Irmhild Wrede Ökonomische Auswirkungen von Schätzfehlern bei der bankinternen Bestimmung von Kreditausfallwahrscheinlic...
150 downloads
979 Views
2MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Irmhild Wrede Ökonomische Auswirkungen von Schätzfehlern bei der bankinternen Bestimmung von Kreditausfallwahrscheinlichkeiten
GABLER RESEARCH ifk edition Herausgegeben von: Prof. Dr. Andreas Pfingsten, Universität Münster
Band 18
Die ifk edition macht bankwissenschaftliche Forschungsergebnisse einer breiten Leserschaft zugänglich. Die Beiträge der Schriftenreihe zeichnen sich durch die wissenschaftliche Qualität ihrer theoretischen und empirischen Analysen ebenso aus wie durch ihren Praxisbezug. Sie behandeln eine breite Palette von Themen wie das Kredit- und das Einlagengeschäft, das Risikomanagement, die Bankenregulierung sowie das Rechnungswesen von Banken.
Irmhild Wrede
Ökonomische Auswirkungen von Schätzfehlern bei der bankinternen Bestimmung von Kreditausfallwahrscheinlichkeiten Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Andreas Pfingsten
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Münster, 2008 D6
Die Bände 1–4 sind im LIT Verlag, die Bände 5–17 im Fritz Knapp Verlag erschienen.
1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Claudia Jeske | Nicole Schweitzer Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1971-7
Geleitwort
Ob Banken reguliert werden müssen oder nicht, ist in der Vergangenheit unterschiedlich stark diskutiert worden. Angesichts der jüngsten Krise des Weltfinanzsystems haben die Befürworter einer strengen Bankenregulierung deutlich die Oberhand gewonnen. Das unter dem Namen „Basel II“ umfassend diskutierte neue Regelwerk hat diese Finanzkrise allerdings allein schon deswegen nicht verhindern können, weil es insgesamt zu spät kam und vielerorts zum Zeitpunkt der Entstehung der Krise ohnehin noch nicht umgesetzt war. Ob auch bei einer früheren Einführung von Basel II vieles anders gekommen wäre, sei an dieser Stelle einmal dahin gestellt. Wenn man sich entschließt, Banken zu regulieren, dann wird heute vor allem einem zuverlässigen Risikomanagement zur Prävention eine zentrale Rolle zugemessen. Daneben sind Vorschriften für ein mindestens vorzuhaltendes Eigenkapital nach wie vor ein wichtiges Instrument. Die Idee hinter derartigen Mindestkapitalanforderungen ist einfach: Die Fähigkeit zur Risikoübernahme durch die Banken wird begrenzt und ein Sockelbetrag an Haftungsmasse zur Befriedigung von Gläubigeransprüchen vorgeschrieben. Von großer Bedeutung für die stabilitätsfördernde Wirkung der Regulierung ist, dass die Berechnungsvorschriften für das vorzuhaltende Kapital „vernünftig“ festgelegt werden. Basel II hat hier den Banken die Möglichkeit gegeben, mittels eigener Ratingverfahren das für Kredite nötige Eigenkapital zu ermitteln. Im Zuge dieser Berechnungen sollte den Banken dabei durch die anzuwendenden Formeln auch der Anreiz gegeben werden, möglichst gute Ratingverfahren zu entwickeln und einzusetzen. In der vorliegenden Arbeit wird nun überprüft, ob die regulatorische Umsetzung dieser Zielsetzung gerecht wird. Als Ergebnis einer sehr sorgfältigen und präzisen Analyse wird sich, so viel sei an dieser Stelle schon verraten, zur Überraschung
vi
Geleitwort
vieler Leser u.a. herausstellen, dass genauere Ratingverfahren sogar zu höherem Kapitalbedarf führen können. Simulationsrechnungen, die auf eigenen theoretischen Modellüberlegungen der Verfasserin beruhen, zeigen das Ausmaß solcher Effekte. Neugierig geworden? Hoffentlich. Die Arbeit enthält einige wichtige Beobachtungen, mit denen die Lektüre belohnt wird. Besondere Freude werden dabei diejenigen Leser haben, denen sehr genaue Herleitungen der erzielten Resultate wichtig sind. Außer zweifelsfreien Ergebnissen bietet das Buch auch mehrere Ansätze für zukünftige Forschungen, so dass ihm vor diesem Hintergrund ebenfalls eine weite Verbreitung zu wünschen ist. Andreas Pfingsten
Vorwort
Diese Dissertationsschrift entstand im Rahmen meiner vierjährigen Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kreditwesen der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster. Meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Andreas Pfingsten, gebührt mein besonderer Dank. Er hat mir mit dem Thema dieser Arbeit nicht nur ein äußerst spannendes Forschungsgebiet eröffnet, sondern er hat mich ebenfalls mit zahlreichen konstruktiven Vorschlägen und seiner stets wohlwollenden Art sehr gefördert und mit seiner hervorragenden Betreuung wesentlich zu einem Gelingen des Promotionsvorhabens beigetragen. Meinen herzlichen Dank möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Thomas Langer für die freundliche Bereiterklärung zur Übernahme des Zweitgutachtens sowie für wertvolle Hinweise und Anregungen aussprechen. Die vier Jahre am Institut für Kreditwesen waren für mich eine sehr schöne Zeit, auf die ich gerne zurückblicken werde. Dies habe ich vor allem meinen früheren Kolleginnen und Kollegen Prof. Dr. Susanne Homölle, Dr. Peter Wagner, Dr. Carsten Wolferink, Dr. Kai Rudolph, Dr. Markus Ricke, Dr. Andreas Kamp, Sebastian Suhr, Dr. Norbert Sträter, Burkhardt Döge, Dr. Rolf Böve, Dr. Daniel Thiry, Dr. Claudia Schaaff, Carsten Hubensack und Sven Bornemann sowie der Sekretärin des Instituts für Kreditwesen, Helgard Scherer, zu verdanken. Sie haben das Institut nicht nur zu einem Arbeitsplatz, sondern fast zu einer zweiten Familie für mich gemacht. Bei den studentischen Hilfskräften des Instituts, und insbesondere bei Herrn Matthias Reinert, bedanke ich mich für die tatkräftige Unterstützung. Der Zeit am Institut für Kreditwesen vorausgegangen ist ein Studium der Mathematik an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Hier gilt mein Dank besonders Herrn Prof. Dr. Norbert Schmitz, der durch seine spannenden Vorlesungen und seine sehr gute Diplomarbeits-Betreuung meine Neugierde und meine Begeisterung für die angewandte Mathematik geweckt hat.
viii
Vorwort
Mein persönlicher Dank gilt meiner Familie, die mir während meiner Promotionszeit einen stetigen Rückhalt gegeben hat. Ganz besonders möchte ich mich bei meinem geliebten Ehemann Dr. Marcus Wrede bedanken, der mir auch während schwieriger Zeiten liebevoll zur Seite stand, mich moralisch unterstützt hat und stets Verständnis für die mit einer Promotion einhergehenden Entbehrungen gezeigt hat. Ihm sei diese Arbeit gewidmet.
Irmhild Wrede
Inhaltsübersicht
Abbildungsverzeichnis
xvii
Tabellenverzeichnis
xxi
Symbolverzeichnis Abkürzungsverzeichnis
xxvii xxxvii
1 Einleitung
1
2 Grundlagen
5
2.1 Regulatorisches Kapital für Kreditausfallrisiken gemäß Basel II . .
5
2.2 Risikoadjustierte Performancemaße . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
2.3 Validierung von PD-Schätzmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
2.4 Datensätze der Monte-Carlo Simulationen . . . . . . . . . . . . .
45
3 Auswirkungen der Verwendung verrauschter PD-Schätzungen auf die Höhe des regulatorischen Kapitals gemäß Basel II
53
3.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
3.2 Theoretische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
3.3 Empirische Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
3.4 Aufsichtsrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
3.5 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
x
Inhaltsübersicht
4 Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
99
4.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
4.2 Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
103
4.3 Theoretische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
159
4.4 Empirische Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
176
4.5 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
198
5 Auswirkungen einer Verrauschung der PD-Schätzungen auf die Ergebnisse der quantitativen Modellvalidierung
201
5.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
201
5.2 Theoretische Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
202
5.3 Empirische Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
205
5.4 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
231
6 Schlussbetrachtung
233
A Anhang
239
A.1 Anhang zu Kapitel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
239
A.2 Anhang zu Kapitel 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
249
A.3 Anhang zu Kapitel 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
263
Literaturverzeichnis
267
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
xvii
Tabellenverzeichnis
xxi
Symbolverzeichnis
xxvii
Abkürzungsverzeichnis
xxxvii
1 Einleitung
1
2 Grundlagen
5
2.1 Regulatorisches Kapital für Kreditausfallrisiken gemäß Basel II . . 2.1.1
Historie und Grundkonzeption . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.2
Baseler Ansätze zur Bestimmung des regulatorischen Kapi-
2.1.3
5 5
tals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
2.1.2.1
Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
2.1.2.2
Kreditrisikostandardansatz
. . . . . . . . . . . .
9
2.1.2.3
IRB-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
2.1.2.3.1
Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
2.1.2.3.2
Kalibrierung . . . . . . . . . . . . . . . .
17
2.1.2.3.3
Eigenschaften des Risikogewichts Kj . .
21
Anforderungen an interne PD-Schätzmodelle im IRB-Ansatz
26
xii
Inhaltsverzeichnis 2.2 Risikoadjustierte Performancemaße . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
2.2.1
Historie und Grundkonzeption . . . . . . . . . . . . . . . .
27
2.2.2
Vorstellung ausgewählter risikoadjustierter Performancemaße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
Auswahl und Eigenschaften des im Folgenden verwendeten risikoadjustierten Performancemaßes . . . . . . . . . . . .
32
2.2.3
2.3 Validierung von PD-Schätzmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
2.3.1
Konzeptionelle Grundlagen und Begriffsdefinitionen . . . .
35
2.3.2
Ausgewählte Validierungsmethoden . . . . . . . . . . . . .
36
2.3.2.1
Validierung der Kalibrierung . . . . . . . . . . . .
36
2.3.2.2
Validierung der Trennschärfe . . . . . . . . . . .
39
2.4 Datensätze der Monte-Carlo Simulationen . . . . . . . . . . . . .
45
2.4.1
Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
2.4.2
Einzelkreditebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
2.4.3
Portfolioebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
3 Auswirkungen der Verwendung verrauschter PD-Schätzungen auf die Höhe des regulatorischen Kapitals gemäß Basel II
53
3.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
3.2 Theoretische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
3.2.1
Reduktionseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
3.2.2
Resultierende Anreizeffekte für Kreditinstitute . . . . . . .
62
3.2.3
Umsetzungsmöglichkeiten für Kreditinstitute . . . . . . . .
64
3.3 Empirische Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
3.3.1
Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
3.3.2
Einzelkreditebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
Inhaltsverzeichnis 3.3.3
xiii
Portfolioebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
3.3.3.1
Homogene Kreditportfolios . . . . . . . . . . . .
83
3.3.3.2
Heterogene Kreditportfolios . . . . . . . . . . . .
88
3.3.3.3
Gesamtergebnis auf Portfolioebene . . . . . . . .
91
3.4 Aufsichtsrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
3.4.1
Prüfung der Konformität der Verwendung verrauschter PDSchätzungen mit den Anforderungen des IRB-Ansatzes . .
93
Handlungskonsequenzen für die Aufsicht . . . . . . . . . .
94
3.5 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
3.4.2
4 Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
99
4.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
4.2 Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
103
4.2.1
Grundidee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
103
4.2.2
Ausgangssituation
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
104
4.2.2.1
Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
104
4.2.2.2
Kredite und Kreditnehmer . . . . . . . . . . . . .
105
4.2.2.3
Aktionen der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . .
108
4.2.2.4
Verwendete PD-Schätzer . . . . . . . . . . . . . .
109
Preissetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
110
4.2.3.1
Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
110
4.2.3.2
Relevante Ergebniskomponenten . . . . . . . . .
116
4.2.3
4.2.3.2.1
Kreditrückzahlungen . . . . . . . . . . .
116
4.2.3.2.2
Zurechenbare Kosten . . . . . . . . . . .
120
4.2.3.2.3
Resultierende risikoadjustierte Nettoergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . .
122
xiv
Inhaltsverzeichnis 4.2.3.2.4
4.2.4
Entnahmebeträge . . . . . . . . . . . . .
123
4.2.3.3
Herleitung der Preisuntergrenze . . . . . . . . . .
124
4.2.3.4
Eigenschaften der Preisuntergrenze . . . . . . . .
129
Kundenverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
137
4.2.4.1
Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
137
4.2.4.2
Verhalten von Neukunden . . . . . . . . . . . . .
140
4.2.4.3
Verhalten von Altkunden . . . . . . . . . . . . .
141
4.2.4.3.1
Kündigung wegen Erreichens der Zinssatzobergrenze . . . . . . . . . . . . . . . . .
142
Kündigung wegen Zinsvorteils eines Wechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
148
Überblick über das Verhalten von Altkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
151
Eigenschaften der Wechselschwellen . . .
152
4.3 Theoretische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
159
4.2.4.3.2
4.2.4.3.3
4.2.4.3.4
4.3.1
Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
159
4.3.2
Ergebnisse auf Einzelkreditebene . . . . . . . . . . . . . .
160
4.3.2.1
Altkunden von A . . . . . . . . . . . . . . . . . .
160
4.3.2.2
Altkunden von B . . . . . . . . . . . . . . . . . .
167
4.3.2.3
Neukunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
171
4.3.2.4
Zusammenführung der Ergebnisse auf Einzelkreditebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
172
4.3.3
Ergebnisse auf Portfolioebene . . . . . . . . . . . . . . . .
173
4.3.4
Zusammenfassung und Weiterführendes . . . . . . . . . . .
175
4.4 Empirische Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
176
4.4.1
Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
176
Inhaltsverzeichnis 4.4.2
xv
Ergebnisse auf Einzelkreditebene . . . . . . . . . . . . . .
181
4.4.2.1
Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
181
4.4.2.2
Altkunden von A . . . . . . . . . . . . . . . . . .
182
4.4.2.3
Altkunden von B . . . . . . . . . . . . . . . . . .
186
4.4.2.4
Neukunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
189
4.4.2.5
Zusammenführung der Ergebnisse auf Einzelkreditebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
192
4.4.3
Ergebnisse auf Portfolioebene . . . . . . . . . . . . . . . .
192
4.4.4
Zusammenfassung und Weiterführendes . . . . . . . . . . .
196
4.5 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
198
5 Auswirkungen einer Verrauschung der PD-Schätzungen auf die Ergebnisse der quantitativen Modellvalidierung
201
5.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
201
5.2 Theoretische Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
202
5.2.1
Kalibrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
202
5.2.2
Trennschärfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
204
5.3 Empirische Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
205
5.3.1
Kalibrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
205
5.3.1.1
Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
205
5.3.1.2
Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
207
Trennschärfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
218
5.3.2.1
Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
218
5.3.2.2
Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
219
5.4 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
231
5.3.2
6 Schlussbetrachtung
233
xvi
Inhaltsverzeichnis
A Anhang
239
A.1 Anhang zu Kapitel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
239
A.1.1 Beweise der Lemmata aus Abschnitt 2.1.2.3.3 . . . . . . .
239
A.1.2 Sekantensteigungsverfahren zur numerischen Untersuchung von Kj . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
245
A.1.3 Illustration unterschiedlicher CAP-Kurven mit gleichem Gini-Koeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
248
A.1.4 Eigenschaften der Beta-Verteilung . . . . . . . . . . . . . .
249
A.2 Anhang zu Kapitel 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
249
A.2.1 Unzulänglichkeit des „Baustein-Schemas“ zur Bestimmung der Preisuntergrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
249
A.2.2 Weitere Ergebnisse zur Pricing-Funktion . . . . . . . . . .
256
A.2.3 Beweis des Satzes 4.48 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
257
A.2.4 Weitere empirische Ergebnisse auf Portfolioebene . . . . .
258
A.2.5 Ermittlung der Transaktionskosten auf Basis der Vorperiodenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
261
A.3 Anhang zu Kapitel 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
263
A.3.1 Ergebnisse der Binomialtests zu den Konfidenzniveaus 50 % und 10 % . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
263
A.3.2 Beispiel zur Änderung der mittleren PD-Schätzungen . . .
263
Literaturverzeichnis
267
Abbildungsverzeichnis
2.1
IRB-Risikogewicht für Kredite an Unternehmen unterschiedlicher Größe Sj = 50, 30, 10 (Mio. e) in Abhängigkeit von der Ausfallwahrscheinlichkeit P Dj (Ausschnitt). . . . . . . . . . . . . . . .
2.2
20
IRB-Risikogewicht für Kredite an Unternehmen in Abhängigkeit von der Ausfallwahrscheinlichkeit P Dj . . . . . . . . . . . . . . .
21
2.3
Singularität des IRB-Risikogewichts.
24
2.4
Schematisierung der Validierungsmethodik für interne Ratingver-
2.5
2.6
. . . . . . . . . . . . . . .
fahren. (In Anlehnung an Deutsche Bundesbank (2003), S. 62.)
35
CAP-Kurven des perfekten, des zu beurteilenden und des zufälligen Ratingsystems. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
Flächen FRating und Fperf ekt zur Berechnung des Gini-Koeffizienten aus den CAP-Kurven: Zu beurteilendes Ratingsystem (a) und perfektes Ratingsystem (b). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.7
41
Relative Häufigkeiten der Scorewerte von ausfallenden und nicht ausfallenden Krediten bei Verwendung des zu beurteilenden Ratingsystems mit Cut-Off Wert C und resultierenden Fehlerwahrscheinlichkeiten 1. und 2. Art. . . . . . . . . . . . . . . . .
2.8
43
ROC-Kurven des perfekten, des zu beurteilenden und des zufälligen Ratingsystems (a) sowie Area under Curve (AUC) des zu beurteilenden Ratingsystems (b). . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
2.9
Graphische Illustration der Strukturen der Portfolios 1 bis 4. . .
48
2.10
Histogramm der erzeugten EADs. . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
xviii
Abbildungsverzeichnis
3.1
Illustration des Reduktionseffekts. . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2
Skizze des minimalen erwarteten Risikogewichts bei der Verrauschung mittels Zjmin,Overall in Abhängigkeit von der Realisierung
3.3
3.4
4.1
4.2
4.3
4.4
5.1
5.2
5.3
5.4
5.5
54
rj ∈ Djkonkav . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
Reichweite der PD-Verrauschung bei Verwendung von ZjClass (a) bzw. ZjClass (b) im Fall P Djmin,konkav < ak . . . . . . . . . . . . .
74
Graphische Illustration der Strukturänderungen der Portfolios 1 bis 4 durch die Verrauschung mittels ZjOverall . . . . . . . . . . . .
87
Einzelne Pfade des Rückzahlungsstroms von Kredit j mit jeweiligen Übergangswahrscheinlichkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . .
119
Preisuntergrenze und ihre Basis-Variante für einen einjährigen Kredit in Abhängigkeit von der PD des Kreditnehmers. . . . . . . .
135
Graph des erwarteten RAROC für eine tatsächliche PD von 10 % in Abhängigkeit von der verrauschten PD-Schätzung Xj . . . . .
165
Graph des erwarteten RAROC für eine tatsächliche PD von 50 % in Abhängigkeit von der verrauschten PD-Schätzung Xj . . . . .
166
CAP-Kurven des zufälligen, des perfekten, des unverrauschten und des mittels ZjOverall verrauschten Ratingsystems für Portfolio 1. .
220
Histogramme der Verteilungen der Gini-Koeffizienten in den Portfolios 1 bis 4 im unverrauschten Fall und bei Verrauschung mittels ZjOverall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
223
Verteilungsfunktionen F der Gini-Koeffizienten in den Portfolios 1 bis 4 im unverrauschten Fall und bei Verrauschung mittels ZjOverall .
224
CAP-Kurven des zufälligen, des perfekten, des unverrauschten und des mittels ZjClass verrauschten Ratingsystems für Portfolio 1. . .
226
Histogramme der Verteilungen der Gini-Koeffizienten in den Portfolios 1 bis 4 im unverrauschten Fall und bei Verrauschung mittels ZjClass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
228
Abbildungsverzeichnis 5.6
Verteilungsfunktionen F der Gini-Koeffizienten in den Portfolios 1 bis 4 im unverrauschten Fall und bei Verrauschung mittels ZjClass .
A.1
A.2
A.3
A.4
xix
229
Diskretisierung einer Funktion f und Approximation ihrer Ableitung durch die zugehörigen Sekantensteigungen. . . . . . . . . .
246
CAP-Kurven unterschiedlicher Ratingsysteme mit gleichem GiniKoeffizienten (Skizze). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
248
Einzelne Pfade des Zahlungsstroms vom Beispiel-Kredit für das „Baustein-Schema“ mit jeweiligen Übergangswahrscheinlichkeiten.
251
Gegenüberstellung verschiedener Varianten der Preisuntergrenze im 1-Perioden-Fall in Abhängigkeit von der PD des Kreditnehmers.
256
Tabellenverzeichnis
2-1
Gewichtungsfaktoren der Forderungsklassen (1) bis (3) im Standardansatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
Gewichtungsfaktoren der Forderungsklassen (4) bis (8) im Standardansatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
2-3
Verwendete Ratingklassenzuordnung. . . . . . . . . . . . . . . .
46
2-4
Menge der untersuchten PDs auf Einzelkreditebene. . . . . . . .
46
2-5
Parametrisierung der Beta-Verteilungen für die PDs der Portfolios.
47
2-6
Strukturen der Portfolios 1 bis 4: Anzahlen der Kredite in den einzelnen Ratingklassen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
Risikogewichte auf Einzelkreditebene bei Verwendung der unverrauschten PD-Schätzung und bei 1 Mio.-facher Verrauschung mittels ZjOverall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
Übergangswahrscheinlichkeiten bei 1 Mio.-facher Verrauschung mittels ZjOverall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
Risikogewichte auf Einzelkreditebene bei Verwendung der unverrauschten PD-Schätzung und bei 1 Mio.-facher Verrauschung mittels ZjClass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
Durchschnittliche Risikogewichte in den Portfolios 1 bis 4 bei Verwendung unverrauschter und verrauschter PD-Schätzer sowie entsprechende (absolute) Veränderungen im homogenen Fall. . . . .
85
2-2
3-1
3-2
3-3
3-4
xxii 3-5
3-6
3-7
4-1
4-2
4-3
4-4
4-5
4-6
4-7
Tabellenverzeichnis Eigenmittelanforderung in den Portfolios 1 bis 4 bei Verwendung unverrauschter und verrauschter PD-Schätzer sowie entsprechende Veränderungen im homogenen Fall für EADj = 256.000 für j = 1, ..., n. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
Strukturen der Portfolios 1 bis 4 bei Verwendung unverrauschter und mittels ZjOverall verrauschter PD-Schätzer. . . . . . . . . . .
87
Eigenmittelanforderungen in den Portfolios 1 bis 4 bei Verwendung unverrauschter und verrauschter PD-Schätzer sowie entsprechende (absolute) Veränderungen im heterogenen Fall. . . . . . . . . . .
89
Untersuchung einzelner Kredite an Altkunden von A: Kündigungen im unverrauschten und verrauschten Fall mittels ZjOverall bzw. ZjClass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
182
Untersuchung einzelner Kredite an Altkunden von A: (Erwartete) RAROCs von A im unverrauschten und verrauschten Fall mittels ZjOverall bzw. ZjClass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
183
Untersuchung einzelner Kredite an Altkunden von A: (Erwartete) Zinssätze im unverrauschten und verrauschten Fall mittels ZjOverall bzw. ZjClass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
185
Untersuchung einzelner Kredite an Altkunden von A: (Erwartete) Wechselschwellen im unverrauschten und verrauschten Fall mittels ZjOverall bzw. ZjClass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
186
Untersuchung einzelner Kredite an Altkunden von B: Wechsel zu A im unverrauschten und verrauschten Fall mittels ZjOverall bzw. ZjClass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
187
Untersuchung einzelner Kredite an Altkunden von B: (Erwartete) RAROCs von A im unverrauschten und verrauschten Fall mittels ZjOverall bzw. ZjClass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
187
Untersuchung einzelner Kredite an Altkunden von B: (Erwartete) Zinssätze und Wechselschwellen im unverrauschten und verrauschten Fall mittels ZjOverall bzw. ZjClass . . . . . . . . . . . . . . . . .
188
Tabellenverzeichnis 4-8
4-9
4-10
4-11
4-12
4-13
4-14
5-1
5-2
5-3
5-4
xxiii
Untersuchung einzelner Kredite an Neukunden: Vertragsabschlüsse bei A im unverrauschten und verrauschten Fall mittels ZjOverall bzw. ZjClass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
190
Untersuchung einzelner Kredite an Neukunden: (Erwartete) RAROCs von A im unverrauschten und verrauschten Fall mittels ZjOverall bzw. ZjClass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
191
Untersuchung von Portfolios: RAROCs, Migrationen und Anteile am Gesamt-Risikokapital unter Verteilungsannahme 1: Unverrauscht und verrauscht mittels ZjOverall und ZjClass . . . . . . . . .
193
Untersuchung von Portfolios: RAROCs, Migrationen und Anteile am Gesamt-Risikokapital unter Verteilungsannahme 2: Unverrauscht und verrauscht mittels ZjOverall und ZjClass . . . . . . . . .
194
Untersuchung von Portfolios: RAROCs, Migrationen und Anteile am Gesamt-Risikokapital unter Verteilungsannahme 3: Unverrauscht und verrauscht mittels ZjOverall und ZjClass . . . . . . . . .
195
Untersuchung von Portfolios: RAROCs, Migrationen und Anteile am Gesamt-Risikokapital unter Verteilungsannahme 4: Unverrauscht und verrauscht mittels ZjOverall und ZjClass . . . . . . . . .
196
Untersuchung von Portfolios: RAROCs, Migrationen und Anteile am Gesamt-Risikokapital unter Verteilungsannahme 1 mit KreditAnzahlen nA = 10.000, nB = 1.000 und nN = 500: Unverrauscht und verrauscht mittels ZjOverall . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
197
Mittlere PD-Schätzungen sowie mittlere und maximale Ausfallraten des unverrauschten und des gemäß ZjOverall verrauschten Ratingsystems in den einzelnen Klassen von Portfolio 1. . . . . . .
207
Ergebnisse der Binomialtests zu den Konfidenzniveaus 99 % und 95 % in den einzelnen Klassen von Portfolio 1. . . . . . . . . . .
209
Mittlere PD-Schätzungen sowie mittlere und maximale Ausfallraten des unverrauschten und des gemäß ZjOverall verrauschten Ratingsystems in den einzelnen Klassen von Portfolio 2. . . . . . .
213
Ergebnisse der Binomialtests zu den Konfidenzniveaus 99 % und 95 % in den einzelnen Klassen von Portfolio 2. . . . . . . . . . .
214
xxiv 5-5
5-6
5-7
5-8
5-9
5-10
5-11
5-12
5-13
A-1
A-2
A-3
Tabellenverzeichnis Mittlere PD-Schätzungen sowie mittlere und maximale Ausfallraten des unverrauschten und des gemäß ZjOverall verrauschten Ratingsystems in den einzelnen Klassen von Portfolio 3. . . . . . .
215
Ergebnisse der Binomialtests zu den Konfidenzniveaus 99 % und 95 % in den einzelnen Klassen von Portfolio 3. . . . . . . . . . .
215
Mittlere PD-Schätzungen sowie mittlere und maximale Ausfallraten des unverrauschten und des gemäß ZjOverall verrauschten Ratingsystems in den einzelnen Klassen von Portfolio 4. . . . . . .
216
Ergebnisse der Binomialtests zu den Konfidenzniveaus 99 % und 95 % in den einzelnen Klassen von Portfolio 4. . . . . . . . . . .
217
Erwartungswerte und Standardabweichungen von GK(R), GK(X) und ΔGK bei Verrauschung mittels ZjOverall . . . . . . . . . . . .
220
Beobachtete Minima und Maxima von GK(R), GK(X) und ΔGK im unverrauschten und verrauschten Fall bei Verrauschung mittels ZjOverall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
222
Erwartungswerte und Standardabweichungen von GK(R), GK(X) und ΔGK bei Verrauschung mittels ZjClass . . . . . . . . . . . . .
227
Beobachtete Minima und Maxima von GK(R), GK(X) und ΔGK im unverrauschten und verrauschten Fall bei Verrauschung mittels ZjClass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
227
Mittlerer, minimaler und maximaler p-Wert des Mann-WhitneyTests in den Portfolios 1 bis 4 bei Verrauschung mittels ZjClass . .
230
Untersuchung einzelner Kredite an Altkunden von A: Kündigungen im unverrauschten und verrauschten Fall mittels ZjOverall bzw. ZjClass für δ = 40 %. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
259
Untersuchung einzelner Kredite an Altkunden von A: (Erwartete) Zinssätze im unverrauschten und verrauschten Fall mittels ZjOverall bzw. ZjClass für δ = 40 %. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
259
Untersuchung einzelner Kredite an Altkunden von A: (Erwartete) Wechselschwellen im unverrauschten und verrauschten Fall mittels ZjOverall bzw. ZjClass für δ = 40 %. . . . . . . . . . . . . . . . . .
260
Tabellenverzeichnis A-4
A-5
A-6
A-7
A-8
xxv
Untersuchung einzelner Kredite an Altkunden von A: (Erwartete) RAROCs im unverrauschten und verrauschten Fall mittels ZjOverall bzw. ZjClass für δ = 40 %. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
260
Ergebnisse der Binomialtests zu den Konfidenzniveaus 50 % und 10 % in den einzelnen Klassen von Portfolio 1. . . . . . . . . . .
263
Ratingklassenzuordnung des Beispiels zur Änderung der mittleren PD-Schätzungen auf Ratingklassenebene. . . . . . . . . . . . . .
264
PD-Schätzungen des Beispiels zur Änderung der mittleren PDSchätzungen auf Ratingklassenebene. . . . . . . . . . . . . . . .
264
Resultierende mittlere PDs des Beispiels zur Änderung der mittleren PD-Schätzungen auf Ratingklassenebene. . . . . . . . . . . .
264
Symbolverzeichnis Übersicht über die wichtigsten verwendeten mathematischen Symbole:
KjClass
Durchschnittliches Risikogewicht für Kredit j bei Verrauschung des PD-Schätzers mittels ZjClass
KjOverall
Durchschnittliches Risikogewicht für Kredit j bei Verrauschung des PD-Schätzers mittels ZjOverall
A
Indikatorfunktion einer Menge A
B
Binomialverteilung
Ck Ck
PD-Intervall der Ratingklasse k
Cbest
PD-Intervall der besten Ratingklasse
Cworst
PD-Intervall der schlechtesten Ratingklasse
Modifiziertes PD-Intervall der Ratingklasse k
D A,Xj ,V erbleib Menge aller Realisierungen von Xj , für die der Altkunde j von A nicht kündigt Djantiton
Antitoner Teilbereich von Djkonkav für Kj
Djisoton
Isotoner Teilbereich von Djkonkav für Kj
Djkonkav
Konkaver Bereich von Kj oberhalb der Singularität P D P ol
N
Normalverteilung
Ngültig
Menge der gültigen Fälle
R
Rechteckverteilung
xxviii
Symbolverzeichnis
A
Betrachtetes Kreditinstitut
ABeta
Parameter der Beta-Verteilung
ak
Untere PD-Intervallgrenze der Ratingklasse k
a ˜k
Modifizierte untere PD-Intervallgrenze der Ratingklasse k
aj,(P Dj,t )t
Bestandteil der Preisuntergrenze (Nenner)
AFs,t
Abzinsungsfaktor des Zeitraums von s bis t
ANFπj ,Nj
Annuitätenfaktor eines Kredites mit Zinssatz πj und Laufzeit Nj
AUC
Area under Curve
B
Konkurrenzinstitut von A
B1
Konstante des IRB-Laufzeitanpassungsfaktors
B2
Konstante des IRB-Laufzeitanpassungsfaktors
b(P Dj )
Laufzeitanpassungsfaktor im IRB-Ansatz
BBeta
Parameter der Beta-Verteilung
bk
Obere PD-Intervallgrenze der Ratingklasse k
bj,(P Dj,t )t bj,(P D ) j,t t
Bestandteil der Preisuntergrenze (Zähler)
BW (·)
Barwert-Funktion
C
Cut-Off Wert der Receiver Operating Characteristic
C1,P Dj (πj )
Erwartete Rückzahlung des Kredites j in t = 1 in Abhängigkeit vom Kreditzinssatz πj
EK Cj,t
Überschüssige Eigenkapitalkosten des Kredites j in t
CFj,t
Cash Flow des Kredites j im Zeitpunkt t
Cov
Kovarianz
CR
Regulatorische Eigenmittelanforderung des Gesamtportfolios
CRj
Regulatorischee Eigenmittelanforderung für Kredit j
CRj,t
Regulatorischee Eigenmittelanforderung für Kredit j im Zeitpunkt t
Konstanter Term des im Kreditzinssatz linearen barwertigen risikoadjustierten Nettoergebnisses (als Anteil von Vj,0 )
Dj
Kritische Unternehmensrendite des Kreditnehmers j im IRB-Modell
DR
Ausfallrate in der betrachteten Klasse
E(·)
Erwartungswert
E(P Dj,t )t (·)
Erwartungswert (gebildet mit Hilfe der Pfadwahrscheinlichkeiten (P Dj,t)t )
EADj
Exposure at Default des Kredites j
EADj,t
Exposure at Default des Kredites j im Zeitpunkt t
Symbolverzeichnis
xxix
ECRj,t
Erwartetes regulatorischee Eigenmittelanforderung für Kredit j im Zeitpunkt t
ELj j EL
Expected Loss des Kredites j
Fperf ekt
Fläche zwischen den Lorenzkurven des perfekten und des zufälligen Ratingsystems
FRating
Fläche zwischen den Lorenzkurven des zu untersuchenden und des zufälligen Ratingsystems
F AR
False Alarm Rate
GK
Gini-Koeffizient
H
Anzahl der korrekt als Ausfall eingestuften Kredite (Hits)
H0
Nullhypothese
H1
Gegenhypothese
HR
Hit Rate
i
Risikoloser 1-Perioden (Haben-)Zinssatz des Geld- und Kapitalmarkts bei einjähriger Betrachtung bzw. flacher Zinsstruktur
it−1,t
Risikoloser (Haben-)Zinssatz des Geld- und Kapitalmarkts der Periode von t − 1 bis t
I
Indexmenge aller Kredite in der Modellwelt
IA
Indexmenge der zu Institut A gehörigen Kredite
IB
Indexmenge der zu Institut B gehörigen Kredite
Ik
Indexmenge der zu Segment k gehörigen Kredite
IN
Indexmenge der Neukunden
IN →A
Indexmenge der Neukunden, die einen Kredit bei A abschließen
IN →B
Indexmenge der Neukunden, die einen Kredit bei B abschließen
j
Index für Kreditnehmer bzw. Kredit Index
k k
Alternative Definition des Expected Loss von Kredit j
min,konkav
Klasse, in der P Djmin,konkav liegt
Kj
Risikogewicht für Kredit j gemäß des Baseler Basis-IRB-Ansatzes
Kj,t
Risikogewicht für Kredit j in Periode t gemäß des Baseler Basis-IRBAnsatzes
Kjunverr
Risikogewicht für Kredit j bei Verwendung des unverrauschten PDSchätzers
LGDj
Loss given Default des Kredites j
xxx
Symbolverzeichnis
LGDj,t
Loss given Default des Kredites j im Zeitpunkt t
m
Index
Mj
Restlaufzeit des Kredites j im Baseler IRB-Ansatz
Mj,t
Für Periode t geltende Restlaufzeit des Kredites j im Baseler IRBAnsatz
MAj
Laufzeitanpassung für Kredit j im IRB-Ansatz
n
Anzahl aller Kredite in der Modellwelt
nA
Anzahl der Kredite im Portfolio von Institut A (vor Migrationen)
nB
Anzahl der Kredite im Portfolio von Institut B (vor Migrationen)
ND
Anzahl der Ausfälle
ngültig
Anzahl der gültigen Fälle
Nj
(Rest-)Laufzeit von Kredit j
NKredite
Anzahl an Krediten in der betrachteten Klasse
nN
Anzahl der Neukunden (vor Migrationen)
NN D
Anzahl der nicht ausgefallenen Kredite
nSim
Anzahl der Ausfallsimulationsläufe
nverr
Anzahl der Verrauschungen
P
Wahrscheinlichkeitsverteilung
pk
Stützstelle des Sekantensteigungsverfahrens
p
Class
Wahrscheinlichkeit zur Konstruktion von Zjmin,Class
pOverall
Wahrscheinlichkeit zur Konstruktion von Zjmin,Overall
PD
(Homogene) Ausfallwahrscheinlichkeit der Kredite in der betrachteten Klasse
P Dj PD
P ol
P Djmax
Ausfallwahrscheinlichkeit des Kredites Kreditnehmerunabhängige, im Intervall [0, 1] eindeutig bestimmte Stelle, an der Kj eine Singularität besitzt Stelle im Intervall D Kj ,konkav , an der das IRB-Risikogewicht für Kredit j maximal ist
P Djmin,konkav Untergrenze (einschließlich) von D Kj ,konkav P Dj,t
Ausfallwahrscheinlichkeit des Kredites j in Periode t
AI P Dj,t
Vom Altinstitut verwendete Ausfallwahrscheinlichkeit des Kredites j in Periode t
qϑ
Kritische Ausfallanzahl des Binomialtests zum Konfidenzniveau 1 − ϑ
qϑ
Kritische Ausfallrate des Binomialtests zum Konfidenzniveau 1 − ϑ
Symbolverzeichnis
xxxi
R
Unverrauschter Schätzer für die Ausfallwahrscheinlichkeit eines Kredites
rj
Realisierung von Rj
Rj
Unverrauschter Schätzer für die Ausfallwahrscheinlichkeit des Kredites j
Rj,t
Unverrauschter Schätzer für die Ausfallwahrscheinlichkeit des Kredites j in Periode t
rjClass
Reichweite der Verrauschung mittels Addition von ZjClass
Class
rj
Reichweite der Verrauschung mittels Addition von ZjClass
rjOverall
Reichweite der Verrauschung mittels Addition von ZjOverall
R
Unverrauschtes Ratingsystem
RAj
Risikoaufschlag für Kredit j gemäß „Baustein“-Lösung
RAkorrekt j
Korrekter Risikoaufschlag für Kredit j
RANEj
Risikoadjustiertes Nettoergebnis des Kredites j
RANEj,t
Risikoadjustiertes Nettoergebnis des Kredites j im Zeitpunkt t
RAP MM atten Risikoadjustiertes Performancemaß von Matten RAROCI
RAROC des Gesamtportfolios
RAROCIk
RAROC des Segments Ik
RAROCj,t
RAROC des Kredites j im Zeitpunkt t
RAROCj
RAROC des Kredites j
RAROC
min
Vorgabe für den mindestens zu erreichenden RAROC
Rendj
Rendite des Unternehmens j
RKj
Durch die Kündigung des Kreditnehmers j eingesparte Risikokosten
RORACH
Hurdle Rate des RORACs
RPj
Risikoprämie für Kredit j gemäß „Baustein“-Lösung
RPjkorrekt
Korrekte Risikoprämie für Kredit j
RZj,t
Rückzahlung des Kredites j im Zeitpunkt t
s
Zeitindex
Sj
Parameter für die Unternehmensgröße von Kreditnehmer j im Baseler Basis-IRB-Ansatz
Sj,t
Parameter für die Unternehmensgröße von Kreditnehmer j im Zeitpunkt t im Baseler Basis-IRB-Ansatz
SRk
Sharpe-Ratio für Finanztitel k
t
Zeitindex
xxxii
Symbolverzeichnis
Tj,t
Tilgungsrate des Kredites j im Zeitpunkt t (absolute Höhe)
T AKj
Transaktionskosten, die Kreditnehmer j bei einer Kündigung zu zahlen hat
T Rk
Traynor-Ratio für Finanztitel k
ÜD j
Barwertige erwartete Überdeckung für Kredit j
Vj,t
(Rest-)Kreditvolumen von Kredit j im Zeitpunkt t (nach Tilgung)
V ar
Varianz
X
Verrauschtes Ratingsystem
X
Verrauschter Schätzer für die Ausfallwahrscheinlichkeit eines Kredites
Realisierung von X
x
Realisierung von X
xj
Realisierung von Xj
Xj
Verrauschter Schätzer für die Ausfallwahrscheinlichkeit des Kredites j
Xj,t
Verrauschter Schätzer für die Ausfallwahrscheinlichkeit von Kredit j in Periode t
Xj0
PD-Schätzer für Kredit j, der nur Realisierungen auf den Randpunkten {0, 1} des Intervalls [0, 1] annimmt
Xjmin,Class
Klassenkonformer PD-Schätzer für Kredit j, welcher zur Minimierung des IRB-Risikogewichts führt
Xjmin,Overall
PD-Schätzer für Kredit j, welcher im Bereich Djkonkav zur Minimierung des IRB-Risikogewichts führt
y0,999
Quantil des systematischen Faktors im IRB-Modell zum Niveau 99,9 %
ysys
Realisierung des systematischen Faktors im IRB-Modell
yϑ
Quantil des systematischen Faktors im IRB-Modell zum Niveau ϑ
Ysys
Systematischer Faktor im IRB-Modell
zj
Realisierung von Zj
Zj
White Noise Zufallsgröße für Kredit j
zj,t
Realisierung von Zj,t
x
Zj,t
White Noise Zufallsgröße für Kredit j im Zeitpunkt t
,solv (πj ) zj,t
Vom Zinssatz πj abhängige Zahlung des Kreditnehmers j im Zeitpunkt t im Falle der Solvenz in t (als Anteil von Vj,t)
,insolv zj,t
Zahlung des Kreditnehmers j im Zeitpunkt t im Falle der Insolvenz in t (als Anteil von Vj,t )
Symbolverzeichnis
xxxiii
Zj0
Zufallsgröße der Verrauschung von P Dj , die zum PD-Schätzer Xj0 führt
zjClass
Realisierung von ZjClass
ZjClass
Zufallsgröße der Verrauschung von P Dj innerhalb der Ratingklasse („class“)
ZjClass
Modifizierte Zufallsgröße der Verrauschung von P Dj innerhalb der Ratingklasse
Zjmin,Class
Zufallsgröße der klassenkonformen („class“) Verrauschung von P Dj , welche zur Minimierung des IRB-Risikogewichts führt
Zjmin,Overall
Zufallsgröße der allgemeinen („overall“) Verrauschung von P Dj , welche im Bereich Djkonkav zur Minimierung des IRB-Risikogewichts führt
zjOverall
Realisierung von ZjOverall
ZjOverall
Zufallsgröße der allgemeinen („overall“) Verrauschung von P Dj
W echsel ZVj,0
Barwertiger Zinsvorteil des Wechsels des Altkunden j zum Konkurrenzinstitut
ZV Sj
Durch die Kündigung des Kreditnehmers j verursachter Zinsverschlechterungsschaden
ZZj
Barwert der vereinbarten zukünftigen Zinszahlungen des Kredites j
α
Parameter der Beta-Verteilung
β
Parameter der Beta-Verteilung
βk
Beta-Risiko im CAPM
δ
Kostensatz der überschüssigen Eigenkapitalkosten
δ
Kostensatz der überschüssigen Eigenkapitalkosten zzgl. des zu erreichenden Mindest-RAROCs
δt
Kostensatz der überschüssigen Eigenkapitalkosten in Periode t
Δπj
Differenz der Zinssätze des Alt- und Konkurrenzinstituts
ΔCR
Reduktion des Eigenmittelanforderung des Gesamtportfolios
ΔE(CRj (rj )) Erwartete Reduktion der Eigenmittelanforderung im Vergleich zum unverrauschten PD-Schätzer rj ΔCR
Veränderung des Gini-Koeffizienten durch die Verrauschung im Vergleich zum unverrauschten Ratingsystem
ΔKjClass
Absolute Verminderung des Risikogewichts durch Addition von ZjClass im Vergleich zum unverrauschten PD-Schätzer
xxxiv
Symbolverzeichnis
ΔKjClass,max
Maximale erwartete Reduktion des Risikogewichts durch Addition von ZjClass im Vergleich zum unverrauschten PD-Schätzer
ΔKjOverall
Absolute Verminderung des Risikogewichts durch Addition von ZjOverall im Vergleich zum unverrauschten PD-Schätzer
j
Idiosynkratischer Faktor des Unternehmens j im IRB-Modell
ϕ
(Homogenes) Gewicht des idiosynkratischen Faktors im IRB-Modell
Φ
Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung
ϕj
Gewicht des idiosynkratischen Faktors von Unternehmen j im IRBModell
Γj,t
Anteil des von Kredit j im Zeitpunkt t (nach Tilgung) verbliebenen (Rest-)Kreditvolumens
λ
Konvexkombinationsgewicht
λj
Konvexkombinationsgewicht für Kredit j
μ
Erwartungswert
μk
Erwartete Rendite des Finanztitels k
ν
Index
π
EK
Eigenkapitalkostensatz bei einjähriger Betrachtung
EK πt−1,t
Eigenkapitalkostensatz in Periode t
πj
Kreditzinssatz für Kredit j
πjA
Kreditzinssatz von Institut A für Kredit j
πjAI
Kreditzinssatz des Altinstituts für Kredit j
πjB
Kreditzinssatz von Institut B für Kredit j
πjmax
Zinssatzobergrenze von Kreditnehmer j
πjW I πjZOG,krit πjZV,krit
Kreditzinssatz des Wettbewerbsinstituts für Kredit j
πj
Preisuntergrenze für Kredit j
π j,(P Dj,t )t
Preisuntergrenze für Kredit j in Abhängigkeit von (P Dj,t)t
π j,P Dj
Preisuntergrenze für Kredit j in Abhängigkeit von P Dj
π basis j,P Dj
Basisvariante der Preisuntergrenze für Kredit j in Abhängigkeit von P Dj
π j,Rj
Preisuntergrenze für Kredit j in Abhängigkeit von Rj
π j,Xj
Preisuntergrenze für Kredit j in Abhängigkeit von Xj
π Baustein j,P Dj
Preisuntergrenze für Kredit j gemäß „Baustein-Schema“
Zinssatzobergrenzen-Wechselschwelle des Altkunden j Zinsvorteil-Wechselschwelle des Altkunden j
Symbolverzeichnis π fj air
Fairer Kreditzinssatz für Kredit j
Πj
Pricing-Funktion für Kredit j
ϑ
Fehler- bzw. Konfidenzniveau
xxxv
ρ
Korrelation
ρj,k
Korrelation der Renditen von Unternehmen j und k
ρk,M
Korrelation der Renditen von Finanztitel k und dem Marktportfolio
σ
Standardabweichung
σj
Standardabweichung der Rendite von Unternehmen j
σk,M
Kovarianz der Renditen von Finanztitel k und dem Marktportfolio
τj,t
Tilgungsrate von Kredit j im Zeitpunkt t (als Anteil von Vj,0)
ω
Gewicht des systematischen Faktors im IRB-Modell
ωA
RAROC-Aggregationsgewicht für das Segment der Altkunden von A
ωB
RAROC-Aggregationsgewicht für das Segment der Altkunden von B
ωk
RAROC-Aggregationsgewicht für Segment k
ωN
RAROC-Aggregationsgewicht für das Segment der Neukunden
Abkürzungsverzeichnis A
betrachtetes Kreditinstitut
abs.
absolut(er)
Abschl.
Abschlüsse
AI
Altinstitut
AIRB
Advanced Internal Ratings Based (Approach)
AUC
Area under Curve
B
Konkurrenzinstitut von A
bed.
bedingt(er)
Beend.
Beendigung
BP
Basispunkt
c.p.
ceteris paribus
CAP
Cumulative Accuracy Profile
CAPM
Capital Asset Pricing Model
const
Konstante
CRD
Capital Requirements Directive
CVODRV
Corporate Value on Discounted Risk Value
EAD
Exposure at Default
EL
Expected Loss
erw.
erwartet
EVA
Economic Value Added
EW
Erwartungswert
f.s.
fast sicher
FAR
False Alarm Rate
FIRB
Foundation Internal Ratings Based (Approach)
GK
Gini-Koeffizient
GWB
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
xxxviii
Abkürzungsverzeichnis
HR
Hit Rate
i.A.
im Allgemeinen
IA
Induktionsannahme
i.H.v.
in Höhe von
IRB
Internal Ratings Based (Approach)
KMU
Kleine und mittlere Unternehmen
KSA
Kreditrisikostandardansatz
KWG
Kreditwesengesetz
LGD
Loss given Default
MaRisk
Mindestanforderungen an das Risikomanagement
mittl.
mittlere(r)
o.V.
ohne Verfasser
PF
Portfolio
PD
Probability of Default
progn.
prognostiziert(er)
QIS
Quantitative Impact Study
RAPM
Risk adjusted Performance Measure
RANE
Risikoadjustiertes Nettoergebnis
RAROC
Risk adjusted Return on Capital
RARORAC
Risk adjusted Return on Risk adjusted Capital
reg.
regulatorisch(er)
ROC
Receiver Operating Characteristic
ROE
Return on Equity
ROI
Return on Investment
RORAC
Return on Risk adjusted Capital
SolvV
Solvabilitätsverordnung
str.
streng
tatsächl.
tatsächlich(er)
TM
Trademark
Tz.
Textziffer
unkorr.
unkorreliert
unverr.
unverrauscht
VaR
Value at Risk
Abkürzungsverzeichnis verr.
verrauscht
WACC
Weighted Average Cost of Capital
WI
Wettbewerbsinstitut
ZOG
Zinssatzobergrenze
ZV
Zinsvorteil
xxxix
Kapitel 1 Einleitung „Jede Wirtschaft beruht auf einem Kreditsystem, das heißt auf der irrtümlichen Annahme, der andre werde gepumptes Geld zurückzahlen.“ (Kurt Tucholsky, Kurzer Abriß der Nationalökonomie, 1931)
Die erste Rahmenvereinbarung des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht, welche 1988 veröffentlicht wurde, 1992 in Kraft trat und unter der Bezeichnung Basel I bekannt geworden ist, formulierte erstmals Prinzipien bzgl. der angemessenen Höhe der gesetzlich vorgegebenen regulatorischen Mindesteigenmittelausstattung für den Bereich der Kreditrisiken bei Banken und Kreditinstituten.1 Das Vorhalten von Eigenkapital als Risikopuffer für unerwartete Verluste aus dem Kreditgeschäft, welches in gewisser Höhe ohnehin auch im Eigeninteresse der Unternehmen liegt, geschieht seitdem auch aufgrund expliziter gesetzlicher Vorschriften und Berechnungsmethoden. Nach einer Erweiterung um Richtlinien zur Eigenmittelunterlegung von Marktpreisrisiken im so genannten Baseler Marktrisikopapier im Jahr 1996 wurde vom Baseler Ausschuss Ende 2006 schließlich mit Basel II eine grundlegend überarbeitete und erweiterte Rahmenrichtlinie verabschiedet, welche 2007 in Kraft getreten ist.2 Hinsichtlich der Eigenmittelanforderungen im Bereich der Kreditrisiken stellt Basel II gegenüber Basel I eine deutliche Weiterentwicklung dar: Während die Höhe
1 2
Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (1988). Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2006a).
2
Kapitel 1. Einleitung
des regulatorischen Kapitalbedarfs bei Basel I als pauschaler Prozentsatz des Forderungsbetrags im Ausfallzeitpunkt festgelegt wurde, orientiert sie sich unter Basel II an der Bonität der Schuldner, womit ein wesentlich risikosensitiverer Ansatz gegeben ist. Neben dem Kreditrisikostandardansatz besteht unter Basel II die Möglichkeit, die Eigenmittelanforderung anhand des IRB-Ansatzes zu bestimmen, welcher im Fokus der vorliegenden Arbeit steht. Bei diesem Ansatz wird die Höhe der regulatorischen Eigenmittelanforderung auf Basis der bankinternen Schätzungen für die Ausfallwahrscheinlichkeit der Schuldner ermittelt. Auf diese Weise soll eine noch risikoadäquatere Bemessung der Eigenmittelmindestausstattung ermöglicht werden. Jedoch kann aus der Existenz von Schätzfehlern in den bankinternen Ratings auch eine unangemessene Höhe für das regulatorische Kapital resultieren. Somit ist der Validierung der PD-Schätzmodelle im Rahmen der Zulassung zum IRB-Ansatz eine bedeutende Rolle beizumessen. Gegenstand dieser Arbeit ist die Analyse der Auswirkungen auf die Eigenmittelausstattung und die Ertragslage eines Kreditinstitutes, welche sich bei einer Abkehr von der Verwendung eines möglichst genauen Ratingverfahrens ergeben. Dabei besteht das Ziel der Untersuchung in der Beantwortung der Frage, ob trotz einer potenziell denkbaren Eigenmittelersparnis in der Gesamtsicht dennoch negative Konsequenzen für das Institut überwiegen, so dass eine hohe Güte des Ratingverfahrens schon alleine aus ökonomischen Gesichtspunkten im „ureigensten“ Interesse des Instituts liegt und somit ein autoregulierender Mechanismus gegeben ist. Eine wesentliche Voraussetzung zur Zulassung eines Modells im Rahmen des Baseler IRB-Ansatzes stellt eine im Durchschnitt korrekte Schätzung der PD dar, so dass wir unsere Analyse auf die Betrachtung von Ratingsystemen einschränken, die dieser Bedingung genügen. Die grundlegende Vorgehensweise der vorliegenden Arbeit besteht im Vergleich eines gegebenen Ratingsystems mit einem weiteren, welches aus dem ersten durch die Addition eines zufälligen und unkorrelierten Fehlerterms mit Erwartungswert null resultiert. Durch diese Vorgehensweise wird sichergestellt, dass die im Durchschnitt korrekte Prognose der PD erhalten bleibt, wobei gleichzeitig die Genauigkeit des Verfahrens herabgesetzt wird. Nach der Vorstellung der für diese Arbeit benötigten Grundlagen in Kapitel 2 untersuchen wir die Folgen einer Verwendung des ungenauen Ratingsystems hinsichtlich verschiedener Aspekte: In Kapitel 3 analysieren wir zunächst auf theoretischer Basis die Auswirkungen auf die regulatorische Eigenmittelanforderung, welche aus den Veränderungen der PD-Schätzer resultieren, und quantifizieren diese Auswirkungen
Kapitel 1. Einleitung
3
anschließend mit Hilfe von Monte-Carlo Simulationen. Im Anschluss daran gehen wir ebenfalls auf die Anforderungen an bankinterne Ratingverfahren im IRB-Ansatz ein und prüfen, inwiefern ein durch Addition des Fehlerterms modifiziertes Ratingverfahren diese Anforderungen erfüllen kann. Da die PD-Schätzungen, welche im Rahmen des Baseler IRB-Ansatzes zur Ermittlung des regulatorischen Kapitals verwendet werden, gemäß den Baseler Vorschriften ebenfalls eine entscheidende Rolle bei den internen Verfahren und Prozessen der Institute spielen müssen, untersuchen wir in Kapitel 4, welche Konsequenzen aus der Verwendung fehlerhafter PD-Schätzer bei der Konditionengestaltung der Kredite resultieren. Anhand eines Modells, in dem zwei im Wettbewerb zueinander stehende Kreditinstitute betrachtet werden, stellen wir über einen Preissetzungsmechanismus zunächst das Bindeglied zwischen bankinternen Ratings und Kreditkonditionen der Kreditinstitute her. Anschließend modellieren wir auf Basis eines Rationalitätskalküls das Entscheidungsverhalten der Kreditnehmer bzgl. der Wahl des Kreditangebots in Abhängigkeit von den ihnen angebotenen Kreditzinssätzen. Schließlich leiten wir sowohl theoretisch als auch mit Hilfe von Monte-Carlo Simulationen ab, welche Konsequenzen hinsichtlich des RAROCs für ein Kreditinstitut resultieren können, wenn es ein fehlerhaftes Ratingverfahren anstelle eines adäquaten Verfahrens verwendet. Nach einigen theoretischen Vorüberlegungen prüfen wir in Kapitel 5 mittels MonteCarlo Simulationen, wie sich die Addition des oben beschriebenen zufälligen Fehlerterms zu den bankinternen PD-Schätzungen auf die Ergebnisse der quantitativen Modellvalidierung auswirkt. Hierbei gehen wir auf die Aspekte der Kalibrierung und der Trennschärfe ein, deren Validierung seitens der Bankenaufsicht im Rahmen der Zulassung zum IRB-Ansatz vorgeschlagen wird. Abschließend werden in Kapitel 6 die gewonnenen Erkenntnisse resümiert und wir geben einen Ausblick auf weitere Forschungsfragen, welche sich aus der vorliegenden Untersuchung ableiten lassen.
Kapitel 2 Grundlagen
2.1
Regulatorisches Kapital für Kreditausfallrisiken gemäß Basel II
2.1.1
Historie und Grundkonzeption
Die vom 1974 gegründeten Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht veröffentlichte neue Rahmenrichtlinie zur angemessenen Eigenkapitalausstattung der Kreditinstitute,1 kurz Basel II, gilt als einer der wichtigsten Meilensteine in der Geschichte der Bankenaufsicht. Basel II ist Nachfolger des 1988 veröffentlichten Regelwerks Basel I (Basel Committee on Banking Supervision (1988)). Nach der Veröffentlichung eines Marktrisikopapiers im Jahr 1996 und einer mehrjährigen Konsultationsphase sowie der Auswertung mehrerer quantitativer Auswirkungsstudien wurde die neue Rahmenrichtlinie formuliert. Die aktuelle Fassung von Basel II ist Anfang 2007 in Kraft getreten und sollte ursprünglich ab 2007 für alle Kreditinstitute in der EU und den USA verbindlich gelten; während dies in Europa stufenweise seit 2007 umgesetzt wird, verzögert sich die Umsetzung in den USA.2 Die europäische Konkretisierung von Basel II findet sich in der Capital Requirements Directive (CRD); in Deutschland erfolgte die Umsetzung durch das Kreditwesengesetz (KWG), die Mindestan-
1 2
Basel Committee on Banking Supervision (2006a). Vgl. o.V. (2006), Drost und Potthoff (2007), United States Government Accountability Office (2007), S. 86 f.
6
Kapitel 2. Grundlagen
forderungen an das Risikomanagement (MaRisk) und die Solvabilitätsverordnung (SolvV).3 Zielsetzung der neuen Eigenkapitalvereinbarung ist dabei neben dem Gläubigerschutz vor allem die Gewährleistung der Stabilität des Bankensystems, dem eine entscheidende Stellung in einer Volkswirtschaft zugesprochen wird.4 Zur Erreichung dieses Ziels werden bei Basel II Anforderungen bzgl. der Mindestausstattung an Eigenmitteln (Säule 1), Grundsätze bzgl. der aufsichtlichen Überprüfung (Säule 2) und Offenlegungsvorschriften für Kreditinstitute (Säule 3) formuliert. Relevant für die Untersuchungen in dieser Arbeit sind hauptsächlich die Inhalte der ersten Säule, weshalb wir auf diese kurz eingehen wollen. In Säule 1 wird von den Kreditinstituten gefordert, dass sie einen bestimmten, nach aufsichtlichen Vorgaben zu ermittelnden Mindestbetrag an Eigenkapital als Risikopuffer für die unerwarteten Verluste aus ihren Geschäften vorhalten. Dieser Min3
4
Die CRD umfasst die Richtlinien 2006/48/EG (Abl. L 117/1) und 2006/49/EG (Abl. L 117/201) vom 14. Juni 2006. Zur Umsetzung von Basel II auf europäischer und deutscher Ebene siehe Fischer (2007), S. 1-8. Für einen Überblick zur Theorie der Bankenregulierung vgl. Bhattacharya et al. (1998), Santos (2000) und VanHoose (2007). Letztere gehen dabei insbesondere auf die Auswirkungen der Baseler Rahmenwerke ein. Die Notwendigkeit der Stützung der Systemstabilität wird dadurch begründet, dass das Bankensystem aufgrund von Domino- und Contagioneffekten zur Instabilität neigt. Dabei bezeichnet der Dominoeffekt das Phänomen, dass Insolvenzen von Kreditinstituten aufgrund von gegenseitigen Finanzierungsabhängigkeiten auch Insolvenzen weiterer Kreditinstitute auslösen können. Contagion bezeichnet allgemein die „Ansteckung“ weiterer Firmen (auch branchenübergreifend) beim Auftreten von finanziellen Schwierigkeiten (vgl. z.B. Hartmann-Wendels et al. (2007), S. 358 f., und Kaufman (1994). Aktuelles und zugleich brisantes Beispiel für diese Effekte ist die Subprime-Krise, welche sich seit dem Sommer 2007 zu einer weltweiten Krise des Finanzsystems entwickelt hat. Hierbei wurden auch zahlreiche deutsche Banken durch Schieflagen von US-amerikanischen Kreditinstituten und die Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers Inc. im September 2008 in Mitleidenschaft gezogen. Die durch die Krise verursachten Turbulenzen an den Kapitalmärkten und die resultierenden Liquiditätsprobleme vieler Banken und Unternehmen sowie ein erhöhter Wertberichtigungsbedarf der Kreditinstitute führten sogar dazu, dass in der Bundesrepublik Deutschland im Oktober 2008 eigens der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (kurz SoFFin) ins Leben gerufen wurde, der die Folgen der Krise mit Hilfe von staatlichen Garantien in Milliardenhöhe und anderen finanziellen Hilfen abmildern soll. Um den angeschlagenen deutschen Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate zu retten, wird seitens der Bundesregierung bis heute eine Verstaatlichung dieses Instituts in Erwägung gezogen. Die Krise, welche im Finanzsektor entstand, hat sich (mit Verzögerung) auch auf andere Bereiche der Ökonomie ausgeweitet; welche Folgen sie in Zukunft für die (Welt-)Wirtschaft noch haben wird, ist bis heute nicht abzusehen.
2.1. Regulatorisches Kapital für Kreditausfallrisiken gemäß Basel II
7
destbetrag wird als regulatorisches Kapital bezeichnet und soll einer Insolvenz der Institute vorbeugen. Als ökonomisches Kapital wird hingegen derjenige Betrag an Eigenkapital bezeichnet, welchen ein Institut aus eigenem Interesse für die Absicherung der unerwarteten Verluste vorhält. Dieses kann dabei neben dem Auffangen von unerwarteten Verlusten z.B. der Erreichung eines angestrebten Ratings dienen und unterscheidet sich in seiner Höhe i.A. vom regulatorischen Kapital.5 Der Begriff des Eigenkapitals existiert in verschiedenen Ausgestaltungen – man unterscheidet zwischen regulatorischem, ökonomischem und bilanziellem Eigenkapital.6 Daher geben wir zunächst eine Begriffspräzisierung für die nachfolgenden Ausführungen an: Vereinbarung 2.1 (Eigenkapital und Eigenmittel). Die Bezeichnungen „Eigenkapital“ und „Eigenmittel“ beziehen sich im Folgenden stets auf den regulatorischen Begriff des Eigenkapitals. Dabei wird nicht zwischen Kernkapital, Ergänzungskapital und Drittrangmitteln unterschieden.7
Da wir im Folgenden ausschließlich Kreditrisiken betrachten werden, stellen wir nun kurz die beiden Ansätze vor, welche gemäß Basel II zur Bestimmung des regulatorischen Kapitals verwendet werden können: den Standardansatz und den IRB-Ansatz, wobei letzterer in zwei Ausgestaltungen existiert.
2.1.2
Baseler Ansätze zur Bestimmung des regulatorischen Kapitals
2.1.2.1
Vorbemerkungen
Bzgl. der Eigenmittelunterlegung von Kreditausfallrisiken liegt die entscheidende Veränderung bei Basel II gegenüber Basel I in der risikosensitiven Ermittlung des 5 6 7
Zu den Begriffen regulatorisches und ökonomisches Kapital vgl. z.B. Elizalde und Repullo (2006). Vgl. z.B. Hartmann-Wendels et al. (2007), S. 347 ff. Zu den Begriffen Kern- und Ergänzungskapital sowie Drittrangmitteln vgl. § 10 KWG.
8
Kapitel 2. Grundlagen
regulatorischen Kapitals: Die Eigenmittelanforderung bei Basel I war nur von der Forderungsklasse des Schuldners abhängig – so musste für Forderungen gegenüber Unternehmen 8 % des ausfallbedrohten Betrags vorgehalten werden, für Staaten, Kreditinstitute bzw. für Hypothekenkredite wurden diese 8 % noch durch Multiplikation mit einem Gewicht von 0 %, 20 % bzw. 50 % vermindert. Demgegenüber orientieren sich die Regelungen bei Basel II zusätzlich an der individuellen Bonität der Schuldner. Damit soll eine angemessenere Eigenmittelausstattung im Sinne einer Annäherung des regulatorischen an das ökonomische Kapital8 gewährleistet werden und ebenfalls Regulierungsarbitragemöglichkeiten verringert werden, wie sie bei Basel I z.B. mit Hilfe von Verbriefungstransaktionen noch gegeben waren.9 Bei Basel II existieren dazu zwei Ansätze für die Ermittlung des regulatorischen Kapitals: Der Kreditrisikostandardansatz (KSA) und der auf internen Ratings basierende Ansatz (Internal Ratings Based Approach, kurz IRB-Ansatz), bei dem wiederum zwischen einer Basis- (Foundation IRB, kurz FIRB) und einer fortgeschrittenen Variante (Advanced IRB, kurz AIRB) unterschieden wird. Dabei nimmt die Komplexität der Risikomessung vom KSA über den Basis-IRB-Ansatz zum fortgeschrittenen IRB-Ansatz hin zu. Kreditinstitute haben zwar die Wahl zwischen diesen Ansätzen, die Verwendung des IRB-Ansatzes muss jedoch von der Aufsicht zugelassen werden, da hierbei umfangreiche Anforderungen an die internen Prozesse und Modelle formuliert werden. Weiterhin hat die Aufsicht Anreize für die Verwendung eines möglichst fortgeschrittenen Ansatzes gesetzt, um eine adäquate Risikomessung zu fördern. So verspricht Basel II, die Anwendung der fortgeschritteneren Methoden mit einer geringeren Eigenmittelanforderung zu „belohnen“.10 Wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen Standard- und IRB-Ansatz ist die Herkunft der Bonitätseinschätzungen der Schuldner: Während die Bonitäten im Kreditrisikostandardansatz über das externe Rating in die Höhe der Eigenmittelanforderung einfließen, werden im IRB-Ansatz die bankinternen Bonitätseinschätzungen verwendet. 8
9 10
Vgl. z.B. Carey (2001), S. 1. Allerdings bleibt das ökonomische Kapital eine institutsspezifische Größe, da beispielsweise die Risikotoleranz oder das angestrebte Rating nicht bei allen Kreditinstituten gleich sind. Bzgl. einer Diskussion der Ausnutzungsmöglichkeiten von Regulierungsarbitrage vgl. z.B. Jones (2000), Ong (1999), S. 21 ff., oder Broeker (2000), S. 378 f. Die Ergebnisse der fünften Auswirkungsstudie (Quantitative Impact Study 5, kurz QIS 5) bestätigen dies sowohl auf europäischer Ebene als auch für Deutschland, vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2006b) und Deutsche Bundesbank (2006). Kupiec (2007) weist dies ebenfalls empirisch für den FIRB- und AIRBAnsatz nach.
2.1. Regulatorisches Kapital für Kreditausfallrisiken gemäß Basel II 2.1.2.2
9
Kreditrisikostandardansatz
Im Kreditrisikostandardansatz berechnet sich die regulatorische Kapitalanforderung (Capital Requirements) CRj eines Kredites j gemäß CRj = 8 % · GFj · EADj .
(2-1)
Hierbei bezeichnet GFj den vom externen Rating11 abhängigen Gewichtungsfaktor und EADj das Exposure at Default des Kredites, d.h. die Forderungshöhe im Ausfallzeitpunkt. Bemerkung 2.2. In Formel (2-1) haben wir für GFj bewusst die Bezeichnung „Gewichtungsfaktor“ gewählt. Zwar wird hierfür in der neuen Rahmenrichtlinie der Begriff „Risikogewicht“ verwendet, dieser ist in der Literatur allerdings im Zusammenhang mit dem IRB-Ansatz auch für das entsprechende Pendant zum gesamten Term 8 % · GFj gebräuchlich.12 In unserer Arbeit werden wir die Bezeichnung „Risikogewicht“ wie im letztgenannten Sinn verwenden, da uns diese Begriffsverwendung intuitiver erscheint.
Der Gewichtungsfaktor wird sowohl anhand des externen Ratings des Schuldners als auch anhand seiner Forderungsklasse festgelegt. Die Unterscheidung nach Forderungsklassen fand bereits bei Basel I statt, anstelle der dort verwendeten vier Forderungsklassen wird bei Basel II jedoch eine feinere Einteilung vorgenommen: Für Schuldner der drei Forderungsklassen (1) Staaten und Zentralbanken (2) Banken, Wertpapierfirmen und sonstige öffentliche Stellen (3) Unternehmen (Nichtbanken) 11
12
Die Ratings müssen von einer durch die nationalen Aufsichtsinstanzen anerkannten Agentur stammen, vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2006a), Tz. 90 f. Vgl. z.B. Hartmann-Wendels et al. (2007), S. 552, Jacobson et al. (2006). Das Analogon zum Term 8 % · GFj wird bei Basel II „Eigenmittelanforderung“ genannt. Dieser Ausdruck scheint uns allerdings geeigneter für die absolute Höhe des regulatorischen Kapitals zu sein. Daher weichen wir auch hier von der Baseler Bezeichnung ab und verwenden die Begriffe „Eigenmittelanforderung„ und „regulatorisches Kapital“ synonym.
10
Kapitel 2. Grundlagen
ergeben sich (etwas vereinfachend dargestellt)13 die in Tab. 2-1 dargestellten ratingabhängigen Gewichtungsfaktoren.14
Externes Rating AAA bis AAA+ bis ABBB+ bis BBBBB+ bis BBB+ bis BUnterhalb BOhne Rating
Gewichtungsfaktor Staaten und Kreditinstitute Nichtbanken Zentralbanken 0% 20 % 20 % 20 % 50 % 50 % 50 % 100 % 100 % 100 % 150 % 150 % 150 % 100 % 100 % 100 %
Tabelle 2-1: Gewichtungsfaktoren der Forderungsklassen (1) bis (3) im Standardansatz. (In Anlehnung an: Hartmann-Wendels et al. (2007), Tab. K5-6.)
So ist z.B. der Gewichtungsfaktor für Forderungen gegenüber Staaten und Zentralbanken stets kleiner oder gleich demjenigen für Forderungen gegenüber NichtbankUnternehmen (in den Klassen AAA bis BBB- sogar echt kleiner).
13 14
Für Details vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2006a), Tz. 53 ff. Für Forderungen gegenüber Banken gibt es ebenfalls ein hiervon abweichendes Schema zur Zuordnung der Gewichtungsfaktoren, vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2006a), Tz. 60-63. Dieses kommt in der Umsetzung von Basel II in der Solvabilitätsverordnung (SolvV) in Deutschland jedoch nicht zum Tragen, vgl. § 31 SolvV, weshalb wir hier auf die entsprechende Darstellung verzichten. Mit Blick auf den Gewichtungsfaktor von 100 % für nicht geratete Unternehmen erweist sich etwaige Kritik, Basel II würde kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) schaden, da sie aufgrund ihrer oftmals nicht guten Bonität nun höhere Gewichtungsfaktoren und damit aufgrund der gestiegenen Eigenkapitalkosten der Kreditgeber ebenfalls höhere Kreditzinsen zu zahlen hätten, als unbegründet, da nur sehr wenige KMU über ein externes Rating verfügen. Allerdings entstehen nun im Gegensatz zu Basel I folgende Anreizeffekte: Unternehmen, die ihre eigene Bonität als schlecht einschätzen, werden sich nicht extern raten lassen, da sie sonst evtl. höhere Kreditzinsen zahlen müssten. Unternehmen hingegen, welche ihre Bonität als gut einschätzen, haben nun einen Anreiz, sich raten zu lassen, da sie hierdurch geringere Kreditzinssätze erreichen könnten (dem sind allerdings die Kosten eines externen Ratings gegenüberzustellen). Somit kann das Fehlen eines externen Ratings nun ein Signal für eine schlechte Bonität des Unternehmens sein, was zu einem „Ratingdruck“ führen kann.
2.1. Regulatorisches Kapital für Kreditausfallrisiken gemäß Basel II
11
Für die weiteren Forderungsklassen (4) Retail Portfolio (5) Hypothekarkredite (6) Eigenkapitalanteile an anderen Unternehmen (7) Forderungen mit mehr als 90 Tagen Verzug (8) andere Bilanzaktiva, soweit nicht zum Handelsbuch gehörend
ist der Gewichtungsfaktor GFj unabhängig vom Rating, vgl. Tab. 2-2.
Forderungsklasse Retail Portfolio Wohnimmobilien Gewerbliche Immobilien Eigenkapitalanteile an anderen Unternehmen Forderungen mehr als 90 Tage im Verzug Andere Bilanzaktiva, soweit nicht zum Handelsbuch gehörend Hypothekarkredite
GF 75 % 35 % 50 % 100 % 150 % 100 %
Tabelle 2-2: Gewichtungsfaktoren der Forderungsklassen (4) bis (8) im Standardansatz. (In Anlehnung an: Hartmann-Wendels et al. (2007), Tab. K5-7.)
Für Forderungen gegenüber Nichtbanken beispielsweise ergeben sich statt der bei Basel I noch pauschalen 8 % des EAD nun – je nach externem Rating des Schuldners – Werte zwischen 1,6 % und 12 % des EAD als Eigenmittelanforderung.15
2.1.2.3
2.1.2.3.1
IRB-Ansatz
Modell
Grundidee des IRB-Ansatzes ist die Ermittlung eines Kapitalbetrags, der von den unerwarteten Verlusten aus dem Kreditportfolio bei einem einjährigen Zeithorizont
15
Zum Begriff „Eigenmittelanforderung“ vgl. Bemerkung 2.2 und insbesondere Fußnote 12.
12
Kapitel 2. Grundlagen
nur mit einer Wahrscheinlichkeit von höchstens 0,1 % überschritten wird. Diese Zielsetzung entspricht somit der Bestimmung des Value at Risk (VaR) der Portfolioverlustverteilung zum Niveau 99,9 %.16 Dabei wird eine Lösung gesucht, bei der sich der Gesamt-VaR additiv aus den VaR-Beiträgen der einzelnen Kredite zusammensetzt, d.h. der Risikobeitrag eines einzelnen Kredites portfolioinvariant ist, vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2005a). Vorteil einer solchen Lösung ist die vergleichsweise leichte Umsetzbarkeit in Kreditinstituten, bei der man ohne die schwierige Bestimmung der Korrelationen der einzelnen Ausfälle auskommt.17 Jedoch geht dies zu Lasten der ökonomischen Exaktheit der Lösung, da man es in der Praxis mit der Existenz von Korrelationsstrukturen zu tun hat.18 Gordy (2000b) und Vasicek (2002) haben gezeigt, dass sich ein portfolioinvarianter VaR unter der Annahme einer unendlichen Granularität aus einem Einfaktormodell ableiten lässt. Das Modell, das der IRB-Formel zugrunde liegt, basiert auf Vasicek (1987) und stellt eine Pure-Default-Modell Variante von Credit Metrics T M dar.19 Dabei wird die Ursache der Kreditausfälle auf Basis von Unternehmenswertän-
16 17
18
19
Bzgl. Definition, Eigenschaften und Berechnungsmöglichkeiten des Value at Risk vgl. Jorion (2006). Die Bestimmung der Korrelationen zwischen den Kreditereignissen stellt in der Praxis eine sehr komplexe und schwierige Aufgabe dar: Zum einen zeigen die Verteilungsränder (Tails) eine hohe Sensitivität gegenüber Variationen der Inputparameter zur Bestimmung der Ausfallkorrelationen (vgl. z.B. Gordy (2000a)), zum anderen ist die Datengrundlage zur Parametrisierung (insbesondere hinsichtlich der so genannten Fat-Tail Problematik ) und Validierung der Modelle noch unzureichend, vgl. z.B. Federal Reserve System Task Force on Internal Credit Risk Models (1998), S. 40 ff. Dies ist auch einer der Gründe, weshalb interne Kreditportfoliomodelle bei Basel II nicht zur Ermittlung des regulatorischen Kapitals zugelassen werden, vgl. Basel Committee on Banking Supervision (1999), Pluto (2002), S. 315 ff., Hofmann und Pluto (2005), S. 263 ff. Unter bestimmten Annahmen stimmt die portfolioinvariante Lösung mit der mathematisch korrekten überein, vgl. dazu die folgenden Ausführungen. Diese Annahmen sind jedoch sehr restriktiv und in der Praxis allenfalls annähernd erfüllt. Vgl. Baule (2004), S. 30-32, insbesondere Fußnote 22. Pure-Default-Modelle modellieren für jeden Kreditnehmer nur die Zustände „ausgefallen“ und „nicht ausgefallen“. Im Unterschied dazu berücksichtigen Mark-to-Market-Modelle auch die Bonitätszustände der Kreditnehmer.
2.1. Regulatorisches Kapital für Kreditausfallrisiken gemäß Basel II
13
derungen explizit modelliert.20 Die daraus resultierende Herleitung der IRB-Formel wollen wir nun darstellen.21 Die 1-Jahres-Unternehmensrendite Rendj von Kreditnehmer j wird im IRB-Modell durch einen systematischen Faktor Ysys und einen idiosynkratischen Faktor j beschrieben. Der systematische Faktor kann dabei als makroökonomischer Einflussfaktor (z.B. Konjunkturlage) interpretiert werden und der idiosynkratische Faktor als unternehmensspezifische Einflussgröße. Ysys und j haben durch die konstanten Gewichte ω und ϕj Einfluss auf die Unternehmensrendite:22 Rendj = ϕj · j − ω · Ysys .
(2-2)
Dabei wird angenommen, dass ω für alle Kreditnehmer identisch ist und die folgenden Verteilungsannahmen gelten (N bezeichne die Normalverteilung):23 j ∼ N (0, 1),
(2-3)
Ysys ∼ N (0, σY ) mit σY > 0,
(2-4)
Cov(j , k ) = 0 für j = k,
(2-5)
Cov(j , Ysys ) = 0 für alle j.
(2-6)
Hieraus ergibt sich sofort die Normalverteilung von Rendj mit Erwartungswert 0 und Varianz σj2
:=
V ar(ϕj · j − ω · Ysys )
(2-7)
=
V ar(ϕj · j ) + V ar(ω · Ysys )
(2-8)
=
ϕ2j
(2-9)
unkorr.
20
21 22
23
2
·1 + ω ·
σY2
.
Es handelt sich somit um ein Asset-Value-Modell. Im Unterschied dazu wird bei Intensitäts-Modellen nicht die Ursache der Kreditausfälle modelliert, sondern es werden die Ausfallereignisse durch einen eigenen Prozess beschrieben. Vgl. z.B. Hartmann-Wendels et al. (2007), S. 555-560. √ √ In vielen Darstellungen findet sich die konkrete Wahl von ϕj = 1 − ρ und ω = ρ mit einem Korrelationskoeffizienten ρ, woraus für die Korrelation ρj,k zwischen Rendj und Rendk für j = k die Beziehung ρj,k = ρ folgt, vgl. z.B. Vasicek (1987), S. 2, Baule (2004), S. 30 ff., Bluhm et al. (2003), S. 83 f., Finger (2001), S. 10 ff., Vasicek (2002), S. 1 ff. Die Gleichheit der Korrelationen ergibt sich in der hier dargestellten Herleitung infolge der Annahme der Gleichheit (2-10), vgl. die Formeln (2-11) bis (2-16). Die Annahmen der Normalverteilungen wurden dabei mit Blick auf die Modelle von Merton (1974) und Vasicek (1987) getroffen, vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2005a), S. 6.
14
Kapitel 2. Grundlagen
Um die Renditeverteilungen zu standardisieren, d.h. zur Erreichung von Rendj ∼ N (0, 1) für alle j, nimmt man nun an, dass σj2 = ϕ2j · 1 + ω 2 · σY2 = 1
(2-10)
für alle Kreditnehmer j gilt, woraus schon die von der Abhängigkeit vom systematischen Faktor bestimmte Gleichheit der Korrelationen ρj,k zwischen Rendj und Rendk für j = k folgt: Cov(Rendj , Rendk ) σj · σk
(2-11)
Cov(ϕj · j − ω · Ysys , ϕk · k − ω · Ysys ) 1
(2-12)
= Cov(ϕj · j , ϕk · k ) − Cov(ω · Ysys , ϕk · k )
(2-13)
ρj,k := =
=0,
=0,
da unkorr.
da unkorr.
− Cov(ϕj · j , ω · Ysys ) + Cov(ω · Ysys , ω · Ysys ) =0,
(2-14)
da unkorr.
2
= ω · Cov(Ysys , Ysys )
(2-15)
= ω 2 · σY2 =: ρ.
(2-16)
Hiermit ergibt sich für alle j ebenfalls die Gleichheit der Gewichte ϕj = =
1 − ω 2 · σY2
(2-17)
1 − ρ =: ϕ.
(2-18)
Es wird nun angenommen, dass die Insolvenz von Kreditnehmer j genau dann eintritt, wenn die Rendite Rendj einen kritischen Wert Dj erreicht oder unterschreitet. Für die 1-Jahres-Ausfallwahrscheinlichkeit P Dj (Probability of Default, kurz PD) des Kreditnehmers gilt wegen Rendj ∼ N (0, 1) somit P Dj = P (Rendj ≤ Dj ) = Φ(Dj ),
(2-19)
2.1. Regulatorisches Kapital für Kreditausfallrisiken gemäß Basel II
15
wobei Φ die Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung bezeichne. Ist ysys eine Realisierung von Ysys , so lässt sich nicht nur obige unbedingte PD, sondern auch die auf ysys bedingte 1-Jahres-Ausfallwahrscheinlichkeit P Dj (ysys ) ermitteln: P Dj (ysys ) = P (ϕ · j − ω · ysys ≤ Dj )
(2-20)
Dj + ω · ysys = P j ≤ ϕ
D + ω · y j sys . = Φ ϕ
(2-21) (2-22)
√ Wegen ω · σY = ρ (vgl. Formel (2-16)) und Dj = Φ−1 (P Dj ) (vgl. Formel (2-19)) lässt sich dies schreiben als
Φ−1 (P Dj ) + √ρ · √ P Dj (ysys ) = Φ 1−ρ
ysys σY
.
(2-23)
Doch was nützt die Kenntnis dieser bedingten PD bei der Ableitung des Value at Risk? Die Antwort auf diese Frage liegt in der Interpretationsmöglichkeit dieser bedingten 1-Jahres-Ausfallwahrscheinlichkeit als VaR pro Einheit LGD und pro Einheit EAD mit Horizont 1 Jahr unter der Annahme der vollständigen Granularität des Portfolios. Dabei bezeichnet LGD den Loss given Default des Kredites, d.h. die Verlustquote bei Ausfall. Dieser Zusammenhang ist entscheidend für die Herleitung der IRB-Formel und beruht auf folgender Erkenntnis: Besteht das Kreditportfolio aus n Krediten mit jeweiligem Loss given Default LGDj und bezeichnet yϑ das ϑQuantil der Verteilung von Ysys , d.h. diejenige Realisierung von Ysys , welche nur mit der Wahrscheinlichkeit (1 − ϑ) überschritten wird, und E(LGDj |Ysys = yϑ ) den erwarteten Verlust des Kredites j pro Einheit EADj unter der Bedingung, dass yϑ eintritt, so gilt im oben vorgestellten Einfaktormodell folgende Grenzwertaussage:24
lim P LGDj ≤ E(LGDj |Ysys = yϑ ) = ϑ.
n→∞
(2-24)
Stellt yϑ also eine Realisierung von Ysys dar, welche so ungünstig ist, dass sie nur mit einer Wahrscheinlichkeit von (1 − ϑ) übertroffen wird, so ist E(LGDj |Ysys = yϑ ) gerade der bedingte erwartete Verlust pro Einheit EADj bei Eintritt dieser Kon-
24
Vgl. Gordy (2000b), Proposition 2. Unsere Darstellung lehnt sich an HartmannWendels et al. (2007), S. 557 ff., an.
16
Kapitel 2. Grundlagen
junkturlage.25 Die Grenzwertaussage (2-24) besagt nun, dass der Verlust pro Einheit EADj diesen Wert für eine unendlich hohe Anzahl an Krediten nur mit der Wahrscheinlichkeit ϑ überschreitet. Somit kann E(LGDj |Ysys = yϑ ) für eine große Anzahl n an Krediten approximativ als VaR des Verlusts pro Einheit EADj zum Niveau ϑ interpretiert werden.26 Unter der Annahme der unendlichen Granularität ergibt sich E(LGDj |Ysys = yϑ ) = LGDj · P Dj (yϑ ),
(2-25)
womit sich die bedingte Wahrscheinlichkeit P Dj (yϑ ) in diesem Fall als VaR zum Niveau ϑ pro Einheit EADj und pro Einheit LGDj interpretieren lässt.27 Dabei ergibt sich für das ϑ-Quantil yϑ von Ysys P (Ysys ≤ yϑ ) = ϑ
Y y sys ⇐⇒ P = ϑ, ≤ ϑ σY σY d.h.
yϑ σY
ist das ϑ-Quantil von
gilt daher
yϑ σY
−1
Ysys . σY
(2-26) (2-27)
Aufgrund der Standardnormalverteilung von
Ysys σY
= Φ (ϑ).
Für den IRB-Ansatz wird nun vom Baseler Ausschuss das Konfidenzniveau ϑ =99,9 % vorgegeben. Damit erhalten wir aus (2-23) schließlich
Φ−1 (P D ) + √ρ · Φ−1 (0, 999) j √ P Dj (y0,999 ) = Φ 1−ρ
(2-28)
für den VaR zum Niveau 99,9 % pro Einheit LGDj und pro Einheit EADj . Es wird angenommen, dass der erwartete Verlust (Expected Loss, EL), welcher sich für Kredit j aus den Größen LGDj , EADj und P Dj gemäß ELj = P Dj · LGDj · EADj ergibt, bereits in Form von Wertberichtigungen die Ist-Eigenmittel vermin25
26 27
Aufgrund der Symmetrie der Verteilung von Ysys um 0 spielt es hierbei mathematisch keine Rolle, ob hohe Werte von Ysys für eine gute Konjunktur sprechen oder ob gerade niedrige Werte für eine gute Konjunktur sprechen, da sich diese Zufallsgröße mit umgekehrtem Vorzeichen entsprechend umdefinieren lässt. Im Folgenden interpretieren wir hohe Werte von Ysys ohne Einschränkung als schlechte Konjunkturlage. Daher stellt das IRB-Modell ein so genanntes Asymptotic Single Risk Factor -Modell dar, vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2005a). Vgl. hierzu auch Gürtler (2002), S. 451, dessen Ausführungen sich auch auf die aktuelle Fassung der IRB-Formel übertragen lassen.
2.1. Regulatorisches Kapital für Kreditausfallrisiken gemäß Basel II
17
dert hat. Da das regulatorische Kapital nur zur Abfederung der unerwarteten Verluste dient, ist hierfür folglich nicht der VaR mit Referenzwert 0, sondern mit Referenzwert ELj zu verwenden, d.h. es wird nur derjenige Betrag als regulatorisches Kapital angesetzt, welcher über den erwarteten Verlust hinausgeht. Daher ergibt sich insgesamt für die Eigenmittelanforderung CRj für den Kredit j:
Φ−1 (P D ) + √ρ · Φ−1 (0, 999) j √ − ELj (2-29) CRj = EADj · LGDj · Φ 1−ρ √ Φ−1 (P D ) + ρ · Φ−1 (0, 999) j √ − P Dj . (2-30) = EADj · LGDj · Φ 1−ρ =:Kj
Den Term Kj werden wir im Folgenden als (IRB-)Risikogewicht bezeichnen.28 Aufgrund der angenommenen Gleichheit aller Korrelationen ist das regulatorische Kapital für Kredit j nun unabhängig von den restlichen Unternehmensrenditen im Kreditportfolio. Daher ist die hergeleitete Lösung tatsächlich portfolioinvariant. Die Höhe der Eigenmittelanforderung des Gesamtportfolios ergibt sich folglich einfach als Summe der einzelnen Eigenmittelanforderungen.
2.1.2.3.2
Kalibrierung
Zur konkreten Berechnung der Eigenmittelanforderung CRj für Kredit j sind die Werte EADj , LGDj , P Dj und ρ zu ermitteln. Hierbei gibt die Aufsicht z.T. feste Parameter vor, z.T. sind sie institutsintern zu schätzen, wobei von der Aufsicht diesbezüglich einzuhaltende Vorgaben formuliert werden. Die Parameter P Dj und EADj sind vom Institut selbst zu schätzen bzw. auf Basis aufsichtlicher Vorgaben zu ermitteln. Der LGDj hingegen darf nur im AIRB vom Institut ermittelt werden; im FIRB wird hierfür der Wert LGDj = 45 % für alle j vorgegeben. Der Parametrisierung des Korrelationskoeffizienten ρ, welcher durch die gemeinsame Abhängigkeit der Kreditnehmer vom systematischen Faktor bestimmt wird, ist von der Aufsicht vorgegeben. Dieser Parameter wird allerdings – anders, 28
Dieser Begriff wird von uns bewusst abweichend von der Bezeichnung „Risikogewicht“ im Originaltext der neuen Rahmenvereinbarung verwendet. Zur uneinheitlichen Verwendung des Begriffs „Risikogewicht“ in der Literatur vgl. Bemerkung 2.2 und insbesondere Fußnote 12.
