Atlan - Der Held von
Arkon
Nr. 231
Organisation Gonozal Er fürchtet die Zeugen der
Vergangenheit - und errichtet di...
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Atlan - Der Held von
Arkon
Nr. 231
Organisation Gonozal Er fürchtet die Zeugen der
Vergangenheit - und errichtet die
Todesfalle
von H. G. Francis
Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn es muß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums durch überra schende Schläge schwere Verluste zufügen. Die inneren Feinde Arkons sind die Herrschenden selbst, die in ihrer Habgier und Korruption das Gemeinwohl völlig au ßer acht lassen. Gegen diese inneren Feinde des Imperiums ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, der eine stetig wachsende Schar von verschworenen Helfern um sich sammeln konnte, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Selbst empfindliche Rückschläge oder unvorhersehbare Hindernisse entmutigen ihn nicht und hindern ihn und seine Helfer nicht daran, den Kampf gegen Orbanaschol III. den Diktator und Usurpator, mit aller Energie fortzusetzen. In diesem Kampf hat Atlan mit dem wiederbelebten Körper Gonozals, seines Va ters, gegenwärtig eine neue Waffe gegen Orbanaschol, die bereits mehrmals erfolg reich zum Einsatz gelangte. Das überraschende Wiederauftauchen des totgeglaubten Imperators schlägt weite Wellen – selbst bis nach Arkon. USOAgent Sinclair M. Kennon, der Mann aus ferner Zukunft, der unter dem Na men Lebo Axton vorgeblich die Interessen Orbanaschols vertritt und der in Wirklich keit im Sinne des Kristallprinzen arbeitet, erfährt davon auf dem Dienstweg. Er wid met sich weisungsgemäß der ORGANISATION GONOZAL …
Organisation Gonozal
3
Die Hautpersonen des Romans: S. M. Kennon alias Lebo Axton - Ein USOSpezialist im alten Arkon.
Kelly - Kennons seltsamer Roboter.
Quertan Merantor - Geheimdienstchef von Arkon I.
Sorglth Artho - Kennons »Mitarbeiter«.
Perko Larkyont - Präsident der »Organisation Gonozal«.
Ukosthan - Ein Sonnenträger.
1. Er sah das vielfach gezackte Trümmer stück auf sich zukommen. Panisches Entset zen erfaßte ihn. Er ließ die Strebe fahren, an die er sich bis jetzt geklammert hatte, weil er nur so dem tödlichen Geschoß ausweichen konnte. Damit aber hatte er zugleich auch seinen letzten Halt aufgegeben. Er trieb vom Raumschiff weg. In den zahlreichen Augen des Spinnenwe sens leuchtete es triumphierend auf. Der Fremde lauerte in den Stahlverstre bungen, die bei einem Energietreffer freige legt worden waren. Er hüllte sich in einen flammend roten Raumanzug, der ihn noch größer und bedrohlicher erscheinen ließ, als er tatsächlich war. Mit sechs seiner Beine klammerte er sich am Raumschiff fest. In den übrigen beiden hielt er eine Stahlstange, die an der Spitze lange Dornen besaß. Aus dem Kugelkörper ragte eine turmartige Er hebung hervor, die von einem durchsichti gen Material umgeben wurde. Darunter wa ren die tückisch blickenden Augen erkenn bar. Das Wesen versperrte dem Mann in dem blauen Raumanzug nun endgültig den Weg zu der einzigen noch funktionierenden Schleuse. Das Gesicht des Arkoniden ver zerrte sich. Mit behutsamen Schüben aus den Düsen des Strahltriebwerks seines Raumanzugs brachte er sich wieder näher an das Schiff heran. Aber das nützte nicht viel. Es gelang ihm, eine der Stahlstreben zu packen und sich daran festzuhalten, doch da mit war er dem rettenden Innern noch ge nauso weit entfernt wie zuvor.
Der Raumer hatte bereits die obersten Luftschichten der Atmosphäre von Gaphteal erreicht. Der Arkonide spähte an der Run dung des Schiffes vorbei nach unten. Eine wilde Dschungellandschaft lag unter ihm, in der keinerlei Zeichen einer Zivilisation zu entdecken waren. Er überprüfte die Instrumentenanzeigen des Raumanzugs. Am unteren Rand der Sichtscheibe wurden die Daten eingeblen det. Danach besaß er noch Sauerstoff für et wa fünfzehn Minuten. Doch das war nur ein geringer Trost für ihn, denn wenn er inner halb dieser kurzen Zeit nicht bis ins Schiff sinnere vorgedrungen war, dann würde er in der Atmosphäre des Planeten verglühen. Er zog sich an den Stahlstreben entlang. Ihm blieb keine andere Wahl. Er mußte sich erneut auf das Spinnenwesen stürzen und ein letztes Mal versuchen, den Kampf für sich zu entscheiden. Er sah, daß der Fremde sich mit der Stange an dem äußeren Schleusen schott zu schaffen machte. Mit wilden Be wegungen versuchte er, es aufzubrechen. Der Fremde schien ihn in diesen Sekun den nicht zu sehen. Gonozal VII. stürzte sich auf das Spin nenwesen. Kurz bevor er es erreichte, warf es sich herum. In den Helmlautsprechern des Arkoniden gellte ein Schrei. Er packte die Stahlstange, riß sie zur Seite. Sie geriet mit dem stumpfen Ende gegen einen winzigen Vorsprung unterhalb des Schleusenschotts und wurde damit zum Hebel. Der Arkonide schleuderte das Spinnenwe sen herum. Acht Gliedmaßen, die mit schar fen Greif Werkzeugen versehen waren, ver suchten, seinen Raumanzug zu zerfetzen. Er konnte ihnen ausweichen und den Feind gleichzeitig vom Schleusenschott wegdrän
4 gen. Nun trieb das Spinnenwesen einige Meter weit in den Raum hinaus. Die Düsen seines Fluggeräts am Raumanzug flammten auf, während der Imperator von Arkon in flie gender Eile an dem deformierten SchleusenSteuergerät herumhantierte. Als das Spinnenwesen einige Meter hinter ihm gegen das Raumschiff schlug, glitt das Schleusentor auf. Mit unfaßbarer Geschwindigkeit raste der Rote heran. Die Augen unter dem Transpa rentturm schienen in allen Farben des Uni versums zu leuchten. Gonozal VII. warf sich in die Schleusen kammer und hieb seine Faust auf eine Taste am Innenschott. Das äußere Schott schloß sich langsam. Das Spinnenwesen kreischte und brüllte. Mit allen acht Beinen stemmte es sich gegen das Schott und versuchte, sich in die Kammer zu schwingen. Der Imperator von Arkon löste den Torni ster von seinem Rücken. Er riß zwei Schläu che aus ihm heraus, legte ihre Öffnungen parallel zueinander, richtete sie gegen den Spinnenkörper, der mit seiner gewaltigen Masse über ihm hing, und warf einen Hebel an seinem Raumanzug herum. Unmittelbar darauf schoß eine sonnenhel le Stichflamme aus den Schläuchen hervor. Sie bohrte sich durch den Raumanzug des Roten. Gräßlich aufschreiend, fuhr das Spin nenwesen zurück. Seine Beine lösten sich vom Schleusenschott. Dieses schob sich endgültig zu, und in der nächsten Sekunde schon öffnete sich das In nenschott. Gonozal VII. stürmte ins Schiff. Hier herrschte eine normale Schwerkraft. Er konnte laufen, als ob er sich auf der Oberflä che eines Planeten befände. Er riß sich den Helm vom Kopf. Das sil berne Haar flatterte wie eine Fahne hinter ihm her, als er in die Hauptleitzentrale des Raumschiffs eilte. Er lief zum Sessel des Piloten, setzte sich hinein, und seine Hände fuhren geschickt und schnell über die Hebel und Tasten vor
H. G. Francis ihm. Dann richteten sich seine Blicke auf den Hauptbildschirm. Eine bizarre Gestalt, deren ursprüngliche Form schon nicht mehr erkennbar war, trieb vom Raumschiff weg. Der rote Raumanzug hob sich deutlich gegen den schwarzen Weltraum ab. Die urweltliche Oberfläche des Planeten wich zurück. Das Raumschiff beschleunigte und löste sich aus dem Sog der Schwerkraft dieser Welt. Gonozal VII. lehnte sich im Pilotensessel zurück. Sein hartes Gesicht entspannte sich, und auf den männlich herben Lippen erschi en ein zaghaftes Lächeln. Während Musik aufklang, erschienen Schriftzeichen über dem Gesicht des Impe rators von Arkon. Lebo Axton griff nach dem Glas, das ne ben ihm stand. Sorgfältig las er die Filmtitel und merkte sich jeden Namen, der aufge führt wurde. Das Gesicht Gonozals ver wischte sich allmählich, und dafür wurde das Symbol des arkonidischen Imperiums eingeblendet. Unmittelbar darauf erschien das lächelnde Gesicht einer jungen Arkoni din im 3D-Projektionsfeld. »Sie sahen den zweiten Teil unserer aben teuerlichen Gonozal-Trilogie«, sagte sie. »In drei Tagen, am Airishon, können Sie die dritte und letzte Folge sehen. Sie trägt den Titel: Der Tod eines großen Arkoniden. Mit dieser Folge, meine Damen und Her ren, werden wir …« Lebo Axton schaltete das Gerät aus. Das Rufzeichen der Videoanlage flammte auf. »Kelly«, sagte Axton. »Sieh nach, wer uns sprechen will.« Der Roboter bewegte sich nicht von der Stelle. Mit einem Funkimpuls stellte er die Verbindung her. Der Bildschirm erhellte sich. Das scharf geschnittene Gesicht des In dustriellen Avrael Arrkonta erschien im Pro jektionsfeld des 3DGeräts. »Was sagen Sie dazu, Axton?« fragte er. Für ihn schien nicht der geringste Zweifel daran zu bestehen, daß auch der Verwachse
Organisation Gonozal ne den Film gesehen hatte. »Beachtlich«, antwortete der Terraner. »Einige Leute werden jetzt toben. Ich habe nicht damit gerechnet, ein Heldenepos zu se hen.« »Gonozal VII, wird in einer Art und Wei se geschildert, die ich nicht für möglich ge halten habe,«, stimmte Arrkonta zu. Er wuß te, daß er offen sprechen konnte. Das Ge spräch konnte nicht abgehört werden. Dafür hatte Lebo Axton gesorgt. »Bei einigen Intellektuellen und sogar in Kreisen gewisser Politiker, galt es schon seit einiger Zeit als schick, pro Gonozal zu sein«, sagte Axton. »Ich habe djese Tatsache schon seit einiger Zeit beobachtet. Aus offi zieller Sicht erscheint diese Tendenz jedoch unwichtig. Niemand hat sich darüber aufge regt. Man sah diese Gonozal-Schwärmer als Schwätzer an, die man nicht ernst nehmen muß.« »Immerhin ist es diesen Schwätzern ge lungen, die Gonozal-Trilogie unterzubrin gen.« »Allerdings«, stimmte Axton zu. »Inzwischen sind die Nachrichten über die Ereignisse auf den Planeten Xoaixo und Falgrohst, sowie im Gebiet von Marlackskor durchgesickert. Gerüchte aller Art sind im Umlauf.« »Was ist denn nun wirklich passiert?« fragte Arrkonta. Lebo Axton zögerte. »Ich lade Sie zum Essen ein«, erwiderte er dann. »Sagen wir in einer halben Stun de?« »Gern. Ich komme zu Ihnen.« Damit brach Avrael Arrkonta die Verbin dung ab. Eine halbe Stunde später saßen die beiden Männer in einem kleinen Restaurant zusammen, das sich in dem Trichtergebäude befand, in dem Axton seine Wohnung hatte. In dieser Etage, die vier Stockwerke höher lag, als die Wohnung des Terraners, gab es noch weitere Restaurants, Einkaufsgelegen heiten für die gehobenen Einkommensklas sen, Kommunikationszentren und Agenturen für verschiedene Dienstleistungen wie Rei
5 sen, Versicherungen, Immobilienhandel und Jagdrechte. Viele Geschäfte wurden über Video abgeschlossen. Zahlreiche Arkoniden legten aber Wert auf den persönlichen Kon takt, so daß in diesem Bereich des Hauses lebhafter Personenverkehr herrschte. In den Restaurants saßen zumeist junge Arkoniden. Viele von ihnen waren Studenten, die aus der benachbarten Universität herübergekom men waren. »Was ist wirklich passiert?« wiederholte Arrkonta seine Frage. »Das weiß ich auch nicht genau«, erwi derte Axton, nachdem er sich davon über zeugt hatte, daß niemand in ihrer unmittel baren Nähe sie belauschen konnte. »Es heißt, daß Gonozal VII. wieder aufgetaucht ist. Das aber kann nicht sein, denn ich weiß aus absolut sicherer Quelle, daß Gonozal tot ist.« »Von wem?« »Orbanaschol hat sich in diesem Sinn ge äußert.« »Wie kann er das wissen?« fragte Arrkon ta verblüfft. Axton zögerte. Er überlegte, ob er es wa gen konnte, dem Arkoniden die Wahrheit zu verraten. Tatsächlich hatte Axton-Kennon nur eine beiläufige Bemerkung des Impera tors gehört. Er wußte aus anderer Quelle, daß Gonozal tot war. Er hatte es von Atlan erfahren. Der Arkonide hatte es ihm allerdings nicht in diesen Tagen erzählt, sondern in der Zukunft, aus der Kennon-Axton in diese Zeit gekommen war. Atlan hatte ihm ein deutig erklärt, daß sein Vater Gonozal VII. auf dem Planeten Erskomier bei einem Jagd unfall getötet worden war. Dieser Unfall hatte sich später allerdings als eindeutiger Mordanschlag erwiesen. Nach dem Tode Gonozals VII. war Orbanaschol an die Macht gekommen. Da er diese nun schon seit einigen Jahren ausübte, mußte Gonozal tot sein. Niemand konnte ihn wieder zum Leben erweckt haben. »Sie fragen, wie Orbanaschol wissen kann, daß Gonozal tot ist?« Axton blickte
6 den Arkoniden forschend an. »Ich will es Ih nen sagen, Avrael. Weil Orbanaschol für den Mord an Gonozal verantwortlich ist.« Avrael Arrkonta erschrak. So offen hatte Lebo Axton bisher noch nicht mit ihm gere det. »Sie stellen eine kühne Behauptung auf.« »Ich habe klare Beweise, Avrael. Doch darum geht es nicht. Noch ist niemand in der Lage, Orbanaschol zu stürzen. Auch die auf flackernden Gerüchte um Gonozal VII. wer den nichts erreichen.« »Davon bin ich noch nicht überzeugt. Glauben Sie denn wirklich, daß der dritte Teil der Gonozal-Trilogie gesendet werden wird?« »Warum nicht?« »Schon jetzt wächst die Zahl der Gono zal-Anhänger deutlich an. Vor allem die Ju gend schwimmt auf dieser Nostalgiewelle.« »Es wäre ein schwerer Fehler, den dritten Teil zu verbieten«, behauptete Axton. »Damit würde man das Feuer erst recht schüren. So sehr ich mir wünsche, daß das geschieht, so wenig glaube ich daran, daß Orbanaschol einen derart schweren psycho logischen Fehler begehen wird.« »Warten Sie es ab, Lebo«, erwiderte Arr konta. Er trank sein Glas leer. Aus der Mit telkonsole des Tisches stieg das Essen für ihn und Axton auf. »Wußten Sie eigentlich, daß es eine Untergrundorganisation auf Ar kon gibt, die für Gonozal VII. kämpft?« Axton lachte. »Dieser Altherrenklub ist wohl nicht ernst zu nehmen«, erklärte er amüsiert. »Sagen Sie das nicht«, mahnte Avrael Arrkonta, der ungewöhnlich ernst war. »Sie sollten dem Klub vielleicht einmal einen Be such abstatten. Wenn Sie wollen, werde ich Ihnen dabei behilflich sein. Ich kenne einen Studenten, der Sie führen kann.« Wieder überlegte der Terraner. Noch hatte er von seiner Dienststelle beim Geheim dienst keinen Auftrag erhalten, sich Gedan ken über die Sympathiewelle zu machen, die Gonozal VII. zur Zeit erfuhr. Er rechnete je doch damit, daß irgend etwas in dieser Rich-
H. G. Francis tung geschehen würde. Ein Mann, der wie der alte Imperator des Großen Imperiums von Arkon aussah, war auf den Planeten Xoaixo und Falgrohst erschienen. Er hatte großes Aufsehen namentlich unter den älte ren Arkoniden ausgelöst. Schließlich hatte dieser Mann auch in die Kämpfe im Gebiet von Marlackskor eingegriffen und allein durch seine Anwesenheit ein Aufbäumen der bereits geschlagenen Arkoniden im Kampf gegen die Maahks erreicht. Die Unruhe in der obersten Führungs schicht von Arkon war erheblich. Daher mußte eine Reaktion erfolgen. Früher oder später würde daher auch an ihn, Lebo Ax ton, der Befehl ergehen, sich umzuhorchen. »Ich nehme Ihr Angebot an«, erwiderte der Verwachsene. »Ich will mir die Unter grundorganisation einmal ansehen.« Er betonte seine Worte so eigenartig, daß Arrkonta voller Bedenken den Kopf wiegte. »Vielleicht sind Sie' morgen schon ande rer Meinung«, sagte er. »Untergrundorganisationen pflegen nicht so einfach aufzuspüren zu sein«, erklärte Axton. »Untergrundorganisationen ver stecken sich, aber sie halten keine öffentli chen Sitzungen ab.« Schweigend begannen die beiden Männer zu essen. Gentleman Kelly stand hinter Ax ton und wachte über ihn. Als Arrkonta seine Teller geleert hatte, erhob er sich und ging zu einem Videogerät. Er kam schon nach knapp einer Minute zurück und setzte sich wieder. »Der junge Mann heißt Dastruk. Er wird sich bei Ihnen melden«, sagte er.
* Lebo Axton war kaum in seine Wohnung zurückgekehrt, als das Ruflicht erneut blink te. Da er unmittelbar neben dem Gerät stand, schaltete er es ein. Quertan Merantor, der mächtige Chef des arkonidischen Geheimdienstes, erschien im Bild. »Haben Sie die zweite Folge der Trilogie
Organisation Gonozal gesehen?« fragte er ohne ein Wort der Be grüßung. »Allerdings«, erwiderte Axton. »Die dritte Folge wird nicht gesendet wer den. Ich habe es untersagt.« Axton preßte die Lippen zusammen. Fast hätte er Marantor erklärt, daß er diese Maß nahme für falsch hielt. Dabei kam sie ihm tatsächlich gelegen, denn jeder Fehler, den Merantor beging, kam Atlan und seinen Plä nen zugute. Er verspürte ein leichtes Ziehen im Hin terkopf. Merantor verengte die Augen. »Sie scheinen damit nicht einverstanden zu sein«, stellte er fest. Axton entschloß sich zur Offenheit. »Allerdings nicht«, erwiderte er. »Damit machen wir eine breite Öffentlichkeit auf die Gonozal-Welle aufmerksam. Kursierende Gerüchte erhalten neue Nährung, und man wird glauben, daß doch mehr an ihnen dran ist, als man bisher angenommen hat.« »Das wird sich zeigen«, entgegnete Me rantor schroff. »Das ist nicht Ihr Problem. Tatsache ist, daß es heißt, Gonozal VII. halte sich in einem Versteck auf Arkon I auf. Des halb müssen wir eingreifen.« »Ich ahne bereits, welchen Auftrag Sie für mich haben.« »Das überrascht mich nicht, Axton. Sie werden Gonozal VII. finden und vernichten. Endgültig. Sorgith Artho wird Ihnen zur Sei te stehen.« »Muß das sein?« Die Wangen des Geheimdienstchefs strafften sich. Kühl wies er den Protest Ax tons zurück. »Es muß.« Quertan Merantor schaltete sich aus. Lebo Axton ließ sich in einen Sessel sinken. Er blickte zu Gentleman Kelly auf. »Was stehst du da und blickst dumm in die Gegend?« fragte er wütend. »Was ist los mit dir?« »Wenn ich deinen klugen Analysen Glau ben schenken darf, Schätzchen: Nichts.« Axton schnaufte. Daß Merantor ihm den
7 Auftrag gegeben hatte, ein Phantom zu ja gen, störte ihn nicht. Daß er ihm jedoch Sor gith Artho an die Seite gestellt hatte, erzürn te ihn. Dieser blasierte Arkonide hatte ihn bei seinem letzten Einsatz mehr behindert als unterstützt. Quertan Merantor gefiel ihm von Mal zu Mal weniger. Der Arkonide behandelte ihn in letzter Zeit allzu herablassend. Quertan Merantor war schon immer schonungslos of fen gewesen, aber selten wirklich beleidi gend. Axton fragte sich, ob der Geheim dienstchef ihm die Erfolge neidete, die er er zielt hatte. Er schwor sich, aufmerksam zu sein. Das Rufzeichen an der Tür ertönte. Axton gab Kelly einen Wink, und der Roboter öff nete. Ein junger Arkonide trat ein. »Mein Name ist Dastruk«, sagte er. »Kann ich Lebo Axton sprechen?« »Sie können«, rief der Terraner. Er rutschte aus dem Sessel und ging dem Stu denten einige Schritte entgegen. Betroffen blieb Dastruk stehen, als er den Kriminalisten sah. »Hat Arrkonta Ihnen nicht gesagt, daß ich ein Krüppel bin?« fragte Axton. Der Arkonide blickte verlegen an dem Verwachsenen vorbei. Er schüttelte den Kopf. »Nein, Herr, ich bin … ich habe …« Er war sich dessen bewußt, daß er die Situation nicht meisterte. Arkoniden besaßen eine ei genartige Einstellung zu mißgestalteten Menschen. Sie empfanden eine gewisse Scheu ihnen gegenüber und brachten kein Verständnis dafür auf, daß sie nicht alles versuchten, ihren Körper auf chirurgischem Wege zu korrigieren. »Ich nehme es Ihnen nicht übel«, sagte Axton freundlich. »Beruhigen Sie sich. Avrael hätte Sie informieren müssen. Setzen Sie sich.« »Wir haben wenig Zeit. Wir sollten sofort gehen. Es ist schon spät.« »Ein wenig müssen wir noch warten«, er klärte der Kriminalist. »Ich muß etwas über Sie wissen. Reden wir miteinander.«
8 Zögernd nahm der Arkonide Platz. Er war Axton auf Anhieb sympathisch. Er hatte ein ehrliches, offenes Gesicht und schien einen geradlinigen Charakter zu haben. Der Terra ner schätzte, daß er etwa achtzehn Jahre alt war. Geschickt befragte Axton ihn über sein Studium, seine Interessen und über seine Vorstellungen und Ansichten über Gonozal VII. Damit gelang es ihm, die Befangenheit Dastruks zu durchbrechen und sein Vertrau en zu gewinnen. Als Axton schließlich auf den Rücken seines Roboters kletterte und sich in die Halterungen stellte, schien Da struk nicht mehr überrascht zu sein. Im Gleiter flogen sie zu einem Trichterge bäude, das etwa hundert Kilometer von der Wohnung Axtons entfernt war. Während des Fluges hatte der Kriminalist Gelegenheit, Dastruk noch etwas besser kennenzulernen. Gentleman Kelly landete unterhalb des Daches in einer Parknische. Von hier aus führte Dastruk Axton zu einem Hotel, das eine volle Etage in mittlerer Höhe in An spruch nahm. »Hier kommen und gehen ständig irgend welche Leute«, erklärte der Student. »Man fällt hier nicht auf.« Axton war etwas anderer Meinung, aber er schwieg. Er folgte dem jungen Arkoniden bis in einen Hoteltrakt an der Peripherie. Als sie einen Konferenzraum betreten wollten, trat ihnen ein untersetzter Mann entgegen. »Sie können nicht heineingehen«, sagte er. »Geschlossene Gesellschaft. Alle Plätze sind besetzt.« »Wir haben eine Einladung, und ein Plätzchen werden wir auch noch finden.« Der Widerstand des Untersetzten löste sich in Nichts auf. »Wenn Sie meinen …«, entgegnete er und gab den Weg frei. Axton ließ sich von Kelly hineintragen. Dastruk ging vor ihm her. Sie betraten einen langgestreckten Raum, dessen Seite von wandhohen Fenstern eingenommen wurde. An zahlreichen Tischen saßen Männer und Frauen plaudernd beisammen. Die Aufmerk-
H. G. Francis samkeit wandte sich sofort Axton zu. Die Gespräche verstummten. Ungläubig muster te man den Fremden auf dem Rücken des Roboters. Niemand hatte mit einer so unge wöhnlichen Erscheinung gerechnet. Dastruk strebte auf einen Tisch an der Fensterfront zu. Axton, der hinter ihm blieb, tat, als bemerke er nicht, wie er angestarrt wurde. Seine Blicke richteten sich auf einen fülligen Arkoniden, der sich erhob und Da struk jovial lächelnd entgegenkam. »Junger Freund, Sie bringen mir Lebo Axton«, sagte er. »Seien Sie mir willkom men.« Kelly bückte sich auf ein Zeichen des Verwachsenen, so daß dieser von seinem Rücken herabsteigen konnte. »Mein Name ist Perko Larkyont«, fuhr der Arkonide fort, der sie begrüßt hatte. »Er ist der Präsident«, wisperte Dastruk Axton zu. »Im Namen Gonozals VII. ich freue mich, daß Sie den Weg zu unserer Gemeinschaft gefunden haben«, erklärte Perko Larkyont und streckte Axton die Hand entgegen. Der Kriminalist ergriff sie. »Nehmen Sie doch Platz, Lebo Axton«, rief Larkyont, hielt Axtons Hand weiterhin fest, legte ihm die Linke gegen die Schulter und hob ihn kurzerhand in einen Sessel. Dann lachte er laut auf. »Ich hoffe, Sie neh men mir meinen kleinen Scherz nicht übel. Ich protze gern ein wenig mit meiner Kraft, weil sie niemand in einem solchen Fettkloß, wie ich es bin, vermutet.« Lebo Axton blickte sich kurz um. Es war, wie er vermutet hatte. Dies war keine ernst zu nehmende Untergrundorganisation, son dern lediglich so etwas wie ein Langeweile vernichtungsklub. Perko Larkyont war ein harmloser Typ, der keine Ahnung vom har ten Kampf hatte, den eine Untergrundorga nisation führen mußte. »Ich darf Ihnen Lebo Axton empfehlen«, sagte Dastruk. »Er möchte für die Organisa tion Gonozal VII. arbeiten.« Der Präsident setzte sich. Er lächelte breit. Sein rötliches Gesicht glänzte.
