Ulf Blanck
Monsterpilze Die drei ??? Kids Band 29
s&c 02/2008
Riesige Pilze, monströse Kirschen und Insekten so groß ...
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Ulf Blanck
Monsterpilze Die drei ??? Kids Band 29
s&c 02/2008
Riesige Pilze, monströse Kirschen und Insekten so groß wie Kühlschränke! Seltsame Dinge geschehen in Rocky Beach. Eins ist klar: Die drei ??? haben ihren bisher größten Fall zu lösen. ISBN: 3-440-10651-9 Verlag: Franckh-Kosmos Erscheinungsjahr: 1999 Umschlaggestaltung: Stefanie Wegner, Soltau.
Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!!
Monsterpilze Erzählt von Ulf Blanck Mit Illustrationen von Harald Juch, Kim Schmid und Stefanie Wegner
KOSMOS
Supervising und Skizzen der Innenillustrationen von Harald Juch, Berlin/ Greifswald; einige Skizzen mit freundlicher Unterstützung von Stefanie Wegner, Hamburg; Reinzeichnungen von Kim Schmidt, Dollerup. Umschlagillustrationen von Stefanie Wegner und Timo Müller, Hamburg, www.zeichenstube.net
»Monsterpilze« ist der 29. Band der Reihe »Die drei ??? Kids«, siehe auch S. 127. Dieses Buch folgt den Regeln der neuen Rechtschreibung. Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © 1999, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart Alle Rechte vorbehalten ISBN 3-440-10651-9
Redaktion: Silke Arnold Grundlayout: eStudio Calamar Gesamtherstellung: Buch & Konzept, Annegret Wehland, München Printed in the Czech Republic/Imprimé en République tchèque
Die drei ???® Kids »Monsterpilze« Riesenkirschen ................................................................ 5 Krankenbesuch ............................................................. 11 Monsterschmetterling ................................................... 16 Eisgeschäfte .................................................................. 23 Fotomodelle ................................................................... 28 Titelhelden ..................................................................... 34 Transportschaden ......................................................... 41 Plasmagenese ............................................................... 48 Forschungslabore ......................................................... 54 Gammastrahler ............................................................. 61 Operation ›Monsterpilz‹ ............................................... 67 Eselsohren ..................................................................... 76 Lagebesprechung ......................................................... 82 Villa Kunterbunt ............................................................. 89 Große Fische ................................................................. 96 Millionendeal ................................................................ 103 Barawasinseln ............................................................. 109 Hubschraubereinsatz ................................................. 115 Geldübergabe .............................................................. 121
Riesenkirschen Im Haus der Jonas’ roch es verführerisch nach Kirschkuchen. Seine Nase hatte Justus nicht getäuscht und zielstrebig ging er auf den Kühlschrank zu. Da lagen sie vor ihm: Große, runde Kirschkuchen. Übereinander und nebeneinander, so weit er blicken konnte. Hungrig streckte Justus seine Hand aus, doch plötzlich schienen die Kuchen wie von Zauberhand in der Tiefe des Kühlschranks zu verschwinden. Mit großen Sätzen sprang er hinterher, krallte sich am Rand eines der langsamsten Stücke fest und wurde mit einem Mal von dem Kuchen durch die Luft geschleudert. In einem Wirbel aus Kirschen und Krümeln verlor er die Orientierung, bis er schließlich kopfüber in eine Wolke aus Schlagsahne eintauchte. Erst durch das laute Knurren seines Magens wurde Justus wach. »Was für ein Traum«, murmelte er verschlafen. Es war gerade mal sieben und ungewöhnlich früh für einen Samstagmorgen. Nichts 5
konnte Justus eigentlich um diese Zeit aus den Träumen reißen – außer Hunger. Müde trottete er zum Fenster und schob die Gardine beiseite. Die ersten Sonnenstrahlen machten sich am Himmel breit. Aus seinem Fenster im ersten Stock konnte er den ganzen Schrottplatz überblicken. Heute wollte Justus hier mit Peter und Bob aufräumen und sich so bei Onkel Titus ein paar Dollars dazu verdienen. Im Kirschbaum vor dem Küchenfenster hatten sich wieder gierige Vögel eingefunden, um die besten Früchte herauszupicken. Immer, wenn die Kirschen reif waren, stand Tante Mathilda unentwegt in der Küche und backte Kirschkuchen zum Einfrieren. Das ganze Haus roch danach. Jetzt ahnte Justus auch, wie seine Träume zu Stande kamen. Plötzlich blieb sein Blick an einem riesigen, roten Ball unter dem Kirschbaum hängen. War es wirklich ein Ball? Nein, es sah vielmehr aus wie eine gigantische Kirsche. Größer als ein Fernseher. Verwirrt rieb er sich die Augen. Träumte er etwa immer noch? Niemals! Justus war diesmal ganz sicher: 6
Unter dem Baum lag die größte Kirsche, die die Welt je gesehen hatte. So schnell er konnte, polterte Justus die Treppe herunter. »Aufwachen! Alle aufwachen!« Mit einem lauten Knall flog die Schlafzimmertür auf. Tante Mathilda riss entsetzt die Arme hoch und stieß einen so lauten Schrei aus, dass Onkel Titus neben ihr vor Schreck aus dem Bett fiel. »Um Himmels Willen! Justus, was ist passiert? Brennt das Haus?« »Nein. Viel schlimmer.« 7
»Schlimmer?« »Ja, im Garten liegt eine Kirsche, fast so groß wie ein Kühlschrank.« Tante Mathilda begriff sofort den Ernst der Lage. »Oh mein Gott! Du bist krank. Du hast Fieber und fantasierst. Titus, ruf sofort Doktor Dreyfuss an!« »Nein, ich brauche keinen Arzt! Es ist wahr. Los, seht doch selbst! Ein Riesending ist das.« Tante Mathilda hörte ihm gar nicht zu, rannte ins Badezimmer und kam mit einem nassen Waschlappen zurück. »Hier. Leg dir das auf die Stirn! Es senkt das Fieber. Gleich bekommst du noch ein Zäpfchen.« Jetzt reichte es Justus und wütend schleuderte er den Lappen durch den Raum – direkt in Onkel Titus’ Gesicht. »So, kommt jetzt mit in den Garten und überzeugt euch selbst. Ich bin doch nicht geisteskrank.« Onkel Titus nahm den Lappen aus seinem Gesicht. »Mathilda, vielleicht sollten wir tun, was er sagt. Am Ende hat er was Falsches gegessen und halluziniert.« 8
»Zum letzten Mal: Ich halluzucke nicht! Nun kommt endlich!« Schließlich folgten die beiden Justus in sicherem Abstand. Im Flur schnappte sich Tante Mathilda das Funktelefon und wählte vorsichtshalber die Nummer vom Doktor. Im selben Moment riss Justus die Haustür auf und stellte sich auf die Veranda. »So, da ist sie: Die größte Kirsche der …« Das letzte Wort brachte er nicht mehr heraus, denn von der Kirsche war plötzlich nichts mehr zu sehen. Tante Mathilda flüsterte aufgeregt ihrem Mann ins Ohr. »Wir dürfen ihn jetzt nicht aufregen und müssen das Spiel mitmachen. Das könnte
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sonst zum Schock führen.« Onkel Titus hatte verstanden und lächelte übertrieben. »Oh ja! Jetzt sehe ich die Kirsche auch. Wirklich ein Mordsding. Mathilda, nun guck dir den dicken Otto an! So etwas hat man nicht alle Tage im Garten liegen.« Mit aufgerissenem Mund starrte Justus auf die Stelle, an der eben noch die Kirsche lag. »Aber …« »Eine wirklich tolle Kirsche, Justus«, säuselte Tante Mathilda. »Ich werde gleich einen schönen Kuchen daraus backen. Den essen wir dann gemeinsam mit dem Doktor. Ich rufe ihn gerade an – er wird sich bestimmt freuen. Und zum Nachtisch gibt es Wadenwickel und ein Zäpfchen.« Erschöpft ließ sich Justus auf einen der Korbstühle fallen. Zum ersten Mal in seinem Leben dachte er darüber nach, ob er vielleicht tatsächlich verrückt geworden war.
