8 | 11 41. Jahrgang Deutschland EUR 8,00
BUNDESBANK Axel Webers trauriges Erbe ALTERSVORSORGE Die üppigen Pensionen der Topmanager
Unternehmen geben den Consultants schlechte Noten WERDEN BERATER ÜBERFLÜSSIG?
WER IST MILLIONÄR? Die lukrativen Geschäfte unserer Fernsehlieblinge
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MISSMANAGEMENT Der Pflegefall Marseille-Kliniken
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Am Einkauf erkennt man den Champion.
EDITORIAL
Challenge-Tour Was kann die Deutsche Bank von der Bundesbank lernen? ARNO BALZER, CHEFREDAKTEUR
für die krisengeplagte Hochfinanz ist offensichtlich Mangelware. Die Deutsche Bank etwa leistet sich einen quälend-chaotischen Findungsprozess bei der Suche nach einem Nachfolger für Josef Ackermann. Reibungsloser verlief der Wachwechsel bei der Bundesbank: Als Axel Weber Anfang des Jahres die Brocken hinwarf, dauerte es nur ein paar Tage, bis Jens Weidmann zum neuen Präsidenten berufen wurde. Doch seine Mission mitten in der schwersten Währungskrise der Nachkriegszeit gleicht einem Höllenjob. Die mm-Redakteure Henrik Müller und Ulric Papendick erlebten Weidmann bei offiziellen und inoffiziellen Veranstaltungen, sie sprachen mit Dutzenden Kollegen und Wegbegleitern des jüngsten Bundesbank-Chefs aller Zeiten. Ihren Artikel über den kühlen Kämpfer Jens Weidmann lesen Sie ab Seite 88. ECHTES SPITZENPERSONAL
FOTO: THOMAS RABSCH FÜR MM
ÜBER EINEN MANGEL an Herausforderungen kann sich auch Johannes Teyssen nicht beklagen. Im Nebenjob als Aufsichtsrat kümmert er sich um den Führungswechsel bei der Deutschen Bank. Als Vorstandsvorsitzender von Eon muss er nichts weniger als ein neues Geschäftsmodell für Deutschlands größten Stromkonzern entwickeln. Wie er das schaffen will, verrät Teyssen im Interview mit den mm-Redakteuren Martin Noé und Dietmar Student (Seite 44).
Weil Champions durch ihre Beschaffung sowohl Lieferfähigkeit sichern als auch Kosten senken. Na klar, in der Theorie gibt es viele Champions – in der Praxis sieht das aber ganz anders aus.
Eon-Chef Teyssen (M.), mm-Redakteure Noé (l.), Student
WEM GEHÖRT DAS DEUTSCHE FERNSEHEN? Wer entscheidet, was läuft? Klar: Die Aktionäre (ProSieben/Sat.1), Bertelsmann (RTL), die Staatsbürger (ARD/ZDF). Die Antwort ist nicht falsch, aber oberflächlich. Tatsächlich sind es zunehmend die prominenten Show- und Talkmaster, die Jauchs, Raabs und Gottschalks, die das Programm auf den Flachbildschirmen dominieren. Die Sender rangeln um die TV-Stars, die längst nicht mehr nur ihr Gesicht und ihre Sendung präsentieren, sondern mit ihren Produktionsfirmen Ideen, Werbepartner und sendefertige Konzepte en gros ausspucken. Die mm-Redakteure Klaus Boldt und Simon Hage untersuchten die Geschäfte der Quotengewaltigen, sprachen mit Programmdirektoren, trafen die Moderatoren und ihre diskreten Strippenzieher. Das Fazit: „Aus reinen Unterhaltern sind längst potente TV-Manager geworden, die mehr verdienen als die meisten Dax-Chefs.“ (Seite 50)
manager magazin 8/2011
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5
INHALT
▼
TITEL 50 TV-Stars Wie Thomas Gottschalk,
Stefan Raab und Günther Jauch mit ihren Firmen das Fernsehgeschäft domieren. Und dabei mehr verdienen als DaxVorstandschefs. 54 Wer mit wem? Die größten FOTO: KAI NEDDEN
Produzenten und ihre Shows. 55 Harald-Schmidt-Spezi
Fred Kogel über die Marktmacht der Moderatoren. 26 Gewonnen: Frank Mattern, McKinsey-Chef Deutschland, führt die beste Beratung
UNTERNEHMEN
SPEZIAL MITTELSTAND
10 Daimler/Volkswagen Die Lkw-
26 Unternehmensberater Was
72 Innovation Ein neuer Typus von
▼
NAMEN + NACHRICHTEN Größen kämpfen mit allen Mitteln um die Vorherrschaft.
taugen Consultants? Und wozu braucht man sie eigentlich noch? Eine Exklusivstudie für manager magazin klärt auf.
12 Air Berlin Beerbt ein Holländer
Konzernkapitän Hunold?
29 Umfrage: Wo McKinsey,
13 Münchener Rück „Versuchte Er-
Berger & Co. ihre Stärken und Schwächen haben.
pressung“ – CEO von Bomhard zu den Skandalen der Tochter Ergo.
Nachfolge von Jürgen Großmann. 16 Holtzbrinck Der Verkauf von
StudiVZ ist gescheitert. 17 Deutsche Bank Alles unter Kon-
trolle – wie Starbanker Jain führt.
▼
36 Marseille-Kliniken Eine pflege-
20 Kirch/Breuer Der lange Schatten
des toten Medienmoguls. 21 Schott Krach im Vorstand. 22 Opel Volkswagens Angebot. 22 In Berlin Kommt ein
U-Ausschuss zur Finanzkrise? 23 Terex Vorstandschef DeFeo zur
Übernahme von Demag Cranes. 24 Umfrage Ratingagenturen im Feuer. 24 Konjunktur-Indikator 2012 wird
schwierig. 6
manager magazin 8/2011
84 Finanzierung Für Unternehmen
bedürftige Firma: Wie der Exzentriker Ulrich Marseille sein Unternehmen herunterwirtschaftet. 44 Interview Eon-Chef Johannes
Teyssen über die finanziellen Schäden der Energiewende, seine neue Strategie und die Folgen für den Konzern.
18 VW/Audi Die Produktion wird zur
Schwachstelle.
des Mittelstands? Ein Interview mit der Professorin und Regierungsberaterin Claudia Buch.
60 Deutsche Telekom Die
griechische Tochter OTE befindet sich im freien Fall, wie der Rest des Landes. Ein InsideReport aus der finanziellen Kernschmelze. 64 Kolumne Asien wird die Welt
dominieren. Westliche Manager sind darauf nicht vorbereitet, meint Hermann Simon. 68 Solarworld Frank Asbeck ist der
Vormann der heimischen Sonnenbranche. Nun verblasst sein Glanz – der Druck aus Fernost scheint übermächtig.
mit hohen Schulden wird es eng.
TRENDS ▼
16 RWE Das Rennen um die
80 Politik Wer vertritt die Interessen
30 Die Abrechnungstricks der Berater.
14 Drahtzieher Jörg Asmussen,
Staatssekretär und Frauenförderer.
Firma verändert das Gesicht des deutschen Mittelstands: jung, locker, erfinderisch – aber im Kern genauso konservativ wie die Traditionsunternehmen.
88 Bundesbank In der schwersten
Währungskrise der Nachkriegszeit hat Jens Weidmann das Ruder übernommen. Was kann der junge Präsident tun, um den Euro zu retten? Eine Nahaufnahme. 92 Analyse: Die wahren Risiken in der
Bilanz der Notenbank. 94 BDI Deutschlands wichtigster
Wirtschaftsverband dringt in Berlin nicht mehr durch. Warum eigentlich? Ein Gespräch mit BDI-Chef Hans-Peter Keitel und dem neuen Geschäftsführer Markus Kerber. 98 Technologie Teure und knappe
Rohstoffe zwingen die Unternehmen zu neuen Geschäftsmodellen. Das Ziel: Wertvolle Materialien sollen zu den Produzenten zurückkehren.
FOTO: MARIO VEDDER / DAPD
FOTO: SANDRA SCHUCK / NDR
DUOMÈTRE À QUANTIÈME LUNAIRE
88 Remis: Bundesbanker Jens Weidmann
50 Verloren: TV-Talkerin Anne Will
KARRIERE
RUBRIKEN
104 Managerpensionen Während
5 Editorial
▼
alle auf die Vorstandsgehälter starren, haben die Konzerne diskrete Ausweichmöglichkeiten entdeckt: Die Pensionszusagen haben schwindelerregende Höhen erreicht. 108 Top Ten: Zetsche führt – die
114 Bücher 134 Briefe 135 Impressum 136 Firmen- und Personenregister 138 Was macht eigentlich
Günter Verheugen?
112 Kolumne Warum Frauen anders
▼
Spitzenrenten in der Dax-Liga.
Titelthemen
geführt werden wollen, erklärt Avivah Wittenberg-Cox.
PRIVATE BANKING 118 Hedgefonds Krise? Von wegen.
Die Zockerbranche lässt es krachen. Sollten Anleger den umstrittenen Investoren ihr Geld anvertrauen? manager magazin hat sich auf der weltgrößten Hedgefonds-Konferenz in Monaco umgesehen.
MANAGER PRIVAT 124 Wirtschaftsverbrecher Manager
und Unternehmer, die im Knast gelandet sind, leben nach ihrer Entlassung häufig in Saus und Braus. Lohnt sich Verbrechen doch?
HABEN SIE JEMALS EINE RICHTIGE UHR GETRAGEN?
130 manager unterwegs
„Cap Rocat“, Mallorca. 132 Autotest Audi A6.
manager magazin 8/2011
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AFTSTEIL.
NAMEN + NACHRICHTEN
DUELL DER TRUCKER (74) Karriere ist geprägt von Schlachtenlärm, von Angriffen und Angreifern, und höchst selten, wenn überhaupt, hat man den VW-Aufsichtsratsvorsitzenden je darüber klagen hören. Piëch bevorzugt offenbar eine andere Art, Gefühle auszudrücken. Er schlägt zurück. Zum Beispiel im Fall Daimler. Als Jürgen Schrempp (66) noch Daimler-Chef war, soll er Piëch auf einer Sitzung des Autobranchen-Verbands VDA – die Emotionen müssen hochgekocht sein – kritisiert, ja beschimpft, schließlich gar als „Du Nicht-Porsche“ tituliert haben. Die Begebenheit, so heißt es, sei Startpunkt einer persönlichen Vendetta gegen den Daimler-Konzern gewesen. Eine andere Geschichte reicht noch weiter zurück in die Vergangenheit: Piëch habe sich einst zu Beginn seiner Karriere um einen Job bei Daimler bemüht. Der Konzern habe ihn jedoch abgelehnt. Die Anekdoten mögen sich in den langen Jahre verwaschen und verändert haben, so wie Kiesel in einem Gebirgsbach. Die Animosität jedenfalls ist hart und greifbar. Als Vorstandschef hat Piëch seine Leute in Wolfsburg schon in den 90er Jahren auf das Ziel eingeschworen, die Marke VW müsse langfristig an Mercedes vorbeiziehen. Später, er führte bereits den Aufsichtsrat, blockierte er in letzter Sekunde den Daimler-Plan einer Überkreuzbeteiligung mit Volkswagen. Und gemeinsam mit VW-Chef Martin Winterkorn (64) verweigerte er DaimlerLenker Dieter Zetsche (58) auch die Nutzung der Golf-Plattform für die Mercedes-A- und -B-Klasse. Aktuell steuert die Chronik der Konflikte auf einen neuen Höhepunkt zu. Und das mit schwerem Gerät. Die Lkw-Armada Volkswagens, MAN und Scania, gelenkt von Piëch und Winterkorn, fordert den König der Asphaltgiganten heraus, mit Daimler-Boss Dieter Zetsche (58) und Truck-Vorstand Andreas Renschler (53) am Steuer. Noch ist die Ausgangslage ungleich. Daimlers größter Vorteil ist der eingeschwungene Zustand der Einheit. Die Organisation wurde in vielen JahrzehnFerdinand Piëchs
10
manager magazin 8/2011
ten perfektioniert, die globale Expansion ist weit fortgeschritten. VW dagegen fehlt noch manches. Piëch hat zwar die Mehrheit an Scania und MAN gekauft, die Schweden sind der weltweit profitabelste aller Truckproduzenten und auch die Münchener für Daimler ernst zu nehmende Konkurrenz. Doch zwei eigenständige und sehr stolze Teile ergeben noch lange kein Erfolgsunternehmen. Schon gar nicht, wenn sie so lange erbitterte Konkurrenten waren wie Scania und MAN nach ihrer Übernahmeschlacht. Immerhin sehen Branchenexperten für das Duo in den kommenden sieben bis acht Jahren realistische Einsparchancen von rund 500 Millionen Euro,
Startvorteil für den Stern Europas Truck Giganten im Vergleich1 Umsatz, in Mrd. Euro Gewinn, in Mrd. Euro
Umsatzrendite in Prozent
24,0
Daimler Trucks
5,5
1,3 20,4
Volvo
5,8
1,2 10,6 0,5
MAN
5,0
19,3
8,7 1,4
Scania
16,0
Europäischer Lkw Markt
1,4 Sonstige Iveco DAF
29,1 MAN + Scania 8,4
15,4
16,0
Januar bis Mai 2011, Marktanteile in Prozent
18,8
13,1
16,2 10,7
Mercedes 26,9 Renault2 +Volvo 1
Ergebnisse für das Jahr 2010, Volvo: Sparten Truck & Bus, operatives Ergebnis; MAN: Sparten Truck & Bus und Latin America, operatives Ergebnis; Daimler: Gewinn vor Zinsen und Steuern. 2 Lkw-Marke Renault gehört zum Volvo-Konzern. Grafik: manager magazin Quelle: Unternehmensangaben
etwa über gemeinsam entwickelte oder eingekaufte Hybridantriebe, Abgasfiltersysteme oder Bremsen. Und weil Winterkorn und Piëch ihre neun Pkw-Marken so erfolgreich wie kein anderes automobiles Multimarken-Imperium führen, trauen viele den Wolfsburgern auch den Angriff auf die Stuttgarter Schwerlaster zu. Konzernchef Zetsche habe sich intern bereits verärgert darüber geäußert, dass sein oberster Trucker Renschler zunächst eher gelassen auf die neue Konkurrenz reagiert habe, heißt es in der Daimler-Zentrale. Inzwischen bastelt Renschler intensiv an Abwehrmaßnahmen. So berichten Daimler-Manager, der Truck-Vorstand wolle in Brüssel bei der EU-Kommission Front gegen das neue Bündnis machen. Er lasse durchrechnen, ob MAN und Scania nicht an der einen oder anderen Stelle eine marktbeherrschende Position innehätten. Die Kartellbehörden haben die MAN-Übernahme noch nicht genehmigt, die Prüfung dürfte noch einige Monate dauern. Es wäre nicht das erste Mal, dass Brüssel für Irritationen zwischen den Rivalen sorgt. So ermittelt die Kommission wegen Preisabsprachen bei Lkw gegen mehrere europäische Truck-Hersteller. Auch Daimler und MAN sollen an dem angeblichen Kartell beteiligt gewesen sein, und die Stuttgarter Konzernspitze fand es nicht eben lustig, dass ausgerechnet MAN entsprechende Hinweise nach Brüssel meldete – und sich damit selbst von einer möglichen Strafe freizukaufen suchte. Als die EU vor einigen Monaten ein weiteres Kartellverfahren eröffnete und erneut MAN zu den Beteiligten gehörte, vermutete denn auch mancher in München eine Retourkutsche. Die Friedrichshafener Tognum AG, eine Daimler-Beteiligung mit Renschler als Kontrolleur, ist schließlich ebenfalls verwickelt; es geht um angebliche Preisabsprachen bei schweren Motoren. Tognum, so glauben viele bei MAN, habe Brüssel den Tipp gegeben. Auch wenn das in Friedrichshafen unter der Hand bestritten wird – man traut sich
DAIMLER/VOLKSWAGEN Zwei ewige Rivalen kämpfen um die
inzwischen so ziemlich alles zu im Dreieck zwischen Stuttgart, Wolfsburg und München. Unlängst kamen sich die Kontrahenten auch bei der Personalakquise ins Gehege. VW verpflichtete Daimlers Italien-Chef Bram Schot (49) für den Vorstand seiner Sparte für leichte Nutzfahrzeuge. Gespräche mit weiteren Stuttgarter Managern laufen noch; darunter seien auch einige von Renschlers Topkräften, heißt es in Wolfsburg. Auch Daimler ist zumindest offen für Neuzugänge aus München. Selbst mit MAN-Chef Georg Pachta-Reyhofen (56) hätten die Schwaben einen Wechsel diskutiert, heißt es in der bayerischen Metropole. Die Gespräche, die von beiden Seiten bestritten werden, seien indes schnell wieder abgebrochen worden. Pachta-Reyhofen, so erzählt man sich im Konzern, sei vor allem deshalb noch an Bord, weil er nach den zahlreichen Abgängen der jüngeren Vergangenheit nicht den totalen Dammbruch riskieren wolle. Seine Stellung indes ist geschwächt. Ein Austausch der Konzernspitze sei bei einer Übernahme doch nur normal, bemerkte kürzlich ein MANAufsichtsrat auf die Frage nach der Zukunft des Vorstandschefs. Offenbar hat der MAN-Lenker den Ärger seines Aufsichtsratsvorsitzenden Piëch auf sich gezogen. Der Volkswagen-Patriarch sei unter anderem unzufrieden mit dem 12,4-Liter-Motor der Münchener, berichten Konzerninsider. Pachta-Reyhofen ist nicht der Einzige in Volkswagens neuer Truckgruppe, dessen Zukunft unklar ist. So gilt MANFinanzchef Frank Lutz (42) als Wackelkandidat, und auch der bei Volkswagen offiziell für die Trucks zuständige Jochem Heizmann (59) ist umstritten. Sein Vorstandsvertrag steht Ende des Jahres zur Verlängerung an. Er darf wohl
ILLUSTRATION: CHRISTIAN BARTHOLD FÜR MANAGER MAGAZIN, [M] FOTOS: NIGEL TREBLIN / DAPD, DENIZ SAYLAN / WIRTSCHAFTSWOCHE, GETTY IMAGES
Lkw-Krone. Sie benutzen dabei längst nicht nur feine Methoden.
Rivalen der Landstraße: Die VW-Größen Winterkorn und Piëch (u.) fordern die Daimler-Trucker Renschler und Zetsche
manager magazin 8/2011
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Namen + Nachrichten
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manager magazin 8/2011
AIR BERLIN Ein Niederländer soll die Fluglinie sanieren –
und womöglich Konzernchef Hunold beerben.
Fliegender Holländer Ist er der Wundermann, der Air Berlin retten kann? Monatelang fahndeten Headhunter in ganz Europa nach einem neuen Vorstand für die angeschlagene Nummer zwei des deutschen Flugmarktes. Jetzt ist die Wahl auf einen weithin unbekannten Manager gefallen: Paul Gregorowitsch (54), bislang Chef des niederländischen Fracht- und Ferienfliegers Martinair. Seine Wechselbereitschaft rührt aus eigenen Nöten her. Gregorowitsch hat Martinair, eine Tochter des Aero-Riesen Air France-KLM mit rund 1800 Beschäftigten, zwar erfolgreich geführt. Doch der Mutterkonzern will bei den Holländern künftig das gesamte Cargo-Geschäft von Air France-KLM bündeln. Die Passagierluftfahrt – Gregorowitschs Spezialität – wird zum Jahresende eingestellt, der Chef gewissermaßen überflüssig. Bei Air Berlin erwarten den Niederländer heikle Aufgaben. Als künftiger Verkaufsvorstand (Chief Commercial Officer) soll Gregorowitsch vor allem das Preissystem und das Flugangebot gründlich überarbeiten und der verlustreichen Fluglinie endlich höhere Einnahmen verschaffen. Gerade die zu geringen Erlöse hatte Air-Berlin-Chef Joachim Hunold (61) für die Misere der Airline verantwortlich gemacht – und die Schuld dem zuständigen Vorstand Christoph Debus (40) gegeben. Debus durfte sich fortan
um die angestrebte Integration von Air Berlin ins Airline-Bündnis Oneworld kümmern, Hunold regelte das Kommerzressort wieder selbst. Der Neue bringt tatsächlich einiges Fachwissen mit. Vor seinem Job bei Martinair war er sieben Jahre lang Verkaufsmanager von KLM. Ob er allerdings bei seinem neuen Arbeitgeber durchdringt, ist offen. Bislang tritt Hunold gern als Alleinentscheider auf. Die Führungskräfte sind gewohnt, auch kleinste Details mit ihm abzustimmen. Im Verkauf hat der sperrige Patron zudem schon Fakten geschaffen. So verhandelte er selbst mit den Reiseveranstaltern die Charterpreise für die kommende Wintersaison. Die vereinbarten Konditionen seien kaum auskömmlich, kritisieren Kenner. Hunold, ans Aufbauen gewöhnt, habe wohl erneut mehr die Marktanteile im Blick gehabt als das finanzielle Ergebnis. Der neue Vorstand – so stand es im Suchprofil – sollte auch das Potenzial besitzen, einmal die Führung des Konzerns zu übernehmen. Dem Alter und der Erfahrung nach scheint Gregorowitsch dafür allemal mehr geeignet als die beiden Youngster im Vorstand, Debus und Finanzchef Ulf Hüttmeyer (38). Bislang jedoch hat Vormann Hunold noch jeden weggebissen, der ihm ernsthaft gefährlich wurde. Michael Machatschke
Patron in Pose: Vormann Hunold steht gern im Zentrum
FOTO: JEROEN BOUMAN
FOTO: DOMINIQUE ECKEN / ACTION PRESS
weitermachen; gut möglich allerdings, dass er nicht mehr die Einheit führen wird, sondern eher eine koordinierende Rolle übernimmt. Einem immerhin scheint eine mächtige Rolle gewiss: Ulf Berkenhagen (50). Audis Chefeinkäufer, in der Zuliefererbranche gefürchtet wie kaum ein Zweiter, wartet schon seit Monaten auf seinen Einsatzbefehl. Er werde, kursiert im Konzern, wohl in einer Doppelfunktion den Einkauf von Scania wie MAN übernehmen. Berkenhagen ist derjenige, der jetzt schnell das nachholen soll, was Scania und MAN in den letzten beiden Jahren versäumt haben: durch gemeinsamen Einkauf Millionen zu sparen und damit auch die Entwickler beider Unternehmen auf eine Linie zu zwingen. Berkenhagen gilt als erster Kandidat, wenn künftig einmal der Einkaufsvorstand im Gesamtkonzern besetzt wird; und so darf die Personalie als Signal verstanden wissen, wie ernst Piëch das LkwProjekt nimmt. Der Salzburger Patriarch ist niemand, der sich mit der Rolle der Nummer zwei zufriedengäbe. Längst bastelt Piëch an Plänen, sein Truck-Imperium erneut zu erweitern. Seine Leute haben mit Isuzu verhandelt, einem japanischen Spezialisten für leichte Lkw. Sie haben Kontakt zu Volvo geknüpft, als bekannt wurde, dass die Schweden unter Umständen ihre US-Marke Mack verkaufen wollen. Aber auch Daimler könnte schnell zum Gegenschlag ausholen. Konzernchef Zetsche hätte im vergangenen Herbst beinahe Fiat Industrial übernommen – und damit auch den italienischen Lkw-Hersteller Iveco. Nur überzogene Preisvorstellungen des Fiat-Konzerns und seines Vorstandschefs Sergio Marchionne (59) ließen das bereits weit gediehene Geschäft platzen. Gestorben ist das Projekt aber nicht. Im Gegenteil: Einiges deutet darauf hin, dass es in absehbarer Zeit erneut in Angriff genommen werden könnte. Daimler lässt derzeit eine organisatorische Trennung der Truck-Sparte vom Konzern prüfen. Ein solcher Carve-out gilt gemeinhin als Vorbereitung eines Börsengangs. Oder, so hatten es Italiener und Deutsche schon im Herbst durchgespielt, als erster Schritt auf dem Weg zu einer Fusion von Iveco und MercedesLkw. Michael Freitag
Frische Kraft: Neuling Gregorowitsch
NIKOLAUS VON BOMHARD Der Manager: Seit Anfang 2004 führt
FOTO: HANS-BERNHARD HUBER / LAIF
der Jurist den weltgrößten Rückversicherer Münchener Rück und ist in Personalunion Aufsichtsratschef der Düsseldorfer Ergo-Gruppe.
MÜNCHENER RÜCK Konzernchef Nikolaus von Bomhard
über die Skandale bei der Unternehmenstochter Ergo.
„Versuchte Erpressung“ Herr von Bomhard, wann verkaufen Sie endlich die Ergo-Gruppe?
VON BOMHARD Warum sollte ich? Das Retailgeschäft mit Lebens-, Kranken- oder Sachversicherungen liefert stabile Erträge und gleicht Belastungen aus, wenn in der Rückversicherung hohe Kosten aus Naturkatastrophen oder industriellen Großrisiken anfallen. Die Ergo ist und bleibt deshalb eine tragende Säule der Strategie von Munich Re. Die Ergo hat Ihnen doch nur Ärger gemacht. Sowohl nach dem Einbruch der Börsen nach der Jahrtausendwende als auch in der Finanzkrise gab es Verluste.
VON BOMHARD Deswegen ist das Kalkül des Risikoausgleichs aber nicht falsch. In diesem Jahr wird die Ergo beispielsweise überproportional zum Konzerngewinn beitragen, weil sie eben von den Naturkatastrophen des ersten Quartals nicht betroffen ist. Sind Sie sich da sicher? Die Lustreise der Ergo-Vertreter nach Budapest und der Skandal um überhöhte Kosten für RiesterKunden können die Bilanz beschädigen.
nur um Zahlen. Es wurden Fehler gemacht, einige davon sind gravierend. Wir sind dabei, alles auch mit externer Hilfe aufzuklären, und werden konsequent die nötigen Maßnahmen ergreifen. Fakt ist, dass Sie ein massives Reputationsproblem haben. Offenbar passen die Vertriebsmethoden der Ergo-Tochter HMI und das Edelimage des weltweit größten Rückversicherers nicht zusammen.
VON BOMHARD Das stimmt nicht. Ein Strukturvertrieb ist für die Kunden keine per se schlechte Form, Versicherungen zu verkaufen. 99,9 Prozent der HMI-Vermittler haben sich korrekt verhalten. Die Kunst besteht darin, eine solche Organisation richtig aufzustellen und zu führen, Das ist das Ziel des ErgoVorstandschefs Torsten Oletzky und dabei ist er gut unterwegs. Für uns sieht das anders aus. Die Affäre um die Party im Budapester Gellert-Bad
„Ein Vorstandschef VON BOMHARD Davon ist bislang nichts zu sehen. Das Neugeschäft der Ergo kann nicht jeden ist stabil und liegt im Plan. Und unsere Kunden sind uns treu – von 20 Millionen Preis zahlen, nur um Kunden haben etwa 500 wegen der Vorfälle gekündigt. Aber es geht um mehr als Ruhe zu haben.“
Die Affären: 2007 belohnte die Ergo ihre besten Verkäufer mit einer Party im Budapester Gellert-Bad, für die auch Prostituierte engagiert wurden. Zwei Jahre zuvor waren RiesterKunden zu hohe Kosten in Rechnung gestellt worden.
und der Streit um die fehlerhaften RiesterPolicen wurden der Presse doch von HMIInsidern zugespielt, von denen sich der Konzern im Streit getrennt hat.
VON BOMHARD Hintergrund der Veröffentlichungen ist eine Auseinandersetzung, die wir mit ehemaligen HMIVermittlern führen. Dabei geht es um Abfindungsforderungen im dreistelligen Millionenbereich, die wir in dieser Höhe für unberechtigt halten. Wäre es für Unternehmen und Aktionäre nicht günstiger gewesen, sich mit der Gegenseite im Stillen zu einigen?
VON BOMHARD Der Vorstandsvorsitzende einer Aktiengesellschaft kann nicht einfach jeden Preis bezahlen, um in Ruhe gelassen zu werden. Das wäre in einer solchen Auseinandersetzung auch ein völlig falsches Signal. Es dürfen grundsätzlich nur Abfindungen gezahlt werden, die nach den Regeln des Handelsgesetzbuchs berechtigt sind. Das sind wir unseren Anteilseignern und den Kunden schon schuldig. Wie wollen Sie sich gegen diesen Feldzug zur Wehr setzen?
VON BOMHARD Ergo hat bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf Strafanzeige wegen versuchter Erpressung erstattet. Noch haben wir keine Rückmeldung, aber wenn die Staatsanwaltschaft tatsächlich Gründe für die Aufnahme offizieller Ermittlungen sieht, dann ist dies für mich ein wichtiger zusätzlicher Aspekt zur Einordnung dieser Vorfälle. ◆ Das Interview führte mm-Redakteur Dietmar Palan.
manager magazin 8/2011
13
DRAHTZIEHER
Frauenförderer JÖRG ASMUSSEN
FOTO: [M] CHRISTIAN THIEL / IMAGO
Der Staatssekretär kämpft nicht nur für die Euro-Rettung, sondern auch für neue Vorstandsfrauen bei der Telekom.
14
manager magazin 8/2011
Eigentlich hat Jörg Asmussen (45) derzeit größere Sorgen als die Frauenquote der Deutschen Telekom. Der womöglich einflussreichste Staatssekretär der Bundesregierung begleitet Finanzminister Wolfgang Schäuble (68) auf Rettungsgipfeln für Griechenland und Italien, feilscht um eine Beteiligung der Banken und verteidigt den Euro gegen Kritik. Und doch fand Asmussen die Zeit, eine zentrale Rolle bei den aktuellen Vorstandsbesetzungen der Staatsbeteiligung zu spielen. Ohne Asmussen, den Regierungsvertreter im Telekom-Aufsichtsrat, wären die jüngsten Personalpläne der Konzernoberen womöglich nicht Wirklichkeit geworden: CEO René Obermann (48) und Chefkontrolleur Ulrich Lehner (65) wollten dem Management ein neues, weibliches Gesicht verpassen. Gleich drei Frauen sollten in den Vorstand einziehen, ein bislang einmaliger Schritt in der deutschen Konzerngeschichte. Das Problem: Die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat hatten Vorbehalte gegen die Kandidatin für das Personalressort, Baden-Württembergs Ex-Kultusministerin Marion Schick (52). Die Gewerkschaft Verdi klagte, sie sei sehr kurzfristig über die Personalie informiert und damit glatt überrollt worden. Von einem „Schlag gegen die Grundkultur“ der Telekom war die Rede. Obermann und Lehner drohte ein offener Konflikt. Als CEO und Aufsichtsratschef zu zögern begannen, schaltete Asmussen sich ein. Der Staatssekretär sprach im solidarischen Wir-Ton, sicherte Obermann und Lehner seine Unterstüt-
zung zu. Gemeinsam, beschwor Asmussen die Telekom-Oberen, werde man die Kandidatin durchkämpfen. Selbstbewusst ging Lehner in die Abstimmung am Nachmittag des 4. Juli. Mit der Stimme Asmussens war die Mehrheit für die neue Personalmanagerin gesichert. Zwar sind die Arbeitnehmer paritätisch im Aufsichtsgremium vertreten, doch der Chefkontrolleur besitzt ein doppeltes Stimmrecht. Angesichts dieser Übermacht verließen die Arbeitnehmer den Saal vorzeitig unter Protest. Am Abend präsentierte die Telekom zwei neue Vorstände: die McKinseyDirektorin und künftige Europa-Chefin Claudia Nemat (42) sowie die designierte Arbeitsdirektorin Schick. Eine weitere Managerin soll später folgen: Birgit Grundmann (52), Staatssekretärin im Bundesjustizministerium, ist als Vorstand für Recht und Compliance vorgesehen. Allerdings will sie ihre Arbeit im Ministerium in den nächsten Monaten noch zu Ende führen. Da mit Schick (CDU) und Grundmann (FDP) zwei Politikerinnen ins Management rücken sollen, machte das Gerücht die Runde, die Regierung habe die Telekom bedrängt. Tatsächlich traf jedoch die Konzernspitze die Auswahl, und das, nachdem ein Personalberater die Kandidatinnen ermittelt und für fachlich geeignet befunden hatte. Selbst die einstige SPD-Justizministerin Brigitte Zypries (57), die ebenfalls für den Compliance-Posten im Gespräch war, glaubt nicht an parteipolitische Ranküne. Beide Aspirantinnen sind keine klassischen Politiker. Schick, Ex-Personalchefin der Fraunhofer Gesellschaft, trat erst 2010 der CDU bei. Grundmann machte Karriere als Beamtin. Ihr Vater war Commerzbank-Vorstand. Wären Schick und Grundmann Parteisoldatinnen, hätte einer sie vielleicht sogar verhindert: SPD-Mann Jörg Asmussen. Simon Hage
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RWE Die Kommunen wollen
Sitzen geblieben: Stefan von Holtzbrinck (bei einem Schulbesuch) wird StudiVZ nicht los
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Stadtbekannt Es gibt Situationen, da werden politische Scharmützel zwischen CDU und SPD hintangestellt. Zum Beispiel, wenn es um die Frage geht: Wen präferieren die Städte und Gemeinden, mit rund 20 Prozent immer noch größter Aktionär des Essener Energiekonzerns RWE, als künftigen Vorstandsvorsitzenden? Informell haben sich einflussreiche kommunale Anteilseigner auf einen Kandidaten verständigt: auf Rolf Martin Schmitz (54). Der ist im RWE-Vorstand zuständig für das operative Geschäft, mit Erfahrungen in kommunal beherrschten Unternehmen. Mit der Unterstützung der Kommunen – bei Arbeitnehmern ist er ohnehin beliebt – besitzt Schmitz gute Aussichten auf den Chefposten. Obwohl der jetzige Amtsinhaber Jürgen Großmann (59) gern den Strategievorstand Leonhard Birnbaum (44) als seinen Nachfolger sähe, wenn er im September 2012 ausscheidet. Der allerdings ist als ehemaliger McKinsey-Mann für viele RWE-Traditionalisten schwer zu akzeptieren. Großmann tat zuletzt einiges, um seinen Protegé elegant nach vorn zu schieben. So saß Birnbaum bei den jüngsten Gesprächen mit Gazprom, die in eine KraftRolf Martin Schmitz werkspartnerschaft münden könnten, ebenfalls mit am Verhandlungstisch. Schmitz kommt gelegen, dass der Einfluss der Bürgermeister und Landräte bei RWE nicht schwinden dürfte. Falls es zu einer Kapitalerhöhung kommt, wollen die Kommunen mitziehen. Ein formales Bekenntnis zu Schmitz steht noch aus. Die Kommunen warten ab, welche externen Kandidaten Aufsichtsratschef Manfred Schneider (72) präsentiert. Über einige deutsche Aspiranten wurde schon öffentlich diskutiert – mittlerweile sucht Schneider auch im Ausland. Dietmar Student 16
manager magazin 8/2011
FOTO: HORST RUDEL / IMAGO
Vorstand Schmitz als CEO.
HOLTZBRINCK Die Schwaben scheitern mit ihrem Versuch,
StudiVZ zu verkaufen. Jetzt irren sie weiter allein umher.
Ohne Freunde Ein paar Monate lang hat Goldman Sachs nichts unversucht gelassen, um einen Käufer für die Netzgemeinde StudiVZ und die ihr angeschlossenen Geschäfte (MeinVZ, SchülerVZ) aufzutreiben. Überall fahndeten die Bankleute nach Interessenten: Sie fragten im Inund im Ausland, sie fragten die Strategen und die Privaten, sie fragten die Guten und sie fragten die Bösen. Doch das Interesse an dem kleinen Facebook-Widersacher aus dem Hause der Stuttgarter Holtzbrinck-Gruppe (unter anderen „Zeit“, „Saarbrücker Zeitung“, Macmillan, S. Fischer, Rowohlt) entsprach nicht den Vorstellungen von Firmenchef Stefan von Holtzbrinck (48). Jetzt wurde die Suche ergebnislos abgeblasen. Nur aus Osteuropa, erzählt man sich, sei ein Angebot eingetrudelt: Doch offenbar wollte man die Herrschaft über ein soziales Netz und seine Millionen (privater) Nutzerdaten nicht Geschäftemachern von zweifelhaftem Ruf überlassen. Seriöse Interessenten fanden sich nicht – oder sie boten zu wenig: Privaten Beteiligungsfirmen fehlt es an Synergien, Medienhäusern schlicht am Glauben, mit Facebook konkurrieren zu können. 2008 noch hatte es Stefan von Holtzbrinck abgelehnt, StudiVZ an Facebook zu veräußern und dafür Anteile der US-Firma zu erhalten – ein teurer Fehler. Die VZ-Gruppierung setzt zwar gut 30 Millionen Euro um und soll in diesem Jahr sogar einen Millionengewinn abwerfen – aber sie hat nur noch rund 17 Millionen Nutzer. Allein in Deutschland sind 20 Millionen bei Facebook registriert: Mit mehr als vier Millionen Neuanmeldungen in den ersten fünf Mo-
naten des Jahres sind die Amerikaner an den Schwaben vorbeigaloppiert, als seien die festgebunden. Abgesehen von dem gescheiterten Verkauf des einst für 85 Millionen Euro erstandenen und für weitere Millionen ausgebauten StudiVZ-Netzes präsentiert sich Holtzbrinck in guter Verfassung: Die Zeitungen, heißt es, liefen exzellent, die Buchverlage und der Bereich Bildung und Wissenschaft blühten. Das Digitalgeschäft trägt ein Viertel zum Gesamtumsatz von 2,26 Milliarden Euro bei, der Reingewinn bei Bol.com ist höher als die Einstandskosten bei StudiVZ, der Anteil an Zalando das Dreifache dessen wert, und das eine Prozent, das man an Groupon hält, wird im Hause mit rund 160 Millionen Euro taxiert. Ein paar Verkäufe (darunter Beteiligungen am Rabattierer Citydeal und an der Verkaufsplattform Brands 4 Friends) brachten zuletzt über 100 Millionen Euro. Die Verlagsgruppe, sagt ein Holtzbrinck-Manager, „steht finanziell so gut da wie seit 15 Jahren nicht mehr“. In StudiVZ will man noch einmal investieren, und sollte sich eine Kooperationsmöglichkeit bieten, mit wem auch immer, dann wird man sicherlich darüber nachdenken. In spätestens drei Monaten soll eine Überarbeitung der Site freigeschaltet werden, man ist entschlossen, den Amerikanern in der Zeit, die StudiVZ noch bleiben mag, das Wirtschaften so unangenehm wie möglich zu machen: Es könne niemandem recht sein, knurrt ein Holtzbrinck-Manager, „wenn der Markt durch Facebook monopolisiert wird, das beim Datenschutz keine Rücksichtnahmen kennt“. Klaus Boldt
Namen + Nachrichten
führt seinen Bereich mit harter Hand.
Alles unter Kontrolle Wenn Anshu Jain (48), Vorstand der Chefs der seit Langem schwächelnden Deutschen Bank und womöglich dem- Vermögensverwaltung des Instituts. Privatkundenchef Rainer Neske (46) nächst Co-Chef des Instituts, den Kontakt zur Basis sucht, lädt der Leiter des hingegen gilt bankintern als kaum geweltweiten Investmentbankings gern fährdet, obwohl auch in seinem Bereich zum sogenannten „Town Hall Meeting“. die Ergebnisse erklärtermaßen besser Dann dürfen die Mitarbeiter in infor- werden müssen. „Die Refinanzierung meller Runde die Ansichten des Chefs zu über die Kundeneinlagen ist für die Bank wichtigen Themen erfahren oder auch überlebenswichtig“, sagt ein Insider. Gerätselt wird in der Bank noch, ob mal die eine oder andere Frage stellen. Die Veranstaltungen haben nur einen Jain einen Nachfolger für das bislang von Schönheitsfehler: Die Fragen, die Jain in ihm geführte Investmentbanking küren den Foren beantwortet, müssen vorher wird. Zwar gelten die Regionalchefs mit ihm abgestimmt werden. Wer sich Boon-Chye Loh (47; Asien-Pazifik) und nicht daran hält, dem droht Ungemach. Jeffrey Mayer (52; Nordamerika) als Das eigenwillige Verhalten verrät viel mögliche Kandidaten. Insider gehen inüber den Führungsstil des möglichen des eher davon aus, dass Jain die Sparte neuen Chefs der Deutschen Bank. Jain ist auch in Zukunft selbst leiten wird. Tatsächlich hat der Inder bisher in Perfektionist, er will die Dinge stets unter Kontrolle halten. Und er hat klare Vor- seinem Einflussbereich penibel darauf stellungen davon, was für seine Bank geachtet, dass mögliche interne Konkurrenten nicht zu mächtig werden. Etliche wichtig ist. Deswegen haben Leute, die ihn gut Topleute haben die Bank daraufhin verkennen, auch schon eine ebenso klare lassen: Der Kredithandelsexperte Rajeev Meinung darüber, wie Jain die Deutsche Bank verändern wird: Indem er den Slogan der Bank – „Leistung aus Leidenschaft“ – zum Dogma erhebt. Er werde, so mutmaßt ein langjähriger Weggefährte Jains, „die Luschen aussortieren“. Das hat Jain auch so gehalten, als er von seinem früheren Vorstandskollegen Michael Cohrs (54) das Geschäft mit FusioRegenmacher: nen und Übernahmen erbte. Das von Jain geleitete Eine der ersten Maßnahmen Investmentbanking erzielt des Inders war ein „Project in guten Zeiten bis zu 80 Integra“ genanntes EffizienzProzent des Bankprofits. programm, das nicht zuletzt Mastermind: auf die Trennung von verJains Expertise für die meintlich überflüssigen MitKapitalmärkte ist gefragt. arbeitern abzielte. In London ist er deshalb, Anders als Josef Ackeranders als in Berlin, ein mann (63), der auch dann loyal gesuchter Gesprächszu seinen Führungskräften partner der Politik. steht, wenn sie eine Zeit lang weniger gute Resultate vorweisen, ist Jain knallhart auf Zahlen fixiert. In der Bank könnten dies als Erste Kevin Parker (51) und Pierre de Weck (61) zu spüren bekommen, die
Misra (49), einst ein enger Vertrauter Jains, arbeitet heute bei der UBS. Brett Olsher (50), bis zum vergangenen Herbst oberster Fusionsberater der Deutschen Bank, ging zu Goldman Sachs. Anders als Ackermann, der sich vor allem als Botschafter der Bank in der weltweiten Hochfinanz sah, dürfte Jain auch als CEO wesentlich mehr Zeit für die Leitung des operativen Geschäfts aufwenden. „Die Charmeoffensive in Berlin wird er anderen überlassen“, sagt ein Deutschbanker. Jürgen Fitschen (62), der Jain womöglich als Co-Chef zur Seite gestellt wird, wäre dafür wohl auch der bessere Mann. Jains Antrittsbesuche bei der Politik, berichten Ministerielle, seien jedenfalls eher schwierig verlaufen. Der mögliche Aufstieg des angloamerikanisch geprägten Managers zum Chef des größten deutschen Geldinstituts sorgt mittlerweile auch in London für reichlich Gesprächsstoff – zumal Jain nach wie vor kaum Deutsch spricht. Der Internetdienst „Financial News“ stellte bereits zehn hilfreiche Sätze auf Deutsch zusammen, die der Inder lernen solle. Die beiden wichtigsten: „Ich denke, dass Frankfurt eine schöne Stadt ist“ und „Um welche Zeit ist der letzte Flug nach London?“ Thomas Katzensteiner/ Ulric Papendick
FOTO: HANNELORE FÖRSTER
DEUTSCHE BANK Der mögliche neue Co-Chef Anshu Jain
Verspätung in Chattanooga: Qualitätsprobleme verzögerten den Start des neuen US-Passats
FOTO: FRISO GENTSCH / DPA
kein Zoll an; und zumindest einen großen Teil der Motoren könnte die Marke aus dem mexikanischen Silao beziehen. Dort baut Volkswagen gerade ein neues Aggregatewerk. In Wolfsburg allerdings stoßen Stadlers Pläne nicht auf Begeisterung. Die Kapazität in Chattanooga lässt sich schließlich relativ einfach von derzeit möglichen 150 000 Autos pro Jahr auf 300 000 ausbauen. Audi könnte somit nach Chattanooga ziehen, genau wie Porsche, das ebenfalls in den Dollar-Raum drängt. Dahin gehe die Tendenz, gibt ein VOLKSWAGEN Der Ausbau der Werke in Nordamerika sorgt hochrangiger VW-Mann die Linie vor. für Probleme – und möglichen Streit mit Audi. Noch allerdings würden die Ingolstädter in dem VW-Werk nicht glücklich werden. Die Produktion dort ist schlecht angelaufen. Von fast 100 ungenau gefertigten Passat-Teilen berichten Konzernmanager; sie beklagen, dass die Autos in Beinahe schon legendär ist die herzliche VW wie für Audi. Die einen wollen dort Zelten vor dem Werk nachgearbeitet Abneigung, die den Ingolstädter Auto- bis 2018 jährlich 800 000 Autos verkaufen würden und dass etliche Werkzeuge behersteller Audi mit seinem Eigentümer und ihren Absatz damit mehr als verdrei- reits erneuert werden müssten. Das Reverbindet, der Wolfsburger Volkswagen fachen. Die anderen planen, die Verkäufe sultat: Die Produktion liege fast ein halAG. Regelmäßig liefert Audi einen Groß- auf 200 000 zu verdoppeln. bes Jahr hinter den Prognosen zurück. teil des Konzerngewinns, fühlt sich dafür Auch deshalb wird Stadler, so viel Offiziell äußert VW zu diesem konzernaber nicht angemessen gewürdigt. Wer steht fest, im Oktober die Erlaubnis zur euphemistisch als „qualitätsorientierte in die Zentrale nach Niedersachsen beor- Produktion in Amerika bekommen. Anlaufkurve“ umschriebenen Fehlstart, dert wird, der muss nach „Sibirien“, gran- Wo genau die Audis allerdings montiert man werde die versäumten Einnahmen teln die Bayern, und etliche der 2007 vom werden, ist noch heftig umstritten. wieder aufholen. Bestellungen gebe es heutigen Konzernchef Martin WinterDer Audi-Chef bevorzugt ein eigenes schließlich genug. korn (64) bei dessen Umzug nach WolfsWerk. Am liebsten würde er in Mexiko Das ist zwar richtig. Doch die Verburg mitgenommenen Manager würden produzieren; und das nicht nur, weil zögerungen kosten Dutzende Millionen nur zu gern zurückkehren in den Süden. Audi dort niedrigere Löhne zahlen Euro – und diese Zusatzkosten will sich Jetzt bahnt sich ein neuer Konflikt an. müsste. Bei einem Export der Autos fiele Audi sparen. Zumal VW ähnliche ProEs geht um die Amerika-Pläne des Kon- im Gegensatz zu einer US-Produktion bleme bei der Produktion des neuen zerns. VW baut in ChattaBeetles im mexikanischen nooga seit Kurzem eine USPuebla sowie in etlichen Made in America Version der MittelklasseAuslandswerken hat: Egal Werke deutscher Automobilhersteller in den USA und Mexiko* limousine Passat, und auch ob Kaluga, Pune oder PaAudi will jenseits des Atlancheco, wo der Pick-up AmaChattanooga, USA Passat tiks fertigen. So machen es rok gebaut wird – überall Tuscaloosa, USA Kapazität: 150 000, M , GL und R Klasse, die großen Rivalen Mercegab oder gibt es teure Startausbaubar auf ab 2014 auch C Klasse 300 000 des und BMW schon erschwierigkeiten. Kapazität: 160 000, Erweiterung geplant Spartanburg, USA folgreich, so plant es auch Schon erkennen interne X3, X5, X6 Audi-Chef Rupert Stadler Kritiker in Wolfsburg mehr Kapazität: 260 000 Mexiko (48). Als erstes Amerikaals die gewohnten KinderWunschstandort, Q5 Kapazität: 150 000 Modell hat er den Geländekrankheiten. Sie fürchten, Puebla, Mexiko gänger Q5 ausgewählt. dass die rasante GlobalisieSilao, Mexiko Jetta, Beetle, Golf Variant Motoren, in Bau Die USA sind neben rung des Konzerns ausgeKapazität: ca. 550 000 China der wichtigste Markt rechnet in der Produktion für die Wachstumspläne an ihre Grenzen stößt. *nur Werke für Pkw und Pkw-Teile Grafik: manager magazin Quelle: Unternehmen, eigene Recherche des Konzerns. Das gilt für Michael Freitag
Der Grenzfall
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manager magazin 8/2011
www.zdf-werbung.de
Karen Webb, Moderatorin von „Leute heute“ im ZDF
Thomas Schönen, Leiter Konzernkommunikation Beiersdorf AG
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17.45
Mo. – Fr.
Quelle: AGF/GfK Fernsehforschung, TV Scope, Montag bis Samstag, 1. Quartal 2011, BRD gesamt. Fernsehpanel (D+EU). Stand: 08.06. 2011. 1 Zeitschnitt. 2 Werbung: Tarif 1 30. GPS Premium und Markenkäufer: alle Personen eines GPS Premium oder Markenkäuferhaushalts.
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KIRCH/BREUER Nach dem Tod des Medienzars geht der
Streit mit dem früheren Bankchef in die nächste Runde.
Kirchs langer Schatten
FOTO: MICHAEL DALDER / REUTERS
Der 18. August dieses Jahres dürfte kein Datum sein, das Rolf-E. Breuer (73) mit Freude herannahen sieht. An diesem Donnerstag soll vor dem Landgericht München I ein Prozess beginnen, in dem sich der frühere Chef der Deutschen Bank gegen den Vorwurf des versuchten Betrugs wehren muss. Das Verfahren ist eine von vielen Hinterlassenschaften, die Breuer und sein ehemaliger Arbeitgeber dem Klageeifer des vor Kurzem verstorbenen Medienmoguls Leo Kirch zu verdanken haben. Bald zehn Jahre lang zog Kirch gegen die Deutsche Bank zu Felde, deren Ex-Chef Breuer er vorwarf, mit einem Interview im Februar 2002 die Pleite seines Konzerns ausgelöst zu haben. Kirchs Erben und sein langjähriger Vertrauter Dieter Hahn (50) wollen den Kampf fortführen. Breuers Gegner in diesem Verfahren sind indes nicht Kirchs Rechtsnachfolger, sondern die Münchener Staatsanwaltschaft. Und Beschuldigter ist nicht die Deutsche Bank, sondern Breuer. Der habe, so sehen es die Staatsanwälte, vor Gericht die Unwahrheit gesagt.
Die Vorwürfe reichen weit zurück. Ende 2003 hatte Breuer in einer Beweisaufnahme vor dem Münchener Oberlandesgericht angegeben, „keinerlei spezifische Kenntnisse“ zum Kirch-Engagement seiner Bank gehabt zu haben. Die Staatsanwälte hingegen wollen dem Ex-Vorstand nachweisen, dass er bei diversen Gelegenheiten intensive Einblicke in Bankinterna zum Thema Kirch hatte. So habe Breuer etwa Ende 2001 an einer Sitzung des Kreditausschusses der Bank teilgenommen, auf der der Risikomanager (und heutige Deutsche-BankVorstand) Hugo Bänziger (55) die Teilnehmer eindringlich vor dem Risiko aus
„Wenn, dann ist das ohne Zustimmung des Vorstands erfolgt.“ Deutsche-Bank-Chef Ackermann auf die Frage, ob sein Vorgänger Breuer Kirch kurz vor dessen Pleite einen Schutzschild angeboten habe.
dem Kirch-Engagement warnte. Bänziger, den die Staatsanwälte als Zeugen befragt haben, soll bei dieser Gelegenheit auch Zahlen zur geschätzten Gesamtverschuldung und zur Kreditwürdigkeit des Unternehmers genannt haben. Außerdem verweisen die Staatsanwälte auf ein Schreiben des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen vom September 2001. Darin verlangen die Kontrolleure vom Vorstand der Deutschen Bank detaillierte Auskünfte über die Kreditbeziehungen zu Kirch. Eine Kopie des Briefs wurde von Breuer gegengezeichnet und mit einem Vermerk zur Weiterleitung an Kollegen versehen. Breuers Verteidiger, der Düsseldorfer Strafrechtler Sven Thomas (63), hält die Vorwürfe für substanzlos. Natürlich habe Breuer als Vorstandssprecher Kenntnisse über Kirch gehabt, ließ Thomas die Staatsanwälte in einer Stellungnahme wissen. Dies sei den Richtern auch klar gewesen. Breuers Aussage vor Gericht habe lediglich klarstellen sollen, dass er keine darüber hinausgehenden Informationen erlangt habe. Im Übrigen habe sich die Krise des Kirch-Imperiums zum Zeitpunkt des Interviews bereits so zugespitzt, dass Breuers Kenntnisstand ohnehin veraltet gewesen sei – und für das Interview ohne Relevanz. Aussagen anderer Topmanager verstärken allerdings den Eindruck, dass die Bank nicht mehr rückhaltlos hinter ihrem früheren Chef steht. So gab Breuers Nachfolger Josef Ackermann (65) erst vor Kurzem vor Gericht zu Protokoll, das damalige Angebot Breuers an Kirch, die Bank könne dem bedrängten Medienmanager einen „Schutzschild“ anbieten, sei mit dem übrigen Vorstand nicht abgestimmt gewesen. Ein entsprechendes Schriftstück sehe er zum ersten Mal. Sollten die Richter zu der Auffassung gelangen, Breuer habe im Alleingang gehandelt, könnte das für die Deutsche Bank durchaus Vorteile haben. Immerhin steht ein Vergleichsvorschlag im Raum, nach dem Kirch – oder dessen Erben – im Ausgleich für den erlittenen Schaden mindestens 775 Millionen Euro erhalten soll. Ulric Papendick
Auf der Anklagebank: Ex-Bankchef Breuer (r.) bleibt auch nach dem Tod Kirchs (bei einem Auftritt im März) im Visier der Justiz 20
manager magazin 8/2011
Namen + Nachrichten
Ab 26.7. im Handel.
FOTO: ANDY RIDDER / VISUM
Obsiegt: Schott-Vormann Ungeheuer konnte sich in internem Machtkampf behaupten
SCHOTT Strafaktionen
in der Führungsriege.
