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Milton Erickson genießt international den Ruf als führender Praktiker der medizinischen Hypnose. Er hat unzählige Fachartikel über Hypnose geschrieben und seit den zwanziger Jahren Hypnose gelehrt und angewandt. Er war mehr als jeder andere in diesem Feld in der Lage, das enorme Potential zu erforschen und zu demonstrieren, was die Hypnose der Menschheit zu bieten hat. Immer deutlicher wird das Interesse, das Können im Rahmen der Hypnose zu demonstrieren, das Erickson mit so viel Leichtigkeit einsetzte. Das Verhalten, das er in der Induktion oder Utilisation hypnotischer Bewußtseinszustände zeigte, ist äußerst komplex. Doch er ist dabei zugleich auch sehr systematisch; d.h. sein Verhalten hat erkennbare Muster. Die Stärke der Autoren besteht darin, explizite Modelle komplexen menschlichen Verhaltens zu bilden. Das bedeutet, daß wir Landkarten dieser komplexen Verhaltensmuster anfertigen, und diese Landkarten erlauben es dann dem anderen, diese Verhaltensmuster zu erlernen und zu gebrauchen. Erickson äußerte die Hoffnung, daß dieser Band geschrieben würde, damit seine sehr wirkungsvollen Werkzeuge und Techniken anderen HypnosePraktikern zur Verfügung stünden. Die Autoren möchten den Lesern auf eine leicht erlernbare Weise, Schritt für Schritt, ein explizites Modell anbieten, das ihnen diese Fertigkeiten in ihrer eigenen Arbeit zur Verfügung stellen wird. "Eine viel bessere Beschreibung meiner Arbeitsweise als ich sie selbst geben könnte." - Milton H. Erickson
"Richard Bandler und John Grinder haben dieses Buch über die hypnotischen Sprachmuster Milton H. Ericksons vor über zwanzig Jahren geschrieben. Die in ihm beschriebenen sprachlichen Muster sind heute genau wie früher die Basismuster für ein modernes NLP: Sie ermöglichen nicht nur dem Hypnotiseur, sondern generell dem professionellen Kommunikator eine prozeßorientierte Begleitung seines Gegenübers. Die Induktion und Nutzung kleinerer 'Nachdenk'-Trancen, als inhaltsfreie Hilfestellung, wird mit ihrer Hilfe genauso erleichtert wie die Strukturierung umfassender klinisch-hypnotischer Interventionen. NLP-Grundlagenliteratur." - Thies Stahl
Richard Bandler John Grinder
Patterns Muster der hypnotischen Techniken Milton H. Ericksons Aus dem Amerikanischen von Vukadin Milojevic, unter Mitarbeit von Cordula Grehling
Junfermann Verlag • Paderborn 1996
© der deutschen Ausgabe: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung, Paderborn 1996 Copyright © 1975 by Meta Publications Titel der amerikanischen Originalausgabe: Patterns of the Hypnotic Techniques of Milton H. Erickson, M.D. - Volume 1 Übersetzung: Vukadin Milojevic, unter Mitarbeit von Cordula Grehling Covergestaltung: Petra Friedrich, unter Verwendung einer Zeichnung von Robert Dilts
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigung, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Satz: La Corde Noire - Peter Marwitz, Kiel
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufhahme Bandler, Richard: Patterns: Muster der hypnotischen Techniken Milton H. Ericksons / Richard Bandler, John Grinder. Aus dem Amerikan. von Vukadin Milojevic, unter Mitarbeit von Cordula Grehling. - Paderborn: Junfermann, 1996. Einheitssacht.: Patterns of the Hypnotic Techniques of Milton H. Erickson, M.D.
ISBN 3-87387-139-4 NE: Grinder, John:
ISBN 3-87387-139-4
Inhalt Vorwort.........................................................................................................9 Danksagung .............................................................................................. 11 Anleitung zum ersten Band von PATTERNS ............................................... 13 Erster Teil Muster in Milton H. Ericksons Anwendung der Hypnose............................15 Einleitung: Die Landkarte ist nicht das Gebiet.............................................. 17 Ein erster Blick auf die Muster ......................................................................24 Symptomkorrektur und Schmerzkontrolle mit Hilfe der hypnotischen Einstreutechnik .......................................................34 Beispiel einer Tranceinduktion (mit Kommentar) ..........................................60 Eine gemeinsame Untersuchung von Milton H. Erickson und Aldous Huxley zu der Natur und dem Wesen einer Reihe veränderter Bewußtseinszustände - mit Kommentar ............................ 67 Zweiter Teil Annäherung an die Muster Ericksonscher Hypnosearbeit....................... 137 Einleitung ................................................................................................. 139 Pacing, Ablenkung und Utilisierung der dominanten Hemisphäre .................................................................. 145 Das Zugänglichmachen der nichtdominanten Hemisphäre ........................ 188 Schlußbemerkung zum zweiten Teil .......................................................... 209 Dritter Teil Verfahren für die Konstruktion der in Milton H. Ericksons Hypnosearbeit verwendeten Muster ...................... 213 Einleitung ................................................................................................ 215 Konstruktion und Gebrauch kausaler sprachlicher Modellbildungsprozesse 216 Transderivationale Phänomene ................................................................ 222 Mehrdeutigkeit (Ambiguität) .................................................................... 236 Untergeordnete Konstruktionen ............................................................... 241
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Abgeleitete Bedeutungen...........................................................................245 Zusammenfassung des dritten Teils.............................................................251 Nachwort.................................................................................................257 Anhang Syntaktische Umgebungen für das Vorkommen natürlicher sprachlicher Vorannahmen (Präsuppositionen) im Englischen..............261 Literatur .................................................................................................. 266
Wir widmen dieses Buch in tiefster Verehrung dem Geist O.T., einem bißchen Schnee im Sommer und Mazda (dem Wagen für Menschen, die hören können)
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Vorwort Ein Anfall von spinaler Kinderlähmung im Jahre 1919, kurz nach meinem HighschoolAbschluß (nach dem 12. Schuljahr; Anm. d. Übers.), lähmte mich mehrere Monate lang fast vollständig, ohne jedoch mein Sehen, Hören und Denken zu beeinträchtigen. Da ich zu Hause auf der Farm in Quarantäne lag, gab es nur wenig Ablenkung. Glücklicherweise hatte ich schon immer ein starkes Interesse an menschlichem Verhalten gehabt, und nun bot sich mir die Gelegenheit, das Verhalten meiner Eltern, meiner acht Geschwister und auch das meiner Krankenschwester zu beobachten. Durch meine Unfähigkeit, mich zu bewegen, war ich auf die Kommunikation zwischen den Personen in meiner unmittelbaren Umgebung beschränkt. Obwohl ich schon ein wenig über Körpersprache und nonverbales Verhalten wußte, war ich erstaunt, zu entdecken, wie viele und - für mich oft verblüffende - Widersprüche es in einem einzigen Austausch zwischen sprachlicher und nichtsprachlicher Kommunikation geben kann. Mein Interesse war dadurch so geweckt, daß ich meine Beobachtungen bei jeder Gelegenheit fortsetzte. Die Entdeckung, daß "Doppelbotschaften" (double takes) Wahrnehmungen auf zwei verschiedenen Verstehensebenen sind und sich oft auf vollkommen verschiedene experientielle Assoziationen gründeten, eröffnete mir ein neues Beobachtungsfeld. Als ich dann entdeckte, daß selbst "Dreifachbotschaften" (triple takes) möglich waren, begann ich mental verschiedene Variationen einer einzelnen Aussage einzuüben, um gezielt verschiedene und sogar widersprüchliche Wahrnehmungen auf verschiedenen Verstehensebenen auszulösen. Diese Bemühungen führten mich zu der Einsicht, daß unsere Kommunikation durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflußt wird, u.a. Tonalität, Zeitqualitäten, die Reihenfolge der Darbietung, Nähe und Ferne der Assoziationen, inhärente Widersprüche, Auslassungen, Verzerrungen, Redundanzen, Über- und Unterbetonung, Direktheit und Indirektheit, Mehrdeutigkeit, Relevanz und Irrelevanz - um nur einige wenige zu nennen. Es wurde mir auch deutlich, daß es mehrere Stufen der Wahrnehmung und des Reagierens gibt, von denen nicht alle notwendigerweise auf der gewohnten oder bewußten Ebene liegen, sondern auf Ebenen des Verstehens, die vom Selbst nicht klar erkannt und umgangssprachlich oft als "instinktiv" oder "intuitiv" bezeichnet werden. Das vielleicht beste Beispiel bietet Frank Bacons schauspielerische Leistung in der Hauptrolle des Theaterstücks "Lightnin"', in der er allein dadurch, wie er bei verschiedenen Gelegenheiten das Wort "Nein" betonte, mindestens sechzehn verschiedene Bedeutungen ausdrückte, u.a. ein emphatisches "Nein", ein subtiles "Ja", ein implizites Versprechen des "Noch nicht", ein belustigtes "Sei nicht albern" und sogar die exquisite
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Negation "Selbst dann nicht, wenn die Hölle zufrieren sollte!" Eine Veränderung der Tonalität kann, genauso wie Körpersprache, ein regelrechtes Transformationsvokabular der verbalen Kommunikation darstellen. Später lernte ich die experimentelle Hypnose nach Clark L. Hull kennen und wurde mir der Möglichkeiten bewußt, die sich sowohl durch eine Verringerung der Anzahl von Aufmerksamkeitsfoki wie auch durch die Auswahl und das Arrangieren bestimmter Aufmerksamkeitsfoki boten. Das führte dazu, daß ich mein Wissen um die Komplexität von Kommunikation mit meinem Verständnis von Hypnose für experimentelle und psychotherapeutische Zwecke verknüpfte. Obwohl dieses Buch von Richard Bandler und John Grinder, zu dem ich das Vorwort beitrage, weit davon entfernt ist, eine vollständige Darstellung meiner Methodologie zu sein, so ist es doch, wie sie selbst betonen, eine viel bessere Beschreibung meiner Arbeitsweise, als ich sie selbst geben könnte. Ich weiß, was ich tue, aber zu erklären, wie ich es tue, fällt mir viel zu schwer. Ein einfaches Beispiel dafür stellt das folgende Erlebnis meiner Tochter Kristina dar, ab sie Medizin studierte. Sie las einen Artikel von Ernest Rossi und mir über den Double-Bind und bemerkte mit Belustigung: "So mache ich das also!" Dr. Rossi, der zugegen war, fragte sofort: "So machen Sie also was?" Sie antwortete: "Jeder Patient hat das Recht, seine Zustimmung zu einer Rektal- oder Hernialuntersuchung zu verweigern, und viele Patienten tun das auch. Doch wenn ich zu diesem Teil der Untersuchung komme, sage ich meinen Patienten sehr einfühlsam, ich wüßte, sie seien es leid, daß ich in ihre Augen, Ohren und Nasenlöcher schaute, hier und dort drückte und herumstocherte, doch sobald die Rektal- und Hernialuntersuchung abgeschlossen sei, könnten sie sich von mir verabschieden. Und sie warten immer geduldig darauf, sich verabschieden zu können." Auch wenn ich mir eine weitere Analyse der Komplexitäten der Kommunikation zu Zwecken der Hypnose wünschen würde, eine Analyse, die viel mehr voraussetzen würde, als dieses Buch von Bandler und Grinder umfassen kann, so würde ich mir auch eine Analyse dessen wünschen, wie und warum sorgfältig strukturierte Kommunikationen so weitreichende und wirkungsvolle Reaktionen in Patienten hervorrufen können, oft sogar Reaktionen, die nicht einmal verlangt waren. Ich bin sicher, daß solche zusätzlichen Untersuchungen irgendwann durchgeführt werden. Ich freue mich auf den zweiten Band dieser Reihe von Richard Bandler und John Grinder. Es war mir eine Freude und eine Ehre, das Vorwort zu diesem Buch zu schreiben. Ich sage das nicht, weil es sich mit meinen hypnotischen Techniken beschäftigt, sondern weil es schon lange nötig war, zu erkennen, daß formelhafte Wiederholungen, direkte Suggestionen und autoritäre Befehle durch sinnvolles Kommunizieren ersetzt werden sollten. Milton H. Erichson
Danksagung Wir danken Milton H. Erickson, M.D., für die Genehmigung, seine Artikel in diesem Buch zu zitieren, sowie der American Society of Clinical Hypnosis, die das Original-Copyright für den größten Teil des zitierten Materials besitzt. Wir möchten auch Ernest Rossi dafür danken, daß er uns Tonband- und Manuskriptmaterial zur Verfügung gestellt hat.
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Anleitung zum ersten Band von PATTERNS Milton Erickson genießt internationale Anerkennung als der führende Praktiker auf dem Gebiet der medizinischen Hypnose. Er hat mehr als einhundert Fachartikel über Hypnose geschrieben und seit den zwanziger Jahren Hypnose gelehrt und angewandt. Mehr als jeder andere auf diesem Gebiet besitzt er die Fähigkeit, das enorme Potential zu erforschen und zu demonstrieren, das die Hypnose der Menschheit zu bieten hat. Seine Fähigkeiten verblüffen den wissenschaftlich Denkenden, und seine Leistungen werden in der Regel entweder als Wunder bestaunt oder als Unmöglichkeiten denunziert, auch wenn Erfahrung aus erster Hand ihn als unleugbar real ausweist, als einen bemerkenswerten Kontrast zu dem, was dem menschlichen Geist der Meinung der meisten zufolge möglich ist. Überdies haben nur wenige seiner Schüler gelernt, die Hypnosetechniken auszuüben, die Erickson mit so viel Leichtigkeit einsetzte. Das Verhalten, das er bei der Induktion oder Utilisation hypnotischer Bewußtseinszustände zeigt, ist äußerst komplex. Doch er ist dabei zugleich auch sehr systematisch; d.h., sein Verhalten weist erkennbare Muster auf. Unsere (Richard Bandlers und John Grinders; Anm. d. Übers.) Stärke besteht darin, explizite Modelle komplexen menschlichen Verhaltens zu bilden. Das bedeutet, daß wir Landkarten von diesen komplexen Verhaltensmustern anfertigen und daß diese Landkarten es dann anderen Menschen ermöglichen, diese Verhaltensmuster zu erlernen und anzuwenden. Wir zitieren Noam Chomskys Bemerkungen im Zusammenhang mit seiner ersten Formulierung eines Modells für die moderne Transformationslinguistik. "... stellt einen Teil des Versuchs dar, eine formalisierte, allgemeine Theorie der Struktur der Sprache zu schaffen und die Grundlagen einer solchen Theorie zu erforschen. Der Suche nach einer rigorosen Formulierung in der Linguistik liegt eine viel ernstere Motivation zugrunde als nur die bloße Sorge um logische Feinheiten oder der Wunsch, die etablierten Methoden der linguistischen Analyse zu entrümpeln. Präzis konstruierte Modelle linguistischer Strukturen können für den Prozeß der Entdeckung selbst eine wichtige Rolle spielen, sowohl im positiven wie im negativen Sinne. Indem eine präzise, aber unzureichende Formulierung zu einer inakzeptablen Schlußfolgerung vorangetrieben wird, können wir häufig die genaue Quelle dieser Unzulänglichkeit offenlegen und in der Folge ein tieferes Verständnis der linguistischen Daten gewinnen. In positiver Hinsicht kann eine formalisierte Theorie automatisch Lösungen für eine Vielzahl anderer Probleme bieten als nur für solche, für die sie explizit entwickelt wurde."
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Dieses Buch ist das Ergebnis unserer Bemühungen, das gleiche für das Gebiet der Hypnose zu leisten. Als Erickson unsere diesbezüglichen Fähigkeiten erkannte, äußerte er die Hoffnung, daß dieser Band geschrieben würde, damit diese sehr wirkungsvollen Werkzeuge und Techniken auch anderen Hypnose-Praktizierenden zur Verfügung stünden. Die Autoren möchten Ihnen in diesem ersten Band einige der Muster in Ericksons Hypnosearbeit vorstellen. Wir möchten Ihnen auf eine leicht erlernbare Weise Schritt für Schritt ein explizites Modell anbieten, das Ihnen diese Fertigkeiten für Ihre eigene Arbeit zur Verfügung stellen wird. Dieses Buch enthält drei Phasen oder Stufen der Modellbildung, von denen jede in einem eigenen Teil dargestellt wird. Der erste Teil enthält einige von Ericksons Artikeln, aufregende Beispiele seiner Arbeit. Wir werden parallel dazu einen Kommentar liefern, der die Muster in seinem Vorgehen identifiziert. Die Muster, die wir identifizieren werden, stellen keinesfalls eine vollständige Darstellung aller Muster dar, die in Ericksons Arbeit vorkommen. Dieser Band soll lediglich einen Anfang in diesem Prozeß bilden und gleichzeitig die grundlegendsten Elemente der von Erickson verwendeten Sprachmuster darstellen. Im zweiten Teil werden wir diese Muster in natürliche Gruppen unterteilen. Wir hoffen, daß Ihnen das dabei helfen wird, sowohl Ericksons Arbeit zu verstehen wie auch Ihre eigenen Erfahrungen im Rahmen der Hypnose zu organisieren. Wir möchten Sie mit diesen Mustern vertraut machen und Ihnen Beispiele aus Ericksons Arbeit zeigen, in denen diese Muster vorkommen. Wir verwenden dazu kurze Auszüge aus verschiedenen veröffentlichten Artikel über seine Arbeit; in den meisten Fällen handelt es sich dabei um Transkripte von Tonbandprotokollen. Der dritte Teil dieses Bandes ist eine schrittweise, explizite Darstellung der im ersten und zweiten Teil identifizierten Muster. Dieser Teil soll ihnen ein Verständnis der formalen Merkmale dieser Muster und dadurch die notwendigen Fertigkeiten vermitteln, um jedes dieser Muster selbst bilden zu können. Wir glauben, daß Sie auf diese Weise die Muster, die Erickson in seiner Arbeit verwendet, in Ihrer eigenen Arbeit zur Verfügung haben werden. Wir empfehlen Ihnen nachdrücklich, diesen Band sorgfältig zu lesen und einige Zeit darauf zu verwenden, mit jedem der Muster zu experimentieren. Dieses Buch ist vor allem als Handbuch zur Ausbildung gedacht, nicht als Roman. Sorgfältiger und wiederholter Gebrauch wird die besten Ergebnisse zeitigen.
Anmerkung 1. Syntactic Structures, Mouton & Co., Den Haag l957, S. 5.
Erster Teil Muster in Milton H. Ericksons Anwendung der Hypnose
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Einleitung Die Landkarte ist nicht das Gebiet Der Erfahrung der Autoren zufolge scheinen Personen, die Hypnose für medizinische, zahnmedizinische und psychotherapeutische Zwecke einsetzen, besser als andere zu begreifen, daß wir als menschliche Wesen nicht direkt auf die Welt einwirken, sondern vielmehr mittels einer Landkarte oder eines Modells (einer gebildeten Repräsentation) davon, wie die Welt unser Überzeugung nach ist. Ein gründliches Verständnis davon, wie Menschen im allgemeinen - und einzelne Klienten im besonderen - eine Repräsentation der Welt bilden, in der sie leben, wird dem Hypnosepraktiker eine Fülle von Vorzügen bieten, u.a. schnellere Tranceinduktionen, mehr Erfolg bei einer größeren Zahl von Klienten und Zunahme der Trancetiefe. Für ein weiterführendes Studium der Prozesse, vermittels derer die Menschen Modelle der Welt bilden, empfehlen wir Die Struktur der Magie I und II'. Hier soll es für unsere Zwecke genügen, wenn wir Ihnen nur in Grundzügen ein Modell der Prozesse vorstellen, durch die Modelle der Welt gebildet werden. Erstens: Die Modelle, die wir als Menschen bilden, werden sich von der realen Welt auf drei entscheidende Weisen unterscheiden. Einige Teile unserer Erfahrung werden getilgt, in unserem Modell nicht repräsentiert. Dies ist ein sowohl notwendiger wie auch manchmal einschränkender Aspekt unserer Modellbildungsprozesse. Wenn wir versuchen würden, die Gesamtheit unseres sensorischen Inputs zu repräsentieren, würden wir von Daten überwältigt werden. Wenn wir jedoch einen wichtigen oder entscheidenden Aspekt nicht repräsentieren, können die Folgen verheerend sein. Auf jeden Fall werden Teile unserer Erfahrung getilgt, wenn wir Modelle der Welt bilden. Diese Tilgungen finden, ebenso wie die anderen Modellbildungsprozesse, fortlaufend und zum größten Teil außerhalb unseres Bewußtseins statt. Der zweite Unterschied zwischen unserem Modell der Welt und der Welt selbst entsteht durch Verzerrungen. Verzerrung ist ein Modellbildungsprozeß, der es uns ermöglicht, die Art und Weise, wie wir sensorische Daten erleben, zu verändern. Wir können uns z.B. eine grüne Kuh vorstellen, auch wenn wir tatsächlich nie eine gesehen haben. Wir können unsere Erfahrung verzerren und die Zukunft planen, indem wir uns vorstellen, daß sie genau jetzt stattfindet. Dieser Modellbildungsprozeß kann, je nachdem, wie er eingesetzt wird, von Wert oder von Nachteil sein.
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Der dritte Modellbildungsprozeß ist die Generalisierung. Das ist der Prozeß, durch den ein Element unseres Modells der Welt zu einem Repräsentanten der gesamten Kategorie wird, für die es nur ein Beispiel darstellt. Das ermöglicht es uns, bei jedem Buch, das wir lesen, von vornherein zu wissen, daß wir seinen Inhalt aufnehmen können, wenn wir unsere Augen von links nach rechts bewegen. Wenn wir vor einer Tür stehen, die anderen Türen ähnelt, können wir davon ausgehen, daß sie sich auf die gleiche Weise öffnen lassen wird wie andere Türen, die wir früher geöffnet haben, auch wenn wir diese besondere Tür nie vorher gesehen haben. Generalisierungen in unserem Modell der Welt ermöglichen es uns, in einer Vielzahl verschiedener Kontexte effektiv vorzugehen. Generalisierung macht es uns möglich, auch unsere Erfahrungen auf immer höheren Ebenen der Musterbildung neu zu kodieren. Das ist eine Voraussetzung für die Fortschritte des Wissens und der Technologie in jedem Bereich menschlichen Funktionierens. Das bis heute am gründlichsten erforschte und am besten verstandene menschliche Repräsentationssystem (Modell) ist die natürliche Sprache. Die Transformationsgrammatiker haben einige der Muster dieses Repräsentationssystems herausgearbeitet, die in allen Sprachen vorkommen. Die Transformationsgrammatik ist explizit, formal und stellt das vollständigste Modell der menschlichen Sprachsysteme dar. Die Transformationsgrammatik ist daher ein Meta-Modell; d.h. ein Modell eines Modells oder ein Modell der Sprache. Die Transformationsgrammatiker haben eine explizite Repräsentation der Intuitionen formuliert, die Menschen demonstrieren, wenn sie natürliche Sprache verstehen oder in ihr kommunizieren. Zum Beispiel hat ein Satz in jeder natürlichen Sprache zwei verschiedene Repräsentationen: die Oberflächenstruktur, die Repräsentation dessen, wie der Satz tatsächlich klingt (oder, falls geschrieben, tatsächlich aussieht), und die Tiefenstruktur, die Repräsentation der Bedeutung. Wenn jemand den Satz spricht: Das Fenster wurde zerbrochen besteht die Oberflächenstruktur in der Repräsentation der tatsächlichen Laute, die der Sprecher von sich gibt, oder, im Fall einer schriftlichen Repräsentation, in den Worten, wie sie oben geschrieben stehen. Neben dieser Repräsentation ist der Satz mit einer weiteren Repräsentation verknüpft, nämlich der Bedeutung des Satzes - seiner Tiefenstruktur. In unserem Beispiel kann die Tiefenstruktur folgendermaßen repräsentiert werden: VERGANGENHEIT (ZERBRECHEN [jemand, Fenster, mit etwas])
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Diese Repräsentation der Tiefenstruktur soll die Intuitionen wiedergeben, die ein Muttersprachler der deutschen Sprache hat, wenn er die oben dargebotene Oberflächenstruktur hört. Wir wissen, daß: (a) ein bestimmtes Ereignis sich in der Vergangenheit ereignet hat; (b) es sich um ein Ereignis komplexer Natur handelt; (c) es aus den folgenden Teilen bestand: (1) einer Handlung, zerbrechen, die sich ereignete zwischen: (a) dem Handelnden - einer Person oder Sache, die das Brechen bewirkte, hier durch jemand repräsentiert, und (b) dem Objekt - einer Person oder Sache, die zerbrochen wird, hier durch Fenster repräsentiert, und (c) dem Instrument - dem Gegenstand, der verwendet wurde, um das Zerbrechen zu bewirken, hier durch mit etwas repräsentiert. Beachten Sie, daß, auch wenn nicht alle Teile der hier repräsentierten Tiefenstruktur in der Oberflächenstruktur erscheinen (in diesem Fall sind der Handelnde und das Instrument nicht in der Oberflächenstruktur repräsentiert), diese Information dem Muttersprachler für sein Verständnis des Satzes dennoch zur Verfügung steht. Die Aussage Das Fenster wurde zerbrochen impliziert für den Muttersprachler nicht nur, daß das Fenster zerbrochen wurde, sondern auch, daß jemand oder etwas das Fenster mit etwas zerbrochen haben muß. Die Art und Weise, wie sich die Oberflächenstrukturen von der entsprechenden Tiefenstruktur unterscheiden können, bildet den Forschungsbereich der Transformationslinguisten. Diese haben eine Reihe formaler MappingOperationen formuliert, sogenannte Transformationen, die genau bestimmen, wie Tiefen- und Oberflächenstrukturen sich voneinander unterscheiden können. Der gesamte Prozeß, der eine Tiefenstruktur mit ihrer Oberflächenstruktur oder ihren Oberflächenstrukturen verbindet, wird Ableitung (Derivation) genannt.
Mit diesem Modell können explizite, formale Modelle jeder OberflächenstrukturTiefenstruktur-Beziehung hergestellt werden. (Diese Unterscheidung ist wichtig, um
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die unbewußte Sprachverarbeitung zu verstehen, die in der Hypnose stattfindet.) Die Transformationslinguisten haben daher einen ungeheuer komplexen Bereich menschlichen Verhaltens gewählt und ein formales Modell davon angefertigt, das explizit die Verhaltensregeln repräsentiert, die von Muttersprachlern zwar intuitiv demonstriert, aber nicht bewußt verstanden werden. Die Autoren (Bandler/Grinder) haben das Vorgehen gewählt, Intuitionen zu formalisieren, um ein explizites, formales Modell des sprachlichen Austauschs in der Psychotherapie herzustellen. Wir haben dabei eine formale Repräsentation der Intuitionen geschaffen, die effektive Therapeuten der verschiedenen Psychotherapieschulen in ihrer Arbeit verwenden, auch wenn sie sich dieser nicht notwendigerweise bewußt sind. (Dieses Meta-Modell der Therapie wird in Struktur der Magie 1 ausführlich erklärt.) Wir haben unsere Formalisierungstechniken dazu benutzt, um andere Repräsentationssysteme zu erforschen und zu verstehen, die Menschen verwenden, um ihre Erfahrung zu organisieren und Modelle ihrer Erfahrung zu bilden. Diese kinästhetischen, visuellen, auditiven, olfaktorischen, gustatorischen Landkarten der Erfahrung wurden dann als Grundlage verwendet, um unser Therapiemodell zu erweitern. Die Ergebnisse waren sowohl faszinierend als auch nützlich. Als erstes fanden wir heraus, daß die meisten Menschen ein stark bevorzugtes Repräsentationssystem haben, eines, das sie zur Organisation ihres Erlebens häufiger verwenden als andere Repräsentationssysteme. Dieses bevorzugte System läßt sich schnell bestimmen, indem man auf die Prädikate hört (Adjektive, Adverbien, Verben), die jemand in seiner Sprache verwendet. Ein Person, die ihr visuelles Repräsentationssystem bevorzugt, wird ihre Erfahrung mit Prädikaten beschreiben, die ein visuelles System voraussetzen, wie z.B: Ich sehe, was Sie meinen; ganz klar; wenn Sie sich seine Arbeit anschauen, zeigt Ihnen das, wie Sie Ihre Arbeit verbessern können; stellen Sie sich nur vor, wie langweilig es erscheinen muß, das zu lesen. Menschen, die ihr kinästhetisches Repräsentationssystem bevorzugen, werden Prädikate verwenden, die kinästhetische Repräsentationen voraussetzen, z.B.: Ich möchte, daß Sie dieses Konzept begreifen; ich habe das Gefühl, daß Sie diese harten Rückschläge bewältigen werden; ich spüre deutlich, daß Sie diese Schwierigkeiten bald in den Griff bekommen werden. Jemand, der das auditive Repräsentationssystem bevorzugt, wird Prädikate verwenden, die eine auditive Repräsentation voraussetzen. Er wird z.B. sagen: Das klingt interessant; ich rede später mit Ihnen; ich höre bald von ihm; mit anderen Worten, wir werden uns alle zusammentun und in der Öffentlichkeit eine große Resonanz für diese Ideen hervorrufen. Wir haben darüber hinaus herausgefunden, daß die in ihrer Arbeit besonders effektiven Therapeuten und Hypnotiseure über ein systematisches, wenn auch nicht immer
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bewußtes Verfahren verfügen, die bevorzugten Repräsentationssysteme ihrer Klienten zu utilisieren. Das Verständnis der Art und Weise, in der ein Klient seine Erfahrung mit Hilfe der Repräsentationssysteme organisiert, bietet dem Psychotherapeuten und dem Hypnotiseur eine Reihe von Vorteilen. Wir unterscheiden in unserer Formalisierung dieser Verhaltensmuster zwischen Inputkanälen, Repräsentationssystemen und Outputkanälen. Jemand kann z.B. Worte hören (Input), sich ein Bild davon machen (Repräsentationssystem) und dies ausdrücken, indem er mit der Faust auf den Tisch schlägt (Outputkanal). (Das formale Modell dieses Verhaltensaspekts ist Gegenstand des Buches Struktur der Magie II, das Sie lesen sollten, wenn Sie weitere Informationen dazu wünschen.) An dieser Stelle genügt es, festzustellen, daß jeder Mensch sein Modell der Welt bildet, das sich von der tatsächlichen Welt unterscheidet. Jeder von uns erschafft ein Modell der Welt, das sich von dem Modell der Welt aller anderen Menschen unterscheidet. Darüber hinaus können formale Modelle - Meta-Modelle - gebildet werden, die die Modellbildungsmuster repräsentieren, die bei der Erstellung dieser Landkarten durch uns Menschen wirksam sind. Es lassen sich Meta-Modelle bilden, die die bewußten und unbewußten Regeln repräsentieren, die bestimmen, wie Therapeuten und Hypnotiseure mit diesen Modellbildungsprinzipien arbeiten. Milton Ericksons Arbeit mit Hypnose findet in einem solchen Bereich komplexen menschlichen Verhaltens statt. Seine Fähigkeit, Hypnose zu induzieren und zu utilisieren, ist äußerst entwickelt. Bisher waren leider nur wenige imstande, seine Fertigkeiten zu erlernen. Noch bedauerlicher ist der Umstand, daß der Mangel eines formalen Verständnisses von Hypnose und ihrer Induktion zu einem Nachlassen des Interesses an weiterer Untersuchung und Anwendung dieses sehr nützlichen therapeutischen Instruments geführt hat. Die Fähigkeit der Autoren, die Muster in Ericksons Arbeit zu verstehen und darzustellen, hat es ihnen ermöglicht, diese Muster zu erlernen und anzuwenden. In Anerkennung unserer besonderen Fähigkeiten im Erstellen formaler Repräsentationen komplexen menschlichen Verhaltens hat Erickson uns seine Manuskripte sowie Video- und Audioaufzeichnungen zur Verfügung gestellt, in der Hoffnung, daß das formale Modell seiner Arbeit, das in diesem Buch folgen wird, es einer größeren Anzahl von uns ermöglichen wird, seine Fertigkeiten zu erwerben und auf diese Weise ein größeres Interesse an der Erforschung und klinischem Anwendung der Hypnose auszulösen. Die Strategie, die wir in diesem Buch verwendet haben, besteht darin, jede einzelne von Ericksons Techniken Schritt für Schritt auseinanderzunehmen. Zunächst entnehmen wir die kleineren Komponenten. Seine Einstreu-Technik z.B. enthält eine Reihe besonderer Sprachmuster; wenn diese Komponenten, zu denen der Gebrauch von
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Präsuppositionen, eingebetteten Befehlen und Satzfragmenten gehört, zusammen eingesetzt werden, unter besonderer Berücksichtigung von Sprechtempo und Tonalität, entsteht ein größeres Muster, nämlich Einstreuung. Wir haben eine Reihe von Artikeln ausgewählt, die ein weites Spektrum der Ericksonschen Hypnosearbeit wiedergeben. Wir hoffen, daß die Beschäftigung mit diesen Artikeln für Sie sowohl lehrreich als auch nützlich sein wird. Der Fokus dieses ersten Bandes liegt darauf, Ihnen die sprachlichen Fertigkeiten auf der ersten Stufe der Musterbildung zu vermitteln, wie sie von Erickson auf so wirksame Weise eingesetzt werden. Unsere Strategie besteht aus drei Schritten: Erstens, diese Muster im Kontext von Ericksons Arbeit zu identifizieren. Zweitens, den Leser mit jedem dieser Muster, seiner Form und seinem Gebrauch vertraut zu machen. Und drittens, Ihnen Formalisierungen zu bieten, mit Hilfe derer Sie diese Muster in Ihrer eigenen Arbeit bilden und anwenden können. In den vergangenen drei Jahrzehnten ist viel darüber geforscht worden, wie Menschen im Hinblick auf Sprache, Verhalten und Bewußtsein funktionieren. Linguistik und Neurologie haben bedeutende Fortschritte im Verständnis menschlichen Verhaltens gemacht. Es bleibt jedoch noch immer viel herauszufinden; die Prozesse, die in dem Organismus wirken, den wir den Menschen nennen, stellen immer noch ein unausgelotetes Universum an Komplexität dar. Wir haben vor, in diesem Band einige Erkenntnisse aus diesen Bereichen zu nutzen und auf die Erforschung der Hypnose anzuwenden, damit es Ihnen möglich wird, ihre Erfahrung so zu organisieren, daß Sie die Arbeit Milton Ericksons und das Phänomen der Hypnose besser verstehen können. Einen der bedeutendsten Beiträge der Neurologie für unser Verständnis menschlichen Verhaltens unter Hypnose bilden die Untersuchungen an SplitBrain-Patienten2. Beobachtungen über hemisphärische Unterschiede bei Split-BrainPatienten und Patienten mit Gehirnschäden (Gardner) zeigen, daß die beiden Hirnhemisphären des Menschen verschiedene Funktionen erfüllen. Ericksons Vorgehen bei der Hypnose demonstriert ein intuitives Verständnis dieser Unterschiede. Das Gebiet der Linguistik bietet uns zahlreiche Ressourcen, die uns dabei helfen können, zu verstehen, wie Menschen komplexe sprachliche Konstruktionen auf unbewußten Ebenen verarbeiten3. Untersuchungen auf diesen beiden Gebieten führen zu der seit langem überfälligen Frage: Was ist das Unbewußte? Wir haben bisher keine vollständige Antwort auf diese Frage; wir glauben jedoch, daß Erickson, wenn er den Begriff Unbewußtes (unconscious mind) verwendet, damit mehr meint als nur einen Begriff, der von den Freudschen Grundlagen der Psychologie übriggeblieben ist. Wir glauben, daß er sich zum Teil auf das Funktionieren der dominanten Gehirnhälfte bezieht, das unterhalb der Bewußtheitsschwelle stattfindet, wie auch auf das
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Funktionieren der nichtdominanten Gehirnhälfte. Er bezieht sich vermutlich auf noch mehr als nur diese beiden Aspekte mentaler Verarbeitung, doch wir sind sicher, daß sein Gebrauch dieses Begriffs diese beiden Funktionen umfaßt. Seine allgemeine Strategie bei der Durchführung von Tranceinduktionen scheint die folgenden drei Dimensionen zu haben: 1. 2. 3.
Pacing und Ablenken der dominanten (sprachlichen) Hemisphäre; Utilisation der unterhalb der Bewußtseinsschwelle erfolgenden sprachlichen Verarbeitung in der dominanten Hemisphäre, Zugänglichmachen der nichtdominanten Hirnhälfte.
Weiterführende Literatur zu diesen Themen wird dem interessierten Leser in den Literaturhinweisen geboten. Wir möchten Ihnen auf den verbleibenden Seiten des ersten Teils dabei helfen, zu erkennen, wie Erickson diese drei Strategien in der Tranceinduktion einsetzt und utilisiert. Eine ausführlichere Analyse finden Sie im zweiten Teil.
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Ein erster Blick auf die Muster In den restlichen Kapiteln des ersten Teils dieses Bandes möchten wir Ihnen Beispiele für das Vorgehen Ericksons bei der Tranceinduktion und Suggestion vorstellen. Wie wir bereits zuvor bemerkt haben, werden wir uns darauf beschränken, lediglich die Muster in seiner Arbeit zu identifizieren. Im weiteren Verlauf dieses Bandes befassen wir uns mit der Formalisierung und Konstruktion dieser Muster, die wir Ihnen auf diese Weise für Ihre eigene Arbeit zur Verfügung stellen. Wir stellen Ihnen die Muster zunächst in einer Vorschau vor, damit es Ihnen leichter fällt, den komplexen Gebrauch zu verstehen, den Erickson von diesen Mustern macht. Bei jeder Tranceinduktion muß der Hypnotiseur sehr sensibel dafür sein, auf welche besondere Art und Weise der Klient seine Erfahrung organisiert - d.h. sensibel für das Modell der Welt des Klienten und die Modellbildungsprozesse, die dieser verwendet, um das Modell zu bilden. Die Fähigkeit des Hypnotiseurs, das Modell der Welt des Klienten und die Modellbildungsprozesse des Klienten zu identifizieren und zu utilisieren, wird weitgehend seine Fähigkeit bestimmen, den Klienten zu pacen. Der Begriff des Pacing ist für die Diskussion jeder erfolgreichen Tranceinduktion und Trancesuggestion entscheidend. Wir werden uns hier auf verbales Pacing beschränken. Ein Hypnoseanwender hat einen Klienten erfolgreich gepacet, wenn der Klient die Äußerungen des Hypnotiseurs als zutreffende Beschreibungen seines aktuellen Erlebens akzeptiert. Bei verbalem Pacing gibt es zwei allgemeine Kategorien der Beschreibung, die effektiv sein werden: 1. Beschreiben des aktuellen, beobachtbaren Erlebens des Klienten; 2. Beschreiben des aktuellen, nicht beobachtbaren Erlebens des Klienten. Die erste Kategorie verbaler Beschreibungen hängt vor allem von der Fähigkeit des Hypnotiseurs ab, genaue visuelle und auditive Unterscheidungen zu treffen, während er den Klienten beobachtet und ihm zuhört, und diese Unterscheidungen in seine fortlaufende Beschreibung des Klientenverhaltens zu inkorporieren. Wie in dem Kommentar zu dem Huxley-Artikel am Ende des ersten Teils erwähnt wird, verwendet der Hypnotiseur in Standardinduktionen häufig Beschreibungen wie z.B.: ... Sie atmen ein und aus... ... Ihre Hand hebt sich, hebt sich ...
Ein erster Blick auf die Muster
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wobei diese Beschreibungen zeitlich so gesetzt werden, daß sie das Erleben des Klienten zutreffend beschreiben - d.h., sie werden ausgesprochen, während der Klient tatsächlich ein- und ausatmet oder während sich die Hand des Klienten tatsächlich hebt. Bei dieser Art des Pacens ist die die Fähigkeit des Hypnotiseurs, feine visuelle und auditive Unterscheidungen zu treffen, unverzichtbar. Wir möchten an dieser Stelle erwähnen, daß, wenn auch Erickson über eine phänomenale Fähigkeit verfügt, sehr genaue visuelle und auditive Unterscheidungen zu treffen, und er seine Beobachtungen geschickt in seine fortlaufenden Beschreibungen inkorporiert, dies nicht den einzigen Gebrauch darstellt, den er von diesen Unterscheidungen macht. Der Hypnotiseur macht sich im Verlauf des Pacens zu einem ausgeklügelten Biofeedbackmechanismus. Er kann das vor allem verbal tun. Darüber hinaus kann er - was unserer Beobachtung Ericksons und unserer eigenen Erfahrung zufolge äußerst wirksam ist - seine eigene Körperhaltung und sein Tempo als Pacingmechanismen benutzen. Erickson achtet insbesondere auf Tonalität, Syntax und Sprechgeschwindigkeit des Klienten und paßt seine Körperhaltung, seine Atmung und seine Gestik der des Klienten an. Der Klient spürt so seine eigene Atmung, das Heben und Senken seiner Brust, und sieht gleichzeitig, wie sich Ericksons Körper im gleichen Rhythmus bewegt. Erickson dehnt diese Prinizipien auf jede nur denkbare Weise aus. Er gleicht nicht nur seine Atmung der des Klienten an, sondern paßt auch seine Sprechgeschwindigkeit der Atmung oder dem Puls des Klienten an, indem er beobachtet, wie sich die Adern des Klienten ausdehnen und zusammenziehen. Er wird Worte und Ausdrücke verwenden, die er von dem Klienten gehört hat, und auch den gleichen Tonfall verwenden wie der Klient. Er macht alle seine Output-Kanäle zu einem Feedbackmechanismus, der der subjektiven Erfahrung des Klienten sowohl auf bewußter wie auf unbewußter Ebene entspricht. Die Klienten sind sich nur selten der komplexen Art und Weise bewußt, in der Erickson sie pacet. Dieser Mangel an Bewußtheit von seiten des Klienten scheint bei der schnellen, effektiven Tranceinduktion ein entscheidender Faktor zu sein. Das Ergebnis dieser komplexen Art des Pacens besteht in der Herstellung einer vollständigen Biofeedbackschleife für den Klienten. Der Output des Klienten und die damit einhergehende Erfahrung, die er von seinem Körper hat, wie auch sein auditiver Output werden von Ericksons Output gespiegelt:
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Wir werden diese komplexe Art des Pacens ausführlich im zweiten Band von PATTERNS behandeln; hier wollen wir uns auf die verbalen Dimensionen bei Ericksons Vorgehen konzentrieren. Die erste Art des Pacens setzt unter anderem die Fähigkeit des Hypnotiseurs voraus, das aktuelle Erleben des Klienten verbal zu spiegeln. Dazu zählen sowohl die offensichdichen Arten des Pacens beobachtbaren Verhaltens - z.B.: ... während Sie hier sitzen und dem Klang meiner Stimme huschen ... als auch die weniger offensichtlichen Arten des Pacens, wie bei der folgenden Diskussion einer Handlevitation zwischen Erickson (E), Jay Haley und John Weakland (W): W: Ich bin mir nicht sicher, ob sie einfach eine Reaktion behauptet haben, wo keine Reaktion vorlag, oder die winzigste Reaktion genommen haben und sagten: "Sie hebt sich." Es gab einige Gelegenheiten, als Sie das sagten und ich nicht erkennen konnte, ob etwas passierte oder nicht. E: Passiert ist folgendes: Legen Sie Ihre Hand auf Ihren Oberschenkel, atmen Sie tief ein. Was passiert mit Ihrer Hand? W: Sie hebt sich! E: Sie warten das Einatmen ab, und die Klienten haben keine Möglichkeit, es zu leugnen. ... Später wollte ich dies noch betonen, indem ich bei jedem zweiten Einatmen das Heben der Hand erwähnte.
Erickson gibt in der Induktion, die hier diskutiert wird, dem Klienten Anweisungen, seine Hand zu heben. Er tut das genau dann, wenn der Klient einatmet. Wenn die Hände auf dem Oberschenkel liegen und man einatmet, hat man das Gefühl, daß sich die Hände heben. Er weiß, was der Klient erlebt, und wählt seine Anweisungen so, daß sie damit übereinstimmen. Das ist ein weiteres Beispiel für Pacing.
Bei dem Pacing des aktuellen Erlebens des Klienten geht es dem Hypnotiseur darum, so erfolgreich zu pacen, daß er dazu übergehen kann, das Erleben des Klienten zu leaden. Sobald der Klient die Beschreibung des Hypnotiseurs als eine zutreffende Wiedergabe seines aktuellen Erlebens akzeptiert hat (in der Regel unbewußt), beginnt
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die Grenze zwischen der Beschreibung des tatsächlichen Klientenverhaltens durch den Hypnotiseur und dem, was der Klient als nächstes erleben wird, sich zu verwischen. In der Regel macht Erickson eine Reihe von Pacing-Aussagen, die durch den Klienten unmittelbar überprüft werden können, und verknüpft diese dann mit einer Aussage, die das Verhalten beschreibt, das er beim Klienten hervorrufen möchte. Die Stärke dieser Verknüpfung kann unterschiedlich sein. Die schwächste Verknüpfung ist die einfache Konjunktion - der Gebrauch des Wortes und; z.B.:4 ... Sie sitzen da, lauschen dem Klang meiner Stimme und entspannen sich mehr und mehr... Eine etwas stärkere Verknüpfung ist das sogenannte implizierte Kausativ5, wie z.B. in: ... während Sie dasitzen und dem Klang meiner Stimme lauschen, entspannen Sie sich mehr und mehr ... Die stärkste Art der Verknüpfung ist die sogenannte Ursache-Wirkungs-Beziehung (semantische Fehlgeformtheit, siehe Struktur der Magie I, Kapitel 3 und 4): ... dazusitzen und dem Klang meiner Stimme zu lauschen wird Sie mehr und mehr entspannen... Bei diesen Verknüpfungen ist es nicht wichtig, ob die Logik der Aussage gültig ist oder nicht, sondern allein, ob sie eine erfolgreiche Verknüpfung zwischen dem fortlaufenden Erleben des Klienten und dem darstellen, was er als nächstes erfahren wird. Ericksons Gebrauch dieser Verknüpfungsprinzipien ist ein hervorragendes Beispiel seiner Fähigkeit, die Modellbildungsprinzipien des Klienten zu nutzen und ihn in eine Richtung zu führen, die für medizinische, zahnmedizinische oder psychotherapeutische Zwecke nützlich ist. Insbesondere bei den stärkeren Verknüpfungen, Aussagen, die ein impliziertes Kausativ und Ursache-Wirkungs-Beziehungen enthalten, geht es nicht um Logik, sondern um die Modellbildungsprinzipien, mit deren Hilfe der Klient sein Erleben organisiert. Da die Klienten selbst implizierte Kausative und UrsacheWirkungs-Verbindungen als Prinzipien beim Organisieren ihres Erlebens akzeptieren, braucht Erickson lediglich Gebrauch von diesen Modellbildungsprinzipien zu machen, um die Ziele zu erreichen, die er mit der Trance verfolgt. Die zweite Art von Pacing-Aussagen sind Beschreibungen des fortlaufenden, nichtbeobachtbaren Erlebens des Klienten. Das mag dem Leser zunächst paradox erschei-
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nen. Wie soll es möglich sein, das Erleben einer anderen Person zutreffend zu beschreiben, wenn das Erleben dieser Person nicht beobachtbar ist? Wir begegnen hier Ericksons exquisitem Gespür für den Gebrauch von Sprache. Er macht ausgiebigen Gebrauch von sprachlichen Modellbildungsprinzipien, um dem Klienten eine Reihe von Aussagen anzubieten, die zwar vage und uneindeutig sind, aber für das ungeschulte Ohr sehr spezifisch klingen. Erickson sagt z.B.: ... und Sie bemerken möglicherweise eine bestimmte Empfindung... Der Klient wird, während er dasitzt und Erickson zuhört, mit Sicherheit irgendeine Empfindung bemerken. Wenn er Erickson sagen hört: "eine bestimmte Empfindung", nimmt er an, daß diese Bemerkung sich auf eine seiner aktuellen Empfindungen bezieht und daher eine zutreffende Beschreibung seines aktuellen, nicht beobachtbaren Erlebens darstellt. Der Ausdruck "eine bestimmte Empfindung" bezieht sich auf keine spezifische Empfindung und läßt dem Klienten daher die Freiheit, sie auf jeden beliebigen Teil seines aktuellen Erlebens zu beziehen. Ausdrücke, die sich nicht auf spezifische Teile der Erfahrung des Zuhörers beziehen, haben keinen Bezugsindex. Indem er Ausdrücke ohne Bezugsindex verwendet, kann Erickson den Klienten mit Erfolg pacen. Erickson verwendet in seiner Arbeit eine Reihe sprachlicher Modellbildungsprinzipien, die es ihm erlauben, nicht-beobachtbares Verhalten zu pacen und zu leaden. Es folgt eine kurze Übersicht über einige dieser Prinzipien. Erickson verwendet häufig eine Technik, die eng mit der Technik des fehlenden Bezugszindex verbunden ist. Er sagt zum Beispiel: ...die Tomatenpflanze kann sich wohl fühlen ... Dieser Satz wird für viele nicht wohlgeformt klingen. Sie werden sich in der Regel dagegen wehren, die Behauptung zu akzeptieren, daß Pflanzen überhaupt etwas spüren. In ihrem Modell der Welt können nur Tiere und Menschen etwas spüren; zu behaupten, daß eine Tomatenpflanze etwas spüren könne, stellt eine Verletzung dessen dar, was die Linguisten Selektionsbeschränkung nennen. Wenn der Klient den Satz mit einer solchen Verletzung der Selektionsbeschränkung hört, fällt ihm die Aufgabe zu, eine andere Bedeutung für diese Kommunikation zu konstruieren. Die Bemühung, aus einem solchen Satz Sinn zu machen, führt meistens dazu, daß der Zuhörer (unbewußt) zu dem Verständnis gelangt: ... Sie (der Klient) können sich wohl fühlen ...
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Eine der wirkungsvollsten sprachlichen Modellbildungstechniken ist die Tilgung, der Fall, in dem ein Teil der Bedeutung eines Satzes (der Tiefenstruktur) keine Repräsentation in der Oberflächenstruktur, d.h. in dem von dem Klienten tatsächlich gesprochenen Satz hat. Erickson könnte zum Beispiel sagen: ... und staunen Sie weiter... und wirklich ... Das Prädikat staunen beschreibt den Prozeß, in dem jemand über etwas staunt. Jedoch geht aus dieser Oberflächenstruktur oder diesem Satz nicht spezifisch hervor, wer staunt und worüber diese unerwähnte Person staunt; diese Teile der Bedeutung sind getilgt worden. Die fehlende Information muß daher vom Zuhörer beigesteuert werden6. Ein mit fehlenden Bezugsindizes und Tilgung eng zusammenhängender sprachlicher Prozeß ist das Phänomen der Nominalisierung. Nominalisierung ist die Repräsentation eines Prozeßwortes - eines Prädikats - durch ein Ereigniswort - ein Substantiv. Erickson sagt z.B.: ... eine bestimmte Empfindung ... Das Wort Empfindung wird in diesem Satz als Substantiv verwendet. Es ist jedoch ursprünglich von einem Prädikat abgeleitet, mit dem mehr Informationen verbunden sind, und zwar: EMPFINDEN (jemand empfindet, etwas wird für etwas/jemand empfunden) Das Substantiv Empfindung ist ein Resultat des sprachlichen Prozesses der Nominalisierung - der Transformation des Prädikates empfinden in ein Substantiv. Im Verlauf dieser Transformation verschwindet die Information darüber, wer empfindet und wer oder was empfunden wird. Die Bezugsindizes für den Empfindenden und die Person/den Gegenstand, der empfunden wird, sind verschwunden, und die daraus folgende Nominalisierung lädt den Zuhörer daher dazu ein, diese Aussage auf sein eigenes aktuelles Erleben zu beziehen. Prädikate natürlicher Sprachsysteme können sich hinsichtlich ihrer Spezifität sehr stark unterscheiden. Die Prädikate berühren... küssen
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sind z.B. zunehmend spezifiziert. Das Prädikat berühren weist lediglich daraufhin, daß gewisse Personen/Gegenstände Kontakt hergestellt haben, während das Prädikat küssen die zusätzliche Information bietet, daß der durch die Person initiierte Kontakt mit den Lippen hergestellt wurde. Das Prädikat küssen ist jedoch immer noch unspezifisch in bezug darauf, an welcher Stelle der Person oder des Gegenstandes der Kontakt (Kuß) hergestellt wurde. Erickson nutzt seine sprachlichen Fertigkeiten, um das nichtbeobachtbare Verhalten des Klienten zu pacen, indem er relativ unspezifische Verben auswählt und dadurch die Wahrscheinlichkeit erhöht, daß seine Äußerung dem aktuellen Erleben des Klienten entspricht. Prädikate wie z.B. sich fragen, denken, fiihlen, spüren, wissen, erleben, verstehen, merken, erinnern tauchen in seinen Pacing- und Leading-Aussagen immer wieder auf. Es handelt sich dabei um relativ unspezifische Prädikate. Darüber hinaus lenken viele dieser Prädikate allein schon durch ihre Anwesenheit die Aufmerksamkeit des Klienten auf einen bestimmten Teil seines Erlebens und können somit sein aktuelles Erleben sowohl erfolgreich pacen wie leaden, wie in dem erwähnten Beispiel eine bestimmte Empfindung. Erickson verwendet diese Klasse unspezifizierter Prädikate häufig zusammen mit der Technik des Gedankenlesens. In Aussagen, die Gedankenlesen enthalten, gibt eine Person vor, Kenntnis über die Gedanken oder Gefühle einer anderen Person zu haben, ohne den Prozeß zu spezifizieren, durch den sie diese Information erhalten hat. Wenn wir untersuchen, wie Erickson das nichtbeobachtbare Verhalten des Klienten pacet und dann leadet, untersuchen wir genaugenommen seine Fähigkeit, Gedanken zu lesen. Ein Beispiel für diese Technik ist: ... ich weiß, daß Sie sich fragen ... Erickson behauptet hier, Kenntnis von dem inneren, nicht beobachtbaren Erleben des Klienten zu haben, ohne den Prozeß zu spezifizieren, durch den er diese Information erhalten hat. Mit dem Fortschreiten der Tranceinduktion verändert sich das Verhältnis zwischen Pacing und Leading, das der Hypnoseanwender einsetzt, dramatisch. Tranceinduktion und an den in Trance befindlichen Klienten gerichtete Suggestionen sind typischerweise eine Mischung aus Pacing und Leading. Wir stellen im folgenden kurz einige der Techniken vor, die Erickson verwendet und die in der Regel häufiger Leading- als Pacing-Aussagen enthalten. Wenn er das Erleben des Klienten leadet, gibt er dem Klienten keine direkten Anweisungen, sondern macht sehr geschickten Gebrauch von
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einer Reihe natürlicher sprachlicher Modellbildungsprozesse. Anstatt den Klienten aufzufordern, sich in einen Sessel zu setzen, sagt Erickson z.B.: ... ja, und ich frage mich, ob Sie den Sessel bemerkt haben, in dem Sie bald bequem sitzen werden ... Er verwendet hier das Prinzip der Präsupposition. Wenn in natürlichen Sprachsystemen ein Relativsatz - in dem sie bald bequem sitzen werden - an eine Substantivgruppe - den Sessel - angehängt ist, muß der Zuhörer, damit der Satz, in dem dieser Relativsatz erscheint, sinnvoll ist, die in dem Relativsatz gegebene Beschreibung als zutreffend akzeptieren. Präsuppositionen sind das linguistische Äquivalent dessen, was wir allgemein als Vorannahmen bezeichnen, grundlegende Organisationsprinzipien, ohne die die dargebotene Information keinen Sinn ergeben würde. Hier ein weiteres Beispiel für Ericksons Gebrauch von Präsuppositionen: ... Ich frage mich, ob Sie bemerken, daß Sie in einer tiefen Trance sind ... Erickson verwendet hier das Prädikat bemerken. Dabei handelt es sich um ein faktives Prädikat - d.h. ein Prädikat, welches die Wahrheit des darauffolgenden Satzteils voraussetzt. Um aus Ericksons Kommunikation Sinn zu machen, muß der Klient den Satzteil, der auf bemerken folgt, als wahr akzeptieren, nämlich, daß Sie in einer tiefen Trance sind. Darüber hinaus enthält der Satzteil daß Sie in einer tiefen Trance sind selbst eine präsuppositionale Wendung - den Gebrauch des Adverbs tief (deeply in trance). Durch den Gebrauch des Adverbs (eines Tiefenstruktur-Prädikats) in dem Satzteil wird der Rest des Satzes vorausgesetzt. Wenn Erickson einen Klienten fragt: ... Sind Sie in einer tiefen Trance?... geht es nur noch darum, ob der Klient in einer tiefen Trance ist, und nicht, ob er überhaupt in Trance ist - dies wird vorausgesetzt. Natürliche Sprachen enthalten eine Fülle von Kunstgriffen für die Kommunikation von Präsuppositionen. Im Fall des ersten Beispiels: ... Ich frage mich, ob Sie bemerken, daß Sie in einer tiefen Trance sind ... verwendet Erickson mehrere Präsuppositionen gleichzeitig und macht es dadurch für den Klienten sehr schwer, die Wahrheit der Aussage Sie sind in Trance in Frage zu stellen.
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Ein weiteres typisches Muster in Ericksons Arbeit ist der Gebrauch konversationeller Postulate. Anstatt den Klienten direkt aufzufordern, die Hände auf die Oberschenkel zu legen, sagt Erickson in der Regel: Können Sie Ihre Hände auf Ihre Oberschenkel legen? Diese Kommunikation hat die Form einer Frage, die wortwörtlich genommen entweder mit Ja oder mit Nein beantwortet werden kann. Doch diese Form der Ja/NeinFrage hat in der Regel die Kraft eines Befehls, nämlich: Legen Sie Ihre Hände auf Ihre Oberschenkel. Indem er die indirekte Kommunikation verwendet, umgeht Erickson mögliche Probleme mit Widerstand und Kontrolle vollständig und überläßt es dem Klienten, so zu reagieren, wie er möchte. Erickson macht ausgiebigen Gebrauch von einem weiteren, sehr wirkungsvollen Sprachmuster, das deutlich mit dem zuletzt untersuchten in Verbindung steht, nämlich dem Muster der untergeordneten Konstruktionen. Erickson sagt zum Beispiel zu einem Klienten: ... Ich kannte einmal einen Mann, der wirklich wußte, wie man sich wohl fühlen kann ... Beachten Sie, daß der fettgedruckte Teil von Ericksons Kommunikation identisch ist mit dem Befehl sich wohl fühlen (how to feel good). Erickson könnte zum Beispiel auch sagen: ... Ich frage mich, ob Sie es sich vollkommen bequem gemacht haben ... In diesem Fall ist die untergeordnete Konstruktion die indirekte Frage: Haben Sie es sich vollkommen bequem gemacht? Doch da die Frage ein untergeordneter Teil einer Aussage ist, besteht keine direkte Aufforderung durch Erickson, darauf zu antworten. Typischerweise reagiert der Klient darauf, indem er auf die Mitteilung wie auf eine (verdeckt gestellte) Frage reagiert. Untergeordnete Konstruktionen stellen eine sehr wirkungsvolle Weise dar, um das Erleben des Klienten zu leaden und Reaktionspotential aufzubauen. Diese Technik wird noch wirkungsvoller, wenn sie mit der Technik des analogen Markierens kombiniert wird. Analoges Markieren bezeichnet den Gebrauch nonverbaler Kommunikationsmodi zur Aufteilung der sprachlichen Kommunikation in unterschiedliche Botschafts-
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einheiten. Erickson verändert z.B. bei den fettgedruckten Teilen des Satzes seine Tonalität (analoges Markieren): ... kannte einen Mann, der wirklich wußte, wie man sich wohl fühlen konnte ... Da Klienten sich nur selten solcher analogen Veränderungen bewußt sind (und selbst wenn sie sich dieser Veränderungen bewußt sind, es sehr unwahrscheinlich ist, daß sie sie mit dem gleichzeitig dargebotenen sprachlichen Material in Verbindung bringen werden), hat Ericksons Vorgehen die Wirkung einer doppelten Kommunikation - die Geschichte, die er an das Bewußtsein richtet, und den Befehl wohl fühlen, den er dem Unbewußten gibt. Erickson verwendet sowohl visuelle wie auditive Signale, um seine Kommunikation analog zu markieren und in verschiedene Botschaftseinheiten aufzuteilen. Wir haben eine kurze und skizzenhafte Übersicht einiger der Muster gegeben, die Erickson bei seiner Arbeit einsetzt. Diese Art der Kommunikation hat eine Reihe weiterer Konsequenzen, die wichtig sind, um die enorme Wirkung zu verstehen, die Erickson mit seiner Arbeit erreicht. Indem er indirekt kommuniziert, vermeidet er weitgehend das Problem des Widerstandes. Darüber hinaus läßt er dem Klienten ein Maximum an Freiheit, um (auf unbewußter Ebene) zu entscheiden, auf welchen Teil der Kommunikation er reagieren will. Diese Art der Kommunikation engagiert den Klienten überdies auf der unbewußten Ebene der Kommunikation, während sie gleichzeitig sein Bewußtsein auf eine Weise beschäftigt, die es daran hindert, auf nicht hilfreiche Weise in den Prozeß der Tranceinduktion und Suggestion einzugreifen. Der Klient ist so in der Lage, aktiver und kreativer (wiederum auf unbewußter Verhaltensebene) an dem Prozeß der Hypnosearbeit teilzunehmen. Dies schließt unsere Übersicht ab, in der wir Ihnen einige der Muster vorgestellt haben, die häufig in Ericksons Trancearbeit vorkommen. Es folgt nun ein Artikel von Erickson, der u.a. auch Trancearbeit enthält. Zunächst stellen wir Ihnen den gesamten Artikel vor; dann entnehmen wir einzelne Zeilen aus dem Induktions- und Suggestionsteil, um jedes der Muster, das wir vorgestellt haben, weiter zu verdeutlichen. Wir möchten darauf hinweisen, daß es in diesem Artikel eine Fülle von Beispielen für diese Muster gibt; wir werden gerade genug Beispiele anführen, um es dem Leser zu erlauben, diese Muster in Ericksons Vorgehen zu erkennen. Wir sind uns dessen bewußt, daß Erickson in seiner Trancearbeit in diesem Artikel auch andere Muster einsetzt, die wir im Moment ignorieren werden; die vorliegende Darstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
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Symptomkorrektur und Schmerzkontrolle mit Hilfe der hypnotischen Einstreutechnik7
Der Autor ist zahllose Male aufgefordert worden, einen detaillierten Bericht über die Hypnosetechniken zu veröffentlichen, die er verwendet hat, um unerträgliche Schmerzen zu lindern oder verschiedene andere Probleme zu korrigieren. Die verbalen Antworten, die er auf diese vielen Anfragen gegeben hat, schienen nie hinreichend zu sein, da sie ohne Ausnahme von der ernsthaften Behauptung eingeleitet waren, daß die Technik selbst keinem anderen Zweck diene als dem, die Aufmerksamkeit des Patienten zu sichern und zu halten und auf diese Weise einen empfänglichen und reaktionsbereiten mentalen Zustand in ihm herzustellen und es ihm dadurch zu ermöglichen, unerschlossene oder nur teilweise erschlossene Verhaltenspotentiale zu nutzen. Wenn das durch die hypnotische Technik erreicht worden ist, können Suggestionen und Anweisungen gegeben werden, die dazu dienen, dem Patienten bei dem Erreichen seines Zieles oder seiner Ziele zu helfen und anzuleiten. Mit anderen Worten, die hypnotische Technik dient nur dazu, einen günstigen Rahmen zu schaffen, in dem dem Patienten Anweisungen gegeben werden können, vorteilhafteren Gebrauch von seinen vorhandenen Verhaltenspotentialen zu machen. Da die hypnotische Technik vor allem ein Mittel zum Zweck ist, während die Therapie selbst sich an den Verhaltenskapazitäten des Patienten orientiert, folgt, daß die gleiche hypnotische Technik, innerhalb bestimmter Grenzen, bei Patienten mit sehr verschiedenen Problemen angewandt werden kann. Um dies zu verdeutlichen, möchte ich zwei Fälle anführen, in denen die gleiche Technik eingesetzt wurde, einmal bei einem Patienten mit einem sehr belastenden neurotischen Problem und dann bei einem Patienten, der im Endstadium einer Krebserkrankung war und unter unerträglichen Schmerzen litt. Der Autor hat diese Technik sowohl bei Analphabeten wie bei Universitätsabsolventen angewandt, in experimentellen Situationen wie auch zu klinischen Zwecken. Sie ist oft verwendet worden, um die Aufmerksamkeit eines schwierigen Patienten zu erlangen, zu fixieren und zu halten und ihn davon abzulenken, Schwierigkeiten zu machen, die die Therapie behindern könnten. Es ist eine Technik, die klare, verständliche Ideen verwendet, deren offenkundige Irrelevanz für die Arzt-Patient-Beziehung und die konkrete Situation, den
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Patienten jedoch ablenkt. Der Patient wird auf diese Weise daran gehindert, auf nicht hilfreiche Art in eine Situation einzugreifen, die er nicht verstehen kann und um deretwillen er um Hilfe ersucht hat. Gleichzeitig wird damit in dem Patienten eine Verständnis- und Reaktionsbereitschaft geschaffen. Auf diese Weise entsteht eine günstige Situation für das Elizitieren notwendiger und hilfreicher Verhaltenspotentiale, die vom Patienten zuvor gar nicht, nicht vollständig oder vielleicht auf falsche Weise genutzt worden sind. Der erste Fall wird ohne Darstellung der verwendeten Hypnosetechnik wiedergegeben. Es werden statt dessen die förderlichen Instruktionen, Suggestionen und Leitgedanken wiedergegeben, die es dem Patienten ermöglichten, sein therapeutisches Ziel zu erreichen und die unter die Ideen der hypnotischen Technik eingestreut wurden. Diese therapeutischen Ideen werden nicht in dergleichen Häufigkeit wiedergegeben, mit der sie dem Patienten gegenüber verbal geäußert wurden, und zwar deshalb, weil sie in gedruckter Form leichter zu verstehen sind, als wenn sie als Teil eines Redeflusses gehört werden. Jedoch reichten diese wenigen Wiederholungen einiger Suggestionen in der hypnotischen Situation aus, um die Bedürfnisse des Patienten auf adäquate Weise zu erfüllen. Der Patient war ein zweiundsechzigjähriger pensionierter Farmer, der nur acht Jahre Schulbildung genossen hatte, aber äußerst intelligent und sehr gut belesen war. Er besaß eine angenehme, charmante und kontaktfreudige Persönlichkeit, war aber sehr unglücklich, voller Groll, Bitterkeit, Feindseligkeit, Mißtrauen und Verzweiflung. Ungefähr zwei Jahre zuvor hatte er aus einem nicht bekannten oder mittlerweile vergessenen Grund (den der Autor für unwichtig hält und der für das Problem der Therapie ohne Bedeutung ist) eine Urinierfrequenz entwickelt, die äußerst belastend für ihn war. Ungefähr jede halbe Stunde spürte er einen starken, schmerzhaften Drang zu urinieren, einen Drang, den er nicht kontrollieren konnte und der dazu führte, daß er sich in die Hosen machte, falls er diesem Drang nicht rechtzeitig nachgab. Dieser Drang bestand Tag und Nacht, er störte seinen Schlaf, seine Eßgewohnheiten, seine soziale Anpassung und zwang ihn, sich in der Nähe einer Toilette aufzuhalten und immer eine Aktentasche mit mehreren Paar Hosen bei sich zu tragen, für den Fall, daß er "es nicht rechtzeitig schaffte". Er erklärte, daß er eine Aktentasche mit drei Hosen ins Büro mitgenommen habe, und behauptete, daß er die Toilette aufgesucht habe, bevor er sich auf den Weg in die Praxis des Autors gemacht hatte, ein weiteres Mal unterwegs und dann wieder, unmittelbar bevor er die Praxis betreten habe, und daß er erwarte, das Gespräch mit dem Autor durch mindestens einen weiteren Besuch der Toilette unterbrechen zu müssen.
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Er berichtete, daß er mehr als 100 Ärzte und bekannte Kliniken aufgesucht habe. Er hatte über 40 Blasenspiegelungen und unzählige Röntgenaufnahmen und Untersuchungen über sich ergehen lassen, unter anderem Elektroenzephalogramme und Elektrokardiogramme. Ihm war jedesmal versichert worden, daß seine Blase normal sei, und er erhielt oft die Anweisung, nach ein oder zwei Monaten zu weiteren Untersuchungen wiederzukommen; "zu häufig" sei ihm erklärt worden, er bilde sich alles nur ein, habe gar kein Problem und solle sich lieber "eine Beschäftigung suchen, anstatt Rente zu beziehen und den Ärzten zur Last zu fallen und ein altes Ekel zu sein". All dies hatte ihn an den Rand des Selbstmords gebracht. Er hatte sein Problem einer Reihe von Ratgeberkolumnisten in verschiedenen Zeitungen beschrieben, von denen ihm einige in seinem frankierten Rückumschlag eine überhebliche, platitüdenreiche Abhandlung über sein Problem offerierten und betonten, daß es eine obskure organische Ursache habe. Während seiner gesamten Suche wurde ihm nicht ein einziges Mal empfohlen, psychiatrische Hilfe aufzusuchen. Nachdem er zwei irreführende, falsch informierende und im wesentlichen höchst unseriöse Bücher über "Do-it-Yourself-Hypnose" gelesen hatte, suchte er aus eigener Initiative die Hilfe dreier verschiedener Bühnenhypnotiseure. Diese boten ihm die Versicherungen und Versprechungen, die für diese Art der dubiosen medizinischen Praxis üblich sind, und versagten vollkommen bei ihren wiederholten Versuchen, eine hypnotische Trance zu induzieren. Jeder von ihnen berechnete eine im Vergleich zum üblichen medizinischen Honorar, vor allem angesichts des ausbleibenden Erfolgs, exorbitante Gebühr. Infolge dieser Fehlbehandlungen, wobei die medizinische nicht besser war als die der verschiedenen Scharlatane und genaugenommen noch weniger verzeihlich, war er bitter, desillusioniert und unverhohlen feindselig geworden und trug sich mit ernsthaften Selbstmordgedanken. Ein Tankstellenwart hatte ihm empfohlen, einen Psychiater aufzusuchen, und hatte aufgrund eines Artikels in der Sonntagsausgabe einer Zeitung den Autor empfohlen. Diese Empfehlung war der Grund für seinen Besuch beim Autor. Nachdem er seinen Bericht beendet hatte, lehnte er sich in seinem Sessel zurück, verschränkte die Arme und sagte herausfordernd: "Nun können Sie mich psychiatrisieren und hypnotisieren und meine _____ Blase heilen." Während der Patient seine Geschichte erzählte, hörte ihm der Autor mit allen Anzeichen gefesselter Aufmerksamkeit zu, die einzige Ausnahme bildete ein beiläufiges "Befingern" und Herumrücken verschiedener Gegenstände auf seinem Schreibtisch, in dessen Verlauf er die Schreibtischuhr vom Patienten wegdrehte.