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Krankenbesuch Es dauerte keine zehn Minuten und Doktor Dreyfuss fuhr mit seinem Motorroller auf den Hof. Tante Mathilda hatte ihn schon am Eingang erwartet. »Gut, dass Sie so schnell gekommen sind. Wir wissen auch nicht, was mit dem Jungen los ist.« Doktor Dreyfuss nahm gelassen seinen Helm ab. »Nun warten wir’s erst einmal ab. Vielleicht hat er einfach nur zu viel Sonne abbekommen!« Justus starrte immer noch auf den Kirschbaum. »Ich habe alles mitgehört. Ich bin nicht verrückt.« »Guten Morgen, Justus. Das haben wir gleich. Ein bisschen verrückt sind wir doch alle, oder?« Tante Mathilda und Onkel Titus versuchten, so gut es ging, über den Witz zu lachen. »So, und jetzt mach mal schön Ahhh!« »Ahhh!« »Prima. Nach Fieber sieht das schon mal nicht aus. Hast du vielleicht gestern zu lange ferngesehen? Manchmal träumt man ja von solchen Dingen. 11
Ein Film über Riesenspinnen, Riesenpilze oder Riesenkirschen?« Justus hatte genug von der Untersuchung und sprang genervt vom Stuhl auf. »Nein, ich hab nur einen Riesenhunger.« Wie auf Kommando stürzte Tante Mathilda in die Küche und kam mit einem großen Stück Kirschkuchen heraus. Doch sofort nahm ihr Onkel Titus den Teller ab und ließ den Kuchen unterm Tisch verschwinden. »Mathilda!«, zischte er. »Der Junge hat schon genug Kirschen im Kopf. Mach ihm lieber ein Wurstbrot!« In diesem Moment kamen Peter und Bob mit ihren Rädern durch die Einfahrt gesaust und blickten verwundert auf den Motorroller. Jeder in der Stadt kannte das knallrote Gefährt von Doktor Dreyfuss. Bob lehnte sein Rad gegen die Veranda. »Was ist passiert? Jemand verletzt?« Justus schüttelte den Kopf. »Nein, die wollen mir nur unbedingt ein Zäpfchen verpassen und mich in die Klapsmühle schicken.« Dann berichtete er von der Riesenkirsche. Doch auch seine beiden Freunde wollten ihm 12
nicht so recht glauben. Peter ging vorsichtig auf ihn zu. »Just? Du wirst doch jetzt nicht irre? Und das, wo übermorgen endlich die Ferien beginnen. Oder Moment! Na klar, das ist natürlich wieder einer deiner Justus-Witze. Und wir Idioten sind fast drauf reingefallen.« Justus nahm sich vor, über diese Geschichte erstmal kein Wort mehr zu verlieren. »Okay, okay, es ist ja alles in Ordnung. Vielleicht habe ich nur ein wenig schlecht geträumt. Kann schon mal passieren bei der Hitze.« Glücklich zog Tante Mathilda wieder den Kirschkuchen unterm Tisch hervor. »Na bitte. Alles halb so schlimm. Träume können einem manchmal dumme Streiche spielen. So, setzt euch! Ich habe Kirschkuchen für alle da.« Auch Doktor Dreyfuss sagte nicht nein. Tante Mathildas Kirschkuchen war in ganz Rocky Beach berühmt. »Lasst es euch schmecken!«, strahlte sie. »Und wenn ihr schon mal da seid, dann könntet ihr mir eigentlich einen Gefallen tun.« Onkel Titus setzte 13
seine Kaffeetasse ab. »Moment, die Jungs wollten mir eigentlich auf dem Schrottplatz helfen.« »Der Schrottplatz kann warten. Kirschen gibt es nur einmal im Jahr und ich brauche dringend noch Mehl und ein paar Eier. Sonst kann ich heute nicht weiter backen. Wartet, ich hole schnell Geld und mache euch zur Sicherheit einen Einkaufszettel.« Justus grinste seine beiden Freunde an und verzog plötzlich schmerzverzerrt das Gesicht. »Oh, Tante Mathilda. Ich glaube, es geht schon wieder los. Mir wird ganz schwarz vor Augen. Ich würde ja gern einkaufen, aber ich fühle mich so …« Doch Tante Mathilda hatte ihn durchschaut. »Nichts da! Du bist kerngesund. Heute Abend gehst du früh ins Bett und Fernsehen gibt es auch nicht. Wozu habe ich denn den Doktor kommen lassen?« Doktor Dreyfuss nahm noch schnell ein Stück Kuchen und setzte sich eilig den Helm wieder auf. »So, ich fahr dann mal besser. Bei diesen Problemen kann auch kein Arzt helfen. Schönes Wochenende.« 14
Während Tante Mathilda den Einkaufszettel schrieb, ging Justus neugierig zum Kirschbaum. Peter und Bob folgten ihm verwundert. »Hier! Genau an dieser Stelle lag die Riesenkirsche. Seht mal, der Rasen ist sogar noch etwas platt gedrückt.« Peter beugte sich herunter und hob eine kleine Kirsche auf. »Just, das hat nichts zu bedeuten. Der ganze Rasen ist voll mit abgefallenen Kirschen. Nun fang nicht wieder damit an!« »Okay, ist schon gut. Lasst uns in die Stadt fahren!«
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Monsterschmetterling Als Justus, Peter und Bob schon auf den Rädern saßen, kam ihnen Tante Mathilda hinterhergelaufen. »Hier, das Geld und der Zettel! Vergesst die Eier nicht! Das Wechselgeld könnt ihr behalten.« Es war noch sehr früh an diesem Samstag und erst wenige Menschen waren unterwegs. Nach einer Viertelstunde erreichten sie den Marktplatz von Rocky Beach und stellten ihre Räder neben dem Brunnen ab. Fröhlich plätscherte das Wasser aus der Spritze von Fred Fireman in das Brunnenbecken. Die Bronzefigur stand schon seit 1902 an derselben Stelle. Der Feuerwehrmann hatte damals Rocky Beach vor einem verheerenden Brand bewahrt. Die Freunde trotteten in Richtung Porters Laden. Justus trug den rosafarbenen Korb, den Tante Mathilda ihm immer für die Besorgungen mitgab. »Das Einkaufen geht ja noch«, stöhnte er. »Aber dieser Korb! Hoffentlich sieht mich keiner damit rumlaufen.« 16
Der große Lieferwagen von Porter stand direkt vor dem Geschäft. Mister Porter persönlich machte sich gerade daran, frische Ware auszuladen. »Oh, was für ein Glück. Ihr könntet mir eigentlich beim Tragen helfen. Was ist? Jeder kann sich einen Dollar verdienen.« Justus’ Laune sank immer tiefer. »Einen ganzen Dollar? Ich trau mich gar nicht, mit so viel Geld herumzulaufen.« Doch Peter stieß ihn in die Seite. »Nun hör schon auf. Das ist doch leicht verdiente Kohle. Sieh mal, der Wagen ist nur halb voll.« Schließlich packte Justus widerwillig eine Kiste Tomaten und trug sie in den Laden. »Scheint irgendwie nicht mein Tag zu sein«, stöhnte er. Jeder musste fünfmal laufen und schnell stapelten sich in dem Geschäft Kisten mit Gurken, Tomaten, Äpfeln, Ananas und Bananen. Zum Schluss zog Justus eine Kiste mit Salat aus dem Lieferwagen. Plötzlich erblickte er dahinter etwas Großes, Orangefarbenes. Es war riesig und rund. »Da! Seht ihr das? Schon wieder so ein gigantisches Ding!« 17
Mister Porter blickte ihn besorgt an. »Justus? Was hast du? Was ist mit dem Kürbis?« »Ja, gucken Sie sich den doch mal an! So ein großer Kürbis ist doch nicht normal.« »Doch, manchmal schon. Der größte Kürbis der Welt wiegt sogar 570 Kilo. Diesen hier habe ich auf dem Großmarkt für Dekorationszwecke gekauft. Aber seltsam, dass du dich über einen Kürbis so aufregst.« Peter nahm Justus die Salatkiste ab. »Lassen Sie ihn nur, Mister Porter. Justus hat was Schlechtes geträumt heute Nacht.« Der Kaufmann lachte. »Verstehe, ich kenn das. Das macht die Hitze. So, das war’s und vielen Dank.« Bob streckte grinsend die Hand aus. »Dann bekommen wir jeder einen Dollar, Mister Porter.« Aber der Kaufmann schüttelte den Kopf. »Moment, ich habe nichts von Bargeld gesagt. Ihr könnt euch 18
in meinem Laden etwas für einen Dollar aussuchen.« »Geizhals!«, flüsterte Bob, als der Kaufmann im Geschäft verschwand. »Das hab ich gehört, mein Junge. Gleich gibt es gar nichts!« Anschließend kauften sie die Sachen für Tante Mathilda ein und suchten sich jeder ein Eis aus. Mister Porter legte noch für jeden einen Lutscher obendrauf. »Na, ich will mal nicht so sein. Sind ja schließlich bald Ferien.« Für Justus war der Tag endgültig gelaufen. Wütend schnallte er den rosafarbenen Korb auf seinem Gepäckträger fest. »Erst wollen die mir ein Zäpfchen verpassen und jetzt gibt es auch noch Lollies. Wir sind doch keine Babys mehr.« Die Sonne entfaltete langsam ihre ganze Kraft und alle drei setzten sich auf den Rand des Brunnens. Bob wickelte sein Eis aus. »Also, Just. Jetzt mal im Ernst: Hast du nun diese große Kirsche gesehen, oder nicht?« 19
»Mann, ich weiß es doch langsam selbst nicht mehr. Ich werde noch verrückt mit diesen ganzen Riesenkirschen und Monsterkürbissen. Es war noch so früh und ich bin gerade aus dem Bett gefallen. Vielleicht war es tatsächlich ein Traum – keine Ahnung.« Eine Weile saßen sie schweigend da und lutschten ihr Eis. Erschöpft lehnte sich Justus nach hinten und blinzelte in den wolkenlosen Himmel. Plötzlich riss er die Augen auf und ließ vor Schreck sein Eis fallen. Peter packte ihn an der Schulter. »Just! Was ist? Geht das schon wieder los?« »Nein! Da! Nun seht doch! Dort oben!« Peter holte tief Luft und legte den Kopf in den Nacken. »Na schön. Was ist es denn diesmal? Eine Riesentaube?« Doch das, was jetzt auch Peter und Bob erblickten, sollten sie nie wieder in ihrem Leben vergessen. Mit offenen Mündern starrten sie in die Luft. Direkt über der Stadt schwebte ein gigantisch großer bunter Schmetterling. 20
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Sie waren anscheinend nicht die Einzigen, die den riesigen Falter entdeckten. Eine ältere Dame mit Dackel stieß einen entsetzten Schrei aus, und ihr Hund begann fürchterlich zu bellen. Von der anderen Seite kam ein blaues Cabrio angefahren. Auch hier hatte der Fahrer nur noch Augen für den Schmetterling über sich. Ohne zu bremsen fuhr er gegen eine Laterne. Fenster sprangen auf und Frauen mit Lockenwicklern und Männer in Unterhemden glotzten zum Himmel. Oben zog der große Schmetterling fast majestätisch seine Bahnen. Jetzt eilten von überall her Menschen auf den Platz und zeigten entsetzt zum Himmel. Justus, Peter und Bob saßen immer noch regungslos am Brunnenrand. Schließlich holte Justus tief Luft. »Und? Glaubt ihr mir jetzt?« »Just, wir glauben dir!«, riefen seine Freunde im Chor.
