RASHOMON
RASHOMON
RYUNOSUKE AKUTAGAWA
R ASHOMON ERSCHIENEN IM VERLAG FRITZ SCHLICHTENMAYER TÜBINGEN / NECKAR MCMLV
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RASHOMON
RASHOMON
RYUNOSUKE AKUTAGAWA
R ASHOMON ERSCHIENEN IM VERLAG FRITZ SCHLICHTENMAYER TÜBINGEN / NECKAR MCMLV
Aus dem Japanischen von Hikaru Tsuji und Kohei Takahara Herausgegeben von Hermann J. Meyer
Printed in Germany. Satz und Druck der Offizin Chr. Scheufele in Stuttgart. Gebunden bei Fritz Wochner in Mühringen. Die Druckstöcke fertigte die Graphische Kunstanstalt Gustav Dreher in Stuttgart. Einband und Typographie von Carl Keidel, Stuttgart.
INHALT
RASHOMON Seite DAS HÖLLENTOR Seite DIE RÄUBER Seite
RASHOMON
Die Aussage eines H Ja, Sie haben recht! Ich bin es, der den Leichnam gefunden hat. Ich ging heute früh, wie gewöhnlich, in den Bergwald hinter meinem Haus, um Zedern zu fällen. Dort fand ich den Leichnam in einem Bambusgebüsch. Sie fragen, wo? Es war etwa vier- oder fünundert Meter von der Yamashina-Straße entfernt, in einem öden Winkel, wo unter vielen Bambussen nur einige vereinzelte schlanke Zedern stehen. Dort lag die Leiche eines Mannes in hellbraunem Jagdanzug. Er lag auf dem Rücken, auf dem Schädel noch eine städtische steife Mütze. Um diese Leiche herum lagen welke Bambusblätter, die tief rot gefärbt waren. Ich sah, daß er nur an der Brust verwundet war, nur da hatte er einen Stich erhalten. Nein, die Wunde blutete nicht mehr, sie war schon ganz trocken. Auf ihr saß unbeweglich eine große Pferdefliege, die sich durch meine Schritte nicht stören ließ. Ob ich ein Schwert oder sonst etwas Bemerkenswertes gesehen habe? Nein, gar nichts. Nur ein Strick lag an den Wurzeln der Zeder neben dem Leichnam, und – oh je, außerdem fand ich noch einen Damenkamm. Ja,
nur diese zwei Sachen lagen in der Nähe des Leichnams. Aber ringsum waren die Gräser und die abgefallenen Blätter stark zertreten. Er hat bestimmt heigen Widerstand geleistet, bevor er ermordet wurde. Wie bitte? Ob ich das Pferd gesehen habe? Nein, dahin führt man überhaupt kein Pferd, der Reitweg liegt vor dem Gebüsch. Die Aussage eines W Gewiß, ich habe den Mann, der tot gefunden wurde, gestern gesehen. Gestern – ja, es war gegen Mittag, auf dem Wege von Sekiyama nach Yamashina. Er ging zu Fuß nach Sekiyama und führte sein Pferd, auf dem seine Frau saß. Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, weil es mit einem Schleier bedeckt war, der von einem breiten Basthut herabfiel. Was ich sah, war nur die wie Süßklee schillernde Farbe ihres Kleides. Das Pferd war ockergelb – und, ich glaube, sehr glatt. Sie fragen, wie groß das Pferd war? ja, vielleicht anderthalb Meter hoch, – aber in dieser Hinsicht bin ich nicht ganz sicher, denn ich bin ein Geistlicher und habe keine Ahnung von weltlichen Dingen. Der Mann – ja, der hatte ein Schwert und auch Bogen und Pfeile bei sich. Ich erinnere mich noch genau an seinen schwarz lackierten Köcher, in dem etwa zwanzig Pfeile steckten. Gestern hatte ich noch keine Ahnung von seinem Schicksal, aber das Leben des Menschen ist wie der Tau auf einem Blatt oder nur ein Blitz in der Nacht. O schade, es ist jammerschade! Die Aussage eines G Sie fragen mich nach dem Mann, den ich festgenommen habe? Ja, der ist niemand anders als der berüchtigte Räuber Tajomaru. Als ich ihn gestern
erblickte, lag er allerdings stöhnend – wahrscheinlich war er vom Pferd gefallen – auf der steinernen Brücke zu Awataguchi. Welche Zeit? Ja, es war abends gegen halb neun. Er trug einen dunkelblauen Jagdanzug und hatte das mit Schmuck besetzte Schwert bei sich, wie damals, als es mir nicht gelang, ihn festzunehmen. Jetzt hat er sogar noch Bogen und Pfeile bei sich, wie Sie sehen. So? Wirklich? Sind diese Sachen aus dem Besitz des Ermordeten? Dann besteht kein Zweifel daran, daß Tajomaru diesen Mord begangen hat. Der Bogen, um den sich ein Lederriemen schlingt, der schwarz lackierte Köcher, siebzehn Pfeile mit Falkenfedern, dies alles gehört sehr wahrscheinlich dem Ermordeten. Ja, auch das Pferd, das, wie Sie sagten, glatt – ockergelb ist. Welche Fügung des Schicksals, daß ihn gerade dieses Pferd abgeworfen hat! Ich sah das Tier auf der anderen Seite der Brücke. Es weidete da auf den grünen Rändern der Straße, immer noch die langen Zügel am Boden schleifend. Dieser Tajomaru ist übrigens unter den Räubern, die zurzeit in der Stadt umherstreifen, als ein furchtbarer Wollüstling verrufen. Man sagt auch von ihm, daß er der Schurke sei, der im letzten Herbst die Pilgerin und das kleine Kind ermordet hat, die im Bergwald hinter dem Toribe-Tempel gefunden wurden. Wenn der Ritter von ihm getötet worden ist, so kann man sich schon denken, was er mit der Frau gemacht hat, die gestern auf dem ockergelben Pferde saß. Verzeihen Sie meine unnötigen Bemerkungen, ich möchte Sie nur dringend bitten, ihn auch darüber zu verhören. Die Aussage einer F Ei, der Leichnam war der Mann meiner Tochter, er ist aber nicht aus der Stadt, sondern ein Ritter aus der Provinz Wakasa. Er heißt Takehiro von
Kanazawa und ist sechsundzwanzig Jahre alt. Aber nein, er war sehr gut von Gemüt, man kann sich nicht vorstellen, wie er so großen Groll auf sich gezogen hat. Meine Tochter? Ja, die heißt Maßago und ist neunzehn Jahre alt, sie ist unnachgiebig wie ein Mann, aber sie hat noch nie einen anderen geliebt als ihren Mann. Sie hat ein kleines ovales Gesicht von dunkler Farbe und ein kleines Mal links am Augenwinkel. Takehiro war erst gestern mit meiner Tochter nach Wakasa abgereist. Ach, was hat er denn verschuldet, daß ihn ein so schreckliches Schicksal treffen mußte? Und, was mag mit meiner Tochter geschehen sein? Wenn mein Schwiegersohn auch verloren ist, so kann ich doch den Verlust meiner Tochter niemals überwinden. Erhören Sie mich nur dieses einzige Mal, unterlassen Sie bitte nichts, sie ausfindig zu machen! Ich kann ihn nicht genug hassen, diesen Räuber namens Tajomaru oder wie Sie ihn nannten. Nicht nur meinen Schwiegersohn, auch noch meine liebe Tochter … (sie zerfließt plötzlich in Tränen und kann nicht weitersprechen). Geständnis des R T Ja, den Mann habe ich getötet, aber nicht seine Frau. Wohin ist sie denn verschwunden? Das weiß auch ich nicht. Fragen Sie mich nicht so hitzig. Was ich nicht weiß, kann ich nicht sagen, und wenn Sie mich auch noch so scharf foltern. Außerdem – da ich schon verhaet bin, hegt mir garnichts daran, etwas feige zu verschweigen. Es war gestern, kurz nach Mittag, als ich das Ehepaar traf. Dabei bemerkte ich flüchtig das Gesicht der Frau, da der Schleier ihrer Kopedeckung
zufällig im Winde flatterte, – aber nur ganz flüchtig, im nächsten Augenblick war ihr Gesicht wieder bedeckt. Vielleicht bildete ich mir das nur infolge der Flüchtigkeit ein, aber ihr Gesicht erschien mir wie das einer Heiligen. Sofort entschloß ich mich, diese Frau zu rauben, selbst wenn ich dabei ihren Mann umbringen müßte. Ach was! Einen Mann umzubringen, das ist doch nichts Besonderes. Wenn man schon einem Mann seine Frau raubt, dann wird der irgendwie umgebracht. Dafür habe ich das Schwert an meiner Seite, – Sie freilich, Sie gebrauchen kein Schwert, Sie bringen mit der Macht um, oder mit Geld oder manchmal auch nur mit heuchlerischen Worten. Sie brauchen, wenn Sie eine Frau gewinnen wollen, kein Blut zu vergießen, bei Ihnen bleibt der Mann am Leben, – aber begehen Sie dann nicht trotzdem einen Mord? Wer will entscheiden, wer von uns verworfener ist, ich oder Sie? (spöttisches Lächeln). Natürlich ist es nicht unangenehm, wenn man die Frau rauben kann, ohne ihren Mann zu töten. Ja, wenn ich mich recht besinne, wollte auch ich gestern zwar die Frau rauben, aber nach Möglichkeit keinen Mord begehen. Nun, auf der Yamashina-Straße war das freilich unmöglich. Ich nahm mir also vor, das Ehepaar mit einer betrügerischen List in den Bergwald zu locken. Es gelang mir auch ganz mühelos, ich wurde ihr Reisegefährte. Ich sagte freundlich zu ihnen: »Dort drüben auf dem Berg gibt es einen alten Grabhügel, ich habe ihn einmal versuchsweise aufgebrochen und viele alte Spiegel und Schwerter darin gefunden, die ich dann heimlich in einem dunklen Gebüsch des Berges versteckt habe. Wenn Ihr es haben wollt, werde ich euch alles billig verkaufen«. – Während ich so mit ihnen sprach,
faßte der Mann allmählich zu meinen Worten Vertrauen. Und dann – sehen Sie, wie blind die Habsucht die Menschen macht. Eine Stunde später führte das Ehepaar sein Pferd den Bergweg hinauf. Als wir vor dem Gebüsch standen, forderte ich sie auf, hinein zu gehen, der Schatz sei darin versteckt. Von Gier geblendet, hatte der Mann nichts dagegen einzuwenden, seine Frau hingegen wollte nicht einmal vom Pferd herabsteigen und sagte, sie wolle hier auf uns warten. Da das Gebüsch sehr dicht war, tat die Frau damit ganz recht. Wirklich, es ging mir alles nach Wunsch; ich ging mit dem Mann ins Gebüsch und ließ seine Frau allein zurück. In dem Gebüsch wachsen eine Strecke lang nur Bambusse, dann aber kommt man, etwa fünfzig Meter vom Bergweg entfernt, zu einer kleinen Lichtung, wo einige Zedern stehen. Dort konnte ich meine Absicht am besten verwirklichen. Immer den Weg durchs Gebüsch bahnend, spiegelte ich ihm vor, der Schatz sei bei einer Zeder vergraben. Als ich das gesagt hatte, stürzte er ganz kopflos zu der Lichtung. Schon blickten einige Zedern durch die Bambusse, die sich immer mehr lichteten und endlich sahen wir vor uns eine Reihe von Zedern. – Kaum waren wir angekommen, da fiel ich über ihn her und schlug ihn zu Boden. Er war ziemlich kräig, nicht unwürdig des ritterlichen Schwertes an seiner Seite, doch gegen meinen überraschenden Angriff konnte er nichts ausrichten. Auf der Stelle fesselte ich ihn an die Wurzeln einer Zeder. Strick? Ja, gottlob! Ich bin doch ein Räuber. Einen Strick trage ich immer an meiner Lende zum Erklettern der Mauern. Natürlich stope ich ihm den Mund mit abgefallenen Bambusblättern damit er nicht schreien konnte, sonst brauchte ich nichts zu tun.
Nachdem ich den Mann so erledigt hatte, ging ich wieder zu seiner Frau und sagte, sie solle sofort kommen, ihrem Mann ginge es plötzlich nicht gut. Es ist vielleicht kaum nötig, Ihnen zu erzählen, daß es mir dabei ganz nach Wunsch ging. Die Frau kam, nahm den schirmförmigen Basthut ab und ging, von mir an der Hand geführt, in den Grund des Gebüsches. Aber, was sah sie dort! An den Wurzeln der Zeder lag fest gefesselt ihr Mann. Bei diesem Anblick zog sie blitzschnell einen blinkenden Dolch aus ihrem Kleid. Ich habe bis heute noch keine so hitzige Natur gesehen wie diese Frau. Wäre ich nur ein wenig unaufmerksamer gewesen, so hätte sie mich von der Seite her erdolcht. Obwohl ich ihrem flinken Stechen mit einiger Mühe ausweichen konnte, wäre ich durch ihren wilden Angriff um ein Haar verletzt worden. Aber ich bin doch Tajomaru: schließlich schlug ich ihr, es war nicht leicht, den Dolch aus der Hand, ohne auch nur mein Schwert zu gebrauchen. Und so unnachgiebig sie auch war, ohne Waffe konnte sie sich doch nicht mehr helfen. Zuletzt gelang es mir, sie gefügig zu machen, ohne ihren Mann zu töten. Ohne ihren Mann zu töten, – ja, ich hatte gar keine Lust, ihn zu töten. Ich wollte vielmehr sofort aus dem Gebüsch fliehen und die Frau, die sich weinend hingeworfen hatte, zurücklassen. In diesem Augenblick sprang sie aber wie verrückt auf mich zu und klammerte sich fest an meinen Arm. Wie abgerissen hörte ich sie sprechen: einer von euch beiden muß sterben, entweder du oder mein Mann. Ich kann es nicht ertragen, vor zwei Männern in Schande weiterzuleben, ich will mit dem zusammenleben, der am Leben bleibt, wer es auch sei, – so keuchte sie. Da bekam ich plötzlich, aber entschieden, Lust, ihren Mann zu töten. (Düstere Gebärde).
Da ich das gestehe, halten Sie mich sicher für einen sehr grausamen Menschen. Aber wenn Sie das Gesicht dieser Frau, vor allem ihre funkelnden Augen in diesem Augenblick gesehen hätten! Ja, als ich in diese Augen sah, ergriff mich das Verlangen, sie um jeden Preis zu meinem Weibe zu machen, und wenn mich der Blitz erschlagen sollte. Mit ihr zu leben – nur daran dachte ich dabei. Es handelt sich durchaus nicht um eine niedrige Begierde, wie Sie vielleicht meinen. Wenn mich nur die Begierde getrieben hätte, dann hätte ich die Frau niedergestoßen und wäre entflohen. Dann hätte ich auch den Mann nicht mit meinem Schwert umgebracht. Aber in diesem Augenblick, als ich im dunklen Gebüsch das glühende Gesicht der Frau sah, mußte ich mich schnell entschließen, nicht eher davonzulaufen, bis ich den Mann getötet habe. Dabei wollte ich ihn natürlich nicht hinterlistig töten. Ich band ihm die Fesseln auf und drängte ihn zum Kampf. Bleich vor Wut, zog er sein mächtiges Schwert und stürzte sich, ohne ein einziges Wort zu verlieren, auf mich. – Wie der Kampf ausging, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Unsere Schwerter kreuzten sich dreiundzwanzig Mal, dann traf mein Schwert den Gegner in die Brust. Nachdem sie sich dreiundzwanzig Mal gekreuzt hatten – ja, daran sollten Sie einmal denken. Ich kann ihm noch jetzt nicht meinen Respekt versagen, denn er ist der einzige im ganzen Land, der mit mir mehr als zwanzig Mal das Schwert gekreuzt hat (heiteres Lächeln). Als der Mann zu Boden gefallen war, wandte ich mich sogleich, das mit Blut beschmierte Schwert in der Hand, seiner Frau zu. Aber, welche Überraschung: sie war nicht mehr zu sehen. Ich durchsuchte das ganze Zedergebüsch. Wohin ist sie nur verschwunden? Auf den abgefallenen Bambus
blättern war keine Spur mehr zu sehen. Ich blieb stehen und lauschte, aber was ich hörte, waren nur die letzten röchelnden Töne aus dem Hals des sterbenden Mannes. Vielleicht floh sie, als ich mit ihrem Mann zu kämpfen begann, aus dem Gebüsch, um Hilfe zu holen. Dann könnte es für mich gefährlich werden. So dachte ich, raubte dem Hingestürzten sofort Schwert, Bogen und Pfeile und ging wieder zu dem Bergweg. Dort am Wege graste noch still das Pferd der Frau. Es ist unnötig, Ihnen weiteres zu sagen. Vielleicht nur, daß ich das Schwert noch vor der Stadt verkau habe. Das ist alles, was ich Ihnen zu gestehen habe. Ich war immer gefaßt darauf, daß mein Kopf zuletzt an einem Ast des Paternosterbaumes aufgehängt werde. Bitte, strafen Sie mich nur mit dem Leben! (Stolze Gebärde). Beichte der Frau in dem buddhistischen Tempel K- Nachdem der Mann im dunkelblauen Jagdanzug mir Gewalt angetan hatte, blickte er frech auf meinen gefesselten Mann und lachte höhnisch. Ach, wie tief mußte sich mein Mann darüber grämen! Aber wenn er sich erregte, bissen sich die Fesseln nur noch tiefer in seine Glieder. Ich stürzte auf ihn zu, nein, ich wollte auf ihn zustürzen, aber plötzlich wurde ich von jenem Schurken mit dem Fuß niedergestoßen. Und eben in diesem Augenblick sah ich, ja, ich sah in den Augen meines Mannes einen unsagbaren Glanz stehen. – Wenn ich mich an diesen Glanz der Augen erinnere, erschaudere ich noch jetzt. Mein Mann, der kein Wort mehr sprechen konnte, teilte mir alles in diesem Ausdruck seiner Augen mit. Es war weder Zorn, noch Schmerz, was darin glänzte – nur kalte Verachtung! Dieser kalte Blick meines Mannes traf mich mehr als der Fußtritt
des Schurken, ich sank auf der Stelle ohnmächtig hin und stieß noch halb bewußtlos einen Schrei aus. Als ich wieder zu mir kam, war der Mann im dunkelblauen Jagdanzug schon verschwunden. Mein Mann lag noch gefesselt an den Wurzeln der Zeder. Ich kniete mich mühevoll auf die abgefallenen Bambusblätter und sah ihn unbewegt an. Aber sein Bück war noch immer kalt auf mich gerichtet. Ich bemerkte sogar Haß gegen mich in dieser kalten Verachtung. Betrübt, beschämt und bitter – wie mir dabei zu Mute war, kann ich nicht erklären. Ich stand taumelnd auf und trat auf meinen Mann zu. »Du Lieber! Da es einmal so geschehen ist, kann ich nicht mehr mit dir leben. Ich habe mich deshalb entschlossen, zu sterben. Aber, – aber du sollst mit mir sterben. Du hast meine Schande mit deinen Augen gesehen. Ich kann dich nicht allein in dieser Welt zurücklassen.« Das sagte ich zu ihm mit letzter Kra. Mein Mann sah mich trotzdem immer noch angewidert an. Das brach mir das Herz. Dennoch suchte ich, bebend vor Schmerz, das Schwert meines Mannes. Vermutlich aber hatte es der Räuber geraubt; ich konnte weder das Schwert, noch Bogen und Pfeile im Gebüsch finden. Glücklicherweise fand ich zu meinen Füßen meinen Dolch. Ich hielt ihn in die Höhe und sagte nochmals zu meinem Mann: »Jetzt gib mir dein Leben, du Liebster! Sogleich folge ich dir!« Als er das hörte, bewegten sich seine Lippen. Da sein Mund mit Bambusblättern verstop war, konnte ich natürlich kein Wort verstehen. Nur der Bewegung seiner Lippen las ich ab, was er zu mir sagte. Immer noch mich verschmähend sagte er nur ein Wort: »Töte mich!« Ich stach ihm, wie im Traum, einmal zustoßend, gerade ins Herz.
Dabei muß ich wieder das Bewußtsein verloren haben. Als ich endlich umherblickte, hatte mein gefesselter Mann schon längst den letzten Atem ausgehaucht. Auf sein bleiches Gesicht fiel durch das Gezweige der Zedern unter den Bambussen ein Strahl der Abendsonne. Ich nahm, fast erstickt von Tränen, dem Leichnam die Fesseln ab, und dann – was machte ich dann mit mir selbst? Ich habe keinen Mut mehr, davon zu erzählen. Es fehlte mir jedenfalls an Kra, mich umzubringen. Einmal habe ich mir den Dolch in den Hals gestochen, ein anderes Mal mich in den Teich am Fuß des Berges geworfen; so versuchte ich vieles, bin aber noch immer am Leben, unfähig zu sterben. Ich kann, solange ich lebe, nicht wieder stolz sein (einsames Lächeln). Eine so Feige, wie mich, muß auch die Gottheit der Barmherzigkeit verlassen haben. Was soll ich nun, die ich mit eigener Hand meinen Mann getötet habe und von einem Räuber geschändet worden bin, was soll ich denn jetzt noch tun? Was soll ich – was soll – – – (plötzlich ein heiges Schluchzen). D G V spricht durch den Mund einer Wahrsagerin Nachdem der Räuber meiner Frau Gewalt angetan hatte, setzte er sich hin und fing an, sie zu trösten. Ich konnte natürlich nicht sprechen, denn ich war mit allen Gliedern an den Fuß der Zeder gefesselt. Doch winkte ich meiner Frau mit den Augen zu. Nimm das, was er sagt, nicht ernst; alles, was er sagt, ist erlogen. Das wollte ich ihr irgendwie mitteilen, aber meine Frau saß mutlos auf den abgefallenen Bambusblättern und blickte unverwandt auf ihre Kniee. Es schien mir, als wäre sie gänzlich in die Worte des Räubers vertie. Ich wand mich vor Eifersucht. Er dagegen schmeichelte ihr ununterbrochen mit süßen Worten. »Da du dich
mir einmal hingegeben hast, kannst du nicht mehr mit deinem Mann auskommen. Wäre es nicht besser für dich, von nun an mit mir zu leben, statt seine Frau zu bleiben?« Endlich ging er in seiner Unverschämtheit so weit, zu sagen, er habe so etwas Freches nur deshalb getan, weil er sie liebe. Als der Räuber das zu ihr sagte, erhob sie das Gesicht, wie durch Zauber gebannt. Ich habe meine Frau nie so schön wie in diesem Augenblick gesehen. Aber diese schöne Frau, was hat sie da vor ihrem gebundenen Mann, was hat sie dem Räuber geantwortet? Wenn ich jetzt auch in der dunklen Sphäre zwischen der Oberwelt und der Unterwelt unstet umherirre, daran kann ich mich immer noch nicht erinnern, ohne in Zorn zu entbrennen. Sie sagte, ja wirklich – »Nimm mich mit, wohin du willst!« (Ein langes Schweigen.) Aber das ist nicht alles, was sie getan hat. Wenn das alles wäre, quälte ich mich nicht so sehr hier in der Dunkelheit. Als meine Frau mit ihm Hand in Hand, wie traumverloren, aus dem Wald gehen wollte, zeigte sie, plötzlich erbleicht, auf mich an den Wurzeln der Zeder. »Töte ihn! Ich kann nicht mit dir leben, wenn er am Leben bleibt. Töte ihn!« – Sie schrie, wie verrückt, wieder und immer wieder: »Töte ihn!« Dieses Wort stürzt mich noch jetzt, wie ein Sturm, kopfüber, tief in die unendliche Nacht. Hat je ein Menschenmund ein solch abscheuliches Wort gesprochen? Ist je ein solch abscheuliches Wort an Menschenohren gedrungen? Ist je ein solch – (plötzlich ein heiges Hohngelächter). Als der Räuber dieses Wort hörte, wurde sogar er ganz bleich. »Töte ihn!« – So schreiend klammerte sie sich fest an seinen Arm. Der Räuber sieht sie an und antwortet nichts. In diesem Augenblick stürzt meine Frau plötzlich auf die abgefallenen Bambusblätter. (Wieder ein heiges Hohngelächter.)
