INTERNATIONALER POLITIKDIALOG WASHINGTON, D.C.
CAMPAIGN NEWSLETTER –
JANUAR 2001
U.S. Präsidentschaftswahlen
Internationaler Politikdialog Leiter Wolfgang Heinz Transatlantik Dialogprogramm Büro Washington, D.C.
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Washington, Januar 2001 Liebe Leserin, lieber Leser, der Beginn des neuen Jahres ist gleichzeitig das Ende der Ära von Bill Clinton und der Beginn der Präsidentschaft von George W. Bush, der am 20. Januar 2001 als 43. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vereidigt wurde. Wir widmen die erste Ausgabe des Newsletters im neuen Jahr daher ausführlich der neuen Administration und den von George W. Bush nominierten Persönlichkeiten für Posten im neuen Kabinett. Im ersten Beitrag stellt Claus Gramckow generell das Kabinett unter George W. Bush vor, insbesondere mit Blick auf die Herkunft und politische Agenda der neuen Minister. Im zweiten Teil konzentriert sich Michaela Schrader dann speziell auf die Außen- und Sicherheitspolitik der neuen Administration sowie auf die sich daraus ergebenden möglichen Implikationen für das transatlantische Verhältnis. Mit dieser Ausgabe schließen wir die erste Serie des Campaign Newsletters ab. Über die acht seit Januar 2000 als Drucksache und als elektronische Post erschienenen Ausgaben hat der Newsletter immer weitere Verbreitung in Deutschland und Europa gefunden. Ich danke nochmals den Autorinnen Dr. Monika Ballin-Meyer-Ahrens und Michaela Schrader und den Autoren Claus Gramckow und Joe Hansen für ihre Beiträge, die den Campaign Newsletter zu einem Markenzeichen des Büros Washington der Friedrich Naumann Stiftung gemacht haben. Das Produkt wird in dieser (bei künftigen Wahlkämpfen) oder anderer Form (zur Beobachtung des amerikanischen Marktes der Politikberatung und Kampagnenkonzeption) fortgeführt werden. Einzelheiten dazu wird der künftige Leiter des Büros Washington/New York zu gegebener Zeit mitteilen. ***** Wie im Campaign Newsletter vom August 2000 mitgeteilt, wurde der Transatlantische Dialog (TAD/Büro Washington) in den Internationalen Politikdialog der Friedrich Naumann Stiftung integriert, der bereits seit 1997 sowohl die Besuchsprogramme unserer Partner aus aller Welt in Deutschland (Politischer Club International/PCI), die Internationale Akademie für Führungskräfte (IAF) und den Nord-Süd-Dialog (NSD) in Brüssel (mit EU und NATO), Straßburg (mit dem Europarat) und Genf (UNHCHR, WTO, ILO und WIPO) verantwortet. Inzwischen wurde die Arbeit des Büros Washington um einen entwicklungspolitischen Dialog mit den Vereinten Nationen in New York und den Bretton Woods Institutionen ergänzt. Habe ich seit Sommer 2000 die Washingtoner Tagesarbeit -gestützt auf das bewährte Team– von Brüssel aus und bei wenigen Aufenthalten vor Ort interimistisch geleitet, so kann ich mich jetzt wieder auf die Projektsteuerung im Internationalen Politikdialog zurückziehen und mich im übrigen wieder auf die Arbeit im mir unmittelbar anvertrauten Dialog-Programm Brüssel bei EU, Europaparlament und Genfer UN-Einrichtungen konzentrieren. Ich freue mich sehr, dass der Vorstand meinen Kollegen Walter Klitz, bislang Leiter des Stabes Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und darüber hinaus erfahrener Mitarbeiter in der In- und Auslandsarbeit der Stiftung, zum neuen Leiter des Büro Washington/New York bestellt hat. Walter
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Klitz beginnt seine neue Arbeit am 1. Februar. Ich wünsche ihm dazu eine glückliche Hand und alles Gute – auch bei der Fortsetzung des Campaign Newsletters. Ihnen wünsche ich viel Spaß bei der Lektüre,
Ihr Wolfgang Heinz Leiter Internationaler Politikdialog, Brüssel
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Das Kabinett von Präsident George W. Bush Am 20. Januar 2001 feierten die Vereinigten Staaten von Amerika die Amtseinführung des 43. Präsidenten der USA, George Walker Bush. Als der Texaner auf den Stufen des Kapitols die 35 Worte des Amtseids nachgesprochen hatte, verkündete eine Salve aus 21 Kanonen den vollzogenen Machtwechsel in Amerika. Dieser Regierungswechsel war überschattet von dem kontroversen und knappen Wahlausgang. Nach einem einmaligen juristischen Tauziehen um die Wahlmännerstimmen in Florida hatten die Verfassungsrichter im Dezember die Wahlen mit 5:4 Stimmen zu Gunsten Bushs entschieden. Am Ende konnte sich der Texaner so mit zwei Stimmen Mehrheit im Wahlmännerkolleg die Präsidentschaft sichern, obwohl für ihn eine halbe Millionen Amerikaner weniger stimmten als für Vizepräsident Al Gore. Viele Beobachter sehen in der Auswahl seines Kabinetts erste Anzeichen dafür, wie der neue Präsident, trotz eines unklaren Mandates der Wähler, regieren und sein Versprechen nach mehr Überparteilichkeit einhalten würde. In der nachfolgenden Darstellung werden seine neuen Minister vorgestellt, die politischen Herausforderungen der einzelnen Ministerien erläutert, sowie eine Gesamtbeurteilung des neuen Kabinetts und deren Auswirkungen auf die Politik der Vereinigten Staaten gegeben.
Außenministerium (Department of State) Minister: Colin L. Powell Alter: 63 Geburtsort: New York Der neue Außenminister ist für Europäer wohl eines der bekanntesten Mitglieder der neuen amerikanischen Regierung. Der ehemalige Generalstabschef gilt auch als enger Freund und Vertrauter des Vaters des neuen Präsidenten. Er ist einer der populärsten Politiker in den USA. Er verzichtete zweimal auf die eigene Präsidentschaftskandidatur und das Angebot, als Vizepräsidentschaftskandidat von George W. Bush zu kandidieren. Präsident Bill Clinton wollte ihn schon 1993 in sein Kabinett holen, aber Colin Powell schlug auch dieses Angebot aus. Er kann eine lange und erfolgreiche Karriere in der amerikanischen Armee bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1995 vorweisen. Sein Werdegang in den Streitkräften ist untypisch. Die meiste Zeit seiner Karriere hat er im politischen Zentrum der USA in Washington DC verbracht. Daher hat er viel Erfahrungen in der Regierungsarbeit. Von 1979 war er persönlicher Referent des Energieministers. Von 1979 bis 1981 und von 1983 bis 1986 war er der militärische Berater des Verteidigungsministers. 1987 ernannte Präsident George Bush ihn zu seinem militärischen Sicherheitsberater. 1989 wurde er zum Generalstabschef des amerikanischen Militärs ernannt. Diese Ernennung zum ranghöchsten Soldaten in den amerikanischen Streitkräften war der Höhepunkt und Abschluß seiner sechsunddreißigjährigen Karriere in der Armee. Er gilt als moderater Republikaner, ist ein Abtreibungsbefürworter und hat sich für schärfere Waffengesetze ausgesprochen. Er war einer der „Keynote“ Redner auf der Republikanischen Convention im letzten Sommer, wo es durchaus einige Pfiffe für ihn gab. Colin Powell war während seiner Militärzeit auch in Deutschland stationiert. Mit dieser Ernennung hofft der neue Präsident 4
auch die Kluft zwischen ihm und den farbigen Bevölkerungsschichten zu überbrücken, die nach den Vorfällen in Florida noch tiefer geworden ist. Er, der neue Verteidigungsminister und die Nationale Sicherheitsberaterin Condolezza Rice, gelten als die wichtigsten Architekten der Außenpolitik Bushs. Auf die wichtigsten Themen im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik wird im zweiten Teil des Newsletters näher eingegangen werden.
Verteidigungsministerium (Department of Defense) Minister: Donald H. Rumsfeld Alter: 68 Geburtsort: Chicago Die Ernennung von Donald Rumsfeld zum Verteidigungsminister war eine der Überraschungen bei der Nominierung der Kabinettsmitglieder. Seine politische Karriere galt seit Anfang der achtziger Jahre als beendet. Er war zwar weiterhin eine einflußreiche Persönlichkeit in der republikanischen Partei, aber kaum jemand erwartete, daß er auf den gleichen Stuhl zurückkehren würde, den er schon einmal von 1975 bis 1977 in der Ford Regierung inne hatte. Seine politische Laufbahn endete vorerst auch mit der Ford Präsidentschaft im Jahre 1977. Bis dahin war er Abgeordneter im Repräsentantenhaus von 1963 bis 1969. Von 1969 bis 1971 war er Direktor des Büros für wirtschaftliche Gleichheit im Weißen Haus. Von 1971 bis 1973 galt er als einer der engsten Berater von Präsident Nixon, bevor er 1973 zum amerikanischen UN Botschafter ernannt wurde. Im ersten Jahr der Ford Präsidentschaft war er Stabschef im Weißen Haus, bis er 1975 Verteidigungsminister wurde. Nach dem Ende der Ford Regierung wechselte Rumsfeld in die Wirtschaft. Er gilt als Freund von Vizepräsident Richard Cheney, mit dem er eng in der Ford Regierung zusammengearbeitet hat. Er ist ein Verfechter eines umfassenden Raketenabwehrsystems. Sowohl er als auch Colin Powell gelten als die potentiellen Architekten der Außen- und Verteidigungspolitik in der Regierung Bush. Da beide Minister starke Persönlichkeiten sind, wird man wohl mit Auseinandersetzungen zwischen den beiden Ministerien zu rechnen haben.