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Eisgeschäfte Der Schmetterling hatte inzwischen seine Flugbahn geändert und verschwand langsam aus dem Blickfeld der staunenden Masse. Justus sprang entschlossen auf. »Der geht da hinten irgendwo runter. Los, jetzt will ich mir das Ding auch ansehen.« Zusammen jagten alle drei auf ihren Rädern dem Schmetterling hinterher. Peter überholte Justus. »Der ist so groß, dass er nicht mal flattern muss.« Immer tiefer flog der Riesenschmetterling. Bob stand jetzt aufrecht in den Pedalen. »Schneller, er schwebt aus der Stadt raus. Sieht aus, als ob er auf dem großen Parkplatz landen würde.« Der Parkplatz vor Rocky Beach lag hinter einem kleinen Hügel und die drei verloren den Schmetterling aus den Augen. Als sie schließlich den Hügel erreichten, waren nur einige parkende Autos und Lastwagen zu sehen. Peter blickte sich irritiert um. »Was ist das denn? Er kann sich doch nicht einfach in Luft aufgelöst haben.« 23
Zögernd rollten sie den Hügel hinab und fuhren ziellos auf dem Platz umher. Schließlich stellten sie ihre Räder in der Mitte ab. Justus blickte nachdenklich auf den Boden. Plötzlich ging er in die Knie und hob etwas auf. »Hier! Seht mal, was ich gefunden habe!« Bob stellte sich zu ihm. »Seltsam. Das ist ein toter Schmetterling. Und der sieht genauso aus wie das Riesenviech eben. Was bedeutet das alles, Just?« »Keine Ahnung. Es ist aber genau wie mit der Kirsche. Unterm Baum lag anschließend auch nur ein Mini-Exemplar.« Peter betrachtete den Falter. »Das kann nur ein Zufall sein. Wieso sollte der Schmetterling auf einmal so schrumpfen? Und warum ist er tot?« »Irgendwann ist eben alles mal tot«, antwortete Justus und legte den Schmetterling zurück auf den Boden. Anschließend fuhren sie wieder zurück zum Marktplatz. Dort standen immer noch viele Menschen diskutierten wild miteinander. Auch Kom24
missar Reynolds war dabei. »Also, Herrschaften! Jetzt mal einer nach dem anderen! Was war nun mit diesem Schmetterling?« Eine Hand voll Leute redeten gleichzeitig drauflos. Der Fahrer des blauen Cabrios war am lautesten. »Kommissar, Sie müssen etwas unternehmen! Das war ein Eingriff in die Verkehrssicherheit. Wer bezahlt mir jetzt die Beule?« Die Dame mit dem Hund mischte sich ein. »Das liegt sicherlich an diesen genetischen Experi25
menten. Man hört ja im Fernsehen jeden Tag davon. Alles wird größer: Tomaten, Schweine, Gurken und manchmal habe ich sogar den Eindruck, als ob mein Purzel gewachsen ist.« Der Mann mit dem Cabrio konnte darüber nur lachen. »Ach, hören Sie doch auf! Ihr Dackel wird nicht größer, sondern fetter.« Da reichte es Kommissar Reynolds. »Stopp! Aus! Sind wir denn hier im Irrenhaus? Ich stelle die Fragen. So, und wer was von mir will, der soll auf die Polizeiwache kommen. Alle mal herhören! Die Versammlung ist aufgelöst. Die Polizei hat alles unter Kontrolle.« Nach einer Weile leerte sich der Platz und die drei ??? beschlossen, vom Restgeld des Einkaufs noch ein Eis zu holen. Giovannis Eiscafé befand sich in der Nähe der Polizeistation. Justus zog einige Münzen aus seiner Tasche. »Na ja, viel ist nicht übrig geblieben. Hallo Giovanni, mehr als eine Kugel für jeden ist heute leider nicht drin.« Der Cafebesitzer griff gut gelaunt nach seiner Eiszange. »Ach, machte nix. Der Kunde iste König.« 26
Doch als sie gerade die Sorten bestellen wollten, legte plötzlich ein Mann eine Zehndollarnote auf den Tresen. »Was ist schon eine Kugel? Kommt, ich gebe euch einen richtigen Becher aus.« Verwundert blickten alle drei den jungen Mann an. Er trug eine grüne Lederjacke und eine Baseballkappe. Peter wich einen Schritt zurück. »Äh, tut mir leid. Wir dürfen uns nicht einfach so einladen lassen.« Giovanni verzog sein Gesicht und blickte sehnsüchtig auf den Geldschein. Aber der Mann mit der Kappe grinste freundlich. »Wer spricht denn von einladen? Dafür möchte ich von euch ein paar Informationen haben. Einverstanden?« Giovanni strahlte. »Mamma mia! Natürlich sind Bambini einverstande. Kaltes Eis gegen heiße Informatione. So, prego, was wollte ihr? Zehn Dollar gut für jeder vier Kugeln mite Sahne und Kirsche obendrauf.« Kurz darauf saßen sie mit riesigen Eisbechern unter einem der Sonnenschirme. Justus biss von der Waffel ab. »Was wollen Sie denn wissen?«
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Fotomodelle Der Mann zog einen kleinen Notizblock aus seiner Lederjacke und zückte einen Kugelschreiber. »Tut mir leid, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Larry Blix von der California Press. Ich bin Reporter.« Bob hörte interessiert zu. Sein Vater arbeitete auch bei einer Zeitung in Los Angeles. »Also, ich war aus Zufall hier und habe von der Sache gehört. Die Leute scheinen ja wirklich einen Riesenschmetterling gesehen zu haben. Sind die hier bei euch alle verrückt?« Damit hatte er bei Justus einen wunden Punkt erwischt. »Glauben Sie, dass hundert Menschen lügen?« »Oh nein, bitte nicht aufregen! Ich stelle ja nur ein paar Fragen. Dann habt ihr das Tier auch gesehen?« Peter breitete die Arme aus. »Das Viech war riesig. Bestimmt über fünf Meter mit großen borstigen Fühlern, zwei fetten schwarzen Augen und …« Bob unterbrach ihn. »Peter, Mister Blix ist Reporter und will keine Märchenstunde hören!« 28
Der Mann musste lachen. »Na ja, unsere Leser interessieren sich manchmal schon auch für Märchen. Darf ich ein Foto von euch machen? Immerhin habt ihr den Riesenschmetterling zuerst entdeckt.« Peter wischte sich mit einer Serviette Sahne vom Mund. »Klar, vielleicht werden wir noch berühmt mit der Geschichte.« Justus hingegen war nicht so begeistert von der Idee. Die drei mussten sich auf einen Stuhl stellen und in die Luft gucken. 29
Der Reporter drückte immer wieder auf den Auslöser der Kamera. »Ja, so ist gut. Wunderbar! Und jetzt alle mal mit dem Finger nach oben zeigen! Super! Danke, das war’s schon. So, ich muss jetzt in die Redaktion und meine Reportage schreiben. Hier habt ihr noch meine Visitenkarte. Ruft mich bitte sofort an, wenn ihr neue Informationen über diese Riesenschmetterlinge habt! Und beim nächsten Mal ist mehr als ein Eis drin. Für brandheiße Neuigkeiten zahle ich gute Dollars.« Anschließend verschwand der Mann in einem roten Sportwagen. Justus blickte ihm hinterher. »Für eine gute Story würde der Typ bestimmt alles machen. Wir sollten jetzt aber schnell zurück, sonst dreht Tante Mathilda durch.« Wenig später fuhren sie wieder durch die Toreinfahrt auf den Schrottplatz, wo ihnen Tante Mathilda schon entgegengelaufen kam. »Da seid ihr ja! Seit einer Ewigkeit warte ich auf das Mehl und die Eier. Beeilung, sonst gibt es Toast statt Torte.« Onkel Titus versteckte sich vorsichtshalber hinter 30
