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Kurzgeschichten Das Wrack im Weltall Sechse treffen — sieben äffen Das verzauberte Dorf Jay Score Zu jung für die Ewigkeit Stein der Weisen Das Schwert von Tormain Besondere Vorkommnisse: Keine
Cleve Cartmill Hellmut W.Hofmann A E van Vogt Eric Frank Russell Jesco v. Puttkamer Raymond Z. Gallun Eric Storm Paul Ernst
007 031 036 075 121 143 171 208
Harry F. Heide Harry F. Heide Forrest J. Ackerman Harry F. Heide Peter Omm Walter Ernsting
060 105 111 166 194 234
Artikel Kommen sie doch vom Mars? Rund um die Himmelskugel Film-Tricks Aus den Tiefen des Raumes Das Bild der Welt in 50 Jahren Warum SFCD
Regelmäßige Beitrage Unser Leitartikel UTOPIA Science-Fiction-Bücherei Das Analytische Labor
004 161 233
Unser Titelbild zeichnete Sol December. Illustrationen von Bruck, Emsh und Finlay
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gescannt und bearbeitet von:
UTOPIA Science Fiction Magazin erscheint alle 2 Monate im Verlag Erich Pabel, Rastatt (Baden), Pabel-Haus. Einzelheftpreis: DM 1,50. Anzeigenpreise lt. Preisliste Nr. 4 vom 15 7. 1955. Gesamtherstellung und Auslieferung: Druck- und Verlagshaus Erich Pabel, Rastatt (Baden). Alleinauslieferung für Österreich: Eduard Verbik, Salzburg, Gaswerkgasse 7. — Nachdruck in Wort und Bild, auch auszugsweise, sowie gewerbsmäßige Weiterverbreitung in Lesezirkeln nur mit vorheriger Zustimmung des Verlegers gestattet Gewerbsmäßiger Umtausch, Verleih oder Handel unter Ladenpreis vom Verleger untersagt. Zuwiderhandlungen verpflichten zu Schadenersatz. Für unverlangte Manuskript- und Bildsendungen wird keine Gewähr übernommen. Gedruckt in Deutschland.
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SALVAGE von Cleve Cartmill. Mit Genehmigung des Autors und der Ackerman Agy., Los Angeles. SECHSE TREFFEN – SIEBEN ÄFFEN von Hellmut W. Hofmann. Copyright 1956 Erich Pabel Verlag, Rastatt. ENCHANTED VILLAGE von A. E. van Vogt. Copyright 1950 OTHER WORLDS. Mit Genehmigung der Ackerman Agy., Los Angeles. ZU JUNG Für DIE EWIGKEIT von Jesco v Puttkamer. Copyright 1956 Erich Pabel Verlag, Rastatt, JAY SCORE von Eric Frank Russell. Copyright 1941 Street & Smith, New York für ASTOUNDING SCIENCE FICTION Mit Genehmigung von Otis Kline Assoc, Inc. > PHILOSOPHER'S ASTEROID von Raymond Z, Gallun. Copyright 1956 R. Z. Gallun. Mit Genehmigung des Autors, THE SWORD OF TORMAIN von Eric Storm. Copyright 1954 PLANET STORIES. Mit Genehmigung von Malcolm Reiss, NOTHING HAPPENS ON THE MOON von Paul Ernst Copyright 1939 Street & Smith, New York für ASTOUNDING SCIENCE FICTION. Mit Genehmigung von Otis Kline Assoc, Inc.
Fotos sind entnommen aus dem Buch ›Mit der Rakete zur Weltraumstation‹, DM 3,90, Halbleinen; erschienen im Franz Schneider Verlag, München
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Über 250 Wissenschaftlern aus aller Welt legte Dr. Eugen Sänger im Februar 1956 seine Gedankengänge über die Theorie der Photonenraketen im relativistischen Weltraum vor. Dies geschah im Rahmen einer Tagung in Freudenstadt, zu der das unter Leitung von Dr. Sänger stehende Forschungsinstitut für Physik der Strahltriebwerke, Stuttgart, eingeladen hatte. Dr. Sänger erklärte, daß es theoretisch durchaus möglich wäre, daß Raumschiffe mit Photonenantrieb Geschwindigkeiten erreichen, bei denen sich die relativistische Struktur des Weltraumes überraschend bemerkbar machen würde. Auf die Erde zurückgekehrt würden die Raumfahrer feststellen, daß zu Hause Jahre vergangen sind, während sie nur Wochen unterwegs waren. Dies zu begreifen, fällt einem Science-Fiction-Leser etwas leichter als einem, der noch nie einen SF-Roman gelesen hat, da dieses Thema Ausgangspunkt und Kern guter und weniger guter Science-Fiction-Romane war und nun in vielleicht verstärktem Maße sein wird. Als eine so namhafte Tageszeitung wie die ›Frankfurter Allgemeine‹ vor einiger Zeit mit einem Artikel von Heinz Gartman versuchte, allgemeinverständlich darzulegen, was Dr. Eugen Sänger über die Photonenraketen vorgetragen hatte, löste sie eine Reihe von Protestschreiben mehr oder weniger empörter Leser aus. Diese sensationelle Theorie regte Studenten der Physik, Ingenieure und andere auf. Selbst ein Kultusministerium beschwerte sich in einem Brief an die Redaktion. Dr. Sängers Untersuchungen sind beim Oldenbourg-Verlag, München, unter dem Titel ›Zur Mechanik der Photonenstrahlantriebe‹ im Druck erschienen. Es ist eine nüchterne, von Besprechungen, Formeln und Diagrammen
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überfüllte Arbeit, und der Verfasser dieses Artikels gibt offen zu, daß ihm die wissenschaftlichen Vorkenntnisse fehlen, um dieses Werk in seinen Einzelheiten zu verstehen. Die wichtigste Erkenntnis ist jedoch, daß es theoretisch möglich ist, mit Photonenraketen hinaus in die Weiten des Alls zu fliegen, daß eine solche Rakete bei dreifacher Erdbeschleunigung etwas über 9 Jahre bis zum Andromedanebel, dem benachbarten Milchstraßensystem, braucht, daß eine Umfahrung der gesamten Welt 15 Jahre dauern würde. Zwar ist die Menschheit der Gegenwart noch nicht in der Lage, Photonenantriebe herzustellen – die damit verbundenen Probleme sind für uns heute noch unlösbar –, wir sollten uns aber hüten, zu behaupten, es wäre ganz unmöglich. Wissenschaft und Science-Fiction-Literatur sind zwei völlig getrennte Gebiete. Aber niemand wird bestreiten, daß es auch hier Berührungspunkte gibt. Das zeigen gerade die Gedanken Dr. Sängers über die Photonenraketen im relativistischen Weltraum. Im Vorwort seiner Arbeit ›Zur Mechanik der Photonenstrahlantriebe‹ sagt Dr. Sänger: ›Zu diesen Aufgaben reichen die Kräfte einzelner Nationen nicht mehr, wir brauchen die besten Wissenschaftler, die besten Ingenieure, die besten Piloten und die gesamte Arbeitskraft aller Menschen, wir brauchen die raumreife Menschheit. Ist es ein Traum? Ist es ein uns unbewußt von der Natur eingepflanztes Menschheitsziel? Die gütige und harte Natur wird wissen, warum sie nicht will, daß wir unsere Welt zum genügsamen Paradies gestalten, sondern warum sie uns neue Welten erobern heißt. Jene letzten und äußersten Welten, zu denen die Photonenstrahlantriebe Schlüssel sein sollen.‹
Aber ist die Menschheit heute schon raumreif? Sind die Nationen bereit zur Zusammenarbeit? Beides ist nicht der Fall. Unsere moderne Technik datiert kaum hundert Jahre zurück.
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Aber die Konflikte der Menschheit sind so alt wie der Mensch selbst. Er hat es bis heute nicht verstanden, all seine Kräfte, seine Fähigkeiten und die Schätze seiner Welt, der Erde, zum Nutzen der gesamten Menschheit einzusetzen. Er rivalisiert mit seinen Nachbarn, im Kleinen wie im Großen. Das ist bedenklich, denn der Mensch ist nicht Sklave der Technik, wie man so oft lesen muß. Die Technik ist hier der Sündenbock. Der Mensch ist heute noch Sklave seiner Schwächen, seiner Triebe, die er nicht überwinden will oder kann. Das Weltall wartet auf die Menschheit. Wenn sie sich zusammenschließt und mit vereinten Kräften auf dieses Ziel hinarbeitet, so wird die Eroberung des Raumes nicht länger Thema von Science-Fiction-Romanen sein, sondern Wirklichkeit. Science Fiction ist in erster Linie Unterhaltungsliteratur. Sie nimmt nicht für sich in Anspruch, wissenschaftlich ernst genommen zu werden. Aber sie versucht nach bestem Wissen und Können breiteste Leserschichten an den Problemen der Wissenschaft zu interessieren, die Leser aufnahmebereit zu machen für wissenschaftliche Erkenntnisse und Tatsachen, nicht sie zu vermitteln. Nicht wenige ScienceFiction-Leser ergreifen später einmal einen wissenschaftlichen Beruf, nicht weil sie ihr ganzes Wissen den SF-Romanen entnommen haben, sondern, weil diese Romane, ganz unbewußt vielleicht, ihr Interesse an der Astronomie, der Atomphysik, der Parapsychologie und so weiter geweckt haben. Und mag die Zahl der Menschen noch so klein sein, die durch Science Fiction auf die Arbeit und Probleme der Wissenschaft aufmerksam geworden sind, bedeutet es doch einen, wenn auch kleinen Schritt vorwärts in der Richtung auf ein gemeinsames Ziel, eine raumreife Menschheit. Walter Spiegl
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DAS WRACK IM WELTALL von Cleve Cartmill Sagenhafter Reichtum befindet sich an Bord des seit Jahren im Weltraum treibenden Wracks der ›Astralot‹. Nur dem Mutigen kann es gelingen, die kostbare Ladung zu bergen. »Geschwindigkeit herabsetzen!« sagte ich zu dem Piloten. Er wandte mir das Gesicht zu und sah mich fragend an. Irgendwie erinnerte es mich an die Oberfläche des Mondes mit ihren vielen Spalten und Rissen. Die Nase glich einem roten Sandstein in der Wüste des Mars, und die Augen waren große, leuchtende Smaragde. Pat war ein alter Pionier, und alles, was ich über die Raumfahrt wußte, hatte er mir beigebracht. »Du weißt ganz genau«, sagte er langsam und gedehnt, »was das bedeutet. Amos T. Grubb wird dich mit Fragen überschütten. Weißt du auch, was du tust, Jake?« »Nein!« antwortete ich trocken, während ich auf den Bildschirm blickte. »Ich habe keine Ahnung. Aber das Schiff dort ist ein Wrack – und ich habe ein verdammt unruhiges Gefühl.« Pat zuckte mit der Schulter und betätigte einige Hebel. Die Bremsdüsen im Bug sprühten Feuer und Flammen, und ich begann allmählich wieder meine gewohnten 180 Pfund zu wiegen. Dann aber wurde ich schwerer und schwerer, je stärker wir bremsten. »Das ist deine Beerdigung«, verhieß mir Pat seelenruhig. Wie recht er fast gehabt hätte. Amos T. Grubb kam in die Zentrale geklettert, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Frontseite, um das Bremsgewicht besser ertragen zu können. Sein hageres, spitzes Gesicht funkelte vor Empörung und Wut. Pat befand sich dicht neben ihm, ruhig und
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gelassen wie immer. »Was soll das bedeuten?« stieß er förmlich auf Pat herab. »Ich bin dafür verantwortlich«, schaltete ich mich ein. Er schenkte mir seinen widerlich-kalten Blick und betrachtete mich wie ein Brathuhn.
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»Jake Murchison! Sind Sie verrückt geworden?« Seiner Stimme nach zu urteilen schien er tatsächlich an meinem Verstande zu zweifeln. Ich winkte nur mit der rechten Hand zum Bildschirm hinüber. Die treibende Hülle des beschädigten Raumschiffes füllte ihn jetzt fast ganz aus. Zwar war es nur ein Schatten, aber in meiner Erinnerung sah ich deutlich die weite Öffnung, die an der Seite des Schiffes gähnen mußte. Der Name des Schiffes selbst war mir entfallen, aber ich wußte, daß er mir gleich einfallen würde. Dann plötzlich wurde mir alles wieder ganz klar. Ich drehte mich einfach um und schritt durch den Gang davon. »Bin gleich wieder da«, informierte ich die Zurückbleibenden lässig. »Wenn ich recht behalte, sind wir gemachte Leute.« Ich schwankte ein wenig unsicher bis zum Aufenthaltsraum und fand in wenigen Augenblicken genau das, was ich suchte. Es war ein Buch. Der Titel lautete: ›Der Weltraumpirat‹. Von einem gewissen Clem Gardener. Mit dem Buch unter dem Arm kehrte ich in die Zentrale zurück. »Wenn jemand von euch nur lesen könnte, würde er sich an diese Geschichte erinnern. Wenn ich mich nicht irre, treibt dort draußen vor unserem Bug die langvermißte ›Astralot‹. An Bord befinden sich 158 Tonnen Herculium. Ob ihr nun lesen könnt oder nicht, was Herculium ist, werdet ihr doch wohl wissen. Übrigens müßte in dem Buch auch ein Foto von dem Schiff sein.« Ich blätterte in den Seiten herum und fand es. Jawohl, das war der Beweis. Das Schiff dort draußen hatte genau den gleichen, hochgezogenen Schwanz wie die Rakete auf dem Bild. So war es noch vor hundert Jahren Sitte gewesen. Das Foto deckte sich genau mit dem Schatten auf dem Bildschirm. Ich zeigte es Pat und Grubb.
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»Sobald wir näher herankommen, wird man den Namen ausmachen können«, sagte ich. »Aber ich glaube kaum, daß noch Zweifel bestehen. Mit der Ladung der ›Astralot‹ kann man einen ganzen Planeten kaufen – jeden Planeten übrigens.« Pat wandte mir sein zerfurchtes Gesicht zu. »Womit –?« »Herculium! Es gab eine Zeit, da war man hinter diesem Stoff her wie der Teufel hinter der armen Seele. Aber Hercules Phamign, sein Erfinder, starb und nahm das Geheimnis mit ins Grab. Wie dem auch sei, hier ist der Rest des Stoffes, den er schuf: Herculium! Es gibt keine bekannten Strahlen, die einen Körper durchdringen können, der mit Herculium überzogen ist. Selbst Todesstrahlen nicht. Man ist praktisch unverwundbar.« Amos T. Grubb betrachtete mich erneut, als habe er einen Irren vor sich. »Wenn!« stieß er keuchend hervor. »Wenn was?« »Wenn es da ist!« »Es ist ein Glücksspiel«, gab ich zu. »Blödsinn!« sagte Grubb. »Ich habe eine Menge Geld investiert, das ich nicht riskieren möchte. Jede Verzögerung kostet mich Tausende. Los, Pat! Schalten Sie die Beschleunigung ein!« Cap schüttelte den Kopf. Cap war zweiter Offizier und mit mir befreundet. »Ich gebe hier Befehle, oder Jake. Erst will ich hören, worum es sich handelt. Jake, was ist nun eigentlich los?« Ich fand sehr schnell die betreffende Stelle im Buch. »Am 29. November sprachen wir zum letzten Mal mit der Besatzung der ›Astralot‹«, las ich laut aus dem Buch vor. »Sie wollten sich nicht ergeben. Wir manöverierten unser Schiff ganz nahe an sie heran und gaben ihr eine volle Breitseite. Ein riesiges Loch klaffte sofort in der Hülle. Die Besatzung muß
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sofort tot gewesen sein. Ich selbst führte die Entermannschaft. Mit einiger Schwierigkeit gelang es uns, die schweren Luken zu öffnen, die den Weg versperrten. Und dann standen wir vor dem größten Schatz, den es jemals in der menschlichen Geschichte gegeben hat. Genau in dieser Sekunde bekamen wir den Befehl, sofort an Bord zurückzukehren. Unsere Alarmgeräte hatten eine sich nähernde Raumpatrouille ausgemacht. Wir berechneten in Windeseile die Position des Wracks, schätzten die Drift und die Richtung und flüchteten dann auf unsere geheime Station auf dem Asteroiden. Das Warten war qualvoll. Aber endlich schien die Patrouille die Suche nach uns aufgegeben zu haben und verschwand. Im Geiste sahen wir uns bereits im Besitz des wertvollen Herculiums, wühlten in erträumten Reichtümern herum und konnten es kaum erwarten. Wir fanden die ›Astralot‹ niemals wieder. Unbekannte Umstände müssen ihr einen neuen Kurs gegeben haben. Mehr als zwei Jahre lang durchsuchten wir jenen Sektor des Weltraumes, in dem sie sich befinden mußte. Wir überfielen andere Frachter, nur um Mittel und Wege zu finden, unsere Suche weiter fortsetzen zu können. Anfang des dritten Jahres wurden wir von der Raumpatrouille überrascht und gefangengenommen. Jetzt, wo ich in meiner Zelle sitze und dieses Buch schreibe, fühle ich erneut die ungeheure Erregung, die mich damals überwältigte, als ich in der ›Astralot‹ stand und den Schatz sah. Diese ›Astralot‹, die immer noch im Weltraum treibt und darauf wartet, gefunden zu werden…« »Und so weiter im Text«, endete ich meine Vorlesung. »In fünf Minuten sind wir nahe genug bei dem Wrack, um sicher feststellen zu können, ob ich mich irre oder nicht. Der Schatz
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lockt mich!« Cap sah mich nachdenklich an. »Wir haben keinerlei Ausrüstung, um im Weltraum Kunststücke ausführen zu können. Selbst die Anzüge, die wir bei uns haben, sind für Bergwerksarbeit auf Pluto bestimmt. Schutzanzüge für Überdruck.« »Wir werden schon einen Weg finden«, beruhigte ich ihn. »Und in der Zwischenzeit bin ich ruiniert«, klagte Grubb in bitterem Zorn. »Wenn ich die vorgeschriebene Zeit nicht einhalte, kommt jemand anders mir zuvor. Nein, ein Sperling in der Hand ist mir lieber als…« »Sie haben ja recht, lieber Mr. Grubb«, sagte ich tröstend. »Wenn Sie uns nicht das Geld gegeben hätten, wären wir jetzt nicht auf dem Wege zum Pluto und hätten somit auch die ›Astralot‹ nicht gefunden. Ich weiß, daß wir unseren Vertrag einhalten müssen. Aber dieses Wrack da vorn kann uns alle zu Millionären machen. Captain Lane und ich könnten uns zurückziehen und einen ruhigen Lebensabend genießen. Pat sicher auch, Sie aber bekommen von uns eine Entschädigung, die mehr bedeutet, als alle Verdienste zusammen.« Grubb drehte sich langsam um. In seinen Augen war ein gefährliches Flackern. Er sah Pat an. »Los! Beschleunigen Sie!« sagte er kalt. »Ich habe diesen Kahn für die Fahrt gechartert und bestimme daher, was getan wird.« Langsam trat ich auf ihn zu und legte ihm die Rechte auf die schmale Schulter. »Mein lieber Mr. Grubb«, drohte ich. »Ich bin stärker und jünger als Sie. Ich werde Sie in Ketten legen und im Kühlraum einfrieren lassen.« Was sich nun ereignete, geschah derart schnell, daß ich es praktisch gar nicht erlebte. Ich hatte das letzte Wort noch nicht ganz ausgesprochen, als ich auch schon auf dem glatten
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Metallboden lag und dachte, mir sei der Unterkiefer zersprungen. Vor meinen Augen tanzten ganze Sternkonstellationen und deutlich vermeinte ich, den Orion vorbeihuschen zu sehen. Später erst fand ich heraus, daß Grubb mich mit seiner Faust regelrecht k. o. geschlagen hatte. Ich konnte es nicht glauben, aber schließlich mußte ich doch einsehen, daß mir ein anderer einmal zuvorgekommen war. Und dazu noch ein ausgesprochener Schwächling – wenigstens sah Grubb so aus. Die Gravitation, hervorgerufen durch die Bremsdüsen, mußte ihm geholfen haben. Trotzdem war ich wütend und versuchte mühsam, mich zu erheben. Ich hatte die Absicht, Grubb sofort und ohne weitere Umstände einfach umzubringen. Doch meine Kraftanstrengung war unnötig. Durch verengte Augenlider sah ich den schmalen Grubb in den kräftigen Armen von Cap hängen. Pat ließ für eine Sekunde seine Instrumente im Stich und schwang seine Faust. Wonnig stöhnte ich auf, als ein knirschendes Krachen die Stille unterbrach. Cap legte den Bewußtlosen dicht neben mich. Dann betrachtete er nachdenklich unseren schlafenden Geldgeber. »Ich hätte immer gern einmal gewußt, wie es sich anfühlt, ein Verbrecher zu sein. Schätze, wir wissen es bald. Ihr wißt beide, daß Gewaltanwendung gegen einen Passagier strafbar ist.« »Er hat mich aber zuerst geschlagen«, gurgelte ich undeutlich zwischen geschwollenen Lippen hervor. Ich hatte das Gefühl, als hätte er mich zehnmal geschlagen. »Du hast Hand an ihn gelegt, Jake! Das wird er vor Gericht aussagen. Die Masche kennen wir doch. Notwehr seinerseits. Wir verlieren unsere Lizenz, und wenn er noch auf Verlust klagt, müssen wir ihm womöglich das Schiff als Entschädigung überlassen.«
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»Überlaßt ihn nur mir«, sagte Pat ruhig und sah aus der Sichtluke zu der ganz nahe herangekommenen Schiffshülle hinüber. »Ich werde ihn schon behandeln. – Dort ist das Wrack!« Wir folgten seinem Blick und sahen die dunkle Silhouette des Raumschiffes dicht vor uns. Pat glich unsere Geschwindigkeit der des treibenden Wracks an, und bald lagen wir scheinbar bewegungslos neben dem verlassenen toten Schiff. Das Loch in der Hülle war genauso wie es in dem Buch beschrieben worden war. Zerrissene Maschinenteile, verbogene Eisenstücke und Leichtmetallverstrebungen ragten aus der schwarzen Öffnung hervor und erinnerten mich an das demontierte Gebiß eines Riesenroboters. »Die wird sich niemals mehr bewegen können«, murmelte ich gedankenverloren. »Wir müssen sie hier an Ort und Stelle von ihrer Last erleichtern.« »Dort – der Name!« schrie Pat aufgeregt. »Er stimmt! Es ist tatsächlich die verschollene ›Astralot‹!‹ »Sicher, Sie kann es schon sein«, dehnte Cap seine Worte. »Aber angenommen, in der Zwischenzeit hat sie jemand anders gefunden und ausgeplündert, ohne es zu melden. Was dann?« »Kaum! So eine Menge Herculium aufgefallen. Das ganze Sonnensystem hätte davon erfahren.« »Noch ein Problem: Wir haben keine Raumausrüstung an Bord. Wie willst du auf den Kahn da kommen?« »Auf mich wollte ja keiner hören«, jammerte ich. »Wollte ich nicht eine ganze Ausrüstung mitnehmen?« »Das nützt jetzt nichts mehr, Jake. Du weißt, unsere Ladefläche war beschränkt, und wir mußten die Valadianbohrer mitnehmen. Keine Maus hätte sich mehr an Bord verstecken können.« »Stimmt schon. Nun, ich würde vorschlagen, daß wir Jenkins wecken. Das ist der klügste von den Burschen.«
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»Wie willst du den wach kriegen?« »Im Medizinschränkchen haben wir ein Mittel gegen den künstlichen Schlaf. Er hat lange genug gefaulenzt.« »Und während du dich mit solchen Kinkerlitzchen beschäftigst, geht unser Plutovertrag in die Brüche. Du weißt genau, wann wir mit der Arbeit beginnen sollen.« »Wenn ich hier den Kram in 24 Stunden erledigen kann, kommen wir rechtzeitig hin. Und wenn wir das Herculium an Bord haben, lege ich sowieso keinen Wert darauf, jemals nach Pluto zu gelangen.« »Noch etwas anderes«, sagte Cap. »Was machen wir mit Grubb?« »Den überläßt du mir«, wiederholte Pat sein Angebot. »Lieber nicht.« Cap vermutete nichts Gutes. »Wenn wir nicht nett zu ihm sind, macht er uns böse Schwierigkeiten. Und wenn wir nett zu ihm sind, ist es genauso aussichtslos, seinen Pardon zu erlangen. Na ja, Jake, es war schön, mit dir zusammenzuarbeiten…« »Moment mal«, unterbrach ich ihn. »Ich habe euch in diesen Schlamassel hineingebracht – ich werde euch auch wieder herausführen.« »Hoffentlich!« »Keine Sorge! Und jetzt gehe ich Jenkins holen, und noch einen von den Jungens. Den großen – wie heißt er noch? Ja, Carroll. Der kann dann Grubb bewachen.« Jenkins lag in seiner Koje dicht an der Tür des Raumes, in dem fast zwei Dutzend Männer schliefen, grunzten oder schnarchten. Ich spritzte ihm das Gegengift ein und wartete ab, indem ich ein wenig zurücktrat. Künstliches Aufwecken verursachte stets ein leichtes Delirium, verbunden mit unfreiwilligen Handgreiflichkeiten. Er wälzte sich unruhig hin und her, schlug schwach mit den Armen um sich und starrte mich schließlich aus aufgerissenen
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Augen an. Erkennen huschte über seine Züge. »Du, Jake? Sind wir schon da?« »Nein!« Ich zeigte ihm die Injektionsnadel. »Diesmal kam etwas dazwischen. Komm, hilf mir, Carroll zu wecken.« Carroll war ein Bursche von fast zwei Meter Länge. Ich gab ihm die Spritze und wollte mich gerade zurückziehen, als er auch schon erwachte. Er sprang mit einem Satz und noch geschlossenen Augen hoch, bekam mich zu fassen und ließ seine Faust vorsausen. Ich fühlte einen harten Schlag am Kinn, das von der vorherigen Behandlung noch sehr schmerzte, und ging in die Knie. Dann erst öffnete er die Augen und erkannte mich. »Oh – Jake. Verzeih’ mir, das tut mir leid. Ich konnte nicht wissen…« »Schon gut«, knurrte ich und kam wieder hoch. »Aber der nächste, der mir einen Kinnhaken versetzt, dem werde ich es zeigen. Verdammt, bin ich denn ein Punchingball?« Carroll trug mich mehr als er mich stützte in die Zentrale, wo ich mit neugierigen Blicken empfangen wurde. Er legte mich in den Pilotensitz und betrachtete den besinnungslosen Grubb mit Erstaunen. »Hast du den umgelegt?« wunderte er sich und sah mich fragend an. »Kümmere dich nicht darum«, gab ich zur Antwort. »Deine Aufgabe ist es, auf ihn aufzupassen.« Ich sah hinter ihm her, als er Grubb fortschleppte. Dann erklärte ich Jenkins, worum es ging. Er betrachtete nachdenklich und sehr skeptisch die ›Astralot‹ und meinte dann: »Und wie gedenkst du, an Bord zu kommen?« »Ich dachte, dir würde vielleicht etwas einfallen«, gab ich voller Hoffnung zurück. Er wiegte seinen Kopf hin und her. »Das ganze Zeug, das wir mithaben, ist für einen gegenteiligen
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Zweck bestimmt: Bergwerksarbeit, tief in der Erde, unter hohem Druck.« »Weiß ich selbst!« knurrte ich unbefriedigt. »Vielleicht stellen wir die genaue Position fest, kehren zu unserem Stützpunkt zurück und holen eine vernünftige Raumausrüstung.« Ich weinte fast vor Verzweiflung. »Mensch –! Captain Stag hat sie damals verloren und nicht wiedergefunden, und du darfst mir glauben, daß der Pirat einen besseren Navigator hatte als wir. Außerdem, bis wir wieder hier sind, hätten wir den Plutojob bestimmt verloren – und noch wissen wir nicht, ob das Herculium tatsächlich noch vorhanden ist. Nein, wir müssen es hier versuchen, und wenn ich mit dem Bohrbagger rübergehe.« Jenkins starrte mich an, als sei ich verrückt geworden. Schon formten seine Lippen ein entschiedenes »Nein!«, als wir durch den Bordlautsprecher unterbrochen wurden: »Captain Lane!« sagte die wütende Stimme von Amos T. Grubb. »Ich will sofort wissen, ob ich Ihr Gefangener bin! Wenn ja, warum?« »Well«, sagte Cap für mich, »nicht direkt Gefangener. Wir wollen Sie nur in Sicherheit wissen.« »Vor wem? Vor Ihrem ersten Offizier und Partner? Mit dem werde ich selbst fertig!« Mein Kinn schmerzte immer noch. Cap lächelte, als er in das Mikro sprach. »Trotzdem halte ich es für besser, wenn Sie dort bleiben, wo Sie jetzt sind.« Grubb gab sich nicht damit zufrieden. »Ich verlange, sofort freigelassen zu werden. Ich brauche keinen Gorilla als Wächter. Ich werde Sie alle vor Gericht bringen!« »Von mir aus«, entgegnete ihm Cap mutig. »Alles was wir
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wollen, ist Ruhe, solange wir über den Fall diskutieren.« »Ich habe ein Recht, meine Stimme bei der endgültigen Entscheidung abzugeben.« »Okay, okay«, knurrte Cap besiegt. »Carroll, laß ihn frei.« Dann zu mir: »Du hast zwei hungrige Mägen geweckt. Die Rationen werden kaum reichen.« »Ich werde ihnen eine Spritze geben und sie schlafen wieder«, beruhigte ich Cap. »Sie sind sowieso zu nichts nütze.« »Nun mach’s aber halblang«, grinste mich Jenkins an. »Ich wollte gerade bemerken, daß die Sache mit dem Bohrbagger gar nicht so dumm ist. Vielleicht läßt sich auch der Valadianbohrer einbauen.« Grubb kam herein und hörte die letzten Worte. »Sind Sie wahnsinnig? Mein teuerstes Stück! Wer sind Sie überhaupt, Mann?« »Das ist Mr. Jenkins, Bergwerksingenieur«, stellte ich vor. »Und wer soll den Bohrer bezahlen, wenn er in die Brüche geht?« »Ich«, sagte ich. »Womit? Mit tauben Vakuumnüssen?« »Nun aber Ruhe!« befahl Jenkins und sah Grubb fest an. »Ich kann den Bohrbagger manövrierfähig machen, wenn ich die Preßluftvorrichtung einbauen darf. Nun –?« Wir alle sahen fragend auf Cap. Selbst Grubb. Cap starrte aus der Luke hinaus in den Weltraum. Die unzähligen Sterne schienen stillzustehen, und die absolute Schwärze gab ihm keine Antwort auf seine unausgesprochene Frage. »Das bedeutet«, sagte er endlich langsam, »daß wir den Plutojob ganz bestimmt verlieren werden. Ein verdammt gewagtes
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Start der ersten zweistufigen Großrakete vom Typ ›Bumper‹. Sie ist zusammengesetzt aus einer deutschen A4-(V-2) und einer amerikanischen WAC-Corporal. Die A4 dient als untere, die WAC Corporal als obere Stufe. Mit freundlicher Genehmigung des Franz Schneider Verlages, München.
Spiel! Selbst dann, wenn das Herculium vorhanden ist. Wie wollen wir es bergen? Eine Frage, Grubb; werden Sie uns vor Gericht bringen?« »Wenn wir sofort nach Pluto fliegen, nicht! Dort haben Sie und ich einen sicheren Verdienst. Das Schiff hier, die ›Astralot‹, ist nicht mehr als ein vages Phantom. Ich habe niemals zuvor von ihr gehört.« »Aber ich!« sagte Carroll mit dunkler Stimme. Niemand hatte ihn eintreten hören, »Clem Gardener, der Autor des Buches, war mein Großvater«, fuhr er fort. ›Die ›Astralot‹ ging tatsächlich damals verloren und hatte den Kram an Bord.« »Was mich betrifft«, murmelte ich, »genügt mir das!« Cap nickte. »Good bye Pluto! « »Und noch eine Menge anderes«, nickte auch Grubb. »Aber das will ich euch sagen: Ich werde euch bereits auf Pluto die Fahrterlaubnis abnehmen lassen. Jake, Sie sind ein feiner 19
Bursche mit besten Aussichten für die Zukunft, wenn Sie nur Ihren Kopf ein wenig gebrauchen könnten. Aber wenn Sie mir das jetzt antun, werde ich Sie ruinieren.« »Die Mehrheit entscheidet«, entgegnete ich und unterdrückte die schauerlichsten Flüche gegen diesen Menschen. Wenn wir den Schatz nicht fanden, konnte ich einpacken. Ich sah Cap lange an, dann winkte ich Jenkins, und wir verließen die Zentrale. Der Bohrbagger war eigentlich ein Miniaturraumschiff, oder besser: ein Miniatur-Unterseeboot. Bei einer Länge von drei Metern betrug der Durchmesser der druckfesten Hülle nur ein Meter. Die Inneneinrichtung bestand augenblicklich nur aus der Atemluftversorgung. Eine große Sichtluke diente zur Beobachtung. Sehr schnell hatten wir die Sauerstoffzylinder angebaut, mit deren Hilfe ich mich frei bewegen konnte. Für niedrige Geschwindigkeiten reichte der Rückstoß der beiden Flaschen vollkommen. In dem Ding war es sehr eng und ich begann zu schwitzen, als der Bagger endlich unsere überdimensionale Luftschleuse verließ. Reglos schwebte ich im Vakuum dicht neben unserem Schiff. Vor mir hing der Schatten der ›Astralot‹. Als ich auf den provisorisch angebrachten Knopf drückte, strömte der Sauerstoff aus der am Heck angebrachten Flasche und trieb mich dem Wrack entgegen. Fast hätte ich das Bremsen vergessen, und nur im letzten Augenblick gelang es mir die Bugdüse in Tätigkeit zu setzen. Obwohl die Spitze des Baggers aus sechszölligem Quarz bestand, hätte ich mir ganz schön den Schädel einrennen können. Dann wäre die Laufbahn von Jake Murchison eben ein wenig früher zu Ende gewesen. Über den Kurzwellensender kam die ruhige Stimme von Carroll: »Ich sagte dir ja schon, drücke auf die Knöpfe, als seien es
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Giftstachel. Du hast noch einmal Glück gehabt.« »Sind die Kabel noch in Ordnung?« »Klar. Wir haben dir genügend Spielraum gelassen.« »Dann los! Hoffentlich hat dein Piratengroßvater die Luftschleuse auch innen aufgelassen.« Die große, schwarze Öffnung lag dicht vor mir, langsam trieb ich hinein. Mit vorsichtigen Fingerspitzenbewegungen regulierte ich meinen Flug, und es gelang mir wie durch ein Wunder, den immerhin nicht gerade winzigen Zylinder genau in den Schiffsgang zu bringen. Langsam segelte ich durch die Finsternis, die nur durch meine Buglampe erleuchtet und scharf abgegrenzt wurde. Ich spürte die beginnende Kälte. Dann öffnete sich vor mir eine geräumige Halle, der Mannschaftsraum mußte es wohl sein, denn… »Zurückziehen!« schrie ich mit entsetzter Stimme. »Schnell!« »Warum denn?« kam die erstaunte Frage Carrolls. »Was ist denn los?« Ich unterdrückte den Brechreiz. »Frage nicht so viel. Zieht mich hier raus!«Sie zogen mich heraus, langsam und vorsichtig. Die Hülle schrammte an dem Schiffsgang entlang, hinterließ sicherlich deutliche Spuren. Mir war im Augenblick alles völlig gleichgültig. Erst als sie meine kleine Luke öffneten, kam ich wieder so recht zu mir. »Was ist geschehen?« Das war die besorgte Stimme von Cap. »Leichen!« stieß ich hervor. »Der ganze Raum war voller Leichen! Sie hingen frei herum – , und hast du schon mal hundert Menschen auf einmal gesehen, die plötzlich dem Weltraum ungeschützt preisgegeben waren?« »Nein! Habe auch keine Lust dazu«, gab er zu. »Carrolls Großvater muß einen eisernen Magen gehabt haben«, vermutete ich. »Und jetzt? Wollen wir aufgeben?«
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»Ist mir egal. Ich gehe nicht mehr!« Sie betrachteten mich mit einiger Verachtung und voller Enttäuschung. Cap drückte aus, was sie dachten: »Dann muß einer von uns gehen. Ich habe einen widerstandsfähigen Magen von Leder.« »Hört zu, Freunde«, sagte ich mühsam. »Ich schäme mich absolut nicht, wenn mir schlecht wurde. Aber bevor ich noch einmal zurückgehe, müßten die Toten verschwunden sein. Bei unserer Ausrüstung würde das einen ganzen Monat dauern. Ich will also versuchen, von der Seite her einzudringen.« »Das Loch wäre schon groß genug, aber die scharfen Kanten machen mir Sorge. Sie werden den Bagger aufschlitzen.« »Noch andere Kommentare?« fragte ich lässig. »Nein!« sagte Jenkins. »Dann los, mir ist schon wieder besser. Aber es ist verdammt kalt in dem Bagger. Ich benötige eine Heizung.« Man fand auch da eine Lösung. Ich zog eine der dicken Unterwäschegarnituren an, die meine Freunde mit Widerstandsdraht fest umwickelten. Darüber meinen Overall. Eine Leitung verband meine Unterhosenheizung mit der Stromquelle. Es war leichter, als ich gedacht hatte. Kurze Zeit später befand ich mich bereits in einem übel demolierten Maschinenraum. Bewegungslos schwebte ich über zerbrochenen Metallteilen und ließ den Scheinwerfer kreisen. Dann sagte ich in das Mikrophon: »Jenkins, gib mir mal Carroll!« »Ja, hier Carroll. Was ist?« »Dies scheint eine Art Hilfsmaschinenanlage zu sein. Hast du jemals einen Plan der ›Astralot‹ zu Gesicht bekommen?« »Ja, ich kenne mich ziemlich aus.« »Schade, daß du zu dick bist, sonst könntest du diese Aufgabe lösen. Aber bei deiner Fettleibigkeit…«
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»Halte dich steuerbord, da müßte eigentlich eine offene Tür sein!« unterbrach er mich. Er hatte recht. Ich gab ein wenig Fahrt und segelte durch die Luke. Die Halteleine hinter mir war nun nicht mehr straff, sondern sie führte in einem Bogen zum Schiff zurück. »Achte darauf, daß der Winkel nicht zu groß wird, sonst können wir dich nicht mehr zurückziehen!« warnte mich Jenkins. Ich hörte ihn kaum, denn hinter der Luke befand sich ein Lagerraum. Und hier lag das Herculium. Der wunderbare Stoff unbekannter Herstellungsart. Ein Stoff, den selbst die stärksten Atomstrahlen nicht zu durchdringen vermochten. »Ich habe es gefunden!« schrie ich begeistert, und ich hörte ihre lauten Hurrarufe. Dann vernahm ich Carrolls Stimme: »Raus mit dem Zeug, Jake!« In diesem Augenblick wurde mir klar, daß unser ganzes Unternehmen zum Scheitern verurteilt war. Das Herculium war in Barren geschmolzen, in kleine, glatte, an den Ecken abgerundete Barren. Der Greifer des Baggers jedoch war konstruiert worden, um rauhe Gegenstände packen zu können. Die Barren würden glatt abrutschen. Vielleicht gelänge es, einen einzigen zu greifen, mehr aber nicht. Das bedeutete, daß ich wegen jedes einzelnen Barrens den gefahrvollen Spaziergang wiederholen mußte. »Ich glaube, wir haben das Spiel verloren«, sagte ich schließlich und erzählte den Zurückgebliebenen, was ich sah und dachte. »Komme her aufs Schiff, dann wollen wir die Sache bereden!« Das war leichter gesagt als getan, aber es gelang doch. Mit mehr Glück als Verstand eckte ich rückwärts fahrend um die Kurven. Ich hatte nur Sicht nach vorn.
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Dann saßen wir um den Tisch und überlegten. Selbst Grubb konnte es nicht lassen, weise Ratschläge von sich zu geben: »Hätten Sie auf mich gehört…«, sagte er und schwieg, als ihn mein Blick traf. Wir redeten und überlegten lange hin und her, bis Carroll auf einmal einwarf: »Weiß jemand von euch, wie Herculium auf ein magnetisches Feld reagiert?« Keiner wußte es. »Dann müssen wir es ausprobieren!« schlug Jenkins vor. Ich schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, ich fürchte, es hat keinen Zweck mehr. Der Raum, in dem der Schatz lagert, ist durch eine enge Tür vom Maschinenraum und dessen Vorraum getrennt. Ich kann zwar ganz gut durchund hineinsehen, aber nicht hineingelangen.«Erneutes Nachdenken. Dann meinte Jenkins: »Auch das ist nicht das Schlimmste! Wir montieren einfach an den Baggerarm ein Ersatzteil, dadurch wird er länger. Zwar müssen wir dann noch zusätzlich eine Einrichtung in den Bagger selbst einbauen…« »Och – das macht nichts«, lächelte ich sauer. »Es ist ja noch eine Menge Platz in dem Sarg…« Einige Stunden später schwebte ich erneut zu dem Wrack hinüber und befand mich bald wieder in seinem Inneren. Ich kannte den Maschinenraum nun bereits und bewegte mich ein wenig sorgloser. Die Luke zum Vorraum hatte ich auch hinter mir und nun befand ich mich kurz vor dem Lagerraum des Herculiums. Wahrscheinlich hatte ich das erste Mal wirklich mehr Glück als alles andere, denn diesmal ging es nicht so glatt. Es gab plötzlich einen Ruck, und der Bagger bewegte sich nicht mehr. Ich versuchte es zuerst mit den Bugdüsen, dann mit den Heckdüsen. Na ja, die angebrachten Sauerstofflaschen, wenn Sie wünschen. Jedenfalls beides ohne jeden Erfolg. Der
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Bagger steckte fest – und ich mit ihm. Ich dachte an die toten Raumfahrer, die in einem benachbarten Räume sein mußten. »Jenkins, ich hänge fest! Könnt ihr mich zurückziehen?« Ich fühlte einige leichte Bewegungen, Dann gab es einen Ruck. Im Lautsprecher ertönte ein geflüsterter Fluch und… »Die Leine ist gerissen!« Damit schien mein Ende besiegelt zu sein. Hier gab es keinen Ausweg mehr. Es kam jetzt nur noch darauf an, ob mir zuerst die Luft oder der Strom ausging. Also entweder ersticken oder erfrieren. Vielleicht sogar beides gleichzeitig? Für Selbstmord hatte ich nicht genügend Platz. Ich schaltete den Scheinwerfer aus, um Strom zu sparen. »Hat jemand eine Idee«, sagte ich und versuchte, meiner Stimme das Zittern zu nehmen. »Wird dankbar angenommen.« »Erkläre mir die Lage genau«, kam Carrolls Stimme zurück. Er lauschte aufmerksam, dann fragte er: »Kannst du dich überhaupt nicht rühren?« »Wenn ich die Sauerstoffpullen ganz aufdrehe, vielleicht. Aber ich würde mir dann ein Loch in die Baggerhülle stoßen, und was das bedeutet, wißt ihr ja wohl selbst.« Über die Funkverbindung drang undeutliches Gemurmel. Dann hörte ich plötzlich, wie Carroll laut und deutlich sagte: »Idiot!« Meine empörte Frage wurde abgeschnitten. Von Carroll selbst. »Ich meine nicht dich, alter Junge. Ich meine mich selbst! Wir haben doch den Magneten eingebaut, um das Kraftfeld zu erzeugen. Er ist eingeschaltet. Natürlich klebt der irgendwo. Paß auf, ich schalte ihn aus.« Der Magnet wurde vom Schiff aus reguliert. »So – steuere jetzt mal dein Schiffchen!« Ich tat es – der Bagger reagierte gehorsam, wie ich es gewohnt war.
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»Mensch –!« stöhnte ich. »Du Idiot!« Ich hörte als Antwort nur ein Aufatmen. Carroll mußte genausoviel Ängste ausgestanden haben wie ich. »Gut, Carroll. Ich schulde dir hiermit einen Kasten Venusbier. – Und nun Ladies and Gentlemen, stehen wir vor dem größten Schatz, den die Menschheit je zu heben imstande war. Milliardenwerte liegen vor mir in kleinen, unscheinbaren, grauen Barren. Jetzt senke ich den Arm des Magneten und stelle die Verbindung her…« Ich hatte Angst vor der kommenden Sekunde. Jetzt würden sie auf dem Schiff gleich den Kontaktknopf drücken. Wenn der Magnet nicht wirkte, wenn er Herculium nicht anzog, waren wir erledigt. Herculium hatte hier im Raum kein Gewicht. Nichts hatte Gewicht. Vielleicht kam es daher, daß die Wirkung so überraschend war. Als ich den Magnetarm hob, klebten an ihm mindestens hundert der kleinen Barren. Der Schweiß rann mir die Wange herab. Ich keuchte in das Mikrophon, indem ich es mit beiden Händen faßte: »Klappt! Er hat gepackt!« Der Rest war Routinearbeit. Natürlich dauerte es Stunden, ehe wir die Arbeit des Umladens hinter uns gebracht hatten. Und ständig mußte ich dabei das Gesicht Grubbs vor mir sehen, der immer noch sinnlose Drohungen ausstieß und allmählich von einem gewissen Ehrgeiz befallen wurde, trotz allem recht zu behalten. Sicher, er würde versuchen können, uns das Herculium abzunehmen. Wir hatten einen Vertrag gebrochen, daran war nicht zu zweifeln. Aber verdammt noch einmal! Wer hätte das in unserer Lage nicht getan? Schließlich hatten wir das ganze Zeug in einem kleinen Laderaum untergebracht. Hier wog es zwar nichts, aber ich hegte die berechtigte Befürchtung, daß es die Hülle
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durchbrechen würde, sobald wir die Schwerkraft eines Planeten zu spüren bekamen. Dann kehrten wir in die Zentrale zurück, nachdem alles erledigt war. Wir setzten uns an den Tisch und sahen Grubb an. »Was machen wir mit ihm?« erkundigte sich Jenkins. »Haben Sie immer noch vor, uns bei Gericht wegen Vertragsbruchs zu verklagen?« fragte ich. »Natürlich nicht, lieber Freund«, gab er zur Antwort. Ich stutzte unwillkürlich, denn das hatte ich nicht erwartet. In seinen Augen sah ich ein Blinzeln und wußte, daß er log. »Wie meinen Sie das?« »Ganz einfach«, entgegnete er überfreundlich. »Ich gab das Geld für diesen Flug zum Pluto, stimmts? Ich kaufte die Ausrüstung, mit der Sie das Herculium bargen, stimmts? Ohne mich also hätten Sie weder den Schatz gefunden noch geborgen, stimmts?« »Mmmmm!« machte Cap und sah uns an. »Ich sehe schon, was Sie beabsichtigen. Aber Sie werden Pech haben!« »Kaum!« belehrte ihn Grubb. »Das Gesetz schreibt immer demjenigen das Bergungsrecht und den Bergungslohn zu, also die ausgesetzte Prämie, der das Rettungsschiff gechartert hat. Und das bin ich doch wohl, oder vielleicht nicht?« Ich sah zu Cap hinüber und fand in dessen Augen das gleiche, was auch in den meinen zu lesen sein mochte: tiefste Verachtung und Abscheu. Dieser Halsabschneider! Und dafür hatte ich mein Leben riskiert! Viele Minuten lang sprach keiner ein Wort. Der Barren Herculium, den ich als ›Anschauungsmaterial‹ mit in die Zentrale genommen hatte, lag vor mir auf dem Tisch. Er wog jetzt höchstens ein Gramm. Pat, unser Pilot, mischte sich ein: »Ich habe es euch ja gleich gesagt! Warum überlaßt ihr ihn nicht mir, diese stinkende Ratte.«
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»Augenblick«, unterbrach Cap. »Wir müssen nachdenken.« »Wieso nachdenken?« wunderte sich Jenkins. »Uns bleibt nur eine Möglichkeit: Wir müssen ihn umbringen!« »Und wie sollen wir seinen Tod erklären, wenn man uns fragt?« gab der besonnene Cap zu bedenken. Grubb schien sich zu amüsieren. »Ganz recht! Wie wollt ihr das erklären?« »Ganz einfach!« hatte Jenkins die Lösung gefunden. »Wir schaffen ihn zur ›Astralot‹ und stecken seine Leiche zu den anderen dort. Kein Mensch würde ihn finden oder erkennen. Er ist eben einer von der Besatzung der unglücklichen ›Astralot‹« »Das erklärt immer noch nicht seine Abwesenheit«, stellte Cap fest. Grubbs Grinsen wurde ein wenig unsicher. Sein Blick ging zwischen Jenkins und Cap hin und her. »Ist doch einfach!« sagte Jenkins. »Wir fanden ein Wrack und bargen die Ladung. Das geben wir zu. Nur der arme Mr. Grubb, den wir wie unseren Bruder liebten, war ein wenig unvorsichtig.« »Wieso?« »Nun, wir ließen ihm seinen Willen, zuerst die Ladung zu untersuchen, dabei machte er den fatalen Fehler, den Bagger zu verlassen. Wir konnten ihm nicht mehr helfen.« Jenkins wandte sich an ein imaginäres Publikum: »Und meine Herren, wir können das beweisen. Wir werden das Wrack leicht wiederfinden, denn wir stellten die Daten fest, Geschwindigkeit, Richtung und Drift.« Dann sah er uns wieder an: »Wir werden natürlich falsche Angaben machen!« Grubb grinste nicht mehr. Er wurde kalkweiß im Gesicht. Pat erbot sich: »Soll ich ihn schon mal in die Luftschleuse stecken?« Grubb stammelte: »Aber – aber ihr könnt doch nicht…«
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Cap war jetzt derjenige, dessen Mundwinkel zuckten. »Nicht nötig, ich habe es mir überlegt. Grubb ist in unserer Liste als Passagier eingetragen, nicht als Eigentümer. Damit verfällt für ihn jedes Recht, einen Anspruch auf finanziellen Gewinn zu erheben, den wir bei der Reise selbst haben sollten.« Grubb atmete zwar erleichtert auf, aber er konnte seine Enttäuschung doch nicht ganz verbergen. »Ich glaube. Sie haben recht, Cap. Ich bin nur als Passagier eingetragen worden. Darauf habe ich nicht geachtet. Ja, dann muß ich mich wohl bei Ihnen entschuldigen.« Er sah Cap an. »Und bei Ihnen, Mr. Cap, muß ich mich bedanken. Sie haben mir wohl das Leben gerettet.« »Was nicht sehr viel wert ist«, kommentierte Jenkins verächtlich. Grubb schoß ihm einen wütenden Blick zu. »Danke! Im übrigen werde ich euch trotzdem verklagen!« Ich dachte, mich träfe der Schlag. Der Bursche war zäh. Er hatte seine Grundsätze. »Und warum?« erkundigte ich mich. »Aus Prinzip!« sagte er aufklärend. »Nur aus Prinzip. Ihr habt den Kontrakt gebrochen. Außerdem wurde der Bohrer, mein Eigentum, beschädigt.« »Den bezahlen wir, Grubb«, beruhigte ihn Jenkins. Trotz allem tat Grubb mir leid. Ohne sein Geld hätten wir niemals die ›Astralot‹ gefunden. Wäre er doch nur vernünftiger, wir hätten ihm gerne die Hälfte des Schatzes abgegeben. »Hier, Mr. Grubb«, sagte ich und schob ihm den Barren Herculium zu. »Nehmen Sie das als Andenken. Sie haben es wirklich verdient.« Wir hatten gesiegt, Grubb würde keine Gefahr bedeuten, das wußten wir jetzt. »Danke, Jake!« wehrte Grubb ab. »Nehmen Sie nur, Sie Halsabschneider.«
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Grubb sah mich an, dann lächelte er gewinnend: »Ich bin kein Halsabschneider, mein Lieber. Sie haben soeben einen Passagier beleidigt. Ich werde mich beschweren. Hier, da haben Sie Ihren Barren wieder zurück!« Er gab dem Barren einen Stoß in meiner Richtung. Dieser hatte kein Gewicht, wie ich schon bereits einmal betonte. Der Stoß war daher zu hart. Ich sah das Ding auf mich zukommen, es hätte mich an der Stirn getroffen. Ich machte eine Bewegung, um dem heransegelnden Herculium auszuweichen, aber ich war zu langsam. Das letzte, was ich sah, war Grubbs entsetztes und gleichzeitig bedauerndes Gesicht. Und das letzte, was ich hörte, waren Pats Worte: »O Gott! Genau wieder an die gleiche Stelle. Mitten aufs Kinn!« Aus dem Amerikanischen von Walter Ernsting.
