Parker langt in fremde Taschen Ein Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges Es war in der Nähe ...
41 downloads
825 Views
564KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Parker langt in fremde Taschen Ein Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges Es war in der Nähe des Trafalgar Square, als Butler Parker eine interessante Beobachtung machte. Zwei Taschendiebe arbeiteten mit Routine und Geschick. Sie befaßten sich mit einem Touristen, der offensichtlich aus den Staaten gekommen war, um sich in London ein wenig umzusehen. Dieser Mann hatte keine Ahnung, daß er nach allen Regeln der Kunst ausgenommen wurde. Er konnte es auch nicht ahnen, denn die beiden Taschendiebe waren gut aufeinander eingespielt. Einer von ihnen hatte das Opfer bereits angerempelt und lenkte es wortreich ab. Der »Drücker«, wie es in der Branche heißt, entschuldigte seine Tolpatschigkeit, während der »Klemmer« dicht hinter dem verwirrten Touristen stand und blitzschnell nach dessen Brieftasche langte. Parker bewunderte die gekonnte Arbeit der beiden Ganoven. Sie betätigten sich unauffällig, fast schon elegant. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis die Brieftasche ihren Besitzer gewechselt hatte. Während der »Drücker« sich immer noch entschuldigte, setzte der »Klemmer« sich bereits ab. Josuah Parker, durchdrungen von Gerechtigkeit, schritt nicht sofort ein. Falls ihn
nicht alles täuschte, wanderte die gestohlene Brieftasche in die Hände einer dritten Person, die sie dann endgültig in Sicherheit brachte. Er hatte es, wie er längst wußte, mit echten Profis zu tun. Parkers Vermutung erwies sich als richtig. Der >Klemmer< passierte die dritte Person. Es handelte sich um einen seriös gekleideten Mann von etwa fünfundvierzig Jahren, der eine Zeitung unter dem Arm trug. Der >Klemmer< überholte ihn und reichte die Beute an den >Träger< weiter. Auch das geschah elegant und unauffällig. Sekundenschnell verschwand die Beute in der wahrscheinlich unergründlich tiefen Manteltasche des Mannes. Josuah Parker, ein Mann undefinierbaren Alters mit dem glatten Gesicht eines Pokerspielers, wenig über mittelgroß und durchaus als schlank zu bezeichnen, folgte dem >Träger<. Er wollte herausfinden, wieviel noch bei ihm abgeliefert wurde. Ein >DreierTeam<, wie er es beobachtet hatte, begnügte sich ganz sicher nicht mit einer einzigen Brieftasche. Parker, schon rein äußerlich als hochherrschaftlicher Butler zu erkennen, trug trotz des freundlichwarmen Wetters einen schwarzen
Covercoat, eine schwarze Melone und den unvermeidlichen, altväterlich gebundenen Regenschirm. Hier in der belebten City von London fiel er überhaupt nicht auf. Um ihn herum wurden dunkle und graue Bowler getragen und selbstverständlich auch Regenschirme. Die Herren des unteren, mittleren und gehobenen Managements legten Wert auf traditionelle Kleidung. Schon wurde der >Träger< erneut beliefert, wie Josuah Parker bemerkte. Der > Klemmer < erschien wieder hinter dem seriös gekleideten Mann und ließ eine weitere Brieftasche verschwinden. Kaum war dieser Zulieferer verschwunden, als ein weiterer Dieb erschien und ebenfalls eine Brieftasche ablieferte. Das Geschäft blühte. Butler Parker wechselte die Straßenseite und verfolgte von seinem neuen Standort aus den >Träger<, der sich inzwischen in Richtung Soho bewegte. Mit weiteren Beutestücken wurde er nicht mehr beliefert. Wahrscheinlich hatte er dafür zu sorgen, daß die heiße Ware möglichst schnell in die richtigen Kanäle floß. Der seriös gekleidete Mann betrat ein kleines italienisches PizzaLokal,, und auch Josuah Parker verspürte augenblicklich Appetit auf eine kulinarische Köstlichkeit. Er folgte dem Seriösen, der bereits in einer Nische Platz genommen hatte. Der abgelegte Mantel lag neben ihm auf der Sitzbank. Der >Träger< begnügte sich mit einem Glas Rotwein, wie Parker
hörte. Was er dann in der sichtgeschützten Nische trieb, bekam Parker nicht mit. Wenig später aber erhob sich der Seriöse wieder und hatte plötzlich ein Päckchen unter dem Arm. Parker, der sein Glas Rotwein bereits bezahlt hatte, konnte unmittelbar folgen. Der >Träger<, der sich unbeobachtet fühlte, schritt leichten Schrittes durch die engen Straßen und steuerte ein Postamt an. Damit war alles klar. In dem Päckchen befanden sich die Beutestücke. Sie sollten per Post weiterbefördert werden. Josuah Parker fand, daß er einzuschreiten hatte. Und er tat es! * »Darf ich mir erlauben, Sie höflichst um einen Gefallen zu bitten?« schickte Parker voraus. Er stand dem seriösen Mann gegenüber, der nicht mit der Wimper zuckte. Der Mann hatte ein etwas aufgedunsenes Gesicht und kleine listige Augen. Während Parker die Frage noch stellte, lüftete er höflich seine schwarze Melone und ... kippte sie ein wenig zu tief nach vorn. Dadurch geriet die Wölbung seiner Kopfbedeckung auf die Nasenspitze des Seriösen, der plötzlich nichts mehr sah. Tränen waren ihm in die Augen geschossen, und die Nase schmerzte empfindlich. Parker zog dem >Träger< das Päckchen unter dem Arm weg und stieß mit der Spitze seines UniversalRegenschirms leicht nach den Zehen
des linken Fußes. Der Mann jaulte auf, lehnte sich gegen die Hauswand und wußte nicht, wie ihm geschah. »Ich bedaure außerordentlich, zu solchen Methoden greifen zu müssen«, entschuldigte Josuah Parker sich. »Sie dürfen versichert sein, daß ich Gewalt im Grund ablehne. Sie können mit einem Schmerzensgeld rechnen und werden es in Ihrer Manteltasche finden.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an und ließ den >Träger< einfach stehen, der wie durch einen Wasserschleier den davon schreitenden Butler nur unscharf sehen konnte. Der Seriöse war nicht in der körperlichen Verfassung, dem Butler zu folgen. Die Nase schmerzte, der Fuß nicht weniger, und die Nässe in seinen Augen vermehrte sich von Sekunde zu Sekunde. Parker bog in die nächste Seitenstraße, wechselte noch einige Male die Richtung und winkte einem Taxi. Es klappte schnell, er stieg ein und ließ sich in die Nähe seines Wagens bringen, der bei der National Gallery parkte. Sein hochbeiniges Monstrum, wie der Wagen von Freund und Feind respektvoll genannt wurde, glich äußerlich einem betagten Londoner Taxi, doch in Wirklichkeit war dieser eckige Wagen fast schon ein Wunderwerk moderner Technik. Er war nach Parkers Plänen umgebaut worden und deshalb eine Trickkiste auf Rädern. Der Butler setzte sich ans Steuer und begab sich zurück zum Haus der Lady Agatha Simpson, das sich in Shepherd's Market befand. Hier
wollte er den Inhalt des Päckchens in aller Ruhe prüfen, um die Beutestücke an ihre rechtmäßigen Eigentümer zurückzusenden. Er empfand dies als einen Akt der Höflichkeit jenen Gästen gegenüber, die London besuchten. Vor dem Anfahren hatte Parker sich die Adresse auf dem Päckchen angesehen. Es sollte an einen gewissen James W. Winters gehen, der jenseits der Themse im Stadtteil Newington wohnte. War dieser James W. Winters identisch mit dem Mann, dem er das Päckchen abgenommen hatte? Normalerweise arbeiteten Taschendiebe nach diesem bewährten Verfahren und schickten die Beute an ihre eigene Adresse. Oder gab es drüben in Newington ein weiteres Mitglied der Bande? War Mr. James W. Winters vielleicht ein Hehler, der die Brieftaschen ausschlachtete? war er der Leiter dieser LangfingerGMBH? Aus Instinkt heraus verzichtete Parker darauf, nach Shepherd's Market zu fahren, wenngleich Lady Simpson ihn sicher bereits ungeduldig erwartete. Parker wollte diesem an sich kleinen Fall auf den Grund gehen. Er benutzte die WestminsterBrücke, überquerte die Themse und nahm seine schwarze Melone ab, als er sich der Harper Street näherte. Er drückte auf einen der vielen unbeschrifteten Knöpfe seines mehr als reichhaltig ausgestatteten Armaturenbretts, worauf vorn auf dem Wagendach das sattsam bekannte Taxikennzeichen aus einer
Versenkung erschien. Sein hochbeiniges Monstrum war jetzt ein echtes Taxi, was die Optik anbetraf. Von der Harper Street bog er nach Süden ab und hielt in der Nähe des Hauses, in dem Mr. James W. Winters laut Adresse wohnte. Es handelte sich um ein unansehnliches, graues Mietshaus mit einem engen Torbogen, in dem Kinder spielten. Nach knapp zehn Minuten tauchte ein kleiner Kastenlieferwagen ohne Firmenbezeichnung auf. Parker merkte sich automatisch das Kennzeichen und schaute den beiden Fahrern nach, die den Wagen verließen und im Torbogen verschwanden. Nach weiteren fünf Minuten kam der >Träger<, jener Seriöse, dem er sicherheitshalber das kleine Päckchen abgenommen hatte. Er hatte sich ein Taxi genommen, zahlte, stieg aus und fingerte an seiner Nase herum, die ihm augenscheinlich noch einigen Kummer bereitete, was Parker übrigens sehr bedauerte. Er fragte sich, ob er vielleicht nicht ein wenig zu höflich, tief und nachdrücklich die Melone gezogen hatte ... Der >Träger< verschwand ebenfalls im Torbogen, ohne sich überhaupt zu vergewissern, ob er vielleicht beschattet wurde. Er schien es eilig zu haben. Josuah Parker hatte das Empfinden, sich bei diesem Mann entschuldigen zu müssen. Er stieg aus, setzte seine schwarze Melone auf und schritt gemessen auf den Torweg zu. *
»Nahm er Ihre Entschuldigung an?« fragte Lady Agatha Simpson mit gemäßigtem Interesse. Sie war eine majestätisch aussehende Dame, die seit Jahren beschlossen hatte, sechzig Jahre alt zu bleiben. Sie war groß, ein wenig füllig und hatte weißgraues Haar. Sie trug mit Vorliebe viel zu weite, ungemein bequeme Tweedkostüme und noch bequemere Schuhe, die, was ihre Größe anbetraf, an kleine Lastkähne erinnerten. Lady Agatha war eine immens reiche Frau, die sich jedes noch so verrückte Vergnügen leisten konnte und es tat. Sie war mit dem Blutund Geldadel verschwistert und verschwägert, der auf der Insel den Ton angab. Sie war gefürchtet wegen ihres unkonventionellen Benehmens. Lady Agatha konnte sehr drastisch werden und liebte die ungeschminkte Wahrheit. Ihr Steckenpferd war die Kriminalistik. Sie betätigte sich als Amateur-Detektiv und konnte sich glücklich schätzen, einen Butler Parker neben sich zu haben, den sie übrigens voll und ganz respektierte, auch wenn sie es nicht immer deutlich zeigte. Er hatte übrigens alle Hände voll zu tun, um Lady Agatha vor Schaden zu bewahren. Seine Herrin ging stets ohne jede Umschweife direkt auf ihr Ziel los und entwickelte dabei manchmal den unwiderstehlichen Charme eines schweren Kampfpanzers. Butler Parker wurde bei seinen Bemühungen von Kathy Porter unterstützt, die offiziell als Sekretärin und Gesellschafterin der Lady fungierte.
Kathy Porter wirkte nach außen hin wie ein attraktives, aber scheues Mädchen, doch das täuschte. Sie war eine erstklassig ausgebildete Sportlerin und in allen Künsten der Selbstverteidigung erfahren. Sie wußte sich ihrer schönen Haut durchaus zu wehren, wie mancher Gangster in der Vergangenheit erfahren mußte. Parker befand sich während seines Berichtes im Stadthaus der Lady Simpson, einem altehrwürdigen Fachwerkbau, gelegen an einem winzig kleinen Platz in Shepherd's Market, einer Oase der Ruhe und Stille inmitten der Millionenstadt London. »Besagte Entschuldigung, Mylady, konnte Mr. Winters erst zu einem erheblich späteren Zeitpunkt entgegennehmen«, beantwortete Parker die Frage der älteren Dame. »Wollte er nicht?« »Er konnte nicht, Mylady. Mr. Winters befand sich in einem Zustand, den man nur als äußerst beklagenswert bezeichnen konnte.« »Das klingt bereits besser.« Sie richtete ihre kühlen, grauen Augen auf den Butler. »Mr. Winters wurde zur Zeit meines Erscheinens in seiner Wohnung gerade von zwei jungen Männern körperlich mißhandelt«, präzisierte der Butler. »Ich sah mich gezwungen, ein wenig für sein ferneres Wohlergehen zu unternehmen. « »Nämlich, Mr. Parker? Sie waren hoffentlich nicht wieder zu vornehm, oder?« »Ich befleißigte mich einer gewissen Zurückhaltung, Mylady«,
antwortete Josuah Parker. »Ich fürchte allerdings, daß es den beiden jungen Schlägern noch immer nicht besonders gut geht.« »Wo sind die Flegel jetzt?« »Mylady mögen verzeihen, aber ich ließ sie ihrer Wege gehen, nachdem sie wieder zu sich gekommen waren.« »Ich ahnte es.« Ihre Stimme grollte vor Ärger. »Solche Burschen gehören schleunigst hinter Schloß und Riegel.« »Im Prinzip erlaube ich mir, Myladys Standpunkt zu teilen«, lautete die Antwort des Butlers. »In diesem speziellen Fall hingegen werden sie früher oder später wieder in Erscheinung treten und Mylady dann zu jenem Mann führen, der eine neuartige Organisation hier in London aufgezogen haben dürfte.« »Sehr gut, anders hätte ich auch nicht reagiert«, behauptete die Lady unverfroren. »Sie lernen erfreulicherweise dazu, Mr. Parker. Wir haben es also mit einem neuen Fall zu tun?« »Davon sollte und könnte man ausgehen, Mylady.« »Und was ist aus diesem Mr. Winters geworden?« schaltete Kathy Porter sich ein. »Eben.« Lady Agatha nickte ihrer Gesellschafterin zu. »Danach wollte ich auch gerade fragen. Haben Sie dieses Subjekt ebenfalls laufen lassen?« »Wie Mylady es bereits vermuteten.« Parker nickte. »Ich riet Mr. Winters allerdings dringend zu einem baldigen Wohnungs- und Ortswechsel, zudem hinterließ ich ihm sicherheitshalber meine
Visitenkarte. Möglicherweise wird er sich wieder melden.« »Ihr Optimismus schreit manchmal direkt zum Himmel!« Agatha Simpson ärgerte sich. »Ich werde Ihnen mal etwas sagen, Mr. Parker: Der Fall ist beendet, bevor er überhaupt begonnen hat! Von diesen Lümmeln wird sich keiner mehr zeigen.« * »Sechs Brieftaschen«, zählte Josuah Parker, der das mitgebrachte Päckchen in Gegenwart seiner Herrin geöffnet und den Inhalt ausgepackt hatte. Er legte sie der Reihe nach nebeneinander. »Nicht gerade billiger Plunder«, stellte Lady Simpson fest. »Krokoleder, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf, Mylady, feinstes Nappaleder, Reptilienleder.« »Ziemlich protzig«, urteilte Lady Simpson und sah ihren Butler schon wieder leicht gereizt an. »Wann wollen Sie diese Brieftaschen endlich öffnen?« »Die Taschendiebe scheinen sich auf einen ganz bestimmten Besitzertyp spezialisiert zu haben, Mylady, wenn ich mir diesen Hinweis gestatten darf.« »Natürlich.« Sie lächelte wissend. »Sie werden sich nicht gerade kleine Angestellte ausgesucht haben.« Parker öffnete die erste Brieftasche und durchsuchte ihre Fächer. Er fand Kreditausweise, Kreditkarten Travellerschecks, viel Bargeld und dann Notizen und Fotos, die ihm aber vorerst nichts sagten. Aus den Unterlagen ging eindeutig hervor,
daß der Besitzer der Brieftasche ein gewisser John Falcon war, der aus den USA stammte, genauer gesagt aus der Bundeshauptstadt Washington. Parker ließ sich durch das ärgerliche Schnaufen der Lady Simpson keineswegs aus der Ruhe bringen. Er machte seine entsprechende Notizen in seiner ganz speziellen Kurzschrift, die seine Herrin nicht lesen konnte. Dann kam die zweite Brieftasche an die Reihe. Ihr Inhalt war fast identisch mit dem der ersten. Bei den restlichen vier Brieftaschen war es kaum anders. Der Inhalt war in allen Fällen mehr als ansehnlich und geldschwer. »Reichen wir den ganzen Kram an McWarden weiter«, schlug Lady Agatha mißgelaunt vor. Sie hatte bereits jegliches Interesse verloren. »Soll er die Besitzer aufspüren und das Zeug zurückgeben. Nein, nein, das ist kein Fall für mich, sondern für die Polizei.« »Zwei der Brieftaschenbesitzer stammen aus den Vereinigten Staaten«, faßte Parker halblaut zusammen und überflog seine Notizen.« Zwei der Bestohlenen leben hier in England, einer kommt aus Frankreich, und der sechste Bestohlene reiste aus der Bundesrepublik Deutschland an.« »London wird eben überlaufen«, sagte Lady Simpson. »Nicht, daß ich etwas gegen Ausländer hätte, aber hier ist man wirklich nicht mehr unter sich. Eine sehr bedauerliche Entwicklung!« »Es gibt eine Gemeinsamkeit, Mylady«, meldete Parker.
»Und ob!« Sie lachte grimmig auf. »Diese Ausländer nutzen die momentane Schwäche unseres Pfundes und kaufen unsere Warenhäuser leer. Man sollte ein Besuchsverbot erlassen.« »Alle sechs Bestohlenen, Mylady, haben an einem Kongreß teilgenommen, der gestern beendet wurde.« »Woher wollen Sie denn das wissen?« Agatha Simpson wurde immer noch nicht hellhörig. Sie gähnte nicht nur andeutungsweise. »Dies geht aus Rechnungen hervor, die von einer einzigen Hotelbar ausgestellt wurden. Es handelt sich um das Hallford-Hotel, um ganz genau zu sein.« »Sie haben mir schon aufregendere Dinge erzählt, Mr. Parker.« Sie rang sich ein verzeihendes Lächeln ab. »Und wieso ist dieser Kongreß, wie Sie behaupten, bereits beendet?« »Dies, Mylady, erlaube ich mir aus der Höhe der jeweiligen Rechnungen abzulesen. Es handelt sich in allen sechs Fällen um recht beachtliche Beträge, woraus sich schließen läßt, daß man bis spät in die Nacht hinein dem Genuß alkoholischer Getränke gehuldigt haben dürfte. Daraus, Mylady, möchte ich weiter schlußfolgern, daß es sich um eine Art Abschlußfeier gehandelt haben muß.« »Eine kühne Behauptung, Mr. Parker, die Sie erst beweisen müssen.« »Die auf den Rechnungen aufgeführten Summen sind beachtlich, wie ich mir bereits zu bemerken erlaubte. Eine Weiterführung des Kongresses am
anderen Vormittag wäre wohl rein physisch kaum möglich gewesen.« »Wegen des allgemeinen Katers, nicht wahr?« Agatha Simpson nickte verständnisvoll. »In der Tat, Mylady«, redete Parker weiter. »Miß Porter dürfte inzwischen wohl den klärenden Anruf tätigen wollen.« Kathy Porter war aufgestanden und ging zu einem kleinen Wandtisch hinüber, auf dem der Apparat stand. Sie suchte im Fernsprechverzeichnis nach der Nummer des HallfordHotels, wählte sie und ließ sich dann mit dem Sekretariat verbinden. Ihr Gespräch dauerte nur wenige Minuten. Sie lächelte, als sie auflegte und zurück an den Tisch kam. »Der Kongreß dauerte drei Tage«, berichtete sie. »Er wurde gestern beendet. An den Beratungen nahmen genau hundert Personen teil, die aus Europa und den USA stammen.« »Und wer richtete diesen Kongreß aus?« erkundigte Lady Simpson sich. Sie ärgerte sich natürlich, daß Parkers Deutungen sich als richtig erwiesen hatten. Man sah es ihr deutlich an. »Der Ausrichter des Kongresses, Mylady, ist der internationale Dachverband >Ewige Ruhe<, ein Zusammenschluß von Bestattungsunternehmern.« Aufgrund dieser Auskunft erlitt Agatha Simpson einen leichten Hustenanfall. * »Ich glaub's einfach nicht«, sagte Walter Brennan, ein etwa
fünfundvierziger, korpulenter Mann der über eine ausgeprägte Glatze verfügte. »Zwei ausgebluffte Typen lassen sich abservieren und können noch froh sein, daß sie nicht im Spital gelandet sind.« »Dieser Butler war plötzlich in Winters' Zimmer«, antwortete Schläger Jim. »Und bevor wir überhaupt was machen konnten, hat der schon mit seinem Regenschirm zugelangt«, beschwerte sich der zweite Schläger, der Hale hieß. »Butler? Regenschirm?« Walter Brennan spitzte fast deutlich erkennbar die Ohren. »Von 'nem Butler habt ihr bisher aber nichts gesagt.« »Es war'n richtiger Butler«, sagte Jim. »So einer, wie man ihn im Kino sieht«, fügte Schläger Hale hinzu. »Mensch, Jungens, könnt ihr von Glück sagen«« Walter Brennan sagte es fast ehrfürchtig. »Glück, na ja, ich weiß nicht.« Jim rieb sich den Hinterkopf, auf dem sich eine dicke Beule gebildet hatte. »Mein Ohr is' leicht weggerutscht.« beklagte sich Hale. »Mensch, ist euch immer noch kein Licht aufgegangen?« Die beiden Schläger, jung, muskulös, aber im Denken nicht besonders schnell schüttelten wie auf Kommando gemeinsam den Kopf. »Parker hat euch überrascht, Jungens«, sagte Walter Brennan. »Butler Parker! Immer noch keine Alarmsirene?« »Moment mal, von so 'nem Butler hab' ich schon mal gehört«, räumte Jim nun ein.
»Soll so 'ne Art Amateurdetektiv sein, oder?« fragte Hale. »Soll? Das ist ein Witz. Der ist! Parker ist gefährlicher als 'ne Kiste Dynamit.« »Aber wieso hat der uns aufgespürt?« wollte Jim wissen. »Ganz einfach.« Walter Brennan winkte ab. »Er hat Winters das Päckchen abgenommen, sich die Adresse gemerkt und ist eben hingefahren. Dabei muß er euch gesehen haben. Alles weitere wißt ihr ja.« Jim fingerte nach seiner Beule, Hale beschäftigte sich ungemein vorsichtig mit seinem Ohr. »Verdammt verdächtig, daß Parker euch hat laufen lassen«, meinte Walter Brennan und wurde plötzlich nervös. »Seid ihr sicher, daß er euch nicht verfolgt hat?« »Völlig sicher.« Jim nickte. »Wir haben aufgepaßt wie die Schießhunde«, versicherte Hale. »Nee, an uns hat sich kein Aas geklemmt, darauf leiste ich jeden Eid. Wie ist es nun, Brennan? Dieser Butler hat uns also hinterlistig erwischt. Wann können wir zurückschlagen?« »Den kaufen wir uns natürlich.« Das fand auch Jim. »Un' wie wir den uns kaufen werden!« »Einen Dreck werdet ihr tun!« Walter Brennan schüttelte den Kopf. »Wir werden uns nicht rühren. Wir gehen auf Tauchstation. Dieser Parker wartet doch nur darauf, daß ihr ihm ins Messer lauft. Nee, Sendepause, Funkstille! Den Gefallen tun wir ihm nicht.« »Und was ist mit Winters?« fragte Jim.
