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PARKER heizt dem Panther ein Ein Roman von Curd H. Wendt »Mylady wünschen, daß meine bescheidene Wenigkeit sich nach dem Weg erkundigt?« wollte Butler Parker wissen. Er lenkte sein hochbeiniges Monstrum über eine einsame Landstraße, während Agatha Simpson im Fond des Wagens mit einer voluminösen Pralinenpackung beschäftigt war. »Also haben Sie meine Anordnung doch richtig verstanden, Mister Parker«, gab die ältere Dame unwirsch zurück. »Wenn ich lebend wieder nach London zurückkehren soll, benötige ich auf der Stelle eine kleine Stärkung. Der Gasthof, von dem Mister McWarden sprach, muß doch ganz in der Nähe liegen…« Gerade kam ein kleines Haus am Straßenrand in Sicht, und der Butler nahm den Fuß vom Gas. Mit seinem hellroten Ziegeldach, den blank geputzten Butzenscheiben und dem üppig wuchernden Blumengarten wirkte das Häuschen recht einladend. Parker stoppte vor dem weiß gestrichenen Gartenzaun, verließ würdevoll sein Fahrzeug und wollte gerade an der frisch polierten Messingglocke ziehen, als ein furchtbarer Knall die friedliche Stille zerriß. Die Hauptpersonen: Professor Lawrence Lindsay: Seine brisante Entdeckung fasziniert nicht nur Wissenschaftler. Ray Marling täuscht vergebens eine Grippe vor. John Collings verfolgt mit gestohlenen Papieren politische Ziele. Le Cardiff will nur seinen Reibach machen. Butler Parker bringt seinem hochbeinigen Monstrum das Fliegen bei. Lady Agatha Simpson wird durch einen Bach an spontaner Rache gehindert. Eine mächtige Stichflamme schoß aus dem Dach eines flachen Anbaus, der hinter dem Haus zwischen Obstbäumen lag. Scheiben barsten, Glassplitter flogen als gefährliche Geschosse durch die Luft. Parker drückte sich in den Hauseingang, bis der prasselnde Dachpfannenregen vorüber war. »Diesen hinterhältigen Angriff werde ich sofort mit einer Gegenattacke beantworten«, vernahm er hinter sich das sonore Organ
seiner Herrin. Lady Agatha hatte den Wagen verlassen und marschierte mit finsterer Miene auf das Haus zu. Für sie stand bereits fest, daß sie nur mit knapper Not einem heimtückischen Anschlag auf ihr Leben entgangen war. Obwohl sie die Sechzig überschritten hatte und über eine geradezu beeindruckende Leibesfülle verfügte, konnte Agatha Simpson in solchen Momenten eine Dynamik entwickeln, die man ihr nie zugetraut hätte. Ihren Hut (oder was sie dafür hielt) hatte sie tief in die Stirn gezogen, die überdimensionalen Hutnadeln, die eher Bratspießen glichen, wippten bedrohlich. Auch der Pompadour, dessen lederne Riemen die Detektivin ums Handgelenk gewickelt hatte, war schon in lebhafte Schwingung geraten. Dieser lederne Beutel, der eher einem zu heiß gewaschenen Seesack als einem Damenhandtäschchen ähnelte, war mit buntlackierten, gußeisernen Perlen bestickt und hatte es in sich. Er enthielt Lady Simpsons sogenannten Glücksbringer, ein echtes Pferdehufeisen, das die ältere Dame aber aus humanitären Gründen in eine dünne Lage Schaumstoff gewickelt hatte. »Mister Parker, sehen Sie nach, wo diese Feiglinge sich verborgen halten«, ordnete sie an. »Ich will die Kerle zur Rede stellen und ihnen eine gehörige Lektion erteilen!« »Wie Mylady wünschen«, antwortete der Butler höflich und klopfte ein paar Glassplitter vom Ärmel seines Covercoats. »Man wird nichts unversucht lassen, um der Ursache dieser Explosion auf den Grund zu gehen.« In diesem Moment taumelte eine rußgeschwärzte Gestalt aus der Tür des Anbaus. »Feuer!« schrie der Mann mit zittriger Greisenstimme. »Hilfe, es brennt!« »Darf man sich erlauben, diesen Gartenschlauch zu benutzen, um den Flammen Einhalt zu gebieten?« erkundigte sich Parker. »Gartenschlauch? Was für ein Gartenschlauch?« fragte das Männchen verwirrt. Offenbar hatte die Explosion ihm einen gehörigen Schock versetzt. »Ach ja, der Gartenschlauch! Daß ich nicht gleich daraufgekommen bin!« Das Gartenhaus bot ein Bild der Verwüstung. Die heftige Detonation hatte das Dach abgedeckt und sämtliche Scheiben zertrümmert. Die Flammen hatten jedoch gerade erst begonnen, an der hölzernen Dachkonstruktion zu lecken. So hatte der Butler keine Mühe, das Feuer innerhalb weniger Minuten zu löschen.
»Leider ist mir ein kleines Mißgeschick unterlaufen«, sagte der Mann und versuchte, ein entschuldigendes Lächeln auf sein schwarzverschmiertes Gesicht zu zaubern. »Aber eigentlich war der Versuch ein voller Erfolg. Das sollten wir feiern! Ich habe noch einen feinen, alten Kognak im Haus.« Lady Agatha, die schon zu einer ihrer gefürchteten Ohrfeigen ausgeholt hatte, erstarrte mitten in der Bewegung, das Angebot machte sie unsicher. Wenn der Mann bereit war, seinen Kognak mit ihr zu teilen, konnte er eigentlich keine feindlichen Absichten hegen. Oder war die Einladung vielleicht eine List? »Sie werden doch nicht im Ernst annehmen, daß eine Lady Simpson in eine derart plumpe Falle tappt«, herrschte sie den Mann an, der instinktiv den Kopf einzog. »Erst versuchen Sie, mich in die Luft zu sprengen, und dann wollen Sie mich auch noch unter einem fadenscheinigen Vorwand in ihr Haus locken…« »Ich? Sie in die Luft sprengen?« rief der Mann entsetzt aus. »Nie könnte ich einem Menschen etwas zuleide tun. Bitte, nehmen Sie mir ab, daß es sich um einen bedauerlichen Unglücksfall handelte, Mylady! Alles Nähere kann ich Ihnen erklären, wenn Sie meine Einladung annehmen.« »Mit Ihren Ausflüchten können Sie eine Detektivin meines Formats nicht beeindrucken«, entgegnete die ältere Dame ungerührt. »Sie können den Kognak ja herausbringen, um zu zeigen, daß es Ihnen ernst damit ist. Ich werde mir inzwischen auf der Gartenbank eine Verschnaufpause gönnen.« Mit einem Obstbaumzweig fegte Parker die Glassplitter von der Bank, während der zierlich Gebaute zum Haus ging. »Mister Parker, begleiten Sie ihn, damit er keine Dummheiten macht«, verlangte die Detektivin. Dann ließ sie sich auf der Bank nieder, die unter ihrer Fülle bedrohlich ächzte, aber doch standhielt. * »Ich fürchte, ich habe eben versäumt, mich vorzustellen, Mylady«, erklärte der Gastgeber, als er mit der Kognakflasche und Gläsern in den Garten zurückkehrte. »Lindsay ist mein Name. Lawrence Lindsay, ehemals Professor der Chemie an der Universität zu Edinburgh.«
Lindsay hatte die wenigen Minuten genutzt, um sich von den ärgsten Spuren der Explosion zu befreien. Seinen rußverschmierten Laborkittel hatte er gegen einen frischen, schneeweißen getauscht. Wasser und Seife hatten seine natürliche Gesichtsfarbe wieder zum Vorschein gebracht. Außer ein paar Schrammen schien er unverletzt. Auch sein weißer Vollbart und der Haarkranz, der seine spiegelnde Kugelglatze umrahmte, waren nur geringfügig angesengt. Seine kleinen, hellblauen Augen hinter den frisch geputzten Gläsern der altmodischen Nickelbrille blickten freundlich und offen. Mylady wirkte etwas geistesabwesend. Sie hatte nur Augen für die bauchige Flasche, die der Professor auf den hölzernen Gartentisch stellte. Das Etikett eines renommierten französischen Abfüllers gefiel ihr auf Anhieb. Dagegen störte sie die Zahl der Gläser, die Lindsay mitgebracht hatte. »Mein Personal trinkt im Dienst keinen Alkohol«, erklärte sie kategorisch und schob das dritte Glas beiseite, während der Gastgeber einschenkte. »Daß es bei dem Experiment knallen würde – damit habe ich natürlich gerechnet«, begann der Chemieprofessor seinen Bericht. »Was die Stärke der Explosion angeht, muß ich mich allerdings um eine Potenz geirrt haben. Anders ist diese Wirkung bei nur zehn Milligramm explosiver Substanz nicht zu erklären. Das werde ich gleich nachher noch mal überprüfen.« »Darf man Ihre Erklärung so deuten, daß Sie in Ihrem Labor mit Sprengstoffen experimentiert haben, Sir?« ließ der Butler sich vernehmen. »Nicht ganz«, schränkte der Professor lächelnd ein. »Eigentlich ist die hochexplosive Substanz, die ich in jahrelangen Versuchsreihen entwickelt habe, nur ein Nebenprodukt.« »Allerdings ein recht interessantes Nebenprodukt, falls man sich diese Bemerkung erlauben darf«, entgegnete der Butler, während Mylady unter wohligem Schnalzen ihr Kognakglas leerte und sich von Lindsay gleich wieder nachfüllen ließ. »Hat meine Wenigkeit richtig vernommen, Sir, daß es sich lediglich um zehn Milligramm Sprengstoff handelte, die die recht beachtliche Detonation auslösten?« »Genaugenommen, waren es sogar, nur 9,8«, bestätigte der Gelehrte stolz. »Das eigentliche Ziel meiner Versuchsreihe ist aber noch wesentlich interessanter.«
»Dabei kann es sich doch nur um die Entwicklung einer neuartigen Waffe handeln«, tippte die Detektivin, doch Lindsay hob abwehrend die Hände. »Das sei fern von mir«, rief er aus. »In dieser Hinsicht haben meine Kollegen schon genug Unheil angerichtet! Der Zweck meiner Untersuchungen ist rein wissenschaftlicher Art.« »Darf man sich denn in aller Bescheidenheit nach diesem Zweck erkundigen, Sir?« ließ Parker sich vernehmen. Lawrence Lindsay zögerte einen Augenblick. Ein verlegenes Lächeln glitt über sein faltiges Gesicht. »Seit heute ist ein uralter Traum der Menschheit in greifbare Nähe gerückt«, verriet er und dämpfte seine Stimme zu geheimnisvollem Raunen. »Woran die Alchimisten des Mittelalters vergeblich gearbeitet haben – die Verwandlung von Steinen in Gold – das werde ich mit den Mitteln der modernen Naturwissenschaft vollenden.« »Steine in Gold verwandeln?« Lady Agatha wurde hellhörig. »Geht das denn überhaupt, Mister Kinsey?« »Verzeihung, Mylady, Lindsay ist mein Name«, korrigierte der Professor. »Ich habe Ihren Namen schon richtig verstanden, Mister Finley«, beharrte die Detektivin. »Wie war das mit dem Gold und den Steinen?« »Nun, aus Geschichtsbüchern ist Ihnen vermutlich bekannt, daß es im Mittelalter Forscher gab, die es sich in den Kopf gesetzt hatten, Steine in Gold zu verwandeln«, erläuterte Lindsay. »Geniale Geister arbeiteten wie besessen an dieser Aufgabe, aber sie mußten scheitern, weil sie noch zu sehr dem magischen Denken verhaftet waren und nicht über die nötigen technischen Hilfsmittel verfügten.« »Und welches sind die technischen Hilfsmittel, die man zur Herstellung von Gold benötigt?« Agatha Simpson machte kein Hehl aus ihrer Neugier. »Vor allem fehlte es den Alchimisten an der nötigen Prozeßwärme«, erläuterte der Chemiker. »Ihre Holzfeuerchen waren bei weitem nicht heiß genug, um die entsprechende Reaktion einzuleiten.« »Demnach kann und darf man also davon ausgehen, Sir, daß es Ihnen gelungen ist, die benötigte Temperatur zu erzeugen?« fragte Parker, und sein Gegenüber nickte. »Heute zum erstenmal«, bestätigte Lindsay und strahlte, als hät-
te ihm der Postbote einen Lottogewinn ins Haus gebracht. »Allerdings muß ich einräumen, daß sich dieser chemische Prozeß für kurze Zeit meiner Kontrolle entzogen hat. Die Folgen haben Sie gehört und gesehen.« »Zum Zeitpunkt der Detonation war für meine Wenigkeit allerdings nicht erkennbar, daß es sich lediglich um die begleitenden Geräusche eines wissenschaftlichen Experimentes handelte«, wandte der Butler ein. »Darf man vermuten, Sir, daß Sie mit diesen Versuchen schon längere Zeit beschäftigt sind?« »Seit drei Jahrzehnten«, bestätigte Lindsay stolz. »Als ich damit anfing, war ich noch Professor an der Edinburgher Hochschule. Die Labors dort waren natürlich besser ausgestattet als meine Gartenlaube hier. Aber als ich siebzig wurde, schickten sie mich in Pension.« »Demnach darf man annehmen, daß Sie es vorgezogen hätten, sich noch länger Ihren Forschungen an der Universität zu widmen, Sir?« erkundigte sich der Butler. »Selbstverständlich«, rief Lindsay aus. »Aber offenbar hatten sie an der Hochschule Angst, ich könnte meine Experimente wirklich erfolgreich abschließen. Dann wären diese naturwissenschaftlichen Fachidioten nämlich alle gründlich blamiert gewesen.« »Die Leute haben Ihnen nicht geglaubt, daß Sie aus Steinen Gold machen können, Professor?« vergewisserte sich die Detektivin. »Sie wollten es nicht wahrhaben«, korrigierte Lindsay. »Aber es gibt wahrhaftig mehr Dinge im Himmel und auf Erden, als sich die Schulweisheit meiner ehemaligen Kollegen träumen läßt. Sobald das Labor wieder aufgeräumt ist, werde ich den heutigen Versuch wiederholen. Und dann ist es bis zur tatsächlichen Umwandlung von Steinen in Gold nur noch ein kleiner Schritt.« Mit großen Augen starrte Agatha Simpson ihr Gegenüber an und vergaß fast, das volle Glas zu leeren, das sie in der Hand hielt. »Dann wären Sie ja mit einem Schlag der reichste Mann der Welt!« stellte sie fest, aber Lindsay schüttelte den Kopf. »Darum geht es mir doch gar nicht«, erklärte er. »Ich bin inzwischen fast neunzig und habe keine Erben. Was sollte ich mit so viel Geld? Ich bin schon zufrieden, solange ich meine wissenschaftlichen Arbeiten fortführen kann. Außerdem dürfte der Goldpreis in den Keller fallen, sobald es gelingt, das Metall in großen Mengen künstlich herzustellen.« »Meinen Sie wirklich, Professor?« Auf Lady Agathas Stirn stand
eine nachdenkliche Falte. Sie nahm sich vor, noch heute abend Mike Rander zu fragen, welche Konsequenzen es für ihr eigenes Vermögen haben konnte, wenn der Goldpreis tatsächlich »in den Keller fiel.« * Ein knatterndes Geräusch, das sich auf der Landstraße näherte, riß die Detektivin aus ihren Gedanken. Kurz darauf klappte das Gartentor, und zwischen den Rosenbüschen tauchte ein junger Mann in Bluejeans und einem verschlissenen Armee-Parka auf. »Das ist Ray Marling«, stellte der Professor vor. »Er kommt täglich vorbei, um mir in Haus und Garten zu helfen. Außerdem interessiert er sich natürlich auch für meine Experimente.« Der Ankömmling mochte knapp 20 sein. Er trug sein pechschwarzes Haar fast schulterlang. Die dunklen Augen unter den buschigen Brauen wanderten unstet hin und her. »Was ist denn passiert, Professor?« rief er aus und deutete auf das demolierte Gartenhaus. »Ich habe den Knall bis ins Dorf gehört. Hoffentlich sind Sie nicht verletzt?« »Ich – verletzt?« lachte Lindsay unbekümmert, als sei Marlings Vermutung völlig abwegig. »Du weißt doch, daß ich einen Schutzengel habe, mein Junge.« »Aber was war das für eine Explosion?« wollte Ray Marling wissen. »Ich habe dir doch von dem Problem mit der Prozeßwärme erzählt«, begann der Chemiker. »Ja und?« »Heute ist ein großer Tag! Zum erstenmal ist es mir gelungen, für ein paar Millisekunden die notwendige Temperatur zu erzeugen«, setzte der Professor den jungen Marin ins Bild. »Wirklich?« staunte Ray. »Daran haben Sie doch jahrelang gearbeitet?« »Stimmt«, bestätigte Lindsay froh gelaunt. »Und heute wird gefeiert! Komm, setz dich zu uns und trink ein Glas mit, Ray!« »Nein, danke«, gab der Junge zurück. »Ich mag doch keinen Schnaps.« Er musterte Lady Simpson und ihren Butler mißtrauisch, bevor er zum Gartenhaus hinüberging, um das verwüstete Labor in Augenschein zu nehmen.