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Sieben atomare Fernraketen jagen um die Erde. Aber der Teufel spielt mit, denn… SECHSE TREFFEN – SIEBEN ÄFFEN von Hellmut W. Hofmann Eben war es noch ein Berg gewesen – jetzt war es eine weißviolette Hölle von Glut und stratosphärenhoch geschleuderten Felstrümmern. »Kettenreaktion«, sagte der Professor lakonisch. »Die Bomben des Arsenals wurden sozusagen automatisch mitgezündet…« Marschall Boro war aufgestanden und blickte mit verschränkten Armen auf den Bildschirm an der Wand des kleinen Raumes; Kommissar Trossa lehnte sich in den tiefen Klubsessel zurück und blies den Rauch seiner Zigarette gegen die Decke. Der Professor warf einen Blick auf seine Tabellen. »Ich schalte das Videogerät jetzt um – Nummer vier muß in einer halben Minute am Ziel eintreffen!« Der Marschall trat an den nächsten Bildschirm. Kleine gelbhäutige Männer in weißen Kitteln und grotesken Atemmasken hantierten mit flinken Händen an den Labortischen – fuhren plötzlich auf, standen einen Augenblick wie erstarrt und vergingen dann in einem grellweißen Leuchten. »Das dürfte Exzellenz Yangs Pläne etwas stören!« stieß der Marschall mit einem heiseren Lachen hervor. Kommissar Trossa blinzelte ein wenig. War es ratsam, daß ein Gelehrter, wenn auch ein sehr nützlicher Gelehrter, merkte, daß auch ein Marschall Boro Nerven hatte? »Doktor Mala war ein großer Gelehrter«, sagte er mit seidenweicher Stimme. »Sollte man glauben, daß er kurz vor seinem bedauerlichen Unfall mit dem Gedanken spielte, sein
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Videoprinzip der Weltregierung zur Verfügung zu stellen? Er
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war eben ein etwas weltfremder Idealist – kein so praktisch denkender Mann wie Sie – « Der Professor verneigte sich leicht. »Es ist eigentlich lustig«, erwiderte er mit einem dünnen Lächeln, »daß all diese Leute glaubten, und jetzt noch glauben, ihren sogenannten Vaterländern ganz im geheimen zu dienen, während wir mit unseren Videogeräten sogar in die Maschinen und Panzerschränke hineinsehen können, von denen sie selber nicht wissen, was darin ist. Es ist überhaupt alles in einem gewissen Sinne sehr lustig«, er unterbrach sich und stellt einen Hebel an der Schalttafel um »Das strategische Elektronengehirn in Australien«, kommentierte er kurz. »In etwa fünfzig Sekunden…« Als das Bild in blauweißer Glut zergangen war, fuhr er fort: »Ja, sehr lustig, sagte ich. Wissen Sie, in meiner Heimat gab es eine Sage von einem Jägerburschen, der sich mitternachts im Walde Kugeln goß – in einer Schlucht, wo der wilde Jäger Samiel umgehen sollte.« »Interessant – warum tat er das?« fragte Marschall Boro – er war für eine kleine Ablenkung von den Staatsgeschäften oft empfänglich. »Oh, das waren sogenannte Freikugeln: Kugeln, die stets dorthin trafen, wo der Jäger es wollte. Sieben Stück konnte man jedesmal gießen – « »Wie unsere sieben negatronischen Fernraketen«, schaltete Kommissar Trossa lächelnd ein. Denkt noch an seine Heimat – fuhr es durch sein Hirn; demnächst auf Zuverlässigkeit überprüfen lassen. »Deren sechste in dieser Minute das letzte geheime Rüstungszentrum der Welt erreicht!« nickte der Professor. »Damit bleiben auf der gesamten Welt nur noch die Atombomben der Weltregierung…« »Die nicht ernst zu nehmen sind!« sagte Marschall Boro
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wegwerfend. »… und unser Hauptquartier als einzige intakte militärische Befehlsstelle unseres Imperiums zurück – bis auf weiteres.« Trossa ließ sich nach einer seiner kleinen Verneigungen in den Sessel nieder. »Das Imperium weiß Ihre Verdienste zu schätzen«, sagte Marschall Boro und räusperte sich. »Große Aufgaben erwarten Sie – die Auswertung der Videofilme sämtlicher gegnerischen Entwicklungen – « »Warten wir ab«, fiel Kommissar Trossa ihm ins Wort. »Die Interzeptoren der Nordischen Union – « Er hielt nichts von impulsiven Versprechungen. Ein Aufleuchten des Bildschirms unterbrach ihn. »Die Interzeptoren haben unsere sechste Rakete nicht aufgehalten«, stellte der Professor sachlich fest. »Außerdem hatten wir ja noch die siebte Rakete in Reserve!« fügte der Marschall verweisend hinzu. Kommissar Trossa denkt zuviel, fügte er für sich privat hinzu. Ich werde etwas unternehmen müssen. »Wir könnten also jetzt die siebente Rakete auf den Sitz der sogenannten Weltregierung – «, begann der Kommissar, aber der Professor unterbrach ihn: »Ich sagte, bis auf weiteres existieren auf der Welt jetzt nur noch die Streitkräfte der Weltregierung – immerhin stark genug, um die anderen Völker zu zwingen, ihre Kriegsvorbereitungen in den besonders getarnten sechs Zentren zu konzentrieren, die wir jetzt zerstört haben – und unser Hauptquartier, aus dem gleichen Grund die einzige Konzentration militärischer Macht in unserem Imperium.« »Das ist uns allen klar, Herr Professor!« In Trossas Stimme lag eine kaum merkliche Schärfe. »Das freut mich«, sagte der Professor mit einem eigenartigen Lächeln. »Ich komme nun wieder zu der Geschichte von den Freikugeln.«
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»Sie ist noch nicht zu Ende?« fragte der Marschall. »Nicht ganz. Sieben Kugeln goß man jedesmal – und darüber gab es einen Spruch: ›Sechse treffen – sieben äffen!‹ « »Und das bedeutet?« »Sechs dieser Kugeln treffen die Ziele, die ihnen der Jäger bestimmt hat – aber die siebente Kugel lenkt Samiel selbst!« Der Professor war wieder aufgestanden und sein Lächeln gab dem faltigen Gesicht eine seltsame Schönheit. »Übrigens – Kommissar Trossa: Die Weltregierung hat die Pläne des Morpschen Videogerätes damals bekommen. Allerdings nicht von Moro – sondern von mir.« Der Kommissar sprang auf; aber noch bevor er etwas sagen konnte, schrie der Marschall, den Professor an den Schultern packend: »Mann – was, zum Teufel, ist mit der siebten negatronischen Rakete?« »Sie wird in dreißig Sekunden hier eintreffen…«, sagte Professor Samuel Zyklowski.
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In den roten Wüsten des Planeten Mars findet der letzte Überlebende einer Expedition die rätselhaften Wohnstätten des vor Jahrtausenden vergangenen Marsvolkes. DAS VERZAUBERTE DORF von A. E. van Vogt ›Entdecker einer neuen Welt‹ hatte man sie genannt, bevor sie zum Mars starteten. Doch nachdem das Schiff auf einer der vielen Wüsten des Mars zerschmettert war, wobei die gesamte Mannschaft außer ihm – der wie durch ein Wunder unverletzt blieb – ums Leben kam, spuckte Bill Jenner diese Worte in den sandbeladenen Wind. Er verachtete sich selbst wegen des Stolzes, den er empfunden hatte, als er sie zum ersten Mal vernahm. Doch sein Zorn legte sich, je weiter er sich von dem Wrack in der Wüste entfernte, und die Trauer um seine toten Kameraden verstärke sich in seinem Herzen zu einem stechenden Schmerz. Nach und nach erkannte er, daß ihm ein verhängnisvoller Irrtum unterlaufen war. Er hatte die Geschwindigkeit des stürzenden Raumschiffes unterschätzt. Er hatte geglaubt, bis zu dem seichten Polarmeer, das er und seine Gefährten bemerkt hatten, als das Schiff aus dem Weltraum zur Oberfläche des Planeten herabglitt, etwa fünfhundert Kilometer zurücklegen zu müssen. Bevor es abstürzte, mußte das Schiff jedoch eine sehr viel weitere Entfernung überflogen haben. Die Tage, die seit dem Absturz vergangen waren, schienen ihm so zahllos wie die heißen roten Sandkörner, die durch seine zerschlissene Uniform drangen und wie glühende Funken auf der Haut brannten. Eine große Vogelscheuche von einem Mann – so schleppte er sich über die endlose, trockene Wüste –, aber
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er gab nicht auf. Als er den Berg erreichte, waren seine knappen Vorräte an Lebensmitteln längst aufgebraucht. Von den ursprünglichen vier Wasserbehältern besaß er nur noch einen, dessen Inhalt gerade noch ein Benetzen der aufgesprungenen Lippen und der geschwollenen Zunge erlaubte, wenn sein Durst unerträglich wurde. Jenner kletterte eine Weile aufwärts, bis er bemerkte, daß es nicht eine der zahllosen Dünen war, die ihm den Weg versperrte. Er hielt an. Als er an dem steilen Bergmassiv hinaufblickte, das sich vor ihm auftürmte, befiel ihn ein Zittern. Einen Moment lang wurde er sich der Hoffnungslosigkeit dieses irrsinnigen Rennens in das Nichts bewußt – aber er erreichte den Gipfel. Unter sich bemerkte er eine Mulde, umringt von Bergen. Eingebettet in das von ihnen gebildete Tal lag ein Dorf. Vom Scheitel des Hügels herab konnte er Bäume sehen und den Marmorboden eines Hofes. Eine Gruppe von Gebäuden scharte sich um eine Art Marktplatz. Über den meist einstöckigen Häusern erhoben sich vier gen Himmel strebende, zierliche Türme, in deren Marmorwänden sich die Sonne mit mattem Glanz spiegelte. Ein dünner, schrill-pfeifender Ton drang leise an Jenners Ohr. Er schwoll an, klang ab und erstarb völlig, um kurz darauf von neuem scharf und quälend anzusteigen. Es war ein heller und sehr unangenehmer Ton. Jenner eilte auf ihn zu, und seine Ohren schmerzten, als das fremdartige, unwirkliche Pfeifen lauter und lauter wurde. Er rutschte öfters auf den glatten Felsen aus und zog sich beim Fallen Prellungen und Hautabschürfungen zu. Die Hälfte des Weges rollte er buchstäblich in das Tal hinunter. Die Gebäude behielten ihr sauberes Aussehen, als er näher kam. In den glänzenden Wänden spiegelten sich Bäume und Sträucher. Wohin das Auge blicken mochte – überall wuchsen rötlich-
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grüne, mit purpurnen und roten Früchten beladene Bäume. Von unerträglichem Hunger und Durst getrieben, eilte Jenner zum nächsten Fruchtbaum. Er sah aus der Nähe vertrocknet und spröde aus. Die große rote Frucht jedoch, die er vom untersten Zweig riß, fühlte sich voll und saftig an. Schon wollte er sie zum Munde führen, als er sich erinnerte, daß man ihn während seiner Ausbildungszeit davor gewarnt hatte, auf dem Mars irgendwelche Früchte zu kosten, bevor man sie nicht chemisch untersucht hatte. Doch solche Warnungen waren gegenstandslos für einen Mann, dessen einzige chemische Ausrüstung sich in seinem eigenen Körper befand. Das mögliche Vorhandensein einer Gefahr veranlaßte ihn trotzdem zur Vorsicht, so daß er behutsam einen kleinen Bissen von der Frucht in den Mund nahm. Er schmeckte bitter, und er spuckte ihn hastig wieder aus. Der in seinem Mund verbliebene Saft der Frucht ätzte seinen Gaumen. Er brannte wie Feuer auf dem zarten Fleisch. Jenner taumelte vor Übelkeit. Seine Muskeln begannen zu zucken, und er legte sich auf den Marmorboden nieder, um nicht umzufallen. Stunden schienen vergangen zu sein, als sein Körper endlich das Zittern einstellte und er wieder sehen konnte. Er warf dem Baum einen Blick voller Verachtung zu. Die Schmerzen legten sich schließlich, und sein Körper entspannte sich. Leise raschelte der Wind in den dürren Blättern. Jenner erkannte, daß der Wind hier unten im Tal nur ein Flüstern war, verglichen mit dem heulenden Sturm, der über die Wüste peitschte. Außer dem Rascheln der Blätter war nichts zu vernehmen. Jenner erinnerte sich plötzlich an das schrille, an- und abschwellende Pfeifen, das er anfangs gehört hatte. Er lag still und lauschte angestrengt. Es war verstummt, und nur das heimliche Rauschen der Blätter drang an sein Ohr. Er fragte sich, ob das aufdringliche Schrillen ein Alarmsignal gewesen
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war, das die Dorfbewohner vor ihm gewarnt hatte. Beunruhigt stand er auf und griff nach seiner Pistole. Ein eisiger Schreck durchzuckte ihn. Das Halfter war leer. Im ersten Augenblick konnte er sich an nichts erinnern, aber dann fiel ihm ein, daß er seine Waffe schon vor mehr als einer Woche vermißt hatte. Er sah sich unbehaglich um. Von Lebewesen war nicht die geringste Spur zu entdecken. Neue Energie durchrann ihn. Er konnte das Dorf nicht verlassen – das stand fest –, denn draußen wartete die tödliche Wüste auf ihn. Wenn nötig, würde er bis zum letzten Atemzug kämpfen, um im Dorf bleiben zu können. Vorsichtig nahm Jenner einen kleinen Schluck aus seinem Wasserbehälter, um die aufgesprungenen Lippen und die geschwollene Zunge zu befeuchten. Dann verschraubte er den Verschluß wieder und ging durch die Allee von Bäumen auf das nächste Gebäude zu. Er schlug einen weiten Bogen, um es von allen Seiten eingehend zu betrachten. Durch einen niedrigen, breiten Torbogen konnte er im Innern des Hauses das schwache Glänzen des polierten Marmorfußbodens erkennen. Jenner betrachtete alle Gebäude des Dorfes von außen, wobei er stets in respektvoller Entfernung von den Eingängen blieb. Nirgends fand er Anzeichen von Lebewesen. Als er den Rand der Marmorplattform erreicht hatte, auf der das Dorf stand, kehrte er entschlossen um. Es war an der Zeit, das Innere der Häuser zu erforschen. Er wählte eines der vier Turmgebäude aus. Der Eingang war so niedrig, daß er sich bücken mußte, um überhaupt hineinzugelangen. Dies bedeutete, überlegte er, daß diese Häuser für eine Lebensform erbaut worden waren, die sich von menschlichen Wesen bedeutend unterscheiden mußte. Er bückte sich und kroch zögernd auf allen vieren hinein, jeden Muskel angespannt. Er gelangte in einen kahlen Raum. Von Möbeln oder dergleichen konnte er keine Spur erkennen. Nur aus der Wand
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ragten einige niedrige Marmormauern in den Raum hinein, die ihn in vier niedrige, breite Boxen aufteilten. In den Boden jeder dieser Boxen war ein offener Trog eingemeißelt. Ein zweiter Raum enthielt vier Marmorplatten, die schräg nach oben zu einer erhöhten Plattform führten. Insgesamt wies das Erdgeschoß vier Räume auf. Von einem der Zimmer wand sich eine Rampe kreisförmig nach oben und führte offensichtlich zu einem Turmzimmer. Jenner untersuchte die oberen Stockwerke nicht. Seine anfängliche Furcht, fremden Lebewesen zu begegnen, machte der erdrückenden Gewißheit Platz, daß er nichts Lebendiges antreffen würde. Dies bedeutete, daß es keine Möglichkeit gab, Nahrung zu bekommen. Verzweifelt hastete er von einem Gebäude zum anderen und spähte in verlassene Räume. Seine heiseren Rufe verhallten ungehört. Schließlich bestand kein Zweifel mehr. Er war allein in einem verlassenen Dorf, auf einem toten Planeten, ohne Lebensmittel, ohne Wasser – von den paar kläglichen Tropfen in seinem letzten Behälter abgesehen – und ohne Hoffnung. Im vierten und kleinsten Zimmer des Turmbaues wurde ihm bewußt, daß er am Ende seiner Suche angelangt war. Der Raum enthielt eine einzelne Box, die aus der Wand herausragte. Erschöpft legte sich Jenner hinein. Er mußte augenblicklich eingeschlafen sein. Als er erwachte, gewahrte er zweierlei unmittelbar nacheinander. Noch bevor er die Augen aufschlug, hörte er den Ton. Das pfeifende Geräusch war wieder da! Hoch und schrill zitterte es dicht an der Grenze des Hörbaren. Das zweite war der feine Sprühregen, der von der Decke auf ihn herabrieselte. Schon beim ersten Atemzug erkannte er den Geruch und schoß in die Höhe. Hastig taumelte er aus dem Raum, hustend und mit Tränen in den Augen. Sein Gesicht
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brannte schon von der chemischen Reaktion. Er riß sein Taschentuch heraus und wischte die Hände, das Gesicht und die nackten Stellen seines Körpers ab. Er langte draußen an und lehnte sich keuchend an die Marmormauer, krampfhaft bemüht, seine verwirrten Gedanken zu sammeln. Das Dorf schien unverändert. Die Blätter bewegten sich leise im Winde, und die Sonne hing über einem spitzen Berggipfel. Ihr Stand verriet Jenner, daß es wieder Morgen war, und daß er wenigstens zwölf Stunden geschlafen hatte. Das Tal war in grellweißes Licht getaucht. Halbversteckt hinter den Baumwipfeln und Büschen glänzten und schimmerten die Marmorwände der verlassenen Häuser. Das Dorf schien eine Oase in einer unendlichen Wüste zu sein. Eine Oase war es schon, dachte Jenner bitter, aber nicht für menschliche Wesen. Mit ihren giftigen Früchten bildete sie für ihn kaum mehr als eine lockende Fata Morgana. Er kroch in das Gebäude zurück und spähte vorsichtig in das Zimmer, in welchem er geschlafen hatte. Der Gas-Sprühregen hatte aufgehört. Von dem beißenden Geruch war keine Spur mehr wahrzunehmen, und die Luft war klar und rein. Er schob sich behutsam über die Schwelle, zu der Absicht, es auf einen Versuch ankommen zu lassen. Im Geiste sah er das Bild eines längst vergessenen Marswesens vor sich, das sich hier in der Box genießerisch rekelte, während der erfrischende chemische Sprühregen auf seinen Körper niederrieselte. Die Tatsache, daß diese Dusche für menschliche Wesen tödlich war, bestärkte nur noch die Annahme, daß die Wesen dieses Planeten sich erheblich vom Menschen unterschieden hatten. Über den Zweck dieses Gases konnte allerdings kein Zweifel aufkommen. Das Wesen, das hier gehaust hatte, pflegte allmorgendlich ein Brausebad zu nehmen. Jenner setzte sich auf den Boden des ›Badezimmers‹ und schob vorsichtig seine Beine in die Box, in der er geschlafen
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hatte. Kaum befand er sich bis zu den Hüften darin, als die glatte Decke einen Strahl gelblichen Gases auf seine Beine herabsprühte. Hastig rutschte Jenner aus der Box. Der Gasregen hörte so plötzlich auf, wie er begonnen hatte. Noch einmal wiederholte er den Versuch, um sicher zu gehen, daß es sich hierbei nur um einen automatischen Prozeß handelte. Die ›Dusche‹ regulierte sich von selbst. Erregt befeuchtete Jenner mit der Zunge seine geschwollenen Lippen. Er dachte, wenn das hier eine automatische Einrichtung ist, dann könnte es auch noch weitere geben. Keuchend rannte er in das äußere Zimmer. Vorsichtig schob er seine Beine in eine der beiden Boxen. Im gleichen Augenblick, als sich seine Hüften in ihr befanden, füllte sich der Trog im Boden mit einem dampfenden Schleim. Fasziniert starrte er auf das schmierig aussehende Zeug – Essen und Trinken! Er dachte an die giftige Frucht und fühlte sich abgestoßen – aber er zwang sich, einen Finger in den Brei zu stecken. Vorsichtig kostete er die heiße, feuchte Masse. Sie war geschmacklos und klebrig wie gekochte Zellulose. Dickflüssig glitt sie in seiner Kehle hinab. Seine Augen begannen zu wässern, und seine Lippen zogen sich krampfhaft zurück. Er fühlte, daß er sich übergeben mußte und eilte zum Ausgang, schaffte es aber nicht mehr ganz. Als es vorüber war, fühlte er sich ermattet und mutlos. In dieser völlig teilnahmslosen Verfassung fiel ihm plötzlich das schrille Pfeifen wieder auf. Die Tatsache, daß er dieses nervenaufreibende Geräusch auch nur ein paar Minuten lang hatte überhören können, versetzte ihn in Erstaunen. Er sah sich nach allen Seiten um und versuchte, seinen Ursprung zu bestimmen. Es schien jedoch keinen zu besitzen. Jedesmal, wenn er sich einer Stelle näherte, wo es am lautesten schien, klang es ab oder wechselte plötzlich zur anderen Seite des Dorfes hinüber.
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In Anlehnung an die WACCorporal wurde von der Aerojet General Corporation die Rakete ›Aerobee‹ = Luftbiene entwickelt. Diese Rakete ist 5,67 m lang, hat einen Durchmesser von 38 cm und ein Gesamt gewicht von 455 kg. Auf unserem Bild wird die ›Aerobee‹ in den Startturm gehoben. Mit freundlicher Genehmigung des Franz Schneider Verlages, München
Er versuchte, sich vorzustellen, was dieses nervenzerrüttende Pfeifen wohl für eine fremde Rasse bedeutet haben mochte – wobei allerdings zu bedenken war, daß sie es nicht unbedingt als unangenehm empfunden haben mußte. Er blieb stehen und schnalzte mit den Fingern, als ihm eine ungewöhnliche, aber durchaus plausible Erklärung einfiel. Konnte dies vielleicht Musik sein? Er spielte mit dem Gedanken und versuchte, sich das Dorf vorzustellen, wie es früher ausgesehen hatte. Musikliebende Wesen waren hier ihren täglichen Aufgaben und Pflichten
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nachgegangen, begleitet von den zarten Klängen einer unvergessenen Melodie. Einmal leise, dann wieder anschwellend verfolgte ihn das schrille Pfeifen. Jenner versuchte, sich hinter den Wänden der Häuser dem durchdringenden Geräusch zu entziehen. Er eilte von Haus zu Haus und suchte vergeblich nach einem schalldichten Raum. Es gab keinen. Das Schrillen verfolgte ihn, wohin er sich begab. Er floh schließlich hinaus in die Wüste und den Abhang eines Hügels hinauf, bis das Geräusch leise genug war, um es ertragen zu können. Atemlos, aber unbeschreiblich erleichtert, sank er in den Sand nieder und dachte hoffnungslos: Was nun? Die Szene, die sich vor seinen Augen ausbreitete, vereinigte in sich Eigenschaften von Himmel und Hölle gleichzeitig. Alles war jetzt so vertraut: der rote Sand, die felsigen Hügel, und das kleine, fremdartige Dorf, das so viel versprach und so wenig hielt. Mit fiebrigen Augen blickte Jenner auf die Häuser hinab und fuhr sich mit seiner trockenen Zunge über die aufgesprungenen Lippen. Er wußte, daß er ein toter Mann war, wenn es ihm nicht gelang, die automatischen Nahrungsmaschinen umzubauen, die in den Wänden und Fußböden der Gebäude versteckt sein mußten. Vor längst vergessener Zeit hatten hier die letzten Marsbewohner gelebt. Sie waren nacheinander gestorben, doch das Dorf lebte weiter. Sauber und gastfreundschaftlich wartete es darauf, jedem Marswesen Unterkunft und Nahrung zu bieten, welches vorüberkommen würde. Aber es gab keine Marswesen mehr. Es gab nur Bill Jenner, Pilot der allerersten Raumrakete, die auf dem roten Planeten landete. Er mußte das Dorf dazu bringen, Nahrung und Getränke zu erzeugen, die ihm bekömmlich waren. Ohne Werkzeuge, außer seinen Händen, und mit nur geringen Kenntnissen der Chemie
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mußte er das Dorf zwingen, seine Gewohnheiten zu ändern. Erregt hob er den fast leeren Wasserbehälter in die Höhe. Er trank einen kleinen Schluck und nahm seine ganze Willenskraft zusammen, um ihn nicht bis auf den letzten Tropfen zu leeren. Als er den Kampf mit sich selbst ein weiteres Mal siegreich bestanden hatte, erhob er sich und ging zum Dorf hinunter. Drei Tage konnte er schätzungsweise noch aushalten. In dieser Zeit mußte er das Dorf besiegen. Er befand sich schon unter den Bäumen, als ihm auffiel, daß die ›Musik‹ aufgehört hatte. Erleichtert beugte er sich über einen kleinen Strauch, packte die Zweige – und zog. Die Pflanze löste sich leicht aus dem Boden. Eine Marmorscheibe hing fest an ihr. Jenner starrte sie überrascht an und stellte erstaunt fest, daß er sich im Irrtum befunden hatte, als er annahm, daß ihr Stengel durch ein Loch im Marmorboden gewachsen war. Er hing vielmehr wie festgeklebt an der Oberfläche. Und noch etwas fiel Jenner auf: Die Pflanze besaß keine Wurzeln! Beinahe instinktiv blickte er auf die Stelle im Boden hinunter, wo er den Busch zusammen mit dem Marmorstück losgerissen hatte. In der entstandenen Öffnung leuchtete roter Sand. Er ließ den Strauch fallen, sank auf die Knie nieder und wühlte mit beiden Händen im Sand. Die heißen Körner liefen durch seine zitternden Finger. Tiefer und tiefer grub er, so weit er reichen konnte. Alles, was er fand war Sand – nichts als Sand. Er stand auf und zerrte an einem zweiten Strauch. Auch er löste sich leicht, und auch diesmal hing eine Marmorscheibe am unteren Ende des Stieles. Er besaß ebenfalls keine Wurzeln, und wo er gestanden hatte, befand sich Sand. Fassungslos rannte Jenner zu einem Fruchtbaum in der Nähe und stemmte sich mit aller Kraft gegen den Stamm. Zunächst leistete der Baum Widerstand, – aber dann barst der Marmor und hob sich langsam in die Höhe. Knisternd und krachend
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stürzte der Baum, und die trockenen Äste und Zweige flogen in tausend Fragmente auseinander. Wo der Baum gestanden hatte, leuchtete roter Sand! Sand, überall Sand! Das Dorf war auf Sand gebaut. Mars, der Planet aus Sand. Das stimmte natürlich nicht ganz. In der Nähe der vereisten Polarkappen hatte man zu bestimmten Jahreszeiten Pflanzenwuchs feststellen können, der jedoch im Sommer zum größten Teil abstarb. Es war vorgesehen gewesen, daß das Raumschiff in der Nähe einer jener seichten, gezeitenlosen Polarmeere landete. Aber als das Schiff außer Kontrolle geriet und abstürzte, hatte es mehr als sich selbst vernichtet. Es hatte die Chancen des einzigen Überlebenden der Expedition, mit dem Leben davonzukommen, zerstört. Nur langsam erwachte Jenner aus seiner Betäubung. Ein neuer Gedanke kam ihm. Er hob einen der Sträucher auf, die er vorhin aus dem Marmorboden gerissen hatte, und stellte sich mit den Füßen auf die Scheibe, die am unteren Ende des Pflanzenstengels hing. Dann begann er daran zu zerren, zuerst leicht, dann jedoch mit aller Kraft. Nach einiger Anstrengung gelang es ihm schließlich, die Marmorscheibe von dem Pflanzenstiel zu lösen. Es stand jedoch außer Zweifel, daß Strauch und Marmorboden ein Ganzes bildeten. Die Pflanzen wuchsen aus dem Marmor! Marmor? Jenner kniete neben dem Loch nieder, aus dem er einen der Büsche gerissen hatte, und untersuchte die Bruchstelle. Der Stein war porös – und höchstwahrscheinlich ein Kalkgestein, aber auf keinen Fall echter Marmor. Als er die Hand ausstreckte, um ein Stück davon abzubrechen, veränderte der Stein seine Farbe. Erstaunt zog Jenner die Hand zurück. Entlang der Bruchstelle verfärbte sich der Boden zu einem hellglühenden Orangegelb. Eine Weile lang kniete er unentschlossen da, dann berührte er die Stelle behutsam mit den Fingern.
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Es war, als ob er seine Hand in eine konzentrierte Säure getaucht hätte. Ein scharfer, brennender, ätzender Schmerz durchzuckte seinen Arm. Mit einem unterdrückten Schrei riß Jenner die Hand zurück. Ein Schwächeanfall überkam ihn, und stöhnend wand er sich vor Schmerzen. Als das Brennen endlich nachließ, betrachtete er die Verletzung. Er sah, daß sich die Haut geschält hatte, und daß sich bereits Blutblasen bildeten. Wütend blickte Jenner auf die Bruchstelle im Stein. Die Kanten blieben orangegelb. Das Dorf war wachsam und bereit, sich gegen jeden weiteren Angriff zu verteidigen. Ermüdet nach diesen Anstrengungen kroch er in den Schatten eines Baumes. Aus all diesen Geschehnissen konnte man nur einen Schluß ziehen, einen Schluß, der jedem gesunden Menschenverstand zuwiderlief: Dieses einsame Dorf war lebendig. Während er unter dem Baum lag, versuchte sich Jenner eine große Masse lebender Substanz vorzustellen, die die Gestalt von Gebäuden annahm, sich den Lebensgewohnheiten eines anderen Lebewesens anpaßte und die Rolle eines Dieners im weitesten Sinn des Wortes übernahm. Wenn sie einer Rasse dienen wollte, warum dann nicht auch einer anderen? Wenn sie sich den Lebensgewohnheiten der Marsbewohner anpassen konnte, weshalb dann nicht auch denen der menschlichen Wesen? Das würde natürlich nicht so einfach sein. Er vermutete, daß es hier verschiedene lebensnotwendige Elemente nicht gab. Der Sauerstoff für das Wasser müßte der Luft entnommen werden, aus dem Sand würde man Tausende von Verbindungen herstellen können. Und obgleich es seinen Tod bedeutete, wenn er keine Lösung fand, fiel er in einen tiefen, traumlosen Schlaf, noch während er darüber nachdachte, was für Verbindungen dies sein könnten.
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Als er wieder erwachte, war die Nacht hereingebrochen. Jenner stand schwerfällig auf. Beunruhigt spürte er seine Muskeln, die wie gelähmt schienen. Er befeuchtete seine Lippen aus dem Wasserbehälter und schleppte sich zum Eingang des nächsten Gebäudes hinüber. Eine tiefe, fast greifbare Stille herrschte ringsum, die nur von dem Schlürfen seiner Schuhe auf dem ›Marmor‹ unterbrochen wurde. Er hielt an, blinzelte in die Dunkelheit und lauschte mit gespannter Aufmerksamkeit. Der Wind hatte sich gelegt. Er konnte die Berghänge, die das Tal umgaben, nicht erkennen, aber die Umrisse der Häuser waren schwach sichtbar, schwarze Schatten in einer Schattenwelt. Zum ersten Mal schien es ihm trotz der anfänglichen Hoffnung, daß es besser für ihn wäre, zu sterben. Auch wenn er irgendwie am Leben blieb, einen Sinn hatte es nicht mehr. Er erinnerte sich nur zu gut, wie schwer es gewesen war, das Interesse der Erdbevölkerung für die Marsexpedition zu wecken, und die ungeheuren finanziellen Mittel, die sie verschlang, aufzubringen. Er erinnerte sich der riesigen Probleme, die beim Bau des Schiffes gelöst werden mußten. Einige der Männer, die sie gelöst hatten, lagen jetzt irgendwo im roten Sand des Mars begraben. Zwanzig Jahre würden bestimmt vergehen, ehe man ein zweites Raumschiff von der Erde ausschickte, um den einzigen Planeten des Sonnensystems zu erreichen, der neben der Erde selbst imstande war, Leben zu erhalten. All diese zahllosen Tage und Nächte, diese endlosen Jahre würde er hier allein sein. Dies war das einzige, was er erhoffen durfte, vorausgesetzt, daß er am Leben blieb. Während er sich in einem der Räume zu einer Schlafplattform hinauftastete, erwog Jenner ein anderes Problem: Wie konnte man ein lebendes Dorf wissen lassen, daß es seine Prozesse zu ändern hatte? Irgendwie mußte es bereits gemerkt haben, daß es einen neuen Bewohner
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besaß. Wie konnte er ihm aber erklären, daß er Nahrung brauchte, die sich in ihrer chemischen Zusammensetzung recht erheblich von der bisher bereiteten unterschied; daß er zwar Musik liebte, aber von einer anderen Klangzusammensetzung; daß er ein Brausebad jeden Morgen sehr gut gebrauchen konnte, aber eines mit Wasser – und nicht mit Giftgas? Er fiel in den ruhelosen Schlaf eines Kranken. Zweimal wachte er mit heißen Lippen und brennendem Augen auf, während sein Körper in Schweiß gebadet war. Einige Male schreckte ihn seine eigene rauhe Stimme auf, als er im Schlaf wilde Rufe des Ärgers und der Furcht in die Nacht hinausschickte. In dieser Nacht glaubte er, sterben zu müssen. Er verbrachte die langen Stunden der Dunkelheit, indem er sich hin und her warf, betäubt von erstickenden Wellen unbeschreiblicher Hitze. Als der Morgen heraufdämmerte, wunderte er sich darüber, daß er noch am Leben war. Ohne Ruhe gefunden zu haben, ließ er sich von der Plattform herab und ging ins Freie. Ein beißend kalter Wind wehte, aber seinem erhitzten Gesicht tat er wohl. Er fragte sich, ob sein Blut genügend Pneumokokken enthielt, um ihn an Lungenentzündung erkranken zu lassen. Es schien ihm unwahrscheinlich. Nach einer Weile zitterte er vor Kälte am ganzen Körper. Er zog sich ins Innere des Hauses zurück und bemerkte zum ersten Mal, daß der Wind nicht hereindrang, obwohl die Öffnung keine Tür besaß. Die Räume waren zwar kühl, aber durchaus nicht zugig. Das brachte ihn auf einen neuen Gedanken: Was hatte diese schreckliche Körperhitze hervorgerufen? Er wankte zu der Lagerstatt hinüber, auf der er die Nacht verbracht hatte. Innerhalb weniger Sekunden rann der Schweiß in Strömen über seinen Körper. Die Temperatur war auf mindestens 50 Grad Celsius angestiegen!
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Erschüttert über seine eigene Dummheit, sprang er von der Plattform herab. In diesem Backofen von einem Bett hatte er mindestens zwei Liter Feuchtigkeit aus seinem ohnehin schon ausgetrockneten Körper geschwitzt! Dieses Dorf war nicht für menschliche Wesen geschaffen. Hier wurden selbst die Betten für Kreaturen erhitzt, die Temperaturen weit oberhalb der für Menschen noch erträglichen Grenze benötigten. Jenner verbrachte den größten Teil des Tages im Schatten eines hohen Baumes. Er war völlig erschöpft, und nur selten fiel ihm ein, daß er ein lebenswichtiges Problem zu lösen hatte. Als das Pfeifen einsetzte, störte es ihn zunächst, aber er war zu müde, um sich einen anderen Platz zu suchen. Es gab lange Perioden, während denen es kaum noch an sein Ohr drang, derart abgestumpft waren schon seine Sinne. Spät am Nachmittag erinnerte er sich des Baumes und der Sträucher, die er aus dem Boden gerissen hatte und fragte sich, was mit ihnen wohl inzwischen geschehen sein mochte. Er befeuchtete seine geschwollene Zunge mit den letzten kostbaren Tropfen aus seiner Wasserflasche, stand müde auf und sah sich nach dem vertrockneten Strauchwerk um. Er konnte es nicht finden. Nicht einmal die Löcher, die er in den Boden gerissen hatte, waren zu sehen. Das lebende Dorf hatte die toten Zellen in sich aufgenommen und die Wunden in seinem ›Körper‹ geschlossen. Jenner war wie elektrisiert. Er fing an, wieder nachzudenken über Mutationen, genetische Adaption, Lebensformen, die sich neuen Umgebungen anpaßten. Vor dem Start des Schiffes hatten sie Vorlesungen über dieses Thema gehört. Es waren jedoch nur allgemeine Vorträge gewesen, welche die Forscher mit den Problemen bekannt machen sollten, mit denen sie auf fremden Planeten konfrontiert werden konnten. Die Essenz aller Vorlesungen war denkbar einfach: Anpassen oder sterben!
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Er mußte das Dorf zwingen, sich ihm anzupassen. Er bezweifelte, daß er in der Lage war, ihm ernstlichen Schaden zuzufügen, aber es kam auf einen Versuch an. Sein Wille, am Leben zu bleiben, mußte demnach auf einer harten, feindseligen Ebene zum Ausdruck gebracht werden. Jenner begann hastig, in seinen Taschen zu kramen. Er hatte sich mit allen möglichen kleinen Geräten und Ausrüstungsgegenständen beladen, bevor er das Wrack des Raumschiffs verließ. Ein Klappmesser, ein metallener Faltbecher, ein Taschenradio, ein winziger Superakkumulator, der geladen werden konnte, indem man ein daran angebrachtes Rad drehte, und – unter anderem – ein starkes elektrisches Feuerzeug. Jenner schloß das Feuerzeug an den Akku an und fuhr mit seinem rotglühenden Ende bedächtig an der Oberfläche des ›Marmors‹ entlang. Die Reaktion kam sehr schnell. Die Substanz färbte sich diesmal zu einem wütenden Purpur. Als eine ganze Sektion des Bodens davon ergriffen war, sprang Jenner auf, eilte keuchend zur flachsten Box und trat weit genug ein, um den Trog in Betrieb zu setzen. Es entstand ein merklicher Verzug. Als der Brei schließlich den Trog zu füllen begann, war klar, daß das lebende Dorf erkannt hatte, was er bezweckte. Der Brei hatte eine bleiche, kremige Farbe, wogegen er vorher dunkelgrau schien. Jenner steckte einen Finger in den Trog, riß ihn mit einem Schrei zurück und wischte ihn hastig ab. Der Schmerz hielt noch einige Minuten lang an. Die wesentliche Frage war: Hatte es ihm absichtlich Nahrung angeboten, die für ihn Gift war – oder versuchte es, ihn zu versöhnen, ohne zu wissen, welche Speisen er benötigte? Er beschloß, es noch einmal zu versuchen, und betrat die benachbarte Box. Das sandige Zeug, das diesmal in den Trog strömte, war gelblicher. Es verbrannte seinen Finger nicht, aber
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als er ein wenig davon in den Mund schob, spuckte er es hastig wieder aus. Es schien ihm, als ob man ihm eine Suppe aus einer fettigen Mischung von Lehm und Petroleum angeboten hatte. Der Durst, den er jetzt verspürte, wuchs durch den ekelhaften Geschmack in seinem Mund zu einem rasenden Verlangen nach Wasser. Verzweifelt rannte er hinaus und riß den Wasserbehälter auf. In seiner heftigen Begierde verschluckte er sich und verspritzte die letzten kostbaren Tropfen auf den Boden. Keuchend fiel er auf den Bauch nieder und leckte sie auf. Eine halbe Minute später leckte er noch immer – und das Wasser wollte kein Ende nehmen. Dieser Umstand drang plötzlich in sein Bewußtsein. Er richtete sich auf und betrachtete die Wasserperlen, die auf dem glatten Stein glitzerten, mit Verwunderung. Noch während er zusah, preßte sich ein weiterer Tropfen aus der anscheinend! soliden Fläche und blitzte im Licht der untergehenden Sonne. Er beugte sich nieder und nahm jeden einzelnen sichtbaren Tropfen mit der Zungenspitze auf. Es verging eine geraume Zeit, während der er auf dem Boden lag und mit dem auf den ›Marmor‹ gepreßten Mund die winzigen Wassermengen aufsaugte, die ihm das Dorf zögernd anbot. Die weißglühende Sonne verschwand hinter einem Hügel. Wie ein herabfallender schwarzer Vorhang kam die Nacht. Die Luft wurde kalt, dann eisig. Er zitterte, als der Wind durch seine zerlumpte Uniform fuhr. Aber was ihm schließlich Einhalt gebot, war der Zusammenbruch der Bodenfläche, von der er getrunken hatte. Jenner richtete sich überrascht auf und fühlte in der Dunkelheit sachte über den Stein. Er war tatsächlich zerbröckelt. Offensichtlich hatte die Substanz das ganze ihr zur Verfügung stehende Wasser von sich gegeben und war durch diesen Prozeß zerfallen.
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Jenner schätzte, daß er alles in allem etwa einen Viertelliter Wasser zu sich genommen hatte. Es war ein überzeugender Beweis von dem Wunsch des Dorfes, ihm gefällig zu sein. Aber es zeigte auch einen anderen, weniger angenehmen Umstand: Wenn das Dorf jedesmal, wenn es ihm Wasser gab, einen Teil seiner selbst abbauen mußte, war der zur Verfügung stehende Vorrat offensichtlich sehr beschränkt. Jenner eilte in das nächste Gebäude, kletterte auf eine der Lagerstätten und sprang hastig wieder hinunter, als die Hitzewellen um ihn aufbrandeten. Er wartete, um das Dorf erkennen zu lassen, daß er eine Temperaturänderung wünschte, dann begab er sich erneut auf die Plattform. Die Hitze war so stark wie zuvor. Er gab es auf, weil er zu müde war, es noch einmal zu versuchen, und zu schläfrig, um eine neue Methode zu ersinnen, mit der er dem Dorf sein Verlangen nach einer anderen Schlafzimmertemperatur mitzuteilen vermochte. Er schlief auf dem Boden ein, mit dem ungewissen Empfinden, daß es ihn nicht mehr lange am Leben erhalten konnte. Verschiedene Male wachte er während der Nacht auf und dachte: Nicht genügend Wasser – sosehr es sich auch bemüht! Dann schlummerte er wieder ein, nur um erneut zu erwachen, angespannt und unglücklich. Nichtsdestoweniger fand ihn der Morgen mit frischer Energie vor; seine ganze stählerne Zielstrebigkeit war wieder da – jene eiserne Willenskraft, die ihn wenigstens 800 Kilometer über eine unbekannte Wüste gebracht hatte. Er eilte zum nächsten Trog. Dieses Mal dauerte es länger als eine Minute, bis er in Tätigkeit trat; dann aber floß ein Fingerhut voll Wasser hervor. Jenner leckte es auf und wartete hoffnungsvoll auf mehr. Als nichts mehr erschien, überlegte er düster, daß irgendwo im Dorf
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eine ganze Gruppe von Zellen zusammengebrochen sein mußte, die ihr Wasser für ihn gespendet hatten. Er richtete sich auf. Jetzt lag es an dem Menschenwesen, das die Fähigkeit besaß, sich umherzubewegen, eine neue Wasserquelle für das Dorf zu finden, das sich nicht von der Stelle rühren konnte. In der Zwischenzeit würde es ihn natürlich am Leben erhalten müssen, bis er die verschiedenen Möglichkeiten untersucht hatte. Das bedeutete, daß er demnächst vor allem etwas Nahrung zu sich nehmen mußte, damit er seine Suche gekräftigt beginnen konnte. Er wühlte in seinen Taschen. Als seine Nahrungsvorräte zu Ende gegangen waren, hatte er einzelne Bissen und Stücke davon, eingewickelt in Tuchfetzen, darin aufbewahrt. Zahlreiche Krümel davon waren zurückgeblieben, nach denen er während der langen Tage in der Wüste oft gesucht hatte. Jetzt riß er die Nähte und Säume der Taschen auf und fand tatsächlich noch einige winzige Partikel von Fleisch und Brot, von Fett und anderen nicht identifizierbaren Substanzen. Behutsam beugte er sich über die benachbarte Box und legte die Krümel in den Trog. Natürlich würde ihm das Dorf nicht mehr als eine vernünftige Nachbildung anbieten können. Wenn ihm einige Tropfen, die er auf dem Boden des Hofes verspritzt hatte, sein Bedürfnis nach Wasser klarmachen konnten, müßten ihm auch die Krümel in dem Trog einen Hinweis auf die chemische Zusammensetzung der von ihm benötigten Nahrung geben. Jenner wartete, trat dann in die zweite Box und setzte den Trog in Tätigkeit. Etwa ein halber Liter eines dicken, kremigen Breis tröpfelte auf seinen Boden. Die verschwindend kleine Menge schien ein Beweis dafür zu sein, daß er Wasser enthielt. Jenner versuchte den Brei. Er hatte einen scharfen, muffigen Geruch und schmeckte schal. Er war fast so trocken wie Mehl –
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aber Jenners Magen gab diesen Brei nicht wieder von sich. Jenner aß langsam, im Bewußtsein, daß er in solchen Augenblicken von der Gnade des Dorfes abhängig war. Er konnte niemals, sicher sein, daß nicht eine der Nahrungsingredienzien ein langsam wirkendes Gift darstellte. Als er das Mahl beendet hatte, begab er sich zu einem anderen Trog im benachbarten Gebäude. Er lehnte den einfließenden Brei ab, und setzte einen weiteren Trog in Betrieb. Dieses Mal erhielt er einige Tropfen Wasser. Dann machte er sich auf seinen Streifzug und betrat die Rampe, die sich zum nächsten Stockwerk empor wand. Dort angelangt, legte er nur eine kurze Pause ein, denn die Räume, die er hier vorfand, schienen weitere Schlafzimmer zu sein. Sie enthielten die bekannten Ruhestätten in Gruppen von je drei. Weitaus mehr interessierte ihn die Tatsache, daß die kreisförmig angelegte Rampe noch weiter hinauf führte. Er erreichte zunächst einen weiteren, kleineren Raum, dessen Zweck nicht zu ersehen war, und stieg dann höher empor, zur Spitze des Turmbaues, die sich etwa zwanzig Meter hoch über dem Boden befand. Von hier aus konnte er über alle bergigen Hügel der Umgebung hinwegsehen. Er hatte dies erwartet, war aber bisher zu schwach gewesen, um den Aufstieg zu unternehmen. Jetzt schweifte sein Blick zum Horizont und nach allen Richtungen. Fast sogleich verschwand die Hoffnung, die ihn heraufgetrieben hatte. Die Aussicht war unermeßlich trostlos. Die dürre Einöde erstreckte sich so weit, wie sein Blick reichte, und der Horizont ringsum war verhangen von einem Schleier windzerstäubten Sandes. Jenner starrte in die Ferne, und Verzweiflung ergriff ihn. Wenn es irgendwo dort draußen ein Marsmeer gab, lag es außerhalb seiner Reichweite. Urplötzlich packte ihn heiße Wut über sein Schicksal, das jetzt
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unvermeidlich schien. Er ballte die Fäuste. Er hatte gehofft, daß er sich im schlimmsten Fall in einer gebirgigen Region vorfinden würde. Seen und Berge stellten gewöhnlich die beiden Hauptquellen von Wasser dar, so hatten sie in den Vorlesungen gehört. Er hätte wissen sollen, daß es auf dem Mars so gut wie keine Gebirge gab. Es wäre schon ein unglaublicher Zufall gewesen, wenn er sich tatsächlich in einer Berglandschaft vorgefunden hätte. Diese zahlreichen Hügel in der Umgebung zählten ja nicht. Seine Wut verging, weil ihm die Kraft fehlte, ein derart leidenschaftliches Gefühl längere Zeit zu unterhalten. Wie gelähmt schlurfte er die Rampe hinunter. Sein vager Plan, dem Dorf zu helfen, war damit schnell und endgültig im Keim erstickt. Die Tage vergingen, aber er wußte nicht, wie viele. Jedesmal, wenn er zum Essen ging, fand er eine kleinere Menge Wasser vor. Er sagte sich immer und immer wieder, daß jedes Mahl sein letztes sein mußte. Es war unvernünftig von ihm, zu erwarten, daß sich das Dorf für ihn zerstörte, jetzt, da er sein Schicksal sowieso nicht mehr ändern konnte. Und was noch schlimmer war: Er merkte von Tag zu Tag deutlicher, daß sein Körper die Nahrung nicht vertrug. Er hatte dem Dorf fehlerhafte Angaben gemacht, als er ihm seine Nahrungsbedürfnisse mitteilte, indem er ihm schale und beschmutzte Proben vorlegte. Damit hatte er seine Qualen nur verlängert. Manchmal war ihm nach dem Essen stundenlang schwindelig. Allzuoft empfand er heftige Kopfschmerzen, und sein Körper zitterte im Fieber. Das Dorf tat, was es konnte. Das übrige wäre seine Aufgabe gewesen, und er brachte es noch nicht einmal fertig, sich einer groben Nachbildung irdischer Nahrung anzupassen. Zwei Tage lang fühlte er sich zu elend, um sich zu einem der Tröge zu schleppen.
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Er lag auf dem Boden, und die Stunden vergingen. Während der zweiten Nacht wuchsen die Schmerzen in seinem Körper zu solch unerträglicher Stärke an, daß er keinen Ausweg mehr wußte. Er faßte einen Entschluß. »Wenn ich eine Lagerstatt erreichen kann«, sagte er sich, »wird mich die Hitze allein umbringen; und indem es meinen Körper absorbiert, wird das Dorf etwas von seinem gespendeten Wasser zurückerhalten.« Er brauchte mindestens eine Stunde dazu, die Rampe zur nächsten Ruheplattform hinaufzukriechen. Als er es schließlich geschafft hatte, lag er hingestreckt, als ob er bereits tot wäre. Die letzten Gedanken, die er bei Bewußtsein dachte, waren: Meine lieben Freunde – ich komme. Die Halluzination war so vollkommen, daß er sich für einen kurzen Augenblick wieder im Kontrollraum des Raumschiffes sah, umgeben von seinen früheren Gefährten. Mit einem Seufzer der Erleichterung auf den Lippen versank Jenner in traumlosen Schlaf. Er wachte auf, geweckt vom Spiel einer Violine. Es war eine schwermütige, süße Musik, die vom Aufstieg und Untergang einer lange verschwundenen Rasse erzählte. Jenner lauschte eine Zeitlang, und dann erkannte er mit plötzlicher Erregung die Wahrheit. Diese Musik ersetzte das Pfeifen, das Dorf hatte seine Musik ihm angepaßt! Seine Sinne meldeten ihm weitere Phänomene. Die Lagerstatt fühlte sich angenehm warm an, durchaus nicht heiß. Er empfand ein behagliches Gefühl körperlichen Wohlbefindens, wie nie zuvor. Eilig kletterte er die Rampe zur nächsten Nahrungsbox hinunter. Die Nase dicht über dem Boden, kroch er begierig vorwärts, und der Trog füllte sich mit einer dampfenden Masse. Der Duft war so lieblich und angenehm, daß er sein Gesicht in den Brei tauchte und ihn mit gierigem Schmatzen schleckte. Der
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Brei erinnerte an eine dicke Fleischsuppe, war von angenehmer Wärme und schmeichelte Mund und Nase mit seinem köstlichen Aroma. Als Jenner den Trog völlig leergegessen hatte, empfand er zum ersten Mal kein Verlangen nach Wasser. »Ich habe gewonnen!« jubelte er bei sich. »Das Dorf hat einen Weg gefunden!« Nach einiger Zeit fiel ihm etwas ein, und er kroch eilig zum Badezimmer, Vorsichtig schob er sich rückwärts in die Brausebox, wobei er die Decke beobachtete. Der gelbliche Sprühregen fiel auf ihn hernieder, kühl und angenehm. Er war eine wahre Labung. Dann ging er hinaus, um in der Sonne zu baden und auf die zeitlose Musik zu lauschen. Aus dem Amerikanischen von Jesco von Puttkamer
In der nächsten Folge erscheint eine der besten Science-FictionKurzgeschichten dieses weltbekannten Autors. TERRA – ALPHA CENTAURI – UND ZURÜCK (Far Centurus) von A.E. van Vogt Sie erhalten das UTOPIA-Magazin 4 in 2 Monaten bei Ihrem Zeitschriftenhändler.
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Eine Theorie Ursprung der Untertassen‹
über den ›Fliegenden
Wir veröffentlichen diesen Beitrag des Autors als Diskussionsgrundlage über das Problem der ›Fliegenden Untertassen‹. Die hier vertretene Meinung ist nicht die der Redaktion.
KOMMEN SIE DOCH VOM MARS?
Die Argumente der UFO-Gegner Ich bin, weiß Gott, kein Phantast und Schwärmer, der jeden auch nur einigermaßen gut zurechtfrisierten Unsinn mit Freuden bejaht. Als organisierter Amateurastronom bin ich ein erklärter Freund der exakten Wissenschaft und glaube, mir in vielen Fragen durchaus ein Urteil erlauben zu dürfen, auch ohne akademische Vorbildung und Titel. In helle Verzweiflung kann ich geraten, wenn ich mitansehen muß, wie die Vertreter leidiger PseudowissenschaftenAstrologen, Hohlwelttheoretiker, Welteislehrenjünger und neuerdings Herr Dirksen aus Hilversum mit seiner auf das 20. Jahrhundert aufgebügelten Erdscheibentheorie kaum 60
wiedergutzumachende Verwirrungen unter der breiten Masse anrichten, welche dann leicht geneigt ist, ernsthafte Wissenschaft und Pseudogelehrsamkeit in einen Sack zu stecken und gemeinsam zu verdammen. Ich bringe es aber auch nicht übers Herz, meine Augen zu verschließen vor einem Problem der Gegenwart, wie es weiland eine wissenschaftliche Kommission tat, als sie in Galileo Galileis Fernrohr die Trabanten Jupiters erblickte und dennoch fest behauptete, nichts gesehen zu haben. Mir scheint, viele Vertreter der Wissenschaft von heute sind geneigt, es ihren konservativen Ahnen wieder einmal gleichzutun. Es hat sich also in ein paar hundert Jahren nicht viel geändert! Um es vorwegzunehmen: Ich glaube an die reale Existenz der UFOs wie der Papst an das Evangelium. Ich glaube an ihre planetarische Herkunft, denn viele Tatsachen sprechen dafür, Tatsachen, die man nicht einfach beiseite schieben kann, will man objektiv bleiben. Nur wenige der heutigen Wissenschaftler wagen noch zu bezweifeln, daß wir Menschen nicht allein im Weltall sind. Nach sehr vorsichtigen Wahrscheinlichkeitsrechnungen gibt es Millionen bewohnter Welten in der Unermeßlichkeit des Sternenalls. Der Mensch steht an der Schwelle des Weltraums. Nicht mehr lange und der Flug zum Mond und den Planeten wird wahr werden. Wie kann man – aus dieser Schau gesehen – so vermessen sein, zu behaupten, daß ein Besuch außerirdischer Intelligenzwesen auf Erden eine unrealisierbare Sache sei? Doch wird gerade diese Behauptung nur allzugern und immer wieder aufgestellt. Lassen wir daher zunächst die Gegner der UFO-Theorie zu Worte kommen.