Organisation Gonozal »Wir freuen uns über jeden Mann, der zu uns kommt«, erklärte er. »Sie sind uns wirk lich willkommen, Lebo Axton.« Sinclair Marout Kennon, der mit Hilfe der Traummaschine nach Arkon transferiert worden war, wußte als Experte der Ge schichte der altgalaktischen Völker, daß es im Großen Imperium von Arkon eine starke und außerordentlich gefährliche Untergrund organisation gegen Orbanaschol III. gegeben hatte. Sie war maßgeblich am Kampf gegen den Diktator beteiligt gewesen und hatte dem Kristallprinzen Atlan erhebliche Schüt zenhilfe geleistet. Dies aber konnte noch nicht die Organisa tion sein, von der die Geschickte Arkons in einigen Jahrtausenden berichten würde. Oder doch? Hatte sich die Organisation nur das harmlos wirkende Gesicht eines Perko Larkyont als Maske aufgesetzt, um so alle Gegenkräfte wirksam zu täuschen? Lebo Axton war ein hervorragender Men schenkenner. Er versuchte, etwas in dem Gesicht des Präsidenten zu finden, was ihm einen Hinweis über dessen wirklichen Cha rakter geben konnte, aber es gelang ihm nicht. Die Persönlichkeit Larkyonts war so, wie sie sich präsentierte, absolut glaubhaft. War diese Organisation dann wirklich harmlos? Es mußte so sein.
2. Lebo Axton trat Gentleman Kelly gegen das Bein. Dabei war er allerdings so vorsich tig, daß er sich selbst nicht verletzte. »Ich gehe zu Fuß«, erklärte er. »Mir wird schlecht, wenn ich nur daran denke, daß ich auf diesen wandelnden Schrotthaufen klet tern soll, den du darstellst.« »Du irrst. Und wenn dir schlecht wird, so ist das einfach nur auf deinen fehlenden künstlerischen Geschmack zurückzuführen«, antwortete der Roboter. »Ich bin zu der Er kenntnis gekommen, daß ich keine Robot mißgestalt bin. Der Grund für meine von den allgemeinen Modellen abweichende Er
9 scheinung ist vielmehr in einer künstleri schen Gestaltung zu sehen. Mit anderen Worten: Ich bin ein Kunstwerk, das nicht im Museum ein trauriges Dasein fristet, sondern sich die Ehre gibt, sich überall in der Öffent lichkeit zu zeigen.« Lebo Axton blieb vor Staunen der Mund offen. »Wer hat dir diesen Unsinn eingetrich tert?« fragte er dann. »Niemand«, behauptete Kelly stolz. »lch bin vielmehr durch sorgfältige Überlegun gen selbst darauf gekommen.« »Gräßlich«, sagte Axton stöhnend. »Warum habe ich dich bloß nicht im Welt raum gelassen, als ich die Chance dazu hat te? Dieses Versäumnis werde ich mir nie verzeihen.« Axton verließ die Wohnung und eilte keu chend auf seine Parknische zu, in der sein Gleiter stand. Kelly folgte ihm mit weit aus greifenden Schritten. Er hatte ihn eingeholt, als der Kriminalist die Tür zur Nische öffne te. Das Schott glitt zur Seite und gab den Blick auf das Fluggerät frei. Axton blickte bestürzt auf die Gestalt, die neben dem Gleiter auf dem Boden lag. »Dastruk«, sagte er erschüttert. Er eilte hinaus und beugte sich über den Arkoniden, der auf dem Rücken lag. Die Augen des Toten waren weit geöffnet. Seine Hände krallten sich auf der Brust in die Blu se, die er trug, als wollten sie die klaffende Wunde schließen, die ihm jemand beige bracht hatte. »Damit scheinen Sie nicht gerechnet zu haben, Lebo Axton«, sagte jemand mit nä selnder Stimme. Der Kriminalist fuhr herum. In der Tür stand Sorgith Artho. Er kaute auf einem Pa ragum und blickte geringschätzig auf den Verwachsenen herab. »Man hat ihn erstochen«, fuhr der Arko nide in belehrendem Ton fort. »Die Waffe war ein Messer mit ungewöhnlich breiter Klinge. Damit hat der Mörder wenigstens zehnmal zugestoßen.« »Woher wissen Sie das?«
10 »Ich habe die Leiche bereits vor Ihnen un tersucht. Ich habe meinen Gleiter hier vor der Nische verlassen. Das Türschott konnte ich nicht öffnen, da es auf Ihre Individualda ten eingestellt ist. Deshalb mußte ich den Umweg über den unteren Eingang in Kauf nehmen.« »Sie hätten sich melden können!« Axton zeigte auf eine Taste neben der Tür. Sorgith Artho nickte spöttisch. »Ich hätte. Aber ich habe nicht. Ich wollte mir nicht entgehen lassen, wie Sie sich ver halten, wenn Sie die Leiche finden.« »Glücklicherweise schienen Sie nicht vor zuhaben, mir den Mord in die Schuhe zu schieben.« Axton wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Er mußte daran denken, wie der Besuch bei Perko Larkyont verlaufen war. Der Präsident hatte sich fast clownhaft gegeben. Vergeblich hatte Axton versucht, Blößen bei ihm zu entdecken. Es schien kei ne zu geben. Auf dem Rückweg zur Wohnung hatte Dastruk behauptet, Larkyont sei nicht so harmlos. Zugleich hatte er angeboten, Infor mationen aus dem Büro des Präsidenten der Untergrundorganisation zu beschaffen. Er hatte Axton geschworen, daß ein derartiges Unternehmen völlig ungefährlich sei. Er sei oft dort gewesen und habe sich schon mehr mals dort umgesehen, ohne daß er von je mand bemerkt worden sei. Widerstrebend hatte Axton nachgegeben und damit gegen eines seiner Hauptprinzipien verstoßen. Jetzt machte er sich schwerste Vorwürfe. Dastruk war durch seine Schuld getötet worden. Er hatte zugelassen, daß ein Laie ei ne Arbeit übernommen hatte, die nur von ei nem Fachmann erledigt werden durfte. Das hatte den jungen Arkoniden das Leben geko stet. »Ich glaube nicht, daß Sie den Mord be gangen haben«, erwiderte Sorgith Artho. »Sie wären gar nicht in der Lage, eine sol che Waffe in dieser Weise zu handhaben. Und Ihr Roboter hätte Ihnen eine solche Ar beit auch nicht abnehmen können. Bleibt
H. G. Francis Perko Larkyont.« Der Arkonide schien zu erwarten, daß Axton überrascht war. Doch er täuschte sich. Der Kriminalist wäre vielmehr überrascht gewesen, wenn Artho nichts von Lerkyont gewußt hätte. »Es sieht in der Tat so aus, als wäre Larkyont für die Tat verantwort lich«, sagte er. »Wahrscheinlich hat er es faustdick hin ter den Ohren. Ich nehme ihm seine Harmlo sigkeit nicht ab.« »Larkyont hat ein einwandfreies Alibi«, eröffnete der Arkonide dem Verwachsenen triumphierend. »Er hat den Versammlungs saal gestern zusammen mit einem Offizier verlassen und ist mit ihm nach Gabaysh im Süden des Planeten geflogen. Dort ist er während der letzten fünfzehn Stunden ge blieben.« »Sie wissen wohl schon alles, wie?« »Ich hatte Gelegenheit, die Kommunikati onsmöglichkeiten meines Gleiters auszunut zen. Das ist alles.« Sorgith Artho verbarg seinen Stolz über seine Leistung nur müh sam. »Perko Larkyont ist also ein Mann, den man nicht weiter zu beachten braucht. Er ist eine unwichtige Figur in diesem Spiel, des sen Regeln wir noch nicht kennen.« Lebo Axton kniete neben dem Toten nie der und durchsuchte seine Kleidung. Er fand nichts von Bedeutung. Sorgith Artho redete weiter, obwohl der Verwachsene ihm keine Antwort mehr gab. Axton glaubte nicht daran, daß der Präsi dent der Organisation Gonozal VII. mit dem Mord nichts zu tun hatte. Er konnte sich auch nicht vorstellen, daß Dastruk sonst Feinde gehabt hatte, die so weit gehen wür den wie der Mörder. Perko Larkyont war ein gefährlicher Mann. Es konnte nicht anders sein. Axton richtete sich wieder auf. »Übernehmen Sie Dastruk«, sagte er zu dem Arkoniden. »Ich habe einen dringenden Besuch zu machen, der keinen Aufschub duldet.« »Sie haben mir keine Befehle zu erteilen, Axton«, erwiderte Artho scharf.
Organisation Gonozal »Meinen Sie?« fragte der Verwachsene ironisch lächelnd und kletterte in den Glei ter. »Bleiben Sie hier«, forderte Artho wü tend. Gentleman Kelly setzte sich hinter die Steuerelemente der Maschine und startete. Der Arkonide blieb bei dem Toten stehen. Er hatte nun keine andere Möglichkeit mehr, als der Anordnung des Terraners zu folgen. Lebo Axton ließ sich zum Hügel der Wei sen fliegen, dem Regierungszentrum des Großen Imperiums von Arkon. Hier residier te nicht nur Orbanaschol III. Hier befanden sich auch die verschiedenen Archive. Hier arbeiteten die wichtigsten Organisationen, auf die der Imperator sich stützte. Lebo Axton hatte freien Zutritt zu den Hauptarchiven. Daneben gab es noch einige Archive, die für ihn nach wie vor gesperrt waren, weil sie Informationen enthielten, die selbst dem Geheimdienst des Imperiums verborgen bleiben sollten. Wie nicht anders erwartet, war eine Akte über Perko Larkyont angelegt worden. Ax ton ließ sich die Unterlagen aus der Positro nik geben und blickte einigermaßen ent täuscht auf das dürftige Material, das er er hielt. Es war absolut nichtssagend und ent hielt keinen einzigen wirklich wichtigen Hinweis. Perko Larkyont war als Präsident der Organisation Gonozal VII. registriert und als bedeutungslos eingestuft worden. Darüber hinaus waren nur noch einige der Mitarbeiter und Vertrauten Larkyonts ange führt. Axton ließ sich deren Akten geben. Ver blüfft stellte er fest, daß zwei der Mitarbeiter des Präsidenten einer Nebenorganisation des arkonidischen Geheimdienstes angehörten, die hauptsächlich mit Beobachtungsaufga ben betraut waren. Der dritte Vertraute Larkyonts war ein Mann namens Ukosthan, ein Sonnenträger und Adliger. Über diesen Arkoniden war nichts weiter als Name und Rang in der Kartei enthalten. Lebo Axton beschloß, Sorgith Artho auf die beiden Geheimdienstmitarbeiter anzuset
11 zen. »Soll er sich an ihnen den Schädel einren nen«, sagte er zu Kelly. Er selbst wollte sich auf Ukosthan konzentrieren. Er hoffte, über diesen Mann weiterzukommen. Seine Versuche, über Ukosthan in ande ren Archiven mehr Material auszugraben, scheiterten. Es war nichts vorhanden, und niemand schien diesen Ukosthan wirklich zu kennen. Nachdenklich verließ Axton das Archiv. Er war keineswegs enttäuscht. Er hatte noch andere Informationsquellen, denn in den letzten Wochen und Monaten hatte er eine Reihe von Freunden gewonnen, von denen er nun Hilfe erwartete. Zunächst suchte er Avrael Arrkonta auf, doch der Industrielle behauptete, Ukosthan nicht zu kennen. Axton merkte, daß Arrkon ta nicht die Wahrheit sagte. »Der Tod des Jungen ist unverzeihlich«, erklärte er daher. »Das hätte nicht passieren dürfen«, erwi derte Arrkonta heftig. »Natürlich nicht«, gab Axton zu. »Ich ha be die Organisation Gonozal VII. unter schätzt, und ich habe nicht mit einer solchen Reaktion gerechnet. Ich habe vermutet, daß Perko Larkyont nicht so harmlos ist, wie er aussieht, aber ich habe einen Mordanschlag für unmöglich gehalten.« »Was werden Sie tun, Lebo? Werden Sie Larkyont verhaften?« »Das wäre zu früh. Zweifellos steckt er heblich mehr hinter dieser sogenannten Un tergrundorganisation. Was wirklich los ist, werden wir jedoch nicht erfahren, wenn wir den Präsidenten jetzt schon verhaften. Wer ist Ukosthan?« Avrael Arrkonta stand an der Fensterfront seines Wohnsalons und blickte auf die park ähnliche Hügellandschaft hinaus, die sich bis hin zum Hügel der Weisen erstreckte. Die Sicht war so klar, daß Axton den Palast Orbanaschols sehen konnte. »Ich kenne nur den Namen Ukosthan«, erwiderte der Industrielle zögernd. »Ukosthan hat früher einmal eine wichtige
12 Rolle gespielt. Welche das war, das weiß ich nicht, aber ich werde mich erkundigen.« »Bei wem?« Arrkonta schüttelte den Kopf. »Dieses Mal nicht, Lebo«, antwortete er. »Mein Informant bleibt geheim. Ich will ihn nicht gefährden. Sie müssen das verstehen.« Axton griff sich an den Kopf. Bohrende Schmerzen lähmten ihn, und vor seinen Au gen begann es zu flimmern. Nur mit Mühe unterdrückte er ein Stöhnen. Der Anfall dau erte nur Sekunden, dann war alles wieder vorbei. Arrkonta hatte nichts gemerkt. Beunruhigt fragte sich der Terraner, ob die Schmerzen tatsächlich mit seinem Sonderhirn zusammenhingen. Schon vor Jahrhunderten nach terranischer Zeitrech nung hatten die Ärzte des Solaren Imperi ums unbekannte Hormondrüsen innerhalb seines Gehirns entdeckt, aber nicht klar identifizieren können. Erwuchsen ihm nun daraus neue Fähigkeiten? Oder hatte sich dort ein Krankheitsherd gebildet, der ihn von innen heraus allmählich zerstörte? Axton war sich darüber klar, daß er prak tisch keine Möglichkeit hatte, sich von arko nidischen Ärzten in dieser Hinsicht behan deln zu lassen. »Also gut«, sagte er mit gepreßter Stim me. »Ich bin einverstanden. Doch die Zeit drängt, Avrael. Wann werden Sie mir Be scheid geben?« »Sie können darauf warten, Lebo«, erwi derte der Arkonide. »Bleiben Sie hier. Ich werde bald zurück sein. Einverstanden?« »Einverstanden.« Arrkonta verließ den Raum. Axton sah ihn wenig später wieder, als er mit seinem Gleiter an der Fensterfront des Salons ent langflog und sich in südlicher Richtung ent fernte. Bewußt verzichtete er darauf, ihm allzu lange nachzusehen. Er wollte dem Freund nicht nachspionieren. Wenn Arrkonta wünschte, daß die Informationsquelle unbe kannt blieb, dann wollte er diesen Wunsch auch respektieren. Er setzte sich in einen Sessel und schalte-
H. G. Francis te 3DVision ein, um sich einen Film über ei ne Expedition zu einem exotischen Planeten anzusehen. Etwa eine Stunde später kehrte Arrkonta zurück. Gespannt blickte Axton ihn an. »Ich habe leider nicht viel erfahren kön nen, Lebo«, eröffnete der Arkonide das Ge spräch. »Erzählen Sie nur, Avrael. Ich bin auch schon mit Kleinigkeiten zufrieden.« Arrkonta setzte sich ihm gegenüber. Eine seiner beiden Frauen brachte eine Antigrav platte mit Erfrischungsgetränken und Ge bäck. Er wartete, bis sie wieder allein waren. »Ukosthan ist ein Adliger. Er ist Sonnen träger und stammt von Arkon III. Unter Go nozal VII. war er ein einflußreicher und mächtiger Mann. Er genoß das Vertrauen des Imperators und wurde häufig mit Spezi alaufgaben betraut. Er gilt als ausgezeichne ter Psychologe und war teilweise als Verbin dungsmann eingesetzt. Das ist alles, was ich erfahren habe.« Avrael Arrkonta lächelte. »Man wundert sich allgemein, daß er in der Nähe von Perko Larkyont aufgetaucht ist, glaubt aber nicht daran, daß er tatsächlich in der Untergrundorganisation mitarbeitet. Wenn er dabei ist, dann nur, weil er in der Organisation Freunde von früher trifft und sich in Gesprächen mit ihnen die Zeit ver treibt.« »Orbanaschol legt also keinen Wert auf diesen Offizier?« »Natürlich nicht. Ukosthan galt als Günst ling Gonozals, und das im positivsten Sinne. Einen solchen Mann duldet Orbanaschol nicht in seiner Nähe. Er hat Ukosthan kalt gestellt.« »Können Sie mir einige der Offiziere nen nen, die Ukosthan von früher kennt, mit de nen er früher zusammengearbeitet hat?« »Nein. Es tut mir leid. Aber es sind be stimmt Hunderte.« »Danke, Avrael. Sie haben mir wirklich geholfen«, erklärte Axton und verabschiede te sich. Die Angelegenheit Organisation Gonozal VII. war für ihn nun noch undurchsichtiger
Organisation Gonozal als zuvor. Er wußte nicht, in welcher Richtung er weiterforschen sollte, ausgenommen bei Ukosthan. »Kelly«, fragte er, als er zusammen mit seinem Roboter zu seiner Wohnung flog, »was ist los mit dieser angeblichen Unter grundorganisation? Sie ist so leicht zu fin den und gibt sich so harmlos wie ein Kaffee kränzchen. Ihre Tagesparolen sind so kin disch durchsichtig, daß sie für niemanden ein Problem darstellen. Ihr Präsident paßt genau in dieses Bild. Und doch ist ein Mord geschehen.« Axton legte die Hände an den Kopf. Er hatte wieder Schmerzen und konnte dadurch nicht klar genugdenken. »Zum Archiv«, bestimmte er dann jedoch. »Ich muß noch einmal zum Archiv.« Der Roboter brachte den Gleiter kommen tarlos auf einen neuen Kurs. Wenig später stand der Terraner wieder an der Positronik. Er war fest davon über zeugt, daß es hier noch mehr Informationen über Ukosthan geben mußte. Ein Mann, der ehemals so wichtig und einflußreich gewe sen war, konnte nicht einfach zu einem in formatorischen Nichts werden. So etwas paßte nicht zu den Gepflogenheiten des ar konidischen Geheimdiensts. Wiederum rief Axton das Stichwort Ukosthan ab. Der Erfolg war der gleiche. Es gab keine Informationen. Da kam dem Kriminalisten ein Gedanke. Er gab das Stichwort Sonnenträger ein. Die Positronik warf eine ganze Reihe von Folien aus, auf denen die Sonnenträger der letzten hundert Jahre in Gruppen zusammengefaßt waren. Die Gruppen waren nach Funktion, Sondereinsätzen, Kampfeinheiten und ähnli chen Richtlinien gewählt worden. Ukosthan stand an der Spitze der Namenstabelle, die vierundsiebzig Namen enthielt. Zusätze und Zeichen wiesen auf andere Informationen und Querverbindungen hin. Axton ging diese sorgfältig durch, bis endlich eine Folie mit Sonderinformationen über Larkyont vor ihm lag. Darin war ent
13 halten, daß Larkyont Präsident der Organi sation Gonozal VII. war und daß er über ein nur geringes Vermögen verfügte. Daneben waren fünfzehn Namen von arkonidischen Offizieren, zwanzig Namen von wirtschaft lich wichtigen Persönlichkeiten und weitere Namen von Arkoniden und Arkonidinnen aus der Politik aufgeführt. Axton rief die In formationen über jeden einzelnen dieser Per sönlichkeiten ab, ohne dabei auf etwas zu stoßen, was seinen kriminalistischen Instinkt weckte. Ihm fiel jedoch auf, daß fünf von den genannten Offizieren tot waren. Keiner von ihnen war älter als fünfzig Arkonjahre. Keiner von ihnen war im Kampf gefallen. Alle waren verunglückt. Alle waren auf Ar kon I, der Kristallwelt, gestorben. Axton stutzte. Jetzt glaubte er, einen Faden in der Hand zu haben. Er versuchte, mehr über die toten Offizie re zu erfahren, hatte dabei jedoch kein Glück. Es schien, als sei er bereits wieder in einer Sackgasse gelandet. Noch gab es nicht den geringsten Beweis dafür, daß Perko Larkyont nicht der harmlose Mann war, der er zu sein schien. »Warum erkundigst du dich nicht nach den Schiffen?« fragte Kelly. Axton fuhr ärgerlich herum. Er hatte voll kommen vergessen, daß sein Roboter auch noch da war. »Was willst du? Warum störst du mich? Was soll das überhaupt?« »Ich hatte nicht die Absicht, dich zu stö ren, Liebling. Ich wollte dir nur einen Tip geben.« »Ich verzichte«, antwortete Axton heftig. »Tips, die du mir gegeben hast, waren noch nie etwas wert.« »Das ist eine unqualifizierte Feststellung, die nicht mit der Wahrheit in Übereinstim mung zu bringen ist.« »Still«, sagte der Verwachsene heftig. Die tiefverwurzelte Abneigung gegen Roboter drohte überhand zu nehmen. »Ja«, erwiderte Kelly leise. »Na endlich«, bemerkte Axton seufzend.
14 Er wandte dem Roboter den Rücken zu. Dann krauste er die Stirn. »He, was war das für ein Tip?« »Darauf kann ich leider nicht antworten.« »Warum nicht, zum Teufel?« »Weil du mir befohlen hast, still zu sein, Schätzchen.« »Dann befehle ich dir jetzt, zu reden. Und zwar sofort, du wandelndes Wrack.« »Ich gehorche, Schatz.« »Na, los doch, ich höre«, sagte Axton un geduldig, als Kelly nicht sofort erklärte, was er gemeint hatte. »Ich wollte dich darauf hinweisen, daß es nützlich sein könnte, nachzuforschen, auf welchen Raumschiffen die Offiziere, die ge tötet worden sind, geflogen sind, besonders zu dem Zeitpunkt, als sie verunglückt sind. Daraus läßt sich …« »Halt«, brüllte Axton. »Sei still. Ich kann diese geschraubte Redeweise nicht mehr hö ren.« »Ich bin still, oh Herr.« Lebo Axton zuckte bei diesen Worten sichtlich zusammen. Er packte einige Folien und schleuderte sie Gentleman Kelly gegen den Kopf. Der Roboter reagierte nicht. Er blieb stehen und bewegte sich nicht. Axton legte den Kopf schief und wartete darauf, daß Kelly noch etwas sagen würde. Doch Kelly schwieg. AxtonKennon atmete auf. Er wandte sich wieder der Positronik zu, raffte einige Folien zusammen, schloß die Augen und dachte nach. »Es ist gar nicht einmal so dumm, was du von dir gegeben hast, du Blechungeheuer«, sagte er. »Warum sollte man sich nicht auch einmal um die Raumschiffe kümmern?« Er tippte die entsprechenden Daten in die Tastatur der Positronik. Sekunden später la gen die Informationen vor ihm. Axton gab sich jedoch nicht damit zufrieden, sich nach den Schiffen zu erkundigen, auf denen die Verunglückten gedient hatten. Er konzen trierte sich noch mehr auf die Raumer, auf denen die noch lebenden Offiziere flogen. Als er die Namen hatte, fragte er die augen-
H. G. Francis blicklichen Positionen der Schiffe ab. Wie erwartet, erhielt er nicht alle Daten, da eini ge Schiffe unter streng geheimer Order flo gen. Vier Raumer aber wurden klar mit ih rem augenblicklichen Standort oder Zielort und geplanter Ankunftszeit ausgewiesen. Einer davon war die OZMAN. Zwei der genannten Offiziere befanden sich auf die sem Raumschiff. Das aber war es noch nicht, was Axton förmlich elektrisierte. Viel wichtiger erschien ihm, daß die OZMAN in dieser Stunde auf Arkon I erwartet wurde. »Sammle alle Folien auf und nimm sie mit«, befahl Axton dem Roboter. »Los, beeil dich.« Gentleman Kelly gehorchte ausnahms weise kommentarlos. Minuten später trug er den Terraner bereits aus dem Archiv und rannte mit ihm zum Gleiter. Der Roboter setzte sich an die Steuerungselemente und startete. Er beschleunigte die Maschine mit Höchstwerten. Lebo Axton wußte, daß sie wenigstens ei ne Stunde bis zu dem Raumhafen unterwegs sein würden, auf dem die OZMAN landen würde oder vielleicht schon gelandet war. Er nahm die Folien an sich und ging sie erneut durch, nachdem er sie sorgfältig sortiert hat te. Jetzt war er fest davon überzeugt, daß er die Spur gefunden hatte, nach der er so fie berhaft gesucht hatte. Je näher sie dem Raumhafen kamen, de sto nervöser wurde Axton. Sein kriminalisti scher Instinkt sagte ihm, daß es auf jede Se kunde ankam. Endlich konnte er die oberen Rundungen einiger Raumschiffe sehen, die hinter einer Bergkette auf dem Landefeld des Raumha fens standen. Der Gleiter stieg auf und über wand den Höhenrücken. Axton schaltete das Videogerät auf Fernoptik, bis er die Auf schriften an den Schiffen erkennen konnte. Die OZMAN war bereits gelandet. Sie konnte aber noch nicht lange dort sein, denn erst wenige Versorgungs- und Entladegleiter waren an sie herangefahren. Weitere näherten sich. Am Raumhafengebäude stieg ein golden
Organisation Gonozal schimmernder Gleiter auf. Axton beachtete ihn nicht. Er tippte die Rufdaten der Raum hafenkommandantur in das Videogerät und wartete ungeduldig darauf, daß diese sich meldete. Einige Sekunden verstrichen. Gent leman Kelly senkte den Gleiter auf das Park dach des Kontrollgebäudes herab. Dann end lich erschien das Bild eines hohen Offizieres auf der Projektionsfläche. Lebo Axton zeigte seinen Spezialausweis. »Es geht um zwei Offiziere der OZ MAN«, erklärte er hastig. »Sie dürfen das Raumschiff auf gar keinen Fall verlassen, bevor ich mit ihnen gesprochen habe.« »Da müssen Sie sich aber beeilen«, erwi derte der Kommandant. »Einige Offiziere sind bereits nach Norden unterwegs.« Er sah es in der Nähe aufblitzen. Er schreckt fuhr er herum. Der golden schim mernde Fluggleiter stürzte brennend ab. Weiße Stichflammen schossen aus seinem Heck. Ein Körper wurde aus dem Wrack herausgeschleudert. Axton verfolgte in ohnmächtigem Zorn, wie die Reste des Gleiters auf dem felsigen Vorgelände aufschlugen und durch eine wei tere Explosion vollends zerrissen wurden. »Es geht um die Offiziere Staghoug und Praokun.« »Sie waren in dem Gleiter, der … Sie ha ben es ja gesehen«, antwortete der Kom mandant mit gepreßter Stimme. Lebo Axton nickte. Er hatte es bereits ge ahnt. Antigravgleiter waren das sicherste Verkehrsmittel im arkonidischen Imperium. Unfälle durch Versager waren extrem selten. Wenn ausgerechnet der Gleiter mit den bei den Offizieren abstürzte, die Axton daran hatte hindern wollen, das Raumschiff zu verlassen, dann konnte kein Unglücksfall vorliegen. Gentleman Kelly startete und lenkte die Maschine zu dem Wrack. Schon von weitem sah Axton, daß nichts mehr zu retten war. Die beiden Offiziere waren tot. Daran konn te es keinen Zweifel geben. Deshalb blieb er auch im Gleiter sitzen, als Kelly auf den Fel sen gelandet war. Der Roboter stieg aus,
15 umkreiste das brennende Wrack und unter suchte die Leichen der Offiziere flüchtig. »Sie sind beide tot«, teilte er mit, als er zu Axton zurückkehrte.
