KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULT U R K U N D L I C H E
HEFTE
JOSEF MAGNUS WEHNER
NO...
58 downloads
619 Views
581KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULT U R K U N D L I C H E
HEFTE
JOSEF MAGNUS WEHNER
NOFRETETE D I E FRAU DES „ K E T Z E R K Ö N I G S
VERLAG SEBASTIAN MURNAU-MÜNCHLN.
LUX
INNSBRUCK-BASEL
Das Fest der Thronbesteigung D as schöne zehnjährige Mädchen Nofretete, Tochter des adeligen Hofbeamten Ai,* stand vor der Königinmutter Teje wie ein Traumbild. Die Kammerfrauen legten ihr den purpurnen Mantel um, der mit goldenen Blumen und mit Figuren ägyptischer Götter bestickt war. Teje drückte ihr mit entschiedenem Griff den goldenen Reif in die Stirn, in dessen Mitte die uralte Uräusschlange aufblitzte; dann reichte ihr die Schwiegermutter den Spiegel aus geschliffenem Obsidian und maß das Mädchen, das heute zur Königin gekrönt werden sollte, mit scharfen und stolzen Blicken. Die Kleine glich einer jungen Göttin; ihr schmaler Leib, wie von einem Bildhauer geformt, trug auf schlankem Hals das edle Haupt wie eine Blüte. Nofretete war heute schon in ihrer knospenhaften Zartheit die schönste Frau, nicht nur in Theben, der verwöhnten Hauptstadt des Reiches, sondern auch jener ferneren Welt, die ihrem Gatten Amenophis IV. zu Füßen lag. Nofretete hatte den Spiegel sinken lassen, sie neigte ihr Haupt. „Woran denkst du?" fragte Teje. „Ich denke", antwortete Nofretete bekümmert, „ich denke an die arme Prinzessin Tadu-hipa, Königinmutter — verzeih mir!" „Es ehrt dich, daß du an eine Tote denkst", erwiderte Teje. : „Allzu eilig hat sie ihr Vater, der König von Mitanni, an unseren Hof geschickt. Die Götter haben sie heimgeholt, ehe sie Königin wurde an der Seite meines Sohnes. Sie ist gestorben, du aber lebst, darum freue dich, Auserwählte Amons! Denn siehe, auch ich trauere — trauere um meinen toten Gemahl, und doch freue ich mich: Mein Sohn empfängt heute seinen Namen als Vierter Amenophis. Hörst du die Trommeln und Trompeten nicht? Komm, laß uns ans Fenster treten!" Sie nahm Nofretete an der Hand und führte sie an das größte Fenster des Gemaches. * üehe die Anmerkung auf Seite 31
Draußen wurde soeben der Kronprinz von der Priesterschaft Thebens in das Reinigungsbad geleitet. Blaß und ernst saß er auf dem goldenen Thronsessel, nubische Sklaven wedelten ihm mit langstieligen Palmfächern Kühlung zu; der Prinz hatte die schweren Lider geschlossen, er schien zu beten. Vor dem goldenen Tor des Tempels standen aufgereiht die Priester des Gottes Horus und des Gottes Seth, Masken von Tierköpfen auf dem Haupt. Unter ihren uralten Gesängen stieg Amenophis vom Tragsessel und antwortete ihnen mit seiner hellen Knabenstimme, wie die Liturgie es vorschrieb. Dann führten die Priester den zwölfjährigen Kronprinzen in den kühlen Tempel mit den dicken Mauern und den bildgeschmückten Säulen. In diesem Augenblick verließen Teje und Nofretete das Gemach mit großem Gefolge. Der Zeremonienmeister geleitete sie auf die granitene Terrasse des Palastes; sie ließen sich in den Marmorstühlen nieder, deren Armknäufe in goldene Löwenhäupter ausliefen. Auch hier sangen Scharen von Priestern feierliche Wechselgesänge, bis der Prinz nach dem Bade den Umlauf um die Stadtmauer beendet hatte. Dieser Lauf diente der Erinnerung an die Gründung Thebens und an die Einigung des Reiches vor eineinhalb Jahrtausenden. Dann stieg, mit einem altertümlichen Leibrock angetan, Prinz Amenophis die Treppen der Terrasse herauf. Fahnen wehten von hohen Masten. Priester schwangen Weihrauchfässer, Standartenträger eilten dem Prinzen voran und führten ihn zu einem der beiden leeren Throne. Der höchste Priester des Reiches setzte dem Stehenden zuerst eine rote und dann eine weiße Krone auf, die Machtsymbole Unter- und Oberägyptens. Nach alter Sitte hätte jetzt Amenophis IV. nacheinander die beiden Throne besteigen müssen, den Thron des Delta-Reiches und den Thron des Reiches am mittleren und oberen Nil. Statt dessen aber geschah jene ungeheure Neuerung, die der Knabe gegen den Willen der Priesterschaft durchgesetzt hatte: er lief strahlend auf Nofretete zu, ließ sich von einem Tempeldiener die hellblaue Königinnenhaube reichen und setzte sie seiner jungen Gemahlin aufs Haupt. Unter dem Jubel des Volkes geleitete er Nofretete zu einem der beiden Throne und setzte sidi neben sie auf den zweiten Thron. Sie sollte mehr seiu. als nur seine Frau. 3
Die Chöre waren plötzlich verstummt. Die Hofbeamten und die geladenen Gäste murmelten, nur das Volk jauchzte weiter und sang Götterlieder und Königshymnen. Es währte längere Zeit, bis der oberste Priester Amons die Bedeutung dieser Zeremonie ganz erfaßt hatte. Aber er blieb gelassen, trat, das Leopardenfell über der Schulter, auf den König zu und lud ihn nach altem Brauch feierlich ein, Min, dem Gotte der Fruchtbarkeit, zu opfern. Auf einen Wink des Hohepriesters nahte aus dem Allerheiligsten des Min-Tempels die Statue des Gottes; sie war mit purpurnen Tüchern verhüllt. Priester kühlten das göttliche Antlitz mit frisch gebrochenen Blumensträußen; Tempelpriester trugen die Statuen der königlichen Vorfahren, der Oberste der Tempelhüter führte den heiligen schneeweißen Stier vor der Bahre des Gottes einher. Araenophis IV. schritt die Stufen der Terrassentreppe hinab, um den Gott Min zu enthüllen. Ein Priester trat vor den König, eine Garbe Buchweizen in der Hand. Der König ergriff eine goldene Sichel, schnitt die Ähren von der Garbe und legte sie als Opfer vor dem Bilde Mins auf die Erde. Die Priester ließen von der Terrasse aus vier Gänse nach den vier Himmelsrichtungen fliegen, um den Göttern zu melden, daß sich Horus, der Sohn der Isis und der Sohn des Osiris — dies waren die Beinamen der Pharaonen —, die weiße und die rote Krone aufgesetzt habe. Am Ende der langen Zeremonien wurde dem jungen König das Weihrauchfaß gereicht. Während der Obervorlesepriester aus den heiligen Büchern den „Tanz des Min" vorlas und ein Neger aus der südlichen Provinz des Reiches eine Hymne auf den Gott sang, räucherte der gekrönte König vor dem Gotte und vor seinen Ahnen. Dann nahm er die Glückwünsche des Hofes und der fremden Gesandten entgegen. Er war jetzt der Herr über die beiden ägyptischen Länder bis zum fernsten Nil-Katarakt und über das goldreiche Nubien. Herrscher über Syrien, Palästina, die Weihrauchlän- S der am Roten Meer, über Babylonien und Assyrien bis zum Euphrat. Kilikien und Zypern hatten Geschenke gesandt, ebenso der König von Mitanni und der Elerrscher des Hethiterreiches. Um das Haupt
Die Königin mit dem Zeichen der Uräusschlange über der Stirn,
des neugekrönten Amenophis wob der Nimbus des Gottessohnes; er wurde nicht nur unter den Namen der Götter Horus, Seth und Osiris, sondern auch als Sohn des höchsten Sonnengottes Amon-Re selber angerufen. Die Priester und Tempeldiener hatten heute ihren reichsten Tag. An jedem Tage des Jahres wurden etwa 3220 Brote, 24 Kuchen, 144 Krüge Bier, 32 Gänse, Krüge mit Wein und zahllose andere Gaben auf die Opfertische gelegt; heute hatte der König noch 3694 Brote, 600 Kuchen, 905 Krüge Bier und 206 Gänse dazu gespendet, wie er es künftig an allen hohen Feiertagen zu tun gedachte. Im königlichen Palast wurden die Gäste von den Dienern gesalbt und mit Lotos bekränzt. Zu den Harfen- und Flötenklängen schritten Tänzerinnen im Reigen. Knaben und Mädchen gingen von Tisch zu Tisch mit Krügen voller Wohlgerüche und mit Weinschalen, und die Sänger wiederholten immer wieder ihr Trinklied: „Leg Myrrhen auf dein Haupt, kleide dich in feines Linnen, Nachdem du gesalbt bist mit den echten Wundern des Gottes. Schmücke dich, so schön du kannst, Feiere den frohen Tag, denn niemand noch nahm seine Habe mit ins Grab, Und kein Mensch, der dahinging, kehrte je zurück." War Nofretete glücklich? Sie saß neben ihrem Gemahl und legte ihm die Speisen vor; sie ließ kein Auge von ihm, denn dieser reichste König der bewohnten Erde war krank. Würde Amon-Re, sein himmlischer Vater, ihn heute davor bewahren, daß er, wie so oft, auf die Erde stürzte, wild um sich schlug, Schaum vor dem' Mund, und dunkle Worte lallend? Die Ärzte nannten es die hinfallende Krankheit und konnten ihm nicht helfen — dem Knaben mit den schweren Lidern und dem vergeistigten Gesicht. Als die Abendsonne ockerrote Flammen über den gelben Berg Manu im Westen warf, ging das junge Paar in den Park. Und hier war es, daß Nofretete zum ersten Male aus dem Munde des Königs jenes geheimnisvolle Wort vernahm, das ihr Leben bestimmen sollte.
