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LUX-LESEBOGEN NATU
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I
K LE 1 N E B I B L I O T II E K
D E S
W I S S E N S
LUX-LESEBOGEN NATU
R
U N D K U LT U R K U N D L I C H E H E F T E
K A R L H E I N Z
DOBSKY
PRINZ EUGEN D E R
E D L E
VERLAG M U R N A U - M U
NC
R I T T E R
SEBASTIAN
LUX
K E N - I N N S B R U C K - H \ - h I
Seit tausend Jahren leuchtet der Name SAVOYEN von den Ahnentafeln europäischer Fürstenhäuser, von den Blättern abendländischer Geschichte. Das späterhin weitverzweigte Geschlecht, dessen Stammbaum einige Historiker bis auf den unglücklichen Sachsenherzog Widukind, andere hingegen — und mit größerer Wahrschcinlichkeit — auf die Markgrafen von Ivrea zurückverfolgen, ist seit dem zehnten nachchristlichen Jahrhundert als Herren der Grafschaft Savoyen urkundlich nachweisbar. Das Alpengebiet Savoyens wird gekrönt von Europas höchstem Berg, dem Montblanc, und vom Mont Cenis, über dessen Paßstraße Hannibal und Napoleon zogen. Ein Schicksalsweg: Aus dem Hause Savoyen stammte auch Berta von Susa, die erste Gemahlin König Heinrichs des Vierten, die im Winter 1076/77 ihren Gatten auf seiner tragischen Bußfahrt über den Mont Cenis nach Canossa begleitete. Sieben Jahre später empfingen Heinrich und Berta in Rom aus der Hand des Papstes Clemens 111. die deutsche Kaiserkrone, und durch ihre Tochter Agnes, die Gemahlin des staufischen Herzogs Friedrich I. von Schwaben, wurde die Savoyerin zur Stammutter des ruhmreichen Herrsdiergeschlechtes der Hohenstaufen. 2
Das Wappenschild Savoyens — ein weißes Kreuz im roten Feld — zeigt sich schon auf einem Siegel aus dem Jahre 1305. Durch Peter von Savoyen, der lange Jahre in Bern residierte, kam es im 16. Jahrhundert ins Banner der Schweizerischen Eidgenossen, die es 1815 zum Staatswappen der Freien Schweiz erhoben. Als Familienwappen des Hauses Savoyen, das 1870 die Einigung Italiens vollzog, war das weiße Kreuz im roten Feld von 1861 bis 1946 zugleich das Wappen des Königreichs Italien. Im Jahre 1416 hatten die Savoyer von Kaiser Sigismund als Rcichsfürsten des Heiligen Römischen Reiches die Herzogswürde empfangen, der erste Herzog von Savoyen, Amadeus VIII., der den Familienbesitz um Piemont und .11- Genfer I and bereicherte, trug in den letzten Jahren des Basler Konzils als „Gegenpapst" Felix V. die Papstkrone, der er jedoch im Jahre 1449 wieder entsagte.
Namhafte lorscher bringen auch das berühmteste Kunstwerk der Welt — Leonardo da Vincis „Mona Lisa" — mit dem Hause Savoyen in Verbindung: Sie glauben in dem Gemälde ein Portrat der Filiberta von Savoyen zu erkennen, der Herzogin von Nemours, die 1514 dem Florentiner Giuliano dei Medici anvermählt wurde. Meister Leonardos letzter Mäzen, König Franz I. von Frankreich, hatte eine Savoyerin zur Mutter: die Herzogin Ludovica von Angoulcme, die als Stifterin des „Damenfriedens von Cambrai" 1529 in die Geschichte eingegangen ist. Aus der Mitte des 16. Jahrhunderts datiert die erste Familienverbindung zwischen Habsburg und Savoyen; das glückliche Ehepaar erbaute in dem französischen Städtchen Bourg-en-Bresse die kleine Kirche Brou, in der vierhundert Jahre später — im Frühjahr 1954 — die Wappen von Habsburg und Savoyen sich erneut vereinten. Vor dem Altar des baufälligen Kirchleins wechselten Erzherzog Robert von Habsburg; ein Sohn des letzten österreichischen Kaisers Karl I., und Prinzessin Margherita von Savoyen die Ringe. Der Vater der Braut, der Herzog von Savoyen-Aosta, hatte während der italienischen Besetzung Äthiopiens den Titel eines „Vizekönigs von Äthiopien" geführt. Er starb 1942 in dem afrikanischen Mau-Mau-Staat Kenya — in einem britischen Kriegsgefangenenlager. 3
„Die Könige, die die geboren sind, alles zu besitzen und allen zu befehlen, dürfen nie außer acht lassen, sich des Henommies zu bedienen . . . Gott, der den Menschen Könige gegeben hat, hat gewollt, daß man sie als seine Statthalter verehren soll, und hat sich nilein das Recht vorbehalten, ihre Taten zu beurteilen . . ." Ludwig XIV. Aus seiner Bergheimat Pescina in den Abruzzen war um d.is J.ihr 1620 ein gewisser Giulio Mazzarini, Sohn eines Edelmannes, nach Rom gekommen. Er bewährte sieh in päpstlichen Diensten als geschickter Sachwalter der „französischen Partei" am Vatikan und folgte schließlich einem Ruf nach Paris — in den Dienst der französischen Krone. In dm letzten 1 ebensjähren des großen Kardinals Richelieu machte er sich als Gehilfe des Staatsmannes bald unentbehrlich; er las ihm die eingehenden Depeschen vor, formulierte Richelieuj Entscheidungen und Erlasse und zeigte sieh als gelehriger Schüler, der seinen Lehrmeister bald an Geschmeidigkeit und höfischem Geschick übertraf. Als Kardinal — diese Würde hatte ihm Richelieu noch auf dem Sterbebette von seinem königlichen Herrn Ludwig XIII. ausbedungen — änderte der Italiener auch seinen Namen in die französische Form, in Jules Mazarin. Seine stärkste Stütze am Hofe war die Königin, Anna von Österreich, mit der ihn eine aufrichtige Freundschaft verband. Nach dem Tode Ludwigs XIII. überließ ihm die Königinwitwe die Führung der Staatsgeschälte und die Erziehung ihres Sohnes Ludwig XIV., der als fünfjähriger Knabe den Titron bestieg. Ludwigs Jugend war hart und freudlos: mit seiner Mutter, die als Regentin willenlos dem Staatsminister Mazarin gehorchte, mußte er als Neunjähriger vor dem Aul.tand des Adels nach Saint-Germain fliehen. Später wurde der Feldherr Turenne sein Lehrer — jener Tu renne, dessen Ausspruch: „Es darf kein Feldherr in Frankreich ruhig schlafen, solange noch ein Deutscher im Elsaß steht . . ." erst im November 1918 vom Sockel seines Grabmals im Pariser Invalidendom getilgt werden sollte. 4
Ein stark entwickelter italienischer Familiensinn ließ Mazarin auch auf der Höhe seiner Macht seine Angehörigen in der Heimat nicht vergessen. Seine Schwester war in Rom verheiratet, mit einem Signor Mancini, der eine Zeitlang als Kutscher, dann als Gipsfigurenhändler gearbeitet hatte und «ich schließlich der Sterndeuterei und Wahrsagekunst verschrieb, die er mit Erfolg und ansehnlichem Gewinn betrieb. Der größte Reichtum der Eheleute Mancini aber bestand in fünl hübschen Töchtern, und diese Mädchen — seine Nichten — holte Mazarin 1632 zu sich nach Paris in der Absicht, durch sie seine Familie mit dem europäisdien Hochadel zu verbinden. Ein Plan, der beinahe z u gut gelungen wäre, denn eine der Nichten, die siebzehnjährige Maria Mancini, entfachte die Leidenschaft des etwa gleichaltrigen Ludwig XIV. zu ernsthaften Heiratsplänen, die Mazarin aus staaupolitischen Gründen und gewiß nicht leichten Herzens zerstören mußte. Auch Marias Schwester Olympia gewann die Freundschaft des jungen Königs, der sich auf Mazarin! Wunsch und Rat mit der spanischen Intantin Marie Therese vermählt hatte. Der Kardinal tand für alle fünf Nichten Ehegatten in den besten Familien: Maria heiratete den Prinzen Colonna, Hortensc den Herzog von La Meilleraye, Laura den Herzog von Mercoeur und Marie Anne den Nerfen des Feldherrn Turenne. Für Olympia aber hatte Mazarin eine besonders lockende „Partie", den Prinzen Eugen-Moritz von Savoyen-Carignan, dessen Mutter Maria von Bourbon der Nebenlinie Soissons des französischen Königshauses entstammte. Prinz Eugen-Moritz von Savoycn diente seinem König als Colonel-General der Schweizer und Bünder und als Provinzgouverneur. Seiner Ehe mit Olympia Mancini entsprossen fünf Söhne und zwei Töchter. Der jüngste dieser Söhne kam am 18. Oktober 1663 im Palais Soissons zur Welt und erhielt in der Taufe den Namen E u g e n Franz. Als die neunzehnjährige „Liselotte von der Pfalz" im Jahre 1671 die Gemahlin Herzog Philipps von Orleans und damit die Schwägerin Ludwigs XIV. wurde, berichtete sie in ihren Briefen an die Angehörigen daheim auch von der ersten Begegnung mit dem achtjährigen Prinzen Eugen: „Das ist ein kleines, mutwilliges, schmutziges Bübchen .. .* Auch Mutter Olympia, die als Haushofmeisterin der Königin und Freundin des Königs ihr Pariser Palais Soissons zum glanzvollen Mittelpunkt der Großen Gesellschaft machte, konnte ihren jüngsten Sohn unmöglich als Zierde des Hauses empfinden: zwerghaft klein, schwächlich und mit schiefen Schultern, zwischen denen ein übermäßig großer olivfarbener Kopf an einen Totcnschädel erinnerte. Die zu kurze Oberlippe ließ die mißfarbe5