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Während er dem bitteren Erfahrungbericht des Patienten zuhörte, war der Autor damit beschäftigt, darüber nachzudenken, welchen Therapieansatz er im Falle eines so offensichtlich unglücklichen Patienten wählen solle, der der medizinischen Behandlung und den Ärzten gegenüber so verbittert und in seiner Einstellung so herausfordernd war. Es erschien nicht sehr wahrscheinlich, daß er sich für irgend etwas, das der Autor tun oder sagen könnte, sehr empfänglich und reaktionsbereit zeigen würde. Während der Autor sich Gedanken über dieses Problem machte, fiel ihm ein Patient ein, der sich im terminalen Zustand einer malignen Erkrankung zur Schmerzbehandlung an ihn gewandt hatte. Der Fall dieses Patienten war insofern ähnlich gewesen, als daß sich auch dort ein hypnotherapeutischer Ansatz zuerst als äußerst schwierig erwiesen hatte, schließlich aber von Erfolg gekrönt war. Beiden Patienten war gemeinsam, daß sie beruflich Pflanzen züchteten, beide waren feindselig und verbittert, und beide waren voller Verachtung der Hypnose gegenüber. Als der Patient daher seine Herausforderung vorbrachte: "Psychiatrisieren und hypnotisieren Sie mich", begann der Autor ohne weiteren Verzug mit der gleichen Technik, die er im Falle des anderen Patienten eingesetzt hatte, um einen hypnotherapeutischen Zustand zu erreichen, in dem hilfreiche Suggestionen, Instruktionen und Anweisungen gegeben werden konnten, in der begründeten Hoffnung, daß der Patient sie akzeptieren und in Übereinstimmung mit seinen wirklichen Bedürfnissen und Verhaltenspotentialen auf sie reagieren würde. Der einzige Unterschied zwischen den beiden Fällen bestand darin, daß das eingewebte therapeutische Material im Fall dieses Patienten dessen Blasenfunktion und die Häufigkeit des Urinierens betraf, während sich im Falle des anderen Patienten die therapeutischen Anweisungen auf Wohlbefinden, Schlaf, Appetit, Freude am Zusammensein mit der Familie, das Fehlen jeder Notwendigkeit für eine Medikation und das Genießen der Gegenwart ohne Sorge um den nächsten Tag bezogen. Die verbale Therapie verlief wie folgt: Wissen Sie, wir könnten uns vorstellen, daß Ihre Blase alle fünfzehn Minuten geleert werden muß anstatt jede halbe Stunde ... Nicht schwer, sich das vorzustellen ... Eine Uhr kann langsam gehen ... oder schnell ... sogar eine Minute falsch gehen ... sogar zwei, fünf Minuten ... oder denken Sie an die Blase jede halbe Stunde ... wie Sie es getan haben ... vielleicht waren es manchmal 35, 40 Minuten ... möchten gerne eine Stunde daraus machen ... wo ist der Unterschied ... 35, 36 Minuten, 41, 42, 45 Minuten ... kein großer Unterschied ... kein wichtiger Unterschied ... 45, 46, 47 Minuten ... alles das gleiche ... es gab Zeiten, da mußten Sie ein oder zwei Sekunden
Patterns warten ... vom Gefühl her ein oder zwei Stunden ... Sie haben es geschafft ... Sie können es wieder ... 47 Minuten, 50 Minuten, was ist der Unterschied ... wenn Sie sich die Zeit nehmen, darüber nachzudenken, kein großer Unterschied, nichts von Bedeutung ... das gleiche wie 50 Minuten, 60 Minuten, bloß Minuten ... jeder, der eine halbe Stunde lang warten kann, kann eine Stunde warten ... ich weiß das ... Sie lernen ... nicht schlecht, zu lernen ... sogar gut... genaugenommen haben Sie bereits warten müssen, wenn jemand vor Ihnen dort hin kam ... Sie haben es auch geschafft... können es wieder ... und wieder ... alles, was Sie wollen ... Stunde und fünf Minuten ... Stunde und fünfeinhalb Minuten ... wo ist der Unterschied ... oder sogar sechseinhalb Minuten ... machen Sie zehneinhalb daraus, Stunde und zehneinhalb Minuten ... eine Minute, zwei Minuten, eine Stunde, zwei Stunden, was ist der Unterschied ... Sie haben ein halbes Jahrhundert oder noch mehr hinter sich, in dem Sie sich im Warten geübt haben ... Sie können das alles nutzen ... warum sollten Sie das nicht nutzen ... Sie können das ... wahrscheinlich eine ziemliche Überraschung ... denken nicht einmal daran ... warum sollten Sie sich nicht zu Hause selbst überraschen ... gute Idee ... nichts besser als eine Überraschung ... eine unerwartete Überraschung ... wie lange können Sie aushalten ... das ist die Überraschung ... länger, als Sie gedacht haben ... viel länger... kann genausogut anfangen ... schönes Gefühl, anzufangen ... weiterzumachen ... Sagen Sie, warum vergessen Sie nicht einfach, was ich Ihnen erzählt habe, und behalten es irgendwie im Hinterkopf. Das ist ein guter Platz dafür - kann nichts verlorengehen. Denken Sie überhaupt nicht an die Tomatenpflanze - nur an das, was im Zusammenhang mit der Blase wichtig war - ziemlich gut, schönes Gefühl, nette Überraschung - sagen Sie, warum fangen Sie nicht damit an, sich ausgeruht, erfrischt zu fühlen, gleich jetzt, wacher, als Sie es heute morgen waren (diese letzte Aussage ist eine indirekte, nachdrückliche, eindeutige Aufforderung an den Patienten, aus der Trance zurückzukommen). Warum machen Sie dann nicht einen netten, beschaulichen Spaziergang nach Hause (dies ist eine Verabschiedung, aber von dem Patienten nicht bewußt als solche zu erkennen), ohne an irgend etwas zu denken (Amnesieanweisung sowohl für die Trance selbst wie für das Problem und zugleich auch eine Konfusionsmaßnahme, um den Umstand zu verschleiern, daß der Patient bereits eineinhalb Stunden in der Praxis verbracht hatte)? Ich kann Sie heute in einer Woche um 10 Uhr morgens wieder sehen (verstärkt die bewußte, aus der Amnesie resultierende Illusion des
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Patienten, daß bisher außer dem Festsetzen eines neuen Termins noch nichts passiert ist). Eine Woche später erschien er wieder und begann sofort mit einem aufgeregten Bericht darüber, wie er zu Hause angekommen sei und den Fernseher eingeschaltet habe, mit der festen Absicht, das Urinieren so lange wie möglich aufzuschieben. Er sah sich einen zwei Stunden langen Spielfilm an und trank während der Reklamesendungen zwei Glas Wasser. Er beschloß, die Zeit um eine weitere Stunde zu verlängern, und stellte plötzlich fest, daß seine Blase so voll war, daß er die Toilette aufsuchen mußte. Er schaute auf seine Uhr und bemerkte, daß er vier Stunden gewartet hatte. Der Patient lehnte sich in seinem Stuhl zurück und strahlte den Autor glücklich an, in offensichtlicher Erwartung eines Lobes. Fast im gleichen Moment lehnte er sich mit verwirrtem Blick vor und erklärte mit einem Ausdruck der Verblüffung: "Jetzt fällt mir alles wieder ein. Ich hatte bisher nie daran gedacht. Ich hatte das Ganze vollständig vergessen. Sagen Sie mal, Sie müssen mich hypnotisiert haben. Sie haben eine Menge über das Aufziehen von Tomatenpflanzen erzählt, und ich versuchte dahinterzukommen, um was es dabei ging, und bevor ich es begriff, war ich auf dem Weg nach Hause. Wenn ich es mir genau überlege, muß ich über eine Stunde in Ihrer Praxis gewesen sein, der Heimweg dauerte eine Stunde ... Ich hatte nicht vier Stunden gewartet, es waren über sechs Stunden, mindestens. Genau überlegt war das noch nicht einmal alles. Das war vor einer Woche. Mir fällt jetzt ein, daß ich die ganze Woche über keine Schwierigkeiten gehabt habe - ich habe gut geschlafen - mußte nicht aufstehen. Komisch, wie man morgens aufstehen kann und an nichts anderes denkt als daran, daß man einen Termin hat, um etwas zu erzählen, und dabei vergißt, daß eine ganze Woche vergangen ist. Sagen Sie, als ich Ihnen gesagt habe, Sie sollen mich psychiatrisieren und hypnotisieren, haben Sie das wohl wirklich ernst genommen. Ich bin Ihnen aufrichtig dankbar. Wieviel bin ich Ihnen schuldig?" Der Fall war im wesentlichen abgeschlossen, und der Rest der Stunde wurde mit Konversation verbracht, wobei mit einem Auge auf mögliche Zweifel oder Unsicherheiten von Seiten des Patienten geachtet wurde. Es lagen keine vor, und es sind in den seither vergangenen Monaten auch keine mehr aufgetreten. Dieser Fallbericht erlaubt dem Leser einen teilweisen Einblick, wie im Verlauf einer Suggestionstechnik zur Induktion und Aufrechterhaltung der Trance hypnotherapeutische Suggestionen für ein bestimmtes Ziel eingestreut werden können. Der Erfahrung des Autors zufolge kann ein solches Einstreuen therapeutischer Suggestionen
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zwischen den Suggestionen zur Aufrechterhaltung der Trance die therapeutischen Suggestionen oft sehr viel effektiver machen. Der Patient hört sie, versteht sie, doch noch bevor er ihnen widersprechen oder sie auf irgendeine Weise in Frage stellen kann, wird seine Aufmerksamkeit durch die Suggestionen zur Aufrechterhaltung der Trance gefangen. Und diese sind wiederum nur eine Fortsetzung der Suggestionen zur Induktion der Trance. Der therapeutischen Suggestion wird so eine Aura der Bedeutung und Wirksamkeit gegeben, die sich von den bereits wirksamen Suggestionen zur Induktion und Aufrechterhaltung der Trance ableitet. Die gleichen therapeutischen Suggestionen können dann auf diese Weise wiederholt eingestreut werden, wenn nötig, sogar viele Male, bis der Therapeut davon überzeugt ist, daß der Patient die therapeutischen Suggestionen in geeigneter Weise aufgenommen hat. Der Therapeut kann dann zu einem anderen Aspekt der Therapie übergehen und wieder die gleiche Einstreutechnik verwenden. Der oben wiedergegebene Bericht gibt nicht die Anzahl der Wiederholungen für jede der therapeutischen Suggestionen wieder, weil sich die genaue Zahl für jede der geäußerten Ideen und Einsichten und bei jedem Patienten und jedem therapeutischen Problem unterscheidet. Darüber hinaus lassen sich posthypnotische Suggestionen und Suggestionen für Amnesie sehr effektiv zwischen die Suggestionen für die Aufrechterhaltung der Trance einstreuen. Hier ein Beispiel aus dem Alltagsleben: Es ist in der Regel erfolgreicher, zwei Aufgaben zusammen zu erteilen als die beiden gleichen Aufgaben einzeln. Eine Mutter könnte z.B. sagen: "Johnny, kannst du, wenn du dein Fahrrad wegstellst, bitte auch zur Garage hinübergehen und das Garagentor zumachen?" Das klingt nach einer einzelnen Aufgabe, bei der ein Aspekt die Ausführung eines anderen Aspekts begünstigt, was die Wirkung hat, die Aufgabe einfacher erscheinen zu lassen. Wenn man zuerst verlangt, das Fahrrad wegzustellen, und dann verlangt, das Garagentor zu schließen, klingt das nach zwei verschiedenen Aufgaben, die nicht miteinander verbunden werden können. Bei zwei unabhängigen Aufgaben kann leicht eine Weigerung erfolgen, die eine oder andere der beiden Aufgaben auszuführen. Doch was genau bedeutet Johnnys Weigerung, wenn beide Aufgaben zu einer einzigen Aufgabe zusammengefaßt werden? Daß er das Fahrrad nicht wegstellen wird? Daß er nicht zur Garage hinübergehen wird? Daß er das Garagentor nicht zumachen wird? Das Ausmaß der Anstrengung, das nötig ist, um zu bestimmen, was man eigentlich verweigert, stellt an sich schon eine Abschreckung für eine Weigerung dar. Darüber hinaus fällt es auch schwer, ohne weiteres "das ganze Paket" abzulehnen. Johnny mag daher die kombinierte Aufgabe zwar widerwillig ausführen, dies aber immer noch einer Analyse der Situation vorziehen. Bei einzelnen Aufgaben kann er
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ohne Mühe zu jeder von beiden "später" sagen. Doch wenn die Aufgaben kombiniert sind, kann er nicht "später" sagen, denn wenn er das Fahrrad später wegstellt, muß er "auf der Stelle" zur Garage hinübergehen und "auf der Stelle" das Garagentor schließen. Das ist zwar eine trügerische Schlußfolgerung, aber es ist genau die Art "emotionalen Denkens", die im täglichen Leben üblich ist, und das tägliche Leben ist keine logische Denkübung. Der Autor sagt häufig zu seinen Patienten: "Während Sie sich in diesen Sessel setzen, können Sie bereits in Trance gehen." Der Patient wird sich mit Sicherheit in den Sessel setzen. Doch das InTrance-Gehen ist auf diese Weise zu einer Kontingenz des Sich-Hinsetzens gemacht worden, und daher entwickelt sich die Trance aus dem, was der Patient ohnehin mit Sicherheit getan hätte. Die Kombination psychotherapeutischer, amnestischer und posthypnotischer Suggestionen mit den Suggestionen, die verwendet wurden, um eine Trance zunächst zu induzieren und dann aufrechtzuerhalten, stellt eine effektive Maßnahme dar, um die gewünschten Resultate zu erreichen. Kontingenzwerte sind zweifellos effektiv. Das wird auch dadurch deutlich, daß eine Reihe von Patienten, die eine Trance entwickelt haben, indem sie sich einfach in den Sessel setzen, dem Autor gegenüber erklärten: "Ich hatte nicht vor, heute in eine Trance zu gehen." Der Autor erwiderte darauf: "Dann möchten Sie jetzt vielleicht aus der Trance erwachen, und da Sie wissen, daß Sie wieder in eine Trance gehen können, wenn es nötig ist, werden Sie jetzt aufwachen." Das Aufwachen wird auf diese Weise zu einer Kontingenz des Wissens, was weitere Trancen mit Hilfe einer Assoziation durch Kontingenz gewährleistet. Nachdem das Prinzip des Vorgehens erklärt worden ist, soll nun nach einigen einführenden Bemerkungen der Fall des zweiten Patienten vorgestellt werden. Diese sollen sich darauf beschränken, daß der Autor auf einer Farm aufgewachsen ist, gern Pflanzen gezüchtet hat, das immer noch gerne tut und mit Interesse Literatur über die Prozesse des Keimens und Pflanzenwachstums gelesen hat. Der erste Patient war ein pensionierter Farmer. Der zweite, den wir aus Gründen der Einfachheit "Joe" nennen wollen, war Florist. Er begann seine berufliche Laufbahn als Blumenverkäufer, sparte seine Pfennige zusammen, kaufte mehr Blumen, die er wieder verkaufte, usw. Bald war er in der Lage, ein Stück Land zu kaufen, auf dem er mit liebevoller Pflege mehr Blumen züchten konnte. Er erfreute sich an ihrer Schönheit und daran, sie mit anderen zu teilen. Bald konnte er noch mehr Land kaufen, um noch mehr Blumen zu züchten, usw. Schließlich wurde er zum führenden Floristen in seiner Stadt. Joe liebte jeden Aspekt seines Berufs und widmete sich ihm hingebungsvoll, doch war er zugleich auch ein guter Ehemann, ein guter Vater,
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ein guter Freund und ein sehr angesehenes und geschätztes Mitglied seiner Gemeinschaft. An einem schicksalshaften Septembertag wurde ihm ein Geschwür an der Seite des Gesichts entfernt, wobei der Chirurg darauf achtete, Joes Gesicht nicht zu sehr zu entstellen. Der Pathologe erklärte, daß es sich um ein bösartiges Geschwür handle. Es wurde sofort eine Radikalbehandlung begonnen, doch es zeigte sich schon bald, daß sie "zu spät" kam. Joe wurde mitgeteilt, daß er noch ungefähr einen Monat zu leben habe. Joe war darüber, gelinde ausgedrückt, unglücklich und bekümmert. Darüber hinaus litt er unter starken oder, genauer gesagt, extremen Schmerzen. Am Ende der zweiten Oktoberwoche bat ein Angehörger Joes den Autor dringend darum, Hypnose zur Schmerzlinderung einzusetzen, da Betäubungsmittel sich bei Joe nur von geringem Wert erwiesen. Der Autor stimmte angesichts der Prognose, die für Joe gestellt worden war, nur widerwillig zu, ihn zu behandeln, und verlangte, daß jegliche Medikation um 4 Uhr am Morgen seiner Ankunft abgesetzt würde. Die behandelnden Krankenhausärzte entsprachen diesem Wunsch freundlicherweise. Kurz bevor der Autor Joe vorgestellt wurde, erfuhr er, daß Joe schon allein die Erwähnung des Wortes "Hypnose" mißfiel. Auch glaubte eines von Joes Kindern, Assistenzarzt an der psychiatrischen Abteilung einer bekannten Klinik, nicht an Hypnose und war in seiner Skepsis anscheinend auch von den anderen Mitarbeitern der psychiatrischen Abteilung bestärkt worden, von denen allerdings niemand Kenntnisse aus erster Hand über Hypnose besaß. Dieses Assistenzarzt sollte bei dem Krankenbesuch anwesend sein, und so lag die Schlußfolgerung nahe, daß Joe von diesem Zweifel der Hypnose gegenüber wußte. Der Autor wurde Joe vorgestellt, der die Vorstellung auf sehr höfliche und freundliche Weise zur Kenntnis nahm. Es ist zweifelhaft, ob Joe den Grund für die Anwesenheit des Autors kannte. Eine Untersuchung des Patienten ergab, daß infolge von Operation, Geschwürbildung, Mazeration und Nekrose ein großer Teil von Joes Gesicht und Hals fehlte. Auch war eine Tracheotomie an Joe durchgeführt worden, so daß er nicht sprechen konnte. Er kommunizierte mit Hilfe von Bleistift und Papier, das in mehreren Blöcken griffbereit lag. Dem Autor wurde mitgeteilt, daß Joe alle 4 Stunden Betäubungsmittel erhielt (1/4 Gran Morphium oder 100 Milligramm Demerol) und mit Barbituraten stark sediert wurde. Er schlief nur wenig. Obwohl ständig Krankenschwestern zugegen waren, sprang Joe immer wieder aus dem Bett, schrieb zahllose Notizen auf seine Zettel, von denen sich manche auf sein Geschäft bezogen, andere an seine Familie gerichtet waren, von denen jedoch der weitaus
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größte Teil seinen Beschwerden und seinem Verlangen nach Hilfe Ausdruck gab. Er litt ständig unter starken Schmerzen und konnte nicht verstehen, warum die Ärzte ihren Beruf nicht genauso effizient und kompetent ausführen konnten wie er seinen Beruf als Florist. Seine Lage versetzte ihn in Wut, weil sie in seinen Augen ein Versagen darstellte. Erfolg, selbständig erarbeitet und aus eigener Kraft verdient, war immer ein bestimmendes Prinzip in seinem Leben gewesen. Wenn etwas in seiner Firma schiefging, sorgte er dafür, daß es richtiggestellt wurde. Warum machten die Ärzte nicht das gleiche? Die Ärzte hatten Medizin gegen Schmerzen, warum ließ man ihn also unter diesen unerträglichen Schmerzen leiden? Nachdem ich ihm vorgestellt worden war, schrieb Joe: "Was wollen Sie?" Das stellte einen hervorragenden Einstieg dar, und der Autor begann seine Technik der Tranceinduktion und Schmerzkontrolle. Diese wird nicht in ihrer Gesamtheit wiedergegeben, da ein großer Teil des Gesagten wiederholt wurde, nicht notwendigerweise in der gleichen Reihenfolge, aber häufig indem ein Hinweis auf eine frühere Bemerkung gemacht wurde und dann ein oder zwei Absätze wiederholt wurden. Es sollte an dieser Stelle noch erwähnt werden, daß der Autor starke Zweifel daran hatte, den geringsten Erfolg mit Joe erzielen zu können, da neben seinem bedenklichen körperlichen Zustand auch eindeutige Anzeichen einer toxischen Reaktion auf exzessive Medikation vorlagen. Auch wenn der Autor nicht sehr optimistisch war, was die Möglichkeiten anging, so konnte er sich doch auf eines verlassen. Er würde imstande sein, seine Zweifel für sich zu behalten und Joe durch sein Auftreten, durch seinen Tonfall und durch das, was er sagte, wissen zu lassen, daß er ein aufrichtiges Interesse an ihm hatte und ihm aufrichtig zu helfen wünschte. Auch wenn das das einzige war, das Joe vermittelt werden konnte, so konnte es Joe und seiner Familie wie auch den Schwestern, die im Nebenzimmer in Hörweite waren, einen gewissen Trost spenden. Der Autor begann: Joe, ich würde gern mit Ihnen reden. Ich weiß, daß Sie Florist sind, daß Sie Blumen züchten, und ich selbst wuchs auf einer Farm in Wisconsin auf und züchtete gern Blumen. Tue es immer noch. Daher möchte ich, daß Sie sich dort in diesen Sessel setzen, während ich zu Ihnen spreche. Ich werde Ihnen eine Menge sagen, aber es wird nichts mit Blumen zu tun haben, denn Sie wissen mehr über Blumen als ich. Das ist nicht, was Sie wollen. (Der Leser wird bemerken, daß Kursivschrift verwendet wird, um eingestreute hypnotische Suggestionen zu kennzeichnen; Silben, Worte, Satzteile oder Sätze, die mit leicht veränderter Betonung ausgesprochen wurden.)
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Patterns Während ich nun rede, und ich kann das ganz bequem tun, möchte ich, daß Sie mir bequem zuhören, während ich von einer Tomatenpflanze erzähle. Es ist merkwürdig, darüber zu reden. Es macht einen neugierig. Warum über eine Tomatenpflanze reden? Man steckt einen Tomatenkeim in den Boden. Man kann die Hoffnung spüren, daß er zu einer Tomaten pflanze wachsen wird, die durch die Frucht, die sie trägt, Freude bringen wird. Der Keim saugt Wasser auf, er hat keine großen Schwierigkeiten, das zu tun, wegen des Regens, der Blumen und Tomaten Frieden und Wohlbehagen bringt und die Freude des Heranwachsens zu Blüten und Tomaten. Dieser kleine Keim, Joe, schwillt langsam an und streckt eine kleine Wurzel aus mit Flimmerhärchen daran. Vielleicht wissen Sie nicht, was Flimmerhärchen sind, aber Flimmerhärchen sind etwas, was funktioniert, um dem Tomatenkeimling dabei zu helfen zu wachsen, sich als sprießende Pflanze über die Erdoberfläche nach oben zu stemmen, und Sie können mir zuhören, Joe, deshalb werde ich weitererzählen, und Sie können weiter zuhören, staunen, einfach staunen darüber, was Sie wirklich lernen können, und hier ist Ihr Bleistift und Ihr Notizblock, aber da die Rede gerade von einer Tomatenpflanze ist, sie wächst so langsam. Sie können nicht sehen, wie sie wächst, sie können nicht hören, wie sie wächst, aber wachsen tut sie - zuerst ein paar kleine blattähnliche Dinge am Stamm, die feinen kleinen Härchen am Stamm, die gleichen Härchen sind auch auf den Blättern, wie die Flimmerhärchen auf den Wurzeln, die Tomatenpflanze muß sich sehr gut fühlen, sich sehr angenehm fühlen, wenn man sich vorstellen kann, daß eine Pflanze fühlt, und dann, man kann nicht sehen, wie sie wächst, man kann nicht fühlen, wie sie wächst, aber ein neues Blatt erscheint an diesem kleinen Tomatenstengel und dann noch eines. Vielleicht, und das ist etwas, das ein Kind sagen würde, die Tomatenpflanze fühlt sich vielleicht wirklich angenehm und friedlich, während sie wächst. Jeden Tag wächst sie und wächst und wächst, es ist so angenehm, Joe, einer Pflanze beim Wachsen zuzusehen und ihr Wachsen nicht zu sehen, es nicht zu fühlen, aber genau zu wissen, a//es wird besser für diese kleine Tomatenpflanze, die noch ein weiteres Blatt wachsen läßt und noch eins und einen Zweig, und sie wächst bequem in alle Richtungen.
(Vieles von dem, was oben wiedergegeben ist, war bis zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Male wiederholt worden, manchmal nur Satzteile, manchmal ganze Sätze. Es wurde darauf geachtet, die Wortwahl zu variieren und auch die hypnotischen Suggestionen zu wiederholen. Eine geraume Weile nachdem der Autor
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begonnen hatte, kam Joes Frau auf Zehenspitzen in den Raum, mit einem Zettel in der Hand, auf dem die Frage stand: "Wann fangen Sie mit der Hypnose an?" Der Autor kam ihr nicht entgegen, indem er nicht auf den Zettel schaute, und sie mußte daher das Blatt direkt vor den Autor und damit vor Joe halten. Der Autor setzte seine Beschreibung der Tomaten pflanze ohne Unterbrechung fort, und Joes Frau bemerkte, als sie Joe anschaute, daß er sie nicht sah, nicht einmal wußte, daß sie da war, und daß er sich in einer somnambulistischen Trance befand. Sie zog sich auf der Stelle zurück.) Und bald wird sich irgendwo auf der Tomaten pflanze eine Knospe bilden, auf dem einen oder dem anderen Zweig, aber das macht keinen Unterschied, denn nicht nur jeder Zweig, die ganze Tomatenpflanze wird bald diese wunderschönen kleinen Knospen haben - ich frage mich, ob es für die Tomatenpflanze möglich ist, Joe, zu fühlen, wirklich eine Art des Wohlbehagens zu fühlen. Sie wissen, Joe, eine Pflanze ist ein wundervolles Ding, und es ist so schön, so angenehm, sich einfach vorzustellen, daß die Pflanze ein Mensch sei. Würde eine solche Pflanze angenehme Gefühle haben, ein Gefühl des Wohlbefindens, wenn die kleinen, winzigen Tomaten damit anfangen, sich zu bilden, so klein, doch so voll wunderbarer Aussichten, daß man den Wunsch bekommt, eine in der Sonne gereifte, saftige Tomate zu essen, es ist so gut, Essen im Magen zu haben, dieses wunderbare Gefühl, das ein Kind, ein durstiges Kind hat und es etwas zu trinken will, Joe, es ist dieses Gefühl, das eine Tomatenpflanze hat, wenn der Regen fällt und alles reinwäscht, so daß sich a//es gut fühlt (Pause). Sie wissen, Joe, eine Tomatenpflanze blüht einfach, jeden Tag, immer nur einen Tag nach dem anderen. Ich stelle mir gern vorn, daß die Tomaten pflanze weiß, wie es ist, jeden Tag Wohlbehagen zu erleben. Sie wissen, Joe, es ist immer nur ein Tag nach dem anderen für die Tomatenpflanze. So ist es für alle Tomaten pflanzen. (Joe kam plötzlich aus der Trance, wirkte desorientiert, sprang auf das Bett, schwenkte seine Arme hin und her, und sein Verhalten erinnerte stark an die plötzlich auftretenden Vergiftungserscheinungen, die man an Patienten beobachten kann, die nicht gut auf Barbiturate reagieren. Joe schien den Autor weder zu sehen noch zu hören, bis er vom Bett heruntersprang und auf den Autor zuging. Der Autor packte Joes Arm fest und löste den Griff sofort wieder. Die Krankenschwester wurde gerufen. Sie wischte Joe den Schweiß von der Stirn, wechselte seine Verbände und gab ihm etwas Eiswasser durch den Schlauch. Joe ließ sich dann vom Autor zu
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seinem Sessel zurückführen. Nachdem der Autor mit vorgetäuschter Neugierde auf Joes Unterarm geschaut hatte, nahm Joe seinen Bleistift und Notizblock und schrieb: "Reden Sie, reden Sie.") Oh ja, Joe, ich wuchs auf einer Farm auf, ich glaube, ein Tomatenkeim ist ein wunderbares Ding, stellen Sie sich vor, Joe, stellen Sie sich vor, in diesem winzigen Keim kann eine wunderschöne Pflanze so friedlich schlafen, so angenehm, eine Pflanze, die erst noch wachsen muß, die so interessante Blätter und Zweige ausbilden wird. Die Blätter, die Zweige sehen so schön aus, diese schöne, satte Farbe, man kann sich wirklich glücklich fühlen, wenn man einen Tomatenkeim anschaut und an die wundervolle Pflanze denkt, die er in sich birgt, schlummernd, ruhend, so angenehm, Joe. Ich werde bald zum Mittagessen gehen, und ich werde zurückkommen und etwas mehr erzählen. Diese Zusammenfassung soll zeigen, wie leicht hypnotherapeutische Suggestionen in die Suggestionen zur Induktion und Aufrechterhaltung der Trance aufgenommen werden können, die ihrerseits ein wichtiges zusätzliches Vehikel für die Übermittlung (Transmission) der Therapie darstellen. Besonders wichtig ist hier Joes Aufforderung an den Autor, weiterzusprechen. Trotz der durch die Vergiftung bedingten Krampfanfälle war Joe absolut zugänglich. Er lernte sehr schnell, trotz der absurden, amateurhaften Rhapsodie, die ihm der Autor über Tomatenkeime und Tomatenpflanzen vortrug. Joe hatte kein Interesse an sinnlosen, endlosen Ausführungen über eine Tomaten pflanze. Joe wollte frei von Schmerzen sein, er wollte Wohlbefinden, Ruhe, Schlaf. Das war in Joes Bewußtsein das Wichtigste, es war sein wichtigster emotionaler Wunsch, und er hatte ein unwiderstehliches Bedürfnis danach, in dem Gerede des Autors etwas zu finden, das für ihn von Wert war. Dieser Wert, den er suchte, war da, und zwar so vorgetragen, daß Joe ihn buchstäblich empfangen konnte, ohne es zu bemerken. Joe erwachte aus der Trance nur Minuten nachdem der Autor auf scheinbar so harmlose Weise gesagt hatte: "etwas zu trinken will, Joe". Auch die Re-Induktion der Trance verlief ohne Schwierigkeiten und wurde durch zwei kurze Sätze erreicht: "stellen Sie sich vor, Joe, stellen Sie sich vor" und: "so friedlich schlafen, so angenehm", die in eine eher unbedeutenden Wortsequenz eingebettet waren. Doch was Joe wollte und brauchte, war in dieser ansonsten bedeutungslosen Erzählung enthalten, und er nahm es sofort an. Joe war während der Mittagszeit zunächst ruhig und wurde dann zunehmend rastlos; die Krankenschwester berichtete von einer weiteren toxischen Episode. Als der
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Autor zurückkehrte, wartete Joe bereits ungeduldig auf ihn. Joe wollte mit Hilfe von Zetteln kommunizieren. Einige dieser Zettel waren aufgrund seiner extremen Ungeduld beim Schreiben unleserlich. Er schrieb sie dann sehr gereizt von neuem. Ein Verwandter half dem Autor beim Lesen dieser Zettel. Sie enthielten Bemerkungen über bestimmte Ereignisse im Zusammenhang mit Joe, seiner Vergangenheit, seinem Geschäft, seiner Familie und "letzte Woche schrecklich", "gestern war schrecklich". Keine Beschwerden, keine Forderungen, lediglich einige Fragen in bezug auf den Autor. Auf diese Weise kam schlecht und recht eine zufriedenstellende Unterhaltung mit ihm zustande, wie durch die deutliche Verringerung seiner Rastlosigkeit deutlich wurde. Als ihm vorgeschlagen wurde, sein Auf- und Abgehen zu beenden und sich in den Sessel zu setzen, in dem er vorher gesessen hatte, tat er das bereitwillig und blickte erwartungsvoll auf den Autor. Sie wissen, Joe, ich könnte weiter mit Ihnen über die Tomatenpflanze reden, und wenn ich das täte, würden Sie wahrscheinlich einschlafen, sogar einen guten festen Schlaf haben. (Diese einleitende Bemerkung ist dem Anschein nach nicht mehr als ein beiläufiger Gemeinplatz. Wenn der Patient auf hypnotische Weise reagiert, wie Joe es ohne Verzögerung tat, ist alles in Ordnung. Wenn der Patient nicht reagiert, haben sie nur eine belanglose Bemerkung gemacht, die keine weitere Beachtung verdient. Wenn Joe nicht unmittelbar in eine Trance gegangen wäre, hätte ich eine Variation wählen können, wie z.B.: "Doch lassen Sie uns statt dessen von der Tomatenpflanze reden. Sie haben Filme gesehen, in denen sich Blumen langsam, langsam öffnen, einem ein Gefühl von Frieden geben, ein Gefühl von Wohlbefinden, wenn man diesem Sichentfalten zuschaut. So wunderschön, so friedlich zu beobachten, man kann sich so unendlich wohl fühlen, wenn man einen solchen Film ansieht.") Dem Autor erscheint es unnötig, an dieser Stelle mehr über die Technik der Tranceinduktion und -aufrechterhaltung oder das Einstreuen therapeutischer Suggestionen zu sagen. Im weiteren Verlauf des Artikels folgt ein weiteres Beispiel. Joes Reaktion an diesem Nachmittag war ausgezeichnet, trotz mehrerer durch die Vergiftung bedingter Krampfanfälle und einiger Zeitspannen, während derer der Autor seine Arbeit absichtlich unterbrach, um das Ausmaß von Joes Lernen genauer zu beurteilen. Als der Autor sich an diesem Abend verabschiedete, schüttelte Joe, dessen toxischer Zustand sich bis dahin deutlich verringert hatte, ihm herzlich die Hand. Joe hatte keine Beschwerden, er schien nicht unter starken Schmerzen zu leiden und wirkte froh und glücklich.
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Joes Verwandte erkundigten sich danach, ob posthypnotische Suggestionen erteilt worden seien, und es wurde ihnen versichert, daß dies geschehen sei. Dabei war sehr behutsam vorgegangen worden, indem das Wachstum der Tomatenpflanze sehr detailliert und mit vielen Wiederholungen beschrieben und dann die folgenden Sätze sorgfältig betont wurden: "Sie wissen, Joe", "wissen, wie es ist, jeden Tag Wohlbehagen zu erleben", "Sie wissen, Joe, es ist immer nur ein Tag nach dem anderen." Ungefähr einen Monat später, gegen Mitte November, wurde der Autor erneut gebeten, Joe aufzusuchen. Als er Joes Haus betrat, hörte er eine zwar bedauerliche, aber nicht weiter schlimmer Geschichte. Joe hatte auch nach der Abreise des Autors im Anschluß an das erste Treffen weiterhin eine ausgezeichnete Reaktion gezeigt, doch der Krankenhausklatsch hatte die Geschichte von Joes Hypnose verbreitet, und nun kamen Assistenzärzte, Oberärzte und anderes Krankenhauspersonal vorbei, um sich Joes Fähigkeiten als Hypnosesubjekt zunutze zu machen. Sie begingen dabei jeden Fehler, den man als ahnungsloser Amateur mit einer falschen, von Aberglauben geprägten Auffassung von Hypnose begehen kann. Joe wußte, daß der Autor keines dieser ärgerlichen Dinge getan hatte, die sie mit ihm anstellten, und war über ihr Verhalten äußerst erzürnt. Das war eine glückliche Einsicht, da sie es Joe erlaubte, die Verbesserung, die er mit Hilfe des Autors erfahren hatte, zu behalten, ohne daß sie durch seine feindselige Haltung der Hypnose gegenüber beeinträchtigt worden wäre. Nachdem er diese Belästigungen mehrere Tage lang ertragen hatte, verließ Joe das Krankenhaus und ging nach Hause, wo er eine Krankenschwester in Rufbereitschaft behielt, deren Pflichten allerdings relativ beschränkt waren. In dem Monat, den er zu Hause verbrachte, nahm er sogar an Gewicht und Kraft zu. Er hatte nur selten Schmerzanfälle, und diese konnten, wenn sie auftraten, entweder mit Aspirin oder mit 25 Milligramm Demerol behandelt werden. Joe war sehr glücklich darüber, daß er mit seiner Familie Zusammensein konnte, und füllte seine Zeit mit zahlreichen Aktivitäten, über die der Autor nicht näher informiert ist. Joe begrüßte den Autor bei seinem zweiten Besuch mit offensichtlicher Freude. Der Autor bemerkte jedoch, daß Joe ihn mit einem wachsamen Auge beobachtete, und verwandte daher große Sorgfalt darauf, vollkommen zwanglos zu erscheinen und jegliche Handbewegungen zu vermeiden, die auch nur entfernt an eine der "hypnotischen Passes" erinnern konnte, wie sie von der Krankenhausbelegschaft versucht worden waren. Joe zeigte mir voller Stolz gerahmte Bilder, die ein sehr begabtes Familienmitglied gemalt hatte, und wir unterhielten uns ausführlich und beiläufig über die Ver-
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besserung von Joes Zustand und seine Gewichtszunahme, und der Autor fand sich wiederholt in der Bedrängnis, einfache Antworten finden zu müssen, mit denen sich angebrachte Suggestionen verhüllen ließen. Joe bot von sich aus an, sich zu setzen und den Autor reden zu lassen. Auch wenn der Autor in seinem Auftreten vollkommen ungezwungen war, schien die Situation schwer zu handhaben, ohne Joes Mißtrauen zu erregen. Vielleicht war diese Sorge unbegründet, doch der Autor wollte äußerst vorsichtig sein. Schließlich wurde das Vorgehen gewählt, sich an "unsere Zusammenkunft im letzten Oktober" zu erinnern. Joe bemerkte nicht, wie einfach es war, ihm diesen Besuch auf angenehme und sehr lebhafte Weise in Erinnerung zu bringen, indem Bemerkungen gemacht wurden wie z.B.: Ich sprach damals über eine Tomatenpflanze, und es scheint fast, als ob ich auch jetzt wieder über eine Tomatenpflanze sprechen könnte. Es ist so angenehm, über einen Keim, eine Pflanze zu reden. Auf diese Weise wurden, klinisch gesprochen, alle vorteilhaften Aspekte dieses ersten Gesprächs wiederhergestellt. Joe bestand ausdrücklich darauf, an diesem Tag die Oberaufsicht über das Mittagessen des Autors zu führen. Dieses bestand aus einem Steak, das unter Joes achtsamem Blick im Garten neben dem Swimmingpool gegrillt wurde. Es war eine fröhliche Zusammenkunft von vier Menschen, die wirklich gern zusammen waren; Joe war offensichtlich der Glücklichste von allen. Nach dem Mittagessen zeigte Joe stolz die unzähligen Pflanzen, viele davon seltene Exemplare, die er selbst in seinem großen Garten gepflanzt hatte. Joes Frau steuerte die lateinischen und die herkömmlichen Namen der Pflanzen bei, und Joe freute sich besonders, wenn der Autor eine seltene Pflanze erkannte und eine Bemerkung dazu machte. Dabei handelte es sich nicht um ein vorgetäuschtes Interesse von seiten des Autors, da er immer noch gerne Pflanzen züchtet. Joe betrachtete dieses gemeinsame Interesse als ein freundschaftliches Band. Im Verlauf des Nachmittags setzte Joe sich freiwillig hin und vermittelte durch seine Art sehr deutlich, daß es dem Autor freistehe, das zu tun, was er für richtig halte. Es folgte ein langer Monolog des Autors, der psychotherapeutische Suggestionen über innere Ruhe, Wohlbefinden, Schmerzfreiheit, Freude an der Familie, guten Appetit und ein fortdauerndes lebhaftes Interesse an der Umgebung enthielt. Diese und ähnliche Suggestionen wurden unbemerkt unter die zahlreichen anderen Bemerkungen des Autors eingestreut. Diese betrafen eine Fülle von Themen, um Joe daran zu hindern, das Einstreuen der Suggestionen zu analysieren oder zu bemer-
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ken. Um sein Vorgehen angemessen zu tarnen, war eine Vielzahl verschiedener Themen nötig. Es läßt sich darüber streiten, ob diese Vorsicht mit Hinblick auf den guten Rapport notwendig war oder nicht, doch der Autor zog es vor, kein Risiko einzugehen. Zum medizinischen Befund läßt sich sagen, daß das maligne Geschwür weiter gewachsen war, doch Joe war trotz dieser Tatsache in einer viel besseren körperlichen Verfassung als noch vor einem Monat. Als sich der Autor verabschiedete, lud Joe ihn ein, wiederzukommen. Joe wußte, daß der Autor von Ende November bis Anfang Dezember auf einer Vortragsreise sein würde. Unmittelbar vor seinem Aufbruch erhielt der Autor sehr zu seiner Überraschung ein Ferngespräch. Der Anruf war von Joes Frau, die ihm mitteilte: "Joe ist am anderen Apparat und möchte Ihnen ,Hallo' sagen. Hören Sie zu." Zwei kurze Luftstöße waren zu hören. Joe hatte das Mundstück des Telefons über seine Tracheotomie-Röhre gehalten und zweimal fest ausgeatmet, um das Wort "Hallo" nachzuahmen. Seine Frau erklärte, daß sowohl sie wie auch Joe mir alles Gute für die Reise wünschten, und wir führten eine angenehme, freundschaftliche Unterhaltung, in deren Verlauf Joes Frau mir seine handgeschriebenen Notizen vorlas. Der Autor erhielt eine Weihnachtskarte von Joe und seiner Familie. In einem gesonderten Brief schrieb Joes Frau: "Die Hypnose wirkt gut, aber Joes Zustand verschlechtert sich weiter." Anfang Januar war Joe schwach, fühlte sich aber wohl. Schließlich teilte mir seine Frau mit: "Joe ist am 21. Januar friedlich gestorben." Der Autor ist sich bewußt, daß eine Prognose hinsichtlich der zu erwartenden Lebensdauer bei einem Patienten, der an einer tödlichen Krankheit leidet, äußerst fraglich ist. Joes körperlicher Zustand war im Oktober nicht sehr vielversprechend. Das Nachlassen und sogar Verschwinden der Symptome, das durch die Hypnose bewirkt wurde, die Unabhängigkeit von starken Medikamenten, die lediglich sein Bewußtsein getrübt hätten, haben zweifellos seine Lebensspanne verlängert und ihm gleichzeitig eine kurze allgemeine Verbesserung ermöglicht. Das zeigt sich in der Verbesserung seines Zustands und in seiner Gewichtszunahme im Anschluß an seinen Krankenhausaufenthalt. Daß Joe trotz des fortgeschrittenen Stadiums seines bösartigen Geschwürs bis zur zweiten Januarhälfte lebte, ist zweifellos ein Beweis für die Vitalität, mit der Joe sich vornahm, den Rest seines Lebens auf so erfreuliche Weise wie möglich zu verbringen, und die charakteristisch ist für die Art und Weise, mit der er sein Leben gelebt und seine Firma aufgebaut hat. Um diese Technik der Einstreuung therapeutischer Suggestionen zwischen
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Suggestionen zur Induktion und Aufrechterhaltung der Trance noch weiter zu verdeutlichen, mag es angebracht sein, eine frühe experimentelle Arbeit des Autors wiederzugeben, die dieser Anfang der dreißiger Jahre während seiner Tätigkeit an der Forschungsabteilung des Worcester State Hospital in Worcester, Massachusetts, durchführte. Die Forschungsabteilung untersuchte verschiedene Probleme im Zusammenhang mit schizophrenen Erkrankungen und Möglichkeiten, einige dieser Probleme zu lösen. Für den Autor waren die psychologischen Manifestationen von überragendem Interesse. Was genau bedeutete z.B. ein Strom unverbundener, schnell ausgestoßener Inkohärenzen? Gewiß muß dieser Strom von Äußerungen eine gewisse Bedeutung für den Patienten haben. Gelegentlich wurden verschiedene Beispiele solcher gestörten Äußerungen von kompetenten Sekretärinnen zur genaueren Untersuchung durch den Autor wörtlich transkribiert. Ähnliche, langsamer gesprochene Sprachschöpfungen konnten vom Autor selbst aufgezeichnet werden. Es wurde davon ausgegangen, daß eine sorgfältige Untersuchung dieser Sprachschöpfungen zu verschiedenen spekulativen Ideen führen könnte, die sich wiederum als wertvoll für das Verständnis der Schizophrenie erweisen könnten. Es stellte sich die Frage, ob diese Redeflüsse nicht zu einem großen Teil eine Tarnung für verborgene Bedeutungen sein könnten, die in fragmentierter Weise unter der Gesamtmenge der Äußerungen eingestreut sind. Das führte zu der Frage, wie es dem Autor selbst gelingen könnte, eine Serie von Inkohärenzen hervorzubringen, in der er in fragmentierter Form eine bedeutungsvolle Botschaft verstecken könnte. Oder wäre es möglich, die Inkohärenzen eines Patienten zu nutzen und zwischen diesen auf mehr oder weniger geordnete Weise eine fragmentierte, bedeutungsvolle Kommunikation einzustreuen, die nur mit Mühe als solche zu erkennen sein würde? Diese Spekulation führte zu vielen Stunden intensiver Arbeit, während derer in die wörtlich transkribierten, scheinbar sinnlosen Äußerungen eines Patienten eine sinnvolle Botschaft eingefügt wurde, die von den Kollegen des Autors ohne weiterführende Hinweise nicht entdeckt werden konnte. Frühere Bemühungen des Autors, eigene Inkohärenzen zu produzieren, wiesen ein deutliches und erkennbares persönliches Muster auf, was zeigte, daß der Autor nicht ausreichend mental gestört war, um einen echten inkohärenten Redefluß zu erzeugen. Der Autor erkannte, daß beim erfolgreichen Einstreuen einer Bedeutung in die Äußerungen eines Patienten, seine früheren unter Hypnose durchgeführten Experimente mit hypnotischen Techniken starken Einfluß auf die Art der Botschaften hatte, die er in den Redeschwall des Patienten einstreute. Aus dieser Beschäftigung entstand die folgende experimentelle und therapeutische Arbeit.
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Eine erst vor kurzem eingestellte Sekretärin hatte starke Einwände dagegen, hypnotisiert zu werden. Sie litt zu Beginn ihrer Periode regelmäßig unter starken Kopfschmerzen, die drei bis vier Stunden und manchmal noch länger dauerten. Sie war wiederholt vom ärztlichen Dienst untersucht worden, ohne aufschlußreichen Befund. Gewöhnlich zog sie sich in den Aufenthaltsraum zurück und schlief dort, bis die Kopfschmerzen vorbei waren, üblicherweise drei Stunden lang oder mehr. Bei einer dieser Gelegenheiten wurde sie absichtlich auf eher hartnäckige Weise dazu gedrängt, ein Diktat des Autors aufzunehmen, anstatt sich wie gewohnt in den Aufenthaltsraum zurückziehen zu dürfen. Sie begann diese Aufgabe recht verärgert, unterbrach aber den Autor nach fünfzehn Minuten, um ihm mitzuteilen, daß ihre Kopfschmerzen vergangen seien. Sie führte dies auf ihre Wut darüber zurück, zu dem Diktat gezwungen worden zu sein. Bei einer späteren Gelegenheit meldete sie sich freiwillig dafür, ein Diktat aufzunehmen, das alle anderen Sekretärinnen aufgrund der damit verbundenen Schwierigkeiten zu vermeiden suchten. Ihre Kopfschmerzen verschlimmerten sich, und sie folgerte daraus, daß die gute Erfahrung mit dem Autor lediglich ein glücklicher Zufall gewesen sei. In der Folge entwickelte sie einen weiteren Anfall schwerer Kopfschmerzen. Sie wurde vom Autor wieder sehr nachdrücklich zu einem Diktat gerufen. Innerhalb von zehn Minuten stellte sich wieder das gleiche positive Resultat ein. Als sie das nächste Mal unter Kopfschmerzen litt, meldete sie sich wieder freiwillig, um ein Diktat des Autors aufzunehmen. Auch dieses Mal führte es zu einer Abnahme ihrer Kopfschmerzen. Sie experimentierte dann mit Diktaten durch andere Ärzte, um zu sehen, welche Wirkung diese haben würden. Aus unbekanntem Grund verschlimmerten diese nur ihre Kopfschmerzen. Sie kehrte von einem dieser fruchtlosen Versuche zu dem Autor zurück und bat ihn, ihr etwas zu diktieren. Der Autor erklärte, daß er gerade nichts zu diktieren habe, aber ihr bereits früher diktiertes Material erneut diktieren könne. Ihre Kopfschmerzen verbesserten sich nach 8 Minuten. Einer bei späterer Gelegenheit von ihr geäußerten Bitte um ein Diktat zur Linderung ihrer Kopfschmerzen wurde mit einem Standarddiktat entsprochen, das keinerlei Wirkung hatte. Sie suchte den Autor daraufhin noch einmal auf, ohne große Zuversicht, da sie glaubte, "das Heilmittel des Diktats" ausgeschöpft zu haben. Ihr wurde wieder ein Diktat gegeben, das sie innerhalb von 9 Minuten von ihren Schmerzen befreite. Sie war so froh, daß sie eine Kopie des Transkripts behielt, um andere bitten zu können, ihr dieses "erfolgreiche Diktat" zu geben und so ihre Kopfschmerzen zu lindern. Leider schien niemand die "richtige Stimme" zu haben, über die der Autor verfügte. Wie immer wurde ihr beiläufig eine posthypnotische Suggestion erteilt, daß sie während des Transkribierens nicht einschlafen werde.
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Weder sie noch sonst jemand vermutete, was tatsächlich geschehen war. Der Autor hatte ausführliche Notizen von dem inkohärenten Redeschwall eines psychotischen Patienten angefertigt. Er hatte diese inkohärenten Patientenäußerungen von mehreren Sekretärinnen transkribieren lassen. Er hatte dann systematisch in diese inkohärenten Äußerungen therapeutische Suggestionen eingestreut, wobei er bereits diese Sekretärin als Patientin im Sinn hatte. Als sich dies als erfolgreich erwies, wurden die inkohärenten Äußerungen eines anderen Patienten auf ähnliche Weise utilisiert. Auch dieser Versuch erwies sich als erfolgreich. Als Kontrollmaßnahme wurde das Diktieren von Routinevorgängen und von unverändertem Wortsalat ausprobiert. Dies zeigte keinerlei Wirkung in bezug auf ihre Kopfschmerzen. Auch die Verwendung des "bearbeiteten" Materials durch andere blieb ohne Wirkung, da es, um Wirkung zu zeitigen, mit lauter Stimme und einem gewissen Maß an Expressivität gelesen werden mußte. Es stellt sich nun die Frage, warum die beiden eingangs vorgestellten Patienten und die im Rahmen des Experiments verwendeten Patienten therapeutisch reagierten. Darauf kann ganz einfach folgendermaßen geantwortet werden: Sie wußten sehr genau, warum sie zur Therapie gekommen waren; sie hatten einen starken Wunsch nach einer Besserung ihres Zustands; sie kamen, mit Ausnahme der ersten experimentellen Patientin, in einem rezeptiven Zustand, bereit, auf die erste Gelegenheit zu reagieren. Doch sie wollte unbedingt von ihren Kopfschmerzen befreit werden und wünschte, daß sie die Zeit, die sie mit der Aufnahme des Diktats zubringen mußte, dafür hätte verwenden können, ihre Kopfschmerzen zu lindern. Im Grunde waren daher alle Patienten in einer Verfassung, die sich für die Therapie eignete. Wie oft muß ein Patient seine Beschwerden vorbringen? Nur so oft, wie der Therapeut es braucht, um zu verstehen. Im Fall jedes dieser Patienten genügte ein einmaliges Vortragen der Beschwerde, um zu wissen, daß der Therapeut verstanden hatte. Ihr starker Wunsch nach Therapie war nicht nur ein bewußter, sondern auch ein unbewußter Wunsch, wie es klinisch, aber noch deutlicher aufgrund der erzielten Resultate ersichtlich ist. Es sollte auch die Bereitwilligkeit anerkannt werden, mit der das Unbewußte Signale und Informationen aufnimmt. Man kann z.B. gleich auf den ersten Blick einer Person gegenüber Mißfallen empfinden, ohne sich wochen-, monate- oder sogar jahrelang des offensichtlichen und deutlichen Grundes für dieses Mißfallen bewußt zu werden. Schließlich werden dem Bewußtsein die Gründe für die Abneigung deutlich. Ein häufiges Beispiel ist die prompte Feindseligkeit, die einer homosexuellen Person von einer heterosexuellen Person entgegengebracht wird, ohne daß der Grund dafür bewußt wahrgenommen wird.
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Patterns Die respektvolle Berücksichtigung der Tatsache, daß das Unbewußte des Patien-
ten in der Lage ist, die Bedeutungshaftigkeit des unbewußten Verhaltens des Therapeuten wahrzunehmen, ist ein entscheidendes Prinzip in der Psychotherapie. Dem Unbewußten des Patienten sollte auch unbedingter und vollständiger Respekt entgegengebracht werden, damit es die absichtlich verschleierten, bedeutungsvollen therapeutischen Anweisungen, die ihm angeboten werden, in ihrer Gesamtheit wahrnimmt. Das oben vorgestellte klinische und experimentelle Material beruht auf dem Wissen des Autors, daß das Unbewußte des Patienten viel besser zuhören und verstehen kann, als es seinem Bewußtsein möglich wäre. Ursprünglich bestand die Absicht, diese experimentelle Arbeit, von der außer dem Autor niemand etwas wußte, zu veröffentlichen. Doch nüchterne Überlegung und das Wissen um den unsicheren Status der Hypnose allgemein, verbunden mit der starken Ablehnung dieser Sekretärin dagegen, hypnotisiert zu werden - sie hatte nichts dagegen, von ihren Kopfschmerzen befreit zu werden, indem sie ein Diktat des Autors aufnahm -, ließen eine Veröffentlichung nicht ratsam erscheinen. Eine zweite Sekretärin, die von dem Krankenhaus eingestellt wurde, als sich die erwähnte experimentelle Arbeit dem Ende näherte, litt an einer äußerst beeinträchtigenden Dysmenorrhoe. Die "Kopfschmerz-Sekretärin" riet dieser jungen Frau, daß das Aufnehmen eines Diktats von dem Autor möglicherweise ihre Beschwerden lindern würde. Der Autor kam diesem Wunsch gerne nach und setzte für das Diktat "bearbeiteten" Wortsalat von Patienten ein. Es erwies sich als wirksam. Aus Sorge darüber, welche Folgen es für die Hypnoseforschung haben könnte, wenn seine Vorgesetzten von den Vorgängen erführen, scheiterte der Autor absichtlich beim nächsten Versuch mit der zweiten Sekretärin und war dann beim darauffolgenden Diktat wieder erfolgreich. Sie bot sich freiwillig als Versuchsperson für Hypnose an, und es wurden ab dann nicht mehr Diktate, sondern Hypnose eingesetzt, um ihren persönlichen Bedürfnissen gerecht zu werden. Sie diente wiederholt als Versuchsperson für verschiedene angekündigte und "genehmigte" Hypnoseexperimente; bei einer Reihe anderer experimenteller Untersuchungen behielt der Autor seine Absicht für sich. Nun, da Hypnose ein akzeptiertes wissenschaftliches Verfahren in der kriminalistischen und therapeutischen Praxis ist und ein besseres Verständnis von Semantik besteht, kann dieses Material, das so lange auf das Regal unveröffentlichter Arbeiten verbannt war, gefahrlos veröffentlicht werden.
Symptomkorrektur und Schmerzkontrolle mit Hilfe der hypnotischen Einstreutechnik
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Zusammenfassung Zwei Fallbeispiele und ein kurzer Bericht über eine experimentelle Arbeit sind ausführlich dargestellt worden, um das effektive Einstreuen von psychotherapeutischen Suggestionen zwischen Suggestionen zur Induktion und Aufrechterhaltung der Trance zu demonstrieren. Die behandelten Patienten litten an neurotischen Manifestationen bzw. Schmerzen im Endstadium einer malignen Erkrankung. *****
Wir werden nun etwas genauer untersuchen, wie Erickson diese Einstreutechnik konstruiert, und auch weitere Sprachmuster darstellen, die er zur Hypnoseinduktion und zur Suggestion einsetzt. Eine weitere einfache Induktion wird später vorgestellt werden, doch zunächst soll Ericksons Bericht von seiner Arbeit mit Joe untersucht werden. Dieser Behandlungsbericht ist bemerkenswert, da bis auf Joes Bemühen, Ericksons Äußerungen zu verstehen, nur sehr wenig Kooperation von Seiten des Klienten erwartet werden konnte. Wir werden sehen, wie die Geschichte von einer Tomatenpflanze sich zu einer Serie wirksamer und dringend benötigter Suggestionen zur Schmerzlinderung entwickelte. Erickson beginnt, indem er die Erfahrung des Klienten pacet. Er verwendet in seiner Beschreibung das, was er über den Klienten weiß, und wählt ein Thema, das für den Klienten von Interesse ist, um so seine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Außer dem Vorteil, daß es den Klienten dazu bringt, zuzuhören, stellt es auch einen Teil des Erlebens des Klienten dar, in das er einen großen Teil seiner selbst investiert hat. Erickson möchte den Klienten in die Lage versetzen, die Inhalte der Geschichte und den Bezugsindex auf sich selbst zu generalisieren. An einer Stelle sagt er sogar zu Joe: Es ist so angenehm, sich einfach vorzustellen, daß die Pflanze ein Mensch sei.
Joes Liebe für Pflanzen erleichtert es Joe, seinen eigenen Bezugsindex als einen relevanten Ersatz für Tomatenpflanze zu wählen. Erickson beginnt hier mit einer Reihe von Pacing-Aussagen. Ich weiß, daß Sie Florist sind
=
A
Sie züchten gern Blumen
=
B
Ich wuchs auf einer Farm in Wisconsin auf
=
C
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Patterns Ich züchtete gern Blumen. Ich tue es immer noch.
= =
D E
Jede dieser fünf Aussagen ist aus der Sicht des Klienten ohne Frage zutreffend. Erickson verknüpft nun in dem folgenden Satz durch das Bindewort des implizierten Kausativs daher die Aussagen mit dem Verhalten, das er von dem Klienten elizitieren möchte. ... daher möchte ich, daß Sie sich dort in diesen Sessel setzen, während ich zu Ihnen spreche...
Die allgemeine Form dieser Serie ist: A, B, C, D, E
möchte ich, daß Sie sich dort in diesen Sessel setzen, während ich zu Ihnen spreche
Beachten Sie außerdem, daß die letzte Aussage selbst ein impliziertes Kausativ enthält, das eine unmittelbar überprüfbare Aussage mit einem Aspekt des Verhaltens verknüpft, das Erickson von Joe elizitieren möchte. Ich spreche zu Ihnen
ich möchte, daß Sie sich dort in diesen Sessel setzen
Beachten Sie auch, daß Erickson das Verhalten, das er von Joe elizitieren möchte, nicht direkt verlangt, sondern ein konversationelles Postulat verwendet und dadurch den direkten Befehl setzen Sie sich in diesen Sessel vermeidet, wenn er sagt: ... ich möchte, daß Sie sich dort in diesen Sessel setzen ... Ich werde Ihnen eine Menge sagen, aber es wird nichts mit Blumen zu tun haben, denn Sie wissen mehr über Blumen als ich. Das ist nicht, was Sie wollen.
Erickson verwendet hier eine Reihe von Mustern: ... eine Menge ...
Kein Bezugsindex für Menge.
... es wird nichts mit Blumen zu tun haben ...
Kein Bezugsindex für es.
Symptomkorrektur und Schmerzhontrolle mit Hilfe der hypnotischen Einstreutechnik
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denn Sie wissen mehr über Blumen als ich
Gedankenlesen (Sie wissen), Ursache Wirkung (denn).
Das ist nicht, was Sie wollen
Gedankenlesen (Das ist nicht, was Sie wollen). Erickson wiederholt die Frage, die Joe ihm eingangs auf einen Zettel schrieb: "Was wollen Sie?"
Erickson verwendet darüber hinaus eine Metakommunikationstechnik (er macht eine Kommunikation über eine Kommunikation), die eng mit der Technik der Verletzung der Selektionsbeschränkung verwandt ist, die wir bereits erwähnt haben. Erickson macht hier eine direkte Bemerkung über seine beabsichtigte Kommunikation mit Joe. Er sagt, daß er mit Joe reden werde, aber nicht über Blumen. Doch im weiteren Verlauf der Kommunikation spricht Erickson oberflächlich über eine Tomatenpflanze - und verwendet dabei die Technik der Verletzung der Selektionsbeschränkung. Erickson fordert Joe hier direkt dazu auf, einen anderen Bezugsindex für die Kommunikation über Tomatenpflanzen zu finden. Während ich nun rede, und ich kann das ganz bequem tun, möchte ich, daß Sie mir bequem zuhören sollten, während ich von einer Tomatenpflanze erzähle.
Während ... während ...
Impliziertes Kausativ
bequem ... mir bequem zuhören ...
Analoges Markieren, untergeordnete Konstruktion
... möchte ich, daß Sie zuhören sollten...
Gebrauch einer ungrammatikalischen Satzstruktur, die Joe auf eine besondere Mitteilung hinweist: ... möchte ... zuhören sollten ... anstelle von ... möchte ... zuhören ...
Es ist merkwürdig, darüber zu reden. Es macht einen neugierig. Warum über eine Tomatenpflanze reden? Man steckt einen Tomatenkeim in den Boden. Man kann die Hoffnung spüren, daß er zu einer Tomatenpflanze wachsen wird, die durch die Frucht, die sie trägt, Freude bringen wird.
Patterns
58 Es ist merkwürdig, darüber zu reden.
Tilgung (Merkwürdig für wen? Mit wem darüber reden?)
Es macht einen neugierig.
Ursache - Wirkung (... macht einen ...)
... einen ... man ... man ...
Fehlender Bezugsindex
... Hoffnung spüren... Freude bringen
Analoges Markieren der untergeordneten Konstruktion
wird... ... Freude ...
Nominalisierung mit begleitender Tilgung und fehlendem Bezugsindex
Der Keim saugt Wasser auf, er hat keine großen Schwierigkeiten, das zu tun, wegen des Regens, der Blumen und Tomaten Frieden und Wohlbehagen bringt und die Freude des Heranwachsens. Schwierigkeiten ... Frieden ... Wohlbehagen ... Freude
Nominalisierung mit begleitender Tilgung und fehlendem Bezugsindex
... tun bringt..
Unspezifische Verben
... wegen ...
Ursache-Wirkung-Verknüpfung
Blumen und Tomaten ... Frieden ...
Verletzung der Selektionsbeschränkung
Wohlbehagen ... Freude ... bringt
An dieser Stelle ist außerdem Ericksons frühere Meta-Kommunikation ... es wird nichts mit Blumen zu tun haben ... von Bedeutung, da er Joe zuvor angekündigt hatte, daß er nicht über Pflanzen reden werde, jetzt aber über Pflanzen redet, was Joe vor die Aufgabe stellt, einen Sinn für diese Kommunikation zu finden. Dieser kleine Keim, Joe, schwillt langsam an und streckt eine kleine Wurzel aus mit Flimmerhärchen daran. Vielleicht wissen Sie nicht, was Flimmerhärchen sind, aber Flimmerhärchen sind etwas, was funktioniert, um dem Tomatenkeimling dabei zu helfen, zu wachsen, sich als sprießende Pflanze über die Erdoberfläche nach oben zu stemmen, und Sie können mir zuhören, Joe, deshalb werde ich weitererzählen und Sie können weiter zuhören, staunen, einfach staunen darüber, was Sie wirklich lernen können.
Symptomkorrektur und Schmerzkontrolle mit Hilfe der hypnotischen Einstreutechnik ... Keim ... Wurzel ... Flimmerhärchen ... Tomaten pflanze ...
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Substantive, deren Bezugsindex bereits durch Ericksons frühere MetaKommunikation disqualifiziert worden ist.
... Sie können weiter zuhören ...
Präsupposition: zugehört.
... wissen ... staunen ... lernen ...
Unspezifische Verben
... einfach staunen darüber, was Sie
Untergeordnete Konstruktion (die Frage: Was können Sie wirklich lernen?)
wirklich lernen können ...
Joe
hat
bereits
... und ... deshalb ... und ...
Verbindungen - einfache Konjunktion, impliziertes Kausativ
... etwas, was funktioniert...
Fehlender Bezugsindex
... Sie können mir zuhören ...
Konversationelles Postulat
... Sie können weiter zuhören ... ... und hier ist Ihr Bleistift und Ihr Notizblock, aber da die Rede gerade von einer Tomaten pflanze ist, sie wächst so langsam. Sie können nicht sehen, wie sie wächst, Sie können nicht hören, wie sie wächst, aber wachsen tut sie zuerst ein paar kleine blattähnliche Dinge am Stamm, die feinen kleinen Härchen am Stamm, die gleichen Härchen sind auch auf den Blättern, wie die Flimmerhärchen auf den Wurzeln, die Tomatenpflanze muß sich sehr gut fühlen, sich sehr angenehm fühlen ... ... und hier ist Ihr Bleistift und Ihr Notizblock ...
Pacing-Aussage
... da die Rede gerade von einer To-
Tilgung (wer spricht mit wem?)
matenpflanze ist ... ... die Tomaten pflanze muß sich sehr gut fühlen, sich sehr angenehm fühlen ...
Verletzung der Selektionsbeschränkung
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Pattems
Beispiel einer Tranceinduktion (mit Kommentar) Sie sollten sich nun eine Vorstellung von der sprachlichen Komplexität machen können, die Erickson bei seinen Induktionen oder Suggestionen verwendet. Ericksons Fähigkeit, Sprache auf diese komplexe Weise zu benutzen, ist das Ergebnis von Erfahrung und Kreativität sowie seines unbeirrbaren Glaubens an die Fähigkeit von Menschen, das zu lernen, was sie brauchen. Doch obwohl Erickson selbst diese Muster spontan bilden kann, besitzt er keine bewußte Kenntnis ihrer formalen Merkmale. In seinen eigenen Worten: Die Struktur der Magie I von Richard Bandler und John Grinder ist eine wunderbare Vereinfachung der unendlichen sprachlichen Komplexitäten, die ich bei meinen Patienten verwende. Durch das Lesen dieses Buches habe ich eine Menge über die Dinge gelernt, die ich bisher getan habe, ohne es zu wissen. Die folgende Induktion wurde in Anwesenheit des Autors (Grinder) aufgenommen und wird hier wörtlich wiedergegeben; die rechte Spalte enthält den Kommentar. (1) Möchten Sie Ihre Füße flach auf den Erickson beginnt die Induktion mit Boden stellen? einem konversationellen Postulat.
(2) Fortsetzung ...
Möchten Sie Ihre Füße flach auf den Boden stellen? (ein konversationelles Postulat) gibt, wie bereits besprochen, eine der Präsuppositionen des Befehls "Stellen Sie Ihre Füße flach auf den Boden" in Frageform wieder. Dieses Vorgehen löst in der Klientin eine Reihe von Prozessen aus, die in der Regel nicht bewußt ablaufen, und bringt sie gleichzeitig in eine für die Tranceinduktion günstige Position, da sie bereits begonnen hat, mit ihrem Wachbewußtsein auf Ericksons Suggestion zu reagieren.
Beispiel einer Tranceinduktion
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(3) und sitzen ... mit Ihren Händen genau so, wie sie gerade sind
Und verknüpft dieses konversationelle Postulat mit dem nächsten Befehl, der ebenfalls nicht als Befehl, sondern als Fortführung des vorherigen Musters (des konversationeilen Postulats) ausgedrückt ist. Hier liegt eine zusätzliche (Bereichs-) Ambiguität vor: möchten Sie sitzen oder einfach sitzen.
(4) und auf einen beliebigen Punkt dort drüben schauen
Setzt die Technik des konversationellen Postulats fort.
(5) und ihn nicht berühren
(6) und, ja, diesen Punkt einfach nur weiter anschauen
Einfach nur weiter anschauen setzt voraus, daß sonst nichts vom Klienten erwartet wird. Gleichzeitig verknüpft "und" diese Aussage auf beiläufige Weise mit allem, was bisher gesagt worden ist. Darüber hinaus setzt weiter in der Wortfolge einfach nur weiter anschauen voraus, daß die Klientin bereits schaut.
(7) Nun besteht keine Notwendigkeit zu reden
Konversationelles Postulat mit der Wirkung des Befehls: "Reden Sie nicht" zusätzlich zu der Tilgung (Wer redet worüber mit wem?) und der Nominalisierung Notwendigkeit mit der dazugehörigen Tilgung und dem Fehlen von Bezugsindizes.
(8) keine Notwendigkeit, sich zu bewegen
Ungrammatikalische Wortsequenz, Tilgung (Wer bewegt sich wohin?) und die Nominalisierung Notwendigkeit.
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Patteras
(9) Sie brauchen mir wirklich keine Beachtung zu schenken, denn ...
Wirklich setzt den Rest des Satzes voraus, Nominalisierung Beachtung und Beginn einer Ursache-Wirkungs-Aussage (denn), brauchen mir wirklich keine Beachtung zu schenken enthält das konversationelle Postulat "Schenken Sie mir keine Beachtung".
(10) Ihr Unbewußtes wird mich hören
Setzt voraus, daß das Unbewußte existiert und Erickson hören kann, untergeordnete Konstruktion mich hören.
(11) und es wird verstehen
Tilgung (was verstehen?), untergeordnete Konstruktion (verstehen), unspezifisches Verb (verstehen).
(12) Brauchen mir nicht einmal Beachtung zu schenken
Der Gebrauch von "nicht einmal" und "wirklich" setzt den Rest der Kommunikation voraus. Ungrammatikalischer Satz, konversationelles Postulat, untergeordnete Konstruktion.
(13) Und während Sie da so sitzen
Pacing-Aussage, die durch und und das implizierte Kausativ während mit den vorherigen Aussagen verknüpft ist.
(14) Haben Sie das gleiche gemacht
Fehlender Bezugsindex (das gleiche), Tilgung (das gleiche wie was, für wen?), unspezifisches Prädikat (gemacht).
(15) was Sie gemacht haben, als Sie in die Schule gekommen sind
Tilgung (was gemacht?), impliziertes Kausativ als, Suggestion einer Altersregression, die sowohl eine frühere Periode im Leben des Klienten erwähnt ab auch die Aussage, daß der Klient jetzt das gleiche macht.
Beispiel einer Tranceinduktion
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(16) als Sie zum ersten Mal die Aufgabe des Schreibens vor sich sahen
Nominalisierungen Aufgabe und Schreiben mit dazugehörigen Tilgungen und fehlenden Bezugsindizes, Suggestionen für Altersregression (ab) sowie impliziertes Kausativ.
(17) die Buchstaben des Alphabets
Das Prädikat sehen in (16) und der Hinweis auf die Buchstaben des Alphabets stellen sehr wirkungsvolle Techniken für das Zugänglichmachen der nichtdominanten Hemisphäre dar.
(18) Es erschien wie eine unmögliche
Tilgungen (erschien wem, unmöglich für wen?), Nominalisierung Aufgabe.
Aufgabe
(19) Und wie erkennen Sie ein "B"
Untergeordnete Konstruktion (erkennen Sie ein "B"), Frage wird ohne eine Pause gestellt, die es der Klientin erlauben würde, direkt zu antworten.
(20) Wie unterscheidet es sich von einem D"
Tilgung (unterscheidet sich für wen?), Kinder haben genau diese Schwierigkeit - daher eine Suggestion zur Altersregression.
(21) und Zählen
Ebenfalls in der nichtdominanten Hemisphäre gespeichert, ungrammatikalisches Fragment.
(22) Ist eine 6 eine umgedrehte 9 ... 9 eine umgedrehte 6
Ungrammatikalisches Fragment, Zugänglichmachen der nichtdominanten Hemisphäre, Suggestion für Altersregression, Tilgung (für wen?).
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Patterns
(23) Und während Sie diese Probleme meisterten - haben Sie mentale Bilder geformt, die Sie für den Rest Ihres Lebens bewahren werden
Zugänglichmachen der nichtdominanten Hemisphäre, Gedankenlesen, Nominalisierung Probleme mit dazugehörigen Tilgungen und fehlendem Bezugsindex.
(24) Aber damals wußten Sie das noch nicht
Suggeriert Amnesie.
(25) Und während Sie dort gesessen haben
Pacing-Aussagen, impliziertes Kausativ (während).
(26) ist Ihnen jetzt das gleiche passiert, was Ihnen damals passiert ist
Die obigen Beschreibungen ereignen sich in diesem Moment: Regression, Amnesie, das Formen mentaler Bilder, Lernen, das gleiche hat keinen Bezugsindex und könnte alles mögliche meinen - was es der Klientin erlaubt, selbst zu wählen. Auch wenn sie wahrscheinlich in einem gewissen Maße auf alle genannten Techniken reagiert, macht Ericksons Formulierung des Satzes ihn auch zu einem eingebetteten Befehl JEETZTT passiert, was Ihnen damals passiert ist. Dies wird auf eine Weise markiert, die durch die Tonalität impliziert: "Tu es."
(27) Ihre Atmung hat sich verändert (28) Ihr Blutdruck hat sich verändert (29) Ihr Herzschlag hat sich verändert (30) Ihr Lidreflex hat sich verändert
Pacing. Erickson hat die Klientin genau beobachtet und beschreibt die Veränderung, die er gesehen hat, verstärkt diese durch Feedback und setzt auch schon voraus, daß es bereits geschehen ist.
Beispiel einer Tranceinduktion
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(31) Und Sie haben ein mentales Bild, ein visuelles Bild von diesem Punkt, und jetzt können Sie die Augen schließen, JEETZTT
Gedankenlesen, Konjunktion und, Verbindung einer Pacing-Aussage mit Gedankenlesen und einem gewünschten Verhalten, ungrammatikalisch (zweimaliges Vorkommen von jetzt), konversationelles Postulat, untergeordnete Konstruktion, unspezifisches Verb (haben), analoges Markieren (Jeetztt).
(32) Und nun können Sie das angenehme Gefühl genießen, immer tiefer in Trance zu gehen
Konjunktion und, untergeordnete Konstruktion, konversationelles Postulat, Präsupposition, Nominalisierung.
(33) Und ich möchte, daß Sie es jeden Moment genießen
Fehlen eines Bezugsindex (es), Präsupposition (jeden Moment), untergeordnete Konstruktion, analoges Markieren.
(34) ... und ich brauche nicht zu Ihnen zu sprechen
Tilgung (mit Ihnen über was sprechen?)
(35) Sie können viel Freude daran haben
Untergeordnete Konstruktion, konversationelles Postulat, Nominalisierung (Freude) mit dazugehörigen Tilgungen und fehlendem Bezugsindex, Präsupposition (viel).
(36) zu merken, welche angenehmen Gefühle
Präsupposition (merken ist ein faktives Prädikat), Nominalisierung Gefühle, unspezifisches Prädikat, analoges Markieren.
(37) Sie in sich haben können
Untergeordnete Konstruktion, unspezifisches Verb, konversationelles Postulat.
66
Patterns
(38) und eines davon ist das Wissen, daß Sie zurückgehen können
Fehlen eines Bezugsindex davon, Präsupposition (eines), Nominalisierung (Wissen), untergeordnete Konstruktion, konversationelles Postulat.
(39) dann können Sie vielleicht die Erfahrung machen
Impliziertes Kausativ (dann), untergeordnete Konstruktion, analoges Markieren, Nominalisierung (Erfahrung).
(40) ... nicht zu wissen, welche Ihrer beiden Hände sich zuerst heben wird.
Untergeordnete Konstruktion (die Frage welche Ihrer beiden Hände ...), Präsupposition welche ihrer beiden Hände ... setzt voraus, daß eine Hand sich heben wird, und die Präsupposition zuerst fragt, welche es zuerst tun wird.
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Eine gemeinsame Untersuchung von Milton H. Erickson und Aldous Huxley zu der Natur und dem Wesen einer Reihe veränderter Bewußtseinszustände (mit Kommentar)
Das Verhalten des Patienten ist ein Teil des Problems, das in die Praxis gebracht wird; es stellt die persönliche Umgebung dar, in der die Therapie wirken muß; es kann die dominante Kraft in der lokalen Patient-Arzt-Beziehung darstellen. Da alles, was der Patient in die Praxis bringt, in gewisser Weise sowohl einen Teil von ihm wie auch einen Teil seines Problems darstellt, sollte der Patient mit einem verständnisvollem Blick gesehen und die Gesamtheit der Situation berücksichtigt werden, der sich der Therapeut gegenübersieht. - Milton H. Erickson, The Use of Symptoms as an Integral Part of Hypnotherapy
Milton Erickson genießt allgemeine Anerkennung als führender Vertreter der medizinischen Hypnose und der Anwendung der Hypnose im psychotherapeutischen Kontext. Er hat im Verlauf der Jahre, in denen er sich mit dem Wesen der Hypnose und der Funktionsweise des menschlichen Geistes unter veränderten Bewußtseinszuständen beschäftigt hat, immer wieder darauf gedrungen, daß Hypnotiseure, Psychotherapeuten, Ärzte und Zahnärzte ihre Fertigkeiten verfeinern sollten, um die Bedürfnisse und Anforderungen erkennen und erfüllen zu können, die ihre Klienten in einen bestimmten Kontext einbringen. Erickson hat erkannt, daß eine volle Kommunikation zwischen zwei Personen auf bewußter wie auf unbewußter Ebene stattfinden kann, wenn das Modell der Welt der anderen Person berücksichtigt wird. Im therapeutischen Kontext zum Beispiel übernimmt der Therapeut sowohl die Verantwortung dafür, den Kontakt herzustellen, als auch, den Klienten dabei zu unterstützen, die kommunikativen Fertigkeiten zu erlernen, die notwendig sind, um gewünschte Veränderungen in seinem Verhalten zu erreichen. Das wird oft voraussetzen, daß der Therapeut darin geübt ist, dem Klienten zu zeigen, wie er seine Erfahrung auf andere Weise repräsentieren kann - ihm buchstäblich zu zeigen, wie er neue Verhaltensmöglichkeiten erwerben kann (unbewußt oder bewußt oder beides), um die Welt zu repräsentieren. Bei der Anwendung der Hypnose im medizinischen oder zahnmedizinischen Kontext muß der Arzt dem Patienten dabei helfen, einen veränderten Bewußtseinszustand zu erreichen, der es ihm erlaubt, die Welt auf eine Weise zu erleben, die sich radikal von seinem normalen Bewußtseinszustand unterscheidet, damit ein ansonsten schwieriger chirurgi-
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Patterns
scher Eingriff durchgeführt und der Patient versorgt werden kann. Diese verschiedenen Kontexte haben die Gemeinsamkeit, daß die Fähigkeit des Klienten erhöht ist, Teile seines Erlebens zu kontrollieren, die er normalerweise als außerhalb seiner Kontrolle erlebt (z.B. die Fähigkeit, sich an Ereignisse aus der fernen Vergangenheit zu erinnern, sich von starken Schmerzen zu dissoziieren, usw.). Der Klient erreicht mit der Unterstützung des Hypnotiseurs Kontrolle über Teile seines Nervensystems, von denen gewöhnlich angenommen wird, daß sie außerhalb der bewußten Kontrolle liegen. Er kann außergewöhnliche Kontrolle über den Prozeß gewinnen, durch den er die Welt direkt erlebt, seinen Modellbildungsprozeß. Eine der in westeuropäischen Kulturen am höchsten geschätzen Fähigkeiten ist die Erfahrung, die wir Kreativität oder den schöpferischen Akt nennen. Wenn es auch wenig Übereinstimmung über das Wesen dieser Erfahrung gibt, so bezeichnen Kreativitätsforscher sie in der Regel als einen veränderten Bewußtseinszustand. Bei Untersuchungen einiger der bekanntesten Mathematiker der Welt haben sowohl die Forscher wie auch die Mathematiker selbst bemerkt, daß ihre Entdeckungen und Erfindungen häufig in Form von Träumen oder plötzlichen Einsichten kommen, die ein Problem lösen, mit dem sie sich nicht bewußt beschäftigt haben8. In diesem ersten Beitrag arbeitet Erickson gemeinsam mit Aldous Huxley an der Erforschung "verschiedener Zustände psychologischer Bewußtheit". Huxley gilt als einer der kreativsten Menschen der jüngeren westeuropäischen Geschichte. Wir haben hier Gelegenheit, zu sehen, wie Erickson Huxley auf systematische Weise dabei hilft, veränderte Bewußtseinszustände zu erreichen, und dabei sehr sensibel mit Huxleys beachtlichen kreativen Ressourcen umgeht. Die Kommunikationsprinzipien, die es Erickson in der psychotherapeutischen Begegnung ermöglichen, so erfolgreich vorzugehen, sind auch in dieser außergewöhnlichen Situation klar zu beobachten, in der die beeindruckenden Ressourcen eines sehr kreativen Individuums in Zusammenarbeit mit diesem erforscht werden. In diesem Artikel zeigt sich das Potential, das die Hypnose als Werkzeug zur Untersuchung wertvoller veränderter Bewußtseinszustände und zur Erforschung der Grenzen menschlicher Erfahrung bieten kann, am deutlichsten. Ericksons überaus wirksame Techniken können nicht nur dazu dienen, Teile des gewohnten Modells der Welt einer Person auf eine therapeutisch, medizinisch oder zahnmedizinisch nützliche Weise zu verändern, sie erlauben auch die Modellbildung von Teilen des menschlichen Potentials, die gewöhnlicherweise nicht bewußt wahrgenommen werden - Teile des menschlichen Potentials, die wir schöpferisches Tun nennen können.
Eine gemeinsame Untersuchung von Milton H. Erickson und Aldous Huxley
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A Special Inquiry with Aldous Huxley into the Nature and Character of Various States of Consciousness9 Einleitung Im Verlauf von fast einem Jahr verbrachten Aldous Huxley und der Autor viel Zeit damit, unabhängig voneinander eine gemeinsame Untersuchung zu verschiedenen psychologischen Bewußtheitszuständen zu planen. Jeder von uns legte in seinem Loseblattbuch eine Liste von besonderen Forschungsvorhaben, möglichen Methoden experimentellen Vorgehens und Forschens an und formulierte verschiedene Fragen, die erörtert werden sollten. Wir wollten auf diese Weise einen allgemeinen Hintergrund für die beabsichtigte gemeinsame Untersuchung vorbereiten, der unser beider Denken, ohne Beeinflussung durch den anderen, wiedergeben sollte. Es war unsere Hoffnung, auf diese Weise mit Hilfe zweier voneinander unabhängiger Entwürfe, die von dem jeweils sehr verschiedenen Verständnishintergrund ausgingen, den wir beide besaßen, die größtmögliche Vielfalt an Ideen zu erfassen. Anfang des Jahres 1950 trafen wir uns in Huxleys Haus in Los Angeles, um dort einen intensiven Tag damit zuzubringen, die Ideen, die wir in unseren Notizbüchern aufgezeichnet hatten, auszuwerten und die experimentellen Untersuchungen durchzuführen, die uns praktikabel erschienen. Ich hatte starkes Interesse an Huxleys Einstellung zu psychologischen Problemen, seiner Denkmethode und dem einzigartigen Gebrauch, den er von seinem Unbewußten machte und über den wir zu einem früheren Zeitpunkt bereits kurz gesprochen hatten. Huxley war besonders an Hypnose interessiert, und unsere frühe, äußerst kurze Zusammenarbeit hatte bereits erwiesen, daß er eine außergewöhnliche Kompetenz als Versuchsperson (Subjekt) für tiefe somnambulistische Trancen hatte. Wir waren uns darin einig, daß dieses Treffen eine Pilotstudie darstellen sollte, und besprachen das miteinander. Wir planten aus diesem Grunde, sie so umfassend und ausführlich wie möglich zu machen, ohne allzusehr auf der Fertigstellung einzelner Punkte zu bestehen. Sobald die Ergebnisse eines Tages ausgewertet waren, ließen sich anschließend Pläne für weitere Zusammenkünfte und besondere Untersuchungsvorhaben machen. Daneben verfolgte jeder von uns auch eigene Absichten; Aldous hatte seine zukünftige literarische Arbeit im Sinn, während mein Interesse künftigem psychologischem Experimentieren im Bereich der Hypnose galt. Unsere Arbeit begann um 8 Uhr morgens und setzte sich ohne Unterbrechung bis 6 Uhr abends fort. Am folgenden Tag führten wir eine ausführliche Rückschau über unsere Notizen durch, um allgemeine Übereinstimmung darin herzustellen,
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mögliche Unklarheiten im Zusammenhang mit der Bedeutung von Abkürzungen zu beseitigen, die am Tag zuvor eingetragen worden waren, und um eventuelle Auslassungen zu korrigieren. Wir stellten fest, daß unsere Notizbücher sich in weitgehender Übereinstimmung befanden, aber einzelne Einträge, wie zu erwarten war, unsere speziellen Interessen und die Tatsache widerspiegelten, daß wir aufgrund der Natur der Situation unterschiedliche Notizen in bezug auf den anderen gemacht hatten. Unser Plan bestand darin, diese Notizbücher bei Huxley zu lassen, da sein phänomenales Gedächtnis, das ihm eine oft wortgetreue Wiedergabe von Material ermöglichte, und seine überragende literarische Fähigkeit ihn besser dazu geeignet machten, auf der Grundlage unserer Diskussionen und Experimente dieses Tages einen gemeinsamen Artikel zu verfassen. Ich faßte einige Seiten aus meinem Notizbuch zusammen, die sich auf Huxleys Verhalten bezogen, wenn er als Versuchsperson nicht in der Lage gewesen war, selbst Notizen zu machen, obwohl er im Anschluß an das Experiment dazu in der Lage war und das auch tat, wenn auch weniger ausführlich, als ich es getan hatte. Ich sollte, ausgehend von diesen Seiten, einen Artikel entwickeln, der später in die umfassendere Studie aufgenommen werden konnte, die Huxley schreiben sollte. Ich faßte daher einige Seiten zusammen, in der Absicht, später noch mehr Material zu erfassen. Huxley übertrug die Seiten, die ich herausgenommen hatte, auf der Stelle in sein eigenes Notizbuch, um die Vollständigkeit seiner Daten zu gewährleisten. Unglücklicherweise wurde Huxleys Haus kurze Zeit später durch einen Waldbrand zerstört, zusammen mit seiner beachtlichen Bibliothek, die neben zahlreichen anderen Schätzen eine Fülle seltener Bände und Manuskripte enthielt, ganz zu schweigen von den Manuskripten, an denen Huxley gerade arbeitete, und den beiden Notizbüchern zu unserer gemeinsamen Untersuchung. Wir gaben daraufhin unser gesamtes Projekt auf, da es zu schmerzlich gewesen wäre, dieses Thema weiter zu besprechen, doch Huxleys Tod veranlaßte mich, mir die wenigen Seiten, die ich aus meinen Notizbüchern zusammengefaßt hatte, noch einmal vorzunehmen. Ihre Durchsicht legte die Möglichkeit nahe, dem Leser einen kleinen, aber informativen Teil der Arbeit vorzustellen, die wir an diesem Tage geleistet hatten. Der Leser muß dabei berücksichtigen, daß die Huxley zugeschriebenen Äußerungen nicht notwendigerweise wörtlich wiedergegeben sind, da seine längeren Äußerungen in Kurzform notiert wurden. Sie sind jedoch ihrem Wesen nach korrekt und geben Huxley so wieder, wie ich ihn kannte. Ich möchte auch erwähnen, daß Huxley meine Notizen anläßlich unserer gemeinsamen Studie gelesen und gebilligt hatte.