Handelsministerium (Department of Commerce) Minister: Donald L. Evans Alter: 54 Geburtsort: Houston Mit der Ernennung von Donald Evans setzte Präsident Bush die Tradition anderer Regierungen fort, einen der engsten Freunde des Präsidenten zum Wirtschaftsminister zu ernennen. Der neue Minister und George W. kennen sich schon seit über dreißig Jahren. In dieser Zeit wurde Donald Evans nicht nur der beste Freund des neuen Präsidenten, sondern auch ein enger politischer Berater. Er fungierte während der Präsidentschaftswahlen als Vorsitzender des Bush-Cheney Teams. In dieser Funktion zeigte er sich auch als effektiver und erfolgreicher Spendensammler für den 5
Präsidentschaftskandidaten. Eine ähnliche Aufgabe hatte er schon 1984 und 1998 bei der erfolgreichen Governeurswahl von George W. Bush in Texas übernommen. Donald Evans ist wie der neue Präsident eng mit dem Ölgeschäft verknüpft. Seit 1979 ist er Vorsitzender und Geschäftsführer der Ölfirma Tom Brown. In dieser Funktion hat er die Höhen und Tiefen der Branche in den letzten Jahrzehnten miterlebt. Diese Erfahrungen haben ihn aus seiner Sicht auf die politischen Schlachten in Washington gut vorbereitet. Ob er diese enge Beziehung zum Präsidenten in eine substantielle Rolle in der Politik in Washington umsetzen kann, ist eine andere Frage. Herr Evans unterstreicht, daß ihm seine langjährigen Geschäftserfahrungen nunmehr als Minister dienen werden. In seinen Kompetenzbereich fallen Aspekte der Handelspolitik und die Förderung von amerikanischen Geschäftsinteressen. Weiterhin ist das Ministerium für die Volkszählung zuständig, sammelt Statistiken über die Wirtschaft, ist für das Patentwesen verantwortlich und repräsentiert auch amerikanische Geschäftsinteressen im Ausland. Die Hauptaufgabe des Ministeriums ist für Herrn Evans eindeutig die Förderung des Freihandels, zuerst in den Vereinigten Staaten und dann im Ausland. Prinzipiell hat der Handelsminister die Aufsicht über einem breiten Bereich von Geschäftstätigkeiten, angefangen beim Internet, über Investitionen im Technologiebereich, bis hin zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Wirtschaft und deren Unternehmen sowie auch generell die Exportpolitik. In der Praxis haben die meisten Minister das Amt benutzt, um ein gutes Verhältnis zwischen der Wirtschaft und dem Präsidenten zu gewährleisten, während die meisten wichtigen wirtschaftspolitischen Entscheidungen an anderen Stellen der Regierung formuliert wurden. Will Herr Evans mehr aus seinem Job machen als seine Vorgänger, muß er versuchen, die komplette wirtschaftspolitische Kompetenz in sein Ressort zurück zu holen. Ob ihm dies gelingt, wird in Washington bezweifelt.
Finanzministerium (Department of the Treasury) Minister: Paul H. O’Neill Alter: 65 Geburtsort: St.Louis Mit Paul O'Neill hat George W. Bush einen Mann für den Posten des Finanzministers ausgewählt, der viel Erfahrung aus früheren republikanischen Regierungen mitbringt. Er ist ein ausgewiesener Haushaltsexperte, der bereits den Präsidenten Richard Nixon, Gerald Ford, Ronald Reagan und dem Vater von George W. Bush gedient hat. Er ist ein Kapitän der alten Industrie und hat den Aluminiumgiganten Alcoa zwölf Jahre lang erfolgreich als Geschäftsführer geleitet. Während der Rest der Aluminiumindustrie dahinsiechte, führte er Alcoa zu altem Glanz zurück: Belegschaft und Umsatz verdoppelten sich, die Marktkapitalisierung stieg auf gut 30 Milliarden Dollar – ein Zuwachs von über 600 Prozent. Der neue Minister hat den Ruf eines Außenseiters und Einzelgängers. Er hat in der Vergangenheit Positionen zu Fragen der globalen Erwärmung, den Energiesteuern, zur Ausbildung,
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Sozialversicherung und Gesundheitspflege vertreten, die entschieden überparteilich waren und in einigen Fällen nicht unbedingt mit den politischen Vorstellungen der Republikaner übereinstimmen. Als Finanzminister wird Paul O’Neill eine wichtige Rolle in der Finanz- und Wirtschaftspolitik der neuen Administration zu einer Zeit spielen, da die Börse stolpert und das Wirtschaftswachstum sich verlangsamt. Er wird eine entscheidende Rolle bei der Formulierung und Implementierung der wirtschaftspolitischen Strategien der neuen Regierung übernehmen, die unter anderem umfassende Steuersenkungen und die Reform des Rentenwesens zum Ziel haben. In seiner Rolle als Finanzminister gilt er auch als die Brücke zur Wall Street, der Federal Reserve unter Alan Greenspan und als diplomatische Liaison zu seinen ausländischen Kollegen. Rückhalt und Vertrauen an den Finanzmärkten muß sich O’Neill aber erst noch erarbeiten. Anders als frühere Finanzminister wie Robert Rubin oder Nicholas Brady besitzt er keine Wall-Street-Erfahrung. Wirtschaftspolitisch gilt er an der Börse daher als „unbekannte Größe“. Auch im eigenen Kabinett wird Paul O’Neill um sein Prerogativ kämpfen müssen. Der direkte Zugang zum Präsidenten scheint künftig mehr zu zählen als die offiziellen Befugnisse. Paul O’Neill könnte das zu spüren bekommen. Ein Widersacher in der Formulierung der Wirtschaftpolitik wird mit hoher Wahrscheinlichkeit Larry Lindsey sein. Der ehemalige Zentralbankgouverneur hat Bush im Wahlkampf wirtschaftspolitisch beraten und gilt als „Vater“ des Kernstücks des Wahlprogramms: das Steuerpaket, mit dem Bush die Bürger binnen zehn Jahren um bis zu 1,6 Billionen Dollar entlasten will. Lindsey fungiert in Zukunft als wirschaftpolitischer Berater im Weißen Haus und hat in dieser Funktion die Steuerreform bereits zur „obersten Priorität“ erklärt. Schon bei seiner Anhörung im Senat traten Differenzen in dieser Frage zwischen O’Neill und Lindsey auf. Der neue Finanzminister sprach sich zwar ausdrücklich für Steuersenkungen aus, aber anders als viele andere Republikaner will O’Neill die Steuern auch nicht um jeden Preis senken. O’Neill betonte, daß die finanzpolitische Disziplin unter Clinton „wundervoll“ gewesen sei und Amerika keinesfalls zur Defizitpolitik zurückkehren dürfe. In den nächsten Monaten wird sich zeigen, welche Bedeutung er bei diesen Fragen spielen wird.
Bildungsministerium (Department of Education) Minister: Roderick R. Paige Alter: 67 Geburtsort: Monticello, Miss Die Reform des amerikanischen Bildungssystems war eines der Hauptthemen im Wahlkampf, mit denen Präsident Bush erfolgreich kandidierte. Daher erscheint es wenig überraschend, daß er einen Praktiker aus seinem Heimatstaat Texas zum Bildungsminister ernannt hat. Roderick Paige hat bereits in den letzten sechs Jahren als leitender Schulrat des staatlichen Schulbezirkes in Houston viele Reformvorschläge von George Bush in die Praxis umgesetzt. Beide kennen sich aus der gemeinsamen Zeit in Texas, und der neue Präsident hat während des Wahlkampfes Paige immer wieder als Beispiel für einen innovativen und erfolgreichen Reformer genannt. Paige ist es in den sechs Jahren gelungen, den siebtgrößten Schulbezirk in den USA komplett zu reformieren.
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Dies gelang ihm mit Mitteln und Methoden, die sich in den Reformvorschlägen von Präsident Bush wieder finden. So führte Paige jährliche standardisierte Tests für alle Schulen in seinem Bezirk ein. Schulleiter und Lehrer bekamen nur Gehaltserhöhungen oder wurden befördert, wenn die Schüler diese Tests erfolgreich bestanden. Schlechte Schüler wurden nicht versetzt. Paige experimentierte auch im kleinen Rahmen mit dem wohl strittigsten Konzept der Bush-Reformen, mit dem „Gutschein für Schüler“ Programm. Während seiner Amtszeit schloß er von den dreihundert Schulen in Houston drei der schlechtesten und erlaubte den Schülern, sich eine andere, auch private Schule, auszusuchen. Das Schulgeld wurde mit solchen „Gutscheinen für Schüler“ bezahlt. Dahinter steht die grundsätzliche Philosophie, daß öffentliche Gelder nicht an Institutionen gegeben, sondern für die Schüler ausgegeben werden sollten. Das Reformprogramm, das Präsident Bush in den letzten Tagen eingebracht hat, basiert im wesentlichen auf diesen Ideen, die Roderick Paige in Houston eingeführt hat. Die grundsätzlichen politischen Differenzen zwischen den Republikanern und Demokraten liegen dabei eindeutig in der Frage des Gutscheinsystems. Es wird aber erwartet, daß die wesentlichen Punkte des Reformpaketes verabschiedet werden. Mit Roderick Paige ernannte Bush einen weiteren Farbigen für sein Kabinett. Paige kommt aus dem Universitätsbereich, wo er als Trainer eines Footballteams begonnen hat. Danach wurde er Leiter der Sportfakultät der Texas Southern University, bevor er zum Leiter der Fakultät für Erziehungswissenschaften ernannt wurde. Im Jahr 1983 wurde er in den Schulrat von Houston gewählt und dort 1994 zum leitenden Schulrat ernannt.
Justizministerium (Department of Justice) Minister: John D. Ashcroft Alter: 58 Geburtsort: Chicago Mit John D. Ashcroft als Justizminister hat der neue Präsident seinen wohl umstrittensten Kabinettskandidaten ernannt. Ashcroft war früher Justizminister, Gouverneur und Senator für Missouri. Für die Republikaner repräsentiert er bewährte Wertvorstellungen, für die Demokraten ist er ein Symbol erzkonservativen und veralteten Denkens. Der religiöse Fundamentalist Ashcroft, der weder Alkohol trinkt noch tanzt, ist ein entschiedener Abtreibungsgegner, der sogar Schwangerschaftsabbrüche bei Inzest und Vergewaltigung ablehnt. Er ist ein überzeugter Befürworter der Todesstrafe, ist gegen die gesellschaftliche Anerkennung von Homosexuellen und stimmt gegen die Verschärfung der bestehenden Waffengesetzen. Als Senator hat er mehrere Ernennungen von farbigen Juristen zu Bundesrichtern verhindert, was ihn in den Dunstkreis von Rassisten gebracht hat. Auf Grund seiner extremen Einstellungen halten viele seiner Gegner ihn nicht für befähigt, das Amt eines Justizministers im Sinne des Verfassungsauftrages auszuführen. Der Justizminister ist zugleich Anwalt des Staates und aller Amerikaner. Er muß über die Einhaltung der Gesetze wachen und als Chef der Bundespolizei FBI Verbrechen bekämpfen. Er vertritt die Regierung in Rechtsangelegenheiten und soll zugleich die Freiheitsrechte der Bürger schützen. Der Justizminister berät den Präsidenten, wenn es etwa um die Ernennung von Richtern geht, muß aber gleichzeitig in die Rolle des Generalstaatsanwaltes schlüpfen und unter Umständen im Fall von Gesetzesvergehen gegen den Präsidenten, auf dessen Wohlwollen er eigentlich angewiesen ist, 8
ermitteln. Damit nimmt der Justizminister vielfältige Funktionen wahr und hat Einfluß auf Fragen, die in der amerikanischen Gesellschaft umstritten sind, wie Fragen nach der Gleichstellung von Minderheiten in der Gesellschaft, der Waffenkontrolle und Todesstrafe. Bush hatte nach dem knappen Wahlsieg versprochen, der Präsident aller Amerikaner zu sein. Die Nominierung von Ashcroft hat den Schatten des Zweifels auf diese Aussage geworfen. Einige Beobachter in Washington glauben aber, in der Nominierung Ashcrofts eine raffinierte Strategie Bushs zu erkennen, die es dem Präsidenten langfristig erleichtern soll, Kompromisse mit den Demokraten und dem eigenen rechten Flügel der Partei zu schließen. Die Entscheidung für Ashcroft sei ein Zugeständnis an die erzkonservativen Republikaner, führe ihnen aber zugleich vor Augen, wieviel Widerstand von den Demokraten komme. Damit könnte Bush den Rechten in seiner Partei später leichter Zugeständnisse abringen, wenn Kompromisse mit den Demokraten, etwa in der Steuer- oder Gesundheitspolitik, notwendig werden.
