spinale Opioidapplikation selten erforderlich, da Symptome oft nachlassen
Die genannten Symptome treten nur selten unter Opioidtherapie auf (<1%), werden von Patienten und Angehörigen jedoch sehr gefürchtet, besonders bei rascher Dosissteigerung
Schwitzen
Fieber, Angst, körperliche Anstrengung, differenzialdiagnostisch auch an paraneoplastische Syndrome denken
Anticholinergika: Neuroleptika, z. B. Thioridazi(Melleril) oder Antidepressiva; Bornapri, Antihyperhydrotikum auf Salbei-Basis (Sweatosan), schweißreduzierende Ganzkörperwäsche [Rp.: 1 l Salbeitee (2 EL Salbei) auf 5 l Wasser, 4 min ziehen lassen], Opioidwechsel bzw. -reduktion
Symptom kann nachts stärker auftreten; häufiger in Zusammenhang mit Lebermetastasen
Juckreiz
Hauterkrankungen, Lebererkrankung, Niereninsuffizienz, paraneoplastisch, Hautmetastasen, Allergie, usw.
Antihistaminikum (H1-Rezeptorantagonist), Hitze und heißes Baden vermeiden, Hautpflege, Ganzkörperwäsche mit Essigwasser (Rp.: 3 EL Obstessig auf 5 l Waschwasser); Opioidwechsel, wenn Juckreiz nach einigen Tagen nicht sistiert
Häufig bei rückenmarknaher Opioidapplikation
Harnverhalt
Prostatahyperplasie, akute Prostatitis, Prostatakarzinom, Narben nach Entzündungen
Trizyklische Antidepressiva und anticholinerg wirkende Substanzen reduzieren oder absetzen, Cholinergika, z. B.Carbachol (Doryl 2 mg oral oder 0,25 mg s.c.), evtl. Opioidwechsel, Opioiddosierung reduzieren
Meist ältere Männer (ca. 5%), Auftreten auch bei rückenmarknaher Applikation (in bis zu 14%der Fälle)
Myoklonien
Selten bei extrapyramidalen, zerebellaren und kortikalen Läsionen, (multiple Sklerose etc.)
Dosisreduktion, antikonvulsive Benzos, z. B. Clonazepam (Rivotril), Baclofen und/oder Dantrolen als Myotonolytikum
Oft Hinweis auf Niereninsuffizienz (bei Morphintherapie)
Mundtrockenheit
Geringe Flüssigkeitsaufnahme, Infektionen, Soor, Chemotherapie, Radiatio, orale Tumoren, Nebenwirkungen anderer Medikamente
Mundpflege und lokale Maßnahmen (kein Glycerin, keine Kamille, führt zum Austrocknen), Stimulation der Salivation (Eisstückchen mit Ananas, Kaugummi, saure Drops), anticholinerge Medikamente reduzieren (Antidepressiva, Neuroleptika etc.)
8
Besonderheiten
⊡ Tabelle 8.5. Umrechnungstabelle verschiedener Opiode und unterschiedliche Applikationsmodi Substanz
Oral [mg]
Subkutan [mg]
Intravenös [mg]
Peridural [mg] Intrathekal [mg] Intraventrikulär [mg]
Morphin
30
10
10
1–2
Levomethadon
1
0,3
0,3
Buprenorphin
1
0,8
0,8
0,4–0,8
0,2
–
Fentanyl
–
0,1
0,1
0,05–0,1
0,05
–
Hydromorphon
1
0,5
0,5
–
–
–
0,1–0,2
0,01–0,02 –
123 Erwachsene
8
▬ Inakzeptable systemische Nebenwirkungen von hochdosierten Opioiden sowie nicht zufriedenstellende Analgesie ▬ Neuropathische Schmerzen bei Plexusinfiltration ▬ Notwendigkeit einer Kombination von Lokalanästheika mit Clonidin
Lipophile Opioide (Fentanyl, Buprenorphin, Sufentanil) binden fast nur am Applikationsort, bewirken also nur eine eng umschriebene regionale Analgesie. Ein PDK sollte daher möglichst exakt platziert werden. Morphin als hydrophile Substanz bindet im Liquor, was auf der einen Seite zu einer ausgedehnten übersegmentalen Analgesie führt, auf der anderen Seite die Gefahr einer supraspinalen Wirkung mit später Atemdepression (nach 12–24 h) birgt.
! Vor der Durchführung einer invasiven Therapie
Nebenwirkungen
Anmerkung zur rückenmarknahen (intrathekal/peridural) Opioidzufuhr Indikation
muss ein Opioidwechsel versucht werden.
Pharmakokinetik der rückenmarknahen Opioidapplikation
Peridural verabreichte Opioide diffundieren über die Dura mater in den Liquor cerebrospinalis, von dem sie je nach Applikationsort die Nervenwurzeln und das Rückenmark erreichen. Parallel dazu werden sie v. a. im Periduralraum, in Abhängigkeit von ihrer Lipophilie, sehr schnell resorbiert. Vom hydrophilen Morphin gelangen ca. 20% in den Liquor, vom lipophilen Fentanyl hingegen nur ca. 0,1%, d. h. nur beim Morphin erreicht man einen deutlichen lokalen Effekt bzw. eine deutlich höhere Konzentration vor Ort. Lipophile Opioide müssen im Periduralraum nahezu in systemischen Dosen verabreicht werden, wodurch die unerwünschte Nebenwirkungsrate dieser Opioide nicht reduziert wird. Morphin erreicht als einzige Substanz bei periduraler Applikation im Rückenmark deutlich höhere Konzentrationen als bei systemischer Gabe. Daher kann die peridural applizierte Dosis um circa 90% auf 1/10 reduziert werden. Auch intrathekal verabreichte Opioide werden je nach Lipophilie sehr rasch in den Systemkreislauf resorbiert.
▬ Frühe Atemdepression nach 30–60 min durch systemische Resorption ▬ Späte Atemdepression nach 12–24 h durch rostralen Morphintransport im Liquor (mindestens 24-h-Überwachung bei spinaler Applikation) ▬ Harnverhalt ▬ Pruritus (bis 90%) ▬ Übelkeit/Erbrechen ▬ Ödembildung ▬ Sekundäre Amenorrhoe ! Nur Morphin und Sufentanil sind derzeit für eine rückanmarknahe Anwendung zugelassen (⊡ Tabelle 8.6).
Neurochirurgische und neuroinvasive Verfahren Neurochirurgische und neuroinvasive Verfahren verlieren mehr und mehr an Bedeutung, weil retardierte Morphine sowie parenterale Opioidapplikation und rückenmarknahe Opioidapplikationsformen diese Methoden ersetzt haben. Lediglich die Plexus-coeliacus-Blockade hat einen unbestrittenen Stellenwert bei Tumoren des oberen Gastointestinaltraktes, insbesondere Pankreastumoren.
⊡ Tabelle 8.6. Dosierungsrichtwerte für Morphin und Sufentanil bei rückenmarknaher Applikation Medikament
Peridural
Intrathekal
Bolusgabe [mg]
Dauerapplikation/Tag [mg]
Bolusgabe [mg]
Dauerapplikation/Tag [mg]
Morphin
3–5
5–30
0,2–0,5
2–6
Sufentanil
0,02
0,3–2,0
0,005–0,01
0,05–0,2
124
Kapitel 8 · Tumorschmerztherapie
»Notfalltherapie« bei schwersten Schmerzzuständen
8
Schwerste Schmerzzustände mit vegetativen Komponenten wie Tachykardie, Tachypnoe, Schwitzen und Hypertonus sind sofort zu behandeln. Oftmals wird eine notwendige Diagnostik oder Therapie (Bestrahlung von Knochenmetastasen) erst durch eine solche Schmerztherapie möglich. Vital bedrohliche Komplikationen, wie z. B. eine Darmoder Magenperforation, sind trotz suffizienter Schmerztherapie sicher diagnostizierbar. Bei schwersten Schmerzzuständen empfiehlt sich die Durchführung einer Morphintitration bzw. die Anwendung eines »Schmerztropfes«. Hierbei wird die applizierte Morphinmenge anhand der Schmerzintensität austitriert, d. h. man reguliert, unter Monitoring der Vitalparameter, die Infusionsgeschwindigkeit bzw. repetiert die Gabe kleinerer bis mittlerer Morphindosen bis zur Einstellung eines zufriedenstellenden Analgesieniveaus. Nachfolgende Infusionen werden unter Monitoring der Vitalparameter (Atemfrequenz) über 30– 60 min langsam i.v. appliziert, bis der gewünschte Therapieeffekt (VAS 0–2) oder Nebenwirkungen auftreten. Aus der notwendigen Morphinmenge lässt dich der Opioidtagesbedarf errechnen. Bei Auftreten von Nebenwirkungen ohne ausreichende Schmerzreduktion ist die getestete Medikamentenkombination nicht geeignet.
Beispiel Knochenschmerz: ▬ Morphinnaiver Patient Infusionszusatz: – 30 mg MSI – 75 mg Voltaren-Injektionslösung – 20 mg Psyquil z. B: Bei VAS 0–2 nach Gabe von 15 mg i.v. errechnet sich ein oraler Tagesbedarf von ca. 270 mg Morphin oder 150 µg/h Fentanyl als Pflaster. Anmerkung: i.v. appliziertes Morphin ist unretardiert und wirkt ca. 4 h, sodass der Tagesbedarf der 6-fachen Bolusmenge entspricht (im Beispiel: 15 mg ×6=90 mg). Bei i.v.-Testung und späterer oraler Morphingabe ist zu berücksichtigen, dass die ▼
Bioverfügbarkeit von oralem Morphin nur ca. 30% beträgt (im Beispiel: 90 mg i.v. =270 mg oral). Bei transdermaler Dauertherapie mit Fentanyl entsprechen einem Tagesbedarf von 15 mg i.v. 25 µg/Fentanyl/h (im Beispiel: 90 mg/24 h i.v. =150 µg/h Fentanyl transdermal). ▬ Morphinvorbehandelter Patient Infusionszusatz: Verdopplung der Morphintagesdosis: – 75 mg Voltaren-Injektionslösung – 20 mg Psyquil
Beispiel viszeraler Schmerz: ▬ Tumorbedingter Schmerz Infusionszusatz: – 30 mg MSI – 2000 mg Novalgin ▬ Bei Koliken zusätzlich – 40 mg Buscopan ▬ 5 mg Haldol
Beispiel neuropathischer Schmerz: ▬ Infiltration der Nervenwurzel Infusionszusatz: – 30 mg MSI ▬ Infiltration eines peripheren Nervs Infusionszusatz: – 3 mg Clonazepam ▬ Bei Wirbelkörperfraktur Infusionszusatz: – 50–100 mg Dexamethason Neuropathischer Schmerz ist meist ein »opioid poorly-resistant pain«.
Pädiatrie Basierend auf den Empfehlungen der WHO »Cancer Pain Relief and Palliative Care in Children«. Anmerkung
Streng wissenschaftsbasierte Therapieempfehlungen im Sinne einer »evidence based medicine« sind nicht möglich, da bei kindlichen Tumorschmerzen keine prospektiven, randomisierten, placebokontrollierten Studien vorliegen.
125 Pädiatrie
Die Probleme der Medikamentenzulassung für Kinder sind hinreichend bekannt, so bestehen für die meisten vorgestellten etablierten Medikamente keine Zulassung für Neugeborene oder Kinder, sodass ein Off-label-Gebrauch nötig wird. Die hier vorgestellten Medikamente und Empfehlungen orientieren sich an der Übersetzung der WHOEmpfehlung »Schmerztherapie und palliative Versorgung krebskranker Kinder« der deutschen GPOH (Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie) der DGSS (Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes) und der DGP (Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin) und sind somit mehr als »good clinical practice«.
8
Durchführung und Beurteilung von KUSS
Für jede Variabel ist nur eine Aussage zulässig. Die Dauer der Beobachtung beträgt 15 s. Es sind nur Daten aus dieser Zeit festzuhalten, auch wenn sich das Verhalten des Kindes danach ändert. Wiederholte Beobachtungen in festen Zeitabständen sind aussagekräftiger als eine Einzelbeobachtung. Zu jeder Beobachtung gehört die Kontrolle des Wachheitsgrades. Ein schlafendes Kind hat keinen akuten analgetischen Therapiebedarf. Eine Schmerzmedikation ist ab einem summierten Wert von >4 erforderlich. Mit steigender Punktzahl nimmt die Dringlichkeit zu.
Nichtmedikamentöse Therapie Schmerzursachen ▬ Schmerzhafte Eingriffe (Details zu postoperativer Schmerztherapie bei Kindern in Kap. 5) ▬ Phantomschmerzen ▬ Mukositiden im Rahmen zytostatischer Therapien ▬ Tumorbedingte Schmerzen
Schmerzmesung Mindestens 2-mal täglich Schmerzmessung mit kindgerechten Schmerzmessskalen: ▬ KUSS = Kindliche Unbehagen und SchmerzSkala nach Büttner (geeignet zur Schmerzmessung bei Kindern von 0–4 Jahren sowie bei nonverbalen Patienten); ⊡ Tabelle 5.9, ▬ Die Smiley-Analogskala kann nach Bieri Kindern ab 2,5–4 jahren präsentiert werden ⊡ Abb. 8.4.
▬ Kinder mit Schmerzen brauchen Aufmerksamkeit, d. h. möglichst viel Zeit mit dem Kind verbringen; dadurch wird eine Schmerzeinschätzung auch besser möglich. ▬ Kindgerechte Informationen über den zu erwartenden spezifischen Schmerz mitteilen. Information auch an die Eltern. ▬ Kontroll- und Wahlmöglichkeiten dem Kind überlassen (z. B.: die Punktionsstelle bestimmt das Kind selbst, wer das Kind zur Lumbalpunktion festhalten darf, bestimmt das Kind selbst). ▬ Vorbereitung von Eltern und Kind auf schmerzhafte Eingriffe. ▬ Kindgerechte Umgebung. ▬ Alternative Therapie, z. B. Hypnose bei Lumbalpunktion
⊡ Abb. 8.4. Smiley-Analogskala (Aus Pioch [2005] Schmerzdokumentation in der Praxis. Springer, Heidelberg)
126
Kapitel 8 · Tumorschmerztherapie
Medikamentöse Schmerzterapie Grundprinzipien
8
▬ Berücksichtigung des WHO-Stufenschemas. ▬ Ein frühzeitiges Umsteigen auch auf starke Opioide ist oft erforderlich weil – starke Schmerzen in der Kinderonkologie häufig sind, – Nebeneffekte der Nichtopioidanalgetika (Fibersupression und Gerinnungshemung) vermieden werden müssen. ▬ Bei Nebenwirkung der Opiode (Übelkeit, Obstipation) ist auch die Kombination von 2 Nichtopioidanalgetika möglich. ▬ Möglichst nichtinvasive Applikation der Analgetika (oral/transdermal). ▬ Dauermedikation für Dauerschmerz und zusätzlich Bedarfsmedikation verordnen. ▬ Prophylaktische Therapie der Obstipation. ▬ Berechnung der Dosis in mg/kgKG bis 50 kgKG. ▬ Neugeborene und Säuglinge haben eine besondere Empfindlichkeit hinsichtlich der atemdepressiven Nebenwirkung von Opioiden.
▬ Nachteile – Geringe therapeutische Breite Lebertoxizität ab 150 mg/kgKG pro Tag bzw. ab 100 mg/kgKG Einzeldosis (Antidot: Acetylcystein) Acetylsalicylsäure (ASS)
Aufgrund der irreversiblen Thrombozytenaggregationshemmung und der Gefahr eines Reye-Syndroms nur mit sehr strenger Indikationsstellung einsetzbar. Ibuprofen und Diclofenac
▬ Vorteile – Gute Analgesie durch antiphlogistischen Effekt v. a. bei Knochenschmerzen – Ibuprofen hat weniger gastrointestinale Nebenwirkungen als Diclofenac ▬ Nachteile – Passagere Thrombozytenaggregationshemmung – Serumspiegelerhöhung von Digoxin und Methotrexat
WHO-Stufe I
Metamizol
Die Dosierungsempfehlungen der einzelnen Präparate sind dargestellt in ⊡ Tabelle 8.7.
▬ Vorteile – Spasmolytischer Effekt – Keine Beeinflussung der Thrombozytenaggregation – p.o. und i.v. applizierbar ▬ Nachteile – Antipyretische Wirkung (lässt Infektionen in der Aplasie schwerer erkennen)
Paracetamol
▬ Vorteile – Keine Beeinflussung der Plättchenaggregation – Keine gastrointestinalen Mukosaschäden – p.o., als Suppositorium und i.v. applizierbar
⊡ Tabelle 8.7. WHO-Stufe I: Dosierungsempfehlungen der einzelnen Präparate Medikament
Applikation
Einzeldosis
Paracetamol
p.o., Supp.
Dosisintervall
Tageshöchstdosis (bis 50 kgKG)
Tageshöchstdosis (Erwachsene)
15 mg/kg (4–)6 h Loading dose zu Beginn der Therapie 30 mg/kgKG
<2 Jahre: 60 mg/kgKG; >2 Jahre: 90 mg/kgKG
4000 mg
i.v. als Kurzinfusion
15 mg/kg keine Ladungsdosis
6h
60 mg/kgKG
4000 mg
Diclofenac
p.o., Supp.
1 mg/kg
(6–)8 h
3 mg/kgKG
150 mg
Ibuprofen
p.o., Supp.
10 mg/kg
6(–8) h
40 mg/kgKG
2400 mg
Metamizol
p.o., Supp., i.v. als Kurzinfusion über 15 min
15 mg/kg
4(–6) h
75 mg/kgKG
5000 mg
8
127 Pädiatrie
– Kreislaufdepression bei schneller intravenöser Gabe – Absinken des Ciclosporin-Spiegel WHO-Stufe II Tramadol
▬ Weniger Übelkeit als beim Erwachsenen ▬ Ab 10 mg/kgKG/Tag ist ein Wechsel auf ein hochpotentes Opioid sinnvoll ▬ p.o. und i.v. applizierbar.
▬ Dosisreduktion bei Therapiedauer über 5 Tage – langsame Dosisreduktion über 4 Tage um jeweils 25% ▬ Dosisreduktion bei längerer Therapiedauer – langsame Dosisreduktion über bis zu 2 Wochen: jeweils 20% in den ersten 2 Tagen, danach jeweils 10% täglich Die Dosierungsempfehlungen der einzelnen Präparate sind dargestellt in ⊡ Tabelle 8.8.
Dihydrocodein, Tilidin, Dextropropoxyphen
▬ Nur oral verfügbar ▬ Seltener Einsatz in der Pädiatrie WHO-Stufe III
▬ Der primäre Einsatz starker Opioide ist bei starken Schmerzen die Regel ▬ Morphin ist das Standardopioid ▬ Säuglinge unter 6 Monaten erhalten primär nur 1/3 der angegebenen Startdosis mit nachfolgender Dosistitration ▬ Die Bedarfsmedikation beträgt 1/6 der Tagesdosis
Morphin
▬ Vorteile – Standardopioid – Keine obere Dosisgrenze, Titration am Effekt – Rektale Bioverfügbarkeit schwer vorhersehbar (30–70%) – Oral, rektal, parenteral (s.c., i.v.) applizierbar – Oral retardierte Substanzen (bis 24 h Wirkung) – PEG-gängiges Granulat
⊡ Tabelle 8.8. WHO-Stufe III: Dosierungsempfehlungen der einzelnen Präparate Medikament
Applikation
Übliche Startdosis <50 kgKG
Übliche Startdosis >50 kgKG
Dosisverhältnis i.v. : p.o.
Morphin
i.v.
Bolus 0,05–0,1 mg/kgKG; alle 2–4 h; PCA-Bolus: 0,02 mg/kgKG; DTI: 0,02– 0,03 mg/kgKG/h
5–10 mg all 2–4 h; PCABolus: 1 mg; DTI: 1 mg/h
1:3
p.o.
Unretardiert: 0,15–0,3 mg/kgKG; alle 4 h
Unretardiert: 5–10 mg; alle 4 h
i.v.
0,015 mg/kgKG alle 4–6 h; PCA-Bolus: 0,003 mg/kgKG; DTI: 0,005 mg/kgKG/h
1–2 mg alle 4–6 h; PCABolus: 0,15; DTI: 0,25 mg/h
p.o.
Unretardiert: 0,04 mg/kgKG; alle 6 h; retardiert: 0,06 mg/kgKG; alle 8–12 h
Unretardiert: 1,3 –2,6 mg; alle 6 h; retardiert: 4 mg; alle 8–12 h
Piritramid
i.v.
0,05–0,1 mg/kgKG alle 4–6 h; PCA-Bolus: 0,025 mg/kgKG; DTI: 0,01–0,02 mg/lg/h
5–10 mg alle 4–6 h; PCABolus: 1,0 mg; DTI: 1 mg/h
Buprenorphin
i.v.
0,003–0,006 mg/kgKG; alle 6–8 h
0,2–0,3 mg; alle 6–8 h
s.l.
0,003–0,006 mg/kgKG; alle 6–8 h
0,2–0,3 mg; alle 6–8 h
Tramadol
i.v.
1 mg/kgKG alle 3–4 h; DTI: 0,3 mg/ kgKG/h
50–100 mg alle 3–4 h; DTI: 15 mg/h
p.o.
Unretardiert: 1 mg/kgKG; alle 3–4 h; retardiert: 2 mg/kgKG; alle 8–12 h
Unretardiert: 50–100 mg alle 3–4 h; retardiert: 100– 300 mg; alle 8–12 h
Hydromorphon
1:2
1:1
128
Kapitel 8 · Tumorschmerztherapie
– Spinal 100-fache Wirkung, peridural 10-fache Wirkung im Vergleich zur intravenösen Gabe ▬ Nachteile – Kumulation von Morphin-6-Glucuronid bei Niereninsuffizienz – Transdermal nicht applizierbar Hydromorphon
8
▬ Vorteile – Keine aktiven Metaboliten – Alternativpräparat zu Morphin bei Niereninsuffizienz oder Morphin-Nebenwirkungen – p.o. und i.v. applizierbar (retardierte Substanzen verfügbar) – retardierte Substanz PEG-gängig (die Pellets der Palladon-Kapseln behalten ihre retardierte Wirkung) Piritramid
▬ Nachteile – Nur i.v. applizierbar – Lässt sich nicht mit anderen Substanzen in Infusionslösungen mischen Levomethadon
▬ Vorteil – Eventuell besserer Effekt bei neuropathischen Schmerzen ▬ Nachteile – Lange Halbwertszeit, deshalb schlechte Steuerbarkeit (β-Halbwertszeit von 13–100 h!) – Opioidrotation auf Levomethadon braucht viel Erfahrung Fentanyl
▬ Vorteile – Transdermal applizierbar – Transmukosal applizierbar, »Fentanyl-Lolly« (Actiqheading2-Stick von 200–1600 µg) Buprenorphin
▬ Vorteile – Transdermal, transmukosal und i.v. applizierbar – Metabolisierung unabhängig von der Nierenfunktion
▬ Nachteile – µ-Agonist und κ-Antagonist, deshalb mögliche Kompatibilitäsprobleme mit reinen µAgonisten (klinisch kaum zu beobachten) – Fraglicher Ceilingeffekt (für die Klinik nicht sicher nachgewiesen) – Höchste Rezeptoraffinität, Buprenorphin kann nur mit höchsten Dosen von Naloxon (5–10 Amp. Naloxon à 0,4 mg) antagonisert werden Die Therapie der Opioidnebenwirkungen zeigt ⊡ Tabelle 8.9. Adjuvante Schmerzmedikamente sind in ⊡ Tabelle 8.10 dargestellt.
129 Pädiatrie
⊡ Tabelle 8.9. Therapie der Opioidnebenwirkungen in der pädiatrischen Tumorschmerztherapie Medikament
Dosis
Applikationsform
1–2 mg/kgKG alle 6–8 h
i.v.
5 mg/kgKG alle 6–8 h
p.o., Supp.
Übelkeit Dimenhydrinat
Tageshöchstdosis: 2–6 Jahre: 75 mg; 6–12 Jahre: 150 mg Domperidon
0,3 mg/kgKG =1 Trpf./kgKG alle 6–8 h; maximal 33 Trpf./Dosis
p.o.
Ondansetron
0,17 mg/kgKG alle 12 h; Höchstdosis 8 mg
i.v./ p.o.
Lactulose
<3 Jahre: 3-mal 2–5 ml >3 Jahre: 3-mal 5–10 ml
p.o.
Macrogol
0,8 g/kgKG/Tag
p.o.
Natriumpicosulfat
>4 Jahre: 4–8 Trpf. in 24 h; >12 Jahre: 10–18 Trpf. in 24 h
p.o.
Obstipation
⊡ Tabelle 8.10. Therapie der Opioidnebenwirkungen in der pädiatrischen Tumorschmerztherapie Medikament
Dosis
Indikationen
S-Ketamin
0,5–3 mg/kgKG/Tag i.v.
Neuropathischer Schmerz Schmerzhafte Eingriffe Terminale Analgosedierung (in Kombination mit Midaziolam)
Gabapentin
Schrittweise aufdosieren innerhalb von 3–7 Tagen auf 15–30 mg/kgKG/Tag p.o. in 3 ED
Einschießende neuropathische Schmerzen
maximal 60 mg/kgKG/Tag maximale Erwachsenendosis: 3600 mg/Tag Amitriptyllin
Promethazin
Therapiebegin mit 0,2 mg/kgKG/Tag p.o. abends
Brennende neuropathische Schmerzen
steigern über 2–3 Wochen (alle 2–3 Tage um 25%)
Phantomschmerzen
Zieldosis: 1 mg/kgKG/Tag bzw. geringst wirksame Dosis
Schmerzbedingte Schlafstörungen
0,2–0,5 mg/kgKG p.o. oder i.v. alle 6 h
Starke Übelkeit, Erbrechen Dyspnoe Akute Agitiertheit
Lorazepam
0,01–0,02 mg/kgKG alle 8–12 h p.o.
Schlafstörungen
maximale ED 0,05 mg/kgKG
Krampfanfälle Angst Dyspnoe
8
9 Kopfschmerz
Einteilung Der Kopfschmerz (KS) wird nach der International Headache Society (IHS) in 14 Hauptgruppen bzw. 212 Kopfschmerzformen eingeteilt (⊡ Tabelle 9.1). 1. Primärer Kopfschmerz (92%, ohne organische Ursache); hierzu gehören – die Migräne, – der Clusterkopfschmerz, – der episodische oder chronische Kopfschmerz vom Spannungstyp (früher bezeichnet als
Spannungskopfschmerz, Muskelkontraktionskopfschmerz, stressinduzierter Kopfschmerz und gewöhnlicher Kopfschmerz), – die chronische paroxysmale Hemikranie und – der zervikogene Kopfschmerz. 2. Sekundärer Kopfschmerz (8%, zugrunde liegende organische Erkrankung). Anmerkung: Die Einteilung des Kopfschmerzes erfolgt nicht nach der Ätiologie, sondern nach der Phänomenologie.
