M. Wegener
Band 13
Raumfestung Schalmirane Terra darf aufatmen! Rex Corda
müssen sie immer noch mit der
konnte die ...
11 downloads
169 Views
605KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
M. Wegener
Band 13
Raumfestung Schalmirane Terra darf aufatmen! Rex Corda
müssen sie immer noch mit der
konnte die riesige Energieblase,
Rückkehr des mächtigen Gegners
die
ins Sonnensystem rechnen!
das
erdrücken
Terra-System drohte,
letzter
Da tritt ein Ereignis ein, das die
Sekunde durchbrechen. Mit ei-
Nervosität der Laktonen auf den
nem tollkühnen Einsatz konnte
Siedepunkt
Rex Corda bis zu den mächtigen
heimnisvolle Macht ist plötzlich
Energiestationen vordringen, die
mitten im Terra-System aufge-
die Barriere speisten. Obwohl
taucht.
jede
Station
in
zu
für
schwerbewaffnete
treibt!
Niemand
Eine
hat
ge-
gemerkt,
sich
eine
woher sie kam. Niemand hat
Festung
ist,
beobachtet, wie sie in das Son-
konnten sie zerstört werden. Ein
nensystem geriet.
erbitterter
Nur
Kampf
entbrennt
Rex
Corda
ahnt,
welche
zwischen den Resten der ora-
Lösung das unheimliche Rätsel
thonischen Flotte und den Lak-
finden könnte. Er stellt sich zwi-
tonen.
das
schen die Fronten der erbittert
Terra-Systems
kämpfenden Mächte - und gerät
entscheiden. Nur wenn es gelingt,
in den Bann der „Raumfestung
die Hantelraumer der „Feather-
Schalmirane".
Jetzt
Schicksal
des
muß
sich
heads" so schnell zu schlagen, daß jede Hilfe zu spät kommen muß, können die Laktonen einen Sieg erringen. Doch selbst dann Die wichtigsten Personen: Rex Corda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . im furchtlosen Einsatz Jakto Javan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ist ziemlich ratlos Fatlo Bekoval . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . erweist sich als echter Freund
„Notruf an alle! Achtung! Notruf an alle! Achtung! Notruf an alle. Wir werden von einem überlegenen Gegner angegriffen. Wir..." Ein akustisches Inferno unterbrach die in höchster Not hervorgestoßenen Töne. Es orgelte und pfiff, schrillte und heulte zur gleichen Zeit. Und dann kam der fürchterliche Einschlag! Catos Curnama wurde von unsichtbaren Gewalten herumgerissen. Dumpf dröhnend prallte er mit dem Kopf gegen die Ovaleinfassung des Holografen. Es dauerte eine Weile, bis sich der Kommandant mühsam wieder aufrichtete. Die scharfe Einfassungskante des Schirmes hatte ihm das Gesicht zerschnitten. Der Hantelraumer mit der flammend roten Aufschrift wendete und raste über die Plutobahn hinaus. Er wurde von zahlreichen laktonischen Schiffen gejagt. Nur noch wenige Augenblicke, und der Raumer war vernichtet! Von Khara, dem Zentrum des orathonischen Reiches, kam noch immer keine Antwort. „Weiter!" keuchte der Orathone. „Senden Sie den Ruf pausenlos über die Hyperfrequenz. Sie werden uns Hilfe schicken." „Hoffentlich", gab der Funkoffizier müde zurück. Seine Uniform war zerrissen, die blauen Federn auf dem quadratischen Schädel standen steil nach oben. „Wenn wir in Not sind, schickt Khara auf jeden Fall Hilfe. Verstanden?" „Jawohl, Kommandant!" Die schmalen Lippen des Funkers preßten sich noch fester aufeinander. Er schwieg verbittert, denn die Hilfe von Khara würde auf jeden Fall zu spät kommen. Schon jetzt war das Schiff zum Spielball titanischer Gewalten geworden. „Notruf an alle! Achtung! Notruf..." In den Feuerleitzentralen des Raumers herrschte fieberhaftes Treiben. Ein
laktonisches Schiff schob sich gerade im Backbordrot-Sektor heran und jagte seine todbringenden Strahlen auf den Raumer. Der leicht beschädigte Hantelraumer antwortete mit kurzen, grellen Impulsstößen. Die Gunner im Waffenleitstand schwitzten vor Aufregung und Angst. Immer noch waren die Orathonen wie gelähmt. Mit diesem Angriff hatten sie einfach nicht gerechnet. Sie hielten das Energiefeld, das sie um das TerraSystem gelegt hatten, einfach für undurchdringlich. Aber irgendwie mußte es den Laktonen gelungen sein, das Energiefeld zu neutralisieren. Kein Zweifel, ihr Durchbruch war gelungen. Fünfhundert orathonische Raumkreuzer standen annähernd hunderttausend laktonischen Schiffen gegenüber. Jenseits der Plutobahnen gähnte ein dunkler Abgrund, an dessen Ende Alpha Centauri leuchtete. In diesem Teil des Raumes wimmelte es jetzt von Raumschiffen aller Art. Curnama hastete verwirrt durch die Zentrale. Das Gefecht hatte um elf Uhr galaktischer Zeit begonnen. Seitdem waren erst sieben Minuten vergangen. „Achtung, Backbord-Rot!" schrie eine schrille Stimme im Lautsprecher der Zentrale. Ein gigantisches Laktonenschiff war unvermittelt vor dem Hantelraumer aufgetaucht. In einem wilden Beschleunigungsmanöver schoß es heran, drehte sofort wieder ab und verschwand dann in der Tiefe des Raumes. Curnama preßte die Lippen aufeinander. Sein olivgrünes Gesicht hatte die Farbe schmutzigen Graus angenommen. „Feuer frei!" Der Hantelraumer erbebte unter dem gewaltigen Abschuß der Waffentürme. Drüben errichtete der Laktonenraumer gerade seine Schutzfelder, als es lohend hell einschlug.
Curnama sah die aschgrauen Gesichter seiner Offiziere. Eine Hand deutete stumm auf den Holografen. Im nächsten Augenblick war die Hölle los! Drei schwere Kreuzer griffen im Grün-Sektor an. In Zangenformation Schossen sie heran. Sie verteilten sich und bildeten ein riesiges Dreieck. Der Hantelraumer war in eine Falle gelaufen. Der flüchtende Laktonenraumer hatte lediglich als Köder gedient. Ein lautes Dröhnen ließ die Männer fast taub werden. Irgendwo in der großen Hantel quoll beißender Rauch auf. Ein Stoß warf den Raumer aus seinem Kurs, er taumelte. Die Holografen der Waffenleitstellen flammten auf. Tiefe Rotglut fraß sich quer durch die schweren Panzerwände. Ein Mann taumelte auf das offene Verbindungsschott zu. Sekunden später brach er zusammen. Curnama hastete zur Waffenzentrale hinüber, als er auf seine Mikrofonanfragen keine Antwort mehr erhielt. Der Anblick, der sich ihm in der Waffenzentrale bot, ließ ihn erstarren. Vier zerstörte Bronzeroboter lagen am Boden. Zwei Whims, grillenartige Wesen von zwei Meter Höhe, wanden sich in wilden Zuckungen. Sie waren durch den Treffer an die rotglutende Wandung geschleudert worden. Die Zentrale war nur noch ein Ort wilder Verwüstungen. Schrott, qualmende Roboter und Plastikscherben bedeckten in weitem Umkreis den Boden. Aus den Rechengehirnen züngelten helle Flammen. Curnama schaltete die defekte Löschanlage ein. Dann sah er, wie das Metall der Wandungen immer mehr schmolz und sich eine trübe, häßliche Lache auf den zerstörten Instrumenten bildete. Fluchtartig verließ der Kommandant den Raum, warf das Schott von außen zu und rastete es in den Halterungen ein. Dann rannte er zur Kommandobrücke. Doch er kam nicht weit.
Ein kochender, tosender Strom geschmolzenen Metalls kroch auf ihn zu und schnitt ihm den Rückweg ab. Curnama spürte eine fürchterliche Hitze, die auf ihn zukroch. Angstvoll aufbrüllend kroch er zurück. Aber dort gab es keinen Boden mehr. Nur noch ein schwarzes gähnendes Loch, das ihn sofort verschlang. * Fünftausend laktonische Raumer der Superklasse schossen vor. Ihre Geschütze spien Tod und Verderben über den Gegner. Breite Breschen bildeten sich in der wahllos gebildeten Verteidigungslinie der Orathonen. Innerhalb von Sekunden wurden sechzig orathonische Kampfschiffe restlos aufgerieben. Stark nachglutende Partikelwolken hingen als einzige Zeugen einer blitzschnellen Vernichtung wie verwehte Riesenschleier im All. Das laktonische Flottenflaggschiff unter dem Befehl von Jakto Javan raste in blitzschnell wechselndem Zickzackkurs auf einen orathonischen Giganten zu. In der Zentrale herrschte triumphale Hochstimmung. Als der Zielstachel der elektronischen Optik den Orathonen-Raumer ins Visier brachte, leuchteten die Zündmarken grell auf. Der Riese hatte keine Chance mehr. Die Gunner drückten auf die Knöpfe. Backbord voraus lohte es sonnenhell auf. „Treffer mittschiffs!" Im Verbindungsarm des Hantelraumers erschien sekundenlang ein so grelles Wabern, daß die Laktonen geblendet die Augen schlossen. Eine rote Blase bildete sich. Sie weitete sich aus, bis sie einem rotierenden Feuerrad glich. Der Verbindungsarm schmolz auseinander, glühende Verstrebungen knickten nach außen und
brachen funkenspeiend in sich zusammen. Jakto Javan nickte den Gunnern aufmunternd zu. Das Flaggschiff änderte den Krus. Es schob sich um den teilweise zerstörten Gegner herum, um ihn von der anderen Seite anzugreifen. Die Orathonen gaben sich nicht geschlagen. In den beiden Kugelhälften schwenkten die großkalibrigen Rohre herum. Schmerzhaft grelle Lichtfinger griffen ins All hinaus. Sie tasteten nach dem Laktonenschiff. In den Maschinenräumen von Javans Flaggschiff dröhnten die Meiler, um die Stabilität der Schutzschirme aufrechtzuerhalten. „Zwei Treffer!" meldete eine ruhige Stimme. „Die Schirme halten. Belastung unter der Fünfzig-ProzentGrenze." „Weiterfeuern!" Nach dem vierten Impulsstoß brach der Verbindungsarm des orathonischen Riesen jäh auseinander. Eine der Kugeln trieb im freien Fall durch das All, während die andere in rasender Eile flüchtete. Noch im Rückzug spien die Waffenkuppeln lohende Strahlen nach dem Gegner. Jakto Javan lehnte noch immer am Kartentisch der Zentrale. Seine Stimme war ausdruckslos. „Wir verfolgen zuerst die flüchtende Kugel. Beschleunigung einleiten. Feuer ohne Befehl bei günstiger Distanz eröffnen!" Wieder schoß das Flaggschiff vor. Mit flammenden Abwehrfeldern stob es der Kugel nach, die jetzt eine rasende Geschwindigkeit entwickelte. Sie kam nicht weit. Ein glosender Energiestrahl riß die Schwärze des Alls auf. Der Einschlag erfolgte unmittelbar danach. Die wulstförmig angeordneten Beobachtungsstände der Kugel wurden mit
einem Schlag aufgerissen. Ebenso verschwand die obere Waffenkuppel plötzlich, als hätte sie nie existiert. Die ohnehin schwachen Abwehrschirme, die nicht einmal dem anfänglichen Beschüß standgehalten hatten, brachen nun vollständig zusammen. Die Kugel war jetzt wehrlos. Das Flaggschiff setzte augenblicklich nach. Zwei weitere Kreuzer erschienen unvermittelt aus dem Nichts. Schwere Einschläge aus drei verschiedenen Richtungen warfen die Kugel aus der Bahn. Die Abwehrschirme erloschen endgültig, nachdem sie noch einmal kurz aufgeflammt waren. Aber noch immer wehrte sich die Kugel. Sie griff die drei übermächtigen Gegner an, erreichte jedoch nur, daß die Formation sich auflöste. Dann kam das Ende. Ein sonnenheller Strahlschuß fraß sich in die Panzerhülle, durchschlug sie und ließ den widerstandsfähigen Plaststahl in großen Tropfen abschmelzen. Kritische Meiler fetzten den Raumer auseinander. Nur noch wirbelnde Teile des Wracks, die unkontrolliert durch das All geisterten, kündeten von dem Ende des Riesen. Jakto Javan sah sich um. Die Offiziere nickten sich zu. „Kein Grund zur Freude", meinte der Oberbefehlshaber nüchtern. „Oder hat das jemand für eine besondere Leistung gehalten?" Die Laktonen schwiegen beschämt. Das Flottenflaggschiff wendete um hundertachtzig Grad und kehrte zu seinem Ausgangspunkt zurück. Javan wollte das Unternehmen von einem Punkt im All nahe der Plutobahn leiten. Der Angriff auf die restliche Orathonen-Flotte sollte mit einem gewaltigen Donnerschlag beendet werden. Aber noch bevor es seinen Ausgangs-
punkt erreicht hatte, geschah etwas Seltsames. Das „Ding", das man vor kurzer Zeit gesichtet hatte, verblaßte und wurde unsichtbar. Niemand hatte eine Erklärung dafür. * Curnama hatte sekundenlang das eigenartige Empfinden, in die Hölle selbst zu stürzen. Das Tosen und Brüllen des schwerbeschädigten Schiffes wollte kein Ende nehmen. Aber dann trat mit einem Male beängstigende Stille ein. Im selben Moment schlug Curnama schmerzhaft an eine Wand. Sie öffnete sich, zerfiel in zwei Teile und zerbarst dann krachend. Benommen tastete er um sich. Die Beleuchtung war erloschen, jegliches Geräusch hatte ausgesetzt und dieser drohenden Stille Platz gemacht. Er wußte nicht, wo er sich befand. Die fürchterliche Hitze nahm mit jeder Minute zu. Schon glaubte der Orathone, ersticken zu müssen. Nach einer Weile fand er sich auf dem Gang wieder, der zur Zentrale führte. Das Notlicht flammte auf! Der Kommandant sah den notdürftig erhellten Korridor. Aber war das noch sein Schiff? Die Dimensionen hatten sich verzerrt. Einige Wände waren verzogen. Vor Curnama ragte ein weißer Schaumberg empor, der das ausbrechende Feuer automatisch erstickte. Drei Zeiteinheiten später erreichte er keuchend und zu Tode erschöpft die Zentrale. Sein Blick fiel auf tote Männer, die der letzte tosende Einschlag verbrannt hatte. Curnama wandte sich müde ab. Er sah eine zögernde Bewegung. Der Funker lebte noch. Schnell half er dem verletzten Mann aus dem Schalensitz und legte ihn auf
den Boden. Was aus dem Raumschiff geworden war, wußte er nicht. Der Holograf war erloschen, dennoch blinkte ein kleiner Zusatzschirm. Er zeigte, daß der ehemalige Hantelraumer jetzt nur noch aus einem kreisrunden Gebilde bestand, das hilflos um seine eigene Achse im All rotierte. Curnama fragte sich, was aus der anderen Kugel und dem Verbindungsarm geworden war. War es ihr gelungen, sich noch rechtzeitig abzusetzen? Der Funker schlug die Augen auf. Sein rechter Arm war gebrochen. Quer über das Gesicht lief ein dunkler Streifen Blut. Ganz offensichtlich hatte er auch innere Verletzungen davongetragen. „Es geht schon", murmelte er schwerfällig. Er versuchte, sich aufzustützen, aber es blieb bei dem Versuch. Curnama ließ ihn wieder zu Boden gleiten. „Sind wir die einzigen Überlebenden?" fragte der Verletzte. Mit einer matten Bewegung deutete er auf die Zentrale. „Es scheint so. Die Maschinen arbeiten nicht mehr, ebenso schweigen die Waffenzentralen. Das Schiff ist ein einziges Wrack", antwortete der Kommandant. „Also können wir nur noch funken." „Vorausgesetzt, die Hyperanlage arbeitet noch", unterbrach Curnama ihn schroff. „So, wie es hier zur Zeit aussieht, scheint das nicht mehr der Fall zu sein." Unter Aufbietung aller Kräfte zog sich der Funker erneut in die Höhe. Seine zitternden Hände tasteten über die Funkanlage. Die hochwertige Hyperanlage war noch intakt! Ebenso war sie noch in der Lage, ihre Energie aus dem Notsatz der Batterien zu beziehen. Der Funker verlor keine Zeit. Sie alle wußten, wie wichtig es war, daß man
von Khara Hilfe schickte. Erneut jagte er seinen Hilferuf ins All. Diesmal war die Lage weitaus schlimmer als nach dem ersten Treffer. Die beiden Männer schwiegen. Es gab auch nicht viel zu sagen. Sie waren die einzigen, die dem Inferno entkommen waren. Nach terranischer Zeitrechnung vergingen mehr als drei Stunden seit dem Notruf. Dann traf endlich eine Antwort ein. Die Kugel raste inzwischen immer weiter hinaus ins All. Curnama hatte plötzlich feuchte Hände. Tiefe Dankbarkeit kam in ihm auf. Khara hatte sie nicht vergessen. Den Stanzstreifen der verschlüsselten Botschaft in der Hand, begann er voller Hoffnung zu lesen. „Die FAMILIE stellt zu ihrem Bedauern fest, daß eine Hilfe zur Zeit aus rein geschäftlichen Gründen indiskutabel ist. Sie werden ersucht, mit den restlichen verbliebenen Schiffen den Spiralnebelarm zu verlassen. Rein logische Gesichtspunkte lassen eine weitere Materialverschwendung nicht zu. Flüchten Sie! Wir werden zu einem späteren Zeitpunkt günstige Ansatzpunkte finden, um die Laktonen vernichtend zu schlagen. Die FAMILIE würde bei einem jetzigen Einsatz weiterer Schiffe nicht profitieren. Ende!" Curnamas Gesichtsfarbe wechselte jäh. Verständnislos starrte er auf den schmalen Stanzstreifen in seinen Händen. Die FAMILIE würde keinen Profit aus weiteren Kampfhandlungen ziehen! Er vermochte es nicht zu glauben. „Was sagen Sie dazu?" fragte er entsetzt. Der Funkspezialist lachte rauh und krächzend. Das besagte mehr als alle Worte. „Keine Hoffnung mehr", murmelte er düster. „Nur weil die FAMILIE keinen
weiteren Gewinn aus den Kampfhandlungen zieht, lassen sie uns mit der Übermacht allein. Aber wir können ja noch fliegen, nicht wahr?" „Mit einem hoffnungslosen Wrack, dessen Antrieb nicht einmal funktionstüchtig ist? Wir treiben in freiem Fall weiter, bis wir in die Sonne stürzen oder auf einem Planeten zerschellen. Eine andere Lösung gibt es nicht mehr für uns." Das Gesicht des Funkers verzog sich. „Es gibt noch eine", widersprach er. „Ein Laktonenraumer könnte auf uns aufmerksam werden. Sie werden nicht lange fragen, was sie mit uns machen sollen, sondern einfach feuern. Ob ich noch einmal versuchen soll, Khara zu erreichen, und der FAMILIE zu erklären versuche ..." „Stellen Sie das Funkgerät ab", unterbrach ihn der Kommandant kalt. „Allein die Tatsache, daß Khara keine direkte Verbindung mit uns sucht, würde einen weiteren Versuch nur lächerlich erscheinen lassen." Er drehte sich um. Sein Blick fiel auf die gefallenen Männer seines Kommandos. Niemand von ihnen lebte mehr. „Sie sind besser dran als wir", murmelte er dann. * Die Aktion der Laktonen erfolgte mit eiskalter Präzision. Das Flaggschiff leitete den überfallartigen Angriff auf die Energiestationen und zerschlug die zumeist nur mit orathonischen Hilfsmannschaften besetzten Stationen fast auf Anhieb. Das gewaltige Schirmfeld brach immer mehr zusammen. Gleichzeitig aber Schossen auch die restlichen Laktonenraumer vor. Ihr gewaltiges Waffenpotential rieb den Gegner in den ersten Minuten auf. Ein paar Hantelraumer versuchten
über den Abgrund nach Alpha Centauri zu entkommen. Dort erwartete sie bereits ein Pulk schwerster Raumkreuzer, der sofort das Feuer eröffnete und die Orathonen wieder zurücktrieb. Das All war gespenstisch vom Lohen der atomaren Fackeln erhellt. Träge Kampfschiffe trieben nachglühend davon. Sie hatten sich in kosmischen Staub verwandelt. Eineinhalb Stunden später zeichnete sich das Ende der Schlacht ab. Es gab keine orathonischen Hantelraumer mehr. Dafür hatte sich im Gebiet des neunten Planeten ein weiterer Asteroidengürtel gebildet. Er bestand nur aus Stahl und Plastik. Siebzehn laktonische Kampfschiffe waren bei dem Feuerüberfall beschädigt worden. Dafür aber waren sechsundneunzig Orathonen-Raumer und weit mehr als hundert Energiestationen zerstört worden. Die Menschheit konnte wieder aufatmen. Es gab kein Schirmfeld mehr, das den Kosmos hermetisch abschloß. * Die laktonischen Kampfschiffe hatten sich vorsorglich im terranischen Sonnensystem eingeigelt, um einen erneuten Angriff der Orathonen sofort zurückschlagen zu können. Aber die Orathonen kamen nicht. Jakto Javan versammelte seinen Stab fähiger Offiziere. Das Flaggschiff trieb in einer Kreisbahn um Neptun. Wachkreuzer hatten ein halbes Lichtjahr weiter in Richtung Centauri ihre Position bezogen. Die Vorposten meldeten keine besonderen Vorkommnisse. Javan sah die Leute der Reihe nach an. „Die Situation hat sich entschärft'', begann der Oberbefehlshaber. „Dennoch ist mit Sicherheit ein orathonischer
Überfall zu erwarten. Bisher war es seit Jahrhunderten immer der Fall, und Orathon wird auch diesmal keine Ausnahme machen. Alle Schiffe behalten ihre Position bei. Größte Vorsicht ist geboten." „Sie rechnen mit einem überraschenden Einbruch in das Terra-System?" fragte ein junger Kommandant. „Es gibt zwei Möglichkeiten. Erstens: Der Feind verletzt auch diesmal wieder das ,Große Gesetz'." Javan lächelte leicht. Wachsbleich lag seine rechte Hand auf dem Kartentisch. Sie war aus Plastik. „Sie alle wissen, daß man die Gesetze nicht übertreten darf. SIE werden früher oder später die Rasse bestrafen, die sich hohnlachend über das Abkommen hinwegsetzt. Doch weiter. Die Orathonen werden aller Voraussicht nach versuchen, mit einer gewaltigen Flotte direkt ins System zu springen. Wenn sie in unmittelbarer Nähe der Planeten materialisieren, wird der Angriff trotz aller Wachsamkeit nicht verhindert werden können. Das wäre alles, meine Herren. Achten Sie auf jede noch so geringfügige Kleinigkeit. Die Strukturlaster bleiben ständig eingeschaltet." „Sie sprachen noch von einer zweiten Möglichkeit, Oberbefehlshaber. Dürfen wir Näheres darüber erfahren?" Der junge Kommandant verbeugte sich. Anschließend grüßte er respektvoll. Auf den Zügen Jakto Javans breitete sich leichtes Unbehagen aus. „Die Computer vermuten eine neue, unbekannte Waffe. Die zusammengefaßten Berechnungen ergaben, daß es sich bei der kurzfristig gesichteten Erscheinung um etwas handelt, was völlig fremd ist. Es tauchte auf und verschwand kurz danach. Die angestellten Berechnungen ergaben einen kurzen Hypersprung auf einer völlig unbekannten Basis. Es sprang mitten ins System, ohne die geringste Struktur-
erschütterung zu verursachen. Von diesem noch nicht identifizierten Etwas droht vermutlich die größte Gefahr." Die Laktonen schwiegen. Das „Ding", wie sie es insgeheim nannten, hatte genügend Verwirrung ausgelöst. Niemand hatte es klassifizieren können. Lediglich auf den hochempfindlichen Tastgeräten erschien die Masse und das Energiepotential des unbekannten Gegenstandes von der Größe eines Planetoiden. Das hohe Pfeifen der Akustik riß die Männer aus ihren stummen Betrachtungen. Anschließend flammten die Schirme auf. Das Bild eines Mannes erschien. Der ältere Laktone grüßte vorbildlich, als er Javan erkannte. „Was gibt es?" „Wir stehen in einer Kreisbahn um den fünften Planeten. Soeben lief die Meldung ein, daß der unbekannte Körper erneut aufgetaucht ist." „Wie sieht er aus?" wollte Javan wissen. „Es handelt sich um dasselbe Objekt. Ein Kleinplanet vermutlich, der sich eben anschickt, eine Bahn in den Asteroidengürtel einzuschlagen." „Sagten Sie, eine Bahn einzuschlagen, läßt sich sein Weiterflug berechnen?" „Leider nein. Das Objekt kann nicht zum Gürtel gehören. Seine Bahn ist variabel. Auch scheint es jedem anderen Asteroiden geschickt auszuweichen. Es ordnet sich ein." „Besitzt es einen — Energieschirm?" Die Stimme des beobachtenden Kommandanten wirkte brüchig und heiser. „Es hat gerade eine Art Energieschirm erstellt", teilte er mit. „Aber es zieht sich sofort zurück, sobald wir eine Annäherung versuchen." „Danke. Beobachten Sie weiter." Javan drehte sich um. Seine Männer
hatten plötzlich kalkweiße Gesichter. „Dann dürfte alles klar sein. Meine zweite Vermutung wird zur Gewißheit. Die Orathonen haben eine neue Superwaffe entwickelt." * Sigam Agelon preßte die Zähne zusammen. Hart traten seine Wangenmuskeln hervor. Er wagte nicht, auf der AntigravLiege Platz zu nehmen. Moga Agelon, sein Vater, hatte ihn diesmal persönlich empfangen. Kalt sah Moga auf seinen drittältesten Sohn, der im Kampf gegen die Laktonen-Flotte so schmählich versagt hatte. „Ich entbiete euch meine Grüße, Vater", begann Sigam Agelon, doch Moga winkte nur geringschätzig ab. „Spare dir deine Worte. Soeben erreicht mich die Nachricht vom Ende der orathonischen Wachflotte. Lakton hat das Energiefeld abgebaut, ist hindurchgedrungen und hat in einem gewaltigen Angriff die Reste der Flotte zerschlagen." „Das ist doch nicht möglich, Vater!" Tiefe Erregung zeichnete sich auf dem Gesicht des dritten Agelon ab. „Willst du mich der Lüge bezichtigen?" Die Stimme Moga Agelons klang so drohend, daß Sigam hastig zurückwich. Es dauerte eine Weile, bis er sich wieder gefangen hatte. Dennoch vermochte er das Ungeheuerliche nicht zu fassen. „Vater, ich kehre zurück. Gebt mir eine neue Flotte. Ich werde die Laktonen stellen und ..." Wieder unterbrach ihn Moga. „Das wäre Verschwendung. Die FAMILIE ist an diesem Gebiet ohnehin nicht interessiert. Wir werden Lakton schon noch vernichten. Aber auf eine andere Weise."