Gesundheitsministerium (Department of Health and Human Services) Minister: Tommy G. Thompson Alter: 59 Geburtsort: Elroy, Wisconsin Mit dem Governor von Wisconsin, Tommy Thompson, ernannte George W. Bush einen aus der Riege von republikanischen Landesvätern, die ihn zu der Präsidentschaftskandidatur aufgefordert hatten und Bush sehr bei seinem Wahlsieg geholfen haben. Tommy Thompson hat über dreißig Jahre lang politische Erfahrungen auf Landesebene gesammelt. Von 1967 bis 1987 war er Mitglied des Landtages von Wisconsin. 1986 wurde er zum Governeur von Wisconsin gewählt und insgesamt dreimal wiedergewählt. Er ist damit der längste amtierende Governor in den USA. Er gilt als Vater der Reform des Wohlfahrtssystems in den USA. Während seiner Amtszeit in Wisconsin hat er eine Reform des bestehenden Wohlfahrtssystems durchgeführt, die zum Modell für die Vereinigten Staaten wurde. Dieses sogenannte „welfare-to-work“ Programm war die Basis für die Bundesreform des amerikanischen Wohlfahrtssystems von 1996. Kernstück dieser Reform war die Philosophie, daß man Wohlfahrtsempfängern Hilfestellungen geben sollte, um sie wieder in die Arbeitswelt zu integrieren. Tommy Thompson ist ein strikter Gegner der Abtreibung. Das Gesundheitsministerium ist zuständig für die Vergabe von Bundesgeldern an Abtreibungsberatungsinstitutionen und an Abtreibungskliniken. Es wird erwartet, daß der neue Minister die Vielzahl der unter Clinton geförderten Programme nicht weiter finanziell unterstützen wird. Das Ministerium ist weiterhin zuständig für die Reform des Krankenversicherungs- und des Pensionswesens. In beiden Fällen werden bedeutende Reformvorschläge der Bush-Administration erwartet, da beide Themen eine wichtige Rolle im Wahlprogramm des neuen Präsidenten gespielt haben. Damit wird der Gesundheitsminister in Zukunft im Mittelpunkt der Reformdiskussion bei diesen wichtigen innenpolitischen Programmen stehen. Dies hat Tommy Thompson sicherlich auch davon überzeugt, seine relativ einflußreiche Position als Governeur von Wisconsin gegen das Portfolio eines Gesundheitsministers einzutauschen. 9
Tommy Thompson hat mehrmals während seiner Amtszeit Deutschland besucht. Er kennt das Land auch daher sehr gut, da Wisconsin seit Ende der achtziger Jahre eine Partnerschaft mit dem Bundesland Hessen hat.
Umweltministerium (Environmental Protection Agency) Minister: Christine Todd Whitman Alter: 54 Geburtsort: New York Das Umweltministerium besetzte Präsident Bush mit einer weiteren Gouverneurin, Christine Todd Whitman, aus New Jersey. Anfang der neunziger Jahre galt sie als ein zukünftiger Star in der republikanischen Partei. Doch ihre Ambitionen für höhere Ämter, wie zum Beispiel eine Vizepräsidentschafts-Kandidatur, wurden meistens von dem konservativen Flügel verhindert, da sie eine Befürworterin von Abtreibungen ist. Sie ist sehr populär beim moderaten Flügel der Republikaner und hat in den letzten Jahren dort noch an Popularität gewonnen. Aus der Gouverneurszeit haben George Bush und Christine Whitman eine enge Arbeitsbeziehung entwickelt. Sie hat sich seinen Respekt und Anerkennung durch einen harten Wahlkampf für Bush verdient. Sie erwarb ihre umweltpolitischen Meriten in New Jersey im Bereich des Naturschutzes. Dieser Bereich gehört allerdings auf Bundesebene in den Auftragsbereich des Innenministeriums. Kritiker unterstreichen, daß unter ihrer Regierung die Regelungen und die Durchführung von Emissionsstandards in New Jersey geschwächt wurden. Dieses ist aber gerade die Hauptaufgabe des Umweltministeriums in den USA. Während ihrer Zeit als Gouverneurin wurde sie sehr stark wegen ihres imperialen Führungsstiles kritisiert. Sie hat keinen guten Ruf, was die Bildung von Koalitionen und Kompromissen angeht. Jedoch wird traditionell in das Umweltministerium vom Weißen Haus und vom Kongress hinein regiert. Somit sollte der Minister die Fähigkeit eines Diplomaten entwickeln. Sie wird in einem Spannungsfeld zwischen den Umweltschützern auf dem linken Flügel und Präsident Bush mit seinen konservativen Alliierten auf der Rechten operieren und eine Balance finden müssen. Sie schien dies zu bestätigen, als sie bei ihrer Ernennung von der Notwendigkeit sprach, „eine passende Balance zwischen den konkurrierenden Interessen im Umweltschutz zum Wohle aller Amerikaner zu finden." Umweltschützer gestehen Frau Whitman zu, daß sie grundsätzlich über Potential verfüge, ihre Resultate im Bereich der Umweltpolitik allerdings in der Vergangenheit recht gemischt waren.
Handelsbeauftragter (U.S. Trade Representative) Minister: Robert B. Zoellick Alter: 47 Geburtsort: Evergreen Park, Illinois
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Als Präsidentschaftskandidat George W. Bush ein schlagkräftiges Team für den erfolgreichen Kampf um die Wahlmännerstimmen in Florida brauchte, rief er den ehemaligen Außenminister James Baker, der wiederum sofort einen seiner Lieblingshelfer, Robert Zoellick, an seine Seite holte, um diesen schwierigen Kampf zu gewinnen. Zoellick hatte schon Anfang der neunziger Jahre als enger Berater von Baker im Außenministerium gearbeitet. Seinen Einsatz bei den Zwei-Plus-VierGesprächen wußte die damalige deutsche Bundesregierung hoch zu schätzen. Für diese wichtige historische Rolle erhielt Zoellick das Bundesverdienstkreuz. In den vergangenen Jahren blieb Zoellick Deutschland in seiner Funktion als Vorstandsmitglied des German Marshall Funds und durch mehrere Reisen nach Deutschland sowie Auftritte bei deutsch-amerikanischen Veranstaltungen eng verbunden. Schon während des Wahlkampfes gehörte Bob Zoellick zu den wichtigsten informellen Beratern des republikanischen Kandidaten. Als George W. Bush Zoellick der Öffentlichkeit als seinen Handelsbeauftragten vorstellte, unterstrich er ausdrücklich dessen Verhandlungsqualitäten, intellektuellen Fähigkeiten und seine Energie. Während der Zwei-Plus-Vier-Verhandlungen erwarb sich Zoellick die Reputation des am besten vorbereiteten und geduldigsten Unterhändlers. Beides wird er auch in seiner neuen Aufgabe brauchen, denn amerikanische Handelsdelegierte stehen traditionell an vorderster Front, wenn es darum geht, handelspolitische Interessen der USA zu vertreten und durchzusetzen. Viele der politischen Beobachter in Washington – und wohl auch Zoellick selbst – waren überrascht, als Gerüchte verbreitet wurden, daß der Handelsbeauftragte nicht wie bisher Kabinettsrang haben sollte. Doch nach einigen Auseinandersetzungen wird der Handelsbeauftragte wie bisher Kabinettsmitglied bleiben und ist damit direkt dem Präsidenten und nicht dem Handelsminister unterstellt. Zoellick ist der Auffassung, daß die Handelspolitik nicht nur unter kommerziellen Aspekten, sondern auch nach Gesichtspunkten der nationalen Sicherheit und damit den bestehenden dauerhaften Bündnissen betrachtet werden sollte. Dies ist sicherlich auch im Interesse der Europäer. Denn die Streitpunkte zwischen der EU und den USA, wie der Handel mit Bananen, hormonbehandeltem Fleisch sowie der Streit um die Subventionen in der Airbus-Industrie enthalten viel Sprengstoff für die zukünftigen Verhandlungen zwischen beiden Partnern.
Energieministerium (Department of Energy) Minister: Spencer Abraham Alter: 48 Geburtsort: East Lansing, Michigan In seiner Zeit im Senat hat der konservative Senator aus Michigan, Spencer Abraham, dreimal versucht das Energieministerium abzuschaffen. Jetzt steht er der Behörde vor, die er noch im letzten Jahr als zu kostspielig, nutzlos und ohne klares Mandat beschrieb. Zum Zuständigkeitsbereich des Energieministerium gehört die Lagerung nuklearer Materialien, die Frage der Energiekonservierung sowie die Vergabe von Subventionen an Energieunternehmen. Diese Vielfalt von Aufgaben hatte Spencer Abraham als Senator kritisiert. 11
Spencer Abraham verlor seine Wiederwahl in den Senat im November. In seiner Zeit als Senator hatte er sich gegen Abtreibung ausgesprochen, für Freihandel und gegen mehr Vorschriften zum Schutz der Umwelt. Dies machte ihn zu einem der Lieblinge des konservativen Flügels der Republikanischen Partei. Der neue Energieminister wird schon bald mit einer Serie von Krisen konfrontiert werden, wie die derzeitigen Elektrizitätskrise in Kalifornien und die im nächsten Sommer zu erwartenden weiteren Elektrizitätsmängel an beiden Küsten sowie mit dem Streben einiger OPEC Nationen, die Ölpreise hoch zu halten. In seiner politischen Karriere war Spencer Abraham Landesvorsitzender der Republikanischen Partei in Michigan. Er war ebenfalls stellvertretender Stabschef des damaligen Vizepräsidenten Dan Quayle. Der Enkel libanesischer Einwanderer hat Jura an der Harvard Universität studiert.