⊡ Tabelle 9.1. Die Systematik der internationalen Kopfschmerzklassifikation mit Koversion zwischen Klassifikationscodes der International Headache Society (IHS) und der WHO (ICD-10) IHSCode
Kopfschmerz
1. 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6 1.3 1.4 1.5
Migräne Migräne ohne Aura Migräne mit Aura Migräne mit typischer Aura Migräne mit prolongierter Aura familiäre hemiplegische Migräne Basilarismigräne Migräneaura ohne Kopfschmerz Migräne mit akutem Aurabeginn Ophthalmoplegische Migräne Retinale Migräne Periodische Syndrome in der Kindheit als mögliche Vorläufer oder Begleiterscheinungen einer Migräne, nicht kodiert: Abdominalmigräne Gutartiger paroxysmaler Schwindel in der Kindheit Alternierende Hemipiegie in der Kindheit Migränekomplikationen Status migraenosus Migränöser Infarkt Migräneartige Störungen, die nicht die obigen Kriterien erfüllen
ICD-10 NA-Code Ätiologischer Code
1.5.1 1.5.2 1.6 1.6.1 1.6.2 1.7
Kopfschmerzcode G43.9 G43.00 G43.1 G43.10 G43.11 G43.1 x51 G43.1 x31 G43.1 x41 G43.12 G43.80 G43.81 G43.82
G43.821 G43.822 G43.3 G43.2 G43.9
132
Kapitel 9 · Kopfschmerz
⊡ Tabelle 9.1. Fortsetzung IHSCode
Kopfschmerz
ICD-10 NA-Code Ätiologischer Code
2.1 2.1.1 2.1.2 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3
9
3. 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.3.1 3.1.3.2 3.2 3.3 4. 4.1 4.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.4 4.5 4.6 4.6.1 4.6.2 4.6.3 5. 5.1 5.1.1 5.1.2 5.2 5.2.1 5.2.2 6. 6.1 6.1.1 6.1.2 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.3
Episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp Episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp mit erhöhter Schmerzempfindlichkeit perikranieller Muskeln Episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp ohne erhöhte Schmerzempfindlichkeit perikranieller Muskeln Chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp Chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp mit erhöhter Schmerzempfindlichkeit perikranieller Muskeln Chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp ohne erhöhte Schmerzempfindlichkeit perikranieller Muskeln Chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp, der nicht die obigen Kriterien erfüllt Clusterkopfschmerz und chronische paroxysmale Hemikranie Clusterkopfschmerz Clusterkopfschmerz mit noch nicht abschätzbarem Verlauf Episodischer Clusterkopfschmerz Chronischer Clusterkopfschmerz Von Beginn an ohne Remissionen Nach primär episodischem Verlauf Chronische paroxysmale Hemikranie Clusterkopfschmerzartige Störungen, die nicht die obigen Kriterien erfüllen Verschiedenartige Kopfschmerzformen ohne begleitende strukturelle Läsion Idiopathischer stechender Kopfschmerz Kopfschmerz durch äußeren Druck Kältebedingter Kopfschmerz Äußere Kälteexposition Einnahme eines Kältestimulans Benigner Hustenkopfschmerz Benigner Kopfschmerz durch körperliche Anstrengung Kopfschmerz bei sexueller Aktivität Dumpfer Schmerz Explosiver Schmerztyp Haltungsabhängiger Typ Kopfschmerz nach Schädeltrauma Akuter posttraumatischer Kopfschmerz Bei belangvollem Schädeltrauma und/oder entsprechenden Befunden Bei geringfügigem Schädeltrauma ohne belangvolle Befunde Chronischer posttraumatischer Kopfschmerz Bei belangvollem Schädeltrauma und/oder entsprechenden Befunden Bei geringfügigem Schädeltrauma ohne belangvolle Befunde Kopfschmerz bei Gefäßstörungen Akute ischämische zerebrovaskuläre Störungen Transitorische ischämische Attacke (TIA) Thromboembolischer Infarkt Intrakranielles Hämatom Intrazerebrales Hämatom Subdurales Hämatom Epidurales Hämatom Subarachnoidalblutung
Kopfschmerzcode G44.20 G44.21
G44.22 G44.23 G44.28
G44.0 G44.00 G44.01 G44.02 G44.020 G44.021 G44.03 G44.08 G44.80
SO6 S09.9 506 S09.9 163 G45 164.0 162 1612 I62.03 162.14 1605
G44.800 G44.801 G44.802 G44.8020 G44.8021 G44.803 G44.804 G44.805 G44.8050 G44.8051 G44.8052 G44.88 G44.880 G44.880 G44.880 G44.3 G44.30 G44.31 G44.81 G44.810 G44.810 G44.810 G44.810 G44.810 G44.810 G44.810 G44.810
9
133 Einteilung
⊡ Tabelle 9.1. Fortsetzung IHSCode
Kopfschmerz
6.4.1 6.4.2 6.5 6.5.1 6.5.2 6.5.3 6.6
Arteriovenöses Angiom Sackförmiges Aneurysma Arteriitis Risenzellarteriitis Andere systemische Arteriitiden Primär intrakranielle Arteriitis A.-carotis- oder A.-vertebralis-Schmerz
6.6.1 6.6.2 6.6.3 6.7 6.8 6.8.1 6.8.2 6.8.3 6.8.4 6.9 7. 7.1 7.1.1 7.1.2 7.2 7.2.1 7.2.2 7.3 7.4
Carotis- oder Vertebralisdissektion Carotidynie (idiopathisch) Kopfschmerz nach Endarteriektomie Hirnvenenthrombose Arterieller Hochdruck Akute Blutdrucksteigerung durch ein exogenes Agens Phäochromozytom Maligner Hochdruck Präeklampsie und Eklampsie Kopfschmerz bei anderen Gefäßkrankheiten Kopfschmerz bei nichtvaskulären intrakraniellen Störungen Liquordrucksteigerung Gutartige intrakranielle Hochdruckhydrozephalus Liquorunterdruck Postpunktioneller Kopfschmerz Kopfschmerz bei Liquorfistel Intrakranielle Infektion Intrakranielle Sarkoidose und andere nichtinfektiöse Entzündungsprozesse Kopfschmerz nach intrathekaler Injektion Direkter Effekt Bedingt durch chemische Meningitis Intrakranielles Neoplasma Kopfschmerz bei anderen intrakraniellen Störungen Kopfschmerz durch Einwirkung von Substanzen oder deren Entzug Kopfschmerz bei akuter Substanzwirkung Nitrat- oder Nitritkopfschmerz Natriumglutamatkopfschmerz Kohlenmonoxidkopfschmerz Alkoholkopfschmerz Andere Substanzen Kopfschmerz bei chronischer Substanzwirkung Ergotaminkopfschmerz Analgetikakopfschmerz Andere Substanzen Kopfschmerz bei Entzug nach akutem Substanzgebrauch Alkoholentzug (»hangover«) Andere Substanzen Kopfschmerz bei Entzug nach chronischem Substanzgebrauch Ergotaminentzugskopfschmerz Koffeinentzugskopfschmerz Narkotikaentzugskopfschmerz Andere Substanzen
7.5 7.5.1 7.5.2 7.6 7.7 8. 8.1 8.1.1 8.1.2 8.1.3 8.1.4 8.1.5 8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.3 8.3.1 8.3.2 8.4 8.4.1 8.4.2 8.4.3 8.4.4
ICD-10 NA-Code Ätiologischer Code
Kopfschmerzcode
Q28.2 Q28.3 M31 M31.6 168.2 167.7 163.0,163.2, 165.0,165.2 oder 167.0 167.0
G44.811 G44.811 G44.812 G44.812 G44.812 G44.812 G44.810
197.8 163.6 110 115 035.06 110 013; 014 ;015
G93.2 G91.8 G97.0 G96.0 G00-G09 D86 G97.8 T80.8 G03.8 C00-D48
X44 X44 T58 F10.0
G44.810 G44.806 G44.814 G44.810 G44.813 G44.813 G44.813 G44.813 G44.813 G44.818 G44.82 G44.820 G44.820 G44.820 G44.820 G44.820 G44.820 G44.821 G44.823 G44.824 G44.824 G44.824 G44.822 G44.828 G44.4 oder G44.83 G44.4 oder G44.83 G44.400 G44.401 G44.402 G44.83 G44.4 oder G44.83
Y52.5 F55.2
G44.412 G44.410 G44.4 oder G44.83
F10.3
G44.83 G44.4 oder G44.83
Y52.5 F15.3 F13.3
G44.413 G44.83 G44.83 G44.4 oder G44.83
134
Kapitel 9 · Kopfschmerz
⊡ Tabelle 9.1. Fortsetzung IHSCode 8.5.1 8.5.2 9.
9
9.1 9.1.1 9.1.2 9.2 9.2.1 9.2.2 9.3 10. 10.1 10.1.1 10.1.2 10.1.3 10.2 10.3 10.4 10.5 10.6 11.
11.1 11.2 11.2.1 11.2.2 11.3 11.3.1 11.3.2 11.3.3 11.4 11.5 11.5.1. 11.5.2 11.6 11.7 12. 12.1 12.1.1 12.1.2 12.1.2.1 12.1.3 12.1.3.1 12.1.4 12.1.4.1 12.1.4.2 12.1.5 12.1.6 12.1.7
Kopfschmerz
Hormonelle Kontrazeptiva oder Östrogene Andere Substanzen Kopfschmerz bei einer primär nicht den Kopfbereich betreffenden Infektion Virale Infektion Fokal, nicht primär den Kopfbereich betreffend Systemisch Bakterielle Infektion Fokal, nicht primär den Kopfbereich betreffend Systemisch (Septikämie) Kopfschmerz bei anderen Infektionen Kopfschmerz bei Stoffwechselstörungen Hypoxie Höhenkopfschmerz Hypoxischer Kopfschmerz Schlafapnoekopfschmerz Hyperkapnie (Hyperventilation) Hypoxie in Verbindung mit Hyperkapnie Hypoglykämie Dialyse Kopfschmerz bei anderen metabolischen Störungen Kopfschmerz oder Gesichtsschmerz bei Erkrankungen des Schädels sowie im Bereich von Hals, Augen, Ohren, Nase, Nebenhöhlen, Zähnen, Mund oder anderen Gesichts- oder Kopfstrukturen Schädelknochen Hals Halswirbelsäule Retropharyngeale Tendinitis Augen Akutes Glaukom Brechungsfehler Heterophorie oder Heterotropie Ohren Nase und Nebenhöhlen Kopfschmerz bei akuter Sinusitis Andere Erkrankungen von Nase oder Nebenhöhlen Zähne, Kiefer und benachbarte Strukturen Krankheiten des Kiefergelenks Kopf- und Gesichtsneuralgien, Schmerz bei Affektion von Nervenstämmen und Deafferenzierungsschmerzen Anhaltender (nicht anfallsartiger) Schmerz durch Erkrankung von Hirnnerven Kompression oder Distorsion von Hirnnerven oder der 2. oder 3. Zervikalwurzel Demyelinisierende Erkrankungen von Hirnnerven Optikusneuritis (retrobulbäre Optikusneuritis) Hirnnerveninfarkt Diabetische Neuropathie Entzündliche Hirnnervenstörungen Herpes zoster Chronische postherpetische Neuralgie Tolosa-Hunt-Syndrom Nacken-Zungen-Syndrom Andere Ursachen für Dauerkopfschmerz bei Hirnnervenläsion
ICD-10 NA-Code Ätiologischer Code
Kopfschmerzcode
Y42.4
G44.418 G44.4 oder G44.83 G44.881
A00-B979
G44.881
G44.881
W94 G47.3 R06.4 R06.4 + E16 Y84.1
G44.881 G44.882 G44.882 G44.882 G44.882 G44.882 G44.882 G44.882 G44.882 G44.882 G44.882 G44.84
M80-M89.8
G44.840
M99 M79.8
G44.841 G44.842
H40 H52 H50.3-H55.5 H60-H95
G44.843 G44.843 G44.843 G44.844
J01 J34 K00-KL4 K07.6
G44.845 G44.845 G44.846 G44.846 G44.847, G44.848 oder G44.85 G44.848
G35-G37 H46 E10–E14 B02.2 B02.2
G44.848 +G53.8 oder G55 G44.848 G44.848 G44.848 + G53.8 G44.848 + G53.8 G44.881 G44.847 + G53.0 G44.850 G44.851 G44.848
9
135 Migräne
⊡ Tabelle 9.1. Fortsetzung IHSCode 12.2.1 12.2.2 12.2.2.1 12.2.2.2 12.3 12.3.1 12.3.2 12.4 12.5 12.6 12.7 12.7.1 12.7.2 12.8 13.
Kopfschmerz
ICD-10 NA-Code
Idiopathische Trigeminusneuralgie Symptomatische Trigeminusneuralgie Kompression der Trigeminuswurzel oder des Ganglion Gasseri Zentrale Läsionen Glossopharyngeusneuralgie Idiopathische Glossopharyngeusneuralgie Symptomatische Glossopharyngeusneuralgie Nervus-intermedius-Neuralgie Laryngicus-superior-Neuralgie Okzipitalneuralgie Zentrale Ursachen von Kopf- und Gesichtsschmerzen, die nicht dem Typ der Trigeminusneuralgie entsprechen Anaesthesia dolorosa Thalamusschmerz Gesichtsschmerz, der nicht die Kriterien der Gruppen 11 und 12 erfüllt Nichtklassifizierbarer Kopfschmerz
Erfassung der Kopfschmerzform Mittels ▬ Kopfschmerzfragebogen, ▬ Kopfschmerzkalender, ▬ Kopfschmerzinterview: Erstbeginn, Dauer des Kopfschmerzes, Lokalisation und Ausstrahlung, Schmerzcharakter bzw. dessen Änderung, Begleitsymptome (Übelkeit, Erbrechen, Phono- und Photophobie, Augentränen und -rötung), familiäre Belastung, Warnsymptome (Fieber, Nackensteifigkeit, zunehmende Müdigkeit, Schwindel, Ataxie), Voruntersuchungen.
Ätiologischer Code
Kopfschmerzcode
G50.00 G50.0910 G53.80 + G53.80
G44.847 G44.847 G44.848 G44.848
G52.10 G53.830 + G51.80 G52.20 G52.80
G44.84 G44.847 G44.847 G44.847 G44.847
G50.09 oder G52.800 + G46.21 G50.1
G44.847 G44.810 G44.847 R51
vor der Pubertät ca. 4–5% mit gleicher Geschlechtsverteilung. ▬ Beginn meist zwischen dem 10. und 20. Lebensjahr, Maximum bezüglich Häufigkeit und Intensität zwischen dem 30. und 45. Lebensjahr. ▬ Migräne im Kindesalter persistiert bei 50% der Betroffenen in der Pubertät. ▬ Weltweit etwa gleiche Migräneinzidenz (nur China und Japan haben geringere Inzidenzen).
Einteilung ▬ Rund 85% Migräne ohne Aurasymtomatik (einfache Migräne)
▬ Rund 15% Migräne mit Aurasymtomatik (komplizierte bzw. klassische Migräne)
Anmerkung: Jeder Kopfschmerzpatient sollte zu
Beginn der Behandlung einen Kopfschmerzkalender (z. B. Kieler Kopfschmerzkalender) ausgehändigt bekommen und einige Wochen bis zur Diagnosesicherung und Therapieeinleitung führen.
Migräne ▬ Inzidenz: ca. 6–8% der Männer und 12–14% der Frauen in den westlichen Industrieländern;
Die Aura ist eine neurologische Ausfall-/Reizerscheinung, die sich innerhalb von 5–20 min entwickelt und maximal 60 min anhält. Aurasymptome sind z. B. unspezifische Sehstörungen, Lichtblitze, Flimmerskotome, Fortifikationen (gezackte Lichtlinien), Gesichtsfeldausfälle, Sprach- und Gleichgewichtsstörungen (⊡ Abb. 9.1). Migräneauslöser sind Stress, Ruhe nach Stress, hormonelle Schwankungen, Alkoholgenuss, Veränderung des Schlaf-Wach-Rhythmus, Hunger.
136
Kapitel 9 · Kopfschmerz
a
b
⊡ Abb. 9.1a, b. Schematische Schmerzlokalisation bei Migräne: a ohne Aura, b mit Aura
9
Den Migräneattacken gehen meist Prodromalstadien von 8–48 h Dauer voraus. Prodomalsymptome sind Hypo- und Hyperaktivität, Heißhunger, depressive Verstimmung etc. Anmerkung: Es gibt insgesamt 17 verschiedene Migränetypen, die z. T. einer unterschiedlichen Behandlung bedürfen.
Pathogenese Derzeit werden 4 verschiedene Theorien der Migräne diskutiert. 1. Neurogene, aseptische Entzündung infolge Freisetzung von diversen Substanzen aus den Nervenendigungen des N. trigeminus im Migräneanfall: Substanz P, »calcitonin gene-related peptide« (CGRP), Neurokinin A, Neuropeptid Y, vasoaktives intestinales Peptid (VIP) und PGE2. Folge: Sensibilisierung von Schmerzrezeptoren und Vasodilatation. 2. Störungen des Serotoninstoffwechsels: Der klinische Effekt von Serotonin 1B/1D-Agonisten untermauert diese Theorie. 3. Störung der so genannten P/Q-Kalziumkanäle und damit veränderte neuronale Erregbarkeit. 4. Die Ausbreitung der kortikalen Aktivitätsminderung von okzipital her (Spreading-depression-Theorie nach Leao) verursacht die Auraphänomene. Zusätzlich mit vaskulärer Komponente (Welle der Minderperfusion) gekoppelt.
Klinik ▬ Meist einseitiger Attackenkopfschmerz (2/3 aller Fälle) mit/ohne Aura [Sensibilitäts-, Sprachund Sehstörungen wie z. B. Flimmerskotome oder Fortifikationen (sternförmige Figuren)], der meist zwischen 4–72 h anhält. Bei ca. 1/3 der Patienten ist ein holokranieller Kopfschmerz vorhanden! ▬ Von Attacke zu Attacke sowie innerhalb der Attacke kann es zu einem Seitenwechsel kommen. ▬ Pulsierender Schmerzcharakter von mäßiger bis starker Intensität. ▬ Verstärkung durch körperliche Aktivität (im Gegensatz zum Kopfschmerz vom Spannungstyp). ▬ Kopfschmerzen, die länger als 7 Tage anhalten, lenken den Verdacht auf zusätzlichen Spannungskopfschmerz oder medikamenteninduzierten Kopfschmerz. ▬ Status migraenosus (>7 Tage anhaltender Kopfschmerz oder anfallfreies Intervall <4 h)
Begleitsymptome ▬ Fast immer Appetitlosigkeit (>90%), Übelkeit (80–90%), Erbrechen (40–50%) ▬ Photo- und Phonophobie (60%) ▬ neurologische Reiz- und Ausfallerscheinungen ▬ Geruchsempfindlichkeit (ca. 10%)
Migräne begünstigende Faktoren Anmerkung: Der Migränegenerator befindet sich,
wie in PET-Untersuchungen nachgewiesen werden konnte, im Hirnstamm.
Stress, Alkohol, bestimmte Nahrungsmittel, Hormone, Lärm, Licht, Gerüche
137 Migräne
Sonderformen der Migräne
▬ Autosomal dominate, familiäre hemiplegische Migräne mit Defekt auf Chromosom 19p13 (kodiert neurogenen P/Q-Kalziumkanal) oder Chromosom 1.
9
▬ Domperidon (Motilium) 10–30 mg (=1–3 ml oder 1–3 Tbl.) p.o. (besonders bei Kindern wegen fehlendem BlutHirn-Schranken-Transfer empfohlen) Anmerkung: Metoclopramid besitzt eine direkte,
Anmerkung: Diese Tatsache gibt erste Hinweise,
dass die Migräne eine Ionenkanalkrankheit sein könnte. ▬ Basilarismigräne: bilaterale Parästhesie, Parese, Diplopie, Vertigo, Tinnitus, Dysarthrie, Bewusstseinsstörungen. ▬ Menstruelle Migräne: längere und schwieriger zu behandelnde Migräneattacken, ausschließlich oder fast ausschließlich in Zusammenhang mit der Monatsblutung. ▬ Retinale Migräne: monokuläres Skotom oder Erblindung des Auges für <1 h in Begleitung von Kopfschmerz. ▬ Opthalmoplegische Migräne mit Augenmuskelparesen und Doppelbildern.
Diagnostik ▬ Rein klinisch, durch Anamnese und Analyse des Kopfschmerzkalenders ▬ Bildgebende Verfahren nur notwendig, wenn sich die Migräne erstmals im »höheren« Lebensalter manifestiert oder die Inzidenz und Intensität zunimmt (CCT meist ausreichend) ▬ Paroxysmale oder generalisierte Dysrhythmien im EEG (auch im anfallsfreien Intervall)
Therapie Akuter Anfall Allgemeine Maßnahmen
▬ Reizabschirmung (dunkler, kühler und lärmfreier Raum) ▬ Lokale Eisbehandlung im Nacken und auf dem Kopf (analgetisch wirksam) Medikamente ▬ Metoclopramid (Paspertin)
10–20 mg i.v. oder p.o. ca. 20–30 min vor der Analgetikagabe; neben der antiemetischen Wirkung fördert Metoclopramid die Peristaltik und die Medikamentenresorption oder
signifikante Effektivität in der Migränekupierung infolge deiner Bindung an Dopamin- und Serotoninrezeptoren. Bei leichter oder mittelschwerer Attacke nach 20–30 min
▬ Hochdosierte Acetylsalicylsäure >1,0–1,2 g als Brausetabletten (Aspirin plus C =0,4 g pro Tablette) oder i.v. (alle 4–6 h; maximal 4,0 g/Tag); bei Kindern wegen der Gefahr des Reye-Syndroms kein ASS verordnen! Weitere alternativ einsetzbare Nichtopioidanalgetika: ▬ Paracetamol (Ben-u-ron supp.) ≥1,0 g rektal oder ggf. p.o. oder i.v. (maximal 100 mg/kg/Tag) ▬ Naproxen (Proxen) 2-mal 250–500 mg (maximal 1000 mg/Tag) ▬ Ibuprofen (Aktren, Anco, Dolormin) 400–600 mg p.o. (maximal 2400 mg/Tag) ▬ Metamizol (Novalgin) 500 mg i.v. oder p.o. bei anamnestisch positivem Effekt (Effektivität sonst durch Studien nicht belegt) Bei Unwirksamkeit in der Frühphase der Attacke wurden früher unselektive Serotoninagonisten verabreicht: ▬ Ergotamintartrat (Migrexa, Ergosanol) 1-mal 2 Kaps. à 1 mg oder 1-mal 1 Supp. à 2 mg, nach 60 min ggf. erneut 2 mg (maximal 4 mg/ Tag oder 6 mg/Woche) ! Cave: Die häufigste Nebenwirkungen sind medikamenteninduzierte Übelkeit bzw. Erbrechen [Stimulation von Dopaminrezeptoren (DA2)], Kältegefühl der Extremitäten, medikamenteninduzierter Kopfschmerz bei vermehrter Einnahme (>20 mg/Monat).
– Kontraindikation: KHK, Angina pectoris, arterieller Hypertonus, pAVK, Kinder <12 Jahre
138
Kapitel 9 · Kopfschmerz
! Bei Langzeitanwendung Gefahr des Ergotismus mit Koronarspasmen und Darmnekrosen. Effektivität bezüglich der Besserung der Migräne: 50–60%.
▬ Dihydroergotamin (Dihydergot) 1 Amp. à 1 ml =1 mg s.c. oder i.m. oder 2-mal 1 Tbl. à 2,5 mg (sehr schlechte orale Verfügbarkeit), nach 30–60 min wiederholte Applikation; maximal 3 ml (evtl. 0,5 ml sehr langsam i.v.) Anmerkung: Die Ergotalkaloide können in der
9
Auraphase sehr wirksam sein. Sie sollten heute insbesondere im Rahmen der schweren Migräne durch die neueren selektiven Serotoninagonisten ersetzt werden. Keine Kombination von Ergotamin mit den so genannten Triptanen wegen Gefahr des Myokardinfarktes (mehr als 24-stündige Medikamentenpause empfohlen; s. unten). Bei schwerem Migräneanfall Gabe von selektiven Serotoninagonisten = Triptane
▬ Triptanpräparate (Serotoninagonist [5-HT 1B/ 1D]; ⊡ Tabelle 9.2); Wirkung infolge 1. Hemmung der Freisetzung von Neuropeptiden (Neurokinin A, Substanz P, CGRP) aus den trigeminalen Ästen 2. Reduktion der erhöhten Trigeminusaktivität im ZNS 3. Blockierung der neurogenen Entzündung der meningealen Gefäße 4. Vasokonstriktion der großen zerebralen arteriellen Gefäße 5. Neuere Triptane hemmen noch die Weiterleitung von Afferenzen nach zentral Anmerkung: Grundsätzlich sollten Triptane nicht
mehr als 2-mal pro Tag, maximal an 3 aufeinanderfolgenden Tagen und maximal 10-mal pro Monat eingenommen werden. Die Einnahme wird erst nach der Auraphase empfohlen. Zugelassene Altersgruppe: Patienten zwischen 18 und 65 Jahren. – Nebenwirkungen: Hitzegefühl, Parästhesien der Extremitäten, Engegefühl des Thorax
Anmerkung: Derzeit gibt es 7 Triptane auf dem deutschen Markt. ▬ Sumatriptan (Imigran) Ältestes Präparat, das seit 1993 zugelassen ist Dosis im akutem Anfall: 50–100 mg p.o. bei Beginn der Kopfschmerzphase und nicht während der Auraphase (bei Wiederkehrkopfschmerz Repetition nach 4 h möglich, maximal 300 mg/ Tag!) Alternativ 25 mg rektal oder ▬ 6 mg s.c. mit Hilfe des Glaxopen (frühestens nach 2 h erneute Medikamenteneinnahme möglich, maximal 12 mg/Tag!) rascherer Wirkungseintritt als bei oraler Applikation oder als Nasenspray 20 mg (Repetition nach 2 h möglich; maximal 40 mg/Tag) – Nebenwirkungen in einer Häufigkeit von 1:1 Mio.: Angina pectoris bis Herzinfarkt (auch Patienten ohne Risikofaktoren); schwere Herzrhythmusstörungen, Vasospasmen – Kontraindikation: KHK, Risikofaktoren für KHK (Hypertonie, Hyperlipidämie etc.) ! Cave: 24 h vor und nach Sumatriptan keine Ergotaminpräparate geben!
Anmerkung: Effektivität bezüglich einer bedeutsamen Besserung nach 1 h: 85% nach subkutaner bzw. 60–65% nach nasaler Applikation; Rückfallquote (Wiederauftreten des Kopfschmerzes) von durchschnittlich 32% ▬ Zolmitriptan (Ascotop) Dosis im akutem Anfall: 2,5–5,0 mg (=1–2 Tbl.) p.o. (maximal 10 mg/24h) oder 5,0 mg nasal Anmerkung: Die nasale Applikation hat einen schnelleren Wirkeintritt als die orale Gabe! ▬ Naratriptan (Naramig) Dosis im akutem Anfall: 2,5 mg (=1 Tbl.) p.o.; ggf. bei Rückkehr des Kopfschmerzes nach vorangegangener Besserung nochmals 1 Tbl. (frühestens nach 4 h, nicht mehr als 2-mal 2,5 mg/Tag!) Anmerkung: hat von allen Triptanen die geringste Migränerezidivrate innerhalb von 24 h und zeigt die geringsten Nebenwirkungen von allen Tripta-
139 Migräne
9
⊡ Tabelle 9.2. Triptane – Übersicht. (Mod nach Ferrari et al. 2001) Substanz
Wirkbeginn
HWZ
Bioverfügbarkeit
[h]
(%)
2
Effektivität (Schmerzreduktion von schwer nach mittelschwer bzw. mittelschwer nach leicht)
Wiederauftreten der Kopfschmerzen nach 2 h (%)
Sumatriptan p.o.
Schnell (30 min)
14
ca. 30 (nach 100 mg)
Sumatriptan s.c.
Extrem schnell (10 min)
96
85
Sumatriptan nasal
Sehr schnell (15 min)
16
65
Zolmitriptan
Verzögert (45–60 min)
2 (oral)
48
25 (nach 2,5 mg)
31
Sehr schnell nasal (15 min)
3 (nasal)
32 (nach 5 mg)
28
Schnell (30 min)
2,5
31 (nach 5 mg)
40
40 (nach 10 mg)
40
Rizatriptan
45
32
Naratriptan
Verzögert (45–60 min)
6
70
23
25
Eletriptan
Schnell (30 min)
5
ca. 50
31 (nach 40 mg)
31
35 (nach 80 mg)
24
Almotriptan
Schnell (30 min)
3,5
70
35
28
Frovatriptan
Verzögert (30– 120 min)
26
22–30
12
17
nen; nachteilig ist allerdings der sehr späte Wirkbeginn (nach 4–5 h) der Substanz. Effektivität bezüglich einer bedeutsamen Besserung nach 4 h: 60%. ▬ Rizatriptan (Maxalt) Seit 1998 auf dem Markt Dosis im akutem Anfall: 5–10 mg als Tablette oder Schmelztablette p.o.; Repetition frühestens nach 2 h in gleicher Dosierung – Nebenwirkungen: Müdigkeit, Benommenheit ! Cave: Bei simultaner Einnahme von Rizatriptan mit Propranolol sollten aufgrund einer Hemmung der Triptanelimination (gleicher enzymatischer Abbau) nur 5 mg Rizatriptan eingenommen werden.
▬ Eletriptan (Relpax) Dosis im akuten Anfall: 20–40–80 mg p.o., geringere vasokonstriktorische Potenz, bessere Resorption aus dem GI-Trakt Effektives Triptan mit schneller Resorption, aber auch hoher Nebenwirkungsrate
▬ Almotriptan (Almogran) Dosis im akuten Anfall: 12,5–25 mg p.o. Höchste orale Bioverfügbarkeit von allen oralen Triptanen Metabilisierung: 40% von Almotriptan werden unverändert über die Niere und 50% nach vorangegangener Metabolisierung hauptsächlich durch die MAO-A sekundär über die Niere ausgeschieden ▬ Frovatriptan (Allegro) Dosis im akuten Anfall: 2,5 mg p.o. Frovatriptan bindet ebenfalls am 5-HAT-7-Rezeptor mit koronardilatierendem Nebeneffekt Verzögerter Wirkbeginn, allerdings geringste Kopfschmerzrückkehrrate (17%) ! Die Präparate Naratriptan, Sumatriptan und Zolmitriptan können zu QT-Verlängerungen mit der Gefahr einer »torsade de pointes« führen. Vor Verschreibung ist daher eine EKG-Registrierung sinnvoll.
140
Kapitel 9 · Kopfschmerz
Prophylaxe Indikationen zur Migräneprophylaxe bei hohem Leidensdruck und folgendem Sachverhalt
▬ 2 oder mehr schwere Attacken pro Monat innerhalb von 3 Monaten ▬ Migräneattacke länger als 72 h ▬ 2-maliges Auftreten eines Status migraenosus ▬ 1-maliges Auftreten eines migränösen Infarktes ▬ Komplizierte Migräneattacken (neurologische Defizite >7 Tage) ▬ Vorliegen von medikamentöser Unverträglichkeit oder Therapierefraktärität ▬ Komplizierte Migräne mit lang anhaltender Aura ▬ Zunahme der Attackenfrequenz mit Einnahme der Analgetika an mehr als 10 Tagen Anmerkung: Die Prophylaxe wird als erfolgreich
9
erachtet, wenn durch die medikamentöse Therapie Anfallsfrequenz, oder -intensität oder -dauer um mindestens 50% reduziert werden. Nur 5% als Migränepatienten erhalten nach einer großen Umfrage eine Prophylaxetherapie, obwohl nach den oben genannten Kriterien 53% der Patienten eine medikamentöse Prophylaxe benötigen.
sportliche Ausdaueraktivität (2-mal pro Woche für 1 h, z. B. Jogging) ▬ Kognitiv-verhaltenstherapeutische Verfahren ▬ Biofeedback- bzw. Gefäßtraining (Erfolgsquote bis zu 60%) Entspannungstechniken, Stressund Reizverarbeitungstraining, Schmerzbewältigungstraining Anmerkung: Führen eines Kopfschmerzkalenders als »therapeutisches Instrument«: 50% der Patienten erlangen durch diese Maßnahme an sich eine Reduktion der Migräneanfälle.