seiner Zeitung. Doch das nützte ihm nichts. »Und du, Titus, brauchst auch nicht den ganzen Tag auf der Veranda herumzusitzen! Ich denke, du wolltest den Schrottplatz aufräumen?« »Mathilda! Das ist kein Schrott! Das sind Wertstoffe! Gerade gestern habe ich eine wunderbare Popcorn-Maschine ergattert. Ein paar Handgriffe und die funktioniert wieder tadellos.« Justus’ Augen leuchteten auf. »Eine Popcorn-Maschine?« »Genau. Fast neu und alles original. Die hat gerade mal dreißig Jahre auf dem Buckel. Kommt mit! Ich habe den Apparat in meinen Schuppen gestellt.« In dem kleinen Holzverschlag sammelte Onkel Titus seinen Lieblingsschrott. Stolz öffnete er die Tür. »Da ist das gute Stück. Ein bisschen verstaubt, aber die bekomme ich leicht wieder hin. Was ist, wollt ihr mir helfen? Wenn wir alle mit anpacken, dann können wir in einer Stunde unser erstes selbst gemachtes Popcorn essen.« Die drei waren einverstanden und machten sich sofort an die Arbeit. Gemeinsam zerlegten sie die 31
Maschine in alle Einzelteile, säuberten diese und bauten schließlich das Ganze wieder zusammen. Onkel Titus strahlte. »So, jetzt brauche ich nur noch die Maiskörner hier oben einfüllen und dann kann’s losgehen. Die Körner werden erhitzt und – ›Peng‹ -wird aus einem kleinen Korn ein großes Popcorn. Fast schon Zauberei.« Als die ersten Maiskörner sich lautstark in Popcorn verwandelten, knetete Justus nachdenklich seine Unterlippe. »Das ist wirklich sonderbar. Wie kann eigentlich etwas so Kleines innerhalb einer Tausendstelsekunde so riesig werden?« Bob steckte sich ein Popcorn in den Mund. Es war noch warm. »Ich wette, du denkst an deine Riesenkirsche von heute Morgen, oder?« Onkel Titus füllte noch mehr Maiskörner nach. »Nun fangt nicht schon wieder damit an! Riesenkirschen gibt es nicht. Beim Popcorn ist das was anderes. Die Maiskörner blähen sich bei Hitze auf ein Vielfaches ihrer ursprünglichen Größe auf. Das Gewicht bleibt dasselbe.« Jetzt mischte sich Peter ein. »Die 32
Riesenkirsche hat nur Just gesehen. Aber was ist mit dem Monsterschmetterling?« Die Geschichte hatte sich wie ein Lauffeuer auch zu Onkel Titus herumgesprochen. »Tja, das ist wirklich eine seltsame Sache. Tante Mathilda hat davon noch gar nichts mitbekommen. Die stand den ganzen Tag in der Küche. Vielleicht ist es aber auch besser, wenn sie sich um diese Riesenviecher keine Sorgen machen muss. Das wird sich schon bald aufklären, denn es gibt für alles eine natürliche Erklärung.« Den Rest des Tages verbrachten sie damit, den Schrottplatz aufzuräumen. Gegen Abend verabschiedeten sich Peter und Bob. Jeder von ihnen hatte eine riesige Tüte mit Popcorn auf dem Gepäckträger festgeschnallt. In der Küche war Tante Mathilda immer noch dabei, Kirschkuchen zu backen. Wenig später ging Justus müde ins Bett, doch er traute sich nicht einzuschlafen. Hatte er von den Riesenkirschen nur geträumt oder gab es sie wirklich? Was für ein Traum würde dann diese Nacht auf ihn warten? 33
Titelhelden Am nächsten Morgen erwachte Justus erst, als ihn die ersten Sonnenstrahlen in der Nase kitzelten. Verschlafen rieb er sich die Augen. Nein, diese Nacht hatte er nicht von riesigen Kirschen geträumt. Eigentlich konnte er sich überhaupt nicht erinnern, dass er etwas geträumt hatte. Es roch immer noch nach Kuchen. Tante Mathilda und Onkel Titus saßen schon auf der Veranda und tranken ihren Morgenkaffee. »Hallo Justus«, begrüßte ihn Tante Mathilda freundlich. »Endlich mal wieder ein Familienfrühstück. Von mir aus könnte jeder Tag ein Sonntag sein.« Zufrieden schnappte sich Justus ein frisches Brötchen. Er fühlte sich wohl, wenn Tante Mathilda von ihrer kleinen Familie sprach. Seine richtigen Eltern waren bei einem Unfall ums Leben gekommen, als er fünf Jahre alt war. Onkel Titus schlug die Morgenzeitung auf. »Nun guckt euch das an! Das ist ja nicht zu glauben! Seht 34
mal!« Verwundert blickte Justus in die Zeitung. Gleich auf der zweiten Seite war ein Foto von ihm und seinen beiden Freunden zu sehen. Und das war nicht alles: Die drei hockten anscheinend auf einem
riesigen Schmetterling hoch oben in der Luft. Tante Mathilda verschluckte sich fast an ihrem Kaffee. »Um Himmels Willen! Was habt ihr denn da angestellt?« Über dem Bild prangte eine fette Schlag35
zeile: ›Monsterfalter über Rocky Beach‹. Fassungslos riss Justus die Zeitung an sich. »So eine Schweinerei. Das ist eine Fotomontage. Der Reporter hat mit dem Bild rumgetrickst. Am Computer ist so etwas kein Problem.« Tante Mathilda verstand die Welt nicht mehr. »Moment! Was für ein Reporter? Ich höre nur Computer. Was ist hier eigentlich los?« Justus kam nicht dazu, ihr zu antworten, denn in diesem Moment rasten seine beiden Freunde auf den Hof. Bob schmiss sein Fahrrad in die Ecke. »Just, hast du schon in die Zeitung geguckt? Cool, oder?« »Was ist denn daran cool? Wir sehen aus wie Idioten auf einem Schaukelpferd.« »Ach was. Wann kommt man schon mal in die Zeitung? Und dann mit so einem großen Foto.« Tante Mathilda wusste immer noch nicht, was dies alles zu bedeuten hatte. »Kann mich endlich mal jemand aufklären?« Plötzlich klingelte das uralte Handy von Onkel Titus. »Ja, hier Titus Jonas!« Nach wenigen Sekunden verfinsterte sich sein 36
Gesicht. »Moment, Kommissar Reynolds, was ist riesig geworden?« Neugierig versuchte Justus das Gespräch mitzubekommen und drückte sein Ohr ans Telefon. Leise hörte er die Stimme vom Kom-
missar. »… Jonas, Sie müssen kommen! Es geschehen merkwürdige Dinge auf dem Marktplatz. Die Leute spielen schon verrückt. Fred Fireman, Sie wissen schon, die Bronzestatue auf dem Brunnen, ist plötzlich riesengroß geworden. Wahrscheinlich 37
haben wir irgendeinen Witzbold in Rocky Beach. Mister Jonas, Sie machen doch manchmal ungewöhnliche Transporte, oder?« »Ja, aber …« »Kein Wenn und Aber. Ich weiß nicht, wer mir am Sonntag helfen kann. Bitte kommen Sie und schaffen Sie so schnell wie möglich diesen RiesenFred weg. Bis gleich.« Onkel Titus blickte verwundert in die Runde. »Also, so etwas. Was soll ich denn jetzt machen?« Justus ballte die Faust. »Na, was wohl: Wir fahren alle in die Stadt und gucken, was da los ist. Endlich haben wir eine heiße Spur.« Aufgeregt rannten die drei ??? und Onkel Titus zum alten Pick-up. Als sie mit durchdrehenden Rädern den Hof verließen, sah ihnen Tante Mathilda noch eine ganze Weile verständnislos hinterher. Die drei hatten sich auf den Rücksitz gequetscht und Onkel Titus gab Vollgas. Wenig später erreichten sie den Markplatz und erblickten um den Brunnen herum eine aufgeregte 38