Innenministerium (Department of Interior) Minister: Gale A Norton Alter: 46 Geburtsort: Wichita, Kansas Als junge Rechtsanwältin im Innenministerium von Präsident Reagan war Gale Norton erfolglos damit beschäftigt, die Demokraten im Kongress von der Nützlichkeit der Öffnung der Nationalparks in Alaska zur Ölförderung zu überzeugen. Jetzt kehrt sie als Ministerin im Kabinett eines anderen republikanischen Kandidaten zurück, um diesen Kampf wieder aufzunehmen. Präsident Bush hat während des Wahlkampfes den Demokraten vorgeworfen, daß sie zuviel amerikanische Rohstoffquellen unter Verschluß halten im Namen des Naturschutzes. Präsident Bush hat den Ölgesellschaften den Zugang zu den Nationalparks versprochen, wobei die Demokraten strikt gegen diese Pläne sind. Der Kampf um neue Ölbohrungen in Alaska wird eine der ersten großen Kontroversen der neuen Regierung sein. Mit der Nominierung von Gale Norton hat der neue Präsident ein klares Signal in diese Richtung gesetzt. Neben John Ashcroft ist Gale Norton die wohl umstrittenste Kandidatin für ein Ministeramt. Sie ist ebenfalls eine ausgesprochene Gegnerin von Bundesvorschriften und Grenzwerten im Bereich des Natur- und Umweltschutzes. Als Justizministerin in Colorado hat sie sich vehement gegen den Einfluß der Regierung in Form staatlicher Regulierung im Bereich der Umweltpolitik ausgesprochen. Ihre Philosophie ist, daß die Gemeinden und Firmen sich nur freiwillige Regulierungen in diesen Fragen auferlegen sollten. Einige der umweltpolitischen Organisationen sehen in ihr einen James Watt im Kleid. James Watt war der von Umweltschützern viel gehaßte Innenminister im Kabinett von Ronald Reagan, der Gale Norton in den achtziger Jahren ins Ministerium geholt hatte.
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Landwirtschaftsministerium (Department of Agriculture) Minister: Ann M. Veneman Alter: 51 Geburtsort: Modesto, California Ann Veneman war Landwirtschaftsministerin im US-Bundesstaat Kalifornien und ist die erste Frau auf diesem Posten in einer Bundesregierung. Schon Anfang der neunziger Jahre hat sie in führenden Positionen des Landwirtschaftsministeriums gearbeitet und gilt als sehr qualifizierte Besetzung für diese Position. Sie leitete während des Wahlkampfes die Bush Campaign in Kalifornien. Obgleich sie hohes Ansehen bei den Verbraucherverbänden genießt, wird sie sich das Vertrauen der vielen kleinen Farmer aber noch erarbeiten müssen.
Arbeitsministerium (Department of Labor) Minister: Elaine L. Chao Alter: 47 Geburtsort: Taiwan Nach dem Rücktritt der zuerst als Arbeitsministerin vorgesehenen Linda Chavez, designierte Präsident Bush sehr schnell Elain Chao, die Frau des einflußreichen republikanischen Senators Mitch McConnell, zur neuen Ministerin. Mrs. Chao galt als Geheimfavoritin für das Verkehrsministerium, mußte sich aber dem Wunsch von Bush beugen, einen Demokraten im Kabinett zu haben. Sie war von 1989 bis 1991 stellvertretende Verkehrsministerin in der Regierung von Bush Senior. Danach war sie ein Jahr Direktorin des Peace Corps.
Verkehrsministerium (Department of Transportation) Minister: Norman Y. Mineta Alter: 69 Geburtsort: San Jose, Califonia Der einzige Demokrat im Bush Kabinett ist sehr populär in Washington DC. In den zwanzig Jahren seiner Mitgliedschaft im Repräsentantenhaus hat er die Reputation eines Verkehrsexperten erlangt. Der aus Japan stammende Mineta war seit Juli letzten Jahres Handelsminister im Kabinett des scheidenden US Präsidenten Bill Clinton. Sein zukünftiger Einfluß auf die großen Themen der neuen Administration wird allerdings als eher gering beurteilt.
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Ministerium für Wohnungsbau und Stadtentwicklung (Department of Housing and Urban Development) Minister: Mel R. Martinez Alter: 54 Geburtsort: Sagua La Grande, Cuba Mel. R. Martinez ist das Kabinettsmitglied mit dem wohl interessantesten persönlichen Lebenslauf. Martinez floh als 15jähriger vor dem Castro Regime in Kuba. Der gelernte Jurist und Selfmade-Politiker gilt als enger Vertrauter des Governeurs von Florida, Jeb Bush, dem jüngeren Bruder des Präsidenten. Martinez kämpfte hart gegen die Rückkehr des kubanischen Flüchtlingsjungen Elian Gonzalez zu seinem Vater nach Cuba. Erfahrungen im Bereich des Wohnungsbaus und der Stadtentwicklung hat er während seiner Zeit als oberster Landrat in Orlando erworben.
Kriegsveteranenministerium (Department of Veterans Affairs) Minister: Anthony J. Principi Alter: 56 Geburtsort: New York Anthony Principi, selbst ein Veteran des Vietnam Krieges, war bereits unter George Bush stellvertretender Minister für Kriegsveteranen. Er gilt als einer der besten Kenner der Probleme von Kriegsveteranen; seine Ernennung gilt als Aufwertung des Themas gegenüber der indifferenten Behandlung der Veteranen unter Clinton.
Schlussbemerkung In seiner ersten Rede nach der offiziellen Bekanntgabe seines Wahlsieges, betonte George W. Bush, daß er der Präsident aller Amerikaner sein will. Als ersten Schritt in diese Richtung wurden die Ernennungen für das Kabinett gesehen. Wenn man sein Kabinett oberflächlich betrachtet, erscheint es fast noch diverser als das erste Kabinett von Präsident Clinton. Bush ernannte vier Frauen, zwei Farbige, zwei Kabinettsmitglieder asiatischer, einen kubanischer und einen libanesischer Abstammung. Schaut man aber genauer hin, wird deutlich, daß in den Schlüsselministerien enge Freunde oder Vertraute des neuen Präsidenten sitzen, die seine konservative Weltanschauung teilen. Gerade bei den Ernennungen der Minister, die für die Formulierung der Innenpolitik am wichtigsten sind, hat man Vertreter des sehr konservativen Flügels der Partei gewählt. Dies wird in sozialen Fragen, bei der Abtreibung und in der Umweltpolitik, wohl eine grundlegende Wende in der amerikanischen Innenpolitik gegenüber den Clinton Jahren bedeuten. Die außenpolitische Mannschaft besteht aus sehr starken Persönlichkeiten, und schon wird spekuliert, wer die neue Außenpolitik dominieren wird. Die ersten Anzeichen solcher Machtkämpfe 14
wurden schon vergangene Woche deutlich, als Colin Powell in fremdes Territorium einbrach. Er gedenke, „eine sehr, sehr aktive Rolle“ in der internationalen Wirtschaftspolitik zu spielen, sagte der neue Außenminister, da sich Handelsfragen von der sonstigen Außenpolitik ohnehin nicht mehr trennen ließen. Für Powells Kabinettskollegen, Robert Zoellick, war dies ein klarer Angriff auf seine Zuständigkeit. Gespannt ist man auch darauf, wie Verteidigungsminister Rumsfeld mit dem neuen Außenminister Colin Powell zusammenarbeiten wird. Die Zusammensetzung des Kabinetts läßt zukünftige Auseinandersetzungen unausweichlich erscheinen. Die Vergangenheit hat gezeigt, das George W. Bush größten Wert auf Loyalität legt. Im Weißen Haus installierte Bush, neben den ehemaligen Weggefährten seines Vaters, vor allem Vertraute aus Texas. Wahrscheinlich wird darum der direkte Zugang eines Ministers zum Präsidenten künftig mehr zählen, als seine offiziellen Befugnisse.
