JACK C. HALDEMAN III
Perrys Planet Raumschiff Enterprise 28
Aus dem Amerikanischen übertragen von Hermann Martlreite...
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JACK C. HALDEMAN III
Perrys Planet Raumschiff Enterprise 28
Aus dem Amerikanischen übertragen von Hermann Martlreiter
GOLDMANN VERLAG
Der Goldmann Verlag
ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann
Made in Germany 1. Auflage 8/92 © STAR TREK ® Perry’s Planet © 1979 by Paramount
Pictures Corporation. Published by
arrangement with Bantam Books, a division of Bantam,
Doubleday, Dell Publishing Group, Inc.
© der deutschsprachigen Ausgabe 1992
by Wilhelm Goldmann Verlag, München
Umschlaggestaltung: Design Team München
Umschlagillustration: Schlück/Jones, Garbsen
Satz: IBV Satz- und Datentechnik GmbH, Berlin
Druck: Eisnerdruck, Berlin
Verlagsnummer: 23651 Redaktion: Hermann Urbanek
Lektorat: SN
Herstellung: Peter Papenbrok
ISBN 3-442-23651-7
Befehl von oben. Die Enterprise soll Kurs auf den Planeten Perry nehmen, über den kaum etwas bekannt ist. Eines jedenfalls stellen Kirk und seine Leute sofort fest: Auf Perry gibt es keine Unruhe, keine Aggression, keinen Haß. Ein gefährlicher Friede, um so mehr, als die vorherrschende Gewaltlosigkeit sich unter den Besatzungsmitgliedern der Enterprise wie ein Virus ausbreitet. Ein grausamer Zustand, sich nicht mehr wehren zu können. Vor allem, weil Kirk von einem Todfeind gejagt wird. Der Klingonenoffizier Korol hat einen Bluteid geschworen, und er ist mindestens so erbarmungslos wie sein Bruder Khall, den Kirk einst im Kampf Mann gegen Mann getötet hat.
1
Aus dem Logbuch des Captains, Sternzeit 6827.3: Nachtrag: Wir bleiben weiterhin in einer stabilen Umlaufbahn um den toten, unbewohnten Planeten. Während Chefingenieur Scott die durchgebrannte Schalteranlage repariert, wurden notgedrungenerweise sämtliche Impulstriebwerke abgeschaltet. Jetzt dürfte es keine weiteren Verzögerungen mehr geben. Das Ärzteteam, das wir zum Planeten Waycross bringen, ist schon sehr ungeduldig. Aber uns selbst geht es auch nicht anders. Dies ist bereits die dritte Verzögerung auf unserer Mission, und wir sind schon längst für einen Landeurlaub auf Sternbasis 6 überfällig. Der Vorrat an Dilithiumkristallen ist gefährlich geschrumpft und müßte dringend ausgefüllt werden, aber da ist im Moment nichts zu machen. Sobald die Reparaturarbeiten beendet sind, geht es weiter nach Waycross, wo das Ärzteteam und das Versorgungsmaterial dringend benötigt werden. Von dort aus nehmen wir dann Kurs auf Sternbasis 6. Langsam drehte sich der namenlose, orangefarbene Planet unter dem Sternenschiff Enterprise. Nicht, daß er von großer Bedeutung gewesen wäre. Er befand sich lediglich am richtigen Ort. Wie der Detektiv, der sich mit dem Rücken zur Wand vor eine Tür stellte, so fühlte sich auch Captain Kirk mit einem unbewohnten Planeten im Rücken wesentlich wohler. Es bedeutete Sicherheit. Er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht. »Maschinenraum an Brücke.« »Hier Kirk. Was gibt’s, Scotty?« Der Captain saß wach und entspannt in seinem Sessel. Schließlich war das Problem relativ einfach: es handelte sich lediglich um eine leichte
Reparaturarbeit. Sie war zwar ärgerlich, aber alles schien unter Kontrolle zu sein. »Sir, ich habe die verflixten Schalter jetzt repariert. Ich glaube nicht, daß sie uns noch länger Schwierigkeiten machen.« »Mit viel Geduld und Spucke, was, Scotty?« fragte Kirk grinsend. »Wie bitte, Sir? Ich habe nicht verstanden.« »Schon gut, Scotty. Nur ein altmodisches Allheilmittel.« »Ich kann Ihnen nur versichern, daß es hier hinten nichts Altmodisches gibt, Sir.« Es hörte sich an, als wäre er wirklich gekränkt. »Das glaube ich Ihnen gern, Scotty. Gute Arbeit. Machen Sie weiter so.« »Aye, Sir.« Kirk warf einen Blick auf die Brücke. Alles war in Ordnung. »Verlassen der Umlaufbahn vorbereiten«, befahl er. »Aye, Sir«, sagte Sulu, der vor kam, um die entsprechenden Koordinaten einzugeben. Spock lehnte sich von seinem Schirm zurück und wandte sich mit verdutztem Gesichtsausdruck Kirk zu. »Captain«, sagte er. »Etwas ist hier äußerst seltsam. Ich erhalte einen Ablesewert, demzufolge – « Die schwere Masse des Raumschiffs rutschte plötzlich zur Seite und tauchte wie bei einer Achterbahn nach unten ab. Überall auf dem Schiff ertönten Alarmsignale. »Alarmstufe Rot! Alle Decks, Alarmstufe Rot!« Die Lichter flackerten, verblaßten, gingen eine Sekunde lang ganz aus und wurden schließlich durch die weicheren Lichter der Notaggregate ersetzt. »Gefechtsstationen einnehmen! Wir werden angegriffen!« Die scharfen Umrisse eines klingonischen Kriegsschiffs erschienen drohend vor ihnen auf dem Bildschirm, der noch
vor wenigen Sekunden leer gewesen war. Bündel aus reiner Energie blitzten von dem Schiff auf. Die Enterprise, deren Schutzschilde mittlerweile voll aktiviert waren, schwankte leicht unter jedem Einschlag. »Hauptphaserbänke aktivieren«, sagte Kirk. »Auf Ziel eingerichtet, Sir«, sagte Sulu, der angespannt über seine Kontrollen gebeugt war. »Feuer.« Die Enterprise spuckte Phaserfeuer, und die Salve krachte gegen das feindliche Schiff. Es schwankte leicht und zog sich zurück. Kirks Griff um die Armlehnen seines Sessels lockerte sich. »Schadensmeldung«, bellte er. Aus dem Intercom kam ein Gewirr von Stimmen. Manche waren ruhig, die meisten jedoch aufgeregt. Kirk suchte sich diejenige aus, die aus dem Maschinenraum kam. »Hier Scott, Sir. Direkt unter uns haben wir ziemlich was abbekommen. Wie viele verletzt sind, kann ich nicht sagen. Wir haben nur noch drei Viertel der Energie, und das meiste davon brauchen wir für die Schutzschilde. Die Dilithiumkristalle, Sir – « »Über die Kristalle bin ich im Bild, Scotty. Tun Sie, was in Ihrer Macht steht.« »Aye, Sir.« Weitere Stationen meldeten sich. Sie hatten einen einzigen Treffer abgekriegt. Dieser hatte zwar ziemlichen Schaden angerichtet, aber die Schutzschilde hielten. »Captain, das Schiff ändert seinen Kurs. Es scheint auf die andere Seite des Planeten zuzusteuern.« Kirk nickte. Das ergab durchaus einen Sinn. Selbst wenn die Enterprise teilweise außer Gefecht gesetzt war, war sie noch lange keine lahme Ente. Das Klingonenschiff wollte den Planeten als Schild benutzen. Nachdem sie das
Überraschungsmoment verloren hatten, würden sie nicht mehr als notwendig riskieren. »Sehen Sie zu, daß der Planet zwischen uns bleibt, Mr. Sulu. Wir müssen Reparaturen durchführen. Bleiben Sie auf Alarmstufe Rot.« »Aye, Captain.« »Spock, was ist passiert?« »Etwas sehr Merkwürdiges, Captain. Kurz bevor wir angegriffen wurden, erhielt ich zwar eine Sensorenablesung, die aber auf eine wesentlich kleinere Masse und eine völlig andere Richtung schließen ließ. Eine Warnung vor dem klingonischen Schiff erhielt ich dagegen nicht.« »Was halten Sie davon?« »Basierend auf der extrem begrenzten Anzahl von Fakten, die uns zur Verfügung stehen, Captain, hat es den Anschein, als wäre das Klingonenschiff mit einem Gerät ausgestattet, das uns noch unbekannt ist. Es gelang ihm, unsere Sensoren zu täuschen, falsche Daten durchzugeben und sich uns unentdeckt zu nähern. Das gab ihnen genügend Zeit, einen Schuß abzufeuern, bevor unsere Schutzschilde automatisch hochfuhren. Eine Überprüfung unseres Sensorennetzes zeigt, daß alles funktionstüchtig ist. Auf den ersten Blick ist in diesem System keinerlei Fehlfunktion zu entdecken. Irgendwie gelang es ihnen, unentdeckt an uns heranzukommen, bis es fast zu spät war.« »Mr. Spock, wenn es uns gelingen würde, dieses Schiff zu kapern, wie groß wären dann unsere Chancen, herauszufinden, wie es unseren Sensoren entgehen konnte?« »Die Chancen wären sehr groß, Captain, es wäre sogar so gut wie sicher«, sagte Spock. »Aber wir haben unsere Befehle. Und die sind ziemlich eindeutig.« »Ich kenne die Befehle sehr wohl, Mr. Spock«, sagte Kirk etwas zu abrupt. »Ich habe nur eben mal laut gedacht.«
Leutnant Uhura drehte sich in ihrem Sessel herum. Sie hatte den Kopf zur Seite geneigt und die Hand an den Kopfhörer gelegt. »Captain, ich erhalte soeben eine Nachricht vom Klingonenschiff.« »Stellen Sie sie durch, Leutnant.« Auf dem Schirm verschwand der Planet. Statt dessen erschien das Gesicht eines männlichen, klingonischen Offiziers. Dieses Gesicht kam Kirk bekannt vor. Sein Lächeln war gezwungen, und die Augen waren eiskalt. Über seine Stirn zog sich die dünne Linie einer Narbe. Hinter ihm standen zwei Offiziere niedrigeren Ranges in militärischer Haltung. »Endlich begegnen wir uns, Captain Kirk.« »Kennen wir uns?« »Ich bin Korol, der Bruder von Khall.« Er schwieg einen Moment lang, um seinen Worten Wirkung zu verleihen. Bilder brachen über Kirk herein. Bilder, die er seit Jahren zu verdrängen versuchte, Mann gegen Mann. Khall, der gefürchtete, erbarmungslose Khall. Zu zweit hatten sie sich in diese dampfende Grube von einen Planeten begeben, und nur einer von ihnen war zurückgekehrt. Es war schlimm gewesen, sehr, sehr schlimm. Immer noch fühlte er, wie sich seine Hände um Khalls Hals legten, immer noch spürte er Khalls Messer an seinen Rippen. Er hatte den Klingonen nicht töten wollen, aber dieser hatte ihm von Anfang an keine andere Wahl gelassen. Es war notwendig gewesen, aber trotzdem bedauerte er es. Es war nichts, worauf Kirk stolz war… Nein, er hatte Khall keineswegs vergessen, und er würde die Erinnerung an ihn auch wohl niemals ganz abschütteln können. Kirk nickte. »Ja, ich erinnere mich an jenen Tag.« Kords Augen wurden noch kälter. Einer seiner Mundwinkel zuckte hoch. Es ließ seine Bosheit tödlich und berechnend erscheinen.
»Auch ich erinnere mich«, sagte Korol. »So etwas vergißt ein Klingone nicht so leicht. Sie werden für das, was Sie meinem Bruder angetan haben, bezahlen.« Kirks Gesichtsausdruck war versteinert, emotionslos. Er wußte, daß er einen gefährlichen Mann vor sich hatte. Wenn er auch nur annähernd so schlau und heimtückisch wie sein Bruder war, konnte er sich auf einiges gefaßt machen. »Ich habe für diesen Tag schwer bezahlt«, sagte er langsam und vorsichtig. »Ihr Bruder war ein ebenbürtiger Gegner.« Er erinnerte sich jetzt ganz deutlich, zu deutlich. Die Erinnerung an den Schmerz war in roten Nebel getaucht. »Sie sind am Leben geblieben, Kirk. Mein Bruder starb. Darin liegt der Unterschied. Und für diesen Unterschied werden Sie bezahlen, und zwar teuer. Nicht jetzt, vielleicht auch nicht morgen, aber bestimmt eines Tages. An dem Tag, an dem Sie es am wenigstens erwarten, werde ich Sie töten. Langsam. Qualvoll. Es wird mir großes Vergnügen bereiten. Ich habe den Bluteid auf das Grab unseres Vaters geschworen.« Kirk zuckte unwillkürlich zusammen. Der Bluteid war für einen Klingonen die bindendste Verpflichtung, die er eingehen konnte. Er bedeutete, daß er vor seinesgleichen geschworen hatte, mit gleicher Münze Vergeltung zu üben. Dieser Eid wurde niemals auf die leichte Schulter genommen. Korol hatte sein Leben der Vernichtung Kirks gewidmet. Damit war in seinem Leben alles andere zweitrangig geworden. Er würde alles andere liegen- und stehenlassen, wenn sich die Gelegenheit ergab, den Eid zu erfüllen. Kirk hatte sich somit einen mächtigen Feind geschaffen. »Sehen Sie sich mein Gesicht an, Kirk. Schauen Sie es sich lang und genau an, denn Sie werden es nie mehr vergessen. Es wird Sie in Träumen, in Alpträumen heimsuchen. Sie werden es hinter jedem Schatten, an jedem dunklen Ort vermuten. Und
eines Tages wird die Wirklichkeit sein, und Sie werden sterben. Auf diesen Tag warte ich mit Freude.« Der Bildschirm wurde plötzlich leer. »Sie verlassen ihre Umlaufbahn, Captain«, sagte Sulu, dessen Stimme etwas lauter geworden war. »Sie suchen das Weite. Soll ich unseren Kurs ändern?« Kirk preßte die Kiefer aufeinander. Nichts im Universum wäre ihm lieber gewesen, als eine Verfolgungsjagd aufzunehmen und eine Entscheidung jetzt zu erzwingen. Ein Kampf würde die Angelegenheit hier und jetzt beenden, es gäbe keine Gesichter in der Dunkelheit und keine Alpträume. Trotz ihrer partiellen Kampfunfähigkeit war die Enterprise mit etwas Glück immer noch in der Lage, das andere Schiff in Stücke zu schießen. Aber er hatte seine Befehle. »Nein, Mr. Sulu. Bleiben Sie auf Kurs. Wir haben Reparaturen durchzuführen und einen Auftrag, den wir erledigen müssen.« »Aye, Sir.« Kirk merkte, daß sich seine Finger noch immer in die Armlehne gruben. Weiß und blutleer straffte sich seine Haut über die Knöchel. Langsam und bewußt entspannte er seine Finger. Aber in diesem Moment wurde ihm klar, daß sich eine neue Angst in ihm breitmachte, etwas, das er so schnell nicht abschütteln konnte. »Mr. Spock«, sagte er. »Übernehmen Sie die Brücke. Gehen Sie auf Alarmstufe Gelb.« »Jawohl, Captain.« Als Kirk aufstand, merkte er, daß er schweißgebadet war. Als er zur Tür ging, zitterten seine Beine ein wenig, aber er riß sich zusammen, so daß es nicht auffiel. Kirk lief schnell den Korridor zum Maschinenraum hinab, um mit Scotty den Schaden zu besprechen. Aus der
beträchtlichen Rauchentwicklung in der Halle war zu schließen, daß er nicht unerheblich war. Er wurde aber von Dr. Flagstone aufgehalten, der letzten Person auf dem Schiff, der er im Moment begegnen wollte. »Captain, ich verlange, daß Sie mich über die Vorgänge informieren.« »Sie verlangen was?« »Warum gibt es eine Verzögerung? Was haben diese Alarmsignale zu bedeuten?« Kirk mußte tief durchatmen, um sich zu beherrschen. Es wäre ein leichtes gewesen, den alten Mann einfach abzukapseln, aber das wäre billig gewesen. »Wir wurden angegriffen, Dr. Flagstone. Wir werden nur für die Dauer der Reparaturen aufgehalten werden, nicht länger. Dann machen wir uns sofort wieder auf den Weg.« »Diese Leute auf Waycross brauchen unsere Hilfsgüter und das Ärzteteam.« »Das ist mir bekannt, Doktor. Wir tun, was wir können. Wenn Sie jetzt so freundlich wären und – « »Kann ich irgendwie behilflich sein, Captain?« Eine junge, hochgewachsene Frau mit langen Haaren kam auf sie zu. Ihr Name war Dr. Kelly Davis. Sie gehörte zum Spezialistenteam, das Dr. Flagstone nach Waycross brachte. »Ja, Dr. Davis, danke«, sagte Kirk. »Ich war gerade auf dem Weg zum Maschinenraum. Es gibt Verletzte. Vielleicht könnte Dr. McCoy Hilfe brauchen.« »Gehen wir«, sagte sie ohne zu zögern und nahm seinen Arm. Verwirrt blieb Dr. Flagstone stehen. »Verletzte?« stammelte er. »Davon haben Sie mir nichts – « »Sie gaben mir auch keine Gelegenheit dazu«, sagte Kirk, der mit Dr. Davis bereits den Korridor hinunterging.
Es sah schlimm aus, aber es war nicht ganz so schlimm, wie Kirk befürchtet hatte. Der Hauptschaden beschränkte sich auf den Hilfsmaschinenraum auf Deck Neun und die Beobachtungshalle direkt darunter. Kelly Davis kümmerte sich sofort um die Verletzten. Sie schien allgegenwärtig zu sein und gab ihr Bestes. Aber manchmal war nicht einmal das genug. Es gab drei Tote und zwölf Verletzte, zwei davon schwer. Trotz der stärken Rauchbildung konnte Kirk Scotty erkennen. Die Uniform des stämmigen Schotten war zerfetzt und sein Ge sicht rußverschmiert. Frustriert hieb er mit der Faust gegen die Wand. Kirk wandte den Blick ab. Er konnte verstehen, wie Scotty sich fühlen mußte. Während sie die Reparaturarbeiten an der Enterprise beendeten, hatte Kirk eine unangenehme Aufgabe zu erfüllen. Er ließ sich mit einer Ehrenwache und drei Särgen auf die Oberfläche des namenlosen und unerforschten Planeten hinabbeamen. Staub wurde vom Wind aufgeweht, drang in ihre Augen und setzte sich in ihren Kleidern fest. Durch den in der Luft liegenden Staub sah die Sonne über ihnen wie eine matte, orangefarbene Kugel aus. Ein lausiger Ort für die Ewigkeit. Sie sammelten große Steine, um damit ein Grabmal zu errichten. Wieder sprach Kirk die Worte, die er schon so oft zuvor gesagt hatte. Er kannte sie auswendig, und dennoch kamen sie nicht leicht über seine Lippen. Eines Tages, dachte er, würden sie auch für ihn gesprochen werden, an einem Ort, der sich von diesem hier wahrscheinlich gar nicht so sehr unterschied. Staub knirschte zwischen seinen Zähnen. Staub zu Staub, dachte er. Ein Steinhaufen war alles, was an das Ableben guter Männer und Frauen erinnerte. Sie gaben dem Planeten einen Namen. Sie nannten ihn Tombstone. Dann wandten sie den Toten den Rücken zu und gingen. Das Leben
war für die Lebenden da, und schließlich hatten sie einen Job zu erledigen, Leben zu leben. »Entspann dich ein wenig, Jim. Du hättest es nicht verhindern können. Niemand konnte das.« Kirk war weit davon entfernt, sich zu entspannen. Er saß auf der Kante eines Diagnosebetts. Seine Muskeln waren hart und verspannt. »Pille, ich komme mir vor wie eines dieser Ziele auf der Akademie. Du weiß schon, die mit den großen, aufgemalten Kreisen.« »Du oder das Schiff, Jim? Auf wen von euch beiden ist der Kreis aufgemalt? Und um wen sorgst du dich am meisten?« Angespannt sah Kirk hoch. »Spielt denn das eine Rolle?« fragte er. »Ich bin das Ziel, zumindest, was Korol anbelangt. Sie haben die Möglichkeit, sich jederzeit an das Schiff heranzuschleichen. Kriegen sie mich, kriegen sie auch das Schiff.« Er starrte eine lange Sekunde auf den Boden. »Verdammt noch mal, du hast recht, Pille. Wie immer. Okay. Ich will es frei heraus sagen. Ich mache mir Sorgen um mich. Und ich sorge mich um das Schiff. Ich sorge mich immer um das Schiff, denn das ist mein Job, mein Leben. Aber ich bin müde, und das bereitet mir ebenfalls Kummer. In den letzten Monaten sind unser aller Nerven ganz schön auf die Probe gestellt worden. Die Probleme haben sich gehäuft – kleine und große Dinge. Das Schiff hat in letzter Zeit viel durchgestanden. Zuviel, um ehrlich zu sein. Das ist sowohl mir als auch dem Schiff anzusehen. Außer dir würde ich das sonst niemandem erzählen. Aber du wußtest es natürlich bereits.« »Spock hat es natürlich auch gemerkt.« Kirk nickte stumm. Spock wäre nicht Erster Offizier, wenn ihm derartige Dinge nicht auffielen. Und er wäre nicht Spock.
»Dem Schiff kann ich nichts verschreiben«, sagte McCoy, während er sich umdrehte, »aber für seinen Captain habe ich hier eine kleine Arznei, die möglicherweise helfen könnte.« Er zog eine Flasche diminianischen Fünfsternebrandys hervor. Mit zehnjähriger Reifung. Nach der alten Methode: in Eichenfässern. Das Zeug war gut. »Pille, ich – « »Fünfzig Kubikzentimeter, Jim. Oral einzunehmen. Auf ärztliche Anweisung.« »Lieber nicht.« »Du hast keine andere Wahl. In medizinischen Angelegenheiten habe ich das letzte Wort.« Er nahm zwei Gläser aus der Vitrine und brach das Flaschensiegel. Gerade als er einschenken wollte, ging die Tür auf. Kelly Davis wollte gerade hereinkommen, blieb aber stehen und trat dann wieder in den Korridor zurück. Sie war sich nicht sicher, ob sie eintreten sollte oder nicht. »Störe ich etwa?« fragte sie. »In keinster Weise, meine Liebe«, sagte McCoy, der auf sie zu ging, ihren Arm nahm und sie hereinführte. »Ich habe soeben dem Captain und seinem Schiffsarzt eine kleine Arznei verordnet. Viel leicht möchten Sie uns Gesellschaft leisten?« Kelly sah die offene Flasche und grinste. »Ein klein wenig viel leicht«, sagte sie. »Das freut mich«, sagte McCoy, während er ein drittes Glas aus der Vitrine holte. »Ich bin noch nie dazugekommen, Ihnen in angemessener Form zu danken, Dr. Davis.« »Wofür, Captain?« »Dafür, daß Sie mich von diesem… Dr. Flagstone losgeeist haben. Ich wußte das sehr zu schätzen. Auch die Art, wie Sie sich um die Verletzten gekümmert haben. Ich danke Ihnen für beides.«
Sie lächelte, während sie das Glas, das ihr McCoy anbot, annahm. »Die Verletzten…« Sie schwenkte das Glas und starrte in die Flüssigkeit. »Nun, das ist mein Job. Mehr als das, denke ich. Ich konnte noch nie ruhig dastehen und zusehen, wenn jemand Hilfe brauchte oder wenn ich Schmerzen lindern konnte.« Sie nahm einen kleinen Schluck, verzog das Gesicht und grinste verlegen. »Das Zeug ist ganz schön stark.« Sie unterdrückte ein Husten. »Dr. Flagstone ist schon in Ordnung«, sagte sie. »Zumindest wird er es sein, wenn wir auf Waycross angekommen sind. Er nimmt sich im Augenblick nur ein bißchen zu wichtig, aber ansonsten ist er wirklich ein sehr guter Arzt.« »Und das aus dem Munde einer Ärztin, die selbst sehr gut ist«, sagte McCoy, während er sich auf den Rand seines Schreibtisches setzte. »Eigentlich ist sie ja eine ausgebildete Virologin, aber sie kennt sich auch mit den praktischen Grundlagen der Krankenfürsorge und Erster Hilfe aus. Es wäre mir ein Vergnügen, Sie als ständige Helferin zur Seite zu haben. Oder ständig an Ihrer Seite zu sein.« »Was für ein Kompliment, und noch dazu von Ihnen, Pille.« »Ich meinte es ehrlich.« »Na, na«, sagte Kelly. »Ich weiß, daß Sie mit Ihrem Charme die Vögel von den Bäumen herunterlocken können.« »Wenn alle Vögel so aussähen wie Sie, könnte ich es ja versuchen.« Kirk lachte, fragte sich aber sofort, ob auch dieses Lachen Teil einer schön geplanten und ausgeführten Therapie des Multitalents namens Dr. McCoy war. Aber was soll’s. Jedenfalls fühlte er sich ein wenig besser. Er schlürfte seinen Drink und wunderte sich, wo um alles in der Welt Dr. McCoy immer wieder eine derart gute Medizin auftrieb. Und so weich im Geschmack!
Kelly lehnte sich gegen McCoys Schreibtisch. Sie schien entspannt zu sein. »Wie lange, glauben Sie, wird es noch dauern, Captain, bis wir Waycross erreicht haben?« »Ziemlich genau zwei Tage, wahrscheinlich etwas weniger«, sagte Kirk. »Normalerweise würde es nicht so lange dauern, aber unsere Dilithiumkristalle befinden sich in einem ziemlich schlechten Zustand. Uns bleibt nichts anderes übrig, als uns Zeit zu las sen.« »Dann geht meine Arbeit erst richtig los«, sagte sie. »Für eine Weile werde ich wohl ziemlich beschäftigt sein.« »Ist es denn sehr ernst?« fragte Kirk. »Noch nicht, aber das kann sich bei diesen Dingen über Nacht ändern.« »Welchen Dingen?« »Wir glauben, daß es sich um eine Art mutierten Virus handelt. Wahrscheinlich um einen lokalen, aber er könnte genauso gut von woanders eingeschleppt worden sein. Bisher hat er noch nicht allzuviel angestellt, außer, daß sich alle Infizierten äußerst schlecht fühlen. Er ist nicht tödlich, zumindest noch nicht, aber die Sache ist schon schlimm genug. Sie haben neunzig Prozent ihrer Arbeitskräfte verloren. Fast alle sind bettlägerig. Wir waren mit derartigen Vorfällen auch schon auf anderen Planeten konfrontiert. Manchmal mutieren sie sehr schnell, nachdem sie sich an die Menschen angepaßt haben, andere Male wiederum scheinen sie sich überhaupt nicht zu verändern. Für gewöhnlich gelingt es uns aber, eine Lösung zu finden. Wir führen ein ziemlich umfassendes Labor mit uns.« Kirk nickte. Er hatte ihre Ausrüstung gesehen, als sie an Bord gebracht wurde. Sie war auf dem neuesten Stand. Wie ein kleines Kind hatte McCoy lange Zeit darin herumgeschnüffelt.
Er war nicht nur beeindruckt gewesen, sondern, wie Kirk bemerkte, auch ein wenig neidisch. »Das klingt, als hätten Sie alle Hände voll zu tun«, sagte er. Sie lachte leicht. »Das ist normalerweise immer so. Neue Planeten bedeuten neue Probleme, neue Krankheiten. Je weiter der Mensch vordringt, desto komplexer scheinen seine Probleme zu werden.« »Dem kann ich nur zustimmen«, sagte Kirk. »Was werden Sie tun, nachdem Sie uns auf Waycross abgesetzt haben, Captain? Wohin nehmen Sie Kurs? Zu neuen Planeten mit neuen Problemen?« Kirk lachte. »Nein, diesmal nicht. Es ist nichts Aufregendes. Wir nehmen direkten Kurs zur Sternbasis 6. Schiff und Besatzung brauchen dringend eine Überholung, eine kleine Ruhepause. Die Dilithiumkristalle sind nicht das einzige, worauf man achten muß.« »Den Captain eingeschlossen«, fügte McCoy hinzu. Kirk nickte. Wie wahr. Sechsundvierzig Stunden später hing die Enterprise in einer Umlaufbahn über dem Planeten Waycross. Die letzten beiden Tage waren ohne Zwischenfälle verlaufen. Das heißt, bis auf die nervliche Belastung – die Angst, daß das Klingonenschiff jeden Moment auftauchen könnte, die Anstrengung, die Enterprise wie ein kleines Baby mit halber Geschwindigkeit fortzubewegen, und schließlich und endlich den Streß der letzten Monate unter der Schiffsbesatzung und den Offizieren – Monate mit langen Perioden der Untätigkeit und Langeweile, gefolgt von blitzschnellen Entscheidungen, hektischen Aktivitäten und dem Entfesseln riesiger Mengen unglaublicher Energie. All das hatte auf dem Schiff und der Besatzung Spuren hinterlassen. Die meisten von ihnen konnten es kaum erwarten, die Ärzte und Versorgungsmittel hinunterzubeamen,
um anschließend sofort Kurs auf Sternbasis 6 und die damit verbundene, wohlverdiente Rast zu nehmen. Auf der Brücke setzte sich Captain Kirk in seinen Sessel. Das Entladen war eine Routineangelegenheit. »Fähnrich Chekov, gehen Sie zum Transporterraum und helfen Sie Scotty.« Der junge Mann war sofort auf den Beinen. »Ja, Sir«, sagte er und war schon verschwunden. Er war immer sehr dienstbeflissen, und manchmal übertrieb er dabei auch ein wenig. Kirk war überzeugt, daß er einmal einen guten Offizier abgeben würde, aber im Augenblick gab es da noch einige Kanten, die zurechtgeschliffen werden mußten. Kirk blickte zu der grünen Kugel namens Waycross hinab. Eines Tages würde sie vielleicht zu einem großartigen landwirtschaftlichen Planeten werden. Waycross besaß einen fruchtbaren Erdboden, auf dem eine Vielzahl von Pflanzen wuchsen. Im Augenblick befand sich auf dem Planeten nur eine kleine Kolonie, aber weitere Siedler würden folgen, und die Bevölkerungszahl würde rasch steigen. In gewisser Weise symbolisierte dieser Planet das Vordringen des Menschen zu den Sternen. Der Anfang war hart gewesen, sehr hart, aber der Mensch war ein Tier, das nicht so leicht aufgab. Der Lohn stellte sich nicht sofort ein, war dafür aber reichlich. Jetzt lebte der Mensch auf einer Unzahl von Planeten, die im Universum verstreut waren. Es war ein harter Kampf gewesen, aber die Mühe hatte sich gelohnt. Er fragte sich, was wohl geschehen wäre, wäre die Menschheit auf einem einzigen Planeten, mit einzig und allein den Reichtümern dieses Planeten, geblieben. Grimmig schüttelte er den Kopf. Er kannte die Fakten, zumindest die meisten davon. Die Menschheit war nahe daran gewesen, ihr einziges Heim zu vergiften. Im zwanzigsten Jahrhundert hatte es eine Zeitlang so ausgesehen, als müßte sie sich mit der Möglichkeit eines Krieges, der die gesamte Menschheit zu vernichten drohte, abfinden. Jetzt, verstreut wie
sie waren, war das kaum noch möglich. Zudem behandelten sie jetzt die Planeten, auf denen sie lebten, etwas sanfter und respektvoller. Das zumindest haben wir gelernt, dachte er. In der gedämpften Beleuchtung des Korridors, der zu Transporterraum Drei führte, war ein kurzer Lichtschimmer zu sehen. Eine Gestalt materialisierte. Der Mann nutzte geschickt die Schatten aus, während er sich auf den Weg zum Eingang machte. Einen Moment lang preßte er sich gegen die Wand, und als er die Zeit für gekommen hielt, schlüpfte er hinein. Vier Leute standen dicht gedrängt vor einem Stapel von Ausrüstungsgegenständen, die auf dem Hilfstransporter lagen, und wandten ihm den Rücken zu. Geräuschlos ging er auf die Knie und befestigte ein kleines Gerät an der unteren Stelle des Transporterkontrollpunkts. Schnell verband er einige Drähte miteinander und verbarg sie anschließend. Dann stand er leise auf, ging zurück zur Tür und legte ein kleines Päckchen, das erst später gefunden werden sollte, in eine Ecke des Raumes. Als er sah, daß sich niemand auf dem Korridor befand, trat er hinaus, flüsterte etwas in einen Kommunikator und verschwand in einem Funkenregen. Zufrieden über die Tatsache, daß alles in Ordnung war, betätigte Fähnrich Chekov die Transporterschalter. Gleißendes Licht blitzte auf. Es war das letzte, woran er sich erinnerte. Kirk traf wenige Sekunden nach dem Notdienst am Schauplatz des Geschehens ein. Alles lag in Trümmern, und dicker, schwarzer Rauch hing über dem Raum. »Was ist passiert?« fragte er. »Scotty – was ist passiert?« »Ich weiß nicht, Captain. Ich war gerade beschäftigt und schickte Chekov hierher, um – « »Chekov. Ist er – «
»Nein, er ist okay, Sir. Es geht ihm den Umständen entsprechend. Sie waren gerade dabei, den letzten Teil der Laborausrüstung hinunterzutransportieren. Die meisten Ärzte waren bereits vom Haupttransporterraum gestartet. Die Ausrüstung wurde dagegen von hier aus weggeschickt. Es muß eine Fehlfunktion gewesen sein. Alles, was auf der Plattform war, ist in die Luft geflogen.« »Wenigstens waren es nur Ausrüstungsgegenstände«, sagte Kirk. »Ich fürchte, nein«, sagte Scotty. »Eine Ärztin war anwesend, um beim Verladen der Ausrüstung behilflich zu sein.« »Dr. Davis?« »Aye, so heißt sie. Es geht ihr nicht sehr gut. Dr. McCoy ist gerade bei ihr.« Kirk schüttelte den Kopf. Kelly. Verdammt, was würde als nächstes passieren? Wenn einer ihr das Leben retten konnte, dann war es Pille. Ein Sicherheitsmann ging auf die beiden zu. Er hielt ein kleines Päckchen in der Hand. »Entschuldigung, Captain«, sagte er. »Das habe ich am Eingang gefunden. Es ist ein – « »Ich weiß, was es ist«, fauchte Kirk, während er das Päckchen nahm. »Finden Sie heraus, was passiert ist.« »Ja, Sir«, sagte der Mann und machte sich schnell aus dem Staub. Kirk drehte es in seinen Händen. Eine Bandkassette klingonischen Ursprungs. Was hatte es hier zu suchen? »Geben Sie mir Bescheid, wenn Sie etwas finden«, sagte er zu Scotty. »Ich bin auf der Brücke.« »Aye, Sir«, sagte dieser, während er zusah, wie Kirk hinausstürmte. Leutnant Uhura blickte verdutzt drein, als Kirk auf die Brücke stürmte. In seinen Augen lag eine Mischung aus
Schmerz und Wut. Er roch nach Rauch, und auf seinem Gesicht und seiner Kleidung waren schwarze Flecken. Es schien, als hätte sich in seinem Inneren einiges angestaut, als müsse er sich beherrschen, nicht damit herauszuplatzen. Er warf ihr das Videoband zu. »Legen Sie das auf den Schirm. Sofort.« Er drehte sich abrupt um und ging zu seinem Sessel. »Ja, Sir«, murmelte sie leise, während sie das Band in den Schlitz legte. Diesmal war es ein nur allzu bekanntes Gesicht, das auf dem Bildschirm erschien. Korol blickte auf die Brückenbesatzung herab; sein überlebensgroßes Gesicht war von einem verzerrten, sardonischen Lächeln entstellt. »Es hätte auch Sie treffen können, Kirk«, sagte das aufgezeichnete Bild. »Das wäre ganz einfach gewesen. Aber als Ausweg viel zu billig – zu leicht und zu schnell. Es wäre ein einfacher Mord gewesen, keine Rache. Ich will, daß Sie wie mein Bruder leiden. Bestimmt sehen Sie heute nacht die Gesichter derer, die hoffentlich an Ihrer Stelle gestorben sind. So wie ich Sie kenne, wird es Ihnen großen Schmerz bereiten. Ihre humanitäre Gesinnung ist einer Ihrer schwachen Punkte, Kirk, und das werde ich weidlich ausnutzen. Ich werde alles tun, um Ihnen Ihre letzten Tage so unerträglich wie möglich zu machen und Ihre letzten Nächte mit Dämonen zu erfüllen. Erst dann werde ich Sie töten. Schlafen Sie wohl, Kirk. Schlafen Sie wohl.« Der Bildschirm, wurde leer. Auf der Brücke lag Totenstille. »Das ist alles, Sir«, sagte Uhura leise. Kirk schüttelte den Kopf. Nein, das war nicht alles. Es war noch lange nicht alles.