Er hatte sie soeben mit dem zärtlichen Namen „Herrin meines Glückes" bedacht, und sie hatte auf die sinkende Sonnenscheibe gedeutet und gesagt: „Araon-Re hat uns und unsere Länder glücklich gemacht." Da wandte er ihr seine großen Augen zu und sprach: „Amon ist ein kleiner Gott, und ich werde ihn stürzen; denn Aton ist größer, und kein anderer Gott ist neben ihm." Nofretete erschauerte bei diesem Spruch, den sie nicht verstand, bis in die Tiefe ihrer Seele. Der Name Aton sollte für sie zum Schicksal werden, wie er es für das ganze uralte Land Ägypten wurde, das zu dieser Zeit — es war um das Jahr 1375 v. Chr. — bereits von der 18. Pharaonen-Dynastie beherrscht wurde. Wollte der König, der doch noch ein Kind war wie sie, die Götter stürzen, die schon seit Jahrtausenden den Ländern geboten?
Der neue Gott Der verstorbene König Amenophis III. hatte sich wenig um die politischen Dinge gekümmert, seine große Leidenschaft war die Jagd gewesen. Eine Inschrift rühmte ihm nach, er habe in den ersten zehn Jahren seiner Regierung hundert Löwen und auf einem einzigen Jagdzug sechsundfünfzig Stück gehörntes Wild erlegt. Nicht nur auf der Jagd genoß er sein Leben, sondern auch in der Üppigkeit seiner Landhäuser und Paläste; in Theben wurde das Gold aus den eroberten Ländern gehortet. Als der König von Babylon den Pharao um eine Anleihe bat, schrieb er ihm: „In deinem Lande gibt es soviel Gold wie Staub." Die Zeit des alten, strengen Reiches war vorbei; ein neues Lebensgefühl, vergleichbar dem Frühling der italienischen Renaissance, erfüllte die Menschen, zumal die weltzugewandte Gesellschaft in der Königsresidenz Theben. Und das änderte sich zunächst auch nicht, als König Amenophis IV. und Nofretete zu regieren begannen. Man kleidete sich nach der neuesten, sdinell wechselnden Mode, die zum Teil aus dem Ausland stammte. Parfümierte Perücken und goldene Ohrringe auch für Männer kamen auf, die Geräte wurden luxuriös vergoldet und verziert; den Griff eines Spiegels bildete etwa eine zierliche Mädchenfigur, die ein Kätzchen oder Vögelchen in der Hand hielt. 7
Den reichsten Gewinn von der „neuen Welle" hatte die bildende Kunst. Die Wandmalereien wurden reicher, farbiger, kühner; die Vögel, Fische, Antilopen, Löwen und Pferde wurden bewegter und natürlicher dargestellt, die strenge, „hieratische" Linienführung der alten Zeit wich einer neuen, behenden, fröhlichen Eleganz. Auch der menschliche Körper wurde durch die modernen Künstler aus der alten Starre gelöst; man spielte mit ihm und seiner Anatomie; das Gesicht wurde verlängert, die Schenkel schwollen an, man glaubte manchmal den Körper des jungen Königs als Modell zu erblicken. In unvergleichlicher Schönheit stellte man die Büsten der jungen Königin Nofretete her. Ihr Name bedeutete: „Die Schöne ist gekommen", und drückte damit vollkommen das Ideal des neuen Stils aus. Der Nofretetekopf von Berlin, im Widerspiel der hohen schweren Königshaube zu dem überschlanken Hals, ist reine, harmonische, plastisch gewordene Musik. Ihr unvollendeter Kopf aus Quarzit im Museum von Kairo, der wahrscheinlich ein Jahrzehnt später entstanden ist, ist der äußerste Ausdruck einer sinnenhaften, mondänen Frau, ein hoher und geglückter Doppelklang von Liebe und Trauer. Beide Büsten sind Kunstwerke von zeitlosem Weltformat.