Eine gemeinsame Untersuchung von Milton H. Erickson und Aldous Huxley
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Beginn des Projekts Das Projekt begann damit, daß Huxley eine Übersicht über verschiedene Konzepte und Definitionen der bewußten Aufmerksamkeit gab, überwiegend seine eigenen und zum Teil die von anderen, an die sich eine Diskussion zwischen uns anschloß über sein Verständnis hypnotischer Bewußtseinszustände. Unsere Absicht war es, uns auf diese Weise hinsichtlich der Unterschiede in unserem Verständnis Klarheit zu verschaffen und so eine zuverlässigere Untersuchung des Themas zu ermöglichen, an dem wir beide interessiert waren. Es folgte dann eine äußerst detaillierte Darstellung verschiedener psychedelischer Erfahrungen mit Meskalin, die später in diesem Buch aufgezeichnet werden sollten10. Huxley fuhr dann mit einer detaillierten Beschreibung seines einzigartigen Verfahrens fort, das er in Ermangelung eines besseren und weniger umständlichen Begriffs "Tiefe Reflexion" (Deep Reflection) nannte. Er beschrieb diesen Zustand (die Beschreibung des Autors ist nicht vollständig, da es außer seinem persönlichen Interesse keinen Grund zu geben schien, eine vollständige Aufzeichnung seiner Ausführungen zu machen) der Tiefen Reflexion als einen Zustand, der durch körperliche Entspannung gekennzeichnet ist, mit geneigtem Kopf und geschlossenen Augen, ein tiefes, progressives psychologisches Sich-Zurückziehen von Äußerlichkeiten, ohne daß jedoch das Wissen um die physischen Realitäten verlorenginge oder Amnesie oder Orientierungsverlust einträte, ein "Außerachtlassen" (setting aside) von allem, das nicht zur Sache gehörig ist, und dann einen Zustand der vollständigen mentalen Vertiefung in Fragen, die für ihn von Interesse sind. Huxley bemerkte, daß er in diesem Zustand vollständigen Rückzugs und mentaler Vertiefung noch immer in der Lage sei, einen stumpfen Bleistift durch einen spitzen zu ersetzen und "automatische" Notizen über seine Gedanken zu machen, und das alles, ohne sich darüber bewußt zu sein, welche körperliche Handlung er gerade ausführe. Es war, als ob die körperliche Handlung "kein integraler Teil meines Denkens" sei. Diese körperliche Handlung konnte in keiner Weise "den Strom der Gedanken, der mein Interesse so ausschließlich beschäftigt" beeinträchtigen, verlangsamen oder verhindern. "Sie hängt damit zusammen, ist aber eine vollkommen periphere Tätigkeit ... ich könnte sagen, eine Tätigkeit, die fast nicht einmal die Peripherie erreicht." Um das weiter zu verdeutlichen, führte Huxley ein Beispiel für eine andere körperliche Handlung an. Er erinnerte sich daran, einmal in einem Zustand Tiefer Reflexon gewesen zu sein, während seine Frau einkaufen war. Er wußte nicht mehr, mit welchen Gedanken oder Ideen er sich beschäftigte, erinnerte
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sich aber noch, daß seine Frau ihn bei ihrer Rückkehr fragte, ob er die Nachricht, die sie ihm telefonisch übermittelt habe, notiert habe. Er war von ihrer Frage sehr überrascht, da er sich nicht daran erinnern konnte, einen Anruf entgegengenommen zu haben, wie seine Frau behauptete. Sie fanden jedoch die betreffende Nachricht auf einem Zettel neben dem Telefon, das in bequemer Reichweite von dem Stuhl stand, in dem er gewöhnlich seinen Zustand der Tiefen Reflexion entwickelte. Sowohl er wie seine Frau kamen zu der Schlußfolgerung, daß er, als sie anrief, in einem Zustand Tiefer Reflexion gewesen sein muß, den Telefonhörer abgehoben und sich wie gewohnt mit: "Hallo dort!" gemeldet haben, ihre Nachricht angehört und dann niedergeschrieben haben muß, all dies, ohne später die geringste Erinnerung an diesen Vorgang zu haben. Er wußte lediglich noch, daß er an diesem Nachmittag an einem Manuskript gearbeitet hatte, das seine gesamtes Interesse in Anspruch nahm. Er begann, wie er erklärte, seinen Arbeitstag oft damit, sich zur Vorbereitung und zur Klärung seiner Gedanken in einen Zustand Tiefer Reflexion zu versetzen und sein Denken zu ordnen, das dann später im Verlauf des Tages in sein Schreiben einfließen würde. Huxley führte zur Verdeutlichung ein weiteres Beispiel an: Seine Frau war nach einer kurzen Abwesenheit nach Hause zurückgekehrt, fand, wie üblich, die Tür verschlossen vor, betrat das Haus und fand einen eingeschriebenen Brief auf dem Tisch in der Eingangshalle, der für Post, besondere Nachrichten u.ä. vorbehalten war. Sie fand Huxley ruhig in seinem Sessel sitzend, offensichtlich in einem Zustand Tiefer Reflexion. Sie erkundigte sich etwas später danach, wann der Brief zugestellt worden sei, und erfuhr, daß er sich nicht daran erinnern konnte, einen Brief empfangen zu haben. Doch sie wußten beide, daß der Briefträger zweifellos an der Tür geläutet hatte, Huxley die Glocke gehört und, was immer er gerade tat, unterbrochen haben mußte, zur Tür gegangen war, sie geöffnet, den Brief in Empfang genommen, die Tür geschlossen, den Brief an seinen vorgesehenen Platz gelegt hatte und zu seinem Sessel zurückgegangen war, wo sie ihn später antraf. Beide Ereignisse hatten sich erst vor relativ kurzer Zeit zugetragen. Er erinnerte sie nur als Begebenheiten, die ihm von seiner Frau berichtet worden waren, ohne jedoch das Gefühl zu haben, daß diese Berichte sich auf ein zielgerichtetes körperliches Verhalten bezogen, das er ausgeführt hatte. Er konnte lediglich ableiten, daß er in einem Zustand Tiefer Reflexion gewesen sein muß, als diese Ereignisse stattfanden. Seine Frau bestätigte in der Folge die Vermutung, daß sein Verhalten "vollkommen automatisch" gewesen sei, "wie eine Maschine, die sich präzise und sicher bewegt. Es ist eine wirkliche Freude, zu sehen, wie er ein Buch aus seinem
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Bücherschrank nimmt, sich wieder hinsetzt, das Buch langsam öffnet, seine Lesebrille nimmt, ein wenig liest und dann Buch und Brille zur Seite legt. Etwas später, vielleicht nach einigen Tagen, fällt ihm das Buch auf, und er fragt danach. Der Mann erinnert sich einfach nie daran, was er tut oder denkt, wenn er in diesem Sessel sitzt. Plötzlich findet man ihn in seinem Arbeitszimmer, ganz in seine Arbeit versunken." Mit anderen Worten, während er in einem Zustand Tiefer Reflexion war und sich dem Anschein nach von allen äußeren Wirklichkeiten vollkommen zurückgezogen hatte, blieb die Integrität der Aufgabe, mit der er in diesem mentalen Zustand beschäftigt war, von äußeren Stimuli unbeeinträchtigt, doch ein peripherer Teil seines Bewußtseins ermöglichte es ihm, äußere Stimuli zu empfangen, in angemessener Weise auf sie zu reagieren, ohne daß jedoch der Stimulus oder seine angemessene Reaktion auf den Stimulus eine Erinnerungsspur hinterlassen hätten. Eine spätere Erkundigung bei seiner Frau ergab, daß Aldous, wenn sie zu Hause war, im Zustand Tiefer Reflexion nicht auf Telefonanrufe achtete, auch dann nicht, wenn das Telefon unmittelbar neben ihm stand, oder auf die Türklingel reagierte. "Er verläßt sich einfach vollkommen auf mich, aber ich brauche ihm nur zuzurufen, daß ich das Haus verlasse, und er versäumt es nie, das Telefon oder die Türklingel zu hören." Huxley erklärte, er glaube, in etwa fünf Minuten einen Zustand Tiefer Reflexion entwickeln zu können, dabei aber "einfach alle Anker lichte", die irgend etwas mit Bewußtheit zu tun hätten. Was er damit meine und dabei spüre, könne er nicht beschreiben. "Es ist eine ganz subjektive Erfahrung", in der er anscheinend einen Zustand "ordentlicher mentaler Organisation" erreiche, der ihm während des Schreibens einen freien, geordneten Fluß seiner Gedanken erlaube. Das war die letzte Erklärung, die er gab. Er hatte nie erwogen, eingehender zu analysieren, um was genau es sich bei seiner "Tiefen Reflexion" handelte, noch glaubte er zu einer solchen Analyse in der Lage zu sein, bot aber an, es im Rahmen einer experimentellen Untersuchung noch am selbigen Tag zu versuchen. Es stellte sich schnell heraus, daß er, wenn er begann, sich in seine Gedanken zu vertiefen, um einen Zustand Tiefer Reflexion zu erreichen, tatsächlich "alle Anker lichtete" und vollkommen von allem losgelöst zu sein schien. Bei seinem Versuch, die Prozesse beim Eintreten in den Zustand der Tiefen Reflexion subjektiv zu erleben und zu erinnern, entwickelte er den Zustand innerhalb von fünf Minuten und kam, soweit ich beurteilen konnte, innerhalb von zwei Minuten wieder aus ihm heraus. Er bemerkte: "Es tut mir schrecklich leid. Ich war auf einmal vollkommen darauf eingestellt, zu arbeiten, ohne etwas zu tun zu haben, und dachte mir, ich komme besser wieder heraus." Das war alles, was er an Information anbieten konnte. Beim nächsten Versuch einigten wir uns darauf, daß ich ein Signal geben sollte, das ihm bedeuten würde, "her-
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auszukommen". Der zweite Versuch wurde genauso mühelos durchgeführt wie der erste. Huxley saß einige Minuten lang still, bevor das vereinbarte Signal gegeben wurde. Er berichtete: "Ich merkte, daß ich auf etwas wartete. Ich wußte nicht, worauf. Ich fühlte, daß da ,etwas' war, das in diese zeit- und raumlose Leere kommen würde. Ich würde sagen, das war das erste Mal, daß ich dieses Gefühl bemerkt habe. Ich hatte sonst immer etwas, worüber ich nachdachte. Doch dieses Mal hatte ich nichts zu tun. Ich war vollkommen desinteressiert, gleichgültig, wartete einfach auf etwas und hatte dann das Bedürfnis, herauszukommen. Sagen Sie, haben Sie mir dieses Signal gegeben?" Nachfragen ergab, daß er keine Erinnerung daran hatte, daß das Signal gegeben worden war. Er hatte nur das "Gefühl" gehabt, daß es Zeit war, wieder "herauszukommen". Weitere Wiederholungen führten zu ähnlichen Ergebnissen. Die wichtigsten Eindrücke waren ein Gefühl zeitloser, raumloser Leere, ein gelassenes, angenehmes Warten auf ein unbestimmtes "Etwas" und ein als angenehm empfundenes Bedürfnis, zu dem gewöhnlichen Wachbewußtsein zurückzukommen. Huxley faßte seine Wahrnehmungen folgendermaßen zusammen: "Eine vollständige Abwesenheit von allem auf dem Weg dorthin und auf dem Weg zurück und ein erwartetes unbedeutendes Etwas, auf das man in einem Zustand des Nirvana wartet, da es sonst nichts weiter zu tun gibt." Er äußerte die Absicht, dieses Verfahren, das er für seine schriftstellerische Tätigkeit so hilfreich gefunden hatte, zu einem späteren Zeitpunkt ausführlicher zu untersuchen. Es wurden dann noch weitere Experimente durchgeführt, nachdem Huxley erklärt hatte, daß er mit der einfachen, nicht näher definierten Absicht in den Zustand Tiefer Reflexion eintreten konnte, auf jeden "bedeutungsvollen Stimulus" zu reagieren. Ohne ihn über meine Absichten zu unterrichten, forderte ich ihn auf, "aufzuwachen" (mein eigener Begriff), wenn mit einem Bleistift dreimal kurz hintereinander auf einen Stuhl geklopft wurde. Er ging bereitwillig in den Zustand der Reflexion, und nach kurzer Wartezeit klopfte ich mit einem Bleistift auf verschiedene Weise in deutlichen, aber unregelmäßigen Intervallen auf den Tisch. Ich klopfte in schneller Folge einmal, machte eine Pause, klopfte dann zweimal schnell hintereinander, machte eine Pause, klopfte einmal, Pause, klopfte viermal schnell hintereinander, Pause, dann fünfmal schnell hintereinander. Verschiedene Variationen wurden ausprobiert, wobei das vereinbarte Signal vermieden wurde. Ein Stuhl wurde mit einem Krachen umgestoßen, während viermal geklopft wurde. Er reagierte nicht, bevor nicht die vereinbarten drei Klopfzeichen gegeben wurden. Er wachte langsam auf, nachdem er fast unmittelbar auf das Signal reagiert hatte. Huxley
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wurde nach seinen subjektiven Erfahrungen gefragt. Er erklärte nur, daß sie die gleichen gewesen seien wie zuvor, mit der einen Ausnahme, daß er mehrere Male das vage Gefühl gehabt habe, daß "etwas komme", er aber nicht wisse, was. Er war sich dessen nicht bewußt, was geschehen war. *****
Huxley hat bereits einige Erfahrung darin, veränderte Bewußtseinszustände zu betreten und zu verlassen. Beachten Sie, daß in der Diskussion des Zustandes, den Huxley Tiefe Reflexion nennt, sowohl Huxley wie auch Erickson sein Erleben des normalen Bewußtseinszustandes von diesem besonderen Zustand unterscheiden, indem sie Beschreibungen verwenden wie z.B.: ... als ob die körperliche Handlung kein integraler Teil meines Denkens sei... Diese körperliche Handlung konnte in keiner Weise den Strom der Gedanken ... beeinträchtigen ... ... erinnerte sie nur als Begebenheiten, die ihm von seiner Frau berichtet worden waren, ohne jedoch das Gefühl zu haben ... ... automatisch ... wie eine Maschine, die sich präzise und sicher bewegt... ... einfach alle Anker lichtete ... ... vollkommen von allem losgelöst erschien ...
Eines der Muster, das alle diese Beschreibungen miteinander verbindet, besteht darin, daß bei allen der normale Bewußtseinszustand und Huxleys Erleben des veränderten Bewußtseinszustands durch die Reduktion oder vollkommene Abwesenheit kinästhetischer Empfindungen gekennzeichnet sind. Wenn Sie sich genau anschauen, wie Huxley in diesem Artikel aus dem Normalzustand heraus sein Erleben der Welt im Normalzustand beschreibt, werden Sie eine ausgeprägte Bevorzugung von seiten Huxleys für kinästhetische Prädikate finden - d.h. Verben, Adjektive und Adverbien, die auf einem kinästhetischen Repräsentationssystem beruhen (oder dieses voraussetzen). Mit anderen Worten, Huxleys bevorzugtes Repräsentationssystem ist kinästhetisch. Da Huxleys bevorzugtes Repräsentationssystem das kinästhetische ist, ist der veränderte Bewußtseinszustand - die Tiefe Reflexion - durch eine Verringerung oder Abwesenheit von Körperempfindungen gekennzeichnet. Es gibt zwei weitere Muster, die wiederholt in Ericksons Arbeit auftreten und auch in diesem Artikel zu finden sind. Zunächst bemerkt Huxleys Frau: "Der Mann erinnert
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sich einfach nie an das, was er tut oder denkt, wenn er in diesem Sessel sitzt." Eine der schnellsten Möglichkeiten, jemandem, der einen veränderte Bewußtseinszustand erreicht hat, sei es Hypnose, Tiefe Reflexion oder etwas anderes, dabei zu helfen, diese Zustände wiederherzustellen, besteht darin, den Betreffenden sein Erleben in diesem veränderten Bewußtseinszustand vollständig wieder in Erinnerung bringen zu lassen. Es ist z.B. eine von Ericksons Standardtechniken, einen Klienten, der einen Trancezustand erreichen möchte, eine Tranceerfahrung, die er bei einer früheren Gelegenheit hatte, wiedererleben zu lassen. Huxley, der sich selbst darin geübt hat, schnell in den Zustand Tiefer Reflexion zu gelangen, verwendet eine der wirksamsten Erinnerungstechniken, nämlich kinästhetische Erinnerung. Mit anderen Worten: Indem er sich in "diesen Sessel" setzt, beschleunigt er die Herstellung eines veränderten Bewußtseinszustands, da er diesen Zustand bereits mehrmals in diesem Sessel hergestellt hat und die physische Handlung, sich in "diesen Sessel" zu setzen, ihn wieder mit den vertrauten kinästhetischen Empfindungen in Verbindung bringt, in "diesem Sessel" zu sitzen - eine sehr wirkungsvolle Abfolge von kinästhetischen Signalen, die mit dem veränderten Bewußtseinszustand assoziiert sind. Das Erinnern oder Wiedererleben von Empfindungen, die mit früheren veränderten Bewußtseinszuständen verbunden sind, ist eine der typischen Techniken, die Erickson verwendet, um zufriedenstellende künftige Trancen zu erreichen. Das Verfahren besteht darin, die Versuchsperson (das Subjekt) dazu zu bringen, sich von Anfang an in einer einigermaßen geordneten, detaillierten Weise an die Ereignisse einer erfolgreichen früheren hypnotischen Trance zu erinnern. Während die Versuchsperson (das Subjekt) das tut, werden ihr Bemerkungen, die sie in diesem Zustand gemacht hat, wiederholt und hilfreiche Fragen gestellt. Während sie sich in die Aufgabe vertieft, belebt die Versuchsperson (das Subjekt) den früheren Trancezustand erneut, wobei sie in der Regel subjektiv in diese frühere Situation regrediert und einen besonderen Rapport zu dem Therapeuten (operator) entwickelt. - Milton Erickson, Utilization Techniques, S. 36 Das gleiche formale Muster finden wir in der von Psychotherapeuten eingesetzten "Darstellungs- (Enactment) "-Technik. Bei einer Darstellung wird der Klient aufgefordert, sich an alle kinästhetischen, visuellen, auditiven und anderen Empfindungen zu erinnern, die mit einer bestimmten Erfahrung verbunden sind, die die Grundlage einer Blockade für das Erreichen einer gewünschten Entwicklung oder Veränderung in sei-
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nem Verhalten darstellt (siehe Struktur der Magie 1, Kapitel 6, und Struktur der Magie II, Teil I, für eine detaillierte Diskussion der Darstellungs-Technik). Beachten Sie, daß Huxleys Wahl eines bestimmten Platzes ("dieser Sessel") sowie die damit assoziierten kinästhetischen Empfindungen sich sehr gut mit der Tatsache vereinbaren lassen, daß Huxleys bevorzugtes Repräsentationssystem kinästhetisch ist. Erickson wählt systematisch Signale aus dem bevorzugten Repräsentationssystem des Klienten, um dem Klienten dabei zu helfen, in Trance zu gehen bzw. wieder in Trance zu gehen. Während die kinästhetischen Signale in Huxleys Fall sehr effektiv sind, wäre bei einem stark visuellen Klienten das Phantasieren eines Bildes einer bestimmten Erfahrung angemessener. Eine weitere Variation der Theaterprobe-(Rehearsal-)Technik besteht darin, die Versuchsperson (das Subjekt) visualisieren zu lassen, wie sie eine Aufgabe in Hypnose ausführt, und dann dieser Visualisierung andere Formen der Vorstellung hinzuzufügen, wie z.B. auditive, kinästhetische usw. - Milton Erickson, Deep Hypnosis and its Induction, S. 29 Auf diese Weise benutzt er das bevorzugte Repräsentationssystem, um die Person zu leaden und Zugang zu den anderen Repräsentationssytemen zu gewinnen. Zweitens: Erickson vereinbart ein "Weck"-Signal mit Huxley, ohne diesen vollständig von seinen Absichten zu unterrichten. Erickson demonstriert dabei mehrere wichtige Punkte. Er wählt ein Signal, das einer anderen Modalität angehört (auditiv) als der von Huxley bevorzugten (kinästhetisch). Erickson vereinbart Signale für posthypnotisches Verhalten typischerweise in einer anderen Modalität als dem von der Person bevorzugten Repräsentationssystem. Das erlaubt es ihm, die Modalitäten und Repräsentationssysteme, die am häufigsten mit der Aktivität des Wachbewußtseins verbunden sind, zu umgehen und direkter mit den unbewußten Anteilen der Person zu kommunizieren. Erickson geht dann dazu über, die Wirksamkeit des Signals zu testen, indem er eine Reihe von Signalen gibt, die in der gleichen Modalität sind (auditiv Klopfsequenzen mit dem Bleistift, die sich von der vereinbarten Sequenz unterscheiden, der Lärm, den ein Stuhl macht, den Erickson umstößt, usw.). Huxleys Fähigkeit, nicht auf diese auditiven Signale zu reagieren, demonstriert die Tiefe der Tiefen Reflexion. Als Erickson das Signal für das Erwachen mit Huxley vereinbart, gibt er ihm keine spezifischen Anweisungen, nicht auf auditive Stimuli zu reagieren, die sich von dem vereinbarten Signal unterscheiden. Er macht vielmehr die positive Aussage, daß Huxley auf ein bestimmtes Signal hin aufwachen wird. Die Art und Weise, in der Huxley dann auf andere auditive Signale reagieren oder nicht reagieren kann, wird
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offengelassen, was es Huxley erlaubt, seine eigenen Ressourcen zu nutzen, um sein Verhalten zu bestimmen. Das ist ein hervorragendes Beispiel für das typische Muster in Ericksons Vorgehen, die Person, mit der er arbeitet, den Anforderungen des Kontexts entsprechend so wenig wie möglich einzuschränken. Indem er ein bestimmtes Signal vorschlägt, läßt Erickson Huxley maximale Freiheit, so zu reagieren (oder nicht zu reagieren), wie er (Huxley) es für richtig hält. Bei der Tranceinduktion versucht der unerfahrene Hypnoseanwender häufig, das Verhalten der Versuchsperson (des Subjekts) so zu steuern oder zurechtzubiegen, daß es seiner Vorstellung davon entspricht, wie sich eine Versuchsperson (ein Subjekt) verhalten "sollte". Die Rolle des Hypnoseanwenders sollte zunehmend verringert und die Rolle der Versuchsperson (des Subjekts) zunehmend vergrößert werden. - Milton Erickson, Deep Hypnosis and its Induction, S. 18 Auf diese Weise nutzt Erickson die gesamten Ressourcen, die der Person zur Verfügung stehen, mit der er arbeitet. *****
Es wurden weitere Experimente durchgeführt, in denen Huxley aufgefordert wurde, in einen Zustand Tiefer Reflexion zu gehen und Farben zu spüren; das Schütteln seiner rechten Hand wurde als Signal für sein Erwachen vereinbart. Er entsprach dem bereitwillig, und als er meiner Beurteilung nach vollkommen in seinen Zustand der Reflexion vertieft war, schüttelte ich seine linke Hand kräftig und kniff dann beide Handrücken so stark, daß tiefe Eindrücke der Fingernägel zurückblieben. Obwohl seine Augen beobachtet wurden, um eventuelle Bewegungen der Augäpfel unter den Augenlidern bemerken zu können, und auf Veränderungen in seinem Atemund Pulsrhythmus geachtet wurde, zeigte Huxley keine Reaktion auf diese physische Stimulierung. Nach einer Minute zog er jedoch seine Hände entlang den Stuhllehnen zurück, auf die er sie zu Beginn des Experiments aufgelegt hatte. Sie bewegten sich langsam ungefähr zwei bis drei Zentimeter zurück, bevor die Bewegung dann endete. Auf das vereinbarte Signal hin erwachte er mühelos und angenehm. Er berichtete, daß er sich in einem "Meer von Farben verloren habe", davon, Farbe zu "spüren", zu "fühlen", Farbe zu "sein", "vollkommen darin aufzugehen, seine eigene Identität darin zu verlieren". Dann habe er plötzlich einen Prozeß
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erlebt, bei dem er diese Farbe in einer "bedeutungslosen Leere" verlor, woraufhin er die Augen öffnete und erkannte, daß er "herausgekommen" war. Er erinnerte sich an den vereinbarten Stimulus, nicht aber daran, ob dieser gegeben worden sei. "Ich kann nur schließen, daß er gegeben worden ist, da ich jetzt aus dem Zustand heraus bin." Indirekte Fragen ergaben keine Erinnerung an die anderen physischen Stimuli, die verabreicht worden waren. Seinen Handrücken schenkte er keine Aufmerksamkeit, z.B. durch geistesabwesendes Hinschauen oder Reiben. Huxley wurde aufgefordert, wieder in einen Zustand Tiefer Reflexion zu gehen und Farben zu spüren, dieses Mal wurde jedoch, als er den Zustand der Tiefen Reflexion erreicht zu haben schien, die wiederholte, eindringliche Aufforderung hinzugefügt, nach dem Erwachen ein bestimmtes Buch zu besprechen, das sorgfältig genau in sein Blickfeld gelegt worden war. Die Ergebnisse ähnelten denen des vorangegangenen Experiments. Er "verlor" sich, "war vollkommen darin versunken", "man kann es spüren, aber nicht beschreiben" ... "ein vollkommen unbegreiflicher, faszinierender Zustand, in dem man sich selbst als einen angenehmen Teil eines endlosen Panoramas von Farben erlebt, die weich und sanft und nachgiebig sind und alles in sich aufnehmen. Vollkommen außerordentlich, absolut außerordentlich." Er erinnerte sich weder an mein verbales Drängen noch an die anderen physischen Stimuli. Er erinnerte sich daran, welches Signal vereinbart worden war, wußte aber nicht, ob es gegeben worden war. Er war wieder in der Position, lediglich vermuten zu können, daß es gegeben worden war, da er wieder in einem Zustand normalen Wachbewußtseins war. Das Daliegen des Buches bedeutete ihm nichts. Er bemerkte auch, daß das Eintreten in den Zustand der Tiefen Reflexion durch das Sichversenken in ein Gefühl von Farbe gewissermaßen mit seinen psychedelischen Erfahrungen vergleichbar, wenn auch nicht mit diesen identisch sei. *****
In diesem Teil des Artikels gibt Erickson eine wichtige Beschreibung des Prozesses, vermittels dessen er Huxley dabei hilft, in ein anderes Repräsentationssystem - in diesem Fall das visuelle - überzuwechseln, das nicht primär mit seinem normalen Wachzustand assoziiert ist. Farbe zu erleben, wie Erickson von Huxley verlangt, als dieser wieder in einen Zustand der Tiefen Reflexion geht, ist eine Erfahrung, die in der Regel auf einem visuellen Repräsentationssystem beruht. Ericksons Wortwahl zeigt hier wieder sein feines Gespür für den Gebrauch der Sprache und sein Prinzip, der Person, mit der er arbeitet, ein Maximum an Freiheit für ihre Reaktion zu lassen. Erickson sagt: wurde aufgefordert, wieder in einen Zustand Tiefer Reflexion zu gehen und Farben zu
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spüren." Beachten Sie, daß er nicht sagt, Farben zu sehen, sondern Farben zu spüren. Huxley reagiert in der Tat kreativ, mit Ausdrücken wie: ... in einem "Meer von Farben" verloren ... ... Farbe zu spüren, zu fühlen, Farbe zu sein ... ... eines endlosen Panoramas von Farben ..., die weich und sanft und nachgiebig sind ...
Die Prädikate, die Huxley in diesen Beschreibungen wählt, zeigen, daß er sich in einem Übergangszustand zwischen seinem primären Repräsentationssystem - dem kinästhetischen (verloren, fühlen, weich, sanft, nachgiebig) - und dem Repräsentationssystem befindet, das Erickson für diese Erfahrung indirekt fordert - dem visuellen (z.B. Farbe, Panorama, Farbe). Indem er Huxley in dieser Erfahrung ein Maximum an Flexibilität erlaubt, macht Erickson wiederum einen vollständigeren Gebrauch von Huxleys Ressourcen, als dies durch ein direktiveres Vorgehen möglich wäre. Huxley demonstriert hier durch seinen Gebrauch gemischter Prädikate ein Phänomen, das häufig mit kreativer Tätigkeit assoziiert wird - Synästhesie, Erfahrungen, die sich quer über verschiedene Modalitäten erstrecken. Daß diese neuralen Schaltkreise tatsächlich als Grundlage für diese Art des Verhaltens zur Verfügung stehen, ist unzweifelhaft nachgewiesen worden worden (siehe Struktur der Magie II, Dritter Teil, und Bach-yRitas Arbeit im Literaturverzeichnis). *****
Schließlich wurde Huxley aufgefordert, in den Zustand Tiefer Reflexion zu gehen, um sich an das Telefongespräch und die Zustellung des eingeschriebenen Briefes zu erinnern. Er bemerkte, daß sich ein solches Projekt als "recht fruchtbar" erweisen sollte. Trotz mehrerer Versuche kam er immer wieder "heraus" und erklärte: "Ich hatte dort nichts zu tun, also kam ich wieder heraus." Seine Erinnerungen beschränkten sich auf das, was er von seiner Frau gehört hatte, und alle Details waren mit ihrer Darstellung assoziiert, nicht mit inneren Gefühlen im Zusammenhang mit dieser Erfahrung seinerseits. Es wurde ein letzter Versuch unternommen, um festzustellen, ob Huxley eine andere Person in seinen Zustand der Tiefen Reflexion miteinbeziehen konnte. Diese Idee weckte auf der Stelle sein Interesse, und es wurde der Vorschlag gemacht, daß er in den Reflexionszustand gehen sollte, um einige seiner psychedelischen Erfahrungen Revue passieren zu lassen. Er tat das auf eine äußerst interessante Weise. Als
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der Reflexionszustand anfing, sich zu entwickeln, begann Huxley auf eine sehr distanzierte, dissoziierte Weise, bruchstückhafte Bemerkungen zu machen, vornehmlich in Form an sich selbst gerichteter Kommentare. Er sagte so, während er mit Papier und Bleistift, die ihm schnell gereicht wurden, kurze Notizen machte: "Äußerst ungewöhnlich ... das hatte ich übersehen ... Wie?... Merkwürdig, daß ich. das vergessen haben sollte (notierend)... faszinierend, wie anders es erscheint... ich muß schauen ..." Als er wieder zurückgeholt wurde, hatte er eine vage Erinnerung daran, eine frühere psychedelische Erfahrung "noch einmal angeschaut" (reviewed) zu haben, aber was er dabei oder in der tatsächlichen Erfahrung selbst erlebt hatte, konnte er nicht erinnern. Er konnte sich auch nicht daran erinnern, laut geredet oder Notizen gemacht zu haben. Als ihm diese gezeigt wurden, stellte er fest, daß es nicht möglich war, sie zu entziffern, weil sie so undeutlich geschrieben waren. Ich las ihm meine Notizen vor, ohne dadurch irgendwelche Erinnerungsspuren in ihm auszulösen. *****
Die Prädikate, die Huxley wählt, während er sich im Zustand der Tiefen Reflexion befindet, zeigen, daß er einen vollkommenen Wechsel zum visuellen Repräsentationssystem hin vollzogen hat: ... das hatte ich übersehen ... ... wie anders es erscheint... ... ich muß schauen ...
Wir bemerken sowohl bei Ericksons wie auch bei unseren eigenen Tranceinduktionen ein beständiges Muster, in dem das visuelle Repräsentationssystem immer wieder zum primären Repräsentationssystem wird, wenn die Tiefe der Hypnose, die der Klient erreicht, zunimmt. Eine faszinierende Erklärung dieses Musters lautet, daß in einer Hypnoseinduktion der Hypnoseanwender versucht, mit dem Unbewußten des Klienten zu kommunizieren. Einer der Unterschiede zwischen den beiden Gehirnhälften des Menschen besteht hinsichtlich ihrer sprachlichen und visuellen Funktionen. Im allgemeinen ist die Hemisphäre, welche die sprachliche Fähigkeit besitzt, im Hinblick auf visuelle Unterscheidungen weniger gut entwickelt: Jede Seite des Gehirns ist in der Lage, bestimmte kognitive Aufgaben auszuführen, und führt Aufgaben aus, die für die andere Seite schwierig, unange-
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nehm oder beides sind. Wenn man das Wesen dieser beiden Funktionsarten berücksichtigt, erscheinen sie in logischer Hinsicht unvereinbar. Die rechte (beim größten Teil der Bevölkerung nicht-sprachliche) Hemisphäre führt eine räumliche Synthese durch. Die linke (beim größten Teil der Bevölkerung sprachliche) Hemisphäre führt eine zeitliche Analyse durch. Die rechte Hemisphäre bemerkt visuelle Ähnlichkeiten unter Ausschluß begrifflicher Ähnlichkeiten. Die linke Hemisphäre macht das Gegenteil. Die rechte Hemisphäre nimmt Form wahr, die linke Hemisphäre Detail. Die rechte Hemisphäre kodiert den sensorischen Input in Bildern, die linke Hemisphäre in sprachlichen Beschreibungen. ... Diese Beschreibung hemisphärischen Verhaltens legt nahe, daß die Gestaltgesetze der Wahrnehmungsorganisation sich nur auf die stumme Hemisphäre beziehen. -Jerre Levy, Psychobiologcal Implications of Bilateral Asymmetry in Hemispheric Function in the Human Brain, Dimond and Beaumont, S. 167 In einer etwas neueren Übersicht über das Thema zerebrale Asymmetrie bemerkt Gardner (1975): ... daß jede Gehirnhälfte die Bewegungen des gegenüberliegenden Teils des Körpers kontrolliert. Wenn der linke Fuß, die linke Hand oder die Finger der linken Hand bewegt werden, sind Impulse von der rechten Hirnhälfte gesendet worden; wenn jemand nach links schaut, gehen die Impulse (oder Verbindungen) wieder zur rechten Hälfte des Gehirns; und Impulse, die Informationen vom linken Ohr übermitteln, gehen vornehmlich oder "bevorzugt" zur rechten Hälfte des Gehirns. Dieses Prinzip der kontralateralen ("gegen-seitigen") Repräsentation gilt in gleicher Weise für die rechten Gliedmaßen des Körpers; das Funktionieren der rechten Hand, des rechten Beins oder anderer Organe auf dieser Seite wird von der linken Gehirnhälfte kontrolliert. - Gardner 1975, The Shattered Mind, S. 351 Wenn Erickson mit den "unbewußten Teilen" die stumme oder nichtdominante Hemisphäre meint, dann wird das Muster der mit zunehmender Trancetiefe steigenden Bevorzugung des visuellen Repräsentationssystems, das wir in Ericksons und unserer eigenen Arbeit beobachtet haben, verständlich. Eine Reihe weiterer Muster, die uns bei unserer Arbeit aufgefallen sind, stützen diese Interpretation. Erstens: Bei Doppelinduktionen (Tranceinduktionen, bei denen jeder der Autoren gleichzeitig zu dem Klienten spricht) verwenden wir einen anderen Sprachstil, je nach-
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dem, in welches Ohr wir sprechen. Wenn John in das Ohr spricht, das Informationen in die sprachliche Hemisphäre übermittelt, wird er einen komplexen syntaktischen Stil vewenden und z.B. Ambiguität als eine Schlüsseltechnik einsetzen, während Richard die stumme Hemisphäre in einem äußerst einfachen syntaktischen Stil anredet einem syntaktischen Stil, der kein wohlgeformtes Erwachsenen-Englisch darstellt, sondern wohlgeformtes Baty-Englisch. (Wir werden das später ausführlicher erläutern.) Wenn wir diese Unterscheidung in bezug auf die beiden Hirnhälften vornehmen, können wir Doppel-Induktionen schneller vornehmen und größere Trancetiefe erreichen, als es ohne diese Unterscheidung möglich wäre. Zweitens: Eines der zuverlässigeren Anzeichen dafür, daß ein Klient einen zufriedenstellenden Trancezustand erreicht hat, ist das koordinierte Auftreten von Bewegungen auf der Körperseite, die durch die nichtdominante Hemisphäre kontrolliert wird. Drittens: Im Verlauf unserer therapeutischen Arbeit haben wir eine Reihe von Techniken entwickelt, um Klienten dabei zu helfen, schnell andere Repräsentationssysteme als das von ihnen bevorzugte zu entwickeln. Wir haben in unserer Arbeit mit Klienten, deren bevorzugtes Repräsentationssystem nicht das visuelle war, oft festgestellt, daß sie dazwischen unterscheiden, "sich ein Bild vorzustellen" und "ein Bild zu sehen". Im ersten Fall berichtet der Klient in der Regel von vagen, relativ unscharfen, schematischen und unstabilen Bildern, während im zweiten Fall die Bilder scharf, stabil, voll, reich an Details sind und die lebhaften Eigenschaften direkten visuellen Inputs haben. In jedem Fall, der uns bis heute begegnet ist, ist die Erfahrung, "sich ein Bild vorzustellen", mit einem verbalen inneren Dialog assoziiert, während die lebhafte Visualisierung nicht mit einem inneren Dialog assoziiert ist. Offensichtlich konstruiert der Klient im ersten Fall ein Bild und verwendet dabei sein Sprachsystem als das Leadsystem, während im zweiten Fall auf die in der nichtdominanten Hemisphäre enthaltenen Bilder direkt zugegriffen wird. Wir haben auf dieser Grundlage eine Methode entwickelt, um Klienten dabei zu helfen, die Fähigkeit zu lebhaftem Visualisieren zu erwerben, indem wir ihnen zeigen, wie sie ihren inneren Dialog beenden können. Sehr oft führen die ersten Erfahrungen mit dem Unterbrechen des inneren Dialogs zu Veränderungen auf Seiten des Klienten, die unseres Erachtens Tranceverhalten darstellen. Viertens: Erickson beschreibt an verschiedenen Stellen in seinen Arbeiten den sehr effektiven Gebrauch von Melodien ab einem Teil der Induktion. Melodien werden in der nichtdominanten Hemisphäre gespeichert. Fünftens: Im Kontext der Therapie stellt die gelenkte Phantasie eine der wirksamsten Techniken dar, um einem Klienten dabei zu helfen, sein Modell der Welt zu verändern (siehe Struktur der Magie I, Kapitel 6, und Struktur der Magie II, Erster Teil, für eine
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ausführlichere Darstellung). Der Klient wird in der Regel dazu aufgefordert, seine Augen zu schließen und eine bestimmte Erfahrung zu visualisieren, die ihm dann bei der gewünschten Veränderung helfen wird. Unser ursprüngliches Interesse an Hypnose entwickelte sich aus der Beobachtung, daß das Verhalten unserer Klienten während einer gelenkten Phantasie nicht von den Beschreibungen von Patienten in mittleren und tiefen Trancezuständen zu unterscheiden war. Wir haben außerdem festgestellt, daß im therapeutischen Kontext, insbesondere bei der Arbeit mit Polaritäten Polaritäten sind Ausdruck zweier konfligierender Verhaltensmodelle des Klienten (siehe Struktur der Magie II, Dritter Teil) - einer der direktesten und effektivsten Wege, den Klienten dabei zu unterstützen, seine Polaritäten vollständig auszudrücken und zu integrieren, darin besteht, den Klienten aufzufordern, für eine der Polaritäten ein visuelles und für die andere entweder ein kmästhetisches oder ein auditives Repräsentationssystem zu verwenden 11. Schließlich haben wir beobachtet, daß Klienten, die posthypnotische Suggestionen ausführen, oft anstelle der Prädikate, die sie gewöhnlich verwenden, visuelle Prädikate benutzen, wenn sie, um die posthypnotische Suggestion auszuführen, wieder in den Trancezustand gehen.
Eine Wiederholung des Vorgehens erbrachte bis auf eine Ausnahme ähnliche Resultate. Diese Ausnahme bestand in einem erstaunten Ausdruck vollkommener Verblüffung auf seiten Huxleys, der plötzlich erklärte: "Milton, ich muß sagen, das ist äußerst erstaunlich, höchst außerordentlich. Ich nutze die Tiefe Reflexion, um meine Erinnerungen abzurufen, mein Denken zu ordnen, das Ausmaß, die Reichweite meiner mentalen Existenz zu erforschen, aber ich tue es ausschließlich, um diese Erkenntnisse, dieses Denken, diese Einsichten, diese Gedanken in die Arbeit, die ich gerade plane, einsinken zu lassen, ohne sie bewußt werden zu lassen. Faszinierend ... ich habe nie bemerkt, daß meine Tiefe Reflexion immer einer Periode intensiver Arbeit vorausging, in die ich mich vollständig vertiefte ... Ich muß schon sagen, kein Wunder, daß ich eine Amnesie habe." Als wir später gegenseitig unsere Notizbücher untersuchten, war Huxley äußerst erstaunt und verblüfft über die physischen Stimuli, die ich notiert hatte und an die er sich überhaupt nicht erinnern konnte. Er wußte, daß er auf mein Verlangen hin wiederholt in einen Zustand Tiefer Reflexion gegangen war, war sowohl erfreut wie erstaunt über seine subjektiven Gefühle gewesen, in einem allesvereinnahmenden Meer von Farben verloren zu sein, hatte eine gewisse Zeitlosigkeit und Raumlosig-
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keit gespürt und das angenehme Gefühl erlebt, daß etwas Bedeutendes kurz bevorstand. Er las meine Notizen mehrere Male in dem Bemühen, wenigstens ein Gefühl für eine vage Erinnerung subjektiver Bewußtheit der verschiedenen physischen Stimuli zu bekommen, die ich ihm gegeben hatte. Er schaute auch auf seine Handrücken, um die Spuren des Kneifens zu sehen, doch diese waren mittlerweile verschwunden. Seine abschließende Bemerkung war: "... außergewöhnlich, höchst außergewöhnlich, ich muß schon sagen, absolut faszinierend." Als wir uns darauf einigten, daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt weitere Untersuchungen über die Tiefe Reflexion verschoben werden könnten, erklärte Huxley wieder, daß seine plötzliche Einsicht darüber, wie oft er diesen Zustand eingesetzt habe und wie wenig er darüber wisse, ihn zu dem Entschluß bewogen habe, sich viel ausführlicher mit der "Tiefen Reflexion" zu befassen. Die Fragen, für die er sich besonders interessierte, waren die Art und Weise, wie er diesen Zustand erreichte, auf welche Weise dieser Zustand eine Vorbereitung darauf darstellte, sich in sein Schreiben zu vertiefen, und was ihn dazu veranlaßte, jeden unnötigen Kontakt mit der Wirklichkeit zu verlieren. Huxley empfahl dann, daß wir eine Untersuchung hypnotischer Bewußtseinszustände durchführen und ihn als Versuchsperson dafür verwenden sollten. Er bat um die Erlaubnis, seine Trancezustände auf Wunsch zu Zwecken der Diskussion unterbrechen zu dürfen. Dies stand in voller Übereinstimmung mit meinen eigenen Wünschen. Er bat darum, daß zunächst eine leichte Trance induziert würde, vielleicht mehrere Male, um es ihm zu erlauben, seine subjektiven Erfahrungen zu explorieren. Da er bereits zuvor einmal kurz Versuchsperson für eine somnambulistische Trance gewesen war, wurde ihm versichert, daß dieser Umstand ihm dazu dienen könne, die Zuversicht zu haben, seine Trancezustände auf jeder beliebigen Stufe unterbrechen zu können. Er erkannte nicht, daß es sich dabei um eine einfache, direkte hypnotische Suggestion handelte. Als ich später meine Notizen las, war ich amüsiert darüber, wie leichter eine offensichtliche Suggestion akzeptiert hatte, ohne sie sofort als solche zu erkennen. Es wurden mehrere Wiederholungen einer leichten Trance durchgeführt, die er für interessant, aber auch für "zu leicht begrifflich faßbar" hielt. Es ist, wie er erklärte, "ein einfacher Rückzug des Interesses von außen nach innen". D.h., es wird immer weniger auf Äußerlichkeiten geachtet und immer mehr Aufmerksamkeit auf innere subjektive Empfindungen gerichtet. Äußerlichkeiten werden zunehmend blasser und unklarer, innere subjektive Gefühle immer befriedigender, bis schließlich ein Zustand des Gleichgewichts hergestellt ist. In diesem Zustand des Gleichge-
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wichts hatte er das Gefühl, daß er, wenn er dazu motiviert wäre, "seine Hand ausstrecken, und die Wirklichkeit greifen könne", definitiv ein Kontakt zur äußeren Wirklichkeit weiterbestand, jedoch ohne die Motivation, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Er verspürte auch kein Verlangen, die Trance zu vertiefen. Es schien ihm keine besondere Veränderung in diesem Gleichgewichtszustand notwendig, und er bemerkte, daß dieser von einem Gefühl der Zufriedenheit und Entspannung begleitet wurde. Er fragte sich, ob andere die gleichen subjektiven Reaktionen erlebten. Huxley bat mich, die leichte Trance durch eine Vielzahl verschiedener Techniken zu induzieren, von denen einige nonverbal sein sollten. Huxley war fest davon überzeugt, daß das Ergebnis in jedem Fall vollständig von seiner mentalen Einstellung abhängig war. Er bemerkte, daß er akzeptieren konnte, in einer leichten Trance "einfach dahinzutreiben" (mein Ausdruck) und vor allem für solche Suggestionen empfänglich zu sein, die sich ausschließlich auf Reaktionen auf subjektiver Ebene bezogen. Er fand, daß die Anstrengung, sich direkt mit der physischen Umgebung zu befassen, ihm zu groß erschien und in ihm den Wunsch auslöste, entweder aus der Trance zu erwachen oder noch tiefer zu gehen. Er entwickelte auch, aus eigener Initiative, Problemstellungen, um seine Trancezustände zu testen. Bevor er in die leichte Trance ging, faßte er z.B. insgeheim den Entschluß, bestimmte Themen, einige davon relevant, andere irrelevant, bei der frühesten sich bietenden Gelegenheit oder zu einem in der fernen Zukunft liegenden Zeitpunkt mit mir zu diskutieren. Bei diesen Gelegenheiten, so fand Huxley, hätten diese unausgesprochenen Pläne sich nachteilig auf das Aufrechterhalten des Trancezustandes ausgewirkt. In ähnlicher Weise hätte jedes Bemühen, ein Element der Wirklichkeit einzubeziehen, das keinen Bezug zu seinem Gefühl subjektiver Befriedigung hatte, zu einer Abschwächung der Trance geführt. Zu jedem Zeitpunkt bestand eine "dunkle, aber greifbare" Bewußtheit, daß der Bewußtseinszustand nach Belieben verändert werden könne. Huxley fühlte, wie viele andere, mit denen ich ähnliche Untersuchungen durchgeführt habe, ein intensives Verlangen, sein subjektives Gefühl des Wohlbefindens und der Zufriedenheit zu erkunden, erkannte aber sofort, daß dies in einen tieferen Trancezustand führen würde. Als Huxley aufgefordert wurde, zu beschreiben, auf welche Weise er verhindern könne, tiefer als in eine leichte Trance zu gehen, antwortete er, daß er das dadurch tat, daß er eine bestimmte Zeitdauer für sich festlegte, während der er in leichter Trance bleiben würde. Dies hatte zur Folge, daß er sich stärker bewußt war, jeden Augenblick "seine Hand ausstrecken und die Wirklichkeit greifen" zu können, und daß sein Gefühl des subjektiven Wohlbefindens und der Entspannung abnahm. Eine
mulierte Suggestionen, die die Verfügbarkeit der äußeren Wirklichkeit und die Steigerung des subjektiven Wohlbefindens betonten, dazu dienen konnten, die Trance zu vertiefen, auch wenn Huxley sich dessen voll bewußt war, was gesagt wurde und warum es gesagt wurde. Ähnliche Resultate sind auch mit anderen hochintelligenten Versuchspersonen erreicht worden. Beim Experimentieren mit mittleren Trancetiefen erlebte Huxley, ähnlich wie andere Versuchspersonen, mit denen ich gearbeitet habe, größere Schwierigkeiten dabei, zu reagieren und eine relativ konstante Trancetiefe zu bewahren. Er fand, daß er ein subjektives Bedürfnis danach hatte, tiefer in Trance zu gehen, und ein intellektuelles Bedürfnis, auf einer mittleren Stufe zu bleiben. Das Ergebnis war, daß er sich wiederholt bei dem Versuch erlebte, "nach Bewußtheit über seine Umgebung zu greifen", was zu einer leichten Trance führte. Er richtete seine Aufmerksamkeit dann auf sein subjektives Wohlbefinden und stellte fest, daß er auf diese Weise eine tiefe Trance entwickelte. Schließlich wurden ihm, nach wiederholten Experimenten, sowohl posthypnotische wie direkte hypnotische Suggestionen gegeben, eine mittlere Trancetiefe beizubehalten. Er fand, daß ihm das dann ohne weiteres möglich war. Er beschrieb die mittlere Trance als vor allem durch ein höchst angenehmes subjektives Gefühl des Wohlbefindens und eine vage, dunkle, fehlerhafte Bewußtheit gekennzeichnet, daß es eine äußere Wirklichkeit gebe, für die er beträchtliche Motivation aufbringen müßte, um sie untersuchen zu können. Wenn er jedoch versuchte, auch nur ein einziges Element der Wirklichkeit auf seinen intrinsischen Wert hin zu untersuchen, wurde die Trance auf der Stelle zunehmend leichter. Wenn er andererseits ein Element der äußeren Wirklichkeit auf subjektive Werte hin untersuchte, z.B. die weiche Behaglichkeit der Sesselkissen im Gegensatz zu der intrinsischen Stille im Raum, wurde die Trance tiefer. Doch sowohl leichte wie tiefe Trance waren durch das Bedürfnis gekennzeichnet, die äußere Wirklichkeit auf irgendeine Weise zu spüren, nicht unbedingt deutlich, doch immerhin so, daß eine erkennbare Bewußtheit davon bewahrt blieb. Für beide Arten der Trance wurden Experimente durchgeführt, um zu erfahren, welche hypnotischen Phänomene in leichten und in mittleren Trancen elizitiert werden konnten. Das gleiche Experiment war bereits mit anderen guten Versuchspersonen durchgeführt worden sowie mit Versuchspersonen, die wiederholt nur leichte Trancen entwickeln konnten, oder solchen, die wiederholt nicht in der Lage schienen, über eine mittlere Trance hinauszukommen. Bei all diesen Untersuchungen waren die Ergebnisse die gleichen gewesen; am wichtigsten schien das Bedürfnis von Versuchspersonen in leichter und mittlerer Trance zu sein, zumindest
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einen Rest an Kontakt zur äußeren Wirklichkeit zu behalten und ihren Trancezustand als einen von der äußeren Wirklichkeit verschiedenen, aber auf diese bezogenen Zustand zu erleben, ganz gleich, wie schwach dieser Bezug war, solange er nur als für die Versuchsperson unmittelbar verfügbar erlebt wurde. Ein weiteres Phänomen, das Huxley von alleine und ohne meine Anleitung entdeckte und das mir aus der Arbeit mit anderen Versuchspersonen bereits bekannt war, ist, daß tiefe Hypnose sowohl in der leichten wie in der mittleren Trance entwickelt werden kann. Huxley, der tiefe Hypnose beobachtet hatte, fragte sich, ob es möglich sei, halluzinatorische Phänomene in leichter Trance zu entwickeln. Er versuchte das, indem er seinen subjektiven Zustand physischen Wohlbehagens genoß und diesem eine weitere Qualität, nämlich eine angenehme gustatorische Empfindung, hinzufügte. Es fiel ihm sehr leicht, auf lebhafte Weise verschiedene Geschmacksempfindungen zu halluzinieren, während er sich beiläufig mit der Frage befaßte, was ich denken würde, wenn ich wüßte, was er gerade tue. Er war sich der Zunahme in der Häufigkeit seines Schluckens, die mit dieser gustatorischen Halluzination einherging, nicht bewußt. Von gustatorischen Empfindungen ging er zu olfaktorischen Halluzinationen über, sowohl angenehmen wie unangenehmen. Er bemerkte nicht, daß er das durch die Bewegung seiner Nasenflügel verriet. Wie er später erklärte, hatte er dabei das "Gefühl" gehabt, daß Halluzinationen eines "Prozesses vollkommen innerer Art", d.h. eines Prozesses, der sich innerhalb des Körpers selbst vollzog, leichter sein würden als solche, in denen die Halluzination außerhalb des Körpers zu erfolgen schien. Von olfaktorischen Halluzinationen ging er zu kinästhetischen, propriozeptiven und schließlich taktilen Empfindungen über. Bei der halluzinierten kinästhetischen Erfahrung halluzinierte er, einen langen Spaziergang zu machen, bei dem er sich aber ständig bewußt war, daß ich in einem Raum, den er auf eine vage Weise spüren konnte, anwesend war. Er vergaß mich dann auf der Stelle, und sein halluzinierter Spaziergang wurde sehr deutlich. Er erkannte das als einen Hinweis auf die Entwicklung eines tieferen Trancezustandes, und er fühlte die Verpflichtung, sich daran zu erinnern, mir später, nach seinem Aufwachen, während der Diskussion davon zu berichten. Er war sich der Veränderungen in Atmung und Puls während seines halluzinierten Spaziergangs nicht bewußt. Als er zum ersten Mal visuelle und auditive Halluzinationen versuchte, hatte er damit viel mehr Mühe, und die Anstrengung verringerte oder beendete die Trancezustände. Schließlich kam ihm der Gedanke, rhythmische Bewegungen seines Körpers zu halluzinieren und dann auditive Halluzinationen an diese halluzinierten Körperempfindungen "anzuhängen". Dieses Vorgehen erwies sich als sehr erfolg-
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reich, und er fragte sich, ob ich die Musik hören könne. Seine Atmung veränderte sich, und es konnte eine leichte Bewegung seines Kopfes beobachtet werden. Von einfachen Melodien ging er dann dazu über, Operngesang und schließlich genuschelte Worte zu halluzinieren, die sich schließlich in meine Stimme zu verwandeln schienen, die ihm Fragen über Tiefe Reflexion stellte. Ich konnte nicht erkennen, was geschah. Von dort ging er zu visuellen Halluzinationen über. Der Versuch, die Augen zu öffnen, brachte ihn fast aus der Trance heraus. Danach ließ er seine Augen sowohl für Tranceaktivitäten leichter wie auch mittlerer Tiefe geschlossen. Seine erste visuelle Halluzination war ein lebhaftes Überströmtwerden seines Geistes durch ein intensives Gefühl von Pastellfarben, deren Töne sich veränderten und die sich wellenförmig bewegten. Er verglich diese Erfahrung mit den Erfahrungen, die er in der Tiefen Reflexion mit mir gemacht hatte, und seinen früheren psychedelischen Erfahrungen. Er hielt diese Erfahrung für seine momentanen Zwecke nicht für ausreichend gültig, da er den Eindruck hatte, daß lebhafte Erinnerungen eine zu große Rolle spielten. Er beschloß daher gezielt, eine Blume zu visualisieren, aber überlegte sich dann, daß er ein ähnliches Verfahren verwenden könnte, um visuelle Halluzinationen zu entwickeln, wie er es getan hatte, als er das Gefühl von Bewegung nutzte, um auditive Halluzinationen zu erzeugen. Er fragte sich, wie er sich später erinnerte, nachdem er aus der Trance erwacht war und seine Erfahrung mit mir besprach, ob ich je die Entwicklung von Halluzinationen in meinen Versuchspersonen dadurch begünstigt hätte, indem ich verschiedene sensorische Erlebensbereiche miteinander kombiniert hätte. Ich erklärte ihm, daß dies eines meiner Standardverfahren sei. Er setzte seine visuellen Halluzinationen fort, indem er "fühlte", wie sich sein Kopf von Seite zu Seite und auf und ab bewegte, um ein Objekt zu verfolgen, das kaum sichtbar bzw. von fragwürdiger Sichtbarkeit war und sich rhythmisch bewegte. Das Objekt wurde bald zunehmend deutlich, bis er schließlich eine riesengroße Rose sah, die gut und gerne einen Durchmesser von einem Meter hatte. Da er das nicht erwartet hatte, war er sich sofort sicher, daß es sich dabei um keine wiederbelebte Erinnerung, sondern um eine hinreichend ausgeprägte Halluzination handelte. Mit dieser Erkenntnis kam die Einsicht, daß er dieser Halluzination sehr leicht mehr hinzufügen könne, indem er olfaktorische Halluzinationen eines intensiven "nichtrosenähnlichen", übelkeiterregenden süßlichen Geruchs hinzufügte. Auch dieser Versuch war äußerst erfolgreich. Nachdem er mit verschiedenen Halluzinationen experimentiert hatte, erwachte Huxley aus seinem Trancezustand und besprach ausführlich, was er erreicht hatte. Er war froh darüber, zu erfahren, daß die Entdeckungen, die er in seinen Experimenten gemacht hatte, ohne jegliche Vorberei-
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tung oder Suggestion meinerseits, mit experimentellen Befunden anderer Versuchspersonen übereinstimmten.
Erickson bietet hier eines der klarsten Beispiele für ein systematisches Verständnis und einen systematischen Gebrauch von Repräsentationssystemen. Huxley ist daran interessiert, herauszufinden, ob er halluzinatorische Phänomene sowohl in leichter wie in mittlerer Trance erfahren kann. Huxley selbst verhält sich in Übereinstimmung mit den oben erwähnten Prinzipien. Erstens ist sein anfängliches Verhalten in einer leichten/ mittleren Trance immer noch weitgehend bewußt - er verwendet dementsprechend sein bevorzugtes Repräsentationssystem, das kinästhetische, als das Lead-Repräsentationssystem, um sich selbst dabei zu unterstützen, Halluzinationen in den anderen Repräsentationssystemen zu entwickeln. ... seinen subjektiven Zustand physischen Wohlbehagens genoß ... ... und diesem eine weitere Qualität, nämlich eine angenehme gustatorische Empfindung, hinzufügte. ... Von gustatorischen Empfindungen ging er zu olfaktorischen Halluzinationen über ... Von olfaktorischen Halluzinationen ging er zu kinästhetischen, propriozeptiven und schließlich taktilen Empfindungen über.
Darüber hinaus entdeckt Huxley spontan eine Technik, die wir formalisiert haben, um Klienten dabei zu helfen, zusätzliche Landkarten oder Repräsentationssysteme zu entwickeln, mit deren Hilfe sie ihre Erfahrung organisieren können - insbesondere, ein Lead-Repräsentationssystem zu verwenden und ein anderes Repräsentationssystem zu entwickeln, indem sie einen Punkt finden, an dem sich beide überlappen oder überschneiden. Mary Lou, eine Frau Mitte der Vierzig, arbeitete in einer Trainingsgruppe für Therapeuten. Der Therapeut bemerkte, daß sie, während sie von ihren Schwierigkeiten berichtete, bei jeder kritischen Bemerkung über ihr eigenes Verhalten die Qualität ihrer Stimme (Tonalität) veränderte. Sie sprach buchstäblich mit einer anderen Stimme. Der Therapeut forderte Mary Lou dann auf, eine Reihe kritischer Bemerkungen zu wiederholen. Er bat sie dabei, auf ihre Stimme zu achten. Nachdem sie die kritische Bemerkung wiederholt hatte, beugte sich der Therapeut vor und fragte sie, wessen Stimme das gewesen sei. Sie antwortete sofort, daß es die Stimme ihres Vaters gewesen
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sei. Der Therapeut forderte sie dann auf, die Augen zu schließen und die gleiche Stimme in ihrem Kopf zu hören. Sie konnte das ohne Schwierigkeiten tun. Als nächstes trug ihr der Therapeut auf, zu beobachten, während sie der Stimme ihres Vaters zuhörte, wie sich sein Mund bewegte und seine Lippen die Worte bildeten. Als sie das getan hatte, wurde sie aufgefordert, das restliche Gesichts ihres Vaters zu sehen. Der Therapeut arbeitete weiter mit Mary Lou und benutzte die Stimme ihres Vaters, um ihr dabei zu helfen, eine volle visuelle Repräsentation zu entwickeln, die zu der Stimme paßte, die sie in ihrem Kopf hörte. Sobald die visuellen und auditiven Repräsentationen koordiniert waren, nutzte der Therapeut dieses Material als Grundlage für eine Darstellung, in der Mary Lou sich selbst und ihren Vater spielte. Auf diese Weise wurden in der letzten Phase alle drei Repräsentationssysteme ins Spiel gebracht - das auditive, das visuelle und das kinästhetische. Die Darstellungs-Technik, bei der man zunächst von einer auditiven Repräsentation ausgeht und dann die anderen Repräsentationssysteme (das visuelle und das kinästhetische) hinzufügt - also Meta-Taktik III -, befähigte Mary Lou, einige Hindernisse für ihr weiteres Wachstum anzugehen und zu überwinden. Diese Erfahrung mit Mary Lou zeigt den Gebrauch der Meta-Taktik III. Der Therapeut bemerkt eine plötzliche Veränderung im Verhalten des Klienten. Indem er das Repräsentationssystem, in dem die plötzliche Veränderung stattfindet, als Grundlage für eine vollständigere Bezugsstruktur verwendet (siehe Struktur der Magie I, Kapitel 6), findet der Therapeut einen Überschneidungspunkt zwischen dem Repräsentationssystem, in dem die Veränderung erfolgte, und dem Repräsentationssystem, das er hinzufügen möchte. Da in diesem Fall das ursprüngliche Repräsentationssystem auditiv war (die Stimme einer anderen Person), ließ der Therapeut die Klientin eine visuelle Vorstellung des Mundes entwickeln, der diese Stimme erzeugte. Sobald ein Teil des neuen Repräsentationssystems mit dem ursprünglichen Repräsentationssystem verbunden ist, kann der Therapeut mit der Klientin dann daran arbeiten, das neue Repräsentationssystem zu vervollständigen. Die Konsequenz dieser Meta-Taktik besteht darin, die Repräsentation der Erfahrung, die der Klientin Schwierigkeiten verursacht, dramatisch zu erweitern. Die erweiterte Repräsentation ermöglicht der Klientin eine Erweiterung ihres Weltmodells und demzufolge mehr Wahlmöglichkeiten in ihrem Leben. Huxley verwendet systematisch Meta-Taktik III, um sich selbst dabei zu unterstützen, Halluzinationen in einem anderen als dem von ihm bevorzugten Repräsentationssystem zu entwickeln, wie folgende Darstellung verdeutlicht: ... kam ihm der Gedanke, rhythmische Bewegungen seines Körpers zu halluzinieren und dann auditive Halluzinationen an diese halluzinierten Körperempfindungen "anzuhängen".
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Patterns ... daß er ein ähnliches Verfahren verwenden könnte, um visuelle Halluzinationen zu entwickeln, wie er es getan hatte, als er das Gefühl von Bewegung nutzte, um auditive Halluzinationen zu erzeugen.
Genauso bemerkenswert ist unserer Meinung nach Ericksons gut entwickelte Fähigkeit, visuelle Unterscheidungen zu treffen und aufgrund eines Minimums an Signalen zu wissen, was Huxley gerade erlebt: ... auf lebhafte Weise verschiedene Geschmacksempfindungen zu halluzinieren, während er sich beiläufig mit der Frage befaßte, was ich denken würde, wenn ich wüßte, was er gerade tue. Er war sich der Zunahme in der Häufigkeit seines Schluckens, die mit dieser gustatorischen Halluzination einherging, nicht bewußt. ... ging er zu olfaktorischen Halluzinationen über ... Er bemerkte nicht, daß er das durch die Bewegung seiner Nasenflügel verriet.
Ericksons Fähigkeit, die Bedeutung der detaillierten Körperbewegungen Huxleys zu verstehen, läßt keinen Zweifel daran, daß Erickson den Gebrauch und die Wirkung der Repräsentationssysteme als Organisationsprinzipien menschlichen Erlebens sehr genau versteht. Er bemerkt: Er (Huxley) fragte sich ... ob ich je dadurch die Entwicklung von Halluzinationen in meinen Versuchspersonen begünstigt hätte, indem ich verschiedene sensorische Erfahrungsbereiche miteinander kombiniert hätte. Ich erklärte ihm, daß dies eines meiner Standardverfahren sei.
Diese Diskussion umfaßte Themen wie Anästhesie, Amnesie, Dissoziation, Depersonalisation, Regression, Zeitverzerrung, Hypermnesie (ein Phänomen, das bei Huxley wegen seines phänomenalen Gedächtnisses schwer zu untersuchen ist) und die Exploration verdrängter Ereignisse der Vergangenheit. Huxley fand, daß Anästhesie, Amnesie, Zeitverzerrung und Hypermnesie in einer leichten Trance möglich seien. Die anderen Phänomene waren für das Entwickeln einer tiefen Trance förderlich, wenn nur ein ernsthafter Versuch unternommen wurde, sie zu erreichen.
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Die Anästhesie, die er in der leichten Trance entwickelt hatte, war vor allem für bestimmte Körperteile effektiv. Als eine generalisierte Anästhesie vom Hals abwärts versucht wurde, fand Huxley, daß er dabei in eine tiefe Trance "rutsche". Die Amnesie war wie die Anästhesie effektiv, solange sie selektiver Natur war. Jeder Versuch einer totalen Amnesie führte zu einer Progression in Richtung auf eine Tieftrance. Zeitverzerrung war ohne Schwierigkeiten möglich, und Huxley äußerte, daß er sich zwar nicht sicher sei, aber das starke Gefühl habe, in der Tiefen Reflexion schon seit längerem Zeitverzerrung verwendet zu haben, auch wenn er dieses Konzept formal erst durch mich kennengelernt habe. Hypermnesie war schwierig zu testen, da Huxley eine extreme Fähigkeit hat, sich an vergangene Ereignisse zu erinnern. Wir wählten auf meinen Vorschlag hin ein Vorgehen, bei dem er in einer leichten Trance mir unmittelbar auf meine Frage hin antworten sollte, auf welcher Seite in welchem seiner verschiedenen Bücher ein bestimmter Absatz gefunden werden könne. Bei der ersten Frage erwachte Huxley aus der leichten Trance und erklärte: "Wirklich, Milton, ich kann das nicht. Ich kann mit etwas Mühe die meisten meiner Bücher aufzählen, aber die Seitenzahl für einen bestimmten Absatz anzugeben ist nicht gerade ein Kinderspiel." Trotzdem ging er in die leichte Trance zurück, der Titel des Bandes wurde ihm genannt, ein paar Zeilen des Absatzes wurden ihm laut vorgelesen, woraufhin er die Seite nennen sollte, auf der dieser Absatz erschien. Er hatte in deutlich mehr als 65% Erfolg, und zwar auf verblüffend präzise Weise. Nachdem er aus der leichten Trance erwachte, wurde er angewiesen, die gleiche Aufgabe in einem Zustand wachen Bewußtseins auszuführen. Er bemerkte zu seiner eigenen Überraschung, daß im Unterschied zur leichten Trance, in der die Seitenzahl in seinem Geist aufblitzte, er im Wachzustand eine methodische Prozedur verfolgen mußte, bei der er den Absatz in Gedanken beendete, den nächsten Absatz begann, dann in Gedanken zu dem vorherigen Absatz zurückkehrte und dann die Seitenzahl "riet". Wenn er innerhalb der gleichen Zeitgrenzen reagieren mußte wie in der leichten Trance, versagte er bei jedem Versuch. Wenn er sich so viel Zeit nehmen konnte, wie er wollte, konnte er eine Genauigkeit von 40% erreichen, wobei es sich um Bücher handeln mußte, die er in jüngerer Zeit gelesen hatte als die, nach denen er in der leichten Trance gefragt wurde.
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Wir finden hier wieder Verhaltensweisen, die das vorher besprochene Muster belegen.
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Im leichten Trancezustand hat Huxley Zugang zu Funktionen, die in der nichtdominanten Hemisphäre lokalisiert sind: ... zur leichten Trance, in der die Seitenzahl in seinem Geist aufblitzte ... (ein visuelles Prädikat)
Wenn die gleiche Aufgabe jedoch im Wachzustand oder im normalen Bewußtseinszustand versucht wurde - in Huxleys Fall der Zustand, in dem das kinästhetische Repräsentationssystem dominant ist - sind keine visuellen Bilder verfügbar: ... im Wachzustand eine methodische Prozedur verfolgen mußte, bei der er den Absatz in Gedanken beendete, den nächsten Absatz begann, dann ...
Beachten Sie, daß Huxley allgemein nicht in der Lage ist, im Wachzustand die gleiche Leistung wie in der leichten Trance zu erreichen. Die Aufgabe setzt natürlich visuelles Erinnern voraus - eine Funktion der nichtdominanten Hemisphäre.
Huxley begann dann in der mittleren Trance alles zu wiederholen, was er in der leichten Trance ausgeführt hatte. Er führte vergleichbare Aufgaben viel leichter aus, hatte dabei aber ständig das Gefühl, in eine tiefere Trance "zu rutschen". Huxley und ich besprachen ausführlich sein Verhalten in Hypnose, wobei Huxley die meisten Notizen machte, da nur er seine subjektive Erfahrung in bezug auf die besprochenen Themen kennen konnte. Aus diesem Grund ist die Diskussion an dieser Stelle beschränkt. Wir befaßten uns dann mit der Frage der Tiefhypnose. Huxley entwickelte leicht eine tiefe somnambulistische Trance mit spontaner Desorientierung in bezug auf Zeit und Ort. Er war in der Lage, seine Augen zu öffnen, aber beschrieb sein Sehfeld als "eine Quelle des Lichts", die mich, den Sessel, in dem ich saß, ihn selbst und seinen Sessel umfaßte. Er erwähnte diese auffällige Beschränkung seines Sehfeldes sofort und war sich bewußt, daß er aus ihm unbekannten Gründen die Verpflichtung fühlte, mir "alles zu erklären". Sorgfältiges Nachfragen ergab, daß er Amnesie für das hatte, was vorher getan worden war, und sich unseres gemeinsamen Projekts nicht bewußt war. Sein Gefühl, daß er alles erklären müsse, wurde, sobald er es erwähnt hatte, zu einer zwanglosen Bereitschaft. Eine seiner ersten Bemerkungen lautete: "Wirklich, wissen Sie, ich kann meine Situation nicht verstehen oder den Grund,
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warum Sie hier sind, wo immer das auch sein mag, aber ich muß Ihnen alles erklären." Es wurde ihm versichert, daß ich die Situation verstünde und daran interessiert sei, alle Erklärungen zu hören, die er mir geben wolle, und unter Umständen sogar Forderungen an ihn richten würde. Seine Zustimmung geschah sehr beiläufig und gleichgültig, aber es war offensichtlich, daß er auf zufriedene, passive Weise einen Zustand körperlichen Wohlbefindens genoß. Er beantwortete Fragen einfach und kurz, gab nicht mehr und nicht weniger Information, als durch die wörtliche Bedeutung der Frage verlangt war. Er zeigte damit die gleiche und vielleicht sogar aufgrund seiner Kenntnis der Semantik eine noch ausgeprägtere Neigung zu präzisen, wortwörtlichen Antworten, wie sie auch bei anderen Versuchspersonen zu finden ist. Er wurde gefragt: "Was ist zu meiner Rechten?" Seine Antwort lautete einfach: "Ich weiß nicht." "Warum?" "Ich habe nicht geschaut." " Werden Sie es tun?" "Ja." "Jetzt!" "Wie weit soll ich schauen?" Das war keine unerwartete Frage für mich, da ich ihr bereits unzählige Male begegnet bin. Huxley manifestierte lediglich ein charakteristisches Phänomen der tiefen somnambulistischen Trance, in der visuelle Bewußtheit auf unerklärliche Weise auf die Objekte beschränkt ist, die für die Trancesituation relevant sind. Für jeden Sessel, jede Couch, jeden Hocker, den er sehen sollte, waren spezifische Anweisungen nötig. Huxley erklärte später: "Ich mußte mich umschauen, bis es (das genannte Objekt) langsam in mein Blickfeld kam, nicht auf einmal, sondern langsam, so als ob es sich materialisieren würde. Ich glaube wirklich, daß ich vollkommen entspannt und ohne jede Verwunderung zusah, wie sich Dinge materialisierten. Ich akzeptierte alles ganz selbstverständlich." Hunderte anderer Versuchspersonen haben ähnliche Erklärungen gegeben. Doch die Erfahrung hat mich gelehrt, wie wichtig es ist, daß ich die Rolle eines vollkommen passiven Fragestellers annehme, der eine Frage nur stellt, um eine Antwort zu bekommen, ganz gleich, was ihr Inhalt ist. Schon die Andeutung eines Interesses an der Bedeutung der Antwort wird die Versuchsperson wahrscheinlich dazu anleiten, so zu antworten, als ob sie Anweisungen dazu erhalten hätte, eine bestimmte Antwort zu geben. Ich verwende in der therapeutischen Arbeit gezielt Unterschiede im Tonfall, um den Patienten zu angemesseneren persönlichen Reaktionen zu bewegen. Ich überprüfte dies mit Huxley, indem ich ihn mit Begeisterung fragte: "Sagen Sie mir jetzt, was ist das, was sich etwa fünf Meter vor Ihnen befindet?" Die korrekte Antwort hätten lauten müssen: "Ein Tisch." Statt dessen antwortete er: "Ein Tisch mit einem Buch und einer Vase darauf." Sowohl das Buch wie auch die Vase standen zwar auf dem Tisch, aber am entfernten Ende, und waren daher mehr als fünf Meter entfernt. Später wurde die gleiche Frage in einer beiläufigen, gleichgültigen Weise
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gestellt: "Sagen Sie mir, was ist das, was fünf Meter vor Ihnen ist?" Trotz seiner früheren Antwort antwortete er jetzt: "Ein Tisch." "Sonst noch etwas?" "Ja." "Was noch?" "Ein Buch." (Das Buch lag näher bei ihm als die Vase.) "Sonst noch etwas?" "Ja." "Sagen Sie mir, was." "Eine Vase." "Sonst noch etwas?" "Ja." "Sagen Sie mir, was." "Ein Fleck." "Sonst noch etwas?" "Nein."
Huxley befindet sich nun in einem Zustand tiefer Trance. Hier zeigt sich einer der besonders interessanten Unterschiede im Sprachverhalten von Versuchspersonen in einer tiefen somnambulistischen Trance im Vergleich zu dem Verhalten in normalen Bewußtseinszuständen oder während der Induktion leichter und mittlerer Trancezustände. Eine Person wird in Bewußtseinszuständen, die mit Hypnose (mit Ausnahme der tiefen somnambulistischen Trance) assoziiert sind, und in normalen Bewußtseinszuständen auf bestimmte Sätze, die die Form von Fragen haben, so reagieren, als ob es sich um Befehle handele. Die typische Reaktion eines erwachsenen Muttersprachlers auf Fragen wie z.B.: Können Sie Ihre Hände auf Ihre Oberschenkel legen? Sind Ihre Hände auf Ihren Oberschenkeln? besteht darin, so zu reagieren, als ob er den Befehl erhalten hätte: Legen Sie Ihre Hände auf Ihre Oberschenkel! Die typische Reaktion der Person, an die diese Fragen gerichtet sind, besteht darin, die Hände auf ihre Oberschenkel zu legen. Im transformationslinguistischen Modell der Sprache sind diese Phänomene als konversationelle Postulate bekannt (siehe u.a. Lakoff und Gordon, 1973, für eine formale Abhandlung). Der Prozeß funktioniert im wesentlichen wie folgt: Wenn ich möchte, daß Sie eine bestimmte Handlung ausführen, Ihnen aber keinen direkten Befehl dazu erteilen möchte, kann ich jede der Präsuppositionen des gewünschten Befehls wählen und diese Präsupposition in Form einer Ja/Nein-Frage an Sie richten. (Siehe Struktur der Magie I, Kapitel 3 und 4, sowie den Anhang dieses Bandes, für eine Darstellung des formalen Begriffs der Präsupposition.) Eine der Präsuppositionen des Befehls: Legen Sie Ihre Hände auf Ihre Oberschenkel!
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besteht darin, daß Sie in der Lage sind, Ihre Hände auf Ihre Oberschenkel zu legen. Da dies die Präsupposition des Befehls ist, kann ich, indem ich Sie einfach danach frage, ob Sie es können oder nicht, den Befehl "höflich" in Form einer Frage kommunizieren. Befehl Legen Sie Ihre Hände auf Ihre Oberschenkel!
Präsupposition Sie können Ihre Hände auf Ihre Oberschenkel legen.
Nach dem Prinzip der konversationellen Postulate: Können Sie Ihre Hände auf Ihre Oberschenkel legen?
Legen Sie Ihre Hände auf Ihre Oberschenkel!
Wenn wir die linguistische Terminologie etwas weiterführen, kommen wir zu den Begriffen der Oberflächenstruktur - die tatsächliche Form, die der gesprochene Satz hat - und Tiefenstruktur - die Repräsentation der Bedeutung, die die Oberflächenstruktur hat. Was diese Art von Sätzen bemerkenswert macht, ist die Tatsache, daß sie eine andere Wirkung haben als die, welche durch die Bedeutung der Tiefenstruktur repräsentiert wird. Mit anderen Worten: Das Wiedergewinnen der wörtlichen Tiefenstruktur aus der Oberflächenstruktur ist der normale Prozeß, aufgrund dessen wir die Kommunikation einer anderen Person verstehen. Doch in diesen besonderen Fällen muß ein zusätzlicher Schritt gemacht werden, um die Bedeutung wiederzugewinnen. Genauer: Wenn die wörtliche Bedeutung der Tiefenstruktur die Präsupposition eines Befehls in Form einer Ja/Nein-Frage ist, dann verstehen wir den Inhalt der Kommunikation als Befehl und nicht als Frage, auch wenn das die tatsächliche Bedeutung der Tiefenstruktur ist. In gleicher Weise besteht, wenn eine Person einer anderen die Frage stellt: Was ist rechts von mir?, die typische Reaktion entweder darin, sofort alle Gegenstände, die sich rechts vom Fragesteller befinden, aufzulisten - wenn die Person, die antwortet, weiß, was dort ist - oder dorthin zu schauen, falls sie noch nicht weiß, was dort ist. Wir haben jedoch zwei Bedingungen ausgemacht, unter denen der Sprecher einer Sprache regelmäßig anders reagieren wird: wenn sich der Sprecher in einer tiefen somnambulistischen Trance befindet oder wenn der Sprecher ein Kind ist. Erickson stellt Huxley, der sich in einer tiefen somnambulistischen Trance befindet, die Frage: Was ist zu meiner Rechten?