Medikamente Nach den Empfehlungen der DGN und DMKG (2005) sind im Rahmen der Migräneprophylaxe ▬ Medikamente der 1. Wahl: β-Blocker (A) und Flunarizin (A), Valproinsäure (A, Off-label-Gebrauch) und Topiramat (A) ▬ Medikamente der 2. Wahl: Bisoprolol (A), Naproxen (B), Pestwurz (B), Amitriptylin (B), Mutterkraut (C), Acetylsalicylsäure (C), Magnesium (C) Medikamente der 1. Wahl ▬ β-Rezeptorenblocker Kardioselektives Metoprolol (Metomerck, Me-
toprolol AL; 100 mg/Tbl.) Grundprinzipien der Migräneprophylaxe
Dosierung: 1. Woche 0–0–50 mg, 2. Woche 50–
▬ Niedrige Anfangsdosierung und langsame Steigerung der Dosis ▬ Angemessene Einnahmedauer zur Wirksamkeitsbeurteilung ▬ Führen eines Kopfschmerzkalenders zur Therapieobjektivierung ▬ Nach 6 Monaten erfolgreicher Migräneprophylaxe Auslassversuch unternehmen ▬ Patientenaufklärung mit realistischen Therapiezielen und Erwähnen der Nebenwirkungen ▬ Schwangerschaft während der Prophylaxe vermeiden
0–50 mg, 3. Woche 50–0–100 mg (= Enddosis für Frauen), ab 4. Woche 100–0–100 mg (= Enddosis für Männer), oder Propranolol (Dociton): Dosierung: 40–240 mg/Tag; ebenfalls einschleichen Anmerkungen: Die Effektivität dieser β-Blocker ist frühestens nach 6-wöchiger Therapie beurteilbar. Andere β-Blocker (mit Ausnahme von Bisoprolol) sind ineffektiv. Zu Beginn der Behandlung nichtretardierte Darreichungsformen, später Retardtabletten bevorzugen. Immer einschleichend dosieren. β-Blocker sollten bevorzugt werden bei: arterieller Hypertonie, Schweißneigung, Nervosität, Angst, Panikattacken und Tremor.
Allgemeine Maßnahmen ▬ Einhaltung einer strengen Tagesrhythmik (auch am Wochenende!), regelmäßige Nahrungsaufnahme, Einplanung von adäquaten Pausen im Tagesablauf, Kontrolle der Triggerfaktoren, Vermeidung von Nikotin, Koffein und Alkohol,
141 Migräne
Kontraindikationen für einen β-Blocker beach-
ten: arterielle Hypotonie, M. Raynaud, Potenzstörungen, Muskelkrämpfe, Leistungssportler. ▬ Kalziumantagonist Flunarizin (Sibelium) Dosierung: >70 kgKG 10 mg p.o. für Männer und Frauen, bei 50–70 kgKG 5 mg p.o. und bei <50 kgKG 5 mg p.o. alle 2 Tage Anmerkungen: Nebenwirkungen: Appetitsteigerung (Gewichtszunahme), Müdigkeit, Depression, Schwindel, selten Tremor, Hyperkinesie, Parkinsonoid (HWZ 1–3 Wochen!) Die Einnahme von Flunarizin sollte bevorzugt werden bei: Anorexia, Schlafstörungen und anderen paroxysmalen Erkrankungen wie z. B. Epilepsie und M. Menetrière. Kontraindikationen beachten: Müdigkeit, Übergewicht und depressive Phasen. ▬ Antiepileptikum Valproinsäure (Ergenyl chrono) Dosierung: beginnend mit 150–200 mg und Steigerung auf 500–600 mg als Retardpräparat für die Daueranwendung – Nebenwirkungen: Gewichtszunahme, Haarausfall, Exanthem, Tremor, Leberwerterhöhungen (γ-GT), selten Agranulozytose ! Cave: Durchführung einer sicheren Antikonzep-
9
Kontraindikation: Anorexie, Nierensteine, vor-
bestehende kognitive Einschränkungen Anmerkungen: Gute Effektivität (bei jedem
2. Patienten kommt es zu einer 50%igen Reduktion der Attackenhäufigkeit und bei jedem 3. Patienten zu einer 75%igen Reduktion). Topiramat sollte bevorzugt eingesetzt werden bei: Adipositas, Komorbitität mit Epilepsie, arterieller Hypotonie. Bis zu einer Dosis von 200 mg/Tag wird die Wirkung von Kontrazeptiva nicht beeinflusst. Medikamente der 2. Wahl ▬ Acetylsalicylsäure (Aspirin) Dosierung: 300 mg/Tag ▬ Pestwurzelextrakt (Petadolex) als Phytothera-
peutikum zur Migräneprophylaxe Dosierung: 1. Monat 2-mal 3 Kaps./Tag, 2.–6.
Monat 2-mal 2 Kaps./Tag Wirkmechanismus: Endzündungshemmung über die Cyclooxygenase-2 und die Lipooxygenase Anmerkung: Reduktion der Anzahl der Attacken um über 50% nach 8 Wochen Einnahme von 2-mal 75 mg Pestwurzelextrakt (Lipton 2004). Bei längerer Einnahme (>4 Wochen): Kontrolle der Leberwerte.
tion während der Einnahme, da Valproinsäure zu Neuralrohrdefekten führen kann.
Weitere Substanzen ohne klinisch signifikanten Effekt im Rahmen der Migräneprophylaxe
Anmerkung: Derzeit keine offizielle Zulassung
Teilweise fehlende Effektivität der Substanzen in größeren Studien bzw. nur kleinere Anwendungsbeobachtungen mit positivem Effekt. ▬ Cyclandelat (Natil) Dosierung: initial 3- bis 5-mal 1 Kaps./Tag (=400 mg), Langzeitbehandlung: 3- (bis 4)-mal 1 Kaps./Tag für mindestens 3 Monate Kontraindikation: akuter Schlaganfall Anmerkungen: Aus eigener Erfahrung zeigt Cyclandelat entgegen kontrollierten Studien einen guten Effekt bezüglich der Migräneprophylaxe. Bei Wirksamkeit hat Natil nach Beendigung der Migräneprophylaxe den am längsten anhaltenden Effekt (ca. 10 Monate vs. Propranolol mit 7 Monaten). ▬ Serotoninantagonist Pizotifen (Sandomigran, Mosegor) Wirkmechanismus: 5-HT2A und 5-HT12C-Antagonist
zur Migränetherapie (Off-label-Gebrauch). ▬ Topiramat (Topamax Migräne) Dosierung: initial in der 1. Woche 25 mg p.o. abends, 2. Woche 25–0–25 mg, 3. Woche 50–0– 25 mg, Enddosis 75–100 mg p.o. Dauer: mindestens 3 Monate, bei guter Effektivität frühestens nach 6–8(–12) Monaten Therapie absetzen bzw. ausschleichen Wirkmechanismus: Normalisierung der Übererregbarkeit des Kortex und des trigeminovaskulären Systems gegenüber Reizen Nebenwirkungen: Parästhesien in der Einstellphase bei >10% der Patienten (kann durch kaliumreiche Kost wie Bananen und Aprikosen positiv beeinflusst werden), Wortfindungsstörungen (insbesondere bei Überdosierung), Konzentrationsstörungen, Gewichtsabnahme (durchschnittlich 2,7%).
142
Kapitel 9 · Kopfschmerz
Dosierung: 1–3 mg/Tag: – 1./2. Tag: 1-mal 1 Drg. à 0,5 mg (abends) – 3./4. Tag: 2-mal 1 Drg. – ab 5. Tag: 3-mal 1 Drg. Nebenwirkungen: Gewichtszunahme, Schwindel, Müdigkeit, Depression, Parästhesien, Mundtrockenheit Kontraindikationen: Arterielle Hypertonie, KHK, pAVK, Ulkusanamnese ▬ Dihydroergotamin (Dihydergot) Dosierung: 1,5–6 mg/Tag 2-mal 1 Ret (forte)-Tbl. oder 3-mal 20 Gtt. oder 3-mal 2 Tbl. Anmerkung: Bei längerer Einnahme Verschlechterung der Migräne und Gefahr des Dauerkopfschmerzes. ! Die Präparate Dihydroergotamin (Dihydergot) und Ergotamin (Cafergot) können selbst Kopf-
9
schmerzen induzieren bzw. bestehende verstärken.
▬ Dopaminagonist Lisurid (Cuvalit) Dosierung: 0,075 mg/Tag (=3-mal 1 Tbl. à 0,025 mg); langsame Dosissteigerung: 1./2. Tag: 1-mal 1 Tbl. (abends) 3./4. Tag: 1-mal 1 Tbl. (mittags und abends) Ab 5. Tag: 3-mal 1 Tbl. ▬ Magnesium (Magnesium Verla, Magnesium Diasporal Granulat ) Dosierung: 2-mal 300 mg/Tag ▬ Gabapentin (Neurontin) Dosierung: 1200–1600 mg/Tag in 3 ED ▬ Serotoninantagonist Methysergid (Deseril) Dosierung: 1- bis 2-mal 2–4 mg/Tag für maximal 3(–6) Monate Nebenwirkungen insbesondere bei Langzeitbehandlung: Gefahr der Fibrose (retroperitoneal, perivaskulär, endokardial, pleuropulmonal, peribronchial)
Gegebenenfalls Gabe von Östrogenpflaster (Estraderm TTS 50–100 µg/Tag) über 7 Tage, oder Östradiol-Gel (wurde jedoch in klinischen Studien als ineffektiv eingestuft!) Bei Therapieversagen konventionelle Migräneprophylaxe mit β-Blockern, Flunarizin und evtl. Cyclandelat. Alternativ: Kurzzeitprophylaxe mit Methysergid (Deseril retard) 2-mal 1/2 Tbl. oder niedrig dosiertem Bromocriptin (Pravidel) 2,5 mg/Tag.
Migräne in der Schwangerschaft Bis zu 70% der Migränepatientinnen erfahren in der Schwangerschaft eine deutliche Verbesserung der Migräne, insbesondere in den letzten 2 Schwangerschaftsdritteln. Bei 17% sistiert sie völlig; nur bei ca. 5% nimmt die Migränehäufigkeit zu. Attackentherapie ▬ Metoclopramid 20 mg p.o. ▬ Paracetamol 1000 mg Supp.
▬ Gegebenenfalls Acetylsalicylsäure 1000 mg (nicht im 1. Trimenon!) ! Cave: Keine Ergotalkaloide wie Ergotamintartrat und Dihydroergotamin wegen des uterotonischen Effekts Keine Triptane, da keine ausreichende Erfahrung vorliegt!
Prophylaxe
▬ Magnesium (Magnesium Diasporal Granulat) 600 mg/Tag (=2-mal 1 Briefchen) ▬ Gegebenenfalls in schweren Fällen Propranolol (bis 240 mg/Tag) Status migraenosus Definition: Über 72 h bestehende, therapierefrak-
täre Migräne. »Kurzzeitprophylaxe« bei menstrueller Migräne
▬ Naproxen (Proxen) Dosierung: 2-mal 250 (–500) mg p.o. bei an den Menstruationszyklus gebundener Migräne 3 Tage vor der Regelblutung beginnend, bis 4 Tage nach Periodenbeginn bzw. bis Ende Regelblutung
Attackentherapie ▬ Metoclopramid 10–20 mg + Lysinacetylsalicylat (Aspisol) 1000 mg über 3 min i.v. ▬ Sedierung mit Levomepromacin (Neurocil) 3mal 25 mg p.o. oder Diazepam 3-mal 10 mg
p.o. über 2 Tage
9
143 Migräne
▬ Antiödematöse Therapie mit Dexamethason: 24 mg Bolus und 6 mg alle 6 h für 3–4 Tage oder Solu-Decortin 100 mg und tägliche Reduktion um 20 mg ▬ Gegebenenfalls Furosemid 0,5–2 mg/kgKG i.v. oder p.o. ▬ Gegebenenfalls Phenobarbital (Luminal) mg/ kgKG initial und 3–5 mg/kgKG /Tag i.v./p.o. für 48 h ▬ Magnesiumsulfat (Magnesium Verla) 25– 50 mg/kgKG ED i.v. ! Cave: Keine Gabe von Triptanen; meist massiver Abusus mit Ergotamin vorausgegangen!
Migräne bei Kindern Mehr als 10% der Schulkinder haben Erfahrung mit Kopfschmerzen. Meist stehen im Kindesalter vegetative/abdominelle Symptome im Vordergrund. Die Kopfschmerzen kommen oft bifrontal vor. Die Attackendauer beträgt 2–48 h. Medikamente zur Migränetherapie bei Kindern sind in ⊡ Tabelle 9.3 gezeigt. Attackentherapie Allgemeine nichtmedikamentöse Maßnahmen
▬ Unterbrechung der ursprünglichen Tagesaktivität ▬ Reizabschirmung (Raumabdunklung, kühles Tuch, Ruhe)
▬ Entspannung (autogenes Training, progressive Muskelrelaxation nach Jakobson) ▬ Ätherische Öle (Eukalyptus und/oder Pfefferminze) Medikamentöse Maßnahmen
▬ Bei Übelkeit und Erbrechen Domperidon (Motilium) 10 mg p.o. oder rektal bzw. 1 Gtt./kgKG (maximal 33 Gtt.), Metoclopramid erst ab dem 14. Lebensjahr ▬ <12 Jahre: Paracetamol 500 (–1000) mg ▬ Ab 12 Jahre: Dihydroergotamin (Dihydergot) 2 mg (in Tablettenform) ▬ Gegebenenfalls Sumatriptan-Nasenspray bei schwerer Migräne 10–20 mg/ED nasal (maximal 40 mg/Tag) bzw. 0,3–0,6 mg/kgKG ED s.c. (maximal 6 mg Einzeldosis, maximal 12 mg/ Tag) Anmerkung: Nur für Sumatriptan ist eine Wirksamkeit bei Kindern nachgewiesen. ▬ Eventuell Sedativa: Lorazepam (Tavor pro injectione) 0,5 mg/kgKG i.v. Diazepam (Valium) 0,2–0,5 mg/kgKG i.v. Levopromethazin (Neurocil) 1 mg/kgKG/Tag i.v. oder p.o. Prophylaxe
▬ Verhaltenstherapie (⊡ Tabelle 9.4), Sporttherapie, regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus und
⊡ Tabelle 9.3. Medikamente zur Migränetherapie bei Kindern Wirkstoff
Paracetamol
Präparat
Ben-u-ron
Initialdosis
Dosisintervall
Erhaltung
Maximaldosis pro Tag
Applikationsform
[mg/kgKG]
[h]
[mg/kgKG]
[mg/kgKG]
35–45
6–8
15–20
100
Rektal
15–20
6–8
10–20
100
p.o.
Acetylsalizylsäure
Aspirin
10–15
4–6
10–15
60–80
p.o.
Ibuprofen
Nurofen
10–15
6–8
10
40
p.o.
Ketoprofen
Orudis
2–3
6–8
1–2
6–9
p.o, rektal
Naproxen
Proxen
5–10
8–12
5–10
30
p.o., rektal
Metamizol
Novalgin
10–20
4–6
10–20
80
p.o., rektal
144
Kapitel 9 · Kopfschmerz
⊡ Tabelle 9.4. Elemente des kognitiv-behavioralen Trainings »Stopp den Kopfschmerz« Zeit
Anamnese/Therapiegespräch Anamnesegespräch mit Kind und Eltern
Woche 1
Was passiert in meinem Kopf? Information über den Schmerz
Vermeidung längerer Hungerperioden mit Hypoglykämien ▬ Metoprolol 1,5 mg/kgKG oder Propranolol 2 mg/kgKG Wirkstoffe und Dosierung zur medikamentösen Kopfschmerzprophylaxe zeigt ⊡ Tabelle 9.5. ▬ Pestwurzelextrakt (Petadolex) Dosierung
Woche 2
Relax! Erlernen einer Entspannungsübung
Woche 3
»Nicht schon wieder...« Identifikation und Vermeiden von Kopfschmerzauslösern
Woche 4
Schwarzmalen und Hellsehen Umwandlung »schwarzer Gedanken« in »bunte Gedanken«
Woche 5
9
Der Aufmerksamkeitsscheinwerfer Aufmerksamkeit und Kopfschmerz
Woche 6
Ich bin o.k.
Kopfschmerz vom Spannungstyp Der Kopfschmerz vom Spannungstyp ist die häufigste Kopfschmerzform überhaupt! Einteilung
Selbstsicherer Umgang mit Freunden und Familie Woche 7
– Für Kinder von 6–9 Jahren: initial 2-mal 1 Kaps./Tag, ab dem 2. Monat 3-mal 1 Kaps./ Tag – Für Kinder von 10–12 Jahren: initial 2-mal 2 Kaps./Tag, ab dem 2: Monat 2-mal 3 Kaps./ Tag
Problemlösetreppe
▬ Episodischer Spannungskopfschmerz (<180 Tage im Jahr) ▬ Chronischer Spannungskopfschmerz (>180 Tage im Jahr)
Problembewältigung Woche 8
Was ein Kopfschmerzexperte tun kann
Klinik
Abschlussgespräche mit Kind und Eltern
Immer holokranieller Dauerkopfschmerz von dumpfdrückendem Charakter, der wie eine Haube oder
⊡ Tabelle 9.5. Wirkstoffe und Dosierung zur medikamentösen Kopfschmerzprophylaxe Substanzgruppe
Wirkstoff
Präparat
Dosierung
Behandlungsdauer
β-Blocker
Metoprolol
Beloc-Zok
1–2,5(–5) mg/kgKG/Tag in 1 (–2) ED (abends)
4–6 Monate
Propanolol
Dociton
1–2 mg/kgKG/Tag in 1 (–2) ED (abends)
4–6 Monate
Kalziumantagonisten
Flunarazin
Sibelium
5–10 mg/kgKG/Tag in 1 ED (abends)
3–6 Monate
NSAID
Acetylsalicylsäure
Aspirin
2,5–5 mg/kgKG/Tag in 1 ED (abends)
2–3 Monate
Antiepileptika
Valproinsäure
Orfiril long
10–15 mg/kgKg/Tag in 1–2 ED
4–6 Monate
NMDA-Antagonisten
Cyclandelat
Natil
5–10 Jahre: 1- bis 2-mal 200 mg/Tag; >10 Jahre: 2- bis 3-mal 200 mg/Tag
4–6 Monate
Trizyklische Antidepressiva
Amitriptylin
Saroten
0,1 mg/kgKG Tag, maximal 10–25 mg/ Tag (abends)
2–3 Monate
145 Atypischer Gesichts-(Kopf-)schmerz
ein Ring dem Kopf anliegt (⊡ Abb. 9.2) und bereits beim morgendlichen Aufstehen vorhanden ist. Im Laufe des Tages nimmt die Schmerzintensität noch zu. Leichte tägliche Verrichtungen sind noch möglich. Gelegentliche Photophobie. Therapie Medikamente der 1. Wahl
▬ Trizyklische Antidepressiva Amitriptylin (Saroten, Laroxyl) Dosierung: 1. Woche abends 10 mg (bei älteren Patienten evtl. mit 5 mg beginnen), 2. Woche abends 25 mg, 3. Woche: 25–0-25 mg/Tag, Steigerung bis 75 mg ED (maximal 150 mg) oder Amitriptylinoxid (Equilibrin 30–90 mg) – Nebenwirkungen: Müdigkeit, Mundtrockenheit, Tachykardie Bei Erfolglosigkeit (frühestens nach 6 Wochen) alternativ: ▬ Doxepin (Aponal) 25–150 mg/Tag ▬ Imipramin (Tofranil) 75–150 mg ▬ Clomipramin (Anafranil) 10–10–0 bis 25–25– 0 mg ▬ Mianserin (Tolvin) 30–60 mg/Tag oder ▬ Fluvoxamin (Fevarin): weniger gut evaluiert; – Nebenwirkungen: Übelkeit und Magenschmerzen ▬ Pestwurzelextrakt (Petadolex) bei Bedarf bis zu 3-mal 1–3 Kaps./Tag oder 2-mal 2 Kaps./Tag für 3 Monate.
⊡ Abb. 9.2. Schematische Schmerzlokalisation bei Kopfschmerz vom Spannungstyp
9
Medikamente der 2. Wahl ▬ Tizanidin (Sirdalud) 3 mg/Tag (zentrales Mus-
kelrelaxans) ▬ Naproxen (Proxen) 500 mg/Tag ▬ Acetylsalicylsäure (Aspirin protect) 3-mal 100 mg/Tag ▬ Sulpirid (Dogmatil) 3-mal 50 mg ▬ Tranylcypraminsulfat (Jatrosom) 10 mg/Tag, initial ggf. 30 mg/Tag Prinzipiell sollte die Therapie mindestens 6 Monate beibehalten und dann über 4–6 Wochen ausgeschlichen werden.
Atypischer Gesichts-(Kopf-)schmerz Einteilung
▬ Episodischer vs. chronischer KS ▬ Meist Frauen zwischen dem 30und 50. Lebensjahr betroffen! ▬ Ausschlussdiagnose Klinik
▬ Persistierende, orofasziale, überwiegend unilaterale Dauerschmerzen ohne Dermatomzuordnung (70% der Fälle) ▬ Mittlere Schmerzstärke ohne neuralgiformen (einschießenden) Charakter, vielmehr dumpfdrückender oder brennender, schlecht lokalisierbarer Schmerz ▬ Meist gleichbleibende Intensität und Punctum maximum im Wangenbereich (⊡ Abb. 9.3)
⊡ Abb. 9.3. Schematische Schmerzlokalisation bei atypischem Kopfschmerz
146
Kapitel 9 · Kopfschmerz
▬ Meist spontan, gelegentlich nach Trauma (Operation, Infektion, Verletzung etc.) auftretend ▬ Symptomfreie Phasen möglich (Wochen bis Monate) ▬ Begleitsymptome: – Niedergeschlagenheit, Ängstlichkeit, Dysund Parästhesien im Gesichtsbereich (Schwellungsgefühl, Überwärmung, Prickeln, Taubheitsgefühl), Hauttemperaturdifferenz – In 50–70% Plussymptome (Hyperalgesie am Nervenaustrittspunkt, Berührungs- oder Kälteallodynie) – Kein sensibles oder motorisches Defizit! Therapie Pharmakotherapie
9
▬ Nichtopioidanalgetika: ASS 500–1000 mg, Paracetamol 500–1000 mg und Ibuprofen 200–800 mg ▬ Trizyklische Antidepressiva (Amitritylin, Doxepin) ▬ Carbamazepin, Baclofen oder MAO-Hemmer Nichtmedikamentöse Therapie ▬ TENS ▬ Psychotherapie
▬ Invasive Maßnahmen (möglichst vermeiden): GLOA, Sympathikusblockaden Anmerkung: Letztendlich Ausschlussdiagnose!
Schlechte Prognose, geringe Spontanremission. ! Cave: Invasive Maßnahmen jeder Art sollten möglichst vermieden werden (Gefahr der Verschlechterung der Symptomatik).
Clusterkopfschmerz Einteilung ▬ Chronischer (10–20%) Clusterkopfschmerz (>1 Jahr mit Schmerzremission <14 Tage) ▬ Episodischer (80–90%) Clusterkopfschmerz (7 Tage bis 1 Jahr, Schmerzremission >14 Tage) Der Beginn ist meist im 3.–6. Lebensjahrzehnt.
Männer sind deutlich häufiger betroffen (Männer : Frauen = 16 : 1 bis 8 : 1). Die Prävalenz beträgt ca. 0,9% bzw. die Inzidenz 9,8/100.000 Personen/Jahr. Jahreszeitliche Betonung im Frühjahr und Herbst. Provokation ist möglich durch Alkohol in geringen Mengen, Nitroglyzerin (Nitro-Provokationstest zur Auslösung einer Attacke während einer Anfallsperiode: 1 mg s.l. führt innerhalb von 30–60 min zum Anfall; Testvoraussetzung: keine Attacke innerhalb von 8 h vor dem Test, keine Applikation von vasokonstriktorisch wirksamen Substanzen innerhalb von 24 h), Kalziumantagonisten, Histamin und Nikotin. ! Die Notwendigkeit eines Provokationstests wird sehr kontrovers diskutiert.
Pathogenese In der Pathogenese scheint die aseptische Entzündung und Vasodilatation im Sinus cavernosus oder im Bereich der V. opthalmica superior eine Rolle zu spielen. Erhöhte Aktivität des trigeminovaskulären Systems (CRGP ), erhöhte Aktivität des Parasympathicus (VIP)
Klinik Anfallsartiger (von 1 Attacke alle 2 Tage bis 1–8 Anfälle/Tag), streng einseitiger, peri- oder retrobulbärer bzw. temporal lokalisierter heftigster Kopfschmerz (brennend, bohrend) mit Schmerzverstärkung im Liegen (reduzierter venöser Abfluss aus den Sinus cavernosus); meist ipsilaterale Lakrimation (in 80% der Fälle) oder Rhinorrhö, konjunktivale Injektion (in 50–80% der Fälle) und/oder ipsilaterales Lidödem, Miosis, Ptosis, vermehrtes Schwitzen im Bereich von Stirn und Gesicht (⊡ Abb. 9.4). Die Anfälle treten meist nächtlich oder in den frühen Morgenstunden auf mit typischerweise schnellem Beginn, einer Dauer von 30–180 min und abruptem Ende. Bewegungsdrang während der Attacke (im Gegensatz zur Migräne). Anmerkung: Vor Therapiebeginn symptomatischen Clusterkopfschmerz (Neurinom, Meningeom, zentrale Zysten, ateriovenöse Malformation der A. cerebri media) ausschließen.
147 Clusterkopfschmerz
9
Seite und 45° Reklination, das Ergebnis ist jedoch z. T. unbefriedigend ▬ Gegebenenfalls Dihydroergotamin (Dihydergot) 1 mg i.m.
Prophylaxe Eine Prophylaxe ist bei lang anhaltendem Cluster (>2 Wochen), therapierefraktärem Anfall oder >2 Anfälle/Tag generell angezeigt. ⊡ Abb. 9.4. Schematische Schmerzlokalisation bei Clusterkopfschmerz
Differenzialdiagnose ▬ ▬ ▬ ▬
Migräne Trigeminusneuralgie Akutes Glaukom Chronisch paroxysmale Hemikranie (CPH) mit streng einseitigem und seitenkonstantem Kopfschmerz, Anfallsdauer 2–45 min, 10–30 Anfälle/Tag, positives Ansprechen auf Indometacin (3-mal 25–50 mg; maximal 250 mg/Tag), überwiegend Frauen im Alter von 15–30 Jahren betroffen, niemals nächtliches Auftreten (nach Diener) ▬ SUNCT-Syndrom: Anfallsdauer 15–60 s; 5–30 Attacken/h, beeinflussbar evtl. mit Indometacin oder Carbamazepin
Therapie Akuter Anfall
▬ Inhalation von Sauerstoff (>7 l/min) in sitzender, leicht nach vorn gebeugter Position (15–20 min) – Sauerstoffkonzentrator für die häusliche Akutbehandlung bei der Krankenkasse beantragen ▬ Eventuell ASS-Infusion 1,0 g; ▬ Bei Nichtansprechen: Sumatriptan (Imigran) 6 mg s.c. (maximal 12 mg/Tag) oder ggf. Nasenspray 20 mg (Repetition nach 2 h möglich; maximal 40 mg/Tag) ! Cave: Keine Kombination mit Ergotamin oder Methysergid.
Die orale Triptantherapie ist sinnlos, da bis zum Wirkeintritt die Clusterattacke meist von selbst sistiert. ▬ Gegebenenfalls intranasale Instillation von 1 ml Lidocain 4% unter 30° Rotation zur betroffenen
Bei episodischem Clusterkopfschmerz Medikamente der 1. Wahl:
▬ Verapamil (Isoptin) in ansteigender Dosierung Dosierung: 1./2. Tag 0–0-80 mg 3./4. Tag 80–0–80 mg Ab 5. Tag 4-mal 80 mg p.o. Fortführung über 14 Tage hinaus nach letzter Attacke oder ▬ Ergotamin (Megrexa) 3–4 mg/Tag p.o. oder rektal in 2 ED (2 mg–0–2 mg) für maximal 4 Wochen Medikamente der 2. Wahl:
▬ Methysergid (Deseril) Dosierung: Beginn mit 3-mal 1 mg/Tag und anschließend Steigerung auf maximal 3-mal 2 mg/ Tag für maximal 3–6 Monate ! Cave: Retroperitoneale, endokardiale, pleuropulmonale Fibrose.
▬ Prednison (Decortin) Dosierung: 100 mg in 2 ED für 3 Tage, anschließend Dosisreduktion um 10 mg alle 4 Tage ▬ Lithium (Quilonum ret. oblong.) Dosierung: 1-mal 1 Tbl. à 450 mg für die ersten 3 Tage, ab dem 4. Tag ggf. 2 Tbl. (Serumspiegel 0,4–1,2 mmol/l) – Nebenwirkungen: Tremor, Hypothyreose, Polyurie Medikamente der 3. Wahl:
▬ Valproinsäure (z. B. Orfiril) Dosierung: 5–10 mg/kgKG/Tag, Steigerung alle 4–7 Tage um ca. 5 mg/kgKG (durchschnittliche Dosis 20 mg/kgKG bzw. 1200 mg in 3 ED) Effektivitätsbeurteilung erst nach 2–4 Wochen möglich!