Das junge Königspaar verlebte im Palast zu Theben wohl ohne Zweifel Jahre des tiefsten Glückes. Der König schloß sich nicht mehr vom Volk ab, wie es die früheren Pharaonen getan hatten; immer wieder fuhr er im „Bernsteinwagen" — wie die Abbildungen es uns zeigen — mit Nofretete in die Stadt; er führte selber die Zügel. Gern ließ er sich abbilden, wie er die schöne Königin auf seinen Knien hält; sie läßt ihn an einer Rose riechen oder er küßt sie; er war der zärtlichste Gatte und ließ alle an seiner Freude teilnehmen. Dieses neue, menschliche, freudige Lebensgefühl, das sich jetzt mächtig ausbreitete, bedurfte auch einer neuen religiösen Begründung in dem tief religiösen ägyptischen Volk. Schon sehr früh scheint sich der schwärmerische junge König von dem alten, düsteren Glauben der Vorzeit abgewandt zu haben, der ein „Leben auf den Tod hin" mit Schuldgefühl, Angst und Bangen über die Menschen verhängte. Betrachten wir nur einmal die Schrecken des Toten8
Porträtkopf König Amenophis' IV. 9
genchts, dem nach dem altägyptischen Glauben jede abgeschiedene Seele unterworfen wurde: Allein siebzig Gebete sprachen die Priester bei der Bestattung. Die Seele wurde in der Unterwelt von Anubis vor den Totenrichter Osiris (oder Re) geführt, an dessen Seite zweiundvierzig Dämonen mit Schlangen-, Falken-, Geier- oder Widderköpfen saßen; jeder von ihnen hatte ein Messer in der Hand; sie hatten grauenhafte Namen, wie Blutfresser, Knochenbrecher, Schattenfresser, Weitschritt, Wendekopf, Weißzahn, Flammenauge, Flammenatem, Feuerbein. In der Halle stand eine Waage; die eine Waagschale beherrschte Maat, die Göttin der ausgleichenden Gerechtigkeit; auf die andere Waagschale wurde das Herz des Toten gelegt. Während der Abwägung mußte die Seele vor jedem der zweiundvierzig dämonischen Beisitzer ein verneinendes Sündenbekenntnis ablegen in der Form: „Ich habe nicht gestohlen; ich habe nicht die Ehe gebrochen; ich habe keine Ungerechtigkeit begangen". Am Fuß der Waage saß ein krokodilähnliches Ungeheuer, die „Verschlingerin"; sie stürzte sich auf den überführten Sünder, während die „Reinen" in das Reich des Osiris aufgenommen wurden — in ein höchst unklares Reich; denn bald glaubt man die' Verklärten als Sterne zu erblicken, bald werden sie in Vögel, Käfer oder Blumen verwandelt, bald ziehen sie als Schatten allnächtlich der unterweltlichen Barke des Sonnengottes nach, durch Schlangentore und an den Folterstätten der Verdammten vorbei, bis es endlich Morgen wird. Es ist nicht verwunderlich, daß das weiche, liebende, lyrische Herz des jungen Königs von dem tierköpfigen Götterstaat, der aus den Angstträumen frühzeitlicher Völker erwachsen zu sein schien, abgestoßen wurde und einen neuen Gott suchte, der dem höchsten Gott von Theben, dem widderköpfigen Amon, den Kampf ansagen könne. Amenophis IV. fand diesen Gott in dem einfachen Wort Eten oder Aton, das „Sonnenscheibe" bedeutet. Es war das heilige Sonnengestirn selbst, das er nun als Gottheit sah, benannte und anbetete, die liebende, jubelnde Sonnenkraft, deren Strahlen in segnende Hände ausliefen und alles Leben bewirkten. Sein Vater Amenophis III. hatte übrigens schon zu diesem Gott gebetet und einem seiner Regimenter den Namen „Aton" verliehen. Aber erst sein Sohn machte ernst mit dem neuen Glauben. 10
Manni Hesse
Digital unterschrieben von Manni Hesse DN: cn=Manni Hesse, c=DE Datum: 2006.12.30 09:51:34 +01'00'
Niemand weiß, was in seiner entrückten Seele vorging, wenn er in seinen epileptischen Anfällen „Erscheinungen" hatte. Waren es echte Visionen oder krankheitsbedingte Trugbilder? Die Epileptiker galten im Volk als Lieblinge der Götter, man traute ihnen die Gabe der Weissagung zu. Befahl ihm „sein" Gott Aton, daß er die alten Sonnengötter ablöse? Der widderköpfige Amon herrschte erst seit ein paar Jahrhunderten in Theben. Viel älter war der erste ägyptische Sonnengott R£ mit dem Beinamen Horachti; er wurde am Nildelta verehrt, in der Stadt On, die die Griechen Heliopolis, Sonnenstadt, nannten und wo nach dem Zeugnis der Bibel um das Jahr 1300 der junge Moses „in der Weisheit der Ägypter" unterrichtet wurde. Es bildete sich in dem jungen König Amenophis allmählich der Glaube heraus, Aton sei der „wiedergekommene Re." Der König besang ihn als den „im Lichtberg Jubelnden", als den „Herrscher der beiden Horizonte". Bisher war Amon der strahlend aufgehende, Atum der erlöschend untergehende Sonnengott gewesen; es schien, als wolle Amenophis IV. diese Zweiteilung völlig beseitigen und nur die reine, vergeistigte Sonnenscheibe Aton als den Allherrn anbeten lassen. Vorerst hielt sich der König noch zurück; er traf keine Maßnahmen, um den Amonskult in Theben zu zerstören, er baute sogar die riesige Tempelstadt zu Theben-Karnak weiter aus, die durch eine Allee von männlichen Sphinxen mit Theben-Luxor verbunden war. Noch stand hier neben den Tempeln anderer Götter das Heiligtum Amons unbehelligt. Die Entscheidung aber fiel bald.
Die ersten Sturmzeichen Die ersten zwei Kinder, die Nofretete ihrem Gatten schenkte, waren Mädchen; der männliche Erbe, der Thronfolger, ließ auf sich warten. Als die Königin zum dritten Male in der Hoffnung war — sie mag damals siebzehn oder achtzehn Jahre alt gewesen sein —, führten die Priester Amons vermutlich abermals jene Prozession zum nächtlichen Nil, die von altersher vor der Niederkunft der Königin üblich war. An ihr durften nur die Jungfrauen der Stadt teilnehmen. 11
Die Familie des Königs Amenophis mit dem Sonnengott Aton (Altarbild). 12
Wenn der Vollmond am grünen Himmel über dem Niltal stand gleich der Goldmaske eines toten Pharao, wenn die Sumpfvögel im Röhricht gurrten, kamen aus der pfauenäugigen Nacht durch die Doppelallee marmorner Sphinxe Scharen von Mädchen und stiegen den Uferhang hinab. Sie waren hochgeschürzt und trugen Blumen im Haar. Die Glasstäbchen, die sie singend aneinanderschlugen, verrieten, daß sie nicht gekommen waren, um nach der Landessitte im heiligen Strom zu baden; eine von ihnen, die Vorsängerin, schwang den rituell bebänderten Holzstab, aus dessen Knauf sich das geschnitzte Antlitz der kuhohrigen Liebesgöttin schälte. Am Ufer des silberglänzenden Nils trat ein Mann vor die Schar, warf seine Öberkleider ab und stand nun da im Ornat der thebischen Amonspriester. Singend forderte er die Mädchen auf, in das Schilf des Stromes zu steigen und mit ihm zu Mut, der Mutter der Götter, zu flehen, daß sie der Königin einen Sohn schenke. Die Mädchen folgten ihm tanzend und singend in das Röhricht; ihre Lieder1 schienen jetzt aus dem Grunde des Wassers zu dringen. Die Vorsängerin trat in die Mitte der Mädchen. Sie zeigte ihnen die Statue des Gottes Besch; er war aus Elfenbein geschnitzt und lief in einen Löwenkopf aus. Ein Priester hob das geschnitzte Bild der Göttin Thoeris empor; sie war als trächtiges Nilpferd mit einem Krokodilskopf gebildet, im rechten Vorderhuf trug sie die Hieroglyphe des göttlichen Schutzes. Der Priester reichte die Göttin zum Kusse herum, umhüllte sie mit einem Stück vom Kleide der Königin und goß Milch von der heiligen Himmelskuh darüber. Danach erst begann die eigentliche Feier. Der Priester wurde zum kultischen Schauspieler. Er nahm die Stimme des Götterkönigs Amon an und verkündete der Götterversammlung seinen Beschluß, einen neuen Gottkönig in die Welt zu setzen. Der Gott der Weisheit, der ibisköpfige Thot, ließ ihn darauf den Namen Nofretetes nennen, die als Mutter dieses Gottkönigs ausersehen sei. Der Schluß der Feier bestand in einer Anrufung der eigentlichen Geburtsgötter. Das erste Lied galt dem ziegenköpfigen Schöpfergott Chnum, der auf der Töpferscheibe aus Nilschlamm den Leib des göttlichen Königskindes, seine Seele und seinen Schutzgeist Ka formte. Das zweite Lied stieg zur froschköpfigen Geburtsgöttin Heket empor, die geblähten Halses dem Kinde den Odem des Lebens einblies. 13