Menschenmenge. Aus der Mitte ragte die riesige Statue von Fred Fireman. Bob nahm seine Brille ab und putzte sie mit dem T-Shirt sauber. »Unglaublich! Das Ding ist mindestens vier Meter groß. Was passiert in Rocky Beach?« Nervös kam Kommissar Reynolds auf sie zugelaufen. »Da sind Sie ja endlich, Mister Jonas. Schaffen Sie mir das Ding vom Hals! Die Stadt dreht sonst noch durch. Ich kann die Angelegenheit erst in Ruhe untersuchen, wenn die Bürger sich beruhigt haben. Nun machen Sie schon!« Onkel Titus stieg unsicher aus dem Pick-up. »Also, ich weiß nicht. Bei der Größe brauche ich glatt einen Kran. Bronze ist verdammt schwer.« Doch der Kommissar schüttelte den Kopf. »Nein, das Riesending ist nicht aus Bronze. Man kann mit dem Finger reinpieken. Fühlt sich an wie Schaumstoff, oder so. Das spielt jetzt auch keine Rolle. Ich will, dass wieder Ruhe in die Stadt einkehrt. Die Geschichte hat schon haufenweise Pressefritzen angelockt.« 39
In der aufgeregten Menge erkannte Justus Larry Blix, den Reporter. Wütend ging er auf ihn zu. »Ich möchte mal wissen, warum Sie das Bild mit uns gefälscht haben. Wir lassen uns nicht gern zu Idioten machen.« Der Reporter senkte schuldbewusst seinen Kopf. »Tut mir leid. Nichts für ungut. Aber so ein bisschen Übertreibung kann in der Zeitung doch nicht schaden, oder? So sieht das Ganze doch noch viel spektakulärer aus.« Bevor Justus etwas erwidern konnte, griff der Reporter in seine Tasche und zog einige Geldscheine heraus. »Aber ich will es wieder gutmachen. Hier habt ihr jeder zwanzig Dollar als Entschädigung. Ich hoffe, die Sache ist damit gegessen.« Aber das Geld machte Justus noch wütender. »Behalten Sie Ihr Geld! Wir sind doch keine Kasperköpfe!« Jetzt schob der Kommissar den Reporter beiseite. »So, hier gibt es absolut nichts zu sehen. Gehen Sie alle nach Hause und genießen Sie den Sonntag. Der Unfug wird auf der Stelle entfernt werden. Mister Jonas! Was ist jetzt?« 40
Transportschaden Onkel Titus fuhr den Pick-up langsam rückwärts an den Brunnenrand und stieg aus. »Okay, zwei Leute sichern Fred Fireman mit diesem Seil. Dann die Statue vorsichtig zum Wagen kippen und Stück für Stück runterlassen. Justus, Peter, Bob, ihr drei stellt euch auf die Ladefläche und ich fange das Ungetüm mit einer langen Stange ab!« Alle, die um den Brunnen standen, halfen eifrig mit und der Reporter fotografierte unentwegt die gewagte Aktion. Zehn Minuten später lag Fred Fireman auf dem Pick-up. Der Kopf ragte weit über die Motorhaube hinaus. Erleichtert wischte sich der Kommissar mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. »Ich bin froh, dass das Ding wegkommt. Mister Jonas, am besten lagern Sie Fred auf Ihrem Schrottplatz, bis sich die Sache aufgeklärt hat. Alles Weitere besprechen wir dann am Montag in meinem Büro. So, und die Herrschaften auf dem Platz können nach Hause gehen. Die Polizei hat alles im Griff.« 41
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Die drei ??? und Onkel Titus stiegen wieder in den Wagen und in langsamer Fahrt rollte der Pickup über den Marktplatz zurück auf die Straße. Onkel Titus schüttelte erschöpft den Kopf. »Mathilda macht mir die Hölle heiß, wenn ich mit dem Monster nach Hause komme.« Mittlerweile stand die Sonne fast senkrecht am Himmel und die warme Luft flirrte über dem schwarzen Asphalt der Küstenstraße. Das Haus der Jonas’ befand sich etwas außerhalb von Rocky Beach. Auf der Strecke lag eine Tankstelle, an der Onkel Titus den Wagen stoppte. »Ich will nur mal gucken, ob die Gurte noch stramm genug sind. Nicht, dass uns Fred Fireman von der Ladefläche rutscht.« Es war drückend heiß. »Hier habt ihr ein paar Dollars. Kauft euch in der Tankstelle was zu trinken, sonst vertrocknet ihr mir noch. Ich komme gleich nach.« In der Tankstelle gab es eine kleine Bar und die drei bestellten sich kalte Cola. Kurz danach kam auch Onkel Titus und winkte den Mann hinter dem 43
Tresen zu sich. »Stanley, mach mir doch bitte einen starken, schwarzen Kaffee. Den habe ich mir jetzt verdient.« Selbst am Sonntag war die Tankstelle gut besucht. Zwei große Wohnmobile und mehrere Motorräder standen an den Zapfsäulen. Gerade schob sich ein langer Lastwagen zwischen den Pick-up und das Tankstellenhäuschen. Justus biss in die Zitronenscheibe aus seinem Colaglas. »Und was machst du jetzt mit der Statue?« »Keine Ahnung. Ich werde sie irgendwo hinter den alten Autoreifen auf dem Schrottplatz verstauen. Vor Tante Mathilda kann ich sie sowieso nicht verbergen. Wäre ich bloß nicht an mein Handy gegangen. Egal. So, trinkt aus, wir müssen weiter.« Als sie das Tankstellenhäuschen verließen, fuhr der lange Lastwagen gerade los. Jetzt erst konnten sie wieder den Pick-up sehen. Vor Schreck ließ Onkel Titus plötzlich den Autoschlüssel fallen. »Oh nein! Fred Fireman ist weg!« 44
Entsetzt rannten sie auf den Pick-up zu. Bob blickte auf die Ladefläche. »Nein, der ist nicht weg. Fireman ist nur wieder geschrumpft. Seht mal: Hier liegt er in Originalgröße aus Bronze.« Fassungslos starrten sie auf die Statue. Die Haltegurte hingen Fireman nur noch schlaff um den Hals. Onkel Titus verstand die Welt nicht mehr. »Also, mir reicht es langsam mit dieser Geschichte. Erst groß, dann klein. Riesenschmetterlinge und Monsterfreds. Wir fahren jetzt sofort zurück zum Kommissar. Soll der sich um die Sache kümmern. Schließlich wird die Polizei dafür bezahlt. Los, alles einsteigen!« Auf der Fahrt knetete Justus die ganze Zeit die Unterlippe. »Was geht hier eigentlich ab? Alles, was sich plötzlich zu Riesen verwandelt, wird kurz danach wieder normal groß. Entweder treibt hier ein Witzbold seine Scherze, oder wir haben es mit unerklärlichen Phänomenen zu tun.« Peter blickte unsicher hinter sich auf die Ladefläche. »Unerklärliche Phänomene? Du meinst Ufos und so?« 45
»Ich meine gar nichts. Mir brummt allmählich der Kopf. Kirschen, Kürbisse, Schmetterlinge, Statuen – ich möchte mal wissen, was als Nächstes kommt.« »Vielleicht ein Monstereis bei Giovanni«, grinste Bob. »Davon hätte man wenigstens was.« Auf dem Marktplatz war der Menschenauflauf inzwischen verschwunden. Onkel Titus parkte den Wagen direkt vor der Polizeistation. »Wartet im Café auf mich! Ich werde das in der Zwischenzeit mit Kommissar Reynolds klären.« Giovanni war erfreut, die drei wiederzusehen. »Buon giorno, Bambini. Wieder drei Becher für zehn Dollar?« Justus schüttelte den Kopf. »Nein, diesmal werden wir nicht von einem neugierigen Reporter eingeladen. Dreimal eine Kugel Zitrone bitte.« Anschließend setzten sie sich in den Schatten eines großen Sonnenschirms. Um die Zeit waren kaum Gäste in dem Eiscafé. Nur ein kleiner, dünner Mann mit Vollbart und Brille saß in einer Ecke und las Zeitung. 46
Bob’s Eiskugel in der Waffel schmolz schneller, als er lecken konnte. »Beim nächsten Mal sollten wir die monsterhaften Erscheinungen nicht aus den Augen lassen. Ich würde zu gern sehen, wie sich plötzlich alles wieder zurückverwandelt.« Peter blinzelte in die Sonne. »Wenn es ein nächstes Mal gibt. Nicht, dass wir selbst plötzlich riesengroß werden.« Plötzlich legte der kleine Mann seine Zeitung weg und kam auf die drei ??? zu. »Für ein Lebewesen wäre
das
tödlich«,
sagte
er
leiser
mit
Stimme. Verwundert blickten ihn die drei an.