148
Kapitel 9 · Kopfschmerz
Bei chronischem Clusterkopfschmerz Medikamente der 1. Wahl
Therapie
▬ Verapamil (Isoptin) oder ▬ Lithium (Quilonum ret. oblong.)
Voraussetzungen für ambulanten Entzug: ▬ <2 Jahre bestehender KS ▬ Kein Abusus von psychotropen Substanzen ▬ Hohe Motivation zur Entzugsbehandlung ▬ Unterstützung durch Freunde und Familie ▬ Konsequente und umfassende Nachbetreuung (Verhaltenstherapie) Notwendigkeit zum stationären Entzug: ▬ Langjähriger medikamenteninduzierter Dauerkopfschmerz (>5 Jahre) ▬ Einnahme von Kombinationspräparaten bzw. psychotropen Substanzen (Schlafmittel, Tranquilizer, Anxiolytika) ▬ Mehrere erfolglose Selbstentzüge ▬ Angst des Patienten vor dem ambulanten Entzug ▬ Begleitdepression ▬ Ungünstige soziale Verhältnisse
Medikamente der 2. Wahl
▬ Prednison (Decortin) Medikamente der 3. Wahl:
▬ Methysergid (Deseril) ▬ Valproinsäure (z. B. Orfiril)
Medikamenteninduzierter Kopfschmerz
9
Inzidenz: 5–10% aller Kopfschmerzpatienten einer Spezialambulanz leiden an medikamenteninduziertem Kopfschmerz. Durchschnittliche Dauer der Einnahme: 5 Jahre. Auftreten bevorzugt bei Frauen (Frauen : Männer = 3–5:1) zwischen 40.– 50. Lebensjahr. Die häufige (tägliche) Einnahme von Analgetika [Paracetamol, Metamizol, ASS (>50 g/Monat bzw. 3 Tbl./Tag), Triptanen oder Ergotaminpräparaten] kann selbst einen Dauerkopfschmerz auslösen.
Klinik ▬ Dumpf-drückend, auch pulsierender Dauerkopfschmerz, meist bilateral (besonders bei Ergotaminen), bereits beim Aufstehen bzw. Akzentuierung in den frühen Morgenstunden. ▬ Hohe Rückfallrate von 30% nach erfolgreichem Entzug. ▬ Typische Beleitsymptome: Anämie (Blutverlust), Magenschmerzen (Gastritis durch Antirheumatika), bei Ergotamin/ Sumatriptanabusus kalte Akren, abgeschwächte periphere Pulse, abdominelle Beschwerden mit Wechsel von Diarrhö und Obstipation. Anmerkung: Clusterkopfschmerzpatienten entwi-
ckeln keinen medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerz.
Medikamentenentzug
Medikamentös unterstützend ▬ Naproxen (Proxen) 2-mal 500 mg p.o. über
10 Tage ▬ Gegebenenfalls plus Metoclopramid (Paspertin) 20 mg p.o. und ▬ Acetylsalicylsäure 500–1000 mg alle 8 h ▬ Gegebenenfalls Amitriptylin oder Thioridazin (Melleril) 30–60 mg ! Cave: Chronische Nephropathie, Karzinome der harnableitenden Systeme (5- bis 10-fach erhöht).
Zervikaler Kopfschmerz Immer einseitiger Schmerz mit stechend drückendem Charakter vom Nacken ausgehend und über die Parietalregion ins Gesicht einstrahlend, ggf. nicht radikulärer Schulter-/Armschmerz. Mechanische Auslösung durch bestimmte Kopfhaltungen oder Halsbewegungen. Erkrankungsalter: >40. Lebensjahr. Nach Blockade der Wurzel C2 mit einem Lokalanästhetikum verschwindet der Schmerz für 1– 2 Tage. Gegebenenfalls Schluckbeschwerden und Kloßgefühl, Druckschmerz über HWK 2.
149 Trigeminusneuralgie
9
Pathophysiologie
Differenzialdiagnose
Erregung der Nozizeptoren der kleinen Wirbelgelenke, deshalb muskuläre Verspannung (chronische Form) oder Irritation der oberen zervikalen Wurzel durch Gefäße und Narbengewebe.
Trigeminusneuropathie (fehlender Cornealreflex), Clusterkopfschmerz, postherpetische Neuralgie, multiple Sklerose, Neurinome des N. trigeminus (Sensibilitätsstörungen und Atrophie der Kaumuskulatur).
Therapie ▬ Krankengymnastik, Wärme-/Kälteapplikation, TENS plus ▬ Ibuprofen (Optalidon, Opturem, Ibuprofen) Dosierung: 800 ret. 1–2 Tbl./Tag (800–1600 mg/ Tag) ▬ Naproxen (Proxen) Dosierung: 1- bis 2-mal 250 mg bis 2-mal 500 mg p.o. ▬ Diclofenac (Voltaren) Dosierung: 3-mal 50–100 mg p.o. oder rektal oder ▬ Flupirtin (Katadolon) Dosierung: 3- bis 4-mal 100 mg p.o., 3- bis 4-mal 150 mg rektal (maximal 900 mg/Tag)
Trigeminusneuralgie Streng einseitiger, für Sekunden bis maximal 2 min Dauer einschießender heftigster Schmerz, durch Trigger (Essen, Rasieren, Wind, Berührung) auslösbar. Meist V2- (35%) oder V3-lokalisiert (44%), gelegentlich mit Kontraktionen der mimischen Muskulatur (= »tic douloureux«; ⊡ Abb. 9.5). Patientenalter: meist >40 Jahre, bei jüngeren Patienten an multiple Sklerose denken (Demyelinisierung)!
⊡ Abb. 9.5. Schematische Schmerzlokalisation bei Trigeminusneuralgie V2
Therapie ▬ Medikament der 1. Wahl: Carbamazepin (Tegretal) Dosierung: 2-mal (100)–200–400 mg, ggf. bis maximal 1800 mg/Tag in 3–4 Einzeldosen (Spiegel: 5–10 mg/Tagl) anfangs bis zu 90%ige Schmerzfreiheit, allerdings zunehmender Wirkverlust (50% haben nach 10 Jahren wieder einschießenden Schmerz) ▬ GLOA (ganglionäre lokale Opioidanalgesie) des Ganglion cervicale superior Dosierung: 5–10 Infiltrationen bei Erfolgseinstellung bis zum 4. Mal Gabe von 0,03 mg Buprenorphin in 1–2 ml NaCl 0,9% oder Ganglion-stellatum-Blockaden (5–10 ml 0,25% Bupivacain in Höhe von C7), bis zu 3-mal pro Woche Blockaden des Ganglion pterygopalatinum Bei unzureichender Schmerzreduktion: ▬ Gabapentin (Neurontin) Dosierung: ca. 900–1500 mg/Tag in 3 Einzeldosen oder ▬ Pregabalin (Lyrica) Dosierung: 150–600 mg/Tag in 2–3 Einzeldosen, Startdosis 2-mal 75 mg/Tag oder ▬ Phenytoin (Zentropil) Dosierung: 100–300 mg/Tag (Spiegel: 15 mg/ Tagl) Isoliert oder in Kombination mit Carbamazepin oder ▬ Kombination von Carbamazepin (Tegretal) und Baclofen (Lioresal) Dosierung: 3-mal 5–10 mg; Steigerung um 5– 10 mg an jedem 3. Tag bis auf ca. 60 mg/Tag; maximal 80 mg/Tag; Wirkung über GABAB-Rezeptoren
150
9
Kapitel 9 · Kopfschmerz
oder ▬ Clonazepam in einschleichender Dosierung von 0,5 mg zur Nacht, bis ca. 3–8 mg/Tag steigern ▬ Lamotrigin (Lamictal) Dosierung: initial 25 mg, jeden 3. Tag um 25 mg steigern, bis maximal 400 mg/Tag ▬ Doxepin: Schmerzfreiheit in 43%, Schmerzverringerung in >50% der Fälle ▬ Blockade des Ganglion Gasseri mittels Lokalanästhetikum ▬ Eventuell operative Verfahren: Operation nach Janetta bei jüngeren Patienten: mikrovaskuläre Dekompression des N. trigeminus (meist A. cerebelli superior) Erfolgsquote 80–90%, Letalität: 0,2–1,0% – Komplikationen: Hirnnervenläsionen (<5%), selten intrakranielle Blutungen Bei älteren Patienten perkutane selektive Thermokoagulation nach Sweet oder retroganglionäre Blockade des Ganglion Gasseri nach Hakanson mit 0,2–0,4 ml Glycerol ! Cave: Keratokonjunktivitis paralytica!)
Hohe Rezidivrate und Gefahr der Anaesthesia dolorosa Konfokale Hochdosisstrahlentherapie (»gamma knife«) Die Therapiestrategie bei Trigeminusneuralgie zeigt ⊡ Abb. 9.6.
Trigeminusneuropathie Dauerschmerz und fehlender Cornealreflex sowie sensible und/oder motorische Störungen. Therapie ▬ Amitriptylin (Saroten, Laroxyl) Dosierung: 1. Woche 10 mg abends,
2. Woche 3-mal 10 mg/Tag, alternativ 25 mg abends 3.-4. Woche: 3-mal 25 mg/Tag, alternativ 50 mg abends Ab 5. Woche : Dosierung nach Wirkung
Bei Erfolglosigkeit (frühestens nach 6 Wochen) alternativ: ▬ Doxepin (Aponal) Dosierung: 3-mal 10 mg bis 3-mal 50 mg ▬ Imipramin (Tofranil) 3-mal 10 mg bis 3-mal 50 mg Bei Erfolglosigkeit: ▬ GLOA-GCS-Serie (ganglionäre lokale Opioidanalgesie des Ganglion cervicale superior) 5–10 Infiltrationen bei Erfolgseinstellung bis zum 4. Mal oder Diagnostische Lidocaininfusion: 1. Infusion 1 mg/kgKG, 2. und 3. Infusion mit jeweils 4 mg/kgKG Bei positivem Verlauf: Umstellung auf Mexitil 2-mal 100 mg (maximal 10 mg/kgKG)
151 Trigeminusneuropathie
⊡ Abb. 9.6. Therapiestrategie bei Trigeminusneuralgie
9
10 Rückenschmerz
Inzidenz 80% aller Menschen haben irgendeinmal in ihrem Leben Rückenbeschwerden. 7–10% der Rückenpatienten bleiben trotz intensiver Diagnostik und Therapie längere Zeit arbeitsunfähig. Die sozialmedizinische Bedeutung dieser Erkrankungen lässt sich allein daran messen, dass Rückenschmerzen in Deutschland derzeitig hinsichtlich Arbeitsunfähigkeitstagen bei GKV-Versicherten an erster Stelle stehen, 17% aller Neuzugänge der Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten und 26% aller Fälle stationärer Rehabilitationsmaßnahmen ausmachen. ! Nur 50% der chronischen Rückenschmerzpatienten (>6 Monate bestehende Schmerzsymptomatik) werden wieder in ihren Arbeitsprozess eingegliedert. Hierdurch entstehen für das Gesundheitssystem immense Kosten: 16–17 Mio. € pro Jahr an Gesamtkosten in Deutschland. Eine adäquate Behandlung von Rückenbeschwerden muss früh einsetzen.
Einteilung Das Symptom Rückenschmerz lässt sich einteilen A. Nach der Ursache in: 1. Unspezifische Rückenschmerzen, bei denen sich im Gegensatz zu den spezifischen keine Hinweise auf ursächliche Erkrankungen wie z. B. Frakturen, Tumoren oder Entzündungsprozesse finden lassen. Die meisten Rückenbeschwerden beruhen auf keiner strukturellen, sondern einer funktionellen Störung des Stütz- und Bewegungsapparates. Eine vorübergehende akute Lumbalgie/Lumboischialgie bedarf daher nur in Ausnahmesituationen einer intensiveren Diagnostik: Schmerzanamne-
se und klinische bzw. symptomorientierte neurologische Untersuchung zum Ausschluss von Warnsymptomen aufgrund spezifischer Erkrankungen im Bereich der WS, welche eine intensivere Abklärung bedürften, reichen völlig aus. Warnzeichen sind: Alter >50 oder <20 Jahren; Malignomanamnese, Gewichtsverlust, Trauma, zunehmende Schmerzen, keine Besserung durch Bettruhe, Nachtschmerz, motorische Schwäche oder Nervenausfälle, Blasen- und Mastdarmstörungen, Kortisontherapie, Osteoporoseanamnese. 2. Spezifische bzw. somatische Rückenschmerzen (meist mit Ausstrahlung) aufgrund degenerativer Veränderungen vertebraler und/oder extravertebraler (Muskel- und Bindegewebe) Strukturen sowie spezifische Erkrankungen wie z. B. Frakturen, entzündliche Prozesse und primäre oder sekundäre Knochentumoren. Letztere sind selten (<1%), sollten jedoch zu Therapiebeginn anamnestisch (Gewichtsverlust etc.), laborchemisch oder radiologisch (Knochendestruktionen) ausgeschlossen werden. B. Bei degenerativen Veränderungen nach der Lokalisation in: Zervikal-, Thorakal- und Lumbalsyndrome. Die Lokalisation von Rückenschmerzen wird nach Hildebrand Hildebrandt u. Pfingsten (1996) zu 65% im lumbalen, zu 35% im zervikalen und zu 2% im thorakalen Bereich. Das lokale Lumbalsyndrom entspricht dem »simple backache« und bedeutet einfacher, unkomplizierter Rückenschmerz. Strahlen die Schmerzen durch Wurzelkompression in die unteren Extremitäten aus, so bezeich-
154
Kapitel 10 · Rückenschmerz
net man dies als lumbales Wurzelsyndrom bzw. Ischialgie, wobei je nach Anzahl der betroffenen Nervenwurzeln weiterhin zwischen einem mono- und polyradikulären Syndrom unterschieden werden kann. Auch ohne Wurzelkompression kann es jedoch zu ausstrahlenden Schmerzen kommen. Das Kaudasyndrom stellt eine besonders schwere Form des polyradikulären lumbalen Wurzelsyndroms dar, mit unterschiedlichen neurologischen Ausfällen. C. Nach der Dauer und somatischen sowie psychosozial komplizierenden Faktoren in: – Akute Rückenschmerzen (Dauer <4 Wochen), – Subakute Rückenschmerzen (Dauer 4 Wochen bis 3 Monate), – Rezidivierende und chronische bzw. chronifizierte Rückenschmerzen (Dauer >3 Monate). ! Die Chronifizierung von Rückenschmerzen bedeutet
10
Übergang vom akuten zum chronischen Rückenschmerz, wenn das Schmerzgeschehen mehr als 3 Monate anhält, seine Alarmfunktion verloren hat und zunehmend psychologische Begleiterscheinungen mit veränderter Schmerzwahrnehmung und Schmerzverarbeitung aufweist.
Möglicher iatrogener Beitrag zur Chronifizierung der Schmerzen ▬ Mangelhafte Information des Patienten über den gutartigen Verlauf der Erkrankung ▬ Überbewertung radiologischer Befunde ▬ Krankschreibung über zu lange Zeit ▬ Verordnung, Anwendung und Empfehlung vorwiegend passiver therapeutischer Maßnahmen ▬ Mangelhafte Differenzierung der Schmerzen in Diagnostik und Therapie ▬ Vernachlässigung prophylaktischer Maßnahmen (z. B. Rückenschule) ▬ Unreflektierte Verschreibung von Medikamenten über längere Zeiträume ▬ Übermäßige und ungezielte lokale Injektionen insbesondere beim unspezifischen Kreuzschmerz ▬ Nichtbeachtung psychosozialer Faktoren
Chronifizierungsprophylaxe Die Prophylaxe ist die beste Maßnahme gegen eine Chronifizierung: ▬ Information über die gute Prognose des Kreuzschmerzes zu Beginn der Behandlung ▬ Positive Belastungsprognose für den Betroffenen ▬ Frühzeitige Bewegungsschulung ▬ Frühzeitige Einbeziehung von Rehabilitationseinrichtungen mit »aktiverer« Therapie ▬ Psychosomatische Fachdiagnostik nach 6 Wochen Arbeitsunfähigkeit und Chronifizierungszeichen.
Risikofaktoren für chronischen Rückenschmerz Risikofaktoren für das Auftreten chronischer Rückenschmerzen (sog. »yellow flags«) sind: ▬ Biologische Faktoren – Höheres Alter – Degenerative Prozesse – (Mikro-)traumen ▬ Psychische Faktoren – Psychosoziale Überforderung/Traumatisierungen – Defizite im Hinblick auf sog. assertive Kompetenzen – Emotionale Beeinträchtigungen (Depression, Angst; s. auch Diagnostik) – Passive Grundeinstellung – Inadäquate Krankheitsmodellvorstellungen – Operante Faktoren (sog. »Krankheitsgewinnaspekte«) ▬ Berufliche Faktoren – Schwerarbeit (Tragen, Heben schwerer Lasten) – Monotone Körperhaltung – Vibrationsexposition – Geringe berufliche Qualifikation – Berufliche Unzufriedenheit ▬ Lebensstil – Rauchen – Übergewicht – Geringe körperliche Kondition ▬ Iatrogene Faktoren – Mangelhafte Respektierung der multikausalen Genese
155 Kapitel 10 · Rückenschmerz
Pathophysiologie Rückenschmerzen können durch eine Vielzahl somatischer, insbesondere vertebraler, aber auch extravertebraler Erkrankungen verursacht werden. Auf der Grundlage somatisch bedingter Rückenschmerzen oder auch ohne ein primär somatisches Korrelat können sich unter Beteiligung psychischer und sozialer Mechanismen chronifizierte Rückenschmerzen entwickeln, die dann maßgeblich das Beschwerdebild bestimmen. Bedeutendste somatische Ursache von Rückenschmerzen stellt dabei die degenerative Wirbelsäulenerkrankung dar. Anhaltend starke axiale Druckbelastungen durch den aufrechten Gang und verlangsamter Stoffaustausch im Zwischenwirbelabschnitt durch mangelnde Bewegung sind für das frühzeitige Auftreten degenerativer Veränderungen der Bandscheiben beim Menschen im Wesentlichen verantwortlich. Zur Bandscheibendegeneration gehören Quelldruckverlust, Rissbildungen und Zermürbungserscheinungen, die insgesamt eine Segmentlockerung hervorrufen. Im Rahmen degenerativer Wirbelsäulenveränderungen kann es zu intradiskalen Massenverschiebungen im Zwischenwirbelabschnitt mit Sequesterbildung kommen. Mechanische Bedrängung und entzündliche Prozesse können zu einem wechselnden Irritationszustand der Nozizeptoren in der Nervenwurzel, in Wirbelgelenkkapseln und Bändern mit entsprechender reflektorischer Reaktion in den Muskeln führen. Hieraus resultiert die Initiierung eines Circulus vitiosus mit konsekutiver Erhöhung des Muskeltonus der Rückenmuskulatur; dies wiederum führt zur Verstärkung des Schmerzes.
Schmerzsyndrome ▬ Myofasziale Schmerzsyndrome – Reflektorischer Muskelschmerz bzw. Verspannung durch Fehlstatik, Überlastung – Hartspann durch kontinuierliche Fehlbewegung oder Stereotypien ▬ Spondylogene Schmerzsyndrome Spondylarthrose oder Veränderung der Wirbelbogengelenke, entzündlich-rheumatische WSErkrankungen, z. B. M. Bechterew, Spondylitiden bei Enteropathien, z. B. M. Reiter, M. Behçet) mit gestörter Bewegungsfunktionen
10
▬ Diskogene Beschwerden (Protrusion, Prolaps) Untersuchungen von Boden et al. (2001) haben allerdings ergeben, dass 20–30% der Bandscheibenvorfälle ohne jegliche Schmerzsymptomatik einhergehen. Die Schmerzen bei Bandscheibenschäden beruhen wahrscheinlich auf einem immunologisch-entzündlichen Prozess (Autoimmunreaktion) und weniger auf einer direkten Kompression des Nervs bzw. der Nervenwurzel ▬ Psychogene Verspannung, z. B. bei den meisten Zerikalsyndromen ▬ Maligne und metabolische Knochenerkrankungen, z. B. M. Paquet
Klinik Klinische Einteilung der Schmerzen nach Symptomatik in: ▬ Lokalisiert, nicht radikulär, d. h. ohne Ausstrahlung ▬ Radikulär, d. h. Schmerzausstrahlung entlang eines Segmentes ▬ Pseudoradikulär, d. h. Schmerzausstrahlung, die sich nicht an das Versorgungsgebiet eines Nerven hält ⊡ Tabelle 10.1 (s. unten) zeigt Klinik und Ursachen von Rückenschmerzen auf.
Lumbago mit Leitsymptom ▬ Nichtradikuläre Schmerzen (ca. 80–90% der Fälle), ausgehend vom Bewegungssegment, schlecht lokalisierbarer, tiefsitzend, dumpfer Schmerzcharakter – Differenzialdiagnose: Ischiosakralgelenkoder Hüftgelenkveränderungen (übertragener Schmerz) ▬ Bandscheibenprolaps mit 2 von 4 Symptomen: – Stärkere Schmerzen im Bein als im Rücken, radikulärer Verlauf – Sensibilitätsstörungen im betreffenden Dermatom, ggf. Parästhesien – Eventuell Paresen der entsprechenden Kennmuskulatur – Schmerzintensitätszunahme bei Provokation (Lasègue-Zeichen positiv, Husten und Pressen)
156
Kapitel 10 · Rückenschmerz
!Durch einen Bandscheibenprolaps kommt es zur mechanischen Kompression oder Dehnung der entsprechenden Nervenwurzel. Nur eine zusätzliche Schwellung und Entzündung verursacht die Schmerzen.
Diagnostik Die wichtigsten therapeutisch und prognostisch relevanten Ziele der Diagnostik von Rückenschmerzen bestehen in: ▬ Differenzierung unspezifischer und unkomplizierter Rückenschmerzen (⊡ Abb. 10.1, Punkt A) von solchen mit radikulären Symptomen (⊡ Abb. 10.1, Punkt B); Patienten mit alarmierenden Symptomen (»red flags«) bedürfen sofortiger fachärztlicher Betreuung (⊡ Abb. 10.1, Punkt C) ▬ Beachtung der Risikofaktoren für eine Chronifizierung (»yellow flags«, s. oben) von Rückenschmerzen Anamnese
10
Auslöser, Zeitpunkt des Auftretens, Dauer, Lokalisation und Ausstrahlung der Schmerzen (⊡ Tabelle 10.1); bei Verdacht auf chronifizierte Rückenschmerzen auch psychische und soziale Momente. Allgemeine klinische Untersuchung/orientierende neurologische Untersuchung
▬ Reflexstatus (Muskeleigenreflexe, Fremdreflexe, Dehnungszeichen) ▬ Motorik (Inspektion der Muskulatur auf Atrophien, Faszikulationen, Kontrakturen; Muskeltonus; Kraftprüfung)
▬ Sensibilität ▬ Vegetativum (Blasen-/Mastdarmfunktion, Hauttemperatur und -durchblutung) Laboruntersuchung
BSG, CRP, Blutbild, AP, Serumkalzium und -phosphat, Urinstatus (zum Ausschluss anderer Krankheiten). Orthopädisches Konsil
Bei vertebragenen Rückenschmerzen zusätzlich orthopädisches Konsil. Bildgebende Verfahren
Beispielsweise CT, MRT oder Skelettszintigraphie nur dann, ▬ wenn eine radikuläre Symptomatik vorliegt oder eine Stenose vermutet wird, ▬ wenn Hinweise auf schwere Grunderkrankungen, z. B. ein Tumorleiden, weitere Diagnostik erfordern, ▬ wenn fachärztlich unklare oder therapieresistente Befunde vorhanden sind, die eine weitere Abklärung erforderlich machen. Diagnostische Periduralanästhesie ▬ Bei nozizeptiver Schmerzursache (z. B. LWS-
Knochenmetastase) kommt es unter der analgetischen Wirkung der Periduralanästhesie zur fast kompletten Schmerzfreiheit. Nach Abklingen der Periduralanästhesie sofortiges Wiederauftreten der Schmerzen mit unveränderter Schmerzsymptomatik.
⊡ Tabelle 10.1. Klinik und Ursachen von Rückenschmerzen Eher nicht organisch bedingt
Eher organisch bedingt
Nicht positionsabhängig
Positionsabhängig
Ungenaue Schmerzlokalisation(»die ganze linke Seite«)
Genaue Schmerzlokalisation
Als anhaltend, unerträglich beschrieben, häufiger Gebrauch von Superlativen
Einsicht in Kausalität durch exogene Faktoren
Fehlendes Ansprechen auf einschlägige Therapien
Wechselhafter Schmerz, der durch Therapie (Lagerung, Extension und Analgetika) positiv beeinflussbar ist
Schlaf ungestört
Schlaf durch unwillkürlichen Positionswechsel (»falsche Position«) gestört
157 Kapitel 10 · Rückenschmerz
⊡ Abb. 10.1. Synopsis zur Diagnostik und Therapie von Rückenschmerzen
10
158
Kapitel 10 · Rückenschmerz
▬ Bei muskuloskeletarer Schmerzursache kommt es ebenfalls unter der Periduralanästhesie zu einer fast völligen Schmerzfreiheit. Nach Abklingen der Periduralanästhesie treten die Schmerzen oft in ihrer Symptomatik verändert und viele Stunden bis Tage später wieder auf. Selten bleibt die Schmerzfreiheit auch bestehen (therapeutische Periduralanästhesie). ▬ Bei chronifiziertem zentralem Rückenschmerz kommt es trotz suffizienter Periduralanästhesie nicht zu einer Beinflussung der Schmerzen. Es wird deutlich, dass hier invasive Therapieansätze an der Wirbelsäule oder gar Operationen scheitern werden und insofern kontraindiziert sind.
! Cave: Zahlreiche Untersuchungen konnten
Therapie
! Für die intraartikuläre (Facet-)injektion von Lokala-
Bei akuter nichtradikulärer Symptomatik (Lumbalsyndrom)
▬ Mobilisierung und rasche Rückkehr zu normalen täglichen Tätigkeiten (maximal 2 Tage Entlastung)
10
! Bestes Konzept gegen Chronifizierung.
zeigen, dass bei über 65-Jährigen 20–30% aller Krankenhausaufnahmen und Todesfälle durch peptische Ulzera auf eine Behandlung mit NSAR zurückgeführt werden konnten.
▬ TENS ▬ Zurückhaltung bei invasiven/operativen Maßnahmen, ggf. therapeutische Lokalanästhesie (TLA), z. B. Quaddeln, Infiltration von Triggerpunkten, Muskeln, Gelenken etc. (Effektivität ist statistisch nicht gesichert) ▬ Eventuell theurapeutische/diagnostische Periduralanästhesie
nästhetika und/oder Glukokortikosteroiden in die Zwischenwirbelgelenke fehlen ausreichende Belege zur Wirksamkeit bei akuten und chronischen Rückenschmerzen. Hauptaufgabe der einzelnen therapeutischen Maßnahmen ist es, den Circulus vitiosus »Schmerz – Verspannung – Fehlhaltung/Fehlverarbeitung – Schmerz« zu unterbrechen.
Anmerkung: Bei radikulären Schmerzsyndromen:
primär kurzfristige Entlastung. ▬ Beratung und Hinweis auf die Harmlosigkeit der Erkrankung; eindringliche Belehrung über möglichst rasche Wiederaufnahme der alltäglichen Aktivitäten und Wiederaufnahme oder Neubeginn von sportlicher Betätigung. Bettruhe nicht gerechtfertigt; ggf. auch Psychodiagnostik und -therapie ▬ Physiotherapie (manuelle Therapie), Rückenschule, Aufbautraining, GRIP (Göttinger Rücken-Intensiv-Programm) – Frühmobilisierung – Weg von der Passivität, hin zur Bewegung – Erlernen wirbelsäulenschonender Lagerungsund Positionsänderungen – (Patienten mit akuten Rückenschmerzen ohne radikuläre Symptomatik scheinen innerhalb der ersten 4–6 Wochen von der manuellen Therapie zu profitieren) ▬ Medikamentöse, kurzfristige Schmerztherapie mit NSAR (Ibuprofen, Diclofenac, Metamizol, Piroxicam) plus ggf. schwache Opioide und/ oder zentrale Muskelrelaxanzien
Bei akuter radikulärer Symptomatik (akute Wurzelirritation oder Kompression)
▬ Stufenbett mit entlastender Lagerung (90° gebeugte Hüft- und Kniegelenke): guter schmerzlindernder Effekt, kurzfristige Entlastung ▬ Vorübergehende Wärmeapplikation in der Anfangsphase (seltener lokale Kälteapplikation) mittels Heizkissen, Fangopackungen, Wärmflasche ▬ Medikamentöse Schmerztherapie mit NSAR, zentral wirksamen Muskelrelaxanzien und schwach wirksamen Opioiden ▬ Intensive Physiotherapie (axiale Traktion bzw. entspannende Lagerung für die Lendenwirbelsäule – Effektivität nicht einheitlich beurteilt), Haltungsschule, Erlernen wirbelsäulenschonender Lagerungs- und Positionsänderungen ▬ Eventuell therapeutische Blockaden (z. B. epidurale oder paravertebrale Blockaden mit LA und/oder Steroiden)
159 Kapitel 10 · Rückenschmerz
Operationsindikation ▬ Cauda-equina-Kompressionssyndrom mit Blasen- und Mastdarmlähmung ▬ Akute Ausfallserscheinungen funktionell wichtiger Muskeln ▬ Eventuell hoher Leidensdruck und konservativ nicht therapierbare Schmerzen Weiterführende Diagnostik vor Operation: CT, EMG und Myelographie. Indikation zur invasiven Therapie
▬ Therapieresistente Ischialgie >6 Wochen ▬ Wurzelzeichen ▬ Lasègue-Zeichen unter 60° Bei chronisch radikulärer Symptomatik
▬ Medikamentöse Schmerztherapie mit Antidepressiva und evtl. zurückhaltend Opioiden (WHO-Stufe II, ggf. III) ▬ Ausdauer- und Krafttraining der Muskulatur, GRIP (multimodale Therapiekonzepte mit 4wöchiger Intensivbehandlung in Kleingruppen im Rahmen einer Tagesklinikaufnahme) ▬ Kognitive Verhaltenstherapie, Schmerz- und Stressbewältigung ▬ Eventuell diagnostische Blockaden (z. B. epidurale oder paravertebrale Blockaden mit LA und/ oder Steroiden); eher zurückhaltende Therapieansätze zur Vermeidung von iatrogen induzierter Schmerzchronifizierung ▬ TENS, evtl. »spinal cord stimulation« Bei der Behandlung chronischer Rückenschmerzpatienten ist eine Kombination somatischer und psychotherapeutischer Maßnahmen mit Steigerung der Kontrollfähigkeit und des Kompetenzgefühls des Patienten sinnvoll. Therapeutisches Vorgehen
▬ Konsequentes körperliches Training ▬ (Kognitiv-)verhaltenstherapeutische Behandlungsmaßnahmen zur Veränderung eines maladaptiven, auf Ruhe und Schonung ausgerichteten Krankheitsverhaltens ▬ Ergotherapeutische Maßnahmen (»work hardening«), die auf die individuellen Arbeitsplatzanforderungen ausgerichtet sind
10
11 HWS-Syndrom
Synonyme: Zervykalgie, Zervikalsyndrom, zervi-
Diagnostik
kales, zevikobrachiales, zerviomedulläres oder zervikoenzephales Syndrom.
▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬
Einteilungen Einteilung nach der Klinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation der Universität München
▬ ▬ ▬ ▬ ▬
Zervikal-segmentale Funktionstörung Zervikales Überlastungssyndrom Zervikales radikuläres Syndrom Zervikales Irritationssyndrom Zervikales myofasziales Syndrom
Weitere Einteilungen
▬ Mechanisch bedingte Schmerzsyndrome – In den Zwischenwirbelgelenken – Diskogene, nicht radikuläre Schmerzen ▬ Radikulär bedingte Schmerzsyndrome – Diskogen – (Knöcherne) Stenose des Wirbelkanals oder der Zwischenwirbelforamina – Vaskuläre Kompression C2/C3 ▬ Myofazial bedingte Schmerzsyndrome ▬ Primär infolge direkter Noxen ▬ Sekundär infolge radikulär oder mechanisch bedingter Schmerzsyndrome
Ursachenlokalisation nach segmentalen Leitsymptomen C2/3 C3/4 C4/5 C5/6 C6/7
Hinterkopf, Stirn, Augen, Schläfen Nacken, Hinterkopf Nacken, Schultern Schultern, Oberarme Schultern, Scapulae
Schmerzspezifische Aanamnese Manualdiagnostische Befunderhebung Inspektion Palpation Segmentale Funktionsuntersuchung Bewegungsausmaß der HWS Neurologische Untersuchung Röntgendiagnostik
Schmerztypen Radikulärer Schmerz (Diskushernie/Stenose)
▬ Schmerzprojektion entlang des Dermatoms und Verstärkung durch Bewegungen des Kopfes ▬ Eventuell Parästhesien im Bereich der Hand Diagnose: pathologischer neurologischer Befund, Röntgen, CT, NMR, »postitive« Myelographie. Zervikogene mechanische Schmerzen
▬ Schmerzen bei fehlender pathologischer Neurologie, Schmerzprojektion eher proximal (Kopf/ Schufter) ▬ Häufig schmerzbedingte Bewegungseinschränkung der HWS ▬ Irritationszonen über den zervikalen Gelenken ▬ Schmerzfreiheit nach Facettenblockade Sonderformen
▬ Thoracic-outlet-Syndrom evtl.mit Plexus-brachialis-Parese, Kompression der A. subclavia (Adson-Manöver positiv), Halsrippe, evtl. untere Armplexuskompression (Nachweis durch Dopplersonographie) ▬ Pancoast-Tumor mir sehr intensivem Schmerz, evtl. rasche Ausbildung von Paresen, klassisch
162
▬
▬
▬
11
▬
▬
▬
▬
Kapitel 11 · HWS-Syndrom
Störung von Sympathikus (Horner-Syndrom) und Störung der Schweißsekretion, pathologische neurologische Untersuchungsbefunde, pathologisches CT, NMR der oberen Thoraxapertur Karpaltunnelsyndrom mit nächtlichen Schmerzen und distalen Parästhesien in den Händen, Schwellungs- und Steifheitsgefühl der Hand, klinisch spät auftretende neurologische Zeichen einer N.-medianus-Schädigung (Bestätigung durch NLG) Neuralgische Schulteramyotrophie mit akut, z. T. nach Infekt auftretender sehr starker (reißender) Schmerz, relativ rasch Paresen (gutartiger Verlauf) im Bereich des Schultergürtels und Oberarmes (oder Plexusparese), Liquoruntersuchung und Röntgen normal Sympathische Reflexdystrophie mit brennenden oder dumpfen Schmerzen bei Hypo- oder Hyperthermie, distal generalisiert, mit distalen sensorischen und autonomen Störungen, trophischen Störungen und Bewegungseinschränkung der Finger, Schwellung, anamnestisch meist Trauma vorausgehend Schulter-Hand-Syndrom mit allmählich einsetzenden, diffusen, z. T. distal projizierten Schmerzen im Bereich der Schulter, z. T. verbunden mit Algodystrophie der Hand, deutliche Einschränkung der Beweglichkeit des Schultergelenks, häufig Arthrose des Schultergelenks; evtl. Osteopetrose Supraspinatustendinopathie mit Schmerzen im Bereich der unteren Schulter, Verstärkung bei Bewegung, unauffälliger Röntgenbefund und Neurologie, muskuläre Tests positiv (meist Abduktion gegen Widerstand schmerzhaft bzw. schmerzhafter Bogen) Arthropathie des Schultergelenkes mit Schmerzen im Bereich der unteren Schulter, keine Verstärkung bei Bewegung gegen Widerstand, Röntgen z. T. negativ (bei Entzündung), z. T. positiv (Arthrose) Kapselmuster, Bewegungseinschränkung: Außenrotation – Abduktion – Innenrotation Postdiskotomiesyndrom nach Bandscheibenoperation und in Zusammenhang mit postoperativer Instabilität und narbiger Verziehung der Nervenwurzel
Therapie 1. Akute Intervention – Physikalische Maßnahmen – Medikamentös nach Stufenplan: – NSAR (WHO-Stufe I) – evtl. WHO-Stufe II oder III – evtl. Opioide plus Koanalgetika; z. B. Tetrazepam (Musaril), Flupirtin (Trancopal) – Aktive Physiotherapie – Chirotherapie – Partavertebrale Lokalanästetikainfiltration 2. Langzeittherapie – Physiotherapie – TENS – Intraartikuläre Infiltrationen – Röntgengesteuerte Blockaden – Spondylodese – Veränderung der Lebensführung, Erhöhung des Aktivitätsniveaus, Abbau inadäquaten Krankheitsverhaltens, Abbau von Angst und Depressivität ! Bei chronischem HWS-Syndrom multimodalen Therapieansatz wählen.
12 Fibromyalgie
Synonyme: generalisierte Tendomyopathie (TM),
Fibrositis.
Einteilung ▬ Primäre Fibromyalgie (zentrales Schmerzsyndrom) ▬ Sekundäre Fibromyalgie (Folge einer rheumatologischen Erkrankung) Therapie und Klinik der sekundären Fibromyalgie
Detail in Kap. 13 (»Rheumatischer Schmerz«). Definition der primären Fibromyalgie
Nichtentzündliche Weichteilerkrankung des rheumatischen Formenkreises mit einer Inzidenz von 2% der Bevölkerung bzw. Körperwahrnehmungsstörung im Sinne eines zentralen Schmerzsyndromes ▬ Altersgipfel 24–50 Jahre, Erkrankungsbeginn um das 35. Lebensjahr ▬ Familiäre Häufung, Frauen : Männer = 7 : 1 ▬ Prodromalphase bis zu 7–8 Jahren
Diagnose der primären Fibromyalgie ▬ Leitsymptom: generalisierter Dauerschmerz der Muskulatur mit wechselnder Lokalisation (Dauer >3 Monate an ≥3 verschiedenen Körperregionen ober- und unterhalb der Taille; »widespread pain«) und ▬ Druckschmerzhaftigkeit von 11 der 18 »tender points« (⊡ Abb. 12.1; Druck bei Untersuchung ca. 24 g/cm2) in Kombination mit 5 Kardinalsymptomen:
1. Chronische polytope, extraartikuläre Schmerzen 2. Müdigkeit 3. Depression
4. Schlafstörungen (gestörte Non-REM-Phase) 5. Neuroendokrine Dystonie und ggf. Morgensteifigkeit (besonders der Hände), Kältegefühl in den Händen, Schmerzverstärkung durch Stress, Kälte und physische sowie psychische Überforderung ▬ Eventuell Überprüfung der Kontrolltriggerpunkte (umstitten, sollte nicht zur Ausschlussdiagnostik führen, wegen der Gefahr einer falsch negativen Diagnose) Kontrollpunkte: – Stirnmitte, 2 cm oberhalb des Orbitarandes – Klavikula, Übergang laterales/mittleres Drittel – Unterarmmitte zwischen Radius und Ulna dorsal, 5 cm proximal des Handgelenkes – Daumennagel – Thenarmitte – M. biceps femoris (Mitte des Oberschenkels) – Tuber calcanei (plantar, Mitte) ▬ Überprüfung der »tender-points« durch Daumendruck, besser mit Dolorimeter (4 kp/cm2) ▬ Psychologische Diagnostik Auffälligkeiten: – Kausal und Kontrollattributationen der Fibromyalgiepatienten mit Vermeidungsverhalten von freudebringenden Hobbys – Fixierung auf organische Ursache – Frühkindlicher Missbrauch oder Gewalt in 2/3 der Fälle ▬ Psychometrische Untersuchungen: – Depressivität – Schmerzverhalten und soziale Unterstützung – Frühkindlicher Missbrauch – Posttraumatische Anpassungsstörung – Verlust- und Versagenszustände – Erfahrungen mit bisherigen Therapien
164
Kapitel 12 · Fibromyalgie
Laborkonstellation Schweregradeinteilung ▬ Leichtgradig: – Keine Progredienz der Beschwerden und Aktivitätsstörungen – Geringe Aktivitätsstörungen – Gutes Anssprechen auf Therapiemaßnahmen ▬ Mittelgradig: – Allmähliche Progredienz der Beschwerden und Aktivitätsstörungen – Mittlere Aktivitätsstörungen – Partielles Ansprechen auf Therapiemaßnahmen ▬ Schwergradig: – Rasche Progredienz der Beschwerden und Aktivitätsstörungen – ausgeprägte Aktivitätsstörungen – Kein Ansprechen auf Therapiemaßnahmen
▬ Normal: BSG, Muskelenzyme, Muskelbiopsie, Immunglobuline, Differenzialblutbild ▬ Pathologisch: ggf. Calcitonin erniedrigt, AKNachweis gegen Serotonin und Phospholipide, Ganglioside und Nucleoli (30–70% pos.itiv)
Pathogenese ▬ Störung der zentralen Schmerzverarbeitung mit reduzierter Schmerzschwelle ⇒ Körperwahrnehmungsstörung ▬ Störung neuroendokriner Regelkreise mit reduzierten Konzentrationen an Serotonin (im Serum) und basalem Cortisol (im 24-h-Urin); pathologische Cortisolsekretion nach Stimulation ▬ Dysfunktion der Hypothalamus-HypophysenSchilddrüsen-Achse ▬ Erhöhte Konzentration von z. B. Substanz P (im Liquor), Met-Enkephalin, Dynorphin A
12
⊡ Abb. 12.1. Lokalisation der »tender points«. (Nach Brune et al. 2001)
165 Kapitel 12 · Fibromyalgie
Auszuschließende Erkrankungen ▬ Allgemein:
– Arzneimittelnebenwirkungen ▬ Internistisch-rheumatologisch: – Entzündlich-rheumatische Erkrankungen – Chronisch entzündliche Muskelerkrankungen – Infektionen mit Auswirkung auf das Bewegungssystem (Borelliose) – Endokrinologische Erkrankungen – Osteoporose – Psoriasis mit Gelenkbeteiligung – Disseminierte Tumorerkrankungen (z. B. Plasmozytom) – Hämochromatose ▬ Orthopädisch: – Statisch-muskuläre Dysbalancen – Hypermobilität – Myofasziale Schmerzsyndrome ▬ Neurologisch: – Muskuläre fokale Dystonien – Multiple Sklerose – Entzündlich-degenerative neuromuskuläre Erkrankungen (Neuroborelliose) – M. Reklinghausen ▬ Psychiatrisch-psychotherapeutisch: – Depression – Anhaltende somatoforme Störung – Somatisierungsstörung – »post traumatic stress disorder«
Therapie ▬ Multimodaler Therapieansatz! ▬ Aufklärung über die Krankheit und Beratung des Patienten ▬ Kontinuierliche Betreuung des Patienten ▬ Deeskalierende medikamentöse Therapie ▬ Wärme- (Fango) und Kälteanwendungen (Kältekammer) ▬ Teilnahme an Feldenkrais-Therapie, sportliche Betätigung und Verbesserung der Ausdauerfähigkeit ▬ Psychologische und psychotherapeutische Verfahren (Schmerz- und Krankheitsbewältigung) ▬ Niedrig dosiertes Amitriptylin 10–25 mg (25– 30% positive Effekte) ▬ Tropisetron (Navoban) 5 mg/Tag p.o. oder 2 mg als Bolus i.v.
▬ ▬ ▬
12
(sehr teures Präparat; Blockade der S3-Rezeptoren, was die Substanz-P-Freisetzung reduziert) Zurückhaltender Versuch mit Opioiden (Tilidin oder Tramadol; Tramadol interagiert mit dem Serotoninstoffwechsel) NSAR (Ibuprofen) oder Flupirtin Gegebenenfalls MAO-A-Hemmer Moclobemid (Erhöhung der niedrigen Serotoninspiegel) Versuchsweise TLA in die »tender points«
▬ ▬ TENS
13 Rheumatischer Schmerz
Definition der rheumatoiden Arthritis
Klinik
Erkrankungen des Bindegewebes und schmerzhafte Störungen des Bewegungsapparates, die potenziell zur Ausbildung chronischer Symptome führen. Am häufigsten sind die primär degenerative Gelenkerkrankung und die chronische Polyarthritis.
⊡ Tabelle 13.1 gibt einen Überblick über die Klinik chronischen Polyarthritis und der Osteoarthrose.
Prävalenz
Schätzungsweise ca. 1%, d. h. auf 100.000 Einwohner kommen 1000 Personen mit rheumatischen Beschwerden.
Therapie
Die generellen Behandlungsmöglichkeiten der rheumatoiden Arthritis gliedern sich in ▬ Symptomatische medikamentöse Therapie mit rasch wirksamen Substanzen, wie Antiphlogistika (NSAR, COX-2-Hemmstoffe), Glukokortikoide (systemisch und ggf. intraartikulär), sowie die langsam wirksamen, krankheitsmodulierenden Basistherapeutika (DMARD = »disease
⊡ Tabelle 13.1. Klinik der chronischen Polyarthritis und der Osteoarthrose Osteoarthrose Verlauf Alter (Jahre) Morgensteifigkeit
Degenerativ >50 <30 min
Gelenke
Monarthrose
Rheumafaktor
Niedriger Titer
BSG
<40 mm/h
Radiologie
Osteophyten, schmaler Gelenkspalt
Klinische Untersuchung
Krepitation bei aktiver Bewegung, keine Überwärmung des Gelenkes
Gelenkpunktat
Klare Gelenkflüssigkeit
Schmerzchrakter
Bohrend, stechend
Lokalisation Auslöser Tagesrhythmik
Lokalisiert Belastungsschmerz Eher abends
Chronische Polyarthritis Entzündlich 30–45 >60 min Symmetrisch, >3 Gelenke Hoher Titer Hohe Senkung, CRP erhöht, ANA erhöht Erosionen, Entmineralisierung Ulnardeviation, Rheumaknoten, schmerzhafte Schwellung der proximalen Interphalangealgelenke, Metakarpophalangeal- oder Handgelenke, Schwanenhalsdeformität
Dumpf, brennend Generalisiert Ruheschmerz Eher morgens
168
Kapitel 13 · Rheumatischer Schmerz
modifying antirheumatic drugs«), die Immunsuppressiva und Antizytokine ▬ Orthopädische Maßnahmen (konservative Maßnahmen und rheumachirurgische Interventionen) ▬ Physikalische Therapie, Ergotherapie ▬ Psychosoziale Betreuungsmaßnahmen ! Eine ausschließlich medikamentöse Therapie des Rheumatikers stellt mit Sicherheit einen Kunstfehler dar, allerdings spielt die medikamentöse Therapie mit ihren verschiedenen Facetten die zentrale Rolle.
▬ NSAR primär mit kurzer HWZ, sekundär NSAR mit langer HWZ, ggf. bei Ineffektivität mit einer Glukokortikoidtherapie kombiniert (als orale Stoßtherapie mit 20–60 mg Prednisolon, Low-dose-Dauertherapie mit <7,5 mg Prednisolon, parenterale Pulstherapie mit 250– 1000 mg/Infusion an 3 aufeinanderfolgenden Tagen oder intraartikuläre Lokaltherapie mit 2–40 mg je nach Gelenkgröße) Häufig verwendete NSAR sind in ⊡ Tabelle 13.2 dargestellt.
Allgemeine Nebenwirkungen aller NSAR
13
▬ Magen und Darm: Übelkeit, Erbrechen, Völlegefühl, MagenDarm-Geschwüre; die Häufigkeit der Magen-Darm-Störungen nimmt bei Anwendung höherer Dosen und bei Kombination von verschiednen Antiphlogistika zu ▬ Allergische und pseudoallergische Reaktionen: Pruritus, Exantheme, Ödeme, Stevens-Johnson-Syndrom, Bronchospasmus, allergischer Schock und Schockfragmente ▬ Haut und Schleimhaut: Steigerung der Lichtempfindlichkeit, Mundschleimhautentzündung, Haarausfall, Störung des Nagelwachstums ▬ Zentrales Nervensystem: Kopfschmerzen, Schwindel, Müdigkeit, Sehstörungen, Konzentrationsschwäche, Verwirrtheit ▼
▬ Blut: Leukozytopenie, Agranulozytose, aplastische Anämie, Panzytopenie, Thrombozytopenie, Vezögerung der Thrombozytenaggregation (im Gegensatz zu ASS passager) ▬ Leber: Transaminasenerhöhung (meist passager), cholestatische Hepatose ▬ Niere: Kreatininanstieg, Nierenversagen, Hämaturie, Blasenbeschwerden ▬ Herz und Kreislauf: Herzklopfen, Unterschenkelödeme, Blutdruckanstieg ▬ Weitere unerwünschte Arzneimittelwirkungen: – Strumawachstum (v. a. bei Pyrazolonen) – Ohrensausen und Schwerhörigkeit (nur bei Salizylaten) ▬ Arzneimittelinteraktionen: Besonders mit oralen Antikoagulanzien, Antihypertensiva, Methotrexat und Lithium
▬ Basistherapeutika (so früh wie möglich, entsprechend der Krankheitsaktivität eingesetzen); zu den Basistherapeutika (⊡ Tabelle 13.3) zählen: ▬ Sulfazalazin ▬ Methotrexat (MTX) ▬ Hydroxychloroquin ▬ D-Penicillamin ▬ Cyclophosphamid ▬ Azathioprin ▬ Ciclosporin A ▬ Orales Gold (Auranofin) ▬ Parenterales Gold ▬ Leflunomid (Arava) ▬ Infliximab (Remecade) in Kombination mit MTX ▬ Etanercept (Enbrel) ▬ Adalimumab als Monotherapie oder in Kombination mit MTX ▬ Anakinra (Kineret) in Kombination mit MTX
13
169 Kapitel 13 · Rheumatischer Schmerz
⊡ Tabelle 13.2. Häufig verwendete NSAR in der Rheumaschmerztherapie Substanz
Reguläre Tageshöchstdosis
Kurzzeithöchstdosis, z. B. Gichtanfall
Mittlere Tagesdosis oral
EliminationsHWZ
[mg]
[mg]
[mg]
[h]
Azetylsalizylsäure
4000
8000
Bis 3000
Bis 5 h
Phenylbutazon
400
600
Ibuprofen
2400
1200–2400
Bis 5 h
Ketoprofen
300
150–300
Bis 5 h
Naproxen
1000
1250
500–1000
5–20 h
Indometacin
150
300
Acetmetacin
180
Diclofenac
150
Piroxicam
Besonderheit
Ungünstiges Wirkungs-/Nebenwirkungsspektrum Nur noch für Akutsituationen zugelassen Relativ geringe antiphlogistische Potenz
50–150
5–20 h
60–180
Bis 5 h
ZNS-Nebenwirkungen häufiger
300
100–150
Bis 5 h
Gelegentlich Transaminasenerhöhung, selten Hepatitis bzw. Cholestase, präferenzielle COX-2-Inhibition
20
40
20
Über 20 h
Lange HWZ
Tenoxicam
20
40
20
Über 20 h
Lange HWZ
Meloxicam
15
7,5–15
Über 20 h
Partiell-selektive COX-2-Inhibition, lange HWZ
⊡ Tabelle 13.3. Basistherapeutika: Richtlinien zur Dosierung und Überwachung für die häufiger verwendeten Substanzen Substanz
Wirkstärke
Dosierung
Wirkeintritt nach Monaten
Methotrexat (meist verwendetes Basistherapeutikum)
Stark wirksam
Applikation 1-mal pro Woche oral oder parente- 1–2 ral (i.m., i.v.), Dosis individuell (initial 7,5–15 mg, Dauerdosis 7,5–25 mg)
Anmerkung Im 1. Monat 1-mal pro Woche, ab dem 2. Monat 1-mal 14-tägig, ab dem 4. Monat 1-mal pro Monat klinische Kontrolle (inklusive Befragung nach Husten/Dyspnoe) und Blutbild (inklusive Thrombozyten, Differenzialblutbild), Leberwerte, Kreatinin/Urinstatus Nebenwirkungen Dermatitis, Stomatitis, Haarausfall; Kopfschmerzen, Übelkeit, Diarrhö; Transaminasenanstieg, Leberzirrhose; Eosinophilie, Zytopenien, Makrozytose; Pneumonitis; vermehrte Infektanfälligkeit; Fieber; vermehrte Rheumaknotenbildung; Teratogenität, Abort. Nebenwirkungen sind z. T. durch Fol- oder Folinsäuregabe vermeidbar Sulfazalazin
Mittelstark wirksam
Woche 1: 1-mal 500 mg, Woche 2: 2-mal 500 mg, 2–3 Woche 3: 3-mal 500 mg
Anmerkung In den ersten 3 Monaten 14-tägig, ab dem 4. Monat monatlich und ab dem 7. Monat 2-monatlich klinische Kontrolle und Blutbild (inklusive Thrombozyten, Differenzialblutbild), Leberwerte, Kreatinin/Urinstatus Indikation Häufig eingesetzt als Monotherapie bei geringer Aktivität oder in Kombination
170
Kapitel 13 · Rheumatischer Schmerz
⊡ Tabelle 13.3. Fortsetzung Substanz
Wirkstärke
Hydroxychloroquin
Schwach wirksam
Dosierung
2-mal 200 mg p.o.
Wirkeintritt nach Monaten 4–6
Anmerkung Nebenwirkungen Nausea, Appetitlosigkeit, Diarrhö (insgesamt am häufigsten); Störungen von Akkomodation und Farbensehen, Einlagerungen in die Kornea oder Retina (selten!); Kopfschmerzen, Schwindel, Schlafstörungen; Neuropathie, Myopathie (selten) Parenterales Gold
Stark wirksam
Woche 1: 1-mal 10 mg, Woche 2: 1-mal 25 mg, ab Woche 3: 1-mal 50 mg; ab 6. Monat: 50 mg 2 bis 4-wöchentlich, ja nach Klinik
3–4
Anmerkung In den ersten 3 Monaten alle 14 Tage klinische Kontrolle und Blutbild (inklusive Thrombozyten, Differenzialblutbild), Leberwerte, Kreatinin/Urinstatus, anschließend gleiches Programm monatlich Wirkmechanismus Modulation der Funktion von mononukleären Zellen Orales Gold Auranofin
Schwach wirksam
2-mal 1 Tbl. à 3 mg pro Tag
4–5
Anmerkung In den ersten 3 Monaten alle 14 Tage klinische Kontrolle und Blutbild (inklusive Thrombozyten, Differenzialblutbild), Leberwerte, Kreatinin/Urinstatus, anschließend gleiches Programm monatlich Nebenwirkungen Diarrhö (nur bei oralem Gold); Dermatitis, Stomatitis; Eosinophilie, Zytopenien; Proteinurie, Hämaturie; Metallgeschmack; Ablagerungen in der Kornea und Linse (bedeutungslos); Bronchiolitis und Lungenfibrose. Orales Gold wirkt schwächer und hat seltener schwere Nebenwirkungen. Durch MTX aus dem klinischen Alltag zunehmend verdrängt D-Penicillamin (wegen Nebenwirkungen nur noch Reservesubstanz)
Stark wirksam
13
Woche 1/2: 150 mg/Tag, Woche 3/4: 300 mg/ Tag, Woche 5/6: 450 mg/Tag, ab Woche 7: 600 mg/Tag (Dosissteigerung auf 750 mg; auch Reduktion möglich)
3–4
Anmerkung In den ersten 3 Monaten alle 14 Tage klinische Kontrolle (inklusive Befragung zu Muskelschwäche/Doppelbildern, Geschmacksstörung) und Blutbild (inklusive Thrombozyten, Differenzialblutbild), Leberwerte, Kreatinin/Urinstatus, anschließend gleiches Programm monatlich Nebenwirkungen Dermatitis, Stomatitis; Übelkeit, Diarrhö, Cholestase; Eosinophilie, Zytopenien; Proteinurie, Hämaturie; Geschmacksstörungen, Polyneuropathie; Fieber; Auslösung von Autoimmunopathien, z. B.Myasthenie, SLE Wirkmechanismus Inhibierung der T-Zellfunktion Azathioprin (Imurek)
Stark wirksam
Tagesdosis individuell 1–3 mg/kgKG, durchschnittlich auf Dauer 50–150 mg
2–3
Anmerkung Im 1. Monat wöchentlich, ab dem 2. Monat 2-wöchentlich, ab dem 3. Monat 4-wöchentlich klinische Kontrolle und Blutbild (inklusive Thrombozyten, Differenzialblutbild), Leberwerte, Kreatinin-/Urinstatus Nebenwirkungen Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö; Cholestase; Exanthem, Haarausfall; Zytopenien, Makrozytose; Pneumonitis; vermehrte Infektanfälligkeit; Fieber
13
171 Kapitel 13 · Rheumatischer Schmerz
⊡ Tabelle 13.3. Fortsetzung Substanz
Wirkstärke
Ciclosporin A (Sandimmun)
Dosierung
Wirkeintritt nach Monaten
Initial 2,5–3 mg/kgKG/Tag; individuelle Dosissteigerung, maximal -5 mg/kgKG/Tag
1–3
Anmerkung Kreatininkontrolle im 1. Monat wöchentlich, ab dem 2. Monat 2-wöchentlich, ab dem 4. Monat 4-wöchentlich; Blutdruckkontrolle in den ersten 3 Monaten 2-wöchentlich, dann 4-wöchentlich; Blutbild, Leberwerte, Kalium, Lipide, Urinstatus 4-wöchentlich kontrollieren Nebenwirkungen Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö; Nierenfunktionsstörung, Hyperkaliämie; Blutdruckanstieg; Hypertrichose, Gingivahyperplasie, Kopfschmerzen; Tremor, Parästhesien; Ödeme Leflunomid (Arava)
Initial 100 mg/Tag für 3 Tage, dann Dauertherapie mit 20 mg/Tag.
Wirkmechanismus Hemmung der Pyrimidinsynthese Anmerkung Blutbild, Leberwerte in den ersten 2 Monaten 2-wöchentlich, ab dem 3. Monat monatlich, ab dem 7. Monat 6-wöchentlich kontrollieren; gelegentliche Blutdruckkontrolle Nebenwirkungen Arterielle Hypertonie, Diarrhö, Übelkeit; Alopezie; Leberenzymerhöhung; Blutbildveränderungen (selten) Infliximab (Remecade)
3 mg/kgKG als Infusion alle 4–8 Wochen, ggf. Kombination mit MTX
Wirkmechanismus Chimärer monoklonaler TNF-Antikörper Anmerkung Vor Therapie Ausschluss einer aktiven Tuberkulose Adalimumab (kurz vor Zulassung)
20–80 mg jede 2. Woche s.c.
Wirkmechanismus Erster humanisierter monoklonaler TNF-Antikörper Etanercept (Enbrel)
25 mg s.c. 2-mal pro Woche
Wirkmechanismus Lösliches TNF-Rezeptorfusionsprotein Anakinra (Kineret)
100 mg/Tag s.c.