18
Kapitel 2. Grundlagen
als es in dem unterstellten Einfaktormodell aus Formel (2-10) folgen würde – nicht als konstant angenommen, sondern kreditnehmerspezifisch angepasst. Statt ρ wird daher in Formel (2-30) die Korrelation ρj (P Dj ) verwendet, die neben der Ausfallwahrscheinlichkeit ebenfalls von der Forderungsklasse des Kredites j abhängt. Damit soll der Intuition Rechnung getragen werden, dass erstens verschiedene Schuldner in einer Forderungsklasse und zweitens unterschiedliche Schuldner in verschiedenen Forderungsklassen unterschiedlich stark von systematischen Einflussfaktoren abhängig sind.29 Durch die Kalibrierung dieser Korrelationswerte wird bei Basel II ebenfalls eine konservative Schätzung bezweckt, welche andere kritische Modellannahmen kompensiert, wie z.B. die Annahme konstanter, deterministischer LGDs sowie die Annahme einer unendlichen Granularität.30 Die Korrelation wird dabei als antiton31 in der PD des Schuldners modelliert, womit für größere PDs eine geringere Abhängigkeit vom systematischen Faktor unterstellt wird.32 Weiterhin wird für Unternehmen ein Größenfaktor Sj (Size) eingeführt, der für größere Unternehmen eine stärkere Korrelation modellieren soll.33 Da bei der Herleitung der IRB-Formel ein 1-Jahres-Zeithorizont unterstellt wurde, die Forderungen in den Kreditportfolios der Institute in der Praxis jedoch meist eine längere Laufzeit aufweisen, wird das Risikogewicht zusätzlich mit einem Laufzeitanpassungsfaktor skaliert, bei dem die effektive Restlaufzeit Mj (Maturity) im FIRB auf 2,5 Jahre gesetzt wird. Im AIRB hingegen ist die Parametrisierung der Restlaufzeit unter Einhaltung gewisser Vorgaben bzgl. der Methodik vom Institut selbst vorzunehmen. Zur Ableitung der Laufzeitanpassung in der IRB-Formel wurden mit Hilfe eines zu KMV Portfolio ManagerTM ähnlichen Kreditportfoliomodells für verschiedene Laufzeiten die entsprechenden VaR-Werte berechnet. Die Gestalt der Laufzeitanpassung wurde anschließend anhand eines Regressionsmodells unter der Einhaltung gewisser Nebenbedingungen (u.a. positive Linearität in der Maturity Mj ) aus diesen VaR-Werten ermittelt.34
29 30 31 32 33 34
Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2005a), S. 8. Vgl. Hamerle et al. (2004), S. 43. Hier und im Folgenden wird eine monoton fallende Abbildung als antiton und eine monoton steigende Abbildung als isoton bezeichnet. Dies wird von Lopez (2004) zwar empirisch bestätigt; zu gegenteiligen Erkenntnissen kommen jedoch Dietsch und Petey (2004). Dies wird von Lopez (2004) empirisch bestätigt. Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2005a). S. 9 ff.
2.1. Regulatorisches Kapital für Kreditausfallrisiken gemäß Basel II
19
Insgesamt hat die Aufsicht die oben beschriebenen Anpassungen der Formel (2-30) durch folgende Gestalt für das Risikogewicht Kj umgesetzt:35 Φ−1 (P D ) + ρ (P D ) · Φ−1 (0, 999) j j j Φ − P Dj 1 − ρj (P Dj ) 1 · [1 + (Mj − 2, 5) · b(P Dj )], (2-31) · 1 − 1, 5 · b(P Dj )
Kj := LGDj ·
=1 nur im AIRB
wobei b(P Dj ) den Laufzeitanpassungsfaktor und Mj die Restlaufzeit bezeichne. Für Forderungen gegenüber Staaten, Kreditinstituten und Unternehmen wird der Korrelationskoeffizient ρj (P Dj ) als ρj (P Dj ) =
1 − exp(−50 · P Dj ) 1 − exp(−50 · P Dj ) + 0, 24 · 1 − 1 − exp(−50) 1 − exp(−50)
Sj − 5 − 0, 04 · 1 − (2-32) 45 0, 12 ·
nur für Unternehmen
definiert, wobei Sj den Jahresumsatz in Mio. e bezeichnet (5 ≤ Sj ≤ 50). Für Kredite des Retail-Portfolios wird hingegen ⎧ ⎪ 0,15 Hypothekenkredite, ⎪ ⎨ (2-33) ρj (P Dj )= 0,4 revolvierende Kredite,
⎪ ⎪ ⎩0,03·1−exp(−35·P Dj ) +0,16· 1− 1−exp(−35·P Dj ) sonstige Kredite 1−exp(−35)
1−exp(−35)
gesetzt. Der Laufzeitanpassungsfaktor b(P Dj ) ist für alle Forderungsklassen definiert als b(P Dj ) = [0, 11852 − 0, 05478 · ln(P Dj )]2 und die Restlaufzeit als 2,5 Mj = max{1; min{ t t ·
35
Basis-IRB-Ansatz, CF j,t ; 5}} t CFj,t
fortgeschrittener IRB-Ansatz,
Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2006a), Tz. 271-330.
(2-34)
(2-35)
20
Kapitel 2. Grundlagen 25%
Sj = 50 Sj = 30 Sj = 10
20%
Kj(PDj)
15%
10%
5%
0% 0%
5%
10%
15%
20%
25%
30%
PDj
Abbildung 2.1: IRB-Risikogewicht für Kredite an Unternehmen unterschiedlicher Größe Sj = 50, 30, 10 (Mio. e) in Abhängigkeit von der Ausfallwahrscheinlichkeit P Dj (Ausschnitt).
wobei CFj,t den Cash Flow von Kredit j im Zeitpunkt t bezeichnet.36 Insgesamt ergibt sich der in Abb. 2.1 ausschnittsweise dargestellte Graph für das Risikogewicht in Abhängigkeit von der PD des Kreditnehmers.37 Als Eigenmittelanforderung für Kredit j ergibt sich somit (mit dem abgewandelten Risikogewicht im Vergleich zu Formel (2-30)) CRj = EADj · Kj mit Kj aus Formel (2-31).
38
(2-36)
Nehmen wir alle Einflussgrößen mit Ausnahme der
Ausfallwahrscheinlichkeit als fest gegeben an, so lässt sich dies auch als Funktion in Abhängigkeit von P Dj schreiben: CRj (P Dj ) = EADj · Kj (P Dj )
(2-37)
mit Kj (P Dj ) wie in (2-31) definiert.
36
37 38
Hierbei fällt eine Analogie zum Konzept der Duration auf, die als mittlere Kapitalbindungsdauer interpretiert werden kann (vgl. z.B. Oehler und Unser (2002), S. 130 ff., oder Saunders und Cornett (2006), S. 216 ff.); jedoch findet im IRB-Ansatz keine Diskontierung und damit keine Berücksichtigung des Barwertkonzepts und der Zinsstruktur statt. Hierbei wurden die Werte LGDj = 45 % und Mj = 2,5 zugrunde gelegt. Die Baseler Rahmenvereinbarung sieht vor, dass die Eigenmittelanforderung im IRBAnsatz zusätzlich mit dem Skalierungsfaktor 1,06 multipliziert wird. Dieser Faktor wurde als Reaktion auf die Auswirkungsstudien eingeführt und soll dazu dienen, die aggregierte Gesamthöhe der Eigenmittelanforderungen zu erhalten, vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2006a), Tz. 14. Da die Diskussion um die adäquate Höhe dieses Skalierungsfaktors jedoch noch nicht abgeschlossen ist, werden wir ihn im Rahmen dieser Arbeit nicht berücksichtigen.
2.1. Regulatorisches Kapital für Kreditausfallrisiken gemäß Basel II
21
Bemerkung 2.3. Bei Basel II werden die gewichteten Risikoaktiva als Kj · 12,5 · EADj definiert, vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2006a), Tz. 272. Diese Festlegung ist rein technischer Natur und soll bewirken, dass das regulatorische Eigenkapital sich – in Analogie zu Basel I und dem KSA in Basel II – als Produkt dieses Terms mit dem Faktor 8 % ergibt.
2.1.2.3.3
Eigenschaften des Risikogewichts Kj
Hier wollen wir kurz einige Eigenschaften des IRB-Risikogewichts Kj vorstellen, die wir im weiteren Verlauf der Arbeit noch benötigen. Gemäß der Definition des Risikogewichts Kj sind die Werte Kj (0) sowie Kj (1) nicht definiert, da weder Φ−1 (0) noch Φ−1 (1) eine reelle Zahl ist. Jedoch kann Kj in den Punkten 0 und 1 stetig fortgesetzt werden (vgl. auch Abb. 2.2).39
25%
20%
Kj(PDj)
15%
10%
5%
0% 0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
PDj
Abbildung 2.2: IRB-Risikogewicht für Kredite an Unternehmen in Abhängigkeit von der Ausfallwahrscheinlichkeit P Dj . Lemma 2.4. Das Risikogewicht Kj lässt sich in den Punkten 0 und 1 durch Kj (0) := Kj (1) := 0 stetig fortsetzen. Der Beweis ist in Anhang A.1.1 aufgeführt.
39
Für Abb. 2.2 wurden die Werte LGDj = 45 %, Mj = 2,5 und Sj = 50 (Mio. e) verwendet.
22
Kapitel 2. Grundlagen
Dieser zunächst überraschende, aber gleichwohl vernünftige Verlauf des Graphen von Kj beruht auf der Tatsache, dass die Eigenmittel, welche für den Kredit j vorzuhalten sind und über das Risikogewicht Kj (P Dj ) berechnet werden, einen Risikopuffer für den unerwarteten Verlust darstellen sollen. Dabei wird angenommen, dass die erwarteten Verluste bereits über die Kreditkonditionen abgefangen werden. Der unerwartete Verlust sinkt jedoch wieder für Kreditnehmer mit hohen Ausfallwahrscheinlichkeiten; so beträgt der unerwartete Verlust z.B. für einen Kreditnehmer j mit P Dj = 1 genau null, da der Verlust ein sicheres Ereignis darstellt. Dies ist gut am Graphen des Risikogewichts als Funktion der Ausfallwahrscheinlichkeit zu erkennen, welcher in Abb. 2.2 für das ganze Intervall [0, 1] dargestellt ist. Betrachtet man den Graphen des Risikogewichts, so scheint Kj im gesamten Intervall [0,1] konkav zu sein; diese Meinung ist auch weit verbreitet und dient als Grundlage zahlreicher Untersuchungen.40 Hier liegt jedoch ein Irrtum vor, da Kj im Intervall (0,1) eine Singularität besitzt. Die Lage dieser Singularität ist unabhängig von der jeweils gegebenen Parameterkonstellation bzgl. LGDj , Mj und Sj und resultiert aus den analytischen Eigenschaften der Laufzeitanpassung.41 Daher fassen wir im folgenden Lemma diejenigen Eigenschaften der Laufzeitanpassung zusammen, welche in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind: Lemma 2.5. Die Laufzeitanpassung MAj (P Dj ) := 2
1+(Mj −2,5)·b(P Dj ) 1−1,5·b(P Dj )
mit b(P Dj ) = [0,11852 −
0,05478 · ln(P Dj )] aus Formel (2-34) besitzt die folgenden Eigenschaften: √
0,11852− 0,6 i) MAj besitzt für 1 < Mj ≤ 5 an der Stelle P D P ol := exp ≈ 0,05478 2,92724 · 10−6 ∈ (0, 1) eine Singularität mit Vorzeichenwechsel. Es gilt lim
MAj (P Dj ) = − ∞ und
(2-38)
lim
MAj (P Dj ) = + ∞.
(2-39)
P Dj ↑P DP ol
P Dj ↓P DP ol
ii) Für P Dj ∈ (P D P ol, 1) gilt MAj (P Dj ) > 0. 40
41
Vgl. Broeker (2004), Rauhmeier und Scheule (2005a) bzw. Rauhmeier und Scheule (2005b), Jankowitsch et al. (2003), Kiefer und Larson (2004) und Jankowitsch et al. (2007). Da die Konkavität des Risikogewichts jedoch für fast alle realistischen PDs gegeben ist, wie im Folgenden gezeigt wird, sind die Ergebnisse der Studien aus der vorigen Fußnote für praktische Zwecke dennoch relevant.
2.1. Regulatorisches Kapital für Kreditausfallrisiken gemäß Basel II
23
Der Beweis befindet sich im Anhang A.1.1. Das folgende Lemma macht eine Aussage bzgl. des restlichen Terms des IRB-Risikogewichts Kj : Lemma 2.6.
√ Φ−1 (P Dj )+ ρj (P Dj )·Φ−1 (0,999) √ −P Dj ∈ (0, 1] für P Dj ∈ [P D P ol , 1) Es gilt LGDj · Φ 1−ρj (P Dj )
und LGDj ∈ (0, 1].
Der Beweis ist ebenfalls im Anhang A.1.1 dargestellt. Als direkte Folgerung der Lemmata 2.5 und 2.6 erhalten wir:42 Satz 2.7. für das IRB-Risikogewicht Kj gelten im Fall LGDj > 0 die folgenden Aussagen: i) Kj besitzt für 1 < Mj ≤ 5 an der Stelle P D P ol aus Lemma 2.5 i) eine Singularität mit Vorzeichenwechsel. Es gilt lim
Kj (P Dj ) = − ∞ und
(2-40)
lim
Kj (P Dj ) = + ∞.
(2-41)
P Dj ↑P DP ol P Dj ↓P DP ol
ii) Für P Dj ∈ (P D P ol, 1) gilt Kj (P Dj ) > 0. Abb. 2.3 zeigt den Graphen von Kj in einer Umgebung von P D P ol ;43 die Singularität ist dabei gut zu erkennen. Aufgrund dieser Anomalie ist Kj auf Basis der vorliegenden Kalibrierung nicht dafür geeignet, den gesuchten unerwarteten Verlust eines Kredites auf dem ganzen Intervall [0, 1] sinnvoll zu quantifizieren. Zwar wird bei Krediten an Banken und Unternehmen ohnehin eine Unterschranke von 0,03 % > P DP ol für die PD gesetzt; auch ist es bei Krediten der übrigen Forderungsklassen als unwahrscheinlich anzusehen, dass ein Institut mit seiner internen PD-Schätzung genau den Wert P DP ol als Ausfallwahrscheinlichkeit ermittelt, so dass diese Anomalie bei der praktischen Anwendung kaum zum Tragen kommen dürfte; dennoch muss auf dieses für Simulationsstudien u.U. relevante Phänomen hingewiesen werden. 42 43
Man beachte, dass die Aussage von Lemma 2.6 aufgrund der Stetigkeit des betreffenden Terms in P Dj ebenfalls für P Dj ∈ (P D P ol − ε, 1) mit geeignetem ε > 0 gilt. Für Abb. 2.3 wurden die Werte LGDj = 45 %, Mj = 2,5 und Sj = 50 (Mio. e) verwendet.
24
Kapitel 2. Grundlagen 1
0.8
Kj(PDj)
0.6
0.4
0.2
0
í0.2
í0.4 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 3.0 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 PDj
í6
x10
Abbildung 2.3: Singularität des IRB-Risikogewichts.
Heithecker (2007) bemerkt zwar die Besonderheit des Wertes P D P ol , jedoch in einem anderen Zusammenhang:44 Er stellt fest, dass Kj für PDs oberhalb von P D P ol linear und isoton in Mj ist; die Existenz einer Singularität bemerkt er nicht. Dementsprechend ist auch sein Beweis der Konkavität von Kj in Teilen nicht korrekt, da 1+(M −2,5)·b(P D )
j j antiton in er fälschlicherweise aussagt, dass die Laufzeitanpassung 1−1,5·b(P Dj ) P ol P ol P Dj ist. Dies gilt jeweils auf den Intervallen [0, P D ) und (P D , 1]; jedoch nicht auf dem gesamten Intervall [0, 1]. Darüber hinaus ist seine Annahme eines konstan-
ten Korrelationskoeffizienten ρj (P Dj ) ≡ ρ als äußerst kritisch anzusehen, da völlig unklar ist, welche Auswirkung die Variabilität des Korrelationskoeffizienten in Abhängigkeit von P Dj auf das Risikogewicht hat. Offenbar ergibt sich aus dem in Satz 2.7 gezeigten Verhalten von Kj zusammen mit der stetigen Fortsetzbarkeit Kj (0) = Kj (1) = 0 das folgende Korollar. Korollar 2.8. Das IRB-Risikogewicht Kj ist nicht auf dem gesamten Intervall [0, 1] konkav. Dies ist in Abb. 2.3 auch deutlich zu erkennen: Dort scheint Kj zwar links von P D P ol konkav zu sein; rechts von P D P ol existiert jedoch augenscheinlich ein konvexer Bereich von Kj . Das betrachtete Intervall lässt sich jedoch derart einschränken, dass die Konkavität von Kj gegeben ist:
44
Vgl. Heithecker (2007), S. 80 f.
2.1. Regulatorisches Kapital für Kreditausfallrisiken gemäß Basel II
25
Bemerkung 2.9. Für das Risikogewicht Kj existiert im Fall LGDj > 0 ein Wert P Djmin,konkav ∈ (P D P ol ; 1), so dass Kj in dem Intervall Djkonkav := [P Djmin,konkav , 1] konkav ist. P Djmin,konkav ist unabhängig von LGDj , jedoch abhängig von Mj und Sj und trägt daher den Index j. Für LGDj = 0 ist Kj ≡ 0 im ganzen Intervall [0, 1] konkav. Für LGDj = 0 gilt Kj ≡ 0, so dass die Konkavität im ganzen Intervall [0, 1] gilt; für LGDj > 0 hat LGDj keinen Einfluss auf das Vorzeichen der zweiten Ableitung von Kj , welche die konkaven Bereiche von Kj charakterisiert.45 Die Existenz von P Djmin,konkav ∈ (P D P ol ; 1) wurde numerisch mit Hilfe des in Anhang A.1.2 dargestellten Sekantensteigungsverfahrens für verschiedene Parameterkonstellationen verifiziert. Für LGDj > 0, Mj = 2,5 und Sj = 50 ergibt sich beispielsweise P Djmin,konkav = 0,0021 %. Daher liegen die meisten Ausfallwahrscheinlichkeiten, welche in der Praxis auftreten, für diese Parameterkonstellation ohnehin im konkaven Bereich von Kj , so dass die Betrachtung des Intervalls Djkonkav in diesem Fall für die praktische Anwendung keine bedeutende Einschränkung darstellt. Wegen P D P ol < P Djmin,konkav folgt aus Satz 2.7 ii) sofort: Korollar 2.10. Für P Dj ∈ Djkonkav gilt Kj (P Dj ) > 0. Weiterhin lässt sich folgende Eigenschaft von Kj numerisch zeigen: Bemerkung 2.11. Es existiert ein Wert P Djmax ∈ (0, 1), für den Kj in Djkonkav maximal ist. Im Teilintervall [P Djmin,konkav , P Djmax ] =: Djisoton ⊂ Djkonkav ist Kj isoton und im Teilintervall [P Djmax , 1] =: Djantiton ⊂ Djkonkav antiton. P Djmax ist für LGDj > 0 unabhängig von LGDj , aber abhängig von Mj und Sj und trägt daher den Index j. Für LGDj = 0 gilt Kj ≡ 0; für LGDj > 0 ändert LGDj als konstanter Faktor von Kj nichts an dem Vorzeichen der Ableitung Kj und hat somit keinen Einfluss auf die
45
Man beachte, dass Kj im Intervall Djkonkav unendlich oft stetig differenzierbar ist.
26
Kapitel 2. Grundlagen
Grenzen des isotonen bzw. antitonen Bereichs von Kj .46 Für LGDj > 0, Mj = 2,5 und Sj = 50 ergibt sich beispielsweise P Djmax = 29,622 %. Da die Definition des IRB-Risikogewichts Kj in der vorliegenden Form aufgrund der Existenz einer Singularität an der Stelle P D P ol trotz der vermutlich geringen Relevanz für praktische Zwecke ökonomisch nicht zufriedenstellend ist, sollte für eine geeignete Definition der Laufzeitanpassung eine etwas abweichende Herleitung verwendet werden. Wie in Abschnitt 2.1.2.3.2 dargestellt, wurde die Laufzeitanpassung unter Einhaltung vorgegebener Nebenbedingungen mit Hilfe eines Regressionsmodells aus den Value at Risk Werten eines Kreditportfoliomodells ermittelt. Hier ist zu überlegen, ob eine andere funktionale Form des durch die Regression zu ermittelnden Zusammenhangs unterstellt werden sollte, so dass eine Laufzeitanpassung resultiert, welche keine ökonomisch ungeeigneten Anomalien aufweist. Auch wäre der Einsatz nichtparametrischer Regressionsmethoden, wie z.B. der Anwendung von Splines denkbar.47 Eine weitere Möglichkeit zur Herleitung einer geeigneten Laufzeitanpassung könnte die Anwendung eines anderen Kreditportfoliomodells zur Bestimmung der anzusetzenden VaR Werte darstellen.
2.1.3
Anforderungen an interne PD-Schätzmodelle im IRBAnsatz
Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht formuliert in seinem neuen Akkord sowohl qualitative als auch quantitative Anforderungen an interne Ratingverfahren, welche im Zuge des IRB-Ansatzes zur Bestimmung der Eigenmittelunterlegung verwendet werden sollen.48 Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die für diese Arbeit wesentlichen Punkte gegeben.49 Das Modell hat in der Hinsicht vernünftig zu sein, als dass es in der Lage sein soll, Risiken in einer „kohärenten, verlässlichen und angemessenen Weise zu klassifizieren und zu messen“ und eine „in sich schlüssige, quantitative Risikoschätzung [zu] 46 47
48 49
Man beachte, dass Kj im Intervall Djkonkav unendlich oft stetig differenzierbar ist. Zur Verwendung von Spline-Funktionen zur nichtparametrischen Regression vgl. z.B. Stoer und Bulirsch (2007), S. 112 ff., Fahrmeir et al. (2007), S. 291 ff., oder Eubank (1999). Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2006a), Tz. 387-537 und 720807. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Basel Committee on Banking Supervision (2006a), Tz. 388 f., 410 und 415 ff.
2.2. Risikoadjustierte Performancemaße
27
ermöglichen.“ Es muss „im Durchschnitt genau rechnen und darf keine bekannten wesentlichen Verzerrungen beinhalten.“ 50 Weiterhin wird die Stabilität des Modells gefordert.51 Die Zuordnung von Ratings hat auf konsistente Art und Weise zu geschehen; allerdings ist auch die Einbeziehung menschlicher Urteile im Rahmen von Expertensystemen ausdrücklich erlaubt – jedoch unter der Auflage einer ausführlichen Dokumentation der Vorgehensweise und einer Validierung der Ergebnisse.52 Bei Basel II werden darüber hinaus Anforderungen an den zugehörigen Validierungsprozess gestellt, in dem die Kreditinstitute der Aufsicht darzulegen haben, dass das interne Modell die geforderten qualitativen und quantitativen Kriterien erfüllt. Das Modell ist dabei ausführlich zu dokumentieren; dies umfasst insbesondere alle verwendeten Methoden und Annahmen sowie vorgenommene wesentliche Veränderungen des Modells. Die Aufsicht stützt sich bei der Zulassung des Modells zum IRB-Ansatz auf die Methoden und Ergebnisse des bankinternen Validierungsprozesses.53 Das Modell ist nicht nur zur Berechnung der Eigenmittelanforderung einzusetzen, sondern muss auch eine wesentliche Rolle im Kreditgenehmigungsprozess, beim Risikomanagement, bei der internen Eigenkapitalallokation und bei der Unternehmensführung spielen. Den Kreditinstituten wird allerdings eingeräumt, die PDSchätzungen für die Preissetzung der Kredite mit Blick auf die Lebensdauer der Aktiva anzupassen.54
2.2 2.2.1
Risikoadjustierte Performancemaße Historie und Grundkonzeption
In der Kapitalmarkttheorie gehört der Begriff des Performancemaßes zu den Grundlagen bei der Bewertung von Finanztiteln: Für einen Finanztitel (bzw. ein Port50 51 52 53
54
Kursive Hervorhebung durch die Autorin. Die Stabilität beschreibt dabei die angemessene Abbildung der Ursache-WirkungsBeziehungen der Ratingurteile, vgl. etwa Deutsche Bundesbank (2003), S. 64. Ein Modell ist konsistent, wenn es Schuldnern oder Geschäften mit vergleichbaren Risiken auch gleiche Ratings zuordnet, vgl. SolvV, § 112 Absatz 1 Satz 1. Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2006a), Tz. 392 und 530 ff., sowie Parchert (2005), S. 369. Bzgl. der Anforderungen an die interne Revision vgl. u.a. Basel Committee on Banking Supervision (2006a), Tz. 443. Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2006a), Tz. 444.
28
Kapitel 2. Grundlagen
folio) k mit Renditeerwartung μk , Renditevarianz σk2 , Beta55 βk und risikolosem Zinssatz i stellen die beiden Performancemaße Sharpe-Ratio: SRk =
μk − i σk
Treynor-Ratio: T Rk =
μk − i βk
und
(2-42) (2-43)
die erwartete Überrendite ins Verhältnis zu einer Risikogröße.56 Die Sharpe- und Treynor-Ratio spielen eine entscheidende Rolle in dem von Sharpe, Lintner und Mossin in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts unabhängig voneinander entwickelten Capital Asset Pricing Model (CAPM), dessen Hauptresultat besagt, dass die erwartete Rendite μk eines Finanztitels k im Gleichgewicht nur von seinem systematischen Risiko βk abhängt; und zwar auf lineare Weise: μk = i +
μM − i · σk · ρk,M = i + βk · (μM − i), σM
(2-44)
wobei μM die Rendite des Marktportfolios bezeichnet und ρk,M die Korrelation zwischen der Rendite des Finanztitels k und derjenigen des Marktportfolios.57 Auch in der Banksteuerung finden risikoadjustierte Performancemaße (RAPM) seit Ende der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts immer häufiger Verwendung. Diese sind allgemein definiert als: RAP M =
Ergebnis . Risikokapital
(2-45)
Grundidee der RAPM-Kennzahlen ist also die Betrachtung einer Ergebnisgröße im Verhältnis zum hierfür benötigten Risikokapital. Damit haben risikoadjustierte Performancemaße gegenüber den traditionellen Ergebnis-Kennzahlen, wie etwa ROI (Return on Investment) und ROE (Return on Equity), den Vorteil, dass das Risiko der eingegangenen Geschäfte mit berücksichtigt wird: Stellt das Risikokapital 55
56 57
Das Beta-Risiko ist dabei definiert als normiertes Kovarianz-Risiko: βk =
σk,M 2 , σM
wobei
2 σk,M die Kovarianz der Renditen von k und des Marktportfolios bezeichnet und σM die Varianz der Marktrendite. βk stellt den systematischen (d.h. nicht durch Diversifikation eliminierbaren) Risikoanteil des Finanztitels k dar. Zur Sharpe-Ratio vgl. Sharpe (1966); zur Treynor-Ratio vgl. Treynor (1965). Vgl. Sharpe (1964), Copeland et al. (2005), S. 147, Franke und Hax (2004), S. 351 ff.
2.2. Risikoadjustierte Performancemaße
29
ein knappes Gut dar, so ist es sinnvoll, Geschäfte einzugehen, die pro Einheit Risikokapital ein möglichst hohes Ergebnis erzielen.58 Da Risikokapital in der bankbetrieblichen Praxis tatsächlich oftmals als knapp angesehen werden kann, stellen RAPM-Kennzahlen somit eine zweckmäßige Steuerungsgröße dar. Sie bieten darüber hinaus auch den Vorteil, dass sie grundsätzlich im Rahmen einer anreizkompatiblen Mitarbeiterentlohnung einsetzbar sind.59 Allerdings ist zu beachten, dass die Anwendung eines risikoadjustierten Performancemaßes bei Geschäften, die einen Risikogehalt von null aufweisen, nicht möglich ist, da der Nenner in diesem Fall null beträgt. Ein weiterer Nachteil ist die Beschränkung der Betrachtung auf eine Periode.60 Die in der allgemeinen Darstellung verwendeten Größen für das Ergebnis und das Risikokapital sind bei der Anwendung solcher Kennzahlen noch zu konkretisieren. Im folgenden Abschnitt stellen wir daher Beispiele für RAPM-Kennzahlen vor, welche in der Praxis weit verbreitet sind.
58
59
60
Man beachte hierbei die Analogie zum Konzept der optimalen Produktionsprogrammplanung, bei der im Falle der Knappheit eines Faktors auf die Verwendung von Deckungsbeiträgen pro Einheit des knappen Gutes zurückgegriffen wird, vgl. z.B. Adam (2001), S. 224 ff. Vgl. z.B. Scherpereel (2006), S. 100, Lehar et al. (1998), S. 954. Allerdings kann die Verwendung von RAPM-Kennzahlen auch zu Fehlsteuerungen führen: Das zur Risikoadjustierung verwendete Risikomaß kann u.U. zu einer anderen Anordnung der Entscheidungsalternativen führen als das Konzept der Erwartungsnutzenmaximierung, womit im Falle einer Risikoaversion der Eigenkapitalgeber bei gleichem Erwartungswert u.U. das riskantere Projekt gewählt wird, vgl. Guthoff und Rüter (2001). Zur Inkompatibilität der Konzepte des Value at Risk und der stochastischen Dominanz zweiter Ordnung (welche wiederum konsistent ist zum Konzept der Erwartungsnutzenmaximierung) und einer diesbezüglich geeigneteren Wahl des Risikomaßes vgl. Guthoff et al. (1997) sowie Guthoff et al. (1998). Eine Diskussion weiterer Vor- und Nachteile von RAPM-Kennzahlen findet sich z.B. bei Lehar et al. (1998), S. 952 ff., und Scherpereel (2006), S. 75 ff. Homburg und Stephan (2004) schlagen für eine mehrperiodige Betrachtung die Kennzahl Corporate Value on Discounted Risk Value (CVODRV) vor. Diese führt jedoch nur bei perfekt positiv korrelierten und beliebig teilbaren Projekten sowie unter der Annahme des Fehlens von Budgetrestriktionen zu optimalen Entscheidungen.
30
Kapitel 2. Grundlagen
2.2.2
Vorstellung ausgewählter risikoadjustierter Performancemaße
Bereits Ende der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts wurde das Konzept der risikoadjustierten Performancekennzahlen RORAC und RAROC durch Bankers Trust eingeführt: RORAC =
Nettoergebnis , Risikokapital
(2-46)
RAROC =
risikoadjustiertes Nettoergebnis . Risikokapital
(2-47)
Der Ausdruck RORAC steht hierbei für Return on Risk adjusted Capital, RAROC für Risk adjusted Return on Capital.61 Dabei stellt das Nettoergebnis die Differenz zwischen Zinserlösen und -aufwendungen (und evtl. noch weiteren Kostenkomponenten) dar; beim risikoadjustierten Nettoergebnis werden darüber hinaus noch Risikokosten abgezogen, deren Komponenten je nach konkreter Ausgestaltung des Performancemaßes variieren können. Als Risikokapital wird i.d.R. das ökonomische Kapital angesetzt, das z.B. mit Hilfe des Value at Risk berechnet wird; z.T. wird aber auch das regulatorische Kapital verwendet.62 Beide Kennzahlen existieren in der Literatur und Praxis in sehr unterschiedlichen Ausgestaltungen bzgl. der Größen im Zähler und Nenner.63 Ein prominentes Beispiel
61
62 63
Konsistenter Weise müsste der RAROC hierbei RARORAC (Risk adjusted Return on Risk adjusted Capital ) heißen, da im Nenner eine Risikokapitalgröße steht. In der Praxis hat sich allerdings die Bezeichnung RAROC für diese Kennzahl eingebürgert. Vgl. Hartmann-Wendels et al. (2007), S. 343. So können als Risikogröße neben dem Value at Risk auch Risikomaße wie die Standardabweichung oder das Lower Partial Moment verwendet werden, vgl. z.B. Guthoff und Rüter (2001). Zur Definition des Lower Partial Moments vgl. z.B. Pfingsten et al. (2001) S. 1872 f., Albrecht und Maurer (2005), S. 118 f.
2.2. Risikoadjustierte Performancemaße
31
für den RAROC ist die von Matten vorgestellte Kennzahl RAP MM atten :64
RAP MM atten =
Einzahlungen – Auszahlungen – erwartete Verluste . (2-48) Value at Risk
Während ein positiver RAROC per se bedeutet, dass die Durchführung des Geschäfts ökonomisch sinnvoll ist,65 ist dies beim RORAC i.A. nicht der Fall, da dieser stets im Vergleich zu einer Benchmark-Performance, der so genannten Hurdle Rate RORACH , zu sehen ist.66 Die Hurdle Rate lässt sich dabei z.B. mit Hilfe des CAPM als Weighted Average Cost of Capital (WACC) bestimmen und kann somit als Kapitalkostensatz für das Risikokapital angesehen werden.67 Mit Hilfe der Hurdle Rate RORACH können die RAPM-Kennzahlen RAROC und RORAC in einander überführt werden: RAROC = =
risikoadjustiertes Nettoergebnis Risikokapital
(2-49)
Nettoergebnis – Risikokapital ·RORACH Risikokapital
(2-50)
= RORAC − RORACH .
(2-51)
An der folgenden einfachen Umformung ist zu erkennen, dass ein Geschäft genau dann wertschaffend ist, wenn der entsprechende RORAC die Hurdle Rate übersteigt: RAROC ≥ 0
(2-52)
⇐⇒ RORAC − RORACH ≥ 0
(2-53)
⇐⇒
(2-54)
RORAC ≥ RORACH .
Damit stellt der RAROC also die Überrendite des Geschäfts gegenüber der HurdleRate dar. 64 65 66 67
Vgl. Matten (1996), S. 62. Vgl. z.B. Ong (1999), S. 227, Scherpereel (2006), S. 72. Vgl. z.B. Lehar et al. (1998), S. 949, Ong (1999), S. 227. Vgl. z.B. Crouhy et al. (2006), S. 445 f., Saunders und Allen (2002), S. 202. Die Ableitung einer adäquaten Hurdle Rate ist in der Praxis allerdings nicht unproblematisch, vgl. Lehar et al. (1998), S. 949 ff., Johanning (1998), S. 81.
32
Kapitel 2. Grundlagen
Multipliziert man den RAROC mit dem für das Geschäft benötigten Risikokapital, so erhält man (unter Vernachlässigung einiger Feinheiten, wie Nicht-Cash-FlowGrößen) den Economic Value Added (EVA), welcher als absolute Größe den Residualgewinn, d.h. den Nettogewinn des Geschäfts abzüglich der zugehörigen Kapitalkosten angibt.68 Ein positiver EVA bedeutet dabei, dass das Geschäft durchgeführt werden sollte, da es wertschaffend ist.69 RAPM-Kennzahlen, und insbesondere der RAROC, sind in der Praxis nicht zuletzt deshalb so verbreitet, weil sie neben der Eignung zur Performancemessung ebenfalls eine adäquate Allokation des Risikokapitals erlauben und somit nicht nur zur Steuerung von Einzelgeschäften, sondern ebenfalls zur Gesamtbanksteuerung einsetzbar sind.70 Der RAROC stellt darüber hinaus auch eine geeignete Ergebnisgröße bei der anreizkompatiblen Mitarbeiterentlohnung dar und ist ebenfalls zur Preisgestaltung insbesondere von Krediten einsetzbar.71
2.2.3
Auswahl und Eigenschaften des im Folgenden verwendeten risikoadjustierten Performancemaßes
Aufgrund der Eignung von risikoadjustierten Performancemaßen als Steuerungsgröße bei Vorliegen eines Risikokapitalengpasses werden wir bei der Preissetzung von Krediten in Kapitel 4 auf eine risikoadjustierte Performancekennzahl zurückgreifen.
68
69
70 71
Vgl. z.B. Steward (1991), S. 136 ff., Uyemura et al. (1996). Das EVA-Konzept wurde in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts von Stern, Steward & Co. entwickelt und gehört heute zu den verbreitetsten Kennzahlen in der Unternehmenssteuerung. Vgl. z.B. Hartmann-Wendels et al. (2007), S. 345. Dies korrespondiert gerade mit der Vorteilhaftigkeit eines Geschäfts mit positivem RAROC, sofern das Risikokapital nicht null beträgt. Vgl. z.B. Stoughton und Zechner (2007), Schierenbeck (2003), S. 544 ff., Brüning und Hoffjan (1997), Groß und Knippschild (1995), S. 106 f. Bzgl. einer anreizkompatiblen Mitarbeiterentlohnung vgl. James (1996), S. 14, und Bielefeld und Maifarth (2005), S. 172 f. Zu beachten ist jedoch die in Fußnote 59 angesprochene Möglichkeit einer Fehlsteuerung. Bzgl. der Preisgestaltung vgl. z.B. Bielefeld und Maifarth (2005), S. 170 f. Albrecht (1998), S. 240 f., führt dies am Beispiel eines Schadensversicherers aus.
2.2. Risikoadjustierte Performancemaße
33
Im Nenner werden wir hierbei das für einen Kredit j benötigte regulatorische Kapital ansetzen, da wir das verfügbare regulatorische Kapital eines Kreditinstituts als knappes Gut annehmen werden. Im Zähler werden wir die erwartete Rückzahlung aus dem entsprechenden Kredit abzüglich der Eigenkapitalkosten verwenden, welche für das gebundene regulatorische Kapital zu zahlen sind. Die Betrachtung des erwarteten risikoadjustierten Nettoergebnisses ist für unsere Untersuchung zweckmäßig, da wir uns für die erwarteten Effekte bei Modifikation der internen PD-Schätzungen der Kreditinstitute interessieren. Die erwarteten Verluste werden im Zähler des RAROC nicht als gesonderte Kostenkomponente betrachtet, da sie bereits im erwarteten Rückzahlungsbetrag berücksichtigt werden. Insgesamt stellt die von uns verwendete Kennzahl also einen folgendermaßen definierten RAROC dar:72 RAROCj
(2-55)
:=
erw. Rückzahlungen aus Kredit j – Kosten des reg. EK für Kredit j regulatorisches Eigenkapital für Kredit j
(2-56)
=:
RANEj , CRj
(2-57)
wobei RANEj das erwartete risikoadjustierte Nettoergebnis und CRj die regulatorische Eigenmittelanforderung für Kredit j bezeichne. Da wir im Nenner das regulatorische Eigenkapital ansetzten, welches sich für ein Kreditportfolio additiv aus den Eigenkapitalbeträgen der einzelnen Kredite zusammensetzt,73 ergibt sich die im folgenden Satz dargestellte Aggregationsformel für den RAROC.74
72
73 74
Baule (2004) zeigt empirisch, dass der RAROC eine geeignete Steuerungsgröße ist, die anderen RAPM-Kennzahlen vorzuziehen ist. Er verwendet die Bezeichnung RARORAC für den in (2-47) definierten RAROC. Vgl. Abschnitt 2.1.2.3.1. Setzt man das ökonomische Kapital, z.B. in Form eines Value at Risk, im Nenner des RAROC an, so sind die stochastischen Abhängigkeiten der Ausfallereignisse bei der additiven Zerlegung des Risikokapitals im Nenner zu berücksichtigen. Daher ist die Ableitung einer entsprechenden Aggregationsformel in einem solchen Fall deutlich komplexer.
34
Kapitel 2. Grundlagen
Satz 2.12. Die Menge I der Kredite eines Portfolios sei in m viele paarweise disjunkte Segmente I1 , ..., Im unterteilt, d.h. I = m k=1 Ik mit Ik ∩ Il = ∅ für k = l. Gilt j∈Ik CRj > 0 für k = 1, ..., m, so erhalten wir mit den Bezeichnungen RAROCI =
j∈I RANEj j∈I CRj
(2-58)
für den RAROC des Gesamtportfolios und RAROCIk =
RANEj j∈Ik CRj
j∈Ik
(2-59)
für den RAROC des Segments Ik , k = 1, ..., m die folgende Aggregationsformel: RAROCI =
ωk · RAROCIk ,
(2-60)
k=1
wobei ωk =
m
j∈Ik j∈I
CRj CRj
den Anteil des für Segment k benötigten Risikokapitals am
Gesamt-Risikokapital des Portfolios bezeichne.
Beweis. Es gelte
j∈Ik
CRj > 0 für k = 1, ..., m. Dann ist RAROCIk für k = 1, ..., m
definiert und es folgt m j∈I RANEj j∈Ik RANEj = j∈I CRj j∈I CRj k=1 m m j∈Ik RANEj j∈I CRj · k = ωk · RAROCIk . = j∈Ik CRj j∈I CRj k=1 k=1
RAROCI =
(2-61)
(2-62)
Auf diese Weise lässt sich der Gesamt-RAROC eines Portfolios mit n Krediten z.B. aus den RAROCs der einzelnen Kredite ermitteln, falls diese jeweils einen positiven Risikokapitalbetrag besitzen; hierfür ist die Segmentierung m = n, Ik = {k} für k = 1, ...n zu wählen, bei der jeder Kredit ein eigenes Segment definiert. Die Aggregationsformel gilt aber auch für beliebige andere Segmentierungen des Portfolios. Sie ist ebenfalls bei einer pfadweisen Definition des RAROC anwendbar, bei der der Zähler nicht als erwartete, sondern zufallsabhängige Größe eingeht.
2.3. Validierung von PD-Schätzmodellen
2.3
35
Validierung von PD-Schätzmodellen
2.3.1
Konzeptionelle Grundlagen und Begriffsdefinitionen
An interne Ratingmodelle werden im Baseler IRB-Ansatz zahlreiche qualitative und quantitative Anforderungen gestellt; daher ist der Validierung der Modelle im Rahmen der Zulassung und ständigen Kontrolle im IRB-Ansatz eine entscheidende Rolle beizumessen. In diesem Zusammenhang werden von aufsichtlicher Seite drei Eigenschaften eines Ratingsystems genannt, welche bei der quantitativen Validierung zu überprüfen sind: die Kalibrierung, die Trennschärfe und die Stabilität des Ratingsystems,75 vgl. Abb. 2.4. Validierung
quantitative Validierung
Backtesting
Kalibrierung
Benchmarking
Trennschärfe
qualitative Validierung
Modelldesign
Datenqualität
Use Test
Stabilität
Abbildung 2.4: Schematisierung der Validierungsmethodik für interne Ratingverfahren. (In Anlehnung an Deutsche Bundesbank (2003), S. 62.)
Diese Eigenschaften können jeweils mit Hilfe statistischer Methoden entweder ausschließlich anhand des betrachteten Ratingsystems (Backtesting) oder anhand eines Vergleichs mit einem Referenz-Ratingsystem beurteilt werden (Benchmarking). Dabei muss das Ergebnis eines Backtestings jedoch nicht zwingend aussagekräftig sein, da es u.U. maßgeblich vom herangezogenen Portfolio abhängig sein kann. Dieses
75
Vgl. Deutsche Bundesbank (2003).
36
Kapitel 2. Grundlagen
Problem wird durch den Ansatz des Benchmarkings gelöst; jedoch stellt sich dabei die Frage, ob die zur Analyse benötigte Datenreihe eines Referenz-Ratingsystems verfügbar ist. Die Kalibrierung bezieht sich auf die Übereinstimmung der beobachteten Anzahl an Ausfällen einer Ratingklasse mit der gemäß der prognostizierten PD erwarteten Ausfallanzahl und ist für jede Ratingklasse zu prüfen. Im Unterschied dazu versteht man unter der Trennschärfe eines Ratingsystems die Fähigkeit, ex ante zwischen den ausfallenden und den nicht ausfallenden Krediten zu unterscheiden. Die Stabilität quantifiziert, inwiefern die Modellierung der Ursache-Wirkungs-Beziehungen der verwendeten Risikofaktoren angemessen ist. Da wir uns in dieser Arbeit nicht mit der Modellierung der Ursache-WirkungsZusammenhänge auseinandersetzen, sondern die PD-Schätzungen bereits als exogen gegeben annehmen, ist die Analyse einer möglichen Veränderung der Stabilität durch die Addition von White Noise zu den PD-Schätzungen im Kontext dieser Arbeit nicht vorgesehen. Daher werden wir uns auf die Validierung der Kalibrierung und der Trennschärfe beschränken. Im nachfolgenden Abschnitt stellen wir kurz die in der Praxis und Literatur am weitesten verbreiteten Methoden zur Validierung der Kalibrierung und der Trennschärfe eines Ratingsystems vor.
2.3.2
Ausgewählte Validierungsmethoden
2.3.2.1
Validierung der Kalibrierung
Die Kalibrierung eines Ratingsystems ist für jede einzelne Ratingklasse zu validieren. Hierfür wird vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht die Anwendung eines Binomialtests vorgeschlagen.76 Da bei seiner Anwendung kein Referenz-Ratingsystem benötigt wird, sondern das zu beurteilende Ratingverfahren für sich alleine auf Basis historischer Daten validiert wird, ist der Binomialtest den Backtesting-Methoden zuzurechnen. Wir wollen ihn hier kurz anhand einer betrachteten Ratingklasse vorstellen. 76
Vgl. etwa Deutsche Bundesbank (2003) oder Basel Committee on Banking Supervision (2005b), S. 33.
2.3. Validierung von PD-Schätzmodellen
37
Beim Binomialtest nimmt man an, dass sämtliche Kredite einer Klasse dieselbe Ausfallwahrscheinlichkeit P D besitzen und die Ausfallereignisse unabhängig voneinander stattfinden. Bezeichnet NKredite die beobachtete Anzahl an Krediten in der betrachteten Klasse, P D die vom Ratingsystem propagierte Ausfallwahrscheinlichkeit und ist D,j für Kredit j der Indikator des Ausfalls, d.h. gilt D,j = 1, wenn der Kredit ausfällt, und D,j = 0, wenn er nicht ausfällt, so genügt D,j der Binomialverteilung D,j
∼ B(1, P D)
(2-63)
für j = 1, ..., NKredite . Unter der Annahme der Unabhängigkeit der Ausfallereignisse ergibt sich mittels Faltung der Verteilungen der D,j auch für die beobachtete Anzahl ND an Ausfällen eine Binomialverteilung:77 ND ∼ B(NKredite , P D).
(2-64)
Da es für die Aufsicht im Rahmen der Validierung der Kalibrierung im IRB-Ansatz unproblematisch ist, wenn das Ratingsystem die tatsächliche PD überschätzt (also konservativ ist), sind nur solche Ratingsysteme abzulehnen, bei denen die prognostizierte Ausfallwahrscheinlichkeit unterhalb der tatsächlichen liegt.78 Daher lauten die Hypothesen des durchzuführenden Tests: H0 :
Die vom Ratingsystem prognostizierte Ausfallwahrscheinlichkeit P D ist zu niedrig.
H1 :
Die vom Ratingsystem prognostizierte Ausfallwahrscheinlichkeit P D ist korrekt bzw. zu hoch.
77
78
Vgl. z.B. Schmitz (1996), S. 212. Zu beachten ist, dass hierfür die Übereinstimmung der Ausfallwahrscheinlichkeiten P D nötig ist; für heterogene Werte der Ausfallwahrscheinlichkeiten existiert keine entsprechende Faltungseigenschaft. Zwar hat die Aufsicht ein Interesse daran, dass das Ratingsystem des Kreditinstituts die PDs im Rahmen der adäquaten Risikomessung möglichst korrekt zuordnet. Daher ist eine systematische Überschätzung der Ausfallwahrscheinlichkeiten ebenfalls als nicht zufriedenstellend anzusehen; im Rahmen der Validierung im IRB-Ansatz wird aber nur die systematische Unterschätzung der PDs als problematisch angesehen, vgl. etwa die Erläuterung der zu testenden Hypothesen bei Deutsche Bundesbank (2003), S. 74.
38
Kapitel 2. Grundlagen
Diese Wahl der Hypothesen beruht auf der Überlegung, dass die fälschliche Anerkennung eines nicht korrekten Modells einen schwerwiegenderen Fehler darstellt als die fälschliche Ablehnung eines korrekten Modells (ansonsten wären die Hypothesen umgekehrt zu formulieren).
79
Da die Ausfälle mit den tatsächlichen PDs stattfinden, spricht eine beobachtete Anzahl ND an Ausfällen, welche angesichts der prognostizierten Ausfallwahrscheinlichkeit P D verhältnismäßig hoch ist, dafür, dass die wahre Ausfallwahrscheinlichkeit höher als P D ist. Dies würde bedeuten, dass die wahre Ausfallwahrscheinlichkeit gemäß Hypothese H0 vom Ratingsystem unterschätzt wird, so dass das Ratingsystem abzulehnen ist. Entsprechend spricht eine niedrige Anzahl ND an beobachteten Ausfällen für die Hypothese H1 und somit für eine Annahme des Modells. Ab wann ND hierbei als verhältnismäßig hoch gilt, hängt vom gewählten Konfidenzniveau des Tests ab. Für ein Konfidenzniveau 1 − ϑ ∈ (0, 1), also beispielsweise 99 % bei einer Wahl von ϑ = 1 %, wird die kritische Ausfallanzahl qϑ derart festgelegt, dass die Wahrscheinlichkeit, ein inadäquates Ratingsystem fälschlicherweise zu akzeptieren, höchstens ϑ beträgt, also P (ND ≤ qϑ ) ≤ ϑ,
(2-65)
d.h. qϑ wird bestimmt über das ϑ-Quantil der Verteilung von ND , der B(NKredite ,P D)Verteilung. Da es im Falle einer diskreten Verteilung, wie sie mit der Binomialverteilung hier vorliegt, u.U. kein eindeutiges Quantil, sondern ein Quantil-Intervall [qϑ,1 ; qϑ,2 ] gibt, sollte man zur konservativen Kalibrierung des Tests die Untergrenze 79
Es ist auch möglich, den Test mit umgekehrten Hypothesen durchzuführen. In einem solchen Fall würde das Ratingsystem nur dann abgelehnt, wenn signifikant viele Ausfälle beobachtet werden. Hier entscheidet man sich also „im Zweifel für den Angeklagten.“ Bei unserer Wahl der Hypothesen hingegen wird das Ratingsystem nur dann anerkannt, wenn signifikant wenige Ausfälle beobachtet werden. Unsere Vorgehensweise für die Anerkennung eines Ratingsystems ist daher als konservativer anzusehen als diejenige mit umgekehrten Hypothesen. Die Hypothesen des Binomialtests werden in der Literatur z.T. mathematisch bzw. sprachlich nicht ganz korrekt dargestellt: So wird als Hypothese auch oft die Aussage „Die vom Ratingsystem prognostizierte Ausfallwahrscheinlichkeit P D ist korrekt“ formuliert (vgl. etwa Basel Committee on Banking Supervision (2005b), S. 47), was mit einem zweiseitigen Testproblem korrespondieren würde. Anscheinend ist dort der Begriff „korrekt“ im aufsichtsrechtlichen Sinne zu verstehen, d.h. die prognostizierte Ausfallwahrscheinlichkeit gilt als korrekt, wenn sie nicht zu niedrig ist. Unter einer korrekten PD-Schätzung verstehen wir bei der obigen Hypothesenformulierung hingegen die exakte Übereinstimmung von prognostizierter und wahrer Ausfallwahrscheinlichkeit.
2.3. Validierung von PD-Schätzmodellen
39
dieses Intervalls verwenden, da es auf diese Weise seltener zu einer fälschlichen Anerkennung eines nicht korrekten Ratingverfahrens kommt. Für den Binomialtest in seiner hier dargestellten Form erhalten wir qϑ := max{k ∈ = max{k ∈
0 | P (ND k 0|
ν=1
≤ k) ≤ ϑ} k ν · P D · (1 − P D)k−ν ≤ ϑ} ν
(2-66) (2-67)
als kritische Anzahl an Ausfällen, deren Überschreitung zur Ablehnung der Nullhypothese und somit zur Ablehnung des Ratingverfahrens führt.
2.3.2.2
Validierung der Trennschärfe
Cumulative Accuracy Profile (CAP) Die Bestimmung des Cumulative Accuracy Profile stellt das wohl verbreitetste Verfahren zur Messung der Trennschärfe eines Ratingsystems dar und ist in der Literatur auch unter den Namen CAP-Kurve und Power Curve bekannt.80 Beim CAP wird die relative Anzahl der ex post beobachteten Ausfälle den prognostizierten Ratings gegenübergestellt. Betrachten wir z.B. ein Ratingsystem, das 1.000 Krediten ein Rating zuordnet. Fallen nun z.B. 100 dieser 1.000 Kredite aus, so ist das perfekte Ratingsystem dadurch gekennzeichnet, dass es diesen 100 ausgefallenen Krediten ex ante die 100 schlechtesten Ratings zugeordnet hat. Damit entfallen auf die 100 schlechtesten Ratings bereits 100 % aller beobachteten Ausfälle, auf die 90 schlechtesten Ratings 90 % der beobachteten Ausfälle usw. Bei einem zufälligen Rating hingegen, das die Ratings den Krediten gemäß einer Gleichverteilung zuordnet, sollten unter den 100 schlechtesten Ratings lediglich 10 Ausfälle zu beoachten sein (d.h. 10 % aller Kreditausfälle), unter den 20 schlechtesten Ratings entsprechend 20 Ausfälle (20 % aller Ausfälle) usw. Das zu validierende Ratingverfahren wird i.d.R. irgendwo „dazwischen liegen“ und den schlechtesten Ratings entsprechend mehr der beobachteten Ausfälle zugeordnet haben als das zufällige Ratingsystem.
80
Vgl. Sobehart et al. (2000a), Engelmann et al. (2003), S. 1.
40
Kapitel 2. Grundlagen 1
Anteil aller beobachteten Ausfälle
perfektes Ratingsystem zu beurteilendes Ratingsystem
zufälliges Ratingsystem
0 0
Anteil aller Kredite im Portfolio (PD absteigend)
1
Abbildung 2.5: CAP-Kurven des perfekten, des zu beurteilenden und des zufälligen Ratingsystems.
In Abb. 2.5 wird dies graphisch anhand der resultierenden CAP-Kurven illustriert, bei denen auf der Abszisse die relative Anzahl aller Kredite – nach aufsteigender Bonität bzw. fallender PD sortiert – abgetragen wird.81 Um den Verlauf der CAP-Kurven – und damit die Trennschärfe des zu beurteilenden Ratingsystems – anhand einer Kennzahl zu quantifizieren, berechnet man für das zu beurteilende Ratingsystem und für das perfekte Ratingsystem die Fläche zwischen der zugehörigen CAP-Kurve und der CAP-Kurve des zufälligen Ratingsystems. Das Verhältnis dieser beiden Flächen stellt den zugehörigen Gini-Koeffizienten (GK) des zu beurteilenden Ratingsystems dar und ist auch unter den Namen Accuracy Ratio (AR) und Powerstat bekannt:82 FRating GK = , (2-68) Fperf ekt wobei FRating die Fläche zwischen den CAP-Kurven des zu beurteilenden und des zufälligen Ratingsystems darstellt und Fperf ekt entsprechend die Fläche zwischen den CAP-Kurven des perfekten und des zufälligen Ratingsystems, vgl. Abb. 2.6. 81
82
Ein ähnliches Konzept, das im Rahmen der Messung von Einkommenskonzentrationen entwickelt wurde, stellt die Lorenzkurve dar. Bei ihr werden auf der Abszisse die relative Anzahl aller betrachteten Haushalte (geordnet nach aufsteigendem Einkommen) und auf der Ordinate die kumulierte relative Höhe des Einkommens (als Anteil des Gesamteinkommens) abgetragen, vgl. Lorenz (1905), Piesch (1975), S. 9 und S. 22. Der Begriff der Lorenzkurve wird in der Literatur jedoch auch synonym für die o.g. CAP-Kurve verwendet, so z.B. von den renommierten Ratingagenturen, vgl. Standard & Poor’s (2008), S. 17, Fitch Ratings (2006), S. 5, Moody’s Investors Service (2001), S. 23. Die Bezeichnung Gini-Koeffizient geht dabei auf den italienischen Statistiker Corrado Gini zurück, der bereits 1921 im Rahmen von Einkommensverteilungen Studien zur Konzentrationsmessung durchführte, vgl. Gini (1921).
2.3. Validierung von PD-Schätzmodellen
41
1
1
FA
Anteil aller beobachteten Ausfälle
Anteil aller beobachteten Ausfälle
perfektes Ratingsystem zu beurteilendes Ratingsystem
Rating zufälliges Ratingsystem
0
Fperfekt zufälliges Ratingsystem
0 0
1
Anteil aller Kredite im Portfolio (PD absteigend)
0
Anteil aller Kredite im Portfolio (PD absteigend)
(a)
1
(b)
Abbildung 2.6: Flächen FRating und Fperf ekt zur Berechnung des Gini-Koeffizienten aus den CAP-Kurven: Zu beurteilendes Ratingsystem (a) und perfektes Ratingsystem (b).
Formal ist der Gini-Koeffizient wie folgt definiert:83 Bezeichnet x den prozentualen Anteil aller gemäß aufsteigender Bonität sortierten Kreditnehmer und y(x) den Anteil derjenigen Kredite, deren Bonität gemäß dem zu beurteilenden Ratingsystem gleich oder schlechter ist als die Bonität der x schlechtesten Kreditnehmer, so ist der Gini-Koeffizient definiert als 2· GK =
1 0
y(x)dx − 1 1−f
.
(2-69)
D mit ND als Anzahl der beobachteten Ausfälle und NN D als Anzahl der f = ND N +NND beobachteten Nichtausfälle stellt dabei den Anteil der Ausfälle in der Menge aller Kredite dar.
Gemäß Definition liegt der Gini-Koeffizient im Intervall [−1, 1];84 höhere Gini-Koeffizienten sprechen dabei für eine höhere Trennschärfe des Ratingsystems. Da das zu beurteilende Ratingsystem die Ratingzuordnung auch „schlechter“ als das zufällige Rating durchführen kann, sind auch negative Werte für den Gini-Koeffizienten möglich: Dies geschieht beispielsweise, wenn die entsprechende CAP-Kurve vollständig unterhalb derer des zufälligen Ratings liegt. In diesem Falle würde allerdings dasjenige Ratingsystem, das die Bonitäten genau in der umgekehrten Rangfolge wie 83 84
Vgl. Sobehart et al. (2000b), S. 54. Ein negativer Wert kommt zustande, falls die CAP-Kurve teilweise unterhalb der Diagonalen verläuft und die resultierende Fläche unterhalb der Diagonalen größer ist als diejenige oberhalb.
42
Kapitel 2. Grundlagen
das zu beurteilende System anordnet, eine CAP-Kurve oberhalb derer des zufälligen Ratings und damit einen positiven Gini-Koeffizienten besitzen. Daher werden üblicherweise Ratingsysteme mit GK ∈ [0, 1] betrachtet. Bei der Betrachtung des CAP sind die CAP-Kurven zu einem gegebenen GiniKoeffizienten nicht eindeutig bestimmt, da viele verschiedene CAP-Kurven zu ein und demselben Gini-Koeffizient existieren, vgl. z.B. Abb. A.2 in Anhang A.1.3 für eine graphische Illustration dieses Sachverhalts. Somit können die Gini-Koeffizienten unterschiedlicher Ratingsysteme durchaus übereinstimmen. Zu beachten ist weiterhin, dass die ermittelte Trennschärfe direkt von den zufälligen beobachteten Ausfallereignissen abhängt und somit selbst als Zufallsgröße aufgefasst werden kann. Daher kann anhand eines ermittelten Wertes für den Gini-Koeffizienten keine fundierte Aussage bzgl. der Trennschärfe des betrachteten Ratingsystems getroffen werden; hierfür ist stets die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Gini-Koeffizienten heranzuziehen.85 Da die Verteilung der Gini-Koeffizienten stark vom zugrunde liegenden Portfolio abhängt, ist zur Validierung mit Hilfe des Gini-Koeffizienten stets ein Referenz-Ratingsystem (Benchmark) heranzuziehen, dessen Trennschärfe auf dem gleichen Datensatz ermittelt wird.86 Hier nimmt man also ein Benchmarking vor.
Receiver Operating Characteristic (ROC) Die auf die Signalerkennung in der Nachrichtentechnik zurück gehende Receiver Operating Characteristic stellt mit Hilfe der Hit Rate (HR) und der False Alarm Rate (F AR) die relativen Fehlerhäufigkeiten 1. und 2. Art des zu beurteilenden Ratingsystems graphisch dar.87 Die Hit Rate HR ist dabei definiert als Anteil der korrekt erkannten Ausfälle an der Menge aller ausgefallenen Kredite:88 HR(C) =
H(C) , ND
(2-70)
wobei H(C) die vom Cut-Off Rating abhängige Anzahl der korrekt als Ausfall eingestuften Kredite (Hits) und ND die Anzahl der tatsächlich beobachteten Ausfälle bezeichnet (Defaults). 85 86 87
88
Vgl. z.B. Hamerle et al. (2003). Vgl. etwa Hamerle et al. (2003). Da die ermittelten Werte anhand der empirischen und nicht anhand der zugrunde liegenden theoretischen Verteilung ermittelt werden, verwenden wir hier die Bezeichnung relative Fehlerhäufigkeit. Zur Darstellung der ROC vgl. im Folgenden Basel Committee on Banking Supervision (2005b), S. 37 f.
relative Häufigkeit
2.3. Validierung von PD-Schätzmodellen
43
Kredite, die ausfallen
Kredite, die nicht ausfallen
Ratingscore C Fehlerwahrscheinlichkeit 2. Art
Fehlerwahrscheinlichkeit 1. Art
Abbildung 2.7: Relative Häufigkeiten der Scorewerte von ausfallenden und nicht ausfallenden Krediten bei Verwendung des zu beurteilenden Ratingsystems mit Cut-Off Wert C und resultierenden Fehlerwahrscheinlichkeiten 1. und 2. Art.
Hier werden Kredite als Ausfall eingestuft, wenn ihr Rating unterhalb eines gewissen kritischen Ratingscores C (Cut-Off Wert) liegt, und als Nichtausfall eingestuft, wenn ihr Score den Wert C übersteigt. Die relative Fehlerhäufigkeit 1. Art, d.h. der Anteil der fälschlicherweise als Nichtausfall eingestuften Ausfälle, beträgt entsprechend 1 − HR(C), vgl. Abb. 2.7. Die False Alarm Rate ist analog definiert und stellt zu einem gegebenen Cut-Off Wert den Anteil der fälschlicherweise als Ausfall eingestuften Kredite an der Menge aller nicht-Ausfälle dar: F AR(C) =
F (C) , NN D
(2-71)
wobei F AR(C) die vom Cut-Off Rating abhängige Anzahl der fälschlicherweise als Ausfall eingestuften Kredite (False Alarm) und NN D die Anzahl der nicht ausgefallenen Kredite bezeichnet (Non Defaults). Daher entspricht die False Alarm Rate genau der relativen Fehlerhäufigkeit 2. Art, vgl. Abb. 2.7. Da die Hit Rate und False Alarm Rate von der Wahl des Cut-Off Ratings abhängig sind, trägt man zur Beurteilung des Ratingsystems die Punkte (HR(C), F AR(C)) für alle denkbaren Cut-Off Werte in einem Diagramm ab.
44
Kapitel 2. Grundlagen
1
1
perfektes Ratingsystem
A
Hit Rate
Hit Rate
zu beurteilendes Ratingsystem
zu beurteilendes Ratingsystem
AUC
zufälliges Ratingsystem
0
0 0
False Alarm Ratio
(a)
1
0
False Alarm Ratio
1
(b)
Abbildung 2.8: ROC-Kurven des perfekten, des zu beurteilenden und des zufälligen Ratingsystems (a) sowie Area under Curve (AUC) des zu beurteilenden Ratingsystems (b).
Die resultierende Kurve wird als Receiver Operating Characteristic oder kurz ROCKurve bezeichnet. Hierbei gilt: Je niedriger der Cut-Off Wert, desto niedriger die Fehlerwahrscheinlichkeit 2. Art, aber desto höher die Fehlerwahrscheinlichkeit 1. Art und umgekehrt. Das perfekte Ratingmodell würde stets eine Hit Rate von 1 aufweisen; ein zufälliges Ratingsystem würde eine ROC-Kurve auf der Diagonalen erzeugen (d.h. die Summe aus Fehlerwahrscheinlichkeit 1. Art und 2. Art würde stets 1 ergeben). Das zu beurteilende Rating liegt üblicherweise irgendwo „dazwischen“ so dass sich die in Abb. 2.8 (a) dargestellten Kurven ergeben. Als Kennzahl für die Trennschärfe des zu beurteilenden Ratingsystems wird bei der ROC nun die Area under Curve (AUC) herangezogen: Sie entspricht der Fläche unter der ermittelten Kurve, vgl. Abb. 2.8 (b), und liegt gemäß Definition im Intervall [0, 1], wobei allerdings nur Werte im Intervall [ 12 , 1] als vernünftig angesehen werden (vgl. die entsprechenden Ausführungen bzgl. eines Ratingsystems mit negativem Gini-Koeffizienten). Wie schon beim Gini-Koeffizienten gilt auch hier: Höhere Werte der AUC sprechen für eine höhere Trennschärfe des Ratingsystems; jedoch ist die AUC zufallsabhängig, weshalb ihre Wahrscheinlichkeitsverteilung zur Beurteilung des Ratingsystems heranzuziehen ist. Ebenso wie beim Gini-Koeffizienten ist bei der Validierung der Trennschärfe mittels der ROC-Kurve aufgrund der Abhängigkeit der AUC vom
2.4. Datensätze der Monte-Carlo Simulationen
45
zugrunde liegenden Portfolio ein Benchmark-Ratingsystem heranzuziehen (Benchmarking), dessen AUC auf demselben Datensatz berechnet wird. Wie schon beim Gini-Koeffizienten müssen unterschiedliche Ratingsysteme auch bei der AUC nicht unbedingt zu verschiedenen beobachteten Trennschärfewerten führen. Die ROC beinhaltet denselben Informationsgehalt wie das CAP; die zugehörigen Kennzahlen GK und AUC lassen sich auf die folgende Weise ineinander umrechnen: GK = 2 · AUC − 1.
(2-72)
Zum Beweis dieser Beziehung sei auf Engelmann et al. (2003), Anhang A, verwiesen.
2.4 2.4.1
Datensätze der Monte-Carlo Simulationen Vorbemerkungen
Für unsere Untersuchungen erzeugen wir eine Menge von Krediten mit entsprechenden PDs bzw. PD-Schätzungen (je nach Untersuchung werden diese Werte als objektive Ausfallwahrscheinlichkeit oder als Schätzung verwendet; für den Rest dieses Abschnitts werden wir diese beiden Begriffe daher synonym verwenden), EADs, LGDs sowie Werten für Maturity und Asset Class. Bzgl. der Bonitäten der Kreditnehmer gehen wir von einer Ratingskala aus, die den betrachteten Märkten in den Analysen zugrunde liegt und die Kredite in acht Ratingstufen einordnet. Diese Zuordnung ist in Tab. 2-3 dargestellt und kann als repräsentativ für in der Praxis verwendete Ratingskalen angesehen werden, vgl. Duefinance (2007). Als weitere Parametrisierung verwenden wir in sämtlichen Simulationen die Werte LGDj = 45 %, Mj = 2,5 und Sj = 50 (Mio. e) für alle Kredite, um für unsere Untersuchung unerwünschte Effekte auszuschließen, welche eine Heterogenität dieser Parameter auf die Ergebnisse haben könnte. Die Wahl von LGDj und Mj entspricht dabei der von der Aufsicht vorgegebenen Parametrisierung im Basis IRB-Ansatz von Basel II, vgl. die Ausführungen in Abschnitt 2.1.2.3.
46
Kapitel 2. Grundlagen Klasse
Bezeichnung
1 2 3 4 5 6 7 8
AAA AA A BBB BB B CCC D
PD Intervall Untergrenze (inkl.) Obergrenze (exkl.) 0 0,03 % 0,03 % 0,06 % 0,06 % 0,12 % 0,12 % 0,41 % 0,41 % 1,34 % 1,34 % 7,71 % 7,71 % 17 % 17 % 100 % (inkl.)
Tabelle 2-3: Verwendete Ratingklassenzuordnung. (Quelle: Duefinance (2007).)
Die verwendeten PDs und EADs unterscheiden sich je nach Untersuchungsdesign: Zum einen werden wir Analysen auf Einzelkreditebene durchführen, zum anderen werden wir auch ganze Kreditportfolios betrachten. Daher werden die entsprechenden Datensätze nun differenziert vorgestellt.
2.4.2
Einzelkreditebene
In den Analysen auf Einzelkreditebene betrachten wir aus jeder Ratingklasse eine PD als Repräsentanten. Dabei wählen wir diejenige PD als Vertreter, welche genau in der Intervallmitte der entsprechenden Klasse liegt. Damit ergeben sich die folgenden acht PDs für unsere Untersuchungen:
Klasse PD
AAA AA A BBB BB B CCC D 0,015 % 0,045 % 0,09 % 0,265 % 0,875 % 4,525 % 12,355 % 58,5 %
Tabelle 2-4: Menge der untersuchten PDs auf Einzelkreditebene.
In den Simulationen in Kapitel 3 werden wir lediglich die IRB-Risikogewichte untersuchen, weshalb die Modellierung der EADs dort nicht nötig ist. In Kapitel 4 werden wir einheitlich von EADj = 1 ausgehen. Diese Konvention geschieht zu Vereinfachungszwecken und stellt keine Beschränkung der Allgemeinheit dar.89 89
Für die Ergebnisgrößen in den Kapiteln 3 und 4 wird sich eine lineare Abhängigkeit vom EAD ergeben, so dass man die Resultate für andere EADs einfach durch entsprechende Skalierung erhält.
2.4. Datensätze der Monte-Carlo Simulationen
2.4.3
47
Portfolioebene
Bei der Untersuchung auf Portfolioebene folgen wir der Vorgehensweise von Jankowitsch et al. (2003) und erzeugen vier Portfolios unterschiedlicher Qualität. Diese bestehen jeweils aus 10.000 Krediten. Die Menge der PDs in jedem Portfolio wird als Beta-verteilt angenommen, wobei die Parameter ABeta = 0 und BBeta = 1 gewählt werden, um den Träger der jeweiligen Verteilung auf das Intervall [0, 1] zu beschränken. Weiter wird für jedes Portfolio eine Konstellation der Parameter α und β gewählt, welche die genaue Gestalt der PD-Verteilung festlegt;90 beispielsweise beträgt α . α+β
der Erwartungswert
α β
Tab. 2-5 zeigt die gewählten Parameterkonstellationen.
Portfolio 1 0,7 37,6
Portfolio 2 0,4 19
Portfolio 3 1,4 58
Portfolio 4 1,5 1,3
Tabelle 2-5: Parametrisierung der Beta-Verteilungen für die PDs der Portfolios. Für jeden der n Kredite eines Portfolios (PF) wird mit Hilfe der entsprechenden Beta-Verteilung eine PD erzeugt. Da wir die Menge der betrachteten PDs in unseren Analysen aufgrund der Gestalt des IRB-Risikogewichts auf das Intervall [0,000021; 1] einschränken,91 werden diejenigen generierten PDs, welche unterhalb von 0,000021 liegen, auf den Wert 0,000021 gesetzt. In unseren Simulationen ergaben sich dadurch die in Tab. 2-6 aufgeführten Portfoliostrukturen: Ratingklasse Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl
Kredite: Kredite: Kredite: Kredite:
AAA AA PF PF PF PF
1 473 2 1.396 3 23 4 2
A
274 463 449 594 34 101 0 0
BBB
BB
B
CCC
D
1.554 2.804 4.173 256 3 1.496 2.219 3.270 518 58 797 2.717 6.123 205 0 5 22 273 621 9.077
Median BB BB B D
Tabelle 2-6: Strukturen der Portfolios 1 bis 4: Anzahlen der Kredite in den einzelnen Ratingklassen.
90
91
Motivation für diese Wahl sind die analytischen Eigenschaften sowie die realistisch modellierbare Schiefe der Beta-Verteilungen. Tasche (2003) etwa schlägt die Verwendung von Beta-Verteilungen zur Approximation der Verteilung von Ausfallraten vor. Renault und Scaillet (2003) beispielsweise verwenden Beta-Verteilungen zur Modellierung von Recovery Rates. In Anhang A.1.4 findet sich die Darstellung der allgemeinen Form der Dichtefunktion einer Beta-Verteilung. Vgl. Bemerkung 2.9 und den Wert P Djmin,konkav = 0,000021 für die Parameterkonstellation LGDj > 0, Mj = 2,5 und Sj = 50 (Mio. e), welche in den Simulationen durchgängig gewählt wird.
Kapitel 2. Grundlagen 7000
7000
6000
6000
Anzahl Kredite
Anzahl Kredite
48
5000 4000 3000 2000 1000 0
5000 4000 3000 2000 1000
AAA
AA
A
BBB
BB
B
CCC
0
D
AAA
AA
A
Ratingklasse
(a) Portfolio 1.
Anzahl Kredite
Anzahl Kredite
6000 5000 4000 3000 2000 1000 AAA
AA
A
BBB
BB
BB
B
CCC
D
CCC
D
(b) Portfolio 2.
7000
0
BBB
Ratingklasse
B
Ratingklasse
(c) Portfolio 3.
CCC
D
9000 8000 7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000 0
AAA
AA
A
BBB
BB
B
Ratingklasse
(d) Portfolio 4.
Abbildung 2.9: Graphische Illustration der Strukturen der Portfolios 1 bis 4.
Die graphische Illustration der Portfoliostrukturen findet sich in Abb. 2.9 und vermittelt einen Eindruck der jeweiligen Portfolioqualitäten. Die vier erzeugten Portfolios wollen wir nun kurz vorstellen.
Portfolio 1: Dieses Kreditportfolio kann als realistisch angesehen werden, vgl. Jankowitsch et al. (2003). Es besitzt eine gute Qualität, wobei der Median der Ratingklassen bei BB liegt.
Portfolio 2: Bei Portfolio 2 ist die Anzahl der Kreditnehmer in den Klassen BBB bis B geringer, dafür entfallen mehr Kreditnehmer auf die besseren Klassen AAA bis A sowie die schlechteren Klassen CCC und D. Im Vergleich zu Portfolio 1 findet jedoch eine stärkere Verlagerung der Kreditnehmermenge in Richtung der besseren Klassen statt. Dies zeigt sich auch beim Median der Ratingklassen. Zwar beträgt er wie in Portfolio 1 ebenfalls BB, jedoch liegt in Portfolio 2 ein größerer Anteil an Krediten der Klasse BB weiter „links“ vom Median-Kredit (besitzt also eine bessere Bonität als
2.4. Datensätze der Monte-Carlo Simulationen
49
der Median-Kredit) als in Portfolio 1.92 Daher beurteilen wir die Qualität von Portfolio 2 im Vergleich zu derjenigen von Portfolio 1 als besser.
Portfolio 3: Dieses Portfolio besitzt im Vergleich zu den Portfolios 1 und 2 eine schlechte Qualität. Der Median der Ratingklassen beträgt B.
Portfolio 4: Portfolio 4 besitzt von den vier betrachteten Portfolios mit Abstand die schlechteste Qualität: Der Median der Ratingklassen liegt bei D. Da hier über 90 % aller Kredite als ausgefallen gelten, dürfte dieses Portfolio als sehr unrealistisch angesehen werden. Dennoch werden wir es im weiteren Verlauf mit in unsere Analysen einbeziehen, da die Ergebnisse von theoretischem Interesse sind und es uns ermöglichen, praxisbezogene Schranken für gewisse Effekte einzuschätzen. Die EADs der Kredite werden in Abschnitt 3.3.3.1 sowie in Kapitel 4 als homogen angenommen, d.h. EAD = c für alle Kredite. In Kapitel 4 wird c = 1 gewählt, während die konkrete Höhe von c in Abschnitt 3.3.3.1 unerheblich ist, wie an entsprechender Stelle gezeigt wird. In Abschnitt 3.3.3.2 werden die EADs als heterogen modelliert, da diese Variation dort zweckmäßig ist und zu weiteren interessanten Ergebnissen führt. Die Menge der dort verwendeten EADs wollen wir hier ebenfalls vorstellen:
Heterogene EADs in Kapitel 3 Im heterogenen Fall wird jedem der 10.000 Kredite ein zufälliges EAD zugeordnet, welches aus einer Lognormal-Verteilung mit den Parametern μ = 12 und σ = 0, 926516 erzeugt wurde und anschließend auf das nächste Vielfache von 10.000
2 aufgerundet wurde. Durch den Erwartungswert von exp μ + σ2 = 250.000 und die Standardabweichung [exp(σ 2 )−1]·exp(2μ+σ 2 ) = 291.489 der gewählten LognormalVerteilung (man beachte die Rechtsschiefe der Verteilung) soll eine geeignete Vertei92
In Portfolio 2 existieren in der Klasse BB noch 1.064 Kredite, welche eine schlechtere Bonität als der zum Median zugehörige Kredit besitzen, 1.154 Kredite der Klasse BB besitzen eine schlechtere Bonität. In Portfolio 1 hingegen existieren in der Klasse BB noch 567 schlechtere und 2.236 bessere Kredite.
50
Kapitel 2. Grundlagen
lung der EADs im Portfolio bewirkt werden.93 Die Rundung der EADs auf Vielfache von 10.000 wird vorgenommen, da Kredite in der Praxis meist als „glatte“ Beträge vereinbart werden. Die Wahl der rechtsschiefen Lognormal-Verteilung erfolgt dabei auf Basis der Intuition, dass Kredite mit kleinen bzw. mittelgroßen EADs häufiger nachgefragt werden als Kredite mit sehr hohen EADs. Die 10.000 erzeugten Werte für die EADs werden dabei für alle vier betrachteten Portfolios verwendet, um eine bessere Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten. Um einen Überblick über die Menge der verwendeten EADs zu bekommen, geben wir hier einige deskriptive Statistiken an, welche gemäß Konstruktion für alle vier Portfolios dieselben sind (alle Angaben in e): • Das Gesamt-EAD beträgt ca. 2,56 Mrd. • Das durchschnittliche EAD liegt bei etwa 256.000. • Das maximale beobachtete EAD hat eine Höhe von 5,25 Mio. • Das empirische 99 %-Quantil der EADs liegt bei 1,46 Mio., d.h. 100 der 10.000 Kredite haben ein EAD oberhalb dieses Wertes. • Die 100 größten Kredite (bezogen auf das jeweilige EAD) haben ein GesamtEAD von ungefähr 212,12 Mio. Damit entfallen also auf die 1 % größten Kredite über 8 % des Gesamt-EADs.
Mit Portfolios, welche jeweils aus 10.000 Krediten bestehen und ein Gesamt-EAD von ca. 2,56 Mrd. e aufweisen, liegt unsere Datenbasis durchaus in einem realistischen Bereich.94 Abb. 2.10 zeigt die erzeugten EADs in einem Histogramm. Dabei wurden die größten 50 EADs abgeschnitten, um einen geeigneten Ausschnitt zu erhalten.95
93 94
95
Bzgl. der Formeln für den Erwartungswert und die Standardabweichung einer Lognormal-Verteilung vgl. z.B. Bronstein et al. (2005), S. 782. Beispielsweise betrug das Kundenkreditvolumen der Sparkasse Ulm im Jahr 2006 etwa 2,83 Mrd. e, vgl. Sparkasse Ulm (2006). Das Kreditvolumen von großen Kreditinstituten kann diesen Wert noch um ein Vielfaches übersteigen, vgl. z.B. Deutsche Bank AG (2006). Als Bucket-Größe wurden 20.000 gewählt, d.h. es werden die jeweiligen Anzahlen an Krediten mit EAD in den Intervallen [k · 20.000, (k + 1) · 20.000), k ∈ 0 , dargestellt (Angaben in e).
Häufigkeit
2.4. Datensätze der Monte-Carlo Simulationen 1000 900 800 700 600 500 400 300 200 100 0 0
0,2
0,4
0,6
0,8 1,0
51
1,2
1,4
1,6
1,8 2,0
EAD (in Mio. Euro)
Abbildung 2.10: Histogramm der erzeugten EADs.
Zusätzliche Portfolios in Kapitel 4 Für die Simulationen in Kapitel 4 wird für jeden Kredit EAD = 1 angenommen. Dabei betrachten wir allerdings nicht nur die vier oben dargestellten Kreditportfolios, sondern erzeugen darüber hinaus noch ein Portfolio für das Konkurrenzkreditinstitut sowie ein Portfolio an potenziellen Neukunden. Wird für ein Untersuchungs-Szenario die PD-Verteilungsannahme mit der Parameterkonstellation α, β gewählt, so wird diese auch für das Portfolio des Konkurrenzinstituts sowie für die Neukunden verwendet. Somit wird unterstellt, dass jedes der betrachteten Portfolios einen repräsentativen Querschnitt aller Kredite darstellt und die Qualitäten sowie Strukturen der Portfolios in jedem Szenario vergleichbar sind. Als Anzahlen an Krediten werden für das Konkurrenzinstitut ebenfalls 10.000 angenommen. Für die potenziellen Neukunden wird die Anzahl 5.000 verwendet, da in diesem Fall zwischen 0 und 5.000 Neukunden einen Vertrag beim betrachteten bzw. beim Konkurrenzinstitut abschließen – damit liegt die Anzahl der Neuabschlüsse zwischen 0 % und 50 % des bisherigen Kreditbestandes und bewegt sich aus unserer Sicht in einer annehmbaren Größenordnung.
Kapitel 3 Auswirkungen der Verwendung verrauschter PD-Schätzungen auf die Höhe des regulatorischen Kapitals gemäß Basel II
3.1
Vorbemerkungen
Motivation und Gang der Untersuchung Wie wir im vorigen Kapitel gesehen haben, stellt der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht Kreditinstituten mit dem IRB-Ansatz seiner neuen Eigenkapitalvereinbarung eine Möglichkeit zur Verfügung, eigene Ratingverfahren zur Bestimmung der Eigenmittelunterlegung von Ausfallrisiken zu verwenden.1 Hiernach ist die Höhe der Eigenmittelunterlegung als Funktion in der Ausfallwahrscheinlichkeit fast im ganzen Intervall [0, 1] c.p. konkav. Diese Eigenschaft ist Ansatzpunkt der Untersuchung in diesem Kapitel. Betrachtet man zwei Schätzer R und X für die Ausfallwahrscheinlichkeit eines Kredites, welche den gleichen Erwartungswert besitzen, von denen X jedoch eine breitere Streuung als R aufweist, so ist zu vermuten, dass die erwartete Eigenmittel-
1
Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2006a).
54
Kapitel 3. Regulatorisches Kapital bei Verwendung verrauschter PD-Schätzer
unterlegung bei Verwendung des „ungenaueren“ Schätzers X im konkaven Bereich der Risikogewichtsfunktion geringer ist als bei Verwendung des „genaueren“ Schätzers R. Abb. 3.1 verdeutlicht dies anhand des einfachen Beispiels eines konstanten PD-Schätzers R ≡ r und eines weiteren Schätzers X, welcher zwei mögliche Werte x < r und x > r als PD-Schätzung prognostizieren kann, wobei die durchschnittliche PD-Schätzung genau r entspricht. Dann gilt in der in Abb. 3.1 skizzierten Situation aufgrund des konkaven Verlaufs des IRB-Risikogewichts K die Beziehung E(K(X)) < K(r) = E(K(R)). IRB-Risikogewicht K
K(x‘‘) K(r) E(K(X)) K(x‘)
PD-Schätzung 0 x‘
r
x‘‘
Abbildung 3.1: Illustration des Reduktionseffekts.
Sollte sich dieser Reduktionseffekt als allgemein gültig herausstellen, würden daraus Anreize für Kreditinstitute resultieren, möglichst ungenaue PD-Schätzer im IRBAnsatz zu verwenden, um auf diese Weise „teure“ Eigenmittel einzusparen bzw. aufgrund der Verringerung des gebundenen regulatorischen Kapitals weitere Risiken eingehen zu können.
Bei unserer Untersuchung in diesem Kapitel, welche auf Kühn und Pfingsten (2007) aufbaut, werden in Abschnitt 3.2 zunächst die angesprochenen Einsparungsmöglichkeiten bzgl. der Eigenmittelunterlegung mathematisch nachgewiesen. Daraus leiten wir resultierende Anreize für Kreditinstitute ab und zeigen ebenfalls, wie Kreditinstitute diesen Reduktionseffekt in der Praxis umsetzen können. Zur Quantifizierung des Einsparungspotenzials führen wir in Abschnitt 3.3 sowohl für einzelne Kredite als auch auch auf Kreditportfolioebene Monte-Carlo Simulationen durch. Abschnitt 3.4 ist denjenigen aufsichtsrechtlichen Aspekten gewidmet, die im Zusammenhang mit der Verwendung von verrauschten PD-Schätzern im IRB-Ansatz rele-
3.1. Vorbemerkungen
55
vant sind. So wird geprüft, ob die Verwendung von verrauschten PD-Schätzmodellen in Einklang mit den Anforderungen steht, welche im IRB-Ansatz an interne Modelle gestellt werden. Darüber hinaus werden Handlungskonsequenzen für die Aufsicht abgeleitet. Die Ergebnisse dieses Kapitels werden schließlich in Abschnitt 3.5 in einem Zwischenfazit zusammengefasst.
Literaturüberblick In der Literatur finden sich verschiedene Analysen, welche die Konkavität des IRBRisikogewichts und ihre Konsequenzen zum Inhalt haben. Hier sei jedoch angemerkt, dass die dort unterstellte Konkavität nicht im ganzen Intervall [0, 1] gegeben ist,2 anders als die Autoren aussagen. Die aus der vermeintlichen Konkavität abgeleiteten Ergebnisse gelten somit nur nur auf einem geeigneten Teilintervall des Intervalls [0, 1]. Da die Konkavität jedoch nur für sehr kleine und für praktische Zwecke wenig relevante PDs verletzt ist,3 ist diese Einschränkung nicht essenziell. Broeker (2004) untersucht den Zusammenhang zwischen der Trennschärfe eines Ratingsystems und der Eigenmittelanforderung eines Kreditportfolios. Er zeigt, hauptsächlich anhand von Beispielen, dass eine höhere Trennschärfe zu einer geringeren Eigenmittelanforderung führt. Rauhmeier und Scheule (2005a) 4 untersuchen denselben Effekt auf einer mathematischen Grundlage und kommen zum gleichen Schluss.5 Auf den ersten Blick vermutet man hier einen Widerspruch zu unserem Ergebnis: Sowohl Broeker (2004) als auch Rauhmeier und Scheule (2005a) zeigen, dass die Verwendung eines „besseren“ Ratingsystems zu einer Reduktion der Eigenmittelanforderung führt; wir hingegen sagen aus, dass die Verwendung eines „schlechteren“ PD-Schätzmodells bzw. Ratingsystems zur Eigenmittelersparnis führt. Die Auflösung dieses Rätsels liegt in den verschiedenen Voraussetzungen bzgl. der festen Vorgabe bzw. Variabilität der Einflussgrößen: Während bei Broeker (2004) und Rauhmeier und Scheule (2005a) eine höhere Güte implizit mit der Verwendung 2 3 4 5
Vgl. Korollar 2.8 und die daran anschließenden Ausführungen. Vgl. die Ausführungen im Anschluss an Bemerkung 2.9. Bei Rauhmeier und Scheule (2005a) handelt es sich um eine aktuellere Fassung von Rauhmeier und Scheule (2005b). In der Darstellung von Rauhmeier und Scheule (2005a) ist jedoch anzumerken, dass die Bezeichnung „Schärfe“ etwas missverständlich ist, da sie sich nicht auf die Trennschärfe des Ratingsystems, sondern auf seine Prognosevarianz bezieht.
56
Kapitel 3. Regulatorisches Kapital bei Verwendung verrauschter PD-Schätzer
einer größeren Anzahl an Ratingklassen einhergeht, betrachten wir die Anzahl an Ratingklassen als fest vorgegeben.6 Jankowitsch et al. (2003) analysieren den Einfluss der Granularität, d.h. der Anzahl der Ratingklassen, eines Ratingsystems auf die Höhe des regulatorischen Kapitals im IRB-Ansatz und kommen zu dem Ergebnis, dass die Eigenmittelanforderung mit steigender Anzahl an Ratingklassen sinkt. Darüber hinaus zeigen sie, dass für jede vorgegebene Anzahl an Ratingklassen eine optimale Wahl der Klassengrenzen existiert, welche zu einer minimalen Eigenmittelanforderung führt. Ash et al. (2007) bestätigen letzteres Ergebnis empirisch anhand von Daten eines Kreditkartenanbieters. Die Untersuchung von Kiefer und Larson (2004) geht in eine ähnliche Richtung: Sie untersuchen den Zusammenhang zwischen der Größe einer Ratingklasse und der Schätzgenauigkeit für die durchschnittliche PD der entsprechenden Klasse. Sie zeigen, dass die Schätzgenauigkeit mit der Größe des gewählten Klassenintervalls steigt, machen allerdings auch darauf aufmerksam, dass die Aussagekraft der mittleren PD mit zunehmender Klassengröße aufgrund der steigenden Heterogenität der Bonitäten abnimmt. Ihre Untersuchung findet vor dem Hintergrund einer Kapitalallokation gemäß Basel II statt, bei der die Konkavität des Risikogewichts mit in Betracht gezogen wird. In einer weiteren Arbeit untersuchen Jankowitsch et al. den ökonomischen Wert von Ratingsystemen.7 Hierbei werden sowohl die Güte als auch die Klassenstruktur eines Ratingsystems modelliert und Adverse Selection Phänomene im Rahmen einer EinPerioden-Betrachtung untersucht. Die Ergebnisse werden anhand von Simulationen quantifiziert.