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Plasmagenese »Entschuldigt, ich habe euer Gespräch mitbekommen. Seid ihr nicht die Jungs aus der Zeitung?« Justus nickte. »Ja, aber das ist eine Fotomontage. Wissen Sie denn mehr über diese seltsamen Erscheinungen?« Der Mann blickte sich unsicher um. »Nun ja, ich weiß sogar eine ganze Menge darüber. Mehr als mir lieb ist. Wenn ich mich vorstellen darf: Mein Name ist Harper. Professor Dustin Harper. Ich leite eine Forschungsgruppe an der Universität in Los Angeles. Vielmehr, ich leitete sie. Das Projekt ist gestoppt worden.« »Was für ein Projekt?«, fragte Bob weiter. »Viel darf ich darüber nicht sagen. Nur soviel: Es ging um molekulare Plasmagenese.« »Plasmanase?«, wiederholte Peter verständnislos. »Nein, Plasmagenese. Doch ich kann hier nicht mehr darüber erzählen. Tut mir leid, aber es hat etwas mit der nationalen Sicherheit zu tun.« 48
Justus’ Neugier war jetzt nicht mehr zu bremsen. »Moment, also wissen Sie, was hinter den ganzen Erscheinungen steckt? Wieso gehen Sie damit nicht zur Polizei?« »Von da komme ich gerade. Aber ein gewisser Reynolds hat mich nur ausgelacht. Ich soll am Montag wiederkommen und einen Psychologen aufsuchen. Der dachte, ich sei verrückt.« In diesem Moment kam ein roter Sportwagen auf den Marktplatz gefahren. Peter erkannte den Fahrer sofort: »He, das ist doch Blix von der California Press, oder?« Nervös faltete der Professor seine Zeitung zusammen. »Die Presse darf auf keinen Fall Genaueres erfahren. Das würde eine Panik unter der Bevölkerung auslösen. Ich muss verschwinden.« Justus lief ihm hinterher. »Können wir Ihnen denn irgendwie helfen? Wir haben schon öfter schwierige Fälle übernommen.« Mit zittrigen Fingern überreichte ihm Dustin Harper eine Visitenkarte. »Ja … nein … ich … ich bin mir nicht sicher. Es sollen nicht noch mehr Men49
schen in die Sache reingezogen werden. Aber ich brauche wirklich Hilfe. Es muss schnell gehandelt werden.« Zielstrebig ging der Reporter auf das Café zu. Der Professor kratzte sich am Bart und holte schließlich tief Luft. »Cut, ihr erreicht mich unter dieser Adresse. Achtet aber bitte darauf, dass euch niemand folgt. Ich muss weg.« Eilig verschwand der Mann in einer schmalen Seitenstraße. Blix hatte jetzt das Café erreicht. »Da seid ihr ja wieder. Tja, ich hatte mal wieder den richtigen Riecher für eine gute Story. Die Sache wird langsam heiß. Ich 50
möchte mal wissen, wo ihr den riesigen Feuerwehrmann versteckt habt. Die Fotos sind auf jeden Fall fantastisch geworden.« In diesem Moment kam Onkel Titus mit Kommissar Reynolds aus der Polizeiwache. Der Reporter rannte sofort auf ihn zu. »Mister Reynolds, gibt es schon Neuigkeiten im Fall Riesenfalter?« Doch als der Kommissar genervt antworten wollte, hatte Blix schon den geschrumpften Fireman aus Bronze auf der Ladefläche entdeckt. Begeistert machte der Reporter Fotos. »Wunderbar. Das wird die Story meines Lebens. Vom Riesen zum Zwerg. Bitte, Kommissar, stellen Sie sich doch einmal dazu!« »Nichts werde ich tun! Verschwinden Sie und lassen Sie die Polizei in Ruhe ihre Arbeit erledigen! Mister Jonas, helfen Sie mir bitte, die Bronzefigur in die Wache zu tragen. Die kommt vorübergehend in eine Arrestzelle hinter Gitter. Da ist sie auf jeden Fall sicher vor neugierigen Reportern.« Gegen Mittag saßen alle wieder auf der Veranda bei Tante Mathilda. Sie hatte für den Sonntag einen 51
Braten vorbereitet und Bob füllte sich hungrig seinen Teller auf. »Beeilen wir uns. Sonst schrumpft der plötzlich zusammen wie Fred Fireman.« Tante Mathilda verstand nicht, wovon er sprach. »Moment, was soll hier schrumpfen? Hat jemand etwas an meinem Braten auszusetzen?« Onkel Titus musste grinsen. »Nein, der ist großartig wie immer. Die Kinder haben nur wieder mal zu viel Fernsehen geguckt.« Er hielt es anscheinend für besser, Tante Mathilda nichts von den mysteriösen Erscheinungen zu erzählen. Nach dem Essen setzten sich die drei ??? in den Schatten unter den Kirschbaum. Nachdenklich zog Justus die Visitenkarte des kleinen Mannes aus der Tasche. »Dustin Harper«, las er leise vor. »Professor für angewandte Plasmagenese. Was machen wir denn jetzt?« Peter kaute immer noch am Braten. »Wir geben die Karte bei Reynolds ab. Soll der sich darum kümmern. Ich habe keine Lust auf diese Plasmanase. Er hat doch sogar gesagt, für Lebewesen sei das tödlich.« Bob nahm Justus die Karte aus 52
der Hand. »Als Adresse steht hier: Chrysler Park 12. Ist das nicht in diesem stillgelegten Industriegebiet im Norden, Just?« »Stimmt. Ich war da öfter mit Onkel Titus, um Schrottteile abzuholen. Mit dem Rad braucht man keine zwanzig Minuten dorthin.« Plötzlich riss ihm Peter die Karte aus der Hand. »Nichts da. Ich weiß, woran ihr denkt. Von mir aus könnt ihr da allein hinfahren. Ich habe keine Lust, die Ferien mit verrückten Spinnern und Monsterschmetterlingen zu verbringen.« Grinsend steckte sich Justus eine Kirsche in den Mund. »Okay, dann kannst du ja solange Tante Mathilda beim Kuchenbacken helfen. Die freut sich, wenn ihr jemand die Steine aus den Kirschen entfernt. Im letzten Jahr habe ich damit vier Tage verbracht.« Justus wusste, wie er seinen Freund überreden konnte. »Moment, so war das nicht gemeint. Natürlich komme ich mit. Wir können uns ja kurz den Laden von außen angucken und verschwinden dann wieder. Lasst mich hier nicht mit den Kirschen allein.« 53
Forschungslabore Onkel Titus hatte sich in seinen Schuppen zurückgezogen
und
arbeitete
wieder
an
der
Popcornmaschine. Doch als sich die drei ihre Räder schnappten, stand plötzlich Tante Mathilda vor ihnen. »Moment! Hiergeblieben! Wo wollt ihr denn jetzt schon wieder hin?« Justus zog unschuldig die Augenbrauen hoch. »Wir wollen zusammen Physik lernen. Es geht um Plasmagenese, weißt du?« Tante Mathilda verstand kein Wort. »Also, so etwas gab es bei uns früher nicht. Aber egal, ich bin froh, dass ihr in den Ferien wenigstens ein bisschen an die Schule denkt.« Kurz darauf fuhren die drei durch die große Toreinfahrt auf die Küstenstraße. Peter hatte immer noch rote Ohren. »Just, wie kann man nur so lügen?« »Wieso? Das war keine Lüge. Ich habe mit keinem Wort gesagt, dass das in der Schule drankommt.« Die Straße führte schnurgeradeaus Richtung 54
Norden. Aus der Ferne konnte man die Brandung des nahen Pazifiks hören. Sonntags war die Straße kaum befahren und nur wenige Autos überholten sie. Peter hatte sich wie immer an die Spitze gesetzt. »Was ist? Könnt ihr nicht mehr?«, lachte er und fuhr noch ein wenig schneller. Mühsam kämpfte sich Justus vorwärts. Sein verschwitztes TShirt klebte ihm am Rücken fest. »Du hast ja auch nicht so ein altes Fahrrad. Meins hat Onkel Titus aus alten Schrottteilen zusammengebastelt. Beim nächsten soll er mir einen Motor einbauen!« Schließlich erreichten sie das stillgelegte Industriegebiet. Auf einem rostigen Schild war in großen Buchstaben zu lesen: ›Chrysler Park‹. Bob wischte sich die Brille sauber. »Scheint eine Weile her zu sein, dass hier gearbeitet wurde.« Auf dem riesigen Gelände standen große Gebäude und Hallen, von denen die Farbe abblätterte. Bei einigen waren die Dächer eingestürzt. Der Wind wehte den Staub vom Boden hoch und trieb vertrocknetes Laub vor sich her. Peter betrachtete die Visitenkarte 55
des Professors. »Ich kann mir kaum vorstellen, dass der hier wohnt. Nummer 12 muss weiter dahinten sein. Los, kommt mit!« Nummer 12 war ein großes Gebäude aus Blech. Es hatte kein einziges Fenster. Nur zur Straßenseite hin befand sich ein großes Schiebetor. Justus lehnte sein Rad an einen rostigen Lichtmast. »Professor Harper? Sind Sie hier?« Durch sein Rufen schreckte er eine schwarze Möwe auf, die sich schimpfend vom Dach erhob und davonflog. Peter sah ihr misstrauisch hinterher. »Die hatte zumindest eine normale Größe.« Langsam ging Justus auf das Tor zu und klopfte zaghaft dagegen. »Mister Harper?« Plötzlich öffnete sich das Tor einen Spalt breit und das Gesicht des Professors kam zum Vorschein. »Ah, ihr seid es. Ihr wisst gar nicht, wie froh ich bin, euch zu sehen. Die Ereignisse überschlagen sich. Schnell, kommt rein! Ist euch jemand gefolgt?« Die drei schüttelten die Köpfe. »Sehr gut. Nehmt am besten auch eure Räder mit!« 56
