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Josef Zehentbauer
Psycho-Pillen Wirkungen, Gefahren und Alternativen
5., aktualisierte Auflage
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Volltext des Buchs Psycho-Pillen von Josef Zehentbauer
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Unser Verlagsprogramm: Praktische Ratgeber ffür Menschen mit psychischen Problemen, deren Angehörige und Helfer. Sachbücher Sachbücher, die sich mit der Psychiatrie und der Schulmedizin auseinandersetzen und Alternativen aufzeigen. Dabei steht immer eine allgemeinverständliche Darstellung im Vordergrund. Fachchinesisch wird in unseren Büchern vermieden.
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Volltext des Buchs Psycho-Pillen von Josef Zehentbauer
Der Autor Josef Zehentbauer, Jg. 1945, Dr. med., Arzt und Psychotherapeut, lebt und arbeitet in München. Zahlreiche Veröffentlichungen, Seminare und Vorträge sowie Rundfunk- und Fernsehsendungen über Psychiatrie, Psychotherapie, Psychopharmaka und alternative Heilmethoden, u. a. die Bücher Chemie für die Seele, Körpereigene Drogen und Die Auflösung der Irrenhäuser.
Dieses Buch ist in jeder Buchhandlung erhältlich. Ladenpreis DM 14,80 ZENIT Verlag, Lindwurmstr. 199, 80337 München Tel. (089) 74 66 59 77, Fax (089) 74 66 59 78 E-mail:
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Inhalt Psychopharmaka – Gefahren und Alternativen 7 Neuroleptika: Dämpfungsmittel oder chemische Zwangsjacke ................................... 14 Wer lange Zeit Psycho-Pillen genommen hat und sie jetzt absetzen will ... ............................ 33 Antidepressiva – Chemie gegen Depressionen
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Lithium – ein Metall zur Beruhigung der Seele 47 Tranquilizer – Glückspillen oder Betäubungsmittel? ............................................ 49 Schlafen und Schlaftabletten .............................. 53 Gewöhnung – Abhängigkeit – Sucht ................... 57 Wilde Flügel oder Rausch für die Seele – Stimulanzien und Euphorika .......................... 60 Reise in die Welt der Träume – psychedelische Drogen ..................................... 68 Hirnenergetika – Wunderpillen für das Gehirn?70 Weitere chemische Psychodrogen ....................... 71 Alternative Behandlungsmöglichkeiten ............ 72 Ausblick: Mobilisierung der körpereigenen Drogen – die Therapie der Zukunft? ............... 86 Zusammenfassung ................................................. 90 Tabelle: Einige häufige Präparate-Namen ........ 93 Literaturverzeichnis ............................................. 94
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Wichtige Vorbemerkung In diesem Ratgeber werden die von Medizin und Psychiatrie verordneten Psychopharmaka kritisch untersucht. Darüber hinaus werden auch die wichtigsten illegalen Drogen vorgestellt. Die Empfehlungen und Ratschläge hinsichtlich der Brauchbarkeit der einzelnen Psychopharmaka-Gruppen beziehen sich nur teilweise – und dann sehr kritisch – auf die Therapieschemata der klassischen Psychiatrie. Sehr viel stärker orientiert sich dieses Buch an den Vorstellungen der Antipsychiatrie (z. B. in England), der Demokratischen Psychiatrie (in Italien) und anderen kritisch-humanistischen Richtungen in Psychologie und Medizin. Darüber hinaus spielen natürlich die langjährigen Erfahrungen des Autors als Arzt in unterschiedlichen Psycho-Einrichtungen eine wichtige Rolle. Die Angaben im vorliegenden Ratgeber wurden mit größter Sorgfalt zusammengestellt. Da Fehler aber nie ganz ausgeschlossen werden können, zeichnen Autor und Verlag nicht verantwortlich für irgendwelche Wirkungen, die sich aus den hier gegebenen Empfehlungen ergeben sollten. Diejenigen Leser, die selbst Psychopharmaka nehmen, sollten nicht von sich aus ihre Medikation ändern, sondern hierfür einen Arzt ihres Vertrauens konsultieren. Dabei kann dieser Ratgeber als Argumentationshilfe dienen und vielleicht die Suche nach Alternativen erleichtern.
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Psychopharmaka – Gefahren und Alternativen Der Verbrauch von psychisch wirksamen Medikamenten steigt von Jahr zu Jahr. Allein in Deutschland gehen jährlich 6 bis 10 Millionen Menschen wegen vorwiegend seelischer Störungen zum Arzt, und der Großteil von ihnen erhält ein Rezept über eine Psycho-Arznei. Für die Pharmaindustrie ist dies ein gewinnträchtiges Geschäft. Die deutschen Krankenkassen zahlen pro Jahr mehr als 2 Milliarden DM für Psychopharmaka. Als Psychopharmaka bezeichnet man all diejenigen (meist synthetisch hergestellten) Arzneien, die hauptsächlich das geistig-seelische Befinden eines Menschen beeinflussen oder verändern – hierzu gehören folgende Medikamenten-Gruppen: – Tranquilizer, z. B. Valium, – Antidepressiva, z. B. Saroten, – Neuroleptika, z. B. Haldol, – Schlafmittel, z. B. Mogadan, – Psychostimulanzien, z. B. Captagon, Kokain, – Euphorika, z. B. Alkohol, Opium, – Halluzinogene, z. B. LSD. An sich kann man auch die sogenannten alternativen Medikamente, die zur Behandlung psychischer Beschwerden eingesetzt werden, unter die Psychopharmaka einreihen – z. B. homöopathische Mittel, Phytotherapeutika (pflanzliche Mittel), ‘Nervenvitamine’, Hirnenergetika (z. B. Normabrain). Unter all den von Medizin und Psychiatrie eingesetzten Psychopharmaka haben die Neuroleptika die einschneidendsten Nebenwirkungen und sind am stärksten Verwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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persönlichkeitsverändernd. Innerhalb der stationären Psychiatrie spielen sie eine entscheidende Rolle; als vor einigen Jahren der SPIEGEL über “Pillen in der Psychiatrie – der sanfte Mord” berichtete, waren damit vor allem die Neuroleptika gemeint. Doch längst nicht nur die Psychiater verordnen diese risikoreichen Medikamente: Zwei Drittel der rezeptierten Neuroleptika werden von Internisten, Kinderärzten, Gynäkologen und praktischen Ärzten verschrieben: oft nur zur Behandlung von Alltagsbeschwerden, wie Schlafstörungen, Magenschmerzen, Streßverhalten, Menstruations- und klimakterischen Beschwerden, psychosomatischen Störungen etc. Die am meisten konsumierten Psychopharmaka sind Adumbran, Valium und die zahlreichen anderen Tranquilizer (Beruhigungsmittel); diese Tranquilizer sind – nach dem Alkohol – mittlerweile zur Volksdroge Nr. 2 geworden. Psycho-Diagnostik und Psycho-Pharmaka Die Schulmedizin sieht schwere psychische Veränderungen, also z. B. die sogenannten Psychosen, nicht primär biographisch bedingt oder als Reaktion auf unerträgliche Lebensbedingungen, sondern vor allem als Störung im Hirnstoffwechsel, z. B. verursacht durch einen Mangel an Überträger-Substanzen. Jedoch ist der Mensch – in seiner geistig-seelisch-somatischen Einheit – mehr als nur ein Zusammenspiel biochemischer Prozesse. Die Psycho-Diagnostik dient nicht zuallererst dem Patienten, sondern vor allem dem Psychiater zu seiner Orientierung. “Es gibt sehr unterschiedliche Menschen, aber es gibt keine Geisteskrankheiten.” (Paris M., ehemaliger Psychiatrie-Patient). Zeigt jemand ein auffällig bizarres Verhalten oder ist er zu visionären Wahrnehmungen im8
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stande, dann ist ihm wenig gedient, wenn er als ‘Psychotiker’ oder ‘Schizophrener’ eingestuft und entsprechend behandelt wird. Die Diagnose ‘Schizophrenie’ ist eine besonders diskriminierende Etikettierung. Die Psychiater sehen darin eine geheimnisvolle ‘Geisteskrankheit’, die im älteren Fachjargon ‘Spaltungsirresein’ genannt wurde. Die Betroffenen hingegen bezeichnen sich selbst meist nicht als psychisch krank. Der Psychiatrie fehlen sichere diagnostische Kriterien, um eine Schizophrenie feststellen zu können; deshalb herrscht hier besonders große Willkür in der Diagnostik. Schizophrenie wird mit folgenden psychiatrischen Begriffen in Verbindung gebracht: Wahn, Halluzination, Delirium, Paranoia, Denkstörungen, Ich-Störungen etc. Erlebt ein Mensch traum- oder alptraumähnliche Ereignisse, und wird dabei die Grenze zwischen (Tag-) Träumen und der Realität verwischt, dann wird er von seiner Umwelt oft kaum mehr verstanden und evtl. mit der Bezeichnung ‘schizophren’ etikettiert. ‘Schizophrenie’, ‘Psychose’, ‘Paranoia’, ‘Irre-Sein’, ‘Verrücktheit’, ‘Wahnsinn’ sind keine Krankheiten, sondern sind eine besondere Art des Seins unter vielen möglichen Arten des Seins. Spirituelle Fähigkeiten, außergewöhnliche Wahrnehmungen, Visionen sind Möglichkeiten, die engen Grenzen unseres Normalseins, unsere Alltagsexistenz zu überschreiten. Die Grenzüberschreitungen des Normalseins sind außergewöhnliche Bewußtseinszustände, die unverzichtbarer Teil der menschlichen Existenz sind, und die von Schamanen, Wunderheilern, Heiligen gelebt werden, und z. B. absolute Grundlage sind in rituellen Heilungen des Voodoo-Kultes oder in Hypnose, Yoga oder Meditation. Doch auch intuitive künstlerische Kreativität kann ohne grenzüberschreitende Erfahrungen nicht sein, braucht die Reisen in das Reich des (Alp-) Verwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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Traums und des Wahnsinns, weit jenseits der alltäglichen Mittelmäßigkeit (die von der Psychiatrie als ‘Normalität’ deklariert wird). Ein von der Norm abweichender Mensch soll – primär – nicht therapiert, sondern vor allem toleriert werden. Natürlich gibt es auch Menschen, die unter ihrem psychischen Ausnahmezustand leiden, ihre Paranoia als qualvoll erfahren. Wer unter seinem psychischen Erleben leidet und Hilfe will, der könnte auf vielerlei Weise unterstützt werden; Psychopharmaka sollten hierbei aber nur eine untergeordnete Rolle spielen. Auch in der Behandlung von depressiven Störungen fungieren Psychopharmaka bestenfalls als vorübergehende Krücke. Menschen mit schweren depressiven Beschwerden fühlen sich krank – und werden so auch von ihrer Mitwelt erlebt. Als depressiv gilt, wer traurig ist, extrem zurückgezogen, von unbestimmten Ängsten gequält, ohne Lebensfreude, ohne Hoffnung, viel weint – mit oder ohne Tränen – und grübelt, wer stark vermindertes Selbstwertgefühl hat, kontaktscheu ist, adynamisch, oft körperlich kränklich ist – z. B. an Eßstörungen oder Schlafstörungen leidet, oft auch an Kopfschmerzen oder anderen leiblichen Schmerzen –, unentschlossen ist, sehr ernsthaft, überaus pessimistisch, lebensmüde ... Die Psychiatrie klassifiziert – bislang – schwere depressive Störungen als ‘endogene Depression’ oder ‘psychotische Depression’, und diagnostiziert bei schwermütigen Menschen mit bedrückender Kindheit eine ‘depressive Neurose’. Zwar hat sich die Nomenklatur etwas geändert – so wurde z. B. die depressive Neurose in Dysthymia umgetauft –, jedoch sind Haltung und Therapieschemata der Schulpsychiatrie gleich geblieben. Melancholie hat nicht unbedingt etwas zu tun mit ‘depressiver Stimmung’ oder ‘depressiver Krankheit’. Die 10 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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Melancholie kann als normale Charaktereigenschaft verstanden werden, als eine unter mehreren Formen des Temperaments. Schon die alten Griechen unterschieden vier Grundformen des Temperaments: – heiter-oberflächlich ... – cholerisch-aufbrausend ... – bedächtig-langsam-gleichmütig ... – nachdenklich-pessimistisch-ernst-zurückgezogen-introvertiert (bis egozentrisch)-eher passiv-schwermütig (melancholisch). Ein melancholisch gestimmter Mensch läßt sich von den dunklen, traurig-dramatischen Seiten unseres Lebens sehr viel tiefer und nachhaltiger beeindrucken als von fröhlichen, sonnigen Geschehnissen. Der Mensch ist jedoch nicht nur durch ein Temperament festgelegt. Jeder kann – wenn auch quantitativ unterschiedlich – fröhlich sein oder mal traurig, aufbrausend-wütend, oder gleichgültig in den Tag hinein leben, oder auch mal irrational, ver-rückt, versponnen sein ... Die herrschende Psychiatrie und die Schulmedizin nehmen ein einseitig organ-orientiertes Krankheitsverständnis als Grundlage für ihr Therapiekonzept, demzufolge ‘seelische Auffälligkeiten’ mit Psychopharmaka repariert werden sollen. Aufgrund ihrer biochemischen Wirkungen werden Psychopharmaka oft als Heilmittel bezeichnet: Ähnlich wie Penicillin die eitrige Mandelentzündung heilt, soll angeblich Haloperidol die Wahnideen oder Halluzinationen zum Verschwinden bringen oder Saroten eine Depression beseitigen. Aber: Alle chemischen Psychopharmaka sind keine Heilmittel! Sie bekämpfen ausschließlich die Symptome, nicht die Ursachen psychischer Störungen! Einige Psychopharmaka können zwar psychisches Leiden lindern, Beschwerden dämpfen, andere aber schaden mehr als sie nützen. Verwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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Der bekannte Psychopharmakologe Prof. P. S. Schönhöfer: “Die Behandlung schizophrener Psychosen mit Neuroleptika bedeutet keine Heilung, ein Fehlen der sekundären Symptome keine Gesundung.” Alle chemischen Psychopharmaka – Neuroleptika, Antidepressiva, Tranquilizer – haben gemeinsam, daß sie individuell abweichendes Verhalten an die herrschende Norm anpassen. So wird ein Weiter-Funktionieren ermöglicht, obwohl Körper und Seele des betroffenen Menschen eigentlich mit vielfältigen Symptomen gegen die belastenden Umweltbedingungen rebellieren und obwohl eine Änderung der bisherigen Lebensumstände notwendig wäre. Über die Wirkungsweise der Psychopharmaka Psychopharmaka greifen in den Hirnstoffwechsel ein; wie und wo dies geschieht, darüber gibt es keine klaren Kenntnisse, aber detaillierte Mutmaßungen. Soviel jedoch scheint gesichert: Im Gehirn geschieht die Informationsübertragung über ein enges Netz von Nervenzellen, die untereinander durch Umschaltstellen – sogenannte Synapsen – verbunden sind. In diesen Synapsen spielen Überträgerstoffe, sogenannte Transmitter, eine wichtige Rolle. In dieses fein abgestimmte Geschehen der Informations-Weiterleitung greifen offenbar die Psychopharmaka ein und verstärken oder blockieren die Wirkung der Überträgerstoffe. So behindern z. B. Neuroleptika den lebensnotwendigen und charakterprägenden Botenstoff Dopamin, der beim Menschen verantwortlich ist für Phantasie, Kreativität, Intelligenz, aber auch für grazile Bewegungen; durch eine Neuroleptika-Blockade entstehen die entsprechenden fatalen ‘Nebenwirkungen’, wie sie auf S. 17ff. beschrie12 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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ben sind. Andere Psychopharmaka, so das Opium oder Morphium, haben in ihrer biochemischen Wirkung große Ähnlichkeit mit bestimmten ‘körpereigenen Drogen’, den sogenannten Endorphinen, die in jedem Menschen als schmerzstillende und stimmungshebende Wirkstoffe fungieren. Opium und Morphium wirken an den Rezeptoren unserer Gehirnzellen auf vergleichbare Weise wie die Endorphine; so läßt sich erklären, daß entgegen dem durch die Medien verbreiteten Irrglauben Opium und Morphium in adäquater Dosierung kaum störende Nebenwirkungen zeigen. (Wie bei vielen angenehm wirkenden Dingen im Leben kann dabei Gewöhnung und Sucht entstehen; dies ist ein anderes Thema, siehe S. 57). Psychopharmaka wirken nicht nur auf die Nervenzellen des Gehirns ein, sondern auf das Nervensystem des gesamten Körpers; so lassen sich die unterschiedlichen und weitreichenden Wirkungen auf Psyche und Körper des Menschen erklären. Es gibt sehr unterschiedliche Psychopharmaka, die auch sehr unterschiedlich bewertet werden müssen: von den potentiell hirnschädigenden Neuroleptika bis zu den Analgesie (Schmerzlinderung) bringenden, sehr verträglichen Morphinen, von den beruhigenden Tranquilizern bis zum bewußtseinserweiternden LSD – ein weiter Bogen.