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und Huxley reagiert weder, indem er unmittelbar die Gegenstände aufzählt, die sich dort befinden, noch indem er dort hinschaut, um zu sehen, was sich dort befindet, sondern indem er antwortet: Ich weiß nicht.
Wie Erickson bemerkt, ist die Fähigkeit der Versuchsperson, in einer tiefen somnambulistischen Trance auf die wörtliche Bedeutung der Tiefenstruktur des Satzes zu antworten, ein hervorragender Indikator dafür, daß das Subjekt in einer Tieftrance ist. Ein sehr guter Test für die Tiefe einer Trance ist daher die Fähigkeit einer Versuchsperson, nicht auf die zusätzliche Bedeutung zu reagieren, die durch die konversationeilen Postulate vermittelt wird. Die Untersuchung von Ericksons Induktionstechniken zeigt eine beständige Verwendung konversationeller Postulate während der Tranceinduktion. Das stimmt mit seiner üblichen Bevorzugung einer permissiven gegenüber einer autoritären Induktionsmethode überein. Indem er Ja/Nein-Fragen verwendet, um Befehle zu kommunizieren, umgeht er das Problem von Kontrolle und Widerstand, da er dem Klienten keine direkten Befehle erteilt. Diese linguistische Unterscheidung ist darüber hinaus nützlich, um zu bestimmen, wo sich der Klient zu einem bestimmten Zeitpunkt im Prozeß befindet, ganz in Übereinstimmung mit Ericksons Betonung einer Unterscheidung zwischen Tranceinduktion und dem Verhalten im Trancezustand. Beachten Sie außerdem, daß das Verhalten der Versuchsperson in der Tieftrance, das Ignorieren des konversationellen Postulates, genau mit ihrem Erleben zu einem früheren Zeitpunkt ihrer Lebensgeschichte übereinstimmt, nämlich ihrer Kindheit. Diese Technik unterstützt daher die Neigung von Versuchspersonen, die in Tieftrance gehen, Altersregression zu erleben. Beachten Sie, daß Huxley, wenn er in Tieftrance geht, in der Lage ist, visuelle Unterscheidungen zu treffen, die ihm normalerweise nicht zur Verfügung stehen. Erickson bemerkt, daß "dies ein charakteristisches Phänomen der tiefen somnambulistischen Trance" sei. Das wird im Kontext der bereits erwähnten Beobachtungen in bezug auf zerebrale Asymmetrie verständlich.
Dieses Wörtlichnehmen und diese merkwürdige Beschränkung der Bewußtheit auf die Teile der Wirklichkeit, die die genaue hypnotische Situation darstellen, <sind> entscheidende Voraussetzungen einer zufriedenstellenden somnambulistischen hypnotischen Trance. Zusammen mit der visuellen tritt auch eine auditive Einschrän-
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kung auf, so daß Klänge, selbst solche, die zwischen Operator und Subjekt entstehen, vollkommen außerhalb der hypnotischen Situation zu sein scheinen. Da kein Assistent anwesend war, konnte diese auditive Beschränkung nicht überprüft werden. Es wurde jedoch, mit Hilfe eines schwarzen Fadens, der mit bloßem Auge nicht erkennbar war, ein Buch von einem Tisch hinter ihm gezogen, welches auf seinen Rücken fiel. Huxley hob langsam die Hand, so, als ob ihn etwas juckte, und kratzte sich an der Schulter. Er reagierte nicht überrascht. Das ist ebenfalls charakteristisch für die Art und Weise, mit der auf viele unerwartete physische Stimuli reagiert wird. Sie werden in Begriffen früherer Körperempfindungen interpretiert. Versuchspersonen werden recht häufig, während sie eine somnambulistische Trance entwickeln, als Begleiterscheinung eine selektive allgemeine Anästhesie für physische Stimuli entwickeln, die nicht Teil der hypnotischen Situation sind, insbesondere physische Stimuli, die nicht aufgrund früherer Erfahrungen interpretiert werden können. Das konnte in der Situation mit Huxley nicht getestet werden, da ein Assistent notwendig ist, um entsprechende Tests durchzuführen, ohne die hypnotische Situation zu verzerren. Eine illustrative Maßnahme, die ich verwendet habe, bestand darin, eine Nadel mit Faden durch einen Ärmel eines Jacketts zu ziehen, während ich die Arme des Patienten in Stellung brachte, und einen Assistenten dann von einem Versteck aus an dem Faden ziehen zu lassen. Oft wird eine spontane Anästhesie den Reiz nicht in das Bewußtsein der Versuchsperson gelangen lassen. Es läßt sich ohne viel Mühe eine Fülle einfacher Maßnahmen finden. Huxley wurde dann sanft auf indirekte Weise aus der Trance zurückgebracht, indem die einfache Suggestion gegeben wurde, er solle in seinem Stuhl wieder die gleiche körperliche und geistige Haltung einnehmen, in der er sich befand, als er die Entscheidung traf, eine weitere experimentelle Untersuchung der Tiefen Reflexion bis auf weiteres zu beenden. Huxley reagierte, indem er sofort aufwachte und erklärte, er sei absolut bereit, in eine tiefe Hypnose zu gehen. Auch wenn diese Behauptung an sich ein Hinweis auf eine tiefe posthypnotische Amnesie ist, wurden unter dem Deckmantel einer Diskussion dessen, was sinnvollerweise im Rahmen eines solchen Experiments unternommen werden könne, eine Verzögerungstaktik eingesetzt. Auf diese Weise war es möglich, verschiedene Elemente seines Verhaltens in der Tieftrance zu erwähnen. Ihre Erwähnung löste keine Erinnerungen aus, und Huxleys Diskussion der betreffenden Punkte zeigte nicht, daß er aufgrund seines Tieftrance-Verhaltens bereits Vorerfahrungen dazu hatte. Er war genauso ahnungslos in bezug auf die Details seines Verhaltens in Tieftrance, als er es vor der Induktion der Tieftrance gewesen war.
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Es folgten weitere Tieftrancen, in denen Huxley, unter Vermeidung aller Themen von persönlicher Bedeutung, aufgefordert wurde, eine partielle, selektive und vollständige posthypnotische Amnesie zu entwickeln (mit partiell ist hier ein Teil der gesamten Erfahrung gemeint, mit selektiver Amnesie eine Amnesie für ausgewählte, möglicherweise miteinander verbundene Erfahrungselemente), das amnestische Material wieder zu erinnern und eine Amnesie für das erinnerte Material zu entwickeln. Er entwickelte auch Katalepsie, was dadurch getestet wurde, daß er, während er bequem in einem Sessel saß, den direkten Befehl erhielt, sich aus dem Sessel zu erheben ("Nehmen Sie das Buch von diesem Tisch dort und legen Sie es auf den Schreibtisch dort drüben, und tun Sie es jetzt"). Huxley war daraufhin, auf für ihn unerklärliche Weise, nicht nur unfähig, aus dem Sessel aufzustehen, sondern auch, den Grund dafür zu verstehen. (Er war absichtlich "ganz bequem" so in den Sessel gesetzt worden, daß er seine Körperhaltung hätte korrigieren müssen, um aus dem Sessel aufstehen zu können, und in den Anweisungen, die er erhielt, konnten keine impliziten Suggestionen für eine solche Korrektur gefunden werden. Es blieb ihm daher nichts übrig, als hilflos dazusitzen, unfähig, aufzustehen, unfähig, zu begreifen, warum. Diese gleiche Maßnahme wird verwendet, um vor Ärzten eine "Sattelblock"-Anästhesie zu demonstrieren. Die Versuchsperson, die sich in Tieftrance befindet, wird sorgfältig plaziert, es wird dann eine beiläufige Unterhaltung mit ihr geführt, es wird dann Rapport zwischen ihr und einer zweiten Versuchsperson hergestellt, die dann aufgefordert wird, ihren Platz mit der ersten Versuchsperson zu tauschen. Die zweite Versuchsperson geht hinüber, nur um hilflos dazustehen, während die erste Versuchsperson feststellt, daß sie (1) unfähig ist, sich zu bewegen, und (2) innerhalb kurzer Zeit der Verlust der Fähigkeit zu stehen zu einem Orientierungsverlust in der unteren Körperhälfte und einer resultierenden totalen Anästhesie führt, ohne daß Anästhesie in den einführenden Bemerkungen über Hypnose erwähnt worden wäre. Dieser durch die Versuchsperson unbemerkte Gebrauch der Katalepsie ist eine sehr effektive Maßnahme zur Vertiefung von Trancezuständen.) Huxley war verblüfft über seinen Verlust an Beweglichkeit, was sich noch verstärkte, als er einen Orientierungsverlust in bezug auf seine untere Körperhälfte entdeckte, und er war äußerst erstaunt, als ich ihm vorführte, daß eine weitgehende Anästhesie vorlag. Er konnte diese Kette von Ereignissen überhaupt nicht verstehen. Er brachte das Versetzen seines Körpers in eine bequeme Position nicht mit der unauffällig induzierten Katalepsie mit anschließender Anästhesie in Verbindung. Er wurde aus seinem Trancezustand geweckt, wobei Katalepsie und Anästhesie nicht aufgehoben wurden; er erhielt darüber hinaus eine Suggestion für eine voll-
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ständige Amnesie für alle Erfahrungen, die er in der Tieftrance gemacht hatte. Er erweiterte diese Suggestion spontan auf alle Tranceerfahrungen, möglicherweise weil er meine Anweisungen nicht klar genug gehört hatte. Er reorientierte sich sofort auf die Zeit, zu der wir Untersuchungen zur Tiefen Reflexion durchgeführt hatten. Er hatte große Schwierigkeiten, seinen bewegungslosen Zustand zu erklären, und fragte sich mit neugierigem Staunen, was er im Zustand der Tieftrance getan habe, aus dem er glaubte, gerade erwacht zu sein, und was zu diesen unerklärlichen Manifestationen geführt habe, die er zum ersten Mal in seinem Leben erlebte. Sein Interesse war äußerst groß, und er flüsterte Bemerkungen wie "höchst außergewöhnlich", während er seine untere Körperhälfte mit seinen Händen und Augen untersuchte. Er bemerkte, daß er die Position seiner Füße nur mit Hilfe seiner Augen bestimmen konnte, daß er von der Hüfte abwärts unbeweglich war, und entdeckte, als er sich wegen der Katalepsie vergeblich bemühte, sein Bein mit den Händen zu bewegen, daß eine Anästhesie vorlag. Er testete dies auf verschiedene Weise und bat mich, ihm verschiedene Gegenstände zu reichen, mit denen er seine Tests durchführen konnte. Er bat mich z.B., Eis direkt auf seine Fußknöchel zu legen, weil er sich nicht so weit bücken konnte, um es selbst zu tun. Schließlich wandte er sich mir zu, nachdem er seinen Zustand ausführlich untersucht hatte, und bemerkte: "Ich muß schon sagen, Sie sehen ganz ruhig und gelassen aus, während ich mich in einer höchst ungewöhnlichen, mißlichen Lage befinde. Ich schließe daraus, daß Sie auf irgendeine subtile Weise mein Körpergefühl verwirrt und durcheinandergebracht haben. Sagen Sie, hat dieser Zustand irgendwie mit Hypnose zu tun?" Die Wiederherstellung seiner Erinnerung bereitete ihm große Freude, doch er konnte nach wie vor nicht verstehen, wie seine Katalepsie und Anäesthesie entstanden waren. Er war sich darüber im klaren, daß eine Kommunikationstechnik angewandt worden war, um diese Phänomene zu bewirken, aber es gelang ihm nicht, einen Zusammenhang zwischen der Positionierung seines Körpers und den beschriebenen Phänomenen herzustellen.
Erickson konstruiert hier eine Erfahrung für Huxley, die das formale Äquivalent im kinästhetischen Repräsentationssystem zu dem Unvermögen der Versuchsperson in Tieftrance darstellt, auf konversationelle Postulate im linguistischen System zu reagieren. Indem er Huxleys Körper in eine Position bringt, aus der heraus es ihm nicht möglich ist, sich in einer bestimmten Weise zu bewegen, und ihm dann den Befehl erteilt, sich in genau dieser Weise zu bewegen, demonstriert Erickson kinästhetisch das
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gleiche formale Phänomen, das vorliegt, wenn die Versuchsperson unfähig ist zu reagieren, solange die Verhaltenssequenz nicht vollkommen explizit gemacht worden ist. Im Fall konversationeller Postulate wird ausschließlich auf die wörtliche Bedeutung der Tiefenstruktur reagiert, nicht auf die Bedeutung, die sich aus der Kombination von wörtlicher Bedeutung der Tiefenstruktur und der von dem Mechanismus der konversationellen Postulate abgeleitenen Bedeutung ergibt. Huxley ist auf formal gleiche Weise paralysiert, da ihm nicht alle kinästhetischen Schritte der Sequenz explizit genannt werden, die er für das Ausführen des Befehls bräuchte. Die Mechanismen der normalen Bewußtseinszustände, die es einer Person erlauben, selbst die notwendigen kinästhetischen Schritte einzufügen, die nicht explizit genannt werden, sondern durch den Befehl impliziert sind, stehen Huxley nicht zur Verfügung. Dieser Bereich des Tieftrance-Verhaltens muß in Zukunft noch gründlicher untersucht werden, bevor er formalisiert werden kann. *****
Weitere in Tieftrance durchgeführte Experimente befaßten sich mit visuellen, auditiven und anderen Arten ideosensorischer Halluzination. Eine der verwendeten Maßnahmen bestand darin, pantomimisch vorzutäuschen, das Öffnen einer Tür zu hören und jemanden den Raum betreten zu sehen, höflich aufzustehen und dieser Person einen Sessel anzubieten, mich dann wieder Huxley zuzuwenden, um der Hoffnung Ausdruck zu geben, daß er sich wohl fühle. Er bejahte dies und äußerte sich überrascht darüber, daß seine Frau unerwartet zurückgekommen sei, da er damit gerechnet habe, daß sie den ganzen Tag abwesend sein würde. (Mir war bekannt, daß Huxleys Frau gern in dem Sessel saß, auf den ich gezeigt hatte.) Er unterhielt sich mit ihr und halluzinierte offensichtlich die Antworten. Er wurde durch die Frage unterbrochen, woher er wisse, daß es seine Frau sei und nicht eine hypnotische Halluzination. Er dachte sorgfältig über die Frage nach und erklärte dann, daß ich ihm keine Suggestion gegeben hätte, seine Frau zu halluzinieren, und über ihre Ankunft gleichermaßen überrascht gewesen sei wie er selbst und sie genauso angezogen sei wie unmittelbar vor Verlassen des Hauses und nicht so, wie ich sie zuvor gesehen hätte. Daher war es vernünftig, anzunehmen, daß sie real vorhanden war. Nach einer kurzen, nachdenklichen Pause kehrte er zu seiner "Unterhaltung" mit ihr zurück und schien weiter Antworten zu halluzinieren. Schließlich zog ich seine Aufmerksamkeit auf mich und machte eine Handbewegung in Richtung auf den Sessel, in dem er seine Frau "sah", die Verschwinden ausdrückte. Zu seiner vollkommenen Verblüffung sah er, wie sie langsam verschwand. Er wandte sich daraufhin
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mir zu und bat mich, ihn mit der vollständigen Erinnerung an diese Erfahrung zurückzuholen. Ich tat dies, und er sprach recht ausführlich über diese Erfahrung und machte mehrere Anmerkungen dazu in seinem Notizbuch und ergänzte diese mit meinen Antworten auf die Fragen, die er mir stellte. Er war verblüfft, als er feststellte, daß er, als ich ihn aufforderte, mit der Erinnerung an die Bewegungslosigkeit und die Anästhesie aufzuwachen, glaubte, aufgewacht zu sein, der Trancezustand aber ohne sein Wissen fortbestanden habe. Er drängte dann zu weiterer Arbeit an halluzinatorischen Erfahrungen in Hypnose, und es wurde eine große Zahl solcher Phänomene erforscht (positive und negative visuelle, auditive, olfaktorische, gustatorische, taktile, kinästhetische Halluzinationen sowie halluzinierte Empfindungen von Wärme und Kälte, von Hunger, Sattheit, Müdigkeit, Schwäche, intensiver Vorfreude usw.). Er zeigte sich in allen Belangen äußerst kompetent, und es konnte beobachtet werden, daß sein Puls sich um bis zu 20 Herzschlägen verändern konnte, wenn er aufgefordert wurde, sich die Erfahrung des Bergsteigens in einem Zustand schwerer Müdigkeit vorzustellen. Bei der Diskussion seiner verschiedenen Erfahrungen bemerkte er von sich aus, daß eine negative Halluzination, die sich in tiefer Trance leicht erreichen ließ, in einer leichten oder mittleren Trance äußerst schwierig sei, weil negative Halluzinationen sich, selbst in der hypnotischen Situation, besonders destruktiv auf den Wirklichkeitswert von Erfahrungen auswirkten. Er hatte beobachtet, daß meine Umrisse verschwammen, wenn eine negative Halluzination induziert wurde, auch wenn er selbst in der Lage war, eine Tieftrance zu entwickeln, die eine inhärente negative Halluzination für die gesamte äußere Realität enthielt, mit Ausnahme der Realitäten der hypnotischen Situation, welche klar und wohldefiniert blieben, solange keine gegenteiligen Suggestionen gegeben wurden. Spätere Arbeiten mit anderen Versuchspersonen bestätigten diese Beobachtung Huxleys. Ich hatte das Thema negative Halluzinationen in leichten und mittleren Trancen bis dahin nicht untersucht. An dieser Stelle erinnerte Huxley sich daran, daß er in der leichten Trance im Rahmen der Hypermnesie-Experimente die Seitenzahlen für ausgewählte Passagen bestimmt habe, und er bat darum, ähnlichen Tests in Tiefhypnose unterzogen zu werden. Wir suchten zusammen in seinen Bücherregalen und fanden schließlich eine Reihe Bücher, von denen Huxley sicher war, daß er sie vor vielen Jahren gelesen haben mußte und zwanzig oder mehr Jahre lang nicht angefaßt hatte. (Eines hatte er anscheinend nie gelesen, die anderen fünf hatte er gelesen.) Huxley hörte dann in Tieftrance mit geschlossenen Augen aufmerksam zu, während ich ein Buch an einer beliebigen Stelle aufschlug und ein halbes Dutzend Zeilen aus einem bestimmten Absatz vorlas. Bei manchen bestimmte er die
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Seitenzahl fast sofort, halluzinierte dann die Seite und "las", beginnend mit der Stelle, an der ich aufgehört hatte. Darüber hinaus benannte er die Gelegenheit, bei der er das Buch gelesen hatte. Er erinnerte sich, daß er zwei der Bücher fünfzehn Jahre zuvor gelesen hatte. Bei zwei anderen hatte er Mühe, die korrekte Seitenzahl anzugeben, und konnte auch dann nur ungefähre Angaben machen. Er war nicht in der Lage, die Druckseiten zu halluzinieren, und konnte nur wenig mehr als eine Zusammenfassung der wichtigsten Ideen geben, die im wesentlichen korrekt war. Er konnte nicht bestimmen, wann er sie gelesen hatte, war sich aber sicher, daß es vor über fünfundzwanzig Jahren gewesen sein mußte. In der Diskussion im Anschluß an die Trance war Huxley über seine Gedächtnisleistung höchst erstaunt, bemerkte aber, daß die Erfahrung vor allem intellektueller Art gewesen sei und den hochgeholten Erinnerungen jede emotionale Bedeutung gefehlt habe, die sie mit ihm als Person verbunden hätte. Das führte zu einer allgemeinen Diskussion über Hypnose und Tiefe Reflexion, in deren Verlauf Huxley sich unsicher war, ob er seine Erfahrungen in einer Weise konzeptualisieren könne, die es erlauben würde, ihren jeweiligen Wert zu vergleichen. Während Huxley seine hypnotischen Erfahrungen sehr interessant fand und wegen der Einsichten, die sie ihm boten, sehr erfreut war, so schien er doch auch etwas ratlos. Er hatte das Gefühl, daß er aus der Tiefen Reflexion, als einer rein persönlichen Erfahrung, einen bestimmten, nicht näher benennbaren Wert entnehme, den er von der Hypnose nicht erhalten könne, die ihm nur eine Fülle neuer Gesichtspunkte vermittle. Er erklärte, daß die Tiefe Reflexion anhaltende persönliche Gefühl auslöse, die eine bedeutende Rolle in seiner Lebensweise zu spielen schienen. Im Verlauf dieser Diskussion fragte er plötzlich, ob Hypnose verwendet werden könne, um ihm eine Erforschung seiner psychedelischen Erfahrungen zu ermöglichen. Seiner Bitte wurde entsprochen, doch nach dem Erwachen aus der Trance äußerte er das Gefühl, daß die hypnotische Erfahrung sich deutlich von einem vergleichbaren "Durchfühlen" mit Hilfe der Tiefen Reflexion unterscheide. Er erklärte, daß die hypnotische Exploration ihm nicht das innere, d.h. das anhaltende subjektive Gefühl vermittle, mitten in einer psychedelischen Erfahrung zu sein, daß es einen geordneten intellektuellen Inhalt gebe, der dem "Gefühlsinhalt" entspreche, während die Tiefe Reflexion einen reichen und stabilen emotionalen Hintergrund schaffe, vor dem er "ganz bewußt, mühelos eine intellektuelle Entfaltung von Ideen vorbringen" könne, auf die der Leser dann voll reagieren würde. Huxley beendete diese Diskussion mit der nachdenklichen Bemerkung, daß er noch nicht damit begonnen habe, seine kurze, intensive Erfahrung mit Hypnose zu verdauen, und keinen intelligenten Kommentar abgeben könne, ohne erst ausführlich darüber nachzudenken.
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Huxleys dramatische Leistung im Zugänglichmachen visuell kodierter Informationen aus der fernen Vergangenheit ist ein überzeugendes Beispiel dafür, welche Erinnerungen der Versuchsperson in der Tieftrance zugänglich werden. Es ist unseres Erachtens besonders aufschlußreich, daß, je tiefer und somit von Huxleys normalem Bewußtseinszustand verschiedener der Trancezustand ist, desto mehr das in der nichtdominanten Hemisphäre visuell gespeicherte Material zugänglich wird. Huxleys Charakterisierung der Unterschiede zwischen seinem Erleben der Tiefen Reflexion und der tiefen Trance weisen auf einen ähnlichen Trend hin: Beschreibung der Tiefen Reflexion
Beschreibung der Tieftrance
... gab ihm bestimmte innere
... bot nur eine Fülle neuer
Gefühle...
Gesichtspunkte ...
"Durchfühlen" mit Hilfe der
... gibt ihm kein inneres Gefühl...
Tiefen Reflexion ...
Diese Charakterisierung legt nahe, daß für Huxley einer der Unterschiede zwischen Tiefer Reflexion und Tieftrance in dem Ausmaß liegt, in dem die nichtdominante Hemisphäre in diesen veränderten Bewußtseinszuständen zugänglich gemacht wird. *****
Er bat dringend darum,weitere Tieftrance-Experimente mit ihm durchzuführen, in denen komplexere Phänomene induziert werden sollten, die es ihm erlauben würden, sich selbst als Person eingehender zu erforschen. Nach einer schnellen mentalen Übersicht dessen, was bereits getan worden war und was noch getan werden könnte, beschloß ich, daß eine Tieftrance mit der Möglichkeit einer dissoziativen Two-State-Regression wünschenswert wäre; das ist ein Verfahren, bei dem er durch Dissoziation von einem ausgewählten Bereich seiner aktuellen Lebenserfahrung regrediert würde, so daß er diesen wie ein Beobachter aus der Perspektive eines anderen relativ aktuellen Bereichs seiner Lebenserfahrung sehen könnte. Den besten Weg, um dies zu erreichen, stellte meinem Gefühl nach die Konfusionstechnik dar12. Die Entscheidung, eine Konfusionstechnik zu verwenden, war zum großen Teil dadurch beeinflußt, daß der Autor sich der unbegrenzten intellektuellen
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Kapazität und Neugier Huxleys bewußt war, die sehr hilfreich dabei zu sein versprachen, Huxley dazu zu bringen, zu den Verbalisierungen der Konfusionstechnik andere elaborierte Bedeutungen, Sinnmöglichkeiten und Assoziationen beizusteuern und dadurch meine eigenen Bemühungen zu unterstützen. Bedauerlicherweise stand kein Tonbandgerät für die Aufzeichnung der Details der gegebenen Suggestionen zur Verfügung, die im wesentlichen besagten, daß Huxley tiefer und tiefer in eine Trance gehen solle, bis "die Tiefe a part und apart" (ein Teil und getrennt) von ihm sei, und "in äußerster Klarheit, in lebendiger Wirklichkeit, in unmöglicher Realitätstreue das vor ihm erscheinen würde, was einmal war, aber nun, in der Tiefe der Trance, in einer verwirrenden Konfrontation, alle seine Erinnerungen und Einsichten in Frage stellen wird." Das war eine absichtlich vage und zugleich in permissiver Weise umfassende Suggestion, und ich verließ mich einfach darauf, daß Huxleys Intelligenz sie mit so viel Bedeutung für ihn ausfüllen würde, wie ich nicht einmal im Ansatz erraten könnte. Natürlich wurden noch andere Suggestionen gegeben, aber sie zielten in ihrer Wirkung auf die Suggestion, die in dem oben wiedergegebenen Zitat enthalten ist. Mir ging es nicht um eine klar definierte Situation, sondern darum, die Bühne vorzubereiten, so daß Huxley selbst dazu veranlaßt werden konnte, die Aufgabe zu definieren. Ich unternahm nicht einmal den Versuch, darüber zu spekulieren, welche Bedeutung meine Suggestionen für Huxley haben könnten. *****
Erickson stellt jetzt seine Konfusionstechnik vor13. Der Name Konfusionstechnik deckt einen weiten Phänomenbereich ab. Wir werden an dieser Stelle nur einige der Muster besprechen, da wir häufig zu dieser Technik zurückkehren und bei jeder solchen Gelegenheit neue Muster isolieren werden. Das von Erickson zitierte Material beginnt mit einer Sequenz von sieben Worten: The depth was a part and apart. (Die Tiefe war ein Teil von und getrennt von ihm.)
Die Substantivgruppe the depth stellt das dar, was in dem Meta-Modell, das wir in Struktur der Magie I entwickelt haben, eine Nominalisierung genannt wird. D.h., diese Substantivgruppe war in ihrer Tiefenstrukturrepräsentation ein Prädikat - ein Wort, das ursprünglich eine Beziehung oder einen Prozeß repräsentierte. Durch die Transformationsprozesse, die in natürlichen Sprachsystemen zur Verfügung stehen, erscheint dieses Prädikat in der Oberflächenstruktur, die Erickson verwendet, als Name eines
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Gegenstandes. Ein Beispiel, das nichts mit Hypnose zu tun hat, hilft hier möglicherweise weiter. Schauen Sie sich die folgenden zwei Sätze an: Es war ein Stuhl in dem Haus. Es war Frustration in dem Haus. In Struktur der Magie I haben wir eine Reihe von Tests entwickelt, die Therapeuten dabei helfen sollen, ihre Intuitionen im Identifizieren von Nominalisierungen zu schärfen. Wenn ihr bevorzugtes Repräsentationssystem z.B. visuell ist, können Sie testen, ob die Substantivgruppen in einem Satz eine Nominalisierung darstellen, indem Sie eine silbergrüne Schubkarre visualisieren und sich vor Ihrem inneren Auge vorstellen, alle Substantive, die in den Substantivgruppen des Satzes vorkommen, in diese Schubkarre zu legen. Wenn Ihnen das gelingt, handelt es sich bei der Substantivgruppe nicht um eine Nominalisierung; gelingt es ihnen nicht, handelt es sich um eine Nominalisierung. Wenn Sie die weiter oben abgedruckten Sätze als Beispiele nehmen, so kann sich jeder leicht vorstellen, einen Stuhl in die Schubkarre zu legen, nicht jedoch eine Frustration. Das weist darauf hin, daß das Wort Frustration eine Nominalisierung ist ein Substantiv, das von einem Prädikat abgeleitet wurde. Eines der Merkmale von Nominalisierungen ist, daß sie weniger Information enthalten, als verfügbar ist. Lesen Sie sich die folgenden Sätze durch und achten Sie auf die Information, die in den verschieden Sätzen mit dem Prädikat frustrieren assoziiert ist: Es war offensichtlich, daß Betty Max frustrierte. Es war offensichtlich, daß Max frustriert war. Die Frustration war offensichtlich. Im ersten Satz erscheint das Wort frustrieren in seiner Verbform, und es drückt aus, daß es eine Person gibt (mit Namen Betty), die eine andere Person (mit Namen Max) frustriert. Im zweiten Satz fehlt ein Teil der Information, die mit dem Prädikat frustrieren assoziiert ist - in dem linguistischen Modell wird dies Tilgung genannt, der Prozeß, durch den ein Teil der vollen linguistischen Repräsentation des Satzes entfernt wird. Im dritten Satz fehlen beide Teile der Information, die mit dem Prädikat frustrieren assoziiert sind. Allein aufgrund des dritten Satzes ist es nicht möglich, zu entscheiden, wer wen frustriert - diese Information ist vollständig getilgt worden. Wenn die Information, die normalerweise in einem Prädikat enthalten ist, auf diese Weise getilgt und das Prädikat in ein Substantiv verwandelt worden ist, dann fehlt dem Resultat ein soge-
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nannter Bezugsindex - d.h., das Wort Frustration gibt in seiner nominalen Form einen Teil unserer Erfahrung nicht wieder. Da er keinen Bezugsindex hat, lädt ein solcher Nominalausdruck zu Projektionen oder Halluzinationen von seiten des Zuhörers ein. Bei dem Wort depth wurde auf eine vergleichbare Weise wie bei der Nominalisierung Frustration die mit ihm assoziierte Information getilgt, und es besitzt daher keinen Bezugsindex. Da es keinen Bezugsindex hat, lädt es zu Interpretationen, Projektionen oder Halluzinationen von seiten des Zuhörers ein. Eines der Erfordernisse für die Aussagen, die der Hypnoseanwender dem Klienten gegenüber macht, besteht darin, daß diese Aussagen mit dem aktuellen Erleben des Klienten übereinstimmen oder kongruent sind. Wir nennen dies Pacing. Es gibt verschiedene Methoden, wie dies von dem Hypnoseanwender erreicht werden kann. Der Hypnoseanwender kann sich ausschließlich auf eine verbale Beschreibung der Dinge beschränken, die er direkt beobachten kann. Er wird z.B. häufig folgende Aussagen in die Induktion aufnehmen: ... einatmen ... und ausatmen ... Von links nach rechts lesend wobei er darauf achtet, die Worte ein und aus zeitlich so zu setzen, daß sie mit dem Ein- und Ausatmen des Klienten übereinstimmen. Oder er wird im Fall der Handlevitation in der Regel Aussagen wählen wie z.B.: ... heben, ein plötzliches Zucken ... noch höher ... und diese beschreibenden Worte genau dann sagen, wenn die Hände des Klienten sich tatsächlich heben, zucken usw. Eine andere hervorragende Pacing-Technik besteht für den Hypnoseanwender darin, verbale Beschreibungen zu verwenden, die es dem Klienten erlauben, sein aktuelles Erleben auf die verwendeten Beschreibungen zu halluzinieren oder zu projizieren. Der geübte Hypnotiseur, der diese Pacing-Technik verwendet, macht vollen Gebrauch von den universellen Prozessen menschlicher Modellbildung - Tilgung, Verzerrung und Generalisierung. Wie wir in den Kapiteln 2, 3 und 4 von Struktur der Magie I ausführlich dargestellt haben, gibt es in den Sprachsystemen, die wir zur Kommunikation verwenden, eine Reihe von Verzerrungsmechanismen. Der vielleicht wichtigste dieser Mechanismen ist aus linguistischer Sicht die Nominalisierung, durch die ein Prozeß ab ein Ereignis repräsentiert wird. Wie am Beispiel von Frustration und depth gezeigt worden ist, sind, wenn eine Nominalisierung vorliegt, in der Regel die beiden
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anderen Modellbildungsprozesse ebenfalls beteiligt. Das Prädikat frustrieren wird in dem Satz: Die Frustration war offensichtlich. in nominalisierter Form verwendet. In der Tiefenstruktur des Satzes, in dem die Nominalisierung Frustration erscheint, ist zusätzliche Information darüber enthalten, wer oder was wen frustrierte (erfordert eine zusätzliche Unterscheidung in der Bezugsstruktur). Beide Teile sind in der Oberflächenstruktur nicht repräsentiert. Auch im Fall der Nominalisierung depth enthält die Oberflächenstruktur keine Information darüber, welche Tiefe oder wessen Tiefe. Mit anderen Worten: Der linguistische Prozeß der Tilgung hat stattgefunden und einen Teil der Information beseitigt. Da die Information beseitigt ist und somit nicht in dem vorkommt, was der Hypnotiseur sagt, enthält der Satz selbst keinen Bezugsindex, der eine spezifische Erfahrung bezeichnet. Die resultierende Wortverbindung the depth wird für den Zuhörer zu einer möglichen Beschreibung für ein weites Spektrum an Erfahrungen. Das läßt dem Klienten eine Fülle von Wahlmöglichkeiten für Interpretationen, Halluzinationen oder Projektionen. Durch diesen Kunstgriff wird der Klient stärker am Prozeß der Tranceinduktion oder des Tieftranceverhaltens beteiligt. Darüber hinaus pacet der Hypnotiseur natürlich mit Erfolg die Erfahrung des Klienten. Durch den geschickten Gebrauch der drei Modellbildungsprozesse - in diesem Fall der spezifischen linguistischen Mechanismen dieser drei Prozesse: Nominalisierung, transformationale Tilgung und Fehlen eines Bezugsindex - ist es für den Hypnoseanwender möglich, das Erleben des Klienten erfolgreich zu pacen, ohne zu wissen, um was es sich dabei handelt. Dies ermöglicht dem Hypnoseanwender eine unbegrenzte Bandbreite möglicher Verbalisierungen. In Ericksons Worten: ... Huxley dazu zu bringen, zu den Verbalisierungen der Konfusionstechnik andere elaborierte Bedeutungen, Sinnmöglichkeiten und Assoziationen beizusteuern und dadurch meine eigenen Bemühungen zu unterstützen. ... Das war eine absichtlich vage und zugleich in permissiver Weise umfassende Suggestion, und ich verließ mich einfach darauf, daß Huxleys Intelligenz sie mit so viel Bedeutung für ihn ausfüllen würde, wie ich nicht einmal im Ansatz erraten könnte. ... Ich unternahm nicht einmal den Versuch, darüber zu spekulieren, welche Bedeutung meine Suggestionen für Huxley haben könnten.
Der erste Teil des ersten Satzes, den Erickson zitiert - the depth - erfüllt so auf bewundernswerte Weise sowohl seine wie Huxleys Zwecke.
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Das zweite Muster, auf das wir in dieser Sequenz von sieben Worten hinweisen möchten, ist in den Worten a part und apart enthalten: The depth was a part and apart. Erstens: Beachten Sie, daß diese Wortverbindung in ihrer geschriebenen Form keine Ambiguität enthält - der erste Teil ist eine Wortverbindung, die zwei Worte umfaßt: a part, während der zweite Teil aus einem Wort besteht: apart. Wenn sie jedoch auditiv dargeboten wird, ist die Wortverbindung vollkommen uneindeutig. Eine mögliche Intuition, die man in seiner Muttersprache haben kann, ist die der Mehrdeutigkeit (Ambiguität). Einige Arten der Mehrdeutigkeit bestehen nur in bestimmten Repräsentationssystemen, so wie z.B. der Satz, den wir gerade untersucht haben. Andere Arten der sprachlichen Mehrdeutigkeit bleiben bestehen, auch wenn das Repräsentationssystem verändert wird; z.B.14: Das Hypnotisieren von Hypnotiseuren kann folgenreich sein. Die Mehrdeutigkeit dieses Satzes liegt darin, daß unklar ist, welcher der folgenden beiden Sätze durch den obigen Satz gemeint ist: Wenn Hypnotiseure die Handlung des Hypnotisierens ausführen, kann dies folgenreich sein. oder Wenn die Personengruppe, die sich beruflich mit Hypnose befaßt, hypnotisiert wird, kann dies folgenreich sein. Beachten Sie, daß beide Bedeutungen möglich sind, unabhängig davon, ob Sie diesen Satz laut lesen, ihn hören (auditive Repräsentation) oder ihn leise, ohne innere auditive Repräsentation lesen (innerer Dialog). Diese Art der Ambiguität ist von den Transformationslinguisten formalisiert worden und wird syntaktische Ambiguität genannt. Ein Satz gilt dann als mehrdeutig, wenn er eine sprachliche Repräsentation von mehr als nur einer bestimmten Erfahrung ist, oder in linguistischen Begriffen: Eine Oberflächenstruktur gilt als mehrdeutig, wenn sie eine sprachliche Repräsentation von mehr als einer bestimmten Tiefenstruktur ist15.
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Oberflächenstruktur - Das folgenreich sein.
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Hypnotisieren von Hypnotiseuren kann
Bedeutungen möglicher Tiefenstrukturen Wenn Hypnotiseure die Handlung des Hypnotisierens ausführen, kann dies folgenreich sein.
Wenn die Personengruppe, die sich beruflich mit Hypnose befaßt, hypnotisiert wird, kann dies folgenreich sein.
Ein Beispiel für eine phonologische oder Klang-Mehrdeutigkeit, das dem von Erickson verwendeten ähnelt, ist: Waise- weise - Weise Küster - küßt er Sagen Sie die obigen Worten laut; unter den Bedingungen normalen Sprechens werden die meisten Zuhörer nicht in der Lage sein, zwischen den visuell dargebotenen Versionen zu unterscheiden. (Im Englischen bestehen, im Gegensatz zum Deutschen, zahllose Möglichkeiten der phonologischen Ambiguität; Anm. d. Übers.) Die phonologische Darbietung ist vollkommen uneindeutig. Die Erklärung ist die gleiche wie weiter oben - die Oberflächenstruktur ist eine Repräsentation von mehr als einer Tiefenstruktur. Schauen Sie sich jetzt wieder Ericksons Satz an: The depth was a part and apart.
Die gleiche Wortsequenz - wir werden sie visuell als a-part repräsentieren - kann in zwei distinkte Sequenzen von Tiefenstrukturen aufgespalten werden. Beachten Sie, daß Erickson die Mehrdeutigkeit verstärkt, indem er die gleiche Klangsequenz zweimal wiederholt und mit einem und verbindet. Daher gibt es nicht zwei, sondern vier mögliche Tiefenstruktur-Auflösungen: a part and apart apart and a part a-part and a-part apart and apart a part and a part
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Mit anderen Worten, dem Zuhörer, in diesem Fall Huxley, stehen vier mögliche Tiefenstrukturausdrucksinterpretationen für einen einzigen Ausdruck in der Oberflächenstruktur zur Verfügung. Behalten Sie die anderen linguistischen Unterscheidungen im Sinn, die wir weiter oben aufgeführt haben, während wir uns nun den Rest des Materials anschauen wollen, das Erickson in seinen Anweisungen verwendet, um Huxley in der Tieftrance zu unterstützen: ... in äußerster Klarheit, in lebendiger Wirklichkeit, in unmöglicher Realitätstreue das vor ihm erscheinen würde, was einmal war, aber nun, in der Tiefe der Trance, in einer verwirrenden Konfrontation alle seine Erinnerungen und Einsichten in Frage stellen wird. ...
Der vielleicht einfachste Weg, die Struktur von Ericksons Äußerungen zu würdigen, besteht darin, sich bequem hinzusetzen, sich vollkommen zu entspannen und sich an einen Gedanken/ein Gefühl/ein Bild/einen Klang zu erinnern, in der Erwartung, daß das, was Sie gleich hören werden, außerordentlich wichtig ist und den Rest Ihres Lebens beeinflussen wird. Bitten Sie dann einen Freund, Ihnen Ericksons Worte mit leiser, ernsthaft interessierter Stimme in einem langsamen Tempo und mit unterschiedlicher Phrasierung (Betonungsmustern) vorzulesen, und achten Sie auf alle möglichen Interpretationen, die Sie diesen Worten zuordnen können. Von einem formalen Gesichtspunkt aus betrachtet ist die Zahl möglicher Interpretationen astronomisch. Zwanzig der 31 Worte (im Originaltext) sind z.B. Prädikate der Tiefenstruktur. Von diesen zwanzig erscheinen nur zwei als Verben der Oberflächenstruktur (in der Regel die am wenigsten verzerrte Form, die ein Prädikat der Tiefenstruktur annehmen kann). Die Mehrzahl der restlichen Tiefenstrukturprädikate hat den bereits erwähnten Prozeß der Nominalisierung unterlaufen. Für jedes davon bestehen natürlich mehrere mögliche Interpretationen - wodurch Huxley sowohl erfolgreich gepacet wird wie ihm auch maximale Freiheit gelassen wird, die Interpretation zu wählen, die für ihn paßt - dies alles, ohne daß Huxley sich dessen bewußt geworden wäre. Hier ein Beispiel: ... verwirrende Konfrontation ...
Das Wort Konfrontation ist ein Substantiv der Oberflächenstruktur, das aus dem Prozeß der Nominalisierung resultiert - es ist von dem Tiefenstrukturprädikat konfrontieren abgeleitet. Das Prädikat konfrontieren in der Tiefenstruktur ist eine sprachliche Repräsentation eines Prozesses, in dem eine Person eine andere Person wegen etwas konfrontiert. Durch den sprachlichen Prozeß der Nominalisierung ist das gesamte
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Material, das mit diesem Tiefenstrukturprädikat assoziert ist, getilgt worden, und dem daraus resultierenden Ausdruck fehlt daher jeder Bezugsindex, was es für Huxleys Interpretation und Inkorporation in sein aktuelles Tieftrance-Erleben maximal verfügbar macht. Das Tiefenstrukturprädikat verwirren kommt im Ausdruck in Adjektivform vor (verwirrend) und beschreibt die Erfahrung einer Person im Zusammenhang mit der Nominalisierung Konfrontation. Es beschreibt die Art und Weise, in der die Konfrontation erlebt wurde. Es stellt sich hier die Frage, wer die Konfrontation auf diese Weise, erlebte: die Person, die die Konfrontation ausführte, die Person, die konfrontiert wurde, oder jemand, der die Konfrontation beobachtete. Auch hier hat wieder ein Prädikat der Tiefenstruktur durch die Verwandlung in ein Adjektiv der Oberflächenstruktur die Information verloren, die mit seiner vollen linguistischen Repräsentation, der Tiefenstruktur, assoziiert ist. Das Resultat ist auch hier wieder eine äußerst vage Oberflächenstruktur, die mit Huxleys aktuellem und zukünftigem Erleben äußerst gut vereinbar ist. Um die Angelegenheit etwas weiter zu komplizieren, sind die beiden Prädikate verwirren und konfrontieren syntaktisch assoziiert. D.h., wenn Huxley eine Interpretation für die fehlende Information auswählt, die mit dem Prädikat konfrontieren assoziiert ist, hat er immer noch die Freiheit, das Prädikat verwirren auf alle Teile der Information anzuwenden, die er für das Prädikat konfrontieren gewählt hat (die konfrontierende Person kann verwirrt sein, die Person, die konfrontiert wird, oder ein Beobachter). Die folgende Liste enthält Prädikate der Tiefenstruktur, die in Ericksons Äußerung nominalisiert worden sind: Klarheit Wirklichkeit Trance Erinnerung
Realitätstreue Tiefe Konfrontation Einsicht
Diese Passage enthält zwei weitere Merkmale, die in Ericksons sprachlichem Vorgehen immer wieder auftreten. Erickson stellt in mehreren Fällen Prädikate nebeneinander, von denen das eine das andere modifiziert, in einer Weise, die das verletzt, was die Linguisten Selektionsbeschränkung nennen (siehe Grinder und Elgin 1973; Chomsky 1965). Wenn jemand z.B. folgenden Satz sagt: Der Junge fühlt sich komisch wird jeder Muttersprachler den Satz als einen wohlgeformten Satz in seiner Sprache akzeptieren. Wenn die Person jedoch folgenden Satz sagt:
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Der Felsen fühlt sich komisch wird ein Muttersprachler in der Regel mit Verwunderung reagieren, mit dem Gefühl, daß er nicht verstanden habe, was der Sprecher kommunizieren wollte. Die Transformationslinguisten haben folgende Erklärung für dieses Phänomen: Jedes Prädikat eines Sprachsystems bezeichnet einen Prozeß oder eine Beziehung. In der Welt menschlicher Erfahrung unterliegen bestimmte Prozesse oder Beziehungen Beschränkungen und können nur im Zusammenhang mit bestimmten Klassen von Menschen oder Sachen stattfinden. So können z.B. nur weibliche Wesen schwanger werden, während der Prozeß der Vaterschaft auf Männer beschränkt ist. Aus diesem Grund ist der Satz: Mein Vater ist schon wieder schwanger ein entschieden merkwürdiger Satz. Eine andere Möglichkeit, diese Tatsachen zu repräsentieren, besteht darin, darauf hinzuweisen, daß die Menge der Objekte/Menschen, die durch den Begriff Vater bezeichnet werden, und die Menge der Objekte/Menschen, die durch den Begriff schwanger bezeichnet werden, sich nicht überschneiden; sie haben keine gemeinsamen Elemente. Kein Element kann sowohl Vater wie auch schwanger sein. Linguistisch gesehen unterliegt das Prädikat schwanger einer Selektionsbeschränkung, die voraussetzt, daß alles, auf das es sich bezieht, weiblichen Geschlechts sein muß. Andere Selektionsbeschränkungen sind weniger klar definiert. Einige Leser werden z.B. die folgenden Sätze absolut akzeptabel finden, während sie für andere unannehmbar sein werden, und dritte wiederum werden manche Sätze akzeptabel finden, manche Sätze nicht und sich bei einigen nicht entscheiden können. Meine Katze Tripod fühlt sich komisch. Meine Katze fühlt sich komisch. Mein Goldfisch fühlt sich komisch. Meine Echse fühlt sich komisch. Mein Wurm fühlt sich komisch. Meine Rosen fühlen sich komisch. Mein Unkraut fühlt sich komisch. Mein Ofen fühlt sich komisch. Erickson verwendet diese Kategorie sprachlicher Musterbildung, wenn er z.B. die Wortverbindung unmögliche Realitätstreue (impossible actuality) verwendet. Viele Muttersprachler werden diese Wortverbindung als eine Verletzung der Selektionsbeschrän-
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kung auffassen, denn wie kann etwas, das realitätstreu ist, unmöglich sein, oder wie kann etwas, das unmöglich ist, realitätstreu sein? Das letzte Muster, auf das wir in dieser Äußerung Ericksons hinweisen wollen, hängt mit seinem Gebrauch von Prädikaten wie einmal, war, jetzt und wird zusammen. Das gemeinsame Merkmal dieser Prädikate ist, daß sie sich auf die Zeit beziehen - es. sind sogenannte temporale Prädikate. Sie haben die folgende Wirkung: war jetzt wird einmal
bezieht sich auf die Vergangenheit bezieht sich auf die Gegenwart bezieht sich auf die Zukunft uneindeutiger Bezug
Auf diese Weise erscheinen in einer einzigen Äußerung Ericksons alle logisch möglichen zeitlichen Bezüge16. Die Konsequenz ist auch hier wieder, daß es Huxley freigestellt bleibt, die Interpretation zu wählen, die mit seiner aktuellen und zukünftigen Erfahrung am besten übereinstimmt. Wie wir bereits in der Diskussion der PrädikatPrädikat-Sequenzen wie z.B. ... verwirrende Konfrontation ... ausgeführt haben, interagieren diese drei allgemeinen Kategorien, Nominalisierung/Adjektiv-Ableitungen, Verletzungen von Selektionsbeschränkungen und temporale Prädikate, miteinander und geben dem Klienten eine astronomisch hohe Zahl an möglichen Interpretationen, aus denen er wählen kann, wodurch ein erfolgreiches Pacing durch den Hypnotiseur gewährleistet wird. *****
Huxley zeigte während der ausgedehnten, wiederholungsreichen Suggestionen, die ich ihm bot, eine intensive hypnotische Reaktion, bis er plötzlich seine Hand hob und recht laut und mit viel Nachdruck sagte: "Milton, würde es Ihnen etwas ausmachen, still zu sein. Es ist außergewöhnlich interessant hier unten, und Ihr ständiges Reden ist ungeheuer ablenkend und lästig." Über zwei Stunden lang saß Huxley mit offenen Augen da und starrte gebannt vor sich hin. Sein Gesichtsausdruck änderte sich in rascher und verwirrender Folge. Sein Puls und seine Atemfrequenz änderten sich wiederholt in unregelmäßigen Abständen sehr plötzlich und auf unerklärliche Weise. Jedesmal, wenn der Autor versuchte, mit ihm zu sprechen, hob Huxley die Hand, gelegentlich auch den Kopf und sprach so, als würde sich der Autor in einiger Höhe über ihm befinden; mehrere Male bat er sich verärgert Ruhe aus.
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Nach gut über zwei Stunden schaute er plötzlich zur Decke und bemerkte erstaunt: "Milton, das ist eine außerordentlich bedauerliche Situation. Wir kennen dich nicht. Du gehörst nicht hierher. Du sitzt am Rand einer Schlucht und beobachtest uns beide, und keiner von uns weiß, wer von uns mit dir redet; und wir sind hier im Vorzimmer und betrachten uns gegenseitig mit dem größten Interesse. Wir wissen, daß du jemand bist, der unsere Identität bestimmen kann, und bemerkenswerterweise sind wir uns beide sicher, daß wir es wissen und der andere nicht wirklich, sondern nur eine mentale Vorstellung aus der Vergangenheit oder Zukunft ist. Doch du bist derjenige, der es lösen muß, trotz der Zeit und der Entfernungen und obwohl wir dich nicht kennen. Ein außerordentlich faszinierendes Problem: Bin ich er, oder ist er ich? Komm her, Milton, wer immer du auch seist." Es folgte eine Reihe weiterer Bemerkungen ähnlichen Inhalts, die nicht aufgezeichnet werden konnten. Huxleys Stimme nahm plötzlich eine starke Dringlichkeit an. Die ganze Situation war sehr verwirrend für mich, doch es schien außer Zweifel, daß zeitliche sowie andere Arten der Dissoziation in dieser Situation eine Rolle spielten. Verwundert, aber nach außen hin ruhig, versuchte ich Huxley aus dem Trancezustand zurückzubringen, indem ich mit den partiellen Signalen, die er gab, arbeitete und im wesentlichen folgendes sagte: Wo auch immer Sie sind, was auch immer Sie tun, hören Sie genau auf das, was gesagt wird, und beginnen Sie langsam, nach und nach, auf bequeme Weise danach zu handeln. Fühlen Sie die Ruhe und das Wohlbefinden, spüren Sie das Bedürfnis, immer mehr Kontakt mit meiner Stimme herzustellen, mit mir, mit der Situation, die ich repräsentiere, ein Bedürfnis, zu den Angelegenheiten zurückzukehren, mit denen Sie und ich befaßt waren, vor nicht so langer Zeit, vor nicht so langer Zeit, die mir gewidmet war, und lassen Sie zurück, aber AUF WUNSCH VERFÜGBAR so gut wie alles, was von Bedeutung ist, IN DEM WISSEN, ABER OHNE ZU WISSEN, daß es AUF WUNSCH VERFÜGBAR ist. Und nun lassen Sie uns sehen, so ist es richtig, Sie sitzen dort, hellwach, ausgeruht, entspannt und bereit, das bißchen, das es da gibt, zu besprechen. *****
In Ericksons Artikel wurden drei verschiedene Schriftvarianten verwendet, um zu versuchen, die Beschränkungen eines einzelnen Kommunikationssystems (in diesem Fall des visuellen - Druck) bei der Wiedergabe der bei Huxley angewandten Technik zu
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überwinden. Erickson versucht auf diese Weise, eine seiner wirksamsten Techniken durch ein Beispiel zu verdeutlichen. Wir beginnen, indem wir einen Teil der gesamten Kommunikation entsprechend den im Artikel verwendeten Schrifttypen in drei Kategorien aufteilen:
Original ... vor nicht so langer Zeit, die mir gewidmet war, und lassen Sie zurück, aber AUF WUNSCH VERFÜGBAR so gut wie alles, was von Bedeutung ist, IN DEM WISSEN, ABER OHNE ZU WISSEN, daß es AUF WUNSCH VERFÜGBAR ist. Und nun lassen Sie uns sehen, so ist es richtig, Sie sitzen dort, hellwach, ausgeruht, entspannt und bereit, das bißchen, das es da gibt, zu besprechen.
Nach analogem Signal aufgeschlüsselt A vor nicht so langer Zeit, die mir gewidmet war ... und nun lassen Sie uns sehen, Sie sitzen dort, hellwach, ausgeruht, entspannt und B auf Wunsch erreichbar ... in dem Wissen, aber nicht wissend ... auf Wunsch erreichbar C
und lassen Sie zurück ... so gut wie alles von Bedeutung ... daß es ist... bereit, das bißchen, das es da gibt, zu besprechen. Jede der verschiedenen Schriftvarianten in dem Originalartikel repräsentiert einen bestimmten Teil aus Ericksons gesamter Kommunikation, den er durch ein analoges Signal markiert hat. Welches analoge Signal Erickson damals für jede der verschiedenen Kategorien verwendete, ist für unsere Zwecke nicht von Bedeutung. Wir vermuten aufgrund unserer persönlichen Beobachtungen und Aufzeichnungen und unter Berücksichtigung des Umstandes, daß Huxley in der Regel seine Augen während der Tieftrance geschlossen hielt, daß Erickson Veränderungen in Tonalität und Tempo seiner Stimme einsetzte, um die drei Botschaften als voneinander verschieden zu markieren. Erickson hat eine hervoragende Kontrolle über die analogen Anteile seiner Stimme (z.B. Tonalität und Tempo). Eine der nützlichen Generalisierungen, die dieser Ausschnitt aus Ericksons Arbeit bietet, ist die auf exquisite Weise verfeinerte Fähigkeit, die er im Gebrauch digital-analoger Systeminteraktionen hat. Im wesentlichen erzeugt er eine lange Sequenz von Worten und Wortverbindungen, die, wenn sie zusammen
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gehört werden, eine wohlgeformte Kommunikation ergeben. Dieser Kommunikation werden zusätzlich (in diesem Falle) zwei Arten analoger Signale hinzugefügt, die bestimmte Sequenzen von Worten und Wortverbindungen aus der gesamten Botschaft auswählen, von denen jede für sich wiederum eine kohärente Kommunikation darstellt. Gruppe A soll Huxley dabei helfen, zu einem relativ normalen Bewußtseinszustand zurückzukehren, Gruppe B hat die Funktion, das Signal zu etablieren, das Erickson später verwenden wird, um diese Erfahrung zurückzubringen; Gruppe C enthält Instruktionen von Erickson an Huxley, in bezug auf seine Tieftranceaktivitäten Amnesie zu entwickeln. Die Nützlichkeit und Wirksamkeit dieses analogen Markierens digitalen Materials, um es in separate Botschaften zu unterteilen, kann nicht genug betont werden. In fast allen Fällen, in denen wir diese Technik verwendet haben, hat sie sich als schnell und effektiv erwiesen. Die folgende Diskussion bietet eine teilweise Erklärung für die Effektivität dieser Technik: 1. Mit der Ausnahme von Hypnoseanwendern und Therapeuten, die in der Lage sein müssen, die Kongruenz oder Inkongruenz in der Kommunikation einer Person, mit der sie arbeiten, wahrzunehmen, wird kaum jemand auf systematische und bewußte Weise alle Botschaften repräsentieren, die eine Person in ihrer Kommunikation anbietet. Wenn jemand mit uns kommuniziert, verwendet er in jedem gegebenen Moment seine Körperhaltung (z.B. angespannt, verschlossen, offen usw.), Gesten (z.B. Handbewegungen, Augenfixierungmuster), Tonalität (z.B. schrill, volltönend), Tempo (z.B. schnell, staccato), Sprache (z.B. Worte, Syntax) usw., um eine Reihe von Botschaften zu vermitteln. Diese Botschaften können zusammenpassen (kongruente Kommunikation), oder sie können miteinander in Konflikt stehen (inkongruente Kommunikation). Im therapeutischen Kontext bilden diese Unterscheidungen die Grundlage dafür, um den Klienten bei der gewünschten Veränderung zu unterstützen (siehe Struktur der Magie I, Kapitel 6; Struktur der Magie II, Zweiter Teil; und Satir, Kommunikation • Selbstwert • Kongruenz [1990]). Die gesamte Botschaft, die Erickson anbietet, stellt (im Englischen) eine wohlgeformte Kommunikation dar. Die normalen sprachlichen Verarbeitungsmechanismen für das Wiedergewinnen der Bedeutung haben auf dieser Stufe der Struktur Gültigkeit, und wir werden uns der Bedeutung der gesamten Botschaft bewußt. Diese linguistischen Prozesse selbst sind normalerweise unbewußt oder vorbewußt, das Resultat dieser Prozesse - die Bedeutung der Äußerung - ist bewußt. Da wir gewöhnlich die Botschaften, die durch die analogen Signale der anderen Person übermittelt werden, nicht getrennt repräsentieren, sind wir uns der Beziehung zwischen dem digitalen Sprachmaterial und den analogen Signalen nicht bewußt. Wenn Erickson also analoge Signale verwendet, um die gesamte Botschaft in separate
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Botschaften aufzuteilen und unterschiedlich zu markieren, sind wir uns nicht bewußt, daß diese Art der Musterbildung stattfindet, und empfangen daher eine Kommunikation, ohne uns dessen bewußt zu sein. Das Ergebnis dieses Prozesses besteht darin, daß das, was Erickson als unser Unbewußtes bezeichnet, eine Reihe von Botschaften empfängt und auf Botschaften reagiert, die wir nicht bewußt wahrnehmen. Da wir uns dieser Botschaften nicht bewußt werden, können wir sie nicht in Frage stellen, sondern nur auf sie reagieren. 2. Wir alle durchlaufen eine ausgedehnte Lernerfahrung zwischen dem zweiten und fünften Lebensjahr, wenn wir lernen, das natürliche Sprachsystem, das unsere Muttersprache darstellt, zu sprechen und zu verstehen. Wir beginnen zunächst damit, zu lernen, auf Sequenzen von Worten zu reagieren und selbst ähnliche Sequenzen zu produzieren, die in ihrer Struktur einfacher sind als die Sprache der Erwachsenen; diese einfacheren Muster werden Kindergrammatik genannt. Die Kindergrammatik unterscheidet sich vollkommen von der Grammatik der Erwachsenensprache, ist aber in ihrer Musterbildung absolut regelmäßig. ... Die mentalen Fähigkeiten eines kleinen Kindes scheinen in vieler Hinsicht eher begrenzt zu sein, doch es meistert die äußerst komplexe Struktur seiner Muttersprache im Verlauf von drei bis vier kurzen Jahren. Darüber hinaus gelangt jedes Kind in dieser kurzen Zeitspanne im wesentlichen zu der gleichen Grammatik, auch wenn es einem anderen Ausschnitt der Sprache ausgesetzt ist und in der Regel wenig oder gar keine bewußte Anleitung von seiten der Eltern erhält. Das bedeutet, daß jedes Kind sehr schnell zu einem Vollmitglied seiner Sprachgemeinschaft wird und in der Lage ist, eine endlose Vielzahl neuer und zugleich bedeutungsvoller Aussagen in der Sprache zu bilden, die es gemeistert hat ... Bis vor kurzem sah die behavioristische Psychologie Sprache und die Aufgabe des Spracherwerbs lediglich als eine weitere Form menschlichen Verhaltens, das auf die Gesetze der Konditionierung reduziert werden kann. In dem Bild, das sich uns nun jedoch darzubieten beginnt, bildet das Kind in kreativer Weise seine eigene Sprache in Übereinstimmung mit angeborenen und intrinsischen Fähigkeiten - es entwickelt neue Theorien über die Struktur der Sprache, und modifiziert oder verwirft alte Theorien je nach Bedarf. Es erscheint uns nun unzweifelhaft, daß Kinder eine Vielzahl eigener Wortkategorien bilden - auf der Grundlage der Funktion, die Worte in ihrem eigenen Sprachsystem haben -, und somit müssen Worte im Licht des gesam-
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ten System des Kindes gesehen werden, und nicht des erwachsenen Systems, das es noch nicht gemeistert hat ... Sobald das Kind beginnt, zwei Worte zusammenzufügen, kann man damit beginnen, seine aktive Grammatik zu untersuchen. Die weiter unten aufgeführten Beispiele belegen, daß Kindersprache von diesem Punkt an strukturiert ist, daß sie schon bald durch hierarchische Strukturen charakterisiert werden kann, daß sie eine Regelmäßigkeit aufweist, daß sich die Strukturen mit der Zeit verändern und nicht immer mit erwachsenen Strukturen korrespondieren. Dan Slobin, Psycholinguistics, Scott, Foreman & Co., 1971, S. 40-41. Einige der Botschaftseinheiten (nehmen wir z.B. Gruppe B), die Erickson durch sein analoges Markieren der gesamten Kommunikation herstellt, sind keine wohlgeformten Sequenzen der Erwachsenengrammatik; entscheidend ist jedoch, daß sie stark an die Muster erinnern, die jeder von uns im Verlauf seiner Lernerfahrungen im Alter von zwei bis fünf Jahren anwendet. Um die Botschaft also zu verstehen, die durch die Sequenzen von Worten und Wortverbindungen in den Botschaftseinheiten vermittelt wird, die Erickson durch analoges Markieren aufgeteilt hat, werden wir wahrscheinlich Zugang zu den grammatischen Mechanismen erhalten, die wir als Kinder verwendet haben. Das hilft dabei, das bei der Verwendung dieser Technik fast unvermeidliche, "spontan" auftretende Phänomen der Altersregression zu verstehen. 3. Eine der interessantesten Entdeckungen der psycholinguistischen und linguistischen Forschung besteht darin, daß die verschiedenen Phasen der Kindergrammatik auf dem Weg von scheinbar vollständiger Inkompetenz zu voller Kompetenz im Zusammenhang mit Sprachstrukturen sich anscheinend durch die gleichen vereinfachten Muster auszeichnen, unabhängig von dem jeweiligen Kind und von der Sprache, die das Kind lernt (siehe Slobin 1974; McNeill 1970 für eine detailliertere Darstellung). Diese Tatsache hat in Verbindung mit einer Reihe anderer Überlegungen die Wissenschaftler zu der Hypothese der Universellen Grammatik geführt (Chomsky 1965; Grinder und Elgin 1973, Kapitel 13). Im wesentlichen besagt die Hypothese der Universellen Grammatik, daß wir mit einer Reihe bereits bestehender Unterscheidungen auf die Welt kommen, die die Grundlage bilden, auf der wir dann aufbauen, wenn wir lernen, das ungeheuer komplexe System der natürlichen Sprache zu verstehen und zu sprechen, dem wir zwischen dem zweiten und fünften Lebensjahr ausgesetzt sind. Aus den zahlreichen Fallstudien über Patienten mit Hirnschäden (siehe vor allem: Goldstein, Lenneberg, Geschwind) und dem neurologischen Mapping lokalisierter Hirnfunk-
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tionen (siehe vor allem Penfield, Gazzaniga, Eccles, Sperry) können wir sehen, daß anscheinend beide Hirnhemisphären potentiell zur sogenannten dominanten Hemisphäre werden können - dem Sitz des Sprachsystems. Um ein Beispiel zu geben: Kinder, die Hirnschäden an der dominanten Hemisphäre erleiden, nachdem sie den Prozeß des Spracherwerbs begonnen oder sogar schon weitgehend abgeschlossen haben, verlieren zunächst ihre Sprachfähigkeiten, gewinnen sie dann aber schnell wieder. Sie zeigen dabei die gleichen Muster der Kindergrammatik, die sie auch in ihren ersten Lernphasen gezeigt haben. Die Überschneidung dieser beiden Befunde führt uns zu der Schlußfolgerung, daß in beiden Gehirnhälften bereits die Schaltkreise bestehen, die als Universelle Grammatik bezeichnet werden. Wenn Erickson seine Gesamtkommunikation aufschlüsselt, indem er die verschiedenen Botschaftseinheiten analog markiert, bestehen einige dieser Einheiten (auch hier wieder z.B. Gruppe B) aus Mustern, die in ihrer Einfachheit den für die Universelle Grammatik charakteristischen Mustern ähneln17. Während die dominante Hemisphäre mit der normalen Verarbeitung der gesamten wohlgeformten Kommunikation beschäftigt ist, stehen die separaten Botschaftseinheiten, mit ihren einfacheren Mustern, der nichtdominanten Hemisphäre zur Verfügung. Auf diese Weise ist es uns möglich, Botschaften zu empfangen und auf Botschaften zu reagieren, die ohne unsere bewußte Wahrnehmung von der nichtdominanten Hemisphäre aufgenommen werden. Diese drei Überlegungen bieten, wenn sie auch nicht das gesamte Spektrum der Möglichkeiten abdecken, die Erickson verwendet, um sprachliches Material analog zu markieren, eine erste Grundlage für die Analyse der außergewöhnlichen Kraft und Effektivität dieser Technik.
Huxley erwachte aus der Trance, rieb sich die Augen und bemerkte: "Ich habe das höchst außergewöhnliche Gefühl, daß ich in einer tiefen Trance war, aber es war eine äußerst sterile Erfahrung. Ich erinnere mich daran, daß Sie mir empfahlen, ich solle tiefer in Trance gehen, und ich war sehr bereitwillig, und obwohl ich das Gefühl habe, daß viel Zeit vergangen ist, glaube ich doch stark, daß ein Zustand Tiefer Reflexion fruchtbarer gewesen wäre." Da er nicht ausdrücklich nach der Zeit fragte, wurde zur Ablenkung eine Unterhaltung geführt, in der Huxley die sichere, aber vage Würdigung äußerer Wirklichkeiten in der leichten Trance mit der deutlich verringerten Bewußtheit von Äußerlichkeiten in der mittleren Trance verglich, die durch ein merkwürdiges Gefühl
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unbestimmten Vertrauens begleitet wird, daß diese äußeren Gegebenheiten in jedem Augenblick zu gesicherten Wirklichkeiten werden können. Huxley wurde dann nach seinen Erlebnissen in der Tieftrance befragt, aus der er gerade erwacht war. Er antwortete nachdenklich, daß er sich an das vage Gefühl erinnern könne, in eine tiefe Trance zu gehen, aber weiter keine Erinnerungen im Zusammenhang damit habe. Nach einer Unterhaltung über hypnotische Amnesie und über die Möglichkeit, daß er ein solches Phänomen manifestiere, lachte er amüsiert und erklärte, daß es höchst interessant sein würde, dieses Thema zu diskutieren. Nach weiterer ablenkender Unterhaltung wurde er ganz unvermittelt gefragt: "In welches Vorzimmer würden Sie diesen Sessel stellen?" (Dabei wurde auf einen Sessel gezeigt, der in der Nähe stand.) Seine Antwort war bemerkenswert: "Wirklich, Milton, das ist eine höchst bemerkenswerte Frage. Sehr beunruhigend! Es ist recht bedeutungslos, aber dieses Wort 'Vorzimmer' geht mit einem merkwürdigen Gefühl von immenser, beunruhigender Wärme einher. Auf höchst außergewöhnliche Weise faszinierend!" Er versank für einige Minuten in ein verdutztes Nachdenken und erklärte schließlich, wenn diese Assoziation tatsächlich irgendeine Bedeutung haben sollte, so wäre diese zweifellos flüchtiger, privater Natur. Nach weiterer beiläufiger Konversation bemerkte ich: "Um auf den Rand zurückzukommen, auf dem ich saßich frage mich, wie tief wohl die Schlucht war." Darauf erwiderte Huxley: "Milton, Sie können wirklich bemerkenswert kryptisch sein. Diese Worte 'Vorzimmer', ,Rand', ,Schlucht' haben eine außergewöhnliche Wirkung auf mich. Es ist unmöglich zu beschreiben. Lassen Sie mich sehen, ob ich irgendeine Bedeutung damit assoziieren kann." Huxley mühte sich fast fünfzehn Minuten lang vergeblich, eine bedeutungsvolle Assoziation für diese Worte zu finden, und gab hin und wieder zu verstehen, daß mein scheinbar absichtsvoller, aber nicht sehr erhellender Gebrauch derselben einen sicheren Hinweis auf die Existenz einer bedeutungsvollen Beziehung darstelle, die ihm bekannt sein müsse. Schließlich erklärte er mit Begeisterung: "Jetzt hab ich's. Höchst außergewöhnlich, wie mir das entgehen konnte. Ich bin mir voll bewußt, daß Sie mich in Trance versetzt hatten, und diese Worte hatten zweifellos etwas mit der Tieftrance zu tun, die mir so steril erschienen war. Ich frage mich, ob ich meine Assoziationen wiedergewinnen kann." Nach etwa zwanzig Minuten stillen, offensichtlich intensiven Nachdenkens bemerkte Huxley: "Wenn diese Worte eine Bedeutung haben, kann ich wirklich sagen, daß ich eine höchst profunde hypnotische Amnesie habe. Ich habe Tiefe Reflexion versucht, aber meine Gedanken kreisen immer wieder um meine Meskalinerfahrungen. Es war wirklich schwierig, mich von diesen Gedanken loszureißen. Ich hatte das Gefühl, daß ich sie benutzte, um meine Amnesie aufrechtzuerhalten.
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Sollen wir eine halbe Stunde mit anderen Dingen weitermachen, um zu sehen, ob mir spontan etwas im Zusammenhang mit ,Vorzimmer', ,Rand' und ,Schlucht' einfällt?" Es wurden verschiedene Themen besprochen, bis Huxley schließlich sagte: "Diese Worte haben ein höchst ungewöhnliches Gefühl von bedeutungsvoller Wärme für mich, aber ich bin vollkommen, ich kann fast sagen, in erschreckender Weise, hilflos. Ich vermute, ich werde mich dabei auf Sie verlassen müssen, um was es sich auch immer handeln mag. Außergewöhnlich, höchst außergewöhnlich." Ich überging diese Bemerkung absichtlich, doch im Verlauf der sich anschliessenden Unterhaltung war zu beobachten, daß Huxley einen äußerst nachdenklichen Gesichtsausdruck hatte, auch wenn er keine Anstalten machte, mich um Unterstützung zu bitten. Nach einer Weile bemerkte ich mit ruhigem Nachdruck: "Nun, vielleicht werden die Dinge nun verfügbar." Aus seiner halb liegenden, bequemen Haltung richtete Huxley sich verblüfft und überrascht auf und verfiel dann in einen Redefluß, der zu schnell war, um, von gelegentlichen Bemerkungen abgesehen, aufgezeichnet zu werden. Im wesentlichen berichtete er, daß das Wort "verfügbar" die Wirkung gehabt habe, einen amnestischen Vorhang wegzuziehen und eine sehr erstaunliche subjektive Erfahrung zu enthüllen, die auf wundersame Weise durch die Worte "lassen Sie zurück" "ausgelöscht" worden war und in toto (in ihrer Gesamtheit) durch das Stichwort "verfügbar" zurückgeholt worden war. *****
Erickson demonstriert hier wieder seine hoch entwickelte Fähigkeit, in das Modell der Welt, das ihm der Klient anbietet, hineinzugehen und innerhalb dieses Modells zu arbeiten. Er akzeptiert widerspruchslos Huxleys Bemerkung, daß seine Erfahrung in der Tieftrance "eine höchst sterile Erfahrung" gewesen sei, und läßt dann bei Huxley eine Erfahrung entstehen, die es diesem erlaubt, die Möglichkeiten von Tieftrancephänomenen zu verstehen. Erickson arbeitet daran, eine Erfahrung herzustellen, in der Huxley sowohl Amnesie manifestieren und sich außerdem zum Teil der Tatsache bewußt werden wird, daß etwas Ungewöhnliches geschieht. Mit dem ihm eigenen Gespür für sprachliche Repräsentationen wählt Erickson einige der von Huxley in dem Zeitraum der Tieftrance verwendeten Worte, in bezug auf den er später Amnesie entwickelte. Erickson beginnt dann, Huxley Fragen zu stellen. Huxley reagiert sehr deutlich, insbesondere wenn Erickson die Worte verwendet, die Huxley in dem Teil seiner Tieftrance benutzt hat, für den er amnestisch ist. Huxley reagiert mit Äußerungen wie:
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Patterns ... dieses Wort "Vorzimmer" geht mit einem merkwürdigen Gefühl immenser, beunruhigender Wärme einher... Ich hatte das Gefühl, daß ich ... ... Gefühl von bedeutungsvoller Wärme ...
Eine der interessanten Dimensionen dieser Erfahrung Huxleys liegt darin, daß bestimmte Worte eine scheinbar unwiderstehliche Macht bekommen haben. Wenn Huxley die Worte Vorzimmer, Rand oder Schlucht hört, erlebt er eine kinästhetische Empfindung. Und er erlebt diese Körperempfindung anscheinend, ohne irgendeine Wahl in der Angelegenheit zu haben. Dieser Prozeß bestätigt unsere eigenen Erfahrungen im therapeutischen Kontext. Sowohl in unserer Arbeit mit bestimmten Arten psychosomatischer Erkrankungen (z.B. Asthma und Stottern) wie auch in unserer Arbeit mit bestimmten häufig auftretenden Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen sind wir dem begegnet, was wir Fuzzy Functions benannt haben. Eine Fuzzy Function (Unscharfe Funktionen, siehe Struktur der Magie II, Teil III, für eine ausführliche Diskussion) ist eine Situation, in der eine Person Informationen in einem Input-Kanal erhält (z.B. visuell oder auditiv), aber, anstatt sie in dem entsprechenden Repräsentationssystem zu speichern, diese Informationen in einem anderen Repräsentationssystem repräsentiert. Einer unserer Klienten z.B., der unter Asthma litt, bekam jedesmal, wenn er das Wort töten oder andere Worte hörte, die sich auf Gewalt zwischen Menschen beziehen, einen Asthmaanfall. Eine Klientin bekam unkontrollierbare Wutanfälle, wenn sie das Wort Dolly hörte. Klienten, deren Modell der Welt festlegt, daß sie sich so verhalten, als hätten sie keine Wahl darüber, was sie kinästhetisch erleben, wenn sie eine bestimmte Klangsequenz hören, manifestieren eine Fuzzy Function, die wir Hören-Fühlen nennen. Wenn Klienten ein Modell der Welt akzeptieren, in dem sie keine Kontrolle über bestimmte Fuzzy Functions haben, verringert das die Wahlmöglichkeiten, die ihnen in ihrem Bewältigungsverhalten zur Verfügung stehen. Wenn ein Klient z.B. jedesmal, wenn er ein bestimmtes Wort hört, "automatisch" ein bestimmtes Gefühl erlebt, hat er nicht mehr die Fähigkeit, sich auf kreative Weise zu verhalten; er kann nur noch reagieren. Die Verantwortung für diese Erfahrung - das , Gefühl, das er erlebt - liegt außerhalb seiner selbst, und Äußerungen wie: Er macht mich wütend Sie regt mich einfach wahnsinnig auf sind in diesen Fällen bedauerlicherweise zutreffende Repräsentationen des Erlebens des Klienten. In den anderen denkbaren Kombinationen von Input-Kanälen und
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Repräsentationssystemen gibt es in formaler Hinsicht identische Muster. Eine unserer Klientinnen erlebte z.B. intensive Panikgefühle, wenn sie einen Wagen auf der äußersten linken Spur eines vierspurigen Highways geparkt sah. Das ist ein Beispiel für die Fuzzy Functions, die wir Sehen-Fühlen nennen. In allen diesen Fällen verwendeten die Autoren Darstellungs-Techniken oder ähnliche Interventionen, bei denen Repräsentationssyteme auf systematische Weise eingesetzt werden, um der Klientin eine Wahlmöglichkeit darüber zu geben, die Informationen zu fühlen, die sie auditiv oder visuell wahrgenommen oder in den entsprechenden Repräsentationssystemen gespeichert hatte. (Diese Techniken werden ausführlich in Struktur der Magie 11, Teil I, II und III beschrieben.) Es ist wichtig, zu verstehen, daß Fuzzy Functions nicht schlecht oder verrückt sind; sie bilden die Grundlage für viel Vergnügen und Kreativität in unserem Erleben. Sie können aber in bestimmten Kontexten die Wahlmöglichkeiten einschränken, die eine Person in bezug darauf hat, welche Teile der Welt ihr zur Verfügung stehen (bei Phobien z.B.). Die therapeutischen Techniken, die wir entwickelt haben, sollen daher diese Fuzzy-Function-Prozesse nicht beseitigen oder zerstören, sondern den Klienten vielmehr dabei helfen, Kontrolle und Wahlmöglichkeiten über diese Schaltkreise zu bekommen. Wir haben festgestellt, daß die gleichen Muster auch auf kultureller oder gesellschaftlicher Ebene stattfinden. Bestimmte Arten von Erfahrungen werden als negative Fuzzy Functions aufgefaßt und als Tabu deklariert - Pornographie z.B. gilt kulturell in diesem Land (USA) als ein negatives Beispiel für Sehen-Fühlen; in gleicher Weise ist der Gebrauch von Worten, die bestimmte Körpererfahrungen beschreiben, wie z.B. ficken, scheißen usw., kulturell verboten; d.h., sie gelten als negative Hören-Fühlen-Beispiele; die kulturellen Normen für körperliche Schönheit, Grazie usw. oder für Melodie, Rhythmus usw. sind dagegen lediglich kulturell positiv bewertete Fuzzy Functions des Sehens-Fühlens bzw. Hörens-Fühlens. Die kulturellen Unterschiede, die zwischen verschiedenen nationalen und ethnischen Gruppen bestehen, können ohne weiteres anhand der Fuzzy Functions erklärt werden, die als positiv bzw. negativ deklariert werden; das gleiche gilt für Unterschiede zwischen kulturspezifischen Geschlechtsrollen, sowohl innerhalb einer kulturellen oder ethnischen Gruppe wie auch quer durch verschiedene Gruppen. Die Interaktion zwischen Erickson und Huxley in diesem Teil des Artikels verdeutlicht, daß Fuzzy-Functions-Schaltkreise gelernt werden, und demonstriert, was noch wichtiger ist, den Wert der Hypnose als eines Forschungsinstruments für die Exploration dieser Prozesse innerhalb der menschlichen Neurologie. Erickson hat sich sein Leben lang äußerst offen für diese spannenden und aufregenden Möglichkeiten gezeigt. Er hat sich bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt in seiner beruflichen Laufbahn mit hypnotisch induzierter Taubheit oder Farbenblindheit beschäftigt (siehe Erickson 1938a und b).