6
7
Genauer führen wir unsere Untersuchung auf Basis einer kontinuierlichen PDVerteilung durch, welche als unendlich feines Ratingsystem interpretiert werden kann, bei dem jede PD ihre eigene Klasse repräsentiert. Dies ist aber keine Voraussetzung für die Gültigkeit des von uns untersuchten Reduktionseffekts, sondern nur eine technische Vereinfachung; der Reduktionseffekt würde auch bei der Betrachtung einer endlichen Anzahl von Klassen auftreten. Die in Abschnitt 2.4.1 unterstellte Ratingklassenzuordnung (vgl. Tab. 2-3) wird nur zu Darstellungszwecken und nicht zur Ermittlung des regulatorischen Kapitals verwendet und spielt bei der Auflösung dieses scheinbaren Widerspruchs daher keine Rolle. Jankowitsch et al. (2007).
3.2. Theoretische Analyse
57
Der Reduktionseffekt, welcher aufgrund von ungenauen PD-Schätzungen resultiert, wird bei Jankowitsch et al. (2007) allerdings weder separat untersucht noch mathematisch nachgewiesen. Dies ist gerade der Inhalt unserer Analysen in diesem Kapitel. Da unsere Untersuchung in Kapitel 4 das gleiche Ziel hat wie die Arbeit von Jankowitsch et al. (2007), nämlich anhand eines ökonomischen Modells aufzuzeigen, welche Konsequenzen die Verwendung von ungenauen PD-Schätzern hat, wird die Vorgehensweise von Jankowitsch et al. (2007) erst im Rahmen der Untersuchungen in Kapitel 4 genauer beleuchtet und diskutiert.
3.2
3.2.1
Theoretische Analyse
Reduktionseffekt
Wir betrachten ein Kreditinstitut, das n Kredite vergeben hat und daher Eigenmittel als entsprechenden „Risikopuffer“ für die unerwartenen Verluste aus diesen Krediten vorhalten muss. Für jeden einzelnen Kredit j berechnet sich dieser Risikopuffer CRj gemäß dem IRB-Ansatz von Basel II in Abhängigkeit von der PD des Kredites (d.h. bei Festhalten aller weiteren Einflussgrößen) als CRj (P Dj ) = EADj · Kj (P Dj ),
(3-1)
vgl. Formel (2-37), und auf Kreditportfolioebene als Summe der einzelnen Eigenmittelanforderungen: CR(P D1 , ..., P Dn ) =
n j=1
CRj (P Dj ) =
n
EADj · Kj (P Dj ).
(3-2)
j=1
Um die Eigenmittelanforderung im IRB-Ansatz bei Betrachtung verschiedener PDSchätzer zu untersuchen, gehen wir von der nachfolgend genannten Annahme aus.
58
Kapitel 3. Regulatorisches Kapital bei Verwendung verrauschter PD-Schätzer
Annahme 3.1. Für jeden Kredit j sind die Größen EADj und LGDj unabhängig von P Dj und werden im Folgenden als fest gegeben angenommen.8 Wie wir bereits in Abschnitt 2.1.2.3.3 gesehen haben, ist das IRB-Risikogewicht Kj in Abhängigkeit von der Ausfallwahrscheinlichkeit P Dj des Kredites j im Intervall Djkonkav eine konkave Funktion, vgl. Bemerkung 2.9. Dieser konkave Zusammenhang überträgt sich für PDs in diesem Intervall gemäß Annahme 3.1 direkt auf die Eigenmittelanforderung für Kredit j.9 Da die wahren Ausfallwahrscheinlichkeiten P D1, ..., P Dn der Kredite unbekannt sind, müssen sie geschätzt werden. Hierfür verwendet das Kreditinstitut für j = 1, ..., n einen Schätzer Rj mit Werten in [0, 1], welcher die Ausfallwahrscheinlichkeit P Dj jeweils anhand von zufallsabhängigen Einflussgrößen des jeweiligen Kreditnehmers schätzt.10 Die Eigenmittelunterlegung für Kredit j wird nun entsprechend der Realisierung CRj (rj ) von CRj (Rj ) vorgenommen, woraus insgesamt eine Eigenmittelanforderung CR in Höhe von 8
9
10
Die Annahme der Unabhängigkeit dieser Größen wird in der Literatur durchaus kritisch gesehen. So zeigt sich in zahlreichen empirischen Untersuchungen eine positive Korrelation von LGD und PD, vgl. z.B. Frye (2000), Gupton et al. (2000) und Altman et al. (2002). Dieser Zusammenhang, welcher auf die Abhängigkeit der betrachteten Größen von makroökonomischen Einflussfaktoren zurückgeführt wird, wird insbesondere in der Diskussion bzgl. der Prozyklizität von Basel II als kritischer Effekt gesehen, vgl. neben den oben genannten Quellen z.B. auch Rudolph (2004), S. 259. Auch hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen EAD und P D wird in der Literatur z.T. von einer gemeinsamen Abhängigkeit von makroökonomischen Faktoren gesprochen. Einen Überblick hierzu bieten Allen und Saunders (2003). Es wird in unserem Modell nicht angenommen, dass die tatsächlichen Höhen von EADj und LGDj dem Kreditinstitut bekannt sind. Es kann sich hierbei also auch um institutseigene Schätzungen handeln. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird weder sprachlich noch formal zwischen den realen Werten und den Schätzungen für EADj und LGDj unterschieden. Gemäß Tz. 43 in Basel II (Basel Committee on Banking Supervision (2006a)) mindert der Differenzbetrag zwischen dem erwarteten Gesamtverlust j ELj = j EADj · LGDj · P Dj und den Wertberichtigungen die Ist-Eigenmittel, was in dieser Untersuchung streng genommen berücksichtigt werden müsste. Da die Addition einer zentrierten Zufallsgröße den Mittelwert des erwarteten Gesamtverlusts jedoch c.p. nicht ändert, ergibt sich im Mittel keine Änderung der Ist-Eigenmittel, so dass wir diesen Effekt ausblenden können. Beispielsweise fließen in Ratingurteile meist Bilanzkennzahlen ein; diese sind aber nie ganz unabhängig von der (zufälligen) konjunkturellen Lage.
3.2. Theoretische Analyse
59
CR := CR(r1 , ..., rn ) =
n
CRj (rj ) =
j=1
n
EADj · Kj (rj )
(3-3)
j=1
für das Kreditportfolio resultiert.11 Als erwartete Eigenmittelunterlegung ergibt sich insgesamt E(CR(R1 , ..., Rn )) = E(
n
CRj (Rj )) =
j=1
n
EADj · E(Kj (Rj )).
(3-4)
j=1
Wir zeigen im Folgenden, dass die erwartete Eigenmittelunterlegung sowohl auf Einzelkreditebene als auch auf Portfolioebene durch die Verwendung eines ungenauen Schätzers für die PD c.p. geringer ist als bei Verwendung eines genauen Schätzers mit gleichem Erwartungswert, sofern beide Schätzer im konkaven Bereich Djkonkav von Kj liegen. Hierfür sind die Begriffe „ungenau“ bzw. „genau“ zunächst zu spezifizieren. Dafür betrachten wir zwei PD-Schätzer Rj und Xj , wobei Xj aus Rj durch Addition einer „Rausch“-Zufallsgröße Zj resultiert: Xj ∼ Rj + Zj ,
(3-5)
wobei Zj die Eigenschaft E(Zj |Rj ) = 0 P -f.s. besitzt.12 Dann bezeichnen wir Xj als „ungenauer“ als Rj . Diese Interpretation wird dadurch bestärkt, dass Zj eine White Noise Zufallsgröße bzgl. Rj darstellt: Lemma 3.2. Für j ∈ {1, ..., n} seien Xj und Rj zwei Zufallsgrößen, wobei Xj aus Rj mittels der Beziehung Xj ∼ Rj + Zj hervorgeht und Zj die Eigenschaft E(Zj |Rj ) = 0 P -f.s. erfüllt. 11
12
In der Praxis dürfte das Kreditinstitut der Aufsicht i.d.R. die Ratingklasse des Kredits melden, aus der sich durch Verwendung einer für diese Klasse repräsentativen Ausfallwahrscheinlichkeit die Höhe der zu unterlegenden Eigenmittel bestimmt. Bei einer entsprechenden Untersuchung sind also noch weitere Annahmen bzgl. der Ratingklassenabgrenzungen zu beachten. Für zwei Zufallsgrößen X und Y bedeute „X ∼ Y “, dass X und Y dieselbe Verteilung besitzen, d.h. P X = P Y . Gilt eine Beziehung zwischen Zufallsgrößen P -f.s., so bedeutet dies, dass sie mit Wahrscheinlichkeit 1 erfüllt ist.
60
Kapitel 3. Regulatorisches Kapital bei Verwendung verrauschter PD-Schätzer
Dann gilt i) E(Zj ) = 0, ii) Rj und Zj sind unkorreliert. Damit stellt Zj eine White Noise Zufallsgröße bzgl. Rj dar.13 Beweis. Sei j ∈ {1, ..., n} gegeben. zu i): Mit der Glättungsregel für bedingte Erwartungswerte14 ergibt sich E(Zj ) = E(E(Zj |Rj )) = 0.
(3-6)
zu ii): Es gilt:15 Cov(Zj , Rj )
=
E(Zj · Rj ) − E(Zj ) · E(Rj )
(3-7)
=
E(Zj · Rj )
(3-8)
=
E(E(Zj · Rj |Rj ))
(3-9)
=
E(Rj · E(Zj |Rj ))
(3-10)
0.
(3-11)
E(Zj )=0
E(Zj |Rj )=0 P -f.s.
=
Die Bedingung E(Zj |Rj ) = 0 P -f.s. impliziert also, dass Zj eine White Noise Zufallsgröße bzgl. Rj darstellt; die umgekehrte Schlussrichtung gilt i.A. nicht. Für den nachfolgenden Satz, welcher die zentrale Aussage dieses Kapitels darstellt, benötigen wir nicht nur die White Noise-Eigenschaften aus Lemma 3.2 i) und ii), sondern die stärkere Eigenschaft E(Zj |Rj ) = 0 P -f.s. 13
14 15
In der Literatur wird der Begriff „White Noise“ zumeist für einen stationären Prozess mit Erwartungswert 0, konstanten Varianzen und Autokorrelation 0 verwendet, vgl. z.B. Davidson und MacKinnon (2004), S. 557. Z.T. wird diese Bezeichnung jedoch auch – wie in Lemma 3.2 – für einzelne Zufallsgrößen benutzt, vgl. z.B. Gordy (2003), S. 203, Brandt et al. (2007), S. 8. Im Kontext dieser Arbeit verstehen wir unter White Noise eine Zufallsgröße mit den Eigenschaften i) und ii) aus Lemma 3.2. Vgl. z.B. Billingsley (1995). Die verwendeten Rechenregeln für bedingte Erwartungswerte finden sich z.B. bei Schmitz (1996), Anmerkung 4.76 und Satz 4.77.
3.2. Theoretische Analyse
61
Satz 3.3 besagt, dass die Verwendung des ungenaueren P D-Schätzers Xj anstelle von Rj im konkaven Bereich Djkonkav von Kj sowohl auf Einzelkredit- als auch auf Portfolioebene im Erwartungswert zu einer Eigenmittelersparnis führt: Satz 3.3. Für j ∈ {1, ..., n} seien Xj und Rj Schätzer für P Dj , wobei Xj aus Rj mittels Xj ∼ Rj + Zj hervorgeht und Zj die Eigenschaft E(Zj |Rj ) = 0 P -f.s. erfüllt. Gilt Rj , Xj ∈ Djkonkav P -f.s., so folgt E(CRj (Xj )) ≤ E(CRj (Rj ))
(3-12)
und somit insgesamt E(
n
CRj (Xj )) ≤ E(
j=1
n
CRj (Rj )).
(3-13)
j=1
Beweis. Sei j ∈ {1, ..., n} gegeben. Im Fall Rj , Xj ∈ Djkonkav P -f.s. folgt insbesondere Rj , Xj ∈ [0, 1] P -f.s., womit CRj (Rj ) und CRj (Xj ) P -f.s. definiert sind. Gemäß Rothschild und Stiglitz (1970) gilt wegen E(Zj |Rj ) = 0 P -f.s. und nach Festlegung von Xj die Beziehung „Xj is equal to Rj plus noise“, womit die Behauptung wegen Rj , Xj ∈ Djkonkav P -f.s. aus der in diesem Bereich gegebenen Konkavität von Kj und der Beziehung (3-1) folgt.16
Da wir davon ausgehen, dass PD-Schätzer, welche nicht erwartungstreu sind, seitens der Aufsicht im Rahmen von Backtestings und Modellvalidierungen zumindest mittelfristig erkannt werden sollten und ein solches internes Modell demnach abgelehnt werden sollte (vgl. die Anforderungen an interne Schätzmodelle im IRB-Ansatz in Abschnitt 2.1.3), beschränken wir uns hier und im Folgenden auf erwartungstreue PD-Schätzer Rj : Annahme 3.4. Für j = 1, ..., n gelte E(Rj ) = P Dj .
16
Die im Beweis benutzte Methode ist in der Literatur auch als Konzept der stochastischen Dominanz zweiter Ordnung bekannt, vgl. z.B. Levy (2006), S. 75 ff.
62
Kapitel 3. Regulatorisches Kapital bei Verwendung verrauschter PD-Schätzer
Diese Eigenschaft überträgt sich direkt auf den PD-Schätzer Xj : Korollar 3.5. Für j = 1, ..., n gilt E(Xj ) = P Dj .
Beweis. Die Aussage folgt aus Annahme 3.4 und der Zentriertheit der White Noise Zufallsgröße Zj (vgl. Lemma 3.2 i)): E(Xj ) = E(Rj + Zj ) = E(Rj ) + E(Zj ) = E(Rj ) = P Dj .
3.2.2
(3-14)
Resultierende Anreizeffekte für Kreditinstitute
Im weiteren Verlauf gehen wir von folgender Annahme aus: Annahme 3.6 (Eigenkapitalknappheit). Die regulatorischen Eigenmittel stellen für das betrachtete Kreditinstitut ein knappes Gut dar.
Auf der Basis dieser Annahme besteht für das Kreditinstitut der Anreiz, die regulatorische Eigenmittelanforderung zu senken.17 Der oben beschriebene Reduktionseffekt stellt nun eine Möglichkeit für das Institut dar, dies in die Praxis umzusetzen: Indem ein Kreditinstitut PD-Schätzer verwendet, welche ein – beabsichtigtes oder unbeabsichtigtes – Rauschen enthalten, senkt es im im konkaven Bereich von Kj im Erwartungswert die Eigenmittelanforderung für die unerwarteten Verluste aus seinem Kreditgeschäft. Dies bringt aus Sicht der Aufsicht unerwünschte Anreizeffekte mit sich, welche die Grundidee von Basel II – die möglichst adäquate Einschätzung der Risiken – kon17
Aber auch ohne diese Annahme haben Kreditinstitute in der Praxis einen Anreiz, ihre Eigenmittelanforderung zu senken: Da die Überdeckungsquote, welche die IstEigenmittel ins Verhältnis zur regulatorischen Eigenmittelanforderung setzt, bei einer Verringerung der regulatorischen Eigenmittelanforderung c.p. steigt, kann eine Verringerung der Eigenmittelanforderung zu einem besseren Rating und damit zu geringeren Refinanzierungskosten des Kreditinstituts führen.
3.2. Theoretische Analyse
63
terkarieren: Kreditinstitute könnten nun versucht sein, den Reduktionseffekt aktiv auszunutzen, indem sie bereits bestehende PD-Schätzer durch die Addition von White Noise verrauschen, oder ihn passiv zu nutzen, indem sie von Verbesserungen ihres internen Modells absehen, da diese zu einer höheren erwarteten Eigenmittelanforderung führen würden. Obgleich der Anreiz zur passiven Ausnutzung des Reduktionseffekts u.E. vor allem für die Aufsicht sehr bedenklich und ernstzunehmen ist, wird der Fokus unserer Untersuchung auf dem Anreiz zur aktiven Ausnutzung des Effekts liegen. Dies ist zum einen darin begründet, dass wir die Noise Zufallsgrößen auf diese Weise nach unserem Belieben wählen können, was die Präsentation erleichtert. Zum anderen sind in diesem Fall aber noch weitere Restriktionen zu beachten, welche bei der Unterstellung eines natürlichen Rauschens von vornherein erfüllt sind. Da die Ergebnisse der Untersuchung einer aktiven Ausnutzung des Effekts ebenfalls für den Fall einer passiven Ausnutzung interpretierbar sind, entscheiden wir uns also für die schwierigere Variante. Gemäß Satz 3.3 kann ein Kreditinstitut die erwartete Eigenmittelanforderung durch Addition einer Zufallsgröße Zj mit der Eigenschaft E(Zj |Rj ) = 0 P -f.s. zum bereits bestehenden P Dj -Schätzer Rj senken, falls Rj , Xj ∈ Djkonkav P -f.s. gilt. Hierbei stellt insbesondere Xj = Rj + Zj ∈ [0, 1] P -f.s. eine notwendige Bedingung dar, da die zu schätzende Ausfallwahrscheinlichkeit im Intervall [0, 1] liegen muss;18 die Wahl von Zj kann daher nicht unabhängig von Rj vorgenommen werden, sondern ist in Abhängigkeit von der jeweiligen Realisierung rj von Rj zu treffen.19 Wie dies in der Praxis umsetzbar ist, wird im nächsten Abschnitt anhand von Beispielen gezeigt. Trotz der Fokussierung auf die aktive Ausnutzung des Reduktionseffekts sind die Ergebnisse unserer Untersuchung ebenfalls für den Fall einer passiven Ausnutzung des 18
19
Für Unternehmen und Banken ist im Neuen Baseler Akkord ein Mindestwert von 0,03 % für die 1-Jahres-PD anzusetzen, vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2006a), Tz. 285. Dies stellt für unsere Untersuchung keine Einschränkung dar, da die Vorgehensweise bei Berücksichtigung dieser Restriktion völlig analog ist. Wir betrachten diese Besonderheit nicht, da sie außer einigen Abwandlungen technischer Natur keine grundsätzlich verschiedenen Ergebnisse mit sich bringt. Zum Beispiel hat man für rj = 1 keinen Spielraum mehr bzgl. der Wahl von Zj : Hier kommt nur noch eine Zufallsgröße Zj mit Zj = 0 P -f.s. für die Addition in Frage, da sonst mit positiver Wahrscheinlichkeit Realisierungen von Xj = Rj + Zj auftreten, welche größer als eins sind. Bei einer Realisierung rj ∈ (0, 1) hingegen ist die Nebenbedingung Xj ∈ [0, 1] P -f.s. auch bei einer Wahl von Zj mit positiver Varianz möglich.
64
Kapitel 3. Regulatorisches Kapital bei Verwendung verrauschter PD-Schätzer
Reduktionseffekts interpretierbar; so lassen sich die meisten Simulationsergebnisse in Abschnitt 3.3 nicht nur als Reduktion der Eigenmittelanforderung bei einer absichtlichen Addition eines Rauschens, sondern auch als zusätzliches regulatorisches Kapital bei einer Eliminierung des Rauschens interpretieren.
3.2.3
Umsetzungsmöglichkeiten für Kreditinstitute
Die erste Aussage in diesem Abschnitt, Lemma 3.7, stellt eine hinreichende Bedingung dar, wann die Verrauschung mittels einer Noise Zufallsgröße zu einem verrauschten PD-Schätzer Xj führt, welcher P -f.s. im konkaven Bereich Djkonkav = [P Djmin,konkav , 1] ⊂ [0, 1] von Kj liegt (vgl. Bemerkung 2.9 auf S. 25):20 Lemma 3.7. Für j ∈ {1, ..., n} sei rj ∈ Djkonkav eine Realisierung von Rj und Zj eine Zufallsgröße mit der Eigenschaft P Zj |Rj =rj ([−(rj − P Djmin,konkav ), 1 − rj ]) = 1.
(3-15)
Dann gilt Xj = Rj + Zj ∈ Djkonkav ⊂ [0, 1] P -f.s. Dies gilt insbesondere für die Zufallsgröße Zj mit P Zj |Rj =rj ([−rjOverall , rjOverall ]) = 1,
(3-16)
wobei rjOverall definiert ist als rjOverall := min{rj − P Djmin,konkav , 1 − rj }.21
(3-17)
Beweis. Sei rj eine Realisierung von Rj ∈ Djkonkav und zj eine Realisierung von Zj . Dann gilt rj + zj ∈ [rj − (rj − P Djmin,konkav ), rj + 1 − rj ] = [P Djmin,konkav , 1]. Die zweite
20 21
Die Bedingung ist sogar notwendig; dieser Zusammenhang wird im Folgenden jedoch nicht benötigt. Der Zusatz „Overall“ soll dabei andeuten, dass das ganze Intervall [0, 1] herangezogen wird, um den Träger von Zj zu konstruieren.
3.2. Theoretische Analyse
65
Aussage ergibt sich aus der ersten Aussage: Im Fall rjOverall = rj − P Djmin,konkav gilt rj − P Djmin,konkav ≤ 1 − rj und somit [−rjOverall , rjOverall ] = [−(rj − P Djmin,konkav ), rj − P Djmin,konkav ]
(3-18)
≤ 1−rj
⊆ [−(rj −
P Djmin,konkav ), 1
− rj ].
(3-19)
Im umgekehrten Fall rjOverall = 1 − rj gilt 1 − rj ≤ rj − P Djmin,konkav , woraus [−rjOverall , rjOverall ] = [ −(1 − rj ) , 1 − rj ]
(3-20)
≥ −(rj −P Djmin,konkav )
⊆ [−(rj − P Djmin,konkav ), 1 − rj ]
(3-21)
und damit insgesamt die Behauptung folgt. Beabsichtigt ein Kreditinstitut also, seinen PD-Schätzer Rj durch die Addition von White Noise zu verschlechtern, so ist dies durch die Addition einer Zufallsgröße Zj zu Rj möglich, welche die beiden Eigenschaften i) ii)
E(Zj |Rj ) = 0 P -f.s. und Xj := Rj + Zj ∈
[P Djmin,konkav , 1]
(3-22) P -f.s.
(3-23)
besitzt. Diese Eigenschaften bewirken nämlich, dass der in Satz 3.3 nachgewiesene Reduktionseffekt auftritt und die Realisierungen xj des verrauschten PD-Schätzers Xj seitens der Aufsicht grundsätzlich als Ausfallwahrscheinlichkeiten akzeptiert werden könnten, da sie im Intervall [P Djmin,konkav , 1] ⊂ [0, 1] liegen. Ein Beispiel für eine solche Zufallsgröße ist Zj mit der Eigenschaft (3-16) aus Lemma 3.7. Normalverteilte Zufallsgrößen Zj , bzw. allgemeiner Zufallsgrößen Zj mit nicht-endlichem Träger kommen für eine Verrauschung nicht in Frage, da der resultierende PD-Schätzer Xj = Rj + Zj nicht mehr P -f.s. im Intervall [0, 1] liegt. Erstaunlich ist hierbei, dass die Zufallsgröße Zj mit den Eigenschaften (3-22) und (3-23) trotz ihrer stochastischen Abhängigkeit von Rj eine White Noise Zufallsgröße bzgl. Rj darstellt, d.h. unkorreliert ist (vgl. Lemma 3.2). Dies ist in der Tat kein
66
Kapitel 3. Regulatorisches Kapital bei Verwendung verrauschter PD-Schätzer
Widerspruch, denn die Korrelation stellt lediglich ein Maß für den linearen Zusammenhang zweier Zufallsgrößen dar, welcher hier offenbar nicht besteht. Wir wollen nun anhand eines Beispiels demonstrieren, wie eine solche Zufallsgröße Zj mit den Eigenschaften i) und ii) konstruiert werden kann. Dazu betrachten wir die Zufallsgröße ZjOverall mit der faktorisierten bedingten Verteilung Overall |R =r j j
P Zj
= R(−rjOverall , rjOverall ),
(3-24)
wobei R(a, b) für a ≤ b die Rechteckverteilung auf dem Intervall [a, b] bezeichne und rjOverall wie in Formel (3-17) gewählt sei. Korollar 3.8. Die Zufallsgröße ZjOverall mit der bedingten faktorisierten Verteilung (3-24) erfüllt die Bedingungen (3-22) sowie (3-23) und somit die Voraussetzung für Satz 3.3.
Beweis. Für die Zufallsgröße ZjOverall ist Eigenschaft (3-22) erfüllt, denn für j = 1, ..., n und rj ∈ [0, 1] gilt E(ZjOverall |Rj = rj ) =
Overall |R =r j j
xdP Zj
(x) = 0,
(3-25)
[P Djmin,konkav ,1]
womit wir aus der punktweisen Gültigkeit der Gleichung (3-25) insgesamt schon E(ZjOverall |Rj ) = 0 P -f.s. erhalten. Eigenschaft (3-23) ist offensichtlich ebenfalls erfüllt.
Die Wahl einer Rechteckverteilung für die faktorisierte bedingte Verteilung von Zj unter Rj ist hierbei willkürlich; sie erweist sich jedoch als geeignete Kompromisslösung zwischen zwei Extremsituationen: Zum einen tritt bei Addition einer deterministischen White Noise Zufallsgröße Zj mit P (Zj = 0) = 1 überhaupt kein Einsparungseffekt bzgl. der Eigenmittelunterlegung auf. Zum anderen lässt sich durch eine geeignete Wahl von ZjOverall die erwartete Eigenmittelanforderung sogar auf 0 senken:
3.2. Theoretische Analyse
67
Satz 3.9. Sei j ∈ {1, ..., n} gegeben und Zj0 eine Zufallsgröße, welche für jede Realisierung rj 0
von Rj die bedingte faktorisierte Verteilung P Zj |Rj =rj mit 0
0
P Zj |Rj =rj ({−rj }) = 1 − rj = 1 − P Zj |Rj =rj ({1 − rj })
(3-26)
besitzt. Dann beobachtet man bei Verwendung von Xj0 = Rj + Zj0 als modifizierte Ausfallwahrscheinlichkeit folgende Effekte: i) Es gilt E(CRj (Xj0 )) = 0. ii) Kredit j wird entweder der besten oder der schlechtesten Ratingklasse zugeordnet. Bezüglich des gesamten Portfolios beträgt die erwartete Anzahl an Kredi ten in der besten Bonitätsklasse nj=1 (1 −E(Rj )) und diejenige in der schlechn testen Klasse entsprechend j=1 E(Rj ).
Beweis. Sei j ∈ {1, ..., n} gegeben. zu i): Nach Konstruktion von Zj0 gilt P (Xj0 = 0) = 1−rj sowie P (Xj0 = 1) = rj , und daher E(CRj (Xj0 )) = (1 − rj ) · CRj (0) + rj · CRj (1).
(3-27)
Mit den stetigen Fortsetzungen Kj (0) = 0 und Kj (1) = 0 (vgl. Lemma 2.4) und damit CRj (0) = EADj · Kj (0) = 0 und CRj (1) = EADj · Kj (1) = 0 erhalten wir sofort E(CRj (Xj0 )) = 0. zu ii): Die Eigenschaft Xj0 ∈ {0, 1} P -f.s. ist klar. Bezeichnet man nun mit Cbest dasjenige Intervall von Ausfallwahrscheinlichkeiten, welches mit der besten Bonitätsklasse korrespondiert, und mit Cworst dasjenige der schlechtesten,22 so erhält man die er22
Hierfür wird die Existenz von mindestens zwei Ratingklassen angenommen, so dass die C C Intervalle Cbest und Cworst disjunkt sind und 0 ∈ Cbest ∩ Cworst sowie 1 ∈ Cworst ∩ Cbest gilt. Dies ist gemäß den Anforderungen des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht gewährleistet: In der neuen Eigenkapitalvereinbarung wird gefordert, dass mindestens acht Ratingklassen definiert werden, vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2006a), Tz. 404.
68
Kapitel 3. Regulatorisches Kapital bei Verwendung verrauschter PD-Schätzer
wartete Anzahl an Krediten in der besten Ratingklasse mit Hilfe des Satzes von Fubini für bedingte Verteilungen23 n n 0 E( E( Cbest (Xj )) = j=1
0 Cbest (Xj ))
(3-29) (3-28)
P (Xj0 ∈ Cbest )
(3-30)
P (Xj0 = 0)
(3-31)
P (Rj + Zj0 = 0)
(3-32)
j=1
=
n j=1
=
n j=1
=
n j=1
=
n [0,1]
j=1
= = =
n j=1 n j=1 n
[0,1]
(1 −
P (Zj0 = −rj |Rj = rj )dP Rj (rj )
(3-33)
(1 − rj )dP Rj (rj )
(3-34)
[0,1]
rj dP Rj (rj ))
(1 − E(Rj ))
(3-35) (3-36)
j=1
und entsprechend die erwartete Anzahl an Krediten in der schlechtesten Ratingklasse n−
n n (1 − E(Rj )) = E(Rj ). j=1
(3-37)
j=1
Zu beachten ist, dass die Aussage von Satz 3.9 ausschließlich aus der Eigenschaft Kj (0) = Kj (1) = der IRB-Risikogewichtsfunktion folgt; hierbei wird ihre konkave Gestalt nicht benötigt. Wie wir in Satz 2.7 auf S. 23 gesehen haben, ist Kj jedoch für praktische Zwecke nicht im ganzen Intervall [0, 1] zu verwenden, da für Realisierungen rj von Rj bzw. xj von Xj , welche genügend nahe an der Singularität P D P ol von Kj liegen, beliebig niedrige Werte (für rj < P DP ol bzw. xj < P DP ol ) bzw. beliebig
23
Für eine Menge A bezeichne
die Indikatorfunktion, d.h. 1, falls x ∈ A, (x) = A 0, falls x ∈ / A.
3.2. Theoretische Analyse
69
hohe Werte (für rj > P DP ol bzw. xj > P DP ol ) als Risikogewicht beobachtet werden können. Daher kann das erwartete Risikogewicht durch eine geeignete Wahl von Zj sogar auf jede beliebige reellwertige Zahl gesenkt bzw. erhöht werden.24 Beschränken wir unsere Betrachtung auf den Bereich Djkonkav = [P Djmin,konkav , 1] aus Bemerkung 2.9, so lässt sich jedoch eine (P -f.s.) eindeutige White Noise Zufallsgröße finden, für die die erwartete Eigenmittelanforderung minimal ist: Satz 3.10. Sei j ∈ {1, ..., n} gegeben und Zjmin,Overall eine Zufallsgröße, welche für jede Realisierung rj des PD-Schätzers Rj ∈ Djkonkav die bedingte faktorisierte Verteilung min,Overall
P Zj
|Rj =rj
mit min,Overall
P Zj P
|Rj =rj
Zjmin,Overall |Rj =rj
({−rj + P Djmin,konkav }) = pOverall , j
(3-38)
({1 − rj }) = 1 − pOverall j
(3-39)
1−rj gelte. Dann ergeben sich bei Verwendung von 1−P Djmin,konkav min,Overall Zj als modifizierte Ausfallwahrscheinlichkeit folgende
besitzt, wobei pOverall := j Xjmin,Overall = rj + Effekte:
i) Unter den beiden Nebenbedingungen E(Zjmin,Overall |Rj ) = 0 P -f.s. und Xj ∈ [P Djmin,konkav , 1] P -f.s. ist die erwartete Eigenmittelanforderung minimal. Sie beträgt · CRj (P Djmin,konkav ) pOverall j = EADj ·
pOverall j
·
(Kj (P Djmin,konkav ))
(3-40) (3-41)
und ist über den Wert pOverall von der konkreten Realisierung rj von Rj abj hängig. ii) Kredit j wird entweder der Klasse k min,konkav , in der P Djmin,konkav liegt, oder der schlechtesten Ratingklasse zugeordnet. Bezüglich des gesamten Portfolios ergibt sich in der Klasse k min,konkav die erwartete Anzahl nj=1(1 − E(Rj )) an Krediten in der schlechtesten Klasse entsprechend nj=1 E(Rj ).
24
Hierfür ist Zj lediglich so zu konstruieren, dass mindestens eine mögliche Realisierung geeignet nahe und unterhalb bzw. oberhalb von P D P ol liegt.
70
Kapitel 3. Regulatorisches Kapital bei Verwendung verrauschter PD-Schätzer
Beweis. Sei j ∈ {1, ..., n} gegeben. zu i): Offensichtlich erfüllt Zjmin,Overall die beiden Bedingungen E(Zjmin,Overall |Rj ) = 0 P -f.s. und Xjmin,Overall = Rj + Zjmin,Overall ∈ [P Djmin,konkav , 1] P -f.s. Für jede Zufallsgröße Yj , welche ebenfalls diesen Bedingungen genügt, gilt die Beziehung „Xjmin,Overall has more weight in the tails than Xj := Rj +Yj “ gemäß der Definition von Rothschild und Stiglitz:25 Man erhält die Verteilung von Xjmin,Overall durch Verschieben der gesamten Wahrscheinlichkeitsmasse von Xj auf die Randpunkte {P Djmin,konkav , 1}.26 Dabei wird wegen Xj ∈ [P Djmin,konkav , 1] P -f.s. lediglich Wahrscheinlichkeitsmasse nach außen geschoben. Unter den Verteilungen mit Träger {P Djmin,konkav , 1} ist die in (3-38) und (3-39) formulierte faktorisierte bedingte Verteilung die einzige, welche die Zentriertheits-Bedingung E(Zjmin,Overall |Rj ) = 0 P -f.s. erfüllt, daher ist eine weitere Umverteilung der Wahrscheinlichkeitsmasse zwischen den Trägerpunkten P Djmin,konkav und 1 nicht möglich, um nochmals Wahrscheinlichkeitsmasse nach außen (d.h. vom Erwartungswert weg) zu schieben. Aus der obigen Beziehung folgt nach Rothschild und Stiglitz (1970) aus der Konkavität von Kj in [P Djmin,konkav , 1] unmittelbar E(Kj (Xjmin,Overall )) ≤ E(Kj (Xj )) und damit insgesamt die erste Behauptung. Die Formeln (3-40) und (3-41) ergeben sich direkt aus der Definition von Zjmin,Overall und der Eigenschaft CRj (1) = 0.27
zu ii): Der Beweis von Eigenschaft ii) erfolgt völlig analog zum Nachweis der Aussage ii) von Satz 3.9. Die Abhängigkeit der minimalen erwarteten Eigenmittelanforderung von rj wird in Abb. 3.2 anhand einer Skizze des zugehörigen Risikogewichts dargestellt.28 25 26
27 28
Vgl. Rothschild und Stiglitz (1970). Diese Technik – die Anwendung eines Mean Preserving Spread, bei dem man die gesamte Wahrscheinlichkeitsmasse in die Randpunkte des Intervalls schiebt – wird u.a. in der Potenzialtheorie und Prophetentheorie verwendet und ist unter dem Namen Balayage bekannt, vgl. z.B. Doob (1984), Harten et al. (1997). Die Eigenschaft CRj (1) = 0 folgt aus Lemma 2.4. Dort ist der Wert P Djmin,konkav zu hoch eingezeichnet; dies ist beabsichtigt, da es einer deutlich besseren Erkennbarkeit dient (die numerisch ermittelten Werte von P Djmin,konkav sind derart klein, dass man die eingezeichnete Sekante bei einer maßstabsgetreuen Darstellung nicht von der Abszisse unterscheiden könnte).
71
Kj (Rj)
3.2. Theoretische Analyse
Kj(PDjmin,konkav) minimales erw. Risikogewicht
0 PDjmin,konk av r j
Rj
1
Abbildung 3.2: Skizze des minimalen erwarteten Risikogewichts bei der Verrauschung mittels Zjmin,Overall in Abhängigkeit von der Realisierung rj ∈ Djkonkav .
Damit ergibt sich als maximale erwartete Reduktion der Eigenmittelanforderung CR(rj ) − pOverall · CRj (P Djmin,konkav ) j
min,konkav · K (P D ) . = EADj · Kj (rj ) − pOverall j j j
(3-42) (3-43)
Auch bei Verwendung von anderen Verteilungen für P Zj |Rj =rj , wie z.B. der Rechteckverteilung in (3-24), tritt die gezeigte erwartete Reduktion der Eigenmittelanforderung auf, jedoch ist sie aufgrund der geringeren bedingten Varianz von Zj gegeben Rj weniger stark ausgeprägt. Wie wir in Satz 3.9 gesehen haben, resultieren durch die Addition von Zj0 Migrationen, bei denen sämtliche Kredite der besten oder schlechtesten Ratingklasse zugeordnet werden, d.h. die Kredite der „inneren“ Klassen werden gemäß dem verrauschten PD-Schätzer Xj einer anderen Ratingklasse zugeordnet als gemäß dem unverrauschten Schätzer Rj . Auch bei der Addition anderer White Noise Zufallsgrößen Zj zum unverrauschten PD-Schätzer Rj treten Migrationen in andere Ratingklassen auf.
72
Kapitel 3. Regulatorisches Kapital bei Verwendung verrauschter PD-Schätzer
Hierbei ist analog zu Satz 3.9 ii) tendenziell eine Wanderung in „äußere“ Klassen zu beobachten, sie ist jedoch weitaus weniger ausgeprägt als bei Verwendung von Zj0 . Wie wir an den Simulationsergebnissen in Abschnitt 3.3.3 sehen werden, treten hierbei sogar im Mittel stets Wanderungen in bessere Klassen auf. Eine heuristische Erklärung hierfür wird an entsprechender Stelle bei der Interpretation der Ergebnisse gegeben. Verwendet ein Kreditinstitut gemäß Xj = Rj + Zj verrauschte PD-Schätzer, so kann sich die Portfoliostruktur bzgl. der Anzahlen an Kreditnehmern in den einzelnen Ratingklassen also ändern. Dies könnte aus Sicht des Instituts aufgrund des möglicherweise hohen Erklärungsbedarfs gegenüber Externen unerwünscht sein. Daher untersuchen wir nun die Frage, ob auch eine Verrauschung möglich ist, bei der keine Änderung der Portfoliostruktur auftritt. Die Antwort lautet ja: Die Lösung ist eine modifizierte, ratingklassenkonforme Konstruktion der White Noise Zufallsgröße, welche so gestaltet wird, dass der verrauschte PD-Schätzer nicht nur P -f.s. im Intervall Djkonkav , sondern sogar P -f.s. in derselben Ratingklasse wie die unverrauschte PD-Schätzung liegt. Dies erreichen wir durch Berücksichtigung der Intervallgrenzen der entsprechenden Ratingklasse. Analog zu Lemma 3.7 erhalten wir: Lemma 3.11. Für j ∈ {1, ..., n} sei rj ∈ Djkonkav eine Realisierung von Rj . rj liege in Ratingklasak , bk ], wobei ak := max{ak , P Djmin,konkav } gelte und ak se k, d.h. es sei rj ∈ Ck = [ bzw. bk die untere bzw. obere Grenze des PD-Intervalls Ck von Klasse k bezeichne.29 Zj sei eine Zufallsgröße mit der Eigenschaft P Zj |Rj =rj ([ ak − rj , bk − rj ]) = 1.
29
(3-44)
Falls P Djmin,konkav ∈ Ck gilt, so wird statt der Untergrenze ak die Untergrenze P Djmin,konkav und damit das modifizierte Intervall Ck verwendet; im Fall, dass Ck „rechts“ von P Djmin,konkav liegt (d.h. P Djmin,konkav ≤ ak ), werden die definitionsgemäßen Intervallgrenzen ak und bk betrachtet und es gilt Ck = Ck . (Der Fall, dass Ck (echt) „links“ von P Djmin,konkav liegt (d.h. bk < P Djmin,konkav ), kann für das betrachtete rj ∈ Djkonkav definitionsgemäß nicht auftreten; der Vollständigkeit halber sei jedoch erwähnt, dass in diesem Fall Ck = ∅ gilt.)
3.2. Theoretische Analyse
73
Dann gilt Xj = Rj +Zj ∈ [ ak −rj , bk ] ⊂ [P Djmin,konkav , 1] P -f.s. Dies gilt insbesondere für die Zufallsgröße ZjClass mit der faktorisierten bedingten Verteilung Class |R =r j j
P Zj
([−rjClass , rjClass ]) = 1,
(3-45)
mit rjClass definiert als rjClass := min{rj − ak , bk − rj }.30
(3-46)
Analog zu Korollar 3.8 erhalten wir: Korollar 3.12. Die Zufallsgröße ZjClass mit der faktorisierten bedingten Verteilung Class |R =r j j
P Zj
= R(−rjClass , rjClass ),
(3-47)
mit rjClass aus Formel (3-46) erfüllt die Bedingungen (3-22) sowie (3-23) und somit die Voraussetzung für Satz 3.3.
Hierbei ist zu beachten, dass bei Verwendung von ZjClass nur dann eine Reduktion der erwarteten Eigenmittelanforderung möglich ist, wenn das Institut die PDSchätzung selbst zur Bestimmung der Eigenmittelanforderung benutzt – und nicht die zugehörige mittlere PD-Schätzung der Ratingklasse (da diese durch die Addition von ZjClass im Erwartungswert unverändert bleibt). Dies ist in unserer Untersuchung annahmegemäß der Fall. Im Falle einer stetigen Verteilung P Zj |Rj =rj ist dabei wegen P Zj |Rj =rj ({ak }) = Class P Zj |Rj =rj ({bk }) = 0 irrelevant, ob die Intervallgrenzen ak bzw. bk zu Ck gehören Class
Class
oder nicht: Hier beträgt die Wahrscheinlichkeit, durch die Verrauschung in eine andere Ratingklasse zu springen, null. Im Falle einer diskreten Verteilung kann diese Wahrscheinlichkeit jedoch positiv sein, womit Sprünge in andere Ratingklassen möglich sind.
30
Der Zusatz „Class“ soll dabei andeuten, dass die Intervallgrenzen der Ratingklasse von rj zur Konstruktion der Verteilung der Noise Zufallsgröße verwendet werden.
74
Kapitel 3. Regulatorisches Kapital bei Verwendung verrauschter PD-Schätzer
r j - ak ak
rj - ak bk- rj
bk- rj
2
rj
bk
Rj
ak
2
rj
(a)
bk
Rj
(b)
Abbildung 3.3: Reichweite der PD-Verrauschung bei Verwendung von ZjClass (a) bzw. ZjClass (b) im Fall P Djmin,konkav < ak .
Durch eine geringfügige Modifikation der Definition von ZjClass kann dies jedoch verhindert werden, z.B. durch die Festlegung Class |R =r j j
P Zj
= R(−rjClass , rjClass )
(3-48)
mit rjClass definiert als
rjClass := min{
ak bk − rj rj − ; }. 2 2
(3-49)
Eine Illustration der beiden Verrauschungs-Reichweiten rjClass und rjClass für den P Djmin,konkav
< ak findet sich in Abb. 3.3. Statt der Division durch 2 kann zur Fall Erzielung des gewünschten Ergebnisses jedoch auch durch jede andere Zahl größer eins geteilt werden. Analog zu Satz 3.10 i) kann auch die minimale erwartete Höhe an Eigenmitteln unter der Nebenbedingung der Verrauschung innerhalb der Ratingklasse bestimmt werden: Korollar 3.13. Für j ∈ {1, ..., n} sei rj ∈ Djkonkav eine Realisierung von Rj . rj liege in Ratingklasak , bk ], wobei ak := max{ak , P Djmin,konkav } gelte und ak se k, d.h. es sei rj ∈ Ck = [ bzw. bk die untere bzw. obere Grenze des PD-Intervalls Ck von Klasse k bezeichne. Dann beträgt die minimale erwartete Eigenmittelanforderung bei Verwendung einer White Noise Zufallsgröße Zj mit der Eigenschaft rj + Zj ∈ Ck pClass · CRj ( ak ) + (1 − pClass ) · CRj (bk ) j j
· Kj ( ak ) − Kj (bk ) = EADj · Kj (bk ) + pClass j mit pClass := j
bk −rj . bk − ak
Sie ist somit abhängig von rj .
(3-50) (3-51)
3.2. Theoretische Analyse
75
Beweis. (welches im Fall ak ≤ P Djmin,konkav , bk = 1 mit der WahrscheinMit obigem pClass j aus Satz 3.10 übereinstimmt), besitzt die Zufallsgröße Zjmin,Class mit lichkeit pOverall j der faktorisierten bedingten Verteilung min,Class
P Zj P
|Rj =rj
Zjmin,Class |Rj =rj
({ ak − rj }) = pClass , j
(3-52)
({bk − rj }) = 1 −
(3-53)
pClass j
analog zu Satz 3.10 die folgenden Eigenschaften: Bei Verwendung des verrauschten PD-Schätzers Xjmin,Class = Rj + Zjmin,Class wird die erwartete Eigenmittelanforderung für Kredit j in der Klasse der Zufallsgrößen Zj mit den Eigenschaften ak , bk ] P -f.s. minimiert: Die Eigenschaft E(Zj |Rj ) = 0 P -f.s. und Xj = Rj + Zj ∈ [ ak , bk ] P -f.s. ist offensichtlich erfüllt, und E(Zjmin,Class |Rj ) = 0 P -f.s. Xjmin,Class ∈ [ : Es gilt folgt aus der Definition von pClass j min,Class
E(Zjmin,Class |Rj = rj ) = ( ak − rj ) · P Zj
|Rj =rj
({ ak − rj })
Zjmin,Class |Rj =rj
= = = =
({bk − rj }) + (bk − rj ) · P bk − rj bk − rj ( ak − rj ) · + (bk − rj ) · (1 − ) bk − ak bk − ak bk − rj bk − ak − bk + rj + (bk − rj ) · ( ak − rj ) · bk − ak bk − ak ak − rj ) ( ak − rj ) · (bk − rj ) (bk − rj ) · ( − bk − ak bk − ak 0 für alle rj
(3-54) (3-55) (3-56) (3-57) (3-58) (3-59)
und somit E(Zjmin,Class |Rj ) = 0 P -f.s. Die Eigenschaft der Minimierung der erwarteten Eigenmittelanforderung folgt völlig analog zum Beweis von Satz 3.10 durch Verwenden der Balayage-Technik (vgl. Fußnote 26 auf S. 70.)
Damit ergibt sich als maximale erwartete Reduktion innerhalb der Klasse unmittelbar · CRj ( ak ) − (1 − pClass ) · CRj (bk ) CR(rj ) − pClass j j
· Kj ( ak ) − Kj (bk ) . = EADj · Kj (rj ) − Kj (bk ) − pClass j
(3-60) (3-61)
Natürlich ist die maximale erwartete Reduktion an Eigenmitteln immer nur ein Erwartungswert, welcher je nach Realisierung der White Noise Zufallsgröße auch unter-
76
Kapitel 3. Regulatorisches Kapital bei Verwendung verrauschter PD-Schätzer
bzw. überschritten werden kann. Ab einer genügend hohen Anzahl an Krediten in der jeweiligen Klasse sollte er uns jedoch eine einigermaßen geeignete Abschätzung des maximalen Einsparpotenzials an Eigenmitteln liefern. Im nächsten Abschnitt werden wir ebenfalls den Reduktionseffekt, der bei Verrauschungen innerhalb der Klasse auftritt, anhand von Simulationen quantifizieren.
3.3
3.3.1
Empirische Ergebnisse
Vorbemerkungen
In Satz 3.3 wurde der Reduktionseffekt bzgl. der Eigenmittelanforderung zwar mathematisch nachgewiesen, es wurde jedoch keine Aussage über das Ausmaß realistischer Einsparungen gemacht. Daher wollen wir die erwartete Reduktion nun anhand von Monte-Carlo Simulationen quantifizieren. Dafür greifen wir auf die bereits im vorigen Abschnitt eingeführten White Noise Zufallsgrößen ZjOverall und ZjClass zurück (vgl. die Definitionen in den Formeln (3-24) und (3-47)). Zur Quantifizierung der Einsparung, welche durch die Verwendung verrauschter PDSchätzer im Unterschied zu unverrauschten Schätzern erreicht wird, vergleichen wir die resultierenden Eigenmittelanforderungen in zwei Szenarien: Im ersten Szenario bestimmen wir die Eigenmittelanforderung bei Verwendung der unverrauschten PD-Schätzer Rj ; im zweiten Szenario berechnen wir sie auf Basis der verrauschten Schätzer Xj = Rj + Zj . In einem ersten Untersuchungsdesign werden wir zunächst die erwartete Minderung der Eigenmittelanforderung bzw. des Risikogewichts für einzelne Kredite mit ausgewählten Ausfallwahrscheinlichkeiten quantifizieren, um zu untersuchen, ob für verschiedene Bonitäten ebenfalls mit unterschiedlichen Einsparungen gerechnet werden kann. In einem zweiten Untersuchungsdesign weiten wir unsere Analyse schließlich auf ganze Kreditportfolios aus: Hierbei ermitteln wir die Eigenmitteleinsparung auf Portfolioebene, wobei wir die vier in Abschnitt 2.4.3 vorgestellten Kreditportfolios untersuchen werden.
3.3. Empirische Ergebnisse
77
Wie bereits in Abschnitt 2.4 erwähnt, verwenden wir als Parametrisierung für j = 1, ..., n die Werte LGDj = 45 %, Mj = 2,5 und Sj = 50 (Mio. e), um Ergebniseffekte auszuschließen, welche durch eine Heterogenität dieser Parameter hervorgerufen werden könnten. Die Wahl von LGDj und Mj entspricht dabei der von der Aufsicht vorgegebenen Parametrisierung im Basis IRB-Ansatz von Basel II. Bei der Untersuchung auf Einzelkreditebene ist die Wahl des EAD unerheblich; auf Portfolioebene werden wir in einer ersten Analyse von homogenen Portfolios bzgl. der EADs ausgehen und in einer zweiten Analyse die EADs heterogen wählen, um darüber hinaus untersuchen zu können, wie deutlich die Reduktion ist, wenn lediglich die PD-Schätzungen derjenigen Kredite mit den höchsten EADs verrauscht werden. Um die Portfoliostrukturen bzgl. der Anzahlen an Kreditnehmern in den einzelnen Klassen zu illustrieren, verwenden wir die in Tab. 2-3 vorgestellten Ratingklassenzuordnungen. Zu beachten ist, dass die Simulationsergebnisse (mit Ausnahme der Beschränkung der Verrauschung auf die PDs der größten Kredite) zwei Interpretationen zulassen: Zum einen zeigen die Ergebnisse die Reduktion auf, welche auftritt, wenn der ursprüngliche PD-Schätzer Rj vom Kreditinstitut durch Addition von Zj absichtlich verrauscht wird. Zum anderen kann aber auch der verrauschte Schätzer Rj + Xj als ursprünglicher Schätzer aufgefasst werden, so dass der Vergleich mit den Ergebnissen der Verwendung des besseren Schätzers Rj aufzeigt, wieviel zusätzliche Eigenmittel im Falle der Verbesserung eines bestehenden PD-Schätzers erwartungsgemäß vorgehalten werden müssen. Zugunsten einer besseren Lesbarkeit verzichten wir bei der Darstellung der Ergebnisse im Folgenden auf die Angabe der Währung e.
3.3.2
Einzelkreditebene
Vorgehensweise Um die erwartete Einsparung an Eigenmitteln zu quantifizieren, welche durch die Verwendung von mittels ZjOverall und ZjClass verrauschten PD-Schätzern auftritt, betrachten wir die in Abschnitt 2.4.2 vorgestellten acht Kredite, deren PD-Schätzungen jeweils in der Intervallmitte der unterstellten Ratingklassenintervalle liegen. Für jeden dieser acht Kredite bestimmen wir zunächst das IRB-Risikogewicht, welches aus
78
Kapitel 3. Regulatorisches Kapital bei Verwendung verrauschter PD-Schätzer
der ursprünglichen PD-Schätzung resultiert. Anschließend verrauschen wir diese PDSchätzungen je 1 Mio. mal, und zwar zum einen durch Addition von Realisierungen von ZjOverall und zum anderen durch Addition von Realisierungen von ZjClass . Für die verrauschten PD-Schätzungen ermitteln wir jeweils die Höhe des resultierenden IRB-Risikogewichts. Aus diesen jeweils 1 Mio. Simulationsläufen bilden wir dann für jede der betrachteten Zufallsgrößen den Mittelwert der Risikogewichte, um die erwartete Höhe des Risikogewichts zu approximieren. Der Vergleich des ursprünglichen mit dem mittleren verrauschten Risikogewicht für jeden der acht betrachteten Kredite liefert uns schließlich die erwarteten Einsparung für jeden einzelnen Kredit – sowohl für die Verrauschung mittels ZjOverall als auch für diejenige mittels ZjClass . Da das EAD eines jeden Kredites als fest gegeben angenommen wird (vgl. Annahme 3.1; die konkrete Höhe des EADs ist dabei unerheblich), können wir aus der Reduktion des erwarteten Risikogewichts die Einsparung an regulatorischem Kapital berechnen, denn mit der Bezeichnung rj für die betrachtete unverrauschte PD-Schätzung gilt mit der Bezeichnung ΔE(CRj (rj )) für die erwartete Reduktion der Eigenmittelanforderung bzgl. der unverrauschten PDSchätzung rj ΔE(CRj (rj )) := E(CRj (Xj )) − CRj (rj ) = E(EADj · Kj (Xj )) − EADj · Kj (rj )
= EADj · E(Kj (Xj )) − Kj (rj ) .
(3-62) (3-63) (3-64)
Bemerkung 3.14. Die Erzeugung der einzelnen Realisierungen zjOverall von ZjOverall und zjClass von ZjClass geschieht nicht unabhängig voneinander: Ausgangspunkt des verwendeten Zufallsmechanismus ist die Generierung einer R(0, 1)-verteilten Zufallszahl, welche dann mit Hilfe einer linearen, in beiden Fällen streng isotonen Transformation zur entsprechenden Realisierung zjOverall bzw. zjClass umgewandelt wird.
Aufgrund dieser Vorgehensweise sind die Realisierungen beider White Noise Zufallsgrößen perfekt korreliert. Dieses Vorgehen wurde bewusst gewählt, da die Ergebnisse der Verrauschung mittels ZjOverall und ZjClass hierdurch u.E. deutlich besser vergleichbar sind: Würden die Realisierungen der White Noise Zufallsgrößen unabhängig erzeugt, so könnte z.B. eine Realisierung zjOverall von ZjOverall , welche besonders hoch
3.3. Empirische Ergebnisse
79
ausfällt (also die geschätzte Bonität verschlechtert), zu einem höheren Risikogewicht führen, während eine Realisierung zjClass von ZjClass , welche sehr niedrig ausfällt, zu einer Verminderung des Risikogewichts führt. Dadurch wäre ein Vergleich der beiden Simulationsläufe kaum möglich – erst durch die konstruierte perfekte Korrelation wird dies erreicht. Durch die hohe Anzahl an Simulationsläufen bei der Untersuchung einzelner Kredite sollten sich solche Effekte zwar herausmitteln, spätestens im Portfoliokontext im nächsten Abschnitt ist diese Vorgehensweise jedoch sinnvoll, da wir dort nur einen einzigen Verrauschungsdurchgang betrachten.
Ergebnisse Mit den Bezeichnungen Kjunverr für das Risikogewicht bei Verwendung des unverrauschten PD-Schätzers Rj in der Intervallmitte, KjOverall für das durchschnittliche Risikogewicht der durch ZjOverall verrauschten PD-Schätzungen und ΔKjOverall für die entsprechende absolute Differenz der Risikogewichte (d.h. ΔKjOverall := KjOverall − Kjunverr ) erhalten wir die in Tab. 3-1 dargestellten Resultate:31 Rj
Kjunverr
KjOverall
ΔKjOverall
0,015 % 0,045 % 0,090 % 0,265 % 0,875 % 4,525 % 12,355 % 58,500 %
0,763 % 1,476 % 2,230 % 4,081 % 7,031 % 11,604 % 16,657 % 15,338 %
0,741 % 1,410 % 2,111 % 3,802 % 6,447 % 11,084 % 15,458 % 13,434 %
-0,022 % -0,066 % -0,119 % -0,279 % -0,585 % -0,520 % -1,199 % -1,904 %
Tabelle 3-1: Risikogewichte auf Einzelkreditebene bei Verwendung der unverrauschten PD-Schätzung und bei 1 Mio.-facher Verrauschung mittels ZjOverall .
Die in den 1 Mio. Verrauschungssimulationen mittels ZjOverall aufgetretenen relativen Häufigkeiten an Migrationen sind in Tab. 3-2 aufgeführt. Sie lassen sich als
31
Hier und im Folgenden sei mit der 1 Mio.-fachen Verrauschung die unabhängige Durchführung von 1 Mio. Verrauschungssimulationen – jeweils ausgehend vom unverrauschten Wert – gemeint (und nicht etwa die 1 Mio.-fache Hintereinanderausführung der Verrauschungen). Analoges gilt für die Verrauschungen in den folgenden Kapiteln dieser Arbeit.
80
Kapitel 3. Regulatorisches Kapital bei Verwendung verrauschter PD-Schätzer
Übergangswahrscheinlichkeiten interpretieren, wobei allerdings zu beachten ist, dass jeweils von der mittleren PD jeder Klasse ausgegangen wurde. von\ nach AAA AA A BBB BB B CCC D
AAA AA A BBB BB B CCC D 100 % 0% 0% 0% 0% 0% 0% 0% 32,50 % 34,92 % 32,57 % 0% 0% 0% 0% 0% 15,82 % 17,10 % 34,09 % 33,00 % 0% 0% 0% 0% 5,28 % 5,69 % 11,43 % 55,10 % 22,49 % 0% 0% 0% 1,59 % 1,70 % 3,43 % 16,62 % 53,23 % 23,43 % 0% 0% 0,30 % 0,33 % 0,67 % 3,18 % 10,28 % 70,41 % 14,84 % 0% 0,11 % 0,12 % 0,24 % 1,17 % 3,74 % 25,80 % 37,57 % 31,24 % 0% 0% 0% 0% 0% 0% 0% 100 %
Tabelle 3-2: Übergangswahrscheinlichkeiten bei 1 Mio.-facher Verrauschung mittels ZjOverall .
Bei Verwendung der White Noise Zufallsgröße ZjClass erhalten wir die in Tab. 3-3 dargestellten Ergebnisse, wobei analoge Bezeichnungen wie in Tab. 3-1 verwendet werden, bei denen der Zusatz „Class“ statt „Overall“ benutzt wird, und ΔKjClass,max die maximale erwartete Reduktion des Risikogewichts in der entsprechenden Klasse bei Verwendung von ZjClass bezeichne. Rj
Kjunverr
KjClass
ΔKjClass
ΔKjClass,max
0,015 % 0,045 % 0,090 % 0,265 % 0,875 % 4,525 % 12,355 % 58,500 %
0,763 % 1,476 % 2,230 % 4,081 % 7,031 % 11,604 % 16,657 % 15,338 %
0,741 % 1,469 % 2,219 % 4,009 % 6,900 % 11,479 % 16,499 % 13,434 %
-0,022 % -0,007 % -0,011 % -0,071 % -0,132 % -0,124 % -0,158 % -1,904 %
-0,186 % -0,021 % -0,035 % -0,224 % -0,415 % -0,522 % -0,477 % -6,162 %
Tabelle 3-3: Risikogewichte auf Einzelkreditebene bei Verwendung der unverrauschten PD-Schätzung und bei 1 Mio.-facher Verrauschung mittels ZjClass .
Die Höhe des IRB-Risikogewichts wird durch die Verwendung der mittels ZjOverall und ZjClass verrauschten PD-Schätzungen im Vergleich zum unverrauschten Fall deutlich vermindert. Dabei hängt das Ausmaß der Reduktion entscheidend von der Wahl der zugrunde liegenden White Noise Zufallsgröße und der Höhe der unverrauschten PD-Schätzung ab. So liegt die mittlere Reduktion des Risikogewichts bei
3.3. Empirische Ergebnisse
81
einer Verrauschung mittels ZjOverall zwischen ca. 2 BP (für Rj = 0,015 %) und etwa 190 BP (für Rj = 58,5 %), während die mittlere Einsparung bei der Verrauschung mittels ZjClass zwischen ca. 1 BP (für Rj = 0,045 %) und ebenfalls ungefähr 190 BP (für Rj = 58,5 %) liegt. Rechnet man diese Ergebnisse auf realistische Werte für die EADs hoch, so ergibt sich eine merkliche Reduzierung des regulatorischen Kapitals durch die Verrauschung der PD-Schätzungen mit Hilfe der betrachteten White Noise Zufallsgrößen. Numerische Beispiele hierfür werden im folgenden Abschnitt im Rahmen der Portfoliobetrachtung gegeben. Im Einzelnen fallen bei der Analyse auf Einzelkreditebene noch weitere Effekte auf, die wir hier aufführen und erklären möchten:
1. Stärkere absolute Reduktion für schlechte Bonitäten Je höher die unverrauschte PD-Schätzung Rj ist, desto höher ist tendenziell auch die erwartete Reduktion des Risikogewichts. Ausnahmen stellen die Verrauschung von Rj = 4,525 % bei beiden White Noise Zufallsgrößen sowie die Verrauschung von Rj = 0,015 % mittels ZjClass dar. Dieser Effekt liegt zum einen in der Konstruktion der verwendeten White Noise Zufallsgrößen begründet, welche für die ausgewählten Werte von Rj eine umso größere bedingte Varianz aufweisen, je höher Rj ist. Einzige Ausnahme ist Klasse AA: Diese besitzt die gleiche Intervalllänge 0,03 % wie AAA, weshalb ZjClass aufgrund der Wahl von Rj in der Intervallmitte in diesen beiden Klassen die gleiche bedingte Varianz besitzt. Einen ebenfalls starken Einfluss auf das Ausmaß der Reduktion hat die Krümmung der Risikogewichtsfunktion, welche in Bereichen mit starker Krümmung c.p. zu einer stärkeren Reduktion als in Bereichen mit geringer Krümmung führt.32 Dies erklärt die unterbrochene Monotonie der erwarteten Reduktion für Rj = 0,875 %, da die Krümmung der Kurve in diesem Bereich lokal stärker als in der Umgebung erscheint (vgl. Abb. 2.1). Offenbar besitzt die Krümmung im Bereich um Rj = 0,015 % ebenfalls ein lokales Maximum, wofür ebenfalls das hohe Reduktionspotenzial ΔKjClass,max spricht, so dass sich für Rj = 0,015 % eine stärkere Reduktion zeigt als bei den beiden nachfolgenden untersuchten PD-Schätzungen. 32
Dies lässt sich mathematisch anhand einer Taylorentwicklung der Risikogewichtsfunktion sehen.
82
Kapitel 3. Regulatorisches Kapital bei Verwendung verrauschter PD-Schätzer 2. Reduktion mittels ZjOverall stärker als mittels ZjClass Die erwartete Reduktion ist bei Verwendung von ZjClass stets kleiner gleich der Reduktion bei der Verwendung von ZjOverall . Abgesehen von den Klassen AAA und D, bei denen die Werte übereinstimmen, ist der Unterschied deutlich ausgeprägt. Für alle betrachteten Werte von Rj in den Klassen AA bis CCC besitzt ZjOverall nach Konstruktion stets eine deutlich größere bedingte Varianz als ZjClass , wodurch die stochastische Dominanz zweiter Ordnung gegenüber dem unverrauschten Fall noch stärker zum Tragen kommt und der Einsparungseffekt somit deutlicher ausfällt. Die Übereinstimmung der Werte in den beiden Randklassen liegt an der Wahl der Rj in der jeweiligen Intervallmitte sowie der Konstruktion der beiden Zufallsgrößen: Die bedingten Verteilungen von ZjOverall und ZjClass stimmen für die Werte Rj = 0,015 % und Rj = 58,5 % aufgrund der Festlegung der Klassengrenzen und nach Definition der Reichweiten rjOverall und rjClass überein. 3. Migrationsbewegungen in Richtung der Klassen AAA und D Im Unterschied zur Verrauschung mit Hilfe von ZjClass , bei der definitionsgemäß keine Migrationen in andere Ratingklassen auftreten, finden bei der Verrauschung mit Hilfe von ZjOverall Wechsel in andere Klassen statt, welche sogar einen systematischen Effekt haben: So sind im Mittel Migrationen in Richtung der Klassen AAA und D (und ebenfalls BBB sowie B) zu beobachten, da aus diesen beiden Klassen keine Abwanderungen, sondern nur Zuwanderungen (mit positiver Wahrscheinlichkeit) stattfinden. Die Ursachen für die Migrationen in Richtung der beiden äußeren Klassen sind zweierlei: Zum einen bleiben PD-Schätzungen, welche nahe 0 oder 1 liegen, tendenziell in diesem Bereich, während PD-Schätzungen aus der Mitte des Intervalls [0, 1] „überall hin“ (insbesondere ebenfalls an die Ränder) springen können. Dies erklärt Wanderungstendenzen der PD-Schätzungen in die Nähe der Werte 0 und 1. Zum anderen bewirkt die exponentielle Ratingskala den Effekt der mittleren Verbesserung der Klasse, da Sprünge in Richtung einer schlechteren Klasse auf die angrenzende Klasse beschränkt sind (man beachte die Wahl der unverrauschten PD-Schätzungen in der Intervallmitte und die Intervalllängen der einzelnen Klassen in Tab. 2-3), während Sprünge in Richtung einer besseren Klasse (welche aufgrund der bedingten Zentriertheit der White Noise Zufallsgrößen ebenso wahrscheinlich sind wie Sprünge in Richtung der schlechteren Klassen) oftmals mehrere Klassen überspringen und somit Sprünge in die beste Klasse von mehreren Klassen aus möglich sind.
3.3. Empirische Ergebnisse
83
Dass in den Klassen AAA und D keine Migrationen in andere Klassen stattfinden, liegt an der bereits erwähnten Übereinstimmung der bedingten Verteilungen der beiden Zufallsgrößen ZjOverall und ZjClass für die beiden gewählten Rj in den Randklassen, so dass in diesen Fällen nicht nur die mittlere Ratingklasse gleich bleibt, sondern auch punktweise keine Migrationen stattfinden.
Darüber hinaus fällt auf, dass die erwartete Reduktion des Risikogewichts bei Verrauschung innerhalb der Klasse nie die maximale erwartete Einsparung erreicht. Sie liegt für den Kredit mit der geringsten PD bei etwa einem Siebtel der möglichen erwarteten Einsparung, in den übrigen Klassen bei etwa einem Drittel des theoretisch Möglichen. Ursache hierfür ist die Wahl einer Rechteckverteilung als faktorisierte bedingte Verteilung von ZjClass , welche die PD-Schätzungen gleichmäßig auf dem festgelegten Intervall verrauscht und nicht nur in die Eckpunkte verschiebt. Nachdem wir den Reduktionseffekt auf Einzelkreditebene quantifiziert haben, wenden wir uns der Untersuchung auf Portfolioebene zu. Dabei ist zu vermuten, dass sich die beobachteten Effekte auf den Portfolio-Fall übertragen.
3.3.3
Portfolioebene
3.3.3.1
Homogene Kreditportfolios
Vorgehensweise In diesem Abschnitt werden wir den Effekt der Verrauschung sämtlicher PD-Schätzungen eines Kreditportfolios auf die Eigenmittelanforderung gemäß dem Baseler IRB-Ansatz anhand von Simulationen quantifizieren. Dazu verwenden wir die vier in Abschnitt 2.4.3 vorgestellten Kreditportfolios unterschiedlicher Güte, welche jeweils aus n = 10.000 Krediten bestehen. Die Vorgehensweise bei der Simulationsanalyse ist für alle vier Portfolios dieselbe: Zunächst werden die Realisierungen r1 , ..., rn der unverrauschten PD-Schätzer R1 , ..., Rn betrachtet, die entsprechend der vorgegebenen Beta-Verteilung des jeweiligen Portfolios gezogen worden sind, vgl. Abschnitt 2.4.3. Mit den vorgegebenen Werten LGDj = 45 %, Mj = 2,5 und Sj = 50 (Mio. e) für j = 1, ..., n wird dann für jeden Kredit j das IRB-Risikogewicht bestimmt. Anschließend wird jede
84
Kapitel 3. Regulatorisches Kapital bei Verwendung verrauschter PD-Schätzer
PD-Schätzung Rj einmal durch Addition einer Realisierung zjOverall von ZjOverall verrauscht und das Risikogewicht auf Basis der verrauschten PD-Schätzung ermittelt, um die Einsparung zu quantifizieren. Die gleiche Vorgehensweise wird ebenfalls für die klassenkonforme White Noise Zufallsgröße ZjClass durchgeführt. Da die EADs homogen gewählt wurden, genügt es hier, anstelle der Einsparung an Eigenmitteln die Reduktion des mittleren Risikogewichts zu betrachten, da sich die Einsparung an Eigenmitteln daraus ableiten lässt: Mit den Bezeichnungen r1 , ..., rn für die Realisierungen der unverrauschten PD-Schätzer R1 , ..., Rn und x1 , ..., xn für diejenigen der verrauschten Schätzer X1 , ..., Xn gilt nämlich für die Einsparung an Eigenmitteln für das gesamte Portfolio wegen EADj = EAD1 für j = 1, ..., n ΔCR := CR(x1 , ..., xn ) − CR(r1 , ..., rn ) =
n
EADj · Kj (xj ) −
j=1
= n · EAD1 ·
n
EADj · Kj (rj )
(3-65) (3-66)
j=1 n n 1
1 Kj (xj ) − Kj (rj ) . n j=1 n j=1
(3-67)
= Differenz der mittleren Risikogewichte
Auch im Portfoliokontext werden die Realisierungen von ZjOverall und ZjClass nicht unabhängig gezogen, sondern gemäß Bemerkung 3.14 als perfekt korreliert modelliert. Da wir hier lediglich einmal pro Kredit verrauschen, ist diese Vorgehensweise zwingend nötig, um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten, vgl. die Ausführungen im Anschluss an Bemerkung 3.14. Neben der Quantifizierung der Reduktion des Risikogewichts untersuchen wir ebenfalls die Auswirkung der Verrauschung der PD-Schätzungen auf die Portfoliostrukturen, d.h. die Anzahlen an Krediten in den jeweiligen Ratingklassen.
Ergebnisse In Tab. 3-4 haben wir die durchschnittlichen Risikogewichte der Portfolios (PF) 1 bis 4 im unverrauschten Fall und bei einer einmaligen Verrauschung sämtlicher PDSchätzungen mittels ZjOverall bzw. ZjClass angegeben. Dort sind ebenfalls die resultierenden Veränderungen durch die Verrauschung aufgeführt.
3.3. Empirische Ergebnisse
PF 1 2 3 4
unverrauschter Wert 7,33 % 6,68 % 8,78 % 13,84 %
85 durchschnittliches Risikogewicht Addition von ZjOverall Addition von ZjClass verr. Wert Veränderung verr. Wert Veränderung 6,83 % -0,50 % 7,28 % -0,05 % 6,28 % -0,41 % 6,65 % -0,03 % 8,21 % -0,57 % 8,72 % -0,05 % 12,16 % -1,67 % 13,17 % -0,67 %
Tabelle 3-4: Durchschnittliche Risikogewichte in den Portfolios 1 bis 4 bei Verwendung unverrauschter und verrauschter PD-Schätzer sowie entsprechende (absolute) Veränderungen im homogenen Fall.
Auch im Portfoliokontext ergeben sich durch die Verrauschung sämtlicher PD-Schätzungen deutliche Reduzierungen der Risikogewichte. In den als durchaus realistisch anzusehenden Portfolios 1 bis 3 bewegt sich das durchschnittliche Risikogewicht zwischen etwa 6,7 % (Portfolio 2) und 8,8 % (Portfolio 3). Die absolute Reduktion bei Verwendung von ZjOverall bewegt sich zwischen 41 BP (Portfolio 2) und 57 BP (Portfolio 3) und bei Verwendung von ZjClass zwischen 3 BP (Portfolio 2) und 5 BP (Portfolios 1 und 3).33 In Portfolio 4, welches aufgrund seiner Qualität als unrealistisch anzusehen ist, sind sogar absolute Reduktionen um 167 BP (ZjOverall ) und 67 BP (ZjClass ) beobachtbar. Unterstellt man realistische Werte für die EADs, so ergeben sich drastische Reduktionen in der Eigenmittelanforderung: Nehmen wir für j = 1, ..., n beispielsweise EADj = 256.000 an,34 so erhalten wir die in Tab. 3-5 aufgeführten Werte für die regulatorische Eigenmittelanforderung und ihre jeweilige Veränderung durch die Verrauschung mittels ZjOverall . Betrachten wir zunächst die realistischen Portfolios 1 bis 3, so bewegt sich die absolute Reduktion der Eigenmittelanforderung, welche im unverrauschten Fall zwischen ca. 171 Mio (Portfolio 2) und etwa 225 Mio. (Portfolio 3) liegt, bei der Verrauschung mittels ZjOverall zwischen ca. 10,5 Mio. (Portfolio 2) und 14,5 Mio. (Portfolio 3) und 33
34
Der Wert -0,05 % für die Differenz der mittleren Risikogewichte bei der Verrauschung mittels ZjClass in Portfolio 3 überrascht zunächst angesichts der Werte 8,78 % im unverrauschten und 8,72 % im verrauschten Fall. Er ist eine Rundungsungenauigkeit, wie man bei der Berücksichtigung weiterer Nachkommastellen sieht: Das durchschnittliche Risikogewicht im unverrauschten Fall beträgt 8,7754 %, dasjenige im verrauschten Fall 8,7219 %, woraus eine absolute Veränderung i.H.v. 0,0535 % resultiert. Dieser Wert ist mit Blick auf die Simulationen in Abschnitt 3.3.3.2 gewählt, bei denen das durchschnittliche EAD der Portfolios bei ca. 256.000 liegt, vgl. S. 50.
86
Kapitel 3. Regulatorisches Kapital bei Verwendung verrauschter PD-Schätzer
PF 1 2 3 4
unverrauschter Wert 187.569.880 171.130.831 224.650.422 354.230.908
Eigenmittelanforderung Addition von ZjOverall Addition von ZjClass verr. Wert Veränderung verr. Wert Veränderung 174.884.264 -12.685.616 186.351.302 -1.218.578 160.643.728 -10.487.103 170.360.781 -770.051 210.156.251 -14.494.171 223.281.138 -1.369.284 311.388.650 -42.842.259 337.085.450 -17.145.459
Tabelle 3-5: Eigenmittelanforderung in den Portfolios 1 bis 4 bei Verwendung unverrauschter und verrauschter PD-Schätzer sowie entsprechende Veränderungen im homogenen Fall für EADj = 256.000 für j = 1, ..., n.
bei der Verrauschung mittels ZjClass zwischen ca. 0,8 Mio. (Portfolio 2) und grob 1,4 Mio. (Portfolio 3). Im als unrealistisch anzusehenden Portfolio 4 beobachten wir sogar absolute Reduktionen um etwa 43 Mio. (ZjOverall ) und ca. 17 Mio. (ZjClass ). Die Effekte 1, 2 und 3, welche wir bereits bei der Untersuchung einzelner Kredite beobachten konnten, zeigen sich ebenfalls auf Portfolioebene: Effekt 1, welcher einen stärkeren absoluten Reduktionseffekt für schlechtere Bonitäten beschreibt, spiegelt sich in den unterschiedlichen Ausmaßen der Einsparung in den vier Portfolios wider: Je schlechter die Qualität des Portfolios ist, desto deutlicher zeigt sich der Reduktionseffekt.35 Effekt 2, d.h. die stärkere Ausprägung des Reduktionseffekts bei Verwendung von ZjOverall im Vergleich zu ZjClass , überträgt sich von der Einzelkreditebene auf den Portfoliokontext: Die beobachteten Reduktionen fallen bei Verwendung von ZjClass stets deutlich geringer aus als bei Verwendung von ZjOverall . Um die Gültigkeit des Effekts 3 zu überprüfen, welcher die Wanderungstendenz der prognostizierten Ratings in Richtung der Klassen AAA und D beschreibt, haben wir die unverrauschten und die aus der Verrauschung resultierenden Portfoliostrukturen in Tab. 3-6 aufgeführt; hierbei sehen wir allerdings von der Auflistung der Zahlen für die Verrauschung mittels ZjClass ab, da sich dort (definitionsgemäß) keine Änderungen ergeben haben.
35
Man beachte die absteigende Reihenfolge der Qualitäten der Portfolios: Portfolio 2, 1, 3, 4 (vgl. Abschnitt 2.4.3). Allerdings ist zumindest fraglich, ob sich das Ausmaß des Reduktionseffekts i.A. alleine auf den Wert der eindimensionalen Kenngröße „Portfolioqualität“ zurückführen lässt.
3.3. Empirische Ergebnisse
PF
PD-Schätzer
87 Anzahl Kredite in Ratingklasse A BBB BB B CCC 463 1.554 2.804 4.173 256 599 1.804 2.535 3.444 390
1
unverr. verr. (ZjOverall )
AAA 473 787
AA 274 415
D 3 26
2
unverr. verr. (ZjOverall )
1.396 1.690
449 554
594 670
1.496 1.614
2.219 2.047
3.270 2.766
518 545
58 114
3
unverr. verr. (ZjOverall )
23 188
34 182
101 298
797 1.277
2.717 2.732
6.123 4.848
205 456
0 19
4
unverr. verr. (ZjOverall )
2 6
0 5
0 6
5 37
22 133
273 699
621 868
9.077 8.246
Tabelle 3-6: Strukturen der Portfolios 1 bis 4 bei Verwendung unverrauschter und mittels ZjOverall verrauschter PD-Schätzer.
Die auf Einzelkreditebene beobachteten Migrationstendenzen bestätigen sich auch auf Portfolioebene, jedoch ist die Wanderungstendenz in Richtung der besseren Klassen deutlich ausgeprägter ist als diejenige in Richtung der Klasse D.
7000
7000 unverrauscht verrauscht (ZOverall)
6000
j
5000
Anzahl Kredite
Anzahl Kredite
6000
4000 3000 2000 1000 0
unverrauscht verrauscht (ZOverall) j
5000 4000 3000 2000 1000
AAA
AA
A
BBB
BB
B
CCC
0
D
AAA
AA
A
Ratingklasse
(a) Portfolio 1. 9000
unverrauscht verrauscht (ZjOverall)
8000
5000
Anzahl Kredite
Anzahl Kredite
BB
B
CCC
D
CCC
D
(b) Portfolio 2.
7000 6000
BBB
Ratingklasse
4000 3000 2000
unverrauscht verrauscht (ZjOverall)
7000 6000 5000 4000 3000 2000
1000 0
1000 AAA
AA
A
BBB
BB
B
Ratingklasse
(c) Portfolio 3.
CCC
D
0
AAA
AA
A
BBB
BB
B
Ratingklasse
(d) Portfolio 4.
Abbildung 3.4: Graphische Illustration der Strukturänderungen der Portfolios 1 bis 4 durch die Verrauschung mittels ZjOverall .
88
Kapitel 3. Regulatorisches Kapital bei Verwendung verrauschter PD-Schätzer
Dies hat seine Ursache in den Qualitäten der Portfolios: Da die Wanderungstendenz in Richtung der Klasse D auf Einzelkreditebene maßgeblich dadurch verursacht wird, dass der betrachtete Kredit der Klasse D dort (gemäß Konstruktion der White Noise Zufallsgröße) verbleibt und wir es in den Portfolios 1 bis 3 nur mit einer geringen Anzahl an Krediten in Klasse D zu tun haben, ist die Wanderungstendenz in Richtung der Klasse D in den Portfolios 1 bis 3 nicht sehr stark. In Portfolio 4 liegt ohnehin der Großteil der Kredite in Klasse D, so dass Migrationen in Richtung der besseren Klassen zwar mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit, aber in absoluten Zahlen deutlich häufiger auftreten als Migrationen aus den besseren Klassen in Ratingklasse D. Zur Illustration der Portfoliostrukturen und ihrer Änderungen durch die Verrauschung mittels ZjOverall haben wir die in Tab. 3-6 angegebenen Kreditanzahlen mit Hilfe von Balkendiagrammen graphisch aufbereitet. Die Darstellung findet sich in Abb. 3.4. In der graphischen Darstellung ist gut zu erkennen, dass die Strukturen im verrauschten Fall deutlich von denjenigen im unverrauschten Fall abweichen und die Wanderungsbewegungen tendenziell in Richtung der besseren Klassen stattfinden. An dieser Stelle möchten wir noch darauf hinweisen, dass die beobachteten Ergebnisse natürlich zufallsabhängig sind, da wir jeweils nur eine Verrauschung durchführen. Sie erlauben aber dennoch eine erste realitätsnahe Einschätzung des Ausmaßes des Reduktionseffekts auf Portfolioebene.
3.3.3.2
Heterogene Kreditportfolios
Vorgehensweise Die Vorgehensweise bei der Untersuchung des Reduktionseffekts für heterogene Kreditportfolios gleicht derjenigen bei der Untersuchung homogener Portfolios im vorigen Abschnitt. Der einzige Unterschied besteht darin, dass wir nun nicht mehr von homogenen EADs ausgehen, sondern die n = 10.000 EADs heterogen wählen, wie in Abschnitt 2.4.3 beschrieben wurde: Die EADs werden mit Hilfe einer LognormalVerteilung mit Parametern μ = 12 und σ = 0, 926516 erzeugt und anschließend auf das nächste Vielfache von 10.000 aufgerundet. Nach der zufälligen Zuordnung der n = 10.000 EADs zu den n Krediten jedes Portfolios ermitteln wir schließlich die Gesamt-Eigenmittelanforderung für jedes Kreditportfolio und vergleichen diese mit derjenigen, welche wir nach Verrauschung der PD-Schätzungen erhalten.
3.3. Empirische Ergebnisse
89
Dabei untersuchen wir nicht nur den Effekt der Verrauschung sämtlicher PD-Schätzungen rj von Rj mit Realisierungen zjOverall von ZjOverall (bzw. Realisierungen zjClass von ZjClass ), sondern analysieren ebenfalls, in welchem Ausmaß sich das regulatorische Kapital vermindert, wenn die Verrauschung auf die 1 % größten Kredite (hinsichtlich des EAD) beschränkt wird. Diese Untersuchung ist im Zusammenhang mit heterogenen Kreditportfolios interessant, da vermutet werden kann, dass das Aus maß des Reduktionseffekts aufgrund der Beziehung CR = nj=1 EADj · Kj (rj ) (vgl. Formel (3-3)) maßgeblich durch diejenigen Kredite mit den größten EADs bestimmt wird.
Ergebnisse Im heterogenen Fall erhalten wir die in Tab. 3-7 dargestellten Werte und entsprechenden Veränderungen für die Eigenmittelanforderung im unverrauschten Fall sowie bei Verrauschung mittels ZjOverall bzw. ZjClass . Dabei sind die Ergebnisse für die Verrauschung der PD-Schätzungen sämtlicher Kredite sowie die Resultate bei einer Beschränkung auf die 1 % größten Kredite (bzgl. des EADs) angegeben. PF
1 2 3 4
verrauschte Kredite alle 1% alle 1% alle 1% alle 1%
größte größte größte größte
unverr. Wert 185.602.644 172.102.112 225.192.649 350.290.349
Eigenmittelanforderung Addition von ZjOverall Addition von ZjClass verr. Wert Veränderung verr. Wert Veränderung 173.844.408 185.220.291 160.704.788 171.185.810 211.621.487 224.020.311 308.970.440 345.715.876
-11.758.236 -382.352 -11.397.324 -916.302 -13.571.162 -1.172.338 -41.319.909 -4.574.473
184.464.083 185.596.488 170.993.990 171.968.999 224.175.323 225.116.822 334.701.460 348.407.243
-1.138.561 -6.156 -1.108.122 -133.113 -1.017.326 -75.827 -15.588.889 -1.883.106
Tabelle 3-7: Eigenmittelanforderungen in den Portfolios 1 bis 4 bei Verwendung unverrauschter und verrauschter PD-Schätzer sowie entsprechende (absolute) Veränderungen im heterogenen Fall. Auch im Fall von heterogenen Kreditportfolios ergeben sich deutliche Einsparungen an regulatorischem Kapital bei Verwendung von verrauschten anstelle von unverrauschten PD-Schätzern – sowohl bei Verrauschung sämtlicher Schätzungen als auch bei der Beschränkung auf die 1 % größten Kredite: Betrachten wir zunächst die Portfolios 1 bis 3, die als realistisch angesehen werden können. Bei Modifikation der PD-Schätzungen sämtlicher Kredite bewegt sich die Eigenmitteleinsparung bei einer Verrauschung mittels ZjOverall zwischen ca. 11,4 Mio. (Portfolio 2) und 13,6 Mio.
90
Kapitel 3. Regulatorisches Kapital bei Verwendung verrauschter PD-Schätzer
(Portfolio 3) und bei einer Verrauschung mittels ZjClass zwischen ca. 1,02 Mio. (Portfolio 3) und 1,14 Mio. (Portfolio 1). Bei der Beschränkung auf die 1 % größten Kredite liegen diese Werte bei einer Verrauschung mittels ZjOverall zwischen ca. 0,38 Mio. (Portfolio 1) und 1,2 Mio. (Portfolio 3) und bei einer Verrauschung mittels ZjClass zwischen ca. 0,006 Mio. (Portfolio 1) und 0,13 Mio. (Portfolio 2). Aufgrund seiner extrem schlechten Qualität kann Portfolio 4 nicht als realistisch angesehen werden; die zugehörigen Werte sollten aber zumindest eine Obergrenze für die zu erwartende absolute Reduktion darstellen: Bei der Modifikation sämtlicher PD-Schätzungen bewegt sich die Eigenmittelreduktion etwa zwischen 16 Mio. bei der Verwendung von ZjClass und 41 Mio. bei Verwendung von ZjOverall . Bei Beschränkung der Modifikation auf die 1 % größten Kredite liegt die Reduktion in Portfolio 4 zwischen 1,9 Mio. (ZjClass ) und 4,6 Mio. (ZjOverall ). In den Ergebnissen bei der Verrauschung der PDs sämtlicher Kredite in den Portfolios zeigt sich eine verblüffende Ähnlichkeit zu den Ergebnissen im homogenen Fall mit EADj = 256.000 für j = 1, ..., n: Scheinbar hat die konkrete Modellierung der EADs keinen entscheidenden Einfluss auf die Größenordnung des Reduktionseffekts, sofern das durchschnittliche EAD gleich gewählt ist. Bei der Beschränkung der Modifikation auf die PDs der 1 % größten Kredite ist das Ausmaß der Reduktion deutlich geringer als bei der Verrauschung sämtlicher PDs: Durch die Beschränkung auf die 1 % größten Kredite wird in den Portfolios 1 bis 3 nur ein Anteil zwischen 0,54 % (Portfolio 1, ZjClass ) und 12,01 % (Portfolio 2, ZjClass ) derjenigen Reduktion realisiert, welche bei Modifikation sämtlicher Kredite zu beobachten ist. In Portfolio 4 beträgt dieser Anteil (ähnlich wie in Portfolio 3) 12,08 %. Daher kann die Beschränkung auf die 1 % größten Kredite hinsichtlich der Reduzierung der Eigenmittelanforderung aus Sicht der Kreditinstitute ebenfalls lohnend sein. Ebenso wie im homogenen Fall treten auch hier die oben beschriebenen Effekte 2 und 3 auf: Effekt 2 (geringere Reduktion bei ZjClass als bei ZjOverall ) ist hier sowohl bei der Verrauschung sämtlicher PDs als auch bei der Beschränkung auf die 1 % größten Kredite deutlich zu erkennen. Effekt 3 (Strukturänderung des Portfolios) gilt bei der Verrauschung aller PD-Schätzungen genauso wie im homogenen Fall, da er unabhängig von der Höhe der EADs ist. Dieser Effekt wird hier nur im Zusammenhang mit der Verrauschung aller PDs untersucht, da die Modifikation der 1 % größten
3.3. Empirische Ergebnisse
91
Kredite höchstens zu 100 Migrationen führen kann und sich die Portfoliostrukturen somit nur geringfügig ändern können. Effekt 1 (Zunahme der absoluten Reduktion mit abnehmender Qualität des Portfolios) zeigt sich bei der Verrauschung sämtlicher Kredite im Falle der Verwendung von ZjOverall ; für ZjClass ist er (mit Ausnahme von Portfolio 4 im Vergleich zu den anderen Portfolios) nur mit etwas Phantasie (indem man Portfolio 3 als Ausnahme deklariert) erkennbar – er ist allerdings in den Portfolios 1 und 2 nur sehr schwach ausgeprägt; daher wollen wir ihn in diese Ergebnisse nicht hinein interpretieren. An dieser Stelle scheint sich die Heterogenität der EADs also doch zu zeigen – auch wenn die übrigen Ergebnisse in der gleichen Größenordnung wie im homogenen Fall liegen. Bei der Beschränkung auf die 1 % größten Kredite zeigt er sich mit Ausnahme von Portfolio 2 – diese Ausnahme liegt aber vermutlich an der geringen Anzahl von 100 verrauschten PDs (hier scheint eine verrauschungsbedingte Verschlechterung der PD-Schätzung gerade einen oder mehrere Kredite mit ausgesprochen hohem EAD „getroffen“ zu haben).36 Insgesamt zeigt sich, dass die Beschränkung auf die 1 % größten Kredite zwar zu einer geringeren Einsparung als bei Modifikation sämtlicher Kredite führt, dass diese aber dennoch in den meisten Fällen deutlich sichtbar und daher aus Bankensicht vermutlich lohnend ist. Da die Höhe der EADs keinerlei Einfluss auf die PD-Schätzungen und ihre Verrauschung hat, ergeben sich im heterogenen Fall exakt dieselben Kreditportfoliostrukturen wie im homogenen Fall.