»Die Funkstille gilt auch für Winters«, antwortete Brennan. »Er könnte von der verrückten Lady überrascht werden.« »Verrückte Lady? Wer ist denn das schon wieder?« wollte Hale wissen. »Die arbeitet mit dem Butler zusammen und ist noch unberechenbarer als er. Das ist ein Befehl: Ihr werdet nichts unternehmen, ist das klar? Auf die sechs Brieftaschen können wir leicht verzichten. Dafür gibt's jederzeit Ersatz.« »Ich hätt' nie gedacht, Chef, daß Sie ins erstbeste Mauseloch kriechen«, meinte Schläger Jim. »Ich weiß verdammt genau, warum ich's tue«, antwortete Walter Brennan und wanderte nervös durch das stilecht eingerichtete Büro eines Western-Sheriffs. »Hier in dem Laden fühl' ich mich wohler als hinter Gittern!« * »Ich komme zufällig vorbei«, behauptete Chief-Superintendent McWarden wieder mal, als Parker ihn in den Salon der Lady Simpson führte. McWarden - untersetzt, dicklich, etwa fünfzig Jahre - wirkte stets wie eine leicht gereizte Bulldogge und versuchte einen höflichen Kratzfuß, der ihm allerdings kläglich mißlang. »Sie haben also wieder mal Sorgen, junger Mann, wie?« erkundigte Agatha Simpson sich wohlwollend. »Nehmen Sie Platz! Mr. Parker, für unseren lieben Gast eine kleine Erfrischung!«
McWarden schaltete sofort auf höchste Vorsicht um. Diese ungemein freundliche Behandlung war eine Ausnahme. Er musterte Lady Agatha mißtrauisch. »Sie können beruhigt sein, McWarden, der Portwein ist nicht vergiftet«, versicherte sie, als Parker die Erfrischung servierte. McWarden lächelte neutral und rutschte auf seinem Sitz unruhig hin und her. Er war der Chef einer Sonderkommission des Yard. Er wurde immer dann eingesetzt, wenn die zuständigen Dezernate mit der Aufklärung eines Falles nicht weiterkamen. McWarden hatte zu Parker und Agatha Simpson ein besonderes Verhältnis: Auf der einen Seite regte er sich immer wieder darüber auf, daß man ihm ins Handwerk pfuschte, wie er behauptete, auf der anderen Seite aber konnte er inzwischen längst nicht mehr auf die Hilfe der beiden Amateure verzichten. Sie hatten in der Vergangenheit schon manch verzwickten Fall für ihn gelöst. »Nun sagen Sie schon, wo Sie der Schuh drückt«, forderte Lady Agatha ihren Gast auf. »Sie stehen also wieder mal vor einem Rätsel, nicht wahr?« »So schlimm ist es nun auch wieder nicht«, schränkte McWarden sofort ein. »Aber gegen ein paar Hinweise hätte ich nichts.« »An welchem Fall arbeiten Sie denn gerade?« »Hier in London hagelt es Beschwerden«, gestand der ChiefSuperintendent. »Es sind vor allen Dingen Touristen. Sie werden von
Taschendieben geradezu heimgesucht.« »Was Sie nicht sagen!« Lady Agatha ließ sich nichts anmerken. »Und dagegen können Sie nichts tun?« »Die Taschendiebe von ganz England scheinen sich hier in London versammelt zu haben.« McWarden schnaufte wütend. »Wie die Heuschrecken sind sie eingefallen! Es sind erstklassige Leute, die ihr Handwerk verstehen. Sie picken sich ausgerechnet die Touristen heraus, die Namen und Einfluß haben. Für den Ruf der Stadt ist das nicht gerade gut.« »Das zuständige Dezernat von Scotland Yard dürfte meiner bescheidenen Ansicht nach allen verfügbaren Kräfte eingesetzt haben, nicht wahr?« fragte Parker in seiner ungemein höflichen Art. »Jeder Mann ist praktisch rund um die Uhr auf den Beinen«, entgegnete McWarden und nippte am Portwein, wobei sein Gesicht sich verklärte. »Die Leute machen Überstunden und haben auch ein paar Taschendiebe erwischt, doch das alles waren kleine Fische. An die wirklichen Täter sind sie bisher nicht herangekommen.« »Sind Taschendiebe ein Fall für mich, Mr. Parker?« Lady Agatha wandte sich an Parker. »Dies können nur Mylady allein entscheiden«, antwortete der Butler, der sich natürlich ebenfalls nichts anmerken ließ. »Es muß sich um eine ausgezeichnet geleitete Organisation handeln, Mylady«, lockte McWarden. »Ich nehme an, daß
diese Taschendiebe nach bestimmten Einsatzplänen arbeiten und gezielt auf ihre Opfer angesetzt werden.« »Darf man davon ausgehen, Sir, daß die Behörden inzwischen ihre sogenannten Kundenkarteien durchgesehen haben?« schaltete der Butler sich ein. »Und ob, Mr. Parker, und ob!« McWarden nickte. »Wir haben unsere Computer gefragt und alle uns bekannten Taschendiebe auswerfen lassen. Das hat uns leider überhaupt nicht weitergebracht.« »Wie soll ich denn das nun wieder verstehen?« fragte die ältere Dame grollend. »Lassen Sie diese bekannten Taschendiebe denn nicht überwachen?« »Wir befassen uns mit den wirklichen Assen auf diesem Gebiet«, erklärte ChiefSuperintendent McWarden. »Erstaunlicherweise sind sie nicht tätig. Wir können uns das nicht erklären. Sie arbeiten einfach nicht, sie produzieren sich in aller Öffentlichkeit, aber sie unternehmen nicht den geringsten Versuch, sich selbst an sehr lohnende Objekte heranzumachen. Sie stecken ihre Finger, aus welchen Gründen auch immer, nicht in fremde Taschen.« »Also arbeiten neue Subjekte hier in der Stadt.« Lady Simpson nickte McWarden zu. »Vielleicht werde ich mich dieses Falles annehmen, McWarden, vielleicht. Zur Zeit bin ich sehr beansprucht, ich arbeite an meinem Roman.« »Tatsächlich?« McWardens Verblüffung war echt. Er wußte, daß Mylady schon seit vielen Monaten angeblich mit ihrem Bestseller
beginnen wollte, um einer gewissen Agatha Christie zu zeigen, wie man wirklich Kriminalromane schreibt. »Dennoch, eine Stunde werde ich' wohl pro Tag für Sie erübrigen können«, schloß Lady Simpson. »Ich bin nun mal leider ein hilfsbereiter Mensch, ich kann nicht anders.« Sie seufzte tragisch auf und glaubte das, was sie sagte, denn so nebenbei war sie ja auch noch eine passionierte Detektivin. * Butler Parker vertrat sich noch ein wenig die Füße, wie er es auszudrücken pflegte. Es war dunkel geworden. Er hatte seinen Wagen in der Nähe von Victoria Station abgestellt und lustwandelte zu Fuß durch die große Bahnhofshalle, die um diese Zeit recht belebt war. Das war damit natürlich auch die bevorzugte Zeit der gewerbsmäßigen Taschendiebe. Parker kaufte sich eine Zeitung und blieb neben dem Kiosk stehen. Über den Rand des Blattes hinweg beobachtete er den Betrieb, die hastenden Menschen, das bunte Gewimmel der Menge. Seine geübten Augen entging kaum etwas von Belang. Er sah einige Polizeidetektive, die ebenfalls aufmerksam die Runde machten und offensichtlich Ausschau nach Taschendieben hielten. Chief-Superintendent McWarden hatte ja davon gesprochen. Die Detektive wie auch Parker erlebten in der nächsten halben Stunde eine herbe Enttäuschung.
Nicht in einem einzigen Fall wurde der Versuch unternommen, in die Taschen fremder Menschen zu greifen. Das Gewerbe der Diebe schien nicht mehr zu existieren. Selbst kleine Gelegenheitsganoven waren nicht auszumachen. Irgend etwas schien all diese Vertreter ihrer Zunft erschreckt zu haben. Das konnte kein Zufall sein. Parker legte sich den bleigefütterten Bambusgriff seines Universal-Regen-Schirms korrekt über den linken, angewinkelten Unterarm, überprüfte den tadellosen Sitz seiner Melone und verließ Victoria Station, wo er an diesem Abend wohl doch nicht fündig wurde. Er überquerte den Vorplatz und suchte eine schmale Seitenstraße der Belgrave Street. Vor einem nicht gerade vornehmen Pub hielt er und prüfte, ob er vielleicht von einem Polizeidetektiv verfolgt worden war, um dann die Kneipe zu betreten. Er war ein Fremdkörper in dieser Umgebung, doch das störte ihn nicht weiter. Er war es schließlich gewöhnt, daß man sich amüsiertinteressiert nach ihm umdrehte. Sein Erscheinungsbild als Butler war unübersehbar. Parker schritt an den vielen kleinen Nischen vorüber, bis er gefunden hatte, was er suchte. In einer der letzten Nischen saßen vier relativ gut und durchschnittlich gekleidete Männer, die einen eindeutig lustlosen Eindruck machten. »Ich erlaube mir, den Herren einen wunderschönen Abend zu wünschen«, grüßte er und lüftete seine Melone.
»Mr. Parker?« fragte ein etwa fünfzigjähriger Mann. Er war rundlich, sah gemütlich und vertrauenerweckend aus und hatte schnelle Augen, die sich jetzt überrascht auf den Butler konzentrierten. »Sie sehen meine bescheidene Wenigkeit äußerst überrascht«, redete Parker weiter. »Sollte ich davon ausgehen, daß Sie ausgerechnet jetzt eine kleine Verschnaufpause eingelegt haben?« »Macht mal Platz für Mr. Parker!« Will Gralton, den Parker begrüßt hatte, schob seine Tischfreunde durch eine schnelle Handbewegung enger zusammen. Parker nahm die Melone ab und setzte sich. »Wir sitzen hier schon 'ne ganze Zeit, Mr. Parker«, sagte Will Gralton, Spezialist in Sachen Taschendiebstahl, der dem Butler verpflichtet war. Parker hatte Will Gralton vor geraumer Zeit davor bewahrt, von einem Gangster übelster Sorte ins Jenseits befördert zu werden. »Schon seit einigen Tagen, nicht wahr?« »Wie kommen Sie denn darauf, Mr. Parker?« wollte Will Gralton übertrieben erstaunt wissen. Gralton bemerkte übrigens, daß der junge Mann neben Parker ein Opfer witterte und seine linke Hand auf die Reise schickte, doch Gralton unternahm nichts dagegen. »Man spricht davon«, stellte der Butler fest, der von den fremden Fingern nichts zu spüren schien. »Ihr Respekt vor gewissen Tatsachen scheint ungemein groß zu sein.«
Die fremden Finger hatten sich bereits mit Parkers JackettAußentasche befaßt. Sensible Fingerkuppen erspürten einen Gegenstand, tasteten sich noch näher heran und ließen zwei geschmeidige Finger folgen. Bruchteile von Sekunden später stöhnte der Besitzer der beiden Finger dumpf auf, unterdrückte nur mit Mühe einen Schrei und wurde ausgesprochen grau im Gesicht. »Können Sie mir noch mal verzeihen?« fragte Parker in entschuldigendem Tonfall, während er sich an den jungen Mann wandte, der seine Hand aus Parkers Tasche zog und fassungslos auf eine Art Maulwurfsfalle starrte. »Ich hätte Sie vorher warnen sollen!« * »W.. .Wa... Was is'n das?« stöhnte der Taschendieb und wußte nicht, was er mit dem Gegenstand anfangen sollte, der ihn an eine riesige Heftklammer erinnerte. »Eine Taschensicherung«, erklärte der Butler. »Wenn Sie erlauben, werde ich Sie selbstverständlich von diesem lästigen Anhängsel befreien.« Der junge Mann hatte nichts dagegen, während Gralton schallend lachte. Die beiden anderen Männer am Tisch wußten zuerst nicht, wie sie sich verhalten sollten, lachten dann jedoch mit. Josuah Parker befaßte sich mit dem leise stöhnenden Taschendieb und entfernte das kleine, raffinierte Tellereisen. Die Wunde an beiden Fingern war unerheblich. Parker
untersuchte sie und empfahl, eine kleine Portion Whisky zur Desinfektion über sie zu gießen. »Mr. Parker ist tabu«, sagte Gralton, nachdem er sich ausgelacht hatte. »Also, Jungens, Finger weg! Ist das klar?« »Sie haben Sorgen, Mr. Gralton?« »Wie kommen Sie denn darauf, Mr. Parker?« »Victoria Station ist wie ausgestorben. Sie wissen natürlich, worauf ich speziell anspiele, nicht wahr? Die fehlende Aktivität führe ich keineswegs auf die Anwesenheit jener Herren zurück, die die zuständigen Polizeibehörden vertreten.« »Die natürlich auch, Mr. Parker, aber die sind nicht das Problem!« »An ihrem, sagen wir es höflich, sogenannten Wirkungsplatz, läßt sich nicht mehr ungestört arbeiten, wie ich zu wissen glaube. Man scheint Sie und Ihre Freunde sehr nachhaltig in die Schranken verwiesen zu haben.« »Sie wissen verdammt viel, Mr. Parker.« Will Gralton nickte. »Gewisse Elemente haben Ihre Arbeit zu einem gesundheitlichen Risiko werden lassen, möchte ich hinzufügen.« »Risiko? Lebensgefährlich is' das geworden, Mr. Parker.« Will Gralton dämpfte seine Stimme. »Ein paar von unseren Freunden haben gequetschte Finger. Das muß man sich mal vorstellen! Die werden nie wieder arbeiten können. Andere sind zusammengeschlagen worden, andere wieder hat man den Bullen, ab, ich meine, den Leuten vom Yard
in die Hände gespielt. Hier ist der Teufel los!« »Sie haben mein sehr persönliches Mitgefühl«, antwortete Josuah Parker. »Sie wissen nicht andeutungsweise, wer hinter all diesen Machenschaften stecken könnte, Mr. Gralton?« »Keine Ahnung, Mr. Parker! Das ist die reine Wahrheit! Wir alle sind geschockt und stehen vor 'nem Rätsel. Ich will Ihnen mal was sagen, hier reißt sich irgendein Typ die ganze Branche unter den Nagel. Und wir sehen in die Röhre! Wie soll man denn jetzt das Geld für die Brötchen zusammen bekommen? Wir werden doch planmäßig ruiniert.« Parker äußerte sich selbstverständlich nicht zu der Moral, die hinter den Bemerkungen des Will Gralton deutlich zu erkennen war. Diese Leute lebten in ihrer eigenen Welt und wußten um das Risiko, das sie eingingen. »Es ist durchaus möglich und denkbar, daß man Ihnen eines Tages gewisse Vorschläge unterbreiten wird«, erwiderte Parker. »Vielleicht will man Sie erst mal zwingen, Ihre Selbständigkeit aufzugeben, um sie dann für eine größere Organisation arbeiten zu lassen.« »Ich und meine Selbständigkeit aufgeben?« Will Gralton lachte auf und schüttelte den Kopf. »Niemals, Mr. Parker, niemals! Dann wechsle ich lieber den Beruf.« »Sie wissen, Mr. Gralton, wo ich jederzeit zu erreichen bin.« Parker griff nach seiner Melone und erhob sich. »Ich wünsche noch weiterhin einen geruhsamen Abend.«
Er verließ die Nische, blieb plötzlich stehen und kam noch mal an den Tisch zurück. Er griff in die Außentasche seines Jacketts und legte eine Brieftasche, eine Armbanduhr, ein goldenes Feuerzeug und schließlich einige Pfundnoten, die von einer Klammer gehalten wurden, vor den jungen Mann auf den Tisch. »Sie sollten in Zukunft ein wenig besser auf Ihre persönliche Habe achten«, sagte Parker höflich. »Man muß immer mit Menschen rechnen, die in fremde Taschen zu greifen pflegen.« Als Parker fast die Tür des Pub erreicht hatte, war Will Graltons ironisches Gelächter noch immer zu hören. * Butler Parker merkte schnell, daß er verfolgt wurde. Nachdem er das Lokal verlassen hatte, löste sich wenig später vom Straßenrand ein unauffällig aussehender, dunkler Wagen, nur mit eingeschaltetem Standlicht. Parker dachte nicht im Traum daran, nervös zu reagieren oder gar in Panik zu geraten. Zu oft schon in der Vergangenheit hatte man versucht, ihm Schwierigkeiten aller Art zu bereiten. Dabei hatte es auch nicht an Mordanschlägen gefehlt. Sicherheitshalber aber öffnete er seinen schwarzen Covercoat und holte aus einer seiner Westentaschen einen völlig normal aussehenden Kugelschreiber. Er hatte ihn, wie die übrigen Kugelschreiber in den Westentaschen, in seiner privaten
Bastelstube in Lady Simpsons Haus präpariert. Wenn es sein mußte, konnte dieser Kugelschreiber zu einer wirkungsvollen Verteidigungswaffe werden. Der Wagen holte auf und wurde schneller. Bruchteile von Sekunden später wurden die Scheinwerfer voll eingeschaltet. Sie erfaßten den Butler, der diese Festbeleuchtung gar nicht schätzte. Die beiden Lichtfinger schnitten ihn aus der Dunkelheit förmlich heraus und ließen ihn zu einem prächtigen Ziel werden. Parker drehte die beiden Hälften des Kugelschreibers gegeneinander bis zum Anschlag und beeilte sich, dieses angebliche Schreibgerät in Richtung Wagen zu werfen. Das Resultat war frappierend. Zuerst war ein äußerst greller Lichtblitz zu sehen, der den Fahrer unbedingt blenden mußte. Gleichzeitig aber stieb eine pechschwarze Wolke in die Luft und schuf eine Wand, die jede Sicht nahm. Parker hatte seine Augen durch das Anheben seines Unterarms vor dem Lichtblitz geschützt. Während die schwarze Wand sich ausbreitete und darin ein Reißen von Blech und Splittern von Glas zu hören war, drang der Butler in diese schwarze Wand ein und nahm in einem engen Torweg Deckung. Er hörte ein Fluchen und Schimpfen, ein wütendes Hämmern gegen Blech und dann erstaunlicherweise seinen Namen. Parker löste sich aus dem Torweg, ging um den Wagen herum und erkannte die Umrisse zweier
Männer, die den Wagen inzwischen notgedrungen verlassen hatten. Das Gefährt war nämlich an der Hauswand gestrandet und eindeutig nicht mehr fahrtüchtig. »Meinen Sie möglicherweise meine bescheidene Wenigkeit?« erkundigte Parker sich. »Bitte, drehen Sie sich nur vorsichtig um, ich könnte sonst vielleicht den Kopf verlieren und unnötig scharf und verletzend reagieren.« Die beiden Männer hielten sich an den Rat. Parker hatte inzwischen seinen Standort erneut gewechselt, geschützt von den wallenden, schwarzen Nebeln. »Wir sind Detective-Sergeant Bold und Constable Pears«, sagte einer der beiden Männer gereizt. »Mann, mußten Sie gleich solch scharfes Geschütz auffahren?« »Der Wagen ist hin«, fügte der zweite Mann nervös hinzu. »Blech läßt sich ersetzen, ein Menschenleben hingegen nicht«, antwortete Josuah Parker. »Soll ich annehmen, daß Sie mich zu sprechen wünschen?« »Chief-Superintendent McWarden«, sagte der erste Mann. »Der wird uns jetzt ganz schön die Hölle heiß machen, Mr. Parker.« »Das kann ich mir durchaus plastisch und auch akustisch vorstellen«, antwortete Parker, ohne seine Deckung aufzugeben. »Wahrscheinlich dürfte das Funksprechgerät noch intakt sein. Was halten Sie davon, meine Herren, wenn Sie ihn verständigen würden?« *
»Diese ausgemachten Trottel«, schimpfte McWarden zehn Minuten später. Er saß zusammen mit Parker im Fond eines zivil aussehenden Dienstwagens und fuhr seinen Gast durch die City. »Fahren einen Wagen zuschanden!« Es ist nicht zu fassen...« »Auch Ihnen, Sir, dürfte während Ihrer Laufbahn schon einiges Mißgeschick passiert sein«, erwiderte Josuah Parker. »Die beiden Herren Ihrer Abteilung wollten sich möglichst unauffällig meiner bescheidenen Person nähern.« »Was ihnen ja auch voll und ganz gelungen ist.« McWarden schnaufte wütend. »Was ich da wieder für einen Papierkrieg führen muß, Mr. Parker! Sie machen sich keine Vorstellung.« »Sie ließen mich von der Victoria Station aus beschatten, Sir?« »Einer meiner Männer meldete, daß sie dort beobachteten.« McWarden nickte widerwillig. »Ihnen ist also aufgefallen, daß die Taschendiebe nicht mehr arbeiten?« »In der Tat, Sir, man befleißigt sich ungewöhnlicher Zurückhaltung, wenn ich es so ausdrücken darf.« »Sie haben im Pub ein paar Informationen sammeln können?« »Sie fielen mehr als spärlich aus, Sir. Es war nicht zu verkennen, daß die Mitglieder dieser Zunft der Taschendiebe von einer gewissen Depression befallen sind.« »Und warum? Sie stehen unter Druck, nicht wahr? Sie trauen sich nicht mehr.« »Gibt es dafür bereits polizeilich gesicherte Erkenntnisse, Sir?«
»Sie wollen mal wieder nicht mit der Sprache herausrücken, Mr. Parker, hab' ich bereits gemerkt. Gut, ich will Ihnen etwas Vertrauliches mitteilen.« »Sie machen meine bescheidene Wenigkeit stolz und glücklich, Sir.« »Wieso?« McWarden stutzte, begriff dann aber. »Ach so, wegen der Vertraulichkeit, wie? Mr. Parker, übertreiben Sie doch nicht immer so! Sie wissen doch längst Bescheid.« »Sie beschämen mich, Sir.« »Sie wissen also auch, daß die Taschendiebe von irgendeiner Seite in die Zange genommen werden?« Parker verzichtete auf eine Antwort. »Uns sind einige Fälle bekannt geworden, die verdammt brutal begangen wurden. Einigen Taschendieben hat man die Finger gequetscht, anderen in die Hände gezwickt. Keiner dieser Leute hat auch nur andeutungsweise geredet. Panik und Angst gehen um, Parker. Die Burschen, die wir kennen, arbeiten nicht mehr.« »Und wie kam es zu solchen Grausamkeiten, Sir, wenn diese Frage gestattet ist?« »Sie wurden erwischt, als sie drückten und klemmten. Sie kennen diese Ausdrücke ja. Auch die betreffenden Träger hat's getroffen. Innerhalb weniger Tage sind ein paar Teams aufgeflogen. Und so etwas spricht sich rasend schnell herum.« »Dies, Sir, deckt sich durchaus mit dem, was man mir andeutungsweise zuraunte«, untertrieb Josuah Parker. »Einzelheiten konnte auch ich nicht in Erfahrung bringen, wie ich nachdrücklich versichern darf.«
»Ich habe Lady Simpson nicht zuviel gesagt, hier scheint irgendwer eine neue Organisation aufbauen zu wollen.« McWarden seufzte. »Das Verfahren ist an sich sehr einfach. Ich engagiere ein paar Fachleute, die sich im Taschendiebstahl auskennen, setze sie auf die hiesigen Taschendiebe an und schlage dann zu.« »Diese engagierten Fachleute, wie Sie sich auszudrücken beliebten, Sir, müssen demnach aus einer anderen Stadt kommen.« »Natürlich, Mr. Parker. Vielleicht kommen sie sogar vom Kontinent, was weiß ich!? Sie zeichnen sich auf jeden Fall durch Brutalität aus.« »Das Ziel dieser geheimnisvollen Person dürfte demnach sein, den gesamten Taschendiebstahl zu zentralisieren.« »Das ist auch meine Befürchtung, Mr. Parker. Und wenn das erst mal geklappt hat, dann sitzen wir ganz schön in der Tinte. Wir haben es dann nicht mehr mit mehr oder weniger bekannten Einzelgängern oder kleinen Teams zu tun, sondern mit straff gelenkten Taschendieben, die gezielt eingesetzt werden.« »So sollte man die Entwicklung durchaus sehen, Sir.« »Weshalb ich Sie sprechen wollte, Mr. Parker. Möchten Sie sich mal Pete Blair ansehen? Sie kennen ihn doch, oder?« »Ein Meister seines Fachs, wenn ich es so umschreiben darf.« »Ihn hat es vor gut anderthalb Stunden in Heathrow erwischt, Mr. Parker, als er dort kassieren wollte. Blair liegt jetzt im Polizeispital. Vielleicht gelingt es Ihnen, etwas aus
ihm 'rauszuholen. Weiß der Henker, warum diese Gauner solch ein Vertrauen zu Ihnen haben! Sie bringen sie doch früher oder später alle ins Kittchen...« »Man schätzt möglicherweise meinen Sinn für ein gewisses Fairplay, Sir«, antwortete Josuah Parker in seiner gemessenen und bescheidenen Art. Wenn Sie erlauben, werde ich über Ihre Frage nachdenken, um vielleicht noch zu einer anderen Antwort zu kommen.« * Er lag in einem kleinen, kahlen Einzelzimmer. Pete Blair war selbst im Bett der Prototyp eines Gentlemans: Er hatte ein markant geschnittenes Gesicht, einen gepflegten Schnauzbart und buschige Augenbrauen. Normalerweise war seine Gesichtsfarbe leicht gebräunt, was auf den Golfspieler hindeutete, nun aber war dieses Gesicht eingefallen, die Gesichtsfarbe nur noch blaß bis grau. Pete Blair war überrascht, als Parker das Einzelzimmer betrat und grüßend die Melone lüftete. »Sie sehen meine bescheidene Wenigkeit bestürzt, Mr. Blair«, sagte Josuah Parker. »ChiefSuperintendant McWarden hat mich vor knapp einer halben Stunde verständigt.« Pete Blair antwortete nicht, er hob nur seine völlig bandagierten Hände an. »Diese Schweine! Diese Schweine!« Pete Blairs Augen
füllten sich mit Tränen. »Ich ... Ich werde nie wieder arbeiten können.« »Es wird sich eine andere Beschäftigung finden lassen, Mr. Blair«, antwortete Parker. »Wenn Sie Wert darauf legen, werde ich mich rechtzeitig darum kümmern.« »Ihnen glaube ich das sogar«, sagte Blair, der sich zusammenriß ...« Mit 'ner Wagentür haben sie's gemacht, mit der Wagentür. Ich hatte keine Chance.« »Man bedrohte sie wahrscheinlich mit einer schallgedämpften Schußwaffe, nicht wahr?« »Genauso ist es gewesen, Mr. Parker. Sehen Sie sich die Hände an! Das waren Kunstwerke, verstehen Sie? Die hatte ich jahrelang trainiert, die arbeiteten fast automatisch.« »Mir waren Ihre einmaligen Fertigkeiten durchaus bekannt«, entgegnet Parker ernst und ohne Ironie. Er konnte den Taschendieb durchaus verstehen. Pete Blair war immer ein Einzelgänger gewesen und hatte auf ein Team verzichtet. Er hatte sich seine Opfer stets sorgfältig ausgesucht und eigentlich niemals Durchschnittstouristen oder gar arme Teufel befingert. Darauf war er stolz. »Sie müssen meine Fragen nicht beantworten«, schickte Parker voraus. »Aber mich würde es doch interessieren, ob Sie nicht inzwischen von dem Risiko wußten, daß Sie neuerdings mit Ihrer Arbeit eingingen?« »Natürlich hatte ich so etwas aufgeschnappt, Mr. Parker.« Pete Blair hatte sich ein wenig beruhigt. »Ich dachte aber, man hätte mich niemals bei der Arbeit beobachten können.«
»Demnach müssen Sie von einem erstklassigen Fachmann ausgemacht worden sein, oder ist meine Schlußfolgerung möglicherweise falsch?« »Das ist sogar der genaue Punkt, Mr. Parker. Nur ein erstklassiger Könner kann mich beobachtet haben. Der Mann muß absolute Spitze gewesen sein.« »Und er muß Sie gekannt haben, oder würden Sie das verneinen?« »Kann ich nicht sagen. Heute war ich mehr aus 'ner Laune heraus draußen am Flugplatz. Ich wollte 'raus aus der City, vielleicht hatte ich doch etwas Angst.« »Vor dem, was einigen Ihrer Kollegen bereits passierte?« »Richtig, Mr. Parker! Kann schon sein, daß ich die ganze Zeit über raffiniert beschattet worden bin.« »Daraus läßt sich weiterhin schließen, daß man Sie als Objekt gekannt haben muß. Mit anderen Worten, man muß gewußt haben, wer Sie sind, wo Sie wohnen und wo Sie zu essen pflegen. Würden Sie diese meine Annahme übernehmen? « »Sie glauben, daß ich verpfiffen worden bin?« »So könnte man es auch ausdrücken, obwohl es ein wenig vulgär klingt.« »Na ja, aber wer? Mich kennen eine Menge Leute, Sie verstehen? Wissen Sie, warum man mich so zugerichtet hat? Begreifen Sie das?« Pete Blair hob wieder die bandagierten Hände. »Zur Not hätte ich irgendwo mitgemacht, Mr. Parker und meine Selbständigkeit aufgegeben. «
»Ihnen wurde solch ein Angebot nicht unterbreitet?« »Nicht direkt.« »Wie darf ich das verstehen, Mr. Blair?« »Na ja, ich bekam einen Anruf. Vor drei, nein, vor vier Tagen. Irgendwer warnte mich, nein, das ist nicht richtig, er verbot mir, weiter zu arbeiten. Das muß man sich mal vorstellen! Man verbot mir zu arbeiten. Ich bin fast an die Decke gegangen.« »Ich werde Ihnen sagen, warum man Sie mißhandelte«, erwiderte Josuah Parker. »An Ihnen sollte ein Exempel statuiert werden. Ab sofort dürfte keiner Ihrer Kollegen mehr den Mut aufbringen, selbständig zu arbeiten. Ihr Schicksal wird sich wie ein Lauffeuer in London herumsprechen.« »Und was habe ich davon?« Blair schloß die Augen und nagte an seiner Unterlippe. »Ich kann mich aufhängen, aber mit den beiden Händen schaffe ich es noch nicht mal, 'ne Schlinge zu knüpfen.« * Lady Agatha Simpson war nicht die Frau, die ihre Hände in den Schoß legte. Auch sie hatte zusammen mit ihrer Gesellschafterin das Haus in Shepherd's Market verlassen und hoffte auf einen anregenden Zwischenfall. Sie saß am Steuer ihres LandRover, den sie sich zugelegt hatte, ein starker und solider Wagen, der so recht zu ihrem Temperament paßte. Lady Simpson war eine sehr
eigenwillige Fahrerin, für jede Überraschung gut. Kathy Porter hatte sich selbstverständlich angeschnallt und stemmte sich mit ihren Füßen noch zusätzlich gegen das Bodenbrett des Wagens. Wenn Lady Agatha sich mit einer Kurve befaßte, dann ging es meist ein wenig artistisch zu. Die ältere Dame hoffte auf Verfolger. Sie setzte darauf, daß die beiden Schläger, die Parker hatte laufen lassen, sich früher oder später zeigen würden. Bisher hatten Gangster dieses Schlages immer versucht, eine Retourkutsche zu fahren und dabei bösartig zu werden. »Haben Sie schon etwas entdeckt?« fragte sie bei Kathy Porter an. »Nichts, Mylady«, antwortete die junge Dame. »Vielleicht fahren Sie etwas zu schnell, Mylady.« »Ausgeschlossen«, meinte die Detektivin. »Ich halte mich genau an die Richtgeschwindigkeit, Kleines.« Das war natürlich eine kühne Behauptung, die sich leicht widerlegen ließ. Mylady fuhr viel zu schnell durch die nächtliche Stadt, doch sie minderte dann das Tempo deutlich, um sich weiterhin als Köder anzubieten. »Immer noch nichts?« fragte sie ungeduldig. »Nichts, Mylady.« Kathy Porter schüttelte gespielt bedauernd den Kopf, freute sich jedoch insgeheim, daß es zu keinen Kontakten kam. Sie fürchtete sich nicht, hatte schließlich aber die Verantwortung für die ältere Dame.