nen Schneidezähne sichtbar werden. Aber die Augen . . . ! Schwermütige, wütende Augen, in denen Olympias leidenschaftliches Feuer sich mit dem Goldglanz des alten Geschlechts vereinte zu einem tiefen Leuchten . . . Als Zehnjähriger verliert Prinz. Eugen den Vater. O l y m p i a bemüht sich, die Z u k u n f t des Knaben durch geistliche Pfründe zu sichern, durch die Einkünfte zweier Abteien; sie läßt ihn geistliche Kleidung .inlegen, so dal} der Unscheinbare bei H o f e und in der Stadt bald den Spitznamen „ D e r kleine Abbe" erhält. Es kümmert ihn nicht. Er vergräbt sich ins Studium der Dichtungen Racine , Corneilles und Molieres; er läßt sich von Sauveur, dem Freund und Mitarbeiter des Marschalls Vauban, bei dessen Festungsbauten in Geometrie und Befestigungslehre unterrichten. Die Ruhmestaten der antiken Kriegshelden Alexander, Hannibal und Cäsar fesseln den Savoyer mehr als der Unterricht im Jesuitenkolleg La Fleche, der ihn auf seine geistliche Laufbahn vorbereiten soll. Freilich — der König, der O l y m p i a o f t im Palais Soissons besucht, übersieht bei diesen Begegnungen geflissentlich den hälslichen Sohn seiner Freundin. Es w i r d viel geklatscht, verleumdet und intrigiert am französischen Künigshof; und als unbestrittener H e r r und Meister aller Intrigen erweist sich der Kriegsminister Louvois, der auf das Palais Soissons nicht gut zu sprechen ist, seit O l y m p i a ihm die Hand ihrer Tochter — der jüngeren Schwester Eugens — verweigert hat. Es gelingt Louvois, seinem K ö n i g die junge Marquise von Montespan zuzuführen und damit O l y m p i a aus der Gunst des Herrschers zu verdrängen. In heller Verzweiflung versucht die Verlassene die königliche Gnade wieder zu erringen, sie versucht es mit törichten, kindischen M i t t e l n : mit Liebcstränklein und Hexenbeschwörung, m i t Zaubersprüchen und alchimistischen Künsten. Die Tochter des Sterndeuters und Wahrsagers Mancini richtet sich im Palais Soissons ein astrologisches Kabinett und eine Hexenküche ein, in der es von geheimnisvollen Tränken und Salben duftet und brodelt; bald erzählt man sich am H o f e Wunderdinge von der vermeintlichen Zauberin, die zu spät erkennt, in welche Gefahr sie sich gebracht hat. Der Hofklatsch, unterirdisch geschürt von dem listigen Louvois, bringt Olympias Treiben in Verbindung mit der berüchtigten Giftmisdierin Voisin; im Frühjahr 1680 w i r d die M u t ter des Prinzen Eugen des Giftmordes angeklagt, der drohenden Verhaftung entgeht sie — rechtzeitig gewarnt — durch die Flucht nach Brüssel. Ihre Kinder läßt sie in Paris zurück, unter der Obhut der Großmutter, der Bourbonin, die ihres Sohnes F.he mit O l y m p i a 6
Mancini nie gutgeheißen hat. Ihre Schwiegertochter bleibt auch in Brüssel, nachdem der furchtbare Mordverdacht wieder von ihr genommen ist; die Verleumderin — die Giftmischerin Voisin — wird zum Tode verurteilt und als Hexe verbrannt. In Prinz Eugeiu verwaistem Elternhaus gibt es nun Streit — Streit vor allem mit der herrschsüchtigen, geizigen Großmutter, die des Jünglings Bemühungen um eine Anstellung im königlichen Heer mißbilligt; denn sie vor allen anderen hat ihn tür die geistliche Laufbahn bestimmt. Auch beim König selbst stoßen Eugem Bitten auf eisige Ablehnung, wenn nicht auf Hohn und Spott. Ludwig XIV., den die Höflinge den „Sonnenkönig" nennen, der in Versailles sich den prunkvollsten Herrschersitz aller Zeiten errichten läßt — dieser Monardi ist nicht gewillt, dem „kleinen Abbe" das erbetene Offizierspatent zu verleihen. Auch die Fürsprache von Eugens engstem Freund und Vertrauten, dem Prinzen Ludwig Conti, der als Schwiegersohn des Königs bedeutenden Einfluß bei Hofe hat, kann die Mauer des Mißtrauens und der Abneigung nicht überwinden, die Louvois und seine Anhänger zwischen dem Thron und allem, was Savoyen-Carignan heißt, errichtet haben. Prinz Eugen leidet auch unter dem viel Ärgernis erregenden Lebenswandel seiner Schwestern, die sich durch eigene Schuld und Torheit die Verbannung vom Königshofe zuziehen und dadurch den Aufstieg ihrer Brüder noch unnötig gefährden. Eugens älterer Bruder Ludwig Julius, dem niemand die Soldatenlaufbahn verwehrt hatte, tritt zu Beginn des Jahres 1682 in kaiserlich-habsburgische Dienste, um gegen die Türken zu fechten, deren Vordringen gegen das verhaßte Habsburgerreich von Frankreichs König nicht ohne berechnendes Wohlwollen beobachtet wird. Das Beispiel des Bruders bestärkt Eugen in seinem Entschluß, dem geistlichen Stand zu entsagen und sein Glück auf dem Schlacht-
Trachten und Uniformen im Zeitalter Ludwigs des Vierzehnten 7
feld zu suchen. Im Februar 1683 legt der Neunzehnjährige das geistliche Gewand ab, was zur Folge hat, daß seine Großmutter ihn aus dem elterlichen Hause weist und ihm alle finanziellen Unterstützungen sperren läßt. Mittellos, ohne anderen Besitz als das, was er am Leibe trägt, mietet der Prinz sich ein möbliertes Zimmer im ärmsten Stadtviertel von Paris; schamhaft und stolz den Namen Savoyen verschweigend, nennt er sidi „Chevalier de Carignan", macht Schulden, um die Miete und seine kärglichen Mahlzeiten bezahlen zu können — und wird diese Schulden Jahrzehnte später auf Heller und Pfennig zurückzahlen, auch wenn die erstaunten „Gläubiger" sidi gar nicht mehr der winzigen Darlehen erinnern . . . Noch einmal versucht Eugen den Sonnenkönig umzustimmen; mit geliehener Holkleidung, die viel zu groß ist und in grotesken Falten um seine schmächtige Gestalt schlottert, meldet er sich bei Ludwig XIV. zu der durdi Prinz Conti vermittelten Audienz. Auch Louvois ist zugegen, er liest vom Antlitz seines Herrschers Spott und Veraditung für die lächerlidie Krscheinung des Bittstellers, dessen Mutter sidi einst der besonderen Neigung und Huld der Majestät hatte rühmen dürfen. Ludwig würdigt den Prinzen Eugen nicht einmal einer klaren, entscheidenden Antwort; er beeilt sich, die Audienz zu beenden, um sich mit Louvois dem dröhnenden Gelächter über die spukhafte Szene hingeben zu können. Doch Eugen läßt noch nicht locker. Er folgt dem König auf dessen Inspektionsreisen durch Frankreich, in der trügerischen Hoffnung, in einem günstigen Augenblick Gnade vor den Augen Ludwigs zu finden. Auf einer dieser Reisen scheint es zu einer besonders perfiden Demütigung gekommen zu sein, zu einem ehrverletzenden Spott, der Fugen vom König persönlich oder von dessen nächster Umgebung angetan worden ist und über den die Chronisten sich in mitleidiges Schweigen hüllen. In dieser Stunde aber hat Prinz Eugen von Savoyen Absdiied genommen von Frankreichs Thron und Krone und sich geschworen, nur an der Spitze einer Armee, als siegreicher Gegner, wieder nach Frankreidi zurückzukehren. Sein Platz ist — wie eine Erleuchtung überkommt ihn die schicksalhafte Erkenntnis — bei den Kaiserlichen, bei Habsburg. Am 23. Juli erhält er die Nachricht, daß sein Bruder, Prinz Ludwig Julius, als Oberst eines Kaiserlichen Dragonerregiments gefallen sei. Am gleichen Tag entschließt er sich zur Flucht aus Frankreich. Fr ist nicht allein. Prinz Conti und drei andere gleichaltrige Gefährten schließen sich ihm an. In der Nacht zum 24. Juli überschreiten sie die Grenze zu den -.panischen Niederlanden, aut der Straße nach Brüssel, während der französische König — durch sei8
nen Geheimdienst von der Flucht der jungen Edelleutc unterrichtet — bereits alle Rheinübergänge hat sperren lassen. In Brüssel kommt es zur ersten Wiederbegegnung Eugens mit seiner Mutter Olympia, die hier in einem Kreis von Abenteurern, politischen Geschäftemachern und Intriganten ihre Fäden und Verbindungen knüpft nadi Madrid und Turin, nach Wien und London. Audi ihre Sterndeuterei und ihre alchimistischen Experimente betreibt die frühere Freundin Ludwigs XIV. weiter — die Sterne haben ihr verraten, daß einer ihrer Söhne dereinst ein berühmter Feldherr im Dienste des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation werde . . . Zunächst aber unterstützt sie Lugen und seine Begleiter mit Kleidung und frischer Wäsche, mit Nahrung und Proviant, so dal? die Flüchtigen nach Köln und nach Frankfurt Weiterreisen können. In einem billigen Frankfurter Gasthof, dessen Gewölbe nach Apfelwein duften, überrascht ein geheimer Sendbote des französischen Königs die Prinzen Conti und lEugen beim kärglichen Mahl — er bringt eine persönliche Botschaft Ludwigs XIV. an seinen Schwiegersohn Conti mit der in versöhnlichen, herzlichen Worten gehaltenen Aufforderung, nach Paris zurückzukehren. Auf Prinz Eugens Rückkehr hingegen legt der König bedeutend weniger Wert . . . Nach langen Beratungen kommen die Freunde überein, daß Conti 'dem Ruf des Königs folgen solle, während Fugen sich entschließt, seinen Weg zum Hoflager des Kaisers fortzusetzen. Prinz Conti überläßt Lugen seine nicht eben große Barschaft sowie einen kostbaren Ring, um ihm die Weiterreise zu erleichtern, dann trennen sich die Freunde — doch es ist kein Abschied für immer. In der Folge taucht in der Begleitung des Prinzen Fugen ein Mann auf, dessen Auftrag und Rolle nie ganz geklärt worden ist: ein Graf Tarini, savoyischer Herkunft, vielleicht ein Geheimagent des savoyischen Herzogshauses. Der geheimnisumwitterte Graf wird bald zum Vertrauten des jungen Prinzen, den er in Zukunft wie ein Schatten begleitet, und er erweist sidi des prinzlichen Vertrauens würdig als zuverlässiger, zurückhaltender Freund und Berater. Von Regensburg an ist ihr gemeinsamer Weg zu verfolgen — nach Passau, wohin Kaiser Leopold I. vor den seine Wiener Residenz bedrohenden Türken geflohen ist. Die Dreiflüssestadt Passau gleicht im Sommer 16S3 einem Heerlager. Um den Kaiser versammelt sich der gesamte Wiener Hofstaat mit unzähligen wichtigen und unwichtigen Beamten und Lakaien; in Zeltlagern biwakieren die Truppen des Herzogs Karl von Lothringen, des Markgrafen Ludwig von Baden und lies Kurfürsten Max Emanuel von Bayern. Der Markgraf von Baden ist V
