KLEINE
B I B L I O T H E K
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR -UND
KULT U R K U N D L I C H E
GEORG
HEFTE
STEINBAC...
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KLEINE
B I B L I O T H E K
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR -UND
KULT U R K U N D L I C H E
GEORG
HEFTE
STEINBACHER
PFERDE AUS D E R F A M I L I E N G E S C H I C H T E EINES TREUEN GEFAHRTEN
VERLAG
SEBASTIAN
LUX
MURNAU-MÜNCHEN-INNSBRUCK-BASEL
Die Pferde verschwinden Größtes Aufsehen erregte vor wenigen Jahren die Nachricht, in Island müsse ein Großteil der Pferde geschlachtet werden, weil man sie nicht mehr brauche. Tierfreunde in ganz Europa taten sich zusammen, um neue Wohnplätze für die vierbeinigen Helfer des Menschen zu finden. Heute berichten die Zeitungen immer wieder von Pferdetransporten, die über die Grenzen nach Belgien, Frankreich und Italien gehen, um den Romanen Schlachtware zu bringen: Pferde die bei uns überzählig sind. In allen Ländern der Erde, die Pferde züchten, wiederholt sich das gleiche; Jahrhundertelang hat man mühsam, ausdauernd und oft unter Opfern die Pferdezucht aufgebaut, hat für jede Aufgabe eine entsprechende Pferderasse geschaffen: schwere Kaltblüter für schweren Zug im Schritt, leichtere Warmblüter für leichteren Zug bei schnellerer Gangart, Reittiere für den zivilen Gebrauch und für die Kavallerie, und schließlich Vollblüter zum Reiten und für den Rennsport. Heute jedoch ist die Pferdezucht in vielen Ländern schnellem Rückgang, soweit es die Zahl der Vierbeiner betrifft. Gab es in England vor dem Kriege über eine Million Pferde, so war es 1951 nur noch die Hälfte; in den USA verringerte sich im gleichen Zeitraum der Bestand von über elf Millionen auf 4,7 Millionen. In den Grenzen der heutigen Bundesrepublik bezifferte sich der Bestand 1938 auf über eineinhalb Millionen, 1954 dagegen auf 1,17 Millionen und Ende 1958 nur noch auf 906 000 Stück. Es ist nun einmal leichter und einfacher, mit dem Auto zu fahren, Menschen und Güter mit ihm zu befördern oder mit dem Traktor das Feld zu bearbeiten; vor allem ist es schneller und rentable Morgens holt man die Maschine aus der Garage und fährt los; das Pferd aber muß mindestens eine halbe Stunde vorher gefüttert und täglich geputzt, sein Stall muß gemistet werden. Traktor und Auto stellt man nach der Arbeit fort, der Vierbeiner aber muß erst noch versorgt werden. Hohe Personalkosten und Mangel an Arbeitskräften zwingen die Betriebe in Stadt und Land, immer mehr auf den bewährten vierbeinigen Helfer zu verzichten und ihn durch Auto und Traktor zu ersetzen. Gerade der Zeitgewinn, den die Maschinenarbeit erbringt, entlastet unsere Landbevölkerung außerordentlich und erlaubt es ihr, trotz aller Landflucht ständig steigende Ernten einzubringen. Man kann sich allerdings nicht vorstellen, wie die Landwirtschaft weiter arbeiten soll, wenn einmal der Betriebsstoff für die Maschinen, der größtenteils importiert werden muß, ausbleiben sollte, denn wir haben längst nicht mehr genügend Pferde, um dann die
Traktoren zu ersetzen. Die Heere aber, die früher in eigenem Interesse Pferdezucht und Pferdehaltung nachhaltig förderten, haben sich auf das Auto, die Zugmaschine, den Panzer umgestellt; viele moderne Armeen besitzen kein einziges Pferd mehr. Mit dem Pferdegespann durch die von Autos überfüllten Straßen unserer Städte zu fahren, ist zudem fast unmöglich, man findet auch kaum noch Kutscher für eine solch schwierige Tätigkeit. Sogar die Brauereien schaffen die Gespanne mächtiger Kaltblüter ab, die früher das stolze Symbol dieses Gewerbes waren. Auch die Rennbahnen spielen längst nicht mehr die Rolle wie in früheren Jahrzehnten, als sie das Hauptinteresse der „Gesellschaft", der damals tonangebenden Schicht, waren. Heute hat der Fußballtoto die Rennwetten längst „überrundet". Nur ein Pferdesport hat seinen Platz behauptet: das Reiten und mit ihm der Turniersport. Die Zahl der Sprung- und Dressurkonkurrenzen ist wieder gestiegen, weiteste Kreise haben Interesse an ihnen gewonnen. Fast jeder kennt die Namen unserer erfolgreichsten Turnierreiter, wie jene von Hans Günter Winkler und Fritz Thiedemann, und ebenso die ihrer treuen Pferde, gleich ob sie Meteor, Derby, Thora oder Halla heißen. Es besteht kein Zweifel, daß manche tüchtige Pferderasse in den nächsten Jahrzehnten untergehen wird; andere werden bestehen bleiben, weil die Maschine den vierbeinigen Helfer nicht überall zu ersetzen vermag oder weil ihm neue Aufgaben gestellt werden.
Einhufer in grauer Vorzeit Pferd, Esel, Halbesel und Zebra gehören zur Sippe der Einhufer. Sie alle sind dadurch gekennzeichnet, daß die Zahl der Finger und Zehen, die ursprünglich bei allen Säugern je fünf betrug, auf einen Finger, beziehungsweise einen Zeh an den Gliedmaßen zurückgebüdet worden ist. Er entspricht unserem Mittelfinger; seine Spitze ist vom Huf umkleidet, der unserem Fingernagel gleicht. Glückliche Umstände bringen es mit sich, daß fossile Funde der Ahnen unserer Einhufer aus längst vergangenen Jahrmillionen uns die Entwicklung vom Fünfzeher zum Einhufer verfolgen lassen. Der Vorfahr, der die erste Rückbildung der Zehenzahl zeigt, war ein hundegroßes, verhältnismäßig schmächtiges Tier, das vor 50 Millionen Jahren, im Eozän, im Wald und im Gebüsch lebte und Laub äste. Es besaß vier Zehen an jedem Vorderbein und drei Zehen an jedem Hinterbein. Sein wissenschaftlicher Name lautet „Hyracotherium" (früher „Eohippus"). Zunächst verblieb die Sippe im Wald, 3
wurde größer, die Mittelzehe wurde stärker. Man nennt die späteren Vertreter „Oro"-, dann „Epi"-, schließlich „Mesohippus". Eine Einhufersippe („Merychippus") verläßt dann im Miozän, vor etwa 20 Millionen Jahren, den Wald und wird zum Steppentier, paßt sich hartem Untergrund und harter Grasnahrung an und wird wiederum größer; die Mittelzehe wird nun sehr kräftig, die beiden Nebenzehen werden rückgebildet. Aus diesem Tier entsteht dann über den „Pliohippus" die Sippe der heutigen Einhufer, die Ende des Tertiär, im Pliozän, vor etwa 1 Million Jahre erscheint. Andere Sippen dieser Gruppe sind im Wald verblieben, die letzten von ihnen starben kurz vor der Eiszeit aus. Viele Jahrzehnte hindurch haben sich Forscher in Europa und Amerika um die Geschichte unserer Einhufer bemüht, nur in wenigen Fällen konnte bisher für eine Tiersippe ein so lückenloser Stammbaum aufgestellt werden.
Auch das Hauspferd hat seine Vergangenheit Vor 4000 Jahren tritt unser Elauspferd in die Geschichte der Menschheitskulturen ein, weit später als Rind und Schaf, Ziege und Esel, Kamel, Schwein und Hund. Längst kannte man den Wagen, vor den man Rinder spannte. Im Zweistromland Mesopotamien hatte man in Ur und anderen Stadtstaaten um 2500 v. Chr. versucht, auch den in den benachbarten Wüsten lebenden Halbesel, den syrischen Onager, zu zähmen, einzuspannen und einen leichten, wendigen Zweiradwagen von ihm ziehen zu lassen; das geschah vielleicht, weil man vernommen hatte, daß weit im Norden andere Völker im Begriff waren, ein neues, furchtbares Kriegsinstrument zu entwickeln, den Streitwagen, den schnelle Pferde zogen. Das Experiment mit dem Halbesel mißglückte. Jene Wildpferde aber, die man nun in den Steppen am Schwarzen Meer und am Kaspisee zu Haustieren machte, um sie erst den Wagen ziehen und später auch Lasten und Reiter tragen zu lassen, waren in den Grasländern, den Waldsteppen, den lichten Wäldern Europas und Westasiens bis zur Mongolei zu Haus. Die sonnendurchglühten Tropensteppen Afrikas gehörten dagegen ihren Vettern, den Zebras, die trostlosen Wüsten Nordafrikas den Wildeseln, die Ödländer Asiens von Syrien und vom Don bis zu den Grenzen Chinas den Halbeseln, den Kulanen, Onagern, Kiangs und Dschiggetais, die alle gemeinsam die Sippe der Einhufer bilden. Die Wildpferde waren von jeher eine begehrte Beute der Jägervölker, die während der Eiszeit durch ihre Wohngebiete streiften. Man findet mancherorts noch heute die Reste ihrer Knochen zu Tausenden vor den Wohnhöhlen, in denen jene Mensehen, besonders im Winter, rasteten.