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Die eine Gruppe lehnt grundsätzlich intelligentes Leben außerhalb der Erde ab und läßt allein unseren Planeten als die Hochburg des Lebens, besonders was den ›homo sapiens‹ anbetrifft, gelten. Diese Gruppe setzt sich wohl hauptsächlich zusammen aus Anhängern der ›Jeanschen Gezeiten-Hypothese‹, nach welcher die Bildung von Planeten ein seltener, wenn nicht sogar einmaliger Vorgang sein soll. Da haben wir es: Wiederholung des geozentrischen Weltbildes im übertragenen Sinne. Die Erde mit dem Menschen als Krone im Mittelpunkt des Weltalls und der Schöpfung. Welch Sprung zurück in das Mittelalter! Welch günstige Gelegenheit für menschliche Selbstherrlichkeit und religiösen Fanatismus, sich ungehemmt zu tummeln! Eine andere Gruppe bejaht zwar grundsätzlich die Möglichkeit bewohnter Himmelskörper, behauptet aber mit der gleichen Entschiedenheit, daß es in unserem Sonnensystem außer der Erde keinen bewohnten Planeten geben kann. Und die ungeheuren interstellaren Entfernungen zeitlich und räumlich zu überbrücken, dürften auch superintelligente Wesen anderer Systeme nicht in der Lage sein. Folglich kommen die ›Untertassen‹ überall her, aber niemals aus dem Weltraum! In diesem Sinne äußerte sich ein bekannter Sternfreund im Nachrichtenblatt seiner Vereinigung Daraufhin nahm ich in einem Brief an ihn meinerseits Stellung zu diesem Problem und bat, meine Ausführungen ebenfalls in dem Nachrichtenblatt – welches sich ausschließlich unter den Mitgliedern der Vereinigung und teilweise der Fachwelt verbreitet – zu veröffentlichen. Es erreichte mich folgendes Antwortschreiben, welches hier auszugsweise wiedergegeben soll: ›… ich bin einigermaßen entsetzt, daß in unserem Kreise
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überhaupt ein Bedürfnis zu einer Diskussion des ›Ufo-Problems‹ besteht. Meine Ausführungen waren lediglich dazu bestimmt, die Vereinigung als Repräsentantin der deutschen Liebhaberastronomen von diesem Rummel zu distanzieren… … die ›UFO‹ sind in der Tat kein Gegenstand ernsthafter Diskussion. Diskutiert werden kann allenfalls, wie man solchen Auswüchsen wirksam entgegentreten kann, um weiteren Schaden am Denkniveau der Bevölkerung zu verhindern…‹ Und zum Schluß: ›… zweifellos würde niemand auf der ganzen Erde einen Besuch fremder Lebewesen so sehr begrüßen wie gerade die Astronomen. Leider aber müssen sich diese als erste davon überzeugen, daß ein solches Ereignis sich nicht realisieren kann.‹ Nun, Herr X muß es wissen. Ich ließ ihn etwas ausführlich zu Worte kommen, um zu zeigen, mit welcher Hartnäckigkeit und Entschiedenheit das gegnerische Lager den Kampf um eine Sache führt, welche ihrer Meinung nach sowieso ›undiskutabel‹ ist. Dem Eifer der Ablehnung nach zu schließen, scheint das Problem aber doch wohl ernst genug zu sein, um eine recht geharnischte Attacke dagegen zu rechtfertigen. Lebensbedingungen im solaren System Schließen wir einen Kompromiß und räumen wir ein, daß es unwahrscheinlich, aber keinesfalls unmöglich ist, die UFOs könnten aus anderen Sonnensystemen zu uns kommen, so bietet unser eigenes Sonnensystem als Ursprungsort der UFOs doch mehr Möglichkeiten, als man gemeinhin annimmt. Ich darf es mir sparen, der Reihe nach die bisher erforschten
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Oberflächenverhältnisse der Planeten hier zu schildern, denn die Materie ist jedem Eingeweihten leidlich bekannt. Gewiß, wir Erdmenschen können höchstens auf Mars oder Venus ohne Hilfsmittel und nur für kurze Zeit leben. Aber müssen diese Planeten darum unbewohnbar sein? Es kommt immer darauf an, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form man auf unseren Schwesterplaneten Leben sucht und erwartet. Folgendes Gesetz dürfte das ganze Universum umspannen, im großen wie im kleinen. Ein einziger Satz drückt es aus: Das Leben, auch in seinen Spitzenentwicklungen, paßt sich immer den jeweils und örtlich herrschenden Lebensbedingungen an. das Leben ist eine universelle Sache. Das ist eine gewagte Behauptung, aber doch nicht so kühn, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Schon die mannigfaltigen Formen des Lebens auf unserer Erde bestätigen die Wahrheit dieses Satzes. Beim Menschen bereits fängt es an. Wir Mitteleuropäer z. B. vertragen das mörderische Klima der Dschungelhölle am Amazonas denkbar schlecht. Die dortigen Eingeborenen aber finden es sehr natürlich und fühlen sich wohl dabei. Ein Eskimo würde sich nur schwer in Afrika akklimatisieren, desgleichen ein Buschneger in Grönland. Es ist eben jeder an seine Welt gewöhnt! Noch augenscheinlicher wird das Problem in der unterschiedlichen Lebensweise von Fauna und Flora. Grundverschiedene Methoden der Atmung, der Nahrungsaufnahme, des Wachstums! Wer z. B. wollte bestreiten, daß es in den Tiefen der Weltmeere kompliziert entwickelte Lebensformen bei Tier und Pflanze gibt, und das bei einem Wasserdruck von vielen tausend Atmosphären. Wie kraß schon die Gegensätze zwischen Lebewesen des Wassers und des Landes! Es gibt Bakterien, welche geradezu unwahrscheinliche
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Temperaturschwankungen ohne Schaden quicklebendig überstehen. Das Leben hat eine unerhört breite Basis, und es ist nicht einzusehen, warum diese Tatsache nicht auch für andere Himmelskörper zutreffen soll. Das Leben paßt sich fast dem Unmöglichen an. Mars – der erdähnliche Planet Keiner der Planeten hat von jeher die Menschheit so beschäftigt wie unser Nachbar im Weltenraum – Mars, der rote Planet. Die alten Römer sahen in ihm den Kriegsgott, bei den Azteken stand Mars im Mittelpunkt des religiösen Kultes. Man nannte ihn Huitzilopochtli, ›großer Zerstörer von Städten, Vertilger der Menschen‹. Und bei den alten Chinesen war Mars der ›Strafende‹. Seltsame Übereinstimmungen in bezug auf Mars unter Völkern, welche keine Verbindung miteinander hatten! Ist in grauer Vorzeit Mars einmal mit Krieg und Brand über die Erde gezogen? Mit immer weiter verbesserten optischen Hilfsmitteln rückte der Mensch dem roten Planeten zu Leibe. Viele Erkenntnisse wurden gewonnen, ebenso viele wollen noch errungen sein. Nach neueren Untersuchungen soll es Vegetation auf Mars geben! Und die vielumstrittenen ›Kanäle‹ – viele der besten und erfahrensten Astronomen haben sie gesehen. Sollte man diesen Männern in jedem Falle eine optische Täuschung unterschieben können? Polkappen, Vegetationsgebiete, Kanäle, Atmosphäre, Jahreszeiten – organisches Leben müßte auf Mars möglich sein! Am 16. Januar 1950 beobachtete der Japaner Tsuneo Saheki eine riesige Explosionswolke auf dem Mars, welche sich während einer halben Stunde auf 1500 km Durchmesser
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verbreiterte. Vulkanausbruch? Meteoreinschlag? Oder Atomexplosion? Auf der Erde hat das Leben gegen Unmöglichkeiten gekämpft. Wahrscheinlich kam es aus dem Meer. Der Sprung auf das Festland war ein großes Experiment der Natur – es glückte aber. Irgendwann trat der Mensch auf, er eroberte sich die Welt. Er wird sie noch weiter erobern, wird kraft seines Geistes und dank seiner organischen Anpassungsfähigkeit die Natur immer vollendeter beherrschen und einmal weitgehend unabhängig von ihr werden. Darum werden noch Menschen leben, wenn die Erde ein alternder Planet geworden ist – wie Mars heute schon. Die Anpassungsfähigkeit des Lebens und die Intelligenz des vernunftbegabten Wesens werden solange aktiv sein und bleiben, wie ein Stern noch Möglichkeiten bietet, gleich welcher Art. Das aber dürfte auch für Mars gelten. Bestimmt hat er eine ähnliche Entwicklung gehabt wie die Erde, vielleicht auch Intelligenzwesen hervorgebracht wie sie. Haben aber jemals solche auf dem Mars gelebt, dann gibt es ihre Nachfahren auch heute noch; denn so lebensfeindlich ist der Planet noch nicht, daß die Natur und der Intellekt seiner Bewohner schon kapitulieren müßten. UFOs – nur zu Zeiten einer Marsopposition! Eine heute noch existierende Marsmenschheit müßte zwangsläufig schon seit Jahrtausenden keine Kriege mehr kennen. Gemeinsamer Lebenskampf unter harten Umweltbedingungen – das Gigantenprojekt des den ganzen Planeten umspannenden Kanalsystems, dessen laufendes Instandhaltungs- und Ausbauprogramm – alles das sind selbst mit Hilfe allermodernster Technik undurchführbare Projekte ohne die friedliche Zusammenarbeit aller Völker des Mars.
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Daß eine solche Intelligenzrasse in einer Jahrhunderte, ja womöglich jahrtausendalten Friedensepoche und unter Anwendung einer gewaltigen Technik für ausschließlich friedliche Zwecke eine hochentwickelte Weltraumschiffahrt haben könnte, liegt auf der Hand, zumal die weit geringere Gravitation des Mars derartigen Bemühungen denkbar günstig entgegenkommt. Warum sollten nach all dem die UFOs nicht vom Mars kommen? Nun aber halte ich es nicht nur für möglich, sondern sogar für sehr wahrscheinlich, daß Mars der Herkunftsplanet der UFOs ist. Warum? Mit welcher Begründung? Selbst wenn man die interplanetarische Herkunft dieser Gebilde grundsätzlich bejaht, gibt es nicht noch andere Möglichkeiten? Warum soll ausgerechnet Mars für die ›Fliegenden Untertassen‹ verantwortlich zeichnen? Bisher habe ich nur Vermutungen ausgesprochen. Nun aber taucht eine Tatsache auf. Auf diese Tatsache aber gründe ich meine Theorie: Fliegende Untertassen sind nur zu Zeiten der Marsoppositionen aufgetaucht. Besonders in den Jahren nach dem Kriege läßt sich dies recht gut verfolgen. Die Jahre 1948, 1950, 1952, 1954 waren Oppositionsjahre. Gleichzeitig aber wurden an allen Orten der Erde UFOs gesichtet. Im Jahre 1954, als Mars der Erde sehr nahe kam, tauchten die UFOs in Scharen auf, und zwar besonders um das Datum der größten Erdnähe herum! Am 2. Juli 1954 stand Mars in größter Erdnähe. Die UFOs aber tauchten auf im Juni, Juli, August und zuletzt im September in einer nie zuvor beobachteten Häufigkeit! Marsopposition – ›Fliegende Untertassen‹, ein augenfälliger Zusammenhang! Schon Plinius und Seneca berichteten von ›Fliegenden Schilden‹. Ihre Meldungen aber stimmen haargenau mit den heute beobachteten UFOs überein! Der Hofchronist Philipps des Guten berichtete 1461 von leuchtenden Scheiben über Arras
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(Frankreich). Eine Meldung von 1604 zählt 6 Objekte. Die Jahre 1461 und 1604 waren Marsoppositionsjahre. Abgesehen davon, daß es im Mittelalter bzw. im Altertum noch keine von Russen oder Amerikanern konstruierten Raketengeschosse gab, kann das augenfällige Zusammentreffen von ›Untertassen‹ und Marsoppositionen kaum durch den Zufall erklärt werden. Übereinstimmend damit liegen Meldungen aus jüngerer Vergangenheit vor: In den Jahren 1704, 1755, 1762 und 1845 – alles Oppositionsjahre – hat man ebenfalls UFOs beobachtet. Diese Meldungen nun im einzelnen: 1704 erschien über der englischen Grafschaft Devon eine in VFormation fliegende Gruppe von UFOs. Wahre Scharen solcher Flugapparate sah man am 15. Oktober 1755 über Portugal. – Am 9. August 1762 beobachteten die Astronomen de Rostan und Croste ein großes, dunkles, spindelförmiges Objekt, welches über die Sonnenscheibe dahinzog. Dieses zigarrenförmige Flugobjekt war von einem leuchtenden Schein umgeben. – Die Besatzung des britischen Schiffes ›Victoria‹ sichtete in der Nacht des 18. Juni 1845 in den Gewässern von Gibraltar drei leuchtende Scheiben, die in Richtung auf die Küste flogen. Die Scheiben waren volle zehn Minuten sichtbar und wurden vom Kapitän nebst dessen Offizieren sowie den meisten Fahrgästen gesehen. Auch von der Küste aus war das Phänomen beobachtet worden, wie die Marinebehörde von Gibraltar dem Kapitän der ›Victoria‹ zwei Tage später bestätigte. – Und alle Daten beziehen sich auf Oppositionsjahre! Seit vielen Jahrhunderten überwachen die UFOs die Erde, und ihr Auftauchen fällt stets in jene Jahre, wo Mars der Erde am nächsten steht.
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Auf Grund aller dieser augenfälligen Gegebenheiten wage ich zu behaupten: Der Planet Mars ist von Vernunft- und intelligenzbegabten Lebewesen bewohnt. Diese haben seit Jahrhunderten Kenntnis von der Existenz der Erdmenschheit und verfügen über eine hochentwickelte Raumfahrttechnik. Die UFOs oder ›Fliegenden Untertassen‹ aber sind nichts anderes als die Weltraumschiffe der Marswesen! Mögliche Bewegungsbahnen der Mars-Raumschiffe Könnte man nach all dem nicht einwenden: Warum beschränken sich die Raumschiffe des Mars bei ihren Erdbesuchen auf die Oppositionsjahre, wenn sie eine so ausgefeilte Raumfahrt haben? Sie müßten auch zu Zeiten der größten Entfernungen zwischen Mars und Erde mühelos verkehren können! Abgesehen davon, daß die Entfernung der beiden Himmelskörper beträchtlichen Schwankungen unterworfen ist, muß man die Tatsache berücksichtigen, daß die Bewegungsbahnen von Raumschiffen sowie die von kosmischen Körpern niemals gerade Linien sind, sondern unter dem Einfluß der kosmischen Schwerefelder stets Ellipsen, Parabeln und Hyperbeln darstellen, selbst bei allergrößtem Energieaufwand. In den Jahren zwischen den Oppositionen aber steht Mars von der Erde aus gesehen seitlich bzw. hinter der Sonne. Bei einer Reise zu diesen Zeitpunkten aber stünde die Sonne mit ihrem gewaltigen Schwerefeld den Raumfahrern buchstäblich im Wege und würde die Bahn des Schiffes fast unlösbar beeinflussen. Oder aber man müßte Umwege von vielen hundert Millionen Kilometern machen, welche so sehr auf Kosten der Reisedauer gehen, daß man sich lieber entschließen würde, den schnelleren, bequemeren und vor allen Dingen auch gefahrloseren Weg zu wählen. Tritt man die Reise aber zur Zeit
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einer bevorstehenden Opposition an, dann hängt man sich einfach von der Marsbahn ab, um in mehr oder weniger steiler Bahnellipse die Erdbahn zu schneiden und mit der Erde am vorausberechneten Punkt zusammenzutreffen. Bei der Rückkehr würde alsdann umgekehrt verfahren. Im Jahre 1954 stand Mars am 2. Juli in größter Erdnähe. Im Mai und Juni tauchten die ersten UFOs auf. Ihr Erscheinen erreichte im Juli und August seinen Höhepunkt und klang im September aus. Ich schätze die Reisedauer der UFOs auf etwa 4 bis 6 Wochen. Vielleicht sieht die Durchführung dieser Erdreisen folgendermaßen aus: Etwa zwei Monate vor Eintritt der Opposition startet vom Mars aus eine Formation der ›Fliegenden Zigarren‹. Diese großen Raumschiffe dienen als Mutterschiffe für die ›Fliegenden Untertassen‹ und sind lediglich für die Überfahrt bestimmt. Diese Mutterschiffe beziehen auf dem Erdmond Station. Von dort aus, unbeobachtbar für uns, unternehmen die ›Untertassen‹ ihre Erkundungsflüge um die Erde, wofür wiederum etwa 8 bis 10 Wochen zur Verfügung stehen. Nun sind Erde und Mars sich noch immer nahe genug, um eine schnelle und bequeme Rückfahrt zu ermöglichen. Der Stützpunkt Mond wird verlassen und der Heimflug angetreten. Während der Erdferne bleibt dann den Marswesen genügend Zeit, um das während der Expedition gesammelte Beobachtungsmaterial zu sichten, auszuwerten und eine neue Reise bei der nächsten Opposition vorzubereiten. Das Landungsproblem Nach all dem erhebt sich die Frage: Warum landen die UFOs nicht auf unserer Erde? Oder sind diese Flugobjekte schon hier und da am Boden beobachtet worden? Um es vorwegzunehmen: Es gibt eine ganze Reihe von Leuten, welche allen Ernstes behaupten, eine ›Fliegende Untertasse‹, ja
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sogar Besatzungsmitglieder derselben, am Boden beobachtet zu haben. Inwiefern diese Meldungen auf Wahrheit beruhen oder aber einer gewissen Neigung zur Wichtigtuerei bzw. dem Geltungsbedürfnis entspringen, wird sich vorläufig noch nicht mit Sicherheit sagen lassen. Immerhin möchte ich an die Aufzeichnungen des amerikanischen Liebhaberastronomen George Adamsky erinnern. Dieser Mann behauptet entschieden, sich mit einem Untertassenpiloten sogar unterhalten zu haben (auf telepathischem Wege). Wer sich für Adamskys Beobachtungen näher interessiert, sei verwiesen auf sein Buch ›Flying Saucers Have Landed‹. Oder nehmen Sie auszugsweise zur Kenntnis, was ein Bauer namens Linke vor einem amerikanischen Vernehmungsoffizier aussagte: ›… als wir (Linke und seine Tochter) noch zwanzig Meter entfernt waren, sah ich ganz deutlich zwei geisterhafte Gestalten in silberglänzenden Anzügen. Es kann aber auch ihre Haut gewesen sein, welche so silbern schimmerte, aber das ist doch wohl unmöglich! Einer der Männer trug auf oder in seiner Brust eine Art Grubenlampe, nur daß dieses Gerät sehr viel heller leuchtete. Im Hintergrund aber sah ich deutlich ein riesiges rundes Etwas, aussehend wie eine mächtige Pfanne von wenigstens zwanzig Meter im Durchmesser…‹ Später seien die Silbermänner in ihr Fahrzeug zurückgegangen und es sei rasend schnell rotierend und an den Rändern glühend mit summendem Geräusch aufgestiegen. Auch die Bewohner des nahen Dorfes sollen den aufsteigenden Flugkörper beobachtet haben. Ähnliche Berichte gibt es noch eine ganze Menge. Leider hat man von offizieller Seite der Öffentlichkeit gegenüber noch keine Stellung dazu genommen. Auch ich kann dazu nicht mehr sagen, als meiner Hoffnung Ausdruck geben, daß diese Berichte auf Wahrheit beruhen möchten. Denn wer hat schon dergleichen gesehen? Hundertprozentig nachweisen kann man eventuelle
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Landungen fliegender Untertassen nicht. Die Annahme vorausgesetzt, sämtliche Meldungen über beobachtete Landungen unbekannter Flugobjekte wären unwahr, kommen wir wieder zum Ausgangspunkt dieses Kapitels zurück. Warum also landen die UFOs nicht oder offenbar nur selten und auch dann nur an möglichst einsamen Orten dieser Erde? Es wäre ideal, wenn man diese Frage nach den Gesichtspunkten jener Wesen lösen könnte, welche sie uns durch ihr zurückhaltendes Verhalten zwangsläufig stellen. Das aber ist ein schier unmögliches Unterfangen, denn mit hochgradiger Wahrscheinlichkeit mögen Denkungsart und damit auch Handlungsweise dieser außerirdischen Wesen von allen uns Menschen eigenen Regungen durchaus verschieden sein. Also müssen wir die Lösung des Rätsels auf menschlicher Basis versuchen. Die Marsbewohner – nach meiner Theorie handelt es sich um solche – dürften uns Menschen nicht nur in technischer, sondern auch in geistiger Hinsicht himmelhoch überlegen sein. Seien wir ehrlich – die Entwicklung des menschlichen Geistes hat mit den technischen Fortschritten keineswegs Schritt gehalten, wir sind in dieser Hinsicht kaum dem Steinzeitalter entwachsen. Das Menschengeschlecht ist nur einige Jahrhunderttausende alt. Bei den Marsianern mögen es Millionen sein. Sie dürften dem intelligentesten Menschen dieser Erde etwa so hoch überlegen sein wie beispielsweise der große Einstein einem AmazonasIndianer. Folglich sind sie auch über unsere Schwächen erhaben. (Neid, Mißgunst, Krieg und dergleichen.) Lächeln wir auch nicht mitleidig und überlegen über die Primitivität und Einfalt mancher wilder Völkerstämme? Und doch kann gerade der Primitive dem ›Homo sapiens‹ mitunter sehr gefährlich werden. Ich bin überzeugt, daß die fremden Wesen unsere Art im Laufe jahrhundertelanger Beobachtungen sehr genau studiert haben, vielleicht mit Hilfe von Einrichtungen, deren Funktionsweise
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wir uns nicht einmal erträumen können. Was wissen wir denn schon über die Vielfalt des Kosmos, seines Lebens und seiner Gesetze? Nehmen wir einmal an, eine Fliegende Untertasse landet vor dem Weißen Haus in Washington oder vor dem Kreml in Moskau. Ihre Insassen wollen mit den Vertretern irdischer Macht Verbindung aufnehmen. Nun, man würde nicht zögern, die fremden Wesen, sofern sie menschenähnlich sind, ›zur Gewährleistung ihrer persönlichen Sicherheit‹ zunächst einmal zu isolieren, um inzwischen in aller Ruhe die Geheimnisse ihres Flugkörpers zu ergründen und denselben hinterher, wenn möglich, zu zerstören. Man würde von einem ›bedauerlichen Unfall‹ sprechen und im stillen dieses Vorgehen mit den Worten rechtfertigen: ›Man kann nie wissen, in welcher Absicht die Brüder wirklich kamen.‹ Sollten die Besucher aber eventuell ein uns Menschen unvertrautes Aussehen haben und es dennoch wagen auszusteigen – das Grauen würde uns unverständige Kinder packen und man würde beginnen, aus allen Knopflöchern auf die ›Bedroher der Menschheit‹ zu schießen. Und sollte wider alle Erfahrung dergleichen nicht geschehen, die Menschen würden allein die Tatsache, daß es solche Wesen überhaupt gibt, niemals verdauen, und die Katastrophe wäre so oder so da. Summa summarum: Die Untertassen landen aus folgendem Grunde nicht auf der Erde, weil die gemeinsame Basis für eine solche Begegnung noch lange nicht gegeben ist und sie uns nicht in noch mehr Konflikte stürzen wollen, wie wir ohnehin schon zu bewältigen haben. Und wo sie schon mal den Erdboden betraten, zogen sie sich allerschnellstens zurück, wenn sie einem Menschen begegneten. Aber sie überwachen uns wie weise Eltern ihre unvernünftigen Kinder. Der Mensch hat die Kräfte des Atoms entdeckt. Sollte er sie dazu mißbrauchen, seine Art damit auszurotten oder – bei der späteren Verwirklichung der Raumfahrt – andere Welten
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damit zu bedrohen, dann werden sie eingreifen. Möge es nie zu dieser Entwicklung im Bösen kommen, sondern möge der Mensch sich bemühen, selbst jene hohe Stufe der Erkenntnis zu erklimmen, auf daß es doch dereinst zu einer Begegnung zweier Welten kommen möge, welche beider Partner würdig ist. Wiederauftauchen der UFOs im Jahre 1956 Am 9. September steht Mars erneut in Opposition zur Sonne und erreicht eine Erdnähe, wie sie seit 1877, wo Schiaparelli die Kanäle entdeckte, noch nicht wieder dagewesen ist. Der Planet steht fast im Perihel und wird erst 79 Jahre später ähnlich nahe kommen. Wenn meine Theorie wahr ist, werden wir in diesem Jahr einen bisher noch nicht erreichten UFO-Einflug registrieren können. Die Marsianer werden sich die günstige Erdnähe nicht entgehen lassen und in Scharen kommen. Wahrscheinlich werden sie zuerst Ende Juli und im August auftauchen, im September am häufigsten zu beobachten sein und im Oktober langsam wieder verschwinden. 1956 ist das große Jahr der UFOs! Sollte sich meine Voraussage, aufgebaut auf vorstehenden Überlegungen erfüllen, so ist das Ziel dieses Berichtes erreicht. Dann haben wir einen handfesten Beweis mehr darüber: Wir Menschen sind nicht allein in dieser Welt! Mars, unser Nachbarplanet im Weltraum, ist bewohnt, er ist der Ursprungsplanet der ›unbekannten Flugobjekte‹! Der alte Glaube der Menschen an bewohnte Nachbarwelten erführe eine neue, unwiderlegbare Bestätigung. Harry F. Heide, Astronom
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Durch einen Meteoreinschlag schwerbeschädigt, treibt die ›Upsydaisy‹ steuerlos auf die Sonne zu. Nur einem Mann kann es gelingen, Schiff und Besatzung vor dem Sonnentod zu retten. Ein Mann mit dem hünenhaften Körper eines JAY SCORE von Eric Frank Russell Für alles, was sie tun, gibt es einen guten Grund. Uneingeweihten mögen manche ihrer kleinen Tricks und zahlreiche ihrer Verordnungen äußerst eigentümlich erscheinen, aber mit einer Rakete durch den Kosmos zu fliegen, und in einer Badewanne über einen Teich zu paddeln, ist lange nicht dasselbe, nein, mein Herr! Zum Beispiel diese Methode, gemischte Mannschaften einzusetzen. Sie erweist sich als sehr gescheit, wenn man sie näher betrachtet. Auf den auswärtsführenden Fluglinien, zum Mars, zu den Asteroiden oder noch weiter, haben stets weiße Terrestrier die Maschinen in ihrer Obhut, denn sie sind es, die die moderne Rückstoßtechnik vervollkommnet haben, am besten darüber Bescheid wissen und die Antriebselemente bemuttern können wie sonst niemand. Die Schiffsärzte dagegen sind stets schwarze Terrestrier, denn aus einem Grunde, der niemandem bekannt ist, hat ein Neger noch nie Gravitationsbeuge oder Raumkrankheit bekommen. Auf allen Schiffen bestehen die Arbeitskolonnen für Außenreparaturen stets nur aus Marsmenschen, die sehr wenig Luft benötigen, erstklassige Metallarbeiter sind und eine hinreichende Immunität gegen kosmische Strahlung besitzen. Was die einwärts gerichteten Flüge, etwa zur Venus, anbetrifft, so setzen sie ähnlich gemischte Besatzungen ein, mit der Ausnahme, daß der zweite Pilot stets ein solch großer Brocken
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ist, wie Jay Score. Auch dafür gibt es einen besonderen Grund. Ich werde ihn wahrscheinlich niemals vergessen können. Er prägt sich einem geradezu in die Erinnerung ein, und zwar für immer. Was für ein Kerl! Als ich ihn zum ersten Mal erblickte, hatte mich das Schicksal auf das obere Ende der Laufplanke postiert. Unser Schiff war die ›Upskadaska City‹, ein funkelnagelneuer Frachter mit einigen Kabinen für Passagiere, dessen Heimathafen auf der Venus lag, und von dem er seinen Namen hatte. Es ist wohl unnötig, zu sagen, daß er bei allen alten Raumfahrern unter dem Spitznamen bekannt war. Wir lagen im Colorado-Raumflughafen, nördlich von Denver, und hatten eine ansehnliche Ladung an Bord genommen, zum größten Teil Uhrenfabrikationsmaschinen, Landwirtschaftsgeräte, aeronautische Instrumente und Werkzeuge für Upskadaska, sowie eine Kiste mit Radiumnadeln für das Krebsforschungsinstitut auf der Venus. Daneben hatten sich uns acht Passagiere anvertraut, durchwegs auswandernde Landwirte, fest entschlossen, 48 Millionen Kilometer näher an der Sonne Heu zu ernten. Wir hatten das Schiff startbereit gemacht und warteten auf die Los-Brüder-Los-Sirene, die in vierzig Minuten ertönen sollte, als Jay Score eintrudelte. Er war zwei Meter groß, wog mindestens 280 Pfund, bewegte aber seinen Kleiderschrank von einem Körper mit der eleganten Grazie einer Ballettänzerin. Ein solch riesenhafter Kerl, der sich derart leicht bewegte, war es wert, betrachtet zu werden. Er kam die Duraluminium-Laufplanke mit der Nonchalance eines Ausflüglers herauf, der den Bus nach Kleinkleckersdorf besteigt. In seiner rechten Faust, die die Abmessungen eines Schinkens haben mochte, baumelte eine Tasche aus ungegerbtem Leder, die fast groß genug war, sein Bett und vielleicht noch einen oder zwei Schränke aufzunehmen. Oben angelangt, blieb er stehen, warf einen Blick auf die
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gekreuzten Schwerter an meiner Mütze und sagte: »Morgen, Sergeant. Ich bin der neue Zweite. Habe mich bei Captain McNulty zu melden.« Ich wußte, daß wir einen anderen Zweiten erhalten sollten, da Jeff Durkin auf jene stinkvornehme marsianische Duftflasche ›Prometheus‹ versetzt worden war. Dieser hier stellte also seinen Nachfolger dar. Ein Terrestrier war er zwar, jedoch weder schwarz noch weiß. Sein ausdrucksloses, aber scharfgeschnittenes Gesicht schien mit uraltem, verwittertem Leder überzogen zu sein. Seine Augen strahlten, und ihr Feuer grenzte schon an Phosphoreszenz. Die Aura, die ihn umgab, stempelte ihn zu einem solch außerordentlichen Individuum, wie es mir noch nie begegnet war. »Willkommen, Kleiner«, meinte ich und bekam fast Genickstarre, als ich an ihm hochblickte. Ich vermied es, ihm meine Hand zu geben, da ich sie auch später noch zu gebrauchen dachte. »Machen Sie Ihre Tasche auf und stellen Sie sie in die Sterilisationskammer. Den Skipper finden Sie vorne im Bugraum.« »Danke«, gab er zurück, ohne auch nur den geringsten Anflug eines Lächelns zu zeigen. Er trat in die Luftschleuse, seinen Fell-Heuschober mit sich schleppend. »Wir starten in vierzig Minuten!« rief ich ihm nach. Ich sah nichts mehr von Jay Score, bis wir eine Entfernung von rund 320.000 Kilometer zurückgelegt hatten, und die Erde als grünlicher Mond am Ende des Ausstoßstrahls unserer Düsen hing. Dann hörte ich, wie er draußen im Korridor jemanden fragte, wo er den Waffensergeanten finden konnte. Man wies ihn zu meiner Tür. »Sergeant«, sagte er und händigte mir seine offizielle Anforderung aus. »Ich möchte die Dekoration abholen.« Er machte den Mund zu und lehnte sich lässig auf die Absperrung. Es knisterte laut im ganzen Rahmenwerk, und das oberste Rohr
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der Barriere knickte in der Mitte ein. »Heeeh!« schrie ich. »Tut mir leid!« Er richtete sich auf. Die Absperrung hielt sich weitaus besser, wenn er sich nicht darauf stützte. Nachdem ich seine Requisition abgestempelt hatte, ging ich in die Waffenkammer und holte einen Nadelstrahl-Projektor und eine Schachtel mit Reservekapseln dafür hervor. Die größten VenusSchlammskier, die ich finden konnte, waren ihm etwa um elf Größen zu klein, und einen Meter zu kurz, aber er mußte sich damit abfinden. Ich reichte ihm eine Büchse mit dünnem Vielzweck-Öl, eine Dose mit Graphit, eine Lepanto-Batterie für sein Mikrowellen-Radiophon und letztlich ein Bund Gewürzpillen das die Aufschrift trug: »Mit den Empfehlungen der Firma für Aromatische Venuskräuter, Marke ›Liebesplanet‹.« Er schob das würzige Päckchen zurück und meinte: »Die können Sie behalten, ich bekomme davon nervöse Zuckungen.« Das übrige Zeug stopfte er in seine Taschen, ohne auch nur eine Wimper zu bewegen. Es war lange her, seitdem ich jemanden mit solch einem Pokergesicht gesehen hatte. Nichtsdestoweniger schien er nachdenklich zu werden, als er die Raumanzüge betrachtete. Für die Terrestrier waren dreißig Stück vorhanden, die wie abgezogene Häute nebeneinander an der Wand hingen. Ferner gab es sechs Kopf-und-Schulter-
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Helme für die Marsleute, die nicht mehr als ein Fünftel Atmosphäre Luftdruck benötigten. Für ihn jedoch war kein Anzug vorhanden. Ich hätte ihn auch dann nicht mit einem ausrüsten können, wenn es für mich dabei um Leben oder Tod gegangen wäre. Ich hätte genausogut versuchen können, einen Elefanten in eine Konservendose zu quetschen. Nun, er schob ab, wenn Sie verstehen, was ich damit sagen will. Die sorglose, schlenkergliedrige Art, mit der er seine Tonnage bewegte, ließ mich wünschen, weit von ihm entfernt zu sein, wenn er jemals beginnen würde, sich auszutollen. Nicht etwa, daß ich ihm im Verdacht hatte, eines Tages Amok zu laufen; er war trotz seiner Undurchschaubarkeit herzensgut. Aber mich faszinierte seine ruhige Selbstsicherheit und sein rascher, geräuschloser und fremdartiger Gang maßlos. Möglicherweise war letzterer eine Auswirkung seiner Gewohnheit, eine drei Zentimeter dicke Schaumgummischicht unter seinen Schuhsohlen zu tragen. Während die ›Upsydaisy‹ mit zufriedenstellender Geschwindigkeit ihre Bahn durch den Weltraum zog, hielt ich ein interessiertes Auge auf Jay Score gerichtet. Trotzdem ich früher schon viele außerordentliche Typen kennenlernte, war mir noch niemals so einer, wie er, begegnet. Deshalb widmete ich mich ihm mit mehr als gelinder Neugierde. Er war alles andere als mitteilsam, zeigte sich aber stets mit einer Art ruhigen Wärme und Herzlichkeit. Seine Arbeit tat er zügig und gründlich. Sie war über alle Tadel erhaben. McNulty fand großes Gefallen an ihm, obgleich er sonst nicht derjenige war, der Neuankömmlinge mit Handkuß und Umarmung zu begrüßen pflegte. Als das Schiff drei Tage unterwegs war, schlug Jay bei den Marsleuten ganz groß ein. Wie jedermann weiß, haben sich diese glotzäugigen, zehnarmigen, kaum atmenden Kiebitze seit mehr als zwei Jahrhunderten fester als die Kletten an die
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Interplanetaren Schachmeisterschaften gehängt. Niemand außerhalb des Mars wird sie jemals wieder davon loskriegen. Sie sind verrückt nach diesem Spiel. Zahllose Male habe ich ein Rudel von ihnen dabei beobachtet, wie es sich vor lauter Aufregung durch das ganze Farbspektrum hindurch verfärbte, wenn schließlich jemand nach einer halben Stunde tiefster Meditation einen Bauern bewegte. Einmal verbrachte Jay seine ganze achtstündige Freiwache in der Steuerbordschleuse, wo ein Luftdruck von einer Fünftel Atmosphäre herrschte. Aus dem Lautsprechersystem der Schleuse kam während der meisten Zeit tiefstes Schweigen, das ab und zu von wildem, schrillem Gezwitscher unterbrochen wurde, als ob er und die Marsbande den Raum in ein Irrenhaus verwandeln wollten. Nach Ablauf der acht Stunden fanden wir unsere tentakelte Reparatur-Mannschaft in tiefster Erschöpfung vor. Es stellte sich heraus, daß Jay sich bereit erklärt hatte, gegen Kli Yang zu spielen und ihn zu einem Patt gezwungen hat. Kli stand in der letzten Interplanetaren Schachmeisterschaft an sechster Stelle und war im ganzen nur zehnmal besiegt worden, jedesmal von einem Mit-Marsbewohner, natürlich! Nach diesem Vorfall hatte die Bande vom roten Planeten einen Finger auf ihm, ich sollte besser sagen, ein Tentakelende. In jeder Freiwache wurden sie zu Wegelagerern, lauerten ihm auf und zerrten ihn in die Luftschleuse. Als das Schiff elf Tage unterwegs war, spielte er gegen alle sechs von ihnen gleichzeitig, verlor zwei Spiele, erzwang ein Patt, und gewann ein Spiel. Dafür, daß er bloß ein Terrestrier war, so sagten sie, schien er gar nicht auf den Kopf gefallen. Da ich seine eigenartigen Fähigkeiten in dieser Hinsicht kannte, war ich der gleichen Meinung. McNulty ebenfalls. Er ging so weit, daß er die Turnierergebnisse ins Logbuch eintrug. Vielleicht erinnern Sie sich an die Geschichte, die von der Audiopresse im Jahre 2270 als ›McNultys Wundertat‹
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aufgebläht wurde. Sie ist inzwischen eine Legende der Raumfahrt geworden. Nachher, als wir wieder heil zu Hause ankamen, lehnte McNulty die ihm zugedachten Ehrungen ab und ließ sie demjenigen zukommen, dem sie in Wirklichkeit gebührten. Die Audiopresse jedoch fand eine sehr gute Ausrede, wie gewöhnlich. Sie sagten, er wäre der Captain, oder etwa nicht? Und sein Name verliehe der Schlagzeile Wohlklang, oder etwa nicht? Es scheint, daß es eine Sekte von AudioJournalisten gibt, die sich ihr Seelenheil aus einer wohlklingenden Schlagzeile versprechen. Was diese wahnwitzige Wundertat verursachte und mein Haar bleichte, war ein Stück kosmischen Wrackgutes. Besagtes Objekt trottete in Gestalt eines Brockens aus meteorischem Nickeleisen mit der charakteristischen Geschwindigkeit von ›Ssssst!‹ auf seiner Bahn entlang, die in der Planetenebene lag und unseren der Sonne zugewandten Kurs rechtwinklig schnitt. Es leistete ganze Arbeit. Ich hätte niemals geglaubt, daß ein so kleiner Körper einen solch mordsmäßigen Krach erzeugen könnte. Bis zum heutigen Tag höre ich noch das gräßliche Pfeifen der Luft, die aus dem scharfzackigen Loch ins Freie ausströmte, so schnell sie konnte. Wir verloren eine ganze Menge davon, bevor die Schotten die beschädigte Sektion abdichten konnten. Der Druck war bereits auf 0,6 at abgefallen, als ihn die Ausgleicher wieder langsam zu erhöhen begannen. Der Drucksturz störte die Marsleute nicht im geringsten; Luft von 0,6 Kilogramm pro Quadratzentimeter Druck ist für sie etwa wie Erbsensuppe. In der abgesiegelten Sektion hatte sich ein Techniker aufgehalten. Ein anderer war den zuschlagenden Schottentüren um Haaresbreite entkommen. Aber der erste, so dachten wir, hatte sein Todeslos gezogen und würde bald hinausschweben, wie so viele Raumfahrer vor ihm, deren Dienst zu Ende gekommen war.
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Der Bursche, der noch vor den schließenden Schotten herausgekommen war, lehnte sich mit bleichem Gesicht gegen eine Strebe. Jay Score stampfte heran. Sein Kinn arbeitete, und seine Augen leuchteten wie Lampen, aber seine Stimme war kühl und gelassen. Er sagte: »’raus hier! Dichten Sie diesen Raum ab. Ich werde versuchen, mir den Mann zu schnappen. Wenn ich klopfe, öffnen Sie und lassen Sie mich rasch hinaus!« Damit schob er uns aus dem Raum, den wir hermetisch abdichteten, indem wir die Schottentüren schlössen. Wir konnten nicht sehen, was der Gorilla unternahm, aber die Signallicht-Anlage verriet, daß er die Schotten zu der beschädigten Sektion öffnete. Einige Sekunden später ging das Lichtsignal aus und zeigte damit, daß die Türen wieder geschlossen wäre. Dann ließ sich ein hartes, dringliches Klopfen hören. Wir öffneten. Jay kam herausgestürmt, den schlaffen Körper des Technikers in seinen gewaltigen Armen. Er trug ihn, als ob er nicht größer und schwerer als ein Kätzchen gewesen wäre, und die Art, mit der er den Korridor hinuntertobte, ließ mich fürchten, daß er mitsamt seiner Last geradewegs durch das Schiffsheck hindurch in den Raum hinaus stürmen würde. Nach und nach entdeckten wir, daß wir in einer heillosen Patsche saßen. Die Raketenmotoren funktionierten nicht mehr. Zwar waren die Treibstoffansaugdüsen tadellos in Ordnung, und auch die Verbrennungskammern hatten nichts abbekommen. Das Einspritzsystem arbeitete besser denn je, vorausgesetzt, daß man die Pumpen von Hand betrieb. Wir hatten von unserem kostbaren Treibstoff nichts verloren. Die Zellenwand des Schiffes war auch unzerstört, abgesehen von dem einen scharfzackigen Loch. Was uns aber stillegte, war das koordinierte Treibstoffzuführungsund Zündungskontrollsystem, das den Dienst eingestellt hatte. Das große Geschoß war mitten hindurch gegangen, und die
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Überreste besaßen nur noch Schrottwert. Die Lage war ernster als ernst. Nach allgemeiner Ansicht ließ sich unser Ende nicht mehr abwenden, aber niemand sprach laut davon. Ich bin ziemlich sicher, daß auch McNulty diese düstere Ahnung hatte, obgleich er den Vorfall in seinem offiziellen Bericht später mit ›eine peinliche Lage‹ tiefzustapeln versuchte. Das ist echt McNulty. Es kann wirklich als ein Wunder betrachtet werden, daß er nicht unsere Gefühle und Empfindungen in ähnlicher Weise als ›etwas verblüfft‹ skizzierte. Auf jeden Fall, die Marsbande strömte heraus, da man sie zum ersten Mal in sechs Flügen zu ehrlicher Arbeit brauchte. Der Druck war wieder auf eine Atmosphäre angestiegen, und sie mußten ihn wohl oder übel ertragen, bis wir ihnen ihre Helme angelegt hatten. Kli Yang schnüffelte beleidigend, winkte angeekelt mit einem Tentakel und zirpte: »Ich könnte schwimmen!« Er beruhigte sich etwas, als wir ihm seinen Helm aufsetzten und ihn bis auf die vertraute Fünftel Atmosphäre evakuierten. Das ist die marsianische Vorstellung von Sarkasmus: Jedesmal, wenn die Atmosphäre auch nur ein wenig dicker ist, als sie es lieben, vollführen sie sinusförmige Tentakelbewegungen und deklamieren: »Ich könnte schwimmen!« Aber ich muß es ihnen lassen, sie waren ausgezeichnet. Ein Marsmensch kann sich an blankes Eis anheften und pausenlos 12 Stunden lang mit einer Sauerstoffration arbeiten, die einem Terrestrier für nicht mehr als neunzig Minuten genügen würde. Ich sah zu, wie sie durch die Luftschleuse hinausströmten, die Augen aus den umgedrehten Goldfischgläsern der Helme hervorglotzend, und die langen Tentakel bepackt mit Stromkabeln, Siegelplatten und Halbbogen-Schweißgeräten. Blaue Flammen erschienen bald wie Irrlichter auf der Außenseite des Schiffes, als sie damit begannen, das
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scharfzackige Loch auszuschneiden und zu schließen. Während der Zeit stürmten wir weiter durch den Raum, der Sonne, entgegen. Wäre dieses Unglück nicht gewesen, so hätten wir in vier Stunden auf den Bahnkreis der Venus einschwenken müssen, um dort sanft zu bremsen, bis uns der Planet eingeholt hatte, und wir sicher auf ihm landen konnten. Als uns jedoch jener winzige Planetoid als sein Opfer erwählte, führte unser Kurs geradewegs zur Sonne, dem größten und heißesten Schmelzofen in diesen Gegenden. Und wir fielen auch jetzt weiter auf sie zu, wobei unsere Anfangsgeschwindigkeit durch die Anziehungskraft unseres feurigen Bestimmungsorts stetig wuchs. Natürlich wollte ich einmal kremiert werden, aber jetzt noch nicht! Vorne im Kontrollraum im Bug konferierte Jay Score pausenlos mit Captain McNulty und den beiden Operateuren der Astro – Rechenmaschinen. Draußen fuhren die Marsleute fort, herumzukriechen und mit ihren Schweißgeräten geisterhaftes Licht zu erzeugen. Die Ingenieure warteten natürlich nicht, bis sie ihre Arbeit beendet hatten. Vier von ihnen warfen sich in Raumanzüge und betraten die zerstörte Sektion, um aus Chaos wieder Ordnung zu schaffen. Ich beneidete all diese geschäftigen Burschen, und ich war nicht der einzige. Es wirkt außerordentlich tröstend und beruhigend, wenn man in einer hoffnungslosen Situation etwas zu tun hat. Es wirkt aber maßlos aufregend und nervenaufreibend, wenn man gezwungen ist, seine Daumen zu drehen, während andere schuften. Zwei Martier kehrten durch die Schleuse zurück, schnappten sich einige weitere Siegelplatten und strampelten wieder ins Freie. Einer von ihnen hielt es für eine glänzende Idee, sein Taschenschachspiel ebenfalls mit hinauszunehmen. Ich nahm es ihm schleunigst ab. Alles zu seiner Zeit, ist meine Meinung. Dann ging ich Sam Hignett besuchen, unseren schwarzen
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Schiffsarzt. Es war Sam gelungen, den Techniker von der Schwelle des Todes zurückzureißen. Er hatte es mit Sauerstoff, Adrenalin und Herzmassage fertiggebracht, und nur seine langen, gewandten Finger konnten diese Leistung vollbringen, eine chirurgische Leistung, die zwar schon in früheren Jahren ausgeführt worden war, aber nicht sehr oft. Ich hatte den Eindruck, als ob Sam nicht genau wußte, was eigentlich vorgefallen war, und als ob es ihn im Grunde auch nicht interessierte. So war er immer, wenn ein Patient unter seinen schlanken Händen lag. Flink und gewandt schloß er den Brustschnitt mit Silberklammern, bepinselte die zusammengepreßten Wundränder mit jodisierter Plastik und kühlte das Zeug mit einem feinen Ätherstrahl, so daß es sofort hart wurde. »Sam«, sagte ich zu ihm. »Sie sind ein Zauberkünstler.« »Jay hat mir eine faire Chance verschafft«, antwortete er. »Er brachte ihn gerade noch rechtzeitig hierher.« »Warum geben Sie ihm die Schuld?« scherzte ich. »Sergeant«, sagte er tiefernst, »ich bin der Schiffsarzt. Ich tue mein Bestes. Ich wäre jedoch nicht in der Lage gewesen, diesen Mann zu retten, wenn Jay ihn mir nicht so schnell gebracht hatte« »In Ordnung, in Ordnung«, stimmte ich zu. »Sehen Sie es auf ihre Art.« Ein guter Kerl, dieser Sam. Aber er war wie alle Ärzte, wissen Sie. Ethisch. Ich verließ ihn, und er beschäftigte sich weiter mit seinem schwach atmenden Patienten. McNulty tänzelte auf dem Laufsteg herum, als ich zurückkehrte. Er untersuchte die Treibstofftanks. Er ging dabei sehr methodisch vor – und das wollte etwas heißen. Er sah sorgenvoll aus – und das wollte eine ganz verteufelte Menge heißen. Es hieß, daß ich mich gar nicht der Mühe zu unterziehen
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brauchte, mein Testament und Letzten Willen aufzusetzen, da es von keiner lebenden Seele mehr gelesen würde. Seine stattliche Gestalt verschwand im Bug-Navigationsraum, und ich hörte, wie er sagte: »Jay, ich glaube, daß du…«, bevor die zufallende Tür seine Worte abschnitt. Er hatte anscheinend sein ganzes Vertrauen auf Jay Score gesetzt. Nun ja, dieses Individuum sah tatsächlich fähig genug aus. Der Schiffer und der neue zweite Pilot verkehren auch jetzt noch wie zwei gute alte Busenfreunde, als das Schiff dem sicheren Ende zustrebte! Einer der auswandernden Landwirte flitzte aus seiner Kabine und schnappte mich, bevor ich mich in meiner Waffenkammer verstecken konnte. Er sah mich mit weit aufgerissenen Augen prüfend an und sagte: »Sergeant, in meiner Aussichtsluke ist ein Halbmond zu sehen.« »Ja?« Er fuhr fort, mich mit Fragen zu bombardieren. Wenn die Venus tatsächlich als Sichel zu sehen war, so bedeutete das, daß wir jetzt ihren Bahnkreis überquerten. Er wußte das auch, ich konnte es an der Art erkennen, wie er seine Augen aufsperrte. »Nun«, beharrte er mit schlecht verdeckter Nervosität, »wie lange wird uns dieser Zwischenfall aufhalten?« »Weiß nicht.« Ich kratzte mich am Kopf und versuchte, dumm und gleichzeitig vertrauensvoll auszusehen. »Captain McNulty wird sein Äußerstes tun. Vertrauen Sie ihm, Papa weiß es am besten!« »Glauben Sie, daß wir… in… in Gefahr sind?« »Oh, nicht im geringsten!« »Sie lügen«, sagte er. »Ich wäre tödlich beleidigt, wenn ich es zugeben müßte.« Das entwaffnete ihn. Er kehrte unzufrieden und besorgt in seine Kabine zurück. In kurzer Zeit würde er die Venus in Dreiviertel-Phase sehen und die anderen drauf aufmerksam
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machen. Dann wäre das Öl allerdings im Feuer. Und wir im Sonnenfeuer. * Die letzten Überreste der Hoffnung schwanden dahin und machten einer Art stillen Verzweiflung Platz, als plötzlich ein erschreckendes Donnern einsetzte. Das ganze Schiff erbebte. Die Motoren, die so lange geschwiegen hatten, arbeiteten wieder. Sie liefen aber nicht länger, als ein paar Sekunden, denn Jay Score schaltete sie rasch wieder aus, nachdem sie gezeigt hatten, daß die Reparaturarbeiten von Erfolg waren. Das Getöse lockte den Landwirt in gestrecktem Galopp aus seiner Behausung hervor. Er wußte allmählich über den Ernst der Lage Bescheid, ebenso wie die anderen. Es war unmöglich gewesen, ihnen in den letzten drei Tagen, die vergangen waren, seitdem sie die Venus als Halbmond gesehen hatten, die Wahrheit vorzuenthalten. Der Planet lag jetzt weit hinter uns. Wir kreuzten zur Zeit den Bahnkreis des Merkur. Aber noch immer klammerten sich die Passagiere an die verzweifelte Hoffnung, daß jemand ein noch nie dagewesenes Wunder vollbringen würde. Er platzte in die Waffenkammer hinein und japste: »Die Raketen arbeiten wieder. Bedeutet das…?« »Nichts!« gab ich zurück. Es hatte keinen Zweck, falsche Hoffnungen aufzubauen. »Aber können wir denn nicht umkehren und zurückfliegen?« Er wischte sich mit einem riesigen Taschentuch über das Gesicht. Der Schweiß tropfte seine Wangen hinunter. Ein wenig davon wurde vielleicht durch die Angst hervorgerufen, weitaus der größere Teil jedoch ließ sich auf die unerquickliche Tatsache zurückführen, daß die Innentemperaturen alles andere als arktisch geworden waren.