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Neuroleptika: Dämpfungsmittel oder chemische Zwangsjacke Mehr als 150 Millionen Menschen auf der Welt stehen unter Neuroleptika. Bereits 25 Millionen haben neuroleptika-bedingte gesundheitliche Dauerschäden! In den nächsten Jahren sollte die Vergabe von Neuroleptika drastisch eingeschränkt werden, sonst ist ein ArzneimittelSkandal größten Ausmaßes zu erwarten. Auch wenn manche Patienten eine Neuroleptika-Medikation scheinbar unbeschadet überstehen, wäre am sinnvollsten ein grundsätzliches Verbot von Neuroleptika, vor allem von hochpotenten (starken) Neuroleptika. Die Neuroleptika gehören zu den Psychopharmaka, die am massivsten die Psyche eines Menschen verändern. Ein deutsches Oberlandesgericht (OLG Hamm) hat den Neuroleptika sogar eine “persönlichkeitszerstörende Wirkung” zugeschrieben. Ursprünglich dienten die Neuroleptika vor allem zur Dämpfung von psychisch auffälligen Menschen, etikettiert mit der Diagnose ‘Schizophrenie’. Die Neuroleptika sind nach wie vor die stärkste chemische Waffe der Psychiater, doch mittlerweile verschreiben auch sehr viele praktische Ärzte, Internisten, Kinderärzte, Gynäkologen etc. ihren Patienten diese hirnangreifenden Arzneien in großem Umfang, oft nur zur Behandlung von Alltagsbeschwerden, wie Schlafstörungen, Migräne, Magenbeschwerden, Unruhe bei Kindern, Konzentrationsschwierigkeiten und anderen psychosomatischen Störungen. Leiden solche Patienten dann unter den fatalen ‘Nebenwirkungen’ dieser Medikamente – Bewegungsstörungen, Hirnabbau, Depressionen etc. –, dann werden diese Beeinträchtigun14 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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gen oft als Teil der angeblichen Psycho-Krankheit fehlgedeutet. Man schätzt, daß täglich – allein in Deutschland – mehr als eine halbe Million Menschen solche Psychopillen schluckt, wobei die allermeisten nicht ahnen, welche Risiken sie damit eingehen; und auch die verordnenden Ärzte wissen oft nur ungenügend Bescheid! Dieser Arzneimittel-Skandal mit seinen verheerenden Folgen weitet sich immer mehr aus. Und letztendlich kann jeder davon betroffen sein. Zu den Neuroleptika: Man unterscheidet bei den Neuroleptika zwei Gruppen: starke (sogenannte hochpotente) einerseits und schwache (sogenannte niederpotente) andererseits. Starke Neuroleptika, z. B. Haldol, Fluanxol, Decentan: dies sind stark persönlichkeitsverändernde Medikamente, die vor allem bei Menschen mit Wahnvorstellungen und Halluzinationen angewandt werden, also bei Zuständen, die von Ärzten ‘Schizophrenie’ genannt werden. Neuroleptika schränken nicht nur Halluzinationen ein, sondern alle geistig-seelischen Fähigkeiten. Nicht selten bleiben sogar – trotz Neuroleptika – Wahn und Halluzinationen erhalten, können aber nicht mehr ausgelebt werden: Dadurch entstand die Bezeichnung ‘Chemische Zwangsjacke’. Zu den starken Neuroleptika gehören auch die DepotNeuroleptika: Sie werden intramuskulär gespritzt und wirken etwa 1 bis 4 Wochen. Wirkungen und Nebenwirkungen lassen sich bei Neuroleptika nicht eindeutig trennen, denn viele dieser (Neben-) Wirkungen sind von den Psychiatern erwünscht, z. B. die körperlich-seelische Einengung. Etwas vereinfacht läßt sich sagen – die Neuroleptika haben im wesentlichen zwei Wirkungen: Verwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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Sie erzeugen zum einen eine erhebliche Einengung der körperlichen Beweglichkeit, das sogenannte ParkinsonSyndrom (siehe S. 18), und zum anderen eine hochgradige seelische und geistige Dämpfung, die oft in schwerste Depressionen übergehen kann. Schwache (oder niederpotente) Neuroleptika, z. B. Melleril, Neurocil, Truxal oder Dogmatil, haben – abgeschwächt – eine ähnliche Wirkungsweise wie die starken Neuroleptika; sie dämpfen aber eher den Bewegungsdrang als den Wahn und machen sehr müde. In Anstalten wird meist eine Kombination von schwachen und starken Neuroleptika gegeben, sogenannte Cocktails oder Mischspritzen. Die Nebenwirkungen der schwachen Neuroleptika – z. B. vegetative Störungen, extreme Müdigkeit, Depressionen – werden von den Patienten als weniger unangenehm empfunden als die Nebenwirkungen der starken Neuroleptika, sind aber dennoch ernstzunehmen. In bestimmten Not-Situationen, d. h. wenn alle anderen, humaneren Maßnahmen versagen oder nicht möglich sind, ist ein kurzzeitiger Einsatz der schwachen Neuroleptika manchmal nicht zu vermeiden – für die Dauer von einigen Tagen oder Wochen. Eine jahrelang-regelmäßige Einnahme sollte unbedingt vermieden werden, da sonst ebenfalls mit – teilweise schwerwiegenden – Schäden zu rechnen ist. Für die Neuroleptika – wie für alle anderen Psychopharmaka – gilt: “Eine spezifische ‘antipsychotische’ Wirkung ist nicht erwiesen.” (Prof. Habermann / Löffler). Auch Krankheitsdauer und -häufigkeit werden durch Neuroleptika nicht wesentlich beeinflußt. Prof. Haase: “Wir wissen hierzu, daß bisher statistisch kein Beweis dafür erbracht wurde, daß Phasen bzw. Schübe endogener Psychosen durch ein körperliches Behandlungsverfahren 16 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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verkürzt werden konnten.” Allerdings werden ‘Psychosen’ unter Neuroleptikabehandlung weniger auffällig durchlebt, vor allem die Mitmenschen werden von den ‘Verrücktheiten’ verschont. “Gegenstand der Therapie ist das Gehirn, das wie ein gebrochenes Bein behandelt wird: es wird absolut ruhiggestellt.” (Güse / Schmacke) In ruhiger – auch pseudo-ruhiger – Seele leben, ist des Bürgers Pflicht. Eine auffällig-verrückte Seele bringt zuviel Turbulenz und Querdenken ins soziale Mitfeld: dies ist gesellschaftlich nicht erwünscht. Leider verwenden immer mehr praktische Ärzte und Internisten leichtfertig Neuroleptika als ‘Beruhigungsmittel’. Hierzu nochmals Prof. Schönhöfer: “Neuroleptika sind in der Regel keine Medikamente der allgemeinmedizinischen Praxis, etwa zum Einsatz bei psychovegetativen Syndromen ... Die Empfehlung, schwache Neuroleptika in niedrigen, nicht-neuroleptischen Dosen als Tranquilizer zu benutzen, mißachtet die Gefahr der irreversiblen Spätdyskinesien [unheilbaren Bewegungsstörungen], die auch bei niedrig dosierter, aber langzeitiger Anwendung gegeben ist.” Unüberschaubare Nebenwirkungen Neuroleptika gehören zu den risikoreichsten Psychopharmaka und entfalten vor allem bei mittlerer und hoher Dosierung eine Flut von unerwünschten, schwerwiegenden Wirkungen. Der sonst in diesem Zusammenhang verwendete Begriff Nebenwirkungen ist bei den Neuroleptika eigentlich nicht gerechtfertigt, da diese ‘Nebenwirkungen’ teilweise eng verbunden sind mit den von der Psychiatrie erwünschten ‘Hauptwirkungen’. Die Hauptund Nebenwirkungen der Neuroleptika beeinträchtigen gleichermaßen das Befinden des betroffenen Patienten. Verwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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In der folgenden Übersicht sind viele folgenschwere Wirkungen genannt, die bei einer (vor allem hochpotenten) Neuroleptika-Medikation auftreten können. Diese Neuroleptika-Wirkungen zeigen sich manchmal nur diskret, manchmal jedoch auf heftige, seelisch-körperlich behindernde Weise: 1. Das sogenannte medikamentös-bedingte ParkinsonSyndrom: Unmöglichkeit, normal große Schritte zu machen, Einschränkung der Spontanbewegungen, Zittern, übermäßiger Speichelfluß, ständig erhöhter Muskeltonus; schlimmstenfalls können Spontanbeweglichkeit und seelischer Antrieb hochgradig oder völlig eingeschränkt sein. “Neuroleptika können zwar psychotische Symptome ‘wegdämpfen’, verwandeln aber die psychiatrischen Patienten damit gleichsam in neurologische Patienten, mit dem Aussehen und der Behinderung von Parkinson-Kranken.” (Prof. K. Dörner) 2. Drang zu ständiger Bewegung und Unmöglichkeit, ruhig sitzen oder stehen zu bleiben, was von Patienten als äußerst quälend empfunden wird (sogenannte Akathisie); krampfartig drehende Bewegungen des Kopfes und der Arme (sogenannte Dyskinesie), Schiefhals, Blickkrämpfe, Verkrampfungen der Schlundmuskulatur. 3. Ausgeprägte Müdigkeit; eingeschränkte Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit; Einengung der Wahrnehmung, der bewußten Erfahrung, des Denkens und der Meinungsbildung; undeutlich verwaschene Sprache; verminderter seelischer Antrieb bis zu völliger Handlungsunfähigkeit; evtl. Verstärkung (!) von Angstzuständen. 4. Vegetative Störungen wie Kreislaufschwäche, Herzrasen, Mundtrockenheit, Veränderungen der Körpertemperatur, Magen-Darm-Störungen; Entstehen von 18 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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Thrombosen; Störungen des Leber-Galle-Systems; Hautausschläge, Pigmentablagerungen in Haut und Linse; Verringerung der weißen Blutkörperchen – selten: völliger Schwund der weißen Blutkörperchen (was dann oft tödlich endet). 5. Veränderungen der Hormonsysteme: Störung der Menstruation, Gewichtszunahme, Dämpfung der sexuellen Lustempfindung, bei Männern Potenzstörungen und sogar Entwicklung von Brüsten; evtl. Entstehen von Tumoren in der Brustdrüse. 6. Möglichkeit einer bleibenden organischen Hirnschädigung (in den sogenannten extrapyramidalen Hirnzentren); epileptische Anfälle. 7. Akut auftretendes Delirium: Bewußtseinstrübung, ängstliche Erregung, Unruhe, Wahnerlebnisse, Sinnestäuschungen (vor allem optische Halluzinationen); ein Delirium kann unter Umständen tödlich enden. 8. Auftreten leichter bis sehr schwerer depressiver Verstimmungen (sogenannte pharmakogene Depression); wachsendes Selbstmordrisiko. 9. Die sogenannten Spätdyskinesien: körperlich-seelische Schäden (vor allem entstellend wirkende, unwillkürliche Bewegungen der Muskulatur, z. B. Gesichtskrämpfe, unkontrollierte Schmatzbewegungen mit der Zunge, ruckartige Armbewegungen etc.), die meist erst nach jahrelanger Dauermedikation auftreten und oft nicht mehr rückbildungsfähig sind (siehe weiter unten). 10. Selten: sogenanntes malignes Neuroleptika-Syndrom mit Fieber und Bewegungsstarre (Katatonie). Personen, die eine der nachfolgend genannten Krankheiten haben, sollten grundsätzlich keine Neuroleptika erhalten. Wenn in solchen Fällen dennoch Neuroleptika gegeben werden, muß mit nochmals erhöhten Risiken gerechnet werden. Der Tübinger Universitätspsychiater Verwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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H. W. Schied nennt unter anderem folgende Krankheiten als Kontraindikationen: Glaukom (Grüner Star), erheblich vergrößerte Prostata, Harnverhaltung, Magenausgangs-Verengung, Hirn- und Herzarteriosklerose, Epilepsie, Leberkrankheiten, krankhafte Neigung zu Allergien, Störungen der Blutbildung, Parkinson-Krankheit. Neuroleptika sollen nicht kombiniert werden mit: Barbituraten, Opium, starken Schmerzmitteln, Alkohol. Wichtig: “Was die Depression betrifft, so sind sicherlich gehemmte Depressionen eine eindeutige Kontraindikation” (H. W. Schied). Auch neurotische Störungen sind eine Kontraindikation. Die schwachen (niederpotenten) Neuroleptika wie Melleril, Truxal, Neurocil, Atosil oder Dogmatil zeigen die oben genannten schlimmen psychischen Veränderungen und krankhaften Bewegungsstörungen bei niedriger Dosierung relativ selten, außer bei Langzeitbehandlung. Allerdings muß man damit rechnen, daß eine oder mehrere der unter Punkt 4. und 5. aufgeführten Wirkungen – vor allem die vegetativen Störungen – auftreten. Neuroleptika – Blockade des Gehirns Die fatalen Neuroleptika-Folgen gelten in der Psychiatrie sarkastischerweise als ‘anti-psychotische Wirkung’. Der angesehene schwedische Wissenschaftler und Arzt Lars Martensson kam aufgrund seiner Studien über Neuroleptika zu folgenden erschütternden Schlüssen: “Wenn die Dopamin-Rezeptoren durch die Medikamente blockiert werden, ergibt sich als Resultat, daß die Nervenimpuls-Übertragung ... lahmgelegt ist. Aber die Nervenzellen schlagen zurück und bilden als Ausgleich für die blockierten jetzt neue Rezeptoren. ... Aber die neuen Rezeptoren führen ein erhöhtes Verhältnis von Unsinnig20 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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keit, Lärm und Störung in das System ein. ... Vor diesem Hintergrund läßt sich leicht verstehen, daß eine Neuroleptika-Auswirkung ... darin besteht, daß der Mensch seine Eingebung, seine Leidenschaften und seine Motivation deshalb einbüßt, weil er die Fähigkeit verliert, sich mit sich selbst, sich mit seinen Mitmenschen sowie dem Rest der erkannten und in Erinnerung gerufenen Welt zu identifizieren. Es sind Neuroleptika-Auswirkungen, die neuroleptika-behandelte Menschen ausdrücken wollen, wenn sie sagen: ‘Ich bin ein lebender Toter ... ich kann kein Buch lesen, nicht einmal fernsehen. Ich habe kein Gedächtnis.’ ... Sie sind herzzerbrechend, diese Klagen von Neuroleptika-Opfern.” Selbstmord infolge von Neuroleptika? Neuroleptika verursachen oft depressive Verstimmungen; Depressionen treten nach “Langzeitbehandlung fast regelhaft” auf (Psychiatrie-Lehrbuch von Bauer / Bosch). Neuroleptika verwandeln gewissermaßen die ‘schizophrene Psychose’ in eine ‘depressive Psychose’ – die von der Gesellschaft eher toleriert wird und für die Psychiater erträglicher ist. Bei dieser medikamentös ausgelösten Depression entsteht ein erhebliches Selbstmord-Risiko. Wer unter Neuroleptika-Einwirkung depressiv wird, der ist infolge der Neuroleptika geistig und seelisch so eingeengt, daß er nicht einmal in der Lage ist, sich irgendwelche rettenden Hoffnungen oder Tröstungen auszudenken oder sich in tiefe Träumereien oder Phantasien fallen zu lassen, sondern er bleibt – gewissermaßen psychisch nackt – ganz in der künstlich erzeugten Depression gefangen. Als einziger Ausweg erscheint manchem nur noch der Tod. Differenziert über Tod und Selbstmord nachzudenken oder innere Hemmungen zu spüren – auch Verwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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dies wird durch Neuroleptika verhindert. So wundert es nicht, daß gerade in psychiatrischen Kliniken – unter dem Einfluß hoher Neuroleptika-Dosen – relativ viele Menschen durch Selbstmord sterben. Der Arzt und Psychotherapeut M. Rufer: “Neuroleptika dämpfen das Gefühlserleben, machen apathisch. Selbstverständlich nimmt unter dem Einfluß dieser Medikamente die natürliche Angst vor Schmerzen, vor schweren Verletzungen und vor dem Tod ab. Damit wird auch die Angst vor der Durchführung von Selbstmordhandlungen, die gelegentlich dramatisch sein kann, vermindert. Doch Psychiater denken anders. Für sie wird alles, was ‘Schizophrene’ tun, automatisch zu einem ‘Symptom’ ihrer ‘Krankheit’.” Und der Psychopathologe Prof. Ch. Scharfetter: “Eine Reihe von Suiziden Schizophrener ereignete sich zur Zeit der stärksten Neuroleptika-Wirkung. Schizophrene Suizidanten hatten höhere Dosen von Neuroleptika und stärkere Nebenwirkungen als eine Kontrollgruppe.” Im Gegensatz zur weitverbreiteten Meinung unter Schulpsychiatern sind starke Neuroleptika keineswegs angstlösend, sondern können sogar angstverstärkend sein: “Eine spezielle ‘angstlösende’ Wirkung ist den Neuroleptika im Gegensatz zu Tranquilizern nicht zuzuordnen; es wird im Gegenteil häufig eine Verstärkung von Angstreaktionen beobachtet, auch wenn der Patient diese infolge der affektiven Verlangsamung nicht äußern kann” (Prof. P. S. Schönhöfer, Psychopharmakologe). Wirklich freiwilliges Einnehmen dieser Medikamente ist relativ selten. Wegen der risikoreichen Nebenwirkungen sind starke Neuroleptika nur kurzzeitig (einige Tage, maximal wenige Wochen) und nur in Ausnahme-Situationen in Erwägung zu ziehen, wenn alle anderen medikamentösen und nicht-medikamentösen Maßnahmen versagt 22 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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haben, und wenn ein Aus-Agieren der ‘psychotischen’ Stimmung nicht möglich ist. Ein grundsätzlicher Verzicht auf diese Medikamentengruppe wäre am sinnvollsten! Selbst psychopharmaka-hörige Psychiater mußten schon vor vielen Jahren – z. B. auf dem Haloperidol-Symposion 1981 – schwere Neuroleptika-Schädigungen an Patienten eingestehen; der Psychiater v. Cranach forderte, die Vergabe von Neuroleptika einzuschränken, und sagte unter anderem: “Die manchen Ärzten unterstellte ablehnende Haltung gegenüber Neuroleptika wird von vielen Patienten und deren Angehörigen aus persönlicher leidvoller Erfahrung geteilt.” Wer sich als zweiter Jesus Christus fühlt und entsprechend handelt, sollte – wenn er sich dabei wohlfühlt – gelassen werden! Lieber tolerieren als therapieren. Die Auseinandersetzung mit einem solchen Menschen ist kein pharmakologisches Problem, sondern vielleicht ein soziales Problem – oder ein philosophisches oder psychologisches Problem. Neue, immer neue Neuroleptika Einige neuentwickelte Neuroleptika werden als verträglichere Medikamente mit angeblich weniger Nebenwirkungen präsentiert. Aber auch diese frischen Produkte der Neuroleptika-Forschung (z. B. Risperdal, Zyprexa) wirken im wesentlichen durch Blockierung an DopaminRezeptoren und bergen ähnliche Risiken wie die herkömmlichen Neuroleptika. So heißt es bei dem Neuroleptikum Risperdal in der Schilderung der Nebenwirkungen: “Häufig: Schlaflosigkeit, Agitation, Angstzustände, Kopfschmerzen ...” Diese schockierenden Wirkungen werden von der Hersteller-Firma freimütig im Arzneimittelverzeichnis für Ärzte genannt. Verwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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Nehmen wir mal an: Ein Mensch wird wegen hyperaktivem, agitiertem Verhalten und wegen schlimmer Angstzustände in die Psychiatrie gebracht und erhält dort Risperdal. Das Risiko ist groß, daß seine Angstzustände und sein agitiertes Verhalten durch eben dieses Risperdal zunehmen. Was machen dann – wahrscheinlich – die behandelnden Psychiater? Sie verkennen die Nebenwirkungen des Neuroleptikums und geben dem armen Patienten noch höhere Dosen, um endlich eine vermeintliche Dämpfung herbeizuführen. An diesem Beispiel zeigt sich erneut: Neuroleptika können zwar manchmal psychische Leiden dämpfen, doch häufig vergrößern sie Unruhe, Angst und Leiden. Zyprexa soll angeblich weniger Hirnschäden (sichtbar in Form von Spätdyskinesien) als Haloperidol verursachen – doch nichts ist stichhaltig bewiesen. Überdies leiden Zyprexa-Patienten oft unter lebensbehindernder Müdigkeit und entstellender Gewichtszunahme. Leponex ist kein neues Neuroleptikum, doch es wird immer wieder von neuem angepriesen wegen angeblich guter Verträglichkeit. Schon 1974 kam Leponex als ‘Wunderpille’ auf den Markt – und mußte drei Jahre später wieder eingezogen werden: Leponex führt zwar seltener als viele andere hochpotente Neuroleptika zu schweren Hirnschäden (Spätdyskinesien etc.), aber es verursacht Blutzellschäden (sogenannte Agranulocytosen), die manchmal sogar tödlich verlaufen. Dieses risikoreiche Medikament darf inzwischen psychiatrisch wieder rezeptiert werden, wenn regelmäßig Blutbildkontrollen erfolgen. Leponex zeigt noch andere, neuroleptika-typische (Neben-) Wirkungen, wie schwere Herz- und Kreislaufstörungen, Erzeugung von Fieber, und es kann – häufiger als alle anderen Neuroleptika – zu epileptischen Krampfanfällen und zu Delirien (akuten Verwirrtheitszuständen) 24 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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führen. Die Herstellerfirma nennt eine wahrlich lange Liste von Nebenwirkungen, und am Ende dieser Liste heißt es: “Sonstiges: ... vereinzelt unerwartete, plötzliche Todesfälle ...” Wer Leponex – oder auch andere Neuroleptika – absetzen will, sollte dies nicht plötzlich tun und Vorsichtsmaßnahmen (siehe S. 33ff.) beachten! Neuroleptika als Disziplinierungsmittel Neuroleptika sind die hauptsächlich eingesetzten Mittel in der psychiatrischen Zwangsbehandlung. Bekannt ist, daß in totalitären Staaten Neuroleptika als Foltermedikamente eingesetzt werden. Und in Gefängnissen – auch in der BRD – injiziert man aufmüpfigen Insassen zwangsweise Neuroleptika – im Gefangenen-Jargon ‘Betonspritzen’ genannt. ‘Ruhig-satt-sauber’ heißt – vereinfacht formuliert – die Hausordnung in vielen Altersheimen. Tragischerweise erhalten wehrlose alte Menschen in Heimen oftmals zur Beruhigung die stumpf-machenden Neuroleptika: Eine eventuell altersbedingte Hirnleistungsschwäche wird durch Neuroleptika noch vermehrt. Auch ein altersbedingtes Parkinson-Syndrom, Verwirrtheit oder unklare Angstzustände werden durch Neuroleptika verschlimmert. Selbst bei Kindern und Jugendlichen verordnen Psychiater Neuroleptika: Das heranreifende Gehirn wird chemisch blockiert – ein unverantwortlicher Eingriff in den Wachstumsprozeß eines jungen Menschen.