Zwei Finger hoben sich drohend, als Sigam Agelon einen Einwand vorbringen wollte. Das Oberhaupt der FAMILIE duldete keine Unterbrechung. „Wir können ihnen keine Hilfe mehr schicken. Uns ist nicht damit, gedient, weitere Schiffe zu verlieren, nur um ein paar andere zu retten. Es wäre unlogisch. Das Beste, was sie noch tun können, ist eine Flucht aus dem System. Wer das nicht schafft, ist auf sich selbst angewiesen. Ich denke nicht daran, weiteres Material zu opfern." „Und was wird aus mir? Ich habe geschworen, Jakto Javan zu vernichten." Zum erstenmal lächelte Moga. Aber es war ein kaltes, gefährliches Lächeln. „Du erhältst einen Sonderauftrag, um dich erneut zu bewähren." „Wohin führt mich mein Auftrag, Vater?" Auf einen Wink des Moga flammte in dem prunkvollen Saal eine riesige Karte auf. Dreidimensional erschien das Bild der Milchstraße. „Dorthin. In den offenen Sternenhaufen PPC 2929-vh. Genauer gesagt zur Sonne Thylon. Dein Start findet noch heute statt. Order erhältst du über die Hyperrelais-Station unterwegs." Der Moga erhob sich würdevoll. Die prunkvolle Kleidung leuchtete flammendrot. „Ich betrachte die Unterredung als beendet. Du kannst gehen." * Der Angriff der Orathonen ließ auf sich warten. Vier Tage lang befanden sich die laktonischen Raumer in höchster Alarmbereitschaft, doch die Orathonen griffen nicht an. Aber dann geschah es. Rex Corda war bereits wieder nach NORAD zurückgekehrt. Er wunderte sich, als ihm kurze Zeit später eine
Ordonnanz eine Botschaft von Jakto Javan überreichte. Waren die Orathonen wieder erschienen? Corda zwang sich zur Ruhe, als er die hauchdünne Metallfolie entfaltete. Der Oberbefehlshaber der laktonischen Flotte hatte Alarm gegeben. Ein rätselhafter Vorgang, den man mit den Orathonen in Zusammenhang brachte, spielte sich im Raum ab. Jakto Javan wünschte, daß Corda Zeuge wurde, wie die Laktonen ihre Macht demonstrierten, indem sie den Gegner zerschlugen. Sobald Corda das Schriftstück, das von laktonischen Computern in englischer Sprache verfaßt worden war, gelesen hatte, verblaßte die Schrift. Die Folie löste sich zwischen seinen Händen auf. Rex Corda erhob sich. Der Offizier salutierte. „Was darf ich melden, Sir? Ich bin befugt, eine mündliche Nachricht entgegenzunehmen." „Ich starte in einer Stunde. Unterrichten Sie auch Percip über diese Angelegenheit. Er wird mich begleiten." Der Offizier trat ab. Rex Corda sah auf die sich schließende Tür. Eines war sicher. Jakto Javan hatte etwas anderes vor, als ihm nur seine militärische Überlegenheit und Schlagkraft vor Augen zu halten. Kein Zweifel, der große Laktone war unsicher geworden. Er war zu stolz, um den wahren Grund anzugeben: Er benötigte die Hilfe der Erde. Zwei Minuten später erschien Percip. „Ihr habt ein Sprichwort, das etwas von ,Ruhe vor dem Sturm' sagt", meinte der Lithalon-Geborene. „Wir haben alle damit gerechnet, daß die Orathonen auftauchen würden, um sich für die Niederlage zu rächen." Rex Corda winkte ab. „Diesmal scheint es etwas anderes zu
sein. Es wurde kein orathonisches Schiff gesichtet." „Die Gefiederten haben Waffen in Reserve, die gefährlicher sind als eine ganze Flotte", behauptete Percip. „Sie denken an eine Ultimativ-Waffe, die man auf dem Hyperweg herangeschafft hat?" Percip nickte ernst. „Jakto Javan wird uns dringend erwarten. Gehen wir!" * Die abgesprengte Kugel des Orathonen-Raumers trieb immer weiter ins All hinaus. Die beiden Überlebenden besaßen noch für drei Stunden Sauerstoff. Curnama hatte festgestellt, daß die Regenerierungsanlage defekt war. Sie ließ sich nicht mehr reparieren. Und außerdem folgte ihnen ein laktonisches Raumschiff. Es feuerte jedoch nicht, sondern folgte nur dem Kurs der Kugel. Curnama war nicht der Mann, der sich kampflos ergab, solange er noch eine Chance hatte. Aber hier ...? Die Energien waren verbraucht, die Waffenzentralen zerstört. Die Laktonen wollten ihn lebend haben. Curnama wußte genau, was ihm bevorstand. Der Laktonenraumer kam immer näher. Seine Besatzung schien zu wissen, daß die Kugel tatsächlich manövrierunfähig war. Der Funker sah, wie Curnama zur Strahlwaffe griff. „Was haben Sie vor, Kommandant?" „Ich werde mich erschießen. Ihnen würde ich übrigens dasselbe empfehlen. Oder legen Sie Wert darauf, von den Laktonen gefangengenommen zu werden? Na also", sagte er, als er in dessen bestürztes Gesicht blickte. „Sie sind also mit den Gepflogenheiten unserer
Gegner auch vertraut." „Aber vielleicht gibt es doch noch eine Hoffnung", wandte der Funker ein. „Es gibt keine." Curnamas Stimme klang hart und entschlossen. „Sie können mich doch nicht allein lassen, Kommandant. Alle sind tot, nur wir beide haben das Glück und sind mit dem Leben davongekommen." „Hören Sie auf. Ich weiß genau, wann ein Spiel verloren ist. Und Sie sollten es auch wissen. Man stirbt besser in Ehren als in laktonischer Kriegsgefangenschaft." Curnama ging um den Kartentisch herum. Sinnend blieb er vor dem erloschenen Beobachtungsschirm stehen. Dicht daneben, auf dem Zusatzschirm, erschien ein Ausschnitt des laktonischen Raumers. Curnama lachte grimmig. Dann brüllte ein überlautes Getöse durch die Zentrale. „Sie feuern", rief der Funker. Dann erkannte er seinen Irrtum. Nicht der laktonische Räumer hatte gefeuert, sondern der Kommandant. Der Schuß hatte ihn augenblicklich getötet. Lange sah der Funker auf den am Boden liegenden Mann. Endlich bückte er sich schwerfällig, hob die Waffe auf, mit der Curnama sich erschossen hatte, und blickte in das aktivierte Abstrahlfeld. Noch einmal sah er sich um. Das vormals blitzende Schiff war ein wüster Trümmerhaufen. Es gab tatsächlich keine Hoffnung mehr. Aus der trichterförmigen Öffnung schoß ein lautloser, ungemein greller Schein. Es schien, als wäre eine Supernova ausgebrochen. Das mächtige Dröhnen, das anschließend die Stille zerriß, hörte der Funker nicht mehr. *
Rex Corda wartete ungeduldig vor dem Raumschiff, bis die Arbeiten abgeschlossen waren. Der Raumer, den er auf dem Merkur gefunden hatte und der nach der Abmachung ihm gehörte, wies einen Defekt auf. Ein jüngerer laktonischer Techniker trat auf ihn zu. Er salutierte nach terranischer Art. „Es tut uns leid, Sir, das Schiff ist nicht startbereit. Es kann unter Umständen noch ein bis zwei Tage dauern, ehe die Reparaturarbeiten abgeschlossen sind." Corda wußte nicht, ob der Mann die Wahrheit sprach. Andererseits konnte er es nicht nachprüfen. Erst als Percip ihm beruhigend zunickte, wandte er sich ab. „Wir nehmen ein kleineres Schiff, das auf der anderen Seite von NORAD steht. Ich glaube nicht, daß man uns etwas vormacht, sonst hätte man nicht den Wunsch ausgesprochen, Sie zu sehen." „Okay." Corda warf noch einen Blick zurück. Die Techniker verschwanden wieder im Innern des Schiffes. Zehn Minuten später hob von der anderen Seite des Landeplatzes der laktonische Kleinraumer ab und schoß in den wolkenlosen Himmel. Percip raste in Höchstbeschleunigung von der immer kleiner werdenden Erde weg. Es dauerte nur wenige Stunden, bis sie das Flaggschiff Jakto Javans erreicht hatten. Kurz vor der Ankunft schickte Percip einen Funkspruch hinüber. Auf dem Holografen konnten die beiden Männer erkennen, wie sich die Schleusentore des Hangars weit öffneten. In einem waghalsigen Manöver raste der Kleinraumer in den Hangar hinein. Sofort wurde das Schiff von Soldaten in Empfang genommen. Percip schüttelte ein paar Hände, dann machte er sich auf den Weg durch die Gravo-
Schächte. Corda folgte ihm. Der Raumer wimmelte von hektischem Leben, aber Corda und Percip merkten sofort, daß etwas nicht stimmte. Auch unter der Besatzung hatte sich das Gerücht verbreitet, daß ein fremdartiger, ungeheuer überlegener Gegner die laktonische Flotte bedrohte. „Eine seltsame Atmosphäre herrscht hier", meinte Percip. „Mir scheint auch, als wären in diesem Abschnitt des Systems weit mehr Raumschiffe als sonst versammelt. Jakto Javan scheint vor weitreichenden Entschlüssen zu stehen. Was geht hier eigentlich vor?" Corda zuckte die Achseln. Sie traten aus dem Schacht und sprangen auf das Gleitband. „Das werden wir gleich erfahren", meinte er. „Als wir kamen, standen wir im Kernschatten des Raumschiffes. Und folglich konnten wir nicht sehen, was hier vorgeht. Jakto Javan wird uns schon aufklären." Er schwieg. Sie hatten die riesige Zentrale des laktonischen Schiffes erreicht. Jakto Javan nahm sich nicht einmal die Zeit, die beiden Männer zu begrüßen. Er blickte kaum vom großen Holografen auf, der eine riesige Fläche der Wand einnahm. Corda sah mit einem Blick, daß alle Holografen eingeschaltet waren. Selbst die Detail-Schirme waren in Betrieb. Jakto Javan hatte die Eintretenden dennoch bemerkt. Ein leichtes Winken mit der linken Hand zeigte an, daß er von innerer Spannung erfüllt war. Corda, der sich das eigenartige Benehmen der Männer immer noch nicht erklären konnte, trat langsam näher. Schon auf den ersten Blick erkannte er, daß dieses Etwas, das mitten im Raum hing, völlig von allem Herkömmlichen abwich. Es besaß die Größe eines Planetoiden
und war von einem blaßblauen Energieschirm umgeben. Es füllte den ganzen Holografen aus. Der blaßblaue Energieschirm besaß die Eigenschaft, fiktive Bilder von den Raumschiffen zu erzeugen und an anderer Stelle wieder zu projizieren. Er sah aus wie eine titanische Seifenblase, die jeden Moment zerplatzen konnte. Alle wußten, daß dies ein Trugschluß war. Dieses Gebilde war höchst realistisch, es würde nie zerplatzen. Jakto Javan wandte endlich den Blick ab. Kalt musterte er den Präsidenten der Erde. Für Percip hatte er nur ein leichtes Kopfnicken übrig. „Wofür halten Sie dieses Gebilde?" fragte er Corda. Der Terraner hielt dem eisigen Blick stand. „Er hat fast Planetengröße, es kann sich also keinesfalls um ein Raumschiff handeln." Jakton Javan lächelte spöttisch. „So. Ein Planet taucht einfach auf und legt einen Energieschirm über seine gesamte Oberfläche?" „Damit sollten Sie Ihre Spezialisten beschäftigen", bemerkte Rex Corda ruhig. „Sie haben mich nach meiner Meinung gefragt!" Jakto Javan winkte ab. „Wir haben es offensichtlich mit einer orathonischen Superwaffe zu tun. Theoretisch könnte eine Sprengung dieser riesigen Materialballung das RaumZeit-Gefüge zerreißen. Vernichtender könnte ein Schlag gegen unsere Flotte nicht geführt werden!" Cordas Blick saugte sich an dem Energieschirm fest, der die Oberfläche verhüllte. In der Zentrale liefen die Auswertungen. Die Techniker und Wissenschaftler waren damit beschäftigt, genauere Aufschlüsse über das „Ding" zu erhalten.
Die Abtastergebnisse waren aber keineswegs zufriedenstellend. „Bisher wissen wir nur, daß sich unter dem kugelförmigen Schutzfeld riesige Energiereserven verbergen, die beträchtlich die Kampfkraft unserer größten Schiffe übersteigen", faßte der Schento zusammen. Er wanderte wieder unruhig in der Zentrale auf und ab. Endlich hatte er einen Entschluß gefaßt. „Wir warten nicht länger. Wir greifen an. Zunächst werden die Großkampfschiffe einen Probeschuß auf das Objekt abgeben." Er ballte die linke Hand zur Faust und sah Corda kalt an. „Dann wird sich ja herausstellen, um was es sich hierbei handelt." „Befürchten Sie nicht, daß das Risiko dabei zu groß ist? Sie sagten selbst, die Energiereserve übersteigt unsere Kampfkraft. Ein Angriff sollte daher genauestens überlegt werden." „Ich weiß, was ich tue, und es wird bei jeder Handlung ein gewisses Risiko miteinbezogen. Zweitausend Raumer haben einen Kreis um das Gebilde gezogen. Alle anderen sind in Feuerposition. Zwei weitere Kreise liegen wie gigantische Ringe nochmals in weiter Entfernung. Auch sie sind jederzeit feuerbereit. Notfalls müssen wir eben unsere gesamte Feuerkraft vereinigen." Javan sah sich spöttisch um. „Kein logisch denkender Mensch wird glauben, daß selbst ein Körper dieser Größe jetzt noch eine Chance hätte." Corda war entschieden anderer Ansicht. Er sagte nichts. Javan war der Oberbefehlshaber, dem die gesamte Flotte unterstand. Er würde nie auf einen Terraner hören. Das Flaggschiff legte sich noch näher an den unbekannten Körper an. Längst waren die schweren Waffenkuppeln ausgeschwenkt und warteten auf den Befehl zur Feuereröffnung.
Im Backbordsektor schob sich ein weiterer Kampfkreuzer der TrakonKlasse heran. Er sollte den ersten Probeschuß auf das Gebilde abgeben. Das 2160 Meter lange Kampfschiff blieb abwartend in seiner befohlenen Position stehen. Dem ersten Feuerstoß sollten zwei weitere Schüsse vom Flaggschiff aus folgen. Der Kommandant des Trakon-Sehiffes erschien auf dem Bildschirm der Zentrale. Sein Gesicht war ruhig und ausgeglichen. Er wartete. Rex Corda erkannte auf dem Holografen eine der mächtigsten laktonischen Waffen. Die „Silent Mary", Kaliber hundertundzwanzig Zentimeter. Das von ihr ausgespiene Geschoß wog zwei Tonnen. Die auf der Oberfläche montierte Halbkugel, in der sich die „Silent Mary" verbarg, befand sich in der Laufschiene am hinteren Ende. Der gigantische Riese lag jetzt unbeweglich in einer Entfernung von nur einigen Kilometern vor dem Schutzschirm. Jakto Javan hob die Hand. Der Lauf der „Silent Mary" drohte starr und kalt auf den Kleinplaneten oder was immer es sein mochte. Die Männer erstarrten. Weshalb zögerte der Befehlshaber nur so lange? Noch immer war sein Arm nach oben gerichtet, aber er senkte ihn um keinen Zoll. Als die Blicke der Männer zum Holografen wanderten, erkannten sie den Grund von Javans zögerndem Verhalten. Draußen lief ein unheimlicher Vorgang ab. Der Energieschirm verblaßte allmählich. Er wurde transparent und gab den Blick auf die Oberfläche frei. Staub erhob sich träge vom Boden und sank nur langsam und zögernd nie-
der. Und aus diesem Staub, der schon Jahrtausende die Oberfläche bedecken mußte, drohten die stummen schwarzen Schlünde titanischer Waffen. Immer mehr Waffenkuppeln schoben sich aus der jetzt deutlichen Oberfläche. Der Staub rieselte in langen Schleiern über den Boden. Die Rohre zielten auf die in Feuerposition liegenden Lakton-Schiffe. * Entsetzen breitete sich aus. Was auf den Bildausschnitten der Sektor-Optik erkennbar wurde, raubte den Männern den Atern. Hier ging etwas vor, das fernab jeder bekannten Vorstellungskraft lag. Der Kleinplanet besaß inzwischen keine Energiebarriere mehr. Wenigstens schien es so, als sei das Schutzfeld abgebaut worden. Ein Panzerfort nach dem anderen brach in langer, ununterbrochener Linie aus dem Sandstaub der Oberfläche hervor. Gleichzeitig breitete sich auf dem Kleinplaneten eine orangefarbene Lichtflut aus, die jede Einzelheit erkennen ließ. Javan dachte nicht mehr an seinen eben gegebenen Befehl. Das Geschehen faszinierte ihn. Rex Corda sah an sich herunter. Er bemerkte, daß seine Handflächen ganz plötzlich feucht wurden. Ein leichtes Grauen vor dem unbekannten Objekt erfaßte ihn. „Was sagt die Energieortung?" fragte Javan den Techniker, dessen Auswertungen noch immer liefen. „Die Masse nimmt ständig zu. Die Kapazität vergrößert sich. Dort drüben beginnt eine ganze Welt zu erwachen." „Danke, das habe ich bereits selbst festgestellt. Ist der Schutzschirm abgebaut?"
„Nein. Es handelt sich um vierfach gestaffelte Schirmfelder, die jedoch nicht sichtbar sind. Die Analyse läuft. Es besteht jedoch wenig Hoffnung, eine genaue Auswertung vorzunehmen. Der Staffelschirm weicht von jeder Norm ab." „Da haben wir es!" Javan wollte noch etwas hinzufügen, schwieg aber dann, als das Leuchten immer intensiver wurde und alles überzog. Rote Ringe entstanden am Boden. Sie bliesen den Staub in langen Bahnen hoch. Aus jedem der entstehenden Ringe schob sich Sekunden später eine grellweiße Gassäule hervor. Binnen weniger Sekunden standen sechs gigantische Energiesäulen zwischen den Panzerforts. Die Säulen besaßen einen geschätzten Durchmesser von achthundert Metern. Javan fuhr blitzschnell herum. Sein Wink galt dem Kommandanten des anderen Schlachtschiffes, dessen Augen aus den Höhlen getreten waren, als die Oberfläche sich rapide verändert hatte. „Wir greifen an. Drüben unternimmt man alle Vorbereitungen zu einem Angriff. Anders läßt sich das Geschehen nicht erklären. Achtung! Feuer frei! Warnschuß mit der ,Silent Mary’ " Deutlich war der Angriff zu erkennen. Die „Silent Mary" ruckte in einer in ihrer Schnelligkeit kaum sichtbaren Bewegung über die Außenhülle des Schiffsriesen, spie ihr Zweitonnen-Geschoß aus. Im Bruchteil einer Sekunde war sie über die Magnetschiene gerast und wurde jetzt elektromagnetisch abgebremst. Im Trakon-Kreuzer wimmerten die Panzerplatten unter der maßlosen Belastung. Höllisches Kreischen ließ die Männer zusammenzucken. Das ganze Riesenschiff bebte, als hätte es einen Treffer erhalten. Ein ungeheures Tosen, dem ein lauter
und schriller Heulton folgte, ließ die Männer an Bord des Flaggschiffes jählings herumfahren. Aus dem Energietast-Automaten kam ein zuckender und funkenspeiender Blitz. Es roch plötzlich nach Ozon. Corda sah, daß der hochwertige Apparat nur noch ein nutzlos verformter und restlos deformierter Schrottklumpen war. Das Zweitonnen-Geschoß detonierte am vierfach gestaffelten Schutzschirm. Der Kleinplanet wurde mit wabernden Protuberanzen überschüttet. Lange Strahlbahnen liefen ins All hinaus und verloren sich in der Schwärze. Es gab keinen sichtbaren Erfolg. Wirkungslos war das Riesengeschoß abgeglitten und vorzeitig detoniert. Jakto Javan schluckte schwer. Er mochte es nicht glauben. Der unsichtbare Schirm hatte sich bei dem Aufprall noch nicht einmal verfärbt. Dafür trat etwas anderes ein. Drüben lief das entsetzlich große Abstrahlrohr einer thermischen Energiekanone langsam auf dem rotierenden Drehkranz herum. Es schwenkte auf den Trakon-Kreuzer ein. Die sechs Gassäulen begannen hell zu flimmern. „Schutzschirme verstärken!" brüllte Jakto Javan über die Bordsprech-Anlage. Der Kommandant erwachte aus seiner Erstarrung. Einige Sekunden später verstärkten sich die hochwertigen Schirmfelder. In eine bläuliche Dunstglocke gehüllt, wartete der Trakon-Kreuzer ab. Lautlos erfolgte von dem Panzerfort der Abschuß. Es zuckte kurz und drehte sich dann augenblicklich wieder zurück. Der schwere Kreuzer wurde hilflos herumgewirbelt. Die bläuliche Energieglocke war durchschlagen worden. Ein Teil der mittleren Schiffshälfte leuchtete in heller Weißglut. Flüssiges Metall
rann in großen Bächen über den Schiffskörper und erstarrte zu grotesken Tropfen, die an der Außenhülle kleben blieben. Die Einschußöffnung wies einen Durchmesser von einigen hundert Quadratmetern auf. Der schwere Kreuzer wurde von der Auftreffenergie weit ins All hinausgetrieben, torkelte zwischen den anderen Bewachern hindurch und wäre fast mit einem Giganten der Pithon-Klasse kollidiert. Nur seine vollastig anlaufenden Triebwerke retteten ihn vor dem Zusammenstoß. Jakto Javans Gesicht war aschfahl geworden. Der Befehlshaber klammerte sich mit der linken Hand am Schaltpult fest, bis seine Knöchel weiß hervortraten. Die Rechte baumelte leblos am Körper. Er benötigte einige Sekunden, bis er die ganze Wahrheit erfaßt hatte. Eines der kleineren Panzerforts hatte den als unzerstörbar geltenden Schutzschirm durchschlagen und Teile des Raumers in glutflüssigen Brei verwandelt! Ein einziger Schuß hatte das bewirkt. Es war nicht zu fassen! „Verluste?" fragte er tonlos über die Bord- zu Bord-Verbindung. Von drüben meldete sich ein leichenblasser Kommandant. „Keine Verluste. Niemand ist verletzt worden. Aber das Schiff ist nicht mehr einsatzbereit. Der Mittelstand ist auf seiner breiten Basis restlos zerstört worden. Das war eine bittere Lehre." „Ziehen Sie sich zurück und fordern Sie ein Arbeitskommando an. Wir werden es den Burschen schon zeigen", kündigte Javan kühl an. Corda sah dem Mann in die kalt blickenden Augen. „Ich würde Ihnen davon abraten. Aus dem Boden schieben sich laufend weitere Festungen. Das, was eben auf den
Kreuzer gefeuert hat, war nur ein relativ kleines Fort. Die anderen dürften wesentlich mehr Durchschlagskraft haben. Immerhin hat unser unbekannter Gegner nur einen einzigen Schuß abgegeben. Vielleicht war das eine gutgemeinte Warnung an uns, die Finger davonzulassen." „Wir haben noch die Schlachtschiffe der Pithon-Klasse, Corda. Das ist unsere gefährlichste Waffe. Sie wissen, daß die Schiffe viertausend Meter lang sind. Niemand wird sie mit einem Schuß aus der Bahn werfen oder auch nur beschädigen. Es wäre absurd, wenn es den Spezialraumern nicht gelingen würde, mit dem Gegner fertig zu werden." „Wie Sie wollen. Ich meine es nur gut." ,,Ja, ich weiß. Ihre Befürchtungen sind indes völlig grundlos. Wir werden diesmal zuschlagen, und nicht umgekehrt." Javan wandte sich wieder den Schirmen zu. Sein Gesicht war auf dem Holografen der Schiffe zu sehen. „Achtung! Die Einheiten ziehen sich um fünftausend Kilometer zurück. Das erste Schiff der Pithon-Klasse eröffnet das Feuer. Können Sie mich hören, Kommandant?" „Einwandfrei", tönte es zurück. Der schwere Pithon-Kreuzer stand etwa siebenhundert Kilometer vom Flaggschiff entfernt. „Gut. Sie eröffnen auf Befehl das Feuer. Setzen Sie alle Feuerleitzentralen gleichzeitig ein. Haben Sie den Planetoiden einwandfrei auf dem Zielschirm?" „Einwandfrei. Wir sind feuerbereit." Rex Corda verfolgte gespannt die weitere Entwicklung. Würden die schweren Schlachtschiffe versagen, oder würde es ihnen gelingen, den Kleinplaneten mit einem gewaltigen Feuerstoß zu zerstören? Der Ring, der von mehr als tausend
Schiffen gebildet wurde, zog sich unter ständiger Beobachtung immer weiter zurück, bis die neue Position erreicht war. Javan gab den Befehl zum Stoppen. Er leitete die Aktion persönlich. „Achtung. Feuerleitzentralen. Dreifachen Schutzschirm erstellen!" „Schirm ist aufgebaut." „Einschwenken!" Ein letztes Manöver erfolgte. Das feuerrote Schlachtschiff, ein monströses Supergebilde laktonischer Technik, hing lauernd im All. Seine Feuerkraft reichte aus, um einen Planeten von der Größenordnung Terras restlos zu zerstören. „Sämtliche Waffen kombinieren. Feuer frei!" „Verstanden. Feuer frei!" Der dunkle Hintergrund riß auf, als das All neue Sonnen gebar. Alles geschah in Bruchteilen von Sekunden. Die Gunner drückten auf die Zündknöpfe. Eine Kombination von Raumminen, Raumtorpedos und hochverdichteten energetischen Strahlen schoß aus den Rohren. Der Einschlag erfolgte sofort danach. Der Kleinplanet wurde sekundenlang in eine Lichtflut gebadet, die kein Auge aushalten konnte. Niemand konnte erkennen, ob es das „Ding" noch gab oder ob es restlos vergast wurde. Der überschwere Raumriese feuerte die nächste Salve sofort hinterher. Noch einmal erschien die helle Lohe, vermischte sich mit den tobenden Wasserstoffackeln der vorhergehenden Detonationen und schien heller als tausend Sonnen. Dann, nach einer Weile, klang das Glühen merklich ab. Der Kleinplanet lag unversehrt vor den erschütterten Laktonen. Nur seine unsichtbaren Schutzschirme hatten eine leichte dunkle Färbung angenommen. Nichts
hatte sich auf ihnen verändert. Der sonst so beherrschte Laktone Jakto Javan war einem Zusammenbruch nahe. Seine stärkste Waffe hatte versagt! Aber es kam noch schlimmer. Die Oberfläche der fremden kleinen Welt nahm an einer Stelle eine tiefgrüne Färbung an. Das Leuchten wurde immer intensiver. Ungeheure Staubmassen wurden vergast und von unsichtbaren Kräften beiseite geräumt. Was dann folgte, ließ die Männer an ihrem Verstand zweifeln. Unter den laktonischen Schiffsmannschaften drohte eine Panik auszubrechen. Das grüne Leuchten erzeugte einen konzentrierten Ring am Boden, um den ein anderer, lila schillernder Kreis herumlief. Eine weitere Abwehrstation erwachte jäh zum Leben. Sie schob sich aus dem Ring, der jetzt langsam erlosch. Nur der lila Kreis war noch zu sehen. Und der wuchs immer höher hinaus, während er gleichzeitig das Etwas verdeckte, das sich nun hervorschob. Ein dunkel gähnendes Schott klaffte auseinander. Ein Rohr von der Größenordnung einer laktonischen Kampfrakete wurde aus einer Lafette ausgefahren und schwenkte ruckhaft ein. Alles geschah mit einer unheimlich anmutenden Präzision, die kein Versagen kannte. Ehe Javan den Befehl zum Rückzug geben konnte, passierte es. Zwei grüne Lichtbündel schossen hinaus, Impulse von einer Zehntelsekunde. Mehr nicht. Rex Corda schloß automatisch die Augen. Dann schien das Universum unterzugehen. * Hidalgo, mit der terranischen Kata-