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Urpferd aus dem Eozän mit vier Zehen am Vorder-, drei am Hinterfuß Als die Zahl der Menschen wuchs, als Viehzüchter und Ackerbauer die Jäger ablösten, wurden die Wildpferde weithin ausgerottet, denn sie richteten Schaden an den Feldfrüchten an und störten die zahmen Herden. So retteten sich von jenen echten Wildpferden nur wenige bis in die heutige Zeit hinüber. Das Mongolische Wildpferd als letztes seiner Sippe findet sich in Freiheit nur noch in seltenen Exemplaren in der Dsungarai im Westen der Mongolischen Volksrepublik, wie man vor kurzem feststellte. Es wurde dort erst 1881 von dem Forschungsreisenden Przsewalski entdeckt. Um die Jahrhundertwende erhielt der berühmte Tierfreund Falz-Fein in Askania Nova in Südrußland zehn Stück, die für ihn gefangen wurden, während die Tierhandlung Hagenbeck 39 weitere importierte. Von diesen stammen die 65 Mongolischen Wildpferde ab, die man heute in Zoos und Tiergärten zählt. Dieses Wildpferd hat etwa 135 cm Widerristhöhe, ist oberseits gelbbraun bis braun, auf der Unterseite heller gefärbt; die Beine sind schwärzlich, ebenso Mähne und Schwanz. Die Mähne hängt nicht, wie bei unseren Hauspferden, 5
herab, sie steht vielmehr aufrecht. Auffällig ist ein dunkler Aalstrich auf dem Rücken, oft ist ein dunkles Schulterkreuz vorhanden; die Kruppe fällt stark ab. In der Ukraine gab es noch in neuerer Zeit ein weiteres Wildpferd, den Tarpan, der sich durch graue, nicht braune Grundfarbe unterschied; er wurde ausgerottet, der letzte 1876 erschlagen. Vor allem in England werden kleinere Hauspferde vom Ponytyp an einigen Stellen frei laufend in Sommer und Winter in großen Gehegen gehalten und gezüchtet. Die überzähligen Fohlen werden herausgefangen und verkauft. In der Presse werden sie meist als „Wildpferde" bezeichnet, ohne es zu sein. Manche dieser Ponies ähneln noch sehr den alten Hauspferdschlägen, die bald nach der Domestikation entstanden und sich zunächst vor allem dadurch von der Stammform, dem dortigen Wildpferd, unterschieden, daß sie kleiner waren. Auch in Deutschland gibt es eine solche Zucht kleiner, in einem großen Gatter ohne jede Stallung frei lebender Pferde im Merfelder Bruch bei Dülmen in Westfalen. Die englischen Ponies ähneln in vielem den ursprünglichen Pferdeschlägen Skandinaviens und des östlichen Mitteleuropas, die in diesem Raum aus einer bodenständigen Wildpferdform entstanden sein dürften; die hierher gehörigen primitiven Schläge aus Polen und Westrußland sind uns allen unter dem Namen „Konik" oder „Panjepferd" geläufig. Schließlich lebte wahrscheinlich eine stärkere, schwerer und wuchtiger gebaute Wildpferdform in den fruchtbaren, niederschlagsreichen Flußtälern und Küstengebieten Westeuropas, aus der sich dort später die Kaltblutrassen entwickelten. Weiter darf man vermuten, daß in den wärmeren, trockneren Gebieten Südeuropas und wohl auch Nordafrikas ein letzter Wildpferdtyp lebte, der wegen des niederschlagsarmen Klimas leichter und eleganter gebaut war; von ihm leitet man den Araber und seine Sippe ab. Alle diese Wildpferde standen sich zweifellos sehr nahe, sie sind wohl unabhängig voneinander an verschiedenen Plätzen zum Haustier geworden.
Streitwagen und Sattel machen Geschichte Als die Völker der Steppengebiete weit jenseits der Gebirge, die das Zweistromland im Norden abschirmen, Streitwagen, Geschirr und Zaumzeug entwickelt, ein tüchtiges Zugpferd herausgezüchtet und gut eingefahren hatten — sie haben sicher einige Jahrhunderte dazu gebraucht — machten sie sich auf, andere Völker zu unterwerfen. Um 2000 v. Chr. erscheinen sie als Churriter im Zweistromland, unter anderem Namen um 1600 in Griechenland und greifen nachhaltig in die Geschicke des Vorderen Orients ein. Der Siegeszug
der technischen Neuerung, des Streitwagens, war unaufhaltsam. Er fand schnell weiteste Verbreitung und wird um 1550 in Ägypten, um 1500 auf Kreta gebräuchlich. Als der Streitwagen erfunden und kriegstüchtig gemacht worden war, lernte man es auch, auf Pferden zu reiten. Wie wichtig man Training und Pflege des neuen Haustieres nahm, zeigt jene Anleitung, die Kikkuli aus Mitanni als Fachmann im 13. Jahrhundert v. Chr. dem Hethiterkönig von Hattusa, dem heutigen Bogatzköj, gab; sie ist uns erhalten geblieben, man könnte sie noch heute befolgen. Bald finden sich überall in den Gräbern der Helden neben Waffen und Rüstung Trense und Sporen. Das Pferd verbreitet sich in alle Länder der Alten Welt. Man bringt es bis China und Japan, bis zu den Sundainseln und bis Timor und bis zum Rand der Tropen im Schwarzen Erdteil. Manche Völker wehren sich lange gegen das neue Haustier, dann aber lernen sie doch, es zu gebrauchen, werden geschickte Reiter und überrennen dann als Kavalleristen ihre Nachbarn. Als Mohammed die Koreischer 630 n. Chr. bei Mekka angriff, hatte er zwar viele Kamele, aber nur zwei Pferde in seinem Heer; seine Kriegsbeute betrug 24 000 Kamele und 140 000 Schafe. Er forderte seine Gläubigen auf, Reiter zu werden, sie gehorchten seinem Ruf. Bald brachen unter dem Schlachtruf „Allah il allah" die Reiterheere des Islam auf, überwältigten Kleinasien und Nordafrika und drangen bis Spanien vor. Später unterwarfen die Kavalleristen des Dschingis Khan (1155—1227) Asien von Nordchina bis Rußland, jene des Timur Lenk (1336—1405) alles Land von Turkestan bis Indien, Ägypten und Polen. Noch heute sind die Hunnen für ganz Europa ein Begriff, ihr Reitervolk stieß 372 n. Chr. von Osten bis zur Wolga vor, beunruhigte, solange ihr König Attila lebte, ganz Mitteleuropa und plünderte die Länder bis Südfrankreich, bis Rom und Byzanz. Von 900 bis 955 traten die reitenden Scharen der Ungarn aus der Teissebene raubend und plündernd in ihre Spuren. In blutiger Not lernten damals die Völker, daß Reiterheere nur von Reiterheeren geschlagen werden können. So züchtete man überall Pferde, wo einmal so furchtbare Gegner eingekehrt waren.
Das Hörn von Thurn und Taxis Das Ziehen des Pflugs und der schweren Lastwagen war jedoch noch lange Zeit den Ochsen vorbehalten. Die Pferde blieben zunächst selten und wertvoll; frühzeitig benutzte man sie zur Beför7
derung von Botschaften und Briefen. So richtete der Perserkönig Kyros d. Gr. (559—529 v. Chr.) eine Post ein, um die Großstädte seines "Weltreichs zu verbinden. In regelmäßigen Abständen fanden sich Stationen an den Reichsstraßen. Des Königs Botschaften wurden durch Reiter von der einen zur anderen weitergegeben, wie der Staffelstab bei der Stafette. So führte eine Poststraße von der Hauptstadt Susa im heutigen südwestlichen Iran nach Sardes im unterworfenen Lydien, jetzt in der westlichen Türkei. Sie war 2100 km lang und mit 111 Stationen besetzt. Das römische Imperium baute sich ebenfalls eine schnelle und zuverlässige Kurierpost, den „cursus publicus", auf. An den berühmten, sauber gepflasterten Römerstraßen, die oft weithin schnurgerade über Berg und Tal zogen, gab es in regelmäßigen Abständen Hauptstationen mit vierzig und mehr Reitpferden und einigen Zugochsen; zwischen zwei solcher Stationen waren sechs bis acht kleinere mit je zwanzig Pferden eingerichtet. Die gewöhnliche Post reiste mit 7,5 km Stundengeschwindigkeit, konnte aber notfalls beträchtlich beschleunigt werden. So eilte Caesar in acht Tagen über 1200 km weit von Rom an den Rhein; Tiberius erreichte seinen kranken Bruder Germanicus in 24 Stunden, obwohl 300 Kilometer zurückzulegen waren. Gigantisch war die Organisation des amtlichen Post- und Nachrichtenverkehrs auch im Reich des Mongolenkaisers Kublai Khan. Marco Polo, der von 1272 bis 1295 n. Chr. an seinem Hof weilte, hat sie uns geschildert. An allen Hauptstraßen des Fernverkehrs befanden sich im Abstand von 25 Meilen Pferdelager mit 200 bis 400 Pferden. Die Straßen waren durch Wachen gesichert. Die Boten des Großkhans konnten bis 250 Meilen am Tag zurücklegen, indem sie die Pferde immer wieder wechselten. Es wurden aber auch Lasten und Güter durch die Post befördert. 300 000 Pferde sollen insgesamt für den Khan tätig gewesen sein. Selbst die Wüste Gobi wurde von einer Poststraße durchquert. Pferdelos waren dagegen die alten Großreiche in Mittel- und Südamerika. Die Fürsten der Inkas, Mayas und Azteken mußten ihre Botschaften daher auf den gut gepflegten Straßen ihrer Reiche durch Läufer befördern lassen. Erst im frühen Mittelalter wurde bei uns das Pferd so häufig I und außerdem in so kräftigen Schlägen gezüchtet, daß es zum schweren Zug verwendet werden konnte. Seitdem wurden nicht allein Botschaften durch Reiter übermittelt, sondern auch Lasten von Pferden transportiert. Von nun an zogen die Rosse Tausende von schweren Frachtwagen über die Straßen, trotz Raubrittern und Wege- j lagerern; Brücken- und Wegezölle wurden Haupteinnahmequell der I 8
Fürsten. Selbst der Schiffsverkehr profitierte vom Pferd. Wohl trugen Flüsse und Ströme die Güter schnell zu Tal, doch mußten die Kähne wieder bergauf gebracht werden. Man „treidelte" sie: Menschen, vor allem aber Pferde schritten schwer arbeitend auf dem schmalen Treidelpfad neben dem Gewässer bergan und schleppten am starken Tau das Schiff auf den Fluten hinter sich her. Eisenbahn und Schleppdampfer lösten sie später ab. 1510 richtete Franzesco de Tassis (seine Nachkommen werden als Fürsten von Thurn und Taxis berühmt) die kaiserliche Post im Deutschen Reiche ein: Der erste Brief wurde von Wien nach Brüssel befördert. Später setzte Thurn und Taxis neben reitenden Boten auch Fahrzeuge ein; erst 1866 verklang in einigen Gebieten Süddeutschlands das „Hörn von Thurn und Taxis". Denn inzwischen hatten die Landesfürsten eigene Posten eingerichtet, die später von der Deutschen Reichspost übernommen wurden, die heute Bundespost heißt. Noch vor kurzem beschäftigte auch sie Pferde, doch sind sie jetzt überall durch den Motor ersetzt. Seit 1580 verkehrte die Königlich Spanische Post von Madrid bis Genua. In Frankreich wurde die Post 1672 begründet. Noch heute spricht man vom Postiikm als „Schwager". Sein Name bedeutet keinen Verwandtschaftsgrad, er leitet sich vielmehr vom französischen „chevalier" (Reiter) ab.