Ganz ruhig kreuzte der Räuber seine Arme und sah zu mir herüber. »Was willst du, soll mit deiner Frau geschehen? Soll ich sie töten oder nicht? Du brauchst nur mit dem Kopf zu nicken? Wie? Soll ich sie töten?« Schon allein wegen dieses Wortes will ich ihm seine Untat verzeihen (wieder ein langes Schweigen). Während ich noch zögerte, stieß meine Frau einen Schrei aus und sprang plötzlich in den Grund des Waldes hinein. Zwar sprang der Räuber ihr im gleichen Augenblick nach, aber er konnte sie nicht einmal am Ärmel ergreifen. Ich sah dies alles nur wie in einer Vision. Nachdem meine Frau entflohen war, nahm der Räuber Schwert, Pfeile und Bogen und näherte sich mir, um meine Fesseln aufzuschneiden. »Wie heute dir, so morgen mir!« Ich erinnere mich jetzt noch, daß er das vor sich hin sagte, als er aus dem Walde verschwand. Darauf wurde es überall ganz still. Nein, man hörte noch ein Schluchzen. Ich lauschte ihm, während ich den Strick auand. Aber gleich bemerkte ich, das war nichts anderes als mein eigenes Schluchzen! (wieder ein langes Schweigen) Endlich erhob ich mich müde von den Wurzeln der Zeder. Vor mir blinkte der Dolch, den meine Frau fallengelassen hatte; ich nahm ihn und stach mir damit gerade ins Herz. Ein warmer Blutstrom stieg mir in den Mund herauf, aber ich fühlte keinen Schmerz mehr. Nur mein Herz wurde immer kälter, und ringsum wurde es stiller und stiller. Ach, welch eine Stille ist das! Hier über dem Wald im Schatten des Berges singt nicht einmal ein Vögelein. Nur der Sonnenschein spielt einsam und verlassen um die Kronen von Zeder und Bambus. Ja, Sonnenschein – doch auch er wird immer fahler. Schon kamt ich auch Zeder und Bambus nicht mehr sehen. Ich bleibe hier liegen, von tiefer Stille umgeben.
Da kommt einer mit verstohlenen Schritten zu mir. Ich will mich zu ihm wenden, aber es dämmert schon tief um mich. Einer – ich weiß nicht, wer – zieht mit seiner Hand den Dolch aus meinem Leib. Zugleich strömt mir das Blut noch einmal in den Mund. Ich bin nun auf ewig in die Nacht der Zwischenwelt hinabgesunken …
DAS HÖLLENTOR
I. Abend. Morito steht auf abgefallenen Blättern vor der Mauer des Hofes und erwartet, tief in Gedanken versunken, den Mondaufgang. S M »Nun kommt bald der Mond herauf. Ich habe seinen Aufgang sonst ungeduldig erwartet, heute fürchte ich aber, daß es heller wird. Wenn ich daran denke, daß ich mich über Nacht verlieren und von morgen an zum Mörder herabsinken werde, erzittere ich. Stelle dir nur vor, deine mit Blut beschmierten Hände! Wie verflucht komme ich mir dann selber vor! Ja, wenn ich meinen verhaßten Feind töten würde, brauchte ich mich nicht so sehr zu quälen, aber heute muß ich einen Mann töten, den ich gar nicht hassen kann. Ich kenne ihn schon lange Zeit, seinen Namen W S zwar habe ich erst kürzlich erfahren, aber sein blasses, für einen Mann zu zartes Gesicht kenne ich schon längst; ich weiß nicht mehr genau, seit wann. Als ich erfuhr, daß er der Mann von Keßa sei, wurde ich unver
meidlich eifersüchtig. Aber diese Eifersucht hat in meinem Herzen keine Spur hinterlassen, sie ist jetzt völlig verschwunden. Ich kann ihm nicht grollen, obschon er mein Nebenbuhler ist. Weit eher könnte ich sagen, daß ich mit ihm Mitleid habe. Als ich von Koromogawa erfuhr, mit welcher Ausdauer er um Keßa geworben hat, fand ich ihn wirklich sehr bedauernswert. Bemühte er sich doch so eifrig um sie, daß er sich sogar fleißig in der Poesie übte. Wenn ich mir das Liebesgedicht vorstelle, das dieser todernste Ritter verfaßt hat, muß ich unwillkürlich lächeln. Aber das soll keineswegs ein höhnisches Lächeln sein. Ich finde es irgendwie rührend, daß er so weit gehen mußte, um ihr zu schmeicheln. Auch erfüllt mich seine qualvolle Leidenscha für meine Geliebte irgendwie mit Genugtuung. Aber liebe ich sie wirklich so sehr, daß ich das sagen darf? Meine Liebe zu ihr kennt zwei Zeiten, die frühere und die jetzige. Als sie noch nicht verheiratet war, liebte ich sie schon, oder vielmehr bildete ich mir ein, sie zu lieben. In meinem Gefühl von damals war, wie ich heute sehe, sehr viel Unreines. Was wünschte ich damals von ihr? Ich, der ich noch keine Frau berührt hatte, trug Verlangen nach ihrem Leib. Das ist vielleicht etwas übertrieben, aber man kann schon sagen, daß meine Liebe zu Keßa nur das durch sentimentale Stimmungen verschönerte sinnliche Verlangen gewesen ist. Danach behielt ich sie, da sie sich mir wieder entzog, drei Jahre in meinem Herzen; aber hätte ich so beständig an sie denken können, wenn ich vorher einmal ihren Leib berührt hätte? Ich schäme mich, ich habe keinen Mut, darauf mit ja zu antworten. Meine Anhänglichkeit an sie entsprang doch offenbar sehr der Sehnsucht nach ihrem Leib. Nach jahrelanger Qual bin ich in das jetzige Verhältnis mit ihr geraten, das
ich immer mit Angst fürchtete und zugleich erwartete. Und jetzt? Ich frage mich selbst nun von neuem. Liebe ich Keßa jetzt noch? Bevor ich diese Frage beantworte, muß ich mich, ob ich das gern tue oder nicht, an den Verlauf der Dinge mit ihr erinnern. Ich begegnete ihr zufällig nach drei Jahren bei der Totenmesse für W H wieder und tat dann fortdauernd ein halbes Jahr alles, um mit ihr heimlich sprechen zu können. Das gelang mir auch. Überdies konnte ich sie wirklich in meine Arme schließen, wie ich lange geträumt hatte. Es war schon nicht mehr allein die Sehnsucht nach ihrem Leib, die mich damals beherrschte. Kaum saß ich mit ihr allein in einem Zimmer von Koromogawa auf der Strohmatte, da merkte ich, daß mein Verlangen nach ihrem Leib inzwischen sehr schwach geworden war. Dabei mochte vielleicht mitgesprochen haben, daß ich nicht mehr unerfahren war. Der Hauptgrund für meine Ernüchterung lag aber zweifellos darin, daß sie schon verblüht war. Keßa, wie sie damals vor mir saß, war nicht mehr die Keßa vor drei Jahren, ihre Haut hatte völlig den Glanz verloren, um ihre Augen hatte sie dunkle Ringe. Ihr Gesicht war um die einst üppigen Wangen und um ihr Kinn schattenha abgehärmt. Nur die lebendigen, frischen, schwarzen Augen waren vielleicht an ihr unverändert geblieben wie einst. Diese Verwandlung empfand ich als einen tödlichen Schlag. Als ich nach drei Jahren zum erstenmal ihr gegenüber saß, mußte ich meinen Blick unwillkürlich von ihr abwenden, ja, ich war entsetzt. Daran erinnere ich mich jetzt noch sehr klar … Warum bin ich denn trotz der geringen Anziehung, die sie auf mich ausübte, in eine nahe Beziehung zu ihr getreten? Vor allem war ich von einer unverständlichen Herrschsucht erfüllt. Wenn Keßa mir gegenüber
saß, sprach sie von der Neigung zu ihrem Mann absichtlich übertrieben. Schließlich war mir das zu eitel. »Diese Frau ist eitel auch auf ihren Mann.« So dachte ich. »Oder das kann auch ein Anzeichen für ihren Trotz sein und für ihren Willen, von mir nicht bemitleidet zu werden.« Zugleich ergriff mich immer heiger das Verlangen, diese Eitelkeit bloßzustellen. Man kann mich vielleicht fragen, warum ich sie so eitel gefunden habe und mir vorwerfen, daß ich mir das selber einbilde. Dagegen habe ich nichts einzuwenden. Denn ich war davon überzeugt, und bin es jetzt noch, daß alles, was sie mir sagte, eitel und erlogen war. Aber es war nicht nur die Herrschsucht, die mich trieb. Daneben, – ich schäme mich, es zu sagen – daneben wurde ich bloß von mächtiger sinnlicher Begierde beherrscht. Das war keine Sehnsucht nach ihrem Leib mehr. Nein, noch niedrigere Begierde, ja Begierde nach Begierde, die ganz blind ist. Es wäre mir ganz gleich gewesen, wenn ich eine andere Frau als Keßa vor mir gehabt hätte. Selbst der, der zu einer Dirne geht, ist nicht so niedrig gesinnt, wie ich damals. Jedenfalls bin ich mit ihr aus verschiedenen Gründen in ein nahes Verhältnis getreten, oder, um es genauer zu sagen, ich habe sie vergewaltigt. Und jetzt stehe ich wieder vor der Frage, die ich vorhin mir selber gestellt habe. Nein, man sollte mich nicht mehr fragen, ob ich jetzt noch Keßa liebe. Auch mich selbst sollte ich nicht danach fragen. Manchmal habe ich sogar Haßgefühle ihr gegenüber. Damals, als ich diese Frau fast mit Gewalt in meine Arme nahm und sie sich, nachdem alles vorüber war, weinend hinwarf, sah sie noch schamloser aus als ich, der Schamloseste. Ihre aufgelösten Haare, die im Schweiß ihre Gesichts zerfließende Schminke, alles verriet mir die Häßlichkeit ihres Leibes und ihrer Seele.
Wenn ich sie bis zu diesem Zeitpunkt geliebt hätte, wäre meine Liebe von diesem Tag an für immer verlorengegangen. Und wenn ich sie bis dahin nicht geliebt hätte, wäre von diesem Tage an in meinem Herzen ein neuer Haß entstanden. Aber ach! Für diese Frau, die ich nicht liebe, soll ich heute Abend einen Mann, den ich gar nicht hasse, töten? Daran ist kein anderer schuld. Ich selbst war es, der von sich aus ganz entschieden gesagt hat: »Wollen wir doch Wataru töten!« Das habe ich ihr ins Ohr geflüstert. Wenn ich daran denke, so kommt es mir vor, als wäre ich ganz verrückt gewesen. Ich flüsterte es ja wirklich; natürlich dachte ich dabei, daß ich es nicht sagen darf, aber ich flüsterte es wirklich mit zusammengebissenen Zähnen. Warum habe ich es ihr denn zugeflüstert? Auch wenn ich mich darauf genau besinne, kann ich mich selbst nicht ganz verstehen. Aber ich zwinge mich jetzt zu einem Gedanken: Je mehr ich sie verachte und je mehr ich sie hasse, desto mehr will ich sie erniedrigen. Diesem Zweck entspricht nichts mehr, als daß ich dieser Frau, die sich immer so stellt, als ob sie ihren Mann liebe, die Beseitigung ihres Mannes vorschlage und sie zur Einwilligung zwinge. Deshalb habe ich sie wie ein von einem Alpdruck gequälter Mensch dazu gezwungen. Wenn man mit dieser Begründung nicht einverstanden ist, mag man meinen, daß mich eine übermenschliche Kra, vielleicht der Fürst der Unterwelt, auf diesen Weg geführt hat. Jedenfalls habe ich ihr immer wieder rachsüchtig das Gleiche ins Ohr geflüstert. Es dauerte nicht lange, da erhob sie ihr Gesicht und willigte in meinen Vorschlag ohne weiteres ein. Ich war gar nicht vorbereitet auf ihre Zustimmung und sah ihr in die Augen. Zu meinem Erstaunen waren sie von einem seltsamen Glanz überstrahlt, den ich noch nicht gesehen hatte. Hure! So
bist du mir gleich vorgekommen. Zugleich überkam mich eine der Enttäuschung ähnliche Stimmung über den Sinn und die Folgen meines Plans. Ich brauche nicht zu sagen, daß mich inzwischen das Abscheuliche ihrer verdorbenen, verblühten Schönheit ununterbrochen quälte. Ich hätte mein Wort am liebsten sofort gebrochen und diese unverschämte Frau in den Abgrund aller Schande hinabgestürzt. Dann wäre mein Gewissen, auch wenn ich noch so mißhandelt hätte, durch meine Entrüstung über sie beruhigt worden. Ich war aber in meiner verzweifelten Stimmung nicht fähig, mich zu beruhigen und mein Wort zurückzunehmen. Plötzlich sah sie mir mit bleichem Gesicht starr in die Augen, als ob sie mein Inneres durchschaut habe. Ich fühlte mich getrieben, mit ihr den Ort und die Stunde des Mordes zu verabreden, – ich gebe es ehrlich zu, ich habe es nur aus Furcht vor der Rache getan, die sie an mir üben würde, wenn ich mein Wort bräche. Ja, ich bin jetzt noch tief ergriffen von dieser Furcht. Wer mich für feige hält, mag schimpfen, wie er will. Der weiß nichts von dieser Frau in jener Nacht. »Wenn ich Wataru nicht töte, würde ich bestimmt von dieser Frau erledigt, wenn sie mich auch nicht mit eigener Hand umbringen kann. Da die Dinge so liegen, will ich lieber mit eigener Hand Wataru umbringen.« So dachte ich verzweifelt, als ich in ihre traurigen Augen sah, die sich so gut verstellen konnten. Und wurde meine Befürchtung nicht bestätigt, als Keßa, nachdem ich ihr alles fest versprochen hatte, mit gesenktem Blick und einem Grübchen auf ihrer bleichen Wange, heimlich lächelte? Ach, ich beflecke mein verdorbenes Herz nur wegen des verfluchten Versprechens mit einer neuen Sünde, die Mord heißt. Wenn ich heute abend noch die Verabredung mit ihr brechen könnte, – aber das kann ich auch nicht. Einmal verbietet es das Versprechen
selbst, andererseits fürchte ich, wie ich schon oben sagte, zu sehr ihre Rache. Aber das ist noch nicht alles. Was dazukommt? Was ist denn diese große Kra, die mich Feigling zwingt, einen unschuldigen Mann zu töten. Was das ist, weiß ich nicht. Ich weiß es nicht, aber möglicherweise …, nein, das kann nicht sein. Ich verachte wirklich diese Frau, ja, ich fürchte und hasse sie. Und trotzdem, trotzdem kann es auch sein, daß ich sie liebe.« Morito wandelt weiter, aber er spricht nicht mehr. Mondlicht. Irgendwo tönt ein Lied fern aus den Gärten. »Denn das Herz des Menschen gleicht der lichtlosen Finsternis. Das Leben des Menschen blüht und verglüht in irdischem Leiden …«
II. Nachts. Keßa sitzt nachdenklich vor ihrer Schlaammer, mit dem Rücken gegen den Leuchter; sie hält die Spitze ihres breiten Ärmels an ihren Mund. I M »Kommt er noch? Oder kommt er diese Nacht nicht mehr? Ich bin fest davon überzeugt, daß er kommt, aber ich höre noch keine Schritte, obschon der Mond bald sinken will. Hat er vielleicht seine Absicht geändert? Wenn er überhaupt nicht käme – ach, ich müßte dann, unverschämt wie eine Dirne, mit diesem verblühten Gesicht wieder in das Tageslicht treten. Wie könnte ich nur so dreist und schamlos sein? Dann wäre ich nicht besser als die Leiche drüben am Wege, die ich neulich gesehen habe. Verachtet, zertreten, – und wenn schließlich meine ganze Schande ans Licht gebracht würde, so müßte ich doch alles still und schweigend erdulden.
Ach, das würde mich auch im Grabe nicht ruhig schlafen lassen! Nein, er kommt unter allen Umständen. Seitdem ich ihm beim Abschied in die Augen gesehen habe, bin ich davon fest überzeugt. Er fürchtet mich. Er haßt mich, er verachtet mich und trotzdem fürchtet er mich. Wenn es nur um mich selbst ginge, könnte ich wohl kaum damit rechnen, daß er kommt. Aber ich verlasse mich auf seinen Eigensinn, nein, noch genauer, auf seine niedrige Furcht, die aus dem Eigensinn entspringt. Deshalb kann ich darüber beruhigt sein, daß er sich noch heranschleicht. Aber welch ein elender Mensch bin ich, daß ich mich nicht mehr auf mich selbst verlassen kann! Ich habe noch vor drei Jahren nur auf mich, ja, auf meine Schönheit gebaut. Wenn ich es noch genauer sagen soll, nicht vor drei Jahren, sondern es war in Wirklichkeit bis zu jenem Tag. Ja, an jenem Tag habe ich ihn zufällig bei meiner Tante getroffen. Es war in einem kleinen Zimmer bei ihr. Kaum hatte ich ihn gesehen, da durchschaute ich schon meine eigene Häßlichkeit, die sich in seinem Herzen abspiegelte. Ohne eine Miene zu verziehen, sagte er mir sofort etwas Verführerisches und Freundliches. Aber was kann das einem Frauenherzen helfen, das einmal seine eigene Häßlichkeit wahrgenommen hat? Ich war traurig und fürchtete und grämte mich. Die Erinnerung an die unheimliche Mondfinsternis, die ich einmal als Kind in den Armen der Amme sah, kam mir plötzlich in den Sinn. Aber auch das war nicht so schlimm wie damals, als ich in einem kleinen Zimmer mit ihm zusammensaß. Meine Jugendträume vom Glück waren auf einmal dahin. Nachher war mir so einsam zu Mute wie an einem regnerischen Morgen. Vor Einsamkeit zitternd, ergab ich mich, ein lebender Leichnam, ihm, diesem Liebesritter, den ich gar nicht liebte und der mich selbst haßte
und verachtete. Hatte ich denn keine Kra, die Einsamkeit, die ich mit dem Bewußtsein meiner eigenen unverkennbaren Häßlichkeit furchtbar fühlen mußte, zu ertragen? Und wollte ich alles in einem fieberhaen und trügerischen Augenblick vergessen, als ich mein Gesicht an sein Herz drückte? Oder war auch ich dabei von den niedrigen Gefühlen bewegt wie er selbst? Schon der Gedanke daran erfüllt mich mit Scham, ich muß mich schämen, schämen. Ja, als ich mich aus seiner Umarmung löste und wieder zu mir kam, ach, wie schamlos fand ich mich selber. Verärgert und verlassen konnte ich meine Tränen nicht zurückhalten. Wie ich sie auch anhalten wollte, sie flossen ununterbrochen von selbst. Es betrübte mich, daß ich seinetwegen zu Fall kam. Außerdem, und das quälte mich vor allem, haßte er mich und behandelte und mißhandelte mich wie einen aussätzigen Hund. Und was habe ich dann getan? Wenn ich mir das in Erinnerung rufen will, sehe ich es doch nur ganz verschwommen, verschwommen wie eine ferne, alte Erinnerung. Ich erinnere mich nur, daß er mich, während ich ununterbrochen schluchzte, mit seinem Schnurrbart am Ohr berührte und mir mit heißem Atem zuflüsterte: »Wollen wir Wataru töten!« Bei diesen Worten schlug mir das Herz, ich wußte selbst nicht wie, aber trotzdem fühlte ich mich, als ob ich zu neuem Leben erwacht sei. Fröhlich? Ja, mein Gefühl in diesem Augenblick könnte man mit dem gleichen Recht fröhlich nennen, wie man den Mondschein hell findet. Natürlich war das anders als die Herrlichkeit des Sonnenscheins, aber irgendwie war ich fröhlich. Bin ich etwa doch durch seine furchtbaren Worte getröstet worden? Ach, fühle ich mich sogar glücklich, von einem anderen geliebt zu werden, auch wenn ich meinen Mann töten muß?
Ich weinte eine Weile einsam und fröhlich weiter. Wie war da mein Gefühl dem Mondschein verwandt! Und dann? Wann und wie habe ich versprochen, ihm bei der Tötung meines eigenen Mannes zu helfen? Nach diesem Versprechen dachte ich ja erst wirklich an meinen Mann. Offen sage ich »erst«; denn bis zu diesem Augenblick habe ich nur an mich, an mich selbst gedacht, mich arme Geschändete. In diesem Augenblick dachte ich lebha an meinen Mann, nein, nicht an ihn selbst, sondern an sein Lächeln, das er immer zeigt, wenn er mir irgend etwas sagen will. Da faßte ich heimlich meinen Plan, in diesem Augenblick, wo ich das Gesicht meines Mannes vor mir sah, denn erst in diesem Augenblick war ich entschlossen zu sterben. Auch war ich jetzt froh, weil ich dazu bereit war. Als ich endlich zu weinen auörte und zu ihm aulickte, erkannte ich noch einmal meine eigene Häßlichkeit. Meine Fröhlichkeit war plötzlich wieder dahin. Das – das erinnerte mich wieder an die Mondfinsternis, die ich mit meiner Amme gesehen habe. Es war, als ob hinter dieser Fröhlichkeit plötzlich Ungeheuer losgelassen wären. War das denn noch Liebe zu meinem Mann, wenn ich an seiner Stelle sterbe? Nein, es war nur mein böses Gewissen, das mich unter diesem bequemen Vorwand für die Sünde der Untreue wollte büßen lassen. Ich wollte nur vor den Augen der Welt irgendwie rein dastehen. Ich, die Unverschämte, die keinen Mut hatte, Selbstmord zu begehen. Aber das könnte man vielleicht noch verstehen. Ich war in Wirklichkeit viel niedriger, viel häßlicher. Unter dem Vorwand, an Stelle meines Mannes zu sterben, wollte ich mich ja an ihm, dem abscheulichen Liebesritter, rächen, an seinem Haß, an seiner Verachtung gegen mich und an seiner Begierde, deren Opfer ich geworden war. So war es! Wenn ich ihm in die Augen sehe, dann flieht meine Fröhlich
keit wie der Mondschein dahin, und mein Herz friert auf der Stelle vor Verlassenheit. Ich sterbe nicht für meinen Mann. Ich sterbe für mich selbst. Ich sterbe aus Gram darüber, vergewaltigt worden zu sein, und aus Kummer über meine Erniedrigung. Ach, ich habe kein Leben gelebt, das sich lohnte. Und mein Tod ist auch vergeblich. Aber dieses Sterben, das sich nicht lohnt, ist mir lieber, als das bloße Weiterleben. Ich zwang mich also zum Lächeln und verabredete mit ihm, meinen Mann zu töten. Weil er, Morito, schnell von Begriff ist, wird er sicher aus meinen Worten herausgehört haben, was ich tue, wenn er sein Wort nicht hält. Außerdem hat er doch fest geschworen! Warum sollte er auch nicht kommen? – Ist es nur der Wind? – Mir ist doch, als träte eine Beruhigung ein. Dem Schmerz seit jenem Tage mache ich heute Nacht ein Ende! Morgen früh wird der kalte Sonnenschein auf meine Leiche fallen. Vor meiner Leiche wird ein Mann, – nein, ich darf an meinen Mann nicht denken. Mein Mann liebt mich. Trotzdem habe ich keine Kra mehr, seine Liebe zu erwidern. Ich habe seit meiner Jugend nur einen Mann lieben können. Und dieser Mann kommt heute Nacht, mich zu töten. Ach, dieses Lampenlicht leuchtet mir zu herrlich, mir, die ich von diesem einzigen Geliebten zu Tode gequält werde.« Keßa bläst das Licht aus. Nach einer Weile knarrt es draußen im Dunkeln an der Tür. Ein blasses Mondlicht fällt herein.