Claus Gramckow
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Außen- und Sicherheitspolitik im Kabinett von George W. Bush - Implikationen für das transatlantische Verhältnis Einleitung Der Jahresbeginn in Washington DC stand ganz im Zeichen der öffentlichen Amtseinführung des neuen Präsidenten am 20. Januar, und die Zeitungen und Journale sind angefüllt mit aktuellen Berichten und Bewertungen über die im Kongress durchgeführten Anhörungen zur Bestätigung der von George W. Bush nominierten Kabinettsmitglieder. Während einige der Nominierungen im Bereich der amerikanischen Innenpolitik derzeit für sehr viel Aufregung sorgen, scheinen die Nominierungen im für die transatlantischen Beziehungen so wichtigen Bereich der Außen- und Handelspolitik ohne große Opposition durch die Anhörungen im Kongress zu gleiten. Und obgleich viele Beobachter aufgrund des knappen Wahlergebnisses und der von Bush gemachten Ankündigungen erwarteten, daß die Benennungen für das neue Kabinett ausgeprägt überparteilich und moderat konservativ sein würden, erwiesen sich deren Voraussagen als falsch. Im großen und ganzen scheint das Kabinett daraufhin ausgerichtet zu sein, die mangelnde persönliche Erfahrung von George W. Bush weitgehend zu kompensieren. Gerade im Bereich der Außenpolitik hat George W. Bush einige politische Schwergewichte im Bereich der nationalen Sicherheits- und Wirtschaftspolitik versammelt. Für diesen inneren Kreis hat Bush weit zurückgereicht und auf erfahrene und gestandene Leute der Ford und früheren Bush Administration zurückgegriffen. Drei zukünftige Amtsinhaber dieser Gruppe haben bereits vor fast 25 Jahren der Regierung von Präsident Ford gedient: Dick Cheney, damaliger Büroleiter im Weißen Haus, Paul O’Neill, damaliger stellvertretender Leiter des mächtigen OMB (Office for Management and Budget) im Weißen Haus und numehr benannt für das Amt des Finanzministers sowie Donald Rumsfeld, der damalige und zukünftige Verteidigungsminister. Dieser Kreis von Kabinettsmitgliedern verleiht dem Bush Kabinett gleichzeitig auch den Hauch von amerikanischem professionellen Managment und Big Business. Die zukünftigen Mitglieder des Kabinetts erinnern eher an Vorstandsvorsitzende großer Unternehmen, die zusammenkommen um die Zukunft des Unternehmens „Amerika“ zu debattieren. Alle drei Mitglieder des Kabinetts waren an wichtigen Schnittstellen der amerikanischen Wirtschaft tätig. Dick Cheny leitete Halliburton, ein Dinstleistungsunternehmen in der Ölbranche, Paul O’Neill war an der Spitze von Alcoa, einem Aluminium Giganten in den USA und Donald Rumsfeld kommt von G. D. Searle, einem großen pharmazeutischen Unternehmen. Gemeinsam mit den beiden anderen Mitgliedern im inneren Bush Team, Condoleeza Rice als Nationale Sicherheitsberaterin und General Colin Powell als Außenminister, verfügt George Bush über ein politisch schwergewichtes Team. Die Hauptschwäche – und gleichzeitig auch Hauptbefürchtung vieler ausländischer Beobachter in Europa – wird sein, daß dieses außenpolitische Team internationale Krisen wohl hauptsächlich durch die militärische bzw. militärpolitische Brille begutachten wird. Cheney, Powell und Rumsfeld haben alle einen starken Bezug zum Pentagon. So erscheint die Frage durchaus legitim, ob dieser Club der ehemaligen Kämpfer des Kalten Krieges in der Lage sein wird, neue Visionen für eine mehr und mehr globalisierte, multipolare Weltordnung zu entwickeln. Bereits George Bush Senior hatte ja bekannterweise seine Probleme mit dem „vision thing“. Auf der anderen Seite zeichnet sich das Bush Team dadurch aus, daß die genannten 16
Hauptakteure weitgehend undoktrinär, wenig grell oder extravagant und sehr erfahren im Management großer Organisationen sind. Dies sind nicht zu verachtende Qualitäten. So hatte Bill Clintons politisch wacklige Kandidatenauswahl und die Unerfahrenheit der ausgewählten Personen das erste Jahr seiner Amtszeit in ein organisatorisches Chaos verwandelt. Die Expertise und Erfahrung des Bush Teams auf diesem Gebiet hingegen wurden zu Recht gelobt. Leon Panetta, den Bill Clinton zu Beginn seiner Amtszeit als Büroleiter in das Weiße Haus holte, um das größste Chaos zu Beginn zu bereinigen, nannte die Benennungen von Bush im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik pragmatisch moderat und sieht dies als ein gutes Vorzeichen für den Versuch, aus der politischen Mitte heraus zu regieren. Das Gesagte gilt allerdings weniger für den Bereich der Innenpolitik, in dem konservative bzw. erzkonservative Benennungen für Ministerposten bisher zu den größten Kontroversen geführt haben (siehe den ersten Teil des Campaign Newsletters). Obgleich George W. Bush bei diese Benennungen wohl auch durch taktische Gründe geleitet wurde, sehen einige Washington Insider dies als Auftackt zu einer Reihe von Konzessionen an den rechten Flügel der Republikaner. So glaubt man in Washington auch, daß die Benennungen des erzkonservativen John Ashcroft zum Generalstaatsanwalt, der ursprünglich benannten Linda Chavez, des Gesundheitsministers Tommy Thompson sowie der neuen Innenministerin Gale Norton, ein erstes Signal des Entgegenkommens an die konservative Rechte und die Christian Coalition innerhalb der Republikanischen Partei darstellen, um dann später für Bushs „compassionate conservatism“ im Gegenzug deren Einvernehmen zu erlangen. “Management by Objectives” und “Choosing horses for courses” Die Benennungen von George W. Bush folgen ferner einer bestimmten persönlichen Strategie, nämlich die Mitglieder seines Kabinetts nach den im Wahlkampf gemachten Versprechungen auszuwählen. Dies nennen die Amerikaner „choosing the horses for the courses.“ So hat Bush während des Wahlkampfes versprochen, ein nationales Raketenabwehrsystem (National Missile Defense - NMD) für die USA – wenn nötig auch gegen den Willen der westlichen Verbündeten und Rußlands – zu authorisieren. Mit Donald Rumsfeld hat er den wohl eifrigsten Befürworter in den USA für ein NMD System benannt. Rumsfeld war der Vorsitzende der im Kongress eingesetzen sogenannten Rumsfeld Kommission, die vor einigen Jahren zu dem Ergebnis kam, daß Staaten wie Irak und China innerhalb kürzester Zeit (fünf Jahre) in der Lage sein würden, die USA durch die Entwicklung nuklearer Langstreckenraketen zu bedrohen. Ferner betonte Bush im Wahlkampf die Notwendigkeit, den Begriff der Nationalen Sicherheit enger auszulegen als dies die Clinton Regierung getan hat und U.S. Truppen aus dem Ausland, insbesondere dem Balkan, möglichst bald abzuziehen. Mit dem neuen Außenminister, General Colin Powell, hat er einen Mann ausgewählt, der bekannt ist für seine Vorsicht und Zurückhaltung bei dem Einsatz amerikanischer Truppen im Ausland. Das gleiche gilt für Condolezza Rice, die neue Nationale Sicherheitsberaterin, im Weißen Haus.1 1
Für nähere Einzelheiten zu den von Coldoleeza Rice während des Wahlkampfes gemachten Aussagen zu den zukünftigen außen- und sicherheitspolitischen Prioritäten der USA siehe Webseite der Partei Convention http://www.foreignpolicy2000.org/convention/index.html
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Bei dem von Bush ausgewählten Team wird ferner etwas deutlich, was seine eigene Rolle in der Administration und seinen Managementstil betrifft. So wurde weitgehend angenommen, daß die Benennung von politischen Schwergewichten und Persönlichkeiten, wie Dick Cheney, Donald Rumsfeld und Colin Powell, bedeutet, daß diese ihre Arbeit machen und dabei ihre langjährige Erfahrung und Expertise in einen Bereich einbringen werden, von dem Bush zugegebenermaßen wenig versteht und sich dieser eher in den Hintergrund zurückziehen wird. Dies ist zu einem gewissen Grad wohl auch richtig. So sehen Bushs Nominierungen in der Tat aus wie die politische Implementierung der Theorie Peter Druckers „Management by Objectives“ (MbO): setze weitreichende Ziele, delegiere, vermeide sogenanntes Mikromanagement und entledige dich der Versager. Auch Newt Gingrich war ein großer Anhänger der Anwendung dieser Theorie in der Politik - George W. Bush tut es nunmehr tatsächlich. Irreführend und nicht der Wahrheit entsprechend erscheint hingegen die Annahme, daß sich George W. Bush in den Hintergrund zurückziehen wird. Indem er sich mit derartigen mächtigen und einflußreichen Personen umgibt, wird er früher oder später gezwungen sein, klare und schwierige Entscheidungen zu treffen, wenn verschiedene Positionen und persönliche Ambitionen der Beteiligten aufeinandertreffen oder die ehrgeizigen Ziele nicht durch den politisch fast genau in der Mitte gespaltenen Kongress gebracht werden können. Die Entscheidung George W. Bushs, Donald Rumsfeld und nicht den favorisierten Dan Coats als Verteidigungsminister zu nominieren (aus der Befürchtung heraus, daß Coats dem einflußreichen General Powell oder der Pentagon Bürokratie nichts entgegen zu setzen hätte) zeigt, daß Bush durchaus gewillt ist, den schwierigeren Weg zu gehen. Er wird wohl mehr an derartiger Entschlußkraft in der Zukunft benötigen. Bushs Vorliebe für die Delegation von Verantwortung auf starke Persönlichkeiten ist daher weit davon entfernt ein Grund zu sein, daß er sich weitgehend zurückziehen kann, sondern wird in der Zukunft eher ein Test, nicht ein Ersatz, seines eigenen politischen Könnens werden. Wird George Bush den Kurs der amerikanischen Außenpolitik ändern ? Es ist sicherlich kein Geheimnis, daß viele Europäer während des Wahlkampfes die Daumen wohl fester für Al Gore gedrückt haben und nun fast sorgenvoll auf George W. Bush als 43. Präsidenten der USA blicken. Gores jahrelange Erfahrungen im Bereich der Außenpolitik, sein Internationalismus sowie seine politische Ausrichtung im Bereich der Umweltpolitik ließen ihn eher als Wunschkandidaten der Europäer erscheinen. Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen jedoch, daß sich neue Präsidenten, die mit vielen neuen Vorsätzen und Versprechungen ins Amt kommen, etwas bestimmtes zu tun, oftmals schnell nach Amtsantritt in der Lage befinden zu erklären, warum sie nunmehr genau das Gegenteil von dem tun, was sie eingangs versprochen hatten. Dies trifft insbesondere für den Bereich der Außenpolitik zu, in dem sich die neuen Amtsinhaber sehr schnell mit den Realitäten des neuen Amtes auf der einen Seite und den im Wahlkampf gemachten Aussagen auf der anderen Seite konfrontiert sehen. Zudem haben selbst Präsidenten oftmals nur wenig Einfluß auf Geschehnisse und Krisen auf internationaler Ebene sowie auf die Geschwindigkeit internationaler Ereignisse. Also kein Grund zur Panik ? Dennoch lassen die im Wahlkampf gemachten Aussagen Rückschlüsse auf die generellen Sichtweisen von Kandidaten zu. Im folgenden ist eine tabellarische Übersicht der
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Wahlkampfaussagen von Bush und Gore beigefügt.2 Die im folgenden aufgeführten Aussagen und die Nominierungen Bushs in dem Bereich machen bereits deutlich, daß Bushs Welt eine andere ist als die Welt Clinton-Gores. Die Zukunft wird zeigen, wie viele der unten gemachten Aussagen der Bush Regierung tatsächlich in den nächsten Jahren durchgesetzt werden. BUSH
GORE
VERTEIDIGUNGSPOLITIK ZUSAMMENFASSUNG
Bevorzugt High-Tech Waffen, inklusive Nationales Raketenabwehrsystem
Unterstützt Mehrausgaben, ist zurückhaltend in Bezug auf ein Nationales Raketenabwehrsystem.
VERTEIDIGUNGSAUSGABEN
Würde Verteidigungsetat erhöhen, insb. für verbesserte Gehaltsstruktur und Militärforschung.