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Langzeitbehandlung – nicht vertretbar Depot-Neuroleptika – z. B. Fluanxol-Depot, Haldol-Decanoat, Imap, Dapotum D – gehören ebenfalls zur Gruppe der starken Neuroleptika und haben die gleichen (Neben-) Wirkungen (siehe oben). Sie werden in regelmäßigen Abständen intramuskulär gespritzt und haben eine 1- bis 4wöchige Wirkungsdauer. Damit soll das Risiko eines erneuten ‘psychotischen Schubes’ vermindert werden. Aber: Das Wiederauftreten einer ‘Psychose’ läßt sich durch eine Langzeitbehandlung mit starken Neuroleptika, also z. B. mit Depot-Neuroleptika, nicht sicher und nicht bei jedem verhindern oder abschwächen, und: mit den obengenannten schwerwiegenden Nebenwirkungen muß gerechnet werden, vor allem mit Depressionen und mit bleibenden körperlich-seelischen Schäden, z. B. den sogenannten Spätdyskinesien (siehe S. 19); gleichzeitig entstehen entsprechende seelische Störungen, z. B. emotionale Abstumpfung und quälendes inneres Getriebensein. Von Depot-Neuroleptika ist grundsätzlich abzuraten! Die Langzeitbehandlung mit Neuroleptika ist ein unwürdiges Vorgehen und verstößt gegen grundlegende ethische Vorstellungen, ähnlich wie die Anwendung von Elektroschocks, die Psychochirurgie oder das Einsperren und Festbinden von Patienten. Obwohl Neuroleptika häufige und schwerwiegende psychisch-körperliche Störungen hervorrufen können, gibt es immer wieder Patienten, die Neuroleptika nehmen und kaum offen-sichtbare Schädigungen zeigen. Doch auch diese Patienten sollten über das Risikopotential der Neuroleptika aufgeklärt werden, damit sie entscheiden können: die Gefahren der dämpfenden Neuroleptika bewußt in Kauf nehmen oder das Risiko einer ver-rückten psy26 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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chischen Entgleisung bewußt eingehen oder alternative Behandlungswege gehen (pflanzliche Mittel, Psychotherapie etc.). Aber – bei dieser Entscheidungsfindung darf nicht vergessen werden: Während der NeuroleptikaMedikation sind eigene Kritik-Fähigkeit und Entscheidungs-Freiheit – durch neuroleptika-spezifische Hirnblockaden – eingeengt! Abhängigkeit von Neuroleptika? Eine eigentliche Sucht im psychiatrischen Sinne entsteht durch Neuroleptika nicht. Aber: Neuroleptika können eine besonders fatale Art von Abhängigkeit entwickeln. Zunächst greifen sie zerstörend in die Mikrostrukturen des Gehirns ein, dann verdrängen sie die natürlichen Botenstoffe (z. B. Dopamin) von ihren Wirkorten, den sogenannten Rezeptoren, und machen sich in diesem neuen, künstlich geschaffenen System ‘unentbehrlich’. Der international hochgeschätzte Neuro-Wissenschaftler und Psychiatrie-Professor S. H. Snyder schreibt: “Nach einer anhaltenden Blockade durch Neuroleptika treten die Dopamin-Rezeptoren quasi zum Gegenschlag an, zumindest im corpus striatum [Hirnregion], wo bei Tieren unter neuroleptischer Langzeitbehandlung die Zahl der Dopamin-Rezeptoren nachweislich ansteigt. ... [Es] leiden Patienten, bei denen die Dopamin-Rezeptoren im corpus striatum sich derart vermehren und überempfindlich werden, an einer starken Bewegungsunruhe von Zunge, Mund, Armen und Beinen ... Würde er [der Psychiater] die Neuroleptika höher dosieren, ließe sich dadurch zwar die gestiegene Zahl von Dopamin-Rezeptoren blokkieren, aber andererseits würde auch eine weitere Vermehrung der Dopamin-Rezeptoren induziert und damit eine noch schwerere Spätdyskinesie heraufbeschworen.” Verwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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Neuroleptika-geschädigte Menschen müssen also oft – paradoxerweise – das Neuroleptikum, welches den Schaden verursacht hat, weiter nehmen, um die quälenden Auswirkungen dieser Schäden ein wenig zu mindern. Gleichzeitig wird aber durch die weitere Einnahme von Neuroleptika der Hirnschaden vermehrt! Eine grundlegende Aufklärung von möglichst vielen Menschen ist unbedingt notwendig! Mitarbeiter im Gesundheitswesen, aber auch andere verantwortungsvolle Menschen und vor allem Psychopharmaka-Konsumenten sollten gegen die weitere Verabreichung von Neuroleptika protestieren, weil sonst noch mehr Menschen – diskret oder deutlich merkbar – dauerhaft geschädigt werden. Wenn man überhaupt Arzneimittel-Skandale miteinander vergleichen kann, so könnte man sagen, daß bereits jetzt die durch Neuroleptika angerichteten Schäden verheerender sind und mehr Menschen betreffen als die allseits bekannte Contergan-Katastrophe. Auf Neuroleptika kann verzichtet werden! Es gibt zahlreiche – auch schulmedizinisch akzeptierte – Alternativen, von denen möglichst mehrere gleichzeitig angeboten werden sollten: – Umfangreiche soziale Unterstützung (Arbeit, Wohnung etc.), – Psychotherapeutische Hilfe, – Überprüfung, gegebenenfalls Absetzen von Medikationen: zahlreiche Medikamente – auch solche, die bei körperlichen Beschwerden verschrieben werden – können schwere psychische Störungen verursachen. – Pflanzliche Sedativa (Beruhigungsmittel) können – selbst bei starker Erregung – angenehm beruhigend wirken. Chemische Alternativen zu Neuroleptika: 28 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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– Tranquilizer (z. B. Valium): das Mannheimer Institut für seelische Gesundheit zeigte in einer Studie, daß Tranquilizer starke Erregungszustände, Angst und Halluzinationen ähnlich stark dämpfen wie Neuroleptika, allerdings ohne deren fatale Nebenwirkungen (H. Beckmann). – Opiate: Das Max-Planck-Institut in München hat nachgewiesen, daß mit opium-ähnlichen Stoffen (z. B. Temgesic) bei ‘Schizophrenen’ selbst eine schwere ‘psychotische Symptomatik’ erfolgreich behandelt werden kann (C. Schmauss). Weitere ergänzende Alternativen: Klinische Ökologie; Orthomolekulare Medizin; ‘Psycho-Diät’; Nervenvitamine (z. B. kann Vitamin-B1-Mangel einen ‘psychose-ähnlichen’ Zustand bewirken). (Zu allem obengenannten siehe auch das Kapitel Alternative Behandlungsmöglichkeiten.) Hinweis für den Leser: Bitte überprüfen Sie Ihre HausApotheke – sind Neuroleptika dabei? Wenn Sie Neuroleptika schlucken, dann beginnen Sie bitte einen kritischen Dialog mit Ihrem behandelnden Arzt: er soll behutsam-langsam dieses potentiell gesundheitsschädigende Medikament absetzen – langsam und in Übereinstimmung mit Ihrem Befinden; und Ihr Arzt soll Ihnen gegebenenfalls (eventuell nur vorübergehend) eine verträglichere Ersatz-Medikation anbieten. Sie bestimmen – nicht Ihr Arzt – welche Medikation Ihnen dienlich sein kann ...
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Das bekannteste Mittel gegen Übelkeit: ein verkapptes Neuroleptikum? Gegen Übelkeit, Brechreiz, Reisebeschwerden, MagenDarm-Störungen, Schluckauf usw. wird sehr häufig Metoclopramid genommen, bekannt unter Markennamen wie Paspertin, MCP, Gastrosil etc. Metoclopramid gilt als sehr wirksames und meist gut verträgliches Mittel, das in jeder Klinikstation, jeder Arztpraxis und in den meisten Hausapotheken zur Standardausrüstung gehört. Kaum beachtet wird, daß dieses scheinbar so vorzügliche Mittel sogenannte Dyskinesien hervorrufen kann; das sind entstellend wirkende, schmerzhaft-krampfartige Bewegungsstörungen der Muskulatur, die sonst als Nebenwirkung der Neuroleptika bekannt sind. Metoclopramid ist zwar pharmakologisch gesehen kein Neuroleptikum, doch wirkt es wie Neuroleptika hemmend auf den Hirn-Botenstoff Dopamin. So wird erklärlich, daß es – vor allem bei langjähriger Einnahme – zu Hirnschäden in Form von Spätdyskinesien (siehe S. 19) kommen kann. Gemessen am massenhaften Konsum der Metoclopramid-Präparate scheint die genannte fatale Nebenwirkung relativ selten aufzufallen. Doch muß befürchtet werden, daß metoclopramid-bedingte Hirnstörungen gerade bei älteren Menschen als ‘normale Alterserscheinungen’ verkannt werden. Viele Medikamente – und Metoclopramid ist nur ein Beispiel dafür – sollen vorrangig nur den Magen, die Blase oder das Herz behandeln, doch blockieren sie oft auch – unterschiedlich stark – das diffizile Botenstoff-System des Gehirns. So kann es sinnvoll sein, den MedikamentenBeipackzettel gründlich zu lesen und den vielleicht leichthändig verschreibenden Arzt und den Apotheker mit gezielten Fragen zu löchern. 30 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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Neuroleptika in alltäglichen Nahrungsmitteln? Man hat errechnet, daß allein in der BRD die dem Verzehr dienenden Mastschweine jährlich über 20 Millionen mal (!) Neuroleptika injiziert bekommen. Damit werden die bedauernswerten Tiere gedämpft und ruhiggestellt; sonst würden viele von ihnen die quälenden AufzuchtBedingungen und die Fahrt zum Schlächter nicht überstehen. Mit einer solchen tierpsychiatrischen Dämpfungskur werden auch andere Schlachttiere, Kälber, Lämmer usw. bedacht. Viele injizierte Medikamente, so auch die meisten Neuroleptika, verteilen sich in den verschiedenen Organen und in der Muskulatur, sowohl in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung als auch in Form von Metaboliten (Abbauprodukten). Diejenigen Menschen nun, die Tiere nicht nur streicheln, sondern auch verzehren, müssen damit rechnen, nicht nur Antibiotika, Anabolika und andere Hormone, sondern auch Neuroleptika und deren Metaboliten mit-zu-essen.
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Carola Burkhardt-Neumann
Bin ich wirklich schizophren? Die unsicheren Diagnosen der Psychiatrie und ihre Folgen für die Patienten ZENIT Ratgeber 144 Seiten – DM 19,80 ISBN 3-928316-13-3 / ÖS 145,- / SFr 19,„... Psychose ... Stoffwechselstörung im Gehirn ... zur Vorbeugung regelmäßig Medikamente nehmen ..." Wer seine seelische Krankheit so erklärt bekommt, leidet an einer Form der Schizophrenie. Aber: Bei der Diagnose Schizophrenie gibt es mehr offene Fragen als brauchbare Antworten. Dieses Buch weist auf die offenen Fragen hin und fordert die Leser auf: Fragen Sie weiter! Lassen Sie sich nicht entmutigen! Denn oft ist der Verlauf dieser Krankheit gutartig. Nach einer psychotischen Phase werden die Betroffenen wieder gesund. Die Autorin fordert energisch eine Weiterentwicklung der Psychiatrie ein, bei der die Erfahrungen der psychisch Kranken und ihrer Angehörigen ernst genommen werden. Psychopharmaka dürfen nicht die wesentliche Antwort bleiben. Ein Buch für Betroffene und Angehörige – und alle, die mit den vorschnellen Diagnosen der Psychiatrie unzufrieden sind. Carola Burkhardt-Neumann, Jg. 1943, Dr. med., Fachärztin für Psychiatrie. Langjährige Tätigkeit in der Krisenstation des Bezirkskrankenhauses Haar bei München, an Sozialpsychiatrischen Diensten und bei der Drogenberatung der Stadt München. Seit 1991 niedergelassen in freier Praxis als Psychiaterin mit der Zusatzbezeichnung Homöopathie.
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Wer lange Zeit Psycho-Pillen genommen hat und sie jetzt absetzen will ... ... der sollte dies behutsam tun und eine Reihe von Regeln beachten. Das Absetzen einer Langzeit-Medikation ist durchaus nicht immer einfach. Wer seit Wochen, Monaten oder gar seit Jahren regelmäßig Psycho-Pillen schluckt, sollte diese nicht plötzlich absetzen. Bei einem plötzlichen Entzug können erhebliche, teilweise quälende, psychisch-körperliche Störungen auftreten. Vor allem bei einer höher-dosierten Langzeit-Medikation mit Dämpfungsmitteln sollte ein sofortiges und völliges Absetzen nur in einer geeigneten, vertrauenerwekkenden Klinikstation vorgenommen werden, damit auftretende Entzugs-Symptome, z. B. Angstzustände oder Herz-Kreislaufstörungen, überwacht und ggf. behandelt werden können. Diejenigen Leser, die ihre Dauermedikation nicht mit Hilfe eines Klinikaufenthaltes beenden wollen, sollten nicht von sich aus eine Änderung beginnen, sondern hierfür – ambulant – einen Arzt ihres Vertrauens befragen. Dabei kann dieses Buch als Argumentationshilfe dienen und die Suche nach Alternativen erleichtern. Die Hinweise, die im folgenden gegeben werden, beziehen sich im wesentlichen auf Dämpfungs- und Beruhigungsmittel (Neuroleptika, Antidepressiva, Tranquilizer). Für Euphorika (z. B. Alkohol), Opiate (z. B. Heroin) oder Psychostimulanzien (z. B. Kokain) sind andere Vorgehensweisen zum Drogenentzug üblich und ratsam.
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Entzug von Dämpfungs- und Beruhigungsmitteln Psychopharmaka, über lange Zeit genommen, bewirken eine allmähliche und manchmal dauerhafte Änderung in der Mikrostruktur des Gehirns. Beispielsweise blockieren Neuroleptika an den Hirnzellen die Empfängerorte (sogenannte Rezeptoren) für den wichtigen Botenstoff Dopamin. Doch das Gehirn wehrt sich gegen die neuroleptische Blockierung der Rezeptoren, indem es mehr Dopamin-Moleküle produziert. Werden nun die blockierenden Neuroleptika plötzlich abgesetzt, so überschwemmen die zuviel hergestellten Dopamin-Moleküle die freigewordenen Rezeptoren und können ein Chaos produzieren: Folge sind oft Angst, Paranoia, krasse Stimmungsschwankungen, die in die Verzweiflung treiben. Wollen Psychiater bei einem Patienten Neuroleptika absetzen, so raten sie oft, die Neuroleptika-Pillen schlagartig wegzulassen. Dieser Rat ist gefährlich, was aus den eben geschilderten biochemischen Vorgängen erklärlich ist. Werden Dämpfungs- und Beruhigungspillen – ob Haldol, Saroten oder Valium – nach einer wochen- oder monatelangen Dauer-Medikation plötzlich weggelassen, können sich folgende Absetz- bzw. Entzugserscheinungen zeigen: Schlaflosigkeit, innere Unruhe, Angstzustände, Depressionen, Schweißausbrüche, Pulsrasen, Herzrhythmus-Störungen, Kreislaufschwankungen, Verwirrtheitszustände bis zur Paranoia, Erbrechen, Übelkeit, Durchfall, Zittrigkeit, Bauchkrämpfe usw. Nach einer länger dauernden Hochdosierung von Neuroleptika können überdies alle bei Neuroleptika bekannten psychischen und neurologischen Wirkungen und Nebenwirkungen (siehe S. 18f.) als Entzugssymptome auftreten.