ein Vetter des Prinzen Eugen, hat wie dieser seine Kinderjahre im Pariser Palais Soissons verbracht und mußte vor Jahren mit List und Tücke aus der Gewalt der gemeinsamen Großmutter, die auch Eugen die Jugendjahre vergällt hatte, nach Deutschland entführt werden. In Passau hat der „kleine A b b e " reichlich Gelegenheit, tiefsinnige Vergleiche anzustellen zwischen dem höfischen Geilt von Versailles und dem Hollager de. Kaisers. In Frankreich war er einem H e r r scher gegenübergestanden, der seit M a z a r i n i T o d alle Staarsge d r i t t e selbst in die H a n d genommen hatte und im Begriffe stand, sein Land zur stärksten bedrohlichen Militärmacht Europas zu erheben. Hier in Passau aber w i r d Prinz. Eugen nach umständlichen diplomatischen Vorbereitungen, nach Fürsprache Ludwigs von Baden und schriftlichen Empfehlungen anderer einflußreidier Verwandter endlich zui Audienz, in das stille Kloster geführt, das der Apostolischen Majestät gastliche U n t e r k u n f t gewährt hat. Kaiser Leopold I. hat nie nach Krone und T h r o n getrachtet; zum Priesterberuf erzogen im Geiste des heiligen Ignatius von Loyola, dem er seinen zweiten Vornamen Ignatius verdankt, durch hohe Begabung der Musik und den Wissenschaften leidenschaftlich hingegeben, hat sich dieser scheue und entschlußlose Habsburger nach dem frühen T o d eines älteren Bruders — des eigentlichen Thronerben — nur aus christlichem Verantwortungs- und Pflichtgefühl zum Kaiseramt bestimmen lassen. L'nd nun steht dem aus seiner Hauptstadt Geflüchteten ein anderer Flüchtling gegenüber: der neunzehnjährige Prinz. Eugen von Savoyen-Carignan, Großneffe des Kardinals M a zarin und Anverwandter französischer Könige. M i t bescheidenem Hinweis auf seinen Bruder, der in kaiserlichen Diensten sein Leben ließ, bittet Eugen um das Kommando über ein Regiment, und L u d wig von Baden unterstützt seine Bitte mit der Prophezeiung: „ D i e ser junge Savoyarde w i r d mit der Zeit alle erreichen, welche die Welt jetzt als große Feldherren betrachtet. . " Kaiser Leopold ist zur Zeit mit guten Gründen mißtrauisch gegen alles, was aus Frankreich kommt. Er sagt weder ja nod) nein. Das brüderliche Regiment ist bereits wieder vergeben, aber wenn der H e r r Prinz sich vorläufig dem Gefolge Ludwigs von Baden oder Max Emanuels von Bayern anschließen wolle — bitte schön. Das strenge spanische Zeremoniell des Kaiserhofes läßt ein weiteres Bitten und Drängen nidit zu. Eugen entschließt sidi, die kaiserliche A n t w o r t kühn als Zusage zu werten. Sogar aus seinem Namen merzt er die letzten französischen Anklänge aus und nennt sich von nun an F. u g e n i o v o n S a v o y . 10
Das türkische Lager vor Wien 1683 Nach einem Stich von Romeyn de Hooghe. Gib acht, erschrocknes Morpcntand, Du kennst den Blitz,des Adlers Starke, Er u>a//net unsres Helden Hand, Und rielt au) gröflre Wunderwerke. Hier Schwert des Herrn und Gidconl Auf, blasse Türken, aul, davon . . . ! Johann Christian Günther j t ä r k e r als die offiziellen diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und dem Osmanisch-Türkischen Reich sind die unterirdischen Verbindungen und geheimen Abmachungen, die während der Regierung Ludwigs XIV. von Agenten und Unterhandlern gepflegt werden. Ein dichtes, gefährliches Netz von Nachrichtendiensten und Bevollmächtigten spannt sidi zwischen dem Hofe des Sonnenkönigs und der Hohen Pforte in Konstantinopel: schon im August 1664, als die Reichstruppen bei St. Gotthard an der Raab den 11
türkisdien Ansturm siegreich abwehrten, hat L u d w i g X I V . sich insgeheim beim Sultan für die Teilnahme französischer Truppen auf Seiten der Kaiserlichen entschuldigen lassen mit dem Hinweis, daß er als Protektor des Rheinbundes leider zur Unterstützung des Kaisers verpflichtet gewesen sei Die Bedrohung des Reiches durdi die Türkenheere kann Frankrcidi nicht unwillkommen sein; französische Bestechungsgelder klingen audi in den Tasdien der magyarischen Standesherren Ungarns und Siebenbürgens, die den türkisdien Vormarsch auf Wien im Frühsommer 1683 nicht nur d u l den, sondern offen unterstützen. In Regensburg tagt seit 1663 der „Immerwährende Reichstag". In Passau verhandelt der Kaiser mit Abgesandten des Polenkönigs Johann Sobieski, der — nicht ohne eigennützige Nebengedanken — ein kampfstarkes Heer zur Befreiung des von dreihunderttausend Türken belagerten Wien anbietet. Die Stadt hält sidi tapfer; unter der tatkräftigen Führung des Graten Rüdiger von Starhemberg arbeiten Soldaten und Bürger gemeinsam an der Verstärkung der Befestigungsanlagen, obwohl innerhalb der Stadtmauern schon H u n ger und Seuchen herrsdien. Endlich — am 11. September — naht das Entsatzheer aus Kaiserlichen, Reidistruppen und Polen; die Kaiserlichen stehen unter dem Betehl des Herzogs K a r l von L o t h r i n gen, in dessen Generalität nicht weniger als dreiunddreißig Prinzen sich Kriegsruhm und Siegeslorbeer erhoffen. Zu ihnen gehört auch Eugenio von Savoy, der sich in den vergangenen Wochen eifrig dem Studium der deutschen Sprache gewidmet hat, um die deutschen Kommandos verstehen und beherrschen zu lernen. Am Abend des 12. September ist die große Schladit dank der Feldherrnkunst des Lothringers und des Polenkönigs zugunsten der christlidien Heere entschieden; unter Zurücklassung von zehntausend Gefallenen und einem ungeheuren Kriegsschatz an Gold und Edelsteinen stürmen die Türken in wilder Flucht davon. I h r Oberbefehlshaber Kara Mustafa Bassa büßt seine Niederlage mit dem Tode; der erzürnte Sultan läßt ihn in Belgrad öffentlich enthaupten. Eugenio von Savoy hat diese Schlacht nicht als Kommandierender, sondern als Lernender erlebt, als eifriger Schüler Karls von L o t h ringen, dessen strategische Meisterschaft er bewundert. Was der „kleine Abbe" sich einst in Paris aus Büchern über Kriegskunst und Befestigungslehre angeeignet hatte — hier auf dem Schladittelde findet es seine Bestätigung oder Widerlegung. A u d i die polnischen Verbündeten, auch die tapferen türkischen Gegner hat der Prinz mit respektvoller Anerkennung beobachtet, fest entschlossen, das Erfahrene mit seinen eigenen Ideen auts nützlichste zu verbinden. 12
In langen Gesprächen mit Ludwig von Baden entwickelt er dem Freund seine Pläne über künftige Feldzüge, und der Badener versäumt keine Gelegenheit, den Kaiser auf des Savoyers hohe militärische Begabung hinzuweisen. Im Dezember 1683, nachdem Eugen sich im Gefolge Ludwigs von Baden im Gefecht von Parkanay und bei der Eroberung von Gran durch persönliche Tapferkeit ausgezeichnet hat, ernennt Leopold I. ihn zum Obersten des Dragonerregiments Graf Kuefstein. Das Regiment heilst nun „Prinz Eugen von Savoyen" und wird den erlauchten Namen fast zweieinhalb Jahrhunderte ruhmreich tragen — bis nach dem Ende dej Ersten Weltkrieges. Einen zweiten militärischen Lehrer rindet Eugen in dem etwa gleichaltrigen Kurfürsten Max Emanuel von Bayern, der im Gegensatz zu der aus französischer Tradition erwachsenen, kühl planenden Kampftührung des Herzogs Karl von Lothringen zu kühnen, umfassenden Überraschungsangriffen neigt und bereit ist, entscheidende Erfolge auch mit großen Optern an Menschen und Material zu bezahlen. In des Lothringers Feldzügen zur Verfolgung der Türken in den Jahren 1684/85 zeigt der Dragoneroberst Prinz Eugen sich als gelehriger Schüler, Indem er Tollkühnheit und kühle Berechnung zu höchster Kriegskunst vereint. Obwohl der kleine Savoyer dem Kaiser Leopold allmählich unheimlich wird, erhält er doch Ende 1685 — wohl auf Empfehlung des Kurfürsten Max Emanuel — den Rang eines Generalfeldwachtmeisters. Er ist jetzt zweiundzwanzig Jahre a l t . . . Der erste Urlaub führt ihn nach Brüssel zu semer Mutter, die es sich nicht versagen kann, den kometenhaften Aufstieg ihres Sohnes astrologisch zu erklären, mit der Stellung der Gestirne in der Stunde seiner Geburt. Olympia ist mit ihren sechsundvierzig Jahren immer noch eine schöne Frau, mit Intrigieren und Pläneschmieden vollauf beschäftigt. Auch mit Eugen hat sie Großes vor: Sie überredet ihn zu einer Reise an den spanischen Königshof nach Madrid. Als Mutter und Sohn Anfang 1686 in der spanischen Hauptstadt eintreffen, muß Eugen erfahren, daß Olympia in der Stille bereits alle Vorbereitungen getroffen hat, ihn zu verheiraten — mit einer Dame des spanischen Hochadels, deren Reichtum und Einfluß dem Sohn eine glanzvolle Zukunft eröffnen soll. Ans Heiraten aber hat der kleine, häßliche Savoyer am wenigsten gedacht; mit viel diplomatischem Geschick zieht er sich aus den drohenden Fhelesseln, rührend bemüht, weder die Mutier — sie hat'i ia „nur gut gemeint" — noch die ihm zugedachte Gattin durch seine Ablehnung zu verletzen. Man hat ihn am spanischen Hof mit allen 13