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Die ›Aerobee‹ unmittelbar nach dem Start. Hier verwendet man eine eigene Starthilfsrakete mit Pulvertreibsatz. Von dieser stammt die starke Rauchentwicklung, die bei Flussigkeitsraketen nicht auftritt. Mit freundlicher Genehmigung des Franz Schneider Verlages, München
»Sir«, sagte ich und fühlte, wie mein Hemd am Rücken klebte, »wir werden stärker angezogen, als jemals eine andere Bande Raumfahrer von sich behaupten konnte. Und wir besitzen zur Zeit eine so verdammt hohe Geschwindigkeit, daß wir nichts anderes tun können als die Daumen zu drehen.« »Meine Ranch«, knurrte er bitter. »Man hat mir auf der Venus zweitausend Hektar vom besten Tabakbauland zugewiesen, gar nicht zu sprechen von dem Hochlandgebiet für die Rinderzucht.« »Tut mir leid, aber ich glaube, daß Sie viel Glück haben müssen, wenn Sie es jemals sehen wollen.« Die Motoren feuerten schon wieder. Der Andruck warf mich beinahe zu Boden, und der Landwirt beugte sich vorwärts, als ob er Bauchschmerzen hätte. Vorne im Bug schienen McNulty, Ich konnte darin beim besten Willen keinen Sinn und Zweck finden. 89
»Was hat das zu bedeuten?« fragte der Landwirt, als er sich wieder aufgerichtet hatte. »Kleine Jungens müssen etwas zum Spielen haben«, sagte ich. Er schnaubte verdrießlich und kehrte zu seiner Kabine zurück. Ein typischer terrestrischer Auswanderer, groß, kerngesund und hart im Nehmen, ließ er sich nicht leicht aus der Fassung bringen und war im Augenblick zu mürrisch, um sich ernsthaft zu ängstigen. Eine halbe Stunde später erklang das Hauptsignal aus allen Lautsprechern des Schiffes. Es war ein Signal, das gewöhnlich nur nach der Landung, niemals aber während der Reise ertönte. Es bedeutete, daß sich die gesamte Mannschaft und alle anderen Mitreisenden im zentralen Kontrollraum einzufinden hatten. Stellen Sie sich das nur vor! Mitten im Fluge werden die Kerls von ihren Posten gerufen! Hinter diesem Signal mußte etwas stecken, das in der Geschichte der Raumnavigation sehr selten war. Vielleicht eine Rede von McNulty über das Thema: »Bereiten Sie sich auf Ihr unvermeidliches Ende vor.« Da ich erwartet hatte, daß der Skipper präsidieren würde, war ich nicht weiter überrascht, ihn auf der kleinen Plattform zu sehen. Wir versammelten uns um ihn. Auf seiner fleischigen Gesichtszügen lag ein finsterer Schatten, der sich jedoch zum leichten Anflug eines Lächelns verwandelte, als sich das Marsvolk stoßend und schiebend und geräuschvoll hereindrängte, und als einer von ihnen mit heftigen Schwimmbewegungen einem imaginären Haifisch auszuweichen vorgab. Hochaufgerichtet stand Jay Score neben dem Schiffer. Sein Gesicht blieb ausdruckslos wie immer, und er sah den schwimmenden Marsbengel an, als ob er durchsichtig wäre, wie eine Glasscheibe. Dann wandten sich seine seltsam strahlenden Augen ab, als ob er noch nie etwas Langweiligeres gesehen
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hätte. Der Witz mit dem Schwimmen wurde auch wirklich langsam langweilig. »Männer und Vedras«, hub McNulty an. ›Vedras‹ war ein Wort der Marssprache und hieß ›Erwachsene‹, ein weiteres Beispiel von marsianischem Sarkasmus. »Es ist unnötig, den Ernst unserer Lage besonders zu betonen. Wir befinden uns der Sonne bereits jetzt schon näher, als jemals ein anderes Schiff in der Geschichte der kosmischen Navigation.« »Komische Navigation«, murmelte Kli Yang mit taktlosem Mutterwitz. »Wir werden deinen Humor später zu unserer Aufheiterung benötigen«, bemerkte Jay Score mit derart ausdrucksloser Stimme, daß Kli Yang verstummte. »Wir bewegen uns mit einer Geschwindigkeit auf die Sonne zu«, fuhr McNulty fort, und sein Gesicht wurde wieder finster, »wie sie noch kein Schiff vor uns besessen hat. Um es geradeheraus zu sagen: Die Chance, daß wir diese Geschichte lebend überstehen, ist nicht größer als eins zu zehntausend.« Er warf Kli Yang einen herausfordernden Blick zu aber dieses Tentakelwesen war jetzt sehr unterwürfig. »Nichtsdestoweniger gibt es diese eine Chance, und wir werden sie ergreifen.« Wir starrten ihn an und fragten uns, was zum Teufel er damit meinte. Jeder einzelne von uns wußte, daß es uns unsere wahnwitzige Geschwindigkeit unmöglich machte, eine UWendung durchzuführen und zurückzukehren, ohne die Sonne zu berühren. Auch hätten wir uns in der entgegengesetzten Richtung nicht durchkämpfen können, gegen die mächtige Anziehung der Sonne. Wir konnten nichts anderes tun, als unseren Weg fortzusetzen, bis sich unsere auseinandergerissenen Moleküle im Sonnenfeuer auflösten. »Wir werden versuchen, eine Kometenbahn zu beschreiben«, führte McNulty weiter aus. »Jay und ich und die AstroOperateure halten es immerhin für möglich, daß wir es
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fertigbringen und durchkommen.« Wir wußten, was er meinte. Es war rein theoretische Möglichkeit, die zwar immer wieder von Mathematikern und Astronavigatoren erörtert wurde, die man jedoch noch nie auszuprobieren gewagt hatte. Es handelte sich darum, die höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, und während der gleichen Zeit in die Bahnkurve einer langgezogenen Ellipse einzusteuern, wie sie den Kometen zu eigen ist. Theoretisch könnte das Schiff so ungeheuer schnell dicht an der Sonne vorbeifegen, daß es auf der anderen Seite wie ein Pendel weit hinausgetragen werden würde. Ein reizender kleiner Trick, aber konnten wir ihn durchführen? »Die Berechnungen zeigen, daß wir in unserer jetzigen Position immerhin eine kleine Erfolgschance haben«, sagte McNulty. »Die Motoren sind stark genug, und wir besitzen ausreichend Treibstoff, so daß wir mit Hilfe der Sonnengravitation die nötige Geschwindigkeit aufbauen und auf die erforderliche Bahnkurve einsteuern können. Es bleibt nur die Frage, ob wir auch dann überleben können, wenn das Schiff der Sonne am nächsten kommt.« Er wischte den Schweiß ab und illustrierte damit unbewußt die uns bevorstehenden Stunden. »Ich will nichts bemänteln, Männer. Wir werden ein ausgesuchtes Beispiel der Hölle erleben!« »Wir sind mit von der Partie, Schiffer«, sagte jemand. Ein gedämpftes Murmeln der Zustimmung klang durch den Raum. Kli Yang erhob sich rasch, wedelte aufmerksamkeitsheischend mit vier gelenklosen Armen gleichzeitig und zwitscherte: »Ich habe eine Idee. Sie ist einmalig. Ich, Kli Yang, bringe sie im Namen meiner Mit-Vedras vor. Wir werden uns in die Kühlkammer hineinquetschen und den terrestrischen Gestank ertragen, bis die Sonne vorüber ist.« McNulty ignorierte die beleidigende Bemerkung über den menschlichen Körpergeruch. Er nickte und sagte: »Jedermann
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wird in die Kältekammer gepackt, um es dort, so gut es geht, zu überstehen.« »Genau so«, meinte Kli Yang. »Ganz recht«, fügte er hinzu, indem er sich nicht darum scherte, wie überflüssig seine Worte waren. Er winkte McNulty mit einem Tentakelende zu und fuhr fort: »Wir können jedoch das Schiff nicht steuern, wenn wir alle wie dreieinhalb Dutzend Portionen Erdbeereis in der Gefrierkammer hocken. Ein Pilot muß im Bug bleiben. Einer hat das Schiff auf dem Kurs zu halten, bis er gebraten wird. Folglich muß einer von uns der Braten sein.« Er ließ den Tentakel eine weitere sinusförmige Bewegung ausführen, in der irrigen Annahme, daß damit seine Hörer zu vollständiger Aufmerksamkeit faszinierte. »Und da niemand bestreiten kann, daß wir Martier extremer Hitze gegenüber weit weniger empfindlicher sind, schlage ich vor, daß ich…« »Quatsch!« schnappte McNulty. Aber seine Barschheit täuschte keinen von uns. Die Marsleute fielen einem zwar dauernd auf die Nerven, waren aber großartige Kerls. »Na und?« Klis Zirpen schwoll zu einem schrillen, protestierenden Jaulen an. »Wer ist denn sonst dazu ausersehen, knusprig zu werden?« »Ich«, sagte Jay Score. Der Ton, in dem er es aussprach, war seltsam. Gerade als ob es so selbstverständlich wäre, daß es nur ein Stockblinder nicht sah. Und er hatte recht damit! Jay allein konnte es vollbringen. Wenn irgend jemand die Befähigung besaß, das zu ertragen, was durch die vorderen Beobachtungsluken kommen würde, so war es Jay Score. Er war groß und stahlhart, geschaffen für solch eine Aufgabe. Er verfügte über eine Menge Eigenschaften, die keiner von uns besaß, und er war ja schließlich ein voll qualifizierter Notpilot. Und befanden wir uns nicht in einer Notlage, der größten, die man sich vorstellen konnte? Und doch empfand ich bei diesen Gedanken ein seltsames
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Gefühl. Ich konnte ihn mir vorstellen, wie er ganz allein vorne im Bug saß, mit keinem von uns in der Nähe, und unser Leben davon abhängig, welch eine große Portion Hölle er ertragen konnte, während die ungeheure Sonne ihre sengenden Finger ausstreckte. »Du!« schrie Kli Yang, meinen Gedankengang unterbrechend. Seine Glotzaugen traten noch weiter hervor, als er die riesenhafte, schweigende Gestalt auf der Plattform grimmig anfunkelte. »Ausgerechnet du! Ich bin darauf vorbereitet, dich in vier Zügen mattzusetzen, was du auch ganz genau weißt. Und jetzt planst du prompt, dich irgendwo einzuschließen!« »Sechs Züge«, widersprach Jay trocken. »Du bringst es mit weniger als sechs Zügen nicht fertig.« »Vier!!« Kli Yang heulte wie eine Sirene. »Und genau jetzt, in diesem Augenblick, wirst du…« Es wurde dem zuhörenden McNulty zuviel. Er sah aus, als ob er dicht vor einem Schlaganfall stünde. Sein purpurrotes Gesicht wandte sich dem eifrig signalisierende Kli zu. »Zum Teufel mit eurem verdammten Schach!« brüllte er. »Zurück auf eure Stationen, alle miteinander! Fertigmachen für größte Beschleunigung. Wenn es Zeit wird unterzukriechen, werde ich Hauptalarm geben. Sie werden dann alle den Kühlraum aufsuchen.« Er starrte herum, und sein Gesicht wurde langsam wieder normal, als sein Blutdruck absank. »Das heißt, alle außer Jay.« * Es war fast wie in alten Zeiten, als die Motoren wieder mit voller Kraft arbeiteten. Sie donnerten weich und stetig. Im Innern des Schiffes stieg die Temperatur unaufhaltsam an, bis einem der Schweiß in Bächen ununterbrochen den Rücken hinunterlief. Die polierten Wände waren von Dampf beschlagen.
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Wie es sich im Bug-Navigationsraum anfühlte, wußte ich nicht, und verspürte auch kein Verlangen danach, es auszuprobieren. Allein die Marsmenschen fühlten sich noch nicht unbehaglich; wieder einmal wurden sie um ihre starke Konstitution allgemein beneidet. Ich achtete nicht auf die Zeit, aber ich verbrachte zwei Dienstperioden und eine Freiwache, bis der Hauptalarm ertönte. Zu dieser Zeit stand es schon schlimm um uns. Ich schwitzte nicht mehr, ich schmolz langsam in meine Stiefel. Sam ertrug es von allen Terrestriern natürlich am besten. Er hielt lange genug durch, um seinen Patienten vollständig außer Gefahr zu bringen. Jener Techniker hatte wirklich Glück, wenn man es Glück nennen kann, für ein Röstfeuer gerettet zu werden. Wir brachten ihn sofort in den Kälteraum, und Sam blieb als Krankenwächter bei ihm. Die übrigen folgten ihm dorthin, als der Hauptalarm ertönte. Unser Zufluchtsort war mehr als ein bloßer Kühlschrank, es war die stärkste und kälteste Sektion des Schiffes, ein schwer gepanzerter, dreifach abgeschirmter Raum, der die Kästen mit den chirurgischen Instrumenten, zwei Krankenbetten und ein großes Sofa für raumkranke Passagiere enthielt. Wir hatten alle bequem darin Platz. Alle außer den Marslümmeln natürlich. Selbstverständlich fanden auch sie Platz genug, aber nicht bequem. Luft von einer Atmosphäre Druck betrachteten sie alles andere als bequem. Ihrer Meinung nach ist solche Luft nicht nur dick, sondern auch übelriechend, als ob man Sirup, imprägniert mit Ziegenduft, inhalieren müßte. Vor unseren Augen förderte Kli Yang doch tatsächlich eine Flasche mit Hulu-Parfüm zutage und reichte sie mit einem langen Tentakel quer durch den Raum zu seinem Halb-Elter Kli Morg hinüber. Dieser ergriff sie, starrte uns ekelerfüllt an und schnüffelte dann derart ostentativ an der Flasche, daß es
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geradezu beleidigend wirkte. Aber niemand sagte etwas. Alle waren anwesend, außer McNulty und Jay Score. Der Schiffer erschien zwei Stunden später. Vorne mußten bereits unvorstellbare Zustände herrschen, denn er sah furchtbar aus. Sein Gesicht war entstellt, schweißbedeckt und glänzend, die dicken Wangen eingefallen und mit Blasen überzogen. Seine sonst so schmucke, gutsitzende Uniform hing lose an ihm. Man brauchte nur einmal hinzusehen, um zu erkennen, daß er sich ganz gehörig hatte braten lassen, soviel, wie er ertragen konnte. Taumelnd durchquerte er den Raum, betrat die Erste-HilfeNische und zog sich mit schmerzerfüllten Bewegungen aus. Sam rieb ihn mit Gerbsäuregelee ein. Wir hörten den gequälten Skipper leise stöhnen, als Sam seine Aufgabe mit viel Energie durchführte. Auch wir verspürten jetzt die Hitze. Sie durchdrang die Wände, den Fußboden, die Luft und erweckte in jedem Muskel meines Körpers eine Vielzahl brennender und stechender Gefühle. Einige der Ingenieure zogen ihre Stiefel und ärmellosen Jacken aus. Nach kurzer Zeit folgten die Passagiere dem Beispiel und entledigten sich ihrer äußeren Kleider. Mein Landwirt saß in tropischem Seidenunterzeug unglücklich auf einem Stuhl. Er dachte an seine Ranch und bildete ein trostloses Häufchen Elend. McNulty erschien aus der Nische, warf sich auf ein Krankenbett und sagte: »Wenn wir in vier Stunden noch leben, haben wir das Schlimmste überstanden.« In diesem Augenblick setzten die Raketenmotoren aus. Wir wußten sofort, warum. Ein Treibstofftank war leergelaufen, und ein Relais hatte versagt, das eigentlich den nächsten Tank einschalten sollte. Ein Techniker hätte bereit stehen sollen, um die Schaltung vorzunehmen. Die Tatsache war uns kaum bewußt geworden, als Kli Yang auch schon die Türe aufgerissen hatte und hinausgeglitten war.
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Zwanzig Sekunden später nahmen die Motoren ihr stetiges Donnern wieder auf. Die Glocke der Sprechanlage schlug dicht neben meinem Ohr an. Ich schaltete das Mikrophon ein und krächzte ein heißeres »Ja?« hinein. Jays Stimme antwortete mir aus dem Bugraum. »Wer war es?« »Kli Yang«, sagte ich ihm. »Er ist schon draußen.« »Holt wahrscheinlich die Helme«, vermutete Jay. »Richten Sie ihm meinen Dank aus.« »Wie sieht die Gegend von Ihrer Warte aus?« fragte ich. »Grimmig. Die Sicht… leidet sehr.« Einen Augenblick Stille. »Vermute, daß ich es… irgendwie ertragen muß. Schnallen sie sich an, oder halten sie sich gut fest, wenn ich… das Signal noch einmal betätige.« »Warum?« krächzte ich. »Werde das Schiff rotieren lassen. Versuche… die Hitze… zu verteilen.« Ein Knacken verriet, daß er abgeschaltet hatte. Ich befahl den anderen, sich anzuschnallen. Für die Marsleute galt das allerdings nicht, denn sie besaßen genug tellergroße Saugnäpfe, um sich unlösbar an den Boden zu kleben. Kli kehrte zurück, und Jays Vermutung erwies sich als richtig. Er schleppte die Kopf-und-Schulter-Harnische der ganzen Bande mit sich. Jetzt, wo die Temperatur so hoch angestiegen war, daß selbst er darunter litt, bedeutete diese Last das Äußerste, was er tragen konnte. Die Marsleute, die sich auf dem Boden herumflegelten, stülpten ihre Helme über und evakuierten sie auf ihre 0,2 Atmosphären Druck. Es machte sie bedeutend glücklicher. In Anbetracht der Tatsache, daß wir Terrestrier Raumanzüge verwenden, um die Luft bei uns zu behalten, schien es mir eigenartig, daß diese Kerls ihre Vorrichtungen dazu benutzten, die Luft auszusperren.
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Sie hatten es sich gerade bequem gemacht und ein Schachspiel aufgebaut, um ein Zwischenturnier auszutragen, als die Glocke wieder anschlug. Wir zogen die Gurte fest, und das Marsvolk legte die Saugnäpfe an. Langsam und stetig begann sich die ›Upsydaisy‹ um ihre Längsachse zu drehen. Das Schachbrett und die Figuren versuchten, stehen zu bleiben, aber es gelang ihnen nicht, und sie krochen am Fußboden entlang, die Wand empor und quer über die Decke. Die Anziehung der Sonne ließ sie stets an der ›unteren‹ Seite haften. Ich bemerkte Kli Morg, dessen angestrengten, hitzeentstellten Gesichtszüge finster wurden, als er einem schwarzen Läufer nachblickte, und ich vermute, daß er im Innern seines Goldfischglases einige saftige Exemplare marsianischer Flüche rezitieret. »Noch dreieinhalb Stunden,« keuchte McNulty. Jene Schätzung von vier Stunden konnte nur bedeuten, daß wir bis zum Erreichen des gefährlichsten Punktes zwei Stunden benötigten, und weitere zwei Stunden, um uns von ihm bis zur Sicherheitszone zu entfernen. Der Augenblick also, in welchem wir noch zwei Stunden vor uns hatten, würde der Moment der größten Gefahr sein, wenn wir dem Sonnenofen am nächsten wären. Ich merkte es jedoch nicht, als wir diesen Punkt überschritten, da ich schon zwanzig Minuten vorher abschaltete. Es hat keinen Zweck, auf jene entsetzlichen Minuten näher einzugehen. Ich glaube, daß ich ein wenig irre wurde. Ich fühlte mich wie ein Schwein in einem Ofen, das bei lebendigem Leibe gebraten wird. Es ist das einzige Mal, daß ich die Sonne als ein großes, blendendes Scheusal verflucht habe, das man für alle Zeiten auslöschen müßte. Kurz danach war ich nicht mehr in der Lage, zu fluchen. Ich kam neunzig Minuten nach Überschreiten des tödlichen Punktes wieder zu mir und bewegte mich unter großen
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Schmerzen in meinen Gurten. Mein umnebeltes Gehirn hatte größte Schwierigkeit, festzustellen, daß wir jetzt nur noch eine halbe Stunde brauchten, um die theoretische Sicherheitszone zu erreichen. Was in der Zwischenzeit passiert war, blieb meiner Vorstellungskraft überlassen, und ich hatte im Augenblick nicht die geringste Lust, es mir auszumalen. Die Sonne strahlte uns mit einer Wildheit an, die millionenmal größer und hunderttausendmal blutdürstiger war als die eines Tigerauges. Die flammende Korona leckte hinaus nach dieser Schiffsladung halbtoter Wesenheiten, die in einer Stahlflasche eingeschlossen lagen. Und vorne im Bug des Schiffes, hinter seinen gänzlich unzulänglichen Beobachtungsscheiben aus Quarz saß Jay ganz allein, das Gesicht dem ansteigenden Inferno zugewandt und starrte, starrte, starrte…Ich versuchte, mich zu erheben, fiel aber wie ein Waschlappen zusammen. Das Schiff hatte aufgehört zu rotieren, und es schien, daß wir unsere Bahn wieder auf normale Art entlangzogen. Nein, – was mich wieder umfallen ließ, war reine Schwäche. Ich fühlte mich lausig. Die Martier hatten sich bereits wieder erholt. Einer von ihnen richtete mich auf und stützte mich, bis ich meinerseits wieder Herr war. Ich bemerkte einen anderen, der quer über dem bewußtlosen McNulty und drei der Passagiere lag. Ja, er hatte sie von einem gewissen Teil der Hitze bewahrt – und sie waren die nächsten, die zu sich kamen. Ich taumelte zur Sprechanlage und betätigte das Signal, erhielt aber keine Antwort von vorne. Drei volle Minuten lang lehnte ich benebelt an der Wand, bevor ich es noch einmal versuchte. Nichts zu machen. Jay wollte oder konnte nicht antworten. Ich ließ nicht locker und versuchte es noch einigemal, ohne Erfolg. Die Anstrengung wurde mir zuviel, und ich sackte zusammen. Die Hitze war noch immer unerträglich. Ich fühlte
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mich mehr ausgetrocknet, als eine Mumie, die man nach einer Million Jahre aus dem Sand buddelt. Kli Yang öffnete die Tür und kroch mit langsamen, schmerzvollen Bewegungen hinaus. Sein Helm ruhte sicher auf seinen Schultern. Fünf Minuten später kehrte er zurück und sagte durch das Helmdiaphragma: »Konnte nicht bis zum BugNavigationsraum vordringen. Im mittleren Korridor sind die Schotten geschlossen. Die Sektion ist abgedichtet. Es ist wie im Inneren eines Brutofens.« Er starrte unruhig umher, begegnete meinem Blick und beantwortete die Frage, die er in meinen Augen lesen konnte. »Der Bugraum ist luftleer.« Keine Luft bedeutete, daß sich die Quarzscheiben im Navigationsraum in ihre Bestandteile aufgelöst hatten. Nur das kam in Frage. Nun, – wir hatten genug Ersatzteile mit uns und konnten die Reparatur ohne weiteres ausführen, sobald wir uns in Sicherheit befinden würden. In der Zwischenzeit stürmten wir weiter durch den Raum, vielleicht auf richtigem Kurs, vielleicht auch nicht, – mit einem luftleeren Navigationsraum und einer Sprechanlage, die nichts als gespenstisches Schweigen von sich gab. Wir saßen herum und sammelten unsere Kräfte. Der letzte, der aus dem Koma erwachte, war der kranke Techniker. Sam brachte ihn noch einmal durch. Es war ungefähr zu dieser Zeit, daß McNulty den Schweiß aus seinen Augen wischte und plötzliche Erregung zeigte. »Vier Stunden, Männer!« sagte er mit grimmiger Zufriedenheit. »Wir haben es geschafft!« Wir stimmten ein hohlklingendes Hallo an. Bei Jupiter, diese erfreuliche Neuigkeit schien die Temperatur der überhitzten Atmosphäre um mindestens zehn Grad auf einmal abfallen zu lassen. Eigenartig, wie aus gelöster Spannung neue Kraft entstehen kann. Innerhalb einer Minute hatten wir unsere
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Schwäche überwunden und standen bereit. Aber es mußten noch einmal vier Stunden vergehen, bis vier hochgewachsene Ingenieure in Raumanzügen den Bug-Navigationsraum betreten konnten. Sie drangen in die dort herrschende Hölle ein und holten ihre Last heraus, die sie auf den Schultern den Korridor hinunter zu Sams Kabine trugen, – eine lange, schwere, schweigende Gestalt, deren Gesicht schwarzgebrannt war. Wie verloren irrte ich um ihn herum und fragte immer wieder: »Jay, Jay, wie geht es dir?« Er muß mich gehört haben, denn er bewegte die Finger seiner rechten Hand und ließ ein tiefes, knurrendes Geräusch hören. Zwei Ingenieure gingen zu seiner Kabine und holten seine riesige Tasche aus ungegerbtem Leder. Sie verschlossen die Tür und blieben mit Sam bei ihm – während ich und das Marsvolk draußen von einem Bein aufs andere hüpfen mußte. Kli Yang wanderte im Korridor auf und ab, als ob er nicht wußte, was er mit seinen Tentakeln anfangen sollte. Nach mehr als einer Stunde erschien Sam wieder. Wir umringten ihn, um ihn nicht entkommen zu lassen. »Wie geht’s, Jay?« »Blind wie eine Statue.« Er schüttelte seinen wolligen Kopf. »Und seine Stimme ist weg. Er hat eine ganz gehörige Portion abbekommen.« »Deshalb antwortete er nicht über die Sprechanlage.« Ich blickte ihm gerade in die Augen. »Können Sie… können Sie etwas für ihn tun, Sam?« »Ich wünschte, ich wäre dazu in der Lage.« Sein schwarzes Gesicht drückte seine Gefühle aus. »Sie wissen, wie gern ich ihn wieder in Ordnung bringen würde. Aber ich kann es nicht.« Er zuckte bedauernd mit den Schultern. »Meine bescheidenen Künste können ihm nicht helfen. Niemand kann ihm helfen, – außer Johannsen. Vielleicht, wenn wir zur Erde zurückkehren…« Seine Stimme erstarb, und er wandte sich
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seinem Patienten wieder zu. Eine Szene, die ich bis zu meiner Sterbestunde nicht vergessen werde, war jener Abend, den wir als Gäste des Astro-Clubs in New York verbrachten. Dieser Club war damals – und ist auch heute noch – die exklusivste Gruppe von Menschen, die sich jemals zusammengefunden hat. Um Mitglied zu werden, mußte man in tödlichster Gefahr oder furchtbarster Zwangslage eine Leistung in Astronavigation vollbracht haben, die einem Wunder entsprach. In jenen Tagen zählte der Club neun Mitglieder; heute hat er erst zwölf. Mace Waldron, der berühmte Pilot, der im Jahre 2263 jene Passagierrakete der Marsbewohner rettete, war der Vorsitzende. Er stand am Kopf der Tafel, und neben ihm saß Jay Score. Das andere Tischende nahm McNulty ein, auf seinem runden Gesicht ein breites, zufriedenes Grinsen. Neben dem Skipper saß der alte, weißhaarige Knud Johannsen, das Genie, das die JSerien konstruiert hatte. Er war ein Wissenschaftler, den jeder Raumfahrer kannte. An den Seiten der Tafel entlang hatte sich die gesamte Mannschaft der ›Upsydaisy‹ verteilt, eingeschlossen die Marsleute. Auch drei unserer damaligen Passagiere waren anwesend, die es sich nicht hatten nehmen lassen wollen, der Feier beizuwohnen. Um die lange Tafel herum tanzten einige Audio-Reporter mit Mikrophonen und Aufnahmegeräten. »Gentlemen und Vedras«, sagte Mace Waldron, »dies ist ein einmaliges Ereignis, wie es in der ganzen Geschichte der Menschheit noch nie vorgekommen ist. Ein Ereignis, das niemand bisher für möglich gehalten hätte, und das auch von diesem Club nicht vorausgesehen werden konnte. Deshalb empfinde ich es als eine doppelte Ehre und als ein besonderes Privileg, wenn ich hiermit vorschlagen darf, den zweiten Pilot Jay Score als voll qualifiziertes und würdiges Mitglied in den Astro-Club aufzunehmen.«
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»Angenommen!« riefen drei Mitglieder gleichzeitig. »Ich danke Ihnen, meine Herren.« Seine Augenbraue hob sich fragend. Acht Hände fuhren zur gleichen Zeit in die Höhe. »Angenommen«, sagte er. »Einstimmig.« Er blickte auf den verschlossenen, unbewegten Jay Score hinunter und ließ eine Lobrede vom Stapel, die kein Ende nehmen wollte und gespickt war mit Preisungen und Superlativen, – während Jay anscheinend völlig gleichgültig neben ihm saß. Am Tafelende sah ich McNultys befriedigtes Grinsen breiter und breiter werden. Neben ihm hielt der alte Knud seine Augen mit einem Ausdruck derart väterlicher Zuneigung auf Jay gerichtet, daß sie schon fast an Albernheit grenzte. Auch die Mannschaft schenkte ihre volle Aufmerksamkeit dem Helden der langen Eloge, und die Reporter hielten ihre Aufnahmegeräte ununterbrochen auf ihn gerichtet. Ich wandte mich dem Objekt der allgemeinen Verehrung ebenfalls zu. Das Opfer saß unbewegt auf seinem Stuhl, die neu eingesetzten Augen hell und glitzernd, das Gesicht jedoch völlig ausdruckslos, trotz der Rede, trotz der Reporter und trotz Johannsens väterlichem Stolz. Aber nach zehn Minuten begann Jay nervös zu werden. Er war sichtlich verlegen. Lassen Sie sich von niemandem einreden, daß ein Robot keine Gefühle hat! Aus dem Amerikanischen von Jesco von Puttkamer
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In der 4. Ausgabe des UTOPIA-MAGAZINS erscheint ein weiteres Abenteuer mit Jay Score, dem Waffensergeanten, den Martiern und Captain McNulty. Der Captain erhält den Oberbefehl über das Expeditionsschiff ›Marathon‹, und die Erzählung schildert die ersten Abenteuer der Besatzung auf einem Planeten der Maschinen. MECHANISTRIA von Eric Frank Russell
Versäumen Sie nicht, diese abenteuerliche und humorvolle Geschichte in dem UTOPIA-MAGAZIN Nr. 4 zu lesen.
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RUND UM DIE HIMMELSKUGEL Von Harry F. Heide Eine Betrachtung aller Sternbilder der nördlichen Hemisphäre für das bloße Auge, den Feldstecher und das kleine Fernrohr. Jeder Freund der utopischen und speziell der SF-Literatur dürfte auch ein Freund der Sterne sein. Wir wollen daher im Laufe dieser Folge dem beobachtenden Auge des SF-Freundes jene Raumestiefen erschließen, welche in naher oder ferner Zukunft einmal von irdischen Weltenschiffen durcheilt werden. Ohne eine spätere Weltraumfahrt wird unser Wissen von den Sternen immer lückenhaft bleiben. Ohne die nun schon Jahrtausende alte astronomische Wissenschaft aber würde es nie eine Weltraumfahrt geben, ja nicht einmal der Gedanke daran wäre geboren worden. Eines ergänzt das andere. Ergänzen darum auch wir unsere durch die SF-Literatur gewonnenen Vorstellungen von der Sternenwelt, indem wir uns theoretisch und vor allem durch praktische Beobachtungen einen gut fundierten Überblick über die Welt der Sterne verschaffen. Wir werden an SF und Space Opera noch einmal soviel Freude haben. Wir beginnen unsere Serie mit dem Reigen der circumpolaren Sternbilder (siehe Skizze). Das sind Sterne, welche nie untergehen und das ganze Jahr über zu sehen sind. Zu diesen Sternbildern gehören alle jene, welche – mit dem Blick nach Norden – vom Himmelspol nicht weiter entfernt sind als der Nordpol. Nachstehende Zeichnung möge dies verdeutlichen. Zu den circumpolaren Sternbildern gehören: Großer Bär, Kleiner Bär, Cassiopeia, Cepheus, Drache, Giraffe, Leier und Luchs. Später folgen dann die äquatorialen und die ekliptikalen
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Sternbilder. Großer Bär Er wird auch ›Himmelswagen‹ genannt und ist eines der ältesten und zugleich bekanntesten Sternbilder. Als Wagen bilden die hellen Sterne den Kasten und die Deichsel, als Bär den Rumpf und den Schwanz. Kopf, Vorderbeine und Hinterbeine setzen sich aus einer Anzahl schwächerer Sterne zusammen. Die Eigennamen der sieben hellen Wagensterne lauten: DUBHE = α MERAK = β MEGREZ = δ PHACHD = γ ALIOTH = ε MIZAR = ζ BENETNATSCH = ή Die Namen kommen aus dem Arabischen.
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Bemerkenswerte Einzelheiten: Für das bloße Auge erscheint über dem Stern MIZAR im Deichselknick ein schwaches Sternchen, genannt ALKOR, das Reiterlein. Bei dem Doppelsternsystem MIZAR – ALKOR handelt es sich um ein sehr auseinandergezogenes Paar, der scheinbare Abstand beider Sterne voneinander beträgt 11’ ( ’ = Bogenminute. l Bogenminute ist der 60. Teil eines Grades).
Im Feldstecher erscheinen MIZAR – ALKOR bedeutend kräftiger und heller, allerdings auch mehr auseinandergezogen. Veränderliche oder Doppelsterne sind dem Feldstecher im Großen Bären nicht zugänglich. Dafür findet man in klaren, mondlosen Nächten dicht unterhalb des letzten Deichselsternes BENETNATSCH den Spiralnebel M 51 (M = Messier, französischer Astronom, welcher vornehmlich Spiralnebel beobachtete und in einem Katalog zusammenstellte. 51 ist die Katalognummer). M 51 ist ca. 3 Millionen Lichtjahre entfernt und hat einen größten Durchmesser von fast 10.500 Lichtjahren.
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Im kleinen Fernrohr (5 cm Objektivöffnung, 40 – 50 fache Vergrößerung) erscheint an Doppelsternen MIZAR selbst als sehr enger Doppelstern. Man sieht zwei verschieden helle, weißgelbe Sterne. Scheinbarer Abstand 14“ (“ = Bogensekunde, l Bogensekunde ist der 60. Teil einer Bogenminute). Mizar ist auch mit dem selbstgebauten ›Kosmosrohr‹ zu sehen, allerdings nur in absolut klaren, mondlosen Nächten und bei schärfster Einstellung enthüllt er sich dem selbstgebauten Rohr als Doppelstern. MIZAR ist 76 Lichtjahre von uns entfernt. Kleiner Bär Man kennt ihn auch als ›Kleinen Wagen‹ und findet ihn, indem man die Strecke MERAK – DUBHE im Großen Bären fünfmal nach oben hin verlängert. Dort steht der ›Polarstern‹. Dieser wiederum ist der Schwanz- oder Deichselstern des Kleinen Bären bzw. Wagens. Die Eigennamen der Sterne: POLARSTERN = α KOCHAB – β Die übrigen Sterne des Kleinen Bären haben keine Eigennamen, sondern sind nur mit Buchstaben des griechischen Alphabets bezeichnet. Einzelheiten: Für das bloße Auge ist das Sternbild arm an bemerkenswerten Objekten. Im Feldstecher sind noch immer keinerlei Doppelsterne oder dergleichen wahrzunehmen. Im Fernrohr (ab 5 cm Öffnung) zeigt sich der Polarstern (α) als weiterer Doppelstern, Abstand der beiden Komponenten (Bestandteile des Systems) voneinander 18“ . Der Helligkeitsunterschied der Komponenten ist allerdings beträchtlich, der Hauptstern hat die Größenklasse 2,1 – der Begleiter dagegen nur die Größenklasse 9, Die Farbe des
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Systems: Hauptstern gelb, Begleiter weiß. Entfernung: 251 Lichtjahre.
Weitere Objekte sind im Kleinen Bär normalen Liebhaberinstrumenten nicht zugänglich. Über den Polarstern ist noch interessant zu wissen, daß er nicht genau im Himmelspol steht, sondern l“ davon entfernt. Das entspricht zwei Vollmondbreiten. Natürlich bleibt dieser Abstand nicht immer derselbe. Bis zum Jahre 2115 nähert sich der Polarstern dem Pol noch weiter, um dann wieder langsam abzudrehen. Erst in 26.000 Jahren wird er erneut Polarstern sein. Dieses Phänomen ist auf die Pendelbewegung der Erdachse zurückzuführen, von der Wissenschaft Präzisions-Bewegung genannt. Danach pendelt die Erdachse um ihren Mittelpunkt, wodurch die beiden Pole Kreislinien am Himmel beschreiben. Die Folge sind Verschiebungen der Sternbilder.
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Wie es zur Bezeichnung ›Großer Bär‹ und ›Kleiner Bär‹ kam Nach der Sage liebte der höchste Gott Jupiter die zauberhafte Kallisto. Diese war eine Jagdgefährtin der Jagdgöttin Diana. Des Jupiters Gemahlin Juno war in Eifersucht entbrannt und beschloß, Rache zu nehmen. Sie verwandelte die schöne Kallisto und deren Sohn Arkas in zwei Bären – einen großen und einen kleinen – und warf die beiden gen Himmel zwischen die Sterne. Nun müssen die bedauernswerten Bären in alle Ewigkeit ständig um den Pol laufen und dürfen nicht einmal einen Augenblick lang in den Oceanos tauchen, um sich abzukühlen. Das griechische Alphabet α – Alpha, β – Beta, γ – Gamma, δ – Delta, ε – Epsilon, ζ – Zeta, η – Eta, θ – Theta, ι – Jota, κ – Kappa, λ – Lambda, μ- My, ν – y, ξ – Xi, ο – Omikron, π – Pi, ρ – Rho, σ – Sigma τ – Tau, υ – Ypsilon, φ – Phi, χ – Chi, ψ – Psi, ω – Omega.
Zur Benennung der Sterne bedienen sich die Astronomen des griechischen Alphabets. Auch wir können nicht darauf verzichten, wollen wir uns innerhalb eines Sternbildes zurechtfinden. In der nächsten Folge, im UTOPIA-Magazin Nr. 4, betrachten wir die Sternbilder ›Cassiopeia‹ und ›Cepheus‹.
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Von Forrest J. Ackerman Hört zu, Freunde, und staunt über die Geschichte eines Mannes, der auf dem Mond war, ohne auch nur mit dem kleinen Zeh die Erde zu verlassen! Ich fuhr hinüber nach Hollywood zu den GENERAL SERVICE STUDIOS – und landete fast 380.000 km weiter entfernt. Denn ich hatte nicht mit dem Zauberer Georg Pal gerechnet, der gerade seinen weltbekannten Film ›Endstation Mond‹ ∗ in Arbeit hatte. Da hing doch wahrhaftig hoch am schwarzen, sternbesäten Himmel die Erdkugel, während drei Jungen – vielleicht im Alter von 12 bis 14 Jahren – auf der Oberfläche des Mondes, die absolut atmosphärenfrei war, munter herumsprangen. (Sie hatten selbstverständlich Raumanzüge an!) Zwar kannte ich das Buch ›Rocket Ship Galileo‹ von Robert Heinlein, aber ich hatte immer angenommen, daß die Jungen inzwischen zu richtigen Männern herangewachsen wären. Nichts von alledem. Also wandte ich mich an Heinlein, der ebenfalls anwesend war. Der lachte laut ∗
›Endstation Mond‹ von Robert A. Heinlein Gebr. Weiß Verlag, Berlin – München. 7,80 DM.
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und meinte: »Das sind doch keine Kinder, Forry! Das sind Liliputaner!« »Liliputaner?«, stieß ich hervor. Das begriff ich nicht so schnell. Doch der Autor lachte noch immer, während er mir erklärte: »Wissen Sie, die Sache ist so: Im Film soll der Eindruck einer gewissen Weite der Mondoberfläche entstehen, daher beginnen wir die Aufnahme mit normal gewachsenen Männern, die von der Kamera weg in Richtung des Kraters wandern. Dann schwenken wir die Kamera. Wenn wir wieder aufblenden, befinden sich an Stelle der drei Männer die drei Liliputaner und es sieht so aus, als befänden sich drei Gestalten sehr weit vom Ausgangspunkt ihres Spazierganges entfernt. Begriffen?« Ich nickte und trat von der Kamera zurück.
Chesley Bonestell zeichnet den Mond für den Film ›Endstation Mond‹
Vielleicht beneiden Sie die Schauspieler, die in ihren Raumanzügen auf dem Mond spazierengingen und würden 112
gerne mit einem von ihnen tauschen? Na, ich weiß nicht! In diesen Raumanzügen ist es nämlich mächtig heiß. Normalerweise befindet sich in ihnen (außer dem entsprechenden Raumfahrer natürlich!) Luft, da das Vakuum eine solche Ausdehnung verursacht. Um diesen gleichen Effekt zu erzielen, werden sie im Film mit Watte angefüllt und mit Metalldraht verstärkt. So ein Ding wiegt dann etwa seine 100 Pfund. Einer der bedauernswerten Darsteller sagte furchtbar schwitzend zu mir – und er konnte sich noch nicht einmal mit der Hand über die Stirn wischen, da er einen Helm auf dem Kopf hatte –: »Ich wünschte, in dem Raumanzug wäre ein wenig mehr Raum!«
Und hier der Mond, wie wir ihn im Film sehen.
Die wundervolle, silberige Rakete in dem Film ›Endstation Mond‹, die auf der Leinwand mindestens 50 Meter lang schien, 113
war in Wirklichkeit keine 5 Meter lang. Aber zehn Tage hatte ihr Bau gedauert, und sie kostete nahezu 3000 DM.
Szene aus den Film ›King Kong und die weiße Frau‹
Die blinkenden Sterne im Weltall waren nichts anderes als ganz gewöhnliche Autoscheinwerferbirnen – 2000 Stück im ganzen – die man mit Hilfe von 3 km Kabel auf einem riesengroßen schwarzen Tuch befestigt hatte. Bemerkenswert ist dabei noch die Tatsache, daß man diese Lampen vorher in grünes Zellophanpapier hüllen mußte, um die natürliche weiße Farbe der Sterne im Film zu erhalten. Denn beim Technicolorverfahren würden wir durch die sogenannte Lichthofbildung diese grellweißen Lichter im Film rot gesehen haben. Erinnern Sie sich noch der ›magnetischen Schuhe‹ der Raumfahrer, mit deren Hilfe sie sich mühelos auf dem Boden, 114
an der Wand oder an der Decke des Schilfes bewegen konnten? Diese Schuhe bestanden aus Gummi und besaßen an der Sohle kleine Saugnäpfchen. Zu Beginn des Filmes waren Sie doch sicherlich auch stark beeindruckt durch die realistische Darstellung des Startes. Mit mehr als sechsfacher Erdschwere löst sich die Rakete von der Erde, und die Gesichter der Raumfahrer verzerren sich zu den grauenhaftesten Grimassen. Das wurde einfach so gemacht, daß man den Schauspielern durchsichtiges Zellophan über den Mund legte und hinter dem Kopf (für die Kamera verborgen) je nach Bedarf spannte oder lockerte. Der Effekt war erstaunlich. Außerdem entsinnen Sie sich vielleicht noch der Tatsache, daß die Raumfahrer durch den Andruck tief in die Polster der Matratzen gepreßt wurden. Na, der Trick war besonders einfach: Man ließ die Luft aus den Matratzen. Es wird Sie interessieren zu erfahren, wie die Raumfahrer schwerelos innerhalb des Raumschiffes hin und her schwebten, als es sich im freien Fall befand. Kennen Sie Pianodrähte? Sehen Sie, daran hingen die Männer. Diese Drähte sind so gut wie unsichtbar und haben jeder ein Tragvermögen von etwa 800 Pfund. Das Innere der Rakete, mit einem Kostenaufwand von 125.000 DM gebaut, hing in drehbaren Lagern, so daß man mühelos auch die Wand als Fußboden benutzen konnte. So entstand der Eindruck, die Raumfahrer gingen an den Wänden spazieren. Erinnern Sie sich doch einmal bitte an jene Szene im Weltraum, in der Dr. Cargraves durch eine Unvorsichtigkeit von der Rakete getrennt wurde und hilflos in dem unendlichen, schweigenden Vakuum trieb. Er rettete sich, indem er seine Sauerstofflasche als Rakete benutzte, und mit Hilfe des Rückstoßes zum Schiff zurückkehrte. »Nun, so eine Art der Rettung ist natürlich nur im freien Raum möglich«, versicherte mir der technische Direktor überzeugend.
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»Da wir aber diese Szene hier im Studio zu drehen hatten, benötigten wir ganze 36 Pianodrähte, die von der Decke her bewegt wurden, so daß die Schauspieler gleich Puppen in der Luft hingen. Um eine Szene von wenigen Sekunden herzustellen, hingen die Leute mehr als zwei Stunden an den Drähten.« Und nun noch einiges über den Mond selbst, insbesondere über den Krater Harpalus, in dem das Raumschiff landete. Auf einer Bühne von 60 m Länge und 40 m Breite hatten 130 Leute acht Tage lang gearbeitet, um eine naturgetreue Mondlandschaft aufzubauen. Doch diesem Bau voraus ging ein kleineres Modell, das Chesley Bonestell, der ›astronomische Künstler‹, auf seinem Eßtisch hergestellt hatte. Und davor war noch eine Fotografie der Mondoberfläche, nach der Bonestell sein Modell erbaute. Er fotografierte dann dieses Modell, ließ eine Vergrößerung herstellen und bemalte diese Vergrößerung. Dann wurde dieses Bild fotografiert und erneut naturgetreu abgemalt, aber in der vergrößerten Form. Und endlich entstand ein fast sieben Meter hohes aber sehr langes Bild, das man im Halbkreis hinter das Bühnenfeld stellte, um so den Eindruck einer weiten Fläche zu erzielen. Ein zweiter Hintergrund zeigte Himmel und Sterne. Das 8 m hohe Unterteil der Rakete errichtete man auf der spaltigen, zerklüfteten Mondoberfläche. Während der Aufnahmen mußte man mächtig aufpassen, daß keiner der Leute Bonbonpapier auf die Mondoberfläche fallen ließ, oder daß gar jemand rauchte, denn es hätte wenig überzeugend gewirkt, wenn plötzlich über die atmosphärelose Landschaft bläulicher Zigarettenrauch geschwebt wäre. (Es ist niemals herausgekommen, ob es ein gewöhnlicher Besucher oder der Agent einer Konkurrenzgesellschaft gewesen ist, der die CocaCola-Flasche auf den Grund des Mondkraters gestellt hatte. Man hätte die ganze Szene noch einmal drehen müssen, hätte man nicht zufälligerweise diesen üblen Streich früh genug bemerkt.)
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Georg Pal stellte auch den Film ›Der jüngste Tag‹ her. Unter anderem wird New York von einer gewaltigen Flutwelle heimgesucht und überspült. Aber vorher muß ich noch erwähnen, daß ein britischer Autor, sein Name ist Sydney Fowler Wright, vor vielen Jahren nach Amerika kam, um hier unsere größte Stadt in einer herrlichen Flutwelle untergehen zu lassen. Sein Film hieß: ›Sintflut‹ (Deluge). Ein Mann namens Mann machte die Trickaufnahmen. Er erhielt dafür die runde Summe von 125.000 Dollar. Im Film dauerte die ganze Geschichte etwa zehn Minuten. Als Modellstadt wurde New York aufgebaut. In der Erde befanden sich Maschinen, die im gegebenen Augenblick die Häuser einstürzen ließen, und gewaltige Pumpen beförderten Ströme von Wasser durch die Straßen, so daß der Eindruck entstand, der ganze atlantische Ozean habe sich auf die unglückliche Stadt gestürzt. Der gesamte Vorgang wurde gleichzeitig von verschiedenen Seiten mit mehreren Kameras gefilmt. Einer der größten Trickfilme überhaupt war ›The invisible man‹ (Der Unsichtbare), nach dem gleichnamigen Roman von H. G. Wells. Dieser Film wurde im Jahre 1933 hergestellt. (Danach entstanden noch mehr Filme mit diesem Thema, wie ›Der Unsichtbare kehrt zurück‹, ›Die Rache des Unsichtbaren‹, ›Die unsichtbare Frau‹, und ›Abbott & Costello und der Unsichtbare‹.) Der Unsichtbare zündet sich z. B. eine Zigarette an. Sie sehen nur diese Zigarette, die frei in der Luft schwebt, eine Streichholzschachtel, aus der ein Hölzchen herausschwebt, sich anstreicht und brennt. Dann kommen aus dem. Nichts plötzlich genußvolle Rauchwolken. Wie man das macht? Ganz einfach: Der Schauspieler ist völlig in Schwarz gekleidet und wird gegen einen vollkommen schwarzen Hintergrund fotografiert. In seiner Hand hält er die Streichholzschachtel und die Zigarette. Durch Fotomontage wird diese Szene in ein Zimmer oder auf die
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Straße verlegt, wo immer sie stattfindet. Der Mann ist nicht zu sehen! In derartigen Filmen kann man oft den Unsichtbaren im Hemd herumlaufen sehen, d. h. man sieht dann nur dieses Hemd. Wie vorher trägt der Schauspieler eine enganliegende schwarze Kleidung (auch Handschuhe und Kopfmaske), nur das Hemd ist weiß. Gegen einen schwarzen Hintergrund gefilmt, sieht man nur das Hemd. Und wieder wird diese Szene durch Montage in die gewünschte Räumlichkeit übertragen.
Diese Szene aus dem Film ›Die Eroberung des Weltalls‹ zeigt ein sogenanntes Raum-Taxi. Foto: Paramount
Einer
der
größten
und
auch 118
bedeutendsten
Trick-
Abenteuerfilme war ›King Kong‹. Die jüngere Generation hat ihn vielleicht nicht mehr sehen können, aber es gab einige fast so gute Nachahmungen. Traf ich doch vor vielen, vielen Jahren einen Jungen, der so begeistert von diesem Film war, daß er immer wieder ins Kino ging, um diesen einen Film zu sehen. Als ich ihn wiedertraf, hatte er ›King Kong‹ schon 24mal gesehen. Der Junge wurde groß und erwachsen, ehe wir uns wieder begegneten. Er hatte ›King Kong‹ ganze 78mal gesehen. Nur wegen der einmalig fantastischen Aufnahmen. Und dann kam er selbst zum Film – und machte die Trickaufnahmen für den neuen King-Kong-Film. ›King Kong‹ war ein prähistorischer Affe von der Größe eines dreistöckigen Hauses, der auf einer unbekannten Insel lebte und herrschte. Eine Filmexpedition entdeckte und fing ihn, und zwar mit Hilfe von Gasbomben. Sie brachte ihn nach New York, wo er ausbrach und die Millionenstadt in Panik und Schrecken versetzte. Erst auf der Spitze des Empire State Building konnte er durch Maschinengewehrgarben herbeigerufener Jagdflugzeuge abgeschossen werden. Der Produzent erklärte mir auf meine Fragen hin: ›Einige der Szenen benötigten sieben verschiedene Aufnahmevorgänge. Bilder normaler Größe wurden stark vergrößert projiziert und dann erneut aufgenommen. Der Kampf zwischen King Kong und dem riesenhaften Pterodaktylus (fliegender Saurier) benötigte ganze sieben Wochen Aufnahmearbeit. Teilweise wurde zehn Tage lang an einer Szene gearbeitet, die nur zehn Sekunden dauerte.‹ Ein besonderes Problem bildeten die gräßlichen Laute, die von den urwelthaften Sauriern ausgestoßen wurden. Niemand hatte jemals diese Tiere lebend studieren können, und somit konnte auch keiner wissen, wie es sich anhörte, wenn sie wütend
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brüllten. Schließlich entschieden die Paläontologen über diese Frage. Man nahm eine Orgel zu Hilfe, zog das Register der ›menschlichen Stimme‹ und drehte dann einfach den Ton um. wie man es heute oft bei Tonbändern macht. Das Resultat: ein völlig unirdisches Brüllen, wie es wohl Saurier ausgestoßen haben mögen. King Kong selbst war 17 Meter groß. Sein Brustumfang betrug 12 Meter und seine Arme waren 10 Meter lang. Also an sich kein Trick. Der Durchmesser seines Kopfes war mehr als zwei Meter und die Augen – Glasperlen von Tennisballgröße – saßen rechts und links der Gumminase. Dreißig Bärenfelle bildeten seinen haarigen Pelz. Sechs Männer befanden sich in diesem Riesenkörper und bedienten 85 verschiedene Motore, mit deren Hilfe King Kong sich bewegte und gewünschte Handlungen ausführte. Aus dem Amerikanischen von Walter Ernsting.
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ZU JUNG FÜR DIE EWIGKEIT von Jesco v. Puttkamer Das Erwachen verlief völlig unbewußt. Als er die Augen öffnete, durchzuckte ihn ein Schreck. Dichter grauer Nebel umgab ihn, nichts als Nebel, der sein Gesichtsfeld wie ein undurchdringlicher, gegenstandsloser Vorhang verhüllte. Verwundert schüttelt er den Kopf, aber die Schleier lüfteten sich nicht. Kein Geräusch drang an seine Ohren; er fühlte nichts. Seine Sinnesorgane versagten ihm den Dienst. Einen Augenblick lang schien es, als ob er in Panik ausbrechen würde, dann gewann nüchterne Überlegung die Oberhand. Er zwang sich zur Ruhe und begann zu denken. Verwundert fragte er sich, was geschehen war. Er mußte zweifellos besinnungslos gewesen sein, das war sicher, aber wie lange? Und was hatte sein Gehirn veranlaßt, den Dienst zu versagen? Er war eine Ungewisse Zeit lang ohnmächtig gewesen, das wußte er. Dann hatte sein Gehirn langsam wieder die Arbeit aufgenommen. Es mußte doch möglich sein, sich zu erinnern! Wie hieß er denn eigentlich? Moment – Henry – ja, Henry Steel! Soweit war also alles in Ordnung! Erleichtert schloß er die Augen und versuchte, sich erneut zu konzentrieren. Was tat er hier, was war seine Aufgabe? Er suchte in seinem Gehirn nach einem Anhaltspunkt. Immer wieder stellte er sich die gleichen Fragen, wartete auf die Reaktion seines Gedächtnisses. Wenn es seinen Namen nicht vergessen hatte, mußte es auch andere Einzelheiten behalten haben! Wie lange war er besinnungslos gewesen? Warum konnte er sich an nichts erinnern? Was war überhaupt passiert? Was war mit dem Raum
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schiff geschehen? Raumschiff?? Er zuckte elektrisiert zusammen. Ja, das war es! Raumschiff! Er suchte in seinem Gedächtnis. Da war doch ein Raumschiff – wie hieß es gleich?