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Grundsätzliche und praktische Hinweise — Psychopharmaka absetzen bedeutet auch: mehr SelbstVerantwortung übernehmen und die Behandlung psychischer Störungen nicht primär in die Hände von psychopharmaka-verschreibenden Ärzten zu legen. — Wichtig ist, sich zu informieren: Außer der Schulpsychiatrie gibt es noch andere, kontrovers-alternative Richtungen im Bereich der professionellen psychosozialen Versorgung – ähnlich, wie es außer Vertretern der Atom-Lobby auch Experten der Solarenergie gibt. Gestärkt durch Informationen können Psychiatrie-Betroffene einen kritischkonstruktiven Dialog mit ihrem Psychiater oder Hausarzt eröffnen, um Unterstützung zu erreichen für ein psychopharmaka-freies Leben. Bei solchen Gesprächen mit Ärzten läßt sich mit wissender Entschiedenheit und Charme oft Erstaunliches erreichen – nach einem Jesuiten-Motto: ‘fortiter in re, suaviter in modo’, ‘entschieden in der Sache, freundlich im Tun’. — Die Krise, die zu einer Langzeit-Medikation geführt hat, bedarf einer gründlichen Betrachtung und Aufarbeitung, zum Beispiel mit Hilfe eines Psychotherapeuten. Anstrebenswert wäre, durch Absetzen von Psychopharmaka wieder die natürliche Wahrnehmung zu erreichen und sich zu befreien von den chemisch modifizierten Sinneseindrücken. — Ein grundsätzliches Umdenken wäre nötig, sowohl bei Psychopharmaka-Konsumenten wie auch bei deren Angehörigen: Auffällige psychische Stimmungen – ob Melancholie oder sogenannte Paranoia – sollten vermehrt ausgelebt und von Mitmenschen toleriert werden, soweit nicht Schädlichkeit für sich oder andere entsteht. Der römische Psychiatrieprofessor T. Losavio meinte hierzu: Die
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Verrückten sollten ein bißchen normaler werden, und die Normalen ein bißchen verrückter. Psychopharmaka können auch – vor allem in den Händen der meisten Psychiater – Anpassungsmittel sein: Anpassung an die herrschende Normalität. Wer diesem verordneten Sog in die graue Durchschnittlichkeit widerstehen will, braucht den Mut des Auserwählten, der seine psychische Besonderheit zeigt. — Vor dem Absetzen zeigen sich manchmal vielfache Ängste: – Angst vor Wiederauftreten einer psychischen Störung – Angst vor Einweisung in eine psychiatrische Klinik – Angst, entgegen dem Ratschlag des behandelnden Psychiaters zu handeln – Angst vor der Reaktion der Angehörigen – Angst, kein hilfreiches Medikament zu haben ... Bei soviel Ängsten kann es für manchen Psychopharmaka-Konsumenten sinnvoll sein, vorerst kein völliges Absetzen, sondern lediglich eine deutliche Dosis-Reduktion anzustreben und diese verminderte Dosis dann eine Weile beizubehalten. — Es ist nötig, den Lebenspartner oder andere Freunde in das Vorhaben einzuweihen. Für den Beginn des Absetzens soll ein guter Zeitpunkt gewählt werden. Überdies bringt die regelmäßige Konsultation eines Arztes seines Vertrauens eine Erleichterung und vor allem mehr Sicherheit beim langsamen, schrittweisen Absetzen der Droge: eine solche ambulante ärztliche Begleitung ist dringend anzuraten. — Nach einer Langzeit-Medikation kann der allmähliche, stufenweise Entzug z. B. nach der 10%-Formel geschehen: Die ursprüngliche Tagesdosis (z. B. 100 Milligramm Melleril) wird um 10% reduziert (also auf 90 36 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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Milligramm in unserem Beispiel); wenn nach ein bis zwei Wochen keinerlei Entzugserscheinungen (z. B. Schlafstörungen) mehr auftreten, kann die Dosis erneut um 10% (dann auf 80 Milligramm) verringert werden. Auch der weitere Dosis-Abbau geht in 1- bis 2-Wochen-Schritten vor sich bis zur Dosis Null. In vergleichbarer Weise geschieht die Dosis-Reduktion bei den Depot-Neuroleptika (die, wie bereits erwähnt, als Spritze intramuskulär alle 1 bis 4 Wochen injiziert werden): man kann die injizierte Menge von Mal zu Mal um 10% verringern oder die Abstände zwischen zwei Injektionen vergrößern. — Der hier beschriebene stufenweise Entzug nach der 10%-Formel ist ein ziemlich vorsichtiges Vorgehen und dauert relativ lang. Rascheres Entziehen ist möglich, wenn beispielsweise parallel eine neue, aber verträglichere Ersatz-Medikation genommen wird (siehe S. 79) bzw. wenn eine vertrauensvoll-intensive psychotherapeutische Stützung, mit ein bis zwei Treffen pro Woche, gegeben ist. Chemische Antidepressiva und chemische Tranquilizer können schneller abgesetzt werden als Neuroleptika; sie können – während eines Klinikaufenthaltes – gar von einem Tag zum andern weggelassen werden. — Lithium, das gewöhnlich über viele Jahre genommen wird, verlangt ein besonders behutsames, über Monate sich hinziehendes Absetzen. — Manche nehmen eine Kombination von mehreren Psychopharmaka, z. B. tagsüber das hochpotente Neuroleptikum Haldol, abends den Tranquilizer Adumbran: Hier ist meist empfehlenswert, zuerst das Neuroleptikum schrittweise (!) wegzulassen (siehe oben); als letztes sollte der Tranquilizer – ebenfalls schrittweise – abgesetzt werden. (Die konventionelle Schulpsychiatrie vertritt hier oft andere Auffassungen.) Verwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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— Beim Absetzen ist zu bedenken, daß einige Psychopharmaka sehr lange Halbwertszeiten (d. h. Verweildauer im Körper) haben. Entzugssymptome können sich infolgedessen nach einem oder mehreren Tagen oder gar erst nach ein bis zwei Wochen einstellen. Gleiches gilt für Beschwerden, die vorher medikamentös weggedämpft worden sind. — Erheblicher Kaffee- und Nikotin-Konsum schwächen die Neuroleptika-Wirkung ab (unter anderem die Müdigkeit und die Parkinson-Symptomatik). Wenn während eines schrittweisen Absetz-Versuches gleichzeitig – was wünschenswert ist – Kaffee und Nikotin stark eingeschränkt werden, kann selbst eine reduzierte Neuroleptikum-Dosis wieder stärkere Wirkung zeigen. — Die unterstützende Gabe von B-Vitaminen (unter anderem B1 und B6) kann neuroleptikum-bedingte Störungen etwas mildern; dabei sind intramuskuläre Injektionen sinnvoll. Weitere Begleit-Medikationen aus dem Bereich der Naturheilkunde können sinnvoll sein: Johanniskraut gegen Depressionen (siehe S. 75), Baldrian, Melisse etc. zur Beruhigung. — Beim Neuroleptika-Entzug können zwischendurch stärkere Beruhigungsmittel nötig und sinnvoll sein, z. B. Tranquilizer (siehe S. 49ff.). Hier ist die regelmäßige Absprache mit einem Arzt unabdingbar. — Für ausreichende Entspannung und genügend Schlaf ist zu sorgen. Beruhigungstees und warme Bäder können hier dienlich sein. — Sehr anzuraten ist das Erlernen von Autogenem Training oder anderen Entspannungsübungen, oder Yoga und Meditationstechniken. Dieses Erlernen sollte allerdings in Zeiten psychischer Ausgeglichenheit und vor dem Psychopharmaka-Entzug geschehen! — Körperliche Übungen: Gymnastisches Training mit 38 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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besonderer Berücksichtigung der Feinmotorik, Tanzen mit grazilen Bewegungen, Klavierspielen oder ähnliches fördert die Mobilisierung des Botenstoffes Dopamin. Der eben geschilderte Aspekt ist besonders wichtig bei Neuroleptika-Einnahme, da Neuroleptika bekanntermaßen das sehr persönlichkeitsprägende Dopamin blockieren (siehe S. 12). — Ernährung: Ausgewogene, vitaminreiche Kost ist empfehlenswert; überdies sollte während der Entzugszeit überdurchschnittlich viel Flüssigkeit (z. B. Mineralwasser, Kräutertees) getrunken werden, weil so die Diurese (Entwässerung) und damit die Ausscheidung der Medikamente gefördert werden kann. Außerdem ist es für die psychische Stabilisierung günstig, grundsätzlich auf den Verbrauch von Fleisch, Wurst und Fisch zu verzichten, also keine Tiere zu töten und zu essen. — Hirnjogging: Körperzellen, die nicht aktiviert werden, verkümmern. Dies gilt auch für die Nervenzellen unseres Gehirns. Lesen oder Neues-Lernen fordert unser Gehirn natürlich sehr viel mehr als belangloses Plaudern oder stundenlanges Fernsehen. Ohne körperliches Training kommt es zu Muskelschwund, ohne geistiges Training verkümmern die Hirnzellen. — Eine ganz entscheidende Stütze beim Entzug von Psychopharmaka ist die Psychotherapie. Mehrere Treffen pro Woche (die keineswegs immer eine Stunde dauern müssen) sind sinnvoll. Ziel ist nicht, einen Patienten bzw. Klienten zu ändern, sondern ihn so zu akzeptieren, wie er ist. Selbst die ver-rücktesten Verhaltensweisen lassen sich verstehen, wenn auch oft nur symbolhaft. Wenn wir die Äußerungen und Handlungen eines psychisch auffälligen oder ver-rückten Menschen wie einen Traum oder Alp-Traum betrachten, fällt es uns viel leichter, die anfänglich fremd scheinende Ideenwelt eines solchen Menschen zu verstehen. Verwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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Antidepressiva – Chemie gegen Depressionen Seit etwa 1960 werden Antidepressiva in allerlei Varianten auf dem Pharmamarkt angeboten, und die Psychiater glaubten ursprünglich, ein wirksames Mittel gegen die ‘Volkskrankheit Depression’ in der Hand zu haben. Doch die Antidepressiva-Euphorie der Psychiater wurde nie so richtig geteilt von den Millionen Menschen, die unter Niedergedrücktheit und Traurigkeit leiden. ‘Undankbar’ setzen viele Patienten die Tabletteneinnahme von sich aus ab, weil sie den stimmungsaufhellenden Effekt vermissen, oder sie werfen gleich am ersten Tag die vom Arzt rezeptierte Packung in den Mülleimer, weil ihnen die auf dem Beipackzettel angekündigten Nebenwirkungen zu ungeheuerlich sind. Bevor wir genauer auf Antidepressiva eingehen, soll nochmals auf die beiden damit zusammenhängende Begriffe Melancholie und Depression hingewiesen werden: Melancholie ist eine menschliche Charaktereigenschaft, keine Krankheit. Manche Menschen leiden aber – oft oder gelegentlich – unter ihren melancholischen Eigenschaften. Dann könnte man auch von Depression sprechen, zumal diese Menschen sich meist selbst als ‘depressiv’ oder an ‘Depressions-Krankheit leidend’ bezeichnen. Depressive Stimmungen erfährt jeder in seinem Leben: quälende Traurigkeit nach dem Tod eines geliebten Menschen; Grübelzwang und das Gefühl der Ausweglosigkeit nach Enttäuschungen und Versagen; innerer Zusammenbruch und Verzweiflung nach tiefen Kränkungen oder schmerzhaften Trennungen; Selbsttötungsgedanken in 40 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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großer sozialer Not oder bei schweren Krankheiten; tiefgreifende Ängste; Gefühle der Sinnlosigkeit. Von ‘depressiver Krankheit’ läßt sich sprechen, wenn die depressiven Erscheinungen überdurchschnittlich tiefgreifend und langdauernd sind. Depressive Menschen haben meist mehrere psychische und somatische Beschwerden gleichzeitig; für ihre hoffnungslose Traurigkeit fallen ihnen nur manchmal konkrete Ursachen ein, viel öfter wissen sie keine äußeren oder inneren Gründe. Ihre Umgebung spricht dann von ‘grundloser Traurigkeit’. Unermüdliche Leistungsfähigkeit, fröhliche Gelassenheit, strahlender Optimismus gelten in unserer Gesellschaft als beispielhaft; man denke nur an die aktuellen Exponenten der ‘Normalität’, an die modernen Führungsfiguren in Politik und Wirtschaft oder an die zum Leitbild gewordenen Repräsentanten des Showbusiness. Dagegen werden Melancholie, Nachdenklichkeit und Pessimismus als negative Eigenschaften gewertet. Depressive leiden oft nicht nur wegen der sozialen Diskriminierung, sondern auch wegen innerer psychodynamischer Ursachen an ihrer Schwermut und suchen, zumindest anfänglich, nach Möglichkeiten, sich von erdrükkender seelischer Belastung zu erleichtern. Dabei bringen chemische Antidepressiva nur manchmal eine Erleichterung, doch mit erheblichen Nebenwirkungen muß gerechnet werden. Die chemischen Antidepressiva wirken entweder dämpfend (z. B. Saroten) oder antriebssteigernd (z. B. Anafranil, Fluctin); ein darüber hinausgehender explizit stimmungsaufhellender, antidepressiver Effekt ist bei vielen Präparaten nicht überzeugend nachgewiesen. Vereinfacht kann man sagen: Antidepressiva bringen bei einem Drittel der Patienten eine spürbare Besserung, bei einem weiteren Drittel keine Besserung und beim restlichen DritVerwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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tel sogar eine Verschlechterung. Eine ähnliche oder bessere Wirkung ist – wenn man schon Chemie schlucken will – oft mit Tranquilizern zu erreichen; diese haben, trotz eines gewissen Suchtrisikos, weniger Nebenwirkungen. Bei den chemischen Antidepressiva sind viele mögliche Nebenwirkungen ernstzunehmen: wechselnde vegetative Störungen, Herz-KreislaufStörungen, Krampfanfälle, Delirium, Blutzell-Schäden etc. Wegen gefährlicher ‘Neben’-Wirkungen wurden die Präparate Alival und Psyton 1986 aus dem Handel gezogen. Antidepressiva kürzen eine Krankheitsphase nicht wesentlich ab, die depressiven Beschwerden können sie aber abschwächen. Allerdings: “Das Ausklingenlassen einer Depression ist scheinbar zur Verhinderung eines Rezidivs [Rückfalls] von Vorteil” (Prof. Birkmayer). Eine Langzeit-Medikation, z. B. als mehrmonatige ‘Prophylaxe’, ist nicht gerechtfertigt. Zu beachten ist außerdem, daß stark antriebssteigernde Antidepressiva vorhandene Selbstmordtendenzen gefährlich verstärken können. Einen gewissen antidepressiven Effekt haben auch Präparate, die Tryptophan enthalten, wie Kalma oder Levothym. Die in Nahrungsmitteln vorkommende Aminosäure Tryptophan gilt als Vorstufe eines körpereigenen Trägerstoffes. Allerdings: tryptophan-haltige Präparate können manchmal Erkrankungen des Blutes und der Muskulatur auslösen, ein sogenanntes Eosinophilie-Myalgie-Syndrom (eventuell infolge von Verunreinigungen während des Herstellungs-Prozesses). Mit solch tryptophan-haltigen Präparaten sollte also vorsichtig umgegangen werden. In den USA ist unter den depressions-vertreibenden Pillen Prozac die Nummer 1. Weltweit schlucken bereits Millionen Menschen diesen angeblichen Glücksbringer, der in Deutschland als Fluctin auf dem Markt ist. Viele 42 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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Benützer scheinen antidepressive und stimmungaufhellende Effekte zu spüren. Doch Kritiker warnen vor dem eventuell erhöhten Selbstmordrisiko bei dem eher antriebssteigernden Fluctin: der Tatendrang nimmt zu, die Stimmung bleibt zunächst noch depressiv. Auch mit anderen Risiken muß gerechnet werden; dazu gehören auch einige, zum Teil lebensgefährliche Organschäden. Wiederholte Studien zeigen, daß ein seit Jahrhunderten bekanntes pflanzliches Arzneimittel einen ähnlichen antidepressiven Effekt zeigt wie die klassischen chemischen Antidepressiva: Johanniskraut heißt die Wunderpflanze; sie wird zunehmend auch von der Schulmedizin akzeptiert und rezeptiert; Fertigpräparate mit Johanniskraut sind z. B.: Hyperforat, Psychotonin, Jarsin. Einteilung der Antidepressiva Die Antidepressiva lassen sich entsprechend ihrer Wirkungsweise in vier Gruppen einteilen: 1. Allgemein beruhigend, angstdämpfend, antriebsdämpfend: z. B. Laroxyl, Aponal. 2. Anregend-aktivierend, antriebssteigernd, hemmungslösend, manchmal auch etwas stimmungsaufhellend: z. B. Tofranil, Anafranil, Alival, Tolvin. Noch stärker antriebssteigernd und aktivierend sind: Nortrilen, Maximed, Pertofran. 3. Hochgradig antriebssteigernd, deutlich hemmungslösend: die sogenannten MAO-Hemmer (Parnate, Jatrosom). Diese Medikamentengruppe sollte wegen ihrer gefährlichen Nebenwirkungen grundsätzlich nicht mehr verwendet werden. 4. Sonstige chemische Antidepressiva (z. B. Fluctin). 5. Pflanzliche Antidepressiva.
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Die häufigsten Nebenwirkungen der chemischen Antidepressiva Wir haben es bereits erwähnt: Während die erwünschten Wirkungen der Antidepressiva, z. B. Stimmungsaufhellung, manchmal lange auf sich warten lassen, sind die Nebenwirkungen oft schon vom ersten Tag an zu spüren. Die Nebenwirkungen sind bei niedriger Dosierung relativ selten, treten aber bei mittlerer und höherer Dosierung ziemlich häufig auf. Leider vertreten viele Psychiater immer noch die Ansicht, daß viele Tabletten auch viel helfen müssen – in den meisten Nervenkliniken werden unverantwortlich hohe Antidepressiva-Dosierungen verabreicht. Dabei hat sich gezeigt, daß zu hohe Antidepressiva-Gaben evtl. sogar zu einer Verschlechterung der Depression führen. Erst wenn die ursprünglich zu hohen Dosierungen merklich reduziert wurden, besserte sich auch der therapeutische Effekt. Bei der Dosierung der Antidepressiva muß auch berücksichtigt werden, daß einige Antidepressiva eine sehr lange Verweildauer im Körper haben: Laroxyl und Saroten ca. 41–45 Stunden, Ludiomil 27–58 Stunden, Tofranil 13–17 Stunden. Dadurch kann es trotz gleichbleibender Tabletteneinnahme im Resultat zu einer Dosissteigerung (Kumulierung) kommen. Nicht nur bei hochdosierter und längerer Verabreichung, sondern auch bei den üblicherweise empfohlenen Dosierungen verursachen Antidepressiva manchmal einige folgenschwere körperlich-seelische Störungen. Sie sind in ihrem Ausmaß oft deshalb schwer abzuschätzen, weil von Person zu Person sehr unterschiedliche, ja gegensätzliche Nebenwirkungen auftreten können. Es muß dennoch betont werden, daß bei niedriger Dosierung die folgenden genannten Nebenwirkungen relativ selten sind. 44 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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Die Nebenwirkungen im einzelnen: – Blutdrucksenkung (evtl. bis zum Kollaps) oder erhöhter Blutdruck – Herzrasen oder zu langsamer Puls (selten Herzrhythmusstörungen, sehr selten sogar die Gefahr eines Herzinfarkts) – Muskelversteifungen oder Zittrigkeit – Mundtrockenheit oder übermäßige Speichelbildung und Schweißausbrüche – Durchfall oder Verstopfung bis zur Darmlähmung – Fieber oder Untertemperatur – Hitzewallungen oder Frösteln – übermäßige Müdigkeit oder starke Schlafstörungen und innere Unruhe – ständiger Harndrang oder Harnsperre – Gefahr von Krampfanfällen, verschiedenartige Sehstörungen – Neigung zu Alpträumen – Allergische Reaktionen, Leberfunktionsstörungen (selten Lebernekrosen) – Veränderungen des Hormonhaushaltes (z. B. Brustvergrößerung bei der Frau, Hodenvergrößerung beim Mann) – Selbstmordrisiko (bei antriebssteigernden Antidepressiva) – Extrem selten: Knochenmarksschwund, d. h. es werden keine Blutzellen mehr gebildet. Diese lebensgefährliche Wirkung kann offenbar von allen Antidepressiva ausgehen außer von Tryptophan. – Bei zu raschem Absetzen können folgende Beschwerden entstehen: Übelkeit, Unruhe, Schweißausbrüche, Schwindel etc. – Schon während der ersten Behandlungstage können evtl. Verwirrtheitszustände, Halluzinationen und Verwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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Wahnvorstellungen vorkommen. Die MAO-Hemmer (z. B. Parnate) sind stark antriebssteigernde Medikamente; ihre Einnahme ist mit lebensgefährlichen Risiken verbunden. Trotzdem werden sie immer noch verabreicht, vor allem von einigen Universitätskliniken. Ein Verbot dieser Medikamentengruppe wäre dringend erforderlich. (Zu pflanzlichen Antidepressiva siehe das Kapitel Alternative Behandlungsmöglichkeiten.)