»Und was ist das?« fragte Agatha Simpson nach weiteren zehn Minuten. »Was meinen Sie, Mylady?« »Sehen Sie doch, Kleines, da wird doch ganz eindeutig ein Mann entführt.« Sie hielt sofort am Straßenrand und deutete auf eine Gruppe von drei Männern, die allerdings eng nebeneinander gingen und einen Wagen ansteuerten, der auf einem kleinen Parkplatz stand. »Die beiden stützten wohl einen angetrunkenen Freund«, gab Kathy Porter zurück, doch etwas in ihr schlug plötzlich Alarm. Sie beugte sich vor, um im schwachen Licht des Parkplatzes die Details besser sehen zu können. Agatha Simpson hatte den Land Rover in der Nähe der Waterloo Station angehalten, ließ den starken Motor aber noch laufen. »Haben Sie denn jeden Instinkt verloren, Kindchen?« Die resolute Dame schüttelte grimmig den Kopf. »Da wird doch ein Mann verschleppt. Das ist Kidnapping schlechtesten Stils! Und dagegen werde ich etwas unternehmen...« Sie wartete die Antwort ihrer Begleiterin nicht ab, sondern legte den Gang ein und brauste energisch los. Sie gab in bewährter Manier Vollgas und benutzte die Abkürzung über ein schmales, langgestrecktes Blumenbeet, das den Parkplatz säumte. Der Rover nahm dieses Hindernis mit geradezu spielerischer Freude, preschte durch das weiche Erdreich und machte einen Satz nach vorn, als er wieder Asphalt unter den Rädern
hatte. Lady Simpson hielt direkt auf die Dreiergruppe zu, um knapp vor ihr zu bremsen. Die Männer blieben wie angewurzelt stehen, geblendet vom grellen Licht der Scheinwerfer, von dem sie erfaßt wurden. »Was soll dieses flegelhafte Verhalten?« rief Lady Simpson grollend. »Wie kommen Sie dazu, meinen Weg zu blockieren?« Sie sagte das lautstark, während sie ausstieg, und zog damit die Aufmerksamkeit der drei Männer auf sich. Kathy reagierte überhaupt nicht. Sie hatte die Wagentür geöffnet und schlüpfte geschmeidig nach draußen. »Wohl verrückt geworden, alte Schachtel?« sagte einer von den drei Männern, nachdem er sich von seiner ersten Überraschung erholt hatte. »Verschwinde, spätes Mädchen«, riet der zweite gereizt. Der Mann in der Mitte sagte nichts. Er war augenscheinlich in sich zusammengesunken und konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. War er betrunken? War ihm schlecht? Hatte man ihn bereits zusammengeschlagen, wie Lady Simpson vermutet hatte? »Sagten Sie alte Schachtel?« Agatha Simpsons Augen funkelten unternehmungslustig. Der Pompadour an ihrem Handgelenk geriet in leichte Bewegung. Es handelte sich um einen perlenbestickten Handbeutel, wie ihn die Damen um die Jahrhundertwende gern trugen, um darin ein paar Utensilien verschwinden zu lassen, wie zum Beispiel Puderdose Riechfläschchen und Taschentuch.
Myladys Pompadour war allerdings reichlich groß ausgefallen. Und er enthielt ein Hufeisen, das von einem kräftigen Ackergaul stammte. Doch das wußte der junge Mann nicht, der auf die Detektivin losging wie ein Terrier. »Verschwinde, Alte«, fauchte er wütend. »Du störst hier nur.« »Sie Lümmel!« Lady Simpson ahndete diese Beleidigung augenblicklich. Der Pompadour schwang von unten nach oben und klatschte auf den rechten Kinnwinkel des jungen, sportlichen Mannes. Er hatte das Gefühl, von einem auskeilenden Pferd getreten worden zu sein, was im übertragenen Sinn ja auch stimmte. Lady Simpson, eine begeisterte Bogenschützin und Golfspielerin, war eine sportliche Frau, deren Muskeln man nicht als unterentwickelt bezeichnen konnte. Das Zulangen mit dem >Glücksbringer<, wie sie das Hufeisen im Pompadour nannte, war dementsprechend nachhaltig ausgefallen. Der junge Mann legte sich rücklings auf die Luft, die ihn natürlich nicht trug. Dann absolvierte er einen halben Salto und landete klatschend auf dem Asphalt. Der zweite junge Mann reagierte sehr rücksichtslos, das heißt, er verfolgte diese Absicht. Er ließ den dritten Mann los, der prompt in sich zusammenrutschte, und langte eindeutig nach der Waffe. Er griff schnell und routiniert nach einer Schulterhalfter . .. Er griff, aber er kam nicht mehr dazu, die Waffe zu ziehen. Hinter ihm tauchte Kathy Porter auf. Sie
löste das Problem mit einem schnellen Handkantenschlag. Der junge Mann gurgelte ausgiebig, schraubte sich zu Boden und rührte sich nicht mehr. »Er kann sich später bei Ihnen bedanken, Kindchen«, sagte Lady Simpson zu ihrer Gesellschafterin. »Ich wollte mich gerade mit ihm näher befassen. Was sagen Sie zu solchen Flegeln? Greifen eine alte und wehrlose Frau an! Es ist doch nicht zu glauben! Die Sitten verrohen von Tag zu Tag immer mehr!« * Der dritte Mann, der haltlos in sich zusammengerutscht war, hatte wieder Kraft geschöpft und kroch verzweifelt über den Asphalt zu abgestellten Wagen. Wahrscheinlich wollte er sich dort in Sicherheit bringen. »Was soll dieser Unsinn?« grollte Agatha Simpson. »Stehen Sie gefälligst auf, wenn eine Dame mit Ihnen redet!« Der vielleicht fünfunddreißigjährige Mann erhielt so etwas wie einen elektrischen Schlag. Er sah sich einer Art Rachegöttin gegenüber, riß sich zusammen und wand sich am Kotflügel eines Wagens auf die Beine. Er taumelte allerdings bedenklich, als er stand. »Ohne Umschweife«, schickte Lady Agatha mit ihrer dunklen, rauhen Stimme voraus. »Weshalb wollte man Sie verschleppen?« »Weil ich ... Weil ich ...«
»Ich kann Sie auch wieder zurück zu diesen beiden Lümmeln schicken«, drohte die Detektivin. »Entscheiden Sie sich, junger Mann!« »Ich hatte... also, ich wollte... Ich soll angeblich versucht haben, Taschendiebstahl begangen zu haben.« »Sehr interessant, junger Mann. Haben Sie solch einen Versuch unternommen oder nicht? Ich will die Wahrheit erfahren!« »Ich ... Ich hab's versucht, Madam«, gab der Mann eingeschüchtert zurück und lehnte sich gegen den Kotflügel. »Und Sie wurden dabei von diesen beiden Flegeln überrascht?« Mylady hoffte, daß die beiden jungen Männer nicht gerade von der Polizei waren. Sie hätte das möglicherweise bedauert. »Die schleppten mich ab, Madam. Und hier draußen auf dem Parkplatz haben sie mich erst mal zusammengehauen.« »Ihr Name?« »Randy Lane, Madam.« »Und Sie kommen woher?« Agatha Simpson fragte in einer Tonart, die an die eines Feldwebels der Army erinnerte. Sie duldete kein Ausweichen. »Aus Manchester, Mylady«, erwiderte der junge Mann prompt und nahm unwillkürlich Haltung an. »Sie sind berufsmäßiger Taschendieb?« »Nicht direkt, Madam«, lautete die Antwort. »Das heißt... Also, das ist so...« »Sie sind es also! Wie lange waren Sie nicht mehr hier in London?
Haben Sie hier überhaupt schon mal gearbeitet, wie Sie es nennen?« »Nee, hier in London hab' ich noch nie gezogen, Madam«, gestand der Taschendieb bereitwillig. »Und die beiden Typen da wollten mir die Finger quetschen. Ehrlich, das haben sie gesagt.« »Danken Sie mir auf den Knien, daß Sie mich gefunden haben.« Lady Agatha nickte wohlwollend. »Nein, nicht jetzt, später, nehmen Sie nicht alles zu wörtlich. Wo wollten Sie hier in London wohnen?« »Bei... Bei einem Freund, Mylady.« »Wie lautet sein Name? Etwas schneller mit der Antwort, oder ich werde ärgerlich!« »Bei Will Gralton, Madam, den werden Sie nicht kennen. Ich kenn' ihn von früher her.« »Sie können gehen, junger Mann.« Die Detektivin war in gnädiger Stimmung, zumal ihr klar war, daß auch aus diesem Mann nicht mehr herauszuholen war.« Sollte ich Sie bei einem Taschendiebstahl erwischen, dann werden Sie was erleben. Sollten Sie aber noch mal in Schwierigkeiten kommen, dann rufen Sie mich an, ist das klar?« »Sehr wohl, Madam.« Randy Lane nahm unwillkürlich erneut Haltung an. »Ich bin Lady Simpson«, verkündete die ältere Dame. »Und nun sollten Sie sich trollen, bevor ich mir die Sache anders überlege.« Randy Lane schluchzte vor Erleichterung und Dankbarkeit fast auf, stemmte sich gegen den Wagen und verschwand in der Dunkelheit. Lady Simpson sah ihm einen
Moment nach und wandte sich dann Kathy Porter zu, die die beiden am Boden liegenden Schläger bewacht hatte. »Was ist mit diesen Subjekten?« fragte die Detektivin. »Du lieber Himmel, so fest habe ich doch gar nicht zugeschlagen.« »Was soll mit ihnen geschehen?« erkundigte Kathy Porter sich. »Sie haben übrigens keine Waffen bei sich, Mylady, ich habe sie genau durchsucht.« »Brieftaschen, sonstige Kleinigkeiten?« »Nichts, Mylady. Das heißt, in der Tasche dieses Mannes hier habe ich erstaunlich viele Kartenabrisse gefunden.« »Was haben Sie gefunden?« »Kartenabrisse, Mylady, die von Eintrittskarten stammen. Ich habe sie bereits eingesteckt.« »Eintrittskarten eines Kinos, Kindchen?« »Das kann ich noch nicht sagen, Mylady.« »Das werden diese beiden Lümmel erklären müssen, Kleines. Wir werden sie mitnehmen. Die Augen von Mr. Parker möchte ich sehen! Schwarz wird er sich ärgern, daß ich wieder mal erfolgreicher bin als er. Ich werde das genießen!« * Walter Brennan befand sich in seinem stilecht eingerichteten Sheriff-Büro und telefonierte. Der korpulente Mann mit der Glatze wirkte aufgeregt und wütend zugleich.
»Abkassiert?« vergewisserte er sich. »Diese Alte hat Mel und Gus so einfach abgeschleppt? Das darf doch nicht wahr sein! Das ist doch nicht drin!« Sein Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung gab offensichtlich eine längere Erklärung ab, denn Walter Brennan schwieg für fast eine Minute. »In Ordnung«, sagte er schließlich. »Nein, nein, es wird nichts, aber auch gar nichts unternommen. Wie? Natürlich war es richtig, daß Sie sich 'rausgehalten haben. Schön, gehen Sie nach Hause und warten Sie, bis ich mich wieder melde. Ende!« Walter Brennan legte auf und zündete sich eine Zigarre an. Er wanderte wieder mal in seinem Sheriff-Büro auf und ab und überdachte die neue Entwicklung. Es paßte ihm überhaupt nicht, daß seine bisher geübte Zurückhaltung Butler Parker und Lady Simpson gegenüber zu nichts geführt hatte. Zwei seiner besten Leute, nämlich die Schläger Mel und Gus, waren mit dieser schrulligen Alten zusammengestoßen und von ihr so ganz einfach und wie selbstverständlich abkassiert worden. Aber genau solche Kontakte hatte Brennan unbedingt vermeiden wollen. Was war also zu tun? Mußte er jetzt zum Gegenangriff übergehen? Sollte er seine beiden anderen Schläger einsetzen? Jim und Hale, die von Parker ihre Nasenstüber bezogen hatten, warteten ja nur darauf, sich zu revanchieren. Er brauchte ihnen nur freie Hand zu las-
sen, und schon würden Jim und Hale alle ihre Register ziehen. Aber würde es ihnen gelingen, eine zweite Panne zu vermeiden? Jim und Hale hatten einfach keine Ahnung, was hinter diesem Butler steckte. Sie fühlten sich einfach überlegen, weil sie Profis waren. Der Butler und Lady Simpson waren für sie doch nur blutige Amateure, die mal Glück gehabt hatten ... Nein, so ging es nicht! Brennan schüttelte unwillkürlich den Kopf. Jim und Hale würden sich mit Sicherheit hereinlegen lassen. Sie waren der List dieses Butlers nicht gewachsen. Parker mußte an anderer Stelle zu treffen sein. Was hatte sein Gesprächspartner eben am Telefon gesagt? Lady Simpson war in Begleitung einer jungen Frau gewesen? Richtig, die schrullige Alte hatte doch so etwas wie eine Sekretärin. Wahrscheinlich war dieses Mädchen ein armes, unterdrücktes Wesen, das von der Lady tyrannisiert wurde? Aber dennoch - ließ sich hier vielleicht ein Hebel ansetzen? Walter Brennan nahm sich vor, weitere Informationen über die Sekretärin einzuholen, im übrigen aber nach wie vor nicht aktiv zu werden. Vorerst wenigstens nicht. Sein Instinkt sagte ihm, daß Parker doch nur darauf wartete, daß er seine Deckung verließ und sein Inkognito lüftete. Würden Mel und Gus den Mund halten? Das eben war die Frage, die entscheidend werden konnte. Besaßen seine beiden Mitarbeiter Härte genug, um eisern zu
schweigen? Oder packte sie schließlich doch aus und führten Parker und die schrullige Alte auf die heiße Fährte, die hier endete? Nun, falls es dazu kam, war Brennan bereit, seinerseits tief in die Trickkiste zu greifen. Er konnte schließlich fest damit rechnen, daß dieses verrückte Duo auf keinen Fall die Polizei informieren würde. Parker und die Lady arbeiteten stets auf eigene Faust und waren in dieser einzigen Beziehung ausrechenbar. Falls sie also hier erschienen, dann wußten die zuständigen Behörden mit Sicherheit nichts davon. Walter Brennan sah die Dinge nun doch wieder wesentlich optimistischer als vorher. Er dachte nicht daran, gerade jetzt aufzustecken oder sich ins Bockshorn jagen zu lassen. Er war auf dem besten Weg, sich eine einmalige Organisation aufzubauen. Und die konnten auch ein Butler Parker und Lady Simpson nicht ankratzen oder gar zerschlagen! * »Während Sie sich in der Welt herumtreiben und sich amüsieren, fange ich Gangster«, sagte Lady Simpson zufrieden und sah Butler Parker vorwurfsvoll an. »Auch diesen Fall werde ich wieder mal allein lösen müssen.« Sie befand sich in ihrem Wohnsalon des altehrwürdigen Hauses in Shepherd's Market und ergötzte sich an einem alten Portwein. Sie war natürlich in bester Stimmung und hatte es kaum
erwarten können, bis Parker endlich ins Haus kam. »Darf ich mir erlauben, Mylady zu beglückwünschen?« »Sie dürfen, Mr. Parker.« Sie platzte vor Ungeduld. »Wollen Sie nicht wissen, wen ich erwischt habe?« »Dies, Mylady, wäre meine nächste Frage gewesen, wie ich versichern darf.« »Zwei Lümmel, die einen kleinen Taschendieb zusammengeschlagen haben. Kindchen, erzählen Sie Mr. Parker die Einzelheiten, aber lassen Sie nichts aus!« Kathy Porter, ebenfalls im Salon und mit den Kartenabrissen beschäftigt, die sie in der Tasche eines der Schläger gefunden hatte, berichtete von dem Zwischenfall auf dem Parkplatz von Waterloo Station. Sie vergaß selbstverständlich nicht, den persönlichen Einsatz Lady Agathas besonders hervorzuheben. »Darf ich davon ausgehen, Mylady, daß diese beiden Schläger Gäste des Hauses sind?« erkundigte Parker sich, als Kathy Porter ihren Bericht beendet hatte. »Sie sind unten im Keller.« Lady Agatha nickte grimmig. »Und nachher werde ich mich mit diesen Subjekten ein wenig intensiver befassen.« »Zu Aussagen erklärten die beiden Herren sich noch nicht bereit, Mylady?« »Dazu sind sie im Augenblick nicht aufgelegt.« Agatha Simpson lächelte selbstzufrieden. »Stellen Sie sich vor, Mr. Parker, sie wagten es, mich, eine hilflose Frau, zu beleidigen! Ich konnte nicht anders,
ich mußte diesen beiden Lümmeln Manieren beibringen ...« »Sie haben sich demnach noch nicht davon erholt?« Parker hatte miterlebt, wie blitzschnell und nachdrücklich Mylady Ohrfeigen austeilen konnte. »Sie werden es überstehen, diese beiden Subjekte!« Die Detektivin deutete auf den Tisch, auf dem Kathy Porter die Kartenabrisse ausgelegt hatte. »Können Sie damit etwas anfangen?« Parker trat an den Tisch und beugte sich prüfend über die kleinen Dreiecke, die rot eingefärbt waren und schon einen etwas vergilbten Eindruck machten. »Sie dürften zu den Eintrittskarten gehören, Mylady, die man durch das Abreißen der perforierten Abschnitte entwertet hat.« »Darauf bin ich schon gekommen« grollte sie. »Aber zu welchen Eintrittskarten gehörten sie?« »Aufdrucke sind leider nicht vorhanden, Mr. Parker«, warf Kathy Porter ein. »Im Lauf des morgigen Vormittags werde ich mir erlauben, diese Frage zu klären«, versprach der Butler. »Und wie wollen Sie das schaffen?« Lady Simpson sah Parker skeptisch an. »Es gibt in der Stadt einige Hersteller von Eintrittskarten«, erwiderte Josuah Parker. »Sie sind darauf sogar spezialisiert und haben den betreffenden Markt unter sich aufgeteilt.« »Richtig! Das wollte ich Ihnen gerade auch sagen.« Das war natürlich wieder mal eine
Behauptung, auf die Parker nicht näher einging. Er setzte seiner Herrin und Kathy Porter in wohlgesetzten Worten auseinander, was er erlebt hatte. »Wiederholen Sie das noch mal«, forderte die Lady. ».Diese Gangster quetschen den Taschendieben die Finger? Das ist ja widerlich und scheußlich. Das empört mich geradezu, Mr. Parker. Ich hätte große Lust, sehr ärgerlich zu werden.« »Ob diese beiden Männer im Keller auch diesen Mr. Blair mißhandelt haben?« fragte Kathy Porter. »Diese Frage möchte ich fast bejahen«, entgegnete der Butler und nickte andeutungsweise. »Dann können sie sich auf was gefaßt machen!« Lady Simpson stand auf und wirkte sehr unternehmungslustig: »Ich hoffe, Mr. Parker, Sie verfügen über einige gute Daumenschrauben, oder?« »Ich fürchte, damit nicht dienen zu können, Mylady.« »Dann improvisieren Sie gefälligst so etwas.« Sie schüttelte den Kopf und schnaufte erregt. »Was für eine Brutalität! Und das alles nur, um die regulären Taschendiebe hier in der Stadt abzuschrecken?« »In der Tat, Mylady!« Parker waren die Zusammenhänge völlig klar. »Diese Brutalitäten haben sich inzwischen so herumgesprochen, daß die; einheimischen Spezialisten ihre Arbeit fast ausnahmslos eingestellt haben. Das Verbrechen an Mr, Pete Blair dürfte der Höhepunkt gewesen sein.« »Er ist Ihrer Meinung nach sorgfältig beobachtet worden?«
»Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Mylady. Der Geheimnisvolle, der die diversen Schläger eingesetzt hat, wußte gut Bescheid.« »Wer könnte ihn über die Taschendiebe hier in London so umfassend unterrichtet haben?« »Auch diese Frage bedarf noch der Klärung, Mylady. Es kann sich jedoch nur um so einen sogenannten Insider gehandelt haben, der die Szene der Taschendiebe ausgezeichnet kennt.« »Sie nehmen mir wieder mal das Wort von den Lippen, Mr. Parker.« Agatha Simpson war mit dieser Deutung einverstanden. »Sie werden diesen Insider möglichst umgehend aufspüren!« »Dies ist meine erklärte Absicht, Mylady.« Parker nickte schon etwas erkennbarer und nachdrücklicher. »Darüber hinaus aber muß noch ein zweiter Informant an der Arbeit sein.« »Wieso denn das? Genügt Ihnen ein Insider nicht?« »Mylady mögen sich gütigst an den Vorfall bei der Waterloo-Station erinnern«, führte der Butler in seiner ungemein höflichen Art aus. »Erwähnter Randy Lane, der aus Manchester stammt, der das Glück hatte, von Mylady beschützt zu werden, besagter Mr. Lane also hat bis heute noch nie in London gearbeitet.« »Er stand unter einem echten Schock und müßte eigentlich die Wahrheit gesagt haben«, warf Kathy Porter ein. »Er sagte die Wahrheit«, bekräftigte die ältere Dame.