Würde bisherige Politik und Budgetanpassungen fortführen.
NATIONALES RAKETENABWEHRSYSTEM
Drastische Erweiterung des derzeitigen Vorschlages von bodengesteuerten Raketen, wahrscheinliche Erweiterung um See- und weltraumgestütztes Abfangsystem. Durchsetzung auch gegen Widerstand Rußlands und zu Lasten des ABM Vertrages und der Rüstungskontrolle im Allgemeinen.
Würde Clintons umsichtigen Kurs fortführen und die Einführung eines begrenztes landgestütztes Systems gegen internationale Interessen und mit Rußland abwägen.
MILITÄRISCHE BEREITSCHAFT
Kritisiert vehement die Politik der Clinton- Verteidigt Ausgabenkürzung als wohl Gore Administration in Bezug auf Ausgaben- balanziert und betont die Vormachtkürzung und Unterbezahlung bei gleichstellung der US Streitkräfte weltweit. zeitigem intensiven Einsatz von US-Truppen im Ausland.
AUSSENPOLITIK ZUSAMMENFASSUNG
Betont Freihandel und Internationalismus, allerdings mit besonderer Betonung u.U. auch allein amerikanische Interessen durchzusetzen.
Betont Freihandel und Internationalismus mit Schwerpunkt auf kooperativem Engagement mit Hilfe internationaler Institutionen, wie die Vereinten Nationen.
RÜSTUNGSKONTROLLE
Ist gegen CTBT (Comprehensive Nuclear Test Ban Treaty) und würde sich vom ABM Vertrag falls nötig distanzieren. Ist generell mißtrauisch gegenüber multilateraler Rüstungskontrolle.
Unterstützt CTBT und eine Fortführung der Verhandlungen zum ABM Vertrag. Allgemeine positive Einstellung zu multilateraler Rüstungskontrolle.
FREIDENSSICHERUNG
Würde eine Reduktion der Rolle von US Streitkräften zur Friedenssicherung weltweit anstreben. Würde US Kräfte im Balkan abziehen, den Einsatz den
Uneingeschränkte Fürsprache für bisherigen Einsatz von US Streitkräften Missionen zur Friedenssicherung.
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Siehe auch den Politischen Bericht aus aktuellem Anlaß des TAD, Nummer 5 (November) in 2000
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BUSH
GORE
Europäischen Verbündeten überlassen und zukünftige Einsätze auf Fälle beschränken, in denen eindeutig das nationale Interesse der US gefährdet ist. CHINA
Bevorzugt zwar „One China“ Politik, unterstützt aber eine engere Sicherheitskooperation mit Taiwan.
Unterstützt „One China“ Politik, ist jedoch gegen enge Sicherheitskooperation mit Taiwan.
CUBA
Unterstützt strikte Wirtschaftssanktionen und internationale Isolation.
Unterstützt die kürzliche Lockerung von Sanktionen in Bezug auf die Lieferung von Lebensmitteln und Medizin, ist für besserem Dialog.
RUSSLAND
Würde Beziehungen auf Sicherheitsfragen beschränken. Ist augenscheinlich gegen weitere IMF Kredite an Rußland.
War aktiv in der Formulierung des derzeitigen Engagements der USA involviert zur Förderung wirtschaftlicher Reformen und Nonproliferation.
MITTLERER OSTEN
Würde US Botschaft nach Jerusalem verlegen.
Würde jede Entscheidung zur Verlegung der US Botschaft bis nach einer Friedenslösung verschieben.
INTERNATIONALE ORGANISATIONEN
Ist für die Bezahlung des US Beitrages für die VN, aber nur, wenn die US Vorschläge für Reformen umgesetzt werden und der US Anteil für Friedensmissionen gekürzt wird. Verspricht, niemals US Truppen einem UN Kommando zu unterstellen. Ist für eine zurückhaltendere Politik des IWF und der Weltbank. Ist gegen einen Internationalen Strafgerichtshof.
Fordert die Zahlung aller Beiträge an die VN. Berater um Gore unterstützen neue Vorschläge zur Stärkung der US Kapazitäten für Friedenssicherungsmissionen.
Nun wird George W. Bush die USA wohl nicht in eine neue Phase von klassischem Isolationismus führen, aber es kann durchaus sein, daß eine nicht weniger klassische Variante droht: der Unilateralismus. So hat sich Bush in der Vergangenheit kontinuierlich durch seine ablehnende Haltung gegenüber multilateralen Abkommen hervorgetan, wie dem Kyoto Abkommen zum globalen Klimaschutz und dem Comprehensive Nuclear Test Ban Treaty (CTBT). Auch seine Abneigung gegenüber neuen internationalen Einrichtungen, wie dem Internationalen Strafgerichtshof und seine Präferenz für eine starke Verteidigung, inklusive einem nationalem Raketenabwehr System sind kein Geheimnis. Dem internationalen militärischen Engagement der USA im Ausland steht er eher skeptisch gegenüber und dies soll zukünftig im Idealfall auf Fälle, in denen eindeutig das amerikanische nationale Interesse betroffen ist, beschränkt werden. Die Befürchtung vieler Europäer vor einer derartigen Akzentverschiebung in der Außenpolitik der USA scheint durch Bushs ersten Tag im Amt bestätigt zu werden. So kündigte er an, jede finanzielle Unterstützung von Internationalen Organisationen, die Abtreibung finanzieren, einzustellen und belebt damit eine Politik der Reagan Regierung neu. Ob dies nun lediglich eine weitere symbolische Verbeugung vor dem rechten Flügel
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der Republikaner ist oder in der Tat den Auftakt für eine „nationalere“ und unilaterale Außenpolitik bildet, wird sich in der Zukunft zeigen müssen. Bushs Aussage, daß die amerikanischen Streitkräfte durch politische und finanzielle Vernachlässigung zu Hause geschwächt und durch zu viele Missionen im Ausland überstrapaziert werden, und er die Absicht habe, die Last der Friedensmission auf dem Balkan abzuschütteln, berührt die Europäer dagegen direkter und die ersten Reaktionen zeigten sich schon heftiger.3 Auch stimmt der Vorschlag bedenklich, jede weiteren finanziellen Hilfen (über den IWF) für Rußland einzustellen, da offensichtlich der erwünschte Effekt, wie freie Marktwirtschaft, Unternehmertum und Wirtschaftswachstum bisher ausgeblieben ist. Obgleich vom logischen Ansatz her richtig, ist die verordnete Politik falsch. Denn die weitere Entwicklung – und Stabilisierung Rußlands – ist nicht ein rein europäisches, sondern weltweites Problem. Der Vorschlag George W. Bushs nach einem umfaßenden Raketenabwehrschild kann zwar durchaus im Interesse der Verbündeten in Europa sein, allerdings sollte dies nur in Kooperation und nicht im unilateralen Alleingang erfolgen. Die Angst vor einem neu entfachten Wettrüsten sollte dabei seitens der USA nicht unterbewertet werden. So stellt sich bei dem jetzigen Stand der Forschung und bisherigen Tests ohnehin die Frage, ob man für ein derart technisch dubioses System, dessen Erfolgsaussichten aufgrund der technischen Limits mehr als fraglich sind, soviel diplomatisches Porzellan zerschlagen und internationales Goodwill verspielen sollte. Die Vergangenheit zeigt, daß Unilateralismus meistens internationale Allianzenbildung und Ablehnung gegenüber dem Hegemon nach sich zieht. George W. Bush erkennt hoffentlich bei allem Interesse für „America first“, daß sich in internationaler Kooperation und Multilateralismus auch Chancen und Möglichkeiten für die USA verbergen und dies nicht nur Lasten sind, die es abzuschütteln gilt. So haben es die USA selbst in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Schaffung vieler multilateraler Gebilde, wie den Bretton Woods Institutionen, dem Marshallplan für Europa, GATT und NATO vorgemacht und gezeigt, daß das Gegenteil von Unilateralismus und innenpolitischem Primat zu dauerhaften Frieden führen kann und damit langfristig im eigenen Interesse der USA liegt. George Bush und seine Berater sind mit Sicherheit keine Isolationisten. Eher sehen sie die USA als die einzige Weltmacht in einer ganz besonderen und damit auch ganz besonders gefährdeten Position. Und das macht ihrer Meinung nach mitunter auch Alleingänge erforderlich (siehe National Missile Defense System). Im Bereich etlicher anderer Probleme ist dagegen Kooperation gefordert. So kann kein Land allein die zunehmenden globalen Probleme im Bereich Umweltverschmutzung oder der Proliferation von Massenvernichtungswaffen, internationaler Kriminalität oder Terrorismus allein kontrollieren. Lösungen lassen sich hier nur gemeinsam finden, und die transatlantische Achse Amerika-Europa ist dabei von entscheidender Bedeutung. Noch ist nicht sicher, ob dieser Wandel von der neuen Bush-Regierung begriffen wird. Zwar setzen Bushs außenpolitische Experten fest auf die alten Allianzen, doch haben sie bisher wenig Enthusiasmus für die neuen Themen auf der internationalen Agenda erkennen lassen. Ein intensiver und kontinuierlicher transatlantischer Dialog ist mehr denn je nötig. Denn wie William Wallace von der London School of Economis zu Recht warnt, sollte „das Überleben der transatlantischen Partnerschaft, die unter den außergewöhnlichen Umständen des Kalten Krieges entstanden ist, nicht als gegeben betrachtet werden.“ 3
Der im Wahlkampf von Bush gemachte Vorwurf an die Clinton Regierung, das Militär zu vernachlässigen, relativiert sich, wenn man sich die folgende Zahl vergegenwärtigt: Im Jahr 1998 haben die USA soviel für Verteidigung ausgegeben wie die NATO Verbündeten, Süd Korea, Japan, die Persischen Golfstaaten, Rußland und China zusammen.