lognummer 944, befand sich auf seiner Umlaufbahn, als das leuchtende Etwas, das aus dem Nichts zu kommen schien, seinen Weg kreuzte. Fred Matson hatte seine Struktur grundlegend geändert. Er war kein Mensch mehr. Nur eine energetische Zustandsform mit einem Körper, der die gewaltigen Energien aufgespeichert hatte und sie nicht mehr abgab. Er glich einem länglichen Geschoß und hatte entfernte Ähnlichkeit mit einem grauweißen Stein, der seine Farbe unmerklich verändern konnte. Dennoch spürte Matson alles, was um ihn herum vorging. Nach dem Poynting-RobertsonEffekt hätte er in die Sonne stürzen müssen, nachdem er sich ihr auf einer spiralförmigen Bahn genähert hatte. Irgendwo in seinem Bewußtsein spürte er die Masse, die sich vor ihm ausbreitete. Es gelang ihm nicht, ihr auszuweichen. Zur Zeit hatte er keinen Einfluß auf seinen umgewandelten Körper. 944 Hidalgo nahm ihn auf. Der staubüberzogene Planetoid wurde stark erschüttert, als Matson wie ein Supergeschoß auf die Oberfläche schlug. Die kinetische Energie reichte aus, um ihn mehr als zwanzig Meter durch festes Gestein zu treiben. Staub wallte in langen Bahnen auf. Es sah aus, als wäre ein kleiner Vulkan ausgebrochen. In das Einschlagloch, das einen Durchmesser von dreieinhalb Metern aufwies, rollten kleine Steine. Mit Hilfe seines steuerbaren Energiepotentials versuchte er, sich aus dem Felsen zu schieben. Es gelang ihm überraschend. Dabei machte Matson eine erstaunliche Entdeckung. Das Etwas, in das er eingeschlagen war, begann stark zu vibrieren. Erschütterungen liefen durch das Gestein und erzeugten eine Schwin-
gung, die immer stärker wurde. Fred Matson akklimatisierte sich. * Das grüne Licht wanderte in gemächlichem Tempo durch das All. Dann, ganz überraschend, bog es rechtwinklig ab und nahm Kurs auf das gigantische Pithon-Schlachtschiff. Der Kommandant hatte die Gefahr richtig eingeschätzt. Ohne den Navigator zu unterrichten, hieb er mit der Hand auf die Triebwerkschalter. Das große Schiff machte einen Satz nach vorn. Tief im Riesenleib des Schlachtschiffes brüllten die Meiler auf, die unvermittelt vollastig liefen. Andruckwerte von sieben Gravos, die von den Absorbern nicht mehr rechtzeitig aufgefangen werden konnten, brachen mit elementarer Gewalt durch. Aber für das Schlachtschiff gab es kein Entkommen. In der Zentrale schrien die Laktonen auf, als die beiden kurzen Impulsstöße auf die Schutzschirme trafen. Ihre Geschwindigkeit hatten sie noch immer nicht verändert. Mühelos wurden die mehrfach gestaffelten Schirme durchschlagen. Dann löste ein unheimlicher Effekt das Superschlachtschiff vom Bug her auf. Es gab keine Detonationen, keine lohenden Blitze und keine übermäßige Helligkeit. Das Schiff verschwand, wurde zu grünlichem Staub und anschließend zu einer schwach strahlenden Wolke, die sich wieder zusammenballte und zu einer Kugel wurde. Rechtwinklig stob die Kugel auf einer vorgeschriebenen Bahn davon, sie kreuzte zwischen den laktonischen Schiffen geschickt hindurch und wurde dann von dem Planetoiden magisch angezogen. Ebenso mühelos durchdrang sie den
Schutzschirm. Ein kleiner grüner Ball, der sich langsam zur Oberfläche herniedersenkte, war alles, was von dem laktonischen Überriesen zurückblieb. Der Staub versank langsam im Boden dieser unheimlichen Welt. Das Pithon-Schiff existierte nicht mehr. Es war einfach verschwunden. Jakto Javan stieß einen nicht zu deutenden Laut aus. „Das gibt es doch nicht", murmelte er hilflos. Die Tatsachen bewiesen jedoch genau das Gegenteil. In den anderen Schiffen herrschte ein wildes Durcheinander. Niemand war sicher, ob er seinen eigenen Augen trauen durfte. Es war auch zu unwahrscheinlich. Das größte Schiff der Laktonen wurde durch zwei kurze Impulsstöße einer unbekannten Waffe einfach vernichtet. Und danach war es verschwunden. Jakto Javans Hände zitterten. Er war sicher, es jetzt nicht mehr mit einer orathonischen Waffe zu tun zu haben. Außerdem hätte ein Orathone auch alle Schiffe gleichzeitig unter Beschuß genommen. Und dieser unbekannte Gegner beließ es bei zwei kurzen Warnungen. Er griff auch nicht mehr an. Die Waffentürme schwenkten wieder zurück, die Kuppel fuhr in den Boden und verschwand. Nur die kleinen Abwehrforts blieben noch feuerbereit stehen. Jetzt erst erwachte der laktonische Befehlshaber endgültig aus seiner Erstarrung. Mühsam hatte er sich die Erkenntnis abgerungen, daß alles mit rechten Dingen zuging. Sie hatten zuerst angegriffen und den Gegner herausgefordert, der sich nur wehrte. Javan schüttelte den Kopf. Er konnte es nicht fassen, daß es einen relativ kleinen Feind gab, der seine Schlachtschiffe vernichtete, als handele es sich um lästige Insekten, die man mit einer
Handbewegung hinwegwischte. Seine rechte Plastikhand krachte in ohnmächtiger Wut auf die Schaltleiste der zerstörten Energie-Ortung. Die Leiste zerbrach splitternd. „Das können wir nicht hinnehmen", meinte er mit einem wütenden Blick in die Runde. „Wie würde sich ein Terraner in dieser Situation verhalten?" fragte er Corda. Der junge Präsident lächelte leicht. Auf seinem Gesicht stand noch immer der Unglaube über das Geschehene. „Vermutlich würden wir genauso handeln wie Sie. Auch wir haben die Politik der Macht verfolgt, das Recht des Stärkeren, wenn Sie wollen." Jakto Javan betrachtete den Terraner aufmerksam. „Sie scheinen nicht sehr von dieser Politik überzeugt zu sein!" Rex Corda gab den scharfen Blick unbeeindruckt zurück. „Wir haben langsam gelernt, daß Krieg in jeder Form Unglück bringt. Auch dem Sieger, nicht nur dem Besiegten." Die breite Gestalt des laktonischen Flottenkommandeurs straffte sich. „Der Gegner hat eines meiner größten Schlachtschiffe zusammengeschossen und vernichtet. Man hat uns herausgefordert, indem man in unser Hoheitsgebiet eingedrungen ist. Selbstverständlich werden wir zum Vergeltungsschlag ausholen. Wir werden mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln angreifen. Notfalls lasse ich das Feuer aus mehr als hunderttausend Geschützen eröffnen. Ich kann ganze Planeten auseinandersprengen, Corda, wenn ich das will, und mir stehen Machtmittel zur Verfügung, selbst eine Sonne aus ihrer Bahn zu stürzen und damit ein ganzes System zum Untergang zu verurteilen. Wie lange, glauben Sie, würden die Schutzschirme der Fremden wohl einem Punktbeschuß standhalten?"
„Das kommt darauf an, wie weit ihre Technik fortgeschritten ist. Sie haben bisher nicht die geringsten Erfolge erzielen können. Angenommen, der Gegner ist Ihnen in allen Punkten grenzenlos überlegen. Was dann? Sie würden nur unnötig Menschen und Material opfern und eine fürchterliche Niederlage einstecken." „Ich kann es dennoch nicht verantworten, von hier abzufliegen, ohne den Gegner entscheidend getroffen zu haben. Es wäre eine beschämende Niederlage. Lakton wäre in der ganzen Galaxis nur noch ein bedauernswertes Imperium, dessen Name nicht einmal erwähnenswert ist." „Es gibt noch einen anderen Weg", äußerte Corda. „Und der wäre?" „Nehmen Sie Verbindung zu den Fremden auf und bieten Sie ihnen die Freundschaft an." „Lächerlich!" Jakto Javan tat diese Bemerkung mit einer wegwerfenden Handbewegung ab. „Wie Sie wollen. Ich an Ihrer Stelle würde jedoch keine weiteren Provokationen wagen. Sie könnten den kürzeren ziehen." „Den kürzeren? Wie ist das zu verstehen?" „Ein terranischer Ausdruck. Sie werden verlieren, und Sie wissen das auch. Sie wollen es nur nicht wahrhaben. Es würde einen Schatten auf Ihr erprobtes und sieggewohntes Imperium werfen." „Ich greife an!" Javans Stimme klang kalt und entschlossen. Corda zuckte die Schultern. „Ich habe ohnehin keinen Einfluß auf Ihre Entscheidungsgewalt. Ich kann Sie nur bitten, noch einmal alles gründlich zu überlegen, ehe es vielleicht endgültig und unwiderruflich zu spät ist. Ich habe Sie immer als klugen und umsichtigen Taktiker eingeschätzt, Javan. Überlegen Sie gut!" Javan ignorierte die Warnung. Er
konnte nicht mehr nachgeben, ohne sein Gesicht zu verlieren. Seine Stimme hallte aus jedem Lautsprecher der ganzen Flotte. „Achtung! Oberbefehlshaber spricht. Sie alle haben gesehen, was eben mit dem Superschlachtschiff geschah. Man hat es mit zwei kurzen Impulsstößen aus einem unbekannten Geschütz vernichtet. Nicht einmal Trümmer sind übrig geblieben. Die Raumer werden jetzt nach ihrer Kampfkraft gestaffelt. Der Angriff auf den Planetoiden erfolgt in fünfzehn Zeiteinheiten durch Fernbeschuß. Die kleineren Raumer nehmen zuerst den Schirm unter konzentrierten Punktbeschuß. Die stärkeren Waffen kommen anschließend zum Einsatz. Die Kommandanten beginnen unverzüglich mit der Aufstellung der einzelnen Kampfeinheiten. Ende!" Javan schaltete ab, ohne auf die Reaktion zu warten. Niemand hatte die Entscheidung des Schento zu kritisieren. Zum drittenmal innerhalb eines kurzen Zeitraumes bezogen die LaktonenRaumer neue Positionen. Inzwischen war das Energiefeld immer dunkler und undurchsichtiger geworden. Niemand konnte mehr sehen, was auf dem Panetoiden vorging. Er hatte sich in ein schützendes Dunkel gehüllt. „Hoffentlich ist das kein schlechtes Vorzeichen", meinte Percip, der neben Rex Corda stand. „Keine Ahnung. Jedenfalls vermute ich nichts Gutes. Jakto Javan hätte diesen Angriff niemals befehlen dürfen. Das ist meine Meinung." Percip wand sich. Obwohl er Corda innerlich recht gab, konnte er seine Gedanken nicht öffentlich aussprechen, ohne sich den Unwillen der einzelnen Kommandanten zuzuziehen. Im Flaggschiff begannen die Meiler zu dröhnen. Der Superriese nahm lang-
sam Fahrt auf, umrundete den Planetoiden und schob sich von der anderen Seite wieder heran. Immer mehr verdunkelte sich der vormals erhellte Kleinplanet. Schon jetzt war er nur noch als unscharfer Schatten zu erkennen. Wie ein Geist zog der Planetoid über die Schirme. Drohend und dunkel schimmerten die Konturen herüber. Nach einer Weile war er im schwachen Abglanz des Sonnenlichtes nur noch ein undeutlicher Schemen. Aus den Beobachtungsräumen kamen die ersten Kursmeldungen durch. „Der Planetoid erhöht die Geschwindigkeit. Außerdem hat seine Einordnung in den Asteroidengürtel nun endgültig stattgefunden." „Lange wird er es wohl nicht mit der Geschwindigkeit halten können", sann Corda laut. „Hier in dieser Gegend wimmelt es nur so von Bruchstücken und Kleinstplaneten. Wenn er die Geschwindigkeit laufend erhöht, muß er nach dem Gesetz früher oder später mit kosmischen Trümmerbrocken zusammenstoßen." Javan wandte sich unwillig ab, als ein laktonischer Nachrichtenoffizier näher kam. „Ein Funkspruch von der Erde. Der Präsident Corda wird dringend verlangt." Percip gab Corda unauffällig einen Wink. Die Raumer hatten unterdessen ihre Positionen bezogen und eröffneten den Punktbeschuß auf den jetzt unsichtbaren Schutzschirm eines unbekannten Gegners. Die Raumfestung antwortete nicht. Drüben schien sich nichts mehr zu bewegen. Lediglich am Aufblitzen der schweren Strahlwaffen wurde ersichtlich, daß der Angriff bereits begonnen hatte. Aber die Schirme hielten. Der kon-
zentrierte Punktbeschuß zeigte keine Wirkung. „Für Sie, Corda", sagte Percip. „Jemand auf der Erde möchte Sie sprechen. Es handelt sich um einen Ihnen bekannten Wissenschaftler." Corda folgte dem Laktonen in den riesenhaften Funkraum. Das Summen der arbeitenden Positronik erfüllte den ganzen Raum und mischte sich in das Rascheln von hauchdünnen Metallfolien und Kunststoffbändern. Das Funkgerät, auf dem die Nachricht durchgekommen war, zeigte Grünwerte. Also wartete der Gesprächspartner. Corda drückte den Hebel auf Empfang. „Hier ist Rimson", meldete sich eine vertraute Stimme. „Ich muß mich kurz fassen. Vor kurzem habe ich eine seltsame Entdeckung gemacht." „Was ist los?" „Die Mutantin ist weg. RamoniMatson war ihr Name. Einfach verschwunden. Nachforschungen blieben ergebnislos." „Hast du die Mutantenpolizei verständigt?" „Natürlich. Sie bleibt unauffindbar. Ist das nicht merkwürdig?" „Allerdings, und was hat das mit deiner Neuigkeit zu tun?" „Rex, ich habe in ihrem Garten eine unheimliche Entdeckung gemacht. Ein Orathone schlich dort herum, der Teufel mag wissen, wie der Kerl dorthin kam und was er dort zu suchen hatte. Du weißt, daß in dem Garten die rätselhafte Säule steht, die in unregelmäßigen Abständen aufleuchtet. Man kann sie nicht anfassen. Ich wollte eine Materialprobe mitnehmen, um das Zeug zu analysieren, aber das war nicht möglich. Sieht wie eine Nadel aus. Das Ding bewegt sich dauernd und flüstert unheimliche Silben. Sogar Nukleon hat sich nicht herangewagt. Wir brauchen
dich jetzt dringend." Corda überlegte nicht lange. Rimson würde seine triftigen Gründe haben, wenn er ihn rief. Tausend Gedanken schossen durch Cordas Kopf. Dann hatte er seinen Entschluß gefaßt. „Okay, ich komme. Hoffentlich ist an der Sache was dran." „Du wirst dich wundern, Rex. Das Ding ist noch viel unheimlicher, als ich es schildern kann. Es scheint richtig zu leben. Vielleicht stammt es sogar von einem anderen Planeten." Corda wandte sich hastig ab. „Mach's gut, Alter. Ich bin heute gegen Abend dort." Percip hatte mit staunenden Augen dabeigestanden. Kopfschüttelnd sah er Corda nach, der es plötzlich sehr eilig hatte. * „Dort vorn ist der Park", flüsterte Rimson, dessen Schritte die letzten Meter immer langsamer geworden waren. Der Offizier, der sie begleitet hatte, war auf ihren Befehl zurückgeblieben. Nukleon hatte den Kopf schiefgelegt und folgte den beiden Männern mit gesträubtem Fell. Corda war vor einer knappen Stunde gelandet. Auf der Erde war es Abend. Schwarze Sturmwolken jagten über den Himmel und ließen das Mondlicht nur als bleiche, schmale Streifen hindurch. Vom Meer wehte salziger Geruch herüber. In wenigen Minuten schon würde es Nacht sein. Die richtige Kulisse für dieses unheimliche Geschehnis, dachte Will Rimson. Unwillkürlich wich er einem Baumschatten aus, der durch die schnell vorüberziehenden Wolken genau auf ihn zukam. Er merkte, wie seine Hände zitterten. Alles war wie beim erstenmal, nur daß
es jetzt noch unheimlicher und befremdender wirkte. Der große Park vor der Villa lag verlassen da. Will Rimson atmete nur noch ganz flach und beobachtete dabei seinen Hund, der sich wiederum so seltsam benahm. „Wir sind gleich da", flüsterte der alte Mann mit einem ängstlichen Unterton in der Stimme. Rex Corda sah das merkwürdige Gebilde schon, als sie noch rund vierzig Schritte entfernt waren. Die Nadel schwankte und bebte, und ein leises, klagendes Wimmern durchzog den Park. Matt schimmerte sie im Mondlicht. Die Nadel strahlte aus sich heraus in einem seltsam fluoreszierenden Farbton, der ständig wechselte. Zur Zeit hatte sie eine schwachrosa Färbung angenommen. Rex Cordas Sondersinne wurden von einer wilden, chaotischen Erregung überflutet. Aber noch vermochte er gar nichts Genaues zu unterscheiden. Corda verzichtete darauf, seine Lampe einzuschalten. Das Licht, das die Nadel verbreitete, reichte aus, um alle Einzelheiten deutlich erkennen zu lassen. Links neben ihnen bog sich eine Palme im geisterhaft klingenden Abendwind. Ihre Wedel rauschten. Eine kurze Windböe fegte über den Park, und zur gleichen Zeit beugte sich auch die Nadel. Corda hatte den Gegenstand im selben Augenblick erreicht. Nur hatte er noch nicht die von Rimson im Geiste gezogene Linie überschritten. „Bleib hier", flüsterte Rimson. „Näher kann man sich nicht heranwagen, ohne von der unbekannten Aura erfaßt zu werden. Sie teilt elektrische Schläge aus. Jedenfalls habe ich beim erstenmal ein starkes Kribbeln gespürt." „Ich spüre nichts Derartiges. Aber du hast recht. Sie scheint tatsächlich zu le-
ben. Komisch, so etwas Merkwürdiges habe ich noch nie gesehen. Wer sie wohl erschaffen hat?" „Niemand!" Rimson warf wiederum einen scheuen Blick auf den abstrakt wirkenden Gegenstand. „Niemand hat sie erschaffen. Sie lebt wirklich, Rex, glaube es mir." „Hm, klingt reichlich phantastisch, nicht wahr? Nun, wir werden es feststellen." Rimson versuchte vergeblich, den Freund davon abzuhalten, den gedachten Kreis zu überschreiten. Corda ging weiter, ohne sich um den Protest des Alten zu kümmern. Ebenso ignorierte er die knurrenden Laute des Schäferhundes, dessen Augen wie gelbes Bernstein leuchteten. Cordas Distanz betrug nur noch zwei Meter. Jetzt blickte er nach oben. Die Nadel ragte sieben Meter in den wolkenbedeckten Himmel. Ihr Durchmesser an der Basis betrug etwa einen Meter. Wieder hatte sich ihre Farbe verändert. Sie leuchtete von unten die ersten drei Meter schwach weißlich, danach kam eine scharf abgegrenzte grünliche Barriere, während ihr Oberteil einen schimmernden Goldton angenommen hatte. An der Spitze befanden sich ein paar schalenförmige Einbuchtungen und drei sich verjüngende Löcher. Das hohle Klingen erzeugte der leise Wind, wenn er durch die Einbuchtungen pfiff. Es erinnerte Rex an fremde sphärische Musik, deren Bann sich kein Mensch zu entziehen vermochte. Aber da war noch ein anderes Geräusch. Ein Flüstern, das aus der Unendlichkeit zu kommen schien. Tausend Stimmen, die nichts Menschliches an sich hatten, wisperten geheimnisvoll durcheinander. Noch einen Schritt tat Corda vor. Da geschah etwas, das Rimson veranlaßte, schleunigst das Weite zu
suchen. Nukleon hatte die Ohren steil aufgerichtet und kroch, auf dem Bauche liegend, langsam zurück. Im selben Moment verspürte Corda die kraftvolle Ausstrahlung, die von der Nadel ausging. Seine tastenden Finger berührten das fremdartige Material. Es fühlte sich kühl und glatt an. Der sieben Meter hohe Körper bebte kurz, dann wurde aus dem undeutlichen Gewisper ein hallendes Wort. Glocken dröhnten in Cordas Kopf, er glaubte die Stimme durch das ganze Universum zu hören. Und doch war es nur ein leises Flüstern, das nicht einmal Will Rimson vernahm. „Schalmirane!" Cordas Kopf ruckte herum. Träumte er, oder hatte die Nadel tatsächlich gesprochen? Er blickte empor. Die Spitze der Nadel zog weite schwingende Kreise über den sich verfinsternden Himmel. Corda konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß sie gleich herabstürzte und ihn unter sich begrub. Leise wiederholte er das Wort: „Schalmirane." Es sagte ihm nichts. Aber es klang fremd und unwirklich. Es erinnerte an ferne Planeten, an unbekannte, geheimnisvolle Welten. Dann sah er das erste Bild. Es war unglaublich lebensecht und von zwingender Eindringlichkeit. Rex Corda sank vor den entsetzten Augen des alten Wissenschaftlers unmerklich in sich zusammen, bis sein Körper sich ausstreckte und auf dem weichen Boden lag. Rimson wagte keine Bewegung. Der alte Mann vermochte nicht zu fassen, was hier vorging. Er wußte nur rein instinktiv, daß er jetzt nicht eingreifen durfte. Die Nadel sprach zu Corda, der in einer traumhaften Umwelt schwebte. Er besaß keinen Körper mehr, ihm war, als schwebe er hoch oben im All.
Die Nadel veränderte sich und wurde zu einer Frau. Virginia Ramoni-Matson. Die Frau des Mutanten, der das Schirmfeld geöffnet hatte. Dann aber schrumpfte sie wieder zusammen und wurde zu dem Gebilde, das an eine hohe Nadel erinnerte. Die Parallel-Mutantin Ramoni war also im gleichen Prozeß größer geworden, nachdem sie eine Metamorphose durchgemacht hatte, während Matson sich ständig verkleinert hatte, thermische und kinetische Energie in sich aufnahm und abgeschleudert wurde. Die weiteren Bilder erschienen Corda wie ein Traum. Als aktiv beteiligter Zuschauer erlebte er, wie Matsons strukturgewandelter Körper Verbindung zu der Hypersphäre seiner Frau aufnahm. Die Mutantin empfing die Signale — und verstand sie. Er sah, wie Matson — jetzt in umgewandelter Form — einem Geschoß gleich, in den Boden einer fremden Welt einschlug. Und diese Welt nannte sich Schalmirane! Rex Corda begann die ersten Zusammenhänge deutlich zu erfassen. Ein staubbedeckter Kleinplanet entstand vor seinem geistigen Auge. Lange Staubfahnen wallten hoch und legten sich wie Riesenschleier über die Einschlagsstelle. Der Mutant versuchte, sich an die Oberfläche des Kleinplaneten emporzuarbeiten. Mit Hilfe seiner steuerbaren Energie gelang ihm das Vorhaben. Langsam schob er sich nach oben. Da rissen die Bilder unvermittelt ab. „Fred Matson möchte dich sprechen, Rex Corda!" tönte es noch einmal in seine Gedanken. Corda zuckte zusammen. Das Erwachen war wie ein brutaler Schock. Die
Farben waren verblaßt, das Flüstern und die tausend Stimmen erstorben. Benommen fuhr er hoch. Zuerst hatte er das Gefühl, aus einem tiefen Schlaf zu erwachen. Erst dann kehrte sein Bewußtsein wieder zurück und zeigte ihm die Umwelt, in der er sich befand. Noch immer jagten die Wolken über den dunklen Himmel, und ein staubiger Wind blies ihm ins Gesicht. Die Nadel war grau und dunkel, sie unterschied sich kaum noch von der nächtlichen Umgebung. Nur am oberen Teil leuchtete es sekundenlang noch einmal wie eine Mahnung auf. „Fred Matson möchte dich sprechen, Rex Corda!" Rimson war nur noch ein zitterndes Nervenbündel, als Corda sich ihm näherte. „Hast du es auch gehört, Alter?" Der Wissenschaftler schüttelte verneinend den Kopf. In seinem Gesicht, das ab und zu von bleichen Mondstrahlen beschienen wurde, zuckten die Muskeln. „Ich habe überhaupt nichts gehört, obwohl es eine unheimliche Angelegenheit war. Aber es stimmt, die Nadel, oder was immer das Gebilde auch sein mag, hat zu dir gesprochen." „Ja. Die Nadel ist übrigens die umgewandelte Mutantin Ramoni. Du solltest dir die weitere Suche nach ihr ersparen." Corda berichtete in kurzen Worten sein Erlebnis. Rimson konnte nur fassungslos den Kopf schütteln. Er kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. „Und was hast du jetzt vor?" wollte er wissen. Corda benötigte drei Sekunden. Dann hatte er seinen Entschluß gefaßt. Ein heißer Schreck durchfuhr ihn. „Mein Gott. Jetzt ist mir alles klar. Oben im Asteroidengürtel ist man dabei, die Station anzugreifen. Javan will sie vernichten, obwohl ich ernstlich dar-
an zweifle, daß es ihm gelingen wird. Erzähle niemandem von dieser Mutantin. Wissenschaftler aus aller Welt würden kommen, um das Phänomen zu untersuchen. Und das gefällt mir nicht. Andererseits wird es wohl auf die Dauer kein Geheimnis bleiben können. Wir wollen aber kein Aufsehen erregen. Alles klar, Alter?" Rimson nickte. „Du sagtest vorhin das Wort Schalmirane zu mir. Was bedeutet es?" „Das muß die Station sein, die man jetzt angreift. Sie ist ganz überraschend zum Leben erwacht. Wo ist denn der Hund geblieben?" Rimson sah sich um. Nukleon lag hechelnd am Boden, seine braunen Augen blickten die Männer vorwurfsvoll an. Der Ansturm geistiger Kräfte hatte sich auf das empfindsame Telepathenhirn des Hundes ausgewirkt. Nukleon war erschöpft und verängstigt. „Hm. Das scheint ihm nahegegangen zu sein. Ich lasse Nukleon beim nächsten Mal lieber nicht mehr so dicht an die Mutantin heran." Stumm sah Rimson auf das Lebewesen, das dort im Park stand und ewig dort stehen würde, denn eine Rückwandlung schien ausgeschlossen zu sein. * Die zentrale Steuerpositronik begann ganz unerwartet zu vibrieren. Erschütterungen liefen durch den Raum, in dem sie stand. Ein Stromkreis schloß sich funkensprühend, und ein Kontakt erwachte zum Leben. Weitere Stromkreise wurden durch den ersten aktiviert. Die Station streckte ihre Fühler aus und tastete den mechanischen Komplex ab, der jetzt ebenfalls aus der Ruhe gerissen wurde. Noch immer lief die Erschütterung durch den Boden.