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Beachten Sie auch die Sensibilität, die Erickson, wie gewohnt, der Person gegenüber an den Tag legt, mit der er arbeitet. Er erlaubt es Huxley, verschiedene Methoden auszuprobieren, um das Material wiederzugewinnen, das mit den etablierten HörenFühlen-Schaltkreisen assoziiert ist. Huxley erweist sich als sehr kreativ bei seinen verschiedenen Versuchen, die Amnesie zu überwinden, die den Hör-Fühl-Schaltkreisen, die er erlebt, zugrunde liegt. Nachdem Huxley bereits längere Zeit auf diese Versuche verwendet hat, erwähnt Erickson einfach eines der Stichworte, das er als Teil von Gruppe B analog markiert hat - der Gruppe von Stichworten und Stichwortverbindungen, die es Huxley erlauben soll, seine Erinnerung wiederzugewinnen. Die Resultate sind dramatisch. Diese Sequenz zeigt erneut den Wert hypnotisch induzierter Fuzzy Functions als eines Forschungsinstruments für die Exploration des menschlichen neurologischen Potentials - veränderter Bewußtseinszustände.
Er (Huxley) erklärte, er habe nun erkannt, daß er eine "Tieftrance" entwickelt habe, einen psychologischen Zustand, der sich stark von seinem Zustand Tiefer Reflexion unterscheide, daß es in der Tiefen Reflexion eine verringerte und desinteressierte, nicht weiter bedeutende Bewußtheit der äußeren Realität gebe, das Gefühl, in einem vertrauten Empfindungszustand subjektiver Bewußtheit zu sein, ein Gefühl der Kontrolle und das Verlangen, seine Fähigkeiten zu nutzen, ein Gefühl, in dem Erinnerungen, Lernerfahrungen und Eindrücke frei und leicht fließen. Neben diesem Fließen bestehe auch das andauernde Gefühl im Selbst, daß diese Erinnerungen, Lernerfahrungen, Eindrücke und Einsichten, ganz gleich, wie lebendig, doch nicht mehr seien als eine geordnete, sinnvolle Anreihung psychologischer Erfahrungen, aus denen man eine Grundlage für einen tiefen, angenehmen, subjektiven Gefühlszustand bilden könne, aus dem heraus tiefe Einblicke entstünden, die unmittelbar und mit nur wenig bewußter Anstrengung genutzt werden könnten. Er wisse nun, so führte er weiter aus, daß der Zustand der Tieftrance eine andere, vollkommen andersartige Kategorie des Erlebens sei. Die äußere Wirklichkeit könne zwar in diesen Zustand hineinreichen, sie erhalte aber eine neue Art subjektiver Wirklichkeit, eine besondere Wirklichkeit, die eine ganz und gar neue und andere Bedeutung habe. Während ich z.B. in einem Teil seines Tieftrancezustands eine Rolle gespielt hätte, so sei ich doch keine bestimmte Person mit einer bestimmten Identität gewesen, sondern nur jemand, den er (Huxley) von einer vagen, unbedeutenden und vollkommen unidentifizierbaren Beziehung her kenne.
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Neben meiner "Realität" existierte die Art von Realität, der man in lebhaften Träumen begegnet, eine Realität, die man nicht in Frage stellt. Statt dessen akzeptiert man eine solche Realität ohne intellektuelles Infragestellen, und es bestehen keine konfligierenden Kontraste, wertenden Vergleiche oder Widersprüche, so daß, was immer subjektiv erlebt wird, fraglos als sowohl subjektiv wie auch objektiv wirklich und mit allem anderen übereinstimmend akzeptiert wird. In seiner Tieftrance fand Huxley sich in einer tiefen, weiten Schlucht wieder, während ich hoch oben am Rande der Schlucht saß, nur durch meinen Namen und meinen lästigen Wortreichtum erkennbar. Vor ihm lag, auf einer weiten Ausdehnung weichen, trockenen Sandes, ein nackter Säugling auf dem Bauch. Huxley schaute auf den Säugling, akzeptierend, ohne an seiner Realität zu zweifeln, sehr neugierig auf das, was dieser tat, stark daran interessiert, das wilde Gestikulieren seiner Hände und die kriechenden Bewegungen seiner Beine zu verstehen. Zu seinem Erstaunen spürte er ein vages, merkwürdiges Gefühl von Verwunderung, ganz so, als ob er selbst der Säugling wäre, auf den weichen Sand blickte und zu begreifen suchte, um was es sich dabei handele. Während er schaute, ärgerte er sich über mich, weil ich anscheinend versuchte, mit ihm zu sprechen, er wurde ungeduldig und verlangte, daß ich ruhig sei. Er wandte sich um und bemerkte, daß der Säugling vor seinen Augen wuchs, kroch, saß, stand, auf wackligen Beinchen ging, lief, spielte, sprach. Er beobachtete in äußerster Faszination dieses wachsende Kind, spürte seine (des Kindes) subjektive Erfahrung des Lernens, Wollens, Fühlens. Er verfolgte es in Zeitverzerrung durch eine Fülle von Erfahrungen, während es sich vom Säuglingsalter zum Kind, Schulanfänger und Teenager entwickelte. Er verfolgte die körperliche Entwicklung des Kindes, erlebte seine physischen und subjektiven mentalen Erfahrungen, fühlte mit ihm, freute sich mit ihm, dachte und staunte und lernte mit ihm. Er fühlte sich eins mit ihm, so, als ob er selbst das Kind sei, und er beobachtete es weiter, bis er schließlich bemerkte, daß er die Entwicklung des Kindes bis zur Reife von 23 Jahren beobachtet hatte. Er trat näher heran, um zu sehen, auf was der junge Mann schaute, und erkannte plötzlich, daß dieser junge Mann Aldous Huxley selbst war und dieser Aldous Huxley auf einen anderen Aldous Huxley schaute, der, offensichtlich in seinen frühen Fünfzigern, genau auf der anderen Seite des Vorzimmers stand, in dem sie sich beide befanden; und er, der Zweiundfünfzigjährige, blickte auf sich selbst im Alter von dreiundzwanzig Jahren. Dann erkannten Aldous, der Dreiundzwanzigjährige, und Aldous, der Zweiundfünfzigjährige, gleichzeitig, daß sie sich gegenseitig anschauten, und sofort stellte sich beiden von ihnen eine merkwürdige Frage. Für den einen lautete die Frage: "Ist das meine Vorstellung davon, wie ich aussehen
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werde, wenn ich 52 bin?", für den anderen: "Habe ich wirklich so ausgesehen, als ich 23 war?" Jeder war sich der Frage bewußt, die der andere sich stellte. Beide fanden, daß die Frage von "außerordentlichem, faszinierendem Interesse" sei, und beide versuchten zu bestimmen, was die "wirkliche Realität" und was "bloß in halluzinierter Form nach außen projizierte subjektive Erfahrung" sei. Für beide waren die letzten 23 Jahre ein offenes Buch, alle Erfahrungen und Ereignisse waren bekannt, und sie erkannten, daß sie beide diese Erinnerungen teilten, und beide konnten nur verwunderte Mutmaßungen darüber anstellen, was zwischen dem dreiundzwanzigsten und dem zweiundfünfzigsten Lebensjahr passiert war. Sie schauten zur anderen Seite des Vorzimmers hinüber (dieses "Vorzimmer" war nicht näher definiert) und zum Rand der Schlucht hinauf, wo ich saß. Beide wußten, daß der Mensch, der dort saß, eine unbestimmte Bedeutung besaß, Milton hieß und daß beide mit ihm reden konnten. Beiden stellte sich die Frage, ob er sie auch beide hören könne, doch diese Frage blieb ungeklärt, weil, wie sie feststellten, sie beide gleichzeitig redeten und nicht unabhängig voneinander sprechen konnten. Langsam und bedächtig untersuchten sie sich gegenseitig. Einer von ihnen mußte wirklich sein. Einer mußte eine Erinnerung oder die Projektion eines Selbstbildes sein. Hätte nicht Aldous, der Zweiundfünfzigjährige, alle Erinnerungen zwischen dem dreiundzwanzigsten und dem zweiundfünfzigsten Lebensjahr haben müssen? Aber wenn das der Fall war, wir konnte er dann Aldous im Alter von dreiundzwanzig ohne die Schattierungen und Verfärbungen der Jahre sehen, die seit dieser Jugendzeit vergangen war? Wenn er Aldous, den Dreiundzwanzigjährigen, klar sehen wollte, müßte er alle nachfolgenden Erinnerungen auslöschen, um diesen jugendlichen Aldous so zu sehen, wie er damals war. Doch wenn er in Wirklichkeit der dreiundzwanzigjährige Aldous war, warum sollte er dann nicht spekulativ Erinnerungen für die Jahre zwischen 23 und 52 fabrizieren können, anstatt Aldous lediglich als Zweiundfünfzigjährigen zu sehen? Welche Art psychologischer Hemmung konnte diesen merkwürdigen Stand der Dinge verursachen? Jeder war sich der Gedanken und Überlegungen des "anderen" voll bewußt. Jeder zweifelte an "der Wirklichkeit des anderen", und jeder fand vernünftige Erklärungen für diese sich widersprechenden subjektiven Erfahrungen. Es stellte sich wiederholt die Frage, durch welche Maßnahmen die Wahrheit bestimmt werden könne und wie diese unidentifizierbare Person, die nur einen Namen hatte und am anderen Ende des Vorzimmers am Rande der Schlucht saß, in diese ganze Situation hineinpaßte? Konnte diese unbestimmte Person eine Antwort auf ihre Fragen haben? Warum sollte man sie nicht herbeirufen und es herausfinden?
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Huxley erzählte seine gesamte subjektive Erfahrung mit viel Vergnügen und Interesse und spekulierte über die Jahre der Zeitverzerrung, die er erlebt hatte, und die Erinnerungsblockaden, die das unlösbare Problem der tatsächlichen Identität verursacht hatten. Schließlich machte der Autor aus experimentellen Gründen die beiläufige Bemerkung: "Natürlich könnte man all das zurücklassen, damit es zu einem späteren Zeitpunkt VERFÜGBAR wird." Auf der Stelle wurde die ursprüngliche posthypnotische Amnesie wieder aktiviert. Es wurde versucht, diese re-induzierte hypnotische Amnesie durch verschleierte Bemerkungen, freimütige, offene Äußerungen und eine Nacherzählung des gerade Geschehenen zu unterbrechen. Huxley empfand meine Erzählungen über einen im Sand liegenden Säugling, eine tiefe Schlucht, ein Vorzimmer als zwar "auf merkwürdige Weise interessante", aber letztlich doch nur kryptische Bemerkungen, für die ich, wie er vermutete, schon einen Grund haben würde. Mehr wurde durch diese Darstellung nicht ausgelöst. Jede einzelne meiner Aussagen hatte für sich allein betrachtet keinen informativen Wert und war lediglich dazu gedacht, Assoziationen auszulösen. Jedoch schien keine meiner Äußerungen etwas auszulösen, bis das Wort "VERFÜGBAR" wieder die gleiche Wirkung hatte wie beim ersten Mal. Huxley berichtete ein zweites Mal von seinen Erlebnissen, ohne jedoch dabei zu merken, daß er seine Darstellung wiederholte. Entsprechende Suggestionen im Anschluß an seine zweite Erzählung führten zu einer vollen Erinnerung an seine erste Darstellung. Seine Reaktion bestand, nach anfänglichen Erstaunen, darin, die beiden Schilderungen Punkt für Punkt zu vergleichen. Die Übereinstimmung zwischen beiden verblüffte ihn, da er nur kleine Unterschiede in Reihenfolge und Wortwahl entdecken konnte.
Für uns sind hier vor allem zwei Muster von Interesse. Erstens: Wenn der Leser Huxleys Beschreibung seiner Tieftranceerfahrung untersucht, wird er bemerken, daß er ständig visuelle Prädikate wählt - ein Muster, das wir zuvor bereits in unseren Kommentaren diskutiert haben. Zweitens: Die mehrfache Re-Induktion der Amnesie und nachfolgende Aufhebung der Amnesie für die ursprünglichen Tieftranceerfahrungen wie auch für die Erinnerung an diese Erfahrungen im normalen Bewußtseinszustand validieren die hohe Wirksamkeit und Effektivität der verschiedenen Gruppen von Botschaften, die Erickson durch seine Technik des analogen Markierens unterschieden hat.
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Es wurde wieder wie zuvor eine posthypnotische Amnesie induziert und dann eine dritte Erinnerung elizitiert, gefolgt von der induzierten Erkenntnis von seiten Huxleys, daß dies das dritte Mal sei, daß er sich an seine Tieftranceerfahrungen erinnere. Die gesamte Sequenz der Ereignisse wurde ausführlich und im Detail notiert, unsere Aufzeichnungen wurden verglichen und Kommentare in bezug auf ihre Bedeutung hinzugefügt. Die Bedeutung der verschiedenen Punkte wurde systematisch diskutiert, und es wurden kurze Trancen induziert, um einzelne Punkte aufzufrischen. Ich machte jedoch nur relativ wenige Notizen, was den Inhalt von Huxleys Erfahrung betraf, da er sinnvollerweise beabsichtigte, diese selbst auszuführen. Meine Aufzeichungen betrafen vor allem die Reihenfolge der Ereignisse und eine recht gute Zusammenfassung der gesamten Entwicklung. Diese Diskussion wurde fortgesetzt, bis sie durch die Vorbereitungen für an diesem Abend geplante Aktivitäten unterbrochen wurde, doch nicht, ohne daß wir uns zuvor über die weitere Aufbereitung des Materials für eine Veröffentlichung geeinigt hatten. Huxley plante, sowohl die Tiefe Reflexion wie weitere, selbst-induzierte Trancen zu verwenden, um das Schreiben des Artikels zu unterstützen, doch dies wurde durch die verhängnisvolle Feuersbrunst verhindert.
Abschließende Bemerkungen Es ist bedauerlich, daß nur ein Fragment dieser ausgedehnten Untersuchung über das Wesen verschiedener Bewußtseinszustände vorliegt. Huxleys Zustand der Tiefen Reflexion scheint nicht-hypnotischer Natur gewesen zu sein. Es scheint sich dabei vielmehr um einen Zustand äußerster Konzentration mit starker Dissoziation von äußeren Wirklichkeiten zu handeln, in dem jedoch die Fähigkeit vollkommen erhalten bleibt, mit verschiedenen Stufen der Bereitschaft auf äußere Ereignisse zu reagieren. Es war eine ausgesprochen persönliche Erfahrung, die anscheinend eine bis dahin unerkannte Grundlage für seine bewußte Arbeit dargestellt und es Huxley erlaubt hatte, freien Gebrauch von dem zu machen, was ihm im Verlauf der Tiefen Reflexion durch den Sinn gegangen war. Huxleys Verhalten in Hypnose stimmte vollkommen mit dem Verhalten überein, das von anderen Versuchspersonen in Hypnose elizitiert worden ist. Er war in der
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Lage, alle Tieftrancephänomene auszuführen, und konnte ohne Mühe auf posthypnotische Suggestionen und minimale Signale reagieren. Er erklärte mit Nachdruck, daß der hypnotische Zustand sich deutlich von dem Zustand Tiefer Reflexion unterscheide. Während die Einbeziehung von "Vorzimmer" und "Schlucht" in die gleiche subjektive Situation sicher Vergleiche mit Traumaktivitäten nahelegt, so finden sich solche merkwürdigen Einbeziehungen relativ häufig auch als spontane Entwicklung einer tiefen ideosensorischen hypnotischen Aktivität bei sehr intellektuellen Versuchspersonen. Huxleys somnambulistisches Verhalten, seine offenen Augen, seine Reaktionsbereitschaft mir gegenüber, sein extensives posthypnotisches Verhalten weisen darauf hin, daß Hypnose in dieser Situation zweifellos eine entscheidende Rolle gespielt hat. Huxleys bemerkenswerte Entwicklung eines dissoziierten Zustands, in dem er sein eigenes Wachstum und seine eigene Entwicklung auf hypnotische Weise in zeitverzerrten Bezügen betrachtet, ist selbst unter Berücksichtigung seiner ursprünglichen Bitte nach einer permissiven Technik bezeichnend für Huxleys umfassende intellektuelle Neugier und legt außerdem höchst interessante und aufschlußreiche Forschungsmöglichkeiten nahe. Weitere Befragung im Anschluß an das Experiment ergab, daß Huxley nicht bewußt geplant oder beabsichtigt hatte, eine Rückschau auf seine Lebenserfahrungen zu unternehmen, und auch zu keinem Zeitpunkt während der Tranceinduktion die ihm gegebenen Suggestionen auf diese Weise interpretiert hatte. Eine Untersuchung dieser Frage in Trance bestätigte diese Angaben. Huxley erklärte, als er spürte, daß er "tief in Trance" sei, habe er sich nach etwas umgeschaut, mit dem er sich beschäftigen könne, und habe sich "plötzlich dort wiedergefunden - höchst außergewöhnlich". Auch wenn diese Erfahrung mit Huxley sehr bemerkenswert war, so handelte es sich dabei nicht um das erste Mal, daß ich Gelegenheit hatte, solche Entwicklungen bei der Regression hochintelligenter Versuchspersonen zu beobachten. Ein Klient bat darum, hypnotisiert und in Hypnose dazu aufgefordert zu werden, eine sehr interessante Art der Regression zu entwickeln. Das geschah in erster Linie, weil er an der Erfahrung interessiert war und auf diese Weise die Zeit nutzen wollte, während ich mit anderen Angelegenheiten beschäftigt war. Seiner Bitte wurde entsprochen, und er blieb in einem bequemen Sessel am anderen Ende des Versuchsraums sich selbst überlassen. Ungefähr zwei Stunden später bat er mich darum, ihn zurückzubringen. Er berichtete, daß er sich plötzlich auf einem unbekannten Hügel wiedergefunden und, als er sich umschaute, einen kleinen Jungen gesehen habe, der, wie er sofort "wußte", sechs Jahre alt war. Neugierig darüber, daß er sich in bezug auf einen frem-
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den Jungen so gewiß sein konnte, ging er zu dem Kind hinüber und stellte fest, daß das Kind er selbst war. Er erkannte sofort den Hügel wieder und begann sich mit der Frage zu beschäftigen, wie es möglich sei, daß er als Sechsundzwanzigjähriger sich selbst im Alter von 6 Jahren beobachten könne. Er stellte schon bald fest, daß er sein Kind-Selbst nicht nur sehen, hören und fühlen konnte, sondern auch dessen innerste Gedanken und Gefühle kannte. In dem Moment, als er das erkannte, spürte er das Hungergefühl des Jungen und ein Verlangen nach "braunen Plätzchen". Das löste in dem sechsundzwanzigjährigen Selbst einen Strom von Erinnerungen aus, während die Gedanken des Jungen weiter um die Plätzchen kreisten. Der Junge war sich seiner Gegenwart nicht bewußt. Er war ein unsichtbarer Mann, der auf eine Weise in der Zeit zurückgegangen war, die es ihm erlaubte, sein Kindheits-Selbst zu sehen und zu erleben. Huxley berichtete davon, daß er mehrere Jahre mit dem Jungen "lebte", seine Erfolge und Niederlagen beobachtete, über sein gesamtes Innenleben bescheid wußte, sich mit ihm zusammen Gedanken über den kommenden Tag machte und zu seiner Überraschung feststellte, daß alle Ereignisse, die im Anschluß an das unmittelbare Alter des Jungen stattgefunden hatten, in diesem Moment wie für den Jungen selbst einer vollkommenen Amnesie unterlagen und er, obwohl er 26 Jahre alt war, die Zukunft genausowenig vorhersehen konnte wie das Kind selbst. Er ging mit ihm zur Schule, ging mit ihm in die Ferien und verfolgte sein Wachstum und seine Entwicklung. Mit jedem neuen Tag entdeckte er eine Fülle an Assoziationen im Zusammenhang mit den tatsächlichen Ereignissen in seiner Vergangenheit bis hin zu dem betreffenden Zeitpunkt im Leben des Kind-Selbsts. Er besuchte die Volksschule, die Highschool und befaßte sich dann lange mit der Entscheidung, ob er zur Universität gehen solle und, falls ja, welches Studienfach er wählen solle. Er litt unter der gleichen Unentschlossenheit wie sein damaliges Selbst. Er spürte die Freude und Erleichterung seines anderen Ichs, als er schließlich eine Entscheidung traf, und sein eigenes Gefühl der Freude und Erleichterung war mit dem seines anderen Ichs identisch. Meine Versuchsperson erklärte, die Erfahrung sei buchstäblich ein Wiedererleben seines Lebens gewesen, Augenblick für Augenblick, mit lediglich der gleichen Bewußtheit, die er damals gehabt hatte; und die sehr beschränkte und begrenzte Bewußtheit, die er als Sechsundzwanzigjähriger von sich hatte, sei die eines unsichtbaren Mannes gewesen, der sein eigenes Wachstum und seine eigene Entwicklung von Kindheit an beobachtete, ohne mehr über die Zukunft des Kindes zu wissen als das Kind selbst Er erlebte von der Warte jedes Ereignisses aus ein reiches und lebendiges Panorama vergangener Erinnerungen. Seine Erfahrungen endeten mit dem Zeit-
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punkt seines Universitätsantritts. Er erkannte dann, daß er in einer Tieftrance war und daß er aufwachen und die Erinnerung an das, was er subjektiv erlebt hatte, in sein Wachbewußtsein mitnehmen wollte. Die gleiche Art der Erfahrung konnte auch bei anderen Versuchspersonen, männlichen wie weiblichen, beobachtet werden, wobei sich jeder Bericht durch die Art und Weise unterscheidet, in der die Erfahrung erreicht wurde. Ein Mädchen z.B., das drei Jahre jüngere eineiige Zwillingsschwestern hatte, erlebte sich als "Paar eineiiger Zwillingsschwestern, die zusammen aufwachsen, von denen jede immer alles über die andere weiß". In ihrer Darstellung kamen ihre tatsächlichen Zwillingsschwestern nicht vor; alle Erinnerungen und Assoziationen an sie waren ausgeschlossen. Eine andere Versuchsperson, ein Mann, der mechanisch sehr begabt war, baute einen Roboter und erweckte ihn zum Leben, nur um festzustellen, daß er ihm sein eigenes Leben eingehaucht hatte. Er beobachtete diesen Roboter dann über mehrere Jahre voller Lebens- und Lernerfahrungen, die er immer auch selbst miterlebte, da er für seine Vergangenheit amnestisch war. Wiederholte Bemühungen, ein kontrolliertes Experiment durchzuführen, sind bisher gescheitert. Gewöhnlich weigert sich die Versuchsperson aus einem nicht allzu verständlichen Grund. In meiner gesamten Erfahrung mit dieser Art der Entwicklung in der hypnotischen Trance ist diese Art des "Wiedererlebens" des eigenen Lebens immer spontan aufgetreten, und zwar bei hochintelligenten, gut angepaßten Versuchspersonen. Huxleys Erfahrung war die am besten dokumentierte, und es ist daher sehr bedauerlich, daß der größte Teil der detaillierten Aufzeichnungen vernichtet worden ist, bevor er die Gelegenheit hatte, sie vollständig niederzuschreiben. Huxleys bemerkenswertes Gedächtnis, seine Fähigkeit zur Tiefen Reflexion, seine Fähigkeit, tiefe hypnotische Zustände für bestimmte Zwecke zu entwickeln und sich selbst nach Belieben mit voller Bewußtheit dessen, was er in Trance erreicht hatte, zurückzuholen (Huxley brauchte am nächsten Tag nur sehr wenig Anleitung, um Selbsthypnose zu erlernen), waren äußerst günstige Vorzeichen für eine sehr informative Studie. Unglücklicherweise konnte er die Notizbücher nicht aus dem Gedächtnis rekonstruieren, da meine Aufzeichnungen so viele Notizen zu prozeduralen Fragen betrafen und Beobachtungen enthielten, an die Huxley keinerlei Erinnerung hatte und die für eine zufriedenstellende Darlegung unerläßlich gewesen wären. Ich hege jedoch die Hoffnung, daß der hier wiedergegebene Bericht trotz seiner Mängel als eine erste Pilotstudie für die Entwicklung einer angemesseneren und umfassenderen Untersuchung verschiedener Bewußtseinszustände dienen wird.
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Zusammenfassend möchten wir lediglich darauf hinweisen, daß Erickson in seiner Abschlußbemerkung eine generalisierende Ausführung zu dem macht, was er in anderen Zusammenhängen Zeitverzerrung genannt hat (siehe vor allem Cooper und Erickson, Time Distortion in Hypnosis, 1959). In diesem Fall berichtet er von der Fähigkeit verschiedener Versuchspersonen, in ihrem subjektiven Zeitgefühl in Tieftrance Aufgaben auszuführen, die in "Echtzeit" unmöglich gewesen wären - z.B. eine Rückschau auf ihr gesamten Leben, ohne irgendein Gefühl der Eile oder Hast. Wir erwähnen dieses Phänomen an dieser Stelle, weil wir später noch einmal darauf zurückkommen werden. Ericksons Artikel über ein Projekt, das er mit einem der begabtesten und kreativsten Menschen dieses Jahrhunderts durchführte, ist ein Dokument von unschätzbarem Wert, da es sehr konkrete Methoden vorschlägt, mit deren Hilfe wir als menschliche Wesen den Prozeß der Erforschung unseres eigenen Potentials für das Erleben - und sogar das Schaffen - veränderter Bewußtseinszustände beginnen können. Wir möchten unseren Kommentar beenden, indem wir uns Ericksons Schlußbemerkung anschließen: Ich hege jedoch die Hoffnung, daß der hier wiedergegebene Bericht trotz seiner Mängel als eine erste Pilotstudie für die Entwicklung einer angemesseneren und umfassenderen Untersuchung verschiedener Bewußtseinszustände dienen wird.
Anmerkungen - Teil I 1. Für die weitere Beschäftigung mit menschlichen Modellbildungsprozessen empfehlen wir Die Struktur der Magie I und II. 2. Gardner, Speny, Gazzaniga,1969. 3. Siehe Beuer, Miller etc. 4. In diesem ersten Band unterscheiden wir nur drei Arten von Konjunktionen: (a) Einfache Konjunktionen (b) Implizierte Kausative (c) Ursache-Wirkungs-Verbindungen. Wir wissen, daß in natürlichen Sprachen andere Abstufungen der Konjunktion zur Verfügung stehen, wollen uns hier aber auf diese drei beschränken. Diese Muster sollen lediglich den Anfang für das darstellen, was wir
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natürliche Logik nennen. Für weitere Muster der natürlichen Logik oder menschlicher Modellbildung siehe Polya (Patterns of Plausible Inference, 1954) und Lakoff (Lingutstics and Natural Logic, 1970). 5. Siehe Struktur der Magie I, Kapitel 3 und 4. 6. Einige Formen der Tilgung belassen die resultierende Oberflächenstruktur wohlgeformt, d.h., sie bleibt weiterhin ein grammatikalischer Satz. Andere Tilgungen resultieren in ungrammatikalischen Sätzen. Erickson verwendet in seiner Arbeit beide Formen. Wir werden den angemessenen Kontext für den Gebrauch beider Formen und die Unterschiede in ihrer Wirkung auf das Erleben des Klienten in Teil II und III dieses Bandes besprechen. In diesem ersten Teil machen wir diese Unterscheidung nicht. 7. Amer. J. Clin. Hypn., 1966, 3, 198-209. 8. Verschiedene Autoren, die über die Entwicklung der Mathematik geschrieben haben, weisen darauf hin, daß wichtige Entdeckungen "begabter" Mathematiker häufig auf "plötzlichen Einsichten" beruhen und die Berichte der Betreffenden Beschreibungen enthalten wie z.B.: "Die Lösung blitzte auf einmal vor meinen Augen auf." Gardner berichtet in einer neueren Arbeit (1975, S. 375): ... wenn man sich über Sprache unterhält, sollten die Augen nach rechts blicken. Wenn dagegen eine Person räumliche Vorstellung verwendet, z.B., wenn sie einer bestimmten Route folgt oder ein geometrisches Problem löst, sollte die rechte Hemisphäre aktiviert und die Augen folglich nach links gerichtet sein. ... Steven Harnad führte an der Princeton University Interviews mit Mathematikstudenten und -professoren durch und unterteilte sie danach, in welche Richtung sich ihre Augen bewegten, wenn ihnen eine Reihe von Fragen gestellt wurden. Diejenigen Versuchspersonen, deren Augen sich nach rechts bewegten, waren (in der Einschätzung ihrer Kommilitonen) als Mathematiker weniger kreativ, weniger an Kunst interessiert und setzen weniger visuelle Vorstellungen im Lösen von Problemen ein als eine Gruppe von Mathematikern, deren Augen sich nach links bewegten, was ein Hinweis auf eine Aktivität der nichtdominanten Hemisphäre ist... 9. Amer. J. Clin. Hypn., 1965, 8, 14-33. 10. Huxley, Aldous. The Doors of Perception. New York: Harper and Brothers, 1954. 11. Eine ausführlichere Darstellung dieser Arten der Evidenz wird in Struktur der Magie II, Teil II und III vorgestellt. 12. Erickson, Milton H. The confusion technique in hypnosis, 1964, 6, 269-271. Amer. J. Clin. Hypn. 13. Sherlock Holmes bietet mehrere hervorragende Beispiele für Ericksons Konfusionstechnik - siehe S. 423 des ersten Bandes von The Annotated Sherlock Holmes von Sir Arthur Conan Doyle; herausgegeben von William A. Baring-Gould (Clarkson N. Potter, Inc., New York). 14. Dieses Beispiel war eines der Forschungsthemen während unseres (Bandler und Grinder) Besuchs bei Erickson. 15. Die Transformationslinguisten haben einen Test zur Unterscheidung zwischen Mehrdeutigkeit und Unbestimmtheit entwickelt; Sätze mit Nominalisierungen sind in der Regel unbestimmt, nicht mehrdeutig. 16. Wir werden die Musterbildung zeitlicher Prädikate in einem späteren Band vorstellen, zusammen mit einer Diskussion der Zeitverzerrung in Hypnose. Der Leser kann jedoch ohne weiteres selbst Beispiele entwickeln, indem er die von Erickson verwendeten zeitlichen Prädikate auf verschiedene Weise mit anderen, gewöhnlicher-
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weise in adverbialer Form auftretenden zeitlichen Prädikaten kombiniert, wie z.B. bald, in Kürze, nach, unlängst, vorherige, jetzt, dann, später, anfangs, schließlich, in der Folge ... 17. Einige Befunde weisen darauf hin, daß die nichtdominante Hemisphäre auch häufig vorkommende Worte oder Wortverbindungen und ihre Bedeutungen speichert.
Zweiter Teil Annäherung an die Muster Ericksonscher Hypnosearbeit
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Einleitung Wir haben im ersten Teil dieses Bandes eine zweifache Absicht verfolgt: Unsere erste Absicht bestand darin, Ihnen zu zeigen, daß es bei Ericksons Vorgehen in der Hypnose systematische Verhaltensmuster gibt. Unsere zweite Absicht bestand darin, Ihnen zu zeigen, daß es möglich ist, diese Muster so zu identifizieren und zu formulieren, daß Sie sie bei Ihrer eigenen hypnotischen Arbeit nutzen können. Wir hoffen, daß Sie im Verlauf dieses Prozesses Gelegenheit hatten, sich mit diesen Mustern so vertraut zu machen, daß Sie nun in der Lage sind, sie wiederzuerkennen, und sich bereits auch nützliche Anwendungsmöglichkeiten für diese Muster in Ihrer eigenen Arbeit vorstellen können. Der zweite Teil dieses Bandes soll Sie auf systematische Weise weiter mit diesen Mustern vertraut machen. Er soll Ihnen die charakteristischen Merkmale dieser Muster auf eine Weise vorstellen, die ihnen nicht nur das Wesen der einzelnen Muster verständlich macht, sondern ihnen auch die nützlichen Aspekte und Implikationen jedes einzelnen Musters zeigt. Im ersten Band haben wir uns vor allem auf die sprachlichen Begriffe und ihre Anwendung auf Induktion und Suggestion beschränkt. Wir möchten darauf hinweisen, daß es sich dabei nicht um alle Verhaltensmuster handelt, die Milton Erickson in seiner Arbeit mit Hypnose verwendet, sondern lediglich um die Muster, von denen wir glauben, daß sie besonders wichtig und einfach zu erlernen und anzuwenden sind. Alle sprachlichen Muster, die in diesem Teil des ersten Bandes vorgestellt worden sind, können auf die beim Menschen gebräuchlichen analogen Kommunikationsformen hin generalisiert werden. Wir haben z.B. bereits kurz den linguistischen Begriff der Mehrdeutigkeit (Ambiguität) erwähnt, einer Oberflächenstruktur in natürlichen Sprachen, die so konstruiert ist, daß sie mehr als eine Bedeutung haben kann, z.B.: Das Hypnotisieren von Hypnotiseuren kann folgenreich sein. Dieser Satz kann eine der beiden folgenden Bedeutungen haben: 1. Wenn Hypnotiseure die Handlung des Hypnotisierens ausführen, kann dies folgenreich sein. 2. Wenn die Personengruppe, die sich beruflich mit Hypnose befaßt, hypnotisiert wird, kann dies folgenreich sein.
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Die beabsichtigte Bedeutung ist nicht klar und kann aufgrund der Oberflächenstruktur allein nicht bestimmt werden. Das ist ein Beispiel für syntaktische Mehrdeutigkeit. Der folgende Ausschnitt aus einem anderen Artikel von Erickson enthält ein Beispiel, in dem er kinästhetische Ambiguität einsetzt. Die kinästhetischen Ambiguitäten sind zur besseren Verdeutlichung kursiv gedruckt. Wir begegnen auch hier wieder der Schwierigkeit, die Kommunikation eindeutig zu interpretieren und aus den möglichen Bedeutungen die beabsichtigte auszuwählen - in formaler Hinsicht das gleiche Muster wie im Fall der syntaktischen Mehrdeutigkeit. Das ist ein Beispiel dafür, wie die gleichen formalen Muster in den verschiedenen Sinnessystemen genutzt werden können. *****
Sie wurde dann durch eine Seitentür hereingeführt und mir gegenübergestellt. Wir schauten uns schweigend an, und ich ging dann (wie ich es bereits viele Male zuvor mit Seminarteilnehmern in den USA getan hatte, um noch vor Seminarbeginn und somit, bevor ich ihnen bekannt war, "gute, kooperative" Versuchspersonen zu finden) zügig auf sie zu, lächelte sie an und reichte ihr meine rechte Hand, was sie erwiderte. Ich schüttelte ihre Hand langsam und schaute ihr geradewegs in die Augen, was sie erwiderte, und hörte auf zu lächeln. Als ich ihre Hand losließ, tat ich das auf eine unsichere, ungleichmäßige Weise, zog sie langsam zurück, erhöhte leicht den Druck meines Daumens, dann meines kleinen Fingers, dann meines Mittelfingers, immer auf ungewisse, unregelmäßige, zögerliche Weise, bis ich schließlich meine Hand so sanft zurückzog, daß ihr nicht genau bewußt wurde, wann genau ich ihre Hand losgelassen oder welchen Teil ihrer Hand ich zuletzt berührt hatte. Gleichzeitig veränderte ich langsam den Fokus meiner Augen, indem ich ihre Konvergenz veränderte, und gab ihr so ein minimales, aber wahrnehmbares Signal, daß ich nicht ihre Augen anschaute, sondern durch diese hindurch in die Weite schaute. Als ihre Pupillen sich langsam zu weiten begannen, ließ ich ihre Hand ganz los, die daraufhin in einer kataleptischen Position verharrte. Die Hand wurde durch leichten aufwärtsgerichteten Druck auf die Handwurzel ein wenig angehoben. Die zweite unvorhergesehene ... Induktion fand im Januar des Jahres 1961 statt, während eines Besuchs in Caracas, Venezuela. Ich war eingeladen worden, an einer Führung durch das Hospital Concepciön Palaciös teilzunehmen, in deren Verlauf ich gebeten wurde, dem Krankenhauspersonal im Rahmen eine/r spontan einberufenen Veranstaltung einen Vortrag über den Gebrauch der Hypnose in der Geburtshilfe zu
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halten. Als ich verschiedene hypnotische Phänomene diskutierte, schlug einer der Teilnehmer eine Demonstration vor. Ich erinnerte mich an meine Erfahrung in Mexico City und bat darum, mit einer jungen Frau arbeiten zu dürfen, der der Grund meines Besuches unbekannt war, die kein Englisch sprach und die bisher keinerlei Erfahrungen mit Hypnose gehabt hatte. Drei junge Frauen wurden hereingeführt, und ich suchte mir unter ihnen diejenige aus, die auf mich den Eindruck "reaktionsbereiter Aufmerksamkeit" machte. Ich bat darum, die anderen jungen Frauen zu entlassen und der Versuchsperson mitzuteilen, daß ich ihre Kooperation während meiner Vorlesung wünsche. Mein Übersetzer teilte ihr dies auf sehr vorsichtige Weise mit, ohne ihr weitere Informationen zu geben, und sie nickte zustimmend. Ich trat auf sie zu, und während ich ihr Angesicht zu Angesicht gegenüberstand, erklärte ich auf Englisch für die Teilnehmer, die es verstanden, daß sie beobachten sollten, was ich tun würde. Mein Übersetzer schwieg von nun an, und die junge Dame schaute höchst aufmerksam und verwundert auf mich. Ich zeigte dem Mädchen meine leeren Hände und reichte dann mit meiner rechten Hand herüber und umfaßte mit meinen Fingern sanft ihr Handgelenk, wobei ich es bis auf ein ungleichmäßiges, ungewisses, veränderliches Muster taktiler Stimulation durch meine Fingerspitzen kaum berührte. Die Wirkung bestand darin, daß sie mit vollem, aufmerksamem, erwartungsvollem und staunendem Interesse verfolgte, was ich tat. Mit meinem rechten Daumen übte ich leichten taktilen Druck auf die latero-volar-ulnare Seite ihres Handgelenks aus, so als wollte ich es nach oben drehen; gleichzeitig übte ich mit meinem dritten Finger in dem Bereich des radialen Vorsprungs einen leicht nach unten gerichteten Druck auf die dorso-laterale Seite aus und berührte ihr Handgelenk, alles zur gleichen Zeit, mehrmals mit meinen anderen Fingern, wobei der Druck der Berührungen in etwa vergleichbar war, ohne jedoch eine bestimmte Druckrichtung anzudeuten. Sie zeigte eine automatische Reaktion auf die direktiven Berührungen, ohne sie bewußt von den anderen Berührungen zu unterscheiden; sie richtete ihre Aufmerksamkeit offensichtlich zunächst auf eine und dann auf die nächste Berührung. Als sie zu reagieren begann, erhöhte ich auf unregelmäßige Weise die direktiven Berührungen, ohne die Häufigkeit und Verschiedenartigkeit der anderen ablenkenden taktilen Stimuli zu verringern. Ich deutete laterale und nach oben gerichtete Bewegungen ihres Armes und ihrer Hand an, indem ich taktile Stimuli mit einer abnehmenden Zahl nichtdirektiver Berührungen vermischte. Sie war durch diese automatischen Bewegungen, deren Ursprung ihr bekannt war, verwirrt, und als ihre Pupillen sich zu weiten begannen, berührte ich ihr Handgelenk mit der Andeutung einer nach oben gerichteten Bewegung, woraufhin ... ihr Arm sich hob, und beendete die Berührung
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auf diese Weise so sanft, daß sie den taktilen Rückzug nicht bemerkte und die Aufwärtsbewegung fortsetzte. Indem ich meine Fingerspitzen schnell den ihren zudrehte, veränderte ich die Berührung, um auf nicht erkennbare Weise ihre Handfläche nach oben zu drehen; durch weitere Berührung ihrer Fingerspitzen wurden einige ihrer Finger gestreckt, andere gebeugt, und die eigentliche Berührung ihrer gestreckten Fingerspitzen führte zu einem fortgesetzten Beugen ihres Ellbogens. Das führte dazu, daß ihre Hand sich langsam auf ihre Augen zubewegte. Sobald das begann, gewann ich mit meinen Fingern ihre visuelle Aufmerksamkeit und lenkte sie auf meine Augen. Ich fokussierte meine Augen auf eine große Entfernung, so als würde ich durch sie hindurch- und über sie hinausschauen, brachte meine Finger dicht an meine Augen heran, schloß langsam meine Augen, atmete tief mit einem Seufzen ein, ließ meine Schultern auf entspannte Weise nach unten fallen und zeigte dann auf ihre Finger, die ihren Augen immer näher kamen. Sie folgte meinen pantomimischen Anweisungen und entwickelte eine Trance, die den Bemühungen des Krankenhauspersonals standhielt, ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen (1967, S. 93-96). *****
Dieser Auszug ist ein Beispiel dafür, daß jedes der hier vorgestellten sprachlichen Muster auf analoge Kommunikationssysteme übertragen werden kann. Unsere Absicht in diesem Band besteht darin, uns vor allem auf Ericksons Sprachmuster zu konzentrieren. Unsere Strategie wird darin bestehen, die bisher vorgestellten Muster ihrem Gebrauch und ihren formalen Merkmalen entsprechend in natürliche Gruppen neu zu ordnen. Sie sind folgenden Techniken zugeordnet worden: 1. Pacing zur Ablenkung und Utilisierung der dominanten Hemisphäre; 2. Zugänglichmachen der nichtdominanten Hemisphäre. Die sorgfältige Beschäftigung mit dem zweiten Teil dieses Buches wird Sie nicht nur mit einer Vielzahl der sprachlichen Techniken zur Induktion und Suggestion vertraut machen, sondern Ihnen auch eine kohärente Strategie zu deren Verwendung in der Hypnosearbeit zur Verfügung stellen. Wir möchten mit einigen Zitaten des bekannten zeitgenössischen Autors Carlos Castaneda schließen (Tales of Power, 1974, S. 231-233, 245, 247-248, 265). ... Die erste Handlung eines Lehrers besteht darin, die Idee vorzustellen, daß die Welt, die wir zu sehen meinen, nur eine Sichtweise, eine Beschreibung der
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Welt darstellt. Das gesamte Bestreben des Lehrers ist darauf gerichtet, seinem Lehrling diesen Punkt zu beweisen. Doch ihn zu akzeptieren scheint das Schwierigste zu sein, was wir überhaupt tun können; wir sind selbstgefällig in unserer persönlichen Sicht der Welt gefangen, und sie zwingt uns dazu, so zu fühlen und zu handeln, als wüßten wir alles über die Welt. Ein Lehrer versucht bereits von seiner ersten Handlung an, diese Sichtweise zu beenden. Zauberer nennen es "den inneren Dialog anhalten", und sie sind überzeugt, daß es die wichtigste Technik ist, die ein Lehrling erlernen kann ... "Den inneren Dialog anzuhalten ist jedoch der Schlüssel zu der Welt der Zauberer", sagte er. "Alles andere sind nur Hilfsmittel; sie beschleunigen lediglich die Wirkung, die das Anhalten des inneren Dialogs hat." ... Der Lehrer ordnet die Sicht der Welt neu. Ich habe diese Sichtweise die Insel des Tonal genannt. Ich habe gesagt, daß alles, was wir sind, auf dieser Insel ist. Die Erklärung der Zauberer besagt, daß die Insel des Tonal durch unsere Wahrnehmung geschaffen wird, die so trainiert ist, daß sie sich auf bestimmte Elemente konzentriert; jedes dieser Elemente und alle Elemente zusammen bilden unsere Sicht der Welt. Die Aufgabe eines Lehrers besteht, was die Wahrnehmung des Lehrlings betrifft, darin, alle Elemente der Insel auf einer Hälfte der Seifenblase neu zu ordnen. Du wirst bereits verstanden haben, daß das Säubern und Aufräumen der Insel des Tonal bedeutet, daß alle Elemente auf der Seite der Vernunft neu angeordnet werden. Meine Aufgabe bestand darin, deine gewöhnliche Sicht durcheinanderzubringen, nicht, sie zu zerstören, sondern sie dazu zu zwingen, sich auf die 5eite der Vernunft zu stellen ... Er beschrieb einen vorgestellten Kreis auf dem Felsen und teilte ihn durch eine Linie entlang seines vertikalen Durchmessers in zwei Hälften. Er sagte, die Kunst eines Lehrers bestehe darin, seinen Schüler dazu zu zwingen, seine Sicht der Welt auf der rechten Seite der Seifenblase anzuordnen. ".Warum auf der rechten Seite?" fragte ich. "Das ist die Seite des Tonal", sagte er. "Der Lehrer wendet sich immer an diese Seite, und indem er seinem Lehrling einerseits den Weg des Kriegers vorstellt, zwingt er ihn zu Verständigkeit und Nüchternheit, zu charakterlicher und körperlicher Stärke; und indem er dem Lehrling andererseits undenkbare, aber reale Situationen präsentiert, die dieser nicht bewältigen kann, zwingt er
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ihn, zu erkennen, daß seine Vernunft, auch wenn sie eine überaus wunderbare Angelegenheit ist, nur einen kleinen Bereich abdecken kann. ... "Auf diese bestimmte Weise zu gehen füllt das Tonal", sagte er. "Es wird überschwemmt. Die Aufmerksamkeit des Tonal muß auf seine Schöpfungen gerichtet sein. Es ist diese Aufmerksamkeit, die die Ordnung der Welt überhaupt erst herstellt; das Tonal muß seine Aufmerksamkeit also auf die Elemente der Welt richten, um sie aufrechtzuerhalten, und es muß, mehr als alles andere, die Sicht der Welt als inneren Dialog aufrechterhalten." Er sagte, daß der richtige Gang nur ein Vorwand sei. Der Krieger lenkt seine Aufmerksamkeit auf die Arme, indem er zunächst seine Finger krümmt; indem er dann seine Augen, ohne sie zu fokussieren, unmittelbar vor sich, auf einen beliebigen Punkt richtet, der auf dem Bogen liegt, der an seinen Fußspitzen beginnt und über dem Horizont endet, überschwemmt er sein Tonal mit Information. Ohne seine direkte Beziehung zu den Elementen, die es beschreibt, kann das Tonal nicht mit sich selbst sprechen, und man verstummt. ... ... Ordnung in unseren Wahrnehmungen ist der ausschließliche Bereich des Tonal; nur dort können Handlungen eine Sequenz haben; nur dort sind sie wie eine Treppe, deren Stufen man zählen kann. Im Nagual gibt es nichts Vergleichbares. Daher ist die Sichtweise des Tonal ein Werkzeug, und es ist nicht nur das beste Werkzeug, sondern es ist das einzige, das wir haben. ... "Träumen ist ein praktisches Hilfsmittel, das von Zauberern entwickelt wurde", sagte er. "Sie waren keine Narren; sie wußten, was sie taten, und suchten nach der Nützlichkeit des Nagual, indem sie ihr Tonal darin unterwiesen, für einen Moment sozusagen loszulassen und dann wieder zuzugreifen. Diese Aussage macht für dich keinen Sinn. Aber das ist genau das, was du die ganze Zeit gemacht hast; du hast dich darin geübt, loszulassen, ohne deinen Verstand zu verlieren. Träumen stellt die Krone der Bemühungen der Zauberer dar, es ist der vollendete Gebrauch des Nagual."
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Pacing, Ablenkung und Utilisierung der dominanten Hemisphäre Um diese Technik zu verstehen, ist es hilfreich, an das Vorgehen des Zauberkünstlers zu denken, das nicht dazu gedacht ist, zu erhellen, sondern abzulenken und es ihm so zu erlauben, seine Absicht auszuführen. - Milton H. Erickson, Special Techniques of Brief Hypnotherapy, 1967, S. 393
Einleitung Die Induktion des veränderten Bewußtseinszustandes, den wir Trance nennen, setzt voraus, daß das, was Milton den bewußten Geist (conscious mind) nennt, abgelenkt und/oder utilisiert wird. Wir können unser aktuelles Erleben in einer von mehreren verschiedenen Modalitäten (visuell, auditiv, kinästhetisch) bewußt repräsentieren. Um einen Trancezustand zu erreichen, müssen alle Repräsentationssysteme in einem bestimmten Maße an dem Prozeß beteiligt sein, da es sich bei diesem Zustand in der Regel um die simultane Repräsentation eines kleinen, konzentrierten Teils unseres Erlebens handelt. Den Beginn dieses Prozesses nennen wir Pacing. Dies wird in der hypnotischen Arbeit üblicherweise dadurch erreicht, daß der Klient aufgefordert wird, seine Augen auf einen Punkt zu konzentrieren und auf die Stimme des Hypnotiseurs zu hören. Der Hypnotiseur beginnt damit, die Erfahrungen zu beschreiben, die er an dem Klienten beobachten kann; z.B. die Veränderungen in der visuellen Wahrnehmung (z.B. das Gefühl in den Augen des Klienten, das von dem Starren auf einen fixen Punkt herrührt). Diese Beschreibung stellt, wie wir bereits erklärt haben, eine Feedbackschleife her zwischen dem, was der Klient in beobachtbarer Weise tut - was der Hypnotiseur im Verhalten des Klienten beobachtet und hört -, und dem, was der Klient den Hypnotiseur sagen hört. Das ist gleichbedeutend damit, dem Klienten in seinem Modell der Welt zu begegnen - sich seiner Wirklichkeit anzuschließen, sie zu akzeptieren und sie dann für die Zwecke der Hypnosesitzung zu utilisieren. Einem Klienten in seinem Modell der Welt zu begegnen, sein Modell zu pacen und ihn dann in neues Territorium zu führen ist eine der Strategien, die Erickson durchgehend anwendet und die seine Arbeit sowohl für ihn selbst wie auch für den Klienten leichter macht. Jeder Versuch, einen Klienten zu etwas zu zwingen oder dazu zu bringen, sich
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im Widerspruch zu seinen Überzeugungen zu verhalten, schafft eine Gelegenheit für Widerstand, da es dem Klienten etwas gibt, gegen das er Widerstand leisten kann. Dieser Kampf erfüllt nur selten einen anderen Zweck, als die Zeit und Energie aller Beteiligten zu verschwenden. Die meisten von Ihnen haben vermutlich schon die Erfahrung gehabt, in einer zwischenmenschlichen Kommunikation nicht weiterzukommen. Nehmen wir an, jemand sagt zu Ihnen ganz beiläufig so etwas wie: Ich bin einfach zu dumm; ich kann nichts richtig machen. Eine mögliche Reaktion besteht darin, zu versuchen, hilfreich zu sein und zu antworten: Das stimmt nicht; du weißt doch, daß du eine Menge kannst. Du kannst X,Y,Z usw. Unserer Erfahrung nach reagiert die andere Person in der Regel damit, ihren Standpunkt um so hartnäckiger zu vertreten, je mehr man versucht, ihr auf diese Weise zu "helfen". Hier ein weiteres Beispiel. Ein Bekannter sagt zu Ihnen: Ich möchte gern deine Meinung hören; denkst du, daß ich X oder Y tun sollte? Sie antworten: Nun, X sieht ganz gut aus. In der Regel beginnt Ihr Gegenüber sofort damit, Y zu verteidigen. Eine Strategie, die sich in unserer therapeutischen Arbeit als unschätzbar wertvoll erwiesen hat, besteht darin, der anderen Person zuzustimmen, die dann, ohne Ausnahme, beginnen wird, die andere Seite zu vertreten. Betrachten Sie zum Beispiel das folgende Transkript einer Therapiesitzung: Jane: Ich bin so dumm, ich ... ich sage nie das Richtige.
Therapeut: Das ist mir auch aufgefallen; Sie sind so dumm, daß es mir sinnlos erscheint, Ihnen helfen zu wollen. Wahrscheinlich ist nichts zu machen das Beste wird sein, Sie finden sich einfach damit ab.
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Therapeut: Nein, nein, Sie haben ganz recht; in Ihrem Fall ist nichts zu retten. Ich glaube, das Beste wäre, Sie gehen einfach nach Hause und schließen sich in Ihrem Zimmer ein; es gibt auf der ganzen Welt niemand, der so dumm ist wie Sie.
Jane: Nun ... ah ... hmm ... ah ...
Jane: (unterbricht) So schlimm bin ich Therapeut: Okay, wenn Sie glauben, nun auch wieder nicht; (fängt an zu daß Ihnen noch zu helfen ist, können lachen) ich weiß, was Sie vorhaben, wir anfangen. machen wir einfach weiter, okay? Erickson hat ein sehr gut entwickeltes Gespür für diese Art der Kommunikation; er begegnet dem Klienten in seinem Modell, akzeptiert es und utilisiert es maximal. Die folgenden Auszüge sind Beispiele für diese außerordentlich entwickelte Fähigkeit. *****
Fallbericht: George war seit fünf Jahren Patient in einer psychiatrischen Klinik. Seine Identität konnte nie festgestellt werden. Er war einfach ein Fremder, ungefähr fünfundzwanzig Jahre alt, der von der Polizei wegen irrationalen Verhaltens aufgegriffen und in eine psychiatrische Klinik eingeliefert worden war. Im Verlauf dieser fünf Jahre waren die einzigen rationalen Äußerungen, die er von sich gegeben hatte: "Mein Name ist George", "Guten Morgen" und: "Gute Nacht". Sonst sprach er ohne Unterbrechung Wortsalat, der, so weit sich feststellen ließ, vollkommen ohne Bedeutung war. Dieser Wortsalat bestand aus Klängen, Silben, Worten und unvollständigen Wortverbindungen. Während der ersten drei Jahre saß er auf einer Bank in der Nähe der Eingangstür der Station. Sobald jemand die Station betrat, sprang er voller Eifer auf und überschüttete die Person mit seinem in äußerster Dringlichkeit vorgebrachten Wortsalat. Ansonsten saß er nur ruhig da und murmelte seinen Wortsalat vor sich hin. Von verschiedenen Psychiatern, Psychologen, Krankenschwestern, Sozialarbeitern und sogar Mitpatienten waren unzählige Versuche unternommen worden, ihm eine verständliche Bemerkung zu entlocken, jedoch ohne Erfolg. George sprach nur
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auf eine Weise, die Wortsalat-Weise. Nach ungefähr drei Jahren begrüßte er Personen, die auf die Station kamen, immer noch mit einem Schwall bedeutungsloser Worte. Zwischen solchen Gelegenheiten saß er still auf der Bank, wirkte leicht depressiv, brachte aber, wann immer er von jemand angesprochen oder etwas gefragt wurde, einige Minuten lang ziemlich ärgerlichen Wortsalat hervor. Als der Autor seine Tätigkeit in der Klinik begann, befand sich George im sechsten Jahr seines Aufenthalts. Die verfügbare Information über Georges Verhalten auf der Station wurde zu Rate gezogen. Es wurde beobachtet, daß Patienten oder Mitarbeiter neben ihm auf der Bank sitzen konnten, ohne Wortsalat auszulösen, solange sie ihn nicht ansprachen. Auf der Grundlage dieser Information wurde ein therapeutischer Plan entworfen. Eine Sekretärin stenographierte den Wortsalat, mit dem er alle, die die Station betraten, auf so stürmische Weise begrüßte. Diese transkribierten Aufzeichnungen wurden untersucht, ohne daß eine Bedeutung entdeckt werden konnte. Der Wortsalat wurde sorgfältig paraphrasiert, wobei Worte gewählt wurden, die die geringste Auftretenshäufigkeit in Georges Produktionen hatten, und diese wurden so lange eingeübt, bis der Autor einen Wortsalat improvisieren konnte, der dem Muster nach dem von George ähnelte, aber ein anderes Vokabular verwendete. Der Autor betrat daraufhin die Station ausschließlich durch einen Seiteneingang, der in einiger Entfernung von Georges Stammplatz war. Der Autor machte es sich dann zur Gewohnheit, still neben George auf der Bank zu sitzen, jeden Tag etwas länger, bis die Dauer von einer Stunde erreicht war. Bei der nächsten Gelegenheit stellte der Autor sich schließlich vor, indem er vor sich hin ins Leere sprach. George reagierte nicht. Am darauffolgenden Tag wurde die Vorstellung direkt an George gerichtet. Er brachte einen wütenden Strom von Wortsalat hervor, auf den der Autor in höflicher und entgegenkommender Weise in gleicher Länge mit seinem eigenen, sorgfältig konstruierten Wortsalat antwortete. George schien verdutzt, und als der Autor geendet hatte, machte George, diesmal in fragendem Tonfall, eine weitere Bemerkung. Der Autor antwortete darauf mit weiterem Wortsalat. Nach einem halben Dutzend solcher Wortwechsel verfiel George in Schweigen, woraufhin sich der Autor unverzüglich anderen Aufgaben zuwandte . Am nächsten Morgen wurden Begrüßungen ausgetauscht, in denen beide die Namen ihres Gesprächpartners verwendeten. George verfiel dann in eine lange Wortsalat-Rede, auf die der Autor höflich auf gleiche Art antwortete. Es folgte dann ein Austausch langer und kurzer Wortsalat-Beiträge, bis George in Schweigen verfiel und der Autor anderen Verpflichtungen nachging.
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Das ging eine Zeit auf diese Weise weiter. Eines Tages machte George dann, nachdem er die morgendliche Begrüßung erwidert hatte, vier Stunden lang ohne Unterbrechung unverständliche Äußerungen. Es stellte den Autor auf eine harte Probe, das Mittagessen zu versäumen und George in gleicher Länge zu antworten. George hörte aufmerksam zu und antwortete dann zwei Stunden lang, worauf eine matte zweistündige Entgegnung gegeben wurde. (Der Autor hatte beobachtet, daß George im Verlauf des Tages die Uhr im Auge behielt.) Am nächsten Morgen erwiderte George die übliche Begrüßung, fügte jedoch zwei unverständliche Sätze hinzu, auf die der Autor mit einer gleichlangen unverständlichen Äußerung antwortete. George erwiderte: "Reden Sie vernünftig, Herr Doktor." "Selbstverständlich, mit Vergnügen. Wie ist Ihr Nachnahme?" "O'Donovan, und es ist an der Zeit, daß jemand, der reden kann, danach fragt. Über fünf Jahre in diesem Loch." ... (Darauf folgten ein, zwei Sätze Wortsalat.) Der Rest des Berichts verläuft, wie zu erwarten war. Der Autor nahm eine vollständige, durch gelegentliche Wortsalat-Fetzen unterbrochene Fallgeschichte auf und war sorgfältig darauf bedacht, seine Fragen selbst mit Wortsalat zu würzen. Georges weiterer klinischer Verlauf war ausgezeichnet, der Wortsalat verschwand nie ganz, schrumpfte mit der Zeit aber zu unverständlichem Gemurmel. Innerhalb eines Jahres hatte er die Klinik verlassen, eine Arbeitsstelle gefunden und kehrte nur noch gelegentlich in immer länger werdenden Abständen in die Klinik zurück, um über seine fortschreitende Anpassung zu berichten. Nichtsdestoweniger begann und beendete er seine Ausführungen ausnahmslos mit etwas Wortsalat und erwartete jedesmal vom Autor das gleiche. Doch er konnte, wie er es anläßlich dieser Besuche häufig tat, schelmisch bemerken: "Es geht doch nichts über etwas Unsinn im Leben, stimmt's, Herr Doktor?", worauf er offensichtlich einen Ausdruck der Zustimmung von seiten des Autors erwartete und auch erhielt, dem dieser eine kurze UnsinnsÄußerung hinzufügte. Drei Jahre nach seiner Entlassung verlor sich der Kontakt zu ihm, bis auf eine muntere Ansichtskarte aus einer anderen Stadt, in der George kurz, aber dennoch umfassend von seinem Einleben in diese ferne Stadt berichtete. Er hatte die Karte mit seinem Namen unterschrieben, doch an diesen ein Gewirr von Silben angehängt. Es war kein Absender angegeben. George beendete so die Beziehung auf seine eigene, unverkennbare Weise. George hatte sich im Verlauf seiner Therapie als hypnotisierbar erwiesen und war in der Lage, in ungefähr fünfzehn Minuten eine mittlere bis tiefe Trance zu entwickeln. Sein Verhalten in Trance war jedoch mit seinem Verhalten im Wachzustand absolut vergleichbar und bot daher keinen therapeutischen Nutzen, obwohl dies
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wiederholt überprüft wurde. Jedes therapeutische Interview war durch den umsichtigen Einsatz einer angemessenen Menge von Wortsalat gekennzeichnet. Dieser Fall bietet ein eher extremes Beispiel dafür, wie dem Patienten auf der Stufe seines durchaus ernsten Problems begegnet werden kann. Der Autor wurde dafür von anderen kategorisch kritisiert, doch als deutlich wurde, daß unerklärliche, zwingende Bedürfnisse des Patienten erfüllt worden waren, blieben weitere kritische Bemerkungen aus (1967, S. 501-502). *****
Ericksons Fähigkeit, George in seinem Modell der Welt zu begegnen und sogar seine Sprache zu sprechen, ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Erickson auf Klienten eingeht und in ihrem Modell der Welt Kontakt mit ihnen herstellt, anstatt von ihnen zu erwarten, daß sie zu ihm kommen. Wenn Hypnotiseure und Therapeuten diese Fertigkeit erlernen, wird der Ausdruck im Widerstand befindlicher Klient keine Bedeutung mehr haben, und mehr Menschen werden in der Lage sein, Trancezustände zu erleben. Der nächste Auszug bietet ein gutes Beispiel für den Umgang mit einer Klientin, die höchstwahrscheinlich als "im Widerstand befindlich" bezeichnet und als nicht hypnotisierbar oder unkooperativ eingestuft worden wäre. Ericksons Induktion ist einfach, weil er der Klientin in ihrem Modell der Welt begegnet und sie schnell in den gewünschten Zustand führt. Ihr "Widerstand" wird zu einem Modell für die Induktion selbst. ***** "Sie möchten, daß die Hypnose im Zusammenhang mit Ihrer zahnärztlichen Behandlung eingesetzt wird. Ihr Mann und seine Kollegen möchten das gleiche, doch jedesmal, wenn Hypnose versucht worden ist, sind Sie nicht in Trance gegangen. Sie sind steif geworden vor Angst und haben angefangen zu schreien. Es würde wirklich ausreichen, nur steif zu werden, ohne zu schreien. Nun möchten Sie, daß ich Sie psychiatrisch behandele, wenn das nötig sein sollte, was ich nicht glaube. Statt dessen werde ich Sie nur in Trance versetzen, damit Sie für Ihre Zahnbehandlung hypnotisiert werden können." Sie antwortete: "Aber ich werde steif vor Angst werden und anfangen zu schreien."
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Es wurde ihr geantwortet: "Nein, Sie werden zuerst steif werden. Das ist das erste, was Sie zu tun haben, und tun Sie es jetzt. Werden Sie einfach immer steifer und steifer, Ihre Arme, Ihre Beine, Ihr Körper, Ihr Hals - vollkommen steif - sogar noch steifer, als Sie es bei Ihrem Mann waren. Schließen Sie jetzt die Augen und lassen Sie Ihre Augenlider steif werden, so steif, daß Sie sie nicht öffnen können." Sie reagierte überaus angemessen. *****
Ericksons Fähigkeit, zu pacen und das Modell der Welt seines Klienten zu utilisieren, ist ein hervorragendes Instrument; andere Hypnotiseure können viel von diesem Aspekt seiner Arbeit lernen. Das Versäumnis von Hypnoseanwendern, dem Klienten zu begegnen und das Modell des Klienten zu utilisieren, führt dazu, daß sie in Fällen versagen, wo Erfolg möglich gewesen wäre. Ein dramatisches Beispiel dafür ereignete sich in unserer eigenen Arbeit im Anschluß an einen Besuch bei Erickson. Wir führten ein Abendseminar über Hypnose durch und beschäftigten uns mit den verschiedenen hypnotischen Phänomenen, die Erickson in seinem Artikel beschreibt. Wir arbeiteten mit einer jungen Frau an negativen Halluzinationen. Während sie in einer Tieftrance war, gaben wir ihr mehrmals die relativ direkte Suggestion, daß sie ihre Hand nicht mehr sehen werde. Als sie erwachte, öffnete sie die Augen, schaute sich ihre rechte Hand an und sagte mit enttäuschter Stimme: "Aber sie ist immer noch da." Einer der Autoren antwortete auf der Stelle mit einer sehr bedeutungsvollen Stimme: "Ja, natürlich können Sie diese Hand noch sehen." Sie veränderte daraufhin langsam ihren Blick, schaute auf ihre andere Hand und schrie auf: "Ich kann es nicht glauben! Sie ist weg." Das Pacen ihrer ursprünglichen Reaktion, das Akzeptieren ihres Modells ihrer aktuellen Erfahrung und das anschließende Leaden ermöglichten diese visuelle Veränderung. *****
... ein klinischer Fall, in dem die gleiche Technik angewandt wurde, betraf einen widerspenstigen fünfundzwanzigjährigen Patienten, für den Hypnose nicht angezeigt war. Trotzdem verlangte er mehrfach, hypnotisiert zu werden, um sich dann im gleichen Atemzug für nicht hypnotisierbar zu erklären. Bei einer Gelegenheit verlangte er mit Nachdruck: "Hypnotisieren Sie mich, auch wenn ich nicht hypnotisierbar bin."
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Dieser Forderung wurde stattgegeben, und es wurden leise gesprochene Suggestionen für eine langsame, progressive Entspannung, Müdigkeit und Schlaf gegeben. Im Verlauf der gesamten Stunde saß der Patient auf der Kante seines Sessels, gestikulierte und verurteilte die ganze Prozedur als dumm und inkompetent. Am Ende der Stunde erklärte er, seine Zeit und sein Geld seien vergeudet worden. Er könne sich an "jede einzelne dieser wirkungslosen, dummen Suggestion erinnern" und könne sich darüber hinaus "an alles erinnern, was in dieser Zeit stattgefunden" habe. Der Autor griff diese Äußerungen sofort auf und erklärte in etwas repetitiver Weise: "Natürlich werden Sie sich erinnern. Sie sind hier im Behandlungszimmer. Natürlich können Sie sich hier im Behandlungszimmer an alles erinnern. Es hat alles hier im Behandlungszimmer stattgefunden, und Sie waren hier, und hier können Sie sich an alles erinnern." Der Patient verlangte ungeduldig einen weiteren Termin und verließ wutentbrannt die Praxis. Bei seinem nächsten Termin wurde er absichtlich im Empfangszimmer begrüßt. Er erkundigte sich auf der Stelle danach, ob er seinen letzten Termin eingehalten habe. Darauf wurde ihm die ausweichende Antwort gegeben, daß er sich doch gewiß daran erinnern werde, ob er seinen Termin eingehalten habe oder nicht. Er erklärte, daß er irgendwann an diesem Tag in seinem Wagen gesessen habe und sich nicht daran erinnern konnte, ob er gerade von seinem Termin zurückgekehrt oder ob er auf dem Weg zu seinem Termin sei. Er dachte eine unbestimmte Zeit lang über diese Frage nach, bevor ihm einfiel, auf die Uhr zu schauen. Er entdeckte, daß sein Termin schon lange verstrichen war. Er war jedoch immer noch nicht in der Lage, die Frage endültig zu beantworten, da er nicht wußte, wie lange er sich mit dieser Frage befaßt hatte. Er fragte noch einmal, ob er seinen letzten Termin eingehalten habe, und erhielt wieder die ausweichende Antwort, daß er sich doch gewiß daran erinnern würde. Als er in das Behandlungszimmer trat, blieb er unvermittelt stehen und erklärte: "Natürlich habe ich meinen Termin eingehalten! Sie haben meine Zeit mit dieser albernen, leisen, schlappen, wirkungslosen Hypnosetechnik vergeudet und sind kläglich gescheitert." Nach weiteren abwertenden Bemerkungen wurde er in das Empfangszimmer zurückmanövriert, wo er sofort wieder für seinen letzten Termin und seine diesbezüglichen Erkundigungen amnestisch war. Seinen Fragen wurde auch dieses Mal ausgewichen. Er wurde in das Behandlungszimmer zurückgeführt, wo er sich zum zweiten Mal vollständig an den letzten Termin erinnerte.
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Er wurde wieder aufgefordert, in den Empfangsraum zurückzugehen, was sofort wieder die Amnesie auslöste. Als er erneut das Behandlungszimmer betrat, erinnerte er sich außer an den letzten Termin auch daran, daß er bereits mehrmals in das Empfangszimmer gegangen war und dabei jedesmal Amnesie erlebt hatte. Das verwirrte und beschäftigte ihn so sehr, daß er den größten Teil der Stunde damit verbrachte, aus dem Behandlungs- ins Empfangszimmer und wieder zurückzugehen. Im Empfangszimmer erlebte er eine vollkommene Amnesie, während er sich im Behandlungszimmer vollständig an die gesamte Erfahrung einschließlich der Manifestationen von Amnesie im Empfangszimmer erinnerte. Diese hypnotische Erfahrung hatte die therapeutische Wirkung, die feindselige, antagonistische, hyperkritische und fordernde Einstellung des Patienten größtenteils zu korrigieren und einen guten Rapport herzustellen. Das führte zu einer Beschleunigung der Therapie, wenn auch im weiteren Verlauf keine Hypnose mehr eingesetzt wurde (1967, S. 41-42).
Unerfahrene Hypnotiseure akzeptieren zu schnell ein anfängliches Versagen als Zeichen für einen Mangel an Fähigkeit ihrerseits oder von seiten des Klienten. Erickson betont immer wieder, wie wichtig es ist, jeden Aspekt des Klientenverhaltens zu akzeptieren und zu utilisieren, um auf diese Weise dem Klienten in seinem Modell der Welt zu begegnen und ihn zu neuen Orten zu führen. Hier folgt seine Beschreibung dieses Prozesses:
Der unerfahrene Hypnotiseur versucht oft, das Verhalten des Klienten so zu steuern oder zurechtzubiegen, daß es seiner Vorstellung davon entspricht, wie sich der Klient verhalten "sollte". Die Rolle des Hypnotiseurs sollte immer weiter reduziert und die Rolle des Klienten immer stärker betont werden. Ich möchte das Beispiel einer freiwilligen Versuchsperson anführen, das in der Folge beim Hypnoseunterricht für Medizinstudenten verwendet wurde. Nach einer allgemeinen Diskussion über Hypnose äußerte sie die Bereitschaft, sofort in Trance zu gehen. Sie wurde aufgefordert, sich den bequemsten Sessel zu suchen und die für sie angenehmste Körperhaltung einzunehmen. Als sie es sich bequem gemacht hatte, erklärte sie, daß sie gerne eine Zigarette rauchen würde. Es wurde ihr sofort eine Zigarette gereicht, und sie begann diese ganz gemächlich zu
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rauchen und folgte dabei mit ihren Augen meditativ dem nach oben steigenden Rauch. Es wurden beiläufige Bemerkungen über den Genuß des Rauchens gemacht, darüber, den Rauch zu beobachten, der sich langsam nach oben ringelt, das wohlige Gefühl, die Zigarette an den Mund zu führen, das Gefühl innerer Befriedigung dabei, vollkommen in das Rauchen vertieft zu sein, ohne auf äußere Dinge achten zu müssen. Bald darauf wurden beiläufige Bemerkungen über das Einatmen und Ausatmen gemacht, wobei diese Worte zeitlich so gesetzt wurden, daß sie mit ihrem tatsächlichen Atemrhythmus übereinstimmten. Andere Bemerkungen bezogen sich auf die Leichtigkeit, mit der sie fast automatisch ihre Zigarette zum Mund heben und dann die Hand wieder auf die Stuhllehne sinken lassen könne. Diese Bemerkungen wurden ebenfalls zeitlich so gesetzt, daß sie mit ihrem tatsächlichen Verhalten übereinstimmten. Bald hatten die Worte "einatmen", "ausatmen", "heben" und "senken" den Wert eines konditionierenden Stimulus bekommen, dessen sie sich wegen des anscheinend konversationellen Charakters der Suggestionen nicht bewußt war. Es wurden außerdem beiläufige Suggestionen gegeben, in denen die Worte "Schlaf", "schläfrig" und "schlafen" zeitlich den Bewegungen ihrer Augenlider angepaßt wurden. Bevor sie die Zigarette zu Ende geraucht hat, hatte sie bereits eine leichte Trance entwickelt. Es wurde dann suggeriert, daß sie das Rauchen weiter genießen solle, während sie immer fester schliefe; daß der Hypnotiseur sich um die Zigarette kümmern würde, während sie tiefer und tiefer in einen tiefen Schlaf sinke; daß sie im Schlaf weiter die befriedigenden Gefühle und Empfindungen des Rauchens erleben würde. Das führte dazu, daß eine zufriedenstellende Trancetiefe erreicht wurde, und sie wurde ausgiebig darin unterwiesen, im Einklang mit ihren eigenen unbewußten Verhaltensmustern zu handeln (1967, S. 18). *****
Pacing ist somit ein Teil von Ericksons allgemeiner Strategie für den Umgang mit der dominanten Hemisphäre zur Einleitung einer Trance. Wenn diese Pacing-FeedbackSchleife eingerichtet ist, kommt die restliche Strategie für den Umgang mit der dominanten Hemisphäre zum Einsatz. Erickson beschreibt dies folgendermaßen: Tiefe Hypnose ist die Stufe ... die es der Versuchsperson erlaubt, ohne Einmischung des Bewußtseins auf unbewußter Ebene angemessen und direkt zu funktionieren.
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Dies wird durch Pacing und gleichzeitiges Ablenken und Utilisieren der unbewußten Verhaltensmuster erreicht, die in der dominanten Hemisphäre gebildet werden. Indem der Therapeut während des Gesprächs mit dem Klienten von den Prozessen Gebrauch macht, mit denen dieser sprachliche Modelle seiner Erfahrung bildet, ist er in der Lage, die enormen Ressourcen des Klienten zu nutzen. In Struktur der Magie I haben wir den Prozeß beschrieben, durch den Menschen sprachliche Modelle ihres Erlebens bilden. Das Meta-Modell besteht aus einer Reihe präziser Verfahren, mit denen ein Psychotherapeut einschränkende Repräsentationen direkt in Frage stellen kann. Hypnose andererseits stellt diese Repräsentationsprozesse nicht in Frage, sondern macht sie vielmehr zu dem Vehikel, das es dem Klienten erlaubt, sowohl den Trancezustand wie auch seine persönlichen Ziele zu erreichen. Therapeutische Ziele können in der Wachtherapie mit Hilfe des Meta-Modells erreicht werden, indem das Weltmodell des Klienten verstanden und erweitert wird. Was man in der Hypnose ein Anti- oder umgekehrtes Meta-Modell nennen könnte, wird eingesetzt, um zu pacen, abzulenken und die Modellbildungsprozesse des Klienten so zu utilisieren, daß die gewünschte Trancetiefe und die Ziele der hypnotischen Sitzung erreicht werden können. Dieses umgekehrte Meta-Modell haben wir liebevoll "Milton-Modell" getauft.
Kausale sprachliche Modellbildungsprozesse Wenn wir Modelle unserer Erfahrung bilden, versuchen wir die Muster, die wir erleben, zu verstehen. Wir versuchen eine Landkarte oder eine Richtschnur für unser Verhalten in der Welt zu schaffen, die uns dabei helfen kann, das zu erreichen, was wir für uns wollen. Die Sprachsysteme, die wir verwenden, um unsere Modelle zu bilden, enthalten die gleichen drei universellen Modellbildungsprozesse - Tilgung, Verzerrung und Generalisierung -, denen wir auch in anderen Repräsentationssystemen begegnen. Wenn wir in unserem Gebrauch dieser Prozesse flexibel bleiben, können sie die Grundlage für nützliche und kreative Repräsentationen sein, die wir verwenden können, um uns in der Welt zurechtzufinden. Wenn wir jedoch den tragischen Fehler begehen und unser Modell mit dem Gebiet selbst verwechseln, erhalten wir Repräsentationen, die unsere Erfahrung beschränken und unser Potential begrenzen. Die gleichen Prozesse, die es uns erlauben, nützliche und ästhetisch ansprechende Modelle unseres Erlebens zu bilden, können uns auch einschränken und behindern. Die Hypnose ist ein besonders eindrucksvolles Beispiel dafür. Eine der häufigsten Formen der Verzerrung ist die Art und Weise, in der wir verschiedene Teile unseres Erlebens auswählen und kausale Beziehungen zwischen ihnen
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herstellen, sie also in unserem Modell auf eine Weise miteinander verbinden, daß wir von dem Vorkommen eines oder mehrerer dieser Teile darauf schließen, einen anderen Teil erwarten zu können. Wir halten es für nützlich, linguistisch zwischen drei Kategorien kausaler Beziehungen oder Verknüpfungen zu unterscheiden: a. Konjunktionen - Gebrauch der Bindewörter und, aber (d.h. und nicht) Aussagen, die einfache Konjunktionen verwenden, haben in der Regel die Form: X
und
Y
Sie hören den Klang meiner Stimme
Sie entspannen sich mehr und mehr
Sie sitzen in dem Stuhl
Sie gehen tiefer und tiefer in Trance
Sie richten die Augen auf diesen Punkt
Ihre Augenlider werden immer schwerer
b. Implizierte Kausative - Gebrauch der Bindewörter während, dabei, vor, nach ... Aussagen, die Gebrauch von dieser Art der sprachlichen Verknüpfung machen, haben die gleiche Form: X
während
Sie werden tiefer in Trance gehen
Y
Sie den Klang meiner Stimmer hören
Ihre Augenlider werden immer schwerer Dieser vergessene Name wird plötzlich vor Ihrem inneren Auge erscheinen
Sie tiefer und tiefer in den Sessel sinken Sie in Gedanken das Alphabet aufsagen
c. Ursache-Wirkung - Gebrauch von Wenn-dann-Konstruktionen und Prädikaten, die eine notwendige Verbindung zwischen verschiedenen Teilen der Erfahrung des Sprechers behaupten, wie z.B. machen, bewirken, erzwingen, voraussetzen usw. Die allgemeine Form dieser Art der kausalen Verbindung ist: (Wenn)
X Sie sich in diesem Sessel zurücklehnen
(dann)
Y werden Sie in eine tiefe somnabulktische Trance gehen
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Sie den Briefbeschwerer anschauen
werden Ihre Augenlider schwerer
Sie den Klang meiner Stimme hören
werden Sie sich mehr und mehr entspannen
oder X Sich in diesem Sessel zurückzulehnen
(kausatives Prädikat) Y führt dazu in eine tiefe somnabulistische Trance zu gehen.