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Lithium – ein Metall zur Beruhigung der Seele Lithium (z. B. Quilonorm, Hypnorex, Lithium-Duriles) wird von der Psychiatrie vor allem zur Langzeitbehandlung der ‘manisch-depressiven Krankheit’ eingesetzt. Darunter versteht die Psychiatrie das Erscheinen von hochgradig manischen bzw. schweren depressiven Krisen in Abständen von mehreren Monaten bis Jahren, die manchmal im Wechsel auftreten. Die sogenannte Manie ist im wesentlichen gekennzeichnet durch überoptimistische Stimmung und extremen Tatendrang und wird vom Betroffenen oft nicht als krankhaft, sondern als positives Lebensgefühl erlebt; seine Umgebung kann darunter jedoch sehr leiden, da der Betroffene eventuell ‘wahnsinnig’ viel Geld ausgibt, ‘verrückte’ Sachen anstellt etc. Aufgrund von Studien scheint sicher zu sein, daß unter Lithium-Behandlung schwere psychische Krisen seltener auftreten, aber: Nicht bei jedem Patienten ist dieses Medikament im gewünschten Sinne wirksam, jedoch muß mit teilweise schwerwiegenden Nebenwirkungen gerechnet werden: Müdigkeit, Tremor (feinschlägiges Zittern), Übelkeit und Durchfall, Muskelschwäche, Gewichtszunahme, Hautveränderungen (Akne etc.), bei DauerKombination mit Neuroleptika erhöhtes Risiko von Hirnschäden, Gedächtniseinschränkungen, verminderte Sexualität, vor allem aber Schilddrüsen- und Nierenveränderungen! Regelmäßige Blutspiegelkontrollen zur Vermeidung einer schleichenden Vergiftung sowie Untersuchungen von Schilddrüse und Nieren sind erforderlich; trotzdem ist das Risiko einer Überdosierung – mit entsprechenden, auch psychischen Störungen – beträchtlich. Verwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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Lithium sollte wegen ernstzunehmender Nebenwirkungen, hoher Vergiftungsgefahr und dem nicht auszuschließenden Risiko schwerer Spätschäden nur von Menschen eingenommen werden, die mehrmals unter schweren depressiven oder manischen Krisen zu leiden hatten und dadurch existentiell gefährdet waren und bei denen nicht-medikamentöse Maßnahmen (z. B. regelmäßige Psychotherapie) und verträglichere Medikamente (z. B. entsprechende Phytotherapeutika oder gegebenenfalls periodisch kurzzeitig Tranquilizer) keine Besserung gebracht haben. Ohne Lithium-Langzeitmedikation ist das Risiko des Wiederauftretens einer manisch-depressiven Krise offenbar größer. Der Betroffene muß sich entscheiden, ob er dieses Risiko tragen will. Und: “Einzelne Patienten empfinden [unter LithiumBehandlung] den Mischzustand zwischen ‘gesund’ und ‘krank’ so unangenehm, daß sie das Durchleben der Phasen vorziehen.” (Klaus Dörner in Irren ist menschlich)
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Tranquilizer – Glückspillen oder Betäubungsmittel? Als rosarote Brille für die Seele oder Volksbetäubungsmittel werden die Tranquilizer oft bezeichnet. Diese Medikamentengruppe (sogenannte Benzodiazepine), zu denen unter anderem Valium, Lexotanil und Frisium gehören, bringt der Pharmaindustrie millionenschwere Gewinne. Die Einnahme dieser Beruhigungspillen geschieht – im Gegensatz zu den Neuroleptika – meist freiwillig, aber viele Konsumenten sind sich zuwenig bewußt, daß sie mit diesen angenehm beruhigend wirkenden ‘Glückspillen’ sich eine sehr künstliche Harmonie für ihre Seele verschaffen. Valium und die anderen Benzodiazepine machen – vereinfacht gesagt – lasch, aber glücklich. Lebensumstände, die an sich unerträglich sind, die tatsächlich Angst und Unruhe erzeugen, werden durch Tranquilizer erträglich gemacht und so indirekt festgeschrieben. Leidet jemand unter Angstgefühlen, so kann dies ein wichtiges Warnsignal sein und bedeuten, daß man nach der Ursache der Angst suchen soll. Wenn dieser Jemand dagegen einen angstlösenden Tranquilizer nimmt, verschwindet seine Angst, das Warnsignal vergeht, die Ursache aber bleibt. Nebenwirkungen der Tranquilizer (Benzodiazepine) Die Nebenwirkungen von Tranquilizern sind individuell verschieden und abhängig von der Dosis und der Art des Präparats. Manche Nebenwirkungen sind eng verbunden mit einigen beabsichtigten Wirkungen: Müdigkeit, Schläfrigkeit, Gleichgültigkeit. Die bekannteste und durchaus Verwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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ernstzunehmende Nebenwirkung ist die Entwicklung von Abhängigkeit und Sucht. Weitere Nebenwirkungen: Einschränkung der Aufmerksamkeit, Konzentrationsschwäche, vermindertes Reaktionsvermögen (Fahrtauglichkeit reduziert!). Seltene Nebenwirkungen, vor allem bei zu hoher Dosierung: Muskelschwäche, verlangsamte Bewegungen, Doppeltsehen, Sprechstörungen, Schwindelgefühl, Taumelgang, Übelkeit, Kopfschmerzen, Teilnahmslosigkeit. Paradox-Wirkungen, vor allem bei alten Menschen mit Hirndurchblutungsstörungen: gereizte Verstimmung, Unruhe, Vergeßlichkeit, Schlafstörungen; sehr selten Krampfanfälle und Delirien. Bei mehrmonatiger oder gar mehrjähriger Dauer-Einnahme: Risiko einer Persönlichkeits-Abflachung. Manche Tranquilizer werden nur sehr langsam von Körper ausgeschieden: z. B. Diazepam (Valium) hat – nach einer einmaligen Einnahme – eine Verweildauer von 20 bis 40 Stunden! Wer also am Montagabend zum besseren Schlafen ein Valium 10 einnimmt und am Mittwoch früh einen Verkehrsunfall verursacht, der sollte hier durchaus einen Zusammenhang herstellen. Damit möglichst wenig Nebenwirkungen auftreten, ist wichtig: – vorsichtige (möglichst niedrige) Dosierung, – eventuell Präparate mit kurzer oder mittlerer Halbwertszeit (Verweildauer) wählen, z. B. Adumbran bzw. Oxazepam, – die möglichen Risiken im Auge behalten, – möglichst selten einnehmen (keine wochen- oder monatelange Dauer-Medikation).
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Sind Tranquilizer überhaupt zu empfehlen? Trotz der obengenannten Risiken muß gesagt werden, daß Tranquilizer bei bestimmten psychischen Störungen sinnvoll sein können, wenn auf andere Weise keine Abhilfe geschaffen werden kann. Solche Störungen sind: starke innere Unruhe, unklare Angstzustände, ausgeprägte psychosomatische Entgleisungen, ‘psychose’-ähnliche Krisen, quälende Schlafstörungen und andere depressive Beschwerden. Bei Beachtung bestimmter Richtlinien ist die Suchtgefahr relativ gering; zu beachten ist vor allem: – möglichst oft Behandlungspausen machen, – Dosis niedrig wählen und nicht erhöhen, – Einnahme auf wenige Tage oder Wochen beschränken (keine tagtägliche oder gar monatelange Dauer-Medikation!). – Risiken und unerwünschte Wirkungen sind immer wieder in Erinnerung zu rufen. Wer Suchtprobleme hat (z. B. regelmäßig Alkohol, Nikotin und / oder andere Drogen konsumiert), sollte gegenüber Tranquilizern extrem zurückhaltend sein. Eine Tranquilizer-Sucht entsteht nicht automatisch, sondern ist abhängig vom Persönlichkeitstyp, von einer ‘Suchtbereitschaft’, von positiver oder skeptischer Einstellung gegenüber chemischen Psychopharmaka, von der Berücksichtigung der obengenannten Richtlinien. Dennoch kann die Gewohnheit – die noch keine Sucht ist! – entstehen, real vorhandene Probleme durch eine Tranquilizer-Tablette ‘lösen’ zu wollen. Bei monate- oder jahrelanger Einnahme wächst das Risiko einer langsamen PersönlichkeitsAbflachung. Trotz der geschilderten Risiken haben Tranquilizer insgesamt weniger Nebenwirkungen als Antidepressiva und Verwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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sehr viel weniger als Neuroleptika; das heißt: Wer in psychischen Krisen chemische Psychopharmaka nehmen will (oder muß, weil er keinen anderen Ausweg sieht), sollte zuerst an Tranquilizer denken, und erst, wenn diese versagen, auf Antidepressiva und – notfalls – auf niederpotente Neuroleptika ausweichen. (Über neu auf den Markt gekommene Tranquilizer siehe Kapitel Schlafen und Schlaftabletten, über pflanzliche Sedativa siehe Kapitel Alternative Behandlungsmöglichkeiten.) Vor einigen Jahren wurde festgestellt, daß im menschlichen Gehirn spezifische Rezeptoren für ‘Valium’ sind – eine überraschende Entdeckung: Unser Hirn hat Rezeptoren, eigens für die Valiumpillen der Firma La Roche? Mittlerweile weiß man: Nicht nur Valium-Rezeptoren sind im Gehirn, sondern unser Gehirn produziert selbst valium-ähnliche (Transmitter-) Stoffe, die – auf natürliche Weise – für Relaxen, Ruhe, Gelassenheit sorgen. Und: Durch bestimmte Übungen, z. B. Autogenes Training oder entspannende Musik, läßt sich körpereigenes Valium (auch Endovalium genannt) mobilisieren. Zusammen mit den Endorphinen (körpereigenen Morphinen) gehört das Endovalium zu den beruhigenden und glücklich machenden körpereigenen Drogen.
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Schlafen und Schlaftabletten Unterschiedlich denken die Menschen über ihren Schlaf: Für die einen ist es das größte Glück, abends endlich in das warme Bett zu kuscheln und in Tiefschlaf zu versinken, die andern sehen den Schlaf als notwendiges Übel, das dem wachen Leben wertvolle Zeit stiehlt, wieder andere haben geradezu Angst vor der Nachtruhe, weil sie unter Schlafstörungen leiden .... Die Klage über Schlafstörungen ist weit verbreitet; doch gehören sie nicht zu den modernen Zivilisationskrankheiten: Schon vor 6000 Jahren kannten die alten Sumerer eine Heilpflanze, die den ersehnten Schlaf herbeizauberte und überdies Schwermut und Trauer vertrieb. Opium heißt diese Wundertinktur; sie wird aus der Kapsel des Schlafmohns gewonnen. Dieses wohl älteste Heilmittel der Menschen ist ein sehr wirksames Antidepressivum. Jedoch ist vom – auch gelegentlichen – Gebrauch als Schlafmittel ist abzuraten: Ein relativ hohe Dosis ist erforderlich, infolgedessen entstehen Nebenwirkungen und Suchtgefahr. Ungewollte längerdauernde Schlaflosigkeit zermürbt, macht schwermütig, aggressiv, kann gar Paranoia oder körperliche Krankheiten hervorrufen. So wird verständlich, daß Schlafgestörte auch bereit sind, auf chemische Weise den Weg in den Schlaf zu finden. Alle chemische Schlafmittel verändern – dosisabhängig – den Schlaf-Rhythmus, die Gesamtschlafzeit und die REM-Schlafphasen (und damit das Träumen). Im folgenden besprechen wir kurz die wichtigsten Schlafmittel. Die früher marktführenden barbiturat-haltigen Schlafmittel sind schlaf-erzwingend; bei entsprechender DosieVerwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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rung schläft jeder ein, ob er will oder nicht. Die Barbiturate (z. B. Luminal) sind wegen gravierender Risiken und hohem Suchtpotential als Schlafmittel nicht mehr im Angebot. Dennoch zählen – absichtlich herbeigeführte – Barbituratvergiftungen in den westlichen Ländern immer noch zu den häufigsten Suizid-Arten. Als Schlafmittel sollten Barbiturate keinesfalls verwendet werden. Über 100 Jahre alt ist das Schlafmittel Chlorathydrat (Chloraldurat). Es hat nicht nur einen unangenehmen Geschmack, sondern kann unangenehme Nebenwirkungen haben – wenn auch selten. Überaus häufig werden als Schlafmittel sogenannte Antihistaminika (Allergiemittel) allabendlich konsumiert. Diese Mittel sind eigentlich zur Behandlung von Allergien entwickelt worden; da sie aber müde machen, werden sie auch als Schlafmittel angepriesen, z. B.: Halbmond, Valeriana-Hevert, Vivinox, Munleit etc. Zahlreiche Nebenwirkungen sind möglich, aber offenbar nicht häufig und selten lebensbedrohlich: So sind diese Schlafmittel rezeptfrei in jeder Apotheke zu kriegen. Entsprechend hoch ist der Umsatz. Einige der bereits beschriebenen Tranquilizer machen nicht nur ruhig, sondern müde bis schläfrig und werden deshalb gerne – weil verträglich – allabendlich als Schlummerpille geschluckt, z. B. Mogadan, Dalmadorm, Noctamid, Adumbran etc. Im Gegensatz zu den schlaf-erzwingenden Barbituraten wirken die Tranquilizer primär ‘nur’ allgemein-beruhigend, also schlaf-bahnend. Da die müdemachende Wirkung der Tranquilizer als überwiegend angenehm empfunden wird, werden die damit einhergehenden Risiken oft ignoriert, vor allem Persönlichkeitsabflachung (bei mehrmonatiger oder gar mehrjähriger Einnahme), Abhängigkeit und Sucht. Bei anhaltender, quälender Schlaflosigkeit kann der Einsatz von Tranqui54 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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lizern dennoch überlegt werden, wenn vorangegangene Versuche mit natürlichen Methoden der Schlafförderung und mit pflanzlichen Beruhigungsmitteln nicht gefruchtet haben. Jedoch ist eine wochenlange Einnahme nicht zu empfehlen. Von der Werbung heftig angepriesen werden neue chemische Tranquilizer, z. B. Bikalm, Stilnox, Ximovan. Wahrscheinlich muß mit mehr Nebenwirkungen gerechnet werden als bei seit langem bekannten Benzodiazepinen, und auch das Suchtrisiko ist offenbar ähnlich. Wesentlich für unsere natürliche Schlafregelung ist offenbar die körpereigene Droge Melatonin. Dieser Stoff wird nunmehr seit einigen Jahren auch in Pillenform angeboten und – vor allem in den USA – tonnenweise geschluckt. Da die Melatonin-Tabletten relativ hoch dosiert sind, muß trotz der eigentlichen Natürlichkeit des Stoffes mit Nebenwirkungen gerechnet werden, z. B. Tagesmüdigkeit oder Depressionen. Die Frage stellt sich: Warum Melatonin schlucken, wenn der Körper es selbst produziert? Von manchen Ärzten werden auch niederpotente Neuroleptika und müdemachende chemische Antidepressiva bei Schlafstörungen rezeptiert. Wegen der erheblichen Risiken sind diese beiden Medikamentengruppen als Schlafmittel nicht zu empfehlen. Abschließend sei noch an ein chemisches Schlafmittel erinnert, das traurige Berühmtheit erlangt hat: Contergan. Wegen der fruchtschädigenden Wirkung dieser Substanz wurden 10.000 behinderte Kinder geboren.
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Alternative Überlegungen zur Schlafförderung Bevor zu einer Schlaftablette gegriffen wird, sollten die Ursachen der Schlafstörung erforscht werden: Streß? Nikotin? Ängste? Lärm? Schlechte Matratze? Und so weiter. Allerlei Formen von Entspannungsübungen wie Autogenes Training, Atemübungen etc. können erlernt und so schlafbahnend eingesetzt werden. Beruhigende Bäder mit Zusätzen wie Baldrian etc. können hilfreich sein. Zahlreiche pflanzliche Schlaf- und Beruhigungsmittel sind in der Volksheilkunde bekannt: Baldrian, Melisse, Hopfen, Passionsblume, Pomeranze etc. Diese ‘PhytoTranquilizer’ gibt es als Tabletten, Tropfen oder als Tee. Auch die Homöopathie kann bei den verschiedenen Formen von Schlafstörungen sehr nachhaltige Besserung bringen.
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Gewöhnung – Abhängigkeit – Sucht Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 1964 psychische Abhängigkeit folgendermaßen umschrieben: “Unbezwingbares seelisches Verlangen, die Einnahme einer Droge fortzusetzen mit dem Bedürfnis, sie sich um jeden Preis zu beschaffen.” Eine zusätzliche körperliche Abhängigkeit besteht, wenn der Betroffene die starke Neigung hat, die Drogendosis ständig zu steigern, und wenn er beim Absetzen der Droge unter erheblichen seelisch-körperlichen Beschwerden leidet (Entzugserscheinungen). Man unterscheidet also zwischen einer psychischen und einer körperlichen Abhängigkeit. Ist jemand ‘drogenabhängig’, so besteht immer eine psychische Abhängigkeit; eine körperliche Abhängigkeit kann, muß aber nicht vorliegen. Statt des Begriffs ‘Drogenabhängigkeit’ wird auch noch die ältere, etwa gleichbedeutende Bezeichnung ‘Drogensucht’ benutzt. Mit ‘Gewöhnung’ meint man heutzutage vor allem die abnehmende Empfindlichkeit des Körpers gegenüber regelmäßig zugeführten chemischen Stoffen, was dann zu einer Dosissteigerung führen kann. Der Begriff ‘Drogengewöhnung’ wurde früher auch zur Bezeichnung einer leichten psychischen Abhängigkeit gebraucht; hierfür ist charakteristisch der Wunsch – nicht aber das unwiderstehliche Bedürfnis –, eine Droge immer wieder zu konsumieren, um eine Gefühl des Wohlbefindens herbeizuführen (ohne körperliche Abhängigkeit). Eine Abhängigkeit kann sich bei manchen Drogen schon nach Wochen entwickeln, z. B. bei intravenös gegebenem Heroin, oder erst nach Monaten oder Jahren, z. B. bei Alkohol. Eine ‘Sucht’ entsteht aber nicht automatisch Verwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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bei jedem Drogenbenutzer: Wer z. B. Heroin als (niedrigdosierte) Lösung schluckt, wird deshalb keineswegs gleich heroinsüchtig. Entscheidend für die Entwicklung einer Abhängigkeit ist vielmehr ein heftiges inneres Verlangen – beispielsweise nach einem beglückenden Rauschzustand. Heroin war 25 Jahre lang (!) als Hustenmittel auf dem Markt, ohne daß seine stark süchtigmachende Wirkung aufgefallen wäre. Als 1898 die Firma Bayer Heroin als Medikament herausbrachte, lobte sie vor allem die nichtsuchterzeugenden Eigenschaften. Unzählige Patienten nahmen Heroin zur Behandlung ihres Hustens, strebten aber nicht nach irgendeinem euphorischen Rauschzustand – hierfür hätten sie auch große Mengen von Hustensaft einnehmen müssen. Erst durch intravenöse Verabreichung entfaltet sich das Suchtrisiko von Heroin. Gibt es ein Recht des Individuums auf Drogen? Legale und illegale Drogen? Drogen auf Rezept und Drogen auf dem Schwarzmarkt? Eine leichte oder völlige Abhängigkeit von illegalen Drogen muß keineswegs immer mit Selbst-Untergang einhergehen – solange die sozialen Bedingungen für den Betroffenen günstig sind: “Auch wenn es die herrschende Meinung noch immer nicht glauben will, es ist wahr und vielfach bewiesen, schon durch die süchtigen Ärzte der zwanziger Jahre: Der Mensch kann mit allen morphinhaltigen Produkten des Schlafmohns, selbst mit Heroin alt werden. Der tagtägliche Junkie-Tod ist ein Tod durch Asozialität, und nur insofern ein Drogentod, da der verdreckte, gestreckte Stoff von der Straße nie richtig zu dosieren ist.” (die Journalistin Ariane Barth) Wenn in Medien über drogenbedingte Krankheiten oder gar über Drogentote berichtet wird, denkt man meist sofort an illegale Drogen. Wer macht sich schon klar, daß die ärztlich rezeptierten Drogen sehr viel mehr Schäden 58 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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anrichten: Millionen leider unter Persönlichkeitszerstörungen infolge von Langzeitbehandlung durch Neuroleptika oder sind abhängig gemacht worden von Barbituraten oder Tranquilizern. Keine Staatsanwaltschaft geht gegen die Drogendealer im weißen Kittel oder gegen die legalen Drogenkonzerne vor. Unzählige Verbraucher werden von Schlaf- und Beruhigungspillen abhängig gemacht – das bringt Millionen und Abermillionen Gewinne. Der Präsident der Berliner Ärztekammer, Ellis Huber, schätzt die Zahl der durch ärztliche Verordnungen tablettensüchtig gewordenen Menschen in Deutschland auf 900.000 (Süddeutsche Zeitung, 31.8.92). Damit man ‘um jeden Preis’ ein angenehmes Lebensgefühl erreicht, muß man sich keineswegs auf Drogen stürzen – einige Gewohnheiten können denselben Zweck erfüllen und sind bei manchen längst zur Sucht geworden: Fernsehsucht, Freßsucht, Profilierungssucht, Sexsucht, Spielsucht, Machtsucht, Fortschrittssucht, Arbeitssucht ... Der eine oder andere zeigt gar Entzugserscheinungen, wenn man ihm die Droge Fernsehen oder die Droge Arbeit entzieht: unberechenbare Stimmungsschwankungen können auftreten, innere Unruhe oder Depressionen, Apathie. Und betrachten wir – dies ist nicht ironisch gemeint – die fortschrittssüchtige Atomlobby, dann zeigt diese, trotz Tschernobyl, ein ‘unbezwingbares Verlangen’, die begonnene Atomarisierung ‘um jeden Preis’ fortzusetzen. Und ähnliches gilt für die wahnsinnige, waffensüchtige Aufrüstung: Bis zur drohenden Selbstvernichtung verschaffen sich einige Staaten chemische und atomare Waffen-Arsenale, um jeden Preis, unbelehrbar, und mit einer Gier, die jeden Heroinsüchtigen weit übertrifft.