Die gigantische Anlage benötigte eine Weile, um ihre einzelnen Sektoren zu aktivieren. Tief im Innern begannen die Kraftwerksäle zu dröhnen. Ein Transportband brachte kompakte Blöcke auf einem Laufband heran und schob sie in die gähnenden Schlünde der gefräßigen Energiestationen. Gleich darauf kam der Schaltimpuls an die Sektion 390. Vier Giganten, jeder sechs Meter hoch und mit einem schwenkbaren Drehkranz auf dem konisch verlaufenden Körperteil ausgerüstet, gerieten in Bewegung. Ihre Abtastimpulse stellten fest, daß sich kein Unberufener in dem Komplex aufhielt. Die vier Ungeheuer aktivierten unverzüglich die Gruppe der Arbeitsroboter, die nach eventuellen Fehlerquellen suchten. Es gab keine. Nur das Hauptrelais wies eine leichte Verformungserscheinung auf, die aber relativ unbedeutend war. In der zentralen Steuerpositronik klickten weitere Schaltrelais. Sie registrierten ganz nüchtern und unbeteiligt die Tatsache, daß einer vorübergehenden Inaktivität der Fehler zugrunde lag. Die logistische Sektion gab die Auswertung an die Positronik weiter. Der inaktive Zustand hatte sich über einen Zeitraum von einer Million, vier Komma drei Hexon erstreckt. Nach irdischer Zeitrechnung entsprach das einer Dauer von annähernd drei Millionen Jahren. Die Störungsquelle wurde von dem ausgesandten Kommando nicht entdeckt. Sie machten aber eine andere befremdende Entdeckung. Auf Schalmirane war ein nicht identifizierbarer Brocken eingeschlagen. Seine Masse schickte sich gerade an, die Oberfläche zu erreichen. Die Positronik sandte weitere Impulse aus. Über Schalmirane flammten plötzlich
die gleißenden Energien eines vierfach gestaffelten Schirmes auf. Für den Fremden gab es von nun an kein Entrinnen mehr. Er war in der Raumfestung Schalmirane gefangen. Die Sektion forschte weiter und stellte fest, daß sie bedroht wurde. Aufgefangene Gedankenfetzen von humanoiden Lebensformen wurden analysiert und verwertet. Die Gedanken waren von Feindschaft erfüllt. Die Humanoiden wollten angreifen. Jetzt war auch die letzte Station zum Leben erwacht. Der Zentralautomat schickte sich an, diese Bedrohung abzuweisen. Der Impuls ging an die feuerbereiten Waffenzentralen. Staub wallte von der Oberfläche hoch. Der Boden wurde durch starke Vibrationen erschüttert. Und dann tauchte die erste Waffenkuppel aus dem Nichts auf. * Rex Corda öffnete die Luftschleuse der kleinen Raumjacht. Als er die Zentrale betrat, schrak er leicht zusammen. Ein leises, schabendes Geräusch ertönte aus dem Innern. Corda zog den Strahler, dann stellte er sich neben das Doppelschott und wartete. Reglos lauschte er auf weitere Geräusche. Jemand schlich durch den Raumer! Und dieser Jemand schien es auf ihn abgesehen zu haben. Er entsann sich Rimsons Worte. Ein Orathone war durch den Park geschlichen und hatte versucht, auf den alten Mann zu feuern. Der Druckausgleich war längst erfolgt, aber immer noch wartete Rex. In der rechten Hand den Strahler haltend, warf er sich gegen das Schott, das sofort unter dem Druck nachgab und sich öffnete. Rex Corda schoß mit einem blitzschnellen Satz mitten in die kleine Zentrale.
Der Strahler wirbelte hoch ... Will Rimson lachte laut und mekkernd. „Wer wird denn auf seinen besten Freund schießen, he?" Corda sah fassungslos auf den alten Mann, der sich im Kommandantensessel rekelte. Verblüffung malte sich auf seinem Gesicht. „Wie kommst du denn hier herein, Will? Zur Hölle! Beinahe hätte ich dich erschossen." „Nun, man hat eben so seine Tricks", erklärte der Alte. „Ich bin nur ein wenig früher losgeflogen als du. Schließlich kann ich dich dort oben nicht allein herumlaufen lassen. Aber jetzt sollten wir ernstlich unseren Start vorbereiten. Irgendwie habe ich das Gefühl, als ob wir sonst zu spät kommen." Cordas anfänglicher Ärger wandelte sich in Belustigung. Rimson hatte drei und drei zusammengezählt und seine eigenen Schlüsse gezogen. Die Bilanz seiner angestellten Überlegungen saß jetzt höchst persönlich vor ihm. Der Alte wollte unbedingt dabei sein. Sein Forscherdrang war erwacht. Er vermutete eine ganz große Sache. „Und wo ist Nukleon?" Die Antwort kam aus einer anderen Ecke. Nukleon bellte kurz. „Ein Hund im Weltraum", stöhnte Corda. „Findest du nicht, daß es ein bißchen zu weit geht?" Will Rimson schien sich ungemein wohl zu fühlen. „Keineswegs. Bedenke bitte, daß die Hunde schon lange vor den Menschen im Weltraum waren. Ich erinnere mich an die ersten Satelliten, die Terra umkreisten." Corda gab es auf. Gegen die durchschlagenden Argumente des Alten gab es keine logische Widerrede. Rimson sprach während der ganzen Fahrt kein Wort. Wenn er nicht schlief,
begann er Berechnungen anzustellen, in denen Corda keinen Sinn erkannte. Spät am anderen Morgen erst erreichten sie den Asteroidengürtel. Corda sah das helle Leuchten und die lohenden Gasfackeln. Dazwischen explodierten kleine grellweiße Sonnen. Die Laktonen hatten es immer noch nicht aufgegeben. Der Angriff auf die Station war in vollem Gang. * Mit Hilfe seines mutierten Gehirns errichtete Fred Matson ein konstantes Schwerefeld. Es war ganz einfach. Er konzentrierte sich auf eine leichte Energieabgabe seines Körpers und schuf gleichzeitig einen gravitationsmechanischen Gegenpol. Er stieg sofort auf eine Höhe von zwei Metern und begann zu schweben. Aber er sah immer noch nichts. Die Welt um ihn herum war in schweigendes Dunkel gehüllt. Wieder unterzog er seinen neuerhaltenen Körper einer kritischen Selbstbetrachtung. Er wußte, daß er die Form eines Geschosses besaß. Dagegen ließ sich nichts machen, er konnte die Struktur nicht grundlegend verändern; wenigstens vorerst nicht. Die ungeheuren Energien hatten ihn verformt und schrumpfen lassen. Und sie hatten ihm diese merkwürdige Gestalt aufgezwungen. Mehrere Minuten lang stand er reglos über der Oberfläche einer fremden Welt. Dann ließ er sich fallen. Der Boden war hart und steinig, und seine Oberfläche war von einer nachgiebigen Schicht bedeckt. Staub der Jahrtausende, dachte Matson. Er konzentrierte sich jetzt mit aller Macht seines Bewußtseins auf eine optische Wahrnehmungsmöglichkeit.
Vage, undeutliche Schatten tauchten vor ihm auf. Auf der rechteckigen Oberfläche seines Körpers bildete sich ein winziger Kristall. Licht trennte sich von Schatten. Die Schwärze verschwand und machte einem diffusen Licht Platz. Die Konturen einzelner Gegenstände erhoben sich wie schweigende Dämonen, die von allen Seiten drohend auf ihn einstürzten. Matson schwebte weiter. Er besaß nicht das optische Wahrnehmungsvermögen eines Menschen, aber er konnte seine Umwelt auf andere Art erkennen. Der Kristall ertastete sie und schickte ein Infrarot-Muster an das Nervensystem. Im gleichen Augenblick hatte er das Gefühl, alles mit seinen eigenen Augen zu sehen. Eine fremdartige, unheimliche Welt tauchte auf. Matson spürte das harte Vibrieren, das durch den Boden lief und ihn erschütterte. Wo war er gelandet? Hart vor ihm erhob sich der Staub, bildete einen kleinen Trichter und wirbelte dann immer schneller auseinander. Matson schwebte ein Stück weiter. Etwas Unerklärliches ging hier vor. Seine Kristall-Optik ertastete ein bestürzendes Bild. Aus dem Boden kroch ein glänzendes Gebilde. Es schüttelte den Staub ab und wuchs immer höher hinaus, bis es auf gleicher Höhe mit dem Mutanten stand. Eine kleine schwarzglänzende Kuppel schwenkte gemächlich herum. Ein dünnes Rohr wies auf ihn. Matson stieg noch einen Meter höher. Sofort machte das Rohr die Drehung mit. Der Mutant fühlte sich von tausend fremden Augen belauert. Gleichzeitig brach aus allen Ecken dieser mysteriösen Welt ein orangefarbenes Flimmern hervor. Es badete alles in schwache Helligkeit und vermischte sich mit dem Ab-
glanz des natürlichen Sonnenlichtes. Matson, dessen Überblick immer noch stark begrenzt war, empfand eine unerklärliche Angst. Aufgeregt schickte er stärkere Strahlen hinab, um sich von der Bodenfläche abzustoßen. Aber es war schon zu spät. Das Rohr bebte, dann brach eine gleißende Lichtflut daraus hervor. Sie schoß auf Matson zu und traf ihn mit unglaublicher Gewalt. Eine Strahlwaffe, dachte er noch, und dann wirbelte ihn die ungeheure Auftreffenergie davon. Er stieg höher und höher, beschrieb einen weiten Bogen und schlug eine Kreisbahn ein. Er wunderte sich, daß die Energien ihn nicht vernichteten. Vermutlich hing das mit seiner neuen Struktur zusammen. Ich muß noch viel lernen, dachte er gleichmütig. Ich muß mich dieser neuen Umwelt anpassen, oder sie vernichtet mich. Ganz ruhig konzentrierte er sich wieder auf das Absinken. Das Angstgefühl war gewichen, es machte nun einer stoischen Gleichgültigkeit Platz. Matson wußte, daß er nie wieder Angst empfinden würde. In seinem Innern lief ein Prozeß ab, der ein völlig anderes Denken erforderte. Man hat also auf mich geschossen, überlegte er weiter. Ich habe die kinetische Energie absorbiert, indem ich davontrieb und die thermische Energiemenge in mich aufgenommen habe. Wenn das auch in Zukunft so bleibt, bin ich unverwundbar. Oder ich könnte jederzeit zurückfeuern. Ein winziger belustigender Gedanke bildete sich in seinem komplizierten Extragehirn. Er stieg ab und ließ einen gebündelten Energiestoß auf das Rohr los, das ihn unter Feuer genommen hatte. Die Kuppel zog sich sofort wieder in
den Boden zurück und verschwand. Aber eine andere begann zu feuern. Sie traf ihn mehrmals, ohne Schaden anzurichten. Er zwang seinen neuen Körper in eine andere Richtung. Von dort aus kam ein monströses Gebilde herangeschossen. Sonnenhelle Lichtschüsse rasten auf ihn zu. Aber aus einem unbekannten Grund zerstoben sie in einem funkensprühenden Feuerwerk, noch bevor sie ihn erreichten. Und dann brach auf dieser seltsamen Welt die Hölle los. * Jakto Javan sah müde und abgespannt aus. Der Flottenbefehlshaber mußte hilflos zusehen, wie seine stärksten Waffen nacheinander an dem Schirmfeld versagten. Dieser Schirm schien noch undurchdringlicher zu sein als der von den Orathonen erstellte. Die Männer sahen hoch, als Corda mit dem alten Mann die Zentrale betrat. Nukleon hielt sich im Hintergrund. Sein empfindliches Gehirn erfaßte die Gedanken der Laktonen. Er analysierte Ängstlichkeit und Befremden. Äußerstes Mißtrauen schlug ihm entgegen. Die Laktonen wußten nicht, wie sie sich dem Tier gegenüber verhalten sollten. Corda sah den mächtigen Schento fragend an. Er wußte auch so, daß die Bemühungen der Laktonen erfolglos geblieben waren. „Haben Sie den Kleinplaneten inzwischen vernichtet?" erkundigte er sich sarkastisch. Javan winkte verächtlich ab. „Noch nicht. Aber es wird nur eine Frage der Zeit sein. Außerdem haben wir noch längst nicht alle Waffen an dem Schirm erprobt." „Wirklich nicht? Ich wollte Ihnen ge-
rade raten, die Angriffe einzustellen. Sie sind ohnehin sinnlos geworden." „Aha. Sie haben wieder etwas Besseres?" höhnte Javan. „Kaum. Zumindest habe ich keine Superwaffen anzubieten. Auch keine Mutanten, die das übernehmen könnten." „Vermutlich wollen Sie die Fremden jetzt darum bitten, daß sie den Schirm öffnen." Corda ließ sich nicht beirren. Mit dem gewohnten freundlichen Lächeln nickte er. „Genau das habe ich vor. Stellen Sie mir einen wendigen Kleinraumer zur Verfügung sowie einen Raumanzug. Ich werde hinüberfliegen und mir den Schirm einmal aus der Nähe ansehen." Die Nachricht schlug wie eine Bombe ein. „Begehen Sie lieber gleich Selbstmord", riet der Schento. „Sie glauben doch nicht ernstlich, daß Sie sich dem Planetoiden mit einem Raumer nähern können, ohne vernichtet zu werden?" Corda ging auf diesen Einwand nicht ein. „Ich habe noch eine Bitte. Dieser Mann ist ein Wissenschaftler auf der Erde. Würden Sie ihm das Observatorium zur Verfügung stellen? Mich interessiert die Frage, um welchen Planetoiden es sich handelt. Da er sich im Asteroidengürtel befindet, muß er auch auf den irdischen Sternenkarten verzeichnet sein. Die terranischen Sternwarten möchte ich aus naheliegenden Gründen vorerst nicht benachrichtigen." „Bitte!" Der Schento machte eine einladende Handbewegung. „Wenn Ihr Bekannter sich sofort zurechtfindet, kann er den Raum benutzen." Verblüfft sah er auf den Hund, der verächtlich die Schnauze hob, seinen Schwanz stellte und grenzenlos überlegen hinausging. Als Corda sich umwandte, sah er in
die erstaunten Gesichter einiger Laktonen. Eine ausgestreckte Hand deutete auf den Holografen. „Eine Veränderung ist eingetreten", meldete der Beobachter. Das „Ding" hatte sich näher herangeschoben. Seine unscharfen Konturen wurden langsam wieder sichtbar, während gleichzeitig eine sanfte Glut auf der Oberfläche erstrahlte. Den staunenden Blicken der Betrachter bot sich ein seltsames und eigenartiges Bild. Ein grünlich leuchtender Gegenstand schwebte in knapp zwei Meter Höhe über den Boden. Er besaß die Form eines länglichen Steines. Unruhig zog er dahin, verharrte und sank dann tiefer. Das war es aber nicht, was die Männer zu ihren erstaunten Ausrufen veranlaßte. Das Etwas wurde pausenlos von unbekannten Waffen beschossen, und es saugte die Energien mühelos in sich auf, ohne Schaden zu nehmen. „Was kann das schon wieder sein?" fragte Jakto Javan. Er sah Corda in die blauen Augen. „Bestehen Sie noch immer auf Ihrem Wunsch, dort hinüberzufliegen?" „Natürlich. Ich habe keine Veranlassung, meine Meinung zu ändern. Und ich bin sicher, dort etwas zu entdecken, das uns der Lösung des Rätsels ein gewaltiges Stück näherbringt." „Dann sind wir genau entgegengesetzter Meinung. Ich verspreche mir nichts davon. Der Raumer wartet übrigens, Corda. Weshalb haben Sie nicht den Gleiter genommen, mit dem Sie herkamen?" Cordas Gesicht blieb ausdruckslos. Es war nicht erforderlich, daß der Schento seine wahren Absichten kannte. Denn schließlich hatten sich die Laktonen ja auch nicht immer korrekt verhalten.
„Der Gleiter erschien mir etwas zu groß. Vermutlich würde man es als störend empfinden, wenn ich dort mit einem großen Schiff auftauche. Mit dem Kleinstraumer wird man aber fraglos erkennen, daß wir keine bösen Absichten verfolgen." „Das ist also der wahre Grund", äußerte Javan. Sein Lächeln hatte immer noch nichts von seiner Ironie eingebüßt. „Oder sollte es noch andere Gründe geben?" „Nicht daß ich wüßte." „Gut. Sie können starten. Einen Anzug können Sie sich ebenfalls in der Ausgabeabteilung holen." Javan wandte sich ab. Dann fiel ihm etwas ein. „Ach ja, ich vergaß. Percip wird Sie begleiten. Mehr Leute haben leider im Raumer keinen Platz. Haben Sie Einwände?" Der Schento hat mich also durchschaut, dachte Corda. Er wußte, daß er keinen Laktonen bei dem Unternehmen dabei haben wollte. Deshalb hatte er nur kurz mitgeteilt, daß ein Laktone ihn begleiten sollte. Als Corda sich verabschiedete, trat Will Rimson ein. Der alte Wissenschaftler strahlte über das ganze Gesicht. „Ich habe es herausgefunden. Der Planetoid heißt Hidalgo, mit der Nummer 944. Komisch, jetzt möchte ich nur wissen, was Schalmirane bedeutet." * Immer mehr hatte sich die Umwelt verändert. Matson nahm ein undefinierbares Gemisch von Farben und Tönen wahr. Das Orgeln und Brausen erfolgte über eine Hyperfrequenz. Für jeden anderen war es also unhörbar. Der Mutant versuchte, Verbindung aufzunehmen. Dazu war eine Konzentration erforderlich, die seine ganze
Kraft kostete. Er ließ sich absinken, schlug in den Staub ein und begann einen Ruf auszustrahlen. Schon nach kurzer Zeit spürte er, wie sich etwas Unbekanntes in seine Gedanken tastete. Vorsichtig analysierte er die fremden Impulse. Sie kamen von der fernen Erde! Ein paar weitere Sekunden war der Kontakt mit dem Unbekannten endgültig hergestellt. Seine unhörbaren Rufe wurden auf genau der gleichen Frequenz beantwortet. Dann kam es wie ein Schlag über Matson. Dieser andere Sender war niemand anders als seine Frau, die sofort auf die übergeordneten Impulse angesprochen hatte. Matsons Konzentration brach zusammen. Es geschah ganz plötzlich und unerwartet. Die Verbindung riß ab. Der Sender schwieg. Als er erneut versuchte, eine weitaus stärkere Hypersendung auszustrahlen, spürte er die fremde Ausstrahlung noch deutlicher. Sein Sender wurde überlagert. Es war ein hohes, pfeifendes Geräusch, das sich eine Zeitlang konstant hielt und dann jäh in ein dumpfes Murmeln überging. Und noch etwas fiel Matson auf. Die mächtigen Waffentürme hatten abrupt ihr Feuer eingestellt. Einige der Kuppeln versanken wieder im Boden, während andere sich drehten und in eine andere Richtung einschwenkten. Aber sie schössen nicht. Das dumpfe Murmeln wechselte in hellere zirpende Laute. SCHALMIRANE! Überdeutlich und klar vernahm er den Ruf des fremden Senders. Matson blieb ruhig liegen. Er konnte sich nicht vorstellen, wer den Ruf aus-
gestrahlt hatte. Aber er mußte auf irgendeine Art mit der fremden Umwelt in Verbindung stehen. Ein kurzer Impuls, den er in das Willenzentrum seines Gehirns schickte, schob das optische Linsensystem weiter hinaus. Helles Licht brach sich in dem Kristall. Matson konnte jede Einzelheit erkennen. Ein staubbedecktes Ungeheuer kroch über die Oberfläche der fremden Welt. Es näherte sich ihm. Hohe, dünne Spinnenbeine schoben den Leib vorwärts. Das Wesen kam von rechts genau auf ihn zu. Seine Absichten waren unverkennbar. Es wollte ihn vernichten. Ein mattgelb schimmerndes Riesenauge, das in unregelmäßigen Abständen aufblinkte, saß auf dem Rumpf. Fred Matson verhielt sich passiv. Er wußte, daß er relativ unverwundbar war. Wenigstens nahm er das an. Die hohen stählernen Beine verharrten dicht vor ihm. Staub wurde aufgewirbelt, der sich nur träge wieder senkte. Das Monstrum fuhr eine dünne lange Schnur aus, die es dicht vor seinem „Auge" hin und her schwenkte. Matson hielt das für einen Angriff. Er entzog seinem umgewandelten Körper eine geringe Energiemenge, bündelte sie und schickte sie dem Monstrum entgegen. Der Strahl traf eines der Spinnenbeine. Das Ungeheuer zog sich sofort zurück, als empfände es Schmerzen. Unterhalb des Rumpfes wurde das Bein abgeschmolzen. Die stählerne Spinne knickte ein. Die Stahlschnur hieb wütend in den Boden, und die Beine erzeugten eine Wolke dichten Staubes. Matson wartete reglos ab. Der zweite Angriff kam überraschend schnell. Die stählerne Schnur schlang sich um
ihn und hob ihn mit einem scharfen Ruck über den Boden. Der Mutant wehrte sich nicht. Er hätte das Ungeheuer mit einem kurzen Energiestoß vernichten können. Aber damit hätte er immer noch nicht gewußt, was man mit ihm vorhatte. Vorsichtig schickte er einen hypertelepathischen Impuls aus. Das Ding blieb sofort stehen. Das gelbe Auge leuchtete intensiver und tastete sich dicht an sein Linsensystem heran. „Schalmirane!" wisperte Matson. Die Schnur öffnete sich, wurde lang ausgerollt, und Matson fiel in den dichten Staub. „Wer bist du?" vernahm er eine telepathische Stimme, die sich auf seine Hyperfrequenz geschaltet hatte. Matsons empfindsame Gehirnströme erfaßten im Sekundenbruchteil den Gedankeninhalt des Fremden. Jemand hatte telepathisch über die Spinne gesprochen. Sie wurde von diesem Jemand gelenkt und gesteuert. Der Unbekannte wollte vorerst noch im Hintergrund bleiben. Was in dem kurzen Bruchteil auf Matson einstürmte, war so ungeheuerlich, daß er alle Mühe hatte, ruhig zu bleiben. Er gab keine Antwort und tat, als habe er die Frage nicht gehört. Dann kam wieder das Wispern durch. Es erschreckte Matson. Aber er ließ sich nichts anmerken. Es war so geheimnisvoll wie alles um ihn herum. Und die Stimme gab ihm ein Rätsel auf, das er nicht zu deuten wußte. „Der Geist liegt in Fesseln, aber das Licht wird durch die Ewigkeit strahlen." Matson überlegte. Der Fremde hatte einen Schirm gebildet, der seine Gedanken verbarg. Matson wehrte sich jetzt nicht mehr, als das Spinnenungeheuer ihn wieder aufhob und forttrug. Er merkte nur noch, daß er irgendwo
in eine bodenlose Tiefe fiel. * Die Steuerpositronik tastete das Individualmuster des Fremden ab, der so überraschend in der Festung aufgetaucht war. Wenn der Begriff Verwirrung für eine fünfdimensionale Positronik Gültigkeit gehabt hätte, dann wäre er hier angebracht gewesen. Das Etwas ließ sich nur sehr schwer einordnen. Es war hypertelepathisch, besaß vernichtende Waffen und konnte sein energetisches Eigenpotential nach Belieben steuern und formen. Praktisch war es nicht vernichtbar! Die Positronik entschied über eine Verbindungsaufnahme zu dem Fremden. Der Logik-Sektor und die mathematischen Sektionen stimmten zu. Der erste Kontakt-Versuch mit dem Fremden wurde durch ein einzelnes Wort hergestellt: Schalmirane. Das Etwas reagierte nicht. Seine hypertelepathischen Ströme zeigten leichtes Erschrecken. Danach errichtete es eine Sperre und war nicht mehr ansprechbar. Aber es hatte zu spät reagiert. Die Fundamental-Speicher des Supergehirns hatten bereits die ersten Daten dem fremden Hirn entnommen. Der Umriß war lang und kompliziert. Aber er resultierte in einem einfachen Satz: Der fremde Struktur-Energetiker war nicht mit feindlichen Absichten gekommen. Er schien verwirrt, das war alles. Die logistische Auswertung ergab jedoch andererseits zwei weitere bestürzende Tatsachen: Was wollte der Fremde hier — und aus welchem Grunde war er nach Schalmirane gekommen? Und:
Er hatte einen Hyperspruch zum dritten Planeten abgesetzt. Weshalb? Bestand ein Zusammenhang zu den tausend Raumschiffen, die mit aller Gewalt die Raumfestung Schalmirane zu sprengen versuchten? Ein winziger Roboter wurde ausgeschickt, um den Fremden zu holen. Es war der kleinste Roboter, den die Festung besaß. Man wollte den Fremden nicht unnötig erschrecken. Die stählerne Spinne raste los. Nach irdischen Begriffen war sie immerhin sechs Meter hoch. Sie würde den Fremden einsammeln. * Die einseitigen Kampfhandlungen wurden eingestellt. 944 Hidalgo hatte die pausenlosen Angriffe auf seine Schutzschirme ignoriert. Die Station wehrte sich nicht. Nur die Oberfläche befand sich in einer laufenden Veränderung. Die Farben durchliefen alle Spektralmuster. Rex Corda wartete im offenen Schleusenhangar des Flottenflaggschiffes auf den Abschußimpuls. Neben ihm saß der Laktone Percip. 944 Hidalgo stand jetzt wieder bewegungslos im Raum. Aber der Planetoid lebte, daran herrschte nicht der geringste Zweifel. Corda schloß seinen Raumhelm und nahm eine Sprechprobe mit Percip und dem Flaggschiff vor. Anschließend kam der Impuls. Der kleine Raumgleiter schoß vor und näherte sich Hidalgo, der im gleichen Augenblick seine Schutzschirme wieder verdunkelte. „Eine höchst merkwürdige Sache", meinte Percip, der angestrengt vorausstarrte. „Ob die Station nicht damit einverstanden ist, daß wir ihr einen Besuch abstatten?"