ihm zukommenden Ehren empfanden, hat ihm als Spanischem Granden Erster Klasse den Orden des Goldenen Vlieses verliehen — doch wichtiger sind dem Prinzen Eugen die Gespräche mit Staatsmännern und Heerführern, denen er mancherlei Wissenswertes auch über die Pläne des Sonnenkönigs zu entlocken hofft. Im Sommer 1686 ist er wieder in Wien bei seinem Regiment, das am 2. September entscheidend zur Befreiung von Ofen/Pest (dem heutigen Budapest) von hundertfünfundvierzigjähriger Türkenherrschaft beiträgt. Hier erhält Prinz. Eugen seine erste Verwundung, die „erste von insgesamt dreizehn glorreidien Wunden, die er im Laute seines heldischen Lebens empfängt". Ein knappes Jahr danach, am 12. August 1687, erstürmen die Savoyendragoner beim Berge Harlan das schwerbefestigte türkische Lager; sie erstürmen es zu Fuß, denn Eugen hat seine Reiter absitzen lassen und mit dieser List den Gegner überrascht, der sein Heil in wilder Flucht sucht. Am Jahresende sind ganz Ungarn und Siebenbürgen von türkischer Herrschaft befreit. Is ist der Prinz von Savoycn, der dem Kaiser die Siegesbotschaft in Wien überbringen darf, und Leopold I. bedankt sich mit seinem in Brillanten gefaßten Bildnis. Als Feldmarschall-Leutnant kehrt Eugen zu seinen Truppen zurück. Am 13. Oktober beschließt der ungarische Reichstag im Landhaus zu Preßburg die Anerkennung der erblichen Nachfolge des Haines Habsburg als Könige von Ungarn, und am 9. Dezember setzt der Erzbischof dem neunjährigen Joseph, dem Sohn Kaiser Leopolds, die Krone des Heiligen Stephan von Ungarn aufs Haupt. Im Siegestaumel stürmen die kaiserlidien Armeen weiter nach Osten und Südosten; am 6. September 1688 belagern sie das von den Türken zäh verteidigte Belgrad, und hier kann sich Prinz Eugens Kriegslist wieder einmal glanzvoll bewäh'ren: An der Spitze seiner abgesessenen Reiter dringt er als einer der ersten in die Festung ein. Aber in die Freude der Savoyendragoner mischen sich Bestürzung und Sorge, denn ihr Oberst, ihr „kleiner Kapuziner", wie sie ihn liebevoll bespötteln, ist sdiwer verwundet. Auf dem Krankenlager erhält Prinz Eugen die Nachricht vom Eroberungszug des Sonnenkönigs in die deutschen Lande. Französische Truppen besetzten Mainz und Trier; den Mordbrenner Melac beauftragt Ludwig XIV. mit der Verwüstung der Pfalz, die er als vorgeblidier Reditswahrer der Erbansprüche seiner Schwägerin Liselotte für sein Flaus beansprucht. Ludwigs Kriegsminister Louvois glaubt, die Wünsche seines Herrn in einem kurzen, dafür aber um so grausameren Feldzug durchsetzen zu können und deutet die rauchenden Trümmer von Heidelberg und Mannheim, von Speyer und Worms 14
schon als Siegeneichen — aber die Rechnung geht nicht auf. Nach wenigen Monaten kämpfen lothringische und bayerische Truppen unter Herzog Karl und Kurfürst Max Emanucl Mainz wieder frei, mit ihnen zieht auch Prinz Eugen in die befreite Stadt ein. Er leidet noch unter der Verwundung von Belgrad, aber weder Schmerzen noch W'undverbände können ihn davon abhalten, an der Wiedereroberung des vorübergehend französisch besetzten Bonn teilzunehmen. Links ein Siegel des Humbert von Savoye aus dem Jahre Uli Rechts das Siegel der Herzöge uon Sauouen aus dem Jahre 145S Sdion wartet eine neue, bedeutungsvollere Aulgabe auf den Savoyer: Kaiser Leopold hat sich entschlossen, die verwandtschaftlichen Beziehungen Eugens zum savoyischen Herzogshausc diplomatisch auszunutzen. Mit dem Titel eines Generals der Kavallerie wird der Prinz nach Turin entsandt, an den Hof seines Vetters Herzog Viktor Amadeus von Savoyen, um diesen von der Seite Ludwigs XIV. ins kaiserliche Lager zu locken. Von Herzog Viktor Amadeus wird berichtet, „er habe die Verstellungskunst den Römern abgeguckt, und die Geschicklichkeit, anders zu denken, anders zu reden und anders zu handeln, sei ihm ganz zu eigen . . ." Die persönlichen Erfahrungen Eugens mit seinem Vetter bestätigen diese Charakteristik, und als es dem Prinzen endlich gelingt, den Vetter zu einem zeitweiligen Bündnis mit dem Kaiser zu überreden, versäumt er nicht, in Wien auf die Unzuverlässigkeil des Bundesgenossen hinzuweisen. Unter diesen Umständen müssen sich Eugens militärische Unternehmungen von Savoyen aus auf kühne Reitervorstöße gegen Frankreich beschränken. Es wird auch berichtet, daß der Sonnenkönig in jener Zeit durch einflußreiche Mittelsmänner versucht hat, den Prinzen Eugen für Frankreich zu gewinnen; als „Marschall von Frankreich" soll der einst so schmählich Abgewiesene seine Eeldherrnkunst in den Dienst der französischen Krone stellen. 15
Gewiß hat man auch am Wiener Hof von diesen Versuchen g e h ö r t . . . Im Sommer 1693, im Jahre seines dreißigsten Geburtstages, wird Eugen zum Kaiserlichen Generalfeldmarschall ernannt. Audi an großzügigen habsburgischcn Geldgeschenken fehlt es nicht, so daß der Prinz daran denken kann, sich in seiner Wahlheimat Wien ein eigenes Haus zu bauen. Den Bauentwurf für sein „Winterpalais" in der Himmelpfortgasse läßt er sich von Fischer von Erlach anfertigen, dem kaiserlichen Hofarchitekten und ersten deutschen Künstler, der für sein Werk mit dem erblichen Adel ausgezeichnet worden ist. Fischer von Erlach ist der Lehrer des Kaisersohnes Joseph und erfreut sich der besonderen Gunst Leopolds I.. der ihn mit dem Entwurf einer riesigen Schloßanlage im Park von Schönbrunn beauftragt. Was Rang, Namen und Geld hat im Wien jener Tage, da die Kaiserstadt nach der Befreiung von Türkenbelagerung und Kriegsnot sieh einem neuen, gesteigerten Lebensgefühl hingibt — wer an dem aufblühenden gesellschaftlichen Leben teilnehmen will, läßt sich einen Palast errichten von Fischer von Erlach oder von dem jüngeren Lucas von Hildebrandt. Bald gibt es eine Fischer- und eine Hildebrandtpartei im künstlerischen Meinungsstreit, der in fruchtbarem Wettbewerb die Leistungen der gleichrangigen Rivalen zu immer größerer Reite und Vollendung steigert. Auch Graf Adam Batthyany, ein begüterter junger Offizier in Prinz Eugens Diensten, läßt von Fischer ein prunkvolles Palais errichten für sich und seine junge Frau Eleonore, die Tochter des Hofkanzlers Graf Strattmann. Vor Bauplänen mögen sie einander zum erstenmal begegnet sein — F.ugenio von Savoy und die Gräfin Batthyany, die der Volksmund die „schöne Lori" nennt; und über der gemeinsamen Freude am Schönen kommt es zwischen den beiden zu einer tiefen, von Achtung und Vertrauen getragenen Freundschal t, die sich bis zum Tode des Feldherrn oftmals bewähren wird. Neben seiner Mutter Olympia ist Eleonore Batthyany das einzige weibliche Wesen, das uns im Lebensbild Eugens begegnet. Aber noch bevor das prachtvolle Treppenhaus im Mitteltrakt des Eugenschen Winterpalais von den Baugerüsten befreit ist, wird der Bauherr von seinem Kaiser zur Abwehr neuer Türkenbedrohung gerufen. Das osmanische Heer ist nach den Niederlagen der vergangenen Jahre von tatkräftigeren Befehlshabern neu geordnet und verstärkt worden; auch Belgrad ist wieder in türkischer Hand. Während Eugen sich in Savoyen seinem unzuverlässigen Vetter widmen mußte, hat im Osten der Oberbefehlshaber des Kaiserlichen Heeres gegen die Türken, der sächsische Kurfürst August „der 16