DIE RÄUBER
I. »Hallo! Frau Inokuma!« An der Kreuzung der Suzaku- und AyanokojiStraße rief ein etwa zwanzigjähriger Ritter mit gehobenem Faltenfächer eine Alte an, die gerade vorbeikam. Der Ritter in einfachem dunkelblauem Jagdanzug und mit hoher Mütze hatte ein Auge verloren und sah sehr häßlich aus. Es war an einem heißen Tag im Monat Juli. Drückende Sommerlu lag über den Häusern, und über den Himmel zog ein schwüler Dunst. An der Kreuzung, an welcher der Ritter anhielt, stand eine schlanke Weide, mit so wenigen Blättern, als hätte sie an der zurzeit wütenden Seuche gelitten. Ihr ärmlicher Schatten fiel auf den Boden, aber auch hier bewegte sich kein Lüchen. Offenbar war die Hauptstraße, die ganz der brennenden Sonne ausgesetzt war, zu dieser Zeit verwaist. Man sah nur die Spuren, die ein Ochsenwagen hinterlassen hatte. »Frau Inokuma!« Die Alte, die etwa sechzig sein mochte, wandte sich hastig um. Sie trug ein schmutziges braunes Gewand, hatte aufgelöste fahlgelbe Haare und stützte sich, die abgetretenen Strohsandalen nach
schleppend, auf einen krummen Stock. Ihre runden Augen, ihr großer Mund und ihr niedriges Gesicht erinnerten an das einer Kröte. »Ei, du bist es? Taro!« Ihre Stimme war von der Hitze ermattet, sie trat einige Schritte zurück und leckte sich die Oberlippe, bevor sie weitersprach. »Was gibt’s denn?« »Nichts besonderes.« Über das leicht pockennarbige Gesicht des Einäugigen zog ein gezwungenes Lächeln. Er sagte froh, aber auch irgendwie erkünstelt: »Ich wollte nur wissen, wo die Shakin jetzt ist.« »Man hat immer nur mit meiner Tochter zu tun, weil der Apfel weit vom Stamm gefallen ist.« Die alte Inokuma grinste spöttisch mit aufgeworfenen Lippen. »Außerdem muß ich den Plan von heute abend genau wissen, allerdings drängt es nicht besonders.« »Ach was, die Sache geht schon in Ordnung. Wir treffen uns selbstverständlich unter dem Rashomon-Tor, um zehn Uhr, es geht alles wie gewöhnlich.« Nachdem sie das gesagt hatte, blickte sie sich verschlagen um, aber zu ihrer Beruhigung war niemand auf der Straße zu sehen. Dann leckte sie sich wieder ein wenig die breite Lippe. »Die Lage des Hofes hat meine Tochter schon genügend ausgekundschaftet; sie glaubt, daß wir dort kaum einen fähigen Ritter antreffen. Genaueres wird sie euch heute abend noch sagen.« Der Mann, den sie Taro genannt hatte, verzog, als sie das sagte, unter einem gelben Fächer, mit dem er die Sonnenstrahlen abblendete, spöttisch seinen Mund.
»So, die Shakin hat wohl wieder mit einem Ritter von drüben ein Verhältnis gehabt?« »Ich weiß es nicht genau, sie soll als Hausiererin in den Hof hineingegangen sein.« »Was sie auch immer gesagt hat, dieser Hexe ist nicht zu glauben.« »Du bist immer noch so mißtrauisch. Meine Tochter hat dich deshalb nicht gern. Niemand ist so argwöhnisch wie du!« Die Alte lachte höhnisch und berührte mit der Spitze ihres Stockes eine Schlangenleiche, die auf der Straße lag. Die Blaufliegen, die auf der Schlange saßen, schwärmten einen Augenblick auf, aber nach einer Weile kehrten sie wieder zurück. »Sieh dich vor, sonst macht Jiro sie dir noch abspenstig. Das kann mir ja gleichgültig sein, aber sicher geratet ihr beide dann miteinander in Streit. Und wenn es sich einmal um die Shakin handelt, wird auch mein Alter wütend und blitzt mit den Augen, nicht allein du.« »Das weiß ich schon!« Er spie verdrießlich mit verzogenem Gesicht auf die Wurzeln der Weide. »Nein, du weißt noch längst nicht genug; du siehst zwar jetzt ruhig aus, aber weißt du nicht mehr, daß du wie ein Verrückter gewütet hast, als du merktest, was zwischen meiner Tochter und meinem Mann los war? Da war mein Mann auch ganz so verrückt wie du. Wenn er nur etwas mehr Mut gehabt hätte, wäre Blut geflossen.« »Ja, das war aber schon vor anderthalb Jahren.« »Vor wieviel Jahren das gewesen ist, macht nicht viel aus. Was man einmal getan hat, muß man dreimal tun, so sagt man. Ja, wenn man es nur dreimal tun würde, dann wäre es ja noch gut. Gott weiß, wieviel mal ich die
gleiche Dummheit wiederholt habe.« Sie lachte und zeigte dabei ihre wenigen Zähne. »Spaß beiseite – unser Feind von heute abend ist doch ein Vogt. Sind die notwendigen Vorbereitungen schon abgeschlossen?« unterbrach Taro ungeduldig. In diesem Augenblick verbarg die Sonne sich hinter einer riesigen Wolkensäule, so daß es plötzlich ringsum dunkel wurde. »Ach was, ach was! Was macht es schon, daß es ein Vogt ist. Wir brauchen nur gegen vier oder fünf feige Ritter zu kämpfen. Habe ich selbst nicht mehr als einmal tüchtig gekämp?« »O ja, mutiges Mütterchen! Und wieviel sind wir?« »Dreiundzwanzig Mann wie immer. Und dazu kommen noch ich und meine Tochter. Für die Akogi ist das zu viel. Lassen wir sie am SuzakuTor warten!« »Freilich, ihre Zeit kommt ja bald.« Er verzog wieder den Mund spöttisch. Fast im gleichen Augenblick verschwand der Wolkenschatten, und es wurde wieder blendend hell auf der Straße. – Auch die alte Inokuma lachte eine Weile wie eine Krähe und streckte wohlig ihre Glieder. »Wer hat denn dieses dumme Mädchen verführt? – Sie hat sich zwar an Jiro gehängt, man kann ihn aber deshalb nicht gut verdächtigen.« »Wer der Vater des Kindes auch sei, sicher ist auf jeden Fall, daß sie sich schwanger fühlt. Ich muß deshalb jetzt selbst die Verbindung zwischen unseren Gesellen herstellen. Ja, Juro aus Makinoshima, Heiroku aus Sekiyama und Tajomaru aus Takezhi, diese drei muß ich noch besuchen. Ei, welch lange Zeit haben wir vertrödelt! Es muß schon auf zwei gehen. Du bist auch meines Geschwätzes sicher schon überdrüssig geworden,
nicht wahr?« Sie stützte sich auf ihren krummen Stock und humpelte davon. »Übrigens, wo ist die Shakin?« Dabei zuckten die Lippen Taros krampfha, die Alte schien es aber nicht zu bemerken. »Vielleicht ruht sie sich heute abend in unserem Hause aus. Ich sah sie allerdings seit gestern nicht.« Der Ritter blickte die Alte mit seinem einen Auge durchdringend an und sagte dann mit ruhiger Stimme: »Also sehen wir uns am Abend.« »Natürlich, ruh’ dich bis dahin nur gut aus!« Spöttisch gestikulierend humpelte sie endlich die Ayanokoji-Straße entlang nach Osten. Hinter ihrer verhutzelten Gestalt unter der brennenden Sonne war noch lange eine Staubwolke zu sehen. Der Ritter sah ihr eine Weile mit verdrießlichem, schweißbedeckten Gesicht nach, spie noch einmal auf die Wurzel der Weide und kehrte langsam um. II. »Diese Straße, die ich gut kenne, ist überall ganz anders geworden, als sie einst in meiner Jugend war. Wenn ich an die Zeit zurückdenke, während der ich als Köchin in der Hoüche arbeitete, – ja, an die Zeit, da ein vornehmer Mann unverho um mich warb, und ich dann schließlich sein Kind, Shakin, gebar, – steht vor mir das Bild der alten Stadt. Die Stadt, die ich jetzt sehe, hat keine Spur Ähnlichkeit mehr mit der von damals. Auf der Straße, auf der einst die Ochsenwagen ununterbrochen hin- und herfuhren, blühen jetzt nur einige Disteln einsam in der Sonne. Hinter baufälligen Zäunen stehen Feigenbäume mit noch grünen Früchten. Die Raben schwärmen, ohne Scheu vor den Menschen, um den versiegten Teich.
Und auch ich bin mit der Zeit alt geworden. Meine Haare sind grau geworden, ich habe viele Falten im Gesicht, die Last der Jahre hat mich gekrümmt. Wie diese Stadt nicht mehr die alte herrliche Stadt ist, so bin auch ich nicht mehr, die ich einst war. Aber nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich bin ich ganz verwandelt. Als ich das Verhältnis meiner Tochter zu meinem jetzigen Mann bemerkte, weinte ich zuerst vor Wut. Aber ich weiß längst, daß so etwas heute in der Welt o vorkommt. Wenn man sich daran gewöhnt, ist selbst das Stehlen und Töten nur ein gewöhnliches Geschä. Wie auf den Straßen dieser Hauptstadt jetzt wilde Kräuter wachsen, ist auch mein Herz jetzt so verwildert, daß ich mich nicht mehr darum bekümmere. Und sieht man sich die Kehrseite der Dinge an, so muß man sagen, daß in Wirklichkeit nichts anders geworden ist. Was meine Tochter heute tut, ähnelt ziemlich dem, was ich einst getan habe. Auch Taro und Jiro treiben es fast wie mein jetziger Mann in seiner Jugend. So wiederholt der Mensch immer wieder das gleiche; ja, diese Stadt ist, was sie einst war, und ich bin auch, was ich einst war.« Solche Dinge dachte sie in ihrem Herzen, wenn auch sehr undeutlich, weiter. Vielleicht machten es diese wehmütigen Stimmungen, daß ihre runden Augen nun saner wurden und ihre krötenartigen Gesichtszüge sich lösten. Plötzlich trat ein Lächeln in ihr zerfurchtes Gesicht, sie ging, sich auf den krummen Stock stützend, lebendiger und schneller. Etwa zehn Schritte weiter stand eine brüchige Erdmauer, die den Weg von der Pampaswiese trennte, die früher vielleicht zu einem Hofgarten gehörte. Hinter der Mauer standen einige japanische Akazien, deren schon verwelkte rote Blüten über die moosfarbigen Brandziegel, die auf dem
Boden zerstreut lagen, herabhingen. Und vor diesen Akazien stand eine einsame, baufällige Hütte, die nur aus vier Bambusstäben als Pfeiler und einigen Strohmatten als Wänden bestand. In dieser Hütte konnte nur ein Bettler wohnen. Die alte Inokuma wurde jetzt auf einen siebzehn- oder achtzehnjährigen Ritter aufmerksam, der still und mit gekreuzten Armen vor der Hütte stand. Er hatte einen dunkelbraunen Jagdanzug an und trug ein Schwert in schwarzer Scheide bei sich. Was steckte wohl dahinter? Der Ritter blickte forschend in die Hütte hinein. Die Alte erkannte ihn sofort an seinen jugendlich hochliegenden Augenbogen und den etwas abgehärmten kindlichen Wangen. »Was ist denn mit dir los, Jiro?« fragte die Alte mit vorgestrecktem Kinn und trat von hinten an ihn heran. Jiro wandte sich überrascht um und zeigte sofort mit lächelndem Gesicht seine weißen Zähne, als er das Krötengesicht mit den grauen Haaren bemerkte. Die Alte leckte sich wie immer ihre breite Lippe. Der Junge zeigte stumm in die Hütte. Dort lag eine kleine, vierzigjährige Frau auf einer zerrissenen Strohmatte, die auf dem Boden ausgebreitet war. Ein Stein diente ihr als Kopissen. Sie war fast nackt; nur ein Sommerhemd aus Leinen war um ihre Hüe gewunden. Ihre Brust und ihr Bauch waren gelblichglatt geschwollen. Man konnte meinen, daß ein Druck des Fingers genügen würde, um Wasser und Blut hervorzutreiben. Im Licht der Sonnenstrahlen, die durch die Brechung der Strohmatte hereinfielen, waren einige dunkle Flecke an ihrem Nacken und ihrer Hüe zu erkennen, die wie verfaulte Aprikosen aussahen. Offensichtlich stieg von diesen Flecken ein übler Geruch auf. In der Nähe ihres Kopfes lag eine nachlässig hingeworfene beschädigte Tontasse, auf deren Grund noch einige Reiskörner klebten. In dieser Tasse
lagen mehrere schmutzige Kiesel geordnet nebeneinander, vielleicht hatte sich da jemand einen Spaß gemacht. In die Mitte der Tasse hatte man einen dürren Akazienzweig gestellt, wie nach der Zeremonie des Gastmahls, bei dem man zum Becher immer ein farbiges Blatt hinzuzufügen pflegt. Bei diesem Anblick machte auch die alte Inokuma eine Grimasse und trat unwillkürlich zur Seite. »Was soll denn das? Ist das nicht die an einer Seuche Leidende?« »Natürlich, vielleicht hat man sie in dieser Hütte zurückgelassen, weil man sie zu Hause nicht mehr ertragen konnte. Mit so etwas ist wirklich schwer fertig zu werden.« Jiro zeigte wieder seine weißen Zähne und lächelte. »Und weshalb hast du dich darum gekümmert?« »Nicht zu sagen, aber als ich vorhin vorbeikam, waren einige wildernde Hunde dabei, sie zu fressen, als ob sie ein gutes Futter wäre. Ich habe sie deshalb mit Steinen verjagt. Wäre ich nicht zufällig hier vorbeigekommen, so hätten die Hunde schon ihren Arm angefressen.« Die Alte stützte ihr Kinn auf den krummen Stock und sah sich nochmals den Leib der Kranken an. An den Armen, die quer über der Strohmatte lagen und den Sand der Straße berührten, waren tatsächlich einige rötliche Spuren von spitzen Hundezähnen zu sehen. Die Augen der Frau waren noch immer geschlossen, man konnte nicht einmal sagen, ob sie noch lebte. Die Alte verzerrte vor Widerwillen ihr Gesicht. »Lebt sie noch? Oder ist sie schon tot?« »Ich weiß es nicht.« »Was meinst du, wenn sie tot ist, dann kann man sie doch ohne weiteres den Hunden überlassen, nicht wahr?« Sie stieß mit ihrem Stock aus einigem Abstand gegen den Kopf der Frau, der sofort kralos und wie tot auf die
Strohmatte fiel, wobei ihre Haare in den Sand fielen. Die Kranke bewegte jedoch keinen Muskel ihres Gesichtes, ihre Augen waren noch immer geschlossen. »Das nützt nichts. Auch als sie von den Hunden angegriffen wurde, bewegte sie sich nicht.« »Dann ist sie eben tot.« »Auch wenn sie schon tot ist, sollten die Hunde sie nicht fressen.« »Warum nicht? Es tut einer Toten doch nicht weh, wenn sie von Hunden gefressen wird«, sagte die Alte spöttisch, indem sie sich an ihrem Stock aufrichtete und ihre Augen groß aufriß. »Es ist viel besser, auf der Stelle von Hunden am Hals totgebissen zu werden, als immer schwerkrank zwischen Tod und Leben zu schweben. Diese Frau wird jedenfalls nicht mehr lange aushalten.« »Aber ich kann nicht untätig zuschauen, wenn ein Mensch von Hunden angegriffen wird.« Die Alte leckte sich die Oberlippe und sagte ganz gleichgültig und frech: »Aber ihr seht doch kaltblütig zu, wie die Menschen einander töten.« »Hm, das kann man wohl sagen.« Jiro strich leicht über seine Haare und zeigte wieder lächelnd seine weißen Zähne. Dann, das Gesicht der Alten freundlich anblickend: »Übrigens, wo gehst du hin?« »Ich gehe jetzt zu Juro Makinoshima und Tajomaru Takezhi und dann – ja, ich überlasse es lieber dir, Heiroku aus Sekiyama zu benachrichtigen.« Während sie das sagte, humpelte sie zwei oder drei Schritte weiter. »Ja, ich gehe schon, wenn du es willst.« Jiro verließ endlich die Hütte der Kranken und ging mit der Alten langsam auf der brennend heißen Straße weiter.
»Es ist mir eben ganz übel geworden von diesem schrecklichen Anblick«, sagte die Alte mit mißgelauntem Gesicht und fuhr fort: »– Nun, du weißt ja, wo Heirokus Haus ist. Von hier gerade aus und vor dem Tor des Ryuhonji-Tempels nach links, dann siehst du den Hof des Vogts. Es ist von dort noch etwa hundert Schritte weiter. Da du ganz nahe am Hof vorbeikommst, kannst du beiläufig um den ganzen Hof herumgehen und ihn schon für diesen Abend besichtigen.« »Ja, gewiß. Ich bin von Anfang an mit keiner anderen Absicht hierher gekommen.« »So? Dann bist du heute bedächtiger als sonst. Dann kann ich mich ja ruhig auf dich verlassen. Bei deinem Bruder müßte ich immer Angst haben, wenn ich ihn zur Erkundung schicken wollte. Denn bei seinem Gesicht könnte der Feind Verdacht schöpfen.« »O, mein armer Bruder! Gegen dein Mundwerk kann er nicht so leicht auommen.« »Donnerwetter, ich meine es doch immer gut mit ihm. Da solltest du mal hören, was mein Alter über ihn sagt. Das kann man kaum aussprechen.« »Vielleicht wegen jener Sache, nicht wahr?« »Natürlich, aber dir sagt er nichts Böses nach, weißt du das nicht?« »Ich glaube, ihr behandelt mich so geringschätzig wie ein Kind.« Sie sprachen miteinander von solchen müßigen Dingen und gingen auf der engen Straße langsam weiter. Je weiter sie gingen, desto deutlicher zeigte sich, wie verödet die Stadt war. Zwischen den Häusern wucherten Beifüße, man sah alte Erdmauern, die hie und da zerfallen waren und trotzdem noch standen, hie und da erbärmliche Kiefern und Weiden – alles dies, dabei noch ein leichter Verwesungsgeruch, deutete darauf hin,
daß die große Stadt im Sterben lag. Sie sahen nur einen gelähmten Bettler, der an seinen Händen Holzsandalen trug. »Aber Jiro, du mußt vorsichtig sein.« Die Alte dachte einen Augenblick an Jaros Gesicht und fuhr mit gequältem Lächeln fort: »Denn wegen meiner Tochter kann dein Bruder ganz leicht außer sich geraten.« Diese Bemerkung schien Jiro offensichtlich zu bewegen. Er verzog sein Gesicht und schlug widerwillig die Augen nieder, als ob ihm das sehr unangenehm wäre. »Ja, ich weiß schon, und ich bin immer sehr vorsichtig.« »Wie vorsichtig du auch wärest, Jiro …« Die plötzliche Betretenheit Jiros machte die Alte etwas verlegen, sie murmelte, sich immer wieder die Oberlippe leckend: »Wie vorsichtig du auch wärest, trotzdem …« »Aber seine Absicht, seine Absicht, ich habe mit ihr nichts zu tun.« »Wenn du so sprichst, dann ist dir nicht zu helfen. Ich habe übrigens gestern meine Tochter getroffen. Sie hat mir erzählt, daß sie heute um vier mit dir vor dem Tempel zusammentreffen und daß sie deinen Bruder wenigstens einen halben Monat nicht sehen wolle. Wenn Taro etwas davon erfährt, dann wird es sicher Schwierigkeiten geben.« Jiro nickte einige Male stumm, als ob ihn ihre Reden langweilten. Aber die alte Inokuma hatte noch keine Lust zu schweigen. »Als ich vorhin, an der Kreuzung drüben, Taro sah, habe ich auch ihm darüber manches gesagt. Er solle nicht vergessen, daß in unserer Räuberbande leicht Blut vergossen wird. Wenn meine Tochter dabei irgendwie verletzt würde, nur davor habe ich Angst. Sie ist, wie du weißt, sehr eigensinnig, und Taro ist ein Hitzkopf. Ich kann mich in dieser Angelegenheit nur an dich wenden. Du bist ja so zartfühlend, daß du nicht einmal untätig zu
schauen kannst, wenn eine Tote von Hunden angegriffen wird.« Sie lachte gezwungen mit einer heiseren Stimme, als ob sie ihre dunkle Angst mit ihrem Lachen vertreiben wollte. Aber Jiro ging mit finsterem Gesicht und niedergeschlagenen Augen gedankenverloren weiter. »Ach, wenn doch nichts Ernstes daraus würde!« Dies wünschte die Alte zum ersten Mal von ganzem Herzen, als sie mit ihrem krummen Stock schneller ging. III. Nachdem er sich von der alten Inokuma getrennt hatte, ging Taro mit langsamen Schritten, sich ab und zu Kühlung zufächelnd, die SuzakuStraße nach Norden. Er nahm keine Rücksicht auf die steil herabbrennenden Sonnenstrahlen. An diesem heißen Tage waren fast keine Leute auf der Straße. Nur ein Ritter mit großem Binsenhut ritt ruhig auf einem dunkelbraunen Pferde, das prachtvoll gesattelt war, vorüber, begleitet von einem Diener, der die Rüstungskiste trug. Dann wurde die Straße wieder ganz leer; über ihr schwirrten nur dichte Scharen von Schwalben, deren weiße Brust in der Sonne blitzte. Das sommerliche Gewölk über den Dächern, die mit Brettern und mit Borken gedeckt waren, stand schon seit einer Weile ganz unbewegt. Die Borken funkelten wie geschmolzenes Kupfer, Silber und Gold. Die Häuser auf beiden Seiten der Straße waren totenstill, als ob hinter den Bretterfenstern und Binsenvorhängen alles ausgestorben wäre. Ihn quälte und beängstigte die Frage, ob Jiro ihn mit Shakin betrügen werde, wie es die alte Inokuma gesagt hatte. »Es wäre ja kein Wunder, wenn diese Frau, die sich einmal sogar ihrem Stiefvater ergeben hat, mich,
einen Mann mit pockennarbigem, einäugigem häßlichem Gesicht, leichten Herzens verlassen würde. Hat mein Bruder doch feingeschnittene und jetzt noch von der Sonne gebräunte Gesichtszüge! Ich habe zu Jiro Vertrauen gehabt, – er lief mir doch von Kindheit an immer nach, – ich habe blindlings geglaubt, er würde auf meine Gefühle Rücksicht nehmen, sich beherrschen und der Verführung auch dann widerstehen, wenn Shakin selbst versuchte, ihn zu verführen. Das war wohl ein zu selbstsüchtiger Wunsch. Ich habe bis heute zuviel von ihm erwartet. Nein, ich habe nicht zuviel von ihm erwartet, ich war vielmehr dumm genug, die Verführungskunst Shakins zu gering anzuschlagen. Nicht nur Jiro, noch viele andere Männer, vielleicht mehr an Zahl als die Schwalben, die hier unter der brennenden Sonne flink umherfliegen, haben sich nur ihres verführerischen Blickes wegen ins Verderben gestürzt. Bin nicht auch ich nur deswegen auf den falschen Weg geraten, weil ich sie einmal gesehen habe?« Als er an einer Kreuzung ankam, fuhr ein roter Damenwagen still und langsam an ihm vorbei in südlicher Richtung. Die Person im Wagen war nicht zu sehen, der seidene Vorhang, der nach unten hin tief safranrot gefärbt war, stach gegen die verödete Straße berauschend schön ab. Kutscherknabe und Diener, die den Wagen begleiteten, blickten Taro mißtrauisch an, aber der Ochse ging langsam mit gesenkten Hörnern wieter, ohne zur Seite zu sehen. Sein rabenschwarzer Rücken bewegte sich bedächtig hin und her. Doch war Taro so sehr in Gedanken versunken, daß er nur den Beschlag des Wagens in der Sonne glänzen sah. Er blieb eine Weile stehen, um den Wagen vorbeifahren zu lassen. Dann ging er wieder stumm und mit gesenktem Blick weiter.