Corda gab keine Antwort. Tief in Gedanken versunken, hatte sich sein Körper entspannt. Er schien weit weg zu sein. „Hallo, Corda! Was ist? Fehlt Ihnen etwas?" Als immer noch keine Antwort erfolgte, rüttelte Percip an der Schulter des jungen Präsidenten. Corda wandte sich unwillig um. „Mann, ich befürchtete schon, Sie hätten einen Schlag erlitten. Wohl nicht mehr ganz bei der Sache, wie?" „Ganz im Gegenteil", versicherte Corda. „Ich habe mich eben unterhalten." „So?" forschte Percip argwöhnisch. „Darf man fragen, mit wem?" „Hm. Das sollte natürlich ein Witz sein", gab Corda einsilbig zurück. Wieder horchte er in sich hinein. Da war eine Stimme, die aus der Unendlichkeit kam. Unhörbar befand sie sich in seinem Gehirn und versuchte ihn pausenlos zu erreichen. Aber die ferne Stimme war undeutlich und verzerrt. Corda konnte sie nur mit seinen weitgeöffneten Sondersinnen aufspüren. Für Percip mußte sie verborgen bleiben. Eine Weile horchte er in sich hinein, dann vernahm er ganz deutlich seinen Namen. Cordas Verblüffung wuchs ins Grenzenlose. Jemand, der sich dort auf 944 Hidalgo befand, kannte seinen Namen. Sofort tauchte in seinem Gehirn ein weiterer Name auf. Matson. Ebenso klar und deutlich ausgesprochen wie sein eigener. Schlagartig überblickte Corda die Lage. Der Kleinplanet Hidalgo war identisch mit der Raumfestung Schalmirane. Die Nadel hatte ihm die volle Wahrheit vermittelt. Der Beweis war jetzt unumstößlich. Matson war auf Hidalgo oder Schalmirane eingeschlagen, nachdem
der Energiestoß ihn abgeschleudert hatte. Und jetzt versuchte er, mit ihm, Corda, in Verbindung zu treten. Hart vor dem energetischen Sperrschirm stoppte der Gleiter. „Wir können nicht mehr weiter", sagte Percip. „Hier an dem Schirm ist unser Weg zu Ende. Was wollen Sie jetzt unternehmen?" „Ich weiß nicht", meinte Corda ehrlich. „Ich habe keine Ahnung, wie es weitergehen soll. Vielleicht sollten wir warten." Percip schien nicht sehr begeistert zu sein. „Worauf? Auf die nächsten tausend Jahre? Drüben lacht man sicher über uns." „Warum? Es können auch Wesen sein, die den Begriff des Lachens nicht kennen. Meiner Ansicht nach besitzen sie ohnehin eine Mentalität, die stark von der unseren abweicht." Percip schluckte trocken. Eine halbe Stunde verging, in der sich nichts ereignete. Vom Flaggschiff kamen die ersten ungeduldigen Anfragen. Jakto Javan glaubte nicht mehr an einen Erfolg. „Kehren Sie um!" riet er. „Es hat keinen Zweck. Ihre gute Absicht in allen Ehren, aber man will einfach nicht reagieren. Haben Sie diese Möglichkeit schon in Betracht gezogen, Corda?" „Sie werden mißtrauisch sein. Vergessen Sie nicht, daß die Station vorher unter Dauerbeschuß stand." „Melden Sie sich wieder, sowie Sie etwas Neues entdeckt haben." Javan schaltete ab. Sein Gesicht verschwand von dem kleinen Bildschirm. Corda ließ den Ringwulst in seinem Helm einschnappen, den er vorher zurückgeklappt hatte. „Ich werde aussteigen", verkündete er dem sprachlosen Laktonen. „Vielleicht geschieht dann etwas."
„Dann gehe ich mit." „Bleiben Sie lieber an Bord. Alles weitere werden wir dann sehen." Percip sah ein, daß ein Widerspruch sinnlos war. Corda würde sich nicht von seinem Vorhaben abbringen lassen. Der Terraner öffnete die Schleuse, wartete, bis der Ausgleich stattfand, und ließ das Außenschott in die Halterung einrasten. Corda schwebte jetzt frei im Raum. Je näher er der Barriere kam, desto mehr begann sich die Oberfläche in einem goldenen Licht zu zeigen. Dennoch ließ sie keine genaue Orientierung zu. Man sah nur Schatten und dunkle Silhouetten. Immer näher kam Corda dem Feld. Er verspürte keine Ausstrahlung, nur das Gewisper war da und schien ihn in eine bestimmte Richtung zu lenken. Plötzlich merkte er, wie er von einem leichten Sog erfaßt wurde. Hinter ihm stand die Raumscheibe als dunkler Fleck gegen die grell erleuchteten Umrisse des Flaggschiffes. Im Helmempfänger krachte Percips Stimme. „Vorsicht, Corda! Dort unten tut sich wieder etwas. Gehen Sie nicht näher heran, Sie kommen doch nicht durch das Feld." Corda war anderer Ansicht, aber er schwieg. Seine Vermutung war so phantastisch, daß er sich scheute, sie dem Laktonen mitzuteilen. Man hatte offensichtlich nicht die Absicht, auch nur einen Laktonen durch das Feld zu schleusen. Die Gründe dafür kannte Corda nicht. Die Herren von Schalmirane würden aber unter Umständen die Anwesenheit eines Terraners dulden. Als er mit seinen Gedanken so weit gekommen war, durchzuckte ihn ein plötzlicher Schreck. Der Sog war nun so stark geworden,
daß sein Mikrotriebwerk nicht mehr dagegen ankam. Immer weiter riß es ihn fort. Und dann öffnete sich plötzlich und unerwartet der Schirm. * Matson merkte am Fallen, daß es immer weiter abwärts ging. Ein dunkler Schacht nahm ihn auf, verschluckte ihn und riß ihn in die Tiefe. Er wüßte nicht, daß eine komplizierte Positronik jede seine Bewegungen belauerte. Er versuchte seinen Fall zu bremsen. Dann merkte er, daß aus dem raschen Dahingleiten ein langsames Schweben geworden war. Endlich kam er zum Stillstand. Die Spinne war verschwunden. Aber irgend jemand war nicht damit einverstanden, daß er jetzt reglos inmitten der fremden Umwelt verharrte. Starke Kräfte ergriffen ihn und versuchten ihn fortzuziehen. Aus der Finsternis kam ein leuchtender Greifer. Matson wurde gepackt und weiter herabgezogen. Er konzentrierte sich, bildete einen hochgebündelten Energiestrahl und trennte den Greifer ab. Die Antwort waren zwei lohende Strahlschüsse, die ihn voll trafen, aber keinerlei Schaden anrichteten. Er stemmte sich mit schnellerrichteten Energiefeldern gegen den gravitationsmechanischen Zug und blieb in der Schwärze bewegungslos hängen. Dann suchte er sich seinen Weg selbst. Er wollte dem Unbekannten nur beweisen, daß er aus eigenen Entschlüssen handelte und sich nicht zwingen ließ. Matson sank immer tiefer. Undeutlich schimmerte ein schwaches Licht aus der Ferne herauf. Schemenhaft glitten Wände aus blan-
kem Metall an ihm vorbei. Plötzlich blieb er abrupt auf der Stelle stehen. Wieder vernahm er das Gewisper. Jemand tastete sich in seine Bewußtseinssphäre hinein. Er vernahm sinnverwirrende Begriffe, mit denen er nichts anfangen konnte. Sie waren unbestimmt und verzerrt. Dieser Jemand versuchte wieder auf seine Hyperfrequenz zu gelangen, aber das war aus irgendeinem Grunde nicht möglich. Dafür hielten ihn starke Felder in der Schwebe und ließen ihn nicht mehr tiefer hinab. Matson war entschlossen, bis zum Kern dieser gewaltigen Anlage vorzudringen. Er stieg wieder empor, konzentrierte sich und raste dann wie ein Geschoß in den Schacht hinunter. Die fremden Felder hielten dieser Gewalt nicht stand. Matson durchschlug sie mühelos. Erst nach Ewigkeiten wurde sein Fall gestoppt. Funken sprühten, gleißende Lichtbogen bildeten sich, und ein dumpfes Vibrieren erschütterte den Boden. Matson war in einer großen Halle gelandet. Um ihn herum standen Schalttafeln. Einige davon hatte er beim Sturz beschädigt. Ehe er sich von seinem Erstaunen erholt hatte, packte ihn ein langer Arm, wirbelte ihn herum und warf ihn auf ein Förderband. Matson glitt rasch auf den glühenden Atomofen einer Strahlkammer zu. * Corda verbarg sein Erschrecken. Er sah, daß der Schirm sich hinter ihm schloß und seine vorherige dunkle Färbung annahm.
„Corda! Melden Sie sich! Was ist passiert? Ich kann Sie nicht mehr sehen", brüllte Percip. Der laktonische Agent war erregt. Seine Worte überschlugen sich. „Ich bin durchgekommen", teilte Corda mit. Er wollte noch etwas sagen, aber der Sender hatte seine Tätigkeit eingestellt. Ebenso vermochte er Percip nicht mehr zu hören. Die Unbekannten wollten nicht, daß eine weitere Verbindung bestand. Corda sank dem staubbedeckten Boden entgegen. 944 Hidalgo besaß nur eine relativ leichte Eigengravitation. Als Rex Corda den Boden der fremden Welt erreichte, stieß er durch den leichten Aufprall sofort wieder in einem langen Bogen nach oben. Ein kurzer Schub aus dem Mikrotriebwerk seines Raumanzuges, und er schoß in einem langen Bogen in vier Metern Höhe dahin. Der Staub flimmerte in allen Farben. Deutlich und klar vernahm er die Ausstrahlung Fred Matsons. Aber der Mutant schien zur Zeit nicht auf der Oberfläche zu weilen. Corda glaubte, daß er sich irgendwo unter ihm versteckt hielt. Endlich hatte er seine Schubstöße so reguliert, daß er im Zeitlupentempo herabsank. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen. Da zog der Boden ihn plötzlich mit aller Gewalt an. Corda strauchelte. Nur mit Mühe konnte er sich auf den Beinen halten. Er kam zu dem Schluß, daß die Unbekannten eine künstliche Gravitation geschaffen hatten, die um etwas höher als ein Gravo lag. Corda blieb überrascht stehen. Hart vor seinen Stiefeln wölbte sich der Boden nach oben. Staub blies gegen seine Helmscheibe.
Eine dunkle Waffenkuppel mit einem schwenkenden Abstrahlrohr tauchte auf. Das Rohr bog sich auf einem glänzenden Schlitten zurück und zielte auf ihn. Corda sprang zurück. Weiter rechts begann es sich jetzt ebenfalls im Staub zu regen. Dort erschien ein monströses Gebilde. Ein fahrbarer Schlitten tauchte auf. In seinen Laufschienen hing die drohend nach oben gerichtete Nase einer Rakete. Das Rohr zielte jetzt auf Cordas Herz. * In der Strahlkammer schob sich ein transportables Schott zur Seite. Dahinter lauerte die höllische Glut einer atomaren Kernspaltung. Sechs Millionen Grad Hitze schlugen Matson entgegen. Der umgewandelte Mutant zuckte zurück. Dann erst erinnerte er sich an seine Fähigkeiten. Als der Arm ihn losließ, um ihn in die Strahlkammer zu stoßen, schoß Matson wie eine Bombe zurück auf das schnellaufende Band. Die Positronik hatte auf diesen Augenblick gewartet. Matson krachte in das magnetische Fangfeld, das sich sofort umpolte, nachdem es ihn abgebremst hatte. Ungeheure Energiemengen griffen nach ihm. Die Gewalten waren so stark, daß er hilflos wie von einer riesigen Schleuder katapultiert wurde. Seine Gegenreaktion kam um Sekundenbruchteile zu spät. Mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit raste er einem glühenden Phantom gleich in den Atomofen. Gierige Protuberanzen, sonnenheiß und langen Fackeln gleichend, griffen nach ihm. Sofort schloß sich das Schott.
* Die Steuerpositronik klassifizierte in einem unglaublich kurzen Augenblick den Gedankeninhalt des Humanoiden, der im All vor dem Schirm schwebte. Sie entschied sich für eine kurze Öffnung, achtete aber gleichzeitig darauf, daß es den anderen Angreifern nicht gelang, ebenfalls hindurchzukommen. Dann schloß sich der Schirm wieder. Der Humanoide war gefangen. Die Auswertung ergab, daß der Humanoide eine Waffe trug. Ein hochwertiger Strahler steckte in seiner Bekleidung. Die Positronik entschied nach kurzer Durchrechnung aller Fakten, daß der Fremde damit Schaden anrichten konnte. Ein hypertelekinetischer Sammelimpuls wurde ausgeschickt. Er ergriff den Strahler, zog ihn mit unwiderstehlicher Gewalt aus dem Gürtel und hob ihn hoch in die Luft. * Rex Corda starrte verblüfft seinem Strahler nach, der sich selbständig gemacht hatte. Er stieg ein paar Meter hoch und verschwand dann auf unerklärliche Weise. Unbeeindruckt ging er weiter. Er ließ sich nichts anmerken. Die Erbauer dieser Station würden ihn beobachten und jeden seiner Schritte überwachen. Als er sich gedanklich an die Sphäre des Mutanten herantastete, riß der Kontakt unerwartet ab. Matson gab keine Antwort mehr. Sein Individualmuster war erloschen. Corda blieb gedankenvoll stehen. Er wußte nicht, in welche Richtung er sich wenden sollte. War da nicht jemand? Er schraubte am Einstellknopf des Außenmikrofons herum. Dann fiel ihm ein, daß der Pla-
netoid keine Lufthülle besaß. Folglich konnten auch keine Schallwellen übertragen werden. Ein kleiner Felsen, der einen riesigen Schatten warf, versperrte seinen Weg. Dahinter lauerte pechschwarze Dunkelheit. Corda sah sich prüfend um. Aber seine Sondersinne erfaßten nichts Außergewöhnliches. Als er die erste Ecke neben einer scharf hervorspringenden Spitze erreichte, blieb er wie angewurzelt stehen. Aus der Schwärze sah ihn ein gelbes Auge kalt und teilnahmslos an. Ein Reflex ließ den jungen Präsidenten zum Strahler greifen. Der Gürtel war leer. Lautlos kroch das Monstrum, das dort hinter dem Felsen auf ihn gelauert hatte, näher. Das gelbe Auge besaß einen Durchmesser von einem halben Meter, und jetzt glühte es plötzlich grell auf. Corda sprang zurück. Da vernahm er den Gedankenimpuls. Fred Matson hatte sich wieder gemeldet. * Matson, dem körperliche Gefühle gar nichts bedeuteten, spürte einen unglaublich wilden und maßlosen Ansturm gewaltiger Hitzemengen. Vor ihm lohte es immer greller werdend auf. Die Kräfte des unbekannten Feldes drückten ihn mit aller Gewalt in die wabernde Atomhölle hinein. Hinter ihm schloß sich das Schott. Matson wandelte seine Struktur erneut um. Die veränderte Situation erforderte ein sofortiges Umstellen auf die tatsächlich bestehenden Gegebenheiten. Um den Mutanten bildete sich eine Energieblase, deren Farbe vom hellen Rot in Violett und dann in Schwarz wechselte.
Schon Sekunden später nahm das helle Lohen ganz unmerklich ab. Die Strahlkammer begann in heißem Glutorange zu leuchten. Anschließend wurde der kernchemische Fusions-Prozeß neutralisiert. Trübe Glut herrschte nur noch in dem Raum, der sich spontan abzukühlen begann. Matson hatte die unvorstellbaren Energiemengen von sechs Millionen Grad Hitze in sich aufgenommen! Auf Schalmirane verstummten die vielfältigen maschinellen Anlagen. Nach und nach stellten sie ihren Arbeitsprozeß ein und versanken in Inaktivität. Die Notmeiler liefen an. Weitere gesteuerte Fusionsprozesse sorgten für die teilweise Aufrechterhaltung der hochwertigen Station. Schalmirane griff auf die natürliche Sonnenkraft zurück und begann die Energien abzuleiten, als sich herausstellte, daß die Notmeiler zu schwach waren. Das war in Tausenden von Jahren noch nie dagewesen. Ein Wesen, das unverwundbar war! Das selbst dann nicht vernichtet werden konnte, wenn es in die Gluthölle einer Sonne stürzte. Die Positronik beeilte sich, das Schott zu öffnen. Das Monstrum sollte so bald wie möglich verschwinden. Matson jedoch hatte bereits zur Eigenhilfe gegriffen. Aufgeladen von den titanischen Kräften schoß er durch das erst halb geöffnete Schott der Strahlkammer. Er durchschlug die Wände aus einem der widerstandsfähigsten Metalle, die es je gegeben hatte. Ein breites Loch klaffte. Die Zwölfmeter-Schotts sahen aus, als hätte jemand dünnes Papier zerfetzt. Dann erwartete er den Ansturm eines neuen Gegners. Aber auf Schalmirane gab es nieman-
den mehr, der sich ihm entgegengestellt hätte. Die Positronik gab den ungleichen Kampf auf. Matson nahm erneut die Verbindung zu Rex Corda auf. Es klappte. * Das Ding sprang! Corda wartete ab, bis es nicht mehr ausweichen konnte. Dann erst ließ er sich blitzschnell fallen. In hohem Bogen segelte die stählerne Spinne über ihn hinweg. Weiter hinten bohrte sie sich tief in den Staub Schalmiranes. Als sie zum zweiten Sprung ansetzte, geschah etwas Merkwürdiges. Ein grünlich schimmerndes Etwas flitzte vorbei. Umgeben von einem wabernden Kraftfeld schoß es der Spinne entgegen, die einen riesigen Satz nach oben machte. Ein weiterer, unsichtbarer Impuls schleuderte sie mehrere hundert Meter hoch. Der Stahlkörper schwebte immer höher, bis er endlich wieder dem Gesetz der Schwerkraft folgte und langsam herunterkam. Corda sah dem Etwas nach, das sich jetzt anschickte, seine nähere Bekanntschaft zu machen. Er wich aus, als es herankam, und versuchte sich wieder fallenzulassen. „Willkommen", vernahm er. Das Gewisper war plötzlich in seinem Hirn, ohne daß er etwas dagegen tun konnte. Auf einer Cordas Gehirn gleichgeschalteten Welle machte sich die Stimme in seinem ganzen Körper breit. „Fred Matson", dachte er laut. Die Antwort schockierte ihn. „Ja, ich bin es. Ich bin Matson. Du bist überrascht, nicht wahr?" „Allerdings. Wieso können wir uns unterhalten?" „Ich weiß es nicht. Du bist der erste,
mit dem mir eine Verständigung gelingt. Ich habe dich rufen lassen." „Ich weiß. Ich war auf Terra und habe die Botschaft vernommen." Corda dachte an die „Nadel", die zu ihm gesprochen hatte. Matson schien jeden Gedanken genau erfassen zu können. „Ja, ich weiß. Es ist furchtbar, aber nicht zu ändern. Du bist schuldlos, Corda. Schließlich habe ich aus freiem Willen gehandelt. Nein, sage nicht, es tut dir leid. Ich will das nicht hören. Ich bin froh, eine andere Gestalt angenommen zu haben. Sage mir, wie ich jetzt aussehe, aber ehrlich." Corda gab sich einen Ruck. Die unheimliche Landschaft um ihn herum, dazu dieses Wesen, das einmal ein Mensch gewesen war, hatten eine seltsame Wirkung auf ihn, die sich nicht näher definieren ließ. „Du ähnelst einem länglichen Stein, der von einer Energiehülle umgeben ist. Du bist etwa einen halben Meter lang, aber das läßt sich nur ungenau bestimmen, weil deine Struktur einem ständigen Wechsel unterworfen ist." „Ich weiß. Ich bin kein Mensch mehr, aber ich kann dennoch fühlen. Ich bin nicht sehr glücklich. Manchmal möchte ich weinen. Doch das ist nicht möglich. Ich kann meine Umwelt wohl ertasten, aber nicht sehen. Genau wie ich mich nicht akustisch verständigen kann. Du bist der erste, dem ich meine Gedanken auf dem kürzesten Wege übermitteln kann. Ich weiß nicht, weshalb das so ist." „Finden wir uns damit ab." Das seltsame Wesen schwebte einen halben Meter vor ihm über den Boden. Niemand hätte vermuten können, daß dieses Etwas vormals ein normaler Mensch gewesen war. „Was ist Schalmirane?" fragte Corda. „Eine Station aus den Tiefen des Raumes, vermute ich. Aber das kann
ich nicht genau bestimmen. Willst du mir folgen? Ich bin unverletzbar geworden." „Wohin gehen wir?" „Ins Zentrum. Ich war noch nicht dort, aber ich will es unbedingt kennenlernen." Die stählerne Spinne hatte ihre feindlichen Absichten eingestellt. Fern am Horizont kroch sie als furchterregender Schatten davon. Corda folgte dem schwebenden Stein, der auf ein dunkles Loch im Felsen zustrebte. Das Licht erlosch. Corda überwand seine Beklemmung und betrat den gähnenden Schacht, der in eine bodenlose Tiefe führte. In der nächsten Sekunde stürzte er, haltlos um sich schlagend, in eine Finsternis, die kein Ende nehmen wollte. * Bei den Laktonen herrschte helle Aufregung. Jakto Javan hatte ungläubig mit angesehen, wie sich der riesige Schirm öffnete. Rex Corda war hinter dem Schirmfeld verschwunden. Der Befehlshaber rief den Gleiter an. „Percip. Sie sollten auf alle Fälle in der Nähe des Terraners bleiben. Wie ist es überhaupt möglich, daß ihm der Durchbruch durch die energetische Sperre gelang? Wissen Sie, was das für ihn bedeutet, Mann? Wir haben es hier mit einer Macht zu tun, die uns dem Anschein nach überlegen ist. Und Sie lassen den Mann einfach laufen. Unfaßbar!" „Es ist nicht meine Schuld", verteidigte sich der Laktone. „Außerdem hätte ich nie gedacht, daß sich der Schirm öffnen würde. Ich hielt es für einen schlechten Scherz, als Corda erklärte, daß er durchgekommen wäre. Was soll
ich tun, Sir?" „Abwarten. Sie haben prächtig versagt. Vergessen Sie nicht, daß die Terraner zwar Verbündete sind, aber unsere Freundschaft reicht nur bis zu einem gewissen Grad. Dann ist sie endgültig vorbei. Wir haben die Sache mit den Raumschiffen der Orathonen auf einer Basis gemacht, die nicht ganz reell war, aber Terra soll nur bis zu einem gewissen Grad stark werden." Javan unterbrach sich. Blitzschnell fuhr er herum. Ein kleiner, unscheinbarer Mann hatte die Zentrale betreten. Kurzsichtig blinzelnd trat er näher. Sein eigentümliches Lächeln war jedoch nicht dazu angetan, erheiternd auf die Gemütsverfassung des Schento zu wirken. Der Befehlshaber sah den kleinen Arzt fasziniert an. Doktor Konsinsky strahlte ein eigenartiges Fluidum aus. „Was wollen Sie denn hier? Ich dachte, Sie wären längst wieder auf Terra." „Wie man sich irren kann", hüstelte Konsinsky. „Man muß mich glatt vergessen haben. Sind Sie sicher, daß Ihr Übersetzungsgerät funktioniert?" Konsinsky nahm die Brille ab und rieb sie in Ermangelung eines Tuches zwischen den knochigen Fingern. „Natürlich", versetzte Javan eisig. „Weshalb sollte es nicht funktionieren?" „Sie haben es versehentlich eingeschaltet. Ich hörte gerade noch Ihre letzten Worte. Stimmt etwas nicht mit den Raumschiffen, die man Corda damals überlassen hat?" Dem Laktonen wurde die Situation peinlich. Aber Doktor Konsinsky schien das nicht zu merken. Er wechselte abrupt das Thema. „Einer Ihrer Leute hat mir einen Teller Synthetik-Suppe angeboten und dazu etwas, das ich aufgrund meiner biologischen Erfahrungen als Brot klassifiziert habe. Mit Verlaub, es schmeck-
te scheußlich, Sir. Kennt man bei Ihnen den Begriff eines saftigen Steaks? Nicht? — Schade. Nun ja, schließlich laufen hier ja auch keine Ochsen herum. Bedauerlich, aber nicht zu ändern." Konsinsky setzte die Brille wieder auf. Harmlos lächelnd sah er auf den Holografen. „Corda ist also fort. Ich glaube fast, da bahnt sich etwas an, das Ihnen über den Kopf wachsen wird." Doktor Konsinsky grinste säuerlich. „Eine eigentümliche Welt, möchte ich sagen. Und dann diese Waffen. Man könnte Angst kriegen, nicht wahr? Stellen Sie sich vor, wenn sie in unrechte Hände gelangten. Nicht auszudenken." Javan erwiderte nichts. Nur seine Wangenmuskeln waren in ständiger Bewegung. Ebenso spielten die Finger seiner linken Hand nervös an der Schaltleiste des Holografen. „Sie gestatten, daß ich mich zurückziehe, Sir? Ich möchte noch etwas schlafen. Ich glaube, wir alle werden den Schlaf nötig haben. Ich habe da eine Kabine entdeckt, die noch leer steht. Vor der Tür stand ein Ungeheuer aus Metall. Ich habe es weggeschickt." „Was? Sie haben einen Wachroboter einfach weggeschickt?" staunte Jakto Javan. „Nun, nun ..." Konsinsky machte eine beschwichtigende Handbewegung. „Er schien nicht damit einverstanden zu sein. Ich mußte ihn nachdrücklichst darauf hinweisen, daß ein müder Terraner dringend der Ruhe bedurfte. Das sah er ein." Die anwesenden Laktonen waren dem Zusammenbruch nahe. Ein kleiner, unscheinbarer Mann von der Erde ging mit hochwertigen Kampfmaschinen um, als handele es sich um harmlose Figuren. „Wie haben Sie das gemacht?" fragte Jakto Javan. Konsinsky lächelte fröhlich.