Von Eiszeitjägern getrieben, stürmt die Wildpferdherde in den Tod 9
Rosse sollen die Götter beschwichtigen Solange Pferde selten und wertvoll waren, opferte man sie den Göttern, denn die Götter liebten alles, was auch dem Menschen teuer war. So hielten es viele germanische Stämme, vor allem die Sachsen. An heiliger Stätte zertrümmerte ein wuchtiger Hieb mit dem Stein- oder Bronzedolch die Stirn des Rosses, sein Fleisch kam auf die Opfersteine; man gab es dem Fürsten mit ins Grab, in späterer Zeit verzehrten es die Gläubigen beim Totenmahl. An manchen Orten legte man das tote Roß in die Gruft des Helden, damit er ins Reich der Toten reiten konnte. Die Sachsen hängten die Schädel der geopferten Pferde in ihren heiligen Hainen, später auch in ihren Gehöften auf. Noch heute erkennt man den Niedersachsenhof an den holzgeschnitzten Pferdeköpfen, die sich an jedem Giebel kreuzen und seit Jahrhunderten die bleichen Schädel ersetzen. Als das Christentum seinen Einzug in die deutschen Gaue hielt, wurden die Pferdeopfer und der Genuß von Pferdefleisch untersagt. Viele lehnen den Verzehr noch heute ab, zumal sich der alte Widerwille durch die warme Freundschaft zu dem vierbeinigen Gefährten verstärkt hat. In romanischen Ländern dagegen verzehrt man Pferdefleisch auch jetzt noch gern. Dort werden keineswegs nur alte, abgetriebene Tiere zum Verzehr geschlachtet; denn sie haben zähes, hartes Fleisch, während jüngere Tiere, besonders Fohlen, weit schmackhafter sind.
Von den Pferderassen Nachdem um das Jahr 2000 v. Chr. das Pferd als Haustier erschienen war, dauerte es nicht mehr lange, bis man verschiedene Pferdetypen auf den Abbildungen und Skulpturen der alten Zeit erkennen kann; man findet auf Bildwerken Babylons, Assurs oder Ägyptens leichtere oder schwerere Pferde, je nachdem ob sie zur Verfolgung und zur Jagd dienen oder schwere Wagen ziehen sollen. Man hat bald auch mit den Pferden weithin Handel getrieben; denn die Grabbeigaben der Han-Zeit in China (200 v.—200 n. Chr.) umfassen neben Plastiken, die zweifellos bodenständige, untersetzte, ostasiatische Ponies darstellen, auch Bilder von Pferden, die jenen Griechenlands, wie sie etwa am Parthenonfries abgebildet sind, verblüffend ähnlich sind; es kommen aber auch Pferde vor, die groß und stattlich gewesen sein dürften und Ramsnasen tragen wie die späteren Spanier und Neapolitaner; sie müssen von weither gekommen sein. 10
Man beginnt also frühzeitig, verschiedene Pferdeschläge für verschiedene Zwecke herauszuzüchten, allerdings nicht planmäßig wie heute. Jeder Züchter machte es, wie er wollte, er brauchte sich damals nicht um Körordnungen und Standardvorschriften zu kümmern. Die Schläge, die man schuf, waren in Figur, Farbe und Größe nur selten einheitlich, sondern zeigten meist beträchtliche Unterschiede. Sie änderten sich mit den Zeiten, je nachdem sich Kampftaktik oder Wirtschaftsform wandelte. Die Reitpferde der Germanen waren niedrig, stämmig und untersetzt. Als aber später aus den Reitern Ritter wurden, die im schweren Panzer ins Feld zogen, züchtete man größere, wuchtigere Pferde, vor allem aus jenen kräftigen Schlägen, die sich von dem größeren Wildpferd der Flußtäler und Küstengebiete Westeuropas ableiten. Wir finden diese Pferde schon um 1100 n.Chr. auf dem Teppich von Bayeux abgebildet. Dürer zeigt in seinem Kupferstich „Ritter, Tod und Teufel" ein solches Roß, Donatello stellt es in dem berühmten Standbild des Gattamelata dar. Vor 200 Jahren haben dann die Engländer die Zucht wirklich erbfester Rassen begonnen, die in sich einheitlich sind; sie erfanden dazu Zuchtbuch und Stammbaum und erreichten hiermit, daß die gesteckten Ziele bald verwirklicht wurden. Schon früh hat man die Pferde verschiedenen Leistungsprüfungen unterzogen; man kennt Vorführringe aus Syrien, die aus der Zeit um 1300 v. Chr. stammen. England besaß bereits in frühkeltischer Zeit Rennbahnen. Im alten Olympia veranstaltete man von den 25. Spielen an, also etwa seit 675 v. Chr., Wagenrennen, später auch Flachrennen. Zunächst wollte man lediglich Pferd, Fahrer und Reiter auf ihre Fähigkeit prüfen. In Alt-Rom aber wurden die Rennen dann echte Volksbelustigungen, so wie auch heute unsere Flach-, Hindernis- und Trabrennen, unsere Reitturniere und Dressurprüfungen beiden Zwecken dienen.
Vom Blut An diesen Leistungsprüfungen verschiedener Art nehmen Pferde aller Rassen teil, gleichgültig ob man sie zum Warmblut, Halbblut, Vollblut oder Kaltblut rechnet. Alle Pferde haben indes die gleiche Bluttemperatur; die eben genannten Fachausdrücke meinen etwas anderes. Seit die Araberheere in Europa eingefallen waren, wußte man, daß die leichten, flinken, orientalischen Pferde besonders ausdauernd und schnell und deshalb als Reitpferde leistungsfähiger waren als ihre europäischen Vettern. Man hat daher schon früh begonnen, Pferde aus dem Orient einzuführen, um sie einzukreuzen und 11
Eines der letzten Mongolischen Wildpferde mit seiner Stehmähne so die einheimischen Schläge temperamentvoller, schneller und beweglicher zu machen. Karl der Große erhielt bereits arabische Pferde, sie waren ein Geschenk des Kalifen Harun al Raschid (786—809). Die Engländer aber waren hier besonders eifrig. Schon Wilhelm II. (1087—1100) brachte spanische Pferde, die viel Araberblut führten, ins Land. Seit der Zeit Jakobs I. wurden in Newmarket regelmäßig Pferderennen abgehalten, an denen besonders die eingeführten Tiere und ihre Nachzucht teilnahmen. Im Laufe eines Jahrhunderts wurden allein 90 Araber, 46 Berber, 32 Türken und 4 Perser nach England gebracht. Die berühmten drei orientalischen Hengste, auf denen dann die ganze englische Vollblutzucht aufgebaut wurde, waren „Darley Arabian", der 1705 in Aleppo in Syrien gekauft wurde, „Byerly Turk", den man bei der Belagerung von Wien 1683 erbeutete, und „Godolfin Arabian", der 1728 von Tanger über Frankreich nach England kam. Die Mütter der englischen Vollblutzucht waren vor allem die „Royal mares", die königlichen Stuten, die unter der Regierung Karls II. (1660—1685) für den König 12
importiert wurden. 1791 wurde das Zuchtbuch für das Englische Vollblut begonnen; von 1808 an durften nur noch solche Pferde aufgenommen werden, deren Vorfahren schon in ihm verzeichnet waren. Aus diesem Stammbuch ist zu ersehen, daß es im. wesentlichen nur die drei genannten Hengste und 45 Stuten waren, auf welche die Vollblutzucht Englands und damit jene der ganzen Welt zurückgeht. Diese Pferderasse ist also das Produkt erstaunlicher, immer wiederholter Inzucht, bei der alle schädlichen Folgen durch harte Leistungsprüfungen, nämlich durch Wettrennen, ausgemerzt wurden. Der Engländer nennt sie nicht Vollblut, sondern seit 1806 »thoroughbred", „vollkommen durchgezüchtet", also reine Rasse. Obwohl das Vollblut fast ausschließlich orientalischer Abstammung ist, hat es sich gegenüber seinem Ahn, dem Araber, in manchem gewandelt. Das arabische Pferd ist ein verhältnismäßig kleines Tier von nur 135 bis 150 cm Widerristhöhe. Es ist außerordentlich „trokken" gebaut, d. h. es hat kein überflüssiges Fett; seine Adern, Sehnen, Muskeln und Gelenke sind unter der feinen, dünnen Haut und dem kurzen seidigen Haar gut sichtbar. Die Augen sind groß, der trockene Kopf ist ausdrucksvoll, die Profillinie konkav, die Stirn breit. Der Rumpf ist kurz, die Kruppe gerade, der Schwanz hoch angesetzt. Die Beine mit den kleinen Hufen fallen durch die erstaunlich feinen Knochen auf. Der Araber ist hart, ausdauernd und genügsam; er ist spätreif, wird alt und bleibt lange brauchbar. Er liebt den Galopp, hier ist er unermüdlich, Trab ist nicht seine Sache. Die besten Zuchtstämme finden sich bei den Beduinen im Nejd und in der Syrischen Wüste; nur ein kleiner Teil der hier gehaltenen Pferde entspricht allerdings dem Bild, das wir uns von einem typischen Araber machen, dessen Leistungen bewundernswert sind. Ein Araber legte unter seinem Reiter in sieben Stunden 144 km durch die Wüste zurück, ein anderer bewältigte 675 km in fünf Tagen, ohne Erschöpfung zu zeigen. Araberpferde sind aus Arabien in viele Länder gebracht und in die dortigen Schläge eingekreuzt worden, die ihnen mehr oder minder ähneln. Am deutlichsten ist der Einfluß der Wüstenpferde an den Berberpferden Nordwestafrikas erkennbar, die ebenfalls viel zum Vollblut beitrugen. Weniger deutliche Spuren haben sie bei den Pferden Abessiniens, bei jenen der Reitervölker im Süden der Sahara, etwa in Dongola und Bornu, hinterlassen. Sehr markant hat sich das Einkreuzen von Arabern auf die Pferde der Turkmenen, auf die „Akhal-teke" und die „Iomud", auf die Pferde der Perser und Kurden ausgewirkt, nur noch schwach wird es bei den Batakpferden auf Sumatra und den Javaponies sichtbar. Die Bergvölker des 13