Glasbruch ist ein Mann, der gern Unruhe stiftet. Seit sieben Jahren führt der 60-Jährige den Mainzer Spezialglaskonzern Schott (2,9 Milliarden Euro Umsatz). In der Zeit hat er das Portfolio gehörig umgekrempelt und außerdem allerlei Querelen mit seinen Führungskräften durchgemacht. Ausgeschiedene Mitarbeiter berichten gern von einem „bizarren Schott-Staat“, in dem große wie kleinere Angelegenheiten vor allem von einem bestimmt werden – Ungeheuer eben. Bis vor Kurzem schien es so, als könne bald Schluss sein mit dieser Art der Unternehmensführung. Doch nun kommt es wohl anders. Denn eine Revolte gegen den Chef ist gründlich gescheitert. Die Vorgeschichte reicht zurück bis ins Frühjahr 2010. Damals hatte Aufsichtsratschef Theo Spettmann (66), der zugleich den Stiftungsrat der Schott-Eigentümerin Carl-Zeiss-Stiftung anführt, seinen Schott-Ratskollegen Stephan Schaller (53) ins Management gehievt. Auch Schaller ist ein Mann mit AmbitioUdo Ungeheuer
nen. Der Manager hatte drei Jahre lang das Nutzfahrzeuggeschäft von Volkswagen geleitet, war dort aber gescheitert, anscheinend wegen zu großer Machtansprüche. Offenbar war vorgesehen, dass der neue Schott-Vorstand zu gegebener Zeit Ungeheuer an der Firmenspitze beerben könnte. Das wäre schon Ende kommenden Jahres möglich gewesen. Ungeheuers Vertrag war zuletzt im Dezember 2007 um fünf Jahre verlängert worden. Deshalb wurde eigens für Schaller die Position des stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden geschaffen. Außerdem übertrug man ihm die wichtige Solarsparte. Gut 13 Monate später haben sich die Dinge indes sonderbar gewandelt. Schaller ist schon wieder raus aus der Topriege. Vor wenigen Wochen waren er und seine Vorstandskollegen zu einem außerordentlichen Treffen von Aufsichtsräten nach St. Gallen zitiert worden. Dort teilte die Kontrolleursrunde dem verdutzten Vize mit, dass es für ihn keine Zukunft als Vorstand gebe; der Vertrag wurde mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Auch einige von Schallers Vorstandskollegen traf der Bannstrahl. Jürgen Dahmer (54), ein ehemaliger BayerMann, der seit 2008 dem Schott-Vorstand angehört, muss sich in den nächsten Monaten einen neuen Job suchen. Und Finanzchef Klaus Rübenthaler (50), bereits vor einigen Jahren einer zwischenzeitlich drohenden Auswechslung entgangen, erhielt – eigentlich unüblich in Vorstandsrängen – eine Abmahnung. Nur Vorstand Hans-Joachim Konz (51) blieb ungeschoren. Als Begründung für die Strafaktionen muss das mehr oder weniger getrübte Verhältnis der Delinquenten zu Ungeheuer herhalten. Tatsächlich hatten sich Schaller und Co. intern wohl massiv über Ungeheuer und dessen eigenwilligen Führungsstil beklagt. Den kann er jetzt weiter pflegen – womöglich sogar über das kommende Jahr hinaus. Thomas Werres manager magazin 8/2011
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SCHWERPUNKT
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Namen + Nachrichten
IN BERLIN
OPEL VW hat größeres
Interesse als gedacht.
Das Angebot Die Story schien einfach nur absurd, und doch schreckte sie die Öffentlichkeit auf wie sonst nur wenige Wirtschaftsmeldungen. General Motors (GM) wolle seine angeschlagene deutsche Tochter Opel verkaufen, berichteten diverse Medien – und als mögliche Käufer wurden neben den üblichen Verdächtigen aus China ausgerechnet zwei Konzerne genannt, die mit einer zusätzlichen europäischen Marke eigentlich wenig anfangen können: Volkswagen und Hyundai. GM will Opel abstoßen? Hatten die Amerikaner nicht Ende 2009 den fertig ausgehandelten Opel-Verkauf an den Zulieferer Magna wieder abgeblasen? Prompt hagelte es Dementis: Volkswagen („keine Pläne“) und Hyundai gaben sich desinteressiert; GM („derzeit weder Kontakte noch Gespräche“) rang sich wenigstens zu einer halbherzigen Bestandsgarantie für seine noch immer hochdefizitäre Europa-Abteilung durch. Doch die Geschichte hat einen realen Kern. Als GMs Verkaufsüberlegungen in Wolfsburg bekannt wurden, diskutierte der VW-Vorstand mehrere Reaktionen: einen Management-Buy-out zu unterstützen, einem Verkauf tatenlos zuzusehen, aber eben auch: Opel zu kaufen. Also besorgte sich die VW-Spitze nähere Informationen über den Rüsselsheimer Rivalen. Finanzchef Hans Dieter Pötsch (60) ließ Szenarien durchrechnen, und schließlich – selbst Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch (74) hatte sich eingemischt – ließen die Wolfsburger GM wissen, auf welchen Wert sie Opel taxierten. Verhandelt wurde indes nicht. GM befand das Gebot als zu niedrig. Aufgeschreckt hatte die VW-Spitze angebliches Interesse aus Korea. Hyundai spreche mit GM über Opel, hieß es in Detroit. „Einem Verkauf an einen chinesischen Hersteller könnten wir ruhig zusehen“, sagt ein VW-Topmann. „Aber auf Hyundai müssen wir aufpassen.“ Vor allem dass die Koreaner sich die Dienste Tausender Opel-Entwickler sichern könnten, bereitet VW-Chef Martin Winterkorn (64) Unbehagen. Michael Freitag 22
manager magazin 8/2011
FINANZKRISE Kommt jetzt endlich ein Untersuchungs-
ausschuss zur Aufarbeitung des Bankencrashs?
Schuld und Bühne Das Ganze glich einem Tribunal. Topbanker wie Lloyd Blankfein (56, CEO von Goldman Sachs) mussten vor laufenden Fernsehkameras die Hand zum Schwur erheben. Die Untersuchungskommission des US-Kongresses, die Ende Januar ihren Abschlussbericht vorlegte, bildet bis heute den gründlichsten Versuch, die Schuld an der globalen Finanzkrise zu klären. Ganz anders in der deutschen Parteiendemokratie: Lediglich die Beinahepleite der Hypo Real Estate wurde bislang vom Bundestag unter die Lupe genommen. Für einen Untersuchungsausschuss mit breit angelegtem Mandat nach US-Vorbild ist bislang keine Mehrheit in Sicht. Klar, Linke und Grüne sind im Zweifel dafür, schließlich standen sie in den Krisenjahren nicht in der Regierungsverantwortung. Allerdings verfehlen beide Fraktionen zusammen knapp jene 25 Prozent, die die Einberufung eines Ausschusses unterstützen müssen. Union und SPD wiederum haben wenig Interesse an einem allzu genauen Blick auf ihre eigene Regierungsarbeit. Die FDP schließlich tut sich aus Gründen der Koalitionsraison schwer, einen Untersuchungsausschuss gegen den Willen der Union zu unterstützen. Unterhalb des Radars der Fraktionsführungen mühen sich derzeit trotzdem Abgeordnete, die 25 Prozent zusammenzubekommen. In Einzelgesprächen versuchen sie, Kollegen ins Lager der Ausschussbefürworter zu ziehen. „Je weniger öffentlich über das Thema geredet wird,
desto größer unsere Erfolgsaussichten“, sagt einer der Parlamentarier. Wohl wahr, schließlich ist gerade erst ein anderer Untersuchungsausschuss zur Bankenkrise in letzter Minute gescheitert: Im nordrheinwestfälischen Landtag hatten CDUFraktionschef Karl-Josef Laumann (54) und sein grüner Amtskollege Reiner Priggen (58) zunächst einen Ausschuss zur WestLB befürwortet – doch als die Linke Anfang März einen entsprechenden Antrag einbrachte, änderten beide ihre Meinung. Offiziell, um die laufende Filetierung der WestLB nicht zu gefährden. Inoffiziell, weil die Grünen vom Koalitionspartner SPD zurückgepfiffen wurden. Der gebremste Aufklärungseifer zeigt sich auch an anderer Front: Bis heute zieren sich Landesregierungen, zivilrechtliche Forderungen gegen jene Politiker durchzusetzen, die in den Aufsichtsgremien der Landesbanken die Offshore-Zockerei abnickten. So weigert sich Sachsens Finanzminister Georg Unland (57; CDU) bis heute, Schadensersatzklagen gegen die ehemaligen Mitglieder des Kreditausschusses der SachsenLB zu erheben, unter ihnen der damalige Finanzminister Horst Metz (66; CDU). Und das, obwohl vom Ministerium beauftragte Anwälte eindeutige Pflichtverletzungen festgestellt hatten. Unlands originelle Begründung: Selbst im Erfolgsfall gäbe es keine Chance, bei den Aufsehern „mehr Geld zurückzubekommen, als der Prozess den Kläger kostet“. Christian Rickens
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TEREX
Vorstandschef DeFeo über seine Pläne mit dem feindlich übernommenen Kranbauer Demag.
– ohne Demag – sollte dieses Jahr um 25 Prozent wachsen. Wir bauen also auf einem soliden Wachstumsfundament auf.
„Es geht um Wachstum“
Das klingt ziemlich sportlich, wenn man bedenkt, dass der Euro-Zone der Kollaps und den USA ein Staatsbankrott droht.
Herr DeFeo, wir sind verwundert: Seit Monaten beklagen Sie sich, dass Ihnen das Demag-Management immer wieder die Tür vor der Nase zuschlägt. Und jetzt, wo Ihnen die Übernahme gelungen ist, zieht Demag-Chef Aloysius Rauen sogar in den Konzernvorstand von Terex ein. War am Ende alles nur Show?
DEFEO Sicher nicht: Schauen Sie, wir hatten unsere Differenzen, weil jeder seine Interessen vertreten hat. Entscheidend ist: Das Ergebnis ist gut und wird das Unternehmen stärken. Ich freue mich darauf, mit dem Management von Demag zusammenzuarbeiten. Vor ein paar Wochen haben Sie sich noch beschwert, dass Demag 20 Millionen Euro für seine Verteidigung und weitere 15 Millionen für die Verlängerung von Vorstandsverträgen ausgegeben hat. Jetzt ist Ihnen das egal?
DEFEO Das wäre sicher nicht nötig gewesen, wenn man sich früher zusammengesetzt und eine konstruktive Lösung gesucht hätte. Das Geld hätten wir uns sparen können. Aber das ist Vergangenheit. Sie haben einen hohen Preis für Demag bezahlt, obwohl Ihr eigener Aktienkurs in den vergangenen Wochen deutlich gesunken ist. Müssen Sie sich jetzt nicht eingestehen, dass die Akquisition zu teuer ist?
DEFEO Ich bin zufrieden mit dem Preis, muss aber auch sagen, dass er sich
Sie haben den Arbeitnehmern große Zugeständnisse gemacht, unter anderem eine Jobgarantie für die kommenden drei Jahre. Berauben Sie sich damit nicht der Möglichkeit, Synergien zwischen den Unternehmen zu heben?
DEFEO Sie müssen sehen, woher wir kommen. Der Markt für Krane und Baumaschinen ist von 2008 auf 2009 um 80 Prozent eingebrochen. Wenn wir jetzt 25 Prozent wachsen, klingt das viel, ist aber nicht mehr als die Rückkehr zur Normalität. Ich mache mir durchaus Sorgen um die Weltwirtschaft. Wir haben ein Problem in den USA, wir haben Probleme in Griechenland, Italien und Spanien.
DEFEO Es wird aufgrund dieser Transaktion keine nennenswerten Stellen-
Wo sind die Perspektiven denn besser?
am oberen Ende dessen bewegt hat, was Terex zu bezahlen bereit gewesen ist.
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streichungen geben. Jetzt geht es um Wachstum, nicht um Kostensenkung. Ich gehe davon aus, dass der weltweite Markt sich erholen wird und wir an dieser Erholung partizipieren. Terex allein
DEFEO Unser Fokus liegt klar auf den Schwellenländern, auf China, Brasilien, Indien. Terex und Demag wollen in diesen Märkten gemeinsam wachsen. Außerdem glaube ich, dass wir von Demag lernen und rund um unser bisheriges Geschäft noch ein schönes Servicegeschäft bauen können. Und wir haben jetzt das beste Angebot für Häfen. Das wird einer unserer großen Wachstumstreiber für die kommenden Jahre. Welche Auswirkungen wird die Ausrichtung auf Schwellenländer für Ihre Produktionsstandorte haben?
DEFEO Langfristig werden wir Produktionsstätten in Schwellenländern aufbauen und dafür auch ein paar Standorte in entwickelten Märkten schließen. Wann und wo das sein wird, kann ich noch nicht sagen. Aber das ist die logische Konsequenz und unvermeidbar. ◆ Das Interview führte mm-Redakteur Thomas Katzensteiner.
RONALD DEFEO Urgestein: Seit 1995 leitet der 59-Jährige den Baumaschinenhersteller Terex und gehört damit zu den dienstältesten Chefs eines börsennotierten US-Konzerns.
FOTO: GETTY IMAGES
Übernahmespezialist: In seiner Amtszeit hat der Sohn italienischer Einwanderer etliche Übernahmen gestemmt – auch in Deutschland.
manager magazin 8/2011
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MANAGER DIREKT MM-PANEL Führungskräfte sehen Agenturen als Antreiber der Euro-Spekulation.
Entscheider kritisieren Rating-Macht Ihr Wort kann Milliarden vernichten: Die Ratingagenturen stehen wegen der Euro-Schuldenkrise mehr denn je im Blickpunkt der Investoren. Nachdem Moody’s am 5. Juli Portugals Anleihen auf Ramschniveau herabgestuft hatte, brach in den folgenden fünf Handelstagen der Aktienleitindex Euro Stoxx 50 um zeitweise mehr als 9 Prozent ein. Deutschlands Entscheider missbilligen das Vorgehen der Agenturen: Vier von fünf sind der Meinung, dass sie die Spekulation im Euro-Raum unnötig an-
heizen. Fast zwei Drittel der Topentscheider halten es für falsch, dass Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch großen Einfluss auf die Benotung von Staatsanleihen haben. Ihre Bewertungen gelten der Mehrheit als fragwürdig. Die Manager verlangen Reformen, ebenso wie die Politik. Ein Drittel unterstützt auch den Vorschlag aus der EU-Kommission, mit staatlicher Hilfe eine europäische Ratingagentur zu gründen. Mehr zur Methode: www.manager-magazin.de/entscheiderpanel
Übermächtig
Reformbedürftig
Undurchsichtig
Die Ratingagenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch haben großen Einfluss auf die Benotung von Staatsanleihen. Halten Sie dies angesichts der aktuellen Euro-Krise für richtig oder falsch?*
Was sollte die EU tun?*
Welchen Statements zu Ratingagenturen stimmen Sie zu?* Mehrfachnennungen möglich
Die Ratingagenturen gesetzlich stärker regulieren.
Ich halte es für falsch.
Ich halte es für richtig.
41
Mit staatlicher Hilfe eine neue Ratingagentur gründen.
34
34
Bonitätsnoten für diejenigen EU Länder aussetzen, die unter den Rettungsschirm geschlüpft sind.
63
28 15
Alles so belassen.
3 Weiß nicht. Grafik: manager magazin
*Angaben in Prozent, 336 Befragte.
Quelle: manager-magazin-Entscheiderpanel
mm-Konjunktur-Indikator mm-Prognose des BIP-Wachstums für 2011
4,2 % 3,1
3,2
3,4
2,7 OECD Fünf Weise
Okt.
Nov.
2010
Dez.
3,6
3,7
3,5
Gemeinschafts diagnose* Bundesbank EU Kommission
Jan.
Feb.
März
April
3,7
3,9
IfW OECD Dekabank Deutsche Bank
Mai
Juni
mm-Prognose des BIP-Wachstums für 2012
1,5 % Juli
Aug.
2011
(Beginn der Prognose)
Grafik: manager magazin *Gemeinschaftsdiagnose der Wirtschaftsforschungsinstitute. Quelle: IfW, Kiel Economics, Gemeinschaftsdiagnose der Wirtschaftsforschungsinstitute, Sachverständigenrat Wirtschaft (Fünf Weise), OECD, Deutsche Bank, Bundesbank, EU-Kommission, Dekabank
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manager magazin 8/2011
Mehrfachnennungen möglich
Die Ratingagenturen sind notwendig, um die Politik zu kontrollieren. Ich vertraue den Urteilen der Ratingagenturen.
45 21
Die Ratingagenturen heizen die Spekulationen im Euro Raum an.
82
Die Ratingagenturen arbeiten undurchsichtig, man weiß nicht, welche Interessen dahinterstecken.
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Das Klima wird rauer. Spürbar schwächt sich das Wachstum ab, auch wenn eine akute Krise ausbleibt. Zwar zeigt der mm-Konjunktur-Indikator, die einzige monatliche Vorhersage für das deutsche BIP, für dieses Jahr 4,2 Prozent. Ein stolzer Wert, der vor allem aus dem dynamischen ersten Halbjahr resultiert. Für 2012 liegt die Vorhersage derzeit bei nur 1,5 Prozent. Diese Prognose sei aber wegen der großen Risiken noch unsicher, sagt Carsten-Patrick Meier von Kiel Economics, der den Indikator für mm berechnet. Abhängig von der Entwicklung der Weltwirtschaft, sei sowohl eine erneute Rezession (0 Prozent) möglich als auch weiter kräftiges Wachstum (3 Prozent). Mehr zum Thema: www. manager-magazin.de/mm-indikator
UNTERNEHMEN
DIE REIFEPRÜFUNG UNTERNEHMENSBERATER Die Kunden geben der Branche schlechtere
Noten, zeigt ein exklusiver Test. Wofür also braucht man noch Berater? Die Consultants reagieren auf die Existenzfrage mit einer Ausweitung ihrer Geschäftsmodelle – und Abrechnungstricks. 26
manager magazin 8/2011
Führungstrio: Frank Mattern (McKinsey, links), Christian Veith (BCG, unten), Martin Wittig (Roland Berger)
Just take five Deutschlands beste Berater Veränderung
Kundenzu ggü. 2009 friedenheit* in Punkten 1 McKinsey 2 Boston Consulting 3 Roland Berger 4 Bain 5 Booz
400 395 379 373 369
+3 6 9 11 7
250 *Punkte auf einer Skala von 100 (sehr gering) bis 500 (sehr hoch). Grafik: manager magazin Quelle: WGMB, Prof. Fink
Unternehmen Berater
wei Jahrzehnte gehört Claus Benkert (47) nun schon der weltgrößten Unternehmensberatung, McKinsey, an, plagt sich mit Klienten aus der Halbleiterbranche, müht sich mit der Bildungsreform Saudi-Arabiens. Der Physiker, der die traditionelle Kluft der Consultants trägt (dunkelgrauer Anzug, Krawatte, weißes Hemd), hat viel gesehen, viel verdient und noch mehr erlebt. Und dann das. Eigentlich wollte McKinsey seine innovative Kundenschule in einem Objekt auf der Münchener Theresienwiese, in Bierkrug-Wurfweite zum Oktoberfest, unterbringen. War im Prinzip alles unter Dach und Fach, vulgo ausverhandelt. Bis dann der bauernschlaue Vermieter sich Tiefgarage und Flurbenutzung extra bezahlen lassen wollte (Benkert: „Der wollte uns über den Tisch ziehen“). Anfang 2011 mussten die Consultants eine neue Bleibe suchen. Dass es doch zur Jahresmitte klappte, damit hatte kaum einer gerechnet: „Die Wetten standen gegen uns“, sagt Benkert. Nun sitzt er im ersten Obergeschoss des Airport Business Center, in einem Bürokomplex, dessen Hauptmieter der Kosmetikkonzern Avon ist. In der Gemeinde Hallbergmoos, fünf Taximinuten vom Münchener Flughafen entfernt. Dort, wo die Pizzeria „Da Tony“ mit Sonderkonditionen ihr 40-jähriges Jubiläum feiert („Angebot nur zum Liefern“). Dort, wo „Der Hallberger“ („verlässlich, heimatverbunden, kompetent“) im 20. Jahrgang ausliegt. Es riecht noch neu, die Teppiche dünsten aus. Hier, im sogenannten Capability Center, trainiert McKinsey unter Benkerts Leitung auf 1000 Quadratmetern seit Juni seine Klienten – und fügt damit den vielfältigen Geschäften des Ratgebers eine ungewöhnliche Facette hinzu. Über derlei Innovationen grübelt derzeit nicht nur McKinsey. Etliche Unternehmen erfinden sich neu – der Marktführer stürmt nur vornweg. Vieles wird probiert, nahezu alles erscheint möglich. Sogar die Kombination mit dem Investmentbanking verspricht Erfolg, wie das Beispiel des Münchener Beratungshauses Goetzpartners beweist (siehe Kasten Seite 34). „Das Geschäftsmodell der klassischen Strategieberater stößt an seine Grenzen“, sagt Wirtschaftsprofessor Dietmar Fink, seit Jahren ein profunder Kenner
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der Szene (siehe Interview Seite 31). McKinsey, Roland Berger & Co. müssten ihre Strukturen über kurz oder lang grundlegend verändern, so Fink, „sonst bekommen sie Probleme“. In diesem Jahr jubeln viele Berater zwar über ein zweistelliges Umsatzplus; aber das ist in weiten Teilen ein Nachholeffekt vergangener Krisenzeiten. Der deutsche Beratungsmarkt hat einen Reifegrad erreicht, der auf mittlere Sicht nur noch spärliches Wachstum ermöglicht. Die Internationalisierung des Geschäfts wird immer zwingender – und teuer. Finanzstarke Wirtschaftsprüfer (WP), die in ihrem Stammgeschäft Bilanztestat mit noch niedrigeren Margen auskommen müssen, greifen an. Die Kunden sind kritischer, klüger und selbstbewusster geworden. Hohe Preise und Profite können oft nur noch mit Tricksereien gesichert werden (siehe Kasten Seite 30). Die Klienten stellen die Dienlichkeit von Beratern generell infrage; der Ruf des Vordenkers, den die Zunft gepflegt hat wie eine Avon-Kundin ihren Teint, ist weg. Wozu braucht man Berater heute noch? Wo sind sie gut, wo schlecht? Wer ist im Urteil der Kunden der Beste? Exklusiv für manager magazin hat Professor Fink geprüft, wie zufrieden die Unternehmen mit ihren Beratern sind, und die wichtigsten Branchenmitglieder miteinander verglichen. Zum ersten Mal hat der Forscher die Beratungssparten der WP-Kolosse in die Rangfolge einbezogen. Die wichtigsten Ergebnisse: ■ Nur noch 57 Prozent der Kunden sind mit den Leistungen der Berater zufrieden, der niedrigste Wert seit 2007. Und im Vergleich zur letzten Untersuchung vor zwei Jahren werden die Topconsultants im Schnitt deutlich schlechter bewertet. ■ Es gibt eine Wachablösung an der Spitze: McKinsey verweist den langjährigen Primus Boston Consulting (BCG) auf Rang zwei und legt als Einziger unter den Top Five gegenüber 2009 zu (siehe Grafik Seite 27). ■ Die Wirtschaftsprüfer sind in vielen Disziplinen zwar noch nicht auf Augenhöhe mit den etablierten Consultants, verfügen aber wegen ihres hohen Bekanntheitsgrades in den Unternehmen über ein riesiges Potenzial. Die klassischen Berater stehen unter Druck wie selten zuvor. Einige stellen
sich auf die bedrohliche Lage ein; andere versuchten, so Fink, „die Situation durch konsequentes Ignorieren zu meistern“.
1. MCKINSEY: DAS EXPERIMENT Nein, die Sache ist nicht billig, und Spaß soll sie auch nicht machen, jedenfalls nicht vordergründig. „Es geht um wirksame Veränderungen beim Klienten“, sagt McKinsey-Direktor Benkert, „wir bieten keinen Ersatz für Incentive-Reisen für Manager.“ Schätzungsweise zehn Millionen Euro hat McKinsey in den Aufbau des Trainingszentrums in Hallbergmoos gesteckt. 80 Berater sollen hier einmal die Kunden schlauer machen. Die Truppe vermittelt ihr Wissen erlebnis- und praxisnah. In einem realen Weinshop zum Beispiel wird digitales Marketing gelehrt; als Einkaufsmanager einer Firma namens North Sea Oil muss man Pumpen und Bohrer günstig ordern; in einer fiktiven Alpine Bank sollen Arbeitsabläufe optimiert werden. McKinsey will, dass den Kunden Umbauprojekte leichter von der Hand gehen: Die Maßnahmen sollen sich schneller im Unternehmen verbreiten, der Effekt länger vorhalten. Das Angebot richtet sich sowohl an Vorstände (ein halber oder ganzer Tag) als auch an das Mittelmanagement (3 bis 5 Tage); Transformationsprojekte von mehreren Monaten werden ebenfalls mit Trainings begleitet. Hinter der Bildungsoffensive steckt auch die Einsicht in die Kraft der Fakten. Wie die Fink-Studie zeigt: Die Firmen wünschen Hilfe bei der Umsetzung von Konzepten, die ihnen die Consultants anempfehlen. Sie wollen sich aber einen teuren Topberater wie McKinsey über Monate nicht leisten. Mit dem Trainingstrick macht die Firma Scharen spezialisierter Umsetzungsberater überflüssig – die Konkurrenten schäumen. Nebenbei kann sie ein bisschen Schulgeld verdienen; bei größeren Gruppen werden 1500 Euro pro Person und Tag berechnet. Und sie kann die Kunden enger an sich binden, vor allem auf den unteren Hierarchiestufen, wo die Meckies bislang eher gemieden wurden. Die Paukidee, die in den McKinseyKöpfen seit anderthalb Jahren spukt, ist Teil eines internen Strategieprozesses, den Weltchef Dominic Barton (48) gestartet hat. Der wichtige deutsche Be-
Unternehmen Berater
ratermarkt ist häufig das Experimentierfeld: Was sich hier, im Wirkungskreis von Deutschland-Chef Frank Mattern (49), bewährt, wird dann später auch in Asien oder Amerika eingeführt. McKinsey prüft nicht nur neue Geschäftsideen. Die Berater gehen auch neue Bündnisse ein, um so auf Umwegen mitzuverdienen: Mit dem Marktforscher Nielsen haben sie ein Joint Venture gegründet, das Unternehmen bei der Nutzung sozialer Medien wie Facebook hilft; in Frankreich liieren sie sich mit einer Firma, die sich auf den öffentlichen Sektor spezialisiert hat – solo bliebe den angelsächsisch geprägten Meckies dieses Geschäftsfeld wohl verschlossen. Jetzt entwickelt McKinsey auch noch ein neues Karrieremodell. Bis zu drei Monate im Jahr können sich Berater fortan freinehmen, bei entsprechenden Gehaltsabschlägen. Die Zeit sollen sie, wie es heißt, „zur Typbildung“ nutzen, zur Stärkung ihrer Persönlichkeit. McKinsey will den fatalen Trend stoppen, dass nach wenigen Jahren Betriebszugehörigkeit sämtliche Individualität abgeschliffen wird und sich uniforme Ratgebertruppen herausbilden – die auch Anzüge derselben Farbe tragen. Klar, dass eine solche Neuerung intern heiß umstritten ist. Vielen Altgedienten, die sich seit eh und je nur über ihren Job definieren, klingt das doch zu sehr nach „Weichei“. Auch stellen einige Fragen existenzieller Natur wie diese: „Ist das dann eigentlich noch unsere Firma?“ Gute Frage. Leicht verstört berichten Klienten, man habe neulich doch glatt McKinsey-Berater in Jeans und T-Shirt gesichtet.
2. BOSTON CONSULTING: DER PREIS DES WACHSTUMS Man kann nicht behaupten, der Firma BCG ginge es schlecht. Seit Jahren erfreut sie sich einer vielknospigen Blüte; sogar in der vergangenen Krise konnten die Berater ihren Umsatz steigern, als einer der wenigen großen Spieler. Weltchef Hans-Paul Bürkner (58) hat seine Mannschaft auf Wachstum eingeschworen. In immer neue Geschäfte dringt das Unternehmen vor. „Um unseren Anspruch als Marktführer der strategischen Beratung zu erneuern und zu stärken, addieren wir regelmäßig Kompetenzfelder hinzu“, sagt DeutschlandChef Christian Veith (52), als handele es
Die Suche nach der verlorenen Strategie Während in der Krise in erster Linie Sanierungsrat gefragt war, wollen die Unternehmen nun vor allem Hilfe bei strategischer Planung und M & A. 53 Prozent der befragten Vorstände planen, bis 2013 mehr für M & A-Projekte auszugeben. BCG führt das Strategieranking an, McKinsey liegt bei M & A vorn. Domäne der Wirtschaftsprüfer ist das Finanz- und Risikomanagement.
Wer aus Sicht der Kunden in den wichtigsten Beratungsfeldern kompetent ist*
Veränderung ggü. 2009 in Punkten
Strategische Planung
Veränderung ggü. 2009 in Punkten
Marketing und Vertrieb
1 Boston Consulting
421
7
1 Simon Kucher
389
2 McKinsey
417
6
2 Boston Consulting
387
399
3 Bain
372
4 Roland Berger
354
5 Booz
**
+9 +12
372
+3
3 McKinsey
+2
4 Bain
349
+3
+1
5 Roland Berger
346
+12
250
250
Innovation
M & A-Strategie 380
1 McKinsey
9
2 Bain
379
+14
3 Boston Consulting
375
6
330
+2
325
7
4 A. T. Kearney 5 Roland Berger
1 Boston Consulting
+10 +12
354
3 Booz
346
2
4 McKinsey
341
+11
340
+9
5 A. T. Kearney
250
250
Post-Merger-Integration
Finanz- und Risikomanagement 382
1 McKinsey 2 Boston Consulting
373
+4
1 KPMG
413
+1
2 PwC
408
3 Deloitte
403
4 Ernst & Young
400
3 Roland Berger
348
+7
4 A. T. Kearney
346
+10
329
5 Booz
376
2 Arthur D. Little
+7
Sanierung / Restrukturierung 401 390
2 Roland Berger
376
3 Boston Consulting
12
250
Organisation / Führung 1 McKinsey
392
5 McKinsey
250
8
1 Roland Berger
7
2 McKinsey
4
3 KPMG 4 PwC
4 Booz
368
8
5 Bain
365
+6
397 388
8 8
365 350
5 Boston Consulting
338
6
250
250
Operations-Management 1 A. T. Kearney
390
2 McKinsey
385
+9
3 Management Engineers
380
+21
4 Roland Berger
369
5 Deloitte
364 250
+6
+8 *Punkte auf einer Skala von 100 (sehr gering) bis 500 (sehr hoch). **Kein Vergleich zum Vorjahr möglich. Quelle: WGMB, Prof. Fink Grafik: manager magazin
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Unternehmen Berater
Dolce Vita Die Schliche der Topberater – ohne Anspruch auf Vollständigkeit AUSGANGSLAGE
Die großen Konzerne schließen mit den Beratungsfirmen Rahmenverträge ab, meist 50 bis 60 Seiten starke Regelwerke. Dort wird genau festgelegt, ab welchem Projektvolumen wie viel bezahlt wird. Solche Knebelabkommen drücken die Honorare. Seit der Krise sind sie im Topsegment der Dax-Liga um 15 bis 20 Prozent gesunken. Für einen Juniorberater (ein bis zwei Jahre Erfahrung) werden im Schnitt 1000 Euro am Tag bezahlt, ein klassischer Berater (zwei bis fünf Jahre) ist dotiert mit 2000 Euro, ein sogenannter Engagement Manager (bis sechs Jahre) liegt bei 3000 bis 4000 Euro. Bei Seniorpartnern oder Direktoren sind die Preise stabil; dort werden 5000 bis 10 000 Euro berechnet, je nach Guru-Status. GEGENREAKTIONEN
Zum einen weichen die Berater auf spendable und naive Kundengruppen aus. Zum Beispiel auf Landesbanken, die mit dem Geld der Steuerzahler prassen. Oder auf Mittelständler: Dort werden Projekte meist mit dem Chef persönlich vereinbart, für den spielt der Preis nur eine untergeordnete Rolle. Die andere Möglichkeit, auf die einzelne Consultingfirmen verfallen: Man hebelt die Rahmenverträge mit allerlei Tricks aus. Trick 1: Das Partner-Cloning, auch als „doppeltes Lottchen“ bekannt. Partner werden mehrfach verkauft. Sie berechnen für ein Projekt in der Regel 30 Prozent ihrer Arbeitszeit, betreuen aber nicht drei, sondern manchmal acht oder neun Projekte gleichzeitig. Je seniorer ein Partner, umso öfter wird er auf Kunden verteilt, weil das bei einem Tagessatz von 5000 Euro richtig Geld bringt. Trick 2: Das virtuelle Upgrading. Eine besonders perfide Nummer: Erfahrung wird nur vorgetäuscht. Aus dem Praktikanten wird ein Juniorberater, aus einem Analysten ein Berater. Wer ein paar Wochen in einer Branche hospitiert hat, gilt bereits als Experte, Sabbaticals werden schon mal verschwiegen. Pfiffige Klienten las30
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sen sich zwar die Vita des eingekauften Beraters zeigen. Es hilft nur nichts: „Manche haben zehn verschiedene Lebensläufe“, sagt ein Beratungsexperte. Deshalb gibt es auf den Visitenkarten der meisten Berater auch keine Titel, jedenfalls so lange, bis sie Partner sind. Der Kompetenztrick bringt gerade junge Consultants in Gewissenskonflikte: Sie werden dem Kunden als Projektleiter offeriert, sind es aber noch gar nicht. Trick 3: Das Offshoring. Man holt billige Juniorberater aus dem Ausland in Projekte und vermietet sie zu Toptarifen. Im Branchensprech wird diese Praxis als „Rent an Inder“ oder „Rent a Russian“ bezeichnet. Vor allem in Deutschland und der Schweiz, wo die Tagessätze vergleichsweise üppig sind, rentiert sich der Einsatz der Billigjobber. Die Masche fällt selten auf, in den meisten Rahmenverträgen sind keine landesspezifischen Honorare vereinbart. Trick 4: Das Outsourcing. Ehemalige Berater, in Ehren ergraut, werden als Projektleiter oder Senior Advisor eingesetzt. Die Leiharbeiter, die den Kunden mit Erfahrung beeindrucken, kosten nicht viel und sind flexibel. Bricht das Geschäft ein, bleiben die Freelancer einfach zu Hause. Trick 5: Das Phasing-in. Der Projektleiter kommt erst nach dem Start des Projekts und wird früher abgezogen, weil er schon beim nächsten Kunden gebucht ist. WAS TUN?
Der professionelle Kunde misst die Anwesenheit, lässt die eigenen Leute im Projektteam die Einsatzzeiten der Externen notieren. Er ordert die Lebensläufe, mit denen sich die Berater einstmals bei ihrer Firma beworben haben, die bieten noch den größten Wahrheitsgehalt. Er holt sich Referenzen von anderen Unternehmen, legt Namensdatenbanken an – mit Stärken, Schwächen und Schrullen. Bei Beratern besonders gefürchtet: Volkswagen, Telekom, Daimler, BASF.
sich um das Aufsummieren des griechischen Haushaltsdefizits: Pricing plus Sourcing plus IT plus HR plus Corporate Finance plus ... Einst hatte BCG die reine Strategieberatung gleichsam erfunden, also das Entwickeln intelligenter, visionärer Konzepte für die Beletage der Wirtschaft; mittlerweile machen die Bostoner den Großteil ihres Geschäfts mit operativen Themen, „downstream“, wie die Berater sagen – und treten in Konkurrenz zu Dienstleistungskonzernen wie Accenture oder Wirtschaftsprüfern. Die Taktik rächt sich jetzt. Wer zu schnell wächst, verliert auch schnell sein Profil. Die Fink-Studie legt den Verdacht nahe: Die Marke BCG hat an Strahlkraft verloren. In vielen Know-how-Disziplinen verzeichnen die Bostoner deutliche Rückgänge gegenüber 2009, etwa bei methodischen Kenntnissen, als Vordenker oder bei der Kommunikationsfähigkeit (siehe Grafiken Seite 32). Und die Kunden haben kein einheitliches Bild mehr von BCG. Viele fühlen sich gut beraten, aber viele sind auch maßlos enttäuscht – je nachdem an welchen Berater sie geraten sind. Mathematiker bezeichnen dieses Phänomen als Standardabweichung. Diese Maßzahl ist bei BCG drastisch gestiegen und die höchste unter den großen Konkurrenten; 2009 hatte die Firma noch mit der niedrigsten geglänzt. Herr Veith, hat BCG ein Qualitätsproblem? „Offensichtlich“ sei das „nicht der Fall“, sagt er. „Überhaupt nicht“ sehe er das. Das Ergebnis eigener Befragungen sei vielmehr: „Unsere Kunden sind sehr zufrieden mit unserer Arbeit.“ Viele frühere Leistungsträger können das positive Urteil nicht teilen. In den vergangenen Jahren haben Leiter wichtiger Praxisgruppen BCG den Rücken gekehrt: erst der Industriemann Armin Schmiedeberg, dann Gunther Schwarz (Versicherungen) und erst kürzlich Walter Sinn, der deutsche Banken beriet. Sie alle zog es zu Bain. Um die Lücken zu schließen und das rasante Wachstum zu sichern, bedient BCG sich mittlerweile bei vielen Wettbewerbern. Manche Neulinge haben eine regelrechte Laptop-Odyssee hinter sich. Wie Ingo Wagner, der nun die Versicherungssparte leitet: drei Jahre Ber-
Unternehmen Berater
3. ROLAND BERGER: DAS SCHWIERIGE SOLO Das gescheiterte Bündnis mit dem Wirtschaftsprüfer Deloitte hatte für Transparenzfanatiker ein Gutes. Seit jenen turbulenten Herbsttagen anno 2010 ist glasklar: Die Beratungsfirma Roland Berger ist in wichtigen Auslandsregionen wie den USA nur spärlich vertreten – Deloitte hätte diese Schwächen ausgeglichen. Nun muss Berger allein klarkommen. Auf dem Partnermeeting Anfang Juli im Stockholmer „Sheraton“-Hotel wurde die Stand-alone-Strategie abgesegnet. Die Partner geben bis zu 50 Millionen Euro, Gründer Roland Berger (73) weitere 50, um das Auslandsgeschäft anzukurbeln. Ein mutiger Schritt, zu dem es im zunehmend globalen Business allerdings keine Alternative gibt. Der Neustart zog sich über Monate hin, die Partner wurden ungeduldig, zu jedem Kündigungstermin sorgte sich die Unternehmensführung, ob alle dabei bleiben würden. Selbst der Rücktritt von Berger-Chef Martin Wittig (47) und Oberkontrolleur Burkhard Schwenker (53) schien möglich; am Ende stimmten 95 Prozent zu, was so ziemlich das Gegenteil von Spitz auf Knopf ist. Roland Berger, der einst den DeloitteDeal in letzter Minute gekippt hatte, stellte Bedingungen für seine Kapitalhilfe: Er wollte wissen, wie genau es mit der Firma weitergeht; und er bestand darauf, dass sich die Führungsspitze angemessen beteiligt, erst dann wollte er zahlen. Schwenker, Wittig und der langjährige Vorstand António Bernardo (51) sicherten zu, gemeinsam rund 10 bis 15 Millionen Euro einzuschießen – der Namensgeber und Ehrenvorsitzende war zufrieden.
„Enormes Potenzial“ Beratungsexperte Fink über die Zukunft der Branche Herr Fink, die Unternehmensberater erfreuen sich glänzender Geschäfte. Ist die Krise vorbei?
FINK In der Tat hat sich der Markt gut erholt. Ich rechne für die Branche in diesem Jahr mit einem Umsatzplus im niedrigen zweistelligen Bereich. Das heißt allerdings nur, dass die schwierigen Jahre 2009 und 2010 wieder halbwegs wettgemacht sind. Es ist ein Aufholprozess – mehr noch nicht. Nach wie vor steht die Branche vor großen strukturellen Herausforderungen. Vor welchen?
FINK Das traditionelle Geschäftsmodell der klassischen Strategieberater stößt an seine Grenzen. Die großen Berater müssen es über kurz oder lang grundlegend verändern, sonst bekommen sie Probleme. Was sollten die Consultants tun?
FINK Die großen Managementberater stehen vor einer grundsätzlichen Entscheidung: immer weiter wachsen oder fokussieren und rückbesinnen auf die alten Tugenden. Wer sich für Wachstum entscheidet, muss früher oder später von den traditionellen Organisationsstrukturen abrücken. Ab einer gewissen Größe muss es zum Beispiel auch eine Ebene von angestellten, preisgünstigeren Beratern geben, die nicht automatisch zum Partner aufsteigen. Nur so können die etablierten Consultingfirmen in immer neue Ge-
Die Methode Wie das Ranking ermittelt wird
Die Befragung: Professor Dietmar Fink, Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmensberatung und -entwicklung an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, hat 452 Führungskräfte zur Reputation von Consultants befragt: Vorstände und Geschäftsführer, Budgetverantwortliche und Projektleiter. Die Teilnehmer kommen aus Großunternehmen mit mindestens einer Milliarde Euro Jahres-
FOTO: WOLFGANG VON BRAUCHITSCH
ger, drei Jahre Ernst & Young, vier Jahre A. T. Kearney, acht Jahre Bain – und jetzt eben BCG. Mithilfe zweier Ex-Berger-Partner haben die Bostoner eine Sanierungssparte aufgebaut („BCG Restrukturierung“), was von vielen als Versuch gewertet wird, auch dort noch ein paar Millionen abzugreifen. Die interne Kundenliste taugt jedenfalls kaum als Referenz für einen Topberater: Garbe-Group, NordHolding – und auch das größte Schweizer Säge- und Hobelwerk gehört dazu, vermeldet stolz „das Holz-Team“.
Stresstest: Professor Dietmar Fink
schäftsfelder vordringen, um ihre Wachstumsziele zu erreichen. Dort müssen sie sich häufig gegen völlig neue Wettbewerber behaupten, gegen Dienstleistungskonzerne wie Accenture oder die großen Wirtschaftsprüfer. Und das ist nicht einfach. Denn die Konkurrenz kann ihre Leistungen oft deutlich billiger anbieten – und das auf einem sehr hohen Qualitätsniveau. Sie haben in Ihrer Studie zum ersten Mal auch die Beratungssparten der vier WP-Kolosse KPMG, PwC, Ernst & Young und Deloitte analysiert. Wie groß ist die Gefahr für die Etablierten?
FINK Die Wirtschaftsprüfer sind bisher nur in ihrer Paradedisziplin, dem Finanz- und Risikomanagement, richtig stark. Aber das wird nicht so bleiben, das Potenzial der Big Four im Beratungsgeschäft ist enorm. Sie können aus ihren starken Marken und ihrer globalen Infrastruktur noch eine Menge Geschäft generieren und den klassischen Beratern richtig weh tun. ◆ umsatz. Die Aktion lief von Februar bis Juni dieses Jahres. Die Bewertung: Verglichen wurden die wichtigsten Managementberatungen Deutschlands und die Beratungssparten der vier großen WP-Konzerne. Fink misst die von den Kunden wahrgenommene Kompetenz. Er bildet Rankings, indem er Rating-Skalen in ein Punktesystem (von 100 bis 500) umrechnet. Bei geringen Abständen sind lediglich Tendenzaussagen möglich. Nähere Informationen zur Studie unter:
[email protected]
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Unternehmen Berater
Das Geld dient auch dazu, die Bankschulden zurückzuzahlen. Seitdem die Partner die Firma 1998 von der Deutschen Bank zurückkauften, stottern sie den Kaufpreis ab – 40 Millionen Euro stehen noch zu Buche. Die werden nun umgeschuldet, in Mezzanine-Kapital der Partner umgewandelt, das mit üppigen 8 Prozent über Euribor bedient wird. „Wir zahlen lieber Dividenden an unsere Partner als Zinsen an die Banken“, sagt CEO Wittig. Die sogenannten B-Shares wird Berger aber immer noch nicht glattstellen. Das sind stimmrechtslose Anteile von Seniorpartnern aufgrund einer früheren Bürgschaft (Volumen: 125 Millionen Euro). Etwa die Hälfte der Anspruchsberechtigten hat das Unternehmen bereits verlassen. Über die Modalitäten der Rückzahlung gibt es seit Jahren heftigen Streit; nun muss Berger – die Firma hält ihre Rechtsposition für unangreifbar – mit einer Sammelklage der Ehemaligen rechnen. Nicht gerade als Beitrag zum Wohlfühlklima taugt auch die Tatsache, dass die Gewinne niedriger ausfallen, „plangemäß“, wie es heißt – um ein Drittel, schätzen Insider. Die Expansion kostet nun mal Geld, ein beträchtliches Sümmchen ist auch schon investiert worden, zum Beispiel in Schweden und in Singapur. Jetzt will Berger in den USA angreifen, das Geschäft mit Finanzdienstleistungen und Pharma aufbauen sowie das bestehende Business in Branchen wie Energie und Maschinenbau erweitern. In Guangzhou wird demnächst ein weiteres China-Büro eröffnet; zudem prüfen Wittig & Co. den Markteintritt in Indonesien und Vietnam. Ob das Kalkül aufgeht, ist längst nicht ausgemacht. Falls sich Berger übernimmt und die Solostrategie scheitert, landet die Firma irgendwann doch bei einem WP-Giganten. Der Gesprächsfaden zu Deloitte ist jedenfalls nicht abgerissen. Auch andere Wirtschaftsprüfer sind intensiv auf der Suche nach attraktiven Kaufgelegenheiten. PricewaterhouseCoopers übernimmt demnächst den Spezialberater PRTM, nur die Kartellbehörden und die SEC müssen noch zustimmen. KPMG, so berichten Branchenkenner, habe ebenfalls eine Managementberatung im Visier. 32
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Wissen ist Macht McKinsey besetzt dreimal Platz eins, sonst gibt es nur wechselnde Sieger. Eine stark wachsende Bedeutung hat das Vordenkertum. BCG führt, verliert aber deutlich an Boden, wie auch in vielen anderen Know-how-Disziplinen. Alle Berater sind, was Wunder, nach wie vor zu teuer aus Kundensicht. Das gilt auch für die zum ersten Mal einbezogenen Consultingsparten der Wirtschaftsprüfer.
Wie die Kunden die Fähigkeiten ihrer Berater einschätzen*
Veränderung ggü. 2009 in Punkten
Preisniveau
Veränderung ggü. 2009 in Punkten
Methodische Kenntnisse
1 Ernst & Young
293
2 KPMG
286
2 Boston Consulting
3 PwC
284
3 Bain
**
437 4
1 McKinsey
4 Simon Kucher
263
4 Roland Berger
5 Deloitte
257
5 Booz
250
406 398 385 367
27 +18 8 +6
250
Teamfähigkeit
Marktkenntnisse 1 McKinsey
401 396
2 Boston Consulting 3 Roland Berger
367 355
4 Bain
346
5 Booz
+4
1 PwC
+6
2 KPMG
6
388 379
4 Ernst & Young
7
5 Oliver Wyman
+7
366
3 Booz
+7
352 342
+15
250
250
Kommunikationsfähigkeit
Vordenkertum 1 Boston Consulting
394
25
2 McKinsey
391
8
3 Roland Berger
375
+19
4 Bain
369
+4
328
5 Booz
+10
1 Booz
355
2 Roland Berger
3 11
334
3 Boston Consulting
332
34
4 Management Engineers
330
+2
5 McKinsey
329
+1
250
250
Umsetzungsfähigkeit
Fachwissen 403
1 McKinsey
+4
385
2 PwC
378
3 KPMG
374
4 Boston Consulting
363
5 Roland Berger
1 Management Engineers
388 +14
2 Roland Berger
385
3 Oliver Wyman
+40 +4
18
4 A. T. Kearney
338
18
5 PwC
331
250
*Punkte auf einer Skala von 100 (sehr gering) bis 500 (sehr hoch). **Kein Vergleich zum Vorjahr möglich.
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250
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EINE VISIONÄRIN, DIE BEWAHREN WILL. NACHHALTIGE MOBILITÄT. FÜR UNS DER NÄCHSTE SCHRITT.
Wenn Simone Lempa Kindler ihre Arbeit macht, versucht sie stets, die Auswirkungen auf die Umwelt so gering wie möglich zu halten. Als Spezialistin für Nachhaltigkeit in der Entwicklung arbeitet sie an außergewöhnlichen Maßnahmen, die die Ökobilanz unserer Fahrzeuge immer weiter verbessern. Das können Teile aus nachwachsenden Rohsto̓en sein, oder eine Produktion, die mit regenerati ven Energien betrieben wird. Und natürlich Fahrzeuge, die Fahrspaß mit einem guten Gewissen verbinden, wie die Elektrofahrzeuge von BMW i, an deren Realisierung Simone Lempa Kindler maßgeblich beteiligt ist. So kann sie sicherstellen, dass auch die Umwelt etwas von der Freude am Fahren hat. Erfahren Sie mehr auf
www.bmwgroup.com/whatsnext
4. DIE KRITISCHEN KUNDEN: WIR BERATEN UNS SELBST! Experimente mit neuen Geschäftsmodellen, bedrohte Marken, Internationalisierungszwang und Fusionspläne: Dass sich der Markt so rasant wandelt, liegt – nicht zuletzt – an den Kunden. In den vergangenen Jahren haben viele Konzerne ihre sogenannten InhouseAbteilungen massiv aufgestockt. In Netzwerken tauschen Dax-Größen wie Bayer, Eon, Deutsche Bank oder Deutsche Post ihre Erfahrungen aus und entwickeln gemeinsame Strategien, wie sie den Externen noch mehr Geschäft abringen können. Richten wir einmal den Außenspiegel nach Wolfsburg. Als „Denk- und Umsetzungspartner“ für das Management verstehen sich die mittlerweile 90 Mitarbeiter von Volkswagen Consulting. Nach der Gründung 1999 wurden sie von den etablierten Beratungsfirmen lange Zeit nicht ernst genommen. Bis VW seinen Ratgebern vor drei Jahren einen Strategieschwenk verordnete. „Wir sind größer geworden, können hochklassiges Personal von anderen Beratungsfirmen für uns gewinnen, sind enger mit den Fachbereichen und Werken vernetzt“, sagt Sania de Miroschedji (39); der ehemalige Booz-Berater führt die Geschäfte der VW-Tochter seit zwei Jahren. Dem Tempo, mit dem VW-Chef Martin Winterkorn (64) den Konzern an die Weltspitze steuert, müssen auch die Hausberater folgen: Sie entwickeln Wachstumsstrategien, optimieren Prozesse, verbessern Arbeitsabläufe im Controlling und Rechnungswesen. Ihr Vorteil, so de Miroschedji, sei das tiefe Kfz-Know-how: „Wir denken Auto.“ Zudem kennen die Inhouse-Leute die komplexen Hierarchien bei VW, erzielen deshalb viel schneller greifbare Ergebnisse in ihren Projekten: „Externe Berater brauchen oft vier bis acht Wochen, bis sie die Strukturen eines Großkonzerns wie Volkswagen verstehen.“ Nicht dass die auswärtigen Einflüsterer überhaupt nicht mehr gebraucht würden. Für Benchmark-Vergleiche und fremde Regionen der großen weiten Autowelt seien sie dank ihrer Marktkenntnisse durchaus hilfreich. Fragt sich nur, wie lange noch. Dietmar Student 34
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FOTO: DIRK BRUNIECKI FÜR MANAGER MAGAZIN
Unternehmen Berater
Ungewöhnliche Positionierung: Consultants Stefan Sanktjohanser, Stephan Goetz
Käufe & Konzepte Das hybride Geschäftsmodell der Beratung Goetzpartners
Dealmaker: Es ist ein Sujet, in das man nicht alle Tage involviert ist. Der Deal, bei dem Stephan Goetz (55), Gründer der Beratungsgesellschaft Goetzpartners, nun schon seit geraumer Zeit assistiert, ist einer von der spektakulären Sorte: Die Deutsche Bank verhandelt mit dem Finanzinvestor RHJ International exklusiv über den Verkauf der BHF-Bank. Hier sind mithin klingende Namen im Spiel – und wohl 500 Millionen Euro. Derlei Portfolioveränderungen sind der eine Teil des Geschäfts von Goetzpartners. Ein lukrativer zweifelsohne. Denn in vielen Unternehmen wächst der Druck, Randbereiche abzugeben – und neue Aktiva einzukaufen. „Die Anzahl der Deals, die eine Firma heutzutage machen muss, um global wettbewerbsfähig zu sein, steigt dramatisch“, sagt Goetz, der in einer schmucken Büroetage in der Münchener Prinzregentenstraße residiert. Der Namensgeber leitet die Corporate-FinanceSparte, zu der auch das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen, neudeutsch: M&A, gehört. Doppelter Aufschlag: Des Business
zweiter Teil ist die herkömmliche Unternehmensberatung. Hier wächst mithin zusammen, was auf den ersten Blick nicht zusammengehört:
Investmentbanking und Consulting. Der doppelte Aufschlag ist eine Reaktion auf die offenkundigen Schwächen der einzelnen Angebote. Denn ein Investmentbanker hat immer den Abschluss vor Augen – nur dann verdient er seine Gebühren. Ein Unternehmensberater hingegen ist eher bestrebt, die Geschäfte seines Kunden organisch weiterzuentwickeln – so sichert und verstetigt er seine Honorare. Hehre Ziele: Die Wachstumspläne sind ambitioniert. Mit 200 Leuten erzielt Goetzpartners derzeit rund 50 Millionen Euro Jahresumsatz und gehört damit eher zu den Hidden Champions der Zunft. In drei bis vier Jahren sollen sich die Erlöse verdoppeln. Die Kunst besteht darin, unterschiedliche Attitüden zu vereinen. Die Firma beschäftigt wuselige Banker vom Schlage Lazard und Goldman Sachs ebenso wie traditionelle Consultants, die von McKinsey, Bain und Roland Berger emigriert sind. „Man muss in der Spitze Verständnis für beide Kulturen entwickeln“, sagt Stefan Sanktjohanser (52), Chef der Unternehmensberatungssparte. Neue Struktur: Die Firma gehört bisher
einem Gesellschaftertrio: Neben Goetz und Sanktjohanser hält noch der ExBerger-Berater und Corporate-FinanceMann Gernot Wunderle (45) Anteile. Künftig soll der Eignerkreis erweitert werden. Am Ende wird ein Partnermodell stehen, so wie es Wettbewerber auch haben. Klar ist: Ohne dass die Last auf viele Schultern verteilt wird, ist das geplante Wachstum kaum realisierbar.
WENN EIN RIESE ERWACHT, SOLLTE MAN GUT AUFS FRÜHSTÜCK VORBEREITET SEIN.
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Unternehmen Marseille-Kliniken
Der Rechtspfleger MARSEILLE-KLINIKEN Der exzentrische Chef
polarisiert und prozessiert, wo er nur kann. Die Firma leidet unter Filz und Fluktuation.
Marseille-Kliniken AG in Zahlen Aktienkurs in Euro 18 16 14 12 10 8 6 4 2005
2011
Geschäftsentwicklung in Millionen Euro 250
Umsatz
225 200 25
Jahresüberschuss
0
2005/06*
2009/10*
*Geschäftsjahr jeweils 1. Juli bis 30. Juni. Quelle: Thomson Reuters Datastream, Grafik: manager magazin Marseille-Kliniken AG
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lrich Marseille (55) hat zwei große Leidenschaften: die Fliegerei und die Juristerei. Einen Pilotenschein besitzt er. Weniger gut ist es um seinen rechtswissenschaftlichen Abschluss bestellt. Vom Staatsexamen wurde er wegen Täuschungsversuchs ausgeschlossen. Trotzdem – oder gerade deswegen – scheint sich der Großaktionär und Vorstandsvorsitzende des Pflegeheimbetreibers Marseille-Kliniken AG für einen der größten lebenden Experten auf dem Gebiet der Prozessführung zu halten. Er beschäftigt die Gerichte reihum, seine Firma streitet sich hie mit Geschäftspartnern und da mit ehemaligen Managern. Schuld oder unrecht haben in seiner Wahrnehmung immer die anderen. Dass er dennoch vor dem Kadi oft verliert, ändert daran nichts. Sogar gegen ein Bußgeld von 40 Euro wegen Handybenutzung beim Autofahren ging er an: Er habe nicht telefoniert, sondern sich rasiert. Weil ihm der Amtsrichter nicht glaubte, zog Marseille seinen Einspruch zurück. Um weit mehr als eine Bagatelle ging es in einem Strafprozess in Sachsen-Anhalt. Marseille wurde wegen Bestechung einer Krankenkassengutachterin, die Expertisen zu den Pflegestufen seiner Heimbewohner abgab, vom Landgericht Halle zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Wenig überraschend legte er Revision ein, doch die hat das Oberlandesgericht Naumburg im Juli verworfen. In einem zweiten Strafverfahren wartet er auf den Ausgang der Revision.