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Trans… Trans… Ja, richtig! ›Transzendor‹! Ein Forschungsschiff mit besonderer Aufgabe, und er war der Captain. Atemlos ließ er die hereinstürzenden Erinnerungen an sich vorbeiziehen, wagte nicht, den Strom zu unterbrechen. Er war Captain einer kleinen Besatzung gewesen, die mit dem Raumschiff ›Transzendor‹ ein wichtiges Experiment durchführen sollte. Hatten sie es durchgeführt? Zweifellos, denn damit ließ sich seine Bewußtlosigkeit und Amnesie erklären. Der ›Transzendor‹ hatte den Sprung in den vierdimensionalen Raum getan, mehr konnte er vorerst nicht sagen. Waren sie bereits wieder aus dem Hyperdrive zurückgefallen? Dann hatten die Umwandler versagt… Oder raste das Schiff immer noch mit Super-c-Geschwindigkeit durch den Raum, was bedeutete, daß es stationär im vierdimensionalen Raum stand? Oder befand er sich gar nicht mehr an Bord des Schiffes? Schrecken und Entsetzen packten ihn und für einen Augenblick schien es ihm, als ob er wieder in Bewußtlosigkeit zurücksinken würde. Da – der graue Nebel! Hatte er sich inzwischen nicht ein wenig gelichtet? Das Grauen wich von ihm, als er es feststellte. Erneut bemühte er sich, seinen klaren Verstand wiederzugewinnen. Eines war sicher: Irgend etwas stimmte nicht! Dieser graue Vorhang! Litt er an Sehstörungen? Oder – toller Gedanke! – konnte sein Gehirn das, was seine Augen sahen, nicht verarbeiten und zeigte es ihm statt dessen nur eine graue Nebelwand? Doch noch einmal von vorne: Das Raumschiff ›Transzendor‹. Und das Experiment. Das Experiment? Ja natürlich! Das neue Wissen ließ ihn erleichtert rekapitulieren: Das Raumschiff ›Transzendor‹ stand unter seinem Befehl und hatte zwei Mann Besatzung, – Andy Richter und Nrola Onrlo, den Norlganer, ohne dessen Apparate die ganze Reise des ›Transzendor‹ nicht möglich gewesen wäre! Und wie hatte das Experiment begonnen? Wie lange war es
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her, daß… Captain Henry Steel lehnte sich bequem in seinen Pilotensitz vor dem riesigen Steuerpult, das sich in Form eines Hufeisens auf der Kommandobrücke erstreckte. Die beiden anderen Sitze – wenn man Nrola’s seltsames Gerät einen Sitz nennen konnte – waren leer. Andy und der Norlganer standen an einem Bullauge und betrachteten einen fern zurückliegenden Planeten, dessen Oberfläche durch Wolkenbildung teilweise verdeckt war. »Ob wir sie wohl jemals wiedersehen werden?« hörte Steel Andy nachdenklich fragen. »Sprich keinen Hafenkäs’!« Das war Nrola Onrlo. »Wiedersehen wirst du die Erde bestimmt. – so oder so!« »Ich weiß«, gab Andy zu, »Wenn aber Steel’s Theorien nicht stimmen? Wenn das Experiment fehlschlägt…?« »Was wollen wir wetten?« Der Capella-Mensch hatte eine Hauptleidenschaft: Wetten. Eifrig schwenkte er seine drei Arme. »Eine Bierration?« »Geht in Ordnung!« entgegnete Andy, und Nrola Onrlo schmunzelte. Das heißt, er machte die seltsamen Grimassen, die man auf seinem Heimatplaneten, der Norlga im fernen CapellaSystem, als Schmunzeln bezeichnete. Nrola war ein waschechter Norlganer, ein Wesen, das nur aus Kugeln zusammengesetzt zu sein schien. Sein Körper bildete eine mathematisch genaue Kugel, auf der ein kugelförmiger Kopf ohne Hals saß. Nrola konnte seinen Kopf nicht bewegen und schon gar nicht drehen; aber das war auch nicht notwendig. Ein Norlganer besitzt kein Vorne oder Hinten im üblichen Sinn. Seine drei Augen, die in regelmäßigen Abständen auf dem Äquator der Kopfkugel verteilt sitzen, erlauben ihm, nach allen Richtungen gleichzeitig zu blicken. Nrola Onrlo bewegte sich auf drei wurstähnlichen Gebilden vorwärts, die der Kugelgestalt durch ihre Dreifuß-Anordnung
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einen stabilen Halt gaben. Es waren lange, nach allen Seiten bewegbare ›Beine‹ ohne Füße. Die drei Arme schließlich – ähnliche knochenlose, aber bemerkenswert feste Gebilde mit je drei langen Fingern saßen in Abständen von jeweils 120 Grad auf dem Äquator der Körperkugel. Seine Mundmembrane bildete den Zenith der Kopfkugel, und die drei Ohren nahmen die freien Stellen zwischen den Augen ein. Nrola Onrlo war, wie alle Norlganer, eine Kapazität auf dem Gebiete der Psychotechnik, und nebenbei Andy Richter’s bester Freund. Während die beiden am Fenster standen, hielt Steel seine Augen auf die Fernsehschirme gerichtet, die ihm das Innere der Maschinenhallen und Stromräume des ›Transzendor‹ zeigten. Massige Robotergestalten stelzten dort auf und ab; sie warteten die haushohen Stromspeicheraggregate, die blauweiß leuchtenden Pseudokabel der Stromleitungen, die unzähligen überlasteten Isolatoren, die gigantischen Umwandler, aus denen die leise murmelnden unsichtbaren Strukturwellen kamen, jene unglaublichen Wellen, die das Steelsche Experiment überhaupt möglich machten. Die Raumschiffe des Jahres 2765 durchquerten das Weltall nicht mehr unter Feuer- und Qualmerscheinungen, wie 700 Jahre früher. Umwälzende Erfindungen hatten dem Menschen die Tore zu den Sternen geöffnet. Gewaltige Umwandler bildeten zwar auch heute noch den Hauptteil eines Raumschiffantriebes, aber sie waren nicht mehr dazu bestimmt, potentielle Energie mit Hilfe von chemischen Reaktionen in kinetische Energie umzuwandeln. Auch entfesselten sie nicht die gewaltige Energie, die im Atom gebunden liegt. Aus den gigantischen Stromspeichern, die den größten Teil des Schiffes einnahmen, flössen Ströme in die Umwandler, Ströme von einer Stärke, wie sie nur die Atomglut einer Sonne zu liefern vermochte. Sie verließen die Umwandler in Form von
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murmelnden Strahlen, den sogenannten Strukturwellen, die so kleine Wellenlängen besaßen, daß sie dem Aufbaufeld des Alls, der Struktur des Raums selbst gewachsen waren und sich darauf stützen konnten, um das Raumschiff anzutreiben. Die aus den Stromspeicheraggregaten gezapften Energien vermochten einen ganzen Planeten mit Strom zu versorgen, aber die Umwandler verschluckten sie im Nu und trieben die Raumschiffe mit Geschwindigkeiten voran, die größer als die des Lichtes waren. Geschwindigkeiten, die schon keine mehr waren – denn kann man dieses Wort anwenden, wenn ein Raumschiff plötzlich verschwindet und sich praktisch zur gleichen Zeit tausende von Lichtjahren entfernt wieder materialisiert? Es ist seltsam, dachte Steel, auf die Fernsehschirme starrend! – wo bleiben die Gesetze der Alten? Einsteins Gesetz brachte vor achthundert Jahren zum Ausdruck, daß die Masse eines Körpers mit seiner Geschwindigkeit ansteigt. Sie würde unendlich groß werden bei Lichtgeschwindigkeit. Und um einen Körper mit unendlich großer Masse anzutreiben, benötigt man unendlich viel Energie. Die Energie des gesamten Weltalls würde nicht ausreichen, um solch einen Körper fortzubewegen! Und trotzdem jagten interstellare Raumschiffe mit Super-cGeschwindigkeit (c = Lichtgeschwindigkeit) von Sternbild zu Sternbild! Einfach deshalb, weil Einsteins Gesetz nur für unseren Weltraum gilt, nur für die Tiefen, in denen die Sonnen und Welten des Herkules, der Lyra, in denen die fernen Spiralnebel, die roten Riesen und weißen Zwerge liegen. Nur für unseren Weltraum, unser Raum-Zeit-Kontinuum. Sobald ein Raumschiff die Lichtgeschwindigkeit überschritt, befand es sich eben nicht mehr in unserem Weltraum, sondern in einem anderen, höherdimensionalen Raum, in welchem andere
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Gesetze galten! Der ›Transzendor‹ stand zwischen Merkur und Venus, als sich Steel anschickte, das Experiment zu beginnen. Andy und der Norlganer hatten ihre Sitze am Kommandotisch wieder eingenommen, als sich der Captain ihnen zuwandte. »Es kann losgehen!« sagte er sachlich. »In fünf Minuten gehe ich in den Hyperdrive. Wie ihr wißt, unternehmen wir diese Fahrt, um zu erforschen, was eigentlich während der Fahrt durch den vierdimensionalen Raum mit uns vorgeht. Bisher war der ›Sprung‹ der Raumschiffe durch den Hyperraum immer so schnell erfolgt, daß die Besatzungen erst dann aufwachten, als sie sich wieder in unserem Raum befanden. Dies soll bei dem Experiment jetzt anders sein. Ich habe den gewöhnlichen Robotpiloten, der normalerweise den Hyperdrive im richtigen Augenblick abschaltet, ausbauen lassen, und durch einen psychotechnischen Apparat ersetzt, den uns die norlganischen Techniker geliefert haben. Dieses Psychorelais gestattet es uns, den Hyperdrive durch die reine Kraft unserer Gedanken abzustellen. Wenn meine Theorie stimmt, daß der Geist des Menschen im vierdimensionalen Raum bestehen kann, sollte es für uns leicht möglich sein, in unseren Weltraum zurückzukehren, wann es uns beliebt. Wir haben hier ferner die Encephalographen, die Gedankenschreiber, die unsere Gedanken während des Fluges auf Stahldraht aufnehmen werden. Ist schon alles in Ordnung?« »Okay, Darling!« flötete Nrola, der ab und zu seinen seltsamen Sinn für Humor zeigte. »Alles in Ordnung, Captain!« Das war Andy. »Gut, dann geht’s los!… Auf Wiedersehen, Jungs!« Bevor ihn das Gefühl der Unsicherheit, das er in sich aufsteigen spürte, völlig überfluten konnte, schaltete Steel mit einem raschen Griff in die Unmasse von Knöpfen und Hebeln
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vor sich die Gedankenschreiber ein, brachte das Psychorelais in Tätigkeit und legte dann beide Hände auf den großen, roten Hebel, der die Umwandler betätigte. Sie würden die murmelnden Strukturwellen abgeben, die wiederum den ›Transzendor‹ mit Super-Lichtgeschwindigkeit fortbewegen und aus dem Weltraum hinauswerfen würden. Denn hier konnte das Schiff nicht bestehen, hier, wo seine Masse auf Plus-unendlich anwachsen würde. Es würde aus dem Weltraum ausgestoßen werden, in einen anderen Raum, in welchem seine Masse keine Rolle spielte, in welchem andere Gesetze galten. Steel holte tief Luft. Das Gefühl der Unsicherheit in ihm war fast unerträglich geworden. Was, wenn alles schiefging? Wenn seine Theorie falsch war, und der menschliche Geist nicht im vierdimensionalen Raum bestehen konnte? Dann wäre das, was er im Begriffe stand auszuführen, nichts anderes als Selbstmord, nein, nicht nur das, sondern auch Mord an seinen beiden Leuten: Und plötzlich sah er ein weibliches Gesicht vor sich, seine junge, entzückende Frau, die zu Hause in Texas auf ihn wartete. Seine beiden Töchter, die in jeder freien Minute den Himmel über dem kleinen Farmhaus absuchten, um ihn und sein Schiff zu entdecken. Konnte er es wagen, war die Verantwortung nicht doch zu groß? In seinen Ohren klang das Krachen und Bersten der überladenen Leitungsstrahlen aus den Stromräumen, das ganze Schiff erfüllend. Steel gab sich einen Ruck. Es gelang ihm, sein Gehirn für einen kurzen Augenblick leerzuwischen, seine Unsicherheit war ausgeschaltet, das Bild seiner Familie verblaßt. Ein einziger großer Wille erfüllte ihn. Da warf er den Hebel um Das Krachen der Pseudokabel ionisierter Luft in den Maschinensälen stieg zu donnerndem Toben an. Blauweiße Säulen unglaublicher Energie standen in den Stromräumen; gewaltige Funken schlugen knallend von Kontakt zu Kontakt.
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. Die Vorbereitungen an der Rakete sind abgeschlossen. Das Montagegerüst wird eben weggefahren. Rechts im Bild an dem Mast ist das Zündkabel zu sehen. Die Einschaltung der Steuerungsgeräte, Ventile, Pumpen usw. sowie die Zündung erfolgen elektrisch über das Kabel, das zwischen Mast und Rakete hängt, und das sich im Augenblick des Startes löst. Mit freundlicher Genehmigung des Franz Schneider Verlages, München
Das Heulen der Umwandler stieg bis zu schrillen Höhen an und verstummte schließlich in Ultraschallbereichen. Das Schiff erzitterte und erbebte; das Getöse aus den Stromräumen verschluckte die Stimmen der Roboter aus den Lautsprechern. Stromkreise bauten sich mit Hilfe von Servomechanismen selbst auf. Dichte Ozonwellen drangen aus den Maschinenhallen, fluteten in die Kabinen. Steel war der Bewegung seiner Hände mit den Augen gefolgt. Sie erscheinen ihm wie selbständige Lebewesen, über die er keine Gewalt hatte. Urplötzlich war die gezwungene autosuggestive Leere in seinem Gehirn verschwunden. Die Ungeheuerlichkeit seines Experiments brach
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in diesem kurzen Augenblick mit nie gefühlter Stärke über ihn herein. »Halt!« wollte er schreien. Unsagbare Furcht vor dem Kommenden packte ihn, nacktes Entsetzen erfüllte ihn bis zur Grenze des Erträglichen. »Halt!« wollte er schreien, aber er kam nicht mehr dazu. Mit starren Augen sah er, wie seine Hände den Hebel umlegten, der die Umwandler auf ›volle Kraft‹ schaltete. Seine Ohren vernahmen noch das Krachen der Stromsäulen aus den Maschinensälen, das unmenschliche Brüllen des Chefroboter aus dem Lautsprecher, das Knistern der Funken, die auf dem Steuerpult umhertanzten; er sah das Leuchten der bläulichen Elmsfeuer und spürte das Zittern der mit Ultraschall heulenden Umwandler, die den Raum krümmten. Dann warf sich finsterste Nacht auf ihn und seine beiden Leute, als der ›Transzendor‹ zum Sprung über Zeit und Raum ansetzte. Eine Nacht, die so plötzlich kam, wie ein Schlag mit einer Keule, als sich der Raum konvulsivisch krümmte und das Raumschiff ausspie. * Aber das war nichts Neues. Der Hyperdrive war bald 600 Jahre alt! Steel lächelte unwillkürlich. Es war nichts Neues, jawohl, aber es blieb jedesmal ein Erlebnis – ein gewalttätiger Schritt von einer Physik in die nächste. Aber sein Experiment? Es war also geglückt? Und was war mit dem Nebel? Er öffnete die Augen, ja, die Schleier waren noch immer da, aber jetzt wurde es langsam heller. Mit banger Hoffnung wartete er, unbeweglich. Nur nicht rühren! befahl er sich, zuerst mal sehen, was überhaupt los ist! Der graue Vorhang rückte von ihm ab und bewegte sich in die Ferne. Seine Augen konnten wieder sehen. Mit einem Ruck setzte er sich aufrecht. Strahlende
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Helligkeit umgab ihn, eine Helligkeit, wie er sie noch nie erlebt hatte, die ihn jedoch nicht blendete. Seine Augen waren dieser Helligkeit seltsamerweise gewachsen, aber sein Bewußtsein, gestützt auf ein wieder perfekt funktionierendes Gedächtnis, erkannte sie als etwas Neues, noch nie Gesehenes. Gegenstände traten in sein Gesichtsfeld, Gegenstände, die ihm bekannt vorkamen. Das Hufeisen des Kommandotisches, die Unmenge von Schaltern, Hebeln und Handrädern, das Innere des Raumes, die Bullaugen und die Wände des ›Transzendors‹. Alles war unverändert, nur die Helligkeit, die war vorher noch nicht gewesen, auch wenn die Sonne direkt in die Räume geschienen hatte. Er sah sich verwundert um. War das das Resultat seines Experimentes? Seine Gedanken jagten sich. Was konnte geschehen sein? Hatte der Hyperdrive nicht funktioniert, oder lief er immer noch, wie es von ihm erwartet wurde? Steel warf einen Blick auf ein großes Instrument. Die Skala war geeicht in Parsek pro Sekunde, und der schlanke Zeiger stand zitternd weit im rechten Teil der Meßeinteilung. Eine Geschwindigkeit, die bedeutungslos und unerfaßbar war! Er erhob sich und streckte seine Glieder. Ein wohliges Gefühl durchrann ihn; er fühlte sich so leicht und unbeschwert, wie er es früher nur in Träumen gekannt hatte. Er schritt zum Bullauge. Es war wirklich seltsam, während des Gehens schwebte er, fühlte sich dabei so leicht wie eine Feder. Es war nicht das Gefühl des Fallens, das er als Raumfahrer während des schwerelosen Zustandes so oft erlebt hatte. Es war ein angenehmes schwebendes Schreiten, ohne daß jedoch der Fußboden berührt wurde. Steel lächelte bei sich vergnügt. Er schritt durch die Luft! Als er aus dem Bullauge hinausblickte, stellte er etwas noch viel Erstaunlicheres fest: Der Weltraum war nicht mehr schwarz, nein, er war hell, strahlend, wie die Sonne selbst. Aber das Licht
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blendete ihn nicht. Es war ein klares, angenehmes Leuchten, das keine Quelle besaß und von nirgendwo herkam. Steel empfand sich von einem Glücksgefühl übermannt. Dieses Licht, dieses schwerelose Schweben, es war einfach traumhaft! Er lachte vergnügt. »He, was soll das?« fragte eine Stimme klar und deutlich in seinem Bewußtsein. Mein Gott schoß es ihm durch den Kopf. Nrola! Und Andy! »Ganz recht!« sagte die Stimme in ihm, »Der eine bin ich!« Steel wandte sich um. Trotzdem er schwerelos war, konnte er sich umdrehen, ohne einen festen Gegenstand zu berühren. Welche Gesetze galten denn hier? Er schritt schwebend zum Kommandotisch zurück. Als er an seinem eigenen Pilotensitz vorüberkam, sah er, daß eine dunkle Gestalt darin kauerte. Unmöglich, das ist nicht mein Sitz! Meiner ist leer! »Hmm?« brummte die Stimme in ihm. Er beugte sich über die zusammengesunkene Gestalt, deren Konturen seltsam verwischt erschienen. Als er das harte, lederartige Gesicht erkannte, die schmale Nase, die Narbe am Kinn, die von den Klauen eines Venus-Brughs stammte, zuckte er vor Schreck zusammen. Das bin ja ich! schrie es in ihm. »Natürlich, Capt’n!« sagte die Stimme. »Wer denn sonst?« Aber – aber, das war doch unmöglich! Steel streckte seine Hand aus und ergriff seinen zusammengesunkenen Doppelgänger beim Arm. Das heißt, er wollte ihn beim Arm ergreifen. Seine Finger aber glitten durch das Handgelenk der Gestalt hindurch, als ob es überhaupt nicht vorhanden gewesen wäre. Die Form im Pilotensitz war für ihn ein dunkler Nebel, ein schmieriges Etwas, durch das sein neuer Körper ungehindert passieren konnte.
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Ich muß träumen! dachte er. So was gibt’s doch nicht! »Klar gibt’s das, Capt’n!« sagte die Stimme in ihm. »Ist doch alles so schön logisch! Es verträgt sich durchaus mit ihrer Theorie. Übrigens, Andy – ich habe meine Wette wieder mal gewonnen!« »Bist du es, Nrola?« fragte Steel. »In Person, Chef!« kamen die Gedanken, und die Kugelgestalt des seltsamen Wesens von der Norlga erhob sich von seinem »Sitz«. Nrola hielt es für unter seiner Würde, sich nach seinem schattenhaften Ebenbild umzuwenden, das dort zusammengesunken zurückblieb. »Na ja, du hast die Wette gewonnen!« gab Andy von seinem Sitz her zu und erhob sich, ebenfalls ein graues Ebenbild seiner selbst zurücklassend. »Aber irgend etwas finde ich hier recht komisch! Ich sehe doch genau, daß du nicht sprichst, und doch höre ich dich klar und deutlich!« »Natürlich, Telepathie!« meinte Steel. »Wenn ihr es noch nicht wißt: Wir befinden uns im vierdimensionalen Raum. Ihr könnt euch das Sprechen schenken; wir unterhalten uns hier nur mit Gedanken!« Andy betrachtete seinen nebelhaften Doppelgänger mit zweifelhafter Miene. »Und… D a s da?« Steel lächelte verschmitzt. Er hatte für Andy noch manche Überraschung bereit, jetzt, nachdem er die Tragweite seines Experimentes erst richtig erkannt hatte. »Es ist dein alter Körper, Andy! Du brauchst ihn vorläufig nicht mehr; wir haben hier einen neuen bekommen, den Körper des Geistes sozusagen, den Astralleib, wie er auch genannt wird. Damit wäre bewiesen, daß Geist eine Gestalt hat, die Gestalt des ursprünglichen Körpers.« Er prüfte noch einmal die Instrumente. Der ›Transzendor‹ raste mit der unfaßlichen Geschwindigkeit von einigen Parsek pro
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Sekunde durch den normalen Weltraum, nein! er befand sich vielmehr im vierdimensionalen Hyperraum, wo er still stand und unbeweglich verharrte. »Könnten wir die Kontrollen betätigen?« forschte Andy. »Nur das Psychorelais, das den Hyperdrive ausschaltet. Diese hier nicht!« antwortete Steel. »Schau her!« Seine langen schlanken Finger griffen nach einem Schalter, wollten ihn ergreifen, glitten aber durch ihn hindurch und in den Kommandotisch hinein, als ob er nicht vorhanden wäre. Der Norlganer stand am Bullauge und blickte hinaus. »Es müßte doch bewohnte Planeten in dieser Welt geben!« kam seine Gedankenbotschaft. »Richtig!« pflichtete Steel bei. Einen Augenblick überlegte er, dann rief er sich den Hauptmaschinensaal mit seinen Umwandlern und Robotern ins Gedächtnis. In Gedanken sah er ihn deutlich vor sich, er probierte eine Weile ratlos herum, dann blickte er erleichtert auf. Seine Umgebung hatte sich urplötzlich verändert. Er stand nun nicht mehr am Steuerpult auf der Brücke, sondern im Maschinensaal. Befriedigt schmunzelte er vor sich hin, als er die Gedanken seiner beiden Gefährten fühlte, die über sein Verschwinden erschrocken waren. Er dachte einen kurzen Moment an die Kommandobrücke, und sah im nächsten Augenblick Andy und Nrola Onrlo vor sich. »Teleportation!« erklärte er wegwerfend, »du denkst an dein Ziel, wo du hinwillst, und schon bist du dort!« Er lächelte bei sich, als er Andys verwirrte Gedanken vernahm, der ihn entgeistert anstarrte. Er hatte für den Jungen noch einige Überraschungen auf Lager! »Diese Fähigkeit wird uns jetzt sehr nützlich sein, Jungs! Wir wollen zu einem Planeten in diesem Weltraum, auf dem Menschen leben. Richtige zweibeinige Menschen, verstanden, Nrola? Stellt euch mit mir zusammen solch einen Planeten lebhaft vor und wünscht euch dorthin!«
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Er bildete in seinen Gedanken eine Landschaft, wie er sie beschrieben hatte. »Hallo«, sagte jemand neben ihm. »Das ging ja fix!« Sie standen inmitten von Blumen, so farbenprächtig, wie er sie noch nie gesehen hatte. Paradiesische Vögel zwitscherten, und die strahlende, herrliche Helligkeit lag über der weiten grünen Ebene, über dem ganzen Land. Ein Gedanke kam von Andy: »Ich habe so etwas Schönes noch nie gesehen!« Steel registrierte ihn abwesend. Hier bin ich schon so oft gewesen ging es ihm durch den Kopf. Wie oft habe ich mich im Traum auf dieser Wiese, auf dieser unendlichen Ebene gesehen! Er fühlte sich leicht wie eine Feder, er verspürte keinerlei Bedürfnisse, ja, er brauchte nicht einmal zu atmen. Sein neuer Körper hatte im Hyperraum eine vierte Größe bekommen, die Zeit! Die Zeit als Konstante! Das ewige Leben! »Ganz recht, Capt’n!« dachte Nrola beeindruckt. »Wir besitzen das ewige Leben!« »Hm?« brummte Andy verwundert. Das fragende Gedankensymbol, das er ausschickte, ließ sich nicht anders ausdrücken. »Paß mal auf, Milchgesicht!« ereiferte sich der Norlganer, »du weißt, warum unsere Körper im vierdimensionalen Raum nicht leben können?« »Vermute so, du Kugelmann! Es fehlt ihnen eine Dimension!« »Richtig!« pflichtete Steel bei. »Unsere Körper sind dreidimensional und können deshalb nicht im Hyperraum bestehen. Es fehlt ihnen eine Dimension, eine ›Seite‹, bildlich gesprochen. Etwas im Menschen aber besitzt diese vierte Seite. Ja! Nämlich die Seele, der Geist. Jedermann weiß, sogar die Norlganer schwören darauf, daß die Seele unsterblich ist. Seit Jahrtausenden weiß man das. Und was bedeutet diese
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Unsterblichkeit der Seele? Nichts anderes, als daß die Zeit – relativ zum menschlichen Körper immer Variable – für die Seele zur Konstanten wird. Zur fehlenden vierten Dimension! Die Seele, der Geist hat sie. Und sie allein kann hier leben!« Nrola Onrlo nickte und ließ seine drei Arme kreisen. »Man denkt selten daran, daß diese Seele auch eine Gestalt hat, eine Gestalt, die natürlich nur von Augen gesehen werden kann, die ebenfalls die vierte Dimension besitzen. Aber eine Gestalt, die der dreidimensionalen des Körpers durchaus entspricht.« Sie hatten sich inzwischen in Bewegung gesetzt und schritten schwebend über die endlose Ebene einem ungewiß lockenden Ziel entgegen. * Es ist wie ein Traum, dachte Steel und ließ seinen Blick über die Landschaft schweifen. Diese Farbenpracht! Diese goldene Helligkeit! Keine Wolke verdunkelt den Himmel. Man fühlt sich leicht und unbeschwert, wie nie zuvor! Er sah an seinem Körper herunter. Strahlend hell und weiß, war er immer noch in die gleichen Kleidungsstücke gehüllt, die er im ›Transzendor‹ getragen hatte. Die leichte, weiße Baumwollhose, das weiße TShirt, der fleckenlos weiße Labormantel darüber. Und er konnte seine Kleidung wechseln, wie es ihm paßte. Ein Gedanke genügte, und sein Wunsch ging in Erfüllung. Diese Welt war die Welt der Psychokräfte. Was im alten Weltraum durch mechanische Anstrengung getan werden mußte, konnte man hier mit Hilfe seiner psychischen Kräfte zustande bringen. Telepathie – das Verständigungsmittel. Teleportation – das Transportmittel. Telekinese – die Beeinflussung jeglicher Materie durch Gedankenkraft, wozu im alten Weltraum die komplizierten Psychoapparate – Gedankenrelais – der
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norlganischen Techniker notwendig waren. Das ideale Leben! Wie im Traum, dachte er, und eine neue Idee packte ihn. War es möglich, daß der menschliche Traum nichts anderes bedeutete, als daß die Seele während des Schlafs aus dem Körper entwich und Zugang zum Hyperraum hatte? Man müßte doch irgendwelche Experimente durchführen können, die auf dieser Hypothese fußen! Er müßte dazu schleunigst zur Erde zurückkehren! Ein weiterer Gedanke durchzuckte ihn. Wie lange befanden sie sich denn schon im Hyperraum? Seit wie vielen Tagen lebten sie auf diesem traumhaften Planeten? Wie lange? Er lachte kurz auf. Zeit spielte hier doch absolut keine Rolle! Sie würde ihm überhaupt nicht bewußt werden, da sie relativ zu ihm still stand. Er könnte sich Tausende von Erdenjahren hier befinden, ohne jemals auch nur an ›Zeit‹ denken zu müssen. Aber im normalen Weltraum? Dort bewegten sich Materie und Zeitgerade relativ zueinander weiterhin ungestört fort. Und das hieß? Die Erde würde älter und älter werden, ohne daß für ihn und seine Leute eine einzige Sekunde verstrichen war! Steel blieb stehen, als ihm die ganze Tragweite seiner Überlegungen schlagartig bewußt wurde. Wieviel Zeit war denn nun schon auf der Erde seit ihrem Abflug vergangen? Drei Tage – fünf Wochen – dreißig Jahre – dreitausend Jahre? Ja, es war absolut möglich, daß sich die Menschheit während seiner Abwesenheit vollständig aufgelöst hatte, daß die Erde zu alt geworden war, um ihre Kinder zu ernähren! Er konnte es nicht sagen, da ihm jeglicher Anhaltspunkt fehlte. Eines aber war sicher: Die Zeit war im normalen Weltraum mit einer Geschwindigkeit fortgeschritten, über die er sich keinen Begriff machen konnte. Unversehens materialisierte sich eine Gestalt vor ihnen. Steel wich erschrocken zurück, während Nrola einen Schreckensruf
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nicht unterdrücken konnte. Gedankensymbole drangen in sein Bewußtsein, formten sich dort zu Worten. »Habt keine Furcht, Fremde! Ich komme in Freundschaft!« Er betrachtete den Ankömmling mit erwachendem Interesse. Verwundert stellte er fest, daß der Unbekannte in eine Art weiße Toga gekleidet war, die seine großgewachsene Gestalt mit anmutigen Falten umgab und an den Rändern und Säumen mit leuchtenden Farben verziert war. Farben, die so intensiv strahlten, wie er es normalerweise für unmöglich gehalten hätte. Der Fremde war groß, beinahe gigantisch, und gutgewachsen. Seine Augen saßen wie schwarze Kohlen in ihren Höhlen, dichtes weißes Haar fiel von seinem Scheitel auf den Rücken nieder. Der Fremde hob eine breite, sehnige Hand. »Willkommen!« drangen die Psychowellen in Steels Bewußtsein. »Ich bin Ben Rigel, Mentor 5. Ich begrüße euch hier und biete mich euch als Führer an, um euch in unsere Welt einzuführen!« »Wir danken dir, Ben Rigel!« antwortete Steel. Er mußte sich eingestehen, daß er leicht benommen war. Der Fremde nickte zustimmend und betrachtete die drei Männer schweigend. Als sein Blick auf den seltsamen Norlganer fiel, glitt der Ausdruck größter Verwunderung über sein friedvolles Gesicht. Seine Gedanken verrieten, daß er nicht erwartet hatte, einen Capellaner hier zu sehen. »Wie kommt es«, fragte er, sich an Nrola Onrlo wendend, »daß du hierher verschlagen worden bist? Haben dich eure Mentoren nicht zum Planeten der Capellaner gebracht? Oder hast du dich verirrt?« »Welche Mentoren meinst du, Ben Rigel?« entgegnete Nrola erstaunt. »Und welchen Planeten?« »Nun, das ist doch ganz einfach!« sagte der Weißhaarige etwas ungehalten. Seine wirren Gedanken zeigten, daß er sich noch
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immer nicht zurechtfand. »Ihr drei doch in euren Welten ›gestorben‹, wie ihr es dort unten nennt, nicht wahr?« Steel begann zu begreifen. Er grinste. »Nein, Ben Rigel, wir sind nicht gestorben!« entgegnete er. Der Mentor sandte Psychowellen aus, die seine völlige Verwirrung verrieten »Wir drei sind aus freiem Willen hierhergekommen!« erklärte Steel geduldig. »Und zwar mit Hilfe eines Fahrzeuges! Du glaubst es nicht? Nun – es ist Tatsache! Blicke in meine Gedanken, und du wirst dort Wahrheit sehen!« »Ich sehe sie. Aber – aber kein Fahrzeug kann den Wall zwischen den beiden Welten durchbrechen, Fremder! Es ist unmöglich, weil es nur der Geist kann, und ein Fahrzeug hat keinen Geist!« »Wir haben ihm ›Geist‹ verschafft, Ben Rigel – du Zweifler! Indem wir mit diesem Fahrzeug die physikalischen Gesetze unseres Raumes brachen. Er konnte uns unter diesen Bedingungen nicht halten und stieß uns samt unserem Fahrzeug aus. Und hier sind wir nun!« Steel lächelte triumphierend, aber er fühlte wieder die alten Ängste in sich aufsteigen. Zum hundertsten Mal fragte er sich: Wie alt war die Erde inzwischen geworden? Gab es denn keine Gleichung, mit der sich dies berechnen ließ? Er zerwühlte sein Gehirn, fand keine Antwort. Würde seine Familie noch am Leben sein? Seine Gedanken konzentrierten sich auf seine junge, hübsche Frau, seine Sehnsucht nach ihr erfüllte ihn mit einem Mal mehr denn je zuvor. Er merkte nicht, daß Andy, der seinen Gedanken unwillkürlich gelauscht hatte, über und über rot wurde. Der alte Mentor wandte sich ihm zu. Er hatte anscheinend endlich begriffen. »Ich beginne zu verstehen, Fremder! Aber eines möchte ich gerne noch wissen: Warum überhaupt dieses Fahrzeug, diesen Transzendor, wie du ihn in deinen Gedanken nennst? Du hättest
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den Übertritt in unsere Welt viel einfacher haben können!« »Indem ich drüben gestorben wäre!« nickte Steel. »Ich weiß! Leider hätte ich dann aber niemals wieder in meinen alten Körper zurückkehren können, Ben Rigel! Und mit Hilfe dieses Fahrzeuges wird es mir immer möglich sein.« Der Mentor starrte ihn einen Augenblick verwundert an, dann kamen seine äußerst erstaunten Gedanken: »Ja – willst du denn in deinen alten Körper zurückkehren?« Steel schwieg. Noch einmal glitt all das durch seine Gedanken, was ihn in den letzten Augenblicken bewegt hatte. Er dachte an die Zeit, die inzwischen auf der Erde verstrichen sein mußte. Er sah seine junge Frau vor sich, die älter und älter wurde, ohne daß für ihn auch nur eine Tausendstelsekunde verging, er sah seine beiden kleinen Töchter, die eines Tages älter als ihr Vater sein würden. Er dachte an sein Haus zwischen den grünen Hügeln, an das Leben dort. Er sah die Mühsale des irdischen Daseins vor sich, verglich sie mit den traumhaften Schönheiten der Welt, wie sie ihm Ben Rigel vorführen wollte. Er dachte an die mühselige Lebensweise der Menschen, die dazu verdammt waren, zu essen und zu schlafen, zu atmen und zu sprechen, zu laufen und zu reiten, sich zu wärmen oder sich zu kühlen, sich zu bekleiden und mühsam den Lebensunterhalt zu verdienen. Abwesend registrierte er, daß Andy und Nrola, die seinen Gedanken aufmerksam gefolgt waren, langsam vor ihm zurückwichen und sich zu Ben Rigel gesellten. Ja, dachte er, sie würden hierbleiben ohne zu zögern. Er würde sie nicht dazu zwingen, zurückzukehren. Andy Richter, keine Angehörigen, kein Zuhause. Er kannte die Erde nicht, hatte sein Leben lang in Raumschiffen gehaust. Nrola Onrlo, auf der Erde nur Gast, auf der fernen Norlga dem Klima eines sterbenden Planeten ausgeliefert, auch er nur auf den Kommandobrücken der interstellaren Raumschiffe zu Hause.
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Steel sah sich um, sog den Anblick der endlosen grünen Ebene ein, der wunderbaren Gebäude, die man sich durch reine Gedankenkraft baute, fühlte das goldene Licht, das seinen Körper lockend umflutete, spürte die innere Leichtigkeit und das nie gekannte Glücksgefühl, die ihm der neue Leib verlieh, und verglich noch einmal mit dem Leben, das ihm die Erde bieten würde. Wie konnte er nur auf den Gedanken kommen, jemals dorthin zurückzukehren? Er lachte auf und winkte seinen Gefährten. »Ben Rigel«, sagte er, »worauf warten wir noch? Eine neue Welt tut sich vor uns auf!« »Chef, ich bin froh, daß Sie in meiner Reichweite bleiben!« kam es von Nrola. »Ich war schon traurig, Sie verlieren zu müssen, Captain!« Das war Andy. Der Junge blickte glücklich zu den Gebäuden hinüber, auf die sie sich nun zubewegten. Als sich dann etwa ein halbes Dutzend prachtvoller Bauwerke aus einem unbekannten weißen Material vor ihnen erhob, hielt Steel abrupt an. Ben Rigel und die beiden Freunde schritten ein Stück weiter und wandten sich dann fragend um. Steel horchte einen Augenblick verwundert in sich hinein. Einen klaren Gedanken konnte er nicht finden, aber ein Gefühl, das jetzt, als er darauf lauschte, so mächtig wurde, daß es ihn fast übermannte. Die gute alte Seele, dachte er unwillkürlich, sie hat ihre Gefühle noch! Er hob langsam den Kopf und blickte den alten Mentor an. Ein strahlendes Lächeln lag auf seinem Gesicht, schwang in seinen Gedanken. »Auf Wiedersehen, Ben Rigel!« sagte er, und das Gefühl in ihm wurde so mächtig, daß er jetzt fast gejauchzt hätte. »Auf Wiedersehen, Andy! Auf Wiedersehen, Nrola Onrlo! Ich gehe zurück zur guten alten Erde! Ich bin noch zu jung für die Ewigkeit!« Bevor ihn die beschwörenden Gedanken seiner beiden Freunde
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erreichten, hatte sich seine Umgebung vollständig verändert. Er stand hochaufgerichtet auf der Kommandobrücke des ›Transzendor‹, der nach wie vor unverändert im Hyperraum hing. »Die Erde!« Seine Gedanken jagten sich, während er sich in seinen Pilotensitz niederließ und mit seinem schattenhaften Ebenbild verschmolz. Er wußte, daß es noch nicht zu spät war. Er würde eine kaum veränderte Erde wiederfinden, eine Erde, auf der er seine Lebensspanne absolvieren würde, bis er eines Tages wieder auf jener endlosen traumhaften Ebene stand. »Die Erde!« Er gab dem Psychorelais den Gedankenbefehl, auf den es geeicht war. Der feine norlganische Mechanismus reagierte blitzschnell. Lautlos erlosch der Hyperdrive, der ›Transzendor‹ fiel in den alten Weltraum zurück. Bevor die Nacht über ihn hereinbrach, wurde es Steel in unvorstellbarer Klarheit bewußt, daß das überwältigende Glücksgefühl, das ihn seit den letzten Augenblicken der Entscheidung anfüllte, unvergleichlich größer und schöner war, als jene Empfindungen, die die Welt der Ewigkeit in ihm hervorgerufen hatten.
In dem großen amerikanischen Science-Fiction-Magazin GALAXY erscheinen regelmäßig Beiträge und Artikel des auch in Deutschland bekannten Wissenschaftlers Willy Ley. In der nächsten Folge bringt das UTOPIA-MAGAZIN für seine Leser einen Artikel aus GALAXY.
GRAVITATION von Willy Ley Versäumen Sie nicht, diesen interessanten allgemeinverständlichen Artikel im UTOPIA-MAGAZIN Nr. 4 zu lesen.
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STEIN DER WEISEN von Raymond Z. Gallun Der kleingewachsene Schettler drückte seine ganzen Gefühle in den kläglich klingenden Worten aus: »Es muß schon mehr als tausend Menschen auf dem Mars geben! Zu viel für uns! Das beste wird sein, wir verduften von hier – « Lomond und Rios pflichteten ihm bei. Auch sie gehörten zu jener Sorte Menschen, die immer nach Pioniertaten drängen und denen das Gewohnte Abscheu einflößt. Und somit nahmen sie kurzen Abschied von den roten Wüsten des Mars, den zerfallenen Ruinen und dem ausgetrockneten Meeresboden. Auf diesem Planeten, der erst kürzlich zum ersten Mal von Menschen der Erde betreten worden war, ließen sie ungezählte Geheimnisse und viele noch zu lösende Rätsel zurück, aber alle diese Dinge waren nichts für sie, sondern etwas für die nüchternen Wissenschaftler. Wochen später schlug der Magnetanker ihres Kleinraumschiffes hart gegen die Oberfläche eines aus Eisen bestehenden Meteors von mehr als anderthalb Kilometer Länge. Das mußte einer der kleinen, unbekannten Asteroiden sein, deren es Tausende in diesen Regionen gab, in die bisher noch kein Mensch vorgedrungen war. Ein seltsames Gefühl erregender Abenteurerlust erfüllte die drei Männer. In wenigen Minuten betraten sie, geschützt durch ihre Raumanzüge, die Oberfläche der kleinen Welt, die sie nach einer Stunde vollkommen erforscht hatten. Und dann überkam sie so etwas wie fade Ernüchterung. Eines Tages würde dieser Planetoid, den sie entdeckt hatten, in den Hochöfen der Erde schmelzen, nachdem er Jahrtausende und aber Jahrtausende einsam durch die Unendlichkeit des Weltalls geeilt war.
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Aber was bedeutete das schon? Der nächste logische Schritt würde sein, wieder Kurs zum Mars einzuschlagen. Aber ihre Gedanken und Sehnsüchte richteten sich nicht zurück, sondern gingen weiter in die Ferne. Und gerade in diesem Augenblick der Entscheidung blickte Tom Lomond, der Führer der drei Männer, an einem Felsen vorbei und gewahrte gegen den schwarzen Hintergrund des von blinkenden, weißen Sternen bedeckten Himmels einen seltsam gelbrosa leuchtenden Lichtpunkt. Nach kurzer Orientierung stellte es sich heraus, daß es sich nur um einen größeren Asteroiden handeln konnte, um eins jener Trümmerstücke des Planeten, der vor undenklich langen Zeiten aus unbekannten Gründen zerplatzte. Und zwar ergaben die Berechnungen den Planetoiden Pallas, dessen ungewöhnliche Farbtönung den Astronomen seit mehr als hundert Jahren schon aufgefallen war. Die beiden Freunde Lomonds bemerkten plötzlich, daß dieser zu schwitzen begann. Lomond verging fast vor Aufregung. Ein gewisses Teil seines eigenen Ichs befand sich nicht mehr im Raumschiff, sondern war zur Erde zurückgekehrt, lag dort unter dem schattigen Baum einer Farm in Minnesota und träumte einen alten Kindheitstraum. Dieser Asteroid Pallas, von dessen merkwürdigen Eigenschaften er schon so oft gelesen hatte, erschien ihm wie ein erregendes Wunder. Es war wie eine Vision aus ›Tausendundeiner Nacht‹, erfüllt von dem Glanz und Schimmer vergänglicher aber wundervoller Pracht. Die ganze Romantik seiner Seele lag in diesem sich wiederholenden Traum, und der junge Lomond war davon überzeugt gewesen, daß seine Theorie über den Planetoiden Pallas die einzig richtige sei. Auch jetzt, in dieser Sekunde, als er Pallas im Raum schweben sah, überkamen ihn wieder Zweifel. Ob sein Kindheitstraum nicht doch der Wahrheit näher kam, als alle Spekulationen der Astronomen und Wissenschaftler.