»Da gibt es noch eine Frage, auf deren Beantwortung meine Wenigkeit außerordentlichen Wert legen würde, Sir«, nahm Parker das unterbrochene Gespräch wieder auf. »Fragen Sie nur«, ermunterte Lindsay ihn. »Vermutet man richtig, daß es sich bei der schon erwähnten explosiven Substanz um eine grundsätzlich neuartige Entwicklung handelt?« wollte der Butler wissen. »Mit herkömmlichen Sprengstoffen dürfte bei derart geringen Mengen keine solch beeindruckende Wirkung zu erzielen sein, falls meine Wenigkeit sich nicht täuscht.« »Es handelt sich um außerordentlich kompliziert zusammengesetzte Kristalle«, verriet der Wissenschaftler bereitwillig. »Ich könnte Ihnen die Formel aufschreiben, aber dafür wäre schon eine große Schulwandtafel nötig.« »Man wäre eher an den Gebrauchseigenschaften dieses Stoffes interessiert«, wandte der Butler ein. »Die Arbeit mit solch einer Substanz dürfte nicht gerade risikolos sein, falls diese Bemerkung gestattet ist.« »Im Gegenteil«, antwortete Lindsay. »Der Stoff ist völlig ungefährlich – im Prinzip. Wegen ihrer speziellen Zusammensetzung können die Kristalle zwar unvorstellbare Mengen Sauerstoff binden, was zur Entwicklung der enormen Hitze führt, aber das geschieht nur unter ganz bestimmten Bedingungen.« »Diese Bedingungen waren es, nach denen meine bescheidene Wenigkeit sich zu erkundigen gedachte«, erklärte der Butler. »Lindsaynit, wie ich es genannt habe, verfügt über geradezu ideale Eigenschaften«, setzte der Professor seine Erläuterungen fort. »Sie können die Kristalle ins Feuer werfen, ohne daß etwas geschieht. Sie können darauf herumtrampeln oder sie mit anderen Chemikalien mischen, die sich an der Luft selbst entzünden. Das ist alles völlig ungefährlich. Andererseits behält Lindsaynit seine Explosivität auch unter Wasser. Die chemische Reaktion, die Sie vorhin miterlebt haben, läuft nur ab, wenn die Kristalle mit einer bestimmten Frequenz in Schwingung gesetzt werden. Alles, was man braucht, ist ein kleiner Ultraschallgenerator, der die benötigten Frequenzen erzeugt.« »In der Tat eine bemerkenswerte Entwicklung, die nicht nur von der Wissenschaft mit großem Interesse aufgenommen werden dürfte«, bemerkte Parker. »Nicht nur von der Wissenschaft?« fragte Lindsay mit gerunzelter
Stirn. »Wie meinen Sie das?« »Ein Sprengstoff mit den Eigenschaften von Lindsaynit dürfte bei skrupellosen Gangstern oder Terroristen ebensoviel Begehrlichkeit wecken wie bei machthungrigen Politikern, falls man sich diese Anmerkung erlauben darf«, gab Parker zur Antwort. »Ohne meine ausführlichen Versuchsprotokolle, die rund fünfhundert Seiten umfassen, ist die Herstellung von Lindsaynit unmöglich«, entgegnete der Professor, »und die habe ich in einen Stahlschrank eingeschlossen, dessen Schlüssel ich stets bei mir trage.« Inzwischen war Ray Marling aus dem Gartenhaus zurückgekehrt. »Das Labor ist ja ein einziger Trümmerhaufen«, kommentierte er. »Da werden wir eine Weile brauchen, bis alles wieder aufgeräumt ist und funktioniert. Aber zum Glück hat der Stahlschrank mit den Unterlagen nichts abbekommen.« »Wir zwei kriegen das schon wieder hin«, tröstete der Professor. »Gleich morgen früh werden wir die Ärmel aufkrempeln und alles in Ordnung bringen. Ich fühle mich bärenstark und jugendfrisch nach dem heutigen Erfolg.« »Allerdings sollten Sie nicht vergessen, mein lieber Professor, daß Sie gefährlich leben«, mahnte Lady Agatha und streifte die inzwischen fast leere Flasche mit wehmütigem Blick. »Wieso gefährlich?« entgegnete Lindsay. »Ich habe Ihnen doch gerade erklärt, Mylady, daß Lindsaynit absolut ungefährlich ist – im Prinzip.« »Ich meine nicht den Stoff, den Sie erfunden haben«, entgegnete Agatha Simpson. »Sondern?« »Vertrauen Sie der langjährigen Erfahrung einer wirklich kompetenten Detektivin, wie ich es bin«, erklärte die ältere Dame. »Die Unterwelt wird nicht ruhen, bis sie sich in den Besitz dieses Sprengstoffes gebracht hat.« »Sie sind Detektivin?« fragte Ray überrascht und maß die Sechzigjährige mit ungläubigem Blick. »Sie sind noch sehr jung und unerfahren«, entgegnete die Detektivin. »Deshalb ist es erklärlich, daß Sie von meinen Taten noch nichts vernommen haben. Meine Erfolge sind ebenso einzigartig wie meine Ermittlungsmethoden.« »Die Äußerung, die Mylady soeben getan hat, kann meine Wenigkeit nur mit allem Nachdruck unterstreichen«, pflichtete der But-
ler ihr bei. »Ich will nicht hoffen, daß ich Ihre Hilfe in Anspruch nehmen muß, Mylady«, meinte Lawrence Lindsay. »Wer sollte sich schon in diese Einöde verirren?« »Ich habe Sie gewarnt, Mister Pinclay«, verkündete Lady Simpson bedeutungsvoll. »Mein untrüglicher Spürsinn sagt mir, daß die Verbrecher nicht lange auf sich warten lassen. Aber fürchten Sie sich nicht! Sie stehen unter meinem persönlichen Schutz. Sollte Ihnen etwas zustoßen, so benachrichtigen Sie einfach meinen Butler. Ich werde dann alles Nötige veranlassen.« »Das ist ja sehr beruhigend«, erklärte Lindsay und lachte. »Hoffentlich bin ich auch noch in der Lage, Ihren Butler zu informieren, wenn mir wirklich etwas zustoßen sollte…« Die Kognakflasche hatte ihren letzten Tropfen gespendet, und Lindsay erklärte mit Bedauern, er habe sonst nichts Trinkbares im Haus – außer Tee. Das war für Mylady das Signal zum Aufbruch. Lindsay begleitete seine Gäste zum Wagen, während Ray Marling ins Haus ging. »Ich rufe nur eben meinen Vater an, Professor«, erklärte der junge Mann. »Er weiß gar nicht, wo ich stecke, und macht sich vielleicht Sorgen.« * »Ein ausgesprochen reizender Mensch, dieser Professor!« stellte Lady Agatha fest, als sie wieder im Fond des Wagens Platz genommen hatte und Parker sein hochbeiniges Monstrum in Richtung London rollen ließ. »Ich habe sofort gewußt, daß die Explosion nur ein kleines Versehen war. Ihnen fehlt eben meine Erfahrung und mein geradezu hellseherischer Spürsinn, Mister Parker! Sonst wäre selbst Ihnen klargeworden, daß es sich nicht um einen Anschlag handeln konnte.« »Bedauerlicherweise kann meine bescheidene Wenigkeit sich nicht erinnern, von einem Anschlag gesprochen zu haben«, gab der Butler höflich zurück. »Falls Mylady gestatten, würde man sich aber Myladys Einschätzung im Hinblick auf die Person Professor Lindsays ausdrücklich anschließen.« »Wenigstens sind Sie einsichtig, Mister Parker«, bescheinigte die resolute Dame ihm. »Wenn es bei Ihnen auch immer etwas länger dauert.«
»Man dankt aufrichtig für dieses unverdiente Lob, Mylady«, ließ Parker sich vernehmen. Ein Blick in den Rückspiegel bestätigte ihm, daß der hellblaue Käfer immer noch mithielt. In einem Dorf, das sie eben passiert hatten, war das Fahrzeug aus einer Seitenstraße gekommen. Trotz des recht zügigen Tempos, das Parker vorlegte, hatte sich der offenbar streckenkundige Fahrer nicht abhängen lassen. »Der gute Professor wird bald froh sein, wenn ich meine schützende Hand über ihn halte«, fuhr die Detektivin fort und nahm sich der Reste an, die sie noch in der Pralinenschachtel gefunden hatte. »Wenn sich bei ihm erst mal das Gold häuft, weil er alle Steine in seinem Garten verwandelt hat, werden auch die Verbrecher nicht lange auf sich warten lassen.« »Falls Mister Lindsay mit seinen Experimenten tatsächlich den erhofften Erfolg haben sollte, müßte man mit einer solchen Entwicklung zweifellos rechnen«, pflichtete der Butler ihr bei. »Allerdings dürfte auch der von ihm entwickelte Sprengstoff eine starke Anziehungskraft auf zwielichtige Elemente ausüben, falls man sich diesen Hinweis erlauben darf.« »Der Sprengstoff?« fragte Mylady entgeistert. »Davon sprach ich doch soeben, Mister Parker.« Durch die Bemerkung des Butlers war ihr aufgegangen, daß sie sich vergaloppiert hatte. Nun versuchte sie, die Peinlichkeit durch Dreistigkeit aus der Welt zu schaffen, was ihr bei Parkers sprichwörtlicher Höflichkeit auch ohne weiteres gelang. »Wie ich schon sagte, Mister Parker«, fuhr sie fort, »wird die Unterwelt nicht ruhen, bis sie Mister Kinsey sein Gold, nein, seinen Sprengstoff geraubt hat.« Woran lag es nur, daß ihr das Gold nicht aus dem Kopf ging? Nachdenklich schob sie sich die letzte Praline in den Mund. »Sie sollten sich deshalb darauf einstellen, Mister Parker, daß Sie mich schon bald bei einem Einsatz begleiten können«, kündigte die Detektivin an. »Den hartgesottenen Burschen, die es auf Professor Linseys Sprengstoff abgesehen haben, ist ja doch niemand gewachsen außer mir.« »Die Gelegenheit zu ersten Kontakten mit möglichen LindsaynitInteressenten dürfte sich sehr kurzfristig ergeben, falls man sich nicht gründlich täuscht«, meldete Parker in diesem Moment. Eben war er von der untergeordneten Landstraße auf die breite Autopiste eingebogen, die in Richtung City führte. Der hellblaue
Käfer holte auf. Offenbar hatte sein Fahrer Angst, im dichten Verkehr die Spur des Butlers zu verlieren. »Wollen Sie damit sagen, daß ich verfolgt werde, Mister Parker?« fragte Agatha Simpson hoffnungsfroh. »Mylady haben den Tatbestand, den meine Wenigkeit mitzuteilen gedachte, bereits in aller Deutlichkeit genannt«, gab der Butler zurück. »Das habe ich doch schon die ganze Zeit geahnt, Mister Parker«, schwindelte die ältere Dame ungeniert. »Ohne Zweifel handelt es sich um den weißen Austin. Das sieht eine Detektivin mit meinen Fähigkeiten sofort.« »Meine Wenigkeit hatte eher den hellblauen Käfer im Auge, der Mylady schon seit einer Viertelstunde folgt«, gab Parker zurück. »Richtig, der hellblaue Käfer! Den meinte ich natürlich auch, Mister Parker«, bestätigte die Detektivin, obwohl sie das Verfolgerfahrzeug überhaupt noch nicht bemerkt hatte. Sich zum Rückfenster umzudrehen, war bei ihrer Statur mit einigen Strapazen verbunden, die sie haßte. »Wo ich diese unverschämten Burschen stelle, überlasse ich natürlich Ihnen, Mister Parker«, gestattete Agatha Simpson großzügig. »Sie wissen ja, daß ich mich um solche Details nicht kümmern kann. Auf jeden Fall werde ich den Kerlen aber einen Denkzettel verpassen, den sie bis an ihr Lebensende nicht vergessen.« »Selbstverständlich wird man bemüht sein, Myladys Wünschen in vollem Umfang zu entsprechen«, versicherte der Butler. Bedächtig trat er das Gaspedal ein Stück weiter durch. Mit leisem Ruck schaltete sich das leistungsstarke Renntriebwerk ein, das Parker unter der schwarzen, eckigen Haube hatte installieren lassen. Leises Beben ging durch die stahlgepanzerte Karosserie, als das hochbeinige Gefährt davonzog. Der Nachmittagsverkehr war jedoch zu dicht, um die verblüffende Schnelligkeit des einstigen Taxis voll ausspielen zu können. Der Käfer, der ebenfalls über eine frisierte, hochtourige Maschine verfügen mußte, lag weiterhin dicht auf. Ohne Vorwarnung ging der Butler scharf auf die Bremse und verließ an der nächsten Abzweigung die Hauptstraße. Der Käferfahrer reagierte, so gut es sein Fahrzeug erlaubte. Wie ein Besessener kurbelte er am Lenkrad und zog sein Fahrzeug mit wimmernden Reifen durch die Kurve. Fast hätte er es geschafft. Doch dem Hochleistungsfahrwerk, über
das Parkers eckige Kiste verfügte, waren die Beinchen des Käfers nicht gewachsen. Am Ausgang der langen Schleife wollte der Wagen partout nicht wieder in die Gerade zurück. Unter gräßlichem Quietschen schleuderte das Heck des Käfers zur Seite und prallte mit voller Wucht gegen den Mast einer Straßenlampe. Das Rücklicht splitterte, Kotflügel und Stoßstange bekamen Knicke und Beulen ab. Klirrend und scheppernd schlug die abstürzende Neonlampe auf das Wagendach. Aber noch gab der Fahrer nicht auf. * In der Gegend, in die Parker den Käferfahrer danach lockte, kannte er sich ebensogut aus wie in den unergründlichen Taschen seines schwarzen Covercoats. Es handelte sich um einen der fast dörflich wirkenden Randbezirke der Millionenstadt, wo sich zwischen den Siedlungen noch Wiesen, Felder und kleine Waldstücke ausbreiteten. Durch diese Landschaft schlängelte sich ein sanfter Bach, der sich nur nach starken Regenfällen in einen reißenden Fluß verwandelte. Über den Bach führte ein schmaler Wirtschaftsweg, den der Butler gelegentlich als Abkürzung benutzte. Deshalb wußte er, daß die kleine Brücke, die über den Bach führte, schon seit dem letzten Winter eingestürzt war. Damals hatte das Hochwasser einen Baumstamm gegen die altersschwache Konstruktion geschwemmt. Da der Weg jedoch nur wenig befahren wurde, hatte man die Reparatur immer wieder hinausgeschoben und sich damit begnügt, auf beiden Seiten Sperrbalken und Warnschilder aufzustellen. Bis zu der Stelle, an die der Butler seine Verfolger zu führen gedachte, waren es noch etwa drei Meilen. Zeit genug, um ein wenig das gehetzte Wild zu spielen. Parker ließ den Käfer, der etwas an Boden verloren hatte, so dicht aufschließen, daß er die Gesichter des Fahrers und seines Beifahrers schon fast im Rückspiegel erkannte. Dann gab er wieder Vollgas und ließ sein hochbeiniges Monstrum davonsausen. In der nächsten Kurve nahm er wieder den Fuß vom Gaspedal und ließ das Fahrzeug ausrollen. Der Käferfahrer, der Sekunden später um die Ecke geschossen kam, vollzog eine panische Not-
bremsung, um nicht auf das Hindernis aufzuprallen. Dieses Spiel, das sich auf die Nerven und die Konzentration des Verfolgers nicht gerade vorteilhaft auswirkte, trieb der Butler so lange, bis am Ende einer längeren Geraden die kleine Brücke, genauer gesagt ihre Reste, auftauchte. Die hölzerne Absperrung mit den Warnschildern stand noch immer da. Ein gelber Umleitungspfeil wies in einen noch schmaleren Wirtschaftsweg, der unmittelbar vor der Brücke im rechten Winkel abbog und bachaufwärts verlief. Wieder ließ Parker den Käferfahrer dicht aufschließen, um seine Sicht nach vorn einzuschränken. Dann trat er plötzlich das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Mit aufröhrender Maschine jagte sein schwerfällig wirkendes Gefährt auf die Reste der kleinen Brücke zu. Immer näher kam die rotweiße Absperrung. Parker erinnerte sich genau, daß der Bach an dieser Stelle kaum breiter als fünf Meter war. Was ein einigermaßen sportlicher Mensch mit Anlauf geschafft hätte, würde sein hochbeiniges Monstrum auch schaffen. Auch der Käferfahrer holte aus seinem Wagen heraus, was die frisierte Maschine hergab. Er wollte auf keinen Fall den Anschluß verpassen. Mit trockenem Knall flogen die grell lackierten Balken beiseite, als Parkers schwarzer, eckiger Kasten die Absperrung durchbrach. Für Sekundenbruchteile drehten sich die Räder in der Luft, dann setzte der Wagen auf der gegenüberliegenden Seite des Baches auf und kam mit quietschenden Reifen zum Stehen. »Ich werde mich beim Bürgermeister über diese holprige Wegstrecke beschweren«, empörte sich Lady Agatha im Fond. Daß sie soeben einen Flug und eine perfekte Landung miterlebt hatte, war ihr entgangen. »Man bittet Mylady in aller Form um Vergebung für die kleine Erschütterung«, ließ Parker sich vernehmen. »Die etwas unkonventionelle Fahrweise war jedoch erforderlich, um Myladys Verfolger zu stellen, falls man sich diesen Hinweis erlauben darf.« Der Käferfahrer hatte nur einen kleinen Fehler gemacht, als er Parkers Fahrzeug durch die Absperrung brechen und über den Bach fliegen sah: Er hatte einen Moment gezögert, ob er folgen
oder sein Fahrzeug durch eine Notbremsung vor dem Bach zum Stehen bringen sollte. Die Konsequenzen dieser kurzen Unentschlossenheit waren fatal. Als der Fahrer sich entschloß, doch in die Bremse zu steigen, trennten ihn nur noch ein paar Meter von dem Widerlager der kleinen Brücke. Mit blockierenden Rädern schlitterte das Auto auf die steinerne Rampe zu. Dabei wirkte das gemauerte Geländer wie ein Trichter, der jeden Ausbruchsversuch nach rechts oder links von vornherein zum Scheitern verurteilte. Wäre das Pflaster der Brückenrampe nicht so rutschig gewesen – vielleicht hätte es sogar noch gelangt. Mit dem letzten Rest an Fahrt glitt der Wagen auf die senkrecht abfallende Kante zu Verzweifelt hielt der Fahrer das Lenkrad umklammert und versuchte, sein Fahrzeug vor dem unaufhörlich näher rückenden Abgrund zurückzureißen. Doch das Lenkrad war kein Zügel und der Käfer kein Pferd, das einem solchen Befehl seines Reiters gefolgt wäre. Sanft rollten die Vorderräder des Autos über die Betonkante. Der Käfer neigte sich nach vorn und rutschte unter ohrenbetäubendem Kreischen auf dem Bodenblech weiter, bis er endgültig das Übergewicht bekam und kippte. Unter lautem Klatschen tauchte die Nase des Autos in den Bach, der nach den gewittrigen Regenfällen der letzten Tage beachtlich angeschwollen war. Als die Fluten über der Motorhaube zusammenschlugen, hingen die Hinterräder noch oben auf der Rampe. Glucksend umspielte das Wasser Scheibenwischer und Türgriffe, während Fenster, Dach und Heck des Wagens aus dem Wasser ragten. Die beiden Insassen waren unsanft mit den Köpfen gegen die Windschutzscheibe gestoßen, schienen sich aber nicht ernsthaft verletzt zu haben. Während Parker und Mylady ihr Fahrzeug verließen und sich dem Bach näherten, versuchten die Männer unter Aufbietung aller Kräfte, die Türen des Käfers gegen den Druck des Wassers aufzustemmen. Dabei hatte der Fahrer von vornherein schlechte Karten, weil die Strömung gegen seine Tür drückte. Aber auch das Bemühen des Beifahrers war nicht von Erfolg gekrönt. Offenbar hatte sich die Karosserie beim Sturz in den Bach verzogen. Fluchend kurbelten beide schließlich ihre Fenster herunter und kletterten ins Freie. In der reißenden Strömung waren die Männer zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um auf Butler Parker und sei-
ne Herrin zu achten. Erst als sie triefend naß das steile, mit Disteln und Kletten bewachsene Ufer neben der Brückenrampe erklommen hatten, warfen sie haßerfüllte Blicke hinüber. »Darf man der Hoffnung Ausdruck verleihen, daß die Herren ihren etwas mißglückten Flugversuch ohne körperliche Schäden überstanden haben?« ließ Parker sich vernehmen. »Verdammtes Kapitalistenpack!« schrie einer der jungen Männer, die beide in verschlissenen Jeansanzügen steckten, statt einer Antwort über den Bach. »Euch werde ich’s zeigen!« Rasch lief er auf einen Haufen Pflastersteine zu, die neben der Brückenrampe lagen. Doch Parker, der schon mit einer unfreundlichen Reaktion gerechnet hatte, durchkreuzte die Absichten nachhaltig. Ehe sein Gegner sich nach den Steinen bückte, hatte der Butler schon seine Gabelschleuder aus einer Innentasche des Covercoats gezogen und eine hartgebrannte Tonmurmel in die Lederschlaufe gelegt. Während der Mann nach einem der Steine griff, spannte Parker die kräftigen Gummistränge und visierte sein Ziel an. Dann ließ er die Murmel davongleiten. Sie tippte gegen das Handgelenk des Mannes, als er seine Hand gerade erhoben hatte, um den schweren Pflasterstein in Parkers Richtung zu schleudern. Wie ein getretener Hund jaulte er und ließ prompt das Wurfgeschoß fallen. Der Zufall wollte es, daß der Stein ausgerechnet auf seinen linken Fuß plumpste, der in einem durchlöcherten Turnschuh steckte und deshalb gegen derartige Belastungsproben nur unzulänglich geschützt war. Der Bedauernswerte wußte nicht, ob er sich zuerst um sein rasch schwellendes Handgelenk oder um den stechenden Schmerz im großen Zeh kümmern sollte. Jammernd hüpfte er auf einem Bein herum und ließ sich schließlich erbärmlich wimmernd zu Boden sinken. Sein Pech war, daß er sich dabei mitten in eine schlammige Pfütze setzte, die noch an die Regenfälle der vergangenen Tage erinnerte. Es fiel ihm aber nicht weiter auf, weil er sich an die Nässe in seinen Kleidern ohnehin schon gewöhnt hatte. Sein Kampfgenosse war in der Zwischenzeit jedoch nicht untätig geblieben. Er ging dabei allerdings weniger impulsiv zu Werke. Parker hatte registriert, wie der junge Mann kniend hinter einem
kleinen Busch in Deckung gegangen war. Als ein Windstoß die Zweige zur Seite drückte, war deutlich zu erkennen, daß er ebenfalls eine Gabelzwille aus der Tasche zog. Ohne seinen Kopf über den Busch zu erheben, drehte er sich vorsichtig um, offenbar in der Absicht, auf dem Weg nach einem geeigneten Kieselstein zu suchen. Leider entging ihm dabei, daß er Parker und Lady Agatha seinen stramm gespannten Hosenboden zuwandte. Mit routinierten Handgriffen löste der Butler den kleinen Sicherungsknopf am bleigefüllten Bambusgriff seines altväterlich gebundenen Universal-Regenschirmes und klappte die Spitze im rechten Winkel nach unten. Dann legte er den Schirm wie ein Gewehr an und zielte auf die Sitzfläche des Mannes, der offenbar immer noch nicht den richtigen Stein gefunden hatte. Einen Moment später glitt ein gefiederter Pfeil aus dem hohlen Schaft und schwirrte zum anderen Ufer hinüber. Mit entsetztem Aufschrei faßte der Mann mit beiden Händen nach seinem verlängerten Rücken, als sich die Spitze durch das Tuch seiner Hose bohrte. Wie von einer Tarantel gestochen, sprang er in die Höhe und vergaß völlig, daß er jetzt nicht mal mehr durch den kleinen Busch geschützt war. Plötzlich blieb er jedoch wie angewurzelt stehen. Sein Gezeter verstummte. Die Arme fielen schlaff herab. Als habe er aus der Ferne Musik gehört, begann er ein paar ungeschickte Tanzschritte und wiegte sich in den Hüften. Da er jedoch allmählich in den Knien einknickte, war die Vorstellung schnell beendet. Mit verträumtem Lächeln auf dem Gesicht ließ er sich zu Boden sinken und bettete sich wohlig seufzend ins weiche Gras. »Mörder!« brüllte da der andere, der den Vorgang aus dem Versteck hinter dem gemauerten Geländer beobachtet hatte. »Ihr habt meinen Genossen umgebracht!« »Darf man den Herrn höflichst bitten, aus einer kurzen Bewußtlosigkeit keine voreiligen Schlüsse ziehen zu wollen«, entgegnete der Butler seelenruhig. »Der Pfeil ist lediglich mit einem harmlosen Betäubungsmittel pflanzlicher Art präpariert, falls man sich diesen Hinweis erlauben darf.« »Was ist los?« schrie der Mann herüber. »Kannst du dich nicht deutlicher ausdrücken, verdammter Adelsknecht?«