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Wilde Flügel oder Rausch für die Seele – Stimulanzien und Euphorika Psychostimulanzien – z. B. Captagon, AN 1, Kokain – und Euphorika – Alkohol, Cannabis, Opium etc. – haben eine zweischneidige Wirkung: einerseits können sie Anpassung erleichtern oder unmenschliche Arbeitsanforderungen erträglicher machen, andererseits aber auch einen befreienden Effekt haben oder freiwillige Maximal-Leistungen ermöglichen. Bei nicht-regelmäßigem Gebrauch sind die Nebenwirkungen einigermaßen überschaubar (aber dosisabhängig!), und viele Nebenwirkungen sowie Risiken sind dem Benutzer aus Erfahrung bekannt, z. B. bei Kokain oder Alkohol. Aber: Sowohl bei Psychostimulanzien als auch bei Euphorika ist die Suchtgefahr beträchtlich und ernstzunehmen! Und: Einige Drogen sind illegal. Unter all den pflanzlichen Drogen, die berauschend oder stimulierend wirken – Kokain, Cannabis, Opium, Alkohol, Nikotin etc. – ist Cannabis neben Opium die Droge mit den geringsten ‘Nebenwirkungen’. Grundsätzlich sind bei regelmäßigem Cannabis-Konsum keine Organschäden zu erwarten, ganz anders als beim Alkohol, wo mit einer Vielfalt von Organschädigungen gerechnet werden muß. Im Gegensatz zu Alkohol fällt Cannabis – also Haschisch und Marihuana – unter das Betäubungsmittelgesetz, das den nicht-ärztlichen Umgang mit ‘süchtigmachenden’ Stoffen unter Strafe stellt. Medizinisch gesehen ist dies nicht gerechtfertigt; hierzu die Professoren Hänsel / Haas: “Haschisch erzeugt keine körperliche und nur eine mäßig starke psychische Abhängigkeit.” Beim Absetzen der Droge treten keine körperlichen, wohl aber 60 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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psychische Abstinenzsymptome auf. Bei längerfristigem und höherdosiertem Gebrauch entsteht psychische Gewöhnung – geringer als beim Alkohol –, da sich mit dieser Soft-Droge allerlei Probleme ‘bewältigen’ lassen. Durch regelmäßigen Cannabiskonsum entsteht – ähnlich wie bei Tranquilizern, Opium, Alkohol – ein hohes Maß an Gelassenheit oder Gleichgültigkeit, das zu einer gewissen Persönlichkeitsabflachung führen kann. Da in einem durch Cannabis hervorgerufenen ego-zentrierten Glücklichsein das Erleben der Mitmenschen und die Wahrnehmung von Konflikten verschwimmen, kann eine innere Isolierung von der sozialen Mitwelt entstehen. Wahrscheinlich liegt die unterschiedliche Auslegung des Betäubungsmittelgesetzes bezüglich Alkohol und Cannabis darin begründet, daß einerseits mit dem Alkohol erhebliche wirtschaftliche Interessen verknüpft sind. Andererseits soll wohl durch die Kriminalisierung von Cannabis eine soziale Kontrolle der Konsumenten erreicht werden, die zum Teil eine nicht unbedingt systemkonforme politische Einstellung und Lebensauffassung vertreten. (Über die Anwendung von Cannabis als beruhigendes und antidepressives Mittel siehe unten). Alkohol ist in Europa und Nordamerika die Volksdroge Nr. 1 und rezeptfrei überall zu haben. Dafür werden allein in Deutschland mehr als 50 Milliarden DM ausgegeben, woran Staat und Genußmittelindustrie gut verdienen. Mehr als 2 Millionen Menschen gelten als alkoholkrank, d. h., sie konsumieren große Mengen Alkohol länger als ein Jahr und haben die Kontrolle über das Trinken verloren. Der gelegentliche Genuß von Alkohol zur leichteren Bewältigung von psychischen Störungen hat nichts mit Alkoholismus zu tun. Dennoch sollte klar sein, daß Alkohol eine Reihe von unerwünschten Wirkungen zeigt, vor Verwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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allem bei längeren und stärkeren Konsum: Es besteht das Risiko von Leberverfettung, Leberzirrhose, Polyneuropathie, Potenzstörungen, Magen-Darmerkrankungen, Vitaminmangel und Hirnschädigungen. Alkohol zeigt viele Aspekte: Er ist – als Bier oder Wein – Teil unserer Tischkultur ... ist Genußmittel ... euphorisierendes Rauschmittel ... sakrale Droge (Meßwein) ... antidepressiv wirksame, beruhigende Droge ... ein Suchtmittel ... in Europa und Nordamerika die wichtigste legale Droge .... Opium ist in einigen Ländern Asiens als Genußdroge gebräuchlich; in den europäischen Ländern ist der Konsum von Opium als Genuß- oder Rauschmittel illegal, opiathaltige Medikamente unterliegen der Betäubungsmittelverordnung. In Opium sind mehrere hochwirksame Stoffe enthalten, zum Beispiel Morphin und Codein. Darüber hinaus gibt es synthetisch hergestellte Opiate, die von der Medizin vor allem zur Behandlung starker Schmerzzustände eingesetzt werden, die aber auch zur Beruhigung bei psychischen Erregungszuständen oder bei depressiven Störungen eingesetzt werden können, z. B. Dolantin, Temgesic, Fortral, Valoron. Vor allem die synthetischen Opiate haben einige Nebenwirkungen wie Übelkeit, Verstopfung, Schwindel, Kreislaufschwäche, Dämpfung des Atemzentrums etc. Zur Gruppe der synthetischen Opiate gehört auch das allseits sehr bekannte Suchtmittel Heroin. Beim Entzug von Heroin wird oft eine sogenannte Substitutionsbehandlung mit Methadon bzw. mit Codeinsaft geboten. Hier wird eigentlich kein Drogenentzug, sondern ein Drogenwechsel vorgenommen. Die Substitutionsbehandlung ist zwar verträglicher als das – oft verunreinigte – Heroin und findet im legalen Rahmen statt, beinhaltet aber auch ernstzunehmende Risiken. 62 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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Das – rein pflanzliche – Opium als Tinktur oder das daraus gewonnene Morphium werden vom menschlichen Körper erstaunlich gut vertragen, denn der menschliche Körper produziert selbst opium- bzw. morphium-ähnliche Substanzen, sogenannte Endorphine. Das Morphium aus dem Preßsaft der Mohnpflanze und das körpereigene Morphium docken im menschlichen Gehirn an dieselben Rezeptoren an. Die körpereigenen Endorphine reagieren bei Angst und Streß und bringen uns angenehme Ruhe, vertreiben starke Schmerzen und verwandeln depressives Traurigsein in Gleichmut und Harmonie. Opiumtinktur und die synthetischen Opiate werden – vereinfacht gesagt – in niedriger und mittlerer Dosierung als Medizin eingesetzt und wirken in höherer Dosierung als Rauschmittel. Wer sich mit Opiaten in Euphorie versetzt, geht in das Risiko körperlicher und psychischer Abhängigkeit: immer wieder entsteht das Verlangen, das durch Opiate herbeigeführte ‘wunschlose Glück’ wieder zu erlangen ... Kokain (auch: Cocain) wird aus den Blättern des KokaStrauchs extrahiert. Koka und Kokain werden oft miteinander verwechselt – doch es muß zwischen ihnen unterschieden werden: Die Koka-Pflanze gehört zu den ältesten Heil- und Kulturpflanzen der Menschheit; mehrere tausend Jahre umfaßt ihre Geschichte. Als ihre ursprüngliche Heimat gilt die Gegend des heutigen Peru. Die rohen Koka-Blätter werden von den Indios gekaut oder aufgebrüht; die Wirkung ist ähnlich der von Kaffee oder Tee. Auch als Hausmittel zur Linderung von allerlei Krankheiten ist es im Gebrauch. Erst durch einen chemischen Extraktionsprozeß wird aus der Koka-Pflanze die bei uns gebräuchliche Droge Kokain gewonnen. Verwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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Um die Jahrhundertwende kam das Schnupfen von Kokainpulver in Mode, zuerst in den USA, dann in Europa. Die Psychiater jener Zeit rezeptierten Kokain als Arznei, zur Behandlung der Melancholie. Auch heutzutage wäre Kokain – z. B. als Tinktur oder verpackt in Dragees – in niedriger (!) Dosierung eine erleichternde, hilfreiche Arznei für Menschen mit depressiven Hemmungen. Bei zeitlich begrenzter Anwendung ließen sich die Nebenwirkungen wohl auf ein überschaubares Maß limitieren; die Suchtgefahr ließe sich wohl ganz vermeiden, wenn bestimmte Vorsichtsmaßnahmen beherzigt würden. Sicherlich wäre eine verantwortungsvoll durchgeführte ‘kontrollierte’ Behandlung mit der uralten Kulturpflanze Koka viel angenehmer und risikoärmer als beispielsweise die psychiatrische Behandlung mit den nicht selten lebensgefährlichen MAO-Hemmern. In Europa und Nordamerika spielte Kokain schon immer zwei unterschiedliche Rollen – einmal als antidepressive Arznei (in relativ niedriger Dosierung), zum zweiten als Suchtstoff, den man nimmt, um ‘gut drauf’ zu sein, um der Seele einen wunderbaren, himmelberauschenden Schwung zu geben ... Bei letzterem sind dann leider einige ernst zu nehmende Nebenwirkungen zu erwarten. Bei ständigem, jahrelangem Kokainkonsum muß durchaus mit seelisch-körperlichen Schädigungen gerechnet werden: Herz- und Kreislaufstörungen, Nasenschleimhautschäden (wenn es geschnupft wird), Störungen des zentralen Nervensystems und anderer Organe, Wahnideen und andere Persönlichkeitsveränderungen, lebensgefährliche Entkräftung etc. Bei kurzzeitigem und nicht-regelmäßigem Gebrauch halten sich die unerwünschten Wirkungen in Grenzen und treten bei niedriger Dosierung gar nicht oder kaum in Erscheinung. So überwiegen bei den meisten Gelegenheitskonsumenten die positiven 64 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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Eigenschaften: seelisch-körperliche Leistungsförderung, sexuelle Lustvermehrung, enthemmende und stimmungshebende Wirkung. In früheren Jahrzehnten war Kokain in Europa und den USA wegen des hohen Preises nur für wenige zu haben. Mittlerweile sind die Preise niedriger geworden und nimmt auch der Konsum in diesen Ländern zu: in Europa nehmen mehrere Hunderttausend regelmäßig diese beflügelnde Glücksdroge, in den USA sind es ein paar Millionen. Als Sigmund Freud Koka für sich entdeckte, war er von dieser uralten Droge überaus angetan; er schrieb vor mehr als hundert Jahren sehr euphorisch: “Die hauptsächliche Anwendung der Coca wird wohl die bleiben, welche die Indianer seit Jahrhunderten von ihr gemacht haben: überall dort, wo es darauf ankommt, die physische Leistungsfähigkeit des Körpers für eine gegebene kurze Zeit zu erhöhen und für neue Anforderungen zu erhalten, besonders wenn äussere Verhältnisse eine der grösseren Arbeit entsprechende Ruhe und Nahrungsaufnahme verhindern. So im Kriege, auf Reisen, Bergbesteigungen, Expeditionen u. dgl., wo ja auch die Alkoholica einen anerkannten Werth haben. Die Coca ist ein weit kräftigeres und unschädlicheres Stimulans als der Alkohol und ihrer Anwendung in grossem Masstabe steht derzeit nur ihr hoher Preis im Wege.” Stellen Sie sich bitte folgendes Szenario vor: Wegen des enormen Bierkonsums in den USA werden von amerikanischen Spezialeinheiten die ausgedehnten Hopfenfelder in der bayerischen Holledau zerstört. So absurd dies klingt – in Süd-Amerika findet vergleichbares statt: Den extremen Kokain-Konsum bekämpfen die USA weniger im eigenen Lande sondern dadurch, daß sie zum Beispiel in der Region Chapare (Bolivien) die Felder der Koka-BauVerwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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ern zerstören lassen und damit den Bauersfamilien die Lebensgrundlage rauben. Amphetamine waren früher einmal als medikamentöse Appetitzügler im Handel, sind aber wegen erheblicher Gefährlichkeit längst aus dem Arzneimittelangebot gestrichen. Auf dem Schwarzmarkt sind aber verschiedene Amphetamine und Amphetamin-Abkömmlinge – wozu auch Extasy und andere Designer-Drogen gehören – relativ preiswert zu kriegen. Da die genaue chemische Zusammensetzung oft unklar ist, sind auch die Risiken oft schwer abzuschätzen; vom Amphetamin-Konsum ist deshalb grundsätzlich abzuraten. Neues Psycho-Outfit durch Designer-Drogen? Wird Kokain chemisch mit Backpulver veredelt, so entsteht, wenn’s richtig gemacht wird, Crack, gewissermaßen Mega-Koks. Crack muß – zum Beispiel per Wasserpfeife – geraucht werden und wirkt ähnlich wie Kokain, nur viel schneller und intensiver. Ein Gefühl von Glück und Euphorie schwillt mächtig an, doch vergeht es manchmal schon nach wenigen Minuten. Entzugs-Depression könnte als Nebenwirkung genannt werden, doch hinzu kommen viele andere Risiken, zum Beispiel nachhaltige, manchmal auch lebensgefährliche Organschäden. XTC oder Extasy ist ein Lieblingsthema der bürgerlichen Presse, wenn sie über Jugend, Disco, Techno, Rave konfabuliert ... Man schätzt, daß in Deutschland etwa eine halbe Million meist jugendliche Menschen schon mal XTC probiert haben. Von Designerdrogen spricht man hier, denn: ausgehend vom altbekannten Aufputschmittel Methamphetamin wird chemisch die Molekülstruktur modifiziert, und so entstehen manchmal eher stimulierende und manch66 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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mal eher wahrnehmungsverändernde Substanzen. Wer eine XTC-Pille kauft, weiß nicht genau, was er da erwirbt – er vertraut einem illegalen Labor, das er nicht einmal kennt. Und warum geht man dieses Risiko ein? XTC bringt vielen Usern wunderbare Gefühle: Wärme, intensivste Wahrnehmung, Liebesströmungen und das Empfinden unendlicher Energie ... Ich-Grenzen können in Trance und Euphorie verschwimmen ... Doch auch Horror-Trips sind möglich: Paranoia und Bewußtseinsverlust, Herzrasen bis zur Todesgrenze, mehrerlei Organschäden ... XTC-Pillen schlucken oder Arznei-Pillen schlucken – deren Inhalt man ebenfalls nicht wirklich kennt: Mehr als 40 Prozent der 12- bis 18jährigen konsumieren mehr oder weniger regelmäßig Kopfschmerz-Pillen, Grippe-Pillen, Beruhigungs-Pillen ... die Grenzen zwischen weniger gefährlichen und risikovollen, zwischen legalen und illegalen Pillen verwischen sich. Die Medien prangern gefährliche Pillen an – doch anstatt die fast allmächtige Pharmaindustrie anzugreifen, die Milliardenumsätze macht mit Mitteln, von denen einige weit mehr Risiken bergen als XTC, werden nur die illegalen Drogen attackiert. Es wächst die Sehnsucht nach Drogen, die die innere Wärme und Pseudo-Liebe verleihen, zu Glück und Euphorie führen ... Wenn der Trend so weitergeht, wird es bald nicht 100, sondern 1.000 oder 100.000 unterschiedliche Designer-Glücks-Pillen geben – egal, ob legal oder illegal ... Halleluja .... Halleluja ...