U
Fürsorgefall
Ebenfalls das Landgericht Halle hat ihn wegen versuchter Anstiftung eines Zeugen zur uneidlichen Falschaussage in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu einem Jahr Haft auf Bewährung und zur Zahlung von sechs Millionen Euro an die Staatskasse verurteilt. All die Rechtshändel kosten viel Geld – ihn persönlich und das Unternehmen. Marseille-Kliniken musste allein im Geschäftsjahr 2009/10 fast acht Millionen Euro Rechts-, Beratungs- und Prozesskosten bezahlen – Mittel, die an anderer Stelle dringend gebraucht worden wären. Die Firma mit 241 Millionen Euro Umsatz hat operative wie finanzielle Probleme. Das Altenheimgeschäft dümpelt vor sich hin; die Banken haben die Kontokorrentkredite total heruntergefahren. Die Hamburger Hauptverwaltung wird von einer exorbitanten Fluktuation belastet. Ehemalige Mitarbeiter berichten, dass jährlich nahezu die Hälfte der etwa 100 Stellen neu besetzt werden müsse. Ulrich Marseille räumt ein, dass es im letzten Kalenderjahr 42 Eintritte und 83 Austritte gab; die Verwaltung sei „unnötig aufgebläht“ gewesen, und es habe Umstrukturierungen gegeben. Seit 2008 sind vier Vorstände gegangen und sechs gekommen. Einer blieb nur ein Vierteljahr. Die Wechselrate hängt anscheinend auch mit Marseilles rüdem Benehmen zusammen. Ein Schulpsychologe würde vielleicht sagen: Ulrich ist verhaltensauffällig. Frühere Mitarbeiter drücken sich krasser aus: Marseille macht krank. Zudem wird das Vertrauen in die Gesellschaft durch zahlreiche Geschäfte
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Lieblingsplatz Gerichtssaal: Ulrich Marseille im April 2010 in Halle
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Unternehmen Marseille-Kliniken
Family & Friends
Vorstandsvorsitzender, Aufsichtsrätin: Ulrich Marseille leitet seit 2010 das Unternehmen, Ehefrau Estella-Maria soll ihn kontrollieren
Stellvertretender Aufsichtsratschef: Hans-Hermann Tiedje sagt, er sei Marseilles „einziger Buddy“ im Kontrollgremium
mit dem Haupteigner und seiner Ehefrau gestört: Darlehen und Forderungen an die Marseilles und deren private Firmen sowie allerlei Deals und Verträge, von denen einige den Verdacht nähren, der Unternehmer selbst und seine Gattin, die Rechtsanwältin und Marseille-Aufsichtsrätin Estella-Maria Marseille (42), profitierten von ihnen. Frau Marseille hat der Firma im Geschäftsjahr 2009/10 für Beratung 654 000 Euro berechnet. Fast überflüssig zu erwähnen, dass das – neben der Prozessiererei – zweite große Hobby Marseilles teils auf Unternehmenskosten geht. Marseille-Kliniken hat eine zweistrahlige Cessna Citation für bis zu 450 Flugstunden pro Jahr angemietet – von einer Firma des Großaktionärs, der auch meist selbst fliegt. Im Geschäftsjahr 2009/2010 seien aber nur 33 Stunden angefallen, teilt Marseille mit. Bei einer solch geringen Nutzung fragt sich, warum die AG hierfür zuletzt Rückstellungen von 240 000 Euro gebildet hat. Die Vermischung von Privat- und Unternehmenssphäre würde außer dem Finanzamt kaum jemanden interessieren – wenn den Marseilles die Gesellschaft allein gehörte. Doch das Ehepaar besitzt nur gut 60 Prozent. Knapp 40 Prozent der Anteile gehören größtenteils bedauernswerten Kleinaktionären, die all die Eskapaden mitbezahlen. Lange Zeit war es relativ ruhig um die Firma gewesen. Ende 1999 hatte sich der 38
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Der Großaktionär der Marseille-Kliniken und seine Getreuen
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Mitglied des Aufsichtsrats: Der frühere ArcandorChef Thomas Middelhoff empfahl Vorstand Stefan Herzberg
exzentrische Unternehmer vom Vorstandsvorsitz in den Aufsichtsrat zurückgezogen. Es folgten zwei Kurzzeitchefs, Peter Wichelhaus (62; Amtszeit fünf Monate) und Wilhelm Hecker (59; zwei Jahre), mit denen Marseille sich anschließend – was sonst? – gerichtlich auseinandersetzte und unterlag. 2002 bekam Finanzvorstand Axel Hölzer (48), ein langjähriger Vertrauter Marseilles, den Spitzenjob. Kurz zuvor war der Firmensitz, nicht aber die Hauptverwaltung, nach Berlin verlegt worden. Dort finden Gremiensitzungen oder Besprechungen mit Geschäftspartnern statt. Viel Leben treffen Besucher in der gut 300 Quadratmeter messenden Büroetage meist nicht an. Außerhalb von Veranstaltungen arbeiten dort nach Firmenangaben nur „ein bis drei Personen“. Doch mit der Ummeldung entkam die Gesellschaft der Hamburger Finanzbehörde, deren Beamte nicht gut auf Marseille zu sprechen waren. NUN ALSO EIN NEUBEGINN. Hölzer schien gut auszukommen mit seinem Herrn. Die Geschäfte freilich liefen meist nicht toll, und das hat sich bis heute kaum geändert. Die Auslastung der Altenheime ist zwar mit gut 87 Prozent im Branchenschnitt nicht übel. Doch von den 60 Häusern drücken einige mit miserablen Zahlen das Ergebnis. Sechs Heime etwa sind zu weniger als 75 Prozent belegt.
Völlig in die Irre ging der Plan, in Berlin-Kreuzberg ein Zweisternehaus nur für türkische Senioren zu betreiben. Der Minderheitspartner bei diesem Objekt, die türkische Gemeinde zu Berlin, hätte wissen müssen, dass es in ihren Familien als schändlich gilt, Alte ins Heim abzuschieben. Die etwa 150 Betten sind gerade einmal zur Hälfte belegt. Dank der Erkenntnis, dass in der Hauptstadt auch viele Russen leben, will Marseille nun verstärkt in dieser Landsmannschaft akquirieren. Auch sonst war die Geschäftspolitik von Versuch und Irrtum geprägt. Die Expansion in den Bereich Rehabilitation wurde 2010 mit dem Verkauf der mühsam sanierten Sparte aufgegeben. Nicht über ein einziges Objekt hinaus kam der Plan, in großem Stil Akutkrankenhäuser zu betreiben. Das 2006 übernommene St.-Nikolaus-Hospital im westfälischen Büren ging in die Insolvenz. Zusätzliche Kliniken hatte der 2008 für den Aufbau dieses Bereichs eingestellte Vorstand, der Mediziner Peter Paul Gardosch von Krosigk (52), nicht akquirieren können. Keine privatisierungswillige Kommune wollte ihr Krankenhaus an einen No Name auf diesem Gebiet abgeben. Gardosch schied nach Ablauf seines Jahresvertrags aus. Ganz und gar exotisch ein Ausflug nach Afrika: Mit dem winzigen, aber durch Ölfunde reich gewordenen Staat Äquatorialguinea schloss die Firma im April 2010 einen Fünfjahresvertrag zum Betrieb einer Klinik. Ulrich Marseille schien ein gutes Verhältnis mit dem Staatspräsidenten Teodoro Obiang Nguema Mbasogo (69) zu verbinden – einem Despoten, der 1979 gegen seinen Vorgänger und Onkel geputscht und ihn hatte hinrichten lassen. Im Juni 2010 war das Ehepaar Marseille sogar zum Präsidentengeburtstag eingeladen und ließ sich vom ehemaligen Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (84) begleiten. Mit dem pflegt Marseille angeblich eine gute Bekanntschaft. Ein Honorar für Genscher sei weder vereinbart noch geleistet worden, teilt Marseille mit. Normalerweise ist Genscher gegen Bezahlung für viele Auftritte buchbar, bei denen ein großer Name hilft. Der Kontakt zu Marseille kam wohl über HansHermann Tiedje (62) zustande, den früheren „Bild“-Chefredakteur, der heute
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Unternehmen Marseille-Kliniken
Wechseljahre Zu- und Abgänge im Vorstand der Marseille-Kliniken seit 2008 Axel Hölzer Vorstandsvorsitzender 16.9.2002 bis 5.3.2010
FOTOS: PHOTOWEB X / ACTION PRESS, RETO KLAR, JENS SCHLUETER / DAPD / DDP IMAGES, SÖREN STACHE / PA / DPA, PR (3)
Peter Paul Gardosch von Krosigk Vorstand Akutkliniken 1.8.2008 bis 31.7.2009 Axel Regenhardt Vorstand IT 1.3.2010 bis 28.2.2011
Ulrich Marseille Vorstandsvorsitzender seit 5.3.2010
Claus Dobrowolski Vorstand Finanzen 2.4.2010 bis 30.6.2010
Thomas Klaue Vorstand Finanzen seit 1.7.2010
Stefan Herzberg Vorstand Pflege seit 10.2.2011
die PR-Firma WMP Eurocom leitet. Tiedje ist stellvertretender Aufsichtsratschef bei Marseille, Genscher wiederum Kontrolleur bei WMP. Trotz Einsatzes des Politikveteranen ging das Geschäft mit dem westafrikanischen Land schief. Lediglich eine Anzahlung von 840 000 Euro kam von der Regierung. Seit Anfang 2011 weigert sich der Staat, die Dienste der Deutschen in Anspruch zu nehmen. Um zwölf Millionen Euro Schadensersatz streitet sich das Unternehmen mit Äquatorialguinea vor einem Schiedsgericht in Zürich. Alles in allem keine Erfolgsgeschichte. 40
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Finanziell hübschte sich die MarseilleKliniken AG jahrelang mit Sale-andLease-Back-Transaktionen auf. Die Firma veräußerte Heimimmobilien zu guten Preisen, musste im Gegenzug aber ungünstige Mietverträge akzeptieren. Vier größere Deals gab es seit 2004. Heute drücken hohe Mietzahlungen das Ergebnis, im Geschäftsjahr 2009/10 waren es knapp 50 Millionen Euro – mehr als ein Fünftel des Umsatzes. Die Buchgewinne aus den Verkäufen halfen, die Erträge zu verbessern. Die Erlöse von mehr als 300 Millionen Euro wurden nicht nur zum Schuldenabbau verwandt, sondern auch zur Ausschüttung von Dividenden. Hiervon profitierten vor allem die Marseilles. Der Großaktionär führte meist Aufsicht von oben – aus der Pilotenkanzel. Tageweise wandelte er auf Erden, in der Hamburger Hauptverwaltung. Seine eingeschränkte Anwesenheit reichte jedoch aus, um die Fluktuation in der Zentrale hochzuhalten. Der Unternehmer, der einst in Sachsen-Anhalt für die rechtslastige SchillPartei kandidierte, gilt als Kontrollfanatiker. Notorisch sind sein beinahe zwanghaftes Misstrauen und seine ständige Furcht, hintergangen zu werden. Mitarbeiter, die bei ihm in Ungnade gefallen sind, zählt er vor versammelter Mannschaft regelrecht an und aus. IM GESCHÄFTSJAHR 2008/09 verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage erheblich. Es gab keinen großen Sale-andLease-Back-Deal mehr, der einen Verlust hätte verhindern können. Ausgewiesen wurde ein Fehlbetrag von 13,6 Millionen Euro. Wenig später kündigten vier Banken ihre Kontokorrentkreditlinien von zusammen 25,5 Millionen Euro, die Mitte 2009 zu knapp 84 Prozent in Anspruch genommen waren. Als erste stellte um die Jahreswende 2009/10 die WestLB ihr Darlehen fällig. Als die anderen Institute mitbekamen, dass Vorstandschef Hölzer die WestLB ausgezahlt hatte, verlangten auch sie ihr Geld zurück. Die bevorzugte Behandlung der WestLB verstieß gegen die sogenannten Negativklauseln der Kreditverträge. Die HypoVereinsbank brachte ihre Forderung mit der rigorosen Verrechnung von Zahlungseingängen auf null. Die Postbank ließ sich darauf ein, den
Rahmenkredit bis Ende 2010 zu verlängern. Die Commerzbank reduzierte ihr Limit, tolerierte aber bis zum 30. Juni 2011 ein Soll von rund 2,5 Millionen Euro. Seitdem arbeitet die Firma ohne Kontokorrentkredite. Zwischendurch hatte Marseille persönlich mit einem Darlehen über fünf Millionen Euro ausgeholfen. Da es einen Schuldigen für die dramatische Entwicklung geben musste, wurde zunehmend Hölzer zum Opfer marseillescher Kritik. Der damalige Alleinvorstand war total überlastet und Anfang März 2010 körperlich und seelisch fertig. Eine längere Krankschreibung hatte ihm keine nachhaltige Erholung gebracht. In einem vom 3. März datierenden Fax an den „sehr verehrten Herrn Marseille“ klagte Hölzer über „starkes Ohrenpfeifen“ und einen „erneuten Schwächeanfall“. Er wolle sich „mit Würde verabschieden“, sei „aber der Situation nicht gewachsen“ – „herzlichst, Ihr Axel Hölzer“. Am 5. März wurde der langjährige Diener mit Dank entlassen. Die Führungssituation war prekär. Erst zwei Tage vor Hölzers Rücktrittsfax, am 1. März 2010, war Axel Regenhardt (48) intern zum IT-Vorstand aufgestiegen. Zum 1. April würde mit Claus Dobrowolski (54) ein neuer Finanzvorstand von außen kommen. Aber wer sollte das Unternehmen leiten? Besonders Kontrolleur Tiedje („Ich bin Marseilles einziger Buddy im Aufsichtsrat“) will den Großaktionär gedrängt haben, in die operative Verantwortung zurückzukehren. Der zierte sich („Meine Lebensplanung war anders“), dennoch ließ er sich zunächst in den Vorstand delegieren, kurz darauf ganz offiziell zum Vorsitzenden berufen. Auch die neue Führungskonstellation erwies sich nicht als haltbar. Finanzvorstand Dobrowolski machte sich pflichtgemäß daran, unter anderem die Privatgeschäfte Marseilles mit der Gesellschaft zu überprüfen. Er erdreistete sich sogar, fällige Zahlungen bei der Familie und ihren Privatfirmen anzumahnen. Irgendwie war absehbar, dass Dobrowolski keine lange Amtszeit beschieden sein würde. Aber dass der mit einem Jahresvertrag ausgestattete Finanzmann nur drei Monate blieb, ist dann wohl doch Negativrekord bei börsennotierten Gesellschaften in Deutschland. Hinterher verbreitete die Firma die Version, Dobrowolskis Wirken sei nur „interimis-
Bis Muhammad Ali »Der Größte« geworden war, wollte er nicht ruhen. Und ebenso wenig sein Trainer Angelo Dundee. (London, 1966.)
Was sollte Ihr Berater mit Angelo Dundee gemeinsam haben? Welche persönlichen Qualitäten machten Angelo Dundee zu einem der besten Boxtrainer aller Zeiten? Und ermöglichten es seinem berühmtesten Kämpfer zudem, einer der größten Sportler der Welt zu werden? Wir würden gerne drei davon benennen: Wohlüberlegt und ehrlich Rat zu geben (auch wenn dieser nicht immer gerne gehört wird). Unter immensem Druck die Ruhe zu bewahren. Und die Fähigkeit, sich schnell neuen Situationen anzupassen. Es sind dieselben Merkmale, die auch unsere Berater auszeichnen, wenn wir mit unseren Kunden zusammenarbeiten. Denn auch wenn nicht jeder von uns »Der Größte« sein kann ... wir alle können das Beste aus uns machen. Und bis dahin dürfen Sie sich auf eines verlassen:
Wir werden nicht ruhen Ř Ř
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FOTO: THIES RÄTZKE FÜR MANAGER MAGAZIN
Unternehmen Marseille-Kliniken
Hauptverwaltung, aber kein Firmensitz: Die Hamburger Zentrale ist beim Großaktionär angemietet – ein potenzieller Interessenkonflikt
tisch“ angelegt gewesen. Sein Kollege Regenhardt ging Ende Februar 2011. Am 1. Juli 2010 wurde Thomas Klaue (53), zuvor bei der MediGene AG im bayerischen Martinsried, neuer Finanzvorstand. Er kam gerade recht, um den Abschluss des am 30. Juni zu Ende gegangenen Geschäftsjahres 2009/10 vorzubereiten. Gemeinsam mit den Wirtschaftsprüfern von Ebner Stolz Mönning Bachem fand er Wertberichtigungsbedarf zuhauf. Günstigerweise war ein paar Monate zuvor der Verkauf der Reha-Sparte abgeschlossen worden. Dem Unternehmen flossen 24,5 Millionen Euro zu, was die Liquiditätssituation entspannte. Den Entkonsolidierungsgewinn von 20,1 Millionen Euro zehrten Wertberichtigungen praktisch auf. Am Ende blieb ein magerer Jahresüberschuss von rund 700 000 Euro. Die langwierigen Werthaltigkeitstests im Verein mit den Wirtschaftsprüfern führten dazu, dass der Abschluss verspätet fertig wurde, die Hauptversammlung musste verschoben werden. Angesichts der gekündigten Kreditlinien sorgten sich die Hakelmacher anscheinend auch um die Finanzierung der Firma. Auffällig ist: Ihr Testat gaben sie erst am 29. November 2010 – einen Tag bevor das Unternehmen publizierte, noch im Dezember eine Teilschuldverschreibung über 15 Millionen Euro begeben zu wollen, womit die Liquidität gesichert sein würde. Allerdings wurde nur ein Jahr Laufzeit vereinbart, der Zins ist mit 7,9 Prozent nicht eben günstig. Seltsam nur, dass die Firma im selben Quartal einem „konzernfremden Unter42
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nehmen“ ein kurzfristiges, inzwischen getilgtes Darlehen über 1,5 Millionen Euro gab – zu einem Zinssatz, der laut den jüngsten beiden Quartalsberichten mit 6 Prozent deutlich niedriger lag als jene 7,9 Prozent, zu denen sich die Marseille-Kliniken AG refinanzieren musste. Ein solcher Vergleich sei falsch, teilt Marseille mit. In der Quartalsberichterstattung sei vielmehr der Zinssatz für das ausgereichte Darlehen „unvollständig“ angegeben: Nicht 6, sondern 16 Prozent Zinsen seien „verwirkt“ gewesen, wie Marseille sich ausdrückt. Auf welche Angaben soll man sich bei der Marseille-Kliniken AG verlassen? Noch merkwürdiger, dass es sich bei der Kreditnehmerin nach Angaben früherer Mitarbeiter um die Firma Sapinda gehandelt haben soll, was Ulrich Marseille allerdings „ausdrücklich“ bestreitet. Bei Sapinda zeichnet das gescheiterte Wunderkind Lars Windhorst (34) als Deutschland-Geschäftsführer. Ausgerechnet jener Windhorst, den Marseille einst wegen Betrugs anzeigte, weil er einen Privatkredit nicht getilgt hatte. Letztlich einigten sich beide. besorgniserregende Entwicklung der Marseille-Kliniken spiegelte sich auch an der Börse wider. Angesichts des niedrigen Aktienkurses von etwa 2,50 Euro brachte eine Kapitalerhöhung um ein Fünftel im Mai 2011 nur gut sechs Millionen Euro ein – immerhin war sie ein Signal an den Kapitalmarkt. Das tat not. Im September will die Firma eine neue Anleihe über 25 Millionen Euro platzieren, diesmal möglichst
DIE ZEITWEISE
über fünf Jahre. Sie soll auch dazu dienen, die Ende 2011 fällige Schuldverschreibung aus dem Vorjahr zu tilgen. Eher abschreckend wirken dürfte auf Anleger der dichte Filz, wie er im Geschäftsbericht im Kapitel „Beziehungen zu nahestehenden Personen und Unternehmen“ beschrieben wird. Auf viereinhalb Seiten geht es um die Geschäfte der AG mit den Marseilles und ihren Firmen. Da ist zum Beispiel der Mietvertrag für die Hamburger Hauptverwaltung. Das Gebäude gehört im Wesentlichen Ulrich Marseille. Der Mietzins wurde 2009 um 8 Prozent auf 60 000 Euro pro Monat erhöht; er scheint ehemaligen Mitarbeitern im Umfeld eher überdurchschnittlich. Marseille bestreitet dies. Er nennt eine Nettogrundfläche von 5019 Quadratmetern und errechnet so eine Kaltmiete einschließlich Anfangsinventar von 11,95 Euro je Quadratmeter, was im lokalen Vergleich günstig sei. Allerdings hat er Tiefgarage und Kellerräume in die Flächenkalkulation einbezogen. Beleuchtet werden auch etliche Darlehen, Dienstleistungsverträge und Unternehmensverkäufe. Per 30. Juni 2010 veräußerte eine Gesellschaft, die dem Großaktionär gehört, an die MarseilleKliniken eine Firma namens AAP Allgemeine Ansgar Pflegedienste GmbH. Die betreut Senioren in einer 282 Wohnungen umfassenden Anlage in Gera. Auch diese Immobilie steht indirekt im Eigentum Ulrich Marseilles. Auffällig hoch der Kaufpreis: Die AG zahlte 6,5 Millionen Euro für AAP, die gerade mal eine Million Euro pro Jahr umsetzte, ausweislich des Abschlusses per Ende 2009 kaum Geld verdiente und überschuldet war. Der Vorstand verweist auf ein Kaufpreisgutachten der Wirtschaftsprüfung RSM Altavis. Bestandteil der Wertermittlung war unter anderem ein sogenannter „Gestattungsvertrag“, der mit knapp 3,6 Millionen Euro taxiert wurde. So viel also soll es wert sein, dass Ulrich Marseille der AAP erlaubt, in der Wohnanlage Pflegedienstleistungen anzubieten und Mieter vorzuschlagen. AAP muss zusätzlich eine umsatzabhängige Gebühr an Marseilles Privatfirma zahlen. Kein Wunder, dass in der jüngsten Hauptversammlung im Januar 2011 ein Aktionär die Einschätzung wiedergab, Hauptzweck der Gesellschaft seien wohl Geschäfte mit dem Ehepaar Marseille.
Unternehmen Marseille-Kliniken
Das Aktionärstreffen bot auch in anderer Hinsicht Ungewöhnliches. Nicht nur, dass Ulrich Marseille als Vorstandschef keine Entlastung bekam – der Großaktionär durfte in eigener Sache nicht mitstimmen. Die Hauptversammlung verweigerte auch den ehemaligen Vorstandsmitgliedern Hölzer und Gardosch die Entlastung – auf Vorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat. Das war im Fall Hölzer nicht nur späte Rache. Der Schritt diente der Vorbereitung von Schadensersatzklagen gegen den Abgänger, der heute in Berlin lebt und arbeitet und sich bester Gesundheit erfreut. Marseille will offenbar die für Hölzer abgeschlossene Directors&Officers-Versicherung in Anspruch nehmen. Das ist verlockend: Die Deckungssumme beträgt 12,5 Millionen Euro. Eine erste Klage gegen Hölzer ist bereits beim Landgericht eingereicht. Die Marseille-Kliniken AG verlangt Ersatz in Höhe von 600 000 Euro für einen Schaden, der bei den Verhandlungen über den Verkauf der Reha-Kliniken entstand. Die Hamburger hatten 2009 zunächst mit
der Private-Equity-Firma Waterland verhandelt, einen Letter of Intent unterschrieben und der Interessentin eine Exklusivitätsfrist eingeräumt. Waterland ließ eine Due Diligence durchführen. Derweil soll die Marseille-Seite bereits mit dem späteren Käufer, dem Investor Auctus, gesprochen haben. Waterland klagte auf 900 000 Euro Schadensersatz wegen Verletzung der Exklusivität und falscher Zahlenangaben in der Absichtserklärung. Die Beweislage sah nicht gut aus für die Beklagte. In einem Vergleich willigte das Unternehmen daher in die Zahlung von 600 000 Euro ein, die Marseille nun von Hölzer beziehungsweise der Versicherung erstattet haben will. ALLERDINGS IST EIGENMÄCHTIGKEIT von Hölzer nur schwer vorstellbar, denn Ulrich Marseille hat die Verhandlungen über den Reha-Verkauf engstens begleitet. Regelmäßig saßen Vorstands- und Aufsichtsratschef Zigarren rauchend im Konferenzraum beieinander. Trotz aller Kampfeslust würde sich Marseille gern wieder in den Aufsichtsrat
zurückziehen – spätestens Ende 2011, hat er signalisiert. Als sein Favorit für die Nachfolge gilt Stefan Herzberg (45). Der frühere Karstadt-Chef ist im Vorstand für den Pflegebereich zuständig. Aber ob der von Aufsichtsrat Thomas Middelhoff (58) empfohlene Manager es auf eine längere Verweildauer bringt als in der Firma gemeinhin üblich? Herzberg ist erst seit Februar 2011 im Amt. Gut möglich, dass die jüngste Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg den Führungswechsel beschleunigt. Ulrich Marseille gilt nun als rechtskräftig verurteilt – auch wenn er, wie sollte es anders sein, Verfassungsbeschwerde einlegen will. Fraglich, ob sich eine Publikumsgesellschaft einen vorbestraften Chef allzu lange leisten kann. Das Urteil könnte für den Unternehmer auch eine andere bittere Konsequenz haben. Das Luftsicherheitsgesetz stellt gewisse Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit von Flugzeugführern. Die Aufsichtsbehörde wird nun wohl prüfen, ob Marseille seinen Pilotenschein behalten darf. Sören Jensen
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Unternehmen Interview
„WIR SIND KEIN HIGH-PERFORMER“ INTERVIEW Eon-Chef Johannes Teyssen über die finan-
ziellen Schäden der Energiewende, die neue Strategie und die Folgen für den Konzern.
Herr Teyssen, keine Branche ist in so kurzer Zeit derart abgestürzt wie die Energiekonzerne im Zuge des Atomausstiegs: von der Politik geschnitten, das herkömmliche Geschäftsmodell perdu, von der Börse bestraft und zum Übernahmekandidaten gestempelt. Wann haben Sie zuletzt gedacht: Wäre ich doch damals in den juristischen Staatsdienst und nicht in ein Energieunternehmen eingetreten?
TEYSSEN Der Gedanke ist mir noch nicht gekommen, obwohl ich diese Tätigkeit hochrespektabel finde und viele Juristenfreunde habe. Natürlich ist der Job an der Spitze eines Energiekonzerns
JOHANNES TEYSSEN
in diesen ungewöhnlichen Zeiten sehr anstrengend. Aber jede Herausforderung birgt auch neue Chancen. Ein schwacher Trost.
TEYSSEN Mit schwierigen Umständen kann man auch Entscheidungen nach innen und außen durchsetzen, die man in Schönwetterperioden nie rechtfertigen könnte. Im Übrigen ist Ihre Eingangsfrage typisch deutsche Nabelschau. Also alles halb so schlimm?
TEYSSEN Das will ich damit nicht gesagt haben. Nur: Wir sind ein im Kern europäisches Unternehmen, das auch in anderen Teilen der Welt weiter wachsen will. In anderen Ländern wie England oder Schweden werden wir noch selbstverständlich als Teil der Lösung begriffen und nicht wie hierzulande teilweise sogar ausgegrenzt.
Tagwerk: Seit 1989 arbeitet der 51-jährige
Jurist aus Hildesheim in Vorläuferfirmen und Eon-Gesellschaften. Vor einem Jahr wechselte er an die Konzernspitze.
FOTO: THOMAS RABSCH FÜR MANAGER MAGAZIN
Netzwerk: Teyssen versteht sich gut
mit seinem neuen Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Wenning (64). Mit dem ehemaligen Bayer-Chef sitzt er gemeinsam im Kontrollgremium der Deutschen Bank. Kidswork: Der Eon-Manager lebt in
Düsseldorf und hat vier Kinder. Mit denen verhandelt er derzeit Laufzeitverlängerungen ihres Taschengeldes.
Sie haben lange darauf vertraut, auch in Deutschland Teil der Lösung zu sein. Als die Bundesregierung nach Fukushima die Energiewende ausrief, haben Sie, anders als RWE, weder mit Klagen gedroht noch starke Worte gewählt. Die weiche Tour hat aber nichts gebracht, jetzt klagen Sie doch. Warum die Kehrtwende zum Rambo?
TEYSSEN Die Rambowende ist mir entgangen. Ich habe von Anfang an versucht, den Gesprächsfaden zu allen Teilnehmern nicht abreißen zu lassen. Jetzt ist der Umbau des deutschen Energiesystems ein Faktum, auf das wir uns ein-
stellen. Nun hat allerdings die Politik bei der Ausgestaltung vermeidbare Schäden verursacht. Die habe ich an unsere Schadensabteilung, also unsere Juristen, zur Bearbeitung gegeben, wie ich das bei einem Verkehrsunfall mit meiner KfzVersicherung auch tun würde. Wie viel kostet Eon der Unfall?
TEYSSEN Aus der Stilllegung der acht älteren Kernkraftwerke mitten im Betriebszyklus erwächst für die ganze Branche ein mittlerer einstelliger Milliardenbetrag. Wir laden die Kernkraftwerke für jeweils ein Jahr mit Brennelementen auf. Und wir verkaufen den Strom, der dort erzeugt wird, im Voraus und müssen uns nun am Markt eindecken, um unsere Lieferverpflichtungen zu erfüllen. Diese Kosten hätte man vermeiden können, wenn die Politik mit einer gewissen Gelassenheit gesagt hätte: Die Kraftwerke können ihr Betriebsjahr zu Ende laufen, und dann ist Schluss. Gelassenheit und Fukushima – das passt irgendwie nicht zusammen.
TEYSSEN Mag ja sein. Aber Deutschland wäre durch eine solche Entscheidung mit Augenmaß in keiner Weise unsicherer geworden. Nichts, aber auch gar nichts wäre anders gewesen. Der zweite Schadensfall ist die zugesagte Laufzeitverlängerung ... ... die Eon zig Milliarden Euro Gewinn eingebracht hätte.
TEYSSEN Das sind Fantasiezahlen. Den Löwenanteil hätte sich der Staat manager magazin 8/2011
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Unternehmen Interview
gesichert. Wir hätten zunächst einmal jahrelang nur mehr gezahlt. Fakt ist: Die Laufzeitverlängerung ist nun mal gesetzlich wirksam geworden. Die kann man nicht einfach rückgängig machen mit dem Argument, die Anlagen seien ja längst abgeschrieben. Wenn abgeschriebene Anlagen in Deutschland keinen Rechtsschutz genießen, könnte sich der Staat alle Autos, die älter als vier Jahre sind, überschreiben lassen. Das würde die Bürger doch etwas verunsichern. Sie klagen jetzt auch gegen die Brennelementesteuer. Haben Sie zu leichtfertig darauf vertraut, dass die gekippt wird?
TEYSSEN Diese Steuer war schon immer verfehlt und in Deutschland wie in Europa rechtlich nicht haltbar. Mit dem vorzeitigen Atomausstieg hat sie auch noch ihre inhaltliche Legitimation verloren. Ich habe in der Tat nicht ausgeschlossen, dass Politiker das bemerken und den Fehler korrigieren würden. Für 2011 rechnet Eon mit einem Gewinnrückgang von 15 bis 20 Prozent. Wenn künftig auch noch der Cashflow aus den AKW fehlt: Haben Sie dann noch genug Geld zum Investieren?
TEYSSEN Wenn der Cashflow sinkt, sinkt natürlich auch die Investitionskraft. Aber wir holen unsere Mittel ja auch aus Verkäufen, im Volumen von 15 Milliarden bis 2013. Und wichtiger als
absolute Summen ist die Frage, welche Prioritäten wir setzen: Welche Investition hat Vorfahrt, welche muss warten? Lohnen sich Investitionen in Deutschland noch?
TEYSSEN Durchaus. Hier müssen wir jetzt die Chancen, die sich durch den Umbau des Energiesystems ergeben, nutzen: kundennahe Energieversorgung durch intelligente Netze, den Ausbau erneuerbarer Energien und – zentral für das Gelingen des Umbaus – neue Speichertechnologien. Diese Themen haben oberste Priorität für uns. Aber die schöne neue Stromwelt kommt nicht ohne ein konventionelles Rückgrat aus. Kohleund Gaskraftwerke stabilisieren nämlich das neue System. Auch hier werden wir einiges tun. Wenn man Sie lässt. Schon seit Jahren zittern Sie darum, das Kohlekraftwerk in Datteln zu Ende bauen zu können. Das rot-grüne Nordrhein-Westfalen tut sich nun erst recht schwer, dieses Projekt zu genehmigen.
TEYSSEN Ich spüre in den Genehmigungsverfahren Rückenwind. Ich denke, dass verantwortungsbewusste Politiker, gerade hier in Nordrhein-Westfalen, erkennen: Wenn man eine andere Energiewelt will, kann man nicht Investoren entmutigen und hoffen, dass auch so alles gut geht. Es gibt viele Leute, die
Datteln heute positiver beurteilen als vor der Energiewende. Ein Schwerpunkt der neuen Konzernstrategie ist, mehr Strom im Ausland zu erzeugen. Längst wollten Sie neue Zielländer bekannt geben. Wie weit sind Sie?
TEYSSEN Zunächst haben wir unsere Engagements in Russland und Nordamerika kräftig erweitert. In Russland haben wir mittlerweile Kraftwerke mit insgesamt fast 10 000 Megawatt Leistung; am 29. Juli wird unser neuestes Kraftwerk in Sibirien eröffnet. Und in Nordamerika überschreiten wir gerade die 2000-Megawatt-Grenze bei Windkraftwerken. Aber wo sehen Sie die neuen Märkte?
TEYSSEN Wir haben den Rahmen der Zielregionen stärker eingegrenzt. Wir sehen nun klarer, was wir wollen. Aber wir reden erst, wenn wir es genau wissen. Wie sieht denn das Geschäftsmodell aus? Wollen Sie dort einzelne, autonome Kraftwerke, sogenannte IPP, errichten?
TEYSSEN Nein, nicht hier mal ein Kraftwerk und 5000 Kilometer weiter das nächste. Sondern wir streben Cluster an, also mehrere Kraftwerke in einer Region, die wir gemeinsam kostensparend bewirtschaften können. Wir wollen keine Insellösungen in Form von IPP. Welche Regionen sind für Eon interessant?
TEYSSEN Alle, deren Wirtschaft und Bevölkerung stark wachsen.
Der Fluch der Börse Nach dem Atom-Moratorium im März stürzten die Kurse der deutschen Energiekonzerne ins Bodenlose. Kursentwicklung Energieaktien* indiziert 110
Marktkapitalisierung Energiekonzerne* in Milliarden Euro
121,7
Gazprom RUS
Gazprom
105
Nun wächst die Gefahr einer Übernahme durch Konkurrenten, die der Kapitalmarkt weitgehend verschonte – Russlands Gazprom ist dreimal so viel wert wie Eon.
GDF Suez F
52,3
100 95 90
Enel I
38,3
Eon D
37,2
Eon
85
RWE D
19,7
80 RWE
75 1.3.2011=100
46
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7/2011
*Stand: 14. Juli 2011 Grafik: manager magazin
Quelle: Thomson Reuters Datastream
Also geht es in die anderen BRIC-Staaten Brasilien, China und Indien?
TEYSSEN Ich kommentiere das nicht. Oder nach Westafrika, mit seinen großen Erdgasvorkommen vor der Küste? EonRuhrgas ist dort schon mit einem Flüssiggasprojekt präsent. Künftig könnten Sie auch Erdgaskraftwerke bauen.
TEYSSEN Guter Versuch, aber es bleibt dabei: Wir sprechen darüber, wenn Entscheidungen getroffen sind. Die Bundesregierung hat bei OffshoreWindanlagen die staatlich garantierte Vergütung kräftig heraufgesetzt. Kommt jetzt endlich Schub in die Technologie?
TEYSSEN Die Rentabilität hat sich durch die Förderumstellung verbessert. Zudem werden die Anlagen billiger. Wir haben 2010 jede zweite Offshore-Wind-
EIN TAB
DAS
IHR LEBEN
VERÄNDERT
Unglaublich dünn, schnell und leicht: Für ungeahnte Möglichkeiten und mehr Mobilität. YouTube, Google Maps, Android Market und Google Talk sind Warenzeichen von Google Inc.
FOTO: THOMAS RABSCH FÜR MANAGER MAGAZIN
Unternehmen Interview
mühle weltweit gebaut. Gerade erst haben wir für sechs Jahre eines der großen Konstruktionsschiffe nur für uns gechartert. Wir meinen es also ernst. In Deutschland ist nicht viel passiert.
TEYSSEN Hier ist eben alles etwas komplizierter. In Dänemark oder England kann man relativ nah an der Küste bauen. Das ist technologisch einfacher und billiger. Deutschland will das Wattenmeer schützen, wofür ich Verständnis habe, deshalb müssen wir in tieferes Gewässer. Aber wenn ich sehe, wie verspargelt Brandenburg oder SchleswigHolstein mittlerweile mit Landwindmühlen sind, frage ich mich schon, ob es so dramatisch wäre, wenn wir etwas dichter an die Küsten gingen. Solange das nicht passiert, wird Deutschland beim Thema Offshore einen Tick später durchstarten als die anderen. Das klingt nicht sehr euphorisch. Auch bei Gaskraftwerken zögern die Investoren. Wann kommt es zu dem nötigen Zubau als Ersatz für wegfallenden Atomstrom?
TEYSSEN Das lohnt sich angesichts der immer noch hohen Einkaufspreise für Gas und niedrigen Verkaufspreise für Strom derzeit nicht. Aber um die nächsten Abschaltungen von Kernkraftwerken auszugleichen, muss nicht schon morgen der Bagger rollen. Wir haben noch ein bisschen Zeit. Sie scheinen die Ruhe weg zu haben. Der Eon-Kurs ist seit März um rund 20 Prozent gesunken, die Zukunftsperspektive wirkt unklar. Können Sie sich wirklich so viel Zeit mit existenziellen Fragen lassen?
TEYSSEN Ich habe nicht den Eindruck, dass unsere Strategie unklar ist. Natürlich schafft die deutsche Energiewende Unsicherheit. Und das hat den Kurs gedrückt. Hinzu kommt, dass viele 48
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„Ich hätte mir das Jahr ohne viel Fantasie einfacher vorstellen können.“
europäische Märkte überversorgt sind und die Margen schon mal attraktiver waren; aber das trifft die ganze Branche.
ja mit dem Staatsfonds von Abu Dhabi – eine spannende Region für einen Energiekonzern.
Eon ist zu einem Konzern mutiert, der keine Wachstumsfantasie mehr auslöst und sich das Wohlwollen der Aktionäre mit hohen Dividendenrenditen erkaufen muss. Soll das so bleiben?
TEYSSEN Wir haben noch nie gezielt nach einem Ankeraktionär gesucht. Und wir haben unsere Partner nicht gefragt, ob sie Eon-Aktien kaufen wollen, sondern ob sie mit uns in Offshore-Technologien investieren wollen. Das ist viel spannender für beide Seiten.
TEYSSEN Nein. Wir haben immer gesagt, dass Eon nicht Dividendenweltmeister werden will. Wir wollen wieder wachsen. Aber im Augenblick geht es darum, das Geschäft abzusichern und neu aufzustellen. Wenn wir das jetzt nicht richtig machen, werden wir die wachstumsstarke Zukunft nicht mehr erleben. Und alle Wachstumsschritte müssen unter möglichst zurückhaltender Nutzung des Kapitals geschehen; nicht wie früher: kaufen, kaufen, kaufen. Gutes Stichwort – wie groß ist die Gefahr, dass Eon übernommen wird?
TEYSSEN Das Risiko einer Übernahme hat mich noch keinen Nachtschlaf gekostet. Denn der größte Teil der Kursverluste wird exogenen Ereignissen zugerechnet: der deutschen Politik, Marktverwerfungen. Wer Eon kaufen würde, hätte diese Probleme auch. Und dann müssen Sie für den Konzern eine Summe aufbringen, die immer noch gigantisch ist.
Herr Teyssen, aufregend war Ihr erstes Jahr als Eon-Chef zweifellos. Aber war es auch gut?
TEYSSEN Ich hätte mir das Jahr ohne viel Fantasie einfacher vorstellen können. Die Agenda war zu oft fremdbestimmt, ich konnte häufig nur reagieren. Ich musste zu viel Zeit investieren in das Thema AKW-Laufzeiten. Im zweiten Jahr hätte ich gern mehr Freiraum für interne Reformen. Eon ist noch längst kein High-Performer, da müssen wir noch einiges tun. Was heißt das konkret?
TEYSSEN Wir sind operativ besser als in der Verwaltung und der Steuerung des Konzerns. Was bedeutet das für die Mitarbeiter? Muss Eon Personal abbauen?
TEYSSEN Ich halte Vier-Augen-Gespräche vertraulich, aber so viel kann ich sagen: Über eine Kapitalbeteiligung haben wir nicht gesprochen.
TEYSSEN Wir müssen möglichst effiziente, flexible Beschäftigungsstrukturen aufbauen, die zur Strategie passen. Mitte August, wenn wir die Zahlen fürs zweite Quartal veröffentlichen, werden wir einen Kassensturz machen. Und dann werden wir sagen, was zu tun ist. Wissen Sie, so ein Konzern ist wie eine Dombauhütte. Nur ein Dom, an dem ständig gebaut wird und der ständig modernisiert wird, der bleibt stehen. ◆
Dann fahnden Sie nach Ihrem Ankeraktionär vielleicht anderswo. Sie kooperieren
Das Interview führten die mm-Redakteure Martin Noé und Dietmar Student.
Gazprom könnte sich das leisten. Die Russen verhandeln mit RWE über eine strategische Partnerschaft. Auch Sie haben sich neulich mit Gazprom-Chef Alexej Miller getroffen. Worum ging es?
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1
DER NEUE CITROËN DS4: GEWÄHLT ZUM SCHÖNSTEN AUTO SEINER KLASSE.1 Unkonventionell, unangepasst und einfach anders als andere Autos: Der neue CITROËN DS4 setzt neue Maßstäbe. Mit einzigartigem Design, innovativer Technologie und bereits jetzt mit zahlreichen Designpreisen: dem Plus X Award2, der AUTO BILD-Wahl zum schönsten Auto 20111 und dem 1. Platz beim Festival Automobile International3. Erleben Sie ihn bei einer ausgiebigen Testfahrt.
1
Sieger in der Kategorie „Klein und Kompaktwagen“, AUTO BILD 20/2011. 2Ausgezeichnet durch die Jury beim Plus X Award Automotive 2011 für: DESIGN (www.plusxaward.de). Quelle: Eurosport 2010: Von über 60.000 Internetnutzern aus 62 Ländern zum „Schönsten Auto des Jahres 2010“ gewählt. Abb. zeigt evtl. Sonderausstattung/höherwertige Ausstattung.
3
Kraftstoffverbrauch kombiniert von 6,5 bis 4,4 l/100 km; CO2 -Emissionen kombiniert von 149 bis 114 g/km (VO EG 715/2007).
Unternehmen TV-Stars
TV-STARS Raab, Jauch &
GERMANY’S NEXT TOPMANAGER
Co. machen mit ihren Firmen Millionen – und diktieren die Regeln des Fernsehgeschäfts.
inen ähnlichen Trubel um seine Person hat Günther Jauch bislang nicht erlebt. „Weit mehr als 100 Anfragen von den verschiedensten Medien“, seufzt der Moderator, seien an ihn gerichtet worden. Manche wollen ihm nur ein paar Fragen stellen, andere ihn treffen oder beim Dreh zuschauen. „Ich schaff’ das alles überhaupt nicht mehr“, stöhnt Jauch. Es sei ihm „einfach nicht mehr möglich, das alles so abzuarbeiten, wie das verständlicherweise viele gern von mir möchten“. Und das alles nur aus einem eher unspektakulär wirkenden Anlass: Am 11. September feiert der Mann im Ersten die Premiere seiner wöchentlichen Talkshow „Günther Jauch“, zur besten Zeit, die es für verfilmtes Gerede nach einhelliger Überzeugung gibt: Am Sonntagabend gleich nach dem „Tatort“, dessen Millionenpublikum gern noch ein wenig vor der Glotze sitzen bleibt und sich mit gepflegtem Geschwätz ermüden, erschöpfen und bettfertig machen lässt. Man muss schon sehr viel verkehrt machen, um auf diesem Sendeplatz keine gute Quote zu erzielen. Aber so eine Unterhaltungskünstlerseele ist zart, sie spürt den Druck, Routinier Jauch ist keine Ausnahme: „Fast überbordend“, sagt er, sei die „Erwartungshaltung“. ARD-Programmchef Volker Herres, der den Mann zumindest für Sonntagsschichten von RTL abgeworben hat, ist, was seinen Spitzentransfer betrifft, von äußerster, geradezu öffentlich-rechtli50
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FOTO: MAURICE WEISS / OSTKREUZ
E
DAS MULTITALENT Stefan Raabs Firma Raab TV erhält von ProSieben
37 Mio. Euro pro Jahr
manager magazin 8/2011
51
FOTO: ROLF VENNENBERND / PA / DPA
8,4 Mio. Euro für etwa 70 Sendungen
FOTO: DIRK BRUNIECKI / LAIF
DER WERBEKÖNIG Günther Jauch brachte RTL mit „Wer wird Millionär?“ 2010
HEIMKEHRER NR. 1 Der frühere ARD-Talker Harald Schmidt erhält von Sat.1
101 Mio. Euro an Bruttowerbeerlösen ein
MISTER HARIBO Thomas Gottschalk erzielt mit Gummibärchen-Werbung seit
20 Jahren Millioneneinnahmen
FAMILIENUNTERHALTER Kai Pflaume erreichte mit der ARD-Show „Klein gegen Groß“
FOTO: GUNDLACH / ACTION PRESS
cher Gelassenheit: Jauch habe bewiesen, lächelt Herres durchs Telefon, „dass er in allen Genres – von der seriösen Information bis zur großen Unterhaltungsshow – beim Publikum reüssiert und das ganze TV-Geschäft beherrscht“. Aber das TV-Geschäft beherrscht auch einen wie ihn, Jauch. Unruhe, Mühe und Anstrengungen, die den Journalisten Jauch bei den Vorbereitungen zu seiner neuen Sendung ergreifen – schließlich arbeitet er auch weiterhin für RTL („Wer wird Millionär?“) –, finden ihre Fortsetzung in der Betriebsamkeit des Unternehmers Günther Jauch: Wenn die Scheinwerfer erloschen und die Kameras 52
manager magazin 8/2011
ausgeschaltet sind, ist nur ein Teil seines Pensums erledigt. Denn sozusagen im Nebenberuf produziert der Geschäftsmann Jauch sendefertige Programme in Fülle, und zwar für Kanäle und Moderatoren nicht aller, aber doch vieler Arten und Klassen. Mehr als 100 Festangestellte verdienen ihr Geld in seiner Produktionsanstalt I & U Information und Unterhaltung, die über Studios in Köln und Berlin verfügt. Sie setzte über 40 Millionen Euro um und machte rund 6 Millionen Euro Gewinn, allerdings im Jahr 2009. Frischere Zahlen liegen nicht vor, und Jauch ist auch in dieser Hinsicht ein bisschen scheu.
FOTO: THÜRINGEN PRESS / ACTION PRESS
6 Mio. Zuschauer
Natürlich stellt er seine neue ARDRunde selbst her und zusammen. Auftragsvolumen: 10,5 Millionen Euro im Jahr. Weitere ARD-Produktionen dürften noch hinzukommen. Jauch ist eine der Vorzeigefiguren einer Moderatorenwirtschaft, die immer größere Bedeutung gewinnt. Die Erfolgsentertainer machen nicht nur Mätzchen vor der Kamera, sondern auch Millionen dahinter, Publikumsmagneten wie Thomas Gottschalk oder Stefan Raab bestimmen inzwischen die Regeln mit, nach denen Programm gemacht wird. Multitalent Stefan Raab, der neben seiner Show „Schlag den Raab“ auch
FOTO: MATTHIAS JUNG / LAIF FOTO: STEFFI LOOS / DAPD
HEIMKEHRER NR. 2 Ex-ZDF-Mann Johannes B. Kerner kassiert von Sat.1 rund
9 Mio. Euro für etwa 75 Auftritte
TALKMEISTER Frank Plasbergs Sendung „Hart aber fair“ sahen 2010
3,46 Mio. Zuschauer im Durchschnitt
FOTO: ZINKEN / DAVIDS
stundenlange Großereignisse wie „Wok WM“ oder „TV Total Turmspringen“ auf ProSieben nicht nur erfunden und inszeniert hat, sondern sich für das Unternehmen „Titelverteidigung“ beim Eurovision Song Contest auch die ARD gefügig machen konnte, er schloss Ende 2010 einen Fünfjahresvertrag ab, der ihn zu einem der einflussreichsten Unterhalter der Szene macht. Rund 185 Millionen Euro überweist ProSieben an die Raab TV Produktion, eine Tochter der Produktionsfirma Brainpool, an der Raab wiederum mit gut 12 Prozent beteiligt ist (siehe auch mm 5/2011). Auch Jauchs Schaustellerei I & U ist ein zuverlässiger Lieferant, sowohl von ARD („Klein gegen Groß“, „Das unglaubliche Quiz der Tiere“) als auch von RTL („Die ultimative Chartshow“, „Stern TV“), für die er beide auch auf der Bühne steht. Jauch arbeitet mit vielen namhaften Moderatoren zusammen: von Frank Plasberg über Hape Kerkeling bis hin zu Kai Pflaume. Wenige Monate nach Jauchs Unterschrift hatte auch der einstige Börsenmakler Pflaume seinen Wechsel von Sat.1, wo sich seine Vorabendshow „Nur die Liebe zählt“ noch nicht totgelaufen, aber erschöpft und abgenutzt hatte, zur ARD verkündet. Nun sitzt Pflaume beim Frühstück im Schwabinger Café „Florian“. Vor der Tür parkt sein brauner Audi Q7. Pflaume nimmt Müsli und einen Latte Macchiato mit doppelter Portion Espresso. „Mein Anspruch ist es, Sendungen zu machen, die die ganze Familie ansprechen“, sagt Pflaume.
Wer wird Millionär? Günther Jauch, RTL
6,64
Die ARD-Granden verbinden einige Hoffnungen mit Pflaume. Er ist nicht das beste Pferd in ihrem Stall, aber bislang hat er sie auch nicht enttäuscht: Mehr als sechs Millionen Zuschauer sahen Mitte Juni seine neue Samstagabendshow „Klein gegen Groß“. Und wer hat sie produziert? Jauchs I & U. Und wer trat als Stargast auf? Jauch selbst. Und wenn Pflaume im Herbst seine neue Quizshow („Der klügste Deutsche 2011“) eröffnet, dann wundert sich keiner mehr, dass die ebenfalls von Günther Jauchs Leuten konzipiert worden ist. Pflaumes Produzent ist nicht nur Deutschlands beliebtester Moderator und einer der angesehensten TV-Unternehmer des Landes, sondern auch eine bedeutende Einnahmequelle der Sender, für die er auftritt: Allein mit „Wer wird Millionär?“ erzielte RTL im vergangenen Jahr Werbeerlöse in Höhe von 101 Millionen Euro (siehe Grafik Seite 56).
Deutschland sucht den Superstar Dieter Bohlen, RTL
6,45
IMMER MEHR SENDER
STAR DER ZUSCHAUER Anne Will erreichte mit ihrer Talkshow 2010 im Schnitt
14,5 Prozent Marktanteil
Könige der Quote Durchschnittliche Reichweite einzelner TV-Shows im Jahr 2010, in Millionen Zuschauer* Wetten, dass …? Thomas Gottschalk, ZDF Das Supertalent u. a. Dieter Bohlen, RTL
Rette die Million! Jörg Pilawa, ZDF
9,12 7,92
5,31
*Zuschauer ab drei Jahren. Grafik: manager magazin Quelle: AGF/GfK, TV Scope, Fernsehpanel (D+EU)
konkurrieren um die Unterhaltungskünstler. Mit der Nachfrage steigen die Preise und verschärfen sich die Bedingungen der Umworbenen: „Es gibt nun einmal nicht viele talentierte Entertainer“, sagt ARDmanager magazin 8/2011
53
Unternehmen TV-Stars
Programmdirektor Herres. „Die wachsen nicht auf den Bäumen.“ Über drei Jahre lang buhlte die ARD um Jauch. Selbst eine erste Abfuhr ließ sie nicht in ihrem Liebeswerben ermatten. Auch um Gottschalk bemühte sich das Erste intensiv und mit Erfolg: Ab Januar 2012 moderiert der langjährige ZDF-Mann viermal pro Woche eine Live-Show vor der Tagesschau. Im Konkurrenzkampf der Kanäle um die zugkräftigsten Moderatoren geht es inzwischen zu wie auf dem Transfermarkt der Fußball-Bundesliga: Wer keine Spitzenstars zu bieten hat, dem droht der Verlust von Zuschauern und Werbekunden. Millionen werden in die Hand genommen und Anschlussauf-
träge versprochen, um Rivalen ihre Quotenbringer abzujagen. ARD-Neuverpflichtung Pflaume im Café „Florian“ schiebt seinen leeren Müsliteller ein bisschen nach vorn – jede seiner Bewegungen von einer Brünetten am Nebentisch auffällig unauffällig beobachtet – und lächelt sein Sat.1-Lächeln, mit Zähnen so weiß, dass sie fast blau schimmern. „Die Zuschauer verbinden Sender mit den programmprägenden Moderatoren“, sagt Pflaume, „daher sind sie wichtige Aushängeschilder.“ Die ARD, die sich schwertut, eigene Nachwuchskräfte aufzubauen, und jede Abwerbung bei den Privatkanälen zum eigenen Triumph umdeutet, köderte Pflaume mit der Zusage, außer dem „Star
Stars der Produktion Wer hinter den TV-Shows steckt Rang/Moderator 1
Günther Jauch
Jauchs Firma I & U produziert rund ein Dutzend verschiedener Sendungen
2
Stefan Raab
Die Firma Raab TV, an welcher der Moderator 50 Prozent hält, entwickelt neun Shows.
3
Frank Plasberg
Plasbergs Unternehmen produziert aktuell fünf unterschiedliche Sendungsformate.
4
Johannes B. Kerner
Nach seinem Wechsel zu Sat.1 verantwortet Kerner die Herstellung von vier Shows.