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Ihre Augen mussten sich erst einmal an die Dunkelheit in dem Gebäude gewöhnen. Sie standen inmitten einer riesigen Halle. An der Decke hingen schwache Lampen und tauchten den Raum in ein schummriges Licht. Überall standen große Apparaturen herum. Bunte Lämpchen flackerten und die Halle war erfüllt vom leisen Surren der vielen Geräte und Computer. Bob stand der Mund offen. »Ist das hier ein Forschungslabor?« »Na ja, wenn man so will. Ich musste improvisieren, nachdem man meine Forschungen in Los Angeles unterbunden hat. Aber die Wissenschaft lässt sich nicht aufhalten! Auch wenn die da oben es so wollen. Seit einem Jahr arbeite ich hier an meinen geheimen Experimenten. Ihr seid die Ersten, die sie zu Gesicht bekommen.« Justus platzte fast vor Neugier. »Nun sagen Sie schon endlich, worum es geht, Mister Harper!« Der kleine Mann rückte seine Brille zurecht. »Ja, wir dürfen keine Zeit verlieren. Kommt mit!« Der Professor führte sie zwischen den Apparaten 58
hindurch in einen weiteren Raum. Auch dieser war vollgestopft mit Computern, Kabeln und technischen Geräten. Fast andächtig ging Dustin Harper auf einen Metallschrank zu. Quietschend öffnete er die schwere Stahltür. Dann holte der Mann ein seltsames Gerät heraus. Es sah aus wie eine große Wasserpistole. Peter wich erschrocken einen Schritt zurück. »Ist das ein Maschinengewehr?« »Nein. Das ist ein Gammastrahler.« Peter atmete erleichtert auf. »Leider muss ich dir sagen, dass ein Gammastrahler wesentlich gefährlicher ist als ein Maschinengewehr.« Das Lächeln in Peters Gesicht verschwand wieder. »Und … und was kann man damit anstellen?« »Gut. Ich will es euch sagen: Erinnert ihr euch an den großen Schmetterling?« Die drei nickten. »Der hat zuvor eine volle Ladung Gammastrahlung abbekommen. Und auch die Statue auf dem Marktplatz hat es erwischt.« Justus holte tief Luft. »Moment, Sie wollen doch nicht sagen, dass man 59
mit diesem Teil alles in etwas Riesengroßes verwandeln kann?« Der Professor legte den Gammastrahler vorsichtig auf einen Tisch. »Nun ja. Man kann es vereinfacht so ausdrücken.« Justus starrte fassungslos auf das Gerät. »Dann ist es wahr und ich habe doch eine große Kirsche gesehen.« »Was für eine Kirsche?« »Gestern früh bei uns im Garten. Aber kurz darauf war sie wieder normal groß.« Dustin Harper musste sich daraufhin setzen und stützte seinen Kopf mit den Händen ab. »Oh nein. Dann hat er auch dort zugeschlagen. Er muss komplett verrückt geworden sein.« Bob ging einen Schritt auf ihn zu. »Nun sagen Sie schon! Wen meinen Sie mit ›er‹?«
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Gammastrahler Der Professor deutete auf ein vergilbtes Foto an der Wand. Darauf waren Dustin Harper und ein weiterer Mann zu sehen. Dieser trug keinen Bart und hatte nur wenige Haare auf dem Kopf. Ansonsten sahen beide zum Verwechseln ähnlich aus. »Das ist mein Zwillingsbruder Terence Harper. Unser ganzes Leben lang haben wir gemeinsam geforscht. Als die Arbeiten in Los Angeles gestoppt wurden, experimentierten wir hier weiter. Mit Er-
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folg, denn vor einem Monat haben wir endlich unseren ersten funktionierenden Gammastrahler gebaut. Wir haben jahrelang auf diesen Tag hingearbeitet. Diese speziell von uns entwickelte Strahlung vergrößert alles, was von ihr getroffen wird. Schmetterlinge, Statuen oder auch Kirschen. Eine Sternstunde der Menschheit. Stellt euch vor, was man damit alles anstellen kann! Niemand bräuchte mehr zu hungern, wenn man Getreidekörner so groß machen könnte wie einen Fußball.« Peter sah ihn irritiert an. »Ich verstehe aber nicht. Wie kann etwas plötzlich größer werden? Das ist doch nicht normal.« »Tja, das ist nicht so leicht zu erklären. Alles auf der Welt besteht aus Atomen und Molekülen. Die Gammastrahlen bringen sie durcheinander und …« Justus unterbrach ihn: »Wie bei einem Popcorn?« »Ja! Das ist eine gute Erklärung. Genau, warum bin ich nicht früher darauf gekommen? Bei einem Popcorn verhält es sich zwar etwas anders, aber es ist ein gutes Denkmodell.« 62
»Aber was ist jetzt mit Ihrem Bruder?« »Mein Bruder? Ach ja. Ihm scheint der Erfolg zu Kopf gestiegen zu sein. Ich kann es mir nicht anders erklären. Nach unseren ersten erfolgreichen Versuchen brach er in großen Jubel aus. Dann schnappte er sich plötzlich den Gammastrahler und verschwand damit. Draußen hat er dann auf eine Möwe geschossen. Ich kann euch sagen: Das Tier war plötzlich so groß wie ein Auto. Anschließend ist er mit dem Gammastrahler auf und davon.« Peter musste schlucken. »Aber was ist mit der Möwe passiert? Ich meine, fliegt die noch irgendwo herum?« »Nein, zum Glück nicht. Die Gammakanone ist noch nicht ganz ausgereift. Alles was riesengroß wurde, nimmt nach kurzer Zeit wieder seine normale Größe an. Für Lebewesen endet die Prozedur leider tödlich. Die Möwe habe ich hinter dem Schuppen begraben.« Justus betrachtete den Gammastrahler auf dem Tisch. »Und was ist mit dem Ding? Ich meine, funktioniert der Strahler auch?« 63
»Das hier? Nein, das ist nur ein Modell. Eine Attrappe sozusagen. Mein Bruder hat jetzt den einzigen Prototypen. Ich kann nur hoffen, dass er in seinem Wahn kein weiteres Unheil anrichtet.« Anschließend verstaute er das Gerät wieder im Schrank. »Tja, und nun weiß ich nicht, was ich machen soll. Die Polizei glaubt mir kein Wort. Und warten, bis mein Bruder von allein zurückkommt, kann ich auch nicht. Die Lage hat sich nämlich noch weiter zugespitzt.« »Wie meinen Sie das?«, fragte Justus nach. »Gut, dann will ich euch den Rest der Geschichte auch erzählen. Mein Bruder muss in der letzten Nacht heimlich ins Labor zurückgekehrt sein. Ich habe davon leider nichts bemerkt. Es gibt keinen Zweifel mehr daran, dass er es geschafft hat, den letzten Fehler des Gammastrahlers zu beseitigen. Ihr müsst wissen: Er ist gleichzeitig ein Genie und ein Wahnsinniger.« Justus ahnte, welchen Fehler Terence Harper korrigiert hatte. »Sie meinen doch nicht etwa, dass 64
ab sofort alles so riesig bleibt und sich nicht mehr zurückverwandelt?« »Doch, genau das meine ich damit. Und ich kann es euch demonstrieren. Folgt mir!« Wieder liefen sie dem kleinen Mann hinterher. Diesmal führte er sie zu einer schmalen Treppe am Ende des Raumes. »Vorsicht! Bitte die Köpfe einziehen! Wir gehen jetzt in den Bunker.« »In den Bunker?«, fragte Peter erschrocken. »Ja, ein Keller tief unter der Erde. Früher wurden hier Feuerwerkskörper hergestellt. Dort unten lagerte der Sprengstoff dafür. Aber keine Angst, alles ist natürlich ausgeräumt worden. Mein Bruder und ich haben hier die ersten Versuche mit dem Gammastrahler unternommen.« Der Professor ging vorweg und zeigte ihnen den Weg durch ein Wirrwarr von düsteren Gewölbekellern. Plötzlich blieb Bob stehen und blickte auf den Boden. »Moment, ich glaube, ich bin da in irgendetwas Schleimiges getreten.« Peter wich ein Stück zurück. »He, mach keine Witze!« 65
»Doch. Hier, mir klebt das Zeug am Schuh.« Hastig zog der Professor eine Taschenlampe aus seinem Laborkittel und leuchtete nach unten. »Keine Angst, das sind nur die Überreste von Virginia. Das war eine kleine Plastikpuppe, an der wir unsere ersten Experimente mit der Gammakanone ausprobiert haben. Die Puppe ist zwar größer geworden, hat sich dann aber nach wenigen Sekunden in diese schleimige Masse verwandelt. Nur dort hinten kann man noch etwas der ursprünglichen Form erkennen. Wir haben es auch mit Kaugummi, Zahnpasta, Backpflaumen und einem Regenwurm probiert – alles hat sich in diesen Schleim aufgelöst. Man müsste hier mal wieder dringend sauber machen.« Die drei ??? gingen auf Zehenspitzen in den nächsten Raum. »So, da wären wir. Guckt euch nur um! Hier seht ihr die ersten formstabilen Dinge, die der Gammastrahlung ausgesetzt wurden.«
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Operation ›Monsterpilz‹ Justus, Peter und Bob blieben wie angewurzelt stehen und konnten kaum glauben, was sie plötzlich sahen: Vor ihnen bauten sich riesige Pilze auf. Es war ein ganzer Wald aus Pilzen – so groß wie Sonnenschirme. »Hab ich euch zu viel versprochen? Diese Pilze gehen in die Geschichte ein. Sie werden nicht wieder klein oder fallen zu Schleim zusammen. Mein Bruder hat es tatsächlich geschafft.« Vorsichtig näherte sich Justus einem der Ungetüme. »Und wieso hat er sich gerade Pilze ausgesucht?« »Tja, wahrscheinlich hat Terence die Gammakanone auf das Erstbeste gerichtet, was er gefunden hat. Wir züchten hier im feuchten Keller ein paar Pilze.« Bob bohrte mit seinem Finger in einen der Pilze. »Fühlt sich so weich an wie ein Schwamm.« »Ja, das ist wie bei eurem Popcorn. Das Gewicht bleibt dasselbe – nur bläht sich alles auf wie ein Luftballon. Wirklich fantastisch.« 67