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Stumm stand Lomond neben seinen Kameraden und dem Schiff. Er war lang und straff, seine Haare waren für seine neunundzwanzig Jahre bereits stark ergraut. Er sprach an sich wenig, aber während der vergangenen Wochen des Fluges und der Langeweile blieb es nicht aus, daß stundenlange Gespräche
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die Zeit verkürzen halfen. Und somit hatte er auch seinen Freunden von seinem Traum – seinem Wunschtraum – erzählt. Sie wußten also davon. Schließlich sagte er: »Ich denke immer noch das gleiche von Pallas, finde mich sogar noch in meiner Meinung bestärkt. Die Farbe stimmt, auch der hohe Grad der Lichtreflexion. Die Spektralanalyse ergibt ja nur die Elemente der Sonne, da das Licht von ihr stammt. Über die Oberfläche des reflektierenden Körpers sagt sie nichts aus. Aber es bestehen keine Anzeichen dafür, daß es auf Pallas anders sein sollte, als ich vermute. Außerdem vertrete ich noch eine Theorie: Es wird allgemein angenommen, daß die schwereren Elemente eines Planeten stets mehr zum Mittelpunkt hin zu finden sind, weil sie im flüssigen Zustand nach dort herabsanken. Sie sind dann auf der Oberfläche selten und rar. Aber wenn dieser Planet auseinanderbricht und seine Eingeweide zur Schau stellt, was dann…?« In den Helmfunkgeräten war Schweigen, ehe Rios knurrte: »Du bist verrückt, Lomond!« Aber in seinen Worten lag der Zweifel an dieser Behauptung. Unglauben kämpfte sichtlich mit der wilden Hoffnung, Lomond könne vielleicht doch recht haben. Tom Lomond schien sich heimlich zu amüsieren, denn in den Raumhelmen der anderen kicherte es verhalten. Lomond betrachtete Rios. Der Südländer war von untersetztem, stämmigem Wuchs. Die Unternehmungslust strahlte aus seinen Augen. Mit Bart und ohne diesen modernen Druckhelm hätte man ihn für einen spanischen Seeräuber vergangener Jahrhunderte halten können. Aber die Abenteuerlust Rios’ war noch größer! Lomond blickte zu Schettler hinüber. Irgendwie glichen sie sich alle drei: Sparsam in Gesten und Reden zogen sie das
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Handeln dem Disputieren vor. Hart und erfahren, kannten sie die Tücken des Weltraumes. Schettler, obwohl klein und mit rotem Gesicht, erinnerte Lomond stets an eine Riesenwespe, immer nervös und vorsichtig, bevor sie in ein ihr unbekanntes Gebiet einflog. Schettler und Rios waren Philosophen. Und es war Schettler, der jetzt sagte: »Und wenn schon? Selbst wenn du recht hättest, Lomond, wenn deine Theorie über Pallas stimmen würde, was würde es schon nützen? Was früher sehr wertvoll war, ist heute ein Dreck. Unsere ganze Währung hat sich umgestellt. Das weißt du doch, oder…?« »Natürlich weiß ich das!« zuckte Lomond seine Schultern. »Du hast doch wohl nicht die Absicht, den Trip nach Pallas zu versuchen, Boß?« erkundigte sich Rios skeptisch. »Wir haben nicht genügend Treibstoff, um es auf einen solchen Versuch ankommen zu lassen. Die ›Viking-Rakete‹ kurz nach ihrem Start. Deutlich sind die Schwingungsknoten im Auspuffstrahl des Raketenmotor zu erkennen. Mit freundlicher Genehmigung des Franz Schneider Verlages, München
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Schließlich habe ich Frau und Kinder in Chikago. Und eines Tages möchte ich mich endlich zur Ruhe setzen.« Lomonds Gesicht verzog sich zu einem halben Lächeln. Es drückte gleichwohl Bewunderung wie auch Hohn aus. Er sagte: »Bist nicht du derjenige, der am liebsten sofort in Richtung Pallas fliegen möchte?« Rios sah einen Augenblick sehr verwirrt drein, dann aber lachte auch er. Schettler kicherte vor sich hin. »Ich möchte nur wissen«, rief er, »warum wir es tun wollen, obwohl wir doch alle Angst haben. Ein außerfahrplanmäßiger Flug von so vielen Millionen von Kilometern läßt sich nicht so ohne weiteres einfach einschieben. Du irrst dich ganz bestimmt bezüglich Pallas, Lomond. Und selbst wenn du recht hättest, so müßtest du doch zugeben, daß praktisch die ganze Sache wertlos wäre. Warum also? – hol’ mich der Teufel!« »Die Frage kann ich dir beantworten, Schettler. Du kannst es auch. Es gibt so etwas wie Stolz und Sehnsucht, einmal im Leben ein Wunder zu schauen, etwas zu schauen, was noch kein Mensch vor einem gesehen hat, vielleicht sogar etwas, dessen Existenz zwar möglich, aber doch sehr unwahrscheinlich ist. Außerdem – ach, Freunde: Darf ich einmal poetisch werden? Ich kann mir vorstellen, daß in der irdischen Urzeit ein Höhlenmensch eines Tages am Ufer des Flusses hockte und ratlos in seinen Händen einen gelben Erzbrocken hielt, der ihm vorkam wie ein Stück der Sonne. Er muß gleich gefühlt haben, wie wertvoll dieser Brocken war, obwohl aller Wert relativ zu sein scheint. Schönheit und geheimnisvolles Wunder vereinigten sich in diesem gelben Flußmetall; vielleicht noch mehr.« Lomond machte eine kleine Pause. Sein Atem ging stoßweise und keuchend. Dann endete er: »Wollt ihr also Pallas sehen, bevor jemand anders ihn sieht? Es soll nur eine Frage sein!« Absolutes Schweigen umgab die drei Männer. Sie hatten das
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unwillkürliche Gefühl, in den Tiefen des Alls für immer begraben zu sein, ohne jede Hoffnung auf Rückkehr zum Leben. Lomond erkannte seine eigene Unentschlossenheit, es würde den anderen genauso ergehen. Schattenhafte Gedanken huschten durch seinen Kopf: Sein ganzes Leben lang hatte er mit dem Schicksal gespielt. Er dachte an ein Mädchen, welches er geliebt hatte. Um sie zu heiraten, mit ihr zusammen ein kleines Haus zu bauen für sich selbst und die Kinder, mit einem schönen Garten und einem glatten, grünen Rasen, um all dies zu erreichen, hatte er sich in ein abenteuerliches und gefahrvolles Leben gestürzt. Vielleicht ging es allen sogenannten Abenteurern auch so. Der Weg zu diesem ursprünglichen Plan zurück war immer der schwerste. Auf der anderen Seite gab es aber noch andere Gründe: Macht, Reichtum und Ehre! Doch nicht nur das! Gab es nicht auch Menschen, die ihr Leben riskierten, nur um eine begehrte Pflanze vom kahlen Bergesgipfel zu holen, weil sie schön und selten war? So kämpfte Tom Lomond mit sich selbst und wußte gleichzeitig, daß er seine Kraft verschwendete. Die Entscheidung stand bereits fest, auch bei seinen Freunden. Noch bevor Schettler mit heiserer Stimme sagte: »Wir können nicht mehr zurück, Lomond, wenn wir erst einmal so weit gekommen sind und der Treibstoff noch reichen sollte. Nicht daß du glaubst, ich sagte dies nur, um bessere Filme für unsere Auftraggeber drehen zu können. Die sind mir ziemlich gleichgültig. Aber wir würden uns ewig Vorwürfe machen, wenn wir es nicht gemacht hätten. Wir sind wie Kinder in dieser Beziehung, Lomond!« Schettler lächelte ein wenig hilflos bei diesem Bekenntnis, aus dem nicht nur Bedauern, sondern auch Stolz klang. Rios stand ganz unbeweglich neben der glatten, gewölbten Hülle des Schiffes, gegen die er seine Hand stützte. Mit
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nachdenklichen Blicken schaute er hinüber zu jenem kleinen, gelben Lichtpünktchen, das Pallas verkörperte. In seine Augen kam ein Leuchten, ein wildes, teuflischkühnes Leuchten. Seine Lippen zogen sich herab, als wolle er sich selbst verhöhnen. Als er sprach, klang es wie ein Knurren: »Ich möchte ihn doch aus der Nähe sehen. Aber – so wahr uns Gott helfe – mit den geringen Vorräten an Nahrungsmitteln und Treibstoff ist es besser, wenn deine Theorie sich bewahrheitet, Lomond!« Alle drei lachten sie. Es war ein hartes, heiseres Lachen. Rios dachte in diesem Augenblick noch viel weniger an seine Familie als an jene Seeräuberschiffe, die seine Vorfahren befehligten. Vielleicht waren sie alle drei verantwortungslose Narren. Aber nein, denn ein Artist, der auf dem Seil über die Niagarafälle lief, war ja auch kein Narr, wenn er sein Handwerk kannte. Sie kannten den Weltraum und seine Gefahren wie kaum ein Mensch vor ihnen. Sorgfältiges Training in der irdischen Atmosphäre, auf dem Mond und schließlich auf dem Mars hatten ihnen die Erfahrungen gegeben, die sie benötigten. Lomond erkannte die kalte Logik, die hinter allen Berechnungen steckt. Und sein Job waren die Berechnungen; er war der Navigator. Seine Arbeit war die Feststellung des jeweiligen Standortes, der Kurs, die Geschwindigkeit und die Entfernung. Schettler und Rios kümmerten sich um den eigentlichen Antrieb, um die Raketen. Ihre Aufgabe war es, genauso viel Treibstoff den Pumpen zuzuleiten, wie für die von Lomond gewünschte Geschwindigkeit erforderlich war. Somit arbeiteten sie zusammen, einer kannte die Schwächen und Stärken des anderen und konnte sich auf diese einstellen. Es war kein Risiko, wenn sie ihre Chancen vorher errechneten; denn ihre Rechnung ging unter diesen Bedingungen stets ohne Rest auf. Schettler sprach als erster. Indem er Lomond immer noch an eine große Wespe erinnerte, sagte er:
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»Ich glaube, daß wir es so gerade schaffen können. Wird reichen, um Mars in einer sicheren Kreisbahn anzufliegen. Das beste wird sein, wir gehen ins Schiff und lassen die Elektroberechner die Arbeit für uns tun, dann wissen wir, ob es klappt.« Im Schiff legten sie die Anzüge ab und fühlten sich ein wenig wohler in den leichten Overalls. Die kleinen Elektrogehirne summten, und bald darauf lagen die Ergebnisse in Schreibmaschinenschrift vor ihnen. »Hm – so gerade!« brummte Schettler. »Dann können wir ja wohl?« Rios nickte nur, aber in seinen Augen lag ein seltsamer Glanz. Er erinnerte an längst vergessene Abenteuergeschichten mit vergrabenen Schätzen und mordlustigen Schatzsuchern. Lomond wunderte sich darüber und fragte sich, was das wohl zu bedeuten habe. Dann fand er die Antwort bei sich selbst, denn seine Gedanken waren die gleichen wie die Rios’. Eine unbändige, erregende Freude durchflutete ihn, vermischte sich mit wilder Hoffnung und klang aus in unbeschreiblicher Furcht vor Enttäuschung. Doch ruhig wie immer sagte er: »Die relative Stellung beweglicher Körper im Weltall ändert sich ständig. Wenn wir also nicht wollen, daß wir die ganze Arbeit noch einmal machen müssen, wird es allmählich Zeit…« Die entsprechenden Instrumente wurden bedient und mit leisem Summen begannen die Pumpen zu arbeiten. Bald darauf schossen aus den Düsen die ersten weißen Flammenstrahlen, und trieben die Rakete mit steigender Geschwindigkeit in die Leere hinaus, ihrem Ziel entgegen. Nur für wenige Minuten wurde so der wertvolle Treibstoff vergeudet, um dem Schiff die notwendige Fahrt zu verleihen, die nötig war, die restlichen Berechnungen harmonisch zu ergänzen. Als dann die Rückstoßdüsen erloschen, blieb nur noch die Korrektur des Kurses mit den kleinen Steuerdüsen. Dann wurden auch deren
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Öffnungen still und schwarz. Rios, Schettler und Lomond konnten ihre Andruckmatratzen verlassen. Nun würde das kommen, was sie alle so gut kannten: Die unbeschreibliche Langeweile des endlosen Wartens, das Nichtstun und das ewige Fragen, ob auch diesmal der Flug glücklich verlaufen würde. Antwort würde man erst dann erhalten, wenn man das Ziel erreicht hatte. Die Schwerelosigkeit des freien Falls, die runden Metallstützen an den Wänden, eine aus festem Material bestehende Luftblase in der Unendlichkeit des Weltraums, die wahnwitzige Energie, die ihrem Schiff die Geschwindigkeit verlieh – und doch die eigene Winzigkeit, verglichen mit der Größe des Universums… dies alles waren Dinge, die ihre Nerven und ihren psychologischen Widerstand sehr gestärkt hatten. Und trotzdem schien es auch für sie nicht immer leicht, die Ruhe zu bewahren. Die meiste Zeit lagen sie auf ihren Betten, leicht angeschnallt, damit eine unbedachte Bewegung sie nicht gegen die Decke entschweben ließ, sie versuchten zu lesen, unterhielten sich und dachten auch oft nur über wichtige und unwichtige Dinge nach. Doch das Sprechen war einfacher als das bloße Denken. Einmal sagte Schettler – ausgerechnet Schettler – in einem solchen Augenblick der müden Konversation: »Ich bin wirklich gespannt, wie schmal der Pfad ist, auf dem wir wandern. Ja, so ist es doch: Wir ziehen durch eine riesige Wüste, um irgendwo in ihr etwas zu finden, was vielleicht dort sein könnte. Wie viele Millionen Männer haben ähnliches schon vor uns getan? Wie viele haben ihren Hals riskiert, um etwas Wunderbares zu finden, etwas anderes als das Normale, Übliche. Aber gab es jemals auf der Erde eine Wüste, die sich mit dem Weltraum messen könnte? Und wie viele Knochen, menschliche Gerippe, liegen in ganz hundsgemeinen, verhältnismäßig kleinen Wüsten? Gebeine von erfolglosen Menschen, und solchen, die Erfolg hatten. Sie brachten sich oft
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gegenseitig um. Was also wird mit uns? Werden wir beginnen, uns gegenseitig Messer in die Rippen zu jagen? Das ist eine alte Art, gefundene Schätze zu teilen, Freunde…« Schettler stieß ein gurgelndes Lachen aus, dann schwieg er. Lomond fühlte, wie ihm innerlich kalt und unheimlich wurde. Pallas wurde größer, immer größer und1 heller. Er stand nicht direkt vor dem Bug des Schiffes, sondern ein wenig schräg, denn man flog auf einen Punkt seiner Bahn zu, an dem er sich befinden würde, wenn die Rakete dort einträfe. Der verwirrende, gelbliche Glanz des merkwürdigen Asteroiden erregte die Männer immer wieder aufs neue. Stundenlang starrten sie aus der Luke; spekulierten und überlegten und kamen immer wieder zu dem Ergebnis: Es konnte gar nichts anderes sein als das, was sie schon immer vermutet hatten. Näher und näher kamen sie. Sie flogen nicht direkt auf den Planetoiden zu, sondern näherten sich ihm in paralleler Bahn, um dann in Spiralen landen zu können. Die Sonne war merklich kleiner geworden, aber ihre Strahlen hatten immer noch die gleiche, wärmende Wirkung. Wenigstens schien das so. Diese Strahlen wurden von Pallas – als sie diesem näherkamen – im rechten Winkel reflektiert. Somit erschien der Asteroid den drei Männern als unregelmäßige Sichel – von graugrüner Färbung. Von gelb war nichts mehr zu entdecken. Dunkle Schatten und gezackte Ausschnitte verrieten die nicht gleichmäßige Form des Weltkörpers. »Felsen! Nichts als ganz gewöhnlicher Felsen!« sagte Rios heiser. »Steine, hundsgemeine Meteorsteine! Und dafür haben wir Hals und Kragen riskiert?« Lomond hatte das Gefühl, als ob ein Kloß in seinem Hals stecke. Ihn traf die Enttäuschung besonders hart, denn ihm ging es um die Erfüllung eines alten Kindheitstraumes. Nicht der materielle Wert interessierte ihn, sondern die Tatsache, etwas schauen zu dürfen, was noch niemals ein menschliches Auge
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vor ihm gesehen hatte. Doch seine Enttäuschung wich, als der nüchterne Verstand in ihm zu Worte kam und ihm sagte, erst einmal abzuwarten, ehe endgültig geurteilt wurde. Schettlers Gedankengänge mochten ähnlich sein. Er sagte: »Reg’ dich nicht auf, Rios, noch sind wir nicht da. Was meinst du, wie das Licht der Sonne täuschen kann…« Die im Bug sitzenden Bremsdüsen spieen weißstrahlende Atome in das Vakuum, um den Flug zu verlangsamen. In großem Bogen schwangen sie um Pallas herum, gelangten in die Schattenseite des großen Asteroiden. Die Sonne war verschwunden, sie erblickten nur die vielen Sterne und einen mattleuchtenden Fleck. Das war der Jupiter. Die gleichmäßig gekrümmte Flugbahn brachte sie erneut zur Tagseite und wieder enttäuschte sie die graue Sichel. Aber je mehr sie sich der Mittagsseite Pallas’ näherten, um so mehr begann sich, eine Wandlung vorzubereiten und zu offenbaren. Am kleinen Horizont dämmerte es gelb und rosa, als besitze diese Welt eine Atmosphäre und eine zweite Sonne, die soeben im Begriff stand, aufzugehen. Und wieder und wieder funkelten neue Lichterscheinungen wie goldene Blitze am Horizont auf, blendeten die atemlos schauenden Männer, die sich nicht zu rühren wagten. Surrende Kameras filmten automatisch das unerhörte Geschehen, hielten es für eine staunende Menschheit auf Filmstreifen fest. Dann schien auch der Boden unter ihnen zu gleißen und zu strahlen, sie mußten die Augen schließen. Es schien, als wären sie Zeuge der Erschaffung eines kleinen Universums. »Mein Gott!« stieß Rios überwältigt von so viel Schönheit hervor. In dieser Sekunde war er völlig frei von irgendwelchen Anschauungen und Vermutungen. Er sah nur das einmalig Schöne dieses Anblickes. Doch dann kam wieder der Zweifel.
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»Nein, Lomond«, fuhr er fort. »Ich werde es nicht glauben, bis wir es ganz bestimmt wissen. Es kann immer noch sein, daß die Brechung der Sonnenstrahlen uns narrt.« Lomond jedoch fühlte in sich eine ungeheuere Befriedigung, daß die Vermutungen seiner frühesten Kindheit sich zu bewahrheiten schienen. Mit geübten Griffen steuerte er das Schiff immer näher an den Astoroiden heran, langsam näherte es sich der strahlenden Oberfläche. Die geringe Schwerkraft des kleinen Weltkörpers erleichterte die Landung. Mit sanftem Stoß berührte die Rakete den Boden, schwebte dann in flachen Sprüngen hinab in ein schimmerndes, glänzendes Tal und glitt schließlich auf den Schlittenschienen dahin, bis sie endgültig zur Ruhe kam. In weniger als einer Minute hatten die drei Männer ihre Anzüge angelegt und durch die Schleuse die kleine, atmosphärelose Welt betreten. Schweigend standen sie und bestaunten die vielen Gesteinsbrocken und Trümmerstücke, die einst Bestandteil eines großen Planeten waren, den eine Naturkatastrophe oder auch verbrecherische Kräfte einer vergangenen Zivilisation zerrissen hatten. Hier und dort lag ein ausgezackter Meteor, wie sie ihn von den anderen Planetoiden her kannten. Aber es schien, als wären solche Erzstücke hier auf Pallas sehr selten… Die Männer standen schweigend und unbeweglich. Die geringe Gravitation hielt sie nur leicht auf dieser Welt, denn ihre magnetischen Stiefel fanden kein Eisen, das sie hätte halten können. Ganz allmählich dämmerte die Wahrheit in ihnen hoch. Lomond hatte in seiner Kindheit den rechten Traum gehabt. Es war Rios, der mit der Stahlsohle seines Stiefels schließlich hart über den glatten Boden schrammte. Die Risse, die er hinterließ, waren tief, glänzend und gelb. Seine Stimme drang in die Helme der beiden anderen: »Ganz weiches Metall!« keuchte er fassungslos. »Wir werden
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eine chemische Analyse machen müssen, aber ich weiß schon jetzt, was es ist: Gold! Diese Welt, mehr als 300 Kilometer im Durchmesser, besteht aus reinem, unverfälschtem Gold! Welch ein Riesennugget! Was ist gegen diese Wirklichkeit die Phantasie und die Einbildung der größten Abenteurer der menschlichen Geschichte? Zum Teufel mit ihnen – deine Idee war größer, Lomond…« Lomond sah Schettler und Rios von der Seite her an. Er erkannte, daß sie zwar begriffen hatten, aber trotzdem noch voller Zweifel waren. In seinem Gehirn befand sich eine kleine Ecke, mit der er stets vermochte, sich selbst zu analysieren, seine eigenen Gefühle zu beobachten. So auch jetzt. Und er stellte fest, daß ihn außer einer begreiflichen Genugtuung auch eine ungeheure Erregung erfaßt hatte. Aber gleichzeitig wußte er, daß sie alle drei ein wenig verrückt waren. Er versuchte, die einzelnen Gefühle voneinander zu trennen. Da war zuerst einmal die alte Leidenschaft und Sucht nach Reichtum, die so alt war wie die Menschheit selbst. Aber dieses Gefühl wurde bei allen drei Männern überwunden durch den Stolz, der sie erfüllte, einen wunderbaren Schatz gefunden zu haben, den noch niemals vor ihnen ein Mensch gesehen hatte. Einen Schatz, der bis jetzt in Raum, Zeit und Leere versteckt gewesen war. Dieser Gedanke versetzte ihn in regelrechte Ekstase. Wie sollte er es ausdrücken? Schönheit! Oder: Romantik? Ja, Gold war schön, war schon damals schön, als jener Höhlenmensch sich am Flußufer niederbeugte, um es in die Hand zu nehmen. Und Lomond befeuchtete die trockenen Lippen, wie es dieser Höhlenmensch auch getan haben mochte. Rios war sicher nicht schlechter dran als er, Lomond. Rios’ Vorfahren hatten das Eldorado gesucht und gefunden, aber es nicht zu halten vermocht. Und nun kroch er auf allen vieren auf dem goldenen Boden herum, suchte mit den Händen einzelne
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Goldstücke, die haufenweise herumlagen. Schettler blieb kühl und nüchtern wie immer. »Das ist Unsinn, was du da tust, Rios! Du kannst von dem Zeugs so viel haben, wie du willst. Übersättigung des Marktes, verstehst du? So viel wert wie gewöhnlicher Staub, wenigstens bald. Abgesehen von Pallas haben die Menschen viel Gold aus dem Meerwasser und aus der Atomzertrümmerung hergestellt. Man benützt es bereits nur noch zur Isolierung gegen Rost, zum Herstellen von billigem Schmuck oder zur Verzierung. Nun ja, rege dich nicht über meine Worte auf, ich empfinde ja doch so ähnlich wie du, Rios…« Rios kam langsam hoch, in seinen Augen lag ein rätselhafter Ausdruck des Nichtverstehens. Er ließ den Goldklumpen los, den er aufgehoben hatte. Langsam schwebte dieser wie eine Feder zum Boden herab, sprang hoch und segelte davon, als sei er ein leichter Ball. Mehrmals noch berührte er die Oberfläche, ehe er endlich zur Ruhe kam. In dem Gesicht des Spaniers zeigte sich der Kampf zwischen Instinkt und Intellekt. Dann aber überzog es sich mit flammender Röte. »Tut mir leid«, murmelte er verstört. »Es gibt also keine Morde mehr wegen Gold? Aber doch sicher wegen anderer Dinge. Du hast ebenfalls recht, Lomond: Der Kern der Erde muß aus reinem Gold bestehen. Noch flüssig verband es sich nicht mit anderen Elementen und sank zum Mittelpunkt des Planeten, wo es heute noch liegt, unerreichbar für die Menschen und für ewig unberührt. Und so ist es auch mit anderen Planeten, wie mit diesem hier, der zerplatzte, um Tausende von kleinen Planetoiden zu verstreuen. Pallas muß ein Stück des Kerns sein.« »Es ist nur der Gedanke, so viel Gold auf einmal zu sehen!« »Das ist gut«, mischte sich Lomond ein. »Um so größer ist das Wunder, das wir erleben dürfen…« Schweigend betrachteten die Männer die Welt aus Gold. Bald
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würde der Anblick kein Wunder mehr bedeuten, denn der Lauf der Geschichte bewegte sich nie zurück. Die historische Entwicklung verdrängte ein Wunder nach dem anderen. Der Gedanke daran erzeugte Bedauern. »Machen wir voran«, sagte Schettler ein wenig nervös. »Tun wir unsere Pflicht. Es läßt sich nicht vermeiden.« Die Kameras begannen zu surren, und sie bannten das einmalige Wunder auf unscheinbare Filmstreifen, damit jene Menschen, die vielleicht niemals die Erde verlassen würden, Zeuge dieser Entdeckung sein konnten. Der Traum vergangener Könige und Herrscher wurde Tatsache, und nichts ließ sich besser und leichter verkaufen als Romantik. Chemische Proben wurden angestellt und man fand Osmium in geringen Mengen. Und Osmium war wertvoller als Gold. Blei und radioaktive Elemente waren kaum vorhanden, aber sie ließen die Vermutung offen, welche Schätze noch zu heben waren, entdeckte man einen entsprechenden Planetoiden. Lomond, Schettler und Rios redeten wieder freier und ungezwungener. Pallas drehte sich langsam um seine Achse und die Sonne begann, hinter dem kurzen Horizont zu versinken. Der schimmernde Glanz des Goldes erblaßte, verwandelte sich in gleichmäßiges Grau. Und dann verschwand die Sonne ganz, der Boden wurde dunkel und schwarz. Mit einem Schlage war die Romantik wie weggewischt. Sie standen auf einer Welt aus Stein. Ganz gewöhnlichem Stein, aus dem jede Welt bestand. Kein Wunder mehr, kein Schatz, kein Erlebnis einmaliger Schönheit. Jupiter kam am anderen Ende der kleinen Welt hoch, kletterte langsam in den schwarzen Himmel empor. Eine runde Scheibe, neben der vier kleine leuchtende Punkte schwebten. »Unser nächstes Ziel, vielleicht!« sagte Schettler leise und zweifelnd. »Vielleicht«, murmelte Lomond ebenso leise. »Aber Jupiter ist
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von hier immer noch 300 Millionen Kilometer entfernt. Und im Augenblick bin ich froh, wenn wir noch bis zum Mars kommen.« Lomond wußte, daß das Universum nun ein Wunder weniger für sie barg. Aber gab es nicht immer wieder neue Wunder, deren Entdeckung sich lohnte? Das ewige Verlangen nach Neuem würde und durfte nicht aussterben, wenn die Menschheit sich weiterentwickeln wollte. Nur diese Unruhe, dieses Rastlose, förderte den Fortschritt! Vor seinem geistigen Auge entstanden die Plastikkuppeln der zukünftigen Bergwerke auf Pallas. Ein Wunder weniger… Die drei Männer begaben sich wieder in das Schiff. Lomonds Gedanken wandten sich anderen Schätzen zu, er vergaß das Gold. Treibstoff, Nahrungsmittel und Wasser – wieviel besaßen sie noch davon? Wenn sie Glück hatten, würde es gerade reichen. Und er dachte an grüne Wiesen, die tausendmal schöner waren als eine kahle, goldene Oberfläche. Er dachte an Mädchen, Musik und warme Frühlingsluft. Der Gedanke, es wäre besser gewesen, diese goldene Welt nicht zu sehen, überkam ihn eine Sekunde lang, aber er verwarf ihn genauso schnell. Doch eine kalte Furcht blieb. Er sah zu Rios und Schettler hinüber und wußte, daß es ihnen ähnlich ging. Die Erfüllung ist nicht immer so schön wie der Traum. Und sie wurden genau wie er von zwei verschiedenen Gefühlen hin und her gezerrt: der Sucht nach weiteren Abenteuern und neuen Entdeckungen – und der Sehnsucht nach dem Alten, Gewohnten… »Vielleicht kommt alles so ganz anders, als wir es uns denken«, sagte er langsam. »Vielleicht bleiben wir zu Hause, verlassen nie mehr die Erde – und unsere Heimat.« Schettler hob die Schultern, ließ sie sinken. »Vielleicht«, murmelte Rios und warf einen Blick zurück auf
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die graue, unscheinbare Fläche des Asteroiden Pallas. Und in diesem Augenblick wußten sie, daß es so sein würde.
Aus dem Amerikanischen von Walter Ernsting
In 2 Monaten erscheint die 4. Ausgabe des UTOPIA-Magazins Sie lesen darin unter anderem die spannende SF-Story In geheimer Mission auf Pasik von Murray Leinster
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Interessante und neue Bücher aus dem Gebiet der Science-FictionLiteratur, die den UTOPIA-Leser interessieren. Zwischen den Planeten (Between Planets) von Robert A. Heinlein. Gebr.-Weiß-Verlag, Berlin-München. 283 Seiten, 6,80 DM
Der Autor hat diesen Roman besonders für die jugendlichen Leser geschrieben, was bei Heinlein wirklich nicht heißen soll, daß er für Erwachsene nicht auch interessant ist. Denn, abgesehen von einigen wenigen allzu einfachen Stellen, ist dieses Werk für Erwachsene recht unterhaltend und amüsant zu lesen. Langweilen wird man sich bestimmt nicht. Und das ist einer der großen Vorzüge dieses Autors. Wie die meisten seiner Science-Fiction-Romane und Kurzgeschichten sind auch diese Jugendromane für 13- bis 19jährige spritzig und keineswegs spannungsarm. Der vorliegende Band, der in den Vereinigten Staaten von Scribeners verlegten und in Deutschland vom Gebr.-WeißVerlag, Berlin, übernommenen Jugendreihe schildert die Erlebnisse eines 17- bis 18jährigen Jungen, der in den Strudel 161
der Konflikte zwischen Erde (als Kolonialmacht) und Venus (als freiheitsdurstiger Pionierplanet) gerissen wird. Interessant ist der Vergleich Erde – Venus und England – Amerika im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg; die Geschichte wiederholt sich in diesem Roman. Wie zu erwarten, und nicht mit Unrecht, stellt sich der Autor als Amerikaner natürlich auf die Seite der von der Erde als Kolonie betrachteten und demgemäß behandelten Venus. Daß einige Mitglieder der Erdtruppen recht unsympathisch gezeichnet wurden ist zwar bedauerlich, fällt aber sonst nicht weiter auf. Unser Held trägt eine wichtige Geheimbotschaft in einem Ring bei sich, die von den Regierungen der Erde und der Venus verzweifelt gesucht wird. Don Harvey, so heißt der junge Mann, gelangt auf die Venus und tritt nach der Landung der Erdtruppen auf dem um seine Unabhängigkeit ringenden Planeten der Partisanentruppe bei. Schließlich gelingt es, die geheime Botschaft des Ringes zu entziffern. Sie ergänzt sich mit einer von einem Marsbewohner überbrachten zu einem wissenschaftlichen Bericht und zu einer Bauanleitung für ein völlig neues Mittel, mit dem es den Menschen der Venus, unterstützt von ihren Drachenfreunden, gelingt, das Joch der Erdherrschaft abzuschütteln. Wie gesagt, recht spannend und interessant geschrieben. Für die jungen Leser die beste und idealste Einführung in das Gebiet der Science-Fiction-Literatur überhaupt. Und für den erwachsenen erfahrenen Leser sind diese Romane Heinleins eine willkommene Abwechslung. Sie mögen zwar nicht die Spannungsmomente eines Romans wie ›Puppet Masters‹, um nur diesen zu erwähnen, enthalten, aber sie bringen gute und wirklich echte Science Fiction, die unter den Lesern, jung oder alt, denen diese Literaturgattung noch unbekannt ist, die den größten Erfolg versprechende Pionierarbeit leisten. Und das ist doch wirklich nicht unbedeutend und sollte nicht vergessen werden, wenn man als allzu eifriger Science-Fiction-
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Bilderstürmer Heinleins Jugend-SF mit ›Kinderbücher‹ abtun und verbannen will. wsp.
dem
Begriff
Mit der Rakete zur Weltraumsstation von Werner Büdeler – Franz Schneider Verlag, München Halbleinen, 64 Seiten, 3,90 DM
Dieses Buch gehört zur ›Tempo-Reihe‹ des Franz Schneider Verlages und erzählt von dem schnellsten aller Transportmittel, der Rakete. Beginnend mit der Prüfung von Raketenmotoren und den ersten Versuchsflügen betritt der Autor dann das Gebiet des Utopischen und beschreibt einen Flug zur Weltraumstation und als Abschluß eine Landung auf dem Mond. Sehr interessant zu lesen sind die Vorbereitungen zum Start von Versuchsraketen, der Start selbst und dann der kurze Flug. Das alles ist Wirklichkeit und vermittelt einen aufschlußreichen Einblick in die Arbeit der Raketenspezialisten und Ingenieure. Besonders anschaulich sind die Fotos von Raketen vor und nach dem Start ∗ Es ist ein Buch für die Jugend. Aber auch jeder Erwachsene, der noch nie etwas von Raketen und Raumfahrt gelesen hat, greife ruhig zu diesem Band. Wer einem aufgeschlossenen Jungen eine Freude bereiten will, ist nicht schlecht beraten, wenn er ihm dieses ›Tempo‹-Buch schenkt. Wer aber schon mit der Materie so einigermaßen vertraut ist, den dürfte das Buch weniger interessieren. Es gibt ihm nichts Neues.
∗ In unserem Magazin finden Sie eine Reihe von Bildern aus diesem ›Tempo‹-Buch.
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EINIGE LESERSTIMMEN
Alle kommen auf ihre Kosten »Ich möchte jetzt, nach der Lektüre des zweiten Sonderbandes, zu dessen Erfolgen gratulieren. Die Übersetzungen sind vortrefflich gelungen, was man beim besten Willen nicht immer bei einer Übertragung behaupten kann. Die beiden bisher erschienenen Sonderbände gewähren einen sehr guten Einblick in das schriftstellerische Schaffen auf diesem ebenso jungen wie umfassenden Gebiet der Literatur. Sowohl die technisch, physikalisch, astronomisch interessierten Leser als auch diejenigen, die in der SFLiteratur nur das reine Abenteuer suchen, kommen bei der Lektüre der Sonderbände wie überhaupt bei den in der UTOPIA-Reihe veröffentlichten Romanen auf ihre Kosten.«
Peter Baltus, Aachen, Theaterstr. 17 Ein alter Hase »Ich habe den UTOPIA-Sonderband erhalten und gleich noch einige Exemplare beim Verlag nachbestellt. Ihr Artikel und die Übersetzung meiner Rede auf dem Welt-SF-Kongreß war ausgezeichnet.« Hugo Gernsback, 154 West 14th Street, New York 11, N.Y. USA
Zensur 4 »Ich habe UTOPIA-Sonderband 2 gelesen. Er steht Band l gegenüber weit im Schatten. Ich möchte Band l die Zensur l geben, dem Band 2 aber die Zensur 4.« Wilfried Kiok, Kempen (Niederrhein), Klosterstr. 2
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Keine Pointe »Ganz besonders freue ich mich, daß auch der Sonderband 2 so gut gelungen ist. Am schwächsten finde ich darin übrigens den Artikel von Heinlein, den ich sonst überaus hoch schätze. Er ist sehr nett geschrieben, hat jedoch keine eigentliche Pointe.« Alfred Fritz, Stuttgart-Bad Cannstatt, Memminger Str. 7
Viel Erfolg »Durch Zufall gelangte ich in den Besitz der UTOPIA-Sonderbände Nr. l und 2. Als langjähriger Leser amerikanischer Science-FictionMagazine darf ich Ihnen sagen, daß mir diese beiden Hefte außerordentlich zugesagt haben. Sowohl in bezug auf Inhalt wie auch äußere Aufmachung brauchen die UTOPIA-Sonderbände einen Vergleich mit überseeischen Magazinen keinesfalls zu scheuen. Besonders begrüßenswert erscheint es mir, daß nun endlich für einen größeren Kreis in Deutschland die Möglichkeit gegeben ist, mit Science-Fiction-Kurzgeschichten bekannt zu werden, deren Aussage und Gestaltung im allgemeinen diejenige der Romane übertrifft. Ich wünsche den UTOPIA-Sonderbänden recht viel Erfolg.« Paul Arnulf Schmid, Hbg.-Wandsbek, Josephstr. 8,1
Bitte schreiben Sie uns Ihre Meinung über das UTOPIA-MAGAZIN. Richten Sie Ihre Briefe an die UTOPIA-Redaktion im Verlag Erich Pabel, Rastatt (Baden).
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AUS DEN TIEFEN DES RAUMES von Harry F. Heide I. Teil. - Das Sonnensystem: Die Sonne 1. Sonnenkörper Betrachtet man die Sonne durch eine lichtdämpfende Vorrichtung (am besten ein schwarz belichtetes Negativ) mit dem bloßen Auge oder durchs Fernrohr, so hat man den Eindruck eines gigantischen, flammenden Feuerballs. Überhaupt geht es sehr unruhig auf unserem Zentralgestirn zu. Atomare Umwandlungsprozesse im Sonneninnern schaffen die ungeheure, unerschöpfliche Energie, mit welcher unser Muttergestirn schon seit Milliarden Jahren Licht, Wärme und Leben in den Weltraum hinausstrahlt. Mit der elementaren Kraft von 3000 Quadrillionen Kerzen scheint die Himmelsleuchte unserer Erde. Dabei nimmt diese nur einen geringen Bruchteil der gesamten Sonnenenergie auf. Die Sonne hat einen Durchmesser von l.390.000 km, das sind rund 109 Erddurchmesser. Bei einem Rauminhalt von l ½ Trillionen Kubikkilometern ist sie der Erde in dieser Hinsicht um das 1.300.000-fache überlegen. Dagegen beträgt ihre durchschnittliche Dichte nur das l.41-fache des Wassers. Die Beschleunigung oder Gravitation oder Schwerkraft beträgt an der Oberfläche 28fache Erdenschwere. Ein im freien Fall befindlicher Körper legt auf der Sonne 270 Meter zurück, gegenüber 5 Metern bei der Erde (Sekundenmeter). Der an der Oberfläche der Sonne liegende leuchtende Mantel heißt Photosphäre, d. h. Lichtschicht, Lichtkugel. Diese zeigt gegen den Sonnenrand eine gewisse Helligkeitsabnahme. Innerhalb dieser Photosphäre findet man dunkle, meist kreisförmige Gebilde, die sogenannten Sonnenflecken. Diese
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haben oft eine Lebensdauer von mehreren Wochen und teilweise ganz gewaltige Ausdehnungen. Flecken von der Größe der Erde sind keine Seltenheit, mitunter sind sie so groß, daß man diese mit dem bloßen Auge wahrnehmen kann. Das entspricht einer Mindestgröße von 100.000 bis 150.000 Kilometern, Sonnenflecken von der Größe des Planeten Jupiter gibt es also durchaus. Merkwürdigerweise beschränkt sich das Erscheinen dieser Flecken, welche mitunter in ganzen Gruppen auftreten, auf die in der Nähe des Sonnenäquators gelegenen Zonen, etwa von 45 Grad Nord bis 45 Grad Süd. So ein Fleck zeigt einen ausgedehnten, dunklen Kern mit hellem, weniger stark ausgeprägtem Rand. Die größten bisher beobachteten Sonnenflecken hatten Durchmesser bis zu dreihunderttausend Kilometer. Wie die Flecken entstehen, was sie darstellen? Man vermutet, daß es sich um schlackenartige Ausbrüche aus dem Innern der Sonne handelt, welche aus irgendeinem Grunde nicht die gleiche Temperatur aufweisen wie die übrige Oberfläche. Nun darf man sich nicht etwa vorstellen, daß die Fleckenkerne wahrhaft dunkle, kühle Gebilde sind. Ihre scheinbare Dunkelheit ist relativ. Ein Fleck hat immerhin die Leucht- und Wärmekraft von 10% der übrigen Sonnenoberfläche, strahlt also mit einer Helligkeit von 30 Quadrillionen Kerzen. Erwähnenswert sind noch die berühmten Protuberanzen, eruptive Ausbrüche an der Oberfläche, welche mit unvorstellbarer Gewalt erfolgen und oft mehrere Millionen Kilometer in den Weltenraum hinausreichen. Die Materie der Protuberanzen ist allerdings unwahrscheinlich dünn. Protuberanzen können am besten (für den Amateur) bei totalen Sonnenfinsternissen beobachtet werden. Als äußerster Ausläufer des Sonnenkörpers ist die Korona zu erwähnen, welche als extrem dünne Materie den Sonnenball umgibt. Sie übertrifft an Ausdehnung alle Protuberanzen, es sind
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schon Koronastrahlen von 10.000.000 km Länge beobachtet worden, also dem siebenfachen Durchmesser des eigentlichen Sonnenballs. Auch die Korona ist dem Amateur nur bei totalen Finsternissen zugänglich. 2. Rotation Auch die Sonne dreht sich – oder wissenschaftlicher ausgedrückt – rotiert um eine Achse. Man hat diese Tatsache anhand der mitunter recht langlebigen Flecken beobachten können. In 27 Tagen laufen sie einmal um den Sonnenball herum. Da sie ihre Lage untereinander nicht verändern, kann als erwiesen gelten, daß auch der Sonnenkörper sich in derselben Zeit einmal um seine Achse dreht. Die Achse der Sonne hat eine Neigung von 7“ gegen die Bahnebene. 3. Sonnendichte, Temperatur Diese Angaben beruhen zum größten Teil auf Vermutungen. Lediglich die Oberflächentemperatur ist in exakten Messungen ermittelt worden. Man benutzte sie nach dem Wahrscheinlichkeitsprinzip zur Grundlage für Berechnungen, welche die verschiedenen Sonnenzonen betreffen. Für den Sonnenmittelpunkt hat man folgende Werte errechnet: Druck: 120.000.000.000 Atmosphären Dichte: (Wasser = 1) 77 Temperatur: 19.000.000° Kelvin Bezüglich der Kelvingrade ist zu sagen, daß diese nicht den Gefrierpunkt des Wassers, sondern den absoluten Nullpunkt zum Ausgangspunkt haben. So entsprechen beispielsweise 10° Celsius 283° Kelvin.
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Das Triebwerk der ›Viking‹ wird vor dem Start noch einmal überprüft. Es wurde aus der deutschen A4Rakete (V-2) entwickelt und benötigt Äthylalkohol und flüssigen Sauerstoff zur Verbrennung (Flüssigkeitsrakete). Die Brennkammer ist im Gegensatz zu der A-4, schwenkbar angeordnet. Dadurch wird eine größere Flugstabilität erreicht. Mit freundlicher Genehmigung des Franz Schneider Verlages, München
4. Zusammensetzung der Sonnenmaterie Der Regenbogen ist gewissermaßen an allem schuld. Mit seiner Hilfe ist der Mensch den Geheimnissen des Lichts entscheidend auf die Spur gekommen. Jeder dürfte wissen, daß es – streng physikalisch gesehen – weißes Licht überhaupt nicht gibt. Dieses setzt sich vielmehr aus den Hauptgrundfarben Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau und Violett zusammen. Diese sind zugleich die grundlegenden Spektralfarben. Spektralanalyse heißt das Zauberwort, welches uns den Schlüssel zur physikalischen Erforschung der Sonne und aller übrigen Gestirne gab. Bringen wir im Laboratorium ein beliebiges Gas – sagen wir in diesem Falle Wasserstoff – zum Glühen und betrachten wir es durch ein Prisma, so sehen wir das Spektrum des betreffenden
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Elementes. Farbige Bänder, von mehr oder weniger schwachen bzw. stark ausgeprägten Linien durchzogen. Wir können den Versuch so oft wiederholen wie wir wollen, das Spektrum und dessen Linienordnung bleiben immer die gleichen. Nun werden die einzelnen charakteristischen Linien bezeichnet, die Wasserstofflinie in diesem Falle mit F. Finden wir nun, auf die Sonne oder die Sterne angewendet, die gleichen Spektrallinien, so können wir mit Sicherheit darauf schließen, daß sich dasselbe Element auch auf jenem fernen Weltkörper befindet. Die Spektralanalyse hat in den letzten Jahrzehnten einen ungeahnten Aufschwung genommen und ist schon heute eine Wissenschaft für sich, eine der schwersten dazu. Neben umfassenden mathematischen, chemischen und physikalischen Kenntnissen ist grundlegendes Wissen auf dem Gebiet der Atomphysik Vorbedingung, um diese Wissenschaft zu beherrschen. Man hat im Sonnenspektrum unter andere folgende hauptsächlichste Elemente gefunden: Tellurischer Sauerstoff Wasserstoff Natrium Eisen und Kalzium Magnesium Kalzium ionisiert
Spektralfarbe
rot Spektrallinie A rot Spektrallinie C gelb Spektrallinie D grün Spektrallinie E grün Spektrallinie B violett Spektrallinie H + K
Das sind die wichtigsten im Sonnenspektrum und damit auf der Sonne vorkommenden Elemente. Gleichzeitig schließt damit unser physikalischer Abschnitt über die Sonne. Weitere Einzelheiten über die Sonnenbahn, Methoden zur Entfernungsund Durchmesserbestimmung, Finsternisse und dergleichen folgen in später erscheinenden sphärischen Abschnitten. 170
DAS SCHWERT VON TORMAIN von Eric Storm Caron verließ sein sicheres Versteck auf den äußeren Planeten und kehrte auf den Mars zurück. Er suchte den geheimnisvollen Schlüssel zu den sagenhaften Gewölben von Dretheeda, den Schlüssel zum Paradies. Caron war in einer der vielen Schenken des Callisto beschäftigt, als er die Neuigkeit hörte. Ein betrunkener Raumfahrer, frisch importiert von den inneren Planeten her, hatte seinen Mund nicht halten können. Das erste, was Caron daraufhin tat: Er kündigte. »Wie, du willst gehen?« wunderte sich der Besitzer der Kaschemme und rollte mit seinen übergroßen Augen. Er war einer der unzähligen Mutanten, die aus Kreuzungen entstehen. »Das kann doch nicht dein Ernst sein!« »Und ob!« sagte Caron kalt. »Warum denn?« »Das ist meine Angelegenheit!« Caron lehnte sich abwartend gegen den rohen Holztisch. »Zahlt mir den restlichen Lohn aus!« »Natürlich – aber warum die Eile? Kannst du nicht wenigstens warten, bis ich einen Ersatzmann gefunden habe?« »Nein!« Der Besitzer zuckte mit den Schultern und griff in seine Rocktasche, zog ein Bündel schmutziger Geldscheine hervor und zählte ein kleines Päckchen davon herunter. Er reichte es Caron. »Du bist ein Narr, Caron«, versuchte er es noch einmal. »Hier bist du sicher. Sicher vor der Polizei in jedem Fall!« Caron zählte achselzuckend das Geld nach.
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»Einen Mann wie dich kann ich immer gebrauchen«, fuhr der Mutant fort. »Wenn du in der Nähe bleibst, würde sich dir vielleicht sogar mal eine Partnerschaft bieten. Nun…?« »Danke! Keine Zeit mehr dazu!« »Mann ich habe dich aufgelesen, als es dir dreckig ging – und jetzt, wo ich dich brauche, gehst du einfach. Caron, wie würdest du einen solchen undankbaren Menschen nennen?« »Keine Ahnung!« sagte der kräftig gebaute Terraner. »Du gabst mir einen Job und ich habe gearbeitet. Jetzt kündige ich. Was ist denn bloß dabei?« »Aber warum denn, Mann? Warum?« Caron zögerte, hielt das Geldbündel unschlüssig in der Hand. Der Mutant hatte recht, von seinem Standpunkt aus gesehen. »Sie haben das Schwert von Tormain gefunden«, sagte er schließlich langsam. »Sie wollen das Gewölbe von Dretheeda aufbrechen.« »Na und? Deswegen verläßt du mich so einfach?« »Ja!« Caron stopfte das Geld in seine Tasche und überprüfte mit einer Handbewegung den richtigen Sitz seines Blasters. »Ja, deshalb muß ich dich verlassen.« Er verließ das Büro, ohne sich umzusehen. * Es war sehr schwer, die äußeren Planeten zu verlassen. Stets gab es zu wenig Raumschiffe und zuviel Menschen. Da Caron jedoch ein großer und starker Mann war, gelang es ihm in kürzester Zeit, eine kleine, leere Koje aufzutreiben. Natürlich kostete ihn das noch nebenbei eine hübsche Stange Geld. Das Schiff war ein veralteter Frachter, der an jeder Nietstelle leckte, und dessen Antrieb jeden Augenblick auseinanderzufliegen drohte. Caron bewunderte das Museumsstück, zuckte ergeben mit den breiten Schultern und
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willigte ein, auch noch körperliche Arbeit während des Fluges zu leisten.
Der Kapitän war ein richtiger Raumpirat, der sein Geld damit verdiente, indem er an Reparaturkosten sparte. Die Sicherheitsvorschriften schien er noch nicht mal dem Namen nach zu kennen. Seine Mannschaft suchte er aus dem herumlungernden Gesindel der von ihm angelaufenen Raumhäfen heraus. Sein Navigator war aus dem gleichen Holz wie er. Es war ein fetter, wabbeliger Mann mit einer großen
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Narbe an der Stelle, wo das Ohr hingehörte. In dieser Gesellschaft fühlte sich Caron sicher und geborgen. Er arbeitete, daß ihm der Schweiß ausbrach, während der Kahn durch den Asteroidengürtel trampte, schuftete wie ein Wilder im Maschinenraum, um den Reaktor vor dem Auseinanderplatzen zu bewahren und wunderte sich fortgesetzt darüber, daß nicht das ganze Schiff bereits mit tödlicher Strahlung verseucht war. Mindestens zwanzig Pfund verlor er an Gewicht, und die Linien um seinen Mund hatten sich tiefer und härter eingegraben als je zuvor. Sie erreichten schließlich die Raumstation, glitten an den beiden Monden vorbei, spuckten Flammen aus den brüchigen Düsen und landeten endlich mit einigermaßen heiler Haut in Port Murphy auf dem Mars. Noch ehe sich der rötliche Sand abkühlen konnte, sprang Caron aus der Rakete und eilte schnellen Schrittes auf die Drahtumzäunung zu. Hinter ihm ertönten die Rufe der Hafenpolizei und das Röhren eines Blasterschusses. Aber er achtete nicht darauf, duckte sich und nahm einen Anlauf. Die geringe Gravitation half ihm; wie ein Segler glitt er über den nicht sehr hohen Zaun hinweg und kugelte beim Aufprall in den weichen und nachgiebigen Sand. Sofort war er wieder hoch, raste weiter. Schatten tauchten vor ihm auf. Gebäude! Hinter ihm war die Polizei. Und die Polizei suchte ihn, suchte ihn schon sehr lange. Es war sträflicher Leichtsinn, ausgerechnet zum Mars zurückzukehren. Sicher, die Leute hinter ihm wußten jetzt noch nicht, wer sich illegal einschleichen wollte, hielten ihn für einen der vielen Tramps von den äußeren Planeten. Wenn sie einen solchen Tramp erwischten, würden sie ihn zu zehn Jahren Strafarbeit wegen unerlaubten Betretens fremden Bodens verdonnern. Bei ihm jedoch würde die Strafe anders aussehen. Auf den ersten Blick hin würden sie ihn erkennen. Außerdem
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befand sich die Schablone seiner Gehirnwellen bei jedem Steckbrief. Sie würden ihn mit hinaus in den Weltraum nehmen, ihm einen Raumanzug und für fünf Stunden Luft geben und dann aus dem Schiff stoßen. Der Tod ist niemals schön, aber gewöhnlich ist er schnell. Doch so hilflos im leeren Vakuum zu treiben, nur in einem dünnen Anzug und ohne jede Aussicht auf Rettung – nein, das war nicht ein, das waren tausend Tode! Bei jedem Atemzug würde sich mit brennenden Messern die Gewißheit in das Hirn graben, daß dies vielleicht sein letzter Atemzug sei. Wieder eine Sekunde näher – dem Erstickungstod. Die kalten Lichtpunkte der Sterne würden das Gefühl absoluter Einsamkeit noch verstärken. Das war nicht der Tod, den Caron sich wünschte! Er verschwand in einer engen, schattigen Straße, lief an hohen, finsteren Gebäuden vorbei und verfluchte sein Pech, ausgerechnet auf einem modernen Raumhafen gelandet zu sein. In jenen alten Städten hätte er bessere Aussichten gehabt, der Polizei zu entkommen. Hier aber… Der Sand zu seinen Füßen wirbelte hoch, als er plötzlich in seinem rasenden Lauf durch die leere Straße innehielt. Seine Augen weiteten sich vor Erstaunen, als er den großen, eckigen Wagen sah, der in einer Seitenstraße stand. Es war eines jener Fahrzeuge, wie man sie zu Expeditionen in die Wüste benutzte: Geschlossene Fahrkabine und Laderaum, außerdem breite Gleitketten. Der Wagen stand verlassen und einsam da, als warte er auf jemand. Caron warf einen Blick zurück und atmete auf, als er keinen Verfolger bemerken konnte. Mit einem Satz stand er am Wagen, öffnete die hintere Tür und kletterte in den finsteren Laderaum. Mit aller Gewalt zog er die Luke hinter sich zu und begann, sich mit tastenden Händen ein Versteck zu suchen. Zwischen Kisten und Kasten fand er endlich ein schmales
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Plätzchen, das seinen bescheidenen Ansprüchen genügte. Er legte sich nieder und schloß die Augen. Die Strahlpistole hatte er in der Hand. Angespannt wartete er auf das, was kommen würde. Und er hatte nicht sehr lange zu warten. Durch die dünne Außenwand des Wagens drangen harte und befehlende Stimmen. »He, Sie da! Ist dies Ihr Wagen?« »Ja!« sagte eine sanfte, ruhige Stimme. Sie mußte einem älteren Manne angehören. »Warum fragen Sie?« »Wir suchen einen flüchtigen Verbrecher, der sich hier in der Nähe befinden muß. Haben Sie ihn vielleicht gesehen?« »Nein!« »Sind Sie dessen sicher?« »Natürlich bin ich sicher! Oder bezweifeln Sie meine Worte?« Der Polizist grunzte etwas Unverständliches und hantierte an der Wagentür herum. Ein schmaler Lichtstreifen fiel in das Innere, und Caron verkroch sich noch mehr hinter die Kisten. Sein Zeigefinger lag am Feuerknopf der Waffe. »Was haben Sie darin?« »Verpflegung und Ausrüstung.« »Und keiner kam hier entlang?« »Nein!« sagte eine bisher nicht gehörte Stimme. Sie gehörte einem jüngeren Mann. »Woher wollen Sie das wissen?« »Weil ich die ganze Zeit hier war!« »Mann, das hätten Sie auch eher sagen können!« maulte der Polizist und entfernte sich mit schweren Schritten. »He, Freunde! Hier ist er nicht. Machen wir, daß wir weiterkommen!« Aus der Ferne drang das Geräusch eines startenden Motors herüber. »Warum hast du gelogen, Earl?« sagte der ältere Mann jetzt.
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»Du bist doch gar nicht in der Nähe gewesen.« »Warum sollte ich nicht? Sie hätten den ganzen Wagen durchwühlt, und du weißt, wir haben empfindliche Geräte in den Kisten. Außerdem geht es sie nichts an, was wir vorhaben, Danver. Die Eingeborenen machen uns schon genug Schwierigkeiten.« »Vielleicht hast du recht, Earl. Nur liebe ich es nicht, die Behörden irrezuführen.« »Wer tut das nicht?« knurrte Earl mißbilligend. »Du bist hier nicht auf der Erde, sondern auf dem Mars. Ich weiß schon, was ich tue.« Mit einem Knall wurde die hintere Tür wieder geschlossen und Caron mußte sich anstrengen, wenn er etwas verstehen wollte. »Fahren wir los, Danver! Es wird allmählich Zeit, auch sind wir fertig mit Verladen.« »Treibstoff aufgetankt und Proviant vorhanden! Bist du auch sicher, daß du den Weg kennst?« »Natürlich bin ich das!« »Gut denn! Ich hole eben…« Die Stimme verklang. In dem engen und dunklen Raum wurde es heiß, die Atemluft stickig. Caron wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er hatte unglaubliches Glück gehabt, daß sie ihn nicht gleich zu Anfang erwischten. Welches Ziel der Wagen hatte, und wie lange er in seinem Innern eingeschlossen war, das spielte keine Rolle. Er war vor der Polizei in Sicherheit – und vor der Todesstrafe. Er verzog den Mund zu einer Grimasse, als die Turbinen aufheulten. Und als das Holpern ihn rüttelte und schüttelte, versuchte er zu schlafen. Denn solange das Kettenfahrzeug in Bewegung war, war ein Entdecktwerden ausgeschlossen. Er erwachte, als der Wagen anhielt. Mühsam erhob er sich, verbiß den stechenden Schmerz in den Gliedern und kroch in Richtung der Wagentür zurück.
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Der Metallkolben seines Blasters schlug heftig gegen die Wandung und ein metallenes Geräusch hallte in dem engen Raum wider. Erschrocken verharrte er, horchte auf Schritte. Aber alles blieb ruhig. Als er die Tür erreichte, versuchte er, sie aufzudrücken. Aber er strengte sich vergeblich an, die Metallplatten rührten sich nicht. Suchend glitten seine Finger über die glatte Fläche, fanden keinen Widerstand. Die Tür konnte nur von außen geschlossen oder geöffnet werden! Caron saß auf den Hacken und überlegte, was er als nächstes tun sollte. Er wußte nicht, wo sich der Wagen jetzt befand. Er konnte in der Stadt stehen, mitten unter Menschen und Polizisten. Oder in einer Halle, in einer Garage. Vielleicht würde er auch verhungern, bevor man die Wagentür öffnete. Er mußte hier heraus! Vorsichtig hob er seine Strahlpistole und zielte auf eine Stelle, an der er das Schloß vermutete. Dann schloß er die Augen und drückte auf den Kopf. Der grelle Schein durchdrang selbst die geschlossenen Lider. Seine Haut wurde von der plötzlichen Hitze angesengt und in seinen Haaren knisterte es verdächtig. Aber gleichzeitig verspürte er auch den kühlen Luftzug, der durch einen Spalt in der offenen Tür zu ihm hereindrang. Die kalte Luft der Marsnacht vertrieb die Hitze im Innern des Wagens. Behutsam ließ sich Caron aus der Öffnung gleiten, berührte den Boden und zuckte zusammen. Er stand auf rotem Wüstensand. Als er sich umblickte, sah er nichts anderes als Wüste, die sich im blassen Schein der fernen Sterne bis zum Horizont hinzog. Ein scharfer Wind wirbelte den feinen Sand auf, der durch die dünne Kleidung drang, sich in die Nasenlöcher setzte und sogar die Ohren verstopfte. Tief am Horizont stand Deimos, während das Flackern eines Lagerfeuers aus der Nähe zu ihm herüberleuchtete.