3.3.3.3
Gesamtergebnis auf Portfolioebene
Insgesamt haben wir also auf Basis von Monte-Carlo Simulationen gezeigt, dass der in Abschnitt 3.2.1 mathematisch nachgewiesene Reduktionseffekt auch im Portfoliokontext zu deutlichen Einsparungen an regulatorischem Kapital führen kann und somit aus Bankensicht interessant sein dürfte. Kreditinstitute könnten daher versucht sein, bereits bestehende PD-Schätzmodelle entweder nicht zu verbessern 36
Man beachte die perfekte Korrelation der White Noise Zufallsgrößen, bei denen etwa die Verbesserung der Bonität eines Kredites durch die Addition einer Realisierung von ZjOverall auch die Verbesserung des gleichen Kredites bei Addition einer Realisierung von ZjClass bedeutet.
92
Kapitel 3. Regulatorisches Kapital bei Verwendung verrauschter PD-Schätzer
oder diese sogar absichtlich durch die Addition von White Noise zu verschlechtern, um den Reduktionseffekt auszunutzen und auf diese Weise „teures“ regulatorisches Eigenkapital einzusparen bzw. weitere Risiken eingehen zu können. Darüber hinaus haben wir gesehen, dass die Verrauschung der PDs bei Verwendung einer White Noise Zufallsgröße, welche über die Klassengrenzen hinweg verrauscht, zu einer deutlichen Änderung der Portfoliostruktur führen kann. Auch hier weisen wir darauf hin, dass die Ergebnisse aufgrund der einmaligen Verrauschung jeder PD zufallsabhängig sind. Sie erlauben aber erneut zumindest eine erste Einschätzung des Effekts der Verrauschung auf Portfolioebene. Obwohl der Anreiz für Kreditinstitute, bestehende PD-Schätzmodelle nicht weiter zu verbessern, u.E. als schwerwiegend zu beurteilen ist und aus Sicht der Regulierungsbehörden ernst genommen werden sollte, haben wir uns in der Darstellung auf den Anreiz zur absichtlichen Verschlechterung von Schätzmodellen konzentriert. In diesem Fall ist nämlich die Prüfung der Konformität von Verrauschungen der PDSchätzungen mit den Anforderungen an interne PD-Schätzmodelle im IRB-Ansatz nötig. Es stellt sich daher die Frage, ob es für ein Kreditinstitut möglich ist, die Verteilung der zu addierenden White Noise Zufallsgröße derart zu wählen, dass die vorgenommene Modifikation der Ausfallwahrscheinlichkeiten zu einer lohnenden Reduktion des regulatorischen Kapitals führt und gleichzeitig mit den aufsichtlichen Anforderungen an interne Ratingverfahren im IRB-Ansatz konform ist – bzw. wie sie derart vorgenommen werden kann, dass sie im Falle einer Nicht-Konformität seitens der Aufsicht nicht ohne weiteres bemerkt oder nachgewiesen werden kann. Dieser Frage wollen wir im nächsten Abschnitt nachgehen.
3.4. Aufsichtsrechtliche Aspekte
3.4 3.4.1
93
Aufsichtsrechtliche Aspekte Prüfung der Konformität der Verwendung verrauschter PD-Schätzungen mit den Anforderungen des IRBAnsatzes
Wir untersuchen nun, ob es für ein Kreditinstitut möglich ist, eine Manipulation der Ausfallwahrscheinlichkeiten durch Addition von White Noise Zufallsgrößen vorzunehmen, welche in Einklang mit den Vorschriften des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht bzgl. interner Ratingsysteme im IRB-Ansatz steht, bzw. falls nicht, wie sich eine unzulässige Modifikation verbergen lässt. Dazu prüfen wir, ob die in Abschnitt 2.1.3 vorgestellten Anforderungen auch bei der Durchführung einer solchen Manipulation noch erfüllbar sind. Ein Modell, bei dem die Ergebnisse nachträglich (zum Zweck der Eigenmittelersparnis) mit White Noise Zufallsgrößen verrauscht werden, liefert zwar im Durchschnitt korrekte Ergebnisse. Es sollte allerdings von aufsichtlicher Seite nicht als vernünftig anerkannt werden, da die Risiken nicht auf angemessene Weise klassifiziert werden und keine in sich schlüssige Risikoschätzung stattfindet. Weiterhin dürften die Kriterien der Stabilität und Konsistenz verletzt sein: Die Stabilität, welche die angemessene Abbildung der Ursache-Wirkungs-Beziehungen der Ratings beschreibt, sollte bei der Addition von White Noise nicht gegeben sein. Auch die Konsistenz, welche fordert, dass Schuldnern oder Geschäften mit vergleichbaren Risiken ebenfalls gleiche Ratings zugeordnet werden, sollte durch die Addition von Zufall verletzt sein. Daher besteht die Gefahr, dass ein Kreditinstitut, das den Reduktionseffekt ausnutzen möchte, sein Modell wie in Abschnitt 3.2.3 beschrieben manipuliert und versucht, diese Modifikation vor der Aufsicht zu verbergen bzw. geschickt zu „verkaufen“. Und hierfür gibt es in der Tat Möglichkeiten: Da sich die Aufsicht bei der Prüfung des Modells auf die Ergebnisse des internen Validierungsprozesses stützt, kann das Kreditinstitut zum einen versuchen, die Modifikation zu verbergen, indem es die Dokumentation des Modells sowie die Ergebnisse des Validierungsprozesses entsprechend modifiziert. Zum anderen kann es die Abweichungen gegenüber den ursprünglichen PD-Schätzungen aber auch ganz offen als Einbeziehung menschlicher Urteile kommunizieren und entsprechende Begründungen hierfür liefern. Dabei brin-
94
Kapitel 3. Regulatorisches Kapital bei Verwendung verrauschter PD-Schätzer
gen allzu große bzw. allzu häufige Abweichungen natürlich einen entsprechend hohen Erklärungsbedarf mit sich, weshalb eine Aufdeckung für die Aufsicht schwierig ist, wenn die verwendeten White Noise Zufallsgrößen eine nicht allzu hohe (bedingte) Varianz aufweisen und nur eine ausgewählte Menge an Krediten modifiziert wird.37 Zu beachten ist außerdem, dass die subjektiven Einschätzungen, welche auf Basis der White Noise Zufallsgröße getroffen werden, aufgrund der Zentriertheit der Zufallsgrößen im Laufe der Zeit in gegensätzliche Richtungen weisen, es also innerhalb kurzer Zeiträume etwa genauso häufig zu Heraufstufungen wie zu Herabstufungen der vom Modell geschätzten PDs kommen kann und diese Ratingänderungen relativ deutlich ausfallen können. Dies widerspricht zwar nicht den Anforderungen an interne Modelle im IRB-Ansatz, könnte aus Sicht der Regulierungsbehörden allerdings auffällig erscheinen.38
3.4.2
Handlungskonsequenzen für die Aufsicht
Da Kreditinstitute versucht sein könnten, ihr PD-Schätzmodell zum Zweck der Eigenmittelersparnis durch die Addition von White Noise Zufallsgrößen zu verschlechtern, ist es für die Aufsicht empfehlenswert, besondere Sorgfalt bei der Prüfung dieser Modelle walten zu lassen und die Zulassung des Modells beim Feststellen einer solchen Modifikation zu verweigern. Im Folgenden leiten wir Möglichkeiten für die Aufsicht ab, eine derartige Modifikation zu erkennen. 37
38
Dies geht offensichtlich zu Lasten der erwarteten Eigenmittelersparnis, aber unabdingbare Nebenbedingung ist stets, dass das Modell aufsichtlich anerkannt wird. Dass die Beschränkung der Verrauschung auf die 1 % größten Kredite allerdings ebenfalls lohnend im Sinne einer merklichen Reduktion der Eigenmittelanforderung sein kann, haben wir in Abschnitt 3.3 gesehen. In der Praxis hat man es bei Ratingänderungen häufig mit einem so genannten Momentum zu tun, d.h. dem Phänomen von Trends in den Ratingänderungen der Kreditnehmer, vgl. z.B. Fitch Ratings (2004) und Moody’s Investors Service (2007). So ist es beispielsweise für ein Unternehmen, dessen Rating gerade heruntergestuft wurde, oftmals wahrscheinlicher, dass eine weitere Herabstufung folgt, als dass es wieder hinaufgestuft wird. Dies wird z.B. durch Managementfehler verursacht, welche zumeist einen nachhaltigen Effekt auf die Unternehmenssituation besitzen. Auf der anderen Seite könnten gleich häufige Herauf- und Herabstufungen aber auch ein Zeichen dafür sein, dass gerade kein systematischer Fehler im Ratingsystem vorliegt. Daher ist das oben angegebene Kriterium kein zwingender Hinweis auf eine unzulässige Modifikation der PD-Schätzer.
3.4. Aufsichtsrechtliche Aspekte
95
Die Möglichkeiten resultieren aus den vorangegangenen Erkenntnissen dieses Kapitels: • Falls ein Kreditinstitut versucht, die Modifikation durch Beschönigen der Dokumentation sowie der Ergebnisse des Validierungsprozesses zu verschleiern, sollte dies entdeckt werden können, indem die Aufsicht die Stabilität und Konsistenz des Modells testet: Hierzu könnten die vom Kreditinstitut verwendeten Ratingkriterien offengelegt werden und die Ratingergebnisse der Kredite (zumindest stichprobenartig) nachvollzogen werden. • Falls ein Kreditinstitut die aus der Modifikation resultierenden Abweichungen nicht verheimlicht, sondern als Einbeziehung menschlicher Urteile deklariert, könnte die Aufsicht diese Einflussnahmen auf Plausibilität der Einschätzungen prüfen und ggf. als ungerechtfertigt beurteilen und somit in Zukunft unterbinden oder zumindest stark beschränken. Richtungsschwankungen in den subjektiven Einschätzungen könnten dabei ein Hinweis auf die Ausnutzung des Reduktionseffekts durch Addition von White Noise sein. Darüber hinaus ist es für die Aufsicht empfehlenswert, die Struktur der Kreditportfolios im Blick zu behalten, da auffällige Strukturänderungen – vor allem in Richtung der besseren Klassen – ein Indikator für die Addition von White Noise sein können. Hier hat ein Kreditinstitut allerdings die Möglichkeit, allzu auffällige Strukturänderungen, welche aufgrund von Modifikationen der PD-Schätzungen auftreten, von vornherein zu verhindern, indem es mit der Verrauschung der PD-Schätzungen erst nach und nach anfängt, d.h. jedes Jahr eine geringe Anzahl an Krediten zur Verrauschungsprozedur hinzufügt, oder indem es die Verrauschung auf wenige, lohnende Kredite (im Sinne der Maximierung der Eigenmittelreduktion) beschränkt. Eine passive Ausnutzung des Reduktionseffekts, welche durch Nicht-Verbesserungen des PD-Schätzmodells seitens der Kreditinstitute geschehen kann, ist aus Sicht der Regulierung nicht begrüßenswert, da sie dem Ziel der Bankenaufsicht – der möglichst adäquaten Risikoeinschätzung seitens der Kreditinstitute – entgegensteht. Einer passiven Ausnutzung des Effekts kann die Aufsicht allerdings nur entgegenwirken, indem sie strenge quantitative Anforderungen an interne Modelle formuliert und entsprechende regelmäßige Validierungen fordert, um eine gewisse Mindestgüte der Schätzungen zu gewährleisten. Dies würde bedeuten, dass die Aufsicht von den bewusst weichen Formulierungen in ihren Richtlinien in Richtung einer stark quantitativen Regulierung gehen muss. Eine solche Entwicklung würde jedoch die
96
Kapitel 3. Regulatorisches Kapital bei Verwendung verrauschter PD-Schätzer
Gefahr einer Überregulierung mit sich bringen; darüber hinaus sind starre quantitative Vorgaben oft nicht in der Lage, die Besonderheiten einzelner Institute in geeigneter Weise zu berücksichtigen. Da es ein Grundprinzip von Basel II ist, mehr Gewicht auf qualitative, an Institute anpassbare Vorgaben zu legen, ist eine Entwicklung in Richtung einer stärker quantitativen Bankenregulierung also fraglich, womit zu bezweifeln ist, ob die Aufsicht die Möglichkeit der passiven Ausnutzung des Reduktionseffekts geeignet einschränken kann. Dennoch ist zu betonen, dass mit dem aufsichtlichen Zulassungsverfahren zum IRB-Ansatz bereits eine gewisse Mindestgüte des Schätzmodells gewährleistet wird und das Ausmaß der verrauschungsbedingten Unterschätzung der regulatorischen Eigenmittelanforderung daher sehr beschränkt sein dürfte. Für Kreditinstitute selbst birgt die Ausnutzung des Reduktionseffekts – ob aktiv oder passiv – allerdings auch nennenswerte Risiken: Da die vom Modell generierten PD-Schätzungen auch zu Steuerungszwecken einzusetzen sind, kann die Verwendung der modifizierten Ausfallwahrscheinlichkeiten zu Fehlentscheidungen und unerwünschten Effekten führen. Daher ist zu prüfen, ob die Ausnutzung des Reduktionseffekts aus Bankensicht überhaupt ökonomisch sinnvoll ist – und ob für die Aufsicht überhaupt Handlungsbedarf besteht. Dieser Frage gehen wir in Kapitel 4 nach.
3.5
Zwischenfazit
Ausgangspunkt der Untersuchung in diesem Kapitel war das Phänomen, dass die Verwendung von PD-Schätzern, welche nicht genau schätzen, sondern eine gewisse Ungenauigkeit in Form von White Noise beinhalten, zu einer Minderung der erwarteten Eigenmittelanforderung im IRB-Ansatz führt. Dieser Effekt wurde in Abschnitt 3.2 zunächst mathematisch nachgewiesen. Hieraus wurden für Kreditinstitute die Anreize einer aktiven Ausnutzung des Effekts durch absichtliche Verschlechterung des PD-Schätzmodells bzw. einer passiven Ausnutzung des Effekts durch Unterlassen von Modellverbesserungen abgeleitet. Weiterhin wurde untersucht, wie sich der Reduktionseffekt in der Praxis ausnutzen lässt. Dabei ist im Falle der aktiven Ausnutzung des Effekts die Nebenbedingung zu beachten, dass auch die modifizierten PD-Schätzungen im Intervall [0, 1] liegen müssen.
3.5. Zwischenfazit
97
Das Ausmaß der erwarteten Reduktion des regulatorischen Kapitals wurde in Abschnitt 3.3 anhand von Simulationen quantifiziert. Dabei zeigte sich, dass die Verwendung von verrauschten PD-Schätzungen zu einer deutlichen Reduktion der Eigenmittelanforderung führen kann – sowohl bei der Manipulation sämtlicher PDSchätzungen als auch bei der Beschränkung der Verrauschung auf die größten Kredite im Portfolio. Die meisten Ergebnisse sind dabei sowohl für den Fall einer aktiven Ausnutzung des Reduktionseffekts als auch für den Fall einer passiven Ausnutzung interpretierbar. In Abschnitt 3.4 wurden aufsichtliche Aspekte bzgl. der Verwendung verrauschter PD-Schätzungen im IRB-Ansatz beleuchtet. Es stellte sich heraus, dass die Addition von White Noise nicht mit den im Rahmen des IRB-Ansatzes formulierten Anforderungen an interne Modelle vereinbar ist und Kreditinstitute somit – bei Beabsichtigung einer aktiven Ausnutzung des Reduktionseffekts – versuchen könnten, die Modifikationen zu verschleiern oder als subjektive Einflussnahmen zu tarnen. Daraufhin wurden entsprechende Handlungskonsequenzen für die Aufsicht abgeleitet, welche der Aufdeckung einer aktiven Ausnutzung dienen sollen: Eine Möglichkeit, die Addition von White Noise aufzudecken, besteht in der Validierung der Stabilität und Konsistenz des Modells und in der Überprüfung der subjektiven Einflussnahmen auf Plausibilität. Es wurden ebenfalls Möglichkeiten der Verhinderung einer passiven Ausnutzung des Reduktionseffekts diskutiert, welche in der Vorgabe von schärferen quantitativen Anforderungen an interne Modelle bestehen. Allerdings wurde auch die Frage gestellt, ob für die Aufsicht diesbezüglich überhaupt Handlungsbedarf besteht: Da diejenigen PD-Schätzungen, welche zum Zweck der Ermittlung der Eigenmittelanforderung verwendet werden, eine entscheidende Rolle in der Steuerung der Kreditinstitute spielen müssen, könnte sich die Ausnutzung des Reduktionseffekts als Bumerang für die Institute herausstellen und sie somit ex ante von der Ausnutzung des Reduktionseffekts abhalten. Mögliche Konsequenzen, welche sich aus der internen Verwendung verrauschter PD-Schätzungen ergeben, werden daher im folgenden Kapitel untersucht.
Kapitel 4 Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
4.1
Vorbemerkungen
Motivation und Gang der Untersuchung In diesem Kapitel untersuchen wir, welche Auswirkungen die Verwendung von verrauschten PD-Schätzern bei der Festlegung von Kreditkonditionen auf das Ergebnis eines Instituts besitzen kann. Verwendet ein Kreditinstitut nämlich interne PDSchätzungen zum risikosensitiven Pricing seiner Kredite und beinhalten diese PDSchätzungen gewisse Schätzfehler, so resultieren auch auf der Seite der Kreditkonditionen entsprechend inadäquate Zinssätze, welche wiederum Einfluss auf das Ergebnis aus dem Kreditgeschäft haben. Unabhängig davon, ob auf der Seite der PD-Schätzungen bzw. der Zinssätze eine systematische oder eine Erwartungswert erhaltende Verzerrung vorliegt, können diese fehlerhaften Zinssätze unter der Annahme der Existenz eines Konkurrenzinstituts und des rationalen Handelns der Kreditnehmer zu Wanderungsbewegungen führen. Passt ein Kreditinstitut die Kreditkonditionen seiner bisherigen Kunden an die aktuellen PD-Schätzungen an und resultiert aus der Fehleinschätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit eines Kreditnehmers die Festlegung eines – verglichen mit seinem Risiko – zu hohen Kreditzinssatzes, so kann es für diesen Kunden sinnvoll sein, den Kredit zu kündigen und einen Vertrag über einen tilgungsgleichen Restkre-
100
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
dit beim Konkurrenzinstitut abzuschließen.1 Die Vorteilhaftigkeit dieser Handlung hängt offenbar entscheidend von den hierbei zu zahlenden Transaktionskosten und dem barwertigen realisierbaren Zinsvorteil ab. Hier scheint also das Phänomen der Adverse Selection, d.h. einer Negativauslese aufzutreten: Die Kunden, die aus dem Kreditportfolio abwandern, sind gerade diejenigen, die einen Zinssatz zu zahlen hätten, welcher „deutlich“ zu hoch für ihr tatsächliches Risiko ist und somit für das Kreditinstitut im Mittel zu einem deutlich überdurchschnittlichen Ergebnis führen würde.2 Umgekehrt können Kunden des Konkurrenzinstituts aufgrund einer vom betrachteten Institut – verglichen mit dem tatsächlichen Risiko – zu niedrigen Festlegung des Zinssatzes dazu veranlasst werden, ihren bisherigen Kredit beim Konkurrenzinstitut zu kündigen und zum betrachteten Kreditinstitut zu wechseln. Hierbei wird im Folgenden von Winner’s Curse die Rede sein, da das betrachtete Institut die „Abwerbung“ der Kunden von der Konkurrenz in der Hinsicht teuer bezahlen muss, dass die Zinsen, die diese Kunden zahlen, für ihr tatsächliches Risiko deutlich zu gering sind und bei diesen Geschäften daher im Mittel mit einer Zielverfehlung zu rechnen ist. Bei Neukunden, welche erst einen Kredit abschließen möchten, greift dieser Winner’s Curse Effekt noch unmittelbarer: Da bei ihnen keine Zahlung von Transaktionskosten stattfindet, entscheiden sie sich bei Vorliegen eines Zinssatzunterschiedes für das „günstigere“ Institut. In diesem Kapitel wird daher sowohl modelltheoretisch als auch mit Hilfe von Simulationen untersucht, welche Auswirkungen die Verrauschung der PD-Schätzer auf die resultierenden Kreditkonditionen und das Kundenverhalten hat und welche Konsequenzen schließlich für das Ergebnis des betrachteten Instituts resultieren. In Abschnitt 4.2 entwickeln wir dazu ein Modell, welches sowohl den Pricing-Mechanismus der Kreditinstitute als auch das Verhalten der Kreditnehmer in Abhängigkeit von 1 2
Ein tilgungsgleicher Restkredit bezeichne dabei einen Kredit, welcher dieselbe Restlaufzeit und die gleiche Tilgungsstruktur wie der bisherige Kredit besitzt. Der Zinssatzunterschied, ab dem sich eine Kündigung für den Kreditnehmer finanziell lohnt, hängt dabei individuell von der Rückzahlungsstruktur des Kredites und von den zu zahlenden Transaktionskosten ab; daher wird an dieser Stelle nur unpräzise von einem „deutlich“ zu hohen Zinssatz gesprochen. Die exakte Quantifizierung dieses kritischen Zinssatzunterschiedes findet sich in Abschnitt 4.2.4. Warum in der Überschrift dieses Kapitels nur von „Winner’s Curse“, nicht aber von „Adverse Selection“ die Rede ist, werden wir in Abschnitt 4.4 sehen.
4.1. Vorbemerkungen
101
den Kreditkonditionen beschreibt. Hieraus leiten wir in Abschnitt 4.3 zunächst theoretische Ergebnisse ab und quantifizieren diese in Abschnitt 4.4 schließlich mit Hilfe von Monte-Carlo Simulationen. Die Ergebnisse fassen wir in Abschnitt 4.5 kurz in einem Zwischenfazit zusammen.
Literaturüberblick In der Literatur finden sich kaum Untersuchungen, die die Auswirkungen der Verwendung verrauschter PD-Schätzungen auf die Kreditzinssätze und damit auf das Ergebnis eines Kreditinstituts analysieren. Dies ist sehr erstaunlich, da die Verwendung von risikosensitiven Kreditkonditionen ja nicht erst seit Basel II ein Thema ist. Vielleicht hat aber die durch Basel II angeregte Diskussion über bonitätsabhängige Kreditzinssätze erstmals genügend Aufmerksamkeit auf diese Fragestellung gelenkt. Brandt et al. (2007) modellieren einen duopolistischen Bankensektor, in dem die beiden betrachteten Kreditinstitute zwischen zwei Ratingsystemen wählen können: einem genauen und einem ungenauen. Die Kreditzinssätze werden von den Instituten nach der Entscheidung für eines dieser beiden Systeme auf spieltheoretischer Basis festgelegt. Unter der Annahme linearer Nachfragefunktionen wird theoretisch gezeigt, dass die Wahl des Ratingsystems im Gleichgewicht entscheidend von den zugrunde liegenden Kostenstrukturen abhängt und sich die Institute für das ungenaue Ratingsystem entscheiden, falls die zusätzlichen Kosten für die Verbesserung des Systems eine kritische Grenze übersteigen. Als Folge ergibt sich, dass die Verwendung des ungenaueren Systems in solchen Situationen ökonomisch sinnvoller ist als die Verwendung des genauen Ratingsystems. Im Unterschied zur Vorgehensweise von Brandt et al. (2007) gehen wir nicht von einer exogen gegebenen Nachfragefunktion aus, sondern integrieren die kreditnehmerindividuellen Entscheidungen explizit in die Modellierung. Wir verzichten jedoch auf die detaillierte spieltheoretische Analyse des Preissetzungsprozesses und nehmen an, dass die Institute die Kreditkonditionen auf der Grundlage von Preisuntergrenzen festlegen. Jankowitsch et al. (2007) untersuchen die ökonomischen Auswirkungen der Verwendung verrauschter PD-Schätzungen, indem sie mögliche Abwanderungsbewegungen der Kreditnehmer modellieren. Sie entwickeln ein Modell für die ökonomischen Zusammenhänge von Rating und Ergebnis eines Instituts und kommen anhand von
102
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Simulationsergebnissen zu dem Schluss, dass „bessere“ Ratings (d.h. Ratings, welche eine geringere Streuung aufweisen) einen höheren ökonomischen Wert für ein Kreditinstitut haben. Im Unterschied zu unserem Ansatz wird bei Jankowitsch et al. bei den PDs jedoch ein Fehlerterm verwendet, welcher im Erwartungswert zu einer Verzerrung führt. Von dieser Vorgehensweise nehmen wir Abstand, da wir nur solche PD-Schätzungen betrachten wollen, welche im Mittel korrekt sind und somit vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht im Rahmen des IRB-Ansatzes anerkannt werden könnten.3 Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal der Untersuchungen ist die Modellierung des Verhaltens der Kreditnehmer : Dieses wird bei Jankowitsch durch einen Zufallsmechanismus gesteuert. So werden die Abwanderungen der Kreditnehmer mit Hilfe einer Elastizität modelliert, auf Basis derer die Kündigungsereignisse zufällig ausgelöst werden. In unserem Modell wird das Kreditnehmerverhalten explizit auf Grundlage eines Rationalitätskalküls modelliert. Was u.E. zwingend in das Modell von Jankowitsch et al. hätte integriert werden müssen, ist die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung bei der Kündigung eines Kreditnehmers, welche für das Kreditinstitut einen Ausgleich für die entgangenen Zinszahlungen darstellen soll. Unter Berücksichtigung einer solchen Entschädigung ist nämlich unklar, welchen Einfluss die Kündigung eines Kreditnehmers auf das Geschäftsergebnis hat. Da die Modellierung der Vorfälligkeitsentschädigung die bankbetriebliche Realität abbildet und somit einen weiteren theoretisch wie praktisch wichtigen Aspekt darstellt, berücksichtigen wir sie in unserem Modell. Darüber hinaus betrachten Jankowitsch et al. lediglich Altkunden des betrachteten Instituts; Kunden von Konkurrenzinstituten, die möglicherweise das Institut wechseln, sowie Neukunden, welche einen Kredit aufnehmen, werden nicht betrachtet. Dies tun wir jedoch in unserem Modell, da wir die Integration dieser Kundensegmente in das Modell als unverzichtbar erachten. Auch ist die Vernachlässigung der Eigenkapitalkosten-Komponente im Kreditzinssatz, wie er bei Jankowitsch et al. hergeleitet wird, u.E. nicht zweckmäßig, da sich das für einen Kredit benötigte regulatorische Eigenkapital – und somit die Höhe der
3
Vgl. die entsprechenden Ausführungen in Abschnitt 2.1.3.
4.2. Modell
103
Eigenkapitalkosten – bei Verrauschung der PD-Schätzungen verringert,4 wodurch der Kreditzinssatz ebenfalls beeinflusst wird. Als Zielgröße verwenden Jankowitsch et al. die erwartete Rückzahlung des Kreditnehmers; diese Vorgehensweise ist u.E. problematisch, da hierbei kein Bezug zum eingegangenen Risiko hergestellt wird. Insgesamt wird sich in unserer Analyse zeigen, dass die Modellierung von Jankowitsch et al. zu stark von den ökonomischen Wirkungszusammenhängen abstrahiert und man bei einer expliziten Modellierung der oben genannten Aspekte z.T. zu deutlich abweichenden Ergebnissen kommt.
4.2 4.2.1
Modell Grundidee
Um die möglichen Auswirkungen der Verwendung verrauschter PD-Schätzungen zu untersuchen, verwenden wir ein Modell, in dem zwei Kreditinstitute in einer Welt mit existierendem Kapitalmarkt existieren. Diese Institute werden mit A und B bezeichnet, wobei A das Objekt unserer Untersuchung ist und B das Konkurrenzinstitut von A darstellt. Weiterhin existieren in unserem Modell n Kreditnehmer, welche bereits einen Kredit (entweder bei A oder bei B) besitzen oder einen solchen abschließen möchten. Die Kreditnehmer informieren sich über die ihnen von beiden Instituten in t = 0 angebotenen Kreditkonditionen und entscheiden sich daraufhin, ob die Fortführung bzw. Aufnahme einer Kreditfinanzierung für sie sinnvoll ist, und wenn ja, bei welchem Institut sie dies tun. Aufgrund dieser Entscheidungen können Wanderungsbewegungen auftreten, welche die Ergebnisse der Institute beeinflussen. Um zu untersuchen, wie sich das Ergebnis verändert, wenn ein Institut verrauschte statt unverrauschter PD-Schätzungen verwendet, werden wir zwei Szenarien untersuchen, in denen wir jeweils das Ergebnis für Institut A ermitteln werden, um anschließend einen Vergleich zu ziehen: 1. Institut A verwendet unverrauschte PD-Schätzer. 2. Institut A verwendet verrauschte PD-Schätzer. 4
Vgl. die Ergebnisse in Kapitel 3.
104
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Alle anderen Parameter werden in beiden Szenarien als unveränderlich modelliert, d.h. insbesondere, dass die PD-Schätzer von B in beiden Szenarien identisch sind. Nach dieser kurzen Skizze werden wir das Modell mit seinen zugrunde liegenden Annahmen und Wirkungsmechanismen nun im Detail vorstellen.
4.2.2
Ausgangssituation
4.2.2.1
Kreditinstitute
Wir nehmen an, dass in unserer Modellwelt zwei Kreditinstitute existieren, welche die folgenden Eigenschaften besitzen: Annahme 4.1 (Kreditinstitute). Die untersuchte Modellwelt besteht aus zwei Kreditinstituten, A und B, welche im Wettbewerb zueinander stehen. A und B haben Zugang zum Kapitalmarkt und sind risikoneutral.
Die Menge der betrachteten Kreditnehmer setzt sich wie folgt zusammen: Annahme 4.2 (Kreditportfoliozusammensetzung, Kundensegmente). Das Kreditportfolio von A bestehe aus nA ∈
0,
dasjenige von B aus nB ∈
Krediten. Zusätzlich existiert in der Modellwelt eine Nachfrage nach nN ∈
0
0
neuen
Krediten. Sämtliche betrachteten Kredite haben eine positive Restlaufzeit. Es wird angenommen, dass jeder der zugehörigen Kreditnehmer genau einen der n := nA + nB + nN Kredite aufgenommen hat bzw. nachfragt. Die Menge I = {1, ..., n} aller Kreditnehmer besitzt die disjunkte Zerlegung I = IA ∪ IB ∪ IN ,
(4-1)
wobei die Kreditnehmer j ∈ IA („Altkunden von A“) zum Portfolio von Institut A, die Kreditnehmer j ∈ IB („Altkunden von B“) zu demjenigen von Institut B gehören und die Kreditnehmer j ∈ IN („Neukunden“) noch keinen Kredit aufgenommen haben, dies in t = 0 aber beabsichtigen.
4.2. Modell
105
Die eindeutige Zuordnung von Kreditnehmern zu Krediten dient hierbei schlichtweg der Bequemlichkeit und erlaubt es uns, die Bezeichnungen „Kredit“ und „Kreditnehmer“ synonym zu verwenden (ansonsten wäre die etwas schwerfällige Umschreibung „der dem Kredit j zugehörige Kreditnehmer“ nötig). Dass wir hierbei auf Abhängigkeiten von Kreditausfällen verzichten, welche durch die Aufnahme mehrerer Kredite durch einen Kreditnehmer entstehen, ist uns bewusst; diese Vereinfachung – welche lediglich sämtliche Kredite eines Kreditnehmers in einem einzigen Kredit zusammenfasst – ist u.E. mit Hinblick auf die bevorstehende Analyse vertretbar. Um an die Untersuchungen in Kapitel 3 anzuknüpfen, nehmen wir an, dass die Kreditinstitute die jeweilige regulatorische Kapitalanforderung nicht mit Hilfe des Kreditrisikostandardansatzes, sondern auf Basis des im Abschnitt 2.1.2.3 vorgestellten IRB-Ansatzes von Basel II bestimmen: Annahme 4.3 (Anwendung des IRB-Ansatzes). A und B bestimmen ihre aufsichtsrechtliche Eigenmittelanforderung für Kreditrisiken mit Hilfe des IRB-Ansatzes.
Dabei nehmen wir implizit an, dass die PD-Schätzer keine systematische Verzerrung beinhalten, sondern gemäß den in Abschnitt 2.1.3 dargestellten Anforderungen des IRB-Ansatzes im Mittel richtig liegen.
4.2.2.2
Kredite und Kreditnehmer
Bezeichnungen 4.4 (Ausfallwahrscheinlichkeiten). Für Kredit j ∈ I bezeichne P Dj,t ∈ [0, 1] die 1-Perioden-Ausfallwahrscheinlichkeit der Periode von t − 1 bis t.
Besitzen die Verteilungen der P Dj,t endliche Träger, so können die zukünftigen Ausfallwahrscheinlichkeiten P Dj,t für t > 1 mit Hilfe von Migrationsmatrizen aus P Dj,1 gewonnen werden und sind daher als Funktion von P Dj,1 darstellbar. Der Anwendung von Migrationsmatrizen, welche auf der Theorie der Markovketten basiert, liegen die Annahmen zugrunde, dass die Migrationsmatrizen zeitlich konstant sind,
106
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
der Prozess gedächtnislos ist und die Ratingänderungen der Kreditnehmer unabhängig voneinander sind, vgl. z.B. Altrock und Hakenes (2001). Da diese Annahmen in der Praxis jedoch üblicherweise verletzt sind, sind die so ermittelten zukünftigen Ausfallwahrscheinlichkeiten lediglich als Schätzwerte aufzufassen. In unserem Modell treffen wir keine Annahme bzgl. der Verteilungen der P Dj,t (dies geschieht erst im Rahmen der Monte-Carlo Simulationen in Abschnitt 4.4); daher schreiben wir im Folgenden allgemein P Dj,t und sehen von der Anwendung von Migrationsmatrizen ab. Bezeichnungen 4.5 (Loss given Defaults). Für Kredit j ∈ I bezeichne LGDj,t ∈ [0, 1] den Loss given Default der Periode von t − 1 bis t.
Zwar sind die Fälle LGDj,t < 0 und LGDj,t > 1 in der Praxis u.U. möglich;5 in unserem Modell dient die Annahme LGDj,t ∈ [0, 1] der Vereinfachung, da sie keine Einschränkung darstellt, sondern lediglich einige formale Fallunterscheidungen vermeidet. Bzgl. der Vertragsgestaltung der Kredite treffen wir die folgende Annahme: Annahme 4.6 (Vertragsgestaltung). Für Kredit j ∈ I bezeichne πj den in t = 0 vereinbarten Kreditzinssatz, wobei die Zinsen jeweils am Ende jeder Periode nachschüssig zu zahlen sind. Vj,t ≥ 0 sei die Restschuld im Zeitpunkt t ∈
0.
6
Für die Forderungshöhe Vj,0 im
Zeitpunkt t = 0 gelte Vj,0 > 0. Der Kredit wird bzw. wurde zum Nennwert ausgegeben. Nj ∈
bezeichne die verbleibende Restlaufzeit des Kredites.
Tj,t = τj,t · Vj,0 ≥ 0 sei die für den Zeitpunkt t vereinbarte Tilgungszahlung, wobei τj,t ≥ 0 den in t zurückzuzahlenden Anteil von Vj,0 angibt und die Eigenschaft Nj 7 t=1 τj,t = 1 erfüllt sei. Es gelte Tj,Nj , τj,Nj > 0.
5
6
7
Vgl. Schmit (2004), S. 820 ff., Hartmann-Wendels und Winter (2005), S. 127, zu Workout Recoveries im Leasingbereich und Grunert (2005), S. 89 ff., zu Workout Recoveries bei Unternehmenskrediten. Hierunter wird im Folgenden stets die Bruttokredithöhe vor Risikominderung und Wertberichtigungen verstanden. Etwaige Tilgungszahlungen in t sind dabei bereits geleistet worden. Ansonsten ist die Restlaufzeit Nj gemäß Nj := max{t ∈ |Tj,t > 0} = max{t ∈ |τj,t > 0} anzupassen.
4.2. Modell
107
Für jeden Altkunden j ∈ IA ∪ IB von A bzw. B sei der Vertrag derart gestaltet, dass eine Zinsanpassung seitens des bisherigen Instituts in t = 0 möglich ist.8 Gleichzeitig haben die Kreditnehmer in t = 0 die Möglichkeit, den Kredit gegen die Zahlung einer adäquaten Vorfälligkeitsentschädigung T AKj ≥ 0 vorzeitig abzulösen.9
Die ökonomisch adäquate Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung T AKj wird in Abschnitt 4.2.4.3.1 hergeleitet; hierzu ist die Kenntnis der konkreten Rückzahlungsstruktur des Kredites nötig. Definition 4.7 (Äquivalenter (Rest-)Kredit). Der Kredit j mit der (Rest-)Forderungshöhe Vj,0 in t = 0, dessen Zinsen zum Zinssatz πj am Ende jeder Periode nachschüssig zu zahlen sind, habe die Restlaufzeit Nj und die Tilgungsstruktur (τj,t )t=1,...,Nj . Dann bezeichnet ein äquivalenter (Rest-)Kredit einen Kredit in t = 0 mit Forderungshöhe Vj,0, Laufzeit Nj und Tilgungsstruktur (τj,t )t=1,...,Nj , dessen Zinsen ebenfalls am Ende jeder Periode nachschüssig zu zahlen sind.
Ein äquivalenter (Rest-)Kredit stellt also einen tilgungsgleichen Kredit dar. Bezüglich der Kreditnehmer gehen wir von folgender Annahme aus: Annahme 4.8 (Rationalität und Zielsetzung der Kreditnehmer). Jeder Kreditnehmer j ∈ I ist rational und verfolgt die Zielsetzung der Gewinnmaximierung.
8
9
Bei bonitätsorientierten Zinsanpassungen muss das Kreditinstitut ein von der Aufsicht anerkanntes Ratingverfahren zugrunde legen und das Prinzip der Anpassungssymmetrie einhalten: So sind nicht nur Bonitätsverschlechterungen, sondern ebenso auch Bonitätsverbesserungen bei der entsprechenden Anpassung des Zinssatzes zu berücksichtigen. Eine Zinsanpassung ist nur dann statthaft, wenn sie im Kreditvertrag festgehalten wird. Die rechtlichen Grundlagen bonitätsabhängiger Zinsanpassungen werden in der Literatur zurzeit jedoch intensiv diskutiert, vgl. z.B. Ohletz (2007) und Butschek (2007). In unserem Modell sind die oben genannten Punkte erfüllt (die Anerkennung des Ratingverfahrens wird implizit durch die angenommene Anwendung des IRB-Ansatzes unterstellt, vgl. Annahme 4.3). Die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung steht dabei in keinem Widerspruch zum Kündigungsrecht, das dem Kreditnehmer eingeräumt wird: „Eine Vorfälligkeitsentschädigung kann die Bank immer dann verlangen, wenn der Kreditnehmer von seinem durch die Rechtsprechung entwickelten vorzeitigen Tilgungsrecht Gebrauch macht“, vgl. Rösler et al. (2003), S. 92.
108
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Außerdem gehen wir von folgendem Informationsstand der Kreditnehmer aus: Annahme 4.9 (Information der Kreditnehmer). Jeder Kreditnehmer j ∈ I kann die Kreditzinssätze beobachten, welche ihm von A und B für seinen nachgefragten äquivalenten (Rest-)Kredit angeboten werden.
Wie die Kreditzinssätze von den Instituten ermittelt werden, stellen wir in Abschnitt 4.2.3 gesondert vor.
4.2.2.3
Aktionen der Beteiligten
Die in unserem Modell betrachteten Ereignisse beruhen auf folgendem zeitlichen Ablauf in t = 0: 1. A und B aktualisieren ihre PD-Schätzungen sämtlicher Perioden für alle n Kreditnehmer. 2. A und B aktualisieren ihre Kreditangebote für alle n Kreditnehmer und räumen jedem Altkunden j ∈ IA ∪ IB ein sofortiges Recht ein, den bestehenden Kreditvertrag gegen die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung zu kündigen. 3. Sämtliche n Kreditnehmer erkundigen sich bzgl. der ihnen von A und B für ihren (äquivalenten) (Rest-)Kredit angebotenen Konditionen und vergleichen diese. 4. Sämtliche n Kreditnehmer treffen aufgrund der ihnen angebotenen Konditionen eine Entscheidung, ob sie von einer Kreditfinanzierung Abstand nehmen oder ob sie einen Kredit aufnehmen bzw. weiterhin zur Finanzierung verwenden. Entscheiden sie sich für einen Abbruch der Kreditfinanzierung, so zahlen sie den fälligen Betrag mit Hilfe des Liquidationserlöses des zu finanzierenden Projekts zurück. Entscheiden sie sich zugunsten einer Kreditfinanzierung, so wählen sie aufgrund ihrer angenommenen Rationalität das Angebot desjenigen Instituts, das ihnen das aus ihrer Sicht ökonomisch sinnvollere Geschäft anbietet. Das Kundenverhalten und die zugrunde liegenden Entscheidungsmechanismen werden wir in Abschnitt 4.2.4 detailliert vorstellen.
4.2. Modell 4.2.2.4
109
Verwendete PD-Schätzer
Um die Auswirkungen der Verwendung von verrauschten PD-Schätzungen auf das Ergebnis von Institut A zu studieren, vergleichen wir die entsprechenden Ergebnisse von Institut A in zwei Szenarien: 1) A verwendet die unverrauschten PD-Schätzer Rj,t für j ∈ I und t ∈
.
2) A verwendet PD-Schätzer Xj,t , welche gemäß Formel (3-5) verrauscht sind: Xj,t ∼ Rj,t + Zj,t für j ∈ I und t ∈ mit E(Zj,t |Rj,t) = 0 P -f.s. Die PD-Schätzer von B werden dabei als unveränderlich angenommen, damit die Kreditnehmer in beiden Szenarien die gleiche Opportunität zum Angebot von A besitzen. Ansonsten wäre die Untersuchung der Ergebniswirkung einer Verrauschung der PD-Schätzungen von Institut A nicht möglich. Genauer gehen wir von folgender Annahme aus: Annahme 4.10. Für j ∈ I und t ∈
verwendet Institut B in beiden Szenarien einen perfekten
Schätzer Rj,t für die Ausfallwahrscheinlichkeit P Dj,t von Kreditnehmer j in Periode t, d.h. es gilt Rj,t ≡ P Dj,t für alle j ∈ I und t ∈
.
In Szenario 1 verwendet A dieselben PD-Schätzer wie B, d.h. ebenfalls Rj,t für j ∈ I und t ∈
. In Szenario 2 hingegen verwendet A verrauschte PD-Schätzer Xj,t für
Kreditnehmer j ∈ I in den Perioden t ∈
, die aus den Schätzern Rj,t gemäß
Xj,t ∼ Rj,t + Zj,t durch Zufallsgrößen Zj,t für j ∈ I und t ∈
(4-2)
mit der Eigenschaft E(Zj,t |Rj,t) = 0
P -f.s. hervorgehen.
Damit betrachten wir die gleiche Art von Modifikation der PD-Schätzungen wie auch schon in Kapitel 3. Die Zufallsgröße Zj,t stellt daher für j ∈ I und t ∈ White Noise Zufallsgröße bzgl. Rj,t dar.
eine
Nachdem wir die Ausgangssituation beschrieben haben, stellen wir die beiden Modellbausteine Pricing und Kundenverhalten in den folgenden Abschnitten detailliert vor.
110
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
4.2.3
Preissetzung
4.2.3.1
Vorbemerkungen
Annahme 4.9 und den Ausführungen in Abschnitt 4.2.2.3 folgend nehmen wir in unserem Modell an, dass die Kreditnehmer die ihnen angebotenen Kreditzinssätze kennen und sie zur Entscheidung bzgl. einer Fortführung der Kreditfinanzierung und eines eventuellen Wechsels zum Konkurrenzinstitut verwenden. Um die Auswirkungen verrauschter PD-Schätzungen auf das Verhalten der Kreditnehmer und die Ertragssituation eines Kreditinstitutes analysieren zu können, müssen wir also untersuchen, welchen Einfluss die Schätzung der PD eines Kreditnehmers auf seine Zinskonditionen hat. In diesem Abschnitt werden wir uns daher mit dem Preissetzungs-Mechanismus der betrachteten Kreditinstitute beschäftigen, welcher das Bindeglied zwischen PD-Schätzung und angebotenem Kreditzinssatz darstellt. Modelltheoretische Grundlage des Preissetzungs-Mechanismus ist die Risikoabgeltungshypothese, nach der Kreditinstitute bereit sind, Risiken gegen Zahlung einer entsprechenden Prämie zu übernehmen,10 und somit einen risikosensitiven Preissetzungs-Mechanismus verwenden, der für jede mögliche Bonität des Kreditnehmers einen adäquaten Zinssatz ermittelt. Bevor wir den Preissetzungs-Mechanismus vorstellen, müssen wir zunächst kurz den Kapitalmarkt skizzieren, zu dem die betrachteten Institute Zugang haben. Annahme 4.11 (Kapitalmarkt). Die betrachteten Kreditinstitute A und B besitzen einen Zugang zum Kapitalmarkt. In jeder Periode stimmt der dort gültige Sollzinssatz mit dem jeweiligen Habenzinssatz überein. Die betrachteten n Kreditnehmer besitzen keinen Zugang zum Kapitalmarkt.
Dies dient zur Vereinfachung und gewährleistet, dass die im Folgenden hergeleitete Preisuntergrenze tatsächlich das Gewünschte leistet. Für die Zinssätze und Abzinsungsfaktoren verwenden wir die folgenden Bezeichnungen:
10
Vgl. z.B. Kirmße (1996), S. 43 f. Zu beachten ist hierbei, dass wir in unserem Modell von der Existenz einer Kreditrationierung absehen.
4.2. Modell
111
Bezeichnungen 4.12 (Zinssätze, Abzinsungsfaktoren). Für t ≥ 1 bezeichne it−1,t > 0 den vom Zeitpunkt t − 1 bis t geltenden 1-PeriodenKapitalmarktzinssatz. Als Abzinsungsfaktor des Zeitraums von s bis t mit s, t ∈ 1 ∈ (0, 1]. s ≤ t ergibt sich somit AFs,t := tk=s+1 1+ik−1,k
0,
In Ergänzung zu Annahme 3.6 in Abschnitt 3.2.2 formulieren wir für unser Modell die folgende Annahme 4.13 (Knappheit, Art und Kosten des Eigenkapitals). Das Eigenkapital stellt sowohl für A als auch für B ein knappes und homogenes Gut dar.11 Der zugehörige 1-Perioden-Eigenkapitalkostensatz der Periode von t − 1 bis t EK ≥ it−1,t bezeichnet; aufgrund der Haftungsfunktion des Eigenkapitals werde als πt−1,t
ist er höher als der risikolose Kapitalmarktzinssatz.
Im Folgenden unterscheiden wir gemäß Vereinbarung 2.1 auf S. 7 sprachlich nicht mehr zwischen (regulatorischen) Eigenmitteln, (regulatorischem) Eigenkapital und Risikokapital: Mit diesen Begriffen sind im weiteren Verlauf jeweils die regulatorischen Eigenmittel gemeint. Aufgrund der Knappheit des Eigenkapitals gehen wir von folgender Zielsetzung der Kreditinstitute aus: Annahme 4.14 (Zielsetzung der Kreditinstitute). A und B verfolgen das Ziel der Maximierung ihres Gesamt-RAROC.12
11
12
Die Annahme bzgl. der Zusammensetzung der Eigenmittel dient der Vereinfachung: Unterscheidet man verschiedene Arten von Eigenmitteln, so ist als Eigenkapitalkostensatz ein Mischzinsfuß anzusetzen; ansonsten ändert sich an der Darstellung nichts. In der bankbetrieblichen Praxis ist allerdings nicht klar, ob bei Kreditinstituten die in der Literatur vielfach unterstellte Zielsetzung der Gewinnmaximierung angenommen werden sollte. Während das Gewinnstreben als langfristige Zielsetzung von privaten Geschäftsbanken angesehen wird, widerspricht es z.B. bei Sparkassen dem in den Satzungen verankerten Prinzip der Gemeinnützigkeit. So wird in § 3 des Sparkassengesetzes des Landes NRW in der Fassung vom 10.9.2004 explizit vom Gewinnstreben als Hauptzielsetzung Abstand genommen. Bei Kreditgenossenschaften ist die Zielsetzung der Gewinnmaximierung nicht mit ihrem förderungswirtschaftlichen Grundauftrag vereinbar, vgl. z.B. von Stein (2000), S. 1113. Nach Mülhaupt (1980), S. 160, dient das Gewinnstreben hier konsistenterweise nur als Sicherungs- bzw. Sekundärziel, wozu Annahme 4.18 konform ist.
112
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Der RAROC stellt dabei aufgrund der angenommenen Eigenkapitalknappheit eine zweckmäßige Zielgröße dar. Wir verwenden in unserem Modell die in Abschnitt 2.2.3 dargestellte Variante des RAROC, welche definiert ist als:13 RAROCj,t :=
erw. Rückzahlungen aus Kredit j in t – Kosten des reg. EK für Kredit j in t erw. reg. Eigenkapital für Kredit j in t-1
=:
RANEj,t , ECRj,t−1
wobei RANEj,t das erwartete risikoadjustierte Nettoergebnis für Kredit j in t und ECRj,t−1 die erwartete regulatorische Eigenmittelanforderung für Kredit j im Zeitpunkt t − 1 bezeichne. Die Verwendung des erwarteten Risikokapitals im Zeitpunkt t − 1 (und nicht t) im Nenner ergibt sich daraus, dass für die Generierung eines Ertrags in t entsprechendes Risikokapital in der Periode von t − 1 bis t vorgehalten werden muss und sich als ECRj,t−1 berechnet. Wir setzen hier das erwartete regulatorische Eigenkapital an, da im Falle einer Insolvenz in t − 1 keine Eigenmittel mehr für spätere Perioden vorgehalten werden müssen und die Höhe des benötigten Eigenkapitals in t − 1 somit wie das Ausfallereignis selbst zufallsabhängig ist.14 Bemerkung 4.15. Als ECRj,t−1 werden wir im Folgenden das erwartete benötigte regulatorische Eigenkapital ansetzen. Eine alternative Definition des RAROC, welche auf der Höhe des von der Institutsleitung vorab gewährten Risikokapitals beruht, wird hier nicht betrachtet, da in unserem Modell durch die Existenz von Neukunden und durch die mögliche Zuwanderung von Kunden des Konkurrenzinstituts berücksichtigt wird, dass ein Eigenkapitalbetrag, welcher für einen Altkunden j vorab gewährt wurde, aber nicht benötigt wurde, zur Unterlegung eines neuen Kredites dienen kann.
Da die Ermittlung des regulatorischen Kapitals gemäß Basel II für den Zeithorizont eines Jahres geschieht (vgl. Abschnitt 2.1.2.3.1), gehen wir von der folgenden Annahme aus:
13 14
Da wir hier ein Mehrperiodenmodell betrachten, ist nun die Kennzeichnung mit dem Zeitindex t notwendig. Hier wird ausgeschlossen, dass ein insolventer Kreditnehmer wieder solvent werden kann. Dies werden wir in Annahme 4.22 noch präzisieren.
4.2. Modell
113
Annahme 4.16 (Periodenlänge). Eine Periode entspricht einem Jahr.
Ohne diese Annahme würden die Risikokapitalbeträge einer Periode aufgrund der zeitlichen Inkongruenz nicht mit den IRB-Eigenkapitalbeträgen übereinstimmen und müssten somit an die angenommene Periodenlänge angepasst werden. Aufgrund dieser Annahme sind auch bei der Preissetzung genau diejenigen Werte als 1-PeriodenAusfallwahrscheinlichkeiten P Dj,t anzusetzen, welche auch zur Ermittlung der IRBEigenmittelanforderung verwendet werden.15 Im Folgenden nehmen wir an, dass die Institute jeweils einen Preissetzungsmechanismus verwenden, der die Kreditzinssätze ausschließlich auf der Grundlage von kreditnehmerindividuellen Parametern, wie u.a. der Bonität, bestimmt. Jedes Institut kann dabei seine eigenen Bonitätsschätzungen und angebotenen Kreditzinssätze, nicht jedoch diejenigen des Konkurrenzinstituts beobachten. Annahme 4.17 (Wettbewerbssituation der Kreditinstitute). A und B stehen im Wettbewerb zueinander.
Somit werden Preisabsprachen in unserem Modell ausgeschlossen.16 In der vorliegenden duopolistischen Wettbewerbssituation werden wir annehmen, dass die Kreditinstitute jeweils nur ihre Preisuntergrenze als Kreditzinssatz ansetzen.17 Diese be15
16 17
Gemäß Basel II dürfen die bankinternen PD-Schätzungen für interne Zwecke zwar modifiziert werden, um sie auf die Lebensdauer der Aktiva abzustimmen, vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2006a), Tz. 444, und Basel Committee on Banking Supervision (2006c); Da der Preissetzungsmechanismus in unserem Modell jedoch auf den 1-Jahres PDs der Kredite beruht, sind exakt die Ausfallwahrscheinlichkeiten anzusetzen, welche auch im Rahmen des IRB-Ansatzes Anwendung finden. Dies wird durch das Kartellrecht auch untersagt, vgl. das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). In der Literatur wird in der Tat diskutiert, ob diese Annahme gerechtfertigt ist, da hier kein Bertrand-Wettbewerb im üblichen Sinne vorliegt. Milde (1980) zeigt unter Berücksichtigung von sequentiellen Suchkosten seitens der Kreditnehmer, dass auf einem Markt mit unvollständiger Information kein eindeutiges Zinsgleichgewicht besteht. Broecker (1990) folgert jedoch in einem zweistufigen spieltheoretischen Modell, dass Kreditinstitute die Güte ihres Kreditportfolios steigern können, indem sie niedrigere Preise verlangen, da sie durch den Informationsvorteil, den sie durch die Akquise eines Kunden bzgl. seiner Bonität erhalten, in der Folgeperiode besser zwischen guten und schlechten Kreditnehmern unterscheiden können.
114
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
stimmen sie jedoch nicht derart, dass sie für ein Kreditgeschäft im Erwartungswert einen RAROC von null in jeder Periode erzielen (bzw. ein barwertiges Äquivalent), sondern sie ermitteln die Preisuntergrenze unter der Nebenbedingung der Erzielung eines gewissen Mindest-Ergebnisbetrags: Annahme 4.18 (Zu erreichender Mindest-RAROC). A und B legen die Konditionen der Kredite so fest, dass aus den Rückflüssen jedes einzelnen Kredites j in jedem Zeitpunkt t ≥ 1 pro Einheit des für den Kredit noch benötigten Eigenkapitals ein Betrag in Höhe eines fest vorgegebenen Wertes RAROC min ≥ 0 entnommen werden kann. Sind die Rückflüsse aus dem Kredit dabei zu niedrig, so wird die fehlende Liquidität über den Kapitalmarkt beschafft; überschüssige Liquidität aus zu niedrigen Rückflüssen wird umgekehrt am Kapitalmarkt angelegt. Am Ende der Laufzeit besteht dabei ein Finanzierungssaldo von 0, d.h. der Entnahmeprozess „geht auf “. Von Quersubventionierungen zwischen verschiedenen Krediten wird hier abgesehen, so dass diese Nebenbedingung für jeden Kredit j erfüllt sein muss.
Unsere Modellierung ist also allgemeiner als die Herleitung einer Preisuntergrenze, mit welcher die Institute im Erwartungswert weder Gewinne noch Verluste erwirtschaften, denn der Fall RAROC min = 0 stellt einen Spezialfall unserer Modellierung dar. Da in der Praxis häufig von der Institutsleitung top-down Vorgaben bzgl. eines mindestens zu erreichenden Ergebnisses formuliert werden, ist Annahme 4.18 sinnvoll. Mit Hilfe der RAROC-Aggregationsformel aus Satz 2.12 erhalten wir bei einer solchen Konditionengestaltung das Ergebnis, dass der RAROC des Gesamtportfolios die Mindest-Vorgabe ebenfalls einhält, falls der Gesamtportfolio-RAROC auf Grundlage des tatsächlich benötigten Eigenkapitals berechnet wird. Setzt man hierfür jedoch das vorab von der Institutsleitung gewährte Eigenkapital an, so kann die RAROC-Vorgabe unterschritten werden, falls nicht das gesamte gewährte Eigenkapital ausgeschöpft wird. Im Folgenden werden wir aber wie auch bei einzelnen Krediten (vgl. Bemerkung 4.15) im Portfolio-Kontext das tatsächlich benötigte Eigenkapital für die Berechnung des RAROCs ansetzen. Bzgl. der Mindest-Vorgabe für den RAROC sowie der Kostenstrukturen von A und B gehen wir von der folgenden Annahme aus:
4.2. Modell
115
Annahme 4.19 (Übereinstimmung der RAROC-Vorgaben und der Kostenstrukturen). Sowohl die Mindest-Vorgabe RAROC min für den RAROC als auch die Kostenstrukturen der Institute A und B stimmen überein.
Auch bzgl. der kreditnehmerspezifischen Parameter, welche zur Ermittlung des IRBRisikogewichts verwendet werden, nehmen wir an: Annahme 4.20 (Übereinstimmung der kreditnehmerspezifischen Parameter mit Ausnahme der PDs). A und B verwenden für jeden Kreditnehmer j ∈ I und für alle Zeitpunkte t die gleichen Werte für LGDj,t , Sj,t und Mj,t , wobei Sj,t ∈ [5, 50] für einen Unternehmenskredit den Jahresumsatz (in Mio. e) in t und Mj,t die in t zur Ermittlung des IRB-Risikogewichts verwendete Restlaufzeit bezeichne (vgl. Abschnitt 2.1.2.3).
Damit stimmen die IRB-Risikogewichtsfunktionen Kj,t bei beiden Instituten überein. Die Annahmen 4.19 und 4.20 gewährleisten, dass die Institute für einen Kreditnehmer den gleichen Kreditzinssatz ermitteln, falls sie von der gleichen PDSchätzung ausgehen. Dies soll eine systematische Differenz der Kreditzinssätze der beiden Institute verhindern und somit eine bessere Vergleichbarkeit der Ergebnisse gewährleisten. Schließlich gehen wir noch davon aus, dass in t = 0 bereits sämtliche Zahlungen geleistet worden sind: Annahme 4.21 (Zahlungen in t = 0). Sämtliche in t = 0 fällige Zahlungen sind bereits geleistet worden. Dies umfasst sowohl die Zins- und Tilgungszahlungen der Altkunden von A und B als auch die Renditezahlungen der Institute an die Eigenkapitalgeber.
Nun leiten wir die gesuchte Preisuntergrenze für den Fall der Kenntnis der Ausfallwahrscheinlichkeiten (P Dj,t)t=1,...,Nj her, wobei wir im Folgenden stets die Kurzschreibweise (P Dj,t)t := (P Dj,t)t=1,...,Nj
(4-3)
116
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
verwenden werden. Zwar sind die wahren Ausfallwahrscheinlichkeiten in der Realität (und auch in unserer späteren Untersuchung) unbekannt, so dass die Kreditinstitute zur Preissetzung statt (P Dj,t)t ihre internen PD-Schätzungen verwenden; diese Unterscheidung wird aber erst im späteren Verlauf unserer Untersuchung relevant und ist für den beschriebenen Preissetzungs-Mechanismus irrelevant. Daher stellen wir diesen für die wahren Ausfallwahrscheinlichkeiten (P Dj,t)t vor. Da der PreissetzungsMechanismus bei beiden betrachteten Instituten zur Ermittlung der Preisuntergrenze verwendet wird und somit die gleichen „Bausteine“ beinhaltet, reicht es aus, sie für eines der beiden Institute vorzustellen.
4.2.3.2
Relevante Ergebniskomponenten
Der Zinssatz πj eines Kredites j soll gewährleisten, dass aus Sicht des Kreditinstitutes beim Abschluss des Kreditvertrags im Erwartungswert nicht nur die in t = 0 ausstehende Forderungshöhe und die dem Kredit barwertig zurechenbaren Kosten erwirtschaftet werden, sondern darüber hinaus in jedem Zeitpunkt t ∈ {1, ..., Nj } pro Einheit Eigenkapital, das in t−1 zur Unterlegung des unerwarteten Verlusts von Kredit j eingesetzt wird, ein Betrag in Höhe von RAROC min ertragswirksam entnommen werden kann. Fehlende Liquidität ist dabei am Kapitalmarkt zu beschaffen und überzählige Liquidität entsprechend risikolos zu investieren, wobei am Ende der Laufzeit ein nichtnegativer Finanzierungssaldo resultieren soll. Dies ist aufgrund der angenommenen Übereinstimmung der Soll- und Habenzinssätze barwertig äquivalent zu einem Kreditvertrag, der im Erwartungswert in jedem Zeitpunkt t mindestens einen RAROC in Höhe von RAROC min ertragsmäßig erwirtschaftet. Die Preisuntergrenze π j wird nun als niedrigster Zinssatz festgelegt, der dies gewährleistet. Zu ihrer Herleitung quantifizieren wir daher die hierbei zu betrachtenden Cash Flow Komponenten: Zunächst untersuchen wir die Rückzahlungsstruktur des Kredites, anschließend die entsprechenden zurechenbaren Kosten und schließlich die zu entnehmenden Beträge.
4.2.3.2.1
Kreditrückzahlungen
Zur Ableitung der Rückzahlungsstruktur des Kredites j gehen wir im weiteren Verlauf von folgender Annahme aus:
4.2. Modell
117
Annahme 4.22 (Insolvenzzustand absorbierend). Ist ein Kreditnehmer im Zeitpunkt t insolvent, so gilt dies auch in jedem Zeitpunkt s > t.
Der Zustand der Insolvenz wird also als absorbierend modelliert, d.h. es wird davon ausgegangen, dass ein einmal ausgefallener Kreditnehmer zu einem späteren Zeitpunkt nicht wieder solvent werden kann.18 Bemerkung 4.23. Es gilt Vj,t = Vj,0 −
t
Tj,k = Vj,0 · (1 −
k=1
τj,k )
(4-4)
k=1
= Vj,0 · Γj,t mit Γj,t := 1 −
t
(4-5)
t
k=1 τj,k .
Der Prozentsatz Γj,t ∈ [0, 1] gibt dabei die Restschuld (nach Tilgung) im Zeitpunkt t als Anteil vom Anfangs(rest-)kreditvolumen Vj,0 an.19
Die allgemeine Form der Tilgungsstruktur in Annahme 4.6 schließt Ratenkredite sowie Annuitätendarlehen ein: Für Ratenkredite gilt τj,t = N1j für t = 1, ..., Nj . Für ein Annuitätendarlehen erhält man wegen ANFπj ,Nj = Γj,t−1 · πj + τj,t für t = 1, ..., Nj die (prozentuale) Tilgung τj,t = ANFπj ,Nj − Γj,t−1 · πj mit dem Kreditzinssatz πj und dem Annuitätenfaktor ANFπj ,Nj = 18
19
20
πj ·(1+πj )Nj (1+πj )Nj −1
für t = 1, ..., Nj ;20 die Tilgungs-
Diese Annahme ist i.A. nicht realistisch, was an den in der Praxis verwendeten Definitionen des Ereignisses „Ausfall“ liegt. Bei Verwendung der Ausfalldefinition „90 Tage Zahlungsverzug“ etwa, wie sie z.B. in Basel II formuliert wird (vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2006a), Tz. 452), ist der Zustand „ausgefallen“ offensichtlich nicht absorbierend. Gleiches gilt für die Definition des Ausfalls, welche auf der Bildung einer Wertberichtigung seitens des Kreditinstituts basiert. Zu Vereinfachungszwecken gehen wir dennoch von Annahme 4.22 aus. Hierbei wird Annahme 4.22 bereits implizit verwendet, da aufgrund der Gültigkeit von Formel (4-5) für sämtliche Zeitpunkte t iterativ davon ausgegangen wird, dass die Tilgungszahlungen in allen vorherigen Zeitpunkten s = 1, ..., t in voller Höhe und termingerecht stattgefunden haben. Vgl. z.B. Perridon und Steiner (2007), S. 44, und Brealey und Myers (1996), S. 40. (nach einer einfachen Umformung, wobei Brealey und Myers mit annuity factor den Rentenbarwertfaktor bezeichnen, d.h. den Kehrwert des oben definierten Annuitätenfaktors).
118
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
struktur lässt sich dabei iterativ berechnen und ist vom Kreditzinssatz abhängig. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der äquivalente (Rest-)Kredit bei Vereinbarung eines abweichenden Kreditzinssatzes kein Annuitätendarlehen mehr ist. Bemerkung 4.24. Das Exposure at Default EADj,t von Kredit j im Zeitpunkt t, welches das erwartete Bruttokreditvolumen im Zeitpunkt des Ausfalls des Kredites bezeichnet,21 entspricht EADj,t = Vj,0 −
t−1
Tj,k = Vj,0 · Γj,t−1
(4-6)
k=1
= Vj,t−1 ,
(4-7)
da die für t vereinbarte Tilgungszahlung Tj,t im Falle des Ausfalls des Kredites j im Zeitpunkt t entfällt (und Vj,t das Restkreditvolumen in t nach Tilgung bezeichnet). Annahme 4.25 (Institute rechnen mit Treue der Kreditnehmer). Beide Institute kalkulieren ihre Kreditkonditionen auf Basis der Annahme, dass die n Kreditnehmer ihre Kredite nicht vorzeitig ablösen.
Ohne diese Annahme wäre die Realoption „Kündigung“ des Kreditnehmers bei der Preissetzung zu berücksichtigen. Insgesamt erhalten wir die in Abb. 4.1 dargestellte Rückzahlungsstruktur für Kredit j in Abhängigkeit vom Kreditzinssatz πj . Aufgrund der in Annahme 4.6 unterstellten nachschüssigen Zahlungen der Kreditzinsen ergeben sich unter der Bedingung, dass der Kunde j bis zum Zeitpunkt t − 1 solvent geblieben ist, in t damit die im Folgenden dargestellten Rückzahlungen RZj,t in Abhängigkeit vom Kreditzinssatz πj .
21
Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2006a), Tz. 474.
4.2. Modell
119 t=1
t=2
t = Nj Nj-1
1-PD j, PD
j,1
1
Tj,1 + Vj,0 .
Tj,2 + (Vj,0 – Tj,1)
2 1-PD j,
j
PD
j,2
(1 – LGDj,1) . Vj,0
.
1-PD j, j
Nj
PD
j,Nj
(1 – LGDj,2) (Vj,0 – Tj,1) .
Tj,Nj + (Vj,0 – k=1 Σ Tj,k) . = Tj,Nj
j
Nj-1
(1 – LGDj, Nj) . (Vj,0 – k=1 Σ Tj,k)
Abbildung 4.1: Einzelne Pfade des Rückzahlungsstroms von Kredit j mit jeweiligen Übergangswahrscheinlichkeiten.
RZj,t (πj ) = =
Vj,0 · τj,t + Γj,t−1 · πj
im Falle der Solvenz in t,
Vj,0 · Γj,t−1 · (1 − LGDj,t ) im Falle der Insolvenz in t,
=
im Falle der Solvenz in t, Tj,t + Vj,t−1 · πj Vj,t−1 · (1 − LGDj,t ) im Falle der Insolvenz in t,
,solv (πj ) im Falle der Solvenz in t, Vj,0 · zj,t ,insolv im Falle der Insolvenz in t Vj,0 · zj,t
(4-8)
(4-9)
(4-10)
mit ,solv (πj ) := τj,t + Γj,t−1 · πj zj,t ,insolv zj,t
und
:= Γj,t−1 · (1 − LGDj,t ).
(4-11) (4-12)
Die erwartete Rückzahlung in t unter der Bedingung der Solvenz bis zum Zeitpunkt t − 1 beträgt daher E(P Dj,t )t (RZj,t(πj )|Solvenz von Kunde j bis t − 1) ,solv ,insolv . (πj ) + P Dj,t · zj,t = Vj,0 · (1 − P Dj,t) · zj,t
(4-13) (4-14)
Dabei trägt der Erwartungswert aufgrund der Abhängigkeit der Pfadwahrscheinlichkeiten von der Ausfallwahrscheinlichkeit des Kreditnehmers den Zusatz (P Dj,t)t . Aufgrund der Annahme eines absorbierenden Ausfallzustands (vgl. Annahme 4.22) beträgt die Wahrscheinlichkeit der Solvenz des Kreditnehmers j bis zum Zeitpunkt t − 1 genau t−1 s=1 (1 − P Dj,s ); im Falle der Insolvenz bis t − 1 findet aus demselben
120
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Grund in t keine Rückzahlung in t statt. Damit erhalten wir als (unbedingten) Erwartungswert der Rückzahlung in t E(P Dj,t )t (RZj,t (πj ))
(4-15) ,solv ,insolv . (4-16) (1 − P Dj,s ) · (1 − P Dj,t) · zj,t (πj ) + P Dj,t · zj,t
t−1
= Vj,0 · s=1
4.2.3.2.2
Zurechenbare Kosten
Die dem Kredit j zurechenbaren Kosten setzen sich aus den folgenden Komponenten zusammen: + Bearbeitungs- und Verwaltungskosten + Eigenkapitalkosten = zurechenbare Kosten Aufgrund der in Annahme 4.1 formulierten Risikoneutralität der Kreditinstitute ist bei den Kosten des Kredites keine Risikoprämie zu berücksichtigen. Bzgl. der Bearbeitungs- und Verwaltungskosten gehen wir von folgender Annahme aus: Annahme 4.26 (Bearbeitungs- und Verwaltungskosten des Kredites). Die Bearbeitungs- und Verwaltungskosten jedes Kredites j ∈ I betragen in allen betrachteten Perioden 0. Dies schließt die Bearbeitungskosten im Falle einer Kündigung mit ein. Die Annahme geschieht zu Vereinfachungszwecken und ist akzeptabel, da wir die Kostenstrukturen beider Kreditinstitute als identisch angenommen haben (vgl. Annahme 4.19). Allerdings ist hier bereits anzumerken, dass sich einige der im Folgenden hergeleiteten Formeln bei einer Berücksichtigung von Bearbeitungs- und Verwaltungskosten ändern können.22 So ergibt sich im Falle der Integration fixer Kostenkomponenten keine Unabhängigkeit mehr von Vj,0 für den Kreditzinssatz und die Vorfälligkeits22
In der Tat wird bei den Verwaltungskosten, welche bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung zu berücksichtigenden sind, in der deutschen Rechtsprechung ein Fixbetrag als zweckmäßig aufgefasst, da die Verwaltungskosten als volumenunabhängig angesehen werden können. Dabei werden Beträge zwischen 30 e und 60 e als angemessen erachtet. Als einmalige Bearbeitungskosten wird in der Rechtsprechung und Literatur ebenfalls ein Fixbetrag zwischen 180 e und 255 e als zweckmäßig angesehen; in der Praxis liegt dieser Betrag üblicherweise zwischen 100 e und 250 e, vgl. Rösler et al. (2003), S. 140 ff.
4.2. Modell
121
entschädigung. Dies wird an den entsprechenden Stellen nochmals angemerkt und soll an dieser Stelle nur als kurzer Hinweis dienen. Die Eigenkapitalkosten des Kredites j entstehen dadurch, dass für die unerwarteten Verluste des Kredites Eigenmittel vorgehalten werden müssen. In unserem Modell werden wir als Höhe der vorgehaltenen Eigenmittel die regulatorische Eigenmittelanforderung ansetzen, was aufgrund der angenommenen Knappheit des Eigenkapitals (vgl. Annahme 4.13) angebracht ist. Ist der Kunde bis zum Zeitpunkt t − 1 solvent geblieben, so wird für seinen Kredit im Zeitpunkt t − 1 Eigenkapital CRj,t−1 i.H.v. CRj,t−1 = EADj,t · Kj,t(P Dj,t ) = Vj,0 · Γj,t−1 · Kj,t (P Dj,t)
(4-17) (4-18)
vorgehalten, wobei Kj,t (P Dj,t) das u.a. bonitätsabhängige IRB-Risikogewicht für Kreditnehmer j darstellt und die Risikogewichtsfunktion Kj,t aufgrund der Abhängigkeit von LGDj,t den Zeitindex t trägt.23 Unter der Bedingung, dass der Kreditnehmer j bis zum Zeitpunkt t − 1 solvent geblieben ist, wird im Zeitpunkt t − 1 Eigenkapital CRj,t−1 vorgehalten, welches im EK verurZeitpunkt t nun zum einen Eigenkapitalkosten in Höhe von CRj,t−1 · πt−1,t sacht, zum anderen aber im Erwartungswert risikolose Erträge i.H.v. CRj,t−1 · it−1,t erwirtschaftet, da angenommen werden kann, dass das Kreditinstitut diesen Betrag im Zeitpunkt t − 1 für Investitionen in risikolose Anlagen mit dem Zinssatz it−1,t verwendet.24 Unter der Bedingung der Solvenz des Kreditnehmers bis t − 1 sind dem Kredit j daher im Zeitpunkt t ∈
EK die überschüssigen Eigenkapitalkosten Cj,t in Höhe von
EK Cj,t
23 24
EK = CRj,t−1 · (πt−1,t − it−1,t )
(4-19)
=: CRj,t−1 · δt
(4-20)
= δt · Vj,0 · Γj,t−1 · Kj,t (P Dj,t)
(4-21)
Vgl. Formel (2-31) in Abschnitt 2.1.2.3. Jedenfalls ist dies das Mindeste, was der Kreditnehmer vom Kreditinstitut erwarten kann. Ob das Institut den Betrag tatsächlich auf diese Weise investiert, sei dahingestellt.
122
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
zurechenbar, welche wir als zahlungswirksam annehmen. Ist der Kunde im Zeitpunkt t−1 nicht mehr solvent, so ist im Zeitpunkt t−1 auch kein Eigenkapital vorzuhalten, womit in t keine Eigenkapitalkosten für den Kredit j anfallen. Da die Wahrscheinlichkeit für die Solvenz des Kreditnehmers j im Zeitpunkt t − 1 genau t−1 s=1 (1 − P Dj,s ) beträgt, und im Falle einer Insolvenz bis zum Zeitpunkt t − 1 keine Eigenkapitalkosten in t entstehen, erhalten wir als erwartete Eigenkapitalkosten in t ∈ EK E(P Dj,t )t (Cj,t ) = E(P Dj,t )t (CRj,t−1 · δt )
(4-22)
t−1
= δt · Vj,0 ·
(1−P Dj,s) · Γj,t−1 · E(P Dj,t )t (Kj,t(P Dj,t)). (4-23) s=1
Im Zeitpunkt t = 0 sind keine Eigenkapitalkosten zu berücksichtigen, da in diesem Zeitpunkt gemäß Annahme 4.21 bereits sämtliche zu betrachtenden Zahlungen stattgefunden haben.
4.2.3.2.3
Resultierende risikoadjustierte Nettoergebnisse
mit Saldieren wir die erwarteten Rückzahlungen des Kredites im Zeitpunkt t ∈ den abzuziehenden erwarteten zurechenbaren (und als zahlungswirksam angenommenen) Kosten, so erhalten wir gerade das erwartete risikoadjustierte Nettoergebnis RANEj,t im Zeitpunkt t. Aufgrund der Abhängigkeit vom Kreditzinssatz werden wir dieses in der funktionalen Form RANEj,t (πj ) schreiben. Damit erhalten wir für t = 1, ..., Nj RANEj,t (πj )
(4-24)
EK = E(P Dj,t )t (RZj,t (πj ) − Cj,t ) t−1
= Vj,0 ·
,solv ,insolv (1−P Dj,s) · (1−P Dj,t) · zj,t (πj ) + P Dj,t · zj,t − δt · Γj,t−1 · Kj,t (P Dj,t) .
s=1
(4-25) (4-26) (4-27)
Für t = 0 ergibt sich hingegen RANEj,0 (πj ) = −Vj,0 ,
(4-28)
da in diesem Zeitpunkt eine (erwartete) Kreditrückzahlung i.H.v. −Vj,0 anzusetzen ist. Für neue Kredite j ∈ IN ist dies unmittelbar klar; für Altkunden ist der
4.2. Modell
123
in t = 0 ausstehende Forderungsbetrag mit in die Kalkulation einzubeziehen, da er durch die Rückzahlungen des Kredites noch einzunehmen ist.25 Dieser Wert ist nicht als Steuerungsgröße anzusehen (dies wäre auch nicht zweckmäßig, da sämtliche Zahlungen des Zeitpunkts t = 0 bereits geleistet worden sind), sondern dient der Berücksichtigung der offenen Position Vj,0 in der Kalkulation.
4.2.3.2.4
Entnahmebeträge
Der verlangte Zinssatz für Kredit j soll mindestens so hoch sein, dass im Erwartungswert neben der Erwirtschaftung des in t = 0 ausstehenden Forderungsbetrags und der zurechenbaren Kosten in jedem Zeitpunkt t pro Einheit des in t − 1 eingesetzten Eigenkapitals ein Betrag i.H.v. RAROC min ertragswirksam entnommen werden kann. Wie oben gesehen, werden für den Kredit j im Zeitpunkt t − 1 unter der Bedingung der Solvenz Eigenmittel i.H.v. CRj,t−1 vorgehalten. Der Gesamtbetrag Gj,t, dessen Entnahme im Zeitpunkt t ∈ möglich sein soll, entspricht daher Gj,t = RAROC min · CRj,t−1 = RAROC
min
· Vj,0 · Γj,t−1 · Kj,t(P Dj,t).
(4-29) (4-30)
Ist bis zum Zeitpunkt t − 1 die Insolvenz des Kreditnehmers j eingetreten, so wird in t − 1 kein Eigenkapital mehr zur Unterlegung verwendet; daher findet im Zeitpunkt t keine Entnahme mehr statt. Da die Wahrscheinlichkeit für die Solvenz des Kreditnehmers j im Zeitpunkt t − 1 genau t−1 s=1 (1 − P Dj,s ) beträgt, und im Falle der Insolvenz bis t − 1 keine Entnahme in t stattfindet, erhalten wir als zu erzielende erwartete Entnahme in t den Ausdruck E(P Dj,t )t (Gj,t) = E(P Dj,t )t (RAROC min · CRj,t−1 )
(4-31)
t−1
= RAROC min · Vj,0 ·
(1−P Dj,s) · Γj,t−1 · Kj,t(P Dj,t).
(4-32)
s=1
Im Zeitpunkt t = 0 ist dabei keine Entnahme zu tätigen, d.h. es gilt Gj,0 = 0. 25
Gedanklich kann man einen Altkredit in zwei einzelne Geschäftsvorgänge zerlegen: Die vollständige Tilgung i.H.v. Vj,0 zzgl. der in t = 0 anfallenden Zinszahlungen sowie die neue Vergabe eines äquivalenten Restkredites. Durch die Tilgung des ersten Geschäfts wird die bisherige offene Position des Kredites beglichen; durch die Vergabe des neuen Kredites entsteht ein Zahlungsüberschuss i.H.v. −Vj,0.
124
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Aus den oben beschriebenen Cash Flow Komponenten erwartete Rückzahlungen, erwartete zurechenbare Kosten und erwartete Entnahmebeträge werden wir nun die Preisuntergrenze π j,(P Dj,t )t für Kredit j in Abhängigkeit der Ausfallwahrscheinlichkeiten (P Dj,t)t ableiten.
4.2.3.3
Herleitung der Preisuntergrenze
Gemäß Annahme 4.25 geht das Kreditinstitut davon aus, dass der Kreditnehmer seinen Vertrag nicht vorzeitig kündigt. Demnach sind die in Abschnitt 4.2.3.2.1 dargestellten Rückzahlungen des Kredites zu betrachten. Die Preisuntergrenze πj,(P Dj,t )t für Kredit j wird nun so definiert, dass der Barwert der erwarteten Rückzahlungen abzüglich der erwarteten entstehenden zurechenbaren Eigenkapitalkosten und der in t = 0 ausstehenden Forderungshöhe genau dem Barwert der erwarteten zu entnehmenden Beträge entspricht. Aufgrund der Übereinstimmung der Soll- und Habenzinsfüße des betrachteten Kapitalmarktes ergibt sich damit, dass durch diese Festlegung des Kreditzinssatzes über die Deckung des Forderungsbetrags Vj,0 und der entstehenden Kosten hinaus die Entnahme des Betrags Gj,t in den Zeitpunkten t = 1, ..., Nj ermöglicht wird, wobei fehlende Liquidität am Kapitalmarkt zu beschaffen und überzählige Liquidität entsprechend risikolos zu investieren ist. Am Ende der Laufzeit entsteht dabei ein Finanzierungssaldo von 0, d.h. der Entnahmeprozess „geht auf“. Die Herleitung der Preisuntergrenze geschieht also mit Hilfe einer barwertigen Betrachtung der Cash Flows. Hierzu dient die folgende Definition:
Definition 4.27 (Barwert-Funktion). Für k ∈
0
bezeichne BW :
k+1
→
mit (CF0 , ..., CFk ) →
k t=0
AF0,t · CFt =
(CF0 , ..., CFk ) · (AF0,0 , ..., AF0,k ) die Abbildung, welche einem Zahlungsstrom mit T
den Zahlungen CF0 , ..., CFk in den Zeitpunkten t = 0, ..., k den entsprechenden Barwert zuordnet.
Zwar ist BW für jedes k + 1 ∈
eine eigene Funktion; auf die Kennzeichnung
der Dimension des Arguments verzichten wir jedoch, da diese aus dem jeweiligen Zusammenhang klar wird.
4.2. Modell
125
Als Barwert BW (RANEj,t (πj ))t der erwarteten risikoadjustierten Nettoergebnisse erhalten wir somit
BW (RANEj,t (πj ))t =
Nj t=0 Nj
=
(4-33)
AF0,t · RANEj,t (πj )
(4-34)
EK − Vj,0 AF0,t · E(P Dj,t )t (RZj,t(πj )) − Cj,t
(4-35)
t=1
= Vj,0 ·
Nj
t−1
AF0,t ·
t=1
,solv ,insolv (1−P Dj,s)· (1−P Dj,t) · zj,t (πj ) + P Dj,t · zj,t (4-36) − δt · Γj,t−1 · Kj,t(P Dj,t) − Vj,0.
s=1
(4-37)
Der Barwert BW (E(P Dj,t )t (Gj,t))t der erwarteten Entnahmen (EP Dj,t (Gj,t))t beträgt
BW (E(P Dj,t )t (Gj,t ))t
(4-38)
Nj
=
AF0,t · E(P Dj,t )t (Gj,t )
(4-39)
t=0
= Vj,0 · RAROC min ·
Nj t=1
t−1
AF0,t ·
(1−P Dj,s) · Γj,t−1 · Kj,t (P Dj,t). (4-40) s=1
Die Preisuntergrenze π j,(P Dj,t )t wird nun so festgelegt, dass gilt:
BW (RANEj,t (π j,(P Dj,t )t ))t − BW (E(P Dj,t )t (Gj,t ))t = 0,
(4-41)
was gleichbedeutend ist mit
EK BW (E(P Dj,t )t (RZj,t(π j,(P Dj,t )t ))−Cj,t )t −BW (E(P Dj,t )t (Gj,t ))t = 0,
(4-42)
d.h. die Rückzahlungen des Kredites reichen aus, um nicht nur die dem Kredit zuzurechnenden Kosten und den in t = 0 ausstehenden Forderungsbetrag Vj,0 zu decken, sondern um barwertig darüber hinaus die vorzunehmenden Entnahmen zu erwirtschaften.
126
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Definieren wir
ÜDj (πj ) := BW (RANEj,t (πj ))t − BW (E(P Dj,t )t (Gj,t))t
(4-43)
als barwertige erwartete Überdeckung der zurechenbaren Kosten, des Forderungsbetrags Vj,0 und der Entnahmen, so besitzt die Preisuntergrenze π j,(P Dj,t )t gerade die Eigenschaft ÜDj (π j,(P Dj,t )t ) = 0.
(4-44)
Dabei stellen BW (RANEj,t (πj ))t und ÜDj (πj ) jeweils eine lineare Funktion in Abhängigkeit vom vereinbarten Kreditzinssatz πj dar und sind proportional zur Forderungshöhe Vj,0 : Satz 4.28. Es gilt: i) ÜDj (πj ) = Vj,0 · aj,(P Dj,t )t · πj + bj,(P Dj,t )t und
ii) BW (RANEj,t (πj ))t = Vj,0 · aj,(P Dj,t )t · πj + ˜bj,(P Dj,t )t mit aj,(P Dj,t )t :=
Nj
t
AF0,t ·
t=1 Nj
bj,(P Dj,t )t :=
Nj
(4-45)
(1 − P Dj,s )
(4-46)
t−1
AF0,t ·
· (1−P Dj,t)·τj,t + P Dj,t ·(1−LGDj,t)·Γj,t−1 (4-47) − (δt + RAROC min ) · Γj,t−1 · Kj,t (P Dj,t) − 1, (4-48)
t=1
˜bj,(P D ) := j,t t
(1 − P Dj,s ) · Γj,t−1 ≥ 0, s=1
s=1
t−1
AF0,t ·
t=1
(1 − P Dj,s )
(4-49)
s=1 · (1−P Dj,t)·τj,t + P Dj,t ·(1−LGDj,t)·Γj,t−1 − δt · Γj,t−1 · Kj,t (P Dj,t) − 1 Nj
= bj,(P Dj,t )t +
t=1
(4-50) (4-51)
t−1
AF0,t ·
·RAROC min · Γj,t−1 · Kj,t (P Dj,t). (4-52) s=1
Dabei ist aj,(P Dj,t )t > 0, wenn P Dj,1 < 1 gilt, d.h. wenn in der ersten Periode kein sicherer Ausfall auftritt.
4.2. Modell
127
Beweis. Der Beweis erfolgt durch Umformung. Es gilt:
BW (RANEj,t (πj ))t Nj
= Vj,0 ·
AF0,t ·
Nj
,solv (1−P Dj,s)· (1−P Dj,t) · zj,t (πj )
(4-54)
,insolv + P Dj,t · zj,t − δt · Γj,t−1 · Kj,t(P Dj,t) − Vj,0
t=1
= Vj,0 ·
(4-53)
t−1
s=1
t−1
AF0,t ·
t=1
(4-55)
(1−P Dj,s) · (1−P Dj,t) · (τj,t + Γj,t−1 · πj )
(4-56)
s=1
+ P Dj,t ·Γj,t−1 ·(1−LGDj,t) − δt ·Γj,t−1 ·Kj,t(P Dj,t) −Vj,0 (4-57) = Vj,0 ·
Nj
t−1
AF0,t ·
Nj
(4-58)
+ P Dj,t ·Γj,t−1 ·(1−LGDj,t) − δt ·Γj,t−1 ·Kj,t(P Dj,t) −Vj,0 (4-59)
t=1
+ Vj,0 ·
(1−P Dj,s) · (1−P Dj,t) · τj,t
s=1
t
AF0,t ·
t=1
(1−P Dj,s) · Γj,t−1 · πj
(4-60)
s=1
= Vj,0 · aj,(P Dj,t )t · πj + ˜bj,(P Dj,t )t
(4-61)
mit aj,(P Dj,t )t und ˜bj,(P Dj,t )t aus den Formeln (4-45) und (4-49) bis (4-52). Völlig analog erhält man die Darstellung ÜDj (πj ) = Vj,0 · aj,(P Dj,t )t · πj + bj,(P Dj,t )t
(4-62)
mit aj,(P Dj,t )t wie oben und bj,(P Dj,t )t aus den Formeln (4-46) bis (4-48), woraus sich sofort auch der behauptete Zusammenhang zwischen bj,(P D ) und ˜bj,(P D ) ergibt. j,t t
j,t t
Gilt P Dj,1 < 1, so ist (1 − P Dj,1) > 0 und damit Nj t AF0,t · (1 − P Dj,s) · Γj,t−1 aj,(P Dj,t )t = t=1
= AF0,1 · (1 − P Dj,1) · Γj,0 + > 0, denn AF0,1 > 0, Γj,0 = Vj,0 > 0
> 0.
(4-63)
s=1 Nj
t=2
t
AF0,t ·
(1 − P Dj,s) · Γj,t−1 (4-64) s=1
≥0
(4-65)
128
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Bemerkung 4.29. Integriert man fixe Kostenkomponenten (z.B. als Verwaltungskosten) in das Mo dell, so sind ÜDj (πj ) und BW (RANEj,t (πj ))t nicht proportional zur (Rest-)Forderungshöhe Vj,0.
Als direkte Folgerung aus Satz 4.28 erhalten wir: Korollar 4.30.