»Ich erinnere mich an jene Zeit, da ich im Ostgefängnis als Gerichtsdiener tätig war, wie an eine ferne, verlorene Vergangenheit. Auch kommt es mir o so vor, als ob ich garnicht mehr der wäre, der ich damals war. Damals habe ich nie vergessen, die Götter zu verehren und nie versäumt, das Gesetz des Königs zu befolgen. Und jetzt bin ich zum Dieb, manchmal sogar zum Brandstier und o schon zum Mörder geworden. Ach, damals – wie fröhlich habe ich mit den anderen Gerichtsdienern gespielt! Wieviel glücklicher war mein Leben! Seither ist schon ein Jahr vergangen, aber mir kommt es vor, als ob es erst gestern gewesen wäre. – Sie hatte einen Diebstahl begangen und wurde vom Gerichtshof ins Gefängnis gebracht. Ich sprach mit ihr zufällig durch die Gitter. Nach einiger Zeit redeten wir schon vertraulich miteinander, sogar über ihre Geheimnisse. Und endlich mußte ich mich taub stellen, als die alte Inokuma und ihre Helfershelfer sie aus dem Gefängnis befreiten. Vom Abend ihres Ausbruchs an besuchte ich sie häufig bei der alten Inokuma. Shakin schaute immer zur rechten Zeit durch das Brettfenster hinaus auf die dämmernde Straße. Wenn sie mich bemerkte, jauchzte sie und rief: »Herein!« Im Haus war außer ihr sonst niemand als ihre Dienstmagd Akogi. Wir ließen den Vorhang herunter, zündeten die Lampe an, stellten auf der Strohmatte die Serviertische auf und holten Gläser und Flaschen. Unsere kleinen Trinkgelage hielten wir nur zu zweien ab. Dabei lachten und weinten wir, oder wurden einander böse und plötzlich wieder gut. Ja, wir schwelgten jedesmal die ganze Nacht hindurch, wie ein richtiges Liebespaar. Willkomm am Abend. Abschied am Frühmorgen. – Wie lange dauerte das nur? Ach, mindestens einen Monat. Dann wurde mir endlich klar,
daß diese Shakin das Kind der Frau Inokuma aus erster Ehe war und daß sie jetzt als Führerin von über zwanzig Räubern die Stadt manchmal in Schrecken versetzte, sonst aber von ihrer Schönheit lebte wie eine gewöhnliche Dirne. Aber selbst dies gab ihr noch einen mystischen Glanz, wie einer Gestalt im Kindermärchen. Mir kam sie garnicht so niedrig vor. Natürlich drängte sie mich o, mich ihrer Bande anzuschließen. So o ich ablehnte, beschimpe sie mich als feige und gab mir ihre Verachtung zu verstehen. Darüber wurde ich o zornig …« »Hopla! Hopla!« rief es. Taro fuhr zusammen und wich gerade noch einem Pferde aus. An ihm vorüber auf der heißen Hauptstraße nach Süden, aus einer Querstraße von Sanjo-Bomon herkommend, führte ein Diener, im Sommerhemd und in Schweiß gebadet, ein Pferd, das auf dem Rücken, links und rechts, je zwei Reissäcke trug. Dicht über dem Schatten, den das Pferd auf die Erde warf, schoß eine Schwalbe wie ein Funke zum Himmel hinauf, fiel plötzlich wieder wie ein Kiesel herab und schoß wieder quer an ihm vorbei, zu dem vorspringenden Dach eines Hauses. Taro fächelte sich, weitergehend, wieder mit seinem gelben Fächer. »Nach einiger Zeit bemerkte ich unvermutet ihr Verhältnis zu ihrem Stiefvater. Allerdings wußte ich schon, daß ich nicht der einzige Geliebte Shakins war. Denn Shakin selbst nannte mir einmal mit Stolz die Namen einiger Adeligen und Geistlichen, die mit ihr in engerer Beziehung gestanden hatten. Ich dachte mir dabei: ihren Leib mögen ja schon viele Männer berührt haben, aber ihre Seele gehört nur mir: nein, die Treue einer Frau setzt nicht unbedingt die Keuschheit ihres Leibes voraus! Dies bildete ich mir ein und hielt so meine Eifersucht nieder. Mag sein, daß sie mir diese Gedanken irgendwie eingeflößt hatte. Jedenfalls glaubte ich es
und tröstete damit mich selbst. Nur ihr Verhältnis zu ihrem Stiefvater erschien mir als etwas ganz anderes. Als ich darauf eines Tages kam, war mir ganz ekelha zumute. »Ein solcher Vater und ein solches Kind verdienen mehr als den Tod. Und eine Mutter, die das stillschweigend duldet, ist auch nur eine üble Bestie.« So dachte ich und kam jedesmal, wenn ich den besoffenen Alten sah, in Versuchung, mein Schwert zu ziehen. Doch Shakin hielt ihn vor mir immer zum Narren. Diese plumpe List stumpe mich seltsamerweise ab. »Ich mag meinen Vater gar nicht, ich hasse ihn sogar.« Wenn ich das hörte, konnte ich zwar noch den Alten hassen, aber nicht mehr Shakin. Inzwischen haben wir, ich und der Alte, in feindlicher Spannung miteinander gelebt, und trotzdem ist bis heute nichts geschehen. Wenn der Alte nicht so feige gewesen wäre, – nein, wenn ich etwas mehr Mut gehabt hätte, wäre einer von uns längst erschlagen.« Taro war, ohne es zu merken, in die Querstraße Nijo abgebogen und fand sich auf der kleinen Brücke, die über den Fluß Mimito gebaut ist, wieder. Dieser fast ausgetrocknete, schmale Fluß spiegelte den Sonnenschein blitzend wie eine Klinge wieder und rauschte leise an den Weiden und Häusern, die beide Ufer säumten, vorbei. Weit entfernt von der Brücke sah man einige schwarze Punkte, die wie Kormorane den glatten Glanz des Flusses unterbrachen. Vielleicht waren es die Stadtkinder, die badeten. In seinem Herzen tauchte flüchtig die Erinnerung an die Tage auf, da er als Kind mit seinem Bruder unterhalb der Gojo-Brücke Haseln angelte. Sie berührte ihn traurig und wehmütig wie ein kühler Luhauch unter diesem heißen Himmel. Aber er und sein Bruder waren nicht mehr die
Kinder von einst. Taros pockennarbiges Gesicht verfinsterte sich, als er langsam über die Brücke ging. »Eines Tages erhielt ich unerwartet die Nachricht, daß mein Bruder, der als Page beim Vogt in Chikugo diente, unter dem Verdacht, gestohlen zu haben, ins Westgefängnis eingeliefert wurde. Mir wurde angst um meinen jungen Bruder, so als handelte es sich um mich selbst. Ich fragte Shakin um Rat. Sie sagte, ohne zu überlegen: »Laß ihn doch aus dem Gefängnis ausbrechen.« Auch die alte Inokuma, die zufällig dabei war, beschwor mich, ihn zu befreien. So entschloß ich mich endlich und rief mit Shakin einige Räuber zusammen, um meinen Bruder noch in derselben Nacht – fast mühelos – aus dem Gefängnis zu bringen. Auf meiner Brust habe ich noch die Narbe, die ich in jener Nacht bekam. Ich werde nie vergessen, daß ich dabei einen Gerichtsdiener totgeschlagen habe. Ich höre noch seinen schrillen Schrei, ich spüre jetzt noch den Blutgeruch – in dieser heißen Lu. Von diesem Tage an mußten wir beide, ich und mein Bruder, uns vor der Öffentlichkeit fürchten. Da wir nun einmal ein Verbrechen begangen hatten, war es für die Augen des Gerichtes ganz gleichgültig, ob wir jetzt ehrlich weiterlebten oder uns abenteuerlich durchs Leben schlugen. »Wenn man schon einmal sterben muß, dann will man um jeden Preis noch einen Tag weiterleben.« So dachte ich und schloß mich mit meinem Bruder der Bande Shakins an. Und dann habe ich Brände gelegt, Menschen getötet und alle möglichen Missetaten begangen. Allerdings habe ich es in den ersten Tagen mit Widerwillen getan, bald aber mich daran völlig gewöhnt. Mir kam es endlich so vor, als ob die Missetat zur menschlichen Natur gehöre.« Taro bog, ohne es zu bemerken, an einem Kreuzweg ab. Dort lag ein mit
Kieseln eingerahmter Grabhügel, auf dem zwei Grabmale aus Holz im blendenden Sonnenlicht nebeneinander standen. Am Fuße dieser Grabmale krochen einige unheimlich aussehende, rußschwarze Eidechsen, aber sie sausten, wohl von seinen Schritten erschreckt, in alle Richtungen auseinander, ehe sein Schatten über sie fiel. Doch Taro warf keinen Blick auf sie. »Je mehr Missetaten ich beging, um so größer und tiefer wurde meine Liebe zu Shakin. Ja, ich habe das Westgefängnis nicht nur deshalb überfallen, weil ich meinen Bruder befreien wollte, sondern auch, weil ich fürchtete, Shakin würde mich verachten, wenn ich ihn im Stich gelassen hätte. Wenn ich daran denke, möchte ich sie um keinen Preis verlieren. Nun will mein eigener Bruder, Jiro, den ich befreit habe, diese Shakin an sich reißen. Ob sie selbst sich von ihm erobern lassen will oder ob sie ihm schon verfallen ist, ist mir noch nicht klar. Ich habe ihr ja immer verziehen, wenn sie, unserer bösen Taten wegen, andere Männer an sich lockte, denn ich hegte an ihrer seelischen Treue keinen Zweifel. Selbst ihr Verhältnis zu ihrem Stiefvater konnte ich noch ertragen, wenn ich mir vorstellte, daß der Alte seinen väterlichen Einfluß dazu benutzt hatte, sie, als sie noch unschuldig war, zu verführen. Aber ihre Beziehung zu Jiro hat für mich eine ganz andere Bedeutung. Zwischen mir und meinem Bruder gibt es keine so großen Unterschiede, wie es den Anschein hat. Natürlich sind wir dem Aussehen nach sehr verschieden. Ich bin als Kind schwer an den Pocken erkrankt, er dagegen nur leicht. Deshalb ist er zu einem schönen Jüngling herangewachsen, während ich ein einäugiger häßlicher Mann geworden bin. Wenn ich die Seele Shakins bisher besitzen konnte, besaß ich sie mit meiner seelischen Kra.
Dieselbe Seele aber hat mein Bruder auch, er hat sie, wie ich, von denselben Eltern geerbt. Und dazu sieht er für jedes Auge schöner aus als ich. Es ist deshalb kein Wunder, wenn Shakin auch von Jiro angezogen wird. Und denke ich an mich selbst, dann erscheint es mir fast unmöglich, daß er ihrer Verführung widerstehen kann … Ja, ich schäme mich immer über meine Häßlichkeit und lasse mich sonst nicht auf Liebessachen ein. Aber in Shakin bin ich wahnsinnig verliebt. Wie sollte Jiro, der um seine eigene Schönheit weiß, für ihre Koketterie unempfänglich bleiben? – Führe ich mir alles vor Augen, dann muß ich es fast für natürlich halten, daß Jiro und Shakin sich nähern. Doch je natürlicher es ist, um so schmerzlicher ist es für mich. Bestimmt will mir mein Bruder Shakin früher oder später rauben, und zwar mit Leib und Seele. Ach, ich verliere dann nicht nur Shakin, sondern auch meinen Bruder. Statt dessen bekomme ich einen Feind, der Jiro heißt. – Ich werde gegen meinen Feind keine Nachsicht üben, mein Feind wird auch mir gegenüber keine Nachsicht zeigen. Der Ausgang der Sache ist leicht einzusehen: entweder werde ich meinen Bruder töten oder von ihm getötet werden. – Außerdem versucht Shakin seit einiger Zeit mir auszuweichen. Wenn ich sie gelegentlich sah, war sie nie besonders freundlich zu mir. Manchmal haben wir sogar miteinander gestritten. Dabei habe ich sie einmal geschlagen, ein anderes Mal mit den Füßen getreten. Aber, wenn ich sie schlug und wenn ich sie mit den Füßen trat, war es mir immer, als ob ich mich selber quälte. Ach, mein zwanzigjähriges Leben liegt ganz in den Augen von Shakin! Shakin zu verlieren bedeutet mir deshalb, mein Leben zu verlieren! Ich verliere Shakin, ich verliere meinen Bruder, und zugleich verliere ich mich selbst. Mag sein, daß es an der Zeit ist, alles zu verlieren ‥«
Noch ganz in diese Gedanken verloren, war er am Eingang des Hauses von Inokuma angekommen. Neben der Tür, in der ein weißer Vorhang hing, stand ein Mistelbaum, der mit seinem dunkelgrünen Blätterdach einen breiten Schatten auf das Haus warf. Wie o hatte er schon unter diesem Baum gestanden, um sie zu besuchen? Ob er es auch noch künig tun würde? Taro spürte in sich eine unaussprechliche Müdigkeit und trat, gerührt über sich selbst, mit Tränen in den Augen still in die Tür. Da zerriß plötzlich das schrille Geschrei einer Frau die Lu. Wenn es sich um Shakin handelte, dann gab es nicht viel zu besinnen. Er hob den Vorhang hoch und trat einen Schritt ins Haus. IV. Nachdem Jiro sich von der alten Inokuma getrennt hatte, ging er mit schwermütigem Herzen und als ob er sich mit jedem Schritt der Zahl der Stufen versichern wollte, die Treppe zum Ryuhonji-Tempel hinauf. Er setzte sich müde unter eine zinnoberrote Säule, deren Lack schon hier und da abgesprungen war. Die brennende Sonne des Sommertages wurde hier durch das schräg vorspringende Ziegeldach des Tempels abgeschirmt. Im Halbdunkel hinter ihm stand die riesige Statue des Dewa-Königs, der, die Füße auf blauen Lotosblumen, einen Stössel in der linken Hand und den Mist der Schwalbe auf der Brust, unbewegt und einsam den Hain bewachte. Jiro konnte sich erst jetzt beruhigen und über sich selbst nachdenken. Der Schein der Sonne erleuchtete die Straße vor seinen Augen und ließ die Flügel der Schwalben, die darüber hin- und herflogen, atlasähnlich
glänzen. Ein Mann in weißem Jagdanzug, der in der rechten Hand einen aufgespannten Sonnenschirm hielt und in der linken eine Briefmappe aus blauem Bambus trug, ging, von der Hitze ermattet, langsam an ihm vorbei; dann kam niemand mehr. Kein Hund warf seinen Schatten auf die ausgedehnten Wälle. Jiro nahm den Fächer an seiner Hüe in die Hand und dachte, mit den schwarzen Stäben spielend, über das Verhältnis zwischen ihm und seinem Bruder nach. »Warum nur muß ich mich so quälen? Mein einziger Bruder hält mich für seinen Feind. Wenn wir zufällig zusammen sind, spreche ich ihn immer freundlich an, aber er antwortet immer widerwillig mit finsterem Gesicht und schneidet mir das Wort ab. Das versteht sich zwar von selbst, wenn ich an die jetzige Lage zwischen mir und Shakin denke. Aber wenn ich sie sehe, bereue ich immer wieder, daß ich ihm Unrecht tue. Nach dem Zusammentreffen mit ihr fühle ich mich so verlassen und vermisse ihn so sehr, daß ich o im geheimen weine. Ja, einmal habe ich mich sogar entschlossen, mich von meinem Bruder und Shakin zu trennen und allein nach Osten zu ziehen. Dann würde mein Bruder mich nicht mehr hassen, und auch ich würde Shakin vergessen können. Aber wenn ich zu ihm ginge, um mich von ihm zu verabschieden, würde er mich kalt und kurz behandeln. Doch wenn ich Shakin sehe – dann habe ich meinen Entschluß schon vergessen. Wie o habe ich mir selbst darüber Vorwürfe gemacht! Aber mein Bruder weiß nichts von meinem Schmerz. Er hält mich nur für seinen Nebenbuhler. Ich könnte alle seine Vorwürfe ertragen, er könnte mir ins Gesicht speien, ich könnte mich selbst von ihm töten lassen, aber er soll nur verstehen, wie sehr ich meine Ungerechtigkeit
selber hasse, und wie sehr ich ihn bemitleide. Wenn er das nur verstehen könnte, würde ich gerne durch ihn den Tod erleiden. Ja, ich würde lieber sterben, als unter solchen Schmerzen weiterleben zu müssen. Ja, ich liebe Shakin, und zugleich hasse ich sie. Ich werde wütend, wenn ich daran denke, wie liederlich sie ist. Außerdem lügt sie und schreckt nicht vor Grausamkeiten zurück, zu denen sogar ich und mein Bruder nicht fähig wären. Manchmal, wenn ich sie so im Schlafe liegen sehe, lose und leichtfertig, wie sie ist, weiß ich nicht, weshalb ich von diesem schrecklichen Weib angezogen werde. Als ich einmal erfuhr, daß sie sich einem Unbekannten ohne weiteres hingab, hätte ich sie umbringen mögen. So sehr hasse ich sie! Aber wenn ich in ihre Augen sehe, verfalle ich immer wieder ihrer Verlockung. Wie kann eine Frau einen so schönen Leib und zugleich eine so häßliche Seele haben? Mein Bruder scheint meinen Haß gegen sie nicht zu verstehen. Nein, mein Bruder haßt das Tierische in ihrer Seele nicht so wie ich. Die Beziehungen zwischen ihr und anderen Männern sieht er ganz anders an, denn er schweigt dazu, wenn sie mit anderen zusammensitzt und duldet ihr leichtfertiges Leben. Nein, das kann ich nicht. Wie verächtlich, sich einem Mann ohne Liebe hinzugeben, welche Verdorbenheit der Seele! Natürlich kann ich es auch nicht ertragen, wenn sie sich seelisch einem andern zuwendet, aber es quält mich noch mehr, wenn sie sich körperlich wegwir. Deshalb bin ich auch auf meinen Bruder eifersüchtig, ja, ich bin es mit schlechtem Gewissen. Vielleicht ist meine Liebe zu Shakin ganz anders als seine, vielleicht ist es dieser Unterschied zwischen uns, der uns immer schlechter miteinander auskommen läßt.« Jiro blickte, tief in Gedanken versunken, vor sich hin, als plötzlich ein
schrilles Gelächter von der durch die Sonne blendende Straße her an sein Ohr drang. Eine hohe Frauenstimme und eine lallende Männerstimme waren abwechselnd zu hören. Beide unterhielten sich laut und frech und machten offenbar gegenseitig laszive Späße. Jiro steckte den Fächer wieder an seine Hüe und stand unwillkürlich auf. Kaum hatte er die zinnoberrote Säule verlassen, die steinerne Staffel betreten, als das Paar aus einer nordwärts laufenden Gasse an ihm vorbeikam. Der Mann trug ein rosafarbenes, weites Hofgewand und eine hohe Mütze. Ein beschlagenes Schwert hing großartig an seiner Hüe. Er war vielleicht dreißig Jahre alt und schien betrunken zu sein. Die Frau trug ein weißes Kleid mit lilafarbigen Mustern und einen Frauenschirm aus Stroh mit seidenem Schleier. Ihrer Stimme und den Gebärden nach war es unverkennbar Shakin. – Jiro biß fest auf seine Lippen und wandte sein Gesicht weg, als er die Treppe hinunterging. Die beiden schienen ihn nicht zu bemerken. »Also, gute Vergiß es nur nicht!« »Jawohl, du brauchst keine Angst zu haben. Ich habe es ja auf mich genommen!« »Aber ich setze jetzt doch mein Leben aufs Spiel. Ich muß mich deshalb doppelt sichern.« Er lachte aus vollem Halse, wobei sein rötlicher Schnurrbart zitterte und berührte mit dem Finger leicht ihre Wange. »Für mich ist es auch eine Sache auf Leben und Tod.« »Sage mir doch keine Schmeicheleien!« Sie gingen am Tor vorüber bis zu der Kreuzung, an der sich Jiro von der alten Inokuma getrennt hatte, und scherzten dort eine Weile miteinander, unbesorgt, von anderen gesehen zu werden. Dann ging der Mann, immer
wieder sich umwendend und zurück, scherzend, in eine Querstraße. Die Frau blickte ihm nach und trat, immer noch kichernd, auf Jiro zu. – Jiro war unten an der Treppe stehen geblieben. Er wußte selbst nicht recht, ob ihm freudig oder erbärmlich zu Mute war. Er errötete wie ein Kind, bewegt von einem unaussprechlichen Gefühl, als ihn die großen Augen von Shakin durch einen Schleier anblickten. »Hast du den gesehen?« Sie öffnete ihren Schleier und wischte sich, dabei immer noch kichernd, den Schweiß ab. »Warum nicht?« »Der ist – nun, wollen wir uns nicht setzen?« Die beiden setzten sich nebeneinander auf die oberste Stufe der Treppe. Diese Stelle war beschattet von einer roten Kiefer, die vor dem Tore stand. »Der ist ein Ritter bei dem Vogt«, sagte sie, als sie den Schirm abgelegt und sich auf die Stufe gesetzt hatte. In ihren Bewegungen lag eine katzenartige Schnelligkeit. Sie war eine Frau von mittlerer Größe und vielleicht oder Jahre alt; ihr Gesicht war in gleichem Grade von einer grausamen Wildheit und einer ungewöhnlichen Schönheit. Eine schmale Stirn, volle und wohlgeformte Wangen, blinkend schöne Zähne, üppige Lippen, scharfe Augen und edle Augenbogen. Diese verschiedenen Züge trafen, ohne eine Spur von Gezwungenheit, zusammen; vor allem waren ihre langen Haare schön, die bis zu den Schultern lose herabhingen. Manchmal, wenn die Sonnenstrahlen auf sie fielen, glänzten sie ins Blaue hinüber. Das Haar war wirklich rabenschwarz. Jiro hätte diese unveränderlich zauberhae Gestalt heute fast hassen können und sagte zu ihr: »Und dazu mag er ein Geliebter von dir sein.« Sie lachte mit geschlossenen Augen und schüttelte unschuldsvoll ihren Kopf.