»Dennoch wurde er bei dem überrascht, was er als seine Arbeit bezeichnet«, deutete Butler Parker den Vorgang. »Daraus läßt sich schließen, daß die beiden Schläger von einem Kundigen begleitet worden sein müssen.« »Von einem Kundigen?« Mylady schnappte hörbar nach Luft. »Was soll denn das schon wieder?« »Dieser dritte Mann, Mylady, wahrscheinlich ein Taschendieb und Spezialist, muß die Arbeit des Mr. Lane beobachtet und verfolgt haben, um die beiden Begleiter dann auf ihn anzusetzen.« »Das klingt sogar logisch.« Lady Agatha ärgerte sich ein wenig. Sie wäre selbst gern auf diese Schlußfolgerung gekommen. »Die beiden Subjekte im Keller werden mir das bestätigen, Mr. Parker. Sorgen Sie jetzt aber endlich für ein paar nette Daumenschrauben! Lassen Sie sich etwas einfallen!« * In einem regulären Keller schien man sich nicht zu befinden. Unter dem altehrwürdigen Haus der Lady gab es viele Gewölbe, die noch aus dem Mittelalter stammten. Und unter diesen Gewölben wiederum gab es noch einige zusätzliche, die einst von den Insassen einer Abtei gegraben wurden. Das Haus der Lady war auf diesen unerschütterlichen und festen Grundmauern errichtet worden. Die Räume unter dem offiziell zugänglichen Gewölbe waren natürlich nicht so ohne weiteres zu betreten. Die Zugänge waren raffiniert getarnt
worden und stellten das Geheimnis des Hauses dar. In einem Raum dieser zweiten Anlage befanden sich die beiden Schläger Mel und Gus. Ihre Stimmung war schlecht, was keineswegs mit der Umgebung zusammenhing. Der kleine, quadratische Raum war hell gestrichen, verfügte über einen Bodenbelag und einiges Mobiliar. Es gab einige einfache Sitzgelegenheiten, sogar eine Couch, einen Tisch und ein Wandfach, in dem Flaschengetränke und einige Kekspackungen lagen. Durch eine schmale Tür erreichte man eine winzige Toilette, damit die Insassen sich in keinem Fall über mangelnde Hygiene zu beklagen brauchten. Beim Ausbau dieser Uralten Untergewölbe hatte Josuah Parker wirklich an alles gedacht. Am Rande sei vermerkt, daß die ausführenden Handwerker sich längst wieder in Sizilien befanden und wahrscheinlich nicht die geringste Ahnung hatten, für wen sie all diese bauliche Wünsche verwirklichten. Mel und Gus waren erfahrene Profis. Sie hatten sich bisher gehütet, laut über ihre Lage nachzudenken. Sie rechneten selbstverständlich mit einer versteckt angebrachten Abhöranlage. Sie schwiegen sich entweder aus oder unterhielten sich über das Wetter. Im übrigen warteten sie ungeduldig darauf, daß sich endlich etwas tat. Sie saßen auf dem starken Jeansbezug der Stahlrohrsessel und waren in ihrer Freiheit ein wenig eingeschränkt. Handschellen hielten
sie am Gestänge dieser Sessel fest, die im Boden festgeschraubt waren. Sie waren also nicht in der Lage, eintretende Personen etwa anzufallen. Als die Tür des Raums sich öffnete, nahmen sie erwartungsvoll die Köpfe hoch und starrten Lady Simpson an, hinter der Josuah Parker folgte, der ein Silbertablett trug, über das eine Wärmehaube gestülpt war. »Das hier is' Kidnapping«, sagte Schläger Mel sofort gereizt. »Dafür gibt's 'ne saftige Anzeige«, fügte Schläger Gus hinzu. »Wo kommen wir denn hin, so einfach Menschen niederzuschlagen und zu verschleppen? Wo leben wir denn?« »Es gibt ja noch Rechte«, erinnerte Mel. »Das hier kostet Sie'n Vermögen«, drohte Gus weiter. »Halten Sie gefälligst den Mund«, grollte Lady Agatha. »Ich stehe dicht davor, Sie erneut zu ohrfeigen.« Das hörten die beiden Schläger nicht gern. Nur zu gut erinnerten sie sich der Maulschellen, die die resolute Dame ihnen bereits verpaßt hatte. Sie kannten diese Handschrift und wollten sie nicht noch mal studieren. »Wie ich höre, benutzen Sie Autotüren, um gewissen Leuten die Finger zu quetschen«, schickte Lady Simpson voraus. »Ich bin sehr empört!« »Wer redet denn diesen Stuß?« fragte Mel ruppig, aber nicht zu nachdrücklich. Er dachte an die Ohrfeigen, die er bereits kassiert hatte.
»Das sind doch Märchen«, behauptete Gus. »Da haben Sie sich 'nen Bären aufbinden lassen.« »Ich will hier meine Zeit nicht vertrödeln«, sagte Lady Agatha unwillig und wandte sich Parker zu. »Im Nachtprogramm wird ein Krimi gesendet, den möchte ich mir unbedingt ansehen. Mr. Parker, werden zehn Minuten reichen, um ein Geständnis zu bekommen?« »Dies, Mylady, möchte ich doch annehmen«, erwiderte Josuah Parker, während er die Wärmehaube vom Silbertablett nahm. »Wahrscheinlich werden Mylady die einschlägigen Erklärungen auch schon in fünf Minuten haben.« Die beiden Schläger Mel und Gus stierten auf die beiden Gegenstände, die Parker auf dem Tablett präsentierte: Es handelte sich um zwei kleine Schraubzwingen, wie sie von Hobbywerkern immer wieder gern verwendet werden. * »Das ... Das können Sie doch nicht machen«, stöhnte Mel auf und wurde kreideweiß im Gesicht. Wahrscheinlich auch an anderen Stellen seines Körpers, doch das konnte man natürlich nicht sehen. »Das ist doch heller Wahnsinn«, keuchte Gus. »Das is' doch Folter.« »Papperlapapp«, herrschte die ältere Dame die beiden Schläger an. »Es handelt sich hier um einen Test.« »Um... einen... Test?« Mel schluckte. »An ... wem?« stotterte Gus.
»An Ihnen, meine Herren«, schaltete der Butler sich ein. »Mylady möchte herausfinden, ob Sie Mr. Pete Blair tatsächlich gefoltert haben, als Sie seine Finger verunstalteten.« »Blair? Wer ist das?« fragte Mel und wollte aufspringen, doch da er an das Gestänge seines Sitzes gefesselt war, gelang das nicht. »Mr. Pete Blair, ein Meister seines Faches, der wohl nie wieder arbeiten wird, was seine spezielle Begabung betrifft. Mit anderen Worten, ein routinierter Taschendieb.« »Den Sie in Heathrow gequält haben«, warf Lady Simpson ein. »Das ... Das war doch ein Unfall«, stammelte Gus, der bereits die Nerven verlor. »Ehrlich, ich schwöre es, es war ein Unfall! Er hat sich seine Finger zufällig abgeklemmt.« »Das ist wahr!« Auch Mel entschloß sich zu einem Teilgeständnis und schielte nach den beiden kleinen Schraubzwingen. »Ein Unfall?« Myladys Stimme klang ungläubig. »Darauf leisten wir jeden Eid«, sagte Mel hastig und kam aus dem Schielen nicht mehr heraus. »Ich seh's noch genau vor mir, Lady. Wir wollten ihn nur'n Stück mitnehmen. Und da is' er beim Zuschlagen der Wagentür mit seinen Fingern an den Rahmen gekommen.« »Reiner Zufall!« Gus verschluckte sich fast vor Eifer und nickte wie ein Automat. »Wir würden doch sowas nie machen, Lady.« »Sicher auch nicht mit jenem Mann, den Sie auf der WaterlooStation abfingen?« Parkers Stimme klang höflich und kühl.
»Niemals, Sir«, bestätigte Mel. »Sie kennen uns eben nicht«, sagte Gus hastig. »Für wen arbeiten Sie?« erkundigte sich Agatha Simpson. Sie hatte eine der beiden Schraubzwingen in die Hände genommen und spielte interessiert mit dem handlichen Werkzeug. Die beiden Schläger sahen fasziniert zu. »Arbeiten? Für wen?« Mel schüttelte gespielt ratlos den Kopf. »Wir hatten den Kerl erwischt, als er 'nem Kumpel von uns die Brieftasche klemmen wollte«, fügte Gus fast empört hinzu. »Is' doch klar, daß wir sauer wurden.« »Dann war das alles ein Mißverständnis?« Agatha Simpson schüttelte schon bedauernd den Kopf. »Und ob«, versicherte Mel eifrig. »Wir sin' keine Gangster«, erklärte Gus nachdrücklich. »Sondern?« »Wir arbeiten ehrlich«, behauptete Mel. »Ja, das tun wir.« »Und wo, wenn man fragen darf?« Parker hatte sich wieder eingeschaltet. »Im Westener... Ah, mal hier, mal da!« Mel merkte zu spät, daß er sich im Grund bereits verraten hatte. Parker hingegen ließ sich nichts anmerken. »Im Westener«, sagte Gus sehr schnell und geschmeidig und warf seinem Partner einen warnenden Blick zu. »Wir machen da auf Bedienung.« »Westener? Ist das ein Lokal?« Lady Simpsons Interesse war zusätzlich geweckt worden.
»'n Riesenschuppen, Lady, drüben in Lambeth.« Gus redete sich warm »Alles auf US-Westen zurechtgetrimmt.« »Und wer ist der Besitzer dieses Etablissements?« wollte die Detektivin wissen. »Earl Minton, Lady«, lautete Gus' Antwort. »Sie können bei ihm nachfragen, wir sind dort wirklich beschäftigt. Nee, Gangster, sin' wir nicht, sin' wir noch nie gewesen.« »Was meinen Sie, Mr. Parker?« Die Lady sah auf ihre Armbanduhr. »Der Krimi läuft bereits. Reichen uns diese Auskünfte? Sind sie vor allen Dingen wahr?« »Das möchte ich als sicher unterstellen, Mylady«, gab Parker zurück. »Einer Entlassung der beiden Herren dürfte nichts mehr im Weg stehen. Falls Mylady zustimmen, werde ich die erforderlichen Schritte einleiten.« »Wir hängen die Sache auch nich' an die große Glocke«, meinte Gus versöhnlich. »Ich mein' das hier mit dem Einsperren. « »Schwamm drüber«, fügte Mel ebenfalls großzügig hinzu. »Man muß auch mal vergessen können!« * »Ich komme zufällig vorbei«, sagte Chief-Superintendent McWarden schon automatisch, als er am nächsten Morgen von Butler Parker in den Frühstückssalon des altehrwürdigen Hauses geführt wurde. »Ich hatte hier in der Gegend zu tun, Mylady.«
»Sie sollten sich vor Magengeschwüren hüten«, mahnte die ältere Dame. »Darum biete ich Ihnen auch erst gar nichts an.« »Ich habe keine Magengeschwüre, Mylady.« McWarden schnupperte hörbar und musterte die Köstlichkeiten, die auf Myladys Frühstückstisch standen. Da waren gebratene Würstchen, Eier im Speck, gebratener Fisch, Porridge, OrangenMarmelade und gebutterter Toast. Allein der Teeduft war eine einzige Verführung. »So spartanisch einfach muß ich leben«, beschwerte die Hausherrin sich mit tragischer Stimme. »Mr. Parker hält auf eiserne Diät und läßt sich nicht erweichen. Ich bin diesem Mann hilflos ausgeliefert.« »Ich glaube Ihnen jedes Wort, Mylady. Gegen eine Tasse habe ich nichts, da sage ich nicht nein.« Butler Parker hatte den Tee für McWarden bereits eingegossen und servierte ihn. Als er nach der Zuckerdose griff, räusperte die ältere Dame sich vernehmlich. »Zucker ist schädlich«, sagte sie in Richtung McWarden. »Das macht nichts«, erwiderte der Chief-Superintendent und süßte den Tee. »Was ich sagen wollte, heute kam mit der Morgenpost ein kleines Päckchen an. Raten Sie mal, was drin war?« »Rätsel pflege ich erst am Nachmittag zu lösen, junger Mann.« »Sechs Brieftaschen samt Inhalt. Wir konnten sie an ihre Besitzer zurückgeben. Dieser kleine Erfolg tat gut, Mylady.«
»Sechs Brieftaschen«, bestätigte McWarden. »Sie wissen natürlich nichts davon, wie?« »Wissen wir etwas von sechs Brieftaschen?« Agatha Simpson sah Butler Parker an. »Nur, wenn Mylady darauf bestehen«, gab Parker würdevoll zurück. »Wir wissen also von nichts«, sagte die Detektivin. »Sind Sie wegen dieser Brieftaschen vorbeigekommen?« »Wegen Pete Blair, Mylady. Er wollte in der vergangenen Nacht Selbstmord begehen.« »Pete Blair?« »Jener Meister seiner Zunft, Mylady, dessen Finger von Gangstern gequetscht wurden. Ich war so frei, Mylady davon zu berichten.« »Dieser Mann wollte Selbstmord begehen?« Lady Simpson war beeindruckt. »Ob er überhaupt durchkommt, ist noch die Frage, Mylady. Er hat viel Blut verloren, als er...« »Ich bin eine sensible und alte Frau«, sagte Agatha Simpson schamlos untertreibend. »Ersparen Sie mir die Einzelheiten, McWarden!« »Natürlich, Mylady. Mr. Parker, Sie wissen nicht zufällig, wer Pete Blair so zugerichtet haben könnte? Ich meine, vielleicht haben Sie inzwischen neue Informationen erhalten.« »Mein bescheidener Wissensstand, Sir, ist nicht erweitert worden.« »Sie haben natürlich auch keine Ahnung, wie?« McWarden wandte sich Lady Simpson zu, die sich
ihrerseits den gebratenen Würstchen zuwandte und dazu den Kopf schüttelte. »Ich dachte nur«, redete der ChiefSuperintendent weiter. »Man will Sie in der vergangenen Nacht gesehen haben. Anonymer Anruf! Sie sollen zusammen mit Miß Porter zwei Männer, sagen wir, zu einer nächtlichen Spazierfahrt eingeladen haben.« »Sie geben etwas auf anonyme Anrufe?« Lady Simpson zog ein fast schon angeekeltes Gesicht. »Schämen Sie sich, McWarden, sie sind auf dem besten Weg, Ihren Charakter zu lädieren!« »Sie haben also nicht rein zufällig zwei Gäste im Haus, Mylady?« »Sie können von mir aus das ganze Haus durchsuchen, McWarden. Viel Vergnügen!« »Ihr Haus ist ein Labyrinth«, antwortete der Chief-Superintendent resignierend. »Und weiß der Himmel, wie tief es nach unten hin ist!« »Sie geben doch hoffentlich nichts auf Gerüchte, oder?« Agatha Simpson kostete vom gerösteten Speck und von den Eiern. »Na ja, vielen Dank für die Brieftaschen!« McWarden zuckte die Achseln. »Inzwischen herrscht totale Ruhe, was Taschendiebe anbetrifft. Aber das weiß ich: In den nächsten Tagen wird es losgehen, gezielt und massiert. Die Taschendiebe werden mit Erleichterung und Freude in die neue Superorganisation eintreten, damit ihren Fingern und Händen nur ja nichts passiert. Und wir vom Yard
wissen dann, wo wir anfangen sollen.« »Das Leben kann manchmal sehr hart sein«, philosophierte die ältere Dame. »Sollten Sie Trost brauchen, kommen Sie wieder mal zufällig vorbei, McWarden. Eine Tasse Tee wird sich unter Umständen immer finden lassen.« * »Seid ihr noch zu retten?« schimpfte Walter Brennan und fuhr sich mit der Hand über seine ausgeprägte Glatze. »Mußtet ihr unbedingt hier aufkreuzen?« »Keine Sorge, Chef, falls wir überhaupt verfolgt worden sind, haben wir alles abgeschüttelt«, erwiderte Schläger Mel. »Den ganzen Vormittag sind wir durch die Stadt gefahren«, erklärte Schläger Gus beruhigend. »Unter Garantie, wir sind nicht beschattet worden!« Man befand sich in dem original ausgestatteten Büro eines USSheriffs und war unter sich. Walter Brennan verfügte allerdings nicht über die Gelassenheit und Souveränität eines Film-Sheriffs. Er ging fast automatisch zu einem der vergitterten Fenster seines Büros hinüber und sah nach draußen. Seitdem Butler Parker und Lady Simpson sich in sein Spiel eingeschaltet hatten, lebte er nicht mehr besonders ruhig. »Was ist passiert, nachdem die Alte euch einkassiert hatte?« wollte er dann wissen. Er wandte sich wieder seinen beiden Schlägern zu.
»Wir kamen in 'nem Keller wieder zu uns«, berichtete Mel. »Und dann wollte sie uns einweichen und zum Reden bringen«, erklärte Gus wegwerfend. »Sie hat natürlich auf Granit gebissen.« »Und euch dann so ganz einfach an die frische Luft gesetzt?« fragte Walter Brennan skeptisch. »Als wir wieder zu uns kamen, saßen wir in 'nem Park auf 'ner Bank«, erzählte Mel. »Wahrscheinlich war das Zeug vergiftet, das wir unten im Keller getrunken haben.« »Vergiftet?« Brennan lachte ungläubig. »Ihr macht aber noch 'nen ganz frischen Eindruck.« »Mit irgendeinem Schlafmittel«, erläuterte Gus. »Parker ließ uns die Schlüssel für die Handschellen zurück, als er zusammen mit der komischen Alten verschwand. Nachdem wir uns aufgeschlossen hatten, nahmen wir natürlich erst mal einen Schluck aus der Pulle.« »Und pennten prompt ein.« Mel nickte. »Auf der Parkbank waren wir dann wieder an Deck und spulten die ganzen Tricks ab, um Verfolger abzuschütteln.« »Und da ist überhaupt kein Druck auf euch ausgeübt worden?« wunderte Walter Brennan sich. Seine Stimme klang ungläubig. »Sie wollten natürlich 'rausbekommen, wo wir arbeiten«, erzählte Mel nun. »Wir haben ihnen 'ne passende Geschichte erzählt.« »Wir arbeiten angeblich im Westener, drüben in Lambeth«, fügte Schläger Gus hinzu. »Sollen die sich mit Earl Minton 'rumschlagen.«
»Und das haben Parker und die Alte so einfach geglaubt, Ihr Anfänger? Bildet ihr euch das etwa ein? Kein Wort haben sie euch abgenommen, wetten?« »Wenn Sie nachfragen, werden sie aber genau das hören, Chef.« Mel grinste überlegen. »Wir haben Minton angerufen. Er wird, falls man ihn fragt, das bestätigen.« »Und dieser Minton wird einfach so mitspielen?« Brennan wunderte sich schon gar nicht mehr. »Den kennen wir von früher.« »Und wir haben früher tatsächlich mal für ihn gearbeitet«, sagte Gus. »Chef, warum tun wir nichts?« wollte Mel wissen. »Gus, Jim und Hale und ich natürlich auch, wir brauchten doch nur mal 'ne schärfere Gangart einzuschlagen, und schon sind diese Amateure am Boden.« »Ihr ahnungslosen Engel!« Walter Brennan lachte leicht gequält. »Ich will euch mal was sagen, und Jim und Hale wissen es von mir schon: Der Yard ist kein Problem, aber Parker und die Alte, die sind wirklich gefährlich. Und wißt ihr auch warum? Die brauchen sich nicht an Dienstvorschriften zu halten, die arbeiten nach ihrem eigenen Kopf. Sowas müßte verboten werden, wird aber nicht.« »Und was soll geschehen?« fragte Mel. »Überhaupt nichts«, entschied Brennan. »Wir haben eine kleine Chance, Parker und die Lady ausräumen zu lassen.« »Und die wäre?« wollte Gus wissen. »Daß sie zu Minton ins Westener gehen. Ich werde ihn heiß machen.
Vielleicht ist Minton so dämlich, sich mit Parker und der Alten anzulegen und erledigt die Arbeit für uns.« Weder Mel noch Gus hatten absichtlich oder nicht - von den kleinen Kartenabrissen gesprochen. Und das sollte sich noch als peinlich für Brennan erweisen, allerdings auch für Butler Parker und Lady Simpson. * Die Detektivin machte einen unzufriedenen Eindruck. Sie war in ihr Stadthaus zurück gekehrt und klagte über Kreislauflabilität. »Mylady dürften sich überanstrengt haben«, vermutete Josuah Parker in gewohnt höflicher Art. »Seit zwei Stunden kurve ich durch die Stadt, war es nicht so Kindchen?« Sie wandte sich an Kathy Porter, die sie im Land-Rover begleitet hatte. »Kein Verfolger, Mr. Parker«, antwortete Kathy und nickte zustimmend.« Für eine gewisse Zeit wurden wir von einem Polizeifahrzeug beschattet, doch die schüttelte Mylady bald ab.« »Um ein Haar wären sie gegen einen Lastwagen gebraust«, freute die ältere Dame sich. »Dafür rammte der Lastwagen allerdings eine Laterne«, fügte Kathy Porter hinzu. »Weil er mir die Vorfahrt genommen hatte«, behauptete die Detektivin. »Aber das habe ich mir
nicht bieten lassen. Es gibt ja schließlich Verkehrsregeln.« »Darf ich mir erlauben, Mylady einen Kreislaufbeschleuniger zu servieren?« Parker wartete diese Erlaubnis allerdings erst gar nicht ab, sondern reichte seiner Herrin einen Kognakschwenker, der recht gut gefüllt war. Sie setzte ihn an die Lippen und erfrischte ihre innere Zirkulation. »Mylady hatten gewisse Schwierigkeiten mit den Behörden?« wollte der Butler dann wissen. »Schnickschnack«, reagierte sie allergisch. »Kommen wir lieber auf diese Gangster zurück. Wie erklären Sie es sich, Mr. Parker, daß man rein gar nichts gegen mich unternimmt? Ich habe mich doch wirklich bis zur Selbstaufgabe als Ziel angeboten.« »Der Geheimnisvolle dürfte Mylady fürchten.« »Sie glauben, er läßt sich nicht auf einen Schlagabtausch ein?« »Das möchte ich als sicher unterstellen, Mylady. Dieser Mann, der die Taschendiebe von London organisieren will, scheint ein äußerst guter Taktiker zu sein.« »Das gefällt mir aber gar nicht.« »Ich war so frei, mich inzwischen nach den Eintrittskarten zu erkundigen, Mylady.« »Und was ist dabei herausgekommen?« Sie nahm einen weiteren Schluck aus dem großen Kognakschwenker. »Sie werden für einen Vergnügungspark gedruckt, Mylady, der sich Western-Paradise nennt. Nach meinen eingeholten Informationen befindet dieser Vergnügungs- und Safaripark sich
im Nordosten der Stadt, eigentlich schon in der Grafschaft Essex. Um genau zu sein, Mylady, dieses Paradies für Freunde des USWestern-Milieus, liegt in der Nähe von Epping Forest.« »Das hört sich bereits wesentlich freundlicher an, Mr. Parker. Meine Idee, sich bei Druckereien für Eintrittskarten zu erkundigen, war also richtig?« »In der Tat, Mylady, es war ein bemerkenswerter Vorschlag.« Parkers Gesicht zeigte noch nicht mal den Anflug von Ironie, obwohl Lady Agatha wieder mal eine Behauptung aufstellte, die eigentlich schon recht unverfroren war. »Was wissen Sie nun über dieses Western-Paradise?« fragte Agathe Simpson weiter. »Der Besitzer ist ein gewisser Walter Brennan, Mylady, ein ehemaliger Schausteller aus Blackpool, wie man mir mitteilte. Er leitete dort einige Vergnügungspaläste, bis er sich selbständig machen konnte. Mr. Brennan eröffnete, ebenfalls in Blackpool, eine Music-Hall, bis er vor etwa einem halben Jahr das Western-Paradise in Epping aufkaufte und sehr nachhaltig und gründlich ausbaute. Seine Geldmittel dürften beträchtlich sein.« »Diesen Brennan werde ich mir umgehend ansehen.« Myladys Augen funkelten unternehmungslustig. »Sehr wohl, Mylady.« »Begeistert scheinen Sie über meinen Vorschlag aber nicht zu sein, Mr. Parker.«
»Ich möchte mich erkühnen, Mylady einen weiteren Vorschlag zu unterbreiten.« »Aha. Sie wollen mir also wieder mal jedes Vergnügen nehmen, nicht wahr? Ich kenne das!« Ihre Stimme geriet ins Grollen. »Mit anderen Worten, ich soll auf keinen Fall dorthin fahren, oder?« »Mylady drücken es sehr direkt aus.« »Und warum soll ich mir diesen Walter Brennan nicht ansehen?« »Falls Mr. Brennan jener Mann ist, der die Taschendiebe organisieren will, wird er das natürlich nie zugeben, Mylady.« »Ich werde ihn dazu überreden.« Sie griff fast unbewußt nach ihrem Pompadour, der neben ihr auf dem Gobelinsofa lag. »Mr. Brennan dürfte sich abgesichert haben, Mylady. Man sollte ihn vorerst in Sicherheit wiegen, wenn ich diesen Vorschlag unterbreiten darf. Man sollte Mr. Brennan im Glauben lassen, daß Mylady eine falsche Fährte gefunden hat und beschreiten will.« »Könnten Sie das etwas deutlicher ausdrücken?« Sie sah ihre Gesellschafterin fast hilfesuchend an. »Während Myladys Abwesenheit zog ich Erkundigungen über die Herren Mel und Gus ein, die Myladys Gäste waren. Sie arbeiten tatsächlich in Mr. Earl Mintons Westener, wie das Etablissement in Lambeth heißt. Dort sollten Mylady möglicherweise Entspannung und Erholung suchen.« »Also käme auch dieser Minton als gesuchter Bandenchef in Betracht?,«
»Auszuschließen wäre das nicht, Mylady. Mr. Earl Minton ist immerhin ein Mann mit Vorleben. Vor Jahren geriet er mehrfach mit den Gesetzen in Konflikt und scheint auch zur Zeit noch Geschäfte zu betreiben, die man nur als schmutzig bezeichnen kann.« »Das klingt hübsch, Mr. Parker.« Agatha Simpson nickte freundlich. »Und in welcher Branche ist dieses Subjekt tätig?« »Er scheint sich auf Erpressung spezialisiert zu haben, wie man hinter vorgehaltener Hand sich auszudrücken beliebt.« »Trauen Sie diesem Earl Minton zu, daß er die Taschendiebe unter seinen Hut bringen will?« »Durchaus, Mylady. Seine kriminelle Energie, um es so auszudrücken, ist beträchtlich.« »Nicht mehr lange!« Die ältere Dame ließ den Pompadour samt dem darin befindlichen > Glücksbringer< ein wenig hin- und herpendeln. Ihre Augen hatten einen versonnenen Ausdruck angenommen. * Das >Westener< befand sich in einem ehemaligen Fabrikgebäude im Stadtteil Lambeth jenseits der Themse und wirkte von außen mehr als unansehnlich. An den grauen Fabrikmauern hatte man überhaupt nichts verändert. Die Fenster zum großen Parkplatz hin zur Nebenstraße waren einfach zugemauert worden. Selbst hier hatte man darauf verzichtet, die nackten Ziegelsteine zu verputzen.