2
Aus dem Logbuch des Captains, Sternzeit 6831.4: Wir verlassen den Planeten Waycross und nehmen Kurs auf Sternbasis 6. Für die Besatzung wurde für die Zeit, in der am Schiff Reparaturen vorgenommen und die Dilithiumkristalle ergänzt werden, ein Erholungsurlaub angesetzt. Das gesamte Sensorennetz des Schiffs wird zerlegt und überprüft. Das Sternenflottenkommando ist über den Sachverhalt genauso verwirrt wie wir. Es gibt keinerlei Hinweise, wie das Klingonenschiff nahe genug herankommen konnte, um einen Mann oder einen Trupp an Bord zu transportieren und unentdeckt Manipulationen an der Transportertafel durchzuführen. Man hofft, daß eine Überprüfung des Schiffs Auskunft darüber gibt, aber das scheint zweifelhaft. Selbst unsere eigene Besatzung hat trotz mehrmaliger, intensiver Suche bisher nichts gefunden. Das Sternenflottenkommando wurde auch über den von dem Klingonen Korol geleisteten Bluteid in Kenntnis gesetzt, aber man geht davon aus, daß dies mit dem unmittelbaren Problem zusammenhängt. Die U.S.S. Phoenix wird Ersatzgeräte und einen weiteren Arzt nach Waycross bringen. Aufgrund der Ernsthaftigkeit ihrer Verletzungen und der Notwendigkeit einer entsprechenden Behandlung wird Dr. Kelly Davis bis auf weiteres an Bord der Enterprise bleiben. Ihr Zustand hat sich stabilisiert. Im gedämpften Licht des Bordlazaretts ließ Dr. McCoy den ferngesteuerten Sensor über den reglosen Körper von Kelly Davis gleiten. Sie atmete keuchend und unregelmäßig. Die
Werte auf der graphischen Anzeige über dem Diagnosebett waren niedrig, aber gemessen an den Umständen zufriedenstellend. Es sah besser aus, als er erwartet hatte. Kelly Davis war eine kräftige Frau. McCoy streckte sich und rieb sich den steifen Nacken. Für eine Weile war es ganz schön knapp gewesen, er hätte sie beinahe verloren. Sie würde viel Ruhe brauchen, aber es sah so aus, als würde sie durchkommen. Jetzt schlief sie tief und fest. Schwester Christine Chapel betrat den verdunkelten Raum und ging auf McCoy zu. »Entschuldigung, Doktor«, sagte sie und berührte seinen Ärmel. »Ich bin mit Fähnrich Chekov jetzt fertig. Er und der Captain erwarten Sie in Ihrem Büro.« McCoy wandte sich vom Bett ab und nickte. »Behalten Sie sie im Auge, Schwester. Wenn sie aufwacht, geben Sie ihr ein Sedativum. Sie braucht dringend Ruhe.« Während Dr. McCoy hinausging, zog Schwester Chapel einen Stuhl heran und setzte sich neben das Bett. »Wie sieht es denn aus, Doc?« fragte Chekov mit ängstlicher Stimme. »Komme ich durch?« Seine Hände und sein Gesicht waren dünn mit einer Salbe bestrichen. Kirk stand neben ihm gegen McCoys Schreibtisch gelehnt. »Ich denke schon«, sagte McCoy. »Sie sind zäh. Das liegt wohl an all dem russischen Blut, das in Ihren Adern fließt.« »Ich fühle mich immer noch etwas matt«, sagte er. »Kann ich jetzt gehen?« McCoy nickte. »Aber ruhen Sie sich etwas aus. Bleiben Sie ein oder zwei Tage auf Ihrem Quartier. Sobald Ihre Hände ausgeheilt sind, können Sie Ihren Dienst wiederaufnehmen. Aber lassen Sie sich Zeit, bis die Salbe gewirkt hat.« Als Chekov hinausging, schloß sich die Tür hinter ihm mit einem leisen Zischen. McCoy wandte sich Kirk zu. »Nur ein paar Brandwunden, Jim. Nichts, worüber man sich Sorgen machen müßte. Zumindest, was den Unfall betrifft.«
Kirk warf McCoy einen durchdringenden Blick zu. »Was meinst du damit?« »Ich sprach mit ihm über den Unfall. Kurz vor der Explosion, gleich nachdem er die Transporterschalter betätigt hatte, fühlte er für den Bruchteil einer Sekunde, daß etwas nicht stimmte und versuchte, die Tafel abzuschalten. Es gelang ihm aber nicht mehr rechtzeitig.« McCoy schwieg für eine Sekunde. »Er macht sich selbst Vorwürfe, Jim, und irgendwie auch zu Recht.« »Das gibt’s doch gar nicht.« »Ich fürchte, doch. Er hätte imstande sein müssen, schnell genug zu reagieren, um die Tafel abzuschalten. Die Zeit reichte gerade aus, aber er war nicht schnell genug. Ich habe ihn gründlich untersucht. Seine Reflexe sind langsam, zu langsam. Fast alle Werte liegen unter dem Optimum. Jeden für sich genommen wäre das nicht weiter schlimm, aber die Summe ist problematisch.« »Was heißt das, Pille?« »Ich will nicht mit medizinischen Ausdrücken um mich werfen. Er ist ganz einfach abgespannt und schwach. Das ist auf die Strapazen unserer Reise zurückzuführen. Sie war ganz schön anstrengend, Jim, wahrscheinlich anstrengender als du glaubst.« »Ich könnte Chekov für eine Weile beurlauben. Wir kommen ja schon bald auf Sternbasis 6 an.« »Ich fürchte, es geht nicht nur um Chekov. Das Problem ist viel größer. Ich habe aus der Besatzung blind zehn Leute ausgewählt und sie untersucht. Sie zeigten alle mehr oder weniger die gleichen Resultate wie Chekov. Ich werde das Gefühl nicht los, daß ich genausogut hundert Leute untersuchen könnte, ohne ein anderes Ergebnis zu erzielen. Die Besatzung benötigt dringendst einen Landurlaub.« »Genau das haben wir ja vor.«
McCoy schüttelte den Kopf. »Das reicht nicht, Jim, und es ist auch nicht früh genug. Wäre ihre Arbeit weniger gefährlich, wäre es wahrscheinlich nicht so wichtig, aber wir befinden uns auf einem Sternenschiff – einem Sternenschiff. Es kann jeden Moment soweit sein, daß die Besatzung wie die Übermenschen, für die man sie hält, agieren muß. Aber dazu sind sie nicht mehr in der Lage. Sowohl physisch als auch mental befinden sie sich weit unter ihrem Soll. Ich schlage vor, du verordnest ein beschleunigtes Übungsund Exerzierprogramm, bis wir Sternbasis 6 erreicht haben.« »Ich denke, du hast recht, Pille. Sie werden zwar nicht gerade erfreut sein, aber – « »Brücke an Captain’«, kam knisternd Uhuras Stimme aus dem Intercom. Kirk lehnte sich über den Schreibtisch zu McCoys Gerät und drückte den Knopf. »Hier Kirk.« »Captain, Sie werden auf der Brücke gebraucht. Wir erhalten eine Nachricht von der U.S.S. Phoenix. Ein Vizekommodore Propp möchte mit Ihnen sprechen.« »Bin schon unterwegs«, sagte er. »Kirk Ende.« Seufzend ging Kirk zur Tür. Propp gehörte zum Sternenflottenkommando. »Was wollen denn die schon wieder?« murmelte er. Als Kirk auf der Brücke ankam, stellte Uhura das Gespräch sofort durch. Er sah sich dem Bild eines Mannes gegenüber, der nur wenig älter als er selbst war und schnell Karriere gemacht hatte. Der Mann hatte einen dünnen Bart, war untersetzt und sah so aus, als fühlte er sich im Weltraum wesentlich wohler als hinter einem Schreibtisch. Er nickte Kirk zu. »Lange nicht mehr gesehen, was, Jim?« sagte er. »Das kann man wohl sagen, Larry. Zu lange.« Propp hatte vor – einiger Zeit zusammen mit Kirk Dienst geleistet.
Zusammen hatten sie gute und schlechte Zeiten erlebt. »Was führt dich in diese Ecke der Galaxis?« »Ich bin in diese Waycross-Geschichte verwickelt worden. Ich muß mal wieder den Handlanger des Sternenflottenkommandos spielen. Du weißt ja: immer, wenn etwas schiefgeht, schickt man den alten Larry los, um die Sache ins reine zu bringen. Wahrscheinlich sitze ich jetzt einen Monat lang auf Waycross fest.« »Wie in alten Zeiten, was?« sagte Kirk lächelnd. »So ungefähr.« Er schwieg und wandte den Blick ab. »Ich nehme aber an, daß es sich hierbei nicht um ein feines Privatgespräch handelt, oder, Larry?« fragte Kirk. »Nein, Jim, ich fürchte nicht. Ich habe das Hauptquartier der Flotte kontaktiert, und sie wollten, daß ich dir eine Nachricht übermittle. Sie betrifft einen Planeten namens Perry.« »Perry? Kenne ich nicht.« »Das ist auch kaum zu erwarten. Wir wissen auch nicht mehr über ihn als das, was in deinem Computer steht. Er war das Ziel einer Gruppe von Siedlern, die die Erde vor ungefähr dreihundert Jahren verließen. Die Aufzeichnungen, die vor so langer Zeit gemacht wurden, sind nicht sehr aufschlußreich. Anscheinend benutzten sie so etwas Archaisches wie ein modifiziertes Staustrahltriebwerk mit Ionenantrieb. Nachdem sie das Sonnensystem verlassen hatten, hat man nie wieder etwas von ihnen gehört. Natürlich nahm man an, daß die Mission gescheitert war. Wie so viele damals.« »Das ist mir bekannt, Larry. Aber was hat das mit uns zu tun? Wir nehmen Kurs auf Sternbasis 6.« »Nicht mehr. Es tut mir leid, Jim, Befehl von oben. Ihr nehmt jetzt Kurs auf Perry.« »Larry! Unsere Reparaturarbeiten sind schon längst überfällig. Meine Besatzung braucht dringend Urlaub. Diese Mission ist bereits dreimal verlängert worden. Die
Sternenflotte will unsere Sensoren überprüfen. Was ist denn an Perry so wichtig?« »Zum einen ist er bewohnt. Das Sternenflottenkommando erhielt eine Subraumnachricht von dort. Offensichtlich wurde sie von den Siedlern verfaßt. Irgend jemand muß hin.« »Warum wir?« »Erstens hast du das einzige Schiff der Constitution-Klasse, das sich in der Nähe des Planeten befindet. Zweitens bist du auf dem Gebiet dieser besonderen Art von Auftrag die qualifizierteste Person, die wir haben.« »Welche Art von Auftrag?« fragte Kirk argwöhnisch. »Eine diplomatische.« »Das kann doch nicht dein Ernst sein.« »Doch, leider. Die Nachricht, die wir erhielten, war ein Gesuch. Die Föderation der Vereinigten Planeten soll einen Repräsentanten schicken, damit die Möglichkeiten eines Beitritts zur Föderation seitens Perrys besprochen werden können. Das ist alles, was sie uns mitgeteilt haben. Du bist für diese Angelegenheit der beste Mann und obendrein in der Nähe. Es gibt keine andere Möglichkeit. Es ist wichtig, Jim, sonst würden wir die Sache nicht dir übertragen.« »Ich weiß«, sagte Kirk kopfschüttelnd. »Ich weiß. Nur daß der Zeitpunkt ungünstig ist, mehr kann ich dazu nicht sagen.« »Der Zustand deines Schiffes ist allen bekannt. Man kam zu der Entscheidung, daß die Umstände eine kurze Verzögerung rechtfertigten. Die Sache dürfte nicht allzuviel Zeit in Anspruch nehmen.« »Das will ich hoffen, Larry. Wirklich.« Als er die Verbindung abbrach, dachte Kirk an andere diplomatische Missionen, die er bereits unternommen hatte. Manche verliefen reibungslos, andere wiederum nicht. Aber alle brauchten ihre Zeit. Er hoffte, dies würde eine von denen
sein, die reibungslos verliefen. Er schwenkte seinen Sessel nach rechts. »Mr. Spock«, sagte er. »Welche Informationen besitzen wir über den Planeten?« »Nicht viel mehr, als der Vizekommodore andeutete, Captain. Besagter Planet gehört zur Klasse M und ist der vierte in einem System von acht Planeten, die sich um einen Stern drehen. Da er sich in einem ziemlich entlegenen Teil der Galaxis befindet, wurde er bisher noch nicht vermessen. Laut Plan hätte die U.S.S. Potemkin in diesem Sektor eine Routineprüfung durchführen sollen. Das wird nun wohl nicht mehr notwendig sein.« »Besitzt der Computer Informationen über die Siedler, Mr. Spock?« »Nur sehr wenige. Es handelte sich um eine ziemlich große Gruppe, die aus Freiwilligen ausgewählt wurde. Soviel wir wissen, gab es keinerlei gemeinsame politische oder religiöse Überzeugungen. Offensichtlich benutzten sie eine modifizierte Form von Scheintod, eine Gefrierschlaftechnik, ohne die sie sonst zwei Generationen benötigt hätten, um den Planeten zu erreichen. Ihr Anführer war ein Mann namens Wayne Perry, ein Philanthrop, der für damalige Verhältnisse sehr reich war. Offenbar war er wissenschaftlich ausgebildet, obwohl der Computer darüber keine näheren Informationen besitzt. Der Planet scheint zu seinem Gedenken nach ihm benannt worden zu sein. Laut eigener Schätzungen hätten sie bei planmäßigem Verlauf den Planeten vor ungefähr zweihundertfünfzig Jahren erreichen müssen. Dafür gibt es jedoch keine Beweise.« Kirk nickte. Er wußte sehr wohl, daß viele frühe Versuche der Menschheit, das All zu erforschen, fehlgeschlagen waren, vor allem, was die Kolonien betraf. Ein sehr hoher Prozentsatz der Expeditionen scheiterte. Von denen, die erfolgreich waren, fielen viele dem Planeten zum Opfer, den sie sich ausgesucht
hatten, wurden in eine Form von Barbarei zurückgeworfen oder noch schlimmer. Aus dem Hauptstrom der Zivilisation hatten sich viele der Kulturen auf merkwürdige Weise und mit unterschiedlichen, nicht immer gerade positiven Resultaten entwickelt. Diese hier schien zumindest von der Präsenz der Föderation der Vereinigten Planeten zu wissen und eine Stufe der Technologie erreicht zu haben, die ihr eine zwar primitive, aber funktionierende interstellare Kommunikation gestattete nämlich eine Subraumübertragung in eine Richtung. Es könnte schlimmer sein. Vielleicht würde es diesmal reibungslos klappen. Und obendrein schnell. Das hoffte er, aber er hatte auch seine Zweifel. Die Dinge waren selten so, wie sie oberflächlich zu sein schienen.
3
Aus dem Logbuch des Captains, Sternzeit 6834.5: Wir befinden uns in einer Umlaufbahn um den Planeten Perry und bereiten uns auf den Beginn unserer diplomatischen Mission vor. Der Planet scheint sich denkbar gut für menschliches Leben zu eignen. Offenbar gibt es nur eine einzige große Stadt, obwohl über die drei Hauptlandmassen viele landwirtschaftliche Betriebe und kleine Dörfer verstreut sind. Die Polarflächen sind klein, und es gibt nur wenige Wüsten. Der Großteil der Landfläche ist grün und leicht bewaldet. Auf den ersten Blick scheint es kein rauher Planet zu sein. Vielleicht hat er es den Siedlern leicht gemacht. Mein Erster Offizier Spock und Schiffsarzt Leonard McCoy werden mich begleiten. Unsere Aufgabe besteht darin, die politische Führung dieses Planeten von den Vorteilen eine Beitritts zur Föderation der Vereinigten Planeten zu überzeugen. Wir hoffen, daß diese Aufgabe nach kurzer Zeit gelöst werden kann, da wir raschest wieder Kurs auf Sternbasis 6 nehmen wollen. Der Gesundheitszustand von Dr. Kelly Davis bessert sich weiterhin. Ihre Entschlossenheit, wieder zu ihren normalen Aktivitäten zurückzukehren, wird höchstens von Dr. McCoys außerordentlichen medizinischen Fähigkeiten, die er ihr zuteil werden läßt, übertroffen. Heute konnte sie zum ersten Mal nach dem Unfall ohne Hilfe Spazierengehen. »Muß ich das wirklich mitmachen, Jim?« nickte McCoy, während er im Transporterraum stand und nervös an seiner Galauniform herumzupfte.
»Als ranghoher Offizier solltest du bei den Verhandlungen dabeisein, Pille. Außerdem finde ich, daß du in diesem Aufzug ganz schön schneidig aussiehst. Deinem Image wird das bestimmt nicht schaden.« »Zur Hölle mit meinem Image«, brummte McCoy. »Die blöde Uniform ist mir obendrein noch viel zu eng. Wenn ich es nicht besser wüßte, könnte ich schwören, daß sie eingegangen ist.« »Wäre es nicht möglich, daß du ein bißchen an Gewicht zugelegt hast?« »Nicht die Bohne, Jim. Ich habe in den letzten Jahren kein einziges Gramm zugenommen.« Kirk warf McCoy einen zweifelnden Blick zu. »Also gut, jedenfalls nicht so viel«, sagte McCoy. Kirk lachte. Er wußte ganz genau, daß es nicht nur die Uniform war, die dem Doktor Sorgen machte. McCoys Abneigung, den Transporter zu benutzen, war allgemein bekannt und bot oft Anlaß zu Witzen und Sticheleien. Aber die Erinnerung an den Unfall im Transporterraum Drei war allen noch zu frisch im Gedächtnis. Heute war nicht der richtige Zeitpunkt dafür, darüber Späße zu machen. Was aber nicht hieß, daß Kirk nicht versuchen durfte, McCoy von diesem Thema abzulenken. »Es wird dir guttun«, sagte Kirk. »Vielleicht genießt du diese Mission sogar. Und wer weiß, vielleicht verbirgt sich hinter dieser rauhen Schale sogar ein echter Diplomat.« »Danke, Jim«, sagte McCoy trocken. »Ich würde lieber auf einem Bau arbeiten. Das ist wenigstens ehrliche Arbeit.« »Komm schon, Pille. Werd ein bißchen locker. Soll sich doch für eine Weile ruhig jemand anders um die mürrischen Besatzungsmitglieder kümmern.« McCoy warf Kirk einen Blick zu, der besagen sollte, daß er den Captain eigentlich für den mürrischsten von allen hielt.
Aber wenigstens machte er sich jetzt keine Gedanken mehr über den Transporter. Spock betrat den Raum mit einem Tricorder, den er über einer Schulter hängen hatte. »Alles in Ordnung, Captain«, sagte er. »Ich habe den Termin mit ihrer Ratsversammlung bestätigt. Man wird uns bei unserer Ankunft abholen.« »Sehr gut, Mr. Spock.« Kirk schwieg, warf einen schnellen und mißtrauischen Blick auf die Transporterplattform und stieg schließlich auf sie hinauf. Spock und McCoy folgten ihm. »Dann mal los«, sagte er. »Passen Sie gut auf das Schiff auf, Mr. Spock.« »Aye, Sir. Genau das werde ich tun.« »Auf die Plätze.« Kirk wurde das unangenehme Gefühl nicht los, versuchte aber, es zu verbergen. Alles war genauestens überprüft worden. Er fragte sich, was McCoy wohl fühlen mochte. »Energie.« Im Schimmer dreier glitzernder Säulen materialisierten die Männer mitten auf einem breiten, mit Kopfsteinen bepflasterten Platz. Zwei der Männer schienen spürbar erleichtert zu sein. Der Gesichtsausdruck des dritten Mannes war wie immer versteinert und gelassen. Anscheinend gab es nichts, was Spock in Aufregung versetzen konnte. Er schnallte den Tricorder ab und nahm erste Ablesungen vor. Kirk und McCoy bemerkten den Ausdruck der Erleichterung in ihren Gesichtern und fingen albern zu grinsen an. Die Gebäude, die den Platz umsäumten, waren niedrig, massiv und stabil gebaut. Die großzügige Verwendung von Stein und Holz deuteten auf ein bäuerliches Leben hin, aber da man beim Bau hie und da auch Plastik und modernere Materialien einsetzte, schien es auch eine Art fortschrittlicherer Technologie zu geben. Es würde eine Weile dauern, bis man sämtliche Eindrücke
gesammelt und sich Klarheit verschafft hatte. Es war kühl, und die Luft war frisch und sauber. Die Ankunft der drei Männer hatte nicht gerade für Aufregung gesorgt. Der Platz war weder dicht bevölkert noch verlassen. Seltsamerweise schien sich auch niemand besonders für ihre unorthodoxe Methode, plötzlich auf der Bildfläche zu erscheinen, zu interessieren. Aber man konnte auch nicht sagen, daß sie ignoriert wurden. Die Passanten lächelten oder nickten ihnen höflich zu und gingen dann weiter, aber immer, ohne ein Wort zu sagen. Männer und Frauen, Kinder und Erwachsene, alle trugen dasselbe: Freizeithosen mit weiten Hemden, allesamt in derselben dunkelbraunen Schattierung. Die einzig sichtbaren, hellen Farben waren die der Schals, die die Erwachsenen lose um den Hals trugen. Gerade als Kirk etwas zu Spock sagen wollte, kamen ein junger Mann und eine junge Frau auf sie zu. Kirk fiel auf, daß sie gelbe Schals trugen. Vielleicht handelte es sich dabei um eine Art Dienstmarke. Er trat vor, um sie zu begrüßen. »Ich bin Captain James T. Kirk vom Sternenschiff Enterprise«, sagte er. »Wir sind hier als Repräsentanten der Föderation der Vereinigten Planeten.« Das Mädchen lachte leicht. Es war ein unbeschwertes, sanftes Lächeln wie das Läuten einer fernen Glocke. »Es besteht kein Anlaß, so förmlich zu sein, Captain. Wir haben Sie erwartet. Ich heiße Ami, und das ist Rus. Wir sind Pagen bei der Ratsversammlung. Wenn es Ihnen recht ist, begleiten wir Sie und Ihre Männer zu den Ratszimmern.« Kirk entspannte sich leicht und lächelte fast. »Es ist uns recht«, sagte er. »Nach Ihnen.« Sie verließen den Platz über eine schmale Straße, die sich durch die niedrigen Gebäude wand. Nur wenige darunter waren höher als zwei Stockwerke. Viele der Gebäude und
Balkons wurden von einer efeuartigen Pflanze überzogen. Ein kleines Fahrzeug rollte summend die Mitte der Straße entlang. »Antriebsart, Mr. Spock?« fragte Kirk, während er auf die Maschine deutete. »Solarantrieb, Captain. Seine Form deutete auf eine ziemlich große Ladebatterie hin. Ich neige zu der Vermutung, daß Reichweite und Geschwindigkeit äußerst beschränkt sind. Ziemlich primitiv.« Kirk nickte. Er versuchte, soviel Details wie möglich aufzunehmen. Er war überzeugt, daß Spock ebenso handelte. Es war ihnen aus Notwendigkeit zur Gewohnheit geworden. Auf einem neuen Planeten war es lebenswichtig, so schnell wie möglich soviel Informationen wie möglich zu sammeln, mochten die äußeren Anzeichen auch noch so ruhig sein. Kirk liebte Überraschungen nicht. Obwohl viele Leute den Gehsteig benutzten, schien er doch nie überfüllt zu sein. Sie wichen sich mit höflichem Lächeln und kleinen Verbeugungen aus. Auf Kirk und seine Männer reagierten sie in gleicher Weise. Es gab keinerlei Anzeichen von Drängelei und Reizbarkeit, Dinge, die in anderen großen Städten, an der Tagesordnung waren. Welch angenehme Abwechslung von dem Gezänk und der gespannten Atmosphäre, die sich in letzter Zeit auf dem Schiff breitgemacht hatten. »Sagen Sie, Ami«, fragte Kirk, »ist es hier immer so still?« Sie sah verblüfft aus. »Still?« fragte sie. »Ich höre viele Geräusche. Die Mobile summen in den Straßen, und die Leute, die unterwegs sind, sprechen und lachen.« »Ich meine damit«, erklärte Kirk, »daß alle so ruhig und beteiligt wirken. Niemand schien unsere Ankunft zu beachten oder sich auch nur im geringsten um unsere Anwesenheit zu kümmern.«
»Sie wissen, daß Ihr anders seid«, sagte Rus. »Ihr zieht euch merkwürdig an, und einer von euch ist offensichtlich irgendein Außerirdischer. Ihr tragt keinerlei Abzeichen irgendeiner Zunft. Aber spielt das eine Rolle? Ihr habt hier zu tun, sonst wäret ihr nicht hier, unter uns. Wenn es die Leute betrifft, wird man es ihnen sagen. Es ist nicht höflich, die Nase in die Angelegenheiten anderer Leute zu stecken, und wir sind ein höfliches Volk. Was sie nichts angeht, kümmert sie auch nicht.« »Die Leute sind allgemein ganz einfach höflich hier«, fügte Ami hinzu. »Hier auf Perry heißt das Motto leben und leben lassen. Auf diese Weise kommt man viel leichter miteinander aus.« »In der Theorie klingt das ja auch ganz gut«, sagte McCoy, »aber ich habe noch nie erlebt, daß es auch in der Praxis funktioniert, vor allem nicht in größeren Gruppen. Es gibt immer Unzufriedene und Unruhestifter.« »Auf Perry gibt es keine Unruhestifter«, sagte Rus mit fester Stimme, wobei er die Worte langsam dehnte. »Überhaupt keine.« McCoy fragte sich, was er damit wohl meinte. Kirk ebenso. Während sie weitergingen, machte Spock ständig und unauffällig Tricorderablesungen. Er war bereits auf einige interessante Daten gestoßen. Sehr interessante sogar. Zu den Ratskammern, einem kleinen, unscheinbaren Haus, das sich nicht besonders von den anderen Häusern unterschied, war es nicht weit. Der einzige Unterschied bestand lediglich in einer kleinen Blechtafel, die an der Wand angebracht war. Als sie angekommen waren, hielt Rus die Tür auf, aber Spock trat zurück und berührte Kirks Schulter. »Captain«, flüsterte er. »Dieses Gebäude ist ganz offensichtlich stark abgeschirmt. Der Tricorder durchdringt es jedenfalls nicht.«
Kirk nickte. Sie traten ein. Drinnen war es kühl. Die Räume waren hoch, und an den mit schweren Platten bedeckten Wänden hingen einige Portraits. Sie wurden über eine lange Halle zu einem ziemlich großen, aber anspruchslosen Raum geführt. Zwei Männer und zwei Frauen saßen um einen langen Tisch, um den mehrere leere Stühle herumstanden. Als Kirk und seine Männer eintraten, erhoben sie sich. Ami stellte den Ratsmitgliedern die Gruppe der Enterprise vor. Die beiden Männer nannten sich Jon und Mika, die Namen der Frauen waren Dawn und Joan. Nachnamen wurden nicht erwähnt. Das Ganze fand in einer äußerst familiären Atmosphäre statt. Irgendeine Art von Protokoll schien es nicht zu geben. Die Ratsmitglieder waren genauso wie Ami und Rus gekleidet, außer daß ihre Schals goldfarben waren. »Fühlen Sie sich wie zu Hause. Bitte setzen Sie sich«, sagte derjenige, der sich Jon nannte und vom Aussehen her der Älteste der Gruppe war. Dabei deutete er mit einer beiläufigen Armbewegung auf mehrere dickgepolsterte Stühle. »Ami, sei doch bitte so nett und bring uns Erfrischungen.« Ami nickte und verließ den Raum, während sich die Männer setzten. Die Ratsmitglieder zogen ihre Stühle heran und setzten sich dazu. Kirk wäre gerne schnell zur Sache gekommen, aber Dinge wie diese erforderten gewisse Formalitäten und Rituale, die man auch dann einhalten mußte, wenn man sich gar nicht so sicher war, worin letztere bestanden. Es war besser, sich auf seine Ohren zu verlassen und nichts zu überstürzen. Die Stühle waren bequem. Kirk wandte sich an Jon, da dieser der Wortführer zu sein schien. »Sie scheinen sich an den Planeten gut akklimatisiert zu haben«, sagte er. Jon nickte lächelnd. »Anfangs war es nicht leicht, aber auch nicht annähernd so schwer, wie wir es uns vorgestellt hatten.