3. Der Kommandant der OZMAN war ein kleiner, feingliedriger Mann, dessen Gesicht zahllose Falten aufwies. Er trug das Haar kurz. Als er Axton in seiner luxuriös und mit viel Phantasie eingerichteten Kabine emp fing, blickte er ihn nur kurz an. Danach blie ben seine Augen stets auf die verschiedenen Kunstgegenstände gerichtet, die an den Wänden hingen oder auf Regalen befestigt waren. Auf seiner lindgrünen Kombination stand der Name Orrostak. Höflich beantwortete er Axton eine Reihe von Fragen, ließ bei seinen Antworten je doch durchblicken, daß er vom Sinn dieses Verhörs nicht überzeugt war. »Die beiden Männer haben keine Feinde gehabt«, erklärte er schließlich. Seine Augen wandten sich dem Verwachsenen für einen kurzen Moment zu. »Niemand hatte ein Mo tiv, sie zu töten.« »Wirklich nicht?« »Nach so langer Zeit?« Axton war überrascht. Er hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Gedanken dar über gemacht, wie lange die OZMAN unter wegs gewesen war. »Vielleicht ist das ein wichtiger Punkt«, erwiderte er. »Wie lange war die OZMAN schon nicht mehr auf den Arkon-Welten?« Die Lippen des Kommandanten verzogen sich. »Als wir das letztemal hier waren, hieß der Imperator des Großen Imperiums noch Gonozal VII.« Axton glaubte, sich verhört zu haben. Er konnte sich zunächst nicht vorstellen, daß es wirklich so war, wie der Kommandant be hauptete. Doch dann sagte er sich, daß es viele Außenwelten gab, auf denen Arkoni den lebten, die schon seit weit längerer Zeit nicht mehr auf Arkon gewesen waren. Viel
16 leicht gab es sogar Planeten mit Arkoniden, die dort geboren und noch niemals auf den Zentrumswelten des Großen Imperiums ge wesen waren. Selbstverständlich waren dort auch Raumflotten stationiert, deren Besat zungen durchaus ein Leben lang dort blie ben. »Dann waren auch die beiden Getöteten seit dieser Zeit nicht mehr hier?« fragte er. »Habe ich Ihnen das nicht schon erklärt?« Der Kommandant erhob sich. Lebo Axton glitt aus seinem Sessel und kletterte auf den Rücken Kellys. Er stützte sich mit den El lenbogen auf den Rumpfkörper des Robo ters. »Das hatten Sie noch nicht«, bemerkte er. »Ich denke, Sie haben mir dennoch alle Fra gen beantwortet.« Der Arkonide griff nach einer zierlichen Vase, die er von einem Bord nahm, und drehte sie nachdenklich in den Händen. »Es erbittert mich zutiefst, daß Arkon I zu einer Todesfalle für zwei meiner besten Of fiziere geworden ist, die zudem auch noch meine Freunde waren. Dennoch glaube ich nicht, daß sie einem Mordanschlag zum Op fer gefallen sind. Das ist einfach unmöglich. Es muß ein verdammter Zufall gewesen sein.« Damit stellte 6r die Vase weg, ging zu seiner Multiphonanlage und schaltete sie ein. Schwermütige Musik erfüllte den Raum. Lebo Axton verabschiedete sich. Vor der Tür wurde er von zwei Offizieren erwartet, die ihn wortlos von Bord brachten. Draußen war es noch hell, aber der Tag neigte sich dem Ende zu. Axton verschränkte die Arme vor der Tonnenbrust und stützte sich auf den Kopf Gentleman Kellys. Er war ratlos. Bis zum Absturz des goldschimmernden Gleiters war er fest davon überzeugt gewesen, daß er ei nem Mordkomplott auf der Spur war. Der Tod der beiden Offiziere hatte seine Theorie auch noch gestützt, wie es den Anschein ge habt hatte. Doch jetzt sah alles anders aus. Wer konnte schon ein Interesse daran ha ben, zwei Männer nach so vielen Jahren zu
H. G. Francis töten? Nein, es konnte keine Gemeinsamkeit unter den Offizieren geben, die mit Perko Larkyont in Verbindung gestanden hatten. Vor dem Gleiter stieg Axton vom Rücken seines Roboters. Er setzte sich auf einen der hinteren Sitze, während Kelly die Steue rungsanlage übernahm. »Wohin, Schätzchen?« »Nach Hause«, antwortete Axton müde. »Ich muß nachdenken. Irgendwo habe ich einen Fehler gemacht. Ich muß herausfin den, welchen.« Die Maschine startete. Unwillkürlich blickte der Terraner zu den Trümmern hin unter, die in diesen Minuten von einem Ro botkommando geborgen wurden. Einige Ar koniden standen dabei und überwachten die Arbeiten. Es waren Kriminalisten, die sich mit dem Fall befassen würden. Axton glaub te, unter ihnen auch Sorgith Artho zu erken nen, den Mann, der eigentlich mit ihm zu sammenarbeiten sollte. Der Gleiter erreichte eine Höhe von etwa fünfhundert Metern und bog in den Plankor ridor ein. In diesem Moment schlug etwas gegen das Heck der Maschine. Axton fuhr herum, konnte jedoch nichts erkennen. »Die Antigravs fallen aus«, teilte Robot Kelly mit monotoner Stimme mit. »Wir steigen aus«, rief Lebo Axton. »Das ist sinnlos, Liebling«, entgegnete Gentleman Kelly. »Wieso?« fragte der Verwachsene ver blüfft. »Du kannst fliegen.« Der Gleiter taumelte stark. Der Bug neig te sich nach unten, und dann schien die Ma schine auseinanderzubrechen. »Mein Antigrav ist ebenfalls funktionsun tüchtig geworden«, erklärte Kelly in einem so freundlichen Tonfall, als ginge es nicht um Leben oder Tod für Axton. Der Terraner warf sich zur Seite und öff nete das Seitenfenster. Der Fahrtwind schlug ihm hart ins Gesicht. Er beugte sich hinaus und blickte nach hinten. Ein Stab von etwa einem Meter Länge hatte sich ins Heck ge bohrt. Axton erriet sofort, was geschehen war. In
Organisation Gonozal dem Stab befand sich eine komplizierte Ma schinerie, die alle Antigravs im Umkreis von einigen Metern ausschaltete und durch eine spezielle Strahlung so nachhaltig störte, daß sie nicht wieder aktiviert werden konnten. Er riß seinen Energiestrahler unter der Jacke hervor und feuerte auf den Stab. Ein ungeheurer Ruck ging durch den Gleiter. Axton wurde zurückgeschleudert. Mit voller Wucht prallte er gegen das Dach des Gleiters. Er kämpfte gegen die Benom menheit an. »So tu doch etwas«, schrie er Gentleman Kelly zu, doch der Roboter saß völlig ruhig auf seinem Platz und bewegte sich nicht. Erst jetzt bemerkte der Terraner, daß sich etwas entscheidend verändert hatte. Der Gleiter befand sich nicht mehr etwa vierhun dert Meter über einer Felslandschaft, son dern in einem scheinbar völlig schwarzen, unwirklichen Raum. In einer unbestimmba ren Entfernung war dieser Raum begrenzt. Axton konnte deutlich eine helle, gezackte Linie sehen, die einen Großteil der Land schaften von Arkon I in sich zu bergen schi en. Sie begann irgendwo weit vor dem Bug des Gleiters, zog sich hoch über ihn hinweg und senkte sich hinter ihm irgendwo ins Nichts. Axton fühlte sich schwerelos. Er wußte nicht, wo er war. Die Dimensionen schienen sich ineinander zu verschieben. Hatte er mit dem Schuß aus dem Energie strahler auf den Antigravparalysator seine eigene Traum-Realität-Existenzebene zer stört? Fiel er jetzt zurück in die Traumma schine Ischtars? Hatte er diese überhaupt je verlassen? War sein Weg bereits zu Ende? War das alles, was er für Atlan hatte tun können? »Nein«, schrie er voller Verzweiflung. Mit aller Kraft stemmte er sich dagegen, in seinen Robotkörper zurückzukehren, der sich von der Zeit dieses Arkons aus gesehen in einer fernen Zukunft befand. Er haßte seinen Robotkörper mit der gan zen Energie, die in seinem mißgestalteten
17 Körper steckte. Und er liebte seinen jetzigen Körper, obwohl er mit allen nur denkbaren Nachteilen behaftet war. Aber es war ein le bender und fühlender Körper. Es war der Körper eines Menschen und keine leblose Maschine, die vom letzten Rest seines Ichs, vom Gehirn, gesteuert wurde. Der schwarze Raum schien in sich zusam menstürzen zu wollen. Lebo Axton wußte, daß der Gleiter auf einer stabilen Fläche stand, obwohl niemand und nichts ihm die ses Wissen vermittelt haben konnte. »Kelly«, rief er ächzend. Der Roboter antwortete nicht. Axton stieß ihn mit der Faust an. Kelly rührte sich nicht. Er war wie erstarrt. Axton spürte, daß er etwas tun mußte. Er rutschte in den Nebensessel und öffnete die Tür. Dann trat er in das schwarze Nichts hinaus. Er spürte festen Boden unter den Fü ßen. Verwirrt streckte er die Arme aus. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wo er war. Vorsichtig ging er einige Schritte weit vom Gleiter weg. Als er sich umblickte, erschrak er. Die Maschine war nur noch handgroß und schien Kilometer von ihm entfernt zu sein. Hastig kehrte er zu ihr zurück. Sie wuchs unglaublich schnell wieder an. Er vernahm ein eigenartiges Trappeln hin ter sich. Nervös fuhr er herum. Er tastete nach seiner Hüfte, doch die Waffe, die er dort suchte, war nicht da. In aller Eile riß er die Tür des Gleiters auf, fand den Strahler, nahm ihn auf und drehte sich erneut um. Ein bizarres, blau schimmerndes Gebilde kroch auf ihn zu. Es erinnerte ihn irgendwie an ein Insekt, obwohl es bestimmt keines war. Unwillkürlich schätzte er es auf eine Größe von mindestens fünfzig Metern. Es verfügte über wenigstens tausend Gliedma ßen, die aus unzähligen, blau leuchtenden Kristallen zusammengesetzt zu sein schie nen. Körper und Kopf glichen einem Alp traum. Millionen von Vorsprüngen, Armen, Tastern, Antennen oder Auswüchsen be deckten es. Das Wesen bewegte sich rasch auf Axton zu. Dabei streckte es ihm einige der armähn
18 lichen Gliedmaßen entgegen. In seiner Panik schoß der Terraner. Das Wesen wurde für Sekunden in dem weißen Energiestrahl gebadet. Dann schien es in Millionen Einzelteile zu zerplatzen. Ein Wesen, das entfernt an einen Men schen erinnerte, stürzte aus der Höhe herab. Es hielt etwas in den Armen, was Axton für eine Waffe hielt. Der Terraner schoß aber mals. Der Energiestrahl fegte den Fremden aus dem schwarzen Raum. Nur sein blau leuchtender Gürtel fiel Axton taumelnd vor die Füße. Unwillkürlich bückte er sich und nahm ihn auf. In der gleichen Sekunde verschwand das rätselhafte schwarze Nichts. Axton befand sich wieder über der Felsenlandschaft am Rand des Raumhafens. Und er stürzte mit ungeheurer Geschwindigkeit in die Tiefe. Der Gleiter befand sich weit über ihm. Axton schrie. Und dann sah er, daß die Maschine sich nach vorn neigte. Durch die Frontscheibe konnte er den Kopf Gentleman Kellys sehen. Der Roboter lenkte den Glei ter nach unten und beschleunigte voll. Über die Schulter blickte der Verwachse ne nach unten. Der Boden kam unfaßbar schnell auf ihn zu. Schneller aber noch war Kelly bei ihm. Etwa zwanzig Meter über den Felsen schob sich der Bug des Gleiters unter Lebo Axton und fing ihn ab. Dann raste die Maschine beängstigend niedrig über die Fel sen dahin. Axton klammerte sich an die An tenne. Seine Blicke waren auf Gentleman Kelly gerichtet, der mit stoischer Ruhe auf seinem Platz hockte. In seinem Roboterge sicht war ohnehin kein Gefühl zu erkennen. Es wäre auch nicht der Fall gewesen, wenn Kelly Gefühle hätte empfinden können. Für Axton dauerte es eine Ewigkeit, bis der Gleiter endlich ruhig über dem Boden schwebte, sich dann langsam herabsenkte und landete. Kelly steckte den Kopf zum Seitenfenster hinaus. »Komische Manieren hast du, Schätz chen«, sagte er vorwurfsvoll. »Wenn ich dich nicht zufällig entdeckt hätte, dann wärst
H. G. Francis du jetzt ziemlich deformiert. Wie konntest du auch nur auf den Gedanken kommen, da oben einfach auszusteigen!« Axton schnappte nach Luft. Unwillkürlich schlug er mit der Rechten nach Kelly. In dieser Hand hielt er ein dünnes, blau leuch tendes Band. Es klatschte dem Roboter über den Kopf. Blaue Funken schossen krachend aus dem Material heraus, mit dem das Po sitronenhirn verkleidet war. Bestürzt blickte Axton auf das Band in seiner Hand. Es war leicht und geschmeidig. Es war der einzige Beweis dafür, daß in den letzten Minuten tatsächlich etwas unbegreif liches geschehen war. »Wenn du mich damit noch einmal schlägst, Liebster, wirst du mir einen neuen Kopf kaufen müssen«, sagte Kelly. Axton sah, daß der Arkonstahl eine Kerbe aufwies, wo er Kelly getroffen hatte. Stau nend ließ er das Band durch seine Finger gleiten. Vergeblich versuchte er, eine Erklä rung zu finden. Schließlich steckte er das Band in seine Hosentasche. Er befahl Kelly, ihn von der Fronthaube des Gleiters herun terzuheben und in die Polster zu setzen. Gentleman Kelly gehorchte schweigend. »In die Wohnung«, befahl Axton. »Nein, ich will, daß du den Gleiter erst überprüfst. Ich muß wissen, ob auch wirklich alles in Ordnung ist.« Kelly brauchte zehn Minuten für eine ein gehende Inspektion. Dann stand fest, daß mit der Zerstörung des Stabes alle mögli chen Fehlerquellen beseitigt waren.
* »Verzeih«, sagte Lebo Axton. Sein linkes Augenlid zuckte. Das war ein deutliches Zeichen dafür, daß er innerlich aufgewühlt war. »Ich hatte nicht die Absicht, dich zu verletzen, Kelly.« Der Roboter fuhr sich in einer absolut menschlich wirkenden Geste mit der Hand über den Kopf. »Ich war bisher noch nicht darüber infor miert, daß Arkonstahl mit einem so einfa
Organisation Gonozal chen Material beschädigt werden kann«, er widerte Gentleman Kelly. »Gibt es Auswirkungen auf deine Positro nik?« fragte Axton. Er beugte sich vor. »Ich meine, einen kleinen Dachschaden hast du schon immer gehabt. Aber wie ist das jetzt? Sind bei dir nun vielleicht schon ein paar Schrauben locker geworden?« »In meinem Gehirn gibt es keine einzige Schraube«, antwortete Kelly mit indigniert klingender Stimme. Axton staunte immer wieder, zu welchen Modulationen Kelly fä hig war. »Das war nicht wörtlich, sondern bildlich gemeint«, erklärte er ärgerlich. »Eine sorgfältige Überprüfung aller prüf fähigen Einrichtungen hatte ein befriedigen des Ergebnis«, sagte Kelly. »Alles ist in ei nem hervorragenden Zustand. Besonders zu loben ist der Intelligenzsektor, der bei mir außergewöhnlich gut entwickelt ist und allergrößte Hoffnungen …« »Ruhe«, brüllte Axton. »Du lügst!« »Ja.« Axton blickte Kelly verblüfft an. »Du gibst es zu?« »Ja.« »Warum?« »Ich tue alles, um dir Freude zu machen, Liebling.« Ächzend ließ sich der Terraner in die Pol ster seines Sessels zurücksinken. Er schüttel te den Kopf und gab es auf, weitere Fragen zu stellen. Nachdenklich ließ er das blaue Band durch seine Finger gleiten. Es war etwas mehr als einen Meter lang und ließ sich wie ein Gürtel zusammenstecken. Eine magische Kraft schien von ihm auszugehen, die Axton sich nicht erklären konnte. Er kannte nichts sonst, womit man Funken aus Arkonstahl herausschlagen konnte. Welche Kraft wohn te in diesem Gurt, der so aus sah, als sei er aus Millionen winziger, blau leuchtender Kristalle zusammengesetzt? Der Terraner hielt ihn sich dicht vor die Augen. Das Band war etwa einen Millimeter dick und wog fast nichts. Es schien von einem geheimnisvollen
19 Leben erfüllt zu sein. Einem spontanen Einfall folgend, schlang Axton sich das Band um die Hüften und steckte es zusammen. Der Gurt war zu weit für ihn, ließ sich aber seltsamerweise zusam menschieben, bis er paßte, wobei das zu nächst lose Ende sich wie von selbst an schmiegte und dann fest saß. Axton horchte in sich hinein, halb neugie rig, halb furchtsam. Veränderte sich etwas in ihm? Zunächst hatte er den Eindruck, aber dann merkte er, daß er sich getäuscht hatte. »Nun, wie findest du mich?« fragte er den Roboter. »Ich verstehe nicht? Wieso soll ich dich finden? Ich weiß doch, daß du hier, direkt vor mir bist, also brauche ich dich auch nicht zu suchen.« »Wie ich aussehe, will ich wissen«, brüll te Axton. »Nicht wie ein Arkonide.« »Kelly«, sagte der Verwachsene und zwang sich zur Ruhe. »Siehst du den Gurt? Natürlich siehst du ihn. Ich möchte jetzt von dir wissen, was …« Das Videogerät blinkte. Axton schaltete es selbst ein. Quertan Merantor war der Anrufer. Er blickte Axton prüfend an. »Ich habe von dem Anschlag auf Sie ge hört«, sagte er. »Haben Sie eine Spur?« »Noch nicht«, erwiderte Axton. »Lediglich eine Vermutung.« »Die Organisation Gonozal VIT.?« »Da ich mich bemühe, den wahren Cha rakter dieser Organisation zu erkennen, könnte immerhin etwas aus dieser Richtung gekommen sein. Ich werde Sie unterrichten, sobald ich et was mehr in der Hand habe.« »Sie haben noch zwei Tage Zeit. Mehr nicht. Dann muß der GonozalTrubel vorbei sein, der von dieser Organisation veranstaltet wird. Ich hoffe, Sie haben mich richtig ver standen, Axton. Der Imperator will nicht mehr länger belästigt werden.« »Das ist knapp.« Die Hände Quertan Merantors waren
20 ständig in Bewegung. Der Chef des Geheim dienstes war hochgradig nervös. Axton zweifelte nicht daran, daß Orbanaschol III. Merantor eingeheizt hatte. »Wenn Sie sich dem Fall nicht gewachsen fühlen, dann sagen Sie es ruhig, Axton«, er widerte Merantor kalt. »Dann übertrage ich die Aufgabe einem Mann, der sich wenig stens wie ein normaler Mensch bewegen kann.« »Wenn Sie mir damit wieder einmal zu verstehen geben wollen, daß ich ein Krüppel bin, dann möchte ich Ihnen sagen, daß mir das nichts ausmacht. Meine Fähigkeiten sit zen nicht in den Beinen, sondern im Kopf. Das allein ist wichtig.« In den Augen des Arkoniden blitzte es auf. Merantors Lippen zuckten. »Wenn Sie die Arbeiten nicht in zwei Ta gen abgeschlossen haben, mache ich Sie fer tig«, antwortete er. »Dann zählen Ihre bishe rigen Erfolge überhaupt nichts mehr.« Er schaltete ab. Lebo Axton lächelte. Er war zufrieden. Die beleidigenden Äu ßerungen Merantors hatten ihn tatsächlich nicht berührt. Er wußte jetzt, daß die Gono zal-Welle die oberste Führungsschicht Ar kons nervös gemacht hatte. Orbanaschol schäumte vor Wut. Und daher reagierte er falsch. Für Atlan konnte die Situation nur gut sein. In den ersten beiden Teilen der ausge strahlten Gonozal-Trilogie war der Sohn des Imperators in kurzen Szenen zu sehen gewe sen. Er hatte eine unbedeutende Rolle ge spielt, aber das war unwichtig. Entscheidend war allein, daß die breite Öffentlichkeit Ar kons darauf aufmerksam gemacht worden war, daß es diesen Sohn Gonozals gab. Or banaschol III. hatte den Tod Atlans mehr fach gefordert. Überall war sein Ruf be kannt: »Bringt mir seinen Kopf.« Doch durch ihn war der Masse nicht bewußt ge worden, daß der Kristallprinz einen legalen Anspruch auf die Macht besaß. Nun aber ge gann man sich zu fra gen, wo denn dieser Atlan eigentlich war? Warum er sich nicht
H. G. Francis auf Arkon I aufhielt, und warum er nicht auf dem Hügel der Weisen lebte. Orbanaschol III. machte die typischen Fehler eines Mannes, der sich schuldig weiß, und der sich in der Defensive befindet. Das Rufzeichen ertönte. »Öffne«, befahl Axton. Gleichzeitig schob er seine Hand unter die Bluse und um schloß den Griff seiner Energiestrahlwaffe. Nach dem letzten Anschlag war er auf alles gefaßt. Perko Larkyont, der Präsident der Organi sation Gonozal VII. trat ein. Mit einem brei ten Lachen kam er auf Axton zu. Seine Au gen funkelten, als ob er sich wirklich freute. »Mein Freund Lebo Axton«, rief er und ergriff den Verwachsenen an den Oberar men, wobei er sich nach vorn beugen mußte. »Sie glauben ja gar nicht, wie glücklich ich bin, daß ich Sie hier heil und gesund sehe.« Axton befreite sich mit sanfter Gewalt aus dem Griff. »Schön haben Sie es hier«, sagte Larkyont und drehte sich zweimal um sich selbst. »Wirklich schön. Ich beneide Sie, mein Bester, daß Sie in einer solch ent zückenden Wohnung leben können.« Er lachte laut und breitete die Arme aus, als sei er dicht davor, vor Freude zu platzen. Seine feisten Wangen glänzten. Er trug eine flammend rote Jacke, die auf der Brust und auf dem Rücken mit dem Namen Gonozals VII. versehen war, und sich stramm über seinem Bauch spannte. Seine Beine steckten in hautengen, leuchtend gelben Hosen. »Was führt Sie zu mir, Larkyont?« fragte Axton kühl. Der Präsident stutzte. Für einen kurzen Moment wurde er ernst, dann aber lachte er schon wieder. »Aber, ich bitte Sie, Lebo Axton! Was für eine Frage! Ich komme nur, um mich davon zu überzeugen, daß Sie gesund und unver letzt sind. Ich wäre untröstlich, wenn Ihnen etwas passiert wäre bei dem Attentat.« »Sie wissen also davon?« Larkyont nickte. Er senkte den Kopf und faltete die Hände vor dem Bauch.
Organisation Gonozal »Ein Freund von mir befand sich in der Nähe des Raumhafens. Er hat Sie gesehen und erkannt.« Larkyont tat, als sei er zutiefst betrübt über das Geschehene. »Ich werde meine ganze Macht dafür einsetzen, daß die Täter bald gefunden werden.« Er entdeckte zwei Vasen. Sie standen auf einem Schrank vor dem Fenster. Es waren kostbare Stücke, die Axton von Avrael Arr konta geschenkt bekommen hatte Larkyont streckte die Arme aus, warf den Kopf in den Nacken und rief: »Wie wunderschön, Axton. So etwas gibt es heute gar nicht mehr zu kaufen. Woher haben Sie sie?« Er nahm die Vasen auf und warf sie in die Luft, fing sie wieder auf und schleuderte sie erneut bis dicht unter die Decke. Dabei blickte er Lebo Axton an, der erschrocken aus seinem Sessel rutschte. Geschickt fing er die kleinen Kunstwerke wieder auf und wir belte sie durch die Luft. Er lachte schallend, beendete sein Spiel und stellte die Vasen wieder ab. »Ihr Gesicht war köstlich, Axton«, sagte er mit glucksender Stimme. »Für einen Mo ment habe ich befürchtet, Sie würden mich erschießen. Aber dann wären die Vasen selbstverständlich kaputt gewesen.« »Selbstverständlich«, erwiderte der Ver wachsene abweisend. »Ich habe nicht viel Zeit, Larkyont. Wollen Sie mir nicht endlich erklären, was Sie von mir wollen?« Der Präsident der angeblichen Unter grundorganisation ließ sich in seinen Sessel sinken. »Nichts, was wichtig wäre«, sagte er. »Ich möchte Ihnen eigentlich nur sagen, was die Organisation Gonozal VII. nichts mit dem Anschlag auf Sie zu tun hat.« »Wie kommen Sie auf einen solchen Ge danken?« »Für Sie liegt es doch nahe, nicht wahr? Sie waren bei uns und haben ein paar Fragen gestellt. Jetzt könnten Sie meinen, uns wäre das unangenehm gewesen. Wer sind Sie, Le bo Axton? Wofür arbeiten Sie? Behörde für Inneres? Geheimdienst? Oder …?« Er legte den Kopf schief, als erwarte er,
21 daß der Verwachsene darauf antworten wer de. Dann lachte er jovial, erhob sich und klopfte Axton auf die Schulter. »Na ja, Sie dürfen natürlich nichts sagen. Das ist ja klar«, sagte er. Dann ging er zur Tür und winkte Axton breit lachend zu. »Ich würde mich freuen, Sie bald wiederzuse hen.« Er verließ die Wohnung. Axton blickte nachdenklich auf die Tür. War Larkyont wirklich nur gekommen, um diese überflüssigen Fragen zu stellen? Hatte er sich nur wichtig machen wollen? Axton versuchte, die Begegnung mit Larkyont zu rekonstruieren. Hatte der Präsi dent irgendwo einen Fehler gemacht? War irgendwann die Maske durchsichtig gewor den, die er sich angelegt hatte? Oder war Larkyont tatsächlich der harmlose Mann, der er vorgab zu sein?