»Man war lediglich bemüht, den Herrn darauf hinzuweisen, daß die Wirkung des Pfeils schon nach etwa fünfzehn Minuten endet«, erklärte Parker geduldig. »Falls Sie die Freundlichkeit hätten, Ihren Begleiter von dem Geschoß zu befreien, wäre meine bescheidene Wenigkeit Ihnen außerordentlich verbunden. Eine Überschreitung des Baches dürfte bei der derzeitigen Wasserführung mit gewissen Risiken und Erschwernissen verbunden sein.« Endlich schien der Mann begriffen zu haben. Mühsam schleppte er sich zu seinem Genossen hinüber und zog ihm mit einem Ruck die Pfeilspitze aus dem Hosenboden. »Den behalte ich auf jeden Fall als Beweismittel«, rief er über den Bach und betrachtete mißtrauisch die nadelscharfe Spitze. Dann legte er sein Ohr auf die Brust des Bewußtlosen und überzeugte sich davon, daß er tatsächlich noch am Leben war. »Falls es erlaubt ist, würde meine Wenigkeit die Herren noch um eine kleine Gefälligkeit bitten«, lenkte der Butler die Aufmerksamkeit des Mannes wieder auf sich. »Im Interesse anderer Verkehrsteilnehmer wäre es von gewisser Wichtigkeit, die Absperrung und die Warnschilder wieder in der vorgeschriebenen Form aufzustellen. Allzuleicht könnte sich durch leichtsinnige Fahrweise ein folgenschwerer Unfall ereignen.« »Du kannst mich kreuzweise«, schrie der Mann. »Und deine verdammte adlige Schreckschraube auch!« »Mister Parker«, ließ Lady Agatha sich da vernehmen. »Gehe ich recht in der Annahme, daß man mich soeben gröblichst beleidigt hat?« »Mylady haben den Tatbestand bereits derart präzise in Worte gefaßt, daß man sich nicht in der Lage sieht, eine treffendere Definition zu geben«, bestätigte der Butler wunschgemäß. »Ich verlange, daß sich dieser ungehobelte Mensch auf der Stelle entschuldigt«, keifte die Detektivin und ließ ihren Pompadour kreisen. »Andernfalls werde ich ihm eine Lektion erteilen, die ihn sein Leben lang daran denken läßt, wie man sich einer Dame gegenüber benimmt.« Doch der junge Mann am anderen Ufer dachte gar nicht daran, Myladys Aufforderung nachzukommen. Im Gegenteil: Er fügte seinen ausgesprochenen unhöflichen Äußerungen weitere hinzu. Wie sollte Lady Agatha ihre Drohung in die Tat umsetzen? Die Einsatzmöglichkeiten ihres sogenannten Glücksbringers waren räumlich begrenzt. Bis auf die andere Seite des Baches reichten
die ledernen Riemen keinesfalls. Auch die martialischen Hutnadeln waren nur im Nahkampf verwendbar. Als sie in ihrer hilflosen Wut von Parker verlangte, sie hinüberzubringen, um die angekündigte Vergeltung doch noch möglich zu machen, trat ein ausgesprochen seltenes Ereignis ein: Parker paßte. Allerdings mußte er ein beträchtliches Maß an diplomatischem Geschick aufbringen, um seiner Herrin trotz des unbefriedigenden Ausganges den Abgang schmackhaft zu machen. Listig erinnerte er sie an die Strapazen des sommerlich warmen Tages, die bereits hinter ihr lagen und stets ihrem außerordentlich sensiblen Kreislauf zuzusetzen pflegten. »Sieht man mir denn schon an, wie schlimm es um meinen Kreislauf bestellt ist, Mister Parker?« erkundigte sich Lady Agatha besorgt. »Dann wird es höchste Zeit für ein Stärkungsmittel.« Mit einer gewissen Erleichterung geleitete der Butler die ältere Dame zum Wagen und half ihr beim Einsteigen. Eine halbe Stunde später würde man das heimische Shepherd’s Market erreichen. Sein Hinweis auf die gewaltigen Vorräte an sogenannten Kreislaufbeschleunigern, die in den Gewölben unter Myladys repräsentativem Wohnhaus lagerten, hatte die gewünschte Wirkung erzielt. »Das wird dieser unflätige Bengel aber doppelt büßen, falls er mir jemals wieder unter die Augen kommt«, fauchte die Detektivin und kramte vergeblich in der leeren Pralinenschachtel, die noch auf dem Rücksitz gelegen hatte. »Eine solche Möglichkeit sollte man keineswegs ausschließen, falls meine bescheidene Wenigkeit sich diese Bemerkung erlauben darf«, meinte Josuah Parker und legte den ersten Gang ein. * »Mister Parker«, erkundigte sich Agatha Simpson mißtrauisch. »Sie werden doch hoffentlich nicht vergessen haben, die Kinder zum Frühstück einzuladen?« Wenn die ältere Dame in liebevollem Ton von ihren »Kindern« sprach, waren damit stets Kathy Porter und Mike Rander gemeint. Den blendend aussehenden Rechtsanwalt, der in seiner sportlichen Erscheinung an einen beliebten James-Bond-Darsteller erin-
nerte, hatte Mylady gleich bei der ersten Begegnung ins Herz geschlossen. Parker und Rander hatten gemeinsam ereignisreiche Jahre in den Staaten verbracht, bevor der Butler nach London zurückkehrte und in Lady Simpsons Dienste trat. Als Rander später nachkam und in der Londoner City eine Kanzlei eröffnete, hatte Parker ihn im Haus seiner neuen Herrin eingeführt. Seitdem bestand eine der wichtigsten Aufgaben des Anwalts darin, Myladys nicht gerade unbeträchtliches Vermögen zu verwalten. Im Hause Simpson hatte Mike Rander auch Myladys attraktive Gesellschafterin Kathy Porter kennengelernt, eine selbstbewußte, junge Dame mit mandelförmig geschnittenen Augen und braunen Haaren mit Rotstich. Nur zu gern hätte die Hausherrin eine offizielle Verbindung zwischen den beiden »Kindern« gestiftet, doch Mike Rander und Kathy Porter hatten offenbar ihre eigene Vorstellung von einer Partnerschaft. »Meine Wenigkeit hatte bereits am gestrigen Abend Gelegenheit, Miß Porter und Mister Rander telefonisch Myladys freundliche Einladung zu übermitteln«, gab der Butler Auskunft, während er seiner Herrin eine ansehnliche Portion Avocados mit Geflügelsalat auf den Teller häufte. »Beide nahmen die Einladung dankend an und versprachen, Mylady gegen elf Uhr ihre Aufwartung zu machen.« In diesem Moment klingelte es, und Parker schritt zur Haustür. »Ich habe Sie zu mir gebeten, Mister Rander, um mit Ihnen ein schwerwiegendes Problem zu erörtern«, eröffnete die ältere Dame das Gespräch, sobald die beiden Vertrauten des Hauses am Frühstückstisch Platz genommen hatten. »So früh am Morgen?« entgegnete der Anwalt lächelnd. »Da muß es etwas Wichtiges sein.« »Welche Konsequenzen hätte es für meinen bescheidenen Besitz, wenn der Goldpreis in den Keller fallen würde?« wollte die Hausherrin wissen. »Wenn der Goldpreis in den Keller fallen würde?« wiederholte der Anwalt. »Das ist eine sehr theoretische Frage, Mylady. Natürlich ist auch der Wert des Goldes gewissen Schwankungen unterworfen. Aber daß der Preis völlig verfällt, damit ist in absehbarer Zeit nicht zu rechnen.« »Dann sind Sie eben nicht ausreichend informiert, mein lieber Junge«, kritisierte Lady Agatha und ging zu den gefüllten Puten-
keulen mit Preiselbeerrahm über. »Professor Kinsey, mit dem ich gestern sprach, hat mich zum Glück rechtzeitig gewarnt.« »Kinsey?« überlegte Rander. »Ist das nicht der Amerikaner, der durch seine Untersuchungen über das Sexualverhalten berühmt wurde? Was versteht denn der vom Goldpreis?« »Professor Lawrence Lindsay, den Mylady zu meinen geruhen, ist Chemiker und war früher an der Universität zu Edinburgh tätig, falls man sich diese Erläuterung erlauben darf«, schaltete Parker sich in das Gespräch ein. »Natürlich, Chemiker ist er!« stimmte Lady Agatha zu. »Sagte ich das nicht?« »Und dieser Chemiker hat behauptet, der Goldpreis würde demnächst in den Keller fallen?« fragte Rander ungläubig. »Wenn er erst mal alle Steine in seinem Garten in Gold verwandelt hat, gibt es so viel davon, daß niemand mehr Geld dafür ausgeben will«, verriet Mylady und verwirrte den Anwalt damit noch mehr. »Steine in Gold verwandeln?« fragte ihr Gegenüber grinsend. »Das erinnert mich an ein Märchen, das ich als Kind gehört habe.« »Mister Lindsay ist der festen Überzeugung, das Ziel der mittelalterlichen Alchimisten mit den Mitteln der modernen Chemie erreichen zu können«, erläuterte Parker. »Ach diese Geschichte meinen Sie!« rief der Anwalt aus. »Dieser Traum wird wohl für alle Zeiten ein Traum bleiben.« »Das sagen Sie nur, um mich zu beruhigen, mein Lieber«, meinte die Detektivin mißtrauisch. »Aber was ist, wenn der Goldpreis tatsächlich in den Keller fällt? Eine alleinstehende Dame wie ich muß natürlich an die Sicherung ihrer Zukunft denken.« »Selbstverständlich habe ich einen Teil Ihres Vermögens in Goldbarren angelegt, Mylady«, gab der Anwalt Auskunft. »Aber wirklich nur einen Teil. Hinzu kommen Aktien, Grundbesitz und diverse Immobilienfonds. Selbst wenn das Gold von heute auf morgen völlig wertlos würde – arm wären Sie deshalb noch lange nicht, Mylady.« »Ich glaube, da brauchen Sie sich wirklich keine Sorgen zu machen, Mylady«, meinte auch Kathy Porter. »Mike und ich – wir würden schon dafür sorgen, daß Sie nicht von Wasser und Brot leben müssen.« Doch der Detektivin war nicht nach Scherzen zumute. Wenn es
um Geld ging, hörte der Spaß bei ihr grundsätzlich auf. »Aber dieser Professor Finley hat schon eine ganz wichtige Entdeckung gemacht«, begann sie von neuem. »Er behauptet, daß es nur noch ein kleiner Schritt ist, bis er aus Steinen Gold herstellen kann. Mister Parker, erläutern Sie meinen Gästen bitte die technischen Einzelheiten… Dann kann ich gleich feststellen, ob Sie auch alles begriffen haben.« In knappen Sätzen schilderte der Butler die turbulenten Ereignisse des vergangenen Nachmittags und ging dann ausführlich auf die von Lindsay entwickelte explosive Substanz ein. Schweigend hörte Rander zu. »Und Sie sind sicher, daß dieser Lindsay kein Scharlatan ist?« fragte er schließlich, als Parker seinen Bericht beendet hatte. »Das klingt alles etwas märchenhaft.« »Was die Umwandlung von Steinen in Gold angeht, dürften erhebliche Zweifel am Platze sein, Sir«, gab der Butler Auskunft. »Dagegen hatten Mylady und meine Wenigkeit ausreichend Gelegenheit, die erstaunliche Wirkung von Lindsaynit kennenzulernen. Sollte diese Substanz in die falschen Hände geraten, dürfte mit erheblichen Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit zu rechnen sein.« »Diese Gefahr sehe ich auch, Parker«, stimmte der Anwalt zu. »Der alte Professor scheint wirklich etwas weltfremd zu sein. Zumindest sollte er seine Versuchsprotokolle im Tresor einer Bank deponieren, statt in einem Blechschrank in seinem Gartenhaus.« »Eine solche Vorsichtsmaßnahme würde auch meine Wenigkeit befürworten, falls man sich diese Bemerkung erlauben darf«, stimmte Parker ihm zu. »Abgesehen von der möglichen Begehrlichkeit krimineller Kreise, sind die Papiere in Mister Lindsays Labor ständiger Brandgefahr ausgesetzt.« »Meinen Sie denn, daß es sich bei den Typen im hellblauen Käfer schon um die ersten Ganoven handelte, die von Lindsays Forschungen Wind bekommen haben?« wollte Rander wissen. »Falls Sie die Meinung meiner bescheidenen Wenigkeit dazu hören möchten, Sir«, antwortete der Butler, »sollte man nicht davon ausgehen, daß es sich um Berufsverbrecher handelte. Der Sprachgebrauch der Herren ließ eher auf politische Motivation schließen, falls man eine derart ungesicherte Vermutung aussprechen darf.« »Sie denken an Terroristen?« »Daran besteht überhaupt kein Zweifel«, antwortete Lady Agatha
an Parkers Stelle. Sie hatte das Reizwort »Terroristen« aufgeschnappt, obwohl sie mit Kathy Porter gerade ein separates Gespräch über die neue Herbstmode begonnen hatte. »In einem solchen Fall sollte man mit dem Schlimmsten rechnen.« meinte der Anwalt. »Dann wäre auch Professor Lindsay persönlich in Gefahr.« »Vielleicht könnte man einfach mal anrufen, um zu erfahren, wie es ihm geht«, schlug Kathy Porter vor. »Falls er sich dann nicht meldet, kann man immer noch überlegen, was zu tun ist.« »Ein außerordentlich sinnreicher Vorschlag, Miß Porter«, pflichtete der Butler ihr bei. »Allerdings war meine Wenigkeit so frei, sich schon vor dem Frühstück telefonisch nach Mister Lindsays Befinden zu erkundigen.« »Und?« »Der Herr Professor machte einen ausgesprochen vitalen Eindruck, wenn man es so formulieren darf«, gab Parker Auskunft. »Er teilte mit, daß sein Gehilfe bereits eingetroffen wäre und die Aufräumungsarbeiten im Labor erfreuliche Fortschritte machten.« »Das besagt noch gar nichts«, erklärte Lady Agatha. »Mein unfehlbarer Spürsinn signalisiert mir, daß die Terroristen nur noch auf den richtigen Augenblick warten, um zuzuschlagen.« Ausnahmsweise sollte Mylady mit dieser Prophezeiung recht behalten. * Als Kathy Porter und Mike Rander sich verabschiedeten, war die Mittagsstunde schon vorüber, und Mylady zog sich bald darauf zu einem Nickerchen in ihre privaten Gemächer im Obergeschoß zurück. Der Rest des Tages verlief ohne bemerkenswerte Ereignisse, wenn man davon absieht, daß die Hausherrin zur Teestunde noch mal den Salon betrat, um eine kleine Stärkung in Form einer köstlichen Sachertorte zu sich zu nehmen. Später widmete sie sich dann dem, was sie »Meditation« zu nennen pflegte. Parker trug ihr noch die unerläßlichen » Kreislaufbeschleuniger« hinauf und begab sich dann in die Küche, um das Frühstück für den nächsten Morgen vorzubereiten. Kurz vor Mitternacht wollte er gerade sein Labor aufsuchen, das
er sich im Souterrain des Hauses eingerichtet hatte, als in der Diele das Telefon läutete. In würdevoller Haltung schritt der Butler zum Apparat und nahm den Hörer ab. »Hallo, Mister Parker! Gut, daß ich Sie erreiche!« sagte eine aufgeregte Stimme. »Sie müssen sofort herkommen!« »Darf man sich zunächst in aller Bescheidenheit nach dem Grund Ihrer freundlichen Einladung erkundigen, Mister Lindsay?« fragte Parker, der den Anrufer sofort erkannt hatte. »Sie waren da!« rief Lindsay mit zittriger Stimme. »Sie haben mich überfallen!« Parker ließ sich auch durch diese Mitteilung nicht aus der Ruhe bringen. »Darf man der Hoffnung Ausdruck verleihen, daß Sie den Überfall körperlich unversehrt überstanden haben, Sir?« »Unkraut vergeht nicht«, gab der Wissenschaftler zurück. »Aber alle meine Unterlagen sind gestohlen!« »Dürfte man um eine möglichst präzise Mitteilung darüber bitten, wann Ihnen dieses unerfreuliche Ereignis zugestoßen ist, Sir?« »Vor über einer Stunde«, antwortete Lindsay. »So lange habe ich gebraucht, um mich aus den Fesseln zu befreien und ans Telefon zu kommen.« »Dann dürften die Herren ihre Beute bereits in Sicherheit gebracht haben«, meinte Parker. »Eine Verfolgung wäre mithin wenig aussichtsreich.« »Die sind längst über alle Berge«, bestätigte Lindsay. »Am besten rufe ich die Polizei an.« »Es steht meiner Wenigkeit zwar nicht zu, Ihr Verhalten auch nur im geringsten zu kritisieren, Sir«, entgegnete Parker. »Doch hat sich die Einschaltung der Polizei in bestimmten Fällen schon nachteilig ausgewirkt, falls diese Anmerkung erlaubt ist.« »Aber was soll ich denn sonst tun, Mister Parker?« fragte Lindsay ratlos. »Falls man einen Vorschlag unterbreiten dürfte, sollten Sie vielleicht einen beruhigenden Tee aus Melissenblättern zu sich nehmen, Sir. Meine Wenigkeit wird sich bemühen, in weniger als einer Stunde bei Ihnen zu sein.« *
Als Parkers hochbeiniges Monstrum kurze Zeit später vor Lindsays Haus ausrollte, war der greise Forscher ausgesprochen erleichtert. »Ich wollte gerade schlafen gehen, als die Kerle kamen«, begann er seinen Bericht. »Das Aufräumen im Labor hat mich doch etwas angestrengt, obwohl der gute Ray wirklich tüchtig mitgeholfen hat.« »Mister Marling war nicht zufällig im Haus, als Sie überfallen wurden, Sir?« erkundigte sich Parker. »Nein«, entgegnete der Professor und führte den Butler in sein bescheiden möbliertes Wohnzimmer. »Ray ist wie üblich zum Abendessen nach Hause gefahren.« »Und Sie haben zunächst keinen Verdacht, wer die Unbekannten gewesen sein könnten, Sir?« »Ich habe sie ja kaum gesehen«, erklärte Lindsay. »Ich war gerade am Fuß der Treppe und wollte nach oben in mein Schlafzimmer, da schlug mir jemand etwas über den Kopf.« »Muß man davon ausgehen, daß sie durch diesen Schlag das Bewußtsein verloren, Sir?« vergewisserte sich Parker. »Ich war wohl einen Moment ziemlich benommen«, bestätigte sein Gegenüber. »Als ich wieder zu mir kam, hatten die Kerle mich an das Treppengeländer gefesselt, und der Schlüssel zum Stahlschrank, den ich immer an einem Bindfaden um den Hals trage, war weg.« »Sie sind aber vermutlich nicht in der Lage anzugeben, wie lange Ihre Bewußtlosigkeit dauerte, Sir?« »Lange kann es nicht gewesen sein«, meinte Lindsay. »Sonst hätte ich nicht ihr Auto abfahren hören. Da war ich schon wieder halbwegs bei Bewußtsein.« »Darf man sich erkundigen, ob Sie das Motorengeräusch des Fahrzeuges möglicherweise wiedererkennen würden, Sir?« ließ Parker sich vernehmen. »Ein Auto klingt doch fast wie das andere«, antwortete Lindsay. »Ich höre da kaum Unterschiede heraus.« »Diese Feststellung möchte meine Wenigkeit auch nicht im geringsten anzweifeln«, erklärte der Butler. »Dennoch gibt es einzelne Fabrikate, deren Motorengeräusch besonders auffällig und charakteristisch ist, wenn man es mal so formulieren darf.« »Zum Beispiel diese seltsamen Autos aus Deutschland, die die jungen Leute >Käfer< nennen«, wußte der Professor überra-
schend doch Bescheid. »Exakt dieses Fabrikat war es, an das meine Wenigkeit dachte«, sagte Parker. »Könnte es zutreffen, daß die Herren, die so freundlich waren, Sie zu überfallen, einen sogenannten Käfer benutzten?« »Ausgeschlossen!« gab der Wissenschaftler zurück. »Ein Käfer war das auf keinen Fall! Rays Freunde fahren so ein Auto. Daher kenne ich das Geräusch.« Eine andere Antwort hatte Parker auch kaum erwartet. Der hellblaue Käfer, der Mylady und ihm am Nachmittag gefolgt war, konnte nach der mißglückten Bachüberquerung noch nicht wieder fahrbereit sein. »Darf man aus Ihren Äußerungen schließen, Sir, daß Mister Marlings Freunde Ihnen persönlich bekannt sind?« wollte der Butler wissen, und Lindsay nickte. »Dan und Phil haben ihn manchmal hier abgeholt, wenn sein Moped defekt war«, gab er Auskunft. »Aber näher kenne ich die beiden auch nicht.« So gut er sich erinnern konnte, beschrieb Lindsay die jungen Leute. Parker wußte schon nach den ersten Sätzen genug. Daß der Käfer von Dan und Phil hellblau lackiert war, hätte der Professor ihm gar nicht erzählen müssen. Später ging er mit Lindsay noch zum Labor hinüber, um den geplünderten Stahlschrank in Augenschein zu nehmen. Das Labor machte schon wieder einen halbwegs funktionsfähigen Eindruck. Der greise Wissenschaftler und sein junger Gehilfe hatten tüchtig zugepackt beim Aufräumen. Die Türen des Stahlschranks, in dem Lawrence Lindsay seine Versuchsprotokolle aufbewahrt hatte, standen weit offen. In dem Schloß, das einem professionellen Einbrecher ohnehin nicht lange getrotzt hätte, steckte noch der Schlüssel. »Alles weg«, klagte Lindsay und deutete auf die leeren Fächer. »Aber das Wichtigste haben sie doch vergessen.« Er führte den Butler zu einem Tisch und zeigte ihm das kleine schwarze Kästchen, das dort lag. »Der Ultraschallgenerator! Ohne den ist Lindsaynit harmlos wie Seifenpulver.« Schadenfroh kicherte das Männchen in sich hinein. »Morgen werde ich meine Versuche schon fortsetzen«, kündigte Lindsay unternehmungslustig an, als sie wieder zum Haus zurückgingen. »Um die Experimente erfolgreich zu Ende zu führen,
brauche ich die Protokolle nicht. Nur später, wenn ich die sensationellen Ergebnisse in der Zeitschrift der Königlichen Akademie der Wissenschaften veröffentliche, muß ich die Unterlagen rekonstruieren. Können Sie sich vorstellen, was das für eine Arbeit wird, Mister Parker?« »Möglicherweise lassen sich die gestohlenen Unterlagen bis dahin doch wieder beschaffen, Sir«, gab der Butler zur Antwort. »Darf man sich übrigens noch erkundigen, ob die Herstellung von Lindsaynit mit besonderem Aufwand technischer oder finanzieller Art verbunden ist?« »So kompliziert und langwierig die Entwicklung war – die eigentliche Herstellung der Substanz ist nicht schwierig«, gab Lindsay zur Antwort. »Wer über meine Protokolle verfügt, kann Lindsaynit in jedem ordentlich eingerichteten Schullabor herstellen.« »Falls Sie die Güte haben, Sir, meiner Wenigkeit noch eine letzte Frage zu beantworten«, sagte Parker, »so würde man gern erfahren, ob Ihre Protokolle auch Aufzeichnungen über die Ultraschallfrequenzen enthalten, die nötig sind, um die Substanz zur Explosion zu bringen.« »Kein Wort, Mister Parker!« rief Lindsay aus und kicherte wieder vergnügt. »Die Unterlagen über diese Versuchsreihe, die ja mit der Herstellung von Lindsaynit nichts zu tun hat, habe ich gar nicht im Labor aufbewahrt, sondern in meinem Schlafzimmerschrank. Und da liegen sie auch noch.« »Dennoch sollte man alles daransetzen, die unbefugte Herstellung der von Ihnen entwickelten Substanz nach Möglichkeit zu unterbinden, Sir«, meinte der Butler und verabschiedete sich. * Josuah Parker wollte rechtzeitig in Shepherd’s Market sein, um für seine Herrin den Frühstückstisch zu decken. Gerade heute wäre diese Eile aber nicht nötig gewesen, denn Lady Agatha ließ sich mit dem Aufstehen mehr Zeit als sonst. Offenbar hatte sie etliche Kreislaufbeschleuniger eingesetzt, um den Anstrengungen ihrer Meditation gewachsen zu sein. Die Zeiger der Uhr rückten schon auf Mittag zu, als der Butler Mylady endlich von dem nächtlichen Vorfall berichten konnte. »Natürlich werde ich mir zuerst diesen Gärtnerburschen vorneh-