Dieser Planet war gut zu uns. Deshalb sind wir gut zu ihm. Er gibt uns, was wir brauchen.« Spock ergriff das Wort. »Es scheint, daß dieser Planet für menschliches Leben besonders gut geeignet ist.« »Ja«, antwortete Jon. »Er war die erste Wahl unserer Vorfahren. Diese Kolonie entstand gleich nach ihrer Ankunft. Sie arbeiteten hart. Wir haben alle hart gearbeitet.« Er verstummte und sah hoch. Ami kam mit einem Tablett, das mit kleinen Gläsern und köstlich aussehendem Gebäck beladen war, herein. »Aha, da kommen die Erfrischungen«, sagte er. Ami blieb vor Kirk stehen. Obwohl er weder hungrig noch durstig war, nahm er eines der Gläser und ein Stück Gebäck. Er wartete, bis sich alle bedient hatten, dann erhob er sich zu einem Trinkspruch. »Meine Damen und Herren«, sagte er, während er das Glas erhob. »Auf Frieden im ganzen Universum.« Jon lächelte breit. »Ja, in der Tat«, sagte er. »Auf bedingungslosen Frieden. Um jeden Preis.« Kirk stieß darauf an und leerte wie die anderen sein Glas in einem Zug. Das Getränk war warm und klebrig und schien keinen Alkohol zu enthalten. Er setzte sich und wandte sich an Jon. »Ihr habt uns eine Nachricht geschickt«, sagte Kirk. »Daher nehme ich an, daß ihr etwas über die Föderation der Vereinigten Planeten wißt und die Vorteile, die euch ein Beitritt bringt, kennt.« Jon nickte. »Die Technologie, die wir besitzen, ist beschränkt. Nicht, daß wir rückständig wären, aber wir sind nicht annähernd soweit wie ihr. In der Zeit, in der sich eure Technologie entwickelte, waren wir damit beschäftigt, diesen Planeten zu besiedeln. Wir haben Fortschritte auf anderen Gebieten gemacht. Seit langem waren wir schon in der Lage, eure Übertragungen aufzuzeichnen, aber bis vor kurzem fehlte
uns die Möglichkeit, sie zu beantworten. Die Blauen können euch später bestimmt mehr darüber erzählen, denn das ist nicht so ganz mein Fachgebiet.« »Die Blauen?« fragte Kirk. »Technos? Technokraten? Ich weiß nicht so genau, wie sie bei euch heißen. Sie sind für unsere naturwissenschaftliche Forschung zuständig. Wenn Sie es wünschen, stelle ich Ihnen nachher einige von ihnen vor. Jeder, der einen blauen Schal trägt, kann euch darüber mehr erzählen als ich.« »Demnach zeigen die Schals den jeweiligen Beruf an?« fragte Kirk. »Wir haben hier ein Gildensystem. Man bewirbt sich bereits in jungen Jahren als Lehrling bei einer Gilde, für die man sich zu eignen scheint. Man wird einem Meister zugeteilt, von dem man lernt, und erhält eine Schärpe oder einen Schal mit der entsprechenden Farbe. Alle Lehrlinge tragen anfangs pastellfarbene Schattierungen. Mehren sie ihr Wissen, dann erhalten sie immer hellere Schattierungen. Eine blaue Schärpe steht demnach für einen Techno und der Helligkeitsgrad für die Meisterschaft, die er auf seinem Gebiet erreicht hat.« »Diese Art von System ist mir nicht unbekannt«, sagte Kirk. »Ich weiß nicht, wie es bei anderen funktioniert«, meinte Jon, »aber bei uns hat es sich bewährt.« »Ich bin davon überzeugt, daß Ihre Technologie von einem Anschluß an die Föderation profitieren könnte«, sagte Kirk, während er sein leeres Glas auf einem Tablett, das ihm Ami reichte, abstellte. »Möglich«, sagte Jon. »Ich bin sicher, es gibt Vor- und Nachteile wie bei jeder Partnerschaft. Aber diese Entscheidung liegt nicht bei uns.« »Nein?« fragte Kirk überrascht. »Der Rat beschäftigt sich in erster Linie mit den alltäglichen Dingen, die sich auf dem Planeten ereignen. Eine
Entscheidung von derartiger Tragweite müßte vom gesamten Volk getragen werden, wobei selbstverständlich Captain Perry das letzte Wort hat.« »Captain Wayne Perry?« fragte Kirk ungläubig. Das war einfach unmöglich. »Natürlich«, sagte Jon. »Er ist der wohlwollende Schutzherr dieses Planeten, der uns von den Sternen hierherbrachte. Sämtliche wichtigen Entscheidungen werden ihm übertragen. Er müßte in Kürze hier sein. Im Augenblick meditiert er noch.« Verblüfft sah Kirk Spock an. Wayne Perry war der Captain des Siedlerschiffs gewesen. Wenn das stimmte, müßte er älter als dreihundert Jahre sein! »Wir freuen uns darauf, Captain Perry vorgestellt zu werden«, sagte Spock. Es war eine für einen Vulkanier typische Untertreibung. Chefingenieur Scott stand im Korridor. Er war nicht gerade glücklich. Schließlich hatte er beide Hände voll zu tun. Eine Hand hielt ein wütendes Besatzungsmitglied mit einem rasch anschwellenden blauen Auge, und die andere ein ebenso wütendes Besatzungsmitglied mit blutender Nase. »Will mir vielleicht einer von euch beiden sagen, wie es dazu gekommen ist?« sagte er. Die beiden Männer starrten sich wütend an. Scotty schüttelte sie vorsorglich noch einmal richtig durch. »Sie, Mister Shaw«, sagte er, während er einen der beiden losließ. »Wie sind Sie zu diesem prächtigen Veilchen gekommen?« »Ich verstehe nicht, was Sie meinen, Sir«, sagte er und faßte sich behutsam ans Gesicht. »Sie verstehen mich sehr gut. Das angeschwollene Auge meine ich.«
»Oh, das, Sir«, sagte er zögernd. »Ich fürchte, ich bin gestolpert, Sir. Und hingefallen.« Scotty wandte sich dem anderen Mann zu. »Und Sie, Mr. Kukar? Ihre Nase ist ja ganz schön verdreht.« Kukar senkte den Blick und starrte den Fußboden an. »Mir ist genau das gleiche passiert, Sir«, murmelte er. »Ich bin hingefallen.« Er ballte ständig die Fäuste. »Aha«, sagte Scotty. »Das erklärt natürlich alles. Wir haben es hier mit einer Hinfallepidemie zu tun, die sich über das gesamte Schiff ausgebreitet hat. Warum bin ich bloß nicht gleich draufgekommen. Die Fußböden hier sind aber auch zu heimtückisch. Kaum paßt man eine Sekunde lang nicht auf, schon fällt man hin. Ich denke, wir machen mal einen kleinen Spaziergang ins Bordlazarett und lassen uns dort behandeln.« Scotty hielt sie so lange fest, bis sie sich mehr oder weniger wieder auf den Beinen halten konnten, und schob sie in Richtung Bordlazarett. Schüchtern meldet sich Shaw zu Wort. »Sir, darf ich fragen, ob das in unsere Personalakte kommt?« Scotty lächelte sparsam. »Das Hinfallen? Das möchte ich stark bezweifeln.« Sein Gesicht wurde wieder streng. »Sollte sich das aber wiederholen, dann könnte ich verdammt ungemütlich werden. Haben wir uns verstanden?« Shaw nickte. »Danke, Sir. Ich versichere Ihnen, es wird nicht wieder vorkommen.« »Davon bin ich überzeugt«, sagte Scotty, obwohl er keineswegs überzeugt war. Als sie das Bordlazarett erreicht hatten, blickte Schwester Chapel nicht einmal hoch. »Was haben wir denn diesmal, Mr. Scott? Sind die beiden etwa auch gegen eine Wand gerannt?« »Ob Sie’s glauben oder nicht, die beiden sind gestolpert und hingefallen. Das scheint in letzter Zeit häufig zu passieren.«
»Ihre Verletzungen scheinen ja nicht besonders schlimm zu sein«, sagte sie. »Aber wenn ich lange genug suche, finde ich bestimmt ein unangenehmes und schmerzhaftes Heilmittel.« »Das glaube ich Ihnen ganz bestimmt«, sagte Scotty. »Vielen Dank.« Als er das Bordlazarett verließ und in die Halle hinaustrat, hätte er beinahe Dr. Kelly Davis, die gerade vorbeikam, über den Haufen gerannt. »Entschuldigung, Dr. Davis«, sagte er, wohl wissend, daß sie sich immer noch in der Erholungsphase befand. »Hoffentlich habe ich nicht – ich wollte sagen, ich habe nicht aufgepaßt.« Sie lachte. »Schon gut, Mr. Scott. Ich bin nicht aus Glas.« »Tut mir leid«, sagte Scotty verlegen. »Es ist nur, nun…« »Ich weiß«, sagte Kelly mit einem Lächeln. »Ihr meint alle, mich verhätscheln zu müssen. Dabei vergeßt ihr, daß ich mich schon auf ziemlich rauhen Planeten herumgetrieben habe. Dr. McCoy hat mir soviel körperliche Bewegung, wie ich ertragen kann, verordnet. Spazierenzugehen ist eine gute Übung, deshalb bin ich im ganzen Schiff umhergegangen. Möchten Sie mich nicht ein Stück begleiten?« »Ich wollte gerade zum Maschinenraum zurück.« »Dann komme ich mit.« »In Ordnung«, sagte er. Sie gingen den Korridor hinab. Er widerstand der Versuchung, ihren Arm zu nehmen. Sie war immer noch wacklig auf den Beinen, auch wenn sie es nicht wahrhaben wollte. Nachdem sie ein Stück zurückgelegt hatten, fing Kelly zu sprechen an. »Sie hatten eine Schlägerei miteinander, oder?« »Wer?« fragte Scotty. »Was meinen Sie?« »Die beiden Männer, die Sie zum Bordlazarett brachten. Ich sah sie. Es sah so aus, als wären sie in eine Schlägerei verwickelt gewesen.«
»Nun, vielleicht war es eine kleine Meinungsverschiedenheit, aber ich würde es auf keinen Fall Schlägerei nennen«, sagte Scotty. »Nichts Ernstes.« Kelly nickte. »Ich kenne das Phänomen.« »Wie bitte?« »Das Kabinenfieber«, sagte sie. »Den schlimmsten Fall von Kabinenfieber habe ich auf Palvin erlebt, einen Planeten, auf den ich einmal gebracht wurde. Dort herrschte große Kälte. Über einen Zeitraum von mehr als neunzig Prozent des Jahres blieb alles gefroren. Man konnte nirgendwo hingehen, alle mußten in kleinen, deprimierenden Baracken hausen und Tag für Tag dieselben Gesichter anstarren. Bis das Tauwetter einsetzte, gingen sie sich ständig gegenseitig an die Gurgel.« »Entschuldigen Sie, Miss Davis, aber ich glaube nicht, daß das auf der Enterprise passieren könnte.« »Es könnte schon angefangen haben, Mr. Scott.« »Ich bin sicher, daß die Männer in Ordnung sind, wenn wir Sternbasis 6 erreicht haben.« »Das bezweifle ich auch nicht, aber – « Das Intercom fiel ihr ins Wort. »Brücke an Mr. Scott«, tönte Uhuras Stimme. Es klang, als wäre es dringend. Scott ging zur Wand und drückte auf das nächstliegende Gerät. »Hier Scott«, sagte er. »Mr. Scott, wir haben den Kontakt zum Captain verloren.« »Den Kontakt verloren? Wie ist das möglich?« »Auf dem Planeten gibt es mehrere Orte, die unsere Sensoren nicht durchdringen können. Offenbar haben sie eines dieser Areale betreten.« »Bin schon unterwegs«, sagte er. Er ließ Kelly Davis einfach stehen und eilte in Richtung Brücke. Es schien überhaupt nichts mehr zu klappen.
Captain Kirk gefiel es gar nicht, wie sich die Situation entwickelte. Er hatte es gern, wenn auf einem neuen Planeten die Fakten sauber zusammenpaßten, aber mit dieser neuen Wende konnte er ganz und gar nichts anfangen. Wayne Perry konnte nicht mit dem Captain des ursprünglichen Schiffs identisch sein. Und er konnte unmöglich dreihundert Jahre alt sein. Dennoch schien es, als glaubten die Ratsmitglieder daran. Daraus war zu folgern, daß sich auch der Rest der Bevölkerung dieser Überzeugung anschloß. Es ergab überhaupt keinen Sinn. Eines hatte Kirk jedenfalls im Lauf seiner Karriere als Captain gelernt: sich auf eine Situation einzustellen und auch auf das Unerwartete gefaßt zu sein. Deshalb verlor er auch keineswegs die Fassung, als eine Seitentür aufging und ein Mann, der vielleicht Mitte Dreißig sein mochte, eintrat. Mit seinem rotblonden Haar, das nur vereinzelt von grauen Strähnen durchzogen war, sah er jünger als die Ratsmitglieder aus. Alle erhoben sich. Es mußte sich um Wayne Perry handeln, wer immer er auch sein mochte. Er sah freundlich, wachsam und würdevoll aus. Aber nicht, als wäre er dreihundert Jahre alt. »Gentlemen«, sagte er zur Besatzung der Enterprise, »bitte nehmen Sie wieder Platz. Ich muß mich für meine Abwesenheit bei Ihrer Ankunft entschuldigen, aber ich war anderweitig beschäftigt.« Er setzte ein gewinnendes Lächeln auf. »Sie müssen Captain Kirk sein.« »Ja«, nickte Kirk. »Gestatten Sie, daß ich Ihnen meinen Ersten Offizier Spock und Stabsarzt Dr. Leonard McCoy vorstelle.« »Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen. Ich bin Captain Wayne Perry. Ich nehme an, Sie sind mit einem ausführlichen und informativen Warenangebot der Föderation der Vereinigten Planeten ausgestattet?«
Kirk lächelte. »So würde ich es nicht nennen. Wir versuchen nicht, Ihnen etwas zu verkaufen, sondern Ihnen die Vorteile eines Beitritts zur Föderation schmackhaft zu machen.« Perry lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Wir wissen seit geraumer Zeit von der Existenz der Föderation, aber bis vor kurzem hatten wir noch nicht die Möglichkeit, mit Ihnen in Kontakt zu treten. Oder den Wunsch, wenn Sie wollen. Ihre Präsenz in der Galaxis war für uns eine interessante, wenngleich auch etwas abstrakte Tatsache. Wir waren viel zu sehr mit unserem eigenen Planeten beschäftigt, als daß wir uns um andere Zivilisationen gekümmert hätten. Das soll sich jetzt ändern.« »Oh?« sagte Kirk. »In welcher Weise?« »Unsere Leute zeigen ein erneutes Interesse an der Raumfahrt. Dazu fehlen uns jedoch die Möglichkeiten. Sie glauben, und da stimme ich ihnen zu, daß eine Wechselbeziehung mit anderen Völkern oder Zivilisationen dafür sorgt, daß wir uns nicht zu sehr in unseren eigenen Ideen verlieren. Wir wollen als Kolonie nicht stagnieren, sondern wachsen. Der Input aus anderen Quellen wäre für uns momentan von großem Nutzen. Andererseits bin ich sicher, daß auch wir der Föderation einiges zu bieten haben. Es könnte für uns beide von Vorteil sein.« »Davon bin ich überzeugt«, sagte Kirk, obwohl er eher das Gegenteil dachte. Alles, was er bisher gesehen hatte, war ein relativ angenehmer Planet, dessen technologische Errungenschaften jedoch etwas rückständig waren. Falls sie mehr als nur einen netten Ausflugsplaneten zu bieten hatten, dann hatte er bisher noch nichts davon bemerkt. »Wie wär’s, wenn ich Ihnen ein wenig über die Föderation erzähle?« sagte er. »Bitte«, sagte Perry.
»Im wesentlichen handelt es sich bei der Föderation der Vereinigten Planeten um eine demokratische und politische Einheit, die ihren Mitgliedsplaneten Unterstützung und Information bietet. Sie erstreckt sich über zahlreiche Sternensysteme und viele Planeten, wie zum Beispiel die Erde und Vulkan, Mr. Spocks Heimatplaneten. Die Föderation bietet die verschiedensten Dienstleistungen an, von denen die Planeten profitieren können. Zum Beispiel besitzen wir hochentwickelte medizinische Einrichtungen, die mit Computern vernetzt sind, die eine unglaubliche Fülle von Informationen gespeichert haben. Die Technologie vieler verschiedener Rassen wäre Ihnen zugänglich. Nach erfolgtem Beitritt könnten Sie Repräsentanten zum Föderationsrat schicken und auf diese Weise einen Einfluß auf dessen Politik ausüben. Zusätzlich stünden Sie unter dem Schutz des Föderationsgesetzes.« »Dieser letzte Punkt wäre nicht so wichtig«, sagte Perry. »Auf diesem Planeten gibt es keine Verbrechen.« Kirk bezweifelte das, wollte aber nicht nachdrücklich auf diesem Punkt bestehen. »Es ist mir in der Tat aufgefallen, daß es hier äußerst locker zugeht.« »Wir sind stolz darauf, einen friedlichen Weg des Zusammenlebens gefunden zu haben. Vielleicht ist es das, was wir exportieren sollten.« »Der Friede ist eine Ware, nach der ständig eine Nachfrage besteht«, sagte Kirk. »Unglücklicherweise mangelt es oft am Angebot.« »Ich versichere Ihnen, daß dies hier nicht der Fall ist. Wir glauben nicht an Gewalt.« »Eine bewundernswerte politische Linie«, sagte Kirk. »Aber sie ist in der Praxis nicht immer durchführbar.« »Das könnte sie aber«, sagte Perry. »Unter den nötigen Voraussetzungen.«
»Selbst unter idealen Bedingungen bleiben Menschen eben Menschen«, sagte Kirk. »Wir brauchten immer noch bestimmte Spielregeln.« Er öffnete eine Mappe, die er mitgebracht hatte. »Hier habe ich eine Kopie der Satzung der Föderation, zusammen mit einer Übersicht, die darstellt, wie sie auf ihren Planeten Anwendung finden würde.« Er stand auf und legte Perry die Dokumente vor. Dieser betrachtete sie mit begrenztem Interesse. »Jon, machen Sie bitte einen Auszug davon und bereiten Sie einen Volksentscheid vor.« Er wandte sich an Kirk. »Ich bin geneigt, das Angebot, der Föderation beizutreten, anzunehmen oder zumindest neutral zu bleiben. Aber zuerst muß ich es dem Volk vorlegen.« »Darf ich fragen, wie lange es dauern wird?« »Nicht mehr als zwei oder drei Tage«, sagte Perry. »Diese Volksentscheide dauern nie sehr lange. Wir haben Wahlämter, die über die ganze Stadt und die entlegensten Dörfer verteilt sind. Sobald Jon die Zusammenfassung fertig hat, wird sie zur Prüfung vorgelegt. Das ist der normale Amtsweg für eine derartige Entscheidung. Wir haben keine geregelten Wahltermine. Man stimmt über die Dinge ab, wie sie gerade kommen. In der Zwischenzeit heiße ich Sie und natürlich auch Ihre Besatzung auf Perry willkommen. Machen Sie ruhig von allem, was wir Ihnen bieten können, Gebrauch.« McCoy beugte sich zu Kirk hinüber. »Ein Landurlaub wäre nicht schlecht, Jim. Der Planet sieht obendrein ganz nett aus, und ich brauche dich wohl nicht daran zu erinnern, daß die Besatzung dringend eine Ruhepause benötigt.« Kirk nickte. Nein, man mußte ihn wirklich nicht daran erinnern. »Spock?« sagte er. »Irgendwelche Einwände?« »Keine, die einen Landurlaub ausschließen würden, Captain.« »Also abgemacht?« fragte Perry.
»Ja«, sagte Kirk. »Wir bleiben, bis eine Entscheidung getroffen wurde. Danke für Ihr großzügiges Angebot, wir nehmen es gerne an.« »Gut«, sagte Perry, während er sich erhob. »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen, ich habe noch zu tun. Es war mir wirklich ein Vergnügen, mich mit Ihnen zu unterhalten.« »Ganz meinerseits«, sagte Kirk, als Perry zur selben Tür, durch die er hereingekommen war, wieder hinausging. Jon nahm die Papiere, die auf dem Tisch lagen, an sich. »Ich lasse den Volksentscheid heute nachmittag bekanntgeben«, sagte er. »In der Zwischenzeit fühlen Sie sich bitte wie zu Hause. In der Stadt benutzen wir keine Währung, da wir auf einer Arbeitsaustauschbasis operieren. Sie und Ihre Besatzung sind als Gäste natürlich von diesem Austauschsystem ausgenommen. Scheuen Sie sich daher nicht, die Annehmlichkeiten unserer Stadt in Anspruch zu nehmen. Ich empfehle Ihnen vor allem die Restaurants und Kneipen um den Hauptplatz herum. Essen und Getränke sind nicht schlecht und das Publikum entsprechend.« »Vielen Dank«, sagte Kirk und stand auf. Ami geleitete sie zur Tür. »Würden Sie vielleicht heute mit uns zu Abend essen?« fragte Kirk. Ami nickte. »Das würde mich freuen«, sagte sie. Dann schloß sie die Tür, und die drei Männer standen auf der Straße. »Nun, meine Herren?« fragte Kirk. »Was meint ihr?« »Ich habe keine Meinung, Captain«, sagte Spock, »sondern eine Tatsache.« »Ja, Mr. Spock?« »Wayne Perry ist kein menschliches Wesen. Obendrein ist er nicht einmal lebendig.« »Was?«
»Ich habe ihn, gleich nachdem er eintrat, mit dem Tricorder abgetastet. Er ist ein äußerst komplizierter Computerkonstrukt – oder ein weitentwickeltes Hologramm, wenn Sie so wollen. Er ist dreidimensional und von festem Körperbau wie Sie und ich, aber er ist nicht lebendiger als der Gehsteig, auf dem wir hier stehen.« »Warum haben Sie mir das nicht gleich gesagt?« fragte Kirk. »Erstens war dazu keine Gelegenheit. Zweitens macht es bezüglich unseres Auftrags keinen Unterschied, ob wir mit einem menschlichen Wesen oder einem Computer verhandeln, vorausgesetzt, unser Verhandlungspartner besitzt die Macht, Entscheidungen zu fällen. Drittens hat diese Tatsache, so interessant sie auch sein mag, keinerlei Einfluß auf die Frage, ob die Besatzung einen Landurlaub erhalten soll oder nicht, und das war immerhin die einzige direkte Frage, die Sie mir gestellt haben.« »Das reicht«, sagte Kirk. »Ich nehme an, Sie haben andere Gründe.« »Sieben triftige, zehn unwesentliche, dazu endlose weitere Kategorien und Unterteilungen.« »Pille, wie denkst du darüber?« »Ich glaube, ich überlasse Wayne Perry, egal, wer oder was er auch sein mag, euch beiden Experten. Das einzige, was mir Sorgen macht, ist, daß die Besatzung ihre Kronkorken knallen läßt, wenn sie nicht bald einen Landurlaub bekommt.« »Daß sie was?« fragte Spock. »Kümmern Sie sich nicht drum«, sagte McCoy. »Sie würden es eh nicht verstehen. Vulkanier haben keine Kronkorken.« Kirk schnipste den Kommunikator auf. »Kirk an Enterprise«, sagte er. »Bereiten Sie Hochbeamen des Landetrupps vor.« Damit besiegelte er das Schicksal aller, die sich an Bord des Sternenschiffs befanden.
4
Aus dem Logbuch des Captains, Sternzeit 6835,1: Wir beginnen unseren Landurlaub auf dem Planeten Perry, während wir auf das Ergebnis einer öffentlichen Abstimmung über ihren Beitritt zur Föderation der Vereinigten Planeten warten. Die erste Schicht wurde vor zwei Stunden hinuntergebeamt, und es gab keine Feindseligkeit. Der Planet scheint sehr angenehm zu sein. Nach wie vor bleiben jedoch zwei Störfaktoren. Einer davon ist das Computerkonstrukt namens Wayne Perry, der andere ist eine schwer abgeschirmte Zone unter der Stadt. Wayne Perry bleibt ein Rätsel. Obwohl eine Überprüfung von Spocks Tricorderaufzeichnungen deutlich zeigt, daß er kein Mensch ist, so beantwortet dies letztendlich jedoch nicht die Frage, warum diese Computerkonstruktion existiert noch welche Funktion sie in dieser Gesellschaft erfüllt. Soweit wir es beurteilen können, sind sich die Bewohner des Planeten durchaus bewußt, daß er ›anders‹ ist, halten dies jedoch für nicht weiter ungewöhnlich oder erwähnenswert. Wir haben vor, diesen Punkt mit Hilfe der Frau namens Ami genauer zu erörtern. Die schwer abgeschirmte Zone unter der Stadt war ebenfalls von Mr. Spock entdeckt worden. Sie kann mit dem Tricorder nur bis zu einem gewissen Grad erkundet werden. Eine erste Analyse deutet auf diffuse Computeraktivitäten und Lebenszeichen vermutlich menschlicher Art hin. Die Ratskammer scheint das einzige Gebäude zu sein, das auf die gleiche Weise abgeschirmt wurde. Mr. Spock machte der Kontaktverlust mit uns große Sorge. Und das zu Recht. Spock, Dr. McCoy und ich kehren vorübergehend auf die Oberfläche des Planeten zurück, um uns der je nach Schicht
gerade anwesenden Besatzungsgruppe anzuschließen. Wir hoffen, weitere Informationen erlangen zu können. Leutnant Uhura saß mit Kelly Davis am Rand eines großen Grasparks. Der Baum, an den sie gelehnt waren, ragte hoch über ihnen auf. Seine gewundenen Zweige wiegten sich sanft in der Brise. Der Himmel besaß eine seltsame, blaugrüne Schattierung und wurde gelegentlich von hochfliegenden Wolken durchzogen. Über dem Park lag eine friedliche, ruhige und einsame Stimmung. Die beiden dachten an alles andere, nur nicht an die Enterprise. Es war ein guter Platz, um zu rasten und ein wenig zu verschnaufen. Die Dinge hatten sich fast überschlagen, und sie hatten monatelang hart gearbeitet. Jetzt hatten sie endlich etwas Zeit, um zu entspannen, loszulassen. Als Uhura den sanften Windhauch spürte, den sie schon seit Monaten vermißt hatte, fing sie leise zu singen an. Die Worte kamen in einem ruhigen Rhythmus. Es waren alte Worte, aus alten Zeiten, in ihrer Sprache, Bantu. »Was ist das?« fragte Kelly träge. »Hmmmm… ein altes Lied von den Kindern des Mondes und den Löwen, die sie auf dem Pfad zum Ruhm treffen. Es hat keinen tieferen Sinn, es soll nur die kleinen Kinder in den Schlaf wiegen. Ich lernte es, als ich auf dem Schoß meiner Großmutter saß. Schon damals war es ein altes Lied.« »Solche Lieder hatten wir auch auf meinem Planeten«, sagte Kelly. »Letzte Nacht träumte ich von einem – Schiff auf einem goldfarbenem Meer. Es schien Wirklichkeit zu sein.« »Wo sind Sie aufgewachsen?« fragte Uhura. »Auf einem Planeten namens New Enid.« »Davon habe ich schon gehört. Das ist ein Wüstenplanet, nicht wahr?«
Kelly lachte. »Wenn Sie so wollen, ja. Die meisten Leute nennen ihn so. Mir kam er ganz anders vor. Für mich war er mein Zuhause, nichts weiter. Kinder scheinen diese Dinge weniger auszumachen als Erwachsenen. Natürlich erinnere ich mich an die Hitze, aber noch mehr an die Kühle meines Schlafzimmers und das Rascheln des Dornenbuschs unter meinem Fenster. Damals war ich erst ein Kind.« »Und dann sind Sie weggegangen?« fragte Uhura. »Meine Eltern starben an einer Krankheit, die damals die gesamte Kolonie hinwegraffte. Ich lebte dann bei meinem Onkel Joe, der an der Universität von Ponca II Astronomie lehrte. Damals war ich erst zehn. Er merkte, daß ich eine gute Grundausbildung genossen hatte. Als ich meinen Hochschulabschluß absolvierte, war ich erst neunzehn und damit der jüngste Arzt auf dem ganzen Planeten. Natürlich war ich hochmotiviert. Ich ging in die Virologie…« Ihre Stimme verlor sich, und sie schwieg eine Weile. »Wahrscheinlich wegen meiner Eltern.« »Das kann ich verstehen«, sagte Uhura. »Ich brachte es bisher noch nie fertig, für längere Zeit an einem Ort zu bleiben. Mir kommt es vor, als wäre ich seit damals ständig auf Achse. Man hat schon versucht, mich irgendwo in ein Labor zu stecken, um zu lehren oder Grundlagenforschung zu betreiben. Aber ich will mit Menschen zusammenarbeiten. Wenn man mich hinter einen Schreibtisch steckt, sterbe ich wahrscheinlich.« »Ich weiß, was Sie meinen«, sagte Uhura, »das Leben auf der Enterprise kann manchmal ganz schön hektisch sein, aber ich würde es gegen nichts auf der Welt tauschen.« Sie lächelte. »Nun, fast nicht.« »Soll das etwa heißen, wenn der Richtige käme, dann würden Sie es sich doch noch anders überlegen?« fragte Kelly lachend. »Das wäre gut möglich«, grinste Uhura.
Sie lehnten sich entspannt zurück und betrachteten die Leute im Park. Es waren hauptsächlich Pärchen. Von der Enterprise war weit und breit niemand zu sehen. Sie hatten sich diesen Park ausgesucht, weil er etwas abseits am Stadtrand lag. Uhura hatte sich in letzter Zeit etwas eingeengt gefühlt. Und mit Kelly war sie gerne zusammen. »Bei mir war es fast schon einmal soweit«, sagte Kelly. »Sein Name war Mike, und er war ein guter Typ, aber – « Uhura packte sie am Arm. »Schauen Sie mal.« Am Rand des Parks zog ein Mann eine Frau auf einen überwachsenen Pfad. Sie wehrte sich, aber nicht sehr stark. Noch während sie zusahen, erschlaffte ihr Körper in seinen Armen. »Nichts wie hin«, sagte Uhura und sprang auf die Füße. Kelly hielt sie zurück. »Warten Sie«, sagte sie. »Wir wissen doch nichts über die hiesige Kultur. Vielleicht ist das ein ganz normales Ritual, um jemanden den Hof zu machen. Ich habe auf einem Dutzend anderer Planeten schon Schlimmeres gesehen.« »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein«, sagte Uhura. »Sehen Sie sich doch mal um«, sagte Kelly. »Niemand unternimmt etwas.« Es stimmte. Die anderen Leute im Park benahmen sich genauso wie vorher. Niemand beachtete den Mann, der die bewußtlose Frau halb trug und halb hinter sich herzog und anschließend im Gestrüpp verschwand. »Ich denke, wir sollten den Captain kontaktieren«, sagte Uhura. Es war nicht möglich, sagte ihr Scotty, jedenfalls nicht im Moment. Der Captain nahm an einer Besprechung, die auf dem Planeten stattfand, teil und wollte nicht gestört werden, außer, es war absolut notwendig. Sie beschlossen, daß die Sache warten konnte. In der Zwischenzeit wollten sie den Park
verlassen und nach der örtlichen Polizeistation Ausschau halten. Beiden war entgangen, daß der Mann schäbig gekleidet war und keinen Schal trug. Über der Tür schwang ein hölzernes Schild im Wind. Crossroads Tavern war darauf zu lesen, und es war mit der einfachen Zeichnung eines Glas Biers und eines Tellers voller Essen verziert. Ami hatte Kirk diese Kneipe empfohlen, und sie hatten zusammen mit Spock und McCoy an einem der hinteren Tische Platz genommen. Andere Besatzungsmitglieder der Enterprise befanden sich ebenfalls in dem Etablissement. Sie aßen, tranken und mischten sich unter das einheimische Volk. Auf einer Plattform in der Nähe der Bar spielte ein Trio auf Saiteninstrumenten. Die Luft war mit guter Musik, ruhiger Unterhaltung und leisem Lachen erfüllt. Kirk spürte die freundliche Atmosphäre und versuchte, sich zu entspannen. »Wie lange sind Sie eigentlich schon Page«, fragte er, während er an seinem Bier nippte. Es wurde warm serviert, schmeckte jedoch ausgezeichnet. »Seit meinem zwölften Lebensjahr«, sagte Ami. »Auf Perry ist es Sitte, vor seinem dreizehnten Lebensjahr um eine Lehrstelle anzusuchen. Mein Vater war Ratsmitglied gewesen, daher war es, obgleich nicht erforderlich, aber doch natürlich, daß ich meine Dienste ihnen anbot. Ich habe es nicht bereut.« »Werden Sie dann eines Tages automatisch Ratsmitglied?« fragte McCoy. Er hatte endlich seine Galauniform ablegen können und fühlte sich schon wesentlich wohler. »Nein«, sagte Ami. »Das System funktioniert anders. Es gibt viele Pagen, aber nur wenige von ihnen werden auf einen Ratssitz gewählt. Der Rest erbringt die unterschiedlichsten Dienstleistungen, angefangen von beratenden Positionen bis
hin zum einfachsten Papierkram. Und davon gibt es mehr als genug.« Kirk lachte. »Das ist mir bisher auf jedem Planeten aufgefallen. Menschen und Papier scheinen ganz einfach zusammenzugehören. Es scheint, als gäbe es so etwas wie ein symbiotisches Verhältnis zwischen Menschen und Formularen.« »Ich weiß, was Sie meinen«, sagte Ami, »aber es könnte schlimmer sein, als es hier ist. Die meisten dieser Aufgaben werden hauptsächlich von Computern erledigt.« Spock und Kirk blickten einander an. »Habt ihr denn viele Computer hier?« fragte Kirk, der ruhig im Plauderton weitersprach. »Ja, ich glaube schon. Oder vielleicht sind es Teile eines einzigen Computers. Ich bin mir nicht sicher. Sie erledigen viele Dinge; zum Beispiel auch unser Kreditsystem.« »Mir ist aufgefallen, daß hier keine Form von Geld benutzt wird«, sagte McCoy. »Wie funktioniert das?« Ami kramte in ihrer Umhängetasche herum, zog eine kleine Plastikscheibe heraus und überreichte sie McCoy. »Jeder von uns besitzt eine solche Diskette«, sagte sie. »Der Computer kodiert sie mit einem Kredit, der sich nach unserer jeweiligen Arbeitsmenge richtet. Wenn wir etwas kaufen, wird der Betrag von unseren Guthaben abgezogen. Der Computer erledigt das alles. Wir erfahren eigentlich nie unseren genauen Kontostand. Angeblich soll die Diskette sich orange verfärben, wenn unser Kontostand niedrig ist, aber ich habe noch nie gesehen, daß das bei jemand passiert ist.« McCoy gab die Diskette zurück. »Das klingt kompliziert«, sagte er. »Eigentlich nicht. Wir denken nie daran. Das übernimmt alles der Computer.«
»Anscheinend habt ihr ein ziemlich ausgeklügeltes Computersystem«, sagte Kirk. »So wird es wohl sein«, meinte Ami. »Aber ich kenne mich da gar nicht so besonders aus. Da müßten Sie schon einen Roten fragen, oder vielleicht einen Blauen. Die kennen sich da besser aus.« »Captain Perry auch, nehme ich an«, sagte Kirk. »O ja«, sagte Ami. »Perry weiß fast alles.« »Alles?« »Natürlich«, sagte Ami. »Das muß er auch, schließlich ist er doch unser Herrscher. Ich meine, Herrscher müssen doch alles wissen, sonst wären sie ja keine Herrscher. Das ist selbstverständlich.« »Hat denn schon einmal jemand anderer als Captain Perry über diesen Planet geherrscht?« fragte Kirk. Ami blickte verdutzt drein. »Was für eine dumme Frage. Natürlich ist Captain Perry unser einziger Herrscher. Es gibt nur einen Wayne Perry. Meinen Sie nicht auch, daß es lächerlich wäre, mehr als einen zu haben?« »Das wäre ganz gewiß unlogisch«, sagte McCoy, während er Spock einen sarkastischen Blick zuwarf. »Sollte das der Versuch eines Witzes gewesen sein, dann habe ich ihn nicht verstanden«, sagte Spock trocken. »Wie sollten Sie auch«, sagte McCoy. Kirk wandte sich wieder an Ami. »Was auf einem Planeten funktioniert, muß nicht notwendigerweise auch auf anderen funktionieren. Auf einigen Planeten, ja sogar auf den meisten, wechseln die Herrscher ziemlich oft.« »Aber warum das denn?« »Aus vielerlei Gründen«, sagte Kirk. »Manche Leute meinen, daß sie dann eher auf das Volk und seine Bedürfnisse eingehen.«
»Aber das ergibt doch überhaupt keinen Sinn«, sagte Ami. »Ein Herrscher muß tun, was gut für das Volk ist, auch wenn dieses es nicht immer versteht. Dafür ist ein Herrscher da. Er weiß mehr als das Volk, er ist weiser, deshalb weiß er immer, was zu tun ist.« »Immer?« fragte Kirk. Ami nickte ernst. »Immer«, sagte sie. »Auch gute Herrscher sterben einmal«, sagte Kirk. Ami blickte verständnislos drein und setzte sich abrupt zurück. »Warum sollten sie? Herrscher sterben nicht.« »Glauben Sie etwa, daß sie ewig leben?« fragte Kirk. »Wayne Perry jedenfalls schön«, sagte sie unbeirrt. »Weshalb glauben Sie das?« fragte Kirk. »Es gibt vieles, was ich nicht verstehe«, sagte sie. »Aber ich bin eine gute Bürgerin, und als guter Bürger stellt man die Dinge wie sie sind nicht in Frage. Wayne Perry führte bereits den Vorsitz im Rat, als mein Vater noch ein Junge war. Ebenso war es zuvor bei seinem Vater. Und so ist es, und so war es auch immer.« Ein lauter Krach lenkte Kirks Aufmerksamkeit ab. Er blickte zu einem der vorderen Tische und sah, daß Sulu ein erregtes Streitgespräch mit Wade Moody, einem Maschinistenmaat, führte. Sulu sah gereizt aus. McCoy berührte Kirks Arm. »Sieht so aus, als wollten die bei den etwas Dampf ablassen«, sagte er. Kirk nickte. Es überraschte ihn auch nicht. Der Druck, unter dem die Besatzung gestanden hatte, mußte sich ganz einfach irgendwann einmal entladen. Es wäre nicht weiter schlimm, wenn sich die beiden ein wenig abreagierten, aber nicht hier. Das würde auf die örtliche Bevölkerung einen mehr als schlechten Eindruck machen. In der Trainingshalle an Bord des Schiffs konnten sie sich abreagieren, so lange sie wollten.