Unaufhörlich drangen die Bitten der Mädchen in die Nacht. Sie pflanzten sich am Ufer fort, sie wurden von heimlichen Betern aufgenommen, die sich an den Nil geschlichen hatten. Überall flammten kleine Feuer auf, die Opferbrände versteckter Wallfahrer. Die Lichter auf den Schiffen erloschen, und die Nacht nahm die graue Farbe des Granits an . . . Hatten die flehentlichen Gebete den Götterhimmel Ägyptens nicht erreicht? Wo blieb die Hilfe der tiergesichtigen Götter? Als Nofretete zum dritten Mal niederkam, gebar sie abermals ein Mädchen. Wer trug die Schuld? Etwa die Tempelpriester des Amen? Im sechsten Jahre seiner Regierung setzte Amenophis IV. die Einkünfte der thebischen Amonspriester herab. Man darf annehmen, daß er mit seiner lieblichen Gemahlin auch die nächsten Schritte besprach: In seinem Namen Amenophis — zu deutsch „Der Friede Amons" — kam der Name des verhaßten Gottes vor, der ihm den Sohn vorenthielt; so warf er diesen Namen ab und nannte sich Echnaton, das bedeutet: „Es ist dem Aton angenehm". Auch seine drei Töchter benannte er um; sie hießen von nun an Merit-Aton, Maket-Aton und Enches-enp-Aton. Mit Rücksicht auf seine Mutter Teje, die noch immer die Hauptlast der Regierungsgeschäfte trug, konnte er es nicht wagen, noch entschiedener gegen die goldschweren und einflußreichen Amonspriester Thebens aufzutreten; sie erhielten jährlich von den Gläubigen hundertdreieinhalb Pfund Gold und hatten überall auch als hohe Beamte großen Einfluß. Doch schon in dieser Zeit besprach er mit seiner süßen Königin einen folgenschweren Plan: er wolle mit seinem Hof und einigen „bekehrten" Priestern Theben verlassen und nilabwärts bei dem Beduinendorf, ' das heute El Amarna heißt, eine neue Stadt mit Namen Echet-Aton, „Horizont Atons" — die Stadt Atons — gründen. Ein Tempel von eineinhalb Kilometer Länge solle Zentrum der neuen Religion und des neuen Lebens werden. Aton selber habe ihm den Plan eingegeben. Amenophis, Atons göttlidier Sohn, der jetzt Echnaton hieß, entwarf mit seinen Architekten sofort die
Baupläne und fertigte die Gründungs-Urkunde an, die alsbald im Beisein der Königin in die Grenzsteine der neuen Stadt eingemeißelt wurde. Er gab der Urkunde folgenden (gekürzten) Wortlaut: „Am 13. Tage des Jahres 6, im 4. Monat der 2. Jahreszeit reiste der König in die Stadt ,Horizont Atons' und umfuhr sie im Bernsteinwagen Atons, der das Land im Aufgang mit seiner Liebe erfüllt. Der Himmel war heiter, die Erde freudig und jedes Herz glücklich. Seine Majestät opferte Aton Brot, Bier, gehörnte und ungehörnte Stiere, Wild, Geflügel, Wein, Weihrauch und Duftkräuter an diesem Tag der Grenzsetzung der Stadt des Horizontes. Dann ließ er die Großen des Reiches vor sich kommen; sie warfen sich auf die Erde und küßten sie, und der König auf dem Thron, angestrahlt von den kräftigen Strahlen seines Vaters Aton, sprach zu ihnen: Aton selber, mein Vater, hat mich hierhergeführt und mir befohlen zu bauen: Er, der Ewige und der Bürge meiner Ewigkeit, er, der keinen Schöpfer kennt, sondern sich selbst mit eigener Hand erbildet hat. Von seinen Strahlen lebt alles. Ich will hier seine Stadt bauen inmitten der Felsen, seinen Tempel, daneben einen Sonnenschattentempel für meine Große Königliche Gemahlin Nofretete, auch einen Palast für sie und mich, und in die Felsen des Westens will ich mein Grab einhauen lassen. Und wenn die Große Königin Nofretete stirbt, soll sie dort neben mir bestattet werden. Auch die Gräber des heiligen Stieres Mnewis und die Gräber der Hohepriester und der Gottespriester Atons sollen dort in den Fels gehauen werden." Auf einen anderen Grenzstein der genau umschriebenen Tempel-, Palast- und Wohnstadt trug Echnaton die Worte ein: „Ich gründe Echet-Aton an dieser Stelle für Aton, meinen Vater. Ich werde Echet-Aton nicht südlich von hier, nicht nördlich von hier, nicht westlich von hier oder östlich von hier gründen. Ich werde nicht den südlichen Grenzstein von Echet-Aton nach Süden, noch den nördlichen Grenzstein von Echet-Aton nach Norden überschreiten, sondern nur innerhalb dieser Grenze Echet-Aton für ihn gründen; auch werde ich es nicht auf dem westlichen Nilufer vergrößern. Nein, ich will Echet-Aton für meinen Vater auf der Sonnenaufgangsseite prunden. Und sollte die Königin zu mir sagen: .Siehe, es gibt 15
einen guten Platz für Echet-Aton an einer anderen Stelle', so will ich nicht auf sie hören." Neben diesen erhabenen Inschriften ließ sich Echnaton auf einer Säule mit Nofretete und den Töchtern abbilden. Und daneben stand, vom Meißel verewigt: „So wahr Gott, mein Vater, lebt, und so wahr mein Herz glücklich ist über meine Königin und ihre Kinder: Er möge gewähren, daß Nofretete ein hohes Alter erreicht unter dem Schutz des Pharao, ebenso aber auch die Töchter unter der Hut ihrer Mutter, sie möge ewig leben!" Gibt es einen schöneren Liebesbeweis als diese Inschrift, die der junge Echnaton vor rund dreitausenddreihundert Jahren in die Grenzsteine seiner heiligen Traumstadt eingraben ließ?
Die Stadt des Horizontes Die schöne Nofretete war damals, als Echnaton den Aton-Kult begründete, etwa siebzehn Jahre alt. Sie liebte ihren reifenden Mann nicht nur mit der Leidenschaft einer zärtlichen jungen Frau, sondern auch mit der Inbrunst einer reinen Seele, die ohne Vorbehalt an die Sendung ihres Gatten glaubte und in seinen Plänen die führende Hand eines verborgenen Gottes erkannte. Die Architekten, die Bildhauer gingen ans Werk. Die Steinbrüche hallten wider von den Schlägen der Arbeiter, die Rosenmarmor und Granit aus dem Fels brachen. Die Mauern der neuen Stadt wuchsen, die Pfeiler und Säulen standen auf — der Gott Aton und sein Sohn Echnaton konnten einziehen. Es war ein Tag wie alle Tage, als sie auf dem königlichen Segelschaff Dahabiyeh von Theben abfuhren. Es dauerte noch einige Zeit, bis die Stadt vollkommen dastand, die den Höfling Mai' in den Jubelruf ausbrechen ließ: „Mächtige Stadt des Horizontes, Stadt Atons, groß in deiner Anmut, Meisterin herrlicher Feste, reich an Besitz, in deiner Mitte der Opfertempel der Sonne! Da du schön bist, herrscht in dir die Freude. Wenn man dich anschaut, ist es wie ein Aufleuchten des Himmels." Der Tempelbezirk des Gottes, eineinhalb Kilometer lang, war von einer hohen Mauer umgeben. Der erste der beiden Tempel zeigte eine mächtige Fassade, hinter einem Säulengang zwei gfoße 16