Kaukasus waren von jeher tapfere Krieger und gute Reiter. Auch sie haben in ihre Bestände viel Araber hineingenommen, gleich, ob die Rasse „Karabakh", „Kabarda", „Karabais" oder „Lokai" heißt. Sie alle sehen leichten edlen Ostpreußen recht ähnlich. In den unzähligen Kriegen, welche die Türken in Europa führten, wurden immer wieder Araberpferde der türkischen Hilfstruppen, wie jener „Byerly turk", von den Christen erbeutet und später zur Zucht verwandt. Die Husarenregimenter des Hauses Habsburg und Friedrichs des Großen von Preußen waren vielfach auf den Nachkommen solcher Beutepferde beritten gemacht. Der Einfluß des Arabers ist bis in die litauischen Panjepferde wirksam geworden. Das Vollblut, der Nachkomme des Arabers, ist im feuchtere.n Klima Europas und auf seinen fruchtbaren Weiden größer, kräftiger und stärker geworden. Es mißt 165 bis 170 cm am Widerrist, ist trocken und elegant gebaut, mit kleinem Kopf und großen Augen. Es hat an Masse gewonnen, aber nicht an Adel verloren. Seine Leistungen übertreffen heute durchaus jene der Wüstenpferde. So trabte der amerikanische Vollblüter „Greyhound" 1938 als Weltrekord die Meile (1609 m) in einer Minute und 55,25 Sekunden: Er erreichte, vor dem Sulky, dem Trabrennwagen, 50 km Geschwindigkeit! Bei Flachrennen halten Vollblüter eine Geschwindigkeit von 60 Stundenkilometern durch, natürlich nur auf kurze Distanz. Trotz solcher Spitzenleistung sind viele Vollblüter hart und ausdauernd geblieben und haben in beiden Weltkriegen als Truppenpferde unter schwersten Bedingungen Dienst getan und sich hervorragend bewährt. England hat viele Jahre hindurch Vollblüter in unzählige Länder geliefert, in den Jahren 1900 bis 1905 führte es 1514 Hengste und 2038 Stuten aus. Auf englischem „Material" sind besonders in Frankreich, Ungarn, Amerika, Australien, Italien und Deutschland Vollblutzuchten aufgebaut worden. Französische Pferde haben die Engländer sogar nicht selten auf Albions Rennbahnen geschlagen. In Deutschland wird heute Vollblut nur von Privatleuten gezüchtet, während es früher auch im staatlichen Gestüt Graditz bei Torgaü an der Elbe eine Heimstatt hatte. Die bekanntesten Gestüte der Bundesrepublik sind Waldfried, Schlenderhan und Röttgen bei Köln, Erlenhof bei Homburg v. d. H. und Isarland bei München. Soweit die Vollblüter nicht für den eigentlichen Rennbetrieb und später für die Zucht verwandt werden, finden sie ihren Platz im Reitsport. Neben dem Vollblut werden in vielen Ländern auch Araber rein weitergezüchtet, so in England, Frankreich und den USA. In der Bundesrepublik betreibt das Badisch-Württembergische Hauptgestüt 14
Marbach am Neckar Reinzucht von Arabern. In Polen beherbergt sie das Gestüt Janow-Podlaski, in Ungarn das Gestüt Babolna. In England entstand neben dem Araber und dem Vollblut als Mischrasse der Anglo-Araber: ein Elter muß hier Araber, der andere Vollblüter sein oder von Arabern, bzw. Vollblütern abstammen. Auch in Frankreich hat man solche Pferde weiter gezüchtet. Als jüngster, aber nicht ganz reiner Sproß der Vollblutsippe ist der Traber zu nennen. Schon im alten Holland hat man Trabrennen gekannt, bei denen Pferde vor leichtem Gefährt im Trab um den Siegespreis rangen; sie durften dabei nicht galoppieren. Wollte man in jenen Zeiten mit der Kutsche reisen, brauchte man unermüdliche Traber, die den Wagen zügig und bequem beförderten. So hat man von jeher auf ausdauernde und doch schnelle Kutschpferde Wert gelegt, bis die Eisenbahn und später das Auto sie verdrängten. In Rußland begann der Fürst Orlow, um 1870, aus Pferden verschiedenster Herkunft Traber zu züchten. Er veredelte sie mit Arabern und Vollblütern; sie sind als Orlowtraber weltberühmt geworden. Der schnellste unter ihnen bezwang die Meile (1,6 km) in 2 Minuten 6 Sekunden. Besonders viele Anhänger fand der Trabersport in den USA. Hier gab es schon Ende des 18. Jahrhunderts eine ganze Reihe Trabrennbahnen. Die Pferde wurden aus bodenständigen Kutschpferden, die vor allem aus Kanada stammten, von englischen Hengsten mit hohem Vollblutanteil gezüchtet. Die Traber sind nicht so reinrassig wie das Vollblut. Im Stammbaum jedes einzelnen trifft man immer wieder auf Ahnen unbekannter Abstammung; denn auch heute noch werden in ihre Zuchtbücher nicht nur jene Aspiranten aufgenommen, die bereits von eingetragenen Eltern stammen, sondern auch jeder Anwärter, der die Meile in 2 Minuten 30 Sekunden oder den Kilometer in 1 Minute 33 Sekunden bezwingt.
Warmblut versagt nie Bei den Rennen herrscht das Vollblut vor, auf den Turnierplätzen erweist sich ihm das Warmblut als ebenbürtig. Es gibt kaum ein schöneres Bild als den Turnierplatz, um den sich festlich gekleidete Menschen drängen und wo auf grünem Rasen der Parcours mit seinen Hindernissen aufgebaut ist. Bei atemloser Stille absolviert ein Pferd nach dem anderen seine Aufgabe; man hört sein Schnauben, das Knarren der Gurte, den Hufschlag, das Klirren des Eisens. Haben Reiter und Tier den Parcours durchmessen, dann rauscht der Beifall auf, sobald durch die Schiedsrichter auf hohem Turm Zeit und Fehler bekanntgegeben sind. Tausende strömen herbei, um den Wettkampf der Rosse und Reiter zu erleben. LS
Hannoveraner, Holsteiner und Ostpreußen waren es vor allem, die für Deutschland Sieg um Sieg erkämpften, Warmblüter, stattliche große Tiere, die in manchem dem Vollblut ähneln: kein Wunder, denn auch in ihren Adern kreist viel Araberblut. Früher gab es in Europa unzählige verschiedene Pferdeschläge, meist gedrungene untersetzte Tiere; nur im Mündungsgebiet des Rheins, am Kanal, an den Küsten der Normandie waren sie größer und schwerer. Hier hat man im frühen Mittelalter jene schweren Ritterpferde gezogen, die auch einen gepanzerten Reiter tragen konnten. Man nannte sie Flamländer, Friesen. In sie hat man dann und wann fremdes Blut, Beutepferde aus Spanien, aus den Kreuzzügen oder aus den Türkenkriegen eingekreuzt, die viel Araberanteil hatten, wenn sie nicht sogar Araber waren. Die Nachkommen waren lebhafter, beweglicher und deshalb als Reitpferde geeigneter. In der Neuzeit suchte man für den immer intensiver werdenden Ackerbau kräftige Arbeitspferde und vor allem brauchbare Pferde für Offiziere, für Kavallerie und Artillerie zu ziehen. So hat man überall in die bodenständigen Schläge Vollblüter, Araber, eingekreuzt, um die Qualität gerade der Reitpferde zu bessern. Die Fürsten legten schon vor Jahrhunderten Gestüte an, um Pferde für ihren Hof, für Kutschen und Karossen, für Jagd und Reise zu erhalten. So gründete Friedrich Wilhelm I. von Preußen 1732 das Gestüt Trakehnen. Das Haus Habsburg schuf 1562 das Gestüt Kladrub unweit von Prag, die Kladruber wurden mächtige Tiere, die recht temperamentvoll waren. 1916 brachten Kladruber Rappen den toten Kaiser Franz Josef zu seiner letzten Ruhestätte, 1918 wurde das Gestüt aufgehoben. Die Habsburger gründeten 1580 auch das Gestüt von Lipizza, um in Böhmen Kutschpferde und im Karst vor allem Reitpferde für die Hofburg in Wien zu gewinnen, in der zeitweise über 500 Pferde standen. In beiden Fällen verwandte man als Ausgangsmaterial „Spanier". Die Pferde Andalusiens waren ja schon bei der römischen Kavallerie beliebt gewesen. Sie waren ziemlich groß, und sie wurden eleganter und trockener, seit sie von den Pferden der Araber, die 711 Besitz von der iberischen Halbinsel ergriffen hatten, beeinflußt waren. Uns erhalten blieben die leichteren, kleineren Lipizzaner, die Künstler unter den Pferden. Zehntausende besuchen sie alljährlich in Fischer von Erlachs Hofreitschule neben der Wiener Hofburg. Die Lipizzaner, heute meist Schimmel, haben nur 150 bis 155 cm Widerristhöhe. Sie wirken sehr ausdrucksvoll, sind spätreif, trotz ihrer Eleganz kräftig, muskulös und hervorragende Dressurpferde. Lehmann hat sie in seinem Buch „Der Hengst Maestoso" weithin popu16
Araber, Ahn vieler Rassen, hart, ausdauernd und genügsam lär gemacht. Der Lipizzaner ist die älteste Warmblutrasse. Auch" in ihn sind Araber eingekreuzt worden. Nach dem I. Weltkrieg wurde das Gestüt geteilt. Lipizza fiel an Italien, Österreich verlegte seinen Anteil nach Piber in der Steiermark, Jugoslawien begründete eine Zucht in Demi Kapia. Auch heute noch werden in Piber Lipizzaner gezüchtet. Drei Jahre lang können sich die jungen Lipizzaner-Hengste unbeschwert auf den steirischen Weiden tummeln. Mit dem vierten Lebensjahr aber werden sie in der Hofreitschule in die Lehre genommen. In den ersten zwei Jahren bildet man sie wie Dressurpferde oder besser wie gerittene Gebrauchspferde aus. Dann beginnt für sie mit der „Piaffe", dem Trab auf der Stelle, der „Passage" oder dem „Spanischen Tritt", dem schwingenden, mühelos schwebend wirkenden Trab, die Einführung in die „Hohe Schule", die man in dieser Vollendung fast nur noch in Wien sehen kann und die ein völlig durchgebildetes Pferd unter einem vorzüglichen Reiter 17