4. Als Lebo Axton seine Wohnung verließ, trat ihm Sorgith Artho entgegen. Der Mann, der ihm als Mitarbeiter zugeteilt worden war, blickte den Verwachsenen hochmütig an. Artho war fast zwei Meter groß und überragte Axton damit um gut fünfzig Zenti meter. Sein Gesicht war schmal und verlieh ihm ein asketisches Aussehen. Das weiße Haar fiel ihm bis auf die Schultern herab. »Wohin wollen Sie?« fragte der Arkoni de, ohne ein Wort der Begrüßung. Axto'n, der neben Robot Kelly stand, gab sich unbeeindruckt. »Ist das wichtig für Sie?« erkundigte er sich und machte sich auf den Weg zu den öffentlichen Nischen des Gebäudes, in de nen die Taxigleiter parkten. Seinen eigenen Gleiter hatte er einem Reparaturdienst über geben. »Allerdings«, erwiderte Artho. »Ich habe Anspruch darauf, von Ihnen informiert zu werden. Was haben Sie über die Organisati on Gonozal VII herausgefunden?« »Fragen Sie Quertan Merantor. Er wird es Ihnen sagen. Was haben Sie mir mitzutei
22 len?« »Nichts«, entgegnete der Arkonide abwei send. Kelly öffnete eine Tür, die zu einer Par knische führte. Ohne Sorgith Artho noch länger zu beachten, stieg Axton in einen Gleiter. Der Arkonide blickte ihn mit flam menden Augen an. Aus ihnen schlug dem Kriminalisten abgrundtiefer Haß entgegen. Axton erkannte, daß Sorgith Artho ihn vernichten würde, sobald er die Gelegenheit dazu hatte. Sollte er direkt auf eine gefährli che Auseinandersetzung hinspielen? Damit wäre nichts erreicht gewesen. Er mußte den Arkoniden auf jeden Fall abschütteln, da er sonst nicht frei und für Atlan arbeiten konn te, doch es war besser, wenn er selbst den Zeitpunkt der Entscheidung bestimmen konnte. Sorgith Artho ging um den Gleiter herum und setzte sich auf den Nebensitz. »Ich werde Sie begleiten«, erklärte er. »Wenn Sie unbedingt wollen, werde ich Sie nicht daran hindern«, erwiderte Axton gelassen. Er gab Kelly ein Zeichen, und der Robo ter startete. »Was haben Sie vor?« fragte der Arkoni de. »Wir fliegen zur Wohnung von Perko Larkyont«, erwiderte Axton einlenkend. »Wir müssen mehr über diesen Mann wis sen. Deshalb habe ich mich entschlossen, ei nige Geräte in seiner Wohnung unterzubrin gen, die uns Informationen liefern sollen.« Artho nickte. Seine Wangenmuskeln zuckten. »Sie glauben also, daß Larkyont ein Mann ist, den wir unbedingt beachten müssen«, stellte er fest. »So ist es.« Artho lachte lautlos. »Haben Sie schon einmal seinen Mitar beiter Ukosthan, den Sonnen träger unter die Lupe genommen?« »Am Rande habe ich mich mit ihm be schäftigt.« »Ich behaupte, daß er der tatsächliche
H. G. Francis Kopf der Organisation ist. Er ist ein mehrfa cher Mörder.« »Warum?« »Weil er ein Gonozal-Fanatiker ist«, ant wortete Artho. »Er hat sich entschieden ge weigert, für Orbanaschol III. zu arbeiten. Er hat den Verlust seiner gesellschaftlichen Pri vilegien, seines Ansehens und den eines be trächtlichen Vermögens in Kauf genommen, nur, um nicht Orbanaschol dienen zu müs sen.« »Hat er das?« fragte Axton gleichmütig, so als interessiere ihn Ukosthan nicht im mindesten. Tatsächlich nötigte ihm die Hal tung des Sonnenträgers höchsten Respekt ab. Ukosthan hatte mehr gewagt, als Artho aufgezählt hatte. Er hatte auch sein Leben und das seiner Familie riskiert, da Orbana schol III. wenig zimperlich mit seinen Geg nern umging. Das Trichtergebäude, in dem Perko Larkyont seine Wohnung hatte, schälte sich aus der Dunkelheit. Es war ein riesiges Bau werk mit einer Höhe von etwa fünfhundert Metern und einem oberen Durchmesser von etwa zweihundertsiebzig Metern. Damit war es groß genug, eine mittelgroße Stadt terra nischer Art in sich aufzunehmen. Kelly landete auf einer Parkfläche inmit ten einer üppig blühenden Kunstlandschaft auf dem Dach des Trichters. Hier befanden sich zahlreiche Freiluftrestaurants und Ver gnügungsstätten. Gleiter kamen und gingen in pausenlosem Wechsel. »Der Präsident der Organisation Gonozal VII. hat eine Wohnung im zwölften Seg ment«, sagte Axton. »Ich habe bereits Mes sungen vornehmen lassen. Die Wohnung ist mit einem ungewöhnlichen Aufwand gegen Einbruch und Observation abgesichert.« »Wissen Sie schon, wie Sie eindringen können?« »Ich habe gewisse Vorstellungen«, ant wortete Axton. »Welche?« Der Verwachsene zögerte. Es behagte ihm nicht, daß Sorgith Artho bei ihm war. Er hät te lieber auf sich allein gestellt gearbeitet, da
Organisation Gonozal er sich noch nicht klar darüber war, wie er den Arkoniden in seinen Plan einbauen soll te, ohne damit gleichzeitig ein Risiko für sich zu schaffen. Jetzt bereute er, daß er Ar tho hierher geführt hatte. »Welche, Axton? Oder wollen Sie es mir nicht sagen?« »Also schön, Artho. Es gibt eine schwa che Stelle in dem Absicherungssystem Larkyonts. Das ist der Abfallschacht mit sei nen Desintegrationsstrahlern.« Der Arkonide blickte ihn fassungslos an. »Wollen Sie damit ausdrücken, daß Sie planen, durch den Abfallschacht in die Woh nung Larkyonts zu kommen?« fragte er. »Das wäre Selbstmord.« »Normalerweise ist das richtig.« »Das ist immer richtig. Die Desintegrator strahler sind so geschaltet, daß sie automa tisch ansprechen, wenn etwas in den Abfall schacht geworfen wird und dabei die Senso ren passiert. Sie sind zentral gesteuert und können nicht einzeln ausgeschaltet werden. Wie also wollen Sie das schaffen?« Das war es wieder. Jetzt blieb Axton nichts anderes übrig, als dem Arkoniden zu erklären, daß er über einige Mikrogeräte verfüge, mit denen er die Sensoren irritieren konnte. Im Arkon dieser Zeit waren derarti ge Einrichtungen völlig unbekannt. Als USO-Spezialist war er jedoch so gut mit ih non vertraut, daß es ihm gelungen war, eini ge Mikrogeräte nachzubauen. Er hatte sie im Desintegratorschacht seiner Wohnung ge te stet. Sie arbeiteten einwandfrei. »Nun, es gibt gewisse Möglichkeiten«, er widerte der Verwachsene zögernd. »Wir wr erden uns später eingehend darüber unter halten.« Axton verließ den Gleiter. Er kletterte auf den Rücken seines Roboters und ließ sich zu einem der nach unten führenden Antigrav schächte führen. Sorgith Artho folgte ihm. Der Arkonide war nicht nur eifersüchtig, sondern auch argwöhnisch. Er neidete Axton die Erfolge und vermutete nun, daß gewisse Dinge im Spiel waren, über die selbst Quer tan Merantor, der Chef des Geheimdiensts,
23 nicht informiert war. Lebo Axton spürte die Gefahr. In seinem Hinterkopf schien sich etwas zu verkrampf en. Im Antigravschacht schwebten sie nach unten, bis sie die Etage, die über der Woh nung von Perko Larkyont lag, erreicht hat ten. Axton setzte ein positronisches Spezial gerät an die Verriegelung einer Tür. Lautlos glitt diese zur Seite, und der Verwachsene betrat einen Raum, in dem fast klinische Ordnung und Sauberkeit herrschten, »Unter uns. befindet sich die Wohnung Larkyonts«, erklärte er. »Diese Wohnung hier wird zur Zeit nicht benutzt.« Er löste einen flachen Kasten vom Rücken des Roboters und legte ihn auf den Boden. Als er ihn aufklappte, konnte Sorgith Artho verschiedene Meßinstrumente sehen. Axton nahm eine Sonde heraus und schritt damit hin und her. Die Zeiger der Meßin strumente schlugen aus. Immer wieder. »Sehen Sie, Sorgith?« fragte der Ver wachsene. »Ein Netz von Sicherheits- und Alarmeinrichtungen überspannt die Decke. Niemand könnte durch sie hindurchstoßen und so nach unten gelangen, ohne einen Alarm auszulösen.« Dann öffnete er den Abfallschacht, der in regelmäßigen Abständen mit Desintegrator strahlern versehen war. Die Einwurfklappen waren so klein, daß Axton nicht hindurch kriechen konnte. Deshalb vergrößerte er sie kurzerhand mit seinem Desintegratorstrah ler. Sorgith Artho beobachtete ihn schwei gend. Aus dem Ovalkörper Gentleman Kellys holte Axton schließlich ein Stahlseil hervor, das am Ende mit einer Schlaufe versehen war. Der Roboter hängte es in den nach un ten führenden Schacht, nachdem Axton einen Teil seiner Gerätschaften an einem Fa den an den Desintegratorsensoren vorbeige lenkt hatte. Nun kletterte der Verwachsene mit der Hilfe Kellys in den Schacht, stellte einen Fuß in die Schlaufe des Seils und ließ sich von dem Roboter absenken.
24 Lautlos trat Sorgith Artho zurück, als Ax ton verschwunden war. Kelly beachtete ihn nicht. Er fuhr erst herum, als der Arkonide die Wohnung verließ. Doch da war es schon zu spät. Er konnte das Seil nicht loslassen, ohne Axton zu gefährden. Er beugte sich vor und steckte den Kopf in den Schacht. »Liebling?« rief er mit gedämpfter Stim me. »Sei still, du Satan«, antwortete Axton wütend. »Verschwinde da oben.« »Schätzchen, ich muß dir etwas sagen.« »Verschwinde, Kelly. Das ist ein Befehl.« Der Roboter gehorchte. Er stellte fest, daß das Seil in steinen Händen bebte und zog daraus den richtigen Schluß, daß Lebo Ax ton vor Wut am ganzen Leibe zitterte. Tatsächlich war der Terraner außer sich vor Zorn. Nur eine dünne Metallklappe trennte ihn von der Wohnung Perko Larkyonts. Dazu stand diese Klappe noch et was offen. Der Präsident der Organisation Go nozal VII. aber betrat gerade in diesem Moment seine Wohnung. Damit hatte Axton nicht gerechnet, denn nach den Informatio nen, die er hatte, sollte Larkyont zu dieser Stunde weit von hier entfernt an einer Kon ferenz teilnehmen. Irgend etwas Unerwarte tes mußte eingetreten sein und ihn dazu ver anlaßt haben, zurückzukommen. Jeder Laut konnte ihn darauf aufmerksam machen, daß etwas nicht in Ordnung war. Und Axton war sich darüber klar, daß es sein sofortiger Tod sein konnte, wenn Larkyont ihn im Schacht entdeckte. Seine Hand krallte sich um die Pistole, die er unter dem Hemd versteckt hielt. In ihr steckten die winzigen Pfeile, die mit Mikro phonen ausgestattet waren. Sein Plan war gewesen, sie aus dem Schacht heraus zu ver schießen. Das war unter den gegebenen Um ständen nicht mehr möglich, da sie nicht oh ne Geräusch abgefeuert werden konnten. Er wragte es auch nicht, die Klappe weiter zu öffnen, da Larkyont dann auf ihn auf merksam werden mußte. Und er fürchtete sich davor, daß der Arkonide irgend etwas
H. G. Francis wegwerfen wollte. Dennoch entschloß er sich nicht dazu, sich wieder nach oben zie hen zu lassen. Er hoffte, daß sich doch noch eine Chance ergeben würde, den Plan zu vollenden. Er schloß die Augen und konzentrierte sich voll auf die Geräusche. Überrascht stellte er fest, daß der Türsummer anschlug. Larkyont ging zur Tür und öffnete, nachdem er eine Videokontrolle durchgeführt hatte. Vorsichtig schob Axton die Klappe weiter auf, so daß er sehen konnte, was an der Tür vorging. Der Atem stockte ihm, als er sah, wer bei Larkyont eintrat. Es war niemand anders als Sorgith Artho! Lebo Axton spürte stechende Schmerzen im Hinterkopf. Sie wurden für einige Sekun den so heftig, daß er aufstöhnte. Dann ver schwanden sie wieder. Axton aber vergaß sie nicht. Für ihn war die Gefahr in der er schwebte, körperlich fühlbar geworden. Perko Larkyont schien nicht weniger überrascht zu sein als Axton. »Was führt Sie zu mir?« fragte er verstört. Artho antwortete nicht. »Wer sind Sie denn überhaupt?« forschte der Präsident der Organisation Gonozal VII. erregt. Sorgith Artho zeigte ihm seine Identifika tionskarte. »Und was suchen Sie hier?« Artho antwortete noch immer nicht. Er ging zu einem Sessel und setzte sich. Er saß so, daß sein Gesicht der Klappe zum Abfall schacht zugewandt war. Axton hatte diese soweit geschlossen, daß er beide Männer durch einen winzigen Spalt sehen konnte. Perko Larkyont ließ sich ebenfalls in einen Sessel sinken. Er aber wandte Axton den Rücken zu. »Sie sind Präsident der Organisation Go nozal VII. und haben sich dadurch eindeutig zu einer Politik bekannt, die auf den Sturz Orbanaschols hinarbeitet«, erklärte Sorgith Artho. »Sie sind verrückt«, erwiderte Larkyont. »Alle Welt weiß, daß diese Organisation nicht ernst zu nehmen ist. Sie ist eine Ein
Organisation Gonozal richtung, die ein paar Schwärmer und ewig Gestrige zusammenfaßt. Mehr nicht.« »Wenigstens drei Männer sind gestorben, die in irgendeiner Weise Verbindung mit Ih rer Organisation hatten, Larkyont. Das sind der Student Dastruk und Staghoug und Prao kun. Wir haben herausgefunden, daß die bei den Offiziere der OZMAN unmittelbar nach der Ankunft im Arkonsystem über Telekom mit Ihnen gesprochen haben.« »Das ist richtig«, gestand Larkyont. »Die beiden Männer sind Opfer eines Verkehrs unfalls geworden. Damit habe ich nichts zu tun.« »Ich bin zu einem anderen Schluß gekom men«, erwiderte Sorgith Artho. »Es war kaltblütiger Mord!« Larkyont wollte aufspringen, doch Artho hielt plötzlich einen flachen Energiestrahler in der Rechten, den er unter seiner Kombi nation verborgen gehabt hatte. »Bleiben Sie sitzen, Larkyont.« Axton fragte sich, was Artho wirklich wollte. Er glaubte nicht daran, daß Artho den Präsidenten erschießen wollte. Das wäre völlig widersinnig gewesen, denn damit hät te er sich und der Abwehr alle weiteren Schritte verbaut. Das hat er schon jetzt! sagte sich Axton. Im gleichen Moment begriff er, was Ar tho tatsächlich plante. Er ließ die Sicherung seiner Spezialwaffe umspringen, stieß die Klappe auf und hatte nun freie Sicht auf Ar tho. Wie erwartet, zielte dieser nicht auf Ferko Larkyont, sondern auf ihn. Lebo Axton schrie auf. »Kelly«, brüllte er. Gleichzeitig zog er durch. Doch zu seiner maßlosen Überraschung funktionierte die Waffe nicht. Perko Larkyont sprang auf, schlug Arthos Waffe zur Seite und rannte auf die Tür zu. Artho kümmerte sich nicht um ihn, sondern richtete seinen Strahler wieder auf Axton. Dieser befand sich noch immer an der glei chen Stelle. Seine rechte Hand und die Spe zialwaffe wurden von einem blauen Leuch
25 ten umwabert, das seine Finger weitgehend lähmte. Er wollte Sorgith Artho töten, aber er konnte nicht. Der Arkonide war so über rascht, daß er nicht feuerte. Gentleman Kelly erkannte, daß der Kriminalist sich in höch ster Gefahr befand und riß ihn mit fast bruta ler Gewalt nach oben. Als Sorgith Artho sei nen Energiestrahler endlich aus löste, war Axton bereits aus dem Schacht heraus. Kelly packte ihn und floh mit ihm. Er war noch keine zwei Meter weit gekommen, als es sonnenhell hinter ihnen aufleuchtete und ei ne schier unterträgliche Hitzewelle aus dem Desintegratorschacht schlug. Da der Roboter den Verwachsenen mit seinem Körper ab deckte, spürte dieser kaum etwas davon. »Zurück zum Gleiter«, befahl Axton. Kelly stürmte aus der Wohnung. Er rannte zwei Arkoniden um, die vor der Tür stan den. Mit weit ausgreifenden Schritten lief er zum Antigravschacht und sprang hinein. Als sie nach oben schwebten, sah Lebo Axton Sorgith Artho aus einem anderen Schacht steigen. Der Arkonide eilte auf die Woh nung zu, die sie vor Sekunden erst verlassen hatten. Er schien die Blicke Axtons zu spüren, denn er wandte ihm das Gesicht zu. Der Ter raner sah nur noch, daß der Arkonide ste henblieb, dann entschwand er aus seinem Sichtbereich. »Schneller, Kelly«, rief der Kosmokrimi nalist. Der Roboter hob ihn über die Schulter hinweg, so daß Axton sich mit einiger Mühe in die Halterungen auf seinem Rücken stel len konnte. Zugleich schaltete er den eige nen Antigrav an, so daß sie mit dreifacher Geschwindigkeit in dem Schacht nach oben jagten. Als sie die Dachterrasse erreichten, blickte Axton nach unten. Er beobachtete, daß nun auch Sorgith Artho den Weg nach oben angetreten hatte. »Zum Gleiter«, befahl er. Sie verließen den gläsernen Vorbau des Antigravschachtes. Hier herrschte lebhafter Verkehr. Die Restaurants waren bis auf den
26 letzten Platz gefüllt. Auf den Wegen flanier ten junge Arkoniden mit ihren Frauen oder Freundinnen. »Nicht zu schnell, Kelly«, raunte Axton. »Wir wollen nicht mehr auffallen als unbe dingt notwendig.« Viele Arkoniden blieben stehen, als sie den Roboter mit dem verwachsenen Frem den auf dem Rücken bemerkten. Einige ge fielen sich in abfälligen Witzen, andere drehten sich scheu weg. Arkoniden hatten eine seltsame Einstellung zu körperlich Be hinderten, die nicht in die von ihnen errich tete Welt der galaxisweiten Macht, der Schönheit, der Illusionen und der vermeintli chen Vollkommenheit passen wollten. Axton beachtete sie nicht. Er beobachtete den Ausgang des Antigravschachts. Jeden Moment mußte dort Sorgith Artho auftau chen. Kurz bevor Kelly den Taxigleiter er reichte, erschien der Erwartete tatsächlich. Er rannte geduckt aus dem Glasbau heraus. In der rechten Hand hielt er den Energie strahler. »Er hat den Verstand verloren«, sagte Ax ton. »Er weiß nicht mehr, was er tut.« Seltsamerweise erregte Artho kaum Auf sehen, obwohl er quer über die Beete und Parkanlagen stürmte. Als Kelly die Tür des Gleiters öffnete, hob Axton den Arm. »Achtung«, rief der Terraner. »Wir schaf fen es nicht mehr.« Kelly sprang zur Seite. Ein sonnenheller Blitz zuckte über ihn hinweg. Die Männer und Frauen auf dem Dach schrien in pani scher Angst auf. Jetzt erst merkten sie, was gespielt wurde. Axton hob die Spezialwaffe, mit denen er die Mikropfeile verschießen konnte, zielte und wollte abdrücken. Doch wiederum hüll te ein blaues Leuchten die Waffe ein. Be stürzt blickte er auf seine Hand. Dabei fiel ihm auf, daß das seltsame Licht von seinem Gürtel ausgestrahlt wurde. Kelly duckte sich so plötzlich, daß Axton fast von seinem Rücken gefallen wäre. Wie derum fuhr ein Energieblitz fauchend über ihn hinweg.
H. G. Francis Jetzt aber war Sorgith Artho schon we sentlich näher bei ihm. »Spring hinunter«, schrie Axton, Er klam merte sich mit ganzer Kraft an den Roboter. Dieser fuhr herum und schnellte sich mit mächtigen Sätzen bis an den Rand der Dach terrasse. Als er sie erreicht hatte, warf er sich kopfüber darüber hinweg. Wiederum feuerte Sorgith Artho, aber auch dieses Mal hatte er nicht genau gezielt. Sinclair Marout Kennon-Axton stürzte auf dem Rücken Gentleman Kellys in die Tiefe. Er hörte die entsetzten Schreie der Männer und Frauen auf dem Dach. Vorsichtig drehte er sich so weit um, daß er nach oben sehen konnte. Ein Gleiter startete. Er war in der Dunkelheit kaum zu erkennen. Axton wußte, daß Sorgith Artho ihm auf den Fersen war. Dem Arkoniden blieb nun keine andere Möglichkeit mehr, als die Jagd bis zu ihrem tödlichen Ende fortzuführen. Axton richtete die Spezialwaffe nach vorn und drückte ab. Er vernahm einen dumpfen Knall, als der erste Pfeil aus der Mündung schoß. Nichts behinderte ihn. Als Kelly nur noch hundert Meter über dem Boden war, schaltete er das Antigrav aggregat ein und fing sich sanft ab. Er schwebte zusammen mit Axton auf den Bo den herab und landete erschütterungsfrei. Der Terraner schloß die Augen und kon zentrierte sich einige Sekunden lang. Als er die Augen wieder öffnete, war die Dunkel heit wie weggeflogen. Er konnte den Trich terbau und die Gleiter, die sich davon in alle Richtungen entfernten, deutlich erkennen. Wieder staunte er über die plötzlich in ihm erwachte Fähigkeit der Nachsichtigkeit, die über Jahrhunderte in seinem Sonderhirn ge schlummert hatte. Ein Gleiter flog steil in die Tiefe. Er nä herte sich jedoch nicht ihm, sondern flog einen weiter entfernten Punkt an. Axton zweifelte keine Sekunde daran, daß Sorgith Artho an den Steuerelementen saß. Er lä chelte. Der Arkonide hatte nur minimale Chancen, ihn zu finden, da er in der Dunkel heit ohne technische Hilfsgeräte nichts se
Organisation Gonozal hen konnte. Axton legte Kelly die Hand auf den Kopf. »Los, Alter, wir verschwinden von hier, bevor Artho uns vielleicht doch noch auf spürt«, sagte er. »Aber vorsichtig, damit wir nicht auffallen.« Artho flog jetzt in einer Höhe von etwa fünfzig Metern. Er suchte einen Bezirk ab, der von der Grundsäule des Trichterbaus bis in eine Entfernung von etwa hundert Metern reichte. Dabei hatte er die Scheinwerfer auf den Boden gerichtet, so daß helle Lichtkrei se über den Boden wanderten. Plötzlich schien er etwas bemerkt zu ha ben. Axton näherte sich einem Wäldchen. Der Gleiter schwenkte herum und jagte di rekt auf den Verwachsenen zu. Kelly rea gierte prompt. Mit wenigen schnellen Sätzen erreichte er den Wald und versteckte sich hinter einem dicken Baumstamm. Sekunden später schon schwebte der Gleiter über sie hinweg, doch das Licht reichte nur durch das Blätterdach hindurch bis auf den Boden. Ax ton blieb im Schatten. Er schloß die Augen, um nicht geblendet zu werden. Artho kehrte wenig später noch einmal zurück, drückte die Maschine tiefer herab und leuchtete in den Wald hinein, ohne Ax ton dabei allerdings zu entdecken. Dann stieg der Gleiter wieder auf und flog mit starker Beschleunigung davon. Axton blickte ihm nachdenklich nach. Er griff nach seiner Spezialwaffe und feu erte sie mehrfach ab. Nichts behinderte ihn dabei. »Das verstehe, wer will«, sagte er ver wirrt. »Wieso konnte ich den Arkoniden nicht töten, Kelly?« »Ich habe keine Antwort darauf.« »Du mußt aber eine haben, verdammt. Du hast ein angeblich absolut logisch denkendes Positronenhirn. Darin muß eine Information enthalten sein. Kannst du mir nicht wenig stens einen Tip geben?« »Nein, Herr, das blaue Leuchten kann ich nicht erklären. Es kam von deinem Gürtel. Dieser stammt, wie du behauptet hast, nicht aus dieser Dimension. Du hast ihn in einem
27 Raum gefunden, der zu einem anderen Kon tinuum gehört. So hast du jedenfalls gesagt. Meine Logik aber bezieht sich auf dieses Kontinuum. Daher lassen sich nur Fragen beantworten, die mit diesem Kontinuum zu tun haben.« »Wieso sagtest du Herr zu mir? Hast du vielleicht doch einen Dachschaden?« »Es war ein Versuch, Liebling. Ich wollte wissen, ob man dir schmeicheln kann.« »Sei still, du Blechbestie. Kein Wort mehr.« Gentleman Kelly gehorchte. Schweigend setzte er seinen Weg fort. Er marschierte mit Axton auf dem Rücken durch den Wald. »Das dauert mir zu lange«, sagte der Ter raner endlich. »Nimm den Antigrav und bring mich in die Wohnung.« Der Roboter stieg auf. In niedriger Höhe flog er über das Land dahin. Als er sich dem Trichterbau näherte, in dem die Wohnung Axtons war, konzentrierte sich dieser wieder und schaltete auf Nachsichtigkeit um. Sorg fältig suchte er die Umgebung des Wohn trichters ab. Erst als er sicher war, daß sich Artho nicht in der Nähe versteckt hielt, ließ er den Roboter bis zu der Nische aufsteigen, in der sonst sein Gleiter parkte. Sie war leer. Bevor Axton die Wohnung be trat, befahl er Kelly, alle Sicherheitstests durchzuführen. Er hatte eine Reihe von Ortungsgeräten in den Ovalkörper des Roboters eingebaut, so daß er nun feststellen konnte, daß sich nie mand in seiner Wohnung aufhielt, und daß sich auch niemand an den Türen zur Woh nung zu schaffen gemacht hatte. Er fühlte sich jedoch erst wirklich sicher, als er die Wohnung betreten hatte. Aufat mend legte er seine Jacke zur Seite. Dann wollte er den blau schimmernden Kristall gürtel von den Hüften lösen, doch der Ver schluß öffnete sich nicht. Der Terraner erschrak. Nervös versuchte er es mit Gewalt, doch auch damit hatte er keinen Erfolg. Schweiß bildete sich auf sei ner Stirn. Er machte sich heftige Vorwürfe, weil er sich den Gurt überhaupt angelegt hatte.
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H. G. Francis
Er zwang sich zur Ruhe, untersuchte das schimmernde Band und glaubte endlich, her ausgefunden zu haben, wie es sich abstreifen ließ. Aber er irrte sich. Jetzt zerrte er sich das Hemd vom Körper, streifte Stiefel und Hose ab und versuchte, den Gürtel über die Hüften herabzuschieben. Umsonst. Das blaue Leuchten schmiegte sich weich und kaum fühlbar an seine Haut. Wie ein lebendes Wesen preßte es sich an ihn und ließ sich nicht mehr entfernen. Aufstöhnend sank Axton in einen Sessel.