5
Harald Schmidt
Der Talker konzentriert sich auf die Produktion seiner Late-Night-Show auf Sat.1. 54
manager magazin 8/2011
Firma/Produktionen (Auswahl) I & U Information und Unterhaltung Günther Jauch (ARD, Günther Jauch) Stern TV (RTL, Steffen Hallaschka) 2010 – Das Quiz (ARD, Frank Plasberg) Der klügste Deutsche 2011 (ARD, Kai Pflaume) Die ultimative Chartshow (RTL, Oliver Geissen) Raab TV (Tochter von Brainpool) TV Total (ProSieben, Stefan Raab) Schlag den Raab (ProSieben, Steven Gätjen) Wok WM (ProSieben, zuletzt Matthias Opdenhövel) Unser Song für Deutschland 2011 (ProSieben/ARD, Sabine Heinrich und Matthias Opdenhövel) Ansager & Schnipselmann Hart aber fair (ARD, Frank Plasberg) Das Quiz der Deutschen (ARD, Frank Plasberg) Das fantastische Quiz des Menschen (ARD, Eckart von Hirschhausen) J. B. K. TV-Production Kerner (Sat.1, Johannes B. Kerner) Das große Allgemeinwissensquiz (Sat.1, Johannes B. Kerner)
Kogel & Schmidt Harald Schmidt Show (Sat.1, Harald Schmidt)
Quiz“ noch weitere Sendungen moderieren zu können: eine Neuauflage des Ratequizklassikers „Dalli Dalli“ zum Beispiel. Im Herbst kommt noch eine wöchentliche Vorabendshow hinzu. Senderwechsel, einst undenkbar, sind längst Teil der TV-Normalität geworden. Anders als vor ein paar Jahren noch sonnt sich der Entertainer nicht mehr im Glanz des Senders, wo er zu sehen ist, sondern der Sender im Lichte des Stars. vom Fußball ab, sind Entertainer die verlässlichsten Quotenbringer. Zumal in der Internetzeit auch die neuesten Hollywood-Streifen, einst in großen Output-Deals von den TV-Unternehmen eingekauft und triumphal gefeiert, an Bedeutung verlieren: Das junge Publikum schaut sich Filme an, wann es will, und nicht, weil es den Sendern gefällt, sie ins Programm zu nehmen. Die einzige und zudem noch relativ preiswerte Programmware, mit der sich die Sender voneinander unterscheiden, sind die Shows und ihre Präsentatoren oder Gesprächsleiter, heißen sie nun Anke Engelke („Ladykracher“), Florian Silbereisen („Feste der Volksmusik“) oder Carmen Nebel („Willkommen bei Carmen Nebel“), die ebenfalls selbst produziert und einer der höchstbezahlten TV-Stars in Deutschland ist. Die ARD verpflichtete nicht nur Jauch, Pflaume, Reinhold Beckmann und zuvor Jörg Pilawa, der mittlerweile zum ZDF übergelaufen ist, sondern auch den ProSieben-Mann Matthias Opdenhövel. Angesichts des wachsenden Bedarfs können die populärsten Moderatoren nicht selten Spitzengagen aushandeln oder doch zumindest über Sendeplätze und Inhalte mitbestimmen – schließlich stellt man lukrative Aufträge für ihre Folgeproduktionen in Aussicht. „Wer einen Moderator unbedingt bekommen oder halten will“, sagt der Geschäftsführer einer Produktionsfirma, „der pumpt ihn voll mit Aufträgen.“ Die eigenen Unternehmen steigern den Einfluss der Entertainer zusätzlich: „Moderatoren, die in hoher Schlagzahl und mit großen Budgets Unterhaltungssendungen produzieren“, sagt ARD-Talkerin Sandra Maischberger, „schaffen sich dadurch eine größere Gesprächsmacht gegenüber dem Sender.“ Und entscheidende Vorteile im Kampf um den besseren Sendeplatz. SIEHT MAN EINMAL
Auch Frank Plasberg („Hart aber fair“) ist Moderator und Manager zugleich. Die Firma des 54-Jährigen, Ansager & Schnipselmann, hat ihren Sitz in einem Altbau am Düsseldorfer Südring. In den Büros war früher ein Tanzlokal untergebracht und später einmal die koreanische Religionsgemeinschaft Full Gospel. Von seinem Schreibtisch aus fällt Plasbergs Blick auf einen ausgestopften Fuchs, der auf den Hinterbeinen steht, die Zähne bleckt und ein Tablett mit Visitenkarten hält. Das erinnert ein bisschen an den Bären im Kontor der Familie Buddenbrook. Durch den Gewinn von Jauch löste die ARD einen Dominoeffekt aus: Da ihm der Sonntagabend zugesagt worden war, musste Anne Will ihren Platz räumen. Doch wohin sollte sie ausweichen? Nun mussten sich auch die Talkkollegen Reinhold Beckmann, Sandra Maischberger und Frank Plasberg Eingriffen der ARD-Obrigkeit erwehren. Als seine Sendung hinter die „Tagesthemen“ verbannt werden sollte, machte Plasberg sämtlichen ARD-Intendanten seine Aufwartung: „Hart aber fair“, betete er ihnen vor, sei inhaltlich zu anspruchsvoll für eine Zeit nach 22.45 Uhr. Am Ende bekam Plasberg seinen Willen, jedenfalls fast: Er darf um 21 Uhr auf Sendung gehen – allerdings am Montag, nicht mehr am Mittwoch. Dorthin wurde Kollegin Anne Will abgeschoben. Der ARD dient Plasberg nicht nur als Quoten-, sondern auch als Programmlieferant. Sein 35-Mann-Betrieb stellt neben der Hausmarke „Hart aber fair“ auch das „Quiz der Deutschen“ her sowie zwei Shows mit dem Kabarettisten Eckart von Hirschhausen. Weitere Formate sind in Planung. „Es ist ökonomisch sinnvoll, sich breiter aufzustellen und nicht von einer einzelnen Sendung abhängig zu sein“, sagt Plasberg und runzelt bedeutungsvoll die Stirn. ALS CHEFS ihrer eigenen Produktionsfirmen haben Moderatoren die Hoheit über Investitionen, Personal und Arbeitszeiten. Zudem verschaffen sie sich neben dem Moderationshonorar des Senders und ihrem jährlichen Gewinnanteil eine dritte Einkommensquelle: das Geschäftsführergehalt ihrer Firma. Den Sendern wiederum bieten die TV-Unternehmer alle Vorteile des Auslagerns: befristete Produktionsverträge,
Die vier Großen Fred Kogel, Ex-Chef von Sat.1, über die Arbeit mit Harald Schmidt und die Macht der Moderatoren TVProduzent Fred Kogel
Ihr Kompagnon Harald Schmidt wechselte von der ARD zurück zu Sat.1. Verbessert er sich dadurch?
KOGEL Ja – von den Sendeplätzen und der Kontinuität her gesehen eindeutig. Oder unterstellen Sie etwa, dass ARD und ZDF nicht so gut bezahlen wie die Privaten? Inzwischen unterstellen wir, dass ARD und ZDF mit Gebührenmilliarden um sich werfen.
KOGEL Die Finanzen geben nicht den Ausschlag für einen Senderwechsel, zumindest nicht für die Big Four: Moderatoren wie Jauch, Gottschalk, Schmidt und Raab geht es um Inhalte, Eigenständigkeit und darum, dass sie sich wohlfühlen. Das sind sehr hochwertige Gründe.
KOGEL Um Erfolg geht es ihnen natürlich auch und um die Bedingungen, die ihn ermöglichen – Sendeplätze etwa oder Vorprogramme. Aber diese Leute haben ihren Preis und es nicht nötig, irgendwo anzuheuern. Entertainer gehören zu den Trümpfen der Sender im Kampf um Publikum und Werbekundschaft. Wie sieht das Machtverhältnis aus, wie hat es sich verändert?
KOGEL Die vier Großen sind ja Marken an sich. Der Name ist Programm. Ihr Bekanntheitsgrad entspricht dem des Senders, für den sie arbeiten. Angesichts des großen Medienangebots auch im Internet ist es doch heute so, dass man nicht mehr einen Sender schaut, sondern ein Programm. Deshalb zählen die großen Marken mehr als früher. Die Machtverhältnisse haben sich sicher zuungunsten der Sender verschoben, zumindest bei den wirklich großen Namen. Worin unterscheidet sich Kogel & Schmidt von den Produktionsfirmen Jauchs, Raabs oder Kerners?
KOGEL Wir haben insofern eine Sonderstellung, als wir ausschließlich Harald Schmidt produzieren. Wir sind
nicht daran interessiert, auch andere Künstler, Sendungen und Aufträge zu akquirieren. Warum nicht?
KOGEL Weil wir versuchen wollen, das Beste für Harald Schmidt zu erreichen: satirische Late Night ist ein äußerst schwieriges Genre. Das haben viele andere leidvoll erfahren. Man braucht ein sehr spezielles Know-how. Unternehmerische Hygiene ist unser Geschäftsprinzip, wir produzieren nur ihn und verfolgen keine anderen Interessen. Bei Günther Jauch und I & U sieht es anders aus. Günther macht Dutzende von Sendungen, unter anderem seine eigenen. Ähnlich ist es bei Stefan Raab und Brainpool. Kogel & Schmidt ist Teil einer kleinen Firmengruppe. Auch eine Stiftung, die Sie mit Harald Schmidt gegründet haben, gehört dazu. Welche Pläne verfolgen Sie?
KOGEL Die Kogel & Schmidt Stiftung hat in erster Linie den Zweck, klassische Musik zu fördern. Mit der Kogel Beteiligungs- und Verwaltungs GmbH habe ich vor, mich an interessanten Unternehmen zu beteiligen. Daneben führe ich die Fred Kogel GmbH, die unter anderem das Management von Til Schweiger übernommen, einen umfangreichen Beratervertrag mit der Constantin Film AG abgeschlossen hat und deren Geschäftsmodell es ist, die richtigen Menschen und Unternehmen zusammenzubringen. Kein Interesse mehr, noch einmal die Führung eines Senders zu übernehmen?
KOGEL Nein, ich hatte das Glück, sehr jung ZDF-Unterhaltungschef und später Sat.1-Geschäftsführer zu werden. Später habe ich viele Jahre lang eine börsennotierte Gesellschaft geführt, Constantin Film. Heute genieße ich es, meine Kreise mit meinen eigenen Firmen zu ziehen. ◆ manager magazin 8/2011
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FOTO: MICHAEL TINNEFELD / AGENCY PEOPLE IMAGE
Unternehmen TV-Stars
Unternehmen TV-Stars
höhere Flexibilität, geringere Fixkosten. Wird die Show eingestellt, haben die Sender keinerlei Verpflichtungen gegenüber den Partnerfirmen und ihren Beschäftigten. „Ich verdiene heute mehr, als ich in der Funktion des fest angestellten Sender-Hierarchen verdienen würde“, sagt Plasberg. „Doch ein Teil des Geldes ist eine Risikoprämie.“ Die Sender honorieren das unternehmerische Risiko, das ihre Talker und Entertainer für sie übernehmen. So lässt sich Sat.1 die Rückkehr des langjährigen ZDF-Talkers Johannes B. Kerner gut neun Millionen Euro pro Jahr kosten. Dieser Paketpreis umfasst rund 75 Auftritte: als Moderator von Fußballspielen und Quizsendungen sowie als Gastgeber der Gesprächsrunde „Kerner“. Auftragnehmer der Talkshow ist Kerners Firma J. B. K. TV-Production. Nachttalker Harald Schmidt handelte bei seinem Wechsel von der ARD zu Sat.1 eine Jahressumme von 8,4 Millionen Euro aus. Für jede der rund 70 Sendungen, die Schmidt moderiert und produziert, erhält er somit 120 000 Euro. Für die Produktion seiner Show hat Schmidt eine eigene Firma gegründet: Kogel & Schmidt mit Sitz in MünchenGrünwald. Der Moderator betreibt seine Geschäfte gemeinsam mit Fred Kogel, ehedem Chef von Sat.1 und später von Constantin Film und heute dessen Aufsichtsratschef (siehe Interview Seite 55). Co-Management ist eine beliebte Organisationsform in der Szene.
Stars der Reklame Bruttowerbeumsätze einzelner TV-Shows im Jahr 2010, in Millionen Euro Wer wird Millionär? Günther Jauch, RTL
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Deutschland sucht den Superstar Dieter Bohlen, RTL Germany’s Next Topmodel Heidi Klum, ProSieben TV Total Stefan Raab, ProSieben Quelle: Sender
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56,9
39,0 Grafik: manager magazin
Studienabbrecher Jauch hat schon vor elf Jahren seinen Vertrauten, den SternTV-Chefredakteur Andreas Zaik, an die Spitze von I & U geholt: Zaik hält Jauch den Rücken frei, denn der sei „in erster Linie Journalist“. Jauch ist das prominente Gesicht der Firma, Zaik der Geschäftsmann. Zu den jüngsten Coups der Firma gehört die Verpflichtung des NDR-Moderators Steffen Hallaschka, der Jauch bei Stern TV ersetzt. Es gibt auch Entertainer, die bewusst auf eine eigene Firma verzichten und allein oder nur mit einzelnen Beratern arbeiten wie Kai Pflaume etwa oder Thomas Gottschalk: Der ist vor fast drei Jahren aus der gemeinsam mit seinem Bruder Christoph betriebenen Vermarktungsgesellschaft Dolce Media ausge-
stiegen, die „Wetten, dass ...?“ bislang mit Werbepartnern versorgte. Christoph Gottschalk hat ungefähr die Körper- und Nasengröße seines Bruders, ist ein Freund der weit ausholenden Geste und verfügt über einen Bariton, der Hallen füllt. „Thomas wollte seine Neutralität beweisen und ist deshalb aus der Firma ausgestiegen“, ruft er. Berichte über Streitereien seien erfunden: „Thomas und ich telefonieren fast jeden Tag.“ Auch künftig will Christoph Gottschalk der wichtigste Berater seines Bruders bleiben. Gespräche mit den Sendern führt der berühmte Bruder dagegen allein, sei es mit seinem Duzfreund Udo Reiter, dem scheidenden MDR-Intendanten, über seine Zukunft bei der ARD, sei es mit ZDF-Intendant Markus Schächter, der Gottschalk bis zuletzt zum Bleiben überreden wollte. „Ich komme ins Spiel, sobald Finanzierungslücken auftreten“, sagt Christoph Gottschalk. „Ich kann Sponsoren und prominente Gäste besorgen.“ Zurzeit bastelt er mal wieder an einer großen Sache und verhandelt mit dem weltgrößten Parfümhersteller, Coty, ob man nicht zusammenarbeiten könne. Coty vermarktet Düfte unter den Namen von Prominenten wie Kate Moss, Halle Berry oder David Beckham. Gottschalk will Coty beziehungsweise die Namensgeber der Parfüms dazu bewegen, in der neuen Sendung seines Bruders aufzutreten. Geschäft ist Geschäft, und eine Hand wäscht die andere. Win-win sozusagen.
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Unternehmen TV-Stars
Ob mit Bruder oder ohne: Der Moderator dürfte auch künftig zu den Spitzenverdienern seiner Zunft zählen. Kenner beziffern Gottschalks Jahreseinkommen auf mindestens zehn Millionen Euro. Einen beträchtlichen Teil davon verdient er mit Gummibärchen-Werbung: 1991 schloss Gottschalk einen Vertrag mit Haribo ab, der noch bis 2013 läuft. „Für Spitzenmoderatoren ist es sehr wichtig, sich senderunabhängige Erlösquellen zu erschließen“, sagt Christoph Gottschalk. zu Sendern und Unternehmen agieren oft große Agenturen wie die Pool Position in Köln. Geschäftsführer Alexander Elbertzhagen arbeitet für rund 50 Künstler und Entertainer, darunter Barbara Schöneberger, Michelle Hunziker und Sandra Maischberger. Er beschäftigt 80 Mitarbeiter. Elbertzhagen verfügt über einen guten Ruf in der Innung. Jeden Tag pünktlich um 9.30 Uhr findet das Morgenmeeting statt mit Presseschau und Analyse der Einschaltquoten. Jeder Kunde bekommt einen ständigen Mitarbeiter, der Kontakte knüpft und Jobs vermittelt. Für solche Dienstleistungen streichen die Agenten in der Regel 10 bis 20 Prozent der Vertragssumme ein. Nebenjobs sind für gefragte Entertainer äußerst einträglich. Im Schnitt können sie rund eine Million Euro zusätzlich pro Jahr durch Werbung verdienen, in Einzelfällen deutlich mehr. Noch schnel-
ALS TÜRÖFFNER
leres Geld lässt sich mit Auftritten bei Veranstaltungen wie Firmenfeiern machen: bis zu 250 000 Euro am Tag. Die wichtigste Währung im TV-Geschäft ist das Image. Auch daran arbeiten die Promi-Manager. Die Agentur Anke Lütkenhorst beispielsweise achtet mit darauf, dass ihr Schützling Kai Pflaume – Vater zweier Söhne im Alter von 10 und 13 Jahren – stets als tadelloser Familienmensch rüberkommt. Er moderiert Spielshows wie „Dalli Dalli“, wirbt nebenbei für elektrische Zahnbürsten. „Produkt und Testimonial müssen harmonieren“, sagt Pflaume. Dass er etwa eine Wirtschaftssendung präsentierte, wäre undenkbar, obwohl Pflaume bei einer Frankfurter Privatbank Börsenhändler gelernt und auf dem Parkett mit Aktien gehandelt hat. Eine Zeit, die ihn geprägt hat: Pflaume lehnt sich zurück und hält ein kurzes Referat über den Einfluss von Optionsgeschäften auf die Börsenkurse. Christoph Gottschalk hingegen ist nach eigenem Bekunden kein Experte für Finanzmärkte. Dennoch sollte der Jurist einst im Werbespot für die Post-Aktie an der Seite seines Bruders den Börsenprofi mimen. Das notwendige Profil war schnell gezeichnet: Im Verlag Hoffmann und Campe erschien zeitnah „Christoph Gottschalks Börsen Lexikon“. Dort der Entertainer, hier der Geschäftsmann: So soll das Publikum die Arbeitsteilung der Brüder wahrnehmen. Waren Topentertainer in alten TVZeiten noch in die Hierarchien ihrer
Haussender eingebunden, haben sie sich inzwischen eigene Netzwerke geschaffen. Die Sender reagieren auf die Macht der Moderatoren oft mit größtmöglichen Zugeständnissen. Nach dem Erfolg mit Gottschalk möchte Programmdirektor Herres nicht einmal ausschließen, dass irgendwann alle talentierten Entertainer beim Ersten unter Vertrag stehen: „Das wäre ja nicht das Schlechteste ...“ ProSieben & Co. befürchten weitere Lockangebote für ihr Spitzenpersonal – und wehren sich: „ARD und ZDF sollten von ihren Gebührengeldern besser ihren eigenen Nachwuchs pflegen, als Entertainer bei den Privaten abzuwerben“, fordert Jobst Benthues, Chef der Redseven Entertainment, der Produktionsfirma der Sendergruppe ProSiebenSat.1. Vom verschärften Kampf der Kanäle können die TV-Stars nur profitieren. Wer als Spitzenkraft gilt, gewinnt Privilegien, gute Programmplätze – und Popularität. Im Café „Florian“ nähert sich eine mittelalte Brünette dem Mann, der Pflaume heißt und der so adrett aussieht, schaut ihm so tief in die Augen, wie sie kann, und sagt: „Ich bewundere Ihre Arbeit.“ Pflaume kennt solche Damen. Er holt aus seinem Audi, den er direkt vor dem Café abgestellt hat, eine Autogrammkarte und schreibt der Brünetten eine kleine Widmung auf. Dann schwingt er sich in seinen Q7, schiebt den Schaltknüppel auf „D“ und gleitet davon. Klaus Boldt/Simon Hage
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Hellas’ Wahnsinn DEUTSCHE TELEKOM Vorstandschef René Obermann droht mit seiner
griechischen Tochter OTE an der Dauerkrise des Landes zu scheitern. 60
manager magazin 8/2011
Unternehmen Deutsche Telekom
ein äußerlich könnte man Panagiotis Koutras für einen gemütlichen älteren Herren halten. Der Präsident der griechischen Telekommunikationsgewerkschaft OME-OTE trägt ein grünes Polohemd. Gelichtetes ergrautes Haar bedeckt seinen rundlichen Kopf. Doch sobald Koutras über die Deutsche Telekom spricht, klingt es, als befinde er sich im Krieg. „Die Deutschen lassen sich in jedem Büro nieder“, schimpft Koutras, „und der Aktionär Staat schaut nur von Weitem zu.“ Der Bonner Konzern provozierte den Protest der Gewerkschaft, als er 2008 bei Griechenlands größter Telefongesellschaft einstieg: dem ehemaligen Staatsmonopolisten OTE. Mit handfestem Widerstand sorgten Koutras’ Gefolgsleute jahrelang dafür, dass OTE-Aktionäre nur an geheimen Orten tagen konnten: mal im Hinterzimmer eines Hotels, mal auf einem Bürgersteig. Dass die Telekom ihren Anteil nun auf 40 Prozent erhöht, treibt Koutras dieses Jahr selbst ans Rednerpult auf der Hauptversammlung: „Wir werden weiterkämpfen“, droht er, „und zwar mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen.“ Im hinteren Teil des tristen, mit Furnierholz verkleideten Konferenzraums in der Athener Konzernzentrale klatschen hemdsärmlige, finster dreinblickende Männer Beifall. Bisher haben sie erfolgreich verhindert, dass die Telekom durchgreift und Personal abbaut. Renitente Arbeitnehmer, ineffiziente Strukturen, schrumpfende Einnahmen: Im Griechenland-Geschäft der Deutschen Telekom scheinen die zentralen Probleme der hellenischen Republik auf. Anders als in Deutschland, wo Konzernchef René Obermann die Organisation ausgedünnt und Kosten gesenkt hat, scheiterte er in Griechenland bisher an einer starken Gewerkschaft, an einer übermächtigen Regulierungsbehörde und an einer Regierung, die kaum noch handlungsfähig ist. Die Telekom-Tochter befindet sich wie das gesamte griechische Gemeinwesen im freien Fall. Der Umsatz der OTE-Gruppe gab 2010 um 8 Prozent auf 5,5 Milliarden Euro nach, der Netto-
ILLUSTRATION: FRANK HOPPMANN FÜR MANAGER MAGAZIN
R
gewinn gar um 90 Prozent auf 40 Millionen Euro. Vielen gilt der Telekommunikationskonzern als die eigentliche unternehmerische Bewährungsprobe in Griechenland: „Am Beispiel der OTE wird sich zeigen, ob Privatisierungen nationaler Konzerne hier überhaupt funktionieren“, sagt der Ökonom Jens Bastian, der in Athen lebt und forscht. Denn nur durch den Verkauf nationaler Besitztümer – von der hellenischen Postbank über die griechische Bahn bis hin zu Flughäfen – kann Griechenland, wenn überhaupt, die Staatspleite abwenden. In Bonn hat der Fall OTE inzwischen höchste Priorität. Die Probleme anderer Auslandstöchter der Telekom – ob in den USA, in Großbritannien oder Polen – hat Obermann bereits angepackt. Allein
nem Amtsantritt als Telekom-Chef Ende 2006 starteten seine Konkurrenten einen Eroberungszug. Ob Vodafone in Indien, Telefónica in Lateinamerika oder France Télécom in Nordafrika: Die großen europäischen Telekomkonzerne hatten sich durch Zukäufe in Schwellenländern Neugeschäft gesichert. Der Kapitalmarkt verlangte nun auch von den Bonnern eine Wachstumsstory. So prüfte die Telekom unter anderem einen Einstieg in Dänemark (TDC) und Ägypten (Orascom), doch als einzige Option blieb die griechische OTE übrig. Zwei Jahre hatte der damalige Finanzvorstand Karl-Gerhard Eick bei OTE-Chef Panagis Vourloumis für den Deal geworben. Im Frühjahr 2008 gab die Regierung schließlich nach: Sie erlaubte der Telekom, zunächst einen Anteil von 25 Pro-
Europaweite Enttäuschung Niederlande -5,4
Polen -0,2 Tschechien Slowakei
-3,9 Ungarn
-12,2
Kroatien -4,1
Rumänien
-12,4 -10,0 Griechenland
Umsatzverluste ausländischer Telekom-Töchter, in Prozent* *Erstes Quartal 2011 im Vergleich zum Vorjahresquartal. Quelle: Deutsche Telekom Grafik: manager magazin
die Krise in Hellas bleibt ungelöst. „Die ganze Aufmerksamkeit des Managements liegt nun auf Griechenland“, heißt es aus dem Aufsichtsrat. Kann Obermann das griechische Problem der Telekom beheben? Oder wird der Konzern dort zwischen den politischen Fronten zerrieben? Es ist noch gar nicht lange her, da sah Obermann keine Alternative zur Akquisition in Griechenland. Kurz nach sei-
-13,4
zent und obendrein die Managementkontrolle zu erwerben. Kostenpunkt: 3,2 Milliarden Euro. Ein Preis, den selbst damalige Befürworter heute als stark überhöht empfinden. Den T-Aktionären präsentierte Obermann euphorische Pläne. Über die Auslandstöchter der OTE und die eigenen Osteuropa-Gesellschaften wollte der Telekom-Chef ein Imperium auf dem Balkan errichten (siehe Grafik oben). Die manager magazin 8/2011
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Unternehmen Deutsche Telekom
Herkulesaufgabe
René Obermann: Der Telekom-CEO kämpft für Reformen in Griechenland
FOTO: JÜRGEN SCHWARZ / IMAGO
FOTO: HENNING KAISER / DDP/ DAPD
Wer die griechische Telekom-Tochter OTE retten soll
FOTO: EPA / STR / PA / DPA
FOTO: MICHAEL GOTTSCHALK / DDP IMAGES / DAPD
Timotheus Höttges: Der Finanzchef verlangt von OTE Kostendisziplin
Michael Tsamaz: Der OTE-Vormann muss die gewaltigen Kosten senken
Beteiligungen sollten systematisch aufgestockt werden. Gemeinsam mit OTE werde man „die Konsolidierung in der europäischen Telekommunikationsindustrie forcieren“, versprach Obermann. Von derartigem Selbstbewusstsein ist wenig übrig geblieben. Die Telekom musste bereits 1,6 Milliarden Euro auf ihre Griechenland-Beteiligung abschreiben, weitere Abwertungen sind nicht ausgeschlossen. Seit dem Telekom-Einstieg hat sich der Wert der OTE-Aktie um fast 70 Prozent reduziert. Und die Perspektiven, die OTE-Chef Michael Tsamaz zu bieten hat, sind düster. Tsamaz zählt zur Minderheit der Hauptversammlungsteilnehmer, die Anzug und Krawatte tragen. Doch seine Eleganz ist das einzig Positive, das er den Aktionären zu bieten hat. „Vor uns liegen zwei sehr schwierige Jahre“, sagt er im Stil eines Grabredners: „Wir können es uns nicht erlauben, von den ökonomischen Entwicklungen weggespült zu werden.“ Tsamaz gilt als fähiger Manager. Der Wunschkandidat der Telekom trat im November 2010 an die Konzernspitze in Athen. Zuvor hatte Tsamaz, der BWL in Kanada studiert hat, die Marktführer62
manager magazin 8/2011
Claudia Nemat: Die künftige EuropaChefin will den Turnaround schaffen
schaft der OTE-Mobilfunktochter Cosmote in Griechenland erfolgreich ausgebaut. Doch die OTE ist einem Trend ausgesetzt, dem Tsamaz wenig entgegenzusetzen vermag. Während die Erlöse sinken, steigen die Gehälter. Schuld daran sind vor allem die unkündbaren Ex-Beamten, die in der Festnetzgesellschaft OTE S. A. gut drei Viertel der Belegschaft ausmachen: Ihre Bezüge wachsen jährlich automatisch um 2,5 Prozent. Schon heute kostet ein Festnetzmitarbeiter die OTE im Durchschnitt etwa 62 000 Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Der Telekom-Schnitt in Deutschland liegt bei ungefähr 53 000 Euro. Die Arbeitskosten machen bei der OTE S. A. bereits 37 Prozent des Umsatzes aus (Telekom: 20 Prozent). Gehen die Erlöse in den kommenden Jahren weiter zurück, wird die OTE zwangsläufig in die roten Zahlen rutschen. „Die Entwicklung ist schon heute problematisch“, warnt ein Telekom-Vorstand, „wird aber jedes Jahr gefährlicher.“ Der Personalstab ist hoffnungslos aufgebläht. Das hat auch mit dem politischen Filz früherer Jahre zu tun: Drohte
eine Wahl verlorenzugehen, versorgten griechische Spitzenpolitiker ihre Günstlinge gern noch kurzfristig mit Posten bei der OTE. Die Vetternwirtschaft im Unternehmen sei inzwischen abgeschafft, beteuern Telekom und OTE. Doch die Nachwirkungen bleiben. „Viele tun nichts und werden trotzdem dafür bezahlt“, ätzt ein OTE-Aktionär auf der Hauptversammlung. Telekom-Manager, die aus Bonn zur GriechenlandTochter nach Athen wechseln, wundern sich bisweilen über den mehrköpfigen Hofstaat, der ihnen dort zur Verfügung gestellt wird. Es gebe Mitarbeiter, die in der Hauptsache Frappé zubereiteten – griechischen Eiskaffee, der an heißen Sommertagen Kühlung verschafft. war den TelekomManagern schon vor dem Einstieg bekannt. Fast der gesamte Vorstand bildete sich bei der Buchprüfung eigenständig eine Meinung: neben dem damaligen Finanzchef Eick auch CEO Obermann, Arbeitsdirektor Thomas Sattelberger sowie Ex-Festnetzchef Timotheus Höttges, heute Oberfinanzer. Der Vorstandsbeschluss zum OTE-Kauf war einstimmig. Doch in zwei Punkten hat sich die Telekom verkalkuliert. Der Vorstand rechnete mit konstantem Wachstum in Griechenland und hoffte darauf, dass die Athener Regierung das Arbeitsrecht lockern und damit Kürzungen bei den Personalkosten ermöglichen würde. Vergeblich regte die Telekom etwa einen „Pakt für Beschäftigung“ an: Man werde üppig ins Glasfasernetz investieren, schlug der Konzern der griechischen Regierung vor. Im Gegenzug solle der Staat Zugeständnisse bei Regulierung und Arbeitsrecht machen. Doch der Vorstoß scheiterte, vor allem am Widerstand der übermächtigen Regulierungsbehörde. Die überbordende Regulierung hindert die Telekom-Tochter ohnehin daran, effizient zu wirtschaften. So muss das Unternehmen seine modernen Internetleitungen zu vorab festgelegten Dumpingpreisen an die Wettbewerber vermieten. Besonders skurril: Investiert der Konzern etwa in schnelle Glasfasernetze, darf er diese erst nach einem halben Jahr selbst nutzen. Bis dahin muss die OTE ihrer Konkurrenz den Vorrang gewähren. Ein Pilotprojekt, das den Ausbau des Highspeed-Internets VDSL vorsah, hat die OTE nun auf Eis gelegt. DAS KOSTENPROBLEM
Unternehmen Deutsche Telekom
Die künftige Europa-Chefin Claudia Nemat erwartet ein schwieriger Job, zumal sie für das Griechenland-Geschäft nicht einmal einen Aufräumer aus Bonn schicken kann: Die Kaufvereinbarung zwischen der Telekom und dem hellenischen Staat verlangt vom OTE-Chef, „fließend Griechisch zu sprechen“. Seit dem Abschluss des Vertrags hat die Telekom ihre Strategie weltweit verändert. Die ehrgeizigen Wachstumspläne im Ausland sind inzwischen einem Programm zum Kosten- und Schuldenabbau gewichen, das die Gewinne retten soll. Unter anderem sollen Doppelstrukturen abgebaut, IT-Systeme vereinheitlicht werden (siehe Kasten rechts). Umso mehr gelten die Sparpläne für den Fehlgriff in Athen: Vor allem Finanzvorstand Höttges, der OTE als große Belastung für die Telekom-Bilanz betrachtet, verlangt von den Griechen Kostendisziplin. Garantien oder Finanzhilfen will er der OTE nicht gewähren. Für eine Refinanzierungsrunde im Frühjahr mussten die Griechen eigene Geldgeber finden. Die Griechenland-Tochter, so Höttges’ Ansage an das Management in Athen, müsse für ihre Schulden selbst geradestehen. Ein ungewöhnliches, aber eindeutiges Signal an die OTE und ihre Geldgeber: Auf Rückendeckung durch den Mutterkonzern dürfen sie sich nicht verlassen. etwa bei den OTE-Töchtern in Serbien und Rumänien, ist längst keine Rede mehr. Anfang 2011 stieg Obermann aus dem Bieterverfahren für die serbische Telekom aus. Die Preisvorstellungen der dortigen Regierung, heißt es in Bonn, seien zu hoch gewesen. In Rumänien schlug man das Angebot des Staates aus, dessen übrige 46 Prozent an der Rom Telecom zu übernehmen. „Wir sind sehr glücklich mit unserer jetzigen Aufstellung und wollen eher Schulden reduzieren“, heißt es aus dem OTE-Management. Der rumänische Staat plant nun, mittels eines Teilbörsengangs Anteile abzustoßen. Den weiteren Ausstiegsplänen der Regierung in Athen steht die Telekom ebenfalls skeptisch gegenüber. Nur widerwillig griff Obermann zu, als der griechische Staat eine vertraglich vereinbarte Verkaufsoption über zusätzliche 10 Prozent der OTE-Aktien einlösen wollte. Am liebsten würde die Regierung auch noch VON WEITEREN ZUKÄUFEN,
Gewinne in Gefahr Warum die Deutsche Telekom sparen muss Das Ergebnisproblem: Der Telekom
fällt es weiterhin schwer, Wachstum zu schaffen. Damit sind auch die internen Ergebnispläne gefährdet. 2010 verfehlten vor allem die europäischen Auslandsmärkte die Vorgaben für den operativen Gewinn vor Abschreibungen (Ebitda). Nun kämpfen gleich mehrere TelekomSegmente mit den ehrgeizigen Zielen. Die Sorgenkinder: Vor allem die
zum Verkauf stehende US-Tochter T-Mobile lag zuletzt klar unter den internen Gewinnerwartungen. Auch die Großkundensparte T-Systems schwächelt. Das DeutschlandGeschäft wächst nicht wie erhofft. Daher will CEO René Obermann die Kosten weiter senken. Bereits im Frühjahr hielt die Telekom Krisensitzungen zur Ergebnissicherung ab. Der Sparplan: Die Arbeitskosten sol-
len weiter sinken. Die Telekom fahndet nach Überkapazitäten im Konzern, will unter anderem personelle Dopplungen zwischen Bonn und den Landesgesellschaften reduzieren. Davon könnten auch Spitzenkräfte betroffen sein. Daneben wären Sparmaßnahmen beim Marketing und der Neukundenwerbung denkbar. Das IT-Projekt: Die Telekom plant, die IT-Systeme von T-Systems mit jenen der Konzernmutter zusammenzulegen. Das Megaprojekt, wenn es denn kommt, würde gewaltige Synergien heben – und womöglich zahlreiche Jobs kosten.
ihr verbliebenes 10-Prozent-Paket an die Deutschen verkaufen. Doch Obermann zögert, noch mehr Geld ins griechische Euro-Inferno zu werfen. Ende Mai dinierten Telekom-Aufsichtsräte, Vorstände und OTE-Spitze gemeinsam im vornehmen Athener Restaurant „Ithaki“, mit Blick auf die sanften Wellen des Mittelmeers. Angesichts der
prekären Lage der Griechenland-Tochter hatten die Bonner ihre jährliche Strategietagung eigens in die hellenische Hauptstadt verlegt. Der damalige Finanzminister George Papaconstantinou hielt die Dinner-Rede und überraschte die Deutschen mit einer klaren Analyse der OTE-Probleme. Auch die horrenden Arbeitskosten kamen zur Sprache. Timotheus Höttges forderte Reformen im Arbeitsrecht und bei der Regulierung. Sollten die Griechen der Telekom nicht endlich entgegenkommen, drohte der Finanzchef, werde man die OTE „dekonsolidieren“, sprich: aus der Bilanz nehmen. Für den griechischen Staat würde das bedeuten, die OTE wieder auf die eigenen Bücher nehmen zu müssen – und den Komplettrückzug der Telekom zu riskieren. Die Drohung war wohlüberlegt und mit der Bundesregierung abgesprochen. Doch sie blieb ohne Folgen: Der in Griechenland als „Sparkommissar“ verschriene Finanzminister Papaconstantinou musste wenige Wochen später abdanken. „Wir hatten zwischenzeitlich das Gefühl, dass unsere Argumente gehört werden“, sagt ein Telekom-Vorstand, „aber mit dem neuen Finanzminister beginnt das Spiel nun von vorn.“ Noch hat die Telekom nicht aufgegeben. Mehrere Gespräche zwischen dem Management und den aktuellen Regierungsvertretern fanden bereits statt. Der griechische Staat steht unter Druck und braucht ein Erfolgserlebnis bei den geplanten Privatisierungen. Die Telekom wird der Regierung jedoch nur dann den Restanteil an OTE abnehmen, wenn radikale Reformen in Aussicht stehen. Die Skepsis ist groß: „Für derartige Schritte bekommt die Regierung derzeit gar keine Mehrheiten zusammen“, sagt ein Topentscheider der Telekom. Möglichkeiten, aus dem griechischen Elend zu fliehen, hat Obermann nicht. Der Bundesregierung ist daran gelegen, dass er die Griechen nicht fallen lässt. Außerdem gibt es – anders als in den USA, wo Obermann T-Mobile an AT&T veräußern will – keine ernsthaften Kaufinteressenten. Dafür wird schon Gewerkschaftsboss Panagiotis Koutras sorgen. Er räumt das Rednerpult erst, nachdem er weitere massive Streiks angekündigt hat. Koutras geht unter stürmischem Beifall. Simon Hage/Astrid Maier manager magazin 8/2011
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KOLUMNE
Revision eines Weltbildes Asiens Aufstieg hat tiefer greifende Folgen für uns, als viele Manager glauben. VON HERMANN SIMON
SEIT 1000 JAHREN FORMT EUROPA DIE WELT. Die Weltsprache und die Weltschrift sind europäischen Ursprungs. Fast überall kleiden sich Menschen nach europäischem Stil. Wirtschaftsund Rechtssysteme (selbst der Kommunismus) stammen aus Europa, das Gleiche gilt für Schulsysteme, Maße und vieles andere. Diese Tatsachen sind für uns quasi selbstverständlich – und prägen so auf einer tiefen, fast unbewussten Ebene unser Weltbild. Europa (inklusive seiner Eroberungen Amerika und Australien) ist für uns das Maß der Dinge. Natürlich wissen wir, dass Bevölkerungszahlen, Landmassen, Entfernungen in anderen Weltregionen Europa klein erscheinen lassen. Aber bisher war das nicht wirklich relevant, da der Westen den Rest der Welt wirtschaftlich, technologisch und machtmäßig in den Schatten stellte. Das hat sich radikal geändert und wird sich weiter ändern. HÄUFIG HABE ICH AUF REISEN Aha-Erlebnisse, die mir die Dimensionen Asiens unter die Haut gehen lassen. Einmal holte mich in Guangzhou (dem früheren Kanton, 12,7 Millionen Einwohner) ein Einheimischer ab, um mich zum Ort meines Vortrags zu fahren. Nach einer Stunde standen wir wieder vor meinem Hotel. Weil sich die Stadt ständig ändert, neue Straßen und Häuser entstehen, fand er den Weg nicht und musste ein Taxi anheuern, das uns vorausfuhr. Solche Erfahrungen helfen, die Dimensionen Asiens wirklich verstehen zu können. Und man sollte sich immer wieder Zahlen und Zahlenvergleiche vor Augen führen. Sie dienen zumindest als eine solide Grundlage für das Verständnis asiatischer Größenordnungen. Schauen wir uns als Beispiel die Mobilkommunikation an. Obwohl Singapur ein kleines Land mit nur fünf Millionen Einwohnern ist, hat die dort ansässige Telekommunikationsfirma Singtel über ihre diversen asiatischen Beteiligungen mehr als 400 Millionen Mobilfunkkunden. Das sind etwa dreimal so viele, wie sie die Deutsche Telekom mit weltweit 127,9 Millionen (per 31.3.2011) aufweist. Dabei ist Singtel in Asien nicht der größte Spieler. China Mobile hat über 600 Millionen Klienten, der zweite im chinesischen Markt, China Unicom, mehr als 174 Millionen Mobilfunkkunden. Facebook, das größte soziale Netzwerk der Welt, ist – wenn überhaupt – kaum größer als die chinesische Seite qq.com mit 674 Millionen Teilnehmern. Auch räumliche Dimensionen im asiatisch-pazifischen Raum entziehen sich unseren gewohnten Vorstellungen. Es bil-
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den sich dort andere Einstellungen zu Entfernungen. Auf einer Konferenz in Kuala Lumpur traf ich zahlreiche Teilnehmer aus Australien. Als ich meine Überraschung ausdrückte, erhielt ich die Antwort: „Das ist unsere Region. Für uns ist es normal, zu einer Konferenz nach Singapur, Kuala Lumpur oder Bangkok zu fliegen.“ Wir reden hier von acht bis neun Stunden Flugzeit. Oder das Thema Raum: Die Stadt Peking ist mit einer Fläche von 16 807 Quadratkilometern 19-mal so groß wie Berlin und 6,5-mal so groß wie das Saarland. In der Stadt Changzhou hat allein die Wujin-Hightech Industrial Zone eine Fläche von 105 Quadratkilometern. Darüber hinaus gibt es noch weitere Industrieparks. und Empfehlungen ergeben sich aus diesen riesigen Dimensionen? Jeder, der mit Asien zu tun hat, sollte sich möglichst oft vor Ort einen eigenen Eindruck von den Dimensionen verschaffen. Abstrakte Daten reichen nicht für das gefühlsmäßige Verstehen dieser Größenordnungen. Asien wird in vielen Märkten eine Führungsrolle übernehmen. Beispiele sind Bergbau oder Ultra-Niedrigpreis-Produkte. Die Verlagerung ganzer Wertschöpfungsketten ist die Folge. So hat die Darmstädter Firma Schenck ihre Sparte für Bergbauausrüstungen nach Peking verlegt. Immer mehr F&E-Zentren wandern nach Asien ab oder werden dort neu aufgebaut. Jedes Unternehmen, insbesondere wenn es flächendeckende Systeme aufbauen will, muss sich darüber im Klaren sein, dass die Eroberung Asiens sehr schwierig und langwierig wird sowie ungeheure finanzielle und personelle Ressourcen erfordert. Amerika, wo wir oft genug gescheitert sind, ist im Vergleich dazu ein kleiner Schluck. Das gilt selbst für das Halten von Marktpositionen. Flächendeckung in Asien wird sich vielfach als Illusion erweisen. DHL zieht sich gerade aus dem innerchinesischen Expressgeschäft zurück. Englische Banken wie HSBC und Barclays reduzieren ihre Präsenz in Asien. Umgekehrt gilt: Selbst aus winzigen Marktanteilen können angesichts gigantischer Kundenzahlen große Absatzmengen resultieren. Ein bedeutendes Segment der Zukunft werden die Megacitys, deren Formung sich in Asien abspielt. Siemens hat eigens einen Vorstand berufen und eine globale Geschäftseinheit „Megacities“ gebildet, um dort Geschäftschancen zu nutzen. Die Korrektur unseres eurozentrischen Weltbildes fordert von uns eine Bescheidenheit, die weit tiefer gehen muss als die hier exemplarisch beschriebenen quantitativen Größenordnungen. Europa wird klein. Wir sind nicht mehr das Zentrum und die Herrscher der Erde. Stattdessen werden wir in einer multipolaren Welt leben, in der andere Pole eine größere Rolle spielen als Europa. ◆
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Frank Asbeck, Herr der Module, sonnte sich lange Zeit im Licht deutscher Solarstromförderung
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manager magazin 8/2011
FOTO: [M] AXEL GRIESCH / GETTY IMAGES, MICHAEL DANNENMANN / STOCK4B
Unternehmen Solarworld
SONNENFINSTERNIS SOLARWORLD Lahmer Absatz, Angriff von Großkonzernen,
dazu eine schwache Konstitution – wird auch der Bonner Aufsteiger Opfer der Branchenkrise?
ine seiner besten Ideen ersann Frank Asbeck, Chef und Großaktionär der Solarworld AG, vor zwei Jahren nach einer vermeintlich lästigen Kundenanfrage. Im Bonner Servicebüro der Firma hatte sich ein amerikanisch sprechender Anrufer namens Larry Hagman gemeldet. Den Mann plagte ein technisches Problem seiner Solaranlage. Die Mitarbeiter gaben – trotz Sprachbarriere – fachkundig Auskunft. Die Sache schien somit erledigt. Bis jemandem auffiel, wer da eigentlich am Apparat gewesen war. So drang die Nachricht – die Wege bei dem Sonnenunternehmen sind kurz, die Hierarchien durchlässig – rasch auch zu Patron Asbeck durch. Der griff zum Hörer und machte dem heute 79-jährigen USSchauspieler Hagman ein Angebot, das dieser nicht ablehnen mochte. „Der weise gewordene J. R., das war als Geschichte fantastisch gut zu erzählen“, sagt Asbeck. Seitdem beschwört Hagman, alias „Dallas“-Ölbaron J. R. Ewing, werbewirksam die neue Energieformel: „Shine baby shine!“ Coups wie dieser haben den 51-jährigen Unternehmer Frank Asbeck, der seinen Geschäften gern in Jeans, Freizeithemd und Janker nachgeht, zum Star gemacht. Er ist der schillernde Leader der deutschen Solarindustrie, seine juvenile Solarworld (13 Jahre; 1,3 Milliarden Euro Umsatz) die Nummer eins in der Heimat. Doch ähnlich wie Hagmans beste Tage als Schauspieler längst vorbei sind, könnte auch Schwergewicht Asbeck („Ich bin hier der Fat Boy“) bald ein Held von gestern sein. Denn seine Firma ist herausgefordert wie nie zuvor. Der Solarmarkt muckt. Etliche europäische Länder kürzen deutlich ihre Mil-
E
liardensubventionen für Sonnenstrom. Das schafft drastische Absatzprobleme. Allein in Deutschland, der wichtigsten Verkaufsregion des Bonner Konzerns, werden wegen verminderter Einspeisevergütung in diesem Jahr voraussichtlich nur halb so viele Solaranlagen neu installiert wie noch 2010. Die Preise für Solarmodule und Vorprodukte wie Wafer und Zellen stürzen weltweit mit bisher nicht gekannter Geschwindigkeit. Seit Januar haben sich die Ausrüstungen um bis zu 30 Prozent verbilligt. Im Mai konnte Solarworld deshalb keine Gewinnprognose für das laufende Jahr abgeben. Gleichzeitig drängen mächtige Industriegiganten in das Geschäft. Sie kommen mit Milliarden, reichlich Geduld und hohem Ingenieurwissen. Bosch gehört dazu, ebenso die koreanische HightechCompany Samsung oder der französische Energieriese Total. Auch der japanische Elektronikmulti Sharp nimmt einen neuen Anlauf. Eine Handvoll chinesischer Solarfirmen, die von der Regierung in Peking und den Provinzen massiv gestützt werden, ist schon jetzt im weltweiten Branchenranking ganz vorn (siehe Grafik Seite 70). Sie alle glauben an die Kraft der Sonne, daran, dass sie einen wesentlichen Beitrag zum weltweiten Strommix liefern wird. Deshalb sagt Bosch-Vormann Franz Fehrenbach: „Der Solarmarkt wird ein Markt für globale Spieler.“ Experten erwarten schon bald ein Großreinemachen. Mehr als die Hälfte aller Solarunternehmen werde in den nächsten Jahren verschwinden, meint etwa Philip Grothe, Partner der Beratungsfirma Simon-Kucher. Einzelne deutsche Greentech-Ikonen gehen be-
reits in die Knie. Die einst glanzvolle Hamburger Conergy schrammte knapp an der Pleite vorbei. Der ehemalige Solarzellenweltmarktführer Q-Cells sucht verzweifelt nach einem Käufer, um nicht bald völlig unterzugehen. Projektentwickler Solar Millennium reibt sich in bizarren Gefechten mit seinem Ex-Vorstandschef Utz Claassen auf. Die Generation der Solarpioniere, so scheint es, wird abgelöst. Ist das Geschäft mit der Sonne in Zukunft kein Business mehr für Mittelständler? Oder kann zuminderst Solarwunder Frank Asbeck noch mithalten? Klar, für Frank Asbeck – ganz Sonnenkönig – ist die Sache schon entschieden: „Wir haben vor nichts und niemandem Angst.“ Das Selbstbewusstsein zieht Asbeck aus seinen früheren Erfolgen. Ende der 90er Jahre hatte er zunächst mit dem Handel von Fotovoltaikmodulen angefangen. Nach dem Börsengang seiner Solarworld 1999 schwang er sich durch einige Glücksgriffe selbst zum Produzenten auf. Der Öko-Unternehmer kaufte eine Modulfabrik in Schweden, übernahm die Wafer-Fertigung von Bayer, an der der Leverkusener Konzern lange herumlaboriert hatte. In den USA erwarb er Fabriken von Shell und später von Komatsu. Jedes Mal ging der Eigentümerwechsel mit kleinem Geld vonstatten. Für das Werk der Japaner etwa zahlte Asbeck 30 Millionen Euro, obwohl Komatsu an dem Standort zuvor insgesamt 600 Millionen Euro investiert hatte. Asbeck ist ein „Überzeugungstäter“ (ein Dax-Vorstand), ein Unternehmer, der viel wagt und oft gewinnt. Legendär sind seine Erfolge bei der Bearbeitung manager magazin 8/2011
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Unternehmen Solarworld
führender deutscher Politiker. Der ÖkoUnternehmer wirkte mit reichlichem Zureden und üppigen Spenden maßgeblich daran mit, dass die deutschen Haushalte tief in die Tasche greifen und Sonnenstrom bis 2030 mit mehr als 120 Milliarden Euro subventionieren müssen. Auch sorgte Asbeck im Gegensatz zu anderen Solarpionieren frühzeitig dafür, dass er alle Wertschöpfungsstufen der Industrie – von der Aufbereitung des Siliziums, über Wafer und Zelle bis zum fertigen Dachmodul – abdeckt. Dadurch ist er Zulieferer und Endgerätehersteller zugleich und kann je nach Nachfrage reagieren und die interne Verrechnung spielen lassen. NUR WENIG IST ASBECK nicht geglückt. Der Kauf des Autoherstellers Opel beispielsweise, für den er sich nach eigenem Bekunden ernsthaft interessiert hatte. Oder die Ansiedlung des Simbabwe-Löwen auf seinem Bonner Firmengelände, das auch als Demo-Bauernhof fungiert; dort muss er sich jetzt mit Warzenschweinen begnügen. Bei all dem wilden Wirtschaften haben sich etliche Schwächen der AsbeckFirma festgesetzt. Hauptproblem ist die
schwache Internationalisierung. Noch heute macht Asbeck 41 Prozent des Umsatzes allein in Deutschland. Seiner Asien-Strategie ist der Boden entzogen, seit er sich vor Kurzem – nach drei offenbar desaströsen Jahren – aus einem südkoreanischen Gemeinschaftswerk zur Produktion von Modulen zurückzog. Das Expansionsprojekt hatte zu keiner Zeit die Erwartungen erfüllt. In Korea selbst hatte das Unternehmen nie wirklich Fuß gefasst. Erhoffte Exporte in Länder der Region blieben aus. Stattdessen mussten die schwarzen Energiewandlerplatten für teures Geld nach Europa und in die USA verschifft werden. Und zu allem Überfluss haperte es auch noch an der Qualität der Module und der Kompetenz des Kooperationspartners. Nun hat Solarworld anders als die meisten großen Wettbewerber keine Fabrik mehr an einem asiatischen Niedriglohnstandort. Ein Nachteil? Asbeck gibt trotzig zu Protokoll: „Ich glaube nicht an den Segen der Verlagerung.“ Stattdessen hofft er, schon bald zusammen mit dem Industriekonzern Evonik einen technischen Sprung bei der Wafer-Produktion schaffen zu können. Wenn der gelingt, will er am Solarworld-
Standort im sächsischen Freiberg eine neue Produktionslinie hochziehen. Asbeck: „Im nächsten Jahr sind wir bei den Kosten auf asiatischem Niveau. Mit dem neuen Wafer-Verfahren werden wir den Chinesen die Schuhe besohlen.“ Die Optimierung ist auch bitter nötig. Vorläufig produziert Solarworld seine Module rund 15 Prozent teurer als die chinesische Konkurrenz, was mit höheren Preisen in Deutschland und in den USA kompensiert werden muss. Dazu kommt eine bedenklich karge Finanzausstattung angesichts der großindustriellen Dimensionen, in denen die Solarbranche wächst. Der Cashflow ist im Augenblick negativ und gibt keinen Spielraum für Investitionen. Das treibt die Verschuldung der Tec-Dax-Firma auf eine glatte Milliarde Euro. Anfang Juli erst hat sich Solarworld über eine Anleihe 150 Millionen Euro Cash besorgt. Den finanzstarken Mitspielern fällt es wesentlich leichter, technisch aufzurüsten. Schon jetzt haben Boschs neueste Module den weltweit höchsten Wirkungsgrad. Und der Stuttgarter Konzern kann auf gigantische Forschungskapazitäten zurückgreifen. Neben den Solarspezialisten im thüringischen Arnstadt
Kollektorbrand Aufstieg und Niedergang der deutschen Solarpioniere Top Ten bei kristallinen Modulen Kapazität in Megawatt
Jährliche weltweit installierte Fotovoltaikleistung in Gigawatt 14
Suntech geht an die NYSE
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Deutschland löst Japan als größten Solarenergie markt ab
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Conergy rückt zur Nummer eins in Europa auf
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Solarworld Umsatz Start deutsche erreicht 100 Solarförderung Millionen Marke
Bosch steigt ein und investiert in Asien
Q Cells: Nettoverlust 1,4 Mrd. Euro
Solarworld erreicht einen Wert von 5,4 Mrd. Euro Conergy macht 248 Mio. Euro Miese und kommt nicht mehr aus der Verlustzone
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Solarworld nur noch 910 Mio. Euro wert
Mehr als die Hälfte der in Deutschland installierten Module stammt aus China
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1 Suntech, CHN
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2 LDK, CHN
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3 Yingli, CHN
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4 Canadian, CDN 5 Trina, CHN
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7 Solarworld, D
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8 Hanwha, CHN
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9 Jabil Circuit, USA 10 Sunpower, USA
740 600*
*Inkl. ausgelagerter Kapazitäten. Quelle: Bank Sarasin & Cie AG, Prognos, Europressedienst, iSuppli, EPIA Grafik: manager magazin
FOTO: SABINE BRAUER / BRAUER PHOTOS
steht eine Armada von 34 000 Forschern und Entwicklern zur Verfügung, die etwa bei Grundsatz- oder Elektronikthemen mithelfen können. Gegenwärtig baut Bosch in Malaysia für 520 Millionen Euro eine hypermoderne Anlage zur Herstellung dieser Modulgeneration. An Investitionen in dieser Größenordnung kann Asbeck nicht einmal denken. Bosch hat damit zugleich eine solide Basis in Asien. Nach Einschätzung von Spartenchef Holger von Hebel wird die Region bis zum Jahr 2018 mit einem Anteil von 40 Prozent der weltweit größte Einzelmarkt der Solarenergiewirtschaft. Ohne lokale Produktion gebe es dort keinen Verkaufserfolg. Bosch & Co. gegen Solarworld – das ist ein Kampf von geballter Technik-Power und Finanzkraft gegen unternehmerischen Wagemut. Doch selbst in dieser Disziplin stößt Asbeck schon jetzt an enge Grenzen. Im Grunde ist die Sonnengesellschaft wie die meisten deutschen Solarmittelständler eine Start-up-Firma geblieben, mit eher naturwüchsigen Abläufen und Duzkultur. Die Führungspositionen sind mit langjährigen Asbeck-Freunden besetzt. In der Belegschaft wimmelt es von unerfahrenen Uni-Absolventen. Recruiting von Hochkarätern in der klassischen Industrie findet kaum statt. Einer solchen Truppe unterlaufen schon mal handwerkliche Fehler, wie vor einiger Zeit in Belgien geschehen. Um mehr Menge in den Markt zu drücken, gewährte Solarworld dem Elektronikgroßhändler Rexel satte Rabatte. Doch die Preisaktion hatte nicht den erhofften Erfolg. Rexel gab den Vorteil einfach nicht an die Kunden weiter und strich den Extragewinn selbst ein. Eine besonders unglückliche Figur macht Solarworld bei der Unternehmenskontrolle durch den Aufsichtsrat. Christian Strenger, ehemaliger Chef der Fondsgesellschaft DWS und Mitglied der deutschen Corporate-Governance-Kommission, hat sich der Zustände nun angenommen. Er klagt vor dem Bonner Landgericht gegen die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, die die Hauptversammlung im Mai erteilt hatte. Strenger moniert vor allem mangelnde Unabhängigkeit der Kontrolleure. Die drei Herren der Riege sind durchgängig seit Bestehen der Solarworld AG, also
Netzwerker: Frank Asbeck (M.), hier mit Ehefrau Susanne, hat beste Drähte in die Politik, etwa zu Außenminister Guido Westerwelle (2. v. l.; 2009 in Davos mit Wikipedia-Mitgründer Jimmy Wales, l., und Westerwelles Lebensgefährten Michael Mronz)
seit 13 Jahren, im Amt. Überdies arbeitet die Rechtsanwaltskanzlei, in der Chefkontrolleur Claus Recktenwald Partner ist, regelmäßig und mit Pauschalvergütung für Solarworld; sie ist faktisch die ausgelagerte Rechtsabteilung des Unternehmens. Asbeck wertet die Attacke als „akademische Florettfechterei“. Er will deshalb an der Praxis festhalten, stellt aber gleichwohl in Aussicht, bei der 2013 turnusmäßig anstehenden Aufsichtsratswahl das Kontrollgremium auf sechs Personen auszuweiten und dabei – politisch korrekt – auch eine Frau zu berücksichtigen. gut daran, bei der Governance ein strengeres Maß anzulegen. Denn Asbeck macht gern Geschäfte mit sich selbst. Im vergangenen November etwa verkaufte er die Projektgesellschaft Solarparc AG, deren Hauptaktionärin (50,1 Prozent) die Vermögensgesellschaft der Asbecks war, an die Solarworld AG, bis dahin mit 29 Prozent an Solarparc beteiligt. Als Vorstand der Gesellschaft fungiert neben Asbeck selbst Ehefrau Susanne Asbeck-Muffler. Die Transaktion erfolgte per Aktientausch, womöglich zu einem für die Solarparc-Eigner günstigen Verhältnis. Denn offenkundig war die Projektgesellschaft im Vergleich zu anderen Entwicklern nicht sonderlich erfolgreich gewesen. Entgegen üblichen Usancen ließ der Recktenwald-Aufsichtsrat die Angemessenheit des Umtauschangebots nicht von einem unabhängigen Gutachter prüTATSÄCHLICH TÄTE SOLARWORLD
fen. Asbeck verweist aber darauf, dass Wirtschaftsprüfer Ernst & Young nachträglich keinen Anlass gesehen hat, eine Goodwill-Abschreibung vorzunehmen. So kommt Asbeck jetzt auf 27,8 statt zuvor 25 Prozent bei Solarworld. Damit hat er sich den Unmut etlicher Mitaktionäre zugezogen. Sie müssen das kapitalintensive Geschäft von Solarparc mittragen, womöglich ohne wirklich etwas dafür bekommen zu haben. Spielchen wie diese kann sich vielleicht eine private Hinterhoffirma leisten, aber nicht ein börsennotiertes Unternehmen, das ein Weltspieler werden will und somit auf die Gunst großer Investoren angewiesen ist. Eine schwache Position in zentralen Zukunftsmärkten, wackelige Finanzen, eine unterentwickelte Managementprofessionalität – es wird eng für Asbeck. Schafft es der Entrepreneur, die Firma dennoch in eine bessere Zukunft zu führen? Oder wählt er lieber den Notausgang und verkauft seine Anteile an einen der Großen? Einstweilen sagt Asbeck keck: „Ich bitte von unanständigen Angeboten Abstand zu nehmen.“ Sein Plan sieht vor, dass die Firmenanteile nach seinem Tod an seine Familienstiftung gehen. „Für die möchte ich was Ordentliches abliefern.“ Einer Übernahme gegen seinen Willen hat er vorgebaut. In diesem Fall wären sämtliche Anleihen des Unternehmens unmittelbar fällig. Doch statt sich zu verschanzen, wäre Asbeck gut beraten, auf Investorensuche zu gehen – solange die noch Interesse haben. Thomas Werres manager magazin 8/2011
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INNOVATIONEN Ein neuer Typ von Mittelständlern wird zu einer
FOTO: RÜDIGER NEHMZOW FÜR MANAGER MAGAZIN
treibenden Kraft des Fortschritts am Standort Deutschland. s gibt noblere Geschäftsadressen als diesen Hinterhof in Düsseldorf-Unterbilk. Klein- und Kompaktwagen mit deutlichen Gebrauchsspuren stehen schräg geparkt zwischen dem einen oder anderen Schuttcontainer. Die rechte Hälfte des Flachbaus, der das Ensemble nach hinten abschließt, wirkt jedoch edler: Mattschwarze Rahmen um große Fenster kontrastieren auf leuchtend weißer Fläche. So haust der neue Mittelstand. In dem Areal hat Sipgate, ein Anbieter von Internettelefonservices für Privat- und Geschäftskunden, seinen Firmensitz. Thilo Salmon hat das Unternehmen 2003 mitgegründet. Inzwischen ist der 40-Jährige mit dem in sich gedrehten Zopf sicher, dass er und seine Kollegen einen großen Fisch an der Angel haben. Den wollen sie so schnell nicht wieder vom Haken lassen – und schon gar nicht mit externen Finanziers teilen. „Geld für weiteres Wachstum ist vorhanden“, sagt Salmon selbstbewusst: aus dem schnell wachsenden Cashflow, aber auch aus Rücklagen. Die Geschäfte mit ihren selbst entwickelten Technologien gehen gut. Mit den „virtuellen Telefonanlagen“ von Sipgate können Unternehmen bis zu 70 Prozent ihrer Telefonkosten sparen. Im ersten Quartal 2011 hat sich die Zahl der Anmeldungen für die Internettechnologie im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verdoppelt. Die Zahl der Sipgate-Mitarbeiter ist im vergangenen Jahr um 25 Prozent gestiegen, auf knapp 80. Bis Ende 2012, so der Plan, sollen es 120 sein, abermals 50 Prozent mehr. Mit seinen technisch anspruchsvollen, aber leicht anzuwendenden Verfahren fürs Telefonieren über Web-Server ist Sipgate ein Prototyp jener Sorte von innovativen Mittelständlern, die das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) identifiziert hat. Wie Sipgate, so haben viele Mittelständler ihre Innovationsanstrengungen in den vergangenen Jahren massiv verstärkt – und die Ausgaben dafür zum Teil verdoppelt (siehe Tabelle Seite 78). Sie sind zu einer treibenden Kraft des technologischen Fortschritts am Standort Deutschland geworden. In einzelnen Sektoren, etwa bei den wissensintensiven Dienstleistungen, „liegt die Innovationsintensität der kleinen und mittleren Unternehmen sogar deutlich über dem Wert der großen Unternehmen, denen Forschung, Entwicklung und die daraus abgeleiteten Neuerungen traditionell leichter fallen“, sagt Christian Rammer vom ZEW, der das jüngste
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Internettelefonierer: Thilo Salmon (rechts) und Tim Mois (vorn links) haben die Firma Sipgate vor acht Jahren gegründet. Ihr Geschäft mit virtuellen Telefonanlagen boomt vor allem im Ausland, die Belegschaft wächst.