»Entschuldigen Sie mich einen Augenblick«, sagte er zu Ami und stand auf. Als er den Tisch verließ, sah er, daß es bereits zu spät war. Sulu stand mit wutverzerrtem Gesicht da und hatte bereits zum Schlag ausgeholt. Aber der Schlag wurde nicht mehr ausgeführt. Plötzlich wurde Sulus Gesichtsausdruck leer. Er sackte in sich zusammen und fiel wie eine Marionette, der man die Schnüre durchtrennt hatte, zu Boden. »Pille«, schrie Kirk. McCoy war bereits auf den Beinen und hatte schon seinen Stuhl umgeschmissen. Zusammen liefen sie zu Sulu. Alle in der Kneipe befindlichen Besatzungsmitglieder waren in Sorge um ihren Kameraden verstummt. Unerklärlich, warum das Trio weiterspielte, die Ortsansässigen gleichgültig blieben, in die andere Richtung schauten und bewußt die Situation ignorierten. Sofort untersuchte McCoy Sulu. Der junge Mann sah blaß aus. Sein Atem war flach. »Jim«, sagte McCoy. »Er hat einen starken Schock erlitten. Ich muß mich beeilen.« Kirk schnipste den Kommunikator auf. »Kirk an Enterprise«, sagte er mit schneidender Stimme. »Hier Scott, Sir.« »Ein Unfall, Scotty. Beamen Sie uns alle drei an Bord. Schnell.« »Aye, Sir.« Kirk sah, wie sich McCoy über Sulus reglose Gestalt beugte. Sulus Augen waren geöffnet, aber sein Blick war leer. Er schien wegzuschweben. Kirk hatte dem Tod schon oft in die Augen gesehen und spürte bereits das Schlagen eisiger schwarzer Schwingen. Warum nur? Und er dachte, dies wäre einer der leichteren Aufträge.
Der Raum löste sich auf. Als Kirk, McCoy und Sulu auf der Transporterplattform materialisierten, kamen zwei Krankenschwestern mit einer Bahre in den Raum gerannt. McCoy und Kirk hoben Sulus schlaffen Körper hoch und legten ihn hinauf. McCoy beugte sich über Sulu und schwenkte den medizinischen Tricorder über seinen Körper. Er runzelte die Stirn. »Das verstehe ich nicht, Jim«, sagte er. »Vor einer Minute lag er noch im Sterben – da bin ich ganz sicher – und jetzt – « Sulu setzte sich hoch und blickte sich um. Er sah immer noch benommen aus, aber sein Blick wurde klarer. »Was…? Wie bin ich hierhergekommen? Soll das ein Witz sein?« »Ganz ruhig, Mr. Sulu«, sagte Kirk. »Vor einer Minute waren Sie noch bewußtlos.« So gut wie tot, hätte er beinahe gesagt, sagte es aber nicht. »Wovon sprechen Sie? Mir geht es großartig.« »Die Werte sind alle normal, Jim. Es sieht so aus, als wäre er von einem einzigen Schalter aus- und gleich wieder eingeschaltet worden.« »Bringt dich das auf eine Idee?« »Nein. Überhaupt nicht. Natürlich werde ich ihn ins Bordlazarett bringen lassen und ihn dort vollständig untersuchen. Außerdem muß ich einige Tests machen.« Er schüttelte den Kopf. »Viele Tests.« »Ins Bordlazarett?« fragte Sulu. »Seid ihr denn von allen guten Geistern verlassen? Mir fehlt nichts.« »Wie wär’s, wenn Sie diese Entscheidung dem Doktor überließen, Mr. Sulu?« sagte Kirk. »Was ist Ihnen von dem Unfall in Erinnerung geblieben?« »Welcher Unfall? Ich sprach gerade mit Moody, und das nächste war, daß ich oben liege und dieser verrückte Doktor an mir herumhantiert.«
»Sie erinnern sich also nicht an die Schlägerei?« fragte Kirk. »Oder den Streit?« Sulu schüttelte den Kopf. »Es gab keinen Streit, von einer Schlägerei ganz abgesehen. Wir hatten etwas getrunken und haben uns dabei ruhig unterhalten.« Kirk und McCoy sahen sich kopfschüttelnd an. McCoy runzelte die Stirn und legte den Tricorder weg. »Ich würde gerne so bald wie möglich mit den Tests beginnen«, sagte er. »Laß dich nicht aufhalten, Pille«, sagte Kirk. »Und kontaktiere mich, wenn du durch bis. Ich habe einige Fragen an Mr. Sulu, wenn du mit ihm fertig bist.« McCoy und die Krankenschwestern schoben Sulu aus dem Transporterraum hinaus. »Ich würde lieber gehen«, sagte Sulu. »Und ich fahre Sie lieber«, sagte McCoy. »Sie könnten immer noch etwas schwach auf den Beinen sein.« »Es geht mir gut«, sagte Sulu. »Mir fehlt nichts.« Er löste die Riemen, mit denen er auf der Bahre befestigt war. Als McCoy die Hand ausstreckte, um sie wieder festzuzurren, griff Sulu plötzlich nach seinem Arm. Abrupt wich die Wut aus Sulus Gesicht. Statt dessen starrte er leer vor sich hin. Schwer fiel er mit leblosem Gesichtsausdruck auf die gepolsterte Bahre zurück. »Nicht schon wieder«, sagte McCoy. »Zum Bordlazarett. Schnell.« Eiligst schoben sie ihn aus dem Transporterraum. »Darf ich fragen, was das zu bedeuten hat, Scotty? Aber ich werde es herausfinden. Sie können mich gleich wieder hinunterbeamen.« »Meinen Sie, es gibt Ärger, Sir?« »Ich weiß nicht. Ich weiß nur, daß etwas nicht stimmt.«
McCoys Stimme kam über das Intercom. »McCoy an Transporterraum.« Scott klatschte mit der Hand auf die Tafel. »Transporterraum. Hier Scott.« »Ist der Captain schon weg?« »Ich bin noch da, Pille«, sagte Kirk, während er von der Plattform stieg und zum Intercom ging. »Was ist los?« »Es ist wegen Sulu, Jim. Er ist wieder normal. Er erholte sich bereits noch bevor wir das Bordlazarett erreicht hatten. Aber er erinnert sich an nichts.« »Okay. Ich beame wieder hinunter. Halte mich auf dem laufenden.« »Das werde ich, Jim. Vielleicht kommt bei den Tests etwas heraus, aber ehrlich gesagt mache ich mir Sorgen. Ich mag keine Anfälle, die kommen und gehen und dabei keinerlei Spuren hinterlassen. Ich werde nicht schlau daraus.« »Ich weiß, Pille. Es macht mir auch Kopfschmerzen.« »Vorsicht, Jim. Wir wissen nicht, womit wir es zu tun haben.« »Das ist das einzige, was ich weiß. Kirk Ende.« Er trat auf die Transporterplattform und nickte Scotty zu. »Energie«, befahl er. »Aye, Sir«, sagte Scotty und dachte an den Bericht, den er vorher von Uhura und Kelly erhalten hatte. Der Captain schien dafür im Moment zu beschäftigt zu sein. Wahrscheinlich war es besser, den Vorfall später zu erwähnen. Er drückte auf die Hebel. Der Captain verschwand. Kirk materialisierte auf dem Gehsteig vor der Kneipe und eilte sofort wieder hinein. Spock stand an dem hinteren Tisch und sprach gerade mit Ami. Kirk wollte sich zu ihnen gesellen, aber als Spock ihn sah, entfernte er sich vom Tisch und schnitt ihm den Weg ab.
»Ich dachte, wir sollten uns vielleicht außerhalb der Hörweite der Frau namens Ami unterhalten«, sagte Spock. »Was ist los, Spock? Haben Sie etwas zu berichten?« »Ja, Captain, ich kann einen vorläufigen Bericht geben. Mit einem ziemlich negativen Inhalt.« »Wie das?« »Wir haben es hier mit äußerst merkwürdigen Umständen zu tun. Obwohl wir deutlich sahen, wie sich Mr. Sulu und Mr. Moody fast bis zum Einsatz körperlicher Gewalt stritten, scheint es, daß wir die einzigen waren, die den Vorfall beobachteten.« »Kommen Sie zur Sache, Spock.« »Captain, der springende Punkt ist, daß sich außer der Besatzung niemand fand, der die Auseinandersetzung gesehen hätte. Mr. Moody gibt zu, daß er einen Wortwechsel mit Mr. Sulu hatte und dieser drohte – ich glaube, der Ausdruck war, ›ihm eine in die Fresse zu hauen.‹ Dies entspräche den Tatsachen, so wie wir sie erlebten, aber die beiden Einheimischen, die mit ihnen am Tisch saßen, bestreiten, daß sich ein derartiger Vorfall ereignete.« »Sie streiten es ab? Aber wir haben es doch mit unseren eigenen Augen gesehen.« »So scheint es auch. Mit ihrer Interpretation der Vorkommnisse sind sie jedoch nicht allein. Zum Zeitpunkt, da Mr. Sulu zusammenbrach, befanden sich siebenundachtzig Bewohner von Perry in diesem Gebäude. Mit Hilfe von Mr. Huff und Mr. Bischoff gelang es uns, alle bis auf einen zu befragen. Keiner von ihnen gibt zu, etwas gesehen zu haben.« »Was halten Sie davon, Mr. Spock?« »Von den vielen Möglichkeiten sind eigentlich nur drei von Bedeutung. Erstens: sie sahen die Auseinandersetzung, entschieden sich aber, sie nicht zuzugeben. Zweitens: sie sahen
den Vorgang wirklich nicht. Drittens: der Vorgang trug sich nicht so zu, wie wir glaubten, ihn beobachtet zu haben.« »Ihre Analyse?« »Der dritten Möglichkeit muß eine äußerst geringe Wahrscheinlichkeit zugeschrieben werden. Es ist höchst unwahrscheinlich, daß sämtliche in diesem Raum anwesenden Besatzungsmitglieder der Enterprise simultan denselben Vorgang halluzinieren. Die zweite Möglichkeit ist auch nicht viel besser. Das Restaurant ist gut besucht, und die Leute haben Augen und Ohren. Mr. Sulu fing so laut zu sprechen an, daß wir es im hinteren Teil des Raumes hören konnten. Man kann sich nur schwer vorstellen, daß etwas Derartiges unter so vielen Leuten passiert und nicht wahrgenommen wird. Die erste Möglichkeit erscheint mir auch am wahrscheinlichsten. Nachdem ich die Leute befragt habe, neige ich dazu, sie zu akzeptieren, jedoch mit einem Vorbehalt.« »Und der wäre?« »Daß sie nicht darüber sprechen wollen, sondern vielmehr nicht können.« »Nicht können? Aber das ist doch lächerlich, Mr. Spock.« »Wirklich?« meinte Spock. »Ich neige normalerweise nicht dazu, lächerliche Behauptungen von mir zu geben. Ich schlage vor, Sie stellen selbst Nachforschungen an. Ein dazu geeignetes Objekt finden Sie am Tisch vor.« Er deutete auf Ami, zu der sich Rus gesellt hatte. Ihre Unterhaltung schien beiläufig zu sein. »Sie sagten, Sie befragten alle bis auf eine Person«, sagte Kirk. »Warum nicht sie auch?« »Ich bin froh, daß Sie danach fragen, Captain«, sagte Spock. »Besagte Person war sehr ungewöhnlich.« »Inwiefern?« »Der Mann trug keinen Schal, also kein Dienstabzeichen. Die Kleidung, die er trug, ähnelte zwar der phantasielosen
Ausstattung der übrigen Bevölkerung, war jedoch zerlumpt und abgenutzt.« »Warum haben Sie das nicht gleich erwähnt?« »Ich wartete auf eine Gelegenheit. Wie Sie sich vielleicht erinnern, wurden wir unterbrochen.« »Ich erinnere mich, Mr. Spock«, sagte Kirk, in dessen Stimme mittlerweile etwas Verärgerung lag. »Aber warum haben Sie ihn nicht später befragt?« »Weil er ganz einfach während der Auseinandersetzung gegangen ist.« »Und das hielten Sie nicht für ungewöhnlich?« »Nicht wirklich. Die Schlägerei ging ihn ja nichts an. Er brachte sich selbst außer Gefahr. Was im nachhinein wiederum überraschend ist.« »Wieso?« »Er war der einzige Bewohner von Perry, der so handelte. Alle anderen geben nicht einmal zu, die Auseinandersetzung gesehen zu haben.« »Ich glaube, ich sollte mal mit Ami sprechen«, sagte Kirk. »Das scheint angebracht zu sein«, sagte Spock, der hinter Kirk zurückblieb, als sie in Richtung Tisch gingen. »Ich muß mich für die Unterbrechung entschuldigen«, sagte Kirk. »Das ist schon in Ordnung«, sagte Ami. »Ich bin sicher, daß der Captain eines Sternenschiffs vieles mit dem Herrscher eines Planeten gemeinsam hat. Sie müssen sehr beschäftigt sein.« »Manchmal verbringe ich die meiste Zeit damit, auf meine Leute aufzupassen. So wie gerade eben.« »Was meinen Sie damit?« fragte Ami. »Schlägereien zu verhindern und solche Sachen. Sie verstehen schon.« »Nein, ich verstehe überhaupt nichts.«
»Meine Besatzung war in letzter Zeit sehr viel Streß ausgesetzt. Es wäre nicht weiter ungewöhnlich, wenn sie ihn manchmal an sich selbst abreagierten.« »Abreagieren? Ich kenne den Ausdruck nicht.« »Er bedeutet so viel wie streiten. Kämpfen. Sich gegenseitig anpöbeln.« »Nein, das werden sie nicht tun. Nicht hier.« »Es war schon fast so weit. Hier, in diesem Raum. Zwei meiner Männer hatten sich fast geschlagen. Etwas hielt sie davon ab.« »Ich habe nichts gesehen.« »Trotzdem ist es passiert.« Sie schüttelte den Kopf und starrte Kirk über den Rand ihres Wasserglases an. Ihre Augen waren tiefblau. »Es gibt auf Perry keine Gewalt«, sagte sie. »Wir sind ein friedliches Volk.« »Ich spreche von meinem Volk, nicht Ihrem«, sagte er. »Das spielt keine Rolle«, sagte sie. »Es ist unmöglich, selbst für Ihre Leute. Auf Perry gibt es überhaupt keine Gewalt.« »Was ist das? So etwas wie eine Vorschrift?« Sie sah ihn lange Zeit an. Kirk konnte keine Falschheit in ihren Augen entdecken. »Es ist keine Vorschrift, sondern eine Lebensart.« Er vernahm Spocks Stimme. Sie war gleichmäßig und emotionslos. »Vitalzeichen unverändert, Captain. Keine Anzeichen galvanischer Hautreaktionen, veränderten Herzschlags oder vermehrter Vasokonstriktion. Sie sagt die Wahrheit. Darüber gibt es keinen Zweifel.« »Natürlich sagt sie die Wahrheit«, sagte Rus. »Sie werden merken, daß wir hier auf Perry ein sehr friedlebendes Volk, eine gewaltlose Gesellschaft sind.« Unmöglich, dachte Kirk, unmöglich. Die Antwort muß bei Wayne Perry zu finden sein, egal, was er ist.
Kirks Kommunikator fing zu piepsen an. Er zog ihn aus dem Gürtel und schnipste ihn auf. »Hier Kirk.« »Jim, du und Spock solltet sofort heraufkommen. Es gibt ein Problem.« »Was ist denn los, Pille?« »Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, daß das, was Sulu hat, sich ausbreitet. Es könnte bereits zu spät sein, um es noch aufzuhalten.« »Wir kommen sofort. Kirk Ende.« Er sah Spock an. »Es scheint, als stünden wir vor einem weiteren Problem. Dieser Planet ist voll davon.« »Sieht fast so aus«, sagte Spock. Die Sache hatte mit einem Streit beim Kartenspiel begonnen und sich über einen langen Zeitraum aufgestaut. Da war auch eine Frau gewesen, die die beiden Männer gegeneinander ausgespielt hatte. Die ganze Angelegenheit wurde von Wut, Eifersucht und gegenseitiger Abneigung überschattet. Die Sache mußte bereinigt werden, und sie beschlossen, es in der Trainingshalle zu tun. Drei Versuche. Wer zweimal stürzte, hatte verloren. Sie standen sich auf einer gepolsterten Matte gegenüber. Der Kampf war ziemlich ausgeglichen – denn beide waren stark, groß und gut in Form. Ein gemeinsamer Freund war als Schiedsrichter auserkoren worden. Aber wahrscheinlich benötigten sie ihn nur, um die Zeit zu nehmen. »Los«, sagte er. Eine Sekunde lang umkreisten die beiden Männer die Matte, dann stürzten sie wie auf ein Zeichen aufeinander los. Aber sie berührten sich nicht einmal. Beide brachen plötzlich zusammen, zuckten noch ein paarmal und lagen dann reglos da. Der Schiedsrichter stand schockiert
daneben. Sein erster Gedanke war, daß beide vielleicht gleichzeitig einer Herzattacke erlegen waren. Aber er wußte, daß das keinen Sinn ergab. Er rannte zur Wand und schlug auf das Intercom. »Ein Ärzteteam zur Trainingshalle«, schrie er. »Schnell.« Es hatte angefangen.
5
Medizinisches Logbuch, Eintrag McCoy, Sternzeit 6836.2: Schwester Chapel und ich haben soeben eine genaue ärztliche Untersuchung Mr. Sulus abgeschlossen. Abgesehen von einem winzigen Kratzer am Kinn, den er sich zufällig auf Perry zugezogen hat, sind keinerlei Anzeichen physischer Abnormitäten festzustellen. Da Mr. Spock beobachtet hatte, daß Mr. Sulus beiden Stadien der Bewußtlosigkeit unvollendete Gewaltakte vorausgegangen waren, machten wir ein kleines Experiment. Es wurde der Versuch unternommen, bei Mr. Sulu eine feindliche Aktion zu provozieren. Das sollte sich jedoch als unerwartet schwierig erweisen. Selbst noch so provoziert zeigte er keinerlei gewaltsame Neigungen. Es war notwendig, seinen vertraulichen Psychobericht heranzuziehen, um ein Umfeld zu schaffen, der sensitiv genug war, seinerseits eine Reaktion hervorzurufen. Das war für mich mindestens genauso unangenehm wie für den Patienten. (ANMERKUNG: Schlage zu späterem Zeitpunkt vor, daß das Sternenflottenkommando die Verfahrensbestimmungen zur Klassifikation psychologischer Daten einer Neubewertung unterzieht. Ich glaube, daß nicht einmal ich zu derart persönlichen Daten so leicht Zugang haben dürfte.) Nach entsprechender Stimulierung – durch Bezugnahme auf ein vergessenes traumatisches und demütigendes Erlebnis – unternahm Mr. Sulu erneut einen Gewaltakt und fiel in den Zustand der Bewußtlosigkeit. Diesen Zustand zeichneten wir mit sämtlichen verfügbaren Mitteln auf. Er erlitt sofort einen schweren Schock. Seine Vitalzeichen sanken plötzlich auf drastische Weise. Eine Atmungsrate war nicht festzustellen, und sein Herz schlug nur noch alle fünf Sekunden. Er befand
sich, ging man von meßbaren Anzeichen aus, am Rande des Todes. Ich stand bereit, um ihn wiederzubeleben, aber das war nicht notwendig. Seine Erholung kam so schnell wie sein Kollaps. Insgesamt befand er sich siebzehn Sekunden lang in einem tiefen Schockzustand, der jedoch unseres Wissens keine Nebenwirkungen hinterließ. Fünf Sekunden nachdem er das Bewußtsein wiedererlangt hatte waren seine Vitalzeichen bereits wieder völlig normal. Es blieben keinerlei Anzeichen von Streß zurück. Als wäre er gerade aus einem tiefen, erholsamen Schlaf erwacht. Er selbst konnte sich an nichts mehr erinnern. Seine Zustände der Bewußtlosigkeit waren nach und nach kürzer und immer schwerer herbeizuführen gewesen. Ich neige zu der Annahme, daß bei diesem Patienten weitere Zustände dieser Art nicht mehr verursacht werden können. Es sieht fast so aus, als wäre er konditioniert worden. Konditioniert gegen Gewalt. Bisher haben sich auf der Enterprise vier weitere Vorfälle dieser Art ereignet. McCoy, Kirk, Spock und Kelly Davis versammelten sich in McCoys Büro. Ihre Stimmung war düster, todernst. Es hatte zwei Vorfälle gegeben. »Ich nehme an, wir sind uns alle darin einig, daß diesen Zuständen der Bewußtlosigkeit unausgeführte Gewaltakte vorausgehen«, sagte Kirk. »Wir scheinen das ›was‹ und ›warum‹ zu kennen«, sagte McCoy. »Wir stehen vor einer faszinierenden Situation«, sagte Spock. »Als Ami über die Nichtexistenz von Gewalt auf Perry die Wahrheit sprach und ich sie dabei beobachtete, hatte ich so etwas wie eine Hypothese gebildet, nämlich, daß wir es hier mit einer psychologischen Konditionierung oder einem Verhaltensmuster zu tun haben. Dies könnte jedoch unmöglich auf Sulu und den Rest der Mannschaft so schnell Auswirkung
zeigen. Bedauerlicherweise mußte ich die Hypothese daher fallenlassen. Sie war interessant. Unglücklicherweise ist sie nicht mehr begründet.« »Ihre unbegründete Hypothese mag ja ganz interessant sein, Mr. Spock, aber im Moment benötigen wir zutreffende.« Kirks Tonfall war schärfer als gewollt. Langsam zeigte sich seine Frustration. »Ich sprach lediglich über einen Gedankengang, den ich fallenließ, Captain.« »Das weiß ich«, sagte Kirk. »Aber was wir brauchen sind stichhaltige Gedankengänge.« »Ich wollte, ich hätte Sulu nicht zum Schiff zurückgebracht«, sagte McCoy. »Aber es schien zu diesem Zeitpunkt das einzig Richtige zu sein.« »Sie haben korrekt gehandelt«, sagte Spock. »Es gab weder für Sie noch für uns Grund zur Annahme, daß es ansteckend sein könnte.« »Das ist aber auch schon das einzige, was wir wissen«, sagte Kelly. »Es verhält sich wie ein psychoaktiver Virus, aber es gelang uns noch nicht, ihn genau zu bestimmen.« »Ein psychoaktiver Virus?« fragte Kirk. »Was ist das denn?« »Faszinierend«, meinte Spock. »Das paßt zu allen Parametern, die wir bisher beobachtet haben.« »Nur daß wir bisher keinen festen Beweis dafür haben«, sagte McCoy. »Wenn es wirklich ein Virus ist, dann ist er verdammt heimtückisch.« »Vielleicht erklärt mir bald jemand, worum es hier eigentlich geht?« forderte Kirk, der langsam wütend wurde. »Das wäre eine Erklärung für die schnelle Übertragung«, sagte Kelly. »Da ein Teil der Leute mit diesen Symptomen niemals auf der Oberfläche des Planeten war, scheint es logisch, daß Sulu es eingeschleppt hat. Oder wir alle.«
»Das ist gut möglich«, sagte Spock. »Die Wahrscheinlichkeit, daß wir alle infiziert sind, ist ziemlich hoch.« »Halt. Stop!« schrie Kirk. »Wird mir jetzt vielleicht bitte jemand erklären, wovon die Rede ist? Was meint ihr mit infiziert? Ist es eine Art Bazillus, der das alles verursacht? Pille?« »Eigentlich kein Bazillus, Jim, sondern ein Virus. Und wir sind nicht sicher, ob das überhaupt zutrifft, aber es paßt besser zu den Daten als alles andere, was wir bisher versucht haben. Aber, wie ich schon sagte, es gibt keinen konkreten Beweis.« »Du sagtest, es handle sich um einen Psycho…« Kirk suchte nach dem Wort. »Psychoaktives Virus, Captain«, sagte Kelly. »Das ist so eine Art lockere Bezeichnung für ein Virus mit psychologischen Effekt.« »Wie wirkt es?« »Da können wir nur raten«, sagte McCoy, »aber wenn es ein Virus ist, dann ist es wahrscheinlich, bis es jemand auslöst, untätig oder nicht aktiv. In diesem Fall glauben wir, daß es vielleicht auf die chemischen Abläufe, die im Körper durch Wut und Gewalt ausgelöst werden, reagiert. Wenn es diese Veränderungen der normalen chemischen Balance spürt, geht es von selbst hoch und legt den Körper still. Gott sei Dank nur vorübergehend.« »Ich habe etwas Ähnliches schon mit Gasen erlebt«, sagte Kirk. »Eine Katze schreckt plötzlich vor einer Maus zurück, wenn sie etwas von dem Gas eingeatmet hat.« »Ursprünglich dachten wir auch, daß ein ähnlicher Vorgang in der Atmosphäre des Planeten stattfindet«, sagte McCoy, »aber als das Schiff betroffen wurde, mußten wir diese Möglichkeit ausschließen. Ein Gas würde nicht auf diese Weise wirken. Ein Virus dagegen schon.«
»Was immer es ist, es ist jedenfalls äußerst anpassungsfähig«, sagte Kelly. »Bisher ist es noch bei keinem unserer Test aufgetaucht.« »Aber wenn es existiert, finden wir es«, sagte McCoy. »Ich würde gern einige Kulturen anlegen und kompliziertere Testreihen durchführen, aber dafür benötige ich etwas Handfesteres.« »Was heißt das?« fragte Kirk. »Ich möchte einige vorläufige Tests mit den Bewohnern des Planeten machen. Das könnte uns auf eine Idee bringen, wo wir anzusetzen haben.« »Das läßt sich sicher machen. Ich habe selbst ein paar Fragen, die ich ihnen stellen möchte«, sagte Kirk mit bitterem Unterton. »Wie lange brauchst du, bis eure Geräte soweit sind?« »Wir brauchen nicht viel. Sie stehen schon bereit.« »Gut. Gehen wir.« In der ganzen Eile hatte Kelly vergessen, Kirk von der Gewalttat, die sie auf Perry beobachtet hatte, zu berichten. Aber es schien ihr nicht so wichtig wie die Arbeit, mit der sie gerade beschäftigt waren. Es konnte warten. Als sie auf der Oberfläche des Planeten angekommen waren, teilten sie sich auf zwei Gruppen auf. McCoy und Kelly Davis suchten nach geeigneten Testpersonen, während Spock und Kirk auf die Ratskammern zusteuerten. Das Gebäude schien verlassen zu sein. Das einzig anwesende, Ratsmitglied war Jon, der älteste von allen. Er begrüßte sie herzlich und freundlich. Kirk war nicht in der Stimmung, Unverbindlichkeiten auszutauschen. »Ich möchte mit Wayne Perry sprechen«, sagte er.
»Unmöglich«, sagte Jon. »Das ist zu diesem Zeitpunkt ganz und gar unmöglich. Er ist sehr beschäftigt und widmet seine Aufmerksamkeit gegenwärtig anderen Dingen.« »Es ist mir egal, wie beschäftigt er ist. Ich muß mit ihm sprechen«, sagte Kirk. Jon zuckte die Achseln. »Ich wüßte nicht, wozu das gut sein sollte, aber ich werde ihm Ihre Bitte durchstellen. Vielleicht antwortet er, vielleicht aber auch nicht.« Jon schob eine Tafel beiseite, die vor ihm in den Tisch eingelassen war. Eine Tastatur und ein kleiner Bildschirm kamen zum Vorschein. Ganz offensichtlich handelte es sich um eine Computerterminal. Während Jon die Tastatur betätigte, warf Spock Kirk einen fragenden Blick zu. »Er kommt gleich«, sagte Jon und schob die Tafel zurück an ihren Platz. »Warum machen Sie es sich in der Zwischenzeit nicht bequem?« »Ich will es mir nicht bequem machen, sondern wissen, was auf diesem verrückten Planeten vorgeht«, fauchte ihn Kirk an. »Aber gern«, sagte Jon mit einem matten Lächeln. »Nur, wie kommen Sie darauf, daß dies ein ›verrückter‹ Planet ist? Wir, die wir hier leben, betrachten ihn als einen angenehmen Ort, einen Ort der Ruhe.« »Meine Männer fallen um wie die Fliegen«, sagte Kirk. »Wären Sie nicht so gewalttätig, würde das nicht passieren«, sagte Jon. »Wir auf Perry haben gelernt, unsere Impulse der Gewalt unter Kontrolle zu halten. Wir leben in Frieden.« »Es fällt mir immer noch schwer, das zu glauben«, sagte Kirk. »Ich sehe nichts weiter als eure lächelnden Gesichter, während meine Männer reihenweise kollabieren.« »Wir sind ein äußerst friedfertiges Volk. Bald werdet ihr wie wir sein und verstehen.« »Wir wollen nicht so sein wie ihr. Wir können nicht so sein. Ich bin nicht davon überzeugt, daß eure Lebensart praktikabel
ist, auch nicht in einer so abgeschlossenen Gesellschaft wie auf Perry. Für uns wäre sie katastrophal.« »Tatsächlich, Captain? Wirklich? Ich glaube, Sie werden Ihre Meinung ändern, wenn das Universum erst einmal gelernt hat, in Frieden zu leben. Es wird keinen Bedarf an Gewalt mehr geben. Ich bin ein alter Mann, aber vielleicht erlebe ich diesen Tag noch.« »Das einzige, was ich weiß, ist, daß meine Besatzung mit einer seltsamen Krankheit infiziert zu sein scheint und daß ihr sie über tragen habt.« »Ist jemand gestorben? Wurde jemand schwer verletzt?« »Nein«, gestand Kirk. »Aber das könnte nur eine Frage der Zeit sein.« »Das bezweifle ich sehr«, sagte Jon. »Ich nicht«, sagte Kirk, »ich zweifle keinen Augenblick daran. Dies könnte für die menschliche Rasse tödlicher sein als die Seuche auf Altair IV.« Jon schüttelte den Kopf. »Angenommen, Sie gäben auf Ihrem Schiff Beruhigungsmittel aus. Das stellt die Leute ruhig und hält sie von Gewalttaten ab. Halten Sie ein Beruhigungsmittel für etwas, das tödlich ist?« »Unter gewissen Bedingungen ja«, sagte Kirk. »Es könnte eine Person daran hindern, in einer bedrohlichen Situation richtig zu handeln.« »Sie begreifen nicht, worum es geht«, sagte Jon. »In einer gewaltlosen Gesellschaft kann Gewalt nicht geduldet werden. Wir müssen alle lernen, in Frieden zu leben.« »Aber wir leben nicht in einer gewaltlosen Gesellschaft«, sagte Kirk. »Aber das werden Sie«, sagte Jon. »Und zwar schon bald.« In diesem Moment platzte McCoy in die Ratskammer herein. Seine Uniform war zerrissen, und Blut lief von einer gezackten Wunde über seinem linken Auge an seinem Gesicht herab.
»Pille«, schrie Kirk. »Was ist passiert?« »Kümmere dich nicht um mich«, sagte er hastig. »Scotty versucht schon andauernd, dich zu erreichen. Sie können nicht –« »Dieses Gebäude wird abgeschirmt«, sagte Kirk. »Wir müssen nach draußen gehen.« »Beeilt euch«, drängte McCoy. Spock packte McCoy am Arm. Zu dritt rannten sie zur Tür. »Schiff angegriffen – Klingonen«, keuchte McCoy, während sie hinausliefen.