verlangt. Besondere Künstler unter den Hengsten lernen, wenn sie die Holie Schule beherrschen, schließlich noch die „Schule über der Erde". Sie beginnt mit der „Levade", bei welcher der Hengst in den Hanken einknickt und sich gleichzeitig mit der Vorderhand vom Boden abhebt, um einige Sekunden mit angezogenen Vorderbeinen wie ein Standbild zu verharren. Schwieriger ist die „Courbette", bei welcher der Hengst aus der Levade zwei bis sechs Sprünge nacheinander aus der Hinterhand heraus macht, den Vorderkörper erhoben; die Vorderbeine bleiben angezogen, sie berühren den Boden nicht. Zur „Kapriole" springt der Hengst aus der Piaffe mit allen Vieren hoch in die Luft und schnellt dann schwebend mit den Hinterbeinen nach hinten aus. „Croupade" und „Ballotade" sind Vorstufen zur Kapriole. Das Pferd erlernt dies alles erst unter dem Reiter, später oft auch am langen Zügel mit leerem Sattel. Das alte, voll ausgebildete Pferd aber wird zum Lehrer für junge Reiter, die auf ihm lernen, wie sie zu sitzen, das Gewicht zu verlagern, die Hilfen zu geben haben. Die Hohe Schule, die höchste Kunst des Reitens, die völlige Einheit von Pferd und Mann, erlebt man nur noch selten; denn das, was im Zirkus unter diesem Namen vorgeführt wird, beschränkt sich oft nur auf die Anfangsgründe, die mit einigen Kunststückchen verbessert werden. Nie aber wird der Pferdenarr einen Vormittag in der hohen, lichterfüllten Reitbahn der Hofreitschule vergessen, wenn die weißen Hengste ihre Kunst in höchster Vollendung zeigen, alle Gänge und Touren der Hohen Schule vorführen, dazu die Schule über der Erde, die Arbeit am langen Zügel, schließlich den Pas de Deux oder Pas de Trois und die Quadrille! Kein Tierfreund kann sich an der vollendeten Schönheit, der gebändigten Kraft satt sehen. Als Rasse weit jünger ist das Warmblut aus Norddeutschland. Besonders in Ostpreußen blühte unter dem Einfluß des Hauptgestüts Trakehnen* und dem seiner Landgestüte""' die Warmblutzucht, wie in keinem anderen Land. 1944 standen dort 25 000 in die Zuchtbücher eingetragene Stuten. Die in Trakehnen geborenen Pferde trugen als Brand eine Elchschaufel auf dem rechten Hinterschenkel; Ostpreußen, die eine Nachzucht von Trakehner Hengsten waren, zeigten eine einfache auf dem linken, die Ostpreußen rein Tra*) Hauptgestüte betreiben selbst die Zucht. •*) In Landgestüten hält man nur Hengste, die für die Stuten des Einzugsbereichs zur Verfügung stehen. 18
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kehner Abstammung eine doppelte Elchschaufel auf dem gleichen Hinterschenkel. Ursprünglich baute sich die Zucht in Trakehnen auf leichten, bodenständigen Stuten und Hengsten recht verschiedener Herkunft auf. Im 19. Jahrhundert hat man dann fast hundert Jahre lang vorwiegend englisches Vollblut, Araber, Halbblut oder deren Nachzucht als Väter verwandt und so ein Pferd erzielt, das sich bis zum Ersten Weltkrieg immer mehr dem Typ des englischen Vollbluts annäherte und für die Arbeit im landwirtschaftlichen Gespann zu leicht wurde. Aber sogar auf der Rennbahn machte Ostpreußens Warmblut dem Vollblut Konkurrenz und hat vor allem in vielen Jagdrennen gesiegt. Seinen größten Triumph feierte es bei der Olympiade 1936, in der es sowohl in der Dressurprüfung wie in der Military und im Jagdspringen den Sieger stellte. Wie der Fachmann sagt, „stand es hoch im Blut", besaß also einen außerordentlich hohen Anteil Vollblut. Zwischen den Weltkriegen bemühte man sich mit Erfolg, die Ostpreußen den neuen Anforderungen entsprechend größer und kräftiger zu machen. Sie näherten sich nunmehr dem Typus des Hannoveraners und Holsteiners. Als die Russen die Provinz besetzten, konnte nur ein kleiner Teil der Pferde abtransportiert werden. 1956 wurde das Hauptgestüt Trakehnen in Rantzau in Holstein neu gegründet; es baut auf den 671 Stuten und 55 Hengsten des ostpreußischen Warmbluts auf, die 1954 in der Bundesrepublik gezählt wurden. Niedersachsen war von jeher ein Pferdeland. Man züchtete dort ein kräftiges, hohes, starkes Pferd für Kutsche und Landarbeit, das auch als Reittier gut brauchbar war. 1714 bestieg Kurfürst Georg Ludwig von Hannover als Georg I. den englischen Thron und lernte in seinem neuen Reich eine hoch entwickelte Pferdezucht kennen. Ein Mister Brown veranlaßte als Beamter des Königs 1732 die Gründung des Landgestüts Celle, nachdem er zwölf Hengste in Holstein angekauft hatte. Sie waren nicht die Vorfahren der heutigen Holsteiner, sondern Tiere aus der alten spanischen Zucht, die in Dänemark und in dem ihm verbundenen Holstein weitergeführt wurde. Die alten Spanier zeichneten sich vor allem durch eine kräftige Ramsnase aus; manche Hannoveraner haben sie von ihren Ahnen geerbt. Man fand sie früher auch bei dem Frederiksborger Pferd und dem Kladruber. Später kreuzte man auch englisches Vollblut und Orientalen, dazu Halbblut und englisches Warmblut in die Hannoveraner ein. Wie ursprünglich überall im Norden der Bundesrepublik, liegt hier die Zucht in der Hand bäuerlicher Landwirte. Der Staat unterstützt sie vor allem durch den Unterhalt des Landgestüts Celle. Allmählich 19
ist die Zahl der Vollblüter, die hier stehen, beträchtlich zurückgegangen; man verwendet jetzt vor allem Hengste eigener Nach-$ zucht. Heute ist der Hannoveraner ein großes, kräftiges Pferd mit viel Adel, das beim Reiten, bei der Landarbeit und vor der Kutsche hervorragende; Dienste leistet. Als Turnierpferd hat er ebenso großen Erfolg wie sein Vetter, der Holsteiner. Stammten die ersten Hengste des Celler Gestüts aus Holstein, so '] hat Hannover später mit Hengsten eigener Zucht viel zur Entstehung 1 des neuen Holsteiners beigetragen. Die Holsteiner Pferde hatten j schon früher hervorragenden Ruf, die Bauern hatten den Landschlag mit Spaniern und Neapolitanern verbessert und so große, kräftige Reit- und Wagenpferde erhalten. Da man aber zu viel Nachzucht I ins Ausland verkaufte, verlor die Zucht an Qualität. Sie wurde I Anfang des vorigen Jahrhunderts belebt, als man englisches Voll- 1 blut, Halbblut und englisches Warmblut einführte. Später brachte man 1 viele Hannoveraner und auch einige ostpreußische Hengste ins Land. J Großen Einfluß auf die zahlreichen bäuerlichen Pferdezüchter hat 1 die Reit- und Fahrschule in Elmshorn gehabt, die 1894 gegründet 1 wurde; sie führt Kurse in Reiten, Fahren, Pferdepflege und Pferde- 1 Zucht durch, in denen unzählige Pferdefreunde ausgebildet wurden. 1 In Traventhal bei Segeberg befindet sich ein staatliches Landgestüt, 1 das viel für die Zucht des Holsteiner Pferdes tut. Als Brand zeigen im Stutbuch eingetragene Hannoveraner ein 1 oder zwei Pferdeköpfe auf der linken Lende, während die Hol- 1 steiner durch den Umriß eines Reiters zu Pferde auf dem linken 1 Hinterschenkel gekennzeichnet sind. Pferde beider Rassen sind nach J den großen Erfolgen auf allen internationalen Turnieren in be- I trächtlicher Zahl aufgekauft und in verschiedene Länder exportiert worden. Im Niederungsgebiet der Rheinmündung hielt man ursprünglich ein sehr kräftiges Pferd, das man den „Friesen" nannte. Noch schwerer, mehr vom Kaltbluttyp, war der „Flamländer". Beide genossen guten Ruf und wurden deshalb in die verschiedensten Landschläge eingekreuzt. In Oldenburg hat man den Friesen bereits um 1600 mit Andalusiern und Neapolitanern verbessert. Die Grafen des kleinen Landes waren begeisterte Pferdezüchter, schon damals exportierte man von dort über 5000 Pferde jährlich bis nach Italien und Frankreich. Später führte man aus England, Frankreich und dem hannoverschen Zuchtgebiet Hengste ein. So entstand ein äußerst kräftiges, großes, muskulöses Gebrauchspferd mit einer Widerristhöhe von 170 cm, das trotzdem Temperament zeigt und gut trabt, obwohl es dem Äußeren nach vom Laien gelegentlich für einen 20
Kaltblutpferde auf der Almweide im Pinzgau Kaltblüter gehalten wird. Dem Oldenburger steht der Ostfriese sehr nahe, den nur der Fachmann unterscheiden kann. Auch er ist ein außerordentlich kräftiger Warmblüter, der wie sein Vetter vor allem in der Landwirtschaft Verwendung findet. Wie gewaltig diese beiden Pferde werden können, zeigt der Ostfriese „Eekboom", der 950 kg erreichte. Wegen ihrer guten Leistungen sind Oldenburger in die verschiedensten Zuchtgebiete gebracht worden, um die dortigen Pferde zu verbessern, so vor allem in das benachbarte Holland. Hier wurde der alte einheimische Friese durch sie zum Gronendaler und Gelderländer umgestaltet. In Ober- und Niederbayern wird von jeher ein schwerer Warmblutschlag gezüchtet, dem man zunächst englische Halbblüter einkreuzte, später verwandte man vor allem Oldenburger. Ihnen verdankt der „Rottaler" seine heutige Gestalt. In Württemberg hat das Hauptgestüt Marbach das einheimische Warmblut sehr gefördert. Zu seinem Aufbau wurden vor allem anglonormannische Hengste, Holsteiner und ostpreußische Stuten verwandt. Ein leichteres Warmblut wird in der Rheinpfalz gezogen und vom Stammgestüt Zweibrücken betreut, das 1760 gegründet wurde und zunächst mit Arabern und Vollblütern züchtete. Dank ihrer Qualität fanden sich Zweibrücker Pferde bald überall in Europa. In den französischen Revolutionskriegen wurde das Gestüt völlig ausge21