mm SPEZIAL MITTELSTAND
FOTO: ALEX TREBUS FÜR MANAGER MAGAZIN
EINER DER ERFOLGSFAKTOREN, der die neuen Mittelständler auszeichnet, ist der pflegliche Umgang mit den Fachkräften: Die permanente Motivation und Fortentwicklung des Personals ist zentral im Geschäftsmodell verankert. Bei Sipgate, sagt Geschäftsführer Salmon, gehe man gezielt auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Mitarbeiters ein. Überstunden zum Beispiel seien verpönt: „Hier arbeitet niemand auf Dauer 50 Stunden pro Woche.“ Seine Personalstatistik belegt: Im Mittel haben die Sipgater nur 3,28 Prozent mehr gearbeitet als die
erwarteten 40 Wochenstunden. Wobei die Programmierer, in der übrigen ITBranche oft die am meisten überforderte Berufsgruppe, noch unter diesem Firmenschnitt liegen, wie Salmon beteuert. Das Organigramm von Sipgate kennt nur zwei offizielle Hierarchiestufen: die Geschäftsführung, bestehend aus den beiden Gründern, und die Mitarbeiter. Die arbeiten in Teams, deren Führung von Projekt zu Projekt wechselt. „Dabei geht es dann nicht um Profilierung nach außen“, erläutert Salmon, „sondern um die Anerkennung im Team.“ Das Konzept scheint zu funktionieren. Etliche der Beschäftigten sind schon seit
FOTO: GIAN MARCO CASTELBERG FÜR MANAGER MAGAZIN
Innovationspanel seines Instituts für manager magazin genauer analysiert hat. Das heißt konkret: Wendige Mittelständler finden aussichtsreiche Geschäfts- und Wachstumsfelder dort, wo sich Investitionen in Forschung und Entwicklung (F&E) für hiesige Konzerne nicht recht zu lohnen scheinen. Etwa bei Technologien für die Film- und Fernsehindustrie, bei Kreativdienstleistungen oder in der Datenverarbeitung (siehe Grafik Seite 76). Die ZEW-Studie fördert überraschende Erkenntnisse zutage: Deutschlands neuer innovativer Mittelstand etabliert sich in der Schnittmenge zwischen forschungsbasierten Industrien und wissensintensiven Dienstleistungen. Sipgate zum Beispiel expandiert in den technologisch aufwendigen Nischen des Telekom-Business mit selbst entwickelter Software und kontinuierlicher Kundenbetreuung.
der Gründung bei Sipgate, manche stammen sogar noch aus Salmons erster Firmengründung mit dem Online-Portal Billiger-telefonieren.de. „Bei Sipgate kündigt niemand, weil er die Arbeit oder die Kollegen doof findet“, hofft der Chef. Der zweite Erfolgsfaktor der neuen innovativen Mittelständler ist ihre finanzielle Autonomie. Auch in dieser Hinsicht sind sie dem traditionellen deutschen Mittelstand in Branchen wie dem Maschinenbau durchaus ähnlich. Im vergangenen Jahrzehnt – vom Platzen der Dotcom-Blase bis zur Finanzkrise – haben die Tech-Unternehmen erlebt, wie wenig verlässlich Kapitalmärkte sein
Innovation und Tradition: Unternehmerin Gabriele Siedle führt ihre 260 Jahre alte Familienfirma, inzwischen Marktführer für Türsprechanlagen, durch neue Ideen in die Zukunft
Filme in 3-D: Sebastian Knorr (2. v. r.) und Matthias Kunter (2. v. l.) haben Imcube gegründet. Das Unternehmen besitzt Patente für Verfahren, die Filme in 3-D konvertieren. Die Ergebnisse überprüft die Belegschaft am liebsten vor dem firmeneigenen Großbildschirm.
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Neuerungswilliger Mittelstand Wie sich Firmen mit 5 bis 999 Mitarbeitern gegenüber den Konzernen profilieren Innovationsintensität
Entsorgung Film
Kreativdienste
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EDV Ingenieurbüros
stärker als bei Großunternehmen Software
schwächer als bei Großunternehmen
Werbung Kunststoff/Gummi
Elektronik Elektrotechnik Telekommunikation Energie Chemie
Automobil
Nahrungsmittel Medizintechnik
Maschinenbau
Pharma 10
Grafik: manager magazin
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Anteil Mittelstand an gesamten Innovationsausgaben der jeweiligen Branche*, in Prozent
Im Wettbewerb zur Großindustrie:
Die Grafik zeigt, wo mittelständische Unternehmen die Konzerne in den jüngsten Jahren bei Innovationen über-
können, gerade für kleinere Unternehmen. Anders als bei risikokapitalgetriebenen Start-ups ist für den neuen Mittelstand Unabhängigkeit das oberste Gebot. So hat das Berliner Kreativbüro ID Praxis sein Kernprodukt, das ContentManagement-System idbase, über Jahre hinweg geduldig in kleinen Schritten entwickelt und ohne fremdes Kapital finanziert. „Ein Investor kommt mir nicht an Bord“, sagt Thomas Schweer, Gründer, Alleininhaber und Geschäftsführer von ID Praxis. Und Kredite? Nein, stöhnt der 52-jährige Kommunikations- und Informationswissenschaftler, da seien doch die ganzen Konditionen „viel zu kompliziert“. Die Banker, mit denen er bisher über solche Fragen gesprochen hat, „haben einfach nicht kapiert, was wir entwickeln und anbieten wollten“. Nicht zu kompliziert war dem ITPionier jedoch die Zusammenarbeit mit dem Bundeswirtschaftsministerium. Die Behörde hat die Entwicklung von idbase mit 300 000 Euro gefördert – als Forschungsprojekt. Hauptanwendungsgebiete von idbase sind Firmen-Websites, Intranets oder Datenbanken, zum Beispiel fürs Qualitätsmanagement. Dank seiner technolo76
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*Auswahl. Quelle: ZEW Mannheim
flügelt haben: oben rechts die erfolgreichsten Mittelstandsbranchen, unten die Domänen der innovativen Großunternehmen.
gischen Basis, sagt Schweer, sei ID Praxis „längst ein echtes IT-Unternehmen“. Allerdings ein kleines: mit gerade mal zehn Mitarbeitern. „Mehr brauchen wir derzeit nicht“, sagt der bärtige Geschäftsführer, der sich selbst als „Chaotiker“ bezeichnet und statt über die Geschäftsentwicklung lieber über jene Figuren spricht, die ihn inspirieren: Aristoteles, Ludwig Wittgenstein oder den Web-Programmsprachenerfinder Tim BernersLee. „Wachstum allein ist kein Ziel.“ DER DRITTE ERFOLGSFAKTOR der neuen Mittelständler ist ihre internationale Ausrichtung. Statt sich aus regionalen Märkten langsam in die weite Welt vorzuarbeiten, haben sie den Weltmarkt von Anfang an im Blick. So hat der Internettelefonie-Anbieter Sipgate seine wichtigsten Märkte längst in Großbritannien und den USA. Das Berliner Startup Imcube, das Patente für die digitale Umwandlung herkömmlicher Filme in 3D-Projektionen hält, sieht seine wichtigsten Geschäftspartner in China und Indien. Man ziele auf Großabnehmer zwischen Hollywood und Bollywood, sagt Mitgründer und Geschäftsführer Sebastian Knorr: „Der deutsche Markt wäre für uns viel zu klein.“
Imcube ist ein englisches Wortkonstrukt aus dem Begriff Image und der mathematischen Formel für Räumlichkeit. Die Patente für das Konversionsverfahren resultierten aus zwei Dissertationen, mit denen die Imcube-Gründer ihre Doktortitel in Elektrotechnik erhielten. Die Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ hat Imcube bereits 2009 ausgezeichnet. Die farbige Urkunde prangt weithin sichtbar an einer Wand in den gräulich-tristen Laborfluren der TU Berlin, wo das junge Unternehmen noch seinen Sitz hat. In den nächsten Monaten steht der Umzug an. Die nächste Wachstumsstufe ist gezündet, neue Stellen sind bereits ausgeschrieben. Bis Ende des Jahres soll sich die Belegschaft verdreifachen – auf dann 25 Beschäftigte. Das Imcube-Verfahren ermöglicht die Konversion von zweidimensional aufgenommenen Filmen in dreidimensionale Werke. Bis vor wenigen Jahren „war die 3-D-Konversion vor allem Handarbeit mit Bildbearbeitungsprogrammen“, erläutert Geschäftsführer Knorr. „Für einen Spielfilm von 100 Minuten Länge brauchte man 35 000 Manntage.“ Selbst bei Niedriglöhnen, wie sie etwa in den indischen Postproduction-Studios bezahlt werden, ergab das Gesamtkosten von bis zu zehn Millionen Dollar. Das halb automatische Imcube-Verfahren senkt diese Summe auf 50 000 bis 500 000 Dollar – je nach Qualitätsanspruch und Aufwand. Imcube gehört zu jenen Hightech-Firmen, bei denen der 38-jährige Chef im Sommer schon mal als Einziger lange Hosen trägt: verwaschene Bluejeans, die etwas tiefer rutschen, weil ohne Gürtel getragen. Die übrigen Imcubeler lümmeln in kurzen Cargopants hinter ihren Monitoren, schlürfen mitgebrachte Kaltgetränke aus großen Pappbechern. Die Atmosphäre ist locker. Abgetrennt nur durch einen schwarzen Vorhang, gehört eine Art Heimkino zu Imcubes Computerlabor. Hier gucken die Entwickler die neuesten 3-D-Produktionen auf einem riesigen Flachbildschirm. Besonders beliebt war unter den Programmierern zuletzt „Alice im Wunderland“, weil der ausschließlich in 2-D gedreht und komplett in 3-D konvertiert wurde. Schon freuen sich die Filmfans auf 3-D-Versionen von „Matrix“ und „Ghostbusters“, auf die konvertierten „Star Wars“- und „Indiana Jones“-Folgen, die
Eigentlich hat sich nichts geändert_ außer dass die Stadt Arbeit und Freizeit zu kombinieren weiß_ Dr. Markus Wächter Geschäftsführer TUM Asia CEO TUM CREATE Singapur
Singapur hat einen wirklich einzigartigen integrierten Ansatz, wenn es um Stadtplanung geht. Manchmal weiß ich nicht, wo die Natur anfängt und die Stadt aufhört. Das spiegelt meinen Lebensstil hier ganz gut wider. Gerade war ich noch im Office und im nächsten Augenblick kann ich schon am Strand Rad fahren. Ob Job oder Freizeit, Singapur macht einem das Leben wirklich leicht. Mehr über meine Erfolgsstory unter
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mm SPEZIAL MITTELSTAND im nächsten Jahr auf den Blu-ray-Markt kommen sollen. „Diese Blockbuster werden die 3-D-Projektion zum Standardverfahren machen“, prophezeit ImcubeMitgründer Knorr. Für die dann entstehenden Milliardenmärkte planen seine chinesischen Kooperationspartner vier große Konversionsfabriken. Die sollen, wenn sich alles wie gewünscht entwickelt, die ImcubeVerfahren einsetzen – was dem Start-up schon in seinem fünften Geschäftsjahr Lizenzeinnahmen von vielen Dutzend Millionen Euro bescheren könnte. DER VIERTE ERFOLGSFAKTOR der innova-
FOTO: ALEX TREBUS FÜR MANAGER MAGAZIN
tiven Mittelständler ist die Bereitschaft, sich selbst neu zu erfinden. Das gelingt nicht nur in den zeitgeistprägenden Metropolen oder über ausgewiesene Forschungsprojekte wie bei ID Praxis oder Imcube, sondern auch in der Provinz – und bei Unternehmen, die das Innovieren im Laufe vieler Jahre erst lernen mussten. Es sei doch ganz klar, sagt Gabriele Siedle, was ein langfristig erfolgreiches Unternehmen ausmache: „Intuition, Visionen und deren Umsetzung durch akribisch schaffende Mitarbeiter.“ Die aparte Firmenchefin, blond, gekleidet in einen tiefblauen Hosenanzug, führt S. Siedle & Söhne im Schwarzwaldstädtchen Furtwangen – 550 Mitarbeiter, 77 Millionen Euro Umsatz, spezialisiert auf HausKommunikationssysteme. Das Sich-neu-Erfinden war in den 260 Jahren der Firmengeschichte gleich
Investieren in Innovation Wo sich der Mittelstand ins Zeug legt Branche Anstieg der Innovationsausgaben* 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Film, TV Datenverarbeitung Kreativdienste Telekommunikation Software Energie Elektronik Schiff-/Bahn-/Flugzeugbau Ingenieurbüros Postdienste, Verlage
*2010/11 gegenüber 2006/07 in Prozent.
116 93 82 38 18 15 13 13 11 10 Quelle: ZEW Mannheim
mehrfach nötig. Am Anfang: Die Gießerei des Mathäus Siedle, der Glocken für die Uhrmacher ringsum herstellte; später fertigte man Spulendraht, engagierte sich im Telefonbau, bis 1935 die erste Türsprechanlage auf den Markt kam, unter dem schönen Namen „Portavox“. Damit eröffnete sich das weite Feld der Gebäudekommunikation, auf dem die Firma bis heute als Technologiepionier glänzt. Jetzt steht der nächste Sprung nach vorn an: die Integration in die IP-Welt. „Access“ – Zugang – heißt das Zauberwort. Damit ist die Verknüpfung von Türkommunikation und Internet gemeint. Die Netzwerktechnologie, so ist es gedacht, erschließt der Siedle-Systemtechnik viele neue Anwendungen, von der Sprechverbindung über Video und
Intercom bis zu komplexen Schalt- und Steuerfunktionen. „Von Siedle erwartet man“, sagt die Chefin in melodischem Tonfall, „dass jede neue Technologie, die infrage kommt, berücksichtigt wird.“ Aber wie schafft man das? Wie bleibt man in Bewegung – in einer Firmenzentrale voller Ahnenbilder inmitten des schläfrig wirkenden Waldes? Neue Ideen holen sich die Siedle-Entwickler von außen: aus eigens veranstalteten Symposien, etwa mit Wissenschaftlern der ETH Zürich oder mit Berliner Nachwuchsarchitekten. Zudem hat die Kölner Avantgarde-Agentur Meiré und Meiré ein Netzwerk von Performern aus Technik, Bauwesen und Kultur für Siedle geknüpft. Das liefert zusätzlichen Input. Freilich hat das Geschäftsmodell des neuen Mittelstands seine Tücken. Wer darauf setzt, der Konkurrenz technologisch immer voraus zu sein, der ist anfällig für Plagiatoren. Nachahmer und Ideendiebe können den Vorsprung zunichte machen. Die Imcubeler müssen zum Beispiel fürchten, dass ihre Programme kopiert werden, etwa von Indern oder Chinesen. Den Berlinern bleibt also nichts anderes übrig, als komplizierte Sicherheitsverfahren in ihre sonst so einfach zu bedienende Software zu integrieren. Auch bei Sipgate ist die Zukunft nicht nur rosig. Vor allem die strikte Regulierung der Telefonnetze, etwa in Deutschland, werfe den Internettelefonierern immer wieder unerwartet Knüppel zwischen die Beine, sagt Geschäftsführer Thilo Salmon. Dadurch komme ein innovatives Unternehmen wie Sipgate – der altbackene Begriff „Mittelständler“ geht Salmon nicht über die Lippen – manchmal an seine Grenzen. Andererseits, sagt der Zopfträger, verlange das Geschäft mit Innovationen nun mal, dass seine Protagonisten „fähig und willig“ seien, „überall auf der Welt dicke Bretter zu bohren. Wir sind beides“. Klaus Ahrens/Michael O. R. Kröher
Kreuzberger Kreative: Mit einem Forschungsprojekt haben Thomas Schweer (vorn) und das Team von ID Praxis ein Content-ManagementSystem entwickelt 78
„Mit Werten Historisches gestalten.“ Hans Wall, Gründer Wall AG
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mm SPEZIAL MITTELSTAND Führungsfrau: Claudia Buch leitet den Wissenschaftlichen Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium
FOTO: ACHENBACH-PACINI FÜR MANAGER MAGAZIN
Frau Buch, kürzlich haben hochrangige Konzernmanager mit einer Anzeigenkampagne für die Unterstützung überschuldeter EU-Staaten geworben. Wenige Tage später plädierten Familienunternehmer in einer öffentlichen Erklärung vehement gegen den EuroRettungsschirm. Tut sich hier ein Riss auf zwischen großen und mittelständischen Firmen?
BUCH Nein, aber die unterschiedlichen Einschätzungen reflektieren das Meinungsspektrum in unserem Land. Ich glaube, dass gerade die kleinen und mittleren Unternehmen den Euro brauchen und ein Interesse an Stabilität in Europa haben müssten. Deren Auslandsaktivitäten spielen sich meist in Europa ab, weil sie nicht gleich nach Asien oder nach Amerika exportieren, sondern in die angrenzenden Länder. Allein die Tatsache, dass Firmen im Euro-Raum kein Geld für die Absicherung von Währungsschwankungen
„Gerade kleine Firmen brauchen den Euro“ MITTELSTANDSPOLITIK Die Finanzwissenschaftlerin Claudia Buch
über die Bedeutung einer stabilen Währungsunion. 80
manager magazin 8/2011
Manche Banken agieren kurzsichtig.
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mm SPEZIAL MITTELSTAND
CLAUDIA BUCH Die gebürtige Paderbornerin gehört zu den profiliertesten jüngeren Ökonomen in Deutschland. 2004 übernahm sie an der Universität Tübingen den Lehrstuhl für Geld und Währung. Seit drei Jahren leitet Buch den Wissenschaftlichen Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium. Zudem ist die 45-Jährige Mitglied des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken, sie sitzt im Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft und im Vorstand des Vereins für Socialpolitik.
ausgeben müssen, ist für kleinere Betriebe sehr wichtig. Vor allem Familienunternehmen berufen sich gern auf die Grundsätze des ehrbaren Kaufmanns: Wer Schulden macht, muss auch dafür einstehen. Können Sie diese Argumentation nicht nachvollziehen?
BUCH Natürlich müssen die Banken eine Risikoprämie verlangen, wenn sie Kredite vergeben. Interessant ist aber, dass die kleinen und mittleren Firmen gerade in der Finanzkrise weniger Schwierigkeiten sahen, Kredite zu bekommen, als die großen Unternehmen. Was war der Grund?
BUCH Große Unternehmen sind generell stärker im Ausland engagiert als kleine Firmen. Und weil in der Krise die Exportnachfrage heftiger einbrach als der Inlandsmarkt, waren die Möglichkeiten der Großen, Kredite von den Banken zu bekommen, eingeschränkt. Konzerne haben allerdings mehr Alternativen zur Kreditfinanzierung. In der Finanzkrise begaben sie in großem Stil Anleihen und pumpten sich mit Fremdkapital voll. Besteht angesichts dieser Entwicklung nicht die Gefahr, dass eine Zweiklassengesellschaft entsteht?
Die Dänen haben soeben das SchengenAbkommen eingeschränkt. Sehen Sie die Gefahr, dass in Europa wieder Handelsbarrieren hochgezogen werden?
BUCH Die Realität spricht eine andere Sprache. Das Ifo Institut hat gerade eine Studie veröffentlicht, bei der Unternehmen gefragt wurden: „Wie beurteilen Sie zurzeit die Bereitschaft der Banken, Kredite zu vergeben?“ Interessanterweise werden derzeit die Kredithürden von Firmen aller Größenklassen gleich hoch eingeschätzt. Das ist ein Novum, denn im Normalfall nehmen kleine und mittlere Firmen stärker eine restriktive Kreditvergabe wahr als Großunternehmen. Inzwischen beklagen nur noch 20 Prozent aller Firmen solche Restriktionen. In den Krisenjahren 2009 und 2010 waren es noch mehr als doppelt so viele.
BUCH Beim Schengen-Abkommen geht es um Migration und nicht unbedingt um Handelsrestriktionen.
Woher rührt denn die wachsende Bereitschaft der Banken, Kredite zu vergeben?
BUCH Sicherlich ist es wichtig, dass Haftungsregeln auch international angewandt werden. Aber in der aktuellen Krise ging es darum, Ansteckungseffekte abzuwenden, durch die der europäische Integrationsprozess hätte gefährdet werden können.
Die Entwicklung zeigt aber die politische Grundstimmung.
BUCH Wenn die Bevölkerung das Gefühl hat, dass die Integration eher Risiken als Vorteile birgt, besteht natürlich die Gefahr protektionistischer Tendenzen. Daher ist es wichtig, die Vorteile, die uns die integrierten Märkte bringen, immer wieder deutlich hervorzuheben. Viele Mittelständler beklagen, dass die Notenbanken fast zu Nullzinsen Geld über die Kreditinstitute auskippen. Wenn sie aber Geld brauchen, müssen sie hohe Zinsen zahlen. Ist der Ärger berechtigt? 82
manager magazin 8/2011
BUCH Vor der Krise expandierten deutsche Banken massiv in Auslandsaktiva. Mittlerweile haben sie ihr Engagement zurückgefahren, weil sich die Risikowahrnehmung – siehe Griechenland – geschärft hat. Zusammen mit dem hohen Wirtschaftswachstum führt dies zu einer stärkeren Kreditvergabe im Inland. Das Basel-III-Abkommen fordert eine dickere Eigenkapitaldecke der Banken. Wird das die Kreditvergabe einschränken?
BUCH Eine höhere Eigenkapitalausstattung ist ein wichtiges Element der Bankenregulierung. Das System wird so robuster gegenüber Krisen. Wenn man
den Banken, wie geplant, Übergangsfristen einräumt und sie Zeit genug haben, ihr Eigenkapital zu stärken, muss die Kreditvergabe nicht sinken. Viele Mittelständler fühlen sich grundsätzlich überfordert und behaupten, dass letztlich sie es sind, die über ihre Steuern für die Griechenland-Hilfe einstehen müssen. Hat der Mittelstand überhaupt eine Lobby?
BUCH Ich denke schon, dass die kleinund mittelständischen Firmen Gehör finden. Viele Politiker beteuern, dass ihnen der Mittelstand am Herzen liegt. Das Problem ist nur, dass der Mittelstand aus sehr heterogenen Unternehmen besteht. Deren unterschiedliche Interessen zu koordinieren ist schwer. Mit der Folge, dass sich in der Krise kaum jemand um die kleineren Firmen gekümmert hat. Alle starrten nur auf große Unternehmen in Schieflage, wie etwa Opel.
BUCH Die vielen kleinen Betriebe kennt man eben nicht. Da kann ich mir schon vorstellen, dass es Unternehmen gibt, die sagen, wir haben auch Schwierigkeiten, aber über unsere Probleme wird nicht gesprochen. Ich finde jedoch, dass sich das Wirtschaftsministerium im Fall Opel richtig verhalten hat, denn es wurden keine Hilfsgelder gezahlt. Wir müssen einheitliche Rahmenbedingungen setzen und dürfen nicht selektiv bestimmte Unternehmen fördern. Brauchen wir das Wirtschaftsministerium überhaupt noch? Sollte man es nicht mit dem Finanzministerium fusionieren?
BUCH Nein, die Option halte ich weder für realistisch noch für sinnvoll. Das Wirtschaftsministerium hat wichtige Aufgaben. Ein Schwerpunkt ist die Durchsetzung ordnungspolitischer Rahmenbedingungen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Bewertung von Förderprogrammen durch moderne Evaluationsverfahren. Wir wissen oft nicht, was die Programme bringen und ob das Geld für das eingesetzt wird, wofür es vorgesehen war. Wenn wir hier mehr tun würden – und ich sehe im Wirtschaftsministerium eine Reihe von positiven Entwicklungen –, könnten wir die Wirksamkeit der Programme steigern. Das käme nicht zuletzt dem Mittelstand zugute. ◆ Das Interview führten die mm-Redakteure Henrik Müller und Ursula Schwarzer.
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mm SPEZIAL MIITTELSTAND
Trügerische Offerten FINANZIERUNG Wer jetzt die Schulden seines Unternehmens
hochfährt, lebt gefährlich. Bald werden die von mehreren Seiten bedrohten Banken den Druck erhöhen.
ür manche Unternehmer ist es eine völlig neue Erfahrung: Bei der Bank gibt es nicht nur Kaffee und Kekse – sondern tatsächlich auch Kredit. Denn nicht wenige deutsche Geldhäuser wollen das Verleihgeschäft ausbauen und werben derzeit bei Mittelständlern mit Finanzierungsofferten. „Wir haben großen Appetit, bei der Kreditvergabe im Mittelstand zu wachsen“, sagt Martin Fischedick, Bereichsvorstand Corporate Banking der Commerzbank. Auch ausländische Banken, die sich nach dem Lehman-Kollaps zurückgezogen hatten, sind wieder in Deutschland aktiv. Einige Kreditgeber sind sogar wieder bereit, Firmenübernahmen mit Darlehen in Höhe des siebenfachen Gewinns vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Amortisation (Ebitda) zu finanzieren. Ein derart umschmeichelter Unternehmer ging kürzlich voller Tatendrang in die Besprechung mit der Finanzierungsberatung Georgieff Capital. „Wir wollen in den kommenden Wochen richtig Gas geben und anfangen, kräftig zu investieren“, sagte der Mittelständler dem Georgieff-Berater Jörg Märtin.
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ILLUSTRATION: JENS BONNKE FÜR MANAGER MAGAZIN
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mm SPEZIAL MITTELSTAND Vom Gasgeben rät Märtin jedoch ab. Es sei eine gefährliche Zeit, um die Verschuldung des eigenen Unternehmens in die Höhe zu treiben, mahnt der frühere J.-P.-Morgan-Investmentbanker. Der Unternehmer habe erstaunt reagiert: Warum so vorsichtig? Wächst die deutsche Wirtschaft nicht mit fast 4 Prozent, ist Kredit denn nicht günstig wie selten? Märtin jedoch winkte ab: „Heute stehen Unternehmer noch mehr Risiken gegenüber als vor drei Jahren, vor der LehmanPleite“, warnt er. Die größte Gefahr geht von Staatspleiten und Umschuldungen in Griechenland, Irland und Portugal aus. Sollten die Banken massive Verluste bei ihren Staatsanleiheportfolios hinnehmen müssen, würden sie zwangsläufig ihre Kreditvergabe erheblich einschränken. Unternehmer sollten sich von den aktuellen Konjunkturdaten nicht einlullen lassen, sagt Finanzierungsstratege Märtin: „Die Lehman-Pleite hat uns einen Vorgeschmack darauf gegeben, wie es im Falle eines Falles sein könnte – damals hat kaum noch jemand Kredit bekommen, die Banken waren mit sich selbst beschäftigt.“ Dabei waren Kredite noch im Sommer 2008 üppig verfügbar, zeigen Studien – ganz ähnlich wie heute. Anstatt jetzt die Verschuldung zu erhöhen gilt es, alle Möglichkeiten zu nutzen, Liquidität und Eigenkapital zu stärken. Bei bestehenden Schulden bietet es sich an, vorzeitig Anschlusskredite und feste Zinsen zu sichern. Denn schon bald droht Kredit wieder knapp zu werden: Nicht nur die sich zuspitzende Schuldenkrise, auch strengere Eigenkapitalvorschriften („Basel III“) werden dafür sorgen, dass Bankfinanzierungen für mittelständische Unternehmen teurer und schwieriger zu bekommen sein werden. Außerdem erhöht die Europäische Zentralbank die Zinsen. In den USA hat die Notenbank erst kürzlich das zweite große Stützungsprogramm für den Finanzmarkt beendet, die Folgen – steigende Zinsen – dürften schon bald spürbar werden. Als ob all das noch nicht genug wäre, lauern weitere Großrisiken in den Bankbilanzen. Zum Beispiel die in den Boomjahren in vielen europäischen Ländern günstig und reichlich vergebenen Immobilienkredite an Privat- und Geschäftskunden. Die Institute sitzen nach wie
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mm SPEZIAL MIITTELSTAND Vorbeugen gegen die Zinswende Was es Mittelständler kostet, feste Kreditkonditionen zu sichern Kostenexplosion: Lange waren die Zinsen niedrig, doch die Trendwende ist da: Der wichtigste Indikator für Kreditpreise, der Dreimonats-Euribor, ist von 1,0 zu Jahresbeginn auf 1,6 Prozent Anfang Juli geklettert. Die Euro-Krise könnte den Zins bald nahe an das Krisenhoch von 5,4 Prozent treiben. Für einen Mittelständler mit guter Bonität, der für einen Kredit den Euribor-Satz und einen individuellen Aufschlag von rund 3 Prozent zahlt, würde der Zins von aktuell 4,6 auf 8,4 Prozent steigen. Schutzmechanismus: Wegen der steigenden Zinsen nutzen derzeit immer
mehr Mittelständler die Möglichkeit, sich einen Kredit zum Festpreis zu sichern. Dabei tauschen sie den variablen EuriborSatz gegen eine feste Gebühr ein. Das ist derzeit noch erschwinglich, wie ein Rechenbeispiel zeigt: Für einen Kredit mit fünf Jahren Laufzeit über zehn Millionen Euro, der ab Juni 2012 läuft, zahlt ein Mittelständler mit guter Bonität dann statt des Euribor-Zinses feste 2,7 Prozent. Dazu kommt die unternehmensspezifische Kreditmarge, die bei Firmen mit guter Bonität zwischen 0,8 und 3 Prozentpunkten liegen kann. Der Schutz lohnt, wenn die Zinsen wie erwartet kräftig steigen.
vor auf vielen dieser Kredite, nämlich in Form von komplexen Verbriefungen (Commercial Mortgage-Backed Securities, CMBS). 195 Milliarden Dollar haben Geldhäuser in solche europäischen Immobilienverbriefungen gesteckt – eine Zeitbombe, sagt Ralph Winter von Corestate Capital in Zug. Und viele dieser Papiere stehen in den kommenden Jahren zur Refinanzierung an. Der Druck werde 2014 und 2015 seinen Höhepunkt erreichen, wenn viele CMBS-Pakete mit deutschen Immobilienkrediten notleidend werden und die Finanzierungsbombe explodiere, sagt Winter. Solche Belastungen träfen Banken, die ohnehin unter Druck stehen, weil sie in den kommenden Jahren strengere Eigenkapitalregeln erfüllen müssen. Ein nahe-
liegender Ausweg: einfach weniger Kredite vergeben. „Bei bonitätsschwächeren mittelständischen Unternehmen kann es im Zuge der Umsetzung von Basel III zu Finanzierungsengpässen kommen“, sagt Cornel Wisskirchen, Mitglied der Geschäftsleitung Firmenkunden Deutschland bei der Deutschen Bank. Daher könnte sich mittelfristig das Kreditangebot einiger Banken verringern und verteuern. Christoph Kaserer, Wirtschaftsprofessor an der Technischen Universität München, hat die wahrscheinlichen Auswirkungen der strengeren Vorschriften für Versicherer und Banken untersucht. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Kreditvergabe aufgrund der neuen Eigenkapitalregeln leicht zurückgehen wird,
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und befindet sich dabei in guter Gesellschaft: Der Internationale Währungsfonds geht in einer Studie davon aus, dass das Kreditwachstum infolge von Basel III um 1,3 Prozentpunkte geringer ausfallen wird. FÜR DEUTSCHE UNTERNEHMEN ist die drohende Verknappung der Bankkredite besonders schmerzhaft. Denn Fremdkapital hat hierzulande eine weit größere Bedeutung für die Finanzierung als in anderen europäischen Ländern (siehe Grafik rechts). Zwar steigt auch in Deutschland die Bedeutung des Finanzmarktes: Die Börsenkapitalisierung entsprach noch in den 90er Jahren im Durchschnitt nur einem Drittel der Wirtschaftsleistung, ein Jahrzehnt später war sie schon auf die Hälfte der Wirtschaftsleistung gewachsen. Noch rasanter entwickelte sich der Markt für Unternehmensanleihen: Hatten Unternehmen außerhalb der Finanzbranche noch 1999 Anleihen im Volumen von nur sechs Milliarden Euro im Umlauf, waren es Ende 2010 mehr als 250 Milliarden Euro, sagt Kaserer. Seit dem vergangenen Jahr nutzen immer mehr Mittelständler Anleihen als Möglichkeit, Fremdkapital zu beschaffen. Im Mai 2010 startete die Stuttgarter Börse ein eigenes Handelssegment namens Bondm für solche Mittelstandsanleihen. Unternehmen haben seither fast 1,5 Milliarden Euro eingesammelt. Basel III werde den Trend verstärken, dass große Mittelständler immer häufiger Anleihen als Alternative zum Bankkredit nutzten, sagt der Leiter des Mittelstandsgeschäfts einer deutschen Bank.
Die schönsten Rechnungen sind die, die sofort bezahlt werden.
mm SPEZIAL MITTELSTAND Börsengänge waren zuletzt ebenfalls wieder möglich: Im ersten Halbjahr 2011 fanden in Deutschland zehn Neuemissionen mit einem Volumen von 1,5 Milliarden Euro statt, meldet die Finanzierungsberatung Blättchen & Partner. Kapitalerhöhungen brachten weitere 718 Millionen Euro in die Firmenkassen. Trotz dieser Entwicklungen gilt: Gerade kleinere und mittlere Unternehmen hängen noch immer überwiegend von den Banken ab, sagt Wirtschaftsprofessor Kaserer in seiner Studie zu den Auswirkungen der strengeren Eigenkapitalvorschriften. Für kleinere Unternehmen lohne sich der eigenständige Gang an den Kapitalmarkt einfach nicht, da die Kosten zu hoch seien, und das werde sich auch in absehbarer Zeit nicht ändern, so der Ökonom. Das bestätigt der Blick auf den Markt: Das durchschnittliche Emissionsvolumen bei Börsendebüts betrug im ersten Halbjahr 148 Millionen Euro, hat Blättchen & Partner errechnet. Zumal die Börsen kein Instrument sind, über das sich Unternehmen jederzeit mit flüssigen Mitteln versorgen können: In Krisenzeiten wird auch am Finanzmarkt das Geld knapp. Dann gelingt es lediglich noch den größten und stabilsten Unternehmen, frisches Geld aufzunehmen – und das nur zu hohen Kosten. Für kleinere Unternehmen bietet die Börse daher meist keinen Ausweg aus der Kreditverknappung, die aufgrund der zahlreichen wirtschaftlichen Gefahren und wegen der strengeren Eigenkapitalvorschriften zu erwarten ist. MANAGER sollten bereits jetzt Konsequenzen ziehen. „Schon 2012 oder 2013 könnte es wegen der sehr wahrscheinlichen Restrukturierungen in Griechenland, Irland und Portugal schwerer werden, mit Banken über die Verlängerung eines Kredits zu verhandeln“, sagt Jörg Märtin. „Unternehmer sollten deshalb schon jetzt auslaufende Kredite bis 2016 oder 2017 verlängern, solange das noch möglich ist.“ Die Banken seien momentan durchaus offen für solche Wünsche. Es komme derzeit häufig vor, dass Kunden Kredite vorzeitig verlängerten, berichten Banker. Wer jetzt handelt, kann auch steigenden Kosten aufgrund der Zinswende vorbeugen (siehe Kasten links). Bei Krediten aus den Jahren 2008 und 2009 können Kun-
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Bankenlastig Anteil verschiedener Finanzierungsquellen am gesamten Markt für Unternehmensfinanzierung, in Prozent Unternehmensanleihen Bankkredite Aktien 50
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Grafik: manager magazin Quelle: EZB, Prof. Dr. Christoph Kaserer
den durch eine Verlängerung häufig sogar die Konditionen verbessern, wenn sie im Wirtschaftsaufschwung ihre Bonität gestärkt haben. Bonität und Finanzkraft entscheiden auch darüber, wer noch Kredit bekommt, wenn eines der vielen Risiken eintrifft und die Banken in eine neue Krise stürzt. Die Kluft zwischen starken und schwachen Unternehmen ist bereits größer geworden, stellt der DIHK fest: Als Folge der Finanzkrise und der BaselIII-Vorschriften differenzieren die Kreditinstitute immer stärker nach Bonitäten, heißt es dort. Grund genug, die Finanzstruktur zu verbessern. Viele Unternehmen haben bereits erste Schritte getan, um ihre Liquidität zu erhöhen, ergab eine Umfrage der Deutschen Bank unter 200 mittelständischen Betrieben. Mehr als die Hälfte aller befragten Unternehmen hat ein strengeres Mahnwesen eingeführt (59 Prozent), viele haben die Lagerhaltung reduziert (45 Prozent). „Im Krisenfall gilt: Cash is king“, sagt Finanzierungsberater Märtin. „Das Jahr 2008 hat drastisch gezeigt, dass es sich immer dann am schwierigsten mit Banken verhandeln lässt, wenn man mit dem Rücken zur Wand steht und unbedingt eine Kreditverlängerung braucht.“ Denn die derzeit verschwenderisch ergiebigen Geldquellen, sie werden für die meisten Firmen so üppig nicht weitersprudeln. Mark Böschen manager magazin 8/2011
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TRENDS
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manager magazin 8/2011
EUROFIGHTER BUNDESBANK Jung, intelligent – und
Arbeit ohne Ende. Jens Weidmann hat den schwierigsten Job, den die Hochfinanz hierzulande bietet.
die Führungskultur der Notenbank ist es nach der siebenjährigen Alleinherrschaft Webers nicht zum Besten bestellt. Aber auch in den Büchern der Währungshüter lauern Risiken. So blieben sie nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers auf einem mehr als zwölf Milliarden Dollar schweren Portfolio teilweise hochtoxischer Wertpapiere sitzen, die das US-Institut als „Sicherheiten“ eingereicht hatte. Bis heute ist das Paket nur zum Teil abgebaut. Erst recht stellen die drohenden Staatspleiten in Europa ein massives Abschreibungsrisiko dar. Und mittendrin Jens Weidmann, der jüngste Präsident, den die Bundesbank je hatte. Kann er die vor ihm liegende Mammutaufgabe überhaupt schaffen? Die Bevölkerung ist skeptisch. Eine mm-Umfrage unter Entscheidern zeigt, dass knapp ein Drittel ihm nicht zutraut, den Geldwert in Deutschland stabil zu halten (siehe Grafiken Seite 91). Die Zweifel mögen von seiner Außenwirkung herrühren. Auch die harten Jahre als Angela Merkels Wirtschaftsmann haben keine nennenswerten Falten in seinem jungenhaften Gesicht hinterlassen. Er ist, das muss man sagen,
kein geborener NotenbankgouverneurDarsteller: weder alt noch knorrig. Weidmann wirkt jung, weich und unerfahren. Aber das täuscht. „Wissen Sie“, sagt der Chef einer anderen nationalen Euro-Notenbank, „es gibt zwei Sorten Menschen. Die einen sind außen hart, aber weich im Inneren: So einer war Axel Weber – mit dem konnte man heftige Auseinandersetzungen haben und sich hinterher beim Bier in den Armen liegen. Jens ist das Gegenteil: Er ist außen weich, aber innen knallhart.“ „Weidmann“, sagt ein Bundesbanker, „übt sehr kalkuliert Macht aus. Er kennt das Spiel genau und betreibt es mit großer Ruhe. Das hat er bei Merkel gelernt.“ „Der ist nicht cool – der ist kalt“, sagt ein Topmanager, der ihm während seiner Jahre im Kanzleramt in diversen Gesprächen gegenübersaß. „Man weiß nie so recht, welche Ziele er wirklich verfolgt. In einem anderen Leben sollte er es mal als Pokerspieler probieren.“ Pokerspieler. Kein schlechtes Bild. Der Einsatz ist derzeit denkbar hoch. Die Schuldenkrise im Euro-Raum zieht immer weitere, immer bedrohlichere Kreise. Niemand kann vorhersagen, was als
FOTO: MICHAEL DANNENMANN FÜR MANAGER MAGAZIN
etzt bloß keinen Fehler machen. Nicht zu viel sagen. Nicht zu deutlich werden. Wer den neuen Chef der Deutschen Bundesbank in diesen Wochen aus der Nähe erlebt, der trifft einen Mann, der sich vorsichtig vortastet. Selbst im kleinen Kreis, hinter verschlossenen Türen. Es gebe nun mal keine einfachen Rezepte zur Lösung der Schuldenkrise, erklärt Jens Weidmann (43) dann. Schon gar nicht vom Präsidenten der Deutschen Bundesbank. Bis vor wenigen Monaten war Jens Weidmann der Mann im Hintergrund, ein Beamter im Kanzleramt, der die Entscheidungen anderer vorbereitete. Jetzt ist er mitten in der schwersten Krise der Nachkriegszeit Präsident einer der mächtigsten Geldbehörden der Welt. Einer, von dem Politiker, Wirtschaftsführer und nicht zuletzt die Bürger erwarten, dass er selbst in Erscheinung tritt. Position bezieht. Lösungswege aufzeigt. Seine Aufgabe, lässt er intern verbreiten, sei in erster Linie die Sicherung der Geldwertstabilität, nicht die Rettung überschuldeter Staaten. Das müssten die Politiker selbst hinkriegen. Man kann das so sehen. Tatsächlich spricht einiges dafür, die Notenbanken nicht noch weiter in die politische Krise zu verstricken. Und dennoch, das weiß auch Weidmann, wird es nicht zuletzt von seinem Geschick und seiner Expertise abhängen, ob die gemeinsame Währung überlebt – oder ob das europäische Projekt insgesamt scheitert. Die Herausforderungen für den neuen Chef sind gewaltig. Jens Weidmann muss die Unabhängigkeit seiner Notenbank verteidigen gegenüber den immer verzweifelteren Versuchen der Politik, die Währungshüter zur Bewältigung der Euro-Krise heranzuziehen. Er muss der deutschen Position im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) wieder mehr Akzeptanz verschaffen, nachdem sein Vorgänger Axel Weber (54) dort Vertrauen verspielt hatte. Der neue Bundesbank-Chef muss zugleich ein Institut aufrichten, von dessen einst legendärem Selbstbewusstsein nicht mehr viel übrig ist. Vor allem um
„Außen weich, innen knallhart“: Bundesbank-Präsident Weidmann
Trends Bundesbank
Bilder eines Aufsteigers
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FOTO: KAI PFAFFENBACH / POOL / DAPD
Das Beziehungsgeflecht des Bundesbank-Präsidenten
Schwieriges Erbe: Weil Vorgänger Axel Weber das Amt hinwarf, musste Weidmann spontan einspringen
FOTO: JOSE GIRIBAS
FOTO: HANS-CHRISTIAN PLAMBECK
Neue Partner: Mit EZB-Chef Trichet will er die Notenbanken vor weiteren Übergriffen aus der Politik schützen
Netzwerk: Als Merkels Krisenmanager kam er der Wirtschaftselite nahe, auch Martin Blessing (Commerzbank)
Nächstes passieren wird. Doch Weidmann wirkt dabei so unterkühlt, dass Gesprächspartner leicht den Eindruck gewinnen können, das alles berühre ihn gar nicht. Die Dinge systematisch durchdenken, sich schrittweise vorantasten, Risiken minimieren – das ist sein Ansatz. Weidmann kennt das Notenbankgeschäft in- und auswendig, schließlich war er vor seiner Berufung an Merkels Seite Leiter der Bundesbank-Abteilung Geldpolitik. In den Krisenjahren 2008/09 avancierte er dann zu einer der zentralen Figuren bei der Rettung von Banken und Konzernen. Ob Hypo Real Estate oder 90
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Neue Kontrahenten: Fünf Jahre diente er der Kanzlerin; nun stellt er sich schon mal gegen ihren Euro-Kurs
Opel-Rettung, ob Arcandor-Pleite oder G-20-Gipfel – Weidmann war überall in vorderster Linie dabei. Für die Bundesregierung war er der natürliche Kandidat, als Axel Weber im Februar, mitten in der Euro-Krise, fahnenflüchtig wurde und seinen Posten ohne Rücksicht auf Kollateralschäden hinwarf. „Es gibt eigentlich nur einen Kandidaten“, war damals die spontane Reaktion von Finanzminister Wolfgang Schäuble. Dass es dann doch einige Tage dauerte, bis Weidmann durchsetzbar war, lag vor allem daran, dass der damalige Bundesbank-Vize Franz-Christoph
Zeitler sich selbst als Weber-Nachfolger ins Gespräch gebracht hatte. Berliner Planspiele sehen Weidmann schon als übernächsten Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), wenn Mario Draghis Vertrag in acht Jahren ausläuft – falls er keine gravierenden Fehler macht und Deutschland dann noch Euro-Mitglied ist. VON SEINEM VORGÄNGER WEBER hat er ein schwieriges Erbe übernommen. Der hatte sich in der Behörde mit einem kleinen Kreis von Getreuen umgeben und manchen Mitarbeiter durch Miss-
Trends Bundesbank
achtung und patriarchalischen Führungsstil frustriert. Weidmann versucht nun, auf die Belegschaft zuzugehen. Die ökonomische Expertise der Bundesbank will er ausbauen, die Finanzaufsicht verstärken. Schwierig genug, weil der private Sektor die besten Finanzleute mit hohen Gehältern ködert. Weidmann führt die Bundesbank leise, aber entschieden. Anders als Weber, der stets raumfüllend und mit dem unmissverständlichen Führungsanspruch auftrat, ist Weidmann um Konsens und Kontrolle bemüht. Vorstandssitzungen bereitet er penibel vor, stets versucht er, seine Kollegen vorab in Einzelgesprächen von seiner Linie zu überzeugen. Dabei muss er eigentlich wenig Widerstand befürchten. Der für Finanzmärkte zuständige Vorstand Joachim Nagel (45), als Einziger im Führungsgremium mit Weidmann per Du, gilt als glühender Anhänger seines Chefs. Auch die ebenfalls neue Vizepräsidentin Sabine Lautenschläger (47) und der frühere Investmentbanker Andreas Dombret (51) sind in der Regel auf Weidmanns Linie. Von den beiden übrigen Vorständen, dem ExPolitiker Carl-Ludwig Thiele (57) und dem früheren Stuttgarter Spitzenbeamten Rudolf Böhmler (65), ist kaum Gegenwind zu erwarten. Trotzdem bleibt Weidmann misstrauisch. Wohl auch, weil sein Vorgänger im Bundesbank-Topgremium eine der schmerzlichsten Niederlagen seiner Karriere erlebt hatte. Beim Versuch, den skandalumwitterten früheren Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin (66) kaltzustellen, war Weber bei seinen Vorstandskollegen aufgelaufen. Solche Schlappen will Weidmann nicht erleben. Kann er an einer der wöchentlichen Vorstandssitzungen nicht teilnehmen, lässt er lieber das ganze Treffen absagen. Auch Details aus seinen diversen Gesprächen mit Politikern und Managern behält er für sich – anders als Weber, der intern oft großspurig von seinen Diskussionen mit den Mächtigen der Welt berichtete. Sein direktes Arbeitsumfeld hat Weidmann mit Vertrauten besetzt, die er schon lange kennt: Die wichtige volkswirtschaftliche Abteilung, die den Bundesbank-Präsidenten für die Sitzungen des Rates der Europäischen Zentralbank (EZB) vorbereitet, leitet sein alter Freund Jens Ulbrich. Die beiden wirkten schon beim Sachverständigenrat („Fünf Weise“)
zusammen; Weidmann war der Generalsekretär, Ulbrich wurde sein Nachfolger. Als Redenschreiber ist Stephan Kohns an Bord, das Präsidentenbüro leitet Bernd Kaltenhäuser, beide dienten ebenfalls bei den Wirtschaftsweisen. Man kennt sich, vertraut sich. „Weidmann ist von einer Boygroup umgeben“, sagt ein Bundesbank-Kenner. „Alle sind um die 40, alle sind geprägt vom angebotsorientierten Weltbild des Sachverständigenrats.“ GEGENÜBER DEN NOCH IMMER knapp 10 000 Mitarbeitern der Bundesbank präsentiert sich Weidmann gern als Eigengewächs der traditionsreichen Behörde. Die Charmeoffensive des neuen Chefs kann indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Lage in der Bundesbank durchaus brenzlig ist. Nach wie vor sitzt
Papiere haben die Bundesbanker zwar mithilfe der Kanzlei Freshfields verkaufen können. Bis heute stehen allerdings rund 2,5 Milliarden Dollar in den Büchern des Instituts – ob diese Positionen jemals zu Geld gemacht werden können, ist fraglich. Mehr noch macht die aktuelle EuroKrise Weidmann und Co. zu schaffen. Mit einem Anteil von 27 Prozent am gesamten Euro-System (dazu gehören die EZB und die nationalen Notenbanken der 17 Mitgliedsstaaten) ist die Bundesbank der größte Gläubiger der Krisenstaaten. Sollte es tatsächlich zu Staatspleiten kommen, stünden herbe Wertberichtigungen an (siehe Kasten Seite 92). Auch deshalb hat Weidmann kurz nach seinem Amtsantritt den ersten – kontrollierten – Konflikt gewagt mit
Weidmann im Urteil der Entscheider Trauen Sie Bundesbank-Präsident Welche Rolle sollte der neue Präsident Weidmann zu, den Geldwert in der Bundesbank in der Euro-Krise spielen?* Deutschland stabil zu halten?* Zustimmung in Prozent, Mehrfachnennungen
Er sollte … Weiß nicht
Ja
28
% Nein
42
30
*336 Befragte im Zeitraum vom 8. bis 12. Juli. Mehr zur Methode: www.manager-magazin.de/entscheiderpanel Grafik: manager magazin Quelle: manager-magazin-Entscheiderpanel
… gegenüber den Staaten eine harte Haltung bei der Sanierung der Finanzen einnehmen.