Im Fall P Dj,1 < 1 sind ÜDj (πj ) und BW (RANEj,t (πj ))t streng isoton im Kreditzinssatz πj . Beweis. Aus Satz 4.28 folgt für P Dj,1 < 1 schon aj,(P Dj,t )t > 0. Damit ergibt sich die Be hauptung aus der Darstellung von ÜDj (πj ) und BW (RANEj,t (πj ))t in Satz 4.28 i) und ii). Mit der linearen Darstellung von ÜDj (πj ) aus Satz 4.28 ergibt sich im Fall P Dj,1 < 1 wegen aj,(P Dj,t )t > 0 ein eindeutiger Kreditzinssatz π j,(P Dj,t )t , für den die Beziehung bj,(P D
)
ÜDj (π j,(P Dj,t )t ) = 0 gilt, nämlich π j,(P Dj,t)t = − aj,(P Dj,t )t . Dieser stellt die gesuchte j,t t
Preisuntergrenze dar. Satz 4.31 (Preisuntergrenze). Für den Kredit j gelte P Dj,1 < 1. Dann stellt der Zinssatz π j,(P Dj,t )t := −
bj,(P Dj,t )t aj,(P Dj,t )t
(4-66)
mit aj,(P Dj,t )t und bj,(P Dj,t )t aus Satz 4.28 die eindeutig bestimmte Preisuntergrenze dar, welche gewährleistet, dass der Barwert der erwarteten Rückzahlungen aus dem Kredit genau den diskontierten erwarteten Eigenkapitalkosten zuzüglich der Forderungshöhe im Zeitpunkt t = 0 und der diskontierten erwarteten vorzunehmenden Entnahmen entspricht. Die Abbildung Πj : [0, 1) × [0, 1]Nj −1 →
mit (P Dj,t)t → π j,(P Dj,t )t , welche den zu-
künftigen PDs des Kreditnehmers j die zugehörige Preisuntergrenze zuordnet, wird im Folgenden als Pricing-Funktion bezeichnet. Beweis. Der Beweis ergibt sich aus Satz 4.28 i) in Verbindung mit der Eigenschaft (4-44).
4.2. Modell
129
Da die Preisuntergrenze für Kredit j neben der PD-Schätzung noch von weiteren kreditnehmerspezifischen Parametern abhängt, wie z.B. den (LGDj,t )t , der Tilgungsstruktur und den im Risikogewicht für die Eigenmittelunterlegung eingehenden Größen, trägt die Pricing-Funktion den Index j.
4.2.3.4
Eigenschaften der Preisuntergrenze
Als erste Beobachtung ergibt sich das folgende Korollar: Korollar 4.32. Die Preisuntergrenze ist unabhängig vom (Rest-)Kreditvolumen Vj,0. Beweis. Dies ergibt sich direkt aus der Definition der Preisuntergrenze und ist Folge der Proportionalität von ÜDj (πj ) zu Vj,0 .
Bemerkung 4.33. Integriert man fixe Kostenkomponenten in das Modell, so ist die Preisuntergrenze π j,(P Dj,t )t abhängig von der (Rest-)Forderungshöhe Vj,0.
Anschaulich ist dies klar: Für einen Kredit mit einer geringen (Rest-)Forderungshöhe Vj,0 muss ein höherer Kreditzinssatz verlangt werden, um die fixen Kosten über die Rückzahlungen zu erwirtschaften, als für einen Kredit mit einer höheren (Rest-) Forderungshöhe. Weiter erhalten wir: Satz 4.34. Die Pricing-Funktion Πj aus Satz 4.31 besitzt die folgenden beiden Eigenschaften: i) Gilt it−1,t = i für alle t = 1, ..., Nj , so ist Πj (0, ..., 0) = i. Dies ist insbesondere bei Vorliegen einer flachen Zinsstruktur der Fall. ii) Es gilt
lim Πj ((P Dj,t)t ) = ∞.
P Dj,1 ↑1
130
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Beweis. Zu i): Sei j ∈ I gegeben. Für P Dj,1 = ... = P Dj,Nj = 0 gilt aj,(P Dj,t )t = aj,(0,...,0) =
Nj
Nj
AF0,t · Γj,t−1 =
t=1
=
Nj
AF0,t ·
t=1
denn wegen
Nj
k=1 τj,k
AF0,t · (1 −
t−1
t=1
Nj
τj,k ) (4-67)
k=1
(4-68)
τj,k ,
k=t
t−1
= 1 erhalten wir 1 −
k=1 τj,k
Nj
=
k=t τj,k .
Außerdem ist
wegen der stetigen Fortsetzung Kj,t (0) = 0 von Kj,t (vgl. Lemma 2.4) bj,(P Dj,t )t = bj,(0,...,0) =
Nj
AF0,t · τj,t − 1.
(4-69)
t=1
Damit folgt Πj (0, ..., 0) = −
Nj bj,(0,...,0) AF0,t · τj,t 1 − t=1 .
= Nj Nj aj,(0,...,0) AF · τ 0,t
t=1
(4-70)
k=t j,k
Zu zeigen ist nun die Gleichheit −bj,(0,...,0) = i · aj,(0,...,0), d.h. 1−
Nj
AFj,t · τj,t = i ·
t=1
Nj
AFj,t ·
Nj
t=1
(4-71)
τj,k .
k=t
Dies sieht man mit Hilfe der Definition AF0,t =
t
1 k=1 1+it−1,t
1 = (1+i) für t = 0, ..., Nj t
(vgl. Bezeichnungen 4.12) wie folgt: i·
Nj t=1
AF0,t ·
Nj
τj,k = (1 + i) ·
Nj
AF0,t ·
t=1
k=t Nj
=
t=1
Nj
τj,k −
Nj
Nj
τj,k −
Nj
τj,k (4-72)
k=t
AF0,t ·
t=1
k=t
AF0,t ·
t=1
k=t
AF0,t−1 ·
Nj
Nj
τj,k
(4-73)
k=t
Indexverschiebung vornehmen Nj −1
=
t=0
AF0,t ·
Nj k=t+1
τj,k −
Term mit t = 0 abspalten
Nj t=1
AF0,t ·
Nj k=t
τj,k
Term mit k = t abspalten
(4-74)
4.2. Modell
131
= 1·
Nj
Nj −1
τj,k +
k=1 =1
−
Nj
Nj
AF0,t ·
t=1
Nj
AF0,t ·
t=1
= 1 −
Nj
(4-75)
τj,k
k=t+1
τj,k −
Nj
AF0,t · τj,t
(4-76)
t=1
k=t+1
AF0,t · τj,t ,
(4-77)
t=1
denn es gilt Nj −1
AF0,t ·
t=1
Nj
τj,k =
Nj
k=t+1
Nj
AF0,t ·
t=1
τj,k ,
(4-78)
k=t+1
da der zum Index t = Nj gehörige Summand den Wert 0 besitzt. Damit ist die Eigenschaft Πj (0, ..., 0) = i gezeigt. Zu ii): Wegen lim Kj,t(P Dj,1) = 0 (vgl. Lemma 2.4) sowie Γj,0 = 1 folgt P Dj,1 ↑1
lim (−bj,(P Dj,t )t ) = 1 − AF0,1 · (1 − LGDj,t )
P Dj,1 ↑1
> 0 für LGDj,t > − i, < 0 für LGDj,t < − i.
(4-79)
Aufgrund der Annahme LGDj,t ∈ [0, 1] (vgl. Bezeichnungen 4.5) gilt damit also lim (−bj,(P Dj,t )t ) > 0. Weiter ergibt sich
P Dj,1 ↑1
lim aj,(P Dj,t )j = 0,
P Dj,1 ↑1
(4-80)
wobei aj,(P Dj,t )j > 0 für P Dj,1 ∈ [0, 1) ist (vgl. Satz 4.28). Damit ist auch der zweite Teil der Behauptung gezeigt.
Die erste Aussage von Satz 4.34 bedeutet, dass der Kredit j bei Vorliegen einer flachen Zinsstruktur bis t = Nj im Falle P Dj,1 = ... = P Dj,Nj = 0 aus Sicht des Kreditinstitutes gerade einer risikolosen Anlage entspricht – und zwar unabhängig von der Tilgungsstruktur des Kredites.26 26
Die Unabhängigkeit von der Tilgungsstruktur wird sich auch in einem anderen Zusammenhang an späterer Stelle ergeben, vgl. Satz 4.48 für Kapitalmarktanlagen.
132
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Im Fall P Dj,1 = 1, d.h. im Falle eines sicheren Ausfalls des Kreditnehmers in t = 1, beträgt die Rückzahlung in t = 1 genau Vj,0 · (1 − LGDj,1) und in jedem weiteren Zeitpunkt 0; sie ist somit unabhängig vom Kreditzinssatz und liefert barwertig die sichere Rückzahlung Vj,0 ·AF0,1 ·(1−LGDj,1 ). Eigenkapitalkosten fallen hier nicht an, da im Falle eines sicheren Ausfalls kein unerwarteter Verlust eintritt, was mit einem Risikogewicht von 0 einhergeht. Die zweite Aussage von Satz 4.34 unterstreicht daher die folgende Interpretation: Wegen LGDj,1 ≥ 0 liegt die barwertige Rückzahlung unterhalb der Forderungshöhe Vj,0, so dass der Zinssatz zwar positiv sein muss; jedoch kann aufgrund des sicheren Ausfalls kein endlicher Zinssatz dazu führen, dass die barwertige erwartete Rückzahlung mit Vj,0 übereinstimmt. Intuitiv ist zu vermuten, dass die Preisuntergrenze umso höher ist, je schlechter die Bonität des Kreditnehmers ist. Dies wollen wir für einjährige Kredite zeigen, wie wir sie in den Abschnitten 4.3 und 4.4 betrachten werden. Zum Nachweis benötigen wir das folgende Lemma: Lemma 4.35. Sei f : [a, b] →
eine konkave Funktion. Dann gilt für x, y ∈ [a, b] mit x < y: f (b) − f (x) f (b) − f (y) ≤ . b−y b−x
(4-81)
Der Beweis verläuft analog zur Lösung der Aufgabe 7.4.25 bei Luh und Wießner (1992), S. 68 (Aufgabenstellung) und S. 351 (Lösung). Anschaulich besagt Lemma 4.35, dass die Sekantensteigung der Funktion f an den Grenzen des Intervalls [y, b] kleiner ist als diejenige an den Grenzen des Intervalls [x, b]. Mit Hilfe dieser Aussage sind wir nun in der Lage, die strenge Isotonie der PricingFunktion Πj für einjährige Kredite zu zeigen: Satz 4.36. Für Nj = 1 ist die Pricing-Funktion Πj aus Satz 4.31 auf dem Intervall Djkonkav = [P Djmin,konkav , 1] aus Bemerkung 2.9 streng isoton.
4.2. Modell
133
Beweis. Seien x, y ∈ Djkonkav mit x < y gegeben. Zu zeigen ist die Beziehung πj,x < π j,y . Für y = 1 folgt die Behauptung aus Satz 4.34 ii), da in diesem Fall π j,x < ∞ = πj,y gilt. Sei also y < 1. Mit den Bezeichnungen i := i0,1 , LGDj := LGDj,1 , Kj := Kj,1 und δ := δ1 + RAROC min ≥ 0 gilt dann π j,y − π j,x =
i + y · LGDj + δ · Kj (y) i + x · LGDj + δ · Kj (x) − 1−y 1−x
=
(4-82) (4-83)
i + y· LGDj + δ · Kj (y) ·(1− x) − i + x· LGDj + δ · Kj (x) · (1− y) . (4-84) (1 − x)·(1 − y)
Wegen (1 − x) · (1 − y) > 0 genügt es nun zu zeigen, dass der Zähler in Formel (4-84) positiv ist. Durch Umformen erhält man für den Zähler die Form δ · Kj (y) · (1 − x) + Kj (x) · (y − 1) . (LGDj + i) · (y − x) +
>0 wegen LGDj ≥0
>0
(4-85)
≥0
Wir sind also fertig, wenn wir zeigen, dass Kj (y)·(1− x) + Kj (x)·(y − 1) ≥ 0 gilt. Dies ist aber äquivalent zu Kj (y) · (1 − x) ≥ Kj (x) · (1 − y) ⇐⇒ Kj (1) = 0
⇐⇒
(4-86)
Kj (y) 1−y
≥
Kj (x) 1−x
(4-87)
Kj (1) − Kj (y) 1−y
≤
Kj (1) − Kj (x) , 1−x
(4-88)
was aufgrund der Konkavität von Kj auf dem Intervall Djkonkav erfüllt ist, vgl. Lemma 4.35.
134
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Als Folgerung erhalten wir mit Korollar 4.37 eine Aussage, die aus ökonomischer Sicht bereits klar ist: Die Preisuntergrenze für einjährige Kredite liegt niemals unterhalb des risikolosen Zinssatzes. Korollar 4.37. Für Nj = 1 gilt Πj ((P Dj,t)t ) ≥ i0,1 für alle (P Dj,t)t ∈ [0, 1) × [0, 1]Nj −1 . Beweis. Dies ergibt sich aus Satz 4.34 in Verbindung mit Satz 4.36.
Auch bezüglich der weiteren Einflussgrößen auf den Kreditzinssatz lässt sich eine allgemeine Aussage treffen, wie der folgende Satz zeigt. Satz 4.38. Die Preisuntergrenze π j,(P Dj,t)t aus Satz 4.31 ist für (P Dj,t)t ∈ (0, 1) × [0, 1]Nj −1 und jedes t ∈ {1, ..., Nj }
i) streng isoton in LGDj,t , ii) streng isoton in δt und RAROC min , iii) streng isoton in it−1,t . Beweis. Die strenge Isotonie in LGDj,t folgt aus derjenigen von −bj,(P Dj,t )t , welche aus den Formeln (4-46) und (4-48) ersichtlich ist, zusammen mit der Definition (4-66) der Preisuntergrenze. Gleiches gilt für δt und RAROC min . 1 für s ≥ t streng antiton in it−1,t ist und sich für s < t bei Da AF0,s = sk=1 1+ik−1,k Variation von it−1,t nicht ändert, ist aj,(P Dj,t )t streng antiton und der reziproke Ausdruck
1 aj,(P Dj,t )t
folglich streng isoton in it−1,t . Analog ergibt sich, dass der Ausdruck
−bj,(P Dj,t )t ebenfalls streng isoton in it−1,t ist, so dass dies insgesamt auch für die Preisuntergrenze π j,(P Dj,t)t aus Satz 4.31 folgt.
4.2. Modell
135
0.45 π j,P Dj
0.4
π basis j,P Dj Preisuntergrenze
0.35 0.3 0.25 0.2 0.15 0.1
0
0.05
0.1
0.15
0.2
0.25
0.3
PDj
Abbildung 4.2: Preisuntergrenze und ihre Basis-Variante für einen einjährigen Kredit in Abhängigkeit von der PD des Kreditnehmers.
Spezialfall: Einjähriger Kredit Als Spezialfall betrachten wir einen einjährigen (Rest-)Kredit, d.h. den Fall Nj = 1. Hier ergibt sich mit den Bezeichnungen i := i0,1 , P Dj := P Dj,1, LGDj := LGDj,1, δ := δ1 und Kj := Kj,1 für die Preisuntergrenze aus Satz 4.31 die Formel π j,P Dj =
i + P Dj · LGDj + (δ + RAROC min ) · Kj (P Dj ) , 1 − P Dj
(4-89)
denn es gilt Γj,0 = 1 sowie τj,1 = 1. Ohne Berücksichtigung der Eigenkapitalkosten und des zu erreichenden MindestRAROCs (d.h. im Fall δ = 0 und RAROC min = 0) ergibt sich die „Basis-Variante“ π basis j,P Dj,t der Preisuntergrenze als π basis j,P Dj =
i + P Dj · LGDj ≤ π j,P Dj . 1 − P Dj
(4-90)
Abbildung 4.2 zeigt die Preisuntergrenzen π j,P Dj und π basis j,P Dj in Abhängigkeit von der geschätzten PD des Kreditnehmers im Intervall [0; 0,3]. Für die Berechnung der regulatorischen Eigenmittelanforderung wurde der Basis-IRB Ansatz von Basel II
136
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
herangezogen, wobei von einem Kredit an ein Unternehmen mit jährlichem Umsatz Sj = 50 (Mio. e) ausgegangen wurde; als weitere Parameter wurden i = 10 %, π EK := π1EK = 15 % (und somit δ = 5 %), RAROC min = 10 % sowie LGDj = 45 % verwendet. Es ist gut zu erkennen, dass die Preisuntergrenzen im dargestellten Intervall zwar streng isoton, aber nicht linear in der PD-Schätzung sind. Während die Preisuntergrenze π basis j,P Dj , welche die Eigenkapitalkosten und den vorgegebenen MindestRAROC vernachlässigt, durchgängig konvex scheint, resultiert durch die Einbeziehung dieser Größen die Preisuntergrenze π j,P Dj , welche bis zu einem gewissen Punkt (bei der gewählten Parameterkonstellation bis zu einer PD von ca. 1 %) konkav und rechts davon konvex zu sein scheint. In der Literatur findet man auch das folgende „Baustein-Schema“ zur Berechnung der Preisuntergrenze für einen einjährigen Kredit:27
+ + + =
Refinanzierungskosten Betriebs- bzw. Verwaltungskosten Standardrisikokosten Eigenkapitalkosten Preisuntergrenze
Hierzu wird ggf. noch eine Gewinnmarge addiert.28 Die Standardrisikokosten, die dem Expected Loss entsprechen,29 dienen dabei als Risikoaufschlag zur Deckung des erwarteten Verlusts; die Eigenkapitalkosten können als Risikoprämie für den unerwarteten Verlust aufgefasst werden.30 Das „Baustein-Schema“ liefert offenbar eine andere Preisuntergrenze als die von uns hergeleitete Formel; insbesondere fehlt der Term 1 − P Dj im Nenner. Die folgende Aussage beurteilt die Eignung des „Baustein-Schemas“ zur Bestimmung der Preisuntergrenze: 27
28 29 30
Vgl. z.B. Rams (2003), S. 3, Rosenberger (2000), S. 9 f., Fischer (2004), S. 14, Schmeisser und Lehmann (2006), Schmeisser und Mauksch (2005), S. 77-106, Kuck (1999), S. 2. Hier wird scheinbar die korrekte Aussage, dass die Kosten des Kredites durch die hier angegebenen Bestandteile bestimmt werden fälschlicherweise so interpretiert, als würde sich die Preisuntergrenze hieraus additiv zusammensetzen. Vgl. Rosenberger (2000), S. 10. Vgl. z.B. Hartmann-Wendels et al. (2007), S. 344. Zur Definition der Begriffe „Risikoaufschlag“ und „Risikoprämie“ vgl. z.B. HartmannWendels et al. (2007), S. 499. Diese werden in der Literatur allerdings nicht einheitlich verwendet.
4.2. Modell
137
Satz 4.39. Das in der Literatur anzutreffende „Baustein-Schema“ zur Berechnung der Preisuntergrenze liefert i.A. kein korrektes Ergebnis: Die Risikoprämie ist im Fall P Dj > 0 i zu niedrig.31 und der Risikoaufschlag für LGDj > − P D j
Der Nachweis dieser Aussage findet sich im Anhang A.2.1; ein graphischer Vergleich der aus dem „Baustein“-Schema resultierenden Preisuntergrenze mit den oben hergeleiteten Preisuntergrenzen ist im Anhang A.2.2 aufgeführt.
4.2.4
Kundenverhalten
4.2.4.1
Vorbemerkungen
In diesem Abschnitt untersuchen wir das kreditnehmerindividuelle Entscheidungsverhalten, welches bei der Verwendung von verrauschten PD-Schätzungen zu Wanderungsbewegungen führen kann. Da ein höherer Kreditzinssatz für einen Kreditnehmer c.p. zu höheren Finanzierungskosten führt, vermindert sich durch eine Anhebung des Kreditzinssatzes der Kapitalwert des zu finanzierenden Projekts. Übersteigt der Zinssatz dabei eine kritische Obergrenze, so ist die Durchführung des Projekts und somit die Aufnahme bzw. Weiterführung des entsprechenden Kredites aus Sicht des Kunden nicht sinnvoll. Eine explizite Modellierung der (stochastischen) Projektrenditen und Nutzenfunktionen der Kreditnehmer würde die Ableitung einer solchen kritischen Obergrenze zwar erlauben (und im Übrigen auch die Ableitung der PDs der Kreditnehmer); für unsere Zwecke ist die exogene Vorgabe der Zinssatzobergrenzen und der PDs jedoch völlig ausreichend.32
31 32
Die letztere Bedingung kann in der Praxis üblicherweise als gegeben angesehen werden. Bei der exogenen Vorgabe und Parametrisierung der Zinssatzobergrenze ist eine gewisse Willkür nicht von der Hand zu weisen; der gleiche Kritikpunkt würde allerdings auch bei der expliziten Modellierung der Projektrenditen gelten, so dass der Kritikpunkt der Willkür keine Relevanz bzgl. der Wahl des Detaillierungsgrades der Modellierung besitzt. Implizit unterstellen wir durch die Modellierung der Zinssatzobergrenze jedoch bereits gewisse Eigenschaften bzgl. der zugrunde liegenden Projektrenditen und Nutzenfunktionen.
138
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Annahme 4.40 (Zinssatzobergrenze). Zu jedem Kreditnehmer j existiert ein Zinssatz πjmax , so dass der betrachtete Kredit im Falle eines vereinbarten Zinssatzes πj ≥ πjmax für ihn ökonomisch nicht sinnvoll ist. Dieser Zinssatz πjmax wird im Folgenden als Zinssatzobergrenze (ZOG) des Kreditnehmers j bezeichnet und gemäß πjmax := π fj air + min{π fj air ; 0,12}
(4-91)
berechnet, wobei π fj air := π j,(P Dj,t )t den fairen Kreditzinssatz, d.h. die entsprechend der tatsächlichen Ausfallwahrscheinlichkeiten berechnete Preisuntergrenze darstellt. Die Festlegung von πjmax geschieht mit Blick auf die Rechtsprechung zum Thema „Wucherzins“.33 Als marktüblichen Zins verwenden wir die in Satz 4.31 vorgestellte Preisuntergrenze auf Basis der tatsächlichen Ausfallwahrscheinlichkeiten (P Dj,t)t . Dieser Zinssatz beinhaltet zwar eine Gewinnkomponente; da die Preisuntergrenze jedoch von jedem Kreditinstitut in der betrachteten Modellwelt auf diese Weise berechnet wird, ist sie in unserem Modell als marktüblich anzusehen. Um zu gewährleisten, dass die Ausfallwahrscheinlichkeiten der Kreditnehmer unabhängig vom vereinbarten Zinssatz sind, gehen wir von folgender vereinfachenden Annahme aus: Annahme 4.41 (Unabhängigkeit der Projektrisiken vom Kreditzinssatz). Die Risiken sämtlicher von einem Kreditnehmer j ∈ I zu finanzierenden Projekte sind unabhängig von den ihm angebotenen Kreditkonditionen.
Durch die Unabhängigkeit der Projektrisiken vom vereinbarten Kreditzinssatz wird die Unabhängigkeit der Ausfallwahrscheinlichkeiten vom Kreditzinssatz gewährleistet, da die Kreditnehmer das Risiko ihrer Projekte nicht in Abhängigkeit vom 33
In der Rechtsprechung zum Thema Wucherzins existiert zwar keine klar definierte Grenze, ab der ein Kreditzinssatz als Wucher angesehen werden kann, es werden jedoch Richtwerte angegeben, deren Angemessenheit im Einzelfall zu prüfen sind. So wird vom Bundesgerichtshof ein relativer Zinssatzunterschied von mindestens 100 % zum marktüblichen Zins als Sittenverstoß gemäß § 138 Abs. 1 BGB als Richtwert angegeben, alternativ ist auch eine absolute Überschreitung des marktüblichen Zinses um mindestens 12 % p.a. als Sittenverstoß anzusehen, vgl. Oetker und Maultzsch (2007), S. 239 f. In unserem Modell gilt ein Kreditvertrag daher als nicht mehr tragbar für den Kreditnehmer, wenn der vereinbarte Kreditzinssatz eines dieser beiden Kriterien erfüllt.
4.2. Modell
139
Kreditzinssatz wählen. Insbesondere schließen wir damit in unserem Modell das Phänomen des Moral Hazard aus.34 Aus der angenommenen Rationalität der n Kreditnehmer folgt zusammen mit ihrer Zielsetzung der Gewinnmaximierung und der Unabhängigkeit der Projektrenditen vom Kreditzinssatz nun das folgende Entscheidungsverhalten: Bemerkung 4.42. Falls nicht beide Institute einen Zinssatz verlangen, der die Zinssatzobergrenze des Kreditnehmers j erreicht bzw. überschreitet, entscheidet er sich für dasjenige Kreditangebot, bei dem (bei gleicher (Rest-)Forderungshöhe) barwertig die geringsten Zahlungen zu leisten hat.
Die zu leistenden Zahlungen schließen dabei auch die im Falle einer Kündigung anfallenden Transaktionskosten ein. Für den Fall, dass er bei beiden Angeboten barwertig dieselben Zahlungen zu leisten hat, nehmen wir an: Annahme 4.43 (Verhalten bei Indifferenz). Hat ein Altkunde j ∈ IA ∪ IB bei den Angeboten von A und B barwertig dieselben Zahlungen zu leisten, so verbleibt er bei seinem bisherigen Institut. Ein Neukunde entscheidet in solch einer Situation zufällig und wählt mit Wahrscheinlichkeit 50 % das Angebot von A (und entsprechend mit Wahrscheinlichkeit 50 % dasjenige von B).
Das Verhalten des Altkunden kann damit begründet werden, dass in der Realität auch nicht-monetäre Größen Einfluss auf das Verhalten eines Kreditnehmers haben. So ist der Wechsel zum Konkurrenzinstitut beispielsweise mit einem gewissen Zeitaufwand verbunden. Da er sich im Fall der Übereinstimmung der barwertigen Zahlungen durch einen Wechsel finanziell nicht besser stellen kann, wird er diesen Aufwand somit scheuen.
34
Vgl. Stiglitz und Weiss (1981) zu Ursachen und möglichen Folgen des Moral Hazard auf Kreditnehmerseite.
140
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
4.2.4.2
Verhalten von Neukunden
Gemäß Annahme 4.8 handeln die Kreditnehmer rational und wählen aufgrund ihrer Zielsetzung der Gewinnmaximierung dasjenige Angebot, bei dem sie barwertig die geringsten Zahlungen zu leisten haben, sofern dieses Angebot unterhalb ihrer Zinssatzobergrenze liegt. Neukunden wählen daher das Angebot mit dem niedrigeren Zinssatz, falls dieser unterhalb von πjmax liegt. Stimmen die beiden angebotenen Zinssätze überein und liegen beide unterhalb von πjmax , so ist der Neukunde indifferent zwischen den beiden Angeboten und wirft in einem solchen Fall gemäß Annahme 4.43 gedanklich eine (faire) Münze.35 Insgesamt ergibt sich als Entscheidungsverhalten eines Neukunden j nach Information über die angebotenen Zinssätze πjA von A und πjB von B also: ⎧ ⎪ Entscheidung für A ⎪ ⎪ ⎪ ⎨ Entscheidung für B ⎪ (faire) Münze werfen ⎪ ⎪ ⎪ ⎩ keine Kreditfinanzierung
falls πjA < πjB und πjA < πjmax , falls πjB < πjA und πjB < πjmax , falls πjA = πjB und πjA < πjmax , falls πjA > πjmax und πjB > πjmax .
Beachtet man, dass B gemäß Annahme 4.10 den fairen Zinssatz πjB = π fj air verlangt, und damit stets πjB < πjmax erfüllt ist, so lässt sich dies wie folgt zusammenfassen:
35
An dieser Stelle sei betont, dass wir in unserer Analyse einen statischen Vergleich zweier Szenarien – der Verwendung eines unverrauschten und der Verwendung eines verrauschten Ratingsystems – anstellen und nicht auf mögliche Wirkungsmechanismen eingehen wollen, welche diesen Ergebnissen nachgelagert sind und von den Kreditinstituten von vornherein antizipiert werden können. Bei einer solchen Antizipation würde ein Kreditinstitut einem Neukunden in Anbetracht seines Verhaltens keinen zu niedrigen Zinssatz anbieten, da es im Falle des Abschlusses dieses Vertrags im Erwartungswert einen Verlust (oder zumindest eine Zielverfehlung) erwirtschaften würde. Im Unterschied beispielsweise zu den in der Literatur diskutierten Erklärungsansätzen für das Underpricing von IPOs, welche ebenfalls auf der Existenz von Informationsasymmetrien beruhen (vgl. Baron (1982) und für einen Überblick über verschiedene Erklärungsansätze Ritter und Welch (2002)) quantifizieren wir somit die zugrunde liegende Zielverfehlung, welche für die Kreditinstitute Voraussetzung ist, um die Auswirkung der Festlegung zu niedriger Zinssätze antizipieren zu können.
4.2. Modell
141
Bemerkung 4.44. Nach Information über die angebotenen Zinssätze πjA von A und πjB von B entscheidet ein Neukunde j ∈ IN gemäß der folgenden Regel: ⎧ falls πjA < πfj air , ⎪ ⎨ Entscheidung für A Entscheidung für B falls πjA > πfj air , ⎪ ⎩ (faire) Münze werfen falls πjA = πfj air ,
Der Fall, dass er keine Kreditfinanzierung wählt, tritt hierbei nicht auf.
4.2.4.3
Verhalten von Altkunden
Für Altkunden ist diese Entscheidung nicht ganz so offensichtlich wie für Neukunden, da Altkunden im Falle der Kündigung ihres Kreditvertrags Transaktionskosten an das bisherige Institut zu entrichten haben. Für eine solche Kündigung gibt es in unserem Modell aufgrund der angenommenen Rationalität der Kreditnehmer zwei Gründe: 1) Kündigung aufgrund des Erreichens der Zinssatzobergrenze 2) Kündigung aufgrund des Zinsvorteils eines Wechsels zum Konkurrenzinstitut Diese Kündigungsursachen schließen sich gegenseitig nicht aus, sondern können auch gleichzeitig auftreten. Der Übersicht halber werden wir sie im Folgenden einzeln diskutieren und anschließend ihre Zusammenhänge beleuchten. Da den Entscheidungen der Altkunden von A und B aufgrund der angenommenen Rationalität die gleichen Überlegungen zugrunde liegen, untersuchen wir das Verhalten der Altkunden ohne die Unterscheidung der Institute, bei denen sie Kunde sind. Wir unterscheiden hierbei nur zwischen Altinstitut (AI) und Konkurrenz- bzw. Wettbewerbsinstitut (WI): Definition 4.45 (Kreditzinssatz des Alt- und Wettbewerbsinstituts). Für einen Altkunden j ∈ IA ∪ IB bezeichne πjAI ≥ 0 den Kreditzinssatz, den das Altinstitut dem Kreditnehmer j nach Aktualisierung der Zinssätze in t = 0 anbietet. πjW I ≥ 0 bezeichne den entsprechenden Zinssatz des Wettbewerbsinstituts. Um die zukünftigen Kreditrückzahlungen aus Kundensicht zu quantifizieren, gehen wir von folgender Annahme aus:
142
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Annahme 4.46 (Altkunden rechnen mit Solvenz bis Nj ). Jeder Altkunde j ∈ IA ∪ IB geht davon aus, dass er bis zum Zeitpunkt t = Nj solvent bleibt. Diese Annahme dient zur Vereinfachung; sie ist aber insofern nicht ganz unrealistisch, als dass Kreditnehmer bzgl. der Renditen der zu finanzierenden Projekte häufig optimistisch sind.36 Nun wenden wir uns der Untersuchung der oben genannten Kündigungsereignisse zu.
4.2.4.3.1
Kündigung wegen Erreichens der Zinssatzobergrenze
Im Fall πjAI ≥ πjmax kündigt der Kreditnehmer j seinen Kreditvertrag bei seinem bisherigen Institut, da der vereinbarte Zinssatz die Zinssatzobergrenze erreicht bzw. übersteigt. Dennoch kann eine Kreditfinanzierung für ihn ökonomisch sinnvoll sein, da der Zinssatz πjW I , den ihm das Konkurrenzinstitut anbietet, so niedrig sein kann, dass ein äquivalenter Restkredit – trotz Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung an das Altinstitut – beim Konkurrenzinstitut lohnend ist. Wir wollen nun ableiten, für welche Zinssätze πjW I sich der Abschluss eines solchen äquivalenten Restkredits beim Konkurrenzinstitut für den Kreditnehmer lohnt.
Obergrenze der Finanzierungskosten Der Barwert der Rückzahlungen im Solvenzfall bis Nj ist positiv linear im vereinbar ,solv (πj ))t für den Barwert der ten Kreditzinssatz: Mit der Bezeichnung BW (Vj,0·zj,t Kreditrückzahlungen zum Zinssatz πj bei Solvenz bis Nj gilt gemäß Formel (4-10): Nj
,solv BW (Vj,0 ·zj,t (πj ))t = AF0,t ·Vj,0 ·[τj,t + Γj,t−1 · πj ]
(4-92)
t=1
= Vj,0 ·
Nj t=1
AF0,t ·τj,t + πj ·
Nj
t=1
AF0,t ·Γj,t−1 .
(4-93)
>0 36
Empirische Studien belegen, dass das sog. Phänomen der Overconfidence in der Praxis sehr weit verbreitet ist. Overconfidence zeigt sich dabei z.B. in der Überschätzung der eigenen Fähigkeiten, aber auch in einer zu optimistischen Einstellung bzgl. zukünftiger Ereignisse, vgl. z.B. Heaton (2002), Weinstein(1980), Irwin(1953). Beide Effekte haben die Überschätzung zukünftiger Projekterträge zur Folge.
4.2. Modell
143
Da der Kredit für Kreditnehmer j kein lohnendes Geschäft mehr darstellt, falls der Kreditzinssatz die Zinssatzobergrenze πjmax erreicht bzw. übersteigt, stellt j j
,solv (πjmax ))t = Vj,0 · AF0,t ·τj,t + πjmax · AF0,t ·Γj,t−1 (4-94) BW (Vj,0 · zj,t
N
N
t=1
t=1
die eindeutig bestimmte kritische Obergrenze der Finanzierungskosten dar, oberhalb derer ein Kredit für den Kunden j nicht mehr tragbar ist.
Transaktionskosten Die Transaktionskosten TAK j , welche ein Altkunde j im Falle seiner Kündigung zusätzlich zur Rückzahlung des Restforderungsbetrags Vj,0 in t = 0 an das bisherige Institut zu zahlen hat, werden als Vorfälligkeitsentschädigung modelliert. Diese soll für das betroffene Kreditinstitut einen Ausgleich für die entgangenen Zinszahlungen darstellen und es so stellen, als wäre der Kreditvertrag ordnungsgemäß bis zum Ende der geschützten Zinserwartung37 erfüllt worden.38 Zur Bestimmung der Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung verwenden wir den so genannten Aktiv-Passiv-Vergleich, der den vereinbarten Zahlungen aus dem Darlehen eine entsprechende Refinanzierung gegenüberstellt, um den aus der vorzeitigen Rückzahlung resultierenden Schaden für das Kreditinstitut zu quantifizieren.39 Die Vorfälligkeitsentschädigung besteht bei der Anwendung des Aktiv-Passiv-Vergleichs aus den folgenden Komponenten:40
37 38 39
40
Dies ist unserem Modell der Zeitpunkt Nj . Vgl. z.B. Rösler und Wimmer (2007), S. 8. Darüber hinaus existiert auch die Vorgehensweise des so genannten Aktiv-AktivVergleichs, bei dem den vereinbarten Zahlungen aus dem vorzeitig getilgten Kredit die Zahlungen eines im Ablösezeitpunkt alternativ vergebenen Kredites gegenüberstellt werden. Diese Vorgehensweise wollen wir jedoch nicht weiter vertiefen, da in der Bankpraxis überwiegend die Methode des Aktiv-Passiv-Vergleichs zur Bestimmung der Vorfälligkeitsentschädigung herangezogen wird, vgl. Rösler und Wimmer (2007), S. 8. Vgl. z.B. Rösler et al. (2003), S. 129-132 und S. 138-143.
144
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen Zinsverschlechterungsschaden +
einmalige Bearbeitungskosten (inkl. Entgelt für die vorzeitige Beendigung)
− eingesparte Verwaltungskosten − eingesparte Risikokosten =
Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung
Der Zinsverschlechterungsschaden entsteht dabei dadurch, dass dem Kreditinstitut durch die vorzeitige Ablösung die zukünftigen Zinszahlungen des Kreditnehmers entgehen. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass das zurückgezahlte Kapital dem Kreditinstitut bereits in t = 0 zur Verfügung steht und somit sofort wieder gewinnbringend angelegt werden kann. Durch die vorzeitige Ablösung des Darlehens entstehen dem Kreditinstitut einmalige Bearbeitungskosten. Gemäß Annahme 4.26 betragen diese jedoch null. Gleiches gilt für die hierbei eingesparten Verwaltungskosten, welche dem Kreditnehmer zu erstatten sind. In unserem Modell entfallen diese beiden Komponenten daher bei der Ermittlung der Vorfälligkeitsentschädigung. Der Berücksichtigung der eingesparten Risikokosten liegt folgender Gedanke zugrunde: Durch die vorzeitige Rückzahlung besteht für das Kreditinstitut keine Unsicherheit mehr, ob die zukünftigen Zins- und Tilgungszahlungen ordnungsgemäß stattfinden werden. Insbesondere muss für die unerwarteten Verluste aus dem Kredit für zukünftige Perioden kein Eigenkapital mehr vorgehalten werden. Die dadurch (in Form von Eigenkapitalkosten) eingesparten Risikokosten sind dem Kreditnehmer daher zu erstatten. Zur Bestimmung der Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung sind also in unserem Modell nur die Höhe des Zinsverschlechterungsschadens sowie die Höhe der entfallenden Risikokosten zu ermitteln. Im Folgenden wollen wir auf die konkrete Berechnung der einzelnen Komponenten eingehen. Zuvor aber noch folgende Bemerkung: Bemerkung 4.47. Die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung für Kredit j ∈ IA∪ IB wird auf Basis der in t = 0 angepassten Werte für die PD und den entsprechenden Kreditzinssatz berechnet.
4.2. Modell
145
Berechnungsgrundlage des anzusetzenden Zinsverschlechterungsschadens ist der vereinbarte Zahlungsstrom des Kredites. Gemäß (4-9) und (4-10) beträgt der Barwert des Zinsverschlechterungsschadens Vj,0 ·
Nj
,solv AF0,t · zj,t (πjAI ) = Vj,0 ·
t=1
Nj
AF0,t · τj,t + Γj,t−1 · πjAI . (4-95)
t=1
Somit entspricht der Barwert ZZj der vereinbarten zukünftigen Zinszahlungen dem Barwert des vereinbarten Rückzahlungsstroms abzüglich des Restforderungsbetrags, d.h. Nj AF0,t · τj,t + Γj,t−1 · πjAI − Vj,0 . (4-96) ZZj = Vj,0 · t=1
Da dem Kreditinstitut der Restforderungsbetrag Vj,0 bei einer vorzeitigen Rückzahlung sofort zur Verfügung steht, kann es diesen Betrag unmittelbar am Kapitalmarkt risikolos anlegen.41 Bei dieser Anlage wird von der gleichen Rückzahlungsbzw. Tilgungsstruktur wie bei dem vorzeitig abgelösten Kredit ausgegangen, um eine Vergleichbarkeit zur Struktur des betreffenden Kredites zu ermöglichen.42 Der Kapitalwert dieser Anlage beträgt Nj AF0,t · τj,t + Γj,t−1 · it−1,t (4-97) −Vj,0 + Vj,0 · t=1
und ist bei der Berechnung der Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung zu berücksichtigen. Da diese Anlage zu Kapitalmarktkonditionen geschieht, beträgt ihr Kapitalwert jedoch 0, wie sich unmittelbar aus dem folgenden Satz ergibt:43 Satz 4.48. Es gilt Nj
AF0,t · τj,t + Γj,t−1 · it−1,t = 1.
(4-98)
t=1
Der Beweis findet sich im Anhang A.2.3. 41
42 43
In der Praxis wird vom BGH vorgeschrieben, dass als Vergleichszinssatz die Hypothekenpfandbriefrenditen anzusetzen sind, vgl. Rösler und Wimmer (2007), S. 9, Rösler et al. (2003), S. 130. In unserem Modell werden daher die Kapitalmarktzinssätze (it−1,t )t angesetzt. Vgl. z.B. Rösler et al. (2003), S. 129. Hierbei sei auf die Analogie zu einer Folgerung aus dem Lücke-Theorem hingewiesen, gemäß der der Kapitalwert einer Investition – aus den Daten des externen Rechnungswesens ermittelt – unter gewissen Annahmen unabhängig von der gewählten Abschreibungsmethode ist, vgl. Lücke (1955) und Marusev und Pfingsten (1993).
146
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Der vom Kreditinstitut geltend zu machende Zinsverschlechterungsschaden ZV Sj der vorzeitigen Rückzahlung des Kredites j entspricht dem Barwert der aus dem Kredit resultierenden vereinbarten zukünftigen Zinszahlungen abzüglich des Kapitalwerts der durch die vorzeitige Rückzahlung realisierbaren Anlage. Da letzterer laut Satz 4.48 aber 0 beträgt, gilt gemäß Formel (4-96) also ZV Sj = ZZj − 0 Nj
= Vj,0 ·
(4-99) AF0,t · τj,t + Γj,t−1 · πjAI − Vj,0
(4-100)
AF0,t · Γj,t−1 · (πjAI − it−1,t ),
(4-101)
t=1 Nj
= Vj,0 ·
t=1
Nj AF0,t · wobei man die zweite Zeile unter Verwendung der Beziehung Vj,0 = Vj,0 · t=1 τj,t +Γj,t−1 ·it−1,t (vgl. Satz 4.48) erhält. Offenbar ist ZV Sj unabhängig von LGDj,t , da bei seiner Berechnung von einer hypothetischen Solvenz des Kreditnehmers bis Nj ausgegangen wird. AI für die vom Altinstitut benutzte AusUnter Verwendung des Referenzwerts P Dj,t fallwahrscheinlichkeit für die Periode t ∈ {1, ..., Nj } entsprechen die durch die vorzeitige Ablösung des Kredites eingesparten Risikokosten RKj dem Barwert der in
den zukünftigen Perioden zu zahlenden Eigenkapitalkosten, d.h. RKj = Vj,0 ·
Nj
AI AF0,t · Γj,t−1 · δt · Kj,t (P Dj,t ).
(4-102)
t=1
Aufgrund der jeweils als 0 angesetzten Bearbeitungskosten und eingesparten Verwaltungskosten ergibt sich insgesamt als Höhe der vom Kunden an das Altinstitut zu entrichtenden Vorfälligkeitsentschädigung T AKj = ZV Sj − RKj = Vj,0 ·
Nj t=1 Nj
= Vj,0 ·
t=1
(4-103)
AI AF0,t · τj,t + Γj,t−1 · (πjAI − δt · Kj,t(P Dj,t )) − Vj,0
(4-104)
AI AF0,t · Γj,t−1 · πjAI − it−1,t − δt · Kj,t(P Dj,t )
(4-105)
Credit Spread des Zinssatzes in Periode t
Nj Nj AI = Vj,0 · πjAI · AF0,t ·Γj,t−1 − AF0,t · it−1,t + δt ·Kj,t(P Dj,t ) . t=1
t=1
(4-106)
4.2. Modell
147
Die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung ist also proportional zum Restkreditvolumen Vj,0 und linear in πjAI . Bemerkung 4.49. Integriert man fixe Kostenkomponenten in das Modell, so ist die Vorfälligkeitsentschädigung nicht proportional zur (Rest-)Forderungshöhe Vj,0 .
Wechselschwelle bei Erreichen der Zinssatzobergrenze Ein Wechsel zum Konkurrenzinstitut im Falle πjAI ≥ πjmax ist für den Kreditnehmer j genau dann sinnvoll, wenn die dadurch entstehenden Finanzierungskosten die durch πjmax bestimmte kritische Obergrenze nicht erreichen. Da sich die Finanzierungskosten bei einem Wechsel aus den barwertigen Rückzahlungen des äquivalenten Restkredites beim Konkurrenzinstitut zzgl. der zu zahlenden Vorfälligkeitsentschädigung zusammensetzen, ist der Wechsel genau dann sinnvoll, wenn gilt
,solv ,solv (πjW I ))t + T AKj < BW (Vj,0 · zj,t (πjmax ))t . BW (Vj,0 ·zj,t
(4-107)
Dies ist äquivalent zu Vj,0 ·
Nj
AF0,t ·τj,t + πjW I ·
t=1
Nj
AF0,t ·Γj,t−1
(4-108)
t=1 Nj
Nj AI +Vj,0 · πjAI· AF0,t ·Γj,t−1 − AF0,t ·Γj,t−1 · it−1,t + δt ·Kj,t(P Dj,t )
< Vj,0 ·
t=1 Nj
(4-109)
t=1
AF0,t ·τj,t + πjmax ·
t=1
Nj
AF0,t ·Γj,t−1
(4-110)
t=1
und lässt sich umformen zu Nj πjW I
< πjmax − πjAI + =: πjZOG,krit.
t=1
AI AF0,t ·Γj,t−1 · it−1,t + δt ·Kj,t(P Dj,t ) Nj t=1 AF0,t ·Γj,t−1
(4-111) (4-112)
πjZOG,krit stellt also den kritischen Zinssatz dar, den das Konkurrenzinstitut unterschreiten muss, um den Altkunden j im Falle einer Kündigung wegen πjAI ≥ πjmax für sich zu gewinnen.
148
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Definition 4.50 (Zinssatzobergrenzen-Wechselschwelle). Für einen Altkunden j ∈ IA ∪ IB wird der Zinssatz Nj πjZOG,krit = πjmax − πjAI +
t=1
AI AF0,t ·Γj,t−1 · it−1,t + δt ·Kj,t(P Dj,t ) Nj t=1 AF0,t ·Γj,t−1
(4-113)
als Zinssatzobergrenzen-Wechselschwelle (ZOG-Wechselschwelle) bezeichnet.
Damit ergibt sich also das folgende Entscheidungsverhalten für einen Altkunden: Bemerkung 4.51. Ein Altkunde j ∈ IA ∪ IB kündigt im Fall πjAI ≥ πjmax sein bisheriges Vertragsverhältnis mit dem Altinstitut. Er entscheidet daraufhin gemäß folgender Regel: ⎧ ⎨ Beendigung der Kreditfinanzierung falls πjW I ≥ πjZOG,krit, ⎩ Wechsel zum Konkurrenzinstitut
4.2.4.3.2
falls πjW I < πjZOG,krit.
Kündigung wegen Zinsvorteils eines Wechsels
Nicht nur bei Erreichen der Zinssatzobergrenze πjAI ≥ πjmax ist eine Kündigung für den Kreditnehmer j sinnvoll. Sie kann auch dann zweckmäßig sein, wenn ihm das Konkurrenzinstitut einen derart günstigen Zinssatz für den äquivalenten Restkredit anbietet, dass der durch den Wechsel zum Konkurrenzinstitut entstehende barwertige Zinsvorteil die wegen der Kündigung zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung überkompensiert. Im Folgenden wollen wir untersuchen, in welchen Situationen diese Überkompensation auftritt. Nachdem wir die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung bereits im vorigen Abschnitt ermittelt haben, müssen wir hierfür nun den Zinsvorteil eines Wechsels quantifizieren.
Zinsvorteil eines Wechsels Der Zinsvorteil des Angebots eines Instituts gegenüber demjenigen des Konkurrenzinstituts ergibt sich für einen Kreditnehmer aus der Differenz der Barwerte der jeweils zu leistenden Rückzahlungen. Im Folgenden nehmen wir dabei wie auch schon
4.2. Modell
149
im vorigen Abschnitt gemäß Annahme 4.46 an, dass jeder Kreditnehmer damit rechnet, dass er bis zum Ende der Vertragslaufzeit solvent bleibt. Daher ergibt sich aus Sicht des Kreditnehmers j im Zeitpunkt t ∈ {1, ..., Nj } die folgende Rückzahlung in Abhängigkeit vom vereinbarten Kreditzinssatz πj : ,solv Vj,0 · zj,t (πj ) = Vj,0 · τj,t + Γj,t−1 · πj ,
(4-114)
vgl. Formeln (4-9) und (4-10). Das Angebot πjW I des Konkurrenzinstituts beinhaltet für den Kreditnehmer gegenüber dem Angebot πjAI seines bisherigen Instituts einen Zinsvorteil, wenn er bei der Konkurrenz barwertig weniger Rückzahlungen zu leisten W echsel des Wechsels vom hat als beim Altinstitut. Der (barwertige) Zinsvorteil ZVj,0 Alt- zum Konkurrenzinstitut ergibt sich als W echsel := Vj,0 · ZVj,0
Nj
,solv AF0,t · zj,t (πjAI ) − Vj,0 ·
t=1
Nj
,solv AF0,t · zj,t (πjW I ) (4-115)
t=1
= (πjAI − πjW I ) · Vj,0 · =:Δπj
Nj t=1
AF0,t · Γj,t−1 .
(4-116)
>0
W echsel also eine positiv lineare Funktion in Δπj , weshalb wir im FolgenDabei ist ZVj,0 W echsel W echsel (Δπj ) schreiben. Für Δπj > 0 ist auch ZVj,0 (Δπj ) > 0, d.h. das den ZVj,0 Angebot des Konkurrenzinstituts ist für den Kreditnehmer barwertig vorteilhafter
als dasjenige seines Altinstituts. Für das Verhalten eines Altkunden j ∈ IA ∪ IB ist jedoch neben dem Zinsvorteil ebenfalls die Höhe der bei einem Wechsel zu entrichtenden Transaktionskosten entscheidungsrelevant. Ein Wechsel ist für ihn daher genau dann ökonomisch sinnvoll, wenn der Barwert des dadurch entstandenen Zinsvorteils die mit dem Wechsel verbundenen Transaktionskosten übersteigt, d.h. wenn gilt W echsel (Δπj ) > T AKj ZVj,0
⇐⇒
Δπj
⇐⇒
πjW I
T AKj Nj Vj,0 · t=1 AF0,t · Γj,t−1 T AKj < πjAI − . Nj Vj,0 · t=1 AF0,t · Γj,t−1 >
(4-117) (4-118) (4-119)
150
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Mit der Darstellung (4-105) für die Transaktionskosten lässt sich dies umformen zu πjW I < πjAI −
Vj,0 ·
Nj t=1
AI AF0,t ·Γj,t−1 · πjAI − it−1,t − δt · Kj,t(P Dj,t ) Nj Vj,0 · t=1 AF0,t · Γj,t−1
(4-120)
AI AF0,t · Γj,t−1 · it−1,t + δt · Kj,t (P Dj,t ) Nj t=1 AF0,t · Γj,t−1
(4-121)
Nj = πjAI − πjAI + Nj =
t=1
t=1
AI AF0,t · Γj,t−1 · it−1,t + δt · Kj,t (P Dj,t ) Nj t=1 AF0,t · Γj,t−1
=: πjZV,krit.
(4-122) (4-123)
πjZV,krit stellt also den kritischen Zinssatz dar, den das Konkurrenzinstitut unterschreiten muss, um den Altkunden j im Falle keiner Kündigung wegen πjAI < πjmax für sich zu gewinnen. Definition 4.52 (Zinsvorteil-Wechselschwelle). Für einen Altkunden j ∈ IA ∪ IB wird der Zinssatz Nj πjZV,krit
=
t=1
AI AF0,t · Γj,t−1 · it−1,t + δt · Kj,t(P Dj,t ) Nj t=1 AF0,t · Γj,t−1
(4-124)
als Zinsvorteil-Wechselschwelle (ZV-Wechselschwelle) bezeichnet.
Der Wechsel zum Konkurrenzinstitut ist für einen Altkunden im Fall πjAI < πjmax genau dann sinnvoll, wenn der Zinssatz πjW I des Konkurrenzinstituts die Schwelle πjZV,krit (echt) unterschreitet. Im Falle der Gleichheit πjW I = πjZV,krit bleibt der Kreditnehmer gemäß Annahme 4.43 bei seinem bisherigen Institut. Im Falle πjZV,krit ≤ πjW I < πjAI weiß der Kreditnehmer zwar, dass ihm das Konkurrenzinstitut für den äquivalenten Restkredit (echt) günstigere Zinskonditionen als das bisherige Institut anbietet; die Transaktionskosten, welche ein Wechsel mit sich bringt, machen diesen Zinsvorteil jedoch nicht nur zunichte, sondern führen insgesamt zu einem schlechteren Ergebnis, als wenn er bei seinen bisherigen Institut bleibt. Im Falle πjW I ≥ πjAI ist ein Wechsel ohnehin nicht sinnvoll, da hiermit noch nicht einmal ein positiver Zinsvorteil verbunden ist.
4.2. Modell
151
Somit ergibt sich für einen Altkunden das folgende Entscheidungsverhalten im Fall πjAI < πjmax : Bemerkung 4.53. Im Fall πjAI < πjmax entscheidet ein Altkunde j ∈ IA ∪ IB gemäß folgender Regel: ⎧ ⎨ Wechsel zum Konkurrenzinstitut falls πjW I < πjZV,krit, ⎩ keine Aktion
4.2.4.3.3
falls πjW I ≥ πjZV,krit.
Überblick über das Verhalten von Altkunden
Zusammenfassend lässt sich das Entscheidungsverhalten eines Altkunden j ∈ IA ∪IB also wie folgt darstellen: ⎧ Beendigung der Kreditfinanzierung ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎨ Wechsel zum Konkurrenzinstitut ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎩ keine Aktion
falls πjAI ≥ πjmax und πjW I ≥ πjZOG,krit,
falls πjAI ≥ πjmax und πjW I < πjZOG,krit
AI oder πj < πjmax und πjW I < πjZV,krit , sonst.
Diese Darstellung lässt sich noch ein wenig verkürzen: Die Beziehung πjAI ≥ πjmax ist gleichbedeutend mit πjZV,krit ≥ πjZOG,krit. Daher ist im Fall πjAI ≥ πjmax die Beziehung πjW I ≥ πjZOG,krit gleichbedeutend mit πjW I ≥ min{πjZOG,krit, πjZV,krit}. Umgekehrt ist die Beziehung πjAI < πjmax äquivalent zu πjZV,krit < πjZOG,krit, weshalb in diesem Fall πjW I < πjZV,krit gleichbedeutend ist mit πjW I < min{πjZOG,krit, πjZV,krit}.44 Damit ist die Bedingung
πjAI ≥ πjmax ∧ πjW I < πjZOG,krit
∨
πjAI < πjmax ∧ πjW I < πjZV,krit
(4-125)
äquivalent zu 44
Zu beachten ist, dass die Beziehung πjAI ≥ πjmax zwar äquivalent zu πjZOG,krit = min{πjZOG,krit, πjZV,krit } ist; das Analogon gilt im Fall πjAI < πjmax jedoch nicht, da allgemein für x, y ∈ gilt: x = min{x, y} ⇐⇒ x ≤ y (und nicht x < y). Auf die oben angeführte Weise lässt sich jedoch logisch korrekt schließen, da für ein z ∈ nicht der Wahrheitsgehalt der Beziehung z = min{x, y}, sondern von z < min{x, y} untersucht wird.
152
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
AI πj ≥ πjmax ∧ πjW I < min{πjZOG,krit, πjZV,krit}
AI ∨ πj < πjmax ∧ πjW I < min{πjZOG,krit, πjZV,krit} ,
(4-126) (4-127)
was sich als
πjAI ≥ πjmax ∨ πjAI < πjmax
∧
πjW I < min{πjZOG,krit, πjZV,krit}
(4-128)
immer erfüllt
schreiben lässt und somit gleichbedeutend ist mit πjW I < min{πjZOG,krit, πjZV,krit}.
(4-129)
Damit erhalten wir schließlich: Bemerkung 4.54. Ein Altkunde j ∈ IA ∪ IB entscheidet sich gemäß folgender Regel: ⎧ ⎪ Beendigung der Kreditfinanzierung falls πjAI ≥ πjmax und πjW I ≥ πjZOG,krit, ⎪ ⎪ ⎨ Wechsel zum Konkurrenzinstitut ⎪ ⎪ ⎪ ⎩ keine Aktion
falls πjW I < min{πjZOG,krit, πjZV,krit},
sonst.
Dabei ist min{πjZOG,krit, πjZV,krit} = min{πjmax, πjAI }− πjAI +
4.2.4.3.4
AI t=1 AF0,t ·Γj,t−1 · it−1,t + δt ·Kj,t (P Dj,t ) . Nj t=1 AF0,t ·Γj,t−1
Nj
(4-130) (4-131)
Eigenschaften der Wechselschwellen
In diesem Abschnitt stellen wir einige Eigenschaften der oben definierten Wechselschwellen vor, auf die wir uns bei der späteren Analyse in den Abschnitten 4.3 und 4.4 beziehen werden. Diese Resultate stehen nicht in direktem Zusammenhang mit der Untersuchung der Ausgangsfragestellung dieses Kapitels – der Analyse der Auswirkung einer Verrauschung der PD-Schätzer auf das Ergebnis des Kreditinstitutes A –, sondern sind lediglich allgemeine Hilfsaussagen, die sich direkt aus der Definition der Wechselschwellen ergeben. Daher erfolgt ihre Darstellung noch an dieser Stelle im Rahmen des zugrunde liegenden Modells.
4.2. Modell
153
Aus den Definitionen der Wechselschwellen für Altkunden erhalten wir direkt die folgenden Eigenschaften: Korollar 4.55. Die Wechselschwellen πjZOG,krit und πjZV,krit sind unabhängig von der Restforderungshöhe Vj,0. Die Zinsvorteil-Wechselschwelle πjZV,krit ist sogar unabhängig vom Kreditzinssatz des Altinstituts und im Fall δt = 0 für t = 1, ..., Nj sogar unabhängig vom Zinssatz πjAI des Altinstituts.
Die verblüffende letzte Eigenschaft hat ihre Ursache darin, dass der Zinssatz πjAI des Altinstituts sowohl bei der Höhe des Zinsvorteils als auch bei der Höhe der zu entrichtenden Transaktionskosten eingeht und sich diese beiden gegenläufigen Effekte ausgleichen. Bemerkung 4.56. Integriert man fixe Kostenkomponenten in das Modell, so sind πjZOG,krit und πjZV,krit abhängig von der Restforderungshöhe Vj,0. Verwendet man nicht den aktuellen Zinssatz des Altinstituts, sondern einen abweichenden Referenzzinssatz zur Ermittlung der Vorfälligkeitsentschädigung, so ist πjZV,krit abhängig vom Kreditzinssatz des Altinstituts.45
Aus der Gestalt πjZV,krit = i + δ · Kj (P DjAI ) für Nj = 1 und der Konkavität von Kj im Intervall [P Djmin,konkav , 1] ergibt direkt die Konkavität von πjZV,krit im Intervall [P Djmin,konkav , 1]. Somit erhalten wir analog zu Satz 3.3: Korollar 4.57. Die ZV-Wechselschwelle πjZV,krit ist für Nj = 1 im Intervall [P Djmin,konkav , 1] konkav. Für PD-Schätzer Rj und Xj ∼ Rj + Zj mit E(Zj |Rj ) = 0 f.s. gilt damit im Fall Rj , Xj ∈ [P Djmin,konkav , 1] die Beziehung E(πjZV,krit(Xj )) ≤ E(πjZV,krit(Rj )),
(4-132)
wobei πjZV,krit(Xj ) die ZV-Wechselschwelle bei Verwendung des PD-Schätzers Xj bezeichnet und πjZV,krit(Rj ) diejenige bei Verwendung von Rj . 45
In diesem Fall kürzt sich πjAI in Formel (4-121) nicht heraus.
154
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Bezüglich des Einflusses der Parameter πjmax bzw. πjAI sowie it−1,t , δt für t = 1, ..., Nj AI und P Dj,t sowie LGDj,t auf die Höhe von πjZOG,krit und πjZV,krit lässt sich eine Sensitivitätsanalyse durchführen:
Satz 4.58. Für die Wechselschwellen πjZOG,krit und πjZV,krit gilt c.p. i) πjZOG,krit ist streng isoton in πjmax ; πjZV,krit ist streng isoton in πjAI . Darüber hinaus sind sowohl πjZOG,krit als auch πjZV,krit für t = 1, ..., Nj c.p. ii) streng isoton in it−1,t , iii) streng isoton in δt , iv) im Intervall [P Djmin,konkav , P Djmax ] streng isoton in P DjAI und im Intervall [P Djmax , 1] streng antiton in P DjAI ,46 v) streng isoton in LGDj,t .
Beweis. Die Behauptungen ergeben sich direkt aus den Definitionen von πjZOG,krit und πjZV,krit sowie den Eigenschaften der IRB-Risikogewichtsfunktion Kj,t.
Die Interpretationen dieser Eigenschaften sind die folgenden: i) Steigt die Zinssatzobergrenze πjmax , so „verkraftet“ der Kreditnehmer höhere Kreditzinssätze (dies impliziert höhere Projektrenditen der zu finanzierenden Projekte), womit der kritische Zinssatz steigt, ab dem die Kreditfinanzierung beim Altinstitut für den Kreditnehmer nicht mehr lohnend ist und ein Wechsel zum Wettbewerbsinstitut sinnvoll ist. Der Zinsvorteil des Angebots des Konkurrenzinstituts gegenüber demjenigen des Altinstituts steigt, wenn das Altinstitut seinen Zinssatz πjAI anhebt. Da die bei einer Kündigung zu zahlenden Transaktionskosten jedoch gleich bleiben, steigt die (relative) Vorteilhaftigkeit des Konkurrenzangebots für den Kunden, womit eine Kündigung begünstigt wird. 46
P Djmin,konkav bezeichnet dabei die Untergrenze des konkaven Bereichs von Kj und P Djmax diejenige Ausfallwahrscheinlichkeit im konkaven Bereich von Kj , für die Kj maximal ist, vgl. Bemerkungen 2.9 und 2.11.
4.2. Modell
155
ii) Die strenge Isotonie von πjZOG,krit und πjZV,krit in it−1,t ist anschaulich nicht unmittelbar klar, da sowohl die zu zahlenden Transaktionskosten als auch der Zinsvorteil sinken, wenn it−1,t ansteigt. Aufgrund der stärkeren Sensitivität bzgl. it−1,t sinken die Transaktionskosten jedoch schneller als der Zinsvorteil, wodurch ein Wechsel zum Konkurrenzinstitut begünstigt wird. iii) Die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung sinkt c.p. mit steigendem δt , da dem Kreditnehmer bei einem höherem δt ein höherer Betrag an Risikokosten erstattet wird. Aufgrund des unveränderten Zinsvorteils wird ein Wechsel zum Konkurrenzinstitut durch einen Anstieg von δt also begünstigt, was sich in den steigenden Wechselschwellen zeigt. iv) Die Interpretation dieses Resultats ist analog zu derjenigen in iii), da im isotonen Bereich von Kj eine Anhebung von P DjAI aufgrund des dann höheren Betrags der zu erstattenden Risikokosten zu einer Verminderung der Vorfälligkeitsentschädigung führt. Damit wird einen Wechsel zum Konkurrenzinstitut begünstigt. Umgekehrtes gilt im antitonen Bereich von Kj . v) Da das Risikogewicht streng isoton in LGDj ist – die Höhe des unerwarteten Verlusts steigt im Loss given Default –, entspricht die Interpretation exakt derjenigen in iv). Vergleicht man die beiden oben hergeleiteten Wechselschwellen πjZOG,krit und πjZV,krit, so fällt auf, dass beide dieselbe Struktur haben und sich nur um eine additive Konstante unterscheiden: AI AF0,t ·Γj,t−1 · it−1,t + δt ·Kj,t(P Dj,t ) = , Nj t=1 AF0,t ·Γj,t−1 Nj AI t=1 AF0,t ·Γj,t−1 · it−1,t + δt ·Kj,t (P Dj,t ) AI AI = πj − πj + , Nj t=1 AF0,t ·Γj,t−1 Nj
πjZOG,krit πjZV,krit
πjmax −
πjAI +
t=1
=⇒ πjZOG,krit − πjZV,krit = πjmax − πjAI .
(4-133)
(4-134) (4-135)
Erreicht oder überschreitet das Altinstitut mit seinem Zinssatz πjAI die ZOG-Wechselschwelle, so gilt πjAI =⇒
πjZV,krit
≥ πjmax
(4-136)
≥
(4-137)
πjZOG,krit.
156
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Unterschreitet das Konkurrenzinstitut in diesem Fall mit seinem Angebot πjW I also die ZOG-Wechselschwelle πjZOG,krit, so unterschreitet es ebenfalls die ZV-Wechselschwelle πjZV,krit, so dass in diesem Fall bei einem Wechsel zum Konkurrenzinstitut auch bereits der Zinsvorteil des Wechsels die zu zahlenden Transaktionskosten überkompensiert. Ein Wechsel im Falle der Erreichung der Zinssatzobergrenze ist also auch immer schon aufgrund des Zinsvorteil-Kriteriums sinnvoll, was ökonomisch auch klar ist. Wir halten also fest: Bemerkung 4.59. Die Existenz eines (über die Transaktionskosten hinausgehenden) Zinsvorteils ist notwendige Bedingung für einen Wechsel aufgrund der Erreichung der Zinssatzobergrenze. Diese Bedingung ist jedoch nicht hinreichend: Kündigt der Altkunde j wegen πjAI ≥ πjmax seinen bisherigen Vertrag, so überkompensiert der Zinsvorteil des Wechsels im Fall πjW I ∈ [πjZOG,krit, πjZV,krit) zwar wegen πjW I < πjZV,krit die zu zahlenden Transaktionskosten, die Gesamt-Finanzierungskosten beim Wechsel liegen jedoch wegen πjW I ≥ πjZOG,krit oberhalb der in Formel (4-94) dargestellten Obergrenze der vom Kreditnehmer j tragbaren Finanzierungskosten. Bemerkung 4.60. Im Falle it−1,t = i für t = 1, ..., Nj , also insbesondere bei Vorliegen einer flachen Zinsstruktur, ergibt sich Nj πjZOG,krit
=
πjmax
−
πjAI
Nj πjZV,krit = i +
t=1
+i+
t=1
AI AF0,t · Γj,t−1 · δt · Kj,t(P Dj,t ) , Nj t=1 AF0,t · Γj,t−1
AI AF0,t · Γj,t−1 · δt · Kj,t (P Dj,t ) . Nj t=1 AF0,t · Γj,t−1
(4-138)
(4-139)
EK AI = π EK , LGDj,t = LGDj und P Dj,t = P DjAI für t = Gilt darüber hinaus πt−1,t AI ) = Kj (P DjAI ) für t = 1, ..., Nj 1, ..., Nj , so erhalten wir wegen δt = δ und Kj,t(P Dj,t
die Form πjZOG,krit = πjmax − πjAI + i + δ · Kj (P DjAI ), πjZV,krit = i + δ · Kj (P DjAI ). Dies ist insbesondere für Nj = 1 der Fall.
(4-140) (4-141)
4.2. Modell
157
In den Untersuchungen in den folgenden Abschnitten interessieren wir uns u.a. dafür, wann ein Altkunde von A bei seinem Institut bleibt. Für die White Noise Zufallsgrößen ZjOverall und ZjClass , welche in Kapitel 3 verwendet wurden (vgl. die Konstruktionen in Formel (3-24) und Formel (3-47)) und welche wir auch in diesem Kapitel später in den Simulationen benutzen werden, lässt sich für den Verbleib des Altkunden von A bei Institut A eine hinreichende Bedingung ableiten, welche unabhängig von Rj ist. Satz 4.61. Für einen Altkunden j ∈ IA mit Nj = 1 ist bei Verrauschung mittels ZjOverall und ZjClass im Fall Xj , Rj ∈ Djkonkav (mit Djkonkav aus Bemerkung 2.9) die folgende Bedingung hinreichend dafür, dass der Kunde nicht zum Konkurrenzinstitut wechselt: RAROC min ≥ δ1 =: δ.
(4-142)
Beweis. Da die Aussage dieses Satzes nicht für Altkunden von B gilt, verwenden wir die Bezeichnungen πjA und πjB (und nicht allgemein πjAI und πjW I ). Wir untersuchen nun, in welchen Fällen die Beziehung πjB ≥ πjZV,krit erfüllt ist, da diese Bedingung stets hinreichend dafür ist, dass kein Wechsel zu B auftritt.47 Sei rj eine Realisierung von Rj und xj eine von Xj . Im Fall rj = 1 gilt gemäß Satz 4.34 ii) πjB = ∞ > πjZV,krit. Ferner entspricht die ZV-Wechselschwelle πjZV,krit für xj = 1 wegen Kj (1) = 0 dem risikolosen Zinssatz i, so dass für xj = 1 ebenfalls πjB ≥ πjZV,krit gilt. Es gelte im Folgenden also rj , xj < 1. 1. Fall: xj ≤ rj . In diesem Fall ist πjZV,krit
=
i + δ · Kj (xj )
(4-143)
≤
i + xj · LGDj + (δ + RAROC min ) · Kj (xj ) = π j,xj 1 − xj
(4-144)
π j,rj = πjB ,
(4-145)
Πj str. isoton
=
d.h. eine Kündigung findet nicht statt.
47
Auch im Falle des Erreichens der Zinssatzobergrenze tritt ein Wechsel nur dann auf, wenn πjB < πjZV,krit gilt, vgl. Bemerkung 4.59.
158
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
2. Fall: xj > rj . Aufgrund der Konstruktion von ZjOverall und ZjClass gilt xj ∈ (rj , 2 · rj ]. Damit lässt sich rj wegen rj ∈ Djkonkav = [P Djmin,konkav , 1] darstellen als Konvexkombination von P Djmin,konkav und xj : rj
= (1 − λj ) · P Djmin,konkav + λj · xj
λj :=
rj − P Djmin,konkav xj −
P Djmin,konkav
≥
mit
(4-146)
rj − P Djmin,konkav 2 · rj − 2 · P Djmin,konkav
= 0, 5.
(4-147)
Aufgrund der Konkavität von Kj im Intervall [P Djmin,konkav , 1] rj , xj folgt somit Kj (rj ) = Kj ((1 − λj ) · P Djmin,konkav + λj · xj ) ≥ (1 − λj ) ·
Kj (P Djmin,konkav )
≥0
+ λj · Kj (xj )
≥ 0,5 · Kj (xj ),
(4-148) (4-149) (4-150)
und damit Kj (xj ) ≤ 2 · Kj (rj ). Hiermit lässt sich die hinreichende Bedingung nun ableiten: Es gilt πjB − πjZV,krit
(4-151)
i + rj · LGDj + (δ + RAROC min ) · Kj (rj ) = − i − δ · Kj (xj ) 1 − rj
(4-152)
≥ i + rj · LGDj +(δ + RAROC min ) · Kj (rj ) − i − δ · Kj (xj )
(4-153)
≥ (δ + RAROC min ) · Kj (rj ) − 2 · Kj (rj )
(4-154)
= (RAROC min − δ) · Kj (rj ).
(4-155)
≥0
≤ 2·Kj (rj )
Der Ausdruck in Zeile (4-155) ist wegen Kj (rj ) ≥ 0 (aufgrund von rj ≥ P Djmin,konkav und Korollar 2.10) nicht-negativ, wenn RAROC min ≥ δ gilt. Damit ist die Behauptung gezeigt.
Als Folgerung erhalten wir, dass eine Kündigung im Fall Rj , Xj ∈ Djkonkav und RAROC min ≥ δ nur noch durch das Erreichen der Zinssatzobergrenze möglich ist. Die Aussage von Satz 4.61 wird für uns später bei der Interpretation der Simulationsergebnisse in Abschnitt 4.4 hilfreich sein.
4.3. Theoretische Analyse
4.3 4.3.1
159
Theoretische Analyse Vorbemerkungen
Im vorigen Abschnitt haben wir das Modell vorgestellt, auf dessen Basis wir die Auswirkungen der Verrauschung von PD-Schätzungen auf das Ergebnis des Instituts A untersuchen werden. In der Analyse in den folgenden Abschnitten betrachten wir nur noch einjährige Kredite, d.h. es gilt Nj = 1 für alle j ∈ I. Dies geschieht, um eine bessere Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten: Ansonsten wäre es nicht auszuschließen, dass die Verrauschung der PDs von Krediten mit längerer Laufzeit (und einer bestimmten unterstellten Tilgungsstruktur) eine andere Ergebniswirkung aufweist als die Verrauschung der PDs von einjährigen Krediten. Damit wäre das Ergebnis von der konkreten Modellierung der Kreditverträge abhängig. Auch ist nicht zu erwarten, dass sich durch die Betrachtung längerer Restlaufzeiten grundsätzlich abweichende Ergebnisse zeigen. Daher beschränken wir uns auf Nj = 1 für j ∈ I.48 Zugunsten einer besseren Lesbarkeit verzichten wir im Folgenden auf den Zeitindex t und verwenden die Bezeichnungen 4.62. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels seien EK , δ := δ1 , • i := i0,1 , π EK := π0,1
• P Dj := P Dj,1, Rj := Rj,1 , Xj := Xj,1 , Zj := Zj,1 • LGDj := LGDj,1 , Sj := Sj,1 sowie • Kj := Kj,1.
In Analogie zu den Untersuchungen in Kapitel 3 betrachten wir auch hier ausschließlich PD-Schätzer Rj , Xj ∈ Djkonkav .
48
Die Darstellung des Modells und insbesondere des Preissetzungsmechanisums in seiner allgemeinen Form erfolgte, da es u.E. in der Literatur zu wenige Darstellungen eines Preissetzungsmechanismus gibt, bei denen zum einen längere Restlaufzeiten als ein Jahr und zum anderen die relevanten Eigenkapitalkosten berücksichtigt werden.
160
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Bei der Untersuchung der Ergebniswirkung einer Verrauschung der PD-Schätzer gehen wir nun schrittweise vor: Zunächst betrachten wir die Auswirkungen auf das Ergebnis einzelner Kredite, wobei wir zwischen Altkunden von A, Altkunden von B und Neukunden unterscheiden; danach setzen wir die dort gewonnenen Erkenntnisse zur Gesamtportfoliosicht zusammen.
4.3.2
Ergebnisse auf Einzelkreditebene
4.3.2.1
Altkunden von A
Szenario 1: A verwendet unverrauschte PD-Schätzer Wir betrachten einen Altkunden j ∈ IA von Institut A. Da A in Szenario 1 den PDSchätzer Rj verwendet, ergibt sich für die ZV-Wechselschwelle des Kreditnehmers gemäß Formel (4-141) die Darstellung πjZV,krit = i + δ · Kj (Rj ).
(4-156)
Wegen πjA = π j,Rj = πjB und der Beziehung πjmax = πjB + min{πjB ; 0,12} sowie πjB > 0 gilt πjA < πjmax sowie πjB < πjmax ,
(4-157)
d.h. A und B bleiben mit ihren Angeboten unterhalb der Zinssatzobergrenze des Kunden j. Weiterhin ist ≥0
πjB = π j,Rj
≥0 i + Rj · LGDj +(δ + RAROC min ) · Kj (Rj ) = 1 − Rj
(4-158)
≤1
≥ i + δ · Kj (Rj )
(4-159)
= πjZV,krit,
(4-160)
d.h. Institut B unterschreitet die ZV-Wechselschwelle des Kreditnehmers j nicht. Daher bleibt der Kunde j bei Kreditinstitut A und geht somit in dessen Ergebnisrechnung ein. Das erwartete Ergebnis für Institut A werden wir anhand des in Abschnitt 2.2.3 vorgestellten risikoadjustierten Performancemaßes RAROC ermitteln.
4.3. Theoretische Analyse
161
Bleibt der Kunde j ∈ IA bei Institut A, so erhalten wir für Institut A mit den Bezeichnungen in den Formeln (4-11) und (4-12) für eine gegebene PD-Schätzung rj des Schätzers Rj als RAROC in t = 1 RAROCj,1
(4-161)
(1+i) · BW (RANEj,t (πjA ))t (4-162) = CRj,0 ,solv ,insolv (π j,rj ) + P Dj ·zj,1 − δ·Kj (rj ) − (1+i)·Vj,0 Vj,0 · (1−P Dj )·zj,1 = . (4-163) Vj,0 · Kj (rj ) Zwar haben wir Rj ≡ P Dj angenommen (vgl. Annahme 4.10), woraus die Gleichheit rj = P Dj folgt; zur Ableitung der analogen Formel für eine Realisierung xj von Xj ist die formale Unterscheidung zwischen tatsächlicher PD und PD-Schätzung hier jedoch zweckmäßig: Die objektive Ausfallwahrscheinlichkeit P Dj geht bei RANEj,1 über die Pfadwahrscheinlichkeiten für die Solvenz bzw. Insolvenz des Kreditnehmers in t = 1 ein (vgl. auch Abb. 4.1); der Zinssatz sowie die überschüssigen Eigenkapitalkosten ergeben sich jedoch über den Schätzwert rj . Da die PD-Schätzungen im Zuge der Ermittlung der Eigenmittelanforderung gemäß Basel II an Externe kommuniziert werden, wird die Höhe des benötigten Eigenkapitals im Nenner auf der Basis von rj berechnet.49 Um diese Abhängigkeit zu verdeutlichen, schreiben wir RAROCj,1(rj ) für eine Realisierung rj bzw. RAROCj,1(Rj ) für den PD-Schätzer Rj . Aufgrund der angenommenen Übereinstimmung Rj ≡ P Dj gilt nun RAROCj,1(Rj ) (4-164) ,solv ,insolv (π j,P Dj ) + P Dj ·zj,1 − δ·Kj (P Dj ) −(1+i)·Vj,0 Vj,0 · (1−P Dj )·zj,1 = . (4-165) Vj,0 · Kj (P Dj )
49
Verwendet A im verrauschten Fall PD-Schätzer, welche ein natürliches Rauschen beinhalten, so ist dies Mangels Kenntnis von Rj ohnehin das einzige, was A tun kann. Im Fall einer absichtlichen Verrauschung jedoch bleibt A nichts anderes übrig, als ebenfalls den Schätzer Xj anzusetzen, da dieser gemäß Basel II auch im Risikomanagement verwendet werden muss, wenn er die Berechnungsgrundlage der Eigenmittelanforderung darstellt, vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2006a), Tz. 444, und Fußnote 15 auf S. 113.
162
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Der Zähler lässt sich dabei wegen τj,1 = Γj,0 = 1 wie folgt umformen: ,solv ,insolv Vj,0 · (1−P Dj )·zj,1 (π j,P Dj ) + P Dj ·zj,1 − δ·Kj (P Dj ) − (1+i)·Vj,0 = Vj,0 · (1 − P Dj ) · π j,P Dj − P Dj · LGDj − δ·Kj (P Dj ) − i
(4-166) (4-167)
= Vj,0 · i + P Dj · LGDj + (δ + RAROC min ) · Kj (P Dj ) −P Dj · LGDj − δ · Kj (P Dj ) − i
(4-168)
= Vj,0 · RAROC min · Kj (P Dj ).
(4-170)
(4-169)
Der RAROC im Zeitpunkt t = 1 beträgt somit RAROCj,1(Rj ) = RAROC min .
(4-171)
Dies ist nach Definition der Preisuntergrenze πj,Rj auch gerade das gewünschte Ergebnis, denn auf diese Weise kann in t = 1 pro Einheit eingesetzten Eigenkapitals eine Entnahme i.H.v. RAROC min stattfinden.
Szenario 2: A verwendet verrauschte PD-Schätzer Einem Altkunden j ∈ IA von Institut A wird im verrauschten Fall von B der adäquate Zinssatz πjB = π j,Rj angeboten, von A jedoch der anhand der verrauschten PD-Schätzung Xj ermittelte Zinssatz πjA = π j,Xj . Daher ergeben sich gemäß Annahme 4.40 sowie den Formeln (4-140) und (4-141) die Zinssatzobergrenze πjmax = π j,Rj + min{π j,Rj ; 0,12}
(4-172)
sowie die Wechselschwellen πjZOG,krit = πjmax − πjA + i + δ · Kj (Xj ) = π j,Rj + min{π j,Rj ; 0,12} − π j,Xj + i + δ · Kj (Xj ), πjZV,krit = i + δ · Kj (Xj ).
(4-173) (4-174) (4-175)
4.3. Theoretische Analyse
163
Für Rj , Xj ∈ Djkonkav folgt aus der Isotonie der Pricing-Funktion Πj in der PD (-Schätzung) für Nj = 1, dass genau dann die Beziehung Xj > Rj gilt, wenn die Realisierung zj von Zj positiv ist. Aufgrund der Unbeschränktheit von Πj kann für genügend hohe Realisierungen von Zj daher zum einen die Zinssatzobergrenze erreicht werden, d.h. π j,Xj ≥ πjmax eintreten; zum anderen kann auch der Fall eintreten, dass der Kreditnehmer alleine aufgrund des resultierenden Zinsvorteils kündigt und zu B wechselt.50 Wir betrachten daher zwei Fälle:
1) Der Kreditnehmer kündigt. 2) Der Kreditnehmer bleibt bei seinem bisherigen Institut A. Fall 1) tritt dabei genau dann ein, wenn entweder die Beziehung πjA ≥ πjmax oder πjB < min{πjZOG,krit, πjZV,krit} gilt (vgl. Bemerkung 4.54). Ansonsten tritt Fall 2) ein. Im Fall 1) erhält A in t = 0 von Kreditnehmer j die Zahlung der Transaktionskosten Vj,0 1+i Vj,0 = 1+i
T AKj =
· πjA − i − δ · Kj (Xj )
(4-176)
· π j,Xj − i − δ · Kj (Xj ) .
(4-177)
Da der Kreditnehmer kündigt, stellt dieses Geschäft für A kein Risiko mehr da, so dass keine Eigenmittel mehr für Kreditnehmer j benötigt werden. Der RAROC dieses Geschäfts ist somit nicht definiert (bzw. nicht endlich).51 Betrachten wir nun Fall 2), in dem der Kreditnehmer nicht kündigt. Für eine Realisierung xj von Xj ergibt sich analog zu Formel (4-163)
50 51
Solche Fälle sind in den durchgeführten Simulationen zu beobachten, vgl. die Ergebnisse in Tab. A-1 in Anhang A.2.4. Der Ergebniseffekt bei einer Kündigung lässt sich somit nur im Portfolio-Kontext prüfen. Setzt man zur Ermittlung der Transaktionskosten nicht π j,Xj für den Kreditzinssatz und Xj für die PD-Schätzung an, sondern die fairen Werte π j,Rj und Rj , so lässt sich zeigen, dass die Kündigung eines Kreditnehmer im Fall Rj > 0 stets eine positive Wirkung auf den Gesamtportfolio-RAROC hat. Die entsprechenden Ausführungen hierzu finden sich im Anhang A.2.5.
164
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
RAROCj,1(xj )
(4-178)
(1+i) · BW (RANEj,t (πjA ))t (4-179) = CRj,0 ,solv ,insolv (π j,xj ) + P Dj ·zj,1 − δ·Kj (xj ) − (1+i)·Vj,0 Vj,0 · (1−P Dj )·zj,1 = . (4-180) Vj,0 · Kj (xj ) Offenbar ist der RAROC in t = 1 von der Realisierung des verwendeten PDSchätzers abhängig und somit stochastisch. Wir schreiben daher RAROCj,1(Xj ) =
(4-181)
,solv ,insolv Vj,0 · (1−P Dj )·zj,1 (π j,Xj ) + P Dj ·zj,1 − δ·Kj (Xj ) − (1+i)·Vj,0 Vj,0 · Kj (Xj )
. (4-182)
Da der RAROC im Falle einer Kündigung nicht definiert ist, können wir lediglich den bedingten erwarteten RAROC unter der Bedingung des Verbleibs des Kunden j ∈ IA bei A ermitteln. Hier liegt also ein Bewertungsdefekt vor, der die Bestimmung der Ergebnisse mit der gewünschten Zielfunktion im Falle einer positiven Kündigungswahrscheinlichkeit unmöglich macht.52 Bezeichnen wir mit D A,Xj ,V erbleib die Menge aller Realisierungen von Xj , für die keine Kündigung des Altkunden j ∈ IA von A auftritt, so ergibt sich die Darstellung E(RAROCj,1(Xj )| Kunde j bleibt bei A) =
1 P (Kunde j bleibt bei A)
·
(4-183)
RAROCj,1(xj )dP Xj (xj ).
(4-184)
D A,Xj ,V erbleib
Da dieses Integral aufgrund der Abhängigkeit vom IRB-Risikogewicht Kj nicht analytisch berechenbar ist,53 können wir uns hier nur auf heuristische Überlegungen stützen und verweisen für konkrete Ergebnisse auf die Simulationen in Abschnitt 4.4.2.
52 53
Vgl. z.B. Adam et al. (2004), S. 4 f. zum Begriff des Bewertungsdefekts und weiteren Strukturdefekten. Vgl. Formel (2-31). Da für Kj aufgrund der Integration über die Dichte der Standardnormalverteilung keine geschlossene Form existiert, gilt dies ebenso für das Integral in Formel (4-184), bei dem der Integrand eine Transformation von Kj darstellt.
4.3. Theoretische Analyse
165
15
erw. RAROC
10
5
0
í5
0
0.1
0.2
0.3
0.4 Xj
0.5
0.6
0.7
0.8
Abbildung 4.3: Graph des erwarteten RAROC für eine tatsächliche PD von 10 % in Abhängigkeit von der verrauschten PD-Schätzung Xj .
In Abb. 4.3 wird beispielhaft für eine fest vorgegebene tatsächliche PD von Rj =10 % der RAROC in t = 1 in Abhängigkeit von der PD-Schätzung Xj dargestellt.54 Für Xj = 10 % ergibt sich als RAROC in t = 1 der Wert 10 % = RAROC min , denn das erwartete risikoadjustierte Nettoergebnis beträgt 1,54469 % und das benötigte Eigenkapital 15,4469 %. Scheinbar ist der RAROC für die fest vorgegebene tatsächliche PD streng isoton in Xj , so dass sich dementsprechend für Xj > P Dj ein RAROC > 10 % und für Xj < P Dj ein RAROC < 10 % ergibt (welcher sogar negativ sein kann). Die oben abgebildete RAROC-Funktion ist für die gewählten Parameter für Xj > P Dj augenscheinlich konvex und für Xj < P Dj konkav, wobei die Krümmung für Xj > P Dj schwächer zu sein scheint als für Xj < P Dj . Dadurch sollte sich durch Addition der White Noise Zufallsgröße Zj mit der Eigenschaft (3-22) im Mittel eine Senkung des erwarteten RAROCs ergeben. Dies muss aber nicht immer der Fall sein: Für eine tatsächliche PD von 50 % z.B. ergibt sich unter der gleichen Parameterkonstallation der in Abb. 4.4 dargestellte Graph. Aufgrund der dort auftretenden Krümmungen (auch unterhalb der wahren PD scheint es konvexe Bereiche der Funktion zu geben) könnte man hier vermuten, dass sich bei Verrauschung der PD-Schätzung mit Hilfe von Zj im Erwartungswert eine Steigerung des RAROC ergibt. Dies konnte in unseren Simulationen jedoch nicht
54
Hierbei wurden die Parameter i = 10 %, π EK = 15 %, RAROC min = 10 %, LGDj = 45 % und Sj = 50 (Mio. e) verwendet.
166
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen 20
erw. RAROC
15 10 5 0 í5 0
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0.8
0.9
Xj
Abbildung 4.4: Graph des erwarteten RAROC für eine tatsächliche PD von 50 % in Abhängigkeit von der verrauschten PD-Schätzung Xj .
bestätigt werden, vgl. Abschnitt 4.4.2. Die Ursache hiervon liegt allerdings auch an dem für Altkunden von A vorliegenden Bewertungsdefekt: Da der RAROC im Falle einer Kündigung nicht definiert ist, muss man auf die Ermittlung des bedingten RAROC unter der Bedingung des Verbleibs des Kunden bei A zurückgreifen. Durch die resultierende bedingte Verteilung von Xj , welche rechts gekappt ist, da für hohe Werte von Xj Kündigungen auftreten, entsteht somit ein „Survivorship-Bias“, der zu einen niedrigen (bedingten) erwarteten RAROC führt.
Vergleich der Resultate Während die Zielvorgabe durch einen Kredit an einen Altkunden von A im unverrauschten Fall im Erwartungswert genau erreicht wird, ist die Ergebniswirkung bei Verwendung verrauschter PD-Schätzungen – zumindest theoretisch – nicht ermittelbar. Im Falle einer Kündigung (aufgrund des Erreichens der Zinssatzobergrenze oder aufgrund eines Zinsvorteils) ist der RAROC des einzelnen Kredites nicht endlich, so dass die gesamte Ergebniswirkung aufgrund des vorliegenden Bewertungsdefekts nur im Portfoliokontext quantifiziert werden kann.
4.3. Theoretische Analyse 4.3.2.2
167
Altkunden von B
Szenario 1: A verwendet unverrauschte PD-Schätzer Für einen Altkunden j ∈ IB von Institut B ergibt sich gemäß Formel (4-141) wegen Rj ≡ P Dj die folgende ZV-Wechselschwelle: πjZV,krit = i + δ · Kj (P Dj ).
(4-185)
max In Szenario 1 gilt πjA = π j,P Dj = πjB und wegen πjB > 0 die Beziehung πB = j < πj
πjB + min{πjB ; 0,12}. Daher erhalten wir analog zum Fall eines Altkunden j ∈ IA von A πjA < πjmax sowie πjB < πjmax ,
(4-186)
d.h. A und B bleiben mit ihren Angeboten unterhalb der Zinssatzobergrenze des Kunden j. Weiterhin ist ≥0
πjA = π j,P Dj
≥0 i + P Dj · LGDj +(δ + RAROC min ) · Kj (P Dj ) = (4-187) 1 − P Dj ≤1
≥ i + δ · Kj (P Dj )
(4-188)
=
(4-189)
πjZV,krit,
d.h. Institut A unterschreitet die ZV-Wechselschwelle des Kreditnehmers j nicht. Daher bleibt der Kunde j bei Kreditinstitut B und geht somit nicht in die Ergebnisrechnung von Institut A ein. Für A ergeben sich durch einen solchen Kunden also weder Erträge noch Aufwendungen. Da A in diesem Falle natürlich auch keine Eigenmittel vorzuhalten hat, hat ein solcher Kredit keinerlei Einfluss auf das Ergebnis von A. Um später dennoch mit dem RAROC eines nicht gewechselten Altkunden von B rechnen zu können, definieren wir den RAROC in diesem Fall als 00 := 0.