„Zufällig vertrug er die SiebzehnMeter-Welle nicht, mit der mein kleiner Sender arbeitet." Javan sah dem harmlos grinsenden Mann fassungslos nach, als er die Zentrale verließ. „Passen Sie auf diesen Mann auf", riet er. „Er ist gefährlich. Seine Harmlosigkeit gipfelt in nichtssagenden Sätzen, die erstaunliche Kenntnisse verraten. Das hört sich paradox an, entspricht aber unbedingt den Tatsachen. Wieso hat man ihn denn hier vergessen? Corda war doch inzwischen schon auf der Erde?" Jakto Javan schüttelte den Kopf. Ein Mann wurde beauftragt, Doktor Konsinsky unauffällig zu überwachen. Das war aber nicht so einfach, wie es aussah. Der kleine, kurzsichtig blinzelnde Alte war spurlos verschwunden. * „Antigravschacht", konstatierte Corda, als der Sturz abrupt endete und in ein langsames Gleiten überging. Vor ihm schwebte Matson, oder besser das Ding, das jetzt den Mutanten verkörperte. Er hatte das ihn umgebende Energiefeld abgebaut. Dafür schickte er Strahlen aus, die den gesamten Schacht erhellten. Immer tiefer ging es hinunter, in eine Welt, die noch kein Mensch betreten hatte. Ein Lichtreflex glitt rasch vorbei. Corda erkannte aus den Augenwinkeln, daß sie an einer Etage vorbeigekommen waren. Bevor er etwas wahrnehmen konnte, war sie vorbei. Nur sekundenlang blieb ein schwacher Lichtschein zurück, der aber gleich erlosch. Die glatten Wände wichen immer weiter zurück. Der Schacht wurde breiter. Von unten herauf glomm ein bläuliches Licht, das in die Augen stach.
Das Lichtband kam näher. Eine weitere Etage wurde sichtbar. Schneller als er erwartet hatte, blendete der blaue Schein auf. Jetzt war er so grell, daß Corda geblendet die Augen schließen mußte. Die Antigravbahn warf Matson in einem sanften Bogen in die Etage hinein. Corda folgte, noch ehe er restlos begriff, was geschah. Ein schmaler, erleuchteter Gang war vor ihnen Aber der Gang war nur zehn Meter lang. Weiter vorn glomm ein Funken auf und erlosch sofort wieder. Matson verharrte auf der Stelle. Einen halben Meter vor Corda blieb er schwebend stehen. Wieder kam sein telepathisches Gewisper durch. „Wir sind gefangen. Sieh dich einmal um." Corda erstarrte. Von dem Schacht, der zur Etage führte, war nichts mehr zu bemerken. Hinter ihnen befand sich jetzt eine glatte Wand aus blankem Metall. „Hm, vermutlich wird es dort vorn weitergehen." Corda machte ein paar Schritte in die Dämmerung eines unbekannten Ganges hinein. Er kam genau sechs Meter weit. Dann explodierte etwas dicht vor seinem Gesicht, und ein glühend heißer Schmerz durchzuckte ihn. Unversehens segelte er ein paar Meter zurück. Matson konnte seinen Aufprall gerade noch so weit mildern, daß er sich keine Verletzungen zuzog. Corda tastete über den Raumhelm. Sein Kopf war schmerzhaft an die transparente Druckkuppel gestoßen. Er fluchte leise. „Ein Prallschirm. Du hast recht: Wir sind tatsächlich gefangen. Kannst du nicht versuchen, die Energie zu neutralisieren?" Der leuchtende Stein gab keine Ant-
wort. Er stieg bis an die niedrige Decke des Ganges und schoß mit maßloser Gewalt vor. Ein greller farbiger Blitz zuckte auf. Es gab eine dumpfe Erschütterung, als Matson an die Wand krachte. Eine Weile lang blieb der Mutant dicht vor Cordas Gesicht hängen. Dann kam ein Laut durch, der Corda an ein fremdes Lachen erinnerte. „Ich werde versuchen, ihn umzupolen. Lege dich bitte flach auf den Boden." Rex Corda fragte nicht lange. Matson hatte sich bisher auf dieser unbekannten Welt gut zurechtgefunden. Außerdem standen ihm ganz andere Kräfte zur Verfügung. Er legte sich flach auf den Boden. Matson schwebte auf den unsichtbaren Prallschirm zu. Lange stand er unbeweglich davor. Dann leuchtete er plötzlich blutrot auf. Der Vorgang war unheimlich und faszinierend, wie der Mutant sich erneut farbig veränderte. Als Corda vorsichtig den Kopf hob, zeigte die merkwürdige Umgebung wieder ein anderes Bild. Es gab keinen Schirm mehr. Dafür aber etwas anderes. Der Gang wurde sichtbar, und dahinter befand sich eine Kammer. Und vor der Kammer stand ein riesenhafter Wächter. Corda fuhr benommen zurück. Der ganze Boden vibrierte, als das monströse Ungeheuer auf sie zuwalzte. Es schoß nicht. Aber etwas viel Entsetzlicheres geschah. Der tonnenförmige Rumpf, auf dessen Oberteil ein schwenkbarer Drehkranz rotierte, fiel in sich zusammen. Millionen kleiner Kugeln entstanden plötzlich, während das Monstrum mehr und mehr verschwand und sich umwandelte. Ein schwarzer Hagelschauer kam auf Rex Corda zu. Wie von einer gigantischen Schrot-
flinte abgeschossen, kamen sie heran. Corda blieb stocksteif stehen. Jede Reaktion mußte unbedingt zu spät kommen. * Percip hielt die Ungewißheit nicht mehr aus. Seit Corda auf dem Planetoiden gelandet war, fehlte jeder Hinweis von ihm. Und vom Flaggschiff kamen ständig Anrufe und Fragen, die der Laktone nicht beantworten konnte. Er verließ die kleine Schleuse, um sich selbst zu überzeugen, ob es ihm nicht auch gelang, ebenfalls hindurchzubrechen. Ratlos schwebte er lange vor dem Schirm hin und her. Dann, als sich nichts ereignete, schaltete er sein Mikrotriebwerk ein und flog im Geradeausflug der deutlich sichtbaren Oberfläche entgegen. Der Schirm bremste ihn mit mörderischer Gewalt. Percip fühlte einen mächtigen Stoß, der ihn ins All zurückschleuderte. Sein Triebwerk setzte aus. Er schoß, dem Gesetz der Trägheit folgend, an seinem kleinen Raumgleiter vorbei und entfernte sich rasend schnell von ihm. Auf dem Flaggschiff schien man noch nichts bemerkt zu haben. Jedenfalls rührte sich nichts. * Das gellende Gelächter nahm ihm den Atem. Corda fühlte den ungeheuren Aufprall, als die Kugeln durch seinen Anzug drangen. Halb betäubt taumelte er an die Wand. Dann riß er ungläubig die Augen auf. Der Mutant hatte so wahnsinnig gelacht! Und es waren auch nicht die Kugeln, die ihn getroffen hatten, sondern etwas anderes, das er im Moment nicht
so genau erkennen konnte. Die Wand öffnete sich und verschlang ihn. Corda glaubte zu träumen. Er war durch feste Materie gefallen. Um ihn herum war es dunkel. Keine Einzelheit ließ sich erkennen. Erst die ungeheuren Erschütterungen, die durch den Boden liefen, ließen ihn erschreckt herumfahren. Schalmirane war eine Teufelswelt, die jeden Augenblick mit neuen Überraschungen aufwartete. Wo mochte sie herkommen — und wer waren ihre Erbauer? Immer heller wurde es, bis es in tiefem Rot erstrahlte. Dann kam die ungeheure Hitze, die Corda unangenehm überrieselte. Selbst der schwere Raumanzug vermochte nicht, sie vollständig zu absorbieren. In der Wand klaffte ein gezacktes Loch, aus dessen Rändern es feurig herauslohte. Schließlich brach die Wand lautlos auseinander, und Matson erschien. „Höre um Gottes willen auf zu lachen", sagte Corda matt. „Du machst mich wahnsinnig." „Ich kann nicht anders. Sie versuchen uns mit allen möglichen Tricks auszuschalten. Aber bei mir beißen sie im wahrsten Sinne des Wortes auf Granit. Ich bin ihnen überlegen. Die kleinen Kugeln habe ich übrigens zu einem formlosen Klumpen verschmolzen, noch ehe sie dich erreichen konnten. Das Energiefeld, das ich um dich gelegt hatte, war wohl etwas zu stark. Ich verstehe nur nicht, wie du durch die Wand fallen konntest." „Das verstehe ich selbst nicht. Aber wer sind ,sie'? Du glaubst doch nicht an menschenähnliche Lebewesen?" „Warum nicht?" meinte Matson leichthin. „Hier ist alles möglich. Ich wäre in keiner Weise überrascht, wenn welche auftauchten."
„Wir haben auch so schon genügend Kummer", gab Corda zu bedenken. Vorsichtig stiegen sie aus der zertrümmerten Wand, deren Ränder noch immer gluteten. Matson hatte ganze Arbeit geleistet. Das Monstrum war verschwunden, aber Corda rechnete fest damit, daß bald wieder etwas Neues auftauchen würde. Als er in die Kammer trat, sah er es. Eine neue Überraschung erwartete sie. Der Raum glich einer komplizierten und sinnverwirrenden Steuereinrichtung. Lange Schalttafeln liefen an den Wänden entlang. Liefen? Cordas Augen traten aus den Höhlen. Die Schaltpulte standen nicht. Sie waren in einer ständigen fließenden Bewegung und schwebten dicht über dem Boden dahin. Er sah genauer hin. Die Pulte ruckten hoch. Unzählige Kabel und Stränge verschoben sich in kastenförmige Vertiefungen, die an den Wänden angebracht waren. Eine Robot-Zentrale, die von irgendwoher Befehle empfing? Oder das Zentrum, die steuernde Positronik selbst? In seinem Gehirn bildete sich ein Satz. Corda sollte ihn erst viel später verstehen. Noch einmal wiederholte sich die seltsame Botschaft. DER GEIST LIEGT IN FESSELN, ABER DAS LICHT WIRD DURCH DIE EWIGKEIT STRAHLEN! * Konsinsky glich dem ruhelosen Ahasver, als er seine einsame Wanderung durch das Riesenschiff wieder aufnahm. Er grinste und putzte seine Brille. Ganz sicher hatte er die Laktonen mit seinem Geschwätz verwirrt. Sie wußten nicht, wie sie ihn einstufen sollten. Im Schiff rauschte und knisterte es geheimnisvoll. Es waren fremde Geräu-
sche und das hohle Singen einer anderen Welt. Konsinsky gestand sich vorbehaltlos ein, daß der Mensch doch noch eine ganze Stufe unter den Laktonen stand — jedenfalls was seine Technik anbelangte. Innerlich philosophierend, erreichte er eine kleine Kammer. Mit einem Bett, dachte er, selbst wenn es diese unausstehlichen Pritschen waren, auf denen die laktonischen Mannschaftsgrade zu schlafen pflegten, wäre er schon zufrieden gewesen. Aber er wurde mit einer neuen Art laktonischer Technik konfrontiert. Betten enthielt dieser Raum jedenfalls nicht. Konsinsky sah eine mattglänzende Wand, die in kleine Sektoren unterteilt war. Ein lautes Rülpsen ertönte hinter ihm. Erschreckt fuhr der unscheinbar wirkende Doc herum. Links von ihm, in einem kompliziert aussehenden Sessel, lag ein Laktone. Er frönte einer Leidenschaft, die auf Wache äußerst verpönt war. Er schlief und stieß dabei schnaubende Geräusche aus, die an das Fauchen eines kleinen Plasmatriebwerkes erinnerten. Konsinsky tippte dem Laktonen auf die Schulter. Dabei machte er die unangenehme Bekanntschaft mit den Riesenkräften des Schläfers. Der Laktone hieb seinen Arm beiseite wie eine lästige Fliege. Konsinsky wurde herumgewirbelt und krachte auf den Fußboden. Der Laktone schlief weiter. „Ein rauher Bursche", knurrte der Doc mißmutig. Blinzelnd sah er auf die kleinen Sektoren, die jetzt aufleuchteten und Detailausschnitte zeigten. Eine Zeitlang blieb er schweigend stehen. Neidvoll betrachtete er den laktonischen Schläfer und dachte an seine eigene Müdigkeit. Da flammte einer der Sektoren hell-
blau auf. Gleich darauf erschien ein helles Glitzern, und eine Akustik begann zu plärren. Konsinsky schob die Brille hoch und sah neugierig auf das helle Gefunkel. „Verdammt, das ist doch ... yeah, ein kleines Raumschiff. Komisch. Und dieser Bursche pennt mit dem ganzen Universum um die Wette. He, aufwachen!" brüllte er mit seiner hohen Stimme. Der Laktone wälzte seinen massigen Körper herum. Seine Oberlippe war hochgezogen. Ein wildes Rasseln aus seinem Mund veranlaßte den Doc zum Rückzug. Ein weiterer Schirm blinkte auf. Ein Mann in einem Raumanzug erschien. Er schien geradewegs auf den Schirm zuzufliegen. Konsinsky sah ein angstverzerrtes Gesicht und gestikulierende Bewegungen. Dann schoß der Körper an dem Raumer vorbei. Die Entfernung ließ sich nicht einmal annähernd abschätzen. Verblüffung malte sich auf dem Gesicht des kleinen Polen. Sein scharfer Verstand arbeitete blitzschnell. Hier war ein Unglück geschehen. Und er war der einzige Augenzeuge, denn der wachhabende Laktone, der die Detailschirme beobachten sollte, schlief tief und fest. Konsinsky kannte sich in der komplizierten Anlage nicht aus. Er wußte auch nicht, wie er dem Mann im Raumanzug helfen konnte. Dem schlafenden Laktonen gab er noch einen freundlichen Rippenstoß. Als keine Reaktion erfolgte, hieb Konsinsky ihm die flache Hand ins Genick. Anschließend beeilte er sich, den Raum zu verlassen. Als er wieder in der richtigen Zentrale aufkreuzte, begann Jakto Javan innerlich zu stöhnen. „Was gibt es denn schon wieder?" fragte er ungnädig.
Der Arzt wedelte mit der rechten Hand. „Eben raste einer Ihrer Leute da draußen durchs All. Da ich annehme, daß Sie ihn noch benötigen, würde ich vorschlagen, Sie lassen eine kleine Rettungsaktion anlaufen. Hm, der Mann hatte ein ziemliches Tempo drauf, wissen Sie!" * Der Saal erwies sich als wesentlich größer. Überall zweigten weitere Kammern ab. Eine schräg geneigte Ebene führte noch weiter in die Tiefe. Die Positronik hatte ihre sinnlosen Versuche, die beiden grundverschiedenen Wesen zu vernichten, längst eingestellt. Sie waren anders als alle anderen, die schon versucht hatten, Schalmirane einen Besuch abzustatten. Corda merkte es schon wenige Minuten später. Staunend ging er in der gigantischen Anlage herum. Eine derartige Vielfalt von unbekannten Geräten hatte er noch nie auf einmal gesehen. Matson schwebte ständig vor ihm her. Ab und zu blieb er dicht vor Cordas Gesicht hängen und wartete. Vierzig Meter weiter sah Corda die Biegung. Der Raum, der in einen weiteren erleuchteten Gang auslief, machte einen scharfen Knick. Durch unliebsame Zwischenfälle gewarnt, schob Matson sich vorsichtig um die Ecke. Erst dann ließ er Corda folgen. Rex vernahm schon seinen erstaunten Ausruf, als er ihn noch nicht erreicht hatte. Matson senkte sich auf den Boden. Er hatte etwas ertastet. Corda fuhr verstört zusammen. Vor ihm im Gang lag das Skelett eines unförmigen Wesens. Es hatte einmal einen ebenso unförmigen Raumanzug getra-
gen. Aus der zersplitterten Helmscheibe sah das vertrocknete Gesicht einer uralten Mumie hervor. Erloschene Augen, die tief in den Höhlen lagen, waren auf Corda gerichtet. Er zuckte zusammen. Die schreiende Stimme kam diesmal nicht von dem Mutanten. Sie schrie auch nicht, wie Corda eben noch geglaubt hatte, sondern befand sich auf einer hypertelepathischen Welle direkt in seinem Gehirn. Dennoch klang sie unheimlich laut und gellend. „Willkommen in der Vorkammer des Geistes. Hier spricht ein Gedankensender. Nachdem es Ihnen gelungen ist, bis hierher vorzudringen, sieht die Station sich veranlaßt, Ihnen keine weiteren Hindernisse mehr entgegenzustellen. Legen Sie Ihren Schutzanzug ab und treten Sie näher. Das beherrschende Medium besteht aus einem atembaren Sauerstoff-Gasgemisch." Die fremde Stimme schwieg. Corda sah sich mit wachen Augen um. Der Sender wollte ihn in eine Falle locken. Der beste Beweis dafür war das Lebewesen, das schon lange vor ihnen hiergewesen war. Es mußte einen qualvollen Tod gestorben sein. Wahrscheinlich war er der Aufforderung, den Anzug abzulegen, nachgekommen. Sein Vertrauen in die Technik unbekannter Erbauer hatte es schließlich mit dem Leben bezahlt. Eine andere Möglichkeit schien Corda ausgeschlossen. Alles sprach dafür. „Was hältst du davon?" fragte er Matson, der auf und nieder schwebte. Der Mutant gab keine Antwort. Er schien Cordas Frage nicht gehört zu haben. „Ich sagte, was du davon hältst", wiederholte er. Matson schwieg noch immer. Da wußte Corda, daß die Hyperwelle des Mutanten von dem Unbekannten gestört und überlagert wurde.
Der Mutant hörte ihn nicht mehr. Wie unbeteiligt schwebte er weiter. Mehrere kleine Hallen folgten kurz aufeinander. Ganz hinten, soweit man das von hier aus erkennen konnte, schien der Gang endgültig zu Ende zu sein. Jede der Hallen war mit fremdartigen Geräten geradezu überfüllt. Das Licht wurde immer gleißender. Eine Wand, in die man einen Torbogen eingelassen hatte, tat sich auf. Rechts und links standen undefinierbare Geräte. Schlanke Säulen, die Funken versprühten, und konisch zulaufende Apparaturen, auf denen es unentwegt blitzte, wechselten einander ab. Dann schienen sich die Konturen ganz plötzlich zu verschieben. Corda hatte den Eindruck, als betrachtete er alles aus einer Unterwasser-Perspektive. Der Durchlaß zum letzten Raum war wesentlich kleiner als alle anderen. Corda blieb mißtrauisch stehen. Seinen Raumanzug trug er noch immer mit zugeklapptem Helm. Was er dann sah, nahm ihm den Atem. Hart an die Wand gelehnt standen sieben Männer. Ihre Körper waren von energetischen Fesselfeldern festgehalten. Corda blickte sich sprachlos um. Die sieben Gestalten verfolgten aufmerksam jede seiner Bewegungen. * Die Positronik hatte aufgrund logischer Gedankengänge kapituliert. Sie kam zu dem Schluß, daß es besser sei, Schalmirane nicht weiter zu zerstören. Der energetische Strukturwandler hatte keine Rücksichten gezeigt. Seine blinde Zerstörungswut hatte außerdem einige empfindliche Teile außer Betrieb gesetzt. Der Angriff auf ihn lohnte nicht. Die Erhaltung der Station war wichtiger als
alles andere. Schalmirane hatte eine Aufgabe, die erfüllt werden mußte. Die tödlichen Sperren wurden abgeschaltet. Wenn die Fremden guten Willens waren, konnten sie der Station sogar einen Dienst erweisen. Außerhalb des erreichbaren Sektors sieben war ein winziges Relais ausgefallen, für das die Positronik keinen Ersatz mehr besaß. Ebenso konnte die Aktivierung nicht mehr von den Arbeitsrobotern vorgenommen werden, denn Roboter zerstören sich automatisch selbst, sowie sie den Sektor sieben erreichen. Diese Tatsache war unumstößlich. Die Erbauer hatten eine Sperre errichtet, die sich letzten Endes gegen die Station selbst auswirkte. Weshalb das so war, konnte die steuernde Positronik nicht ermitteln. Sie war nicht darauf programmiert worden. Die letzte Sperre verschwand. Eine Hitzebarriere baute sich ab, die vor endlosen Zeiteinheiten einen Eindringling getötet hatte. Danach wartete die Hauptzentrale ab, was weiter mit den beiden Eindringlingen geschah. * Matsons Hyperwelle war noch immer durch unbekannte Störeinflüsse überlagert. Corda sah die Männer einer unbekannten Rasse der Reihe nach an. Waren sie die Erbauer, die Fremden, die Schalmirane erschaffen hatten? Wieder verwischten sich auf merkwürdige Weise die Konturen und Umrisse. Corda sah die fremden Männer nur noch wie durch einen zähen Nebel. Sie schwankten hin und her. Ihre Gesichter zeigten einen Ausdruck leisen Bedauerns.
Urplötzlich löste sich alles auf. Der Raum verschwand und mit ihm die fremden Gestalten. Corda erwachte wie aus einem Alptraum. Er sah Matson, der bewegungslos in der Luft hing. „Zur Hölle! Ich habe das doch nicht alles geträumt, nicht wahr? Ich habe eben klar und deutlich die Gestalten gesehen." Ruckhaft fuhr er herum. Sein Außenlautsprecher übertrug schabende Geräusche und einen Ton, der wie fremde einschläfernde Musik klang. Alles hatte sich verändert. Corda sah sich in einem Raum, der nichts mehr enthielt, auch keinen Ausgang. Verrückter Planet, dachte er. Wenn das noch lange so weitergeht, drehe ich durch. „Wo sind wir?" brüllte er überlaut. Endlich fing er einen undeutlichen Impuls auf. Er kam von Matson, aber Corda konnte mit diesem Ton nichts anfangen. Es schien, als wolle der Mutant sprechen, doch dann wurde er wieder überlagert. In der glatten Wandfläche vor ihm befand sich ein Fleck, der dunkler als der Hintergrund wirkte. Corda tastete mit der Hand darüber hin. Der Handschuh vermittelte ihm das Gefühl der Wärme. Hastig zog er die Hand wieder zurück. Dann erst fiel ihm auf, daß der Boden sich langsam neigte. Er kippte seitlich weg und befand sich nun auf einer geneigten Ebene. Corda rutschte langsam ab. Sein Blick war noch immer auf den dunkleren Fleck gerichtet, der jetzt links neben ihm war und sich nach oben verschob. Unaufhaltsam rückte er der dunklen Fläche näher. Der Raum schien kardanisch aufgehängt zu sein. Wenigstens nahm Corda
es an, denn die geneigte Ebene hatte nur diese eine Drehung mitgemacht, danach blieb sie stabil. Dafür begannen die Wände immer schneller zu rotieren. Prächtige Farben tauchten auf. Sie verschwanden und machten dem leisen Summen Platz, das den ganzen Planetoiden erfüllte. Ebenso wurde das Vibrieren merklich stärker. Wieder war der dunkle Fleck vor ihm. Corda hatte das Gefühl, als ob jene dunkle Stelle etwas Unvorhergesehenes bewirkte. War es ein Ausgang aus diesem Gefängnis, das keine Türen und sichtbaren Ausgänge besaß? Seine rechte Hand drückte dagegen. Die ganze Wand gab sofort nach und schwenkte nach innen. Corda rollte, sich hilflos überschlagend, davon. Verzweifelt tastete er nach einem Halt. Eine neue Wand tauchte auf. Sie gab unter seinem Anprall sofort nach, öffnete sich wie eine Klappe und verschlang ihn. Das ständige oben und unten nahm kein Ende. Wände kamen auf ihn zu, fielen auseinander, wenn er sie berührte, und warfen ihn in immer neue, unbekannte Richtungen. Längst hatte er jedes Orientierungsgefühl verloren, Er wußte nicht mehr, wo er sich befand. Aber sein Außenmikrofon übertrug Geräusche, die den Körper peinigten. Hohes Singen wechselte mit ultrahohem Schrillen ab, dumpfes Orgeln und starkes Brausen vermischte sich mit unheimlich glucksenden Geräuschen. Vor der letzten Wand blieb er liegen. Als er sich mühsam aufrappelte, da schwang wie auf ein Zauberwort ein unsichtbares Schott zurück. Corda befand sich unversehens in einem Raum, den er bereits kannte. An der Wand lehnten sieben fremde
Gestalten. Ihre schweren Körper wurden von energetischen Fesselfeldern gehalten. Unbeweglich standen sie da. Corda taumelte zurück. Was hatte das alles zu bedeuten? * Er entschloß sich nun doch, seinen Raumhelm abzulegen. Ein innerer Zwang trieb ihn dazu. Er löste die Helmverbindung. Das Magnetstück schnappte zurück. Corda atmete das Sauerstoffgemisch ein, das alle erforderlichen Bestandteile enthielt. Aber die Luft schmeckte etwas abgestanden. Neben ihm war Matson wieder aufgetaucht. Er schien direkt aus dem Nichts gekommen zu sein. Rex wunderte sich nicht mehr. Hier in dieser fremdartigen Umwelt hatte er es sich längst abgewöhnt. Er beobachtete nur noch interessiert, was sich jetzt tat. Die sieben Männer starrten ihn unentwegt an. Ansonsten sah er keine Bewegung an ihnen. Aber ihre Augen lebten. Sie waren ausnahmslos annähernd zwei Meter groß. Unter den weißen Haaren befand sich eine schmale, hohe Stirn, die starke Intelligenz verriet. Die weißen Haare reichten den menschenähnlichen Wesen bis tief in den Nacken. Dort wurden sie mit einer schillernden Metallspange zusammengehalten. Corda sah fasziniert in die pechschwarzen Augen der Fremden. Ihre Lider waren unterschiedlich durch leuchtende Farben gekennzeichnet. Anstelle von Ohren besaßen sie ein Paar muschelförmige Gebilde, die direkt aus dem Kopf herauszuwachsen schienen. Die Ohrmuscheln glänzten wie Perlmutt. Cordas abirrender Blick fiel auf Mat-
son, der sein kristallartiges Auge wieder hervorgeschoben hatte. Er sprach noch immer nicht. Dafür bemerkte Corda etwas anderes. Fremde Geistesströme tasteten sich in sein Bewußtsein. Immer eindringlicher und fordernder wurde der Ansturm. Das Fremde schien durch jede Gehirnwindung zu kriechen und den Bewußtseinsinhalt zu sondieren. Rex Corda wehrte sich mit den Kräften des Geistes und blockte sich ab. Es gelang nicht ganz. Der fremde Ansturm wurde schwächer, verstärkte sich jedoch sofort wieder und tastete sich erneut heran. Der stumme Kampf dauerte einige Minuten, wie Corda schätzte, dann bemerkte er, daß er das Fremde jederzeit zurückdrängen konnte, wenn er das beabsichtigte. Noch einmal sah er die Männer der Reihe nach an. Die ersten beiden schieden aus. Sie hatten die Augen geschlossen und regten sich nicht. Der dritte? Sein Energiefeld, das ihn umgab, flackerte in hellem, wabernden Rot. Dadurch entstand der Eindruck, als pulsiere die ganze Gestalt. Er kam eigentlich am ehesten in Frage. Vielleicht wollte er Corda auch nur auf das Wechselspiel des Feldes aufmerksam machen. Der Fremde wollte etwas von ihm. Aber was? Cordas Blick umfaßte den ganzen Raum, in dem sich nichts verändert hatte. Sieben energetische Fesselfelder an den Wänden, in denen die Fremden gefangen waren. Daneben eine kahle Wand, aus der links ein kleiner Hebel herausragte. Doch der Raum enthielt noch etwas. Einen wichtigen Bestandteil sogar. Corda entsann sich nicht, es vorher gesehen zu haben. Oder hatte man es
erst jetzt „hergestellt"? Tausend Fragen beschäftigten ihn. Zwei davon waren äußerst wichtig. Weshalb hatte man die Fremden in diesen Feldern gefangen? Und wer waren sie, und weshalb kam es, daß sie in den Feldern nicht starben? Der Sauerstoffvorrat mußte doch begrenzt sein. Corda sah seinen Irrtum sofort ein. Aus der Wand führten winzige Kabelverbindungen in die einzelnen Felder. Vermutlich enthielten sie die lebenswichtigen Funktionsträger wie den Sauerstoff, die Ernährung und was alles dazugehörte. Als er wieder auf die dritte Gestalt blickte, bildete sich ein Gedanke in seinem Gehirn, der aber sofort wieder verschwand. Corda hatte zu langsam reagiert. Oder der Fremde hatte einen weiteren Testimpuls ausgeschickt. Sein Blick wanderte zurück und fiel auf die Apparatur, die einen Teil des Raumes ausfüllte. Corda hätte geschworen, daß gerade jetzt eben noch nicht so viele Geräte dagestanden hatten. Woher kamen sie? Ein sesselartiges Gebilde stand vor einem Schaltpult, über dem ein Reflektor rotierte. Silberne Schlangen wanden sich in die Anlage hinein, als schienen sie zu leben. Dann blickte der Fremde ihn zwingend und eindringlich an. Die Blicke der beiden so grundlegend verschiedenen Männer saugten sich fest. Die schwarzen Augen schlossen sich nach einer Weile und sahen zu der Apparatur hinüber. Corda blieb stocksteif stehen. Er hatte die Aufforderung, sich in den Sessel zu setzen, erfaßt. Aber was geschah danach? Was hatten sie mit ihm vor? War das eine Falle? Unsinn, schalt er sich gleich darauf.