»Keiner kann so dumm sein wie er. Er willfahrte mir doch in allem, was ich sagte, wie ein Hund. Durch ihn ist mir alles sonnenklar geworden.« »Was ist dir klar?« »Die Lage des Hofes meine ich natürlich. Er ist doch äußerst geschwätzig. Er erzählte mir sogar von dem Pferd, das der Vogt neulich gekau hat. Ich werde Taro bitten, das Pferd zu rauben, ein dreijähriges Pferd vom Osten, ist das nicht schön?« »Gewiß, mein Bruder folgt dir ja in allem.« »Laß doch den Unsinn! Ich kann keine Eifersucht leiden. Außerdem ist Taro mir schon längst gleichgültig geworden, obgleich ich ihn in der ersten Zeit irgendwie gemocht habe.« »Du wirst mit der Zeit das gleiche auch von mir sagen.« »Ich weiß es nicht.« Shakin lachte wieder laut mit hoher Stimme. »Bist du mir böse, soll ich nein sagen?« »Äußerlich bist du ein Engel, aber innerlich ein Teufel!« Jiro hob mit einer Grimasse einen Kiesel vom Boden auf und schleuderte ihn weit fort. »Mag sein, daß ich ein Teufel bin. Aber von diesem Teufel geliebt zu werden, das ist dein Pech, nicht wahr? – Glaubst du mir das etwa nicht? Dann sage ich nichts mehr.« Shakin starrte eine Weile auf die Straße und blickte Jiro plötzlich scharf an, wobei ein kühles Lächeln über ihre Lippen glitt. »Wenn du so mißtrauisch bist, dann sage ich dir etwas Gutes.« »Etwas Gutes?« »Ja.« Sie schmiegte ihr Gesicht an das seine. Da schlug ihm der Du ihrer leichten Schminke, in den sich der Geruch des Schweißes mischte, entgegen. Eine heige Begierde ergriff ihn, er zitterte und wandte sich rasch ab.
»Ich habe ihm alles verraten.« »Was hast du verraten?« »Daß wir heute abend in den Hof des Vogts einfallen.« Konnte er das, was sie sagte, glauben? Die dumpfe Verlockung, die ihn eben noch gefangen hielt, war plötzlich verflogen. Er starrte nur mißtrauisch und ungläubig ihr Gesicht an. »Du brauchst nicht so zu erschrecken! Das ist nichts so Schreckliches«, sagte Shakin spöttisch mit immer leiserer Stimme. »Ich erzählte ihm, mein Schlafzimmer läge direkt an der Zypressenhecke, die an die Straße anstößt, und ich hätte in der letzten Nacht gehört, wie sich einige Männer, die vermutlich Räuber seien, vor dieser Hecke über den Einfall in seinen Hof besprachen. Sie hätten davon gesprochen, diesen Einfall heute abend zu unternehmen. Ich teile es ihm nur für seine Freundlichkeit mit, die er mir immer erwiesen habe. Er solle auf der Hut sein. Ich glaube, daß der Feind deshalb heute abend gut vorbereitet ist. Sicherlich holt er jetzt die erforderlichen Männer zusammen. Es ist damit zu rechnen, daß – Mann auf uns im feindlichen Lager warten.« »Warum hast du etwas so Unsinniges getan?« Jiro sah fassungslos und verwirrt in ihre Augen. »Das ist nichts Unsinniges.« Dabei lächelte Shakin geheimnisvoll und dann flüsterte sie, indem sie ihre linke Hand auf seine rechte legte. »Nur für dich habe ich es ihm verraten.« »Wieso?« Ein schrecklicher Verdacht stieg in seinem Herzen auf. Aber das konnte doch nicht sein, nein, das war doch unmöglich! »Hast du immer noch nicht begriffen? Ich werde Taro bitten, das Pferd zu stehlen – nicht wahr? Das geht natürlich weit über seine Kra. Wie die
andern ihm auch immer helfen mögen, das nutzt ihm gar nichts; ich habe das nur für uns, für dich und für mich gemacht. Ist das nicht eine feine Sache?« Jiro schauderte, als ob er unerwartet mit kaltem Wasser übergossen worden wäre. »Meinen Bruder töten lassen?« Shakin nickte nur und spielte mit dem Fächer. »Ist das so schlimm?« »Mehr als schlimm – und dann noch durch eine gemeine Falle.« – »Bist du denn selber fähig, ihn zu töten?« Jiro fühlte, daß ihre Augen ihn scharf wie die einer Wildkatze anstarrten und die unheimliche Macht in ihren Augen seine Willenskra zu lähmen begann. – »Das ist aber doch hinterlistig.« »Freilich, aber kann man diese Hinterlist vermeiden?« Shakin legte ihren Fächer beiseite und ergriff mit beiden Händen san seine Rechte. »Aber, dazu muß man die andern ja auch in Gefahr bringen, von meinem Bruder nicht zu reden. –« Er bereute sofort, daß er das gesagt hatte. Donnerwetter, diesem schlauen Weib entging natürlich nichts. »So, du kannst von deinem Bruder absehen?« Jiro ließ ihre Hände los und stand auf. Ganz bleich geworden, ging er vor Shakin ganz langsam auf und ab. »Wenn du Taro fahren lassen kannst, dann kannst du auch die anderen ruhig töten lassen, nicht wahr?« Shakin blickte ihn lauernd von unten an. »Und was geschieht dann mit deiner Mutter?« »Da ist nichts zu machen, wenn sie auch getötet würde.« Jiro blieb stehen und sah auf sie herab. Ihre Augen glühten vor Verachtung und Begierde wie heiße Holzkohlen. »Für dich kann ich alles aufgeben.«
In diesem Wort war etwas, was durch das Herz des andern wie ein Skorpion stach. »Aber mein Bruder …« »Habe ich nicht schon meine Mutter aufgegeben?« Als sie das sagte, schlug sie die Augen nieder. Ihre angespannten Gesichtszüge lösten sich plötzlich; dann fielen die Tränen, im Sonnenschein glänzend, auf den gebrannten Sand. »Ich habe jenem doch schon alles verraten – das ist nicht mehr zu ändern. Wenn die andern etwas davon wüßten, dann würde ich – würde ich von den Gesellen – von Taro getötet.« Während sie so abgerissen sprach, fühlte Jiro in sich einen verzweifelten Mut aufsteigen. Bleich und stumm kniete er nieder und nahm ihre Hände fest in die seinen. Jeder empfand im Händedruck des andern das furchtbare Einverständnis. V. Als Taro den weißen Vorhang hob und ins Haus hineinstürzte, wurde er von einer unerwarteten Szene erschreckt: in dem schmalen Raum war eine Schiebetür zur Küche umgestürzt und dabei über den Wandschirm aus Bambus gefallen. Auf dem Boden lag ein zerbrochenes Tongefäß, mit dem man Moskitos ausräuchert, und um dieses Gefäß herum war der Boden mit halbverbrannten Kiefernnadeln und Asche bestreut. Und mit Asche überschüttet, wand und krümmte sich auf ihm eine dicke, blasse, kraushaarige Dienstmagd, die vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahre alt war. Ein alter fetter Glatzkopf hatte sie bei den Haaren gefaßt. Sie zappelte mit den Füßen und schrie wie verrückt; ihr schlechtes hanfenes Sommerkleid war in Unordnung geraten und hatte sich am Hals weit geöffnet. Der Alte faßte sie mit seiner Linken bei den Haaren und hielt hoch in seiner Rechten eine Tonflasche, deren Rand abgeschlagen war. Er wollte eine
rußige Flüssigkeit mit Gewalt in den Mund des Mädchens gießen und goß sie auf ihr Gesicht, sie floß dunkel und schmutzig über ihre Augen und über ihre Nase, aber nicht in ihren Mund. Der Alte wurde immer ungebärdiger, er zwang sie, ihren Mund zu öffnen. Das Mädchen schüttelte den Kopf so heig, daß sich ihre Haare schmerzha sträubten. Mit Armen und Beinen waren beide ineinander verschlungen. Als Taro aus der Helligkeit des Mittags plötzlich in das dunkle Haus hineintrat, konnte er die Glieder des einen von denen des andern nicht unterscheiden, aber er erkannte schon beim ersten Anblick, wer sie waren. Hastig zog er seine Strohsandalen aus, sprang in den Raum hinein, ergriff die rechte Hand des Alten, entriß ihm die Flasche und donnerte ihn wütend an: »Was machst du da?« Der Alte antwortete bissig: »Eben dasselbe frage ich dich.« »Was ich will, wirst du sehen!« Taro warf die Flasche weg, löste die linke Hand des andern aus den Haaren des Mädchens und stieß den Alten mit dem Fuß zur Schiebetür. Ganz verstört über die unerwartete Rettung kroch die Akogi hastig ein Stück zurück, aber als sie den Alten fallen sah, kniete sie, zitternd und mit gefalteten Händen, vor Taro nieder, wie vor einem Gott. Dann sprang sie plötzlich, ohne ihr aufgelöstes Haar zurechtzumachen, mit der Schnelligkeit eines Hasen durch den Raum und flog wie ein Blitz durch den weißen Vorhang. Der alte Inokuma wollte ihr nachspringen, aber Taro schlug ihn wieder zu Boden. Unterdessen hatte sie schon den Mistelbaum hinter sich gelassen und war in nördlicher Richtung weitergelaufen. »Hilfe, Mord!« schrie der Alte und versuchte den Wandschirm aus Bambus niederzutreten und in die Küche zu fliehen. – Taro ergriff ihn unver
züglich an dem Kragen seines hellblauen Jagdanzuges und riß ihn nieder. »Mord! Mord! Hilfe, der tötet seinen Vater!« »Laß den Unsinn, wer tötet dich Unmenschen schon!« höhnte ihn Taro, während er ihn unter seine Knie zwang. Dabei wandelte ihn immer stärker die Begierde an, den Alten zu töten. Natürlich könnte man ihn ohne große Mühe beseitigen, nur einen Stoß, einen einzigen Stoß in den roten erschlaen Hals und alles wäre vorüber. Er malte sich aus, wie die Spitze seines Schwertes, nachdem sie den Alten durchstoßen hätte, in die Strohmatte hineinführen würde, spürte den Todeskampf des Alten durch den Griff seines Schwertes, ihm schlug in die Nase der Geruch des heraufspritzenden Blutes … Unwillkürlich glitt seine Hand an den Griff des Schwertes. »Nein, du lügst, du lügst, du wolltest mich immer töten.« – Als ob er den andern durchschaut hätte, strampelte der Alte wieder eine Weile mit Händen und Füßen und versuchte ihn beiseite zu stoßen. »Warum hast du die Akogi so gemein behandelt? – Nun, sprich, weshalb hast du das getan! Sonst …« »Ja, ich sage es schon, ich sage es – ich sage … – aber wenn ich es gestehe, wirst du mich töten, nicht?« »Willst du es sagen oder nicht?« »Ich sage, ja ich sage es. Aber laß mich zuerst los, sonst ersticke ich und kann nicht reden.« Taro wiederholte ungeduldig, als ob er das Wort des Alten garnicht gehört hätte: »Willst du es sagen oder nicht?« »Ich sage« rief der Alte aus vollem Halse, indem er mit allen Gliedern um sich schlug: »Natürlich will ich es sagen. Ich wollte ihr vorhin nur eine
Arznei geben. Aber die dumme Akogi hat sie nicht trinken wollen. Deshalb habe ich sie mit Gewalt dazu gezwungen. Das ist alles. Nein, noch eins. Die Arznei hat die Alte gemacht. Das geht mich nichts an.« »Arznei? Dann ist es sicher ein Abtreibmittel, nicht wahr? Wie darf man dazu jemand, und sei es auch die Dümmste, zwingen, du Unmensch!« »Sieh mal an, weil du mich gezwungen hast, habe ich alles gesagt. Und dann willst du mich töten, du Mörder, du Schurke!« »Wer hat gesagt, daß ich dich töten will?« »Wenn du es nicht willst, warum greifst du dann nach deinem Schwert?« Der Alte sah ihn von unten her ängstlich an, seine Stimme war laut und erregt, sein Glatzkopf ganz in Schweiß gebadet. Mit einem Schlag kam Taro der Gedanke: jetzt wäre es die höchste Zeit, ihn zu töten. Jetzt oder nie! Er starrte wieder den Hals des Alten an, und indem er ihn fest im Griff hielt, drückte er ihn noch stärker unter seine Knie. Seinen Hinterkopf bedeckten kärglich einige graue Haare. Dann sah man zwei Sehnen, welche die rötliche Gänsehaut unmerklich spannten. – Als Taro ihn so betrachtete, erfaßte ihn ein seltsames Mitleid mit dem Alten. »Mörder! Du Vatermörder, Lügner! Vatermord!« So in einem Zuge schreiend, stieß der Alte endlich Taro zurück. Er versteckte sich sofort hinter die hingestürzte schiefe Tür und spähte unruhig nach einer Gelegenheit zur Flucht. Als Taro dieses rötliche, aufgedunsene, entstellte, schlaue Gesicht wieder vor sich sah, bereute er nochmals, daß er ihn nicht getötet hatte. Aber er ließ langsam den Griff seines Schwertes los und setzte sich, nur mit halbem Munde bitter lächelnd, auf die alte Strohmatte nieder. »Ich habe mein Schwert nicht dazu, dich niederzustoßen.« »Und wenn du mich tötetest, würdest du zum Vatermörder.« Der Alte
trat langsam und zögernd hinter der Schiebetür heraus und setzte sich, noch furchtsam, auf eine Strohmatte schräg gegenüber Taro. »Wieso werde ich den Namen eines Vatermörders bekommen, wenn ich dich töte?«, fragte Taro spöttisch, indem er zum Fenster hinausblickte. In dem Viereck des Fensters stand ein Mistelbaum, dessen Blätter in strahlendem Sonnenglanz in vielen Schattierungen von dunkelgrün bis hellgrün leuchteten. Es war still und kein Lüchen bewegte sich. »Willst du hören, warum? – Die Shakin ist nämlich mein Kind. Verstehst du nun, daß du auch mein Kind bist, weil du dich mit Shakin verbunden hast.« »Wenn ich ein Vatermörder bin, – was bist du dann, der dieses Kind wie sein eigenes Weib behandelt hat, ein Tier oder ein Mensch?« Der Alte nestelte an seinem Kragen, der bei dem Streit zerrissen worden war, und brummte: »Auch ein Tier tötet seine Eltern nicht.« Taro lachte mit verzogenen Lippen. »Wie du immer noch schnattern kannst.« »Was, schnattern?« Er blickte ihn giig an, aber sogleich lachte er wieder spöttisch: »Gut, dann frage ich dich! Hältst du mich für deinen Vater? Kannst du mich für deinen Vater halten?« »Das brauchst du mich nicht zu fragen.« »Du kannst nicht, nicht wahr?« »Natürlich, – ich kann nicht.« »Das bildest du dir ja nur ein. Paß auf! Shakin ist das Kind meiner alten Frau aus ihrer ersten Ehe und nicht mein Kind. Wenn ich, der Mann der Alten, Shakin wie ein eigenes Kind halte, dann solltest auch du, dem Shakin verbunden ist, mich für den eigenen Vater halten. Aber du hältst mich
gar nicht für deinen Vater, ja du bringst es sogar fertig, mich zu schlagen! Mit welchem Recht sagst du dann, daß ich Shakin als mein Kind behandeln sollt Warum soll ich sie nicht als mein Weib behandeln? Wenn ich deswegen ein Tier bin, dann bist du es, der den Vater umbringen will, nicht weniger.« Dann schnell weitersprechend, mit siegesbewußter Miene und ihn mit seinem mageren Zeigefinger bedrohend: »Hast du das verstanden? Wer von uns ist vernüniger, du oder ich? Das sollte doch sonnenklar sein. Außerdem muß ich dir noch eines sagen: ich habe mit meiner Frau schon während der Zeit, als ich Diener des Westamtes war, in einem intimen Verhältnis gestanden. Ich weiß nicht, wie mich meine Frau damals gefunden hat, aber ich war sehr in sie verliebt.« Taro hatte nicht erwartet, von diesem versoffenen, schlauen und gemeinen Alten solche Geschichten zu hören. Nein, er hatte bis zu diesem Augenblick daran gezweifelt, ob dieser Alte eines menschlichen Gefühls fähig wäre. »Der alte Inokuma und die Alte, die von ihm geliebt wurde …« ein Lächeln zog über Taros Gesicht. »Eines Tages erfuhr ich, daß sie einen Geliebten hat.« »Also hat sie dich vom Leibe gehalten?« »Das beweist noch nicht, daß sie mich nicht gemocht hat. Doch wenn du mich dauernd unterbrichst, erzähle ich nicht weiter!« Sogleich rückte er aber an Taro heran und erzählte weiter. »Inzwischen wurde sie von ihrem Geliebten schwanger. Das hätte ich verwinden können, wenn sie nicht kurz nach ihrer Niederkun, ohne eine Spur zurückzulassen, verschwunden wäre. Diese Nachricht bedrückte mich sehr tief. Man sagte mir damals vielerlei: sie sei an einer furchtbaren Seuche gestorben, sie sei nach Süden ins Tsukusi-Land gegangen und anderes.
Später konnte ich von ihr selbst die Wahrheit erfahren: sie war nur bei Bekannten in Narasaka eingekehrt. Aber damals wußte ich nichts davon. Ich war nur in tiefer Verzweiflung, trank viel Reiswein, spielte dauernd um Geld und bin schließlich, von anderen verführt, zum Räuber geworden. Auch dann noch dachte ich, wenn mir etwas Kostbares, z. B. Seidendamast, in die Hände fiel, immer nur an sie. Dann vergingen Jahre, zehn Jahre, fünfzehn Jahre, und erst kürzlich habe ich sie wieder getroffen …, aber …« Der Alte saß jetzt auf derselben Strohmatte mit Taro und wurde plötzlich stumm. Seine Erzählung hatte ihn so erregt, daß die Tränen über seine Wangen herniederflossen und sein Mund sich wortlos eine Weile bewegte. Taro blickte den Weinenden wie einen Fremden an. »Aber sie war nicht mehr, was sie einmal gewesen war. Nein, und auch ich war nicht mehr der, der ich einmal war. Aber das Kind, das sie mitbrachte, Shakin, erinnerte mich so an ihre Jugend, als ob sie selbst wieder zu mir gekommen wäre. O dachte ich: wenn ich mich von ihr trenne, dann müßte ich mich auch von Shakin trennen. Wenn ich mich nicht von Shakin trennen wollte, dann bliebe mir kein anderer Weg als der, die Alte zu heiraten. Gut, sagte ich, dann nehme ich die Alte eben als meine Frau. Seither bewohne ich mit ihr dieses Haus …« Der Alte sagte das mit weinerlicher Stimme und rückte immer näher an Taro heran. Aus seinem verzerrten Gesicht schlug dem neben ihm Sitzenden der Geruch von Wein entgegen. Taro schnitt eine Grimasse und hielt sich den Fächer vor die Nase. »Ja, die Alte von einst, die ich von damals bis heute für mein Leben geliebt habe, ist keine andere als die Shakin von heute, und du nennst mich immerfort ein Tier. Sag, warum hassest du mich, einen alten Mann, so heig?
Wenn dein Haß so groß ist, daß du mich nicht ertragen kannst, so kannst du mich ohne weiteres töten, meinetwegen auf der Stelle. Ja, töte mich! Damit könnte auch ich ganz zufrieden sein. Aber, paß auf! Wenn du deinen Vater umbringst, bist auch du ein Tier. Verstehst du das? Ein Tier tötet jetzt ein Tier – das ist doch sehr interessant.« Er trocknete seine Tränen und schimpe weiter, immer noch mit seinem mageren Zeigefinger drohend! »Ein Tier tötet nun ein Tier! Töte mich nur! Du Feigling! So, du hast dich vorher geärgert, weil ich die Akogi zwingen wollte, ein Heilmittel zu trinken. Wahrscheinlich bist du es, der sie schwanger gemacht hat, du Bestie! Wer soll denn vor dir noch ein Tier sein!« Während er das sagte, sprang er hastig hinter die Schiebetür und verzog bosha sein rötliches, versoffenes Gesicht, im nächsten Augenblick bereit, zu entfliehen. Taro, dem das Schimpfen des Alten lästig geworden war, stand auf und zauderte einen Augenblick, ob er nach seinem Schwert greifen solle, doch dann bewegte er nur seine Lippen und spie dem Alten ins Gesicht: »Das ist für dich am besten, du Tier!« »Halt dein Maul. Du sollst mich nicht Tier nennen. Ist die Shakin etwa nur dein Weib? Sie ist doch auch das Weib Jiros. Welch ein Tier bist du, daß du ein Weib mit deinem Bruder gemeinsam hast.« Da bereute Taro wieder, daß er diesen Alten nicht getötet hatte, zugleich fürchtete er, wieder dazu Lust zu bekommen. Sein Auge loderte vor Haß, als er auf der Stelle wortlos wegging. Der Alte rief ihm, mit den Händen gestikulierend, höhnend nach: »Hast du meine Geschichte etwa für wahr gehalten? Sie ist völlig erlogen. Es ist erlogen, daß ich mit meiner alten Frau von früher befreundet bin. Erlogen
ist auch, daß Shakin mit ihr Ähnlichkeit hat. Hast du verstanden? Alles ist erlogen. Du kannst mir nichts vorwerfen, so gern du es auch willst. Ja, ich bin ein Lügner und ein Tier, ein Unmensch, den du um ein Haar getötet hättest!« So schimpe und fluchte er und warf schließlich alles durcheinander. Auch dann noch schrie er, mit den Füßen stampfend und allen Haß in seinem trüben Blick zusammenfassend, Unverständliches weiter. – Taro hielt sich mit den Händen die Ohren zu und verließ eilig das Haus. Draußen strahlte schon die Abendsonne, die Schwalben schwebten immer noch sehr leicht durch die abendliche Lu. »Wohin wollte ich gehen?«, sagte er zu sich und erinnerte sich plötzlich daran, daß er eigentlich hierher gekommen war, um Shakin zu sehen. Aber nun wußte er nicht, wo sie war. »Na ja, du kannst ja am Rashomon-Tor auf den Abend warten!« Dabei hoe er natürlich, sie vielleicht dort zu treffen, denn Shakin verkleidete sich am Abend des Einbruches gewöhnlich als Mann, und die Kleidung und andere Sachen waren in einem ledernen Beutel im Rashomon-Tor versteckt. Er machte sich auf und schritt die Straße entlang nach Süden. Dann bog er am Sanjo nach Westen ab und ging an den Ufern des Mimito-Flusses entlang, bis Shijo. Als er die Shijo-Straße erreicht hatte, sah er in etwa dreihundert Schritt Entfernung ein junges Paar, das lustig schwätzte, in nördlicher Richtung unter der Mauer des Ryuhonji-Tempel vorbeigehen. Ein Mann in braunem Jagdanzug und eine Frau in lilafarbigem Kleid schritten mit heiterem Gelächter von Gasse zu Gasse. Aber kaum war dessen Schwert mit der schwarzen Scheide in der Abendsonne aufgeblitzt, da verschwand das Paar.