Der Riesensäulensaal von Karnak (Theben) im Tempel des verbotenen Gottes Amon 17
Pylonentürme, zwischen ihnen das monumentale Tor mit beweglichen Flügeltüren. Auf jedem der Türme schwangen sich fünf Masten in den Himmel, die rote Fahnen trugen. Hatte man das Tor durchschritten, so erblickte man den Opferalter, zu dem eine Treppe hinaufführte, zur Rechten und Linken des Altars waren Kapellen aufgereiht. Hinter dem ersten Tempel breiteten sich sieben geräumige Höfe aus, mit Ruhezimmern für Pilger und Priester. Ein zweiter, kleinerer Tempel galt als das „Allerheiligste". Hier opferte der König. Hier erhoben sich auch die Standbilder Echnatons und Nofretetes. Alle Gebäude lagen offen im Sonnenlicht. Nirgendwo die kleinen mystischen Fenster und die düsteren unterirdischen Gänge wie in den Amontempeln von Theben! Diese Offenheit drückte das einfache und vertrauensvolle Verhältnis aus, das Echnaton und jeder Gläubige zu Aton hatte: die schlichte Liebe des Kindes zum Vater. Es gab noch eine Reihe anderer Tempel, unter ihnen einen kleinen, den Echnaton für seine Mutter Teje errichtet hatte; hatte doch auch sein Vater Amenophis III. seiner Gemahlin Teje fern auf dem Sinai einst einen Tempel gebaut. Von besonderer Schönheit war die intime Kapelle „Ruhe des Aton". In ihr sang Nofretete allabendlich den Gott zur Ruhe. Die Stadt selbst war ein Paradies von Palästen, Villen und Häusern für die Großen und Kleinen der ausgewanderten Kolonie; jedes Haus hatte einen geräumigen Garten voll köstlicher Blumen aus den Zonen Asiens und Afrikas; Springbrunnen, Weiher und kleine Seen verbreiteten angenehme Kühlung. Im Gartenbau waren die Ägypter von jeher Meister; sie waren auch hochkünstlerisdie Innenarchitekten. Der Hofbildhauer Bek bezeugt auf einer Inschrift, der König selbst habe ihn unterrichtet; in der Tat sind die zahllosen Malereien und Reliefs, die farbbunten Fußböden,- Decken und Wände, mit denen die Paläste und Villen gesdimüdit wurden, der Ausdruck einer neuen Lebensfreude, wie sie König Echnaton erfüllte. Blumen, Blätter, Vögel, Wild, Pferde vibrieren in ihrer geschmeidigen Linienführung vor Lebenslust; alles ist in schneller, farbiger Bewegung, zwar stilisiert, aber doch so entzückend naturnahe, naiv und musikalisch 18
wie nie zuvor. Selbst die Wandzeichnungen in den Gräbern enthüllen das fröhlich unbefangene Familienleben des jungen Königspaares. Da sehen wir zum Beispiel die königliche Familie in einem eleganten Pavillon, dessen Dach von bemalten Holzsäulen getragen wird; in den Kapitellen flattern im Hochrelief wilde Vögel über Blumensträußen; Blumengirlanden winden sich um die Säulen oder wehen von der Decke herab; rund um das Dach funkeln bronzene Kobras. Im Innern des Pavillons spielen Mädchen Harfe, Laute und Leier. Die Königin Nofretete steht vor dem Ruhebett des Königs und gießt durch einen Filter aus einer schönen Vase Wein in den Becher des Geliebten; eine der drei Prinzessinnen schleppt Blumensträuße herbei, die zweite trägt köstliche Speiseplatten herein, die dritte plaudert mit ihrem Vater. Auf einer anderen Grabzeichnung trinkt Nofretete Wein aus einem graziösen Becher, während Echnaton eine gebratene Taube verzehrt. Auch bei hochoffiziellen Anlässen, etwa wenn die Gesandten aus aller Welt ihren Tribut entrichteten, zeigte sich der König mit seiner ganzen Familie. Die wieder aufgefundenen Bilder zeigen, wie Nofretete ihren Arm um den Gemahl oder ihr Haupt an seine Schulter legt, während die Töchter mit einer Gazelle spielen oder dem Vater den Kopf kraulen. Alle Förmlichkeit ist aufgehoben; während des „Staatsaktes" treten Ringkämpfer, Boxer und Bogenschützen auf, Clowns und Schauspieler tanzen und springen zu Kastagnetten und Klappern; selbst die gefangenen Feinde tragen auf den Grabzeichnungen zur Zeit Echnatons im Gegensatz zu frühheren Zeiten noch einen hellen Akzent in das Bild: die gefangenen Frauen bringen ihre neugeborenen Kindlein in Weidenkörben vor das Königspaar. Dieselben lieblichen Szenen spielten sich ab, wenn die verwitwete und inzwischen wohl versöhnte Königinmutter Teje einmal zu Besuch kam. Zwar mußte Nofretete dann über dem hauchzarten Kleid aus feinstem Linnen den königlichen Kopfschmuck tragen; der Künstler aber zeichnet sie ab, wie sie an einer gebratenen Ente knabbert, während ihr Töchterchen Enches-enp-Aton den Schemel der Mutter erklettert hat und eine Pflaume in ihrem Munde zerdrückt. 19
König und Königin erwiesen dem Besuch jede Ehre; man opferte im Teje-Tempel auch dem neuen Gotte Aton; es gibt eine Zeichnung, auf der Mutter und Sohn unter den Strahlenhänden Atons abgebildet sind. Wenn wir auch nicht wissen, ob Teje zum neuen Glauben fand, wie unzweifelhaft ihre Schwiegertochter Nofretete, so dürfen wir doch annehmen, daß sie, die noch immer im Palast zu Theben wohnte, immerfort klug zwischen der Priesterschaft Amons und ihrem Sohn zu vermitteln wußte: solange sie lebte, hielt sich Echnaton zurück, und es kam nicht zum scharfen Bruch oder gar zu einer Revolution.
Echnatons Sonnengesang und Tejes Tod Als Nofretete sich ihrem zwanzigsten Lebensjahr näherte, trat ein Ereignis ein, das ganz Ägypten erschütterte. Wohl mußte sie immer Sorge um die schwankende Gesundheit ihres Gatten tragen; wohl versagte ihr das Schicksal auch in der Stadt des Horizontes den Thronfolger: sie gebar sechs oder sieben Töchter, zwei von ihnen starben und wurden in einer der Grabkammern nahe der Wüste bestattet. Je tiefer sich aber die Züge der mütterlichen Königin Teje verschatteten, umso herrlicher schien der neue Gott Aton seinen Sohn Echnaton zu segnen, indem er sich ihm immer deutlicher und schöner offenbarte; sie sah den Abglanz des Lichtgottes im Antlitz ihres Gatten; sie erlebte, zusammen mit seinen Schülern und Freunden, wie dieser Gott sich immer reiner als der Vater der Liebe, der Güte, der Welt und der Menschheit herausbildete. Echnaton war entschlossen, „in der Wahrheit zu leben". Er ließ kein Bild seines Gottes anfertigen; die lebenglühende Sonnenscheibe und die Strahlenhände allein waren Sinnbilder dieses Unsichtbaren. Der König pries ihn als „Herrn des Friedens" und ließ ihm überall Tempel bauen. Nofretete, die „Herrin seines Glücks", wird auch der erste Mensch gewesen sein, der den herrlichen Sonnengesang des Königs vernahm. Diese tiefen und jubelnden Verse, die seinem Dichterherzen entströmten, haben eine gewisse Ähnlichkeit mit dem viel später entstandenen 104. Psalm und mit dem Sonnengesang des heiligen Franz von Assisi: 20
Nofretete — Ihr Name bedeutete: „Die Schöne ist gekommen".