5. Das Ruflicht am Videogerät blinkte. »Einschalten«, befahl Axton. Kelly ge horchte. Die Projektionsfläche erhellte sich, und das Gesicht von Sorgith Artho erschien im Bild. »Axton«, sagte der Arkonide atemlos. »Was, um alles in der Welt, ist passiert?« »Das frage ich Sie, Artho. Was ist in Sie gefahren? Haben Sie den Verstand verlo ren?« Der Arkonide schüttelte den Kopf und blickte Axton an, als habe dieser eine völlig abwegige Frage gestellt. »Ich fürchte, hier liegt ein Mißverständnis vor«, sagte er. Lebo Axton, der erfahrene Kosmokrimi nologe durchschaute ihn. Arthos Mordplan war fehlgeschlagen. Nun konnte er nicht mehr behaupten, alles sei nur ein Versehen gewesen. Jetzt stand der Arkonide mit dem Rücken an der Wand. Er mußte kämpfen, um seinen Kopf zu retten. Und er versuchte es mit ei nem Bluff. Der Terraner seinerseits war ge schickt genug, darauf einzugehen. Er gab je doch vor, Artho nicht von vornherein zu glauben, um dessen Argwohn nicht zu stei gern, sondern allmählich einzuschläfern. »Ein Mißverständnis? Ich denke, die Si tuation war eindeutig«, erwiderte er. »Warum sind Sie nicht bei meinem Roboter geblieben?«
»Jemand hat sich an der Tür zu schaffen gemacht. Ich bin zur Tür gegangen, um nachzusehen. Als ich sie öffnete, sah ich einen Mann flüchten. Ich bin ihm gefolgt. Er lief in die Wohnung von Perko Larkyont.« Lebo Axton war keineswegs überrascht. Dies und nichts anderes hatte er erwartet. »Das ist allerdings verständlich«, erwider te er. »Ich drang in die Wohnung Larkyonts ein und bemerkte ein eigenartiges, bläuliches Leuchten, das aus dem Abfallschacht kam. Für mich stand fest, daß Ihr Vorhaben fehl geschlagen war. Und dann entdeckte ich ein grauenvolles, blaues Gesicht einer nicht menschlichen Kreatur. Zunächst war ich wie gelähmt vor Entset zen. Danach schoß ich, aber dieses Wesen entkam. Ich verfolgte es bis aufs Dach und konnte gerade noch sehen, daß es sich in die Tiefe stürzte. Das ist alles.« »Aha«, machte Axton. Sorgith Artho biß sich auf die Lippen. Sein ohnehin schmales Gesicht wurde noch kantiger. »Um ehrlich zu sein, Axton. Ich habe nicht damit gerechnet, daß Sie noch leben. Ich war überzeugt davon, daß Sie von dieser fremdartigen, blauen Bestie getötet worden sind.« »Eine seltsame Geschichte, Artho. Ich werde darüber nachdenken.« »Ich habe nicht nur angerufen, um mir so zusagen letzte Gewißheit zu verschaffen.« »Sondern?« »Ich habe soeben erfahren, daß ein Ge heimtreffen mehrerer hochgestellter Persön lichkeiten mit wichtigen Vertretern der Or ganisation Gonozal VII. bevorsteht. Es kann uns Aufschlüsse über einige noch offene Fragen geben.« Axton hatte Mühe, absolut ernst zu blei ben. Auch diese Behauptung Arthos hatte er erwartet. Er fragte sich, für wie unbedarft der Arkonide ihn hielt. Artho wollte ihn aus der Wohnung und in eine Falle locken. »Wo?« Der Arkonide nannte ihm die Adresse.
Organisation Gonozal Das Treffen sollte angeblich auf der Dach terrasse eines Trichterbaues in der Nähe stattfinden. »Wann?« »In anderthalb Stunden.« »Ich werde da sein. Wo treffen wir uns?« »Am besten direkt auf der Dachterrasse. Es gibt dort einen auffälligen Obelisken, der als Treffpunkt gut geeignet ist.« »Gut«, sagte Axton. »Ich danke Ihnen.« Er schaltete ab. Axton blickte auf sein Chronometer. Es war fast Mitternacht. Die Zeit war denkbar ungünstig für ihn, doch da er das Spiel ein mal begonnen hatte, blieb ihm keine andere Wahl mehr, als es auch zu Ende zu führen. Er erhob sich und kleidete sich wieder an. Dann steckte er einen Energiestrahler in die Jacke und stieg auf den Rücken Kellys. We nig später saß er in einem Taxigleiter, und kurz nach Mitternacht legte er seine Hand auf die Kontaktscheibe an der Tür einer Lu xuswohnung im obersten Geschoß eines Trichterbaus. Als der kleine Videoschirm neben der Tür sich erhellte, und das Gesicht einer jungen Arkonidin darauf erschien, hielt Axton seine Identifikationskarte vor die Lin se. Das Mädchen erschrak. »Wen … wen wollen Sie sprechen?« frag te sie. »Öffnen Sie«, forderte der Kriminalist kalt. Das Türschott glitt zur Seite. Axton ließ sich von Kelly in die Wohnung tragen. Aus dem mit tropischen Pflanzen reich verzierten Salon trat ihm ein hochgewachsener Arkoni de mit edlen Gesichtszügen entgegen. »Was wünschen Sie?« fragte er kühl und beherrscht. »Ich möchte mit Ihnen sprechen, Akost han«, erwiderte Axton. »Zu dieser Stunde?« »Zu dieser Stunde.« Der Sonnenträger zögerte, trat dann aber zur Seite und gab Axton zu verstehen, daß er den Salon betreten möge. Gentleman Kelly trug den Terraner in den Raum, in dem einer der beiden Mitarbeiter Perko Larkyorrts saß,
29 der einer Sonderabteilung des Geheimdien stes angehörte. Axton tat, als sei er darüber nicht informiert. »Ich störe hoffentlich nicht gerade bei der Geheimbesprechung zu einer Verschwö rung?« fragte er mit unüberhörbarer Ironie. »Durchaus nicht«, antwortete Ukosthan mit einem gequälten Lächeln. Der Agent er hob sich. »Ich muß jetzt gehen«, erklärte er. »Bitte, entschuldigen Sie mich.« Der Sonnenträger verabschiedete ihn und brachte ihn zur Tür. Als er in den Salon zu rückkehrte, hatte Axton es sich in einem Sessel bequem gemacht. Er blickte Ukost han durchdringend an. Der Arkonide war unruhig. »Was führt Sie zu mir?« fragte er. »Die Stunde ist ungewöhnlich.« »Ich will offen zu Ihnen sein«, entgegnete der Verwachsene. »In den letzten Tagen ist es zu einigen Zwischenfällen gekommen, die aufgeklärt werden müssen. Ein Student ist ermordet worden. Zwei Offiziere sind tödlich verunglückt. Damit sind jetzt schon sieben Offiziere unter nicht geklärten Um ständen gestorben. Ich meine, sieben Offi ziere, die zu Ihrem engeren Bekanntenkreis gehörten, Ukosthan.« Die Augen des Arkoniden wurden feucht vor Erregung. »Was wollen Sie damit sagen?« fragte er heftig. Lebo Axton antwortete nicht. Er blickte ihn nur an. »Stehe ich unter Mordverdacht?« forschte Ukosthan. »Wäre das berechtigt?« »Natürlich nicht.« Der Sonnenträger sprang auf. Er eilte zur Fensterfront und blickte hinaus. Tief unter ihm lagen beleuch tete Parks. »Ukosthan«, sagte Axton leise. »Perko Larkyont ist nur ganz knapp einem Anschlag entkommen. Er wäre fast ermordet worden.« »Was habe ich damit zu tun?« »Nichts«, antwortete der Verwachsene gelassen.
30 »Was wollen Sie denn eigentlich von mir?« schrie Ukosthan. »Ich möchte Ihnen einen Tip geben. Zufällig habe ich erfahren, daß einige der wichtigsten Mitglieder der Organisation Go nozal VII. in höchster Gefahr sind. Sie wer den sich in etwa einer Stunde auf der Dach terrasse eines Gebäudes in der Nähe tref fen.« Axton beschrieb den Platz, den Sorgith Artho ihm angegeben hatte. »Dort werden einige Männer auf sie warten.« »Sie meinen, diese Männer könnten mei ne Freunde ermorden wollen?« fragte Ukosthan fassungslos. »Ich meine überhaupt nichts«, erwiderte Axton ausweichend. »Warum erzählen Sie mir das alles?« »Um Ihnen eine Chance zu geben, Ukost han.« Der Arkonide war völlig verwirrt. Axton lächelte unmerklich. Er blickte auf sein Chronometer. »Sie sollten sich ein wenig erfrischen, Ukosthan. Ich werde hier auf Sie warten. Sobald Sie dann zu mir zurückkommen, werden wir zum Essen fliegen.« »Ich habe keinen Hunger«, entgegnete der Arkonide schroff. »Sie haben mich mißverstanden«, sagte Axton milde. »Ich habe Ihnen soeben den Befehl erteilt, mich in ein Restaurant zu be gleiten.« Ukosthan biß sich auf die Lippen, fuhr herum und stürmte aus dem Salon. »Hast du keine Angst, daß er flieht?« fragte Kelly. »Unsinn«, erwiderte Axton. »Warum soll te er das tun? Nein, er wird nur ein paar Vi deogespräche führen. Mit Larkyont etwa, vielleicht auch mit dem Besucher, der vor uns hier war und es so eilig hatte, als wir eintrafen.« Ukosthan kehrte nach zehn Minuten in den Salon zurück. Jetzt war er beherrscht und ruhig. Er trug eine blaue Kombination und einen knöchellangen Mantel, der vorn offen war. Das silberne Haar reichte ihm bis auf die Schultern herab.
H. G. Francis »Wir können gehen«, erklärte er kühl. Axton kletterte auf den Rücken Kellys und ließ sich zu seinem Gleiter tragen. Der Arkonide folgte ihm wortlos. Er sprach erst wieder, als sie in einem gut besuchten Re staurant auf der Dachterrasse eines Gebäu des saßen. Er deutete zum benachbarten Ge bäude hinüber. Es war niedriger, und sie konnten von ihrem Platz aus auf die dortige Dachterrasse hinab sehen. »Dort drüben steht der Obelisk«, sagte Ukosthan. »Von hier aus können wir beob achten, was dort geschieht. Ist es das, was Sie beabsichtigt haben?« Lebo Axton schnippte mit den Fingern. »Durchaus nicht«, antwortete er. »Ich wollte nur, daß man uns hier sieht. Weiter nichts. Sie sind ein gutaussehender Mann. Man wird sich an Sie erinnern. Meine Er scheinung ist etwas – hm – ungewöhnlich. Sie prägt sich leicht ein.« Die beiden Männer blickten sich in die Augen. Keiner wich dem anderen aus. Ukosthan fuhr erst auf, als es drüben auf der Dachterrasse aufblitzte. Axton wandte sich langsam zur Seite. Auf dem benachbarten Gebäude schossen mehrere Kontrahenten mit Energiestrahlern aufeinander. Der Terra ner zählte insgesamt sieben Blitze. Dann wurde es ruhig. Ein Gleiter löste sich aus den Büschen auf der Terrasse und stieg rasch auf. Er war un beleuchtet. Mit hoher Geschwindigkeit raste er davon. Axton wandte sich dem Sonnenträger wieder zu. »Wollen Sie nicht bestellen?« fragte er lä chelnd. »Muß ich Sie daran erinnern, daß Sie mich eingeladen haben – und nicht ich Sie?« »Stellen Sie sich nicht so an«, erwiderte der Kriminalist spöttisch. »Sie haben viel mehr Geld als ich. Also, geben Sie schon das Essen aus.« Ukosthan preßte die Lippen zusammen. Seine Augen blitzten förmlich vor Zorn, während sich das Lächeln auf den Lippen des Kriminalisten vertiefte. Dann entspannte
Organisation Gonozal sich die Miene des Arkoniden jedoch. Er nickte, und ein paar Fältchen bildeten sich in seinen Augenwinkeln. »Ich glaube, jetzt habe ich verstanden, Axton«, sagte er und drückte die Tasten der Servoautomatik. »Was möchten Sie essen?«
* Als Lebo Axton am Mittag des nächsten Tages sein Büro im Regierungsviertel betrat, flammte der Bildschirm auf. Das Gesicht des Quertan Merantor erschien. »Kommen Sie sofort in mein Büro«, be fahl der Geheimdienstchef. Axton blieb gleichmütig. Er kletterte auf den Rücken Kellys und ließ sich zu Meran tor tragen. Der neben Orbanaschol III. viel leicht mächtigste Mann auf Arkon I saß hin ter einem ausladenden Arbeitstisch. Nervös durchsuchte er die Papiere und Akten, die vor ihm auf dem Tisch lagen. Seine Hände fanden erst Ruhe, als Axton vom Roboter stieg. Er blickte auf, und seine massige Ge stalt beugte sich vor. »Ist das der Mann?« fragte er laut. Eine Tür ging auf. Zwei Arkoniden traten ein. Es waren die beiden Agenten, die sich bei der Organisation Gonozal VII. einge schlichen hatten. »Das ist der Mann«, antwortete jener, den Axton in der Wohnung des Sonnenträgers Ukosthan angetroffen hatte. Quertan Merantor sprang auf. Sein Ge sicht rötete sich. »Ihr verdammten Narren«, schrie er die beiden Agenten an. »Das ist einer unserer fähigsten Männer. Macht, daß ihr raus kommt.« Die beiden blickten Axton bestürzt an. Sie waren fassungslos und begriffen noch im mer nicht, wie ihnen geschah. Merantor fuhr auf einen von ihnen zu, packte ihn an der Schulter, wirbelte ihn her um und gab ihm einen Stoß, daß er bis zur Tür flog. Die beiden Agenten flüchteten förmlich aus dem Arbeitsraum. Merantor kehrte zu seinem Sessel hinter
31 dem Arbeitstisch zurück. »Diese beiden Genies haben Sorgith Ar tho erschossen«, erklärte er mit zornbebender Stimme. »Ach«, machte Axton und gab sich über rascht. Er setzte sich in einen Sessel, wobei er so tief in die Polster sank, daß er sich an die Seitenstützen klammern mußte. Robot Kelly stützte rasch seinen Rücken mit der Hand. Axton rutschte ächzend bis zur vorde ren Kante der Sitzfläche, wo er besseren Halt fand. »Sie waren in der Wohnung des Sonnen trägers Ukosthan«, stellte Quertan Merantor fest. »Sie haben ihn wissen lassen, daß Sie über ein Treffen wichtiger Mitglieder der Organisation Gonozal VII. informiert sind und haben ihm damit die Chance gegeben, diese Männer zu warnen. Auch Sorgith Ar tho wußte von diesem Treffen. Während die Gonozal-Anhänger jedoch fernblieben, er schien er am Obelisken und prallte hier mit unseren Leuten zusammen. Ihren Aussagen zufolge hat er den ersten Schuß abgegeben.« Lebo Axton wußte es besser, aber er schwieg. Gentleman Kelly verfügte über ein hervorragendes optisches System. Er konnte die Brennweite seiner Linsen extrem verän dern. Somit war er befähigt gewesen, die Er eignisse am Obelisken genau zu verfolgen. Daher wußte Axton, daß nicht nur Artho und die beiden Agenten am Obelisken gewe sen waren, sondern auch Perko Lerkyont, der selbstverständlich als Präsident der Or ganisation auch von Ukosthan gewarnt wor den war. Perko Larkyont aber hatte als einzi ger mit Sicherheit gewußt, daß gar kein Treffen wichtiger Persönlichkeiten vorgese hen war. Er hatte die Falle von vornherein als Falle erkannt und entsprechend gehan delt. Er war noch vor Artho am Tatort gewe sen, und er hatte den ersten Schuß abgege ben. »Jetzt will ich von Ihnen wissen, Axton, warum Sie Ukosthan gewarnt haben«, fuhr Merantor fort. »Weil ich wissen wollte, ob diese angeb lich wichtigen Männer der Organisation
32 wirklich von Bedeutung waren. Hatten sie etwas vor uns zu befürchten, dann würden sie selbstverständlich fernbleiben.« »Sie sind nicht gekommen«, sagte Meran tor. »Darin ist in der Tat ein Beweis ihrer Schuld zu sehen.« »Sie sind pünktlich erschienen, haben sich jedoch nicht am Obelisken getroffen, son dern in einem Restaurant, etwa hundert Schritte davon entfernt.« Axton machte die se Aussage ruhigen Gewissens. Kelly hatte einige Arkoniden in einem Lokal beobachtet und Axton dadurch ermöglicht, sie zu identi fizieren. Merantor war so verblüfft, daß er sogar darauf verzichtete, die Namen zu er fragen. Axton hätte sie ihm jedoch sofort ge nannt, da er diese Männer nicht beschuldig te, sondern von einem Verdacht entlastete. »Sie sind ein Krüppel, Lebo Axton«, sag te Quertan Merantor. »Mir wird schlecht, wenn ich Sie sehe. Aber Sie sind ein raffi nierter Teufel, auf den ich nicht verzichten kann.« Ein Rufzeichen ertönte. Merantor schalte te das Video seines Tisches ein, wechselte dann jedoch sofort zum Hauptvideo an der Wand über, der ein mannshohes Bild liefer te. Er erhob sich hastig. »Stehen Sie auf, Sie Mißgeburt«, zischte er Axton zu. Der Terraner ließ sich aus dem Sessel gleiten und wandte sich dem Bildschirm zu. Das massige Gesicht Orbanaschols erschi en vor ihm. Der Imperator des Großen Impe riums von Arkon war ein untersetzter Mann, der für einen Arkoniden ungewöhnlich fett war. Seine Augen waren klein und lagen tief unter Fettwülsten verborgen, so daß ihre Farbe nicht zu erkennen war. Das Haar war licht, obwohl Orbanaschol III. erst etwa 60 Jahre alt war. »Quertan Merantor«, sagte der Imperator mit keifender Stimme. »Sind Sie darüber in formiert, daß zur Stunde eine spontane De monstration der GonozalAnhänger auf dem Hügel der Blauen Pfeile stattfindet?« »Ich habe soeben eine Nachricht erhal ten«, erwiderte Merantor.
H. G. Francis »Die Menge will Gonozal VII. sehen. Per ko Larkyont, der Präsident einer verbreche rischen Organisation spricht vor der Menge. Er hat behauptet, Gonozal VII. in dieser Nacht auf dem Hügel der Blauen Pfeile per sönlich getroffen zu haben.« »Das ist eine Lüge«, warf Lebo Axton ru hig ein. »Er kann ihn nicht getroffen haben, weil Gonozal VII. nicht mehr lebt.« Die Augen des Imperators weiteten sich ein wenig. Die Fettpolster zogen sich leicht auseinander. Aufmerksam musterte Orbana schol den Kriminalisten. »Stehen Sie auf, wenn Sie mit mir reden«, befahl er schneidend scharf. Axton schluckte. »Ich stehe bereits, Imperator«, antwortete er. »Es ist der Krüppel«, erklärte Quertan Merantor. »Er ist nicht größer, Imperator.« »Mich interessiert nicht, ob Gonozal lebt oder nicht. Verhaften Sie die sen lügneri schen Larkyont.« »Das wäre zu früh«, behauptete Axton. »Sie wagen es, mir zu widersprechen?« Das Gesicht des Imperators straffte sich. Es strahlte eine derartige Kälte aus, daß Axton erschauerte. »Perko Larkyont hat, wie ich vermute, ei nige hochgestellte, einflußreiche und vermö gende Arkoniden in der Hinterhand, die ihm helfen. Diese Männer und Frauen sind bis jetzt im Verborgenen geblieben. Wenn ich Lerkyont zu früh verhafte, dann ziehen sie sich zurück, und ihre verräterische Rolle wird vielleicht niemals aufgedeckt. Deshalb empfehle ich, Larkyont erst dann zu packen, wenn wir sicher sein können, damit zugleich auch die gesamte Organisation aufzurollen.« Die Blicke des Imperators wandten sich Merantor zu. Orbanaschol kannte Lebo Ax ton durchaus. Er hatte ihm das Leben zu ver danken und war über seine Erfolge infor miert. Wenn er dennoch hin und wieder so tat, als habe er ihn nie zuvor gesehen, dann nur, um zu demonstrieren, daß es zwischen ihnen keinerlei Gemeinsamkeiten geben konnte.
Organisation Gonozal »Axton ist ein fähiger Mann«, erklärte Merantor zögernd. »Meine Geduld ist zu Ende«, antwortete der Imperator. »Sorgen Sie dafür, daß diese Demonstration aufgelöst wird. Dies muß die letzte Möglichkeit Larkyonts zu einer derar tigen Aktion gewesen sein. Wenn er eine weitere Gelegenheit zu einer solchen Ver sammlung von Polit-Narren hat, dann sind für einige Männer hier auf dem Hügel der Weisen die letzten Stunden hereingebro chen.« Quertan Merantor wurde bleich. Er wuß te, daß Orbanaschol III. seine Drohung töd lich ernst gemeint hatte. Orbanaschol schaltete sich aus. Der Geheimdienstchef setzte sich. »Axton«, sagte er mit gepreßter Stimme. »Sie haben es gehört. Hoffentlich haben Sie begriffen, daß kein Kopf mehr gefährdet ist, als gerade Ihrer.« Der Kosmokriminalist strich sich mit der flachen Hand über das schüttere Haar. »Und dabei ist gerade er das einzige, was an mir wirklich schön ist«, antwortete er iro nisch. Merantor erwiderte nichts. Er blickte Ax ton nur an. Dieser erhob sich, stieg auf den Rücken Kellys und verließ den Raum.
6. Als Perko Larkyont zu seiner Wohnung zurückkehrte und die Wohnungstür öffnete, trat Lebo Axton auf ihn zu. Gentleman Kelly folgte dem Kriminalisten wie ein Schatten. »Sie haben hoffentlich nichts dagegen einzuwenden, wenn ich mit Ihnen eintrete?« fragte er. Der Präsident der Organisation Gonozal VII. lachte erheitert auf. Er legte Axton die Hand auf die Schulter und machte mit der anderen eine großzügig einladende Geste. »Aber nicht doch, Lebo Axton«, rief er. »Wie könnte ich!« Er ließ den Verwachsenen vorgehen, trat jedoch vor dem Roboter ein. Der Schaden an der Wand, der durch den Energiestrahlbe
33 schuß entstanden war, war bereits behoben worden. »Was führt Sie zu mir?« fragte Larkyont, eilte zu einem Servomaten und zapfte alko holische Getränke. Er setzte sie vor Axton ab, dann reckte er sich, daß die Gelenke krachten. »Sie ahnen ja nicht, welche Erfol ge wir heute erzielt haben, Ax ton. Arkon spricht nur noch von Gonozal VII. Der Im perator tobt, und die Arkoniden lachen ihn aus. Jetzt wird unsere Organisation erst wirklich in den Aufwind kommen. Sie wer den sehen. Aber, trinken Sie doch!« Er ergriff sein Glas, prostete Axton zu und trank es auf einen Zug aus. Der Krimi nalist nahm nur einen bescheidenen Schluck. Während Larkyont sein Glas nachfüllte, blickte er sich im Wohnraum um. Hier gab es nichts, was aus dem Rahmen fiel, sah man einmal von dem wandhohen GonozalPorträt ab. Es war ein billiger Druck, der durch eine dünne Glasscheibe geschützt wurde. Sonst gab es nur die phantasielos ge stalteten Möbel, wie sie in vielen Wohnun gen von Arkoniden gleicher Einkom mensklasse standen. Die Wände waren aller dings mit einer schimmernden, plastisch wirkenden Masse überzogen worden, die, wie Axton wußte, sündhaft teuer war. Der Boden war mit geräuschdämpfenden Fasern bedeckt, die in ihrer Art entfernt an einen Teppich erinnerten. Sie stammten nicht aus dem Arkonsystem, sondern waren über viele Lichtjahre hinweg hierher impor tiert worden. »Sie haben noch nicht auf meine Frage geantwortet«, sagte Larkyont, als er mit ei nem gefüllten Glas zurückkehrte und sich setzte. »Was führt Sie zu mir?« »Nun«, erwiderte Axton, bewußt langsam sprechend. »Ich habe inzwischen einiges über Sie erfahren, Larkyont. Dabei ist man ches, was mir nicht gefällt.« Der freundlichfröhliche Gesichtsausdruck des fülligen Arkoniden änderte sich nicht. Larkyont schien sich wirklich zu amüsieren. Axton fragte sich, ob er sich tatsächlich so sicher fühlte, wie er sich gab.