Starke", fast alle einst mühsam errungenen Erfolge wieder zunichte gemacht. Im Hofkriegsrat präsidiert jetzt Graf Rüdiger Starhemberg, der Verteidiger Wiens vom Jahre 1683; und Starhemberg ist es auch, der den Kaiser beschwört, dem zwar tapferen, aber als Heerführer glücklosen sächsischen Kurfürsten den Prinzen Eugen zur Seite zu stellen. Zudem hat August längst andere Interessen — er liebäugelt mit der polnischen Königskrone. Der sächsische Kurfürst zeigt sich nicht sehr begeistert von dem Vorschlag, Eugen zu seinem Generalstabschef zu ernennen, er fürchtet vielleicht auch, daß der Ruhm des Savoyers seinen eigenen Ruhmesglanz verdunkeln könne — kurz, er wünscht sich einen Älteren, farbloseren als Berater. Doch Starhemberg weist in einem ausführlichen Gutachten darauf hin, „daß nicht allemal die langen Jahre die Kriegserfahrenheit gäben, sondern ein großer Verstand dazu erfordert wird, dasjenige was man gesehen auch anzuwenden, weswegen einer, der nebst seinem großen Verstände natürliche Talente und Geschicklichkeit besitze, oftmals in weniger Jahren mehr als ein anderer in vielen lernt . . ." In der entscheidenden Sitzung des Hofkriegsrates, in Anwesenheit der Kaiserlichen Majestät, wird Starhemberg noch deutlicher: „Ich weiß keinen, der mehr Verstand, Experienz (Erfahrung), Application (Hinneigung) und Eifer zu Eurer Kaiserlichen Majestät hätte, ein generöses (edles) Gemüt, auch die Liebe und den Respekt bei der Miliz, als der Prinz von Savoyen. Er hat in Italien kommandiert, die Armada (das Heer) jederzeit in großer Einigkeit, Respekt und Gehorsam gehalten, welcher dagegen bei der Armada in Ungarn ganz zerfallen, weswegen gar nötig, derselben einen solchen vorzustellen, der ihn wieder einzuführen weiß, von allen Offizieren geliebt und sekundiert (unterstützt) wird, die alle — vornehmlich die Vornehmeren — dem Prinzen von Savoyen ebensoviel zugeneigt als sie dem Kurfürsten August abgeneigt sind." Noch am gleichen Tage unterzeichnet der Kaiser Eugens Ernennungs-Urkunde zum Generalstabschef, und Kurfürst August erhebt keine ernsthaften Einwände mehr, denn was kümmern ihn jetzt noch die Türken und die Kaiserliche Ungarnarmee! In einer kleinen Kirche bei Wien hat er soeben seinen von Polen geforderten Übertritt zum katholischen Glauben vollzogen, und wenige Tage später huldigen ihm die Warschauer Abgesandten als neugewähltem König von Polen — willkommener Anlaß, den ungarischen Oberbefehl niederzulegen. Am 5. Juli 1697 ernennt Leopold I. den Prinzen Eugen zum Oberbefehlshaber über alle Kaiserlichen Truppen und Hilfstruppen gegen die Türken. Zum erstenmal hat der Savoyer 17
volle Handlungsfreiheit und Befehlgewalt. Er ist entschlossen, sie zu gebrauchen. Was er an kaiserlichen Truppen in Ungarn vorfindet, ist keine Armee — das ist ein verlotterter, führungsloscr Söldnerhaufen. Seit Monaten haben die Soldaten keinen Sold mehr bekommen, der Nachschub stockt, Hunger und Not machen die Männer zu Plünderern und Marodeuren. Das fürstlich ausge.tattete Hauptquartier des sächsisdien Kurfürsten aber gleicht eher einem orientalischen Harem als dem Feldlager eines Kriegsmannes. Es wimmelt von glutäugigen Türkenmädchen, von Köchen, Lakaien und Ordonnanzen, die spöttisch über den neuen Oberbefehlshaber lächeln — über dies kleine, unansehnliche Männchen, das ohne fremde Hilfe nicht einmal von seinem Streitroß steigen kann. Aber bald vergeht ihnen das Lachen: Zunächst einmal läßt Prinz Eugen die Weiber davonjagen, dann werden die riesigen Vorräte der kurfürstlichen Küche unter die Soldaten verteilt, und aus dem Hauptquartier Augusts des Starken wird ein Feldlazarett. Kuriere werden nach Wien geschickt, um Geld für die Löhnung zu holen, Verpflegungstrosse müssen Proviant und Ausrüstung herbeiführen, die Köche, Hofschran/.en und Lakaien werden in die Kampftruppe eingereiht, und mancher von ihnen erhält zum erstenmal eine Waffe in die Hand gedrückt. Es wird exerziert und manövriert; in kurzer Zeit ersteht unter Eugens strenger, doch gütiger Hand aus dem verlorenen Haufen wieder eine schlagkräftige, disziplinierte Truppe, mit der sich kämpfen und siegen läßt. Bei seiner Ernennung hat der Savoyer ein ganzes Bündel schriftlicher Anweisungen mitbekommen, die ihm befehlen, „wegen der Späte der Zeit und wegen des Mangels an Geld für dieses Jahr offensive Operationen und Belagerungen nicht mehr zu unternehmen." Es sei denn, man stoße auf einen schwachen Feind, dem man mit sicherer Hoffnung auf ein gutes Gelingen „einen Streich anhängen" könne. Und Kaiser Leopold hat in einem eigenhändigen Zusatz noch angefügt: „Es möge dem Prinzen glimpflich inserieret (angezeigt) werden, er solle Car Caute (auf Sicherheit) gehen und sich nicht ohne eines hoffenden guten Erfolges in eine Action einlassen . . ." Kundschalter melden, daß der türkische Sultan mit einem neunzigtausend Mann starken Heer am Ufer der Theiß aufmarschiert ist. In Gewaltmärschen wirft Prinz Eugen seine Truppen dem Feinde entgegen, am Morgen des 11. September 1697 trifft er bei dem Dorfe Zenta an der Theiß auf das stark befestigte türkische Heerlager, über dessen Sultanszelt die Fahne des Propheten flattert. Den 18
neunzigtausend Türken hat der Savoyer kaum dreißigtausend Mann entgegenzustellen; doch er beschließt, den dreifach überlegenen Gegner im Sinne seiner Anweisungen als einen schwachen Feind anzusehen, dem man ruhig einen Streich anhängen k ö n n e . . . Mit dem Degen in der Hand, an der Spitze seiner Kavallerie, erstürmt er die feindlichen Schanzen; die kaiserliche Infanterie umfaßt die Türken in Rücken und Flanken. Als sich die Abenddämmerung über das Schlachtfeld neigt, ist die osmanisdie Streitmacht vernichtet, fünfundzwanzigtausend türkische Gefallene bedecken die Walstatt, Unzählige sind in den Strudeln der Theiß ertrunken. Zur Kriegsbeute der Kaiserlidien gehören neuntausend Wagen, sechzigtausend Kamele und Millionen an Gold und Geschmeide. Das erbeutete Siegel des Sultans wird Prinz Eugen seinem Kaiser in Wien persönlich überreichen zum Zeidien, daß die Offensivkraft des Osmanischen
Zenta an der Theiß, 11. September 16'J7 Die Türken /liehen vor der anstürmenden Kavallerie des Prinzen Eugen. Aus Matthäus Merians Theatrum Europaeum 19
Reiches gebrochen sei. Nach langwierigen Verhandlungen, in die auch England sich einschaltet, kommt es zum Friedensvertrag von Carlowitz, in dem der Sultan ganz Ungarn und Siebenbürgen sowie den größten Teil von Slowenien und Kroatien dem Kaiser überlassen muß. Eugen verfolgt mit seinen Reitern die Reste der türkischen Streitmacht; aut einem verwegenen Streifzug nach Bosnien erreicht er am 25. Oktober 1697 das Städtchen Sarajewo. Nachdem zwei der von ihm in die Stadt gesandten Unterhändler ermordet aufgefunden werden, läßt er die Ortschaft dem Erdboden gleichmachen. Zweihundertsiebzehn Jahre später ist das wiederaufgebaute Sarajewo erneut Schauplatz eines heimtückischen Mordes — das Attentat, dem der österreichische Thronfolger zum Opter fällt, entzündet die Brandfackel des Ersten Weltkrieges. Wie Spielzeug werden im Zeitalter des Absolutismus, der unumschränkten, unkontrollierten Herrschergewalt, die Länder und Völker vertauscht und verschachert, wie ein schwärender Aussatz entstellen die Kriege der Fürsten das Antlitz Europas. Es geht um Throne und Kronen, um dynastische Interessen und eigensüchtige Hausmachtpolitik. Ein beliebtes Streitobjekt ist die spanische Krone — sie wird zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts zum Anlaß des ersten Krieges von europäischem Ausmaß, der als vierzehnjähriger „Spanischer Erbfolgekrieg" in die Geschichte eingegangen ist. Am 1. November 1700 stirbt der letzte Habsburger auf dem spanischen Königsthron, Karl II. Noch vor dem Tode des kinderlosen Monarchen haben sich die europäischen Mächte auf eine Teilung des Erbes geeinigt. Unter dem Druck Ludwigs XIV. aber hat Karl II. Ludwigs Enkel Philipp von Anjou zum Erben und Nachfolger eingesetzt. Mit der Mahnung „Vergiß nie, daß du ein Franzose b i s t . . . ! " entläßt der Sonnenkönig seinen Enkel nach Spanien. Französische Truppen besetzen die spanischen Außenbesitzungen Mailand und Sizilien, Neapel und die Niederlande; auch Kurfürst Max Emanuel von Bayern, einst Kampfgefährte Prinz Eugens, ist zusammen mit seinem Bruder Joseph Clemens von Köln ins französische Lager übergelaufen. Gestützt auf den Teilungsvertrag erhebt Kaiser Leopold Erbansprüche für seinen zweiten Sohn, Erzherzog Karl. Unter Leopolds Vorsitz berät der Hofkriegsrat in Wien die Lage. Graf Starhemberg rät zum Kampf, unterstützt von Prinz Eugen und dem mit Eugen befreundeten König Joseph, dem erstgeborenen Kaisersohn. Die Hedenken des Kaisers fegt der Savoyer hinweg mit den Worten: „Marschieren wir erst — dann werden wir schon Verbündete
finden!"