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Reise in die Welt der Träume – psychedelische Drogen Psychedelische Drogen wie LSD, Mescalin etc., auch Halluzinogene genannt, können dazu dienen, das Bewußtsein, die Empfindungsfähigkeit zu erweitern, bislang Verborgenes in der eigenen Seele zu entdecken. Doch ist diese durch Drogen ermöglichte Reise in die eigene Innenwelt durchaus mit ernstzunehmenden Risiken verbunden: Wer solche Drogen probiert, sollte ausreichend stabil sein und sollte eine Person um sich haben, die nüchtern bleibt. Halluzinogene wurden auch zu psychotherapeutischen Zwecken eingesetzt. Suchtgefahr besteht bei LSD kaum, da die trips keineswegs nur angenehm sind, ja sogar in bad trips oder horror trips entarten können. In fast allen Staaten gelten die meisten Halluzinogene als illegale Drogen. Die Erlebnisse während des LSD-Rausches werden nicht von der Droge produziert, sondern sind bisher unbekannte Teile der eigenen Persönlichkeit: “Sehr wichtig ist, daß jede der Erfahrungen, die unter LSD auftreten, auch ohne LSD möglich ist. Ich möchte noch einmal betonen: LSD ist ein Katalysator; es ist keine Drogenerfahrung, sondern es ist eine Erfahrung des Selbst.” (Stanislav Grof, ein ehemaliger LSD-Psychotherapeut) LSD sollte – wenn überhaupt – nur in vorbereiteten Ausnahmesituationen genommen werden; es ist allerdings zu bedenken, daß Verlauf und Inhalt eines LSD-Rausches nicht genau vorherzubestimmen sind. Für einen Rauschzustand reichen bereits geringste Mengen; dies liegt daran, daß im menschlichen Gehirn spezifische Rezeptoren für psychedelische Stoffe sind, an die das LSD ankoppeln 68 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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kann. Es gibt viele Hinweise dafür, daß das menschliche Gehirn sein eigenes LSD produziert. “In der Möglichkeit, die ... Meditation von der stofflichen Seite her zu unterstützen, sehe ich die eigentliche Bedeutung von LSD. Eine solche Anwendung entspricht ganz dem Wesen und Wirkungscharakter von LSD als sakraler Droge.” (Albert Hofmann, der Erfinder des LSD) Zu psychedelischen Drogen zählen die synthetisch hergestellten LSD und DOM, ferner Mescalin aus dem Peyotlkaktus, Extrakte aus ‘holy mushrooms’ etc. LSD und Co eröffnen zweifellos die Möglichkeit, ‘überirdische’, völlig ‘verrückte’ Erfahrungen zu sammeln, in bisher unbekannte Tiefen des Seins vorzudringen, die sonst vielleicht verschlossen blieben. Dennoch sollte in Erinnerung bleiben: Halluzinogene sind illegale Drogen. Außerdem ist ihre Anwendung mit bemerkenswerten Risiken verbunden: psychische Krisen, Verstärkung bestehender Depressionen, Verlust von Selbstkontrolle, Übelkeit, Schwindel, Zittern und so weiter, Hirnschaden bei verunreinigten Substanzen etc. Viele sehen in einem ‘Trip’ eine Reise in die Tiefe des eigenen Ichs, eine Möglichkeit zu vermehrter Selbsterkenntnis und Erfahrung. Eine vergleichbare Reise, ein Auflösen der Grenzen zwischen Innen- und Außenwelt, bis hin zu einem ekstatischen Zustand, läßt sich auch auf manch andere Weise, ohne Halluzinogene erreichen: etwa über bestimmte Meditationsarten und Tagtraumübungen, Trance durch Autosuggestion, Hyperventilation (übermäßig schnelles Atmen), völligen Reizentzug (zum Beispiel Fasten in der Wüste), exzessives Tanzen oder sexuellen Orgasmus. Solche Reisen in unbekannte, neu zu entdekkende Teile unserer Seele lassen sich durch weniger gefährliche Rauschmittel wie Haschisch oder Alkohol immerhin etwas erleichtern. Verwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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Hirnenergetika – Wunderpillen für das Gehirn? In großformatigen Anzeigen und in den Schaufenstern der Apotheken werden vielerlei ‘Wundermittel’ angepriesen. Mittel, die lernschwachen Kindern oder alten Leuten ein besseres Gedächtnis versprechen, die angeblich die Konzentrations- und Denkfähigkeit erhöhen sollen. Solche Mittel werden Hirnenergetika, Psychoenergetika oder Nootropika genannt (z. B. Helfergin, Dusodril, Hydergin, Trental, Normabrain). Unzählige pharmakologische Studien ‘beweisen’ jeweils für ein Präparat allerlei positive Effekte im Gehirn. Doch bei näherer Betrachtung wird klar, daß es sich dabei bestenfalls um vorübergehende oder partielle Erfolge handelt, und daß überdies die Schwierigkeit besteht, den Therapieerfolg objektiv zu messen. In einem Psychopharmakologie-Lehrbuch heißt es hierzu: “Auffallend ist, daß in vielen Studien hohe Erfolgsraten unter Placebo [Scheinmedikament] und nur geringgradige Unterschiede zum Erfolg unter Verumbedingungen [Einsatz von Hirnenergetika] gefunden werden konnten.” (H. J. Möller u. a.) Oft sind also die chemischen Hirnenergetika nicht besser als ein Placebo, dennoch muß mit – teilweise deutlichen – Nebenwirkungen gerechnet werden. Tausendjährig sind die Erfahrungen mit dem Trockenextrakt aus Gingko-Blättern, der die Leistungsfähigkeit des Gehirns vermehrt. Diese Arznei vom Gingko-Baum, der auch Baum der Weisheit genannt wird, vollbringt keineswegs Wunder, doch der Erfolg – z. B. besseres Gedächtnis – kann sich gut mit den chemischen Hirnenergetika messen und hat kaum Nebenwirkungen. 70 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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Weitere chemische Psychodrogen Andere ‘Psychodrogen’ wie z. B. Anti-Parkinson-Mittel, Anti-Epilepsie-Medikamente, Beta-Blocker etc. spielen ganz überwiegend in der Behandlung von neurologischen und internistischen Krankheiten eine Rolle; deshalb werden sie grundsätzlich nicht zu den Psychopharmaka gerechnet. Ein Antiepilepsiemittel wird jedoch von der Psychiatrie eingesetzt: Carbamazepin (Tegretal). Es soll bei der sogenannten manisch-depressiven Krankheit weitere Krisen vermindern. Carbamazepin ist vom früheren Bundesgesundheitsamt eigentlich nur “für den Fall zugelassen, daß eine Lithium-Therapie versagt hat oder Lithium nicht angewendet werden darf” (O. Benkert). Der prophylaktische Effekt bei Tegretal-Langzeitbehandlung ist unsicher und mit zahlreichen Nebenwirkungen belastet, von heftigen Hautreaktionen bis zu Herzrhythmusstörungen. Zum Thema ‘Pharmaka beim Drogenentzug’ fand bereits die Substitutionsbehandlung bei Heroinverzicht Erwähnung (Seite 63). Beim akuten Alkoholentzug wird seit Jahrzehnten Distraneurin angewandt, dessen Anwendung wegen vieler Risiken jedoch sorgsam überwacht werden muß. Leider werden mit Distraneurin nicht selten verwirrte alte Menschen in Heimen ruhiggestellt – dies ist unverantwortlich. Auch als Schlafmittel ist Distraneurin – wegen der Risiken – ungeeignet. Andere schulpsychiatrische ‘Behandlungs’-Methoden sind Psychochirurgie, Insulinschock und Elektroschock. Diese Methoden sind unmenschlich und ausnahmslos abzulehnen. Verwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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Alternative Behandlungsmöglichkeiten Um in einer psychischen Krise einen Ausweg zu finden, braucht man all seine Energien, auch ein intaktes Gehirn, das nicht durch Psychopharmaka gedämpft werden soll. Tatsächlich wäre es eine Chance, unter Verzicht auf Psychopharmaka in einem selbstgeschaffenen Vakuum sich frei – und unvorbelastet – auseinanderzusetzen mit seelischen Grenzsituationen, irrealen Bewußtseinszuständen, mit menschlichem Leid oder Angst ... ohne gleich mit einer vorgegebenen Schematisierung zu reagieren, ohne gleich therapieren und normalisieren zu wollen. Chaotisches Verhalten oder paralogische Gedanken müßten nicht mit ‘psychischer Krankheit’ gleichgesetzt werden. Um zu einer offeneren und humaneren Einstellung zu gelangen, bräuchten psychiatrisch Tätige mehr Überblick, sie müßten auch wahrnehmen, was jenseits der engen Mauern ihrer Schulpsychiatrie geschieht, und darüber nachdenken, daß “jede menschliche Seele ein unfaßbares Universum ist, ein Suchen, Finden und Ahnen ohne Ende” (J. Scopin), und daß Grenzerfahrungen und Grenz-Überschreitungen zum Mensch-Sein gehören, und ebenso spirituelle Erfahrungen, mystische Visionen, Schamanismus, LSD-Rausch, Ekstasen und eidetische Fähigkeiten ... Wenn ein Psychiater einem Visionär, Schamanen oder paralogischen Gedankenkünstler staunend gegenübertritt und nichts versteht, dann leitet sich für ihn – den Psychiater – daraus noch lange nicht das Recht ab, sein Gegenüber als ‘geisteskrank’ zu bezeichnen und mit der chemischen Keule auf ihn einzuschlagen ... 72 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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... Ein grundlegendes Umdenken ist erforderlich ... Wenn ein solches Umdenken geschieht, sind die nachfolgend erwähnten alternativen Behandlungs-Möglichkeiten realisierbar und nützlich. Für alle Psycho-Medikamente, auch für alternative Arzneien – Homöopathika, Phytotherapeutika – gilt: Medikamente können bestenfalls als Krücke fungieren. Wichtiger sind nicht-medikamentöse Maßnahmen, auch wenn sie nicht immer leicht zu realisieren sind, z. B. Änderung der momentanen Lebenssituation (Beruf, Familie, Partner, außerberufliche Aktivitäten, Verwirklichung eigener Wünsche etc.) und Erweiterung der SelbstErkenntnis, z. B. mit Hilfe von Freunden, durch künstlerisches Gestalten, durch Psychotherapie etc.; dadurch kann man die vielfachen eigenen Fähigkeiten – die jeder hat! – entdecken und lernen, sich so zu akzeptieren, wie man ist. Manchmal ist es besser, bei neu auftretenden psychischen Leiden keine zusätzlichen Tabletten zu nehmen, sondern die bisherigen Medikamente wegzulassen, denn: Nicht wenige Medikamente können psychische Beschwerden verursachen, z. B. Beta-Blocker, manche Schmerzmittel, reserpinhaltige Blutdruckmittel, Ovulationshemmer (‘die Pille’), Cortison etc. Und: Chemische Psychopharmaka können – etwa bei Überempfindlichkeit oder Überdosierung – paradoxerweise dieselben psychischen Störungen hervorrufen, gegen die sie eingesetzt werden, z. B. Depressionen, Delirien, Halluzinationen etc.
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Alternative Medikamente Homöopathische Mittel sind genau auf das Individuum abgestimmt und können sehr dienlich sein bei einigen depressiven Verstimmungen, bei Unruhezuständen, Schlafstörungen und vegetativen Veränderungen; bei schweren psychischen Störungen sind sie oft alleinig nicht ausreichend. Phytotherapeutika (pflanzliche Mittel) sind, z. B. bei depressiven Beschwerden, gut wirksam. Einige Beispiele: — Beruhigend, angstdämpfend wirken: Baldrian, Hopfen, Mohn, Kawa-Kawa, Opium-Tinktur (BetäubungsmittelVerordnung!). Opium-Tinktur ist ein sehr wirksames Antidepressivum: “Erfolgsquoten bis zu 70% waren voraussehbar, auch bei endogenen Depressionen. Die Befürchtung, daß mit der Opium-Tinktur eine Sucht auftreten könnte, hat sich nicht bestätigt.” (W. Zimmermann, der ehemalige Direktor des Krankenhauses für Naturheilwesen in München) Sogar von der Schulpsychiatrie werden Opium bzw. dessen Derivate für die Behandlung der sogenannten Schizophrenie wiederentdeckt. Opium, das wohl älteste Psychopharmakon der Menschen, ist zu Unrecht aus dem Therapieangebot verschwunden: Die Pharmaindustrie hat selbstverständlich kein Interesse, auf das Natur-Heilmittel Opiumtinktur hinzuweisen; um Gewinn zu machen, werden synthetische Opium-Derivate auf den Markt gebracht. Und Ärzte und Psychiater haben – aus Unwissenheit – eine falsche Scheu vor der Opiumtinktur: die Suchtgefahr, die sie fürchten, läßt sich vermeiden, wenn bestimmte Regeln (siehe Kapitel Tranquilizer) beherzigt werden.
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— Stimmungsaufhellend, antidepressiv wirken Cannabis-Tinktur (in Deutschland illegal) und Alkohol (in geringen Mengen). — Ein gut wirksames und sehr verträgliches stimmungsaufhellendes, pflanzliches Antidepressivum ist Hypericum perforatum. Bekannter ist diese goldgelb blühende Blume als Johanniskraut, das als Tee oder Tinktur, aber auch in Drageeform und als Ampullen zu haben ist. Bei längerer Einnahme (mindestens 3 Wochen!) wirkt diese vom Mondzyklus beeinflußte Pflanze stimmungsaufhellend, hemmungslösend und leicht antriebssteigernd. Einzige Nebenwirkung ist die sogenannte Photosensibilität, was heißt: Man sollte sich während einer JohanniskrautBehandlung nicht länger als eine Stunde in die pralle Sonne begeben – aber das ist ohnehin nicht anzuraten. Mittlerweile hat sogar die Schulmedizin das Johanniskraut als gut wirksames Antidepressivum akzeptiert. Präparatenamen sind: Hyperforat, Jarsin, Neuroplant etc. — Stark antriebssteigernd: Kokain (illegal, mehrere Nebenwirkungen und Suchtgefahr!). Weitere ‘natürliche’ Arzneimittel: — Hochdosierte B-Vitamine (als Injektionen). — Bei Depressionen im Klimakterium evtl. Hormone oder hormonähnliche Phytotherapeutika. — Bei Hirndurchblutungsstörungen z. B. Ginkgo-Extrakt oder ähnliches.
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Nicht-medikamentöse Alternativen Die vielfältigen nicht-medikamentösen Alternativen werden im folgenden nur stichwortartig dargestellt: — Ausagieren der momentanen Stimmung: Wem traurig zumute ist, der soll traurig sein dürfen, wer übersteigerte, ‘manische’ Lebenslust spürt, auf der Straße tanzen will, der soll dies tun. (Dabei entstehen begreiflicherweise nicht selten Konflikte mit der Umwelt.) — Änderungen der bisherigen Lebensbedingungen (siehe oben). — Psychotherapie – dabei ist es weniger wichtig, ob man eine Gestalttherapie, Gesprächstherapie oder eine andere Methode wählt, wichtiger ist vielmehr, ob man mit dem Therapeuten zurechtkommt und Vertrauen zu ihm hat – und sich dabei finanziell nicht allzu sehr ausnehmen läßt. Eine Psychotherapie muß nicht unbedingt – wie eine Psychoanalyse – jahrelang dauern; manchmal können schon wenige Stunden zu entscheidender Selbst-Erkenntnis beitragen. Ein grundsätzliches Problem jeder Psychotherapie liegt darin, daß vor allem das Individuum geändert wird und nicht die krankmachenden sozialen Verhältnisse. — Offene Gespräche mit Freunden oder – manchmal wirksamer – mit Zufallsbekanntschaften im Zug, in der Kneipe etc. — Intensiver Umgang mit den eigenen Wünschen, Träumen und Phantasien. z. B. durch Tagebuch-Aufzeichnungen, Briefeschreiben, Malen oder anderes künstlerisches Gestalten. — Kreative Passivität: als Lebens-Künstler leben, vielleicht nach dem Motto ‘neben der edlen Kunst, Dinge zu verrichten, gibt es die edle Kunst, Dinge unverrichtet zu lassen’. 76 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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— Selbstentspannungs-Übungen, z. B. Autogenes Training, Atemübungen, Yoga, Meditation. — Auch die modern gewordene intensive Beschäftigung mit östlichen Psycho-Heilmethoden – verschiedenen Meditationsformen, Zen-Buddhismus etc. – kann manchem helfen, eher wieder in ein psychisches Gleichgewicht zu kommen. — Naturbetrachtungen: Auch die Natur hat – ähnlich wie der Mensch – verschiedene Stimmungen, zum Beispiel die Heiterkeit des Frühjahrs und die Melancholie des Spätherbstes. — Körper-Gefühle (wieder) erlernen; den bisherigen Lebensrhythmus ändern. — ‘Psycho-Diät’: Auf bestimmte Stoffe, z. B. in der Nahrung, kann nicht nur die Haut, sondern auch die Psyche allergisch reagieren. Zu einer Harmonie der Psyche trägt vor allem vegetarische Ernährung bei. Fleisch ist für eine vollwertige Ernährung beim Menschen nicht erforderlich – und überdies verzehrt man bekanntermaßen mit einem Steak oder einem Lammbraten gleichzeitig eine breite Palette an Hormonen und unterschiedlichen Antibiotika. Anscheinend kannte schon Paracelsus – vor rund 500 Jahren – die schädlichen Folgen der Unsitte, Tiere zu töten und zu verzehren: “Das viele Essen und besonders das Fleischessen unterdrücken die Vernunft, machen untüchtig zu scharfem Nachdenken und erzeugen träge Gemüter, die zu jeder Dummheit und Torheit fähig sind.” Statistiken zeigen, daß Vegetarier – verglichen mit den tiere-essenden Durchschnittsbürgern – weniger oft krank werden und seltener chronische Leiden haben. Vegetarismus ist keine neue Erfindung, sondern hat in anderen Kulturen eine lange Tradition, beispielsweise bei den vielhundert Millionen Anhängern des Hinduismus. Nicht unbedingt aus Religiosität, sondern aus vielerlei anderen Verwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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Gründen nimmt die Zahl derer, die sich vegetarisch ernähren, in Europa und Nordamerika seit Jahren beständig zu. — Die Klinische Ökologie erforscht ernährungs- und umwelt-bedingte Krankheiten von Psyche und Soma und bietet entsprechende Therapie-Konzepte an. — Relative, auch leichtere Vitaminmangel-Zustände – nicht nur infolge von Mangel-, sondern auch infolge von Fehl-Ernährung – können z. B. depressive oder ‘paranoide’ Störungen bewirken: dies ist der Hauptansatz der Orthomolekularen Medizin oder Orthomolekularen Psychiatrie. — Heil-Fasten: nicht nur zur Gewichts-Reduktion, sondern zur körperlich-seelischen Reinigung. — Massagen, Gymnastik, Sport. Hydrotherapie. Freies, intuitives Tanzen. Neuraltherapie, Akupunktur. — Außerdem: Das Sonnenbad ist – seit langem bekannt – antidepressiv wirksam, ebenso der Schlafentzug: Eine angenehm durchwachte Nacht bessert selbst bei einem schwer depressiven Menschen nachhaltig die Stimmung. — Schließlich: sich sozial engagieren. Auch durch Geben, durch das Unterstützen anderer, läßt sich Kraft schöpfen. — Und: Für unterschiedliche psychische Störungen gibt es in fast allen größeren Städten Selbsthilfe-Gruppen (siehe S. 81). — usw. usw. usw.
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Orthomolekulare Medizin Dieser Begriff geht auf den angesehenen zweifachen Nobelpreisträger Linus Pauling zurück: orthomolekular bedeutet, daß die richtigen Substanzen (‘Moleküle’), z. B. Vitamine oder Spurenelemente, in einer richtigen Konzentration im Körper vorhanden sein müssen, um geistigseelisches Wohlbefinden zu erreichen. Seit langem ist bekannt, daß ein relativer Mangel an bestimmten Vitaminen (z. B. Vitamin B1) schwerste ‘schizophrenie’-ähnliche und langdauernde Störungen bewirken kann. Die richtige Arznei wäre dann nicht irgendein Neuroleptikum, sondern hochdosierte Zufuhr von Vitamin B1. Das Therapie-Prinzip der Orthomolekularen Psychiatrie besteht in der Gabe von orthomolekularen Substanzen, d. h. Stoffen, die im Laufe der Evolution entstanden sind und auch natürlicherweise im Menschen vorkommen, z. B. Spurenelemente wie Zink, Magnesium, Kupfer, Eisen etc. Durch die Behebung eines Stoffmangels sollen psychische Beschwerden abgemildert oder behoben werden. In letzter Zeit untersucht die Orthomolekulare Psychiatrie darüber hinaus die gesundheitlichen Auswirkungen giftiger Metalle wie Blei, Cadmium, Quecksilber, Aluminium, die auf dem Wege der Umweltverschmutzung immer mehr unsere Nahrung und somit auch den menschlichen Organismus durchdringen. Erfolge und Nicht-Erfolge der Orthomolekularen Psychiatrie einzuschätzen fällt schwer. Ähnlich wie die Schulpsychiatrie betrachtet die Orthomolekulare Psychiatrie psychische Störungen sehr einseitig als Stoffwechselprobleme. Dennoch sollten einige Konsequenzen aus den Erkenntnissen und Hypothesen der Orthomolekularen Psychiatrie gezogen werden. Einfache Laboruntersuchungen wären mit geringem Aufwand durchführbar und Verwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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könnten brauchbare Hinweise geben. Allein die Aussicht auf unschädliche Behandlungsmethoden – im Sinne einer Zuführung von Stoffen, die dem Körper evtl. fehlen – verpflichtet dazu, ihren Ansatz ernstzunehmen. Klinische Ökologie Auf bestimmte unverträgliche Stoffe (etwa in der Nahrung) reagieren manche Menschen ‘allergisch’: z. B. mit einem Hautausschlag. Die Klinische Ökologie geht nun davon aus, daß individuell unverträgliche Stoffe nicht nur eine körperliche Allergie, sondern auch eine ‘psychische Allergie’ auslösen können. Randolph hat in seinem grundlegenden Buch ‘Allergien: Folgen von Umweltbelastung und Ernährung’ alle bei Umweltallergien beobachteten Symptome in einem einleuchtend logischen System zusammengefaßt: “Es zeigt sich, daß die anfänglich leichteren, mehr lokalen Beschwerden, wie Ekzeme, Verdauungsstörungen, Kopfweh, Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen, im Lauf der Zeit – wenn die auslösende Ursache fortbesteht – von schweren, zunehmend psychischen Symptomen abgelöst werden, bis zu ‘Manien’ und Depressionen, Halluzinationen, Angst- und Aggressions-Ausbrüchen, Gedächtnisverlust, totalem Stupor [schwerer Körperstarre].” Das Konzept der Klinischen Ökologie sieht in der konkreten Situation vor, bei einem allergisch gewordenen Patienten die allergie-auslösenden Stoffe (vor allem in den Lebensmitteln) auszutesten. Durch eine darauf aufgebaute, relativ strenge Diät lassen sich erstaunliche Heilerfolge erzielen. Eine faszinierende Perspektive: Krankheiten nicht durch die Zuführung bestimmter Stoffe (Medikamente), sondern durch das Weglassen von Stoffen aus der Nah80 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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rung oder der Umwelt zu heilen. Daß sich für dieses Prinzip in unserer kapitalistisch organisierten Wirtschaft schwerlich eine Lobby findet, ist offensichtlich. Dennoch gibt es nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern mehrere Ärzte und Kliniken, die das Konzept der Klinischen Ökologie in den Mittelpunkt ihres Therapie-Vorgehens stellen. Selbsthilfe-Gruppen Im Vordergrund stehen bei den Selbsthilfe-Gruppen gegenseitiger Erfahrungsaustausch, solidarische Unterstützung, regelmäßige Treffen zu gemeinsamen Unternehmungen, Aktionen gegen inhumane psychiatrische Behandlung und gegen gesellschaftliche Diskriminierung. Wichtig ist hier auch die ‘nicht-professionelle Psychotherapie’, die sich vor allem durch folgendes auszeichnet: partnerschaftliche Auseinandersetzung mit einem psychisch leidenden Mitmenschen, freiwillig und ohne dafür bezahlt zu werden; oft hohes Einfühlungsvermögen, Fähigkeit zum Mit-Leiden, den andern verstehen wollen – im Gegensatz zum objektiven diagnostischen Schubladen-Denken –, eher emotional als rational-überlegend auf den andern reagieren. Selbsthilfe-Gruppen gibt es in allen größeren und vielen kleinen Städten, nicht selten von den Gemeinden finanziell unterstützt.