men«, erklärte sie, während Parker ihr frischen Stangenspargel auf aromatischem Parmaschinken vorlegte. »Dem steht die Goldgier doch im Gesicht geschrieben.« »Geruhten Mylady Goldgier zu sagen?« erkundigte sich Parker vorsichtig. »Selbstverständlich sagte ich Goldgier, Mister Parker«, gab die Detektivin zurück. »Ist Ihnen denn nicht klar, was der Lümmel mit den gestohlenen Papieren vorhat? Für mich gibt es da keine Frage.« »Meine bescheidene Wenigkeit war so frei, sich gewisse Gedanken über mögliche Zusammenhänge zu machen«, teilte der Butler höflich mit. »Man sah sich aber noch nicht in der Lage, zu endgültigen Schlüssen zu kommen, falls dieser Hinweis erlaubt ist.« »Das ist doch völlig eindeutig, Mister Parker«, stellte die ältere Dame fest. »Dieser Jim stammt offensichtlich aus bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen«, fügte sie hinzu und schlürfte schnell eine Auster leer. »Und weil er sich nicht mal ein Auto, geschweige denn salonfähige Kleidung leisten kann, ist er natürlich neidisch auf jeden, der ein paar Schilling mehr hat. Können sie mir soweit folgen, Mister Parker?« »Myladys Ausführungen sind von geradezu bestechender Klarheit, falls diese Anmerkung erlaubt ist«, antwortete der Butler in seiner gewohnt höflichen Art. »Haben Sie denn nicht bemerkt, mit welch neidischen Blicken mich der Bengel angestarrt hat, nur weil ich mir ein bescheidenes Fahrzeug leisten kann?« wollte die Detektivin wissen. »Dabei muß ich mir das Geld für Benzin geradezu vom Mund absparen. Wäre ich nicht beruflich auf ein motorisiertes Gefährt angewiesen, würde ich mir diesen Luxus nicht erlauben, Mister Parker.« »Niemals würde es meiner Wenigkeit einfallen, Myladys Äußerungen auch nur im mindesten anzuzweifeln«, versicherte der Butler wahrheitsgemäß und stellte seiner Herrin eine ebenso vielseitige wie nahrhafte Auswahl aus dem Käseangebot zusammen. »Wo war ich stehengeblieben, Mister Parker?« fragte Agatha Simpson und schob sich flink ein geräuchertes Forellenfilet mit reichlich Meerrettichsahne in den Mund. »Mylady hatten in beeindruckender Weise die Vermögensverhältnisse des jungen Mister Marling analysiert«, gab der Butler Auskunft. »Daran hatten Mylady die Feststellung angeschlossen, daß der Genannte von der verwerflichen Eigenschaft des Neides befal-
len sein müsse.« »Und weil er so neidisch ist, will er selber aus Steinen Gold machen«, fuhr die ältere Dame fort. »Der dumme Junge!« setzte sie nach einer Pause hinzu, die mit dem Verzehr des nächsten Forellenfilets ausgefüllt war. »Nachher fallen die Goldpreise in den Keller, und er hat sich umsonst bemüht.« »Mylady haben zweifellos auch erwogen, daß Mister Marling möglicherweise an anderen Dingen interessiert sein könnte als an der Herstellung von Gold«, gab Parker zu bedenken. »Natürlich habe ich daran gedacht, Mister Parker.« sagte die Hausherrin ungeniert. »Einer Detektivin meines Ranges entgeht eben kein Aspekt dieses außerordentlich komplizierten Falles.« »Mister Marling könnte als Mitglied einer kriminellen oder jedenfalls gewalttätigen Gruppierung Interesse an der Herstellung der explosiven Substanz Lindsaynit haben«, fuhr der Butler fort. »Das habe ich Ihnen eben auseinandergesetzt, Mister Parker«, behauptete Lady Agatha dreist. »Sie sollten zuhören, wenn ich Ihnen meine Schlußfolgerungen erläutere. Sonst werden Sie nie etwas von mir lernen.« »Selbstverständlich wird man in Zukunft noch intensiver bemüht sein, Mylady keinen Anlaß zu Beanstandungen mehr zu geben«, versicherte Parker. »Natürlich gibt es noch eine weitere Möglichkeit«, mußte der Butler sich von seiner Herrin belehren lassen. »Dieser Lümmel kann den Sprengstoff ja auch für seine eigenen Zwecke herstellen, um damit den Tresor einer Bank zu sprengen.« »Keinesfalls sollte man solch eine Möglichkeit ausschließen, Mylady«, stimmte Parker zu. »Andererseits dürfte das Verhalten von Mister Marlings Freunden die Vermutung nahelegen, daß eine kriminelle Vereinigung hinter dem Raub der Papiere steht. Möglicherweise auch eine militante politische Gruppierung, falls man sich diesen Hinweis erlauben darf.« »Militante politische Gruppierung«, wiederholte Mylady und betonte jedes Wort einzeln. »Das ist es ja, was ich Ihnen von Anfang an erklären wollte, Mister Parker. Endlich haben Sie es begriffen.« »Man dankt verbindlich für dieses völlig unverdiente Lob, Mylady«, gab Parker in seiner unerschütterlichen Höflichkeit zurück. »Ich habe es also mit einer militanten politischen Gruppierung zu tun«, stellte die Detektivin tief befriedigt fest und machte den
Käsewürfeln den Garaus. »Wenn Sie mir bis hierher folgen konnten, Mister Parker, wird es Sie nicht überraschen, daß es sich um Rechtsextremisten handelt.« »Nach der völlig unmaßgeblichen Meinung meiner bescheidenen Wenigkeit dürfte der Sprachgebrauch von Mister Marlings Freunden eher auf das extreme linke Spektrum hindeuten«, wandte Parker ein. »Rechts oder links – was soll diese kleinliche Unterscheidung.« wischte Agatha Simpson den Einwand vom Tisch. »Auf jeden Fall sind sie militant, und das ist die Hauptsache.« »Darf man sich in aller Bescheidenheit erkundigen, welche Schritte Mylady als nächste anzuordnen gedenken?« ließ Parker sich vernehmen, während er den verwüsteten Frühstückstisch abräumte. »Natürlich werde ich zuerst diesen Gärtnerburschen ins Verhör nehmen, Mister Parker«, kündigte die Detektivin an. »Das sagte ich bereits. Und sobald er gestanden hat, werde ich den Rest der Bande hinter Schloß und Riegel bringen.« »Dann darf man zweifellos davon ausgehen, daß Mylady die Absicht hegen, Mister Ray Marling einen Besuch abzustatten?« »Selbstverständlich, Mister Parker.« * Vor der Abfahrt, die sich wegen einer plötzlichen Kreislaufschwäche seiner Herrin auf den späten Nachmittag verschoben hatte, war Parker noch ans Telefon gegangen. Er hatte den Wissenschaftler angerufen, um zu erfahren, ob Ray Marling heute wieder zum Helfen gekommen sei. »Leider nicht«, lautete die Antwort des Professors. »Der Junge ist krank geworden. Heute morgen hat er mich angerufen und gesagt, daß er nicht kommen kann.« Daraufhin hatte Parker sich nach Rays Anschrift erkundigt. »Sie glauben doch nicht etwa, daß der Junge etwas mit dem Überfall zu tun hat?« fragte Lindsay entsetzt. »Das ist völlig ausgeschlossen, wenn sie einem alten Mann mit Lebenserfahrung glauben wollen. Der Junge ist nicht nur hilfsbereit, sondern grundehrlich. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer.« »Mit derartigen Ankündigungen sollte man grundsätzlich zurück-
haltend umgehen, falls meine bescheidene Wenigkeit sich diese Anmerkung erlauben darf«, entgegnete Parker. »Allzu leicht könnten schmerzhafte Brandblasen die Folge sein.« Das Dorf, in dem Ray Marling wohnte, machte einen ausgesprochen ärmlichen Eindruck. Und das Elternhaus des jungen Mannes, das Professor Lindsay dem Butler, am Telefon beschrieben hatte, wirkte noch dürftiger als die anderen Gebäude. Vor der grauen Kate mit dem briefmarkengroßen Rasenstück ließ der Butler sein hochbeiniges Monstrum ausrollen. Hier lebte Ray mit seinem Vater. Die Mutter des jungen Mannes rar vor einigen Jahren nach einem Autounfall gestorben, wie der Professor zu berichten wußte. Behutsam half Parker seiner Herrin, ihre beeindruckende Körperfülle aus lern Fond des Wagens zu bugsieren, ehe er an die windschiefe und rissige Haustür klopfte. Es dauerte eine Weile, bis schwere, schlurfende Schritte im Flur zu vernehmen waren. Dann wurde die Tür einen Spaltbreit geöffnet, und ein breites, unrasiertes Männergesicht tauchte auf. »Darf man davon ausgehen, Mister Dean Marling vor sich zu haben?« erkundigte sich der Butler höflich. »Den Vater eines gewissen Ray Marling, wenn man es mal so ausdrücken darf?« »Was ist los?« grunzte der Mann unwillig und musterte den Butler mißtrauisch aus zusammengekniffenen Augen. Er schob die Tür ein Stück weiter auf, so daß ein riesiger Bauch sichtbar wurde, der von einem ehemals weißen Unterhemd mühsam zusammengehalten wurde. Ray Marlings Vater war mindestens einen Kopf größer als Josuah Parker. Und er war etwa doppelt so breit. »Lady Agatha Simpson, in deren Diensten zu stehen meine Wenigkeit die Ehre hat, wünscht Mister Ray Marling zu sprechen«, erklärte der Butler. Doch Dean Marling verstand immer noch nicht. Oder er wollte nicht verstehen. »Lernen Sie erst mal, sich so auszudrücken, daß ein normaler Mensch Sie auch versteht«, knurrte er. »Dann können Sie wiederkommen.« Er wollte die Tür zuknallen, doch Parker hatte schon seinen altväterlich gebundenen Universal-Regenschirm gezückt und ließ die bleigefüllte Spitze leicht gegen Marlings Brust tippen. »Man dankt verbindlich, auch im Namen Myladys, für die freundliche Einladung, einzutreten«, erklärte der Butler höflich, während er über die Schwelle schritt und Rays Vater rückwärts taumelte,
bis er am Rahmen der Küchentür Halt fand. »Was soll der Mist?« fluchte Marling. »Der Junge ist nicht da. Verschwinden Sie! Leute wie Sie passen nicht in dieses Haus!« »Das ist eine Feststellung, die auch meine Wenigkeit unterstreichen würde, Mister Marling«, entgegnete Parker höflich. »Mylady hatte allerdings auch nicht an einen längeren Aufenthalt gedacht. Es handelt sich lediglich um ein Gespräch mit Ihrem Sohn, falls dieser Hinweis erlaubt ist.« »Ich habe Ihnen doch schon gesagt, daß er nicht da ist«, knurrte Marling, »also verschwinden Sie!« »Mylady wurde allerdings dahingehend informiert, daß Ihr Herr Sohn erkrankt sei, Mister Marling«, erklärte Parker unbeeindruckt. »Darf man bei dieser Gelegenheit der Hoffnung Ausdruck verleihen, daß es nichts Ernsthaftes ist?« Marling lief dunkelrot an. Die dicke Ader an seiner Schläfe pochte beängstigend. »Und wenn er krank ist, der Bengel?« brüllte er. »Was geht Sie das an? Vielleicht liegt er auch in seinem Zimmer im Bett… Alt genug ist er ja, daß ich ihn nicht ständig beaufsichtigen muß.« »Falls Sie keine Einwände erheben, Mister Marling«, ließ Parker sich in seiner gelassenen Art vernehmen, »würde meine Wenigkeit gern einen Blick in das Zimmer Ihres Sohnes werfen, um sich von dem Sachverhalt zu überzeugen.« Da war es mit Marlings Beherrschung endgültig vorbei. Mit wütendem Schrei griff er nach der schweren, gußeisernen Bratpfanne auf dem Herd. Doch ehe er sein Wurfgeschoß in Parkers und Myladys Richtung schleudern konnte, war der schwarze UniversalRegenschirm schon wieder vom angewinkelten Arm seines Besitzers gehüpft. Flink glitt der bleigefüllte Bambusgriff über den Boden und legte sich unwiderstehlich um Marlings Knöchel. Dem schwergewichtigen Mann wurden im wahrsten Sinn des Wortes die Beine unter dem Leib weggerissen. Mit entsetztem Aufschrei warf er die Hände in die Luft, um irgendwo einen Halt zu. finden. Zu seinem Leidwesen entglitt ihm dabei die Bratpfanne und flog durch die verglasten Türen in den Geschirrschrank an der Stirnwand der Küche. Dean Marling torkelte rückwärts, ruderte mit den Armen, ohne einen Widerstand zu finden, und knallte dann mit dem vollen Gewicht seines Körpers rücklings gegen den schon arg lädierten Geschirrschrank. Dabei machte sein Hinterkopf so
intensive Bekanntschaft mit der Oberkante des Schrankes, daß er plötzlich allen Schmerz und alle Wut vergaß. Dean Marling ließ die Arme sinken, verdrehte die Augen und brabbelte unverständliche Laute, ehe er in den Knien einknickte, die für seinen wuchtigen Oberkörper ohnehin zu schwach erschienen. Zentimeter für Zentimeter rutschte er mit dem Rücken an den Schranktüren nach unten, bis er auf dem Küchenboden eine einigermaßen bequeme Sitzstellung fand. Dabei brachen allerdings die vorderen Füße des Schrankes ab, was für Rays Vater weitere fatale Folgen hatte. Im Zeitlupentempo neigte sich das Möbelstück nach vorn, wodurch zuerst die schwere Bratpfanne in Bewegung geriet. Ein Ton wie von einer Kirchenglocke erklang, als sich der gußeiserne Boden auf die Schädeldecke des Mannes senkte. Marling hatte für derlei akustische Genüsse allerdings kein Ohr. Er sackte nur noch etwas tiefer in sich zusammen und ließ den Platzregen aus Tellern, Schüsseln, Tassen und Scherben unbestimmbarer Herkunft geduldig auf sich niederprasseln. Josuah Parker griff erst ein, und bewahrte Marling vor weiterem Schaden, als der Schrank endgültig nach vorn zu kippen drohte. »Falls sich Mister Ray Marling tatsächlich in seinem Zimmer aufhalten sollte, dürfte er auf Myladys Besuch inzwischen hinlänglich vorbereitet sein«, kommentierte Parker das ohrenbetäubende Scheppern, während seine Herrin auf der schmalen Stiege ins Obergeschoß voranschritt. Die wurmstichigen Stufen ächzten erbärmlich, aber sie hielten Lady Agathas Gewicht überraschenderweise stand. Da es oben nur zwei Zimmer und eine Abstellkammer voll Gerumpel gab, hatte der Butler schnell den Raum gefunden, den Ray Marling bewohnte. Schon die Parolen an der Tür machten auf die Ideen aufmerksam, die durch den Kopf des Bewohners spukten. »Macht kaputt, was euch kaputt macht«, las Parker seiner Herrin vor. »Haut den Bullen in die Fresse«, fand Agatha Simpson noch einigermaßen witzig. Dagegen konnte sie sich mit der Forderung »Krieg den Palästen, Friede den Hütten!« überhaupt nicht anfreunden. Die Wände des Zimmers waren mit ähnlichen Parolen bedeckt. Ansonsten gab es in dem bescheidenen Raum ein unordentlich
gemachtes Bett, einen Schrank voll schmutziger Wäsche, einen Stuhl und ein kleines Wandregal mit einem Dutzend Bücher. Daß Ray sich nicht in seinem Zimmer aufhielt, überraschte den Butler keineswegs. Daß der Junge sich am Morgen nach dem Überfall scheute, dem Professor unter die Augen zu treten, und deshalb die Krankheit vorgetäuscht hatte, war naheliegend. Selbst wenn er den Überfall nicht begangen, sondern nur die entscheidenden Tips geliefert hatte. Die Suche nach den gestohlenen Versuchsprotokollen verlief ebenfalls ergebnislos, obwohl Parker nach dem Besuch in Rays Zimmer auch die übrigen Räume des Hauses gründlich unter die Lupe nahm. Das besagte nicht viel, denn nach diesem Überfall wäre Rays Haus mit Sicherheit das dümmste Versteck für die brisante Beute gewesen. Als Parker wieder in die Küche zurückkehrte, schlug Dean Marling gerade die Augen auf und musterte fassungslos die Verwüstungen, die er angerichtet hatte. »Durch ihr freundliches Entgegenkommen, Mister Marling«, richtete der Butler das Wort an ihn, »war es Mylady möglich, sich persönlich davon zu überzeugen, daß Ihr Sohn keineswegs erkrankt ist und deshalb auch nicht das Bett hütet.« Marling brachte nur ein unverständliches Brummen heraus. Sein Versuch, sich vom rutschigen Küchenboden zu erheben, mißglückte kläglich. »Deshalb wären Mylady außerordentlich interessiert, von Ihnen den derzeitigen Aufenthaltsort Ihres Sohnes zu erfahren«, fuhr der Butler fort. »Das geplante Gespräch duldet nämlich keinen allzu großen Aufschub mehr, falls dieser Hinweis erlaubt ist.« Marling wollte schon wieder aufbrausen, doch als er die bleigefüllte Spitze von Parkers Schirm bemerkte, die dicht vor seiner Nase pendelte, gab er klein bei. »Keine Ahnung, wo der Kerl steckt«, knurrte er. »Vielleicht bei seinen verdammten Freunden.« »Darf man sich in aller Bescheidenheit nach den Namen dieser Freunde erkundigen?« ließ der Butler sich vernehmen, obwohl Marling schon wieder die Augen geschlossen hatte und sein Nickerchen auf dem Küchenboden fortsetzen wollte. »Ich kenne nur Phil und Dan«, gab der Mann widerwillig Auskunft. »Die wohnen in einem alleinstehenden Haus gleich hinter Darrington, rechts von der Landstraße. Die anderen Kerls, mit denen
Ray zusammen ist, habe ich auch nur von weitem gesehen.« »Man dankt verbindlich für die erschöpfende Auskunft und wünscht noch einen angenehmen Tagesverlauf, Mister Marling«, sagte Josuah Parker, bevor er seine Herrin durch den düsteren Flur nach draußen geleitete und Dean Marling dem Chaos in seiner Küche überließ. * Gleich nach der kleinen Ortschaft Darrington ließ der Butler sein schwarzes, hochbeiniges Monstrum am Rand der Landstraße ausrollen. Ein schmaler, mit groben Schottersteinen befestigter Fahrweg führte zu einer mannshohen Hecke. Dahinter war das Dach eines flachen, langgestreckten Gebäudes zu erkennen – offenbar das Haus, in dem Rays Freunde Dan und Phil Brigger wohnten. Parker hatte sein Fahrzeug kaum verlassen, als ein großer, schwarzbrauner Boxerhund wütend kläffte. Mit gewaltigem Satz wollte das Tier dem Ankömmling an die Gurgel springen, doch Parker ließ sich durch die ausgesprochen unfreundliche Begrüßung nicht aus der gewohnten Ruhe bringen. Mit der Gelassenheit eines Toreros, der den anstürmenden Kampfstier erwartet, streckte er dem Hund die bleigefüllte Spitze seines UniversalRegenschirmes entgegen. Das Tier hatte bereits zum Sprung angesetzt, als es das Hindernis bemerkte und die Angriffsrichtung ändern wollte. Doch es war schon zu spät. Jämmerlich jaulte der Boxer, als die Schirmspitze erst gegen seine empfindliche Nase tippte und sich dann in seinen aufgerissenen Rachen schob. Alle viere von sich gestreckt, landete der Hund mit dumpfem Geräusch zu Parkers Füßen. Im selben Moment hatte der Vierbeiner seine Angriffsgelüste vergessen, sprang wieder auf die Beine und galoppierte zum Haus zurück. Inzwischen war man auch drinnen auf den unangemeldeten Besuch aufmerksam geworden. Für einen Moment erschien ein Gesicht am Gartentor, das der Butler sofort als das des Käferfahrers erkannte. Dann war der Mann schon wieder verschwunden. Während Parker seiner Herrin beim Aussteigen half, ließ er das Haus nicht aus dem Blickfeld. Deshalb entging ihm auch nicht,
daß Sekunden später zwei Männer hinter dem Tor auftauchten. Phil Brigger hatte sich seinen Bruder Dan zur Verstärkung geholt. Beide hielten Flaschen in der Hand, aus deren Hälsen Stoffetzen hingen. Phil hatte ein Feuerzeug aus der Tasche gezogen und steckte die Lunte seines Molotowcocktails in Brand. Doch Parker durchkreuzte diese feindseligen Absichten rechtzeitig und gründlich. Während der Mann zum Wurf ausholte, spannte der Butler bereits die kräftigen Gummistränge seiner Gabelschleuder. Sekundenbruchteile später glitt die hartgebrannte Tonkugel davon und suchte sich ihr Ziel. Entsetzt schrie Phil auf, als das explosive Wurfgeschoß in seiner Hand zersplitterte. Mit dumpfem Knall entzündete sich das umherspritzende Benzin und hüllte die Brüder für einen Moment in einen Feuerball. In heilloser Panik stürzte Phil davon. Sein Bruder folgte ihm und ließ im Laufen seine Flasche fallen. Sie zerbarst auf den Steinplatten des Gartenweges und sorgte für weiteres Feuerwerk. Sekunden später vernahmen Parker und Lady Agatha lautes Platschen hinter dem Haus. In ihrer Angst hatten Phil und Dan sich in einen schlammigen Ententeich gestürzt, der von der Straße aus nicht zu sehen war. Als der Butler um die Hausecke bog, standen zwar noch die Rosenbüsche in Flammen, doch die beiden Brüder hatten mit ihrer Löschaktion Erfolg gehabt. Über und über mit Schlamm, Schlingpflanzen und Seerosenblättern bedeckt, krochen sie gerade aus dem Tümpel. Trotz dieser Maskierung erkannte auch Agatha Simpson sofort die beiden Männer, denen sie noch eine Lektion über gutes Benehmen schuldig geblieben war. Manchmal zeigte ihr lückenhaftes Gedächtnis eben doch noch überraschende Leistungen… Parker in seiner hilfsbereiten Art war gerade damit beschäftigt, den Brüdern über das glitschige Ufer an Land zu helfen, als er hinter sich eine Tür knarren hörte. Es war Ray Marling. Seine Hände hielten den Stiel einer Mistgabel umklammert, die er als Wurfspieß einzusetzen gedachte. Doch er hatte nicht mit der blitzschnellen Reaktion des Butlers gerechnet. Als wolle er den jungen Mann mit ausgesuchter Höflichkeit begrüßen, zog Josuah Parker seinen schwarzen Bowler vom Kopf. Doch dann faßte er ihn an der stählernen Krempe und
schickte ihn dem Angreifer entgegen. Wie eine Frisbee-Scheibe glitt die Kopfbedeckung durch die Luft. Ray ließ seine Mistgabel fallen, als er das schwarze Geschoß auf sich zusegeln sah und hob schützend die Hände vors Gesicht. Dadurch entging er zwar einer drohenden Beschädigung seiner Nase. Doch die Wirkung, die die scharfe Krempe auf seine Fingerknöchel ausübte, war alles andere als angenehm, wie man aus dem schmerzverzerrten Gesicht schließen konnte. Ohne die am Boden liegende Waffe und seine schlammtriefenden Kampfgenossen eines weiteren Blickes zu würdigen, stürzte er wimmernd ins Haus und riegelte die Tür hinter sich zu. Inzwischen hatte Lady Agatha die Gelegenheit genutzt, um sich der beiden Brüder anzunehmen. Wie eine zürnende Rachegöttin stand sie am Ufer des Tümpels und sah auf die schnaufenden und prustenden Gestalten hinab, die sich vergeblich bemühten, wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen. Ein leises Pfeifen war zu vernehmen, als die ledernen Riemen ihres Pompadour die Luft durchschnitten. Soweit man es durch Schlick und Seerosenblätter hindurch erkennen konnte, war es Phil, der als erster Bekanntschaft mit Lady Simpsons Glücksbringer machte. Gerade hatte er seinen Oberkörper mühsam auf das rettende Ufer gehievt, als sich der lederne Beutel mit der Zärtlichkeit einer Dampfwalze auf seinen Hinterkopf legte. Phil absolvierte eine Bewegung, die an einen mißglückten Liegestütz erinnerte. Dann bettete er unter leisem Stöhnen das Gesicht ins feuchte Gras. Daß seine Beine noch im Wasser hingen, schien ihn jetzt nicht mehr zu stören. Mit finster entschlossener Miene zog Lady Agatha eine der überdimensionalen Hutnadeln aus ihrer eigenwilligen Kopfbedeckung und spießte sie dem Mann ins Gesäß, bevor sie sich unter zufriedenem Grunzen seinem Bruder zuwandte. Wieder durchschnitten die ledernen Riemen geräuschvoll die Luft. Wieder leistete der sogenannte Glücksbringer ganze Arbeit. Dan, der sich noch nicht so weit aus dem Tümpel herausgearbeitet hatte wie sein inzwischen friedlich schlummernder Bruder, gab sein Bemühen augenblicklich auf, als der Pompadour sich auf seine Schädeldecke senkte. Leider zeigte er überhaupt kein Interesse an dem reizvollen Muster, das die kleinen buntemaillierten Eisenkugeln der Perlenstickerei seiner Kopfhaut einprägten.