Den Briefbeschwerer anzuschauen macht
Ihre Augenlider schwerer.
Den Klang meiner Stimme
daß Sie sich mehr und mehr
bewirkt
zu hören
entspannen.
Mit jeder dieser Konstruktionen wird die Behauptung aufgestellt, daß eine Verbindung zwischen den beiden Kategorien von Ereignissen besteht. Die Stärke der behaupteten Verbindung kann von einem einfachen gleichzeitigen Auftreten bis zu einer Notwendigkeit reichen. Wie wir im ersten Teil dieses Bandes gezeigt haben, besteht die gebräuchlichste Anwendung dieser Modellbildungsprozesse darin, einen Teil der aktuellen Erfahrung des Klienten, die dieser unmittelbar überprüfen kann, mit einer Erfahrung oder einem Verhalten zu verknüpfen, das der Hypnotiseur beim Klienten hervorrufen möchte. Diese gleichen Muster können viel komplexer gestaltet werden, indem der allgemeinen Form Negative hinzugefügt werden, wie in dem folgenden Beispiel: Sie werden nicht in der Lage sein, ihre Augen offen zu halten -X
während
während
Sie das Gewicht Ihrer Augenlider spüren Y
wobei ~ das Symbol für Negation ist. Sie können nicht verhindern, die tiefe Trauer zu erleben —X
während
während
Sie die Anspannung um Ihre Augen herum spüren Y
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Nicht zu reden macht es so einfach, auf nichts zu hören als den Klang meiner Stimme. ~X macht es so einfach ~Y Sie können auch, um dem allgemeinen Muster eine Negation hinzufügen, die Ereignisse, die unter den Symbolen X und Y aufgeführt sind, weiter verdichten und so jedes dieser Ereignisse so komplex machen wie in dem folgenden Beispiel: Nicht zu sprechen und Ihre Augen bewirkt, daß Sie noch schneller in Trance gehen, daran zu hindern, zuzugehen während Sie dem Klang meiner Stimme zuhören. ~ XI und ~X2 wird dazu führen, daß Yl während Y2 Wie der Leser selbst überprüfen kann, sind die möglichen Variationen dieser Muster unbegrenzt. Wir werden nun mehrere Beispiele aufführen, die veranschaulichen, wie Erickson diese Muster verwendet: ... Und dieser Briefbeschwerer; der Aktenschrank; Ihr Fuß auf dem Teppich; das Deckenlicht; die Vorhänge; Ihre rechte Hand auf der Stuhllehne; die Bilder an der Wand; der sich verändernde Fokus Ihrer Augen, wenn Sie sich umschauen; das Interesse der Büchertitel; die Anspannung in Ihren Schultern; das Gefühl des Stuhls; die störenden Geräusche und Gedanken; das Gewicht der Hände und Füße; Gewicht der Probleme, Gewicht des Schreibtischs; der Briefpapierständer; die Akten vieler Patienten; die Phänomene des Lebens, von Krankheit, von Gefühlen, von körperlichem und geistigem Verhalten; die Ruhe der Entspannung; die Notwendigkeit, für die eigenen Bedürfnisse zu sorgen; die Notwendigkeit, auf die eigene Anspannung zu achten, während man den Schreibtisch anschaut oder den Briefbeschwerer oder den Aktenschrank; das Wohlbehagen beim Rückzug von der Umgebung; Müdigkeit und ihre Entstehung; der unveränderliche Charakter des Schreibtischs; die Monotonie des Aktenschranks; die Notwendigkeit, sich auszuruhen; die Wohltat, die darin liegt, die Augen zu schließen; das entspannende Gefühl, tief einzuatmen; die Wonne passiven Lernens; die Fähigkeit des Unbewußten, intellektuell zu lernen....
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Es folgt ein hervorragendes Beispiel für Ericksons Gebrauch von UrsacheWirkungs-Zusammenhängen auf einer sehr hohen Stufe der Musterbildung. Er manövriert die Klientin in eine Situation, in der sie glaubt, daß ihr Gefühl von Erfolg die Ursache für die Enttäuschung des Autors sei. Dabei werden die Modellbildungsprozesse der Klientin genutzt, um ihr dabei zu helfen, in Trance zu gehen.
Eine promovierte Psychologin, die der Hypnose gegenüber sehr kritisch und skeptisch eingestellt war, forderte den Autor dazu heraus, doch zu versuchen, "seine kleinen Tricks" an ihr auszuprobieren, vor Zeugen, die dann das Scheitern des Autors bescheinigen könnten. Sie erklärte sich jedoch auch bereit, falls es gelingen sollte, sie von der Existenz der Hypnose zu überzeugen, für weitere Untersuchungen des Autors zur Verfügung zu stehen. Ihre Herausforderung und ihre Bedingungen wurden akzeptiert. Ihr Versprechen, sich als Versuchsperson zur Verfügung zu stellen, falls es gelingen sollte, sie zu überzeugen, wurde vorsichtig und unauffällig betont, da es ein Verhalten darstellte, das sie von sich aus angeboten hatte und das zur Grundlage für zukünftiges Tranceverhalten werden konnte. Daraufhin wurde eine Suggestionstechnik eingesetzt, von der mit Sicherheit angenommen werden konnte, daß sie versagen würde, was auch tatsächlich der Fall war. Der Klientin wurde so ein Erfolgsgefühl gegeben, das für sie eine große Genugtuung darstellte, aber doch, wegen der Enttäuschung des Autors, eine Spur von Bedauern in sich barg. Dieses Bedauern stellte eine Grundstein für weitere Trancen dar. Es wurde dann, scheinbar um dem Autor die Möglichkeit zu geben, sein Gesicht zu wahren, das Thema ideomotorischen Verhaltens angesprochen. Nach einer Weile wurde sie durch indirekte Suggestion dazu gebracht, ihrer Bereitschaft Ausdruck zu geben, sich an einem Experiment zu ideomotorischem Verhalten zu beteiligen. Sie erhob sofort den Einwand: "Versuchen Sie nicht, mir zu erzählen, daß ideomotorische Aktivität mit Hypnose identisch sei, weil ich weiß, daß das nicht der Fall ist." Dies wurde mit der Bemerkung beantwortet, daß ideomotorische Aktivität zweifellos sowohl in Hypnose wie auch im Wachzustand erreicht werden könne. Damit war ein weiterer Grundstein für zukünftige Tranceaktivität gelegt worden ... (1967, S. 21).
Das Gedankenlesen, ein damit eng verwandter Prozeß der Modellbildung, ist ebenfalls nützlich, um Klienten zu pacen und leaden (Gedankenlesen ist der Prozeß, bei dem
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eine Person behauptet, etwas über das nicht-beobachtbare Verhalten einer anderen Person zu wissen). Hier sind einige typische Oberflächenstrukturen dieser Form, die, obwohl sie Gedankenlesen enthalten, nur selten in Frage gestellt werden. Sie stellen einen Teil der alltäglichen Erfahrung fast eines jeden dar. Diese Aussagen können in manchen Fällen wahr sein, doch ohne eine Spezifizierung des Prozesses kann nicht zwischen Halluzinationen und wohlgeformten Repräsentationen unterschieden werden. Ich weiß, was ihn glücklich macht. Du mußtest wissen, daß ich damit nicht zufrieden sein würde. Ich weiß, daß er mich nicht mag. Es tut mir leid, daß ich dir damit schon wieder auf die Nerven gehen muß. Meine Sorgen werden dir unnötig erscheinen. Indem er Gedankenlesen einsetzt, kann der Hypnotiseur den Klienten sogar in den Bereichen seines Erlebens erfolgreich pacen und leaden, die keine beobachtbaren Auswirkungen haben. Wir führen ein weiteres Beispiel aus Ericksons Arbeit an: Wir möchten beide wissen, warum Sie so promiskuitiv sind. Wir wollen beide den Grund für Ihr Verhalten wissen. Wir wissen beide, daß dieses Wissen in Ihrem Unbewußten ist. In den nächsten zwei Stunden werden Sie still hier sitzen, nichts denken, nichts tun, außer zu wissen, daß ihr Unbewußtes Ihnen und mir den Grund für Ihr Verhalten nennen wird. Es wird den Grund klar und verständlich nennen, doch weder Sie noch ich werden es verstehen, bis der richtigte Zeitpunkt kommt, nicht früher. Sie wissen nicht, wie Ihr Unbewußtes es Ihnen sagen wird. Ich werde es nicht wissen, bis Sie es wissen, doch dann werde auch ich den Grund erfahren. Zur richtigen Zeit, auf die richtige Weise werden Sie es wissen und werde ich es wissen. Dann wird alles in Ordnung sein (1967, S. 402). Der sorgfältige und gekonnte Gebrauch dieser Muster wird schon bald die Unterscheidung zwischen Pacing und Leading des Erlebens des Klienten verwischen.
Transderivationale Suche' Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit den Unterscheidungen innerhalb der dominanten Hemisphäre, die von entscheidender Bedeutung sind, um Milton Ericksons effekti-
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ve Arbeit mit Hypnose zu verstehen. Jede der folgenden linguistischen Unterscheidungen hat das gleiche Muster: Um in der Oberflächenstruktur dieser Formen eine relevante Bedeutung zu finden, muß man Informationen finden, die außerhalb der von der tatsächlich gesagten Oberflächenstruktur abgeleiteten Tiefenstruktur-Bedeutung liegen. Wir möchten diesen Abschnitt so einfach wie möglich halten und empfehlen Ihnen, die Konstruktionsbeispiele im dritten Teil, um weitere Hilfe zu Rate zu ziehen. Unter transformationalen Prozessen versteht man jede Tilgung, Verzerrung oder Generalisierung, die zwischen der vollen linguistischen Repräsentation - der Tiefenstruktur - und der Oberflächenstruktur erfolgt, die tatsächlich gesagt oder geschrieben, gehört oder gelesen worden ist. Der folgende Fall von Tilgung z.B.: Jemand kann jemandem etwas geben könnte auf diese Weise ausgedrückt oder auch in der folgenden Weise wiedergegeben werden: Etwas ist gegeben worden und beide Sätze würden die gleiche Tiefenstruktur-Bedeutung vermitteln. Die Linguistik beschäftigt sich, wie wir bereits weiter oben erwähnt haben, sowohl mit der Untersuchung der Intuitionen, die jeder als Muttersprachler besitzt, wie auch mit der Formalisierung dieser Intuitionen. Wir möchten Sie nun bitten, auf Ihre eigenen Intuitionen zu achten, wie auch auf die formalen Landkarten, durch die Ihre Erfahrungen repräsentiert werden. Ihre individuellen, persönlichen Intuitionen werden es Ihnen erlauben, die Techniken, die wir in diesem Buch vorstellen, zu überprüfen, und sind zugleich die Voraussetzung für die Fertigkeiten, die es Milton Erickson ermöglicht haben, seine erfolgreichen Hypnosetechniken zu entwickeln. Wenn Sie auf Ihre eigenen Intuitionen achten, ihnen vertrauen und sie nutzen, können und werden Sie eine Menge lernen. Als Kind haben Sie in sehr kurzer Zeit eine äußerst komplexe natürliche Sprache gelernt - eine Fähigkeit, die bisher noch keine Maschine gemeistert hat. Ihre Sprache hat Regeln, die Sie auf systematische Weise einsetzen, ohne diese Regeln bewußt zu kennen - ebenso wie Erickson in der Hypnose Sprache auf regelgeleitete Weise anwendet. Dieses Buch ist daher eine Landkarte der Regeln, die er anwendet, ohne sie bewußt zu kennen - eine Landkarte, die Ihnen helfen soll, seine Intuitionen zu erlernen und Ihre eigenen Intuitionen wahrzunehmen und von ihnen zu lernen.
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Wenn Sie die folgende Oberflächenstruktur hören: Etwas ist gegeben worden kennen Sie intuitiv die Tiefenstruktur : Jemand gab jemandem etwas Um die vollständigste relevante Bedeutung aus dieser Oberflächenstruktur Etwas ist gegeben worden zu gewinnen, wissen Sie, daß jemand das Geben und jemand das Empfangen besorgen mußte. Das Modell dieses Prozesses kann folgendermaßen dargestellt werden: volle linguistische Repräsentation
Tiefenstruktur Transformation
Ableitung
Drei Prozesse menschlicher Modellbildung
gesprochene oder geschriebene Repräsentation ... Oberflächenstruktur Dies ist eine Repräsentation eines Teiles des Prozesses, den wir durchlaufen, wenn wir Sprache und Schrift kodieren oder dekodieren. Doch wenn Sie das Beispiel noch weiter untersuchen, werden Sie sehen, daß die Worte jemand und etwas keinen Bezugsindex haben. Selbst in der Tiefenstruktur ist keine Information darüber vorhanden, wer wem was gab. Wie kann ein Zuhörer dann eine sinnvolle Interpretation in diesen Worten finden, die relevant für seine eigene Erfahrung sein könnte? Die einfache Antwort würde darin bestehen, daß er nachfragt; doch während einer hypnotischen Induktion kann dies nur selten geschehen, und in vielen anderen Situationen besteht ebenfalls nicht die Gelegenheit zu fragen. Erfolgt darüber hinaus diese Suche auf bewußter Ebene? Die Antwort ist offensichtlich: "Nein". Wir verarbeiten andauernd Informationen, zum größten Teil unbewußt. Im Fall unseres Beispiels:
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Repräsentation der Tiefenstruktur
Wenn Sie die Sätze hören:
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Wissen Sie, man sollte sich ausgiebig mit Sprache befassen, wenn man lernen will, wie man sie in seiner Arbeit anwenden kann. Für jemand, der sich mit Hypnose beschäftigt, stellt Sprache das wichtigste Instrument dar, und doch versäumen viele es, sich genau damit zu befassen. Wie würden Sie die für Sie relevanteste Bedeutung wiedergewinnen? Stellen Sie sich nun vor, daß die gleichen Worte in einer persönlichen Unterhaltung von einer anderen Person an Sie gerichtet würden. Achten sie dabei auf Ihre Intuitionen. Höchstwahrscheinlich werden Sie die Aussagen im Zusammenhang mit man auf sich selbst beziehen, falls Sie selbst Hypnose praktizieren und in der Lage sind, das Gesagte vollständig zu erleben. Sie werden in den Sätzen nicht direkt erwähnt, und es wird auch in der Tiefenstruktur kein Bezug auf Sie genommen. Trotzdem findet in Ihnen ein Prozeß statt, der einen Bezugsindex zur Verfügung stellt und den Worten die gleiche Bedeutung verleiht, als ob sie an Sie direkt gerichtet worden wären. Wir nennen dieses Phänomen transderivationale Suche. Visuell kann das auf folgende Weise dargestellt werden: 1. Wenn Tiefenstruktur => eine SG ohne Bezugsindex
Oberflächenstruktur wobei "=>" bedeutet: "enthält" Dann 2. wird eine Reihe von Ableitungen erzeugt werden, die formal mit der Tiefenstruktur (1) äquivalent sind, jedoch mit dem Unterschied, daß in diesen Substantivgruppen enthalten sein werden, die einen Bezugsindex haben. 3. Die neue Tiefenstrukturen, die Bezugsindizes (Substantivgruppen) enthalten, müssen natürlich von irgendwoher kommen - offensichtlich von dem Modell der Welt des Klienten. Wir haben nun schon seit Jahren in unserer Arbeit beobachten können, wie nützlich es ist, einen Klienten, der sagt, daß er die Antwort auf unsere Fragen nicht wüßte, dazu aufzufordern, einfach zu raten. Die geratene Antwort muß aus dem
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Modell der Welt des Klienten stammen; es handelt sich dabei im wesentlichen um einen einzeiligen Traum. Das geschieht bei Menschen, wenn sie Sprache verarbeiten, ständig und ist eine der häufigsten Ursachen für die massiven Probleme, die aus der "Projektion" auf die Kommunikation anderer resultieren. Diese Projektion kann jedoch in der Hypnose zu einem hervorragenden Instrument werden, wenn sie so geschickt eingesetzt wird, wie Erickson es tut. Eine formale Repräsentation dieser transderivationalen Suche könnte in einem Diagramm folgendermaßen dargestellt werden:
(a) TS.i = TS.j>k• • • •,n außer (b)
TS.J ungleich TS.j,k • • • •n wo TS- j k • • • • n alle einen Bezugsindex in ihren untergeordneten Substantivgruppen haben, wobei ~ für eine Negation steht.
Welche Tiefenstrukturen durch die transderivationale Suche aktiviert werden, hängt davon ab, wie reichhaltig das Weltmodell des Zuhörers ist. Doch der Bezugsindex, der immer, in jedem Weltmodell, verfügbar sein wird, ist der eigene Bezugsindex. Die oben abgebildeten Diagramme sind ein formales Verfahren, um darzustellen, was geschieht, wenn jemanden zu Ihnen sagt: Die Leute sollten netter zu mir sein An welche Person denken Sie dabei, wenn das jemand zu Ihnen sagt? Damit könnte jeder gemeint sein - sogar Sie selbst. Die spezifische Formen der Oberflächenstruktur, durch die eine transderivationale Suche ausgelöst wird, sollen Ihnen nun im einzelnen vorgestellt werden.
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1. Generalisierter Bezugsindex Oberflächenstrukturen dieser Form können im Kontext der Hypnose äußerst nützlich sein. Ein Satz, der eine Substantivgruppe mit generalisiertem Bezugsindex enthält, erlaubt dem Klienten ein vollständiges Aktivieren der transderivationalen Suchprozesse. Dies wird einfach dadurch erreicht, daß Substantivgruppen verwendet werden, die keinen Bezugsindex in der Erfahrungswelt des Klienten enthalten. Erickson beschreibt einen solchen Satz so: ... klingt so spezifisch und ist doch so allgemein ...
Bestimmte Empfindungen in Ihrer Hand werden stärker werden. Sie werden sich dieser spezifischen Erinnerung bewußt werden. Niemand weiß es genau. Man kann sich sehr wohl fühlen, während man diesen Satz liest. Alle diese Oberflächenstrukturen sind Beispiele für generalisierte Bezugsindizes. Bestimmte Empfindungen bezieht sich auf keine besondere Empfindung und erlaubt es dem Klienten daher, den relevantesten Index aus seiner eigenen Erfahrung beizusteuern. Das gleiche gilt für spezifische Erinnerung - dem Klienten ist es überlassen, selbst zu entscheiden, welche Erinnerung damit gemeint ist. Mit man und mit niemand kann jeder Beliebige gemeint sein. Keiner der oben aufgeführten vier Sätze enthält einen Bezugsindex. Substantivgruppen ohne Bezugsindizes: Beispielsätze Frau Patient Problem Man Situation Gefühl
Eine Frau, die in Trance ging. Ein Patient, den ich einmal hatte. Das Problem verbesserte sich. Man kann sich so wohl fühlen. Die Situation verschlechtert sich. Immer, wenn ich in dieser Situation bin, habe ich dieses Gefühl.
... Und dieser Briefbeschwerer; der Aktenschrank; Ihr Fuß auf dem Teppich; das Deckenlicht; die Vorhänge; Ihre rechte Hand auf der Stuhllehne; die
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Bilder an der Wand; der sich verändernde Fokus Ihrer Augen, wenn Sie sich umschauen; das Interesse der Büchertitel; die Anspannung in Ihren Schultern; das Gefühl des Stuhls; die störenden Geräusche und Gedanken; das Gewicht der Hände und Füße; Gewicht der Probleme, Gewicht des Schreibtischs; der Briefpapierständer; die Akten vieler Patienten; die Phänomene des Lebens, von Krankheit, von Gefühlen, von körperlichem und geistigem Verhalten; die Ruhe der Entspannung; die Notwendigkeit, für die eigenen Bedürfnisse zu sorgen; die Notwendigkeit, auf die eigene Anspannung zu achten, während man den Schreibtisch anschaut oder den Briefbeschwerer oder den Aktenschrank; das Wohlbehagen beim Rückzug von der Umgehung; Müdigkeit und ihre Entstehung; der unveränderliche Charakter des Schreibtischs; die Monotonie des Aktenschranks; die Notwendigkeit, sich auszuruhen; die Wohltat, die darin liegt, die Augen zu schließen; das entspannende Gefühl, tief einzuatmen; die Wonne passiven Lernens; die Fähigkeit des Unbewußten, intellektuell zu lernen....
2. Generalisierter Bezugsindex mit suggerierter Substantivgruppe Dieses Muster ist im wesentlichen mit dem vorhergehenden Muster identisch, mit einer Ausnahme: Die fehlende Substantivgruppe wird einer beliebigen Position des Satzes hinzugefügt, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, daß sie durch die transderivationale Suche ausgewählt wird. Die Oberflächenstruktur im letzten Abschnitt z.B.: Man kann sich wohl fühlen, während man diesen Satz liest nimmt eine leicht veränderte Form an: Man kann sich wohl fühlen, während man diesen Satz liest, Joe. Joe, man kann sich wohl fühlen, während man diesen Satz liest. Man kann sich, Joe, wohl fühlen, während man diesen Satz liest. Man kann, Joe, sich wohl fühlen, während man diesen Satz liest. Man kann sich wohl fühlen, Joe, während man diesen Satz liest. Jede dieser Formen hat eine leicht andere Wirkung. Sagen Sie die verschiedenen Sätze laut und nutzen Sie Ihre eigenen Intuitionen als Maßstab, um die Unterschiede zu erleben. Unterhalten Sie sich mit einem Partner darüber und achten Sie auf Ihre
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Intuitionen, während Sie diese Sätze hören, und darauf, wie sich die Wirkung der einzelnen Sätze unterscheidet. Probieren Sie ähnliche Sätze im Verlauf einer normalen Unterhaltung aus. Sagen Sie jemand im Verlauf eines Gesprächs z.B.: Weißt du, (Name), man kann diesen Satz lesen, (Name), wann immer man will Oberflächenstrukturen dieser Form sind leicht zu bilden und können sehr nützlich sein.
Tilgung - grammatikalische und ungrammatikalische Tilgung ist einer der drei universellen Prozesse menschlicher Modellbildung. Dieser Prozeß findet auf neurologischer, sozialer und individueller Ebene statt (siehe Struktur der Magie I, Erstes Kapitel, für eine ausführlichere Diskussion). Unser Sinnesapparat kann nur innerhalb eines sehr engen Bereichs Veränderungen in Energiemustern bemerken und weiterleiten. Das menschliche Ohr z.B. zeigt eine phänomenale Sensibilität für Amplituden, selbst wenn das Trommelfell nur um den Durchmesser eines Wasserstoffatoms bewegt wird (Noback 1967, S. 156). Doch es reagiert nur auf Wellenlängen zwischen 20 und 20.000 Zyklen (Hertz) pro Sekunde. Energiemuster potentielle Geräusche - über 20.000 Zyklen (Hertz) pro Sekunde stehen uns daher für das Organisieren unserer Erfahrung nicht zur Verfügung. Mit anderen Worten, unser Nervensystem tilgt alle Muster, die über 20.000 Zyklen (Hertz) pro Sekunde liegen. Auf der Ebene der sprachlichen Musterbildung haben die Transformationslinguisten eine Reihe spezifischer Tilgungsmuster identifiziert, die zwischen der vollen linguistischen Repräsentation - der Tiefenstruktur - und den Sätzen erfolgen, die wir in unserer Kommunikation verwenden - der Oberflächenstruktur. Beachten Sie den Unterschied in der Informationsmenge, die in jedem der folgenden Sätze zur Verfügung steht: 1. Der Mann kaufte der Frau den Wagen für zwanzig Dollar ab. 2. Der Wagen wurde gekauft. Im Bereich der Transformationsgrammatik kann jedes Prädikat oder Prozeßwort durch die Zahl und Art der Substantive oder Argumente klassifiziert werden, deren Beziehung oder Prozeß es beschreibt. Das Prädikat kaufen kann als ein vierwertiges (four-place) Prädikat klassifiziert werden:
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kaufen ist ein Prädikat, das den Prozeß beschreibt, der stattfindet zwischen: einem Käufer - der Person, die kauft, die Ware erwirbt einem Verkäufer - der Person, die verkauft, die Ware veräußert der Ware - den Gegenständen, die den Eigentümer wechseln dem Kaufpreis - den Gegenständen oder Dienstleistungen, die gegen die Ware ausgetauscht werden. In dem ersten Satz sind alle diese Substantivargumente in der Oberflächenstruktur (1) enthalten; in dem zweiten Satz ist nur eines der Substantivargumente repräsentiert, die anderen drei sind durch den Transformationsprozeß der Tilgung beseitigt worden (siehe Struktur der Magie I für eine umfassendere Diskussion). Im Kontext der Hypnose, in dem der Klient versucht, die Bedeutung oder, genauer gesagt, die vollständige Bedeutung aus den Verbalisierungen des Hypnotiseurs zu entnehmen, hilft der geschickte Gebrauch des transformationalen Prozesses der Tilgung dem Hypnotiseur dabei, den Klienten zu pacen. Indem man geschickt Teile der vollen linguistischen Repräsentation - der Tiefenstruktur - tilgt, wird der Klient dazu gezwungen, zusätzliche Tiefenstrukturen zu aktivieren, um die vollständige Bedeutung wiedergewinnen zu können. Klienten werden beim Generieren und Auswählen dieser Tiefenstrukturen im Verlauf der Suche nach der vollen Bedeutung Tiefenstrukturen generieren und auswählen, die: 1. gewährleisten, daß der Klient engagiert ist und die dominante Hemisphäre vollständig einbezogen ist, 2. gewährleisten, daß die Verbalisierungen des Hypnotiseurs das Erleben des Klienten wirksam pacen, 3. gewährleisten, daß der Klient die Freiheit hat, bei dem Prozeß der Wiedergewinnung der vollen Bedeutung seine eigenen Ressourcen einzusetzen. Erickson verwendet in der Regel zwei Arten der Tilgung: 1. Grammatikalische Tilgung, in der die resultierende Oberflächenstruktur einen wohlgeformten Satz darstellt. 2. Ungrammatikalische Tilgung, in der die resultierende Oberflächenstruktur keinen wohlgeformten Satz darstellt. Der weiter oben abgedruckte Satz - der Wagen wurde gekauft - ist ein Beispiel für eine grammatikalische Tilgung. Beispiele für das Ergebnis ungrammatikalischer Tilgung sind Satzfragmente wie z.B.:
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... und Sie erkennen so deutlich und vollständig, daß Sie ... ... und Sie wollen und brauchen so stark ... ... ich werde Ihnen in Kürze sagen wollen ... Die meisten Menschen werden diese Wortsequenzen als Satzfragmente auffassen Teile von Sätzen, die für sich allein genommen keinen kompletten, wohlgeformten Satz darstellen. Der Klient wird durch solche Fragmente - Ergebnisse ungrammatikalischer Tilgung - maximal engagiert, um eine vollständige Bedeutung zu finden. ... Und dieser Briefbeschwerer; der Aktenschrank; Ihr Fuß auf dem Teppich; das Deckenlicht; die Vorhänge; Ihre rechte Hand auf der Stuhllehne; die Bilder an der Wand; der sich verändernde Fokus Ihrer Augen, wenn Sie sich umschauen; das Interesse der Büchertitel; die Anspannung in Ihren Schultern; das Gefühl des Stuhls; die störenden Geräusche und Gedanken; Gewicht der Hände und Füße; Gewicht der Probleme, Gewicht des Schreibtischs; der Briefpapierständer; die Akten vieler Patienten; die Phänomene des Lebens, von Krankheit, von Gefühlen, von körperlichem und geistigem Verhalten; die Ruhe der Entspannung; die Notwendigkeit, für die eigenen Bedürfnisse zu sorgen; die Notwendigkeit, auf die eigene Anspannung zu achten, während man den Schreibtisch anschaut oder den Briefbeschwerer oder den Aktenschrank; das Wohlbehagen beim Rückzug von der Umgebung; Müdigkeit und ihre Entstehung; der unveränderliche Charakter des Schreibtischs; die Monotonie des Aktenschrankes; die Notwendigkeit, sich auszuruhen; die Wohltat, die darin legt, die Augen zu schließen; das entspannende Gefühl, tief einzuatmen; die Wonne passiven Lernens; die Fähigkeit des Unbewußten, intellektuell zu lernen....
Der vorherige Abschnitt ist ein regelrechter Dschungel von Tilgungen, sowohl grammatikalischen wie ungrammatikalischen. Beachten Sie z.B. die folgenden kursiv gedruckten Beispiele: der sich verändernde Fokus Ihrer Augen die Phänomene des Lebens
Wie verändert sich der Fokus? Welche Phänomene? Wessen Leben?
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Nominalisierung Nominalisierung ist der sprachliche Prozeß, in dem ein Prozeßwort oder Verb durch einen komplexen Transformationsprozeß in ein Ereignis oder einen Gegenstand verwandelt wird. Das geschieht fast immer durch die vollständige Tilgung eines Bezugsindexes und dient ebenfalls dazu, transderivationale Suchprozesse auszulösen. Zum Beispiel: Die Freude, Ihr Unbewußtes kommunizieren zu lassen Die Bewußtheit des Gefühls, in dem Sessel zu sitzen Die Tiefe des Trancezustandes Die unmögliche Realitätstreue Die Zufriedenheit von Wissen und Klarheit Die Gegenwart von Entspannung und Neugier ... Und dieser Briefbeschwerer; der Aktenschrank; Ihr Fuß auf dem Teppich; das Deckenlicht; die Vorhänge; Ihre rechte Hand auf der Stuhllehne; die Bilder an der Wand; der sich verändernde Fokus Ihrer Augen, wenn Sie sich umschauen; das Interesse der Büchertitel; die Anspannung in Ihren Schultern; das Gefühl des Stuhls; die störenden Geräusche und Gedanken; das Gewicht der Hände und Füße; Gewicht der Probleme, Gewicht des Schreibtischs; der Briefpapierständer; die Akten vieler Patienten; die Phänomene des Lebens, von Krankheit, von Gefühlen, von körperlichem und geistigem Verhalten; die Ruhe der Entspannung; die Notwendigkeit, für die eigenen Bedürfnisse zu sorgen; die Notwendigkeit, auf die eigene Anspannung zu achten, während man den Schreibtisch anschaut oder den Briefbeschwerer oder den Aktenschrank; das Wohlbehagen beim Rückzug von der Umgebung; Müdigkeit und ihre Entstehung; der unveränderliche Charakter des Schreibtischs; die Monotonie des Aktenschranks; die Notwendigkeit, sich auszuruhen; die Wohltat, die darin liegt, die Augen zu schließen; das entspannende Gefühl, tief einzuatmen; die Wonne passiven Lernens; die Fähigkeit des Unbewußten, intellektuell zu lernen....
Nominalisierung erfolgt, wenn Prozeßworte der Tiefenstruktur in Substantive der Oberflächenstruktur verwandelt werden. Der Hypnotiseur verwendet die Nominalisierung eines Prozeßwortes als Instrument, um die sprachlichen Prozesse der dominanten Hemisphäre durch die komplexe Kodierung, die sie voraussetzen, zu überla-
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sten. Tilgungen müssen wiedergewonnen werden, und oft entsteht Mehrdeutigkeit. Nehmen Sie zum Beispiel die folgende Oberflächenstruktur: Die Befriedigung, die in der Gewißheit liegt, daß Sie lernen können. Hier ist der Bezugsindex dafür getilgt, um wessen Befriedigung es sich handelt; die Suche nach der vollständigen Bedeutung setzt voraus, daß die folgenden Bedeutungen aus anderen Quellen zugänglich gemacht werden: X befriedigt Y indem Y weiß, daß Z (in der Oberflächenstruktur nominalisiert) Nominalisierungen erlauben es dem Klienten, aus seinem eigenen Weltmodell die Bedeutungen zu aktivieren, die am besten seinen Zielen und Bedürfnissen gerecht werden, und dienen gleichzeitig dazu, die dominante Hemisphäre zu überlasten. Nominalisierungen werden es dem Hypnotiseur auch erlauben, den Klienten besser zu pacen, indem Wortverbindungen verwendet werden, die von sich aus sehr unspezifisch sind und vom Klienten verlangen, die Bedeutungen und Spezifizierungen einzufügen.
Selektionsbeschränkungen Hierbei handelt es sich um die Klasse von Oberflächenstrukturen, die allgemein Metaphern genannt werden. Es sind Verletzungen der wohlgeformten Bedeutung, so wie ein Muttersprachler sie verstehen würde. Die folgenden Oberflächenstrukturen z.B.: Der Mann trank den Felsen Die Blume war wütend Der glückliche Stuhl sang ein Liebeslied stellen Verletzungen von Selektionsbeschränkungen dar. Trinken impliziert das Konsumieren einer Flüssigkeit; Felsen sind ihrer Definition nach nicht flüssig. Wut ist eine Reaktion, die nur lebendige Wesen zeigen können - Blumen gehören nicht in diese Kategorie. Daher liegt auch hier die Verletzung einer Selektionsbeschränkung vor. Glück ist eine Reaktion, die nur Lebewesen zeigen können. Stühlen fehlt diese Eigenschaft; sie gehören nicht zu der Klasse von Lebewesen, die Lieder singen können. Die Verletzung von Selektionsbeschränkungen in normalen Unterhaltungen erfordert,
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daß eine transderivationale Suche durchgeführt wird, um Zugang zu einem wohlgeformten Bezugsindex zu finden, so wie in dem Beispiel im ersten Teil dieses Bandes, als Erickson Joe erzählte, daß eine Tomatenpflanze sich entspannt und wohl fühlen könne. Die Wohlgeformtheit einer Bedeutung setzt eine Substantivgruppe voraus, in der ein Lebewesen vorkommt, das sich entspannt und wohl fühlen kann. Hierin liegt die Kraft von Metaphern, Märchen und Fabeln. Es ist auch der Prozeß, der wirksam ist, wenn Erickson Geschichten über eine Tomatenpflanze oder einen Traktor erzählt: ... Und dieser Briefbeschwerer; der Aktenschrank; Ihr Fuß auf dem Teppich; das Deckenlicht; die Vorhänge; Ihre rechte Hand auf der Stuhllehne; die Bilder an der Wand; der sich verändernde Fokus Ihrer Augen, wenn Sie sich umschauen; das Interesse der Büchertitel; die Anspannung in Ihren Schultern; das Gefühl des Stuhls; die störenden Geräusche und Gedanken; das Gewicht der Hände und Füße; Gewicht der Probleme, Gewicht des Schreibtische; der Briefpapierständer; die Akten vieler Patienten; die Phänomene des Lebens, von Krankheit, von Gefühlen, von körperlichem und geistigem Verhalten; die Ruhe der Entspannung; die Notwendigkeit, für die eigenen Bedürfnisse zu sorgen; die Notwendigkeit, auf die eigene Anspannung zu achten, während man den Schreibtisch anschaut oder den Briefbeschwerer oder den Aktenschrank; das Wohlbehagen beim Rückzug von der Umgebung; Müdigkeit und ihre Entstehung; der unveränderliche Charakter des Schreibtischs; die Monotonie des Aktenschranks; die Notwendigkeit, sich auszuruhen; die Wohltat, die darin liegt, die Augen zu schließen; das entspannende Gefühl, tief einzuatmen; die Wonne passiven Lernens; die Fähigkeit des Unbewußten, intellektuell zu lernen. ...
Mehrdeutigkeit (Ambiguität) Jeder Muttersprachler hat die Fähigkeit, in seiner Muttersprache bestimmte Muster zu erkennen. Eines der Muster, das wir erkennen können, ist das der Mehrdeutigkeit. Mehrdeutigkeit ist der Name des Musters, in dem ein einzelner Satz mehr als einen distinkten Prozeß in der Welt der Erfahrung des Zuhörers verbal repräsentiert. Wie wir in Struktur der Magie I gesagt haben, liegt Mehrdeutigkeit vor, wenn ein Satz mehr als eine Bedeutung hat und folgendermaßen repräsentiert ist (s. S. 174): Im Meta-Modell ist Mehrdeutigkeit der Fall, wenn mehr als eine Tiefenstruktur durch Transformationen mit derselben Oberflächenstruktur verbunden ist.
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Spezifisches Beispiel: Tiefenstruktur 1 Ermittlungen, die von FBI-Agenten durchgeführt werden, können für jemanden gefährlich sein.
Tiefenstruktur 2 Ermittlungen an FBI-Agenten durchzuführen, kann für jemanden gefährlich sein.
Oberflächenstruktur: Ermittlungen von FBI-Agenten können gefährlich sein. Fast jeder Satz hat mehr als eine mögliche Interpretation. Doch im alltäglichen Gebrauch scheinen wir jeden Satz jeweils nur auf eine Weise zu verstehen. Wir haben bereits einige der psychologischen Mechanismen dargestellt, die wir verwenden, um Sätze zu verstehen, doch es ist nicht festgelegt, wie oft wir diese Prozesse auf einen einzelnen Sprachstimulus anwenden, der mehr als eine mögliche Interpretation hat. Einige neuere Experimente weisen darauf hin, daß wir viele Strukturen eines Satzes vorbewußt verarbeiten, daß wir uns aber nur jeweils einer Bedeutung gleichzeitig bewußt sind.
Mehrdeutige Wortfolgen - Schlußbemerkung Auch wenn jeder Satz eine gewisse Form der Mehrdeutigkeit enthält, geht fast jedem Satz im normalen Gebrauch ein Kontext voraus, der eine Interpretation wahrscheinlicher macht als andere. Die zuvor genannten Untersuchungen können daher eher als experimentelle Sonderfälle denn als normales Wahrnehmungsverhalten aufgefaßt werden. Ihre wichtigste Implikation für normale Wahrnehmungsgewohnheiten besteht darin, die Hypothese des vorangegangenen Abschnitts zu unterstreichen, daß wir während der Sprachwahrnehmung zwischen zwei Arten von Tätigkeiten hin- und herschwanken: Perioden des Stimulus-Inputs und der unbewußten Verarbeitung (während welcher potentielle Mehrdeutigkeiten eine Wirkung haben können) und Perioden
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der inneren Analyse und der bewußten Wahrnehmung der vorangegangenen Einheit (während welcher potentielle Mehrdeutigkeiten zugunsten einer Interpretation ignoriert werden). Wir haben in Ericksons Arbeiten vier Kategorien von Ambiguitäten identifiziert. Dabei handelt es sich um phonologische, syntaktische, Bereichs- und Interpunktionsambiguität2. Ein hervorragendes Beispiel einer phonologischen Mehrdeutigkeit findet sich in Ericksons Tranceinduktion für Huxley; insbesondere die Wortverbindung: ... a part and apart...
Wie wir in dem Kommentar bemerkt haben, ist die Wortverbindung zwar eindeutig, wenn sie visuell dargeboten wird, doch vollkommen mehrdeutig, wenn sie auditiv dargeboten wird. Die folgende Liste enthält weitere phonologische Ambiguitäten: light (Farbe und Gewicht) knows/nose here/hear read/red ... Und dieser Briefbeschwerer; der Aktenschrank; Ihr Fuß auf dem Teppich; das Deckenlicht; die Vorhänge; Ihre rechte Hand auf der Stuhllehne; die Bilder an der Wand; der sich verändernde Fokus Ihrer Augen, wenn Sie sich umschauen; das Interesse der Büchertitel; die Anspannung in Ihren Schultern; das Gefühl des Stuhls; die störenden Geräusche und Gedanken; das Gewicht der Hände und Füße; Gewicht der Probleme, Gewicht des Schreibtischs; der Briefpapierständer; die Akten vieler Patienten; die Phänomene des Lebens, von Krankheit, von Gefühlen, von körperlichem und geistigem Verhalten; die Ruhe der Entspannung; die Notwendigkeit, für die eigenen Bedürfnisse zu sorgen; die Notwendigkeit, auf die eigene Anspannung zu achten, während man den Schreibtisch anschaut oder den Briefbeschwerer oder den Aktenschrank; das Wohlbehagen beim Rückzug von der Umgebung; Müdigkeit und ihre Entstehung; der unveränderliche Charakter des Schreibtischs; die Monotonie des Aktenschranks; die Notwendigkeit, sich auszuruhen; die Wohltat, die darin liegt, die Augen zu schließen; das entspannende Gefühl, tief einzuatmen; die Wonne passiven Lernens; die Fähigkeit des Unbewußten, intellektuell zu lernen. ...
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Weight (Gewicht, [Brief]beschwerer) wird doppeldeutig, wenn es ausgesprochen wird. Ist es weight oder wait? Watt (warten) ist auch eine wirksame Botschaft für diesen Patienten, der Schwierigkeiten hat, sich zu konzentrieren. Eine sehr reiche Quelle sprachlicher Mehrdeutigkeiten sind Wortpaare, die im Hinblick auf ihre syntaktische Kategorie uneindeutig sind. Viele Verben/nominalisierte Verben haben dieses Merkmal: lift pull point touch
rest push nod move
talk shake hand feel
Jedes dieser Worte kann je nach Kontext entweder als Prädikat oder als Substantiv (genauer gesagt, als von diesem Prädikat abgeleitete Nominalisierung) fungieren. Wenn diese Worte in einer wohlgeformten Oberflächenstruktur im Englischen verwendet und z.B. analog markiert werden, um sie von dem sie umgebenden sprachlichen Kontext abzuheben, kann Erickson vollen Gebrauch von ihrer innewohnenden phonologischen Mehrdeutigkeit machen. Ein Beispiel für syntaktische Mehrdeutigkeit ist das im Kommentar zu dem HuxleyArtikel aufgeführte: Das Hypnotisieren von Hypnotiseuren kann folgenreich sein. ... Und dieser Briefbeschwerer; der Aktenschrank; Ihr Fuß auf dem Teppich; das Deckenlicht; die Vorhänge; Ihre rechte Hand auf der Stuhllehne; die Bilder an der Wand; der sich verändernde Fokus Ihrer Augen, wenn Sie sich umschauen; das Interesse der Büchertitel; die Anspannung in Ihren Schultern; das Gefühl des Stuhls (the feeling of the chair); die störenden Geräusche und Gedanken; das Gewicht der Hände und Füße; Gewicht der Probleme, Gewicht des Schreibtischs; der Briefpapierständer; die Akten vieler Patienten; die Phänomene des Lebens, von Krankheit, von Gefühlen, von körperlichem und geistigem Verhalten; die Ruhe der Entspannung; die Notwendigkeit, für die eigenen Bedürfnisse zu sorgen; die Notwendigkeit, auf die eigene Anspannung zu achten, während man den Schreibtisch anschaut oder den Briefbeschwerer oder den Aktenschrank; das Wohlbehagen beim Rückzug von der Umgebung; Müdigkeit und ihre Entstehung; der unveränderliche Charakter des Schreibtischs; die Monotonie des Aktenschranks; die Not-
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wendigkeit, sich auszuruhen; die Wohltat, die darin liegt, die Augen zu schließen; das entspannende Gefühl, tief einzuatmen; die Wonne passiven Lernens; die Fähigkeit des Unbewußten, intellektuell zu lernen. ...
Bereichsambiguität ist eine Art der Mehrdeutigkeit, die in Sätzen und Wortverbindungen mit der folgenden Struktur vorkommt: die alten Männer und Frauen Die Mehrdeutigkeit liegt hier darin, ob das Adjektiv alt sich auf die gesamte Substantivgruppe Männer und Frauen oder nur auf die Substantivgruppe Männer bezieht. Mit anderen Worten, soll die Wortverbindung folgendermaßen verstanden werden: die Männer, die alt sind, und die Frauen, die alt sind, oder: die Männer, die alt sind, und die Frauen? ... Und dieser Briefbeschwerer; der Aktenschrank; Ihr Fuß auf dem Teppich; das Deckenlicht; die Vorhänge; Ihre rechte Hand auf der Stuhllehne; die Bilder an der Wand; der sich verändernde Fokus Ihrer Augen, wenn Sie sich umschauen; das Interesse der Büchertitel; die Anspannung in Ihren Schultern; das Gefühl des Stuhls; die störenden Geräusche und Gedanken; das Gewicht der Hände und Füße; Gewicht der Probleme, Gewicht des Schreibtischs; der Briefpapierständer; die Akten vieler Patienten; die Phänomene des Lebens, von Krankheit, von Gefühlen, von körperlichem und geistigem Verhalten; die Ruhe der Entspannung; die Notwendigkeit, für die eigenen Bedürfnisse zu sorgen; die Notwendigkeit, auf die eigene Anspannung zu achten, während man den Schreibtisch anschaut oder den Briefbeschwerer oder den Aktenschrank; das Wohlbehagen beim Rückzug von der Umgebung; Müdigkeit und ihre Entstehung; der unveränderliche Charakter des Schreibtischs; die Monotonie des Aktenschranks; die Notwendigkeit, sich auszuruhen; die Wohltat, die darin liegt, die Augen zu schließen; das entspannende Gefühl, tief einzuatmen; die Wonne passiven Lernens; die Fähigkeit des Unbewußten, intellektuell zu lernen. ...
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Diese Bereichsambiguität tritt in Ericksons Arbeit häufig und sehr wirkungsvoll auf, wenn mehrere Sätze unter einem faktiven Verb eingebettet sind. Erickson sagt z.B.: ... wie bald werden Sie vollständig erkennen, daß Sie hier bequem sitzen, den Klang meiner Stimme hören (,) und in eine tiefe Trance gehen, gerade nur so schnell, wie Ihr Unbewußtes das will...
Hier besteht die Mehrdeutigkeit darin, ob der Teil von Ericksons Kommunikation, der nach dem Wort und erfolgt, ein Teil des Satzes ist, der mit dem Verb erkennen beginnt. Wenn ja, dann ist die Wahrheit des Satzes vorausgesetzt. Wenn nicht, dann ist es einfach ein unabhängiger Satz, den der Klient in Frage stellen könnte. Prädikate wie erkennen implizieren, daß alles, was in dem Satz, der auf sie folgt, als wahr vorausgesetzt ist, damit die betreffende Kommunikation sinnvoll ist. Wenn ich Ihnen z.B. sage: Sind Sie sich bewußt, daß Sie auf meinem Hut sitzen? setze ich voraus, daß Sie auf meinem Hut sitzen, und frage lediglich, ob Sie sich dessen bewußt sind. Sowohl eine Ja- wie eine Nein-Antwort Ihrerseits bestätigt, daß der Teil des Satzes, der auf das faktive Prädikat bewußt folgt, wahr ist. Wenn Erickson daher Bereichsambiguität mit einem faktischen Verb gebraucht, überläßt er es dem Klienten, sich mit der Frage zu befassen (nicht unbedingt auf bewußter Ebene - vorzugsweise sogar auf nicht-bewußter Ebene), ob sein In-Tieftrance-Gehen eine Tatsache ist, die durch die Kommunikation vorausgesetzt ist oder nicht - ein hervorragendes Thema, um die dominante Hemisphäre des Klienten zu beschäftigen. Die vierte Art der Mehrdeutigkeit, die wir als ein häufiges Muster in Erickons Arbeit wiederfinden, ist die Interpunktionsambiguität. Erickson sagt z.B.: ... / notice that you are wearing a watch carefully what I am doing ...
Diese Wortsequenz stellt keinen wohlgeformten Satz dar. Wir spalten den Satz in zwei Sequenzen auf, von denen jede einen wohlgeformten Satz im Englischen darstellt.: ... I notice that you are wearing a watch... und ... watch carefully what I am doing...
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Erickson nutzt hier die Mehrdeutigkeit des Wortes watch, das sowohl als Substantiv wie als Verb in der Oberflächenstruktur im Englischen auftreten kann. Erickson hat im wesentlichen zwei wohlgeformte Oberflächenstrukturen des Englischen überlappt. Der Zuhörer hat bis zum Wort carefully den ersten Teil dieses wohlgeformten Satzes verarbeitet und die Bedeutung der Tiefenstruktur geborgen; doch wenn er zu dem Wort carefully gelangt, versagen seine normalen Verarbeitungsstrategien. Wenn er den Rest der Kommunikation von Erickson erhält, probiert er andere Analysen aus und birgt vermutlich die zweite wohlgeformte Tiefenstruktur. Doch auch das löst nicht das Problem der Überlappung, und die normalen Verarbeitungsstrategien versagen. Wenn er annimmt, daß das Wort watch ein Substantiv ist, das zu dem ersten Teil der Kommunikation gehört, dann ergibt der zweite Teil keinen Sinn (d.h., er ist nicht in der Lage, eine Tiefenstruktur dafür zu finden). Wenn er annimmt, daß das Wort watch ein Verb ist und zu dem zweiten Teil der Kommunikation gehört, dann kann er keine Tiefenstruktur für den ersten Teil dieser Kommunikation finden. In diesem Sinne gibt es keine befriedigende Lösung für die Interpunktionsambiguität mit Überlappung. Die Ambiguität besteht hier darin, welcher Wortsequenz der Klient das phonologisch uneindeutige Schlüsselwort (in diesem Beispiel watch) zuschreiben wird. Dieses Phänomen könnte genausogut als Spezialfall einer ungrammatikalischen Tilgung aufgefaßt werden. Unabhängig davon, welche Charakterisierung Sie für das Organisieren Ihrer diesbezüglichen Erfahrung vorziehen, ist es eine sehr wirkungsvolle Technik zur Ablenkung der dominanten Hemisphäre. Diese vier Arten der Mehrdeutigkeit haben die Gemeinsamkeit, daß sie jeweils eine einzige Repräsentation von mehr als einer Bedeutung oder Tiefenstruktur darstellen. In jedem Fall steht der Klient vor der Aufgabe, eine Bedeutung aus der Reihe möglicher Tiefenstrukturen auszuwählen, die durch jeweils eine Oberflächenstruktur repräsentiert werden. Um das zu erreichen, muß der Zuhörer eine Reihe von Tiefenstrukturen generieren und Entscheidungen darüber treffen, welche dieser Tiefenstrukturen er als die von dem Hypnotiseur beabsichtigte Bedeutung der Kommunikation akzeptieren soll. Das wiederum setzt eine transderivationale Suche nach der angemessensten Bedeutung voraus, die durch diese Oberflächenstruktur repräsentiert sein könnte. Mehrdeutigkeit hat somit im Kontext der Hypnose einen positiven Wert, denn der Klient wird, wenn er eine Reihe von Tiefenstrukturen generiert und unter diesen transderivational nach der angemessensten Bedeutung sucht: 1. 2.
zum aktiven Teilnehmer des hypnotischen Prozesses werden, eine Tiefenstruktur wählen, die eine für ihn passende Bedeutung repräsentiert, wodurch ein zufriedenstellendes Pacing gewährleistet ist,
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3.
seine normalen sprachlichen Verarbeitungsprozesse für eine transderivationale Suche nach Bedeutung verwenden.
Untergeordnete Konstruktionen Die zwei folgenden Kategorien von Oberflächenstrukturen - eingebettete Fragen und eingebettete Befehle - enthalten in sich eine andere, untergeordnete Konstruktion. Sie können eine wertvolle Ressource sein, um eingebettete Befehle zu erteilen und durch Utilisierung der Prozesse der dominanten Hemisphäre Reaktionspotential aufzubauen. Bei den zwei Arten untergeordneter Konstruktionen, die hier besprochen werden sollen, handelt es sich um eingebettete Befehle und eingebettete Fragen.
Eingebettete Fragen Eingebettete Fragen dienen dem Zweck, Reaktionspotential im Klienten aufzubauen, indem Fragen gestellt werden, ohne daß eine offene Antwort des Klienten zugelassen wird. Sie sind sehr oft eine Präsupposition eines anderen Befehls und dienen dazu, die dominante Hemisphäre abzulenken, indem diese dazu veranlaßt wird, den inneren Dialog zu utilisieren, um Fragen zu beantworten oder um zu versuchen, sie zu beantworten, oder sogar, um zu entscheiden, ob sie sie beantworten soll oder kann, ohne daß tatsächlich eine Frage gestellt worden ist. Einige Beispiele werden dieses Konzept verdeutlichen: Ich frage mich, ob Sie wissen, welche Hand sich zuerst heben wird. Ich möchte gerne wissen, ob Sie Ihr Knie im Dunkeln wirklich finden können. Ich weiß nicht, ob Sie bereits wissen, ob Sie in eine Trance gehen oder nicht. Ich frage mich, was Sie davon halten, in Trance zu gehen. Ich bin sehr neugierig zu erfahren, wann Sie das erste Mal entschieden haben, mich aufzusuchen, und was Sie wirklich für sich erreichen wollen. Alle oben aufgeführten Oberflächenstrukturen haben das gemeinsame Merkmal, daß sie eine Frage aufwerfen, ohne den Klienten zu einer offenen Antwort aufzufordern. Das kann am einfachsten erreicht werden, indem die Frage in den Rahmen einer Aussage gestellt wird, wie in dem folgenden Beispiel:
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X (Frageverb) ob Y (weiß) (Frage). Ich bin neugierig, ob Sie wissen, welche Ihrer Hände sich zuerst heben wird. X kann sowohl der Sprecher wie auch jede andere Person sein; Beispiel: John fragt sich, ob Sie wissen, welche Ihrer Hände sich zuerst heben wird. (weiß) kann eine Wortverbindung sein wie z.B. sich wundern, neugierig sein, nicht wissen usw., "ob" kann jedes beliebige Konditional sein, oder es kann ein Fragewort sein, wie z.B. über, wie, was, wann, warum usw.: Ich frage mich, warum Sie hierhergekommen sind und ob Sie überhaupt wissen, warum. - wobei Frageverben alle Verben sind, die es erlauben, eine eingebettete Frage anzuschließen. Eingebettete Fragen sind am wirksamsten, wenn sie aufeinandergestapelt werden, um die dominante Hemisphäre maximal abzulenken. Das erlaubt es dem Hypnotiseur, auf diese eingebetteten Fragen einen klaren Befehl folgen zu lassen und auf diese Weise das Reaktionspotential zu nutzen, das er in dem Klienten aufgebaut hat, z.B.: Ich frage mich, ob Sie in Trance gehen wollen, und ich bin sogar noch neugieriger darauf, zu erfahren, ob Sie bereits glauben oder nicht, daß Sie es können, ich weiß nicht, ob Sie wissen, wie schnell Sie Ihre Augen schließen werden; ich weiß sogar nicht einmal, ob Sie überhaupt etwas über Trance wissen. Ich denke also darüber nach und bin sehr neugierig, zu erfahren, ob Sie überhaupt wissen, wie Sie sich vollkommen entspannen können.
Eingebettete Befehle Eingebettete Befehle dienen dazu, dem Klienten indirekt Suggestionen zu geben und es ihm dadurch zu erschweren, sich diesen Suggestionen zu widersetzen. Sie stellen ein Muster von Oberflächenstrukturen dar, die anstatt von Fragen, wie im zuletzt besprochenen Muster, Befehle in sich enthalten. Beispiel: Kinder können sich, Fred, setzen und entspannen.
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Ich kann z.B., Fred, tief atmen, während ich mit Ihnen spreche, und Sie würden sich nichts dabei denken, oder? Die meisten Klienten müssen sich, Fred, tief in den Sessel einsinken lassen, um sich zu entspannen. Pflanzen können sich, Fred, wohl fühlen und entspannen. Diese vier Oberflächenstrukturen stellen eine Art eingebetteter Befehle dar. Sie werden konstruiert, indem der Name des Klienten an einen der folgenden Modaloperatoren angehängt wird: kann, könnte, möchte, muß, ist in der Lage Das ist eine zureichende, aber nicht notwendige Bedingung für eingebettete Befehle3. Sie können auch gebildet werden, indem die Infinitivform von Prädikaten verwendet wird, wie z.B.: sehen, fühlen, bewegen Viele Menschen wollen klar sehen, was ich meine. Form eingebetteter Befehle: Viele Menschen wollen, Fred, klar sehen ... Ich möchte, daß Sie, Fred, sich entspannen. Meine Mutter sagt mir oft, Fred, atme tief und langsam. Eingebettete Befehle können auch durch direkte und indirekte Zitate gegeben werden. Das ist eine von Ericksons bevorzugten und am häufigsten verwendeten Methoden, um indirekte Befehle zu geben. Er tut das, indem er einen Befehl in den Kontext eines direkten oder indirekten Zitates aus einer anderen Zeit, einem anderen Ort oder einer anderen Situation gibt. Zum Beispiel: Ich hatte mal einen Patienten, der mir immer sagte: Entspann dich. Diese Form ist am wirksamsten, wenn sie auch analog markiert wird, indem der Befehl besonders betont wird und man dem Gesprächspartner direkt in die Augen sieht (falls seine Augen offen sind).
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Indirekter eingebetteter Befehl Meine Freunde sagen mir immer, ich soll mich wohl fühlen und locker sein, wenn wir ausgehen.
Direkter eingebetteter Befehl Ich hatte mal einen Patienten, der mir immer sagte: "Milton, kratz dich an der Nase!" Es machte nie viel Sinn, aber er sagte mir immer wieder: " Tu es jetzt!" Ein anderes Beispiel: Es ist so schwer, die Bedeutung zu verstehen; was bedeutet es, wenn jemand sagt: "Bewege dich nicht" oder: "Rede nicht"? Was meint er damit, wenn er sagt: "Schließe JETZT die Augen!" Was meint er, wenn er sagt: "Zähle in Gedanken rückwärts von 20 bis 1!" Alle oben beschriebenen untergeordneten Konstruktionen, sowohl Fragen wie Befehle, stellen wertvolle Instrumente für den Hypnotiseur dar, um indirekt Suggestionen zu geben und gleichzeitig die dominante Hemisphäre abzulenken und zu utilisieren. Das Einbetten von Fragen oder Befehlen erfolgt ganz einfach, indem eine Frage oder ein Befehl in eine umfassendere Oberflächenstruktur eingefügt wird, die lediglich zur Tarnung dient. Der bisher vorgestellte Stil zeigt den grammatikalischen Zugang, doch die Wirkung ist die gleiche, wenn die Einbettung nicht grammatikalisch ist. Das dient dazu, die dominante Hemisphäre noch stärker abzulenken und zu überlasten. Beachten Sie z.B. die folgende Kombination aller untergeordneter Strukturen, sowohl grammatikalischer wie ungrammatikalischer: Ich frage mich, ob Sie wissen oder nicht, daß Sie sich wohl fühlen und entspannt fühlen können, nun, ich hatte mal einen Freund, der mir immer sagte: "Du kannst alles lernen, wenn du dir nur die Gelegenheit dazu gibst, dich zu entspannen, und ich frage mich, ob Sie wissen, ob Sie sich, Fred, entspannen können, und ich bin sehr neugierig, zu erfahren, ob Sie wirklich verstanden haben, daß Sie, Fred, lernen können und lernen werden, jetzt. Und ich wünsche mir auch, obwohl ich nicht weiß, ob Sie es schon wissen wollen oder nicht, daß Sie, Fred, es genießen können, die Augen zu schließen und die Ruhe jetzt zu genießen.
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Abgeleitete Bedeutungen Wenn wir natürliche Sprachsysteme für unsere Kommunikation verwenden, setzen wir die Fähigkeit des Zuhörers voraus, unsere Oberflächenstruktur zu hören und aus den Klangsequenzen Bedeutung zu dekodieren. In anderen Worten, wir setzen die Fähigkeit des Zuhörers voraus, aus der Oberflächenstruktur, die wir ihm anbieten, die Tiefenstrukturrepräsentation wiederzugewinnen. Über das Wiedergewinnen dieser Tiefenstruktur aus einer Oberflächenstruktur hinaus setzen wir oft bestimmte zusätzliche Fähigkeiten in der Art und Weise voraus, in der der Zuhörer aus dem, was wir ihm anbieten, Bedeutung schaffen wird. Wir beziehen uns hier z.B. auf die Fähigkeit des Muttersprachlers, einen Kontext zu schaffen, in dem der von uns angebotene Satz einen pragmatischen Wert haben könnte. Erickson nutzt in seiner Arbeit zwei Mechanismen, durch die zusätzliche oder abgeleitete Bedeutung geschaffen wird. Dabei handelt es sich um Präsuppositionen und konversationelle Postulate. Wir haben Präsuppositionen in Struktur der Magie 1 als eine der Meta-Modell-Unterscheidungen vorgestellt (Kapitel 3 und 4). In neueren Forschungen auf dem Gebiet der Linguistik haben die Transformationalisten mit der Untersuchung der Bedeutung von Präsuppositionen in natürlichen Sprachen begonnen. Bestimmte Sätze implizieren, daß bestimmte andere Sätze wahr sein müssen, damit sie einen Sinn ergeben. Zum Beispiel, wenn ich Sie sagen höre: Auf dem Tisch ist eine Katze kann ich entscheiden, ob ich glauben will, daß eine Katze auf dem Tisch ist oder nicht, und in beiden Fällen kann ich aus dem, was Sie sagen, einen Sinn heraushören. Wenn ich Sie aber sagen höre: Sam stellte fest, daß auf dem Tisch eine Katze ist muß ich annehmen, daß tatsächlich eine Katze auf dem Tisch ist, um dem, was Sie sagen, einen Sinn beimessen zu können. Dieser Unterschied wird klarer, wenn ich das negative Element nicht in den Satz einführe. Sam stellte nicht fest, daß auf dem Tisch eine Katze ist
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Dies zeigt, daß, wenn man den Satz, der das Gegenteil bedeutet, ausspricht (der verneint, was der erste als wahr angibt), man immer noch annehmen muß, daß auf dem Tisch eine Katze ist, damit der Satz einen Sinn ergibt. Einen Satz, der wahr sein muß, damit ein zweiter Satz einen Sinn ergibt, nennt man Präsupposition des zweiten Satzes. Der Wert des geschickten Gebrauchs von Präsuppositionen im Kontext der Hypnose besteht darin, daß der Gebrauch von Präsuppositionen es dem Hypnotiseur erlaubt, ein Modell des fortlaufenden Prozesses zu bilden. Da Präsuppositionen dem Klienten keine unmittelbare Frage stellen, sind sie sehr schwer durch ihn in Frage zu stellen. Der Klient akzeptiert daher die Präsuppositionen des Hypnotiseurs, und der Prozeß geht weiter. Erickson sagt z.B.: Ich weiß noch nicht, ob es Ihre rechte Hand oder Ihre linke Hand oder die rechte und linke Hand sein wird, die Ihr Unbewußtes langsam nach oben zu Ihrem Gesicht steigen lassen wird ...
Hier geht es um die Frage, welche Hand, und darum, ob es eine Hand oder beide Hände sein werden, nicht mehr darum, ob der Klient mit Handlevitation reagieren wird. Hier wieder Erickson: Wenn ich Sie aus der Trance zurückbringe, werden Sie Ihre hervorragende Fähigkeit voll würdigen können, schnell von Ihrem Unbewußten zu lernen.
Hier geht es darum, daß die Klientin ihre Fähigkeit voll würdigt, nicht darum, ob sie sie überhaupt würdigen wird oder ob sie in einer Trance war (was durch Wenn ich Sie aus der Trance zurückbringe vorausgesetzt ist) oder ob sie von ihrem Unbewußten gelernt hat oder lernen kann. Bei den zuletzt genannten Präsuppositionen handelt es sich um Hintergrundannahmen, die der Klient entwickeln und akzeptieren muß, damit die Kommunikation überhaupt sinnvoll ist. Die Art und Weise, wie Erickson immer wieder Präsuppositionen benutzt, um dem Klienten dabei zu helfen, in eine tiefe Trance zu gehen und Tieftrancephänomene zu erlernen, demonstriert die Wirksamkeit dieser Technik. ... Wenn Sie aufstehen und Ihren Sessel zur anderen Seite dieses Tisches schieben, wird Ihr Unbewußtes Ihnen eine Fülle wertvoller Informationen mitteilen. Vielleicht wird Ihr Unbewußtes dafür sogar länger brauchen als fünf
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oder zehn Minuten, oder vielleicht wird es auch nicht vor der nächsten Stunde geschehen. ...
Auch hier gilt wieder das gleiche: Da die Präsuppositionen eines Satzes nicht Teil seiner Tiefenstruktur sind, verwickelt der Gebrauch von Präsuppositionen den Klienten als aktiven Teilnehmer in den Prozeß der Bedeutungsherstellung (in diesem Fall, abgeleitete Bedeutung) und entzieht die Präsuppositionen der Aussage der Infragestellung durch den Klienten. Die zweite Art abgeleiteter Bedeutungen, die Erickson verwendet, werden konversationeile Postulate genannt. Wie im Fall der Präsuppositionen ist die Bedeutung, die durch konversationeile Postulate repräsentiert wird, abgeleitet - sie ist nicht Teil der Tiefenstruktur, die der Klient entschlüsselt, sondern setzt weitere Verarbeitung voraus. Wenn ich z.B. zu Ihnen sage: Können Sie den Müll raustragen? erfordert die tatsächliche Tiefenstruktur lediglich eine Ja- oder Nein-Antwort. In der Regel werden Sie aber so reagieren, daß Sie den Müll raustragen. Mit anderen Worten, auch wenn ich eine Oberflächenstruktur verwende, deren entsprechende Tiefenstruktur eine Ja/Nein-Frage ist, reagieren Sie darauf so, als handele es sich um einen Befehl. Im Anhang am Ende dieses Buches werden wir Ihnen zeigen, wie Sie mit Hilfe dieser konversationellen Postulate Beispiele bilden können, die es ihnen erlauben, die Wirkung zu erreichen, die Sie als Hypnotiseur wünschen. Für unsere Zwecke hier genügt es, darauf hinzuweisen, daß Erickson, wenn er sich dafür entscheidet, den Mechanismus der konversationellen Postulate zu wählen, um eine Reaktion von seinem Klienten zu bekommen, in Übereinstimmung mit seinen erklärten Richtlinien vorgeht. Genauer: Indem er konversationelle Postulate verwendet, vermeidet er es, Befehle zu geben, und erlaubt es dem Klienten dadurch gleichzeitig, zu entscheiden, ob er reagieren will oder nicht, und vermeidet so eine autoritäre Beziehung zwischen sich und dem Klienten. Wenn die Klientin sich daher entscheidet, auf den Satz ... Können Sie Ihrer Hand erlauben, sich zu heben ...
so zu reagieren, daß sie ihrer Hand erlaubt, sich zu heben, nimmt sie aktiv an dem Prozeß der Tranceinduktion teil und verwendet konversationeile Postulate, um die abgeleitete Bedeutung der Ja/Nein-Oberflächenstruktur zu verstehen - ein zusätzlicher Akt der Verarbeitung neben dem Wiedergewinnen der Tiefenstruktur. Wenn sie nicht
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reagiert, wird der Prozeß der Tranceinduktion nicht unterbrochen, da kein Befehl erteilt wurde; es wurde lediglich eine Frage gestellt, die keine Reaktion erforderte. Die Ja/Nein-Frageform der Kommunikation wirkt auf die gleiche Weise. Erickson kann z.B. sagen: Sie brauchen sich nicht zu bewegen oder Sie brauchen Ihre Augen nicht geschlossen zu halten oder Es ist möglich für Sie, noch tiefer in Trance zu gehen.
Wenn der Klient sich bereits bewegt, wenn Erickson den ersten Satz sagt, dann ist die Wirkung der Kommunikation der Befehl Bewegen Sie sich nicht! Wenn der Klient sich nicht bewegte, ist die Aussage eine wirksame Pacing-Technik. Wenn die Augen des Klienten geschlossen sind, wenn Erickson den zweiten Satz sagt, dann besteht die Wirkung darin, daß der Klient damit reagiert, seine Augen zu öffnen. Wenn der Klient schließlich Erickson den dritten Satz sagen hört, hat das die Wirkung des Befehls Gehen Sie noch tiefer in Trance! Wir werden eine formale Darstellung dieser Phänomene im dritten Teil vorstellen.
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Hypnose besteht im wesentlichen darin, dem Patienten Ideen und Einsichten in einer Weise zu kommunizieren, die ihn den mitgeteilten Ideen gegenüber besonders empfänglich macht und ihn deshalb dazu motivieren wird, sein eigenes Körperpotential zu erforschen, um seine psychologischen und physiologischen Reaktions- und Verhaltensweisen zu kontrollieren. - Milton H. Erickson 1967
Milton Erickson ist es gelungen, eine Reihe sehr wirksamer Techniken zu entwickeln, um Zugang zu der nichtdominanten Hemisphäre eines Menschen zu gewinnen und mit ihr zu kommunizieren. Seine Fertigkeiten erlauben es ihm, die Ressourcen der Person, mit der er kommuniziert, wachzurufen. In seiner hypnotischen Arbeit macht Erickson ausgiebigen Gebrauch von der Unterscheidung zwischen den bewußten und den unbewußten Teilen des Klienten. Erickson erhielt seine medizinische und psychiatrische Ausbildung in den zu seiner Zeit üblichen Ausbildungsstätten; er wurde in der psychoanalytischen Tradition ausgebildet, aus der er die Begriffe bewußt und unbewußt übernahm. In seinen eigenen Schriften verwendet er diese Begriffe auf vielfältige Weise. In seinem Artikel Hypnotic Psychotherapy, 1948, schreibt er: Was den Trancezustand selbst betrifft, so sollte er als ein besonderer, einzigartiger, aber vollkommen normaler psychologischer Zustand aufgefaßt werden ... Aus Gründen der begrifflichen Bequemlichkeit ist dieser besondere Zustand oder diese Bewußtheitsstufe als unbewußt oder unterbewußt bezeichnet worden.
In seinem Artikel Untersuchung einer speziellen Amnesie (The Investigation of a Specific Amnesia), 1967, S. 159, schreibt Erickson: Während sich die Versuchsperson in einem Zustand tiefen, hypnotischen Schlafs befand, wurde ihr die Suggestion gegeben, daß sie die gewünschte Information indirekt enthüllen könne, ohne bewußt oder unterbewußt zu
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erkennen, was sie tat. Sie wurde zu diesem Zweck aufgefordert, weiter in einem Zustand tiefer Hypnose zu bleiben und dadurch ihr Bewußtsein von einem Zustand der Stille zu dissoziieren und es in diesem Zustand zu lassen. Gleichzeitig sollte sie den Autor mit ihrem Unterbewußten in ein lebhaftes Gespräch verwickeln. Während sowohl ihr Bewußtsein wie ihr Unterbewußtes auf diese Weise beschäftigt wären, würde als Reaktion auf die hypnotische Suggestion eine dritte Bewußtseinsebene aus den Tiefen ihres Geistes auftauchen und sich dadurch zu erkennen geben, daß sie ihre Hand führen und automatisch mit ihr schreiben würde, ohne daß sie es bewußt oder unterbewußt wahrnehmen würde.
Erickson bemerkt weiter in einer Fußnote zu diesem Teil des Artikels: Der Autor übernimmt keine Verantwortung für die Gültigkeit dieser Begriffe, und vermutlich erklärt der Trancezustand der Versuchsperson ihr Akzeptieren derselben, aber wie dem auch sei, sie erfüllten ihren Zweck.
Diese Auszüge unterstreichen eines der wichtigsten Merkmale in Ericksons komplexem Verhalten bei Hypnose und Therapie. Seine Bereitschaft, das Modell der Welt des Klienten zu akzeptieren, macht es ihm möglich, diesem bei der gewünschten Veränderung zu helfen. Das bedeutet, daß ich von dem Inhalt dessen, was jemand sagt, weniger abgelenkt werde. Viele Verhaltensmuster zeigen sich eher in der Art und Weise, wie jemand etwas sagt, als in dem, was er sagt.
Mit anderen Worten, Erickson achtet auf die Prinzipien der Modellbildung, die seine Klienten verwenden, um ihre jeweilige Realität zu schaffen. Zahlreiche Denker haben im Verlauf der Geschichte der Zivilisation diesen Punkt immer wieder herausgestellt - daß zwischen der Welt selbst und unserem Erleben der Welt ein nicht aufzulösender Unterschied besteht. Als menschliche Wesen wirken wir nicht direkt auf die Welt ein, sondern vermittels der Repräsentationen, die wir von ihr haben. Jeder von uns schafft eine Repräsentation der Welt, in der wir leben - d.h., wir schaffen eine Landkarte oder ein Modell, das wir verwenden, um unser Verhalten zu steuern. Die Landkarte oder das Modell, das wir schaffen, dient uns ab Repräsentation dafür, was möglich ist, was verfügbar ist, was die Struktur der Welt ist. Unsere Repräsentationen der Welt bestimmen in weitem Maße, wie unsere Erfahrung der Welt
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ist, wie wir die Welt wahrnehmen, welche Wahlmöglichkeiten uns in der Welt, in der wir leben, zur Verfügung stehen. Man muß sich hierbei daran erinnern, daß die ganze Vorstellungswelt in ihrer Gesamtheit [die Landkarte oder das Modell - R.B./J.G.] nicht die Bestimmung hat, ein Abbild der Wirklichkeit zu sein - es ist dies eine ganz unmögliche Aufgabe -, sondern ein Instrument, um sich leichter in derselben zu orientieren. - H. Vaihingen Die Philosophie des Als ob, S. 22 Keine zwei Menschen erleben die Welt auf die gleiche Weise. Das Modell der Welt, das wir zu unserer Orientierung schaffen, beruht zum Teil auf unseren Erfahrungen. Jeder von uns schafft daher ein anderes Modell der Welt, in der wir gemeinsam leben, und lebt somit in einer etwas anderen Wirklichkeit. ... wichtige Charakteristika von Karten sollten festgestellt werden. Eine Landkarte ist nicht das Gebiet, das sie darstellt, sondern hat, wenn sie genau ist, eine dem Gebiet ähnliche Struktur, worin ihre Nützlichkeit besteht... - A. Korzybski, Science and Sanity, Vierte Ausgabe, 1933, S. 58-60 Erickson erlaubt sich die gleiche Flexibilität bei der Schaffung seines Therapie- und Hypnosemodells. Diese Flexibilität hat es ihm ermöglicht, in seiner Arbeit Muster wahrzunehmen und wirksam einzusetzen, die sehr schnell und nachhaltig wirken. Unsere Absicht besteht darin, ein Modell für einen Teil von Ericksons Vorgehen zu bilden, das diese Muster auch anderen zur Verfügung stellen wird. Eine der besten Möglichkeiten, unsere Erfahrung im Kontext von Hypnose und Therapie zu organisieren und Ericksons Technik zu verstehen, besteht darin, uns klarzumachen, daß Ericksons Gebrauch der Begriffe bewußt und unbewußt sich (zumindest teilweise) auf die dominante und die nichtdominante Hemisphäre des menschlichen Gehirns bezieht. Wir behaupten nicht, daß Ericksons Gebrauch des Begriffs Unbewußtes sich immer und ausschließlich auf die nichtdominante Hemisphäre bezieht, doch daß ein Modell, das diesen Begriff auf diese Weise übersetzt, eine Richtlinie bietet, um Ericksons Techniken zu erlernen. Sobald der Klient z.B. eine zufriedenstellende Tieftrance erreicht hat, werden beide Hemisphären zugänglich gemacht und utilisiert, insbesondere bei einigen der komplexeren Tieftrancephänomene (z.B. positiven Halluzinationen). Wie bei jedem anderen Modell wird die Nützlichkeit der Übersetzung des Begriffs unbewußt in den Begriff nichtdominante Hemisphäre das Kriterium für seine Akzeptanz sein.
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Die nichtdominante Hemisphäre beim Menschen Wie wir in der Einleitung zum zweiten Teil angemerkt haben, weist die Forschung über die neurologische Organisation des Menschen (und insbesondere von Split-BrainPatienten) auf einige typische Unterschiede im Verhalten der beiden Gehirnhälften hin. Forscher haben vor allem Unterschiede in der Qualität, Geschwindigkeit und Präzision festgestellt, mit der die beiden Teile der Gehirnrinde auf verschiedene sensorische und repräsentationale Funktionen reagieren (siehe dazu Jerre Levys Artikel Psycho-Biological Implications of Bilateral Asymmetry). Für unsere Zwecke sind die folgenden Unterschiede besonders interessant: Funktionen der dominanten Hemisphäre volles Sprachsystem Tempo kontralaterale Körperseite
Funktionen der nichtdominanten Hemisphäre Visualisierung Melodie besondere Sprachformen kontralaterale Körperseite
Diese zwischen den beiden Gehirnhälften bestehende Asymmetrie wird auf interessante Weise bei gewöhnlichen, alltäglichen Aufgaben deutlich. Gardner (1975, S. 374) z.B. bemerkt: Kinsbournes Modell, in dem die Hemisphären um Kontrolle über die Aufmerksamkeitsmechanismen wetteifern, hat zu einer Reihe einfallsreicher Untersuchungen geführt, sowohl durch ihn selbst wie auch durch andere. Er hat z.B. entdeckt, daß die Fähigkeit, einen Holzpflock in einer Hand zu balancieren, während man dabei redet, zunimmt, wenn man den Pflock mit der linken Hand balanciert, und abnimmt, wenn man den Pflock mit der rechten Hand balanciert. Er erklärt das damit, daß Sprechen und Balancieren konkurrierende Tätigkeiten sind, die sich wegen des "spill-over"-Effekts gegenseitig behindern, wenn sie in verschiedenen Hemisphären erfolgen, und sich dann fördern und facilitieren. Die gleiche, komplementäre Nebenwirkung zeigt sich darin, daß die Fähigkeit der Versuchsperson, Elemente in der rechten Hälfte des Sehfeldes zu erkennen, zunimmt, wenn sie gleichzeitig spricht, selbst wenn es sich um unsinnige Formen handelt. Im Gegensatz dazu kommt es zu einer Verbesserung der Ergebnisse in der linken Hälfte des Sehfeldes, wenn der Patient Melodien (eine Funktion der rechten Hemisphäre) einstudiert.