6
Kirk schnipste den Kommunikator auf. »Kirk an Enterprise.« Der Himmel über ihnen war klar, und es wehte eine leichte Brise. Oberflächlich betrachtet schien auf dem Planeten alles ruhig zu sein, dachte Kirk, aber darunter lauerte der Tod. »Hier Scott, Sir. Gott sei Dank haben wir Sie erreicht. Hier oben sieht es schlimm aus, sehr schlimm sogar.« »Bringen Sie mich auf den neuesten Stand«, sagte Kirk ruhiger als er sich fühlte, aber er wollte verhindern, daß Scott sich noch mehr aufregte oder am Ende gar in Panik geriet. Seine Reaktion war zwar verständlich, half aber im Moment überhaupt nicht. »Klingonen, Sir. Korol und seine Meute. Direkt aus dem Nichts. Ich glaube jedoch nicht, daß sie uns gesucht haben. Sie sind wahrscheinlich genau so überrascht gewesen wie wir. Wir haben sie gerade rechtzeitig kommen sehen, um die Schutzschilde hochzufahren. Hätten sie es auf uns abgesehen gehabt, hätten wir sie sicher nicht bemerkt.« »Das glaube ich gern«, sagte Kirk halb zu sich selbst. »Sie feuerten einige Schüsse ab, aber die Schilde hielten stand.« Er zögerte. »Sir, wir haben nicht genug Energie, um uns davonzumachen und…« »Sie haben zuerst auf uns gefeuert, Scotty. Ein offener Akt der Aggression. Warum…« Kirks Stimme wurde brüchig, und er verlor den Faden. Plötzlich wurde ihm schwindlig. Er blickte zu Spock hinüber, der gerade McCoys Wunde versorgte. »Spock! Ich kann nicht einmal einen Befehl zum Angriff geben.«
Spock schüttelte den Kopf. »Ich bin sicher, daß sie ihn nicht ausführen können, selbst wenn Sie ihn geben könnten.« Scottys Stimme kam durch den Kommunikator. Sie klang müde – und ängstlich. »Das habe ich mitbekommen, Sir. Es stimmt. Es gelingt keinem von uns, in die Nähe der Phaserkontrollen zu kommen. Wir haben es versucht, aber es geht nicht.« »Verstehe, Scotty.« »Wir wagen es nicht, die Schilde abzuschalten, Sir.« Er hielt inne. »Außer Ihnen befinden sich noch über ein Dutzend weiterer Besatzungsmitglieder da unten. Uhura…« Seine Stimme verlor sich. »Ich fürchte…« »Mir ist klar, daß Sie nicht den Transporter benutzen können. Das ist Pech, aber es geht eben nicht anders. Tun Sie, was Sie können. Wir versuchen hier unten alles, was möglich ist. Halten Sie durch.« »Aye, Sir.« Keiner von beiden erwähnte die immer schwächer werdenden Dilithiumkristalle. Das war der einschränkende Faktor, und beide wußten es nur zu gut. Die Kristalle entschieden, wie lange die Schilde aufrechterhalten werden konnten und wie lange die Enterprise einen eventuellen Fesselungsangriff durchstand. Kirk schätzte den Zeitraum auf drei bis vier Stunden, wenn die Schilde voll hochgefahren waren, aber er konnte sich auch täuschen. Ziemlich sogar. Als Kirk sein Gespräch mit Scotty beendet hatte, ging er geradewegs in die Ratskammern zurück. McCoy, dessen Blutung gestoppt war, und Spock folgten ihm. Zu ihrer Überraschung wurden sie von Wayne Perry erwartet. Er war allein. Offensichtlich war Jon fortgeschickt worden. Kirk konnte nur schwer seine Wut und seine Enttäuschung unterdrücken. Er mußte der Sache auf den Grund gehen, und zwar schnell.
»Leider konnte ich nicht schon eher hier sein«, sagte Perry, »aber ich hatte Sie nicht so bald erwartet. Ich war mit anderen Dingen beschäftigt.« »Zweifellos sprachen Sie mit den Klingonen«, sagte Kirk. »Eigentlich nicht«, sagte Perry lächelnd. »Seit seiner Ankunft war das Klingonenschiff viel zu beschäftigt, als daß es mich kontaktiert hätte. Aber ich vermute, sie werden das bald nachholen. Es besteht kein Anlaß, sie zu drängen.« Perry zuckte die Achseln. »Welchen Unterschied würde das machen? Ihr seid gewalttätige Männer. Und gewalttätige Männer haben immer ihresgleichen im Gefolge. Früher oder später wären sie sowieso gekommen.« Er zögerte, dann stand er auf. »Ich habe sie tatsächlich kontaktiert, genauso wie euch. Aber ich bin nicht der Meinung, daß ihr in eine Falle gelockt wurdet. Es steht euch jederzeit frei, zu gehen.« »Es steht uns frei?« Kirk konnte es nicht glauben. »Wegen der Klingonen hier können wir nicht abreisen, selbst wenn wir es wollten.« »Das ist nicht mein Problem«, sagte Perry. »Gewalt erzeugt neue Gewalt. Eines Tages werdet ihr alle in einem friedlichen Universum leben. Vielleicht dämmert euch dann der Wahnsinn eurer früheren Lebensweise.« »Diese Phrase habe ich schon einmal gehört, und ich glaube immer noch nicht daran«, sagte Kirk. »Was haben Sie mit meinen Männern gemacht?« »Ich? Gar nichts. Nun, fast nichts. Sagen wir mal, sie haben den friedlichen Geist unseres Planeten empfangen.« »Ich würde sagen, sie haben etwas ganz anderes empfangen. Etwas möglicherweise Tödliches. Etwas, das ihre Fähigkeit, sich zu verteidigen, beeinträchtigt.« »Sie ist nicht beeinträchtigt«, sagte Perry entschlossen. »Gewalt gehört nicht zu den notwendigen Eigenschaften der
Menschheit. Auf diesem Planeten haben wir sie ein für allemal eliminiert. Bald wird es überall so sein.« »Was ist, wenn wir nicht abreisen?« fragte Kirk. »Was, wenn wir es vorziehen, hierzubleiben, statt diesen Alptraum auf anderen Planeten zu verbreiten?« »Das macht mir keine Sorge. Sie kamen, die Klingonen kamen, und es werden weitere kommen. Unsere Friedensbotschaft wird sich ausbreiten.« »Ihre Krankheit wird sich ausbreiten«, schnauzte ihn Kirk an. »Von einer Krankheit kann keine Rede sein, Captain. Schon eher von einer Behandlung der Krankheit, einer Krankheit, die so alt wie die Menschheit selbst ist. In unserer gesamten Geschichte stand die Gewalt dem Menschen schon immer beim Erreichen höherer Ziele im Weg. Dies ist die perfekte Lösung dafür.« »Wohl kaum«, sagte McCoy verärgert. »Sie ist nicht einmal auf Ihrem eigenen Planeten perfekt.« Perry und Kirk drehten sich um und starrten McCoy an. Spock saß ruhig neben ihm und hörte genau zu. »Dr. McCoy, nicht wahr?« sagte Perry. »Ich verstehe nicht, was Sie meinen.« »Auf diesem Planeten gibt es sehr wohl Leute, die zu allen möglichen Gewalttaten fähig sind.« Sanft berührte er seinen Kopf. »Einem von ihnen bin ich gerade begegnet. Ist ein Angriff mit einem stumpfen Gegenstand etwa keine Gewalt? Oder Kidnapping?« »Was?« rief Kirk. »Jemand schlug mich zu Boden. Als ich wieder zu mir kam, war Kelly Davis verschwunden. Ich kann mir nichts anderes vorstellen, als daß sie sie mitgenommen haben. Sie hätte mich bestimmt nicht alleine zurückgelassen.« »Sie irren sich ganz bestimmt, Dr. McCoy«, sagte Perry. »Auf diesem Planeten geschieht nichts dergleichen. Ich denke,
Sie sind etwas verwirrt. Vielleicht werden Ihre Denkprozesse durch die Kopfverletzung – die wahrscheinlich bei einem Unfall entstand – beeinträchtigt. Sie halluzinieren höchstwahrscheinlich.« »Ganz gewiß nicht«, sagte McCoy. »Vielleicht brauchen Sie etwas Zeit, um sich zu erholen. Die braucht auch Captain Kirk, um sich zu beruhigen. Schon bald werden Sie sehen, was hinter diesen Geschehnissen steckt, Sie alle. Bis zu diesem Zeitpunkt halte ich jede weitere Diskussion für sinnlos. Die Audienz ist hiermit beendet.« Wayne Perry drehte sich abrupt zur Seite und verschwand durch die Seitentür. Krachend schloß sie sich hinter ihm. »Ich glaube, wir wurden verabschiedet«, sagte Spock. »Scheint so«, sagte Kirk. Sie gingen hinaus. Eine kurze Rücksprache mit Scotty zeigte, daß sich die Situation auf der Enterprise kaum geändert hatte. Sporadischer Beschluß durch das Klingonenschiff zwang sie dazu, die Schilde voll eingeschaltet zu lassen. Es sah schlecht aus. Kirk wandte sich an McCoy. »Wie fühlst du dich, Pille?« »Ich fürchte, ich werde es überleben, Jim. Aber ich weiß, was ich gesehen habe, Jim, ich bin ganz sicher. Ich habe doch diesen Schlag auf meinen Kopf nicht halluziniert. Der Kerl war über zwei Meter groß und wog über zweihundert Pfund. Ich weiß, daß ich ihn gesehen habe.« »Beruhige dich, Pille. Wir glauben dir ja.« »Wie war er angezogen?« fragte Spock. McCoy und Kirk drehten sich verwundert zu ihm um. Manch mal war es nicht einfach, Spocks Gedankengänge nachzuvollziehen. »Was spielt denn das für eine Rolle?« fragte Kirk.
»Es könnte eine ziemlich große Rolle spielen«, meinte Spock. »Haben Sie etwas Ungewöhnliches an Ihrem Angreifer bemerkt, Dr. McCoy?« »Es ging alles so schnell. Ich weiß nur noch, daß er etwas schmuddlig war, nicht sehr gut angezogen oder so.« »Trug er einen Schal, also ein Dienstabzeichen?« McCoy schüttelte langsam den Kopf. »Ich glaube nicht. Nein, ich bin mir fast sicher. Ich würde mich sonst an die Farbe erinnern.« »Worauf wollen Sie hinaus, Mr. Spock?« »Mir fällt auf, daß wir es hier mit zwei Anomalitäten zu tun haben – Beispiele eines Verhaltens, die nicht zum normalen Verhaltensmuster auf Perry passen. Ich versuche, sie miteinander in Verbindung zu bringen.« »In welcher Weise?« »Sowohl der Mann, der Dr. McCoy angriff, als auch der Mann, der gleich zu Beginn von Mr. Sulus Auseinandersetzung die Kneipe verließ, zeigen Anzeichen eines Verhaltens, das wir von den Bewohnern auf Perry nicht erwarten würden. Außerdem trug keiner der beiden einen traditionellen Schal. Es hat den Anschein, als existierten sie außerhalb des Hauptstroms von Perrys angeblich so beispiellos funktionierender Gesellschaft. Die Sache ist die, daß zumindest der eine, der Dr. McCoy angriff, zu einer Gewalttat fähig ist. Das an sich ist schon von großer Bedeutung und müßte eine Untersuchung nach sich ziehen.« »Für so etwas haben wir keine Zeit, Spock«, fauchte Kirk. »Ich weiß nicht, wie lange Scotty noch durchhalten kann. Es wird einfach zu knapp.« »Ruhig, Jim«, sagte McCoy. »Dieses Mal muß ich Dr. McCoy zustimmen«, sagte Spock. »Uns allen ist klar, daß sich das Schiff in einer schwierigen Situation befindet. Uns muß aber auch klar sein, daß wir nicht
an Bord sind und auch nicht an Bord gehen können, solange die Schilde hochgefahren sind. Deshalb liegt die Sache, was immer auch geschehen mag, in den Händen von Mr. Scott.« »Was schlagen Sie denn vor?« fragte Kirk unwirsch. »Sollen wir vielleicht Leuten nachstellen, die keinen Schal tragen oder seltsam aussehen?« »Das wäre eine Möglichkeit, aber zu diesem Zeitpunkt vielleicht nicht gerade die produktivste.« »Haben Sie eine bessere Idee?« fragte Kirk sarkastisch. »Ich denke schon, Captain«, sagte Spock. »Anscheinend haben wir bei dem Versuch, mit Wayne Perry zu verhandeln, das Wichtigste übersehen.« »Das wäre?« »Das Wayne Perry eine Computerkonstruktion ist. Wir haben vielleicht mehr Erfolg, wenn wir uns mit dem Computer direkt befassen.« »Halten Sie das für möglich?« fragte McCoy. »Wir haben doch keine Ahnung, wo sich der Computer befindet, und schon gar nicht, wie er funktioniert.« »Es ist möglich«, nickte Spock, »aber es könnte schwierig sein. Der Computer kann, muß aber nicht, zentralisiert sein. Ganz sicher ist er versteckt. Die einzigen Interfaces, die ich gesehen habe, befanden sich in den Ratskammern.« »Dann müssen wir dort anfangen«, meinte Kirk. »Ich denke nicht, Captain. Sowohl die Tür, die Wayne Perry benutzt, als auch die Tafel, über die ihn Jon kontaktierte, werden durch komplizierte Schließmechanismen geschützt. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde es mehrere Tage dauern, bis wir den Code durch Ausprobieren gefunden hätten.« »Was also schlagen Sie vor, wo wir anfangen sollen?« fragte McCoy. Spock deutete vor sich auf den Gehsteig. »Ich glaube, die Antwort liegt unter unseren Füßen.«
»Anscheinend waren Sie es, der eins auf den Kopf bekommen hat«, sagte McCoy. »Nein«, sagte Kirk. »Da könnte etwas dran sein.« Spock nickte, als hätte er McCoys Kommentar überhört. »Dr. McCoy weiß wahrscheinlich nicht, daß es unter der Stadt Zonen gibt, die durch eine Abschirmung gegen eine Tricorderanalyse geschützt sind. Offensichtlich handelt es sich um ein System von miteinander verzweigten Tunneln. Die spärlichen Werte, die wir erhielten, deuteten unter anderem auf Computeraktivitäten hin.« »Was meinen Sie mit unter anderem?« fragte McCoy. »Es gibt auch Anzeichen von Leben«, sagte Spock. »Offenbar humanoidem Leben.« »Weder Wayne Perry noch Ami erwähnten das.« »Genau das ist der springende Punkt, Doktor.« »Spock könnte recht haben«, sagte Kirk. »Es ist unwahrscheinlich, daß Perry seine Fehler zugibt. Wenn es tatsächlich auf diesem Planeten Leute gibt, die gegen das, was uns befallen hat, immun sind, dann befinden sie sich wahrscheinlich dort. Und ebenso der Zentralcomputer.« »Das wäre logisch«, sagte Spock. »Wo fangen wir also an?« fragte McCoy. »Wir fangen an, indem wir unsere Augen offenhalten«, sagte Spock gelassen, während er den Tricorder loshakte. Langsam öffnete Kelly Davis die Augen. Alles sah verschwommen aus, und ihr Kopf schmerzte. Sie bewegte ihre Finger, dann die Arme und Beine. Alles schien zu funktionieren, nichts war gebrochen. Immerhin, dachte sie. Sie war immer noch benommen. Der Raum drehte sich um sie, alles war unscharf. »Kelly«, flüsterte eine vertraute Stimme.
Sie blinzelte zweimal und schaute genau hin. Ein Gesicht nahm Form an. »Uhura«, sagte sie. »Pst«, sagte Uhura und legte den Finger an die Lippen. »Sie könnten Sie hören.« Ihr linkes Auge war zugeschwollen. »Wer?« fragte Kelly. Uhura erschauderte, und Kelly folgte ihrem Blick, der zum Eingang ging. Drei rohe und zerrissene Gestalten standen dort. Sie trugen keine Schals. Ohne bewußt die Messer und Knüppel in ihren Hän den wahrzunehmen, merkte Kelly sofort^ daß sie zu jeder Gewalt tat bereit waren. Sie hatte recht.
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Aus dem Schiffslogbuch, Eintrag Korvettenkapitän Scott, Sternzeit 6845,3: Die Situation ist nach wie vor kritisch. Anscheinend können wir nichts anderes tun, als unsere Defensivmaßnahmen beizubehalten. Aber selbst darin sind uns durch die immer schwächer werdenden Dilithiumkristalle Grenzen gesetzt. Es ist nicht einmal mehr möglich, die Umlaufbahn zu ändern oder zu wechseln, solange die Abwehrschilde in der erforderlichen Stärke aufrechterhalten werden. Solange die Klingonen ihren sporadischen Beschuß fortsetzen, sind wir hilflos. Obendrein haben wir den Kontakt zu Leutnant Uhura verloren. Laut Meldung von der Oberfläche des Planeten wird auch Dr. Davis vermißt. Da ihr kein Kommunikator ausgehändigt wurde, kann sie vom Schiff aus nicht geortet werden. Ein Versuch, die Phaserkontrollen so einzustellen, daß wir sie, ohne bewußt daran zu denken, auslösen können, scheiterte kläglich und kostete uns enorm viel Zeit. Unsere Lage verschlechtert sich zusehends. Uns bleiben nur noch wenige Alternativen. Scottys stämmiger Körper füllte den Sessel des Captains. Er fühlte sich so schlecht wie er aussah. Er wünschte von ganzem Herzen, daß Kirk wieder in diesem Sessel säße und er selbst wieder in seinem vertrauten Maschinenraum wäre. Er hatte sich nie darum gerissen, das Kommando zu übernehmen, nahm aber bereitwillig an, wenn es ihm aufgezwungen wurde. Dies war schon öfters der Fall gewesen,
und er besaß auch die erforderliche Ausbildung dazu, aber diesmal war es anders. Jetzt war er nicht Herr der Lage und unfähig, das auszuführen, wonach jede Faser seines Körpers verlangte – zu kämpfen. Er drückte auf das Intercom. »Brücke an Maschinenraum.« »Hier Nason, Sir.« »Wie sieht es mit den Kristallen aus?« »Nicht gut, Sir. Wir nähern uns dem Zerfallpunkt. Von da an geht es rapide bergab.« »Haben Sie es auch mit einer Weiche vom Hilfs-Schaltbrett versucht?« »Ja, Sir. Wie erwartet ohne Erfolg. Die Deltawerte sinken.« »Ihre Zeiteinschätzung?« »Etwa eine Stunde, vielleicht zwei. Der Zerfallsfaktor ist schwer abzusehen, solange er noch nicht eingesetzt hat. In ungefähr zwanzig Minuten weiß ich mehr.« »Machen Sie weiter, Nason. Wenn Sie die revidierte Schätzung haben, geben Sie mir Bescheid.« »Ja, Sir.« »Brücke Ende.« Scotty widerstand dem Drang, zum Maschinenraum zurückzulaufen. Obwohl es irrational war, wurde er den Gedanken nicht los, daß dort allein schon seine bloße Anwesenheit eine Hilfe wäre. Wenn es möglich wäre, würde er aus den Kristallen die letzte Energie mit bloßen Händen herauspressen. Nason war ein guter Mann, er tat zweifellos alles, was möglich war. Scotty hätte dort auch nicht mehr tun können. Frustration überkam ihn. Im Bildschirm hing das Klingonenschiff. Scotty biß die Zähne zusammen und fragte sich, wie Korol den Sieg genießen würde, wenn es soweit war.
Korol war ein Renegat. Mit seinem Bluteid, den er auf Kirk geschworen hatte, und seinem offenen Angriff auf die Enterprise hatte er den Organianischen Friedensvertrag verletzt. Das Klingonische Oberkommando distanzierte sich offiziell von ihm. Er war als Gesetzloser gebrandmarkt, der auf eigene Faust handelte. Inoffiziell sah die Sache jedoch ganz anders aus. Das Oberkommando hätte es kaum bedauert, wenn es über Korol den lästigen Kirk endlich losgeworden wäre. Das sensorenausweichende Gerät auf seinem Schiff war ein einmaliger Prototyp. Arbeitete es weiterhin zuverlässig, würde man es in alle klingonischen Kriegsschiffe einbauen. Bisher handelte es sich lediglich um einem praktischen Versuch. Der Bluteid war Korols Angelegenheit, etwas, das mit seiner Ehre zu tun hatte. Sie betraf nur ihn selbst, seinen Priester und Kirk. Tief in Gedanken versunken ging Korol im Kontrollraum auf und ab. Viele Aspekte der gegenwärtigen Situation waren verwirrend. Und das gefiel ihm überhaupt nicht. Was ihn am meisten beschäftigte war der Umstand, daß die Enterprise nicht auf seinen Angriff reagierte. Bisher hatte sie noch keinen einzigen Phaser abgefeuert. Aber sie hatten auch nicht den Schwanz eingezogen und abgedreht. Sie saßen ganz einfach da und steckten ein. Es ergab keinen Sinn. Auf diese Weise konnten sie nur verlieren. Für die Besatzung eines Föderationsschiffs war das ungewöhnliches Benehmen, und das machte ihn argwöhnisch. Er beschloß, langsam und besonnen vorzugehen. Seine Beute war schon ganz nah, aber er roch eine Falle. Das war die einzige Erklärung, die Sinn ergab. Warum würden sie sonst einfach nur dasitzen? Wie ließe sich sonst überhaupt ihre Anwesenheit erklären?
Es gab noch einen weiteren, verwirrenden Aspekt. In der Subraumnachricht, die sie von dem Planeten aufgefangen hatten, war von Föderationsschiffen nicht die Rede gewesen. Es hatte sich um ein einfaches, diplomatisches Ansuchen gehandelt, und er war das einzige Schiff in der Nähe gewesen. Rein technisch gesehen war er zwar ein Gesetzloser, dem es nicht erlaubt war, für das Klingonenimperium zu sprechen, aber das war eine Nebensache, die vertuscht werden konnte, wenn sie den Planeten erst einmal für sich beanspruchten. Warum aber war die Enterprise hier? Es gab noch zu viele offene Fragen. »Lord, das Föderationsschiff reagiert noch immer nicht. Soll ich – « »Sie sollen den Befehlen gehorchen«, unterbrach Korol seinen Ersten Offizier mit schneidender Stimme. »Nehmen Sie das Schiff in unregelmäßigen Abständen unter Beschuß, bis ich Ihnen etwas anderes sage.« »Jawohl, Lord.« »Ich begebe mich in mein Quartier. Schicken Sie mir den Priester.« »Jawohl, Lord.« Korols Quartier war spartanisch, aber funktionell. Als Kommandant konnte er haben, was er wollte, aber als Klingone wollte er nicht mehr, als notwendig war: einen Schreibtisch, einen Stuhl und ein hartes Bett. Alles andere waren Mätzchen für Leute, die entweder im Kopf oder im Herzen schwach waren. Er bekannte sich zu keiner dieser Unzulänglichkeiten. Mit einem diskreten Klopfen trat der Priester ein. »Sie haben nach mir geschickt, Korol?« »Setzen Sie sich, Priester, und hören Sie zu. Ich habe Sie rufen lassen, weil dieser Hund von einem Ersten Offizier anstelle eines Gehirns getrockneten Mako im Kopf hat. Der
Wissenschaftsoffizier ist auch nicht viel besser. Sie haben keine Antworten und hören nicht zu. Vielleicht hören Sie mir zu. Außerdem…« Seine Stimme verlor sich. »Es geht um Ihren Bluteid, nicht wahr, Korol?« »Sie reden zuviel, Kirl, Priester meines Vaters. Auf meinem Schiff dulde ich das ausschließlich nur wegen Ihres Alters.« »Ihr Vater duldete es. Und Ihr Bruder – möge er in der Ewigkeit Schlachten führen – duldete es ebenso. Ich bin ein alter Mann, aber ich besitze auch den Verstand und die Weisheit meines Alters.« »Ihr Alter, ha. Die Tage, an denen Sie das Schwert gegen Ihre Feinde erhoben haben, sind längst schon vorbei, Kirl.« »Aber mein Verstand ist noch wach, Korol.« »Dann sagen Sie mir, was Sie denken, Priester. Über die Lage, in der wir uns befinden.« »Sie wollen den Menschen Kirk, nicht wahr?« »Natürlich, Schwächling. Der Eid.« »Ist er auf dem Schiff oder auf dem Planeten?« »Ich habe Grund zu der Annahme, daß er sich auf der Oberfläche des Planeten befindet, der räudige Hund, der nicht leben sollte.« »Dann ist es einfach. Sie sollten sich dorthin begeben und ihn töten.« »Ha! Wie wenig Sie doch wissen. Ich rieche eine Falle.« »Und ich lebe länger als Sie, Sohn Ihres Vaters, und sehe keine Falle.« »Dann schadet es nicht, das Schiff zu zerstören und Kirk anschließend zu holen.« »Höre ich da etwa Feigheit heraus?« »Höre ich vielleicht Ungehorsam, Priester? Oder Respektlosigkeit? Muß ich Sie daran erinnern, daß ich es bin, der hier auf diesem Schiff über Leben und Tod entscheidet?«
»Ich habe dem Tod oft ins Auge geschaut, Korol. Ich fürchte mich nicht mehr vor ihm.« »Alter Mann«, murmelte Korol, drehte seinem Priester den Rücken zu, schaute zur Wand und faltete die Hände hinter dem Rücken. »Ich gebe ihnen eine Stunde«, sagte er leise. »Wenn sich bis dahin nichts ändert, starte ich einen Großangriff. Es wird Kirk großen Schmerz bereiten, wenn er zusehen muß, wie sein Schiff zerstört wird. Dann gehe ich auf die Oberfläche und töte ihn. Durch meine Hand wird er sterben.« »Wenn das Ihr Wille ist«, sagte Kirl gelassen. »Höre ich da Mißbilligung in Ihrer Stimme?« fragte Korol, während er sich umdrehte. »Nein, Kommandant. Für einen solchen Fehler habe ich zu lange gelebt. Wenn das Ihr Wille ist, so möge er geschehen.« »Sie sind entlassen, Priester«, sagte Korol mit schneidender Stimme. Der Priester stand auf und hob die Faust. »Überleben und Erfolg«, sagte er mit bitterem Unterton. Korol nickte und sah dem alten Mann nach, wie er hinausging. Was für ein Narr. Es war nicht gut, so alt zu werden. Besser, jung auf dem Schlachtfeld zu sterben. Es würde eine lange Stunde werden. Ungeduldig rieb er sich die Hände. Er konnte es kaum erwarten. »Wissen Sie wirklich, was Sie da tun, Spock?« fragte McCoy. »Das könnte ja endlos so weitergehen.« Spock sah McCoy mitleidig an. »Wir befinden uns dicht beim Ende eines der unterirdischen Korridore, Doktor. Logischerweise muß angenommen werden, daß ganz in der Nähe ein Eingang ist.« »Dennoch glaube ich nicht – « Spock erstarrte. Und zwar so plötzlich, daß McCoy sofort verstummte. Er und Kirk verfolgten Spocks Blick über die
Straße. Aber da gab es nicht viel zu sehen – einige Leute, ein wenig Bewegung – »Ich sah einen«, sagte er ruhig. »Wo?« fragte Kirk. »Er betrat jenes Gebäude«, sagte Spock, während er auf einen unauffälligen Gemischtwarenladen deutete. Sie liefen über die Straße. »Kann ich Ihnen helfen?« sagte der Ladenbesitzer, als sie das kleine Geschäft betraten. »Ein Mann ging gerade hier herein«, sagte Kirk. »Wo ist er?« »Wie Sie sehen, bin ich allein«, sagte der Mann. »Seit mehreren Minuten sind keine Kunden gekommen.« Spock schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn gesehen.« »Wo ist er?« fragte Kirk, diesmal etwas forscher. »Ich bin allein, Bürger. Sie sehen es doch. Gesegnet sei der Friede, ich weiß von niemand anderem.« »Er sagt wahrscheinlich die Wahrheit, Captain«, meinte Spock. »Zumindest so, wie er sie wahrnimmt. Dennoch kam der Mann hier herein.« »Seht mal her!« schrie McCoy, der sich im hinteren Teil des Ladens aufhielt. »Ich glaube, ich habe etwas gefunden.« Spock und Kirk gingen zu ihm. Hinter einem Ladentisch, halb versteckt unter einem Vorleger, war eine große, lose Bodenfliese. Ein Mensch konnte sich ohne weiteres durch den Zwischenraum hindurchpressen. »Was meint Ihr?« fragte McCoy. »Daß unser Mann da hinuntergegangen ist«, sagte Kirk. Er kniete nieder und schob den Vorleger und die Bodenplatte beiseite. In drei Metern Tiefe lag ein spärlich beleuchteter Gang. »Unser Tunnel«, meinte McCoy. Kirk nickte. »Gehen wir«, sagte er und stieg durch das Loch.
Der Höhenunterschied war nicht weiter schlimm, und nachdem sich ihre Augen an das gedämpfte Licht gewöhnt hatten, merkten sie, daß sie sich am Ende eines Tunnels befanden. »Das macht es uns einfach«, sagte Kirk. »Uns bleibt nur eine Richtung.« »Captain, bevor wir losgehen, möchte ich noch einige Messungen vornehmen«, sagte Spock. Er nahm den Tricorder von der Schulter und stellte ihn ein. »Genau wie ich dachte, Captain. Ich erhalte Werte von inner halb des Tunnelnetzes, aber der Tricorder kann die Wände nicht durchdringen. Sie sind bestens abgeschirmt. Ich erhalte eindeutig Hinweise auf Computertätigkeit und verschiedene Quellen menschlichen Lebens.« »Die Kommunikatoren werden wahrscheinlich nicht funktionieren, oder?« sagte Kirk. »Das bezweifle ich«, sagte Spock. Kirk versuchte es trotzdem. »Kirk an Enterprise.« Keine Antwort, nur das leise Rauschen atmosphärischer Störungen. »Ich hatte auch nichts anderes erwartet«, sagte er und machte sich daran, ihn zu schließen. »Captain!« Es war Uhuras Stimme. Sie kam aus dem Kommunikator. »Uhura. Wo sind Sie?« »Seien Sie vorsichtig, Captain. Sie werden – « Die Verbindung brach plötzlich ab. »Uhura. Uhura. Bitte kommen.« Nichts. »Diese Verbindung kam innerhalb des Tunnelnetzes zustande«, sagte Spock. »Ich habe eine vorläufige Messung mit dem Tricorder gemacht. Wir müßten sie eigentlich finden.« »Gehen Sie voraus«, sagte Kirk. Sie marschierten los. Es war nicht so einfach, wie es laut Spock den Anschein hatte. Der Tunnel machte alle möglichen Windungen und
zweigte ständig irgendwo ab. Sie verliefen sich einige Male und mußten oft den gleichen Weg zurücklaufen. Offenbar war Uhuras Kommunikator außer Betrieb, aber er sandte ein schwaches, ungleichmäßiges Signal aus. Sie benutzten es als Zielpeilung, indem sie es mit dem Tricorder verfolgten. Langsam näherten sie sich dem Signal. An einem Knotenpunkt blieb Spock stehen. »Captain«, sagte er. »Ich registriere eine starke Zunahme an Computeraktivität. Es ist ziemlich nahe.« »Nahe genug«, sagte eine Stimme hinter ihnen. Sie wirbelten herum. Vor ihnen stand Wayne Perry. Er hielt einen Phaser in der Hand. »Bis hierher und nicht weiter«, sagte er.
8
Kirk fand als erster die Sprache wieder. »Okay, Wayne Perry, wer oder was auch immer Sie sein mögen, das Spiel ist zu Ende.« Perry lachte. »Sie befinden sich eigentlich nicht in einer Lage, in der man Forderungen stellt.« Kirk ging einen Schritt auf Perry zu, stolperte aber. Spock konnte ihn gerade noch auffangen. »Ich denke nicht, daß der Phaser notwendig ist«, sagte Spock. »Ein interessantes Spielzeug, nicht wahr? Ich behalte ihn noch eine Weile. Vielleicht erweist er sich als nützlich.« »Ich bezweifle nicht, daß Sie dazu fähig sind, ihn zu bedienen«, sagte Spock, »aber es erscheint mir unnötig. Und es ist ganz gewiß unlogisch, wenn jemand, der die Gewaltlosigkeit predigt, einen Phaser mit sich herumträgt. Ich muß sagen, ich bin ziemlich enttäuscht.« »Enttäuscht?« »Computer verhalten sich normalerweise logisch.« »Aha, Sie kennen also mein kleines Geheimnis.« »Von einem Geheimnis kann kaum die Rede sein«, sagte Kirk, der wieder auf den Beinen war. »Wir wußten es von Anfang an. Die Frage ist nur, warum.« »Ich glaube, ich schulde Ihnen so etwas wie eine Erklärung, vor allem dem Vulkanier. Sein Sinn für Logik spricht ganz besonders meine Computerhälfte an.« »Hälfte?« fragte McCoy. »Es begann ungefähr zwanzig Jahre, nachdem wir die Erde mit der Marilee verlassen hatten. Ich wechselte zwischen Tiefschlaf und Verlangsamung. Mein Plan war, das Schiff sicher zu seinem Bestimmungsort, diesem Planeten zu bringen.