168
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Szenario 2: A verwendet verrauschte PD-Schätzer Im verrauschten Fall gilt für einen Altkunden j ∈ IB von B wie schon im unverrauschten Fall πjB < πjmax , so dass eine Kündigung wegen Erreichens der Zinssatzobergrenze nicht stattfinden kann. Für die ZV-Wechselschwelle gilt wie auch schon im unverrauschten Fall πjZV,krit = i + δ · Kj (P Dj ).
(4-190)
Wird diese Wechselschwelle durch den Zinssatz πjA = π j,Xj von A nicht unterschritten, so bleibt der Kreditnehmer bei Institut B und beeinflusst das Ergebnis von Institut A dementsprechend nicht. Mit der Vereinbarung
0 0
:= 0 gilt somit
E(RAROCj,1(Xj )| Kunde j wechselt nicht zu A) = 0.
(4-191)
Weicht die Realisierung xj von Xj von P Dj jedoch genügend weit nach unten ab, so kann die ZV-Wechselschwelle von j durch den Zinssatz von A aufgrund der strengen Isotonie der Pricing-Funktion für P Dj , Xj ∈ Djkonkav unterschritten werden. In einem solchen Fall kündigt der Kreditnehmer seinen Vertrag bei B und schließt einen äquivalenten Restkredit bei A ab, womit er in die Ergebnisrechnung von A eingeht. Diesen Fall wollen wir nun genauer untersuchen. Notwendige Bedingung für den Fall πjA = πj,Xj < πjZV,krit ist die Unterschreitung des Zinssatzes von B durch denjenigen von A, wie man wie folgt sieht:55 Im Fall P Dj = 0 gilt π j,Xj = i = πjZV,krit, d.h. die ZV-Wechselschwelle wird nicht unterschritten;56 daher ist hier nur der Fall P Dj > 0 zu untersuchen. Für P Dj > 0 gilt wegen LGDj , RAROC min , Kj (P Dj ) ≥ 0 bei Unterschreitung der ZV-Wechselschwelle die folgende Abschätzung: π j,Xj < πjZV,krit = i + δ · Kj (P Dj ) i + P Dj · LGDj + (δ + RAROC 1 − P Dj = π j,P Dj = πjB .
<
55 56
(4-192) min
) · Kj (P Dj )
(4-193) (4-194)
Vgl. hierzu auch den 1. Fall im Beweis von Satz 4.61. Im Fall P Dj = 0 gilt schon Zj ≡ 0 P -f.s. und damit Xj ≡ 0 P -f.s. Abgesehen davon würde Xj > 0 aber auch schon alleine aufgrund der Isotonie der Pricing-Funktion zu π j,Xj > i = πjZV,krit führen.
4.3. Theoretische Analyse
169
Damit gilt für P Dj , Xj ∈ Djkonkav aufgrund der strengen Isotonie der PricingFunktion im Fall Nj = 1 (vgl. Satz 4.36) auch die Beziehung Xj < P Dj .57 Damit können wir den verrauschten Kreditzinssatz π j,Xj von A wie folgt abschätzen: i + Xj · LGDj + (δ + RAROC min ) · Kj (Xj ) 1 − Xj
(4-195)
<
i + P Dj · LGDj + (δ + RAROC min ) · Kj (Xj ) 1 − Xj
(4-196)
<
i + P Dj · LGDj + (δ + RAROC min ) · Kj (Xj ) . 1 − P Dj
(4-197)
π j,Xj =
Im Fall eines Wechsels des Altkunden j ∈ IB von B zu A erhalten wir analog zu Formel (4-182) RAROCj,1(Xj ) =
(4-198)
,solv ,insolv Vj,0 · (1−P Dj )·zj,1 (π j,Xj ) + P Dj ·zj,1 − δ·Kj (Xj ) − (1+i)·Vj,0 Vj,0 · Kj (Xj )
. (4-199)
Für den Zähler ergibt sich dabei unter Verwendung der Abschätzung in den Formeln (4-195) bis (4-197)
57
,solv ,insolv (π j,Xj ) + P Dj ·zj,1 − δ·Kj (Xj ) − (1+i)·Vj,0 Vj,0 · (1−P Dj )·zj,1
(4-200)
= Vj,0 · (1 − P Dj ) · π j,Xj − P Dj · LGDj − δ·Kj (Xj ) − i
(4-201)
< Vj,0 · i + P Dj · LGDj + (δ + RAROC min ) · Kj (Xj ) −P Dj · LGDj − δ·Kj (Xj ) − i
(4-203)
= Vj,0 · RAROC min · Kj (Xj ) ,
(4-204)
(4-202)
Dies ist anschaulich klar, da der Kreditnehmer nicht wechselt, wenn das Angebot seines bisherigen Instituts für ihn günstiger ist als das des Konkurrenzinstituts.
170
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
so dass für den erwarteten RAROC in t = 1 die Abschätzung RAROCj,1(Xj ) <
Vj,0 · RAROC min · Kj (Xj ) Vj,0 · Kj (Xj )
= RAROC min
(4-205) (4-206)
resultiert, d.h. der vorgegebene Mindest-RAROC wird im Falle eines Wechsels zu A für jede Realisierung von Xj (echt) unterschritten. Dies lässt sich auch anschaulich anhand von Abb. 4.3 erklären: Da im Falle des Wechsels eines Altkunden von B zu A die Bedingung Xj < P Dj gilt (s.o.), können überhaupt nur solche erwarteten RAROCs realisiert werden, welche in Abb. 4.3 im Bereich Xj < P Dj liegen; in diesem Bereich wird der Mindest-RAROC jedoch nicht erreicht. Damit folgt auch E(RAROCj,1(Xj )| Kunde j wechselt zu A) < RAROC min ,
(4-207)
so dass sich wegen E(RAROCj,1(Xj )| Kunde j wechselt nicht zu A) = 0 insgesamt für den erwarteten RAROC ebenfalls eine Zielverfehlung ergibt. Diese ist sogar echt, wenn die Wahrscheinlichkeit für einen Wechsel zu A positiv ist. Hier zeigt sich also der eingangs formulierte Winner’s Curse Effekt: Mit den erwarteten Rückzahlungen von Altkunden von B, die zu A wechseln, kann A im verrauschten Fall die Zielvorgabe im Erwartungswert nicht erreichen, da diese Kunden nur zu A wechseln, wenn sie dort einen (aufgrund ihrer Transaktionskosten deutlich) zu geringen Zinssatz – gemessen an ihrem tatsächlichen Risiko – angeboten bekommen.
Vergleich der Resultate Während ein Altkunde von B im unverrauschten Fall stets bei Institut B bleibt, kann im verrauschten Fall ein Wechsel zu A aufgrund des dadurch für den Kunden entstehenden Zinsvorteils auftreten. Dieser Wechsel impliziert jedoch eine Unterschätzung des Risikos durch A und führt zum eingangs formulierten Effekt des Winner’s Curse: A bezahlt die Abwerbung eines Altkunden von B in der Hinsicht teuer, als dass ein solcher Kunde dann einen – gemessen an seinem tatsächlichen Risiko – zu niedrigen Zinssatz angeboten bekommt und dieses Geschäft somit im Erwartungswert zu einer Zielverfehlung führt.
4.3. Theoretische Analyse 4.3.2.3
171
Neukunden
Szenario 1: A verwendet unverrauschte PD-Schätzer Ein Neukunde j ∈ IN entscheidet ausschließlich gemäß der von ihm beobachtbaren Zinssatzdifferenz Δπj . Da diese im ersten Szenario 0 beträgt, herrscht also Indifferenz. Gemäß Annahme 4.43 beträgt in einem solchen Fall die Wahrscheinlichkeit, dass sich dieser Neukunde für das Kreditangebot von A entscheidet, 50 %. Entscheidet er sich für das Angebot von A, so ergibt sich das gleiche Resultat wie im Falle eines Altkunden von A, nämlich die exakte Erreichung des vorgegebenen Mindest-RAROC RAROC min ; im Falle einer Entscheidung für B geht er nicht in die Ergebnisrechnung von A ein.
Szenario 2: A verwendet verrauschte PD-Schätzer Gilt πjA = π j,Xj > πjB , so entscheidet sich der Neukunde j ∈ IN für das Angebot von B, womit der Kredit j nicht in die Ergebnisrechnung von A eingeht. Der Fall πjA = π j,Xj = πjB tritt aufgrund der strengen Isotonie der Pricing-Funktion für P Dj , Xj ∈ Djkonkav genau dann auf, wenn Xj = P Dj gilt, wenn also die verrauschte mit der unverrauschten Schätzung übereinstimmt.58 In diesem Fall wählt der Kreditnehmer aufgrund seiner Indifferenz mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % das Angebot von A. Falls er sich zugunsten von A entscheidet, ergibt sich analog zum unverrauschten Fall genau die Zielvorgabe als erwarteter RAROC in t = 1; im Falle einer Entscheidung gegen A ergibt sich durch diesen Kreditnehmer keine Ergebniswirkung für A. Gilt πjA = πj,Xj < πjB , so entscheidet sich der Neukunde für das Angebot von A. Für A ergibt sich dann auf die gleiche Weise wie im Fall eines von B zu A gewechselten Altkunden für P Dj , Xj ∈ Djkonkav im Erwartungswert eine Zielverfehlung. Dies lässt sich analog zum Fall eines Altkunden von B auch anschaulich mit Hilfe von Abb. 4.3 klar machen. 58
Im Falle einer stetig verteilten White Noise Zufallsgröße Zj mit der Eigenschaft E(Zj |Rj ) = 0 P -f.s., wie sie in den Untersuchungen in Kapitel 3 und auch im vorliegenden Kapitel in den Simulationen in Abschnitt 4.4 verwendet wird, gilt für P Dj ∈ {0, 1} schon Zj = 0 P -f.s., d.h. der Fall Xj = P Dj tritt mit der Wahrscheinlichkeit von 1 nicht auf.
172
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Vergleich der Resultate Im Neukunden-Segment tritt der Winner’s Curse Effekt also ebenfalls auf, da Neukunden im verrauschten Fall nur dann das Angebot von A annehmen, wenn sie dort einen – gemessen an ihrem tatsächlichen Risiko – zu niedrigen Zinssatz angeboten bekommen.59 Im Vergleich zum Segment der Altkunden von B ist zu vermuten, dass dieser Effekt bei Neukunden häufiger auftritt, da Altkunden von B nur zu A wechseln, wenn der ihnen von A angebotene Zinssatz aufgrund der beim Wechsel zu entrichtenden Transaktionskosten deutlich zu niedrig ist; Neukunden hingegen entscheiden aufgrund einer minimalen Zinssatzdifferenz. Aus eben diesem Grund sollte die Zielverfehlung bei Neukunden im Mittel allerdings auch harmloser ausfallen als im Falle des Wechsels eines Altkunden von B zu A. Diese Intuition wird durch die empirischen Ergebnisse in Abschnitt 4.4.2 bestätigt.
4.3.2.4
Zusammenführung der Ergebnisse auf Einzelkreditebene
Insgesamt hat sich also gezeigt, dass sich durch die Verrauschung der PD-Schätzer in den Segmenten der Altkunden von B und der Neukunden auf Einzelkreditebene im Erwartungswert eine Zielverfehlung ergibt. Es ist zu vermuten, dass diese im Segment der Altkunden von B deutlicher ausfällt als im Segment der Neukunden, da ein Altkunde von B nur zu A wechselt, falls A dem Kunden einen derart niedrigen Zinssatz anbietet, dass die Transaktionskosten des Wechsels gedeckt werden. In diesem Fall liegt der Zinssatz jedoch schon deutlich unterhalb des fairen Zinssatzes, so dass die Ergebniseinbuße bei A merklich ist. Im Segment der Altkunden von A konnte auf Einzelkreditebene – zumindest auf theoretischer Basis – keine Aussage getroffen werden, welche Auswirkung die Verrauschung der PD-Schätzungen auf den RAROC von Institut A besitzt: Auf Einzelkreditebene lag hier ein Bewertungsdefekt vor, da die Zielgröße RAROC im Falle einer Kündigung nicht definiert ist.
59
Ausnahme ist der Fall der Gleichheit der Zinssätze, in dem im Erwartungswert der Mindest-RAROC erreicht wird. Dieser Fall tritt aber für Rj ∈ (0, 1) bei stetig verteilten Noise Zufallsgrößen, wie sie in den Simulationen in diesem Kapitel Anwendung finden, P -f.s. nicht auf.
4.3. Theoretische Analyse
4.3.3
173
Ergebnisse auf Portfolioebene
Aus den theoretischen Erkenntnissen auf Einzelkreditebene lassen sich nun Aussagen bzgl. der Ergebnisse auf Portfolioebene ableiten. Dies geschieht mit Hilfe der in Satz 2.12 hergeleiteten Aggregationsformel für den RAROC, mit der sich der GesamtRAROC aus den RAROCs der einzelnen Kredite ermitteln lässt. Wie schon im vorigen Abschnitt werden auch hier im Folgenden die PD-Schätzer Rj , Xj ∈ Djkonkav betrachtet.
Szenario 1: A verwendet unverrauschte PD-Schätzer Mit der Bezeichnung IN →A ⊆ IN für die Menge aller Neukunden, welche einen Kredit bei A abschließen, und IN →B := IN \IN →A gilt gemäß den Ergebnissen aus Abschnitt 4.3.2 RAROC min für j ∈ IA ∪ IN →A , (4-208) RAROCj,1 = 0 für j ∈ IB ∪ IN →B
(man beachte die Festlegung
0 0
:= 0 auf S. 167) sowie ωj = 0 für j ∈ IB ∪ IN →B .
Somit gilt nach der RAROC-Aggregationsformel in Satz 2.12 für den RAROC des Gesamtportfolios von Institut A in t = 1: (4-209)
RAROCI,1
=
j∈IA ∪IN→A
= (
j∈IA ∪IN→A
=1
ωj · EP Dj (RAROCj,1) +
j∈IB ∪IN→B
ωj ) · RAROC min
ωj · EP Dj (RAROCj,1) (4-210)
=0
(4-211)
= RAROC min .
(4-212)
Die Zielvorgabe wird im unverrauschten Fall also im Erwartungswert exakt erreicht.
174
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Szenario 2: A verwendet verrauschte PD-Schätzer Während sich das Ergebnis im unverrauschten Fall sehr einfach über die RAROCAggregationsformel ermitteln ließ, ist dies im verrauschten Fall nicht mehr möglich, sobald Kündigungen von Altkunden von A stattfinden. Zwar beträgt das RAROCAggregationsgewicht ωj eines Altkunden j von A im Falle einer Kündigung 0; da sein RAROC dann jedoch nicht endlich ist, lässt sich die Wirkung auf das Gesamtergebnis nicht über Satz 2.12 ermitteln.60 Wie aber schon auf S. 163 bei der Untersuchung einzelner Kredite angemerkt wurde, kann der Ergebnisbeitrag eines kündigenden Altkunden von A im Portfoliokontext ermittelt werden; jedoch nicht über die RAROC-Aggregationsformel in Satz 2.12, da sie nur für Kredite mit einem positiven Eigenkapitalbetrag gültig ist. Die Ergebnisbeiträge aller anderen Kredite lassen sich jedoch über die RAROC-Aggregationsformel bestimmen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass sich die Aggregationsgewichte im Vergleich zum unverrauschten Fall i.A. ändern. Daher die folgende Bemerkung: Bemerkung 4.63. Durch die Änderung der RAROC-Aggregationsgewichte gegenüber dem unverrauschten Fall, welche infolge der Verwendung verrauschter PD-Schätzungen i.A. auftritt, kann es bei Altkunden von A sogar zu einer Steigerung des erwarteten SegmentRAROC kommen.
Dies kann man sich folgendermaßen klar machen: Wir betrachten einen Altkunden j von A, für den Rj , Xj ∈ Djisoton (mit Djisoton aus Bemerkung 2.11) gilt, dessen unverrauschte und verrauschte PD-Schätzung also in demjenigen Bereich liegen, in dem das IRB-Risikogewicht Kj eine isotone Abbildung darstellt. Resultiert aus der Verrauschung nun eine Verringerung der PD-Schätzung, gilt also Xj < Rj , so sinkt zwar der erwartete RAROC dieses Kredites, er verliert wegen CRj j∈I CRj
ωj =
(4-213)
(vgl. Satz 2.12) aber auch c.p. an Gewicht für den Gesamtportfolio-RAROC, da das für ihn benötigte Eigenkapital CRj wegen Xj , Rj ∈ Djisoton bei Verwendung von Xj geringer ist als bei Verwendung von Rj . Wird seine PD-Schätzung durch 60
Die Festlegung 0 · ∞ := 0 führt hierbei zu einem falschen Ergebnis, wie man leicht nachrechnet. Der Grund ist die fehlende Berücksichtigung der Ergebniswirkung im Zähler des RAROC auf Portfolioebene.
4.3. Theoretische Analyse
175
die Verrauschung hingegen erhöht, d.h. Xj > Rj , so sieht man analog, dass der erwartete RAROC steigt und der Kredit gleichzeitig an Gewicht für den GesamtRAROC des Portfolios gewinnt. Insgesamt kann der Effekt der Veränderung der RAROC-Aggregationsgewichte sogar dazu führen, dass der Gesamt-RAROC durch die Verrauschung der PD-Schätzung eines Altkunden von A im Erwartungswert c.p. steigt. Diese Überlegung wird durch die Simulationsergebnisse in Abschnitt 4.4.3 bestätigt. Die Verrauschung der PD-Schätzungen von Altkunden von B sowie Neukunden hat jedoch auch im Portfolio-Kontext einen negativen Einfluss auf den Gesamt-RAROC, da der erwartete RAROC für solche Kunden im Falle eines Wechsels zu A punktweise (d.h. für jede Realisierung der Noise-Zufallsgröße) die Zielvorgabe unterschreitet. Somit ändert für Altkunden von B und Neukunden auch die verrauschungsbedingte Änderung der Aggregationsgewichtung nichts an dem c.p. negativen Einfluss auf die Erreichung der Zielvorgabe auf Portfolioebene.
4.3.4
Zusammenfassung und Weiterführendes
In diesem Abschnitt haben wir mathematisch gezeigt, dass die Verwendung von verrauschten PD-Schätzern Rj + Zj im Vergleich zur Verwendung der unverrauschten PD-Schätzer Rj in den Kundensegmenten der Altkunden von B und der Neukunden im Erwartungswert einen negativen Effekt auf das Ergebnis von A hat. Dieses Winner’s Curse Phänomen resultiert daraus, dass diese Kunden nur dann einen (äquivalenten Rest-)Kredit bei A abschließen, wenn A ihren fairen Zinssatz unterbietet. Damit ergibt sich in diesen Kundensegmenten für A im Erwartungswert stets eine Zielverfehlung. Diese Ergebnisse wurden auf Einzelkreditebene gezeigt und ließen sich mit Hilfe der RAROC-Aggregationsformel auf die Portfolioebene übertragen. Für das Segment der Altkunden von A konnte auf theoretischer Basis weder auf Einzelkredit- noch auf Portfolioebene eine eindeutige Aussage bzgl. der Ergebniswirkung einer Verrauschung der PD-Schätzer getroffen werden. Daher sind die Resultate für dieses Kundensegment aus den Simulationsergebnissen des nächsten Abschnitts abzuleiten. Bemerkung 4.64. Betrachtet man Kreditverträge, bei denen die Altkunden von A im Zeitpunkt t = 0 aufgrund der Zinsanpassung ein Sonderkündigungsrecht erhalten, das es ihnen ermöglicht, ihren Vertrag ohne die Zahlung von Transaktionskosten zu kündigen, so
176
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
verhalten sich die Altkunden von A exakt nach derselben Entscheidungsregel wie die Neukunden. Aufgrund der fehlenden Transaktionskostenzahlungen ergeben sich für A somit durch den eigenen Altkunden auch analoge Ergebnisse wie im Falle eines Neukunden, d.h. der Mindest-RAROC wird im Erwartungswert nicht erreicht. Damit hat Institut A keinen Anreiz, ein verrauschtes Ratingsystem zu verwenden. Daraus ergibt sich die folgende (ökonomisch intuitive) Erkenntnis: Satz 4.65. Eine mögliche Ergebnissteigerung im Falle der Vertragsgestaltung mit Vorfälligkeitsentschädigung resultiert alleine daraus, dass die Altkunden von A nicht sofort kündigen, sobald der Zinssatz von A denjenigen von B übersteigt, sondern dass sie auch gewisse Zinssatzdifferenzen „erdulden“ da sich der Wechsel durch die Zahlung der Transaktionskosten nicht immer lohnt.
4.4 4.4.1
Empirische Ergebnisse Vorgehensweise
Die im vorigen Abschnitt gewonnenen Ergebnisse und Vermutungen wollen wir hier nun empirisch bestätigen und quantifizieren. Dazu gehen wir ebenfalls von einjährigen Krediten aus und verwenden die in den Bezeichnungen 4.62 definierten Größen. Die Vorgehensweise bei der empirischen Analyse der Auswirkungen einer Verrauschung von PD-Schätzungen auf das Ergebnis von Institut A gleicht der Vorgehensweise bei den Simulationen in Kapitel 3, wobei als Parameter i = 10 %, π EK = 15 % (und damit δ = 5 %), RAROC min = 10 %, LGDj = 45 %, EADj = 1 und Sj = 50 (Mio. e) verwendet werden und das IRB-Risikogewicht jeweils mit Hilfe des Basis-IRB-Ansatzes ermittelt wird. Um Ergebniseffekte ausschließen zu können, welche durch eine Heterogenität bzgl. der Forderungsklassen hervorgerufen werden könnten, betrachten wir ausschließlich Kredite an Unternehmen.61 61
Diese Einschränkung geht bei der Berechnung der regulatorischen Eigenmittel des IRB-Ansatz ein, vgl. die in Abschnitt 2.1.2.3.2 vorgestellte Kalibrierung des IRBRisikogewichts Kj . Auf die in Basel II formuliere Untergrenze von 0,03 % für die PD verzichten wir jedoch und betrachten den etwas größeren Bereich [P Djmin,konkav ; 1] = [0,0021 %; 1] (vgl. die Ausführungen im Anschluss an Bemerkung 2.9), um auch Ergebnisse für kleinere PD-Schätzungen untersuchen zu können.
4.4. Empirische Ergebnisse
177
Bemerkung 4.66. Für Kredit j ist der in Satz 4.31 vorgestellte Kreditzinssatz gemäß Definition unabhängig vom (Rest-) Kreditvolumen Vj,0 . Aus Satz 4.28 ii) folgt somit, dass der Barwert der erwarteten risikoadjustierten Nettoergebnisse proportional zum (Rest-) Kreditvolumen ist. Gleiches gilt auch für das Risikokapital, vgl. Formel (4-18). Daher ist der erwartete RAROC unabhängig von Vj,0 , womit unsere Simulationsergebnisse unabhängig von der konkreten Wahl des Kreditvolumens sind.62
Zur Verwendung von sprachlichen Begriffen bzgl. der ermittelten Größen treffen wir noch die folgende Vereinbarung: Vereinbarung 4.67. Im Folgenden verwenden wir empirische Daten zur Approximation von Erwartungswerten. Daher wäre exakterweise stets die Bezeichnung „empirischer Erwartungswert“ etc. zu benutzen. Hierauf verzichten wir jedoch zugunsten einer besseren Lesbarkeit und schreiben nur „Erwartungswert“ etc; aus dem Zusammenhang wird jeweils klar, dass es sich um empirisch ermittelte Werte handelt.
In den Simulationen sind wir zwar in der Lage, einzelne Kreditausfälle zu modellieren; da wir uns jedoch für die erwartete Ergebniswirkung interessieren, berechnen wir jeweils direkt den erwarteten RAROC eines Kreditengagements. Analog zu den Untersuchungen in Kapitel 3 betrachten wir nur solche PD-Schätzer Rj , Xj , die P -f.s. im Intervall Djkonkav liegen.
Einzelkreditebene Für die Untersuchung einzelner Kredite verwenden wir wie auch schon bei den in Abschnitt 3.3.2 durchgeführten Simulationen diejenigen PDs, welche jeweils in der Intervallmitte der Ratingklassen aus Tab.2-3 liegen. Diese verrauschen wir anschließend nverr =10.000 mal durch Addition von Realisierungen von ZjOverall bzw. ZjClass , wobei wir für jede der acht untersuchten PDs dieselben 10.000 zugrunde liegenden 62
An dieser Stelle sei daran erinnert, dass der Kreditzinssatz bei einer Integration von fixen Kostenkomponenten (wie z.B. Verwaltungskosten) nicht mehr unabhängig von Vj,0 ist, vgl. Bemerkung 4.33. Dies überträgt sich ebenfalls auf den RAROC.
178
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
unabhängig erzeugten Realisierungen einer R(0, 1)-verteilten Zufallsgröße verwenden, aus denen dann die Realisierungen von ZjOverall bzw. ZjClass durch Skalierung gebildet werden. Diese Vorgehensweise ermöglicht eine bessere Vergleichbarkeit der Ergebnisse.63 Für die unverrauschten und die verrauschten PDs berechnen wir für einen Kredit eines Altkunden von A, eines Altkunden von B sowie eines Neukunden die Zinssätze von A und B sowie die zugehörigen Wechselschwellen. Hieraus ermitteln wir bei jedem einzelnen Simulationsdurchlauf, ob sich der Kreditnehmer für eine Fortführung seiner bisherigen Kreditfinanzierung (im Falle eines Altkunden) bzw. für die Aufnahme eines Kredites (im Falle eines Neukunden) entscheidet, und wenn ja, welches Institut er wählt. Anschließend bestimmen wir in jedem einzelnen Durchlauf die entsprechenden Werte für das benötigte regulatorische Eigenkapital und das erwartete risikoadjustierte Nettoergebnis von Institut A. Im Segment der Altkunden von A können im verrauschten Fall Kündigungen auftreten, welche mit einer Zahlung von Transaktionskosten, jedoch einem Risikokapitalbetrag von 0 einhergehen. Da in solchen Fällen die Zielgröße RAROC nicht definiert ist, ist es nicht möglich, folgenden Term als Zielgröße zu verwenden:64 erw. RAROC =
1
n verr
nverr
k=1
RAROCk .
(4-214)
= ∞ bei Kündigung
Hierbei stellt RAROCk den im k-ten Simulationslauf ermittelten erwarteten RAROC dar. Statt dessen weichen wir auf zwei alternative Zielgrößen aus: Zum einen berechnen wir den bedingten erwarteten RAROC unter der Bedingung des Verbleibs bei A: Mit der Menge Ngültig := {k ∈ {1, ..., nverr } | CRk > 0} aller Simulationsdurchläufe, für die der RAROC definiert ist, und ihrer Mächtigkeit ngültig := |Ngültig | gilt bed. erw. RAROC =
63 64
1 ngültig
RAROCk .
(4-215)
k∈Ngültig
Vgl. auch Bemerkung 3.14 und die daran anschließenden Ausführungen. Vgl. auch die Ausführungen auf S. 164 und S. 166 zum hierbei vorliegenden Bewertungsdefekt.
4.4. Empirische Ergebnisse
179
Dieser bedingte Erwartungswert ist stets definiert, er spiegelt die Ergebniswirkung der Verwendung verrauschter PD-Schätzer jedoch i.A. nicht korrekt wider, was man sich anhand eines einfachen Gedankenbeispiels klar machen kann: Wir stellen uns zwei Fälle vor: Im ersten (unverrauschten) Fall finden in allen 10.000 Simulationsläufen keine Kündigungen statt; der erwartete RAROC betrage 10 %. Im zweiten (verrauschten) Fall finden in 9.999 Simulationsdurchläufen Kündigungen statt; der (bedingte erwartete) RAROC des einen Durchlaufs, in dem keine Kündigung auftritt, betrage nur 9 %. Welches Szenario ist nun vorteilhafter für das Kreditinstitut? Beurteilt man dies alleine anhand des bedingten erwarteten RAROCs, so lautet die Antwort, dass der unverrauschte Fall vorteilhafter ist. Hierbei blendet man allerdings die 9.999 Durchläufe des verrauschten Falls aus, die für das Institut einzeln betrachtet jeweils einen unendlich hohen RAROC liefern und diesen Fall daher als vorteilhafter für das Institut erscheinen lassen.65 Daher betrachten wir ergänzend eine weitere Zielgröße, die die Ergebnisse sämtlicher Simulationsdurchläufe berücksichtigt und den mittleren RAROC auf die folgende Weise ermittelt: nverr k=1 RANEk . (4-216) mittl. P F -RAROC = nverr k=1 CRk Hierbei sind Fälle, in denen CRk = 0 ist, vollkommen unproblematisch, solange mindestens ein k mit CRk > 0 existiert. Da diese Berechnung des erwarteten RAROCs einer Ermittlung des RAROCs auf Portfolioebene entspricht, wird sie als mittlerer PF-RAROC bezeichnet. Zu beachten ist hierbei, dass die Bestimmung des mittleren PF-RAROCs nicht einer arithmetischen, sondern einer gewichteten Mittelwertbildung entspricht: So tragen solche Fälle, in denen durch die Verrauschung 65
Hier sei darauf hingewiesen, dass wir Reputationseffekte in unserem Modell nicht berücksichtigen. Erweitert man das Modell zu einem Zweizeitpunktmodell, in dem Reputationsrisiken integriert werden, so ist die Vorteilhaftigkeit von Kündigungen zumindest fraglich. In der bankbetrieblichen Praxis spielen Reputationsrisiken eine wichtige Rolle: So kann ein Reputationsverlust, welcher z.B. durch Kündigungen ausgelöst werden kann, in der Praxis dramatische Folgen haben: Mögliche Folgegeschäfte werden u.U. nicht abgeschlossen und potenzielle Neukunden könnten sich trotz monetärer Vorteilhaftigkeit gegen das Institut entscheiden. Darüber hinaus könnten Fremdkapitalgeber eine höhere Risikoprämie fordern und somit höhere Kapitalkosten für das Institut verursachen; Eigenkapitalgeber könnten sich aus dem Geschäft zurückziehen und so ein Sinken des Aktienkurses bewirken, welches die Reputation noch mehr in Mitleidenschaft zieht, vgl. z.B. Schierenbeck et al. (2004), S. 10.
180
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
ein kleiner Eigenkapitalbetrag im Nenner der RAROC-Kennziffer resultiert, weniger zum PF-RAROC bei als solche Fälle, in denen durch die Verrauschung ein hoher Eigenkapitalbetrag resultiert. Vgl. hierzu auch Satz 2.12, in dem für eine arithmetische Durchschnittsbildung die Gewichte ωk = 1/ngültig für alle k anstelle der Anteile am Gesamt-Risikokapital gewählt werden müssten.66 Beide oben beschriebenen Zielgrößen sind i.A. nicht in der Lage, die erwartete Wirkung einer Verrauschung der PD-Schätzungen auf das Ergebnis eines einzelnen Kredites in geeigneter Weise zu messen, da sie die Ergebnisbeiträge von Kündigungen entweder gar nicht oder nicht anhand einer arithmetischen Gewichtung erfassen. Sie stellen lediglich ein Hilfsmittel dar, um den in dieser Situation vorliegenden Bewertungsdefekt (vgl. die entsprechenden Ausführungen in Abschnitt 4.3.2.1) in der Hinsicht abzumildern, dass zumindest eine Einschätzung über mögliche Wirkungseffekte der PD-Verrauschung ermöglicht werden soll. Für den Fall, dass keine Kündigungen auftreten, entspricht jedoch der in Formel (4-215) berechnete bedingte erwartete RAROC genau dem gesuchten erwarteten RAROC, so dass in diesen Fällen kein Bewertungsdefekt auftritt und der bedingte erwartete RAROC als geeignete Zielgröße verwendet werden kann. In den Segmenten der Altkunden von B und der Neukunden fällt keine Zahlung von Transaktionskosten an Institut A an, wenn sich der Kreditnehmer gegen das Angebot von A entscheidet. Daher stellt sich das Problem eines nicht definierten RAROCs in diesen Segmenten nicht, denn CRk = 0 geht hier immer schon mit RANEk = 0 einher, womit der RAROC als 00 := 0 in die Berechnung integriert werden kann.67 Für Altkunden von B und Neukunden verwenden wir aber ebenfalls den bedingten erwarteten RAROC aus Formel (4-215) als Zielgröße, da er angibt, mit welchem Ergebnis Institut A zu rechnen hat, wenn ein Altkunde von B bzw. ein Neukunde sich für das Angebot von A entscheidet.68
66 67 68
Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die RAROC-Aggregationsformel nur für eine Segmentierung mit positiven Risikokapitalbeiträgen gültig ist. Vgl. hierzu auch die Ausführungen auf S. 167. Der unbedingte Erwartungswert wäre hier keine adäquate Zielgröße, da diejenigen Fälle, in denen ein Altkunde von B oder ein Neukunde sich für das Angebot von A entscheidet, für A nicht von Relevanz sind. So würde sich in den Ergebnissen für Neukunden in Tab. 4-9 im unverrauschten Fall ein erwarteter RAROC von etwa 5 % < RAROC min ergeben, was einen völlig falschen Steuerungsimpuls implizieren würde, da das Neugeschäft dann mit Blick auf die RAROC-Mindestvorgabe als nicht genügend wertschaffend eingestuft würde.
4.4. Empirische Ergebnisse
181
Portfolioebene Bei der Untersuchung der Auswirkungen der Verwendung verrauschter PDs im Portfolio-Kontext verwenden wir die vier in Abschnitt 2.4.3 vorgestellten Beta-Verteilungen zur unabhängigen Erzeugung der PDs für die Kredite im Portfolio. Dabei besteht das Portfolio von A aus nA = 10.000, dasjenige von B ebenfalls aus nB = 10.000 und das Portfolio der Neukunden aus nN = 5.000 Krediten. Anschließend verrauschen wir jede PD einmal mit Hilfe von ZjOverall bzw. ZjClass , wobei die Realisierung der Noise-Zufallsgrößen für alle Kredite unabhängig erzeugt werden. Analog zur Untersuchung einzelner PDs ermitteln wir dann die entsprechenden Zinssätze von A und B sowie die Wechselschwellen der Altkunden von A und B. Nach Ermittlung des Kreditinstituts, für das sich die Kreditnehmer entscheiden, berechnen wir schließlich auf Einzelkreditebene das benötigte Eigenkapital und das erwartete RANE. Der mittlere erwartete RAROC des Portfolios ergibt sich dann als Quotient der Summe der RANEs und der Summe der Eigenkapitalbeträge: nverr k=1 RANEk . mittl. erw. RAROC = nverr k=1 CRk
(4-217)
Die RAROCs werden auf diese Weise sowohl auf Gesamtportfolioebene als auch für die Segmente Altkunden von A, Altkunden von B und Neukunden berechnet.
4.4.2
Ergebnisse auf Einzelkreditebene
4.4.2.1
Vorbemerkungen
Bevor wir die einzelnen Ergebnisse vorstellen und interpretieren, wollen wir noch auf ein allgemeines Phänomen hinweisen, das auch schon in Kapitel 3 auftrat: Bemerkung 4.68. Nach Konstruktion der Noise-Zufallsgrößen, Wahl der zu untersuchenden PDs in der Intervallmitte der jeweiligen Ratingklasse und Verwendung des gleichen Zufallsmechanismus für jede Untersuchung ergeben sich sowohl für die kleinste als auch für die größte der untersuchten PDs bei beiden Noise-Zufallsgrößen ZjOverall und ZjClass dieselben Resultate. Im Folgenden präsentieren wir die Ergebnisse der durchgeführten Monte-CarloSimulationen.
182
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
4.4.2.2
Altkunden von A
Die Ergebnisse der Untersuchung der Auswirkungen einer Verrauschung der PDSchätzer auf einzelne PDs im Fall eines Altkunden von A werden in den Tabellen 4-1 bis 4-4 aufgeführt. Wie im vorigen Abschnitt bereits erwähnt wurde, entspricht der erwartete RAROC dem bedingten erwarteten RAROC (unter der Bedingung des Verbleibs des Kunden beim Institut A), falls keine Kündigungen auftreten. Daher werfen wir einen Blick auf Tab. 4-1, in der für jede untersuchte PD die in den nverr = 10.000 Simulationsläufen aufgetreten Migrationen aufgeführt sind, wobei wir zwischen Kündigungen aufgrund einer Beendigung der Kreditfinanzierung (Beend.) und Kündigungen aufgrund eines Wechsels zu B differenzieren.
P Dj
unverr.
0,015 % 0,045 % 0,090 % 0,265 % 0,875 % 4,525 % 12,355 % 58,500 %
0 0 0 0 0 0 0 0
Anzahl Kündigungen verrauscht mit ZjOverall verrauscht mit ZjClass gesamt Beend. Wechsel zu B gesamt Beend. Wechsel zu B 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 4.676 4.676 0 4.676 4.676 0
Tabelle 4-1: Untersuchung einzelner Kredite an Altkunden von A: Kündigungen im unverrauschten und verrauschten Fall mittels ZjOverall bzw. ZjClass (je 10.000 Verrauschungen).
Es ist zu erkennen, dass nur bei der größten untersuchten PD (58,5 %) Kündigungen auftreten. Diese Kündigungen haben ihre Ursache ausschließlich in der Beendigung der Kreditfinanzierung, welche durch das Erreichen der Zinssatzobergrenze und das Fehlen eines genügend „günstigen“ Angebots von Institut B ausgelöst wird.69 Wechsel zum Institut B traten bei den durchgeführten Untersuchungen zu den oben beschriebenen Parameterkonstellationen nie auf. Dass dies bei den gewählten Werten von RAROC min = 10 % und δ = 0,05 % so sein muss, ist eine Folgerung aus Satz 4.61, da mit RAROC min ≥ δ die hinreichende Bedingung für das Ausbleiben von Wechseln zu B erfüllt ist. Daher haben wir in Tab. A-1 in Anhang A.2.4 die 69
Bzgl. der Übereinstimmung der Migrationszahlen vgl. Bemerkung 4.68.
4.4. Empirische Ergebnisse
183
entsprechenden Migrationszahlen für eine Simulation angegeben, bei der der Parameter π EK nicht auf 15 %, sondern auf 50 % gesetzt wurde. Durch das resultierende δ = 40 % ist diese hinreichende Bedingung nicht mehr erfüllt und es treten in der Tat Wechsel zu B auf. In den Tabellen A-2 und A-3 in Anhang A.2.4 untersuchen wir die Ursachen der beobachteten Anzahlen an Migrationen. Schließlich geben wir dort auch die Ergebnisse bzgl. der erwarteten RAROCs an. Für die Untersuchungen, deren Ergebnisse wir hier diskutieren, stellt der bedingte erwartete RAROC aber für alle PDs bis auf 58,5 % aufgrund des Verbleibens des Kunden bei A in sämtlichen Simulationsdurchläufen bereits den erwarteten RAROC dar – also genau diejenige Größe, die wir suchen. Somit sind für die sieben kleinsten PDs die Resultate des bedingten erwarteten RAROCs relevant. Bei der größten PD (58,5 %) liegt aufgrund des Auftretens von Kündigungen ein Bewertungsdefekt vor. Tab. 4-2 zeigt für die untersuchten Kredite den RAROC im unverrauschten Fall sowie die erwarteten RAROCs bei Verrauschung mittels ZjOverall und ZjClass . Die Ergebnisse im verrauschten Fall wurden dabei sowohl als bedingter Erwartungswert (bed. EW) als auch über die Portfolio-Berechnungsmethode (PF-Berechnung) ermittelt, wie bereits in Abschnitt 4.4.1 angekündigt wurde.
P Dj
unverr.
0,015 % 0,045 % 0,090 % 0,265 % 0,875 % 4,525 % 12,355 % 58,500 %
10 % 10 % 10 % 10 % 10 % 10 % 10 % 10 %
(erwarteter) RAROC verrauscht mit ZjOverall verrauscht mit ZjClass bed. EW PF-Berechnung bed. EW PF-Berechnung 9,774 % 10,010 % 9,774 % 10,010 % 9,399 % 10,019 % 9,966 % 10,006 % 9,037 % 10,027 % 9,957 % 10,008 % 8,236 % 10,051 % 9,803 % 10,024 % 6,964 % 10,124 % 9,757 % 10,050 % 3,871 % 10,737 % 8,990 % 10,395 % 0,665 % 13,337 % 9,728 % 10,555 % -74,362 % -78,307 % -74,362 % -78,307 %
Tabelle 4-2: Untersuchung einzelner Kredite an Altkunden von A: (Erwartete) RAROCs von A im unverrauschten und verrauschten Fall mittels ZjOverall bzw. ZjClass (je 10.000 Verrauschungen).
184
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Wie schon in Abschnitt 4.3.2 theoretisch hergeleitet wurde, wird die Zielvorgabe RAROC min = 10 % im unverrauschten Fall exakt erreicht. Im verrauschten Fall sind für die sieben kleinsten PDs die Ergebnisse des bedingten erwarteten RAROCs relevant. Hier ergeben sich stets Zielverfehlungen. Für die größte PD zeigen sowohl der bedingte erwartete RAROC als auch der über die PortfolioBerechnung ermittelte mittlere RAROC eine drastische Zielverfehlung. Somit zeigt sich bei allen untersuchten PDs ein (z.T. deutlicher) negativer Effekt durch die Verrauschung der PD-Schätzungen – und zwar unabhängig davon, ob Kündigungen auftreten oder nicht. Die Ergebnisse sind bei beiden Berechnungsarten (bed. EW und PF-Berechnung) bei Verwendung von ZjOverall ausgeprägter als bei Verwendung von ZjClass , was auf die konstruktionsbedingte höhere (bedingte) Varianz von ZjOverall zurückzuführen ist, da diese die zugrunde liegenden Wirkungsmechanismen bei Vorliegen konvexer bzw. konkaver Funktionen stärker zum Tragen kommen lässt. Auch sind die Ergebnisse für beide White Noise Zufallsgrößen mit steigender PD ausgeprägter, was sich durch die gemäß Konstruktion in der PD steigenden (bedingten) Varianzen erklären lässt. Ob die eingangs erwähnte Bezeichnung „Adverse Selection“ für die negativen Effekte einer Abwanderung von Altkunden von A angebracht ist, ist auf Einzelkreditebene nicht zu beantworten. Für eine Quantifizierung dieses Effekts müsste man nämlich die Ergebnisse „ohne“ Abwanderung mit den Ergebnissen „mit“ Abwanderung vergleichen. Da wir für den Fall „ohne“ eine geeignete Zielgröße haben, für den Fall „mit“ auf Einzelkreditebene jedoch nicht, ist ein solcher Vergleich nicht möglich.70
70
Genauer muss man zur Quantifizierung des Effekts einer Verrauschung, welcher nur durch die Adverse Selection verursacht wird, für jede betrachtete PD diejenigen Simulationsläufe k separieren, für die im verrauschten Fall Kündigungen auftreten, um dann die unverrauschten Ergebnisse „ohne“ Abwanderungen und die verrauschten Ergebnisse „mit“ Abwanderungen zu vergleichen (ansonsten würden auch Simulationsläufe in die Berechnung einfließen, in denen eine Ergebniswirkung ohne Kündigung auftritt). Diese Vorgehensweise entspricht der Ermittlung der Differenz der bedingten erwarteten RAROCs unter der Bedingung, dass der Kunde bei einer Verrauschung kündigt. Der bedingte erwartete RAROC ermittelt sich dabei jeweils gemäß 1 C |Ngültig |
k∈NgCü ltig
RAROCk =
1 nverr − ngültig
und ist im verrauschten Fall nicht definiert.
k∈{1,...,nverr }\Ngü ltig
RAROCk
4.4. Empirische Ergebnisse
P Dj 0,015 % 0,045 % 0,090 % 0,265 % 0,875 % 4,525 % 12,355 % 58,500 %
unverr.
185
(erwarteter) Zinssatz πjA verr. (ZjOverall ) verr. (ZjClass )
10,123 % 10,246 % 10,384 % 10,760 % 11,549 % 14,430 % 20,604 % 93,074 %
10,120 % 10,238 % 10,369 % 10,723 % 11,472 % 14,437 % 20,994 % 533,280 %
10,120 % 10,246 % 10,384 % 10,752 % 11,535 % 14,462 % 20,685 % 533,280 %
πjB
πjmax
10,123 % 10,246 % 10,384 % 10,760 % 11,549 % 14,430 % 20,604 % 93,074 %
20,246 % 20,492 % 20,769 % 21,520 % 23,099 % 26,430 % 32,604 % 105,074 %
Tabelle 4-3: Untersuchung einzelner Kredite an Altkunden von A: (Erwartete) Zinssätze im unverrauschten und verrauschten Fall mittels ZjOverall bzw. ZjClass (je 10.000 Verrauschungen).
In den Tabellen 4-3 und 4-4 haben wir die erwarteten Kreditzinssätze und die erwarteten Wechselschwellen im unverrauschten und verrauschten Fall aufgeführt. Diese vermitteln einen Eindruck über die Ursachen der Kündigungszahlen in Tab. 4-1. Neben Ergebnissen, welche wir vorher bereits mathematisch gezeigt oder zumindest vermutet haben – wie der Isotonie des Kreditzinssatzes in der PD und der Konkavität des Zinssatzes für eine PD bis etwa 1 % sowie der Konvexität des Zinssatzes für eine PD oberhalb von etwa 1 %71 –, fällt auf, dass die erwartete ZOG-Wechselschwelle im verrauschten Fall für die sieben kleinsten PDs größer als der jeweilige Zinssatz von A ist – dort steigt die Wechselschwelle bis zur PD von 4,525 %, fällt dann aber wieder – und für die PD von 58,5 % sogar negativ ist. Hierbei übersteigt der erwartete Zinssatz von A die erwartete ZOG-Wechselschwelle für die höchste PD, was die hohe Anzahl an Beendigungen der Kreditfinanzierung erklärt. Diese Zahlen sind zwar nur Erwartungswerte, die nichts über die Ergebnisse einzelner Realisierungen aussagen können, sie stellen jedoch einen heuristischen Erklärungsansatz für die in Tab. 4-1 gezeigten Migrationen dar. Dass Wechsel zu B bei der gewählten Parameterkonstellation nicht auftreten können, wurde bereits oben erwähnt; so liegt auch der Zinssatz von B stets oberhalb
71
Vgl. hierzu die Ausführungen auf S. 136, welche auf der gleichen Parameterkonstallation wie in diesem Abschnitt beruhen. Die Konvexität bzw. Konkavität zeigt sich in Tab. 4-3 in der Verringerung bzw. Erhöhung des erwarteten Zinssatzes bei Addition von White Noise, welche analog zu den Ergebnissen in Kapitel 3 durch stochastische Dominanz zweiter Ordnung hervorgerufen wird.
186
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen (erwartete) ZOG-Wechselschwelle verrauscht unverr. ZjOverall ZjClass
P Dj 0,015 % 0,045 % 0,090 % 0,265 % 0,875 % 4,525 % 12,355 % 58,500 %
20,161 % 20,320 % 20,496 % 20,964 % 21,901 % 22,580 % 22,833 % 22,767 %
20,163 % 20,326 % 20,506 % 20,988 % 21,950 % 22,548 % 22,384 % -417,540 %
20,163 % 20,320 % 20,496 % 20,969 % 21,910 % 22,543 % 22,745 % -417,540 %
(erwartete) ZV-Wechselschwelle verrauscht unverr. ZjOverall ZjClass 10,038 % 10,074 % 10,112 % 10,204 % 10,352 % 10,580 % 10,833 % 10,767 %
10,037 % 10,071 % 10,106 % 10,191 % 10,323 % 10,555 % 10,775 % 10,666 %
10,037 % 10,074 % 10,111 % 10,201 % 10,346 % 10,575 % 10,826 % 10,666 %
Tabelle 4-4: Untersuchung einzelner Kredite an Altkunden von A: (Erwartete) Wechselschwellen im unverrauschten und verrauschten Fall mittels ZjOverall bzw. ZjClass (je 10.000 Verrauschungen).
der erwarteten ZV-Wechselschwelle. Wie in Korollar 4.57 bereits gezeigt wurde, liegt die erwartete ZV-Wechselschwelle im verrauschten Fall stets unterhalb der unverrauschten ZV-Wechselschwelle. Auch bei den Zinssätzen und Wechselschwellen sind die Abweichungen von den deterministischen Werten im unverrauschten Fall bei der Verrauschung mit ZjOverall ausgeprägter als bei der Verrauschung mit ZjClass . Die in Satz 4.58 aufgezeigten Eigenschaften der Wechselschwellen sind in Tab. 4-4 – soweit die Daten angegeben sind – wiederzufinden (man beachte P Djmin,konkav = 0,0021 % sowie P Djmax = 29,622 % für diese Parameterkonstellation, vgl. die Ausführungen im Anschluss an die Bemerkungen 2.9 und 2.11).
4.4.2.3
Altkunden von B
Die Ergebnisse für Kredite an einen Altkunden von B sind in den Tabellen 4-5 bis 4-7 aufgeführt. Tab. 4-5 zeigt dabei für jede der acht untersuchten PDs die Anzahl der in den nverr = 10.000 Simulationsläufen aufgetretenen Wechsel zu A. Wie bereits in Abschnitt 4.3.2 theoretisch gezeigt wurde, kann im unverrauschten Fall in keinem Simulationslauf ein Wechsel zu A auftreten. Aber auch bei einer Verrauschung mittels ZjClass haben in keinem der durchgeführten Simulationsläufe Wechsel zu A stattgefunden. Bei einer Verrauschung mittels ZjOverall hingegen sind
4.4. Empirische Ergebnisse
P Dj
187 Anzahl Wechsel zu A verrauscht unverr. ZjOverall ZjClass
0,015 % 0,045 % 0,090 % 0,265 % 0,875 % 4,525 % 12,355 % 58,500 %
0 0 0 0 0 0 0 0
0 520 622 615 462 204 129 0
0 0 0 0 0 0 0 0
Tabelle 4-5: Untersuchung einzelner Kredite an Altkunden von B: Wechsel zu A im unverrauschten und verrauschten Fall mittels ZjOverall bzw. ZjClass (je 10.000 Verrauschungen).
bei allen „mittleren“ PDs (d.h. bei allen PDs bis auf 0,015 % und 58,5 %) Wechsel zu A zu beobachten. Die Anzahlen der aufgetretenen Wechsel zu A bei jeweils 10.000 Simulationsläufe steigen zunächst bis zu einer PD von 0,09 % und sinken dann wieder. Bevor wir dieses Phänomen genauer ergründen, stellen wir in Tab. 4-6 zunächst die resultierenden erwarteten RAROCs dar, die sich für Institut A ergeben. Hierbei sind die Ergebnisse für Kredite, bei denen in keinem der nverr = 10.000 Simulationsläufe ein Wechsel zu A stattfindet, mit „–“ gekennzeichnet, da sie für A keine Ergebniswirkung besitzen.
P Dj 0,015 % 0,045 % 0,090 % 0,265 % 0,875 % 4,525 % 12,355 % 58,500 %
(erwarteter) RAROC verrauscht unverr. ZjOverall ZjClass – – – – – – – –
– 3,804 % 0,078 % -9,859 % -33,987 % -140,713 % -299,947 % –
– – – – – – – –
Tabelle 4-6: Untersuchung einzelner Kredite an Altkunden von B: (Erwartete) RAROCs von A im unverrauschten und verrauschten Fall mittels ZjOverall bzw. ZjClass (je 10.000 Verrauschungen).
188
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Aufgrund des Ausbleibens von Wechseln im unverrauschten Fall sowie bei einer Verrauschung mittels ZjClass ergibt sich in den entsprechenden Fällen keine Ergebniswirkung für A. Für diejenigen PDs, bei denen Wechsel zu A zu verzeichnen sind, wird die RAROC-Zielvorgabe RAROC min = 10 % im Erwartungswert nicht erreicht, sondern zumeist deutlich unterschritten: Für die PDs von 0,265 % bis 12,355 % ist der erwartete RAROC sogar negativ, womit die Verwendung verrauschter PD-Schätzer sogar wertvernichtend wirkt. Dabei steigt das Ausmaß der Zielverfehlung mit zunehmender PD. Es zeigt sich also, dass das Ausmaß des in Abschnitt 4.3.2 bereits theoretisch nachgewiesenen Winner’s Curse Effekts im Segment der Altkunden von B je nach betrachteter PD und Wahl der Noise-Zufallsgröße äußerst ausgeprägt sein kann.
Nun zur Ergründung der beobachteten Migrationszahlen: Tab. 4-7 stellt die Ergebnisse für die erwarteten Zinssätze und die Wechselschwellen dar. Wie bereits in Abschnitt 4.3.2 gezeigt wurde, kann eine Kündigung wegen des Erreichens der Zinssatzobergrenze durch den Zinssatz von B in keinem Simulationslauf auftreten. Jedoch können Wechsel zu A stattfinden – nämlich genau dann, wenn der Zinssatz von A die ZV-Wechselschwelle unterschreitet. Die Wechselschwellen für einen Altkunden von B sind deterministisch, so dass dies nur durch die verrauschungsbedingte Senkung des Zinssatzes von A verursacht werden kann (im unverrauschten Fall tritt dies nicht auf).
P Dj 0,015 % 0,045 % 0,090 % 0,265 % 0,875 % 4,525 % 12,355 % 58,500 %
(erwarteter) Zinssatz πjA verrauscht unverr. ZjOverall ZjClass 10,123 % 10,119 % 10,246 % 10,236 % 10,384 % 10,367 % 10,760 % 10,719 % 11,549 % 11,464 % 14,430 % 14,406 % 20,604 % 20,896 % 93,074 % 591,775 %
10,119 % 10,245 % 10,383 % 10,749 % 11,531 % 14,439 % 20,649 % 591,775 %
πjB
πjmax
Wechselschwelle ZOG
10,123 % 10,246 % 10,384 % 10,760 % 11,549 % 14,430 % 20,604 % 93,074 %
20,246 % 20,161 % 20,492 % 20,320 % 20,769 % 20,496 % 21,520 % 20,964 % 23,099 % 21,901 % 26,430 % 22,580 % 32,604 % 22,833 % 105,074 % 22,767 %
ZV 10,038 % 10,074 % 10,112 % 10,204 % 10,352 % 10,580 % 10,833 % 10,767 %
Tabelle 4-7: Untersuchung einzelner Kredite an Altkunden von B: (Erwartete) Zinssätze und Wechselschwellen im unverrauschten und verrauschten Fall mittels ZjOverall bzw. ZjClass (je 10.000 Verrauschungen).
4.4. Empirische Ergebnisse
189
Wie oben bereits erwähnt, treten solche Wechsel für die betrachteten PDs von 0,045 % bis 12,355 % auf. Ihre Anzahl steigt zunächst mit zunehmender PD (vgl. Tab. 4-5), da die (bedingte) Varianz der White Noise Zufallsgröße dann größer wird und so eine Unterschreitung der ZV-Wechselschwelle häufiger zu beobachten ist; für PDs oberhalb von 0,09 % sinkt die beobachtete Anzahl an Wechseln zu A jedoch wieder, da der erwartete Zinssatz von A dann deutlich von der ZV-Wechselschwelle nach oben abweicht und der Effekt der Steigerung der Varianz somit offenbar überkompensiert wird. Für die höchste PD kann aufgrund der Verrauschungs-Reichweite von ZjOverall keine Unterschreitung der ZV-Wechselschwelle auftreten: Die verrauschte PD beträgt nämlich gemäß Konstruktion von ZjOverall mindestens 58,5 % – min{58,5 %; 1 – 58,5 %} = 17 % (vgl. Formel (3-24) und die Definition von rjOverall in Lemma 3.7). Damit beträgt der Zinssatz von A aufgrund der Isotonie der Pricing-Funktion mindestes Πj (17 %) = 24,582 % und kann die ZV-Wechselschwelle πjZV,krit = 10,767 % daher in keinem Simulationslauf unterschreiten. Dass für die kleinste untersuchte PD keine Wechsel zu beobachten sind, liegt an der Beschränkung unserer Untersuchungen auf den konkaven Bereich der IRB-Risikogewichtsfunktion Kj : Wegen P Djmin,konkav = 0,0021 % haben wir sämtliche PD-Schätzungen auf den Mindestwert 0,0021 % gesetzt. Aufgrund der Isotonie der Pricing-Funktion betragen die zugehörigen Zinssätze daher mindestens Πj (0, 0021) = 10,042 % > πjZV,krit, womit Unterschreitungen der ZV-Wechselschwelle nicht auftreten konnten. Insgesamt zeigt sich also, dass der in Abschnitt 4.3.2 bereits theoretisch gezeigte Winner’s Curse Effekt im Segment der Altkunden von B auftritt und zu einer erheblichen Zielverfehlung führen kann.
4.4.2.4
Neukunden
In den Tabellen 4-8 bis 4-9 werden die Simulationsergebnisse für den Fall eines Neukunden aufgeführt. Wie aus Tab. 4-8 ersichtlich ist, wird sowohl im unverrauschten als auch im verrauschten Fall etwa in jedem zweiten Simulationslauf ein Kredit bei A abgeschlossen. Im unverrauschten Fall liegt dies daran, dass aufgrund der Gleichheit der Zinssätze von A und B Indifferenz herrscht, der Neukunde daher gedanklich eine (faire) Mün-
190
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
P Dj 0,015 % 0,045 % 0,090 % 0,265 % 0,875 % 4,525 % 12,355 % 58,500 %
Anzahl Abschlüsse bei A verrauscht unverr. ZjOverall ZjOverall 4.967 4.967 4.967 4.967 4.967 4.967 4.967 4.967
4.979 4.979 4.979 4.979 4.979 4.979 4.979 4.979
4.979 4.979 4.979 4.979 4.979 4.979 4.979 4.979
Tabelle 4-8: Untersuchung einzelner Kredite an Neukunden: Vertragsabschlüsse bei A im unverrauschten und verrauschten Fall mittels ZjOverall bzw. ZjClass (je 10.000 Verrauschungen).
ze wirft und sich mit Wahrscheinlichkeit 50 % für das Angebot von A entscheidet. Da für jede der untersuchten PDs der Zufallszahlengenerator wieder auf seinen ursprünglichen Zustand zurückgesetzt wird und somit der Untersuchung stets derselbe Zufallsmechanismus zugrundeliegt,72 erhalten wir für jede der untersuchten PDs die gleiche Anzahl an Neuabschlüssen bei A. Im verrauschten Fall ändert sich diese Anzahl nur unwesentlich. Auch hier ist sie für alle untersuchten PDs und beide Arten der Verrauschung identisch, da der gleiche Zufallsmechanismus zugrunde liegt: Eine Realisation von ZjOverall bzw. ZjClass , welche den Zinssatz von A erhöht, führt bei Neukunden immer dazu, dass sich der Kunde für das günstigere Angebot von B entscheidet und umgekehrt. Da in allen Kombinationen von Verrauschungsart und untersuchter PD und stets dieselben nverr = 10.000 R(0,1)-verteilten Zufallszahlen zugrunde gelegt werden, welche dann nur positiv linear transformiert und auf die PDs addiert werden, führt eine Erhöhung der PD aufgrund der strengen Isotonie der Pricing-Funktion zu einem höheren Zinssatz und umgekehrt, so dass die Anwendung des gleichen Zufallsmechanismus stets zum gleichen Kundenverhalten führt. Aus diesem Grund verzichten wir hier auf die Darstellung der erwarteten Zinssätze. Tab. 4-9 stellt die erwarteten RAROCs von Institut A dar. Wie in Abschnitt 4.3.2 bereits mathematisch gezeigt wurde, erzielt A im unverrauschten Fall in jedem Si72
Dies wurde mit Absicht so gestaltet, um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu ermöglichen.
4.4. Empirische Ergebnisse
191
mulationslauf, in dem der Kunde den Kredit bei A abschließt, genau die Mindestvorgabe RAROC min = 10 %. Dies gilt somit auch für den erwarteten RAROC aller Simulationsläufe (man beachte die Vereinbarung RAROCk = 0 für den Fall, dass der Kunde sich in Simulationslauf k gegen A entscheidet).
(erwarteter) RAROC verrauscht ZjOverall ZjClass
P Dj
unverr.
0,015 % 0,045 % 0,090 % 0,265 % 0,875 % 4,525 % 12,355 % 58,500 %
10 % 10 % 10 % 10 % 10 % 10 % 10 % 10 %
9,166 % 8,159 % 7,220 % 5,082 % 1,139 % -11,545 % -30,884 % -83,605 %
9,166 % 9,669 % 9,562 % 8,704 % 7,728 % 0,221 % 0,119 % -83,605 %
Tabelle 4-9: Untersuchung einzelner Kredite an Neukunden: (Erwartete) RAROCs von A im unverrauschten und verrauschten Fall mittels ZjOverall bzw. ZjClass (je 10.000 Verrauschungen).
Im verrauschten Fall jedoch zeigt sich im Erwartungswert für jede untersuchte PD eine (z.T. deutliche) Zielverfehlung. Diese Verfehlung ist umso größer, je höher die untersuchte PD ist (mit Ausnahme der kleinsten PD im Falle der Verrauschung mittels ZjClass ). Im Falle der Verrauschung mit ZjOverall ist die Ergebniswirkung erneut deutlicher als im Falle der Verrauschung mit ZjClass . Hier zeigt sich also, dass der Winner’s Curse Effekt – wie bereits in Abschnitt 4.3.2 theoretisch nachgewiesen wurde – auch im Segment der Neukunden auftritt und zu einer erheblichen Zielverfehlung führen kann. Im Vergleich zum Fall eines Altkunden von B fällt die erwartete Zielverfehlung jedoch weniger ausgeprägt aus und bestätigt damit die auf S. 172 geäußerte Vermutung.73
73
Zu beachten ist hierbei, dass es sich bei der gewählten Zielgröße RAROC um eine relative Kennzahl handelt. Daher muss diese Beziehung nicht unbedingt für das (absolute) risikoadjustierte Nettoergebnis gelten.
192
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
4.4.2.5
Zusammenführung der Ergebnisse auf Einzelkreditebene
Bei der Untersuchung auf Einzelkreditebene finden im unverrauschten Fall weder Kündigungen von Altkunden von A noch Wechsel von Altkunden von B zu A statt. Somit gehen Altkunden von B nicht in die Ergebnisrechnung von A ein. In etwa der Hälfte der untersuchten Fälle schließt ein Neukunde einen Kreditvertrag bei A ab. Die RAROC-Zielvorgabe von A wird bei Altkunden von A und bei Neukunden im im unverrauschten Fall genau erreicht. Durch die Verrauschung der PDs ergibt sich stets ein erwarteter RAROC, der unterhalb der Zielvorgabe liegt. Dabei ist die Zielverfehlung tendenziell umso höher, je schlechter die Bonität des betrachteten Kreditnehmers ist, und fällt bei Verwendung der Noise-Zufallsgröße ZjOverall deutlicher aus als bei Verwendung von ZjClass . Altkunden von B können aufgrund der durch die Verrauschung ausgelösten Wanderungsbewegungen – je nach betrachteter PD liegt diese Zahl zwischen 0 % und etwa 6 % aller Fälle – in die Ergebnisrechnung von A eingehen; bei Neukunden ist dies ohnehin in etwa jedem zweiten Simulationsdurchlauf der Fall. Im Fall der Untersuchung einzelner Kredite bestätigen unsere Ergebnisse also die Folgerungen von Jankowitsch et al. (2007). Dass dies bei der Ermittlung des Ergebnisses auf Portfolioebene jedoch nicht der Fall ist, werden wir im folgenden Abschnitt sehen.
4.4.3
Ergebnisse auf Portfolioebene
Verteilungsannahme 1 (α = 0,7; β = 37,6) In Tab. 4-10 wird der RAROC von A im unverrauschten Fall sowie bei Verrauschung sämtlicher PDs mit ZjOverall bzw. ZjClass unter der PD-Verteilungsannahme 1 dargestellt. Darüber hinaus zeigen wir dort auch die Aufspaltung dieser Werte in die drei Kundensegmente Altkunden von A, Altkunden von B sowie Neukunden. Es werden jeweils der in dem Segment erreichte RAROC, die Anzahl der Migrationen (bei Neukunden: Abschlüsse bei A) und der Anteil des für dieses Segment benötigten Risikokapitals vom Risikokapital des Gesamtportfolios ausgewiesen.
4.4. Empirische Ergebnisse
Gesamtportfolio: RAROC Altkunden von A: Segment-RAROC Kündigungen Anteil ωA am Gesamt-Risikokapital Altkunden von B: Segment-RAROC Wechsel von B zu A Anteil ωB am Gesamt-Risikokapital Neukunden: Segment-RAROC Abschlüsse bei A Anteil ωN am Gesamt-Risikokapital
193 unverr. 10 %
verr. (ZjOverall ) 8,331 %
verr. (ZjClass ) 9,542 %
10 % 0 79,86 %
10,415 % 2 83,26 %
10,154 % 0 80,78 %
– 0 0%
-45,287 % 384 0,56 %
– 0 0%
10 % 2.513 20,14 %
-0,526 % 2.522 16,18 %
6,970 % 2.522 19,22 %
Tabelle 4-10: Untersuchung von Portfolios: RAROCs, Migrationen und Anteile am Gesamt-Risikokapital unter Verteilungsannahme 1: Unverrauscht und verrauscht mittels ZjOverall und ZjClass .
Im unverrauschten Fall finden keine Migrationen von Altkunden statt; etwa 50 % der Neukunden wählen das Angebot von A. Der erzielte RAROC beträgt sowohl auf Gesamtportfolioebene als auch in den hier zu berücksichtigenden Segmenten (Altkunden von A und Neukunden) genau RAROC min = 10 %, wie auch in Abschnitt 4.3.3 bereits theoretisch mit Hilfe der RAROC-Aggregationsformel nachgewiesen wurde. Im Unterschied zu den Ergebnissen bei der Untersuchung einzelner Kredite ergibt sich bei der Portfoliobetrachtung im verrauschten Fall im Segment der Altkunden von A eine Steigerung des RAROCs. Dass ein solches – auf den ersten Blick verblüffendes – Ergebnis möglich ist, wurde bereits in Bemerkung 4.63 ausgeführt und liegt daran, dass solche Fälle, in denen sich durch die Verrauschung eine Steigerung des RAROC ergibt, bei der Berechnung des RAROC auf Segmentebene stärker gewichtet werden. In den beiden anderen Kundensegmenten Altkunden von B sowie Neukunden resultiert durch die Verrauschung jeweils wieder eine z.T. deutliche Zielverfehlung (Ausnahme ist dabei das Segment der Altkunden von B im Fall der Verrauschung mit ZjClass , da sich in diesem Fall keine Ergebniswirkung für A ergibt). Der RAROC auf Gesamtportfolioebene setzt sich über die RAROC-Aggregationsformel aus
194
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Satz 2.12 aus den Ergebnissen der einzelnen Segmente mit Hilfe der jeweiligen Anteile am benötigten Gesamt-Risikokapital zusammen. Da der entsprechende Anteil bei den Altkunden von A bei über 80 % liegt, hat ihr Segment-RAROC einen großen Einfluss auf den Gesamt-RAROC: Zwar resultiert in den Segmenten der Altkunden von B und der Neukunden eine z.T. katastrophale Zielverfehlung, sofern eine Ergebniswirkung für A besteht; da diese jedoch nur mit einem sehr geringen Gewicht in den Gesamt-RAROC eingeht, liegt das Ergebnis auf Gesamtportfolioebene immerhin noch bei 8,331 % (ZjOverall ) bzw. bei 9,542 % (ZjClass ).
Verteilungsannahme 2 (α = 0,4; β = 19) Die Simulationsergebnisse für die Verteilungsannahme 2 finden sich in Tab. 4-11. Die Interpretation ist analog zu derjenigen bei Verteilungsannahme 1. Der GesamtRAROC bei Verwendung von PD-Schätzungen, welche mittels ZjOverall verrauscht wurden, ist allerdings geringfügig niedriger als bei Verteilungsannahme 1.
Gesamtportfolio: RAROC Altkunden von A: Segment-RAROC Kündigungen Anteil ωA am Gesamt-Risikokapital Altkunden von B: Segment-RAROC Wechsel von B zu A Anteil ωB am Gesamt-Risikokapital Neukunden: Segment-RAROC Abschlüsse bei A Anteil ωN am Gesamt-Risikokapital
unverr. 10 %
verr. (ZjOverall ) 7,984 %
verr. (ZjClass ) 9,542 %
10 % 0 79,29 %
10,522 % 22 82,97 %
10,197 % 0 80,59 %
– 0 0%
-50,864 % 352 0,56 %
– 0 0%
10 % 2.513 20,71 %
-2,790 % 2.502 16,47 %
6,825 % 2.502 19,41 %
Tabelle 4-11: Untersuchung von Portfolios: RAROCs, Migrationen und Anteile am Gesamt-Risikokapital unter Verteilungsannahme 2: Unverrauscht und verrauscht mittels ZjOverall und ZjClass .
Verteilungsannahme 3 (α = 1,4; β = 58) Die Simulationsergebnisse für die Verteilungsannahme 3 werden in Tab. 4-12 aufgeführt. Auch hier ist die Interpretation analog zu derjenigen bei Verteilungsannahme 1. Der Gesamt-RAROC bei Verwendung verrauschter PD-Schätzungen mit-
4.4. Empirische Ergebnisse
195
tels ZjOverall übertrifft denjenigen bei Verteilungsannahme 1 sogar leicht, der GesamtRAROC bei Verrauschung der PD-Schätzungen mittels ZjClass ist geringfügig kleiner als derjenige bei den Verteilungsannahmen 1 und 2.
Gesamtportfolio: RAROC Altkunden von A: Segment-RAROC Kündigungen Anteil ωA am Gesamt-Risikokapital Altkunden von B: Segment-RAROC Wechsel von B zu A Anteil ωB am Gesamt-Risikokapital Neukunden: Segment-RAROC Abschlüsse bei A Anteil ωN am Gesamt-Risikokapital
unverr. 10 %
verr. (ZjOverall ) 8,332 %
verr. (ZjClass ) 9,479 %
10 % 0 79,92 %
10,526 % 0 83,23 %
10,166 % 0 80,92 %
– 0 0%
-55,295 % 356 0,53 %
– 0 0%
10 % 2.513 20,08 %
-0,851 % 2.517 16,25 %
6,567 % 2.517 19,08 %
Tabelle 4-12: Untersuchung von Portfolios: RAROCs, Migrationen und Anteile am Gesamt-Risikokapital unter Verteilungsannahme 3: Unverrauscht und verrauscht mittels ZjOverall und ZjClass .
Verteilungsannahme 4 (α = 1,5; β = 1,3) Die Simulationsergebnisse für die Verteilungsannahme 4 finden sich in Tab. 4-13. Hier resultiert durch die Verrauschung der PDs in allen drei Kundensegmenten eine drastische Zielverfehlung. Dies folgt somit auch für den Gesamt-RAROC. Dass sich nun auch im Segment der Altkunden eine Zielverfehlung ergibt, lässt sich aus den Ergebnissen auf Einzelkreditebene ableiten: Dort wurde der erwartete RAROC ebenfalls mit Hilfe der Portfolio-Berechnungsmethode ermittelt, und es zeigte sich für die höchste untersuchte PD eine deutliche Zielverfehlung. Da die Qualität der Kredite unter der Verteilungsannahme 4 äußerst schlecht ist und fast alle Kredite in der schlechtesten Ratingklasse liegen (vgl. Abschnitt 2.4.3), kommt der Effekt der Ergebnissteigerung durch bonitätsmäßig gute Kredite hier nicht mehr zum Tragen, sondern wird durch den negativen Effekt bei bonitätsmäßig schlechten Krediten überkompensiert. Da die Qualität der Portfolios unter Verteilungsannahme 4 unrealistisch schlecht ist,74 haben die Ergebnisse dieses Falles allerdings nur beschränkte Relevanz für die bankbetriebliche Praxis. 74
Vgl. die Ausführungen in Abschnitt 2.4.3.
196
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Gesamtportfolio: RAROC Altkunden von A: Segment-RAROC Kündigungen Anteil ωA am Gesamt-Risikokapital Altkunden von B: Segment-RAROC Wechsel von B zu A Anteil ωB am Gesamt-Risikokapital Neukunden: Segment-RAROC Abschlüsse bei A Anteil ωN am Gesamt-Risikokapital
unverr. 10 %
verr. (ZjOverall ) -71,075 %
verr. (ZjClass ) -48,369 %
10 % 0 79,87 %
-63,099 % 4.003 70,77 %
-41,467 % 3.462 72,55 %
– 0 0%
-417,349 % 47 0,12 %
– 0 0%
10 % 2.513 20,13 %
-89,040 % 2.517 29,11 %
-66,613 % 2.517 27,45 %
Tabelle 4-13: Untersuchung von Portfolios: RAROCs, Migrationen und Anteile am Gesamt-Risikokapital unter Verteilungsannahme 4: Unverrauscht und verrauscht mittels ZjOverall und ZjClass .
4.4.4
Zusammenfassung und Weiterführendes
Im unverrauschten Fall wird der Mindest-RAROC auf Gesamtportfolioebene im Erwartungswert exakt erreicht; im verrauschten Fall wird er bei den gegebenen Verteilungsannahmen und Anzahlen an Kreditnehmern jedoch verfehlt. Da sich die Ergebnisse auf Gesamtportfolioebene mit Hilfe der RAROC-Aggregationsformel aus Satz 2.12 aus den Ergebnissen der einzelnen Segmente ableiten lassen, konnte untersucht werden, wie diese Verschlechterung des Ergebnisses zustande kommt: So ergibt sich im Segment der Altkunden von A – im Gegensatz zu den Ergebnissen auf Einzelkreditebene und im Gegensatz zu den Ergebnissen von Jankowitsch et al. (2007) – durch die Verrauschung der PDs eine Steigerung des RAROCs; dies resultiert aus den unterschiedlichen Berechnungsmethoden für den RAROC auf Einzelkredit- und Portfolioebene. Daher ist die Bezeichnung „Adverse Selection“ für die Ergebniswirkung im Segment der Altkunden nicht angebracht, da sich dort in allen betrachteten Fällen durch die Verrauschung der PD-Schätzungen eine Steigerung des RAROCs ergibt. In den Segmenten der Altkunden von B und der Neukunden hingegen resultiert auch im Portfoliokontext unter allen Verteilungsannahmen eine negative Ergebniswirkung.
4.4. Empirische Ergebnisse
197
Durch die in den oben untersuchten Beispielen resultierenden Aggregationsgewichte haben wir insgesamt Gesamt-RAROCs beobachtet, welche stets unterhalb der Zielvorgabe RAROC min lagen. Jedoch kann es bei anderen Anzahlen an Kreditnehmern in den einzelnen Segmenten auch zu einer Steigerung des Gesamt-RAROC kommen. Dass sich in den untersuchten Fällen stets eine (z.T. deutliche) Zielverfehlung auf Portfolioebene ergab, ist nämlich kein allgemeingültiges Ergebnis, sondern hängt von den gewählten Anzahlen an Kreditnehmern in den einzelnen Segmenten ab: Bei einer anderen Wahl dieser Anzahlen kann sich nämlich auch eine Steigerung des erwarteten Gesamt-RAROC ergeben, da sich dann die Aggregationsgewichte ändern. Ist die Anzahl der Altkunden von A im Vergleich zu den Anzahlen der Altkunden von B und Neukunden groß, so kann der positive Effekt der Verrauschung im Segment der Altkunden von A die negativen Effekte der Verrauschung in den anderen beiden Segmenten überkompensieren. Da sich im Segment der Altkunden von B eine äußerst deutliche Zielverfehlung ergibt, sobald Wechsel zu A auftreten, muss die Anzahl der Altkunden von B im Vergleich zur Anzahl der Altkunden von A sehr gering sein, damit der Gesamt-RAROC durch den Winner’s Curse Effekt nicht unter die Mindestvorgabe RAROC min liegt.
Gesamtportfolio: RAROC Altkunden von A: Segment-RAROC Kündigungen Anteil ωA am Gesamt-Risikokapital Altkunden von B: Segment-RAROC Wechsel von B zu A Anteil ωB am Gesamt-Risikokapital Neukunden: Segment-RAROC Abschlüsse bei A Anteil ωN am Gesamt-Risikokapital
unverr. 10 %
verr. mit ZjOverall 10,168 %
10 % 0 97,49 %
10,401 % 1 97,95 %
– 0 0%
-42,989 % 42 0,06 %
10 % 252 2,51 %
0,395 % 254 1,99 %
Tabelle 4-14: Untersuchung von Portfolios: RAROCs, Migrationen und Anteile am Gesamt-Risikokapital unter Verteilungsannahme 1 mit KreditAnzahlen nA = 10.000, nB = 1.000 und nN = 500: Unverrauscht und verrauscht mittels ZjOverall .
Mit den Anzahlen nA = 10.000, nB = 1.000 und nN = 500 z.B. ergibt sich unter der Verteilungsannahme 1 bei Verwendung von ZjOverall eine Steigerung des GesamtRAROC. Die Darstellung der entsprechenden Ergebnisse ist in Tab. 4-14 zu sehen.
198
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
Durch die sehr geringe Anzahl an Wechseln von Altkunden von B zu A (42) und Abschlüssen von neuen Krediten bei A (254) gehen die negativen Effekte der Verrauschung in diesen Segmenten nur mit sehr kleinen Gewichten in den Gesamt-RAROC ein, so dass der positive Ergebniseffekt des Segments der Altkunden von A bei der Berechnung des Gesamt-RAROCs überwiegt. Somit kann im Portfoliokontext – im Unterschied zur Betrachtung einzelner Kredite – keine allgemeine Aussage getroffen werden, ob eine Verrauschung der PDs einen negativen oder positiven Einfluss auf den Gesamt-RAROC besitzt, da dies entscheidend von den Anzahlen der Kredite in den einzelnen Segmenten abhängt. In der bankbetrieblichen Praxis ist jedoch denkbar, dass eine Verrauschung der PDs im Portfolio-Kontext einen negativen Effekt hat, da die Anzahl der Kreditnehmer von B sowie der Neukunden im Vergleich zur Anzahl der Altkunden von A durchaus hoch sein könnte.75 In den durchgeführten Simulationen hatte die Qualität des Kreditportfolios – mit Ausnahme von Portfolio 4, welches allerdings wenig Praxisrelevanz besitzt – keinen eindeutigen Einfluss auf das Ausmaß der Zielverfehlung bei Verrauschung der PDs – weder auf Gesamtportfolioebene noch in den einzelnen Segmenten. Ein solcher Zusammenhang war bei den Untersuchungen auf Einzelkreditebene noch festzustellen, er scheint auf Portfolioebene jedoch aufgrund der sich durch die Verrauschung ändernden RAROC-Aggregationsgewichte nicht mehr aufzutreten.
4.5
Zwischenfazit
Ausgangspunkt der Untersuchung in diesem Kapitel war die Frage, wie sich die Addition von White Noise zu den PD-Schätzern eines Instituts auf sein Ergebnis – gemessen anhand des risikoadjustierten Performancemaßes RAROC – auswirkt. Hierzu haben wir ein Modell vorgestellt, in dem zwei Kreditinstitute A und B und eine Anzahl von (potenziellen) Kreditnehmern existieren, welche bereits einen Kredit bei A oder B haben bzw. einen abschließen möchten. Anhand des in Abschnitt 4.2.3 hergeleiteten Preissetzungs-Mechanismus wurde zunächst das Bindeglied zwischen 75
In unserem Modell verkörpert das Kreditinstitut B den Wettbewerber von A. In der bankbetrieblichen Praxis existiert jedoch nicht nur eines, sondern eine Vielzahl an Wettbewerbern, so dass die Anzahl aller Altkunden der Wettbewerbsinstitute im Vergleich zur Anzahl der Altkunden von A sehr hoch sein kann.
4.5. Zwischenfazit
199
den institutsinternen PD-Schätzungen und den von den Kreditnehmern beobachtbaren Kreditkonditionen aufgezeigt. In Abschnitt 4.2.4 haben wir anschließend das Kreditnehmerverhalten bzgl. der Wahl des Kreditangebots eines der betrachteten Institute oder einer Beendigung (bzw. Nichtaufnahme) einer Kreditfinanzierung in Abhängigkeit von den seitens der Kreditnehmer beobachtbaren Kreditzinssätzen modelliert. Aus dem Modell wurden schließlich in Abschnitt 4.3 theoretische Folgerungen bzgl. der Ergebniswirkung einer White Noise Verrauschung der PD-Schätzungen für Institut A abgeleitet und in Abschnitt 4.4 anhand einer Simulationsstudie quantifiziert. So wurde gezeigt, dass durch die Verrauschung stets eine (z.T. deutliche) Zielverfehlung auf Einzelkreditebene resultiert. Dies konnte für die Kundensegmente Altkunden von B und Neukunden theoretisch und für sämtliche Kundensegmente empirisch nachgewiesen werden und stützt somit die Folgerungen von Jankowitsch et al. (2007) bzgl. des Segments der Altkunden von A. Im Portfoliokontext ergeben sich für Altkunden von A jedoch bei einer Vertragsgestaltung, welche die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung im Falle der Kündigung vorsieht, gegenteilige Ergebnisse zu Jankowitsch et al. (2007) (bei einer Vertragsgestaltung, bei der den Kreditnehmern aufgrund der Zinsanpassung ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt wird, ergibt sich ebenfalls eine Zielverfehlung). Dies konnte anhand der Simulationsstudie nachgewiesen werden: Hier resultiert durch die Verrauschung der PD-Schätzer eine Ergebnissteigerung auf Segmentebene. Mit Hilfe einer Aggregationsformel für den RAROC (welche im Segment der Altkunden von A i.A. nicht anwendbar ist) ließen sich die Ergebnisse der Segmente der Altkunden von B und der Neukunden auf Einzelkreditebene direkt auf den Portfoliokontext übertragen: In diesen Segmenten resultiert durch die Verrauschung der PD-Schätzungen eine Zielverfehlung auf Segmentebene, womit der eingangs formulierte Winner’s Curse Effekt nachgewiesen werden konnte. In den Simulationen wurde gezeigt, dass diese Zielverfehlung sehr deutlich sein kann. Auf Gesamtportfolioebene ergibt sich insgesamt kein einheitliches Bild, da – je nach gewählten Anzahlen der Kreditnehmer in den einzelnen Segmenten – sowohl positive als auch negative Ergebniswirkungen beobachtet werden. Eine Ergebnissteigerung ist dabei jedoch nur möglich, wenn die Anzahl der Neukunden und vor allem der Altkunden von B, die zu A wechseln, im Vergleich zur Anzahl der Altkunden von A sehr gering ist (in Tab. 4-14 beträgt die Anzahl der Altkunden von B mit 1.000
200
Kapitel 4. Winner’s Curse als mögliche Folge verrauschter PD-Schätzungen
etwa 8,7 % und diejenige der Neukunden mit 500 ca. 4,3 % der Anzahl sämtlicher betrachteter Kreditnehmer). Eine solche Konstellation ist in der bankbetrieblichen Praxis angesichts der möglicherweise hohen Anzahl an Altkunden der Konkurrenz zumindest fraglich, womit ebenfalls angezweifelt werden kann, ob Ergebnissteigerungen aufgrund der Verrauschung aller PD-Schätzungen in der Praxis auftreten können.76 Bzgl. des für die Kreditinstitute resultierenden Anreizes hinsichtlich der Verwendung verrauschter PD-Schätzungen bei einer Vertragsgestaltung mit Vorfälligkeitsentschädigung muss aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse differenziert werden: Weisen die Segmente der Altkunden des Konkurrenzinstituts und der Neukunden eine genügend hohe Anzahl an Kreditnehmern auf, so besteht für die Kreditinstitute der Anreiz, ein eventuelles natürliches Rauschen in ihren PD-Schätzungen zu eliminieren, da dieses Rauschen segmentübergreifend wirkt und sich somit auf die PD-Schätzungen sämtlicher Kreditnehmer auswirkt. Daher führt die Verbesserung des Schätzmodells zu einer Ergebnissteigerung auf Gesamtportfolioebene, wie sich als Umkehrschluss aus den gewonnenen Erkenntnissen ergibt. Dennoch – und dies ist kein Widerspruch – besteht unabhängig von den vorliegenden Segmentgrößen der Anreiz zu einer absichtlichen Verrauschung der PD-Schätzungen: Beschränkt sich das Institut nämlich mit der Modifikation der Schätzungen auf das Segment der eigenen Altkunden (und behält die PD-Schätzer der anderen Segmente bei), so kann es den Gesamt-RAROC durch den positiven Effekt der Verrauschung im Segment der eigenen Altkunden steigern. Ein solches Vorhaben darf den Kreditinstituten natürlich nicht unterstellt werden; es besteht aber zumindest der Anreiz hierzu. Zusammen mit den Erkenntnissen aus Kapitel 3 – dem Anreiz für die Verwendung verrauschter PD-Schätzungen zur Ausnutzung der aufgezeigten Regulierungsarbitragemöglichkeit – sollte dies für die Bankenaufsicht Grund genug sein, entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Im nächsten Kapitel untersuchen wir daher, welche Auswirkung das Vorliegen eines Weißen Rauschens auf die zur Validierung herangezogenen Größen hat und ob man diese Effekte mit Hilfe statistischer Methoden in der Praxis nachweisen kann.
76
An dieser Stelle muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass das Neugeschäft in der Praxis aufgrund von Kreditrationierung und anderen Überlegungen auch z.T. bewusst restriktiv gehandhabt wird. Darüberhinaus können in der Praxis auch Faktoren Einfluss auf das Kreditnehmerverhalten haben, welche hier nicht modelliert wurden.
Kapitel 5 Auswirkungen einer Verrauschung der PD-Schätzungen auf die Ergebnisse der quantitativen Modellvalidierung
5.1
Vorbemerkungen
In Kapitel 3 haben wir gezeigt, dass für Kreditinstitute ein Anreiz besteht, die regulatorische Eigenmittelanforderung für ihre Kreditrisiken durch die Verwendung verrauschter PD-Schätzer zu senken. Anschließend haben wir in Kapitel 4 analysiert, welchen Einfluss die Verwendung verrauschter PD-Schätzer auf das Verhalten der Kreditkunden hat. Dabei haben wir festgestellt, dass die Verwendung verrauschter PD-Schätzer im Segment der eigenen Altkunden bei einer Vertragsgestaltung, welche im Falle einer Kündigung die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung vorsieht, sogar zu einer Steigerung des Gesamt-RAROCs führen kann. Damit ist festzuhalten, dass die Ausnutzung der in Kapitel 3 aufgezeigten Regulierungsarbitragemöglichkeit aus Sicht der Kreditinstitute tatsächlich lohnend sein kann. Da die Verwendung verrauschter PD-Schätzungen zum Zweck der Senkung der Eigenmittelanforderung aus Sicht der Aufsicht jedoch nicht statthaft ist (vgl. die Ausführungen in Abschnitt 2.1.3), untersuchen wir in diesem Kapitel nun, welche Möglichkeiten bestehen, eine Verrauschung der PD-Schätzer mit statistischen Mitteln zu erkennen.
202 Kapitel 5. Auswirkungen einer Verrauschung auf die quantitative Validierung Dafür werden wir untersuchen, wie sich die Verrauschung der PD-Schätzungen auf die Ergebnisse der Modellvalidierung auswirkt. Hierbei überprüfen wir die in Abschnitt 2.3 vorgestellten, von der Aufsicht für die Validierung als relevant angesehenen Eigenschaften der Kalibrierung und der Trennschärfe des PD-Schätzmodells – zum einen im unverrauschten Fall und zum anderen im Falle einer Verrauschung der Schätzer durch die Addition von White Noise. Da wir die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge, welche dem unverrauschten Ratingsystem zugrunde liegen, nicht explizit modelliert haben, sondern die PD-Schätzungen als gegeben angenommen haben, ist eine Analyse der Auswirkung einer Verrauschung der PD-Schätzer auf die Stabilität des Modells im Rahmen unserer Untersuchung nicht möglich. Es ist jedoch anzunehmen, dass sich die Verrauschung negativ auf die Stabilität des Ratingverfahrens auswirkt: Besitzt das unverrauschte Ratingsystem beispielsweise eine angemessene Stabilität und wird die Bonität eines Kreditnehmers im unverrauschten Fall aufgrund der entsprechenden Ausprägungen der Risikofaktoren als gut eingeschätzt, so deutet z.B. eine verrauschungsbedingten Herabstufung der Bonität auf eine inadäquate Modellierung der Ursache-WirkungsBeziehungen hin. Daher sollte der Validierung der Stabilität in der praktischen Anwendung genügend Aufmerksamkeit geschenkt werden. Nach einigen theoretischen Vorüberlegungen im folgenden Abschnitt werden wir die Aspekte der Kalibrierung und Trennschärfe in Abschnitt 5.3 empirisch überprüfen. Da dies auf Einzelkreditebene nicht sinnvoll ist, wenden wir uns sogleich der Untersuchung der in Abschnitt 2.4.3 vorgestellten vier Kreditportfolios zu.