Parker packte den Mann, der wieder ins Wasser zu rutschen drohte, am Kragen und zog ihn ans Ufer. Die ältere Dame faßte diese menschenfreundliche Geste als Einladung auf, auch Dan mit einer Hutnadel zu behandeln. Und sie nahm ihre Aufgabe sehr gewissenhaft wahr. Jetzt galt es nur noch, Rays habhaft zu werden, der sich im Haus verbarrikadiert hatte. Augenscheinlich war dem jungen Mann aber die Aussichtslosigkeit seiner Situation bewußt geworden. Parker hörte die Haustür klappen und sah Sekunden später, wie Ray über den Fahrweg in Richtung Landstraße davonrannte. Seelenruhig brachte er seinen altväterlich gebundenen Schirm in Anschlag und klappte die Spitze nach unten. Ray mochte so schnell rennen, wie er wollte – der kleine, gefiederte Pfeil, der im nächsten Moment aus dem hohlen Schaft des Schirmes schwirrte, war schneller. Von weitem sah er aus, als machte Ray einen Luftsprung vor überschäumender Freude. Doch die Laute, die er von sich gab, als die nadelscharfe Spitze seinen Hosenboden durchdrang und wippend im Sitzfleisch stecken blieb, klangen nicht danach. Mit beiden Beinen gleichzeitig sprang er mitten im Lauf in die Höhe. Einen Moment schien er unbeweglich in der Luft zu schweben. Dann gehorchte er aber doch den Gesetzen der Schwerkraft und legte sich bäuchlings auf die kantigen Schottersteine. Wie unbequem die Unterlage war, die er sich da ausgesucht hatte, wurde Ray nicht mehr bewußt. Die rasch einsetzende Wirkung des Betäubungsmittels, mit dem der Butler die Pfeilspitze präpariert hatte, ließ ihn die Unannehmlichkeiten der Landung augenblicklich vergessen. »Denen habe ich gezeigt, was es heißt, eine Lady Simpson in ungehöriger Weise zu beleidigen«, stellte die ältere Dame befriedigt fest. Sie hatte die Arme in die ausladenden Hüften gestemmt und den rechten Fuß auf Phils Rücken gesetzt, so daß sie wie ein Großwildjäger auf Safari wirkte, der sich gerade fürs Fotoalbum ablichten läßt. »Das war allerdings erst die unumgänglich notwendige Vorarbeit«, schränkte die Detektivin ein. »Die wichtigste Aufgabe liegt noch vor mir. Mister Parker, bringen Sie die Burschen ins Haus, damit ich mit der Vernehmung beginnen kann!«
* »Verfluchtes Ausbeuterpack!« waren die ersten Worte, die Phil hervorstieß, als er die Augen wieder aufschlug und sich zusammen mit Dan und Ray auf dem verschlissenen Großmuttersofa im Wohnzimmer wiederfand. Mit einem Ruck versuchte er, aus den ächzenden Polstern hochzukommen. Doch die stählernen Handschellen, mit denen der Butler seine Hände auf dem Rücken gefesselt hatte, vereitelten sein Bemühen. Zum Glück überhörte Lady Agatha Phils unhöfliche Bemerkung, weil sie damit beschäftigt war, den Kühlsehrank zu inspizieren. Doch für Dosenbier und billigen Whisky aus dem Supermarkt hatte die ältere Dame keine Verwendung. »Sorgen Sie dafür, daß ich unverzüglich mit der Vernehmung beginnen kann, Mister Parker«, befahl sie frustriert. »Ich fürchte daß mein Kreislauf nicht mehr allzu lange durchhält.« »Mittlerweile dürften die Herren bereit sein, Mylady umfassende Auskünfte zu erteilen, falls meine bescheidene Wenigkeit, sich nicht irrt«, meldete der Butler. Gleich nach Phil waren auch Dan und Ray aus ihren Träumen in die schmerzhafte Wirklichkeit zurückgekehrt. Mit starren Blicken, die eine Mischung von Angst und Erwartung spiegelten, sahen sie Josuah Parker und seiner Herrin entgegen. »Verfl…« wollte Phil schon wieder lospoltern, doch sein Bruder versetzte ihm mit dem Ellenbogen einen derart heftigen Rippenstoß, daß er mitten im Wort verstummte. »Wo sind die Papiere?« wollte Lady Agatha wissen, die sich in drohender Haltung vor den Männern aufgebaut hatte. »Papiere?« fragte Dan und setzte ein ahnungsloses Gesicht auf. »Was für Papiere denn?« »Ich denke, ich habe mich deutlich genug ausgedrückt«, erklärte die ältere Dame in scharfem Tonfall. »Ausflüchte lasse ich nicht durchgehen. Eine Detektivin meines Ranges merkt das sofort.« »Aber wir wissen nicht, welche Papiere Sie meinen«, beteuerte Dan. Diese Äußerung hätte er besser unterlassen, denn prompt holte Agatha Simpson zu einer ihrer gefürchteten Ohrfeigen aus. Haltlos pendelte Dans Kopf von einer Seite zur anderen, als Myladys muskulöse Linke sich auf seine Wange legte. Verzweifelt versuchte der Mann, an die rasch schwellenden roten Striemen heranzukommen, die die gespreizten Finger der älteren Dame hin-
terlassen hatten. Doch die Handschellen hinderten ihn daran, obwohl er sich in geradezu abenteuerlichen Verrenkungen übte. »Soeben habe ich Ihnen erklärt, daß ich keine Ausflüchte dulde«, verkündete die Detektivin mit Donnerstimme. »Ich hoffe, diese kleine Belehrung hat Ihnen gezeigt, daß mit mir nicht zu spaßen ist. Sollten weitere Ungehörigkeiten passieren, kann ich noch deutlicher werden.« »Schon gut«, brummte Phil. »Wir haben verstanden. Was wollen Sie wissen?« »Wo haben Sie die Papiere versteckt?« wiederholte die Detektivin ihre Frage. »Welche Papiere denn?« gab Phil zurück. »Wir haben keine Papiere versteckt!« Hektisch kramte Agatha Simpson in ihrem Gedächtnis. Daß ihre Ermittlungen irgendwie mit gestohlenen Papieren zusammenhingen, daran erinnerte sie sich genau. Aber was waren das für Papiere? Warum waren sie so wichtig? Die einzigen Papiere, an denen Mylady persönliches Interesse zu zeigen pflegte, waren mit dem Porträt der Königin und hübsch verschnörkelten Zahlen bedruckt. Doch plötzlich fiel ihr der rettende Ausweg ein. »Die Einzelheiten wird Ihnen mein Butler erläutern«, verkündete sie. »Mister Parker ist für die Details zuständig.« »Mylady geruhten, von den Versuchsprotokollen zu sprechen, die Professor Lawrence Lindsay nach einem Überfall in der vergangenen Nacht entwendet wurden, falls man sich diesen erläuternden Hinweis erlauben darf«, kam der Butler dem Befehl seiner Herrin nach. »Professor Lindsay?« fragte Dan zurück. »Ist das nicht der verrückte Greis, dem gestern das Gartenhaus in die Luft geflogen ist?« »Sofern meine Wenigkeit die etwas vulgäre Ausdrucksweise des Herrn richtig zu deuten weiß, dürfte es sich um die nämliche Person handeln«, bestätigte Parker. »Professor Lindsay stand unmittelbar vor dem Abschluß einer grundlegenden wissenschaftlichen Forschungsarbeit, als sich die bedauerliche Detonation in seinem Labor ereignete.« »Und heute nacht soll jemand die Versuchsprotokolle gestohlen haben?« meldete Ray sich zu Wort. »Wer kann denn nur auf so eine Idee kommen?« »Mit Sicherheit jemand, der den Aufbewah-
rungsort der schon mehrfach erwähnten Papiere genau kannte, Mister Marling«, entgegnete der Butler. »Die Täter dürften auch darüber informiert gewesen sein, daß Professor Lindsay den Schlüssel stets bei sich zu tragen pflegte.« »Sie wollen doch nicht behaupten, ich wäre das gewesen!« rief Ray, und seine Empörung klang fast echt. »In Ihrem eigenen Interesse wäre es besser, junger Mann, Sie würden auf der Stelle ein umfassendes Geständnis ablegen«, schaltete Lady Agatha sich wieder in die Vernehmung ein. »Leugnen hilft Ihnen ohnehin nicht. Meinen Verhörmethoden hat auf die Dauer noch niemand widerstanden.« »Falls Mylady gestatten, würde meine Wenigkeit diese Feststellung mit allem Nachdruck unterstreichen«, pflichtete der Butler ihr bei, doch auf Ray schien die Warnung noch nicht genügend Eindruck gemacht zu haben. »Geständnis?« gab der junge Mann patzig zurück. »Sie haben wohl nicht alle Tassen im Schrank! Beweisen Sie mir doch erst mal was!« »Beweise sind als Mittel der Kriminalistik längst überholt«, belehrte die Detektivin ihn. »Geständnisse sind das einzige, worauf es ankommt.« »Da kann ich ja nur lachen«, rief Ray. Doch aus dem Lachen wurde nichts. »Könnte es zutreffen, Mister Parker, daß hier soeben eine Dame der Gesellschaft von einem Rüpel gröblich beleidigt wurde?« erkundigte sich die Detektivin und setzte ihren Pompadour in Schwingung. »Mylady haben den juristischen Tatbestand in geradezu bewundernswerter Klarheit in Worte gefaßt«, bestätigte Josuah Parker wunschgemäß. Er hatte seinen Satz noch nicht beendet, als die ältere Dame sich schon auf die ihr eigene Weise Genugtuung verschaffte. Ray Marling versuchte, sich zur Seite zu ducken, als der perlenbestickte Pompadour heranschwebte. Er konnte jedoch nicht mehr verhindern, daß Agatha Simpsons Glücksbringer übermütig auf seine Schädeldecke hüpfte. Was er ihm brachte, hatte allerdings mit Glück nicht viel zu tun. Der junge Mann jammerte in den höchsten Tönen, als die kleinen, buntemaillierten Perlen über seine Kopfhaut glitten. Aber wenigs-
tens hatte er sich soweit aus der Flugbahn bringen können, daß der Pompadour die Schädeldecke als Landeplatz verschmähte und noch ein Stück weiterrutschte. Der Leidtragende war sein Sitznachbar Dan, dessen Schläfe sich dem ledernen Beutel als Ausweichziel geradezu anbot. Stöhnend fuhr er zuerst in die Höhe und sackte dann in sich zusammen. Aus glasigen Augen betrachtete er den Butler und die Detektivin fassungslos, bevor er seinen Kopf nach vorn sinken ließ, noch ein paar unverständliche Worte murmelte und schließlich jedes Interesse am Fortgang der Unterhaltung verlor. Ray Marling blieb allerdings keine Zeit, diesen Gang der Dinge mit Erleichterung oder Schadenfreude zu genießen. Es gab eben Situationen, in denen die ältere Dame eine unübertreffliche Gründlichkeit an den Tag legte. Ehe der junge Mann wußte, wie ihm geschah, schickte die Detektivin noch eine Ohrfeige hinterher, die auch ihn ins Reich der unruhigen Träume schickte. Phil Brigger hatte die Ereignisse, die sich neben ihm auf dem Sofa vollzogen, so hautnah miterlebt, daß er noch den Luftzug zu spüren glaubte, der von dem Pompadour ausging. Vor Entsetzen hatte er Mund und Augen immer weiter aufgerissen. Jetzt zog er instinktiv den Kopf ein und spähte ängstlich in Pompadours Richtung. Doch die Vorsichtsmaßnahme erwies sich als überflüssig. Die Beleidigung war aus der Welt geschafft und die Detektivin wollte ihr Verhör fortsetzen, solange es noch einen vernehmungsfähigen Verdächtigen gab. * »Jetzt ist es aber wirklich höchste Zeit für Ihr Geständnis, junger Mann!« forderte Lady Agatha den völlig eingeschüchterten Phil auf. »Aber versuchen Sie nicht, mir irgendwelche Märchen aufzutischen! Ich könnte mich sonst leicht wieder beleidigt fühlen.« Phil schien nicht gerade erpicht darauf, Pompadours Unmut zu erregen. Was er soeben erlebt hatte, reichte ihm offenbar fürs erste. »Wenn Sie mich fragen, werde ich Ihnen antworten«, bot er schüchtern an. »Und ich werde nur die Wahrheit sagen. Ehrenwort!«
»Mich wundert, daß Ihnen ein Begriff wie > Ehrenwort<, überhaupt geläufig ist«, wies die Detektivin ihn in schneidendem Ton zurecht. »Also heraus mit der Sprache: Haben Sie die Papiere von Professor Kinsey gestohlen?« »Ja«, flüsterte Phil mit kaum hörbarer Stimme und zog schon wieder den Kopf ein. »Zusammen, mit Dan.« »Demnach kann und muß man wohl davon ausgehen, daß Sie auch gemeinsam mit Ihrem Bruder den bedauernswerten Professor Lindsay durch einen Schlag betäubten, um sich in den Besitz des Schlüssels zu bringen, Mister Brigger«, stellte Parker fest, und sein Gegenüber nickte stumm. »Darf man sich auch in aller Bescheidenheit erkundigen, wer Ihnen die Informationen lieferte, die Sie zur Ausführung dieser verurteilungswürdigen Tat benötigten?« bohrte der Butler weiter. »Ray natürlich«, gab Phil ohne Umschweife zu. »Er hat den Alten ja fast täglich besucht. Und da der Junge nicht auf den Kopf gefallen ist, hat er auch mitbekommen, was sich im Labor abspielte.« »Ihr Interesse galt also der Herstellung von Sprengstoff, wenn man es mal in dieser Form ausdrücken darf, Mister Marling?« »Sprengstoff?« Phil zögerte und warf einen Seitenblick auf Lady Agatha. »Die Versuchsprotokolle Professor Lindsays enthalten detaillierte Angaben über die Herstellung der explosiven Substanz Lindsaynit, falls meine bescheidene Wenigkeit sich nicht irrt«, fuhr der Butler fort. »Man sollte wohl kaum davon ausgehen, daß Ihr Interesse an den Papieren rein wissenschaftlicher Natur war.« »Nein, es ging uns schon um den Sprengstoff«, gestand Phil. »Aber wenn Sie uns für Verbrecher halten, sind Sie auf dem Holzweg. Wir brauchen das Zeug, um endlich die Arbeiterklasse befreien zu können, verstehen Sie?« »Die vorgeblichen politischen Motive, die Sie zu Ihrem Tun bewogen haben könnten, dürften im Augenblick von geringem Interesse sein«, bemerkte Parker kühl. »Rechts oder links – wo liegt der Unterschied? Hauptsache militant!« rief Agatha Simpson dazwischen. Phil wollte aufmucken. Doch die Detektivin brauchte nur mit einer fragenden Geste auf ihren perlengeschmückten Beutel zu deuten, und er war mit allem einverstanden. »Muß man davon ausgehen, daß es in Ihrer Absicht lag, mit Hilfe
von Lindsaynit Anschläge zu verüben?« setzte Parker seine Befragung fort. »Eigentlich hatten wir beschlossen, als antiimperialistische Demonstration den Buckingham-Palast in die Luft zu jagen«, verriet Brigger und setzte ein verlegenes Lächeln auf. »Aber ich habe den Genossen gleich gesagt, daß das eine Nummer zu groß ist, solange die >Rote Faust < erst vier Finger hat.« »Rote Faust? Buckingham-Palast?« Das war zu viel für eine trotz allem konservative Angehörige des britischen Hochadels. »Den Palast Unserer Majestät wollten Sie…« Es dauerte nur Sekunden, bis sie ihren Ärger abreagiert hatte und liebevoll ihren ebenso gehorsamen wie zuverlässigen Pompadour streichelte. Doch Phils Verhör war von diesem Zeitpunkt an beendet. Dafür war jetzt Ray an der Reihe. Er hatte unvorsichtigerweise die Augen geöffnet und dadurch zu erkennen gegeben, daß er wieder ansprechbar war. »Ihr Kollege war bereits so entgegenkommend, Mylady alles Wichtige über den Raub der Protokolle und die geplante Verwendung des Sprengstoffes mitzuteilen«, richtete der Butler das Wort an ihn. »Man wäre dem Herrn deshalb außerordentlich verbunden, wenn er sich bereitfände, die letzte noch offene Frage zu beantworten.« Ray Marling, in dessen Kopf ein Mühlrad zu arbeiten schien, brummte nur. »Mister Phil Brigger sah sich bedauerlicherweise wegen einer plötzlichen Unpäßlichkeit nicht in der Lage, weiterhin am Verhör teilzunehmen, falls man sich diesen erklärenden Hinweis erlauben darf«, teilte Parker in seiner höflichen Art mit. »Andernfalls hätte meine Wenigkeit es zweifellos vermieden, Sie zu belästigen.« »Was für eine Frage denn?« erkundigte sich Ray und versuchte angestrengt den Kopf aufrecht zu halten. Da ihm das nur mangelhaft gelang, ließ er sich stöhnend wieder in die Polster zurückfallen und schloß die Augen. »Mylady wäre außerordentlich interessiert an einer präzisen Auskunft darüber, wo sich die gestohlenen Versuchsprotokolle zum gegenwärtigen Zeitpunkt befinden«, gab Parker Auskunft, während seine Herrin zur Bekräftigung ihren Pompadour schwenkte. »Nicht hier«, brachte Ray Marling mühsam heraus. »Eine nicht sehr erschöpfende Auskunft, wie man sicher anmer-
ken muß«, erklärte Parker. »John hat das ganze Paket«, behauptete Ray und wollte schon wieder wegdämmern, aber Parker holte ihn mit ungewohnt kräftigem Räuspern ins harte Leben zurück. »Mylady würde es zweifellos begrüßen, wenn Sie auch noch den Aufenthaltsort des genannten Herrn mitteilen könnten«, sagte der Butler, sobald sein Gegenüber wieder die Augen geöffnet hatte. »John ist nach London gefahren«, stöhnte Ray. »Und das Paket?« wollte die Detektivin endlich wissen. »Das hat er mitgenommen«, gab Ray noch von sich. Weitere Äußerungen waren ihm nicht mehr zu entlocken. Er schnarchte friedlich und trotzte beharrlich allen Versuchen, ihn wach zu kriegen. Parker, der von seiner Herrin gerade weitere Instruktionen erbitten wollte, blieb plötzlich lauschend stehen, als sich auf der wenig befahrenen Landstraße ein Auto näherte. Deutlich war zu hören, wie der Fahrer Gas wegnahm und unvermittelt wieder beschleunigte, als er ungefähr auf der Höhe des Hauses war. Das konnte ein Zufall sein. Der Butler zog aber auch die Möglichkeit in Betracht, daß es sich um John handelte, den vierten Finger der sogenannten »Roten Faust.« Es war nicht auszuschließen, daß er in diesem Moment aus London zurückgekehrt war und Parkers hochbeiniges Monstrum an der Landstraße bemerkt hatte. * »Falls Mylady keine Einwände erheben«, erklärte Parker, »würde meine bescheidene Wenigkeit die Gelegenheit wahrnehmen, um im Garten ein wenig frische Luft zu schöpfen.« Die ältere Dame war einverstanden. Sie selbst zog es jedoch vor, im Haus zu bleiben, wo sie Phil, Dan und Ray im Auge behalten konnte. Als Josuah Parker die Haustür öffnete, huschte ein schwarzbrauner Schatten an ihm vorbei ins Freie. Es war der Boxerhund, der sich nach seinem ersten Zusammentreffen mit dem Butler ängstlich unter dem Küchentisch verkrochen hatte. In langen Sätzen jagte das Tier um die Hausecke und verschwand im hinteren Teil des Gartens, der an ein Waldstück grenzte. Inzwischen war die Abenddämmerung hereingebrochen. Büsche
und Bäume warfen tiefe Schatten, in denen die schwarzgekleidete Gestalt des Butlers untertauchte. Konzentriert spähte er mit seinen Nachtvogelaugen in die Richtung, in die der Hund davongelaufen war. Plötzlich drang Gebell an sein Ohr. Das Kläffen hörte sich jedoch nicht bedrohlich an, als hätte der Hund einen Eindringling gestellt. Eher schien es, als ob er freudig einen Freund begrüßte. Wenig später gewahrte der Butler im Ungewissen Zwielicht eine Männergestalt, die langsamen Schrittes von der Obstwiese her sich dem Haus näherte. Im Gehen versuchte der Unbekannte, den Hund zu beruhigen, der immer wieder freudig an ihm hochsprang. Als der Mann das Haus fast erreicht hatte, blieb er lauschend stehen. Langsam zog er etwas aus seinem Jackenausschnitt bevor er an die hintere Tür trat. Vorsichtig drückte er die Klinke nieder, doch der Riegel, den Ray nach seinem mißglückten Mistgabelangriff auf den Butler von innen vorgeschoben hatte, versperrte den Weg. »Darf man dem Herrn möglicherweise eine helfende Hand anbieten?« sagte Parker plötzlich und trat aus dem undurchdringlichen Schatten. Augenblicklich brach der Mann seine erfolglose Beschäftigung mit der verbarrikadierten Tür ab und fuhr auf dem Absatz herum. In seiner Rechten schimmerte der kalte Stahl eines Revolvers. Sein Pech war, daß Parker mit dieser Zuspitzung der Ereignisse gerechnet hatte. Fest lag der Bambusgriff des schwarzen Universal-Regenschirmes in der Hand des Butlers, während die bleigefüllte Spitze einen Halbkreis beschrieb. Von unten her tippte sie gegen das Handgelenk des völlig verdutzten Mannes, der daraufhin alle feindseligen Absichten vergaß. Schmerzhaft jaulte er, riß die getroffene Hand in die Höhe und ließ die Waffe fahren. In hohem Bogen flog der Revolver auf die Wiese. Wie ein Mensch, der die Hosen voller Ameisen hat, hüpfte John hin und her und rieb dabei sein schnell schwellendes Handgelenk. In dem Hund weckte der Angriff auf seinen Herrn neuen Mut, und er warf sich auf den Butler. Doch Parker zog seelenruhig seinen schwarzen Bowler und stülpte ihn dem Hund über den Kopf. Augenblicklich erstarb das wütende Kläffen und Knurren. Winselnd machte der Boxer kehrt und legte
sich seinem Herrn zu Füßen. »Man bittet höflichst um Nachsicht«, sagte Parker. »Die kleine Behandlung dürfte dem Herrn gewisse Schmerzen zugefügt haben. Sie war jedoch unvermeidlich, falls man sich diese Bemerkung erlauben darf.« John Collings antwortete nicht, massierte nur weiterhin sein Handgelenk und hielt insgeheim nach seiner Pistole Ausschau, die irgendwo im Gras liegen mußte. »Im Umgang mit Feuerwaffen sollte man sich der größten Sorgfalt befleißigen«, stellte der Butler fest. »Allzu leicht könnten bei unsachgemäßem Gebrauch Folgen eintreten, die nicht wiedergutzumachen sind.« »Was wollen Sie?« knurrte Collings. »Wie kommen Sie dazu, mich in meinem eigenen Garten zu überfallen?« »Demnach dürfte meine Wenigkeit die Ehre haben, Mister John Collings gegenüberzustehen.?« forschte Parker unbeirrt. »Dem vierten Finger der >Roten Faust« Collings zuckte zusammen. »Wer hat Ihnen das erzählt?« fragte er überrascht. »Ihre Herren Genossen waren so entgegenkommend, Mylady auf alle Fragen erschöpfend Auskunft zu geben«, gab Parker bereitwillig Auskunft. »Was?« schrie Collings und schien plötzlich den stechenden Schmerz in der Hand vergessen zu haben. »Diese Verräter! Die lege ich um!« »Ein solches Vorhaben dürfte im Moment nicht so leicht in die Tat umzusetzen sein«, wandte der Butler ein. »Darf ich Sie bitten, meiner Wenigkeit ins Haus zu folgen, Mister Collings? Mylady dürfte hocherfreut sein, Ihre Bekanntschaft zu machen.« Widerwillig setzte Collings sich in Bewegung. Der Hund schlich winselnd neben ihm her. Doch plötzlich bückte sich der Mann und hatte im nächsten Moment die Mistgabel in der Hand, die Ray weggeworfen hatte. Josuah Parker war allerdings auf der Hut. Ehe Collings sich umdrehen und angreifen konnte, hüpfte der Universal-Regenschirm vom angewinkelten Unterarm. Im nächsten Moment hatte der Butler die Spitze in der Hand und ließ den bleigefüllten Bambusgriffkreisen. Sanft, aber unwiderstehlich legte er sich um die Knöchel des Mannes, der daraufhin die Mistgabel fallen ließ und eine nahezu formvollendete Bauchlandung absolvierte. Seine Zeit reichte al-