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Er sank blitzschnell zu Boden. Robbend näherte er sich dem Feuer, in seiner Rechten den schußbereiten Blaster. Bald konnte er die Zelte voneinander unterscheiden. Die trockene Luft saugte die letzte Feuchtigkeit aus seiner Haut, seine Kehle schmerzte vor Durst. Hungrig war er, und durstig. Jedes Glied schmerzte in der eiskalten Nachtluft. Er benötigte Kleidung, Nahrung, Wasser und Ausweispapiere. All das konnte er in den Zelten finden, die vor ihm in der Wüste standen. Von einer nahen Zeltstange herab hing ein gefüllter Wasserbehälter. Seine Prallheit versprach mindestens drei Tage Leben, wenn man so sagen darf. Caron vergaß alle Vorsicht, als er an das Wasser dachte. Er erhob sich, schritt durch den knirschenden Sand und reckte die Hand hoch, um den Auslaßhahn zu öffnen. Er dachte nur an das Wasser. Ein Lichtkegel strahlte ihn an. Er wirbelte herum, sein Blaster kam hoch. Doch er entfiel seinen kraftlos gewordenen Fingern, als er in die Mündung der fremden Waffe starrte, die auf ihn gerichtet war. Hinter dieser Waffe sah er ein Gesicht. Es war das Antlitz einer Frau. Caron hatte genügend Zeit, das Mädchen zu bewundern. Und es lohnte sich beinahe, denn es war hübsch. Braune Haare umrahmten ebenmäßige Wangen, die vom frischen Nachtwind leicht gerötet schienen. Er versuchte ein leichtes Lächeln und bewirkte nur, daß sich die ihn bedrohende Waffe ein wenig hob. Er versuchte zu sprechen, aber nur ein heiseres Krächzen drang durch seine spröden Lippen. »Wer sind Sie?« fragte das Mädchen. »Wo kommen Sie her?« »Ich…«, schluckte Caron und fuhr mit der Hand zur Kehle. »Haben Sie Wasser?« »Trinken Sie. Aber seien Sie vorsichtig und vergessen Sie nicht, daß die Mündung meiner Waffe auf Ihren Rücken zeigt!« Ob Frau oder nicht, in ihrer Stimme klang die eisige Kälte
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harter und unerbittlicher Entschlossenheit. Caron wußte, daß sie ihn ohne Gnade töten würde, falls er eine falsche Bewegung machte. Behutsam trank er von dem köstlichen Naß und fühlte, wie seine Kehle wieder geschmeidig wurde. Er räusperte sich, als er sich umdrehte. »Danke!« sagte er. »Jetzt könnten Sie aber die Pistole allmählich fortstecken.« »Abwarten!« gab sie kühl zurück. »Wer sind Sie?« »Ein Prospektor«, log er. »Mein Wagen hatte eine Panne und ich mußte zu Fuß weiter. Hätte ich nicht zufällig den Schein Ihres Feuers bemerkt, ich würde morgen schon tot sein.« Er bückte sich kaltblütig, hob seine Strahlpistole auf und ließ sie in den Gürtelhalfter gleiten. Dann richtete er sich auf, streckte sich und lachte sie an. »Ich muß ziemlich wüst aussehen«, murmelte er verlegen – oder er tat wenigstens so. »Leider mußte ich Wasser sparen und wusch mich nicht.« »Woher kommen Sie? Wohin wollen Sie?« gab sie kurz angebunden zurück. »Von Poryipha. Ich wollte nach Port Murphy.« Er sah hoch zum Himmel und suchte die Sterne. »Scheinbar habe ich mich verirrt.« »Sie sind noch mehr als 400 km von Port Murphy entfernt«, sagte das Mädchen, und Caron zuckte unmerklich zusammen. »Sind Sie fremd hier?« fragte er leichthin. »Ja.« »Allein?« »Nein!« »Besonders gesprächig sind Sie aber nicht«, knurrte er und sah auf die Zelte. Dann begann er, auf das größte von Ihnen zuzuschreiten. »Vielleicht ist Ihr Herr Gemahl ein wenig freundlicher und weiß, wie man einen ehrlichen Reisenden behandelt, der um Gastfreundschaft bittet. Ich friere zu Tode
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hier draußen.« Langsam ging er weiter. Hinter ihm ertönte das scharfe Zischen der Strahlpistole. Er erstarrte und erinnerte sich früh genug an die Tatsache, daß sie ihn töten würde, bevor er seine eigene Waffe ziehen konnte. Er war stehengeblieben. Und noch einmal ertönte eine leichte Explosion. Vor ihm wurde das Zelt aufgeschlagen, ein Mann schaute heraus. »Was ist denn los, Sonja? Was passiert?« »Nichts, Vater. Wo ist Earl?« »Komme schon«, sagte eine andere Stimme. Aus dem kleineren Nebenzelt kroch ein jüngerer Mann. Seine Haare waren noch vom Schlaf verwirrt. In seiner Hand lag eine schwere Pistole, deren Mündung mit erstaunlicher Sicherheit auf Caron gerichtet war. »Wer ist das?« »Ich hörte ein Geräusch wie einen Schuß«, erklärte Sonja. »Und als ich nachguckte, erwischte ich diesen Fremden gerade dabei, als er unser Wasser stehlen wollte.« »So?« bemerkte Earl bissig. »Wasser stehlen? Kommen Sie rein, Freundchen, damit wir Sie näher betrachten können. Und du Sonja, sieh mal nach dem Wagen. Ich habe eine merkwürdige Ahnung.« Caron sah das Mädchen an, dann den Mann. Er sah die Zeigefinger, die am Abzug lagen. Eine Sekunde lang zögerte er, dann zuckte er mit der Schulter. Wenn er noch lange so herumstand, würde er erfrieren. Und wenn er es zum Kampf kommen ließe, würde er noch schneller sterben. Er hatte so und so keine Aussichten. Im Zelt drinnen war es überraschend warm. Ein älterer Mann sah ihm entgegen, als er gebückt durch den Eingang schritt. Das mußte Danver sein, der auf der dicken aufgeblasenen Matratze saß.
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Keiner sprach ein Wort, aber Earl machte eine winkende Bewegung mit der Waffe. Caron setzte sich auf eine Holzkiste. In diesem Moment betrat Sonja das Zelt, ihre Stimme zitterte vor Empörung. »Dieser Schuft! Er zerschmolz das Schloß der Wagentür. Wie sollen wir es nur reparieren?« »Aha!« sagte Earl und grinste Caron an. »Was also will die Polizei in Port Murphy von Ihnen? Reden Sie schon!« »Von mir?« Caron machte ein dummes Gesicht.»Stelle dich nicht so dumm, verfluchte Ratte!« schimpfte Earl wütend. »Du hast dich im Wagen versteckt und mit der Strahlpistole dann das Schloß zerschmolzen. Warum sucht dich die Polizei? Nun rede schon!« »Illegales Betreten des Mars«, gab Caron zu. »Was nun? Werden Sie mich ausliefern?« »Vielleicht«, sagte der junge Mann mit einem sadistischen Unterton. »Vielleicht aber auch nicht. Dann lassen wir dich nämlich einfach hier und du kannst zu Fuß nach Port Murphy wandern.« »Das können wir nicht tun, Earl!« protestierte der alte Mann. »Er würde es nicht überleben.« »Na und? Was wäre schon verloren? Haben wir ihn vielleicht eingeladen, mit uns zu fahren? Es ist nur seine eigene Schuld.« »Das wäre glatter Mord, Earl!« sagte das Mädchen. »Wir können es nicht tun.« »Na, was sollen wir denn sonst mit ihm anstellen? Mitnehmen?« »Nein, aber…« »Aber was?« Er wandte sich an Caron. »Nun, was schlägst du vor, du verdammte Ratte? Eine Idee?« »Was soll ich denn jetzt tun?« Der breitschultrige Caron betrachtete den jungen Earl mit einem zynischen Lächeln. »Soll ich auf die Knie niederfallen und um mein Leben betteln?« Er
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stieß ein kurzes Lachen aus und sah hinüber zu dem Mädchen. Seine Stimme wurde weicher. »Gut also, ich werde Sie überraschen. Ich bettele um mein Leben, und bitte Sie, mich bis zur nächsten Ansiedlung mitzunehmen.« »Das geht nicht, denn…«, sagte das Mädchen und verstummte, als habe es bereits zuviel gesagt. »Warum nicht? Ihr braucht mich nur in der Nähe einer Siedlung abzusetzen.« Beim Klang seiner Stimme wurde sie unsicher. Sie sah fragend auf ihren Vater und zu dem jungen Mann hin. Danver schüttelte den Kopf, während Earl nur die Stirn in Falten legte. »Du weißt, daß es nicht geht, Sonja«. sagte er dann. »Es würde einen großen Umweg und eine Verzögerung unserer Pläne bedeuten. Nein, mein Vorschlag ist der beste!« »Also Mord?« erkundigte sich Caron und fror plötzlich trotz der Wärme in dem Zelt. »Hört zu, ich habe einen besseren Vorschlag: Ihr nehmt mich mit zur nächsten Siedlung. Ich kenne den Mars besser als ihr; kann euch führen. Ich kenne sogar einige freundlich gesinnte Eingeborenenstämme, durch deren Gebiet wir ungestört ziehen dürfen. Ich werde euch führen, bringe euch zu jedem gewünschten Ort.« Er wartete auf eine Antwort, und spürte auf seiner Stirn den kalten Schweiß ausbrechen. Innerlich zitterte er, während seine Hand sich unmerklich und unendlich vorsichtig seiner Waffe näherte. »Du scheinst es ja mächtig eilig zu haben, bald eingesperrt zu werden«, sagte Earl. In seinen Augen flammte ein plötzlicher Verdacht auf, die Mündung seiner Waffe preßte sich gegen Carons Magengegend. »Bist du etwa ein Spion? War das Ganze vielleicht nur Theater? Willst du uns nur aufhalten?« »Nein, wieso ein Spion?« »Ob wir es mit ihm versuchen?« mischte sich der Alte ein. »Wenn er ein Spion ist, kann er die Polizei auf uns hetzen.
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Wenn er bei uns bleibt, besteht diese Gefahr nicht. Er kennt die Stämme. Fremder, sprechen Sie die Wahrheit?« »Ja!« sagte Caron. »Es war alles so schwer«, erzählte der alte Mann weiter und seine Stimme wurde zu einem kaum verständlichen Flüstern. »Alle waren sie gegen mich, jeder wollte mich von meinem Ziel abhalten. Und jetzt, zwei Tagesreisen davon entfernt, muß das passieren!« »Sei ruhig, Danver!« knurrte Earl kalt. »Ich werde ihm seinen verdammten Mund schon stopfen.« »Er darf nicht verhindern, daß wir das Gewölbe erreichen!« »Das Gewölbe?« Caron starrte den alten Mann an, als sei dieser ein Gespenst. »Das Gewölbe von Dretheeda?« »Sie – kennen es?« Caron lachte bitter auf. Wie ein glühendes Riesenauge hing die Sonne am wolkenlosen Marshimmel. Die Hitze wurde von dem Sand reflektiert und strahlte mit doppelter Kraft gegen die Metallplatten des Wüstenwagens. Ungehindert prallten die ultravioletten Partikelchen auf die Oberfläche des Planeten. Durst quälte die Menschen, und Wasser wurde wertvoller als Gold. Caron stand vorn auf dem Verdeck des Wagens und hielt die Hand schützend an die Augen. Unaufhörlich beobachtete er die schweigende Wüste, in die sie immer weiter vordrangen. Neben ihm stand Sonja, in Shorts und einem verschwitzten weißen Hemd. »Sehen Sie was?« erkundigte sich Earl. Er hatte sich das höflichere ›Sie‹ angewöhnt. Mit der Hand wischte er sich den Schweiß von der Stirn und versuchte, den flimmernden Glast mit zusammengekniffenen Augen zu durchdringen. »Allerdings«, entgegnete Caron und sprang mit einem elastischen Satz in den Sand hinab. »Es ist besser, Sie geben mir meine Waffe wieder. Zwischen uns und dem Gewölbe befindet
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sich ein feindlicher Stamm der Martier.« »Keine Sorge«, winkte Earl und machte keine Anstalten, Caron die Waffe zu geben. »Sie werden es kaum wagen, uns anzugreifen.« »Sie scheinen sich selbst in Sicherheit wiegen zu wollen, Earl.« Caron sah zuerst das Mädchen an, dann den jungen Mann. »Die Eingeborenen wissen genau, daß wir Wasser und Nahrungsmittel haben, außerdem wertvolle Waffen. Auch werden sie ahnen, daß wir im Begriff sind, ihr größtes Heiligtum zu schänden. Geben Sie mir die Waffe, es ist besser so.« »Was – würden sie mit uns tun?« fragte Sonja und kletterte vom Wagen. »Töten, ausrauben – wenn wir Glück haben. Wenn nicht…« Er schwieg und zuckte die Achseln. Ein Gesicht schaute aus dem Wagen, lächelte. Es war Danver. Der Alte litt schwer unter der Hitze. Rote Flecken brannten auf seinen Wangen. In seinen Augen flackerte das Fieber. »Sind wir bald da, Caron?« »Ja. Vom Dach aus kann man das Gewölbe bereits sehen. Aber zwischen ihm und uns befinden sich Eingeborene. Ich fürchte, wir müssen uns den Weg durch sie hindurch erkämpfen.« »Erkämpfen?« »Ja. Und wenn Sie einen einigermaßen guten Einfluß auf den Freund Ihrer Tochter haben, so machen Sie ihm klar, daß ich meine Waffe benötige. Ich habe so das Gefühl, als sei es sehr bald zu spät für solche Formalitäten.« »Sieht es so schlimm aus?« »Ja!« Das Lächeln auf den Zügen des alten Mannes verflog. Er sah besorgt aus. In seinen zittrigen Händen hielt er einen länglichen Kasten, den er erregt an die Brust preßte, als enthielte er einen wertvollen Schatz. »Earl!« rief er. »Komme doch mal her!«
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»Was gibt es, Danver?« »Gib Caron seine Pistole!« »Ich denke nicht daran! Er schießt uns in den Rücken und raubt uns aus. Niemals!« »Gib ihm seine Waffe zurück!« beharrte der Alte und sah Earl an. »Ich befehle es dir!« »Du bist verrückt!« »Tue, was er sagt!« mischte sich Sonja ein, die herangekommen war. »Wenn Caron meint, daß wir jede Waffe bald brauchen werden, dann glaube ich ihm das. Gib sie ihm also!«»Aber…« »Danke!« sagte Caron und ergriff mit einer blitzschnellen Bewegung die Strahlpistole, die im Gürtel Earls steckte. Leicht wog er sie in der Hand, ehe er sie in sein Halfter schob. »Danke! Ich nehme solange Ihre. Behalten Sie dafür meine. So, und nun wird es Zeit, daß wir weiterfahren. Je näher wir an das Gewölbe herankommen, desto sicherer fühle ich mich.« Schweigend kletterten sie in den Wagen zurück. Als der Abend dämmerte, erfolgte der Angriff. Die Sonne war hinter dem weiten Horizont versunken, und die Schatten der kommenden Nacht krochen über den Himmel. Die Raupenketten des Wagens stießen gegen ein Hindernis, es gab ein knirschendes Geräusch, und dann begann sich der Wagen auf der Stelle zu drehen. Earl stieß einen heftigen Fluch aus, fingerte nervös an den Kontrollen herum, ehe er in den Polstersitz zurücksank. Seine Augen sahen starr aus dem Fenster und suchten den Horizont ab. »Eine der Ketten muß gerissen sein. Wir hängen fest!« »Und wenn schon!« rief Caron. »Wir müssen sofort raus aus der Falle. Wenn wir hier drinnen bleiben und sie greifen an, sind wir so gut wie tot. Wir müssen es zu Fuß versuchen!« »Und draußen warten sie bereits auf uns«, gab Sonja zu bedenken.
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Während die drei Menschen ausstiegen, beobachtete Caron die Umgebung. Seinen scharfen Augen entging nichts. Und dann hörte er das Geräusch. Mit einer Handbewegung warnte er seine Gefährten, die sich blitzschnell neben ihn hockten, und hinter dem Felsbrocken, der am Wegesrand lag, in Deckung gingen. In ihren Händen lagen die schußbereiten Waffen. Zwei Marsianer näherten sich vorsichtig dem manövrierunfähigen Wagen. Sie mochten etwa zweieinhalb Meter groß sein, von ihren krallenartigen Füßen bis zum kahlen Schädel. Vier Beine trugen den harten Schuppenpanzer des intelligenten Insektes, zwei weitere Gliedmaßen dienten als Arme. In den Klauen hielten sie primitive Steinäxte und Speere. Das spitz zulaufende Gesicht war das einer ins Riesenhafte vergrößerten Ameise, aber die Augen und Ohren waren fast menschlich zu nennen. Während des Gehens verbreiteten ihre Schuppenpanzer ein seltsames, reibendes Geräusch. Sie strömten einen widerlich süßen Geruch aus. Die beiden Wesen gingen dicht an dem Felsen vorüber und bemerkten die Menschen nicht. Sie schritten um den Wagen herum und waren dann außer Sicht. Caron gab den anderen einen Wink, lautlos erhoben sie sich und folgten ihm. Das Licht der Sterne überwand allmählich die Dämmerung und verbreitete genügend Helligkeit. Und da erblickten die Menschen plötzlich vor sich das Ziel ihrer Fahrt: Wie ein silberner Kegel stellte vor ihnen das größte Heiligtum der Marsianer in die Höhe und reflektierte das strahlende Licht der Sterne. Unheimlich und gleichzeitig überwältigend schön war das symmetrisch gebaute Kunstwerk. Caron deutete mit dem Lauf der Waffe. »Das Gewölbe von Dretheeda«, sagte er leise. »Wir befinden uns gleich in der heiligen Zone. Eine Meile noch, und kein Martier wird es wagen, uns zu berühren. Kommen Sie, Danver.
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Sie haben später noch Zeit genug, das Bauwerk zu bewundern. Erst müssen wir diese letzte Meile zurücklegen.« Vorsichtig schritt Caron voran, die andern folgten dem schmalen Pfad, den er zwischen den Felsen fand. Um sich herum vernahmen sie das gelegentliche Rascheln eines Insektenpanzers aus hartem Chitin. Die Martier warteten auf die völlige Dunkelheit, um den Wagen zu überfallen. Sie hatten die Menschen noch nicht bemerkt. In der Luft lag der süßliche Geruch, drang in die Nasen der vier und verursachte einen furchtbaren Niesreiz. Ihre Lungen schienen mit Feuer gefüllt. Und mitten hinein in die unheimliche Stille platzte das laute Niesen Earls. Eine Sekunde lang war alles still. Dann aber brach es hinter den Felsen hervor, eine ganze Welle brauner, widerlicher Martier, eine erstickende Flut blutdürstiger Lebewesen. Caron stieß einen Warnruf aus und hob die Waffe. Noch während der erste Schuß hinausjagte, brüllte er seine Befehle: »Sonja, neben Ihren Vater! Earl, kommen Sie näher zu mir! Und dann Bewegung! Schneller! Das Gewölbe ist unsere einzige Rettung!« Die braunen Körper der Eingeborenen sackten in sich zusammen, als sie von einem Energiestrahl getroffen wurden. Äxte und Speere flogen auf die Menschen zu. Ein Meer von Flammen schien die Menschengruppe zu umgeben, tauchte die Wüste in blendendes Licht. Caron strauchelte, als eine Axt seine Schulter streifte. Blut tropfte herab, färbte sein Hemd rot. Sonja stieß einen schrillen Schrei aus, als ein Speer ihre Bluse aufschlitzte und haarscharf am Fleisch vorbeifuhr. Earl fluchte erschrocken, als ein Wurfspieß seine Hüfte streifte und eine tiefe Wunde riß. Danver stöhnte schmerzvoll auf, als ein Speer von hinten in seinen Rücken drang. Sonja stieß einen zweiten Schrei aus, warf sich neben ihren
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Vater. Caron schob sie brutal beiseite, nahm den schlaffen Körper des alten Danver in seine kräftigen Arme und begann, auf den nahen Metallkegel zuzulaufen. Die anderen folgten ihm ohne zu zögern. Während des Laufens blitzten ihre Strahlpistolen auf, schickten Tod und Verderben in die Reihen der nachdringenden Martier. Bis der Angriff plötzlich stoppte. Er legte den alten Mann behutsam auf den steinigen Boden, untersuchte ihn. Es war unmöglich, einen sterbenden Menschen 300 km durch die Wüste zu tragen. Unmöglich, diese Strecke überhaupt zu Fuß zu gehen. Selbst unmöglich für einen gesunden Menschen. Danver würde nicht allein sterben. Danver schlug die Augen noch einmal auf. »Sonja!« flüsterte er schwach. »Earl, Caron!« Er hustete, Blut netzte seine bebenden Lippen. »Das Gewölbe! Das Gewölbe von Dretheeda! Öffnet es und entschleiert die Geheimnisse. Das Schwert von Tormain ist der Schlüssel zu dem Gewölbe.« Seine Hand ließ den länglichen Kasten los, den er immer noch bis zuletzt an sich gepreßt hatte. Er gab ihn dem Mädchen. Caron seufzte, als er sah, wie der alte Mann sich ein letztes Mal streckte. Die Augen brachen. Danver war tot. Sie brauchten sehr lange, die verhältnismäßig kurze Strecke zurückzulegen. Die Sonne brannte auf sie herab, dörrte sie aus. Durst und geschwollene Lippen ließen sie fast verzweifeln. Aber immer wieder trieb sie der Wille vorwärts, nicht umsonst gelitten zu haben. Hinter ihnen lauerte die Wüste, voller Gefahren und Tod. Vor ihnen – was? Caron hatte so seine Vermutungen. Das Gewölbe von Dretheeda war bereits alt, als der Mars noch ein junger Planet war. Sichtbarer Beweis einer unsterblichen Legende. Eine fremde Rasse hatte es erbaut, ein Volk von den Sternen. Dieses Volk war alt gewesen, als der erste Martier aus dem Ei
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gekrochen kam. Selbst die Bewohner der Venus kamen zum Mars, bewunderten aus der Ferne das seltsame Gewölbe und entsannen sich ihrer eigenen mythischen Sagen, die man im amphibischen Königreich erzählte. Menschen der Erde versuchten, das Rätsel zu lösen und erinnerten sich unsicher an die alten Geschichten und Märchen, in denen von Gnomen und Elfen, von wunderbaren Schwertern die Rede war. Kein Lebender wußte, was das Gewölbe von Dretheeda enthielt. Earl hatte schon den Fuß des Metallkegels erreicht, als Caron Verdacht schöpfte. Der Mann berührte das Metall mit seiner Hand, schien nach etwas zu suchen. »Earl!« schrie Caron. »Warte auf uns! Warte!« Earl hörte nicht. Caron und das Mädchen begannen zu laufen. Sie erreichten Earl, der sich verwundert umsah, als habe er sie vergessen. Der Kasten stand offen auf dem Boden. »Hier – das muß es sein!« sagte Earl und zeigte auf einen feinen Riß in der glatten Wand des Kegels. »Ich habe es gefunden!« Caron sah gar nicht hin. Er hielt seine rechte Hand dicht über dem Kolben seiner Waffe. Dann sagte er kalt: »Sonja! Nimm du den Kasten!« Sie starrte ihn an. »Was?« »Du sollst den Kasten nehmen!« Er wartete, bis sie seiner Aufforderung nachgekommen war, dann erst wandte er sich an Earl, der keinen Finger mehr gerührt hatte. »Nicht so eilig, Earl! Wir sind zusammen hierhergekommen – und wir werden auch zusammen das Gewölbe untersuchen. Verstanden?« »Du Ratte!« Earl hatte seinen alten Ton wiedergefunden. »Wir wollen nichts mit dir zu tun haben. Sonja, gib’ mir den Kasten!«
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Der junge Mann zitterte vor Erregung, seine Hand näherte sich dem Gürtel. Caron schielte zu dem Mädchen hinüber. »Geh’ aus der Schußlinie«, sagte er leise. Caron ließ seine Rechte sinken, lächelte. Er sah zu Earl hin – und handelte blitzschnell. Noch ehe der versengende Strahl aus der Mündung fuhr, hatte er sich zu Boden geworfen. Er spürte die furchtbare Hitze an seinem Körper, rollte sich auf die Seite. Die Waffe sprang förmlich in seine Hand, er zögerte nun nicht mehr. Das wütende Zischen der Detonation vermischte sich mit einem kurzen, schrecklichen Schrei. Dort, wo Earl gestanden hatte, war nur noch ein Häufchen rauchender Asche. Das Schwert von Tormain war kein Schwert im geläufigen Sinne, hatte aber eine gewisse Ähnlichkeit damit, obwohl es nicht geschaffen war, jemals von einer menschlichen Hand geführt zu werden. Die unscharfe Schneide war oval, etwa zwei Zentimeter breit und fast einen halben Meter lang. Die Scheide bestand aus einem seltsam flimmernden Metall und war von Ornamenten bedeckt, die längst tote Hände geschaffen hatten. Der Knauf war ein großer Diamant, der Griff…? Ein Saugarm würde ihn fassen können, oder vielleicht eine Klaue. Aber keine menschliche Hand. Falls es ein Schwert war… Und Caron wußte, daß es keins sein sollte. »Es ist ein Schlüssel«, murmelte er erklärend, als er es aus dem Kasten hob, und die Sonnenstrahlen glitzerten wie tausend Diamanten, als sie sich an dem Knauf brachen. »Ein AtomSchlüssel! Die bestimmte Zusammensetzung der Legierung ist entscheidend. Ein Elektronenschloß öffnet sich nur bei dem Klang einer ganz bestimmten Stimme, oder sogar nur dann, wenn eine bestimmte Gehirnwelle es anstrahlt. Nichts als diese bestimmte atomare Zusammensetzung wird das Gewölbe öffnen.« Caron trat nahe vor die Metallwand und betrachtete sinnend
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die kaum sichtbaren Spuren haarfeiner Linien. Er senkte die flimmernde Spitze des aus der Scheide gezogenen Schwertes in den Spalt. Nichts geschah. Dann flammten Energiestrahlen über die Metallfläche des Kegels, ein Zittern ging durch den Sandboden – und vor den Menschen befand sich eine schwarze Öffnung. Das Schwert fiel hinab in den Sand, blieb zitternd stecken. Hinter der dunklen Öffnung begann es jetzt zu glühen, sie konnten glatte aber leuchtende Wände erkennen. Caron bückte sich, hob das Schwert auf, faßte Sonja an der Hand und trat über die Schwelle. »Eine Vorkammer, ähnlich wie eine Luftschleuse«, murmelte er nachdenklich. »Die innere Tür wird sich nicht eher öffnen, bis die äußere wieder geschlossen ist.« Er hob die Hand mit dem Schwert. »Wer immer auch dieses Bauwerk errichtete, er stattete es mit allen erdenklichen Sicherheiten aus. Kein Lebewesen könnte das Innere durch einen puren Zufall betreten. Nur der Besitzer eines Schwertes hat diese Möglichkeit. Viele müssen im Laufe der Jahrtausende verloren gegangen sein. Ihr Vater hatte das seltene Glück eines zu finden. Ich möchte gern wissen, wie viele noch im Sonnensystem verstreut herumliegen. Heldenschwerter, Heiligtümer, Reliquien? Ob jemals nach uns ein anderer kommen wird?« Er senkte das Schwert, schob es in den Spalt der zweiten Tür. Wieder dauerte es Sekunden, ehe die verborgene Maschine reagierte. Hinter ihnen schloß sich die Tür zur Marswüste. Nichts mehr war von einem Ausgang zu erkennen. Und vor ihnen schien die Wand gleichzeitig zu verschwinden, unsichtbar oder durchsichtig zu werden. Seltsame Farben von nie gesehener Pracht wallten über einer unendlich weit scheinenden Landschaft von unbeschreiblicher Lieblichkeit. Caron stand wie erstarrt. Ohne zu denken nahm er das
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zitternde Mädchen in seine Arme, drückte es an sich. Seine Augen weideten sich an dem Anblick des überirdischen Paradieses. Strahlen unbekannter Art drangen in seinen Körper, Gerüche ebenso unbekannten Ursprunges lagen in der lauen Luft. Er verspürte auf einmal weder Hunger noch Durst, sondern fühlte sich jung wie noch nie. Er schien ein Gott zu sein, der auf dem Olymp steht und auf die kleinliche Welt der Menschen herablacht. Sonja zitterte noch immer. Er sah sie an und wußte auf einmal, wie schön sie war. Viel schöner als alle Frauen, die er je gekannt hatte. Eine Bewegung erregte ihre Aufmerksamkeit. Es hatte keine festen Formen und keine bestimmte Gestalt, aber es sandte Gedankenimpulse aus, die von ihnen aufgenommen werden konnten. Und sie verstanden… Caron stieß aufgeregt hervor: »Das Gewölbe von Dretheeda ist eine Maschine. Das Volk von den Sternen erbaute sie für besondere Zwecke. Vielleicht als Hospital? Als Erholungsort? Scheinbar nur ein kleiner Kegel, birgt das Gewölbe eine ganze Welt in sich. Belebende Strahlen werden auch uns verwandeln. Aber was immer auch das Gewölbe ist, es schenkt dem Menschen Unsterblichkeit. Hier gibt es weder Krankheit, Hunger, Durst oder Schmerz. Es ist das Paradies!« Er lächelte und nahm Sonjas Hand. Dann schritt er mit ihr hinein in die buntschillernde Landschaft, die so unwirklich schien und es vielleicht auch war. Aber was wußte der Mensch von der Technik einer versunkenen Rasse? Hinter ihnen schloß sich auch die zweite Tür, versiegelte das Gewölbe gegen eine wirkliche, aber rauhe und lebensfeindliche Welt. Versiegelte es gegen den Tod. Aus dem Amerikanischen von Walter Ernsting
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DAS BILD DER WELT IN 50 JAHREN von Peter Omm Teil 1
Im März 1905 starb Jules Verne, ein Schriftsteller, der eine Reihe abenteuerlicher und in ihrer Phantastik geradezu sensationeller Bücher geschrieben hat. ›Die Reise um die Erde in 80 Tagen‹, ›20.000 Meilen unter dem Meer‹ und viele andere utopische Romane wurden von alt und jung verschlungen; die prophetische Vorschau auf das Verkehrsflugzeug, Unterseeboot, Fernsehen und zahlreiche andere Dinge, wurde bestaunt… Doch niemand glaubte daran. Heute, 50 Jahre nach seinem Tode, wirken Vernes Werke blaß – die Wirklichkeit übertrumpfte ›die groteske Unsinnigkeit erzählerischer Unmöglichkeiten‹.
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Es ist eine alte Regel: Was heute unfaßbar und aussichtslos scheint, wird morgen bereits von der Wirklichkeit übertroffen sein. Französische Forschungsinstitute arbeiten seit langem an der Energieumwandlung der Sonnenkraft in Wärme oder elektrischen Strom. Das ist lediglich eine Rechenaufgabe, kein Phantom. Die Sonneneinstrahlung in der Sahara entspricht in ihrer Energie pro Quadratmeter einem Kilowatt. Die Umsetzung der Sonnenwärme in einer Thermalanlage ist heute nur ein finanzielles Problem, keine Frage der praktischen Durchführbarkeit. Es wäre zum Beispiel leicht, die Sonnenstrahlen auf eine mit Silizium überzogene Platte zu leiten, die dann unmittelbar Elektrizität abgibt. Das wurde lange Zeit in allen erdenklichen Phasen erprobt. Die augenblickliche Schwierigkeit besteht darin, daß jährlich nur l Tonne reines Silizium erzeugt wird. Silizium kostet außerdem soviel wie reines Gold. Sobald die Wissenschaft ein billigeres Element mit den gleichen Eigenschaften wie Silizium gefunden hat, wird die Wüstenzone wichtiger sein als Wasserkraft und Kohle. Das mag phantastisch klingen, und Sie werden sicher darüber lächeln. Doch erinnern Sie sich: Man hat über das erste Fahrrad gespottet, man hat Opel beinahe wegen seiner ersten Nähmaschine verprügelt, die Wiener sagten einst vom Automobil: ›Wird sich eh net lang haltn!‹, Graf Zeppelin wurde in den Zeitungen als Verrückter abgetan, und was hat Bauer mit seinem Unterseeboot oder Diesel mit seinem Motor erlebt? Denken Sie einfach an all die Dinge, die in den vergangenen 50 Jahren Wirklichkeit wurden – Flugzeug, Radio, Fernsehen, Atomwaffen – und malen Sie sich aus, was noch möglich werden kann, wenn in wenigen Jahren Stoffe wie Nylon und Perlon eine gewaltige Umwälzung auf vielen Gebieten einleiten konnten. Seit dem Jahre 1930 verfolgt Hermann Sörgel, ein Münchener
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Ingenieur, sein Atlantropa-Projekt. Er will durch zwei Dämme das Mittelmeer vom Atlantischen Ozean und vom Schwarzen Meer abtrennen. Dadurch wird der Wasserspiegel des Mittelmeeres gesenkt und neues fruchtbares Land an den Küsten gewonnen. Ein anderes Projekt beabsichtigt, das einst wassergefüllte wannenartige Kongo-Becken erneut mit Wasser anzufüllen, das heißt, einen riesigen See inmitten Afrikas entstehen zu lassen und dadurch die unendlichen Steppengebiete fruchtbar zu machen. Ein Bewässerungs-System für die Sahara besteht in Plänen. Seit 1949 baut die Sowjetunion an dem Vorhaben, östlich vom Ural ein ›Sibirisches Meer‹ hervorzubringen, ein Binnenmeer von der Größe des Kaspischen Meeres. Das sind Projekte, die namhafte Fachleute heute noch für undurchführbar halten, die mindestens ebenso viele Sachkenner jedoch für realisierbar halten. Voraussetzungen sind: Einigkeit und gemeinsame Arbeit vieler Völker oder Staaten. Erfahrenen Sachkennern ist es heute bereits unverständlich, daß man an der Durchführungsmöglichkeit eines noch so riesigen und kostspieligen Planes zweifeln kann. 1926 war der Tennessee-Fluß in USA ein über 1000 km langer ›Katastrophenfluß‹. Wenn er über die Ufer trat und plötzlich 8, 10 m, ja sogar 12 m, über den normalen Pegelstand stieg, wurden Riesengebiete überschwemmt, Millionenwerte vernichtet, Tausende von Menschenleben in Gefahr gebracht. Roosevelt hat in Amerikas Krisenzeit einen Plan gebilligt, den gefährlichen Fluß zu bändigen. Was niemand für möglich gehalten hat, wurde in wenigen Jahren Wirklichkeit; eine Reihe Becken und enormer Dämme wurde gebaut (deren Wasserkraft sechs Staaten mit elektrischem Strom versorgt), wodurch Stauseen von der Größe Belgiens entstanden. Die Folge war, daß die Überschwemmungskatastrophen aufhörten, daß jährlich 12 Milliarden Kilowatt erzeugt wurden, ein neuzeitliches
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Bewässerungssystem die Farmen von Zehntausenden Bauern ständig mit Wasser versorgt, und unzählige Fabriken und Anlagen beinahe aus dem Nichts wuchsen. Weit über 100 Millionen Kubikmeter Erde, Steine, Geröll und Beton wurden für das Tennessee-Flußtal-Projekt in Bewegung gesetzt. Im Jahre des Baubeginns gab es keine Million Menschen, die an die Vollendung der Gesamtidee geglaubt haben, zu der allein 11 Staudämme gehörten, von denen jeder größer war als irgendein vorher gebauter Staudamm! 1951 fand man hoch im Norden Kanadas, in den Rocky Mountains, einem fast immer kalten und beinahe unzugänglichen Gelände, durch einen Zufall wichtige Rohstoffe. Man erwog die Errichtung des größten AluminiumSchmelzwerkes der Welt und begann mit einem Anfangskapital von 600 Millionen Dollar 1952 das Werk und eine Stadt zu bauen. Die Arbeiter wurden im ersten Jahre mit Hubschraubern an die Arbeitsstätte gebracht, weil es nicht einmal einen Weg gab, dann wurden in Gebirgszügen von Alpenausmaßen Schluchten und Wege gesprengt und Straßen angelegt. Das harte, während 8 Monaten eisige Klima wurde im Umkreis der Arbeitsstätten mit modernen Wärmeschutzverfahren erträglich gemacht, und heute besteht die neue Stadt bereits aus 900 Häusern. Im nächsten Jahre wird dort eine reguläre Stadt mit 50.000 Einwohnern stehen, mit Kinos, Krankenhaus, Schulen, Kirchen, Vergnügungszentrum und allem, was eine hochzivilisierte menschliche Siedlung lebenswert macht. Vor fünf Jahren galt der Gedanke als aberwitzig! Es ist eine Frage der Zeit und des internationalen Zusammengehens kapitalkräftiger Organisationen, daß bald ähnliche Vorhaben in Angriff genommen werden. Oder haben Sie noch
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Die Rennbahn der Zukunft – Dies soll die Sensation der Zukunft werden: eine Spezialautorennbahn für Automobile mit Düsenantrieb, die 30 Meilen nördlich Detroit, USA, mit einem Kostenaufwand von 5 Millionen Dollar errichtet werden soll. Die 5 Fahrbahnen sind mit Trennwänden zum Schutz der Fahrer gegen die glühenden Ausstoßdämpfe versehen. Beobachtungstürme werden die Fahrer funktelegrafisch leiten. Fernsehanlagen werden jeden Amerikaner diese Rennen erleben lassen. (Foto:DPA)
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nichts von Kuwait gehört, dem reichsten Erdölvorkommen des Nahen Ostens? Dort ist in den letzten fünf Jahren eine Ölraffinerieanlage aus dem Wüstenboden gewachsen, die nirgendwo ihresgleichen hat – die modernste Anlage der Welt. Und da meint jemand, die Bewässerung der Sahara wäre ein Problem? Unsere Enkel werden nicht im Paradiese leben; sie werden genau wie wir arbeiten müssen, aber weit angenehmer; sie werden keine schweren Arbeiten verrichten und sozial sichergestellt sein. Alle wirtschaftlichen Zukunftsprobleme werden längst gelöst sein. In jedem neueren Hause wird es Sauerstoff-Klimaanlagen geben und automatische Müllzerstörer Die ›Meeresnahrung‹ wird anders aussehen als heute, eigens gezüchtete vitaminreiche Meeralgen werden Leckerbissen sein. Nahrungskonzentrate in Pastenform für Notfälle oder Katastrophen – man kann höchstens mit Naturkatastrophen rechnen, kaum noch mit technischen – würden sogar über Monate hinaus ausreichende Nahrung bieten. Es wird außerdem zahlreiche hochvitaminisierte, kalorienreiche KraftnahrungsExtrakte geben, vornehmlich für Kranke. So wie in jedem landwirtschaftlichen Betrieb die Tiefkühlung ausgebaut sein wird, so darf man sich manches angenehmer, sicherer und lebenserleichternder vorstellen. Haben wir nicht heute bereits die schlauchlosen Autoreifen, bei denen Platzen und Reißen nahezu ausgeschlossen sind? Bitte vergleichen Sie Tatsachen! Was haben Sie selber in den letzten zehn Jahren miterlebt? Weltkrieg, Farbfilm, ›Eiserne Lunge‹ gegen spinale Kinderlähmung, überraschende Heilmittel, Düsenflugzeug… Kann Ihnen noch etwas unwahrscheinlich vorkommen? Die letzte Tagung der Amerikanischen Chemischen Gesellschaft in Cincinnati brachte bemerkenswerte Resultate. Allein die Erforschung der Molekularstruktur des menschlichen
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Körpers bedeutet den Beginn einer neuen Periode in der Medizin. Dr. Linus Pauling, Nobelpreisträger 1954, erklärte, daß solche Voraussagen durchaus nichts Unwahrscheinliches enthalten. Die Chemie entwickelt gegenwärtig Medikamente mit einem Molekulargefüge, das auf Grund seiner Reaktion auf die Moleküle des menschlichen Körpers die Bekämpfung schwerer Leiden zumindest wesentlich erleichtern wird. Arthritis, Kreislaufstörungen und sogar Krebs werden wahrscheinlich in absehbarer Zeit auf ganz neue Weise beeinflußbar, wenn nicht ganz zuverlässig heilbar sein. Die nächsten fünfzig Jahre werden das Zeitalter der Chemie sein – das ist so sicher wie die Verwirklichung technischer Großtaten. Es ist leicht, bedenkenlos zu prophezeien, und es wäre noch leichter, mit Hilfe der reinen, uneingeschränkten Phantasie ein Zukunftsbild zu entwerfen. Doch unsere Prognosen bauen sich auf Wirklichkeiten auf; heute schon können wir mit hundertprozentiger Gewißheit sagen, was es in zehn Jahren an Neuem geben wird. Mit 70% Genauigkeit können wir den Stand des Fortschrittes in 20 Jahren voraussagen. Vergessen wir nicht, daß in den letzten zwei Jahrzehnten allein durch Kunstfasern, Nylon und Perlon, eine gewaltige Umwälzung in der Bekleidung stattgefunden hat! Außer Strümpfen kennen wir kugelfeste Westen aus Nylon, unzerreißbare Fallschirme, Taue und sogar Gewebeeinsätze für den menschlichen Körper – alles aus Perlon! Die gesamten Heilmittel bestehen 1956 zu 76% aus synthetischen Stoffen (1925 waren es 22%); die Industrie verwendet mehr künstlichen als natürlichen Gummi. Wer zweifelt, daß die bisherige Entwicklung in diesem Ausmaße weitergehen wird? In England, in Harwell, steht seit kurzer Zeit das erste Gebäude mit 80 Räumen, das mit Atomheizenergie versehen ist. In USA sind industrielle Großanlagen zur Verwendung der Atomkräfte
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im Bau. Der Energiebedarf der Welt kann mühelos gedeckt werden; der Rohstoffbedarf gleichfalls, um so mehr, als die Erfindungen ganz neuer Ausgleichsstoffe bevorstehen. Die Zukunftssorge heißt nicht mehr Hunger oder Kälte oder Armut… sie besteht lediglich in der steigenden Langlebigkeit der Menschen, in der schnellen Zunahme der Bevölkerung und dadurch in einer Überbevölkerung der Erde, ehe die zur Zeit noch brachliegenden Landstriche, die für den Lebensraum notwendig sind, kultiviert sind. Das heißt: ehe die Sahara zum Obstgartenparadies, die Urwälder Amazoniens, die Dürreebenen Südamerikas und die versteppten Flächen Afrikas und Australiens zu den Traumländern der Menschheit umgewandelt sind. Es ist ein Wettlauf der Raumnot… nicht mit der Schnelligkeit des technisch-wissenschaftlichen Fortschritts, sondern mit der internationalen Verständigung, die für alle kommenden Großtaten menschlichen Geistes und Willens notwendig ist. Auch die Gefahren des Alltags – Überfüllung der Landstraßen, Überbeanspruchung des Schienennetzes, Notwendigkeit der Neuanlage von Flugplätzen – werden ihres gegenwärtigen Schreckens entkleidet. Das Straßennetz wird vervollkommnet, die Eisenbahnlinien werden verringert und Flugplätze als Landebahnen auf die Dächer großer gemeinsamer Verkehrsanlagen (zuunterst Eisenbahn, Mitte Autobus, oben Luftverkehr) verlegt. Schon in 20 Jahren stellen nicht mehr Verwaltungsbehörden die Führungskräfte der Nationen, sondern die Elektronenspezialisten, die wissenschaftlichen Konstrukteure und die Ingenieurchemiker. Es gibt seit Anfang 1955 die ersten Radiosender in Größe einer Zigarettenschachtel. Das winzige Gerät besitzt Transistoren
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Raumschiff zum Mars startklar. Die Zeichnung wurde anläßlich einer großen Ausstellung im Hayden Planetarium in New York den Besuchern gezeigt (Foto: Keystone)
Das ist einer der neuen Wege zum Telefonieren! Unsere Enkel werden es vielleicht Fernschausprechen nennen; sie werden das, was wir heute unter Fernsprechen verstehen, in der Brusttasche
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bei sich tragen. Das Fernsehen, farbig, plastisch, selbst riechbar, löst den Film ab, und später werden auf einer Zimmerwand unvorstellbar vielseitige Programme abrollen – unsere Nachkommen können in ihren vier Wänden das lebendigste Abbild der Welt auffangen. Die Wohnungen und Häuser unserer Kindeskinder haben automatische Heizung und Klimaanlage, genauso, wie jetzt fließendes Wasser als Selbstverständlichkeit gilt. Niemand wird einen Schalter drehen, um Licht anzuknipsen – elektronisches Licht wird unmittelbar zwischen den Schichten elektronisch aktiven Materials erzeugt, beinahe ohne jedes Zutun. Es wird vielleicht fünfzig- bis hundertfach stärkeres Licht sein… auf den Verkehrsstraßen gibt es keine Dunkelheit mehr und kein Blenden von Scheinwerfern. Die Häuser bestehen aus Plastikplatten; wasserdicht, schalldämpfend, kälteabweisend. Ein Einfamilienhaus wird in zwei Tagen erstellt, mit Kunstharzen fugendicht zusammengeleimt und bekommt Fenster, durch die von außen niemand hineinblicken kann. Die Fußböden bestehen aus Dämpfungsmaterial, das Fundament des Hauses wird aus Sand, Schutt, Erdresten und Abfällen mit Hilfe von Kunstklebestoffen zu einer harten Masse zusammengepreßt. Die Dächer bestehen weder aus Dachpappe noch aus Ziegeln – vielleicht verwendet man Metallreflektoren, die Sonnenstrahlen auffangen, bündeln und diese Kraft auf ein Heizinstrument umleiten. Denn auch das ist längst über das Stadium des Experimentierens hinaus: Derartige ›Sonnenkocher‹ kosten rund 15 Dollar – die ersten 20.000 Stück sind auf Hausdächern in Florida zu finden, wo sie die Haushalte laufend mit heißem Wasser versorgen. Der Anschaffungspreis ist außerdem die einzige Ausgabe. 1948 hat Frau Dr. Maria Telkes, Forscherin und Lehrerin an der Universität New York, mit diesen Versuchen begonnen; ihr erstes Sonnenhaus in Dover bei Boston hat inzwischen
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Weltberühmtheit erlangt. Das alles gehört zum technischen Einmaleins des Jahres 1970 – in fünfzig Jahren wird es noch weit phantastischer zugehen. Die Gehwege der Stadtstraßen sind überdacht, im Sommer kühl, im Winter angenehm warm, und es sind Rollwege. Die Ladengeschäfte sind nach den Straßen zu nicht mehr durch Schaufensterscheiben und Türen abgeschlossen. Der Staub wird automatisch und lautlos aufgesaugt. Es geht nahezu alles automatisch vor sich, denn Hilfskräfte für niedrige und einfache Arbeiten gibt es längst nicht mehr (in zehn Jahren bereits nicht mehr). Dienstboten oder Eisenbahnschaffner, Hotelboys oder Straßenkehrer, Kellner oder Briefträger, werden für unsere Nachfahren beinahe unglaubwürdige historische Figuren sein. Etwa so wie für uns der Läufer mit der roten Fahne, der vor 90 Jahren in England vor jedem Motorwagen herlaufen mußte! Die weitreichende Mechanisierung wird vieles erleichtern, zwar die Arbeit nicht aufheben, doch die Anstrengung beseitigen. Vor 15 Jahren stellte Frau Charlotte Cramer-Sachs die für einen ausgezeichneten Kuchen bestimmten ›Zutaten in der Tüte‹ her, einschließlich Ei und Milch. Man goß einen Liter Wasser daran, stellte eine Kuchenform mit Wasser und Masse in den Ofen – das war die ganze Arbeit. Die Idee wurde verlacht. Heute stellen in aller Welt 190 Fabriken diesen und ähnliche vorpräparierte Backwaren in der Tüte her. Derartige back -und kochfertige Trockensubstanzen (keine künstlichen Zutaten, denn Eipulver, Trockenmilch, Neskaffee und ähnliche Erzeugnisse sind ja naturreine Produkte!) werden immer häufiger benutzt. Trotzdem werden unsere Enkelinnen nicht chemisch kochen oder ihre Familien mit Pillen ernähren, ganz im Gegenteil. Die Genüsse werden noch verfeinert, denn die Menschen werden in 50 Jahren höchstens dreißig Stunden in der Woche arbeiten und ihre Freizeit wird viel besser, gelassener und dabei intensiver ausgefüllt und genossen werden können! Kochen und Backen in
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den selbsttätig funktionierenden, durch Knopfschaltung regulierten ›Herden und Öfen‹, ist eine Freude. Ultraschallkocher dämpfen und dünsten in Sekunden, was automatische Haushaltmaschinen vorbereitet haben. Man wird Schweinskoteletts und Schlagrahmtorten essen, so viel man mag – durch aromatische Beeinflussung beim Kochvorgang wird das Zuviel an Stärke, Eiweiß oder Zucker zerstört oder herabgemindert. In der ganzen Welt züchtet man neuartige und besonders vitaminreiche Gemüse, so wie man in Südamerika Versuche mit Fettbäumen und Makkaroni-Kürbissen macht. Die Früchte werden schmackhafter und größer – vielleicht haben Sie von den 39 Pfund schweren Riesentrauben gehört, die dank moderner Kreuzungen am Tulare-See in Kalifornien wachsen. Prof. A. N. Nesmianow, Präsident der Akademie der Wissenschaften der UdSSR in Moskau, berichtete im März 1956 von Ergebnissen im Gartenbau und in der Landwirtschaft, die aufhorchen lassen: Zuckerrüben, die 23 % mehr Zucker liefern als die beste bisher bekannte Sorte; Getreidezüchtungen mit doppeltem Ertrag; farbige und dabei dauernd lichtechte, wildwachsende Baumwolle; allen Schädlingen widerstehende Kartoffelsorten. Er sagte die Anwendung völlig neuartiger Methoden in der Schädlingsbekämpfung voraus (Chemie, Antibiotika und Atommittel!), und stellte bei Verwendung pflanzlicher Hormone bessere Früchte in Aussicht. Wenn wir auf die bisherigen Ergebnisse der Hydrokultur – Pflanzenzucht in reinem Wasser mit Hilfe von Kieselsteinen und Nährsalzlösungen – hinweisen, dann steht in fünfzig Jahren zweifellos eines fest: Ob sich die Welt an den Weizen hält oder an den Reis oder an die Kartoffel – das Ernährungsproblem wird aufhören, eine Lebensfrage zu sein. Hunger wird von der Erde verschwinden wie die mittelalterliche Pest. Die Speisen verbessert man durch Gesundheitsextrakte, und wo man heute auf den Quadratmeter 3 Pfund Tomaten oder 4 Pfund Kartoffeln
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oder 5 Pfund Bohnen erntet, werden die Erträge bis zum Fünfzehnfachen gesteigert. Allerdings sind dann die Tomatenstöcke über 4 Meter hoch, und die Johannisbeerbüsche sehen wie kleine Bäume aus! Die neuen Wege und Methoden darf man nicht mit ›chemischen Pferdekuren‹ gleichstellen! Es sind ganz natürliche Wege der Erzeugung, genauso, wie die Kirsche einst eine ungenießbare Wildfrucht und der Apfel ein haselnußgroßes, saures, holzhaltiges Etwas gewesen sind, ehe sie durch planmäßige Zucht kultiviert worden sind. Die Entwicklung von heute bis zum Jahre 2000 wird indessen zehnmal schneller vor sich gehen als die Entwicklung vom Jahre l bis 1956. Unsere Enkel werden Zeitungen und Zeitschriften haben, man wird immer noch Bücher lesen, es wird Theater in einem völlig veränderten Stil geben, mit Kulissen, die jeder Wirklichkeit an Echtheit und Schönheit gleichkommen, mit raffinierten technischen Wundertricks, um die Intensität des Eindrucks zu erhöhen. Die pompöse Massenschau – eine Verbindung von Amüsiertheater, Zirkus und zoologischer Darbietung – wird sowohl im riesigen Rundtheater zu sehen sein wie auf der Bildwand des Zimmers. Und vor allen Dingen: Der Verdienst unserer Enkel wird ausreichen für alle ihre Wünsche: das drehbare, der Sonne stets zugewendete Eigenheim mit Ausnutzung der ultravioletten Heilstrahlen, die köstlichen Genüsse aus Küche und Keller, die erlesendsten Vergnügen. Einkäufe des täglichen Bedarfs, von völlig unschädlichen Genußmitteln bis zum Anzug, sind dann eine nebensächliche Angelegenheit. Denn die entscheidenden Aufgaben für die Menschheit – die auch in fünfzig Jahren keine paradiesischen Zustände erwarten darf – bestehen in der Arbeitsleistung. Die Unabhängigkeit von natürlichen Rohstoffen, das Vorhandensein von selbständigen Robotern und der Einsatz künstlicher ›Menschen‹ mit
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Elektronengehirnen führt zu heute noch nicht darstellbaren Arbeitsweisen, die wiederum besondere Ausbildung und Schulung erfordern. Die Automation, eine Höchstform technischer Entwicklung, beeinflußt entscheidend Leben und Arbeitsmethoden. Die Welt braucht deshalb eine Generation kluger, geschickter und begabter Menschen!
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BESONDERE VORKOMMNISSE: KEINE von Paul Ernst Gleichmäßig verläuft der Dienst eines Technikers auf dem Mond. Als er dann eines der phantastischsten Abenteuer erlebt, lautet sein Monatsbericht wie immer: ›Keine besonderen Vorkommnisse.‹ Der leuchtende Ball der voll von der Sonne beschienenen Erde schwebte gleich einer schimmernden Perle zwischen den spitzen, scharfen Mondgebirgen. Vollerde Wieder war ein Monat vergangen. Clow Hartigan wandte sich langsam von der kleinen Sichtluke neben der Luftschleuse ab und ging hinüber zu dem Sender.