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… gegen die Pläne der Bundesregierung für Steuersenkungen vorgehen.
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… in der deutschen Öffentlichkeit stärker für den Euro werben.
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… daran arbeiten, dass in der Euro Zone möglichst harmonische Beziehungen ein kehren und Konflikte eingedämmt werden.
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… sich darum bemühen, den deutschen Boom möglichst lange weiterlaufen zu lassen.
42
… Deutschland darauf vorbereiten, die D Mark wieder einzuführen.
das Institut auf einem Paket unverkäuflicher Papiere, das die Investmentbank Lehman Brothers kurz vor ihrer Pleite im Jahr 2008 bei den Währungshütern abgeladen hatte. Die New Yorker Banker hatten Papiere im Volumen von mehr als zwölf Milliarden Dollar bei Europas Notenbanken eingereicht, vor allem bei der Bundesbank. Fast die Hälfte dieser Sicherheiten, für die Lehman im Gegenzug Kredite von den Währungshütern erhielt, bestand aus hochkomplexen strukturierten Investmentvehikeln, deren Wert sich nach der Lehman-Pleite als äußerst fragil erwies. Einen Teil der
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der Bundesregierung. Es ging um die Beteiligung von Banken und Versicherungen bei der weiteren Finanzierung Griechenlands. Berlin beharrte auf einer solchen Beteiligung privater Gläubiger, um Abweichler in der schwarz-gelben Koalition zu besänftigen. Weidmann jedoch stellte sich hinter EZB-Präsident JeanClaude Trichet: Wenn Staatsanleihen nicht mehr eins zu eins bedient würden, dann werde die EZB sie nicht mehr als Sicherheiten anerkennen. Mit potenziell dramatischen Folgen: Pleite der Banken, Zusammenbruch der Wirtschaft. Doch Weidmann argumentierte, wenn Hunmanager magazin 8/2011
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Trends Bundesbank
derte Milliarden lockergemacht werden, dann sollen das gewählte Parlamente und Regierungen übernehmen – keinesfalls dürfe die Notenbank klamme Staaten durch die Hintertür finanzieren. Zwischen Geldpolitik und Finanzpolitik müsse wieder eine klare Trennlinie gezogen werden. Entsprechend lehnte er es auch ab, an den Umschuldungsgesprächen mit den Banken teilzunehmen. Tatsächlich sind die Frankfurter Geldhüter in einer misslichen Lage. Als einzige handlungsfähige Euro-Institution haben sie sich bei der Krisenbekämpfung verausgabt. Nun müssen sie um ihre Glaubwürdigkeit fürchten. „Wenn wir jetzt einknicken“, sagt ein Top-EuroBanker im vertraulichen Gespräch, „dann sind wir erledigt – dann nimmt uns in den nächsten zehn Jahren niemand mehr ernst.“ Weidmann hat in dem Konflikt bislang auf eine Art agiert, die für ihn typisch ist. Der Öffentlichkeit gegenüber blieb er wortkarg, bezog nur in wenigen Aufsätzen, Vorträgen und Interviews Stellung. In seinen regelmäßigen Telefonaten mit der Kanzlerin und mit seinem alten Bekannten Jörg Asmussen, Staatssekretär im Finanzministerium, erklärte er seine Position. Die Differenzen blieben.
Allerdings waren sich Bundesbank und Bundesregierung prinzipiell einig, dass man Vorkehrungen treffen muss, damit Staatspleiten möglich sind, ohne den Euro-Raum zu sprengen. Wer nicht genug spart, muss die Konsequenzen tragen, das ist die Linie. Die Experten entwickelten Pläne für den D-Day, die ein Überspringen der Krise auf andere Staaten verhindern sollen. „Ring Fencing“ nennen sie das – die Probleme einzäunen. Eine risikoreiche Strategie. Möglich, dass diese harte Linie die Währungsunion erst recht an den Rand des Scheiterns bringt. Im EZB-Rat steht Weidmann mit dieser Haltung ziemlich allein da. ZUGLEICH STEIGT DER DRUCK an der Hei-
matfront. Die Bundesbürger sind der Euro-Krise überdrüssig. 80 Prozent der Deutschen halten die Stabilität des Euro für gefährdet, ermittelte kürzlich das ZDF-Politbarometer. „Weidmann“, sagt Thomas Mayer, der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, „muss eine Brücke bauen zwischen den Deutschen und dem Euro.“ Wenn jedoch die Inflationsraten weiter stiegen und dazu noch der Eindruck entstehe, die Bundesrepublik müsse für alle anderen
mitzahlen, dann werde es eng: „Dann besteht die realistische Gefahr, dass sich die Deutschen vom Euro abwenden und aus der Währungsunion aussteigen wollen.“ Deshalb müsse Weidmann vor allem im Rat der Europäischen Zentralbank „für die deutsche Position werben“. Leicht gesagt. Aber kann man ein so komplexes Gremium wie den EZB-Rat einfach auf Linie bringen? Immerhin: Weidmann, so berichten Insider, habe einen guten Start hingelegt. Spätestens seit seiner dritten Sitzung sei er sehr präsent im Rat. Das entspricht seiner Rolle: Die EZB-Choreografie weist dem Kopf der Bundesbank eine herausgehobene Position zu. Nachdem die Direktoriumsmitglieder José Manuel González-Páramo (Märkte) und Jürgen Stark (Volkswirtschaft) über die Lage berichtet haben, muss der Präsident der größten Notenbank als einer der Ersten in die Debatte eingreifen. Sonst gerät die Hackordnung durcheinander. Im vielstimmigen Chor des 23-köpfigen EZB-Rats, so will es das ungeschriebene Protokoll, gehört der Bundesbank-Chef stets zu den tonangebenden „Falken“. Sogar noch mehr als Axel Weber vertrete Weidmann die klassische BundesbankOrthodoxie, wonach monetären Indika-
Die Schulden, das Geld und seine Hüter Wie Staatspleiten die Unabhängigkeit der Notenbanken gefährden
Vorsorge: Diese Aktiva werden zwar
durchaus vorsichtig bewertet: Griechische Bonds beliehen die Notenbanker zuletzt nur zu 40 Prozent des Nennwerts. Dennoch käme es im Falle von Staatspleiten zu hohen Abschreibungen, die sich zum größten Teil bei der Bundesbank niederschlagen würden – gemäß ihrem Anteil von 27 Prozent am Euro-System. 92
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Zwar hat der frühere BundesbankPräsident Axel Weber am Ende seiner Amtszeit noch Rückstellungen in Höhe von 4,9 Milliarden Euro, gestreckt über drei Jahre, durchgesetzt. Aber das wäre im Fall des Falles nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Folgen: Im schlimmsten Fall könnte es zu einer Situation kommen, in der die Notenbanken im Euro-System rekapitalisiert werden müssten. Sie würden dann als Bittsteller vor die Parlamente treten, Schuldzuweisungen würden auf sie niederprasseln. Nach einer solchen Schlammschlacht wäre auch das wichtigste Kapital der Währungshüter ramponiert: ihre Glaubwürdigkeit und ihre Unabhängigkeit.
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Risiken: Sollte es zu Staatsbankrotten im Euro-Raum kommen, stehen bei der Bundesbank und den übrigen Notenbanken hohe Wertberichtigungen an. Allein die griechischen Risiken – in Form direkt erworbener Staatsanleihen und von Anleihen, die als Sicherheiten entgegengenommen wurden – betragen rund 140 Milliarden Euro.
Explosiv: Anti-Spar-Proteste in Athen
Trends Bundesbank
toren besondere Bedeutung zukommt, so ist zu hören. Aber Weidmann trage seine Argumente in kühlerem Ton vor als der Professor, der gern energisch für seine Positionen stritt – und schließlich seine Kollegen verärgerte, als er im Mai vorigen Jahres per Zeitungsinterview seine Opposition gegen die Staatsanleihekäufe der EZB öffentlich machte. Vor allem Trichet war nachhaltig verschnupft. „Ein Bundesbank-Präsident darf nicht den Eindruck erwecken, den EZB-Rat dominieren zu wollen“, sagt ein lang gedienter Euro-Hüter. „Er kann großen Einfluss ausüben, wenn er durch Argumente überzeugt. Aber er muss auch die Beweggründe seiner Kollegen verstehen lernen.“ Deshalb greift Weidmann zwischen den Ratssitzungen häufig mal zum Telefon. Man redet, tauscht Einschätzungen und Argumente, unverbindlich, aber hoffentlich mit Langzeitwirkung. Weidmann – der Experte der Hinterzimmer und der vertraulichen Telefonate. Aber genügt das?
Der Ausreißer im Euro-Land Warum die Euro-Zinsen für Deutschland viel zu niedrig sind Deutschland glänzt, der Rest darbt: 4 Prozent Wachstum – versus 1,3 Prozent im übrigen Währungsraum. Hohe Überschüsse im Außenhandel versus Defizite (linke Grafik). 6 Prozent Arbeitslose versus 12 Prozent. Aus deutscher Sicht
müssten die Leitzinsen der EZB deshalb viel höher sein, wie Kiel Economics für mm berechnet hat: knapp 3 Prozent statt 1,5 Prozent (rechte Grafik). Damit es nicht zu einer Überhitzung kommt, muss vor allem die Finanzpolitik gegensteuern.
Leistungsbilanzsaldo in Prozent des BIP
Zinsen in Prozent
Deutsch land
6 4
6 5
angemesse ner Zins für Deutschland*
4 2
3
0 Euro Land ohne D.
2
2 Tages geldsatz
1
4 1994
2010
Quelle: Kiel Economics, OECD Grafik: manager magazin
1999
2005
2010 *„Taylor-Zins“.
WENN DIE DEUTSCHEN für die Währungs-
union zurückgewonnen werden sollen, dann wird er in der Öffentlichkeit präsenter sein müssen. Die Talkshows sind bevölkert von Euro-Totbetern wie HansOlaf Henkel und Joachim Starbatty. Namhafte Ökonomen wie Hans-Werner Sinn melden sich nur noch mit euroskeptischen Beiträgen zu Wort. Und Angela Merkels Regierung, die Umfragen stets fest im Blick, bleibt eine tragfähige Vorstellung von der gemeinsamen europäischen Zukunft schuldig. „Es gibt hierzulande kaum noch jemanden von Gewicht, der sich für Europa starkmacht – der den Bürgern erklärt, wie die Währungsunion eigentlich funktioniert und warum wir den Euro weiterentwickeln müssen“, sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. „Diese Lücke könnte Weidmann füllen.“ Ähnlich wie Hans Tietmeyer, der in den 90er Jahren den Deutschen erläuterte, warum sie ruhig die D-Mark gegen den Euro tauschen könnten, müsste nun sein Nachnachnachfolger die gesamteuropäische Perspektive in die Debatte einbringen. So machen es auch die Chefs anderer Euro-Notenbanken regelmäßig. Doch der wirkungsvolle Auftritt – das ist Weidmanns Sache nicht. Ja, er lehnt eine kraftvollere öffentliche Einmischung sogar ab. Zu groß erscheint ihm das Ri-
siko, missverstanden zu werden. Zu groß die Gefahr, tief ins politische Geschäft hineingezogen zu werden. Bloß keine Fehler machen. Ein Mittwochnachmittag Ende Juni in Berlin. Die Unionsfraktion hat zu einem Kongress in den Reichstag geladen. Die Gästeliste ist beeindruckend: die Bundeskanzlerin, der Finanzminister, die Vorstandschefs Josef Ackermann (Deutsche Bank), Martin Blessing (Commerzbank) und Nikolaus von Bomhard (Munich Re), dazu Bankenaufseher Jochen Sanio – und Jens Weidmann. Die Kontrolle der Finanzmärkte steht auf dem Programm, aber es geht natürlich auch um Griechenland, um die Ratingagenturen, um die Rolle der Banken überhaupt. Dutzende TV-Teams sind im Raum, Aufmerksamkeit ist garantiert – für diejenigen, die eine Botschaft haben. Vor allem Ackermann nutzt die Chance virtuos. Natürlich werde er alles tun, um den Euro zu retten. Aber das dürfe nicht heißen, dass die Banken mit großen Beträgen in die Pflicht genommen würden. Sonst, warnt Ackermann, drohe dem Finanzsystem eine „Kernschmelze“. Schließlich ist Weidmann an der Reihe. Er hätte jetzt die Chance, vor großer Kulisse eine Marke zu setzen. Er könnte versuchen, Politik und Öffent-
lichkeit zu überzeugen, dass es sich lohnt, den Euro zu retten – gerade für Deutschland. Doch was der Bundesbank-Chef dann von sich gibt, ist alles andere als ein flammender Appell. Es ist die Ansprache eines Technokraten, umständlich, voller Fachbegriffe. Eng hält er sich ans Thema „Finanzmarktregulierung“. Die Krise des Euro erwähnt er nur am Rande. Die Moderatorin muss nachfragen, ob er nicht ein bisschen deutlicher werden will. Er will nicht. Eine mäßige Performance. „Die Überzeugungskraft des öffentlichen Wortes versteht er wohl nicht zu nutzen“, amüsiert sich ein Parlamentarier hinterher. Ausgerechnet in einer Phase, in der sich die politökonomische Schlacht um den Euro zuspitzt, bleibt der Beamte an der Spitze der mächtigsten Notenbank Europas blass. Sicher, er ist noch nicht einmal 100 Tage im Amt, die übliche Schonfrist ist noch nicht verstrichen. Er braucht Zeit, die Spielräume des Amtes abzustecken. Und für die komplexe Rolle, die Notenbanker heute zu spielen haben, gibt es keine Blaupause. „Warten Sie mal ab“, sagt einer seiner Kollegen aus dem EZB-Rat. „Er lernt rasch. Geben Sie ihm ein Jahr!“ Henrik Müller/Ulric Papendick manager magazin 8/2011
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Hans-Peter Keitel (63), promovierter Ingenieur, verbrachte nahezu sein gesamtes Berufsleben in der Bauindustrie, zuletzt als Vorstandschef von Hochtief. Seit 2009 steht Keitel als ehrenamtlicher Präsident dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) vor.
MARKUS KERBER Der Wechselhafte:
Kerber (48), promovierter Volkswirt, hat bereits als Banker und Finanzvorstand gearbeitet. Zuletzt galt der Abteilungsleiter im Finanzministerium als einer der engsten Vertrauten von Wolfgang Schäuble. Am 1. Juli wurde er Hauptgeschäftsführer des BDI, als Nachfolger des zurückgetretenen Werner Schnappauf.
FOTO: WERNER SCHUERING FÜR MANAGER MAGAZIN
Der Beständige:
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HANS-PETER KEITEL
Trends BDI
„Jeden Tag ein Stück besser“ BDI In seinem ersten Interview sagt der neue Haupt-
geschäftsführer Kerber, wie er den viel kritisierten Industrieverband formen will – und Präsident Keitel fordert Konsequenzen aus der Energiewende.
Herr Kerber, können Sie uns ein wichtiges Thema der vergangenen ein, zwei Jahre nennen, bei dem der BDI die öffentliche Debatte bestimmt hat?
sche Details in der Gesetzgebung, für die es nur wenig Interesse in der breiten Öffentlichkeit gibt.
KERBER Der BDI formt sehr nachhaltig unseren Blick auf die Chancen und Herausforderungen der Globalisierung. So hat es der BDI in den Jahren nach der Strukturkrise 2000 geschafft, die Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit zum Thema zu machen. Die derzeitigen guten Konjunkturdaten sind der Lohn dafür. Heute wiederum tritt kein anderer Verband so konsequent für die Offenheit unserer Volkswirtschaft ein wie der BDI. Dass dies nicht immer in der höchsten Dezibelzahl geschieht, finde ich persönlich ganz sympathisch.
Wir nennen Ihnen mal ein Beispiel: Vor Kurzem erschien eine Anzeigenkampagne, in der namhafte deutsche und französische Topmanager gemeinsam für EuroRettung und Griechenland-Hilfe plädieren, unterzeichnet auch von Ihrem Amtsvorgänger Jürgen Thumann. Warum stand da nicht Ihr Name, Herr Keitel?
Stünde dem BDI nicht etwas mehr Lautstärke gut zu Gesicht? Ob Atomausstieg oder Euro-Krise: Bei den Themen, die Deutschland derzeit wirklich bewegen, spielt Ihr Verband kaum eine Rolle.
KEITEL Einspruch! Andere schelten uns wegen zu harter Kritik. Bei den genannten Themen vertritt der BDI klare Positionen, die ja erkennbar Gehör finden, nicht zuletzt in der Bundesregierung. Oft geht es allerdings um techni-
KEITEL Sie können davon ausgehen, dass wir gefragt worden sind. Und warum haben Sie nicht mitgemacht?
KEITEL Inhaltlich hätte ich diese Anzeige natürlich unterschreiben können, der BDI steht klar für den Euro. Aber ich kann mich als Vertreter eines Spitzenverbands nicht auf eine Position festlegen, die zwangsläufig nur einen Ausschnitt des Problems darstellt. Darüber hinaus sehen wir uns nicht als die Institution, die öffentlich und im Detail die finanzwirtschaftlichen Rettungskonzepte für Griechenland konzipieren und kommentieren muss. Unsere Kompetenz liegt darin, die Potenziale für die Realwirtschaft auszuloten. Die wich-
tigste Frage lautet: Wie lässt sich der Standort Griechenland wieder so wettbewerbsfähig machen, dass sich dort Investitionen lohnen, dass das Land seine Schuldentragfähigkeit wiedererlangt? Zu diesem Thema verkündet uns ein BDIStrategiepapier folgende Erkenntnisse: In dem sonnigen Mittelmeerstaat bestünden erhebliche Potenziale unter anderem in der Tourismuswirtschaft und bei der Solarenergie. Geht es nicht etwas gehaltvoller? Warum organisiert der BDI keine Selbstverpflichtungserklärung der deutschen Industrie, etwa mit dem Tenor: Wenn Griechenland seine Reformzusagen einhält, wird die deutsche Wirtschaft ihre Direktinvestitionen verdoppeln?
KEITEL Wir haben eine Marktwirtschaft und keine Kommandowirtschaft. Wenn in Griechenland die Rahmenbedingungen stimmen, wird die deutsche Industrie dort von allein verstärkt investieren. Der BDI steht dazu längst in Kontakt zur griechischen Regierung und zur EU. KERBER Ich würde übrigens das Thema griechische Solarenergie nicht so einfach abtun. Wir denken in Deutschland manager magazin 8/2011
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Trends BDI
über Desertec nach und darüber, wie wir Solarstrom aus der Sahara durch das Mittelmeer transportieren. Dieser Transportweg würde bei einer Produktion in Griechenland schon mal entfallen. Deutsche Stromkunden zahlen Jahr für Jahr viele Milliarden Euro Einspeisevergütung für Solarstrom. In Griechenland würden die gleichen Solarzellen eine viel höhere Energieausbeute erzielen. Die deutsche Industrie mit ihrem ausgezeichneten Solar-Know-how könnte da gute Hilfestellung leisten. Dann liefert uns der BDI also demnächst eine Blaupause für Ägaistec, die griechische Antwort auf Desertec?
KEITEL Wir können Dialoge anstoßen, Vorschläge machen, aber wir dürfen uns nicht als Schulmeister Griechenlands aufspielen. Ich bin generell skeptisch, was sogenannte Blaupausen angeht. Ich habe in meiner Zeit als Vorstandschef bei Hochtief viel gebaut, und ich weiß aus Erfahrung: Die meisten Projekte gehen anders aus, als sie ursprünglich geplant waren. Darf ich eine Parallele ziehen zu einem anderen Thema, das uns in Deutschland im Moment bewegt? Gern!
KEITEL Schauen Sie sich die Energiewende an, die in Deutschland gerade beschlossen wird! Da erweckt die Politik den Eindruck, sie könnte für die nächsten zehn Jahre einen fixen Umstiegsplan vorlegen, der genau festschreibt, in welchem Jahr wie viel Prozent Atomstrom durch Wind und Sonne ersetzt werden. Das wird so nicht funktionieren. Umso mehr wundert uns, dass der BDI nicht deutlicher Position bezieht. Viele Unternehmen, Politiker und Verbände haben darauf gewartet, dass Sie klarstellen: Unsere Industrie ist auf bezahlbare Energie angewiesen, gleichzeitig haben wir ein Klimaproblem, deshalb können wir nicht so schnell auf Atomstrom verzichten, wie sich die Bundesregierung das vorstellt. Aber vom BDI kam wenig. Stattdessen war es Dieter Hundt von der BDA, der das Atommoratorium für falsch erklärte – obwohl sein Arbeitgeberverband für das Thema eigentlich gar nicht zuständig ist.
KEITEL Jetzt mal Klartext: Falsch war, was nach dem Moratorium kam. Und wir sind doch jeden Tag im unmittelbaren Kontakt mit unseren Unternehmen und 96
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Verbänden. Die wissen: Der BDI hat nun wahrlich für alle gut hörbar darauf hingewiesen, dass Energie sicher, sauber und bezahlbar bleiben muss. Einem solchen Allgemeinplatz könnte sogar Jürgen Trittin zustimmen. Wo konkret hat der BDI in den Ausstiegsgesetzen die Interessen der Industrie durchgesetzt?
schutz wie beim Atomausstieg. Das muss aber auch realisierbar sein. Herr Kerber, Sie haben in Ihrem Leben schon viel gemacht, waren Banker bei SG Warburg und der Deutschen Bank, Finanzvorstand bei der GFT AG, zuletzt Leiter der Grundsatzabteilung im Innenund seit 2009 im Finanzministerium. Wie haben Sie während Ihrer Karriere den BDI erlebt? Als machtvollen Inspirator, auf den die Politik hört? Oder als Verband, der sich im Grunde überlebt hat und vor allem vom Ruhm vergangener Tage zehrt?
KEITEL Wir haben zum Beispiel klarmachen können, dass die Forderung nach behördlich festgelegten jährlichen Steigerungen der Energieeffizienz in jedem Betrieb ohne Beachtung der Investitionszyklen nicht realisierbar ist. Und wir haben erreicht, dass kleine, sehr energieintensive Unternehmen bei den Belastungsgrenzen im ErneuerbareEnergien-Gesetz nicht länger gegenüber großen Unternehmen diskriminiert werden. Wir sehen es auch als Verdienst des BDI an, dass der ganze Ausstiegsprozess eben nicht mit der jetzigen Gesetzgebung für die nächsten zehn Jahre in Stein gemeißelt wird, sondern einem unabhängigen Monitoring unterliegt, durch das sich der Prozess fortlaufend an neue Realitäten anpassen lässt.
KERBER Der BDI ist auf jeden Fall ein Inspirator, meinetwegen auch ein machtvoller, vor allem aber ein objektiver, der stets die gesamtwirtschaftlichen Interessen im Auge hat. Wir leben ja in der Politik in einer Zeit der Vielstimmigkeit, auch der Kurzatmigkeit. Da finde ich den BDI wohltuend nachdenklich und nachhaltig.
Was wollen Sie jetzt noch energiepolitisch erreichen?
Der BDI hat also ein Imageproblem, kein strukturelles Problem?
KEITEL Die Frage ist, inwieweit Deutschland weiterhin Vorreiter beim Klimaschutz sein kann, obwohl wir gerade aus der Atomenergie aussteigen und uns das völlig unbestritten zusätzliche CO2-Emissionen beschert.
KEITEL Weder noch. Wir haben in den vergangenen Monaten die eine oder andere öffentliche Kritik einstecken müssen. Damit befinden wir uns auf Augenhöhe mit fast allen anderen gesellschaftlichen Institutionen dieses Landes. Aber bereits die Berufung von Herrn Kerber zum neuen Hauptgeschäftsführer hat ausschließlich positive Resonanz gefunden.
Konkret: Sie wollen, dass Deutschland als Ausgleich für den Atomausstieg das Ziel von 40 Prozent CO2-Reduktion bis 2020 aufgibt? Und sich auf das europäische Ziel von derzeit 20 Prozent beschränkt?
KEITEL Die kürzlich getroffene Entscheidung des Europäischen Parlaments, die EU-Klimaziele nicht unkonditioniert von 20 auf 30 Prozent hochzuschrauben, ist konsequent. Das deutsche Reduktionsziel sollte also unter 40 Prozent liegen?
KEITEL Auch angesichts der Energiewende müssen wir ambitionierter bleiben als die europäischen Nachbarn, aber mit politischen Rahmenrichtlinien, die den Standort Deutschland nicht nachhaltig gefährden. Im Moment will Deutschland überall gleichzeitig Vorbild für die restliche Welt sein, beim Klima-
Wie erklären Sie es sich, dass der BDI in den Medien fast nur noch als müder Honoratiorenzirkel vorkommt?
KERBER Ihre Diagnose teile ich nicht.
Herr Kerber, im Finanzministerium wurde in den vergangenen Jahren nahezu rund um die Uhr gearbeitet. Bankenkrise, EuroKrise: Alles lief in Ihrem Haus auf. Wie realistisch wirkt da der selbst erklärte Anspruch des BDI, sich der allgemeinen Beschleunigung der politischen Prozesse zu verweigern, nicht jeder Schlagzeile hinterherzujagen? Muss man nicht als Verband das schnelle Spiel der Politik mitspielen, auch wenn es einem nicht gefällt?
KERBER Durch die Finanz- und EuroKrise funktionierte das Finanzministerium in den vergangenen Jahren tatsächlich im Modus der Notfallverarbeitung. Wir müssen in der Politik aber wieder zu unterscheiden lernen: Da ist eine Krise, da müssen wir sofort handeln, auch auf
Trends BDI
„Etwas weniger Wahltaktik hätte uns gut getan bei der Energiewende.“
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Hans-Peter Keitel, BDI-Präsident
„Ein organisatorischer Umbau des BDI ist kein Selbstzweck.“ Markus Kerber, BDI-Hauptgeschäftsführer
die Gefahr hin, mal einen handwerklichen Fehler zu machen. Und das andere ist der qualitativ geordnete politische Betrieb, in dem Sorgfalt vor Schnelligkeit gehen sollte. KEITEL Wenn ich da ein Beispiel ergänzen darf: Die Euro-Krise erfordert tatsächlich schnelles Handeln der Politik. Bei der Energiewende hingegen bestand dieser Zeitdruck überhaupt nicht. Hier hätte uns etwas Sorgfalt und etwas weniger Wahltaktik gutgetan. Es gibt nicht wenige in Berlin und bei Ihren Mitgliedsfirmen, die sagen, die BDIOrganisation müsse endlich mal aus ihrer Selbstgefälligkeit wachgerüttelt werden.
KERBER Ich habe ja noch ein Stück Außensicht. Die Mitarbeiter, auf die ich hier gestoßen bin, sind alle hoch qualifizierte und motivierte Experten, mit denen ich gern weiter arbeiten werde. Selbstgefälligkeit gibt es nicht und können wir uns gar nicht leisten, da die Mitgliedschaft im BDI freiwillig ist. Kein organisatorischer Umbau geplant, um den BDI schneller und angriffslustiger zu machen?
KERBER Ein Umbau ist kein Selbstzweck. Wir sind schnell und wo es Sinn macht auch angriffslustig. Und gern jeden Tag noch ein Stückchen besser. Dann wird sich auf absehbare Zeit wohl nichts daran ändern, dass der BDI etwa so viele Frauen in Führungspositionen hat wie der Vatikan – nämlich gar keine. Keine Frau in der vierköpfigen Hauptgeschäftsführung, keine Frau unter den neun Vizepräsidenten, keine Frau unter den 18 Abteilungsleitern. Das ist kein Zustand, oder?
KEITEL Immerhin haben wir vier Frauen im Präsidium. Aber ich gebe Ihnen völlig recht, denn eigentlich haben wir uns sogar verschlechtert. Gerade sind zwei weibliche Führungskräfte in den Ruhestand gegangen. Die angesprochenen Nachfolgekandidatinnen haben sich aus ganz praktischen persönlichen Gründen nicht zur Verfügung gestellt. Das müssen wir ändern. Wir werden das Problem der fehlenden Frauen in Führungspositionen aber nur gesellschaftlich lösen. Das können die Unternehmen nicht allein leisten. Diesen Satz hätte man mutmaßlich schon vor 30 Jahren vom Präsidenten eines
beliebigen können.
Wirtschaftsverbands
hören
KEITEL Die Aussage mag nicht Ihre Ansprüche an Originalität erfüllen, richtig ist sie trotzdem. Die Wirtschaft hat nicht noch einmal 30 Jahre Zeit, sich zu verändern. Die Bundesregierung droht mit einer Frauenquote für Aufsichtsräte, falls sich an der Männerlastigkeit dieser Gremien nichts ändert.
KEITEL In der Tat, der öffentliche Druck besteht. Wir sagen unseren Mitgliedern auch deutlich: Wer sich nicht ändert, wird geändert. Wenn 2013 die nächste große Welle von Aufsichtsratswahlen ansteht, brauchen wir eine nennenswerte Erhöhung des Frauenanteils. Ich bin zuversichtlich, dass dies gelingen wird. Und wann werden wir endlich eine Frau im informellen Aufsichtsrat des BDI sehen, dem Kreis der Vizepräsidenten?
KEITEL Ich gehe davon aus und wünsche mir, dass dies möglichst rasch geschieht – wobei über die Nominierungen unsere Mitgliedsverbände entscheiden. ◆ Das Interview führten die mm-Redakteure Martin Noé und Christian Rickens.
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Trends Rohstoffe
KREISLAUFSTÖRUNGEN
Hightech-Öfen schmelzen Müll zu neuen Ressourcen
TECHNOLOGIE Für Deutschlands
Industrie werden die Rohstoffe knapp. Recycling kann – wenn es richtig gemacht wird – die größte Not lindern.
ausend PS Antriebskraft lassen die neue Halle auf dem Betriebsgelände des Kupferkonzerns Aurubis in Lünen erzittern. Ein riesiger Schredder zerhackt bis zu 500 Tonnen ausgediente Computer, Faxgeräte und Telefonanlagen pro Tag. Auf Hanuta-Maß verkleinert, rattert der Elektronikschrott auf Förderbändern an Magneten und Induktivfeldern vorbei. Sie ziehen Eisen- und Aluminiumteile aus der Masse. Der Rest fährt unter einer schmalen Brücke hindurch und in einen Tunnel hinein: Darin pustet Druckluft die verbliebenen Metalle hoch auf ein weiteres Band. Die Kunststoffteile fallen in einen Sammelcontainer. Hinter der „Zauberhand“ – wie Werksleiter Franz-Josef Westhoff die Anlage scherzhaft nennt – verbirgt sich hochmoderne optoelektronische Sortiertechnik. In Sekundenbruchteilen wählt sie die Nichteisenmetalle – allen voran kupferhaltige Stücke – aus. In den pyro- und elektrometallurgischen Abteilungen des Recyclingzentrums verarbeitet Aurubis die Teile dann wieder zu 99,99-prozentigem Kupfer sowie einer Vielzahl Begleitmetallprodukten. Aus Elektromüll entsteht wieder hochwertiger Rohstoff für Hightech-Produkte – ein perfekter Kreislauf. Und eine ideale Lösung für eines der größten Probleme der deutschen Industrie: die zunehmende Verknappung wichtiger Ressourcen und die damit rasant steigenden Kosten für den Materialeinsatz. Theoretisch könnte Recycling ohne Qualitätsverlust einen – je nach Material unterschiedlich großen – Teil der Rohstoffnachfrage der Wirtschaft befriedigen. Von der Kupferproduktion bei Aurubis etwa stammt bereits ein Drittel aus Schrottverwertung. In der Praxis jedoch ist Deutschland derzeit noch meilenweit davon entfernt, sämtliche verbauten Metalle oder Kunststoffe nach Ablauf der Produktlebenszeit wiederzugewinnen. Gerade kritische Werkstoffe wie Sondermetalle oder die begehrten seltenen Erden fliegen zum größten Teil auf den Müll.
T
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ILLUSTRATION: KRISTINA HELDMANN FÜR MANAGER MAGAZIN
Echtes Recycling braucht reine Sorten
Metall, Alu, Plastik – der Schrott wird sortiert
Trends Rohstoffe
Aus Sekundärrohstoffen entstehen neue Bauteile
Aus Alt wird Neu – der Kreislauf schließt sich
Ausgedientes wird gesammelt
Mensch und Maschine demontieren die Altteile
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FOTO: GEISSER / IIMAGO
FOTO: TIM WEGNER / LAIF
Trends Rohstoffe
Aus Platin wird wieder Platin in der Edelmetallschmelze von Heraeus
In fast jedem Supermarkt, bei Drogerieund Elektroketten hat Lightcycle, ein Joint Venture der Lampenhersteller, Kisten für ausgediente Leuchtmittel aufgestellt. Mehr als 8500 Tonnen werden so jährlich zurückgenommen.
Der Hanauer Technologiekonzern gewinnt weit mehr als 90 Prozent des wertvollen Edelmetalls aus Industriekatalysatoren zurück. Weltweit stammt bereits mehr als ein Viertel des Platinangebots aus Recycling.
FOTO: PR
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Sammelbox für Energiesparlampen von Osram und Philips
100
Elektronikschrott auf dem Weg in die Aufbereitung bei Aurubis
Im Reinraum arbeiten Philips-Feinmechaniker Röntgenröhren auf
Der Kupferkonzern erzeugt schon ein Drittel seiner Produkte aus Schrott. Mit modernster Technologie gewinnen die Metallurgen auch aus Leiterplatten Rohstoff für die Hightech-Produktion.
Mit der Präzision von Uhrmachern gewinnen die Fachleute jährlich die Komponenten von bis zu 4500 ausgedienten Röhren wieder. Damit erwirtschaften sie einen zweistelligen Millionengewinn für den Elektrokonzern.
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Geschlossene Kreisläufe für hochwertige Materialien sind im Land der leidenschaftlichen Papier-, Plastik- und Glastrenner (Recyclingquote: 64 Prozent) im Moment so rar wie Platin in der Erdkruste. Allerdings haben Politik und Wirtschaft mittlerweile realisiert, welches Potenzial im sogenannten Urban Mining – neudeutsch für die Gewinnung von Ressourcen aus Abfall – steckt. So legte der Rat für Nachhaltigkeit im Juni einen Plan vor, wie Deutschland zum Rohstoffland mutieren kann. „Ressourcen 100 Prozent im Kreislauf führen“ nennt das von der Bundesregierung beauftragte Gremium seine Vision. Im ersten Schritt soll mit einer Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ab 2015 eine Wertstofftonne für ausrangierte Elektrogeräte etabliert werden. Auch bei den Unternehmen steigt mit den Preisen für die wertvollen Primärressourcen aus Bergwerken das Interesse an Sekundärrohstoffen aus der Müllverwertung. „Seit zwei, drei Jahren sehen immer mehr Firmen Recycling nicht mehr nur als belastendes Umweltthema, sondern als echte Geschäftschance“, konstatiert Professor Uwe Clausen. Der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik (IML) in Dortmund verbucht zunehmend Anfragen für die Rücknahmesysteme, die seine Forscher für ausgediente Waren entwickeln. Gute Aussichten also für die hierzulande zehn Milliarden Euro Umsatz starke Kreislaufwirtschaftsbranche. Das Topmanagement von Aurubis zumindest scheint von einem bevorstehenden Recyclingboom überzeugt: Rund 153 Millionen Euro hat Europas größter Kupferproduzent in den vergangenen elf Jahren im 550-Mann-Betrieb Lünen in Hightech wie den magischen Sortfinder investiert. Anfang Juli ging eine neuartige Ofenanlage zur Verarbeitung unterschiedlichster Recyclingstoffe in Betrieb, die die Kapazität des Werks um bis zu 100 000 Tonnen jährlich steigert. Kostenpunkt: 62,5 Millionen Euro. Eine Investition für die Zukunft. „Dank unserer Multimetall-Recyclingtechnik können wir höchste Qualität für anspruchsvolle Anwendungen wie Elektroautos oder Windräder liefern“, zeigt Standortchef Westhoff stolz auf die rotgolden glänzenden Platten in der Auslieferung: „Für solche Spitzenprodukte steigen Nachfrage und Preise sicher weiter.“
Trends Rohstoffe
Westhoffs Prognose stimmt: Nicht nur hochreines Kupfer, fast alle Ressourcen – von Eisen und Stahl über Lithium und Gallium bis hin zu den seltenen Erden – werden knapper und teurer. Besonders die riesige Nachfrage aus den boomenden Schwellenländern sowie der Bedarf der Hightech-Industrien an exotischen Materialien treiben die Notierungen. 2010 etwa schoss der Metallpreisindex um 45 Prozent nach oben (siehe Grafik Seite 102). Die deutsche Industrie ächzt unter der Last der Materialkosten. Neun von zehn produzierenden Unternehmen leiden nach einer Studie des Deutschen Industrie- und Handelskammertages unter den hohen Ausgaben für Rohstoffe, die fast die Hälfte an ihren Gesamtkosten aus-
deren Lebensende auch stofflich verwertet. Und für viele andere mit wertvollen Rohstoffen vollgestopfte Technologieprodukte liegen die Quoten nicht wesentlich höher. Drei Ursachen sind für die Kreislaufstörungen verantwortlich – Technik, Masse und Logistik. So existieren für viele moderne Werkstoffe noch keine passenden Aufbereitungsmethoden. Die geringen Mengen, in denen sogenannte
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in Europa bleiben, arbeiten Forscher mit Hochdruck an Lösungen für die Kreislaufprobleme. Experten von Umicore etwa entwickelten ein erstes industrielles Verfahren für das Recycling seltener Erden aus Akkus. Mit dem französischen RhodiaKonzern gewinnen sie die Elemente Lanthan, Neodym und Praseodym aus Nickel-Metall-Hybrid-Batterien zurück. Das Aachener Fraunhofer-Institut für Lasertechnik erprobt gerade mit dem Maschinenbauer TiTech in MülheimKärlich eine Technologie für die Identifizierung unterschiedlicher Aluminiumlegierungen. Dort sortiert eine Pilotanlage mithilfe laserinduzierter Spektroskopie auf der Atomebene Aluteile nach ihren Mischungen mit anderen Metallen ein. Dank der Hightech-Methode fallen die Alufraktionen sortenrein an und können wieder zu den hochwertigen Produkten verarbeitet werden, aus denen sie stammen. Bisher werden die unterschiedlichen Legierungen nur gemeinsam zu minderwertigem Guss-Alu recycelt. Ein Vorgang, den Fachleute DownCycling nennen und der für sie mit echter Kreislaufwirtschaft so viel gemein hat wie ein illegaler Schmelzofen in China mit einem Reinraum. Nur wenn die Ursprungsmaterie wieder in identischer Qualität erzeugt wird, können Unternehmen den Stoffstrom wirklich schließen. So wie es etwa der Edelmetall- und Technologiekonzern Heraeus mit Platin für die Düngemittelproduktion vorexerziert. Um Salpetersäure zu erzeugen, leiten Düngerhersteller die chemischen Ausgangsstoffe im Reaktor über diverse feinDAMIT MEHR ROHSTOFFE
„Jedes fortschrittliche Unternehmen denkt über nachhaltige Kreislaufwirtschaft nach.“ Torsten Henzelmann, Roland Berger
machen. Jede zweite Firma befürchtet zudem, nicht mehr genügend Rohstoffe – etwa die heiß begehrten seltenen Erden – kaufen zu können. In der Chemie halten laut Branchendienst Chemonitor sogar zwei Drittel die Ressourcenknappheit für das größte Wachstumshemmnis. Für mehr Recycling sprechen also nicht nur Umweltaspekte, sondern handfeste ökonomische Gründe. Deshalb verwundert es Torsten Henzelmann wenig, dass derzeit „jedes fortschrittliche Unternehmen über nachhaltige Kreislaufwirtschaft nachdenkt“, wie der Experte für Cleantech bei der Strategieberatung Roland Berger feststellt. Allerdings bedeutet das Entwickeln vollständig geschlossener Stoffströme seiner Ansicht nach „eine große finanzielle Herausforderung für die deutsche Wirtschaft“. Schließlich werden derzeit nur 3 Prozent der Materialien aus Handys nach
Die darin enthaltenen Rohstoffe verschwinden damit entweder auf Nimmerwiedersehen oder werden in Hinterhofwerkstätten in Afrika oder China mit extrem geringer Ausbeute ausgeschlachtet. Ein solcher Betrieb, der Umwelt und Gesundheit seiner Mitarbeiter zerstört, extrahiert zum Beispiel aus einer Leiterplatte nur ein Viertel des darin vorhandenen Goldes, hat Christian Hagelüken vom Materialtechnologiekonzern Umicore ermittelt. Alle anderen Wertstoffe verbrennen in den primitiven Schmelzöfen. Die hochtechnisierten Spezialisten in Europa dagegen recyceln mehr als 95 Prozent des Edelmetalls sowie etliche Sondermetalle und Kunststoffe.
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Gewürzmetalle wie Wolfram, Beryllium oder Gallium in elektronischen Geräten enthalten sind, behindern ein effizientes und wirtschaftlich sinnvolles Recycling. Den größten Hemmschuh allerdings stellen die Probleme beim Einsammeln ausgedienter Waren dar. Viel zu viele Hightech-Geräte landen im Müll oder wandern – so wie mehr als 80 Prozent der ausgemusterten Autos – teils legal, oft aber illegal ins Ausland.
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Trends Rohstoffe
gewirkte Platinnetze mit bis zu sechs Metern Durchmesser. Die millionenteuren Katalysatoren werden dabei nur teilweise verbraucht. Da sie über die Laufzeit verunreinigt werden, müssen sie nach mehreren Monaten ausgetauscht werden. Bei der Lieferung der Ersatzgewirke nimmt Heraeus den verbrauchten Katalysator zurück. Im Werk gewinnen Metallurgen und Chemiker das Platin in der Qualität zurück, dass es zu neuen Netzen verarbeitet werden kann. Damit solche geschlossenen Ströme auch für andere Edelmetalle und Werkstoffe wie Quarzglas oder seltene Erden entstehen können, haben die im RheinMain-Gebiet zum Verein Materials Valley zusammengeschlossenen Unternehmen die Gründung eines neuen Fraunhofer-Instituts für Wertstoffkreisläufe angeregt. Gut 15 Monate nach der ersten Idee fand im Mai die Schlüsselübergabe für die neue Forschungseinrichtung in Alzenau statt, erzählt Mitinitiator Professor Gerhard Sextl stolz. „Am hohen Tempo der Umsetzung des Projekts zeigt sich, wie wichtig Wirtschaft, Forschung und Politik das Thema nehmen“, erklärt der Leiter des Würzburger Fraunhofer- Instituts für Silicatforschung. So viel Ehre will Christian Hohaus vom Fraunhofer IML der Politik nicht zugestehen. Er hält etwa die Altautoverordnung für einen „zahnlosen Papiertiger“. Die Regelungen für die grenzüberschreitende Abfallverbringung – vulgo Müllexport – seien viel zu kompliziert, und ihre Einhaltung würde nicht ausreichend überwacht. Hier böten sich noch zu viele Möglichkeiten, die Produktverantwortung zu umgehen. „Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen für die Kreislaufwirtschaft“, fordert seine Kollegin Verena Fenneman, die das Forschungsprojekt TraCy zur Gestaltung von Logistikketten für das Urban Mining leitet. Klare Maßgaben für qualitativ hochwertiges Recycling zum Beispiel und nicht nur generelle Massequoten, die schon mit dem Einschmelzen der Kunststoffgehäuse elektronischer Geräte zu Parkbänken erfüllt sind. Oder die Einführung von Pfandregelungen: „Bei Bierflaschen klappt es doch auch.“ Wie die Kreislauflogistik für die unterschiedlichsten Produkte funktionieren kann, erarbeitet Fennemann gerade. Als gelungenes Beispiel hat sie dabei das 102
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Fieberkurve Entwicklung des Metallpreisindex, in Punkten 4000
3000
2000
1000 2000 Grafik: manager magazin
2011 Quelle: Thomson Reuters Datastream
gemeinsam vom IML mit den deutschen Lampenherstellern konzipierte Rücknahmesystem Lightcycle für ausgediente Energiesparlampen und Leuchtstoffröhren vor Augen. Lightcycle hat seit 2006 mehr als 3100 Sammelstellen in Supermarkt-, Drogerie- und Baumarktketten aufgebaut und führte 2010 rund 8500 Tonnen Altlampen einer korrekten Wiederverwertung zu. AUSGEFEILTE LOGISTIK, Hightech-Sortiersysteme, innovative Aufbereitungsmethoden – alles vergebliche Liebesmüh, sagt Michael Braungart, Gründer der Umweltberatung Epea. „Die Deutschen machen das Falsche, das allerdings perfekt“, polemisiert der Erfinder des sogenannten Cradle-to-Cradle-Prinzips gegen die Idee, mühsam aus Müll wieder Wertstoff zu destillieren. Intelligenter sei es, die Produkte von Anfang an richtig
„Für echte Kreislaufwirtschaft brauchen wir bessere Rahmenbedingungen.“ Verena Fennemann, Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik
zu konstruieren – eben so, dass sie keine Schadstoffe enthalten und ihre Bestandteile problemlos wiederverwendet werden können. Auch müssten die Geschäftsmodelle derart angelegt sein, dass die Produkte am Ende der Gebrauchsperiode an ihren Hersteller zurückgehen – etwa weil die Nutzer sie gemietet oder als Service genutzt haben. Ein Konzept, das Philips schon seit zwölf Jahren in seinem Recyclingzentrum in Hamburg umsetzt. In einem 2400 Quadratmeter großen Neubau arbeiten 21 hoch qualifizierte Mitarbeiter an der Wiederverwendung von Röntgenstrahlern des niederländischen Elektronikkonzerns. Aus aller Welt schicken die Servicetechniker, die in Krankenhäusern und Praxen Röntgenröhren austauschen, die ausgedienten Produkte hierher – selbstverständlich in wiederbenutzbaren Spezialbehältern. An der Elbe werden die 15 000 bis 150 000 Euro teuren Hightech-Bauteile desinfiziert, getestet und demontiert. Aufgearbeitet gehen die Komponenten wieder in die Produktion. Die nicht mehr nutzbaren Teile kommen – sortenrein getrennt – zur Metallschmelze. Gravitätisch schreiten mit Haarnetz und Handschuhen ausgerüstete Facharbeiter durch den Reinraum von Maschine zu Maschine. Kein einziges Aerosol darf durch hektische Bewegungen aufgewirbelt werden, kein falsches Partikelchen an den empfindlichen Teilen haften bleiben, wenn sie eine neue Wolframschicht auftragen oder einen Anodenteller abschleifen. Die mit der Präzision von Uhrmachern agierenden Männer und Frauen sind auch jedes Mal dabei, wenn in der Entwicklungsabteilung der Philips Medizintechnik Neuerungen besprochen werden. Denn einfache Wiederverwertbarkeit gilt dort mittlerweile als grundlegendes Konstruktionsprinzip. Der Aufwand macht sich für den Konzern bezahlt. „Mit der Bearbeitung von 4000 Röntgenstrahlern im Jahr erreichen wir eine Recyclingquote von 75 Prozent und erwirtschaften für Philips einen Gewinn in zweistelliger Millionenhöhe“, erzählt Recycling-Supervisor Hartmut Fenske zufrieden. Richtig gemacht, löst Kreislaufwirtschaft eben nicht nur das drängende Rohstoffproblem. Intelligentes Recycling wirft auch gute Gewinne ab. Eva Müller
ILLUSTRATION: MAREN ESDAR FÜR MANAGER MAGAZIN
NUR KEIN NEID
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KARRIERE MANAGERPENSIONEN Voluminöse
Aktienpakete, großzügige Übergangsgelder und üppige Firmenrenten – Deutschlands Topmanager sind unverschämt gut versorgt.
Karriere Managerpensionen
s gibt kaum Spektakuläres, mit dem Hartmut Retzlaff (57) jemals auffällig geworden wäre. Der Chef des hessischen Pharmamittelständlers Stada meldet mal steigende (vorvergangenes Jahr), mal fallende Gewinne (vergangenes Jahr). Auch der Kurs seiner Aktie steht ungefähr da, wo er schon vor fünf Jahren war. Allein gelegentlich aufflammende Übernahmegerüchte verleihen dem Papier der M-Dax-Firma einen gewissen, aber nie allzu lange vorhaltenden Nachrichtenwert.
E
Noch spektakulärer sieht die Rechnung aus, wenn Stada tatsächlich aufgekauft wird. In diesem Fall kann Retzlaff eine in seinem bisherigen Kontrakt verankerte Change-of-Control-Klausel ziehen und sich mit einer Abfindung in Höhe des Fünffachen seines Bruttojahreseinkommens (derzeit also insgesamt 12,5 Millionen Euro) per sofort in den Ruhestand verabschieden. Und als ob das nicht schon genug wäre, steht ihm noch das komplette Gehalt für die Restlaufzeit seines Vertrags
entstanden ist“, sagt Jens Maßmann, Vergütungsexperte bei der Unternehmensberatung Ernst & Young: „Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob ein Unternehmen wie früher 20 Jahre lang ein und denselben CEO hat, dem es bis 75 eine Pension zahlen muss. Oder ob es wie heute üblich den Chefposten öfter neu besetzt und dann mehrere Ex-Manager bis 85 versorgen muss. Für diesen Fall sind die neuen Systeme deutlich komfortabler.“ Die neuen Regeln gelten vor allem für Führungskräfte, die in jüngster Zeit in
Ekkehard Schulz: Dem Ex-ThyssenKrupp-Chef stehen als Pensionär weiterhin Chauffeur, Limousine, Sekretärin und Büro zu
Wirklich spektakulär an Hartmut Retzlaff ist sein Arbeitsvertrag. Wenn der Stada-Chef sich mit 65 verabschiedet, hat er Anspruch auf eine Firmenrente, die sich nicht wesentlich von seinem bisherigen Grundgehalt von 1,4 Millionen Euro unterscheiden dürfte. Knapp 22,6 Millionen Euro hat der Generikahersteller bislang für die Rente des Vorstandsprimus in der Bilanz zurückgestellt, 941 000 Euro allein im vergangenen Jahr (siehe auch Tabelle Seite 109). Eine Summe, die sich auf fast 27 Millionen Euro erhöht haben wird, wenn Retzlaffs Kontrakt Ende August 2016 ausläuft und Stada weiter im bisherigen Tempo für die Rente des Vorstandschefs spart. Damit wird er locker am einstigen Post-Chef Klaus Zumwinkel (67) vorbeiziehen, der sich Anfang 2009 Pensionsansprüche in Höhe von 20 Millionen Euro auf einen Schlag auszahlen ließ – und damit für einen Eklat sorgte. 106
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Hartmut Retzlaff: Hat als Lenker des Pharmamittelständlers Stada bereits höhere Pensionsansprüche angesammelt als einst Post-Chef Klaus Zumwinkel
zu. Würde Stada also im September 2011 übernommen und die Klausel, was von Stada nicht dementiert wird, auch in Retzlaffs neuem Vertrag stehen, kann er noch einmal 12,5 Millionen fordern. Womit er bei insgesamt 25 Millionen wäre – oder der Hälfte der sagenhaften Abfindung, die Wendelin Wiedeking (58) bei seinem Abgang von Porsche kassiert hat. So bombastisch gestaltet sich sicherlich nicht jede Pensions- und Abfindungsvereinbarung. Zahlreiche Unternehmen haben ihre Pensionssysteme in den vergangenen Jahren von festen Rentenzusagen („defined benefit“) auf Systeme umgestellt, die den Führungskräften „nur“ noch bestimmte Beträge garantieren, die auf ihre Altersvorsorgekonten fließen („defined contribution“). „Konzerne minimieren damit das finanzielle Risiko, das durch die Kombination aus höherer Lebenserwartung und häufigerem Wechsel in Toppositionen
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Wie einige Konzernlenker die Privilegien der alten Deutschland AG mit den Vorzügen des Turbokapitalismus zu höchst auskömmlichen Luxusrenten verbinden
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Männer mit abgeschlossener Vermögensbildung
Mathias Döpfner: Bekam 2006 Aktien seines Arbeitgebers zu Discountpreisen; das Paket des Springer-Primus ist heute rund 20 Millionen Euro mehr wert
Vorstands- oder Geschäftsführerpositionen aufgerückt sind – und auch da längst nicht für alle. Wer aber schon länger dabei ist, für den steht fest: Deutschlands Topmanager sind die einzige gesellschaftliche Gruppe, für die Norbert Blüms Versprechen von der sicheren Rente noch uneingeschränkt gilt. Die Konzerne tun nahezu alles, um ihre Vorstände vor der Altersarmut zu bewahren. Die Summen, die dabei in die Pensionszusagen fließen, türmen sich zu stattlichen Beträgen. Rund 64 Millionen hat etwa Volkswagen für die Altersvorsorge seiner derzeit acht Vorstände zurückgelegt, beim Chemieriesen BASF addieren sich die Rückstellungen für die aktuelle Führungscrew auf 56 Millionen. Insgesamt stehen mehr als 580 Millionen Euro für die künftigen Pensionen der heutigen Topmanager in den Bilanzen der 30 Dax-Konzerne.