5.2 5.2.1
Theoretische Vorüberlegungen Kalibrierung
Wie in Abschnitt 2.3.2.1 bereits ausgeführt wurde, stellt die Überprüfung der Kalibrierung des PD-Schätzmodells ein wichtiges Instrument zur Validierung des Ratingsystems dar. Daher wollen wir nun anhand des in Abschnitt 2.3.2.1 vorgestellten Binomialtests prüfen, ob Ratingsysteme, welche mittels Addition von White Noise verrauscht sind, vom Binomialtest häufiger abgelehnt werden als unverrauschte. Liegt die Realisierung rj von Rj in Ratingklasse k, d.h. rj ∈ C˜k (mit C˜k aus Lemma 3.11), so liegen die verrauschten PD-Schätzungen bei der Verwendung einer
5.2. Theoretische Vorüberlegungen
203
White Noise Zufallsgröße Zj mit der Eigenschaft Xj = rj + Zj ∈ C˜k P -f.s. in derselben Klasse wie die unverrauschte PD-Schätzung; dies gilt insbesondere bei der Verwendung von ZjClass , vgl. Lemma 3.11. Damit ändert sich die Menge der Kredite in den einzelnen Klassen durch die Verrauschung nicht. Gleiches gilt daher auch für die beobachtete Anzahl an Ausfällen und somit für die beobachtete Ausfallrate jeder Klasse. Aufgrund der Erwartungswert erhaltenden Eigenschaft von ZjClass (vgl. Korollar 3.12 und Lemma 3.2 i)) ändert sich auch die prognostizierte mittlere PD der Klassen im Erwartungswert nicht. Damit erhalten wir bei Anwendung des Binomialtests zur Validierung der Kalibrierung der Ratingsysteme im Erwartungswert keinen Unterschied in den Testergebnissen des unverrauschten und des mittels ZjClass verrauschten Ratingsystems. Die White Noise Zufallsgröße ZjOverall besitzt zwar ebenfalls die Erwartungswert erhaltende Eigenschaft (vgl. Korollar 3.8 und Lemma 3.2 i)), jedoch werden Kredite bei der Verwendung des PD-Schätzers XjOverall = Rj +ZjOverall teilweise einer anderen Klasse zugeordnet als bei der Verwendung des Schätzers Rj , vgl. Tab. 3-2. Daher ist zu vermuten, dass sich die Verteilung der beobachteten Ausfallraten im verrauschten Fall gegenüber dem unverrauschten Fall ändert, was zu abweichenden Ergebnissen bei der Validierung der Kalibrierung mittels des Binomialtests führen sollte. Ein Kredit, welcher beispielsweise der besten Ratingklasse AAA zugeordnet ist, verbleibt bei der Addition von ZjOverall zum unverrauschten PD-Schätzer Rj mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in dieser Klasse.1 Kredite aus schlechteren Klassen werden bei einer Verrauschung der PD-Schätzung jedoch mit einer nicht zu vernachlässigenden Wahrscheinlichkeit ebenfalls der besten Klasse zugeordnet. Dadurch vermindert sich die durchschnittliche Bonität der Kredite in der besten Klasse, womit die erwartete Ausfallrate steigt. Würde die prognostizierte mittlere PD dieser Klasse gleich bleiben, so hätten diese Migrationen also einen negativen Effekt auf die Ergebnisse des Binomialtests, da die erhöhte Ausfallrate für eine Unterschätzung der mittleren PD spricht und somit eine Ablehnung des Modells begünstigt. Durch die Migrationen könnte sich sich jedoch auch die mittlere prognostizierte PD der Klasse ändern, so dass obige Vermutung im Rahmen im Rahmen einer empirischen Untersuchung zu analysieren ist. Aus Symmetriegründen sollten exakt die umgekehrten Wirkungseffekte für die schlechteste Ratingklasse D gelten, so dass dort eine Annahme des 1
Vgl. Tab. 3-2. Da die dort aufgeführten Werte für Kredite gelten, deren PDs exakt in der Intervallmitte des Ratingklassenintervalls liegen, ergeben sich nur ähnliche, nicht aber exakt gleiche Ergebnisse im Fall eines beliebigen Kredites in der betrachteten Klasse.
204 Kapitel 5. Auswirkungen einer Verrauschung auf die quantitative Validierung Modells durch die Verrauschung begünstigt werden sollte. Dies ist ebenfalls durch die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung zu prüfen. Aus theoretischer Sicht lassen sich somit je nach Ratingklasse gegenläufige Effekte einer Verrauschung der PD-Schätzer auf die Validierungsergebnisse der Modellkalibrierung vermuten, so dass kein eindeutiger Gesamteffekt existieren sollte. Untersucht man die Kalibrierung nicht nur auf Ratingklassen-, sondern auch auf Gesamtportfolioebene, so ergibt sich aus denselben Gründen wie schon bei dem ratingklassenkonformen Rauschen ZjClass , dass die Testergebnisse des verrauschten Ratingsystems bei Anwendung einer White Noise Zufallsgröße Zj mit der Eigenschaft Xj = Rj + Zj ∈ [0, 1] P -f.s., wie es bei ZjOverall und ZjClass der Fall ist, von denjenigen des unverrauschten Ratingsystems im Erwartungswert nicht abweichen. Die Identifikation eines möglichen White Noise Fehlers in einem Ratingsystem ist daher anhand der Validierung auf Gesamtportfolioebene nicht möglich.
5.2.2
Trennschärfe
In der Literatur zu Trennschärfemaßen finden sich zwar theoretische Ergebnisse zur Änderung der Verteilung der Gini-Koeffizienten bei Transformation der betrachteten Zufallsgrößen (in diesem Fall die PD-Schätzer Rj ); diese beziehen sich jedoch nur auf den Spezialfall einer monotonen Transformation, welche bei der Addition von White Noise mit positiver Varianz offensichtlich nicht vorliegt. Für allgemeine Transformationen lässt sich keine Aussage treffen, da sich die induzierten Verteilungen i.A. nicht bestimmen lassen.2 Es ist jedoch zu vermuten, dass sich die Addition von White Noise auf die PDSchätzer negativ auf die Trennschärfe des Ratingsystems auswirkt: Die Trennschärfe misst die Fähigkeit eines Ratingsystems, ex ante zwischen ausfallenden und nicht ausfallenden Kreditnehmern zu unterscheiden; diese Eigenschaft sollte sich durch die zusätzliche Einbeziehung eines Zufallsmechanismus nicht verbessern. Zur Überprüfung dieser Vermutung wurden empirische Studien durchgeführt, welche in Abschnitt 5.3.2 vorgestellt werden.
2
Vgl. etwa Piesch (1975), S. 65 ff., und insbesondere Fußnote 1 auf S. 65.
5.3. Empirische Ergebnisse
5.3
205
Empirische Ergebnisse
5.3.1
Kalibrierung
5.3.1.1
Vorgehensweise
Wie im vorigen Abschnitt bereits theoretisch ausgeführt wurde, ergibt sich im Erwartungswert kein Unterschied in den Testergebnissen des Binomialtests bei der Validierung der Kalibrierung des unverrauschten und des mittels ZjClass verrauschten Ratingsystems. Daher verzichten wir auf eine empirische Untersuchung dieses Falles und beschränken uns bei der Untersuchung der Kalibrierung auf die Verrauschung mittels ZjOverall . Gleiches gilt für die Validierung der Kalibrierung auf Gesamtportfolioebene. Bei der empirischen Analyse interpretieren wir die vorliegenden PDs – ebenso wie schon in den Kapiteln 3 und 4 – als tatsächliche Ausfallwahrscheinlichkeiten der Kreditnehmer und untersuchen zwei Szenarien, deren Ergebnisse wir später vergleichen werden: 1) Die PD-Schätzer Rj des Kreditinstituts sind perfekt, d.h. es gilt Rj ≡ P Dj für j ∈ I = {1, ..., n}. 2) Das Kreditinstitut verwendet für j ∈ I die mittels White Noise verrauschten PD-Schätzer Xj ∼ Rj + Zj , wobei entweder Zj = ZjOverall für alle j ∈ I oder Zj = ZjClass für alle j ∈ I gilt mit ZjOverall und ZjClass aus Abschnitt 3.2.1. Dabei erzeugen wir für die White Noise Zufallsgrößen einmalig Realisierungen und betrachten diese während der Untersuchung als fest gegeben. In beiden Szenarien simulieren wir anschließend die zufälligen Ausfallereignisse: Dabei wird für jeden der n Kredite das Ausfallereignis mit der tatsächlichen Ausfallwahrscheinlichkeit P Dj ausgelöst. Schließlich ermitteln wir für die beobachteten Ausfälle die Ergebnisse des in Abschnitt 2.3.2.1 vorgestellten Binomialtests in Szenario 1) und 2). Da die simulierten Ausfälle (auch bei Verwendung der perfekten PD-Schätzer) – und somit das Ergebnis des Binomialtests – zufallsabhängig sind, ist die wiederholte Durchführung der Ausfallsimulation mit anschließender Ermittlung des Testergebnisses nötig. Dabei wählen wir nSim = 10.000 als Anzahl der Simulationsläufe und untersuchen schließlich die Anzahl der Fälle, in denen das jeweilige Ratingsystem vom Binomialtest als korrekt kalibriert anerkannt wurde.
206 Kapitel 5. Auswirkungen einer Verrauschung auf die quantitative Validierung Analog zu den Untersuchungen in den vorigen Kapiteln betrachten wir die vier in Abschnitt 2.4.3 vorgestellten, jeweils aus n = 10.000 Krediten bestehenden Kreditportfolios. Da die Kreditvolumina und EADs für die Untersuchung der Kalibrierung nicht relevant sind, treffen wir bzgl. ihrer Höhe keine Annahme. Auch betrachten wir hier im Unterschied zu den Analysen in Kapitel 4 nur ein einziges Kreditinstitut, da die Wettbewerbssituation für diese Untersuchung unerheblich ist. Bzgl. der Ratingklassen betrachten wir das in Tab. 2-3 dargestellte Zuordnungsschema. Für jedes der vier Portfolios und jeweils jede der acht Ratingklassen gehen wir nun wie folgt vor: Anhand der vom Ratingsystem prognostizierten Anzahl an Krediten in der jeweiligen Klasse und der prognostizierten mittleren Ausfallwahrscheinlichkeit der Klasse bestimmen wir gemäß des Binomialtests zu einem vorgegebenem Konfidenzniveau 1 − ϑ die kritische Anzahl qϑ an Ausfällen, deren Überschreitung zu einer Ablehnung des Modells führt. Für jeden der nSim = 10.000 Simulationsläufe erzeugen wir dann jeweils unabhängige Ausfallereignisse gemäß den tatsächlichen PDs der Kredite und prüfen schließlich, ob die beobachtete Anzahl an Ausfällen oberhalb der kritischen Grenze liegt. Auf Basis dieser Beobachtungen halten wir fest, in wievielen der nSim Simulationsläufen das jeweilige Ratingsystem als korrekt (im Sinne der Aufsicht) anerkannt bzw. als nicht korrekt abgelehnt wurde, und ermitteln die jeweilige Akzeptanzquote des Modells, d.h. denjenigen Anteil aller Simulationsläufe, in denen das Modell als korrekt anerkannt wurde. Diese Vorgehensweise kann als Längsschnittanalyse aufgefasst werden, da wir die entsprechende Datenhistorie, welche 10.000 Jahren entspricht, durch die Simulationsdurchläufe generieren.3 Diese Analyse führen wir jeweils für ϑ = 1 % und ϑ = 5 % durch. Da wir die Ausfallereignisse in unseren Simulationen tatsächlich unabhängig realisieren, ist die Voraussetzung der stochastischen Unabhängigkeit für den Binomialtest erfüllt. Jedoch ist die Annahme der Homogenität der PDs innerhalb einer Klasse verletzt, so dass der Binomialtest nicht ganz exakte Ergebnisse liefert und die Resultate unserer Untersuchung daher vorsichtig zu interpretieren sind. Im folgenden Abschnitt stellen wir nun die Ergebnisse unserer Untersuchungen vor.
3
Bei dieser Interpretation liegt die Annahme von identischen Verteilungen in sämtlichen Jahren zugrunde.
5.3. Empirische Ergebnisse 5.3.1.2
207
Ergebnisse
Portfolio 1 In Tab. 5-1 sind für jede der acht Klassen jeweils für das unverrauschte und das einmalig mittels ZjOverall verrauschte Ratingsystem die mittlere PD sowie die mittlere und maximale Ausfallrate der nSim = 10.000 Ausfallsimulationen dargestellt.4
Klasse 1 2 3 4 5 6 7 8
mittlere PD-Schätzung verr. unverr. progn. tatsächl.
mittlere Ausfallrate unverr.
verr.
unverr.
verr.
0,01 % 0,04 % 0,09 % 0,25 % 0,82 % 3,12 % 9,87 % 20,86 %
0,01 % 0,04 % 0,09 % 0,25 % 0,82 % 3,12 % 9,87 % 20,84 %
0,22 % 0,34 % 0,45 % 0,71 % 1,27 % 2,95 % 7,17 % 12,50 %
0,42 % 1,46 % 1,08 % 0,84 % 1,50 % 4,31 % 17,58 % 100,00 %
1,02 % 1,69 % 1,84 % 1,50 % 2,13 % 4,21 % 13,85 % 46,15 %
0,01 % 0,04 % 0,09 % 0,25 % 0,79 % 3,24 % 10,65 % 21,00 %
0,22 % 0,34 % 0,45 % 0,71 % 1,27 % 2,95 % 7,18 % 12,50 %
maximale Ausfallrate
Tabelle 5-1: Mittlere PD-Schätzungen sowie mittlere und maximale Ausfallraten des unverrauschten und des gemäß ZjOverall verrauschten Ratingsystems in den einzelnen Klassen von Portfolio 1. Zwar ist ZjOverall so konstruiert, dass es die PD im Mittel nicht ändert; dies gilt aber nur auf Gesamtportfolioebene. Wie schon in Kapitel 3 gesehen, treten durch die Addition von ZjOverall signifikante Änderungen der Portfoliostruktur auf, d.h. der Anzahlen der Kredite in den jeweiligen Ratingklassen. Daher verändern sich durch die Addition von ZjOverall die mittleren PDs der Klassen – und zwar sowohl die prognostizierten als auch die tatsächlichen mittleren PDs. Durch die Verrauschung ändern sich die vom Ratingsystem prognostizierten mittleren PDs in den Klassen nur geringfügig: In den Klassen 1 bis 4 bleiben sie unverändert, in Klasse 5 resultiert aus der Verrauschung eine geringfügige Verminderung der prognostizierten mittleren PD und in den Klassen 6 bis 8 erhöht sich diese leicht durch die Verrauschung. Die auftretenden Unterschiede zum unverrauschten Fall sind jedoch sehr gering.
4
Die minimale Ausfallrate ist im Rahmen der Anwendung des hier gewählten einseitigen Binomialtests nur von geringem Interesse.
208 Kapitel 5. Auswirkungen einer Verrauschung auf die quantitative Validierung Bei den tatsächlichen PDs hingegen, die die jeweiligen Kredite besitzen, ergeben sich aufgrund der verrauschungsbedingten Änderung in der Zuordnung zu den Ratingklassen jedoch z.T. deutliche Verschiebungen: In den Klassen 1 bis 5 ist durch die Verrauschung im Vergleich zum unverrauschten Ratingsystem eine durchschnittliche Erhöhung der tatsächlichen mittleren PD zu beobachten, in den Klassen 6 bis 8 hingegen eine Verminderung. Dies korrespondiert mit dem bereits in Abschnitt 3.3.3.1 beobachteten Phänomen, dass durch die Verrauschung tendenziell Wanderungen in die äußeren Klassen stattfinden – heuristisch ausgedrückt werden durch diese Migrationen die mittleren tatsächlichen PDs der besseren Klassen durch das Hinzukommen schlechterer Kredite erhöht und umgekehrt die mittleren PDs der schlechten Klassen durch das Hinzukommen besserer Kredite vermindert. Die für die mittleren tatsächlichen PDs beobachteten Effekte übertragen sich direkt auf die mittleren Ausfallraten, was auch zu erwarten ist. Der auffallend hohe Wert für die maximale Ausfallrate im unverrauschten Fall in Klasse 8 dürfte an der Anzahl der Kredite in dieser Klasse liegen: Im unverrauschten Fall sind dies 3, so dass die maximale Ausfallrate von 100 % durch (mindestens einen) Simulationslauf hervorgerufen wurde, in dem 3 Kredite ausgefallen sind.5 In Tab. 5-2 sind die Ergebnisse des einseitigen Binomialtests aufgeführt, wie er in Abschnitt 2.3.2.1 dargestellt wurde. Als Konfidenzniveaus haben wir dabei 1 − ϑ = 99 % und 1 − ϑ = 95 % gewählt. Zur besseren Vergleichbarkeit haben wir anstelle der kritischen Werte qϑ für die Anzahl ND der Ausfälle die kritischen Werte qϑ für die Ausfallrate (Default Rate) DR :=
ND NKredite
angegeben.6 Dies ist aufgrund der
unterschiedlichen Anzahlen an Krediten im unverrauschten und verrauschten Fall zweckmäßig, da die kritischen Ausfallanzahlen als absolute Größen nicht vergleichbar sind. Mathematisch stellt dies kein Problem dar, denn das entsprechende Testpro-
5 6
Zu den erhaltenen Portfoliostrukturen vgl. Tab. 2-6. ND bezeichne analog zu den Ausführungen in Abschnitt 2.3.2.1 die Anzahl der beobachteten Ausfälle von Krediten, welche vom Ratingsystem in die betrachtete Klasse eingestuft wurden, und NKredite die vom Ratingsystem prognostizierte Anzahl an Krediten in der Klasse.
5.3. Empirische Ergebnisse
209
blem ist äquivalent.7 Die Werte der mittleren kritischen Ausfallraten qϑ verändern sich durch die Verrauschung zu beiden betrachteten Konfidenzniveaus auf analoge Weise wie die mittleren prognostizierten PDs: In den Klassen 1 bis 4 stimmen sie bei beiden Ratingsystemen überein, in Klasse 5 vermindert sich die mittlere kritische Ausfallrate geringfügig gegenüber dem unverrauschten Fall und in den Klassen 6 bis 8 erhöht sie sich. Abgesehen von den Klassen 1 bis 4, in denen die Verrauschung keine Auswirkung auf die kritische Ausfallrate hat, ändern sich die kritischen Ausfallraten genau in entgegengesetzter Richtung wie die mittleren tatsächlichen PDs.
Klasse 1 2 3 4 5 6 7 8
Konfidenzniveau 99 % mittleres qϑ Akzeptanzquote unverr. verr. unverr. verr.
Konfidenzniveau 95 % mittleres qϑ Akzeptanzquote unverr. verr. unverr. verr.
0% 0% 0% 0% 0,46 % 2,52 % 5,86 % 0%
0% 0% 0% 0,06 % 0,57 % 2,68 % 7,03 % 0%
0% 0% 0% 0% 0,39 % 2,56 % 7,18 % 3,85 %
94,35 % 88,88 % 66,65 % 2,18 % 1,73 % 1,03 % 1,43 % 49,41 %
18,07 % 24,16 % 6,43 % 0% 0% 9,46 % 55,37 % 14,52 %
0% 0% 0% 0,06 % 0,51 % 2,76 % 8,21 % 7,69 %
94,35 % 88,88 % 66,65 % 9,64 % 8,58 % 5,57 % 7,05 % 49,41 %
18,07 % 24,16 % 6,43 % 0,01 % 0,01 % 27,61 % 81,91 % 35,08 %
Tabelle 5-2: Ergebnisse der Binomialtests zu den Konfidenzniveaus 99 % und 95 % in den einzelnen Klassen von Portfolio 1.
Die Ergebnisse der Akzeptanzquoten lassen sich nun aus den Veränderungen der mittleren tatsächlichen PDs in Verbindung mit den Veränderungen der kritischen Ausfallraten ableiten: Da ein Ratingsystem genau dann als korrekt kalibriert akzeptiert wird, wenn die beobachtete Ausfallrate den kritischen Wert qϑ nicht überschreitet, resultiert in den Klassen 1 bis 5 aufgrund der durch die Verrauschung erhöhten mittleren tatsächlichen PD und der gleich gebliebenen (bzw. in Klasse 5 sogar gesunkenen) kritischen Ausfallrate für das verrauschte Ratingsystem eine deutlich 7
So ergibt sich die kritische Ausfallrate qϑ direkt durch Skalierung der kritischen Ausfallanzahl qϑ : P (ND ≤ qϑ ) = ϑ qϑ ⇐⇒ P N = ϑ. ≤ Kredite N Kredite
ND
= qϑ
Damit ist die Nullhypothese der (im aufsichtlichen Sinne definierten) Korrektheit des D Ratingsystems abzulehnen, wenn die Ausfallrate DR = NKNredite den Wert qϑ überschreitet.
210 Kapitel 5. Auswirkungen einer Verrauschung auf die quantitative Validierung geringere Akzeptanzquote als für das unverrauschte Ratingsystem. Der umgekehrte Effekt resultiert für die Klassen 6 und 7, in denen durch die Verrauschung ein Sinken der mittleren tatsächlichen PDs in Verbindung mit einem Anstieg der kritischen Ausfallrate zu beobachten ist. Dass der Wirkungseffekt, welcher in den Klassen 6 und 7 auftritt, nicht für Klasse 8 gilt, könnte an der geringen Anzahl von 3 Krediten in Klasse 8 im unverrauschten Fall liegen, welche die Interpretationsmöglichkeit der Ergebnisse sehr einschränkt. Für die Portfolios 2 bis 4, bei denen sich sowohl im unverrauschten als auch verrauschten Fall eine deutlich höhere Anzahl an Krediten in Klasse 8 befindet, ist zu vermuten, dass die Ergebnisse in Klasse 8 konform zu denjenigen in den Klassen 6 und 7 sind, d.h. dass sich dort durch die Verrauschung eine Erhöhung der Akzeptanzquote ergibt. Auffällig sind die deutlich unterschiedlichen Akzeptanzquoten des unverrauschten Ratingsystems in den einzelnen Klassen: Während die Akzeptanzquote in Klasse 1 bei 94,35 % liegt, beträgt sie in Klasse 6 nur etwa 1 %. Dies hat seine Ursache in der Gestalt der jeweiligen Binomialverteilung der Ausfälle (bzw. Ausfallraten) in den jeweiligen Klassen: In Klasse 1 beträgt die empirische mittlere PD ca. 0,0123 %.8 Daraus resultiert aufgrund der extremen Rechtsschiefe der Binomialverteilung B(473; 0,0123 %) der Ausfallanzahlen in Klasse 1 zum einen der kritische Wert q0,01 = 0 für die beobachtete Anzahl an Ausfällen,9 zum anderen beträgt die Wahrscheinlichkeit, mindestens einen Ausfall zu beobachten, ge · (0,0123 %)0 · (1 − 0,0123 %)473 ≈ 5,65 %. Da nau 1 − P (ND = 0) = 1 − 473 0 eine Ablehnung genau dann auftritt, wenn q0,01 überschritten wird, d.h. wenn mindestens ein Ausfall auftritt, beträgt die Wahrscheinlichkeit für eine Ablehnung des Modells ca. 5,65 % und umgekehrt die Wahrscheinlichkeit für eine Akzeptanz des Modells etwa 94,35 %. In Klasse 6 hingegen liegt die empirische mittlere PD bei etwa 3,1187 %, so dass die resultierende Binomialverteilung B(4.173; 3,1187 %) der beobachteten Anzahl der Ausfälle in Klasse 6 deutlich breiter und weniger rechtsschief ist und die kritische Ausfallanzahl zum Konfidenzniveau 1 − ϑ = 99 % bei q0,01 = 105 liegt. Damit beträgt die Wahrscheinlichkeit einer Überschreitung, und somit der Ablehung der Hypothese der korrekten Kalibrierung, also P (ND > 105) = 4.173 4.173 ·(3,1187 %)ν ·(1−3,1187 %)4.173−ν ≈ 99 % = 1−ϑ, woraus sich umgekehrt ν ν=106
eine Akzeptanzwahrscheinlichkeit von etwa ϑ = 1 % ergibt. 8
9
Zugunsten einer besseren Lesbarkeit wurden in den Tabellen nur zwei Nachkommastellen der Prozentdarstellung aufgeführt; im Text geben wir den Wert zur Verringerung von Rechenungenauigkeiten mit einer höheren Anzahl an Nachkommastellen an. Man beachte auch den in Fußnote 7 dargestellten Zusammenhang der kritischen Werte für die beobachteten Ausfälle und Ausfallraten.
5.3. Empirische Ergebnisse
211
Das Phänomen der unterschiedlichen Akzeptanzquoten hängt somit auch mittelbar mit der speziellen Wahl des betrachteten Portfolios zusammen, da es in den unterschiedlichen Gestalten der Verteilungen der beobachteten Ausfälle begründet liegt: In den besseren Klassen führt die extreme Rechtsschiefe, gepaart mit der Diskretheit der Verteilung, dazu, dass die kritische Ausfallanzahl zwar bei 0 liegt, aber auch nur mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit überschritten wird. In den schlechteren Klassen sorgt die breitere Gestalt der Verteilung dafür, dass die kritische Ausfallrate zum Konfidenzniveau 1 − ϑ tatsächlich mit einer entsprechenden Wahrscheinlichkeit von etwa 1 − ϑ überschritten wird. In der schlechtesten Klasse 8 hingegen führt die geringe Anzahl von 3 Krediten im unverrauschten Fall wiederum zu einer kritischen Ausfallanzahl von 0. Die Beobachtung der hohen Akzeptanzquoten in Klasse 8 sollte daher nur ein Ausreißer sein und in den Portfolios 2 bis 4, wie bereits im vorigen Absatz vermutet, konform zu den Ergebnissen in den Klassen 6 und 7 sein. Insgesamt hat die Verrauschung der PD-Schätzer somit keinen eindeutigen Effekt auf die Ergebnisse des Binomialtests: In den besseren Ratingklassen verschlechtert sich die Akzeptanzquote durch die Verrauschung im Vergleich zum unverrauschten Fall; in den schlechteren Klassen verbessert sie sich (mit Ausnahme der schlechtesten Klasse, für die aufgrund des geringen Stichprobenumfangs keine zuverlässige Aussage möglich ist). Zwar sollte die Kalibrierung eines Ratingsystems im Rahmen der Zulassung zum IRB-Ansatz grundsätzlich in sämtlichen Klassen gegeben sein; eine Ablehnung des Modells in einer Klasse führt jedoch nicht zwingend zur Ablehnung des Ratingsystems. Vielmehr ist das Ergebnis des gesamten Validierungsprozesses – und damit insbesondere auch die Resultate der qualitativen Modellvalidierung – für die Entscheidung bzgl. einer Zulassung ausschlaggebend. Daher kann im Rahmen der Validierung der Kalibrierung mit Hilfe des Binomialtests keine abschließende Aussage getroffen werden, ob ein Ratingsystem, das einen Fehlerterm in Form von White Noise beinhaltet, häufiger abgelehnt wird als ein unverrauschtes Ratingsystem.10
10
Wenn eine Akzeptanz des Ratingsystems in sämtlichen Klassen Voraussetzung zur Zulassung im IRB-Ansatz wäre, so würde das verrauschte Ratingsystem beispielsweise zum Konfidenzniveau von 99 % nie zugelassen werden, da es aufgrund der Testergebnisse in den Klassen 4 und 5 niemals akzeptiert wird. Im Gegensatz dazu wird das unverrauschte Ratingsystem mit positiver Wahrscheinlichkeit in allen Klassen als korrekt kalibriert eingestuft und somit akzeptiert.
212 Kapitel 5. Auswirkungen einer Verrauschung auf die quantitative Validierung Dennoch bleibt festzustellen, das auch das unverrauschte Ratingsystem – welches ja per Definition die korrekten Ausfallwahrscheinlichkeiten prognostiziert – in einigen Klassen außerordentlich häufig abgelehnt wird. In diesem Zusammenhang möchten wir jedoch darauf hinweisen, dass die Ablehnung der Hypothese einer korrekten Kalibrierung zum Konfidenzniveau 1 − ϑ beim hier angewendeten Binomialtest aus testtheoretischer Sicht nicht bedeutet – und ein solcher Interpretationsfehler wird häufig gemacht –, dass das Ratingsystem mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 − ϑ falsch kalibriert sei. Es bedeutet lediglich, dass es in diesen Fällen nicht möglich ist, die Korrektheit mit angemessener (gemäß der vorgegebenen Konfidenzniveaus) Sicherheit zu bestätigen. Dennoch stellt sich angesichts der hohen Fehlerwahrscheinlichkeit 2. Art in einigen Klassen, d.h. der hohen (empirischen) Wahrscheinlichkeit, ein korrektes Modell abzulehnen, die Frage, ob der Binomialtest in der hier angewendeten Form11 ein geeignetes Mittel darstellt, um die Kalibrierung eines Ratingsystems im Rahmen der Zulassung und weiteren Prüfung im IRB-Ansatz zu validieren. Eine Alternative hierzu würde eine umgekehrte Formulierung der Testhypothesen darstellen, bei der das Modell nur dann abgelehnt wird, wenn dies aus den Beobachtungen signifikant hervorgeht. Ein solcher Test würde einer Vorgehensweise entsprechen, die „im Zweifel für den Angeklagten“ entscheidet.12
11 12
D.h. mit der in Abschnitt 2.3.2.1 vorgenommenen Wahl der Hypothesen. Eine ebenfalls weniger harte Methode würde hierbei der in der Literatur vorgeschlagene Traffic Lights Approach darstellen (vgl. Bühler et al. (2002), S. 203 ff., Tasche (2003) und Blochwitz et al. (2005)), welcher bei der Regulierung von Marktpreisrisiken Anwendung findet: Dort wird ein Modell je nach Überschreitungshäufigkeit des prognostizierten VaR während der letzten 250 Handelstage in eine grüne, gelbe oder rote Zone eingestuft. Bei Modellen in der grünen Zone wird der Anrechnungsbetrag zur Eigenmittelanforderung (vereinfachend gesagt) gemäß der vom Modell prognostizierten VaR-Werte durch Multiplikation mit einem Gewichtungsfaktor von 3 festgelegt. Bei Modellen in der gelben Zone wird dieser Gewichtungsfaktor entsprechend der Anzahl der beobachteten Überschreitungen des VaR bis auf 3,85 erhöht. Bei Modellen in der roten Zone wird der maximale Gewichtungsfaktor von 4 angesetzt und das Kreditinstitut aufgefordert, das Modell zu verbessern, vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2006a), Anhang 10a, Tz. 27 ff. Die Aufsicht erwägt bereits eine Miteinbeziehung des Traffic Lights Approaches bei der Validierung von internen Modellen im IRB-Ansatz; sie betont jedoch, dass zurzeit keine Validierungstechnik zur adäquaten Überprüfung der Kalibrierung existiert, vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2005b), S. 34 f.
5.3. Empirische Ergebnisse
213
Sobald man das Konfidenzniveau verringert, um die Fehlerwahrscheinlichkeit 2. Art zu verringern, erhöht sich simultan die Fehlerwahrscheinlichkeit 1. Art, d.h. die Wahrscheinlichkeit, ein schlecht kalibriertes Ratingsystem als korrekt anzuerkennen. In Anhang A.3.1 haben wir beispielhaft für Portfolio 1 angegeben, welche Ergebnisse wir bei der Anwendung des Binomialtests zu den Konfidenzniveaus 50 % bzw. 10 % erhalten. Hier zeigt sich, dass sich die Annahmewahrscheinlichkeiten der beiden Ratingsysteme annähern, wenn das Konfidenzniveau gesenkt wird. In der Literatur wird sogar die grundsätzliche Eignung des Binomialtests zur Validierung im Rahmen des IRB-Ansatzes in Frage gestellt. Begründung ist die fehlende Berücksichtigung von Korrelationsstrukturen, vgl. z.B. Höse und Huschens (2003). Dieser Aspekt war in unserer Untersuchung jedoch unproblematisch, da die Ausfallereignisse zufällig realisiert wurden.
Portfolio 2 In Tab. 5-3 finden sich die in Portfolio 2 beobachteten Werte für die mittleren PDs und Ausfallraten des unverrauschten und des verrauschten Ratingsystems.
Klasse 1 2 3 4 5 6 7 8
mittlere PD-Schätzung verr. unverr. progn. tatsächl. 0,01 % 0,01 % 0,07 % 0,04 % 0,04 % 0,26 % 0,09 % 0,09 % 0,41 % 0,25 % 0,24 % 0,66 % 0,81 % 0,79 % 1,33 % 3,43 % 3,42 % 3,51 % 10,70 % 11,07 % 8,27 % 20,46 % 22,76 % 14,43 %
mittlere Ausfallrate
maximale Ausfallrate
unverr.
verr.
unverr.
verr.
0,01 % 0,04 % 0,09 % 0,25 % 0,81 % 3,43 % 10,69 % 20,50 %
0,07 % 0,26 % 0,41 % 0,66 % 1,33 % 3,51 % 8,25 % 14,38 %
0,21 % 0,89 % 0,84 % 0,87 % 1,62 % 4,71 % 16,60 % 44,83 %
0,41 % 1,44 % 1,49 % 1,55 % 2,64 % 5,03 % 12,84 % 28,95 %
Tabelle 5-3: Mittlere PD-Schätzungen sowie mittlere und maximale Ausfallraten des unverrauschten und des gemäß ZjOverall verrauschten Ratingsystems in den einzelnen Klassen von Portfolio 2.
214 Kapitel 5. Auswirkungen einer Verrauschung auf die quantitative Validierung Hier zeigen sich die gleichen Effekte, die auch schon im Rahmen der Untersuchungen von Portfolio 1 zu beobachten waren; einziger Unterschied zu den Ergebnissen in Portfolio 1 ist die Verschlechterung der mittleren prognostizierten PDs in den Klassen 1 bis 6 (statt 1 bis 5) und die „vernünftige“ Höhe der maximalen Ausfallraten in Klasse 8 (welche die Einschätzung stützt, dass es sich mit einer maximalen Ausfallrate von 100 % im unverrauschten Fall in Klasse 8 von Portfolio 1 aufgrund der geringen Kreditanzahl von 3 um einen Zufallseffekt handelt, vgl. auch die Ausführungen auf S. 210 f.). Daher verzichten wir auf eine erneute Interpretation. Tab. 5-4 zeigt die kritischen Werte und Testergebnisse des Binomialtests zu den Konfidenzniveaus 99 % und 95 %.
Klasse 1 2 3 4 5 6 7 8
Konfidenzniveau 99 % mittleres qϑ Akzeptanzquote unverr. verr. unverr. verr. 0% 0% 88,71 % 30,67 % 0% 0% 81,81 % 23,14 % 0% 0% 59,55 % 6,14 % 0% 0% 2,66 % 0% 0,41 % 0,39 % 1,68 % 0% 2,72 % 2,64 % 1,19 % 0,53 % 7,72 % 8,07 % 1,38 % 48,18 % 8,62 % 14,04 % 1,21 % 52,44 %
Konfidenzniveau 95 % mittleres qϑ Akzeptanzquote unverr. verr. unverr. verr. 0% 0% 88,71 % 30,67 % 0% 0% 81,81 % 23,14 % 0% 0% 59,55 % 6,14 % 0,07 % 0,06 % 12,07 % 0,02 % 0,50 % 0,49 % 5,88 % 0% 2,91 % 2,86 % 4,94 % 3,01 % 8,49 % 8,99 % 5,50 % 76,14 % 12,07 % 16,67 % 6,69 % 79,94 %
Tabelle 5-4: Ergebnisse der Binomialtests zu den Konfidenzniveaus 99 % und 95 % in den einzelnen Klassen von Portfolio 2.
Bis auf das Ergebnis zum Konfidenzniveau 1 − ϑ = 95 % in Klasse 8, bei dem sich die Akzeptanzquote durch die Verrauschung – wie im Rahmen der Untersuchung von Portfolio 1 bereits vermutet – erhöht, ergeben sich auch bei den Testergebnissen ähnliche Resultate wie in Portfolio 1.
Portfolio 3 In Tab. 5-5 sind die mittleren PDs und Ausfallraten des unverrauschten und des verrauschten Ratingsystems in den einzelnen Klassen von Portfolio 3 angegeben.
5.3. Empirische Ergebnisse
Klasse 1 2 3 4 5 6 7 8
mittlere PD-Schätzung verr. unverr. progn. tatsächl. 0,02 % 0,02 % 0,94 % 0,05 % 0,04 % 0,85 % 0,09 % 0,09 % 1,01 % 0,27 % 0,26 % 1,09 % 0,87 % 0,82 % 1,54 % 3,09 % 3,27 % 2,89 % 9,43 % 10,18 % 6,54 % – 20,05 % 11,32 %
215 mittlere Ausfallrate
maximale Ausfallrate
unverr.
verr.
unverr.
verr.
0,02 % 0,04 % 0,09 % 0,27 % 0,87 % 3,09 % 9,41 % –
0,94 % 0,84 % 1,01 % 1,09 % 1,54 % 2,89 % 6,53 % 11,36 %
4,35 % 5,88 % 1,98 % 1,25 % 1,66 % 4,10 % 18,54 % –
4,79 % 4,40 % 4,03 % 2,19 % 2,56 % 3,82 % 12,28 % 47,37 %
Tabelle 5-5: Mittlere PD-Schätzungen sowie mittlere und maximale Ausfallraten des unverrauschten und des gemäß ZjOverall verrauschten Ratingsystems in den einzelnen Klassen von Portfolio 3.
Dabei bedeutet der Eintrag „–“, dass die Berechnung des entsprechenden Wertes nicht möglich war, da in dieser Klasse kein Kredit beobachtet wurde.13 Auch hier ergeben sich ähnliche Resultate wie für die Portfolios 1 und 2.
Klasse 1 2 3 4 5 6 7 8
Konfidenzniveau 99 % mittleres qϑ Akzeptanzquote unverr. verr. unverr. verr. 0% 0% 99,51 % 16,74 % 0% 0% 98,48 % 20,84 % 0% 0% 91,11 % 4,54 % 0% 0% 11,17 % 0% 0,48 % 0,44 % 1,34 % 0% 2,58 % 2,68 % 1,02 % 20,44 % 4,88 % 7,02 % 0,97 % 70,68 % – 0% – 10,20 %
Konfidenzniveau 95 % mittleres qϑ Akzeptanzquote unverr. verr. unverr. verr. 0% 0% 99,51 % 16,74 % 0% 0% 98,48 % 20,84 % 0% 0% 91,11 % 4,54 % 0% 0,08 % 11,17 % 0% 0,59 % 0,55 % 6,79 % 0% 2,73 % 2,85 % 4,89 % 45,68 % 6,34 % 7,89 % 7,27 % 89,82 % – 5,26 % – 34,37 %
Tabelle 5-6: Ergebnisse der Binomialtests zu den Konfidenzniveaus 99 % und 95 % in den einzelnen Klassen von Portfolio 3.
Dies gilt ebenfalls für die in Tab. 5-6 dargestellten Ergebnisse des Binomialtests, wobei die Ergebnisse in Klasse 8 im verrauschten Fall aufgrund der geringen Anzahl an Krediten – wie auch in Portfolio 1 – wenig aussagekräftig sind.14 Im Unterschied 13 14
Vgl. dazu auch die Portfoliostrukturen in Tab. 3-6. In Klasse 8 befinden sich im verrauschten Fall 19 Kredite.
216 Kapitel 5. Auswirkungen einer Verrauschung auf die quantitative Validierung zu Portfolio 1 ist hier zu beachten, dass die Existenz von Krediten in Klasse 8 überhaupt erst durch die Verrauschung mittels ZjOverall verursacht wird.
Portfolio 4 In Tab. 5-7 finden sich die mittleren PDs und Ausfallraten des unverrauschten und des verrauschten Ratingsystems in den einzelnen Klassen von Portfolio 4. Wieder bedeutet der Eintrag „–“, dass die Berechnung des entsprechenden Wertes aufgrund einer Kreditanzahl von null in dieser Klasse nicht möglich war.15
Klasse 1 2 3 4 5 6 7 8
mittlere PD-Schätzung verr. unverr. progn. tatsächl. 0,02 % 0,02 % 23,40 % – 0,05 % 11,65 % – 0,08 % 7,04 % 0,25 % 0,27 % 17,92 % 0,83 % 0,89 % 16,64 % 4,89 % 4,38 % 20,68 % 12,62 % 12,43 % 25,88 % 58,25 % 63,67 % 60,38 %
mittlere Ausfallrate
maximale Ausfallrate
unverr.
verr.
unverr.
verr.
0,03 % – – 0,26 % 0,84 % 4,88 % 12,61 % 58,25 %
23,37 % 11,73 % 7,06 % 17,97 % 16,60 % 20,68 % 25,87 % 60,38 %
50,00 % – – 40,00 % 13,64 % 11,72 % 17,71 % 59,99 %
83,33 % 60,00 % 50,00 % 43,24 % 30,08 % 25,89 % 30,99 % 62,22 %
Tabelle 5-7: Mittlere PD-Schätzungen sowie mittlere und maximale Ausfallraten des unverrauschten und des gemäß ZjOverall verrauschten Ratingsystems in den einzelnen Klassen von Portfolio 4.
Die Ergebnisse sind – angesichts der schlechten Qualität von Portfolio 4, welche höhere mittlere PDs und somit höhere mittlere und maximale Ausfallquoten induziert – konform zu denjenigen in den Portfolios 1 bis 3. Jedoch fällt eine Besonderheit auf, welche zunächst nicht möglich zu sein scheint: Die mittleren tatsächlichen PDs erhöhen sich in sämtlichen Klassen durch die Verrauschung, obwohl die mittlere tatsächliche PD des Gesamtportfolios gleich bleibt. Dass ein solches verblüffendes Ergebnis möglich ist, resultiert aus der z.T. geänderten Zuordnung der Kredite zu den jeweiligen Klassen (würde keine solche Umverteilung stattfinden, so wäre dieser Effekt in der Tat nicht möglich). Ein einfaches Beispiel, das dies verdeutlichen soll, ist in Anhang A.3.2 angegeben.
15
Vgl. hierzu die Portfoliostrukturen in Tab. 3-6.
5.3. Empirische Ergebnisse
217
Tab. 5-8 zeigt die kritischen Werte und Testergebnisse der Binomialtests zu den Konfidenzniveaus 99 % und 95 %. Da die Ergebnisse ähnlich zu denen in den Portfolios 1 bis 3 sind, verzichten wir auch an dieser Stelle auf eine erneute Interpretation.
Klasse 1 2 3 4 5 6 7 8
Konfidenzniveau 99 % mittleres qϑ Akzeptanzquote unverr. verr. unverr. verr. 0% 0% 99,94 % 17,64 % – 0% – 46,35 % – 0% – 60,95 % 0% 0% 98,71 % 0% 0% 0% 83,09 % 0% 2,20 % 2,72 % 1,72 % 0% 9,66 % 9,91 % 1,09 % 0% 57,05 % 62,43 % 0,38 % 100,00 %
Konfidenzniveau 95 % mittleres qϑ Akzeptanzquote unverr. verr. unverr. verr. 0% 0% 99,94 % 17,64 % – 0% – 46,35 % – 0% – 60,95 % 0% 0% 98,71 % 0% 0% 0% 83,09 % 0% 2,93 % 3,15 % 7,83 % 0% 10,47 % 10,60 % 5,38 % 0% 57,40 % 62,79 % 3,14 % 100,00 %
Tabelle 5-8: Ergebnisse der Binomialtests zu den Konfidenzniveaus 99 % und 95 % in den einzelnen Klassen von Portfolio 4.
Gesamtergebnis Insgesamt hat sich in unserer Untersuchung gezeigt, dass sich die mittleren von den Ratingsystemen prognostizierten PDs der Klassen durch die Verrauschung mittels ZjOverall kaum ändern. Jedoch ändern sich die mittleren tatsächlichen PDs durch die Verrauschung: In den besseren Klassen erhöhen sie sich tendenziell, in den schlechteren Klassen verringern sie sich. Die umgekehrten Effekte gelten für die kritischen Ausfallraten (sofern sich eine Veränderung ergibt). Insgesamt resultiert daraus in den besseren Klassen im verrauschten Fall eine niedrigere Akzeptanzquote als im unverrauschten Fall und in den schlechteren Klassen genau der umgekehrte Effekt (mit Ausnahme der Ergebnisse der schlechtesten Klasse in Portfolio 1, deren Interpretationsmöglichkeit aufgrund des geringen Stichprobenumfangs jedoch sehr begrenzt ist).16 Angesichts der äußerst hohen relativen Fehlerhäufigkeit 2. Art in allen untersuchten Fällen, mit welcher das unverrauschte Ratingsystem – das ja nach Konstruktion die tatsächlichen PDs als Schätzungen angibt – abgelehnt wird, ist zu bezweifeln, ob 16
Der Fall einer Verrauschung mittels ZjClass wurde an dieser Stelle nicht untersucht, da bereits im vorigen Abschnitt auf theoretischer Basis festgestellt wurde, dass sich hierbei durch die Verrauschung im Erwartungswert keine Änderung der Testergebnisse ergibt.
218 Kapitel 5. Auswirkungen einer Verrauschung auf die quantitative Validierung der Binomialtest in seiner hier angewendeten Form ein geeignetes Mittel zur Validierung der Kalibrierung von Ratingsystemen darstellt. Bei einer Verminderung des Konfidenzniveaus beobachtet man eine Verringerung der Fehlerwahrscheinlichkeit 2. Art (auf Kosten der Fehlerwahrscheinlichkeit 1. Art, die sich in diesem Fall erhöht); für Konfidenzniveaus, bei denen die Fehlerwahrscheinlichkeit 2. Art in akzeptablen Größenordnungen liegt, tritt jedoch kein so deutlicher Unterschied in den Annahmewahrscheinlichkeiten der Ratingsysteme auf, wie es aus Sicht der Aufsicht vermutlich wünschenswert wäre. Eine Möglichkeit, die Grenze zwischen Ablehnung und Annahme eines Modells unschärfer zu gestalten, könnte der in der Literatur vorgestellte Traffic Lights Approach darstellen, welcher von der Aufsicht bereits als Validierungstechnik in Erwägung gezogen wird. Da auf Basis der Ergebnisse des Binomialtests keine Aussage möglich ist, wie sich eine Verrauschung der PD-Schätzungen insgesamt auf die Validierungsergebnisse der Kalibrierung auswirkt, ist im folgenden Abschnitt zu prüfen, ob sich im Rahmen der Untersuchung der Trennschärfe ein signifikanter Unterschied zwischen den Validierungsergebnissen des unverrauschten und dem verrauschten Ratingsystem feststellen lässt.
5.3.2
Trennschärfe
5.3.2.1
Vorgehensweise
Die verwendeten Daten und Annahmen bei der empirischen Untersuchung der Trennschärfe sind dieselben wie bei der Untersuchung der Kalibrierung im vorigen Abschnitt, d.h. wir betrachten die vier in Abschnitt 2.4.3 vorgestellten Kreditportfolios unterschiedlicher Güte mit jeweils 10.000 Krediten und nehmen an, dass die PDSchätzer Rj perfekt sind und die PD-Schätzer Xj = Rj + ZjOverall aus Rj durch Addition von White Noise hervorgehen. Dabei ziehen wir einmalig Realisierungen von ZjOverall und betrachten diese im weiteren Verlauf als fest gegeben. Da die Kreditvolumina und EADs für die Untersuchung der Trennschärfe irrelevant sind, treffen wir bzgl. ihrer Höhe auch hier keine Annahme. Aufgrund der Zufallsabhängigkeit der simulierten Ausfälle – und somit der ermittelten Gini-Koeffizienten – ist die wiederholte Durchführung der Ausfallsimulation mit anschließender Berechnung der zugehörigen Gini-Koeffizienten nötig; als Resultat erhalten wir die empirischen Verteilungen der Gini-Koeffizienten der beiden
5.3. Empirische Ergebnisse
219
Szenarien. Dabei wählen wir nSim = 10.000 als Anzahl der Simulationsläufe, um eine akzeptable Genauigkeit für die Approximation der tatsächlichen Verteilungen gewährleisten zu können. Unsere Untersuchung kann daher wie schon bei der Untersuchung der Kalibrierung als Längsschnittanalyse aufgefasst werden, da wir die entsprechende Datenhistorie durch die Simulationsdurchläufe generieren. In Abschnitt 2.3.2.2 wurde bereits angemerkt, dass die Validierung der Trennschärfe eines Ratingsystems mittels des Gini-Koeffizienten nur durch den Vergleich mit einem geeigneten Referenz-Ratingsystem geschehen kann. Daher werden wir die ermittelten Verteilungen der Gini-Koeffizienten des unverrauschten und des verrauschten Ratingsystems gegenüberstellen und prüfen, ob sie sich signifikant unterscheiden. Im Folgenden bezeichnen wir dazu mit R bzw. X das unverrauschte bzw. verrauschte Rating-System, d.h. die Menge der Schätzer Rj bzw. Xj für j ∈ I = {1, ..., n}:
5.3.2.2
R := (Rj )j∈I ,
(5-1)
X := (Xj )j∈I .
(5-2)
Ergebnisse
Verrauschung mittels ZjOverall Abb. 5.1 zeigt beispielhaft das Ergebnis eines Simulationslaufs in Portfolio 1. Hierbei ist gut zu erkennen, dass die Verrauschung in diesem Durchlauf einen negativen Effekt auf den Gini-Koeffizienten des Ratingsystems besitzt, da die resultierende CAP-Kurve unterhalb derjenigen des unverrauschten Ratingsystems liegt. Bei einer beobachteten Anzahl von 204 Ausfällen in diesem Simulationslauf beträgt der GiniKoeffizient des unverrauschten Ratingsystems 0,598; derjenige des mittels ZjOverall verrauschten Ratingsystems lediglich 0,482. Damit liegt auch der Gini-Koeffizient des unverrauschten Ratingsystems in diesem Simulationslauf deutlich unterhalb von 1. Der Wert von 0,598 erscheint zunächst sehr niedrig, da wir beim unverrauschten Ratingsystem ja gerade die tatsächlichen Ausfallwahrscheinlichkeiten als Rating verwendet haben; das Ergebnis ist jedoch plausibel, da die Ausfallereignisse zufallsabhängig sind und es daher z.B. äußerst unwahrscheinlich ist, dass exakt diejenigen 204 Kredite ausfallen, welche die 204 höchsten PDs besitzen.
220 Kapitel 5. Auswirkungen einer Verrauschung auf die quantitative Validierung 1
Anteil aller beobachteten Ausfälle
0.9 0.8 0.7 0.6 0.5 0.4 0.3 zufälliges Ratingsystem perfektes Ratingsystem unverrauschtes Ratingsystem verrauschtes Ratingsystem
0.2 0.1 0 0
0.1
0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 Anteil aller Kredite im Portfolio (PD absteigend)
0.9
1
Abbildung 5.1: CAP-Kurven des zufälligen, des perfekten, des unverrauschten und des mittels ZjOverall verrauschten Ratingsystems für Portfolio 1.
Das in Abb. 5.1 dargestellte Ergebnis beruht auf einem einzigen Simulationsdurchlauf und ist somit zufällig. Daher untersuchen wir nun die anhand der Monte-Carlo Simulationen ermittelten Verteilungen der Gini-Koeffizienten: Auf Basis der verwendeten Rating-Systeme R und X zeigt Tab. 5-9 den Erwartungswert sowie die Standardabweichung der resultierenden Gini-Koeffizienten GK(R), GK(X) und der (punktweise definierten) Differenz der Gini-Koeffizienten ΔGK := GK(X)−GK(R) bei einer 10.000-fachen Verrauschung mittels ZjOverall . Es ist zu erkennen, dass sich die Verrauschung der PD-Schätzer bei jedem der betrachteten Portfolios negativ auf die Trennschärfe des Ratingsystems auswirkt. Der erwartete Gini-Koeffizient liegt im verrauschten Fall stets deutlich unterhalb desjenigen im unverrauschten Fall; die Streuung der möglichen Gini-Koeffizienten nimmt bei einer Verrauschung geringfügig zu. Portfolio 1 2 3 4
Erwartungswert GK(R) GK(X) ΔGK 0,574 0,469 -0,105 0,686 0,601 -0,085 0,439 0,311 -0,128 0,593 0,486 -0,107
Standardabweichung GK(R) GK(X) ΔGK 0,030 0,035 0,027 0,023 0,027 0,020 0,031 0,036 0,032 0,008 0,009 0,007
Tabelle 5-9: Erwartungswerte und Standardabweichungen von GK(R), GK(X) und ΔGK bei Verrauschung mittels ZjOverall .
5.3. Empirische Ergebnisse
221
Auf den ersten Blick hat die Qualität des Portfolios keinen eindeutigen Einfluss auf die Verteilung der Gini-Koeffizienten; dies sollte intuitiv eigentlich auch so sein, da die Trennschärfe die Fähigkeit des Ratingsystems beschreibt, ex ante zwischen ausfallenden und nicht ausfallenden Krediten zu unterscheiden. Dennoch kann man sich anhand eines einfachen Gedankenbeispiels klar machen, dass die Verteilung der Gini-Koeffizienten aus konzeptionellen Gründen nicht unabhängig von der Güte des Portfolios sein kann: Betrachten wir als Beispiel ein Portfolio, dessen Qualität derart schlecht ist, dass sämtliche Kreditnehmer ausfallen, d.h. sämtliche Kreditnehmer besitzen eine Ausfallwahrscheinlichkeit von 1. Dann ist die Rangfolge, welche das betrachtete Ratingsystem den Krediten zuordnet, völlig irrelevant; selbst das perfekte Ratingsystem kann keine bessere Rangfolge prognostizieren als das zu beurteilende Ratingsystem. Daher resultiert bereits der Gini-Koeffizient 1 für das betrachtete Ratingsystem.17 Je mehr Kredite aber überleben, desto mehr mögliche Permutationen der Ausfallereignisse und mehr mögliche Realisierungen des Gini-Koeffizienten werden unterschieden. Man macht sich anhand einer Graphik klar (vgl. z.B. Abb. A.2 in Anhang A.1.3), dass bei einer gegebenen Anzahl von Ausfällen für einen geringen Gini-Koeffizienten mehr Ratingrangfolgen existieren, die zu diesem Koeffizienten führen, als für einen hohen Gini-Koeffizienten. Dadurch sinkt der Erwartungswert der Verteilung der Gini-Koeffizienten, wenn die Anzahl der nicht ausfallenden Kredite steigt – jedoch nur bis zu einem gewissen Punkt: Für Portfolios mit einer sehr guten Qualität gilt nämlich Ähnliches wie für Portfolios mit einer schlechten Qualität, wie man sich aus Symmetriegründen leicht erklären kann. Daher verschiebt sich die Verteilung der beobachtbaren Gini-Koeffizienten bei einer steigender Anzahl an beobachteten Ausfällen; jedoch nur, bis der Punkt erreicht ist, ab dem sie aufgrund der abnehmenden Portfolioqualität wieder steigt. Dies zeigt sich in den Simulationsergebnissen: Für das Portfolio 2, das die beste Qualität besitzt, ist der erwartete Gini-Koeffizient am höchsten, gefolgt von demjenigen in Portfolio 4, das die schlechteste Qualität besitzt. Bei den Portfolios 1 und 3, deren Qualität zwischen denjenigen der Portfolios 2 und 4 liegt, ergeben sich die niedrigsten erwarteten Gini-Koeffizienten. Interessant für unsere Untersuchung ist jedoch in erster Linie die Auswirkung der Verrauschung der PD-Schätzer auf die Trennschärfe des Ratingsystems (und nicht der Zusammenhang zwischen der Höhe des Gini-Koeffizienten und der Qualität des betrachteten Portfolios). Daher konzentrieren wir uns auf die Ergründung der er17
Mit der Festlegung von
0 0
als 1.
222 Kapitel 5. Auswirkungen einer Verrauschung auf die quantitative Validierung warteten Verschlechterung des Gini-Koeffizienten durch die Verrauschung. Diese Verschlechterung zeigt sich auch in den realisierten Minima und Maxima, welche wir in Tab. 5-10 angegeben haben: Die Spannbreite, d.h. die Differenz zwischen dem Maximum und Minimum der realisierten Werte, nimmt bei einer Verrauschung kaum zu, jedoch verschiebt sich das Intervall der Realisierungen z.T. deutlich nach links. Bei der punktweisen Betrachtung beobachten wir fast in sämtlichen Fällen eine Verringerung des Gini-Koeffizienten durch die Verrauschung. Einzige Ausnahme stellt die Verrauschung in Portfolio 1 dar, in dem sich in einzelnen Simulationsläufen auch eine geringfügige Steigerung des Gini-Koeffizienten ergibt.
Portfolio 1 2 3 4
GK(R) 0,457 0,603 0,292 0,560
Minimum GK(X) 0,332 0,495 0,176 0,435
ΔGK -0,227 -0,085 -0,268 -0,132
GK(R) 0,692 0,764 0,545 0,621
Maximum GK(X) ΔGK 0,588 0,004 0,698 -0,008 0,440 -0,019 0,520 -0,082
Tabelle 5-10: Beobachtete Minima und Maxima von GK(R), GK(X) und ΔGK im unverrauschten und verrauschten Fall bei Verrauschung mittels ZjOverall .
Zur graphischen Illustration der resultierenden Verteilungen von GK(R) und GK(X) stellen wir in den den Abbildungen 5.2 bis 5.3 die Histogramme und empirischen Verteilungsfunktionen von GK(R) und GK(X) dar.18 Die Verschiebungen der Verteilungen mit der einhergehenden leichten Erhöhung der Streuung durch die Verrauschung sind dort z.T. gut erkennbar. Noch deutlicher wird die Verschiebung des Erwartungswerts aber, wenn man die empirischen Verteilungsfunktionen in Abb. 5.3 betrachtet: Hier scheint in allen betrachteten Fällen eine stochastische Dominanz erster Ordnung vorzuliegen.19
18 19
Die beobachteten Gini-Koeffizienten wurden zur Darstellung der Histogramme jeweils in 15 Buckets eingeordnet. Eine Zufallsgröße X ist bzgl. der stochastischen Dominanz erster Ordnung mindestens so gut wie eine weitere Zufallsgröße Y , wenn für die zugehörigen Verteilungsfunktionen F X von X und F Y von Y die Beziehung F X (x) ≤ F Y (x) für alle x ∈ erfüllt ist, vgl. z.B. Schmid und Trede (2006), S. 239, und Levy (2006), S. 52 ff.
223
2500
2500
2000
2000
absolute Häufigkeit
absolute Häufigkeit
5.3. Empirische Ergebnisse
1500
1000
500
0
1500
1000
500
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0
0.8
0.2
0.3
GiniíKoeffizient
2000
2000
absolute Häufigkeit
absolute Häufigkeit
2500
1500
1000
500
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0
0.8
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0.8
GiniíKoeffizient
(2b) PF 2 – verrauschter Fall
2500
2500
2000
2000
absolute Häufigkeit
absolute Häufigkeit
0.8
500
1500
1000
500
1500
1000
500
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0
0.8
0.2
0.3
GiniíKoeffizient
0.4
0.5
0.6
0.7
0.8
GiniíKoeffizient
(3a) PF 3 – unverrauschter Fall
(3a) PF 3 – verrauschter Fall
2500
2500
2000
2000
absolute Häufigkeit
absolute Häufigkeit
0.7
1000
(2a) PF 2 – unverrauschter Fall
1500
1000
500
0
0.6
1500
GiniíKoeffizient
0
0.5
(1b) PF 1 – verrauschter Fall
2500
0
0.4
GiniíKoeffizient
(1a) PF 1 – unverrauschter Fall
1500
1000
500
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0.8
GiniíKoeffizient
(4a) PF 4 – unverrauschter Fall
0
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0.8
GiniíKoeffizient
(4b) PF 4 – verrauschter Fall
Abbildung 5.2: Histogramme der Verteilungen der Gini-Koeffizienten in den Portfolios 1 bis 4 im unverrauschten Fall und bei Verrauschung mittels ZjOverall .
224 Kapitel 5. Auswirkungen einer Verrauschung auf die quantitative Validierung 1
1 unverrauschtes Ratingsystem verrauschtes Ratingsystem
0.9
0.7
0.7
0.6
0.6
0.5
0.4
0.3
0.3
0.2
0.2
0.1
0.1 0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0
0.8
0.3
0.4
0.5
GiniíKoeffizient GK
(a) PF 1
(b) PF 2
1
1
0.9
0.9
0.8
0.8
0.7
0.7
0.6
0.6
0.5
0.4
0.3
0.3
0.2
0.6
0.7
0.8
0.6
0.7
0.8
unverrauschtes Ratingsystem verrauschtes Ratingsystem
0.5
0.4
0.2 unverrauschtes Ratingsystem verrauschtes Ratingsystem
0.1 0
0.2
GiniíKoeffizient GK
F(GK)
F(GK)
0.5
0.4
0
unverrauschtes Ratingsystem verrauschtes Ratingsystem
0.8
F(GK)
F(GK)
0.8
0.9
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0.1 0.8
0
0.2
0.3
0.4
0.5
GiniíKoeffizient GK
GiniíKoeffizient GK
(c) PF 3
(d) PF 4
Abbildung 5.3: Verteilungsfunktionen F der Gini-Koeffizienten in den Portfolios 1 bis 4 im unverrauschten Fall und bei Verrauschung mittels ZjOverall .
Durch einen Vergleich der empirischen Verteilungsfunktionen an allen relevanten Quantilstellen (d.h. der Vereinigung der Sprungstellen beider empirischer Verteilungsfunktionen) konnte die stochastische Dominanz erster Ordnung nachgewiesen werden, so dass sie nicht nur augenscheinlich gilt, sondern tatsächlich erfüllt ist. Um die Unterschiede der Verteilungen ebenfalls mit den statistischen Methoden zu prüfen, die von der Aufsicht im Rahmen der Validierung der Trennschärfe vorgeschlagen werden, wurde ein einseitiger Mann-Whitney-Tests zu den Hypothesen H0 :
Der erwartete Gini-Koeffizient des betrachteten Ratingsystems ist mindestens so hoch wie derjenige des Referenz-Ratingsystems.
H1 :
Der erwartete Gini-Koeffizient des betrachteten Ratingsystems ist geringer als derjenige des Referenz-Ratingsystems.
5.3. Empirische Ergebnisse
225
durchgeführt.20 Dabei wurde als Referenz-Ratingsystem das unverrauschte Ratingsystem verwendet. Da die Trennschärfe mittels eines nichtparametrischen Tests auf Basis eines einzigen Beobachtungspaares (GK(R), GK(X)) nicht validierbar ist,21 haben wir angenommen, dass die Aufsicht hierfür ein Referenzportfolio mit einer Historie von 10 Datensätzen besitzt, in denen jeweils festgehalten wurde, welche der 10.000 Kredite eines Portfolios ausgefallen sind und welche nicht.22 Für die Stichprobe, die aus 10 Beobachtungspaaren (GK(R), GK(X)) besteht, haben wir mit Hilfe von SPSS den p-Wert des einseitigen Mann-Whitney-Tests bestimmt. Da dieser natürlich von der konkreten Wahl der Stichprobe abhängt, haben wir dies nicht nur einmal, sondern 10 mal durchgeführt, so dass wir jeweils 10 p-Werte erhalten haben. Die verwendeten Stichproben wurden dabei zufällig, aber überschneidungsfrei gewählt. Diese Untersuchung haben wir schließlich für jedes der Portfolios 1 bis 4 durchgeführt. Bei der Verrauschung mittels ZjOverall ergab sich in jedem Portfolio für jede der 10 Stichproben ein p-Wert in einer Größenordnung, die von SPSS als 0 ausgegeben wurde. Damit ist es mit Hilfe dieses Tests also zu jedem üblichen Niveau möglich, die Nullhypothese abzulehnen, das betrachtete Ratingsystem habe einen mindestens so hohen erwarteten Gini-Koeffizienten wie das unverrauschte Ratingsystem. Mit statistischen Mitteln ist hier also eine signifikante Trennung der beiden Ratingsysteme möglich – angesichts des aus statistischer Sicht23 geringen Stichprobenumfangs von nur 10 Beobachtungen pro Ratingsystem ist dies beachtlich. 20
21
22
23
Zur vorgeschlagenen Verwendung des Mann-Whitney-Tests vgl. z.B. Tasche (2006), S. 19, Deutsche Bundesbank (2003), S. 74, Engelmann et al. (2003). In unserem Fall verwenden wir ihn jedoch nicht zur Ableitung von Konfidenzintervallen, sondern um die beiden betrachteten Ratingsysteme zu vergleichen. Hierfür wäre zwar ein Testverfahren für verbundene Stichproben zweckmäßig, da wir die Gini-Koeffizienten jeweils auf Grundlage der gleichen Kreditausfälle ermitteln, da es jedoch kein einseitiges nichtparametrisches Verfahren zum Testen zweier verbundener Stichproben gibt (der Wilcoxon-Vorzeichen-Rangtest ist zweiseitig), verwenden wir den einseitigen Mann-Whitney-Test für unverbundene Stichproben (und verschenken somit gezwungenermaßen Informationen). Im Unterschied hierzu wird z.B. beim Binomialtest, welchen wir im folgenden Abschnitt zur Validierung der Modellkalibrierung verwenden, eine konkrete Verteilungsannahme formuliert, so dass das Testen auf Basis einer einzigen Beobachtung möglich ist. Im Unterschied zum Marktrisikobereich hat man bei der Validierung von Ratingsystemen erheblich weniger Daten zur Verfügung, da Kreditereignisse i.d.R. in einem jährlichen Rahmen betrachtet werden. Eine Datenhistorie eines Kreditportfolios mit 10 Beobachtungspaaren dürfte daher schon als lang angesehen werden. Für die praktische Sicht siehe Fußnote 22.
226 Kapitel 5. Auswirkungen einer Verrauschung auf die quantitative Validierung Verrauschung mittels ZjClass Im Falle der Verrauschung mittels ZjClass , bei der die (bedingte) Varianz definitionsgemäß geringer ist als bei der Verrauschung mittels ZjOverall , zeigen sich ähnliche Ergebnisse wie im Falle der Verrauschung mit ZjClass ; sie sind jedoch weniger ausgeprägt. 1
Anteil aller beobachteten Ausfälle
0.9 0.8 0.7 0.6 0.5 0.4 0.3 zufälliges Ratingsystem perfektes Ratingsystem unverrauschtes Ratingsystem verrauschtes Ratingsystem
0.2 0.1 0 0
0.1
0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 Anteil aller Kredite im Portfolio (PD absteigend)
0.9
1
Abbildung 5.4: CAP-Kurven des zufälligen, des perfekten, des unverrauschten und des mittels ZjClass verrauschten Ratingsystems für Portfolio 1.
Abb. 5.4 zeigt beispielhaft die CAP-Kurven eines Simulationsdurchlaufs in Portfolio 1. Bei einer beobachteten Anzahl von 222 Ausfällen in diesem Simulationslauf beträgt der Gini-Koeffizient des unverrauschten Ratingsystems 0,574; derjenige des mittels Zjclass verrauschten Ratingsystems 0,560. Wie schon beim Fall der Verrauschung mittels ZjOverall zeigt sich auch bei der Addition von ZjClass eine Verschlechterung des Gini-Koeffizienten; diese ist jedoch im Vergleich zur Verwendung von ZjOverall weniger deutlich. Zur Untersuchung der Verteilungen der Gini-Koeffizienten geben wir in Tab. 5-11 den Erwartungswert sowie die Standardabweichung der GiniKoeffizienten GK(R), GK(X) und ΔGK = GK(X) − GK(R) bei einer 10.000fachen Verrauschung mittels ZjClass an. Auch hier ist zu erkennen, dass sich die Verrauschung der PD-Schätzer bei jedem der betrachteten Portfolios negativ auf die Trennschärfe des Ratingsystems auswirkt: Der erwartete Gini-Koeffizient liegt im verrauschten Fall stets unterhalb desjenigen im unverrauschten Fall. Die bereits im vorigen Abschnitt angesprochene Abhängigkeit der Gini-Koeffizienten von der Qualität des zugrunde liegenden Portfolios zeigt sich hier ebenfalls. Die Streuung der Gini-Koeffizienten nimmt durch die Verrau-
5.3. Empirische Ergebnisse
Portfolio 1 2 3 4
227
Erwartungswert GK(R) GK(X) ΔGK 0,574 0,686 0,439 0,593
0,560 0,678 0,415 0,524
-0,014 -0,008 -0,024 -0,069
Standardabweichung GK(R) GK(X) ΔGK 0,030 0,023 0,031 0,008
0,030 0,023 0,032 0,009
0,009 0,006 0,013 0,005
Tabelle 5-11: Erwartungswerte und Standardabweichungen von GK(R), GK(X) und ΔGK bei Verrauschung mittels ZjClass .
schung wie auch schon im vorigen Abschnitt zu; jedoch ist das Wachstum äußerst gering.24 Ähnliche Ergebnisse zum Fall der Verrauschung mittels ZjOverall erhalten wir auch für die realisierten Minima und Maxima der Gini-Koeffizienten und ihrer Differenzen, vgl. Tab. 5-12. Bei der Betrachtung der punktweisen Differenzen der Gini-Koeffizienten bzgl. einer Verrauschung mittels ZjClass stellt sich jedoch heraus, dass nicht nur in Portfolio 1, sondern auch in den Portfolios 2 und 3 Fälle auftreten, in denen der realisierte Gini-Koeffizient durch die Verrauschung leicht steigt.
Portfolio 1 2 3 4
GK(R) 0,457 0,603 0,292 0,560
Minimum GK(X) 0,438 0,586 0,267 0,491
ΔGK -0,050 -0,034 -0,084 -0,088
GK(R) 0,692 0,764 0,545 0,621
Maximum GK(X) ΔGK 0,673 0,020 0,754 0,012 0,529 0,022 0,558 -0,047
Tabelle 5-12: Beobachtete Minima und Maxima von GK(R), GK(X) und ΔGK im unverrauschten und verrauschten Fall bei Verrauschung mittels ZjClass .
Zur graphischen Illustration der resultierenden Verteilungen von GK(R) und GK(X) stellen wir in den den Abbildungen 5.5 bis 5.6 die Histogramme und empirischen Verteilungsfunktionen von GK(R) und GK(X) dar.25
24
25
Auch in den Portfolios 1 und 2 steigt die Standardabweichung durch die Verrauschung; ihre Zunahme ist bei der gewählten Genauigkeit von drei Nachkommastellen bei der Darstellung jedoch nicht zu sehen. Zur Darstellung der Histogramme wurden die beobachteten Gini-Koeffizienten jeweils in 15 Buckets eingeordnet.
2500
2500
2000
2000 absolute Häufigkeit
absolute Häufigkeit
228 Kapitel 5. Auswirkungen einer Verrauschung auf die quantitative Validierung
1500
1000
500
0
1500
1000
500
0.3
0.4
0.5 0.6 GiniíKoeffizient
0.7
0
0.8
2500
2500
2000
2000
1500
1000
500
0
0.3
0.4
0.5 0.6 GiniíKoeffizient
0.7
0
0.8
2500
2000
2000
1500
1000
0.3
0.4
0.5 0.6 GiniíKoeffizient
0.7
0.8
(2b) PF 2 – verrauschter Fall
absolute Häufigkeit
absolute Häufigkeit
0.8
500
500
1500
1000
500
0.3
0.4
0.5 0.6 GiniíKoeffizient
0.7
0
0.8
(3a) PF 3 – unverrauschter Fall 2500
2500
2000
2000
1500
1000
500
0.3
0.4
0.5 0.6 GiniíKoeffizient
0.7
0.8
(3a) PF 3 – verrauschter Fall
absolute Häufigkeit
absolute Häufigkeit
0.7
1000
2500
0
0.5 0.6 GiniíKoeffizient
1500
(2a) PF 2 – unverrauschter Fall
0
0.4
(1b) PF 1 – verrauschter Fall
absolute Häufigkeit
absolute Häufigkeit
(1a) PF 1 – unverrauschter Fall
0.3
1500
1000
500
0.3
0.4
0.5 0.6 GiniíKoeffizient
0.7
0.8
(4a) PF 4 – unverrauschter Fall
0
0.3
0.4
0.5 0.6 GiniíKoeffizient
0.7
0.8
(4b) PF 4 – verrauschter Fall
Abbildung 5.5: Histogramme der Verteilungen der Gini-Koeffizienten in den Portfolios 1 bis 4 im unverrauschten Fall und bei Verrauschung mittels ZjClass .
5.3. Empirische Ergebnisse
229 1
1 unverrauschtes Ratingsystem verrauschtes Ratingsystem
0.8
0.8
0.7
0.7
0.6
0.6
0.5
0.4
0.3
0.3
0.2
0.2
0.1
0.1 0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0
0.8
0.4
0.5
0.6
GiniíKoeffizient GK
(a) PF 1
(b) PF 2
1
1
0.9
0.9
0.8
0.8
0.7
0.7
0.6
0.6
0.5
0.4
0.3
0.3
0.2
0.7
0.8
0.7
0.8
unverrauschtes Ratingsystem verrauschtes Ratingsystem
0.5
0.4
0.2 unverrauschtes Ratingsystem verrauschtes Ratingsystem
0.1 0
0.3
GiniíKoeffizient GK
F(GK)
F(GK)
0.5
0.4
0
unverrauschtes Ratingsystem verrauschtes Ratingsystem
0.9
F(GK)
F(GK)
0.9
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0.1 0.8
0
0.3
0.4
0.5
0.6
GiniíKoeffizient GK
GiniíKoeffizient GK
(c) PF 3
(d) PF 4
Abbildung 5.6: Verteilungsfunktionen F der Gini-Koeffizienten in den Portfolios 1 bis 4 im unverrauschten Fall und bei Verrauschung mittels ZjClass .
Auch bei der Verrauschung mit ZjClass wurde die stochastische Dominanz erster Ordnung, welche sich gemäß Abb. 5.6 vermuten lässt, bestätigt. Bei der Verrauschung mittels ZjClass haben wir ebenfalls den im vorigen Abschnitt beschriebenen einseitigen Mann-Whitney-Test durchgeführt, um die Hypothese zu testen, das verrauschte Ratingsystem habe einen mindestens so hohen erwarteten Gini-Koeffizienten wie das unverrauschte Ratingverfahren. Anhand der oben abgebildeten Histogramme und Verteilungsfunktionen, bei denen erkennbar ist, dass die Verteilung der Gini-Koeffizienten durch die Verrauschung im Vergleich zum unverrauschten Fall deutlich weniger verschoben wird als bei der Verwendung von ZjOverall , ist zu vermuten, dass der statistische Nachweis dieser Verschiebung nicht derart signifikant wie bei der Verrauschung mittels ZjOverall möglich ist. Dies wird durch die Testergebnisse bestätigt: Bei 10 Testdurchläufen, in denen jeweils die erhaltenen
230 Kapitel 5. Auswirkungen einer Verrauschung auf die quantitative Validierung
Portfolio 1 2 3 4
Mittelwert 14,88 % 20,13 % 4,27 % 0
p-Werte Minimum 2,6 % 7,2 % 0,2 % 0
Maximum 24,1 % 31,5 % 14 % 0
Tabelle 5-13: Mittlerer, minimaler und maximaler p-Wert des Mann-WhitneyTests in den Portfolios 1 bis 4 bei Verrauschung mittels ZjClass .
Gini-Koeffizienten auf Basis eines Stichprobenumfangs von 10 Beobachtungen getestet wurden, zeigten sich die in Tab. 5-13 abgebildeten Mittelwerte sowie Minima und Maxima der erhaltenen p-Werte. In Portfolio 4 betrug der p-Wert stets null, da die beiden Verteilungen GK(R) und GK(X) disjunkte Träger besitzen (vgl. auch die beobachteten Minima und Maxima in Tab. 5-12 sowie die Histogramme der Verteilungen in Abb. 5.5 (4a) und (4b)). Die Nullhypothese, der erwartete Gini-Koeffizient des verrauschten Ratingsystems sei mindestens so hoch wie derjenige des unverrauschten Ratingsystems, kann somit zu jedem beliebigen Signifikanzniveau abgelehnt werden. In den Portfolios 1 bis 3 hingegen zeigt sich, dass die p-Werte zum einen sehr streuen – und somit eine starke Abhängigkeit vom jeweils betrachteten Datenpaar (GK(R), GK(X)) gegeben ist – und dass die Ablehnung der Nullhypothese z.T. nicht signifikant möglich ist. Zwar lässt sich die Streuung der beobachteten p-Werte vermutlich durch die Wahl eines größeren Stichprobenumfangs verringern; da wir jedoch absichtlich eine fiktive Datenhistorie von (nur) 10 Jahren gewählt haben, um eine realistische Entscheidungssituation der aufsichtlichen Praxis nachzuempfinden, haben wir von der Wahl einer längeren Beobachtungsreihe Abstand genommen. Bei den beobachteten p-Werten scheint ein Zusammenhang zwischen dem mittleren p-Wert und der Portfolioqualität zu bestehen: Je höher die Portfolioqualität ist, desto höher ist der zugehörige p-Wert und umso weniger signifikant sprechen die Ergebnisse somit gegen eine angemessene Trennschärfe des verrauschten Ratingsystems. Insgesamt zeigt sich auch durch die Verrauschung der PD-Schätzer mittels Addition von ZjClass eine Verschlechterung des Gini-Koeffizienten, bei der stochastische Dominanz erster Ordnung vorliegt. Diese Verschlechterung ist allerdings weniger ausgeprägt als bei der Verwendung von ZjOverall . Entsprechend waren die p-Werte
5.4. Zwischenfazit
231
des verwendeten Mann-Whitney-Tests in den als realistisch zu betrachtenden Portfolios deutlich höher als bei der Verrauschung mittels ZjOverall . Darüber hinaus scheint zwischen der Höhe der p-Werte und der Portfolioqualität ein eindeutiger Zusammenhang zu bestehen, gemäß dem der p-Wert sinkt (und somit eher signifikante Aussagen möglich sind), je schlechter die Portfolioqualität ist. Aus der geringen Abweichung der verrauschten Verteilung von der unverrauschten in den als realistisch anzusehenden Portfolios folgt für die Praxis, dass der Nachweis eines durch die Addition von ZjClass verursachten Rauschens in den PD-Schätzern – selbst wenn man geeignete Referenz-Ratingsysteme zur Ableitung von Konfidenzintervallen als gegeben annimmt – auf Basis der Trennschärfe im Unterschied zu ZjOverall sehr schwierig ist.
5.4
Zwischenfazit
In diesem Kapitel haben wir untersucht, wie sich die Verrauschung von PD-Schätzungen auf die statistischen Eigenschaften der Kalibrierung und Trennschärfe eines Ratingsystems auswirkt. Auf Basis theoretischer Überlegungen ließ sich feststellen, dass die Verrauschung mittels ZjOverall und ZjClass im Erwartungswert keinen Einfluss auf die Validierungsergebnisse der Kalibrierung auf Gesamtportfolioebene besitzt. Gleiches gilt für die Verrauschung mittels ZjClass auf Ratingklassenebene, da sich die Klassenzuordnung der Kredite durch die Anwendung von ZjClass nicht ändert und ZjClass Erwartungswert erhaltend ist. Für die Verrauschung mittels ZjOverall ließ sich auf theoretischer Basis keine eindeutige Auswirkung ableiten, da durch die Verrauschung je nach Ratingklasse gegenläufige Effekte resultieren. Für die Eigenschaft der Trennschärfe wurde jedoch ein negativer Effekt durch die Verrauschung mittels ZjOverall und ZjClass vermutet. Im Rahmen einer empirischen Untersuchung haben wir daher die Auswirkungen einer Verrauschung mittels ZjOverall auf die Kalibrierung auf Ratingklassenebene und die Auswirkungen einer Verrauschung mittels ZjOverall und ZjClass auf die Trennschärfe des betrachteten Ratingsystems untersucht. Bei der Validierung der Kalibrierung zeigte sich zum einen, dass sich die mittleren tatsächlichen PDs in den Ratingklassen durch die Verrauschung ändern. In den bes-
232 Kapitel 5. Auswirkungen einer Verrauschung auf die quantitative Validierung seren Klassen erhöhten sie sich, in den schlechteren Klassen sanken sie. Zusammen mit einer entgegengerichteten Änderung (bzw. dem Gleichbleiben) der kritischen Ausfallraten resultiert daraus, dass die Akzeptanzquote in den guten Ratingklassen für das unverrauschte Ratingsystem z.T. deutlich höher ist als für das verrauschte und dass in den schlechteren Klassen genau das Gegenteil der Fall ist. Aufgrund dieser gegenläufigen Effekte kann keine Aussage getroffen werden, wie sich die Verrauschung der PD-Schätzer insgesamt auf die Validierungsergebnisse der Kalibrierung auswirkt. Angesichts der z.T. sehr hohen beobachteten Fehlerwahrscheinlichkeit 2. Art ist darüber hinaus in Frage zu stellen, ob der Binomialtest in seiner hier angewendeten Form ein geeignetes Mittel zur Validierung der Kalibrierung von Ratingsystemen darstellt. Eine mögliche Alternative wäre eine umgekehrte Formulierung der Testhypothesen, so dass ein Ratingsystem nur dann abgelehnt wird, wenn die Beobachtungen eine signifikant hohe Ausfallrate zeigen. Bei der Untersuchung der Trennschärfe hat sich herausgestellt, dass sich die Verteilung der beobachtbaren Gini-Koeffizienten durch die Addition von White Noise ändert: Der Erwartungswert verringert sich z.T. deutlich und die Standardabweichung nimmt geringfügig zu. Insgesamt liegt bei den Verteilungen der Gini-Koeffizienten des unverrauschten und des verrauschten Ratingsystems eine stochastische Dominanz erster Ordnung vor. Im Falle der Verrauschung mittels ZjOverall kann die Nullhypothese, das verrauschte Ratingsystem besitzt einen mindestens so hohen erwarteten Gini-Koeffizienten wie das unverrauschte Ratingsystem, mit einem einseitigen Mann-Whitney-Test zu jedem Signifikanzniveau abgelehnt werden. Somit ergeben sich bei der Validierung der Trennschärfe signifikant schlechtere Testergebnisse für das verrauschte Ratingsystem im Vergleich zum unverrauschten Ratingsystem. Im Falle der Verrauschung mittels ZjClass jedoch sind signifikante Aussagen – zumindest für realistische Portfolios – kaum möglich, da sich die Verteilungen der möglichen Gini-Koeffizienten in diesem Fall nur wenig unterscheiden. Zu Beginn dieses Kapitels wurde die Vermutung formuliert, dass sich die Verrauschung signifikant auf die Stabilität des Ratingsystems auswirken sollte, da die korrekte Abbildung der Ursache-Wirkungs-Beziehungen durch eine Verrauschung gestört werden sollte. Diese Hypothese konnte im Rahmen dieser Arbeit aufgrund der als gegeben angenommenen PD-Schätzungen jedoch nicht überprüft werden und bietet daher einen Anknüpfungspunkt für weiterführende Untersuchungen.
Kapitel 6 Schlussbetrachtung Ausgangspunkt unserer Untersuchung war die Frage, ob für Kreditinstitute vor dem Hintergrund der Zulassung interner Ratingsysteme zur Ermittlung des regulatorischen Kapitalbedarfs im Baseler IRB-Ansatz Anreize bestehen, möglichst genaue Schätzer für die Ausfallwahrscheinlichkeiten ihrer Schuldner zu verwenden. Dabei wurde die Genauigkeit zweier Ratingsysteme anhand des in den PD-Schätzungen enthaltenen White Noise Fehlerterms verglichen, so dass ein Ratingverfahren in unserer Analyse ungenauer als ein zweites gilt, wenn es im Erwartungswert die gleichen Schätzungen liefert, jedoch im Vergleich zum genaueren Ratingsystem ein Rauschen beinhaltet und die PD-Schätzungen somit eine höhere Streuung aufweisen. In unserer Untersuchung haben wir uns auf Erwartungswert erhaltende Schätzfehler beschränkt, da im Falle von systematischen Fehlern keine durchschnittliche Korrektheit der Schätzungen gegeben ist und das Ratingsystem folglich nicht zum IRB-Ansatz zugelassen werden sollte. Nachdem in Kapitel 2 zunächst die Grundlagen vorgestellt wurden, auf denen die vorliegende Arbeit aufbaut, haben wir in Kapitel 3 untersucht, wie sich die Verrauschung der internen PD-Schätzer auf die regulatorische Eigenmittelanforderung gemäß des Baseler IRB-Ansatzes auswirkt. Dazu haben wir allgemein unter Ausnutzung von stochastischen Dominanzbeziehungen zweiter Ordnung nachgewiesen, dass die Addition von White Noise Zufallsgrößen Zj mit der Eigenschaft E(Zj |Rj ) = 0 P -f.s. auf den ursprünglichen PD-Schätzer Rj die IRB-Eigenmittelanforderung aufgrund der (für die meisten relevanten PDs gegebenen) Konkavität des IRB-Risikogewichts im Erwartungswert sowohl für einen einzelnen Kredit j als auch für das
234
Kapitel 6. Schlussbetrachtung
gesamte Kreditportfolio senkt. Weiter haben wir theoretische Grenzen angegeben, auf die sich die erwartete Eigenmittelanforderung durch Addition von White Noise senken lässt. Da wir das verfügbare regulatorische Kapital eines Kreditinstituts als knappen Faktor angenommen haben, resultierte aus dem nachgewiesenen Reduktionseffekt ein Anreiz für Kreditinstitute, möglichst verrauschte PD-Schätzer zu verwenden. Dabei ließen sich zwei Möglichkeiten für Kreditinstitute ableiten, diesen Effekt auszunutzen: Zum einen existiert die Möglichkeit der passiven Ausnutzung des Reduktionseffekts, bei der davon Abstand genommen wird, ein bestehendes Ratingsystem durch die Eliminierung oder zumindest durch die Verringerung des darin enthaltenen Rauschens zu verbessern. Zum anderen ergab sich aber auch die Möglichkeit einer aktiven Ausnutzung des Reduktionseffekts, indem auf bestehende PD-Schätzer absichtlich ein White Noise Fehlerterm addiert wird. Um zu quantifizieren, in welcher Größenordnung sich die Einsparung an Eigenmitteln im Falle der Verwendung verrauschter PD-Schätzer bewegt, wurden Monte-Carlo Simulationen durchgeführt. Diese haben gezeigt, dass sowohl auf Einzelkreditebene als auch im Portfoliokontext eine Einsparung möglich ist, die je nach konkreter Wahl der White Noise Zufallsgröße und nach Bonität des Schuldners bzw. Qualität des Kreditportfolios sehr unterschiedlich ausfallen kann und dass die Ausnutzung des Reduktionseffekts für Kreditinstitute tatsächlich lohnend sein kann. In Kapitel 4 wurde daraufhin die „Kehrseite der Medaille“ untersucht, indem analysiert wurde, welche Folgen die Verwendung verrauschter PD-Schätzungen für das Kreditinstitut haben kann. Dazu haben wir eine Modellwelt betrachtet, in der zwei konkurrierende Kreditinstitute existieren, von denen das eine die PDs der Kreditnehmer korrekt einschätzt und das andere in einem ersten Szenario ebenfalls korrekte PD-Schätzer verwendet, in einem zweiten Szenario jedoch PD-Schätzer benutzt, welche einen White Noise Fehlerterm beinhalten. Über den betrachteten Preissetzungsmechanismus, welcher auf der Grundlage der Bestimmung von Preisuntergrenzen arbeitet, übertrug sich das Rauschen der PD-Schätzungen unmittelbar auf die den Kreditnehmern angebotenen Kreditzinssätze. Unter der Annahme der Rationalität der Kreditnehmer wurde schließlich theoretisch nachgewiesen, dass durch die Verrauschung der PD-Schätzungen das Phänomen des Winner’s Curse auftritt, welches beim betrachteten Institut im Erwartungswert zu einer Verfehlung des vorgegebenen zu erreichenden Mindest-RAROC führt: Altkunden des Konkurrenzinstituts und Neukunden entscheiden sich nämlich nur für das Angebot des betrachteten Instituts, wenn ihnen dort – gemessen an ihrem tatsächlichen Ausfallrisiko – (deutlich) zu günstige Konditionen angeboten werden. Dies konnte sowohl auf Einzelkredit- als
Kapitel 6. Schlussbetrachtung
235
auch auf Portfolioebene nachgewiesen werden und wurde mit Hilfe von Monte-Carlo Simulationen bestätigt und quantifiziert. Im Segment der Altkunden des betrachteten Instituts hingegen konnte durch die Simulationen auf Einzelkreditebene ein negativer, auf Portfolioebene jedoch ein positiver Effekt nachgewiesen werden – daher ist die Bezeichnung Adverse Selection für die Kündigung der Altkunden aufgrund zu hoher Kreditzinssätze und die resultierende Ergebniswirkung nicht angebracht. Diese widersprüchliche Ergebniswirkung im Segment der Altkunden des betrachteten Instituts resultiert aus der Aggregationseigenschaft des RAROC, welche bei der Berechnung des Portfolio-RAROC durch die Verrauschung der PD-Schätzungen solchen Krediten mehr Gewicht verleiht, bei denen die Verrauschung zu einer Steigerung des RAROC führt. Auf Gesamtportfolioebene resultierte insgesamt für realistische Konstellationen bzgl. der Anzahlen an Kreditnehmern in den einzelnen Segmenten der eigenen Altkunden, der Altkunden des Konkurrenzinstituts sowie der Neukunden jedoch ein negativer Effekt durch die Verrauschung. Aus dem negativen Gesamteffekt und dem ihm entgegenstehenden positiven Effekt im Segment der Altkunden des betrachteten Instituts konnte folgende Anreizwirkung abgeleitet werden: Kreditinstitute haben auf der einen Seite einen Anreiz, ihr bestehendes Ratingsystem zu verbessern, indem sie ein darin enthaltenes natürliches Rauschen reduzieren, welches konzeptionell sämtliche PD-Schätzungen beeinflusst. Jedoch haben sie auf der anderen Seite auch einen Anreiz, ihr Ratingsystem zu verschlechtern, indem sie im Segment ihrer eigenen Altkunden ein künstliches Rauschen in das Ratingsystem bringen, um den dort nachgewiesenen positiven Effekt auszunutzen. Bei einer Vertragsgestaltung jedoch, bei der den eigenen Altkunden durch die Zinsanpassung ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt wird, resultiert durch die Verwendung verrauschter PD-Schätzer analog zu den Ergebnissen bzgl. der Neukunden im Erwartungswert eine Zielverfehlung. Da die Modifikation eines Ratingsystems durch Addition von White Noise im IRBAnsatz nicht zulässig ist und die aus den Untersuchungen insgesamt abgeleiteten Anreizeffekte aus Sicht der Regulierung somit nicht begrüßenswert sind, wurde in Kapitel 5 untersucht, ob auf Basis quantitativer Methoden eine Möglichkeit besteht, ein durch White Noise verrauschtes Ratingsystem von einem unverrauschten zu unterscheiden. Dazu wurden die von der Aufsicht für die Validierung vorgeschlagenen Eigenschaften der Kalibrierung und Trennschärfe untersucht und anhand von theoretischen Überlegungen und mittels Monte-Carlo Simulationen analysiert, wie sich die Verrauschung der PD-Schätzungen auf diese Eigenschaften jeweils auswirkt.