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Diese fragmentarische Auflistung einiger zerebraler Asymmetrien des menschlichen Gehirns dient sowohl dazu, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie das Unbewußte im Kontext der Hypnose zugänglich gemacht werden kann, wie auch als wichtiges Organisationsprinzip im Kontext der Therapie, vor allem im Umgang mit Inkongruenzen (siehe Struktur der Magie I, Kapitel 6, und Struktur der Magie II, Zweiter Teil). Mit anderen Worten: Das Erkennen dieser Asymmetrien ermöglicht dem Therapeuten, der dem Klienten dabei hilft, in Trance zu gehen, systematische Wahlmöglichkeiten bezüglich der Art und Weise, wie er mit dem Unbewußten des Klienten kommunizieren will. In der Liste der Funktionen der nichtdominanten Hemisphäre haben wir den Punkt "besondere Sprachformen" aufgeführt. Dies verlangt nach einer Erklärung und erfordert einen kurzen Exkurs in die linguistische und psycholinguistische Forschung. Die Erklärung ist zweiteilig. Erstens: Menschliche Sprachsysteme sind bemerkenswert komplexe Systeme. Die Kompliziertheit der Musterbildung in menschlichen Sprachen übersteigt bisher die Fähigkeit der Linguisten, Modelle zu bilden, die alle diese Muster repräsentieren. Mit anderen Worten: Obwohl wir in unserem sprachlichen Verhalten vollkommen systematisch sind, ist es uns bisher nicht gelungen, dieses Verhalten zu beschreiben. Bisher hatten die Linguisten keinen Erfolg dabei, die Muster in Erfahrung zu bringen, aus denen unser Sprachsystem besteht, und doch lösen wir alle im Grunde ebendiese Aufgabe zwischen unserem zweiten und sechsten Lebensjahr. Nicht nur das: Obwohl die Sprachen der Welt äußerst verschieden klingen und verschieden aussehen, wenn sie in geschriebener Form visuell dargeboten werden, zeigt eine eingehendere Analyse ihrer Muster eine starke Ähnlichkeit in ihren Strukturen. Von allen logisch möglichen Formen, die die Muster (die Syntax) natürlicher Sprachen haben könnte, kommt tatsächlich nur eine relativ beschränkte Zahl von Mustern vor. Weitgehend unabhängig von der spezifischen Sprache, die sie lernen, scheinen Kinder mit der gleichen Geschwindigkeit und mit der gleichen Art von "Fehlem" zu lernen. Diese Überlegungen haben Linguisten und Psycholinguisten dazu geführt, das unter dem Begriff Universale Grammatik bekannte Modell zu formulieren, in dem angeborene (neurologische) sprachliche Unterscheidungen angenommen werden. Diese universellen Unterscheidungen gelten als Teil des genetisch spezifizierten Nervensystems, wie es jeder von uns von Geburt an hat. Das Vorhandensein dieser universellen Elemente in dem Modell hilft den Forschern dabei, zu verstehen, wie es möglich ist, daß verschiedene Sprachen solche auffälligen Ähnlichkeiten aufweisen und Kinder die äußerst komplexe Aufgabe des Spracherwerbs in so kurzer Zeit meistern können. Der zweite Teil der Erklärung betrifft die Tatsache, daß Kinder, die eine Sprache fließend sprechen und ein Gehirntrauma in ihrer Sprachhemisphäre erleiden, in der Regel stumm werden. Sie durchlaufen im Anschluß daran noch einmal die üblichen
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Phasen des Spracherwerbs und lernen wieder, die Sprache fließend zu sprechen. Dieses Muster ist von Forschern als Hinweis darauf interpretiert worden, daß beide Hemisphären die Fähigkeit haben, zu lernen und als vollwertiges linguistisches System zu funktionieren. Wenn aus irgendeinem Grund die dominante Hemisphäre daran gehindert ist, adäquat als Sprachzentrum zu funktionieren, wird die nichtdominante Hemisphäre diese Funktion übernehmen. Diese Äquipotentialität oder Plastizität des menschlichen Nervensystems stellt einen weiteren Hinweis auf das große, bisher unerforschte menschliche Potential dar. Die Berücksichtigung dieser beiden Tatsachen führt uns zu der Voraussage, daß die nichtdominante Hemisphäre gewisse Sprachfähigkeiten zeigen wird. Konkret sollten, als Minimalforderung, alle Unterscheidungen, die in dem Modell der Universalen Grammatik verfügbar sind, auch in der nichtdominanten Hemisphäre verfügbar sein. Diese Voraussage der Autoren wird durch verschiedene Forschungsergebnisse gestützt. Levy (1974, S. 174) z.B. gibt eine Beschreibung der Sprachfertigkeit beider Hemisphären: Da die rechte Hemisphäre von Commissurotomie-Patienten über ein gewisses Verständnis sowohl der gesprochenen Sprache wie auch geschriebener Substantive, Verben und Adjektive sowie eine minimale Kapazität für expressive Sprache zu verfügen scheint, stellt sich die Frage, welche Unterschiede zwischen den beiden Hemisphären den beachtlichen Unterschieden hinsichtlich ihrer linguistischen Fähigkeiten zugrunde liegen. Wenn die nichtdominante Hemisphäre nicht in der Lage wäre, gesprochene Sprache zu verstehen, sie aber erzeugen könnte, ließe sich postulieren, daß die Phonologie in der rechten Hemisphäre nicht vertreten ist, und man könnte die Sprachproduktion als Ergebnis einer direkten Übersetzung von einem semantischen in einen artikulatorischen Code interpretieren. Wenn die rechte Hemisphäre gesprochene Sprache verstehen, aber nicht produzieren könnte, könnte man das Fehlen eines artikulatorischen Codes postulieren. Doch wenn die rechte Hemisphäre, wenn auch in sehr begrenztem Maße, Sprache sowohl verstehen wie auch ausdrücken kann, wird eine Interpretation sehr viel schwieriger. Wir werden zu dem Thema der sprachlichen Kommunikation mit der nichtdominanten Hemisphäre in diesem Kapitel später noch einmal zurückkehren.
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Visuelles Zugänglichmachen (Accessing) Der Hypnotiseur steht vor der Aufgabe, dem Klienten dabei zu helfen, Zugang zu seiner unbewußten oder nichtdominanten Hemisphäre zu bekommen. Wie wir bereits ausgeführt haben, besteht diese Aufgabe aus zwei Teilen - dem Ablenken und gleichzeitigen Utilisieren der dominanten Hemisphäre sowie dem Zugänglichmachen der nichtdominanten Hemisphäre. Eine der direktesten und wirkungsvollsten Techniken, die Hypnotiseure bisher gefunden haben, um Zugang zur nichtdominanten Hemisphäre zu schaffen, besteht darin, den Klienten vor seinem inneren Auge visuelle Bilder herstellen zu lassen. Indem er den Klienten eine Aufgabe ausführen läßt, die die Fähigkeit des Visualisierens voraussetzt, erleichtert der Hypnotiseur den Kontrolltransfer von der dominanten zur nichtdominanten Hemisphäre. Subjektive Berichte einer großen Anzahl von Versuchspersonen stützen diese Befunde. Diese Berichte können folgendermaßen zusammengefaßt werden: ,Wenn ich auf das imaginäre Metronom höre, wird es schneller oder langsamer, lauter oder leiser, sobald ich beginne, in Trance zu gehen, und ich treibe einfach dahin. Das wirkliche Metronom bleibt auf störende Weise konstant und zieht mich immer wieder in die Wirklichkeit zurück, anstatt mich in eine Trance treiben zu lassen. Das imaginäre Metronom ist veränderbar und paßt sich immer meinem Denken und Fühlen an, aber bei dem wirklichen Metronom muß ich mich anpassen." In diesem Zusammenhang sollten auch Befunde aus der experimentellen und klinischen Arbeit erwähnt werden, die sich auf hypnotisch induzierte visuelle Halluzinationen beziehen. Eine Patientin z.B., die bezüglich ihrer persönlichen Identität sehr verwirrt war, wurde dazu aufgefordert, eine Reihe von Kristallkugeln zu visualisieren, in die hinein sie eine Serie bedeutender Lebenserfahrungen halluzinieren, objektive und subjektive Vergleiche anstellen und die Kontinuität ihres Lebens von einer halluzinierten Erfahrung zur nächsten verfolgen konnte. Bei einer wirklichen Kristallkugel waren die halluzinierten Erfahrungen in ihrem Ausmaß beschränkt und der Wechsel und das Überlagern von "Szenen" viel unbefriedigender. - Milton H. Erickson, 1967, S. 8 f. Uns ist in der Hypnose wie in der Therapie bei mehreren Klienten wiederholt ein Unterschied aufgefallen, den wir bereits im Kommentar zu dem Huxley-Artikel erwähnt haben, der Unterschied zwischen einem innerlich vorgestellten und einem
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innerlich gesehenen Bild. Wenn jemand sich ein Bild vorstellt, so ist das eine Aktivität, die in der dominanten Hemisphäre stattfindet - es ist im wesentlichen das Konstruieren eines visuellen Bildes, bei dem das Sprachsystem in der Konstruktion als Leitsystem verwendet wird. Die Bilder, die auf diese Weise geschaffen werden, sind typischerweise von minderer Qualität, unscharf und grau, und haben nur geringe Ähnlichkeit mit den Bildern, die der Klient mit offenen Augen erlebt. Der Vorgang, bei dem man ein Bild vor seinem inneren Auge sieht, ist offensichtlich eine Aktivität der nichtdominanten Hemisphäre. Die auf diese Weise entstandenen Bilder sind klar und scharf und haben starke Ähnlichkeit mit den Bildern, die der Klient mit offenen Augen sieht. Es bestehen große Unterschiede zwischen Klienten hinsichtlich ihrer Fähigkeit, Bilder vor ihrem inneren Auge zu sehen. Im allgemeinen werden Klienten, die das visuelle Repräsentationssystem bevorzugen, am besten auf diese Technik des visuellen Zugänglichmachens der nichtdominanten Hemisphäre reagieren. Der Hypnotiseur braucht den Klienten nur dazu aufzufordern, zu visualisieren, um den Prozeß der Tranceinduktion auf wirksame Weise beginnen zu lassen. Im Kontext der Therapie stellt die Fähigkeit des Therapeuten, das bevorzugte Repräsentationssystem des Klienten zu identifizieren und innerhalb dieses Repräsentationssystems auf ihn zu reagieren, eine seiner wirkungsvollsten Techniken dar: Diese zwei Fallberichte sind äußerst detailliert dargestellt worden, um das naturalistische hypnotische Vorgehen bei Kindern zu verdeutlichen. Es besteht nur selten, wenn überhaupt, ein Bedarf nach einer formalisierten oder ritualisierten Technik. Die eidetische Imagination des Kindes, seine Bereitschaft, seine Begierigkeit und sein echtes Bedürfnis, Neues zu lernen, sein Wunsch, die Vorgänge in seiner Umgebung zu verstehen und an ihnen teilzuhaben, und die Gelegenheiten, die durch Imitations- und "So-tun-als-ob"-Spiele geboten werden, dienen dazu, das Kind in die Lage zu versetzen, kompetent und gut auf hypnotischen Suggestionen zu reagieren. - Milton H. Erickson, 1967, S. 423 Franz Baumann, ein bekannter Praktiker der medizinischen Hypnose in San Francisco, hat sich auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen spezialisiert und verwendet in seinen Induktionen fast ausschließlich das Visualisieren als Technik des Zugänglichmachens- mit beständigem Erfolg. Er läßt seine Klienten die Augen schließen und ihre Lieblings-Fernsehsendung anschauen. Über die Anwendung visueller Phantasien - auch gelenkter Tagtraum genannt (siehe Struktur der Magie I, Kapitel 6, und Struktur der Magie II, Erster Teil, für eine umfassendere Diskussion) - wurde das
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Interesse der beiden Autoren dafür geweckt, Hypnose als Instrument einzusetzen, um Klienten zu gewünschten Veränderungen zu verhelfen. Unsere therapeutischen Erfahrungen hatten uns bereits von dem Wert und der Wirksamkeit des Visualisierens als therapeutischer Technik überzeugt, noch bevor uns die vollkommene Ähnlichkeit zwischen dem Verhalten unserer Klienten und dem Verhalten von Personen aufgefallen waren, die in leichter und mittlerer Trance visuelle Aufgaben ausführen. Eine der Techniken, die von Hypnotiseuren zur Induktion oder Vertiefung eines Trancezustandes angewandt werden, besteht darin, den Klienten selbst zählen zu lassen oder dem Klienten vorzuzählen. Diese Technik erfüllt mehrere Zwecke. Im dem aktuellen Kontext stellt die Zähltechnik einen Sonderfall des visuellen Zugänglichmachens der nichtdominanten Hemisphäre dar. Wenn ein Klient sich selbst oder jemand anderen zählen hört, ist es sehr wahrscheinlich, daß er die Zahlen, die er hört, gleichzeitig visuell repräsentiert. Zahlen sind wie alle anderen visuellen Standardmuster in der nichtdominanten Hemisphäre gespeichert; die Zähltechnik macht somit den unbewußten Teil des Gehirns des Klienten zugänglich. Dadurch wird die relative Wirkungslosigkeit des Zählens als einer Technik zur Induktion und Vertiefung der Trance bei bestimmten Klienten verständlich - es handelt sich dabei um Klienten, deren Fähigkeit, die nichtdominante Hemisphäre für visuelle Repräsentation zugänglich zu machen, erst noch entwickelt werden muß. Wenn die Zählaufgabe als ein Sonderfall des visuellen Zugänglichmachens der nichtdominanten Hemisphäre verstanden wird, können Hypnotiseure, wenn sie mit Klienten arbeiten, die bereits die Fähigkeit haben, visuelle Repräsentationen vor ihrem inneren Auge zu sehen, die Wirksamkeit dieser Technik erhöhen, indem sie den Klienten z.B. einfach anweisen, dazusitzen, gleichmäßig zu atmen und auf die Stimme zu hören, die abzählt, und dabei klare, scharfe Bilder der jeweiligen Zahl zu machen, die sie hören, und jedes Bild in einer anderen Farbe zu sehen. Wenn der Hypnotiseur darauf hört, welche Prädikate der Klient gebraucht, kann er das bevorzugte Repräsentationssystem des Klienten bestimmen und ohne Mühe entscheiden, ob eine Accessing-Induktion durch Visualisieren Erfolg haben wird. Hypnotiseure haben eine Reihe sogenannter Suggestibilitätstests entwickelt, die sie häufig vor einer Standardinduktion einsetzen. Diese Suggestibilitätstests stellen einfach Methoden dar, um zu testen, ob der Klient die Fähigkeit hat, bestimmte Repräsentationssysteme einzusetzen. Beachten Sie z.B. die Prädikate, die in dem folgenden Suggestibilitätstest auftreten (Weitzenhoffer, 1957, S. 127-128): Ich möchte, daß Sie Ihre Hände falten ... wirklich fest, so fest, wie Sie können. ... Wenn Sie das tun, werden Sie bald bemerken, daß Ihre Finger so ineinan-
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der verschlungen sind, daß sich Ihre Hände nicht voneinander lösen lassen ... Ihre Hände und Finger sind immer fester ineinander verhakt ... fester und fester zusammengewachsen. Der gleiche Suggestibilitätstest - d.h. Test der Fähigkeiten, über die ein Klient in einem bestimmten Repräsentationssystem verfügt - kann ohne weiteres abgeändert werden, um z.B. die Visualisierungsfähigkeiten des Klienten zu testen. Der Hypnotiseur braucht die verwendeten Prädikate nur durch visuelle Prädikate zu ersetzen und kann dann die Reaktion des Klienten beobachten, um eine wohlunterrichtete Entscheidung darüber treffen zu können, welche Technik er zum Zugänglichmachen der nichtdominanten Hemisphäre verwenden möchte. Weitzenhoffers Induktion würde, wenn wir die kinästhetischen Prädikate durch visuelle ersetzen, in etwa folgendermaßen klingen: Ich möchte Sie bitten, in Gedanken ein Bild Ihrer verschränkten Hände zu sehen. Sehen Sie über Ihren Händen einen dunkelgrünen Eimer mit weißem Klebstoff, und beobachten Sie jetzt, wie diese zähe, weiße Flüssigkeit aus dem Eimer fließt und von dem schartigen, zerbeulten Rand des grünen Eimers herabtropft... In vielen von Ericksons Induktionen findet man Hinweise auf die Buchstaben des Alphabets - er erinnert den Klienten z.B. an die Schwierigkeiten, die dieser zu einem bestimmten Zeitpunkt seines Lebens erfahren hat, als er das Alphabet erlernte und versuchen mußte, zwischen einem B und einem D zu unterscheiden. Diese Bemerkungen dienen nicht nur als eine verdeckte Aufforderung zur Altersregression, sondern machen auch die visuellen Repräsentationen der Buchstaben in der gleichen Weise zugänglich, wie dies durch Zahlensequenzen geschieht, und stellen somit einen Sonderfall des visuellen Zugänglichmachens dar. Wenn die Fähigkeit des Klienten, visuelle Repräsentationen in der nichtdominanten Hemisphäre zu bilden, wenig oder gar nicht ausgebildet ist, schließt das für den Hypnotiseur den Gebrauch von Techniken nicht aus, die die nichtdominante Hemisphäre durch Visualisierung zugänglich machen. Gerade in dieser Situation beweist Erickson aufs neue seine außerordentlichen Fertigkeiten. Wie er in dem Huxley-Artikel beschreibt, besteht eine seiner Standardmethoden darin, das bevorzugte Repräsentationssystem des Klienten zu verwenden, um ihm dabei zu helfen, andere Sinnessysteme zugänglich zu machen. Im Zusammenhang mit dem Entwickeln allgemeiner Techniken für die Tranceinduktion und das Hervorrufen hypnotischen Verhaltens sind traditio-
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Patterns nelle Irrtümer in bezug auf das hypnotische Verfahren auf unkritische Weise perpetuiert worden. Das "Adlerauge", die "Kristallkugel", Striche und Passes und ähnliche Hilfsmittel für das Erwecken mysteriöser Kräfte sind von den wissenschaftlich Denkenden verworfen worden. Doch die Literatur ist übervoll von Berichten über hypnotische Techniken, die auf dem Gebrauch von Vorrichtungen beruhen, die das Verhalten der Versuchsperson einschränken und begrenzen sollen, um Ermüdung und ähnliche Reaktionen zu bewirken, in der Annahme, daß diese die wesentlichen Desiderata der Hypnose seien: Kristallkugeln, die in einer bestimmten Entfernung von den Augen gehalten werden, Drehspiegel, Metronome und aufblinkende Lichter werden oft als entscheidende Faktoren eingesetzt. In der Folge wird äußeren Faktoren und der Reaktion der Versuchsperson auf diese zuviel Gewicht beigemessen. In erster Linie sollte das intrapsychische Verhalten der Versuchsperson und nicht ihre Beziehung zu Äußerlichkeiten berücksichtigt werden. Diverse Vorrichtungen sind bestenfalls sekundäre Hilfsmittel, die zum frühestmöglichen Zeitpunkt zugunsten der Utilisierung des Verhaltens der Versuchsperson aufgegeben werden sollten, das durch die Vorrichtungen vielleicht initiiert, aber nicht entwickelt werden kann. So sehr das Anstarren einer Kristallkugel auch Ermüdung und Schlaf begünstigen mag, so stellt doch keiner dieser beiden Zustände einen wesentlichen Teil der hypnotischen Trance dar. Zur Verdeutlichung: Eine Reihe von Versuchspersonen wurde von kompetenten Hypnotiseuren darin geschult, eine Trance zu entwickeln, indem sie aufgefordert wurden, auf eine Kristallkugel zu starren, die in einer Entfernung von 15 cm etwas oberhalb der Augenhöhe gehalten wurde. Als Folge dieser Konditionierung erwiesen sich spätere Versuche, die Versuchspersonen ohne Kristallkugel zu hypnotisieren, als schwierig und in einigen Fällen als vergeblich. Von mir durchgeführte Experimente mit einzelnen Versuchspersonen ergaben, daß die Aufforderung, sich vorzustellen, auf eine Kristallkugel zu schauen, in einer schnelleren Tranceinduktion und tieferen Trancezuständen resultierte. Eine Wiederholung dieses Verfahrens durch Kollegen und Studenten führte zu ähnlichen Ergebnissen. Wenn im Anschluß daran wieder die Kristallkugel eingesetzt wurde, zeigten sich wieder die ursprünglichen langsameren und weniger tiefen Trancen, die durch eine größere Abhängigkeit von äußeren Faktoren gekennzeichnet waren. - Milton H. Erickson 1967, S. 8-9
Wenn z.B. der Klient über ein gut entwickeltes kinästhetisches Repräsentationssystem verfügt, aber nur wenig oder gar keine Visualisierungsfähigkeit in der
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nichtdominanten Hemisphäre besitzt, kann der Hypnotiseur den Klienten auffordern, eine besonders vertraute Körperhaltung einzunehmen. Wenn der Klient sich in dieser Körperhaltung befindet und die dazugehörigen kinästhetischen Empfindungen voll erlebt, kann der Hypnotiseur den Klienten anweisen, die visuellen Repräsentationen zu sehen, die gewöhnlich mit diesen Körperempfindungen assoziiert sind. Indem das bevorzugte Repräsentationssystem des Klienten als Leadsystem genutzt wird, kann der Klient dabei unterstützt werden, Zugang zu neuen Bewußtseinszuständen zu finden. Beispiel: In einer unserer Trainingssitzungen klagte ein Psychologe mittleren Alters darüber, daß er selbst keine visuellen Bilder erzeugen könne, wenn er auch diese Technik bei seinen Klienten anwende. Wir ließen ihn die Körperstellung einnehmen, in der er sich befindet, wenn er Klavier spielt (seine Lieblingsbeschäftigung). Er wurde dann aufgefordert, seine Finger so zu bewegen, als würde er eine bestimmte Melodie spielen. Mit geschlossenen Augen sollte er die Melodie innerlich hören, dabei weiter seine Finger bewegen und dann (immer noch mit geschlossenen Augen) auf die Tastatur schauen. Er rief aus: "Ich kann die Tasten und meine Finger auf der Tastatur sehen." Er wurde dann aufgefordert, den Rest des Klaviers zu sehen, das Wohnzimmer und dann die im Raum anwesenden Personen. Das bevorzugte Repräsentationssystem zu verwenden, um verarmte Repräsentationssysteme zu aktivieren und zu entwickeln, ist eine Technik, die wir in unserer Arbeit sehr häufig einsetzen. Das wichtigste Prinzip besteht ganz einfach darin, eine Situation zu finden, in der das verarmte System mit dem stärker entwickelten System überlappt, wie z.B. wenn man den Klienten einen Dialog erinnern läßt, indem man ihn auffordert, zu sehen, wie sich der Mund einer Person bewegt, und ihn dann die Worte hören läßt (dieses Thema läßt sich beliebig variieren). Das ist ein Beispiel für das, was wir Body-Tuning nennen (siehe Struktur der Magie II). Das Prinzip des visuellen Accessing (Zugänglichmachens) verbindet somit viele Beobachtungen Ericksons in bezug auf effektive Tieftranceinduktionen: ... Die Utilisierung von bildlichen Vorstellungen anstelle von Vorrichtungen erlaubt es der Versuchsperson, ihre wirklichen Fähigkeiten zu nutzen. ... Die Utilisierung der bildlichen Vorstellung bei der Tranceinduktion erleichert in fast jedem Fall die Entwicklung ähnlichen oder verwandten hypnotischen Verhaltens komplexerer Natur. Die Versuchsperson z.B., die Schwierigkeiten dabei hat, Halluzinationen zu entwickeln, lernt dies oft, wenn eine Trance mit Hilfe der Verwendung von bildlichen Vorstellungen induziert wird. ... wurde aufgefordert, eine Reihe von Kristallkugeln zu visualisieren, in die sie hineinhalluzinieren konnte ... - Milton H. Erickson, Deep Hypnosis and Its Induction, 1967, S. 9
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Hemisphäre
mit
Hilfe
Eine weitere Asymmetrie zwischen den beiden Gehirnhälften des Menschen, die in zahlreichen Untersuchungen belegt worden ist, betrifft den Sitz des Zentrums für Melodien (Tonfolgen). Es scheint, daß die Repräsentationen für Melodien in der nichtdominanten Hemisphäre gespeichert werden. Der Umstand, daß vollständig aphasische Patienten Verse bekannter Gedichte aufsagen, einfache populäre Lieder singen und Schimpfworte verwenden können, legt die Existenz vollständiger auditiver "Gestalten" in der rechten Hemisphäre nahe, insbesondere, wenn man die Tatsache berücksichtigt, daß die gleichen Patienten nicht in der Lage sind, Verse aufzusagen oder Lieder zu singen, wenn sie nicht am Anfang beginnen. Wenn sie mittendrin unterbrochen und dann aufgefordert werden, an der gleichen Stelle weiterzumachen, an der sie unterbrochen wurden, sind sie dazu nicht in der Lage und müssen wieder von vorne beginnen. Das gleiche Phänomen zeigt sich in etwas geringerem Maße bei normalen Versuchspersonen mit Material, das in einer bestimmten Sequenz auswendig gelernt worden ist, wie z.B. dem Alphabet. Bogen und Bogen (1969) weisen darauf hin, daß, wenn die rechte Hemisphäre über eine besondere Kapazität für musikalische Aspekte wie z.B. Tonalität und Klangfarbe verfügt (siehe Milner 1962) interhemisphärische Kommunikation zur musikalischen Kreativität beitragen könnte. Sie berichten, in Zusammenarbeit mit Gordon, daß Beobachtungen an rechtshändigen Patienten durchgeführt wurden, die dazu aufgefordert wurden, vor und während der Verabreichung von Sodiumamytal in die rechte innere Halsschlagader zu singen. Während der Zeit, in der die linke Hemiparesis offensichtlich war, war die Artikulation verständlich, wenn auch etwas undeutlich, der Rhythmus wurde aufrechterhalten und der Gesang war im wesentlichen amelodisch, mit nur wenig Veränderungen der Tonhöhe. Im Verlauf der letzten fünfundzwanzig Jahre sind einige dieser älteren Vorstellungen gründlich revidiert worden. Wir wissen nun, daß aphasische Störungen der Sprachproduktion und des Sprachverständnisses noch stärker mit den linksseitigen Läsionen verbunden sind, als frühere Autoren angenommen hatten, und bestimmte Einschränkungen, z.B. Probleme beim SichAnziehen, enger mit der Schädigung der rechten Hemisphäre zusammenhängen. Es erscheint nun wahrscheinlich, daß die rechte Hemisphäre nicht die
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unbedeutendere ist, sondern für bestimmte Funktionen durchaus die dominante Hemisphäre darstellt. Eine Reihe räumlicher Funktionen scheint z.B. in der rechten Hemisphäre lokalisiert zu sein (während die linke Hemisphäre für andere räumliche Funktionen dominant zu sein scheint). Sie scheint auch für bestimmte musikalische Aufgaben und, wie nun aufgrund mehrerer Befunde vermutet wird, für bestimmte Aspekte emotionaler Reaktionen dominant zu sein. - Gardner, 1975, S. 329-330 Das Benutzen von Melodien für die Zugänglichmachung der unbewußten Teile des menschlichen Geistes wird von Erickson besonders erwähnt: ... Ein Musiker, der auf direkte hypnotische Suggestionen nicht ansprach, wurde aufgefordert, sich an eine Gelegenheit zu erinnern, als ihm eine Melodie nicht aus dem Sinn gegangen sei. Daran schloß sich die Aufforderung an, nach ähnlichen <Erinnerungen> zu suchen. Er war schon bald so in das Bemühen vertieft, sich an vergessene Melodien zu erinnern und dies kinästhetisch zu unterstützen, indem er den Rhythmus trommelte, daß eine Tieftrance ... -Milton H. Erickson, 1967, S. 30
Bei unserer eigenen Arbeit mit Hypnose hat sich die Anweisung an Klienten, in Gedanken eine Melodie oder eine Reihe von Melodien zu hören, immer wieder als eine sehr wirksame Induktionstechnik erwiesen, insbesondere in Verbindung mit anderen Techniken. Untersuchungen, die an Aphasiepatienten durchgeführt wurden (Personen, die infolge eines Hinischadens einen teilweisen Verlust ihrer Sprachfertigkeiten erlitten haben), bieten überzeugende Belege sowohl für das Lokalisiertsein wie auch für die Nützlichkeit von Melodien. Patienten, die Läsionen im Bereich der dritten frontalen Hirnwindung ihrer dominanten Hemisphäre erlitten haben (Brocasches Zentrum), können mit der sogenannten Melodieintonierungstherapie behandelt werden. Indem die Patienten singen, wird die nichtdominante Hemisphäre darin geübt, die Funktionen auszuüben, die durch den Schaden an der dominanten Hemisphäre verlorengegangen sind. Die verlorengegangenen sprachlichen Unterscheidungen werden in der anderen Hemisphäre eingeübt, indem Wortmuster gesungen anstatt gesprochen werden (eine Aufgabe, die ein Broca-Aphasiker nicht ausführen kann, bevor er die Worte mehrmals gesungen hat). Siehe Gardner (1974) für weiterführende Informationen.
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Jane wurde ausführlich darin unterwiesen, den "Pease Porridge"-Kinderreim in einer stockenden, zögernden und stotternden Weise aufzusagen. Sie lernte das verblüffend schnell. Anne, die nichts über diese besondere Maßnahme wußte, wurde dann aufgefordert, mit Jane zusammen den "Pease Porridge"-Reim aufzusagen, unabhängig davon, wie zögernd sie dabei vorgehen mußte. Die beiden begannen, Anne langsam, während Jane das Tempo beschleunigte und dann anfing, die Worte auf eine äußerst unangenehme Weise hervorzustottern. Anne schaute zu dem Autor hinüber und wurde streng darauf hingewiesen, Jane zuzuhören und mit dem gemeinsamen Aufsagen fortzufahren. Anne wandte sich Jane zu, und ihre Lippen und ihr Gesicht zeigten ihre ideomotorischen und daher unfreiwilligen und unkontrollierbaren Bemühungen, Janes Stottern zu korrigieren. Jane machte unbeirrt weiter, Annes Lippen zuckten, und schließlich begann sie, Jane den gesamten Reim stockend vorzusagen. Diese Sitzung dauerte ungefähr zwei Stunden, und Annes Sprechweise verbesserte sich zunehmend. Die gleiche Maßnahme wurde mit anderen Reimen durchgeführt, und Anne war offensichtlich zufrieden und zuversichtlich, wenn auch gelegentlich ungeheuer ungeduldig. - Milton H. Erickson 1967, S. 451 Die Wahl der Melodie selbst bietet dem Hypnotiseur mehrere Wahlmöglichkeiten. Im Therapiekontext kann der Hypnotiseur z.B. im Rahmen einer Darstellungs-Technik eine Melodie auswählen, die für die betreffende Zeit im Leben des Klienten charakteristisch ist. Im Kontext der Hypnose kann der Hypnotiseur den Klienten auffordern, in Gedanken eine Melodie zu hören, die auf indirekte Weise eine Altersregression suggeriert. Wir haben die Erfahrung gemacht, daß Melodien von Kinderliedern in dieser Hinsicht besonders wirksam sind.
Das Zugänglichmachen der nichtdominanten Hemisphäre mit Hilfe der Sprache Wie wir bereits zuvor ausgeführt haben, besitzt die sogenannte stumme oder nichtdominante Hemisphäre beim Menschen in der Regel ein gewisses Maß an sprachlicher Fertigkeit. Das Ausmaß dieser Fertigkeit steht bisher nicht endgültig fest, und verschiedene Forscher machen dazu einander widersprechende Angaben (vergleiche z.B. Gazzaniga 1970 mit Levyl974). Angesichts der Forschungsergebnisse zur universellen
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Grammatik und zur Plastizität des Gehirns scheint es wahrscheinlich, daß der nichtdominanten Hemisphäre alle Unterscheidungen der Universellen Grammatik zur Verfügung stehen. Da die rechte Hemisphäre von Commissurotomie-Patienten über ein gewisses Verständnis sowohl der gesprochenen Sprache wie auch geschriebener Substantive, Verben und Adjektive sowie eine minimale Kapazität für expressive Sprache zu verfügen scheint, stellt sich die Frage, welche Unterschiede zwischen den beiden Hemisphären den beachtlichen Unterschieden in bezug auf ihre sprachlichen Fähigkeiten zugrunde liegen. Wenn die nichtdominante Hemisphäre nicht in der Lage wäre, gesprochene Sprache zu verstehen, sie aber erzeugen könnte, ließe sich postulieren, daß die Phonologie in der rechten Hemisphäre nicht vertreten ist, und man könnte die Sprachproduktion als Ergebnis einer direkten Übersetzung von einem semantischen in einen artikulatorischen Code interpretieren. Wenn die rechte Hemisphäre gesprochene Sprache verstehen, aber nicht produzieren könnte, ließe sich das Fehlen eines artikulatorischen Codes postulieren. Doch wenn die rechte Hemisphäre Sprache sowohl verstehen wie auch ausdrücken kann, wenn auch in sehr begrenztem Maße, wird eine Interpretation sehr viel schwieriger. -Levy, 1974, S. 237 In dem Maße, wie die Struktur der Universellen Grammatik durch weitere linguistische und psycholinguistische Forschung freigelegt wird, werden auch die genauen sprachlichen Fähigkeiten der nichtdominanten Hemisphäre verfügbar werden. Ebenso faszinierend ist unseres Erachtens die Rolle, die die Hypnose in der Forschung über die sprachlichen Fähigkeiten der nichtdominanten Hemisphäre spielen kann. Solange jedoch die sprachlichen Fertigkeiten der stummen Hemisphäre nicht genauer untersucht worden sind, lassen sich unsere bisherigen Beobachtungen im Zusammenhang mit der Hypnose mit Hilfe zweier verschiedener Modelle erklären. Wie bereits erwähnt, ist die Doppelinduktion eine der wirksamsten Techniken, die wir entwickelt haben. Bei dieser Art der Induktion sprechen wir beide gleichzeitig in jeweils ein Ohr des Klienten. Dabei verwenden wir, je nachdem, in welches Ohr wir sprechen, einen anderen Sprachstil. Wenn John z.B. in das Ohr spricht, das kontralateral zur dominanten Hemisphäre liegt (bei Rechtshändern ist in der Regel die linke Hemisphäre dominant, und das rechte Ohr wäre somit das kontralaterale Ohr), wird er sehr komplexe syntaktische Sprachformen verwenden und alle sprachlichen Techniken zur Ablenkung und Überlastung einsetzen, die wir im ersten Teil diese Bandes vorge-
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stellt haben. Gleichzeitig spricht Richard in das Ohr, das kontralateral zur nichtdominanten Hemisphäre liegt (in diesem Beispiel das linke Ohr), und verwendet dabei nur sehr einfache sprachliche Formen - entweder Äußerungen, die nur aus einem Wort bestehen, oder Sprachmuster, die Kinder in einem Stadium ihrer Sprachentwicklung verwenden, in dem Äußerungen nicht mehr als zwei Worte umfassen (siehe "pivot grammars" in: Slobin 1974). Bei Verwendung der Doppelinduktion benötigen wir nur selten mehr als fünf Minuten, bis der Klient einen zufriedenstellenden Trancezustand erreicht hat. Das folgende Modell erklärt die Wirksamkeit und Geschwindigkeit der Doppelinduktion: a) Die dominante Hemisphäre wird mit Erfolg überlastet und b) Die nichtdominante Hemisphäre wird mit Hilfe der Kindergrammatik zugänglich gemacht. Die Wirksamkeit dieser Technik läßt sich auch mit Hilfe eines zweiten Modells erklären: a) Die dominante Hemisphäre wird mit Erfolg überlastet und b) Die nichtdominante Hemisphäre wird nicht zugänglich gemacht. Vielmehr wird das in Kindergrammatik gesprochene Material, das wir in das mit der nichtdominanten Hemisphäre verbundene Ohr hineinsprechen, unbewußt von der dominanten Hemisphäre verarbeitet, wo eine - ebenfalls unbewußte - Reaktion darauf erfolgt. Das zuletzt erwähnte Modell ist durchaus denkbar, da das Ohr Projektionen in beide zerebralen Hemisphären hat. Wenn widersprüchliche Botschaften auf das gleiche Ohr oder auf gleiche Projektionsbereiche des auditiven Kortex treffen, hat die kontralaterale Botschaft Priorität. Doch die Tatsache, daß die kontralaterale Botschaft Priorität über die Botschaft des ipsolateralen Ohrs besitzt, bedeutet nicht, daß die Botschaft des ipsolateralen Ohrs keinerlei Wirkung auf die dominante Hemisphäre hat. Das zweite Modell besagt daher, daß die Schnelligkeit und Effektivität der Doppelinduktion nicht von der sprachlichen Zugänglichmachung der nichtdominanten Hemisphäre, sondern von der Kombination aus Überlastung der dominanten Hemisphäre und der an diese Hemisphäre gerichteten Kindergrammatik abhängen. Indem der dominanten Hemisphäre eine konfligierende Botschaft angeboten wird, ohne daß diese sich dessen bewußt ist, zwingen wir den Klienten dazu, die sprachlichen Fähigkeiten seiner dominanten Hemisphäre auf eine frühere Entwicklungsstufe regredieren zu lassen. Der ein-
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zige zusätzliche Anhaltspunkt, den wir zur Zeit haben, ist die Tendenz der Körperseite, die durch die betreffende Hemisphäre (die kontralaterale Hemisphäre) kontrolliert wird, auf Anweisungen, die an diese Hemisphäre gegeben werden, auf andere Weise zu reagieren. Die Asymmetrie im Gesicht des Patienten zeigt besonders deutlich, daß beide Körperhälften unabhängig voneinander reagieren, wenn das rechte und das linke Ohr gleichzeitig miteinander konfligierende Anweisungen erhalten. Wenn Anweisungen zur Handlevitation in das widersprüchliche Material eingestreut werden, wird sich in der Regel die Hand heben, die durch die Hemisphäre kontrolliert wird, der diese Anweisungen gegeben wurden. Diese Muster scheinen unserer Auffassung nach das erste Modell zu bestätigen. Es ist selbstverständlich möglich, daß beide Prozesse stattfinden. Auch wenn die Doppelinduktion eine der wirksamsten Induktions- und Vertiefungstechniken ist, die wir kennen, bleibt die Frage weiter unbeantwortet, welches der beiden Modelle nützlicher ist4. Milton Erickson hat unseres Wissens nie mit einem anderen Hypnotiseur zusammengearbeitet und die Technik der Doppelinduktion angewendet, die wir gerade vorgestellt haben. Er ist jedoch in seinem Umgang mit Sprache so geschickt, daß es ihm gelingt, einen Effekt zu erreichen, der dem der Doppelinduktion sehr nahe kommt. In diesem Verfahren, das wir analoges Markieren untergeordneter Sequenzen genannt haben, bietet Erickson der dominanten Hemisphäre eine Reihe sehr komplexer syntaktischer Konstruktionen, die ganz offensichtlich die Verarbeitungskapazität der Sprachmechanismen dieser Hemisphäre überlasten. Diese wohlgeformten Oberflächenstrukturen bilden einen Wust von Worten und Wortverbindungen, die eine doppelte Funktion erfüllen. Sie sind zunächst Bestandteile der Oberflächenstruktur, die Erickson an die dominante Hemisphäre richtet. Sie enthalten, zweitens, eingebettete Botschaften, die durch Prozesse empfangen und verarbeitet werden, welche außerhalb der normalen Grenzen des Bewußtseins liegen. Ein Beispiel wird das verdeutlichen: ... realize that you have to start from Scratch and nobody knows ... (... mach dir klar, daß du ganz von vorne anfangen mußt, und niemand weiß...) Diese Wortverbindung ist Teil einer komplexen und wohlgeformten Oberflächenstruktur, die von der dominanten Hemisphäre empfangen und verarbeitet wird. Doch darüber hinaus werden die nicht kursiv gedruckten Worte von Erickson analog markiert, was sie vom Rest der Worte in dieser wohlgeformten Oberflächenstruktur abhebt. Dieses analoge Markieren der eingebetteten Worte und Wortverbindungen resultiert in der Fragmentierung der Kommunikation in (in diesem spezifischen Beispiel) zwei Gruppen:
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... realize that you have to Start from Scratch and nobody really knows ... ... realize that you have to Start from Scratch and nobody really knows...
Scratch knows (phonologisch äquivalent mit Scratch nose = sich an der Nase kratzen)
Erickson erwartet, daß der Klient, ohne sich seiner Handlung bewußt zu werden, sich an der Nase kratzen wird. Die Möglichkeiten, die Erickson hat, die Originalbotschaft analog zu markieren, sind so zahlreich wie die Möglichkeiten, die ihm zur analogen Kommunikation zur Verfügung stehen (z.B. Veränderungen in Tonalität und Tempo, wiederholte Bewegungen verschiedener Teile des Körpers, Veränderungen des Gesichtsausdrucks, Fixieren der Augen auf einen Gegenstand usw.). Der Huxley-Artikel bietet ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Erickson analoges Markieren einsetzt, um die Oberflächenstruktur in drei Teile zu fragmentieren: das Original, eine Reihe von Signalworten, mit denen Amnesie induziert wird, und eine Reihe von Signalworten, mit denen die Amnesie wieder aufgehoben wird. Ericksons exquisites Beherrschen dieser Technik erlaubt es ihm, Huxleys Erinnerung an das Erlebte wiederholt in sein Bewußtsein zu bringen und wieder aus seinem Bewußtsein zu löschen. Der Hypnotiseur kann dieses Muster, eingebettete Worte und Wortverbindungen analog zu markieren, um verschiedene Gruppen unabhängiger Botschaften zu bilden, für jeden beliebigen Zweck einsetzen. Es setzt lediglich voraus, daß der Hypnotiseur eine Reihe analoger Signale auswählt - so viele analoge Signale, wie er Botschaften bilden möchte -, und mit diesen dann Worte und Wortverbindungen hervorhebt, von denen er möchte, daß sie als eine unabhängige Botschaft oder als Signal für ein gewünschtes Verhalten des Klienten wirken. Den Anwendungsmöglichkeiten dieser Technik sind nur durch die Kreativität des Hypnotiseurs Grenzen gesetzt. Wir sind zur Zeit nicht in der Lage, diese Technik ohne einen Rest an Mehrdeutigkeit zu erklären. Auch hier gibt es wieder eine Reihe plausibler Modelle, durch die sich unsere und Ericksons Erfahrungen mit dieser Technik erklären lassen: a) Die Originalbotschaft der Oberflächenstruktur wird durch die dominante Hemisphäre verarbeitet, während die eingebetteten, analog markierten Botschaften von der nichtdominanten Hemisphäre aufgenommen und verarbeitet werden; oder b) Die originalen sowie die analog markierten, eingebetteten Botschaftseinheiten werden von der dominanten Hemisphäre empfangen und verarbeitet - die Originalbotschaft durch die normalen Verarbeitungsmechanis-
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men und die eingebettete Botschaft durch Prozesse, die vollkommen außerhalb des Bewußtseins liegen -, und es findet eine Altersregression statt; oder c) Eine Kombination dieser beiden Erklärungen. Formal ist uns der Prozeß jedoch klar, und wir werden im letzten Teil dieses Bandes ein schrittweises Vorgehen für die Konstruktion und den Gebrauch dieser Technik vorstellen. Eine Frage, die uns im Zusammenhang mit dieser Technik stark interessiert, ist die Art des analogen Markierens, das der Hypnotiseur auswählt, um die eingebetteten Botschaftseinheiten zu kennzeichnen. Bei der Wahl des Signals für das analoge Markieren gilt es mehrere Dinge zu berücksichtigen. Erstens: Wenn Zugang zur nichtdominanten Hemisphäre geschaffen werden soll, werden die analogen Signale besonders wirksam sein, die typischerweise von der nichtdominanten Hemisphäre verarbeitet und registriert werden. Die nichtdominante Hemisphäre verarbeitet und registriert analoge Signalgruppen wie z.B. Tonalität und analoge Körperhaltung und -bewegungen des Hypnotiseurs visuell. Im Sinne dieses Modells werden die wirksamsten Signale, die der Hypnotiseur verwenden kann, Veränderungen der Tonalität und der Körperhaltung sein. Wenn das zweite Modell eine nützlichere Repräsentation des Prozesses der Kommunikation durch digital-analoge Signalkombination darstellt, dann werden solche Signale am effektivsten sein, die normalerweise von der dominanten Hemisphäre empfangen und verarbeitet werden (Veränderungen des Tempos z.B.)5.
Zusammenfassung In diesem Abschnitt haben wir einen der unserer Meinung nach offensten und aufregendsten Forschungsbereiche im Zusammenhang mit veränderten Bewußtseinszuständen, Kommunikation und menschlichem Potential vorgestellt. Die Parallelen in der Organisation der Teile des menschlichen Gehirns, die Erickson als das Bewußte und das Unbewußte bezeichnet, und der funktionalen Organisation der zerebralen Hemisphären beim Menschen sind auffällig. Darüber hinaus bestehen verblüffende Parallellen zwischen der Organisation der unbewußten und bewußten Anteile des menschlichen Geistes und den Mustern der Inkongruenz im therapeutischen Kontext (siehe Struktur der Magie 11, Dritter Teil). Wir haben drei verschiedene Techniken für das Zugänglichmachen der nichtdominanten Hemisphäre im Kontext der Hypnose vorgestellt: Die
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ersten beiden, das Visualisieren und das Zugänglichmachen mit Hilfe von Melodien, sind durch Ericksons Arbeit und Forschung, unsere eigene Arbeit im Bereich der Hypnose und die neurologische Forschung, die in diesem Kapitel zitiert wurde, gut belegt. Die dritte Klasse von Techniken der Zugänglichmachung bezieht sich auf Methoden für die sprachliche Kommunikation mit der nichtdominanten Hemisphäre. Hier ist die Evidenz bisher uneindeutig, und es existieren mindestens zwei kohärente Modelle, durch die sich der Prozeß erklären läßt. Die Beziehungen zwischen der Universellen Grammatik, der Plastizität des menschlichen Nervensystems und der Möglichkeit, mit der nichtdominanten Hemisphäre zu kommunizieren, werfen Fragen auf, die, sobald sie beantwortet werden können, wichtige Informationen für die Bereiche der Hypnose, Neurologie, Psychologie und Linguistik bieten werden. Glücklicherweise stellt die Unentscheidbarkeit der Frage, welches Modell für das sprachliche Zugänglichmachen der stummen Hemisphäre am nützlichsten ist, kein Hindernis dafür dar, ein explizites Modell zu formulieren, das diese äußerst wirksamen Ericksonschen Techniken für andere verfügbar macht. Weiter hinten in diesem Band werden wir Modelle für jede dieser Accessing-Techniken vorstellen. Bei seinem sehr entwickelten Gebrauch dieser Methoden legt Erickson große Sensibilität für alle Ressourcen, die dem Klienten zur Verfügung stehen, bewußte sowohl wie unbewußte, an den Tag.
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Schlußbemerkung zum zweiten Teil Milton Erickson gilt als die erfolgreichste und kreativste Persönlichkeit in der Hypnoseforschung und der klinischen Anwendung der Hypnose. Nicht nur wird sein Können überall in der Welt als das wirksamste anerkannt; die meisten, die gesehen habe, wie er arbeitet, oder davon gehört haben, erachten seine Leistungen ab außergewöhnlich und bemerkenswert - und manchmal sogar als außerhalb der Grenzen der Glaubwürdigkeit angesiedelt. Der Verlauf seiner Karriere weist kaum zu zählende Erfolge in Bereichen auf, in denen außer ihm niemand erfolgreich war. In zahllosen Fällen war er in der Lage, Patienten, die als aussichtslos aufgegeben worden waren, dabei zu helfen, ein besseres Leben zu führen. Er hat Menschen ohne Hoffnung, die bereits jede mögliche Art der Hilfe ohne Erfolg versucht hatten, geholfen, wieder Hoffnung zu finden, und ihnen zu den Wahlmöglichkeiten verholfen, die sie sich verzweifelt gewünscht haben. Dieser mutige Mann ist in seinem Leben von einem Wunderwirker bis zu einem Betrüger alles genannt worden; er wird von manchen verehrt und geliebt und von anderen gefürchtet und verachtet. Er ist angegriffen und angefeindet worden; noch in den 50er Jahren hat die American Medical Association versucht, ihm seine ärztliche Zulassung zu entziehen. Unbeirrt von seiner skeptisch eingestellten Umgebung hat er sich weiter mit der Erforschung, Entwicklung und Anwendung der Hypnose befaßt. Er hat in der Anwendung der Hypnose ein Können erworben, das selbst er nicht vollständig verstehen kann, doch das für jeden, der es aus erster Hand erlebt hat, unbestreitbar ist. Doch wie im Fall der meisten hochbegabten Menschen gilt sein Können als rein intuitiv und daher unerlernbar. Unsere (Bandler & Grinder) besondere Spezialität liegt darin, Intuitionen über menschliches Verhalten explizit und somit erlernbar zu machen. Dieser Band stellt lediglich einen Anfang in unserem Bemühen dar, Milton Ericksons hypnotische Fertigkeiten anderen zur Verfügung zu stellen, damit sie sie ebenfalls erlernen können. Wir haben uns in diesem Band vor allem auf die sprachlichen Aspekte seiner Arbeit konzentriert - darauf, wie er sich der Sprache bedient. Wir haben vor, in weiteren Bänden ein Modell seiner Arbeit zu formulieren, das sich unter anderem mit seinem Gebrauch analoger Kommunikationsformen (Tonalität, Tempo, Gestik, Bewegungen usw.) befassen und darauf eingehen wird, wie er die Informationen verwendet, die er sowohl sprachlich wie analog von seinen Klienten erhält. Der vorliegende Band stellt nur einen Anfang dar, nicht ein vollständiges Modell seiner Arbeit. Wir haben Sie bisher mit den Sprachmustern in seiner Arbeit vertraut gemacht,
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die unserer Meinung nach besonders einfach und häufig sind. Der dritte Teil stellt Ihnen explizit die Instrumente vor, die Sie benötigen, um diese Muster selbst bilden zu können. Bisher haben wir Ihnen die drei Hauptprinzipien vorgestellt, mit denen Sie Ihre Erfahrung während der Tranceinduktion organisieren können. Das erste Prinzip besteht in dem Pacing der Klienten; Pacing bedeutet, das beobachtbare und überprüfbare Verhalten des Klienten zu nutzen und mit dem Verhalten zu verbinden, zu dem sie den Klienten hinführen möchten. Sie sitzen hier, atmen und schauen auf diesen Punkt (Pacing) und entspannen sich. (Leading) Und wenn Sie Ihre Augen schließen (Pacing) werden Sie spüren, wie Ihr Körper zu schweben und leichter zu werden beginnt. (Leading) Und wenn Sie sich ganz in den Stuhl zurücklehnen (Pacing) werden Sie in eine tiefe Trance gehen. (Leading) Die Pacing-Strategie wird dann mit dem gewünschten Verhalten verbunden. Und wenn Sie Ihre Augen schließen (Pacing) gehen Sie in eine tiefe Trance und erinnern sich an eine angenehme Erinnerung aus Ihrer Kindheit (Leading) und Sie werden anfangen zu lächeln. (Pacing) Dieser Prozeß wird während des gesamten Trancezustands hindurch fortgesetzt. Das zweite Prinzip besteht darin, die dominante Hemisphäre abzulenken und zu utilisieren. Das dritte Prinzip besteht in dem Zugänglichmachen (Accessing) der nichtdominanten Hemisphäre.
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Schlußbemerkung zum zweiten Teil
Wir möchten darauf hinweisen, daß Erickson, wenn er sich auf das Unbewußte bezieht, damit mehr als nur die nichtdominante Hemisphäre und die unterhalb der Wahrnehmungsschwelle erfolgenden sprachlichen Prozesse in der dominanten Hemisphäre meint. Ericksons Verhalten demonstriert das auf systematische Weise, er verwendet den Begriff unbewußt immer wieder, um damit die Prozesse und Funktionen der nichtdominanten Hemisphäre zu bezeichnen. Hier liegt ein höchst interessanter Bereich für zukünftige Forschung, die zu zahlreichen Anwendungen in der Hypnose führen kann. Wenn wir lernen, die spezifischen Komponenten des Unbewußten präzise voneinander zu trennen, wird die Anwendung der Hypnose im medizinischen, zahnmedizinischen und psychologischen Bereich schneller und effektiver werden. Der dritte Teil soll Ihnen die spezifischen Fertigkeiten vermitteln, die Sie für die Anwendung der Muster benötigen, die wir in Ericksons Arbeit identifiziert haben.
Anmerkungen - Teil II 1. In diesem Abschnitt konzentrieren wir uns auf verschiedene Möglichkeiten, Substantive zu generalisieren. Erickson erzählt z.B. häufig eine Geschichte, deren Hauptperson das gleiche Geschlecht und Alter hat wie der Klient und oft sogar auch aus demselben Staat kommt wie dieser. In anderen Fällen variiert Erickson diese Merkmale. Wir haben damit begonnen, ein detaillierteres Modell dieser Prozesse zu formulieren. Uns interessiert vor allem, wie Prädikate generalisiert werden können. Der Hypnotiseur kann z.B. ein Prädikat bis zu seiner maximal unspezifischen Form generalisieren: tun anstelle von aktiven Verben sein anstelle von statischen Verben Oder er kann innerhalb des gleichen Repräsentationssystems (Input- oder Outputkanal) generalisieren, angefangen mit: sprechen für
reden
sich unterhalten anstimmen jammern schreien einwenden behaupten Oder er kann so generalisieren, daß jedes Prädikat etwas in seiner Tiefenstrukturrepräsentation enthält, das nicht explizit in seiner Oberflächenstrukturrepräsentation vorkommt. Wir werden das semantische Inkorporation nennen. Jedes der folgenden Worte enthält z.B. als Teil seiner Tiefenstrukturrepräsentation das Wort Hand: klatschen, anfassen, greifen, reichen, halten, tragen, fangen, fassen, steuern, paddeln, rudern, streicheln, gießen, schneiden, anstecken, knöpfen, reißen, (Gitarre) spielen usw.
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Ein detailliertes Modell dieser Generalisierungsprinzipien würde die Grundlage für Ericksons bekannte Fähigkeit darstellen, Geschichten für seine Klienten zu erfinden und zu erzählen - ein Modell für therapeutisch wirksame Metaphern. 2. Beachten Sie, daß es eine nützliche Interaktion zwischen den Mustern Nominalisierung, Selektionsbeschränkung, Tilgung und Mehrdeutigkeit gibt. Beachten Sie Satzteile wie den folgenden: ... das Gefühl der Couch ... Die Mehrdeutigkeit besteht darin, ob die Substantivgruppe die Couch das Subjekt der Tiefenstruktur oder das Objekt des Prädikats fühlen ist; mit anderen Worten, ob die Tiefenstruktur des obigen Satzes lautet: jemand fühlt die Couch oder: die Couch fühlt sich für jemanden auf eine bestimmte Weise an Die gleiche Frage läßt sich auch dahingehend formulieren, ob das Subjekt oder das Objekt der Tiefenstruktur getilgt worden ist. Diese Mehrdeutigkeit kann nur erfolgen, wenn die Selektionsbeschränkungen des Prädikats es Substantiven verschiedener Klassen gestatten, grammatikalisch sowohl in die Subjekt- wie in die Objektposition zu passen. 3. Der Leser mag bemerkt haben, daß es eine Überlappung des Musters der untergeordneten Konstruktionen (insbesondere bei eingebetteten Befehlen) mit konversationellen Postulaten gibt. Eine der Präsuppositionen jedes Befehls besteht darin, daß die Person, die den Befehl erhält, in der Lage ist, den Befehl auszuführen. Die Oberflächenstruktur, in der die mit dieser Präsupposition zusammenhängende Ja/Nein-Frage enthalten ist, enthält darüber hinaus den Befehl in eingebetteter Form als untergeordnete Konstruktion. 4. Wir haben bei Versuchspersonen allgemein die Tendenz bemerkt, am Anfang einer tiefen somnambulistischen Trance nur in aus einem Won bestehenden Äußerungen zu sprechen, bis sie angewiesen werden, normale Sprachmuster zu verwenden. 5. Der einschränkende Fall bestünde darin, daß der Klient sich dieser Signalgebung durch Über-KreuzModalitäten (cross-modality-cueing) bewußt ist, was deren Wirksamkeit verringern würde. Der Klient wird sich nur selten dieser Signalgebung durch Über-Kreuz-Modalitäten bewußt; wenn dies geschieht, weiß er in der Regel nur, daß etwas geschieht, nicht jedoch, was geschieht.
Dritter Teil Verfahren für die Konstruktion der in Milton H. Ericksons Hypnosearbeit verwendeten Muster
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Einleitung Dieser letzte Teil dieses Bandes soll Ihnen ein schrittweises Verfahren vorstellen, mit dessen Hilfe Sie jedes der bisher vorgestellten Muster bilden können. Dieses Format wird es Ihnen erlauben, die sehr wirkungsvollen Fertigkeiten Milton Ericksons in Ihrer eigenen Arbeit, für Ihre eigenen Zwecke, auf Ihre eigene Weise und in jedem beliebigen Kontext zu nutzen. Wir empfehlen Ihnen sehr, diesen Teil des Buches als Trainingshandbuch zu benutzen und die verschiedenen Abschnitte einzeln und langsam zu lesen. Das schriftliche und mündliche Experimentieren mit diesen Mustern ist ein sehr nützliches Verfahren, um erst einmal zu lernen, wie Sie jedes dieser Muster bewußt bilden können. Dann werden, wie unsere Erfahrung bei der Ausbildung anderer in diesen Techniken wiederholt gezeigt hat, diese formalen Muster aus Ihrem Bewußtsein verschwinden, und Sie werden imstande sein, die Muster spontan zu bilden. Diese Art der sorgfältigen Vorbereitung wird Ihnen die größten Lernerfolge bescheren, unabhängig davon, ob Sie Hypnose für medizinische, zahnmedizinische, psychologische oder experimentelle Zwecke verwenden. Wir haben mit unseren Seminarteilnehmern die Erfahrung gemacht, daß wiederholtes Lesen und Einüben, genau wie beim Erlernen jeder anderen komplexen Fertigkeit, auch hier zu den besten Erfolgen führt. Wir schließen diese Empfehlung an, um es Ihnen zu ermöglichen, den besten Gebrauch von Milton Ericksons jahrelangem kreativen Schaffen zu machen. Mit Ihrer sachkundigen Hilfe werden Sie es den Menschen, die sich an Sie wenden, ermöglichen, ihr volles Potential zu erkennen und ihre Ziele zu erreichen.
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Konstruktion und Gebrauch kausaler sprachlicher Modellbildungsprozesse Wie wir bereits mehrfach angemerkt haben, bildet jeder von uns aus seiner jeweiligen Erfahrung ein Modell oder eine Repräsentation der Welt, in der wir leben. Wir verwenden drei universelle Prozesse menschlicher Modellbildung, um dieses Modell oder diese Richtschnur für unser Verhalten zu konstruieren: Generalisierung, Verzerrung und Tilgung. Innerhalb des Sprachsystems, auf das wir uns stützen, um unsere Erfahrung zu verstehen, versuchen wir oft die Verbindung zwischen verschiedenen Teilen unseres Weltmodells in kausalen Begriffen zu "erklären"; wir verwenden dafür die Begriffe der natürlichen Sprache und behaupten - in der Regel - eine notwendige Verbindung zwischen diesen Teilen unserer Erfahrung. Derartige Erklärungen sind meist absurd, da sie versuchen, die komplexen Umstände, die an der Entstehung solcher Ereignisse beteiligt sind, auf eine einfache und häufig einzige "Ursache" zu reduzieren. Gregory Bateson (1981, S. 515-516) beschreibt diese Art kausaler Erklärung und vergleicht sie mit einer kybernetischen Erklärung: Die kausale Erklärung ist gewöhnlich positiv. Wir sagen, daß sich Billardkugel B in der und der Richtung bewegte, weil sie von Billardkugel A in dem und dem Winkel angestoßen wurde. Im Gegensatz hierzu ist die kybernetische Erklärung immer negativ. Wir erwägen, welche alternativen Möglichkeiten denkbar gewesen wären, und fragen dann, warum viele der Alternativen nicht eingetreten sind, so daß das besondere Ereignis eins von den wenigen war, die in der Tat auftreten konnten. ... In der Sprache der Kybernetik soll der Geschehensablauf Einschränkungen unterworfen sein, und es wird angenommen, daß die Wege der Veränderung ohne solche Einschränkungen nur von der Gleichheit der Wahrscheinlichkeit beherrscht würden. In der Tat kann man die "Einschränkungen", auf denen die kybernetische Erklärung beruht, jedenfalls als Faktoren betrachten, welche die Ungleichkeit der Wahrscheinlichkeit determinieren. Wenn wir sehen, daß ein Affe anscheinend planlos auf eine Schreibmaschine einhämmert, tatsächlich aber sinnvolle Prosa schreibt, dann werden wir nach Einschränkungen entweder innerhalb des Affen oder innerhalb der Schreibmaschine suchen. Vielleicht
Konstruktion und Gebrauch kausaler sprachlicher Modellbildungsprozesse
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könnte der Affe gar keine unangebrachten Buchstaben treffen; vielleicht könnten sich die Typen nicht bewegen, wenn sie unzutreffend bedient würden; vielleicht könnten unangebrachte Buchstaben nicht auf dem Papier überdauern. Irgendwo muß ein Feedbackkreis gewesen sein, der Irrtümer identifizieren und eliminieren kann. Ideell - und üblicherweise - ist das wirkliche Ereignis in irgendeinem Ablauf oder Aggregat ausschließlich innerhalb des Rahmens der kybernetischen Erklärung determiniert. Einschränkungen vieler verschiedener Arten können gemeinsam diese einzigartige Determination hervorbringen. Beispielsweise ist die Auswahl eines Stückes für eine gegebene Stelle in einem PuzzleSpiel durch viele Faktoren "eingeschränkt". Seine Form muß der seiner verschiedenen Nachbarstücke und vielleicht dem Rand des Puzzles entsprechen; seine Farbe muß dem Farbmuster seines Gebiets angemessen sein; die Ausrichtung seiner Ecken muß den topologischen Regelmäßigkeiten genügen, die durch die Stanzmaschine, aus der das Puzzle stammt, gesetzt wurden; und so weiter. Für denjenigen, der versucht, das Puzzle zu lösen, sind das alles Anhaltspunkte, d.h. Informationsquellen, die ihn bei seiner Auswahl leiten werden. Für den kybernetischen Beobachter sind es Einschränkungen. Ähnlich ist vom Standpunkt der Kybernetik aus ein Wort in einem Satz, ein Buchstabe in einem Wort, die Anatomie eines Teils in einem Organismus, die Rolle einer Spezies in einem Ökosystem oder das Verhalten eines Mitglieds in der Familie (negativ) durch eine Analyse von Einschränkungen zu erklären. Wir befinden uns in weitgehender Übereinstimmung mit Batesons Bemerkungen. In Struktur der Magie 1 diskutieren wir die negativen Auswirkungen, die eine spezifische Form dieses kausalen Erklärungstyps auf Menschen hat. Wir nennen diesen besonderen Typ kausaler Erklärung Ursache-Wirkung. Mit diesem Prozeß kausaler Modellbildung eng verbunden ist ein anderer Typ kausaler Modellbildung, den wir Gedankenlesen nennen. Bei dieser Art der Modellbildung glaubt eine Person, daß sie die Gedanken, Gefühle usw. eines anderen kennt, ohne daß eine direkte Kommunikation dieser Erfahrungen durch die andere Person stattgefunden hat (siehe Struktur der Magie I, Kapitel 3, 4 und 6; Struktur der Magie II, Kapitel 2 und 3). Im Kontext der Hypnose jedoch, wo eines der Ziele, das der Hypnotiseur anfänglich verfolgt, darin besteht, die Erfahrung des Klienten zu pacen und dann zu leaden, haben die Prozesse Ursache-Wirkung und Gedankenlesen einen positiven Wert. Da der Klient typischerweise diese Erklärungsmodelle ohnehin selbst verwendet, kann der Hypnotiseur von diesen Prozessen Gebrauch machen, um dem Klienten dabei zu hel-
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fen, den gewünschten Trancezustand zu erreichen. Der Hypnotiseur kann insbesondere kausale Verbindungen zwischen den unmittelbar überprüfbaren Teilen der Erfahrung des Klienten und dem gewünschten Verhalten herstellen. Wir möchten zunächst einige Beispiele dafür vorstellen, wie Ursache-WirkungsZusammenhänge im hypnotischen Kontext utilisiert werden können: Wenn Sie sich in Ihrem Stuhl ganz zurücklehnen, werden Sie in eine tiefe Trance gehen. Wenn Sie weiteratmen, wird jedes Ausatmen Sie weiter und weiter entspannen. Wenn Ihre Hand Ihr Gesicht berührt, wird das einen Zustand der Tieftrance auslösen. In dem Maße, wie Ihre Atmung sich langsam verändert, werden Sie sich der besonderen Empfindungen in Ihren Fingern und Ihrer Hand bewußt werden. Jedes dieser Beispiele hat die gleiche logische Form: X sich ganz im Stuhl zurückzulehnen veränderte Atmung
verursacht
Y in eine tiefe Trance zu gehen
das Bewußtwerden dieser besonderen Empfindungen in Fingern und Händen
Der Leser kann ohne Mühe feststellen, daß die Verbindungen, die in den Beispielsätzen zwischen den beiden Verhaltenssequenzen behauptet werden, keine unbedingt notwendigen Verbindungen sind. Doch im Kontext der Hypnoseinduktion sind diese kausalen Verbindungen außerordentlich effektiv, um ein gewünschtes Verhalten im Klienten hervorzurufen, da der Klient selbst die gleichen fehlgeformten semantischen Modellbildungsprinzipien verwendet. Solche Sätze lassen sich sehr leicht bilden; befolgen Sie dazu die folgenden Schritte: Erster Schritt - Bestimmen Sie das Verhalten, das Sie, als der Hypnotiseur, bei dem Klienten hervorrufen möchten; nennen Sie dieses Verhalten Y; Zweiter Schritt - Identifizieren Sie ein Verhalten, das der Klient bereits ausführt, einen Teil seines aktuellen Verhaltens oder Erlebens; nennen Sie dieses Verhalten X; Dritter Schritt - Formulieren Sie einen Satz, der folgende Form hat: X verursacht Y
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Der Hypnotiseur kann das Wort verursachen oder auch ein anderes Verb verwenden, das mit verursachen gleichbedeutend ist (z.B. bewirken) oder "verursachen" als Teil seiner Bedeutung enthält, wie z.B.: auslösen, erfordern, voraussetzen, ziehen, schließen, öffnen. Mit diesen Ursache-Wirkungs-Sätzen eng verwandt ist eine Gruppe von Sätzen, die das enthalten, was wir "impliziertes Kausativ" genannt haben (siehe Struktur der Magie I für eine umfassendere Diskussion). Diese Art von Sätzen postuliert strenggenommen keine notwendige Verbindung zwischen zwei Ereignissen; sie lädt den Zuhörer jedoch dazu ein, die Schlußfolgerung zu ziehen, daß eine notwendige, kausale Verbindung zwischen den beiden erwähnten Ereignissen besteht; d.h., sie postuliert eine Kontingenz zwischen zwei Arten von Ereignissen oder Erfahrungen. Wir werden zunächst einige Beispiele für diese Art von Sätzen aufführen: Sie lehnen sich immer weiter in Ihrem Stuhl zurück und gehen dabei in eine tiefe Trance Während Sie den Klang meiner Stimme hören, entspannen Sie sich immer mehr Sobald Sie diese Kommunikation vollkommen verstanden haben, werden Sie die richtige Trancetiefe erreicht haben Sobald Ihre Hand sich wieder auf Ihren Oberschenkel gesenkt hat, werden Sie vollständig darauf vorbereitet sein, neue Tieftrancephänomene zu erleben Diese Sätze haben alle die gleiche logische Form: Während Sobald Nachdem X { während }
Y
Sie sich ganz im Stuhl zurücklehnen
werden Sie in eine tiefe Trance gehen
Sie Ihre Hand auf Ihren Oberschenkel sinken lassen
1 werden Sie vollständig vorbereitet sein, neue Tieftrancephänomene zu erleben
Der Leser kann sich auch hier wieder leicht davon überzeugen, daß keine notwendige oder andere logische Verbindung zwischen den Verhaltensweisen in den Kategorien X und Y besteht.
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Sätze mit impliziertem Kausativ lassen sich auf folgende Weise konstruieren: Erster Schritt: Bestimmen Sie die Art des Verhaltens, das sie als Hypnotiseur bei dem Klienten hervorrufen möchten; nennen Sie dieses Verhalten Y; Zweiter Schritt: Identifizieren Sie ein Verhalten, das der Klient bereits erlebt, einen beliebigen Teil seines aktuellen Verhaltens oder Erlebens; nennen Sie dieses Verhalten X; Dritter Schritt: Bilden Sie einen Satz mit folgender Form: Konnektiv für das implizierte Kausativ X Y - wobei das Konnektiv für das implizierte Kausativ jedes Konnektiv sein kann, das den Zuhörer dazu einlädt, eine kausale Verbindung herzustellen - Beispiele: während, nachdem, bevor, sobald, im Anschluß an usw. Eine andere Art der Modellbildung, die damit eng verwandt ist und häufig von Erickson in der Trancearbeit verwendet wird, ist das Gedankenlesen. Dabei handelt es sich um Sätze, in denen der Sprecher behauptet, etwas über das innere, nicht beobachtbare Erleben des Zuhörers zu wissen, ohne zu spezifizieren, wie er dieses Wissen erhalten hat. Hier ist eine Liste von Beispielen: Sie werden sich jetzt wundern, was als Nächstes passieren wird ... Sie können jetzt weiter die Befriedigung erleben, die davon kommt... Sie lernen sogar noch schneller, als Sie zuerst... Sie beginnen wirklich zu verstehen, wie schnell Sie ... In jedem dieser Sätze behauptet der Sprecher/Hypnotiseur, Wissen über bestimmte Erfahrungen des Zuhörers zu haben, ohne zu spezifizieren, wie er zu diesem Wissen gelangt ist. Der Hypnotiseur stellt vor allem die Behauptung auf, daß er etwas über die folgenden innere Zustände des Zuhörers weiß: sich fragen, fühlen, lernen, verstehen, staunen. In keinem dieser Beispiele spezifiziert der Hypnotiseur, wie er zu dieser Information gekommen ist. Solche Sätze lassen sich folgendermaßen konstruieren: Erster Schritt: Bestimmen Sie einen inneren Zustand oder eine innere Erfahrung des Klienten, die mit der Information, die Ihnen zur Verfügung steht, vereinbar ist; Zweiter Schritt: Bilden Sie einen Satz, der deutlich macht, daß Sie wissen, welchen inneren Zustand der Klient erlebt.
Konstruktion und Gebrauch kausaler sprachlicher Modellbildungsprozesse
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Es gibt zwei zusätzliche Kommentare, die für den Hypnotiseur nützlich sein werden, wenn er solche Sätze bildet. Erstens: Es gibt eine Reihe innerer Zustände oder Erfahrungen, die für jeden Menschen während einer Tranceinduktion typisch sind, oder Erfahrungen, die eine Versuchsperson erleben wird, sobald sie erwähnt werden, z.B.: sich fragen, lernen, fühlen, denken, erinnern, erleben. Wenn Sie eine dieser Tätigkeiten als Grundlage für einen Satz wählen, der das semantisch fehlgeformte Muster des Gedankenlesens enthält, gewährleistet dies ein erfolgreiches Pacing der Erfahrung des Klienten. Verben, die hinsichtlich des Repräsentationssystems unspezifisch sind, sind hierzu ebenfalls hervorragend geeignet. Zweitens: Wenn der Hypnotiseur einen Satz bildet, der die Technik des Gedankenlesens enthält, kann er zusätzlich auch Präsuppositionen verwenden, um die aufgestellte Behauptung besser zu tarnen. Anstatt z.B. einfach zu sagen: ... Sie lernen ..., kann der Hypnotiseur ein Wort wie sogar verwenden, das den Zuhörer dazu zwingt, die Wahrheit der durch Gedankenlesen aufgestellten Behauptung zu akzeptieren, um aus der Kommunikation Sinn machen zu können, und sich statt dessen auf die Geschwindigkeit zu konzentrieren, mit der er lernen wird, wie z.B. in dem folgenden Beispiel: ... Sie lernen sogar noch schneller als ... Achten Sie auf den Unterschied in den folgenden Beispielen: ... Sie können fühlen ... und ... Sie können weiterhin fühlen ... In diesem Beispiel setzt das Prädikat weiterhin voraus, daß die erwähnte Tätigkeit (fühlen) bereits vor dem Aussprechen des Satzes begonnen hat; die Aufmerksamkeit des Klienten wird daher davon abgelenkt, zu prüfen, ob er tatsächlich X fühlt, und auf die Frage gelenkt, wann er begonnen hat, X zu fühlen. Wir werden Ihnen eine systematischere Darstellung von Präsuppositionen in dem Kapitel über Bedeutungsableiungen vorstellen. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß der Hypnotiseur die gleichen sprachlichen kausalen Modellbildungsprozesse verwenden kann, um die Ziele der hypnotischen Situation zu erreichen, wie sie der Klient in der Regel bereits verwendet, um sein Modell der Welt und seiner Erfahrung zu konstruieren. Da diese Modellbildungsprozesse ein fester Bestandteil der Erfahrungswelt des Klienten sind, kann der Hypnotiseur durch geschickten Gebrauch dieser Techniken den Klienten erfolgreich pacen und zu den gewünschten Zielen der Hypnose führen (leaden). Erickson verwendet diese Techniken mit der kraftvollen Eleganz eines Meisters.
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Transderivationale Phänomene1
Eines der wünschenswerten Merkmale der Kommunikation zwischen Hypnotiseur und Klient ist die aktive Teilnahme des Klienten am Prozeß. Wenn der Klient sowohl auf unbewußter wie auf bewußter Ebene aktiv an dem Kommunikationsprozeß beteiligt werden kann, wird die Kommunikation äußerst erfolgreich sein. Bei allen vier sprachlichen Phänomenen, die in diesem Abschnitt vorgestellt werden, ist der Klient auf unbewußter Ebene am Kommunikationsprozeß beteiligt. Indem er den Klienten auf unbewußter Ebene beteiligt, erfüllt der Hypnotiseur mehrere wichtige Aufgaben gleichzeitig. Erstens: Wenn der Klient auf unbewußter Ebene beteiligt ist, kommt sein Wachbewußtsein dem unmittelbaren Ziel der Tranceinduktion, dem Übergang in einen veränderten Bewußtseinszustand, nicht in die Quere. Zweitens: Da nicht das Bewußtsein des Klienten über die Bedeutung der Kommunikation des Hypnotiseurs entscheidet, wird die Reaktion ausgewählt, die für die unbewußten Bedürfnisse des Klienten am angemessensten sind. (Wir wiederholen hier für den Leser Informationen, die bereits im ersten Kapitel vorgestellt wurden.) In unserer alltäglichen Kommunikation mit den Menschen in unserer Umgebung verwenden wir eine Reihe von Sprachverarbeitungsstrategien, die es uns erlauben, die Bedeutung aus den Worten, Satzteilen und Sätzen zu entnehmen, die wir hören. Diese Sprachverarbeitungsstrategien sind Gegenstand der psycholinguistischen Forschung (siehe dazu u.a. Bever und Slobin). Erickson ist es gelungen, diese Sprachverarbeitungsmechanismen auf eine Weise zu verwenden, die es ihm erlaubt, sowohl mit dem Bewußten wie mit dem Unbewußten des Klienten zu kommunizieren. Er erreicht das vor allem, indem er dem Klienten eine Oberflächenstruktur anbietet, die die üblichen Verarbeitungsprozesse des bewußten Geistes aktiviert. Gleichzeitig aktiviert er zusätzliche Prozesse, durch die Bedeutungen hochgeholt werden, die für die unbewußten, nicht aber für die bewußten Anteile des Klienten verfügbar sind. In manchen Fällen verwendet er Oberflächenstrukturen, die nicht wohlgeformt sind. Das hat in der Regel die Wirkung, daß die normalen Sprachverarbeitungsmechanismen des Klienten überlastet oder blockiert werden, während das Unbewußte des Klienten die für seine Zwecke angemessenste Bedeutung auswählt. Wir beginnen mit einer Übersicht über die wichtigsten linguistischen Unterscheidungen, die für ein Verständnis dieser Techniken notwendig sind (siehe Struktur der Magie I für eine ausführlichere Diskussion).
Transderivationale Phänomene
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Jeder Satz einer natürlichen Sprache hat zwei verschiedene Repräsentationen: die Repräsentation der Art und Weise, wie er tatsächlich klingt (oder geschrieben erscheint), die Oberflächenstruktur genannt wird, und die Repräsentation seiner Bedeutung, die Tiefenstruktur genannt wird. Wenn jemand z.B. sagt: Das Fenster wurde zerbrochen besteht die Oberflächenstruktur aus der Repräsentation der tatsächlichen Laute, die der Sprecher von sich gibt, oder, im Fall einer schriftlichen Repräsentation, aus den Worten, so wie sie oben gedruckt sind. Zusätzlich zu dieser Repräsentation ist dieser Satz mit einer anderen Repräsentation verbunden, nämlich der Bedeutung, die er hat der Tiefenstruktur. In diesem besonderen Fall kann die Tiefenstruktur auf folgende Weise repräsentiert werden: VERGANGENHEIT(ZERBRECHEN [jemand, Fenster, mit etwas]) Diese Repräsentation der Tiefenstruktur soll die Intuitionen wiedergeben, die jeder Muttersprachler hat. Wenn wir die oben wiedergegebene Oberflächenstruktur hören, wissen wir: a) Ein Ereignis hat in der VERGANGENHEIT stattgefunden. b) Das Ereignis war ein komplexes Ereignis mit folgenden Bestandteilen: 1) einer Handlung - ZERBRECHEN -, an der folgende Faktoren beteiligt waren: a. der Handelnde - eine Person oder ein Gegenstand, die das Zerbrechen auslöst - hier durch jemand repräsentiert; b. das Objekt - eine Person oder ein Gegenstand, die zerbrochen wird - hier durch Fenster repräsentiert; c. das Instrument - ein Gegenstand, der verwendet wird, um das Zerbrechen zu bewirken - hier durch mit etwas repräsentiert. Beachten Sie, daß, auch wenn nicht alle Teile der Tiefenstruktur in der Oberflächenstruktur erscheinen (in diesem Fall sind der Handelnde und das Instrument nicht in der Oberflächenstruktur repräsentiert), dem Muttersprachler diese Information für sein Verständnis des Satzes zur Verfügung steht. Die verschiedenen Möglichkeiten, wie sich Oberflächenstrukturen von den entsprechenden Tiefenstrukturen unterscheiden können, bildet den Forschungsbereich der Transformationslinguisten. Sie haben eine Reihe formaler Mapping-Operationen postuliert, die Transformationen genannt werden und die genau spezifizieren, wie sich Tiefen- und Oberflächenstruktur voneinander unter-
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scheiden können. Der gesamte Prozeß, der eine Tiefenstruktur mit ihrer Oberflächenstruktur verbindet, wird Ableitung genannt.
Mit Hilfe dieser grundlegenden linguistischen Unterscheidungen können wir nun beginnen, die Muster selbst zu besprechen.