lerdings nicht mehr, um sich einen geeigneten Landeplatz zu suchen. So begrub Collings den jämmerlich winselnden Hund unter sich, ehe er drei am Weg stehende Rosenbüsche planierte. Als er sich stöhnend und wimmernd wieder erhob, erinnerte sein Gesicht an einen Kaktus. Wangen, Stirn und Nase waren mit Dornen bedeckt. Mißmutig, aber friedfertig humpelte er vor dem Butler her ins Haus. * Schon im Hausflur vernahm Parker dröhnendes Schnarchen, dessen Tonlage ihm durchaus bekannt vorkam. Tatsächlich hatte Lady Agatha sich in einen Sessel gezwängt, der ihre wogende Fülle nur mit Mühe unterbringen konnte. Ihren Kopf hatte sie zu einem kleinen Nickerchen in die Hand gestützt. Das sägende Geräusch hatte Phil, Dan und Ray aus ihren Träumen gerissen. Sie hatten die unverhoffte Gelegenheit zur Flucht nutzen wollen. Wegen der Handschellen war ihr Bemühen aber noch nicht allzu weit gediehen, als Parker mit John Collings den Raum betrat. »Verdammte Verräter!« stieß Collings zwischen den Zähnen hervor, als er seine Genossen auf dem Sofa erblickte. »Du hast gut reden«, knurrte Phil. Aber ehe sich das Geplänkel zu einem richtigen Streit auswachsen konnte, schlug Agatha Simpson die Augen auf und sah verwirrt in die Runde. »Wen haben Sie denn da mitgebracht, Mister Parker?« wollte sie wissen und musterte Collings mit kritischen Blicken. »Mister John Collings ist soeben aus London zurückgekehrt und bittet, Mylady für ein Verhör zur Verfügung stehen zu dürfen«, gab der Butler Auskunft. »Ist er geständig, Mister Parker?« erkundigte sich die Detektivin. »Meiner Wenigkeit gegenüber hat Mister Collings sich noch nicht zu den Vorwürfen geäußert, die ihm gegenüber erhoben werden«, entgegnete Parker und legte dem Mann erst mal Handschellen an, um vor unangenehmen Überraschungen sicher zu sein. »Das wird sich ändern, sobald ich ihn vernehme«, verkündete die ältere Dame selbstbewußt. »Aus dem Netz meiner Vernehmungstaktik gibt es kein Entrinnen. Das wird auch Mister Rollings noch
erkennen.« »Nicht mal im Traum würde es meiner Wenigkeit einfallen, Myladys Feststellung in Zweifel zu ziehen«, pflichtete der Butler ihr bei. »Wünschen Mylady, sofort mit der Vernehmung zu beginnen?« »Selbstverständlich, Mister Parker«, erklärte die resolute Dame bestimmt. »Meine Ermittlungen sind so gut wie abgeschlossen. Ich möchte diesen Fall heute noch zu den Akten legen.« »Wie Mylady wünschen«, gab der Butler höflich zurück. Dann wies er dem betreten dreinschauenden Collings einen Platz gegenüber der Detektivin an. »Wo sind die Papiere, Mister Bollings?« herrschte Lady Agatha den Mann an. »Aber kommen Sie mir nicht mit Lügenmärchen! Die durchschaue ich sofort. Ihre Kollegen werden Ihnen bestätigen können, daß es sich nicht auszahlt, einer Lady Simpson etwas vorzuschwindeln.« Phil, Dan und Ray nickten heftig zur Bekräftigung, aber John Collings tat, als wären seine Genossen Luft für ihn. »Papiere?« fragte er und setzte die Miene des Ahnungslosen auf. »Da müssen Sie sich schon deutlicher ausdrücken, damit ich weiß, was Sie meinen.« »Mylady geruhte, sich nach dem Verbleib der Versuchsprotokolle zu erkundigen, die in der vergangenen Nacht aus dem Labor des Chemikers Professor Lindsay entwendet wurden«, gab der Butler die gewünschte Auskunft. »Ihre Herren Genossen waren bereits so freundlich mitzuteilen, Sie wären mit diesen Papieren nach London gefahren.« »So? Haben sie das?« fragte Collings gedehnt, um Zeit zu gewinnen. »Sie müssen eben nicht alles glauben, was die Jungs Ihnen erzählen.« »Was ich glaube und was nicht, entscheide ich allein«, belehrte die Detektivin ihn in schneidendem Tonfall. »Also – wo sind die Papiere?« »Ich habe sie jedenfalls nicht«, behauptete Collings. »Sie können mich ja durchsuchen, wenn Sie unbedingt wollen.« »Man kann und muß aber davon ausgehen, daß die Papiere sich noch in Ihrem Besitz befanden, als Sie nach London aufbrachen, Mister Collings?« schaltete Parker sich ein. »Wenn die anderen Ihnen schon alles aufgetischt haben«, knurrte
Collings und warf einen wütenden Seitenblick zu seinen Genossen hinüber, »warum fragen Sie mich dann noch?« »Man darf also in aller Bescheidenheit unterstellen, daß Sie am heutigen Tag die gestohlenen Papiere in Ihrem Kraftfahrzeug nach London befördert haben, Mister Collings?« blieb Parker am Ball. »Ja!« brummte Collings widerwillig. »Aber jetzt habe ich den verdammten Kram nicht mehr, das können Sie mir glauben.« »Meine Wenigkeit wäre durchaus geneigt, Ihre Behauptung für bare Münze zu nehmen, wie der Volksmund in seiner treffenden Art sagt«, entgegnete Parker. »In diesem Fall würde sich aber unmittelbar eine weitere Frage ergeben, falls man sich diesen Hinweis erlauben darf.« »Kann ich mir schon denken«, knurrte sein Gegenüber. »Natürlich wollen Sie wissen, wem ich die Papiere gegeben habe.« »Man dankt verbindlich für Ihre entgegenkommende Bereitschaft, bei der Aufklärung dieses Falles mitzuhelfen, Mister Collings«, erklärte der Butler. »Sie haben die Frage, die meine Wenigkeit zu stellen gedachte, bereits ausgesprochen.« »Aber da beißen Sie bei mir auf Granit«, gab Collings zurück. »Diese Muttersöhnchen hier haben Sie ja offenbar einschüchtern können. Bei mir wird Ihnen das nicht gelingen.« »Eine Detektivin meines Formats ist es nicht gewöhnt, daß ihr derart dreiste Widerstände entgegengesetzt werden«, ließ Lady Agatha sich nun wieder vernehmen. »Ich gebe Ihnen drei Sekunden Zeit, um Ihre Ungehörigkeit zu bedauern, und ein umfassendes Geständnis abzulegen, Mister Rollings. Falls Sie sich weiterhin so verstockt zeigen sollten, sähe ich mich gezwungen, meine Vernehmungsmethoden zu verschärfen.« Collings ließ sich jedoch nicht beeindrucken. Die Frist verstrich, ohne daß er sich zu einer Antwort bequemt hätte. »Das ist mein letztes Wort«, drohte die Detektivin und ließ ihren Pompadour wippen. »Um so besser«, knurrte ihr Gegenüber. »Ihr dämliches Geschwafel geht mir sowieso schon lange auf die Nerven…« Damit hatte allerdings auch Collings sein letztes Wort gesprochen. Vorläufig jedenfalls. Mit einer Dynamik, die man ihrer beängstigenden Körperfülle nicht zugetraut hätte, fuhr die ältere Dame aus dem Sessel hoch. Unglücklicherweise blieb das Möbelstück, in das sie sich mühevoll
gezwängt hatte, bei diesem Manöver an ihren ausladenden Hüften hängen. Doch das brachte Agatha Simpson keineswegs aus dem Konzept. Mit leisem Klirren ging der gläserne Schirm der Deckenlampe, der zufällig in die Flugbahn von Myladys Glücksbringer ragte, in Scherben. Collings wollte vom Stuhl springen, um dem Unheil zu entgehen, das er unaufhaltsam auf sich zukommen sah. Doch dadurch brachte er lediglich seinen Kopf aus der Gefahrenzone. Mit dumpfem Geräusch legte sich der Glücksbringer auf seine Brust und prüfte die Elastizität seiner Rippen. Von einer Sekunde zur anderen wurde Collings kalkweiß im Gesicht und japste nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Mit den Händen wollte er sich instinktiv an den Hals fassen, doch die Handschellen erwiesen sich als ausgesprochen hinderlich, so daß er sein Vorhaben gleich wieder abbrach. Aus blutunterlaufenen Augen starrte er die Detektivin fassungslos an. Schwankend torkelte er hin und her, und erinnerte dabei an einen Tanzbär, dem man Bier eingeflößt hat. Während er schon in den Knien einknickte und endgültig das Gleichgewicht verlor, formte sein Mund unablässig Worte, die aber in unverständlichem Ächzen und Blubbern untergingen. Endlich ließ er sich mit einem Seufzer auf den Stuhl fallen, der hinter ihm stand. Doch auf eine derart plötzliche Belastung war das etwas angejahrte Möbelstück nicht eingerichtet. Splitternd und krachend brach die Sitzgelegenheit unter dem Mann zusammen. Collings selbst nahm vermutlich nicht mehr wahr, daß er mit dem Rücken gegen ein Regal voller Bücher prallte. Die hölzerne Konstruktion geriet ins Wanken, so daß die gestapelte Literatur ungehindert den Gesetzen der Schwerkraft folgen konnte. Das tat sie denn auch, und ein Regen von Büchern trommelte auf Collings. Zu allem Überfluß geriet auch noch der Fernseher ins Rutschen, der in einem der oberen Regalfächer aufgestellt war. Krachend landete das Gerät neben dem Mann auf dem Boden. Mit dumpfem Knall platzte die Bildröhre, und eine Schicht feiner Glassplitter bedeckte den Boden wie frisch gefallener Schnee. »Das Regal!« schrie Ray Marling, der am nächsten saß. Doch es war schon zu spät. Unwiderstehlich neigte sich das seiner Stand-
festigkeit beraubte Gerüst nach vorn und schlug krachend auf die Dielen. »Ich wollte Mister Collings ohnehin gerade vorschlagen, für eine gewisse Zeit die Gastfreundschaft meines Hauses in Anspruch zu nehmen«, stellte Lady Agatha ungerührt fest. »Mister Parker, geleiten Sie den Herrn bitte zu meinem Wagen!« »Myladys Wünsche sind meiner bescheidenen Wenigkeit selbstverständlich Befehl«, versicherte Parker und begann, Collings zwischen Bücherhaufen und Regalteilen hervorzuziehen. »Gedenken Mylady hinsichtlich der anderen Herren konkrete Anordnungen zu treffen?« »Die können hierbleiben, Mister Parker«, entgegnete die Detektivin. »Bei aller Gastfreundschaft muß ich als alleinstehende Dame doch darauf achten, daß meine bescheidenen wirtschaftlichen Möglichkeiten nicht überstrapaziert werden.« Der Butler lud sich den bewußtlosen Mann auf die Schulter und trug ihn zu seinem hochbeinigen Monstrum. Dann kehrte er noch mal zurück und kettete die drei zurückbleibenden Männer mit zwei Handschellen so zusammen, daß Phil und Ray wenigstens eine Hand frei hatten. »Auf diese Weise wird es den Herren leichter fallen, gewisse häusliche Verrichtungen zu absolvieren«, erklärte er und geleitete seine Herrin zur Tür. Dann drehte er sich noch mal um und verneigte sich höflich. »Man wünscht noch einen unterhaltsamen Abend«, sagte er und lüftete kurz seinen schwarzen Bowler. * Die Räumlichkeiten, die Mylady für gelegentliche Gäste reserviert hatte, lagen im Souterrain ihres repräsentativen Fachwerkgebäudes im stillen Shepherd’s Market. Die Zimmer waren mit allem Komfort ausgestattet, den neuzeitliche Zivilisation zu bieten hat. Nur Fenster und Telefon fehlten. Überdies hatte der Butler darauf geachtet, daß in die stählernen Feuerschutztüren komplizierte Sicherheitsschlösser eingebaut wurden. »Mister Parker, achten Sie bitte darauf, daß es meinem Gast an nichts fehlt«, hatte Agatha Simpson nach der Heimkehr angeordnet. »Ich gedenke, die Vernehmung erst morgen früh fortzusetzen. Jetzt werde ich mich noch ein Stündchen der Meditation
widmen.« Der Butler hatte zunächst Myladys noch immer etwas benommen wirkenden Gast in sein Zimmer geleitet und sorgfältig abgeschlossen. Anschließend hatte er seiner Herrin die gewünschten Stärkungsmittel ins Studio gebracht. Soeben balancierte er ein schweres, silbernes Tablett mit heißem Tee und Sandwiches aus der Küche und steuerte gemessenen Schrittes das Untergeschoß an. Bevor er John Collings das Abendessen servierte, warf Parker einen Blick durch den Türspion. Unbeweglich hockte der Mann auf dem Sofa und stierte vor sich hin. »Mylady legt großen Wert darauf, daß es ihren Gästen an nichts mangelt«, erklärte der Butler beim Eintreten und stellte das Tablett auf den Tisch. »Deshalb hat man sich erlaubt, dem Herrn eine kleine Stärkung zu bereiten.« Collings glotzte ungläubig, als er die Leckereien vor sich stehen sah und wollte sofort mit Essen anfangen. Doch mit auf den Rücken gefesselten Händen wurde selbst die simple Beschäftigung zum Problem. »Bevor Sie etwas zu sich nehmen, Mister Collings, sollten Sie allerdings die noch offene Frage beantworten, falls man diesen wohlgemeinten Vorschlag unterbreiten darf«, ließ Parker sich vernehmen, und Collings blickte wütend zu ihm auf. »Hab’ ich mir doch gedacht, daß Sie nicht lockerlassen«, meinte er. »Aber bei mir ist nichts zu machen. Ich verpfeife keine Kollegen.« »Diesen Umstand kann meine Wenigkeit nur mit dem größten Bedauern zur Kenntnis nehmen«, entgegnete der Butler und schenkte von dem heißen Tee ein. Dabei ging – wie aus Versehen – die Hälfte an der Tasse vorbei auf Collings’ Hosenbeine. »Au, verdammt!« schrie er. »Können Sie denn nicht aufpassen?« »Man bittet in aller Form um Vergebung für die kleine Unachtsamkeit«, erwiderte Parker ungerührt und ließ das Getränk weiterhin auf Collings’ Hose plätschern. »Könnte es zutreffen, daß Sie jetzt das Bedürfnis verspüren, etwas über den Verbleib der gestohlenen Papiere mitzuteilen, Mister Collings?« »Nein«, schrie der Mann. »Jetzt erst recht nicht!« Parker tat, als hätte er nicht verstanden. »Der Herr wünschen mehr Tee?« erkundigte er sich und langte wieder nach der Teekanne. Doch Collings schien genug zu haben. »Halt«, brüllte er.
»Nicht mehr! Ich sage alles!« »Ein außerordentlich erfreulicher Sinneswandel, wie man sicher bemerken darf«, entgegnete der Butler und stellte die Teekanne wieder ab. »Ich habe das ganze Paket zu Lee Cardiff gebracht«, gestand Collings. »Man darf wohl vermuten, daß Sie bereit sind, nähere Einzelheiten über diesen Mister Cardiff mitzuteilen?« erkundigte sich Parker. »Ich war mit ihm zusammen in der Army«, berichtete Collings. »Daher weiß ich, daß er viel Ahnung von Chemie hat und sich besonders für Sprengstoffe aller Art interessiert.« »Ein nicht gerade ungefährliches Steckenpferd, falls man sich diese kritische Anmerkung erlauben darf«, warf der Butler ein. »Von uns hatte keiner genügend Durchblick, um mit den Aufzeichnungen des alten Professors klarzukommen«, fuhr sein Gegenüber fort. »Auch Ray nicht, obwohl er in der Schule und später bei Lindsay wenigstens ein paar Grundbegriffe mitbekommen hat.« »Mister Cardiff war also dazu ausersehen, Sie bei der Herstellung von Lindsaynit zu beraten, falls meine Wenigkeit Ihre Äußerungen richtig verstanden hat?« vergewisserte sich Parker. »So ungefähr«, bestätigte Collings. »Er wollte die Protokolle durchsehen und mir dann morgen sagen, ob wir überhaupt in der Lage wären, das Zeug zu produzieren.« »Darf man sich denn noch erkundigen, welchem Gewerbe der genannte Mister Cardiff nachgeht, seit er seinen Abschied von den Streitkräften genommen hat?« wollte Parker wissen. »Er hat seit drei Jahren eine Bar«, gab Collings Auskunft und nannte die Straße. »Man dankt verbindlich für die erschöpfende Auskunft, Mister Collings«, sagte Josuah Parker mit einer Verbeugung. Dann nahm er Myladys Gast die Handschellen ab, damit der Mann sich seiner Mahlzeit widmen konnte. »Bedauerlicherweise scheint der Tee in der Zwischenzeit etwas abgekühlt zu sein«, erklärte der Butler. »Selbstverständlich würde meine Wenigkeit unverzüglich neuen bereiten, falls Sie es wünschen.« »Nein, bloß nicht!« wehrte Collings ab und stopfte sich das erste Sandwich in den Mund. »Lieber trinke ich ihn kalt.«
* Die »Blue-Moon-Bar.«gehörte zu jenen Etablissements, die nicht jeden x-beliebigen Gast hereinließen. Die Tür konnte man nur von innen öffnen. Dafür gab es einen Klingelknopf ohne Namensschild und in Augenhöhe einen Türspion. Josuah Parker drückte auf diesen Klingelknopf und wartete ab. Von drinnen war lebhaftes Stimmengewirr zu hören, aber niemand kam, um zu öffnen. Noch mal ließ er die Klingel surren. Endlich wurden Schritte hörbar, und Parker registrierte, wie sich von innen ein Auge an den Spion legte. Im nächsten Moment brach hinter der hölzernen Tür prustendes Gelächter los. »Nee, Opa, zieh Leine!« rief eine Stimme. »Für dich ist das hier nichts.« »Meine Wenigkeit ist keineswegs in der Absicht gekommen, an gewissen Darbietungen teilzuhaben«, versicherte der Butler. »Man bittet lediglich um ein kurzes Gespräch mit Mister Lee Cardiff.« Doch das Gelächter hinter der Tür wurde nur noch unbändiger. Dann entfernten sich die Schritte wieder. Ohne seine würdige Haltung aufzugeben, zog Josuah Parker sein Universalbesteck aus einer der unergründlichen Innentaschen seines schwarzen Covercoats. Gelassen ließ er den passenden Dorn ins Schloß gleiten. Kurze Zeit wollte der Schließmechanismus Widerstand leisten, doch dann folgte der Riegel Parkers sanften Überredungskünsten und gab mit leisem Klicken nach. »Verdammt! Da ist der Clown ja!« knurrte ein bulliger Typ, der auf dem ersten Barhocker gleich nahe der Tür saß. »Ich habe dir doch gesagt, daß du hier nichts zu suchen hast, Opa«, herrschte er den Butler an. »Wie bist du überhaupt reingekommen?« »Meine Wenigkeit war so frei, den üblichen Weg durch die Tür zu benutzen«, gab der Butler Auskunft und lüftete höflich die schwarze Melone. »Darf man sich erkundigen, ob Mister Lee Cardiff geruht, anwesend zu sein?« »Was wollen Sie denn von mir?« rief der sportlich wirkende Mittdreißiger, der im Smoking hinter der Bar stand und lässig mit seinen Gästen plauderte. Cardiff schien gut gelaunt zu sein. Zu-
mindest schien er nicht zu ahnen, was ihm bevorstand. »Nun laß ihn schon vorbei, Jim!« wies er den bulligen Rausschmeißer an. Mit widerwilligem Knurren machte Jim den Weg frei und ließ den Butler durch. »Vielleicht kommt der Typ von der Heilsarmee, Chef«, rief er hinter Parker her und hatte damit offenbar die Art Humor getroffen, die Cardiffs Gäste schätzten. Alle bog sich vor Lachen. »Hält dein Portemonnaie fest, Lee!« riet eine vollbusige Blondine in tief ausgeschnittenem Kleid. »Bestimmt will er Spenden sammeln.« »Meine Wenigkeit dachte eher daran, mit Ihnen über gewisse Papiere zu sprechen, die ein Mann namens John Collings Ihnen heute morgen anvertraut hat, falls man sich nicht gründlich irrt.« stellte der Butler richtig. Er war allerdings so dicht an die Bar herangetreten und hatte so leise gesprochen, daß nur Cardiff ihn verstehen konnte. Die Züge des Barbesitzers versteinerten sich. Er setzte das Whiskyglas ab, das er in der Hand gehalten hatte, und sah Josuah Parker durchdringend an. »Bitte kommen Sie mit in mein Büro«, sagte er. Cardiff ging durch einen düsteren Flur voran und stieß eine Tür auf, die in einen hell erleuchteten Raum führte. Er nahm hinter seinem Schreibtisch Platz und lud auch den Butler zum Sitzen ein, doch Josuah Parker lehnte dankend ab. »Wer schickt Sie?« wollte Cardiff wissen und spielte nervös mit einem silbernen Kugelschreiber. »Meine Wenigkeit war so frei, Sie aus eigenem Entschluß aufzusuchen«, versicherte Parker wahrheitsgemäß. »Unsinn! Das können Sie mir doch nicht erzählen!« entgegnete der Barbesitzer. »Wenn John Sie nicht geschickt hat, dann Harold.« Im nächsten Moment biß er sich auf die Lippen, sah an die Decke und ließ den Kugelschreiber noch schneller zwischen den Fingern kreisen. »Moment mal«, sagte er. »Sie sprachen von Papieren. Welche Papiere meinen Sie überhaupt?« »Man bittet höflich um Vergebung wegen dieser bedauerlichen Unterlassung«, erklärte Parker. »Wie Sie schon vermuten dürften, Mister Cardiff, handelt es sich um die Versuchsprotokolle, die einem emeritierten Chemieprofessor namens Lawrence Lindsay
nach einem gewaltsamen Überfall entwendet wurden. Die Papiere enthalten unter anderem die ausführliche Anleitung zur Herstellung der hochexplosiven Substanz Lindsaynit, falls man auch diese erklärende Bemerkung noch anfügen darf.« Während dieses Monologs hatte Parker sein Gegenüber nicht aus den Augen gelassen. »Mal angenommen, ich hätte derartige Papiere von jemand bekommen – was haben Sie für ein Interesse daran?« fragte Cardiff lauernd. »Meine Wenigkeit wird ausschließlich von dem Wunsch angetrieben, die entwendeten Papiere möglichst unverzüglich dem rechtmäßigen Eigentümer zurückzuerstatten«, gab Parker wahrheitsgemäß Auskunft. »Das können Sie dem Christkind erzählen«, prustete Cardiff los. »Sie wollen doch nur Ihren Reibach machen – wie jeder andere auch.« »Falls Sie gestatten, Mister Cardiff, möchte man dieser Unterstellung in aller Form widersprechen«, entgegnete Parker seelenruhig. »Man darf aber wohl festhalten, daß Sie zu den Personen gehören, die mit den entwendeten Papieren ihren Reibach machen wollen, wie Sie sich auszudrücken beliebten.« »Darf ich mal fragen, was Sie das überhaupt angeht?« gab Cardiff in eisigem Ton zurück. Unvermittelt ließ er seinen Kugelschreiber fallen und griff in eines der Schreibtischfächer. Parker, der auf die Verschärfung des Umgangstones vorbereitet war, ließ seinem Gegenüber jedoch keine Chance. Übermütig hüpfte die bleigefüllte Spitze seines sorgfältig gebundenen Universal-Regenschirmes über die Schreibtischplatte und tippte gegen Cardiffs Handrücken, ehe er seine Waffe auf den Butler richten konnte. Der Barbesitzer jaulte wie ein Hund, den Schwanz in der Tür eingeklemmt hat. Reflexartig spreizte er die Finger. Polternd fiel die Pistole zu Boden. Jammernd betrachtete er seine schwellende Hand und versuchte, sie durch Blasen zu kühlen. »Ganz schön fix.« stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Alle Achtung!« Parker entging nicht, daß sein Gegner trotz dieser schmerzlichen Einsicht heimlich nach seinem Schießeisen schielte, das ihm zwischen die Füße gefallen war. »Darf man der Hoffnung Ausdruck verleihen, daß sie keine ernst-
haften Einwände erheben?« fragte Parker in seiner höflichen Art. Dann angelte er sich die Waffe mit dem gebogenen Bambusgriff seines Schirmes. Frustriert mußte Cardiff zusehen, wie der Butler die Pistole aufhob und in einer Tasche seines schwarzen Covercoats verschwinden ließ. »Zivilisierte Menschen sollten sich des leichtfertigen Umganges mit Feuerwaffen eigentlich enthalten, falls diese Anmerkung erlaubt ist«, erklärte Josuah Parker. »Sie richten erhebliche Schäden an, die oft irreparabel sind. Darüber hinaus können sie die Atmosphäre eines Gesprächs außerordentlich negativ beeinflussen.« »Was wollen Sie? Ich habe die Papiere nicht mehr«, fauchte der Barbesitzer, ohne auf Parkers Belehrungen einzugehen. »Mit mir können Sie keine Geschäfte machen. Da hätten Sie früher aufstehen müssen.« »Man hat sich nicht in der Absicht herbemüht, mit Ihnen Geschäfte abzuschließen, Mister Cardiff«, stellte Josuah Parker kühl fest. »Falls Sie gestatten, möchte man sich jedoch hiermit nachdrücklich nach dem Verbleib der schon mehrfach genannten Papiere erkundigen.« »Ich habe sie nicht«, wiederholte Cardiff wütend. »Das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Ich habe den ganzen Kram verkauft.« »Zweifellos darf man davon ausgehen, daß Sie den Namen des Käufers bedauerlicherweise vergessen haben, Mister Cardiff?« erkundigte sich Parker. »Im Moment kann ich mich wirklich nicht erinnern«, behauptete der Barbesitzer. »Der Mann kommt nur selten in meine Bar. Zufällig wußte ich, daß er sich für so etwas interessiert.« »Könnte es zutreffen, daß der Käufer der Papiere auf den Namen Harold hört, Mister Cardiff?« bohrte Parker weiter. Ihm entging nicht, daß der Barbesitzer noch eine Spur blasser wurde und kleine Schweißperlen auf seine Stirn traten. Im nächsten Moment erhob sich Cardiff und wollte mit gewagtem Hechtsprung über den Schreibtisch hinweg Parker angreifen. Doch der Butler verlor auch in dieser Situation seine würdevolle Haltung nicht. Gelassen zog er den schwarzen Bowler vom Kopf und hielt Cardiff die stahlgepanzerte Kopfbedeckung entgegen. Die Wirkung trug dazu bei, die Gesprächsbereitschaft des Barbesitzers zu fördern.