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Zunächst gilt es, den Franzosen Mailand wieder zu entreißen — eine willkommene Aulgabe für Eugen. Aber trotz glanzvoller Leistungen, trotz der Siege von Carpi und Chiari bleibt der Enderfolg dem Prinzen versagt. Die ihm zur Vertügung gestellten Streitkräfte sind zu schwach, die gewaltige franzosische Macht zu überwinden. Es nützt wenig, daß der Reichstag in Regensburg den Reichskrieg gegen Frankreich erklärt, daß über die abtrünnigen Witteisbacher in München und Köln die Reichsacht verhängt wird. Mit französischem Gelde und türkischer Hilfe wird in Ungarn ein neuer, blutiger Aufstand entfacht, der starke kaiserliche Kräfte bindet. So muß Prinz Eugen sich aut dem italienischen Kriegsschauplatz mit kleineren Unternehmungen bescheiden, deren Erfolg mehr bei den „Fachleuten" Anerkennung findet. Einer davon ist der aus normannischem Adel stammende Engländer John Churchill, Lord Marlbourough, der seit seinem sechzehnten Jahr sich auf allen Kriegsschauplätzen Europas umgetan hat. Als Schüler des Feldherrn Turenne, der ihn „einen schönen Engländer" nannte, hat Marlbourough Ludwig XIV., Jakob II. von England und Wilhelm von Oranien gleich treu gedient und seit Jahren insgeheim den kleinen Prinzen von Savoyen bewundert. Während Eugen in Italien kämpft, nimmt der Engländer die persönliche Verbindung mit ihm durch ein schmeichelhaftes Schreiben vom 4. September 1702 auf: „Es ist schon lange, daß ich mir die Ehre geben wollte, Eurer Hoheit zu schreiben. Der Sieg (bei Luzarra), den Eure Hoheit soeben über die Feinde davongetragen haben, gibt mir jetzt eine so schöne Gelegenheit, Sie zu beglückwünschen, was ich hiermit von Herzen tue. Es ist eine Reihenfolge großer Taten, welche Eure Hoheit geschaffen haben . . . Ich bitte Sie, zu glauben, daß es unter so vielen Personen, welche Sie bewundern, niemanden gibt, der es mit mehr Freude und Achtung tut als ich . . . " Aus Italien nach Wien heimkehrend, wird Prinz Eugen zwar ehrenvoll, aber doch kühl empfangen, denn am Kaiserhol hat sich eine kleine aber einflußreiche spanische Partei gebildet, die nicht den im Teilungsvertrag den Habsburgern zugesprochenen Erbanteil, sondern das ganze ungeteilte spanische Erbe begehrt. Des Prinzen politische Absichten zielen jedoch auf die Wiederherstellung der Reichsrechte im Westen und in Italien. Man versucht, das Erscheinen Eugens vor dem Kaiser zu hintertreiben — erst mit der Drohung, den Oberbefehl niederzulegen, kann der Savoyer die Neider einschüchtern. „Ich bin zwar kein König", schreibt der Prinz in stolzem Zorn, „aber es gibt niemanden, dem ich nachstehe an Lebhaftigkeit des Ehrgefühls . . . " :i
Der Zusammenbruch des Bankhauses Oppenheimer in Wien bringt Österreich im Mai 1703 an den Rand des Staatsbankrotts. Im Osten drohen erneut die Türken und die ungarischen Aufständischen, die plündernde Streifzüge schon bis nach Mähren und Niederösterreich unternehmen. Im Westen dringen die Franzosen auf das Reichsgebiet vor, im Süden das abtrünnige Bayern, dessen Kurfürst sich mit der Einnahme von Passau ein Eintallstor für den geplanten Vorstoß auf Wien geschaffen hat. In der Hauptstadt herrschen Ratlosigkeit und Verwirrung; nur einer kann — das ist die Überzeugung aller — die Lage nodi meistern: Eugenio von Savoy. Am 3. Juli 1703 wird er zum Präsidenten des Hofkriegsrates ernannt — ein Amt, das er nur mit Vorbehalt und nach schwerer innerer Überwindung annimmt. An seinen Nachfolger im italienischen Oberbefehl schreibt er: „Ich unterlasse nicht, Deroselben zu erinnern, wie ich zwar mit allem ersinnlichen Ernst die Sache für die italienische Armee pressiere, die Confusion aber sowohl bei der Hotkammer wie am Hofe selbst ist größer als je und verhindert Entschlüsse. Ich habe dem Kaiser selbst mit solchem Eifer zugeredet wie kein Minister bisher; sollte es nichts verfangen, bin ich entschlossen, Ihrer Kaiserlichen Majestät das mir allergnädigst auferlegte Präsidium wieder zu Füßen zu legen, als unter mir wider meine Schuld und meine tag-nächtliche Mühe und Arbeit dero Kriegsstaat in gänzlichen Ruin verfallen, ja — sogar dero Monarchie zugrunde gehen zu sehen." Mit Hilfe König Josephs, der ganz, auf seiner Seite ist, mit Hilfe Starhembergs, des jungen Reichsvizekanzlcrs Schönborn und anderer Gleichgesinnter erreicht Eugen in letzter Stunde — in einer beispiellosen Anspannung aller Kräfte und Nerven — eine völlige Neuordnung des Staats- und Finanzwesens. Unfähige Minister und Staatsbeamte werden mitleidlos entlassen, ohne Rücksicht auf ihre Herkunft oder „Beziehungen"; die im versandeten Getriebe knirschende Verwaltungsmaschine wird vereinfacht und der militärische Führungsstab erfährt eine straffe Zusammenfassung mit klaren Verantwortlichkeiten. Gegen Jahresende begibt der Savoyer sich nach Preßburg; er läßt die gefährdete Stephanskrone — nach siebenhundertjähriger Tradition Sinnbild und Träger ungarischer Staatshoheit — nach Wien in Sicherheit bringen und gewinnt in langwierigen Verhandlungen das Vertrauen der ungarischen Standesherren. Die Staatskasse in Wien ist leer — also werden den Adeligen und den Beamten neue Steuern und Abgaben auferlegt; ein großer Teil des Kirchensilbers wird eingezogen, weil — nach Eugens Worten — „dieser Krieg ja weltenkundig eine gerech'?
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Sache ist, und gedeihet folglich das Recht zu verteidigen, welches Gott selbst in die Welt ««-'bracht hat. Die Kirchen sind nach Eid und Pflichten schuldig, Hülf und Beistand zu leisten." Kaiser Leopolds Botschafter am Londoner Königshof, der mit. Prinz Lugen befreundete Graf Wratislaw, erhält den Auttrag, Lord Marlborough für einen gemeinsamen Eeldzug gegen die Bayern und Franzosen zu gewinnen. Im Frühjahr 1704 rindet die erste persönliche Begegnung zwischen Marlborough und Eugen statt — eine treundschattliche Aussprache, die völlige Übereinstimmung ergibt. Am 13. August vereinen sich Marlboroughs und Eugens Truppen bei Höchstädt und Blindheim (das die Engländer Blenhcim nennen) nahe Donauwörth zur Entscheidungsschlacht, in der Franzosen und Bayern vernichtend geschlagen werden. Lord Marlborough wird vom englischen Königshaus zum Herzog, vom Kaiser zum Reichsfunten erhoben. Engtand schenkt seinem ruhmreichen Feldherrn das gewaltigste Barockschloß des Inselreichs — es erhält zu Ehren des gemeinsamen Sieges von Marlborough und Prinz Eugen den Namen „Schloß Blenlieim". Einhundertsiebzig Jahre nach der Schlacht von Höchstädt wird in Schloß Blenheim ein später Nachkomme des Herzogs von Marlborough geboren, der den Namen seines Ahnherrn noch einmal ins Buch der Geschichte schreibt: Winston Churchill. „Reiten Sie sich und unsere Kinder! Das ist das einzige, was wir noch haben. Mit mir geht's dem Rheine zu . . ." schreibt Kurfürst Max Emanuel von Bayern nach der Niederlage von Höchstädt an seine Gemahlin. Bayern wird von den siegreichen Kaiserlichen als eroberte Provinz betrachtet; nach dem Tode Kaiser Leopolds läßt sein Nachfolger, Joseph I., auch München besetzen. Die kurfürstliche Garde wird autgelöst, alle Waffen müssen abgeliefert werden. Bayern hat innerhalb von sechs Monaten dreieinhalb Millionen Gulden zu zahlen, Bürger und Bauern werden zu Hand- und Spanndiensten gezwungen. Die unnötig harte Besatzung erzeugt Gegendruck; es kommt zu Aufständen und Revolten, es kommt im Dezember 1705 zur blutigen „Sendlinger Mordweihnacht", die sich im bayerischen Volksbewußtsein untrennbar mit der legendären Gestalt des „Schmieds von Kochel" verbindet. Kurfürst Max Emanuel lebt als Flüchtling in Frankreich und in den Niederlanden. Als ihm der Rastatter Friede die Heimkehr in sein Land erlaubt, bringt er zum Gaudium seiner Münchner einen wallonischen Hofzwerg mit, der sich später trotz, seiner Krüppelhatiigkeit einen recht angesehenen Namen als Baumeister machen wird. Er heißt Francois Cuvillies. 23
„Wenn Ich etwas tauge, wenn ich etwas von meinem Handwerk ver••'"•. so verdanke ich es dem Prinzen Eugen. Er regierte nicht nur die österreichischen Erblande, sondern auch das Reich. Eigentlich war er Kaiser . . ." Friedrich der Große D i e Zeichner und Kupferstecher hüben im achtzehnten Jahrhundert viel zu tun, um all die Veränderungen säuberlich nachzutragen, die sich von Jahr zu Jahr im bunten Kartenbild Europas ergeben. Der Kurfürst von Brandenburg nennt sich seit dem 18. Januar 1701 „König in Preußen", und der Kaiser in Wien, der um Erlaubnis gefragt werden mußte, hat erst nach langem Widerstreben zugestimmt. Selbst der Papst ist dagegen — die päpstlichen Handbücher verzeichnen noch Jahrzehnte später die preußischen Könige als „Marquis de Brandenbourg". In scharfen Worten hat sich auch der Prinz Eugen in Wien gegen die Königswürde der Hohenzollern ausgesprochen; er meint, die Minister, die dem Kaiser zur Zustimmung geraten haben, gehörten von Rechts wegen alle aufgehängt. Eugenio von Savoy i--t längst über dynastische Vorstellungen erhaben — er dient nicht dem Hause Habsburg, er dient dem Reich. Wenn er — in den Jahren 1706 und 1707 — die kaiserlichen Heere 24 ganz Italien besetzen läßt, denkt er an die Rückgewinnung alter Reichsrechte und alten Reichsbesitzes. Im September 1706 beireit er das von Franzosen besetzte Turin; beim siegreichen Einzug in die