236
Kapitel 6. Schlussbetrachtung
Auf Basis theoretischer Überlegungen ergab sich die Feststellung, dass die Verrauschung mittels ZjOverall und ZjClass auf Gesamtportfolioebene im Erwartungswert keinen Einfluss auf die Validierungsergebnisse der Kalibrierung mittels des Binomialtests besitzt. Gleiches gilt für die Verrauschung mittels ZjClass auf Ratingklassenebene, weshalb für diese Fälle auf eine empirische Untersuchung verzichtet wurde. Für die Verrauschung mittels ZjOverall ließ sich auf theoretischer Basis aufgrund von gegenläufigen Effekten keine eindeutige Auswirkung ableiten. Diese gegenläufigen Effekte zeigten sich auch in den Ergebnissen der Simulationsstudie zur Modellvalidierung: In den besseren Klassen resultierte für das unverrauschte Ratingsystem eine z.T. deutlich höhere Akzeptanzquote bzgl. des Binomialtests, in den schlechteren Klassen trat genau der umgekehrte Effekt auf. Daher kann im Rahmen der Validierung der Kalibrierung keine Aussage getroffen werden, welchen Einfluss die Verrauschung eines Ratingsystems insgesamt auf seine Kalibrierung besitzt. Es ließ sich darüber hinaus feststellen, dass der verwendete Binomialtest – bei einem vorgegebenen akzeptablen Konfidenzniveau – zu einer sehr hohen Fehlerwahrscheinlichkeit 2. Art führt; um akzeptable Fehlerwahrscheinlichkeiten 2. Art zu erreichen, muss umgekehrt ein sehr niedriges Konfidenzniveau gewählt werden. Da der Unterschied der Annahmewahrscheinlichkeiten bei einem Konfidenzniveau, das zu annehmbaren Fehlerwahrscheinlichkeiten 2. Art führt, jedoch nicht derart deutlich ist, wie es aus Sicht der Regulierung vermutlich wünschenswert wäre, ist die Eignung des Binomialtests in seiner hier verwendeten Form zur Validierung der Modellkalibrierung in Frage zu stellen. Bei der Untersuchung der Trennschärfe wurde auf theoretischer Basis die Vermutung geäußert, dass sich eine Verrauschung negativ auf die Validierungsergebnisse auswirkt. Anhand von Monte-Carlo Simulationen konnte in der Tat empirisch gezeigt werden, dass die Verrauschung der PD-Schätzungen eine stochastische Dominanzbeziehung erster Ordnung der resultierenden Gini-Koeffizienten der Ratingsysteme impliziert und der erwartete Gini-Koeffizient im verrauschten Fall stets unterhalb desjenigen im unverrauschten Fall liegt. Mit Hilfe eines einseitigen Mann-WhitneyTests konnten im Falle der Verrauschung mittels ZjOverall diesbezüglich auch signifikante Aussagen getroffen werden; im Falle der Verrauschung mittels ZjClass war
Kapitel 6. Schlussbetrachtung
237
dies in den als realistisch anzusehenden Portfolios aufgrund der nur geringen Unterschiede der Verteilungen der unverrauschten und der verrauschten Gini-Koeffizienten jedoch kaum möglich. Im Rahmen dieser Arbeit konnte keine Analyse der Auswirkung der Addition von White Noise auf die Validierungsergebnisse der Modellstabilität durchgeführt werden, da die PD-Schätzungen als exogen gegeben angenommen wurden. Hier ist jedoch anzunehmen, dass sich eine Verrauschung signifikant auf die Stabilität des Modells auswirkt, da die Angemessenheit der Abbildung der Ursache-WirkungsBeziehungen durch die Addition von zufälligen Fehlertermen beeinträchtigt werden sollte. Auch wurde bereits in Abschnitt 3.4 vermutet, dass sich die Addition von White Noise negativ auf die Validierungsergebnisse der Konsistenz auswirkt, da Schuldnern bzw. Geschäften mit vergleichbarem Risikogehalt nach Addition von White Noise i.d.R. gerade nicht vergleichbare Ratingurteile zugeordnet werden. Somit bietet die vorliegende Arbeit Anknüpfungspunkte für einige weitergehende Untersuchungen: Zum einen wäre eine Analyse aufschlussreich, welche ausgehend von einem vorliegenden Ratingsystem mit bekanntem Wirkungsmechanismus die Auswirkungen der Addition von White Noise auf die Validierungsergebnisse der Stabilität und der Konsistenz untersucht, um die oben formulierten Vermutungen zu prüfen. Zum anderen sind auch Erweiterungen des in Kapitel 4 vorgestellten Modells denkbar: Hier wäre z.B. die Integration von Reputationseffekten interessant, welche die Kündigung eines Kunden aus Institutssicht weniger vorteilhaft erscheinen lassen sollten, als es in der jetzigen Modellform resultiert. Auch wäre eine Abwandlung, welche die PD-Schätzer des Konkurrenzinstituts nicht als perfekt, sondern ebenfalls als verrauscht modelliert, denkbar und realitätsnäher. Es könnte auch eine Annahme integriert werden, nach der Kreditrationierung auftritt, so dass die Kreditinstitute nicht unbedingt jedem potenziellen Interessenten einen Kredit anbieten. Da unsere Analyse auf der statischen Untersuchung beruht, welche Konsequenzen im Falle der Verwendung verrauschter PD-Schätzer resultieren, jedoch ausschließt, dass Kreditinstitute diese Konsequenzen bereits antizipieren, wäre nun interessant zu untersuchen, wie Kreditinstitute in Anbetracht der Ergebnisse dieser Arbeit im Rahmen der Preissetzung reagieren. Hier wäre ein spieltheoretisches Modell denkbar, das entsprechende Reaktionen des Wettbewerbers ebenfalls berücksichtigt.
238
Kapitel 6. Schlussbetrachtung
Schließlich könnten die Analysen des Kapitels 4, welche auf Basis der Anwendung des Baseler IRB-Ansatzes durchgeführt werden, auch auf Grundlage der Anwendung des Kreditrisikostandardansatzes durchgeführt werden. Hierbei entfällt offenbar die Ergebniswirkung der Verrauschung im Nenner des RAROCs, da die regulatorische Kapitalanforderung anhand externer Ratings ermittelt wird. Im Zähler des RAROCs sollte sich durch die Verrauschung jedoch eine Ergebniswirkung zeigen, sofern bankinterne PD-Schätzungen zur Festlegung der Kreditkonditionen verwendet werden, da sich die Verrauschung dann auf die erwarteten risikoadjustierten Nettoergebnisse auswirkt. Wir vermuten, dass sich auch bei der Anwendung des Kreditrisikostandardansatzes ähnliche Ergebnisse wie in unserer Analyse ergeben. Auch wäre interessant zu sehen, wie sich die Verrauschung der PD-Schätzer auf die Validierungsergebnisse des angesprochenen Traffic Lights Approaches auswirken, da dieser weniger konservativ sein sollte als der hier verwendete Binomialtest. Bei einer derartigen Analyse könnten auch Korrelationsstrukturen der Kreditausfälle zugrunde gelegt werden.
Anhang
A.1 A.1.1
Anhang zu Kapitel 2 Beweise der Lemmata aus Abschnitt 2.1.2.3.3
An dieser Stelle geben wir die Beweise der Lemmata 2.4, 2.5 und 2.6 aus Abschnitt 2.1.2.3.3 an.
Beweis von Lemma 2.4. Wegen ρ(P Dj ) → const ∈ (0, 1) für P Dj → 0 bzw. P Dj → 1 für alle Asset Klassen folgt +∞ für P Dj ↑ 1, Φ−1 (P Dj ) + ρj (P Dj ) · Φ−1 (0,999) → 1 − ρj (P Dj ) −∞ für P Dj ↓ 0,
(A-1)
und damit
Φ−1 (P D )+ ρ (P D )· Φ−1 (0,999) 1−1 = 0 für P Dj ↑ 1, j j j (A-2) − P Dj → Φ 1 − ρj (P Dj ) 0−0 = 0 für P Dj ↓ 0. Für P Dj = 1 erhält man mit der Bezeichnung B1 = 0,11852 MAj (P Dj )
=
MAj (1) =
Mj ≥1
≥
1 − 1,5 · B12 1 − 1,5 · B12
=
1.
1 + (Mj − 2,5) · B12 1 − 1,5 · B12
(A-3) (A-4) (A-5)
240
Anhang zu Kapitel 2
Wegen lim b(P Dj ) = + ∞ gelten für den Zähler und Nenner von MAj die folgenP Dj ↓0
den Grenzwertaussagen: lim 1 + (Mj − 2,5) · b(P Dj ) = + ∞,
(A-6)
lim 1 − 1,5 · b(P Dj ) = + ∞,
(A-7)
P Dj ↓0
P Dj ↓0
so dass aus der Regel von de l’Hospital 1 + (Mj − 2,5) · b(P Dj ) = P Dj ↓0 1 − 1,5 · b(P Dj ) lim
=
lim
P Dj ↓0
Mj − 2,5 = const ∈ −1,5
(Mj − 2,5) · b (P Dj ) P Dj ↓0 −1,5 · b (P Dj ) lim
,
(A-8) (A-9)
folgt. Insgesamt gilt somit lim Kj (P Dj ) = 0 und
(A-10)
lim Kj (P Dj ) = 0.
(A-11)
P Dj ↓0 P Dj ↑1
Beweis von Lemma 2.5. zu i): Im Fall Mj = 1 ergibt sich sofort MAj (P Dj ) ≡ 1, womit eine hebbare Singularität vorliegt. Sei daher Mj ∈ (1, 5] gegeben. Wir untersuchen nun, für welche Werte P Dj der Nenner von MAj (P Dj ) null ist, d.h. für welche Werte 1 − 1,5 · b(P Dj ) = 0 gilt. Diese Beziehung lässt sich mit den Bezeichnungen B1 = 0,11852 und B2 = 0,05478 umformen zu 1 − 1, 5 · b(P Dj ) ⇐⇒
b(P Dj )
⇐⇒
2
[B1 − B2 · ln(P Dj )]
⇐⇒
B1 − B2 · ln(P Dj )
B >0
ln(P Dj )
⇐⇒
P Dj
B + 0,6 1 P Dj = exp B2
2 ⇐⇒
⇐⇒
= 0
(A-12)
= 0,6
(A-13)
= 0,6 = ± 0,6 B1 ± 0,6 = B2
B ± 0,6 1 = exp B2
B − 0,6 1 ∨ P Dj = exp B2
(A-14) (A-15) (A-16) (A-17) (A-18)
A.1.1. Beweise der Lemmata aus Abschnitt 2.1.2.3.3
241
und damit P Dj ≈ 25,8695 · 106
∨ P Dj ≈ 2,92724 · 10−6.
(A-19)
∈[0,1] /
√
B − 0,6 von null verschieden ist, Da der Zähler von MAj (P Dj ) für P Dj = exp 1 B2 √
B1 − 0,6 P ol =: P D ∈ (0, 1) nicht definiert. ist MAj (P Dj ) für P Dj = exp B2 Analog zur obigen Äquivalenzumformung erhält man 1 − 1.5 · b(P Dj ) < 0 for P Dj < P DP ol
und
1 − 1.5 · b(P Dj ) > 0 for P Dj > P DP ol , und somit lim
MAj (P Dj ) = − ∞ und
lim
MAj (P Dj ) = + ∞
P Dj ↑P DP ol
P Dj ↓P DP ol
aufgrund der Eigenschaft 1 + (Mj − 2.5) · b(P D P ol ) > 0 für Mj > 1 (man beachte b(P D P ol ) = 0,6, vgl. die Umformung in den Zeilen (A-14) bis (A-18)).
zu ii): Analog zu Heithecker (2007), S. 80 f., sieht man, dass MAj auf dem Intervall (P D P ol , 1] antiton ist. Wegen MAj (1) ≥ 1 (vgl. die Formeln (A-3) bis (A-5)) folgt damit MAj (P Dj ) ≥ 1 für P Dj ∈ (P D P ol , 1], womit die Behauptung gezeigt ist.
Beweis von Lemma 2.6.
Φ−1 (P D )+√ρ (P D )·Φ−1 (0,999) j √ j j − P Dj Mit der Bezeichnung fj (P Dj ) := LGDj · Φ 1−ρj (P Dj )
zeigen wir die folgenden Behauptungen, aus denen sich die zu zeigende Aussage ergibt: 1) fj (P Dj ) > 0 für P Dj ∈ [P D P ol , 1) und LGDj ∈ (0, 1], 2) fj (P Dj ) ≤ 1 für P Dj ∈ (0, 1) und LGDj ∈ (0, 1].
242
Anhang zu Kapitel 2
zu 1): Zum Nachweis der 1. Behauptung nehmen wir augrund der Definition des IRBRisikogewichts Fallunterscheidungen bzgl. der Forderungsklasse vor. 1. Fall: Forderungen an Staaten, Banken und Unternehmen Nach Definition des IRB-Risikogewichts gilt ρj (P Dj ) = 0,12 · R(P Dj ) + 0,24 · (1 − R(P Dj )) + cSj = 0,24 − 0,12 · R(P Dj ) + cSj
(A-20) (A-21)
mit R(P Dj ) = cSj =
1 − exp(−50 · P Dj ) und 1 − exp(−50) S −5 −0,04 · (1 − j45 ) für Unternehmen, 0
für Staaten und Banken.
(A-22) (A-23)
Dabei gilt wegen der vorgegebenen Kappung 5 ≤ Sj ≤ 50 die Eigenschaft cSj ∈ [−0,04; 0]. R ist offensichtlich streng monoton wachsend in P Dj , womit ρj streng monoton fallend ist. Wegen R(0) = 0 gilt ρj (0) = 0,24 + cSj ≤ 0, 24 und wegen R(1) = 1 die Abschätzung ρj (1) = 0,12 + cSj ≥ 0, 08. Insgesamt ergibt sich daher 0,08 ≤ ρj (P Dj ) ≤ 0,24
für P Dj ∈ (0, 1).
(A-24)
Damit resultieren für P Dj ∈ (0, 1) folgende (grobe, aber zweckmäßige) Abschätzungen:1 0,28 < 7,79 <
1−
ρj (P Dj ) < 0,49 und
(A-25)
1 < 24,49, 1 − ρj (P Dj )
(A-26)
woraus insgesamt 2,18 <
1
1−
ρj (P Dj ) 1 − ρj (P Dj )
< 12,01
(A-27)
Hier und im Folgenden gilt: Bei sämtlichen Rundungen wurde jeweils in die richtige Richtung gerundet, um die entsprechenden Ungleichungen zu erhalten.
A.1.1. Beweise der Lemmata aus Abschnitt 2.1.2.3.3
243
für P Dj ∈ (0, 1) folgt. Daraus ergibt sich für P Dj ∈ (0, 1) −Φ−1 (0,999) · ρj (P Dj ) −37,12 < < −6,73. 1 − 1 − ρj (P Dj )
(A-28)
Aus Formel (A-28) lässt sich nun die behauptete Aussage herleiten: Wegen Φ−1 (P D P ol ) = -4,531779 > -6,73 gilt −Φ−1 (0,999) · ρj (P Dj ) < Φ−1 (P D P ol) 1 − 1 − ρj (P Dj )
(A-29)
für P Dj ∈ (0, 1). Da Φ−1 streng monoton wachsend ist, folgt damit schon −Φ−1 (0,999) · ρj (P Dj ) < Φ−1 (P Dj ) 1 − 1 − ρj (P Dj )
(A-30)
für P Dj ∈ [P D P ol , 1). Wegen 1−
1 − ρj (P Dj ) > 0 für P Dj ∈ (0, 1) ergibt sich hieraus durch Umformung
−Φ−1 (0,999) ·
ρj (P Dj ) < Φ−1 (P Dj ) − Φ−1 (P Dj ) ·
⇐⇒ Φ−1 (P Dj ) + Φ−1 (0,999) · ⇐⇒
Φ−1 (P Dj ) + Φ−1 (0,999) · 1 − ρj (P Dj )
1 − ρj (P Dj )
(A-31)
ρj (P Dj ) > Φ−1 (P Dj ) · 1 − ρj (P Dj ) (A-32) ρj (P Dj )
> Φ−1 (P Dj )
(A-33)
für P Dj ∈ [P D P ol , 1). Da Φ streng monoton wachsend ist, folgt für P Dj ∈ [P D P ol , 1) sofort
Φ−1 (P D ) + ρ (P D ) · Φ−1 (0,999) j j j > Φ Φ−1 (P Dj ) Φ 1 − ρj (P Dj ) = P Dj
Φ−1 (P D ) + ρ (P D ) · Φ−1 (0,999) j j j − P Dj > 0. =⇒ Φ 1 − ρj (P Dj ) Für LGDj ∈ (0, 1] folgt damit die Behauptung.
(A-34)
(A-35)
244
Anhang zu Kapitel 2
2. Fall: Retailforderungen: Hypothekenkredite und revolvierende Kredite Für Hypothekenkredite √ gilt ρj = 0,15, woraus sich anstelle der Formel (A-27) die Φ−1 (0,999)· ρj (P Dj ) √ Beziehung = -15,33527 ergibt. Eine analoge Argumentation wie 1−
1−ρj (P Dj )
im 1. Fall liefert daher die Behauptung. Für revolvierende Kredite ergibt sich wegen ρj = 0,4 die Beziehung
Φ−1 (0,999)· 1−
√
√
ρj (P Dj )
1−ρj (P Dj )
= -8,67089 und damit ebenfalls auf analoge Weise die Behauptung.
3. Fall: Retailforderungen: sonstige Kredite Für sonstige Retailkredite gilt Dj ) + 0,16 · (1 − R(P Dj )) ρj (P Dj ) = 0,03 · R(P Dj ) = 0,16 − 0,13 · R(P mit
Dj ) = 1 − exp(−35 · P Dj ) . R(P 1 − exp(−35)
(A-36) (A-37)
(A-38)
Aus R(0) = 0 und R(1) = 1 ergibt sich daher mit der (analog zu oben resultierenden) strengen Antitonie von ρj in P Dj 0,03 ≤ ρj (P Dj ) ≤ 0,16.
(A-39)
Hieraus resultieren folgende (wiederum z.T. grobe) Abschätzungen: 0,17 < 11,97 <
1−
woraus insgesamt
ρj (P Dj ) ≤ 0,4 und
2,03 <
1−
1 < 66,17, 1 − ρj (P Dj )
ρj (P Dj ) 1 − ρj (P Dj )
< 26,47
(A-40) (A-41)
(A-42)
für P Dj ∈ (0, 1) folgt. Daraus ergibt sich für P Dj ∈ (0, 1) −Φ−1 (0,999) · ρj (P Dj ) −81,80 < < −6,27. 1 − 1 − ρj (P Dj ) Eine analoge Argumentation wie oben liefert auch hier die Behauptung.
(A-43)
A.1.2. Sekantensteigungsverfahren zur numerischen Untersuchung von Kj
245
zu 2): Für P Dj > 0 erhält man
Φ−1 (P D ) + ρ (P D ) · Φ−1 (0, 999) j j j Φ − P Dj 1 − ρj (P Dj )
Φ−1 (P D ) + ρ (P D ) · Φ−1 (0, 999) j j j < Φ −0 1 − ρj (P Dj )
(A-44)
(A-45)
≤1
≤ 1.
(A-46)
Für LGDj ∈ (0, 1] folgt damit die Behauptung.
A.1.2
Sekantensteigungsverfahren zur numerischen Untersuchung von Kj
In Abschnitt 2.1.2.3.3 haben wir für verschiedene Parameterkonstellation bzgl. LGDj , Sj und Mj diejenige Untergrenze P Djmin,konkav angegeben, oberhalb derer das IRBRisikogewicht konkav ist. Diese Untergrenze wurde dabei jeweils numerisch ermittelt, indem die Ableitung von Kj lokal durch geeignete Sekantensteigungen approximiert wurde.2 Die Vorgehensweise entspricht also einer Diskretisierung mit anschließender linearer Interpolation. Die Stützstellen, an denen die jeweiligen Sekanten gebildet wurden, haben wir äquidistant gewählt; zur Erreichung einer adäquaten Genauigkeit bzgl. der Nachkommastellen von P Djmin,konkav – und, um nicht aufgrund einer zu groben Diskretisierung über die Singularität P D P ol „hinwegzugehen“, – wurde das Intervall [0,1] dabei in 1 Mio. disjunkte Teilintervalle gleicher Länge zerlegt. Zur numerischen Überprüfung der Konkavität wurden jeweils die Steigungen zweier angrenzender Sekanten verglichen. Da eine zweimal differenzierbare konkave Funktion dadurch charakterisiert ist, dass ihre zweite Ableitung negativ ist, stellt der kleinste Eckpunkt, oberhalb dessen (einschließlich) die Sekantensteigungen abnehmen, die gesuchte Untergrenze dar.
2
Man beachte, dass Kj im Intervall Djkonkav beliebig oft stetig differenzierbar ist; aufgrund des Mittelwertsatzes der Differentialrechnung entspricht die Sekantensteigung daher der Steigung von Kj an einer Stelle innerhalb des jeweiligen Intervalls.
246
Anhang zu Kapitel 2 f(p)
p p0
p1
p2
Abbildung A.1: Diskretisierung einer Funktion f und Approximation ihrer Ableitung durch die zugehörigen Sekantensteigungen.
Diese Vorgehensweise wird in Abb. A.1 für eine allgemeine Funktion f illustriert; der Wert p0 stellt bei der dort gewählten Diskretisierung die gesuchte Untergrenze innerhalb des betrachteten Bereichs dar.3 Zur Implementierung des Sekantensteigungsverfahrens wurde schließlich folgender Sachverhalt ausgenutzt: Betrachten wir einen Wert p1 ∈ (0, 1), für den wir numerisch überprüfen wollen, ob Kj in einer kleinen Umgebung von p1 konkav ist oder nicht. Da sich die Sekantensteigung im Intervall [p1 , p2 ] (mit p2 > p1 ) als
Kj (p2 )−Kj (p1 ) p2 −p1
ergibt,
beträgt die Differenz zweier aufeinander folgender Sekantensteigungen der Intervalle [p0 , p1 ] und [p1 , p2 ] (mit 0 < p0 < p1 < p2 < 1) ΔSteigungSek (p0 , p1 , p2 ) :=
Kj (p1 ) − Kj (p0 ) Kj (p2 ) − Kj (p1 ) − . p 1 − p0 p 2 − p1
(A-47)
Aufgrund der äquidistanten Zerlegung des Intervalls [0,1] gilt p1 − p0 = p2 − p1 =: Δp > 0, so dass sich ΔSteigungSek (p0 , p1 , p2 ) schreiben lässt als
3
In „pathologischen“ Fällen kann es durch stark unterschiedliche Krümmungen vorkommen, dass nicht der unterste Eckpunkt, welcher eine negative Differenz der Sekantensteigungen aufweist, die gesuchte Untergrenze darstellt, sondern der nächst höhere liegende Wert. Aufgrund der Feinheit der Unterteilung des Intervalls [0, 1] in 1 Mio. Teilintervalle beträgt der mögliche Fehler bei der Wahl des unteren Wertes allerdings höchstens 1 · 10−6 . Im Übrigen treten Rundungsfehler bei der gewählten Schrittweite nicht in Erscheinung, da mit einer genügend hohen Rechengenauigkeit von mehr als 10−15 gearbeitet wurde.
A.1.3. Unterschiedliche CAP-Kurven mit gleichem Gini-Koeffizienten ΔSteigungSek (p0 , p1 , p2 ) = =
247
Kj (p1 ) − Kj (p0 ) Kj (p2 ) − Kj (p1 ) − Δp Δp
(A-48)
2 · Kj (p1 ) − Kj (p0 ) − Kj (p2 ) . Δp
(A-49)
Auf die Division durch Δp > 0, welche zum einen Rechenungenauigkeiten begünstigt, zum anderen auch Rechenzeit beansprucht, kann verzichtet werden, da wir uns zum numerischen Nachweis der Konkavität nur für das Vorzeichen des Ausdrucks in (A-49) interessieren. Daher gilt Kj in einer kleinen Umgebung von p1 numerisch als konkav, falls 2 · Kj (p1 ) − Kj (p0 ) − Kj (p2 ) ≥ 0 bzw. äquivalent
(A-50)
Kj (p0 ) − 2 · Kj (p1 ) + Kj (p2 ) ≤ 0
(A-51)
ist – und entsprechend konvex im Fall Kj (p0 ) − 2 · Kj (p1 ) + Kj (p2 ) ≥ 0. Die Vorgehensweise der numerischen Überprüfung der Konkavität anhand der Sekantensteigungen ist dabei nicht nur intuitiv zweckmäßig, sondern auch mathematisch fundiert: In der numerischen Mathematik ist es eine gängige Vorgehensweise, eine zweimal stetig differenzierbare Funktion lokal durch Näherungspolynome zu approximieren. Um die zweite Ableitung der Funktion zu approximieren, ist dabei die Verwendung eines Polynoms 2. Grades zweckmäßig. Approximiert man Kj an der Stelle p1 durch ein Näherungspolynom 2. Grades, das mit Hilfe der Funktionswerte an den Stellen p0 = p1 − Δp, p1 und p2 = p1 + Δp mit Δp > 0 ermittelt wurde, so erhält man Kj (p1 ) ≈
Kj (p0 ) − 2 · Kj (p1 ) + Kj (p2 ) , (Δp)2
(A-52)
vgl. z.B. Schwarz und Köckler (2006), S. 103. Falls dieser Ausdruck kleiner oder gleich null ist, ist die Konkavität von Kj in einer kleinen Umgebung von p1 numerisch nachgewiesen worden. Hierbei ist also nur das Vorzeichen des Ausdrucks (A-52) relevant; seine Negativität ist wegen (Δp)2 > 0 wiederum äquivalent zur Beziehung (A-50).
248
A.1.3
Anhang zu Kapitel 2
Illustration unterschiedlicher CAP-Kurven mit gleichem Gini-Koeffizienten
In den folgenden Abbildungen skizzieren wir jeweils die CAP-Kurven unterschiedlicher Ratingsysteme, welche zum gleichen Gini-Koeffizienten führen. Zu beachten ist dabei, dass die dunkelgraue Fläche im vierten Beispiel, welche unterhalb der CAPKurve des zufälligen Ratingsystems verläuft, mit einem negativen Vorzeichen in die Berechnung des Gini-Koeffizienten eingeht.
Anteil aller beobachteten Ausfälle
1
Anteil aller beobachteten Ausfälle
1
0
0 0
Anteil aller Kredite im Portfolio (PD absteigend)
1
0
(a)
Anteil aller Kredite im Portfolio (PD absteigend)
1
(b)
Anteil aller beobachteten Ausfälle
1
Anteil aller beobachteten Ausfälle
1
0
0 0
Anteil aller Kredite im Portfolio (PD absteigend)
(c)
1
0
Anteil aller Kredite im Portfolio (PD absteigend)
1
(d)
Abbildung A.2: CAP-Kurven unterschiedlicher Ratingsysteme mit gleichem GiniKoeffizienten (Skizze).
A.2.1. Unzulänglichkeit des „Baustein-Schemas“
A.1.4
249
Eigenschaften der Beta-Verteilung
Die allgemeine Form der Dichte einer Beta-Verteilung mit den Parametern ABeta ≤ BBeta , α > 0 und β > 0 lautet für ABeta ≤ x ≤ BBeta f (x) =
1 (x − ABeta )α−1 · (BBeta − x)β−1 , · Beta(α, β) (β − α)α+β−1
(A-53)
vgl. Johnson et al. (1995), S. 210 ff. Dabei bezeichnet Beta(α, β) die Beta-Funktion 1 und mit Parametern α und β, d.h. Beta(α, β) = 0 tα−1 (1 − t)β−1 dt = Γ(α)·Γ(β) Γ(α+β) ∞ x−1 Γ(x) die Gamma-Funktion Γ(x) = 0 exp(−t)· t dt für x > 0, vgl. Bronstein et al. (2005), S. 478 und S. 1086. Nach Definition liegt die gesamte Wahrscheinlichkeitsmasse der Beta-Verteilung im Intervall [ABeta , BBeta ]. Als Erwartungswert μ der Beta-Verteilung ergibt sich μ =
A.2 A.2.1
α . α+β
(A-54)
Anhang zu Kapitel 4 Unzulänglichkeit des „Baustein-Schemas“ zur Bestimmung der Preisuntergrenze
In Satz 4.39 wurde ausgesagt, dass das folgende „Baustein-Schema“ zur Bestimmung der Preisuntergrenze für einen einjährigen Kredit i.A. ein falsches Ergebnis liefert:
+ + + =
Refinanzierungskosten Betriebs- bzw. Verwaltungskosten Standardrisikokosten Eigenkapitalkosten Preisuntergrenze
Anhand eines einfachen Beispiels wollen wir diese Aussage verdeutlichen und ebenfalls die Ursache dieses Kalkulationsfehlers ergründen.
250
Anhang zu Kapitel 4
Unser Beispiel geht von den folgenden Annahmen aus: • Der betrachtete Kredit hat eine Restlaufzeit von einem Jahr, d.h. es ist Nj = 1. • Die Ausfallwahrscheinlichkeit des Kreditnehmers beträgt P Dj = 2 %, der Loss given Default des Kredites LGDj = 45 %. • Das Kreditvolumen im Zeitpunkt t = 0 beträgt Vj,0 = 100.000. Damit gilt auch EADj = 100.000. • Am Geld-und Kapitalmarkt sind Investitionen und Finanzierungen zum risikolosen 1-Perioden-Zinssatz i = 10 % möglich. • Betriebs- und Verwaltungskosten fallen für den Kredit nicht an. • Es gilt δ = 20 % und Kj (P Dj ) = 0, 075. Damit entstehen dem Kreditinstitut in t = 1 (überschüssige) Eigenkapitalkosten i.H.v. CRj ·δ = Kj (P Dj )·Vj,0 ·δ = 1.500.4 • Der zu erreichende Mindest-RAROC beträgt 0. Die Standardrisikokosten entsprechen dem Expected Loss (EL), welcher allgemein definiert ist als5 ELj := P Dj · LGDj · EADj = P Dj · (LGDj · EADj ) + (1 − P Dj ) · 0.
(A-55) (A-56)
Hierbei liegt also eine Verlustdefinition zugrunde, bei der der Verlust im Insolvenzfall LGDj · EADj und im Solvenzfall 0 beträgt. Im Beispiel betragen die Standardrisikokosten für den betrachteten Kredit daher ELj = P Dj · LGDj · EADj = P Dj · LGDj · Vj,0 = 900,
(A-57)
womit der Risikoaufschlag RAj := 4
5
ELj = P Dj · LGDj = 0, 9 % Vj,0
(A-58)
Vgl. Formel (4-17). Hierbei wurde die Höhe des Risikogewichts Kj (P Dj ) anhand des Basis-IRB Ansatzes für Unternehmen mit jährlichem Umsatz i.H.v. Sj =14,1 (Mio. e) ermittelt. Die konkrete Höhe der Eigenkapitalkosten ist für die folgenden Ausführungen jedoch nicht entscheidend. Zur Definition des Expected Loss vgl. z.B. Basel Committee on Banking Supervision (2005a), S. 4.
A.2.1. Unzulänglichkeit des „Baustein-Schemas“
251
als Prozentsatz vom (Rest-)Kreditvolumen Vj,0 beträgt. Mit der Risikoprämie RPj :=
CRj · δ = Kj (P Dj ) · δ = 1, 5 % Vj,0
(A-59)
ergibt sich die Preisuntergrenze gemäß dem „Baustein-Schema“ somit als π j := i + RAj + RPj = 12, 4 %.
(A-60)
Wird dieser Zinssatz vereinbart, so ergibt sich aus Sicht des Instituts die folgende Zahlungsstruktur des Kredites: t=0
t=1
8 0 ,9
112.400
-100.000 0, 0
2
55.000
Abbildung A.3: Einzelne Pfade des Zahlungsstroms vom Beispiel-Kredit für das „Baustein-Schema“ mit jeweiligen Übergangswahrscheinlichkeiten. Im Zeitpunkt t = 1 fallen dabei zusätzlich noch die Eigenkapitalkosten i.H.v. 1.500 an, welche bei der Berechnung des Kapitalwertes zu berücksichtigen sind. Aus Sicht des Kreditinstitutes ergibt sich daher der erwartete Kapitalwert −100.000 + = −225, 45,
1 · (0, 98 · 112.400 + 0, 02 · 55.000) − 1.500 1, 1
(A-61) (A-62)
d.h. die Vergabe des Kredites zum Zinssatz π j führt im Erwartungswert zu einem Verlust für das Institut. Wie kommt dieses auf den ersten Blick merkwürdige Ergebnis zustande? Um diese Frage zu beantworten, leiten wir für einen einjährigen Kredit die korrekten Formeln für Risikoaufschlag und Risikoprämie her. Dabei wird sich herausstellen, dass diese zur Preisuntergrenze aus Abschnitt 4.2.3 konform sind und dass die entsprechenden Werte bei Verwendung des „Baustein-Schemas“ in den meisten Fällen zu niedrig sind.
252
Anhang zu Kapitel 4
Risikoaufschlag Da wir die korrekte Höhe der Risikoprämie im Anschluss separat herleiten können, blenden wir zunächst die Eigenkapitalkosten aus, gehen also von Eigenkapitalkosten i.H.v. 0 aus. Hinter der Festlegung des Risikoaufschlags als Standardrisikokosten beim „BausteinSchema“ steht vermutlich die intuitive, aber falsche Annahme, dass die erwartete Rückzahlung C1,P Dj (πj ) des Kredites mit Zinssatz πj in t = 1 genau der vereinbarten Rückzahlung abzüglich des erwarteten Verlustes entspricht, also C1,P Dj (πj )
Annahme
=
Vj,0 · (1 + πj ) − ELj .
(A-63)
Unter dieser Annahme ergibt sich nämlich bei der Festlegung des Zinssatzes π j = i + RAj in der Tat die erwartete Rückzahlung C1,P Dj (π j ) = Vj,0 · (1 + π j ) − ELj
(A-64)
= Vj,0 · (1 + i) + Vj,0 · RAj − ELj
(A-65)
= Vj,0 · (1 + i),
(A-66)
womit sich barwertig eine erwartete Rückzahlung von Vj,0 ergibt und der Zinssatz π j tatsächlich die gesuchte Preisuntergrenze darstellt. Formel (A-63) ist jedoch nicht korrekt, wie man leicht nachrechnet. Ein denkbarer Grund für diese fälschliche Annahme könnte in der Bezeichnung „erwarteter Verlust“ bzw. der hierbei zugrunde liegenden Definition des Verlusts liegen. So könnte man intuitiv meinen, der Verlust Lj im Insolvenzfall in t = 1 entspräche gerade der Differenz zwischen der vereinbarten und der tatsächlich erhaltenen Zahlung, also Lj = Vj,0 · (1 + πj ) − Vj,0 · (1 − LGDj ) = Vj,0 · (πj + LGDj ). Diese Auffassung ist jedoch nicht mit der in der Literatur üblichen Definition des Expected Loss konform, da bei seiner Definition nicht die vereinbarte Rückzahlung Vj,0 · (1 + πj ), sondern das Exposure at Default EADj = Vj,0 als Referenzwert für den Verlust zugrunde gelegt wird: Dies lässt sich aus der Form ELj = P Dj · (LGDj · EADj ) + (1 − P Dj ) · 0
(A-67)
A.2.1. Unzulänglichkeit des „Baustein-Schemas“
253
für den erwarteten Verlust (vgl. Formel (A-56)) erkennen: Der Verlust ergibt sich definitionsgemäß als Differenz des Referenzwerts und der tatsächlichen Zahlung; da als Verlust hier LGDj · EADj = LGDj · Vj,0 angesetzt wird und die Zahlung in t = 1 im Insolvenzfall (1 − LGDj ) · Vj,0 beträgt, ist der Referenzwert Vj,0 (denn es gilt Vj,0 − (1 − LGDj ) · Vj,0 = LGDj · Vj,0). Als Referenzwert für den Verlust liegt bei der obigen Definition des erwarteten Verlusts also implizit das Exposure at Default Vj,0 – und nicht etwa die vereinbarte Zahlung Vj,0 · (1 + πj ) – zugrunde.6 Würde als Referenzwert für den Verlust jedoch die vereinbarte Rückzahlung Vj,0·(1+ πj ) gesetzt, so ergäbe sich für den erwarteten Verlust die modifizierte Formel j := P Dj · Vj,0 · (πj + LGDj ), EL
(A-68)
wie man leicht nachrechnet. Hierbei ist offensichtlich eine Abhängigkeit vom Zinsj = EL j (πj ). Diese alternative Festlegung des Expected satz πj gegeben, d.h. EL Loss führt nun dazu, dass die Beziehung (A-63) in der Tat erfüllt ist: (A-69) C1,P Dj (πj ) = (1 − P Dj ) · Vj,0 · (1 + πj ) + P Dj · (1 − LGDj ) · Vj,0 = Vj,0 · (1 + πj ) − Vj,0 · P Dj · (1 + πj ) − P Dj · (1 − LGDj ) (A-70) =P Dj ·(πj +LGDj ) j . = Vj,0 · (1 + πj ) − EL (A-71) Damit ergibt sich analog zu den Formeln (A-64) bis (A-66), dass der Risikoaufschlag RAkorrekt := j
j EL Vj,0
(A-72)
zur korrekten Preisuntergrenze führt.7
6
7
Bei der Verlustdefinition, welcher der obigen Festlegung des erwarteten Verlusts zugrunde liegt, wird eine positive Abweichung vom Referenzwert (welche in der Literatur häufig als „Chance“ bezeichnet wird (vgl. etwa Hartmann-Wendels et al. (2007), S. 329) nicht berücksichtigt: Im Falle der Solvenz beträgt die Rückzahlung (für einen Kreditzinssatz πj > i) nämlich Vj,0 · (1 + πj ) > Vj,0, was in Formel (A-67) unberücksichtigt bleibt. Es lässt sich leicht zeigen, dass auch bei einer Einbeziehung der positiven Abweichungen bei der Definition des Verlustes nur der Referenzwert Vj,0 · (1 + πj ) zu einer korrekten Festlegung des Risikoaufschlags führt.
254
Anhang zu Kapitel 4
Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die alternative Festlegung (A-68) des Expected Loss wiederum abhängig vom Kreditzinssatz, und damit auch vom Risikoaufschlag selbst ist. Die Bestimmungsgleichung (A-72) lässt sich jedoch nach RAkorrekt j auflösen und man erhält RAkorrekt = j
P Dj · (i + LGDj ) . 1 − P Dj
(A-73)
Damit ist der korrekte Risikoaufschlag nicht nur von der Ausfallwahrscheinlichkeit und dem Loss given Default des Kreditnehmers abhängig, sondern darüber hinaus auch (abgesehen vom trivialen Fall P Dj = 0) streng isoton im risikolosen Zinssatz i.8 Insgesamt beträgt die korrekte Preisuntergrenze unter der Annahme von Eigenkapitalkosten von 0 daher = π korrekt j
i + P Dj · LGDj = 11, 12 %, 1 − P Dj
(A-74)
d.h. das „Baustein-Schema“ ermittelt mit π j = i + P Dj · LGDj (vgl. Formel(A-60) für den Fall RPj = 0) einen Mindestzinssatz, bei dem der Faktor Falle LGDj >
i −PD j
1 1−P Dj
fehlt.9 Im
– was für Kredite in der Praxis üblicherweise als gegeben an-
gesehen werden kann – liefert sie einen zu geringen Zinssatz (vgl. dazu auch den Kapitalwert in Formel (A-62)).
Risikoprämie Bei der Festlegung RPj = Kj (P Dj ) · δ beim „Baustein-Schema“ bekommt das Kreditinstitut lediglich im Solvenzfall die Eigenkapitalkosten über den Kredit zurückgezahlt; im Insolvenzfall bleibt dies aus. Daher ist die korrekte Risikoprämie RPjkorrekt im Falle P Dj > 0 entsprechend höher, damit die erwartete Zahlung in t = 1 den anfallenden Eigenkapitalkosten entspricht.
8
9
Ökonomisch lässt sich dies dadurch motivieren, dass derjenige (vom Kapitalmarktzins unabhängige) Betrag, der durch den Risikoaufschlag in t = 1 zusätzlich zur Rückzahlung einer sicheren Anlage erwirtschaftet werden soll, aus Sicht in t = 0 vom Diskontierungsfaktor – und somit vom Zinssatz i abhängt. Dass durch den Wert 1 − P Dj dividiert werden muss, hat – in anderem Zusammenhang – auch Brakensiek schon erwähnt. Er verwendet dieses „Versicherungsprinzip“ im Rahmen der Risikokostenkalkulation und bei der Ermittlung von Risikoraten, vgl. Brakensiek (1991), S. 144 und S. 240.
A.2.1. Unzulänglichkeit des „Baustein-Schemas“
255
Durch die Addition der Risikoprämie RPj auf den bisher ermittelten Kreditzinssatz ergibt sich in t = 1 eine erwartete zusätzliche Rückzahlung i.H.v. (1 − P D) · Vj,0 · RPj + 0.
(A-75)
Wir betrachten nun den Fall, dass die in t = 1 anfallenden Eigenkapitalkosten positiv sind, d.h. Vj,0 · Kj (P Dj ) · δ > 0 gilt. Da die Eigenkapitalkosten eine sichere Zahlung darstellen (sie fallen unabhängig vom Zustand des Kreditnehmers an), muss die korrekte Risikoprämie folglich die Bedingung (1 − P D) · Vj,0 · RPj + 0 = Vj,0 · Kj (P Dj ) · δ
(A-76)
erfüllen, um die Eigenkapitalkosten durch die erwartete zusätzliche Rückzahlung zu decken. Dies lässt sich im Fall P Dj < 1 umformen zu RPjkorrekt =
Kj (P Dj ) · δ = 1, 53 %. 1 − P Dj
(A-77)
Nur im Fall P Dj = 0 stimmt diese Risikoprämie mit derjenigen des „BausteinSchemas“ überein. Damit ergibt sich für die korrekte Preisuntergrenze insgesamt = πkorrekt j
i + P Dj · LGDj + Kj (P Dj ) · δ = 12, 65 %, 1 − P Dj
(A-78)
also exakt der in Abschnitt 4.2.3 hergeleitete Zinssatz. Beim „Baustein-Schema“ werden also sowohl für den Risikoaufschlag als auch für die Risikoprämie Werte ermittelt, welche i.A. zu gering sind: Die Risikoprämie ist im i zu niedrig. Geht man Fall P Dj > 0 und der Risikoaufschlag im Fall LGDj > − P D j
wie in unserem Modell von LGDj ≥ 0 aus, so liefert das „Baustein-Schema“ also in allen nicht-trivialen Fällen einen zu niedrigen Zinssatz.
256
Anhang zu Kapitel 4
A.2.2
Weitere Ergebnisse zur Pricing-Funktion
Abb. A.4 stellt die verschiedenen Preisuntergrenzen gegenüber, welche in Abschnitt 4.2.3 für Nj = 1 vorgestellt wurden.10 0.6
π j,P Dj π basis j,P Dj π Baustein j,P Dj
Preisuntergrenze
0.5
0.4
0.3
0.2
0.1
0
0.05
0.1
0.15
0.2 PDj
0.25
0.3
0.35
0.4
Abbildung A.4: Gegenüberstellung verschiedener Varianten der Preisuntergrenze im 1-Perioden-Fall in Abhängigkeit von der PD des Kreditnehmers.
Zur besseren Vergleichbarkeit wurde bei der Preisuntergrenze π Baustein , welche mit j,P Dj Hilfe des in Abschnitt 4.2.3 vorgestellten „Baustein-Schemas“ ermittelt wurde, ebenfalls der Gewinnaufschlag RAROC min zum (überschüssigen) Eigenkapitalkostensatz δ addiert. Es ist gut zu erkennen, dass π Baustein annähernd linear verläuft und stets unterhalb j,P Dj aufgrund der korrekten Preisuntergrenze π j,P Dj liegt. Für kleine PDs liegt π Baustein j,P Dj der Berücksichtigung der Eigenkapitalkosten oberhalb der Basis-Variante π basis j,P Dj der korrekten Preisuntergrenze; für die gegebene Parameterkonstellation unterschätzt sie diese jedoch ab einer PD von etwa 15 % ebenfalls. Der Fehler nimmt dabei mit steigender PD zu.
10
Es wurden die gleichen Parameter wie bei Abb. 4.2 zugrunde gelegt.
A.2.3. Beweis des Satzes 4.48
A.2.3
257
Beweis des Satzes 4.48
Zum Nachweis des Satzes 4.48 zeigen wir die folgende Beziehung, aus der für k = 1 unmittelbar die Behauptung folgt: Nj
j AF0,t · τj,t + Γj,t−1 · it−1,t = AF0,k−1 · τj,t .
N
t=k
(A-79)
t=k
Aus der Definition von Γj,k−1 in Bemerkung 4.23 folgt wegen
Nj
t=1 τj,t
= 1 die Ei-
genschaft Γj,k−1 = 1 −
k−1
τj,t =
t=1
für k = 1, ..., Nj . Weiterhin gilt AF0,t =
Nj
τj,t
(A-80)
t=k
t
1 k=1 1+ik−1,k
für t = 1, ..., Nj . Die Bezie-
hung (A-79) wird nun durch Rückwärtsinduktion gezeigt: Induktionsanfang: Sei k = Nj . Dann gilt Nj
Nj AF0,t · τj,t + Γj,t−1 · it−1,t = AF0,t · τj,t + Γj,t−1 · it−1,t
t=k
(A-81)
t=Nj
= AF0,Nj · τj,Nj · (1 + iNj −1,Nj )
(A-82)
= AF0,Nj −1 · τj,Nj
(A-83)
Nj
= AF0,Nj −1 ·
Nj
τj,t = AF0,k−1 ·
t=Nj
τj,t .
(A-84)
t=k
Induktionsannahme (IA): Die Behauptung gelte für k ∈ {2, ..., Nj }. Induktionsschritt: k → k − 1: Es gilt Nj
AF0,t · τj,t + Γj,t−1 · it−1,t
(A-85)
t=k−1 j = AF0,k−1 · τj,k−1 + Γj,k−2 · ik−2,k−1 + AF0,t · τj,t + Γj,t−1 · it−1,t (A-86)
N
t=k
258
Anhang zu Kapitel 4 j AF0,k−1 · τj,k−1 + Γj,k−2 · ik−2,k−1 + AF0,k−1 · τj,t
N
IA
=
(A-87)
t=k
=
AF0,k−1 · Γj,k−2 · ik−2,k−1 + AF0,k−1 · τj,k + AF0,k−1 ·
=AF0,k−1 ·
(A-80)
= AF0,k−1 ·
Nj
=
t=k
Nj
AF0,k−1 · (1 + ik−2,k−1 ) ·
τj,t
(A-88)
t=k−1 τj,t
Nj τj,t · ik−2,k−1 + AF0,k−1 · τj,t
t=k−1
Nj
(A-89)
t=k−1 Nj
τj,t
(A-90)
t=k−1
=
AF0,k−2 ·
Nj
τj,t ,
(A-91)
t=k−1
womit die Behauptung auch für k − 1 gezeigt ist. Die Beziehung (A-79) ist damit Nj τj,t = 1 die Aussage nachgewiesen. Für k = 1 folgt aus ihr wegen AF0,0 = 1 und t=1 des zu beweisenden Satzes.
A.2.4
Weitere empirische Ergebnisse auf Portfolioebene
Tab. A-1 zeigt die in Fußnote 50 auf S. 163 sowie auf S. 183 erwähnten Ergebnisse für Kredite an einen Altkunden von A mit dem abweichenden Parameter π EK = 50 % und dem daraus reslutierenden δ = 40 %. Alle übrigen Parameter wurden wie in Abschnitt 4.4.2.2 gewählt. Im verrauschten Fall mittels ZjOverall sind hier in 10.000 Simulationsläufen neben Kündigungen, welche aufgrund des Erreichens der Zinssatzobergrenze stattfinden und nur bei den beiden größten betrachteten PDs auftreten, auch Kündigungen aufgrund eines Wechsels zum Konkurrenzinstitut B zu beobachten. Diese treten jedoch nur für die vier kleinsten betrachteten PDs auf; ihre Zahl steigt zunächst in der PD und nimmt dann wieder ab. Bei einer Verrauschung mittels ZjClass treten nur für die äußeren PDs Migrationen auf – die entsprechenden Anzahlen stimmen gemäß Definition der White Noise Zufallsgrößen und Wahl der betrachteten PDs in der Intervallmitte mit den Anzahlen der Verrauschung mittels ZjOverall überein. Die Ursache für dieses Phänomen – dass Kündigungen aufgrund des Erreichens der Zinssatzobergrenze nur für die größten PDs und Kündigungen aufgrund eines Wech-
A.2.4. Weitere empirische Ergebnisse auf Portfolioebene
P Dj 0,015 % 0,045 % 0,090 % 0,265 % 0,875 % 4,525 % 12,355 % 58,500 %
unverr. 0 0 0 0 0 0 0 0
259
Anzahl Kündigungen verrauscht mit ZjOverall verrauscht mit ZjClass gesamt Beend. Wechsel zu B gesamt Beend. Wechsel zu B 2.084 0 2.084 2.084 0 2.084 2.227 0 2.227 0 0 0 2.024 0 2.024 0 0 0 909 0 909 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 690 690 0 0 0 0 4.683 4.683 0 4.683 4.683 0
Tabelle A-1: Untersuchung einzelner Kedite an Altkunden von A: Kündigungen im unverrauschten und verrauschten Fall mittels ZjOverall bzw. ZjClass für δ = 40 % (je 10.000 Verrauschungen).
sels zur Konkurrenz nur für die kleinsten PDs auftreten – lässt sich mit Hilfe der in den Tabellen A-2 und A-3 aufgeführten Ergebnisse für die erwarteten Zinssätze und Wechselschwellen ergründen.
P Dj 0,015 % 0,045 % 0,090 % 0,265 % 0,875 % 4,525 % 12,355 % 58,500 %
unverr.
(erwarteter) Zinssatz πjA verr. (ZjOverall ) verr. (ZjClass )
10,390 % 10,763 % 11,166 % 12,192 % 14,032 % 18,684 % 27,256 % 106,009 %
10,381 % 10,734 % 11,113 % 12,064 % 13,759 % 18,541 % 27,352 % 545,899 %
10,381 % 10,761 % 11,162 % 12,163 % 13,977 % 18,693 % 27,306 % 545,899 %
πjB
πjmax
10,390 % 10,763 % 11,166 % 12,192 % 14,032 % 18,684 % 27,256 % 106,009 %
20,780 % 21,526 % 22,332 % 24,192 % 26,032 % 30,684 % 39,256 % 118,009 %
Tabelle A-2: Untersuchung einzelner Kredite an Altkunden von A: (Erwartete) Zinssätze im unverrauschten und verrauschten Fall mittels ZjOverall bzw. ZjClass für δ = 40 % (je 10.000 Verrauschungen).
Die Erklärung für das Auftreten von Kündigungen aufgrund des Erreichens der Zinssatzobergrenze ist dabei dieselbe wie auch schon an der entsprechenden Stelle in Abschnitt 4.4.2.2: Für hohe PDs sinkt die erwartete ZOG-Wechselschwelle (sogar ins Negative), während der erwartete Zinssatz von A steigt. Daher treten für hohe PDs die beobachteten Kündigungen aufgrund des Erreichens der ZOG-Wechselschwelle auf.
260
Anhang zu Kapitel 4
P Dj 0,015 % 0,045 % 0,090 % 0,265 % 0,875 % 4,525 % 12,355 % 58,500 %
(erwartete) ZOG-Wechselschwelle verrauscht unverr. ZjOverall ZjClass 20,695 % 21,353 % 22,058 % 23,632 % 24,812 % 26,641 % 28,663 % 28,135 %
20,697 % 21,359 % 22,068 % 23,656 % 24,860 % 26,585 % 28,101 % -412,565 %
20,697 % 21,353 % 22,059 % 23,637 % 24,820 % 26,592 % 28,557 % -412,565 %
(erwartete) ZV-Wechselschwelle verrauscht unverr. ZjOverall ZjClass 10,305 % 10,590 % 10,892 % 11,632 % 12,812 % 14,641 % 16,663 % 16,135 %
10,298 % 10,567 % 10,849 % 11,528 % 12,586 % 14,442 % 16,197 % 15,325 %
10,298 % 10,589 % 10,889 % 11,608 % 12,765 % 14,601 % 16,607 % 15,325 %
Tabelle A-3: Untersuchung einzelner Kredite an Altkunden von A: (Erwartete) Wechselschwellen im unverrauschten und verrauschten Fall mittels ZjOverall bzw. ZjClass für δ = 40 % (je 10.000 Verrauschungen). Dass die erwartete ZV-Wechselschwelle πjZV,krit im verrauschten Fall den deterministischen Zinssatz πjB von B nur für kleine PDs überschreitet, lässt sich an den verschiedenen Anstiegen dieser Werte für wachsende PDs erkennen: So steigt die erwartete ZV-Wechselschwelle von 10,298 % für die niedrigste PD für fast alle PDs an und bleibt stets unterhalb von 16,7 %. Der Zinssatz πjB von B hingegen weist ein deutlich stärkeres Wachstum auf, so dass er nur für kleine PDs unterhalb der verrauschten ZV-Wechselschwelle liegen kann. Diese Erläuterung beruht auf der Betrachtung von Erwartungswerten, die natürlich nichts über die Ergebnisse einzelner Realisierungen aussagen können; sie lassen jedoch eine heuristischen Erklärung für die in Tab. A-1 gezeigten Migrationen zu.
P Dj 0,015 % 0,045 % 0,090 % 0,265 % 0,875 % 4,525 % 12,355 % 58,500 %
unverr. 10 % 10 % 10 % 10 % 10 % 10 % 10 % 10 %
(erwarteter) RAROC verrauscht mit ZjOverall verrauscht mit ZjClass bed. EW PF-Berechnung bed. EW PF-Berechnung 9,571 % 8,965 % 8,468 % 7,811 % 6,968 % 3,915 % -3,442 % -84,310 %
14,462 % 15,402 % 14,956 % 12,042 % 10,182 % 11,018 % 9,901 % -88,692 %
9,571 % 9,966 % 9,957 % 9,803 % 9,759 % 9,015 % 9,780 % -84,310 %
14,462 % 10,006 % 10,009 % 10,030 % 10,064 % 10,514 % 10,688 % -88,692 %
Tabelle A-4: Untersuchung einzelner Kedite an Altkunden von A: (Erwartete) RAROCs im unverrauschten und verrauschten Fall mittels ZjOverall bzw. ZjClass für δ = 40 % (je 10.000 Verrauschungen).
A.2.5. Ermittlung der TAK auf Basis der Vorperiodenwerte
261
Die zugehörigen resultierenden erwarteten RAROCs sind in Tab. A-4 aufgeführt und ähneln denen in Tab. 4-2 in Abschnitt 4.4.2.2; jedoch scheinen die nun auftretenden Kündigungen aufgrund eines Wechsels zu B einen positiven Einfluss auf den RAROC im Portfoliokontext zu haben, wie man an den Ergebnissen bei Verrauschung mit ZjOverall sieht.
A.2.5
Ermittlung der Transaktionskosten auf Basis der Vorperiodenwerte
Wie bereits in Fußnote 51 auf S. 163 erwähnt wurde, führt die Bestimmung der Transaktionskosten auf Basis der Größen π j,Rj für den Kreditzinssatz und Rj für die PD-Schätzung im Fall Rj > 0 dazu, dass eine Kündigung eines Altkunden von A stets einen positiven Effekt auf den Gesamtportfolio-RAROC von A besitzt. Dies wollen wir hier für den allgemeinen Fall Nj ∈
zeigen.
Werden die Transaktionskosten eines Wechsels mit Hilfe der Größen π j,Rj für den Kreditzinssatz und Rj für die PD-Schätzung ermittelt, so ergibt sich analog zu den Ausführungen in Abschnitt 4.2.4.3.1 (vgl. Formel (4-106)) folgende Darstellung für die Vorfälligkeitsentschädigung: T AKj =
Vj,0 · π j,Rj − i − δ · Kj (Rj ) . 1+i
(A-92)
Da die Bearbeitungskosten im Falle einer Kündigung als 0 angenommen werden (vgl. Annahme 4.26 auf S. 120), entspricht T AKj in diesem Fall bereits dem RANEj,0 .11 In den Zeitpunkten t ≥ 1 fallen in diesem Fall weder Rückzahlungen noch Kosten aus dem Kredit j an, so dass CRj,t = RANEj,t = 0 für t ≥ 1 gilt. Die Wirkung einer Kündigung des Kreditnehmers j auf den Gesamtportfolio-RAROC lässt sich nun aus den Wirkungen auf den Zähler und den Nenner des GesamtRAROC ableiten. Der Nenner vermindert sich bei der Kündigung im Vergleich zum unverrauschten Fall um CRj,0 ≥ 0. Gleichzeitig erhöht sich der Zähler des RAROC
11
Zu beachten ist, dass T AKj die über die Rückzahlung von Vj,0 hinaus gehenden zu zahlenden Transaktionskosten darstellen. Daher ist der Betrag Vj,0 hiervon nicht noch abzuziehen, um das risikoadjustierte Nettoergebnis in t = 0 zu erhalten.
262
Anhang zu Kapitel 4
durch die Kündigung im Vergleich zum unverrauschten Fall: Im unverrauschten Fall erhalten wir barwertig das erwartete risikoadjustierte Nettoergebnis
BW (RANEj,t (π j,Rj ))t Vj,0 = · (1 − Rj ) · π j,Rj − Rj · LGDj − δ·Kj (Rj ) − i 1+i
(A-93) (A-94)
vgl. Formel (4-167). Bei einer Kündigung im verrauschten Fall gilt bei Verwendung der fairen Werte für den Kreditzinssatz und die PD-Schätzung
Vj,0 · πj,Rj − i − δ · Kj (Rj ) , BW (RANEj,t (πj,Rj ))t = T AKj = 1+i
(A-95)
vgl. Formel (A-92). Als Veränderung des barwertigen risikoadjustierten Nettoergebnisses durch die Kündigung ergibt sich somit
T AKj − BW (RANEj,t (π j,Rj ))t Vj,0 1+i Vj,0 = 1+i
=
> 0
(A-96)
· πj,Rj − i− δ·Kj (Rj )−(1−Rj )·πj,Rj + Rj ·LGDj + δ·Kj (Rj )+i (A-97) · Rj · π j,Rj + Rj · LGDj für Rj > 0.
(A-98) (A-99)
Hierdurch wird im Fall Rj > 0 also das barwertige risikoadjustierte Nettoergebnis des Kreditportfolios von A c.p. erhöht – und damit auch das erwartete risikoadjustierte Nettoergebnis in t = 1. Beide Effekte – sowohl die Wirkung im Zähler als auch diejenige im Nenner – haben also jeweils einen positiven Einfluss auf den RAROC des Gesamtportfolios von A, so dass eine Kündigung aus Sicht von Institut A vorteilhaft ist.
A.3.2. Beispiel zur Änderung der mittleren PD-Schätzungen
A.3 A.3.1
263
Anhang zu Kapitel 5 Ergebnisse der Binomialtests zu den Konfidenzniveaus 50 % und 10 %
Die Anwendung des Binomialtests zu den Konfidenzniveaus 50 % und 10 % im Rahmen der Validierung der Kalibrierung des unverrauschten und des mittels ZjOverall verrauschten Ratingsystems ergab die in Tab. A-5 dargestellten Ergebnisse.
Klasse 1 2 3 4 5 6 7 8
Konfidenzniveau 50 % mittleres qϑ Akzeptanzquote unverr. verr. unverr. verr. 0% 0,25 % 94,35 % 75,17 % 0% 0,24 % 88,88 % 58,99 % 0% 0,50 % 66,65 % 72,24 % 0,26 % 0,72 % 64,14 % 60,50 % 0,82 % 1,26 % 54,87 % 54,25 % 3,12 % 2,93 % 51,60 % 50,48 % 9,77 % 7,18 % 53,20 % 55,37 % 33,33 % 11,54 % 88,97 % 58,78 %
Konfidenzniveau 10 % mittleres qϑ Akzeptanzquote unverr. verr. unverr. verr. 0,00 % 0,38 % 94,35 % 90,65 % 0,36 % 0,72 % 99,34 % 94,52 % 0,22 % 0,83 % 93,89 % 94,63 % 0,45 % 0,94 % 95,13 % 90,35 % 1,03 % 1,58 % 90,68 % 92,63 % 3,47 % 3,31 % 91,38 % 90,25 % 12,11 % 8,97 % 90,41 % 92,82 % 66,67 % 19,23 % 99,10 % 90,47 %
Tabelle A-5: Ergebnisse der Binomialtests zu den Konfidenzniveaus 50 % und 10 % in den einzelnen Klassen von Portfolio 1.
A.3.2
Beispiel zur Änderung der mittleren PD-Schätzungen
Auf S. 216 in Abschnitt 5.3.1 wurde angemerkt, dass sich bei der Verrauschung trotz Beibehaltung der mittleren tatsächlichen PDs auf Gesamtportfolioebene die mittleren tatsächlichen PDs pro Klasse erhöhen können. Ein einfaches Beispiel soll zeigen, dass dies kein Widerspruch ist, sondern eine Folge der Änderung der Kreditanzahlen in den einzelnen Klassen ist. Wir zeigen darüber hinaus, dass sich sogar – anders als es bei den Ergebnissen in Tab. 5-7 der Fall ist – die mittlere prognostizierte PD in jeder Klasse erhöhen kann.
264
Anhang zu Kapitel 5
Das Beispielportfolio besteht aus 3 Krediten, die in 2 Ratingklassen eingestuft werden können. Dabei werden die Kredite den Ratingklassen gemäß folgendem Bonitätsschema zugeordnet:
Klasse 1 2
PD-Untergrenze (inkl.) 0% 30 %
PD-Obergrenze (exkl.) 30 % 100 % (inkl.)
Tabelle A-6: Ratingklassenzuordnung des Beispiels zur Änderung der mittleren PD-Schätzungen auf Ratingklassenebene.
Wir betrachten nun ein unverrauschtes Ratingsystem, das den Krediten ihre tatsächlichen PDs zuordnet, und ein verrauschtes Ratingverfahren. Diese beiden Ratingsysteme prognostizieren für die 3 Kredite die folgenden PDs:
Kredit 1 2 3
unverr. Ratingsystem PD-Schätzung Klasse 20 % 1 40 % 2 60 % 2
verr. Ratingsystem PD-Schätzung Klasse 25 % 1 25 % 1 70 % 2
Tabelle A-7: PD-Schätzungen des Beispiels zur Änderung der mittleren PDSchätzungen auf Ratingklassenebene.
Dann resultieren die in der folgenden Tabelle aufgeführten mittleren prognostizierten und tatsächlichen PDs in den Klassen (es werden stets die prognostizierten Klassen untersucht).
Klasse 1 2
mittlere PD verrauscht unverr. progn. tatsächlich 20 % 25 % 30 % 50 % 70 % 60 %
Tabelle A-8: Resultierende mittlere PDs des Beispiels zur Änderung der mittleren PD-Schätzungen auf Ratingklassenebene.
A.3.2. Beispiel zur Änderung der mittleren PD-Schätzungen
265
Obwohl die mittlere tatsächliche und prognostizierte PD auf Gesamtportfolioebene jeweils bei 30 % liegt, sind sowohl die mittleren prognostizierten als auch die mittleren tatsächlichen PDs des verrauschten Ratingsystems in jeder Klasse höher als die jeweiligen Werte des unverrauschten Ratingsystems.
Literaturverzeichnis Adam D. (2001): Produktionsmanagement, Gabler, Wiesbaden, 9. Aufl. Adam D., Backhaus K., Thonemann U.W. und Voeth M. (2004): Allgemeine Betriebswirtschaftslehre – Koordination betrieblicher Entscheidungen, Springer, Berlin, 3. Aufl. Albrecht P. (1998): Risikoadjustierte Performancemassung in der Schadenversicherung, in: Oehler A. (Hrsg.), Credit Risk und Value-at-Risk Alternativen, Schäffer-Poeschel, Stuttgart. Albrecht P. und Maurer R. (2005): Investment- und Risikomanagement, Schäffer-Poeschel, Stuttgart, 2. Aufl. Allen L. und Saunders A. (2003): A Survey of Cyclical Effects in Credit Risk Measurement Models, BIS Working Paper No. 126 . Altman E., Resti A. und Sironi A. (2002): The Link between Default Rate and Recovery Rates: Effects on the Procyclicality of Regulatory Capital Ratios, BIS Working Paper No. 113 . Altrock F. und Hakenes H. (2001): Die Kalkulation ausfallbedrohter Finanztitel mit Rating-Übergangsmatrizen, Financial Markets and Portfolio Management, 15, S. 187–200. Ash D., Kelly S.M., Lang W.W., Nayda W. und Yin H. (2007): Segmentation, Probability of Default and Basel II Capital Measures for Credit Card Portfolios, Working Paper . Baron D.P. (1982): A Model of the Demand for Investment Banking Advising and Distribution Services for New Issues, Journal of Finance, 37, S. 955–976. Basel Committee on Banking Supervision (1988): International Convergence of Capital Measurement and Capital Standards.
268
Literaturverzeichnis
Basel Committee on Banking Supervision (1999): Credit Risk Modelling: Current Practices and Applications. Basel Committee on Banking Supervision (2005a): An Explanatory Note on the Basel II IRB Risk Weight Functions. Basel Committee on Banking Supervision (2005b): Studies on the Validation of Internal Rating Systems. Basel Committee on Banking Supervision (2006a): International Convergence of Capital Measurement and Capital Standards: A Revised Framework – Comprehensive Version. Basel Committee on Banking Supervision (2006b): Results of the Fifth Quantitative Impact Study. Basel Committee on Banking Supervision (2006c): The IRB Use Test: Background and Implementation. Baule R. (2004): Wertorientiertes Kreditportfoliomanagement, Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin. Bhattacharya S., Boot A.W. und Thakor A.V. (1998): The Economics of Bank Regulation, Journal of Money, Credit, and Banking, 30, S. 745–770. Bielefeld F. und Maifarth M. (2005): Traditionelle und moderne Kennzahlen der Gesamtbanksteuerung, Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, Sonderheft 52: Aktuelle Entwicklungen im Bankcontrolling: Rating, Gesamtbanksteuerung und Basel II , S. 145–181. Billingsley P. (1995): Probability and Measure, John Wiley & Sons, New York, 3. Aufl. Blochwitz S., Hohl S. und Wehn C.S. (2005): Reconsidering Ratings, Wilmott Magazine, 5, S. 60–69. Bluhm C., Overbeck L. und Wagner C. (2003): An Introduction to Credit Risk Modeling, Chapman & Hall, Boca Raton. Brakensiek T. (1991): Die Kalkulation und Steuerung von Ausfallrisiken im Kreditgeschäft der Banken, Fritz Knapp, Frankfurt am Main.
Literaturverzeichnis
269
Brandt H., Dockner E.J., Jankowitsch R. und Pichler S. (2007): Choice of Rating Technology and Price Formation in Imperfect Credit Markets, Working Paper, Universität Wien. Brealey R.A. und Myers S.C. (1996): Principles of Corporate Finance, McGrawHill, New York. Broecker T. (1990): Credit-Worthiness Tests and Interbank Competition, Journal of Economic Theory, 58, S. 429–452. Broeker F. (2000): Quantifizierung von Kreditportfoliorisiken, Fritz Knapp, Frankfurt am Main. Broeker F. (2004): Auswirkungen der Qualität von Ratingsystemen auf die regulatorische Eigenkapitalbelastung, in: Everling O. und Goedeckemeyer K.H. (Hrsg.), Bankenrating, Gabler, Wiesbaden, S. 487–506. Bronstein I.N., Semendjajew K.A., Musiol G. und Mühlig H. (2005): Taschenbuch der Mathematik, Harri Deutsch, Frankfurt am Main, 6. Aufl. Brüning J.B. und Hoffjan A. (1997): Gesamtbanksteuerung mit Risk-ReturnKennzahlen, Die Bank , 6, S. 362–369. Bühler W., Engel C., Korn O. und Stahl G. (2002): Backtesting von Kreditrisikomodellen, in: Oehler A. (Hrsg.), Kreditrisikomanagement – Kernbereiche, Aufsicht und Entwicklungstendenzen, Schäffer-Poeschel, Stuttgart, 2. Aufl., S. 181–217. Butschek C. (2007): Vertragsanpassung nach Basel II, Österreichisches Bankarchiv , 2, S. 121–136. Carey M. (2001): Dimensions of Credit Risk and their Relationship to Economic Capital Requirements, in: Mishkin F.S. (Hrsg.), Prudential Supervision: Why Is It Important and What Are the Issues, University of Chicago Press, Chicago. Copeland T.E., Weston J.F. und Shastri K. (2005): Financial Theory and Corporate Policy, Addison Wesley, New York, 4. Aufl. Crouhy M., Galai D. und Mark R. (2006): Risk Capital Attribution and RiskAdjusted Performance Measurement, in: Ong M.K. (Hrsg.), Risk Management. A Modern Perspective, Elsevier, London, S. 433–454.
270
Literaturverzeichnis
Davidson R. und MacKinnon J.G. (2004): Econometric Theory and Methods, Oxford University Press, New York. Deutsche Bank AG (2006): Jahresbericht 2006. Deutsche Bundesbank (2003): Validierungsansätze für interne Ratingsysteme, Monatsbericht September 2003 . Deutsche Bundesbank (2006): Ergebnisse der fünften Auswirkungsstudie zu Basel II in Deutschland. Dietsch M. und Petey J. (2004): Should SME Exposures be Treated as Retail or Corporate Exposures? A Comparative Analysis of Default Probabilities and Asset Correlations in French and German SMEs, Journal of Banking and Finance, 28, S. 773–788. Doob J.L. (1984): Classical Potential Theory and its Probabilistic Counterpart, Springer, Berlin. Drost F.M. und Potthoff C. (2007): BaFin-Chef Sanio sieht schwarz für Basel II, Handelsblatt vom 18.01.2007 , S. 21. Duefinance
(2007):
Die
Ratingstufen
der
großen
Agenturen,
URL
http://www.duefinance.de/pdf/ratingstufen.pdf (12.11.2007) . Elizalde A. und Repullo R. (2006): Economic and Regulatory Capital in Banking: What is the Difference?, Working Paper, CEMFI Madrid. Engelmann B., Hayden E. und Tasche D. (2003): Measuring the Discriminative Power of Rating Systems, Deutsche Bundesbank Discussion Paper No. 01/2003 . Eubank R.L. (1999): Nonparametric Regression and Spline Smoothing, Marcel Dekker, New York, 2. Aufl. Fahrmeir L., Kneib T. und Lang S. (2007): Regression – Modelle, Methoden und Anwendungen, Springer, Berlin. Federal Reserve System Task Force on Internal Credit Risk Models (1998): Credit Risk Models at Major U.S. Banking Institutions: Current State of the Art and Implications for Assessments of Capital Adequacy. Finger C.C. (2001): The One-Factor CreditMetrics Model in the New Basel Capital Accord, RiskMetrics Journal, 2, S. 9–18.
Literaturverzeichnis
271
Fischer J. (2004): Optimale Vorbereitung auf das Rating, Vortrag im Stuttgarter Mittelstandsforum am 15. Juli 2004. Fischer R. (Hrsg.) (2007): Basel II – Umsetzung – Die aktuellen Texte zum neuen Recht, C.H. Beck, München. Fitch Ratings (2004): Rating Path Dependency: An Analysis of Corporate and Structured Finance Rating Momentum, Fitch Ratings Credit Market Research Paper . Fitch Ratings (2006): Fitch Global Structured Finance 1991 - 2005 Default Study, Fitch Ratings Credit Market Research. Franke G. und Hax H. (2004): Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, Springer, Berlin, 5. Aufl. Frye J. (2000): Depressing Recoveries, Risk , November, S. 108–111. Gini C. (1921): Measurement of Inequality of Income, Economic Journal , 31, S. 22–43. Gordy M.B. (2000a): A Comparative Anatomy of Credit Risk Models, Journal of Banking and Finance, 24, S. 119–149. Gordy M.B. (2000b): Credit VaR and Risk-Bucket Capital Rules: A Reconciliation, Proceedings of the 36th Annual Conference on Bank Structure and Competition. Gordy M.B. (2003): A Risk-Factor Model Foundation for Ratings-Based Bank Capital Rules, Journal of Financial Intermediation, 12, S. 199–232. Groß H. und Knippschild M. (1995): Risikocontrolling in der Deutschen Bank AG, in: Rolfes B., Schierenbeck H. und Schüller S. (Hrsg.), Risikomanagement in Kreditinstituten, Fritz Knapp, Frankfurt am Main. Gürtler M. (2002): Der IRB-Ansatz im Rahmen von Basel II, Die Betriebswirtschaft, 62, S. 450–452. Grunert J. (2005): Empirische Evidenz zur Prognose der Ausfallwahrscheinlichkeit und der Recovery Rate von Bankkrediten an deutsche Unternehmen, Dissertation, Universität Mannheim. Gupton G.M., Gates D. und Carty L.V. (2000): Bank Loan Loss Given Default, Moody’s Investors Service Special Document.
272
Literaturverzeichnis
Guthoff A., Pfingsten A. und Wolf J. (1997): On the Compatibility of Value at Risk, other Risk Concepts, and Expected Utility Maximization, in: Hipp C., Eichhorn W., Franke G., Heilmann W.R., Ketterer K.H., MeierPreschany M., Schwebler R. und Zink A. (Hrsg.), Geld, Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen: 1996; Beiträge zum 7. Symposium Geld, Finanzwirtschaft, Banken und Versicherungen an der Universität Karlsruhe vom 11.-13. Dezember 1996, Versicherungswirtschaft, Karlsruhe, S. 591–614. Guthoff A., Pfingsten A. und Wolf J. (1998): Der Einfluß einer Begrenzung des Value at Risk oder des Lower Partial Moment One auf die Risikoübernahme, in: Oehler A. (Hrsg.), Credit Risk und Value-at-Risk Alternativen – Herausforderungen für das Risk Management, Schäffer-Poeschel, Stuttgart, S. 111–153. Guthoff A. und Rüter F. (2001): Performance-Based Compensation in Banks: The Use of RAROC and Related Measures, Homo Oeconomicus, 42, S. 489–513. Hamerle A., Liebig T. und Rösch D. (2004): Vergleich verschiedener Ansätze zur Modellierung von Assetkorrelationen, Deutsches Risk , Januar, S. 39–45. Hamerle A., Rauhmeier R. und Rösch D. (2003): Uses and Misuses of Measures for Credit Rating Accuracy, Working Paper, Universität Regensburg. Harten F., Meyerthole A. und Schmitz N. (1997): Prophetentheorie, Teubner, Stuttgart. Hartmann-Wendels T., Pfingsten A. und Weber M. (2007): Bankbetriebslehre, Springer, Berlin, 4. Aufl. Hartmann-Wendels T. und Winter J. (2005): Loss Given Default von MobilienLeasing-Verträgen – Eine empirische Betrachtung des deutschen Marktes, Finanzierung Leasing Factoring, 3, S. 123–128. Heaton J.B. (2002): Managerial Optimism and Corporate Finance, Financial Management, Summer, S. 33–45. Heithecker D. (2007): Aufsichtsrechtliche Kreditportfoliomodelle. Eine modelltheoretische Analyse der Kreditrisikomessung unter Basel II, dissertation.de, Berlin. Hofmann B. und Pluto K. (2005): Zentrale Aspekte der neuen aufsichtlichen Eigenmittelempfehlungen (Basel II), Zeitschrift für betriebswirtschaftliche For-
Literaturverzeichnis
273
schung, Sonderheft 52: Aktuelle Entwicklungen im Bankcontrolling: Rating, Gesamtbanksteuerung und Basel II , S. 241–270. Homburg C. und Stephan J. (2004): Kennzahlenbasiertes Risikocontrolling in Industrie- und Handelsunternehmen, Zeitschrift für Controlling & Management, 48, S. 313–325. Höse S. und Huschens S. (2003): Sind interne Ratingsysteme im Rahmen von Basel II evaluierbar? Zur Schätzung von Ausfallwahrscheinlichkeiten durch Ausfallquoten, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 73, S. 139–168. Jacobson T., Lindé J. und Roszbach K. (2006): Internal Ratings Systems, Implied Credit Risk and the Consistency of Banks’ Risk Classification Policies., Journal of Banking and Finance, 30, S. 1899–1926. James C. (1996): RAROC Based Capital Budgeting and Performance Evaluation: A Case Study of Bank Capital Allocation, Wharton School Working Paper 96-40 . Jankowitsch R., Pichler S. und Schwaiger W.S.A. (2003): Rating Granularity and Basel II Capital Requirements, Working Paper, Universität Wien. Jankowitsch R., Pichler S. und Schwaiger W.S.A. (2007): Modelling the Economic Value of Credit Rating Systems, Journal of Banking and Finance, 31, S. 181–198. Johanning L. (1998): Value-at-Risk zur Marktrisikosteuerung und Eigenkapitalallokation, Uhlenbruch, Bad Soden. Johnson N.L., Kotz S. und Balakrishnan N. (1995): Continuous Univariate Distributions, Vol. 2, John Wiley & Sons, New York. Jones D. (2000): Emerging Problems with the Basel Capital Accord: Regulatory Capital Arbitrage and Related Issues, Journal of Banking and Finance, 24, S. 35–58. Jorion P. (2006): Value at Risk, McGraw-Hill, New York, 3. Aufl. Kaufman G.G. (1994): Bank Contagion: A Review of the Theory and Evidence, Journal of Financial Services Research, 8, S. 123–150. Kühn I. und Pfingsten A. (2007): The Impact of White Noise in PD Estimations on Banks’ Capital Requirements According to Basel II, Working Paper, Finance Center Münster.
274
Literaturverzeichnis
Kiefer N.M. und Larson C.E. (2004): Evaluating Design Choices in Economic Capital Modeling: A Loss Function Approach, in: Dev A. (Hrsg.), Economic Capital: A Practitioner Guide, Risk Books, London, S. 315–328. Kirmße S. (1996): Die Bepreisung und Steuerung von Ausfallrisiken im Firmenkundengeschäft der Kreditinstitute, Fritz Knapp, Frankfurt am Main. Kuck A. (1999): Wege zur Berücksichtigung von makroökonomischen Faktoren in Kreditrisikomodellen, Working Paper, Universität Duisburg. Kupiec P.H. (2007): Financial Stability and Basel II, Annals of Finance, 3, S. 107–130. Lehar A., Welt F., Wiesmayr C. und Zechner J. (1998): Risikoadjustierte Performancemessung in Banken – Konzepte zur Risiko-Ertragssteuerung (Teil 2), Österreichisches Bankarchiv , 12, S. 949–955. Levy H. (2006): Stochastic Dominance – Investment Decision Making under Uncertainty, Kluwer Academic Publishers, Boston, 2. Aufl. Lopez J.A. (2004): The Empirical Relationship between Average Asset Correlation, Firm Probability of Default, and Asset Size, Journal of Financial Intermediation, 13, S. 265–283. Lorenz M.O. (1905): Methods of Measuring the Concentration of Wealth, Publications of the American Statistical Association, 9, S. 209–219. Lücke W. (1955): Investitionsrechnung auf der Basis von Ausgaben oder Kosten?, 7, S. 310–324. Luh W. und Wießner M. (1992): Aufgabensammlung Analysis – Band 2, Aula, Wiesbaden. Marusev A.W. und Pfingsten A. (1993): Das Lücke-Theorem bei gekrümmter Zinsstruktur-Kurve, Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 45, S. 361– 365. Matten C. (1996): Managing Bank Capital – Capital Allocation and Performance Measurement, John Wiley & Sons, New York. Merton R.C. (1974): On the Pricing of Corporate Debt: The Risk Structure of Interest Rates, Journal of Finance, 29, S. 449–470.
Literaturverzeichnis
275
Milde H. (1980): Kreditrationierung, Zinsdispersion und Sequentialsuche, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 136, S. 266–285. Moody’s Investors Service (2001): RiskCalcTM for Private Companies: The German Model, Moody’s Investor Service Modeling Methodology. Moody’s Investors Service (2007): Structured Finance Rating Transitions: 1983 - 2006, Moody’s Investors Service Special Comment. Mülhaupt L. (1980): Einführung in die Betriebswirtschaftslehre der Banken, Gabler, Wiesbaden, 3. Aufl. Oehler A. und Unser M. (2002): Finanzwirtschaftliches Risikomanagement, Springer, Berlin, 2. Aufl. Oetker H. und Maultzsch F. (2007): Vertragliche Schuldverhältnisse, Springer, Berlin, 3. Aufl. Ohletz W. (2007): Bonitätsorientierte Zinsänderungsklauseln in Verträgen mit Verbrauchern und Unternehmen, Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht, 4, S. 129–140. Ong M.K. (1999): Internal Credit Risk Models – Capital Allocation and Performance Measurement, Risk Books, London. o.V. (2006): Einführung von Basel II in den USA offen, Handelsblatt vom 08.11.2006 , S. 23. Parchert R. (2005): Validierung von Risikomanagementsystemen, in: Becker A., Gaulke M. und Wolf M. (Hrsg.), Praktiker-Handbuch Basel II, SchäfferPoeschel, Stuttgart, S. 363–381. Perridon L. und Steiner M. (2007): Finanzwirtschaft der Unternehmung, Vahlen, München, 14. Aufl. Pfingsten A., Homölle S. und Rieso S. (2001): Risikomaße, in: Gerke W. und Steiner M. (Hrsg.), Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens, SchäfferPoeschel, Stuttgart, 3. Aufl., S. 1869–1879. Piesch W. (1975): Statistische Konzentrationsmaße – Formale Eigenschaften und verteilungstheoretische Zusammenhänge, J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen.
276
Literaturverzeichnis
Pluto K. (2002): Basel II – Ein Weg zur bankenaufsictlichen Anerkennung von Kreditrisikomodellen?, in: Oehler A. (Hrsg.), Kreditrisikomanagement – Kernbereiche, Aufsicht und Entwicklungstendenzen, Schäffer-Poechel, Stuttgart, 2. Aufl., S. 297–322. Rams A. (2003): Rating für den Mittelstand – Chance oder Risiko?, CWG-Dialog, 1, S. 1–9. Rauhmeier R. und Scheule H. (2005a): Eigenschaften von Ratings und ihre Auswirkung auf die Kapitalanforderung nach Basel II, Deutsches Risk , Sommer, S. 34–40. Rauhmeier R. und Scheule H. (2005b): Rating Properties and their Implication on Basel II-Capital, Risk , May, S. 78–81. Renault O. und Scaillet O. (2003): On the Way to Recovery: A Nonparametric Bias Free Estimation of Recovery Rate Densities, HEC Geneve: FAME Research Paper No. 83 . Ritter J.R. und Welch I. (2002): A Review of IPO Activity, Pricing, and Allocations, Journal of Finance, 57, S. 1795–1828. Rosenberger W.R. (2000): Risikoadäquate Kreditkonditionen, Paul Haupt, Bern. Rösler P. und Wimmer K. (2007): Angemessenheit der Höhe von Vorschusszinsen, Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht, 1, S. 8–18. Rösler P., Wimmer K. und Lang V. (2003): Vorzeitige Beendigung von Darlehensverträgen, C.H. Beck, München. Rothschild M. und Stiglitz J.E. (1970): Increasing Risk: I. A Definition, Journal of Economic Theory, 2, S. 225–243. Rudolph B. (2004): Ursachen und Dämpfungsmechanismen prozyklischer Wirkungen des Neuen Baseler Akkords, in: Bank M. und Schiller B. (Hrsg.), Finanzintermediation – Theoretische, wirtschaftspolitische und praktische Aspekte aktueller Entwicklungen im Bank- und Börsenwesen, Schäffer-Poeschel, Stuttgart, S. 247–269. Santos J.A.C. (2000): Bank Capital Regulation in Contemporary Banking Theory: A Review of the Literature, BIS Working Paper No. 90 .
Literaturverzeichnis
277
Saunders A. und Allen L. (2002): Credit Risk Measurement – New Approaches to Value at Risk and Other Paradigms, John Wiley & Sons, New York, 2. Aufl. Saunders A. und Cornett M.M. (2006): Financial Institutions Management – A Risk Management Approach, McGraw-Hill, New York, 5. Aufl. Scherpereel P. (2006): Risikokapitalallokation in dezentral organisierten Unternehmen, Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. Schierenbeck H. (2003): Ertragsorientiertes Bankmanagement. Band 2: RisikoControlling und Integrierte Rendite-/Risikosteuerung, Gabler, Wiesbaden, 8. Aufl. Schierenbeck H., Grüter M.D. und Kunz M.J. (2004): Management von Reputationsrisiken in Banken, Discussion Paper des WWZ Basel. Schmeisser W. und Lehmann A. (2006): Rating – Kreditzinsberechnung,
in
Zusammenarbeit
mit
bdvb.de,
kostenloser
Download,
URL
http://www.studentensupport.de/store [2007-08-15]. Schmeisser W. und Mauksch C. (2005): Kalkulation des Risikos im Kreditzins nach Basel II, Finanz Betrieb, 5, S. 296–310. Schmid F. und Trede M. (2006): Finanzmarktstatistik, Springer, Berlin. Schmit M. (2004): Credit Risk in the Leasing Industry, Journal of Banking and Finance, 28, S. 811–833. Schmitz N. (1996): Vorlesungen über Wahrscheinlichkeitstheorie, Teubner, Stuttgart. Schwarz H.R. und Köckler N. (2006): Numerische Mathematik, Teubner, Stuttgart, 6. Aufl. Sharpe W.F. (1964): Capital Asset Prices: A Theory of Market Equilibrium under Conditions of Risk, Journal of Finance, 19, S. 425–442. Sharpe W.F. (1966): Mutual Fund Performance, Journal of Business, 39, S. 119– 138. Sobehart J.R., Keenan S.C. und Stein R.M. (2000a): Benchmarking Quantitative Default Risk Models: A Validation Methodology, Moody’s Rating Methodology. Sobehart J.R., Keenan S.C. und Stein R.M. (2000b): Validation Methodologies for Default Risk Models, Credit, May, S. 51–56.
278
Literaturverzeichnis
Sparkasse Ulm (2006): Jahresbericht 2006. Standard & Poor’s (2008): Default, Transition, and Recovery: 2007 Annual Global Corporate Default Study and Rating Transitions, Standard & Poor’s Ratings Direct. Steward G.B. (1991): The Quest for Value – The EVATM Management Guide, HarperCollins, New York. Stiglitz J.E. und Weiss A. (1981): Credit Rationing in Markets with Imperfect Information, American Economic Review , 71, S. 393–410. Stoer J. und Bulirsch R. (2007): Numerische Mathematik 1, Springer, Berlin, 10. Aufl. Stoughton N.M. und Zechner J. (2007): Optimal Capital Allocation using RAROCTM and EVA® , Journal of Financial Intermediation, 16, S. 312–342. Tasche D. (2003): A Traffic Lights Approach to PD Validation, Working Paper, textnormalDeutsche Bundesbank. Tasche D. (2006): Validation of Internal Rating Systems and PD Estimates, Working Paper, Deutsche Bundesbank. Treynor J.L. (1965): How to Rate Management of Investment Funds, Harvard Business Review , 43, S. 63–75. United States Government Accountability Office (2007): Risk-Based Capital. Bank Regulators Need to Improve Transparency and Overcome Impediments to Finalizing the Proposed Basel II Framework. Uyemura D.G., Kantor C.C. und Pettit J.M. (1996): EVA® for Banks: Value Creation, Risk Management, and Profitability Measurement, Journal of Applied Corporate Finance, 9, S. 94–109. VanHoose D. (2007): Theories of Bank Behavior under Capital Regulation, Journal of Banking and Finance, 31, S. 3680–3697. Vasicek O.A. (1987): Probability of Loss Loan Portfolio, Working Paper, KMV Corporation. Vasicek O.A. (2002): The Distribution of Loan Portfolio Value, Risk , December, S. 160–162.
Literaturverzeichnis
279
von Stein J.H. (2000): Beteiligungen und Beteiligungspolitik, in: Obst G. und Hintner O. (Hrsg.), Geld-, Bank- und Börsenwesen, Schäffer-Poeschel, Stuttgart, 40. Aufl., S. 1091–1098.