Über dem Eingang war ein Riesenschild im Stil eines Western-Saloons angebracht worden, das von grellbunten Scheinwerfern angestrahlt wurde. Die Schallisolierung war beachtlich, denn als Butler Parker, Lady Simpson und Kathy Porter auf die ehemalige Fabrik zuschritten, war von Musik so gut wie nichts zu hören. Die Auflagen der Behörden mußten hier beträchtlich gewesen sein. Der Parkplatz war fast ausgebucht. Das >Westener< schien sich großer Beliebtheit zu erfreuen. Zusammen mit dem Trio marschierten weitere erlebnishungrige Gäste Richtung Eingang. Es handelte sich fast überwiegend um junge Menschen zwischen achtzehn und fünfundzwanzig Jahren. »Kennen Sie diesen Minton persönlich?« fragte die Lady ihren Butler. »Ich hatte noch nicht dieses zweifelhafte Vergnügen, Mylady.« »Dafür wird er bald mich kennenlernen.« Agatha Simpson machte einen sehr aufgekratzten Eindruck. Sie versprach sich von diesem Abend viel. Josuah Parker hatte sich nach dem Verlassen des hochbeinigen Wagens diskret vergewissert, ob man ihnen vielleicht gefolgt war. Doch auch an diesem Abend hatte man sie ungeschoren gelassen, bisher wenigstens. Der Mann auf der Gegenseite war wirklich ein kluger Taktiker, der überhaupt nicht daran dachte, sich eine Blöße zu geben. Parker war übrigens fest davon überzeugt, daß Earl Minton auf
keinen Fall der gesuchte Gangster war. Man beschritt hier eine absichtlich falsch ausgelegte Fährte. Das kümmerte den Butler allerdings nicht. In der großen Vorhalle des > Westener < drängten sich die einlaßheischenden Besucher. Drei stämmige Männer, die Cowboykostüme trugen, sorgten für Ordnung. Die Eintrittskarten konnte man an vier Kassenhäuschen kaufen, die mit Saloon-Pendeltüren stilecht hergerichtet waren. Von der Musik war inzwischen schon mehr zu hören. Sie entsprach allerdings nicht den Klängen, die man einst im amerikanischen Westen gespielt hatte. Harter Beat und Rock waren zu vernehmen, doch immer noch gedämpft. Die Gäste mußten erst eine schallschluckende Schleuse passieren, um in den eigentlichen Riesen-Saloon zu kommen. »Sie wollen hier 'rein?« fragte einer der Cowboys, als Parker drei Eintrittskarten kaufen wollte. »Dies ist in der Tat die Absicht.« Parker lüftete seine schwarze Melone. »Sie liegen bestimmt falsch«, meinte der Cowboy und grinste. »Sie ahnen ja nicht, was für'n Krach da drin ist.« »Mylady liebt Musik«, gab Parker zurück. »Es sind Ihre Ohren!« Der Cowboy reichte drei Eintrittskarten an den Butler. »Wetten, daß Sie nach'n paar Minuten die Flucht ergreifen werden?« Parker war mehr als beeindruckt, als sie die Schleuse passiert und den eigentlichen Saloon betreten hatten.
Wie eine wilde Sturzflut rollte die Geräuschwelle auf sie zu und ließ sie förmlich zurückprallen. Mylady schnappte nach Luft, Kathy Porter schluckte, und Josuah Parkers Gesicht zeigte den Hauch einer Regung. Mit solch einem fast schon infernalischen Lärm hatte er nicht gerechnet. Er war froh, keine Wette abgeschlossen zu haben. Er hätte sie mit Sicherheit verloren, denn Parker war durchaus bereit, so schnell wie möglich das zu suchen, was er gemeinhin das Weite zu nennen pflegte. Die riesige Tanzfläche, die von drei übereinander stehenden Sitzgalerien eingerahmt wurde, war überfüllt. Drei Discjockeys, die weit hinten an der Stirnfläche des Saales agierten, heizten wechselseitig die Stimmung auf. Sie befanden sich auf einer überhöhten Bühne und hatten um sich herum die Elektronik eines Jumbo-Jets. Die Einrichtung war raffiniert im Western-Look ausgeführt. Das Bedienungspersonal, fast ausschließlich Cow-Girls in knappen Röckchen und noch knapperen Jeans-Westen, kämpfte sich durch die Menge und schleppte Getränke heran. »Sehr hübsch«, fand Lady Simpson und nickte wohlwollend. Sie war trotz des verrückten Geräuschpegels recht gut zu verstehen. Ihre dunkle, baritonal gefärbte Stimme setzte sich auch hier durch. »Suchen Sie uns einen netten Tisch, Mr. Parker!« Parker lüftete verstehend und höflich seine schwarze Melone, um sich dann in einen Nahkämpfer zu
verwandeln, der sich durch die Menge eine Gasse bahnte. Er hatte übrigens schon ein bestimmtes Ziel im Auge und steuerte es unbeirrt an. * Rechts von der Bühne, auf der die drei Discjockeys arbeiteten, hatten sich zwei stämmige Weidereiter aufgebaut, die einen grimmigen Eindruck machten. Auch sie trugen selbstverständlich die Kleidung von Cowboys und hatten tief geschnallt. Parker spürte, daß die schweren Sechsschüsser durchaus echt waren. Die beiden Cowboys bewachten eindeutig eine Tür, die in Räume führte, die dem normalen Publikum nicht zugänglich waren. »Verlaufen, Väterchen?« fragte einer von ihnen, als Parker sie erreicht hatte. »Dreh' ab und amüsier' dich mit anderen!« »Verzeihen sie einem ungeschickten, müden und relativ verbrauchten Mann«, entschuldigte Parker sich, als er von seiner Herrin einen Stoß erhielt und gegen den Cowboy fiel. »Zieht Leine, Herrschaften«, sagte der zweite Cowboy. Er sah mit einer leichten Spur gutmütigen Spotts auf Lady Simpson, den Butler und auch auf Kathy Porter. »Die Tür hier ist für den Normalverbraucher geschlossen.« »Ich fürchte, Ihr Ton gefällt Mylady nicht«, sagte Parker zu den beiden Männern. »Ich brech' zusammen.« Der erste Cowboy verzog sein Gesicht zu einem Grinsen.
»Schwirr' ab mit deiner Alten«, sagte der zweite Cowboy jetzt bereits wesentlich deutlicher. Er hätte diese Sprache nicht sprechen sollen. Mylady reagierte darauf verärgert und legte ihren Pompadour auf die Nase des Mannes. Das geschah derart plötzlich und unvermittelt, daß der Türsteher überhaupt keine Abwehrbewegung machen konnte. Er faßte unwillkürlich nach seiner Nase, die ein wenig aus der Form geraten war, gleichzeitig aber taumelte er zurück. Der >Glücksbringer< tat wieder mal seine Pflicht. Der erste Cowboy machte einen schnellen Schritt zurück und griff nach den beiden tief geschnallten Colts. Prompt stieß er ins Leere und war verständlicherweise verdutzt. Er wußte schließlich genau, daß sie eben noch in den Halftern gewesen waren. Er konnte ja nicht wissen, daß Parker sie ihm bereits geschickt weggenommen hatte. Lady Simpson hatte ihren Butler nicht ohne Absicht gegen diesen Mann gestoßen. »Ich möchte in Ihrem Interesse nicht hoffen, daß diese beiden Sechsschüsser nicht geladen sind.« Parker hielt die Colts in seinen schwarz behandschuhten Händen und ließ sie dann herumwirbeln, daß es eine Pracht war. Der Cowboy hatte so etwas noch nie gesehen. Er starrte fasziniert auf die kreiselnden Colts. »Vorsicht«, keuchte er dann, als die Läufe sich auf ihn richteten und Parker dabei die Hähne spannte.
»Mann, Vorsicht! Die Dinger sind echt.« »Aber doch wohl nicht geladen, wie?« Parker schüttelte den Kopf.« Offen gestanden, das kann ich mir nicht vorstellen.« »Die... Die sin' scharf«, sagte der Cowboy und wurde kreideweiß im Gesicht. »Das möchte ich aber als ausgesprochen leichtsinnig bezeichnen« antwortete Josuah Parker. »Die Schüsse, falls getätigt, würde man bei diesem geradezu höllischen Lärm wohl kaum zu hören vermögen.« Der zweite Cowboy beteiligte sich aus verständlichen Gründen nicht an dieser Unterhaltung. Er hatte mit seiner Nase zu tun und war nicht ansprechbar. »Sehen wir uns doch die Räume hinter der Tür an«, sagte Agatha Simpson unternehmungslustig und nickte Parker zu. »Ach richtig, die beiden anderen Colts würde ich mir gern mal aus der Nähe ansehen.« »Miß Porter wird sie Mylady gern überreichen.« Parker hielt die beiden Weidereiter mit den Sechsschüssern im Schach. Kathy Porter übereignete ihrer Chefin die beiden Colts des anderen Cowboys und trat dann sicherheitshalber hinter Mylady zurück. »Sehr lustig«, fand Agatha Simpson und nahm die beiden Schußwaffen fachgerecht in ihre Hände. »Ich glaube, wenn man hier diese beiden Hebel zurückzieht, müßte sich eigentlich ein Schuß lösen, oder?« »Mylady deuten dies technisch durchaus richtig«, lautete Josuah
Parkers Antwort. »Aber vielleicht warten Mylady mit diesem Experiment noch etwas.« * Die Fingerfertigkeit des Butlers war einmalig. Er schloß die beiden Cowboys mit einer seiner privaten und sicherheitshalber mitgebrachten Handschellen aneinander, doch sie merkten es überhaupt nicht, was wohl auch ein wenig mit ihrer Angst vor Lady Simpson zu tun hatte. Sie hantierte nämlich wie verwegen mit ihren beiden Sechsschüssern. Als Parker, Lady Simpson und Kathy Porter den beiden Cowboys den Rücken zuwandten, um durch den kurzen Korridor nach hinten zu gehen, witterten die beiden Muskulösen ihre Chance, um das Geschehen noch mal rückgängig machen zu können: Sie stürzten sich auf das Trio und erlebten die nächste herbe Überraschung. Parker hatte eine zweite seiner Handschellen dazu benutzt, einen der beiden Cowboys am Gestänge der Zentralheizung anzuschließen. Die beiden Männer, die mit viel Dampf und Wut losspurteten, kamen nicht sonderlich weit. Gehalten von den Handschellen, wurden sie jäh gestoppt und förmlich zu Boden gerissen. Sie schafften es allerdings noch, eine Rohrleitung um einen halben Meter aus dem Verputz zu reißen. »Ihre Aktivitäten sind unpassend und sinnlos«, sagte Parker, der sich gemessen umwandte. »Gedulden Sie
sich, man wird Sie bei passender Gelegenheit wieder auslösen!« Lady Simpson hatte inzwischen die einzige Tür erreicht, die es hier gab. Sie öffnete sie wie selbstverständlich und sah interessiert in einen großen, niedrigen Raum, über dem sich wahrscheinlich die Bühne befand. Von der grellen und überlauten Musik war hier kaum etwas zu hören. Dafür aber hörte man das Klicken der Kugeln, die sich in Roulettekesseln drehten. »Das ist ja ein Spielclub«, sagte Lady Agatha, sich an Parker wendend, der inzwischen neben ihr stand. »Das stand zu erwarten, Mylady«, erwiderte der Butler. »Die Bewachung vorn am Eingang ließ darauf schließen.« »Ein verbotener Spielclub, oder?« »Mit letzter Sicherheit, Mylady.« »Ob ich ein kleines Spielchen wage, Mr. Parker?« »Darf ich mir erlauben, für Mylady einige Jetons zu erstehen?« Sie war voll und ganz damit einverstanden und hätte offensichtlich gern ihr Spiel gemacht, doch ein junger, drahtiger Mann von vielleicht dreißig Jahren, der einen schwarzen Abendanzug trug, kam ein wenig hastig auf sie zu und machte einen leicht irritierten Eindruck. »Wie ... Wie sind Sie hier hereingekommen?« fragte er scharf. »Sie sind nicht angemeldet worden.« »Ihr Personal scheint nicht zuverlässig zu sein«, erwiderte Agatha Simpson und hob ihre linke Hand. Als der junge Mann den robusten Sechsschüsser sah, wich er
instinktiv zurück und hätte wohl am liebsten schleunigst die Hände gehoben. »Madam, Schußwaffen sind hier nicht...« »Mylady wünschen Mr. Minton zu sehen«, sagte Parker, ihm das Wort abschneidend. »Richten Sie Mr. Minton das umgehend aus!« »Ich weiß nicht, ob ich ... Also ... Wie sind Sie eigentlich ... Ich begreife das nicht!« Der junge Mann verstand die Welt nicht mehr. Hinzu kam die Mündung der Waffe, die auf seinen Leib gerichtet war. »Fo ... Fol.... Folgen Sie mir, bitte«, stotterte er und schielte nach dem Sechsschüsser. »Und bitte, Madam, nehmen Sie die Waffe herunter! Sie könnte geladen sein!« »Sie ist es, junger Mann!« Myladys Stimme übertonte das diskrete Klicken der Kugeln in den Roulettekesseln. »Sechs Patronen sollen sich in der Trommel befinden. Vielleicht sind es gleich nur noch fünf!« Die Spieler an den Tischen - es waren vier Spieltische - waren inzwischen aufmerksam geworden und hatten plötzlich keine Lust mehr, weiter ihr Spiel zu machen. Für sie ging nichts mehr. Sie setzten sich vorsichtig nach hinten in den Raum ab und verschwanden dann ohne Proteste nacheinander hinter einer Pendeltür, die wahrscheinlich so etwas wie einen Notausgang darstellte. Die letzten Spieler waren noch nicht verschwunden, als rechts aus einer Tür ein gelackt aussehender Fünfziger erschien, der ein weißes Dinner-Jackett trug. Der Mann sah
unangenehm aus, hatte kalte Augen und einen harten Mund. Sein Haar war zu voll, um echt zu sein. Er trug wohl ein Toupet. »Was geht hier vor?« fragte er mit überraschend hoher, ein wenig quäkig klingender Stimme. Er wurde begleitet von zwei jüngeren Männern, die man sofort als Leibwächter einordnen konnte. Ihre Bewegungen waren geschmeidig und wirkten gespielt lässig. »Sind Sie dieser Minton?« erkundigte Lady Simpson sich und spielte weiter mit ihrem Sechsschüsser, den Minton und die beiden Leibwächter bisher noch gar nicht gesehen hatten. »Madam...!« Earl Minton verfärbte sich und blieb wie angewurzelt stehen. »Wer ... Wer sind Sie? Die Waffe kann jederzeit losgehen. Bitte, seien Sie vorsichtig!« »Darf ich etwas klarstellen«, schaltete Josuah Parker sich ein und zeigte seine schwarz behandschuhten Hände, die die beiden anderen Sechsschüsser hielten.« Ein zu schneller und vielleicht noch nicht mal negativ gemeinter Griff oder eine entsprechende Bewegung müßte ich als einen äußerst unfreundlichen Akt ansehen.« Während er redete, ließ er die beiden Sechsschüsser gekonnt in seinen Händen rotieren, was ungemein beeindruckend aussah. * »Wie sind 'reingekommen?« Minton.
Sie fragte
hier Earl
»Das scheint die Standardfrage des Hauses zu sein«, spöttelte die ältere Dame. »Sind Sie nun Minton oder nicht? Beeilen Sie sich etwas mit Ihrer Antwort.« »Ich bin Minton.« Der Besitzer des Westener nickte. Seine Nervosität hatte sich noch gesteigert. »Hören Sie, Madam, falls Sie oder irgendeiner Ihrer Angehörigen den Eindruck hat, hier gegen die Regeln verloren zu haben, so werde ich jeden Betrag rückerstatten. Das ist selbstverständlich.« »Schnickschnack, junger Mann. Mein Butler hat ein paar Fragen an Sie.« »Sind Ihnen die Herren bekannt, deren Vornamen Mel und Gus lauten? Sie dürften sich vor nicht allzulanger Zeit hier gemeldet haben.« »Mel und Gus?« Minton nickte zögernd. »Doch, natürlich, die haben hier mal gearbeitet.« »Und wo halten sie sich jetzt auf? Stehen sie noch in Ihren Diensten?« Parker fragte kühl und höflich weiter. »Schon seit Monaten nicht mehr. Die sind freiwillig gegangen. Was ist mit Ihnen? Haben die mir was eingebrockt? Wollen die mir was anhängen?« »Sie haben den ersten Teil meiner Frage noch nicht hinreichend beantwortet. Wenn ich erinnern darf: Wo halten sie sich jetzt auf, oder präziser gefragt, wo sind sie jetzt beschäftigt?« »Ich weiß es wirklich nicht.« Minton schielte nach den Sechsschüssern und' verfluchte
innerlich die beiden Leibwächter, die bisher überhaupt nichts getan hatten. »Sind das hier Ecken Ihrer Eintrittskarten?« Parker zeigte einige der Abrisse. Er wußte zwar, daß das nicht der Fall war, wollte aber die letzte Sicherheit haben. »Nein, nein, bestimmt nicht.« Minton schüttelte den Kopf. »Was ist mit Mel und Gus? Was wollen die mir anhängen?« »Sie haben wirklich keine Ahnung?« schaltete Lady Simpson sich ein. »Nicht die geringste. Moment mal, sind Sie nicht vielleicht Lady Simpson?« Minton hatte eine plötzliche Eingebung und wandte sich dem Butler zu. »Und Sie müssen Butler Parker sein, oder? Mein großes Ehrenwort, hier in meinem Laden ist alles in bester Ordnung. Reelle Preise, reelle Unterhaltung. Müssen Sie doch vorn gesehen haben. Und das hier, der kleine private Spielclub, nun, das ist doch kein Verbrechen. Davon gibt es hier in London eine ganze Menge.« Die beiden jungen und geschmeidigen Leibwächter waren inzwischen zu der Ansicht gekommen, daß sie etwas für ihr Geld leisten und zeigen mußten. Sie hatten mitbekommen, daß die ältere Dame eine Lady war und ihr Begleiter ein Butler. Auf die junge Dame links neben Lady Simpson achteten sie überhaupt nicht. So etwas Scheues übersahen sie, davon konnte keine Gefahr ausgehen. Wie sollten und konnten eine Lady und ihr Butler schon gefährlich sein? Dachten sie! Mit so etwas mußte
man doch im Handumdrehen fertigwerden ... Wie schon gesagt, sie waren sehr geschmeidig. Sie brachten ihre Arbeitshände millimeterweise in die richtige Position, um dann blitzschnell ihre Schußwaffen ziehen zu können. Sie merkten, daß weder die verrückte Alte noch ihr Butler Verdacht schöpften. Die Überraschung mußte also perfekt gelingen. Sie übersahen das scheue Reh, das ihre kleine Handtasche unter den rechten Oberarm geklemmt hatte und einen desinteressierten, abwesenden Eindruck machte. Kathy Porter existierte für sie nicht. Vorerst wenigstens nicht! * Die Überraschung gelang perfekt. Sie geschah allerdings nicht im Sinn der beiden Leibwächter, die ihre Waffen ziehen wollten. Die beiden jungen Männer stöhnten nämlich plötzlich auf und vergaßen ihre finsteren Absichten. Sie litten unter akuten Sehstörungen und hatten ein Brennen in den Augen. Sie taumelten zurück, rieben sich die Augen und waren überhaupt nicht mehr daran interessiert, etwas für ihren Arbeitgeber zu unternehmen. Earl Minton wirbelte herum und starrte auf die beiden Vollprofis, die inzwischen dicke Krokodilstränen vergossen, sich halblaut beklagten und einige schauerliche Flüche produzierten. »Die Manieren Ihrer Angestellten sind auf keinen Fall das, was man als mittelmäßig oder gar als gut
bezeichnen könnte«, stellte Josuah Parker fest. Er tauschte mit Kathy Porter einen blitzschnellen Blick. Sie hatte dafür gesorgt, daß die beiden Leibwächter auf diese Art und Weise außer Gefecht gesetzt worden waren. Durch einen Druck auf die kleine Handtasche hatte sie einen Gummiball zusammengepreßt, in dem sich eine beißende, aber gesundheitlich unschädliche Reizflüssigkeit befand. Diese Flüssigkeit war wie ein gebündelter Spray-Strahl durch eine der Ziernieten nach außen getreten und hatte die Gesichter der beiden Männer nachhaltig eingesprüht. Das alles war derart schnell und unauffällig über die Bühne gegangen, daß Minton noch immer nicht begriff, wie es zu dieser Ausschaltung der beiden Begleiter gekommen war. Parker zeigte sich als durchaus hilfsbereiter Mensch. Er kümmerte sich ein wenig um die betriebsblinden Leibwächter und drückte sie freundlicherweise in Sessel. Daß er bei dieser Gelegenheit gleich ihre Schußwaffen an sich nahm, verstand sich am Rand. »Nach einer gründlichen Spülung mit warmen Wasser werden Ihre Sehqualitäten wieder der regulären Norm entsprechen«, versicherte er dann den beiden weinenden Leibwächtern.« Nehmen Sie die Dinge auf keinen Fall zu tragisch!« »Was haben Sie mit ihnen gemacht?« Minton wandte sich wieder Lady Simpson zu. »Sie sind also nicht dafür verantwortlich, daß die Taschendiebe von London in Angst
und Schrecken leben?« fragte die Detektivin streng. »Taschendiebe, Mylady? Was habe ich mit Taschendieben zu tun?« Minton schüttelte eilfertig den Kopf. »Sie wissen immer noch nicht, für wen Ihre beiden früheren Angestellten augenblicklich arbeiten?« »Sie meinen Mel und Gus?« »Dumme Frage«, grollte sie. »Wen denn sonst?« »Ich hab' keine Ahnung, Lady, aber ich weiß jetzt, daß die mich 'reingelegt haben. Und das wird Konsequenzen haben.« »Sie wollen diese beiden Flegel zur Rechenschaft ziehen?« »Darauf können Sie Gift nehmen, Lady.« Minton wandte sich wieder nach seinen beiden schluchzenden Leibwächtern um. »Und das waren mal Asse in ihrem Beruf!« »Sie werden sich wieder erholen«, versprach Josuah Parker. »Ich darf Sie daran erinnern, daß ich das bereits andeutete. Ist Ihnen der Name Walter Brennan bekannt?« »Ich hab' mal von ihm gehört. Er muß da irgendwo ein großes Showgeschäft aufgezogen haben, ist aber keine Konkurrenz für mich. Moment mal, habe ich diesen Besuch hier diesem Brennan zu verdanken?« »Das deuteten Sie an, Mr. Minton.« Parker lächelte, aber wirklich nur andeutungsweise. »Der kann was erleben.« Earl Minton wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Falls Sie daran interessiert sein sollten, von Mylady nicht noch mal besucht zu werden, sollten Sie sich
im Augenblick jeglicher Aktivitäten enthalten«, antwortete Butler Parker. »Sie könnten sonst Myladys Kreise stören, wenn ich es so umschreiben darf.« »Okay, okay.« Minton hob abwehrend die Arme. »Ich halte mich also 'raus. So habe ich das doch richtig verstanden, oder?« »Ihre schnelle Auffassungsgabe, Mr. Minton, dürfte sich auf Ihre weiteren Geschäfte positiv auswirken.« »Ah, werden Sie mich jetzt bei der Polizei verpfeifen? Ich meine, weil hier gespielt worden ist?« »Mylady und meine bescheidene Wenigkeit dürfen wohl davon ausgehen, daß Sie die Spieltische für einige Zeit wegschaffen lassen werden«, sagte Josuah Parker würdevoll. »Es steht nämlich zu befürchten, daß Myladys Fahrt von der Polizei registriert wurde. Was sich aus solch einer Tatsache ergibt, dürfte auf der sprichwörtlichen Hand , liegen.« * »Wird dieses Subjekt sich auch an Ihre Warnung halten?« fragte Agatha Simpson, als man sich auf dem Weg zurück nach Shepherd's Market befand. »Mit letzter Sicherheit, Mylady«, gab Parker zurück: »Mr. Minton dürfte aus dieser Lektion, die ihm erteilt wurde, viel gelernt haben.« »Mr. Brennan dürfte inzwischen darüber informiert worden sein, daß Mylady das Westener aufgesucht hatten«, führte Parker weiter aus. »Er wird zumindest für eine gewisse
Zeit annehmen, Mylady von etwaigen Spuren abgebracht zu haben, die auf ihn hindeuten könnten.« »Und was soll das alles?« Lady Simpsons Stimme hatte wieder den bekannt grollenden Unterton. »Warum fahren wir nicht hinaus zu diesem Vergnügungspark, Mr. Parker! Ich verbürge mich dafür, daß dieses Subjekt schon bald danach reden wird.« »Um dann später vor Gericht zu behaupten, man habe seine Aussagen erpreßt, Mylady. Die momentanen Beweise reichen auf keinen Fall aus, Mr. Walter Brennan im Sinne einer abgesicherten Anklage verurteilen zu können.« »Und wie wollen Sie diese Beweise herbeischaffen? « »Mr. Brennan selbst, Mylady, wird dafür sorgen. Die Dinge treiben einem Punkt zu, die ihn zu Gegenmaßnahmen zwingen. Und damit würde er dann seine bisherige Deckung aufgeben müssen.« »Wehe diesem Minton, falls er in dieser Nacht nicht aktiv wird!« Lady Simpson schmunzelte. »Hoffentlich kommt uns McWarden nicht dazwischen.« »Man wird den ChiefSuperintendent ein wenig ablenken und täuschen müssen, Mylady. Falls ich die Lage richtig beurteile, werden wir zur Zeit wieder von einem Polizeifahrzeug beschattet.« »Fein, Mr. Parker, dann tun Sie gefälligst etwas dagegen!« Sie lehnte sich jetzt zufrieden zurück. Sie hoffte, daß diese Nacht doch noch ein wenig abwechslungsreich werden würde.