Die Zyklen, in denen ich wach war, wurden für mich jedoch immer schmerzhafter. Ich konsultierte daher den medizinischen Analysator und entdeckte, daß ich an Dexters Krankheit litt. Und zwar im Endstadium. Inoperabel, unheilbar. Es war nur noch eine Frage der Zeit. Aber das Schiff war von mir abhängig, sie brauchten mich auf der Reise und beim Besiedeln des Planeten. Es gab niemanden, den ich als Nachfolger ausbilden konnte. Es war eine Notwendigkeit, daß ich am Leben blieb, nicht um meinetwillen, sondern für die anderen. Sie verdienten meine Hilfe und brauchten mich. Ohne mich konnten sie nicht überleben. Deshalb tat ich das einzig Logische.« »Logische?« fragte Spock, indem er eine Augenbraue hob. »Bevor ich genügend Reichtum anhäufte, um die Reise zu starten, war ich in Biorobotik ausgebildet worden. Soviel ich weiß, ist das mittlerweile eine veraltete Wissenschaft, aber zu jeher Zeit beschäftigte sie sich mit Androiden und ähnlichem. Ich war auch so etwas wie ein Künstler. Meine Hologramme wurden in der ganzen Welt ausgestellt. Ich schuf das Gebilde, das vor Ihnen steht. Sein Zweck war es, die Leute zum Planeten zu führen, ihnen das notwendige Selbstvertrauen zu geben. Sie sollten das Gebilde als reale Person akzeptieren. Diesen Zweck erfüllte es auf wunderbare Weise.« »Faszinierend«, sagte Spock. McCoy und Kirk dagegen sahen ihn wütend an. »Erst nachdem wir diesen Planeten erreicht hatten, sah ich ein, daß die eigentliche Arbeit noch vor uns lag. Es wäre nicht logisch gewesen, einfach zu verschwinden oder mich gerade zum Zeitpunkt, an dem ich am dringendsten gebraucht wurde, abzuschalten. Die ersten beiden Winter waren hart. Wir räumten das Schiff aus und bauten das Tunnelnetz. Erst später bauten wir nach und nach auf der Oberfläche. Wir waren eine
Gesellschaft, die eng zusammenhielt, und ich als Captain hatte den Oberbefehl.« »Das muß schon lange her sein«, sagte McCoy. Perry nickte. »Fast dreihundert Jahre. Es kam mir aber nicht so lange vor. Als die ursprünglichen Siedler nach und nach ausstarben, war ich überrascht. Ich hatte nicht bemerkt, daß soviel Zeit vergangen war. Aber es gab viele Kinder, und sie sahen in mir ihren natürlichen Anführer, genau wie ihre Eltern. Es gab genügend Gründe, weiterzumachen, mehr denn je.« »Oh?« sagte Spock. »Warum?« »Es war mir klargeworden, daß die Voraussetzungen für die Schaffung einer perfekten Gesellschaft ideal waren. Wir waren isoliert, hatten aber den Planeten im Griff. Wir waren im Besitz einer leidlichen Technologie und guter Ausrüstung. Schließlich hatten wir eine wesentlich härtere Welt erwartet. Deshalb leitete ich die Gesellschaft über die Jahre hinweg zu inneren Werten – sprich Ruhe und Frieden. Aufgrund unseres geschlossenen Systems hatten wir keine Feinde, und der Friede war schnell erreicht.« »Haben Sie dabei nicht ein wenig nachgeholfen?« sagte Kirk. »Am Anfang war es nicht einfach. Es gab Unzufriedene, Einsame, Leute, die unsere offenkundige Bestimmung nicht sehen konnten. Man wurde mit ihnen fertig, aber es schmerzte mich, Gewalt einsetzen zu müssen, um uns von der Gewalt zu befreien. Es mußte eine bessere Lösung geben. Ich hatte genügend Zeit, nach einer zu suchen. Nach mehreren Generationen der Forschung perfektionierte ich sie.« »Sie meinen den Virus«, sagte McCoy. »Ich nenne ihn den Friedensvirus. Er ist hochwirksam. Er wird durch die Luft übertragen und wirkt fast sofort. Wird der Körper einer Person davon befallen, so dringt er sofort in das Nervensystem ein. Er ist ein perfekter Schauspieler – sobald er eingedrungen ist, deutet nichts mehr auf seine Anwesenheit
hin. Außer seiner Wirkung natürlich. Beim Zusammentreffen bestimmter chemischer Prozesse – genauer gesagt, der Prozesse, die einem Wutanfall oder einer Gewalttat vorausgehen – tritt der Virus in Aktion und legt den Körper still. Nach kurzer Zeit paßt sich die Person an den Virus an und vermeidet Handlungen, die ihn auslösen könnten. Sie wird tatsächlich gewaltlos. Und zwar völlig.« »Sie wird vielmehr zu einer Null und ist kein Mensch mehr«, sagte Kirk. »Das sehe ich nicht so. Wenn überhaupt, dann erhebt sie sich über das Menschliche. Sie ist nicht mehr an die Gewalttaten gefesselt, die die Menschheit für so lange Zeit zurückhielten. Natürlich gab es trotz all dieser Umstände noch viel zu tun. Sie müssen sich darüber klarwerden, daß ich viel Zeit hatte, daran zu arbeiten, und daß der Planet sich völlig in meiner Hand befindet. Ich überwache alles. Es ist zu ihrem Besten. Ich beaufsichtige die Erziehung der Kinder. Sie lernen nur eine Art zu leben – die richtige.« »Und die versuchen Sie zu exportieren«, sagte McCoy. »Wir stehen vor einer ruhmreichen Ära. Der Friede wird im gesamten Universum regieren. Die Völker werden sich nicht länger bekriegen und das Schwert gegen ihre Brüder und Schwestern erheben. Es wird eine Zeit des Friedens anbrechen, ein Zeitalter großer Fortschritte.« »Es wird ein Zeitalter sein, in dem das Chaos regiert«, sagte Kirk. »Das möchte ich doch sehr bezweifeln. O ja, es wird Widerstände geben, von Leuten, die den Segen des neuen Zeitalters nicht wahrhaben wollen. Zu lange wurde die Gewalt als notwendiger Teil unseres Lebens akzeptiert. Es wird eine Weile dauern, bis auch sie merken, daß es nicht wahr ist, bis auch sie sich bekehren.«
»Sie nehmen den Leuten die Fähigkeit, sich selbst verteidigen zu können«, sagte Kirk verbittert. »Gerade in diesem Augenblick ist mein Schiff hilflos gegenüber einem Aggressor. Sagen Sie mir, wie das zu Frieden führen soll.« »Das ist ganz einfach ein vorübergehender Zustand. Ich habe nie behauptet, daß es ohne Opfer gehen würde. Ihr Schiff gehört eben zu den ersten. Ein unbedeutender Faktor bei diesen Größenordnungen. Und ein geringer Preis für den universalen Frieden.« »Universal doch wohl kaum«, sagte Spock. »Was meinen Sie?« »Selbst hier auf Ihrem eigenen Planeten gibt es Leute, die von dem Virus nicht befallen sind.« »Das – das ist nur ein vorübergehender Rückschlag. Es sind nur wenige, und die sind zum Großteil unfruchtbar. Sie sterben aus. Und spielen keine Rolle.« »Falsch«, sagte Spock. »Wenn es Leute gibt, die gegen den Virus immun sind, dann muß man logischerweise, bedenkt man die Größe des Universums, davon ausgehen, daß weitere auftauchen werden. Vielleicht wird es ganze Rassen geben, die gegen den Virus immun sind. Allein die bloße Anzahl von Planeten und Rassen läßt dieses Ereignis höchstwahrscheinlich erscheinen. Um von einem Erfolg zu sprechen, müßte der Virus, selbst von Ihrem Standpunkt aus gesehen, hundertprozentig wirken. Sie geben selbst zu, daß dies nicht der Fall ist. Deshalb muß Ihr Experiment als gescheitert betrachtet werden.« »Nein!« schrie Perry, sichtlich erschüttert. »Diesen Gedankengang kann ich nicht akzeptieren. Die immunen Personen sind ein temporäres Phänomen, vergänglich. Sie werden sich nicht behaupten. Und schon bald werden sie alle tot sein.«
»Das schließt jedoch nicht die Wahrscheinlichkeit aus, daß es wieder passiert«, sagte Spock. »Es wird nicht wieder passieren«, sagte Perry. »Das kann es gar nicht. Es war reiner Zufall.« »Nein, sondern unvermeidlich«, sagte Spock. »Die Wahrscheinlichkeit, daß es nicht passiert, war unendlich klein.« »Das ist nicht wahr.« »Es ist wahr«, sagte Spock. »Und obendrein sind Sie für einen Computer äußerst unlogisch.« »Und Sie sind für einen Vulkanier – « Perry verstummte jäh. Er neigte den Kopf und lauschte. Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er drehte sich abrupt um und eilte einen der Korridore hinunter. »Was war – « Spock wies McCoy an, zu schweigen. »Es kommt jemand. Den Stimmen nach zu schließen zwei Männer.« »Ich höre nichts«, sagte McCoy. »Aber ich«, sagte Spock. »Ich denke, es wäre klug, von hier zu verschwinden.« Sie liefen vor den Stimmen weg und hinein in einen abzweigenden Korridor, wobei sie versuchten, so wenig Lärm wie möglich zu machen. Aber sie hatten die falsche Wahl getroffen. Der Korridor, in den sie blindlings gelaufen waren, war eine Sackgasse. Selbst McCoy konnte jetzt die Stimmen hören. Sie kamen näher. »Meine Herren«, flüsterte Spock, »ich denke, wir lernen bald die immunen Personen kennen.«
9
Die Brücke der Enterprise war in das düstere Rotlicht der Notaggregate getaucht. Um die Abwehrschilde aufrechterhalten zu können, war alles andere abgeschaltet worden. Fast alle Systeme an Bord waren auf die niedrigste Energiestufe gestellt, um zu bewahren, was noch übriggeblieben war. Vielleicht gewannen sie auf diese Weise noch einige Minuten Zeit. Scotty schüttelte den Kopf und drückte das Intercom. »Brücke an Maschinenraum.« »Hier Nason, Sir.« »Wieviel Zeit bleibt uns noch?« Wie oft er diese Frage wohl gestellt hatte? Mittlerweile stellte er sie jedoch immer seltener. »Ich gebe uns noch dreißig Minuten, Sir.« »Ist das alles? Sind Sie sicher?« »Nein, ich bin nicht sicher. Es könnten auch nur zwanzig Minuten sein. Der Leistungsabfall wird immer ausgeprägter.« »Machen Sie weiter. Brücke Ende.« Chekov war aschfahl. »Machen Sie weiter? Wie können Sie das in so einem Augenblick sagen?« »Und was sollte ich Ihrer Meinung nach sagen, Mr. Chekov? Können Sie etwa ein Kaninchen aus Ihrem russischen Hut zaubern? Natürlich machen wir weiter. Das war schon immer so, und so wird es auch bleiben.« »Ich finde es nicht gut.« »Niemand von uns findet es gut, Mr. Chekov, aber wir können nicht sehr viel dagegen tun. Es hilft uns auch nicht weiter, wenn wir aufgeben.« »Ich habe nicht aufgegeben. Aber wir müßten doch etwas tun können.«
»Wenn Ihnen etwas einfällt, lassen Sie es mich wissen.« Scotty bedauerte es, so hart mit dem Jungen umzuspringen, aber sie standen alle am Rande der Verzweiflung. Dazu hatte auch der Kontaktverlust mit Kirk und seiner Begleitung auf Perry das Seine beigetragen. Das Gefühl der Hilflosigkeit und Isolation hatte sich dadurch nur noch verstärkt. Scotty nahm an, daß der Kommunikationsverlust bedeutete, daß sie wie geplant in das unterirdische Tunnelnetz eingedrungen waren. Vielleicht fanden sie dort etwas, das zu ihrer Rettung beitrug, obwohl nicht mehr viel Zeit war. Selbst Spock hatte, bevor sie den Kontakt zueinander verloren, keine Vorschläge mehr gemacht. Das war für Scotty eine herbe Enttäuschung. Er hatte sich darauf verlassen, daß dem scharfen Verstand des Vulkaniers doch noch etwas einfallen würde. Sie im Stich zu lassen wollte so gar nicht recht zu Spock passen. Es ließ die Situation nur noch hoffnungsloser erscheinen. »Entschuldigen Sie, Sir«, sagte Sulu. »Wir geraten langsam aus unserer Umlaufbahn. Soll ich sie korrigieren?« »Wie ernst ist es?« »Nicht besonders. Für eine weitere Stunde dürfte es keinen großen Unterschied machen.« Und später spielt es keine Rolle mehr, dachte Scotty. »Ignorieren Sie es bis auf weiteres«, sagte er. »Wir brauchen die Energie für die Schutzschilde.« »Jawohl, Sir.« Wir brauchen mehr als das, dachte Scotty. Wir brauchen einen Plan, irgendeinen Plan. Ein Wunder. Schon ein kleines würde genügen. Die Stunde war fast vorbei. Korol blieb bis zur letzten Minute in seinem Quartier. Er hatte Kirk praktisch in der Hand. Das Oberkommando würde über den Verlust der Enterprise und ihres Captains, die allen Klingonen lange Zeit ein Dorn im
Auge waren, hocherfreut sein. Und es würde wiederum jegliche Verantwortung für Korols Taten abstreiten. Ein Bluteid war eine Privatsache und unterlag nicht der Kontrolle durch den Staat. Vielleicht aber auch nicht. Schließlich wurden Verträge gemacht, um sie zu brechen, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war. Und das schien jetzt der Fall zu sein. Der Schlüssel zu der ganzen Angelegenheit war das Sensorenausweichgerät. Dabei handelte es sich um eine einfache Maschine, die auf einer bisher unentdeckten Schwäche des Sensorensystems der Föderation aufgebaut war. Bekäme die Föderation eines dieser Geräte in die Hände, wäre es einfach für sie, seine Funktionsweise herauszubekommen und den ursprünglichen Mangel zu beheben. Deshalb eilte die Sache langsam. Wenn das Gerät eingesetzt werden sollte, dann müßte dies bald und auf breiter Basis geschehen. Der Vertrag würde gebrochen und die Föderationsflotte völlig zerstört werden. Bisher hatte die Maschine einwandfrei funktioniert. Die Eroberung der gesamten Föderation schien greifbar nahe. Es fehlten nur noch wenige Minuten. Korol vermutete immer noch eine Falle, aber nachdem sein Schlachtplan feststand, hatte ihn das Gefühl der Unentschlossenheit verlassen. Falls die Enterprise nicht wirklich so hilflos war, wie sie aussah, hätte sie in der Zwischenzeit bestimmt etwas unternommen. Und falls sie sich nicht auf einen Kampf einließ, würde sie zerstört werden. So einfach war das. Es war gut, seinen Bruder zu rächen. In seinem Bauch würde sich der Knoten des Hasses etwas lockern. Er sah zu, wie das Digital seiner Wanduhr eine weitere verflossene Minute anzeigte. Er würde pünktlich sein. Und tödlich.
Kirk öffnete die Augen und versuchte, klar zu sehen. Als erstes erblickte er Spock. »Wie lange war ich weggetreten?« fragte er. »Nicht lange, Captain. Sie versuchten, Widerstand zu leisten, als uns die Immunen fanden. Das löste das Virus aus. Dann wurden Sie und Dr. McCoy ohnmächtig. Ich fand unter den gegebenen Umständen jeglichen Widerstand unlogisch. Sie sprangen nicht gerade freundlich mit Ihnen um, aber ich konnte nichts dagegen tun.« »McCoy. Ist er – « »Er scheint sich vollkommen erholt zu haben. Im Augenblick kümmert er sich um Leutnant Uhura und Dr. Davis. Ihnen erging es wesentlich schlechter als uns.« »Wo sind sie?« fragte Kirk, während er sich hochsetzte und um herblickte. McCoy befand sich auf der anderen Seite des Raums und hatte sich über die am Rücken liegenden Gestalten von Uhura und Kelly Davis gebeugt. »Pille«, rief er. »Sie sind okay, Jim«, sagte McCoy. Spock half Kirk auf die Beine. Sie durchquerten den Raum. Er war dunkel, schmutzig, mit einer Tür aus schweren Eisenstäben. Davor saß ein Wächter. Sie gesellten sich zu McCoy. Uhura sah schrecklich aus, und Kelly auch nicht viel besser. Kirk fühlte, wie Wut in ihm hochstieg. Er konnte sie nur mit Mühe unterdrücken. »Was ist geschehen?« fragte er. »Sie wurden entführt«, sagte McCoy. »Aber vielleicht nicht aus denselben Gründen wie wir.« Seine Stimme klang verbittert. »Vielleicht sollte ich es erklären«, sagte Spock. »Also, was ist los?« sagte Kirk. »Während Sie bewußtlos waren, habe ich mich mit dem Wächter unterhalten. Er ist wie alle anderen Immunen ziemlich
unintelligent, aber es gelang mir, einige Informationen zu erhalten.« Kelly setzte sich hoch und rieb sich im Gesicht. Ihre Backe war angeschwollen. »Auch ich habe mit ihnen geredet. Zumindest dann, wenn sie mich nicht geschlagen haben.« »Gut«, sagte Spock. »Mit unseren gemeinsamen Eindrücken können wir uns vielleicht ein klares Bild von diesen Leuten schaffen.« »Warum sind alle im Bilde, nur ich nicht?« fragte Kirk. »Weil Sie bewußtlos waren, Captain«, sagte Spock, als wäre es das Natürlichste auf der ganzen Welt. »Dann macht es Ihnen bestimmt nichts aus, mich ins Bild zu setzen, Mr. Spock?« sagte Kirk mit mehr als nur einer Spur von Sarkasmus. »Natürlich nicht. Die Immunen liegen nicht nur deshalb geistig unter dem Durchschnitt, weil sie sich außerhalb des Hauptstroms der Gesellschaft von Perry befinden und dadurch nicht in den fragwürdigen Genuß von Captain Perrys ferngelenktem Erziehungsprogramm kommen. Viel wichtiger ist die Tatsache, daß sie nie etwas lernen mußten. Wenn sie etwas brauchen, nehmen sie es sich. Wenn sich ihnen jemand in den Weg stellt, schlagen sie ihn nieder. So einfach ist das.« »Sie treffen niemals auf Widerstand«, sagte Kelly. »Das Virus und die daraus resultierende Konditionierung der Leute machen einen Widerstand so gut wie unmöglich. Die meisten Leute sind nicht einmal fähig, die Immunen wahrzunehmen.« »Sie blocken sie einfach ab«, sagte Spock. »Der Ladenbesitzer sagte die Wahrheit, als er behauptete, den Mann nicht gesehen zu haben. Die Immunen sind wie die Gewalt für die meisten, sogenannten normalen Leute auf diesem Planeten blinde Flecken.« »Es ist ein genetisches Merkmal«, sagte McCoy. »Etwas in ihrem Stoffwechsel macht sie gegenüber dem Virus immun.
Hätten wir genügend Zeit und die nötige Ausrüstung, könnten wir die Substanz wahrscheinlich isolieren und einen Faktor gegen das Virus erzeugen, um damit seine Wirkung zu neutralisieren.« »An Zeit mangelt es uns im Moment aber«, sagte Kirk. »Da ist noch etwas, Jim. Perry hatte mit seiner Behauptung, die Immunen wären größtenteils unfruchtbar, recht. Sie – sie paaren sich, wann immer es geht, mit den Normalen.« Es dauerte eine Weile, bis Kirk das verdaut hatte. Er warf einen Blick auf Uhura und Kelly Davis, die beide arg zugerichtet waren. »Haben sie – « »Ruhig, Jim. Nichts dergleichen – aber wie du schon sagtest, uns läuft die Zeit davon. In verschiedener Hinsicht.« Kirk drehte sich um. »Spock. Wie steht’s mit dem Computer?« »Da gibt es zweierlei. Das eine ist eine Tatsache, das andere eine Vermutung. Zunächst einmal glaube ich, den Standort des Zentralcomputers bestimmt zu haben. Als man uns zu dieser Zelle brachte, nutzte ich die Zeit, um einige detaillierte Tricorderablesungen vorzunehmen. Nicht weit von hier befindet sich eine Zone mit reger Computertätigkeit. Sehr wahrscheinlich handelt es sich dabei um die Quelle, die wir suchen.« »Ich nehme an, das war die Tatsache, Mr. Spock.« »Natürlich, Captain.« »Und die Vermutung?« »Ich bin nicht davon überzeugt, daß Wayne Perry ein hundertprozentiges Computerkonstrukt ist.« »Wie?« fragte Kirk. »Was meinen Sie damit?« »Ich dachte, Sie sagten, Wayne Perry wäre nicht lebendig«, sagte McCoy. »Entscheiden Sie sich.« »Die Fakten haben sich nicht geändert, Doktor. Das Objekt, das Sie wahrnehmen, ist eine Konstruktion. Sie setzt sich aus
Metall, Drähten und Kristallen zusammen, und ihre Form erhält sie durch eine hochentwickelte holographische Projektion. Sie ist nicht lebendiger als diese Wände.« »Also?« fragte Kirk. »Daß etwas nicht stimmt, fiel mir zum ersten Mal auf, als Wayne Perry diese unlogischen Gedanken über die Immunen und das sogenannte Friedensvirus äußerte. Nicht nur, daß er das Thema von einem irrationalen Standpunkt betrachtete, auch seine Argumentation war widersprüchlich. Ein derartiges Verhalten ist bei einem Computer nicht möglich, nicht einmal, wenn er falsch programmiert wäre. Da wir davon ausgehen können, daß der ursprüngliche Wayne Perry ziemlich intelligent war, war seine anfängliche Programmierung wahrscheinlich ausreichend. Daher wurde die ursprüngliche Programmierung auf irgendeine Weise modifiziert. Die wahrscheinlichste Modifikationsquelle wäre ein Interface mit einem lebenden System.« »Sie meinen, jemand verändert im Lauf der Jahre das Programm?« fragte Kirk. »Vielleicht«, sagte Spock. »Und da wäre noch die Tatsache, daß das Konstrukt flüchtete, als sich die Immunen näherten, obwohl es einen Phaser trug und wahrscheinlich auch damit umgehen kann. Ganz offensichtlich hatte es Angst, obwohl es dazu keinen Grund hatte. Das ist unlogisch. Sein Verhalten ist eher typisch für einen Menschen als für einen Computer.« »Das soll wohl ein Scherz sein, Spock?« sagte McCoy. »Ich habe einfach eine Tatsache festgestellt, Doktor. Ich würde Wayne Perry gerne wiederbegegnen, um mich näher damit befassen zu können.« »Aber wir kommen nirgendwohin, wenn wir nicht – « Kirk wurde unterbrochen, denn die Zellentür ging auf. Mit der leichten, selbstbewußten Gangart eines Menschen, der noch nie auf ernsten Widerstand gestoßen war, betrat der Wächter
die Zelle. Er warf einen flüchtigen Blick auf seine Gefangenen und konzentrierte sich schließlich auf Uhura. »Ich nehmen«, sagte er. Uhura schrak zurück. Kelly Davis wollte ihr zu Hilfe kommen, obwohl es sinnlos war. Er konnte tun, was er wollte und sich nehmen, was immer er sich wünschte. McCoy streckte die Hände nach Spocks Schultern aus und nahm seinen Tricorder. Dann ging er auf den Immunen zu. »Sie sind ein kranker Mann«, sagte er, während er mit dem Tricorder vor ihm herumfuchtelte. »Ich krank?« Der Tricorder gab ein ohrenbetäubendes Heulen von sich. Der Immune trat vorsichtig einen Schritt zurück: Spock merkte, daß McCoy den Tricorder so eingestellt hatte, daß er den Herzschlag des Mannes aufzeichnete. Dann hatte er auf Audio geschaltet und die Lautstärke voll aufgedreht. Das daraus entstehende, kreischende Rückkopplungsgeräusch war äußerst beeindruckend. »Ich bin Arzt, und dies sagt mir, daß Sie ein kranker Mann sind – sehr krank.« Er deutete auf den linken Arm des Mannes. Dieser wurde zur Hälfte von einer häßlichen Wunde bedeckt, die sich offensichtlich entzündet hatte. »Ich kann das wieder in Ordnung bringen.« »In Ordnung bringen?« McCoy ging einen Schritt auf ihn zu. »Ich wette, das tut weh.« Der Mann faßte sich an den Arm. »Ja, es tut weh.« »Ich kann machen, daß es aufhört, weh zu tun.« Der Mann sah ihn mißtrauisch an. »Du nicht Grüner.« »Ich trage wie Sie keinen Schal«, sagte McCoy. »Aber ich heile wie die Grünen.« Der Mann streckte seinen Arm nach McCoy aus. Er hatte nichts zu befürchten. »Du bringst in Ordnung.«
McCoy zog ein Hypospray aus der Arzttasche, die an seinem Gürtel hing, und hielt es über den Arm des Mannes. Es zischte, und der Mann sackte zu Boden. McCoy fing ihn auf und legte ihn langsam hin, damit er sich nicht verletzte. »Weg hier«, sagte Kirk, während er Uhura auf die Beine half. McCoy runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Wartet«, sagte er und entnahm seiner Tasche ein Spray. Langsam und sehr vorsichtig bedeckte er die Wunde mit einem Antibiotikum. »Das mußte ich tun, Jim«, sagte er, während er die Gegenstände in die Tasche zurücksteckte. »Zu heilen liegt in meiner Natur. Er litt sehr. Wäre er wach gewesen, hätte ihn die Behandlung vielleicht etwas gepiekst. Und da ich dank des Virus nicht in der Lage bin, jemandem weh zu tun…« »Mußtest du ihn ein wenig schlafen legen«, sagte Kirk. »Eine Stunde lang, um genau zu sein«, lächelte McCoy. »Es gelang mir auch, eine kleine Gewebeprobe zu nehmen. Wenn wir auf der Enterprise zurück sind, sollten wir problemlos den Immunikationsfaktor generieren können.« »Sehr interessant, Doktor«, sagte Spock. »Aber was ist, wenn es keine Enterprise mehr gibt?« Auf diese Frage gab es keine Antwort. Spock hatte bereits mit einkalkuliert, daß die Energie des Schiffs jede Minute zur Neige gehen müßte. Diese Information behielt er jedoch für sich. »Also gehen wir los«, sagte Kirk. Der Digitalanzeiger an Korols Wand gab bekannt, daß eine weitere Minute verstrichen war. Diesmal war es die letzte. Mit einem zufriedenen Lächeln drückte er die Intercomtaste. »Hier Korol. Phaser auf volle Energie. Ich bin auf dem Weg zur Brücke.« »Jawohl, Lord.«
Korol brach die Verbindung ab und erhob sich von seinem Stuhl. Das wäre also das Ende der Enterprise, dachte er. Und als nächstes wollte er sich um ihren Captain kümmern. Er grinste, als er den Raum verließ. Es war ein böses, verschlagenes Grinsen.
10
Scotty hatte sich nie träumen lassen, daß das Ende auf diese Art und Weise kommen würde. Er hatte immer gedacht, daß sie kämpfend den Tod finden würden. Aber so nicht; nicht ohne Kirk am Steuer und nicht, ohne einen einzigen Schuß aus den Phaserkanonen abgegeben zu haben. Herumsitzen, abwarten, hilflos zusehen, wie die Minuten nach und nach verstreichen. Und jede Minute war für immer verloren. »Sir, es muß etwas geben…«, sagte Sulu, aber als er merkte, daß er diesen Satz schon mehrere Male gesagt hatte, verstummte er. Er sprach nur noch, um sich selbst reden zu hören. »Tut mir leid«, sagte er. »Schon gut, Mr. Sulu«, sagte Scotty. »Ich weiß, was Sie meinen. Wir versuchen einfach, den Captain doch noch zu erreichen. Und können dabei nur hoffen, daß sich die Lage ändert. Das wäre so ziemlich alles.« »Das halte ich nicht aus!« schrie Chekov, während er von seinem Sessel am Kommandopult aufsprang. »Wir können doch nicht einfach nur hier herumsitzen.« »Ruhig, Mann«, sagte Scotty. »Wenn es etwas gäbe, was wir tun könnten, dann würden wir es tun.« »Könnten wir – könnten wir nicht – « Seine Stimme wurde leiser. »Möchten Sie abgelöst werden, Mr. Chekov?« fragte Scott mit ruhiger Stimme. Einen Moment lang stand Chekov mit angespannten Muskeln da. Er dachte an sein Erbe, an die Tausende, die vor ihm mit ihren Schiffen untergegangen waren. Dann setzte er sich wieder hin.
»Nein, Sir«, sagte er mit leiser Stimme. »Ich stehe das durch.« »Braver Junge«, sagte Scotty. Mit einem Seufzer rief er nochmals den Maschinenraum. »Hier Nason, Sir. Vielleicht noch vier oder fünf Minuten. Am unteren Ende werden die Ablesungen ziemlich verschwommen. Wir müssen die Abwehrschilde senken.« »Unmöglich«, sagte Scotty. »Wenn wir die Schilde nicht senken, sind wir so gut wie tot. Die Kristalle gehen am unteren Ende aus und sind nicht mehr zurückzuholen. Senken wir dagegen die Schilde, können wir sie wieder langsam aufbauen.« »Das weiß ich auch, Mr. Nason, aber das hilft uns nicht weiter. Wenn wir die Schirme senken, sind wir ebenfalls tot. Dafür werden die Klingonen schon sorgen.« »In vier Minuten erreichen wir den kritischen Punkt. Dann können wir ja gleich jetzt die Hoffnung aufgeben.« »Mr. Nason – wir werden die Hoffnung niemals aufgeben. Niemals. Wir…« »Mr. Scott?« In einem Winkel von Scottys Gehirn dämmerte etwas. Ein flüchtiger Gedanke. Wenn nur Mr. Spock hier wäre! »Mr. Spock?« Entweder es klappte oder es klappte nicht. Aber lieber einen Versuch wagen und scheitern als herumsitzen und Däumchen zu drehen. Es war ein kühner Versuch, und die Chancen standen sehr schlecht, und dennoch… »Mr. Scott, sind Sie noch da?« An diesem Punkt war alles einen Versuch wert. »Ja, mein Junge. Wir treffen uns im Transporterraum, aber im Eiltempo.« »Im Transporterraum?«
»Tempo!« Scotty sprang aus seinem Sessel. »Wünscht mir Glück, Männer«, sagte er, während er zur Tür stürmte. »Glück?« sagte Sulu. »Was – « »Keine Zeit für Erklärungen«, sagte Scotty und verließ eilends die Brücke. Sulu und Chekov tauschten einen Blick aus. Was konnte das alles nur bedeuten? War Scotty von allen guten Geistern verlassen? Aber es gab nur eines zu tun, und das hieß weitermachen. Bis zum bitteren Ende. Sie schickten einen weiteren Ruf zur Oberfläche des Planeten. Und wie üblich erhielten sie keine Antwort. Spock bog um die Ecke und preßte sich gegen die Wand. Als er sah, daß der Korridor verlassen war, gab er Kirk ein Zeichen, ihm zu folgen. Bei dämmrigem Licht drangen die beiden immer weiter in den Irrgarten der Tunnelgänge vor. Als sie die Zelle verlassen hatten, beschlossen sie, daß es das beste wäre, sich in zwei Gruppen aufzuteilen. McCoy, Uhura und Kelly Davis mußten mit etwas Glück in der Lage sein, die Oberfläche zu erreichen. Vor dort aus hofften sie, das Schiff kontaktieren zu können, an Bord gebeamt zu werden und sofort mit der Arbeit an einem Gegenmittel beginnen zu können. Letzteres hing natürlich von vielen Faktoren ab, die nicht vorauszusehen waren – wie zum Beispiel das sichere Erreichen der Oberfläche und das Überleben des Schiffs. Spock war der Meinung, daß für beides zu diesem Zeitpunkt nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit bestand. Von der Zelle bis zum Knotenpunkt der Computeraktivität, den Spock entdeckt hatte, war es nicht sehr weit, aber es führte kein direkter Weg dorthin. Die einzelnen Gänge zweigten mit bedrückender Häufigkeit ab. Zusätzlich wurde ihr Vordringen durch das sporadische Auftauchen des einen oder anderen Immunen erschwert, so daß sie oft den gleichen Weg
zurücklaufen und nach einer anderen Möglichkeit suchen mußten. »Wie weit ist es noch?« flüsterte Kirk. »Nicht weit«, antwortete Spock. »Nach den nächsten beiden Biegungen.« So leise wie möglich drangen sie gegen die Wände gepreßt bis zur nächsten Kreuzung vor. Die Gänge wurden durch in die Decke eingelassene Lichttafeln schwach beleuchtet. Spock war aufgefallen, daß die Tafeln organischen Ursprungs waren und das Licht von Kolonien phosphoreszierendem Planktons erzeugt wurde. Die Düsterkeit des Lichts bedeutete, daß die Kolonien ausstarben. Er nahm daher an, daß sie bereits zu Beginn der Bauarbeiten an den Gängen installiert worden waren, kurz nach Ankunft der Siedler. Ihr Aussterben ließ auf einen Mangel an Pflege und starke Vernachlässigung der Instandhaltung der Gänge schließen. Irgendwie paßte das zu dem Eindruck, den die Computerkonstruktion Wayne Perry hinterließ: der allmählichen Loslösung von einem einst so edlen Ideal. Schutt bedeckte an einigen Stellen den Boden der Gänge. Ein weiteres Anzeichen des Verfalls. Sie erreichten die Ecke, warteten ruhig und bogen erst herum, als sie sicher sein konnten, daß der Weg frei war. »Es müßte am Ende dieses Korridors sein, Captain«, flüsterte Spock. »Ich sehe nichts.« »Es dürfte auf der linken Seite sein.« Als sie das Ende des Korridors erreichten, entdeckten sie zu ihrer Linken eine kleine Nische mit einer Tür, die nicht näher gekennzeichnet und völlig unauffällig war. Sie war verschlossen. »Sind Sie sicher, daß es hier ist?« fragte Kirk. »Sieht nicht unbedingt danach aus.«
»Um etwas Wertvolles zu verstecken, Captain, ist es oft zweckmäßig, nicht die Aufmerksamkeit darauf zu lenken.« Kirk versuchte, die Tür zu öffnen. Sie bewegte sich nicht. Das Schloß sah kompliziert aus. »Schon wieder einer Sackgasse«, sagte er niedergeschlagen. »Vielleicht nicht«, sagte Spock, dei“ sich über das Schloß beugte, um es zu untersuchen. »Alles, was ich bisher hier unten gesehen habe, weist einen bemerkenswerten Mangel an technischem Fortschritt auf. Da sie diesen Teil des Planeten zuerst bewohnten, kann man ohne weiteres davon ausgehen, daß es der unkompliziertere ist. Schließlich hatten sie niemals vor, dieses Areal zu einem permanenten Teil ihrer Stadt zu machen. Es war nur ein vorübergehender Aufenthaltsort. Und bisher gab es, wenn überhaupt, nur ganz wenige Anzeichen einer Instandhaltung oder Wartung oder ähnlichem.« Er fingerte an dem Schloß herum, fand schließlich in den Trümmern ein kleines Stück Draht und probierte es damit. »Wie fühlte man sich als Einbrecher?« fragte Kirk. »Ich scheine ein Talent dafür zu besitzen«, sagte Spock, während er aufstand und die Tür mit einem Finger aufstieß. »Sie überraschen mich ständig von neuem«, sagte Kirk. »Das will ich auch hoffen. Treten wir ein?« Der Raum war groß und mit Meßgeräten, Zifferblättern und Blitzlichtern angefüllt. In einer Ecke stand eine riesige Konsole. Aber all dem schenkten sie keine Beachtung. Ihre gesamte Aufmerksamkeit wurde auf eine durchsichtige Kuppel in der Mitte des Raumes gelenkt. In der Kuppel befand sich eine Plattform. Auf dieser Plattform lag ein Mann. Sein weißes Haar war so lang, daß es fast bis auf den Boden fiel. Seine Fingernägel waren mindestens fünfzehn Zentimeter lang. Schläuche und Drähte führten von seinem Körper zu einer Kontrolltafel. »Was zum Teufel ist das?« fragte Kirk.