21
„Schön strahlst du am Lichtberg des Himmels, Lebendiger Aton, der im Anfang lebte. Wenn du aufgehst am östlichen Lichtberg, Füllst du jedes Land mit Schönheit. Ja, schön bist du, groß, Hoch funkelnd über der Erde, Strahlen umarmen die Länder Und alles Geschaffene: Fern bist du, doch dein Licht ist bei uns. Aber gehst du unter den westlichen Himmel, Dann wird finster die Erde; wie tot Ruht Mensch an Mensch im Gemache, das Haupt verhüllt, Kein Auge siehet das andre. Raubte einer das Kissen, Der Schläfer fühlte es nicht. Der Löwe tritt aus der Höhle, Die Schlange sticht. Schweigend liegt die Erde, Denn der Schöpfer ist tief In seinen Lichtberg gegangen . . . Die Erde wird hell, wenn du im Lichtberg aufgehst. Wenn du als Aton am Tage strahlst, Sind die beiden Länder voll Freude. Sie wachen auf, sie springen auf die Füße, Denn du hebst sie auf. Sie waschen sich und werfen die Kleider um, Ihre Arme singen Lob deinem Glänze. Das ganze Land antwortet dir riit seiner Arbeit: Das Vieh freut sich des Grases, In grünen Bäumen und Halmen Flattern die Vögel, Ihre Flügel preisen dich, Und die Lämmer hüpfen, Sie leben, weil du für sie aufgingst. Stromauf und stromab fahren die Schiffe, Die Wege tun sich auf, weil du leuchtest, Die Fische im Strom springen vor dir her, 22
Tief ins Meer dringen deine Strahlen. Du läßt Frucht werden im Leibe der Frau, Du hegst den Sohn im Schöße der Mutter, Du wiegst ihn ruhig, daß er nicht weint. Atem gibst du all seinen Werken; Geht der Sohn aus dem Leibe der Mutter, So öffnest du ihm den Mund, Wie du Atem gibst dem Küklein in der Schale Und Kraft, das Ei zu zerbrechen. Es stürzt aus der Schale und schreit, Und bald läuft es fort auf den Füßen. Du bist in meinem Herzen. Kein anderer kennt dich als dein Sohn Echnaton, Er kam hervor aus deinen Gliedern, Er wird ewig leben Wie auch seine Gattin, die hochgeliebte. Herrin der beiden Länder, Nofretete, Lebt und blüht in Ewigkeit.. ." Diese Verse verkündeten Nofretete die tief lebendige Naturseligkeit des Gatten, zugleich aber auch die geistige Welt des neuen Lichtgottes, der jenseits der Sonnenscheibe die alten, aus lokalen Kulten erwachsenen Götter Thebens „in den Schatten stellte". War ihre Zeit vorbei? Nofretete hatte in ihrer frühen Jugend zu diesen Göttern gebetet; nun vergingen sie leise vor der Glut Atons, die aus dem Herzen Echnatons strömte. Was würde er noch tun? Sie vernahm zitternd gewisse Andeutungen aus seinem Munde; sie zielten darauf ab, eine allen seinen Völkern gemeinsame Religion zu schaffen, von der Nilmündung bis zum Süden, vom Westen seines Reiches bis zu den Völkern von Babylon und Assur. Ihm schwebte ein Reich, des ewigen Friedens vor, in dem jedweder Krieg seinen Sinn und sein Recht verlieren würde. Gewiß ließ sie sich von seiner Begeisterung mitreißen — aber wohin? Der Hof hatte sich längst in der Stadt des Horizontes eingerichtet, eine kleine Schar von Priestern versah den Kult, aber das Volk 23
zögerte, die neue Religion anzunehmen. Sie war allzu arm gegenüber der alten Religion, die auch für das kleinste Anliegen in den Nöten des Leibes und der Seele einen besonderen Gott, besondere Gebete, Wallfahrten, Opfer und Feste- bereithielt. Nofretete erkannte mit klugem Frauenblick wohl eher die Wirklichkeit der überlieferten diebischen Götterwelt als Echnaton, der nur auf die innere Wahrheit und die persönliche Wahrhaftigkeit das neue Leben aufbaute; sie sah ihn allmählich ungeduldig werden; aus seinen Augen glühte zuweilen ein Fanatismus, der sie erschütterte. Eben in jenen Tagen kam ein Eilbote von Theben mit der Meldung, Teje sei gestorben und werde einbalsamiert. Das königliche Paar reiste sofort ab, um an der Bestattung teilzunehmen. Die Vorbereitungen zogen sich wochenlang hin. Zum ersten Male nach langen Jahren sah Nofretete ihre Geburtsstadt Theben wieder. Tausend Erinnerungen drangen auf sie ein, während der Trauerzug den Nil überquerte und sich auf das düstere „Tal der Könige"* zu bewegte. Teje hatte gewünscht, in einer Felskammer nahe dem Grab ihrer Eltern bestattet zu werden. Echnaton hatte für alles gesorgt. Der äußere Sarg trug die Inschrift: „Er hat es für seine Mutter getan." Die Türme der Grabkammer waren aus Zedernholz vom Libanon gefügt und mit goldenen Nägeln beschlagen; die Wände zeigten Szenen der Anbetung vor Aton. Den Namen seines Vaters Amenophis III. hatte Echnaton in dessen zweiten Namen „Neb-maat-re" umwandeln lassen (Re, Meister der Wahrheit). Die Namen der Göttin Maat und der Göttin Mut waren nur in Buchstaben, nicht in der üblichen Bildschrift eingemeißelt. Während die Priester ihre Gebete sprachen, schritt Echnaton von Nofretete fort auf die Höhe des Felsens. Ein Höfling reichte ihm ein scharfes silbernes Beil, andere Hofbeamte hielten ein Tau in ihren Händen. Schrecklich verfremdet und bleich stand der Sohn Atons auf der Anhöhe, wo Steine angehäuft waren. Als die Zeremonien beendet waren und die Priester die Grabkammer verlassen hatten, hob der König das Beil, kappte das Tau, * vgl. Lux-Lesebogen 54, „Im Tal der Könige". 24
un jah polterte die mächtige Steinlawine herab und verschüttete und verbarg das Grab der Mutter. Die Frauen des Gefolges schrien auf. Auch Nofretete war totenbleich, als Echnaton, ein fremder Mann, die Felsstufen herabstieg und sie an der Hand fortführte. Noch in dieser Nacht rief er den Hof und die Priesterschaft in den verwaisten Palast Tejes. Um Mitternacht verlas Meri-Re, der Oberpriester Atons, im feierlichen Kreis einen Erlaß, kraft dessen der Totenrichter Osiris samt der Waage und allen Dämonen in den Abgrund des Nichts gestürzt wurde. Und in den folgenden Tagen gingen die Krieger des Königs in alle Tempel, Häuser, Gräber und auf die Schiffe und löschten überall den Namen Amons aus. Die „Aktion" wurde in den nächsten Monaten auf ganz Ägypten ausgedehnt. Amons Name wurde aus den Statuen ausgemeißelt oder mit roter Farbe überstrichen; die Krieger drangen in die Wüste vor, sie erkletterten die Felsklippen am Nil und tilgten den verhaßten Namen auch von den Fliesen in den Steinbrüchen des Gebel Silsileh. Zuletzt wurden sämtliche Familiennamen, in denen Amon vorkam — Amon-hetep, Set-amon, Amon-em-hat, Amon-em-ipet — umgewandelt.