Taro runzelte die Stirn und blieb unwillkürlich stehen; er murmelte dabei düster vor sich hin: »Alle sind doch nur Tiere.« VI. Am Sommerabend verfließt die Zeit schnell. Es war schon gegen zehn Uhr. Der Mond war noch nicht heraufgekommen; ringsum schlief die Stadt im schwülem Dunkel. Von dem schwachen Licht der Sterne beleuchtet schimmerte nur der Kamo-Fluß. Auf den Gassen war alles Leben schon erloschen. Der Palast, die Pampaswiesen, die Häuser, alles breitete sich wie eine bloße, unbegrenzte Fläche aus, die unter dem dunklen, stummen Himmel dahinschwamm; sowohl im östlichen, als auch im westlichen Bezirk waren alle Laute verklungen. Nur manchmal riefen Kukkucke einander zu. Sonst war nichts zu hören; doch: man konnte noch irgendwo eine menschliche Stimme hören und ein heimliches Licht brennen sehen. Vielleicht schlossen sich jetzt die Frommen zur Andacht in einen mit Weihrauch geräucherten Tempel ein, vielleicht beteten sie jetzt unter dem ewigen Licht vor einem Buddhabildnis, dessen Goldleim und Grünspan schon an mehreren Stellen abgesprungen ist. Vielleicht versammelten sich jetzt dort unter der Hauptbrücke an einem Feuer die geistlichen Bettler, aber es konnten auch die Irrlichter sein, die der gefährliche Fuchs im Suzakumon-Tor nachts auf den Dachziegeln oder in den Gräsern in Brand setzen soll. Sonst war alles in tiefe Nacht versunken, nach Norden bis zur Sembon-Straße und nach Süden bis zur Toba-Straße war es so still, als würden nicht einmal die Beifüße an den Ufern des Flusses von einem Lüchen bewegt. Da drang plötzlich, wie Flügelschläge der Fledermaus, gleichzeitig von
verschiedenen Stellen, das Anschlagen von Schützenbogen zum Rashomon-Tor, das nördlich, vom Palast abgelegen, auf der Suzaku-Straße stand. Und dann kamen nach und nach, von verschiedenen Seiten, einer, drei, fünf, acht und noch mehr Männer in verdächtigem Aufzug hervor. Im schwachen Licht der Sterne stand einer mit einem Schwert, ein anderer mit Pfeilen, ein dritter mit einem Beil oder einem Spieß; jeder war, sah man von den Gamaschen und Strohschuhen ab, anders bewaffnet und gekleidet. Sie strömten auf der steinernen Brücke vor dem Tor zusammen und stellten sich in einer Reihe auf. – An die Spitze der Reihe trat Taro. Hinter ihm ließ der alte Inokuma, als wäre der Streit mit Taro längst vergessen, seinen Spieß im Dunkeln blitzen. Und dann Jiro, die alte Inokuma; ein wenig abseits von der Reihe stand auch Akogi. In der Mitte stand Shakin in schwarzem Jagdanzug; sie trug auf dem Rücken ein Schwert und einen Köcher und stützte sich auf ihren Bogen. Sie sah über die Männer hinweg und öffnete ihren schönen Mund: »Paßt auf! Heute abend haben wir einen stärkeren Gegner als sonst. Jeder muß auf alles gefaßt sein. Zunächst brechen fünfzehn Mann mit Taro an der Spitze vom Hintertor her in den Hof ein. Die übrigen gehen nachher mit mir zum Haupttor hinein. Vor allem kommt es mir auf das Pferd aus dem Osten im Stall hinter dem Haus an. Das sollst du rauben, Taro! Alles in Ordnung?« Taro hatte bis zu diesem Augenblick still die Sterne betrachtet, er nickte nur stumm mit verzogenen Lippen. »Dann habe ich euch noch eins zu sagen, ihr dür keine Kinder und Frauen als Geiseln mitnehmen, denn wir können dann die Sache nachher schwer in Ordnung bringen. Gut, wir wollen gehen!« Sie winkte allen mit erhobenem Bogen zu und wandte sich dabei auch zu Akogi, die ver
lassen mit dem Finger im Mund zuschaute und sagte gutmütig zu ihr: »Du Arme, bleibe hier, wir alle kommen in zwei oder vier Stunden zurück.« Akogi sah, gedankenlos wie ein Kind, in Shakins Gesicht und nickte still mit dem Kopf. »Ja, wollen wir gehen! Aufpassen, Tajomaru!« Der alte Inokuma wandte sich, seinen Spieß unter dem Arm, einem Räuber neben ihm zu. Der andere, in purpurnem Jagdanzug, antwortete nichts. Er brummte nur in den Bart und ließ das Stichblatt seines Schwertes erklingen. An seiner Stelle mischte sich einer mit einem Blaubart, der auf der Schulter ein Beil trug, mit der Bemerkung ein: »Du sollst auch nicht wieder vor dem Doppelgänger Angst haben.« Dann strömten die dreiundzwanzig Räuber, ein heimliches Lachen unterdrückend, in die Suzako-Straße ein, in der Mitte immer noch Shakin. Wie schmutziges Wasser, das den Graben überschwemmt hat, in die Vertiefungen der Erde hinabzieht, so verschwanden sie bald irgendwohin in die Dunkelheit … Jetzt blickten nur noch die hohen Dächer des Rashomon-Tors, in scharfen Umrissen, von einem bleichen Himmel auf die verlassene Straße herab. Wieder riefen die Kuckucke, einmal in der Ferne und einmal in der Nähe. Auch die Gestalt von Akogi, die eine Weile auf der hohen Steintreppe gestanden hatte, war verschwunden. Auf dem Torhaus brannte bald danach ein schwaches Licht, und es öffnete sich ein Fenster. Man konnte im Fenster ein kleines Frauengesicht bemerken, das dem fernen Mondaufgang zuschaute. Auf die Stadt in der Tiefe, die allmählich heller wurde, hinabblickend, lächelte Akogi still und glücklich, wenn sie das Kind in ihrem Leib fühlte.
VIIa. Jiro kämpe, immer wieder mit seinem blutigen Schwert zuschlagend, mit zwei Rittern und drei Hunden, wurde aber dann die Gasse entlang etwa zwei- bis dreihundert Schritte zurückgedrängt. Er hatte nun keine Zeit mehr, sich um Shakin zu kümmern. Die Gegner verließen sich auf ihre Übermacht und hieben ununterbrochen auf ihn ein. Auch die Hunde stürzten sich von allen Seiten mit gesträubten Haaren auf ihn. Der soeben aufgegangene Mond erhellte die Straße so gut, daß man den Gegner deutlich erkennen konnte. In diesem Mondlicht kreuzten sich die Schwerter. Entweder den Gegner erschlagen oder vom Gegner erschlagen werden: das war die Lage. Als er das erkannte, stieg sein Mut von Augenblick zu Augenblick zu immer größerer Wildheit. Während er den Hieb des Gegners parierte und ihm einen Gegenschlag versetzte, wich er gleichzeitig den Hunden, die ihn von unten anfielen, aus. Dabei mußte er manchmal das Schwert, mit dem er den Gegner in Schach hielt, sogleich hinter sich schwingen, um einen Hund, der ihn von hinten anfiel, abzuwehren. An verschiedenen Stellen seines Körpers war er schon verwundet. Im Mondlicht hätte man erkennen können, wie es an seiner linken Schläfe dunkelrot, mit Schweiß vermischt, niederfloß. Aber den auf den Tod gefaßten Jiro schien das nicht anzufechten, nur auf seiner blassen Stirn waren die Augenbrauen hochgezogen. Er schwang das Schwert schnell nach rechts und nach links, als ob nicht er das Schwert, sondern das Schwert ihn führe. Seine Mütze war weggeflogen, sein Jagdanzug zerrissen. Wie lange es gedauert hat, bis ein Ritter, der mit seinem Schwert weit
über den Kopf ausgeholt hatte, sich plötzlich mit schrecklichem Geschrei zurückbäumte? Jiro hatte so blitzschnell und so tief zugestoßen, daß die Knochen des Mannes mit dumpfen Tone krachten. Sein Schwert blitzte jetzt durch die Dunkelheit; erst als er selbst am Arm schwer verletzt wurde, wich er zurück. Er wollte seinem Gegner von hinten noch einen Schlag versetzen, als sich plötzlich ein Jagdhund wie ein Pfeil auf ihn stürzte. Jiro sprang einen Schritt zurück und schlug nochmals mit voller Kra zu. Dann überfiel ihn eine Müdigkeit mit solcher Macht, als wären alle seine Glieder gelähmt. Während er der fliehenden schwarzen Gestalt unter dem Mond nachblickte, war ihm, als wäre er aus einem schlechten Traum erwacht. Er fand sich vor dem Tor des RynhonjiTempels wieder. Etwa eine halbe Stunde früher war die Schar der Räuber, die vom Haupttor aus in den Hof des Vogts stürmen wollten, von Pfeilen, die plötzlich von beiden Seiten des Tores und einem Wagenstand geflogen kamen, in Schrecken versetzt worden. Der vorderste, Juro aus Makonoshima, fiel s ofort, am Oberschenkel getroffen, zu Boden. Als im nächsten Augenblick noch einige andere verwundet wurden, einer im Gesicht, ein anderer am Ellbogen, traten sie den Rückzug an, da sie nicht abschätzen konnten, wieviele Schützen im feindlichen Lager waren. Ununterbrochen kamen Pfeile mit weißer oder gefärbter Feder angeflogen, darunter auch die Pfeile mit rübenförmiger Spitze, die fürchterlich brummten. Sogar Shakin, die sich ganz hinten auielt, schlug ein verirrter Pfeil quer durch den Ärmel ihres schwarzen Jagdanzuges. »Die Führerin soll nicht verletzt werden! Schießt! Schießt! Unsere Pfeile haben ebenso kräige Spitzen!« Heiroku aus Katano schrie es laut, indem
er sein Beil ungeduldig hin- und herschwang. Darauf antwortete jeder: »ja, ja, gut!« Und nun schwirrten auch die Pfeile der Räuber ab. Bei Heirokus Worten schlug Jiro das Gewissen. Den Griff seines Schwertes umklammernd, war er hinten zurückgeblieben. Jetzt sah er zufällig von der Seite Shakin ins Gesicht. Sie stand gleichgültig und kalt in diesem Getümmel und hatte sich absichtlich gegen das Mondlicht gestellt. Immer noch sich auf den Bogen stützend, sah sie unbewegt, sogar mit einem Lächeln um ihren Mund, zu, wie die Pfeile durcheinanderflogen. Da rief Heiroku wieder von der Seite mit aufgebrachter Stimme: »Warum laßt ihr Juro im Stich. Wollt ihr aus Angst vor den Pfeilen euren Freund im Stich lassen?« Juro, der am Schenkel schwer verletzt war, konnte offenbar nicht aufstehen, so sehr er sich auch mühte, er rutschte mit Hilfe des Schwertes zurück und kämpe wie eine kahle Krähe, um den Pfeilen auszuweichen. Bei diesem Anblick wurde Jiro von Furcht ergriffen, er zog unwillkürlich sein Schwert aus der Scheide. Heiroku, der das bemerkte, sah ihn mit schiefem Blick an und sagte spöttisch: »Du brauchst nur bei der Führerin zu stehen! Dem Juro kann ein kleinerer Räuber beistehen.« Jiro empfand die Verachtung, die in diesem Wort lag, er biß die Zähne zusammen und sah Heiroku fest ins Gesicht. In diesem Augenblick hörte man ein Horn blasen, und auf dieses Zeichen hin schossen sechs oder sieben Jagdhunde den Räubern entgegen, die zu Juro laufen wollten, um ihn zu retten. Sie sprangen knurrend, mit fletschenden, scharfen Zähnen und spitzen Ohren, eine weiße Staubwolke aufwirbelnd, die Räuber an. Danach drängten zehn oder fünfzehn Ritter, jeder mit Schwert oder Spieß bewaffnet, ins Freie. Die Räuber blieben
nicht untätig. Unter den glänzenden Schwertern und Spießen, die wie ein Wald dicht nebeneinanderstanden, erhob sich plötzlich ein Geschrei, das weder menschlich noch tierisch war. Die Räuber hatten sich von neuem gesammelt und stürzten sich nun, ihre Ermattung völlig vergessend, auf die Ritter, Heiroku mit erhobenem Beil voran. Jetzt legte auch Shakin den Pfeil mit der Feder des Reihers auf die Bogensehne und ging schnell hinter dem eingestürzten Erdwall in Anschlag. Ihr noch immer leise lächelndes Gesicht war leicht erregt. Nun gerieten Feind und Freund wild durcheinander. Sie schrieen wie verrückt und schossen, ohne aufzublicken. An der Stelle, an der Juro lag heulten die Hunde mit blutdürstiger Stimme. Schrill und laut erfüllte ihr Gebell den schrecklichen, unentschiedenen Kampf. Da kam einer der Räuber, die vom Hintertor eingedrungen waren, in Schweiß und Staub gebadet und mit Blut bespritzt, außer Atem angelaufen. Die gezackte Schneide seines Schwertes, das er auf der Schulter trug, zeigte, daß der Kampf auch drüben wider Erwarten heig gewesen war. Auch schien er an einigen Stellen leicht verwundet zu sein. »Alle ziehen sich drüben schon zurück!« keuchte er, als er im Licht des Mondes endlich zu Shakin gelangte. »Drüben im Hof ist auch Taro von den Feinden umgeben … ja, es ist ein fürchterliches Getümmel!« Shakin und Jiro sahen sich bei diesen Worten in die Augen. Sie taten es heimlich im Schatten hinter den Erdmauern. »Von den Feinden umgeben und was sonst?« »Ich weiß nicht, wie es ihm ergangen ist. Aber unter Umständen … nein, man darf nicht daran zweifeln. Er kommt sicher, glaube ich, aber …«
Jiro ging mit abgewandtem Gesicht zur Seite. Der kleine Räuber kümmerte sich nicht weiter darum. »Dann scheinen auch die alten Inokuma verwundet zu sein. Einige Männer wurden gewiß getötet.« Shakin nickte und rief Jiro mit scharfer Stimme nach: »So, wir wollen uns auch zurückziehen. Jiro, du sollst pfeifen!« Er hörte sie mit merkwürdigem Gesichtsausdruck an, als wären alle seine Gefühle erstarrt, dann pfiff er zweimal scharf mit den Fingern der linken Hand. Das war das Zeichen zum Rückzug, das nur unter den Räubern bekannt war. Sie schienen sich um das Pfeifen nicht zu kümmern; denn sie hatten, umringt von Gegnern und Hunden, garnicht die Möglichkeit, sich zurückzuziehen. Das Pfeifen durchschnitt die schwüle Nachtlu und verklang ohne Erfolg. Darauf wurde das Menschengeschrei, das Hundegeheul und der Klang der Waffen nur noch lärmender unter dem hohen Sternenhimmel. Shakin sah zum Mond hinauf und bewegte blitzschnell ihre Augenbogen. »Es läßt sich nichts tun! Gehen wir allein zurück!« Jiro stellte sich, als habe er sie nicht gehört und war gerade wieder dabei, zu pfeifen, als einige Räuber in Bedrängnis gerieten und durch die dabei entstandene Lücke sich ein Haufe von Menschen und Hunden den beiden näherte. Der Bogen in Shakins Hand ging unverzüglich los; der weiße Hund, der vorausgestürzt war, fiel mit wildem Gebrüll zu Boden, der Pfeil mit der Feder des Reihers hatte seinen Bauch durchschossen; das dunkle Blut rann in den Sand. Der Mann, der dem Hund folgte, zauderte nicht und stürzte sich mit erhobenem Schwert auf Jiro. Jiro parierte wie im Traum,
es funkelte einen Augenblick und tönte mit scharfem und hellem Klang. – Unter dem hellen Mondlicht erkannte er als seinen Gegner einen Mann mit einem schweißnassen Rotbart, dessen kirschblütenfarbiges Hofgewand ganz zerrissen war. Sogleich erinnerte er sich an die Szene vor dem Ryuhonji-Tempel, und ihm kam der schreckliche Verdacht, daß Shakin mit diesem Mann verabredet haben könnte, nicht nur Taro, sondern auch ihn zu beseitigen. Dieser Verdacht setzte ihn so in Wut, daß es ihm dunkel vor den Augen wurde; er wich dem nächsten Schwertschlag des Gegners mit Blitzesschnelle aus und stieß ihm mit vorgeschnelltem Schwert ins Herz. Dann trat er mit seinen Strohschuhen in das Gesicht des hingestürzten Ritters. Er fühlte, wie dessen Blut lauwarm auf seine Hand spritzte, er fühlte den harten Widerstand der Rippen, er fühlte, wie der Hinsterbende sich in seinen Füßen festzubeißen versuchte. Das alles stachelte sein Rachegefühl noch mehr an. Aber zugleich erfüllte ihn eine unerklärliche innere Müdigkeit. Wenn es möglich gewesen wäre, hätte er sich auf den Boden geworfen, um sogleich zu schlafen. Doch während er in das Gesicht des Gegners trat und das bluttriefende Schwert aus seiner Brust herauszog, näherten sich von allen Seiten die gegnerischen Ritter. Einer zielte schon mit dem Spieß von hinten auf seinen Rücken, aber da Jiro sich plötzlich niederwarf, konnte der Spieß nur den Ärmel seines Jagdanzugs zerreißen. Der Gegner sank auf der Stelle zu Boden, denn ein Pfeil mit der Feder des Reihers kam irgendwoher windschnell geflogen und durchstach, einen Bogen schlagend, den Nacken dieses Mannes. Danach kämpe Jiro wie im Traum. Er heulte wie ein Tier und schlug mit wildem Ungestüm die Schwerter, die von allen Seiten auf ihn ein
fielen, zurück. Das Geheul um ihn wogte auf und ab, und in diesem Getöse tauchten Menschengesichter auf, die in Blut und Schweiß gebadet waren. Er konnte sonst nichts erkennen. Nur funkelte manchmal in seinem Herzen, gleich den Funken, die von seinem Schwert aufsprühten, die Angst, daß Shakin entfliehen könnte. Aber es war nur ein Funke, der in der drohenden Lebensgefahr rasch wieder erlosch. Und wieder tobten die Waffen und krachten die Pfeile in der schmalen, von Mauern eingefaßten Gasse. Wie das Brummen der unzähligen, die Lu durchschwirrenden Heuschrecken, so wallte es ununterbrochen auf und ab. – Von zwei Rittern und drei Hunden gejagt, wurde Jiro schließlich die Gasse entlang immer weiter nach Süden abgedrängt. Er hatte einen Ritter totgeschlagen, einen andern vertrieben und glaubte jetzt, daß er mit den Hunden schon fertig werden würde. Aber darin hatte er sich getäuscht. Die Tiere, alle schön braun gescheckt, waren sehr groß, manche so groß wie ein Kalb. Mit Mäulern naß von Menschenblut sprangen sie ihn immer wieder von links und rechts an. Wenn er mit dem Fuß in den Fang eines Hundes getreten hatte, sprang ein anderer an seiner Schulter hoch, ein dritter wollte die Hand anbeißen, die das Schwert umklammerte. Und dann krochen sie alle um ihn herum, schlangen sich ineinander, rieben ihre Schnauzen an den Pfoten und fuhren wieder auf ihn los. Jiro, vom Kampf gegen die Ritter schon etwas abgespannt, wurde durch den zähen Angriff der Hunde immer mehr in die Enge getrieben. Je ungeduldiger er wurde, um so häufiger schlug er mit dem Schwert ins Leere und verlor fast den Halt. Die Hunde benutzten diesen Augenblick und kamen immer dichter an ihn heran. Es gab nur noch eine Möglichkeit,
ihnen zu entkommen: er zog sein Schwert zurück, sprang plötzlich über einen Hund hinweg, der darauf lauerte, ihn an den Beinen zu packen und rannte wie besessen los. Er rannte und rannte, aber es war, als wenn ein Ertrinkender nach einem Strohhalm griffe. Die Hunde sausten ihm mit erhobener Rute nach, ihre Hinterbeine wirbelten den Staub in Wolken auf. Jiros Versuch zu entkommen, mißlang. Er geriet nun erst recht in den Todesrachen hinein. – Kaum war er von dem Kreuzweg vor dem Ryuhonji-Tempel zweihundert Schritte nach Westen gerannt, als er plötzlich andere Hunde, mehr als jene, die hinter ihm waren, vor sich schrill durch die Nacht bellen hörte. Er sah, daß eine Hundemeute wie eine wandelnde, dunkle Wolke die vom Mondlicht erleuchtete Gasse versperrte und sich wild um eine Beute raue. Endlich – er merkte es kaum – rannte ein Jagdhund laut aueulend an ihm vorüber, um die Freunde zusammenzurufen. Plötzlich bellten alle Hunde, die wie verrückt hin und her sprangen, mit verschieden schrillen Stimmen, und im Nu wurde er in den lebendigen Wirbel der blutigen Pelze hineingezogen. Es war nicht gewöhnlich, daß sich zu dieser Nachtzeit so viele Hunde in der Gasse zusammenrotteten. Jiro war zufällig dahin gekommen, wo die wildernden Hunde, die zu dieser Zeit in der sterbenden Stadt immer in Koppeln von zehn oder zwanzig blutdürstig umhersprangen, schon seit dem frühen Abend die hier zurückgelassenen Toten zur Beute machten und sich mit fletschenden Zähnen um ihr Fleisch und ihre Knochen stritten. Vor der neuen Beute zögerten sie nicht; plötzlich wandten sie sich um und stürzten wie die Reisähren, die im Sturme fliegen, von allen Seiten auf Jiro. Sprang ein starker, schwarzer Hund über das Schwert,
dann strich ein fuchsartiger, schwanzloser von hinten über seine Schultern. Berührte ein blutbefleckter Hundebart kalt seine Wange, dann fuhr eine sandige Pelzpfote quer über seine Stirn. Er konnte sich kein Ziel mehr zum Schlagen oder zum Stoßen wählen, vor ihm und hinter ihm waren nur noch die blauglänzenden Augen und die ununterbrochen keuchenden Schnauzen, und diese Augen und Schnauzen, die ihn ununterbrochen anfielen, schienen zahllos zu sein. Jiro fiel plötzlich, während er sein Schwert hin und her schwang, das Wort der alten Inokuma ein: »Man stirbt besser ohne Bedenken, denn der Mensch muß auf jeden Fall sterben.« Er schloß schon bereitwillig die Augen, aber wenn er den heißen Atem der Hunde, die an seinen Hals sprangen, spürte, riß er sie wieder auf und schlug mit dem Schwert in die Meute hinein. Zum wievielten Male hatte er das schon wiederholt! Inzwischen wurde sein Arm immer müder und sein Schlag immer schwächer. Schließlich wurde sogar sein Schritt unsicher, und zu allem Unglück kamen ununterbrochen neue Haufen über die Pampawiese und durch den Bruch der Mauern heran, an Zahl weit mehr als die Tiere, die er schon getötet hatte. Verzweifelt blickte Jiro zum kleinen Mond am Himmel hinauf. Blitzschnell erinnerte er sich an seinen Bruder und an Shakin. Er, der seinen eigenen Bruder beseitigen wollte, würde jetzt von den Hunden gefressen werden. Das also wäre die Strafe des Himmels. – Bei diesem Gedanken schossen die Tränen in seine Augen. Nein, nur kein Pardon gegen diese Bestien! Einer der Jagdhunde schwang jetzt seinen blaugescheckten Schwanz und sprang an ihm hinauf. Er fühlte sofort, daß sich der scharfe Eckzahn des Hundes in seinen Schenkel einbohrte.