Wirkmechanismus Humaner monoklonaler Interleukin-1-Rezeptorantagonist
14 Palliativmedizin
Allgemeine Grundsätze Definition der WHO (1990) Die wirksame, ganzheitliche »care« von Patienten, deren Krankheit nicht mehr kurativ behandelbar ist. Dabei stehen die erfolgreiche Behandlung der Schmerzen und weiterer Symptome sowie die Hilfe bei psychologischen, sozialen und seelsorgerischen Problemen an erster Stelle. Das Ziel von »palliative care« ist, die bestmögliche Lebensqualität für Patienten und deren Familien zu erreichen.
Medizinkategorien ▬ Kurative Medizin (lat. curare = heilen): Beim kurativen Therapieansatz ist die Heilung der Erkrankung oberstes Ziel! Das Wohlbefinden des Patienten wird dem Ziel, die Krankheit zu heilen, u. U. untergeordnet, und es werden ihm therapiebedingte Einschränkungen der Lebensqualität und z. T. erhebliche Nebenwirkungen zugemutet. ▬ Palliativmedizin (lat. pallium = Mantel, der etwas umhüllt, beschützt):
Ziel der Palliativmedizin ist die Verbesserung der Lebensqualität, dabei werden u. U. diesem Ziel dienende therapiebedingte lebensverkürzende Nebeneffekte in Kauf genommen. ▬ »Palliative Therapie« oder besser »lebensverlängernde Therapie«:
Unter »palliativer Therapie« versteht man eine lebensverlängernde Therapie, wobei Ein-
schränkungen der Lebensqualität in Kauf genommen werden. Die Heilung, der Erkrankung ist nicht mehr möglich. Die lebensverlängernde Therapie wird im täglichen Sprachgebrauch der Mediziner oft als »palliative Therapie« (z. B. palliative Chemotherapie) bezeichnet, was zu Missverständnissen führen kann, weil nicht zwingend eine Verbesserung der Lebensqualität Ziel der Behandlung ist.
Evaluation der Patientensituation Die Evaluation der Bedürfnisse des Patienten sollte nicht nur körperliche Probleme berücksichtigen, sondern auch psychologische, soziale und seelische Aspekte mit einschließen. Nur so kann man ein Gesamtbild der komplexen somatischen und psychosozialen Situation des Patienten und seiner Angehörigen erhalten.
Routinefragen zur Evaluation von Art und Schwere von Symptomen ▬ Wie wirkt sich das Symptom auf das Leben des Patienten aus ▬ Wie wirkt sich das Symptom auf die körperlichen Funktionen und die Mobilität des Patienten aus ▬ Wie ist die Lebensqualität des Patienten eingeschränkt ▬ Was bessert die Beschwerden ▬ Was verschlechtert die Beschwerden ▬ Gibt es tageszeitliche Schwankungen
174
14 · Palliativmedizin
▬ Spirituelle Bedürfnisse (z. B. Frage nach dem »Danach«)
Behandlungsgrundsätze ▬ Beschwerdelinderung und symptomatische Therapie ▬ Erhalt der Selbstständigkeit ▬ Berücksichtigung nichtmedikamentöser Therapiemethoden ▬ Medikamentöse Therapie nach WHO-Stufenschema und WHO-Richtlinien: – Möglichst nichtinvasive Maßnahmen einleiten – Applikation der Medikation zu festen Uhrzeiten – Verordnung zusätzlicher Bedarfsmedikation – Individuell auf den Patienten abgestimmte Therapiemaßnahmen
Behandlungsziel Das Ziel der Palliativmedizin ist es, »die bestmögliche Lebensqualität für Patienten und deren Familien zu erreichen« (WHO 1990; s. oben). Dabei lässt sich Lebensqualität in 4 Dimensionen einteilen: ▬ Physische Integrität (z. B. Schmerzfreiheit, keine Dyspnoe usw.) ▬ Psychische Integrität (z. B. Angstfreiheit) ▬ Soziale Einbettung (z. B. Sterben zu Hause)
14
Die häufigsten physischen Symptome zeigt ⊡ Tabelle 14.1.
Symptomkontrolle Anorexie und Kachexie Anorexie (Appetitverlust) und Kachexie (schwerer Muskelschwund und Gewichtsverlust) als Folge von Tumorerkrankungen oder HIV-Infektionen. Ursachen der Anorexie
▬ Situationsbedingt: Unangenehme Essensgerüche, zu große Portionen, schwer verdauliche Speisen ▬ Krankheitsbedingt: Übelkeit, verzögerte Magenentleerung, Sepsis, Schmerz, Ermüdung, Dehydratation, Verstopfung ▬ Biochemische Ursachen: Hyperkalzämie, Hyponatriämie, Organversagen, insbesondere Nieren- und/oder Leberversagen ▬ Therapiebedingt: Medikamente, Strahlentherapie, Chemotherapie
⊡ Tabelle 14.1. Physische Symptome und deren Häufigkeit Symptom
Inzidenz (%)
Symptom
Inzidenz (%)
Körperliche Schwäche
59
Ödeme
4
Schmerzen
38
Dysphagie
3
Neurologische Symptome
20
Miktionsstörungen
3
Appetitlosigkeit
18
Meteorismus, Dyspepsie
3
Übelkeit; Erbrechen
17
Aszites
3
Obstipation
17
Anämie
2
Dyspnoe
12
Fieber
2
Psychiatrische Auffälligkeiten
9
Husten
2
Diarrhö
6
Tumorblutung
0
Schlafstörungen
5
Sonstige
3
175 Symptomkontrolle
14
▬ Andere Ursachen: Angst, Depression
▬ Sonstige – 2,5–5 mg Tetra-Hydrocannabinol (= THC)
! Einige Anorexieursachen sind reversibel, jedoch
Künstliche Ernährung
ist es sehr wichtig zu erkennen, dass eine progressive, letztendlich therapierefraktäre Anorexie auch natürlicher Bestandteil des physiologischen Sterbeprozesses ist.
▬ Parenterale Ernährung ▬ Enteral über Magensonde, PEG
Angst Ursachen der Kachexie
▬ Krankheitsbedingt: Erbrechen, Durchfall, Malabsorption, verminderte Nahrungsaufnahme, Verlust von Körpereiweißen, Blutung, Ulzeration ▬ Krebsbedingt: Erhöhter Stoffwechsel, pathologischer Stoffwechsel, Stickstoffretention, Tumorzerfallsprodukte (Kachektin) ▬ Therapiebedingt: Große chirurgische Eingriffe, intensive Strahlentherapie, intensive Chemotherapie ▬ Andere Ursachen: Hungern bzw. Nahrungskarenz, Diabetes mellitus ! Die Kachexie bei Tumorerkrankungen ist sehr schwerwiegend und trotz optimaler Nahrungsaufnahme oft nicht umkehrbar. Offenbar besteht eine Unfähigkeit des Körpers, Muskelprotein zurückzuhalten.
Therapie der Anorexie/Kachexie Nichtmedikamentös
Ursachen
▬ Situationsbedingt: – Ängste in Bezug auf die Erkrankung/Behandlung – Ängste in Bezug auf den bevorstehenden Tod – Gedanken an die Vergangenheit/Zukunft – Sorgen um die Familie/Finanzen – Unvollständige oder widersprüchliche Informationen von Seiten des medizinischen Personals oder der Familie – Verlust der Unabhängigkeit ▬ Krankheitsbedingt: – Schmerz, Dyspnoe, Nausea, Schwäche und Kraftlosigkeit ▬ Therapiebedingt: – Medikamente, Neuroleptika, Stimulanzien, Kortikosteroide – Entzug von Medikamenten oder Drogen (Alkohol, Benzodiazepine, Opioide) ▬ Psychiatrische Ursachen: – Depression, Delir, Paranoia
Essen soll schmecken, keine erzwungene Fütterung, Wahlmöglichkeit, richtige Speisentemperatur, attraktiv angerichtete Speisen, nicht zu große Portionen, viele kleine Mahlzeiten, auch Alkohol, gemeinsames Essen, Oberkörperhochlagerung, technische Hilfen (Schnabeltassen).
! Angst ist nicht zwangsläufig offensichtlich. Pati-
Medikamentös ▬ Kortikosteroide
Verdeckte Angst kann sich auf psychischer und/ oder körperlicher Ebene äußern. ▬ Psychische Symptome: Reizbarkeit, Schlaflosigkeit, Konzentrationsschwäche. ▬ Körperliche Symptome: Palpitationen, Tremor, Schwitzen, Hyperventilation, Appetitverlust, Nausea.
– 2–4 mg Dexamethason – 15–30 mg Prednisolon ▬ Gestagene – 160–800 mg Megestrol ▬ Peristaltikfördernde Medikamente – 10–20 mg Metoclopramid
enten werden ihre Sorgen und Ängste erst dann mitteilen, wenn ein Vertrauensverhältnis entstanden ist. Ängste äußern sch sehr oft auch in anderen körperlichen Symptomen (z. B. Schmerzen, Schlaflosigkeit, usw.).
176
14 · Palliativmedizin
Therapie Nichtmedikamentös
▬ Geteiltes Leid ist halbes Leid, d. h. Möglichkeit geben, Ängste zu äußern ▬ Klare Informationen ▬ Optimale Pflege Medikamentös ▬ Benzodiazepine (Kurz-, mittel- und langwirksam) – Benzodiazepine mittlerer Wirkdauer (HWZ
5–24 h) Lorazepam, Temazepam, Oxazepam, Flunitrazepam – Lorazepam: 2- bis 3-mal tägl. 1–2 mg p.o. – Tetrazepam 2- bis 3-mal tägl.10 mg – Benzodiazepine mit langer Wirkdauer Diazepam 2–10 mg p.o. ▬ Neuroleptika Haloperidol 2–5 mg p.o. ▬ β-Blocker Propanolol: 10–20 mg p.o. Sonderfälle Panikattacken
14
Panikattacken sind rezidivierende Anfälle schwerer Angstzustände mit Palpitationen, Atemnot, Schwitzen und Schwindelgefühlen; meist mit Todesangst oder dem Gefühl, »verrückt zu werden«, einhergehend. Therapie mit maximaler Zuwendung, unterstützt von kurzwirksamen Benzodiazepinen (Midazolam). In Einzelfällen Langzeitprophylaxe durch Antidepressiva.
Ursachen
▬ Krankheitsbedingt: Anorexie, Inaktivität, Anämie, Hyponatriämie, Nebenniereninsuffizienz (Hypoadrenalismus), Organversagen (Leber, Niere) ▬ Krebsbedingt: Spätstadium, Rückenmarkkompression, Hyperkalzämie, Neuropathie, Myopathie ▬ Behandlungsbedingt: Große chirurgische Eingriffe, Chemotherapie, Strahlentherapie, Medikamente (Diuretika, Antihypertensiva, Antidiabetika) ▬ Psychische Ursachen: Angst, Depression ▬ Andere Ursachen: Infektion, Dehydratation, Malnutrition Die meisten Asthenieursachen sind potenziell reversibel und bilden sich z. B. nach Chemotherapie oder Strahlentherapie innerhalb von 10–14 Tagen zurück. Wichtig ist die Beurteilung der Schwere bzw. die Ausprägung der Asthenie und somit die Auswirkung der Asthenie auf die Selbstständigkeit und das psychische Wohlbefinden des Patienten. Bei Schwäche der Atemmuskulatur z. B. kann über eine entstehende Dyspnoe und die Schwierigkeit, Sekret zu mobilisieren, Angst und Depression entstehen. Therapie
▬ Erkennen und Behandeln der Asthenieursachen ▬ Medikamentöse Unterstüzumg am ehesten durch Kortikosteroide oder Cannabinoide
Phobien
Verhaltenstherapeutische Ansätze oder medikamentöse Abschirmung durch Midazolam, z. B. bei Klaustrophobie und geplanter MRT-Untersuchung.
Asthenie Asthenie ist der Verlust von Antrieb und Energie mit daraus resultierender allgemeiner Schwäche und schneller Ermüdbarkeit.
Obstipation Obstipation bezeichnet eine Abnahme der Defäkationshäufigkeit und/oder körperliche Schwierigkeiten bei der Stuhlentleerung. Bei vernachlässigter Obstipation kann es zu Anorexie, Übelkeit, reaktiver Diarrhö, Harnretention, funktionellem Darmverschluss und Delir kommen. Ursachen
▬ Situationsbedingt Fehlende Privatsphäre, falsche Lagerung
177 Symptomkontrolle
▬ Krankheitsbedingt: Körperliche Inaktivität, körperliche Schwäche, verminderte Nahrungsaufnahme, Dehydratation ▬ Krebsbedingt: Darmokklusion, autonome Funktionsstörung, Hyperkalzämie ▬ Psychiatrische Ursachen: Depression, Verwirrtheit, Delir ▬ Behandlungsbedingt: Anticholinergika, Phenothiazine, trizyklische Antidepressiva, aluminiumhaltige Antazida, Diuretika, Opioide ▬ Andere Ursachen: Hypothyreoidismus, anorektale Schmerzen (Analfissuren, Hämorrhoiden)
14
▬ Krebsbedingt: Primär-/Sekundärtumor im Bereich der Atemwege, der Pleura, des Perikards, des Zwerchfells; Lymphangiosis carcinomatosa, tracheoösophageale Fistel ▬ Behandlungsbedingt: Fibrose nach Chemotherapie, Strahlenfibrose, ACE-Hemmer ▬ Andere Ursachen: Rauchen, nasale Medikamentenapplikation, Asthma bronchiale, Linksherzinsuffizienz (Asthma cardiale), psychogene Ursachen Therapie
Wenn möglich kausale Therapie. Nichtmedikamentöse Maßnahmen
Die Obstipation wird bei Anorexie aufgrund verminderter Zufuhr von Faser- und Ballaststoffen sowie mangelnder Flüssigkeitszufuhr verstärkt. Delirante Patienten übersehen oft die Frühzeichen einer Obstipation, die wiederum die Entstehung eines Delirs begünstigt.
▬ Vernebelung von Kochsalzlösungen (2–5%ig) ▬ Physiotherapie (Atemübungen und Drainage, Abklopfen des Thorax und Vibrationsmassagen) ▬ Eventuell Absaugen bei Sekretverhalt ▬ Lagerungsdrainage
Therapie
Medikamentöse Therapie ▬ Demulcentia (lindernde Hustensäfte) ▬ Opioide (Codein, Dextromethorphan); oft we-
Wichtig ist die Kontrolle der regelmäßigen Stuhlentleerung, um etwaige Änderungen frühzeitig zu erkennen. Bei Opioidtherapie mit hochpotenten Opioiden sollte eine Ileusprophylaxe durchgeführt werden. Durch rektales Austasten können Kotballen erkannt und ausgeräumt werden. Die medikamentöse Therapie zeigt ⊡ Tabelle 14.2, ein Flussdiagramm zur Therapie der Obstipation ist in ⊡ Abb. 14.2 dargestellt.
nig erfolgreich ▬ Lokalanästhetika (Pastillen, Sprays, Vernebler, z. B. Lidocain 2%, Bupivacain 0,25%) ▬ Bronchodilatatoren (Salbutamol, Fenoterol, Theophyllin) ▬ Kortikosteroide (bei Tumorödem)
Delir und Demenz Husten Chronischer Husten oder Hustenreiz schwächt den Patienten, verhindert einen erholsamen Nachtschlaf, verursacht Ängste und kann Schmerzen verstärken.
Delir und Demenz sind kognitive Störungen. Das Delir beginnt akut oder subakut und ist häufig reversibel. Die Demenz entwickelt sich allmählich und ist meist irreversibel. Die Diffenzialdiagnose Delir und Demenz ist in ⊡ Tabelle 14.3 gezeigt.
Ursachen
▬ Umweltbedingt: Trockene Luft, Tabakrauch, Luftschadstoffe ▬ Krankheitsbedingt: Dehydratation, ösophagealer Reflux, Atemwegsinfektionen, Aspiration
Ursachen des Delirs
▬ Krankheitsbedingt: Schmerz, Dehydratation, Elektrolytentgleisung, Organversagen (Leber, Niere)
178
14 · Palliativmedizin
⊡ Tabelle 14.2. Medikamentöse Therapie bei Obstipation Wirkprinzip
Substanz
Dosierung
Wirkeintritt
Anmerkung
12–24 h
Viel Flüssigkeit einnehmen
1. Hydragog durch Bindung von Wasser im Darm (Vermehrung der Stuhlmasse) Agiolax
10 g
Leinsamen 2. Osmotische Substanzen (Wasserresorption) mit Stimulation der Peristaltik Salinisch
Zucker
Glaubersalz
Na-Resorption
Natriumsulfat
10–20 g
2–3 h
Cave: Hyperhydratation
Na-Pikosulfat (Laxoberal)
10–20 Gtt.
2–4 h
Magrogol + Elektrolyte (Movicol)
1–2 Btl.
6–8 h
Lactulose (Bifiteral)
2- bis 3-mal 15 ml
8–12 h
Meteorismus
Lactulose (Eugalac)
1- bis 2-mal 20 ml
8h
Meteorismus
Sorbit (Microklist)
1 Klysma
1h
3. Stimulierende Substanzen durch Förderung der Darmperistaltik und Elektrolytumkehr Phenolphthalein
Glucoside
Bisacodyl (Dulcolax)
1-mal 10 mg rekt
30 min
Bisacodyl (Dulcolax)
1-mal 10 mg oral
6–8 h
Sennosid (Liquidipur)
15 ml
10 h
Sennosid (X-Prep)
75 ml oral
4–8 h
Mit mindestens 1–2 l Flüssigkeit
4. Gleitmittel zur Erhöhung der Gleitfähigkeit ohne Osmose
14
Paraffin (Agarol)
2–3 Esslöffel (5–10 mg)
12–36 h
Natriumhydrogencarbonat (Lecicarbon)
1 Supp.
30–60 min
Bildung von CO2
Amidotrizoesäure (Gastrografin)
50–100 ml
1–2 h
Kontraindikationen: Hyperthyreose
5. Andere Substanzen Hyperosmolares Kontrastmittel
⊡ Tabelle 14.3. Diffenzialdiagnose Delir und Demenz Delir
Demenz
Beginn
Akut oder subakut
Chronisch
Verlauf
Fluktuierend (häufig nachts ausgeprägter)
Progredient
Sprache
Unzusammenhängend
Begrenzter Inhalt
Bewusstsein
Bewusstseinsklar und ängstlich
Bewusstseinsgetrübt und gleichgültig
Halluzinationen
Oft vorhanden
Erst im Spätstadium
179 Symptomkontrolle
▬ Krebsbedingt: Intrakranielle Tumoren, paraneoplastisches Syndrom ▬ Behandlungsbedingt: Psychotrope Medikamente mit direkter Wirkung auf das ZNS (Anticholinergika, Antidepressiva, Antikonvulsiva, Sedativa), H2-Rezeptorantagonisten, Opioide, Kortikosteroide, Chemotherapeutika, β-Blocker, Digitalis ▬ Andere Ursachen: Harnretention, Infektion, Fieber, Hypoxie, Vitaminmangel, Kopfverletzung. Ursachen der Demenz
▬ Alzheimer-Erkrankung ▬ Multiinfarktdemenz ▬ Aids-Demenz Therapie
Hauptaufgabe ist es, reversible Ursachen zu erkennen und zu behandeln. Folge von Delir und Demenz sind oft Angsstörungen und Depressionen. Um Fehlbeurteilungen zu vermeiden und Fehlbehandlungen zu verhindern (die dann die Situation noch weiter verschlechtern), sollte der geistige Zustand regelmäßig und systematisch beurteilt werden.
Evaluation des geistigen Zustands ▬ Evaluation mit standardisierten Fragebögen (Mini-Mental-Status) ▬ Differenzierung zwischen illusionärer Verkennung (Fehldeutung), Wahnvorstellung oder Halluzination ▬ Exakte Fremdanamnese ▬ Ausschluss von Angst und Depression
Nichtmedikamentöse Therapie
▬ Offene, freundliche und respektvolle Kommunikation ▬ Erläutern der durchgeführten Handlungen und Maßnahmen in einfachen, verständlichen Worten ▬ Persönliche Probleme (auch Halluzinationen und Wahnvorstellungen) offen besprechen ▬ Einhalten der täglichen Routine, die dem Patienten eine vertraute, sichere Atmosphäre schafft
14
▬ Anwesenheit von engen Freunden oder Verwandten ▬ Körperliche Selbstständigkeit weitestgehend erhalten ▬ Keine Fixierung (eher Matratzen auf dem Boden) Medikamentöse Therapie ▬ Haloperidol
Mittel der Wahl bei agitierten Patienten Dosierung: initial 1–2 mg p.o., ggf. Wiederholung, bis ausreichender Effekt, maximal 100 mg/ Tag. Wirkdauer: 10–14 h ▬ Chlorpromazin (Propaphenin) Stark sedierend Dosierung: initial 10–50 mg, ggf. Wiederholung, bis ausreichender Effekt Wirkdauer: 6–10 h ▬ Levomepromazin (Neurocil) Stark sedierend Dosierung: initial 10–25 mg, Wiederholung, bis ausreichender Effekt, maximal 300 mg/Tag Wirkdauer: ca. 12 h ▬ Pipamperon (Dipiperon) Leicht sedierend Dosierung: initial 10 mg (20 mg), evtl. Wiederholung, bis ausreichender Effekt, maximal 360 mg/Tag Wirkdauer: ca. 8 h ▬ Benzodiazepine (⊡ Tabelle 14.4)
Depression Depression ist nicht zu verwechseln mit Traurigkeit. Depressionen treten etwa in 5–10% bei unheilbaren Erkrankungen auf. Patienten sollen Trauer und Kummer ausleben, jedoch sollten Depressionen nicht unbehandelt bleiben. Ursachen
▬ Situationsbedingt: Unfähigkeit, Gefühle mitzuteilen: Fehlendes Vertrauensverhältnis, »verabredetes Schweigen«, soziale Isolation. Ängste bezüglich der Erkrankung, Gedanken an die Vergangen-
180
14 · Palliativmedizin
⊡ Tabelle 14.4. Benzodiazepine in der Behandlung dementer Patienten Medikament
Dosis in mg
HWZ [h]
Wirkweise
Lorazepam (Tavor)
1 – 2,5 oral, sublingual
6
Am limbischen System (Dämpfung von Aktivität, Aggressivität, Angst) und am vegetativen Nervensystem
Diazepam (Valium)
10 – 20 oral, rektal
>24
Midazolam (Dormicum)
2 – 10 oral, s.c., i.v.
2–3
▬ ▬ ▬
▬
heit/Zukunft, Sorge um Familie und Finanzen, unvollständige und widersprüchliche Informationen, Verlust von Unabhängigkeit und Selbstständigkeit Krankeitsbedingt: Persistierende Beschwerden (Schmerzen, Unbehagen, Angst) Krebsbedingt: Hyperkalzämie Behandlungsbedingt: Strahlentherapie, Chemotherapie, Hypotonie, Benzodiazepine, Phenothiazine, Kortikosteroide, Amphotericin B Andere Ursachen: Genetische Prädisposition, Hypothyreoidismus
! Ein Delir im Frühstadium ist oft nicht von einer Depression zu unterscheiden, da beide mit sozialem Rückzug, Konzentrationsschwäche und Einengung der Denkinhalte einhergehen. Zudem sind depressive Patienten oft agitiert und ängstlich.
Therapie Nichtmedikamentöse Therapie
Die Patienten sollen über ihre Gefühle sprechen, um die Erfahrung zu machen, dass offene Gespräche eine Depression lösen können. Integration der Angehörigen in die Therapie, um Verständnis für die Patientensituation zu erreichen. Kognitive Verhaltenstherapie durch ausgebildete Psychotherapeuten. Medikamentöse Therapie
14
Sicherung der Diagnose durch folgende Merkmale ▬ Dauer der depressiven Verstimmung über mindestens 2 Wochen ▬ Verlust des Interesses an Menschen oder erfreulichen Aktivitäten ▬ Sozialer Rückzug ▬ Verlust des Interesses an der persönlichen Erscheinung ▬ Ausdrucksloses Gesicht ▬ Konzentrationsschwäche ▬ Häufiges Weinen ▬ Hoffnungslosigkeit ▬ Wunsch, bereits tot zu sein ▬ Gefühl der Wertlosigkeit und Verlust der Selbstachtung ▬ Suizidgedanken
▬ Antidepressiva z. B. Amitriptylin Stark sedierend; Applikation zur Nacht! Dosierung: initial 10–25 mg, Steigerung der Dosis alle 3–7 Tage bis auf 50–150 mg – Nebenwirkungen: anticholinerge Wirkung (Mundtrockenheit, Harnverhalt) Bei Vorhandensein starker Nebenwirkungen vor Eintritt des antidepressiven Effektes Präparatewechsel auf Antidepressiva mit weniger anticholinergen Wirkungen: z. B. Imipramin, Desipramin oder selektive Serotoninreuptakeremmer (SSRI) ! Der antidepressive Effekt stellt sich erst nach 2–3 Wochen ein, d. h. eine Dosiserhöhung darf erst nach 2–3 Wochen vorgenommen werden, um eine Überdosierung zu vermeiden.
181 Symptomkontrolle
14
Dyspnoe
Therapie
Ursachen
Die Behandlung der Ursachen zeigt ⊡ Tabelle 14.5. Die Therapie zielt darauf, den Circulus vitiosus (⊡ Abb. 14.1) zu durchbrechen.
▬ Situationsbedingt: Akute Angst ▬ Krankheitsbedingt: Schmerz, Anämie, Asthenie, Lungenembolie, Pneumonie, abdominale Aufdehnung (Aszites, Hepatomegalie) ▬ Krebsbedingt: Bronchusverlegung, Tumoratelektase, Lymphangiosis carcinomatosa, Verschluss der V. cava superior, Pleuraerguss, Perikarderguss ▬ Therapiebedingt: Pneumothorax, Pneumektomie, Lungenfibrose nach Chemo- oder Strahlentherapie ▬ Andere Ursachen: Asthma, Linksherzinsuffizienz, Herzinfarkt, Herzrhythmusstörungen, metabolische Azidose, Aspiration, Hyperthyreoidismus ! Problem: Dyspnoe erzeugt Angst, und Angst erzeugt Dyspnoe.
Diagnostik
▬ Peak-expiratory-flow: Mit einem Peak-Flow-Meter kann ein Bronchospasmus am Krankenbett einfach erkannt werden. ▬ Thoraxröntgenaufnahme, Hb-Bestimmung und ein EKG sind wenig belastend und geben wertvolle Hinweise.
Atemnot
Atemarbeit
Totraumventilation ⊡ Abb. 14.1. Circulus vitiosus der Dyspnoe
▬ Aufklärung und Beruhigung. ▬ Lagerung mit erhöhtem Oberkörper, Fenster öffnen (Frischluftzufuhr), ggf. Ventilator einschalen, ausreichend Platz, feuchtes Gesichtstuch ▬ Atemübungen Medikamentöse Therapie ▬ Bronchodilatatoren
Salbutamol-Spray: 4-mal 90–180 µg/Tag per inhalationem Aminophyllin: 3-mal 100–300 mg/Tag p.o. ▬ Kortikoide Dexamethason: 6 mg/Tag p.o. oder s.c. bei Lymphangitis Carcinomatosa: 4–8 mg/Tag i.v. ▬ Sedativa – Benzodiazepine Diazepam: 5 mg p.o. zur Nacht Lorazepam (Tavor expidet = lyophilisiertes Plättchen) 3- bis 4-mal 1–2,5 mg s.l. (zur Reduktion von Angst/Unruhezuständen und O2-Verbrauch) ▬ Opiode Morphin: initial 4- bis 6-mal 5 mg/Tag p.o. bzw. 1–2 mg i.v., ggf. Wiederholung alle 5–10 min, bis die Atemnot abnimmt
⊡ Tabelle 14.5. Behandlung der Ursachen von Dyspnoe
Circulus vitiosus
Sauerstoffbedarf
Nichtmedikamentöse Therapie
Angst
Panik
Atemfrequenz
Erkrankung
Therapie
Lymphangiosis karcinomatosa
Dexamethason 8 mg/Tag über 7 Tage
Bronchospasmus
Bronchodilatatoren
Herzinsuffizenz
Diuretika
Pneumonie
Antibiotika
Aszites
Aszitespunktion
Anämie
Bluttransfusion
Atemabhängige Schmerzen
Suffiziente Schmerztherapie
182
14 · Palliativmedizin
▬ Sauerstoff 2–4 l/min Respiratorische Panikattacken
Vorsichtige Sedierung mit Lorazepam oder Diazepam. Massive Hämoptysis
Großzügige Sedierung. ! Dieses Vorgehen sollte idealerweise zuvor mit den Angehörigen und dem Patienten abgesprochen werden.
Todesrasseln
14
Man unterscheidet 2 Arten des Todesrasselns: ▬ Typ 1: Bei ausgeprägter Asthenie und exzessiver Verschleimung kommt es zur Sekretansammlung im Hypopharynx (der Patient ist zu schwach zum Schlucken), was für den Patienten und v. a. für die Angehörigen als außerordentlich belastend empfunden wird. Therapie: – Lagerung (Sekretabfluss mit Hilfe der Schwerkraft – Intensive Mundpflege Angehörige informieren und begleiten Nur im Ausnahmefall sollte abgesaugt werden, da dies für den nicht bewusstlosen Patienten sehr belastend ist und nur kurzfristigen Erfolg hat. Zusätzlich Therapieversuch mit Sekretionshemmern:
– Anticholinergika: Butylscopolamin (Buscopan) 20–40 mg s.c. oder i.v. alle 4–6 h (maximal 100 mg/Tag) – bei Todesrasseln und Hypersekretion: Scopolamin 0,3 mg/Tag s.c. ▬ Typ 2: Hier kommt es durch ausgeprägte Asthenie und Kachexie zur Sekretansammlung im Tracheal/Bronchialsystem. Der Patient ist zu schwach zum Husten, Sekret wird »hin und her geatmet«. Das Problem ist auch hier v. a. die starke emotionale Belastung für Angehörige und Betreuungsteam.