Karriere Managerpensionen
Volker Heuer: Machte an der Börse den Deal seines Lebens; 78 Millionen Euro zahlen Daimler und Rolls-Royce für die Aktien des Tognum-Chefs
Vorstandsverträgen sind Firmenrenten festgeschrieben, die sich in Größenordnungen von bis zu 80 Prozent bewegen. Oftmals besteht der Anspruch auf Ruhegeld bereits ab dem 60. Lebensjahr. Und selbst wenn eine Spitzenkraft ihren Job ein paar Jahre vor Erreichen der offiziellen Altersgrenze verliert, ist das meist alles andere als ein finanzieller GAU. In diesen Fällen sorgt eine fein ausgeklügelte Mischung aus Übergangsgeldern und Abfindungszahlungen dafür, dass die pekuniären Folgen der Trennung überschaubar bleiben. Zudem sind die Regelungen oft intransparent und werden in dicken Geschäftsberichten irgendwo versteckt. DIE GENERATION TOPMANAGER, die derzeit Deutschlands große Börsenkonzerne regiert, lebt so in einem goldenen Zeitalter persönlicher Vermögensbildung. Vielfach kurz nach der Jahrtausendwende an die Spitze gerückt, gehörten sie zu den
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Josef Ackermann: Aktienpakete, Firmenpension und Übergangsgeldzusagen garantieren, dass der oberste Deutschbanker ausgesorgt hat
die Bilanz der Deutschen Bank macht deutlich, um welche Dimensionen es auch bei ganz normalen Dienstverhältnissen geht. Josef Ackermann (63), die Nummer eins des Marktführers, taugt wie in sämtlichen anderen Vergütungsfragen auch hier als Exempel für größtmögliches Verhandlungsgeschick. Mehr als 560 000 Aktien seines Arbeitgebers hält er derzeit. Aktueller Gesamtwert: rund 23 Millionen Euro. Gleichzeitig hat der Geldkonzern 13,2 Millionen Euro für die Altersvorsorge des Schwei-
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Ersten, die von den damals frisch aufgelegten opulenten Aktienprogrammen profitierten. Zugleich nahmen sie wie selbstverständlich die großzügigen Versorgungssysteme der alten Deutschland AG für sich in Anspruch. Best of both worlds. „In dieser Situation kann man eigentlich nichts falsch machen. Hat man Glück, macht man an der Börse den Deal seines Lebens“, sagt der Hamburger Wirtschaftsprofessor Michael Adams: „Geht es schief, lässt es sich immer noch ganz gut von der Firmenpension leben.“
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manager magazin hat zusammen mit Professor Joachim Schwalbach von der Berliner Humboldt Universität und renommierten Vergütungsexperten die Pensionszusagen der 80 größten deutschen Börsenfirmen analysiert. Das Ergebnis: Trotz der im Vorstandsvergütungsgesetz verschärften Regeln zur Dotierung der Alterssaläre werden weiterhin Luxuspensionen gezahlt und üppige Vorruhestandsklauseln ausgehandelt. Üblich sind zwar meist 50 oder 60 Prozent der letzten Fixbezüge, doch in vielen
Zygmunt Mierdorf: Rund 13 Millionen Euro Abfindung kassierte der einstige MetroMultifunktionsvorstand und heutige Frührentner mit 58
Für Volker Heuer (58) ist es in der Tat ganz gut gelaufen. Kurz bevor der schwedische Finanzinvestor EQT im Sommer 2007 die einstige Daimler-Tochter MTU Friedrichshafen unter dem Label Tognum an die Börse brachte, sicherte sich der Chef des Großmotorenbauers rund drei Millionen Aktien oder 2,3 Prozent des Kapitals zu Vorzugskonditionen. Vier Jahre und eine Kehrtwende des ursprünglichen Großaktionärs später ist Heuer um 72 Millionen Euro reicher. Wenn Daimler zusammen mit RollsRoyce das Kommando übernimmt, wird Heuer schon nicht mehr an Bord sein. Im September geht der Ingenieur in den Ruhestand. Die knapp 250 000 Euro, die ihm künftig jährlich als Firmenpension zustehen, sind dann wohl nicht viel mehr als ein nettes kleines Zusatzeinkommen. Sicher, solche Größenordnungen werden wohl auch in Zukunft eher die Ausnahme bleiben. Dennoch: Ein Blick in
Axel Wieandt: Bescheidene 18 Monate lang war er Chef der Hypo Real Estate. Der Lohn: 240 000 Euro Pension pro Jahr
zers zurückgestellt. Damit ist die Aufzählung der betrieblichen Sozialleistungen aber noch längst nicht am Ende. Würde sich die Bank von heute auf morgen einvernehmlich von Ackermann trennen, stünde ihm für die ersten sechs Monate ein Übergangsgeld von 2 852 000 Euro zu. Anschließend darf er 24 Monate lang mit 75 Prozent seiner letzten Barvergütung (Grundgehalt und Zielbonus) rechnen. Macht insgesamt über 5 000 000 Euro. Nicht zu vergessen eine Übergangshilfe von 352 800 Euro pro Jahr, die noch aus einer alten Pensionszusage stammt. Mitunter gehen heute aber auch ganz einfache Vorstände kurz vor der Pensionsgrenze mit zweistelligen Millionenbeträgen nach Hause. Zygmund Mierdorf (59) etwa, bis vor etwas mehr als einem Jahr Personal-, IT- und Einkaufschef des Düsseldorfer Handelsriesen Metro. Bereits unter Hans-Joachim Körber (65), manager magazin 8/2011
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Karriere Managerpensionen
dem Vorgänger des heutigen Konzernchefs Eckhard Cordes (60), war der Multifunktionsmanager nicht mehr wohlgelitten. Nach Körbers Abgang im Sommer 2007 feierte Mierdorf dennoch ein überraschendes und mit einem neuen Fünfjahreskontrakt ausstaffiertes Comeback. Der späte Karriereschub aber währte nur kurz. Cordes kam mit Mierdorf genauso wenig zurecht wie zuvor Körber – weshalb der Mann im März 2010 endgültig verabschiedet wurde. Mierdorf wird es verschmerzen können. Das Salär für die verbleibende Dauer seines Vertrags (immerhin noch vier Jahre) bekam er genauso auf einen Schlag ausgezahlt wie seine Firmenpension. Macht in Summe exakt 13 007 000 Euro. Und wenn das verbliebene Metro-Management einen vernünftigen Job macht, wird in ein paar Jahren noch einmal ein Nachschlag von 2 544 000 Euro fällig. So viel hat der Konzern jedenfalls in der Bilanz zurückgestellt – als Ausgleich für die erfolgsbezogenen Vergütungsbestandteile, die Mierdorf wegen seiner Frühpensionierung entgangen sind. Fälle wie diese sind bei Weitem nicht nur in der Dax-Liga anzutreffen. Der Vorstand eines norddeutschen Messund Regeltechnikunternehmens etwa wurde mit Anfang 50 in den vorzeitigen Ruhestand geschickt, weil sich die pingeligen Aufsichtsgremien des Mittelständlers über die 20 Jahre jüngere Lebensgefährtin des Managers empörten. Seitdem kassiert der Mann als Übergangslösung eine Art Vorpension von seinem alten Arbeitgeber – in Höhe seines letzten Fixgehalts. Diesen Zustand kann er im Zweifel bis zu seinem 60. Geburtstag aufrechterhalten; ab diesem Zeitpunkt hat er dann Anspruch auf seine reguläre Firmenpension. Die ExFrau des Ex-Managers ist die Einzige, die mit dem Frührentneridyll nicht einverstanden ist. Sie will nun vor Gericht klären, ob es sich bei der Übergangsentschädigung tatsächlich um Altersbezüge handelt (dann stünde ihr die Hälfte zu). „Mit derartigen Rundum-sorglos-Paketen führen viele Aufsichtsräte ihre eigene Argumentation ins Absurde, mit der sie in der Vergangenheit stets die enormen Steigerungen der Vorstandsgehälter verteidigt haben“, sagt Managementprofessor Joachim Schwalbach: „Wer Millionengehälter als Absicherung 108
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gegen das gestiegene Risiko des Jobverlusts im Topmanagement zahlt, darf anschließend weder Übergangsgelder noch Abfindungen in Form von Vorruhestandsgehältern abnicken.“ TATSÄCHLICH WIRD OFT GEZAHLT, was gefordert wird, nur damit der Traumkandidat am Ende auch wirklich anheuert. Das soll selbst bei Unternehmen vorkommen, bei denen der Staat das Sagen hat. Als die Aufsichtsräte der ins Schlingern geratenen Hypo Real Estate im Spätsommer 2008 unbedingt den damaligen Deutschbanker Axel Wieandt (44) als Retter verpflichten wollten, konnten sie ihm nicht mehr als 500 000 Euro Gage bieten. Das karge Gehalt ließ sich der kühle Rechner mit einer opulenten Pensionszusage kompensieren. Nach nur 18 Monaten im Amt hat er nun im Alter Anspruch auf ein Ruhestandssalär von knapp 240 000 Euro im Jahr. Oft resultieren die goldenen Renten der Topmanager aus einer eklatanten Schwäche der Kontrollgremien. Bei Stada etwa ist das Machtverhältnis zwischen Aufsichtsrats- und Konzernchef klar zugunsten des CEOs geregelt. Chefkontrolleur Martin Abend, ein rühriger Dresdner Rechtsanwalt, hat Retzlaff, der das Unternehmen seit 1994 wie ein kleines Fürstentum regiert, im Zweifel wenig entgegenzusetzen. „Bei so einer Konstellation sind Pensions- und Abfindungszusagen an der Grenze zur Sittenwidrigkeit auch keine
Diese Rente ist sicher Die Pensionsrückstellungen der am höchsten dotierten Dax-Chefs Manager/Unternehmen
1
Pensionsrückst.1
1 Dieter Zetsche/Daimler
22 706
2 Martin Winterkorn/VW
17 857
3 Werner Wenning/Bayer2
14 675
4 Jürgen Hambrecht/BASF
14 555
5 Wulf Bernotat/Eon3
13 581
6 Josef Ackermann/Dt. Bank
13 236
7 Peter Löscher/Siemens
11 444
8 Wolfgang Mayrhuber/Lufthansa4
11 300
9 Wolfgang Reitzle/Linde
9585
10 Johannes Teyssen/Eon
8590
in Tsd. Euro; 2Vorstandsvorsitzender (VV) bis 30.9.2010; 3VV bis 30.4.2010; 4 VV bis 31.12.2010; Stand: 31.12.2010. Quelle: Geschäftsberichte
Überraschung“, urteilt Christian Strenger, Aufsichtsrat bei der Deutschen Bank Investmentgesellschaft DWS und Mitglied der Corporate-GovernanceKommission. Juristisch bieten die großvolumigen Pensionszusagen ohnehin Angriffsfläche genug. Spätestens mit dem Ende des Mannesmann-Prozesses sind die Anforderungen für die Angemessenheit der Ruhestandsvergütungen von Konzernvorständen deutlich rigider geworden. Nach Meinung des Bundesgerichtshofs muss eine Firma unmittelbar Vorteile aus den Summen ziehen, die sie ihren Vorständen bezahlt. Aufsichtsräte, die ihren Topmanagern unangemessen hohe Pensionen gewähren, würden sich dem Vorwurf der Untreue aussetzen. „Wenn man das Urteil ernst nimmt, sind viele der heute noch gängigen hohen Pensionszusagen extrem heikel“, sagt etwa der Stuttgarter Arbeitsrechtler Stefan Nägele: „Es geht letztlich um Leute, die nichts mehr für das Unternehmen tun. Bei deren Altersvergütung müsste man deshalb auch stärker auf die Angemessenheit achten als bei anderen Gehaltsbestandteilen.“ Strikter aber agieren die Aufsichtsgremien derzeit allenfalls bei Neubestellungen. An bestehende Verträge und lange existierende Pensionszusagen ihrer Topmanager hat sich bislang kaum ein Unternehmen herangetraut. Mit dieser Frage aber werden sich die Kontrolleure spätestens bei dem nächsten Abschwung auseinandersetzen müssen. Sobald sich die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens wesentlich verschlechtert, müssen sich die Aufsichtsräte Gedanken darüber machen, ob sie die Pensionszusagen für ihre Führungsspitze auf ein angemesseneres Niveau kürzen. Und das kann auch Vorstände treffen, die sich schon längst in den Ruhestand verabschiedet haben. Bis heute haben sich in den Konzernspitzen eine ganze Reihe von Privilegien gehalten, die für die Ebenen darunter unerreichbaren Luxus darstellen. Wer etwa als Henkel-Topmanager in Rente geht, bekommt erst einmal sechs Monate lang seine Grundvergütung in voller Höhe weiterbezahlt. Erst anschließend fließt die von der Größenordnung her spürbar kleinere Betriebsrente. Beim weltweit größten Rückversicherer, Munich Re, haben Vorstände bereits
Goldener Schnitt Wie sich die Pensionszusagen von Deutschlands Topmanagern im vergangenen Jahr erhöhten und welche Ruhegeldansprüche daraus künftig entstehen können ... auf welche Summen diese Rückstellungen bis zum Rentenbeginn1 anwachsen ...
Bayer
2.175.000
3.414.531
172.000
2 Karl-Ludwig Kley (60)
Merck
2.162.000
2.572.225
133.000
3 Volker Kronseder (57)3
Krones
2.070.000
2.701.759
139.000
4 Jürgen Großmann (59)4
RWE
2.000.000
2.492.314
129.000
5 Josef Ackermann (63)
Dt. Bank
1.263.000
1.305.732
69.000
6 Wolfgang Reitzle (62)
Linde
1.178.000
1.276.235
67.000
Siemens
1.120.000
1.758.294
88.000
Aareal
1.108.000
1.821.360
91.000
1 Marijn Dekkers (53)
7 Peter Löscher (53) 8 Wolf Schumacher (53) 9 Hartmut Retzlaff (57) 10 Werner Andree (60) 11 Ekkehard Schulz (70)5
Stada
941.000
1.228.180
63.000
Vossloh
924.000
1.099.309
57.000
ThyssenKrupp
906.000
906.000
54.000
VW
901.000
901.000
44.000
Salzgitter
894.000
894.000
45.000
12 Martin Winterkorn (64)5 13 Wolfgang Leese (65)5
... und wie viel Pension2 es am Ende dafür gibt (pro Jahr, in Euro)
13 Nikolaus von Bomhard (54)
Munich Re
894.000
1.340.278
68.000
15 Claus-Dietrich Lahrs (48)
Hugo Boss
864.000
1.785.837
87.000
Hannover Rück
776.000
1.060.755
54.000
Allianz
743.000
1.015.642
52.000
Klöckner
740.000
1.273.637
64.000
Daimler
712.000
929.301
48.000
Continental
681.000
1.172.088
58.000
Puma
647.000
1.337.309
65.000
Wacker
602.000
822.910
42.000
Lufthansa
600.000
600.000
30.000
16 Ulrich Wallin (56)3 17 Michael Diekmann (56) 18 Gisbert Rühl (52) 19 Dieter Zetsche (58) 20 Elmar Degenhart (52) 21 Jochen Zeitz (48)3 22 Rudolf Staudigl (57) 23 Wolfgang Mayrhuber (64)5 23 Louis Gallois (67)5 25 René Obermann (48) 26 Stefan Schulte (51) 27 Ulf M. Schneider (45) 28 Frank Appel (49) 29 Kasper Rorsted (49) 30 Mathias Döpfner (48)
EADS
600.000
600.000
32.000
Deutsche Telekom
575.000
1.188.498
58.000
Fraport
553.000
996.464
49.000
Fresenius
514.000
1.163.708
56.000
Deutsche Post
496.000
935.662
46.000
Henkel
461.000
910.334
45.000
Axel Springer
401.000
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1Pensionsanspruch auf den 65. Geburtstag hochgerechnet; 2lebenslange Rente ohne Kapitalverzehr; 3Pensionsansprüche geschätzt, da nicht individuell ausgewiesen; 4Großmann bekommt statt einer Pensionzusage einen Barausgleich von zwei Millionen Euro; 5der Vorstandsvorsitzende ist 64 Jahre oder älter, Pensionsansprüche wurden so behandelt, als ob sie bereits fällig wären.
FOTO: JULIAN STRATENSCHULTE / PA / DPA
Wie viel 2010 in die Pensionsrückstellungen floss ...
Marijn Dekkers: Von null auf eins im Rentnerranking – der neue Bayer-Spitzenmann
FOTO: OLIVER TJADEN / LAIF
Unternehmen
Jürgen Großmann: Der RWE-Lenker bekommt seine Pension mit dem Gehalt gezahlt
FOTO: VAN TINE DENNIS / ABACA
Rang/Vorstandschef (Alter)
Jürgen Zetsche: 22,7 Millionen hat Daimler für seinen Chef zurückgestellt – 712 000 Euro allein im Jahr 2010
Quelle: Humboldt Universität Berlin, FSS Online
Die Mathematik der Chefpension Die Rückstellung: manager magazin hat
mit Professor Joachim Schwalbach von der Humboldt Universität Berlin und Vergütungsexperten die Pensionszusagen der Dax- und M-Dax-Chefs analysiert. Der Pensionsanspruch: Das auf die
Bewertung privater Rentenpolicen spezia-
lisierte Siegburger Softwarehaus FSS rechnete hoch, welche Pension jeder Konzernchef aus dem 2010 für ihn zurückgestellten Kapital ab 65 erwarten kann. Dabei geht es nur um die im Jahr 2010 erworbenen Ansprüche. Die Gesamtpensionen sind höher. Die Rückstellungen jüngerer Manager werden länger verzinst
als die von älteren Spitzenkräften. Aus identischen Rückstellungen entstehen deshalb unterschiedliche Pensionsansprüche. Umgekehrt erhält etwa Wolfgang Mayrhuber trotz gleich hoher Rückstellungen eine geringere Pension als EADSChef Louis Gallois, da der Lufthanseat jünger ist und länger Rente beziehen wird.
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Karriere Managerpensionen
mit 50 Anrecht auf ein vorgezogenes Ruhegeld, wenn nicht verlängert wird. Für die Topleute des Essener Stromriesen RWE gibt es die Firmenrente ab 55 sogar dann, wenn ihr Kontrakt vorzeitig aufgelöst wird. Spitzenmanager der Deutschen Börse und der Deutschen Post können sich dagegen bei Erreichen der Altersgrenze entscheiden, ob sie sich ihre Pensionsansprüche als Rente oder auf einen Schlag auszahlen lassen. Für Börsenchef Reto Francioni (55) würde letztere Variante auch nicht zu verachtende steuerliche Vorteile bedeuten, wenn er sich anschließend endgültig in seine Schweizer Heimat verabschiedete. EINE GANZ BESONDERE VARIANTE des sanften Übergangs hat man sich bei Adidas einfallen lassen. Wenn Vormann Herbert Hainer (57) in den Ruhestand wechselt oder sein Vertrag nicht verlängert wird, muss er sich keineswegs nur mit seinem Fixum (derzeit 1,4 Millionen Euro) als Übergangsgeld abfinden. Stattdessen stehen ihm 125 Prozent seines zuletzt erreichten Performance-Bonus zu. Was nach heutigem Stand knapp 2,2 Millionen Euro wären. Bei Wolfgang Mayrhuber (64), bis Ende 2010 oberster Lufthanseat, heißt das Übergangsgeld zwar Kompensationsleistung für ein zweijähriges Wettbewerbsverbot, liefert aber identische Resultate. 600 000 Euro erhält Mayrhuber bis zu seinem 65. Geburtstag insgesamt. Anschließend überweist ihm der Konzern in zehn jährlichen Raten den Gegenwert seines Versorgungskontos, das Ende 2010 einen Stand von rund elf Millionen Euro erreicht hatte. Und der zweite prominente Dax-Pensionär der vergangenen Monate, der langjährige ThyssenKrupp-Lenker Ekkehard Schulz (70), wird als einer der letzten die Altersinsignien der alten Deutschland AG in Anspruch nehmen. Zusätzlich zu seiner jährlichen Pension von 628 000 Euro stehen ihm noch fünf Jahre lang Dienstwagen samt Chauffeur, sowie Büro und Sekretärin zu. Noch immer garantieren zwei Drittel aller Dax-Konzerne ihren Topleuten zwischen 50 und 70 Prozent ihres letzten Grundgehalts als Altersbezüge – lebenslänglich. „Das ist bei der noch immer steigenden Lebenserwartung ein im Grunde nicht mehr zu vertretendes Risi-
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Rentierliche Rente Worauf Manager achten sollten Unverfallbarkeit: Laut Gesetz muss die
Zusage zur Altersversorgung fünf Jahre bestanden haben, bevor sie unverfallbar ist. Davon abweichend kann man vertraglich jedoch die Unverfallbarkeit ab dem ersten Tag festschreiben lassen. Achtung: Eine solche Zusage wäre in den ersten fünf Jahren nicht insolvenzgeschützt. Anspruchshöhe: Günstiger als eine feste Bemessungsgröße ist ein prozentualer Anteil am Fixgehalt; üblich ist eine Steigerung dieses Anteils bei längerer Betriebszugehörigkeit. Achtung: Der Anspruch besteht prinzipiell nur für die Zeit, die der Manager auch tatsächlich im Unternehmen gearbeitet hat (m/n-tel-Regel). Wer das vermeiden will, sollte den Vertrag so verhandeln, dass die volle Summe unabhängig von der Betriebszugehörigkeit gezahlt wird. Rückdeckungsversicherung: Sie ist
sinnvoll, um die betriebliche Altersvorsorge für den Insolvenzfall zu schützen, denn der Pensionssicherungsverein springt nur bis zu einem bestimmten Betrag ein und schließt Topmanager unter bestimmten Voraussetzungen aus. Achtung: Die Ansprüche aus dieser Police müssen an den Manager verpfändet werden, sonst ist die Versicherung im Insolvenzfall nutzlos. Übergangsgeld: Für den Fall der Be-
endigung des Arbeitsverhältnisses vor regulärem Rentenbeginn können Manager Übergangsgelder bis zum Erreichen des Pensionsalters verhandeln. Achtung: Übergangsgeld hat in der Regel keinen Versorgungscharakter und ist nicht durch das Gesetz zur betrieblichen Altersversorgung geschützt.
Peter Rölz ist Arbeitsrechtler und Geschäftsführender Partner der Kanzlei Ulrich Weber & Partner in Frankfurt
ko“, sagt Christoph Adams, Vergütungsexperte bei Kienbaum. Zumindest für ihre Belegschaften wollen die Konzernherren diese potenzielle Verlustgefahr auch nicht mehr akzeptieren – unterhalb der Vorstandsebene fand der Systemwechsel hin zu den „defined contributions“, also zur Garantie der eingezahlten Beträge, flächendeckend statt: Die finanziellen Folgen der demografischen Unsicherheit tragen die Mitarbeiter. „Für die Alteingesessenen auf der obersten Ebene aber gelten vielfach noch die alten Gesetze“, sagt Boris Dzida, Arbeitsrechtler bei Freshfields Bruckhaus Deringer. Für neu bestellte Vorstände allerdings beginnen sich die verschärften Regelungen des Aktienrechts langsam bemerkbar zu machen. Die Nachwuchskräfte müssen sich von der Idee garantierter Altersbezüge und großzügiger Übergangsgelder verabschieden. So kann auch der neue Lufthansa-Chef Christoph Franz (51) nur noch mit 70 000 Euro jährlicher Entschädigung rechnen, wenn sein Vertrag mit 55 nicht mehr verlängert wird. „Bei den jungen Vorständen hat das Interesse an Betriebspensionen auch spürbar nachgelassen“, beobachtet Personalberater Hermann Sendele: „Sie konzentrieren sich eher auf den Aufbau ihrer eigenen Altersversorgung und deshalb zum Beispiel auf mit Aktien oder Aktienoptionen unterlegte langfristige Vergütungsbestandteile.“ Die können in der Tat viel lukrativer sein als jede noch so hoch dotierte Pensionszusage. Springer-Chef Mathias Döpfner (48) etwa bekam von seiner Großaktionärin im Sommer 2006 ein Paket von 680 000 Aktien zu Sonderkonditionen angedient. 52,4 Millionen Euro bezahlte er damals an Friede Springer für die Papiere, deren Wert sich heute auf insgesamt mehr als 70 Millionen Euro beläuft. Macht innerhalb von fünf Jahren immerhin ein Plus von 18 Millionen Euro. Der einstige Post-Chef Klaus Zumwinkel brauchte für sein ähnlich dimensioniertes Alterskapital noch knapp 20 Jahre Ansparzeit. Am Ende waren die Chauffeure, Gärtner und Sekretärinnen, die den Konzernfürsten früher zur Verbesserung der Lebensqualität im Alter auf Unternehmenskosten zur Verfügung standen, für die Aktionäre womöglich billiger als die turbokapitalistische Betriebsrente der Neuzeit. Dietmar Palan/Klaus Werle
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KOLUMNE
Was Frauen wollen Führungskräfte überleben nur, wenn sie Männer und Frauen erreichen. VON AVIVAH WITTENBERG-COX
WAS HAT DEUTSCHE-BANK-CHEF Josef Ackermann mit vielen an-
deren CEOs gemeinsam? Sie wissen alle nicht, wie man Frauen führt. Ackermann sorgte weltweit für Schlagzeilen, als er sagte, Frauen brächten „Farbe“ und „Schönheit“ in die Vorstandsetagen. Er ist nicht der Einzige, der zum Thema Gender gut gemeinte, aber völlig unbeholfene Aussagen macht. Wie bekommen Führungskräfte einen besseren Draht zu den Konsumentinnen, einer immer einflussreicheren und sich schnell verändernden Kundengruppe? Frauen machen rund 60 Prozent der Abschlussjahrgänge an europäischen Universitäten aus, treffen 80 Prozent der Kaufentscheidungen bei Konsumgütern, verdienen weltweit um die 13 Billionen Dollar. Das ist mehr als das BIP von Indien und China zusammen. In der vergangenen Dekade haben global expandierende Unternehmen sehr wohl die Sprache und die Kultur von Ländern wie China und Indien gelernt, um das enorme Potenzial dieser Märkte zu erschließen. Führungskräfte sind multikulturell und mehrsprachig geworden. Aus unternehmerischer Sicht wäre es ebenso sinnvoll, „zweisprachig“ in Bezug auf Männer und Frauen zu werden – und mit den entsprechenden sprachlichen und kulturellen Kenntnissen das größtmögliche Geschäft des Jahrhunderts zu erschließen: Frauen. Im 21. Jahrhundert müssen Unternehmen mit Umwälzungen in drei Bereichen zurechtkommen: IT, Umwelt, Frauen. Deutsche Unternehmen haben die ersten beiden Bereiche erstaunlich erfolgreich gemeistert. Die Entscheidung, die Kernkraft aufzugeben und in erneuerbare Energien zu investieren, um in diesem Sektor Weltmarktführer zu werden, ist das jüngste Beispiel dafür, wie sich globale Trends für Wettbewerbsvorteile nutzen lassen. UMSO EIGENARTIGER IST ES, dass sich Deutschland mit dem dritten Bereich so schwertut: Frauen. Gesellschaftliche Innovationen sind zweifellos schwieriger als technologischer Wandel. Doch der potenzielle wirtschaftliche Nutzen ist genauso groß. Die meisten Manager sind überzeugt, dass sie alle fair und gleich behandeln. Dass das aktuelle Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern in der Wirtschaft mit „persönlichen Entscheidungen“ der Frauen zusammenhängt. Dass in ihrem Unternehmen nur die Kompetenz zählt. Es sind genau diese Annahmen, die dem Fortschritt im Weg stehen. Der Schlüssel zum Potenzial der Frauen liegt darin, die Unterschiede zwischen
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Männern und Frauen zu erkennen, anzunehmen und zu bedienen – als Talente und als Märkte. Deshalb mein Plädoyer für „Geschlechterzweisprachigkeit“. Unsere Welt wird zunehmend multipolar. Neben der westlich, angelsächsisch und männlich geprägten Kultur des 20. Jahrhunderts rücken immer stärker auch Perspektiven und Werte anderer Kulturen in den Vordergrund. Gleichzeitig verschiebt sich das Kräftegleichgewicht zwischen Männern und Frauen. Wenn Führungskräfte diese Entwicklungen ignorieren, wird es gefährlich. In den USA und in Kanada stellen Frauen mittlerweile die Mehrheit der Erwerbsbevölkerung, in nahezu jedem anderen Land die Mehrheit des qualifizierten Talentpools. Ein tief greifendes Verständnis dafür, wie man weibliche Talente gewinnt, hält und entwickelt und wie man sowohl männliche als auch weibliche Kunden erreicht, muss zum Standardrepertoire aller Führungskräfte gehören. Dies bedeutet nicht, alle gleich zu behandeln. Es bedeutet, die Kenntnis zu entwickeln für die Eigenheiten und Unterschiede zwischen den Geschlechtern, um beide Gruppen angemessen und effektiv führen zu können. KOMMUNIKATION SPIELT DABEI EINE ZENTRALE ROLLE. Auf einer Konferenz sagte vor Kurzem ein überaus progressiver CEO, der in seinem Unternehmen für Geschlechtergleichgewicht sorgen will, es komme darauf an, die richtigen Leute auf die „Polepositions“ zu setzen. Seine Kollegin, die Chefin einer der größten Sparten im Konzern, schaute ebenso verständnislos drein wie ich. Er erklärte uns, dass der Ausdruck „Poleposition“ im Motorsport die Startposition der Fahrzeuge angibt und die vorderen Positionen dem jeweiligen Fahrer einen Vorteil verschaffen. Ihm war überhaupt nicht klar, dass er sich gegenüber den (beiden) Frauen im Raum unverständlich ausdrückte. Genau das tun Führungskräfte regelmäßig. Unbeabsichtigt. Sie reden, wollen führen und ihr Publikum erreichen, sowohl intern als auch extern. Dabei merken sie gar nicht, dass sie die Hälfte der Beschäftigten und die Hälfte des Kundenkreises nicht erreichen. Ich berate regelmäßig CEOs zu diesem Thema. Ihrer Meinung nach müssen sie lernen, Chancengleichheit für Frauen zu kommunizieren, weil sie sich auf diesem Gebiet unwohl und unsicher fühlen. Meiner Meinung nach ist die Herausforderung deutlich größer: Sie müssen lernen zu kommunizieren. Wenn die dominierende Gruppe von heute nicht ersetzt werden will, muss sie sich an die massiven Veränderungen anpassen. Die Führungskräfte von heute haben erkannt, dass sie global und mehrsprachig sein müssen, um sich weiterhin behaupten zu können. Die Führungskräfte von morgen müssen erkennen, dass sie nur überleben, wenn sie auch in GenderFragen zweisprachig sind. ◆
Avivah Wittenberg-Cox, CEO 20-first, ist Autorin von „How Women Mean Business“ (Wiley 2010) und Koautorin von „Why Women Mean Business“ (Wiley 2008).
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9 (6) Ehrliche Arbeit Norbert Blüm, Gütersloher Verlagshaus, 19,99 Euro
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12 (10) Die facebook-Falle Sascha Adamek, Heyne, 16,99 Euro
13 (13) Die 4-Stunden-Woche Timothy Ferriss, Econ, 16,90 Euro
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(–) Das Gespenst des Kapitals Joseph Vogl, Diaphanes, 14,90 Euro Hier rückt der Berliner Professor für Literaturwissenschaft dem Kapitalis mus kulturkritisch zu Leibe: Arbeitet das System tatsächlich noch effizient und rational? Wirkt Adam Smiths „unsichtbare Hand“ noch, oder ist sie angesichts der Finanzkrise erlahmt? Klarsichtiger und kluger Essay.
15 (12) Wohlstand ohne Wachstum Tim Jackson, Oekom, 19,95 Euro
Die Bestsellerliste wird exklusiv für mm von der Fachzeitschrift „buchreport“ ermittelt. Sie basiert auf den Abverkäufen aus circa 450 repräsentativ ausgewählten Buchhandlungen.
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Wer hat’s gewusst? MICROSOFT Paul Allen, der Mitgründer des Weltkonzerns,
geht mit IT-Legende Bill Gates gnadenlos ins Gericht. ERKENNTNISWERT: Kaum ein Buch hat in
Corporate America derart viel Aufsehen erregt wie „Idea Man“. Denn das gerade auf Deutsch erschienene Werk des Microsoft-Mitgründers Paul Allen ist nur vordergründig eine Autobiografie. In Wahrheit ist es vor allem eine Abrechnung mit Allens Kompagnon Bill Gates. Lange galten die beiden als Freunde. Allen lässt aber nun keine Gelegenheit aus, um Gates schlecht dastehen zu lassen, bis hin zu den Tischmanieren. So schildert er, dass „Bill“ zuweilen sein Hähnchen mit dem Löffel aß, statt mit Messer und Gabel. Und Allen behauptet, bei einer gemeinsamen Geschäftsreise nach Japan habe sich Gates, vom Gastgeber vor die Wahl gestellt zwischen einem guten Essen und einem Besuch bei Geishas, für Letzteres entscheiden wollen – bis Allen intervenierte. Die Abrechnung gipfelt in der Schilderung einer Unterhaltung zwischen Gates und Steve Ballmer im Jahr 1982, die Allen zufällig belauscht haben will: Die beiden beklagten sich darüber, dass Allens Produktivität aufgrund seiner Krebserkrankung nachgelassen habe, und überlegten, wie sie seine Anteile an Microsoft verwässern könnten. STIL: So schlimm ist es nicht gekommen, und Allen, der MicroExzellent ■■■■
soft noch vor dem Börsengang verließ, ist inzwischen einer der reichsten Amerikaner. Inneren Frieden gab ihm das nicht: Er möchte endlich klarstellen, dass er der Mann mit den brillanten Ideen war. So geht in „Idea Man“ der Name Microsoft auf seinen Einfallsreichtum zurück; schon Ende der 70er Jahre will er vorausgesehen haben, dass die Menschen Zeitungen irgendwann online lesen würden. Allen hat einen Profischreiber zu Hilfe genommen, entsprechend faszinierend ist die Lektüre. Dennoch: Das GatesBashing wirkt übertrieben. NUTZWERT: Allen hat Microsoft 1983 verlassen. Aktuelle Einblicke in den ITKonzern erhält man hier nicht, aber praktische Tipps für den Alltag: Probleme sollte man gleich besprechen, anstatt sie ein halbes Leben mit sich herumzuschleppen. Astrid Maier
Paul Allen:
„Idea Man“, Campus, 430 Seiten, 24,99 Euro. mm-Bewertung:
Erkenntniswert: Stil: Nutzwert: Gut ■■■■
Mäßig ■■■■
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Schlecht ■■■■
Wirtschaft täglich live DIE TELEBÖRSE n-tv. Der Nachrichtensender.
Bücher
Betriebsfeuerwehr gesucht MANAGEMENT Warum nicht nur Menschen, sondern
auch Unternehmen an Burn-out erkranken können. ERKENNTNISWERT: Zu Beginn scheint die Lage noch komfortabel, das Geschäft läuft, die Symptome sind unscheinbar. Vielleicht werden mehr Mails geschrieben als notwendig, vielleicht ist das Topmanagement etwas weniger sichtbar als üblich, vielleicht wirkt die eine oder andere Führungskraft zunehmend zynisch. Doch was mit kleinen Irritationen im Betriebsablauf beginnt, kann sich schnell zur handfesten Firmenkrise auswachsen, zum „Organizational Burnout“. Diese missliche Verfassung definiert Gustav Greve, Unternehmensberater und ehemaliger Vice President International von Arthur D. Little, als „erschöpften und paralysierten Zustand“ eines Unternehmens, den es „mit eigenen Ressourcen nicht mehr positiv verändern kann“. Am Ende steht nicht selten die
Insolvenz. Dass nicht nur Menschen, sondern auch Unternehmen ausbrennen können, ist nicht neu. Doch Greve liefert einen systematischen Überblick über Ursachen und Diagnosemöglichkeiten. So sind etwa intelligente (und erfolgreiche) Organisationen eher zum Burnout prädestiniert, weil sie „sensibel sind wie Rennpferde, aber häufig behandelt werden wie Lastesel“. Besonders dann, wenn sich eine „erfolgsarrogante“ Führung auf den Lorbeeren vergangener Zeiten ausruht oder ungleiche Kulturen fusioniert werden, wie bei Dresdner Bank und Commerzbank. STIL: Greve schreibt fundiert, bemüht sich jedoch um einen lebendigen Erzählfluss. Eine mi-
Waffenruhe im Zickenkrieg FRAUEN Die Arbeitswelt muss weiblicher werden, aber wie?
Ein unaufgeregter Beitrag zum Quotenkampf. ERKENNTNISWERT: Frauen mit Karriereambitionen sind in Wirtschaft und Politik heiß umworben – aber auch nur dort. Die Gesellschaft beäugt sie mit Misstrauen; vor allem ihr ewiger Widerpart, die deutsche Übermutter, urteilt schnell und hart: Erfolgreich = einsam und kinderlos, lautet die beliebte Gleichung, die Karrierefrauen schnurstracks in die „Emanzipationsfalle“ abschiebt. Wie tief die Gräben noch immer sind zwischen berufstätigen Frauen und NurMamas, musste Bettina Wündrich beim 30. Abiturtreffen feststellen. Unter lauter Hausfrauen fand ihre Vita als Erfolgsjournalistin kaum Beachtung, gegen Kinderfotos kommen Jahre als Chefin namhafter Zeitschriften nicht an. Statt sich in den Schmollwinkel zurückzuziehen, legte Wündrich die Verarbeitung des
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Erlebten als Recherche an: Warum gingen die Lebenswege von Frauen, die alle im Lila-Latzhosen-Feminismus der 70er und 80er Jahre sozialisiert worden sind und jetzt an den Schalthebeln der Macht sitzen könnten, so weit auseinander? STIL: Unaufgeregt, nachdenklich und endlich mal ohne die üblichen Beschimpfungen „der Männer“ oder „der Mütter“, die Bücher zu diesem Thema meist unerträglich rechthaberisch erscheinen lassen. Mancher Aspekt („Männer in den Wechseljahren“) wäre allerdings verzichtbar gewesen. NUTZWERT: Wündrich beschreibt ihre eigene Lust an der Arbeit und an selbst verdienter finanzieller Freiheit. Und sie hat sich trotz ihres Insidertums die Exzellent ■■■■
nutiöse Gliederung und knackige Formulierungen („Wer auf dem letzten Loch pfeift, bringt keine neue Melodie zustande“) machen das Buch gut lesbar. NUTZWERT: Vor allem Führungskräften seit Langem erfolgreicher Unternehmen in saturierten Märkten dürfte das Buch die Augen öffnen. Denn das überraschendste Symptom für das Burn-out ist zwar eine naheliegende Reaktion, befeuert das Ausbrennen aber zusätzlich: Immer bessere Leistungen werden verlangt, aber nicht als solche gewürdigt. Die ständige Selbstorganisation setzt das Unternehmen unter Stress und raubt kreative Energie. Irgendwann bricht dann auch das beste Pferd zusammen. Klaus Werle
Gustav Greve:
„Organizational Burnout“, Gabler, 281 Seiten, 34,95 Euro. mm-Bewertung:
Erkenntniswert: Stil: Nutzwert:
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Erkenntnis bewahrt, dass eine Karriere in der männerdominierten Unternehmenskultur schlicht viel Stress bedeutet und sich mit den vielfältigen Lebensaufgaben von Frauen oft nur schwer vereinbaren lässt. Deshalb appelliert sie an ihre eigene Kaste, die Erfolgsfrauen, sich die Kriterien für eine gelungene berufliche Laufbahn nicht länger unterwürfig bei den Männern und ihrer Rund-um-dieUhr-Schufterei abzuschauen, sondern für Teilhabe an der Macht nach eigenen Maßstäben zu kämpfen. Damit noch mehr Frauen auf die Killerfrage „Kinder oder Karriere?“ in Zukunft ganz entspannt antworten können: „Beides, na klar.“ Eva Buchhorn
Bettina Wündrich:
„Einsame Spitze?“ Rowohlt, 224 Seiten, 16,95 Euro. mm-Bewertung:
Erkenntniswert: Stil: Nutzwert: Gut ■■■■
Mäßig ■■■■
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Schlecht ■■■■
SO VIEL
MITEINANDER
lässt neue Perspektiven entstehen.
URSULA FUSS ist Architektin. Gemeinsam mit ihrem Frankfurter Team entwickelt sie Ideen für eine Stadt, die für jeden zugänglich ist. Klar, dass Barrieren in ihren Plänen keinen Platz haben. Mehr erfahren Sie unter www.aktion-mensch.de
PRIVATE BANKING
DAS FEST DER MILLIONÄRE
liarden Dollar Kundenkapital, fast so viel wie vor der Krise. Dabei sind Hedgefonds nicht länger die Domäne der Superreichen, sondern werden immer stärker von Pensionskassen, Stiftungen und Versicherern genutzt, sodass inzwischen ein Teil der Altersvorsorge vieler ganz gewöhnlicher Arbeitnehmer von ihnen abhängt. Seit der Finanzkrise haben institutioHEDGEFONDS nelle Anleger die Privatanleger als größte Kundengruppe überholt: Stammten noch 2008 nur 44 Prozent der Hedgefondsgelder von institutionellen Investoren, sind es heute schon 61 Prozent, meldet der Datenlieferant Preqin. Weil die teils hochspekulativen Strategien immer häufiger als EU-regulierte Investmentfonds angeboten werden, sind sie einfacher verfügbar für deutsche Lebensversicherer, Versorgungskassen und sogar Privatanleger. onaco im Juni: Frauen in Ver- voll, dass man nicht umfallen kann, zum Wer aber sind die Menschen hinter sace gehen Gassi mit ihren Glück: Denn ein Banker, der sich durch den Fonds? Wie wollen sie in KrisenChihuahuas, vorbei an violett die Menge vor Sullengers Tisch schiebt, zeiten Geld verdienen? Handeln sie umleuchtenden Bougainvilleen. Männer ist so betrunken, dass er den Hedge- sichtig, oder spekulieren sie mit ungemit Zigarre flanieren vor den Ferraris fondsmanager beim Händeschütteln bremstem Risiko? Kurz gesagt: Können von Motor Cars Monaco an der Avenue nach vorn auf die Tischplatte reißt, so- Anleger ihnen ihr Geld anvertrauen? Princesse Grace. dass Wein- und Wasserflaschen umstür- manager magazin hat auf der weltgrößDirekt neben dem Autogeschäft auf zen. Die Besitzer einiger teurer Jacketts ten Hedgefondskonferenz in Monaco der Terrasse des „Sass’ Café“ lässt sich sind nicht amüsiert, doch die Flecken Antworten auf diese Fragen gesucht. Coast Sullenger (42), ein sportlicher Typ trocknen bald, und die Party geht weiter Wer Coast Sullenger abends beim Feimit dunklen Locken, einen gut gekühlten bis in den frühen Morgen. ern im „Sass’ Café“ beobachtet, könnte französischen Rosé schmecken. Der CoDie Branche hat Grund zu feiern: ihn für einen der vielen in Monaco ansäsGründer des Rohstoff-Hedgefonds Gaia Hedgefonds sind auch vier Jahre nach sigen reichen Müßiggänger halten. Doch Capital wirbt seit zwei Tagen um Kun- Ausbruch der Finanzkrise kaum regu- der Amerikaner, der auf einer ehemaliden auf der Konferenz Gaim 2011, dem liert, der befürchtete Angriff der Politik gen Farm in Virginia aufgewachsen ist größten Treffen der Branche. ist ausgeblieben. Die Manager haben das und heute einen Bauernhof in der Nähe Doch nun ist es zehn Uhr abends, Vertrauen der Kunden zurückgewonnen von Genf besitzt, hat ein ernstes AnSullenger hat den Anzug gegen eine und kontrollieren nach Angaben des liegen. „Das Thema unseres Fonds ist: helle Kakihose und ein offenes Hemd Branchendienstes Eurekahedge 1820 Mil- die Welt ernähren“, sagt Sullenger. „Bis getauscht und plaudert mit ei2030 muss die Lebensmittelner Runde aus Investoren und produktion weltweit um 50 ProHedgefondsmanagern. Am Nezent steigen, um den Bedarf zu Die Geldgeber der Hedgefonds bentisch nippt Michael Gabelli decken. Darauf setzen wir.“ Herkunft des verwalteten Kapitals, in Prozent an einem Heineken, der Sohn Der Gaia World Agri Fund des US-Milliardärs Mario Gainvestiert in Aktien von Agrar6 Sonstige Banken 2 belli, dessen Fondsgesellschaft unternehmen in WachstumsVersicherer 3 Gamco 35 Milliarden Dollar märkten wie Brasilien, der Gemeinnützige verwaltet. Ukraine oder China. Einige von Stiftungen 9 Gegenüber am Caféfenster Sullengers Favoriten sind nicht 39 Privatanleger Family Offices % haben sich Mädchen in Hoteinmal an der Börse notiert, und Privatstiftungen 10 pants in der Nähe des großen sondern hoffen erst noch auf Dach Hedgefonds 13 Geldes aufgebaut, der Remix eiein Marktdebüt. Gelingt es, 18 Pensionskassen nes Katy-Perry-Hits schmettert können vorbörsliche Investoaus den Lautsprechern. Es ist so Grafik: manager magazin Quelle: Preqin ren wie Gaia ihren Einsatz oft
An der Côte d’Azur feierte die Hochfinanz ausgelassen das Ende der Krise. manager magazin war dabei.
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FOTO: [M] JÖRG BROCKMANN FÜR MANAGER MAGAZIN
Coast Sullenger investiert in wenig bekannte Agrarfirmen, denn der Lebensmittelbedarf steigt. Sein Fonds Gaia Capital tappte zuletzt jedoch in dieselbe Falle wie Branchengröße John Paulson.
Private Banking Hedgefonds
vervielfachen. Doch scheitern die Börsenpläne, drohen hohe Verluste. Zuletzt hatte Sullenger Pech: 6 Prozent des Fondskapitals steckten in Aktien des chinesischen Holzproduzenten SinoForest. Nach Betrugsvorwürfen brach im Juni an der Börse Toronto der Marktwert von zuvor umgerechnet 3,2 Milliarden Euro um 90 Prozent ein. Sino-Forest soll mithilfe von Mittelsmännern seine Umsätze vorgetäuscht haben. Sullenger ist nicht der einzige ChinaKracher: Starmanager John Paulson, der ein Vermögen mit seiner Wette auf einen Zusammenbruch des US-Immobilienmarktes verdiente, hat bei Sino-Forest 750 Millionen Dollar verloren. die Risiken und die Macht von Hedgefonds: Sie sind nicht nur die Hauptinvestoren bei Sino-Forest, sondern auch die Ermittler stammen aus ihren Reihen. Der auf das Aufspüren von Betrugsfällen spezialisierte Hedgefonds Muddy Waters Research checkte das Unternehmen in China, um dann in großem Stil auf fallende Kurse zu wetten und die Vorwürfe öffentlich zu machen. Der Skandal zeigt aber auch, wie schwer es ist, selbst an einem fundamentalen Trend Geld zu verdienen: dem Anstieg der Agrargüterpreise aufgrund der wachsenden Weltbevölkerung. Dabei hat Gaia-Chef Sullenger einen Vorteil im Vergleich zu anderen Agrarspekulanten: Sein Fonds investiert in Unternehmen, also in die Produktion von Lebensmitteln. Mancher Hedgefondskollege dagegen wettet an den Terminbörsen auf steigende Preise – und wird so zum Feindbild der Politik. Ein solcher Spekulant ist „Schokofinger“: Unter diesem Spitznamen wurde Anthony Ward (51) im vergangenen Jahr bekannt. Der Co-Gründer des Hedgefonds Armajaro sicherte sich mithilfe von börsengehandelten Warenterminkontrakten 15 Prozent der Weltkakaoernte, sodass Schokoladenhersteller um Nachschub bangten und ihm vorwarfen, den Markt in die Enge zu treiben. Der Preis kletterte zunächst tatsächlich, weil Analysten eine schlechte Ernte fürchteten. Im Herbst fiel er dann jedoch stark, weil die Ernte trotz der anders lautenden Prognosen gut war. Ward stieg im Herbst ohne größeren Verlust aus – und verpasste damit das Geschäft seines Lebens. „Wenn wir all
DER FALL ENTHÜLLT
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den Kakao gehalten hätten bis zu den Unruhen in der Elfenbeinküste im November und dem im Januar folgenden Exportstopp, hätten wir ein Vermögen damit verdient“, sagt der Armajaro-Chef. Aber warum hat er dann verkauft? „Es wurde unerträglich“, sagt Ward. „Ich hätte eine Lastwagenladung Geld verdient. Aber wenn deine Kinder angegriffen werden, wenn dein Büro attackiert wird, dann ist es das nicht wert.“ Der Druck der Politik auf die Agrarspekulanten dauert unvermindert an. Während Ward auf der Konferenz in Monaco spricht, hält Nicolas Sarkozy in Paris eine Rede. „Die Preisschwankungen sind eine Plage für Landwirte und Verbraucher, die ganze Bevölkerungen in Hunger und Armut stürzen kann“, wettert Frankreichs Präsident beim Treffen der Landwirtschaftsminister der 20 größten Wirtschaftsnationen. Er fordert eine Regulierung der Warenterminmärkte für Agrargüter. Die Attacke auf das Geschäftsmodell der Hedgefonds ist Minuten später auf den Blackberry-Mobiltelefonen der Manager in Monaco angekommen. Was Ward denn von Sarkozys Vorschlag halte, fragt Gaia-Chef Sullenger den Kol-
„80 Prozent der Wall Street leben vom Glück und dem Gesetz der großen Zahl.“ Neal Berger, Gründer des Vermögensberaters Eagle’s View Asset Management
legen. „Der Vorschlag ist sehr gefährlich“, sagt „Schokofinger“ Ward. Ob der politische Druck der Grund dafür war, dass Ward sich 2010 am Kakaomarkt das Geschäft seines Lebens entgehen ließ, ist indes zweifelhaft. Gut möglich, dass er sich einfach von seinen Analysemodellen in die Irre führen ließ, die anhand der Wetterdaten im Herbst einen fallenden Kakaopreis vorhersagten. Dass selbst der beste Kenner eines Marktes beim Investieren völlig dane-
benliegen kann, ist nicht neu. Schon in den 70er Jahren verfolgte die Commodities Corporation eine ganz ähnliche Strategie wie Ward und Armajaro. Und doch wurde der frühe Hedgefonds im ersten Jahr fast insolvent, weil unvorhersehbare Ereignisse die plausiblen Wetten auf Rohstoffpreise scheitern ließen. Was die Commodities Corporation doch noch zu einem legendären Erfolg machte: Sie entwickelte eines der ersten statistischen Computermodelle, das Trends in den Kursen früh erkennen konnte. Der Computer half den Marktexperten, den richtigen Zeitpunkt zum Einstieg zu finden. Heute bieten Computermodelle weit mehr als ein Hilfsmittel zum Timing von Kurswetten. Die aus ihnen hervorgegangenen automatischen Handelsprogramme sind selbst eine der größten Hedgefondsgruppen, auch systematische Global-Macro-Fonds genannt, weil sie nach einem Computersystem auf makroökonomische Trends setzen. Für viele dieser Computertrader war die Finanzkrise ein Triumph, so wie für Justin Dew (36) von Welton Investment in Kalifornien. Beim Lunch an Monacos Strandpromenade legt er gleich das Jackett ab und ordert den Fischgrillteller. Der Amerikaner kann es sich leisten, die 25 Grad und den Sonnenschein in aller Ruhe hier draußen zu genießen, anstatt wie viele Konkurrenten nebenan im Konferenzzentrum nur kurz an das Buffet zu gehen und dann weiter den Kunden hinterherzurennen. „Unser verwaltetes Kapital hat sich innerhalb kurzer Zeit auf mehr als eine Milliarde Dollar verdoppelt“, sagt Dew, der bei Welton die Geschäftsstrategie verantwortet. Ein Grund: Im Mai nahm das US-Magazin „Barron’s“ das WeltonFlaggschiff Global Directional Portfolio auf Platz 75 seiner Rangliste der 100 TopHedgefonds auf. Seit 2008 hat der Fonds durchschnittlich 12 Prozent Rendite pro Jahr geschafft. Viele Makro-Trader haben in den vergangenen Jahren wie Welton von sinkenden Zinsen und steigenden Anleihekursen profitiert. Die Frage ist, ob sie auch mit fallenden Kursen zurechtkämen. „Das größte Risiko ist, den richtigen Zeitpunkt zu verpassen“, sagt Dew und nippt an seiner Cola. „Wir hatten schon Strategien, bei denen ich dachte: Das ist verrückt. Ein Jahr später waren oft
Justin Dew von Welton Investments will im Herbst eine EU-regulierte Version seines Fonds anbieten, den deutsche Privatanleger kaufen können. Rendite 2010: 19 Prozent.
Tonko Gast spekuliert mit komplexen Kreditpaketen. Der Co-Gründer von Dynamic Credit Partners warnt vor einer zweiten Bankenkrise in Europa.
Hugh Hendry profitierte von Europas Schuldenkrise und hat keine Angst vor den Regulierern: „Hedgefonds sind wie ein Virus, den man nicht zerstören kann, auch wenn sie es versuchen.“
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Private Banking Hedgefonds
gerade das die profitabelsten.“ Diese Undurchschaubarkeit macht es Investoren schwer, unter den vielen Hedgefonds die Gewinner von morgen zu entdecken. Dass derzeit häufig der ökonomische Irrsinn an der Börse siegt, ist für Hugh Hendry (42) nur folgerichtig. „Bullenmärkte sind ein Vorteil für logische Denker. Aber an großen Wendepunkten wie heute muss man weichen Faktoren mehr Aufmerksamkeit schenken“, sagt der Co-Gründer des Hedgefonds Eclectica. Hendry, der in Monaco mit Jeans und knallroter Designerbrille auftritt, spielt in der Königsdisziplin der Branche: Er ist ein Global-Macro-Trader. Wie die Computerfonds wettet er auf die großen Trends der Weltwirtschaft – verlässt sich dabei jedoch auf sein eigenes Gespür. „Ich habe mit der absurdesten These Geld verdient: der These, dass die Bank von England die Zinsen nicht erhöhen würde.“ Das sei nach der herrschenden Volkswirtschaftslehre absurd, denn die Inflation in England ist hoch und das britische Pfund schwach. Dennoch hält die Notenbank ihre Zinsen niedrig, um die Wirtschaft zu stützen. Aktuell spekuliert Hendry auf eine Wachstumsverlangsamung ausgerechnet im Wirtschaftswunderland der vergangenen Jahre: China. Ob er diesmal recht behält, ist fraglich, denn Peking hat enorme Devisenreserven und viele Möglichkeiten, die immer noch stark zentral gesteuerte Wirtschaft auf Expansionskurs zu halten. manager magazin 8/2011
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Private Banking Hedgefonds
Nichts für schwache Nerven Welche Hedgefonds für Privatanleger erhältlich sind Name
ISIN
Rendite 12 Monate
Antecedo Independent Invest A
DE000A0RAD42
16,8
DB Platinum IV Paulson Global Fund
LU0519511157
-7,2*
Eaton Vance Int. Global Macro Fund
IE00B5W77D59
2,5
Sauren Global Hedgefonds Opportunities
DE0005321442
10,3
Tungsten Pro Art Equity Relative Value LU0440496866 *Seit dem Start des EU-Fonds am 1. Dezember 2010.