Die letzten Jahre Seitdem durch den Tod der Mutter auch das letzte Band zerrissen war, das Echnaton an die Vergangenheit fesselte, wechselten die hellen und die dunklen Ereignisse im Leben Nofretetes rasch. Wenn es wahr ist, daß Tejes Vater ein Priester war, so traten jetzt seine priesterlichen Eigenschaften im Enkel stärker hervor. Wir sehen Nofretete in der hohen Königshaube, die auf dem schlanken Halse schwankt wie die Dolde der Orchidee; wir sehen die Blättchen aus Gold, Silber und Malachit am Saum ihres Kleides, den feuerroten Gürtel, und sie selbst, wie sie auf goldenem Wagen hinter dem König einherfährt. Fahnen und Bänder flattern von den Masten des Atontempels. Neben den Wagen tanzen die Krieger mit Lanzen, Schilden und Beilen; die bärtigen Syrer schwingen Keulen und Bogen, federgeschmückte Nubier und Libyer jauchzen im Staub. 25
Der Hauptaltar im Tempel Atons zu El-Amarna ist mit Früchten und Blumen bedeckt. In großen Bronzeschalen duftet brennendes ö l , Echnaton und Nofretete streuen Weihrauch in die Flammen, während acht Musikanten die siebensaitige Harfe schlagen: sie sind blind! Der König hat sie eigens ausgewählt; denn in den Blinden, so sagt er, ströme süßer die Glut, die in Aton sei. Erblindete er nicht selber vor der Wirklichkeit? Wohin entführte ihn Aton? An einem anderen Tage geleitet er Nofretete in seine Grabkammer, zehn Kilometer jenseits des Nils. Ein ödes Felsland, von Hyänen, Schakalen und Eulen bevölkert. Sein Sarg steht schon bereit. An den Wänden der Kammer ist sie selber abgebildet, Nofretete, wie sie ihr neugeborenes totes Töchterchen weinend im Arm hält; auch der König und die Geschwister der Toten weinen mit. Hier also würde sie einmal bestattet werden, in der kleineren Felskammer dort am Ende des Felsenganges! Aber noch lebt sie! Ihre Hauptsorge gilt jetzt den Töchtern; nach alter Sitte müssen sie schon als Kinder verheiratet oder wenigstens verlobt werden. Im 14. oder 15. Regierungsjahr ihres Gatten kommt ein Brief des Königs von Babylon, Baburiasch, in die Residenzstadt „Horizont des Aton". Der Babylonier-König hält um die Hand einer Pharaonentochter an und stellt als Brautgeschenk einen Halsschmuck von „mehr als tausend Edelsteinen" in Aussicht. Man muß schon aus politischen Gründen den Wunsch des Babyloniers erfüllen und wählt als Braut das vierte Töchterchen Neferneferu-aton aus. Das Kind ist erst fünf Jahre alt. Nofretete setzt durch, daß die Heirat nur „vorsorglich" festgelegt wird und daß die Kleine noch ein paar Jahre bei der Mutter bleibt. Ihre älteste Tochter Merit-aton wird mit großer Pracht dem Knaben Semench-Ka-re vermählt, den Echnaton zum Mitregenten ernennt. Die dritte Tochter Enches-enp-aton feiert Hochzeit mit dem Hofadeligen Tut-ench-aton. So blieb die Familie vorerst noch beisammen. Es sind einfache, bäuerliche und bürgerliche Menschen, die bei Hofe verkehren; man lädt sie ebenso zwanglos ein wie die Beamten und die Adeligen. 26
gißt, sich nach A J a h r e n so viel zu tun, daß sie einmal verzu erkund' Befinden des erkrankten Königs von Babylon von El A e n : e i " W Ü t e n d e r B r i e f Bahuriaschs ist in den Archiven - marna erhalten geblieben, in dem er sich über diesen- faux s lerrm T '!« CJ " ' " beschwert und Echnaton bittet, ihr „nur einen eil der von ihm übersandten Geschenke zu geben. ^Wei andere Briefe des künftigen Schwagers fordern in drohendem Ton Ersatz für verschiedene Dinge, die seinen Leuten auf ägyptischem Boden gestohlen worden sind. Auch der König von Mitanni am oberen Euphrat verhält sich rebellisch: er läßt Echnatons Gesandten Mani nicht heimreisen! Gewitterwolken ziehen sich zusammen, nicht nur gegen den Religionsgründer, sondern auch gegen den untätigen Politiker Echnaton, der den Krieg verachtet. Der Hethiterkönig Suppiluliuma hat schon kurz nach der Thronbesteigung Echnatons die kriegerischen Stämme Kleinasiens unterworfen und die Grenze des Königreichs Mitanni am oberen Euphrat überschritten, dessen Herrscher Tusratta sie zurückwirft. Darauf wendet sich Suppiluliuma gegen das Land Amki, das am Meere zwischen dem Amangebirge und dem Libanon liegt. Diesen Einfall in das Land Amki hätte Prinz Aziru, ein Vasall Echnatons, verhindern können, denn er beherrscht das Gebiet zwischen Amki und Mitanni. Statt dessen wiegelt er die syrischen Prinzen auf, dringt mit seinem Heere bis zur Küste des Mittelländischen Meeres vor und verhandelt hinter dem Rücken des Pharao mit den Hethitern, die schon lange den Weg nach Syrien suchen; er erobert die syrische Stadt Niy und tötet dort den König der Provinz Tunip, die einst Tuthmosis III. unterworfen hat. Der Gouverneur von Tunip schreibt darauf folgenden Brief an Echnaton: „Mein Herr! Tunip, Deine Magd, gehört nicht mehr Dir. Wenn Deine Soldaten und Kampfwagen zu spät kommen, wird Prinz Aziru mit uns verfahren wie mit Niy. Auch gegen Dich wird er seine Hand ausstrecken. Deine Stadt Tunip weint, da es keine Hilfe für uns gibt. Seit zwanzig Jahren schicken wir Botschaften an Dich unseren Herrn, den König von Ägypten; aber kein Wort ließest du uns zukommen, nein, kein einziges Wort." 27
Während der verzückte „Sohn Atons" seine Hymnen singt, dreihundert Jahre vor David, während er unerschütterlich an Aton, den Vater des Friedens glaubt, marschieren die Feinde seines Reiches im Zeichen des wütenden Baal, des blutigen Tesup, der schrecklichen Ischtar in seine Länder ein. Die Eilbriefe der ägyptentreuen Fürsten jagen einander. Ribaddie, der König von Byblos, sieht seine Stadt in die Hände der Beduinen, der Kabiren, fallen. Sidon fällt, Tyrus, Askolon und Gezer schreien um Hilfe, der Gouverneur von Jerusalem schreibt einen ergreifenden Brief — was tut Echnaton? Er schickt keine Hilfe, weder zu Wasser noch zu Lande; er bittet vielmehr Aziru freundlich, in die „Stadt des Horizontes" zu kommen und die Lage mit ihm zu besprechen. Aziru antwortet ausweichend, er werde dafür sorgen, daß die von ihm eroberten Städte auch weiterhin ihren Tribut an Ägypten entrichten. Später, als Beirut gefallen ist, macht er sogar einen scheinheiligen Besuch bei Echnaton und versichert ihm, er habe nicht die geringste feindliche Absicht. Überall im Reich spielen sich Tragödien der Treue im Kampf gegen Verrat und Abfall ab; selbst Echnatons Kommissar in Palästina, Bikhuru, läßt seinen Herrn im Stich und flieht aus der „Stadt des Horizontes" — bis sich der dreißigjährige König endlich zu einer Tat aufrafft, einer Tat von seltsamer Unwirklichkeit. Während seine Getreuen in den abgefallenen oder von Aziru eroberten Ländern reuig wieder zu den alten gekränkten Göttern zurückkehren, die Ägypten groß gemacht haben, schickt der König seine Soldaten nicht nach Syrien oder Palästina, sondern in die Tempel Ägyptens mit dem Befehl, auch die letzten Namen der Götter, ja auch das Wort „Götter" selbst, mit dem Meißel auszuradieren. Das bedeutet den Umsturz jeglicher Ordnung. Alle ausländischen Städte, stellen die Tributzahlungen ein, Ägypten wird ein armseliger Kleinstaat, nur das Heer bleibt unversehrt: es wartet unter dem Befehl des königlichen Schwiegersohnes Semench-ka-re auf nichts anderes als auf den Tod des Königs. Alle Bücher der Welt schweigen über die letzten Jahre der Königin Nofretete. Wir wissen nicht, wann sie starb, selbst ihre Mumie ist verschollen. 28
Es ist aber zu vermuten, daß sie an der Seite ihres verfallenden Gemahls die bitterste Tragödie der Frau und der Königin eines sterbenden Reiches durchlitten hat. Wahrscheinlich gingen alle Briefe, die man dem kranken König vorenthielt, durch ihre Hand; sie wird sie mit dem künftigen Thronfolger Semench-ka-re und seiner Gattin Merit-aton besprochen haben; ihr Schwiegersohn war treu; er hatte sich den Beinamen „Liebling Echnatons" zugelegt. Echnatons älteste Tochter Merit-Aton legitimierte ihn als Thronfolger. Die letzten Jahre der schönen Königin müssen einsam gewesen sein. Was konnten ihr die Feste des ahnungslosen, heiteren Volkes, die gezwungene Sorglosigkeit des Hofes noch bedeuten, wenn die staubbedeckten Unglücksboten aus den Provinzen vor ihr standen? Es gibt ein inniges ägyptisches Lied, das uns wie die letzte Lebensmelodie der trauernden Königin anmutet — sang sie es vielleicht an einem Regentag im Park ihres Palastes, während ihre kleinsten Töchterchen mit den Hofzwergen scherzten? „Der Tod steht heute vor mir Wie der Duft von Myrrhen. Mir ist, als säße ich schon Unter seinem Segel Am windhellen Tage. Der Tod steht heute vor mir Wie der Duft von Lotosblumen. Mir ist, als säße ich schon In seiner dunklen Wiese Und tränke den roten Wein. Der Wie Wie Wie Der
Tod steht heute vor mir, wenn ein Kranker gesund wird, wenn einer aufsteht nach dem Fall, wenn einer sein Haus wiedersieht, lange Jahre gefangen war.