»Ich glaube, wir haben das Computerinterface zu einem lebenden System gefunden.« »Dieses, dieses… Ding ist am Leben?« »Gerade noch, Captain. Er scheint sich ein Stadium über dem des Scheintods zu befinden, einer Art Tief schlaf.« Sie gingen zu der Plattform hinüber. Der Raum erinnerte Kirk an ein Mausoleum, die Kuppel an eine Gruft und der Mann an einen Leichnam. »Schauen Sie genau hin, Captain.« Der Mann war alt, aber wie alt, war schwer zu sagen. Sein Gesicht wurde von einer Unmenge von Falten durchzogen, Jahreslinien, die sich tief in seine Gesichtszüge gegraben hatten, Gesichtszüge, die ihnen irgendwie bekannt vorkamen. Seine Augen waren trübe, blind und leblos. »Das ist Wayne Perry!« sagte Kirk. Spock nickte. »Der echte Wayne Perry.« Korol stand auf der Brücke des Klingonenschiffs, sein Priester links hinter ihm. Sie betrachteten den Schirm mit dem Bild der allem Anschein nach hilflosen Enterprise. »Lord, die Phaserbänke sind auf volle Kraft geschaltet.« Korol nickte. Er genoß den Augenblick sichtlich. Er hatte lange darauf warten müssen und wollte, daß alles richtig ablief. »Noch zwei Einzelschüsse«, sagte er. »Dann Feuerfrei mit allen zur Verfügung stehenden Waffen. Ich will, daß das Schiff völlig zerstört wird.« »Das dürfte in ungefähr sechzig Sekunden der Fall sein, Lord«, sagte der Offizier. »Werden Sie diesen Angriff abwehren können?« fragte der Priester. »Nein«, sagte Korol. »Dazu haben sie keine Möglichkeit mehr. Sie sind so gut wie tot.«
Scotty stellte gerade die Transporterschalter ein, als Nason hereinrannte. »Sind Sie verrückt geworden?« fragte Nason. »Wir können den Transporter nicht benutzen.« »Wir müssen aber. Keine Diskussion.« Scotty kam hinter der Konsole hervor und lief zur Plattform. »Dazu müssen wir die Schilde senken. Sie werden uns in Stücke schießen.« »Sie schießen uns sowieso ab. Entweder das oder es geht uns die Energie aus. Beides wäre für uns tödlich. Die Kontrollen sind eingestellt.« Er sprach lauter. »Mr. Sulu. Können Sie mich hören?« »Ich kann Sie hören, aber ich verstehe nicht«, sagte er über das offene Intercom. »Sie müssen auch nicht verstehen. Senken Sie einfach nach der nächsten Phaserexplosion die Schilde. Und zwar so lange, bis Nason die Transporterknöpfe betätigt hat. Dann ziehen Sie sie wieder hoch.« »Sir«, sagte Nason. »Wir haben nur noch wenige Minuten. Sind Sie sicher, daß – « »Es ist soweit«, sagte Sulu. »Schilde gesenkt.« »Energie«, sagte Scotty, aber Nason betätigte bereits die Schalt knöpfe. »Es ist soweit«, sagte Korol. »Geben wir ihnen eine volle Ladung. Feuer!« In diesem Augenblick materialisierte Scotty auf der Brücke des Klingonenschiffs. Der Artillerieoffizier war über die Phaserkontrollen gebeugt. »Lord!« schrie er. »Ich kann es nicht.« Mit einem Zucken fiel er von seinem Sessel. Korol stand wie angewurzelt da. Dann griff er Scotty an, brach aber bereits nach drei Schritten zusammen.
Auf der Brücke der Klingonen war die Hölle los. Es schien, als wollten sich alle gleichzeitig auf Scotty stürzen. Aber sie stolperten lediglich über sich selbst und fielen zu Boden. »Ich ergebe mich«, sagte Scotty, der mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht die Arme ausbreitete. Immer noch gab es Klingonen, die sich entweder auf ihn oder zu den Phaserkontrollen stürzen wollten und dabei zu Boden fielen. Offensichtlich war beides unerreichbar. Scotty zog schnell den Kommunikator heraus. »Scott an Enterprise«, sagte er. »Hier Sulu, Mr. Scott. Wo sind Sie? Was ist los?« »Senken Sie die Schilde, Mr. Sulu. Mr. Nason soll mit der Rettung der Dilithiumkristalle beginnen. Mit den Klingonen, glaube ich, haben wir keine Probleme mehr.« »Was soll das heißen, Mr. Scott?« »Ich befinde mich im Augenblick auf der Brücke des Klingonenschiffs. Hier scheint alles ganz ruhig zu sein. Um nicht zu sagen, friedlich.« Im Hintergrund konnte Scotty das Lachen der Besatzungsmitglieder auf der Brücke der Enterprise hören. Ein seltenes, aber willkommenes Geräusch.
11
Rus saß in seiner Arbeitszelle in einem der Hinterzimmer des Gebäudes, das die Ratskammern beherbergte. Ein Strom von Zahlen ergoß sich über den vor ihm stehenden Bildschirm. Hin und wieder verlangsamte er den Zahlenfluß, um sich Notizen auf einem Schreibblock zu machen. Leise Geräusche sagten ihm, daß Ami in der Zelle nebenan arbeitete. Die Seiten enthielten Aufzeichnungen aller möglichen Ratsangelegenheiten. Eigentlich sollte man annehmen, daß sie wichtig waren, aber für gewöhnlich war es langweiliges Zeug. Sie mußten eine riesige Menge von Fakten und Zahlen durcharbeiten und die wenigen, die dem Rat vorgelegt werden sollten, heraussuchen. Jeden Tag spuckte der Computer eine Unmenge triviales Zeug aus. Das meiste davon war nutzlos, aber ab und zu war auch etwas Sinnvolles dabei. Meistens hatte dies dann mit einem der momentanen Projekte eines Ratsmitgliedes zu tun. Ein Großteil des alltäglichen Materials – wie zum Beispiel der Kontostand eines einzelnen Bürgers etc. – wurde ausschließlich vom Zentralcomputer bewältigt – und nur die kuriosesten Dinge liefen durch seinen und Amis Terminal. Aber das war immer noch mehr als genug. Überhaupt spuckte er in letzter Zeit mehr wertloses Zeug als sonst aus. Im Moment analysierte er die Kaufgewohnheiten der Bürger im Alter zwischen siebzehn und dreiundzwanzig Jahren. Banaler Kram. Er döste ein wenig vor sich hin, wurde aber plötzlich von einer kleinen Glocke genervt. Fast hätte er es verpaßt. Eine kleine Datei, mit den Buchstaben SRT gekennzeichnet. Aus irgendeinem Grund mußten alle SRTs für Ratsmitglied Jon abgelegt werden. Gereizt drückte er die Rücklauftaste und ließ die Zahlen
zurücklaufen. Aber er drückte zu lange auf den Schalter und verpaßte die Datei. Über sich selbst verärgert, brach er seinen Schreibstift entzwei. Aber sofort brach er in kalten Schweiß aus. Er kannte das Gefühl, denn es stellte sich jedesmal ein, wenn er etwas tat, das mit Wut assoziiert war. Er wußte, daß ihn niemand gesehen hätte, aber das half nicht. Er mußte seine ungestümen Emotionen verstecken. Schon sein ganzes Leben lang. Sein Vater, der Vater, den Rus nie gekannt hatte, war ein Immuner gewesen. Er hatte die Eigenschaft von ihm geerbt. Seine Mutter, eine nette, ruhige Person, war in jeder Hinsicht eine normale, typische Bewohnerin von Perry. Was bedeutet, daß sie völlig gewaltlos war, und zwar ohne Vorbehalt. Sie wußte, daß, wenn die gewalttätigen Neigungen ihres Sohnes entdeckt werden würden, man ihn verbannen oder noch Schlimmeres mit ihm anstellen würde. Seine Erziehung lief daher in erster Linie darauf hinaus, seine natürlichen Impulse zu zügeln. Und das war von Anfang an schwierig gewesen. Zum Glück war Rus hochintelligent. Er hatte schon im Kindesalter gemerkt, daß er seine Emotionen streng kontrollieren mußte. Das war nicht einfach gewesen, aber größtenteils war es ihm gelungen. Als er noch ein Kind war, kam seine angestaute Wut in Form von Tränen an die Oberfläche. Jetzt, als Erwachsener, zeigte sie sich in Form von Frustration. Ungefähr einmal im Monat lief Rus in die Wälder, suchte sich einen verlassenen Ort auf und schrie sich die Lunge aus dem Leib, bis er heiser wurde. Aber das half meistens nicht sehr viel. Er wußte über die Gänge Bescheid, in denen die Immunen hausten. Er beobachtete sie sorgfältig, denn er suchte nach einem Gesicht, dem Gesicht seines unbekannten Vaters.
Er fühlte sich, als lebte er in einer Welt des Zwielichts, da er Dinge sah, die sowohl Immunen als auch den normalen Leuten verborgen blieben. Die meisten Normalen verabscheuten die Gewalt so stark, daß sie nicht einmal die Existenz der Immunen begriffen. Auf der anderen Seite behandelten die Immunen die Normalen so als wären sie Möbelstücke, als bloße Objekte, die man benutzte, wenn sich die Gelegenheit ergab. Rus fühlte sich von beiden Gruppen gleichermaßen angewidert und doch wieder angezogen. Es war die einzige Welt, die er kannte, und er sehnte sich verzweifelt danach, zu ihr zu passen, aber tief in seinem Inneren war ihm klar, daß er niemals dazu fähig sein würde. Er wurde das Gefühl nicht los, daß auch Wayne Perry, wie er selbst, in zwei Welten lebte. Dafür gab es keinen Beweis, aber er fühlte es ganz stark. Aus diesem Grund war er dem Rat beigetreten. Rus markierte das SRT für Ratsmitglied Jon. Der Bildschirm lief weiter. Er unterdrückte seine Wut wie schon so viele Male vorher. Er konnte es sich nicht leisten, Fehler zu machen. Spock beendete seine Tricorderablesungen. »Es gibt keinen Zweifel: dies ist der ursprüngliche Wayne Perry«, sagte er. »Aber wie? Und warum? Das ergibt doch keinen Sinn.« »Wenn man den Umweg über die -Wirkungsweise von Dexters Krankheit nimmt, schon.« »Was ist das denn?« »Ich hätte es schon früher merken sollen«, sagte Spock. »Die Computerkonstruktion sagte, daß Wayne Perry an Dexters Krankheit litt. Eines der Symptome dieser Krankheit ist mentale Degeneration, die sich meist in Anzeichen von Megalomanie äußert.« »Megalomanie?« »Größenwahn, ein krankhafter Hang zum Extravaganten. Das würde seine Blindheit gegenüber den offensichtlichen Mängeln
in seinem Gesamtplan für diesen Planeten und auch des Universums erklären.« »Warum aber der Körper?« »Dafür gibt es zwei Gründe. Ein Interface zu einem menschlichen Wesen gibt dem Computer eine größere Flexibilität. Es kann sich einer veränderten Situation anpassen und sich selbst ändern. Das hat natürlich auch den Nachteil, daß die subjektiven und irrationalen Denkprozesse des Menschen ebenfalls in den Computer mit eingeschleust werden. Das Resultat ist ein ziemlich schlampiger Computer.« »Der zweite Grund?« »Ich vermute, Wayne Perry strebte zu einem bestimmten Zeitpunkt Unsterblichkeit an. Ewiges Leben hätte ihm genügend Zeit zur Verwirklichung seines großen Plans gegeben. Das alles paßt in das Krankheitsbild von Megalomanie, obwohl ich bezweifle, daß – hätte er die Möglichkeit, sich frei auszudrücken, – er es sich noch wünschen würde.« »Und wieso?« »Dieser Körper leidet große Schmerzen. Diese Schmerzen erduldet er seit Hunderten von Jahren, ohne etwas dagegen tun zu können. Die Lebensstufe in diesem Körper ist so niedrig, daß ich bezweifle, daß er in den letzten zweihundert Jahren überhaupt etwas anderes als Schmerzen empfunden hat. Das muß sich zwangsläufig auf den Computer und seinen Konstrukt ausgewirkt haben.« »So viele Jahre des Schmerzens«, murmelte Kirk. »Das muß unerträglich sein.« »Am humansten wäre es, sein Leiden zu beenden, aber wir sind dazu natürlich nicht in der Lage.« »Können wir denn gar nichts tun?« »Für Wayne Perry, nein. Für uns, ja. Irgendwo in diesem Computer liegt die Lösung für das Virus. Wenn wir uns
Zugang zu dieser Information verschaffen könnten, müßten wir in der Lage sein, unsere momentan unhaltbare Position zu verbessern.« »Wo setzen wir an?« fragte Kirk. Spock war bereits auf dem Weg zu etwas, das wie eine Zugangsschalttafel aussah. »Das könnte einige Zeit dauern«, sagte er, während er sich über die Tastatur beugte. Kirk ging auf und ab. »Was für ein verrückter Planet«, murmelte er. »Von Verrückten bewohnt und von einem verrückten Computer beherrscht.« »Es ist ein sterbender Planet«, sagte Spock, ohne vom Computer hochzusehen. »Wie das?« »Man braucht sich nur umzusehen, Captain. Überall sind Spuren des Verfalls zu sehen. Diese Kolonie hätte auf diesen Planeten wahrhaft gedeihen können, aber dank Wayne Perry steuert sie in eine Sackgasse. Die Immunen könnten diese Gesellschaft vernichten, wenn sie wollten. Und den Bürgern ginge es ohne der Führung ihres vermeintlichen Wohltäters wesentlich besser. Aber so geht es mit ihnen rapide bergab.« »Hoffentlich reißen sie uns nicht mit.« »Da haben Sie recht, Captain. Aber daran arbeite ich gerade.« »Und wie sieht’s aus?« »Wie so vieles auf diesem Planeten sieht auch der Computer äußerlich sehr kompliziert aus, ist aber in Wahrheit ganz einfach. Die einzige Kompliziertheit besteht in dem Interface zum Körper von Wayne Perry. Es bringt die Anzeigen durcheinander und wirft Barrieren auf. Ein starker Selbsterhaltungstrieb wurde in das System eingegeben. Ich nehme an, er fing mit Wayne Perry an und wurde vom Computer verstärkt und aufrechterhalten.« »Der Virus?« »Es sollte nicht mehr lange dauern. Ich bin schon nahe dran.«
»Ich glaube nicht.« Es war Wayne Perrys Stimme. Vielmehr, die Stimme des Wayne-Perry-Konstrukts. Die beiden Männer wirbelten herum. Die Konstruktion stand im Eingang. »Es tut mir leid, daß Sie so weit gekommen sind«, sagte sie. »Es wird mir Kummer bereiten, Sie zu töten.« In Betrieb. Dilithiumkristalle befinden sich momentan auf 0.02 % der normalen Leistung. Gegenwärtig wirksame Revitalisierungsprozesse erzeugen eine Anfangssteigerung der Effizienz von 0.05 % pro Stunde für die nächsten sechs Stunden. Ohne weitere ungewöhnliche Belastung wird der Anstieg danach expotential andauern, bis ein Höchststand von 0.625 % der Normalwerte erreicht ist. Die Kristalle sind einer zu großen Belastung ausgesetzt worden, als daß sie sich noch weiter erholen würden. Ihre Leistung reicht jedoch aus, um Such-Faktor vier zu erreichen und für eine unbestimmte Zeitspanne beizubehalten. »Was bedeutet das?« fragte Chekov. »Ich bin mir nicht sicher«, sagte Sulu. »Hat er unsere Frage beantwortet?« »Ich weiß nicht. Computer, wie lange wird es noch dauern, bis wir den Transporter wieder benutzen können?« In Betrieb. In Einundzwanzig Komma drei Minuten. Wenn das die Antwort auf Ihre vorherige Frage war, dann war diese nicht korrekt gestellt. »Vielen Dank.« Keine Ursache. »Ende«, sagte Sulu. Scotty hatte einen neuen Tanzschritt bemerkt. Er nannte ihn den Klingonischen Doppelschritt. Zwei Schritte und man fällt zu Boden. Er schien auf dem feindlichen Schiff eine große
Popularität zu genießen. Eigentlich war er den Klingonen angeboren. Denn sie waren so sehr an Gewalt gewöhnt, daß sie ohne sie kaum existieren konnten. Vor allem mit einem Menschen an Bord. »Ein bewegendes Schauspiel, nicht wahr?« sagte Scotty. Korol sah den Eindringling lediglich haßerfüllt an. »In meinem ganzen Leben habe ich noch keine friedlichere Gruppe von Klingonen gesehen. Da wird einem ja so richtig warm ums Herz.« »Was habt ihr uns angetan?« zischte ihn Korol an. »Nun, ich habe euch bessere Umgangsformen beigebracht, damit ihr euch in einer feineren Gesellschaft wie unserer besser zurechtfindet.« »Ich könnte Sie umbringen«, sagte Korol. »Nein, das könnten Sie nicht«, sagte Scotty grinsend. »Und das ist der springende Punkt.« »Es war also doch eine Falle.« »Sicher, es könnte vielleicht eine Falle gewesen sein, Commander, aber wir haben sie euch nicht gestellt. Leider kann ich mich nicht mit dieser Heldentat brüsten, sosehr ich auch möchte.« »Wer war es dann?« »Es geschah auf Veranlassung eines gewissen Mr. Wayne Perry und den Bewohnern seines ungemein gastfreundlichen Planeten.« »Diese Hunde«, spuckte Korol. »In dieser Hinsicht bin ich sogar Ihrer Meinung. Dennoch muß ich zugeben, daß es besser ausging als erwartet.« »Ich hätte euch sofort töten sollen.« »Richtig, Commander Korol. Da Sie das jedoch verpaßt haben, bleibt mir noch eines zu tun.« »Und das wäre?«
»Sie haben da einen Ausrüstungsgegenstand an Bord, der die Föderation ungemein interessiert. Ich spreche von dem Gerät, mit dem ihr unseren Sensoren ausgewichen seid.« »Das werden Sie nicht tun! Ich lasse es nicht zu!« Scottys Grinsen wurde noch breiter. »Wollen Sie mich etwa daran hindern?« »Ich – ich – « Er blinzelte zweimal und fing zu keuchen an. »Seien Sie verdammt«, sagte er. Scotty lachte nur. McCoy beobachtete, wie die schemenhafte Gestalt den Korridor entlangging, nach links abbog und verschwand. War das ein Lichtblick? Er nickte Kelly Davis zu, die Uhura stützte. Sie folgten dem Mann in gebührendem Abstand und hofften, er würde sie zu einem der Ausgänge führen. Zuerst hatten sie versucht, Spocks Beschreibung des Rückwegs zu folgen, aber das hatte sich als unmöglich erwiesen. Es gab zu viele Abbiegungen und Kurven, abzweigende Gänge und Immune, denen es auszuweichen galt. McCoy verlor die Orientierung und hatte sich völlig verlaufen. Die Gänge sahen alle gleich aus. Es hätte ihn keineswegs überrascht, wenn sie nach der nächsten Kurve wieder bei der Zelle angelangt wären. Aber nach der nächsten Biegung kam nicht die Zelle, sondern ein weiterer Gang, der sich nach McCoys Meinung in nichts von den anderen unterschied. Es blieb ihnen nichts anderes übrig als weiterzugehen. »Wartet«, flüsterte Uhura. »Schaut mal dort.« Er selbst hätte es einfach übersehen und wäre daran vorbeigegangen. In der niedrigen Decke war ein dünner Lichtstreifen zu sehen. Er war gerade noch sichtbar. Er stellte sich auf die Zehenspitzen und befühlte den Rand des Risses. Etwas bewegte sich. Der Riß verbreiterte sich.
»Es ist eine Bodenplatte«, sagte er, während er stärker dagegendrückte. Schon bald hatte er die Platte so weit gelockert und beiseite geschoben, daß sich eine Person hindurchzwängen konnte. Das Sonnenlicht strömte durch die Öffnung herein. Er stemmte zuerst Kelly Davis und dann Uhura hoch. Mit ihrer Hilfe zog er sich anschließend selbst durch das Loch hoch, an die frische Luft. Sie befanden sich in einem überwachsenen Hof hinter einem niedrigen Ziegelsteingebäude. Nach so langer Zeit in den dunklen Gängen wurden ihre Augen vom Sonnenlicht geblendet. McCoy zog den Kommunikator heraus. »McCoy an Enterprise.« Jetzt war der Augenblick gekommen. War sie immer noch da? Ein Augenblick verstrich. Er kam ihnen wie Stunden vor. War das Schiff zerstört worden? Hatte es abgedreht? »Dr. McCoy, sind Sie es?« Sulus Stimme dröhnte in ihren Ohren. Es war nicht gerade die vorgeschriebene Begrüßungsformel, aber niemand kümmerte sich darum. Auf allen Gesichtern machte sich ein Lächeln breit. Das Schiff war gerettet! »Können Sie uns drei hochbeamen, Mr. Sulu?« »Natürlich, Sir. Sofort.« »Und die Klingonen…?« »Mr. Scott plaudert gerade mit ihnen. Sie scheinen ziemlich zivilisiert geworden zu sein.« »Ich verstehe kein Wort«, sagte McCoy. Einige Minuten später verstand er sehr wohl, aber zu diesem Zeitpunkt befand er sich bereits an Bord der Enterprise.
Die Ziffern auf seinem Bildschirm blieben plötzlich stehen und verblaßten. Als sie wieder zum Vorschein kamen, ergaben sie keinerlei Sinn mehr. Rus drückte die Cleartaste und startete von neuem den Durchlauf. Wieder erhielt er ein zusammenhangloses Wirrwarr aus Ziffern und Buchstaben. Irgend etwas stimmte nicht. Er wußte, daß er in dieser Situation eigentlich einen Computerfachmann holen müßte, aber er war neugierig. Auch von dieser Eigenschaft war er noch nicht geheilt. Um die Wurzel des Übels ausfindig zu machen, ließ er ein Suchprogramm rückwärts durch das Computersystem laufen. Aber egal wie weit er vordrang, er fand nur wertlose Daten. Schließlich erreichte er den Kernspeicher. Immer noch Unsinn. Er schaltete den Schirm ab und lehnte sich gedankenverloren zurück. Etwas stimmte an der Basis nicht. Das deutete zwangsläufig auf Wayne Perry selbst hin. Vielleicht erhielt er jetzt die Chance, auf die er so lange gewartet hatte, die Chance, die beiden Gesichter dieses Mannes zu sehen. Er wußte, daß sich der Computerkomplex im Untergrund befand. Rus hatte das unterirdische System gründlich durchforscht und hatte eine ungefähre Vorstellung, wo er sein mußte. Leise schlich er sich aus dem Zimmer. Er merkte nicht, daß ihm Ami folgte. »Ihr Benehmen ist irrational«, sagte Spock. »Ich hätte Besseres von Ihnen erwartet.« »Ich bin auf diesem Planeten der einzige, der entscheidet, welches Benehmen rational ist«, sagte die Wayne-PerryKonstruktion. »Ich verkörpere hier die Autorität, mein Wort ist Gesetz.« »Ihre Autorität ist im Schwinden«, sagte Kirk. »Ihr Reich zerbröckelt, so wie dieser Körper verfault.«
»Nein«, sagte das Konstrukt. »Dieser Planet gedeiht. Überall ist Friede. Ich… der Körper… werde ewig leben.« »Die Immunen sind überall«, sagte Spock. »Sie können sie nicht einfach ignorieren.« »Sie sind bald nicht mehr da. Sie sterben aus.« »Andere werden ihren Platz einnehmen«, sagte Kirk. »Ich werde mit ihnen fertig. Das war schon immer so. Verglichen mit der Macht des Friedens sind sie schwach.« »Friede«, sagte Spock. »Welch gütliches Ziel. Solange es Leute gibt, die ihr Leben über das anderer stellen, wird es keinen Frieden ohne Stärke geben. Ich bezweifle nicht Ihre Motive, aber Ihre Vorgehensweise. Und ich bezweifle, daß dies Wayne Perrys ursprüngliche Absicht war.« »Sie haben keine Ahnung«, sagte das Konstrukt. »Eigentlich wissen wir eher ziemlich viel«, sagte Spock, während er auf den fast leblosen Körper von Wayne Perry deutete. »Ein genialer Versuch, aber zum Scheitern verurteilt.« »Er wird nicht scheitern. Dessen bin ich mir sicher.« »Der Körper von Wayne Perry liegt im Sterben. Und zwar schon seit vielen Jahren. Das Interface ist fehlerhaft.« »Er lebt durch mich. Durch mich wird Wayne Perry ewig leben.« »Selbst in diesem Moment liegt er im Sterben.« »Nein. Zugegeben, er hat Schmerzen, aber Schmerz kann – und muß – ertragen werden. Unter dem Schmerz befindet sich die Lebenslinie, die Gehirnströme, die Wayne Perry, die mich, ausmachen. Er lebt durch mich.« »Leiten Sie den Schmerz ab?« fragte Spock. »Was?« fragte die Konstruktion. »Es dürfte nicht allzu schwierig sein, den Schmerz vor seinem Eindringen in das Computernetz abzuleiten oder zu filtern.« »Spock!« schrie Kirk.
»Eine faszinierende Idee«, sagte das Konstrukt. »Das würde den notwendigen letzten Rest übriger Gedankenprozesse durchlassen, ohne daß diese durch den Schmerz verwirrt wären.« »Spock«, sagte Kirk. »Der Körper würde es immer noch spüren. Er würde jeden Tag noch etwas mehr sterben. Was tun Sie bloß?« »Uns Zeit verschaffen, Captain. Und ich bin sicher, die Konstruktion weiß das.« »Wie sensibel von Ihnen«, sagte sie. »Ich habe im Lauf der Zeit Ihre logische Veranlagung zu schätzen gelernt. Meine Computerhälfte bewundert Sie sogar sehr. Ich glaube, Sie könnten mir von unbezahlbarem Nutzen sein.« »Tatsächlich?« fragte Spock. »In welcher Weise?« »Ich könnte Sie wie Wayne Perry als parallele Schnittstelle in das System einfügen. Sie könnten sich dann zwar nicht mehr bewegen, würden auf diese Weise aber ewig leben.« »Eine interessante Möglichkeit«, sagte Spock. »Eine ungewöhnliche Erfahrung, die durchaus lohnend wäre, wäre sie nicht so dauerhaft. So, wie die Dinge stehen, muß ich leider ablehnen.« »Sie haben keine Wahl.« »Sie haben Macht über meinen Körper, aber nicht meinen Geist«, sagte Spock. »Wenn Sie sich weigern, töte ich den Captain auf der Stelle.« Sein Phaser war auf Kirks Bauch gerichtet. Und er war nicht auf Betäubung gestellt. »Sie haben wahrscheinlich recht«, sagte Spock. »Ich habe keine andere Wahl.«
12
Aus dem Schiffslogbuch, Eintrag Korvettenkapitän Scott, Sternzeit 6846.1: Die Klingonen befinden sich im Zustand totaler Verwirrung. Vom gleichen Virus, den wir in uns tragen, infiziert, sind sie zu so gut wie keiner Handlung fähig. Gewalt ist ein zu natürlicher Teil ihres Lebens. Sie können nicht davon ablassen und sind daher nicht mehr handlungsfähig. Vor allem ihr Commander, Korol, scheint besonders davon betroffen zu sein. Während ich das Klingonenschiff infizierte – wobei ich diese Handlung als extrem nichtfeindlich betrachte –, gelang es mir, in den Besitz des Gerätes zu kommen, mit dem sie unsere Sensoren handlungsunfähig gemacht haben. Dieses Gerät ist bemerkenswert einfach, und es sollte kein Problem darstellen, es in Zukunft durch Schutzmaßnahmen unwirksam zu machen. Es ist für uns alle eine große Erleichterung, Dr. McCoy, Leutnant Uhura und Dr. Davis wieder an Bord zu haben. Es scheint, als hätten sie in den Händen der Planetenbewohner Schlimmes durchgemacht. Dr. McCoy arbeitet seit seiner Rückkehr hart an der Entwicklung eines Schutzfaktors, um das Virus zu neutralisieren. Er steht vor unzähligen Problemen. Seine Arbeit schreitet nicht so schnell voran, wie es ihm lieb gewesen wäre. Wir haben immer noch keine Nachricht vom Captain und Mr. Spock. Es wird angenommen, daß sie sich noch unter der Oberfläche des Planeten aufhalten. Dr. McCoy wies darauf hin, daß der Captain einen kleinen Trupp mit der Suche nach dem Computer beauftragen wollte. Mehr Leute würden zuviel Aufsehen erregen. Sosehr ich seine Wünsche respektiere, gibt
es eine Grenze. Wir haben schon viel zu lange nichts mehr von ihm gehört. Unterdessen bleiben wir in unserer ursprünglichen Umlaufbahn. Die Dilithiumkristalle erreichen nach und nach die maximale Leistung, die noch erwartet werden kann. »Ihre Laxheit kam uns teuer zu stehen, Korol«, sagte der Priester. »Wer konnte das wissen?« Korol saß im Sessel seines Quartiers. Dort fühlte er sich etwas wohler als in der Konfusion auf der Brücke. »Sie hätten sie töten sollen, als Sie die Chance dazu hatten.« »Das ist leicht gesagt, alter Mann. Im nachhinein ist man immer klüger.« »Soweit ich mich erinnere, gab ich Ihnen eine Anregung. Sie aber wollten abwarten.« »Sie erinnern sich an zu vieles. Das ist nicht gesund.« Der Priester lachte. »Und was wollen Sie tun? Mich in Öl kochen? Mich an den Daumen aufhängen? Ach, vergessen Sie’s doch einfach. Sie hätten schon Schwierigkeiten, mir auf die Handgelenke zu schlagen.« »Ich verachte Sie, Priester meines Vaters.« »Das beruht ganz auf Gegenseitigkeit. Ihr Vater wäre nicht in diese Klemme geraten, und Ihr Bruder auch nicht. Sie sind ein Schwächling, Korol.« »Wir können immer noch ein Heilmittel finden. Und dann sind Sie der erste auf meiner Liste.« »Ich bezweifle, daß ein derartiges Mittel überhaupt existiert, Korol. Die Föderationswissenschaftler stehen vermutlich vor dem gleichen Rätsel wie die unsrigen. Sie hätten bereits Defensivmaßnahmen ergriffen, wenn sie könnten.« »Nennen Sie vielleicht das, was sie uns angetan haben, eine Defensivmaßnahme?«
»Eine Kapitulation ist wohl kaum eine.« »Aber uns zu infizieren schon.« »Das war lediglich eine Nebenerscheinung. Ein glänzendes Manöver ihrerseits.« »Ich sehe nicht ein, warum ich dies anerkennen sollte.« »Zu meiner Zeit sah ich vieles kommen und gehen, Korol. Das verleiht einem Perspektive.« »Wir brauchen keine Perspektive«, sagte Korol, »wir brauchen ein Heilmittel.« »Wir brauchen beides«, sagte der Priester. McCoy saß auf der Bank des biochemischen Schiffslabors. Er war sehr unglücklich. »Wertlos«, murmelte er. »Absolut wertlos.« Kelly Davis war gerade hereingekommen. Sie saß hinter ihm auf einem Hocker. »Ist es so schlimm?« fragte sie. »Noch viel schlimmer, wenn das überhaupt möglich ist. Ich muß die gesamte letzte Ladung von Proben wegwerfen. Da ist nichts, aber auch gar nichts.« »Mr. Spock würde wahrscheinlich jetzt sagen, daß eine negative Information immerhin auch eine Information ist.« »Ja, aber immer noch negativ«, brüllte McCoy. Er richtete sich auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Entschuldigen Sie, Dr. Davis.« »Nennen Sie mich doch Kelly, Mr. McCoy. Machen Sie sich meinetwegen keine Sorgen.« »Tut mir leid, Kelly. Ich komme einfach nicht an dieses Virus ran, und schon überhaupt nicht an ein Gegenserum, um es zu neutralisieren. Dieses Virus ist raffiniert. Es ahmt die Nervenfunktionen perfekt nach. Nachdem es sich in den Synapsen festgesetzt hat – und davon muß man wohl ausgehen –, kann man es unmöglich entdecken.« »Und was ist mit der Gewebeprobe des Immunen?«
»Ich habe davon eine Kultur angelegt. Jetzt habe ich zwar ein großes Muster davon, aber das hilft mir auch nicht besonders weiter. Ich habe es bis ins letzte Molekül analysiert, kann aber keinen Unterschied zu einer Normalperson, die infiziert wurde, feststellen. Und was das betrifft, so sagt mir meine kluge Maschine hier, daß sie nichts findet, was nicht auch den Werten einer nichtinfizierten Person entspräche. Eine Sackgasse.« »Nicht unbedingt.« »Wieso?« »Ihr Analysator ist eine schöne Maschine, aber leider sehr dumm.« »Was meinen Sie damit?« »Sie kann nur diejenigen Fragen beantworten, die Sie ihr stellen. Wenn sie nicht weiß, wonach sie suchen soll, wird sie auch nichts finden. Die Maschine kann nicht von selbst denken.« McCoy schüttelte den Kopf. »Wie schön muß das gewesen sein, als man noch mit Reagenzgläsern und Petrischalen herumhantierte. Wir sind heutzutage von viel zu komplizierten Maschinen abhängig.« »Richtig. Aber sie können uns nicht das Denken abnehmen. Das müssen wir schon selbst tun. Und dann setzen wir die Maschinen ein.« »Das klingt gut«, sagte McCoy. »Aber ich habe keine Ideen mehr. Ich komme immer wieder am gleichen toten Punkt an. Nichts. Ich bin fast davon überzeugt, daß dies wirklich ein perfektes Friedensvirus ist, unentdeckbar, unentfernbar und unheilbar.« »Da bin ich anderer Meinung. Es gibt wahrscheinlich eine Lösung, auch wenn sie uns bisher entgangen ist. Selbst wenn es keine gäbe, dürfen wir nicht aufgeben. Wir müssen es
versuchen.« Ihr Enthusiasmus war ansteckend und sogar stärker als McCoys Zynismus. Etwas stärker. »Haben Sie eine Idee?« fragte er. Sie lächelte. »Wie wär’s, wenn wir von einem multiphasischen, dipolaren Organismus ausgingen und von da aus weitermachen?« »Das ist doch abwegig«, sagte McCoy. »Irgendwo müssen wir anfangen«, sagte sie. »Und jetzt befassen wir uns nochmals mit der Kultur.« »Es ist einen Versuch wert.« McCoy erhob sich von der Bank und fing an, den Analysator zu reprogrammieren. »Dr. Davis«, sagte er. »Sie sind eine großartige Forscherin.« »Kelly«, verbesserte er. »Kelly, natürlich.« Und auch eine großartige Frau, dachte er. Spock lag auf einem Tisch, der gleich neben der durchsichtigen Kuppel stand. Die Wayne-Perry-Konstruktion setzte sorgfältig kleine Drähte in seine Kopfhaut ein. Diese Drähte führten zu einem vielpoligen Stecker, der für den Computer bestimmt war. »Ich bin nicht sicher, ob das funktioniert«, sagte sie und beugte sich über Spock. »Das klingt nicht gerade ermutigend«, sagte Spock. »Das war auch nicht meine Absicht. Ich stellte lediglich eine Tatsache fest. Sie besitzen eine starke, wenn nicht sogar zu starke Persönlichkeit. Es ist durchaus möglich, daß Sie ziemliche Verwirrung stiften, wenn Sie einmal mit dem Computer in Verbindung stehen. Deshalb füge ich einen Zweiwegschalter in das System ein, der nur von mir selbst ausgelöst werden kann. In der einen Schalterstellung werden Sie vom System getrennt, in der anderen voll integriert, wobei
Ihre sterbliche Hülle permanent auf die niedrigste Daseinsstufe reduziert wird.« »Spock, das können Sie doch nicht zulassen?« »Es scheint, als hätte ich keine andere Wahl, Captain. Ich kann nicht mehr Widerstand leisten als Sie.« »Es muß doch etwas geben.« »Ruhe, Kirk«, sagte das Konstrukt. »Ich lasse Sie nur am Leben, damit Sie das Ergebnis dieses Transfers mitverfolgen können. Es dürfte interessant und informativ sein, ihre Reaktion zu beobachten. Danach sind Sie für mich nicht mehr von Nutzen. Sollten Sie mich jedoch weiterhin unterbrechen, sähe ich mich gezwungen, Sie sofort zu töten.« Hilflos verstummte Kirk. Die Konstruktion richtete sich auf und betrachtete zufrieden ihr Werk. »Fertig«, sagte sie und drehte sich um, um den Stecker in die Maschine zu stecken. »Nein!« schrie Kirk und sprang auf die Beine. Die Konstruktion grinste, während Kirk zusammensackte. Soviel dazu. Sie schob den Stecker in die dafür vorgesehene Buchse. Spock war eins mit dem Computer. Wenige Minuten vorher hatte Scotty versucht, mit Dr. McCoy zu sprechen, aber man sagte ihm, Dr. McCoy sei mit einem wichtigen Experiment beschäftigt und dürfe nur im Notfall gestört werden. Es schien zwar, als wäre im Moment alles ein Notfall, aber diese Angelegenheit konnte warten. Zumindest etwas. Er war in Sorge, weil sie noch nichts vom Captain und Mr. Spock gehört hatten. Nichts war bisher durchgesickert. Es war, als wären sie vom Erdboden verschluckt. Oder aber… Er erwog, einen Landetrupp hinunterzuschicken, aber wozu sollte das gut sein? Falls der Captain und Mr. Spock in
Schwierigkeiten steckten, konnte ihnen die Besatzung kaum helfen. So wie es aussah, wären sie ihnen eher hinderlich. All ihre Hoffnungen lagen bei Dr. McCoy und Dr. Davis, davon war er überzeugt. Aber dem letzten Bericht zufolge machten sie keinerlei Fortschritte. Zumindest klang Dr. McCoy jetzt nicht mehr so deprimiert. Vielleicht gelang es ihnen doch. Er hatte Vertrauen zum Doktor, aber dies war eine knifflige Angelegenheit. Äußerst knifflig. Zum tausendsten Mal wünschte er sich, daß Mr. Spock hier wäre. »Immer noch keine Nachricht vom Captain, Mr. Scott«, sagte Uhura. »Und ihr Rat weigert sich, unsere Anrufe entgegenzunehmen.« Scotty nickte. Er fühlte es in den Knochen, daß da unten etwas Wichtiges passierte. Und er fühlte ebenso, daß es nicht gut ausgehen würde.