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handelt. Um die Perlen im Schrott zu entdecken, analysiert Dynamic Credit Partners bei großen Verbriefungspaketen Hunderte Einzeldarlehen. von Hedgefondsstrategien wie der von Dynamic Credit Partners sind für Fachfremde kaum zu verstehen. Selbst Großanleger lassen sich bei der Fondsauswahl daher von Experten wie Neal Berger (43) beraten. Der Gründer von Eagle’s View Asset Management hat jahrelang selbst einen Global-Macro-Fonds gesteuert und besitzt wenig Verständnis für die üblichen Werbesprüche der Branche. Das musste in Monaco ein Manager erfahren, der beim Cocktailempfang am Hotelpool des „Le Méridien“ stolz erzählte, dass sein Fonds in den vergangenen zwei Jahren einer der besten der Welt gewesen sei. „Zwei Jahre? Das sind zwei Datenpunkte, das ist statistisch völlig bedeutungslos“, beschied ihn Berger, ein eher klein geratener New Yorker, dessen Tempo beim Sprechen an ein Maschinengewehr erinnert. „Sie sind vielleicht
DIE DETAILS
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Seine vorige Wette auf eine Schuldenkrise der südeuropäischen Staaten war jedenfalls ein so spektakulärer Erfolg, dass Hendry zu einer Hassfigur für Brüssels Politiker wurde. Der Schotte legt offensichtlich keinen Wert darauf, seine Beliebtheit dort zu steigern. „Für die Dinge, mit denen wir konfrontiert sind, wie etwa Griechenland, sehe ich Präzedenzfälle in den 20er Jahren“, sagt Hendry. „Der Euro ist nicht anders als damals der Goldstandard, der das Finanzsystem zum Einsturz brachte.“ Zweifel an Europas Fähigkeit, die Schuldenkrise zu lösen, äußern in Monaco auch einige der besten Kenner des Kreditmarktes, so wie Tonko Gast (38). „Teile Europas steuern zu auf eine gefährliche Kombination aus Sparmaßnahmen des Staates, langsam steigenden Hypothekenzinsen und weniger Kreditvergabe an Verbraucher“, sagt Gast. „Das Risiko für einige europäische Häusermärkte wird immer noch unterschätzt.“ Der Co-Gründer des Hedgefonds Dynamic Credit Partners empfiehlt daher, Kreditausfallversicherungen auf Finanzierer riskanter Immobilien zu kaufen. Deren Wert steigt, wenn die Hypothekenbanken Schlagseite bekommen. Die Gefahr einer zweiten Bankenkrise wachse, warnt Gast. Beunruhigenderweise meint er dabei nicht Irland oder Griechenland, sondern die Niederlande und Deutschland. „Subprime-Kredite gibt es auch in Westeuropa, wenn man sie definiert als Kredite an Menschen, die sich keinen Rückschlag leisten können bei den Zinsen oder dem Einkommen.“ Doch Gast wettet nicht nur auf die Privatinsolvenz von deutschen und niederländischen Häuslebauern. Er sieht auch Kaufgelegenheiten: Einige Immobilienkreditpakete würden weit unter Wert ge-
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ein Genie – vielleicht aber auch nur der eine von tausend Managern, der Glück hat.“ Berger weiß aus Erfahrung: „80 Prozent der Wall Street leben vom Glück und dem Gesetz der großen Zahl.“ Aus dieser Erkenntnis sollten Anleger Konsequenzen ziehen. Weil viele Manager ihre Gebühren nicht wert sind, ist die Investition in einen Hedgefondsindex selten sinnvoll. Das Investment lohnt nur, wenn es gelingt, einige der wenigen guten Fonds zu identifizieren. Wer Hedgefonds nutzen will, sollte daher nur einen kleinen Teil des Vermögens bei ihnen anlegen. Vertrauenswürdig sind erfahrene Manager mit Long-Short-Aktienstrategie, die das Kursrisiko durch Wetten auf fallende Kurse schwacher Unternehmen begrenzen. Sinnvoll können auch Fonds sein, die bestimmte Ineffizienzen am Markt ausnutzen. Als Alternative zu Anleihen und zur Portfoliodiversifikation kann auch eine kleine Anlage in einem Global-Macro-Fonds nützlich sein. Wichtig ist, dass der Fonds einen seriösen Broker für den Handel und eine namhafte Depotbank hat. So lässt sich am ehesten verhindern, dass Anleger die Taschen eines Betrügers füllen. So wie die des New Yorkers Bernie Madoff, dessen frühere Jacht während der Hedgefondskonferenz vor Monacos Strandpromenade lag, um Käufer zu angeln. Die Jacht steht für drei Millionen Euro zum Verkauf. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass auch der neue Besitzer aus der Branche kommen wird. Denn derart viel Geld ist für Hedgefondsmanager immer noch leichter zu verdienen als für ihre Kunden. Mark Böschen Monaco: Während des jährlichen Treffens der Hedgefonds lag hier auch die Jacht des Betrügers Madoff, die neue Besitzer sucht
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Knast und Knete anfred Schmider (62) und seine ehemalige Frau Inge Margot Heidemanns (64) sind ein Herz und eine Seele. Er nennt sie zärtlich „Liebling“ und trägt weiterhin seinen Ehering. Sie ihrerseits tut alles, um ihm das Leben so schön wie möglich zu machen, sei es in der Präsidentensuite eines Fünf-Sterne-Hotels am Tegernsee oder in der eigenen Villa im schweizerischen Küsnacht. Wo das traute Paar auch auftaucht – es schwelgt im Luxus. Auf Mallorca leistet es sich ein üppiges Anwesen für eine Monatsmiete von etwa 15 000 Euro, selbstredend wird auch nicht auf eine imposante Jacht und teure Autos verzichtet. Scheiden ließen sich die beiden, als Schmider im Knast saß: Weil sich seine Firma Flowtex mit nicht existenten Spezialbohrern hohe Kredite erschlichen und er damit einen Schaden von rund 2,5 Milliarden Euro angerichtet hatte, verurteilten ihn die Richter 2003 zu elf Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe. Mit der Flowtex-Pleite hat Schmider sein gesamtes Vermögen verloren. Er lebe jetzt von seiner Familie, sagt er. Wie die zu ihrem Geld gekommen ist, bleibt offen. Fest steht nur, dass Heidemanns 2009 wegen Geldwäsche zu einer Strafe von 100 000 Euro verurteilt wurde. Unstrittig ist zudem, dass ihr Vermögensverwalter fünf Millionen Schweizer Franken vom Konto der Seloma-Stiftung abgehoben hat, deren Kapital überwiegend aus Schmiders Straftaten stammte. Die materiellen Freuden des Daseins kann Schmider dank des unverhofften Reichtums wieder genießen. Trotzdem ist er ein gebrochener Mann. Er traut sich in Deutschland kaum auf die Straße, fast alle Freunde haben ihm den Rücken gekehrt, am gesellschaftlichen Leben nimmt er nicht mehr teil. Am meisten schmerzt ihn das angeknackste Verhältnis zur Tochter und zum Sohn. Die beiden hätten ja miterlebt, wie ihre Mutter litt, „und dann auch noch die Berichterstattung in den Medien“. Schmider hält inne, fährt sich mit dem Taschentuch über die Augen und sagt: „Die Kinder mussten denken, dass ihr Vater ein ganz fürchterlicher Mensch ist.“ Während seiner Haft nahm Schmider ständig Beruhigungsmittel, später begab er sich in psychotherapeutische Behandlung. „Ich bin seelisch kaputt“, klagt der füllige Badener, den sie einst ehrfurchtsvoll „Big Manni“ nannten. So wie Schmider ergeht es vielen Unternehmern und Topmanagern, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Sie müssen lange Ermittlungsverfahren aushalten, verbüßen im Extremfall demütigende Gefängnisstrafen und stehen nach ihrer Entlassung vor den Trümmern ihres Lebenswerks. Ein Trost bleibt jedoch: Auf ihren Abstieg können die meisten Ex-Knackis mit einem Glas Champagner anstoßen. Zum Dosenbier muss kaum einer greifen; wer einmal wohlhabend war, findet offensichtlich immer Wege zu materieller Sorglosigkeit. Die Zahl der gestrauchelten Wirtschaftspromis ist im letzten Jahrzehnt deutlich gestiegen. Die Gesetze werden immer konsequenter 124
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Schwelgen im Luxus: Flowtex-Gründer Manfred Schmider wurde wegen bandenmäßigen Betrugs mit nicht existenten Bohrern 2003 zu einer langjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Seit seiner vorzeitigen Haftentlassung führt er mit seiner Ex-Gattin Inge Margot Heidemanns wieder ein Leben in finanzieller Sorglosigkeit auf Mallorca.
MANAGER PRIVAT
WIRTSCHAFTSVERBRECHER Viele ehemalige Manager und Unternehmer,
die verurteilt wurden, leiden unter gesellschaftlicher Ächtung. Materiell geht es den meisten nach der Haft aber wieder erstaunlich gut.
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angewandt; Steuerhinterziehung gilt längst nicht mehr als Kavaliersdelikt, Schmiergeldzahlungen beschäftigen mittlerweile Heerscharen von internationalen Fahndern. Obendrein, so Strafverteidiger Hanns Feigen, „haben die Staatsanwälte keine Schwellenangst mehr vor Vorstandsetagen“ (siehe Interview Seite 128). Wie aber kommen jene, die sich einst im Ruhm des erfolgreichen Geschäftsmanns sonnten, mit dem Absturz zurecht? Wie ertragen sie die gesellschaftliche Ächtung? Haben sie überhaupt noch Chancen auf einen Neuanfang? Oftmals reicht schon ein Ermittlungsverfahren, dessen Details in die Medien geraten, um die Schmach unerträglich werden zu lassen. Viele verkriechen sich dann, wie auch Klaus Zumwinkel (67), den die Staatsanwälte vor laufenden Kameras aus seinem Kölner Anwesen führten. Der ehemalige Post-Vorstandsvorsitzende, der eine Steuerstrafe auf Bewährung erhielt, hat alle wichtigen Ämter aufgegeben und lebt jetzt abgeschirmt auf seiner Burg über dem Gardasee und in einer Londoner Stadtwohnung. 126
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In den Fängen der Justiz: Der frühere Bauunternehmer Utz Jürgen Schneider kam nach vier Jahren aus der Haft frei. Er behauptet, die Resozialisierung sei gelungen. Die Staatsanwälte ermitteln allerdings erneut gegen ihn – wieder wegen Betrugs.
Muss der Verurteilte sogar hinter Schloss und Riegel, wachsen die Hürden für ein Comeback in schier unüberwindliche Höhen. Er findet meist keinen Job mehr; einen Kredit für den Aufbau einer eigenen Firma bekommt er schon gar nicht. Keiner in der Community will mit einem Kriminellen noch etwas zu tun haben, selbst wenn dessen Beziehungen einst bis auf höchste politische Ebenen reichten. JE GRÖSSER DAS VERBRECHEN, desto unerbittlicher die Ausgrenzung. Eine harte Erfahrung, mit der die Ausgestoßenen ganz unterschiedlich umgehen. Utz Jürgen Schneider (77) zum Beispiel gibt sich absolut selbstzufrieden. Der ehemalige Bauunternehmer hatte über 50 Banken um 2,8 Milliarden Euro geprellt und wurde zu knapp sieben Jahren Haft verurteilt. Inzwischen sei die Resozialisierung gelungen, „das Leben macht wieder Spaß“, behauptet er. Zumindest Schneiders Ehefrau Claudia (66) räumt ein, dass es eine Weile gebraucht hat, bis die Lebensfreude zurückkehrte. Sie erzählt, dass ihr Mann die erste Zeit in Freiheit nicht mehr er
selbst war. Er sei psychisch verändert gewesen, richtig ängstlich. „Das Gefängnis raubt das Selbstbewusstsein“, klagt Schneiders Gattin, „es hat lange gedauert, bis er wieder mein Utzi war.“ Einer geregelten Arbeit geht Schneider seit seiner Haftentlassung 1999 nicht mehr nach. Er zehre vom Erbe seiner Eltern und Schwiegereltern, sagt Schneider. Sehr wohl taucht er aber gern im „Grandhotel“ am Bonner Petersberg auf, elegant gekleidet, wie früher. Nur das Toupet fehlt, einst sein Markenzeichen. Das habe der Hund gefressen, oder es wurde, so Schneider, „vom Insolvenzverwalter eingezogen“. Der Mann mit dem silbernen Haarkranz hat sich am Petersberg mehrfach mit Vertretern von Unternehmen und Fondsgesellschaften getroffen, die auf der Suche nach Kapital waren, etwa für Spielbanken oder für ein Internetportal, über das Callboys und -girls vermietet werden sollten. Angeblich hat ihnen Schneider angeboten, Millionen zu investieren, wenn sie bereit seien, im Voraus eine Summe im fünfstelligen Bereich an ihn zu überweisen – als ein Zeichen dafür, dass sie das Vorhaben ernst nehmen. Ein Kaufmann aus Baden-Württemberg zahlte tatsächlich 67 000 Euro, erhielt aber nach seiner Darstellung nie eine Gegenleistung und machte die Sache publik. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft Bonn gegen Schneider wegen des Verdachts des Betrugs. Schneider will sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Wenn er Interviews gibt, dann schwadroniert er am liebsten über die leichtgläubigen Banker, die ihm seine groß angelegten Betrügereien überhaupt erst ermöglicht hätten. Oder er plaudert ausführlich über seine Ehe. Ohne sein „Frauchen“ sei er nichts, vertraute Schneider der Zeitschrift „Bunte“ an: „Sie reicht mir meine Pillen, schneidet mein Bärtchen und die Haare, manikürt meine Hände.“ Die Schneiders sind kein Einzelfall. Oftmals bildet die Familie die letzte Bastion; sie schirmt ab, gibt emotionalen Halt und baut manchmal sogar eine Brücke hinüber in ein zweites Leben. Bei Roland Ernst (74) weckte der kleine Sohn Niklas die Überlebenskräfte. Niklas war gerade geboren, als das Immobilienimperium von Ernst im Sommer 2000 zusammenbrach. Obendrein
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wurde der Ex-Baulöwe dann auch noch verurteilt – zu 21 Monaten Haft auf Bewährung wegen Bestechung und Steuerhinterziehung. Ernst hat nicht nur 180 Grundstücksgesellschaften verloren, sondern auch sein gesamtes Privatvermögen. An einen Neustart als Unternehmer war also nicht zu denken. Gleichwohl konnte er frühzeitig wieder arbeiten – dank seines Sohnes Falk Philipp Ernst (52). Der gründete im Jahr 2000 eine in Heidelberg ansässige Firma namens Re Projektentwicklung, die der Vater leitet. Große Pläne treiben Ernst um: Er träumt vom Bau eines Konferenzzentrums in Heidelberg oder auch von zwei neuen Hotels in der Neckarstadt. Bislang allerdings scheint Ernst keine glückliche Hand zu beweisen. Die Re Projektentwicklung hat zwischen 2004 und 2009 (neuere Daten sind nicht verfügbar) nur rote Zahlen geschrieben. 2009 stand in der Bilanz ein Verlustvortrag von 1,6 Millionen Euro – bei einem gezeichneten Kapital von 25 000 Euro. Hätte der Sohn nicht nachrangige Gesellschafterdarle-
Missglückter Neuanfang: Roland Ernst betrieb einst Immobilienprojekte. 2000 ging er pleite; später wurde er wegen Bestechung verurteilt. Heute leitet Ernst eine Baufirma, die hohe Verluste aufgehäuft hat.
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Wieder Tritt gefasst: Bodo Schnabel war Chef der Neue-Markt-Firma Comroad, deren Umsätze zu 98 Prozent nur auf dem Papier standen. Bald nach der Haftentlassung 2005 siedelte er nach Hongkong über, wo er für ein Softwarehaus arbeitet.
hen eingebracht, wäre die Firma längst bankrott. Schmider, Zumwinkel, Schneider, Ernst – keiner hat wieder richtig Tritt gefasst. Es ist schwer, öffentlichkeitswirksam verurteilte Manager oder Unternehmer zu finden, die sich eine zweite Karriere aufbauen konnten. In Deutschland scheint der Wiedereinstieg ganz und gar unmöglich. Bestenfalls gelingt er noch im Ausland, wo niemand das Vorleben des Delinquenten kennt und die verbüßte Strafe kein lebenslanges Stigma ist. Mithin fühlt sich auch Bodo Schnabel (60) in seiner neuen Heimat Hongkong ausgesprochen wohl. Er arbeitet dort für das Softwarehaus Nanomatic, das er zusammen mit Partnern gegründet hat. Die junge Firma wächst profitabel – und Schnabel kann wie eh und je durch die Welt reisen und Geschäfte anbahnen. Mit seinem früheren Leben hat Schnabel „abgeschlossen“. Er will nichts mehr wissen von der Zeit, als er Vorstandsvorsitzender von Comroad war, jenem am Neuen Markt notierten Unternehmen, das im Jahr 2000 auf einen Börsenwert von 1,2 Milliarden Euro schoss, bis sich manager magazin 8/2011
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SCHNABEL IST EIN AUSNAHMEFALL. Er konnte der gesellschaftlichen Ächtung entfliehen, er genießt wieder berufliches Ansehen und wirkt auch seelisch stabil. Ganz anders Manfred Schmider. Der sehnt sich danach, genauso wie Schnabel mit der Vergangenheit abzuschließen – doch sie holt ihn gerade jetzt wieder ein: Ein neuer Prozess steht ihm bevor, der mit einer Haftstrafe enden könnte. Es geht um fünf wertvolle ChagallGemälde, die in seiner ehemaligen Villa in Karlsruhe hingen. Als seine Ex-Gattin in die Schweiz umsiedelte, wollte sie die Bilder zu sich nehmen, und Schmider organisierte vom Gefängnis aus den Transport über die Grenze. Ein heikler Coup, gehören die Werke doch höchstwahrscheinlich in die Flowtex-Insolvenzmasse, was Schmider jedoch mit Hinweis darauf bestreitet, dass die entsprechende Abrede mit dem Insolvenzverwalter unwirksam sei. Das Landgericht Mannheim hat Schmider mittlerweile ein weiteres Mal angeklagt, wegen Bankrotts in einem besonders schweren Fall. Auch Heidemanns muss vor Gericht, ihr wird Schuldnerbegünstigung in Tateinheit mit Geldwäsche vorgeworfen. Der Prozess beginnt voraussichtlich nächstes Jahr. Schmider graut schon heute davor. „Eigentlich“, sagt er und wischt sich ein letztes Mal die Tränen weg, „will ich doch nur meine Ruhe.“ Ursula Schwarzer
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„Justizschelte ist geradezu tödlich!“ Starverteidiger Hanns Feigen rät zur Kooperation mit den Gerichten Mehr als je zuvor sind Unternehmer und Manager von Ermittlungsverfahren betroffen. Was ist der Grund?
FEIGEN Es kommt immer öfter zu Strafanzeigen, wenn irgendetwas schiefgelaufen ist in einem Unternehmen. Zudem steigt die Qualifikation der in Wirtschaftsstrafsachen tätigen Staatsanwälte; und deren frühere Schwellenangst vor Vorstandsetagen gibt es nicht mehr. Wie soll man sich verhalten, wenn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird?
FEIGEN In fast allen Fällen empfiehlt sich eine professionelle Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden. Ermittlungen in Wirtschaftsstrafsachen können sich über Jahre hinziehen, sodass Geduld gefragt ist. Soweit sich der erhobene Vorwurf ganz oder teilweise als begründet erweist, sollte man nach Möglichkeit versuchen, die Hauptverhandlung zu vermeiden und das Verfahren durch Strafbefehl oder besser durch eine Verfahrenseinstellung gegen Geldauflage zu beenden. Warum sollte man die Hauptverhandlung scheuen?
FEIGEN Nach Lage des Gesetzes hat eine Hauptverhandlung öffentlich zu erfolgen. Dies führt dazu, dass der Angeklagte auch zu persönlichen Verhältnissen befragt wird und sich – soweit er geständig ist – in der Öffentlichkeit und damit auch vor der Presse zu oft peinlichen Einzelheiten äußern muss. Dies alles kann er am nächsten Tag in der Zeitung nachlesen. Wie kommen bekannte Manager oder Unternehmer damit zurecht, wenn sie tatsächlich im Gefängnis landen?
FEIGEN Ich kennen niemanden, der sich von diesem tiefen Sturz jemals ganz erholt hätte. Dies liegt zum einen an dem Ansehensverlust in der Gesellschaft, der auch Familie und Freunde tangiert. Zum anderen führt bei nicht wenigen die Haft zu einer massiven psychischen Beeinträchtigung, sodass es schwierig ist, nach der Entlassung die innere Stabilität wiederzufinden.
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herausstellte, dass 98 Prozent der ausgewiesenen Umsätze reine Luftbuchungen waren. Sieben Jahre Haft wegen Insiderhandels, Kursmanipulation und gewerbsmäßigen Betrugs kassierte Schnabel; einen Teil der Strafe saß er im Straubinger Hochsicherheitsgefängnis ab, zusammen mit Mördern und Sexualstraftätern. Natürlich hat er in der Zeit gelitten, insbesondere unter der Isolation. Aber weil er jetzt wieder voll eingespannt ist, bedrängen ihn die Gedanken an die Erniedrigungen von damals kaum mehr. Und wie geht er damit um, dass der Staat sein Privatvermögen von knapp 20 Millionen Euro gepfändet hat und er heute nur noch ein überschaubares Gehalt bezieht? Das, sagt Schnabel, mache ihm nichts aus: „Ich habe in meiner Comroad-Zeit nicht in Saus und Braus gelebt, also vermisse ich heute auch nichts.“
Hanns Feigen (62) ist einer der renommiertesten Wirtschaftsstrafverteidiger Deutschlands. Seit 2001 gehört er der Kanzlei Feigen Graf an. Feigen vertritt zurzeit Ex-PorscheLenker Wendelin Wiedeking und Niels Stolberg, den ehemaligen Chef der Beluga-Reederei. Unter seinen Mandanten waren auch der frühere Vorstandsvorsitzende von Infineon, Ulrich Schumacher, und Klaus Zumwinkel, einst Post-Vormann.
Sind die Zustände in deutschen Gefängnissen so schlimm?
FEIGEN Die Situation in manchen Haftanstalten, insbesondere im Bereich der Untersuchungshaft, ist in der Tat mehr als bedrückend. Es kommt nicht selten zu Belästigungen durch Mithäftlinge, es gibt Spott und sogar Handgreiflichkeiten. Wer dann als Verteidiger Beschwerden gegen gleichgültige Vollzugsbedienstete vorträgt, muss wissen, dass der Schuss nach hinten losgehen kann, weil die Behandlung des Mandanten nicht unbedingt besser, möglicherweise sogar noch schlechter wird. Was ist der größte Fehler, den jemand machen kann, wenn er verurteilt wurde?
FEIGEN Justizschelte („Gaga-Justiz“) ist geradezu tödlich. Dies führt erneut zu kritischer Berichterstattung in den Medien. Wenn man sich überhaupt öffentlich äußert – ich rate zu großer Zurückhaltung –, dann eher in dem Sinne: „Ich habe einen Fehler gemacht, ich habe dafür gebüßt und will jetzt von vorn anfangen. Gebt mir eine Chance!“ ◆ Das Interview führte die mm-Redakteurin Ursula Schwarzer.
Unternehmer mit Führung qualität gehen neue Wege ehmen Herausfor erungen an und setzen ihre isione konsequent um Wir la en Preisverleihung mit ho h karätigen Persönli h eiten aus olitik und Wirts haft Höhe unkt ist die hrung er Entrepreneure un Finalisten des Wett e erbs. Im stimmu ollen m iente er lten er Fran furt er t ie herausragen en eistu Mut, Begeisterung, Verantwortungsbewußtsein und gesellschaftliches Engagement einzigartige Qualitäten, die erfolgreiche Unternehmer auszeichnen.
Erleben Sie die Auszeichnung visionärer Denker und tatkräftiger Unternehmer bei der Preisverleihung Entrepreneur des Jahres 2011 am 23. September 2011 in der Alten Oper Frankfurt.
Programm
Ehrung der Finalisten 2011
Prof. h. c. Lothar Späth, Ministerpräsident a. D.
Begrüßung
Georg Graf Waldersee, Vorsitzender der Geschäftsführung Ernst & Young GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Gefühle, Geld, Geist und Gehirn Neurowissenschaft für Unternehmer
Prof. Dr. med. Dr. phil. Manfred Spitzer
Preisverleihung Entrepreneur des Jahres 2011
Laudationes: Dr. Arno Balzer, Chefredakteur, manager magazin Hans-Theo Macke, Mitglied des Vorstands, DZ BANK AG Holger Steltzner, Herausgeber, Frankfurter Allgemeine Zeitung
Moderation
Wolfgang Glauner, Mitglied des Vorstands Entrepreneur des Jahres e. V.
Reservieren Sie bereits heute unter
[email protected] Weitere Informationen nden Sie unter www.entrepreneur-des-jahres.de
Eine Initiative von
Die Partner des Wettbewerbs
MANAGER UNTERWEGS VON SIBYLLE ZEHLE
Auf dem Pulverfass SIE WOLLEN AUF MALLORCA einen grandiosen Geburtstag feiern? Mit Glanz und Gloria Ihre Tochter verheiraten? Oder Ihrer besseren Hälfte mit einem wirklich besonderen Wochenende am Meer imponieren? Dann fliegen Sie nach Palma, mit dem Auto sind Sie in gerade 15 Minuten am „Cap Rocat“. Und da liegt sie vor Ihnen: die Festung aller Träume. Ein Monument der Geschichte. Ein Statement für Eleganz und gutes Design. – Also nichts wie hin? Ja, das empfehlen wir. Und dort richtig Ferien machen? Nein, davon raten wir entschieden ab. Denn die ehemalige Militäranlage, heute Mitglied der Small Luxury Hotels of the World, ist zwar eine tolle Location. Aber kein Fünf-SterneUrlaubsdomizil. Es tut nur so.
Optisch ist das trutzige Fort,
zum Schutz des Hafens in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts erbaut, zum Niederknien. Antonio Obrador (55), in Palma geboren und Spezialist für Restaurierungen, hat zwischen diesen kargen Festungsmauern, versteckt im gelben Sandstein der Steilküste, erneut Genialität bewiesen (seine Firma Denario gestaltete bereits unsere mallorquinischen Lieblingshotels „Son Net“ und „La Residencia“ sowie das wunderbare „La Florida“ in Barcelona). Ja, es ist wie ein Wunder: Wo früher scharfe Munition lagerte und 200 Kanonen drohten, da duften heute Rosmarinbeete, plätschern Brunnen, blähen sich weiße Tücher im Wind, da schaffen gläserne Verbindungsgänge spannende Durchblicke, laden lässig-elegante Salons zum Verweilen ein. Wie immer bei Obrador, der die Militäranlage nach ihrer Schließung im Jahr 2001 erwarb, stimmt jedes Detail: von der modernen Kunst an den Wänden bis hin zu den weiß eingefassten beigefarbenen Frotteetüchern.
DOCH HINTER DER FASSADE ist alles weniger hip. Die 21 CapRocat-Suiten am Klippenrand, frühere Munitionslager, erweisen sich als schattige Gewölbe mit Fenster zum Hof. An einem Regentag möchte man hier nicht wohnen. Umso wichtiger die Extras. Aber weder Blumen noch Obst begrüßen den Gast; dafür ist die Stehlampe defekt, es fehlt ein Spot in der Decke, stattdessen gähnt ein Loch; eine Gardine ist nicht richtig aufgehängt, in einer Nische bröselt wegen Feuchtigkeit bereits der Putz; heißes Wasser läuft nur in der Dusche, nicht am Waschtisch. Das sind wahrlich ein paar Macken zu viel für 756 Euro pro Nacht in der Hauptsaison. Zudem ist an diesem Donnerstagabend das Restaurant „La Fortaleza“ geschlossen; die alte „Old Fortress“-Küche dampft nur bei special Events; serviert wird allein im entfernten „Sea Club“. In der Bar gibt es nicht mal eine Olive zu beißen. Gähnende Leere auf magisch beleuchteten Terrassen. Man kommt sich vor wie in einer gigantischen Luxusvilla – aber die Hausherren sind verreist. Am besten, Sie kommen mit einer Jacht, ankern in der Cala de la Reina, steigen die steilen Treppen zum „Sea Club“ hinauf und genießen bei gutem Essen die Aussicht auf Palmas weite Bucht. Oder, noch besser: Sie lassen sich zu einer der großen Partys einladen. Ein paar Hundert Leute haben auf der Dachterrasse mit den marokkanischen Zelten bequem Platz. Ungezählte Fackeln leuchten. Und man kann Champagner trinken ohne jeden Anflug von Melancholie: Aus den schweren Geschützen der Festung, Marke Krupp, wurde niemals ein Schuss abgefeuert. ◆
Sibylle Zehle bereist seit 25 Jahren die Welt auf der Suche nach dem perfekten Hotel und hat mehrere Bücher zum Thema veröffentlicht.
Seit 2010 ein Hotel: die Militärfestung „Cap Rocat“ bei Palma
Gähnende Leere auf magisch beleuchteten Terrassen
Kontakt: „Cap Rocat“, Mallorca, 07609 Cala Blava, Spanien, Tel.: 0034/9 71 74 78 78. Doppelzim mer: ca. 400 Euro, Suiten: ca. 620 Euro.
[email protected]
Pro: Die ruhige Lage im Naturschutz gebiet, der Infinity Pool, das witzige Design: hölzerne Unterbauten der Kanonen als Gestell für Glastische; Türgriffe aus alter Munition.
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Der besondere Tipp: Der rustikale „Sea Club“ direkt am Meer ist auch für auswärtige Besucher eine verschwiegene Adresse für Lunch und Dinner. Unbedingt reservieren.
Kontra: Mängel in den Zimmern; Service noch nicht eingespielt, die langen Wege; keine regelmäßigen Sportangebote, die Preise sind im Vergleich zu hoch.
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Cartiers Nordeuropa-Chefin Patricia Gandji und der Audi A6
TV-Stars | Erste Sahne Fernsehgrößen wie Günther Jauch und Harald Schmidt (Foto) sahnen ab. Ergänzend zur Geschichte in diesem Heft (Seite 50) bringt manager magazin online weitere Informationen zu den einträglichen Geschäften der Topstars. Ab 22. Juli unter
FOTO: HENNING KAISER / DPA
www.manager-magazin.de/tv-stars
Berater | Kundencheck Der Consultantmarkt ist in Bewegung. Die Zufriedenheit der Kunden mit ihren Beratern hält sich in Grenzen, wie eine Studie exklusiv für manager magazin zeigt (Seite 26). Eine Analyse der Stärken und Schwächen der Top fünf der Branche aus Sicht der Auftraggeber finden Sie im Internet unter
Designobjekt AUDI A6 Die Business-Limousine fällt
vor allem durch Gestaltungsdetails auf.
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Euro-Krise | Debatte Die Bundesbank und ihr Präsident Jens Weidmann müssen sich in der schwersten Währungskrise seit dem Krieg bewähren (Seite 88). In ausführlichen Interviews lassen wir Deutschlands wichtigste Chefvolkswirte zu Wort kommen unter www.manager-magazin.de/euro-krise
Telekom | Strategienfrage Die Deutsche Telekom müht sich mit ihrer griechischen Tochter (Seite 60). Wohin soll sich der einstige Telefonriese entwickeln? Welche strategischen Optionen haben René Obermann und Co.? Mehr dazu unter www.manager-magazin.de/telekom
manager-magazin.de: Täglich Wirtschaft aus erster Hand 132
manager magazin 8/2011
ie erste Wertung zum neuen A6 gibt Patricia Gandji sofort ab: Der Metalliclack des Testwagens, vom Hersteller als „dakotagrau“ apostrophiert, gefällt ihr „ausgesprochen gut“. Auch die Gestaltung des Innenraumes – kakaobraunes und cremefarbenes Leder wird hier kombiniert mit gebürstetem Alu und hellen, offenporigen Schichthölzern – beschreibt Gandji als „ansprechend, geschmackvoll und zeitgemäß“. Als irritierend empfindet sie jedoch, dass der flache Hauptmonitor nach dem Starten des Motors automatisch aus einem Schacht in der Mittelkonsole ausfährt. Aufgerichtet neben den großen Rundinstrumenten und in den geschwungenen Linien des Armaturenbretts wirke der kantige Bildschirm „wie ein Fremdkörper“, sagt die Testerin. Die Reaktion auf Gestaltung und Ästhetik
D
mag typisch weiblich sein. Im Fall von Patricia Gandji kann es sich aber auch um eine „Deformation professionelle“ handeln: Das Geschäft der 41-jährigen Nordeuropa-Chefin von Cartier läuft vor allem über Designobjekte. Außerdem hat die gebürtige Perserin lange in der Modebranche gearbeitet, bei Escada und Boss.
Die LED-Leuchten wirken wie ein Lidstrich
Manager privat Autotest
Steckbrief
FOTOS: ENNO KAPITZA FÜR MANAGER MAGAZIN
mm-Kritik: Die Limousine zieht deutlich
Den übrigen Details des Testwagens nähert sich Patricia Gandji nicht anders als männliche Probefahrer: Das Fehlen einer elektrischen (und programmierbaren) Sitzverstellung empfindet sie etwa als ein Manko, das sich durch den Hinweis auf Audis Bemühen um Gewichtsreduktion nicht kleinreden lässt: Der A6 wiegt gut zwei Zentner weniger als seine Wettbewerber. Das verbessert seine Fahrdynamik und spart zugleich Sprit. Respekt flößen der Testerin jedoch die vielen elektronischen Helferlein ein: Ein Kamerasystem liest Verkehrsschilder und projiziert das gerade geltende Tempolimit ins Display zwischen Tacho und Tourenzähler, ein zweites überwacht die „toten Winkel“ der Außenspiegel und löst einen Blinklichtalarm aus, sobald dort ein Fahrzeug auftaucht. Ein drittes dient dem Spurhalteassistenten, der den Lenkradeinschlag sanft korrigiert, wenn der Fahrer einmal unachtsam sein sollte. Hinzu kommen Nachtsichtgerät, Rückfahrkamera, Abstandsradar, Parkassistenzsensoren. Anfangs, im dichten Münchener Stadtverkehr, zeigt sich Patricia Gandji beeindruckt von der Start-Stopp-Automatik, die den Motor des Audi bei jedem kurzen Halt abschaltet und sofort neu anlässt, sobald die Fahrerin wieder den
mehr Blicke auf sich als das Vorgängermodell. Der doppelt aufgeladene Benzinmotor setzt Maßstäbe beim Spritsparen und bei der Leistungsentfaltung. Leider verfolgt Audi eine strapaziöse Aufpreispolitik: Die Extras des Testwagens kosten über 28 000 Euro. Technik (3.0 TFSI): zweifach
aufgeladener V-6-Zylinder mit 300 PS/ 220 kW; Spitze: 250 km/h, CO2-Ausstoß: 190 g/km.
Sich entscheiden – nach allen Regeln der Kunst Was ziehe ich heute an? Soll ich meinen langweiligen Arbeitsplatz aufgeben? Will ich aus einer festgefahrenen Beziehung ausbrechen? Gleichgültig, ob wir große oder kleine Entscheidungen treffen müssen – immer öfter wird die Wahl zur Qual. Sollen wir auf das Bauchgefühl hören oder besser auf den Verstand? Wie können wir den für uns richtigen Weg finden? Psychologen haben Entscheidungsprozesse erforscht und Regeln gefunden, die uns helfen, eine kluge Wahl zu treffen.
Preis (3.0 TFSI): ab 51 600 Euro.
Fuß von der Bremse nimmt. Auch das spart Sprit, entlastet Umwelt und Klima. Nach ein paar ruppigen Anfahrmanövern schaltet die Testerin das Programm jedoch aus. Die Ausfahrt führt zunächst auf die A95 Richtung Garmisch. Dort beschleunigt Patricia Gandji bis weit über 200 Stundenkilometer und bleibt auch hartnäckig auf dem Gas, wenn der große Mittelklässler in den Kurven zwar neutral, aber kräftig nach außen schiebt. Als ein achtloser Kombifahrer mit nur halbem Tempo auf die linke Spur wechselt, meistert die Testerin dank der „erstklassigen Bremsen und der exakten Lenkung“ eine beherzte Notbremsung. Auf den Landsträßlein rings um den Starnberger See lobt Gandji die „komfortable Federung“ der Limousine, kehrt aber zügig auf die Autobahn zurück, um noch einmal die Höchstgeschwindigkeit auszukosten und „die exzellente Lärmdämmung des Innenraums“ zu loben. Trotz der „vielen, überraschend positiven Eindrücke und der raffinierten Technik“ würde Patricia Gandji den A6 eher nicht kaufen. Zum einen aus „schierer Markentreue“: die Cartier-Chefin fährt seit Jahren BMW, derzeit einen 530d. Zum anderen, „weil der BMW insgesamt schicker“ aussehe. Michael O. R. Kröher manager magazin 8/2011
133
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PSYCHOLOGIE HEUTE compact Sie können dieses Heft auch direkt bei uns bestellen. Schreiben Sie oder rufen Sie an: Beltz Medien-Service bei Rhenus Logistics D 86895 Landsberg E Mail:
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FOTO: JIM WILSON / THE NEW YORK TIMES / REDUX
LESERFORUM „Das deutsche Pendant zu Steve Jobs ist Ferdinand Piëch. Auch er hat ein sicheres Gespür für seinen Markt entwickelt und wesentlich dazu beigetragen, dass VW heute eine Weltfirma ist.“ HARALD KOELICHEN, GERETSRIED, ZUR TITELGESCHICHTE ÜBER DEN IT-KONZERN APPLE (MM 7/2011)
Apple ein Produkt auf den Markt bringt, kaufe ich es, weil es genial ist. Immer wieHarry Wessling, Troisdorf der neu.
Hat der IT-Konzern seinen Zenit überschritten? (mm 7/2011)
Letztlich tut der Konzern etwas für das Wirtschaftsleben vollkommen Normales, indem er sein Geschäftsmodell monopolisiert, um seinen Gewinn zu maximieren und seinen Vorsprung vor der Konkurrenz über die Zeit zu retten. Wobei der Zenit bereits erreicht beziehungsweise überschritten sein dürfte, da der schon jetzt in weiten Teilen verfügbare neue Internetstandard HTML5 die teure Nutzung des App-Stores für multimediale Inhalte überflüssig macht. Weswegen es sehr spannend wird, wie sich die wertvollste Marke der Welt jener unfreiwilligen Marktöffnung stellt und ob sie nicht am Ende ihre Philosophie komplett verändern muss. Rasmus Ph. Helt, Hamburg
Der Zenit ist noch lange nicht erreicht. Apple wird mit noch mehr Macht in die Medienwelt eindringen und sie besetzen, die Regeln vorgeben und Content lancieren. Und was habe ich als Konsument davon? Nur Gutes erst einmal. Wenn 134
manager magazin 8/2011
Wenig hilfreich Energie Spezial Durch die Abkehr von der Atomkraft steigen die Kosten für die deutschen Energieunternehmen massiv (mm 7/2011)
Steve Jobs
Unfreiwillige Öffnung Apple
nen sollen. Leider ist es seit 1992 doch zweimal zu einer Fehlentscheidung gekommen: 1996 haben Sie Frau Birgit Breuel und 2000 Frau Elisabeth Noelle ausgezeichnet. Damit haben Sie die NullProzent-Quote der in Ihren Augen die deutsche Wirtschaft prägenden Frauen um 3,77 Prozent überschritten. Als fürsorglicher Vater eines Sohnes und einer Tochter hilft mir Ihre Auswahl dennoch sehr: Für ein Wirtschaftsstudium unserer Tochter werde ich lieber kein Geld ausgeben. Hauswirtschaften kann frau ja ohnehin besser zu Hause. Werner Klein, Köln
Steve Jobs ist sicher ein unbequemer CEO. Mit seiner Geschäftsmethode hat Apple jedoch weltweit immer größere Erfolge und, was viel wichtiger ist, treue Kunden, die Apple-Geräte immer wieder kaufen werden. Und solange Apple diesen Weg konsequent weitergeht, wird es – auch in Zukunft – den Markt zum Wohle seiner Kunden dominieren. Das deutsche Pendant zu Steve Jobs ist für mich Ferdinand Piëch. Auch er hat ein sicheres Gespür für seinen Markt entwickelt und wesentlich dazu beigetragen, dass VW heute eine Weltfirma mit hervorragenden Marken und Produkten ist. Harald Koelichen, Geretsried
Fürsorglicher Vater Hall of Fame
Ich finde die Darstellung der Energiekosten als absolute Zahl wenig hilfreich. Unweigerlich werden die Kosten steigen! Die relative Betrachtung zum Umsatz (der sicherlich auch eine andere Größenordnung einnehmen wird) wäre zielfühSven Schrothe, Deidesheim render.
Frustrierte Bankberater Privatbanken Die Krise der feinen Institute (mm 6/2011)
Herzlichen Dank für diese scharfsinnige Analyse. Als bankenunabhängige Vermögensverwaltung freuen wir uns übrigens über jeden frustrierten Bankberater, der bei uns eine neue Perspektive sucht. Gleichzeitig geht der Trend zur lebenslangen Banktreue nach unserer Erfahrung dem Ende zu. Frank Präuner, Grünwald
Die neuen Mitglieder der managermagazin-Ruhmeshalle (mm 7/2011)
Es sind, die neuen mitgerechnet, 53 Persönlichkeiten, die allen als Vorbild die-
Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe zu kürzen und online zu veröffentlichen. Zuschriften bitte per Fax an die Nummer 040/30 80 05 49 oder per E-Mail an
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manager magazin 8/2011
135
REGISTER Deutsche Börse............110
Hochtief..........................96
Osram ..........................100
TiTech ..........................101
Deutsche Post ......106, 126
Hoffmann & Campe ........57
OTE ................................61
T Mobile .........................63
A
Deutsche
HSBC .............................64
A. T. Kearney ..................31
Telekom ..............14, 30, 61
Hypo Real Estate ...........22,
P
AAP Allgemeine Ansgar
Die Agentur
...............................90, 107
Philips...........................100
Pflegedienste .................42
Anke Lütkenhorst ...........57
HypoVereinsbank...........40
Pool Position ..................57
U
Hyundai ..........................22
Porsche ........................128
UBS................................17
Postbank ........................40
Ulrich Weber &
FIRMEN
Tognum ........................107 Total ...............................69
Accenture.......................30
DHL ................................64
Adidas ..........................110
Dolce Media ...................56
Air Berlin .........................12
I
Preqin...........................118
Dresdner Bank .............114
Partner .........................110
ID Praxis .........................76
Air France KLM ..............12
Pricewaterhouse
DWS .......................71, 108
I & U Information und
Umicore........................101
Ansager &
Coopers .........................32
Dynamic Credit
Unterhaltung ..................52
ProSieben ......................57
Partners........................122
IKB .................................22
ProSiebenSat.1 ..............57
Imcube ...........................76
PRTM .............................32
Schnipselmann ..............54 Apple ............................134 Arcandor ........................90 ARD ................................50 Armajaro.......................120 Arthur D. Little ..............114 AT&T ..............................63 Auctus ............................43
E EADS............................109 Eagle’s View Asset Management ................120 Ebner Stolz Mönning
Infineon ........................128
J
Q Q Cells ...........................69
Vodafone........................61 Volkswagen .......10, 18, 21, ..................22, 30, 106, 134 Volkswagen Consulting ......................34
J. B. K. TV Production....56 J. P. Morgan ...................85
V
R Raab TV Produktion .......53
W
Re Projektentwicklung .127
Waterland.......................43
Redseven Entertainment..57
Welton Investment .......120
Rexel ..............................71
WestLB.....................22, 40
Audi ........................18, 132
Bachem ..........................42
K
Aurubis ...........................98
Eclectica.......................121
Karstadt..........................43
Avon ...............................28
Eon ...........................34, 45
Kogel Beteiligungs und
Eon Ruhrgas...................46
Verwaltungs GmbH
B
RHJ International............34
WMP Eurocom ...............40
Epea .............................102
Kogel & Schmidt.............55
Bain ................................30
EQT ..............................107
Komatsu.........................69
Barclays .........................64
Ernst & Young ...31, 71, 106
KPMG.............................31
BASF ......................30, 106
Eurekahedge ................118
Krupp ...........................130
Bayer.....21, 34, 45, 69, 109
Evonik ............................70
Beluga ..........................128
L
BHF Bank ......................34
Lehman Brothers ......84, 88
BMW ......................18, 133 Boerse Stuttgart .............86 Bosch .............................69
E Facebook .......................29
Lightcycle.....................100 Lufthansa .....................110
Feigen Graf...................128 Fiat Industrial..................10
M
Fitch ...............................24
Magna ............................22
Flowtex.........................124
MAN ...............................10
C
France Télécom..............61
Mannesmann ...............108
Cartier ..........................132
Fred Kogel GmbH ..........55
Marseille Kliniken ...........36
Citigroup ........................22
Freshfields Bruckhaus
Martinair .........................12
Commerzbank .........14, 40,
Deringer..................91, 110
..........................84, 93, 114
FSS ..............................109
Boston Consulting Group.28 Brainpool........................53
Commodities Corporation ..................120
G
Comroad ......................127
Gaia Capital..................118
Conergy..........................69
Gamco .........................118
McKinsey..................14, 28 Medigene .......................42 Meiré und Meiré .............78 Mercedes .......................18 Metro............................107 Moody’s .........................24 MTU Friedrichshafen....107
Constantin Film ..............55
Garbe Group..................31
Muddy Waters
Corestate Capital ...........86
Gazprom ........................48
Research ......................120
Cosmote.........................62
General Motors ..............22
Münchener Rück .....13, 93,
Georgieff Capital ............84
.....................................108
Coty................................56
GFT ................................96
D Daimler .............10, 30, 107 Dekabank .......................93 Deloitte ...........................31
Goetzpartners ................28 Goldman Sachs..............17
N
Rhodia..........................101 Roland Berger ........28, 101
Z
Rolls Royce..................107
ZDF ................................54
Rom Telecom .................63
ZF Friedrichshafen .........18
RSM Altavis ....................42 RWE .......................45, 109
S S. Siedle & Söhne ...........78 Samsung ........................69 Sapinda ..........................42 Scania ............................10 Schott.............................21 SG Warburg ...................96
Abend, Martin...............108 Ackermann, Josef.....17, 20 ........................93, 107, 112 Adams, Michael............107 Allen, Paul ....................114 Aristoteles ......................76 Asbeck, Frank ................69
Shell ...............................69
Asbeck Muffler,
Siemens .........................64
Susanne .........................71
Simon Kucher ................69
Asmussen, Jörg........14, 92
Sino Forest ..................120 Sipgate ...........................73
B
Solar Millennium.............69
Bänziger, Hugo...............20
Solarparc........................71
Barton, Dominic .............28
Solarworld ......................69
Bastian, Jens..................61
Springer........................106
Beckham, David .............56
Stada............................106
Beckmann, Reinhold ......54
Standard & Poor’s ..........24
Benkert, Claus................28
Nanomatic....................127
T
Nielsen ...........................29
TDC ................................61
Nord Holding .................31
Telefónica.......................61
H
Denario.........................130
Haribo ............................57
O
The European Experience
Deutsche Bank ........17, 20,
Henkel ..........................108
Opel ..............22, 70, 82, 90
Company......................138
........32, 45, 86, 92, 96, 107
Heraeus........................100
Orascom ........................61
ThyssenKrupp ..............106
manager magazin 8/2011
A
Sharp..............................69
Demag............................23
136
PERSONEN
RTL.................................50
Terex ..............................23
Benthues, Jobst .............57 Berger, Neal .................120 Berger, Roland ...............31 Bernardo, António ..........31 Berners Lee, Tim............76 Berry, Halle.....................56 Blankfein, Lloyd..............22
Register
Blessing, Martin..............93
Genscher,
Kohns, Stephan..............91
Priggen, Reiner...............22
T
Böhmler, Rudolf .............91
Hans Dietrich .................38
Konz, Hans Joachim......21
Prince, Charles ...............22
Teyssen, Johannes ........45
Bomhard,
Goetz, Stephan ..............34
Körber,
Nikolaus von .............13, 93
González Páramo,
Hans Joachim..............107
R
Thomas, Sven ................20
Braungart, Michael .......102
José Manuel ...................92
Koutras, Panagiotis ........61
Raab, Stefan...................52
Tiedje, Hans Hermann ...38
Breuel, Birgit.................134
Gottschalk, Thomas .......52
Rammer, Christian .........73
Tietmeyer, Hans .............93
Breuer, Rolf E.................20
Gottschalk, Christoph ....52
L
Rauen, Aloysius..............23
Trichet, Jean Claude......91
Laumann, Karl Josef ......22
Recktenwald, Claus .......71
Trittin, Jürgen .................96
Lautenschläger, Sabine..91
Regenhardt, Axel............40
Tsamaz, Michael ............62
Buch, Claudia.................80 Bürkner, Hans Paul ........29
Gregorowitsch, Paul.......12 Greve, Gustav ..............116 Großmann, Jürgen .......109
C
Grothe, Philip .................69
Claassen, Utz .................69
Grundmann, Birgit ..........14
Clausen, Uwe ...............100 Cohrs, Michael ...............17 Cordes, Eckhard ..........108
D Dahmer, Jürgen..............21 Debus, Christoph ...........12 Defeo, Ronald ................23 Dekkers, Marijn ............109 Dew, Justin...................120 Dobrowolski, Claus ........40 Dombret, Andreas ..........91 Döpfner, Mathias..........106 Draghi, Mario..................90 Dzida, Boris ..................110
E Eick, Karl Gerhard..........61 Elbertzhagen, Alexander .......................57 Engelke, Anke ................53 Ernst, Falk Philipp.........127
Lehner, Ulrich .................14 Loh, Boon Chye .............17
M Madoff, Bernie..............122
Thiele, Carl Ludwig ........91
Reiter, Udo .....................56 Renschler, Andreas ........10 Retzlaff, Hartmut ..........106 Rölz, Peter....................110 Rübenthaler, Klaus .........21
U Ulbrich, Jens ..................91 Ungeheuer, Udo .............21
H
Maischberger, Sandra....54
Hagelüken, Christian ....101
Marseille, Estella Marie ..38
Hagman, Larry................69
Marseille, Ulrich..............36
S
Hahn, Dieter ...................20
Märtin, Jörg ....................84
Salmon, Thilo .................73
Hainer, Herbert.............110
Maßmann, Jens............106
Sanktjohanser, Stefan ....34
Hallaschka, Steffen ........56
Mattern, Frank ................29
Sarkozy, Nicolas...........120
W
Mayer, Jeff .....................17
Sarrazin, Thilo.................91
Wagner, Ingo ..................30
Mayer, Thomas ..............92
Sattelberger, Thomas.....62
Ward, Anthony .............120
Mayrhuber, Wolfgang...109
Schächter, Markus .........56
Weber, Axel ....................88
Meier, Carsten Patrick ...24
Schaller, Stephan ...........21
Weck, Pierre de ..............17
Merkel, Angela ...............88
Schäuble, Wolfgang ......14,
Weidmann, Jens.............88
Middelhoff, Thomas .......43
Wenning, Werner............45
Henkel, Hans Olaf ..........93
.......................................90
Mierdorf, Zygmund.......107
Westerwelle, Guido ........22
Henzelmann, Torsten ...101
Schick, Marion ...............14
Miller, Alexej ...................48
Schmider, Manfred.......124
Westhoff, Franz Josef ....98
Herres, Volker.................50
Miroschedji, Sania de .....34
Schmidt, Harald .............55
Wichelhaus, Peter ..........38
Herzberg, Stefan ............43
Misra, Rajeev..................17
Heuer, Volker................107
Moss, Kate .....................56
Hebel, Holger von...........71 Hecker, Wilhelm .............38 Heidemanns, Inge Margot ..................124 Hendry, Hugh ...............121
Hirschhausen, Eckart von ......................55
N
Hohaus, Christian.........102
Nagel, Joachim ..............91
Hölzer, Axel ....................38
Ernst, Niklas .................126
Höttges, Timotheus........62
Ernst, Roland................126
Hundt, Dieter ..................96 Hunold, Joachim ............12
F
Hunziker, Michelle ..........57
Fehrenbach, Franz .........69
Hüttmeyer, Ulf ................12
Feigen, Hanns ..............126
Nägele, Stefan..............108 Nebel, Carmen ...............54
V Veith, Christian ...............29 Verheugen, Günter .......138
Schmiedeberg, Armin.....30 Schnabel, Bodo............127 Schneider, Claudia .......126 Schneider, Utz Jürgen..126 Schöneberger,
Vourloumis, Panagis.......61
Wieandt, Axel ...............107 Wiedeking, Wendelin ..............106, 128 Will, Anne .......................55 Windhorst, Lars ..............42 Winter, Ralph..................86
Barbara ..........................57
Winterkorn,
Nemat, Claudia.........14, 63
Schulz, Ekkehard .........106
Neske, Rainer .................17
Schumacher, Ulrich......128
Wisskirchen, Cornel .......86
Noelle, Elisabeth...........134
Schwalbach, Joachim ..107
Wittgenstein, Ludwig......76
Schwarz, Gunther...........30
Wittig, Martin ..................31
O
Schweer, Thomas ..........76
Wunderle, Gernot ...........34
Obermann, René ......14, 61
Schweiger, Til.................55
Wündrich, Bettina.........114
Martin .................10, 18, 34
Fenneman, Verena .......102
J
Obiang Nguema
Schwenker, Burkhard.....31
Fenske, Hartmut...........102
Jain, Anshu.....................17
Mbasogo, Teodoro.........38
Sendele, Hermann........110
Z
Fink, Dietmar ..................28
Jauch, Günther...............50
Obrador, Antonio..........130
Sextl, Gerhard ..............102
Zaik, Andreas .................56
Fischedick, Martin ..........84
Jobs, Steve ..................134
Olsher, Brett ...................17
Siedle, Gabriele ..............78
Zeitler, Franz Christoph .............90
Francioni, Reto .............110
P
Siedle, Mathäus..............78
K
Silbereisen, Florian .........53
Zetsche, Dieter .......10, 109
Franz, Christoph...........110
Kaltenhäuser, Bernd.......91
Sinn, Hans Werner .........93
Zumwinkel, Klaus ........106,
Fitschen, Jürgen.............17
Kaserer, Christoph .........86
Pachta Reyhofen, Georg .............................10 Papaconstantinou,
Sinn, Walter ....................30
G
Kater, Ulrich ...................93
Gabelli, Mario ...............118
Keitel, Hans Peter ..........94
Gabelli, Michael............118
Kerber, Markus...............94
Gallois, Louis................109
Kerkeling, Hape..............53
Perry, Katy....................118
Gandji, Patricia .............132
Kirch, Leo .......................20
Pflaume, Kai ...................53
Stark, Jürgen ..................92
Gardosch von Krosigk,
Klaue, Thomas ...............42
Piëch, Ferdinand ....10, 134
Stolberg, Niels..............128
Peter Paul.......................38
Knorr, Sebastian.............76
Pilawa, Jörg....................54
Strenger, Christian..71, 108
Gast, Tonko..................122
Kogel, Fred.....................55
Plasberg, Frank ..............53
Sullenger, Coast...........118
George ...........................63 Parker, Kevin ..................17 Paulson, John...............120
Spettmann, Theo............21
.....................................126 Zypries, Brigitte ..............14
Springer, Friede............110 Stadler, Rupert ...............18 Starbatty, Joachim .........93
manager magazin 8/2011
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Als die sozialliberale Koalition 1982 zerbrach, trat Günter Verheugen (67) als FDP-Generalsekretär zurück und wechselte zur SPD. Dort brachte er es bis zum Bundesgeschäftsführer und Staatsminister im Auswärtigen Amt. 1999 wurde er EU-Kommissar; er koordinierte zunächst die Osterweiterung der Union, ab 2004 war er Industriekommissar und Vizepräsident der Kommission (Foto links mit Edmund Stoiber und José Manuel Barroso). 2010 schied Verheugen aus der Kommission aus, seither berät er Firmen und hält Vorlesungen an der Europa-Universität Viadrina (Foto rechts).
FOTO: PATRICK PLEUL / PA / DPA
FOTO: GETTY IMAGES
WAS MACHT EIGENTLICH ...
Günter Verheugen? Ein kompletter Neuanfang, beruflich wie privat, so muss man wohl die Tatsache umschreiben, dass einer der ehemals mächtigsten Männer der Europäischen Union an einem heißen Frühlingstag hemdsärmelig in einer schlichten Potsdamer Altbauwohnung sitzt und dem Besucher eigenhändig Fruchtsäfte und Mineralwasser anbietet. Der maximal mögliche Kontrast zur klimatisierten Büroflucht, in deren Mitte Günter Verheugen bis vor Kurzem in Brüssel residierte. Hier in Potsdam ist der ehemalige EU-Kommissar Geschäftsführer und zugleich wichtigstes Asset seiner neuen Firma namens The European Experience Company. Keine Lobbyorganisation will man sein, sondern eine Beratungsfirma, die Unternehmen Tipps für den Umgang mit EUInstitutionen gibt, europapolitische Seminare abhält oder Vorständen eine Rede zu einem europäischen Thema schreibt. Eine vergleichsweise harmlose Aufgabenbeschreibung, die möglicherweise etwas mit dem ungewöhnlichen Exempel zu tun hat, das die EUKommission an ihrem ehemaligen Mitglied statuierte: Die Kommission hat Verheugen Anfang 2011 verboten, im Rahmen seiner Beratungstätigkeit Kontakt zu seinen ehemaligen Mitarbei-
tern bei der Kommission aufzunehmen oder Unternehmen zu betreuen, die Nutznießer von Verheugens Entscheidungen als Industriekommissar waren. Als dieses Verdikt erging, hatte Verheugen unter anderem bereits Mandate beim Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken und bei der Royal Bank of Scotland. Für viele Brüsseler Beobachter erfuhr Verheugen damit die Rache für die Kritik, die er als Kommissar an der Machtfülle der EU-Beamten geäußert hatte. Überzeugter Europäer ist Verheugen gleichwohl geblieben. Wie sich die EU-Institutionen besser gestalten ließen, lehrt der Honorarprofessor für Europäisches Regieren an der ViadrinaUniversität in Frankfurt/Oder, gerade erst hat er ein Buch herausgegeben („Europa? Europa!“). Seiner Wahlheimat Bonn kehrte er den Rücken. Seine dort lebende zweite Ehefrau hatte sich 2007 von ihm getrennt. Kurz zuvor war Verheugens Liaison mit Petra Erler bekannt geworden, seiner Kabinettschefin in Brüssel. Zumindest beruflich spielt Petra Erler auch heute noch die Hauptrolle in Verheugens Leben: Sie ist Verheugen nach Brandenburg gefolgt und firmiert nun als Co-Geschäftsführerin von The European Experience Company. Christian Rickens
Das nächste manager magazin erscheint am 19. August 2011. Bis dahin täglich: www.manager-magazin.de
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manager magazin 8/2011
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