34 »Unter anderem ist es mir gelungen, et was Licht in Ihr Verhältnis zu dem Sonnen träger Ukosthan zu bringen«, fuhr der Terra ner fort. Die Augen des Arkoniden verloren ein wenig von ihrem Glanz und verengten sich kaum merklich. »Darüber hinaus habe ich Sie beobachtet, als Sie sich mit einem Gleiter von einer Dachterrasse entfernten, unmittelbar nach dem dort einige Schüsse gefallen sind«, fuhr Axton unerbittlich fort. Jetzt verlor sich das Lächeln auf dem Ge sicht Larkyonts vollends. »Axton, was soll das? Ich verstehe nicht.« Lebo Axton reichte sein noch fast volles Glas Kelly. »Sei so nett«, sagte er. »Gieß es aus und gib mir etwas Erfrischendes, ohne Alkohol.« »Gern«, erwiderte der Roboter. Er nahm das Glas und schritt damit zum Servomaten. Kurz bevor er diesen erreichte, verfing sich sein rechter Fuß in den Fasern des Bodenbe lags. Er kippte nach vorn über. Bei dem Ver such, sich abzufangen, prallte er zuerst mit den metallenen Händen und dann mit dem Kopf gegen die Fensterscheiben. Die Wucht dieses dreifachen Schlages war so groß, daß sich mehrere Risse in der Scheibe bildeten, ohne daß diese allerdings zerbrach. »Du Trottel, du erbärmlicher Nichtsnutz«, schrie Lebo Axton mit schriller Stimme. »Du wahnsinniges Stück Schrott!« Der Roboter erhob sich, bückte sich und nahm das Glas auf, das ihm entfallen war. Dann schritt er zum Servomaten, als sei überhaupt nichts geschehen. »Larkyont, ich bin untröstlich«, sagte der Kriminalist. »Meine Güte, die Scheibe ko stet sicherlich ein kleines Vermögen. Ich werde das jedoch regeln. Noch heute wird man alles reparieren.« Perko Larkyont, der den Zwischenfall verwirrt und staunend beobachtet hatte, fing sich wieder. Er strahlte die alte Ruhe und Heiterkeit aus. Großzügig winkte er ab. »Lassen Sie nur. Ich mache das schon.« »Nein«, protestierte Axton. »Ich bestehe
H. G. Francis darauf, den Schaden auf meine Kosten behe ben zu lassen.« »Wenn Sie unbedingt wollen«, lenkte der Arkonide ein. »Ich will«, erklärte Axton, rutschte aus seinem Sessel und kletterte auf den Rücken seines Roboters, ohne von dem Erfri schungsgetränk zu trinken, das dieser inzwi schen eingefüllt hatte. »Sie werden von mir hören, Larkyont.« Der Arkonide begleitete Axton zur Tür und öffnete. Als der Verwachsene die Woh nung verlassen hatte, fragte Larkyont: »Haben Sie mir eigentlich schon gesagt, weshalb Sie zu mir gekommen sind?« »Doch, Larkyont. Ich denke schon«, ent gegnete Axton. Er schlug Kelly auf den Kopf und befahl: »Nun los, du Narr. Ich ha be wenig Zeit.« Gentleman Kelly eilte mit Axton auf dem Rücken davon. Perko Lerkyont blickte ihm mit verkniffenen Augen nach. Erst nach ge raumer Weile kehrte er in seine Wohnung zurück. »Gut gemacht«, lobte Axton den Roboter, als er mit ihm im Gleiter saß. »Es hat her vorragend geklappt.« Kelly lenkte die Maschine aus der Parkni sche heraus und flog einige hundert Meter weit vom Trichterbau weg. Dann verharrte er in einer Höhe von etwa neunzig Metern zwischen den Kronen einiger Arkonpalmen. Inzwischen hatte Axton bereits eine kom pliziert aussehende Apparatur aufgebaut, die mit einem kegelförmigen Projektor verbun den war. Er spähte durch eine Spezialoptik, die er langsam drehte, bis er die aufgeplatz ten Fensterscheiben der Wohnung von Larkyont entdeckt hatte. Nun richtete er den Projektor aus, bis er das wandhohe Porträt Gonozals VII. sehen konnte. Perko Larkyont saß vor seinem Videoge rät und führte ein Gespräch. Axton hantierte noch etwa fünf Minuten lang an den Gerät schaften und drückte endlich eine rote Taste. Im gleichen Augenblick bildete sich eine un sichtbare Lichtbrücke vom Projektor bis zur Glasscheibe, die das Bildnis des ehemaligen
Organisation Gonozal Imperators schützte. Der Plan Axtons war geglückt. In dem Lautsprecher vor ihm klang die Stimme Perko Larkyonts auf. »Was ist das für eine Apparatur?« fragte Kelly. »Mußt du alles wissen?« erkundigte sich Axton. »Nein«, antwortete der Roboter. »Das ist gut. Ich will es dir aber dennoch sagen. Wenn ein Mensch spricht, erzeugt er Druckwellen. Diese bringen normalerweise die Fensterscheiben der Wohnung, in der er sich befindet, ins Schwingen. Mit einem gleichgerichteten Lichtstrahl kann man diese Vibrationen auffangen und in akustische Si gnale zurückverwandeln. Das wissen natür lich auch die Arkoniden. Deshalb haben sie die Außenscheiben so abgesichert, daß sie nicht schwingen können und daß ein gleich gerichteter Lichtstrahl nicht hindurchgehen kann.« »Das verstehe ich, Schätzchen. Wieso wissen das aber auch die Arkoniden. Wer weiß das sonst noch?« »Das geht dich nichts an. Weiter im Text. Du hast die Scheibe zerschlagen und damit den Licht und Schallschutz beseitigt. Jetzt kann ich also den Lichtstrahl bis zu der Scheibe durchdringen lassen, die das Bild Gonozals schützt. Sie vibriert bei jedem Wort Larkyonts, der noch nicht begriffen hat, daß du mit Absicht und nicht aus Unge schicklichkeit gestolpert bist. Damit ist er mir in die Falle gegangen.« »Uns.« »Uns? Wieso uns?« fragte Axton. »Auch ich war maßgeblich an dem Plan beteiligt.« »Du bist eitel, Kelly«, erwiderte der Ter raner tadelnd. »Leider bist du nicht kreativ. Deshalb bin ich gezwungen, alle Ideen selbst zu entwickeln. Und jetzt sei still. Du störst.« »Ich hatte ohne hin vor, still zu sein.« »Ach – und warum?« »Weil ich beleidigt bin.« »Wenn das die beste Methode ist, dich am
35 Sprechen zu hindern, werde ich dich öfter beleidigen, um so zu meiner verdienten Ru he zu kommen.« Axton hob abwehrend die Hand, als Kelly zu einer Entgegnung ansetz te. Der Roboter schwieg. Axton drehte den Lautstärkeregler seiner Apparatur weiter auf. Die Stimme Perko Larkyonts dröhnte leicht verzerrt aus dem Lautsprecher. Der Name Ukosthan fiel. Larkyont schien jedoch schon von sich gegeben zu haben, was er dem Sonnenträger hatte sagen wol len. »… sollten Sie nicht vergessen, daß ich es ernst meine«, erklärte er. »Schon gut«, erwiderte Ukosthan. Das war alles, was Axton von diesem Ge spräch belauschen konnte. Larkyont wandte sich jedoch noch an eine Reihe weiterer Mit glieder der Organisation Gonozal VII. Dabei sprach er ernst, teils drohend, teils eindring lich. Er erwähnte gewisse Schwierigkeiten, die für die Organisation entstanden waren, ohne Einzelheiten zu nennen. Vielfach nann te er einfach nur Stichworte, so wie sie bei Verschlüsselungen üblich waren. Lebo Axton zeichnete alle Gespräche auf. Er wollte sie später noch einmal abhören, um dann vielleicht doch noch wichtige Schlüsse daraus ziehen zu können. Vorläufig gewann er nicht den Eindruck, daß Perko Larkyont der Präsident einer über aus ge fährlichen Organisation war und wirklich unter Druck stand. Er schien sich mehr vor Organisationsverboten und Demonstrations dekreten zu fürchten, als vor einer echten Verfolgung. Er sprach zu den anderen Mit gliedern der Organisation wie ein Mann, der einer durchaus legalen Vereinigung vorsteht, und der mit Unbequemlichkeiten und Behin derungen zu rechnen hat. Die einzige Aus nahme bildeten die wenigen Worte, die er mit Ukosthan gewechselt hatte. Daraus konnte Axton nur den einen Schluß ziehen, daß die beiden einzigen wirklich wichtigen Männer der Organisation Larkyont und der Sonnenträger waren. Ukosthan aber war ein Mann, der ihm gefiel. Er hatte genügend Erfahrungen gemacht, um
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bei einer Untersuchung erkennen zu können, in welche Richtung er weiter vorstoßen mußte. So spürte er bei Ukosthan, daß bei ihm Unklarheiten bestanden, obwohl er sich nur schwer vorstellen konnte, daß der Son nenträger mit der gleichen Skrupellosigkeit morden konnte wie etwa Larkyont. Ukost han war ein ganz anderer Mann. Er beschloß, den Sonnenträger erneut auf zusuchen.
* Ukosthan schien nicht überrascht zu sein, als Axton bei ihm auftauchte, aber er war unruhig. Er bat den Verwachsenen zu sich in den Salon. Noch eingehender als zuvor blickte der Kriminalist sich hier um. Der Raum ließ mit seiner Einrichtung nicht nur Geschmack, sondern auch einen gewissen Reichtum erkennen. Wohltuend unterschied er sich in seiner Anlage von der Wohnung Parko Larkyonts. Während diese farblos und fast anonym wirkte, herrschte hier eine an genehme Atmosphäre. Viele Kleinigkeiten zeigten, daß Ukosthan auf einem ganz aride ren Bildungsniveau stand als Larkyont. Eine junge Arkonidin betrat den Raum. Sie musterte Axton neugierig, nickte ihm scheu zu und zog sich sogleich wieder zu rück. Der Terraner setzte sich in einen Ses sel. Die Frau paßte in diesen Rahmen. Zwei fellos war sie intelligent und viel selbstsi cherer, als sie sich gab. Der Sonnenträger ließ sich ebenfalls in einen Sessel sinken. »Was führt Sie zu mir?« fragte er. »Seltsam«, entgegnete Axton. »Diese Fra ge höre ich in diesen Tagen immer wieder. Es scheint, als ob ein Besuch immer begrün det sein müsse.« Ukosthan verschränkte die Arme vor der Brust. Er senkte den Kopf ein wenig. Seine Miene verriet, daß er sich ganz auf das Ge spräch konzentrierte. Er ließ sich nicht durch beiläufige Bemerkungen ablenken. Er schien genau zu wissen, wie wichtig jedes Wort für ihn sein konnte.
»Wenn Sie zu mir kommen, Lebo Axton, dann muß ich voraussetzen, daß Sie einen Grund dafür haben«, erwiderte der Arkoni de. Er blickte nur kurz zu dem Roboter auf, der hinter dem Verwachsenen stand. »Mit diesen Worten fordern Sie mich zur Offenheit auf«, sagte Axton schmunzelnd. »Ich habe nichts vor Ihnen zu verbergen, Ukosthan.« Der Sonnenträger ließ sich nicht verwir ren. Er blieb ernst und diszipliniert. »Perko Larkyont hat über Video mit Ih nen gesprochen«, stellte Axton fest, als Ukosthan beharrlich schwieg. »Das geschieht öfter.« »Heute war das Gespräch ganz besonders wichtig.« »Wenn Sie dieser Ansicht sind, wird das wohl richtig sein.« »Es ist richtig.« Lebo Axton sprach jetzt scharf. »Das wissen Sie so gut wie ich.« Die beiden Männer blickten sich an. Kei ner wich dem anderen aus. »Ukosthan, Sie haben keine Wahl mehr«, fuhr der Kriminalist in der gleichen Schärfe fort. »Es sind zu viele Männer gestorben.« »Damit habe ich nichts zu tun«, erwiderte der Sonnenträger mit fester Stimme. »Davon bin ich keineswegs überzeugt. Die Verbindung ist da. Die Ermordeten ha ben alle Kontakte mit Ihnen gehabt. Die Of fiziere haben mit Ihnen zusammengearbei tet.« »Das war zu einer Zeit, als Gonozal VII. noch Imperator war«, entgegnete Ukosthan. »Eben.« Der Sonnenträger blinzelte. Für Bruchtei le von Sekunden flackerten seine Blicke. »Was wollen Sie damit sagen?« fragte er mit einer Stimme, die nicht mehr ganz so si cher klang wie zuvor. »Das ist doch einfach«, erwiderte Axton. »Ihre Zeit als Offizier und angehender Poli tiker endete mit dem Tode Gonozals VII. Unter Orbanaschol III. haben Sie nichts mehr zu bestellen. Das liegt natürlich daran, daß Sie mit Ihrer ganzen Überzeugung zu Gonozal VII. gestanden haben. Sie waren so
Organisation Gonozal eindeutig für den verunglückten Imperator, daß Orbanaschol III. Sie aus dem Kreis der Einflußreichen eliminieren mußte. Aus Si cherheitsgründen.« »Das ist richtig«, gab Ukosthan zu. Seine Augen wurden feucht. Das war ein deutli ches Zeichen dafür, daß er sich nicht mehr ganz so souverän beherrschen konnte wie zuvor. Die Erregung drohte, ihn zu überwäl tigen. Axton gab ihm Zeit, sich zu fangen. »Aber dennoch gehören Sie zu den füh renden Mitgliedern der Organisation Gono zal VII.« »Was wollen Sie denn?« fragte Ukosthan heftig. »Das paßt doch haargenau zu dem, was Sie vorher festgestellt haben. Ich war für Gonozal, und ich bin es auch heute noch.« Axton lächelte ironisch. »Und das bringen Sie ausgerechnet in ei ner Organisation wie dieser zum Aus druck?« »Was haben Sie gegen die Organisation?« »Nichts. Nur – ein Man wie Sie hat darin nichts zu suchen. Diese Organisation ist so ziemlich das Dümmlichste, was mir je be gegnet ist. Sie ist politisch absolut unbedeu tend, und in ihr sind eigentlich nur zwei Männer tätig, die man ernst nehmen muß. Das sind Sie, Ukosthan, und das ist Perko Larkyont.« »Ich verstehe Sie nicht. Was soll das al les?« »Das wissen Sie recht gut, Ukosthan. Per ko Larkyont benutzt die Gonozal-Nostal gie-Vereinigung für seine privaten Zwecke. Er versteckt sich hinter dieser LangeweileVernichtungsorganisation und einem alber nen Verhalten, mit dem er alle täuschen will.« »Das kann ich nicht beurteilen«, erwiderte der Arkonide ausweichend. Sein Ton verriet Axton jedoch, daß er recht hatte. »Und jetzt möchte ich wissen, was Sie in der Organisation zu tun haben, Ukosthan. Und ich werde diese Wohnung nicht eher verlassen, bis Sie es mir eröffnet haben«, er klärte Axton nun wieder mit unüberhörbarer
37 Schärfe. »Was soll das alles?« fragte der Sonnen träger unwillig. »Das bringt doch nichts ein. Ich kann nicht …« »Weichen Sie mir nicht aus, Ukosthan. Wir werden jetzt und hier alle noch offenen Fragen klären – oder überhaupt nicht mehr. Dann aber werden Sie zusammen mit Perko Larkyont untergehen.« »Wollen Sie mir drohen?« »Ich habe ihnen lediglich erklärt, daß es um Ihren Kopf geht.« Ukosthan erschrak über die Kälte, die ihm entgegenschlug. Plötzlich sah er diesen ver wachsenen Mann in einem ganz anderen Licht. Lebo Axton hatte einen viel zu großen Kopf. Seine wasserblauen Augen quollen aus den Höhlen. Das dünne, strohgelbe Haar bedeckte nur noch einen geringen Teil des Schädels. Aus ihm ragten die abstehenden, übergroßen Ohren wie Segel hervor. Und das spitze Kinn schien eher zu einem Kna ben, denn zu einem Mann zu gehören. Doch die Persönlichkeit, die sich hinter diesem Äußeren verbarg, trat plötzlich scharf hervor. Sie ließ alles andere verges sen. Ukosthans Stirn wurde feucht, und das Blut wich aus seinen Wangen. »Ich habe Ihnen nichts zu sagen, Axton«, erklärte er mit fester Stimme. Ein unmerkliches Lächeln entspannte die Lippen des Terraners. »Doch, Ukosthan«, erwiderte er. »Sie wollten mir sagen, daß Sie von Perko Larkyont erpreßt werden. Dieser Mann hat Sie in der Hand. Er benutzt sie, um sich durch Sie selbst abzusichern. Womit kann er Sie erpressen, Ukosthan?« Der Arkonide schüttelte den Kopf. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Er schwieg. »Nun, die Antwort kann nicht so schwer sein«, fuhr Axton unerbittlich fort. »Sie wa ren Offizier in Gonozals Diensten. Als der Imperator tot war, haben Sie gegen den Nachfolger gekämpft, weil Sie wie viele Ar koniden der Ansicht waren, daß Orbana schol III. Gonozal ermordet hat oder zumin dest an seinem Tod nicht unschuldig ist. Sie
38 haben sich nicht mit der Machtübernahme durch Orbanaschol abgefunden, weil Sie diese als nicht rechtmäßig erkannt haben. Sie haben eine Revolte versucht. Diese ist fehlgeschlagen, wie so viele andere in den ersten Tagen des neuen Imperators auch. Sie sind einer der wenigen Offiziere, die von den Geheimagenten Orbanaschols nicht ent larvt worden sind. Perko Larkyont aber weiß, was Sie getan haben. Und er droht Ih nen ständig damit, sein Wissen preiszuge ben.« »Das ist doch alles Unsinn«, sagte Ukost han mit leiser Stimme. Lebo Axton wußte, daß er einen Volltref fer erzielt hatte. Er schwieg und wartete ab. Mehrere Minuten verstrichen, in denen der Sonnenträger auf seine Hände blickte. Als er den Kopf endlich wieder hob, hatten sich tiefe Kerben um Mund und Augen gebildet. Er sah plötzlich viel älter aus als vorher. »Also gut«, erklärte er. »Es ist ungefähr so, wie Sie gesagt haben. Larkyont hat seine Stellung als Präsident mißbraucht. Das habe ich in den letzten Tagen herausgefunden. Er hat gemordet. Und unter diesen Umständen kann ich ihn nicht mehr decken.« »Was haben Sie zu verbergen?« »Ich war für eine Revolte verantwortlich. Außerdem habe ich bei mehreren wirtschaftlichen Transaktionen Orbanaschol III. über vorteilt. Ach, was, ich habe den Imperator nach Strich und Faden betrogen. Das alles weiß Larkyont.« Ukosthan erhob sich. Mit hängenden Schultern stand er vor Axton. Als dieser nicht ebenfalls aufstand, streckte sich die Gestalt des Arkoniden plötzlich. »Genügt Ihnen das immer noch nicht?« fragte er. »Warum verhaften Sie mich nicht?« Lebo Axton legte den Kopf in den Nacken und lachte lautlos. »Warum sollte ich, Ukosthan?« fragte er erheitert. »Ich werde doch keinen Freund ins Unglück stürzen.« Der Arkonide ließ sich fassungslos in den Sessel sinken.
H. G. Francis »Freund? Sagten Sie wirklich Freund?« »Allerdings, Ukosthan. Ich bin ein ebenso entschiedener Gegner des Imperators wie Sie auch. Ich kämpfe für den Kristallprinzen Atlan.« Der Sonnenträger fuhr sich mit der Hand über die Augen. Er atmete tief durch. Er hat te das Gefühl, in letzter Sekunde dem Tode entkommen zu sein. »Atlan«, sagte er staunend. »Sie sprechen von ihm, als ob es Ihr Freund wäre.« »Ich kenne ihn gut«, antwortete Axton ausweichend. Die ganze Spannung, die zwischen den beiden Männern bestanden hatte, wich schlagartig. Ukosthan wirkte wie verwan delt. »Axton, Sie sind ein Mann, vor dem man sich fürchten muß«, sagte er. »Das habe ich von Anfang an gewußt.« »Nur für die Feinde Orbanaschols bin ich gefährlich«, erwiderte der Terraner. Er spür te, daß Ukosthan ihm vollkommen vertraute, und er war froh darüber. »Erzählen Sie mir jetzt, was Larkyont von Ihnen erpreßt hat.« Der Sonnenträger ging zu seinem Servo maten und holte Getränke. »Perko Larkyont hat zu der Zeit, als Go nozal VII. Imperator war, eine Reihe von Verbrechen begangen. Es waren wirtschaft liche Vergehen größten Ausmaßes, Betrüge reien, und in einigen Fällen bestand sogar Mordverdacht. Hinzu kamen auch noch poli tische Verbrechen«, führte Ukosthan ohne Zögern aus. »Ich selbst hatte nur am Rande damit zu tun. Perko Larkyont war bereits verhaftet worden. Da wurde Gonozal VII. bei einem Jagdunfall, wie es hieß, getötet. Das rettete Larkyont das Leben, denn Orba naschol III. ließ erst einmal alle Verhafteten frei, sofern auch nur ein bißchen Politik mit im Spiel war. Und das war auch bei Larkyont der Fall. Auf mir unbekannte Wei se gelang es Larkyont nun, seine Akte ver schwinden zu lassen. Damit fehlten wichtige Beweise gegen ihn.« Ukosthan trank. Auch Axton bediente sich. Das Getränk schmeckte ihm gut.
Organisation Gonozal »Perko Larkyont hätte sich nun liebend gern auf die Seite Orbanaschols geschlagen und sich als erklärter Gonozal-Feind ausge geben. Er hätte durchaus die Möglichkeit zu einer großen Karriere gehabt, aber er mußte ständig befürchten, entlarvt zu werden. Des halb verschwand er von der Bildfläche.« »Ist er denn nicht ein besonders hohes Ri siko dadurch eingegangen, daß er ausgerech net als Präsident der Organisation Gonozal VII. wieder aus der Versenkung auftauch te?« fragte Axton erstaunt. Ukosthan schüttelte den Kopf. »Durchaus nicht«, erwiderte er. »Im Ge genteil. Da es unter anderem auch um politi sche Verbrechen ging, waren an der Aufklä rung Offiziere und Agenten beteiligt, die al le eindeutig zu Gonozal VII. standen. Als nun Orbanaschol III. zur Macht kam, sorgte er zunächst einmal für eine Säuberung. Er ließ alle Gegner von Arkon verbannen. Offi ziere, Adlige, Beamte und andere Persön lichkeiten, die unter Gonozal VII. Ein fluß und Macht hatten, wurden auf andere Plane ten des Großen Imperiums geschickt, so daß sie sich auf Arkon I nicht vereinigen und an seiner Macht rütteln konnten.« »Jetzt verstehe ich«, sagte Axtcn. »Damit verließen auch alle Offiziere Arkon I, die Perko Larkyont gefährlich werden konnten.« »Richtig«, bestätigte Ukosthan. »Aber Larkyont wußte, daß sie früher oder später nach Arkon zurückkehren würden, und daß ihn das gerechte Schicksal dann immer noch ereilen konnte. Da er von der völlig richti gen Voraussetzung ausging, daß diese Män ner in der Zwischenzeit gewiß nicht Orbana schol-Anhänger geworden waren, rief er die Organisation Gonozal VII. ins Leben. Dabei hatte er von Anfang an nicht im Sinn, sie zu einer echten Gegenströmung gegen Orbana schol III. werden zu lassen. Nein, Sie sollte eine Art Klub für Männer und Frauen wer den, die gern der alten, guten Zeit anhängen, von früher schwatzen und sich in fruchtlosen Vorstellungen ergehen, was wäre, wenn …« »Dabei ging er von der Überlegung aus, daß zurückkehrende Gonozal-Anhänger bei
39 dieser leicht auszumachenden Organisation auftauchen würden. Sie würden kommen, vielleicht nur, um sich zu informieren oder ein paar Freunde von früher zu finden«, füg te Axton hinzu. »Genau«, sagte Ukosthan erbittert. »Und erst vor wenigen Tagen habe ich gemerkt, daß Perko Larkyont wie eine Spinne in die sem Netz sitzt und darauf wartet, daß die Opfer kommen. Wenn sie erscheinen, wer den sie getötet, bevor sie ihn verraten kön nen.« »Genial ausgedacht. Was aber hat Larkyont von Ihnen erpreßt?« »Die Namen der Offiziere, die in Frage kommen«, gestand der Arkonide. »Die er sten Namen habe ich ihm völlig arglos gege ben. Erst spä ter wurde mir klar, welch un geheuren Fehler ich damit beging.« Lebo Axton nickte dem Sonnenträger zu. Er trank sein Glas aus. »Sie haben Larkyont unter Druck gesetzt, Axton«, stellte Ukosthan fest. »Ist das rich tig?« »Das ist richtig.« »Was haben Sie vor?« »Ich will Larkyont erledigen.« »Das wird schwer sein, wenn Sie mich dabei nicht gleichzeitig auch vernichten wollen. Man kann ihm praktisch nichts be weisen.« Ukosthan stockte, wurde bleich und richtete sich ruckartig auf. »Was haben Sie?« fragte Axton. »Ich bin ein Narr«, erwiderte Ukosthan stöhnend. »Heute trifft ein hoher Offizier auf Arkon I ein, der maßgeblich an den Un tersuchungen teilgenommen hat. Perko Larkyont hat es durch einen Zufall erfahren. Er hat mir gegenüber eine entsprechende Bemerkung gemacht. Axton, er wird diesen Mann umbringen. Wir müssen das verhin dern. Wenn wir diesen Mann vor ihm abfan gen können, dann haben wir einen Zeugen, dann hat die Vergangenheit Perko Larkyont endlich eingeholt.« Er sprang auf. Lebo Axton blieb sitzen. Mahnend hob er eine Hand. »Überstürzen Sie nichts, Ukosthan«, sagte
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er. »Dieser Zeuge ist nur eine Teillösung, nicht aber das Ideal.« »Warum?« »Weil Perko Larkyont, wenn er vor Ge richt kommt, Sie auf alle Fälle mitreißen wird. Das will ich verhindern.« »Wollen Sie ihn … töten?« fragte Ukost han unsicher. Axton schüttelte den Kopf. »Ich habe einen besseren Plan.« Er rutschte aus dem Sessel und kletterte auf den Rücken Kellys. »Aber das erkläre ich Ihnen später. Jetzt wollen wir versuchen, den Offi zier abzufangen.«
7. Der Kommandant schüttelte den Kopf. »Dien Temper hat die SELKO mit einem Spezialtransporter verlassen«, sagte er. »Was für einen Spezialtransporter? Und wohin ist er geflogen?« fragte Lebo Axton. »Schnell, beeilen Sie sich. Temper ist in höchster Gefahr.« »Er bringt bakterielle Ara-Kulturen zu ei ner pharmazeutischen Fabrik in der Nordre gion. Es handelt sich um hochgiftige Stoffe, die auf gar keinen Fall in die Atmosphäre Arkons gelangen dürfen.« »Könnten die Bakterienkulturen frei wer den, wenn der Transporter abstürzt?« »Das wäre theoretisch möglich.« Lebo Axton atmete scharf durch. Er dankte dem Kommandanten des Raumschiffs. Wieder war er zu spät gekommen. Der Offizier war schon außerhalb des Raumers, und draußen lauerte Perko Larkyont, um ihn abzuschie ßen. »Kommen Sie, Ukosthan«, rief er seinem Begleiter zu. »Wir müssen uns beeilen.« »Geben Sie uns die genauen Kursdaten per Funk durch«, bat der Sonnenträger den Kommandanten und lief hinter Axton her, der vom Roboter getragen wurde. Minuten später startete der Gleiter, der in einem Han gar des Schiffes gelandet war. Die Identifi kationskarte Lebo Axtons hatte ihnen alle Türen geöffnet.