raubt. Später züchtete man Warmblut unter Verwendung von Vollbluthengsten und Arabern, dann ersetzte man sie, wie in Marbach, durch Anglonormannen. So entstanden unsere Warmblutrassen, indem man die verschiedenen leichteren oder schwereren Landschläge durch Einkreuzung von Arabern und von Vollblut verbesserte und ihnen so Adel, Temperament und Ausdauer verlieh. Das gleiche geschah überall auf der Welt. Auch im Limousin in Zentralfrankreich züchtete man ein schweres 1 Warmblut; man nannte die Kutschen, die es zog, nach seiner Heimat. , Wir benutzen den Namen heute für einen Autotyp: die Limousine, j Viele Deutsche haben in den letzten Jahren die Camargue, das I Rhonedelta, die Heimat der rosenroten Flamingos und der schwär- 1 zen Kampfstiere, besucht. Dort hält man ein leichtes, bewegliches I Warmblut, das ursprünglich für die Viehhirten geschaffen wurde. 1 In Ungarn gewann man aus den leichten Landpferden, die von I den Gäulen der Hunnen abstammen, den „Gidran", indem man J englisches Voll- und Halbblut einkreuzte, und den „Nonius", indem j man hierzu Anglonormannen verwandte. Der Stammvater dieser I Sippe, Nonius, war 1810 in Calvados in der Normandie als Sohn 1 eines englischen Hengstes geboren worden, wuchs im Gestüt Zwei- 1 brücken auf, wurde von österreichischen Kürassieren 1815 erbeutet 1 und dann in Ungarn Ahnherr des ungarischen Warmbluts. Durch j Verwendung von Arabern und anderen Orientalen erzielte man j schließlich den „Shagya". 1541 bereitete Mendoza, der spanische Vizekönig von Mexiko, eine Expedition vor, die das heutige Neu-Mexiko und Arizona j durchquerte; sie war mit etwa 1000 Pferden ausgerüstet. Viele von ihnen verwilderten. In erstaunlich kurzer Zeit bevölkerten die Nach- j kommen dieser andalusischen Reitpferde die endlosen Steppen und j Savannen des Mittleren Westens und der Felsengebirge der heutigen ] USA und wurden zu den zottigen „Mustangs". Wohl hatten schon früher, und zwar noch nach der Eiszeit, wilde Einhufer in großer Zahl in Nordamerika gelebt, doch waren sie längst verschwunden als die Spanier auftauchten, und wohl von Jägervölkern ausgelöscht worden, wie viele ihrer Vettern in der Alten Welt. Die Prärieindianer, die bis dahin zu Fuß durch ihre Heimat geschweift waren, gewannen endlich ein Reittier; die Kunst, sich auf dem Pferd zu halten, hatten sie dem Weißen Mann abgesehen. Jetzt erst begann die große Stunde der stolzen indianischen Reiterstämme: der Apachen und Comanchen, der Pawnees und Schwarzfüße, der Crow, Cheyenne und der Dakotasippen oder der Sioux, wie sie 22
in unseren Jugendbüchern heißen. Sie befehdeten sich nun in schnelleren Kriegszügen auf weitere Entfernungen. In tapferen Reiterkämpfen wehrten sie sich gegen das unaufhaltsame Vordringen des Weißen Mannes. Noch 1876 gelang es berittenen Sioux, ein amerikanisches Kavallerieregiment am Little Big Hörn einzuschließen und zu vernichten. Besonders gern ritten die Indianer Schecken; man züchtet sie heute in den USA schwarz-weiß oder braun-weiß weiter als „Pintos" oder „Apaloosas". Bei den Pintos sollen die Farben in großen Flächen deutlich gegeneinander abgesetzt sein. Wir kennen diese Pferde vom Zirkus her, wo sie wegen ihrer auffallenden Färbung besonders beliebt sind. Die Apaloosas tragen rote oder braune Tigerung, also kleine Sprenkel oder Flecken. Die wilden Mustangs der Prärie sind heute verschwunden; man hat sie abgeschossen oder eingefangen. In die Oststaaten wurden frühzeitig auch Pferde aus England und Frankreich eingeführt. Sie wurden später mit Vollblut oder Halbblut veredelt. So entstanden die Warmblutschläge des „Quarter Horse", des „Morgan", des „Tenessee Walking" und des „American Saddle". Besondere Bedeutung besitzt die amerikanische Traberzucht. In Südamerika, in Argentinien, verwilderten ebenfalls Hauspferde, als die 1535 von den Spaniern gegründete Stadt Buenos Aires nach wenigen Jahren wieder aufgegeben werden mußte. Auch hier machten sich die Indianer der Steppe, der Pampa mit solchen Pferden spanischer Abstammung beritten. Später entstand aus diesen eine harte, zähe Rasse hervorragender Reitpferde, der „Criollo". Mit zwei solchen Pampaspferden ritt Tschiffely in 500 Tagen von der argen-! tinischen Hauptstadt durch die Hochländer im Westen des Kontinents, durch Mittelamerika und die USA bis New York. Er legte insgesamt 21 360 Kilometer zurück, also täglich im Durchschnitt 42 km, und überquerte dabei Pässe mit über 6400 m Höhe. Auch die in Australien verwilderten Hauspferde sind heute fast vollständig ausgerottet. Der 1615 entdeckte Kontinent wurde erst 1788 von den Engländern besiedelt; 1795 landete man die ersten Pferde, sie stammten aus Südafrika und Chile. Später verbesserte man auch hier das vorhandene Material mit Arabern und Vollblütern und züchtete ein hervorragendes Reitpferd, den australischen „Waler". Als Springpferd leistet der Australier Großartiges: 1940 stellte ein Waler mit 2,54 m einen neuen Rekord im Hochsprung unter dem Reiter auf. Als offizieller Weltrekord gilt die Höhe von 2,47 m, die der Vollblüter „Huasco" 1949 in seiner Heimat Chile erreichte. 23
Die Giganten ihres Stammes Neben dem leichten Araber, dem eleganten Vollblüter wirken die: gewaltigen Rosse vor den Brauerwagen wie vorzeitliche Riesen.! Diese Kaltblüter sind heute besonders durch den Siegeszug des j Traktors bedroht. Man schuf sie, um im fördernden Schritt schwer- 1 ste Lasten über die Straßen zu ziehen und um auch schwere Lehm- J| böden mit dem Pflug bearbeiten zu können, und züchtete sie vor I allem im Mündungsgebiet des Rheins und in Westeuropa aus schweren i Landschlägen heraus, die dort einst aus einem massigeren Wildpferd entstanden waren. Ein schwerer Schlag solcher Pferde aus Flandern, ' der „Flamländer", ist schon Ende des Mittelalters in England, j Frankreich und Dänemark in die Bestände eingekreuzt worden. Er 1 wurde vor Jahrzehnten von dem „Brabanter", dem Brabanfon, •] verdrängt, der über 170 cm Widerristhöhe und zwanzig Zentner j Gewicht erreicht. Seine leichtere Ausgabe ist der „Ardenner", der J im südlichen Belgien und den angrenzenden französischen Departe- I ments zu Haus ist. Im Rheinland baute man vor allem mit belgi- I sehen Hengsten (wie Albion d'Or und Lothar III.) seit 1840 die i Zucht des „Rheinischen Kaltbluts" auf, das seiner Stammform sehr 1 ähnelt und auch im übrigen Deutschland weite Verbreitung gefunden hat. Beide Rassen, das Belgische und das Rheinische Kaltblut, und das ihnen sehr ähnliche holländische Kaltblut sind mit Muskelmas- i sen bepackt, der Knochenbau ist wuchtig, der Kopf schwer. Die Haut erscheint dick, die Muskeln, Sehnen und Gelenke zeichnen sich nur I undeutlich unter ihr ab, die Kruppe ist gespalten. Kaltblüter sind besonders frühreif: man kann sie aber auch nicht solange nutzen wie das Warmblut. Schon mit zweieinhalb Jahren können sie zu leichter Arbeit in der Landwirtschaft verwandt werden, während ihre Vettern, die erst mit viereinhalb Jahren als voll erwachsen gelten, ein Jahr später soweit sind. Dafür aber werden die Kaltblüter kaum mehr zur Arbeit verwendet, wenn sie über fünfzehn Jahre zählen. Vollblüter und Araber dagegen sind oft noch mit fünfundzwanzig bis dreißig Jahren verwendbar. Ganz besonders frühreif ist ein französischer Kaltblüter, der „Boulonnais", der schon mit 18 Monaten zu leichtem Zug angespannt wird; mit vier bis fünf Jahren ist er ein wahrer Gigant. Trotz seiner Masse enthält auch- er einen Schuß Araberblut, noch aus der Zeit der Kreuzzüge. Ihm steht der „Breton", der etwas leichter ist und in der Bretagne gezüchtet wird, sehr nahe. Der „Percheron" entstand in der „Perche" südwestlich von Paris vor etwa 100 Jahren aus Brabantern, Bretonen und Boulonnais als 24
Nachwuchs bei den Islandponies niedrig gestelltes, also ziemlich kurzbeiniges, wuchtiges Zugtier. Auch in ihn wurde etwas Araberblut eingekreuzt. Besonders in England wurde er weitergezüchtet und verbessert, fand aber auch seinen Weg nach Nordamerika und Australien. Seine größte Zeit erlebte er, als man in allen Großstädten „Pferdebahnen", von Pferden gezogene Straßenbahnen, einrichtete. Hier fand der starke, doch nicht zu langsame Percheron überall Verwendung, auch in Paris, London und New York. In England finden wir neben dem Percheron drei Kaltblutrassen, „Suffolk", „Shire" und „Clydesdale". Der Shire ist der Pferderiese Englands mit 173 cm Widerristhöhe und 800 kg Gewicht; er zieht in der Ebene bis zu fünf Tonnen. Vor hundert Jahren war er nur 152 cm hoch. Er entstand, indem man das schwere Pferd der Grafschaften, der Shires, in Mittelengland mit Flamländern und Friesen veredelte. Uns fällt am Shire die lange, weiche Behaarung an den Beinen vom Sprunggelenk abwärts besonders auf. Der Clydesdale aus dem Süden Schottlands trägt den gleichen Schmuck. Man kreuzte bis 1750 Flamländer in den dortigen schweren Landschlag ein, später auch viel Shires. Beide Rassen wirken hochbei25