* Butler Parker lenkte sein hochbeiniges Monstrum in eine Tiefgarage, die um diese Zeit noch geöffnet war. Hier waren die Wagen der vielen Theaterbesucher abgestellt. Eine generelle Schließung fand erst in einer Stunde statt. Parker hielt neben dem Automaten kurz an und drückte den Knopf für die Ausgabe des Parkscheins. Eine Sekunde später hob sich der sperrende Querbalken aus solidem Stahlrohr und gab die Durchfahrt frei. Parker fuhr über die Rampe hinunter in die Tiefgarage, um gleich scharf links abzubiegen. Er setzte den hochbeinigen Wagen geschickt zurück in eine freie Parktasche und harrte der Dinge, die kommen mußten. Da die Tiefgarage einen zweiten Ein- bzw. Ausgang besaß, mußten die Verfolger, ob sie nun wollten oder nicht, folgen ... Und sie kamen nach! Es handelte sich um einen zivil aussehenden Ford, in dem zwei Polizeidetektive saßen, die ein wenig irritiert nach Parkers Wagen Ausschau hielten. Langsam fuhren sie an den Reihen der abgestellten Fahrzeuge vorüber und suchten nach ihrem Objekt. Sie wurden zusätzlich abgelenkt und auch aufgeheizt, als weit hinten in der Tiefgarage ein völlig anderer und unbeteiligter Fahrer den Motor seines Wagens anließ. Der zivile Streifenwagen nahm Fahrt auf und verschwand in der dämmerigen Tiefe der Garage.
»Darf ich Mylady zu einem kleinen Spaziergang ermutigen?« Parker stand bereits neben der hinteren Wagentür, öffnete sie und lüftete seine schwarze Melone. Die ältere Dame stieg aus und lächelte animiert. Sie hatte, natürlich längst verstanden, daß Parker ein kleines Täuschungsmanöver plante. So etwas gefiel ihr immer, vor allen Dingen dann, wenn es um Mitarbeiter eines gewissen ChiefSuperintendent McWarden ging. Kathy Porter hatte sich dem Duo angeschlossen. Man passierte die Barriere, die sich längst wieder gesenkt hatte, und stieg über die Rampe zurück nach oben zur Straße. Man ließ sich Zeit, damit die beiden Männer im Streifenwagen ausreichend Zeit hatten, ihren Irrtum zu korrigieren. Was sie auch prompt taten! Sie hatten inzwischen herausgefunden, daß sie sich für den falschen Wagen interessiert hatten und kehrten zurück. Die Scheinwerfer erfaßten das Trio, das die Rampe bis zum letzten Drittel bereits hinter sich gebracht hatte. »Was werden McWardens Männer jetzt tun?« fragte Agatha Simpson. »Annehmen, daß Mylady ein Taxi abwinken.« »Und weiter?« »Der Streifenwagen wird in der Tiefgarage wenden und zurückfahren, falls ich die Reaktionen der beiden Insassen richtig einschätze. Sie werden alles daransetzen, das vermutete Taxi weiter zu verfolgen.« Genau das taten sie wirklich ...
Der Streifenwagen wendete, man hörte es an den Schalt- und Motorgeräuschen. Dann jagte der Wagen durch die lange Tiefgarage zum anderen Ende, wo sich das Kassenhäuschen befand. »Wenn ich vorschlagen darf, Mylady, sollte man jetzt zurück in den Wagen steigen.« Parker hatte gestoppt und deutete in die Tiefgarage. Die Detektivin und Kathy Porter folgten dem Butler also zurück zum hochbeinigen Monstrum und nahmen darin Platz. Parker wartete noch einen Moment und fuhr dann in aller Seelenruhe und Selbstverständlichkeit zum Kassenschalter, wo er seinen Parkschein einlöste. Wenig später befand er sich oben auf der Querstraße und konnte die nächtliche Fahrt fortsetzen. Von einem Streifenwagen war von diesem Zeitpunkt ab nichts mehr zu sehen. Er befand sich mit Sicherheit vorn am Eingang zur Tiefgarage und verfolgte wahrscheinlich schon ein Taxi. Butler Parker hatte den Streifenwagen nicht ohne Grund abgehängt. Es ging ihm darum, Komplikationen zu vermeiden. Chief-Superintendent McWarden war gewiß schon per Sprechfunk darüber informiert worden, wo Mylady sich für eine gewisse Zeit amüsiert hatte. Er sollte jetzt annehmen, daß Mylady auf keinen Fall zurück nach Shepherd's Market fuhr, sondern noch weiterhin aktiv blieb. Zu diesem Schluß mußte McWarden kommen, denn sonst hätte Parker ja auf keinen Fall den verfolgenden Streifenwagen abgeschüttelt.
Auf Umwegen fuhr Parker also zurück zum Stadthaus seiner Herrin, durchfuhr die schmale Gasse hinter dem Haus und stellte sein hochbeiniges Monstrum in der Garage ab. Als man sich im Haus befand, schaute Parker auf das Zifferblatt der alten Standuhr in der Wohnhalle. »Falls Mr. Minton pünktlich ist, was ich als sicher annehmen möchte, Mylady, dürfte der Überfall genau in einundzwanzig Minuten stattfinden.« »Ich werde Minton die Hölle heiß machen, falls er nicht pünktlich ist«, verhieß die Detektivin. »So, Mr. Parker, vorher brauche ich aber noch einen Kreislaufbeschleuniger, damit ich den Aufregungen auch wirklich gewachsen bin!« * »Ich komme einfach mal vorbei«, sagte McWarden am anderen Morgen und verbeugte sich vor Lady Simpson, die einen wallenden Hausmantel trug, aus dessen Weite man drei Bekleidungsstücke dieser Art hätte schneidern können. »Ein Wunder, daß die Polizei sich überhaupt blicken läßt«, sagte Lady Agatha spitz. »Wenn man Sie und Ihre Leute wirklich mal braucht, sind sie natürlich nicht zu Stelle.« »Man hat einen Überfall auf das Haus versucht?« McWarden vibrierte vor Eifer. »Auf das Haus? Auf mich, McWarden, auf mich! Ich zitterte und bebe noch jetzt am ganzen Leib. Nein, nein, das können Sie natürlich nicht sehen. Sie brauchen mich gar nicht so prüfend anzusehen.«
»Was ist passiert? Die Funkdurchsagen waren sehr allgemein gehalten.« »Mr. Parker, berichten Sie!« Lady Simpson nickte Butler Parker zu und ließ sich leidend in einem der bequemen Sessel nieder. »Ich bin nicht fähig, zusammenhängend zu erzählen.« »Es geschah in den frühen Morgenstunden, Sir, so etwa gegen sechs Uhr dreißig, wenn ich mich recht erinnere. Maskierte versuchten, sich gewaltsam Einlaß zu verschaffen. Wie ich es umschreiben möchte. Zuerst mit einem Nachschlüssel, dann sollte wohl die Tür aufgesprengt werden.« »Etwa mit Dynamit?« McWarden war skeptisch. »Mit diversen Brecheisen, Sir, die noch vor der Tür liegen.« »Worauf hier im Haus natürlich sofort eine Panik ausbrach, nicht wahr?« Der Chief-Superintendent lächelte. »Nicht gerade das, was man als Panik bezeichnen müßte«, redete Parker gemessen weiter. »Es breitete sich jedoch, wie ich bekennen muß, eine gewisse Unruhe und Besorgnis aus.« »Weshalb Sie sofort die Polizei anriefen?« »Miß Porter war so geistesgegenwärtig, wie ich betonen möchte.« »Und als die Polizei hier eintraf, war der ganze Spuk vorüber, ja?« »Dies entspricht den Tatsachen, Sir.« »Sie haben natürlich keine Ahnung, wer hier einbrechen wollte?« erkundigte McWarden sich.
»Die Antiquitäten im Haus, Sir, dürften von beträchtlichem Wert sein und könnten Interessenten angelockt haben.« »Normale Einbrecher, also?« McWarden schüttelte den Kopf. »Diese Frage vermag ich nicht zu beantworten, Sir.« Parker schüttelte andeutungsweise den Kopf. »Umbringen wollte man Mylady, Miß Porter und Sie also wohl nicht?« »Diese Frage vermochte ich an die drei Maskierten nicht zu stellen, Sir.« »Es könnte auch nicht ein gewisser Earl Minton gewesen sein?« »Earl Minton, Sir?« Parker schien diesen Namen noch nie in seinem Leben gehört zu haben. »Earl Minton, in dessen Beatschuppen Sie doch gestern gewesen sind.« McWarden nickte grimmig. »Mylady gelüstete nach einer etwas ungewöhnlichen Unterhaltung«, schickte der Butler voraus. »Mylady besuchte in der vergangenen Nacht ein Lokal, das sich >Westener< nennt.« »Und das einem Earl Minton gehört!« McWarden schüttelte den Kopf.« Spielen Sie mir doch nichts vor, das war und ist Ihnen doch längst bekannt!« »Lassen Sie mich etwa überwachen?« grollte Lady Agatha dazwischen und runzelte die an sich nicht gerade faltenlose Stirn. »Habe ich richtig gehört? Ich werde überwacht? Man bespitzelt mich, eine ehrbare Bürgerin dieses freien Landes?«
»Das war reiner Zufall«, schwindelte McWarden. »Zwei meiner Mitarbeiter haben Sie gesehen, Mylady. Wie gesagt, reiner Zufall.« »Mr. Parker, ob ich mich an das Innenministerium wende?« erkundigte Lady Agatha sich bei Parker. »Vielleicht käme das einer gewissen Überreaktion gleich«, sagte Butler Parker vermittelnd. »Mr. McWardens Darstellung dürfte die gleiche Aussagekraft und den gleichen Wahrheitsgehalt haben wie jene, die zu geben ich mir erlaubte, was den nächtlichen Einbruchsversuch betrifft.« McWarden hüstelte daraufhin leicht, während Lady Agatha an ihrem Kreislaufbeschleuniger nippte. »Ich ahne und spüre es förmlich, daß Sie auf einer heißen Spur sind, was diese Taschendiebgeschichte angeht«, sagte McWarden dann. »Mylady, falls Sie...« »Schnickschnack, junger Mann«, unterbrach die ältere Dame ihn. »Zitieren Sie gefälligst keine Gesetzestexte! Möchten Sie einen Kognak haben oder nicht?« »Dankend akzeptiert.« McWarden nagte an seiner Unterlippe. »Earl Minton, das ist vielleicht der Hinweis, auf den ich gewartet habe. Ob es Ihnen nun gefällt oder nicht, Mylady, diesen Minton werde ich mir ein wenig aus nächster Nähe ansehen. Und diesmal, das schwöre ich Ihnen, werde ich schneller sein als Sie!« *
Walter Brennan war heiterer Stimmung. Die beiden Schläger Jim und Hale hatten gute Nachrichten mit ins Sheriff-Büro gebracht. »Die Bullen um McWarden filzen Mintons Laden«, hatten sie gerade berichtet. »Minton also im Schußfeld.« Walter Brennan zündete sich eine Zigarre an. »Habt ihr schon die Morgenzeitungen gelesen, Jungens? Maskierte Täter haben versucht, in das Haus einer gewissen Lady Agatha Simpson einzudringen.« »Mintons Leute, ist doch klar«, sagte Schläger Jim. »Sie haben's nur versucht?« erkundigte sich Schläger Hale. »Das reicht schon«, antwortete Walter Brennan, der Besitzer des Western-Paradise und schmunzelte. »Mel und Gus haben doch 'ne ganz brauchbare Fährte ausgelegt. Kann man nicht anders sagen.« »Wo stecken die eigentlich, Chef?« fragte Jim. »Die machen 'ne Streife durch die Stadt und klappern die Bahnhöfe ab«, lautete Brennans Antwort. »Mein Spezialist will da was 'rausgefunden haben.« »Noch ein Verrückter, der sich die Finger quetschen lassen will?« Hale grinste wie ein Filmschurke. »Die Sache mit den Fingern scheint sich noch immer nicht ganz 'rumgesprochen zu haben.« Walter Brennan nickte. »Aber das spielt keine Rolle. Ich habe Zeit. Zuerst muß da mal reiner Tisch gemacht werden. Und dann bauen wir die neue Organisation auf, Jungens! Dann steigen wir groß ins Geschäft.«
»Und die verrückte Alte?« Jim hatte so seine Bedenken. »Die befassen sich mit Minton. Wie die Bullen! Besser konnte sich die Sache überhaupt nicht entwickeln. Minton wird sich mit der Lady und dem Butler auseinandersetzen, die wieder mit Minton. Und dann ist da noch die Polizei, die mitmischen wird. Wir können in aller Ruhe die letzten Verrückten ausschalten, die noch auf eigene Rechnung arbeiten wollen.« Walter Brennan wollte noch etwas hinzufügen, doch das Telefon unterbrach ihn. Er hob den Hörer ab und meldete sich. »Hallo«, sagte der neutral, als sich eine ihm bekannte, etwas breit und nasal klingende Stimme meldete. »Natürlich höre ich? Wie war das? Sie haben da einen Burschen aufgespürt, der arbeitet? Der erstklassig arbeitet? Ausschalten, sage ich, ausschalten! Mel und Gus sind ja greifbar, oder? Abschleppen, diesen Burschen, 'raus mit ihm zu den Docks. Und da wird er dann behandelt, aber gründlich. Von wo aus rufen Sie an? Victoria Station? Seit wann haben Sie ihn im Visier?« Walter Brennan hörte einen Moment zu und nickte dann mehr als nachdrücklich. »Ausschalten, sage ich«, wiederholte er dann noch mal. »Mel und Gus sollen gründliche Arbeit leisten, wie im Fall Blair. Gut, Ende!« »Will da wieder einer seine Finger behandelt haben?« fragte Jim ironisch.
»Muß ein verdammt langsamer oder schwerhöriger Typ sein«, warf Hale ein. »Inzwischen dürfte es sich hier doch 'rumgesprochen haben, wie schnell man sich die Finger klemmen kann.« »Der Bursche ist mit dem Zug gekommen und stammt von auswärts«, entgegnete Brennan. »Doch was soll's! In 'ner halben Stunde wird er Blair Gesellschaft leisten!« * Er arbeitete seit einer halben Stunde auf dem Bahnhof und war erstklassig. Der Taschendieb mochte etwa fünfzig Jahre alt sein und glich ein wenig Pete Blair. Auch dieser Bursche hier hatte sich auf seriös getrimmt. Er trug einen hellgrauen, leichten Mantel, hatte silbergraues, kurzes Haar und schien Schwierigkeiten mit den Augen zu haben. Er trug eine randlose Brille und schaute immer wieder in einen Sprachführer. Das war überhaupt der Trick, um sich Opfern zu nähern. Der Taschendieb stammte offensichtlich vom Kontinent, genauer gesagt, aus Frankreich. Immer wieder erkundigte er sich bei Besuchern des Bahnhofs nach gewissen Adressen oder Sehenswürdigkeiten in der Stadt. Sein Akzent verriet ihn als Ausländer. Die Schnelligkeit seiner Hände war bemerkenswert. Der Informant, der eben mit Brennan gesprochen hatte, war erst dadurch auf diesen Mann aufmerksam geworden, als er
bemerkte, daß man ihn um seine Brieftasche erleichtert hatte. Dieser von Brennan engagierte Beobachter und Informant hatte davon nicht die Spur mitbekommen und bewunderte deshalb insgeheim diesen Fachmann. Er hatte sich gerade an einen eindeutig geldschweren Mann herangemacht und zog erneut seine Masche mit dem Reiseführer ab. Er erkundigte sich etwas umständlich nach dem Tower und >zog< dabei die Brieftasche des hilfsbereiten und höflichen Londoners. Der Informant Brennans schüttelte fast resigniert den Kopf. Nein, so gut' wie dieser Spezialist war selbst er nicht. Und er rechnete sich zu den Spitzen der Branche. Er hatte drüben in den Staaten schon fast so etwas wie einen legendären Ruf gehabt. Dieser Informant bedauerte es fast, diesen einsamen Könner aus dem Verkehr ziehen zu müssen. Es war doch eigentlich eine Schande, solche begnadeten Finger zu verstümmeln. Aber es mußte wohl sein. Er wurde ja dafür bezahlt, Taschendiebe ausfindig zu machen und sie an die Schläger weiterzureichen. Dafür wurde er sogar fürstlich bezahlt. Der einsame Körper im hellgrauen Mantel befaßte sich inzwischen mit dem nächsten Opfer. Auch in diesem Fall ließ er sich etwas auf der Stadtkarte erklären. Unter dem Schutz der ausgebreiteten Karte ging die linke Hand geschmeidig auf Reise und ... zupfte die nächste Brieftasche. Der Informant hatte bereits Schuldgefühle. Er schlenderte zu einem Kiosk hinüber, wo die beiden Schläger Mel
und Gus auf ihren Einsatz warteten. Er nickte ihnen unauffällig zu, worauf die beiden Schläger ihm folgten. Der Informant passierte den Spezialisten und legte dabei seine Hände auf den Rücken. Damit wußten die ahnungslosen Mel und Gus, mit wem sie sich zu befassen hatten. Dieses Hinweiszeichen war von ihnen vorher vereinbart worden. Gus und Mel warteten, bis der Informant aus ihrem Blickfeld verschwunden war. Dann nahmen sie den Spezialisten in die Mitte und schoben sich eng an ihn heran. »Polizei«, sagte Mel mit dienstlicher Stimme. »Wie, bitte?« fragte der Spezialist mit deutlichem Akzent. »Folgen Sie uns unauffällig, oder wir legen Ihnen Handschellen an«, fügte Gus ebenso dienstlich hinzu. »Ich... Ich protestiere.« Das sagte der Spezialist zwar noch in Englisch, doch dann folgte eine wahre Kaskade in Französisch, ein sicheres Zeichen dafür, wie überrascht und aufgeregt der Mann war. Natürlich ließ er sich abführen, denn er mußte ja annehmen, es tatsächlich mit zwei Detektiven zu tun zu haben. Sie bugsierten ihn aus der Bahnhofshalle, und Brennans Informant seufzte auf. Er wußte, was in wenigen Minuten passierte. Er bedauerte es sehr, daß dieser Künstler seines Fachs nie wieder würde arbeiten können. Das stimmte ihn ehrlich traurig. Gus und Mel hatten ihr Opfer bereits aus der Bahnhofshalle geführt und gingen mit ihm hinüber zu den Parkplätzen. Der Informant seufzte und zündete sich eine Zigarette an.
Er kam sich wie ein Judas vor. Er verriet, wenn auch für ein einmal hohes Honorar, Zunftgenossen an einen im Grund billigen Gangster, der für geschmeidige Finger und Hände überhaupt kein Gefühl hatte. Der Informant dachte an den Mann, der Pete Blair hieß. Der war schon Spitzenklasse gewesen, doch der Mann im hellgrauen Mantel war mit Sicherheit der Größte. * Das Opfer hatte keine Chance. Gus und Mel führten es zu einem zivil aussehenden Ford und freuten sich bereits auf das, was sie tun wollten. So war es auch im Fall Pete Blair gewesen, von anderen Einsätzen ganz zu schweigen. Es machte diesen Schlägern einfach Spaß, Menschen zu quälen. Zudem wollten sie jetzt und hier die Scharte auswetzen, die ein gewisser Parker ihnen beigebracht hatte. Ihr Chef Brennan sollte wissen, daß sie nach wie vor erste Klasse waren. Der Franzose protestierte nur noch gelegentlich. Und das hing wohl mit dem harten Gegenstand zusammen, den Mel ihm gegen die Hüfte preßte. Der Taschendieb hatte inzwischen erkannt, daß es sich bei diesem harten Gegenstand wohl um, den kurzen Lauf einer Schußwaffe handelte. Gus öffnete die Tür des Ford und lächelte maskenhaft. Er deutete auf den oberen Rahmen. »Leg' die Flossen drauf«, sagte er. »Warum, meine Herren Detektive, warum?« fragte der Franzose verängstigt.
»Das wirst du gleich sehen, Mann. Mach' die Finger lang, Junge! Ja, so! Und jetzt schieb sie unter den Rahmen ... Wir werden mal deine Taschen durchsuchen.« »Ich... Ich gebe alles zu«, sagte der Taschendieb leise und senkte den Kopf. »Wie ... Wie haben Sie mich erkannt?« »Los, die Hände!« erinnerte Mel. »Wir wollen erst mal sehen, was du so gezogen hast.« Er griff in die Manteltasche seines Opfers und ... blieb dann wie versteinert stehen. Dann verzog sein Gesicht sich zu einer entsetzten Grimasse. Erst jetzt stieß er einen keuchenden, nicht gerade lauten Schrei aus. Gus vergaß darüber, die Wagentür in den Rahmen zu schmettern, wie er es vor hatte. Er fuhr herum und sah seinen Partner an, der die Hand blitzartig aus der Manteltasche zog und sie anstierte. Das Gesicht des Mannes hatte ein kreidiges, graues Weiß angenommen. Er wollte etwas sagen, doch er schaffte es einfach nicht. Er stand ganz eindeutig unter einem Schock. »Mensch, was is', fragte Gus. »Hi... Hülfe«, keuchte Mel und schüttelte seine Hand. Er wich vor dem Taschendieb zurück, als habe er bei ihm Aussatz entdeckt. »Mach, so red' doch!« Gus vergaß den Taschendieb neben ihm. »Sch ... Schlange!« Mel schüttelte sich und taumelte gegen einen anderen, parkenden Wagen. »Schlange?« Gus wandte sich zu dem Taschendieb um, der jetzt zustimmend nickte.
»Schlange?« wiederholte Gus noch mal und wich seinerseits zurück. Er schüttelte ihn bereits. »Die Hüterin meiner Schätze«, bestätigte der angebliche Franzose in flüssigem, akzentfreien und bestem Englisch. »Sie werden gewiß im Nachhinein verstehen, daß ich die Gesundheit meiner Hände wahren mußte, meine Herren. Ich schlage vor, sie steigen in den Wagen und lassen sich zu einem Arzt bringen, der sich auf Schlangengifte spezialisiert hat.« Gus hatte keine Lust, diese Einladung anzunehmen. Er dachte nur an sich. Er schlug die geöffnete Wagentür mit viel Wucht in den Rahmen und übersah dabei, daß sein Partner Mel inzwischen seine linke Hand stützend gegen den Rahmen gelegt hatte. Der Schrei, der jetzt erfolgte, war mehr als spitz. Schläger Mel erfuhr am eigenen Leib, welche Schmerzen das waren. Er heulte auf, wurde fast ohnmächtig und bemerkte nicht die beiden Polizeidetektive, die herbeieilten und sich seiner annahmen. Schläger Gus aber rannte über den Parkplatz und wollte sich in Sicherheit bringen. Der Franzose im hellgrauen Mantel, der plötzlich so ausgezeichnet Englisch sprach, dachte nicht im Traum daran, etwa eine Verfolgung aufzunehmen. Sie wäre auch gar nicht notwendig gewesen. Der flüchtende Gus rannte in den Bahnhof zurück, um sich dort in der Menge erst mal unsichtbar zu machen, doch er kam nicht sonderlich weit. Mitten im Lauf - er
hatte die Treppe hinauf zur Halle noch nicht ganz erreicht - absolvierte er plötzlich einen halben Salto nach vorn und schlitterte dann über den Bauch ein gutes Stück weiter. Plötzlich geschah etwas, was man nur als einen schicksalsträchtigen Akt ausgleichender Gerechtigkeit bezeichnen konnte: Gus rappelte sich auf und stützte sich gegen ein Taxi, dessen Fahrer gerade die Tür hinter einem eingestiegenen Fahrgast zuwarf. Gus brüllte und erlitt das, was er Pete Blair und eben erst seinem Partner Mel zugefügt hatte. Auch seine Finger wurden von der zuschlagenden Türkante erfaßt und gegen den Rahmen gepreßt. Der Mann im hellgrauen Mantel ließ derweil seine Gabelschleuder unauffällig in einer Manteltasche verschwinden und wandte sich einem der Detektive zu. »Auch dieser Herr drüben wird Ihnen mit Sicherheit gern folgen«, sagte der angebliche Franzose gemessen. »Meine Empfehlungen an Mr. McWarden!« »Und was ist mit dem Schlangenbiß?« fragte einer der Beamten, der von dem wimmernden Schläger Mel inzwischen gehört hatte, was zusätzlich noch passiert war. »Eine harmlose Blindschleiche«, sagte Parker, um den es sich natürlich handelte. »Möchten Sie sie sehen?« Die beiden Mitarbeiter McWardens wichen sicherheitshalber zurück und vertraten gemeinsam die Ansicht, daß sie auf solch einen Anblick nicht besonders erpicht seien.