Cardiffs Pech war, daß ausgerechnet seine Nase zuerst mit Parkers Kopfbedeckung Kontakt aufnahm. Das fleischige Riechorgan verformte sich und bremste den unüberlegten Flug seines Besitzers. Mit einem langgezogenen Schmerzensschrei stürzte Cardiff auf halbem Weg ab. Als sportlich durchtrainierter Mensch hatte er nicht mal einen Bauch, der seine Landung auf der harten Schreibtischplatte hätte abfedern können. Röchelnd zog Cardiff die Luft ein und gönnte sich eine kleine Pause. Wie ein nasses Wäschestück auf der Leine – hing er über seinem Schreibtisch und ließ Arme und Beine baumeln. Mit einer Prise Riechsalz holte der Butler ihn wieder in die schmerzhafte Realität zurück und half ihm in seinen Stuhl. »Leider sah meine bescheidene Wenigkeit keine andere Möglichkeit, um wieder zu einem kultivierten Gesprächston zurückzukehren«, sprach er den heftig stöhnenden Cardiff an, der in seinem Stuhl schwankte und dabei argwöhnisch die Rippen betastete. »Okay, Sie haben gewonnen«, preßte er mit schmerzverzerrtem Gesicht hervor. »Carpenter heißt der Mann, nach dem Sie fragen müssen. Harold Carpenter. Aber sagen Sie ja niemand, daß Sie die Information von mir haben! Und fragen Sie mich bloß nicht, wo Sie Harold treffen können. Er kommt einmal in der Woche auf einen Gin hier vorbei. Mehr weiß ich wirklich nicht.« Cardiff wirkte so eingeschüchtert, daß Parker geneigt war, ihm zu glauben. Seine Angaben einer näheren Überprüfung zu unterziehen, blieb aber auch keine Zeit mehr, denn in diesem Moment wurde vernehmlich an die Tür gepocht. »Ist alles klar, Chef?“ war die Stimme des bulligen Rausschmeißers zu hören. »Alles – alles klar, Jim«, stammelte Cardiff und blickte ängstlich auf die bleigefüllte Spitze des schwarzen UniversalRegenschirmes, die langsam vor seiner Nase auf und ab pendelte. »Ich komme gleich.« »Man dankt in aller Form für das freundliche Entgegenkommen und die erschöpfenden Auskünfte, Mister Cardiff«, sagte Parker in seiner höflichen Art und zog unbemerkt ein weißes Sprühfläschchen aus der rechten Tasche seines Covercoats. Ehe der Barbesitzer reagieren konnte, hielt Parker ihm die Düse unter die Nase und drückte kurz auf den Auslöseknopf. Es dauerte nur Sekunden, bis sich die Falten auf Cardiffs
schmerzverzerrtem Gesicht glätteten. Ein Lächeln legte sich über seine Züge. Dankbar blickte er den Butler aus großen Augen an, bevor er sich zu einem Nickerchen in seinem bequemen Schreibtischstuhl zurücklehnte. Sein Atem ging sanft und ruhig, als Josuah Parker geräuschlos die Tür aufklinkte und in den Flur trat. In der Bar verstummten die Gespräche, als der Butler gelassen durch den Raum schritt. »Mister Cardiff bittet noch um einen Moment Geduld. Er muß ein wichtiges Telefongespräch führen, ehe er zurückkommt«, sagte Parker zu Jim, der neben der Tür stand und ihm grimmig entgegenstarrte. Ganz leicht tippte die bleigefüllte Schirmspitze auf Jims rechten Fuß, als der Butler hocherhobenen Hauptes an ihm vorüberschritt. Während der bullige Kerl zur Freude der Gäste auf einem Bein durch den Raum hüpfte, öffnete Parker die Tür und verließ die »Blue-Moon-Bar.« Was Cardiff ihm nicht sagen konnte oder wollte, würde er morgen früh von dem ehrenwerten Horace Pickett erfahren. Würdigen Schrittes entfernte sich der Butler und bog ungesehen in die Seitenstraße, in der er sein hochbeiniges Monstrum abgestellt hatte. * »Mister Horace Pickett war so freundlich, einiges Wissenswerte zur Person von Mister Harold Carpenter zu übermitteln«, meldete Parker, als er vom Telefon in den Salon zurückkehrte. Schon beim Frühstück hatte er seiner Herrin den Besuch in der »Blue-MoonBar« gebeichtet, und Lady Agatha hatte die Eigenmächtigkeit ihres Butlers überraschend gnädig aufgenommen. »Der ehrenwerte Mister Pickett wußte zu berichten, daß ein Mann namens Harold Carpenter in einschlägigen Kreisen durchaus bekannt wäre«, informierte Parker seine Herrin über den Inhalt des Telefonats. »Der Genannte gilt als besonders heimtückisch und brutal, weshalb man ihn auch den >Panther< zu nennen pflegt.« »Mister Carpenter wird nachgesagt, er sei der führende Kopf bei verschiedenen Raubüberfallen großen Stils gewesen«, setzte Parker seinen Bericht fort. »Die Polizei wäre ihm aber bisher nicht auf die Schliche gekommen, wußte Mister Pickett mitzuteilen.«
Der von Parker erwähnte Horace Pickett war einst der ungekrönte König der Londoner Taschendiebe gewesen. Seit Josuah Parker ihm aus einer lebensgefährlichen Klemme geholfen hatte, war er jedoch auf die Seite des Gesetzes übergewechselt. So wie heute hatten sie seine noch immer hervorragenden Verbindungen zur Unterwelt der Millionenstadt schon oft als wertvoll erwiesen. »Daß die Polizei sich nicht an den Tiger herantraut, wundert mich überhaupt nicht, Mister Parker«, kommentierte die Detektivin trocken. »Mein Urteil über die britische Polizei habe ich mir längst gebildet. Da muß schon eine Detektivin meines Formats kommen, um mit dieser Bestie fertig zu werden.« Bescheidenheit war nun mal eine Eigenschaft, die Mylady nur an anderen Leuten schätzte. »Falls Mylady planen sollten, dem Panther einen Besuch abzustatten, würde sich vermutlich eine Fahrt zu Mister Carpenters Fabrik empfehlen«, schlug der Butler vor. »Fabrik?« fragte Agatha Simpson überrascht. »Eben erzählten Sie mir, dieser Tiger wäre ein Ganove, und jetzt behaupten Sie, er sei Inhaber einer Fabrik, Mister Parker!« »Beide Funktionen können sich bisweilen in einer Person vereinigen, falls man sich diesen Hinweis erlauben darf«, ließ der Butler sich vernehmen. »Möglicherweise sollte man davon ausgehen, daß Mister Carpenter die Fabrikation von Lacken und Farben betreibt, um von illegalen Unternehmungen abzulenken.« »Auf diese Möglichkeit wollte ich Sie auch gerade hinweisen, Mister Parker«, behauptete die Hausherrin. »Natürlich werde ich dem Kerl unverzüglich einen Besuch abstatten und ihm die Maske des ehrenwerten Unternehmers vom Gesicht reißen!« Parker wollte sich gerade entfernen, um den Wagen für die Abfahrt vorzubereiten, da klingelte schon wieder das Telefon. »Einen wunderschönen guten Morgen, Mister Parker!« sagte eine freundliche Stimme. »Ich wollte Ihnen nur mitteilen, daß bei mir wieder alles in bester Ordnung ist. Sind Sie denn auf der Suche nach den Protokollen weitergekommen?« Gerade wollte der Butler den Professor über den Stand seiner Nachforschungen in Kenntnis setzen, da unterbrach Lindsay ihn. »Moment mal, Mister Parker«, sagte er. »Ich glaube, da kommt ein Auto. Bitte, bleiben Sie einen Moment am Apparat. Ich sehe nur schnell nach, wer das ist.« Josuah Parker tat, wie ihm geheißen, und ließ sein Ohr weiterhin an der Muschel. Plötzlich vernahm er Stimmen, die aus Lindsays
Hausflur kommen mußten, dann ein Poltern und unverständliche Schreie. Im nächsten Moment war ein Knall zu hören. Offenbar hatte jemand die Haustür zugeworfen. Sekunden später war durchs Telefon zu verfolgen, wie vor Lindsays Haus ein Auto startete und mit aufheulendem Motor davonjagte. Josuah Parker wartete noch eine Weile, aber Professor Lawrence Lindsay kehrte nicht mehr ans Telefon zurück… »Falls man sich nicht gründlich täuscht, dürfte meine Wenigkeit soeben Ohrenzeuge einer Entführung geworden sein«, meldete der Butler seiner Herrin, die ihm schon erwartungsvoll entgegensah, als er aus der Diele zurückkehrte. »Wollen Sie damit andeuten, Mister Parker, daß Professor Lindsay das Opfer eines Menschenraubes geworden ist?« vergewisserte sich die Detektivin. »Mylady haben soeben den Tatbestand, den man mitzuteilen gedachte, in geradezu bewundernswerter Präzision geschildert«, pflichtete der Butler ihr bei. »Dann werde ich mich unverzüglich zum Haus des Forschers begeben, um die Spur der Entführer aufzunehmen«, verkündete Agatha Simpson und erhob sich ächzend und keuchend aus ihrem Sessel. »Bitte, sorgen Sie dafür, Mister Parker, daß mein Wagen startklar ist.« »Mylady haben zweifellos bedacht, daß die Entführer sich mit ihrem Opfer inzwischen vermutlich auf der Fahrt nach London befinden«, wandte Parker ein. »Allem Anschein nach dürfte nur der schon mehrfach genannte > Panther < als Auftraggeber dieses Menschenraubes in Frage kommen.« »Natürlich habe ich das bedacht, Mister Parker«, fauchte die Hausherrin. »Wie oft soll ich noch sagen, daß ich unsachliche Einwürfe nicht wünsche.« »Man bittet Mylady in aller Form um Vergebung«, erklärte Parker in seiner stets höflichen Art. »Mylady erwarten also, zum Haus des Herrn Professors gefahren zu werden, falls meine Wenigkeit die Anordnung richtig verstanden hat.« »Natürlich nicht, Mister Parker«, schrie die ältere Dame ungehalten. »Selbstverständlich werde ich noch heute den >Panther< stellen und bei der Gelegenheit auch den Professor befreien.« »Gedachten Mylady sofort aufzubrechen?« erkundigte sich der Butler. »Oder wäre es genehm, wenn meine bescheidene Wenig-
keit zunächst den Tee servieren würde?« »Sie wissen doch, Mister Parker, daß es guter englischer Brauch ist, zur Teestunde den Tee zu nehmen«, verwies seine Herrin. »Ein Viertelstündchen wird der gute Professor noch warten können.« Aus der viertel Stunde wurden fast vier Stunden. Das lag nicht nur an einer plötzlichen Kreislaufschwäche, der Lady Agatha mit Stärkungsmitteln zu Leibe rücken mußte. Es traten auch Ereignisse ein, die die Abfahrt zu Harold Carpenters Lackfabrik unversehens verzögerten. * Als Mylady sich ausreichend gestärkt fühlte, und auch ihrem taktischen Konzept den letzten Schliff geben konnte, wie sie sich ausdrückte, brach der Abend herein. Routinemäßig schaltete Parker die hauseigene Videoanlage ein, ehe er die Haustür öffnete. Als das gestochen scharfe Bild auf dem Monitor sichtbar wurde, wußte der Butler, daß sich die Vorsichtsmaßnahme wieder mal gelohnt hatte. Die silbergraue Chevrolet-Limousine, die gegenüber Myladys Einfahrt parkte, hatte Parker noch nie in dieser Gegend bemerkt. Bei genauerem Hinsehen erkannte er, daß vier Männer in dem Auto saßen. Als Auftraggeber kam eigentlich nur Carpenter in Frage. Also hatte der »Panther« doch Wind davon bekommen, daß Josuah Parker und Agatha Simpson ihm auf der Spur waren. »Falls Mylady keine Einwände erheben«, teilte Parker seiner Herrin mit, »würde meine Wenigkeit zunächst Vorkehrungen für eine ungehinderte Abfahrt treffen.« »Heißt das, daß ich belagert werde, Mister Parker?« erkundigte sich die Detektivin hocherfreut. Der Butler bestätigte dies mit einer höflichen Verbeugung. »Das habe ich doch wieder geahnt«, behauptete Lady Agatha ungeniert. »Auf jeden Fall ein guter Auftakt! Der Abend verspricht, unterhaltsam zu werden, Mister Parker.« »Falls Mylady gestatten, würde sich auch meine Wenigkeit dieser Einschätzung anschließen«, erklärte Parker. »Gedenken Mylady hinsichtlich der Belagerer konkrete Anordnungen zu treffen?« »Das sind Details, die ich Ihnen überlasse, Mister Parker«, gab
die ältere Dame zurück. »Ich werde mich darauf konzentrieren, den Kopf der Bande dingfest zu machen.« Wenige Augenblicke später verließ Josuah Parker das Haus durch einen Hintereingang, um sich dem verdächtigen Fahrzeug unbemerkt nähern zu können. Mit seinem schwarzen Covercoat, dem Bowler und den Lederhandschuhen tauchte er in der Dunkelheit unter wie ein Schatten. Die vier Männer im Chevrolet waren viel zu sehr mit ihrer Unterhaltung beschäftigt, um den Butler zu bemerken. Sie hatten das Schiebedach eine Handbreit geöffnet, um frische Abendluft in den Wagen zu lassen. Mit der Gewandheit einer Katze näherte sich Parker dem Fahrzeug und zog im Gehen ein Plastikröhrchen aus der Tasche, das auf den ersten Blick einem Kugelschreiber ähnelte. Sobald er das Heck des Wagens erreichte, verdrehte er die beiden Hälften gegeneinander und ließ sie blitzschnell durch die Öffnung im Dach fallen. Eine Sekunde geschah nichts. Dann signalisierte heftiges Husten und Würgen, daß sich das beizende Gas im Wageninnern ausgebreitet hatte. Doch gleich darauf verebbten die Geräusche wieder. Josuah Parker, der wie ein unbeteiligter Spaziergänger weitergeschritten war, machte auf dem Absatz kehrt und überzeugte sich davon, daß die Männer wirklich in tiefen Schlummer gefallen waren. Das Betäubungsmittel hatte gewirkt. Alle vier hatten sich behaglich in die komfortablen Polster zurückgelehnt und schnarchten. Die Waffen auf ihren Knien machten dagegen einen weniger friedlichen Eindruck. Parker sammelte vier Schnellfeuergewehre, drei großkalibrige Pistolen mit Schalldämpfer sowie ein halbes Dutzend Handgranaten ein und trug sie ins Haus. Anschließend kehrte er noch mal zurück, öffnete die Motorhaube des Chevrolets und entfernte mit geschickten Handgriffen den Verteilerfinger. Da würden die Herren Belagerer lange suchen können, wenn sie wieder erwachten und ihren Wagen starten wollten. Gründlich, wie er nun mal war, legte der Butler auch noch einen Krähenfuß vor und hinter jedes Rad. Beim geringsten Anrollen mußten sich die im Winkel verschweißten Stahlnägel wie die Zähne gieriger Raubfische in die Reifen bohren. Das würde die Männer noch länger im idyllischen Shepherd’s Market verweilen las-
sen. Um ganz sicherzugehen, schloß Parker das Schiebedach des Chevrolet und ließ die Männer an dem weißen Sprayfläschchen schnuppern, das er immer bei sich trug. Dann drückte er behutsam die Autotür zu und kehrte zu seiner Herrin zurück, die schon ungeduldig auf die Abfahrt wartete. * Harold Carpenters Lack- und Farbenfabrik lag an einer der trostlosen, grauen Nebenstraßen im Londoner Eastend, wo Polizisten grundsätzlich zu zweit auf Streife gehen – falls sie sich überhaupt dort blicken lassen. Parker ließ sein hochbeiniges Monstrum zunächst an der Einfahrt vorüberrollen, um einen ersten Blick auf das Gelände zu werfen. Die Fabrikations- und Lagerschuppen machten einen heruntergekommenen Eindruck. Insofern unterschieden sie sich nicht von ihrer Umgebung. Gleich vorn an der Straße lag jedoch ein neueres Gebäude, ein phantasieloser, würfelförmiger Kasten im Billigbaustil der 50er Jahre. Von der Straße aus war nirgendwo Licht zu sehen. Der Panther schien sein Versteck verlassen zu haben. Erst als der Butler sein Fahrzeug in einer Seitenstraße abgestellt hatte und mit seiner Herrin die wenigen Schritte zurückging, bemerkte er einen schwachen Lichtschein, der auf das Dach eines langgestreckten Schuppens fiel und aus einem rückwärtigen Fenster des Neubaus stammen mußte. Das Tor zum Hof stand halb offen, so daß die Detektivin und der Butler ungehindert aufs Gelände gelangten. Lady Agatha zog es vor, am Boden zu warten, während Josuah Parker behend, wie man es bei seiner würdevollen Erscheinung kaum erwartet hätte, an einer Regenrinne auf das Dach des Schuppens hangelte. Lautlos näherte er sich Schritt für Schritt dem hell erleuchteten Fenster, dessen Unterkante aber ein gutes Stück über seiner Augenhöhe lag. Die glatte Mauer bot keinerlei Halt, doch der Butler wußte sich auch in dieser Situation zu helfen. Bedächtig zog er einen Taschenspiegel hervor und stellte sich mit dem Rücken zur Wand unter das Fenster. Dann hielt er den Spiegel am ausgestreckten Arm so in die Höhe, daß er wenigstens
einen Ausschnitt des Raumes erkennen konnte. Unmittelbar am Fenster, mit dem Rücken zum Glas, stand ein Mann, der aber nur als Silhouette zu erkennen war. Gleich neben ihm lehnte ein zweiter, wie Parker nach einer leichten Drehung des kleinen Spiegels registrierte. Zwischen den beiden war gerade noch so viel Platz, daß der Butler einen Blick auf die gegenüberliegende Wand des kahlen, grell erleuchteten Raumes werfen konnte. Sofort erkannte er die Gestalt, die dort auf einem Stuhl hockte. Die spiegelnde Glatze mit dem schneeweißen Haarkranz war unverkennbar Professor Lindsays Kopf. Offenbar war der greise Forscher nach den Strapazen der vergangenen Tage vor Erschöpfung eingenickt. Seine Bewacher hatten ihn mit Stricken an die Rückenlehne gefesselt, so daß er nicht abrutschen konnte. Parker hatte genug gesehen, ließ den Spiegel wieder in die Tasche gleiten und war wenig später bei seiner Herrin, um ihr Bericht zu erstatten. »Zweifellos dürfte es sich bei den beiden Männern um Gehilfen des >Panthers< handeln, denen lediglich die Aufgabe zugewiesen wurde, Professor Lindsay zu bewachen«, meinte der Butler. »Sie haben nur nicht genau genug hingesehen, Mister Parker«, kritisierte die Detektivin. »Ich bin sicher, daß einer von beiden der Tiger ist, oder daß er sich irgendwo hier im Haus versteckt hält.« Josuah Parker vermied es, die Diskussion zu vertiefen und geleitete statt dessen seine Herrin zum vorderen Eingang des Gebäudes. Die gläserne Doppelflügeltür war verschlossen. Doch der Widerstand, den sie Parkers bewährtem Universalbesteck entgegensetzte, dauerte nur Sekunden. Dann glitt der Riegel bereitwillig zurück und gab den Weg frei. Im Haus herrschte fast völlige Dunkelheit und eine geradezu unheimliche Stille, als der Butler seine Herrin eintreten ließ. Einige Mühe mußte er aufwenden, um Lady Agatha die Fahrt im Lift auszureden und sie zum Treppensteigen zu bewegen. Kurz darauf hatten sie das erste Obergeschoß erreicht. Ein schmaler Lichtstreifen, der durch eine Ritze in den dunklen Flur fiel, verriet die Tür, hinter der Professor Lawrence Lindsay von Männern des »Panthers« gefangen gehalten wurde. Dezent, aber unüberhörbar klopfte der Butler an. Einen Moment geschah überhaupt nichts. »Hast du das gehört?«
fragte schließlich einer von den Männern drinnen. »Das klang, als hätte jemand geklopft.« »Spinner!« gab sein Kumpan unwirsch zurück. »Wer soll denn hier um diese Zeit klopfen? Außer uns ist niemand im Haus, und alle Eingänge sind verschlossen.« In diesem Moment pochte der Butler ein zweites Mal an die Tür. »Da – schon wieder!« sagte der erste Bewacher. »Entweder ist wirklich jemand draußen… oder in diesem Haus gibt es Klopfgeister.« Diesmal hatte auch der zweite Mann das Klopfen gehört. »Dann geh doch einfach mal nachsehen«, schlug er vor. Butler Parker und Lady Agatha, die sich rechts und links der Tür im dunklen Flur aufgestellt hatten, vernahmen Schritte, die sich näherten. Gleich darauf wurde die Tür einen Spaltbreit geöffnet. »Ist da jemand?« rief der Mann in die Dunkelheit. »Du hast wohl Angst vor Gespenstern«, spottete sein Kumpan. Das wiederum wollte sich der Mann nicht sagen lassen, trat mit vorgehaltener Pistole in den Flur und tastete nach dem Lichtschalter. In diesem Augenblick ließ Parker den bleigefüllten Bambusgriff seines Universal-Regenschirmes auf die Schädeldecke des Bewachers fallen. Abrupt unterbrach der Mann die Suche nach dem Lichtschalter, da ihm jetzt ohnehin schwarz vor Augen wurde. Mit einem leisen Seufzer ging er in die Knie, ließ die Waffe fallen und legte sich wie ein braver Hund dem Butler zu Füßen. »Was ist denn los?« rief sein Kumpan von drinnen. »Was machst du da?« Doch der Mann zeigte keine Neigung zur Antwort. »He, David, wo steckst du?« war wieder die Stimme des Mannes aus dem Zimmer zu hören. Als er auch diesmal keine Antwort hörte, entschloß er sich, der Sache auf den Grund zu gehen. »Den werden Sie aber mir überlassen, Mister Parker«, verlangte die Detektivin von ihrem Butler. »Sie gönnen mir ja nicht mal die kleinste Freude.« Schon wippte der perlenbestickte Pompadour unternehmungslustig an ihrem Handgelenk. Lindsays zweiter Bewacher steckte gerade den Kopf aus der Tür und spähte argwöhnisch in die Dunkelheit, als die ledernen Riemen mit kaum hörbarem Zischen die Luft durchschnitten. Sanft, aber unwiderstehlich legte sich der Pompadour auf den