In diesem Augenblick hörte er durch die mondlichte Nacht über der Stadt Kyoto einen harten Hufschlag, der das schrille Geheul der Hunde übertönte. Es klang wie ein Sturm, der gen Himmel fährt. VIIb. Während dieser Zeit stand Akogi still lächelnd allein an einem Fenster des Torhauses von Rashomon und sah dem fernen Mondaufgang zu. Über dem Österberg ging am tielauen Himmel ein kleiner Mond auf, traurig, bedächtig und so bleich, als hätte auch er unter der langandauernden Trockenheit gelitten. – Jetzt hob sich die Brücke, die sich über den Kamo-Fluß schwang, schwarz aus dem dämmernden und schimmernden Grunde hervor. Nicht nur der Kamo-Fluß, sondern die ganze Stadt, die vor kurzem noch wie ein ungeheurer Leichnam dunkel und tot vor ihren Augen gelegen hatte, war jetzt mit kühlem Mondschein überzogen. Die Spitzen der Pagoden und die Dächer der Tempel glänzten nur undeutlich, wie die Luspiegelungen, die die Menschen im Norden o sehen sollen. Alles war traumha in Schwarz und Weiß auseinandergetreten. Die Berge um die Stadt schienen allmählich zu erkalten. Jeder Gipfel schwebte im Mondlicht und sah durch die dünnen Schleier des Nebels nachdenklich auf die verödete, lautlose Stadt hinab. – Es duete leicht nach Geißblatt. Dieser Du kam wohl von den Blumen, die aus dem Dickicht um das Rashomon-Tor emporwucherten, sich um die alten Säulen des Tores und um die heruntergerutschten Dachziegel schlangen oder zwischen den mit Spinngewebe überzogenen Dachsparren emporkletterten. Akogi atmete mit Begierde den Blumendu ein und dachte dabei ununterbrochen an Jiro und das Kind, das sich in ihrem Schoß bewegte,
als ob es wünschte, möglichst bald zur Welt zu kommen. – Sie hatte ihre Eltern längst vergessen. Auch konnte sie sich nicht mehr an ihren Geburtsort erinnern. Nur eine schwache Erinnerung an ihre Kindheit stieg in ihr auf: sie war einmal als Kind in jemandes Armen oder auf jemandes Rücken an einem großen rotlackierten Tor, das diesem Rashomon-Tor glich, vorübergegangen, aber auch das kam ihr nicht deutlich zum Bewußtsein. Sie erinnerte sich nur an verschiedene Vorfälle aus der Zeit, als sie zum Bewußtsein ihres Daseins erwachte, Dinge, die sie lieber vergessen hätte. Sie war einmal von den Kindern der Stadt von der Gojo-Brücke kopfüber in das Flußbett hinuntergestoßen worden, ein anderes Mal hatte man sie nackt an einen Balken des Ksitigarbha-Tempels angebunden, wegen eines Diebstahls, den sie aus Hunger und Not begangen hatte. An einem solchen Tag war sie zufällig von Shakin gerettet worden, und seitdem lebte sie als Glied der Räuberbande. Aber sie wurde noch immer von den anderen gequält. Zwar war sie schwachsinnig von Geburt, doch durchaus fähig, den Schmerz als Schmerz zu empfinden. Die alte Inokuma schlug sie o aus bloßem Widerwillen, der Alte belästigte sie auf seine Art, wenn er betrunken war. Auch Shakin, die sonst gut zu ihr war, faßte sie, wenn sie einen hysterischen Anfall bekam, bei den Haaren und zauste sie umher. Noch schonungsloser behandelten sie die anderen Räuber; sie schlugen und stießen sie aus bloßem Übermut. Dann floh sie zu diesem Torhaus von Rashomon und weinte in sich hinein. Wenn Jiro nicht manchmal zu ihr gekommen wäre, sie zu trösten, hätte sie sich schon lange von dem Torhaus hinabgestürzt. Etwas rußartig Schwarzes, vielleicht eine Fledermaus, flatterte über den Mond, flog unter dem Dach an dem Fenster vorüber und zum blauen
Nachthimmel empor: Akogi verfolgte es mit den Blicken und war eine Weile über die verstreuten Sterne entzückt. Da bewegte sich wieder das Kind in ihrem Leibe. Sie folgte aufmerksam diesen Bewegungen. Das Kind bewegte sich der Qual der Welt entgegen, der sie so gerne entflohen wäre. Akogi dachte aber nicht daran, denn sie war schon lange von Freude wie von dem Du des Geißblattes erfüllt, von der Freude darüber, Mutter zu werden, oder endlich Mutter werden zu können. Plötzlich kam ihr der Gedanke, das Kind in ihrem Leibe bewege sich deshalb, weil es nicht gut schlafen könne. Vielleicht weinte das Kind heimlich in ihrem Leibe und bewegte vor Schlaflosigkeit die kleinen Glieder. »Schlafe, mein Kind, mein süßes Kind. Schlafe, schlafe! Bald wird es Tag.« – So flüsterte sie dem Kinde zu. Die Bewegung in ihrem Leib hörte aber so bald nicht auf. Dann kamen langsam auch die Schmerzen. Akogi trat einen Schritt vom Fenster zurück und kauerte sich nieder. Einem einfachen Leuchter gegenüber sang sie mit leiser Stimme ein Lied, um das Kind zu trösten. »Wem, außer dir, könnte ich mich ergeben! Wie könnten auch die Wogen über den Kiefernberg gehen, über den Kiefernberg gehen!« Bei dem Zittern der Flammen des Leuchters jedoch zitterte auch die Stimme im stillen Torhaus und brach ab und zu ab. Sie konnte sich nur schwach an das Lied erinnern, daß Jiro o sehr gerne gesungen hatte. Wenn er Wein getrunken hatte, sang er immer dieses Lied, indem er die Augen schloß und mit dem Fächer den Takt angab. Shakin klatschte
dabei vor Freude in die Hände und machte sich über seinen Gesang lustig. Wie sollte das Kind dieses Lied nicht mögen? Niemand wußte übrigens, ob dieses Kind von Jiro stammte oder nicht. Akogi selbst schwieg darüber. Je zudringlicher die Räuber fragten, desto hartnäckiger schwieg sie, schamha mit niedergeschlagenen Augen und gekreuzten Armen. Dabei stieg eine mädchenhae Röte in ihr schmutziges Gesicht, und an den Augenwimpern glänzten die Tränen. Die Räuber neckten sie dann noch boshaer und verspotteten sie, weil sie nicht einmal den Namen des Vaters des Kindes in ihrem Leib zu nennen wußte. Aber Akogi war in ihrem Innern fest davon überzeugt, daß das Kind von Jiro stammte. Für sie war es selbstverständlich, daß es nur das Kind Jiros, den sie so sehr liebte, sein konnte. Wer sollte sonst der Vater des Kindes sein, wenn nicht Jiro, von dem allein sie immer auf diesem Tor träumte. Sie träumte nun wachend und singend und mit Augen, die auf etwas Fernes blickten, einen schönen Traum. Auch die Moskitos störten sie dabei nicht. Es war ein Traum, der alle Lebensqual vergessen ließ und trotzdem von Lebensqual umschattet war, ein schöner und schmerzlicher Traum. Einen solchen Traum könnte kein tränenloser Mensch träumen. In diesem Traum war alles Böse völlig verschwunden – nur die tiefe Einsamkeit des Menschen war feierlich und traurig zurückgeblieben, wie das Mondlicht, das den ganzen Himmel erfüllt. Wie könnten auch die Wogen über den Kiefernberg gehen, über den Kiefernberg gehen!
Endlich verklang dieses Lied und wurde schwächer wie das Licht des Leuchters. Darauf folgte ein kraloses Stöhnen. Akogi spürte plötzlich die scharfen Wehen ihres Leibes. VIIc. Die Räuberbande traf wider Erwarten überall auf heigen Widerstand. Auch die Truppe, die vom Hintertor in den Hof eingedrungen war, wurde sofort von Verteidigungsschützen empfangen; sie mußte dann einen schneidigen Gegenangriff der Ritter des Vogts, die sich aus dem zweiten Tor stürzten, über sich ergehen lassen. Die Räuber hatten geglaubt, außer auf einige schwache Ritter, auf keinen Widerstand zu stoßen; die Männer, die als Vorläufer in den Hof gesprungen waren, ergriffen schon in großer Verwirrung die Flucht. Vor allem war der alte Inokuma besonders feige; als es ans Ausreißen ging, war er der erste. Aber irgendein Zufall fügte es, daß er eine falsche Richtung nahm und unter die Ritter, die blank gezogen hatten, geriet. Wer da seine mächtige und stolze Gestalt und seinen langen Spieß sah, hätte wohl denken können, daß er ein geschickter Fechter wäre. Die Ritter schlossen ihn, sich gegenseitig zuwinkend, von vorne und hinten immer enger ein. Alle hielten die Spitzen der Schwerter auf ihn gerichtet. »Regt euch nicht auf! Ich bin ein Diener dieses Hofes«, rief der Alte vor Verzweiflung keuchend. »Laß den Unsinn! So dumm sind wir nicht, du Lügner! Katzenartiger Greis!« So schimpen alle Ritter und waren schon dabei, ihn mit den Schwertern niederzuschlagen. Es war ihm nicht mehr möglich, auszuweichen. Als er das sah, wurde sein Gesicht totenblaß.
»Ich lüge nicht! Ich lüge nicht!« Seine Augen irrten ängstlich umher, um noch irgend eine Möglichkeit zum Rückzug zu finden. Auf seiner Stirn stand eiskalter Schweiß, und seine Hände zitterten ununterbrochen. Aber ringsum kämpen Räuber und Ritter den blutigen Kampf auf Tod und Leben weiter. Aus dem Gemenge von Freund und Feind stieg unaufhörlich Waffenklang und Geschrei zum stillen Mond auf. Als der Alte sah, daß ihm jeder Rückzug abgeschnitten war, verwandelte er sich plötzlich in einen zornsprühenden Bösewicht, nahm eine herausfordernde Haltung an und schrie, die Ritter entschlossen ins Auge fassend, hochmütig mit bleckenden Zähnen: »Ja, ich habe gelogen, aber ihr habt kein Recht, mich deswegen zu tadeln. Dumme Tiere! Saukerle! Nun kommt!« Bei diesen Worten sprühte schon sein Spieß Funken. Ein Ritter mit großer Narbe auf der Wange versetzte ihm einen kräigen Schlag und übertraf natürlich den greisen Fechter bei weitem. Sie hatten noch nicht zehn Mal die Klingen gekreuzt, da schwankte schon sein Spieß unsicher hin und her. Der Alte mußte den Rückzug antreten. Als er bis zur Mitte der Gasse zurückgetrieben worden war, zerbrach der junge Ritter mit wildem Geschrei die Stange des Alten und hieb ihm dann mit kräigem Schlag schräg von der Schulter über die Brust. Inokuma stürzte sofort zu Boden und riß vor Angst und Schmerz weit die Augen auf. Schließlich kroch er auf allen Vieren und schrie mit zitternder Stimme: »Oh, Meuchelmord! Er meuchelt mich! Hilfe! Mord!« Der Ritter mit der Narbe richtete sich hoch auf und hielt wieder das bluttriefende Schwert in die Höhe. Wenn sich jetzt nicht, mit wehendem Gewand, etwas Affenartiges zwischen die beiden gestürzt hätte, wäre der Alte auf der Stelle elend umgekommen. Dieses affenartige Wesen drängte
sich zwischen die Streitenden, stieß den jungen Ritter mit blankem Dolch nieder, ergriff zugleich das Schwert des Gegners und fuhr schreiend in die Höhe, als hätte es eine glühende Feuerzange mit Füßen getreten. Dann krallte es sich ihm ins Gesicht. Beide fielen zusammen zu Boden. Jetzt kam es zwischen ihnen zu einem Ringen, wie es fürchterlicher unter Menschen nicht denkbar war. Sie schlugen sich, sie bissen sich, sie griffen sich in die Haare: eine Weile konnte man die beiden nicht voneinander unterscheiden; bis sich endlich das affenähnliche Wesen, den blinkenden Dolch in der Hand, auf den Ritter setzte. Das Gesicht des niedergehaltenen Mannes wurde im Augenblick bis auf die rötliche Narbe totenbleich. Dann fiel das andere Wesen, ganz erschöp, rücklings über den Ritter zu Boden. – Da erst konnte man im Licht des Mondes das faltige, krötenähnliche Gesicht der alten Inokuma erkennen. Mit keuchendem Atem stöhnte sie eine Weile lang auf der Leiche des Ritters, immer noch in ihrer linken Hand den Haarknoten des Toten festhaltend. Ihre Augen rollten wild, nur ein einziges Mal zuckten ihre trockenen Lippen. »Alter! Mein lieber Alter!«, schluchzte sie leise, aber niemand antwortete. Denn der alte Inokuma hatte sogleich, als sie auauchte, seinen Spieß weggeworfen und war, sich in seinem Blute wälzend, rutschend davongekrochen. Hie und da kämpen noch einige Räuber ihren verzweifelten Kampf weiter. Aber auch für diese Räuber war die Hinsterbende nicht mehr als eine Fremde am Wege, ebenso fremd wie der tote Ritter. Die Alte rief mit immer schwächer werdender Stimme noch mehrmals den Namen ihres Mannes, und jedes Mal empfand sie stärker ihre Verlassenheit, als sie keine andere Antwort bekam als die Schmerzen ihrer
Wunden. Ihre Augen wurden allmählich matt, ihre Umgebung erschien ihr immer verschwommener; endlich konnte sie nur noch den großen Nachthimmel und darin einen kleinen Mond sehen. »Mein Alter!« flüsterte sie mit blutigem Speichel im Mund. Dann fiel sie in einen Abgrund verzückter Ohnmacht …, in den Abgrund eines Schlafes, aus dem sie nicht mehr erwachen sollte. Zu gleicher Zeit jagte Taro auf einem ungesattelten braunen Pferd wie im Sturm vorüber, die Zügel in beiden Händen, das blutbeschmierte Schwert im Mund. Es war das dreijährige Pferd aus dem Osten, auf das Shakin ein Auge geworfen hatte. Die Räuber waren längst in wilder Flucht davongestoben; zurückgeblieben waren nur die Toten. Unter dem Mond schimmerte die Gasse, als ob sie mit Reif bedeckt wäre. Taro drehte sich stolz und siegesbewußt um, seine aufgelösten Haare wehten im Wind; fern hinter ihm die Menge, die ihm immer noch nachschrie. Als der Kampf für die Räuber verloren war, hatte er den Entschluß gefaßt, wenigstens das Pferd zu rauben, wenn er auch auf alles andere verzichten müßte. Er hatte jeden Ritter niedergeschlagen, der ihm in den Weg trat, hatte sich dann mit gezogenem Schwert allein in den Hof gestürzt, die Türe des Stalles eingestoßen, den Haler des Pferdes zerschnitten, war dann sofort aufs Pferd gesprungen und pfeilschnell hinausgeritten, jedes Hindernis niedergaloppierend. Er wußte kaum, wieviele Wunden er dabei empfangen hatte. Der Ärmel seines Jagdanzuges war zerrissen, von seiner Mütze war nur eine erbärmliche Schnur zurückgeblieben, die Rockhose war zerfetzt und von Blut gefärbt. Aber das kümmerte ihn nicht im geringsten, vielmehr war er froh darüber, dem Wald von Schwertern und Spießen, durch den er sich blindlings durch
schlagen mußte, entronnen zu sein. Immer wieder wandte er sich auf seinem Pferde um und ritt weiter in gehobener Stimmung, mit einem heiteren Lächeln um den Mund. Er dachte an Shakin und zugleich an Jiro. Dabei schalt er sich wohl, daß er sich selbst betrog, doch schwebte ihm wie ein Traum der schöne Tag vor, an dem sich Shakin ihm wieder zuneigen würde. Wer außer mir hätte sonst das Pferd rauben können! Wenn Jiro es gewesen wäre: – vor seinen Augen tauchte einen Augenblick das Bild des Bruders auf, wie er von den Rittern niedergeschlagen wird. Das war für ihn keine unangenehme Vorstellung. Nein, es kam ihm sogar der Wunsch, das zu erleben. Wenn Jiro beseitigt würde, ohne daß er selbst einen Finger rührte, brauchte er sich keine Vorwürfe zu machen. Auch war nicht zu befürchten, daß Shakin ihn deswegen hassen würde. Bei diesen dunklen Gedanken schämte er sich seiner Niedrigkeit. Er nahm das Schwert, das er bis jetzt im Mund gehalten hatte, in die rechte Hand und wischte bedächtig das Blut von der Klinge. Gerade hatte er es in die Scheide gesteckt und war in eine Quergasse eingebrochen, als er vor sich im Mondlicht eine große Meute Hunde sah. Das Gebell von mehr als zwanzig oder dreißig Rüden drang an sein Ohr. Unter der Meute, vor eingestürzten Erdwällen, bemerkte er undeutlich eine menschliche Gestalt mit erhobenem Schwert. Das Pferd wieherte laut und trug Taro, mit flatternder Mähne und eine Sandwolke aufwirbelnd, zu diesem Ort. »Jiro!« rief Taro außer sich und sah mit finsterem Blick seinen Bruder an. Jiro blickte mit einer Drehung des Kopfes zu ihm auf. In diesem Augenblick fühlte jeder von ihnen etwas Furchtbares in den Augen des andern, es war wörtlich ein »Augen-Blick«.
Von der heulenden und bellenden Meute erschreckt, bäumte sich das Pferd hoch auf und zeichnete mit den Vorderbeinen einen großen Kreis in die Lu; dann jagte es im Galopp davon. Weiße Staubschwaden stiegen wie eine Säule in dicken Wolken zum Nachthimmel auf. Jiro stand immer noch schwer verwundet in der wilden Hundemeute … Taro war bleich geworden, auf seinem Gesicht war keine Spur eines Lächelns mehr zu sehen. Es flüsterte in ihm: »Jage weiter! Jage!« Nur eine Weile, nur eine kleine Weile brauchte er weiterzujagen, und alles wäre vorüber. Was er tun würde, was er einmal tun müßte, würden jetzt die Hunde für ihn tun. »Jage weiter! Warum jagst du nicht noch schneller!«, so flüsterte es immer noch an sein Ohr. Früher oder später, einmal müßte es doch geschehen. Wenn Jiro an seiner Stelle wäre, würde er sicher das gleiche tun. »Jage weiter!« Das Rashomon-Tor ist nicht mehr weit. Taro trat dem Pferd in die Flanke, in seinem einzigen Auge blitzte es fieberha. Das Pferd jagte mit Ungestüm weiter; Schwanz und Mähne flatterten im Wind; von seinen Hufen stoben die Funken. Unter den Füßen Taros floß die monderleuchtete Gasse wie eine Stromschnelle einhundert, zweihundert Meter hinweg. Da stieg in seinem Innern plötzlich ein trautes Wort auf: »dein Bruder, dein eigener, unvergeßlicher Bruder!« Sein Gesicht verfärbte sich, er biß sich in die Lippe, seine Hände hielten immer noch die Zügel. Bei diesem Wort verschwand vor seinem geistigen Auge jedes Bedenken. Es war gar keine Frage, ob er Shakin oder seinen »Bruder« zu wählen habe, denn gerade dieses Wort blitzte ihm durch die Seele. Er sah nicht mehr den Himmel, er sah nicht mehr den Weg, er nahm nicht mehr den
Mond wahr. Was er sah, war nur eine unendliche Nacht, eine Tiefe von Haß und Liebe, die nur mit der Nacht zu vergleichen war. Wie besessen rief er laut den Namen des Bruders. Dann wandte er sich plötzlich um und strae die Zügel in seiner Hand; das Pferd wendete sogleich, schneeweißer Schaum quoll aus seinem Mund, seine Hufe schlugen die Erde, als ob sie zerschmettert werden sollte. Im nächsten Augenblick war Taro zurückgesprengt. »Jiro!« rief er, als er sich näherte. Ihm war, als ob ihm mit diesem Wort ein Sturm von Gefühlen entströmte. Seine Stimme schlug Jiro hart ans Ohr, wie der Klang eines Schlags auf das weißglühende Eisen in der Schmiedewerkstatt. Jiro blickte stumm zu seinem Bruder hinauf. Aber das war nicht der Bruder, wie Jiro ihn täglich gesehen hatte, nein, der war auch ganz anders, als der, der vorhin herangesprengt und davongeritten war. Seine Augenbrauen waren scharf zusammengezogen, er biß mit den Zähnen auf seine Lippen, und ein unaussprechlicher Glanz sprühte aus seinem einzigen Auge. Bei diesem Anblick entbrannte in Jiro eine Liebe, eine seltsame Liebe, die er bis jetzt noch nicht gekannt hatte. »Steig schnell auf, Jiro!« rief er mit donnernder Stimme und ritt wie ein Meteor in die Meute hinein, indem er sein Pferd in der engen Gasse im Kreise drehte. Es war keine Zeit zu verlieren. Jiro schleuderte sein Schwert in weitem Bogen fort. Die Hunde sausten ihm nach, und er benutzte diesen Augenblick, um an den Hals des Pferdes zu springen. Taro streckte seinen Arm aus, um den Bruder am Rockkragen zu fassen und ihn mit aller Kra heraufzuziehen. Bei der nächsten Drehung des Pferdes saß Jiro oben und umklammerte seinen Bruder.