* Der Informant hat die Häufung der peinlichen Zwischenfälle mitverfolgt. Was sich da allerdings genau abgespielt hatte, wußte er nicht. Er suchte nach dem Mann im hellgrauen Mantel, der das alles inszeniert haben mußte, doch dieser Mann war plötzlich wie vom Erdboden verschwunden. Dafür sah der Informant aber, daß die beiden stöhnenden Schläger Mel und Gus in einem Streifenwagen der Polizei abtransportiert wurden. Der Informant hatte plötzlich Angst. Er suchte die nächste Telefonzelle auf und rief seinen Auftraggeber Brennan an. »Nein, nichts ist gelaufen«, widersprach er, als Brennan sich gut gelaunt gemeldet hatte. »Mel und Gus sind von der Polizei festgenommen worden. Jawohl, festgenommen! Und ihren Händen ist genau das passiert, wie sie... Wie, bitte? Ja, ihre Hände sind behandelt worden, und nicht zu knapp. Nein, nein, Brennan, ich breche hier meine Zelte ab, ich habe keine Lust, daß mir auch sowas passiert. Sie erreichen mich in meinem Hotel, aber ich sage Ihnen gleich, ich spiele nicht länger mit.« Er legte auf und zündete sich erst mal eine Zigarette zur Beruhigung an. Dann verließ er die Bahnhofshalle und ging über die Belgrave Road hinunter in den nahen Stadtteil Pimlico, wo er sich in
einem kleinen Touristenhotel eingemietet hatte. Daß er beschattet wurde, merkte er überhaupt nicht. Hinter ihm, wenn auch auf der anderen Straßenseite, ging ein junges Mädchen, das wohl in einem Modegeschäft arbeitete. Es trug einige Pakete, hatte einen rosafarbenen Kittel an und schien Zeit für sich herausschinden zu wollen. Die junge Verkäuferin blieb immer wieder vor Schaufenstern stehen, schlenderte herum und wartete, bis der Informant endlich sein kleines Hotel betreten hatte. Die junge Verkäuferin ging weiter, verschwand in einer Nebenstraße und wartete in einer Teestube darauf, was sich ereignete. Von ihrem Tisch aus konnte sie gerade noch den Hoteleingang beobachten. Es war Kathy Porter, die den Informanten verfolgt hatte. Als Musterschülerin eines gewissen Josuah Parker war auch sie längst zu einer Meisterin der Maske geworden. Mit nur wenigen Hilfsmitteln war sie in der Lage, Aussehen und auch Persönlichkeit zu verändern. Wenn sie eine bestimmte Rolle übernahm, schlüpfte sie in diese neue Haut und war ein anderer Mensch. Nach etwa zehn Minuten erschien der Informant. Er trug einen kleinen Koffer in der Hand und hatte es eilig, doch er nahm kein Taxi. Kathy Porter deponierte den Kittel und die Päckchen bei der Bedienung und revanchierte sich für diese Freundlichkeit mit einem kleinen Trinkgeld, das ihrer Rolle als
angebliche Verkäuferin angemessen war. Sie zeigte nun ein flottes Sommerkleidchen und setzte sich draußen vor der Teestube eine große, runde Sonnenbrille auf. Dann verfolgte sie den Mann, auf den Parker sie bereits an der Victoria Station angesetzt hatte. Der Informant blieb nicht lange auf der Straße. Nach knapp fünf Minuten betrat er die Halle eines ebenfalls kleinen Hotels, um sich ein Zimmer zu mieten. Durch die Glastür konnte Kathy Porter sehen, wie der Mann bald darauf mit dem Lift nach oben fuhr. Sie zweifelte nicht daran, daß er vorerst in diesem Hotel blieb. Wahrscheinlich hatte er aus Gründen seiner persönlichen Sicherheit einen Quartierwechsel vorgenommen. * »Ich weiß, junger Mann, Sie waren zufällig in der Nähe«, sagte Lady Agatha spöttisch, als Butler Parker den Chief-Superintendent in den Salon geführt hatte. »Ich bin sogar sehr gezielt gekommen.« McWarden schluckte den >jungen Mann<, eine Bezeichnung, gegen die er sich sonst gern wehrte. Seine Stimmung war gehoben, er strahlte. »Sie strahlen ja geradezu«, stellte die Detektivin fest. »Zwei berüchtigte Schläger festgenommen«, antwortete McWarden. »Ich möchte mich bei Ihnen, Mylady, und auch bei Ihnen, Mr. Parker, sehr herzlich bedanken.« »Schnickschnack, das ergab sich am Rand«, sagte die ältere Dame fast wegwerfend.
»Mel Canters und Gus Stritch sind Schläger, hinter denen wir schon lange her -waren«, redete McWarden weiter und nickte dankend, als Parker einen alten, trockenen Sherry servierte. »Ich habe sie Blair gegenübergestellt. Er hat sie eindeutig als die Burschen identifiziert, die ihm die Finger malträtiert haben.« »Wie ich höre, soll es den Fingern dieser beiden Schläger auch nicht besonders gehen«, bemerkte die resolute Dame. »Mit Schußwaffen werden sie später kaum noch hantieren können«, bestätigte McWarden. »Und es ist ein Witz des Schicksals, daß diese beiden Schläger sich das selbst zugefügt haben.« »Sie werden unter Anklage gestellt?« erkundigte Parker sich in seiner höflich gemessenen Art. »Worauf Sie sich verlassen können, Mr. Parker. Und die Strafen werden nicht gerade gering ausfallen. Interessant übrigens, daß Mel und Gus für Minton gearbeitet haben, nicht wahr?« »Besagter Mr. Minton dürfte mit diesem Fall kaum etwas zu tun haben«, warf Josuah Parker ein. »Sind Sie sicher?« McWarden wurde prompt hellhörig. »In der Tat, Sir!« »Warum waren Sie dann in seinem Beatschuppen?« wollte ChiefSuperintendent McWarden wissen. Er sah die Lady mißtrauisch an. »Wollen Sie mir vorwerfen, daß ich mich mal so richtig amüsiert habe?« Sie lächelte überraschend freundlich.
»Ich... Ich verstehe.« McWarden preßte die Lippen zusammen. »Sie haben mich und meine Mitarbeiter auf eine falsche Fährte gesetzt, nicht wahr? Das geht mir inzwischen auf.« »Sie überschätzen sich, McWarden.« Lady Simpsons Gesicht war schon nicht mehr freundlich. »Ich denke auf keinen Fall Tag und Nacht an Sie, das wäre ja noch schöner! Sie könnten ja mein Sohn sein!« »Jetzt übertreiben Sie aber, Mylady«, erwiderte McWarden galant. »Sie glauben auch, daß ich mich um Minton nicht weiter zu kümmern brauche?« »Dieser Mann ist völlig unwichtig.« Die ältere Dame schüttelte den Kopf. »Und es hat gar nichts zu besagen, daß diese beiden Schläger mal für ihn gearbeitet haben.« »Das erleichtert meine Arbeit.« McWarden nickte dankend, als Parker ihn mit einem weiteren Sherry versorgte. »Ich muß Ihnen aber noch ein paar dienstliche Fragen stellen.« »Und trinken dazu meinen alten Sherry, wie?« Sie grollte wieder in gewohnter Form, und McWarden fühlte sich wieder heimisch. »Ich schicke voraus, daß Mr. Parker mich informiert und auf die beiden Gangster Mel und Gus aufmerksam gemacht hat. Ich akzeptiere weiter, daß wir nur so an die Burschen herangekommen sind, weil Mr. Parker einen Taschendieb spielte. Und ich stellte weiter fest, daß die von Mr. Parker gestohlenen Dinge inzwischen wieder ihren
Eigentümern zurückerstattet wurden.« »Reicht Ihnen das nicht, McWarden?« fragte Lady Simpson. »Wissen Sie, für wen die beiden Schläger arbeiten? Und ich frage mich, wie die überhaupt herausbekommen haben, daß Mr. Parker als Taschendieb arbeitete.« »Nun, sie werden es mitbekommen haben, nicht wahr, Mr. Parker?« Lady Agatha sah ihren Butler fragend an. »Sir, Sie sollten meine Fähigkeiten auf dem Gebiet des Taschendiebstahls nicht überschätzen«, antwortete Parker und sah McWarden an. »Meine bescheidene Wenigkeit ist nur das, was man einen Amateur nennen dürfte. Den geschulten Augen der beiden Gangster dürften meine unzulänglichen Bemühungen natürlich aufgefallen sein.« »Unzulängliche Bemühungen?« McWarden hüstelte leicht und lachte dann bitter. »In der Bahnhofshalle standen wenigstens drei hochqualifizierte Männer des Dezernats für Taschendiebstahl. Keinem ist Ihre Arbeit aufgefallen, Mr. Parker.« »Was nicht gerade für diese Männer spricht, McWarden«, stellte Lady Agatha ironisch fest. »Als ich in das Blickfeld jener Herren kam, die ich für Gangster hielt, bemühte ich mich um besonderen Dilletantismus«, schwindelte Butler Parker. »Verhören Sie doch diese beiden Gangster«, forderte Agatha Simpson den Chief-Superintendent auf. »Früher oder später werden sie
schon sagen, für wen sie gearbeitet haben. Was soll ich denn noch tun, um diesen Fall zu lösen? Ich bin immerhin eine Frau, deren Kreislauf angegriffen ist.« Die Detektivin ließ sich leidend im Sessel zurücksinken und schloß wie erschöpft die Augen. McWarden war ehrlich beeindruckt und machte sich Vorwürfe. Er hatte zwar noch eine Menge Fragen, doch er wollte Lady Agatha nicht überfordern. »Ich darf später vielleicht noch mal vorbeikommen«, sagte er leise in Richtung Josuah Parker. »Mylady bedürfen jetzt der Ruhe«, meinte Parker ernst. »Mylady pflegen sich immer ein wenig zu überstrapazieren.« Als McWarden auf Zehenspitzen aus dem Salon schlich, öffnete die kreislaufleidende Dame wieder die Augen, die listig-boshaft funkelten. * Walter Brennan lief wie ein gefangenes Tier in seinem SheriffBüro herum und kaute an seiner Zigarre. Er hatte nach den beiden Schlägern Jim und Hale geschickt und nun Zeit, sich die Worte seines Informanten durch den Kopf gehen zu lassen. Mel und Gus waren also ausgeschaltet worden. Damit hatte Brennan allerdings nicht gerechnet. Sein Ablenkungsmanöver in Richtung Minton hatte nichts genutzt. Oder würde die Polizei sich gerade jetzt auf Minton stürzen, da Mel und Gus ja schließlich mal für ihn gearbeitet hatten?
Jim und Hale erschienen. Sie trugen Cowboykleidung und tief geschnallte, aber nicht verwendbare Colts. Sie merkten ihrem Chef an, daß etwas nicht nach Plan gelaufen war. Brennan teilte ihnen kurz mit, was Mel und Gus passiert war. »Verdammt«, sagte Jim nach einer Weile und verzog ein Gesicht. »Sie haben sich die Finger gequetscht?« »Hört sich aber gar nicht gut an«, fand Hale. »Komische Sache, daß ausgerechnet den beiden sowas passiert. An wen sind sie denn geraten?« »Irgendein Taschendieb aus der Provinz«, antwortete Brennan. »Wie es genau über die Bühne gegangen ist, konnte mein Informant nicht klar ausmachen. Es muß aber auf jeden Fall was Verrücktes und Wahnsinniges gewesen sein. Mel faßte dem Burschen in die Manteltasche und schrie dann. Danach ging alles blitzschnell über die Bühne.« »Und Gus konnte nichts unternehmen?« fragte Jim und schüttelte ungläubig den Kopf. »Der rannte los«, berichtete Brennan weiter. »Nehme ich wenigstens an. Mein Informant hat nicht viel gesagt.« »Dann fragen wir ihn doch!« Hale massierte sich unternehmungslustig die Hände. »Das eben sollt ihr tun.« Brennan nickte. »Fahrt 'rüber nach Pimlico! Die genaue Hoteladresse gebe ich euch noch. Schafft mir diesen Burschen 'ran!« »Sein Name?« fragte Jim kühl. »Robert Waltham. Unter dem Namen ist er abgestiegen.«
»Sollen wir ihn unterwegs leicht behandeln?« erkundigte sich Hale. »Noch nicht, das hat Zeit. Den brauche ich noch, er muß nur wieder zur Vernunft gebracht werden. Im Moment will er aussteigen, das könnt ihr ihm während der Fahrt allerdings schon austreiben. Aber sanft, Jungens! Und laßt vor allen Dingen seine Finger in Ruhe! Gerade die brauche ich noch...« »Mal 'ne Frage am Rand, Chef«, schickte Schläger Jim voraus. »Dieser komische Butler war nicht zufällig in der Nähe, als das mit Mel und Gus passiert ist?« »Das frage ich mich die ganze Zeit.« Brennan setzte sich und zündete den Zigarrenstummel wieder an. »Dieser Butler geht mir nicht aus dem Kopf, Jungens. Ich kann's nicht beweisen, aber ich werd' den Verdacht nicht los, daß der wieder mal mitgemischt hat.« »Ich war ja gleich dafür, den Butler auszuschalten«, erklärte Hale.« Und diese verrückte Alte gleich dazu, um genau zu sein. Seitdem die sich eingemischt haben, gibt's doch Ärger am laufenden Band.« »Das mit Parker und der Lady laß ich mir durch den Kopf gehen. Holt jetzt erst mal diesen Waltham 'ran, damit er wieder zur Vernunft kommt!« Er gab den beiden Schlägern die Hoteladresse und nahm dann seine Wanderung durch das Sheriff-Büro wieder auf. Parker, dieser Name kreiste durch seine Gedanken. Sollte der Butler vielleicht der Mann gewesen sein, den Mel und Gus hatten behandeln wollen? Schade,
daß sie darauf nicht antworten konnten. Mel und Gus lagen jetzt im Polizei-Hospital und waren unerreichbar für ihn. * Sie lagen in einem Zimmer. Nach der Gegenüberstellung waren die beiden brutalen Schläger Mel und Gus in ihre Betten gepackt worden. Sicherheitshalber waren sie angeschnallt. Das heißt, breite Lederriemen hielten sie an Brust und Becken fest auf ihren Betten. Der Polizeiarzt befürchtete wohl, sie könnten nach dem Nachlassen der schmerzstillenden Spritzen ein wenig toben. Pete Blair hatte sich umgedreht und beobachtete die beiden Schläger, die seine Hände ruiniert hatten. Er wußte, daß sie sich im Gegensatz zu ihm nicht bewegen, auf keinen Fall aber wehren konnten. Sie waren allein in diesem schmucklosen Raum. Mel und Gus wichen Blairs Blick aus. Sie wußten nur zu gut, was sie diesem Mann getan hatten. Sie spürten es am eigenen Leib, und sie sahen den Haß in Blairs Augen. Dieses Zusammenlegen war natürlich ein Trick von McWarden. Der Chief-Superintendent ließ die drei Patienten selbstverständlich diskret überwachen. Vor der Tür stand einer seiner Mitarbeiter, der scharf darauf achtete, daß es nicht zu einem Blutbad kam. Mel und Gus hatten im Moment wirklich keine Schmerzen, dafür aber eine höllische Angst. Blair sagte
kein Wort. Er sah die beiden Schläger nur unverwandt an und fixierte sie wie eine Schlange, die die Distanz zu ihren Opfern prüft. »Ihr werdet gleich einschlafen«, sagte Blair plötzlich leise und eindringlich. »Ich kenne das Mittel, das sie einem hier spritzen. Ihr werdet gleich einschlafen, ob ihr wollt oder nicht.« Gus und Mel sagten nichts. »Ihr werdet wegsacken wie in einen dunklen Schacht«, redete Blair eindringlich weiter und lächelte plötzlich ganz dünn. »Ihr werdet überhaupt nicht mitbekommen, wenn ich aufstehe.« Mel und Gus schwitzten und glaubten bereits eine erste Müdigkeit zu spüren. Sie ruckten an den breiten, stramm gezogenen Lederriemen herum, doch die gaben selbstverständlich nicht nach. »Und ich werde aufstehen«, redete Blair leise weiter. »Im Gegensatz zu euch hat man mich nicht festgeschnallt.« Mel und Gus schwitzten bereits intensiv, doch sie antworteten nicht. »Vor zwei Stunden ist hier nicht mehr mit einer Kontrolle zu rechnen«, sagte Pete Blair. »Zeit genug für mich.« »Zeit wofür?« fragte Mel jetzt nervös. Er zwinkerte, da ihm der salzige Angstschweiß von der Stirn ins Auge getropft war. »Wofür wohl?« Blair lächelte wieder dünn. »Ihr habt meine Hände ruiniert.« »Das ... Das läßt sich doch alles regeln«, meinte Gus hastig.« Ehrenwort, dafür gibt's
Schadensersatz, Blair. Dafür werden wir schon sorgen.« »Das erledige ich allein.« Blair lächelte nicht mehr und richtete sich auf. »Seht ihr die Schale da drüben auf dem Bord?« Sie schauten hinüber. »Seht ihr auch die Spritze darin?« fragte Blair weiter. Sie sahen auch die Spritze. »Damit läßt sich eine Menge anfangen«, redete Pete Blair weiter. »Gut, mit den Händen werde ich nichts ausrichten, aber solch einen Spritzenkolben kann man auch in den Mund nehmen.« »Und dann?« Mels Stimme klang erstaunlich heiser. Er schien sich eine urplötzliche Erkältung zugezogen zu haben. »Dann?« Gus' Stimme war bereits heiser. »Abwarten! Laßt euch überraschen!« Blair lächelte wieder dünn. »Wenn ihr wieder wach seid, werdet ihr es wissen.« »Hiiilfe!« brüllte Mel ohne jede Vorwarnung. »Du... Du bist wahnsinnig«, stöhnte Gus, »du willst uns ...?« Er verschluckte sich und war nicht fähig, das auszusprechen, woran er jetzt dachte. »Was ich tun werde, merkt ihr in jedem Fall«, versprach Blair leise und immer noch leidenschaftslos. »Ich werde mich und die anderen rächen, die ihr ruiniert habt. Ihr werdet euer ganzes Leben daran denken.« Daraufhin begannen die beiden hartgesottenen Gangster Mel und Gus im Chor und sehr laut um Hilfe
zu rufen, doch man schien sie nicht zu hören. * Die beiden anderen Schläger hatten inzwischen das Hotel in Pimlico erreicht, in dem Brennans Informant Waltham wohnte. Sie hatten ihren Wagen in einer Seitenstraße zurückgelassen und den Rest des Weges zu Fuß hinter sich gebracht. Beim Tagesportier erkundigten sie sich nach Robert Waltham und erfuhren zu ihrer Überraschung, daß ihr Mann das Hotelzimmer erst vor ganz kurzer Zeit geräumt hatte. Nein, der Portier hatte keine Ahnung, wohin Robert Waltham sich begeben hatte. »Das is' 'ne kleine Überraschung«, sagte Jim, als er zusammen mit seinem Partner zurück auf die Straße ging. »Der Junge hat Lunte gerochen«, vermutete Hale verärgert. »Und was machen wir jetzt?« »Wir rufen erst mal Brennan an«, schlug Jim vor und wurde auf einen Taxifahrer aufmerksam, der sich ihnen langsam näherte. Der Mann mochte etwa fünfzig Jahre alt sein, war ein wenig rundlich und hatte eine deutlich rote Gesichtsfarbe, die auf den reichlichen Dauergenuß von Alkoholika schließen ließ. »Sind Sie vielleicht Freunde von Mr. Waltham?« fragte er in einem geradezu scheußlichen Cockney, einem original Londoner Dialekt. »Schon möglich«, erwiderte Hale vorsichtig. »Kennen Sie Waltham?«
»Nee, den nicht, aber das Trinkgeld, was er mir gegeben hat. Ich soll Ihnen was ausrichten.« »Und zwar?« Jim blieb mißtrauisch. »Euer Freund hat sich abgesetzt. Er hat 'n anderes Hotel genommen.« »Und wie heißt es?« »Das ... hab' ich vergessen.« Der Taxifahrer grinste anzüglich. »Ach so.« Jim lächelte. »Das kostet wohl 'ne Kleinigkeit, wie?« »Der Mensch muß leben.« Der Taxifahrer wandte sich ab und ging zu seinem Wagen hinüber, der kurz hinter dem Hoteleingang am Straßenrand stand. Die beiden Schläger Jim und Hale folgten notgedrungen, aber sie waren sehr verärgert. Sie ließen sich nicht gern ausnehmen, schon gar nicht an der Nase herumführen. Als der Taxifahrer sich ans Steuer setzte und die Wagentür zuwarf, öffneten sie ohne weiteres die hintere Tür und nahmen im Taxi Platz. Diese Wendung der Dinge paßte ihnen bestens. Jetzt konnten sie sich mit dem störrischen Taxifahrer in aller Ruhe unterhalten und brauchten keine Ablenkung zu befürchten. Jim beugte sich vor und brachte sein Gesicht an den schmalen, geöffneten Verbindungsspalt, den die Trennscheibe zwischen Fahrer und Fahrgastraum bildete. »Nun hör' mal gut zu, du Anfänger«, sagte Jim. »Sag' möglichst schnell, wo Waltham ist, sonst hast du noch schneller Ärger.« »Sie erschrecken meine bescheidene Wenigkeit«, erwiderte der Taxifahrer jetzt in klassischem Englisch, wie es nur in allerbesten
Kreisen gesprochen wurde. Gleichzeitig schloß sich der Sprechspalt der Trennscheibe. Jim fuhr unwillkürlich zurück und griff automatisch nach seiner Schußwaffe. Auch Hale tat das, denn ihm ging auf, daß sie wahrscheinlich in eine geschickt getarnte Falle getappt waren. »Die Trennscheibe besteht selbstverständlich aus kugelsicherem Panzerglas«, sagte der Taxifahrer. »Aber diese Tatsache dürften Sie inzwischen sicher anerkannt haben.« Die Stimme des Fahrers klang unverzerrt und deutlich in den Fahrgastraum. Sie kam über zwei versteckt angebrachte Lautsprecher oben im >Wagenhimmel<. »Parker?« fragte Hale unsicher. »Mein Name ist in der Tat Parker, Josuah Parker«, räumte der Taxifahrer höflich ein. »Sie werden dieses kleine Täuschungsmanöver sicher früher oder später entschuldigen.« Jim und Hale nickten sich zu und handelten. Sie schossen nicht. Der Hinweis auf die Trennscheibe aus Panzerglas ließ sie davon Abstand nehmen, hier etwa ein Feuergefecht zu eröffnen, doch sie wollten möglichst schnell wieder an die frische Luft. Jeder suchte den Griff der Tür, der er am nächsten saß und ... kam nicht weiter. Die Griffe ließen sich zwar senken, doch die Türen öffneten sich nicht. »Es handelt sich um eine elektrische Zentralverriegelung«, hörten sie die Stimme des Butlers. »Betrachten Sie sich als meine Gäste! Diese kleine Ausfahrt wird
Sie mit Sicherheit nichts kosten, wenn ich Ihre persönliche Freiheit mal bewußt ausklammere.« Die beiden Schläger Jim und Hale gerieten in Panik und wollten nun doch schießen, doch die plötzlich eintretende, lähmende Müdigkeit nahm ihnen jede Aktivität. Sie räkelten sich auf den Sitzen zurecht und schlössen die Augen. Butler Parker hatte auf einen der vielen Knöpfe gedrückt, die sich auf dem reichhaltig ausgestatteten Armaturenbrett befanden. Das leichte, nicht gesundheitsgefährdende Schlafgas tat seine Wirkung. * Robert Waltham, Walter Brennans Informant, hatte mitbekommen, daß die beiden Schläger Jim und Hale vor dem Hotel erschienen waren, das er eben erst sicherheitshalber geräumt hatte. Waltham saß in einer nahen Teestube und aß ein Sandwich. Es schmeckte ihm jetzt besonders gut, denn ihm war klar, warum die beiden Gangster Jim und Hale gekommen waren. Walter Brennan hatte ihn aus dem Verkehr ziehen wollen. Der Mann hatte wohl Angst, daß es ihm an den Kragen ging. Der Informant achtete überhaupt nicht auf das farblos aussehende Mädchen am Nebentisch, das grau wie eine unscheinbare Maus wirkte. Es hatte strähniges Haar, trug eine Brille und einen etwas schmuddeligen Mantel. »Kann ich mal den Zucker haben?« hörte Robert Waltham und
fuhr ein wenig überrascht herum. Er sah sich der grauen Maus gegenüber und nickte zerstreut. Dann beugte er sich wieder vor und beobachtete das Taxi, das gerade die Teestube passierte. Er sah Jim und Hale ganz deutlich. Sie redeten auf den Taxifahrer ein. Der Informant trank seinen Tee aus und meldete eine Sekunde zu spät, daß er plötzlich nicht mehr schmeckte. Ein Hauch von bitteren Mandeln war da auf seiner Zunge, und er dachte sofort an Blausäure. Er sprang auf, taumelte und sah sich wie gehetzt um. Wie durch einen milchigen Schleier sah er die graue Maus auf sich zukommen. Er rutschte ein wenig in sich zusammen und wurde von ihr aufgefangen. »Fühlen Sie sich nicht wohl?« Die Frage drang wie durch Watte an seine Hörorgane. Er nickte und ließ sich willenlos zurück auf den Stuhl drücken. »Rufen Sie ein Taxi?« bat die graue Maus die Bedienerin hinter der Theke. »Ich glaube, meinem Freund ist es schlecht geworden.« Die Frau hinter der großen Teekanne beeilte sich, diesem Wunsch nachzukommen. Sie wollte den Mann am Tisch so schnell wie möglich loswerden. Sie lief zur Tür und hatte das wirklich unwahrscheinliche Glück, das ausgerechnet in diesem Moment ein Taxifahrer vor der Teestube erschien. Dieser Taxifahrer war etwa fünfzig Jahre alt und hatte ein dunkelrotes Gesicht. Er trank während seiner Freistunden wahrscheinlich regelmäßig, aber auch unmäßig.