Keine Wolke stand am Himmel, als Ukosthan den Gleiter nach Norden flog. Er beschleunigte mit allem, was die Maschine hergab. Die beiden Männer schwiegen. Sie blickten nach vorn und versuchten, den Transport auszumachen. Vor ihnen lag grü nes, hügeliges Land, aus dem in großen Ab ständen die weißen Trichterbauten der Arko niden aufstiegen. Ukosthan flog am östlichen Ufer eines langgestreckten Sees entlang, der weit bis in den Norden hinaufreichte. »Kannst du etwas sehen?« fragte Axton den Roboter, während er sich bemühte, Funkkontakt mit Dien Temper zu bekom men. Gentleman Kelly nutzte die volle Brennweite der Linsen. »Leider nicht«, antwortete er. Endlich erhellte sich der Bildschirm. Das ausgezehrte Gesicht eines alten Arkoniden erschien auf der Bildfläche. Forschende Au gen blickten Axton an. »Ich habe schon von Ihnen gehört«, eröff nete der Arkonide das Gespräch. »Sie sind Lebo Axton, und der Mann neben Ihnen ist Ukosthan. Ich erinnere mich an Sie, Sonnen träger.« »Dien Temper, wo sind Sie?« »Wir sind dicht vor unserem Ziel. Wir fliegen in einer Höhe von nur zehn Metern und haben die Geschwindigkeit stark ge drosselt. Selbst wenn man uns abschießen würde, kann nicht viel passieren.« »Wir müssen Sie dringend sprechen, Temper«, sagte Axton. »Seien Sie vorsich tig.« »Wer bedroht mich denn überhaupt in so schrecklicher Weise?« fragte Dien Temper ironisch. »Es ist Perko Larkyont«, antwortete Ukosthan. »Larkyont? Ich habe nie von dem Mann gehört.« »Doch, das haben Sie, Temper«, erwider te der Sonnenträger. »Er ist mit dem Gesetz in Konflikt geraten, und Sie haben einige seiner Verbrechen aufgeklärt. Das war aller dings noch zu Gonozals Zeiten.«
Organisation Gonozal Das alte Gesicht erhellte sich. Temper nickte. »Jetzt weiß ich es wieder. Gut, ich habe verstanden, Sonnenträger. Wir setzen zur Landung an.« Er schaltete ab. »Larkyont kann es sich nicht leisten, still zuhalten«, sagte Axton. »Er muß etwas tun. Er muß.« Die pharmazeutische Fabrik kam in Sicht. Es war ein quaderförmiges Gebäude von er heblichen Ausmaßen, das sich dennoch har monisch in die Landschaft einfügte. Bald darauf konnte Axton auch den Gleiter sehen, der vor der Fabrik stand. Mehrere Männer eilten zwischen ihm und einer offenen Tür hin und her. Dichter Wald umschloß das Gebäude auf der östlichen Seite. Im Westen lag der See, der hier etwa fünf Kilometer breit war. An seinem Ufer ragten Felsen empor, die teil weise noch höher als die Fabrik waren. In ihnen konnte sich ein Mordschütze leicht verbergen. Ukosthan landete den Gleiter direkt neben der Transportmaschine. Dien Temper kam völlig ungedeckt auf den Sonnenträger und Axton zu. Der Terraner stieg eilig aus der Kabine und eilte mit schleifenden Füßen auf Temper zu. »Seien sie vorsichtig«, rief er mit schriller Stimme. Dien Temper war ein kleiner, zierlich ge bauter alter Mann, der sicherlich von seiner letzten, großen Raumfahrt nach Arkon zu rückgekehrt war. Seine Schultern waren nach vorn geneigt. Sie ließen erkennen, daß dieser Mann über keine großen Kräfte mehr verfügte. »Übertreiben Sie nicht«, sagte Temper. »Hier ist alles friedlich.« Robot Kelly raste mit weit ausgreifenden Schritten um den Gleiter herum und warf sich vor Temper und Axton. Im gleichen Moment schlug etwas krachend gegen sei nen Ovalkörper und wirbelte jaulend davon. Jetzt endlich begriff Dien Temper, daß es ernst war. Er fuhr herum und blickte zu den Felsen hinüber. Dort blitzte es erneut auf.
41 Gentleman Kelly rempelte Temper an, stieß ihn damit gegen Lebo Axton und schleuderte beide Männer zu Boden. Ein Geschoß bohrte sich mit einem lauten Knall in die Karosserie des Gleiters, mit dem Ax ton gekommen war. »Los, hoch«, schrie der Verwachsene. »Kelly, bring Temper in die Fabrik.« Der Roboter handelte gedankenschnell. Bevor Dien Temper überhaupt wußte, wie ihm geschah, wirbelte Kelly ihn hoch, warf ihn sich über die Schulter und rannte mit ihm auf die Fabrik zu. Abermals ertönte zwischen den Felsen ein Schuß, und wieder um verfehlte ein Projektil Dien Temper nur ganz knapp. Dann war es zu spät für den Heckenschützen. Kelly hatte das Gebäude erreicht und den Arkoniden damit in Sicher heit gebracht. Lebo Axton lag in guter Deckung hinter dem Transportgleiter, wo sich noch weitere Arkoniden befanden, die Dien Temper begleitet hatten. Sonnenträger Ukosthan sprang in den Gleiter und startete. »Nein«, schrie Axton. »Tun Sie das nicht!« Der Gleiter jagte auf die Felsen zu. Ukost han neigte sich aus dem Seitenfenster, er hielt einen Energiestrahler in der Hand und schoß. Der Blitz zuckte zu den Felsen hin über und schlug dort ein. Weißglühendes Material spritzte wie Gischt über das Ge stein. Lebo Axton erwartete, daß der Sonnenträ ger noch einmal feuern würde, aber er riß die Maschine herum und flog nach Norden. Mehrere Schüsse fielen. Die Geschosse bohrten sich in den Gleiter Ukosthans. Dann aber wurde es still. Der Sonnenträger kehrte in weitem Boden zurück. Er war offenbar unversehrt, und die Maschine hatte keinen nennenswerten Schaden erlitten. Er landete neben dem Transportgleiter. Völlig ungedeckt stieg er aus und ging zu Axton, der sich zögernd erhob. »Er ist geflohen«, erklärte der Sonnenträ ger. »Ich habe es deutlich gesehen.« »Er muß entkommen«, entgegnete Lebo
42 Axton. Strich sich das dünne Haar aus der Stirn und schritt dann mühsam zu der offe nen Tür hinüber, durch die Gentleman Kelly Dien Temper in Sicherheit gebracht hatte. Dien Temper kam ihm entgegen. »Sie lassen den Verbrecher flüchten? Wa rum tun Sie nichts?« fragte er heftig. »Wir wissen, wer er ist. Das genügt. Nun hat der Mann keine Chance mehr«, erwider te Axton. »Für ihn ist alles vorbei.« »Wer war es?« »Perko Larkyont, wer sonst?« »Larkyont? Warum sollte er mich töten wollen? Aus Rache? Soweit ich mich erin nere, ist er für seine Taten nicht zur Verant wortung gezogen worden, weil wir einen Regierungswechsel hatten.« Seine Lippen verzogen sich voller Bitterkeit bei diesen Worten. »Warum sollte er diese Regierung plötzlich fürchten sollen?« Ukosthan erklärte es ihm, und Dien Tem per begriff. »Wir brauchen Sie als Zeugen«, fügte Ukosthan schließlich hinzu. »Deshalb wer den wir Sie zur SELKO bringen. Auf dem Raumschiff sind Sie in Sicherheit. Sie soll ten es nicht verlassen, bevor Larkyont aus geschaltet ist.« »Ich bin einverstanden«, antwortet der al te Arkonide schlicht. Unschlüssig blickte er von einem zum anderen. Dann faßte er sich ein Herz und fuhr fort: »Ich habe gewisse Gerüchte gehört.« »Tatsächlich?« fragte Axton und stellte sich arglos. »Welche denn?« »Es heißt, daß – hm – Gonozal VII. auf Arkon aufgetaucht sein soll«, erwiderte Dien Temper zögernd. Seine Blicke hingen förm lich an den Lippen Axtons. Die Muskeln sei ner Wangen zuckten. Erschüttert erkannte der Terraner, wie sehr dieser alte Arkonide sich an die Hoff nung klammerte, daß der vorherige Impera tor doch noch lebte. Er brachte es nicht fer tig, ihn in Ungewißheit leben zu lassen. Zu gleich aber verstand er, daß die Gonozalt reuen zur Organisation Gonozal VII. geeilt waren, weil sie von ihr allein eine schlüssige
H. G. Francis Antwort auf die Fragen zu bekommen er hofften, die sie am meisten beschäftigten. »Ich muß Sie enttäuschen, Dien«, sagte der Kriminalist ernst. »Gonozal VII. ist nicht auf Arkon. Er lebt nicht mehr. Ich habe ab solut einwandfreie Beweise dafür.« »Was aber war auf den Planeten Xoaixo, auf Falgrohst oder bei der Raumschlacht mit den Mathanatmern los?« »Eine Täuschung, Dien«, erklärte Axton. »Wahrscheinlich ist dort ein Doppelgänger aufgetreten. Hier auf Arkon I jedenfalls nutzt die Organisation unter Perko Larkyont die Gerüchte für eigene Zwecke aus. Fallen Sie nicht darauf herein.« Ukosthan griff nach dem Arm Tempers. »Wir werden jetzt zum Schiff fliegen. Kommen Sie.« Er führte den alten Arkoni den zum Gleiter.
* Als der Gleiter mit Robot Kelly an den Steuerelementen die SELKO verließ, flammte der Bildschirm des Bordvideos auf. Das Gesicht Quertan Merantors erschien. »Axton«, brüllte der Chef des arkonidi schen Geheimdienstes. »Im Bereich des Elf blatt-Parks findet eine Demonstration der GonozalAnhänger statt. Wußten Sie das?« »Ich habe vor einigen Minuten davon er fahren.« »Wenn es Ihnen jetzt nicht gelingt, diese Frechheiten zu unterbinden, kenne ich keine Rücksicht mehr.« »Die mir gesetzte Frist ist noch nicht ab gelaufen«, antwortete der Kriminalist kühl. »Wer ist der Mann neben Ihnen?« forsch te Merantor scharf. »Sie sollten ihn eigentlich kennen«, erwi derte Axton mit feiner Ironie. »Ich versuche mit seiner Hilfe, den Gonozal-Trubel im Be reich des Elfblatt-Parks zu beenden.« Merantor kochte vor Wut. Axton konnte sich vorstellen, daß er vor wenigen Minuten von Orbanaschol IIL einige unangenehme Worte zu hören bekommen hatte. Es mußte so sein, denn sonst hätte Merantor sich nicht
Organisation Gonozal so aufgeführt. »Ich habe Sie gefragt, wer dieser Mann ist«, brüllte Merantor. »Es ist Ukosthan, der Sonnenträger. Wer sonst?« Die Augen des Geheimdienstchefs wur den schmal. Er musterte Ukosthan scharf, fluchte dann leise und brach die Verbindung ab. »Sie haben keine Angst vor ihm«, stellte der Sonnenträger fest. »Das ist nicht ganz richtig«, erwiderte Axton. »Ich kenne Merantor jedoch recht gut. Er ist ein Choleriker, der sich hin und wieder austoben muß. Danach ist er dann meistens wieder recht friedlich.« Der Gleiter raste über ausgedehnte Park landschaften nach Süden. Nur hundert Kilo meter von ihnen entfernt befand sich der Elfblatt-Park, der wegen der dort wachsen den Bäume so genannt wurde. Die Elfblatt bäume stammten nicht von Arkon, sondern von einem Planeten außerhalb des Kugel sternhaufens. »Glauben Sie, daß Perko Larkyont zu der Versammlung geflohen ist?« fragte Ukost han. »Bestimmt«, antwortete Axton. »Das verstehe ich nicht. Er weiß doch, daß wir ihn dort verhaften werden.« »Wirklich?« Der Sonnenträger blickte den Verwachse nen fragend an. »Wollen Sie ihn nicht verhaften?« forsch te er dann. »Ich befürchte, daß ich mir das gar nicht leisten kann«, erwiderte der Kosmokrimina list.
* Eine unübersehbare Menschenmenge hat te sich im Elfblatt-Park versammelt. Die meisten Arkoniden waren mit ihrem Gleiter gekommen. Sie waren einfach auf den We gen und Rasenflächen gelandet. Jetzt stan den die Maschinen dicht an dicht, und die Männer und Frauen saßen auf den Dächern
43 der Gleiter. Auf einem Hügel hatte die Or ganisation Gonozal VII. in aller Eile eine provisorische Tribüne aufgebaut. Dort hat ten die führenden Persönlichkeiten der Or ganisation Platz genommen. Als Axton und Ukosthan den Park er reichten, hallte ihnen die Stimme von Perko Larkyont entgegen. Sie dröhnte aus zahlrei chen Lautsprechern, die in den Bäumen auf gehängt worden waren. Gentleman Kelly setzte die Flugge schwindigkeit herab und wartete darauf, daß Axton ihm ein Ziel nennen würde. »Vor einer Stunde habe ich mit Gonozal VII. gesprochen«, schrie Parko Larkyont ge rade. Ein ungeheuerer Jubel brach aus. Die Ar koniden warfen die Arme in die Höhe. »Dabei würde kein einziger von ihnen wirklich für Gonozal kämpfen, wenn es dar auf ankäme«, sagte Ukosthan verächtlich. »Es macht ih nen Spaß, gegen Orbanaschol zu rebellieren, aber natürlich nur solange, wie es nicht ernst wird.« Das Ruflicht am Video flackerte. Axton schaltete das Gerät ein. Wiederum war Me rantor am Apparat. »Was ist los, Axton?« fragte er in aggresi vem Ton. Ruhig schilderte der Verwachsene die Si tuation. »Fliegen Sie direkt zur Tribüne, Axton, und verhaften Sie Perko Larkyont«, befahl der Geheimdienstchef. »Das wäre ein schwerer Fehler«, wandte der Kriminalist ein. »Larkyont vor den Au gen dieser Menge zu verhaften, das hieße, ihn aufzuwerten.« »Dann erschießen Sie ihn.« Axton schüttelte den Kopf. Quertan Me rantor schien den Verstand verloren zu ha ben. Dieser sonst so kluge und umsichtige Mann schien unter stärkstem Druck zu ste hen. Das konnte nur bedeuten, daß Orbana schol vor Zorn halbwegs von Sinnen und zu jeder politischen Dummheit bereit war, nur um sich Ruhe zu verschaffen. Axton hatte jedoch kein Interesse daran,
44 eine Rebellion auf Arkon I zu entfachen. Dazu war es einfach zu früh. Atlan war nicht in greifbarer Nähe. Er hatte noch nicht ein mal Kontakt mit ihm gehabt, daher wußte er auch nicht, wie weit die Pläne des Kristall prinzen gediehen waren. Jetzt zum Kampf gegen den Imperator aufzurufen, konnte da her alles zerstören. Axton kannte sich zudem in der altgalaktischen Geschichte und in der Geschichte des Großen Imperiums von Ar kon bestens aus. Er wußte, daß es keine Re bellion gegen Orbanaschol zu dieser Zeit ge geben hatte. Sie auszulösen, das konnte gleichzeitig ein Zeitparadoxon mit unabseh baren Folgen herbeiführen. »Auch das werde ich nicht tun, Me rantor, wenigstens jetzt noch nicht. Ihn vor den Au gen der aufgeputschten Menge zu töten, das hieße, einen Märtyrer zu schaffen. Gleich zeitig würden wir alle noch bestehenden Zweifel an der Existenz Gonozals beseiti gen, wenn wir versuchten, die Situation mit Gewalt zu lösen.« Quertan Merantor war bleich bis in die Lippen. Er war sich dessen bewußt gewor den, daß er einen Fehler gemacht hatte. »Also gut, Axton«, lenkte er ein. »Dann sprechen Sie wenigstens mit Larkyont. Sor gen Sie dafür, daß er seine große Show nicht abziehen kann.« »Ich werde es versuchen«, entgegnete der Kosmokriminalist und schaltete kurzent schlossen ab. Er verspürte wenig Neigung, die Diskussion mit Merantor fortzusetzen. Der Gleiter trieb über die Menge hinweg auf die Tribüne zu. Die Fenster waren offen, so daß Axton jedes Wort hören konnte. Perko Larkyont stand breitbeinig auf dem Rednerpult. Er trug eine violette Uniform, die mit Phantasieauszeichnungen ge schmückt war. Auf dem Kopf saß ein Hut mit zwei feuerroten Federn. Larkyont bot einen fast lächerlichen Anblick, aber die Menge akzeptierte ihn so. Vermutlich gera de, weil sie diese Gonozal-Veranstaltung, wie alle anderen zuvor auch, mehr als Unter haltung ansah, denn als Vorbereitung zu ei nem echten Widerstand.
H. G. Francis Plötzlich bemerkte Larkyont den Gleiter. Er verstummte, breitete die Arme theatra lisch aus und wartete einige Sekunden. Es wurde still. Die Menge merkte, daß sich et was anbahnte, was nicht eingeplant war. Als der Gleiter noch etwa fünfzig Meter vor dem Präsidenten der Organisation Go nozal VII. entfernt war, zeigte Larkyont mit beiden Händen auf die Maschine. »Da, meine Freunde, seht«, brüllte er in die Mikrophone, die an seiner Uniform befe stigt waren. »Seht ihr sie? Es sind die Hä scher Orbanaschois III. Sie wollen mich ho len. Sie wollen mich vernichten, weil ich euch die Wahrheit verkündet habe, die Wahrheit, daß Gonozal VII. lebt, und daß er, den wir alle lieben, sich hier auf Arkon I aufhält.« Er stöhnte laut, als sei er von einem Schuß getroffen worden. Mit übertriebener Geste schlug er sich die Hände vor die Brust. »Sollen Sie mich töten, meine Freunde«, fuhr er dann mit gehobener Stimme fort. »Gonozal, den rechtmäßigen Imperator des Großen Imperiums von Arkon, werden sie damit nicht mehr aufhalten. Er hat seine Hand bereits ausgestreckt, um die Macht wieder an sich zu nehmen.« Die Menge tobte. Einige Arkoniden schleuderten Gegenstände auf den Gleiter Axtons. Ukosthan schürzte verächtlich die Lippen. »Er bleibt seiner Rolle treu«, sagte er. Auf Weisung von Axton lenkte Kelly den Gleiter hinter die Tribüne. Hier war noch et was Platz, so daß er landen konnte. Sofort wurde die Maschine von GonozalAnhängern umringt. Die meisten schrien wütend auf die Männer in der Flugkabine ein. Axton und Ukosthan verhielten sich ruhig. Die Türen waren von innen verriegelt. Solange nicht auf sie geschossen wurde, konnte ihnen kaum etwas passieren. Plötzlich wurde es still. »Na, endlich«, sagte Axton. Die Menschen wichen zurück. »Meine Freunde«, rief Perko Larkyont
Organisation Gonozal mahnend. »Wir wollen uns nicht auf die gleiche Stufe mit den Feinden unseres ver ehrten Gonozal stellen. Wir können uns be herrschen, wir beachten die Gesetze.« Die Stimme des Präsidenten hallte don nernd aus den Lautsprechern. »Sie haben wieder einmal recht gehabt«, sagte Ukosthan. »Larkyont läßt nicht zu, daß sie uns etwas tun.« »Er kann es sich nicht leisten«, erwiderte Axton. Der Präsident der Organisation Gonozal VII. schritt tänzelnd auf den Gleiter zu. Er zog seinen Hut und verneigte sich spöttisch. Dann schleuderte er den Hut mit theatrali scher Geste von sich. Ukosthan öffnete die Tür des Gleiters, und Parko Larkyont stieg ein. »Ich gebe Ihnen eine Bitterlänge«, erklär te er von oben herab und schob sich ein Pa ragum zwischen die Zähne. »Also, was wol len Sie von mir?« Er warf dem Sonnenträger einen prüfen den Blick zu und beachtete ihn danach nicht weiter. »Dies wird ihre letzte große Show sein«, sagte Lebo Axton. »Es tut mir fast leid für Sie, großer Meister.« »Spotten Sie nicht, Axton«, erwiderte Larkyont. »Sie ahnen nicht, welche Macht ich in den Händen halte. Verhaften Sie mich nur. Schleppen Sie mich nur von hier weg, und aus der harmlosen GonozalSympathieWelle wird eine Rebellion gegen Orbanaschol werden. Sie spielen mit dem Feuer, Axton.« Der Kosmokriminalist setzte sich quer auf seinen Sitz und lehnte sich mit dem Rücken an die Tür. So konnte er bequem nach hinten zu den beiden Arkoniden sehen. »Larkyont«, sagte er ernst. »Mir kommt es vorläufig nur darauf an, daß diese De monstration hier so schnell wie möglich ab gebrochen wird. Der Imperator ist außer sich vor Zorn. Er sieht in ihr tatsächlich den Be ginn eines Aufstands gegen sich. Da er je doch weiß, daß ein militärischer Einsatz ein schwerer psychologischer Fehler wäre,
45 greift er noch nicht ein.« Larkyont lachte breit. »Ich weiß, daß Sie gar nicht an Gonozal VII. interessiert sind, Larkyont«, fuhr Axton ruhig fort. »Nicht ich spiele mit dem Feuer, sondern Sie. Sie befinden sich jetzt haarge nau an der Grenze dessen, was Orbanaschol sich gefallen läßt. Vielleicht gibt es tatsäch lich Aufruhr, wenn das Militär die Demon stration auflöst, aber das hätte nichts zu be deuten. Orbanaschol hätte nach einigen Ta gen oder Wochen gesiegt. Sie aber hätten dann alles verloren, Larkyont.« Die Augen des Präsidenten waren schmal geworden. Er saß voller Anspannung auf seinem Sitz und beobachtete jede Geste Ax tons. Selbstverständlich wußte Perko Larkyont, daß der Verwachsene ihm auf die Spur gekommen war und daß er einen wich tigen Zeugen hatte. »Sie täuschen sich, Axton. Die Macht des Volkes kann einen Mann wie Orbanaschol hinwegfegen.« »Sicherlich kann sie das, Larky ont«, ant wortete Axton. »Bei geeigneter Führung hät te ein Aufstand vielleicht sogar eine Chance gegen Orbanaschol. Aber Sie, Larkyont, ha ben nichts von einer Revolte. Wenn Sie die se Demonstration jetzt nicht auf der Stelle auflösen, sind Sie ein toter Mann. Das Volk hat dann seinen Märtyrer, aber was haben Sie davon, wenn Sie tot sind?« »Sie drohen mir mit Mord?« Axton lächelte undurchsichtig und schwieg. Nervös blickte der Präsident zu Ukosthan hinüber, aber dieser tat, als habe er nichts bemerkt. »Was schlagen Sie vor, Axton?« fragte Larkyont. »Ich habe Macht in den Händen, und die schützt mich vor Ihnen. Das wissen Sie. Sie können mich nicht so ohne weiteres umlegen. Also, was ist Ihr Angebot?« »Wir sprechen uns später in der Wohnung von Ukosthan. Und jetzt steigen Sie aus, Larkyont«, erwiderte Axton schneidend scharf. Der Präsident der Organisation Gonozal VII. preßte die Lippen zusammen. Er zöger
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te, bis ihm klar wurde, daß ihm nur noch ein Weg blieb. Er stieg aus. Mit gesenktem Haupt und schleppenden Schritten kehrte er zur Rednertribüne zu rück. Wenig später klang seine Stimme auf. »Meine Freunde«, sagte er in die atemlose Stille hinein. »Wir müssen unsere Versamm lung auflösen. Es haben sich gewisse Verän derungen ergeben, die uns dazu zwingen, wenn wir das Leben Gonozals nicht gefähr den wollen. Je schneller Sie nach Hause zu rückkehren, desto besser ist es für unseren beliebten Gonozal VII.« Vereinzelte Rufe klangen auf, doch Larkyont beachtete sie nicht. Er wandte sich von der Menge ab und setzte sich in seinen Gleiter, der hinter der Tribüne stand. Robot Kelly startete und ließ die Maschine bis in eine Höhe von fast fünfhundert Metern stei gen. Von hier aus beobachteten Axton und Ukosthan, daß sich die Menge rasch auflö ste. »Ich habe fast den Eindruck, daß Sie die sen Mörder ungeschoren davonkommen las sen wollen«, sagte der Sonnen träger. »Ich befasse mich mit diesem Gedanken«, gestand Axton.
8. Drei Arkonidinnen übernahmen es, Lebo Axton und Ukosthan das Essen zu reichen. Eine von ihnen war die Frau des Sonnenträ gers, die anderen beiden seine Töchter. Sie sahen kaum jünger aus als ihre Mutter, die so jugendlich und elastisch wirkte, als seien die Jahre spurlos an ihr vorübergegangen. Ukosthan wartete, bis er mit dem Krimi nalisten allein war. »Warum wollen Sie einen Mörder wie Perko Larkyont verschonen?« fragte der dann. Axton zerteilte eine saftige Frucht mit dem Messer und schabte das Innere mit ei nem Löffel heraus. »Orbanaschol III. weiß, daß die Organi sation Gonozal VII. kein wirklich ernstzu nehmender Gegner ist. Die Organisation und
der ganze Trubel, den sie veranstaltet, sind ihm nur lästig. Weiter nichts. So sehen fast alle Arkoniden diese Organisation auch. Sie engagieren sich nicht wirklich, sie lassen sich nur unterhalten. Dennoch könnte die Organisation zu einem Pulverfaß werden, dann nämlich, wenn wir Larkyont so zur Verantwortung ziehen, wie er es verdient hätte. Ich will aber, daß dieser Clown ein fach verschwindet, damit eine echte Unter grundorganisation entstehen kann. Ich will, daß eine Bewegung entsteht, die Orbana schol III. stürzen und Atlan an die Macht bringen kann. Das Potential ist da. Zuverläs sige Männer und Frauen gehören der Orga nisation Gonozal VII. an. Es gilt, ihre Fähig keiten zu nutzen und gleichzeitig alle unzu verlässigen Kräfte zu eliminieren.« »Das wäre ein phantastischer Gedanke«, sagte Ukosthan. »Während Orbanaschol und alle anderen Abwehrkräfte des Imperators weiterhin glauben, daß die Organisation und ihre Führung nicht ernst zu nehmen ist, ent steht eine Kraft, die Orbanaschol eines Ta ges das Genick brechen kann.« »Richtig. Deshalb soll Orbanaschol auch nicht erfahren, daß Larkyont tatsächlich ein mehrfacher Mörder ist. Larkyont muß ohne großes Aufsehen verschwinden.« »Das schaffen Sie nicht«, bemerkte der Sonnenträger skeptisch. Seine Frau trat ein. »Perko Larkyont ist da«, meldete sie. Ukosthan und Axton erhoben sich von ih ren Plätzen. Kelly kniete sich nieder, um den Terraner auf den Rücken steigen zu lassen, doch Axton verzichtete darauf, getragen zu werden. Perko Larkyont hatte es sich in einem Sessel am Fenster bequem gemacht. Er blieb sitzen und winkte den beiden Eintretenden lässig zu. Auf seinen Knien lag ein Energie strahler. »Haben Sie 3DVision angestellt?« fragte der Präsident mit nur mühsam verborgenem Triumph. »Nein«, erwiderte Axton gleichgültig. »Das hätten Sie aber tun sollen«, rief
Organisation Gonozal Larkyont. »Von Gonozal VII. und Atlan war die Rede. Es ist mir gelungen, ein Interview zu bringen. Die Öffentlichkeit weiß, daß ich hier in dieser Wohnung bei Ihnen bin.« »Das alles interessiert mich nicht, Larkyont«, entgegnete der Verwachsene. Er setzte sich dem Präsidenten gegenüber in einen Sessel. »Zusammen mit Ukosthan ha be ich Ihre Vergangenheit aufgedeckt. Ich weiß, daß Sie die Organisation Gonozal VII. nur ins Leben gerufen haben, um damit eine zweite Karriere aufzubauen.« Schonungslos deckte der Terraner nun auf, was er entdeckt hatte. Je länger Axton sprach, desto mehr ver wandelte sich die anfängliche Selbstsicher heit Larkyonts in Entsetzen und Bestürzung. Da der Kriminalist selbstverständlich nicht verriet, welche Pläne er mit der Untergrund organisation verfolgte, mußte der Arkonide zu der Erkenntnis kommen, daß ihn nun nichts mehr retten konnte. Doch dann raffte er sich noch einmal auf. Er lachte lauf auf, als Axton geendet hatte. »Bei aller Bewunderung für Sie, Axton«, sagte er mit mühsam beherrschter Stimme. »Sie glauben doch nicht, daß man Ihnen die se Märchen in der Öffentlichkeit abnehmen wird? Vielleicht haben Sie sogar recht. Viel leicht habe ich diese Morde begangen, die Sie mir vorwerfen. Meinen Sie aber wirk lich, meine Anhänger würden einer clown haften Figur wie mir, solche Verbrechen zu trauen? Man würde in der Öffentlichkeit zu dem Schluß kommen, daß Orbanaschols Schergen ein übles Lügengebilde errichtet haben, nur um mich loszuwerden. Damit aber würden Sie wiederum das Risiko einge hen, eine ernstzunehmende Entwicklung ge gen Orbanaschol auszulösen.« Axton wartete gelassen ab, bis Larkyont ausgesprochen hatte. »Wir haben einen Zeugen, Larkyont«, er klärte er dann. »Und wir haben absolut ein deutige und unwiderlegbare Beweise für die Morde, die sie begangen haben.« Er zählte die Offiziere auf, die der Präsi dent beseitigt hatte, und nannte dabei auch
47 diejenigen, über deren Ende keine klaren Auskünfte vorlagen. »Gegen diese Beweise läßt sich nichts machen, Larkyont«, schloß er dann. »Sie sind erledigt.« Der Präsident schüttelte den Kopf. »Man würde von einem Schauprozeß und von übler Propaganda reden. Was auch im mer geschieht. Die Gonozalwelle würde neue Impulse erhalten.« »Vielleicht«, sagte Lebo Axton. »Im Not fall würde Orbanaschol das jedoch akzeptie ren.« »Notfall?« fragte Larkyont. »Dann bieten Sie mir einen Ausweg?« »Allerdings.« »Welchen?« »Ich will, daß Sie Ihren guten Ruf ver spielen, Larkyont«, antwortete der Kosmo kriminalist. »Wenn das geschehen ist, kön nen Sie untertauchen und verschwinden. Ich werde Sie in Ruhe lassen.« »Das ist ein Trick.« »Sie können sich auf mich verlassen. Ukosthan ist mein Zeuge.« Larkyont überlegte kurz. Dann fragte er: »Wie stellen Sie sich das vor?« »Zunächst eine Vorbemerkung, Larkyont. Es wird auf gar keinen Fall zu einem Prozeß kommen.« »Warum nicht?« »Weil ich Sie vorher beseitigen lassen würde. Verkehrsunfall oder so etwas.« Larkyont blickte Axtori durchdringend an. Dann wurde er blaß bis in die Lippen. Er glaubte dem Verwachsenen. »Was schlagen Sie vor?« fragte er. »Ich will, daß Sie die Gonozal-Anhänger zu einer Spendenaktion aufrufen. Geben Sie bekannt, daß Sie schnell viel Geld benöti gen. Erklären Sie meinetwegen, daß es um die Rettung Gonozals geht. Werden Ihre An hänger einzahlen? Was meinen Sie?« »Unbedingt«, antwortete Larkyont über zeugt. »Also gut«, fuhr Axton fort. »Wenn sich genügend Geld angesammelt hat, werden Sie es nehmen und damit untertauchen.