13
Zuerst war da die samtige Dunkelheit, die nur dann und wann von fernen Lichtpunkten durchbrochen wurde. Die Lichter fingen zu blinken an und verschoben sich. Es sah aus, als wären sie sehr weit weg und bewegten sich in beliebigen Bahnen, die er fast glaubte, beeinflussen zu können, wenn er es nur versuchte. Er konnte das Geräusch einer zischenden Brandung hören. Spock erkannte sofort die Anzeichen des Sinnesentzugs. Sein Gedächtnis war von seinem Körper abgeschnitten worden. Alles, was er fühlte, fühlte er über den Computer. Es war, um es milde auszudrücken, ein ungewöhnliches Gefühl. Spock versuchte, es unter seine Kontrolle zu bringen, aber es gelang ihm nicht. Er versuchte es ein zweites Mal. Es klappte nicht. Mit einer bewußten Anstrengung gab er den Kampf auf und ließ es einfach geschehen. Es war, als ginge eine Tür auf. Er nahm durcheinandergeratene Inputs aus tausend verschiedenen Quellen wahr. Ziffern und Buchstaben verwandelten sich in elektrische Impulse und wieder zurück in Ziffern und Buchstaben. Sie ergaben sogar einen gewissen Sinn. Er konnte sogar sagen, welche elektrischen Impulse von seinem eigenen Gehirn stammten, das aufgezeichnet wurde. Als er sie beobachtete, rasten sie davon. Er versuchte, einige Daten zu bewegen und wurde sanft daran gehindert. Er merkte, daß er eine Probezeit durchlief, daß seine Möglichkeiten durch die Konstruktion eingeschränkt wurden. Er war wie ein Kind auf dem Spielplatz, dem gesagt wurde, daß es nur die Rutschbahn benutzen darf, aber sich von der hohen Schaukel fernhalten soll. Der Konstrukt wollte sich natürlich selbst schützen.
Er nahm die Gegenwart der Konstruktion wahr. Sie existierte als viele Linien, die den Computer durchliefen. Sie war mit allem, was der Computer tat, verwoben. Sie besaß ein Eigenleben, aber ihre Nerven waren tief in den Datenbanken und Tausenden anderen Orten vergraben, von denen einige zugänglich, andere wiederum weit entfernt waren. Spock suchte und fand den Schalter, den die Konstruktion erwähnt hatte. Entgegen seiner Annahme war es kein physikalischer Schalter. Er bestand vielmehr in der Form eine Teils des Programms, das Spock gefangenhielt. Auch konnte er nur durch den Computer betätigt werden und nicht von außen. Der Zugang zu dem Schalter war ihm natürlich verwehrt. Dieser Schalter war so ziemlich das logischste, was Spock entdeckte. Die Schnittstelle mit Wayne Perry hatte den Computer im Lauf der Jahre hoffnungslos durcheinandergebracht. Wo es einmal Logik gegeben haben mußte, herrschte jetzt völliges Chaos. Es war verwirrend. Subjektive Gedanken, von Alter und Zeit verzerrt, stießen immer wieder auf harte Fakten. Es war ein hoffnungsloses Wirrwarr. Dann öffnete er die nächste Tür, eine, die er lieber verschlossen gelassen hätte. Er fand Wayne Perry. Schmerz überflutete ihn. Stechender Schmerz, dumpfer Schmerz, Schmerz, der seit Hunderten von Jahren andauerte. Ohne Erleichterung. Ein Tag war wie der andere, soweit sich Wayne Perry erinnern konnte. Der Schmerz drückte allem seinen Stempel auf. Da war keine Bitterkeit, nur Reue und Resignation, eingegraben in dem roten Nebel ungelinderter Pein. Spock wollte die Tür schließen, sich abwenden. Das wäre das einfachste gewesen. Offensichtlich war dies auch der Kurs, den die Konstruktion eingeschlagen hatte. Statt dessen arbeitete sich Spocks Bewußtsein immer weiter in die
verzerrte, gefolterte Seele vor, die Wayne Perry war. Es war, als fiele er in ein Loch. Ein Loch in die Hölle. Kirk starrte Spocks auf dem Tisch liegenden Körper an. Es schien ihm, als würde der Vulkanier nach und nach sein Leben aushauchen. Sein Atem wurde immer flacher, und seine Augen schienen sich auf etwas in weiter Ferne zu richten. »Was haben Sie mit ihm gemacht?« fragte Kirk. Die Konstruktion drehte sich von der Zentralkonsole um, an der sie kleine Justierungen vorgenommen hatte. »Er wird jetzt an den Computer angepaßt. Schon bald wird der Prozeß beendet sein. Er scheint sich gut einzufügen und innerhalb der Schranken, die ich ihm setzte, adäquat zu funktionieren.« »Und Sie haben nicht die Absicht, ihn wieder aus dem System zu entfernen?« »Nicht im geringsten, Captain. Ich erwarte zwar zunächst einigen Widerstand, aber solange er keinen Schaden anrichten kann, kann ich warten. Schließlich habe ich alle Zeit der Welt. Was man von Ihnen nicht behaupten kann.« Er hob den Phaser. »Ihr Friede ist mit Blut besudelt«, sagte Kirk. »Spock würde das für unlogisch halten.« »Wie wahr«, sagte das Konstrukt. »Aber mich kümmert das kaum. Möchten Sie zum Abschied noch etwas sagen?« »Nicht zu Ihnen.« »Stop!« Rus betrat den Raum durch die Tür. »Das dürfen Sie nicht tun.« »Page Rus«, sagte die Konstruktion. »Du mußt gehen.« »Nein.« »Ich befehle es.« »Nein. Das ist gegen die Lehren. Gewalt darf niemals geduldet werden.«
Rus war hin- und hergerissen. Das war nicht die Seite Wayne Perrys, die er zu finden geglaubt hatte. Jedes Stück seiner Erziehung war darauf ausgerichtet, diesen Mann zu respektieren, aber seine Augen sagten ihm etwas ganz anderes. »Du verstehst nicht, was hier geschieht. Geh sofort hinaus.« Rus zögerte. Impulse, die er seit langem vergessen hatte, wühlten ihn auf. Gewalt war schlecht. Das hatte er von seiner Mutter gelernt, es war ihm von früh bis spät eingebleut worden. Aber hier war eine Art von Gewalt, die nur durch noch mehr Gewalt gestoppt werden konnte. Er war unschlüssig. Aber Wayne Perry mußte unrecht haben. Er war gerade im Begriff, ein Leben zu zerstören. Das war unter keinen Umständen gerechtfertigt. Entschlossen trat er vor. »Alles gut«, sagte die Konstruktion. »Dann werde ich euch beide töten.« Sie schwang den Phaser herum und aktivierte ihn. Ami, die hinter Rus stand und bisher von niemandem entdeckt worden war, schrie auf. Durch diese Ablenkung verfehlte der Schuß sein Ziel und schlug über Kirks Kopf in die Wand ein. Die Wand, die ein Teil des Computers war, glühte rot und explodierte in einem Funkenregen. Rus sprang die Konstruktion an und packte sie in der Mitte. Der nächste Schuß ging blindlings los und sprang im Raum umher. Alles, was vom Strahl getroffen wurde, explodierte in Flammen. Der Schuß ging über Spocks steifen Körper hinweg und traf die durchsichtige Haube, die den Körper Wayne Perrys enthielt. Die nachfolgende Explosion erschütterte alle Anwesenden. Rus drückte die Konstruktion zu Boden. Durch einen Reflex oder aus Verzweiflung schoß die Konstruktion weiterhin den Phaser ab. Er traf die Zentralkonsole und blieb darauf stehen. Schwarzer Rauch und das Knistern ungezügelter Elektrizität entsprangen dem
glühenden Kontrollzentrum. Mit einem blauen Feuerstoß löste es sich in seine Bestandteile auf. Gleichzeitig gingen alle Lichter bis auf die längst vergessenen, phosphoreszierenden Leuchttafeln in der Decke aus. Dann herrschte Stille. Nicht einmal das Summen ferner Maschinen war zu hören. Der beißende Geruch von Ozon hing in der Luft. Schluchzend beugte sich Rus über die leblose Form der Konstruktion, die jegliche Ähnlichkeit zu einem Menschen verloren hatte. Zusammen mit allen anderen Computeraktivitäten war auch die holographische Verstärkung ausgefallen. »Was habe ich nur getan?« schluchzte er. »Wie konnte so etwas nur passieren?« Kirk tastete sich durch die rauchgeschwängerte Dunkelheit zu dem Tisch vor, auf dem Spock reglos dalag. Ist das das Ende, guter Freund? Auf so einem miserablen Planeten? Spock gab keine Lebenszeichen von sich. »Es tut mir leid«, sagte Rus. »Ich wußte nicht, daß es so enden würde.« »Sie haben getan, was Sie tun mußten«, sagte Kirk. »Es ging schlecht aus«, sagte er. »Nicht unbedingt«, sagte Spock. »Am Ende könnte es sich sogar als Segen erweisen.« Beide drehten sich gleichzeitig zu Spock um, der sich auf dem Tisch in eine sitzende Position brachte und die Drähte von seinem Kopf entfernte. »Spock«, sagte Kirk. »Ich dachte, Sie wären für immer verloren, im Computer verschwunden.« »Ich wurde im letzten Moment freigelassen und von der Schnittstelle gelöst.« »Sagen Sie bloß, die Konstruktion hat Sie gehen lassen«, sagte Kirk.
Spock zog den letzten Draht heraus und schüttelte den Kopf. »Nein, Captain. Der echte Wayne Perry befreite mich. Es war sein letzter Akt.« »Wie…?« »Ich suchte ihn. Im Computer begraben erduldete er unvorstellbare Qualen und Leiden. Irgendwie, ich kann es nicht erklären, haben sich unsere Gedanken verschmolzen. In einer ziemlichen Annäherung an die vulkanische Gedankenverschmelzung. Wir verheimlichten uns nichts. Wir berührten uns. Tief. Er war ein geplagter Mensch, heimgesucht von guten Ideen, die Schlechtes bewirkten, edle Experimente, die in einer Weise, die er nicht wollte, verdreht wurden. Als das Ende nahte, erlöste er mich bereitwillig. Und genau so bereitwillig suchte er das Ende seiner Qualen.« »Er – lebte in zwei Welten«, sagte Rus leise. »So wie ich seit meiner Geburt.« Er ging zu Ami, die an der Eingangstür zusammengesackt war. Er hielt sie. Sie öffnete die Augen. »Ich habe es gesehen«, sagte sie. »Da war Gewalt. Du hast das Undenkbare getan.« Rus strich ihr über die Haare. In seinem Blick lag Trauer. »Ich habe immer versucht, eine Hälfte meines Lebens zu verbergen. Jetzt weiß ich, daß sie genau so ein Teil meiner selbst ist wie die andere Hälfte, die, die ihr kennt. Ich schäme mich.« »Das sollten Sie aber nicht«, sagte Kirk. »Sie sind nicht anders als wir alle.« »Wie das?« fragte Rus. »Wir alle leben in zwei Welten, in einem Gleichgewicht aus Friede und Gewalt, Liebe und Haß, Yin und Yang. Egal, wie man darüber denkt, aber so sind wir Menschen eben. Wir lernen, damit zu leben. Wir lernen, ein Gleichgewicht herzustellen, die goldene Mitte zu finden.« »Das konnte ich bisher nie lernen.«
»Sie werden es aber müssen. Sie mehr als jeder andere.« Rus warf ihm einen fragenden Blick zu. »Wayne Perry ist tot, und mit ihm stirbt die Gesellschaft, die er aufzubauen versuchte. Sie war schon seit Jahren im Niedergang begriffen, und jetzt ist sie am Ende. Ich bezweifle, daß es in diesem Raum vieles gibt, was gerettet werden kann. Und wahrscheinlich wenig, das Sie überhaupt retten möchten. Dies ist ein herrlicher Planet, aber er gehört euch, dem Volk, und nicht Wayne Perry. Geht hinaus. Lebt. Erweitert euren Horizont. Auch das ist Teil des menschlichen Geistes.« »Aber was kann ich tun?« fragte Rus. »Ich bin nur ein einfacher Page des Rats.« »Sehen Sie denn nicht?« fragte Kirk. »Es gibt keinen Rat mehr. Auf diesem Planeten wurde alles von einem Computer kontrolliert, und jetzt gibt es keinen Computer mehr. Eines Tages wird man das Virus, das euer Volk versklavte, beherrschen. Sie, die beide Seiten des Lebens auf diesem Planeten erlebt haben, sind am ehesten dazu geeignet, diesen Ort in eine bessere Welt zu verwandeln. Sie und andere wie Sie.« »Keiner ist so wie ich«, sagte Rus. »Da Sie existieren«, sagte Spock, »muß man logischerweise annehmen, daß auch andere von der gleichen Art existieren. Um zu überleben, haben sie sich wahrscheinlich wie Sie dazu durchgerungen, ihre natürlichen Neigungen zu verbergen. Aber sie werden sich zu erkennen geben.« »Sie werden alle Hände voll zu tun haben«, sagte Kirk. »Das Volk lebte lange Zeit unter den Auswirkungen des Virus und der wohlwollenden Tyrannei von Wayne Perry. Es wird ziemliche Veränderungen gegen.« »Ich glaube nicht, daß ich dazu fähig bin.« »Ich denke schon«, sagte Kirk.
Er warf einen Blick auf den Körper, der einst Wayne Perry gewesen war. Er sah jetzt noch älter aus. Und er war tot, da gab es keinen Zweifel, tot nach dreihundert Jahren. Auf seinem Gesicht lag ein Lächeln. Kirk hätte schwören können, daß es vorher noch nicht da gewesen war. »Gehen wir, Mr. Spock«, sagte er leise.
14
Scotty war hocherfreut, das Kommando über das Schiff wieder an Captain Kirk abgeben zu können. Für den Schotten war es eine lange und anstrengende Erfahrung gewesen, und wenn man ihm nie wieder erlaubt hätte, im Sessel des Captains zu sitzen, wäre ihm das auch egal gewesen. Er hielt einen Schraubenschlüssel in der Hand und war glücklich. Kirk dagegen war verwirrt. »Was ist, funktioniert es jetzt oder nicht?« fragte er. »Es müßte wirken«, sagte McCoy, »aber wir wissen es nicht genau. Man kann es nicht testen, außer an einem Freiwilligen.« »Dann stelle ich mich eben freiwillig zur Verfügung«, sagte Kirk. McCoy schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht zulassen, Jim. Dieses Virus ist das kniffligste Problem, das mir je über den Weg gelaufen ist. Es ist so eng mit dem Nervensystem der jeweiligen Person verflochten, daß selbst nach seiner Entfernung ein Schaden zurückbleiben könnte. Ein permanenter Schaden.« Er hielt den Sprayinjektor weit von Kirk weg. »Ich stehe zur Verfügung«, sagte Spock. »Nein«, sagte McCoy. »Vielleicht wirkt es bei einem Vulkanier anders. Wir erproben es besser zuerst an einem Menschen.« »Das ist unlogisch. Das Virus hatte auf mich den gleichen Effekt.« »Ihr Männer könnt von mir aus ewig so weitermachen«, sagte Kelly Davis. »Da kommt doch nichts dabei heraus.« Sie entriß McCoy die Injektionspistole. Bevor die anderen reagieren konnte, hatte sie sie sich bereits in den Arm geschossen.
»Kelly, nein – « »Ich kenne die Risiken, Dr. McCoy. Ich bin bereit, sie einzugehen.« Sie schwankte. Spock fing sie auf und stützte sie. »Es muß wie ein Schock auf ihr System wirken«, sagte McCoy. »Aber das dürfte nicht lange anhalten. Ob es wirkt oder nicht, werden wir in einigen Augenblicken erfahren.« »Wie fühlen Sie sich, Dr. Davis?« fragte Kirk. »Etwas wacklig auf den Beinen, aber sonst ganz gut.« »Ich hätte es doch getan«, sagte Kirk. »Ich weiß«, sagte Kelly. »Deshalb mußte ja ich es tun.« »Schlagen Sie mich«, sagte Spock. »Was?« fragte Kelly. »Schlagen Sie mich. So fest Sie wollen.« »Das paßt aber nicht zu Ihrem Charakter, Mr. Spock«, sagte McCoy. »Ich will lediglich feststellen, ob Ihre Hemmungen verschwunden sind. Es ist eine wirksame Prüfungsmethode.« Kelly Davis gab Spock einen leichten Klaps auf den Arm. »Ich spüre nichts«, sagte sie. Dann schlug sie nochmals zu, diesmal härter. Spock zuckte unwillkürlich zusammen. Kelly war nicht gerade eine schwache Frau. »Ich denke, das genügt«, sagte er. »Es scheint zu wirken«, sagte McCoy. »Ich bringe Dr. Davis ins Bordlazarett und mache einige Tests mit ihr. Wenn alles nach Plan verläuft, zaubere ich eine ausreichende Quantität des Schutzfaktors zusammen, um die gesamte Besatzung impfen zu können. Nachdem wir ihn gefunden hatten, war seine Herstellung nicht schwer. Es dürfte nicht allzu lange dauern.« »Ich will dann als erster geimpft werden«, sagte Kirk. »Natürlich, Jim. Aus irgendeinem besonderen Grund?« »Ich habe noch etwas zu erledigen. Eine Rechnung zu begleichen.«
Korol war keineswegs überrascht, als Kirk auf der Brücke materialisierte. Nachdem schon alles schiefgegangen war, warum nicht auch noch das? Sein Haß stieg so weit in ihm hoch, daß ihm schwindlig wurde und er sich in den Kommandosessel setzen mußte, um nicht umzufallen. Er wünschte, er hätte ein Schwert in der Hand. Er wünschte, er könnte es benutzen, wenn er es hätte. »Was wollen Sie, Sie Abschaum von einen Erdenmenschen?« fragte er. »Sind Sie gekommen, um von neuem zu kapitulieren?« »Nein, nicht um zu kapitulieren. Um Vergeltung zu üben.« »Was?« fragte Korol. »Sie tragen die Verantwortung für die grundlosen Attacken auf ein Schiff der Föderation. Sie sind schuld am Tod dreier meiner Besatzungsmitglieder und daran, daß mehrere verwundet sind. Unter anderem haben Sie den Organianischen Friedensvertrag verletzt, einen Vertrag, der von Abgeordneten beider Parteien in gutem Glauben unterzeichnet wurde. Dafür werden Sie vor Gericht gestellt und zweifellos verurteilt werden.« »Mörder meines Bruders, ich habe den Bluteid auf Sie geschworen. Nichts wird mich aufhalten können.« »Nichts?« fragte Kirk. »Warum greifen Sie mich dann nicht gleich an? Ich trage keine Waffen.« Er ging zum Kommandosessel hinüber und stellte sich mit ausgebreiteten Händen direkt davor. »Sie wissen genausogut wie ich, daß uns diese heimtückische Krankheit, die dieser Narr von einem Ingenieur an Bord eingeschleppt hat, lähmt.« »Nicht mich«, sagte Kirk gelassen. »Was meinen Sie damit?« fragte Korol, in dessen Stimme bereits Angst mitschwang.
»Wir haben ein Gegenmittel entwickelt«, sagte Kirk. »Ich könnte Sie mit bloßen Händen in Stücke reißen.« »Das wagen Sie nicht«, sagte Korol mit zitternder Stimme. Kirk streckte die Hand aus, packte den Klingonen am Hemd und zog ihn hoch. Ihre Augen waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Kirk sah, wie sich der Haß in Korols Gesicht in Angst verwandelte. Er holte mit der rechten Hand aus. Anstatt Korol zu schlagen, riß er ihm die Rangabzeichen vom Hemd und warf sie auf das Deck. Dann zertrat er sie mit einem Fuß. »Ich könnte Gewalt benutzen«, sagte Kirk, »aber ich habe keine Lust dazu.« Korol wandte sich ängstlich ab. Kirk schubste ihn in seinen Sessel zurück. »Ihr Bruder hatte wenigstens Mut, Korol. Er mag ein Feind gewesen sein, aber er war ein Mann. Was man von Ihnen nicht behaupten kann.« »Auch Ihre Tage werden einmal gezählt sein, Kirk.« »Das bezweifle ich nicht, Korol. Aber Sie werden nichts damit zu tun haben.« Als er sich anschickte, wieder auf die Enterprise zu transportieren, fühlte er sich erleichtert. Er war einem seiner Teufel begegnet und hatte ihn ausgetrieben. Der Priester betrat sein Quartier ohne Anmeldung. Eine Verletzung des Protokolls ohnegleichen. »Schande wurde über Sie gebracht, Korol«, sagte er ohne Umschweife. »Was erwarten Sie, alter Mann? Ich konnte nichts dagegen tun.« »Sie haben einen Mund und eine Zunge, Korol. Und man könnte meinen, auch einen Verstand. Hätten Sie sie benutzt, wären Sie nicht in Ungnade gefallen.«
»Worte. Ha.« »Mit Worten hätten Sie nicht Ihr Gesicht verloren. Statt dessen krümmen Sie sich vor Angst, handelten wie der schlimmste Feigling. Sie haben den guten Namen Ihres Vaters und Ihres Bruders besudelt. Sie verdienen nicht, in einem Atemzug mit ihnen genannt zu werden.« »Ich stand unter der Wirkung der Krankheit.« »Das ist keine Entschuldigung. Wir alle sahen den Captain auf der Brücke. Wir sahen zu, wie Sie den Namen Ihrer Vorfahren beschmutzten. Ich breche Ihren Bluteid. Sie sind nicht würdig, ihn für Ihren Bruder auszuführen.« »Das können Sie nicht.« »Als Ihr Priester kann ich das sehr wohl.« »Das ist nur unter außergewöhnlichen Umständen erlaubt.« »Dies ist ein außergewöhnlicher Umstand. Sie haben keine Ehre mehr, die Sie verteidigen müßten.« »Dreckiges Schwein von einem alten Mann.« »Sie sind ein hoffnungsloser Fall, Excommander Korol.« »Excommander Korol? Was soll das heißen?« »Sie sind mit sofortiger Wirkung des Kommandos enthoben. Ihr Erster Offizier wird Sie ablösen. Wir setzen gerade das Hohe Kommando davon in Kenntnis. Zweifellos werden sie über Ihre Taten nicht sehr erfreut sein, vor allem, was den Verlust des Sensorenausweichgeräts betrifft. Sie hatten große Pläne damit. Ich bezweifle, daß sie viel Geduld mit Ihnen haben werden.« »Ich noch weniger mit Ihnen.« »Das kümmert mich nicht, Korol. Sie haben keine Macht über mich, überhaupt keine. Sie sind eine Schande für alle Klingonen.« »Ich wünsche Ihnen einen äußerst unangenehmen Tod, Priester.«
Der Priester lächelte. »Sie können sich dessen sicher sein, Feigling«, sagte er im Hinausgehen.
15
Aus dem Logbuch des Captains, Sternzeit 6848.2: Wir erwarten die Ankunft der U.S.S. Phoenix und Vizekommodores Propp. Sie lösen uns auf diesem Planeten ab, so daß wir endlich Kurs auf Sternbasis 6 nehmen können. Ihre Besatzung wird hierbleiben, um den Beginn der Wiederaufbauarbeiten zu überwachen. Rus hat bemerkenswerte Führungstalente bewiesen. Er müßte eine wertvolle Hilfe sein. Trotz allem, was sie mitgemacht haben, sind es starke Leute, und sie passen sich der neuen Situation schnell an. Sie haben sich entschlossen, sich mit dem Schutzfaktor impfen zu lassen, und dieser Prozeß wird sofort nach Ankunft der Phoenix eingeleitet werden. Kelly Davis bleibt zur Unterstützung ihres Medizinerstabs hier. Der Schutzfaktor, den Dr. Davis und Dr. McCoy entwickelten, ist bemerkenswert effektiv. Er hat einige einzigartige Eigenschaften und verspricht ironischerweise, bei der Behandlung von Dexters Krankheit und anderen neurologischen Störungen von Nutzen zu sein. Dr. McCoy bestand darauf, daß er den Namen Davis-Schutzfaktor erhält. Wobei er betont, daß er ihn von alleine nicht entdeckt hätte. Wir stehen tief in ihrer Schuld. Korvettenkapitän Scotts Plan, die Klingonen zu infizieren, war brillant. Zu einem Zeitpunkt, da verzweifelte Maßnahmen erforderlich waren, ging er ein großes persönliches Risiko ein. Ohne ihn wäre die Enterprise mit Sicherheit verloren gewesen. Er muß für seinen Einfallsreichtum belobigt werden. Aus praktischen Gründen bleibt das Klingonenschiff mit dem Virus infiziert. Nach Ankunft der Phoenix werden sie eine ausreichende Menge des Schutzfaktors erhalten. In der
Zwischenzeit hätte es jedoch wenig Sinn, ein Risiko einzugehen. Das Hohe Kommando der Klingonen ließ verlauten, daß Korol auf eigene Faust handelte und für seine Verletzung des Organianischen Vertrags bestraft werden wird. Das ist jedoch kaum eine Neuigkeit. Die Phoenix müßte innerhalb der nächsten Stunde hier sein. Es kommt uns vor, als hätten wir diesen Planeten jahrelang umkreist. Dr. McCoy brachte Kelly Davis zur Brücke. Es war fast an der Zeit, daß sie mit einem Vorrat des Schutzfaktors hinunterbeamte. »Weißt du, Jim«, sagte er, »diese Frau müßte man zum Nationaltalent der Föderation der Vereinigten Planeten erklären. Sie ist eine absolut fantastische Ärztin.« »Ach was«, sagte Kelly. »Das sagen Sie wahrscheinlich zu allen Mädchen.« McCoy grinste. »Jetzt bin ich aber beleidigt«, sagte er mit gespielter Entrüstung. »Ich meinte es wirklich ernst.« »Stelle ich da so etwas wie außerberufliches Interesse fest, Pille?« fragte Kirk. »Also Jim. Du solltest mich wirklich besser kennen.« Kirk lachte. »Stimmt. Du bist einfach ein schmutziger, alter Mann.« »Und du ein völlig erledigter Schleppdampferkapitän.« »Aber da ist eine Sache, die dem völlig erledigten Schleppdampferkapitän Kopfzerbrechen bereitet«, sagte Kirk und runzelte die Stirn. »Nur eine?« fragte McCoy. »Ja. Als wir uns unter der Erdoberfläche befanden, konnte ich zwar verstehen, wie du den Wächter in den Schlaf befördert hast, aber ich frage mich, wie um alles auf der Welt es dir
gelungen ist, dir diese Gewebeprobe zu besorgen. Um das zu tun, mußtest du doch die Oberfläche der Haut aufritzen. Es mußte weh tun, wenngleich auch nur ein wenig. Wie gelang dir das, ohne daß dich das Virus daran hinderte?« »Das war überhaupt kein Problem, Jim. Ich sage den Leuten schon seit so langer Zeit den Satz Es wird überhaupt nicht weh tun, daß ich schon selbst daran glaube.« Alle lachten. Kirk holte aus und schlug McCoy scherzhaft auf den Arm. McCoy starrte die Stelle an, an der er getroffen worden war. Sein Lächeln wurde noch breiter. Er schlug etwas härter zurück. Sie tauschten einige leichte Schläge aus und lachten dabei schallend über ihre wiedergewonnene Freiheit. Chekov und Sulu starrten sich gegenseitig an. Waren denn alle verrückt geworden? Dann streckte Chekov die Hand aus und zerzauste Sulus Haar. Sulu fing zu brüllen an und schubste Chekov vom Sessel. Jauchzend und brüllend tobten sie ausgelassen über das Brückendeck. Es war so ansteckend, daß alle zu lachen begannen und den Spaß mitmachten. Uhura umarmte Kelly. Es war schön, sich wohl zu fühlen. Nur Spock schien all das kaltzulassen. Er saß an seiner Station und beobachtete ruhig das ausgelassene Treiben. »Faszinierend«, sagte er. »Kindisch, aber faszinierend.«