niger und dadurch nicht so schwerfällig wie das belgisch-rheinische Kaltblut oder der Percheron. Der Suffolk aus Südengland ist kleiner (165 cm Widerristhöhe bei 600 bis 700 kg Gewicht). Auch er führt etwas flämisches Blut, doch hat man in ihn auch leichtere Kutschpferde aus Lincolnshire eingekreuzt, um ihn beweglicher zu machen. Er trabt gut und gern, arbeitet bereits mit zwei Jahren in der Landwirtschaft und hält hier mitunter bis zum Alter von fünfundzwanzig Jahren aus. Alle Suffolks sind Füchse. Ein weiteres Kaltblut wird auf der jütischen Halbinsel gezogen: der „Däne", wie man ihn früher nannte. Als 1866 Schleswig aus dem dänischen Reich und damit auch aus dem Zuchtgebiet ausschied, wurde die ursprünglich einheitliche Rasse in den „Jütländer" im Norden und den „Schleswiger" im Süden aufgeteilt. In Jütland war ein niedriger, untersetzter, kräftiger Landschlag zu Haus, dem man Flamländer, Spanier, Yorkshire, Halbblut und sogar Vollblut zuführte. 1862 brachte der Pferdehändler Louis Oppenheim einen Suffolkhengst nach Jütland, der dort den Namen „Oppenheim" erhielt und sehr viel dazu beitrug, beiden Rassen ihr heutiges Gesicht zu geben. Er wurde der Stammvater unzähliger Pferde: 1908 schätzte man, daß seine Nachkommen bereits 50 000 zählten. Der letzte Kaltblutschlag von Bedeutung ist der Noriker. Er wurde ursprünglich in einem leichteren Schlag in Ober- und Niederbayern („Oberländer") und in einem schweren im Erzbistum Salzburg („Pinzgauer") gezüchtet. In der Bundesrepublik hat man beide seit 1934 vereint und nennt sie nun „Süddeutsches Kaltblut" oder „Noriker". Manche Fachleute glauben, daß die Vorfahren des Norikers, ziemlich schwere kräftige Pferde, schon zur Römerzeit im Land waren, also in der römischen Provinz Noricum; andere glauben, daß im Mittelalter schwere Friesen und Flamen hierherkamen — beide mögen recht haben. Wie sich unsere Pferderassen in Größe und Gewicht zueinander verhalten, zeigen die folgenden Zahlen. Sie geben für die Hengste der betreffenden Rasse das durchschnittliche Gewicht und die Widerristhöhe an; die Stuten sind stets etwas leichter und niedriger; Rheinisches Kaltblut 977 kg, 168 cm; Schleswiger 791 kg, 165 cm; Noriker 718 kg, 162 cm; Ostpreuße 609 kg, 165 cm; Hannoveraner 662 kg, 166 cm; Holsteiner 665 kg, 167 cm; Oldenburger 772 kg, 165 cm; Ostfriesen 754 kg, 164 cm; Rottaler 676 kg, 162 cm. Unter den Norikern finden sich nicht selten sogenannte Tiger, Rotschecken, Schimmel mit kleinen roten Flecken, die besonders malerisch und auffällig sind und deshalb als Gespannpferde in der Stadt oder als Zirkuspferde sehr beliebt waren. 26
Ponies, nützliche Zwerge Als die Tierfreunde der Welt nach dem letzten Krieg den Export lebender, zum Schlachten bestimmter Pferde aus Island bedauerten und sich bemühten, für sie eine neue Heimat zu finden, kam eine ganze Reihe dieser hübschen, harten Ponies von 115 bis 135" cm Widerristhöhe zu uns; zuvor wurden Fjordpferde aus Norwegen in beachtlicher Zahl nach Deutschland importiert. Beide gehören zu einer Gruppe gedrungener, kräftiger, kleinerer Pferde, die seit alter Zeit zum Reiten und Lasttragen im Nordland gehalten wurden. Sie sind trotz ihrer geringen Größe kräftig und ausdauernd, stellen keine besonderen Ansprüche an Futter und Unterbringung und sind zufrieden, wenn ihnen im Winter ein Schutzdach zur Verfügung steht. Eigentliche Ställe brauchen sie nicht. Das Fjordpferd von der Westküste Norwegens hat gelbbraune Farbe mit dunklem Aalstrich, schwarzer Mähne und schwarzem Schwanz und 135 bis 145 cm Widerristhöhe; im östlichen Norwegen, im Gudbrandsdalen, hat man dieses Pony mit Trabern, Vollblütern und Hackney durchkreuzt und dadurch größer und stärker gemacht, so daß es nunmehr bis 150 cm Widerristhöhe besitzt. Neuerdings bemüht man sich auch, das Fjordpferd schwerer und massiger zu machen. Der Isländer ist die etwas verkleinerte Ausgabe des Fjordpferds. Als die Norweger 871 die Insel im Nordmeer besiedelten, brachten sie dieses Pferd mit in die neue Heimat. Auf den Eilanden vor der Küste Norwegens, auf den Hebriden und Orkneys und den Shetlandinseln sind diese Ponies durch harte Bedingungen und knappes Futter viel kleiner geworden. Der ausgestorbene Lofotpony und der Hebridenpony messen 125 cm, der Shetlander ist noch winziger. Seitdem das Shetlandpony überall in der Welt der Liebling der Kinder geworden ist und sich zudem als Künstler in Zirkus und Variete wachsender Beliebtheit erfreut, wird es in Tiergärten und von Pferdeliebhabern vielerorts gezüchtet. Man versuchte zunächst, den Shetlander als Nutztier bei Gärtnern und Kleinsiedlern einzuführen und ihn deshalb größer und stärker zu machen. Heute aber verkaufen sich kleine Shetlander immer besser; so geht man vielfach wieder von dem größeren Schlag von 100 bis 115 cm Widerristhöhe ab und bevorzugt den kleineren, der etwa 90 cm mißt. Es ist allerdings recht schwer, bei den guten Fütterungsbedingungen die Nachzucht klein zu erhalten, sie wird meist von Generation zu Generation größer. Kein Pferd ist besser geeignet, Gespiele der Jugend zu sein. Trotz seiner geringen Größe kann man auf ihm Kinder mit Leichtigkeit zu tüchtigen Reitern heranbilden. Wer als Bub oder Mädel auf dem 27
lustigen, munteren Pony sich ohne Sattel zu halten gelernt hat, behält das Leben lang einen festen, sicheren Sitz, auch auf großen Pferden. Shetlandponies werden ähnlich wie Araber sehr alt; im Tierpark Wien-Schönbrunn brachte eine Stute noch mit sechsunddreißig Jahren ein gesundes Fohlen zur Welt. Im Winter bekommen alle diese Nordländer ein äußerst dichtes Fell, wenn man sie nicht im warmen Stall hält. Dem Äußeren nach stehen sie zwischen Warm- und Kaltblut. Werden sie bei planvoller Zucht auch "ohne Einkreuzen fremden Blutes größer und schwerer gemacht, prägt sich der Kaltbluttyp stärker aus. Das zeigen nicht nur die Norweger, sondern auch das Dalespony aus Nordengland, das bei 142 cm Widerristhöhe wie eine Taschenausgabe des Clydesdale wirkt. Es wurde früher benutzt, um schwere Lasten von den Bergwerken in Northumberland an die Küste zum Hafen zu tragen. Die Ponykolonnen legten in der Woche 385 Kilometer zurück; jedes der reiterlosen Tiere trug dabei über hundert Kilogramm. Neben Shetlandern und Norwegern verwendet man heute gern Haflinger für die Freiheitsdressur im Zirkus. In den Bergtälern Südtirols hielt man von jeher ein kräftiges, stämmiges, nicht zu großes Pferd zum Reiten, zum Tragen von Lasten und vor dem Wagen. Um dieses anspruchslose Pferd beweglicher zu machen, kreuzte man auch Orientalen ein. So warf 1874 eine Tiroler Stute ein Fuchsfohlen mit fast weißer Mähne; sein Vater war der ungarische Halbblutorientale El Bedavi X X I I . Das Hengstfohlen erhielt den Namen Folie und wurde der Stammvater der modernen Haflinger, die ihren Namen nach einem Dorf ostwärts von Meran bekamen. Das Zuchtgebiet lag ursprünglich zwischen dem Sarntal und Meran, heute werden Haflinger in verschiedenen Gebieten Österreichs, Oberbayerns und Südtirols gezüchtet. Sie tragen meist die Farbe ihres Ahnherrn, sind kräftig, langlebig, genügsam und hart.
Halb Pferd, halb Esel Mindestens tausend Jahre vor dem Pferd wurde der Esel zum Haustier; zahllose Abbildungen, besonders aus Alt-Ägypten, zeigen ihn als geduldigen Lastträger. Seine Wildform war früher weithin über die steinigen und bergigen Gebiete im Wüstengürtel Nordafrikas verbreitet, die dürftigsten Pflanzenwuchs aufweisen. So ist der Wildesel kein Tier des Graslands wie das Pferd, er ist größter Trockenheit und hartem Untergrund angepaßt. Esel und Pferd unterscheiden sich in einem sehr charakteristischen Wesenszug: Das Wildpferd war im offenen, ebenen Land zu Haus. Erblickt es einen 28
Feind, erschrickt es und stürmt so schnell wie möglich davon, um recht viel Raum zwischen sich und den Feind zu bringen. Der Wildesel bevorzugt zwar ebenfalls baumarmes Gelände, doch ist seine Heimat oft vielfach zerklüftet, von Abgründen durchzogen und zerschnitten. Entdeckt er einen Feind, darf er nicht davonstürmen, denn er würde sonst zu leicht abstürzen und zerschellen. Wenn er flieht, beachtet er trotzdem wachsam die Hindernisse. Leider hat unser Hauspferd von seinem Ahn das panische Davonstürmen behalten; wir nennen es heute „durchgehen". Vor allem zeigen es die beweglicheren Warm- und Vollblüter, aber auch die ursprünglichen Rassen, wie Isländer und Fjordpferde, haben diese Untugend, obwohl man sie gern aus ihnen herauszüchten möchte. Der Esel kann das Pferd nicht ersetzen. Selbst hochgezüchtete Eselrassen leisten unter dem Sattel oder vor dem Wagen nicht das, was Pferde vollbringen. Sie brauchen zudem stets ein warmes, trokkenes Klima, wenn sie wirklich gut arbeiten sollen. So zog man schon bald nach dem Erscheinen des Pferdes die Konsequenz: Man kreuzte beide Arten, um für die Gebirge brauchbare, trittsichere und bewegliche Nutztiere zu haben. Zunächst verwandte man überzählige Pferdehengste und die in Mengen vorhandenen Eselstuten, und gewann so den Maulesel. Bilder aus Kleinasien und Ägypten beweisen, daß sie nicht selten waren. Später, als das Pferd häufiger wurde, zog man auch aus Eselhengsten und Pferdestuten Mischlinge, die Maultiere. Beide sind leider wenig fruchtbar, so daß man die Kreuzungsprodukte immer wieder neu erzielen muß. Maultier und Maulesel spielen auch heute noch in den Bergländern des Südens eine wichtige Rolle.