Stadt reit« neben ihm der Prinz Leopold von Anhalt-Dessau, der schon bei Höchstädt dabei war und in Italien mit seinen brandenburgischen Grenadieren die hohe Anerkennung des Savoyers gelundcn hat. Es gefällt Eugen, daß der Dessauer sich allen Standesgesetzen und allen Widerständen seiner Familie zum Trotz mit einer Bürgerlichen verheiratet hat, mit der Apothekerstochter Anneliese Fehse, die ihren Mann sogar auf seinen Kriegszügen begleitet. Auch die Mazarin und Mancini waren ja einfache Leute gewesen, ehe sie durch Leistung und Verdienste emporstiegen in den Kreis der „Großen Familien". Den kleinen Leuten, den Bescheidenen und Schüchternen gilt des Prinzen besondere Neigung; das wissen seine Soldaten, die für ihn im wahrsten Sinne des Wortes „durchs leuer gehen". Sein Sieg in Turin, der die Franzosen vom italienischen Boden vertreibt, wird mit der Ernennung zum Gouverneur des Herzogtums Mailand belohnt. Er hat dieses Amt ebensowenig persönlich ausgeübt wie die ihm später übertragene Statthalterschaft der Niederlande; doch wenn er vorübergehend in Mailand residiert, dann umgibt ihn eine glanzvolle Leibgarde lombardischer Edelleute, und in seinem Palast häufen sich die erlesensten Werke antiker Kunst, kostbare Bücher und wertvolle Gesehmeide — der Grundstock seiner späterhin berühmten Sammlungen in Wien. Nach Mailand bringt ihm 1707 ein Kurier des Reichstages in Regensburg die Urkunde seiner Erhebung zum Reichsfeldmarschall des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Die folgenden Jahre sehen den Prinzen Eugen nicht nur auf den Schlachtfeldern, sondern auch am Konferenztisch. Im Haag verhandelt er mit Marlborough über die weiteren militärischen Maisnahmen, die Frankreich in seine Grenzen zurückweisen und endlich in Mitteleuropa die langersehnte Ruhe herstellen sollen. Er hat den englischen Freund in tiefer Niedergeschlagenheit angetroffen. Nach zeitgenössischen Berichten „schlössen Eugen und Marlborough sich für einige Stunden ungestörter Zwiesprache in einem Zimmer ein, das der Herzog völlig verwandelt verließ, um seine Befehle herauszugeben; Mut und Begeisterung ergriffen das Heer, und der kühne Entschluß, ungesäumt zur Schlacht zu schreiten, wurde voll gerechtfertigt..." Diese Schlacht von Oudenaarde, in der Prinz Eugen mit blankgezogenem Degen seinen begeisterten Truppen voranreitet, ist der Auftakt zur Eroberung von Lille, zum Treffen von Malplaquet am 11. September 1709, das die geschlagenen Franzosen zu ersten Friedensangeboten zwingt. Die Niederlande sind frei, „was man nächst Gott der Klugheit, Tüchtigkeit und Tapfer25
keit des Prinzen Eugen von Savoyen zu danken hat", und nur noch die befestigten und von den Franzosen verteidigten Platze Arras und Cambrai hindern die Kaiserlichen am Vorstoß nach Paris, in dem Eugen — „an der Spitze eines siegreichen Heeres nach Frankreich zurückkehrend" — den Frieden Europas zu besiegeln hofft. Aber das Schicksal will es anders. Die Parlamentsneuwahlen in England ergeben im Sommer 1710 eine Mehrheit der Tory-Partei, die Marlborough feindlich gesinnt ist und binnen kurzem seinen Sturz, seine völlige Kaltstellung erreicht. Auch in Wien gibt es bedeutsame Veränderungen: Am 17. April 1711 stirbt der junge Kaiser Joseph I., der Freund Prinz Eugens, an den Blattern. Sein Bruder, der spanische König Karl, wird im Oktober als Karl VI. zum Kaiser gewählt. Alle Figuren des politischen Schachspiels sind plötzlich durcheinandergeworfen. Durch geheime Kanäle erfährt man in Wien, daß Lord Bolingbroke, der neue Staatssekretär der englischen Königin Anna und erbitterte Gegner Marlboroughs, in aller Stille mit Ludwig XIV. verhandelt, und bei diesen Verhandlungen, die bald zu geheimen Verträgen führen, werden die Interessen des Reiches und Habsburgs mit leichter Hand beiseite geschoben. In dieser kritischen Lage weiß sich der neue Kaiser Karl VI. keinen anderen Rat, als den Prinzen Eugen in geheimer und außerordentlicher Mission nach London zu entsenden, um England an seine dem Reich gegenüber eingegangenen Verpflichtungen zu erinnern und bei Hofe die Reichsintcressen nachdrücklich z.u vertreten. In Iondon wird der berühmte Feldherr mit Begeisterung empfangen — aber nur vom Volk, das sich einen sicheren Sinn für wahre Größe und Leistung bewahrt hat und dem Prinzen die Pferde ausspannt. Bei Hofe aber trifft der Abgesandte des Kaisers auf eine Mauer des Schweigens, der Ablehnung, der heuchlerischen Verstellung — was Eugen nicht abhält, den jetzt verfemten Marlborough, dem man auch noch ein peinliches Gerichtsverfahren wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder angehängt hat, zu besuchen. Aber — so schreibt Eugen in seinem drolligen Deutsch nach Wien — „wenn ich mit dem Mylord Duc Marlborough vill spreche und handle, so ist es nichts als ein lährer Discurs, weilen die gegenwärtigen Umständte ihn dahin verlaitet, daß er nichts auf sich nähmen will und kann . . . " Und von den englischen Ministern, mit denen er verhandelt, schreibt der Prinz, „daß schon eine geraume Zeit her kein Mensch eine verläßliche Antwort von ihnen hat erhalten können."
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Der fürstliche Xommcrsü: des Prinzen Eugen von Savoyen gehört zu Jen bedeutendsten Pro/anbauten des Hochbarock. Neben seinen berühmten Kunstsammlungen und seiner prachtvollen Bibliothek unterhielt der Feldherr hier auch einen kleinen, priuaten „Zoologischen Garten." Nach Eugens Tod ging das Schlo/3 In den Besitz des Kaiserhauses über; i>on 1SS1 bis 1914 diente es als Wohnsitz des ErzherzogThron/olgers Franz Ferdinand. Im Marmorsaal des Oberen Belvcdcre wurde am 15. Mai 1955 der österreichische Slaat.ivertrag unterzeichnet, der die ..Besatzungszelt" des Landes beendete und Österreich für alle Zeiten zur Neutralität verp/lichtet.
* 27 U n d dabei stellen die U i n g e militärisch so günstig wie noch nie! Das geschwächte I r a n k r e i c h hat Eugens g e p l a n t e m V o r s t o ß nach Paris n u r eine weit unterlegene Streitmacht gegenüberzustellen. Aber der neue O b e r b e f e h l s h a b e r der englischen T r u p p e n und N a c h -
folger Marlboroughs, der Herzog von Ormond, läßt seine Soldaten nicht marschieren. In der letzten, entscheidenden Kriegsratssitzung vor der Schlacht, die Europa den endgültigen Frieden bringen soll, hört sich Ormond, wie Eugen sofort an den Kaiser berichtet, die Erklärungen des Reichsfeldmarschalls zwar bedachtsam an, „verlor aber daraufhin kein Wort. Schließlich jedoch, als er gesehen, daß man ihn mit aller Gewalt reden machte und er keine weitere Ausflucht zu nehmen wußte, hatte derselbe endlich deklariert, Ordre zu haben, daß er sich in keine Aktion einlassen solle. Und als man darauf ferneres in ihn gesetzet, wann er bei sogestalten Dingen in keine Schlacht eingehen könne, daß er wenigstens zu einer Belagerung mitschreiten sollte, replicierte (erwiderte) derselbe, daß er auch dieses nicht eher zu thun vermöge, bis er weitere Ordre empfangen hätte." Audi die verbündeten Niederländer sind empört über das englische Verhalten: „Sie gemahnten den Herzog von Ormond, daß dies keine Manier sei: uns in des Feindes Lande zwischen seine Festungen marschieren zu lassen, um sodann in einer Inaction (in Untätigkeit) zu verbleiben, die natürlicherweis den Feind sehr animieren m ü s s e . . . " Prinz Eugen schließt seinen Bericht an den Kaiser mit den Worten: „Ich konnte mich nicht entbrechcn, mehr berührtem Duc d'Ormond weiters zu sagen: wenn England etwa einen Particularfrieden (Sonderfrieden mit Frankreich) bereits gesdilossen hätte, daß er es eröffnen und deklarieren solle, denn wenn es nidit sidier wäre, so setze sich dasselbe i n Gefahr, s i c h u n d g a n z E u r o p a v e r l i e r e n z u m a c h e n . Wie nun derselbe gar kein großer Mann ist, wußte er auch nidit, was er hierauf antworten sollte." Der Frieden von Rastatt und Baden von 1714, bei dcs>en Verhandlungen Prinz Eugen die Interessen von Kaiser und Reich vertritt, sichert Habsburg die spanischen Niederlande, Mailand, Neapel, Sardinien, Mantua und die spanischen Küstenplätze in der Toskana. Der ein Jahr zuvor zwischen Frankreich und England geschlossene Utrechter Friedensvertrag bringt England die französischen Uberseebesitzungen Neufundland, Neuschottland und die Hudsonbai, die Anerkennung Gibraltars als britischer Kronbesitz und das Monopol des Sklavenhandels. Vom Reich ist in diesen Verträgen nur am Rande die Rede . .. Zu Ende geträumt ist Prinz Eugens großer Traum von einem geeinten befriedeten Europa; in dem auch die Versöhnung mit Frankreich ruhen sollte; er weiß, daß in diesen Friedensverträgen schon der Keim zu immer neuen kriegerischen Verwicklungen ruht. Nach Wien zurückgekehrt, läßt er durch Lucas von Hildebrandt den 28