48 Einen Teil der Summe werden Sie Ukosthan zur Verfügung stellen.« Das Gesicht Larkyonts verzerrte sich vor Wut. »Sie wollen sich an der Gonozal-Welle bereichern.« Axton dachte nicht daran zu gestehen, daß er das Geld für die aufzubauende Unter grundorganisation gegen Orbanaschol benö tigte. Er wartete ab. »Ich verstehe«, sagte Larkyont nach eini gen Minuten. »Wenn ich mit dem gespende ten Geld verschwinde, dann werden alle Go nozal-Verehrer glauben, daß ich die Organi sation nur aufgebaut habe, um eines Tages in ganz großem Stil absahnen zu können.« »Sie haben es erkannt«, erwiderte Axton spöttisch. »Die Ernüchterung wird groß sein, und das Interesse an der Organisation Gono zal VII. wird auf den Nullpunkt sinken.« Perko Larkyont schob seinen Energie strahler unter die Bluse. Seine Wangen wa ren eingefallen, und die Augen lagen tief in den Höhlen. Er sah um Jahre gealtert aus. »Ist das die einzige Möglichkeit, mein Le ben zu retten?« fragte er. »Die einzige«, bekräftigte Axton. »Wann soll ich anfangen?« »Sofort, wenn Sie diese Wohnung verlas sen haben.« »Welche Garantien habe ich?« »Mein Wort. Ich werde dafür sorgen, daß hin und wieder Nachrichten von Ihnen ge bracht werden. Man wird melden, daß Sie auf diesem oder jenem Planeten gesehen worden sind. Unser Plan kann nur aufgehen, wenn Sie leben. Verstehen Sie? Ein toter Perko Larkyont wäre für uns nutzlos.« »Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als Ihnen zu glauben.« Perko Larkyont erhob sich. Er streckte Axton die Hand hin, doch dieser übersah sie. Der Präsident der Organisation Gonozal VII. hüstelte verlegen und verließ den Salon. »Haben Sie wirklich die Absicht, ihn ent kommen zu lassen?« fragte Ukosthan, als er sicher war, daß Larkyont ihn nicht mehr hö ren konnte.
H. G. Francis »Selbstverständlich«, antwortete Axton. »Es ist so, wie ich gesagt habe. Ein toter Larkyont hilft uns überhaupt nichts.«
* In der nun anbrechenden Nacht begann Perko Larkyont den Kampf um sein Leben. Er berief sofort eine Versammlung der Organisation ein, in der er zum erstenmal seit Bestehen der Vereinigung in schlichter und unauffälliger Kleidung auftrat. Vor Be ginn seiner psychologisch sorgfältig ausge wogenen Rede unterrichtete er Axton davon, daß die Anhänger Gonozals zusammenge kommen waren. Der Terraner verließ seine Wohnung, in die er inzwischen zurückge kehrt war, und ließ sich von Gentleman Kel ly in den Trichterbau bringen, den er bereits von seinem ersten Besuch mit dem ermorde ten Studenten Dastruk kannte. Ein Vertrau ter Larkyonts führte ihn in einen Neben raum, von dem aus er gut verfolgen konnte, wras geschah. Larkyont eröffnete den Mitgliedern der Organisation gerade, daß Gonozal VII. in unerwartete Schwierigkeiten geraten sei. »Wir haben den rechtmäßigen Imperator des Großen Imperiums von Arkon versteckt gehalten«, rief er mit dröhnender Stimme in den Saal. »Wir waren unserer Sache absolut sicher. Doch jetzt sind Komplikationen ein getreten, die unsere gesamten Pläne zu ver nichten drohen.« Er machte eine wirkungsvolle Pause, in der die Spannung und die Erregung der ver sammelten Arkoniden und Arkonidinnen stieg. »Was ist passiert?« brüllte ein greisenhaf ter Mann mit Fistelstimme. »Sagen Sie es schon.« »Die SENTENZA hat sich eingeschaltet«, erklärte Larkyont mit gebrochen klingender Stimme. »Die SENTENZA?« diese Frage kam aus vielen Richtungen gleichzeitig auf Larkyont zu. Lebo Axton ließ sich von Gentleman Kel
Organisation Gonozal ly bis an die fast geschlossene Tür zum Saal tragen. Durch den Türspalt spähte er hin durch zu Perko Larkyont. Er mußte zugeben, daß der Präsident der Organisation ein über zeugender Schauspieler war. Bei der SENTENZA handelte es sich um eine illegale Organisation, die Axton-Ken non an die Cosa nostra oder die Mafia erin nerte, wie sie auf der Erde des 20. Jahrhun derts bestanden hatte. Dieses Krebsge schwür der arkonidischen Gesellschaft war bereits in viele Wirtschaftsbereiche vorge drungen und hatte erheblichen Einfluß ge wonnen. Die SENTENZA wurde nicht ernsthaft bekämpft, da sie sich eines gewis sen Wohlwollens Orbanaschols III. erfreute. »Was hat die SENTENZA mit Gonozal zu tun?« fragte eine junge Arkonidin, die dicht vor Perko Larkyont saß. »Sie ist in der Lage, Gonozal sterben zu lassen und so der Behauptung einiger Kreise Nachdruck zu verleihen, es sei nur ein Ge rücht, daß Gonozal lebt und hier auf Arkon I ist.« »Wo ist er?« fragte die Arkonidin heftig. »Das kann und darf ich nicht verraten«, erwiderte Larkyont. Heftige Diskussionen begannen im Saal. Es wurde immer lauter, bis Larkyont über den Lautsprecher um Ruhe bat. »Dies ist die Stunde der Entscheidung«, rief er mit gehobener Stimme. »Jetzt müssen wir alle beweisen, daß wir wirklich zu Go nozal stehen!« »Was können wir denn tun?« fragte ein Offizier. »Mit der SENTENZA gibt es nur eine Sprache. Das wissen wir alle. Diese Sprache ist Geld«, fuhr Larkyont lautstark fort. »Wir können Gonozal VII. nur dann retten, wenn wir der SENTENZA geben, was sie will. Wir benötigen Geld, meine Freunde, sehr viel Geld. Und wir müssen es schnell haben. Jede Minute ist kostbar.« »Hat die SENTENZA Gonozal in ihrer Gewalt?« fragte der Offizier, dem Larkyont geantwortet hatte. Der Präsident der Organisation legte eine
49 Pause ein. Er wartete, bis es absolut still im Raum war. Dabei verhielt er sich psycholo gisch so geschickt, daß die Spannung für die Zuhörer bis ins Unerträgliche stieg. »Gonozal VII. ist krank«, eröffnete er den Verehrern des rechtmäßigen Imperators dann. »Er benötigt ein bestimmtes Medika ment, das wir nur aus einer einzigen Quelle beziehen können. Die SENTENZA kontrol liert den Verkauf dieses Medikaments. Sie kennt die Schwäche Gonozals, und deshalb stellt sie ihre Forderung. Sie weiß, daß Go nozal sterben wird, wenn das Geld nicht in nerhalb von zwanzig Stunden da ist. Des halb, meine Freunde, müssen wir schnell handeln.« Nach einer weiteren Pause fügte er hinzu: »Sie alle kennen die Konten unserer Verei nigung. Ich fordere Sie auf, spenden Sie für Gonozal VII. Geben sie, was Sie entbehren können. Denken Sie daran, daß es jetzt um alles geht. Das Schicksal des Imperators liegt in unserer Hand.« Er zog ein Papier aus der Tasche und hielt es hoch. »Dies ist der Betrag, den ich spende«, rief er und nannte die Summe. Lebo Axton staunte darüber, wie raffiniert dieser Mann vorging. Seine Spende, die na türlich wertlos war, da Larkyont nicht daran dachte, sein eigenes Konto zu belasten, ent sprach einem Jahreseinkommen der höch sten Beamten des Hofes. Perko Larkyont hatte vollen Erfolg. Sein Spendenaufruf wurde mit geradezu fanati schem Eifer befolgt. Die Zahlungsanweisun gen häuften sich bald vor ihm. Wer sie aus geschrieben hatte, eilte aus dem Saal. In die ser Nacht verbreitete sich das Gerücht, daß Gonozal VII. sich in höchster Gefahr be fand, über den ganzen Planeten. Und überall hatte es den gleichen Erfolg. Ein Strom von Geld sammelte sich auf den Konten der Or ganisation Gonozal VII. Dabei waren, wie Lebo Axton später feststellen konnte, außer ordentlich viele anonyme Anweisungen. Sie waren der Beweis dafür, daß die Gegner Or banaschols III. zahlreicher waren als bisher
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angenommen.
* Am späten Vormittag des nächsten Tages erschien Lebo Axton in seinem Büro. Doch er hatte keine Zeit, sich zu setzen. Durch einen Boten ließ Quertan Merantor mittei len, daß er ihn sofort sprechen wollte. Der Geheimdienstchef saß hinter seinem Arbeitstisch, stützte die Ellenbogen auf die Tischplatte und drehte nervös einen Schreib stift zwischen den Fingern. »Ich hoffe, Sie wissen, was passiert ist?« fragte er. »Allerdings«, erwiderte Axton. »Ich habe Perko Larkyont die ganze Zeit überwachen lassen. Er ist jetzt ein steinreicher Mann.« Quertan Merantor wartete. Er blickte Ax ton schweigend an. Erst als dieser mit sei nem Bericht begann und das Motiv für seine Entscheidung erklärte, lehnte er sich in sei nem Sessel zurück. Das Mißtrauen, das ihn beherrscht hatte, legte sich allmählich. Aner kennend hörte er zu, warum sich Axton da für entschieden hatte, Perko Larkyont und die Organisation Gonozal VII. auf diese Weise unschädlich zu machen. Axton legte ihm schließlich eine Liste mit den Namen von vierundzwanzig Männern und Frauen vor. »Sie werde ich im Lauf des Tages verhaf ten lassen«, erläuterte der Kosmokriminalist. »Es sind Männer und Frauen, die ernsthaft an Widerstandsmodellen arbeiten. Alle an deren Mitglieder der Organisation sind harmlose Träumer. Wenn wir sie nicht wei ter beachten, wird bald niemand mehr von ihnen reden.« Quertan Merantor war damit noch nicht zufrieden. Er ließ sich noch einmal Schritt für Schritt erklären, wie Axton vorgegangen war und wie es ihm gelungen war, die Ver gangenheit Perko Larkyonts aufzudecken. Dabei verstand es der Kriminalist, Ukost han, den Sonnenträger, völlig aus dem Spiel zu lassen. Er erwähnte ihn überhaupt nur einmal beiläufig.
Zum Schluß hatte Merantor begriffen. Er wußte alles, nur nicht, daß aus den Resten der Organisation Gonozal VII. eine echte Untergrundorganisation entstehen würde. »Es gefällt mir nicht, daß Larkyont da vonkommen soll«, sagte der Arkonide schließlich. »Er ist ein mehrfacher Mörder, und er hat darüber hinaus während der Zeit des vorherigen Imperators Verbrechen be gangen, die ungesühnt bleiben werden.« »Uns bleibt immer noch die Möglichkeit, Perko Larkyont in ein oder zwei Jahren, wann immer wir wollen, zufällig zu ent decken, ihn dann zu verhaften und abzuur teilen. Dann wird niemand mehr einen Mär tyrer und damit einen Volkshelden aus ihm machen.« »Sie haben recht«, antwortete Merantor, griff nach einigen Akten und schlug sie auf. »Ich danke Ihnen, Axton. Sie haben gute Ar beit geleistet.« Der Verwachsene verabschiedete sich und kehrte in sein Büro zurück. Hier lag bereits das Material für einen neuen Fall vor, den er zu bearbeiten hatte. Axton hatte etwa eine Stunde Ruhe, dann meldete sich Ukosthan über Video. »Was gibt's?« fragte der Terraner über rascht. »Ich bin auf dem Raumhafen SüdFerdeau«, erklärte der Sonnenträger. »Ich habe ein interessantes geschäftliches Ange bot erhalten. Leider wird nichts daraus wer den, denn ich glaube, daß mein Geschäfts partner in Schwierigkeiten gekommen ist.« Lebo Axton verstand sofort. »Ich komme«, antwortete er, schaltete aus, kletterte auf den Rücken Kellys und ließ sich zum Parkdach tragen. Die Nachricht konnte nur eines bedeuten. Perko Larkyont wollte vom Raumhafen Süd-Ferdeau aus Arkon I verlassen. Ukost han hatte aber die Befürchtung, daß er es nicht schaffen würde, weil eine Verhaftung drohte. »Tempo«, befahl Axton, als er im Gleiter saß. »Los, Kelly.« Der Roboter startete so rasant, daß sein
Organisation Gonozal Begleiter tief in die Polster gedrückt wurde. »Signal setzen.« Kelly drückte zwei Tasten am Armaturen brett herunter. Damit schaltete er einen Im pulsgeber ein, der dem Gleiter automatisch freie Bahn verschaffte. Alle anderen Flug maschinen wurden gezwungen, einen Um gehungskurs einzuschlagen, damit es nicht zu einer Kollision kam. Axton fluchte verhalten. Jetzt wußte er, was ihn am Verhalten Quertan Merantors gestört hatte. Der Chole riker hatte anders reagiert als sonst. Er hatte alle Meldungen und Erklärungen hingenom men, ohne sich emotionell zu engagieren. Nun wußte Axton, daß Merantor von An fang an nicht vorgehabt hatte, Perko Larkyont entkommen zu lassen. Er wollte den Kopf dieses Mannes, der den GonozalRummel entfesselt hatte. Quertan Merantor, ein zwar oft aufbrau sender und unbeherrscht erscheinender Mann mit tatsächlich genialen Fähigkeiten, handelte dieses Mal wider alle politische Vernunft. Fieberhaft überlegte Axton, wie er verhin dern konnte, daß die Gonozal-Welle doch noch überschwappte. Er zweifelte nicht dar an, daß es in diesen Falle unmöglich sein würde, eine echte und schlagkräftige Unter grundorganisation aus dem bestehenden Kern aufzubauen. Er fand keine Lösung. Es dauerte nicht lange, bis der Raumhafen am Horizont auftauchte. Sieben kugelförmi ge Raumschiffe standen auf dem weiten Landefeld, das von weitgespannten Energie feldern umsäumt wurde. Nur durch einen Tunnel war das Kontrollgebäude zu betre ten, das unter dem Rand der Plastikbetonpi ste errichtet worden war. Axton mußte den Gleiter wohl oder übel auf einem Parkplatz am Eingang des Tunnels abstellen. Hier war alles ruhig. Nur etwa fünfzig an dere Maschinen parkten hier. Axton zögerte. Sollte er auf Quertan Merantor und Perko Larkyont warten? Sollte er versuchen, sie
51 hier abzufangen? Er entschloß sich, bis zum Raumschiff vorzudringen, in dem der Präsident der Or ganisation Gonozal VII. sich befand. Gentle man Kelly trug ihn auf eine Rollstraße, vor der er über zwei' weitere Schnellbahnen auf eine Höchstgeschwindigkeitslinie überwech seln konnte, die mit Haltestangen und Sitzen versehen war. Voller Unruhe stellte Axton fest, daß die Gegenrichtung sich in einem anderen Tun nel befand und nicht eingesehen werden konnte. Zudem mußte er stets bis zum Kon trollgebäude fahren, ehe er auf den Parkplatz zurückkehren konnte. Als er die Halle des Kontrollgebäudes endlich erreichte, kam ihm Ukosthan entge gen. Der Sonnenträger war bleich vor Erre gung. In der Halle drängten sich die Men schen. Axton sah Kameras und Mikrophone. »Perko Larkyont ist bereits verhaftet wor den«, berichtete der Sonnenträger, der mit einem langen, grünen Mantel bekleidet war. »Sehen Sie dort, Quertan Merantor selbst bringt ihn gerade.« Axton krallte seine Hände um die Halte griffe auf dem Rücken Kellys. Über die Köpfe der Arkoniden hinweg konnte er den Geheimdienstchef erkennen, dem vier Hel fer folgten. Sie hatten Perko Larkyont in die Mitte genommen. Merantor blieb vor den Kameras stehen. Er hielt mehrere Schecks in der Hand und gab eine kurze Erklärung ab. »Perko Larkyont hat mir soeben gestan den, daß er die Organisation Gonozal VII. nur aus Gründen der persönlichen Bereiche rung gegründet hat«, rief er den Reportern zu. »Wir konnten verhindern, daß er mit der gesamten Kasse dieses zweifelhaften Unter nehmens verschwindet.« Die Agenten führten Larkyont weiter. Ax ton versuchte, zu Merantor durchzudringen, aber die Mauer der Menschen stand so dicht, daß er nicht vorankam. Perko Larkyont selbst kam nicht zu Wort. Die Schergen des Geheimdienstchefs schleppten ihn förmlich zu der Rollstraße.
52 Zusammen mit Quertan Merantor ver schwanden sie darin. Die Reporter hetzten hinter ihnen her. Sie versuchten, noch mehr zu erfahren. »Zu spät«, sagte Ukosthan enttäuscht. »Es ist aussichtslos. Damit sind wohl alle Pläne dahin.« Er sah so niedergeschlagen aus, daß Ax ton ihm tröstend die Hand auf die Schulter legte. »Erst einmal abwarten«,sagte er. »Noch ist nicht aller Tage Abend.« Ukosthan hob den Kopf. »Was glauben Sie denn, Axton? Larkyont wird doch nicht über mich schweigen. Er wird mich verraten und versuchen, sich an mir zu rächen. Sie sind unverwundbar. Aber ich?« Lebo Axton setzte zu einer Antwort an, schwieg dann jedoch. Er war durchaus nicht unverwundbar. Er lenkte Gentleman Kelly auf die Roll straße zu. Ukosthan folgte ihm. Der Lärm, den die Reporter veranstalteten, versiegte allmählich. Axton vermutete, daß sie auf ih re vielen Fragen keine Antwort bekamen und deshalb allmählich aufgaben. Als Ukosthan und er das Ende der Roll straße errreichten, stiegen Quertan Merantor, seine Männer und Perko Larkyont in einen Gleiter. »Ukosthan«, sagte der Terraner. »Wir müssen uns trennen. In einigen Tagen sehen wir uns wieder. Verlassen Sie sich auf mich. Ihnen wird nichts passieren. Falls Larkyont reden sollte, bringe ich Sie in Sicherheit. Schweigt er, dann bauen wir auf, was wir uns vorgenommen haben.« »Ich bin Ihr Mann, Lebo«, entgegnete der Sonnenträger mit fester Stimme. Die beiden Männer blickten sich stumm in die Augen und gingen in verschiedener Richtung da von. »Ich will Merantor auf den Fersen blei ben«, erklärte Axton, als er zusammen mit Gentleman Kelly im Gleiter saß. »Beeile dich.« Der Gleiter mit dem Verhafteten hatte be-
H. G. Francis reits eine Höhe von fast hundert Metern er reicht. Nur fünf Maschinen mit Reportern flogen hinter ihm her. Der Roboter startete. »Schneller«, drängte Axton. Kelly be schleunigte mit höheren Werten. »Darf ich etwas sagen?« fragte der Robo ter. »Nein, später«, erwiderte Axton heftig. »Achte auf den Gleiter mit Larkyont. Ich will genau wissen, wie es dort aussieht.« »Dann kann ich diese Maschine nicht len ken.« »Nach hinten mit dir. Ich übernehme das Steuer.« Der Roboter stemmte sich über die Rückenlehne des Sitzes hinweg auf die Rückbank. Er veränderte die Brennweiten seiner Linsen, um den Gleiter Merantors besser beobachten zu können. Axton lenkte seine Maschine schnell nä her an die andere heran. Mühelos überholte er die Gleiter der Presse, bis er auf etwa fünfzig Meter an Merantor herangekommen war. Er sah, daß der Geheimdienstchef Perko Larkyont anbrüllte. Der ehemalige Präsident der Organisation Gonozal VII. schien nicht sehr beeindruckt zu sein. Er lachte sogar. Merantor stieß ihm die flache Hand so kräftig ins Gesicht, daß der Kopf Larkyonts nach hinten flog und gegen die Scheibe der Tür prallte. Dann plötzlich öffnete sich die Tür. Die Faust Merantors schoß vor. Perko Larkyont kippte aus dem Gleiter heraus. Er warf sich herum. Sein Mund öffnete sich weit, und die Arme wirbelten haltsuchend um seinen Kör per. Dann entdeckte er Lebo Axton. Abscheu und Verachtung zeichneten sich in seinem Gesicht ab. Er stürzte in die Tiefe. Der Terraner sah deutlich, daß Quertan Merantor lachte. Axton schloß die Augen. Er begann, am ganzen Körper zu zittern. Eine namenlose Wut überkam ihn. Mit einem Schlage hatte
Organisation Gonozal
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Quertan Merantor alles zerstört, was er müh sam aufgebaut hatte. Zugleich war die Ge fahr für die neu entstehende echte Unter grundorganisation wieder akut geworden. Er öffnete die Augen. Sekundenlang spielte er mit dem Gedanken, Gentleman Kelly hinter Perko Larkyont her zu schicken und diesen zu retten. Doch dann preßte er die Lippen zusammen und schwieg. Er durf te nicht eingreifen, denn damit hätte er alles aufs Spiel gesetzt und seine eigene Existenz in Frage gestellt. Er hatte das Gefühl, daß der blaue Gürtel zu pulsieren begann. Er riß das Hemd auf und krallte seine Finger um das blaue Band, doch auch jetzt konnte er es nicht ablösen. Keuchend neigte er sich zur Seite. In diesem Moment endete der Sturz Perko Larkyonts vierhundert Meter unter ihm auf den Felsen, die einen See begrenzten. »Weiter, Kelly«, befahl Axton keuchend. »Weg von hier.« Der Roboter lenkte den Gleiter nach Nor den, während die Reporter und Quertan Me rantor in der Nähe des Toten landeten. Eine Stunde später befand sich Axton noch immer in der Luft. Seine Erregung hat te sich etwas gelegt. Er begann, sich an den Studenten Dastruk zu erinnern, der den Kon takt zu Perko Larkyont hergestellt hatte. In zwischen zweifelte Axton nicht mehr daran, daß der Student auf eigene Faust Ermittlun gen angestellt hatte, die ihm zum Verhäng nis geworden waren. Axton bedauerte nur, daß er Larkyont nicht mehr zu einem Ge
ständnis zwingen konnte. »Vielleicht war es doch ganz gut, daß al les so endete«, sagte er mit gepreßter Stim me zu Kelly. Er blickte auf den Video schirm. Das Gerät war die ganze Zeit über eingeschaltet gewesen. Jetzt erschien das Gesicht Quertan Merantors. Axton beugte sich vor und drehte den Ton auf. »… können wir nur vermuten, daß Larkyont Selbstmord begangen hat«, führte der Geheimdienstchef gerade aus. »Wahrscheinlich war es aus Scham über den maßlosen Betrug, den er an seinen vielen Anhängern begangen hat.« Axton schaltete aus. Er konnte die Stim me Merantors nicht mehr hören. Er fühlte sich hintergangen. Jetzt blieb ihm nur noch, abzuwarten, wie die Massen reagierten. Ak zeptierten sie, daß Larkyont den Betrug in ganz großem Stil versucht hatte, dann war alles gut. Taten sie es nicht, dann konnte der Mord Merantors an Larkyont zum zünden den Funken an einem Pulverfaß werden. Doch daran glaubte Axton nicht. Ihm war aus der altarkonidischen Geschichte nichts von einem Aufstand gegen Orbanaschol zu dieser Zeit bekannt. Gewißheit würden je doch erst die nächsten Tage geben. »Merantor«, sagte er leise. »Du wirst noch für das bezahlen, was du getan hast.«
E N D E
ENDE