Transderivationale Suche - Generalisierter Bezugsindex Eine der Techniken, die Erickson bevorzugt anwendet, sowohl wenn der Klient in Trance wie wenn er im "normalen" Bewußtseinszustand ist, besteht darin, eine Geschichte zu erzählen. Diese Geschichte beginnt in der Regel mit der Wendung: Ich hatte einmal einen Patienten ... Erickson erzählt dann eine wirkliche oder ad hoc erfundene Version einer Erfahrung, die für die Person, mit der er gerade redet, relevant sein wird. Das Ausmaß der Relevanz, das die Geschichte für den Klienten hat, hängt davon ab, wie direkt Erickson in seiner Kommunikation sein möchte; im allgemeinen wird dies wiederum von der Trancetiefe des Klienten abhängen. Erickson geht nach dem Prinzip vor, daß der Klient am besten reagieren wird, wenn die Relevanz der Geschichte gerade eben außerhalb seines Bewußtseins liegt. Das ist ein Beispiel für die transderivationale Suche nach Bedeutung, die durch den Gebrauch eines generalisierten Bezugsindex ausgelöst wird. Wenn Erickson sagt: Sie können Ihre Augen auf die Ecke richten ...
hat das Substantiv Sie den Bezugsindex des Klienten - der Person, mit der Erickson spricht -, und der Klient weiß, daß Erickson mit dem Wort Sie ihn meint. Doch wenn Erickson sagt: Ich hatte einmal einen Patienten ...
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leiten die normalen sprachlichen Verarbeitungsmechanismen des Klienten von dieser Oberflächenstruktur eine Tiefenstrukturbedeutung ab, die kein Substantiv enthält, das sich auf den Klienten direkt bezieht. Oder wenn ein Klient die folgenden Wortverbindungen hört: Man kann aus jeder Lerngelegenheit das Beste machen ... Ein Mann saß einmal in dem gleichen Sessel und war sehr nervös ... Eine Kellnerin wollte etwas ganz Bestimmtes erreichen ... bildet er für sich eine Tiefenstruktur, in der kein Substantiv vorkommt, das seinen, des Klienten, Bezugsindex als Bestandteil enthält. Ericksons Verhalten und die Reaktion, die er von seinen Klienten erlangt, und auch unsere eigene Erfahrung und die Reaktionen, die wir immer wieder von unseren Klienten erlangen konnten, haben uns davon überzeugt, daß eine zusätzliche sprachliche Verarbeitung auf unbewußter Ebene stattfindet. Das nützlichste Modell, das wir gefunden haben, um unsere Erfahrung zu organisieren und ein Modell für Ericksons Vorgehen zu konstruieren, ist das der transderivationalen Suche. Dieser Prozeß läuft wie folgt ab: a) b) c)
Der Klient hört eine wohlgeformte Oberflächenstruktur; der Klient birgt die entsprechende Tiefenstruktur und ist sich der Bedeutung dieser Tiefenstruktur bewußt; diese Bedeutung enthält keinen direkten Bezug auf ihn; der Klient aktiviert eine transderivationale Suche nach einer zusätzlichen Tiefenstruktur, die für sein aktuelles Erleben relevanter ist.
Dieser letzte Schritt setzt eine weitere Erklärung voraus. Klienten generieren zusätzliche Tiefenstrukturen nicht wahllos; die Tiefenstrukturen, die sie generieren, sind vielmehr auf systematische Weise mit der ursprünglich wiedergewonnen Tiefenstruktur verbunden. Sie generieren vor allem Tiefenstrukturen, die in ihrer Form mit der wiedergewonnen Tiefenstruktur identisch sind, mit der Ausnahme, daß sie Substantive durch Bezugsindizes ersetzen, die sich auf Teile ihres aktuellen Verhaltens beziehen, wodurch diese Substantive für sie maximal relevant werden. Wir möchten dies durch das folgende Beispiel verdeutlichen. Der Klient hört die Oberflächenstruktur: Man kann aus jeder Lerngelegenheit das Beste machen ... die normalen sprachlichen Verarbeitungsmechanismen finden Anwendung und leiten die folgende Tiefenstruktur ab2:
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MÖGLICH (DAS BESTE MACHEN [JEDE (man, Lerngelegenheit)]) Der gesamte Prozeß, der bisher stattgefunden hat, läßt sich visuell folgendermaßen darstellen: MÖGLICH (DAS BESTE MACHEN (JEDE (man, Lerngelegenheit)])
Man kann aus jeder Lerngelegenheit das Beste machen Dem Prinzip der transderivationalen Suche zufolge beginnt der Klient einen unbewußten Prozeß, in dem er eine Tiefenstruktur sucht, die mit der wiedergewonnenen Tiefenstruktur der Form nach identisch ist und in der die Substantive, die keine für seine aktuelle Erfahrung relevanten Bezugsindizes haben, durch Bezugsindizes ersetzt sind, die für seine aktuelle Erfahrung relevante Bezugsindizes haben. Die wiedergewonnene Tiefenstruktur enthält zwei Substantive, die keinen für die aktuelle Erfahrung des Klienten relevanten Bezugsindex haben; daher wird die neu generierte Tiefenstruktur mit der ursprünglichen identisch sein und neue Substantive in diesen Positionen enthalten. Der Klient wird unter anderem die folgende Tiefenstruktur generieren: MÖGLICH (DAS BESTE MACHEN [Ich, diese Lernegelegenheit]) Mit anderen Worten, zu den Tiefenstrukturen, die mit der ursprünglich wiedergewonnenen identisch sind, gehört auch die oben abgedruckte. Die dazugehörige Oberflächenstruktur sieht folgendermaßen aus: Ich (der Klient) kann aus dieser Lerngelegenheit das Beste machen Durch den Prozeß der transderivationalen Suche generiert der Klient auf diese Weise die Bedeutung, die für seine aktuelle Erfahrung maximal relevant ist. Mit dieser Technik kann Erickson das aktuelle Erleben des Klienten erfolgreich pacen, dem
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Klienten maximale Freiheit geben, selbst die Bedeutung zu schaffen und dadurch aktiv an dem Kommunikationsprozeß teilzunehmen; er vermeidet es außerdem, dem Klienten in einer Weise Anweisungen zu geben, die dieser bewußt wahrnehmen kann (es kann kein "Widerstand" entstehen, da Erickson keine Anweisung gegeben hat, gegen die der Klient Widerstand leisten könnte). Die transderivationale Suche ist ein Muster, das bei allen sprachlichen Phänomenen vorkommt, die in diesem Abschnitt vorgestellt werden. Wir werden nun die formalen Muster der transderivationalen Suche darstellen:
Mit anderen Worten, der Klient birgt die Tiefenstruktur, die der von Erickson mitgeteilten Oberflächenstruktur entspricht, und generiert dann eine Reihe von Tiefenstrukturen, die bis auf die Bezugsindizes identisch sind. Aus diesen wählt der Klient die Tiefenstruktur aus, die für seine aktuelle Erfahrung die höchste Relevanz hat. Aus der Beschreibung des Modells für transderivationale Suche kann man leicht Regeln für die Konstruktion von Aussagen ableiten, die generalisierte Bezugsindizes enthalten. In einem Schritt-für-Schritt-Format kann der Prozeß folgendermaßen beschrieben werden: Erster Schritt: Bestimmen Sie die Botschaft, von der Sie als Hypnotiseur wollen, daß der Klient sie auf unbewußter Ebene erhält; Zweiter Schritt: Formulieren Sie einen Satz (oder eine Reihe von Sätzen), der diese Botschaft direkt kommuniziert; Dritter Schritt: Ersetzen Sie alle Substantive, die einen Bezug auf den Klienten, auf die aktuelle Situation und das konkrete Problem enthalten, durch Substantive, die keine Relevanz für den Klienten, die aktuelle Situation oder das vorgestellte Problem haben. Wie bereits erwähnt, hängt das Ausmaß, in dem die Substantive ersetzt werden, die sich auf den Klienten, die gegenwärtige Situation und das konkrete Problem beziehen,
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von Faktoren wie z.B. der Trancetiefe des Klienten ab. Allgemein gilt, daß die beabsichtigte Bedeutung vom Klienten nicht bewußt erkannt werden sollte. Erickson verläßt sich hier vor allem auf seine phänomenale Fähigkeit, selbst minimale visuelle und auditive Veränderungen in Körperhaltung und Stimme des Klienten wahrzunehmen, um zu entscheiden, wie weit er beim Ersetzen relevanter Substantive gehen sollte.
Transderivationale Suche - generalisierter Bezugsindex mit suggerierter Substantivsubstitution Erickson verwendet zur Aktivierung der transderivationalen Suche die Methode des generalisierten Bezugsindex manchmal mit einem Zusatz. Die folgenden Beispiele gehören zu dieser Kategorie: Man, Susan, kann aus Lerngelegenheiten das Beste machen. Man kann, Susan, aus Lerngelegenheiten das Beste machen. Man kann aus Lerngelegenheiten das Beste machen, Susan. Erickson verwendet hier die gleiche Technik, die wir im letzten Abschnitt besprochen haben, mit dem Unterschied, daß er hier bereits das Substantiv anbietet, das der Klient in die Substantivposition einsetzen soll, wenn er (der Klient) eine Reihe von verwandten Tiefenstrukturen generiert - und zwar den (substantivischen) Bezugsindex des Klienten selbst. Die Konstruktionstechnik für den generalisierten Bezugsindex mit suggerierter Substantivsubstitution ist bis auf den zusätzlichen Schritt Nr. 4 identisch mit dem Verfahren für die Konstruktion des generalisierten Bezugsindex: Vierter Schritt: Fügen Sie in den Satz, der aus den ersten drei Schritten resultiert, das Substantiv ein, von dem Sie wollen, daß der Klient es in die Tiefenstrukturen einsetzt, die er durch die transderivationale Suche abgeleitet hat. Dieser Zusatz des gewünschten substantivischen Bezugsindex erhöht die Wahrscheinlichkeit, daß der Klient die abgeleitete Tiefenstruktur auswählen wird, welche die von dem Hypnotiseur beabsichtigte Botschaft enthält. Die Wirkung des Satzes ist verschieden, je nachdem, in welcher Position das suggerierte Substantiv eingesetzt wird. Dies wird unter dem Titel Untergeordnete Tiefenstrukturen diskutiert werden.
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Verletzungen der Selektionsbeschränkung In jeder natürlichen Sprache gibt es bestimmte Worte, Prädikate genannt, die Beziehungen oder Prozesse beschreiben. Diese Worte bezeichnen bestimmte Erfahrungskategorien in den Modellen der Personen, die diese Sprache sprechen. Bestimmte Prozesse oder Beziehungen erfolgen nur zwischen bestimmten Teilen des Modells eines Sprechers. Wir können z.B. davon ausgehen, daß der Prozeß, der durch das Prädikat trinken beschrieben wird, in der Erfahrung des Lesers nie im Zusammenhang mit dem Wort Nominalisierung stattgefunden hat, wie in dem Satz: Die Nominalisierung trank einen halben Liter Orangensaft. Die Linguisten haben diese Art merkwürdiger Aussagen, wie sie in diesem Satz vorkommt, als eine Verletzung der Selektionsbeschränkung charakterisiert. Das Prädikat trinken hat eine Selektionsbeschränkung, die voraussetzt, daß es nur im Zusammenhang mit Substantiven verwendet wird, die Lebewesen bezeichnen. Da das Wort Nominalisierung sich nicht auf ein Lebewesen bezieht, enthält der obige Satz eine Verletzung einer Selektionsbeschränkung, was seine seltsame Wirkung erklärt. Erickson verwendet Verletzungen von Selektionsbeschränkungen, um den Klienten zu einer transderivationale Suche nach Bedeutung zu veranlassen. Erickson sagt z.B.: ... eine Tomatenpflanze kann sich wohl fühlen ...
Im Standardgebrauch des Prädikats fühlen besteht eine Selektionsbeschränkung, die voraussetzt, daß das als Subjekt erscheinende Substantiv ein Tier oder Mensch sein muß. Für die meisten Sprecher klingt der obige Satz merkwürdig; die Selektionsbeschränkung für das Prädikat fühlen ist verletzt worden. Der Satz ergibt keinen rechten Sinn. Im Kontext der Hypnose verblüfft diese Verletzung der Selektionsbeschränkung den Klienten, der, um Ericksons Kommunikation verstehen zu können, eine transderivationale Suche nach möglichen relevanten Bedeutungen beginnt. In diesem Fall werden die Tiefenstrukturen, die durch die transderivationale Suche generiert werden, mit der ursprünglich wiedergewonnenen Tiefenstruktur identisch sein, mit dem Unterschied, daß ein Substantiv in der Position (den Positionen) eingesetzt ist, die durch das Substantiv/die Substantive besetzt ist/sind, die die Verletzung der Selektionsbeschränkung verursacht hat/haben. Wenn wir wieder den obigen Beispielsatz verwenden, bekommen wir:
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Eine der durch die transderivationale Suche wiedergewonnenen Tiefenstrukturen wird mit der folgenden Oberflächenstruktur zusammenhängen: ... ich (der Klient) kann mich wohl fühlen ... Wie im Fall der Technik des generalisierten Bezugsindex wird Erickson auch hier manchmal das Substantiv mit dem Bezugsindex anbieten, von dem er möchte, daß der Klient ihn aus den zusätzlichen, durch die transderivationale Suche generierten Tiefenstrukturen auswählt. Erickson könnte z.B. sagen: ... eine Tomatenpflanze, Joe, kann sich wohl fühlen ... Hier das Schritt-für-Schritt-Format für Ericksons Technik der Verletzung der Selektionsbeschränkung: Erster Schritt: Bestimmen Sie die Botschaft, von der Sie wollen, daß der Klient sie unbewußt erhält; Zweiter Schritt: Formulieren Sie einen Satz (oder eine Reihe von Sätzen), der diese Botschaft direkt kommuniziert; Dritter Schritt: Ersetzen Sie alle Substantive, die einen Bezug auf den Klienten, die gegenwärtige Situation und das konkrete Problem enthalten, durch Substantive, die die Selektionsbeschränkung des Prädikats verletzen, mit dem zusammen sie auftreten. Vierter Schritt: Dieser Schritt ist optional - setzen Sie in den Sätzen, die sich aus den ersten drei Schritten ergeben, das Substantiv/die Substantive ein, von denen Sie möchten, daß der Klient sie in die verwandten Tiefenstrukturen einsetzt, die durch die transderivationalen Suchprozesse generiert werden.
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Erickson schließt oft Meta-Kommentare ein, die sich auf den Prozeß beziehen, den er in der aktuellen Kommunikation verwendet. Er könnte z.B. sagen3: ... eine Tomatenpflanze, Joe, kann sich wohl fühlen ... komisch, darüber zu sprechen, daß eine Tomatenpflanze sich wohl fühlen kann, oder, Joe ...
Diese Art der Meta-Kommunikation gewährleistet, daß der Klient eine transderivationale Suche aktiviert. Erickson lenkt die Aufmerksamkeit des Klienten auf die Verletzung der Selektionsbeschränkung.
Tilgungen In dem Beispiel, das wir weiter oben aufgeführt haben: Das Fenster ist zerbrochen worden haben wir darauf hingewiesen, daß die mit dieser Oberflächenstruktur assoziierte Tiefenstruktur vollständiger ist und weitere Elemente enthält: VERGANGENHEIT (ZERBRECHEN [jemand, das Fenster, mit etwas]) Beim Prozeß der Ableitung, bei dem die Repräsentation der Tiefenstruktur auf die Oberflächenstruktur abgebildet wird, wurden mehrere Positionen der Tiefenstruktur getilgt oder beseitigt und erscheinen nicht in der Oberflächenstruktur. In dem Beispiel, das wir hier verwenden, verfügen sowohl der Ausführende - die Person oder der Gegenstand, der/die das Zerbrechen ausgeführt haben - als auch das Instrument - der Gegenstand, der benutzt worden ist, um das Fenster zu zerbrechen - über keine Repräsentation in der Oberflächenstruktur. Dieses Beispiel demonstriert den sprachlichen Prozeß der Tilgung. Erickson verwendet Tilgungsprozesse, um den Klienten dazu zu bringen, eine transderivationale Suche nach Bedeutung zu aktivieren. Erickson könnte z.B. sagen: ... es ist so befriedigend ... ... Sie haben so schnell gelernt... ... ich verstehe Sie dahingehend ...
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In jedem dieser Beispiele macht Erickson Gebrauch von den grammatikalischen Tilgungsprozessen, die zur Verfügung stehen, um einen Teil der Tiefenstrukturrepräsentation zu beseitigen, so daß dieser nicht in der Oberflächenstruktur erscheint. Indem er diese natürlichen Sprachprozesse geschickt verwendet, läßt der Hypnotiseur dem Klienten maximale Freiheit, um die fehlenden Teile der Tiefenstruktur selbst zu interpretieren. In dem obigen Beispiel sind die folgenden Teile getilgt worden: ... es ist so befriedigend ... ... Sie haben so schnell gelernt... ... ich verstehe Sie dahingehend ...
Befriedigend für wen? Was genau ist gelernt worden? Was genau habe ich verstanden?
Da Ericksons Kommunikation diese Teile der Tiefenstruktur, die mit der ausgesprochenen Oberflächenstruktur assoziiert sind, vollkommen unspezifiziert läßt, aktiviert der Klient eine transderivationale Suche, in der die generierten Tiefenstrukturen mit den wiedergewonnenen Tiefenstrukturen identisch sind, mit der Ausnahme, daß die Substantive, die aus der Oberflächenstruktur getilgt worden sind und daher keinen Bezugsindex in ihrer Tiefenstrukturrepräsentation haben4, durch ein Substantiv ersetzt wurden, das einen Bezugsindex hat, der für die aktuelle Erfahrung des Klienten relevant ist. Die zweite Art der Tilgung, die Erickson auf effektive Weise in seiner Arbeit einsetzt, sind Tilgungen, die in einer Oberflächenstruktur resultieren, die selbst nicht wohlgeformt ist. Erickson könnte z.B. sagen: ... und Sie wollen und brauchen ... ... vollständig erkennen Sie so leicht... In jedem dieser Beispiele stellt die resultierende Wortsequenz keinen wohlgeformten Satz dar, es liegt eine ungrammatikalische Tilgung vor. Der Klient steht vor der Aufgabe, aus Ericksons Kommunikation Sinn zu machen. Er kann das erreichen, indem er den transderivationalen Suchprozeß aktiviert - in diesem Fall sind die generierten Tiefenstrukturen mit der wiedergewonnenen (partiellen) Tiefenstruktur identisch, mit der Ausnahme, daß sie vollständig sind. Der Klient generiert eine Reihe von Strukturen, in denen die Teile eingesetzt sind, die in der geborgenen (partiellen) Tiefenstruktur fehlten (was sie ungrammatikalisch machte). ... und Sie wollen und brauchen ... ... vollständig erkennen Sie so leicht...
Was brauchen und wollen Sie? Was erkennen Sie vollständig?
Transderivationale Phänomene
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D.h., der Klient generiert Tiefenstrukturen, die in den Positionen, in denen Erickson die ungrammatikalischen Tilgungen vorgenommen hat, Substantive mit Bezugsindizes enthalten, die für sein aktuelles Erleben relevant sind. Wenn einem Klienten eine große Zahl dieser ungrammatikalischen Tilgungen dargeboten wird, gibt er, unserer Erfahrung nach, die Aufgabe, aus der Kommunikation Sinn zu machen, vollkommen auf, und seine normalen sprachlichen Verarbeitungsmechanismen blockieren. Das folgende Format hilft Ihnen dabei, Sätze zu bilden, die diese Tilgungsprinzipien verwenden: 1. 2. 3.
Bestimmen Sie die Botschaft, von der Sie wünschen, daß der Klient sie auf unbewußter Ebene versteht; Bilden Sie einen Satz, der diese Botschaft vermittelt; Tilgen Sie die Substantive in dem gebildeten Satz, bis (a) die maximale Zahl an Substantiven beseitigt worden ist und der Satz immer noch einen wohlgeformten Satz darstellt;
oder (b) so viele Substantive getilgt worden sind, wie Sie möchten, unabhängig davon, ob der daraus resultierende Satz wohlgeformt ist oder nicht.
Nominalisierungen Die Linguisten verwenden den Begriff Nominalisierung, um das Resultat des sprachlichen Prozesses zu bezeichnen, bei dem ein Prädikat der Tiefenstruktur in ein Substantiv der Oberflächenstruktur verwandelt wird. Die kursiv gedruckten Worte in der folgenden Liste sind Nominalisierungen: Frustration Befriedigung
frustrieren befriedigen
Die Worte, die rechts neben den Nominalisierungen erscheinen, sind die nichtnominalisierten Oberflächenstrukturprädikatformen dieser Tiefenstrukturprädikate. Allgemein gilt, daß ein Sprecher, der in der Oberflächenstruktur ein Prädikat in Prädikatform verwendet, Informationen über die Dinge oder Menschen geben muß, die an dem durch das Prädikat beschriebenen Prozeß beteiligt sind. Wenn er das Prädikat jedoch in nominalisierter Form verwendet, ist es nicht nötig, diese Information anzugeben. Dies erlaubt es dem Sprecher, eine Spezifizierung des Gesagten zu
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vermeiden, und bietet dem Zuhörer eine Fülle an Wahlmöglichkeiten, die Bedeutung der Kommunikation zu interpretieren oder zu verstehen. Im Kontext der Hypnosearbeit erhält die Nominalisierung einen positiven Wert, da sie dem Klienten die Gelegenheit bietet, die transderivationalen Prozesse bei seiner Suche nach der Bedeutung der Kommunikation des Hypnotiseurs zu aktivieren. Der Klient hört den Hypnotiseur z.B. sagen: ...die Befriedigung ... Die Tiefenstrukturrepräsentation dieser Nominalisierung ist: BEFRIEDIGEN (jemand/etwas, jemand, mit jemand/etwas) Mit anderen Worten, der Prozeß der Tiefenstruktur BEFRIEDIGEN beschreibt eine Person oder eine Sache, die die befriedigende Handlung ausführt, eine Person, die die Befriedigung erlebt, und jemand oder etwas, der oder das die Gelegenheit für den Prozeß des Befriedigens bietet (das Instrument). Da keines dieser Substantive in der Oberflächenstruktur der Kommunikation Ericksons erscheint, hat die wiedergewonnene Tiefenstruktur des Klienten keinen Bezugsindex für die Substantive, die Teil der Tiefenstrukturrepräsentation sind. Er aktiviert daher die transderivationalen Suchprozesse, um eine Bedeutung zu finden, und wählt dadurch die für ihn angemessenste und relevanteste Bedeutung aus den generierten Tiefenstrukturen aus. Nominalisierungen sind besonders nützlich beim Pacen und Leaden des Erlebens eines Klienten, wenn dieses Erleben sich nicht deutlich in den Körperbewegungen, Handlungen und Äußerungen des Klienten manifestiert. Das folgende Format erlaubt es Ihnen, sich dieser Technik zur Bildung von Sätzen zu bedienen: 1. 2. 3.
Bestimmen Sie die Art des Verhaltens, das Sie pacen oder zu dem Sie den Klienten leaden möchten; Bilden Sie einen Satz, der Prädikate verwendet, die diese Erfahrung beschreiben; Tilgen Sie alle Substantive und verwandeln Sie das Prädikat in seine nominalisierte Form.
Beim Auswählen einer Erfahrung, die im aktuellen Erleben des Klienten gepacet oder induziert werden soll, sollte der Hypnotiseur daran denken, daß es bestimmte Prädikate gibt, die Erfahrungen, die sich im Kontext der Hypnose beim Klienten ein-
Transderivationale Phänomene
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stellen, beschreiben oder leicht induzieren. Wie im Falle des Gedankenlesens wird das Wählen eines dieser Prädikate eine erfolgreiche Kommunikation zwischen dem Hypnotiseur und dem Klienten gewährleisten. Beispiele für solche Prädikate sind: sich fragen, staunen, befriedigen, lernen, denken, fühlen usw.
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Mehrdeutigkeit (Ambiguität)
Im Verlauf der normalen Kommunikation wird in natürlichen Sprachen in der Regel viel Wert darauf gelegt, Sätze zu bilden, die nicht mehrdeutig sind, d.h. Sätze, die nur eine Bedeutung enthalten. Im Kontext der Hypnose ist oft das Gegenteil der Fall. Die Fähigkeit des Hypnotiseurs, Sätze zu bilden, die mehrdeutig sind, leistet ihm gute Dienste, wenn er in seiner Trancearbeit den Klienten pacen und leaden will. Die Linguisten haben das sprachliche Phänomen der Mehrdeutigkeit formal als die Situation charakterisiert, in der eine einzelne Klangsequenz oder Oberflächenstruktur mit mehr als einer Ableitung und daher mehr als einer Tiefenstruktur assoziiert ist. Visuell läßt sich diese Ambiguität folgendermaßen darstellen:
Wir wenden uns nun direkt der Konstruktion der vier verschiedenen Arten von Mehrdeutigkeit zu.
Phonologische Mehrdeutigkeit Phonologische Mehrdeutigkeit beruht auf der Tatsache, daß in natürlichen Sprachen Worte oder Wortverbindungen mit der gleichen Klangsequenz verschiedene Bedeutungen haben können. Nehmen Sie z.B. das Wort duck. Ohne weiteren Kontext hat die Klangsequenz duck zwei Bedeutungen - die substantivische Bedeutung, die eine Kategorie von Vögeln identifiziert, und eine Verb-Bedeutung, die eine schnelle Bewegung einer bestimmten Art beschreibt. Um phonologische Ambiguitäten zu verwenden, braucht der Hypnotiseur nur folgendes Format zu befolgen: Erster Schritt: Bestimmen Sie die Botschaft, die der Klient erhalten soll. Zweiter Schritt: Listen Sie die Worte auf, die in der Botschaft enthalten sind.
Mehrdeutigheit (Ambiguität)
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Dritter Schritt: Überprüfen Sie alle Worte auf der Liste, um zu entscheiden, ob eines dieser Worte phonologisch mehrdeutig ist. (Beachten Sie dabei, daß es entscheidend ist, die Worte auf der Liste entweder laut zu sagen oder einen inneren auditiven Dialog zu verwenden, da manche Worte, die in geschriebener, visueller Form nicht uneindeutig sind, uneindeutig werden, wenn sie auditiv dargeboten werden - z.B. hear/here.) Vierter Schritt: Verwenden Sie die mehrdeutigen Worte in der dem Klienten gebotenen Oberflächenstruktur und markieren Sie diese Worte analog (siehe Techniken analogen Markierens in dem Abschnitt über untergeordnete Tiefenstrukturen).
Syntaktische Mehrdeutigkeit Syntaktische Mehrdeutigkeit liegt vor, wenn die syntaktische Funktion eines Wortes nicht allein aufgrund des unmittelbaren Kontexts bestimmt werden kann. In folgendem Satz z.B.: They are visiting relatives. Der Besuch von Bekannten ist es unmöglich zu entscheiden, ob das Wort visiting ab Verb der Oberflächenstruktur fungiert, das zu dem Verb are gehört, wie in dem Beispiel They are visiting orange groves oder ob es als Adjektiv der Oberflächenstruktur fungiert, das zu relatives gehört, wie in dem Beispiel: They are relatives who are visiting here with us oder They are traveling relatives. Es gibt zwei Formen syntaktischer Mehrdeutigkeit, die wir in Ericksons Arbeit gefunden haben: 1.
... Verb + ing + Noun ... Flying planes can be dangerous ... Investigating FBI agents can be dangerous
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They are murdering peasants... They are walking dogs... [Diese Form ist im Deutschen nicht möglich, wohl aber die folgende:] 2. ... Nominalisierung des Substantivs ... ... The touch of the man... Die Berührung des Mannes... ... The feeling of the couch... Das Fühlen der Couch ... Jede dieser syntaktisch mehrdeutigen Formen kann von dem Hypnotiseur verwendet werden, wenn er folgendes Format verwendet: Erster Schritt: Bestimmen Sie die Botschaft, die der Klient empfangen soll. Zweiter Schritt: Stellen Sie die Botschaft in eine der oben aufgeführten syntaktisch uneindeutigen Formen.
Bereichsmehrdeutigkeit Bereichsambiguität liegt vor, wenn nicht aufgrund einer Überprüfung des unmittelbaren sprachlichen Kontext entschieden werden kann, auf welchen Teil eines Satzes sich ein anderer Teil des Satzes bezieht. Erickson könnte z.B. sagen: / want you to draw me a picture of yourself in the nude Malen Sie mir ein Bild von sich, nackt.
Diese Kommunikation ist mehrdeutig, da der Satzteil in the nude (nackt) sich genausogut auf die Art und Weise beziehen kann, in der Erickson möchte, daß der Klient sich anziehen (oder vielmehr nicht anziehen soll), wenn er die Zeichnung anfertigt, oder auf die Art und Weise, wie er sich in der Zeichnung darstellen soll. Eine der von Ericksons bevorzugten Bereichsambiguitäten ist mit Altersregression assoziiert. Im Verlauf einer Induktion schaut er den Klienten bedeutungsvoll an und sagt: ... speaking to you as a child ... ... wenn ich zu dir als Kind rede ...
Mehrdeutigkeit (Ambiguität)
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Hier liegt die Ambiguität natürlich darin, ob der Satzteil as a child (als Kind) sich auf Erickson oder auf den Klienten bezieht, wodurch die Wirkung einer Bereichsambiguität entsteht, die im Klienten eine Altersregression induziert.
Interpunktionsambiguität In diesem Buch haben wir Interpunktionsambiguität als den Fall charakterisiert, in dem Erickson eine Sequenz von Worten verwendet, die das Resultat einer Überlappung zweier wohlgeformter Oberflächenstrukturen ist, die ein Wort oder eine Wortverbindung gemeinsam haben. Erickson könnte z.B. sagen: / want you to notice your hand me the glass (Ein ähnliches Beispiel im Deutschen wäre: Schau an die Decke dich gut zu; Anm. d. Übers.) Diese fehlgeformte Oberflächenstruktur kann in zwei wohlgeformte Oberflächenstrukturen mit dem gemeinsamen Schlüsselwort hand (Decke/decke) aufgeteilt werden: 1 want you to notice your hand. deutsch: Schau an die Decke.
Hand me the glass. Decke dich gut zu.
Alle Fälle von Interpunktionsambiguität resultieren in fehlgeformten Oberflächenstrukturen. Die Anwendung dieser Technik ist unserer Erfahrung nach sehr wirkungsvoll, und der Klient reagiert in der Regel entweder unmittelbar auf den gegebenen Befehl oder hört fast sofort auf, die normalen sprachlichen Verarbeitungsprozesse zu verwenden. Das folgende Format erlaubt es Ihnen, Sätze gemäß dieser Technik zu bilden: Erster Schritt: Bestimmen Sie die Botschaft, von der Sie wollen, daß der Klient sie empfängt. Zweiter Schritt: Überprüfen Sie alle Worte in der Botschaft, um zu entscheiden, ob Sie phonologisch mehrdeutig sind. Dritter Schritt: Bilden Sie zwei Sätze, von denen einer das phonologisch mehrdeutige Wort als das letzte Wort enthält, und einen Befehl, in dem das mehrdeutige Wort als das erste Wort des Satzes vorkommt.
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Vierter Schritt: Tilgen Sie das erste Wort des zweiten Satzes und sagen Sie dem Klienten den ganzen Satz. Es wird Ihnen leichter fallen, diese Fähigkeit (wie auch die anderen, die hier vorgestellt werden) zu erwerben, wenn Sie eine Reihe phonologisch mehrdeutiger Worte sammeln, die typischerweise in Ihrer Arbeit vorkommen. Wir haben die Erfahrung gemacht, daß Worte der Organsprache (Worte, die bestimmte Körperteile und -funktionen bezeichnen) und phonologisch mehrdeutige Worte wie die, die wir im zweiten Teil dieses Buches im Kapitel über Mehrdeutigkeit aufgeführt haben, sehr nützlich sind. [In dieser Eleganz leider nur im Englischen möglich; Anm. d. Übers.]
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Untergeordnete Konstruktionen Die linguistische Analyse von Oberflächenstrukturen behauptet, daß es eine zusätzliche Ebene der Repräsentation gibt, die dem Muttersprachler zur Verfügung steht - die Repräsentation der Bedeutung oder Tiefenstruktur. Die folgende Oberflächenstruktur, z.B.: Ich hoffe, Sie fühlen sich besser enthält zwei komplette Sätze in der Tiefenstruktur. Der erste lautet: Ich hoffe X und der andere lautet: Sie fühlen sich besser Wir nennen diesen letzten Satz eine untergeordnete Konstruktion des gesamten Satzes. Erickson ist es gelungen, in seiner hypnotischen Arbeit ausgiebigen und gekonnten Gebrauch von diesem Muster zu machen. Es gibt drei wichtige Gruppen von untergeordneten Konstruktionen: eingebettete Fragen, eingebettete Befehle und Zitate.
Eingebettete Fragen Im Englischen (und im Deutschen; Anm. d. Übers.) gibt es eine Reihe von Prädikaten, die als ihr Objekt einen kompletten Satz haben, der als Frage gekennzeichnet ist. Die Prädikate sich fragen, neugierig sein, wissen, verstehen enthalten alle einen Nebensatz, der mit ob beginnt: Ich frage mich, ob... Ich möchte wissen, ob ...
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Ich bin neugierig, ob... Wenn einem Muttersprachler die Frage gestellt wird: Wissen Sie, wo Ihr Knie ist? wird er gewöhnlich entweder mit Ja oder Nein antworten, und die Kommunikation ist an diesem Punkt abgeschlossen. Wenn die gleiche Person jedoch die Frage hört: Ich frage mich, ob Sie wissen, wo Ihr Knie ist? wird er in der Regel nicht direkt reagieren, da keine Reaktion verlangt ist (es ist keine Frage an ihn gerichtet worden, daher braucht er nicht zu antworten). Es ist jedoch unsere Erfahrung, daß Klienten trotzdem verdeckt reagieren. Mit anderen Worten: Wenn sie eine eingebettete Frage hören, neigen sie dazu, innerlich so zu reagieren, als ob die eingebettete Frage direkt gestellt worden wäre. Der Hypnotiseur kann diese verdeckte Reaktion auf verschiedene Weise utilisieren. Erstens: Da er weiß, daß der Klient verdeckt auf die eingebettete Frage reagiert, kennt er einen Teil der Erfahrung des Klienten, ohne daß der der Klient weiß, daß er sie kennt - eine perfekte Situation für effektives Gedankenlesen. Zweitens: Indem er die Frage, die er einbettet, sorgfältig auswählt, kann der Hypnotiseur den Klienten in eine Richtung führen, die die Ziele der hypnotischen Arbeit erfüllen wird. Das folgende Format ermöglicht Ihnen die Bildung von eingebetteten Fragen: Erster Schritt: Bestimmen Sie die Botschaft, von der Sie wollen, daß der Klient sie empfängt. Zweiter Schritt: Bilden Sie eine Frage, die den Klienten zu der Botschaft führen wird, von der Sie wünschen, daß er sie empfängt. Dritter Schritt: Betten Sie die Frage in eines der oben abgedruckten Verben ein, um eine eingebettete oder indirekte Frage zu bilden. Diese Technik wird noch effektiver, wenn sie mit Präsuppositionen und analogem Markieren kombiniert wird.
Untergeordnete Konstruktionen
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Eingebettete Befehle Eine der Möglichkeiten, die Sie als Hypnotiseur haben, um zu entscheiden, wie reaktionsbereit ein Klient ist, besteht darin, ihm den Befehl zu geben, auf eine beobachtbare Weise zu reagieren, ohne daß der Klient sich bewußt ist, daß Sie ihm einen solchen Befehl erteilt haben. Den Befehl auf eine verdeckte Weise zu geben hat alle die Vorteile, die wir bereits erwähnt haben; es vermeidet z.B. die Autoritätsproblematik und somit auch Widerstand; es beteiligt den Klienten aktiv auf der unbewußten Verhaltensebene: Erster Schritt: Bestimmen Sie eine Botschaft, auf die der Klient reagieren soll. Zweiter Schritt: Formulieren Sie diese Botschaft als Befehl. Dritter Schritt: Finden Sie eine Oberflächenstruktur, in die der Befehl hineinpaßt, ohne daß das Ergebnis ungrammatikalisch ist. Die Wirksamkeit auch dieser Technik wird dramatisch erhöht, wenn sie mit analogem Markieren kombiniert wird. Beispiele für das Resultat dieses Prozesses sind: ... eine Tomatenpflanze kann sich, Joe, besser fühlen (feel better!) ... ... Menschen können ohne weiteres schnell lernen (learn quickly!) ...
Zitate Wenn wir anderen unsere Erfahrungen in einer verbalen Kommunikation mitteilen, entscheiden wir uns manchmal dafür, eine Unterhaltung, die wir mit einer anderen Person im Laufe unseres Lebens geführt haben, wörtlich wiederzugeben. Wenn wir eine Geschichte erzählen, können wir z.B. folgendes sagen: ...Ja, und dann sagte er zu mir: "Kratz dich an der Nase!"... Das sprachliche Material zwischen den Anführungszeichen (in der auditiven Wiedergabe durch eine Veränderung der Stimme wiedergegeben) ist zitiertes Material. Auf bewußter Ebene versteht der Zuhörer, daß es sich dabei um einen Befehl handelt, der einer Person in der Geschichte erteilt wird, nicht dem Zuhörer selbst. Doch die Wirkung, die Erickson mit Zitaten erreicht (und die durch unsere eigene Erfahrung mit
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Zitaten bestätigt wird), ist die gleiche, als ob er den Befehl direkt an den Zuhörer gerichtet hätte, mit dem Unterschied, daß der Zuhörer unbewußt reagiert. Das beruht auf der Neigung des Zuhörers, auf unbewußter Ebene einen Fehler logischer Typisierung zu begehen - d.h., auf eine Meta-Aussage (das zitierte Material) so zu reagieren, als ob es sich auf einer anderen logischen Ebene befände (siehe Bateson). Diese Technik ist äußerst einfach anzuwenden: Erster Schritt: Bestimmen Sie eine Botschaft, von der Sie wünschen, daß der Klient sie erhält. Zweiter Schritt: Formulieren Sie diese Botschaft als Befehl. Dritter Schritt: Erfinden Sie eine Geschichte, in der eine Person diesen Befehl mit Nachdruck erteilt. Die Effektivität dieser drei Techniken nimmt dramatisch zu, wenn sie mit analogem Markieren kombiniert werden. Erickson verwendet gewöhnlicherweise sowohl seine Bewegungen wie Veränderungen des Tempos und der Tonalität, um verschiedene Teile der gesprochenen Oberflächenstrukturen ab separate Botschaften zu markieren. Auf diese Weise kann er mehrere Botschaften darbieten, d.h. mehrere Tiefenstrukturen gleichzeitig aktivieren. Analoges Markieren der verbalen und analogen Kommunikation ist ein Thema, das im zweiten Band dieser Reihe ausführlich dargestellt werden wird. Wir werden eine eingehendere Diskussion der äußerst wirkungsvollen Techniken Ericksons bis dahin aufheben. Wir können jedoch schon hier die grundlegende Strategie für analoges Markieren vorstellen, wie es von Erickson angewandt wird: Erster Schritt: Bestimmen Sie die Botschaft, von der Sie wollen, daß der Klient sie erhält. Zweiter Schritt: Bilden Sie eine Reihe von Sätzen, die ab Teilmenge alle die Worte enthalten, die für sich allein genommen die Botschaft direkt kommunizieren würden. Dritter Schritt: Markieren Sie die Teilmenge von Worten, die in der Kommunikation enthalten sind, analog (durch Veränderungen der Tonalität, des Tempos, der Körperhaltung usw.), um die darin enthaltene Bedeutung zu kommunizieren.
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Abgeleitete Bedeutungen
Wenn wir natürliche Sprachsysteme verwenden, um zu kommunizieren, nehmen wir, wie bereits erwähnt, an, daß der Zuhörer komplexe Klangsequenzen zu Bedeutungen dekodieren kann, d.h. die Fähigkeit hat, die Tiefenstrukturbedeutungen von der Oberflächenstruktur, die wir ihm auditiv anbieten, abzuleiten. Darüber hinaus nehmen wir ebenfalls an, daß der Zuhörer die komplexe Fähigkeit besitzt, aufgrund der Form bestimmter Oberflächenstrukturen zusätzliche Bedeutungen aus dieser zu entnehmen. Dieser Prozeß vollzieht sich andauernd, auch wenn sich vielleicht weder der Sprecher noch der Zuhörer seiner bewußt sind. Wenn jemand z.B. sagt: Ich möchte mir heute abend im Fernsehen Kung Fu anschauen müssen wir annehmen, daß heute abend Kung Fu im Fernsehen gezeigt wird, damit der Satz Ich möchte mir ... anschauen sinnvoll ist. Diese Prozesse werden Präsuppositionen der natürlichen Sprache genannt. Ein anderes Beispiel für abgeleitete Bedeutungen sind konversationeile Postulate. Wenn Sie einen Anruf entgegennehmen und jemand Sie fragt: "Ist Jane zu Hause?", erwartet man von Ihnen, daß Sie die Bedeutung ableiten, daß der Anrufer mit ihr sprechen möchte. Das ist Teil unserer gewöhnlichen Sprachverarbeitung. Es ist auch eine Ressource für Hypnotiseure, um auf indirekte Weise Suggestionen zu geben.
Das Bilden von Präsuppositionen Eine Präsupposition der natürlichen Sprache wird formal auf folgende Weise repräsentiert: Botschaft A ist eine Präsupposition von Botschaft B, wenn Botschaft A eine wahre Aussage sein muß, damit sowohl Botschaft B wie auch Botschaft nicht B sinnvoll sind: A ist eine Präsupposition von B, wenn B A impliziert und ~B A impliziert.
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Ich möchte mir ... anschauen B ... heute abend im Fernsehen Kung Fu ... A Ich möchte mir nicht... anschauen Nicht B ... heute abend im Fernsehen Kung Fu ... A wobei - Negation bedeutet. Beide Aussagen implizieren, daß Kung Fu heute abend im Programm ist. Daher ist A eine Präsupposition von B wie auch nicht B. Ich will wissen, ob B du am Sonntag oder am Montag mit dem Rauchen aufhören wirst. A Ich will nicht wissen, ob B du am Sonntag oder am Montag mit dem Rauchen außhören wirst. A
Verfahren für das Bilden von Präsuppositionen Erster Schritt: Bestimmen Sie die Suggestion, die Sie als Hypnotiseur geben möchten. Zweiter Schritt: Bilden Sie einen Satz, der diese Suggestion enthält. Nennen Sie diesen SatzA. Dritter Schritt: Wählen Sie aus dem Anhang am Ende dieses Bandes eine der syntaktischen Umgebungen für Präsuppositionen. Sie können aus 32 syntaktischen Umgebungen wählen. Vierter Schritt: Betten Sie den Satz aus dem zweiten Schritt in die syntaktische Umgebung ein, die Sie aus dem Anhang gewählt haben.
Abgeleitete Bedeutungen
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Das Ergebnis wird eine Präsupposition sein. Erickson verwendet Präsuppositionen in fast jedem Aspekt seiner Arbeit. Sie sind äußerst nützlich und effektiv: Wird Ihr Unbewußtes Ihr Bewußtsein in fünf oder in zehn Minuten wissen lassen, um was es sich bei dieser furchtbaren Sache handelt?
Bilden konversationeller Postulate Es gibt zwei Arten konversationeller Postulate. Die erste wird formal folgendermaßen repräsentiert: A ist ein konversationelles Postulat, wenn A eine Ja/Nein-Frage ist, die aus der Präsupposition B gebildet wird. B ist der Satz: "Ich will, daß du die Tür öffnest" oder: "Öffne die Tür." B hat die Präsuppositionen: 1. Du kannst die Tür öffnen. 2. Die Tür ist geschlossen. Ein konversationelles Postulat kann gebildet werden, indem 1. oder 2. in eine Ja/NeinFrage umgewandelt werden. 1. Kannst du die Tür öffnen? 2. Ist die Tür geschlossen? Die aus dem konversationellen Postulat abgeleitete Bedeutung ist B: "Öffne die Tür." Beispiele für konversationeile Postulate der ersten Art: Befehl 3. 4.
Können Sie Ihre Augen auf diesen Punkt richten? Werden sich Ihre Augen fest schließen?
Richten Sie Ihre Augen auf diesen Punkt! Schließen Sie Ihre Augen fest!
Format für die Konstruktion konversationeller Postulate dieses Typs : Erster Schritt: Bestimmen Sie die Suggestion, die Sie geben möchten.
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Zweiter Schritt: Verwandeln Sie die Suggestion in einen Befehl. Dritter Schritt: Wählen Sie eine der Präsuppositionen des Befehls aus. Vierter Schritt: Bilden Sie eine Ja/Nein-Frage aus einer der Präsuppositionen des Befehls. Das Ergebnis wird ein konversationelles Postulat sein. Die zweite Art konversationeller Postulate sind Oberflächenstrukturen wie z.B. die folgenden: 1. Es besteht keine Notwendigkeit, sich zu bewegen. 2. Sie brauchen nicht zu sprechen. 3. Sie können sie sehen. 4. Sie können jetzt gehen. Die Beispiele 1. und 2. sind der Form nach etwas anders als 3. und 4. Die ersten beiden Sätze sind Beispiele negativer konversationeller Postulate, die formal folgendermaßen repräsentiert werden können: Wenn X zusammen mit einer Negation und einem Modaloperator der Notwendigkeit erscheint, hat es die gleiche Bedeutung wie nicht X; Nicht X Keine Notwendigkeit, sich zu bewegen impliziert daher Bewegen Sie sich nicht! Sie brauchen nicht zu sprechen = Sprechen Sie nicht! Der Modaloperator wird fallengelassen, und die Negation plus X stellt die abgeleitete Bedeutung dar. Die Beispiele 3. und 4. sind positive konversationeile Postulate, die formal folgendermaßen repräsentiert werden können: Jeder Modaloperator der Möglichkeit, auf den X folgt, impliziert X. Sie können lächeln Sie können jetzt sprechen
impliziert impliziert
Lächeln Sie Sprechen Sie jetzt
Beide sind sich insofern ähnlich, als sie mit oder ohne Modaloperatoren die gleiche Bedeutung haben.
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Abgeleitete Bedeutungen
Bildungsverfahren für Negative: Erster Schritt: Bestimmen Sie die Suggestion.
Heben Sie Ihren Arm und halten Sie ihn dann in der Luft.
Zweiter Schritt: Bilden Sie einen Befehl.
Nehmen Sie Ihren Arm nicht herunter.
Dritter Schritt: Betten Sie den Befehl ein, indem Sie einen Modaloperator der Notwendigkeit zwischen Negation und Befehl einsetzen.
Es ist nicht notwendig, Ihren Arm herunterzunehmen.
Bildungsverfahren für Positive: Erster Schritt: Bestimmen Sie die Suggestion.
Augen öffnen.
Zweiter Schritt: Bilden Sie aus der Suggestion einen Befehl.
Öffnen Sie die Augen, Steve!
Dritter Schritt: Betten Sie einen Modaloperator der Möglichkeit ein.
Sie können die Augen öffnen, Steve.
Weitere Beispiele für diesen Typ konversationeller Postulate: Sie brauchen sich nicht zu erinnern.
Negativ: nicht erinnern
Sie können das vergessen.
Positiv: das vergessen
Es kann eine langweilige Aufgabe sein, sich zu erinnern.
Positiv: langweilige Aufgabe
Sie brauchen keine andere Stimme zu hören. Negativ: keine andere Stimme hören Sie brauchen mir nicht zuzuhören.
Negativ: nicht zuhören
Ihr Unbewußtes kann mich hören.
Unbewußt: hör mich
Konversationelle Postulate stellen, wenn sie auf diese Weise von Erickson (oder Ihnen) eingesetzt werden, eine äußerst effektive Form der Suggestion dar. Sie machen Gebrauch von unbewußten Informationsverarbeitungsmechanismen, derer sich die mei-
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sten Menschen ohnehin regelmäßig bedienen. Obwohl sie nicht wie Befehle klingen, stellen sie eine Form des Befehls dar, auf die wir alle täglich reagieren. Präsuppositionen und konversationelle Postulate haben die folgenden gemeinsamen Merkmale: (a) Sie erlauben es dem Hypnotiseur, dem Klienten Anweisungen zu geben, ohne daß diese Anweisungen direkt formuliert zu werden brauchen; (b) sie erlauben es dem Klienten, selektiv zu reagieren, ohne die Effektivität der Induktion oder der Anweisungen, die er in der Tieftrance erhält, zu verringern; (c) ihre Effektivität hängt von zusätzlichen Verarbeitungsprozessen des Klienten ab dies verstärkt seine aktive Beteiligung an dem Prozeß noch mehr.
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Zusammenfassung des dritten Teils
Die sprachlichen Muster, die wir in diesem Teil des Buches in einem Schritt-für-SchrittVorgehen vorgestellt haben, bilden die Grundlage für Milton Ericksons Gebrauch der Sprache bei seiner Anwendung der Hypnose. Die nächste Stufe der Musterbildung besteht in der Art und Weise des Kombinierens von Mustern dieser unteren Stufen, um die gewünschte Trancetiefe und die gewünschten Trancephänomene zu erreichen (Anästhesie, Schmerzkontrolle, Zugang zu Erinnerungen, Gewichtsreduktion, Altersregression, psychotherapeutische Ziele usw.). Auch auf dieser Meta-Ebene der Organisation beweist Erickson im Umgang mit diesen kombinierten Mustern immer wieder seine Kreativität und Effektivität. Diese grundlegenden Meta-Muster 1. Pacing und anschließendes Leading 2. Ablenken und Utilisieren der dominanten Hemisphäre 3. Zugänglichmachen der nichtdominanten Hemisphäre sind bereits besprochen worden und stellen nützliche Prinzipien zum Organisieren Ihrer eigenen hypnotischen Arbeit dar. Es gibt eine unbegrenzte Zahl von Möglichkeiten, die Muster erster Ordnung zu kombinieren. Ericksons kreativer Gebrauch dieser Muster in einer Vielzahl verschiedener Kontexte demonstriert, wie sensibel und einfallsreich er mit diesen äußerst komplexen sprachlichen Phänomenen umgehen kann. Die verschiedenen Kombinationen dieser Muster und deren Anwendungen durch Erickson sind zu zahlreich, um in diesem ersten Band aufgezählt zu werden. Es gibt jedoch eine Reihe einfacher Meta-Prinzipien der Musterbildung, mit deren Hilfe Sie Ihre Erfahrung organisieren und diese Muster einer unteren Ebene auf eine Weise kombinieren können, die Ihnen auf äußerst wirkungsvolle Weise dabei helfen kann, das gewünschte Ziel zu erreichen, und Ihnen gleichzeitig den größten Spielraum läßt, Ihre eigene Kreativität zu nutzen und Induktionen zu bilden, die mit Ihrem persönlichen Stil und den besonderen Anforderungen Ihrer Arbeit übereinstimmen.
Die angemessenste Induktion und Suggestion Die angemessenste Induktion und Suggestion ist die Induktion und Suggestion, die die Muster der unteren Ebene in einer Weise verwendet, daß ein Maximum an:
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1. Pacing 2. Ablenkung 3. Utilisation der Funktionen der dominanten Hemisphäre 4. Accessing der nichtdominanten Hemisphäre mit der geringsten Zahl an Worten erreicht wird und dabei gleichzeitig Übereinstimmung mit dem Modell der Welt des Klienten gewährleistet ist. Jede Verbalisierung, die diese Kriterien erfüllt, gilt ab in höchstem Maße angemessen. Natürlich wird dies vom Kontext und vom Zweck der hypnotischen Induktion und Suggestion abhängen. Die zwei wichtigsten Methoden der Bildung einer höchst angemessenen Induktion und Suggestion werden im folgenden vorgestellt:
1. Überschneidung unbewußter Bedeutungen Das Prinzip der Überschneidung unbewußter Bedeutungen besagt, daß Induktionen und Suggestionen dann am effektivsten sein werden, wenn die Bedeutungen der Tiefenstruktur, die durch transderivationale Suche, Mehrdeutigkeit, untergeordnete Konstruktionen, abgeleitete Bedeutungen, analoges Markieren und kausale Modellbildungsaussagen aktiviert werden (nicht gleichbedeutend mit: bewußt repräsentiert sind), miteinander interagieren, d.h. alle die gleiche Suggestion vermitteln. Dadurch wird die Wahrscheinlichkeit maximal erhöht, daß der Klient diese Suggestion akzeptieren und sich entsprechend verhalten wird. Zum Beispiel: Wenn eine der Tiefenstrukturen einer Mehrdeutigkeit die Botschaft P ist, eine der untergeordneten Tiefenstrukturen P ist, eine der abgeleiteten Tiefenstrukturen P ist, eine analog markierte Botschaft P ist und eine durch transderivationale Suche aktivierte Tiefenstruktur P ist, dann werden die unbewußten Bedeutungen sich maximal überschneiden, und der Klient wird die Botschaft P akzeptieren und sich entsprechend verhalten.
2. Maximale Richtung Das Prinzip der maximalen Richtung besteht darin, daß die gebündelte Aktion der kombinierten Muster unterer Ordnung das Erleben des Klienten pacet, während sie gleichzeitig die dominante Hemisphäre des Klienten ablenkt, indem sie die Modellbildungsprozesse dieser Hemisphäre utilisiert und gleichzeitig auch Zugang zur nichtdominanten Hemisphäre herstellt. Dieses Prinzip lautet: Wenn der Hypnotiseur die
Zusammenfassung des dritten Teils
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Muster der ersten Ebene verwendet, um unbewußt generierte und akzeptierte Bedeutungen zu aktivieren, die durch die Botschaften P1, P2, P3,.. . . Pn repräsentiert sind, und zwischen keinem Paar von Botschaften P2 und Pj ein Konflikt besteht (sie konsistent sind), dann besteht eine allgemeine Wirkung in maximaler Richtung. Die unbewußten Botschaften verstärken sich gegenseitig und sollten in einer zunehmend bedeutungsvollen Richtung auf das gewünschte Ziel voranschreiten; d.h., Pj sollte einen anderen Schritt Pk nicht nur nicht negieren, sondern P1 sollte der logische Schritt sein, der zu P2 führt. Dies stellt wahrscheinlich den wichtigsten Faktor zur Beschleunigung der Hypnosearbeit dar. Der Leser wird bemerkt haben, daß wir im Anschluß an jedes Muster Ericksonscher Arbeit, das wir im zweiten Teil dieses Bandes vorgestellt haben, den gleichen kurzen Abschnitt wiederholt haben, in dem die Ausdrücke, die die gerade beschriebenen Muster verdeutlichen, durch Kursivdruck hervorgehoben sind. Dieser Abschnitt stellt daher ein hervorragendes Beispiel für die Musterbildung auf höherer Ebene dar - die Prinzipien der angemessensten Induktion und Suggestion, insbesondere Überschneidung und maximale Überlappung. Wir wiederholen hier diesen Absatz für den Leser noch einmal: Der Autor griff diese letzte Bemerkung sofort auf und nutzte sie als Grundlage, um die Zusammenarbeit mit ihm zu beginnen. Ihm wurde erklärt: "Bitte fahren Sie mit einer Ausführung Ihrer Ideen und Einsichten fort und gestatten Sie mir gerade genug Unterbrechungen, um sicherzustellen, daß ich Sie vollkommen verstehe und Ihnen folge. Sie haben zum Beispiel den Sessel erwähnt, aber Sie haben natürlich meinen Schreibtisch gesehen und waren durch die Gegenstände, die darauf stehen, abgelenkt. Erklären Sie das bitte ausführlich." Er antwortete sehr wortreich mit einer Fülle mehr oder weniger zusammenhängender Bemerkungen über alles, was sich in seinem Blickfeld befand. Bei der geringsten Pause warf der Autor ein Wort oder einen kurzen Satz ein, um seiner Aufmerksamkeit von neuem eine Richtung zu weisen. Diese Unterbrechungen, die mitzunehmender Häufigkeit erfolgten, bestanden aus den folgenden Bemerkungen: ... Und dieser Briefbeschwerer; der Aktenschrank; Ihr Fuß auf dem Teppich; das Deckenlicht; die Vorhänge; Ihre rechte Hand auf der Stuhllehne; die Bilder an der Wand; der sich verändernde Fokus Ihrer Augen, wenn Sie sich umschauen; das Interesse der Büchertitel; die Anspannung in Ihren Schultern; das Gefühl des Stuhls; die
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störenden Geräusche und Gedanken; das Gewicht der Hände und Füße; Gewicht der Probleme, Gewicht des Schreibtischs; der Briefpapierständer; die Akten vieler Patienten; die Phänomene des Lebens, von Krankheit, von Gefühlen, von körperlichem und geistigem Verhalten; die Ruhe der Entspannung; die Notwendigkeit, für die eigenen Bedürfnisse zu sorgen; die Notwendigkeit, auf die eigene Anspannung zu achten, während man den Schreibtisch anschaut oder den Briefbeschwerer oder den Aktenschrank; das Wohlbehagen beim Rückzug von der Umgebung; Müdigkeit und ihre Entstehung; der unveränderliche Charakter des Schreibtischs; die Monotonie des Aktenschranks; die Notwendigkeit, sich auszuruhen; die Wohltat, die darin liegt, die Augen zu schließen; das entspannende Gefühl, tief einzuatmen; die Wonne passiven Lernens; die Fähigkeit des Unbewußten, intellektuell zu lernen.... Eine Reihe ähnlicher kurzer Unterbrechungen wurde angeboten, zunächst langsam und dann mit immer zunehmender Häufigkeit. Anfangs ergänzten diese Einwürfe bloß die Gedanken und Äußerungen des Patienten. Die Wirkung bestand zunächst darin, ihn zur Fortsetzung seiner Bemühungen anzuspornen. Nachdem dies erfolgt war, wurde es möglich, sein Akzeptieren dieser Verhaltensstimulation dadurch zu utilisieren, daß vor der Beendung eines Einwurfs Pausen und Zögern eingesetzt wurden. Das bewirkte in ihm eine erwartungsvolle Abhängigkeit vom Autor bezüglich weiterer und vollständigerer Stimulation (1967, S. 33) . *****
Ein Arzt, der Hypnose einsetzt, wird selbstverständlich eine andere Absicht verfolgen als der Psychotherapeut, der wiederum ein anderes Ziel haben wird als der Zahnmediziner, usw. Doch der Begriff der angemessensten Induktion wird in allen Kontexten Gültigkeit haben. Schnellere Induktionen werden die Hypnose zu einem praktischeren Instrument für jeden Anwender machen, und tiefere Trancen, auch wenn sie nicht immer nötig sein werden, werden den Horizont für die Anwendung der Hypnose in anderen Bereichen öffnen. Die Form der angemessensten Induktionen wird gleich bleiben, auch wenn der Inhalt sich in Abhängigkeit von Ihren Zielen und den Klienten, mit denen Sie arbeiten, verändern wird. Explizite Muster dieser Induktionen werden im zweiten Band vorgestellt werden. Wie wir bereits gesagt haben, stellen wir hier nur einige wenige der zahlreichen Verhaltensmuster vor, die Milton
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Erickson bei seiner Arbeit mit Hypnose auf so effektive Weise anwendet. Doch wenn dieses Buch auch nur einen Teil dessen behandelt, was Erickson zu bieten hat, sind die hier vorgestellten Muster allein bereits sehr wirkungsvoll. Üben und experimentieren Sie mit diesen Mustern, und Sie werden sehen, welche enormen Ressourcen Sie Ihnen bieten werden, um Ihre Fertigkeiten in der Hypnose zu bereichern und Ihr Potential weiter zu erforschen. Der zweite Band ist bereits in Vorbereitung. Die Untersuchung der Arbeit Milton Ericksons war eine unbeschreibliche Lernerfahrung für uns - wir hoffen, daß sie sich auch für Sie als faszinierend und nützlich erweisen wird.
Anmerkungen - Teil III 1. Der Name für diese Klasse von Phänomenen, transderivational, mit der wundervollen phonologischen Ambiguität, die er enthält (Trance-derivational), bezieht sich auf den Prozeß, den der Zuhörer unserem Modell zufolge durchläuft, um Bedeutung zu schaffen. Nachdem er eine Oberflächenstruktur hört und die damit assoziierte Tiefenstruktur wiedergewinnt, die keine oder nur wenig offensichtliche Beziehung zu seiner aktuellen Erfahrung hat, aktiviert der Zuhörer zusätzliche Tiefenstrukturen, samt ihren assoziierten Ableitungen, die aufgrund eines spezifizierbaren formalen Merkmals aus der ursprünglich wiedergewonnenen Tiefenstruktur entnommen werden können. Der Zuhörer sucht also unter den Tiefenstrukturen und ihren assoziierten Ableitungen auf der unbewußten Ebene der Sprachverarbeitung, um eine Bedeutung zu extrahieren, die für seine aktuelle Erfahrung relevant ist - daher transderivational. Transderivationale Phänomene wurden ursprünglich von Postal, Perlmutter und Grinder postuliert (siehe Lakoff, G. Some Thoughts on Transderivational Constraints, vervielfältigtes Manuskript, 1970). 2. Die Tiefenstruktur, die wir hier vorstellen, ist eine stark vereinfachte Version der tatsächlichen Tiefenstruktur, wie eine linguistische Analyse sie ergeben würde. Der Leser wird z.B. bemerken, daß die Worte Lernen und Gelegenheiten selbst komplex sind; sie sind beide Nominalisierungen (von einer Tiefenstrukturrepräsentation abgeleitet, in der sie ursprünglich als Prädikate erschienen). Während die Tiefenstruktur, die eine linguistische Analyse ergeben würde, zwar komplexer wäre, gelten die hier in diesem vereinfachten Beispiel dargestellten Prozesse jedoch in gleicher Weise auch für komplexere Strukturen. 3. Diese Stelle enthält ein ausgezeichnetes Beispiel für Intonationsambiguität: Erickson macht zunächst den Meta-Kommentar ... komisch, darüber zu sprechen, daß eine Tomatenpflanze sich wohl fühlen kann ... Er macht dann die Bemerkung: ... oder Joe ... Je nach dem Intonationsmuster, das der Hypnotiseur hier verwendet, wird der Klient entweder eine einfache rhetorische Frage hören:
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Patterns ... oder (Pause) Joe ...
oder einen direkten Meta-Kommentar: ... oder (,) Joe ... D.h.: ... oder darüber zu sprechen, daß Joe sich wohl fühlen kann. 4. In der linguistischen Standardanalyse können Substantive der Tiefenstruktur nur dann (grammatikalisch) getilgt werden, wenn sie entweder ein anderes Substantiv mit dem gleichen Bezugsindex in derselben Tiefenstruktur haben (das außerdem in einer bestimmten strukturellen Beziehung zu dem Substantiv steht, das getilgt werden soll) oder wenn sie keinen Bezugsindex in der Tiefenstrukturrepräsentation haben. 5. Diese An der Interpunktionsambiguität wird in Grinder und Elgin (1973) unter dem Namen Ovelap Deletion (Tilgung durch Überlappen) erwähnt, eine Technik, die manchmal in literarischer Sprache und Dichtung Verwendung findet.
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Nachwort In diesem Band haben wir uns vor allem auf die sprachlichen Muster konzentriert, die Erickson in seiner Arbeit verwendet. Unseren Schwerpunkt haben darüber hinaus vor allem die Teile seiner Arbeit gebildet, die sich mit Tranceinduktion und dem Gebrauch von Suggestionen befassen, durch die die Klienten dabei unterstützt werden sollen, die Ziele der Trancearbeit zu erreichen. Die Muster in Ericksons Arbeit, die wir in diesem Band herausgestellt haben, sind hinsichtlich ihrer Anwendung neutral - d.h., sie sind wirksam, unabhängig davon, ob sie für medizinische, zahnmedizinische oder psychotherapeutische Zwecke verwendet werden. Wir wissen aus unserer therapeutischen und hypnotischen Arbeit, wie wichtig es ist, die verschiedenen Teile des Bewußtseins des Klienten auseinanderzuhalten und getrennt anzusprechen; dies hilft dem Klienten dabei, die gewünschten Veränderungen vorzunehmen. Doch wir bestehen in Therapie und Hypnose darauf, mit dem Klienten gemeinsam die Veränderungen, die in einem Bewußtseinszustand erreicht worden sind, mit seinen Fertigkeiten und Ressourcen in anderen Bewußtseinszuständen zu integrieren und ihn so mit einem koordinierten, einheitlichen und integrierten Modell der Welt zu belassen, aus dem heraus er handlungsleitende Entscheidungen treffen kann. Im sechsten Kapitel von Struktur der Magie 1 und im zweiten Teil von Struktur der Magie II stellen wir sehr detailliert die Prinzipien vor, nach denen sich die Veränderungen, die der Klient in der Therapie erreicht hat, integrieren lassen. Wenn Sie diese überaus wirkungsvollen Muster anwenden wollen, die wir aus der Arbeit Milton Ericksons extrahiert und modelliert haben, möchten wir Sie auf eine Präsupposition hinweisen, die in der Anwendung dieser Muster enthalten ist: Der Klient ist in der Lage, zu kommunizieren und Veränderungen einzuleiten, ohne daß dies von einem Teil seines Bewußtseins registriert wird; mit anderen Worten, der Gebrauch dieser hypnotischen Muster setzt voraus, daß der Klient einen Teil seines Weltmodells dissoziiert. Der Gebrauch dieser überaus wirkungsvollen Techniken setzt voraus, daß der Hypnotiseur den Klienten dabei unterstützt, sein Modell vollkommen zu reintegrieren, bevor die hypnotische Beziehung beendet ist. Auf diese Weise kann der Klient wirklich lernen, sein Verhalten zu kontrollieren und die Wahlmöglichkeiten zu bekommen, um deretwillen er die hypnotische Beziehung eingegangen ist. Erickson hat diesen Punkt in seiner Arbeit und in seinen Schriften immer wieder herausgestellt - wir schließen uns seiner Aussage ohne Einschränkung an:
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Ein weiteres häufiges Versäumnis in der Hypnotherapie liegt in der mangelnden Würdigung der Verschiedenheit oder möglichen Exklusivität bewußter und unbewußter (oder unterbewußter) Zustände. Dabei kennen wir alle die Erfahrung, daß uns manchmal ein Name oder ein Wort "auf der Zunge liegt", uns aber nicht einfallen will und daher in der unmittelbaren Situation nicht verfügbar und zugänglich ist. Trotzdem lag dieses Wissen im Unbewußten vor, es war lediglich für das Bewußtsein nicht zugänglich. In der Hypnotherapie erhält nur zu oft das Unbewußte eine angemessene Therapie, doch ohne daß der Therapeut erkennt, wie wichtig es ist, den Patienten in die Lage zu versetzen, entweder das Unbewußte mit dem Bewußtsein zu integrieren oder die neuen Einsichten des Unbewußten bei Bedarf dem Bewußtsein vollkommen zugänglich zu machen. Dieses Versäumnis läßt sich damit vergleichen, daß nach einer Blinddarmoperation die Wunde nicht verschlossen wird. Dies ist der Grund, warum viele Stammtisch-Kritiker der Hypnotherapie ihr naiv jeden Wert absprechen, da sie "sich nur mit dem Unbewußten beschäftige". Darüber hinaus wird noch häufiger übersehen, daß - wie die klinische Erfahrung immer wieder zeigt für manche Aspekte des Problems des Patienten eine direkte Reintegration unter Anleitung des Therapeuten wünschenswert ist; für andere Aspekte sollte das Unbewußte dem Bewußtsein lediglich zugänglich gemacht und so eine spontane Reintegration ermöglicht werden, frei von jeder direkten Einflußnahme durch den Therapeuten. Die Hypnotherapie sollte das Bewußtsein wie das Unbewußte gleichermaßen berücksichtigen, da die Integration der gesamten Persönlichkeit das angestrebte Ziel der Psychotherapie ist. - Milton H. Erickson, Hypnotic Psychotherapy, 1948, S. 575 f.
*****I
Nachwort
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Wir wissen, daß es nicht ausreicht, einfach nur auf die Notwendigkeit der Integration als letztem Schritt in der Anwendung der Hypnose hinzuweisen; es ist ein explizites Modell dafür notwendig, wie der Hypnotiseur den Klienten bei dieser Integration unterstützen kann. Das ist der Grund, warum wir auf Struktur der Magie 1 und II hinweisen und dieses Thema auch zu einem unserer Schwerpunkte im zweiten Band von Patterns machen wollen. Bezüglich der Frage der Integration möchten wir an dieser Stelle betonen, daß einer der Vorteile der therapeutischen Anwendung der Hypnose darin besteht, daß der Klient aufgrund von Dissoziation in der Lage ist, Veränderungen einzuleiten und zu bewältigen, die Teile seines Weltmodells betreffen, die in seinem normalen Bewußtseinszustand so stark mit negativen emotionalen Assoziationen beladen wären, daß er in Panik geraten oder sich überfordert fühlen würde. Während nun die Integration eine notwendige Komponente in unserem Modell der Hypnose und der therapeutischen Arbeit ist, so braucht nicht darauf bestanden zu werden, daß diese Integration sofort erfolgen müsse; dies würde einem der wichtigsten Vorteile der Hypnose zuwiderlaufen. Auch das macht Erickson sehr deutlich: *****
Das oben Gesagte bedeutet jedoch nicht unbedingt, daß die Integration immer mit dem Voranschreiten der Therapie Schritt halten muß. Einer der größten Vorteile der Hypnotherapie liegt darin, unabhängig mit dem Unbewußten zu arbeiten, ohne durch das Widerstreben oder, in manchen Fällen, die Unfähigkeit des Bewußtseins behindert zu werden, den therapeutischen Nutzen zu akzeptieren. Eine Patientin z.B. hatte unbewußt ein volles Verständnis der wiederkehrenden inzestuösen Alpträume, unter denen sie litt, doch sie erklärte spontan in Trance: "Ich verstehe diese schrecklichen Träume jetzt, aber ich könnte diese Einsicht bewußt nie akzeptieren." Die Patientin zeigt durch diese Äußerung, wie das Unbewußte das Bewußtsein beschützt. Die Utilisierung dieser Schutzhaltung als einer motivierenden Kraft ermöglichte es der Patientin in der Folge, ihre unbewußten Einsichten bewußt anzunehmen. Es hat sich in experimentellen Untersuchungen wiederholt gezeigt, daß das Bewußtwerden einer vollen, unbewußten Einsicht zu bewußtem Widerstand, Ablehnung, Verdrängung und sogar, aufgrund der Verdrängung, zu dem Verlust des unbewußten Gewinns führen kann, wenn es erfolgt, bevor eine bewußte Bereitschaft dafür besteht. Indem zunächst mit dem Unbewußten allein gearbeitet wird, besteht dann die Gelegenheit, den Fortschritt
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des Patienten zu regeln und zu kontrollieren und so die Reintegration auf eine für das Bewußtsein akzeptable Weise auszuführen. - Milton H. Erickson, Hypnotic Psychotherapy, 1948, S. 576
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Anhang Syntaktische Umgebungen für das Vorkommen natürlicher sprachlicher Vorannahmen (Präsuppositionen) im Englischen Das Material in diesem Anhang soll Ihnen einen Eindruck von dem Ausmaß und der Komplexität des natürlichen Sprachphänomens der Präsuppositionen vermitteln. Darüber hinaus bieten wir denen, die daran interessiert sind, ihre Intuitionen im Erkennen von Präsuppositionen zu schärfen, durch die Auflistung der häufigsten syntaktischen Umgebungen, in denen Präsuppositionen auftreten, eine Gelegenheit zum Üben. Die Liste syntaktischer Umgebungen ist nicht vollständig, und wir werden nicht versuchen, die verschiedenen Theorien vorzustellen, die von verschiedenen Linguisten, Logikern, Semantikern oder Philosophen formuliert worden sind, um Präsuppositionen zu erklären. Unser Ziel ist vielmehr praktischer Natur. Zur Zeit sind Präsuppositionen ein wichtiger Forschungsschwerpunkt für zahlreiche Linguisten, insbesondere die Generativen Semantiker. Im Zusammenstellen dieser Liste syntaktischer Umgebungen haben wir uns stark an die Arbeit von Lauri Kartunnen angelehnt. Für weitere Quellen verweisen wir Sie an das Literaturverzeichnis.
I.
Einfache Präsuppositionen. Hierbei handelt es sich um syntaktische Umgebungen, in denen die Existenz einer bestimmten Einheit notwendig ist, damit der Satz sinnvoll ist. (a)
Eigennamen: George Smith verließ die Party früh. => Es gibt jemanden mit Namen George Smith.
(b)
Pronomen: ihr, ihm, sie. Ich sah ihn fortgehen. => Es gibt ein bestimmtes männliches Wesen.
(c)
Definite Beschreibungen Ich mochte die Frau mit den silbernen Ohrringen. => Es gibt eine Frau mit silbernen Ohrringen.
(=> bedeutet: setzt voraus)
Patterns (d)
Gattungsbegriffe: Substantivargumente, die eine ganze Klasse beschreiben. Wenn Wombats keine Bäume haben, auf die sie klettern können, sind sie traurig. => Es gibt Wombats.
(e)
Einige Quantoren: alle, jeder, einige, manche, viele, wenige, keine. Wenn ein einziger Drache aufkreuzt, gehe ich. => Es gibt Drachen.
Komplexe Präsuppositionen. Fälle, in denen mehr als nur die bloße Existenz eines Elements vorausgesetzt ist. (a)
Relativsätze: komplexe substantivische Ausdrücke mit einem Substantiv, dem ein mit "der", "die" oder "das" beginnender Satzfolgt. Mehrere der Frauen, die mit dir gesprochen hatten, verließen das Geschäft. => Mehrere Frauen hatten mit dir gesprochen.
(b)
Temporalnebensätze: Nebensätze, die durch Wörter wie "bevor", "nach", "während", "als", "seit" usw. gekennzeichnet sind. Falls die Richterin zu Hause war, als ich bei ihr vorbeigeschaut habe, hat sie nicht mit mir sprechen wollen. => Ich habe bei der Richterin vorbeigeschaut.
(c)
"Kluft"-Sätze: Sätze, die mit Es <war/ist>-Substantivausdruck beginnen. Es war der zusätzliche Druck, der das Fenster zertrümmert hat. => Etwas hat das Fenster zertrümmert.
(d)
Pseudo-"Kluft"-Sätze: Sätze mit der Form Was <Satz> ist <Satz>. Was Sharon sich erhofft, ist, von allen gemocht zu werden. => Sharon erhofft sich etwas.
(e)
Betonte Sätze: stimmliche Betonung Wenn Margaret mit DER POLIZEI geredet hat, sind wir erledigt. => Magaret hat mit jemandem gesprochen.
(f)
Komplexe Adjektive: neu, alt, frühere, aktuelle, vorherige usw. Wenn Fredo seinen neuen Ring trägt, werde ich sprachlos sein. => Fredo hat/hatte einen alten Ring.
Anhang (g)
263 Ordinalzahlen: erste, zweite, dritte, vierte, weitere. Wenn du ein drittes Schlüsselwort in diesem Brief finden kannst, backe ich dir einen Kuchen. => Zwei Schlüsselworte sind bereits gefunden.
(h)
Komparative: -er, mehr, weniger. Wenn die Reiter, die du kennst, besser sind als die, die Sue kennt, dann nenne sie mir. => Sue kennt (wenigstens) einen Reiter. Wenn du bessere Reiterinnen als Sue kennst, sag mir, wer sie sind. => Sue ist Reiterin.
(i)
Komparatives "so":... so x wie ... Wenn ihre Tochter so witzig ist wie ihr Mann, werden wir viel Spaß haben. => Ihr Mann ist witzig.
(j)
Adjektive und Adverbien, die Wiederholung ausdrücken: auch, ebenfalls, beide, wieder, zurück usw. Wenn sie mir das noch mal sagt, gebe ich ihr einen Kuß. => Sie hat es mir schon (wenigstens) einmal gesagt.
(k)
Verben, die eine Wiederholung ausdrücken: Verben und Adverbien, die mit "wieder-" beginnen, z.B. wiederholt, wiederkehren, wiederherstellen, wiedergeben, wiederbesetzen usw. Wenn er wiederkommt, bevor ich gehe, möchte ich mit ihm sprechen. => Er war schon einmal hier.
(l)
Qualifikatoren: nur, sogar, außer, bloß usw. Nur Amy sah die Bankräuber. => Amy sah die Bankräuber.
(m) Verben, die eine örtliche Veränderung beschreiben: kommen, gehen, verlassen, ankommen, abfahren, betreten usw. Wenn Sam sein Haus verlassen hat, ist er verloren. => Sam war zu Hause. (n) Verben und Adverbien, die eine zeitliche Veränderung beschreiben: beginnen, aufhören, enden, anfangen, fortfuhren, fortsetzen, bereits, bisher, noch, mehr usw. Ich wette, daß Harry weiterhin lächeln wird. => Harry hat gelächelt.
264
Patterns (o)
Verben, die eine Zustandsveränderung beschreiben: verändern, transformieren, umwandeln, werden usw. Ich wäre überrascht, falls Mae zu einem Hippie werden sollte. => Mae ist jetzt kein Hippie.
(p) Faktive Verben und Adjektive: merkwürdig, bewußt, wissen, erkennen, bedauern usw. Es ist merkwürdig, daß sie Maxine um Mitternacht angerufen hat. => Sie hat Maxine um Mitternacht angerufen. (q) Kommentierende Adjektive und Adverbien: toll, prima, dufte, unglaublich, glücklicherweise, unschuldigerweise, notwendigerweise usw. Irre, daß du die Gefühle deines Hundes verstehst => Du verstehst die Gefühle deines Hundes. (r)
Konditionalsätze, die das Nichteintreten der Aussage implizieren: Verben in Konjunktivformen. Wenn du auf deinen Vater und mich gehört hättest, wärest du nicht in der wunderbaren Lage, in der du jetzt bist. => Du hast nicht auf deinen Vater und mich gehört.
(s)
Durch "sollte" ausgedruckte unwahrscheinliche Ereignisse: Wenn du beschließen solltest, daß du mit mir reden willst, findest du mich auf dem städtischen Schrottplatz. => Ich erwarte nicht, daß du mit mir reden willst.
(t) Selektionsbeschränkungen Ich wäre enttäuscht, wenn Sie schwanger würden. => "Sie" ist eine Frau. (u)
Fragen; Wer hat die Bänder gegessen? => Jemand hat die Bänder gegessen. Ich möchte wissen, wer die Bänder gegessen hat. => Jemand hat die Bänder gegessen.
(v)
Negativfragen: Wolltest du nicht mit mir reden? => Ich dachte, du wolltest mit mir reden.
Anhang
265
(w) Rhetorische Fragen: Wen kümmert es, ob du kommst oder nicht? => Es kümmert niemanden, ob du kommst oder nicht. (x) Scheinbare Verneinungen: Ich frage mich, ob du nicht etwas unfair bist. => Ich denke, du bist unfair.
266
Patterns
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Literaturhinweise mit dem Vermerk "Milton H. Erickson, 1967" beziehen sich auf Haley (Hg.) 1967.