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»R C 3 – R C 3 – « Keine Antwort. Stacey in New York ließ sich wie gewöhnlich Zeit, den Ruf von der Mondbasis zu beantworten. Warum sollte er sich auch beeilen? Station R C 3 hatte noch niemals etwas Außergewöhnliches melden können. Auf dem Mond geschah nichts, was nicht vollkommen normal und alltäglich war. Nichts! Ohne es zu wissen, starrte Hartigan geistesabwesend auf das Titelblatt der bereits sechs Monate alten Radio Gazette, das sorgfältig auf der Holzwand über der Sendeanlage aufgeklebt war. Ein Pin-up-Girl mit unwahrscheinlich blondem Haar lächelte ihn an, ohne daß er es bemerkte. »R C 3 – R C 3!« Aha, das war Stacey! »Hier spricht Hartigan. Der Monatsbericht!« »Schieß los, Hartigan!« Es war eine bissige, hastige Stimme. Sicherlich warteten wichtigere Gespräche auf Stacey, Nachrichten von Venus, Jupiter und Mars. Was sollte da schon der monatliche Bericht vom Mond, der – wie immer – nichts Besonderes brachte. Beeile dich, Hartigan, erzähle ihnen, das immer noch alles beim alten ist. Hartigan gab sich selbst einen Ruck. »Bedingungen hier die gleichen. In der Zwischenzeit weder Schiffslandungen noch Reparaturanforderungen. Der Hangar ist in Ordnung, keine undichten Stellen. Alles in allem: keine besonderen Vorkommnisse!« »Okay!« gab Stacey lahm zurück. »Vorräte?« »Schick mir ’ne Blondine hoch!« verlangte Hartigan. »Mach keine Witze! Wird etwas benötigt?« »Danke! Was macht New York, Kollege?« Die nüchterne Stimme von Stacey war wie eine kalte Dusche: »Keine Zeit für private Auskünfte, mein Lieber. Schwer
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beschäftigt. Das nächste Mal! Wenn du was brauchst, rufe mich. Ende!« Der Summton war schwach und erlosch. Hartigan stieß einen kräftigen Fluch aus und trat den Stuhl mit dem Fuß beiseite. Er war ein breitgebauter Mann mit rotem Haar und verbitterten, harten, blauen Augen. Er war einer jener Typen, die von der Raumgesellschaft gerne auf so verlassene Außenposten, wie der Mond ohne Zweifel einer ist, geschickt wurden. Es gab mehr als ein halbes Dutzend solcher Außenposten, Notlandehäfen für in Schwierigkeiten geratene Raumschiffe; aber die beiden unbeliebtesten waren die vollkommen isolierten Kuppeln auf Merkur, und dieser verfluchte Hangar auf dem Mond. Und ausgerechnet dahin schickte die Gesellschaft ihre erfahrensten Leute; starke junge Männer (Und auch solche, die das Pech hatten, einen einflußreichen Onkel im Direktorium sitzen zu haben, der für seinen Neffen die ungefährlichsten Jobs heraussuchte). Doch die Gesellschaft ließ diese Männer nie sehr lange auf ihren einsamen Posten. Denn zu oft hatte es Selbstmorde gegeben, oder ein Mann war wahnsinnig geworden und hatte die ganze Einrichtung demoliert. Hartigan ging langsam wieder zu der kleinen Luke, und während er durch die Kabine schritt, sprach er mit sich selbst, wie es die Angewohnheit vieler Menschen ist, die lange allein sein müssen. »Hätte ich mir doch bloß damals einen Hund mitgebracht, oder auch eine Katze! Ich wünschte, jetzt würde ich von unbekannten Wesen oder meinetwegen auch von Piraten angegriffen – ganz egal, was geschieht – wenn bloß mal was passiert!« Trübsinnig stand er vor der Luke und betrachtete die kontrastreiche Mondlandschaft, die an eine scharfe Schwarzweißfotografie erinnerte. Nichts bewegte sich. Seine
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Augen wanderten höher, suchten den tiefschwarzen Himmel ab – und er stutzte. Da war ein heller Lichtpunkt, wo eigentlich keiner sein durfte. Er eilte zu dem nahen Teleskop und suchte den wandernden Punkt. Und dann atmete er enttäuscht und doch erleichtert auf: Der Lichtpunkt war ein Passagierschiff, das in geringer Höhe den Mond überflog. Ganz gewiß befand es sich nicht auf dem normalen Kurs. Vielleicht hatte es Maschinenschaden und kam nach RC3, um Ersatzteile zu holen. »Ich wünsche keinem Menschen was Schlechtes«, murmelte Hartigan nervös und voller Hoffnung, »aber gebe Gott, daß ihnen eine Düse ausgebrannt ist!« Doch seine Hoffnung wurde zerschlagen. Das große Raumschiff strich in einer Höhe von vielleicht 100 km langsam über die Plastikkuppel der Station hinweg und verschwand allmählich am Horizont. Hartigan fluchte erneut. Sicher so ein Vergnügungsraumer, der im System herumgondelte. Man hatte – der Abwechslung halber – auch dem Mond einen Besuch abgestattet, aber eine Landung nicht der Mühe für wert befunden. Wozu auch? Was gab es hier denn schon zu sehen? »In diesem gottverlassenen Krater passiert aber auch rein gar nichts!« schimpfte Hartigan und nahm den Raumanzug vom Haken. Der schmiegsame Metallstoff war nicht schwer, aber er isolierte großartig. Mit geübter Fertigkeit stieg Hartigan in die plumpe Form des Anzuges und klappte den durchsichtigen Helm zu. Die Sauerstoffzufuhr regelte sich von selbst. Sonst war ja wohl nichts zu tun? Nein, der automatische Sender würde ihn schon alarmieren, sollte etwas Besonderes geschehen, was kaum zu erwarten war. Er war durch Helmradio mit der Sendestation verbunden. Schnell gelangte er durch die kleine Nebenschleuse hinaus auf die Oberfläche des Mondes. Mit gewaltigen Sprüngen bewegte
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er sich fort, eilte auf einen einsam stehenden Felsgrat zu, auf dem er oft zu sitzen pflegte, um alle Direktoren der Raumgesellschaft heimlich mit den unflätigsten Namen zu belegen. Das beruhigte ihn ungemein. Zwischen dem Hangar und diesem Felsgrat befand sich eine Stelle, an der die staubfeine Lavaasche einen regelrechten See bildete. Hartigan kannte diese Stelle ganz genau, denn sie war lebensgefährlich. Er wußte nicht, wie tief dieser Staubsee eigentlich war, aber er wußte, daß man in ihm versinken konnte, ohne jemals wieder herauszukommen. Gewöhnlich umging er diesen gefährlichen Mondsand schnell, aber gerade heute verharrte er, um einen Blick zurück zur Station zu werfen, die gleich einer riesigen Halbkugel zwischen den Kratern des Mondes lauerte. Wie ein phosphoreszierendes Schild rundete sich die Kuppel hinein in den schwarzen Himmel. Deutlich hob sich die Luftschleuse ab, die so groß war, daß ein normales Passagier-Raumschiff durch sie hindurch in den Hangar gelangen konnte. Doch vor der Station war die gezackte und scharfumrissene Oberfläche des Mondes. Grell leuchteten die Ebenen, tiefschwarz hoben sich die Krateröffnungen und die feinen, unregelmäßigen Spalten ab. Eine hoffnungslose Wüste! Hartigan begann sich wieder in Bewegung zu setzen. Die feine Asche des ›Sees‹ neben ihm schien plötzlich zu explodieren, völlig lautlos, aber mit unheimlicher Gewalt. Mehr als 30 m hoch wurde eine Fontäne geschleudert, hing für Sekunden reglos und begann dann wieder abzusinken. Ein Meteor! Der Splitter mußte eine ganz nette Größe gehabt haben, sonst wäre er nicht fähig gewesen, eine solche Staubfontäne aufzuwirbeln. »Bißchen nahe«, murmelte Hartigan erschrocken. »Noch ein wenig näher, und sie hätten einen neuen Mann nach RC3
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schicken müssen.« Doch so schlimm war es nicht. Ein Meteor hier auf dem Mond war das gleiche wie der Blitz auf der Erde. Entweder sie trafen, oder sie trafen nicht. Und wenn sie trafen, dann merkte man es sowieso nicht mehr. Hartigan stolperte fast über den Gegenstand, der sanft – zusammen mit der Staubwolke – vor ihm niedergefallen war. Als er seine Augen auf diesen Gegenstand richtete, glaubte er, jemand habe ihm einen Streich gespielt. Glatt und vollkommen rund lag vor seinen Füßen eine fast kopfgroße Kugel. »Der Meteor«, knurrte er mißbilligend. »Er muß also bis auf den ›Grund‹ der Lavaasche gekommen und zurückgeprallt sein. Ist also nicht sehr tief, der Staubsee. Aber immerhin scheint es seltsam…« Seine Stimme verstummte und er bückte sich. Mit seiner rechten ›Hand‹, die nur aus Greiferzangen bestand, versuchte er, den runden Ball zu packen, was ihm mit einiger Mühe gelang. In Meteoren fand man oft wertvolle Metalle. Platin und Iridium. So ein Ding konnte gut seine 100 Dollar wert sein, wenn man Glück hatte. Und warum sollte man nicht den Reichtum aufheben, wenn er einem vor die Füße fiel? In vorsichtigen Sprüngen machte er sich auf den Rückweg. In seinem ganzen Leben hatte er noch nie einen solch merkwürdigen Meteor gesehen. Schon allein die äußere Form! Der Brocken war eine symmetrisch geformte Kugel. Dabei sollte ein Meteor wenigstens gezackt sein. »Sieht aus wie so eine altmodische Kanonenkugel«, sann Hartigan vor sich hin, während er das Ding betrachtete. Er hatte es auf der Werkbank liegen. »Oder wie ein Ei…« Seine Augenbrauen vollführten einen aufgeregten Tanz, blieben schließlich ziemlich hoch über der Nase stehen. Das war eine Idee! »Ein Ei! Das wäre aber ein Ei! Wiegt mindestens 100 Pfund
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dort oben auf der Erde. Und verdammt hart! Kein einziger Kratzer, obwohl es doch hart aufgeprallt ist. Verflucht, ich mochte es nicht zum Frühstück serviert bekommen.« Als nächstes erregte seine Aufmerksamkeit die merkwürdige Farbe des runden Objektes. Oder besser: die Art, in der es ständig die Farbe wechselte. Als er es fand, war es schwarzverbrannt gewesen, dann dunkelgrün. Und jetzt verfärbte es sich immer heller, je kühler es wurde. Die automatische Uhr gab einen Summton von sich. Aha, es wurde Zeit, die tägliche Inspektion auszuführen! Mit einem bedauernden Blick auf den hellgrünen Meteor, der allmählich durchsichtig zu werden schien, zog Hartigan seinen Druckanzug aus und schritt hinüber zu der großen Luftschleuse. Mit einem Griff schaltete er die Stromzufuhr ein, die drahtlos von der Erde gesendet wurde. Auf dem Mond gab es keine Energiequelle. Mit leisem Summen speicherten sich die ungeheueren Kräfte, die notwendig waren, die schweren Metallplatten zu bewegen. Krach…! Der Knall ertönte scharf und kurz, hallte von den Wänden des geräumigen Hangars wider und verklang schließlich in der äußersten Ecke. Hartigan wurde weiß im Gesicht, entsann sich des Meteors auf seiner Werkbank und eilte in Richtung des Knalls. Und dieser Knall war offensichtlich von der Werkbank gekommen. Ob ein größerer Meteor aufgeschlagen war? Aber die Plastikkuppel war praktisch unzerstörbar. Auch größere Brocken konnten ihr nicht viel anhaben. Aber schon der kleinste Spalt bedeutete sofortigen Tod, denn die Luft würde entwichen sein, ehe er seinen Raumanzug anziehen konnte. Aber seine suchenden Augen entdeckten keinen Riß, und seine ängstlich
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lauschenden Ohren hörten nicht das Zischen der in das Vakuum entweichenden Atmosphäre. Dann starrte er mit weit aufgerissenen Augen auf die Werkbank und stieß einen erschreckten Laut aus. Dort, wo der Meteor gelegen hatte, lag nichts mehr. Die Werkbank war leer. »Er muß heruntergerollt sein«, murmelte er zwischen zusammengepreßten Lippen hervor. »Aber wenn er heruntergerollt ist, warum sehe ich ihn nicht?« Er erstarrte plötzlich in seinen Bewegungen, blieb reglos stehen. War da hinter ihm nicht ein Geräusch gewesen? Ein leises, kaum zu hörendes Geräusch? Wer aber sollte außer ihm ein solches verursachen? Er wirbelte herum – und sah nichts, außer, was schon immer da gewesen war: Der glatte Metallfußboden, die Wand und die grellen Lampen. Die ›Nativ-Rakete‹ wird zum Startturm gefahren. Die ›Nativ‹ ist eine Flüssigkeitsrakete von 4,42 m Höhe und einem Startgewicht von 567 kg. Sie erreicht Höhen von 16 km und dient besonders aerodynamischen Untersuchungen. Mit freundlicher Genehmigung des Franz Schneider Verlages, München
Langsam wandte er sich wieder um und begann, die Oberfläche der Werkbank mit den Händen abzutasten, als könne er seinen eigenen Augen nicht mehr glauben. Und der Schrei, den er diesmal ausstieß, unterschied sich wesentlich von dem
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vorherigen. Es war ein schriller Schrei des Schreckens und der Ungläubigkeit. Seine Finger hatten etwas Hartes und Rundes berührt. Den Meteor! Aber der Meteor war in zwei gleiche Hälften zerbrochen – und er war jetzt unsichtbar! »Das ist – «, sagte Hartigan und fühlte den kalten Schweiß auf seiner Stirn stehen – »das ist das Verrückteste, was sich je in meinem Leben ereignete!« Er nahm eine der unsichtbaren Hälften und hielt sie dicht vor seine Augen. Obwohl der Gegenstand fest und sicher in seiner Hand lag, konnte er mit den Augen nicht das geringste wahrnehmen. Er sah durch ihn hindurch und erkannte die darunterliegende Wand. Langsam kroch kalte Furcht in ihm hoch, als er schließlich noch feststellte, daß das Innere der beiden Kugelhälften hohl war. So schwer der Meteor gewesen war, jetzt bestand er nur noch aus einer leeren Hülle, deren Stärke kaum fünf Zentimeter betrug. Was aber in dieser Hülle gesteckt hatte… »Es muß etwas darin gewesen sein… und es ist herausgekrochen!« Aber das war ja lächerlich! »Blödsinn! Das Ding ist ein ganz gewöhnlicher hohler Metallbrocken.« Hartigan redete laut, um sich besser überzeugen zu können. »Als er sich abkühlte, sprang er auseinander. Klarer Fall von Kontraktion bei Abkühlung. Nur eines bleibt seltsam: Er wurde unsichtbar!« Instinktiv ergriff er mit der zweiten Hand die andere Hälfte des Meteors. In jeder Hand eine der vollkommen unsichtbaren Schalen tragend, machte er sich auf den Weg zum Vorratsraum, um die merkwürdigen Dinger zu verschließen. Sein Verstand sagte ihm, daß sie womöglich einen unschätzbaren Wert besaßen. Wenn er zur Erde zurückkam und hatte einen Stoff, der unsichtbar machte, so würde er unter Umständen einer der
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reichsten Männer des Universums werden können. Er bot dem unbefangenen Auge eines eventuellen Zuschauers ein fast lächerlich seltsames Bild, wie er so daherging, beide Hände vorgestreckt, als trügen sie etwas – und in Wirklichkeit schien gar nichts vorhanden. Am Oberarm waren die Muskeln angeschwollen, er trug also eine Last. Aber zu sehen war wirklich nichts. »Was zum Teu….« Mit einem hohlen Klang fielen die beiden Meteorstücke hart auf den metallenen Boden. Hartigan hatte sie einfach fallen lassen. Diesmal war er sicher, sich nicht getäuscht zu haben: Er hatte unzweifelhaft ein Geräusch gehört. Er war aus der Richtung der großen Türen gekommen und hatte wie schleichende Schritte geklungen. Trotz der erneut aufkommenden Angst eilte er zu den Türen und blieb lauschend stehen. Es war vollkommen still. Nichts konnten seine angestrengten Sinne vernehmen. Doch dann, Sekunden später, war es wieder da. Diesmal genau aus der Richtung, aus der er soeben gekommen war. Aber keine Schritte, sondern etwas anderes hörte er. Es klang fast wie ein Knirschen und Schleifen, so als würden Felsbrocken in einer Zerkleinerungsmaschine verarbeitet. Und dann ein richtiges Schmatzen und Schlucken. Mit wenigen Sätzen raste er wieder zu der Stelle zurück, an der er die Meteorhälften fallen gelassen hatte. Seine Augen hasteten hin und her, suchten einen Gegenstand, der nicht in die Halle gehörte. Aber er sah nichts anderes als glatte Metallwände, kalte Beleuchtungskörper, Ventilationsöffnungen, Instrumententafeln und farbige Hebel. Er erreichte die Stelle und bückte sich. Die beiden Hälften waren spurlos verschwunden. Sie waren nicht nur unsichtbar, sondern im wahrsten Sinne des Wortes verschwunden. Auf Händen und Knien kroch er auf dem Boden herum, aber seine
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tastenden Hände fanden keinen Widerstand. Mitte in seinen Bewegungen verharrte er und seine Lippen murmelten leise Worte. »Entweder bin ich etwas völlig Neuem begegnet, etwas, das die Welt noch nie gesehen hat, oder ich werde verrückt. Ganz genauso verrückt wie Stuyvesant angeblich geworden ist.« Seine Stirn hatte sich mit dicken Tropfen bedeckt, die langsam seine Wangen herabliefen. Die Gefahr, in dieser unvorstellbaren Einsamkeit verrückt zu werden, war mehr als nur eine vage Möglichkeit. Mehr als nur einmal war man an die Raumgesellschaft mit der Bitte herangetreten, auf diese abseits gelegenen Posten zwei Männer statt nur einen zu senden, aber die Gesellschaft hatte achselzuckend abgelehnt. Warum sollten sie zwei Mann bezahlen, wenn einer die Arbeit auch verrichten konnte. Die Stille in der weiten Halle war vollkommen. Um seine gräßliche Furcht zu betäuben, erhob sich Hartigan und eilte zu der großen Tür, um in seiner täglichen Routinearbeit Vergessen zu finden. Er mußte diesen Blödsinn vergessen! Immer noch summte die gestrahlte Energie im Empfänger. Mit einem Hebeldruck löste er sie aus. Die innere Riesenluke begann sich zu öffnen und wenige Sekunden später befand sich Hartigan in der gewaltigen Luftschleuse. Nun galt es noch, die Außenluke zu überprüfen. Er schloß die Innentür und begab sich in die kleine Zelle innerhalb der Schleuse, die man deshalb angebracht hatte, um dem Operateur das Anlegen eines Raumanzuges bei jeder Überprüfung zu ersparen. Es war kalt, obwohl die Heizapparate angestellt waren. Die Mondoberfläche war nur einige Zoll entfernt. Entschlossen schob er den Hebel vor, der die Energie freigab. Die gigantische Außenluke schwang auf, zischend strömte die Luft in das Vakuum. Sie würde erneuert werden und für einen
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weiteren Tag reichen. Natürlich, der Mechanismus arbeitete reibungslos, alles war in Ordnung. Warum sollte es auch nicht in Ordnung sein? Doch Befehl war Befehl, und er war dazu da, um täglich das Funktionieren der Luftschleusen zu kontrollieren. Hartigan zog den Hebel wieder zurück. Gehorsam begann die Außenluke sich zu schließen. Jetzt dreiviertel, jetzt bereits halb, dann nur ein kurzes Stück… Luft strömte ein, noch bevor sich die Tür schloß. Und in dieser Sekunde fühlte Hartigan mehr als er es hörte den schrillen, gräßlichen Schrei. Es war ein Schrei, fast an der oberen Grenze der Hörbarkeit, der auch dem kaltblütigsten Mann einen Schauder des Grauens den Rücken herabgejagt hätte. Dann hatte sich die Außenluke geschlossen. Was immer auch den Schrei ausgestoßen hatte, es war nicht groß und kräftig genug gewesen, dem Druck der sich schließenden Tür zu widerstehen. »Heiliger Jupiter!« stöhnte Hartigan, als er die kleine Kontrollkabine verlassen konnte und wieder in der Schleuse stand. »Heiliger Jupiter!« Er setzte sich einfach auf den glatten, kalten Boden und begann, über seine bisherigen Erlebnisse nachzudenken. Er hoffte, vielleicht auf diese Art und Weise einen Hinweis zu finden. Da fällt ein runder, glatter Meteor vom Himmel, sieht aus wie ein Ei, ist jedoch offensichtlich Metall und Erz. Während er abkühlt, färbt er sich heller und heller, bis er schließlich vollkommen unsichtbar wird. Mit einem lauten Knall platzt das Ding in zwei Hälften und gleichzeitig höre ich schleichende Tritte. Ich lasse die beiden Hälften des Meteors fallen und eile einige Schritte weg. Dann höre ich ein Geräusch, als sei jemand damit beschäftigt, die beiden leeren Halbkugeln zu fressen. Ich komme zurück und finde nichts mehr vor, alles ist verschwunden. Dann mache ich den Routinetest und öffne
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die Türen. Als sich die Außentür schließt, höre ich ein Geräusch, als sei ein Stein zwischen die Mühlräder geraten, dann ein furchtbarer, schriller Schrei. Wie ein Tier in Todesnot! Ja, genauso! Verdammt, alles führt nur zu dem einen unmöglichen Schluß, daß der Meteor gar kein Meteor war, sondern eine – eine Hülle, in der sich etwas befand, was ins Freie gelangen wollte – und auch gelangte. Nein! Unmöglich! Nein! Es gab keine Lebensform, die den Aufprall auf die Mondoberfläche überstanden hätte! Selbst die weiche Lavaasche konnte diesen Aufprall nicht genügend! dämpfen. Keine Lebensform hätte die wahnsinnige Hitze ertragen, die beim Zusammenstoß erfolgte. Keine Art irgendwelchen organischen Lebens konnte bloßes Meteorerz verspeisen. Es war einfach unmöglich… … oder sollte es doch möglich sein? Nachdenklich kaute er an den Knöcheln seiner Hand und dachte plötzlich an Stuyvesant. Stuyvesant hatte ein halbes Jahr lang den Nothafen auf Merkur zu verwalten. Mein Gott, Merkur! Der Planet war die Hölle! Nur durch ein Wunderwerk aus Isolationsstoffen und Kühlungssystemen hatte man den Hangar dort einigermaßen erträglich machen können. Doch selbst der beste Raumanzug hätte nicht verhütet, daß jeder Mensch, der die Oberfläche des Planeten für mehr als fünf Minuten betrat, bei lebendigem Leibe gebraten wurde. Man fand dort keine andere Beschäftigung, als sechs Monate lang innerhalb der gekühlten Glocke zu leben und auf die Ablösung zu warten. Das war es, was Stuyvesant getan hatte. Und allmählich empfingen die Erdstationen seltsame Nachrichten vom Merkur. Stuyvesant funkte, er habe dicht vor dem Hangar – in der Nähe des Landefeldes – ein sich bewegendes Objekt gesehen. So etwas Ähnliches wie einen Felsen.
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Kriechende Felsen! Als der dritte Bericht dieser Art einging, hatte die Gesellschaft ihn ablösen und von einer Ärztekommission untersuchen lassen. Der arme Kerl entging der Einlieferung in eine Irrenanstalt um eine Haaresbreite. Die Gesellschaft warf ihn natürlich hinaus. Ein schwaches Glied in ihrer Mannschaft war genauso gefährlich wie ein schwaches Glied in einer Kette. ›Sobald ein Mann beginnt, kriechende Felsen zu sehen, wird es allerhöchste Zeit, daß man ihn feuert!‹ lautete die inoffizielle Version der Gesellschaft. Die Ärztekommission hatte das gleiche gesagt, nur in wesentlich kultivierterer Form: »Kein Leben, so wie wir es kennen, kann auf der Oberfläche des Merkur ohne Schutzvorrichtung existieren. Daher sind wir zu der Diagnose gelangt, daß Benjamin Stuyvesant Halluzinationen zum Opfer gefallen ist.« Hartigan blickte ein wenig scheu und unsicher zu der Werkbank hinüber, auf der dieser verfluchte Meteor gelegen hatte. In seinem Schädel brummte es: »Kein Leben, so wie wir es kennen…« Das war der springende Punkt! Schließlich lagen die Anfänge der Raumfahrt noch keine 70 Jahre zurück. Wer sollte wissen, wieviel unbekannte und ungelöste Rätsel der Weltraum noch barg. Hartigan dachte an die ›Verbotenen Asteroiden‹, die selbst bei äußerster Gefahr nicht angeflogen werden durften. Aus dem einfachen Grunde, weil dort bereits Schiffe, die ahnungslos landeten, spurlos verschwunden waren. Immer und immer wieder. Kein Mensch wußte, was dort geschehen war. Und so gab es keine andere Möglichkeit, als diese Asteroiden, es waren mehr als zwei Dutzend, einfach für ›tabu‹ zu erklären. Kein Leben, so wie wir es kennen! Nur mal angenommen – sinnierte Hartigan weiter – , auf jenen Asteroiden existierten große, wilde und unsichtbare Lebewesen.
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Vielleicht krochen sie aus Eiern. Und vielleicht verbreiteten sie sich, indem sie ihre Eier mit noch unbekannten Mitteln durch den Raum jagten, hin zu anderen Himmelskörpern. Irgendein Tier, das sein Leben damit begann, das eigene Ei zu fressen – und somit seine Ernährung auf mineralischer Grundlage begann. Irgend etwas, das in jeder Temperatur und in jeder Art von Atmosphäre – und auch ohne – leben und atmen konnte. »Nein, ich werde verrückt!« sagte Hartigan laut. In wilder Panik stürzte er sich auf die Bücher und Magazine, die haufenweise im Schrank herumlagen und versuchte, sein seltsames Erlebnis zu vergessen. Aus Minuten wurden Stunden, diese zu Tagen und Wochen und schließlich war wieder ein Monat vergangen. Die Erde, die immer an der gleichen Stelle des schwarzen Himmels hing, wurde voll, dann nahm sie wieder regelmäßig ab. Mit sturer Gleichmäßigkeit verrichtete Hartigan seine ›tägliche‹ Routinearbeit, überprüfte die Schleusen, die Energieempfänger und den Hangar. Um sechs Uhr New Yorker Zeit stand er auf wusch sich mit wenigen Tropfen wertvollen Wassers. Dann frühstückte er. Danach las er ein wenig. Kurzer Spaziergang. Dann wurde wieder gelesen. Routinegang durch den Hangar. Dann erneutes Lesen. »Das ist doch kein Leben für einen normalen Menschen!« sagte er einmal ganz laut vor sich hin. Und doch mußten Menschen so leben, nachdem sie den ersten Schritt zu den Sternen gewagt hatten. Fast schon hatte er jenen seltsamen Meteor vergessen, der in den See aus Asche gefallen war, als er mit grausamer Härte wieder an ihn erinnert wurde. Er hatte den Raumanzug angezogen und wanderte über die Mondoberfläche, diesmal in einer ganz anderen Richtung wie gewöhnlich. Und so fand er den Krater.
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Krater gibt es auf dem Mond unzählige, der ganze Satellit bestand eigentlich aus solchen Kratern. Aber sie sind normalerweise an der Innenseite glatt abfallend und der Boden ist flach und eben. Dieser Krater jedoch sah aus, als habe ihn jemand gegraben. Hartigan war der unumstößlichen Meinung, er kenne jeden Krater in einer Entfernung von mindestens einer Meile um den Hangar herum. Aber er konnte sich nicht entsinnen, dieses Loch schon gesehen zu haben. Er stand dicht davor und schaute hinein. Auf dem Grund gewahrte er einige lose Felsbrocken, die den Eindruck erweckten, als seien sie frisch herausgebrochen worden. Doch das war nicht besonders verwunderlich, denn schon ein einziger Fußtritt konnte hier derartige Schwingungen hervorrufen, daß ganze Krater einstürzten. Kleinere natürlich nur. Trotzdem fühlte Hartigan, wie sich seine Nackenhaare zu sträuben begannen, wie ein unbekanntes, unheimliches Gefühl von ihm Besitz ergriff. Und dann starrte er mit ungläubigentsetzt aufgerissenen Augen in das Loch… Ein Felsen auf dem Grunde des Kraters bewegte sich! Nicht etwa, daß er kroch. Nein, es war so, als schöbe ihn eine unsichtbare Kraft voran. Und noch während Hartigan verzweifelt nach Atem rang, schwebte der Felsbrocken in die Höhe, blieb etwa zweieinhalb Meter über dem Grund hängen. Dann tanzte er auf und ab. Und – Hartigan stieß einen erschreckten Schrei aus – plötzlich verschwand eine Ecke des Felsen. War einfach nicht mehr da! Ein zweiter Brocken folgte, als sei er abgebrochen und unsichtbar geworden. ›Teufel!‹ Hartigan zweifelte nicht mehr länger. Ein lebendes Etwas war vor einem Monat aus dem Meteor-Ei gekrochen und trieb sich nun auf der Mondoberfläche herum. Und nun fraß es Felsen! Und dieser Felsbrocken, an dem es gerade nagte, schwebte mehr als zwei Meter über dem Boden. Wie groß war das Wesen innerhalb von acht Wochen geworden?
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Hartigan dachte an die ›Verbotenen Asteroiden‹. In dieser Sekunde fiel der bereits halb verschwundene Felsbrocken plötzlich zu Boden, blieb dort liegen. Es war so, als habe das unsichtbare Wesen Hartigan erblickt. Und eine Sekunde später spritzten Steine und Geröll explosionsartig zur Seite, als mache sich dieses Wesen daran, den Abhang zu erklimmen. Hartigan zögerte nicht. Er stieß einen Schrei des Entsetzens aus und raste auf den nahen Hangar zu. Mit phantastischen Sprüngen von mehr als zwanzig Metern setzte Hartigan über die zerklüftete Oberfläche. Aber so sehr er sich auch beeilte, er fühlte instinktiv, daß das Wesen hinter ihm schneller war. Obwohl er es weder sehen noch hören konnte, wußte er, daß es näher und näher kam. Der Mensch in dem runden, prallen Raumanzug bot einen merkwürdigen Anblick, wie er scheinbar vor nichts davonrannte, in grotesken Sprüngen über Kraterhindernisse hinwegfliegend. Und über der etwas schaurigen Szene stand schimmernd und nicht mehr ganz voll der grünblaue Ball der Erde. Hartigan fühlte den Verfolger und auch, daß er niemals vor ihm den schützenden Hangar erreichen konnte. Seine Augen suchten die Oberfläche ab, versuchten eine Rettungsmöglichkeit zu finden. Ein Stück vor sich wußte Hartigan eine Spalte von fast 30 m Breite und – soweit er glaubte – grundlos. Wenn er seine starken Muskeln anstrengte, konnte ihm der gewagte Sprung glücken. Dann kam es nur darauf an, ob das Wesen hinter ihm die gleiche Kraft aufbieten konnte, oder ob es den längeren Umweg machen mußte. Während des Sprunges sah er sich um. An der anderen Seite der Spalte gewahrte er aufwirbelnden Staub! Dann landete er glücklich auf der rettenden Seite, raste weiter, ohne sich
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umzudrehen. Die Luftschleuse war dicht vor ihm, als er doch noch einmal zurückblickte. Er sah, wie am diesseitigen Rand der Schlucht Staub aufwirbelte. Das Ding mußte den Sprung gewagt haben. Mit einem Satz war er in der Schleuse, schloß die Luke hinter sich. Noch während die Luft zischend einströmte, ertönte an der Metallaußenwand ein lautes Dröhnen. Hartigan versuchte ein höhnisches Grinsen, aber es wurde nur eine schauerliche Grimasse. Doch das konnte ja keiner sehen; selbst er nicht. Schnell öffnete er die Innenluke und schritt in den weiten Hangar. Mochte das Ding da draußen machen, was es wollte, hier war er sicher. Wenigstens nahm er das an. Er überlegte trotzdem. Zweieinhalb Meter hoch mindestens ist dieses Geistertier, es besteht nicht aus Fleisch und scheint unzerstörbar. Wenn es so weiterwächst wie bisher, ist es im Laufe von sechs Monaten so groß wie ein Raumschiff. Falls man es nicht vorher vernichtet. Man würde R C 3 aufgeben müssen. »Ich werde Stacey um einen Zerstörer bitten!« Er näherte sich dem Sender. Endlich war sein Wunsch in Erfüllung gegangen: Es war etwas geschehen! Endlich mal konnte er melden: besondere Vorkommnisse! Und diese besonderen Vorkommnisse würden beweisen, daß Stuyvesant ein gesunder Mensch war, viel gesünder jedenfalls, als jene ziegenbärtigen Ärzte der Kommission. Allerdings war es nun aus mit den Spaziergängen auf dem Mond, bis der Zerstörer eintraf. Nachträglich schauderte er zusammen, als er daran dachte, wie oft er mit knapper Mühe dem sicheren Tod entgangen war bei seinen letzten Ausflügen. Wie oft war er nur wenige Meter von dem unsichtbaren Kannibalen entfernt gewesen? Er war noch einige Schritte vom Sendegerät entfernt, als ein lautes Dröhnen erscholl. Es hallte von den glatten Wänden
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wider, rollte durch die weite Halle und erstarb schließlich in den äußersten Ecken. Hartigan war stehengeblieben. Seine Augen drohten, aus den Höhlen zu fallen, als er die Einbeulung in der Wand sah. Mein Gott, das war doch unmöglich! Solche Kräfte konnte doch das Wesen nicht haben! Es mußte ihm gefolgt sein, vielleicht geführt von einem unbekannten Instinkt oder durch die Schwingungen seiner Schritte. Ein erneuter, dröhnender Knall ließ ihn zusammenzucken. Gleichzeitig wurde die Beule in dem Metall größer. Und ein drittes Mal! Hartigan bewegte sich langsam wieder rückwärts. Er schlich auf die Luftschleuse zu. Dann blieb er stehen, lauschte. Und dann war der Aufprall wieder da, direkt neben ihm. Eine zweite Beule erschien. Alle Farbe wich aus Hartigans Gesicht. Natürlich war es sinnlos, jetzt noch zu funken. Bis man hier ankam, war er längst tot. Der kleinste Riß in der Wandung, und die Luft entwich. Krach…! Wer hätte das gedacht? Ein unsichtbares Lebewesen, das in diesem Vakuum existieren und die dicken Metallwände eines Hangars demolieren konnte? Hartigan versuchte sich vorzustellen, wie er einer wissenschaftlichen Kommission die Dinge erklären sollte. »So, ein unsichtbares Tier? Und es versuchte, die Wandung des Hangars einzudrücken? Aha…« Krach…! Die Beleuchtungskörper schwankten leicht unter der Wucht des Aufpralls. Dieser war so stark gewesen, daß die Schutzfarbe von der nach innen gedrückten Wand absprang. »Was, zum Teufel, soll ich machen?«
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Ihm fiel im Augenblick nur eine einzige Lösung ein: Er mußte ständig in Bewegung bleiben, damit das Biest seine ganzen Kräfte nicht auf eine und dieselbe Stelle konzentrierte. Er machte einige Schritte, blieb stehen. Eine Weile war nichts zu hören, dann bumste es dicht neben ihm. Eine neue Beule erschien, diesmal aber größer als die vorherigen beiden. Das Material mußte unterschiedlich stark sein. Und diesmal hatte das Ding eine schwache Stelle getroffen. Hastig eilte Hartigan weiter. Seine Gedanken überschlugen sich. Was sollte er tun? Wie lange konnte er das Ding irreführen? Wann würde es endlich doch eindringen? Seine Augen suchten verzweifelt nach einem Gegenstand, mit dem er sich verteidigen konnte. Waffen waren in Mengen vorhanden, aber er wußte, daß jede Waffe gegen dieses Wesen nutzlos sein würde. Seine Schritte führten ihn zu der gewaltigen Luftschleuse für die zur Reparatur einlaufenden Raumschiffe. In früheren Tagen hatten sich diese Schleusen als die gefährdeten Stellen der Hangars erwiesen, somit hatte man nach einigen Überlegungen die Innen- und Außenwände dieser Schleusen wesentlich verstärkt. Sie erreichten fast die doppelte Dicke der anderen Wände. Bums…! Dicht neben der Schleuse erschien eine neue Beule. Aber Hartigan achtete kaum darauf. Die Ahnung einer rettenden Idee regte sich in ihm. »Wenn ich das Biest zwischen den dicken Schleusenwänden einfangen könnte…« »Ja, was dann?« fragte er sich selbst. Er konnte sich keine Antwort geben, aber es erschien ihm sicherer, das Wesen eingeschlossen zu haben, als daß es
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weiterhin versuchte, schwache Punkte der Hangarwand anzugreifen. »Wenn ich es nur hereinlocken kann« dachte er und schob den Hebel vor, der die Außenluke betätigte. Und in dieser Sekunde durchzuckte ihn ein Gedanke. Die Außenluke schwang auf. »Ob es die Falle wittert?« knurrte er gespannt. »Oder ob es so dumm ist, hereinzukommen?« Rumms…! Die innere Schleusenluke erzitterte unter einem wuchtigen Aufprall. Das Biest war eingedrungen, war in die Falle gegangen. »Falle…?« murmelte Hartigan zweifelnd. »Ist vielleicht nicht der rechte Ausdruck. Wenn ich es unbehelligt lasse, wäre es in einer guten halben Stunde im Hangar. Aber ich werde es nicht unbehelligt lassen – bei Gott nicht!« Er zog den Hebel wieder vor, und die Außentür schloß sich langsam. Wenige Sekunden später war das unsichtbare Etwas in der Schleuse gefangen. Hartigan lächelte mühsam, während er sich daran machte, seine spontan aufgetauchte Idee in die Tat umzusetzen. Er drückte auf einen Knopf. Die Empfangsgeräte begannen zu summen, speicherten ungeheure Energien in den dafür bestimmten Batterien. Genügend gesammelt und im rechten Augenblick befreit, waren diese Energien die tödlichste Waffe, die es auf dem ganzen Mond geben konnte. Hartigan warf einen letzten Blick auf die tanzenden Zeiger der Skalen und wandte sich um, raste zurück zum Lagerraum, wo er nach einigem Suchen eine große Kabelrolle fand. Mit gewaltiger Anstrengung bewegte er die Rolle, die er auf der Erde keinen Meter weit fortgebracht hätte, zur Schleuse.
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Dort verharrte er sekundenlang, denn seine nächste Handlung erforderte kaltblütige Überlegung und eine gewisse Verzweiflung. Wenn sein Plan gelingen sollte, mußte er die innere Tür um wenige Zentimeter öffnen. Gleichzeitig mußte er schnell seine Absicht ausführen, ehe das Ding merkte, daß die Tür überhaupt geöffnet war. Denn das Untier besaß Kräfte genug, um das Tor dann mit Gewalt weiter aufzustoßen. Das aber würde den Tod bedeuten. Geschwindigkeit – davon hing alles ab. Unter anderem, auch sein eigenes Leben. Geschwindigkeit – und die Hoffnung, daß die Energiespeicher die notwendige Überladung aushielten. Mit kaum merklich zitternder Hand bewegte Hartigan den Hebel zurück, der die innere Tür betätigte. Kaum verstärkte sich das Summen, als er auch den Hebel schon wieder vorzog. Die innere Tür hatte sich um etwa zehn Zentimeter geöffnet. Hartigan schaltete die Zuleitung der Energie zum Bewegungsmechanismus der Schleusentüren ab, löste das Zuführungskabel und verband es mit dem einen Kabelende der Rolle. Während er mit fliegenden Fingern die Drähte miteinander verband, warf er einen schnellen Seitenblick zu der Tür. Sie hatte sich um weitere 20 Zentimeter aufgeschoben. »Ich schaffe es nicht – verflucht!« stieß er zwischen den Lippen hervor. »Es ist zu spät!« Trotzdem ließ er sich nicht beirren. Er ergriff das andere lose Ende des Kabels und warf es mit aller Kraft durch die schmale Schleusenöffnung. Wie eine Riesenschlange rollte es sich auf, blieb dann reglos liegen. Gleichzeitig sprang er mit einem Satz zurück zur Instrumententafel, legte die Hand auf den Energiezufuhrhebel. Immer noch lag der sichtbare Teil des Kabels unbeweglich, führte hinein in die gewaltige Schleusenkammer. Seinen ganzen
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Plan hat er auf die blinde Angriffswut des unsichtbaren Gegners aufgebaut, seine ganze Hoffnung bestand aus der Zuversicht, daß der Angreifer sich wie wild auf das plötzlich auftauchende Kabel stürzen würde… Das Kabel streckte sich plötzlich, als zöge am unsichtbaren Ende jemand. Es hing frei in der Luft, die von den automatisch arbeitenden Pumpen bei Schließen der Außenwände erneuert worden war. Hartigans Hand schob den Hebel mit einem Ruck auf die äußerste Stellung. Die aufgespeicherte Energie mußte sich jetzt mit einer blitzartigen Reaktion entladen. Mit hämmerndem Herzen verließ Hartigan seinen Platz und eilte zu der Lukenöffnung, folgte den wild hin und her zuckenden Windungen des Kabels. Und da erblickte er inmitten der Schleusenkammer ein Ding, einen Gegenstand, der durch die flammende Energie und durch die zuckenden Blitze blaugefärbter Kraftströme sichtbar geworden war. Er griff sich entsetzt an sein Herz und stieß einen erstickten Schrei unsagbaren Grauens aus. Seine aufgerissenen Augen gewahrten den massiven Block eines Kopfes, ohne Ohren oder Augen. Er sah undeutlich fünf Gliedmaßen, und ein sechstes Glied, das jedoch verstümmelt zu sein schien. »Das ist das Bein, was vor einem Monat zwischen die Türen geriet«, hörte er sich selbst sagen. Das Ding war mehr als drei Meter hoch und sieben Meter lang. Seine schattenhaften Konturen waren mehr zu ahnen, als zu sehen. Die zuckenden Blitze entströmten nach allen Seiten seinem massiven aber unsichtbaren Körper und zeigten seine Umrisse. Dann begann das Ungeheuer zu schreien, genauso, wie es damals geschrieen hatte, als es zwischen die Tür geriet. Nur war das gräßliche Geräusch diesmal lauter und dröhnender, gellte in
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Hartigans Ohren wie eine überdimensionale Trompete. Noch während er bewegungslos dem Schauspiel zusah, begann die massige Figur zusammenzuschrumpfen, wie eine Wachskerze zusammenschmilzt, wenn man sie ins Feuer wirft. Auch das Kabel schmolz, rollte sich dabei konvulsivisch zuckend auf, als sei es ein lebendes Etwas. Dann spritzte der unsichtbare Körper auseinander, zerplatzte in tausend unsichtbare Fragmente. Mit letzter Kraft stellte Hartigan die Energiezufuhr ab. Der leuchtende Ball der voll von der Sonne beschienenen Erde schwebte gleich einer schimmernden Perle zwischen den spitzen, scharfen Mondgebirgen. Vollerde. Wieder war ein Monat vergangen. Clow Hartigan wandte sich langsam von der kleinen Sichtluke neben der Luftschleuse ab und ging hinüber zu dem Sender. »R C 3 – R C 3 – « Keine Antwort. Stacey in New York ließ sich wie gewöhnlich Zeit, den Ruf von der Mondbasis zu beantworten. Warum sollte er sich auch beeilen? Station R C 3 hatte noch niemals etwas Außergewöhnliches melden können. Auf dem Mond geschah nichts, was nicht irgendwie vollkommen normal und alltäglich war. Nichts! Ohne es zu wissen, starrte Hartigan geistesabwesend auf das Titelblatt der jetzt sieben Monate alten Radio Gazette. »R C 3 – R C 3!« Aha. das war Stacey! »Hier spricht Hartigan. Der Monatsbericht!« »Schieß los, Hartigan!« »Bedingungen hier die gleichen. In der Zwischenzeit weder Schiffslandungen, noch Reparaturanforderungen. Der Hangar ist in Ordnung, keine undichten Stellen.« »Okay«, sagte Stacey. »Vorräte?« »Schick’ mir ’ne Blondine hoch!« verlangte Hartigan. »Mach keine Witze! Wird etwas benötigt?« »Vielleicht bei nächster Gelegenheit eine Rolle neues
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Stromkabel. Aber es eilt nicht.« »Mit dem nächsten Schiff, Hartigan. Sonst noch was?« Hartigan zögerte eine Sekunde. Er wußte, daß der Metallboden der Luftschleuse mit einer blauen, undefinierbaren Substanz bedeckt war, die keinerlei Hinweise auf ein unbekanntes, unglaubliches Lebewesen aus dem Weltraum gab. In den Hangarwänden waren einige beachtliche Beulen – aber die konnten genausogut von aufschlagenden Meteoren verursacht worden sein. Das Ei, aus dem das Ding gekrochen war, existierte überhaupt nicht mehr. Wie ein Blitz durchzuckte ihn der Gedanke an Stuyvesant. Was hatte man noch von ihm gesagt? Daher sind wir zu der Diagnose gekommen, daß Benjamin Stuyvesant Halluzinationen zum Opfer gefallen ist! Wie gern hätte er Stuyvesant geholfen. Aber der hatte schließlich eine neue Stelle bei der Gesellschaft erhalten und. war ganz zufrieden mit der Verwaltung eines Ersatzteillagers. »Nun…?« erinnerte Stacey ungeduldig. Hartigan starrte immer noch geistesabwesend auf das Bild der hübschen Blondine. Ein Lächeln zuckte um seine Mundwinkel, als er schließlich sagte: »Nein, sonst nichts, Stacey. Wie immer: Keine besonderen Vorkommnisse.« Aus dem Amerikanischen von Walter Ernsting
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DAS ANALYTISCHE LABOR Wie im Sonderband Nr. 2 bereits angekündigt, erscheint nun das ›Analytische Labor‹ auch im UTOPIA-Magazin. Wir haben uns gefreut über den großen Anklang, den unser Science-Fiction-Test (Check-List) bei den Lesern gefunden hat. Viele Leser schreiben uns, daß es ihnen schwergefallen wäre, die einzelnen Kurzgeschichten einzustufen, da sie alle sehr gut seien. Doch hier das Ergebnis:
Unguh machte ein Feuer (Rocklynne) Ende der langen Reise (Kubilius) Ewige Wiederkehr (van Vogt) Vorstoß ins Nichts (West) Du sollst die Zukunft schauen (Gallun) Nullpunkt (Campbell) Der Pionier (Darlton) Der integrierende Faktor (Puttkamer) Die schwarzen Höhlen (Heinlein)
3.42 3.77 4.38 4.48 5.29 5.45 5.50 5.98 6.32
Unter den Artikeln nahm Otto Willi Gails ›Gibt es eine Grenze des Universums‹ die erste Stelle ein. 79% (!) der Leser entschieden sich dafür. ›Projekt Vanguard‹ folgt an zweiter Stelle mit 6,2 %, der Rest verteilt sich auf die übrigen Artikel. Wir bitten unsere Leser, von ihrer ›Check-List‹ regen Gebrauch zu machen. Damit die UTOPIA-Freunde das Magazin nicht zu zerschneiden brauchen, haben wir die ›Check-List‹ im Anschluß an die Seite 128, am Ende dieses Magazins, zum Heraustrennen eingefügt. Auch diesmal werden die Zahlen, beginnend mit 1 für die beste Kurzgeschichte, in die dafür vorgesehenen Kästchen eingesetzt. Der beste wissenschaftliche Artikel wird wieder angekreuzt. Einsendeschluß: 6 Wochen nach Erscheinen.
DER EDITOR 233
Hier spricht der Science Fiction Club Deutschland WARUM SFCD?
Im UTOPIA-Sonderband 1 wurde Ende 1955 die Gründung des SCIENCE FICTION CLUB DEUTSCHLAND (SFCD) bekanntgegeben. Wie viele mag es damals gegeben haben, die kopfschüttelnd murmelten: »Schon wieder so ein Club! Was soll das?« All diesen zweifelnden Mitmenschen möchte ich verraten, daß dieser Club bereits wesentlich mehr als 400 Mitglieder zählt, darunter viele bekannte Persönlichkeiten aus Literatur und Technik. Aus diesem ›Clübchen‹ wurde eine starke, lebensfähige Organisation, die ihre Ziele hat, und diese nach und nach auch verwirklicht. Es ist nicht Aufgabe dieses Artikels, über diese Ziele zu reden, sondern lediglich über die Existenzberechtigung des SFCD. Sie meinen, dazu müßte auch die Bekanntgabe der Ziele gehören? Nur bedingt, denn die Ziele sind bekannt, weniger jedoch die Wege der Verwirklichung. Und die Auswirkungen des Bestehens des Clubs! Der SFCD wurde am 4. August in Frankfurt (M.) von dem amerikanischen Schriftsteller Raymond Z. Gallun, dem englischen SF-Freund Julian Parr, Walter Spiegl und, last not least, mir selbst gegründet. Pate stand Forrest J. Ackerman in Los Angeles und in gewisser Beziehung auch Hugo Gernsback, New York. Die ganze Last der Verantwortung jedoch lag und liegt noch heute bei mir. Natürlich sind die Mitglieder des Vorstandes bemüht, mir einen guten Teil dieser Bürde abzunehmen, aber es gibt genug zu tun. Es bleibt nicht bei der einfachen Gründung. Kaum war der erste Sonderband veröffentlicht, der restlosen Beifall fand, da erfolgten schon die ersten Meldungen zum Eintritt in den SFCD. 234
Seitdem reißt der Zustrom nicht ab. Und so nach und nach kamen auch jene, die immer noch zweifelten. Hier und da hatte einer die Entwicklung mit gewisser Skepsis betrachtet, wurde aber durch den Erfolg überzeugt. Selbst einzelne Verlage waren hellhörig genug, auf den SFCD aufmerksam zu werden, seine Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Es wurde nämlich allmählich so, daß die Mitglieder des Clubs erst durch dessen Mitteilungsblatt ›Andromeda‹ auf zum Teil noch unbekannte Literatur aufmerksam gemacht und zum Kauf angeregt wurden. Diese Verlage traten schließlich dem SFCD bei und erhielten damit die lang gesuchte Verbindung zu ihren Lesern. Ähnlich war es mit den Autoren. Bekannte Schriftsteller der utopischen Literatur fanden im SFCD endlich den Menschen, der ihre Romane las, und erhielten in offener und ehrlicher Kritik neue Anregungen. Selbst die stets mißtrauischen Wissenschaftler überwanden ihre Skepsis und wurden zu Freunden des SFCD. Sie hatten erkannt, daß nicht nur die nüchterne Formel, sondern auch die lebendige Erzählung aus der Zukunft in dem jungen Leser von heute das Interesse an technischen Problemen erweckt. Es ist eine statistisch erwiesene Tatsache, daß das Niveau der UTOPIA-Großbände seit Bestehen des SFCD ständig gestiegen ist. Warum? Weil die nun mittelbar ausgeübte Kritik den Herausgebern der Serie die Möglichkeit gibt, den Geschmack ihrer Leser zu berücksichtigen. Die Mitglieder des SFCD, und auch alle anderen Leser, schicken ihre Meinung über UTOPIA an die Zentrale. Dort werden diese Meinungen sorgfältig ausgewertet und sortiert. Man mag sagen, daß die Meinung dieser verhältnismäßig wenigen nicht ausschlaggebend sei, aber immerhin hat der bisherige Erfolg bewiesen, daß dem doch so ist. Denn wenn es auch keine 10.000 Briefe sind, die bezüglich einer einzigen Kritik eingehen, so sind es aber sicher hundert.
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Und in diesen hundert Briefen spiegelt sich die Meinung von 30.000 Menschen wider. Man muß es nur verstehen, eine gerechte Aufteilung vorzunehmen. Es waren der Zweifler nicht wenige. Sie fanden zwischen dem sehr reichhaltigen Angebot an den Kiosken den UTOPIAGroßband und den Sonderband. Nur zögernd kauften und lasen sie. Neugierig fragten sie mich um die Bedingungen zum Eintritt in den SFCD. Sie erhielten diese und traten bis auf wenige Ausnahmen bei. Und von dieser Sekunde an lasen sie auch regelmäßig UTOPIA. Die Literaturgattung SCIENCE FICTION hat viele Feinde, einer der größten ist die konservative Lebensanschauung. Diese Menschen sind durch nichts zu bewegen, das Neue anzuerkennen, ob es sich dabei nun um Jazz, abstrakte Kunst, Weltraumraketen oder SF handelt. Sobald aber die ersten Erdsatelliten kreisen, werden sie ihre Meinung einer ernsten Revision unterziehen müssen. Ein weiterer Feind ist das Unverständnis. Dagegen kämpft der SFCD und seine Mitglieder sehr oft, und er gewinnt diesen Kampf, wenn es sich bei dem Gegner um einen intelligenten und einsichtigen Menschen handelt. Denn zum Verständnis der SF gehört auch ein wenig Nachsicht, Nachsicht mit sich selbst. Dann wäre da noch der Stolz zu nennen. Wie viele lehnen SF ab, weil das offene Bekenntnis dazu sie dem Spott einiger Besserwisser aussetzt. Sie sind zu stolz, diesen Spott gutmütig zu ertragen, vielleicht zu friedfertig, sich mit den Kritikern auseinanderzusetzen. Diesen Leuten will der SFCD im besonderen Maße helfen. Im SFCD findet dieser ›Sonderling‹ seine ehrlichen und wahren Freunde. Und wie viele Freundschaften hat dieser SFCD bereits gestiftet. Freundschaften zwischen Lehrer und Schüler, zwischen Autor und Leser, zwischen Wissenschaftler und Laie. Freundschaften zwischen den Anhängern einer besseren und
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Julian Parr (links) und Walter Ernsting 1. Vorsitzender SFCD.
friedlicheren Zukunft. Und eine allgemeine Bitte kann auch auf diesem Wege damit erfüllt werden: Die Mitglieder lernen sich kennen – durch das Bild. Diese Seiten sind ein Geschenk des Verlages Erich Pabel, ein Geschenk für jene Menschen, die zu seinen treuesten Lesern zählen. Und auch der Außenstehende, der dem Club aus vielen möglichen Gründen nicht beitritt und doch unser Freund ist, soll wissen, wie die Leute aussehen, die den SFCD leiten und UTOPIA ›machen‹. Und wie jene, die es lesen. Heute zwei Steckbriefe: Mr. Julian Parr, Düsseldorf, Rolandstraße 37. Beratendes Vorstandsmitglied des SFCD. Vermittelt Briefadressen aus aller Welt. Jeder, der gern in Briefwechsel mit einem Freund der SFLiteratur in irgendeinem Lande treten möchte, kann sich an Mr. Parr wenden. Julian Parr spricht und schreibt Deutsch. Walter Ernsting, Irschenberg (Obb.), 1. Vorsitzender des
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SFCD, Redakteur von UTOPIA, Schriftsteller utopischer Romane und bitterböser Gegner jeder ungerechtfertigten Kritik, was ihm schon manchen Ärger eingebracht hat. Unser Hauptziel ist der Zusammenschluß der SF-Freunde Deutschlands, der Schweiz, Österreichs und des Saargebietes. Unsere Hauptaufgabe ist es, den Gedanken der utopischen Literatur zu verteidigen. Unser Hauptwunsch: Die Verwirklichung der Weltraumfahrt! Walter Ernsting, 1. Vorsitzender SFCD
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