»Ich hab' 'ne schnelle Fuhre für Sie«, sagte die Frau aufgeregt und deutete zum Tisch hinüber. »Da is' einem schlecht geworden.« »Kein Wunder, wenn er Tee trinkt.« Der Taxifahrer lachte spöttisch und sprach ein Cockney reinsten Wassers. Er ging gemütlich zum Tisch hinüber und nickte der grauen Maus zu. »Sehr schön, Miß Porter«, sagte er. »Das Timing, wenn ich es so ausdrücken darf, stimmte wieder mal auf die Sekunde.« »Es war eine Kleinigkeit, Mr. Parker«, gab Kathy Porter zurück. »Er interessierte sich nur für die beiden Schläger.« Der angebliche Taxifahrer war sehr kräftig. Er legte sich den linken Arm des Willenlosen über seine Schulter und stemmte Waltham dann vom Sitz hoch. Zusammen mit Kathy Porter führte er den Mann aus der Teestube zum Taxi, in dessen Fond sich bereits zwei Insassen befanden. Robert Waltham wurde zwischen sie gesetzt, dann stieg Kathy Porter vorn zu Parker ein, der sofort losfuhr. »Mylady wird zufrieden sein«, meinte der Butler, als er zurück nach Shepherd's Market ging. »Nach Lage der Dinge dürfte Mr. Brennan nun isoliert sein.« »Könnte Mr. McWarden uns nicht zuvorkommen?« sorgte sich Kathy Porter. »Eine juristische Handhabe gegen Mr. Brennan dürfte der ChiefSuperintendent kaum vorweisen können«, antwortete Josuah Parker. »Auf die mögliche Aussage von zwei Schlägern hin wird es keinen
Richter geben, der einen Haftbefehl ausstellen wird.« »Aussage von zwei Schlägern?« »Wenn ich Mr. McWarden richtig einschätze, Miß Porter, wird er die Herren Mel und Gus zu Blair ins Zimmer gelegt haben«, erklärte der Butler. »Und Mr. Pete Blair wird automatisch das aus den beiden Gangstern herausholen, was Mr. McWarden zu hören wünscht. Möglicherweise sind diese Dinge bereits geschehen.« * »Beinahe hätte es geklappt«, gestand McWarden eine Stunde später. Er war wieder mal zufällig vorbeigekommen und nippte am Sherry, den Parker ihm serviert hatte. Der Chief-Superintendent machte einen niedergeschlagenen Eindruck. »Was wäre beinahe gelungen?« erkundigte Lady Simpson sich. »Sie wissen doch, Mylady, die beiden Gangster Mel und Gus«, schickte McWarden voraus. »Ich hatte sie zu Blair ins Krankenzimmer gesteckt. Nach Lage der Dinge hätte Blair sie unter Druck setzen müssen.« »Er hat es etwa nicht getan? Er hat sie doch als die Männer erkannt, die seine Hände ruiniert haben, oder?« »Natürlich hat er sie erkannt. Aber Blair wollte sich in einer schrecklichen Weise rächen. Wir mußten einfach einschreiten.« »Was hat er denn vor?« Lady Simpson sah McWarden wohlwollend an.« War ihm etwas Hübsches eingefallen?«
»Hübsch? Na, ich weiß nicht! Er wollte den beiden Gangstern eine Spritze geben, und das durften wir natürlich nicht zulassen. »Muß man daraus schließen, daß die Herren Mel und Gus nicht mehr in der Lage waren, eine Aussage zu machen?« Butler Parker hatte diese wichtige Frage gestellt. »Muß man.« McWarden nickte. »Sie schrien das ganze GefängnisHospital zusammen. Es muß einmalig gewesen sein.« »Demnach wissen Sie leider immer noch nicht, Sir, wer die Auftraggeber der beiden Schläger ist?« »Ich tippe nach wie vor auf Minton«, gab McWarden zurück. »Aber ich hätte es natürlich gern von den beiden Schlägern gehört.« »Und nun brauchen Sie natürlich wieder mal meine Hilfe!« Agatha Simpson hatte innerlich erleichtert aufgeatmet. »Mißverstehen Sie mich nicht, Mylady«, bat der ChiefSuperintendent.« Offiziell darf ich Sie darum noch nicht mal bitten, Sie verstehen, aber rein privat wäre ich durchaus einverstanden, wenn Sie...« »Aber ohne jede Beschattung durch Ihre Mitarbeiter«, bat die Detektivin sich streng aus. »Selbstverständlich, Mylady.« »Meine Methoden sind ein wenig ungewöhnlich«, erklärte die ältere Dame , und, schmunzelte. »Ein Wenig« McWardens Stimme nahm einen überraschten Klang an. »Äh, ich möchte nichts gesagt haben, Mylady.« »Wie lange werde ich brauchen, Mr. Parker, bis ich diesen Fall gelöst
haben werde?« Sie wandte sich an Parker. »Möglicherweise können Mylady noch bis Einbruch der Dunkelheit den sprichwörtlichen Schlußstrich ziehen«, antwortete Josuah Parker gemessen. »Wirklich?« McWarden seufzte erleichtert auf. »Mir würden ein paar Steine vom Herzen fallen.« »Was wären Sie ohne mich, junger Mann!?« Lady Simpson funkelte den Chief-Superintendent boshaft an. »Aber ich habe wahrscheinlich eine Schwäche für Sie, die ich mir allerdings nicht erklären kann.« * Es ging auf den späten Nachmittag zu. McWarden war längst gegangen, und Lady Simpson sah sich die Beute von Parkers Taxifahrt aus der Nähe an. Die beiden Schläger Jim und Hale befanden sich in jenem Kellerraum, in dem sich bereits deren Partner Mel und Gus schon aufgehalten hatten. Jim und Hale saßen in den Stahlrohrsesseln und waren in ihrer Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt. Sie machten noch einen leicht verstörten Eindruck. »Machen wir es kurz«, sagte die ältere Dame grimmig. »Sie sollten also Mr. Waltham zu Brennan bringen, nicht wahr? Aha, Sie schweigen sich aus? Sie wollen eine hilflose Frau mit Verachtung strafen? Das nehme ich sehr übel. Mr. Parker, was schlagen Sie vor?«
Parker, der ein wenig seitlich hinter Mylady stand, trat einen halben Schritt vor. »Ich möchte Mylady dringend bitten, die beiden Herren der Polizei zu überantworten«, sagte er gemessen. »Papperlapapp, Mr. Parker!« Sie schüttelte unwillig-gereizt den Kopf. »Was bringt das schon? Ein paar Monate Gefängnis, nicht mehr und nicht weniger. Und was haben diese Subjekte in Wirklichkeit getan? Nichts anderes als ihre Partner Mel und Gus, oder etwa nicht?« »Nun ja, Mylady, auch diese beiden Gäste Myladys dürften einige Hände und Finger, ich möchte sagen, ruiniert haben.« »Was sind da schon ein paar Monate Gefängnis!« Lady Agatha war mit dieser Lösung überhaupt nicht einverstanden. »Nein, nein, es bleibt bei meinem Entschluß.« »Mylady, diese Lösung mußte man als ungewöhnlich grausam bezeichnen.« Parkers Stimme klang besorgt. »Aber sie ist gerecht.« Lady Agatha musterte die beiden Schläger Jim und Hale, die nun doch recht genau hinhörten. »Wir werden sie an die Gilde der Taschendiebe weiterreichen. Die sollen dann entscheiden, was aus diesen Subjekten wird.« »Diese Entscheidung, Mylady, dürfte sehr eindeutig und hart ausfallen.« »Sie glauben, man wird die Finger dieser beiden Lümmel ebenfalls behandeln?« »Dies, Mylady, steht durchaus zu befürchten.« Parker nickte zögernd.
»Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.« Agatha Simpson wandte sich ab. »Veranlassen Sie alles Notwendige, Mr. Parker! Ich will diese Kerle nicht mehr sehen.« Während sie noch redete, ging sie zur Tür. Für die resolute Sechzigerin schienen die Würfel endgültig gefallen zu sein. »Lady, bitte.« Jim verlor die Nerven. »Lady, wir... Ich... Also, ich werde reden.« »Schnickschnack, Sie wollen lügen.« »Wir reden«, versicherte nun auch Hale schnell. »Aber reichen Sie uns dann auch an die Polizei weiter, ja?« »Was haben Sie zu sagen?« Sie blieb ein wenig ungeduldig stehen und sah betont auf ihre Armbanduhr. »In zehn Minuten beginnt im Fernsehen eine nette Unterhaltungssendung, die ich mir ansehen will. Beeilen Sie sich also!« Die beiden Schläger Hale und Jim beeilten sich, ihre Karten auf den Tisch zu legen und verbreiteten sich kurz und knapp über einen gewissen Walter Brennan, dessen Plan zur Gründung einer Art Liga der Londoner Taschendiebe und nannten auch ohne Scheu und Scham den Namen des Informanten Waltham. Kurz, sie plauderten aus, was immer sie nur wußten. »Robert Waltham heißt der Informant also«, wiederholte Josuah Parker, als die beiden Plauderer sich ein wenig von der Hast ihrer Aussagen erholten. »Er hat, wenn ich das richtig verstanden habe, die Asse unter den Londoner Taschendieben ausfindig gemacht und sie an Sie weitergereicht?«
»Genau so ist es gewesen, Sir«, sagte Jim respektvoll. »Die dann von Ihnen behandelt wurden?« »Das ... Das haben Mel und Gus getan«, behauptete Hale. »Damit hatten wir nichts zu tun. Ehrenwort!« »Es wurden darüber hinaus gewisse Taschendiebe beschattet und verfolgt, die dieser Mr. Waltham nicht kennen konnte«, fragte Parker gezielt weiter. »Von wem stammten diese Informationen? Es muß sich um das handeln, was man einen Insider nennt. Diesen Namen möchten Mylady ebenfalls noch hören.« »Sie kennen vielleicht den Pub, in dem Will Gralton verkehrt, ja?« fragte Jim. »Eine Art Informationsbörse der Taschendiebe.« Parker nickte. Er dachte an Will Gralton und an den jungen Anfänger, der in seine Tasche gegriffen und von der Spezialfälle an den Fingern erwischt worden war. Parker lächelte unwillkürlich, was wirklich selten war. »Der Wirt vom Pub hat Brennan und uns die Tips und Adressen gegeben«, gestand Jim eifrig. »Der kennt doch alle >Drücker<, >Zieher< und >Träger<, Sir«, fügte Hale nicht weniger eifrig hinzu. »Brennan hat ihn unter Druck setzen lassen.« »Von den Herren Mel und Gus, wie ich vermute, oder?« »Von den beiden.« Jim nickte und bemühte sich um ein harmloses Aussehen. »Wir beide hier sind doch zweite Garnitur«, stapelte Hale tief.
»Nun, was meinen Sie, Mr. Parker?« Lady Agatha sah wieder ungeduldig auf ihre Armbanduhr. »Man sollte den Vorschlag der beiden Männer aufgreifen, Mylady, und sie der Polizei überstellen«, antwortete Butler Parker. »Die Aspekte der Humanität sollten stets Vorrang haben.« »Und wenn sie später alles abstreiten, Mr. Parker? Haben Sie daran schon mal gedacht?« »Dann könnte man ja die Namen der Herren an die Zunft der Taschendiebe weitergeben, Mylady.« »Also gut, ich bin einverstanden, aber gerecht finde ich diese Lösung überhaupt nicht«, meinte die ältere Dame grimmig. »Hoffentlich nehmen sie ihre Aussagen vor der Polizei zurück! Dann passiert endlich das, was ich mir gewünscht habe.« Die Zusammenarbeit zwischen Butler Parker und Lady Simpson klappte wieder mal ausgezeichnet. Sie spielte den grimmigen, Parker den versöhnlichen Part. Das alles hörte sich sehr überzeugend an, wie immer bei dem aufeinander eingespielten Team. * Später Nachmittag. Walter Brennan, der Gangster mit den ehrgeizigen Plänen, der den großen und einmaligen Schritt seines Lebens machen wollte, kaute wieder mal auf seinem Zigarrenstummel herum und wanderte in seinem Sheriff-Büro umher.
Seit Stunden wartete er ungeduldig auf ein Lebenszeichen von Jim und Hale. Sie meldeten sich einfach nicht. Sie schienen überhaupt nicht mehr zu existieren. Hatten sie nun diesen Waltham aus dem Hotel geholt? War ihnen etwas passiert? Hatten Parker oder die verrückte Lady sich wieder mal eingeschaltet? Brennan hatte keine Ahnung. Natürlich hatte er bereits damit gespielt, seine Zelte schleunigst abzubrechen. Was war, wenn zum Beispiel Gus und Mel redeten. Reichten ihre Aussagen vor der Polizei aus, ihn, Brennan, in Schwierigkeiten zu bringen? Nein, das war nicht der Fall. Im schlimmsten Fall stand Aussage gegen Aussage. Ihm, Walter Brennan, war überhaupt nichts nachzuweisen. Und was diesen Waltham betraf, so schien der sich inzwischen doch wohl abgesetzt zu haben. Hätten Jim und Hale sich sonst nicht schon längst melden müssen? An diesem Nachmittag war das Western Paradise geschlossen. Es handelte sich um einen sogenannten freien Nachmittag, den sein reguläres Personal brauchte, um notwendige Reparaturen auszuführen. Walter Brennan hatte hier draußen in Epping Forest weite, ausgedehnte Anlagen, die dem unschuldigen Vergnügen eines Großstadt-Publikums dienten: Es gab hier eine Western-Stadt mit dem Sheriff-Büro, in dem Brennan residierte, es gab eine Gocart-Bahn, es waren da Rutschbahnen und SkiPisten, die mit Spezialbrettern befahren werden konnten, die Rollen
besaßen, es gab hier eine kleine freie Wildbahn mit exotischen Tieren und dann eine Art Kleinzoo mit ein paar müden Löwen, einem lebergeschädigten Tiger und einigen noch recht munteren Geparden. Das alles besaß nicht gerade Format, doch hatte es bisher seinen Mann ernährt. Aber Brennan wollte höher hinaus, darum hatte er die Idee gehabt, Londons Taschendiebe allein für sich arbeiten zu lassen. Sie sollten von ihrer Beute mit rund zwanzig Prozent abgefunden werden, den Rest aber an ihn abliefern. Sein Prinzip für die Zukunft war sehr einfach, jedoch wirkungsvoll. Jeder von ihm bezahlte Taschendieb hatte an ihn pro Woche oder Monat einen bestimmten Betrag abzuführen. Dafür wurden dann seine Finger geschont. Wie sie diesen Betrag herbeischafften, war ihre Sache. Wer nicht zahlte, sollte auf die bereits bekannte Art bestraft und zur »Ordnung« gerufen werden. Walter Brennan horchte plötzlich auf. Von der Gocart-Bahn her war das Knattern eines Motors zu hören. Und das war natürlich irregulär. Um diese Zeit hatte auf der asphaltierten Bahn keiner etwas zu suchen. Wie gesagt, es war ein freier Nachmittag, und sein Western Paradise war schließlich geschlossen. An der Art des Motorengeräusch hörte Brennan, daß da eines der kleinen Motorfahrzeuge über die Bahn bewegt wurde und zwar mit beachtlicher Geschwindigkeit. Sollte sich einer seiner Angestellten
erfrecht haben, ein paar Freirunden zu drehen? Brennan verließ sein Sheriff-Büro, durchquerte den kleinen Zoo und blieb dann am Rand der Remise stehen, unter der Gocarts standen. Ihm fiel fast der Zigarrenstummel aus dem Mund. Was er sah, brachte sein Blut in Wallung. Auf dem Gocart, das um die mit alten Reifen ausgelegten Kurven donnerte, saß eine majestätisch aussehende Frau unbestimmbaren Alters, die einen Sturzhelm trug. Sie gab sich dieser wilden Jagd mit offensichtlich kindlichem Vergnügen hin. Brennan wußte, daß es sich nur um eine gewisse Lady Simpson handeln konnte. Sie hatte ihn also doch entdeckt. Sie war nicht rein zufällig hier. Sie wollte ihn eindeutig provozieren. Doch wo sie war, konnte auch Parker nicht weit sein. Walter Brennan hielt Ausschau nach ihm, konnte ihn aber nicht entdecken. Ob er sich hier auf dem Gelände umsah, während diese schrullige Lady kostenlos den Rundkurs befuhr? Brennan handelte jetzt nur noch automatisch. Wie unter Zwang lief er hinüber zu den kleinen Käfigen und entschied sich für die beiden Geparden. Sie wären wenigstens noch flink genug auf den Beinen, um diese verdammte Alte zu erwischen. Brennan war entschlossen, jetzt reinen Tisch zu machen. Eine günstigere Gelegenheit gab es wahrscheinlich nie wieder. *
Lady Agatha Simpson genoß dieses an sich unschuldige Vergnügen und merkte gar nicht, daß ihr zwei recht schnelle Verfolger auf den Fersen waren. Es handelte sich um zwei Geparden, die froh waren, endlich mal ihre Beine gebrauchen zu können. Sie sahen das sich bewegende Objekt und gaben sich ihrem Jagdinstinkt hin. Lady Agatha Simpson war immerhin in ihren Augen ein ordentlicher Brocken Fleisch, den zu jagen sich lohnte. Die geschmeidigen Tiere hetzten in langen Sätzen hinter der älteren Dame her, die sich gerade wieder mal in die Kurve legte und dann mit Vollgas eine lange Gerade anvisierte. Die beiden Geparde gaben ihrerseits Vollgas und näherten sich mit überraschender Leichtigkeit ihrem Opfer, das nach wie vor ahnungslos war. Walter Brennan stand neben der Remise und wartete darauf, daß die beiden Raubkatzen über Lady Simpson herfielen. Der Abstand zwischen den beiden Geparden und der Detektivin betrug nur noch wenige Meter. Gleich mußte es soweit sein. Plötzlich überschlug sich jedoch der Gepard, der der Lady bereits am nächsten war. Er schien von einem unsichtbaren Geschoß getroffen worden zu sein. Er rutschte auf dem Rücken über den Asphalt und segelte in einen Stapel alter Autoreifen, um den die ältere Dame gerade gekonnt herumsteuerte. Der zweite Gepard war wegen seines Schwungs nicht in der Lage,
diesem schnellen und plötzlichen Richtungswechsel zu folgen und schoß im wahrsten Sinne des Wortes über sein Ziel hinaus. Dann überschlug er sich ebenfalls und landete, diesmal auf dem Bauch hegend und alle Viere von sich streckend, in einem Fangzaun aus Maschendraht. Das Tier blieb danach regungslos. Walter Brennan vergaß zu atmen. Er konnte sich das lautlose Ausschalten der beiden Geparden nicht erklären. Wie gehetzt schaute er sich um und ... entdeckte Josuah Parker. Der Butler stand neben dem ersten Geparden und hatte seinen Fuß auf den Körper des Tieres gestellt. Mit seinen Händen hielt er eine Gabelschleuder modernster Bauart. Mit dieser Zwille, wie solch ein Gerät auch genannt wird, hielt er auf ihn, Walter Brennan ... Lady Simpson kurvte wieder heran und schien das alles nicht zu kümmern. Sie vergnügte sich wie ein Kind. Brennan wollte sich schleunigst in Sicherheit bringen, doch dazu war es bereits zu spät. Etwas sehr Hartes landete auf seiner Stirn. Er sah bunte Sterne, hatte das Gefühl, als explodiere sein Kopf, hörte sich noch stöhnen und verlor anschließend sehr nachhaltig sein Bewußtsein. * »Ich will es nicht glauben«, sagte Chief-Superintendent McWarden und beobachtete Lady Simpson, die nach wie vor ihre Kreise zog und dabei immer wieder Stapel von
Autoreifen zum Einsturz brachte, weil sie die Kehren zu eng nahm. »Sie dürfen versichert sein, Sir, daß Mr. Walter Brennan der, gesuchte Haupttäter ist«, antwortete Parker und deutete auf Brennan. »Das glaube ich Ihnen ohne weiteres«, antwortete McWarden. »Ich meine, was Mylady da treibt.« »Mylady will auf keinen Fall gestört werden«, meldete Butler Parker förmlich. »Mylady möchte diese einmalige Gelegenheit voll auskosten, zumal sie für die Runden kein Benutzungsgeld zu zahlen braucht.« »Und wo stecken die beiden Geparden?« fragte McWarden. »Wieder in ihren Käfigen«, sagte Parker höflich. »Gefahr besteht also nicht.« »Geparden fürchte ich nicht«, gab McWarden zurück. »Dann schon eher Mylady.« Er hatte von Parker mitgeteilt bekommen, daß zwei weitere Schläger und Brennans Informant Gast im Haus der älteren Dame waren und nur darauf warteten, der Polizei überstellt zu werden. McWarden wußte, daß der Fall gelöst war und folgte Parker, der sich hinaus zur Gocart-Bahn begab, um seine Herrin nicht aus den Augen zu lassen. Sie hielt knapp neben ihnen und sah McWarden auffordernd an. »Worauf warten Sie eigentlich noch?« fragte sie animiert. »Nehmen Sie sich solch ein Ding, junger Mann, und dann nichts wie los!« »Niemals, Mylady«, sagte McWarden und trat einen Schritt zurück.
»Dann sehen Sie in Zukunft mal, wer Ihnen aus der Patsche hilft«, drohte sie und gab Vollgas. »Was soll ich tun?« fragte der Chief-Superintendent und sah den Butler verstört an. »Vielleicht sollten Sie sich solch einem Gefährt anvertrauen, Sir«, schlug Parker vor. »Mylady verspricht sich möglicherweise ein entspannendes Wettrennen.« »Sie wird mich eines Tages noch umbringen«, seufzte McWarden und resignierte. Er setzte sich in einen der herumstehenden Wagen und ließ sich von Parker anschieben. Dann knatterte er hinter Mylady her. Parker blieb am Rand der Bahn stehen und sah zu, wie Lady Agatha den Chief-Superintendent zu überrunden trachtete. Parker hegte gewisse Befürchtungen, weil das Überholmanöver allem Anschein nach in der nächsten scharfen Kurve erfolgte. Als Mann der Übersicht und Vorsicht wandte Parker sich ab und ging zurück ins Sheriff-Büro, wo Brennan von McWardens Mitarbeitern bereits intensiv befragt wurde. »Ich möchte nicht stören«, sagte der Butler und lüftete höflich die schwarze Melone. Er wandte sich an Brennan. »Wo, bitte, befindet sich der >Erste-Hilfe-Kasten<, Mr. Brennan? Nach Lage der Dinge dürfte sein Inhalt in Kürze gebraucht werden. Mr. McWarden ist Lady Simpsons Temperament kaum gewachsen, fürchte ich.« Dann schloß der Butler für einen Moment die Augen. Bestimmte Schallwellen, die an sein Ohr
drangen, sagten ihm eindeutig, daß gewisse Dinge bereits passiert waren.
Parker empfand für McWarden tiefstes Mitleid ...
Mr.
ENDE scan: crazy2001 @09/2011 corrected: santos 22
Günter Dönges schrieb für Sie wieder einen
Nr. 175
Parker scheucht die >Sonnensöhne< Parker war ein wenig indigniert, als die Dame ihn >Bruder< nannte und ihm das große Glück des Lebens versprach. Sie war eine Tochter des Mo, wie sie behauptete, aber auch bereit, Ihm Privatunterricht In ihrem Zimmer zu geben. Über diese Tochter des Mo geriet Butler Parker dann wenig später an die Söhne der Sonne, die sich ausschließlich mit verschreckten Frauen befaßten. Lady Simpson und Butler Parker legten sich mit diesen skurrilen Sekten an und merkten bald, daß ein raffinierter Gangster der Kopf war, der auf schnelle Art und Weise zu viel Geld kommen wollte. Als seine Kreise gestört wurden, ging er zum Angriff über und hetzte seine Söhne und Töchter auf den Butler, der das gar nicht sonderlich schätzte. Günter Dönges schrieb einen neuen Parker-Krimi mit flotten Gags. Eine Story, In der gelacht werden darf, in der aber auch Hochspannung serviert wird. Ein echter Parker, den Sie nicht versäumen sollten.