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Sind die Vorschußlorbeeren für Bushs außenpolitisches Team gerechtfertigt ? Mit den meisten Vorschußlorbeeren wurden seit ihrer Nominierung nach der Republikanischen Convention im Sommer und werden immernoch General Colin Powell als Secretary of State und Condoleeza Rice als Nationale Sicherheitsberaterin in der Bush Administration bedacht. Die Lebensläufe beider lesen sich dann auch wie klassische amerikanische Erfolgsstories. Powell ist der Sohn von Einwanderern aus Jamaika, schaffte es aus dem Ghetto der South Bronx in New York heraus bis ins Weiße Haus, um sich während des Golfkrieges zu profilieren. Rice ist die Tochter eines Predigers und schaffte es, dem vom Rassismus gegenüber Farbigen geprägten Alabama im amerikanischen Süden zu entkommen (wo eine Freundin aus Kindheitstagen bei einem infamen Brandanschlag auf eine „schwarze“ Kirche umkam), um als Rußlandexpertin der Bush Administration gerade zu der Zeit im Nationalen Sicherheitsrat im Weißen Haus zu dienen, als die Berliner Mauer fiel und das sowjetische kommunistische Imperium in sich zusammenfiel. George W. Bush nennt Powell respektvoll einen amerikanischen Helden und eine fantastische amerikanische Erfolgsgeschichte und spricht von Rice als brillante Denkerin und Analytikerin. Diese Einschätzung und Lobeshymnen sind derzeit überall zu vernehmen. Obgleich es keinen Zweifel an den persönlichen Qualitäten der beiden zukünftigen Hauptakteure der amerikanischen Außenpolitik geben kann und deren außergewöhnliche Erfolgsstory fast dazu geeignet ist, auch die farbigen Wähler in den USA mit George W. Bush zu versöhnen, reichen eindrucksvolle Lebensläufe allein nicht aus, um eine Aussage darüber treffen zu können, ob Powell und Rice eine erfolgreiche und visionäre Außenpolitik betreiben können. In der Vergangenheit waren die Resultate in diesem Bereich eher gemischt. General Colin Powell kämpfte in Vietnam, was ihn maßgeblich prägte und profilierte sich politisch als Vorsitzender der Joint Chiefs of Staff im Weißen Haus von Bush Senior während des Golfkrieges. Der Krieg war ein überwältigender militärischer Erfolg und General Powell gebührt zweifelsfrei ein Teil der Lorbeeren für die Organisation des Einsatzes. Aber dies ist nicht die ganze Story. Der General war gegen den Krieg im Golf. Als Saddam Hussein in Kuwait einmarschierte argumentierte er gegen den Einsatz amerikanischer Truppen und eine militärische Intervention und versuchte den damaligen Verteidigungsminister Dick Cheney zu überzeugen, daß der Preis amerikanische Soldaten in Kampfeinsätzen zu verlieren, zu hoch und der amerikanischen Öffentlichkeit nicht zu verkaufen sei. Als Präsident Bush dennoch entschied, Irak zu konfrontieren, argumentierte Powell für strenge Wirtschaftssanktionen, nicht für eine Invasion. Und als die irakischen Truppen von den vorher eroberten Gebieten erfolgreich zurückgedrängt wurden, befürwortete Powell das sofortige Ende des Einsatzes. Noch heute hört man in Washington oft den Vorwurf, daß man den Krieg zu früh abgebrochen habe und man damals ein Ende mit Saddam Hussein hätte machen können. Wenig überraschend steht Irak heute ganz weit oben auf George W. Bushs Agenda. Colin Powell ist ebenfalls kein Isolationist, der den Einsatz amerikanischer Truppen lediglich auf den Fall beschränkt, wenn amerikanisches Territorium durch einen Angriff gefährdet ist. Er 22
akzeptierte durchaus, daß amerikanische Interessen im Golf berührt waren. Er war nicht grundsätzlich gegen den Einsatz, sondern war lediglich um die Zahl der möglichen Gefallenen besorgt. Ihm wurden damals mögliche Verluste von 40.000 U.S. Soldaten vorgelegt. Obgleich sein übervorsichtiges Verhalten amerikanische Truppen in den Einsatz zu senden ihn zu dem gleichen Ergebnis gebracht hat, zu dem auch Isolationisten gekommen wären. Somit ist sein Verhalten in der Praxis durchaus isolationistisch, aber vom Prinzip oder Theorie her ein anderer Ansatz. Während der Anhörungen im Kongress zur Bestätigung der von Bush vorgebrachten Nominierungen für Kabinettsposten, wurde ihm dann auch das Leben nicht unnötigerweise schwer gemacht und sowohl Senator Jesse Helms (Rep.) als auch Senator Joseph R. Biden (Dem.) schienen mit der Auswahl höchst zufrieden zu sein. Powell, der seit seiner Zeit in der Regierung ein Vermögen von schätzungsweise 28 Millionen Dollar angehäuft hat, sprach eingangs von seinen Erfahrungen im Bereich moderner Informationstechnologie und des Internet (als einer der Direktoren von AOL). Im nächsten Satz machte er jedoch sehr schnell deutlich, daß seiner Meinung nach ein National Missile Defense System genauso wichtig sei für die moderne Welt, wie das Internet. Er betonte mehrfach während der Anhörung vor dem Auswärtigen Ausschuß des Senats, den Entschluß der Bush Administration, ein National Missile Defense System falls nötig auch gegen den Widerstand der Alliierten durchzusetzen. Er bezeichnete den jetzigen Widerstand in Europa als Angst der Europäer gegenüber etwas Neuem und verglich die jetzige europäische Haltung mit der Stimmung in England und Deutschland als Mitte der achtziger Jahre Pershing-2 Raketen im Gegenzug zur Stationierung sowjetischer SS-20 Raketen im Osten in Westeuropa stationiert wurden. „Wenn etwas richtig ist, muß man es einfach tun“, so Powell vor dem Ausschuß. Obwohl nicht direkt nach seiner Haltung zum zukünftigen Einsatz amerikanischer Truppen für humanitäre Einsätze und nach Einzelheiten zur sogenannten Powell Doktrine (definiere klare Ziele, interveniere nur mit überwältigender Stärke und bei Vorhandensein einer Ausgangsstrategie) befragt, brachte Powell zum Ausdruck, daß die Politik der Clinton Regierung in Bezug auf den Einsatz amerikanischer Truppen auf dem Balkan „vorsichtig überprüft“ werden müsse. NATO sei für ihn der wichtigste Eckpfeiler der transatlantischen Beziehungen. Eine Schwächung des Bündnisses, sei eine Schwächung Europas, was wiederum die USA schwächen würden. Er sprach sich generell für die Erweiterung von NATO aus, ließ aber offen, an welche Beitrittskandidaten er im speziellen gedacht hat. In Bezug auf die zukünftige Politk der USA zum Irak, brachte Powell zum Ausdruck, daß die bisherigen Sanktionen verstärkt werden und andere Länder überzeugt werden müßten, daß Saddam Hussein eine ernstzunehmende Gefahr durch den möglichen Einsatz von Massenvernichtungswaffen darstellt. Zur allgemeinen Politik im Mittleren Osten, distanzierte sich Powell von dem Versuch der Clinton Regierung eine umfassende Friedenslösung zwischen Israel und Palästinensern zu erreichen, und brachte zum Ausdruck, daß Syrien eine wesentliche Rolle bei den Friedensverhandlungen spielen müsse. Dies entspricht ganz der Strategie des Bush-Teams, einzelne Staaten in mehr regionale Verantwortung zu nehmen, um nicht die Rolle des Weltpolizisten zu übernehmen. Befragt zur Haltung der Bush Administration in Bezug auf einen Internationalen Strafgerichtshof dessen Ratifizierung durch den Senat von Clinton befürwortet wurde, bemerkte Powell nur, daß der Senat hier auf keine Initiative der Administration zu warten brauche. In Bezug auf die zukünftige Haltung der USA zu Kuba, erfreute Colin Powell Senator Helms mit der Aussage, daß es sich bei Castro um einen alternden Star handele, der auch in Zukunft mit kontinuierlichen Wirtschaftssanktionen der Bush Administration konfrontiert werden würde. Ferner erweckte Powell in seinem vorbereiteten 23
Statement nicht den Eindruck, daß die Bush Administration die Ratifizierung des CTBT (Comprehensive Test Ban Treaty) in dieser Legislaturperiode vorantreiben würde.