Sie hatten andere Möglichkeiten, ihn auszuschalten, wenn sie das wollten. Vielleicht wollten sie ihm eine Erklärung über den Planetoiden geben. Andererseits fragte er sich, warum gerade er dazu auserwählt worden war. Corda war zum erstenmal in seinem Leben unschlüssig, was er beginnen sollte. Als die stumme Aufforderung zum zweitenmal erfolgte, wehrte er sich nicht mehr. Nach einem letzten Blick auf die gefangenen Gestalten begab er sich zu dem Sessel. Die Apparatur summte leise. Von unsichtbaren Kräften gesteuert, bewegte sich die Sitzfläche des Sessels auf ihn zu. Einladend bog sich der Schalensitz dem verblüfften Terraner entgegen. Mechanisch nahm Rex Corda Platz. Alles erschien ihm auf einmal unwahrscheinlich. Matson schwebte dicht an ihn heran. Corda ahnte, daß er in dem Mutanten einen sicheren Schutz besaß. Kaum hatte er Platz genommen, da bewegte sich der Sitz wieder nach innen, der Apparatur zu. Die Schale zerfloß und paßte sich seinen Körperformen an. Der Reflektor rotierte schneller und zog blitzschnell Kreise in der Luft. Und dann senkte sich eine silberne Platte, die etwa seiner Kopfform entsprach, herab und berührte ihn vorsichtig. Tastende Kabelenden befühlten ihn. Corda sah den reflektierenden Schimmer von dem drehenden Gebilde und schloß die Augen. „Der Geist liegt in Fesseln, aber du wirst das Licht sehen, das durch die Ewigkeit scheint", vernahm er noch, dann versank alles um ihn herum in einer schwarzen, wogenden Welle. Corda sah das Licht: es war kalt und fremd.
* Doktor Konsinsky war zum Schrecken des Flottenflaggschiffes geworden. Überall wo er aufkreuzte, gingen ihm die Laktonen aus dem Weg. Der kleine, unscheinbare Mann flößte ihnen ein unbehagliches Gefühl ein. Er hatte so nebenbei einen schweren Kampfroboter unschädlich gemacht, indem er seinen am Handgelenk befestigten Kleinsender auf die Siebzehn-Zentimeterwelle verstellt hatte. Der Zufall hatte es gewollt, daß die hochwertige Maschine kurzschloß. Die Stabilisierungskreisel stellten ihre Tätigkeit ein. Als Folge war der Roboter zu Boden gegangen und bewegungslos liegengeblieben. Niemand hatte Konsinsky diesen Zufall abgenommen. Man vermutete einen eiskalt berechnenden Agenten in ihm, der einen genauen Plan verfolgte. Konsinsky bedauerte das lebhaft. Aber es ließ sich nicht ändern. Seine kurzsichtig blinzelnden Augen hinter den Brillengläsern taten ihr übriges, ihn gefährlich erscheinen zu lassen. Kein Laktone benötigte eine Optik, um besser sehen zu können. Konsinsky selbst kannte nur den einen Gedanken: Er wollte schlafen. Dieser unheimliche Schiffsgigant nahm ihm den Atem und verwirrte ihn ständig mehr. Konsinsky fand einen Gang, der in einen Raum mündete. Aber der Gang war durch ein Schott gesichert. In Mannshöhe war er mit laktonischen Schriftzeichen bedeckt. Sie glänzten in tiefblauer Farbe. Er drehte am Manuell-Schalter. Das Schott öffnete sich. Zunächst sah er gar nichts. Aber bei seinem Eintritt flammte ein Licht auf und warf den Raum in strahlende Helle.
Hohe Blöcke versperrten ihm den Weg. Ein drei Meter hohes Gebilde, das konisch zulief und bedrohlich schillerte, war am unteren Ende offen. Die riesige Metallplatte lehnte an der Wand. Reparaturarbeiten, dachte Konsinsky. Die faulen Kerle taten auf Wache ohnehin nichts anderes als schlafen. Folglich würde vorläufig auch keiner kommen. Wer weiß, ob sie sich überhaupt noch einmal in diesem Raum blicken ließen. Hier unten war es angenehm warm. Konsinsky schwankte leicht. Die Augen fielen ihm zu. Aber er riß sich gewaltsam zusammen. Ein winziger Schacht, gerade groß genug, um einen Mann hindurchzulassen, verführte ihn. Dieses Plätzchen lud geradezu zum Schlafen ein, fand er. Als er sich mühsam hindurchzwängte, mußte er einem gewundenen Gang folgen. Eine kleine Kammer nahm ihn auf. Niemand befand sich hier, wie Konsinsky sich noch einmal vergewisserte. Er sah hoch. Das Licht fiel nur als schwacher Reflex hier herein. Hoch über seinem Kopf mündeten zwei dicke Rohre in die Kammer. Die Entlüftung, dachte Konsinsky noch. Dann rollte er sich zusammen. Sekunden später schon begann er hoch und piepsend zu pfeifen. Ein sicheres Zeichen, daß er eingeschlafen war. Konsinsky lächelte noch im Schlaf. Er hatte allerdings keinen Grund dazu, doch das wußte er nicht. Immerhin war es ungewöhnlich, daß ein müder Mann sich ausgerechnet die Nachbrennkammern eines atomaren Triebwerkes zum Schlafen aussuchte. *
Das System der SCHWARZEN STERNE lag noch im gleichen Spiralnebel der Galaxis wie Terra. Sammler, Jäger und Fischer bevölkerten ihn. Sie lebten in Höhlen und stellten wilden Tieren nach, die sie töteten, brieten und verschlangen. Die umfangreichen Arbeiten an Schalmirane waren abgeschlossen. Der künstliche Planet konnte als kosmische Wachstation eingesetzt werden. Das kosmische Jahr fünftausend war gerade angebrochen, als Schalmirane aus dem System der schwarzen Sterne abgestoßen wurde. Sie, die Zeitlosen, hatten beschlossen, eine gigantische Raumstation als Wächter ins All zu schicken, die vor dem eisigen Feind aus der Nachbargalaxis warnen sollte. Etno selbst wurde die Ehre zuteil, den Energieschock auszulösen, der Schalmirane tief in die Galaxis schleudern sollte. Der Zeitlose, Oberstes Mitglied im Rat der Ewigen, war sich dieser hohen Ehrung durchaus bewußt. Die Zeremonie nahm zwei volle Zeiteinheiten in Anspruch, was ungefähr dem irdischen Begriff von drei Tagen gleichkam. Zuvor gingen jedoch die sieben Zeitlosen an Bord. Ausgewählte Leute, die in Tiefschlaf versetzt wurden, um die Arbeit der Station zu überwachen. Die toten Sterne gaben ihre letzten Energiereserven her. Über einen spiegelverkehrten Raum, den sie erzeugten, kam ein Schockimpuls. Die Zeitschleuder stand bereit. Etno brauchte nur noch den symbolischen Hebel umzulegen. Alles andere erledigte sich von selbst. Feierlich nahm Etno den Akt vor. Die komplizierten Hypertriebwerke traten in Tätigkeit. Der Impuls der Zeitschleuder versetzte die Station um vier Millionen kosmische Zeiteinheiten
in die Vergangenheit. Durch das System der Schwarzen Sterne lief die gewaltigste Strukturerschüterung, die je gemessen wurde. Dort, wo Schalmirane in eine Kreisbahn gegangen war, glitzerten nun im nachtschwarzen Raum Tausende von Sternen. Schalmirane verschwand im Hyperraum. Die Wissenschaftler überwachten den Kurs der Station auch weiterhin. Vierhundert Zeiteinheiten später geschah etwas Eigenartiges. Schalmirane, das im System Unlo ihre feste Position bezogen hatte, geriet ganz plötzlich aus dem Kurs. Die Sonne Unlo hatte sich überraschend zur Nova entwickelt. Der Energieschock, der dem verheerenden Ausbruch folgte, vernichtete das gesamte System. Schalmirane wurde mit maßloser Gewalt abgeschleudert. Enlo saß vor den großen Schirmen, die den neuen Kurs verfolgten. Mit Hilfe einer komplizierten Zeitschaltung wurde die Station angemessen und durch weitere Impulse durch die Zeit geschleudert. Als sie den Hyperraum verließ, befand sie sich in einem Neun-PlanetenSystem mit einer hellgelben Sonne, im äußeren Spiralnebelarm der Galaxis. Jäh rissen die Eindrücke ab. Corda erwachte wie aus einem tiefen Traum und sah sich um. Nichts hatte sich in der Kammer verändert. Unbeweglich standen noch immer die Zeitlosen an der Wand; gefangen in ihren Energiefeldern. Die blitzende Haube, die seiner Kopfform angepaßt war, fuhr langsam zurück und verharrte dann unbeweglich über ihm. Rex Corda hatte den ersten Eindruck einer fremden Welt bekommen. Er hatte die Geschichte von Anbeginn verfolgen
können. Als er sich vorbeugte, ertönte wieder die telepathische Stimme. Noch immer war sie grell und verzerrt. Sie tat weh, wenn man ihr lange genug zuhörte. „Der erste Abschnitt ist beendet. Wenn Sie sich wieder erholt haben und Wert darauf legen, können Sie auch noch den zweiten Teil verfolgen." Der Sender schwieg abrupt. Erst jetzt bemerkte Corda, wie abgespannt und müde er war. Er rieb sich über die Augen. Zu viele Eindrücke waren in der kurzen Zeit auf ihn eingestürmt. Er mußte sie erst geistig verarbeiten. Aber die Geschichte von Schalmirane war interessant, das gestand er sich vorbehaltlos ein. Er wollte unbedingt erfahren, wie es weiterging und welche eigentliche Bewandtnis es mit den Zeitlosen hatte. Er nickte. Seine Hand ertastete Bartstoppeln, als sie nochmals über das Gesicht fuhr. „Ich möchte den zweiten Teil sehen", sagte er daher. In der Anlage begann es wieder zu summen. Der Helm legte sich auf seinen Kopf. Die Maschine warf ihn in eine unbekannte Finsternis. Augenblicklich versank er darin. * Coltos warf den Schraubenschlüssel in eine Ecke und beugte sich vor. „Wir sind fertig", verkündete er. „Die Nachbrennkammern sind gesäubert. Keine Radioaktivität mehr festzustellen." Der andere Laktone nickte zufrieden, „Dann können wir die Platte ja wieder befestigen. Oder sollen wir einen Arbeitsroboter kommen lassen? Er würde es wahrscheinlich schneller machen." „Lieber nicht", wehrte Coltos ab. „Es
tut gut, wieder einmal etwas selbst zu tun." Wortlos schraubten sie die schwere Platte vor den Eingang zum Nachbrennschacht. Eine weitere Magnetfolie sorgte für vollkommene Abschirmung. „Ich habe etwas gehört", sagte Coltos nach einer Weile. Die beiden Laktonen lauschten angestrengt. Ein pfeifendes Geräusch klang auf. Danach ein hoher, langgezogener Ton, der an ein Klagen erinnerte. Anschließend herrschte wieder tiefe Stille. Coltos schüttelte den Kopf. „Das Geräusch stammt nicht von hier. Gehen wir. Der Alte will, daß wir die Nachbrennkammern noch einmal testen, bevor sie wieder benutzt werden. Ich denke, viertausend Grad Hitze dürften zur Probe genügen." Der andere Laktone schloß sich dieser Ansicht an. Schweigend begaben sie sich in den kleinen Steuerstand. Der kleine Kontrollbildschirm zur Fernbeobachtung flammte auf. Coltos' Hand lag am Schalter, der die erhitzten Strahlmassen einspritzen würde. Aber er zögerte noch. Weshalb machte Cidor ein so merkwürdiges Gesicht? Er nahm die Hand wieder herunter und sah den Kollegen an, der immer blasser wurde. „Warte noch", hörte er seine tonlose Stimme. „Ich glaube fast, in der Nachbrennkammer hat sich was bewegt." „Unsinn. Was soll sich da bewegen? Soviel ich weiß, besitzt Solanitgewebe nicht die Eigenschaft, selbständige Bewegungen auszuführen." Die Worte hatten spöttisch geklungen. Natürlich mußte Cidor geträumt haben. In letzter Zeit kam das öfter vor. „Aber da ist doch etwas. Außerdem haben wir vorhin das komische Geräusch gehört."
Auf dem kleinen Bildschirm ließ sich nichts erkennen. Die Kammer konnte erst dann beobachtet werden, wenn sie in Betrieb war. Aber aus irgendeinem Grund geschah etwas, womit selbst der abgebrühteste Laktone nicht gerechnet hätte. In der Nachbrennkammer wurde es hell. Ein ganz schwaches Leuchten kam herauf. Eine winzige Flamme tanzte auf und nieder. Die beiden Laktonen warfen sich verständnislose Blicke zu. Dann kroch ihnen das kalte Grausen über den Rücken. Sekundenlang erschienen zwei blitzende Gläser, die hell auflohten. Coltos ließ sich ächzend in den nächsten Schalensitz fallen. Sein Gesicht hatte eine ungesunde Farbe angenommen. „Ich glaube nicht an Geister", hauchte er. „Ganz bestimmt nicht. Aber dort unten ist etwas nicht in Ordnung. Wenn das der Alte erfährt, gibt es ein Gerichtsverfahren. Gehen wir?" Cidor nickte schweigend. Sie entsicherten ihre Waffen und begaben sich wieder nach unten. Mit wüsten Flüchen und unter vielen Mühen entfernten sie die Platte mit der Folie. Einen Arbeitsroboter hätten sie nicht hinzuziehen können. Er hätte die Begebenheit gespeichert, worauf sie später ausgewertet worden wäre. Als die Platte fiel, taumelten die beiden Laktonen mit schreckgeweiteten Augen zurück. Ein Ungeheuer kroch ihnen entgegen. Tückisch funkelnde Augen blitzten sie an. Die beiden griffen zur Waffe. * Die Zeitmanipulation hatte etwas Außergewöhnliches bewirkt. Auf der Erde gab es keine Fischer,
Sammler und Jäger. Noch gab es sie nicht. Der Zeitumkehreffekt hatte Schalmirane weiter in die Vergangenheit geschleudert. Auf der Erde bildete sich das erste Leben. Schalmirane wurde vom Schwerefeld der Sonne angezogen und kreiste in einer langen Bahn alle siebenhundertundzwanzig Jahre einmal um den Schwerpunkt. Und wieder wurde das All erschüttert. Im Sonnensystem barst ein Planet infolge einer kriegerischen Auseinandersetzung. Zwei gigantische Teile spalteten sich ab und störten die Ordnung der anderen Bahnen. Alles geriet durcheinander. Immer weitere Explosionen fetzten den Riesenplaneten auseinander. Der Asteroidengürtel entstand. Schalmirane, dessen Bahn sich immer mehr dem Schwerpunkt genähert hatte, baute seine gewaltigen Schirmfelder auf. Einige tausend Jahre später kreiste die Station als Planetoid im Asteroidengürtel auf einer festen Bahn. Störeinflüsse machten sich bemerkbar. Der dritte Planet wechselte die Pole. ,,Sturzseen entstanden, und das Magnetfeld des dritten Planeten wurde empfindlich gestört. Der natürliche Schutz gegen kosmische Strahlen verschwand. Unmerklich erst, dann immer schneller, baute sich das irdische Magnetfeld ab. Energiepartikel aus dem Kosmos drangen ungefiltert durch die schwache Atmosphäre. Sie trafen die Zellkerne der ersten Lebewesen und bewirkten Mutationen. Leben in vielfältiger Form begann sich zu bilden. Das Meer wurde lebendig und gebar die ersten Wesen, die schwerfällig an Land krochen und sich umbildeten. „Das war ein Überblick über die Ent-
wicklung der ersten lebentragenden Welt des Systems", erläuterte die Stimme des unsichtbaren Sprechers. Corda sah sich erwachend um. Ihm schien, als sei er von einer langen Reise durch Raum und Zeit zurückgekehrt. Etwas benommen von den unendlich vielfältigen Eindrücken, stand er dann auf. Matson hatte sich in der ganzen Zeit noch nicht einmal bewegt. Mit dem Mutanten schien eine erneute Veränderung vorzugehen. „Sie sehen jetzt die dritte und letzte Phase", klang das telepathische Gewisper. Diesmal hatte sich der Ton verändert, den Corda nicht hören, sondern nur fühlen konnte. Das Grelle und Beängstigende aus der „Stimme" war verschwunden. Noch einmal tastete der Helm nach ihm. Der Sitz schob sich heran und lud ihn zum Ausruhen ein. Die Schwärze war diesmal wie ein Schock. * Konsinsky wachte schweißgebadet auf. Der Boden war hart und scharfkantig. Er hatte nicht lange geschlafen. Die ständigen Geräusche des großen Schiffes hatten ihn nicht zur Ruhe kommen lassen. Er stieß mit dem Kopf gegen die Decke. Tiefe Finsternis umgab ihn. Die Luft war stickig und verbraucht. Er schnaufte schwer. Nach einigem vergeblichen Umhertasten in einer Finsternis, die kein Ende nahm, kramte er sein Feuerzeug aus der Tasche hervor und ließ es aufblitzen. Nur schwer entsann er sich, was er hier eigentlich wollte. Ebenso benötigte er eine ganze Weile, um zu merken, daß er sich in einem Gefängnis befand. Es gab keinen Ausgang mehr aus dieser Kammer oder
dem Raum, was immer es auch sein mochte. Wie war das nur möglich, sann Konsinsky. Ewigkeiten später vernahm er polternde Geräusche. Jemand machte sich am Eingang des Raumes zu schaffen. Der kleine Doc lächelte grimmig. Er würde es diesen Brüdern schon zeigen. Sie hatten es auf ihn abgesehen. Sie konnten ihn nicht leiden. Endlich fiel ein heller Lichtschein herein. Konsinsky stürzte wie ein Racheengel vor. Seine Brillengläser blitzten. Vor dem Eingang standen zwei Laktonen. Einer riß die Waffe hervor und legte an. „Idiot!" brüllte Konsinsky. Niemand hatte ihm diese Behendigkeit zugetraut. Noch bevor der entsetzte Laktone abdrücken konnte, hatte der Doc ihm den Strahler aus der Hand gerissen. Wütend schleuderte er die schwere Dienstwaffe in eine Ecke. Er wunderte sich nicht einmal, daß die Laktonen zu keiner Handlung mehr fähig waren. Sie schienen regelrecht gelähmt zu sein. „Das könnte euch so passen, wie?" brüllte er mit seiner hohen Stimme. Konsinsky störte sich nicht an den Gesichtern. „Mich einschließen, he? Und dann die Überraschten spielen. Gibt es denn auf diesem verdammten Schiff kein einziges ruhiges Plätzchen? Was starrt ihr mich so an, ihr hohlen Nieten? Verschwindet endlich und laßt einen vielgeplagten Mann gefälligst in Ruhe." Cidor hatte sich wieder gefaßt, obwohl er immer noch nicht begriff, was hier eigentlich vorging. Er griff nach dem kleinen blinzelnden Mann. Konsinsky schlug dem verblüfften Laktonen kräftig auf die Finger. Cidor
hüpfte erschrocken zurück. Konsinsky lachte stoßartig auf, dann vollführte er mit beiden Händen seine typisch wedelnden Bewegungen. Ohne sich noch einmal umzublicken, verschwand er. Er ließ zwei erstarrte Laktonen zurück, die einem Zusammenbruch nahe waren. Mit weit aufgerissenen Augen sahen sie hinter ihm her. * Die steuernde Positronik vermittelte Rex Corda jetzt bewußt Sinneseindrükke und Impulse. Er sollte helfen! Bilder zogen an seinem geistigen Auge vorüber. Jedesmal wenn er sie sah, fühlte er sich unmittelbar in das Geschehen hineinversetzt. Diesmal aber war das alles anders. Die Positronik sprach mit ihm über die Gehirnfrequenz des einen Gefangenen, der an der Wand lehnte. Wieder überfiel ihn dieser mysteriöse Nebel, der alle Konturen verwischte und sie unscharf erscheinen ließ. Sieben hochgewachsene Gestalten zogen an seinem geistigen Auge vorüber. Sie erstarrten in ihren Bewegungen, als grünlich wabernde Arme sich ausbreiteten und sie festhielten. Der Zeitbegriff, in dem sich das alles abspielte, war diesmal unklar. Corda hatte aber das Gefühl, daß es mehrere Millionen Jahre sein mußten. Die Positronik hatte zu einer Notlösung gegriffen, als ein kleines Relais ausfiel und einen wichtigen Teil der Anlage blockierte. Die sieben Wissenschaftler, ausnahmslos Zeitlose, mußten geschützt werden. Sie waren die letzten Vertreter einer Rasse der Superiors. Außer ihnen gab es nur noch ein weiteres halbes Dutzend. Und nur ihnen hatte man das
ewige Leben im System der Schwarzen Sterne gewährt. Fesselfelder entstanden. Energiekammern, die für den Erhalt des Körpers sorgten und sie gleichzeitig in den Tiefschlaf versetzten. Die Zeitlosen versanken in tiefe Starre. Da fiel ein weiteres lebenswichtiges Relais aus. Die Zeitlosen bemerkten es nicht mehr. Ihre konservierten Körper stellten ihren biologischen Kreislauf ein und wurden wehrlose Gefangene ihrer eigenen Supertechnik. Dann erfolgte der Einschlag eines unbekannten Körpers auf Schalmirane. Ein Relais erwachte schlagartig zum Leben. Fred Matson hatte die Aktivierung bewirkt, ohne sich dessen bewußt zu sein. Aber noch immer war der Defekt nicht behoben, der die Zeitlosen zu Gefangenen machte. „Hilf uns!" hörte er es plötzlich in aller Eindringlichkeit rufen. „Du kannst Hilfe bringen. Die Positronik hat dein Individualmuster getestet und ausgewertet. Sie hat dich für würdig befunden, die Station ungehindert zu betreten. Wenn du Hilfe bringst, wird Schalmirane dir jederzeit zur Verfügung stehen." Corda hatte das Gefühl, als stürze er durch Zeit und Raum. Es war ein Schweben, das kein Ende nahm. Bunte, farbige Sonnen stürzten auf ihn zu. Immer, bevor sie ihn erreichten, zogen sie seitlich davon, schlössen sich hinter ihm wieder zusammen und kamen erneut auf ihn zu. „Wie kann ich Ihnen helfen?" hörte er sich aus unendlich weiter Ferne sagen. Die Positronik antwortete statt dessen mit einer Gegenfrage. „Du bist bereit?" Corda überlegte sekundenlang. Er war sicher, daß die Positronik jede sei-
ner Gefühlsregungen überwachte. Wem schadete er, wenn er half? Der Erde? Corda glaubte es nicht. Aber irgendwo in einem versteckten Winkel seines Gehirns meldete sich ein kleiner Impuls. Mit seinen Sondersinnen nahm er etwas wahr, von dem er nur eine unbestimmte Ahnung hatte. Gleich darauf war der Impuls verschwunden, als hätte man ihn ausgelöscht. „Ich werde helfen", sagte er ausdruckslos. Die Schwärze entließ ihn ganz überraschend. Er kam zu sich und fand sich in der bereits vertrauten Umgebung wieder. Noch immer war keine Änderung eingetreten. Nach wie vor bestand das leise Singen und die Vibration. Woher kamen sie? Corda war sicher, bisher nur einen kleinen Teil von Schalmirane gesehen zu haben. Der Planetoid, oder besser die Festung, mußte total von Gängen und Kammern durchzogen sein. Als er aufstand, bemerkte er zuerst ein leichtes Winken mit der Hand. Es war eine bittende, aber auffordernde Geste des Zeitlosen, näher zu treten. Hart vor dem Schirm blieb Corda stehen. Nachdenklich betrachtete er das Wesen vor sich. Die anderen machten keine Anstalten, ihn auf sich aufmerksam zu machen. Schliefen sie noch? Er zuckte leicht zusammen, als wieder eine unhörbare Stimme aufklang. Aus irgendeinem Grund konnte er sich plötzlich mit dem Zeitlosen selbst in Verbindung setzen, ohne den Umweg über die Positronik. „Lege den Hebel um, der sich dort rechts an der Wand befindet. Mehr brauchst du nicht zu tun. Damit aktiviert sich alles andere von selbst." Wieder meldete sich ein kleiner Impuls, aber ebenso überraschend ver-
schwand er auch wieder. Schon griff Cordas rechte Hand nach dem kleinen schimmernden Gebilde, als er jäh innehielt. Ihm kam ein phantastischer Gedanke. Sie waren unsterblich, aber in einem Gefängnis festgehalten, aus dem es für alle Zeiten kein Entkommen für sie gab. Schalmirane würde noch Jahrmillionen weiter seine Bahn durch das Sonnensystem ziehen, ohne daß sich einer der Zeitlosen jemals befreien konnte. War das nicht eine Gegenleistung wert? Unsterblichkeit! Corda begann bei dem Gedanken zu fiebern. Sie, denen man die Unsterblichkeit gewährt hatte, würden in der Lage sein, ihm ebenfalls dazu zu verhelfen. Ohne ihn waren sie hilflos in ihren Kammern gefangen. Corda wußte, daß in seinem Leben eine entscheidende Wende eintrat, wenn er den Hebel umlegte. Ließ er diesen Augenblick aber nutzlos verstreichen, wäre alles wie vorher. Er kam sich wie ein kleiner Junge vor, dem ein unwirkliches Wesen einen Wunsch erfüllen konnte. Gleichzeitig aber kamen ihm Bedenken. War es nicht widersinnig, wenn er helfen konnte und unbedingt dafür eine Gegenleistung verlangte? Nein, entschied er dann. Es war nicht mehr als ein typisch menschlicher Charakterzug, kennzeichnend für jeden Terraner. Wer würde sich eine solche Chance entgehen lassen? Der Wunsch, unsterblich zu werden, nahm immer greifbarere Formen an. Als Corda sich in einen Sinnestaumel hineinsteigerte, merkte er plötzlich, daß es kleinlich war, so zu handeln. Er sah in die Augen des Mannes, der so alt war wie die Erde. Die Augen blitzten spöttisch und ge-