Hinterkopf des Mannes. Er jaulte, ließ den schweren Revolver fallen, den er in der Hand hielt, und schoß torkelnd in den immer noch dunklen Flur. In gebückter Haltung prallte er mit dem Kopf an die gegenüberliegende Wand, richtete sich noch mal jammernd auf und ging dann endgültig in die Knie. Von da ab war nur noch leises Stöhnen zu vernehmen, das nahtlos in friedliche Schnarchtöne überging. »Hallo, ist da jemand?« war die zittrige Stimme des Professors von innen zu hören. »Lady Simpson ist gekommen, um Ihnen die Freiheit zu bringen«, verkündete die Detektivin pathetisch. »Gott sei Dank, daß Sie da sind!« rief der Professor überglücklich. »Wie haben Sie mich gefunden?« »In solchen Fällen verlasse ich mich stets auf meinen geradezu genialen Spürsinn«, verriet Lady Agatha, während der Butler die beiden Bewacher entwaffnete und dann den greisen Forscher von den Fesseln befreite. * »Darf man der Hoffnung Ausdruck verleihen, daß Sie die Ereignisse des heutigen Tages unbeschadet überstanden haben, Sir?« erkundigte sich der Butler, während Lindsay sich stöhnend vom Stuhl erhob und die steif gewordenen Glieder streckte. »Die letzten Stunden waren etwas unbequem«, gab der Forscher Auskunft. »Aber sonst haben die Gangster mich eigentlich gut behandelt.« »Man kann und muß wohl davon ausgehen, daß Ihre Entführung unmittelbar mit dem von Ihnen entwickelten Sprengstoff im Zusammenhang steht, Sir?« wollte Parker wissen. »Natürlich«, bestätigte Lindsay. »Allein kamen sie mit meinen Aufzeichnungen nicht zurecht. Deshalb haben Sie mich geholt und mit verbundenen Augen hierhergebracht. Ein Mann, den sie den >Panther< nennen, scheint der Anführer der Bande zu sein. Er war es auch, der mir schließlich die Augenbinde abnahm. Das war gleich nebenan im firmeneigenen Labor.« »Mister Harold Carpenter, wie der sogenannte >Panther< mit bürgerlichem Namen heißt, verfügt also über ein chemisches La-
bor, falls man ihre Äußerung richtig verstanden hat?« vergewisserte sich der Butler. »Muß man annehmen, daß Mister Carpenter dort die Herstellung von Lindsaynit aufnehmen wollte?« »Wollte?« gab der Professor zurück. »Die Produktion hat schon begonnen! Die Gangster hielten mir einen Pistolenlauf ins Genick und zwangen mich, die Substanz zu synthetisieren. Ein ganzes Gramm mußte ich den Burschen herstellen. Können Sie sich vorstellen, was das bedeutet?« »Wenn man in Rechnung stellt, daß zur Verwüstung Ihres Labors nur ein Hundertstel dieser Menge erforderlich war, dürfte ein Gramm ausreichen, um selbst massive Bauwerke zum Einsturz zu bringen«, pflichtete Parker ihm bei. »Eine Brücke zum Beispiel«, bestätigte Lindsay. »Eine Brücke?« wiederholte Lady Agatha. »Welches Interesse sollte der >Panther< haben, eine Brücke zu sprengen? Dann schon eher die Bank von England!« »Sie haben aber vor, eine Brücke zu sprengen«, beharrte der Wissenschaftler. »Ich habe es genau gehört und mir alles gemerkt. Die Kerle unterhielten sich völlig sorglos in meiner Gegenwart über ihre Pläne. Wahrscheinlich dachten sie, ein alter Tattergreis wie ich würde davon sowieso nichts begreifen.« Schadenfroh kicherte er in seinen Bart. »Ist Ihnen zufällig bekannt, um welche Brücke es sich dabei handelt, Sir?« wollte Parker wissen. »Wenn ich es richtig verstanden habe, geht es um eine Straßenbrücke, die die Eisenbahnlinie nach Stevenage kreuzt«, gab Lindsay Auskunft. »Ein paar Meilen nördlich von Broosmans Park. Sie wollen die Brücke sprengen, um einen Postzug zum Halten zu zwingen. Angeblich werden in diesem Zug große Mengen Bargeld in Säcken befördert.« »Ohne den Ultraschallgenerator dürfte sich dieser Plan als undurchführbar erweisen, falls man sich nicht gründlich irrt«, meinte der Butler, doch Lindsay fiel ihm ins Wort. »Das ist es ja gerade«, rief er verzweifelt aus. »Den Generator haben sie mitgenommen! Der > Panther <, der zweifellos gewisse Grundkenntnisse in den Naturwissenschaften besitzt, erkundigte sich gleich bei mir, wie die Substanz zur Detonation zu bringen wäre. Er drohte mir mit Foltermethoden, bis ich ihm auch die Sache mit dem Generator verriet. Daraufhin schickte er sofort zwei Männer los, die das Gerät holten. Ich habe zwar noch versucht,
die Batterie aus dem Kästchen zu entfernen, aber das merkten sie sofort.« »Dann muß man wohl von der Tatsache ausgehen, daß Mister Carpenter und seine Gehilfen die Sprengladung zwischen an der fraglichen Brücke angebracht haben«, stellte Parker fest. »Darf man sich schließlich noch erkundigen, Sir, ob Sie zufällig in Erfahrung bringen konnten, zu welcher Uhrzeit der Zug überfallen werden soll?« »Sie sprachen von genau zwei Uhr«, erinnerte sich Lindsay. »Wie spät ist es denn jetzt?« »Genau 0.48 Uhr«, stellte der Butler nach einem Blick auf seinen Chronometer mit. »Man sollte unverzüglich an Aufbruch denken, falls meine bescheidene Wenigkeit diesen Vorschlag unterbreiten darf.« »Sie wollen den Burschen also das Handwerk legen?« fragte Lindsay bewundernd. »Ich werde die Kerle zur Strecke bringen und den Tiger ins Gefängnis befördern«, antwortete Mylady an Parkers Stelle. »Mister Parker fällt dabei lediglich die Aufgabe zu, mich zu begleiten und zu chauffieren.« »Und ich?« wollte der Professor wissen. »Sie kommen natürlich mit«, erklärte die Detektivin entschieden. »Aber fürchten Sie sich nicht! Lady Simpson wird weiterhin ihre schützende Hand über Sie halten.« Während die resolute Dame und der Wissenschaftler schon die Stufen zum Ausgang hinabstiegen, schleifte Parker noch rasch die beiden Bewacher ins Zimmer, setzte sie auf Stühle und kettete ihre Handgelenke mit den Handschellen aus speziell gehärtetem Stahl an den Rückenlehnen fest. Dann sorgte er mit zwei kleinen Nebelwölkchen aus der weißen Sprühflasche dafür, daß Carpenters Gehilfen nicht zu früh aus ihren Träumen erwachten. Anschließend schloß er die Tür von außen ab und ließ den Schlüssel in einen Abfalleimer fallen, der auf dem Flur stand. * Die Zeiger der Uhr rückten gerade auf 1.32 Uhr vor, als Parker bei Weihalm Green die Autobahn verließ und die von Lindsay genannte Bahnlinie ansteuerte. Der Butler konnte sich schon den-
ken, welche Stelle der »Panther« für seinen Coup ausgewählt hatte. Die hügelige, mit verstreuten Busch- und Baumgruppen bewachsene Gegend bot sich für einen solchen Überfall geradezu an. Eine wenig befahrene Straße verlief dort zunächst parallel zur Bahnlinie, die in einem Geländeeinschnitt lag. An einer unübersichtlichen Stelle schwenkte das Sträßchen in einer S-förmigen Kurve ab, überquerte auf einer steinernen Brücke die Schienen und folgte dann auf der anderen Seite wieder der Bahnstrecke. Heller Vollmondschein lag über der Landschaft. Nur ab und zu schoben sich dunkle Wolken vor die weißglänzende Scheibe. In respektvoller Entfernung von der Brücke stellte Parker sein hochbeiniges Monstrum hinter eine Baumgruppe und machte sich zu Fuß auf den Weg. Lady Agatha zog es wegen der nächtlichen Kühle vor, im Fond des Wagens zu bleiben und der Dinge zu harren, die da kommen sollten, Professor Lindsay war mehr als erleichtert, daß er der Detektivin dabei Gesellschaft leisten durfte. Parker nutzte jede Deckungsmöglichkeit, die das Gelände bot, während er sich an die Brücke heranpirschte. Das erste, was er im hellen Mondlicht wahrnahm, war eine weiße Limousine amerikanischer Bauart, die jenseits der Bahnlinie am Straßenrand parkte. Erst als sich eine riesige schwarze Wolke vor den Mond schob und die Landschaft in Finsternis versinken ließ, bemerkte er auch den schwachen Lichtschein, der unter dem diesseitigen Widerlager der Brücke hin und her hüpfte. Offenbar machte sich dort jemand mit einer Taschenlampe zu schaffen. Noch näher glitt der Butler heran, bis plötzlich – nur wenige Meter vor ihm – zwei Männer die Böschung heraufkletterten. Einer von ihnen trug eine Taschenlampe, die er gerade ausknipste. Der andere schien Werkzeug bei sich zu tragen: Hammer und Meißel, soweit Parker in der undurchdringlichen Finsternis erkennen konnte. Ohne den Späher im schwarzen Covercoat zu bemerken, schlugen sie die Richtung zu dem parkenden Wagen ein und gingen über die Brücke davon. Als sie die gegenüberliegende Seite erreichten, sandte der Mond wieder einen schwachen Lichtschein, und Parker erkannte, wie zwei weitere Männer aus dem Auto stiegen. Die vier sprachen ein paar Worte miteinander, bevor sie eine
kleine Anhöhe bestiegen, die freien Blick auf die Brücke und die im Einschnitt liegenden Bahnschienen ermöglichte. Lautlos wie ein Schatten ließ der Butler sich die Böschung hinabgleiten, um unter das Widerlager der Brücke zu gelangen. 1.49 Uhr zeigte sein Chronometer in diesem Moment. Parker blieb nicht mehr viel Zeit, um die winzige Plastikkapsel mit dem Sprengstoff zu finden. Nach der Beschreibung des Professors war sie nicht mal so groß wie die Tonmurmel, die der Butler gelegentlich mit seiner Gabelschleuder auf die Reise schickte. Seine leistungsfähige Taschenlampe konnte er für die Suche nicht benutzen. Der Schein wäre den Ganoven auf ihrem Ausguckposten sofort aufgefallen. Vorsichtig tastete der Butler in totaler Finsternis mit beiden Händen über stählerne Rollen und gemauerte Vorsprünge. Erst an der linken Seite des Widerlagers, dann an der rechten. Doch die kleine, brisante Kugel war gut versteckt. Die Zeiger der Uhr rückten bereits auf 1.56 Uhr vor, als Parker endlich eine rauhe Stelle im sonst glatten Mauerwerk ertastete. Vorsichtig begann er, an einer vorstehenden Steinspitze zu rütteln. Der Stein bewegte sich, gab aber nicht nach. Offenbar hatten die Männer ihn mit Hammerschlägen in dem Loch verkeilt, das die Kapsel mit einem Gramm Lindsaynit enthielt. Bedächtig zog der Butler das Universalbesteck hervor, führte einen der stählernen Dorne in den Spalt und begann zu hebeln. Es dauerte nur Sekunden, bis der faustgroße Stein knirschend aus der Öffnung rutschte, die die Männer im Auftrag des »Panthers« gemeißelt hatten. Die Öffnung war zwar zu eng, um mit der Hand hineinzugreifen, doch Parkers Universalbesteck löste auch dieses letzte Problem. Sekunden später rollte die kleine Kugel aus dem Loch und fiel in des Butlers aufgehaltene Hand. Metallisches Quietschen und Klappern hinter seinem Rücken ließ Parker aufmerken. Es war das Signal, das in einiger Entfernung von der Brücke am Rand des Gleiskörpers stand. Es zeigte jetzt auf »freie Fahrt.« 1.59 Uhr, stellte Parker mit einem Blick auf das Leuchtzifferblatt seiner Uhr fest. Schon begannen die Schienen leise zu summen. Der Postzug konnte nicht mehr weit sein. Ruhig zog der Butler die Gabelschleuder aus der linken Außentasche seines Covercoats und legte die kleine Plastikkapsel behut-
sam in die lederne Schlaufe. Dann spannte er die starken Gummistränge fast bis zum Zerreißen. Im nächsten Moment flog die Kugel davon und verschwand in hohem Bogen in der Dunkelheit. Es war keine Sekunde zu früh… Gerade erschienen links die Lichter der Lokomotive, da tauchte ein gleißender Blitz die nächtliche Landschaft in grelles Licht. Über den Köpfen der vier Männer explodierte das Lindsaynit, ehe die kleine Kapsel den Erdboden erreichte. Ein riesiger Feuerball breitete sich aus. Ein scharfer Knall, dessen Wucht sogar die steinerne Brücke erzittern ließ, folgte Sekundenbruchteile später. In heilloser Panik ergriffen die Ganoven die Flucht und versuchten, in langen Sätzen ihr Auto zu erreichen. Vor dem Hintergrund der riesigen Flammen wand wirkten ihre Gestalten wie Figuren eines Schattentheaters. Ohne Zögern klappte Parker die Spitze seines UniversalRegenschirmes nach unten. Dann legte er den Schirm wie ein Gewehr an und zielte kurz. Im nächsten Augenblick schwirrte ein kleiner, gefiederter Pfeil davon und suchte sich unbeirrbar seinen Weg. Aus der Distanz konnte der Butler genau erkennen, wie der Langsamste des Ganovenquartetts plötzlich die Arme in die Luft warf, als die nadelscharfe Spitze ihr Ziel erreichte. Anschließend griff der Mann mit beiden Händen nach seinem Hinterteil, geriet ins Stolpern und legte sich ins Gras, bevor er das Auto erreicht hatte. Aber auch seine Spießgesellen fanden keine Gelegenheit mehr, den Wagen zur Flucht zu benutzen. Kurz bevor sie die Limousine erreicht hatten, setzte die Hitze der Detonation das Fahrzeug mit dumpfem Knall in Brand. Als die Männer sahen, wie die Flammen aus dem Motorraum schlugen, machten sie auf dem Absatz kehrt und suchten ihr Heil in der entgegengesetzten Richtung. Parker registrierte diese Entwicklung mit Befriedigung. Jetzt blieb den Männern nur die Möglichkeit, über die Brücke zu entkommen. Und dieser Weg führte sie unmittelbar an dem Butler vorbei. Der Schnellste von ihnen, ein hochaufgeschossener Mann mit weit ausgreifenden Beinen, hatte gerade die Brücke erreicht, als der Postzug in voller Fahrt die Stelle passierte. Wie der Professor den Mann beschrieben hatte, mußte es sich bei dem Langen um den Kopf der Bande, den gefürchteten »Panther«
namens Harold Carpenter, handeln. Inzwischen hatte der Butler seine Gabelschleuder schon wieder nachgeladen. Diesmal legte er jedoch eine hartgebrannte Tonmurmel in die Ledersehlaufe. Mitten im Lauf blieb der »Panther« wie angewurzelt stehen, als die Kugel vernehmlich an seine Schläfe tippte. Er griff an den Kopf, versuchte noch einen, zwei Schritte zu machen und vergaß dann seine Fluchtgedanken. Taumelnd drehte er eine etwas mißratene Pirouette, griff nach einem Halt, den es nicht gab, und legte sich am Straßenrand nieder. Einer der Gehilfen unterbrach seine panische Flucht ebenfalls. Besorgt kniete er neben dem Boß nieder. Das war sein Fehler… Josuah Parker, der nur wenige Meter entfernt stand, näherte sich lautlos und würdevoll. Er klopfte einmal vorsichtig mit dem bleigefüllten Bambusgriff des Universal-Regenschirmes auf den Schädel des Mannes. »Falls der Herr gestatten, wird meine Wenigkeit sich des bedauernswerten Mister Carpenter annehmen«, erklärte Parker in seiner höflichen Art. Doch der Mann bedankte sich nicht mal dafür, daß Parker ihm die Sorge um seinen Boß abgenommen hatte. Mit einem erlösten Seufzer bettete auch er sich auf den Boden und verlor jedes Interesse an den Geschehnissen seiner Umgebung. Dem letzten noch bewegungsfähigen Mitglied des Gangsterquartetts schien das Wohl oder Wehe seines Chefs gleichgültig zu sein. Ohne den »Panther« auch nur eines Blickes zu würdigen, stürmte er an ihm vorbei. Einen Fehler machte aber auch er. Und der wurde ihm schließlich doch zum Verhängnis. Im Laufen drehte er sich nämlich noch mal um und übersah deshalb das Hindernis, das ihm auf der nachtdunklen Straße entgegenkam. Lady Agatha hatte, durch den Feuerball und den Knall neugierig gemacht, Parkers hochbeiniges Monstrum verlassen, um sich vom Ausgang der Aktion zu überzeugen. Selbst wenn der Mann sie bemerkt hätte, wäre es ihm schwergefallen, auf der schmalen Straße an der Leibesfülle der Detektivin vorbeizukommen. So aber rannte er in vollem Lauf gegen sie, und Lady Agatha, die sich instinktiv etwas geduckt hatte, ließ den flüchtenden Ganoven wie eine routinierte Judokämpferin über ihre Schulter abrollen. Der Mann dagegen schien seine Lektion nicht richtig gelernt zu
haben. Mit erschrecktem Aufschrei wirbelte er durch die Luft und verrenkte Arme und Beine, bevor er mit klatschendem Geräusch wieder Kontakt zum Boden aufnahm. Nach dieser unsanften Landung hatte auch er seine Fluchtgedanken vergessen. Der Mann stöhnte und wälzte sich auf dem Asphalt hin und her, als Agatha Simpson sich überrascht zu der Beute umwandte, die ihr so unverhofft ins Netz gegangen war. »Mister Parker!« rief sie. »Wo stecken Sie denn?« »Hier, Mylady!« drang die Stimme des Butlers aus der Dunkelheit. Sekunden später stand er schon neben seiner Herrin und musterte den am Boden liegenden Mann. »Ganz allein habe ich den >Panther< gestellt und ihn im offenen Zweikampf zu Boden gezwungen«, verkündete die ältere Dame stolz. »Der Kerl hat sich zwar heftig gewehrt, aber ein Verbrecher, der mir gewachsen wäre, müßte erst noch geboren werden.« »Darf meine Wenigkeit Mylady in aller Bescheidenheit darauf aufmerksam machen, daß es sich bei diesem Mann wohl kaum um den sogenannten >Panther< handeln dürfte?« versuchte Parker vorsichtig, ihr die wahre Situation beizubringen. Mylady widersprach energisch, ließ sich dann aber doch zu der Stelle führen, wo der echte »Panther« lag. Überzeugt war sie erst, als Josuah Parker ihr die silberne Anstecknadel zeigte, die Carpenter am Aufschlag seiner schwarzen Lederjacke trug. Es handelte sich um einen kunstvoll ziselierten Panther mit Augen aus kostbaren schwarzen Diamanten. Gewissensbisse schien Mylady nicht zu haben, als sie den Schmuck einsteckte. »Ein Souvenir wird man ja noch mitnehmen dürfen«, meinte die Detektivin, als sie Parkers leicht mißbilligenden Blick bemerkte. »Meine Ermittlungen sind abgeschlossen. Sie dürfen jetzt die Polizei anrufen, Mister Parker.« »Selbstverständlich wird meine Wenigkeit sich beeilen, Myladys Wunsch unverzüglich Folge zu leisten«, bestätigte der Butler, mit der unbewegten Miene eines routinierten Pokerspielers. »Und dann rufen Sie gleich die Kinder an und laden sie zum Frühstück ein«, ordnete die ältere Dame an. »Natürlich muß ich den beiden unbedingt erzählen, wie ich den Tiger gefangen habe.« »Mylady dürften fraglos bedacht haben, daß es gerade zwei Uhr vorüber ist«, wandte Parker ein. »Miß Porter und Mister Rander
dürften über eine Störung zu dieser nächtlichen Zeit nicht gerade erfreut sein, falls man sich den Hinweis erlauben darf.« »Selbstverständlich habe ich das bedacht, Mister Parker«, reagierte die resolute Dame unwirsch. »Aber welche Rolle spielt schon die Uhrzeit! Ich bin ja auch noch auf den Beinen!«
-ENDENächste Woche erscheint BUTLER PARKER Auslese Band 320 Günter Dönges
PARKER schießt den »Drachen« ab