Therapie: – Nicht absaugen (starke Belastung für den Patienten und nur für wenige Minuten erfolgreich) – Absetzen von Sekretolytika – Therapieversuch mit Sekretionshemmern (s. oben) – Flüssigkeitsrestriktion Angehörige informieren und begleiten ! Der Patient leidet in der Regel nicht unter der Rasselatmung (Angehörige informieren und betreuen!).
! Aufklärung und intensive Betreuung der Angehörigen. (Angehörige leben oft in der Fehlbeurteilung, der Patient würde ersticken).
Singultus Der Singultus ist ein Reflex, bei dem Spasmen der Zwerchfell- und der Interkostalmuskulatur beteiligt sind, gefolgt von einer plötzlichen Inspiration gegen die verschlossene Stimmritze. Ursachen
▬ Reizung des N. vagus – Abdominale Äste (Magenerweiterung, Gastritis, Hepatomegalie, Erweiterung der Gallenblase, Pankreatitis, Darmverlegung, Peritonitis, intraabdominelle Blutungen) – Thorakale Äste (ösophagealer Reflux, ösophageale Obstruktion, Pneumonie, Herzinfarkt) – Laryngeale Äste – Pharyngeale Äste – Aurikuläre Äste – Meningeale Äste ▬ Reizung des N. phrenicus – Subphrenischer Abszess, Tumor ▬ Zentrales Nervensystem Intrakranieller Tumor, Hirnstammläsion, Insuffizienz der A. basilaris, Kopfverletzung, Enzephalitis, Meningitis, Alkohol, Urämie, psychogene Ursachen
183 Symptomkontrolle
Therapie Nichtmedikamentöse Maßnahmen
14
Klinik
Die meisten »Hausmittel« beruhen auf einer Gegenirritation des pharyngealen Vagus oder Erhöhung des Kohlendioxidspiegels. ▬ Trinken von kaltem Wasser ▬ Auslösen von Niesen ▬ Atem anhalten ▬ Atmen in Papiertüte Medikamentöse Behandlung
Die medikamentöse Behandlung des Singultus zeigt
Die klassischen Zeichen der Intestinalobstruktion mit dem klinischen Vollbild: ▬ Akute Übelkeit und Erbrechen, ▬ Obstipation, ▬ Abdominelle Koliken, ▬ Geblähtes Abdomen, ▬ Klingende Darmgeräusche sind oft nicht alle vorhanden. Irritierend ist die oft gleichzeitig vorhandene Diarrhö in Form einer »Überlaufdiarrhö«. ⊡ Tabelle 14.7 zeigt die Symptome der Darmverlegung.
⊡ Tabelle 14.6.
Die Therapie ist jedoch meist frustran.
Darmverlegung (Intestinalobstruktion) Die Pathomechanismen und Therapien der Darmobstruktion bei Tumorpatienten unterscheiden sich sehr stark von denen anderer Patienten. Ursachen
▬ Intraluminäre Obstruktion Tumor, Fäzeseinklemmung, Invagination, Volvulus ▬ Extraluminäre Obstruktion Tumor, Adhäsion, inkarzerierte Hernie ▬ Veränderung der Darmmotilität Tumorinvasion in die Darmwand, schwere Obstipation ▬ Medikamente Opioide, Anticholinergika, Antikoagulanzien, Kortikosteroide ▬ Strahlenfibrose
Diagnostik
▬ Übersichtsröntgenaufnahme des Abdomens ▬ Invasive Diagnostik nur bei therapeutischer Konsequenz (⊡ Abb. 14.2). Therapie
▬ ▬ ▬ ▬
Nasale Magensonde Operation Medikamentöse Therapie Sandostatin (Octreotid)
Wirkmechanismus: Octreotid verhindert als Somatostatin-Analogon die Salz- und Wassersekretion im Margen-Darm-Trakt, reduziert die Darmperistaltik und die Splanchnikusdurchblutung. Dadurch wird der Circulus vitiosus von Darmüberdehnung, Sektretion, abdominellem Druck, Völlegefühl, Übelkeit und Erbrechen günstig beeinflusst. Indikation: Kausal nicht therapierbare gastrointestinale Obstruktion (z.B. bei ausgeprägter Peritonealcarzinose). Dosierung: 2–3 × tägl. 50–100 µg s.c., oder 300 µg/24 h als sc-Dauerinfusion
⊡ Tabelle 14.6. Medikamentöse Behandlung des Singultus Substanz
Medikament
Dosierung
Nebenwirkungen
Haloperidol
Haldol
2- bis 3-mal 0,3–0,5 mg p.o., i.m.
Extrapyramidale Nebenwirkungen, Sedierung
Levopromazin
Neurocil
2- bis 3-mal 10–20 mg p.o., rekt i.m.
Sedierung
Baclofen
Lioresal
2- bis 3-mal 5–10 mg p.o.
Carbamazepin
Tegretal
2- bis 3-mal 100–600 mg p.o., rektal
Allergie
Diphenylhydantoin
Phenhydan
2-mal 200 mg p.o.
Mundtrockenheit, Sedierung
184
14 · Palliativmedizin
▬ Patienten mit einer Darmverlegung können weiterhin geringe Flüssigkeitsmengen und leicht verdauliche Speisen zu sich nehmen, um u. a. folgende Behandlungsziele zu erreichen: – Beseitigung der Übelkeit – Reduktion des Erbrechens auf maximal 1bis 2-mal pro Tag
– Beseitigung von Kolik und Schmerz – Beheben der Obstruktion (wenn überhaupt möglich) – Ausgleich von Dehydratation und Elektrolytverlust
Flussdiagramm zur Therapie der Obstipation Obstipation komplett: Laxantiengabe stoppen
Anamnese und allgemeine Untersuchung
Obstruktion
ja
partiell: Laxantiengabe oral Operative Intervention überdenken
nein Rektale Untersuchung
Glyzerin supp. Flüssigkeit und orales Laxans
Fäzes hart
Rektum gefüllt
ja
nein
Sonographie/ Rö-Abdomen
Fäzes weich
Bisacodyl supp. und orales Laxans
Obstruktion
ja
siehe oben
nein
orales Laxans
Kolon gefüllt ja
nein
14
Diagnostik überdenken und von vorn beginnen
Klysmen, hoher Einlauf + osmotisches Laxans + hydragog-sekretagoges Laxans
⊡ Abb. 14.2. Flussdiagramm zur Therapie der Obstipation
⊡ Tabelle 14.7. Symptome der Darmverlegung auf verschiedenen Ebenen Ebene
Erbrechen
Obstipation
Kolik
Blähung
Darmgeräusche
Oberer Gastrointestinaltrakt
+++
+/–
+/–
–
Meist normal
Dünndarm
++
++
+++
+/–
Variabel
Dickdarm
+
+++
++
+/–
Variabel
185 Symptomkontrolle
14
Einen Überblick über die Laxanzientherapie bei Darmverlegung gibt ⊡ Tabelle 14.2 (s. oben) und zusätzlich ⊡ Tabelle 14.8.
▬ Bei intraluminären Tumormassen können Kortikosteroide das peritumoröse Ödem verringern ▬ Initial 8–16 mg Dexamethason/Tag über 5 Tage, evtl. Dauertherapie mit 2–4 mg/Tag
! Cave: Quellende, osmotisch wirksame, salzhaltige
Hydratation und Elektrolytausgleich
Medikamentöse Therapie Laxanzien
und stimulierende Laxanzien sind bei mechanischer Darmverlegung und bei paralytischem Ileus kontraindiziert.
Analgetika
Morphin nicht absetzen. Es kann selbst Koliken verhindern und ist meist nicht Verursacher der Darmobstruktion. Wenn anamnestisch Morphin als Ursache der Darmparalyse in Frage kommt, Therpieversuch mit Naloxon (2–8 Amp. =0,8–3,2 mg p.o.).
▬ Subkutaninfusion – 50–200 ml/h über Butterfly-Nadel oder spezielle s.c.-Nadeln (Infusomat nicht erforderlich) – Bei Zugabe von Hyaluronidase (600 IE/l) kann die resorbierbare Menge bis auf 200 ml/ h gesteigert werden – Keine Glukoselösung verwenden (keine Resorption des Zuckers) – Tägliche Kontrolle der Einstichstelle; Nadelwechsel alle 4–7 Tage ▬ Entlüftungsgastrostomie
Spasmolytika
▬ Butylscopolamin: 10–20 mg s.c., Wiederholung alle 4–8 h ▬ (Buscopan): 60–120 mg über 24 h i.v.
Mundpflege Ziele der Mundpflege
Nichtmedikamentöse Therapie Beseitigung der Obstruktion
▬ Mechanische Untersuchung des Rektums und evtl. mechanische Darmausräumung ▬ Entlastung des unteren Dickdarms mit salinischen Klistieren und Gleitmittel
▬ Prophylaxe von Infektionen, Soor, Parotitis usw. ▬ Linderung von Beschwerden ▬ Erleichterung von Essen und Trinken ▬ Vermeiden von Foetor ex ore ▬ Befeuchten von Zunge und Lippen fördert das Wohlbefinden
⊡ Tabelle 14.8. Laxanzientherapie bei Darmverlegung; s auch Tabelle 14.2 Wirkprinzip
Substanz
Dosierung
Wirkeintritt
Beachten
1. Hydragog durch Bindung von Wasser im Darm (Vermehrung der Stuhlmasse) – s. Tabelle 14.2 2. Osmotische Substanzen (Wasserresorption); Stimulation der Peristalti k– s. Tabelle 14.2 3. Stimulierende Substanzen durch Förderung der Darmperistaltik und Elektrolytumkehr – s. Tabelle 14.2 4. Gleitmittel. Erhöhung der Gleitfähigkeit ohne Osmose – s. Tabelle 14.2 5. Andere Substanzen Hyperosmolares Kontrastmittel
Amidotrizoesäure (Gastrografin)
50–100 ml
Förderung der Peristaltik, (Kontraktion der glatten Muskulatur)
Neostigmin (Prostigmin)
2–4 mg in 500 ml G5%
Ceruletid (Takus)
0,3 µg/kgKG i.m., i.v.
1–2 h
Cave: Hyperthyreose
Über 24 h infundieren
186
14 · Palliativmedizin
Mundtrockenheit
Therapie ▬ Nystatin (Mykundex, Moronal): 4-mal 100.000–
Ursachen der Mundtrockenheit
500.000 IE/Tag für 14 Tage ▬ Ketoconazol (Terzolin): 1-mal 200 mg/Tag p.o. für 5 Tage ▬ Fluconazol (Diflucan): 1-mal 50–100 mg/Tag für 5 Tage
▬ Krankheitsbedingt Mundatmung, Dehydratation/Exsikkose, orale Candidiasis, Fieber ▬ Krebsbedingt Infiltration der Speicheldrüsen, Hyperkalzämie ▬ Behandlungsbedingt Lokale Strahlentherapie, lokale chirurgische Eingriffe, Medikamente (Anticholinergika, Opioide, Diuretika), Sauerstofftherapie ▬ Andere Ursachen Angst, Depression, Diabetes mellitus (Polyurie), Diabetes insipidus (Polyurie), Hypothyreoidismus, Vitaminmangel, Urämie
Bakterielle Infektion Ursachen
▬ Nekrotisierende Gingivitis/Zahnfleischentzündung ▬ Zahnabszess ▬ Ulzeration des Weichteilgewebes Diagnose
▬ Wundabstrich Therapie Hydratation
▬ Regelmäßiges, schluckweises Trinken, s.c.-Infusion, Eiswürfel ▬ Befeuchtung der Raumluft ▬ Regelmäßige Mundhygiene ▬ Anregung des Speichelflusses mit Kaugummi, Lutschen von Apfelschnitzen oder Vitamin-CTabletten ▬ Anwendung von künstlichem Speichel: Glandosane oder Salvia medeac Mundspülung mit 10 ml Lidocainlösung + 10 ml Coca Cola + 10 ml H2O2 (schmerzstillend) ▬ Regenerierend wirkt Bepanthenlösung
14
! Vermeiden von Mundspülmitteln, die Glycerin, Alkohol oder Phenole enthalten.
Therapie
▬ Antibiose nach Abstrich, evtl. zahnärztliche Behandlung
Herpes simplex ▬ Oft unspezifische Symptomatik, selten typische Bläschenbildung Therapie
▬ Systemische Gabe von Aciclovir (Zovirax) 5mal 200mn/Tag p.o. tagsüber für 5 Tage ▬ Schmerzstillung mit Lokalanästhetika: Cholinsalicylat (MundisalGel), Benzydamin
Aphtöse Ulzera
▬ Pseudomembranöse Candidiasis: locker aufliegende, käsig weiße Beläge ▬ Erythematöse Candidiasis: gerötete, wunde Mundschleimhaut
Oft Misch- bzw. Superinfektion. Gezielte Therapie nach Abstrich; vor Erregernachweis kalkulierte Therapie mit Dreifachkombination: ▬ Tetracyclin-Suspension: 3-mal (250 mg in 10– 20 ml Wasser)/Tag für 3 Tage, ca. 3 min den Mund spülen und ausspucken ▬ Chlorhexidinglukonat 2% Mundspüllösung 3mal 10 ml/Tag und ▬ Hydrokortisonpastillen 3-mal 2,5 mg/Tag, direkter Kontakt mit dem schmerzenden Ulkus
Diagnose
Zusätzlich lokale Applikation von Lidocainspray.
Medikamentöse Therapie ▬ Pilocarpin: 3-mal 5–10 mg p.o.
Mundinfektionen Candidiasis
▬ Zur Diagnose: evtl. Mundschleimhautabstrich
187 Symptomkontrolle
Foetor ex ore (Halitosis) Verhindert engeren Kontakt zu Freunden und Verwandten, senkt das Selbstvertrauen und isoliert den Patienten.
14
⊡ Tabelle 14.9. Ursachen von Übelkeit/Erbrechen Wirkmechanismus (s. Text) Situationsbedingt
Ursachen
▬ Lokale Ursachen: Schlechte Mundhygiene, Zahnerkrankungen, Gingivitis, orale Candidiasis, infizierte Tumoren im Mund-Rachen-Raum ▬ Andere Ursachen: Sinusitis, Sepsis Atemwegsinfektion, infizierte Tumoren (Atemwege, GI-Trakt), Magenstase Therapie
Konsequente Mundpflege, z. B. mit Mundspüllösung: ▬ 1 l Wasser ▬ 1 Teelöffel Natriumbicarbonat (Speisesoda) ▬ 1 Teelöffel Kochsalz und ▬ Geschmackszusatz (Pfefferminz o.ä.)
Übelkeit und Erbrechen Mechanismen der Übelkeit und des Erbrechens: Aktivierung des »Brechzentrums« durch folgende Mechanismen (⊡ Tabelle 14.9, ⊡ Abb. 14.3): 1. Zerebraler Kortex 2. Vestibularapparat 3. Chemorezeptorentriggerzone 4. N. vagus 5. Direkte Einwirkung auf das Brechzentrum Anmerkung zu 1: Übelkeit und Erbrechen können
durch psychische Reize wie z. B. Angst oder generell negativ besetzte Gedankeninhalte ausgelöst werden (antizipiertes Erbrechen vor einer Chemotherapie).
Schlechte Gerüche, zu große Essensportionen
1
Unsachgemäße Mundpflege
1+4
Krankheitsbedingt Obstipation, Magenreizung
4
Magendarmerkrankung
3+4
Nierenversagen
3
Krebsspezifische Ursachen Darmverlegung
4
Intrakranielle Tumoren
5
Magenausgangsstenose
4
Hyperkalzämie
3
Therapiebedingt Chemotherapie
3+4
Strahlentherapie des Abdomens
4
Medikamente: Antibiotika, Aspirin, NSAR, Opioide, Kortikosteroide, Digoxin, Eisen
3+4
Andere Ursachen Akuter Schmerz
4
Infektionen
3+5
Emotionale Belastungen, Angst
1
Infektion des N. vestibularis
2
Migräne
4
Ketoazidose
3
Ursachen von Übelkeit/Erbrechen
Nichtmedikamentöse Therapie
Die Ursachen von Übelkeit und Erbrechen sind in ⊡ Tabelle 14.9 dargestellt.
▬ Frische Luft, intensive Düfte vermeiden ▬ Vorlieben des Patienten bei Essen und Trinken berücksichtigen ▬ Ausreichend Flüssigkeitszufuhr ▬ Oberkörperhochlagerung führt zu Entlastung des Magens ▬ Übertriebene Mundpflege vermeiden
Therapie
1. Überprüfung der Medikation 2. Klärung der Ursachen (z. B. Hyperkalzämie ausschließen)
188
14 · Palliativmedizin
Hirndruck
Medikamente Toxine Strahlen Stoffwechsel
Galle Pankreas
Kortex limbisches System Dienzephalon
Brechzentrum Chemorezeptorentriggerzone
Vagus Sympathicus Peptide
Magen
Psyche
Sinnesreize - visuell - labyrinthär - olfaktorisch - taktil Raumforderung - Lympome - Peritonealkarzinose - Aszites - Hepatomegalie
Magenstase Mukosareizung Wanddehnung ( postgastrische Obstruktion) a
Gastrointestinaltrakt (enterochromaffine Zellen) 5 HT 3
Chemorezeptortriggerzone D 2 , ACH(m), 5 HT 3 , Opiatrezeptor
14
Blut-Hirn-Schranke
Nucleus tractus solitarii 5 HT 3 , NK 1 , D2 Kortex limbisches System
Brechzentrum D 2 , H 2 , ACH(m)
Kontraktion von Abdominalmuskulatur und Zwerchfell
Retroperistaltik von Magen und Dündarm
Vestibularapparat H 1 , ACH(m)
Autonomes NS (Schwitzen, Tachykardie, Vasokonstriktion)
b ⊡ Abb. 14.3a, b. Pathophysiologie von Übelkeit und Erbrechen. a Einflüsse auf das Brechzentrum, b Aktivierung des Brechzentrums
189 Symptomkontrolle
Komplementäre Verfahren
Akupunktur, Entspannungsverfahren, Beschäftigungstherapie Medikamentöse Therapie Grundsätzliches
▬ Festes Zeitschema nach Wirkdauer derMedikamente ▬ Zusätzliche Bedarfsmedikation ▬ Dosisanpassung nach 24 h ▬ Eventuell Medikamentenkombination nach Schema (s. unten)
Stufenschema bei gasrointestinaler Obstruktion 1. Dimenhydrinat (Vomex) (3-mal 100–200 mg) 2. Haloperidol (3-mal 1 Amp.) 3. Dimenhydrinat und Haloperidol plus Sandostatin (3-mal 100 µg s.c., i.v.) plus Fortecortin 32–16–16 mg (Dosisreduktion auf 12–4–4 mg)
Die medikamentöse Therapie orientiert sich an 4 therapierelevanten Ursachen der Übelkeit
▬ ▬ ▬ ▬
Opioidbedingte Übelkeit Übelkeit bei Gastroparese Übelkeit bei gasrointestinaler Obstruktion Zentral bedingte Übelkeit
Stufenschema bei opioidbedingter Übelkeit 1. Metoclopramid (4-mal 10–20 mg) 2. Haloperidol (oder DHBP) (3-mal 0,5 mg) 3. Dimenhydrinat (Vomex) (3-mal 100–200 mg) 4. Metoclopramid und Dimenhydrinat 5. Metoclopramid und Dimenhydrinat und Tropisetron (z. B. Zofran) (3-mal 4 mg)
Stufenschema bei Gastroparese 1. Metoclopramid (6-mal 1 Amp.) 2. Alizaprid (Vergentan) (6-mal 1 Amp.) 3. Domperidon (Motilium) (6-mal 10 mg) 4. Erythromycin (3-mal 100 mg p.o.)
! Intravenöse Medikamentengabe!
! Keine Propulsiva, keine Gabe per os.
Stufenschema bei zentral bedingter Übelkeit 1. Kortikosteroide (z. B. Dexametason) (32–16–16 mg; Dosisreduktion auf 12–4–4 mg) 2. Kortikosteriode (8–4–4 mg) plus Dimenhydrinat (z. B. Vomex) (3-mal 100–200 mg) 3. Kortikosteriode plus Dimenhydrinat (z. B. Vomex) plus Levopromazin (Neurocil) 2-mal 10–30 mg)
14
190
14 · Palliativmedizin
Medikamente Substanzgruppe
Generic name
Handelsname
Dosis [mg]
Intervall [h]
Applikation
5-HT3-Antagonist
Ondansetron
Zofran
4–8
8–12
p.o., i.v.
Tropisetron
Navoban
5
12–24
p.o., i.v.
Granisetron
Kevatril
3
8–12
p.o., i.v.
Intervall [h]
Applikation
Wirkmechanismus 5-HT3-Antagonist Wirkorte Chemorezeptorentriggerzone (CTZ), Magen-Darm-Trakt Indikation Chemotherapie Nebenwirkungen Obstipation, Kopfschmerz, keine extrapyramidalen Nebenwirkungen
Substanzgruppe
Generic name
Handelsname
Dosis [mg]
Prokinetische Substanzen
Metoclopramid
Paspertin
10 (bis 3 mg/kg)
2–6
p.o., i.v.
Domperidon
Motilium
10
2–6
p.o.
Cisaprid
Propulsin
5–10
8–12
p.o.
Alizaprid
Vergentan
50–200
4–6
p.o., i.v., i.m.
Wirkmechanismus D2-Antagonist, 5-HT4 Antagonist, D2-Antagonist, 5-HT4 Antagonist Wirkorte Metoclopramid und Domperidon: Chemorezeptorentriggerzone, Magen-Darm-Trakt; Cisaprid und Alizaprid: Magen-DarmTrakt Indikationen Magenstase, Opioide, Magenstase, Opioide, Refluxösophagitis, Chemotherapie, Magenstase Nebenwirkungen Extrapyramidale Nebenwirkungen, Sedierung; Cisaprid zusätzlich: QT-Zeitverläng (keine Zulassung)
14 Substanzgruppe Phenothiazine
Generic name
Handelsname
Dosis [mg]
Intervall [h]
Applikation
Levoprometazin
Neurocil
10–30
8–12
p.o., i.v., i.m., Supp.
Prometazin
Atosil
25
8–12
p.o.
Wirkmechanismus Levoprometazin: H1-Antagonist, ACh-Antagonist, D2-Antagonist,5-HT2-Antagonist; Prometazin: H1-Antagonist, D2-Antagonist, ACh-Antagonist Wirkorte Chemorezeptorentriggerzone, zentral (Levoprometazin: zusätzlich Magen-Darm-Trakt) Indikationen Zentral (Levoprometazin: zusätzlich Opioide) Nebenwirkungen Extrapyramidal-motorische Störungen (EPMS), Sedierung, Orthostase
14
191 Symptomkontrolle
Substanzgruppe Buthyrohenone
Generic name
Handelsname
Dosis [mg]
Intervall [h]
Applikation
Haloperidol
Haldol
5–10
4–8
p.o., i.v., s.c., i.m.
Droperdol
Dehydrobenzperidol
2,5–5
4–8
i.v., i.m.
Wirkmechanismus D2-Antagonist Wirkorte Chemorezeptorentriggerzone, Magen-Darm-Trakt Indikation Opioidbedingte Emesis Nebenwirkungen Extrapyramidal-motorische Störungen
Substanzgruppe
Generic name
Handelsname
Dosis [mg]
Intervall [h]
Applikation
Antihistaminika
Diphenhydramin
Emesan
50
6–8
p.o., Supp.
Dimenhydrinat
Vomex A
50–150
6–8
p.o., i.v., Supp.
Meclozin
Bonamine
25
6–12
p.o
Wirkmechanismus H1-Antagagonist, Ach-Antagonist Wirkorte Brechzentum, vestibulär Indikation Labyrintherregung Nebenwirkung Sedierung
Substanzgruppe Anticholinergika
Generic name
Handelsname
Dosis [mg]
Intervall [h]
Applikation
Butylscopolamin
Buscoan
10–20
6–8
p.o., i.v., s.c., Supp.
Atropin
Atropinsulfat
0,5
4–6
p.o., i.v., s.c.
Scopolamin
Scopoderm TTS
1 Pflaster
3–4 Tage
Transdermal
Wirkmechanismus Ach-Antagonist Wirkort Brechzentrum Indikation Hypersekretion Nebenwirkungen Sehstörungen, Mundtrockenheit, Ileus
192
14 · Palliativmedizin
Substanzgruppe
Generic name
Handelsname
Dosis [mg]
Intervall [h]
Applikation
Benzodiazepine
Lorazepam
Tavor
0,5–1,25
8
p.o.
Midazolam
Dormicum
1–5
8
p.o., i.v., i.m., s.c.
Diazepam
Valium
5–10
8–12
p.o., i.v.
Dikaliumclorazepam
Tranxilium
10–50
8–12
p.o., i.v.
Wirkmechanismus NMDA-Agonist Wirkort Zentral Indikationen Angst, antizipatorisches Erbrechen Nebenwirkungen Sedierung
Substanzgruppe
Generic name
Handelsname
Dosis [mg]
Intervall [h]
Applikation
Kortikosteroide
Dexamethason
Fortecortin
4–8 (bis 128)
6–12
i.v.
Methylprednisolon
Urbason
50–250
6–8
i.v.
Prednison
Decortin
50–250
6–8
i.v.
Handelsname
Dosis [mg]
Intervall [h]
Applikation
Wirkmechanismus Unbekannt; bei Hirndruck antioedematös Wirkort Unbekannt Indikationen Hirndruck, Chemotherapie Nebenwirkungen BZ, Thrombozytose
14
Substanzgruppe
Generic name
Cannabinoide
Tetrahydrocannabinol
Marinol
2,5–5
6–12
p.o.
THC
THC
2,5–5
6–12
p.o.
Wirkmechanismus Cannabinsrezeptor Cb1 und Cb2 Wirkort Zentral Indikation Resevesubstanz, Kachexie Nebenwirkungen Psychomimetische Nebenwirkungen; keine Zulassung
! Initial keine orale Applikation, da die Resorption nicht sicher gewährleistet ist.
193 Symptomkontrolle
Juckreiz (Pruritus) ▬ Häufigster Auslöser: Hauttrockenheit, allergische Reaktion Ursachen
▬ Lokal bedingt: Hauttrockenheit (häufigste Ursache) Primäre Hauterkrankungen (Skabies, Läuse, atrophische Dermatitis, Pilzinfektion) ▬ Umweltbedingt: Seife, Kontaktallergien (Parfüms, Waschmittel, Wolle) ▬ Krankheitsbedingt: Cholestatischer Ikterus, Nierenversagen, Eisenmangelanämie, Diabetes mellitus, Leberfunktionsstörungen ▬ Krebsbedingt: Leukämien, Lymphome, Polycythaemia vera, neuroendokrine Tumoren, Hautmetastasen ▬ Behandlungsbedingt: Opioide (v. a. bei epiduraler Anwendung), Kontaktallergien auf Hautsalben (Neomycin, Antihistaminika, Lokalanästhetika), Medikamentenallergien ▬ Andere Ursachen Psychogen Therapie
▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬ ▬
Optimale Flüssigkeitszufuhr Keine Seife Hautpflegende Cremes Kühlende, feuchte Verbände Hydrokortisonsalben Antihistaminikahaltige Salben Eventuell systemische Gabe von Antihistaminika und/oder Hydrokortikoiden
Cholestatischer Ikterus
▬ Chirurgische Intervention Galleableitung. ▬ Medikamentös – Stanozolol: 5–10 mg/Tag p.o. – Methyltestosteron: 2-mal 25 mg/Tag s.l. – Androgene wirken erst nach 5–7 Tagen! – Rifampicin: 2-mal 150 mg/Tag p.o.
14
– Ondansetron: Zofran: initial 8 mg i.v. (Effekt nach 30 min): 2-mal 4 mg/Tag p.o.