Da sprang plötzlich eine schwarze Rüde mit blutbeschmierter Schnauze und fürchterlichem Gebell am Sattel hinauf und streie mit den Fangzähnen die Knie Jiros. Blitzschnell trat Taro dem Pferd in die Flanken, und dieses stürmte, den Schwanz hoch in die Lu wirbelnd, laut wiehernd davon. Der Hund riß noch ein Stück aus Jiros Gamasche, dann stürzte er kopfüber in die dichtgedrängte Meute. Jiro erlebte das alles wie in einem wilden Traum. Er sah weder den Himmel noch die Erde. Vor seinen Augen war nur das Gesicht des Bruders, das zärtliche und ernsthae Gesicht des Bruders, der, auf einer Seite vom Mondlicht beschienen, ruhig und gelassen in die Weite blickte. Eine tiefe und erquickende Ruhe, wie er sie seit der Trennung von der Mutter nicht mehr empfunden hatte, erfüllte sein Herz. »Lieber Bruder!« Als vergäße er, daß er auf einem Pferde saß, klammerte sich Jiro weinend an seinen Bruder und legte, während die Tränen fielen seine Wange lächelnd an dessen Brust. Nach einer Weile ritten die beiden ruhig und stumm auf der einsamen Suzaku-Straße weiter. Der Ältere sagte nichts, der Jüngere sagte auch nichts. Auf der totenstillen nächtlichen Straße klang nur der Schlag der Hufe. Über den beiden zog sich am Himmel mit kühlem Licht die Milchstraße hin. VIII. Es war noch etwas Zeit bis zum Tagesanbruch am Rashomon-Tor. Die betauten Dachziegel und die roten Geländerstangen, von denen schon hier und da das Zinnoberrot abgeblättert war, waren noch vom Mond beleuchtet, der zögernd herabsank. Aber unter dieses Tor mit seinem vorspringenden,
hohen Schutzdach fiel kein Mondstrahl, noch regte sich hier ein Lüchen. Nur heiße Dunkelheit war zu spüren, und durch diese Dunkelheit brummten ununterbrochen gestreie Moskitos. Die Räuber, die sich von dem Hof des Vogts zurückgezogen hatten, standen oder lagen in kleinen Gruppen um das schwache Feuer des glühenden Kiefernholzes oder kauerten an den Säulen; jeder beschäigte sich damit, seine Wunden zu verbinden. Der alte Inokuma war am schwersten verwundet. Er lag auf einem abgetragenen Kleid Shakins und stöhnte bisweilen, indem er die Augen halb öffnete; seine Stimme war heiser, als ob er vor Angst zittere. Wie lange lag er schon hier, war es eine Stunde oder schon ein ganzes Jahr? Nicht einmal das war ihm in seiner Erschöpfung klar. Vor seinen fiebernden Augen zogen ununterbrochen wechselnde Trugbilder vorüber, die ihn, den Sterbenden, zu äffen schienen. Diese Erscheinungen und die Wirklichkeit vor diesem Tor gingen unterschiedslos ineinander über. Er sah in einem Chaos, in dem es weder Zeit noch Raum gab, sein ganzes häßliches Leben nochmals genau und wie gegenwärtig an sich vorbeiziehen. »He! Meine Alte, wo bist du? Meine Alte!« So rief er stöhnend und wälzte sich unruhig hin und her, geängstigt von fürchterlichen Phantomen, die aus dem Dunkel auauchten und wieder im Dunkel verschwanden. Aus einer Ecke streckte Heiroku aus Katano nun seinen Kopf vor, der an der Stirn mit einem Ärmel seines Hemdes verbunden war. »Die Alte? Sie ist schon in die Ewigkeit eingegangen. Vielleicht wartet sie dort jetzt auf einer Lotosblume ungeduldig auf dich.« Indem er so scherzte, lachte er laut über sich selbst und wandte sich zu Shakin, die in einem Winkel dem Juro aus Makinoshima den verletzten Schenkel verband.
»Führerin! Ich glaube, die Lage des Alten ist sehr ernst. Es ist unmenschlich, ihn seiner Qual zu überlassen. Ich möchte ihm lieber den Gnadenstoß geben.« Shakin lachte mit koketter Stimme und erwiderte: »Laß den Unsinn! Laß ihn von selbst sterben, da er ohnehin bald sterben muß.« »Na ja! Du hast natürlich recht!« Als der alte Inokuma das hörte, erschauerte er in Todesahnung und Todesfurcht. Dann stöhnte er wieder laut. Er hatte doch auch manchen Gesellen, der auf dem Sterbebette lag, mit der Spitze seines Spießes durchbohrt, aus demselben Grunde, aus dem Heiroku es jetzt tun wollte. Er, dieser Feigling vor dem Feind, hatte diese grausame Tat immer allen voran begangen, halb aus Vergnügen, Menschen zu töten, halb aus Eitelkeit, den andern und sich selbst seinen Mut zu beweisen. Und jetzt … Plötzlich summte jemand im Schatten ein Lied, als ob er sich um seine Qualen gar nicht bekümmerte: »Wiesel pfei, Affe tanzt. Heuschrecke schlägt den Takt, Feldgrille.« Einer klatschte plötzlich nach den Moskitos, ein anderer gab dem Sänger den Takt an: »He – hopp!« Einige Räuber schüttelten sich, um ihr Lachen zu unterdrücken; doch konnte man hin und wieder das halberstickte Lachen hören. – Am ganzen Leibe zitternd, blickte der alte Inokuma mit müden Lidern auf und starrte in das Feuer, um sich zu versichern, daß er noch wirklich am Leben sei. Die Flammen des Holzstoßes flackerten auf
und ab; die kleinen Lichtkreise wurden von der Dunkelheit der Nacht fast verschlungen und leuchteten nur noch hoffnungslos und schwach. Plötzlich flog ein kleiner Maikäfer in die sich ringelnden Flammen und fiel sofort versengt zum Boden hinab. Eine Weile stieg ein unangenehmer Geruch auf. Bald müßte er wie dieser Maikäfer sterben. Und wenn er stürbe, würde sein Leib von Fliegen und Würmern zerfressen. Ach, bald wäre es mit ihm aus. Aber seine Gesellen lärmten, sangen und lachten, als ob es nichts Besonderes gäbe. – Dem alten Inokuma kochte das Blut vor Zorn und Schmerz, als ob sein Gebein zerbissen würde. Und zugleich war ihm, als ob etwas Kreisendes, wie eine Drehscheibe, wirbelnd und funkensprühend vor seinen Augen tanzte. »Tier, Unmensch! Taro, du Schu!« sagte er abgerissen, obschon seine Zunge lahm geworden war. – Juro aus Makinoshima flüsterte mit heiserer Stimme zu Shakin, indem er sich vorsichtig umdrehte, damit ihn die Wunde an seinem Schenkel nicht schmerzte: »Der haßt den Taro furchtbar!« Shakin nickte mit verkniffenem Gesicht und blickte den Alten einen Augenblick an. Eine Stimme, die vorhin ein Lied gesummt hatte, fragte jetzt: »Wie ist es dem Taro denn ergangen?« »Ich glaube, mit ihm ist es aus.« »Wer hat denn gesehen, daß er getötet wurde?« »Ich habe ihn gegen fünf oder sechs Ritter kämpfen sehen.« »Ach, mein Gott! Lasse ihn ruhen!« »Auch Jiro ist nicht zu sehen, nicht wahr?« »Ich fürchte, daß es ihm wie seinem Bruder ergangen ist.« Taro wäre also tot, die Alte auch nicht mehr am Leben. Der alte Inokuma
würde auch bald sterben. Sterben? Sterben? Was soll denn das heißen? Er wollte um keinen Preis sterben. Aber er müsse sterben, ohne weiteres müsse er sterben wie der Maikäfer. – Solche zusammenhanglose Gedanken bissen sich von allen Seiten in sein Herz, wie die im Dunkel brummenden Moskitos. Er spürte, wie der gestaltlose unheimliche Tod geduldig und unbewegt hinter der zinnoberroten Säule auf ihn lauerte, wie der Tod mit grausamer Geduld seine Qual beobachtete. Und er spürte, daß sich der Tod, auf den Knien rutschend, nach und nach seinem Kopfende näherte. Um keinen Preis wollte er sterben! – »Mit wem schlafe ich diese Nacht? Mit Suke aus Hitaschi will ich schlafen. Seine Umarmung könnte mir wohltun. Ich werde dann sehr berühmt, Wie die bunten Blätter auf dem Otokoyama-Berg.« Wieder mischte sich in das Summen des Liedes das Stöhnen und die Töne einer Ölkelter. Einer, der am Kopfende des alten Inokuma stand, sagte, indem er ausspie: »Wo ist denn die dumme Akogi?« »Ja, wo ist sie denn?« »Sie wird vielleicht oben in diesem Torhaus schlafen.« »Hört! oben schreit die Katze.« Alles war auf einmal still und stumm. Zwischen dem abgerissenen Stöhnen des alten Inokuma war jetzt leise eine Katzenstimme zu hören. Dabei wehte zum erstenmal durch die Säulen ein lauer Wind, und der süße Du des Geißblattes schlug ihnen entgegen. »Die Katze soll o eine andere Gestalt annehmen.«
Da raschelte Shakin mit den Kleidern und sagte tadelnd: »Nein, das ist keine Katze. Kann irgendeiner hinaufgehen, um nachzusehen?« Als Shakin das gesagt hatte, stand Heiroku aus Katano auf und stieß mit seinem Schwert an die Säule. Die Leiter, die mehr als zwanzig Stufen hatte und zum Torhaus führte, befand sich hinter der Säule. Von einer seltsamen Angst ergriffen, sprach eine Weile lang niemand. Wieder wehte leise der nach Geißblatt duende Wind, und dann hörten alle Heiroku oben schreien. Bald danach hörte man ihn durch das schwüle Dunkel unter dem Tor hastig herabsteigen. – Was denn los wäre? »Stellt euch vor, die Akogi hat ein Kind geboren!« Heiroku brachte ein Kind mit, das in einen alten Schleier von Shakin eingewickelt war, und zeigte es ihnen im Licht des Holzscheites. Das neugeborene Kind bewegte mühsam seinen großen Kopf und weinte laut mit verzerrtem, häßlichem Gesicht. Es sah nicht wie ein Menschenkind aus, sondern eher wie ein Frosch, dessen Haut abgezogen war. Flaumige Haare, dünne Finger, alles erregte zugleich Neugierde und Widerwillen. – Heiroku schaute in die Runde und sagte stolz, wobei er das Kind in seinen Armen schaukelte: »Oben fand ich die Akogi wie tot, sie kauerte unter dem Fenster. Ich dachte zuerst, es wäre ein Anfall und ging zu ihr, und dann seht! Neben ihr im Halbdunkel lag etwas herum und schrie. Ich berührte es mit der Hand, da zuckte es sogleich. Eine Katze konnte es nicht sein, denn es hatte keine Haare. Ich ergriff es und sah es mir beim Mondlicht an. Es war, wie ihr jetzt seht, dieses neugeborene Kind. Seht mal! Überall bilden sich rote Punkte auf der Brust und auf dem Leib. Sicher ist es von Moskitos gestochen worden. Ja, die Akogi ist Mutter geworden!«
Vor dem brennenden Kiefernstock, um Heiroku herum, sahen sich etwa fünfzehn Räuber, die standen oder lagen, diesen roten häßlichen Fleischklumpen an, der eben erst ins Leben getreten war; alle streckten den Hals und hatten ein freundliches Lächeln um den Mund, als ob sie selbst neugeboren wären. Das Kind war keinen Augenblick ruhig, es bewegte die Arme, es bewegte die Beine, endlich bog es sich zurück und schrie wieder eine Weile. Man konnte seinen zahnlosen Mund bis zum Gaumen sehen. »Das hat auch eine Zunge!« Der Mann, der eben das Lied gesummt hatte, stellte das plötzlich aufgeregt fest. Alle brachen in ein Gelächter aus, als ob ihre Wunden schon nicht mehr schmerzten. – Darauf hörte man plötzlich die harte Stimme des alten Inokuma. Bestimmt und kravoll, wie man es diesem Sterbenden nicht zugetraut hätte, sagte er: »Laßt mich das Kind sehen, das Kind! – Nein? Willst du es nicht? Du Schu!« Heiroku berührte mit seinem Fuß den Kopf des Alten und erwiderte drohend: »Wenn du es willst, kannst du es! Aber der Schu, das bist du.« Der alte Inokuma riß seine trüben Augen auf und sah das Kind, mit dem Heiroku sich über ihn beugte, begierig an. Dabei wurde sein Gesicht immer bleicher, und in seine faltigen Augenwinkel traten die Tränen. Um seine zitternden Lippen spielten dabei plötzlich die kleinen Wellen eines seltsamen Lächelns. Eine Kindlichkeit, die man bisher niemals gesehen hatte, entspannte alle Züge seines Gesichtes. Und der schwatzhae Alte sagte dabei nichts. Alle empfanden, daß ihm der Tod nahe bevorstehe, aber niemand wußte, was sein Lächeln bedeutete. Der alte Inokuma streckte langsam seinen Arm aus und berührte mit der Hand leicht die Finger des Kindes. Es schrie sogleich auf, als ob es mit
einer Nadel gestochen würde. Heiroku wollte ihn augenblicklich schelten, aber auch er sagte nichts. Ihm war, als ob das Gesicht des Alten – dieses bleiche, versoffene Gesicht – jetzt ganz anders als sonst, in schönem Ernst erglänzte. Auch Shakin sah sein Gesicht – das Gesicht ihres Stiefvaters und zugleich ihres Geliebten – erwartungsvoll und unverwandt an. Sie hielt den Atem an, aber er öffnete den Mund noch nicht. Auf sein Gesicht trat, wie von dem frischen Morgenwind angeweht, still und anmutvoll eine geheimnisvolle Freude. Er sah jetzt durch die dunkle Nacht – am fernen, den sterblichen Augen unerreichbaren Himmel – die einsame und kühle Morgendämmerung, den ewigen Tagesanbruch. »Das Kind – es ist mein Kind.« Das sagte er kurz und klar und berührte nochmals die Finger des Kindes. Dann fiel seine Hand kralos nieder. – Shakin stützte seine Hand leicht von der Seite. Alle Räuber verharrten unbewegt und gespannt, als ob sie das Wort des Alten gar nicht gehört hätten. Shakin hob ihren Kopf auf und nickte Heiroku zu, der, das Kind auf den Armen, still dabeistand. »Sein Hals ist schon verschleimt«, murmelte Heiroku vor sich hin. Der stille Todeskampf des alten Inokuma dauerte noch eine Weile, begleitet vom Weinen des von der Dunkelheit erschreckten Kindes, dann tat er ruhig seinen letzten Atemzug. »Ach, der ist auch gestorben.« »Ja, jetzt ist es endlich klar, wer die Akogi vergewaltigt hat.« »Den Leichnam muß man im Dickicht begraben.« »Es tut mir leid, daß wir ihn den Raben zum Fraß lassen müssen.« Über solche Dinge sprachen die Räuber miteinander. Irgendwo in der Ferne krähte jetzt leise ein Hahn. Es schien schon zu tagen.
»Wo ist denn Akogi?«, sagte Shakin. »Ich habe sie auf den Kleidern, die gerade da waren, ausruhen lassen. Es hat mit ihr keine Gefahr, glaube ich.« Heiroku gab das, ganz anders als sonst, sehr mild zur Antwort. Während dessen trugen einige Räuber den Leichnam des alten Inokuma zum Tor hinaus. Es war immer noch dunkel. Ein schwaches Mondlicht fiel in das verlassene und einsame Dickicht, die Wipfel der Bäume wehten aber schon leise in der Morgenlu, und der Du des Geißblattes schwebte süßer und stärker umher. Ab und zu fiel mit leisem Ton der Tau von den Bambusblättern. »Leben und Tod liegen in Gottes Hand.« »Alles ist vergänglich.« »Man sieht im Tod schöner aus als im Leben, auch er sieht jetzt endlich menschlich aus.« Der mit Blut befleckte Leichnam des alten Inokuma wurde unter solchen Worten durch ein Dickicht von Bambussen und Geißblättern tiefer und tiefer in den Grund des Waldes getragen. IX. Am andern Tag wurde in dem Haus von Inokuma der Leichnam einer grausam ermordeten Frau gefunden. Es war eine junge, schöne und üppige Frau. Die Wunden ihres Leibes ließen darauf schließen, daß sie heigen Widerstand geleistet hatte. Als Beweisstück fand man nur einen Fetzen von dem Ärmel eines dunkelbraunen Jagdanzuges, den die Ermordete mit den Zähnen festgehalten hatte. Dabei war es merkwürdig, daß sich die Dienstmagd des Hauses, namens
Akogi, keine Wunde zugezogen hatte, obwohl sie am Tatort gewesen war. Sie wurde vom Gerichtshof verhört. Da Akogi von Natur etwas schwachsinnig war und manches erzählte, was nicht zur Sache gehörte, konnte man über das, was vorgefallen war, nur ungefähr folgendes erfahren: In der Nacht wurde Akogi sehr spät dadurch wach, daß die Brüder Taro und Jiro und ihre Herrin Shakin sehr heig und laut miteinander stritten. Als Akogi vom Nebenzimmer her lauschte, zog Jiro plötzlich sein Schwert und schlug damit auf Shakin ein. Als Shakin um Hilfe rief und entfliehen wollte, versetzte er ihr offensichtlich einen heigen Schlag. Darauf war eine Weile das heige Geschrei der Brüder zu hören und Shakins schmerzhaes Stöhnen. Aber als Shakin endlich still geworden war, umarmten sich die Brüder plötzlich und weinten lange, ohne ein Wort zu sagen. Akogi habe das alles durch eine Spalte der Schiebetür gesehen. Sie habe ihrer Herrin nur deswegen nicht geholfen, weil sie fürchtete, daß das Kind an ihrer Brust verletzt werden könnte. »Übrigens ist dieser Jiro, um die Wahrheit zu sagen, der Vater dieses Kindes«, sagte Akogi und errötete. »Dann kamen Taro und Jiro zu mir und sagten mir Lebewohl. Als ich ihnen dieses Kind zeigte, streichelte Jiro ihm den Kopf. Dabei waren seine Augen voll Tränen. Ich wollte eigentlich noch mit ihm zusammen sein, aber die beiden waren in großer Eile und gingen sofort weg. Sie schwangen sich auf das Pferd, das sie vorher an den Mistelbaum gebunden hatten, und ritten fort. Ich sah ihnen, das Kind auf den Armen, zum Fenster hinaus nach, wie sie beide auf dem Pferde, vom Mondschein beleuchtet, davonsprengten. Dann ließ ich den Leichnam meiner Herrin allein und
ging wieder ins Bett. Vor dem Leichnam fürchtete ich mich nicht, denn ich habe meine Herrin auch töten sehen.« Der Richter konnte das nur mit Mühe von ihr erfahren. Da Akogi an dem Mord offenbar schuldlos war, wurde sie sofort freigelassen. Etwa zehn Jahre danach sah Akogi, die als Nonne ihr Kind aufgezogen hatte, einmal einen Mann reiten, der einem gewissen Vogt in Tango diente und als ein tapferer Ritter gerühmt wurde. Sie erzählte, daß es Taro gewesen sein müsse, denn dieser Mann hatte ein leicht pockennarbiges Gesicht und war einäugig. »Wenn es Jiro wäre, dann liefe ich sofort zu ihm, um mit ihm zu sprechen. Aber ich habe Angst vor Taro …« sagte Akogi, indem sie eine kokette Haltung, wie ein junges Mädchen, einnahm. Aber niemand wußte, ob dieser Mann in der Tat Taro gewesen war. Es ging nur nachher das Gerücht, daß dieser Mann noch einen jüngeren Bruder habe, der demselben Herrn diene.
NACHWORT
Ryunosuke Akutagawa, der Autor des vorliegenden Buches, ist einer der Begründer der literarischen Zeitschri »Shinshicho« (Neue geistige Strömung), die im Jahre von mehreren Studenten der Universität Tokyo mit der Absicht herausgegeben wurde, die herrschenden künstlerischen Tendenzen, die von der Zeitschri »Shirakaba« (Die Birke) vertreten wurden, zu überwinden. In »Shirakaba« wurde ein idealistischer Humanismus, der stark egozentrisch und gefühlsbetont war, gepflegt. Die neuen Kräe wenden sich kalt-intellektualistischen und realistischen Ausdrucksmöglichkeiten zu; sie sind skeptisch und ironisch gestimmt. Der jährige Anglist der Universität Tokyo veröffentlichte im gleichen Jahr seine eigenartige Erzählung »Die Nase«, die ihm sofort die Anerkennung des bedeutenden japanischen Dichters Soseki Natsume und weiter literarischer Kreise eintrug. Er wurde bald das hervorragendste Talent der neuen geistigen Strömung; zugleich trat in ihm deren eigentliche Problematik am stärksten hervor: das Bewußtsein einer unauebbaren Zwiespältigkeit zwischen Leben und Dichtung, bürgerlichem Dasein und Kunst.
Wir haben hier die japanische Spielart einer ästhetischen Auffassung von Wirklichkeit und Leben vor uns, die das künstlerische Gewissen zum Kriterium der Moral macht und von einer rein ästhetischen Position aus die konventionelle Moral, vor allem die feudalistischen Reste der Sittlichkeit, einer scharfen Kritik unterzieht; diese Haltung führte unvermeidlich zu einer Entfernung von der Wirklichkeit, in der die Massen des Volkes lebten, und rief neue Kräe auf den Plan. In dem Jahr, in dem der Dichter seine ersten Erzählungen veröffentlichte, erschien die Erzählung »Die Armen« der Dichterin Juriko Miyamoto, an die die sogenannte Proletarier-Dichtung anknüpe, die nach dem ersten Weltkrieg einen starken Aufschwung nahm. Akutagawas Weg ist dadurch gekennzeichnet, daß er das Brüchige und Überlebte der bürgerlichen Welt seiner Zeit erkennt, aber an dem Kampf der Proletarierdichtung für neue Lebensideale keinen Anteil nimmt. Er scheiterte schließlich wie der Held seiner letzten Erzählungen an der Sinnlosigkeit der Dichtung und Kunst gegenüber dem Leben: schied er durch Freitod aus dem Leben. Japanische Freunde bezeichneten diesen Freitod »als seinen letzten tragischen Versuch, sich selbst aufs Äußerste zu beherrschen« und den Zwiespalt zwischen Leben und Dichtung aufzuheben. In die japanische Geistesgeschichte ist sein Tod eingegangen als Symbol für das Zu-Ende-gehen des ästhetisch gesinnten Individualismus und des individualistisch gesinnten Humanismus. Das eigentliche und bleibende Verdienst des Dichters ist die Wiederentdeckung der barockartigen Schönheit der »Konjakumonogatari« (Alte und neue Erzählungen), die er selbst »die menschlichen Komödien der Dynastie« genannt hat. Die »Konjakumonogatari« stammen aus dem .
Jahrhundert und bestehen aus Büchern mit über tausend Erzählungen, nicht nur japanischen, sondern auch chinesischen und indischen Ursprungs. Akutagawa hat diese Geschichten, die sich durch eine frische, lebhae Schönheit auszeichnen, als Stoffe für viele seiner Erzählungen benutzt, zu denen auch die in diesem Buch vereinigten gehören. Die Erzählung »Rashomon« trägt bei ihm den Titel »Im Gebüsch«; sie ist aber durch den Film »Rashomon« so bekannt geworden, daß sich die Beibehaltung des neuen Titels empfahl. In ihr glaubt man den Einfluß des englischen Dichters Browning zu erkennen und zwar den von »Ring und Buch«. Die Erzählung »Das Höllentor« wurde ebenfalls durch einen Film gleichen Namens bekannt; doch liegt dem Film nicht die Erzählung von Akutagawa, sondern die eines Freundes von ihm zugrunde, der dieselbe japanische Quelle benutzt hat. Die Welt, in die diese Erzählungen, vor allem »Die Räuber«, den Leser hineinführen, ist das Japan des . Jahrhunderts, eine Epoche, in der die alte dynastische Herrscha zerfällt und die städtische adlige allmählich ihre Macht einbüßt, während die Ritter zu ihrer mehrere Jahrhunderte überdauernden Machtstellung aufsteigen. Als japanische Dichter, die für Akutagawa bedeutsam geworden sind, werden Soseki Natsume und Ogai Mori genannt. Europäische Dichter, mit denen sich der Autor beschäigt hat, sind Merimée, Strindberg, Baudelaire und Anatole France. Für diese erste Übertragung von Dichtungen Ryunosuke Akutagawas ins Deutsche verdienen die Übersetzer, Herr Prof. Tsuji und Herr Dr. Takahara, besonderen Dank. Für die vorliegende Druckfassung trägt der Herausgeber die Verantwortung.
H J. M