heimnisvoll. Sie zwangen Cordas Bewegungen in Richtung des glänzenden Hebels. Wie unter einem Zwang fuhr Cordas Arm hoch. Er verzichtete auf jede Gegenleistung. Seine Finger ergriffen den Hebel und berührten ihn. Da sah er, wie das Lächeln in den schwarzen Augen sich noch mehr verstärkte. Der Fremde hatte gewonnen — oder nicht? Cordas Hand sank schlaff nach unten. * Percip stieg umständlich aus dem Raumanzug. Man hatte ihn mit Hilfe eines elektromagnetischen Zugstrahles an Bord geholt, nachdem er so weit abgetrieben war. Sein Versuch war gescheitert. „Haben Sie etwas bemerken können?" fragte ihn Jakto Javan. „Nur, daß es Corda gelang, ungehindert durch den Schirm zu kommen. Als ich dasselbe versuchte, wurde ich abgeschleudert. Ich bin froh, daß Sie mich noch gefunden haben, denn es bestand kaum Aussicht." „Bedanken Sie sich dafür bei einem kleinen Terraner, der hier an Bord sein Unwesen treibt. Wir vermuten, daß es sich um einen terranischen Agenten handelt, den Corda inoffiziell eingeschleust hat." „Ach! Dr. Konsinsky und ein Agent?" meinte Percip ungläubig. „Ich kann es mir nicht vorstellen." „Die Terraner haben so ihre Eigenarten. Tatsache ist jedoch, daß Konsinsky hier so gut Bescheid weiß wie ein laktonischer Techniker. Man meldete uns, daß er durch Zufall, wie er sich ausdrückte, auf die Feuerknöpfe drückte und einen orathonischen Raumer beschädigte. Das war vor einigen Tagen. Heute hat er Sie durch einen ebensolchen Zufall entdeckt und Ihnen
damit praktisch das Leben gerettet. Anschließend fand man ihn in den Nachbrennkammern der Zusatzantriebe. Angeblich hat er geschlafen. In einer Nachbrennkammer! Stellen Sie sich bitte diese Unmöglichkeit vor." Percip staunte. Daß alles Zufälle waren, erschien doch zu unwahrscheinlich. Doktor Konsinsky mußte nach einhelliger Meinung ein Spezial-Agent sein. Jakto Javan wechselte das Thema. Er hatte eine intensive Suche nach dem kleinen Arzt veranlaßt. Bisher war sie ergebnislos verlaufen. Wieder einmal blieb der Terraner verschwunden. „Fiel Ihnen eine Intelligenzform auf, als Corda durch den Schirm trat?" fragte er. „Nein, nur ein leuchtender Stein, der auf- und niederschwebte. Es könnte eine Intelligenzform gewesen sein. Ich bezweifle das allerdings." Jakto Javan war mit dieser Auskunft unzufrieden. Es war mehr als unwahrscheinlich, daß sich der Schirm nur für einen einzelnen Terraner geöffnet hatte. Etwas steckte dahinter. Insgeheim vermutete Javan ein Bündnis zwischen Andersartigen und Terranern. Er war mißtrauisch. Hatte Terra ein undurchsichtiges Spiel mit ihm getrieben? Er wandte sich ab. Seine Wangenmuskeln zuckten. „Achtung! Der Planetoid wird erneut angeflogen. Jeder Quadratzentimeter wird mit Infrarot-Tastern abgesucht Kein Feuer eröffnen, sondern nur beobachten." Das Flaggschiff scherte schwerfällig aus seinem Kurs und näherte sich erneut dem geheimnisvollen Planetoiden. Wieder hatte die Oberfläche eine merkwürdig helle Färbung angenommen. Javan sah mißtrauisch auf die Schirme. Sie zeigten nichts anderes als öde,
zerklüftete Oberfläche einer unbekannten Welt. Als das Flaggschiff sich dem Energieschirm genähert hatte, begann erneut eine Veränderung. Die Farben wechselten und wurden dunkel. Schatten senkten sich herab und verhüllten die Oberflächenstruktur. Javan lächelte grimmig. Es würde ihnen nichts nützen. Die Infrarot-Ortung erfaßte jede noch so unbedeutende Einzelheit. Als er sich dem Beobachter zuwandte, sah er in ein verstörtes Gesicht. „Was ist passiert?" fragte Javan ruhig. Der Laktone nahm Haltung an. „Die Infrarot-Ortung arbeitet nicht mehr. Bisher habe ich keine Erklärung für das Phänomen. Sie ist gestört." Die Männer sahen sich an. Sie hatten etwas Derartiges noch nie erlebt. * „Sie wollen nicht?" hörte Corda eine Stimme fragen, die dem Zeitlosen gehörte. Wieder ruhte der spöttische Blick auf ihm. Corda fiel auf, daß der Zeitlose jetzt Sie sagte. Vorher hatte er das persönliche Du gewählt. Vielleicht fand er sich aber auch erst langsam in die sprachlichen Grundbegriffe hinein und lernte sie kennen. Schon jetzt konnte Corda nicht mehr unterscheiden, ob es Telepathie war oder die Sprache auf einer akustischen Basis. Er hatte außerdem jedes Zeitgefühl verloren. Er lächelte spöttisch zurück, als der andere Geist sich in den seinen hineinzutasten versuchte. Corda entzog sich dem langsamen Zugriff. „Warum sollte ich nicht wollen", antwortete er mit einer Gegenfrage. „Allerdings ist eine Gefälligkeit die andere
wert, wie es so schön heißt." „Was verlangen Sie?" „Die Unsterblichkeit." Zum erstenmal sah Corda den Fremden lächeln. „Mehr nicht? Sind Sie sich nicht der Tatsache bewußt, was Sie verlangen." „In dem Punkt irren Sie sich. Ich weiß sehr wohl, was ich will." „Sie glauben, Unsterblichkeit sei etwas, das Sie als höchstes Glück bezeichnen würden?" Corda wußte nicht, ob der Fremde ihn nur prüfen wollte. Er hätte dieselben Antworten in jeder anderen Situation auch gegeben. Er blieb absolut bei der Wahrheit. „Vielleicht wäre das ewige Leben auch nur lästig?" erwiderte er daher. „Aber das kann ich nicht beurteilen." „Es ist lästig. Ich weiß es. Aber die Unsterblichkeit kann Ihnen nicht gewährt werden." „Damit hatte ich auch nicht gerechnet", sagte Corda. „Mich interessierte lediglich Ihre Reaktion." Der Fremde musterte den Terraner prüfend. „Dann legen Sie den Hebel herum." „Sie mißverstehen mich. Sie sind augenblicklich von mir abhängig. Ich habe jedoch nicht die Absicht, Sie zu erpressen. Wir machen einen Tausch, mehr nicht. Ich lege den Hebel um und gebe Ihnen die Freiheit wieder, und Sie geben mir dafür die Daten." „Welche Daten?" „Die Koordinaten zum System der Schwarzen Sterne. Vermutlich liegt dort das Zentrum des ewigen Lebens." „Sie begreifen sehr schnell. Aber woher soll ich wissen, daß Sie würdig sind?" „Woher soll ich wissen, ob Sie Ihre Freiheit nicht dazu mißbrauchen, um der Erde Schaden zuzufügen?" konterte Corda. Der Fremde war verblüfft, oder kam
es ihm nur so vor? „Die Erde interessiert uns nicht", sagte er dann. „Sie ist ein Stern unter vielen, der intelligentes Leben hervorgebracht hat. Wir haben sie beobachtet. Die Rasse, die dort lebt, ist kriegerisch wenig wert und maßlos eingebildet. Sie ist außerdem expansionswütig." „Wie nett Sie das sagen", spöttelte Corda. „Aber bleiben wir bei der Sache. Was geschieht, wenn ich den Hebel umlege?" „Wir werden aus unseren Energiekammern sofort befreit." „Alle?" „Ja, alle sieben. Wir sorgen für die restlose Aktivierung der Station und gehen wieder zurück. Vorher werden wir jedoch noch etwas zu erledigen haben." „Und das wäre?" Der Fremde bewegte leicht den Kopf. Sein weißes langes Haar umfloß in geschmeidigen Bewegungen seinen edel geformten Kopf. „Man hat uns angegriffen. Jene Wesen, die vor der Station warten, wollten uns bewußt und vorsätzlich vernichten. Das dulden wir nicht." „Ich verstehe. Dennoch nahm ich an, daß Sie es ihrer Mentalität zugute halten würden. Ein Zeitloser sollte erhaben sein über derartige Zwischenfälle und sich darüber hinwegsetzen. Was können Ihnen jene Wesen schon anhaben?" „Nichts. Aber Sie haben recht. Sie würden vermutlich sogar die Prüfungen vor dem Rat der Ewigen bestehen. Sie sind noch jung, aber auf eine Art abgeklärt, wie es nur wenige Wesen sind." Corda merkte, daß der Fremde wieder vom Thema abwich. Vielleicht tat er es auch mit voller Absicht. Als er wieder sprach, war sein Ton um eine Nuance schärfer geworden. Corda vermeinte, eine leichte Feindseligkeit zu spüren. „Sie bestehen also auf Ihrer For-
derung nach den Koordinaten des Systems der Schwarzen Sterne — oder haben Sie es sich anders überlegt?" „Ich ändere meine Ansichten nie." „Gut, ich sehe keine andere Möglichkeit, um mich aus der Energiekammer zu befreien. Legen Sie jetzt den Hebel um, ich werde Ihnen dann die genaue Position angeben." „Und damit das Geheimnis der Unsterblichkeit?" erkundigte sich Rex. „Das Geheimnis erhalten Sie nicht. Ich gebe Ihnen lediglich die Daten. Sie werden dort aber alle Probleme lösen, wenn Sie geschickt vorgehen." Rex Corda nickte zufrieden. Er hätte es nie für möglich gehalten, so leicht an die Koordinaten heranzukommen. Eine ungeheure Erregung packte ihn. Was würde er im System der Schwarzen Sterne erleben? „Beeilen Sie sich!" forderte der Fremde. „Achten Sie jetzt genau auf die Wand an der gegenüberliegenden Seite." Corda tat es. Die Wand sah kalt und grau aus. Er wußte nicht, was der Fremde vorhatte. Aber auf einmal begann sich die Wand zu verformen. Sie schwankte, die Konturen verwischten, und eine kleine schwarze Platte erschien. Die Koordinaten erschienen. Corda schluckte unbewußt. Er merkte nicht, wie der spöttische Blick des Fremden ihn sekundenlang streifte. Das Bild der Koordinaten fesselte ihn. Eine Flammenschrift erschien auf der schwarzen Fläche. Sie wuchs rasch zu großen Symbolen an und leuchtete intensiv rot. Corda reagierte augenblicklich. Aus der Kombinationstasche riß er die immer wieder neu verwendbare Schreibfolie heraus. Der Magnetschreiber sprang fast von selbst in seine Hand. Peinlich genau zeichnete er die Sym-
bole nach, deren Sinn ihm vorerst unverständlich blieb. Doch gleich darauf erfolgte die Koordinatenangabe in terranischen Ziffern. Die anderen Zeichen erloschen sofort. Corda wußte, daß sie nie mehr wiederkehren würden. Aber er hatte sie festgehalten. Ebenso rasch begann er die Zahlen aufzuschreiben. Als er den letzten Abschnitt auf die Folie übertragen hatte, begann auch die Fläche zu erlöschen. Die Wand entstand wieder so, wie sie vormals gewesen war. Grau und kalt unterschied sie sich in nichts mehr von den anderen Wänden. „Sie haben jetzt die Symbole. Ich erwarte Ihre Gegenleistung." Corda befeuchtete mit der Zungenspitze seine trocken gewordenen Lippen. Cordas Hand flog hoch. Er mußte sein Versprechen einlösen. Er legte den Hebel um. Ein buntes Farbmuster überschüttete ihn mit gleißender Helligkeit. * Dr. Konsinsky tauchte unvermutet in dem riesigen Bordobservatorium auf. Sein Erscheinen rief bei den Laktonen Bestürzung und Verwunderung hervor. Der kleine Arzt ignorierte die Blicke, die man ihm von allen Seiten zuwarf. Erschrocken blickte er auf den älteren Mann, der fasziniert einige Reliefkarten beobachtete. „Hallo", sagte er leise. „Ein Terraner. Sind Sie der Mann, der zusammen mit Rex Corda vorhin hier ankam?" Will Rimson nickte. Er kannte den kurzsichtig blinzelnden Doc vom Hörensagen. Er stellte sich vor. Konsinsky stöhnte. „Gott sei Dank. Auf die Dauer sind die Herren hier un-
erträglich. Nicht einmal einen Platz zum Schlafen findet man hier. Überall wird man aufgestöbert. Wissen Sie, zuwenig Schlaf ist der Gesundheit abträglich. Ich muß meinen Rhythmus immer genau einhalten, denn ..." Konsinsky fuhr erschreckt zurück. Auf dem Bildschirm zuckte ein greller Blitz auf. Sekundenlang wurde alles in strahlende Helle getaucht. Dann war das helle Lohen übergangslos erloschen. „Was war das?" keuchte er. Rimson zuckte die schmalen Schultern. „Keine Ahnung. Vermutlich hat wieder einer auf die Feuerorgel gedrückt. Diese Burschen haben ja eigene Ansichten. Ich glaube fast, sie schießen nur, weil es ihnen Spaß macht." Konsinsky beugte sich vor. Dicht vor seinem Gesicht war ein Holograf in eine vier Meter lange Schalttafel eingebaut. Er nahm seine Brille ab, rieb sie zwischen den Fingern und setzte sie wieder auf. „Komisch", meinte er dann. „Aber dieser mysteriöse Planetoid ist verschwunden. Vermutlich haben sie das Schiff gedreht." Rimson starrte den kleinen Doc ungläubig an. „Hidalgo — verschwunden?" hauchte er. „Mein Gott. Tatsächlich. Aber..." Er suchte verzweifelt nach Worten. „Eben habe ich den Planetoiden doch noch mit eigenen Augen gesehen. Wir haben uns nicht gedreht, das Schiff ist nur näher herangegangen. Das ist ja wirklich seltsam." „Hm. Da treibt sich schon wieder so ein Kerl herum", stellte Konsinsky mißbilligend fest. „Ob das irgendeine größere Übung ist?" Auf dem Holografen tauchte erneut eine Gestalt im Raumanzug auf. Sie bewegte sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit ins All hinaus. Konsinsky stieß den neben ihm stehenden Laktonen erregt an. Er deutete
auf den Holografen. Das Gesicht des Fremden war nicht zu erkennen. Aber nach seiner Ansicht konnte es sich nur um den Mann von vorhin handeln. Der Laktone fuhr zusammen. Er beugte sich über einen kleinen Schirm und gab in laktonischer Sprache ein paar hastige Anweisungen. Wieder lief eine Rettungsaktion an. Sie brachte eine riesengroße Überraschung. Der Zugstrahl wurde ausgerichtet und auf die entschwindende Gestalt eingepeilt. Jakto Javan überwachte die Rettungsaktion. Er sah, wie der Mann sich haltlos überschlug und dann ganz abrupt gestoppt wurde. In einem großen Bogen kehrte er zurück, umkreiste das Flaggschiff und glitt in die offenstehende Hangarschleuse hinein. „Der Teufel soll mich holen", knirschte Will Rimson, „wenn das nicht Rex Corda ist. Aber wie kommt der so plötzlich hierher?" Darauf wußte Dr. Konsinsky auch keine Antwort. Ungläubig schüttelte er den Kopf. Auf der Aufnahmeoptik ruckte das Gesicht des Fremden sprunghaft näher. Allem Anschein nach handelte es sich um Rex Corda. Der Doc sah aber auch noch etwas anderes. Die Gestalt dort draußen war seltsam verkrümmt. Vermutlich war sie sogar tot. * In einem winzigen Sekundenbruchteil schossen Rex Corda tausend Gedanken durch den Kopf. Als die Rechte den Hebel umlegte, merkte er, daß etwas nicht stimmte. Sofort schlug er mit der linken Hand den Helm zurück. Die Magnethalterung rastete mit ei-
nem hörbaren Klicken ein. Corda fühlte den Ansturm mächtiger Gewalten, als der Hebel langsam zurückglitt. Farben kamen und explodierten vor seinem Gesicht. Heiße Energien mit einem hohen elektrischen Potential durchtobten ihn. Der Schmerz war unerträglich. Alles verschwamm vor seinen Augen. Mit dem letzten Blick sah er noch einmal die Gestalten der Zeitlosen. Eine Veränderung war mit ihnen vorgegangen. Ihre Kraftfelder hatten sich abgebaut. Sie waberten nicht mehr. Er sah, wie der Wissenschaftler aus der Kammer heraustrat, die ihn seit Jahrtausenden gefangen hatte. Der Fremde bewegte sich auf ihn zu. Aber jetzt lächelten seine Augen nicht mehr spöttisch, sondern ausgesprochen höhnisch. Da wußte Corda, daß man ihn betrogen hatte. Er hatte irgend etwas falsch gemacht. Aber was? War es zuviel gewesen, daß er die Unsterblichkeit als Gegenleistung verlangt hatte? Er wußte, daß sich das alles in einem Bruchteil von einer Sekunde abspielte, aber es zog dennoch mit schmerzhafter Klarheit vor seinem Auge vorbei. Der Schmerz wurde immer schlimmer. Die Energien wurden nach innen gelenkt und schienen ihn zu verbrennen. Corda schrie auf. Aber es wurde nur ein Gurgeln, das niemand hörte. Immer mehr verschwammen die Umrisse. Einer der befreiten Zeitlosen trat auf ihn zu und sah ihm lange ins Gesicht. Corda konnte sich nicht mehr wehren. Hilflos mußte er mit ansehen, wie sie langsam davongingen. Dann fühlte er einen ungemein harten Schlag. Maßlose Gewalten erfaßten ihn und wirbelten ihn fort. Dann verlor er das Bewußtsein. Sein
Körper wurde von unsichtbaren Gewalten fortgeschleudert. * Die Positronik wartete den Zeitpunkt ab, an dem der Stromkreis sich schließen würde. Das fünfdimensionale Feld baute sich im Bruchteil einer Sekunde auf. Der hyperenergetische Stoßimpuls erfolgte sofort danach. Der Fremdkörper, der sich in der Kammer aufhielt, wurde von einer mehrdimensionalen Zone umgeben. Jetzt war er als vierdimensionaler Bestandteil ein absoluter Fremdkörper, der nach den Gesetzen der Hypermathematik nicht mehr bestehen konnte. Die logische Folge war eine Abstoßung ins Normal-Kontinuum. Der automatische Schleuderimpuls stieß ihn mit aller Macht ab. Gleichzeitig kam der Sammelimpuls, auf den die Positronik seit einigen Millionen Zeiteinheiten gewartet hatte. Schalmirane verblaßte. Die Struktur des vierdimensionalen Kontinuums wurde heftig erschüttert. Dann verschwand die Raumfestung aus dem Sonnensystem. Ihre Aufgabe war vorläufig erfüllt. Sie kehrte wieder an den Ausgangspunkt ihrer Reise zurück. * Rex Corda schlug die Augen auf. Erst nach einer Weile erkannte er die Gesichter um sich herum. Rimson, Konsinsky und der laktonische Flottenbefehlshaber Jakto Javan beugten sich über ihn. Die Zentrale wimmelte von Laktonen. Javans Augen blitzten kalt und gefährlich. „Können Sie mich hören, Corda?" „Ja, natürlich. Was ist geschehen?" In wenigen Worten klärte man ihn
auf. Corda nickte sinnend. „Sie haben einen terranischen Agenten bei uns eingeschleust", hörte er Javan sagen. Corda richtete sich verblüfft auf. Die Schmerzen waren verschwunden. Er schien keinen Schaden genommen zu haben. „Ach", meinte er spöttisch. „Und wer sollte das sein?" Javans Hand wies auf Dr. Konsinsky, der ein erschrockenes Gesicht machte. Er stand auf und machte ein paar Gehversuche. Dann begann er zu Javans grenzenloser Verblüffung laut zu lachen. Die anwesenden Laktonen erstarrten. „Das war der beste Witz, den ich je gehört habe", erläuterte Corda. „Dr. Konsinsky und ein Agent! Unfaßbar. Sehen Sie ihn sich an. Sieht so ein terranischer Agent aus?" Javans Augen blitzten noch immer eisig. Sein Blick überflog die kleine und schmächtige Gestalt mit den kurzsichtig blinzelnden Augen, dem gekrümmten Rücken und dem faltigen Gesicht. Konsinsky sah aus, als hätte er in eine Zitrone gebissen. „Das ist kein Beweis", meinte Jakto Javan. „Wir werden uns mit diesem Mann befassen müssen. Glauben Sie nicht, daß man unsere Psychologen täuschen kann. Dieser Dr. Konsinsky wird von uns genauestens untersucht."
Aber die Drohung wirkte nicht. Selbst Rex Corda war erstaunt, als der kleine Terraner zu strahlen begann. „Psychologen, sagten Sie?" meinte Dr. Konsinsky. „Ausgezeichnet! Wollte mich schon immer mal mit den Herren Kollegen unterhalten." Rex Corda versuchte ein Lächeln zu unterdrücken. Er war gar nicht mal so sicher, wer wen untersuchte. Auf mehrere Rufe seiner Offiziere fuhr Jakto Javan blitzschnell herum. Dort, wo vormals der Planetoid im Raum gestanden hatte, erglänzten die Positionslichter tausender laktonischer Raumschiffe. Die Station war spurlos verschwunden! Obwohl alle Ortungsgeräte auf voller Leistung liefen, war der riesige Raumkörper nicht mehr zu entdecken. Für die Laktonen war das ein unfaßbares Phänomen. Das Stimmgewirr der Wissenschaftler und Militärs erfüllte die Kommandozentrale, bis Jakto Javan mit einer gebieterischen Handbewegung die Ruhe wiederherstellte. Rex Corda wandte sich ab. Für ihn war die Situation nicht mehr rätselhaft. Schalmirane war verschwunden. Aber mit ihr auch etwas anderes. Fred Matson, der Mutant! In tiefen Gedanken verließ Rex Corda die Zentrale. Ein Weg war ihm vorgezeichnet: Der Weg zum System der Schwarzen Sterne.
ENDE
Die Stunde Null Band 1 Der dritte Weltkrieg brach im Jahr 1972 aus. Unter den atomaren Schlägen erzitterte die Erde. Zurück blieb nur ein Trümmerfeld. Zwanzig Jahre danach ist in den Völkern unseres Planeten die Erinnerung an das Chaos der 70er Jahre immer noch wach. Um die atomare Vernichtung für alle Zeiten zu verhindern, versuchen sie, eine Weltregierung zu bilden. Aber die entscheidende Verhandlung scheitert. Enttäuscht verläßt der junge Senator Rex Corda, der Repräsentant der Vereinigten Staaten in der UNO, die Konferenz. Wenige Minuten sind erst vergangen, seit die Hoffnung der Menschheit auf Frieden zerstört wurde, als das Unfaßbare, das Unvorstellbare geschieht. Die Erde wird zum Schlachtfeld eines galaktischen Krieges. Alle politischen Probleme unseres Planeten werden mit einem Male bedeutungslos. Die Erde ist zwischen zwei gigantische Mühlsteine geraten, unter deren Gewalt sie zermalmt werden muß. Der Untergang der menschlichen Rasse steht drohend bevor. In dieser Situation, in der Srunde Null, behält nur einer die Nerven, versucht nur einer zu retten, was zu retten ist: REX CORDA. Notruf von Terra Band 2 Gehirnwäsche für Rex Corda! Mit allen Mitteln versuchen die Orathonen, jeden Widerstand auf der Erde im Keime zu ersticken. Aber sie haben nicht mit dem Mut und den Fähigkeiten Rex Cordas gerechnet. Ihm gelingt es, sich aus dem tödlichen Bann eines semibiotischen Conductors zu befreien. Sein nächstes Ziel ist die Bildung einer Untergrundbewegung. Er will die Erde und die Menschen unseres Planeten vor dem fast sicheren Untergang retten, überragende technische Mittel im Einsatz gegen die Entschlossenheit und Tapferkeit eines einzigen Mannes, das ist die Ausgangssituation für Rex Corda im Kampf gegen die Orathonen. Seine einzige Unterstützung können die Laktonen sein. Aber auch sie muß er erst für sich gewinnen. Sein Versuch ist mit einem ungeheuren Risiko verbunden. Erscheinen die Feinde der „Featherheads" zu früh, dann ist die Vernichtung der Erde nicht mehr zu verhindern. M. Wegener schildert in „Notruf von Terra", was in diesen alles entscheidenden Stunden geschieht. Die Agenten von Lakton Band 3 Juni 1992: Die Erde ist mitten in die gewaltigen Auseinandersetzungen zweier kosmischer Rassen hineingeraten. Rex Corda wird von den Orathonen auf Schritt und Tritt überwacht. Sie haben erkannt, daß Corda der einzige Mensch ist, der sich ihnen auf der Erde mit aller Kraft und Entschlossenheit in den Weg stellt. Sie sehen ihr riesiges Vernichtungsprogramm plötzlich gefährdet. Jetzt kennen sie nur noch ein Ziel: Rex Corda muß sterben! Die Hetzjagd auf Rex Corda beginnt ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, da es den Laktonen tatsächlich gelungen ist, erfahrene Sonderagenten auf die Erde zu bringen. Rex Corda weiß, daß er alles riskieren muß, um in den Besitz einer neuen, kosmischen Waffe zu kommen. Aber er muß sich den Weg zum Terra-Jet hart erkämpfen. Zum Terra-Jet, der einzigen Chance, die der Mensch noch hat, wenn die Erde überleben will. Cordas Aussichten auf Erfolg sind gleich Null, aber er gibt nicht auf. An seiner Seite kämpfen laktonische Spezialisten. Sie haben schlagkräftige Waffen und viel Erfahrung mit den Orathonen. Ihr Wesen ist geheimnisvoll, ihre Trumpfkarte die Unerschrockenheit und ihr Haß auf die Featherheads grenzenlos. Verwegen und zum Letzten entschlossen stürzen sie sich in den schier aussichtslosen Kampf! Es sind „Die Agenten von Lakton".