Condoleeza Rice profilierte sich fast zu der gleichen Zeit wie Powell im Weißen Haus der Administration von Bush Senior Ende der Achtziger Jahre. Sie war im Nationalen Sicherheitsrat Senior Director für die Sowjetunion und Osteuropa. Im Gegensatz zum Golfkrieg oder auch der deutschen Einigung, gab es in Bezug auf das Ende der UDSSR jedoch einiges an der Politk der Administration auszusetzen. So war die Bush Administration überaus schwerfällig in der Erkenntnis, daß die Sowjetunion auseinanderfallen würde und hielt zu lange an etablierten Verbindungen zu Mikhail Gorbatschow fest. Obgleich Condi Rice selbst wenig Verantwortung für diesen Akt übertriebener Vorsicht zu tragen hat. Die Entscheidungen wurden von Außenminister Baker, dem Nationalen Sicherheitsberater Scowcroft und Präsident Bush selbst gefällt. Rice tat sich allerdings überaus positiv hervor als es um die Haltung zur Sowjetunion zur Zeit des Mauerfalls und deutschen Einigung ging. Als andere sich überaus besorgt über die sowjetische Reaktion zeigten und bereit waren, sich den sowjetischen Vorbehalten zum Abzug der Truppen aus Ostdeutschland anzuschließen, stand Rice unbeirrbar und vorbehaltlos dafür ein, den Sowjet in nichts entgegenzukommen, was die deutsche Einigung gefährden oder verzögern könnte.4 Obgleich die Lorbeeren in diesem Fall angemessen sind, unterlief ihr fast zur gleichen Zeit ein grober Fehler, nämlich die Unterschätzung der Rolle und Bedeutung Boris Jelzins. Während des ersten Besuches von Jelzin in den USA im Jahr 1989 überstimmte sie die Empfehlung der amerikanischen Botschaft in Moskau zur Einstufung des Besuches und Behandlung des Gastes. Statt eines direkten Termins bei Präsident Bush und des Empfanges durch den Vordereingang des Weißen Hauses, wurde der Besuch von Rice herabgestuft und Jelzin wurde nur die Möglichkeit gegeben, nach einem Gespräch mit Brent Scowcroft, kurz beim Präsidenten vorbeizuschauen. Dies gipfelte dann in einem noch größerem Versagen der Administration: während die USA noch hofften, daß Gorbatschow die UDSSR reformieren könnte, erklärten Rußland und andere Staaten ihre Unabhängigkeit. Seit jener Zeit ist viel Wasser den Potomac herunter geflossen und man könnte meinen, daß Condolezza Rice während ihrer Zeit als Professor an der Standford Universität einiges an Erfahrung hinzugewonnen hat. Dennoch ließ sie sich – wohl auch durch einen Reporter der New York Times in die Enge getrieben – im letzten Oktober zu der Aussage verleiten, daß amerikanische Truppen unter einer Bush Regierung möglichst schnell vom Balkan abgezogen würden. Obwohl die Aussage im nachhinein relativiert wurde, genügte sie doch, die europäischen Allierten zu beunruhigen. Es stellt sich daher die gleiche Frage wie in Bezug auf Powell: Ist Condoleeza Rice visionär genug, um erfolgreich auf die kommenden internationalen Herausforderungen und Krisen zu reagieren ? Die Grundausstattung dafür – Jugend und intellektuelles Potential – hat sie zweifelsfrei. Donald Rumsfeld, Bushs Wahl für den Posten des Verteidigungsministers, bringt zweifelos ein überaus großes Maß an Erfahrung in die Bush Administration. Die Frage ist, ob er die geeignete Weltanschauung für das bereits zweite Jahrzehnt nach dem Ende des Kalten Krieges mit in das Amt bringt. Er kam zum ersten Mal in den Sechziger Jahren in die Politk und dies waren für ihn – genau 4
Sehr empfehlenswert für die amerikanische Sichtweise ist Philip Zelikow und Condoleeza Rice, Sternstunde der Diplomatie: Die deutsche Einheit und das Ende der Spaltung Europas, Berlin: Ullstein Buchverlage GmbH, 1997
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wie für Powell – die entscheidenden und formenden Jahre. Rumsfeld forderte eingangs seiner Anhörung im Kongress eine durchgreifende Revision der nationalen Abschreckungskapazität und technischen militärischen Bereitschaft. Er befürwortete dabei eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben, die Stationierung eines National Missile Defense Systems und eine härtere Gangart in Bezug auf China und Nord Korea. Nachdem er vor 25 Jahren zum ersten Mal vor einem Anhörungsausschuß des Kongresses zur Bestätigung seiner Nominierung als Verteidigungsminister ausgesagt hatte, betonte Rumsfeld, daß die USA heute einer gefährlichen und unüberschaubaren Welt gegenüber stünden. Dazu gehörten Gefahren, an die man während des Kalten Krieges nicht gedacht hätte, wie Cyberterrorismus und Langstreckenraketen von immer mehr Nationen. Rumsfeld ließ keinen Zweifel an seiner Überzeugung aufkommen, daß diesen neuen Gefahren nur durch eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben begegnet werden kann, welche in der Vergangenheit unzureichend und wenig verläßlich gewesen seien. Er deutete sogar an, daß Präsident Bush wahrscheinlich nicht bis zum nächsten fiskalischen Jahr, welches im Oktober beginnt, warten werde, sondern bereits zu Beginn seiner Amtszeit für eine Infusion an Geldern sorgen werde. Während des Wahlkampfes hatte Bush angekündigt, die Verteidigungsausgaben um 45 Milliarden Dollar über die nächsten 10 Jahre verteilt zu erhöhen. Nach offiziellen Angaben von Verantwortlichen im Pentagon würde diese Summe jedoch bei weitem nicht ausreichen, um veraltete Waffensysteme und Ausrüstung zu ersetzen. Al Gore hatte beispielsweise den fast zweifachen Betrag im Präsidentschaftswahlkampf gefordert. Rumsfeld betonte ferner, daß die zukünftige Sicherheitspolitik der USA in wichtigen Punkten von der Politik der Clinton Administration abweichen werde. Dies umfasse sowohl die Ablehnung der Ratifizierung des Vertrages zum Testverbot nuklearer Waffen (CTBT) und auch seine Einschätzung von Nord Korea. Dieser Land sei, so Rumsfeld „mehr an dem Verkauf von Raketen als an dem Wohlergehen seines Volkes interessiert.“ Zum geplanten NMD System der USA betonte Rumsfeld, daß dieses Verteidigungssystem unbedingt notwendig sei, um der drohenden Gefahr durch Langstreckenraketen wirkungsvoll begegnen zu können und bezeichnete den ABM-Vertrag von 1972 als „vorzeitliches Relikt“. Obwohl der Ton der Anhörung versöhnlich und respektvoll war, wurde Rumsfeld dennoch mehrfach eindringlich von den Demokratischen Ausschußmitgliedern auf seine Haltung zum geplanten Abzug amerikanischer Truppen vom Balkan und zu NMD befragt. Letzteres wird ohne jeden Zweifel eines der kontroversen Themen zwischen dem Weißen Haus von Bush und den Demokraten im Kongress werden. In Bezug auf China warnte Rumsfeld, daß die chinesische Führung beabsichtige, den amerikanischen Einfluß in Asien in Frage zu stellen und herauszufordern und zukünftig mehr für das Militär ausgeben werde, was insbesondere für die Streitkräfte in der Straße von Taiwan gelte. In Anspielung auf die von der Clinton Administration gemachte Aussage in Bezug auf China, gab er an, daß China seiner Ansicht nach kein strategischer Partner sei. Bob Zoellick, der neue Handelsbeauftragte der USA, ist aus europäischer Sicht aufgrund seiner weit zurückreichenden Erfahrung auf dem internationalen Parkett eine vielversprechende Wahl. Er ist auch einer der wenigen, der auf Erfahrungen im Umgang mit den Turbulenzen internationaler Wirtschaftspolitik zurückgreifen kann. Als überzeugter Internationalist war er bereits in der Regierung von Bush Senior als Undersecretary of State for Economic Affairs im Außenministerium tätig und war in dieser Funktion maßgeblich an den Verhandlungen zum Abschluß des NAFTA Abkommens beteiligt. Aus deutscher Sicht von vielleicht besonderer Bedeutung ist, daß Zoellick als Unterhändler ebenfalls eine maßgebliche Rolle bei den Zwei-Plus-Vier Gesprächen zur deutschen Einigung gespielt hat und ein ausgesprochener Kenner der deutschen politischen Szene ist. 25
Er hat sich während seiner Anhörung eindeutig für die Förderung von Freihandel und offenen Märkten als Grundpfeiler amerikanischer Wirtschafts- und Handelspolitik ausgesprochen. Zoellick ist gleichzeitig ein loyaler Bush Anhänger. So wurde er im November vom früheren Außenminister der USA James Baker, dessen Protegé er auch jahrelang war, nach Florida gerufen, um George W. Bush bei den rechtlichen Auseinandersetzungen zu helfen, die seinen knappen Vorsprung letzendlich sicherten. Hinter den Kulissen hat Zoellick noch einen anderen Kampf gewonnen: nämlich den Kabinettsrang für das Amt des Handelsbeauftragten zu erhalten. Diese Entscheidung war innerhalb des Bush Teams heftig umstritten. Alle Handelsbeauftragten seit der Regierung von Jimmy Carter hatten Kabinettsrang, aber Bush hatte sich zum Ziel gesetzt, das neue Kabinett zu verkleinern. Ferner zeigten sich die anderen Hauptakteure internationaler Politik im Bush Team, Colin Powell, Condoleeza Rice, Donald Rumsfeld und Vize-Präsident Dick Cheney, wenig begeistert, noch einen weiteren Spieler auf diesem Feld zu sehen. Als diese interne Debatte jedoch öffentlich wurde, sah sich Bush plötzlich einem immensen Druck ausgesetzt, das Amt nicht zu „degradieren“. Auch Mitglieder der im Kongress eingesetzten Ausschüsse, die sich mit Wirtschafts- und Handelspolitik befassen, liefen Sturm. Außerdem stellte sich die Frage, ob die amerikanischen Handelspartner, die meistens Minister zu Handelsrunden senden, mit einem amerikanischen Gesprächspartner niederen Rangs verhandeln würden. Am Ende beugte sich Bush dem allgemeinen Druck und beließ den Posten im Kabinett. Von den vielen Herausforderungen und Problemen, mit denen sich die Bush Administration im Bereich Außenpolitk von rogue states und von realen oder empfundenen Rivalen konfrontiert sehen wird, die wohl heftigsten Debatten werden möglicherweise mit Verbündeten stattfinden. So steht auf der transatlantischen Agenda unter anderem die Frage, wie sich das traditionelle Verteidigungsbündnis NATO mit dem Wunsch Europas nach einer eigenständigen Sicherheits- und Außenpolitk (ESDP) und eigenen schnellen Einsatztruppe arrangieren wird. Fragen der Erweiterung von NATO, dem geplanten National Missile Defense System und der zukünftigen Organisation vor Friedensmissionen in Europa werden wohl auch auf der Agenda stehen, genauso wie die klassischen Streitpunkte zwischen den USA und Europa im Bereich der Handelspolitk, einschließlich der Auseinandersetzung über Subventionen in der Flugzeugindustrie, der Landwirtschaft, hormonbehandeltem Fleisch, genmanipulierten Lebensmitteln und der Besteuerung amerikanischer off-shore Unternehmen sowie im Bereich von Embargos und Wirtschaftssanktionen. Ebenso wird wohl die Debatte um die Neustrukturierung internationaler Organisationen, wie den Vereinten Nationen, dem IMF und der Weltbank im Mittelpunkt stehen. Viele der transatlantischen Streitigkeiten, insbesondere im Bereich der Handelspolitk, sollten jedoch nicht überbewertet werden. Sie sind meiner Meinung nach eher Ausdruck einer sich nach dem Ende des Kalten Krieges vollziehenden Normalisierung der transatlantischen Beziehungen, in denen einfach mehr Raum für Auseinandersetzungen vorhanden ist, da nicht mehr alles durch die Brille des Ost-West Konfliktes beurteilt wird. Dennoch gibt es gerade im deutsch-amerikanischen Verhältnis trotz vieler gleichartiger Interessen vermehrt unterschiedliche Strategien. So beispielsweise im Fall deutscher Außenpolitk zum Iran, Irak, der Rüstungskontrolle und Umweltpolitik. Dabei schwappen vielfach kulturelle innenpolitische Unterschiede in die internationale Arena über, wie im Fall der Todesstrafe, Vormundschaftsgesetze, Klimakontrolle und im Fall genetisch manipulierter Lebensmittel. Die gute Nachricht ist, daß der Wachwechsel in Washington Leute in den politischen Entscheidungsprozeß einbringt, die alle mit dem deutsch-amerikanischen Verhältnis und seinen 26
Besonderheiten vertraut sind. So waren Powell, Cheney und in direkter Form insbesondere Rice und Zoellick in Regierungsverantwortung als sich die deutsche Einigung vollzog. Die neuen Herausforderungen mehr als ein Jahrzehnt nach diesem so einschneidenden Ereignis machen mehr denn je eine enge transatlantische Kooperation und einen kontinuierlichen deutsch-amerikanischen Dialog notwendig.
Michaela Schrader
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