Von Sätteln, Bügeln und Hufeisen Man verwandte im Altertum das Pferd zunächst, um Streitwagen zu ziehen; dazu mußte man Geschirr und Zaumzeug entwickeln. Sehr früh erscheint überall die Trense als oft unterteilte Eisenoder Bronzestange, die dem Pferd ins Maul geschoben, durch Lederriemen befestigt und durch die Zügel zum Lenken und Halten des Pferdes gebraucht wird. Als Geschirr diente zunächst eine Art Kuramt (Kummet), das auf dem Halsansatz aufliegt, durch einen breiten Brustriemen gehalten wird und durch Lederriemen mit der Deichsel und durch Zugtaue mit dem Gefährt verbunden ist. Das Kummtgeschirr ist also sehr alt; wir treffen es heute in verfeinerter Form an unseren Brauergespannen wieder. Es muß gut verpaßt sein, damit es das Pferd nicht drückt, und man muß es immer wieder 29
nachkorrigieren, wenn das Pferd z. B. schwerer oder magerer wird. In den Heeren wurden darum meist sogenannte Sielengeschirre verwandt; hier stemmt sich das Pferd beim Zug gegen einen breiten Lederriemen, das Brustblatt, der vor seiner Brust verläuft und sich in die Zugtaue zum Wagen fortsetzt. Das Sielengeschirr ist leicht durch Verschnallen der Riemen jedem Pferd anzupassen. Ursprünglich ritt man auf dem blanken Pferderücken ohne Sattel; bei den Assyrern finden wir dann Decken, die dem Pferd aufgelegt werden. Richtige feste Sättel treten erst um die Zeitwende in Erscheinung, mit Steigbügeln werden sie noch später versehen. Zunächst bestanden sie aus einfachen Lederschlaufen, denen später Metallbügel zugefügt wurden. In Deutschland werden die Sättel um 400, die Bügel um 700 n. Chr. eingeführt. Beide ermöglichen erst das Aufkommen der schweren Lanzenreiter, die mit Stoßlanzen zum Angriff ausgerüstet und später sogar gepanzert werden. Zuvor waren Wurfspeer, Schwert, Pfeil und Bogen die Waffen der Kavallerie. Sporen aus Holz oder Metall haben die Reiter von jeher getragen. Solange die Pferde nur leichte Streitwagen, nur den leicht bewaffneten Reiter trugen, brauchte man ihre Hufe nicht besonders zu schützen; das natürliche Wachstum der Hornwandung reichte aus, um die verstärkte Abnutzung unter dem Gewicht des Mannes oder vor dem Wagen auszugleichen. Selbst heute gehen in vielen Steppengebieten die Pferde noch barfuß, also unbeschlagen, auch wenn sie arbeiten. Pferde, die zu keiner Arbeit verwandt werden, läßt man immer gern ohne Eisen. Manche polnischen Panjepferde sind im letzten Krieg Tausende von Kilometern unbeschlagen marschiert. Als aber Bewaffnung und Rüstung gewichtiger, der Wagen zu schwer wurde, mußten die Hufe vor zu nachhaltigem Verschleiß bewahrt werden. Man umwickelte sie zunächst mit Hanf und Bast, erfand später Schutzhüllen aus Leder und schließlich um Christi Geburt regelrechte Metallschuhe, bis sich im 5. bis 9. Jahrhundert das Hufeisen durchsetzte. Vielen gilt es noch heute als Glücksbringer: Den Reiter verläßt das Glück, wenn sein Pferd lahm geht, das Eisen bewahrt ihn davor.
Ohne Fleiß keinen Preis Pferdebesitzer vergleichen von jeher sehr gern die Leistungen ihrer Rosse untereinander. Immer wieder entwickelten sich aus solchem Kräftemessen größere Veranstaltungen, Wettbewerbe, die dann zur Volksbelustigung und damit zum Selbstzweck wurden. Der Wettstreit der Pferde läßt sich zu allen Zeiten und in allen Pferde30
ländern nachweisen. Man hat ihm längst feste Rahmen gesetzt und ihm international gültige Regeln gegeben, als Flach-, Hindernis- oder Trabrennen, oder als Reitturnier. Weniger Wert legt man auf den Leistungswettbewerb im Zug, im Fahren. Die Rennen finden heute auf wohl angelegten und gepflegten Rennbahnen statt. Flachrennen gehen bei uns als „Flieger"-Rennen meist über 1000, 1200, 1400 Meter, als Mitteldistanz über 1600, 2000, 2200, 2400 Meter, als „Steher"-Rennen über 2600, 2800 und bis 3200, im Ausland auch über Entfernungen bis 5000 Meter. Die Vollblüter, die allein diese Rennen bestreiten, verbringen die ersten zwei Sommer ihres Lebens auf der Weide; im zweiten Winter ihres Daseins kommen sie zum Trainer und werden erst über kürzere, dann über weitere Entfernung geübt. Im dritten Lebenssommer gehen sie als „Zweijährige" zu den ersten Flachrennen, und zwar zunächst nur über die kürzeste Distanz (1000 Meter), später auch bis 1600 Meter. Als „Dreijährige", im vierten Lebenssommer, laufen sie dann über weitere Entfernungen. Haben sie sich bewährt, können sie bereits nach dem zweiten Rennjahr ins Gestüt wandern, andere halten noch ein oder gar zwei weitere Jahre aus. Man unterteilt die Rennen danach, ob die Pferde das gleiche Gewicht oder ein Ausgleichsgewidit („Handicap") tragen. Vor dem Rennen wird der Reiter samt Sattel, Zubehör und Dreß gewogen und so das Renngewicht festgestellt. Es muß bei den klassischen Rennen für jedes Pferd das Gleiche sein, fehlendes Gewicht wird in Satteltaschen zugefügt, nur die Stuten brauchen drei Pfund weniger zu tragen als die Hengste. In allen Ausgleichsrennen aber werden den Pferden, vor allem nach ihren bisherigen Rennsiegen, Ausgleichsgewichte zusätzlich auferlegt. An den Hindernisrennen nehmen vor allem ältere Pferde, mindestens Dreijährige, teil. Oft sind es Tiere, die bereits im Flachrennen erprobt wurden. Die Renndistanz beträgt 2400 Meter und darüber. Bei der berühmten „Grand National Steeple Chase" in Liverpool erstreckt sie sich über 7200 Meter, bei der „Pardubitzer Steeple Chase" der Vorkriegszeit beläuft sie sich sogar auf 16 900 Meter. Meist liegt sie zwischen 3000 und 5000 Metern. Hindernisrennen können Hürden- oder Jagdrennen sein. Bei den Hürdenrennen bestehen die Hindernisse aus federndem Reisig oder es sind lebende Hecken; bei den Jagdrennen sind sie zum Teil als Gräben, Wälle, Barrieren usw. fest eingebaut. An ihnen können die Pferde hängen bleiben und stürzen; so sind Roß und Reiter gefährdet. Leider ereignen sich nicht selten schwere Unfälle. Manche Pferde werden zehn Jahre lang in Hindernisrennen eingesetzt. 31
Beim Trabrennen zieht das Pferd einen leichten, zweirädrigen Wagen („Sulky"), auf dem der Jockey sitzt. Es darf nur traben und wird disqualifiziert, wenn es mehrfach in Galopp fällt. Hier erhalten die Pferde als Ausgleich keine Gewichtszulage, die Rennstrecke wird vielmehr zum gleichen Zweck zusätzlich um 20 Meter oder um ein mehrfaches davon verlängert. Die Rennen auf den Bahnen sind mit Geldgewinnen ausgestattet im Gegensatz zu den Wettkämpfen der Reitturniere. Die Sieger in den großen Rennen, vor allem im Derby, sind jedem Pferdefreund geläufig. Für viele bieten die Rennwetten einen besonderen Anreiz. Seitdem im Jahre 1912 auf der Olympiade in Stockholm Vielseitigkeits- und Dressurprüfungen sowie Jagdspringen ins Programm aufgenommen wurden, hat der Turniersport immer zahlreichere Anhänger gefunden. Früher waren die Turniere in der Reichshauptstadt das größte Ereignis auf diesem Gebiet, heute ist es das Turnier in Aachen, zu dem sich weitere in den verschiedensten Großstädten, aber auch an kleineren Orten gesellen. Von den Dressurprüfungen versteht der Laie nur wenig. Sie pflegen sich daher vielfach nur vor den Preisrichtern abzuspielen. Die verschiedenen Springkonkurrenzen aber schlagen die Massen in ihren Bann. Sie führen über einen bestimmten, mit Hindernissen verschiedenen Schwierigkeitsgrades bestückten Parcours. Reißt das Pferd ein Hindernis ab, so erhält es Strafpunkte zudiktiert, zu denen sich weitere gesellen, falls eine bestimmte Zeit vorgeschrieben und überschritten worden ist. Sieger ist der Reiter mit der geringsten Fehlerzahl, bei gleicher Fehlerzahl entscheidet die kürzere Zeit. Je nach ihrer Schwere werden die Konkurrenzen eingeteilt in solche für Anfänger (A), in Leichte (L), Mittlere (M) und Schwere (S). 1956 zählte man bei diesen Turnieren über 2 Millionen Besucher in Deutschland, es beteiligten sich an ihnen etwa 75 000 Pferde. Das große Interesse der Öffentlichkeit läßt die Pferdefreunde hoffen, daß uns ihre Lieblinge erhalten bleiben, auch wenn die Technisierung in der Landwirtschaft noch weiter voranschreitet. Umschlaggestaltung: Karlheinz Dobsky Bilder: Bavaria-Verlag, Ullstein-Bilderdienst, Umschlagbild: Haflinger (Warmblut), Titelbild: Trakehner (Warmblut) L u x - L e s e b o g e n 3 3 9 (Tierkunde) H e f t p r e i s 3 0 P f g . Natur- und kulturkundliche Hefte - Bestellungen (vierteljahrl. 6 Hefte DM 1.80) durch jede Buchhandlung und jede Postanstalt. — Alle früher erschienenen Lux-Lesebogen sind in jeder guten Buchhandlung vorrätig. — Druck: Hieronymus Mühlberger, Augsburg. — Verlag: Sebastian Lux. Murnau vor München. — Herausgeber: Antonius Lux.