Bau seine? Winterpalaij in der Himmelpfortgasse vollenden. Der Baumeister, der Fischer von Erlach aus der Gunst des Savoyers verdrängt hat, entwirft auch die Plane für einen großzügig angelegten Sommersitz des Reichsfeldmarschalls. Ein wahrhafter Fürstensitz wächst in den Jahren 1714 bis 1721 am Rennweg bei Wien empor: daj Obere und Untere Belvedere, eingebettet in einen festlich heiteren Park voller Anmut und Lebensfreude. Von der Terrasse des Schlos^es schweift der Blick hinüber zum Kahlcnberg, wo der Feldherr im Jahre 1683 die Feuertaufe empfing. Im Belvedere birgt Eugen seine Sammlungen: Gemälde italienischer und niederländischer Meister, Plastiken und Kunsthandwerk der Antike und der Renaissance. Eine Auslese des Schönsten und Edelsten versammelt der Prinz um sich; er ist wählerisch, wie er auch wählerisch ist in den Menschen, mit denen er umgeht. Der Philosoph Leibniz überreicht ihm das Manuskript seines tiefgründigsten Werkes, der „Monadologie". Der junge Voltaire widmet ihm sein Tragödienspiel „ödipus". Der Baron de Montesquieu entwickelt in vertrauten Gesprächen dem Savoyer seine Ideen zum „Geist der Gesetze", und der Dichter Jean Baptiste Rousseau erfreut ihn mit seiner formvollendeten, marmorkühlen Lyrik. Im Türkenfeldzug von 1715 bis 1717 erhebt sich deN Prinzen leldherrnkunst noch einmal zu einsamer Höhe. Aus der Verteidigung heraus entwickelt er bei Peterwardein die Schlacht in einem atemberaubend kühnen Vorstoß zum glanzvollen Sieg; mit tünfundsechzigiausend Mann schlägt er einhundertfünfzigtausend Türken in die Flucht. Ein Legat des Papstes überreicht ihm als höchste Auszeichnung eines Helden der Kirche den geweihten Hut und Degen. Am 15. Juli 1717 belagert Flügen die von dreißigtausend Türken verteidigte Festung Belgrad. Er befiehlt nicht zum Sturm — er wartet, wartet wochenlang auf die Gunst der Stunde, und während dieser Wartezeit wird er selbst von einem riesigen türkischen Entsatzheer eingeschlossen. Endlich — am 16. August — bricht er aus dem schützenden Morgennebel an der Spitze seiner Kavallerie zu einem tollkühnen Angriff vor, vernichtet das Entsatzheer, das ihn selbst umzingelt hat, und nützt die Verwirrung des Gegners zum siegreichen Sturm auf die Festung, die sich zwei Tage später bedingungslos ergibt. In diesen Tagen steigt von den Lagerfeuern der Kaisei liehen ein Lied auf, von dem niemand weiß, wer es gedichtet; von dem niemand weiß, wer die Melodie ersann. Es ist mit einemmal da, aus Volkesgrunde und zum Volkslied werdend — das schlichte Lied: Prinz Fugen — der edle Ritter . . . 29
In Wien aber erwartet den edlen Ritter ein übles Nachspiel zu •einem Sieg vor Belgrad. Neider und Feinde wollen den Kaiser überreden, den Feldherrn, der so freventlich seine Armee „aufs Spiel gesetzt" habe, zur Rechenschaft zu ziehen, am besten natürlich vor einem Kriegsgericht. Da ist es die kluge Gräfin Batlhyany, Eugen] Vertraute seit Jahren, die die lächerliche Intrige entlarvt. In einer persönlichen, viele Stunden währenden Aussprache mit dem Kaiser kann sich der Feldherr aufs glänzendste rechtfertigen und kann auch die gegen ihn und gegen das Reich gerichteten Machenschaften der „spanischen Partei" an Hand zahlreicher Dokumente enthüllen. Von dieser Stunde an ist es keinem mehr gelungen, das Vertrauensverhältnis zwischen Karl VI. und seinem engsten Berater zu erschüttern. Freilich — nicht immer hört der Kaiser auf des Prinzen Rat. Er folgt nicht der Anregung Eugens, durch eine Vermählung der Kaisertochter Maria Theresia mit dem bayerischen Kurprinzen die Häuser Flabsburg und Witteisbach zum gewaltigsten Machtblock des Reiches zu vereinen. Karls „Pragmatische Sanktion", ein die Erbtolge auch in weiblicher Linie sicherndes Hausgesetz, kritisiert der Savoycr mit der Bemerkung, der Kaiser würde seiner Erbtochter durch ein schlagkräftiges Heer viel mehr nützen als durch ein Bündel von Verträgen und Hausgesetzen. Im Frieden von Passarowitz vom 21. Juli 1718 erhält Österreich das Banat mit Temesvar, fast ganz. Serbien einschließlich Belgrads, den größeren Teil Bosniens und die Walachei bis hinunter an die Alma — ein Landgebiet von insgesamt über sechzigtausend Quadratkilometern. Mit Hilfe seiner fähigsten Berater entwickelt Eugen nun ein großzügiges Siedlungsprogramm tür die neuerworbenen Gebiete, das mit militärischer Disziplin verwirklicht wird: Überall entstehen deutsche Dörfer und Bauernhöfe, deutsche Handwerker finden im weiten Ostraum Arbeit in Fülle, Techniker helfen beim Entwässern der Sümpfe, beim Regulieren der Flußläufe und beim Urbarmachen des Landes. Der Schladitenlenker von einst grübelt nun über Grundbüchern und Bewässerungsplänen, und als kluge Beraterin steht ihm die Gräfin Batthyany zur Seite, die wie Eugen im Osten ausgedehnten Grundbesitz erworben hat. Im Polnischen Erbfolgekrieg führt Prinz. Eugen die Reichsarmee noch einmal an den Rhein. Ihm zur Seite reitet ein zierlicher junger Mann: Friedrich, der Kronprinz von Preußen und glühende Bewunderer des Savoyers. Man sieht sie in vielen abendlichen Gesprächen beeinandersitz.cn im Feldlager; den Greis und den Jüngling, und sie reden nicht nur über militärische Dinge. Prinz Eugen spricht von Voltaire, für den auch der Kronprinz von Preußen
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schwärmt, und Friedrich ereifert sich über Machiavelli. Sie haben einander viel zu sagen, die beiden Soldaten — und viel zu verschweigen . . . Am 12. Februar 1736 begaffen die Wiener die prunkvolle Wagenauffahrt vor der Augustinerkirche nahe der Hofburg: Man feien die Vermählung der Kaisertochter Maria Theresiea mit Franz Stephan von Lothringen. Unter den funkelnden Karossen ist auch eine Kutsche, die jedes Kind in Wien kennt — die Kutsche des Prinzen Eugen. Abend für Abend kann man das Getährt mit den isabellfarbenen Pferden vor dem Palais der Gräfin Batthyany stehen sehen. Die Pferde kennen den Weg schon im Schlaf, sie bleiben vor dem Hause der „schönen Lori" einfach stehen, und dann geschieht eine ganze Weile gar nichts. Denn auf dem Bock schläft der uralte Leibkutsdier des Feldherrn, auf dem rückwärtigen Trittbrett schlummern friedlich der Haiduck und der Lakai, und im Wagen selbst schläft der Prinz Eugen; und wenn man's zusammenrechnet, dann sind diese vier Männer insgesamt mehr als dreihundertzehn Jahre alt. Wenn endlidi der Haushofmeister der Gräfin herbeieilt und ganz leise unc' behutsam das Trittbrett des Wagens herunterläßt, dann schrecken die Pferde ein wenig hodi, denn inzwischen haben sie auch ein Nickerchen gemacht. Am Abend des 20. April 1736 hält die Kutsdie zum letztenmal vor dem Palais Batthyany. Prinz Eugen kommt von einer Sitzung des Geheimen Staatsrates, die er mit den Worten beendet hat: „Es ist genug für heute; wir wollen uns das übrige für morgen vorbehalten — wenn ich solange noch lebe." Der Zweiundsiebzigjährigc verweilt nur für kurze Zeit bei der alten Freundin. Er ist sehr müde. Bald traben die isabellfarbenen Pferdchen wieder nadi Hause. Am Morgen des 21. April findet der Kammerdiener den Feldherrn tot in seinem Bette, die Hände unter dem Haupt verschränkt, mit offenen, fragenden Augen. Umschlaggestaltung: Karlheinz Dobsky Umschlagvordcrseite: Bronzestandbild des Prinzen Eugen auf dem Burgplalz in Wien, von Anton Kernkorn (1813—1878). Umsehlagrüekseite: Prinz Eugen vor Belgrad am IS. August 1717. Zeichnung von G. A. Cloll L u x - L e s e b o g e n 3 8 7 (Geschichte) H e f t p r e i s 3 0 P f g . Natur- und kulturkundhche Hefte —Bestellungen (vierteljährl. S Hefte DM 1.80) durch jede Buchhandlung und jede Postanstalt — Alle früher erschienenen Lux-Lesebogen sind in jeder guten Buchhandlung vorrätig — Druck: Hieronymus Mühlberger, Augsburg — Verlag: Sebastian Lux, Murnau vor München — Herausgeber: Antonius Lux.
U)ic sie berührt wurden . . . Unter dem Titel »Jugend der Welt — Aufstieg zum Ruhm" ist im Verlag der Lux-Lesebogen ein spannendes Buch erschienen, das aus den Jugendjahren berühmter Männer und Frauen erzählt. Dramatisch bewegt sind diese 166 Jugend-Geschichten: Wie der junge Edison im Packwagen eines fahrenden Eisenbahnzuges sein primitives chemisches Laboratorium einrichtet und dabei fast in die Luft fliegt, wie Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen als Straßenjunge durdi die Gassen Palermos streift, um das Volk kennenzulernen, wie der junge Charles Lindbergh seinen Traum von der Ozeanüberquerung der Wirklichkeit näherbringt, wie der Jüngling Arluro Toscanini im geborgten Frack mit abgeschnittenen Hosenbeinen seine erste Oper dirigiert oder wie der Negerjunge Washington Carver, der noch als Sklave geboren wurde, gegen unsägliche Widerstände seine Ausbildung zum .Pflanzendoktor" erzwingt. Viele der Grorjen waren bereits als Kinder und Jugendliche berühmt durch das Wunder ihrer genialen Begabung. Andere waren frühvollendet und wurden abberufen, ohne dah sie den Gipfel der Lebensreife erreichen durften. Besonders ergreifend sind die Jugendschicksale jener Männer und Frauen, die sich aus dem Dunkel der Armut, vom inneren Feuer getrieben, auf den Platz heraufarbeiteten, auf dem wir sie heute bewundern. Das Buch ist eine Galerie grorjer Vorbilder. Porträtzeichnungen und Lebensdokumente ergänzen das Gesamtbild der Persönlichkeiten.
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