Der Tod steht heute vor mir Wie ein Weg im Regen, 29
Rosen tropfen an seinem Rande. Fern schon verdämmert die Fähre des Lebens, Das Tor ist offen, der Weinkrug klingt." Sie starb an einem unbekannten Tage. Nur Bilder und Büsten künden von ihrer unsterblichen Schönheit über drei Jahrtausende hinweg bis auf unsere Tage. Echnaton starb, als die Kriegswirren ihren Höhepunkt erreicht hatten. Man begrub ihn, wie er es gewünscht hatte, in seinem Königsgratr im östlichen Gebirge. Auch Semench-ka-re starb bald. Sein Nachfolger, Tut-ench-aton, der Schwiegersohn der Nofretete, Gatte der Königstochter Enches-enp-aton, blieb, wie es das Bild auf der Rückseite seines Thronsessels bezeugt, anfangs noch dem Glauben an Aton treu; das Bild zeigt ihn mit seiner Gemahlin unter dem Zeichen des Atonkultes. Dann aber beugte er sich der größeren Macht der thebischen Priester und nannte sich Tut-enchAmun; er kehrte mit der Mumie Echnatons nach Theben zurück und versteckte sie, um sie vor Schändung zu bewahren, in einer schnell hergerichteten verborgenen Felsenkammer im „Tal der Könige". Die „Stadt des Horizontes" verfiel. Schakale und Geier zogen ein. Die Sandwehen der Wüste begruben die leuchtende Stadt Atons. Die alten Götter wurden wieder eingesetzt, die Priester Amons errichteten aus den Steinen des Sonnentempels von El-Amarna einen heiligen Turm für den widderköpfigen Amon. Der Name Atons wurde überall ausgelöscht, auch an den Wänden der Grabkammer; die Priester meißelten den Namen des Königs aus dem Sarg. Acht Jahre nach dem Tode des Sonnenkönigs bestieg Horem-heb, der oberste Heerführer, den Thron; seine Gattin war Nedjem-Mut, die jüngere Schwester Nofretetes; er stürzte Aziru und richtete das Reich wieder auf. Nach vierzig Jahren hieß Echnaton nur noch „der Verbrecher", der „Frevle'r an Amon", oder „der Ketzer". Es wurde verboten, seinen Namen auszusprechen oder gar für ihn zu beten. Regen drang in die verborgene Grabkammer ein, die Füße des Sarges brachen ab und stürzten den namenlosen König auf die nackte Erde. Im Januar 1907 bahnten sich amerikanische Gelehrte unter Aufsicht Arthur Weigalls, des Generalinspekteurs der ägyptischen 30
•Altertümer, einen Weg in die Grabkammer. Auf der goldenen Verkleidung des Sarges lasen sie das letzte Gebet des ersten Weisen der alten Welt, Echnatons. Es lautet: „Ich atme den süßen Atem wieder, der aus deinem Munde kommt. Ich sehe deine Schönheit Tag für Tag. Mich verlangt, deine süße Stimme zu hören, die aus der Kühle des Nordwindes weht; mich verlangt, wieder die Kraft meiner Glieder zu fühlen durch ein Leben aus deiner Gnade. Gib mir deine Hände, die deinen Geist umfassen, daß ich ihn empfangen und durch dich leben kann. Laß meinen Namen in der Ewigkeit rufen und er wird niemals untergehen." Anmerkung zu Seite 2: Die Angabe, daß Nofretete die Tochter des Hofbeamten A'i gewesen ist, wird von einigen Historikern bestritten. Howard Carter, der Entdecker des Tut-ench-Amun-Grabes, meint, daß über Nofretetes Herkunft nichts Genaues ausgesagt werden könne. Andere halten es für möglich, daß Nofretete ursprünglich Toduchipa geheißen habe und eine Tochter des Königs Duschratta von Mitanni (im asiatischen Teil des Ägypterreiches) und einer ägyptischen Prinzessin gewesen sei. Der ihr in Ägypten gegebene Name Nofretete sei dann später in Nefernefru-aton-Nofretete umgewandelt worden. Der Ägyptologe Flinders Petrie verweist in diesem Zusammenhang auf einen Keilschriftbrief, in dem Amenophis III. um eine der Töchter des Königs Duschratta von Mitanni anhält, um sie zur Königin von Ägypten zu machen; in einem anderen Brief nenne Duschratta Amenophis IV. seinen Schwiegersohn, so daß Toduchipa und Nofretete sehr wohl dieselbe Person sein könnten. Aber auch diese Annahme läßt sich aus den vorhandenen Urkunden nicht schlüssig beweisen. Umschlaggestaltung: Karlheinz Dobsky. Bilder: Ullstein-Bilderdienst, Historia-Photo. L u x - L e s e b o g e n 3 5 0 (Geschichte) H e f t p r e i s 3 0 P f g . Natur- und kulturkundliche Hefte - Bestellungen (vierteljährl 6 Hefte DM 1 80) durch jede Buchhandlung und jede Postanstalt. — Alle früher erschienenen Lux-Lesebogen sind in jeder guten Buchhandlung vorrätig — Druck: Hieronymus Mühlberger, Augsburg — Veviag: Sebastian Lux, Murnau vor München. — Herausgeber: Antonius Lux. 31
LUX H I S T O R I S C H E REIHE Weltgeschichte in spannenden Einzelheiten Jedes Heft 64 Selten - Heftpreis 75 Pfg.. Heft 20 u. 21 90 Pfg.
LUX HISTORISCHE REIHE Ist eine spannende Ergänzung zu den geschichtlichen Heften innerhalb der Lux Lesebogen. LUX HISTORISCHE REIHE bringt in fesselnder Darstellung, plastisch und farbig, Zeitbilder und Szenen aus dem großen Abenteuer der Menschheitsgeschichte. Menschen, Völker, historische Schauplätze und Landschaften aus allen Zeltaltern der Vergangenheit erstehen in bunter Folge vor dem Auge des Lesers. Geschichte wird hier zur lebendigen Gegenwart. Jedes Heft gibt ein abgerundetes und in sich abgeschlossenes Bild des dargestellten Zeitraumes. Titel der H e f t e : 12 Kaiser ohne Krone 13 Das goldene Rom 14 Die ersten Christen 15 Hadrlan und Marc Aurel 16 Das geteilte Weltreich 17 Germanenzüge 18 Die Hunnenschlacht 19 Die Mönche von Monte Cassino 20 Der Prophet Allahs 21 Karl der Große
1 Sphinx am Strom 2 Priester und Magier 3 Götter und Helden 4 Die Griechen 5 Die Perserkrtege 6 Die Tempel Athens 7 Alexanderzug B Pyrrhus - der Abenteurer 9 Hannibal 10 Untergang Karthagos 11 Marlua und Sulla
LUX HISTORISCHE REIHE. Jedes Heft mit farbigem Umschlag, Illustrationen, geschichtskundlichen Landkarten, Anmerkungen und Zeittafel,
VERLAG SEBASTIAN LUX • MURNAU VOR MÜNCHEN