Urologische Symptome Harnverhalt und verzögerte Miktion Ursachen:
▬ Kankeitsbedingt Obstipation, körperliche Schwäche, Schmerzen ▬ Krebsbedingt: Prostatakarzinom, Kompression des Urogenitalsystems, Kompression des Rückennmarks (Tumor, Metastasen), paraneoplastische Neuropathie ▬ Behandlungsbedingt: Anticholinergika, Opioide ▬ Andere Ursachen: Prostatahyperplasie, Harnröhrenstrikturen, Steine/Konkremente, Verwirrtheit
Literatur
Anonymous (2003) Therapietabellen. Kopfschmerz 22 (Sonderdruck) Arbeitskreis Regionalanästhesie www.ak-regional.die-narkose. de/framesets/framesetleit.htm Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (2004) »Aus der UAW-Datenbank«. Kardiovaskuläre Nebenwirkungen sind ein Klasseneffekt aller Coxibe: Konsequenzen für die künftige Verordnung. Dtsch Arztebl 101: A 3365 (Heft 491) Aulberger HG, Niesel HC (1990) Praktische Lokalanästhesie – Regionale Schmerztherapie, 5. Aufl. Thieme, Stuttgart New York AWMF. Leitlinien zur postoperativen Schmerztherapie: www. uni-duesseldorf.de/www.awmf/ Baron R et al. (1998) Schmerzsyndrome mit kausaler Beteiligung des Sympathikus. Anaesthesist 47: 4–23 Basse L, Raskov HH, Jakobsen DH et al. (2002) Accelerated postoperative recovery programme after colonic resection improves physical performance, pulmonary function and body composition. Br J Surg 89: 446–453 Beattie WS, Badner NH, Choi P (2001) Epidural analgesia reduces postoperative myocardial infarction: a meta-analysis. Anesth Analg 93: 853–858 Bombardier C et al. for the VIGOR Study Group (2000) Comparison of upper gastrointestinal toxicity of rofecoxib and naproxen in patients with rheumatoid arthritis. New Engl J Med 343: 1520–1528 Bonica JJ (1990) Managment of pain. Lea & Febiger, Philadelphia London Brandes JL (2005) Practical use of topiramate for migraine prevention. Headache Suppl 1: S66–S73 (Review) Brandes et al. (2004) Topiramate for migraine prevention: a randomized controlled trial. JAMA 291 (8): 965–973 Brodner G, Mertes N, Buerkle H et al. (2000) Acute pain management: analysis, implications and consequences after prospective experience with 6349 surgical patients. Eur J Anaesth 17: 566–575 Brodner G, Van Aken H, Hertle L et al. (2001) Multimodal perioperative management – combining thoracic epidural analgesia, forced mobilization, and oral nutrition – reduces hormonal and metabolic stress and improves convalescence after major urologic surgery. Anesth Analg 92: 1594–1600
Brune K, Beyer A, Schäfer M (Hrsg) (2001) Schmerz – Pathophysiologie – Pharmakologie – Therapie. Springer, Berlin Heidelberg New York Brune K, Hinz B (1998) Zum aktuellen Stand der Zyklooxygenase-Forschung. Dtsch Ärztebl 95 A, 343–346 Bundesregierung (1998) 10. Verordnung zur Veränderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften. Bundesgesetzblatt Teil I Nr. 4, Bonn Bürkle H, Gogarten W, Van Aken H (2003) Injizierbare NichtOpioid-Analgetika in der Anästhesie. Anästhesiol Intensivmed 44: 311–322 Büttner W, Finke W, Hilleke M, Reckert S, Vsianska L, Brambrink A (1998) Development of an observational scale for assessment of postoperative pain in infants. Anasthesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 33: 353–361 Capdevila X, Barthelet Y, Biboulet P et al. (1999) Effects of postoperative analgesic technique on the surgical outcome and duration of rehabilitation after major knee surgery. Anesthesiology 91: 8–15 Carli F Mayo N, Klubien K et al. (2002) Epidural analgesia enhances functional exercise capacity and health-related quality of life after colonic surgery. Anesthesiology 97: 540–549 Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Schmerztherapie (DIVS) (1999) Leitlinien zur Tumorschmerztherapie. Tumordiag Ther 20:105–129 Diener HC (1997) Kopf- und Gesichtsschmerzen. Diagnose und Behandlung in der Praxis. Thieme, Stuttgart Diener HC (2006) Migräne Taschenatlas spezial. Thieme, Stuttgart New York Diener HC, Limmroth V (2005) Migräne-Therapie. Internist 46 1087–1095 Dosch P (Hrsg) (1986) Lehrbuch der Neuraltherapie nach Huneke, 12. Aufl. Haug, Heidelberg Fachinformation Almogran 12,5 mg. Allmirall , Ismaning Fachinformation Naramig. Firma SchwarzPharma, Monheim Fachinformation Topamax Migräne. Janssen-Cilag, Neuss Feuerstein TJ (1997) Antidepressiva zur Therapie chronischer Schmerzen. Metaanalyse. Schmerz 11: 213–226 Freye E (1999) Opioide in der Medizin. Springer, Berlin, Heidelberg, New York Gerbershagen. HU (1996) Das Mainzer Stadien-Konzept des Schmerzes. Eine Standortbestimmung. In: Klinger D et
196
Literatur
al. (Hrsg) Antidepressiva und Analgetika. Aarachne, Wien, S 71–95 Göbel H (2004) Die Kopfschmerzen. Springer, Berlin Heidelberg New York Göbel H (2004) Die Kopfschmerzen. Springer, Berlin Heidelberg New York Göbel H (2005) Therapie des schweren Migräneanfalls: praktische Tips. MMW Fortschr Med 147: 24–26 Gogarten et al. (2003) Rückenmarksnahe Regionalanästhesien und Thromboembolieprophylaxe/antithrombotische Medikation, Anaesthesiol Intensivmed 44: 218–230 Handwerker HO (1999) Einführung in die Pathophysiologie des Schmerzes. Springer, Berlin Heidelberg New York Hankemeier U, Schüle-Hein K, Krizanits F (Hrsg) (2001) Tumorschmerztherapie. Springer, Berlin Heidelberg New York Hicks CL, von Baeyer CL, Spafford PA, van Korlaar I, Goodenough B (2001) The Faces Pain Scale-Revised: toward a common metric in pediatric pain measurement. Pain 93: 173–183 Hildebrandt J, Pfingsten M (1996) Langzeit-Schmerztherapie. Chirurg 67: 681–687 Hinz B, Brune K (1999) Spezifische COX-2-Inhibitoren: Perspektiven der Therapie mit neuen analgetischen und antiinflammatorischen Wirkstoffen. Wien Klin Wochenschr 111: 103–112 Hugger A, Göbel H, Schilgen M (2005) Gesichts- und Kopfschmerzen aus interdisziplinärer Sicht. Evidenz zur Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. Springer, Berlin Heidelberg New York Husebø S, Klaschik E (Hrsg) (2000) Palliativmedizin. Springer, Berlin Heidelberg New York International Agranulocytosis and Aplastic Anemia Study (1986) Risk of granulocytosis and aplastic anemia. A first report of their relation to drug use with special reference of analgetics. J Am Med Assoc 256: 1749–1757 Jage J (1995) Medikamente gegen Krebsschmerz. Chapman & Hall, Weinheim Jage J (1997) Schmerz nach Operation. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart Jage J (2004) Essentials der postoperativen Schmerztherapie. Ein Leitfaden für chirurgische Fächer. Thieme, Stuttgart New York Jage J et al. (2005) Postoperative Schmerztherapie – eine interdisziplinäre Notwendigkeit. Dtsch Ärztebl 102: A 361–366 Jage J, Hartje H (1997) Postoperative Schmerztherapie. Anaesthesist 46: 65–77] Jage J, Heid F, Roth W, Kunde M (2002) Postoperative Schmerztherapie vor dem Hintergrund der DRGs. Anästh Intensivmed 43: 262–278 Jöhr M (1998) Postoperative Schmerztherapie bei Kindern. Anaesthesist 47: 889 Kozek-Langenecker et al. (2005) Lokoregionalanästhesien unter gerinnungshemmender Medikation. Anaesthesist 54: 476–484 Kutzer K (1991) Recht auf Schmerzbehandlung. Schmerz 5: 53–55 Latasch L, Zimmermann M, Eberhardt B, Jurna I (1997) Aufhebung einer Morphiun-induzierten Obstipation durch orales Naloxon. Anaesthesist 46: 191–194
Maag R, Baron R (2005) Pregabalin in der Therapie neuropathischer Schmerzen. Arzneimitteltherapie 23: 242–246 Macintyre PE (2001) Safety and efficacy of patient-controlled analgesia. Br J Anaesth 87: 36–46 Meier C (1996) Ganglionäre lokale Opioid-Analgesie (GLOA) Ein neues Therapieverfahren bei persistierenden neuropathischen Schmerzen. Thieme, Stuttgart Meier C, Gleim M (1998) Diagnose und Therapie des sympathisch unterhaltenen Schmerzes. Schmerz 12: 282–303 Melzack R, Wall PD (1965) Pain mechanisms: new theory. Science 150: 971–979 Meppelmann B et al. (1996) Ultrastructural three-dimensional reconstruction of group III and group IV sensory nerve endings in the knee joint capsule of the cat: evidence for multiple receptive sites. J Comp Neurol 292: 103–116 Neugebauer AM, Wiebalck A, Stehr-Zirngibl S (Hrsg) (2003) Akutschmerztherapie – ein Curriculum für Chirurgen. Unimed, Bremen Niesel HC (Hrsg) (1994) Regionalanästhesie – Lokalanästhesie – Regionale Schmerztherapie. Thieme, Stuttgart Pfingsten, Hildebrandt (Hrsg) (1998) Chronischer Rückenschmerz – Wege aus dem Dilemma. Huber, Bern Phillips DM (2000) JCAHO pain management standards are unveiled. JAMA 284: 428–429 Pothmann R (2000) Chronische Schmerzen im Kindesalter. Diagnose und Therapie. Hippokrates, Stuttgart Pothmann R (2003) Kopfschmerz – Die effektive Therapie in drei Stufen. Pädiat Hautnah 7: 331–334 Reinhold P (2006) Vortrag Postoperative Schmerztherapie im Kindesalter. DGSS-Tagung, Deutscher Schmerzkongress, Bremen Rogers A, Walker N, Schug S et al. (2000) Reduction of postoperative mortality and morbidity with epidural or spinal anaesthesia: results from overview of randomised trials. B Med J 321: 1493–1497 Rowbotham et al. (1998) Gabapentin for the treatment of postherpetic neuralgia. A randomised controlled trial. JAMA 280: 1837–1842 Sandkühler J (2001) Schmerzgedächtnis. Dtsch Ärztebl 98, 42: A2725–2730 Sandkühler J (2001) Schmerzgedächtnis. Entstehung, Vermeidung und Löschung. Dtsch Arztebl 98: A 2725–2730 (Heft 42) Sartor H, Thoden U (1997) Antikonvulsiva zur Therapie chronischer Schmerzen. Metaanalyse. Schmerz 11: 411–417 Schäfer M, Stein CH (1997) Schmerz in der postoperativen Phase, medizinische und ökonomische Aspekte. Anaesthesist 46: 120–123 Scholz OB (1994) Schmerzmessung und Dokumentation. Krager, Basel Freiburg New York Semek D et al. (2001) Medikamentöse Schmerztherapie von Skelettmetastasen im Überblick. Klinikarzt 30: 34 Sielenkämper AW, Van Aken H (2003) Thoracic epidural anesthesia: more than just anesthesia/analgesia. Anesthesiology 99: 523–525 Silverstein FE et al. (2000) Gastrointestinal toxicity with celecoxib vs nonsteroidal anti-inflammatory drugs for os-
197 Literatur
teoarthritis and rheumatoid arthritis: The CLASS Study: A randomized controlled trial JAMA 284:1247–1255 Simanski C, Neugebauer E (2003) Postoperative Schmerztherapie. Chirurg 74: 254–275 Stamer U et al. (2002) Postoperative Schmerztherapie in Deutschland. Ergebnisse einer Umfrage. Anaesthesist 51: 248–257 Stamer U, Masios N, Stüber F et al. (2002) Postoperative Schmerztherapie in Deutschland. Ergebnisse einer Umfrage. Anaesthesist 51: 248–257 Steffen P (2005) DGSS-Tagung, Deutscher Schmerzkongress, Bremen Stein C (1993) Periphere Opioidrezeptoren und ihre Bedeutung für die postoperative Schmerztherapie. Schmerz 7: 4–7 Uhlenbruck W (1994) Rechtspflicht des Arztes zu ausreichender Schmerztherapie. In: Lehmann KA (Hrsg) Der postoperative Schmerz. Springer, Berlin Heidelberg New York, S 213–222 Ulsenheimer K (1997) Ethisch-juristische Aspekte der perioperativen Patientenversorgung. Anaesthesist 46 (Suppl. 1): S 114–119 Vane JR (1971) Inhibition of prostaglandine synthesis as a mechanism of action for aspirin-like drugs. Nature New Biol 231: 232–237 Vereinbarung zur Organisation der postoperativen Schmerztherapie des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten und des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen (1993) Anästh Intensivmed 34: 28–32 Waldvogel HH (1996) Analgetika, Antinozizeptiva, Adjuvanzien. Springer, Berlin Heidelberg New York Wall PD, Melzack R (eds) (1999) Textbook of üain. 4th edn. Churchill Livingstone, Edingburgh Weber-Strumpf A, Zenz M, Tryba M (1995) Leitlinien zur Therapie chronischer Schmerzen mit Opioiden. Anästhesist 44: 719–723 Weißauer W (1993) Juristische Aspekte der postoperativen Schmerzbehandlung. Anästh Intensivmed 34: 361–366 WHO (1996) Therapie tumorbedingter Schmerzen. Kilian, Marburg Wiebalck A (1995) Anaesthesist 44: 831–842 Wörz R (2001) Differenzierte medikamentöse Schmerztherapie. Urban-Fischer, München Jena Wulf H, Neugebauer E, Maier C (Hrsg) (1997) Die Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen. Empfehlungen einer interdisziplinären Expertenkommission. Thieme, Stuttgart New York Wulf H, Neugebauer H, Maier C (1997) Die Behandlung akuter postoperativer und posttraumatischer Schmerzen. Thieme, Stuttgart Zenz M, Jurna I (2001) Lehrbuch der Schmerztherapie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart Zernikow B (Hrsg) (2003) Schmerztherapie bei Kindern, 2. Aufl. (1. Aufl. 2001) Springer, Berlin Heidelberg New York Zerssen D v (1976) Die Beschwerde-Liste. Manual. Beltz, Weinheim Zügel N, Bruer C, Breitschaft K, Angster R (2002) Einfluss der thorakalen Epiduralanalgesie auf die frühe postoperative Phase nach Eingriffen am Gastrointestinaltrakt. Chirurg 73: 262–268
Stichwortverzeichnis
A Aceclofenac 14 Acemetacin 14 Acetylsalicylsäure 72 Aciclovir 100 Actiq 31 Actonel 36 Adalimumab 171 Agarol 178 Agiolax 178 Akupunktur 90 Akuter Schmerzdienst (ASD) 66 Alendronsäure 36 Alizaprid 190 Allegro 139 Allodynie 3 Almogran 139 Almotriptan 139 Amidotrizoesäure 178 Amitriptylin 42, 97 Anaesthesia dolorosa 3 Anafranil 42 Anakinra 171
Analgesie 3 postoperativ 65 präemptive 4 präventive 4 protektive 4 Analogskalen 10 Anästhesie 4 Angst 175 Anorexie 174 Anthralinsäuren 11 Antiarrhythmika 98 Antidepressiva 42 Antiemetika 34 Aphtöse Ulzera 186 Aponal 42 Arava 171 Aredia 35 Arylessigsäuren 11 Arylproprionsäure 11 Ascotop 138 Asthenie 176 Atosil 190 Atropin 191 Aura 135 Azapropazon 19 Azathioprin 170
B Baclofen 39 Betäubungsmittelhöchstmengen 33 Bextra 75 Bifiteral 178 Bisacodyl 178 Bisphosphonate 35 Bonamine 191 Bondronat 36 Bonefos 35 Botox 38 Botulinumtoxin A 38 Brechzentrum 188 Brennesselblättertrockenextrakt 41 Bromelaine 41 Bupivacain 87 Buprenorphin 23, 27, 77, 121 Burning feet 103 Buscoan 191 Butylscopolamin 191
200
Stichwortverzeichnis
C Calcitonin 37 Candidiasis 186 Cannabis 38 Capsaicin 98 Carbamazepin 43, 97 Catapresan 37 Celecoxib 20, 77 Chlorpromazin 179 Chronische Polyarthritis 167 Ciclosporin A 171 Cisaprid 190 Citralopram 97 Clodronsäure 35 Clomipramin 42, 97 Clonazepam 45 Clonidin 37 Clusterkopfschmerz 146 Codeinphosphat 21 Coxibe, Kontraindikationen 71 CRPS Typ 1 5 Typ 2 5 Cuvalit 142 Cyclandelat 141 Cyclizin 78 Cyclooxygenase 11
Dexibuprofen 18 Dexketoprofen 18 Dextropropoxyphen 23 Diagnostische Blockade 53 Diazepam 192 Diclofenac 14, 73 bei Kindern 80 Dihydergot 138 Dihydrocodein 22 Dihydroergotamin 138 Dikaliumclorazepam 192 Dilaudid 23 Dimenhydrinat 78, 191 Diphenhydramin 191 Diphos 35 Dipidolor, bei Kindern 82 Dipiperon 179 Dolasetron 78 Dormicum 192 Doxepin 42, 97 Dronabinol 38 Droperdol 191 Droperidol 78 Dulcolax 178 Duloxetin 97 Durogesic SMAT 24, 25 Dysästhesie 4 Dyspnoe 181
E D D-Penicillamin 170 Darmverlegung 183 Laxanzientherapie 185 Deafferenzierungsschmerz 4, 98, 104 Decortin 147, 192 Dehydrobenzperidol 191 Delir 177, 178 Demenz 177, 178 Benzodiazepine 180 Depression 179 Deseril 142 Dexamethason 78, 192
Eletriptan 139 Emesan 191 Enbrel 171 Engpasssyndrome 98 Epiduralanalgesie 86 Erbrechen 187 Ergenyl 45 Ergosanol 137 Ergotamintartrat 137 Escitralopram 97 Etanercept 171 Etidronat 35 Etidronsäure 35 Etoricoxib 20, 76 Eugalac 178
F Facettennervenblockade 53 Famciclovir 100 Famvir 100 Fentanyl 29, 121 Fibromyalgie primäre 163 sekundäre 163 Flufenaminsäure 16 Fluoxetin 97 Flupirtin 19, 40 Flurbiprofen 18 Fortecortin 192 Fortral 26 Fosamax 36 Frovatriptan 139
G Gabapentin 44, 97 Ganglion-stellatum-Blockade (GSB) 55 Ganglionäre lokale Opioidanalgesie (GLOA) 56 Ganglion cervicale superius, Topographie 57 Ganglion coeliacum 59 Blockade 59 Ganglion stellatum, Topographie 56 Gastrografin 178 Gesichts-(Kopf-)schmerz, atypischer 145 Glaubersalz 178 Granisetron 190 Guanethidinblockade 109, 110
H Haldol 191 Haloperidol 78, 179, 191 Herpes simplex 186
201 Stichwortverzeichnis
Hofmann-Tinel-Zeichen 98 Husten 177 Hydromorphon 23, 28, 77, 121 Hydroxychloroquin 170 Hypalgesie 4 Hyperalgesie 4
I Ibandronsäure 36 Ibuprofen 17, 73 bei Kindern 80 Imigran 138 Imipramin 42 Imurek 170 Indometacin 14, 73 bei Kindern 80 Infliximab 171 Interkostalblockade 85 Interkostalregion, Anatomie 85 Intravenöse regionale Sympathikusblockade (IVRSB) 57, 106 Invasive Medikamentenapplikation epidurale 49 intrathekale 50 intravenöse 49 subkutane 49 Iontophoretisches transdermale System (ITS) 25 Isoptin 147
J Juckreiz (Pruritus) 193 Jurnista 29
K Kachexie 174 Karil 37 Karpaltunnelsyndrom 98, 162
Katheter, interpleuraler 85 Kaudalblockade 83, 84 Kausalgie 105 Kava-Kava-Wurzelstockextrakt 41 Ketoenolsäuren, heterozyklische 11 Ketoprofen 17, 73 bei Kindern 80 Ketorolac 18, 75 Kevatril 190 Kineret 171 Komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS) 105, 107 Kopfschmerz medikamenteninduzierter 148 primärer 131 sekundärer 131 zervikaler 148 Kopfschmerzprophylaxe, Wirkstoffe und Dosierung 144 Körperwahrnehmungsstörung 107 Kortikosteroide 36 Kurative Medizin 173 KUSS 125
L L-Methadon 23, 29, 77 L-Polamidon 29 Lactulose 178 Laroxyl 42 Laxoberal 178 Leflunomid 171 Leinsamen 178 Levomepromazin 179 Levomethadon 121 Levoprometazin 190 Lidocain 39, 98 Lioresal 39 Lisurid 142 Lithium 38 Lokalanästhetika, Höchstdosen, im Kindesalter 83 Lorazepam 192
C–M
Lornoxicam 17 Ludiomil 42 Lumbago 155 Lumiracoxib 77 Lyrica 44
M M. Sudeck 105 Magrogol 178 Maprotilin 42 Marinol 38, 192 Matrixpflaster 24 Maxalt 139 Meclozin 191 Mefenaminsäure 16 Meloxicam 17 Membran- oder Reservoirpflaster 24 Meralgia paraesthetica 99 Metamizol 16, 75 bei Kindern 80 Methotrexat 169 Methylprednisolon 192 Methysergid 142 Metoclopramid 78, 190 Mexiletin 39 Mexitil 98 Microklist 178 Midazolam 192 Migräne 135, 142 bei Kindern 143 Prophylaxe 140 Therapie 137 Migrexa 137 Milnacipran 97 Mirpan 42 Mirtazapin 43 Mononeuropathien 98 Morphin 77 bei Kindern 82 rückenmarknahe Applikation 123 Morphinpräparate nichtretardierte 119 retardierte 119
202
Stichwortverzeichnis
Mosegor 141 Motilium 190 Motorische Hirnrindenstimulation, Motorkortexstimulation (MCS) 62 Movicol 178 MST 26 Mundinfektionen 186 Mundpflege 185 Mundtrockenheit 186 Musaril 39 Myotonolytika 40
N N. cutaneus femoris lateralis 99 Na-Pikosulfat 178 Nalbuphin 26 bei Kindern 82 Naloxon 22, 77 Naproxen 18, 73, 142 bei Kindern 80 Naramig 138 Naratriptan 138, 139 Natil 141 Natriumhydrogencarbonat 178 Natriumsulfat 178 Navoban 190 Nefopam 19 Nervenblockade diagnostische 52 genitofemoralis 54 Interkostalnervenblockade 52 Nn. iliohypogastricus 54, 85 Supraskapularisblockade 53 therapeutische 52 Nervus-ilioinguinalis-Blockade 85 Neuralgie 4 Neuralgische Schulteramyotrophie 162 Neurocil 179, 190 Neurolyse intrathekale 61 thermische 61
Neurolysen 58 Neurontin 44 Nichtopioidanalgetika 11, 70 intravenöse 71 Nebenwirkungen 72 Wirkcharakteristika 72 Niereninsuffzienz 47 NMDA 8 Nortrilen 43 Nortriptylin 43 Notfalltherapie 124 Nozizeptor 4 hochschwelliger 5 Mechanonozizeptor 5 niederschwelliger 5 polymodaler 5 schlafender 5 stummer 5 Thermonozizeptor 5 NSAR 70 Komplikationen 12 Nebenwirkungen 168
O Obstipation 176 Therapie 184 Octreotid 183 Ondansetron 78, 190 Opiate 21 Opioide, bei Kindern 82 Opioide, starkwirksame, Übersicht 31 Opioidnebenwirkungen, Therapie 122, 129 Opioidwechsel, Umrechnungstabelle der Dosisäquivalenzen 33 Opstipationstherapie/-prophylaxe mit Laxanzien 34 Orales Gold Auranofin 170 Ostac 35 Osteoarthrose, Klinik 167 Oxaprozin 18 Oxycodon 23, 26, 121 Oxygesic 23, 26
P Palladon 23, 28 Palliative Therapie 173 Palliativmedizin 173 Pamidronsäure 35 Pancoast-Tumor 161 Paracetamol 15, 74 bei Kindern 80 Paraffin 178 Parästhesie 4 Parecoxib 20, 76 Parenterales Gold 170 Paroxetin 97 Paspertin 190 PCA (Patient Controlled Analgesia) 68 PCEA, verwendete Lokalanästhetika 87 PCEA-Pumpe, bei Kindern 87 PDK-Visite 87 Peniswurzel, Anatomie 84 Peniswurzelblock 83, 84 Pentazocin 26 Periduralanästhesie, diagnostische 156 Pestwurzextrakt 40 Pethidin 77 Pfefferminzöl 41 Phantomschmerz 103 Phantomsensationen 103 Phenytoin 43 Phytotherapeutika 40 Pipamperon 179 Piritramid 77 Piroxicam 17 Pizotifen 141 Polamidon 23 Polyarthritis, chronische, Klinik 167 Polyneuropathie (PNP), Differenzialdiagnose 102 Postdiskotomiesyndrom 162 Postzosterneuralgie 101 Pravidel 142 Prednison 147, 192 Pregabalin 44, 97
203 Stichwortverzeichnis
Prodomalsymptome 136 Prometazin 190 Propaphenin 179 Proparacetamol 15, 74 Propulsin 190 Propyphenazon 16 Proxen 142 Pumpentypen elektronische 51 Gasdruck 51 Pyrazolone 11
Q Quaddelung 51, 90
R Reboxetin 98 Regionalanalgesie, Vorteile 66 Regionalanästhesieverfahren, periphere 52 Relpax 139 Remergil 43 Restless legs 103 Rhizotomie, selektive 61 Risedronsäure 36 Rivotril 45 Rizatriptan 139 Rofecoxib 75, 77 Ropivacain 87 Rückenschmerzen Diagnostik und Therapie 157 Klinik und Ursachen 156 Rutosid 41
S S(+)-Ketanest 51 Salicylate 11 Sandimmun 171 Sandomigran 141
Saroten 42 Schmerz akuter 3, 9 chronischer 3, 9 emotionaler 115 neuropathischer 4, 9 nozizeptiver 4 Nozizeptor 9 projizierter 4 pseudoradikulärer 4 radikulärer 4 somatischer 9 sympathisch unterhaltener 10 übertragener 5 viszeraler 9 zentraler 5 zentraler neuropathischer 107 Schmerz, neuropathischer peripherer 95 zentraler 95 Schmerzgedächtnis 4 Schmerzhemmung deszendierende 6 segmentale 6 Schmerzkomponenten affektive 6 kognitive 6 motorische 6 sensorisch-diskrimative 6 vegetative 6 Schmerzsyndrome, myofasziale 155 Schmerztherapie Drogenabhängige 79 Kinder 79 postoperative 9 Stufenschema 67 Schulter-Hand-Syndrom 162 Schwangerschaft 142 Scopoderm (TTS) 191 Scopolamin 78, 191 Selektive Cyclooxygenase-2Hemmer (Coxibe) 12 Celecoxib 13 Etoricoxib 13 Lumiracoxib 13 Parecoxib 13
M–S
Selektive Noradrenalinwiederaufnahmehemmer (NARI) 98 Selektive Serotoninagonisten = Triptane 138 Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) 97 Sennosid 178 Sensibilisierung 4 periphere 6 zentrale 8 Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-hemmer (SNRI) 97 Sevredol 23, 26 Singultus 182 Sirtal 43 Skelid 36 Smiley-Analogskala 125 Sorbit 178 Spannungskopfschmerz 144 Spasmolytika 37 Spinal Cord Stimulation (SCS) 61 Stangyl 43 Status migraenosus 142 Stimulationsverfahren 61 Stumpfschmerz 103 Substanz P 8 Sufentanil rückenmarknahe, Applikation 123 Sulcus-ulnaris-Syndrom 99 Sulfazalazin 169 Sumatriptan 138, 139 Supraspinatustendinopathie 162 Sympathikusblockaden diagnostische 54, 109 therapeutische 55, 110 Sympathische Reflexdystrophie 162 Sympathisch unabhängiger Schmerz (SIP) 54 Sympatically maintained pain (SMP) 54, 108 Algorithmus für die Diagnostik 110 Algorithmus für die interventionelle Therapie 111 Pathogenese 109 Syringomyelie 108
204
Stichwortverzeichnis
T Tarsaltunnelsyndrom 99 Tavor 192 Tegretal 43 Temgesic 23, 27 Tender-points 163, 164 Tetrahydrocannabinol (THC) 38, 192 Tetrazepam 40 Tetrodotoxin- (TTX) 5 Teufelskrallenwurzel 41 Thalamusschmerz 107 THC 192 Thermokoagulation der Hinterwurzeleintrittzone (DREZ) 61 Thoracic-outlet-Syndrom 161 Tiaprofensäure 18 Tiefe Hirnstimulation, Deep Brain Stimulation (DBS) 62 Tilidin 22, 77 Tiludronsäure 36 Timonil 43 Tizanidin 40 Todesrasseln 182 Typ 1 182 Typ 2 182 Tofranil 42 Tolmetin 14 Tolperison 40 Topamax Migräne 141 Topiramat 141 Tramadol 22, 77 bei Kindern 82 Transdermale therapeutische Systeme (TTS) 24 Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) 62, 89 TranstecPRO 24, 25 Tranxilium 192 Triflupromazin 78 Trigeminusneuralgie 99, 149 Therapiestrategie 151 Trigeminusneuropathie 150 Triggerpunktinfiltration/TLA 51 Trimipramin 43 Triptane 139
Trypsin 41 TZA (trizyklische Antidepressiva) 97
U Übelkeit 187 Urbason 192
V Valaciclovir 100 Valdecoxib 75, 77 Valium 192 Valproinsäure 45, 147 Valtrex 100 Vanilloidrezeptor (VR1) 5 Venlafaxin 97 Verapamil 147 Verfahren, neurodestruierende 58 Vergentan 190 VIGOR-Studie 76 Viloxazin 98 Vioxx 75 Vomex A 191
W Weidenrindentrockenextrakt 40 WHO-Stufenschema, 116 WHO-Stufe I 117, 126 WHO-Stufe II 118, 127 WHO-Stufe III 118, 127 WHO-Stufe IV 120
X X-Prep 178 Xylocain 39
Z Zentropil 43 Zitterpappelrinde und -blätter 41 Zofran 190 Zoledronsäure 36 Zolmitriptan 138, 139 Zometa 36 Zosterneuralgie akute 99 Zoster generalisatus 100 Zoster ophtalmicus 100 Zoster oticus 100 Zoster sine herpete 100 Zovirax 100