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Der Reader zur Selbsthilfe Rosa Geislinger
Experten in eigener Sache Psychiatrie, Selbsthilfe und Modelle der Teilhabe 252 Seiten – DM 24,80 ISBN 3-928316-10-9 In den letzten Jahren sind zahllose Selbsthilfegruppen von Psychiatrie-Erfahrenen entstanden. Psychiatrie-Erfahrene haben entdeckt, daß sie sich durch Erfahrungsaustausch und praktische Solidarität gegenseitig stärken und stabilisieren können – und daß sie Fähigkeiten und Kompetenzen haben, die ihnen von den Professionellen früher überhaupt nicht zugetraut wurden. Gleichzeitig entstanden viele Projekte, bei denen Psychiatrie-Erfahrene und professionelle Helfer gemeinsam die Verantwortung tragen: Werkstätten, Teestuben, Clubhäuser etc. Außerdem entwickelten sich – als Forum des gleichberechtigten Erfahrungsaustauschs von Betroffenen, Angehörigen und Profis – die sogenannten Psychose-Seminare. Die Herausgeberin, Rosa Geislinger, ist im Bereich Selbsthilfe seit vielen Jahren als Psychologin tätig. Sie hat die Erfahrungen von Betroffenen, Angehörigen und professionellen Helfern zusammengestellt. Das Ergebnis ist ein Buch, das Selbsthilfe aus unterschiedlichen Blickwinkeln darstellt und von Menschen in ähnlicher Situation als Anregung und Ratgeber genutzt werden kann. Pressestimme: „Für Psychiatrie-Erfahrene und Angehörige ermutigend. Für Profis ein guter Überblick.“ Soziale Psychiatrie, Nr. 4/98
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Psychosomatik Die Psychosomatik bezieht sich vor allem auf die Zusammenhänge von psychischen und körperlichen Beschwerden bzw. Krankheiten. Hinsichtlich der ‘Psycho-Behandlung’ sind vor allem die sogenannten Psychosomatischen Kliniken erwähnenswert, da viele von ihnen – aber keineswegs alle – psychische Störungen ohne Psychopharmaka, ohne psychiatrische Schock- und Gewalt-Methoden behandeln, sondern überwiegend Psychotherapie anwenden, Gruppen-Übungen, Entspannungs-Training, Sport, Wandern, Tanz, Musik und anderes kreatives Schaffen, Meditation usw. Die Aufenthaltsdauer beträgt meist mehrere Monate. Psychoanalyse und andere Psychotherapie-Methoden Wichtig ist bei der klassischen Psychoanalyse (Sigmund Freud, C. G. Jung) ein intensives Eingehen auf die Besonderheiten eines Menschen, was für sich allein bereits therapeutischen Effekt hat. Die Psychoanalyse nimmt das Individuum ernst und achtet seine Würde (im Gegensatz zur Psychiatrie). Eine psychische Störung oder ‘psychische Krankheit’ wird grundsätzlich als heilbar angesehen. Als wichtig gelten außerdem: Freiwilligkeit, Ehrlichkeit, Vertrauen (gegenüber dem Psychoanalytiker oder Psychotherapeuten), Aufdecken von Konflikten aus der Kindheit, freies Assoziieren, Traumanalyse. Eigentlich hatte Sigmund Freud eine relativ mechanistische Vorstellung von der Seele als ‘Psychischem Apparat’: Trieblehre, Neurosenlehre, Verdrängung, Bewußtes / Unbewußtes, Funktionen des Es / Ich / Über-Ich etc. Das Vorgehen ist analytisch-’zerlegend’, orientiert an naturVerwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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wissenschaftlichem Vorgehen, also gerichtet auf Logik, Verstand, Objektivität. Ein Verdienst der psychoanalytischen Therapeuten ist es, einem Psycho-Patienten Zuwendung zu geben und ihn ohne psychiatrische Gewalt und ohne Psychopharmaka zu behandeln. Psychiatrische Institutionen oder auch einzelne Psychiater vermengen oft psychotherapeutische Techniken mit psychiatrischen Repressions-Techniken (Zwangsbehandlung, persönlichkeitsverändernde Medikamente etc.), was dann dem eigentlichen Sinn der Psychotherapie zuwiderläuft. Die zahlreichen weiteren Psychotherapie-Methoden gehen mehr oder weniger von der Psychoanalyse aus oder sind von ihr beeinflußt. Bekannte nicht-klassischpsychoanalytische Psychotherapie-Methoden sind: Gestalttherapie, Therapie nach Rogers (‘Gesprächstherapie’), Verhaltenstherapie, Primärtherapie, Psychodrama, Familientherapie, Bioenergetik, Katathymes Bilderleben usw. Psychoanalyse und Psychotherapie sind Behandlungsinstrumente, die in Händen von konservativen Therapeuten zu Mitteln der (Wieder-) Anpassung werden, einer Wieder-Anpassung an die ursprünglichen Verhältnisse, obwohl diese die psychische Krise mitverursacht haben. Psychotherapie kann aber auch zu einem Mittel der individuellen Befreiung werden.
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Östliche Seelen-Heilkunde Hier könnten sehr viele, unterschiedliche Richtungen aufgeführt werden. Als ein Beispiel soll lediglich die ‘Methode des Zen’ vorgestellt werden, die der japanische Psychotherapeut D. T. Suzuki als schöpferische und antiwissenschaftliche Methode sieht, und die er den analytisch-zerlegenden, logik-orientierten Verfahren der dogmatischen Wissenschafts-Richtungen gegenüberstellt: “Die Methode des Zen besteht darin, in den Gegenstand selbst einzudringen und ihn sozusagen von innen zu sehen. Die Blume kennen heißt, zur Blume werden, die Blume sein, als Blume blühen und sich an Sonne und Regen erfreuen. Das heißt, indem ich mich in die Blume verliere, kenne ich mein Ich ebenso wie die Blume. Diese Art, der Wirklichkeit gegenüberzutreten, nenne ich die Methode des Zen, die vor- oder über- oder sogar antiwissenschaftliche Methode. Diese Art, die Wirklichkeit zu erkennen oder zu sehen, kann man auch triebhaft oder schöpferisch nennen. Während die wissenschaftliche Methode darin besteht, den Gegenstand zu töten, den Leichnam zu sezieren, die Teile wieder zusammenzusetzen und so zu versuchen den ursprünglichen, lebendigen Leib wiederherzustellen – was in Wirklichkeit unmöglich ist –, nimmt das Zen das Leben so, wie es gelebt wird, anstatt es in Stücke zu zerhakken und zu versuchen, es mit Hilfe des Verstandes wieder zum Leben zu erwecken oder in Gedanken die zerbrochenen Stücke zusammenzuleimen. Die Methode des Zen erhält das Leben als solches; es wird von keinem chirurgischen Messer berührt.”
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Ausblick: Mobilisierung der körpereigenen Drogen – die Therapie der Zukunft? Das menschliche Gehirn verfügt über unvorstellbare Kapazitäten: 10 bis 20 Milliarden Nervenzellen und zig Billionen von neuronalen Kontaktstellen (sogenannte Synapsen) bearbeiten die auf uns einstürmenden Informationen, speichern unterschiedliche Botschaften und Erfahrungen. Die Hirnzellen, die unzählbaren Synapsen und die dazwischen agierenden Botenstoffe (sogenannte Transmitter, Neurohormone) sind – neurophysiologisch betrachtet – gewissermaßen der organisch-biochemisch ‘sichtbare’ Teil unserer Psyche. Aber in den universalen Dimensionen unserer Seele können zweifellos andere, sehr weite Bereiche mit der üblichen Logik kaum oder gar nicht erklärt werden. Die potentiell grenzenlose Kapazität unseres Gehirns, die jeden denkbaren Computer weit übertrifft, und die tiefen Sphären unserer Psyche werden vom Menschen nur sehr teilweise genutzt. Manche lassen gar 99% ihrer Kapazität brach liegen. Millionen Menschen dagegen versuchen – viele sogar regelmäßig – ihre Psyche und ihr Gehirn durch allerlei Psycho-Drogen oder Psycho-Pharmaka zu beeinflussen: da werden beruhigende Mittel genommen, angstlösende oder bewußtseinserweiternde Drogen, Antidepressiva, Schmerz- und Schlaftabletten usw. In aufwendigen Forschungsarbeiten beschäftigt man sich seit langem mit der Frage, wie all diese Psycho-Pillen im menschlichen Gehirn wirken: Dabei wurde – zur großen Überraschung – festgestellt, daß das menschliche 86 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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Gehirn eigene Psycho-Drogen produziert, z. B. schmerzstillende, morphin-ähnliche Stoffe, sogenannte Endorphine, d. h. endogene (körpereigene) Morphine, oder angstlösende, beruhigende, valium-ähnliche Substanzen. Das jüngst entstandene Wissen um die ‘menschliche Eigenschaften tragenden’ Botenstoffe (‘körpereigene Drogen’) ist eine Revolution in der Medizin. Nahezu alle körpereigenen Botenstoffe wurden in pharmaindustrieabhängigen Laboratorien als ‘Nebenbefunde’ entdeckt, auf der Suche nach potenteren chemischen Pharmaka. Diese Entdeckungen könnten sich bald für den zufälligen Mäzen dieser Forschung, die Pharmaindustrie, als großer Schaden erweisen, denn es ist klar, daß der Mensch in der Lage ist, alle wichtigen Drogen selbständig in seinem Körper herzustellen; er könnte auf die Zufuhr von äußerlichen Drogen, also auf Medikamente oder auf Rauschdrogen oder ähnliches verzichten. Kaum bekannt ist die faszinierende Tatsache, daß der Mensch in der Lage ist, durch bestimmte Psycho-Techniken – ohne Hilfe von Chemikalien – sehr gezielt spezifische Botenstoffe zu mobilisieren (J. Zehentbauer; siehe Literaturverzeichnis). Dadurch kann dann die an das jeweilige Botenmolekül gebundene menschliche Eigenschaft oder Fähigkeit hervorgerufen werden. Besonders gut untersucht ist die Stimulierung von körpereigenen Endorphinen durch so unterschiedliche Verfahren wie Entspannungsübungen, ekstatisches Tanzen, aktives Imaginieren, Akupunktur, rituelle Heilverfahren oder – damit vergleichbar – das Placebo-Phänomen und vieles andere mehr. Durch solche oder ähnliche Verfahren steigt die Konzentration der schmerzstillenden und leicht euphorisierenden körpereigenen Morphine nachgewiesenermaßen erheblich an. Eindrucksvoll sind die Experimente von John Levin und seinem Team (University of California), Verwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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der durch Stimulierung im Rahmen des Placebo-Phänomens eine erhebliche Erhöhung der Konzentration von körpereigenen Endorphinen belegen konnte. Diese Studien wurden – so heißt es – nicht von der Pharma-Industrie finanziert. Dies ist verständlich, denn die Aktivierung von körpereigenen Fähigkeiten kann nicht im Sinn einer umsatz-orientierten Pharmaindustrie sein. Auch über die Mobilisierung anderer ‘körpereigener Drogen’ (Dopamin, Noradrenalin, Acetylcholin, körpereigene Psychodelika, Endovalium usw.) gibt es Experimente mit eindrucksvollen Ergebnissen. Die an sich phantastische Entdeckung der körpereigenen Drogen wird von der Psychiatrie- und Pharmaforschung pervertiert, indem man dieses Wissen nur dazu verwendet, neue chemische Substanzen herzustellen, um sie dann ins menschliche Gehirn einzuschleusen. Sehr viel logischer und für die Menschen zweifellos hilfreicher wäre eine intensive Erforschung all der (nicht-medikamentösen) Möglichkeiten, mit denen die körpereigenen Drogen mobilisiert werden können. Die Entdeckung der körpereigenen Drogen eröffnet unvorstellbare Perspektiven für die Zukunft. Jeder Mensch ist gewissermaßen sein eigener Drogenproduzent: er muß nur wieder lernen, wie er bedarfs- und wunschgerecht seine körpereigenen Drogen stimulieren kann. Die Palette von körpereigenen Drogen ist vielhundert-, wahrscheinlich tausendfach groß; sie umfaßt – pharmakologisch benannt – antriebssteigernde Drogen, antidepressive, schmerzstillende, beruhigende, angstlösende, sexuell anregende, psychedelische, schläfrigmachende oder euphorisierende Drogen. Ja, sogar immunabwehr-steigernde oder herzstärkende (digitalis-ähnliche) körpereigene Drogen sind jüngst im menschlichen Körper nachgewiesen worden. 88 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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Dieses Wissen ist für die Schulmedizin und für die Psychiatrie absolutes Neuland. Nicht mit exogenen, also von außen zugeführten Drogen wird der Hirnstoffwechsel beruhigt oder stimuliert, sondern mit Hilfe der endogenen (körpereigenen) Drogen werden die Selbstregulierungskräfte angeregt. Von der Schulmedizin und Psychiatrie wird ein fundamental neues Denken und Fühlen (!) erwartet, auch in Bezug auf ihr wissenschaftliches Vorgehen bei der Erforschung und Behandlung der Psyche des Menschen.
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Zusammenfassung Die meisten von uns haben bereits eigene Erfahrungen mit psychisch wirksamen Mitteln gemacht, mit chemischen Psychopharmaka, z. B. Beruhigungsmitteln, oder mit natürlichen Drogen wie Alkohol, Haschisch oder Nikotin. Nie zuvor standen den Menschen so viele Psycho-Drogen zur Verfügung wie gegenwärtig: Dämpfungsmittel (z. B. Valium), Aufputschtabletten (z. B. Psychostimulanzien), Rauschdrogen wie Opium und Alkohol oder chemische Mittel zur Veränderung oder gar Zerstörung der Persönlichkeit, z. B. bei Langzeitanwendung von starken Neuroleptika. Der vermehrte Konsum von rezeptpflichtigen, legalen oder illegalen Psycho-Drogen hat vielleicht ähnliche Ursachen wie der sogenannte Psycho-Boom, also die verstärkte Hinwendung zu allerlei psychologisch-psychotherapeutischen Methoden: Unerträgliche Lebensbedingungen führen bei vielen Menschen zu mehr oder minder ausgeprägten psychischen oder psychosomatischen Störungen, zu Depressionen, Angstzuständen und so weiter. Völlig unerträgliche Lebensbedingungen entstehen z. B. durch Konkurrenzdruck am Arbeitsplatz, durch die Einengung in der Familie, durch die Isolierung in Wohnghettos. Darüber hinaus fühlen sich immer mehr Menschen bedroht durch die Umweltzerstörung und militärische Wahnsinns-Rüstung oder leiden mit durch die Kriege und Hungerkatastrophen in Ländern der Dritten Welt. Aber es gibt auch Menschen, die die äußeren Lebensumstände weniger belastend empfinden und dennoch (z. B. aufgrund ihrer Lebensgeschichte) sehr unzufrieden und ausweglos sind und nach einer Erfüllung und Sinngebung ihres Lebens suchen. 90 © 1999 ZENIT Verlag, München – Alle Rechte vorbehalten
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Viele dieser Suchenden erwarten sich ein gewisses Heil, ein Mehr an Selbstverwirklichung in Psycho-Workshops, in Selbsterfahrungsgruppen oder Wochenend-Encounters – oder in der Zuflucht bei diversen Psycho-Drogen. Die Notlage des einzelnen wird sowohl von einem quasiindustriellen Psycho-Markt als auch von der Pharma- und Drogenindustrie geschickt ausgenutzt, indem sie die Sehnsucht des einzelnen nach einem sorgloseren und erfüllteren Leben pseudo-befriedigt. Dennoch gibt es psychische Störungen und Krisen, in denen Hilfe von außen nötig und sinnvoll ist. Und es gibt – vor allem außerhalb der chemisch orientierten Schulmedizin – verantwortungsvolle Psychotherapeuten, die einem Hilfesuchenden wohlgesonnen sind und ihm menschenwürdig begegnen. Dabei lassen sich mit geeigneten psychischen oder körperlichen Behandlungsverfahren – von Psychotherapie bis Shiatsu oder Akupunktur – oder mit natürlich-verträglichen Arzneien, z. B. Homöopathika, die Selbstregulierungskräfte aktivieren. Einen kleinen Einblick hierzu gibt das Kapitel Alternative Behandlungsmöglichkeiten, das auch Mut machen soll, sich mehr mit natürlichen Heilverfahren und den Wegen der Selbstheilung zu befassen.
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Ausführlichere Informationen finden Sie im „großen Zehentbauer“: Josef Zehentbauer
Chemie für die Seele Psyche, Psychopharmaka und alternative Heilmethoden 8., aktualisierte Auflage 416 Seiten, zahlreiche Abbildungen ISBN 3-928316-11-7 DM 36,– Dieses Buch enthält gewissermaßen zwei Bücher: 1. einen detaillierten Ratgeber, 2. ein umfassendes Nachschlagewerk – alles, was der kritische Konsument über Psychopharmaka, über legale und illegale Drogen wissen muß. Der Autor versteht es geradezu meisterhaft, allgemeinverständlich und plastisch Wirkungen, Nebenwirkungen und Risiken der gängigen Psychopharmaka zu erläutern. Ausführlich stellt er alternative Medikamente vor, zeigt aber auch viele nicht-medikamentöse Möglichkeiten der Behandlung auf. Der Anhang enthält ein kleines Lexikon der Fachausdrücke und ein Verzeichnis hilfreicher Adressen.
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Einige häufige Präparate-Namen Neuroleptika
Antidepressiva
Tranquilizer
Atosil Ciatyl Dapotum Decentan Dipiperon Dogmatil Dominal Eunervan Fluanxol Glianimon Haldol Haloperidol Imap Impromen Jatroneural Leponex Lyogen Melleril Meresa Neurocil Orap Psyquil Risperdal Teralene Taxilan Truxal Zyprexa
Anafranil Aponal Equilibrin Fluctin Gamonil Laroxyl Ludiomil Maximed Nortrilen Noveril Pertofran Saroten Sinquan Stangyl Thombran Tolvin Tofranil Trausabun Tryptizol Vivalan
Adumbran / A. forte Albego Bikalm Dalmadorm Demetrin Diazepam Frisium Lexotanil Librium / L. Tabs Mogadan Nobrium Noctamid Oxazepam Praxiten / P. forte Rohypnol Staurodorm Stilnox Tacitin / T. mite Tavor Tranquase Tranxilium Trecalmo Valium Ximovan
(Einige pflanzliche Mittel sind auf S. 76f. aufgeführt) Verwendung ausschließlich zu privaten Zwecken gestattet
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Literaturverzeichnis Breggin, Peter: Giftige Psychiatrie. 2 Bände. Heidelberg 1996 bzw. 1997 Calatin, Anne (Hg.): Ernährung und Psyche. Heidelberg 1995 Hofmann, A.: LSD – mein Sorgenkind. Frankfurt/M 1982 Langbein, K., Martin, H.-P., Weiss, H.: Bittere Pillen. Köln: Kiepenheuer & Witsch 1996. Lehmann, Peter (Hg.): Psychopharmaka absetzen. Berlin 1998 Lehmann, Peter: Schöne neue Psychiatrie. 2 Bände. Berlin 1996 Pauling, Linus: Das Vitamin-Programm. München 1990 Rufer, Marc: Glückspillen. Ecstasy, Prozac und das Comeback der Psychopharmaka. München 1995 Rufer, Marc: Irrsinn Psychiatrie. Bern 1997 Zehentbauer, Josef: Chemie für die Seele. Psyche, Psychopharmaka und alternative Heilmethoden. München: ZENIT Verlag 1997 Zehentbauer, Josef: Die Seele zerstören. Neuroleptika, der größte Arzneimittel-Skandal des Jahrhunderts. Dokumentarfilm (Video). München: ZENIT Verlag 1998 Zehentbauer, Josef: Körpereigene Drogen. München: Artemis 1997
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