Peter war nicht so begeistert von der Sache. »Ob das fantastisch ist, wird sich noch herausstellen. Was ist, wenn Ihr Bruder mit der Kanone draußen wild um sich ballert?« Das Gesicht des Professors verfinsterte sich. »Ja, du hast Recht. Wir müssen ihn stoppen! Ich mag gar nicht daran denken, was man alles mit dem Gammastrahler anstellen
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kann.« Entschlossen holte Justus tief Luft. »Okay, wir müssen schnell handeln. Zuerst sollten wir es noch einmal bei Kommissar Reynolds versuchen. Schließlich können wir ihm jetzt mit den Pilzen Beweise liefern. Sie, Professor, warten hier im Labor! Vielleicht beruhigt sich Ihr Bruder und kommt wieder zurück. Wir fahren in die Stadt zurück. Los, ›Operation Monsterpilz‹ hat begonnen.« »Gut, aber ihr müsst mir versprechen, niemandem außer dem Kommissar von all dem hier zu erzählen. Ich brauche euer Ehrenwort.« »Sie haben unser Ehrenwort«, antwortete Justus mit fester Stimme. Als sie wenig später wieder vor der großen Halle standen, wurden sie von der grellen Sonne geblendet. Erst allmählich gewöhnten sich ihre Augen an das gleißende Licht und die drei stiegen auf ihre Räder. »Und seid um Himmels Willen vorsichtig!«, rief ihnen Dustin Harper hinterher. Bob musste grinsen. »Der hört sich fast an wie Tante Mathilda.« 70
Zwanzig Minuten später erreichten sie den Marktplatz. Nur im Eiscafé saßen einige Gäste im Schatten der großen Sonnenschirme. Justus lehnte sein Rad an die Mauer des Polizeireviers und rannte zielstrebig auf die Eingangstür zu. »Wenn Reynolds die Monsterpilze gesehen hat, muss er dem Professor glauben. Los, kommt!« Es war Sonntag und auf der Wache herrschte kaum Betrieb. Nur ein Beamter saß gelangweilt hinterm Tresen, nuckelte an einer Pfeife und löste Kreuzworträtsel. »Hallo, was kann ich für euch tun?«, begrüßte er sie mit müder Stimme. Bob begann sofort zu erzählen. »Also, es geht um Riesenkirschen und Monsterpilze. Terence Harper muss sofort gestoppt werden, sonst ballert er mit seinem Gammastrahler herum!« Der Beamte blickte verwundert von seinem Rätsel auf. »Moment mal, das ist hier eine Polizeiwache und keine Geisterbahn! Wollt ihr eine Anzeige machen?« Jetzt versuchte Peter sein Glück. »Nein, es ist ein Notfall. Sie haben doch von diesen 71
seltsamen Erscheinungen etwas mitbekommen, oder?« »Ja. Die Sache wird sich bald als Streich von irgendeinem Spaßvogel aufklären.« Peter entdeckte in einer Ecke der Wache die Bronzefigur von Fred Fireman. Anscheinend hatte man die Statue doch nicht in die Arrestzelle gesperrt. »Wir wissen, wer dahinter steckt. Professor Dustin Harper hat einen Gammastrahler erfunden, mit dem man alles riesengroß verwandeln kann.« »Ach, du meinst diesen Spinner? Ja, der war schon heute Morgen hier. Also, so einen Quatsch habe ich im Leben noch nicht gehört. Seine Personalien wurden aufgenommen und wir kümmern uns gleich am Montag darum.« Justus unterbrach ihn. »Nein, Montag könnte zu spät sein. Sein Bruder Terence hat den Strahler geschnappt und rennt hier irgendwo in der Gegend herum. Wahrscheinlich ist er verrückt geworden und kann jeden Moment mit der Gammakanone zuschlagen. Wir müssen Kommissar Reynolds sprechen.« 72
Wütend stand jetzt der Beamte auf, legte die Pfeife weg und faltete sein Kreuzworträtsel zusammen. »Nun hört mir mal genau zu: Die Polizei ist nicht dazu da, um sich Märchengeschichten anzuhören – und schon gar nicht am Sonntag! Die Sache wird der Reihe nach bearbeitet. Kommissar Reynolds ist froh, wenn er mal einen Tag nicht mit den ganzen Spinnern dieser Stadt verbringen muss. Er genießt seinen wohlverdienten Sonntag auf dem Wasser und angelt. Wenn ich ihn wegen diesem Blödsinn auf dem Handy anrufe, kann ich die nächsten drei Wochen als Streifenpolizist Strafzettel verteilen. Euer Gammelstrahler kann bis Montag warten. So, und jetzt muss ich mich um meine Arbeit kümmern.« Entnervt widmete sich der Beamte wieder seinem Kreuzworträtsel. »So ein Mist! Jetzt ist auch noch die Pfeife ausgegangen!« Die drei ??? verließen enttäuscht die Wache und setzten sich auf die breiten Stufen vor dem Eingang. Bob schmiss wütend einen kleinen Kieselstein in Richtung Brunnen. »So ein Idiot! Fast 73
würde ich mir wünschen, dass jetzt Terence Harper mit seiner Gammakanone kommt und auf seine Pfeife schießt.« In diesem Moment hörten sie eine laute Autohupe vom anderen Ende des Marktplatzes. Peter blickte in die Richtung. »Seht mal! Dort drüben steht schon wieder der rote Wagen von Blix. Vielleicht hat der Reporter neue Informationen. Kommt mit!« Doch Justus hielt ihn an der Hose fest. »Moment! Außer dem Kommissar dürfen wir von der Gammakanone niemandem etwas erzählen. Du weißt doch, was der Professor gesagt hat: Wenn die Geschichte erst einmal in der Zeitung steht, kann sie eine Massenpanik auslösen. Blix wird daraus eine Höllen-Story machen. Wer weiß, was Terence Harper dann anstellt.« Bob ging voran. »Gut, du hast Recht. Wir werden nur Fragen stellen und keine Antworten geben.« Langsam näherten sich die drei ??? dem Sportwagen. Doch es war seltsam – sie konnten niemanden hinter dem Steuer erkennen. 74
Wieder ertönte die laute Hupe. Justus knetete seine Unterlippe. »Vielleicht ist es die Alarmanlage?« Jetzt standen sie nur noch wenige Meter vom Wagen entfernt. Das Hupen wurde immer eindringlicher. »Verdammt, hier stimmt doch was nicht.« Plötzlich sprang die Fahrertür auf. Mit einem lauten Schrei stürzte der Reporter heraus und stolperte auf die Straße. Jetzt erst erkannten die drei, was mit dem Mann los war: Seine Ohren waren so groß wie bei einem Esel.
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Eselsohren »Ah … meine Ohren!«, brüllte der Reporter mit schmerzverzerrter Stimme. »Was ist mit mir passiert? Warum hilft mir denn keiner?« Die drei ??? standen regungslos auf der Stelle – unfähig, sich zu rühren. Langsam stand Larry Blix auf, hielt sich die Hände an den Kopf und ging auf sie zu. Dann riss er sich plötzlich die beiden Ohren ab und warf sie Justus, Peter und Bob entgegen. »Ha ha, reingefallen! Eure Gesichter hättet ihr sehen sollen! Schade, dass ich kein Foto gemacht habe. Nichts für ungut, Kinder, aber den Spaß musste ich mir einfach gönnen. Die Ohren habe ich noch vom letzten Fasching.« Wütend kickte Peter die am Boden liegenden Ohren gegen den Sportwagen. »Sehr witzig!« »Ihr versteht aber auch keinen Spaß, Kinder. Ich dachte, die Riesenohren passen zu den ganzen Monster-Erscheinungen in der Stadt. Aber egal. Habt ihr schon etwas Neues herausgefunden?« 76
Bob wischte sich umständlich die Brille sauber. »Nö, wir sind genauso schlau wie heute Morgen.« Doch der Reporter schien ihm nicht so richtig zu glauben. »Als ich so alt war wie du, hab ich besser gelogen. Euch sieht man doch an, dass ihr über die Sache was wisst. Reporter riechen so etwas. Ich möchte euch mit jemandem bekannt machen.« Justus winkte ab. »Danke, wir haben heute schon genug Bekanntschaften gemacht.« »Na, ihr habt ja flotte Sprüche drauf. Aber ich erzähle keinen Quatsch. Ein gewisser McCooper will euch kennen lernen. Er hat meinen Artikel gelesen und mich vorhin angerufen.« »Und was will der von uns?« »Er scheint sich für die Geschichte mit den Riesenschmetterlingen zu interessieren. Aber bitte, wenn ihr nicht wollt. Mir hat er für ein paar Informationen über euch gleich 200 Dollar in die Hand gedrückt.« Peter konnte es kaum glauben. »200 Dollar? Der hätte nur ins Telefonbuch gucken brauchen. Wo ist denn dieser McCooper?« 77
»Tja, da müsst ihr euch nur umdrehen. Er sitzt seit einer Stunde drüben im Eiscafé und wartet darauf, dass ich euch zu ihm schicke.« Bob blinzelte über den Platz. »Kommen Sie denn mit?« »Nein, er wollte euch allein sprechen.« Etwas unsicher liefen die drei ??? auf Giovannis Eiscafé zu. Ein Mann im schwarzen Anzug und mit Sonnenbrille hob die Hand. »Hallo, seid ihr die drei, die auf dem Riesenschmetterling geritten sind?«, begrüßte er sie freundlich. Justus nickte genervt. »Ja, aber das war eine Fotomontage.« »Na klar, ich weiß. Man darf nie glauben, was in der Zeitung steht. Wenn ich mich vorstellen darf: Mein Name ist Gilbert McCooper.« Dann nahm er seine Sonnenbrille ab und bot den dreien einen Platz an. An dem Tisch saß noch ein weiterer Mann. Auch ertrug einen dunklen Anzug – behielt die Sonnenbrille aber auf. »Das ist Mister Wang. Er achtet darauf – wie soll ich sagen – dass mir nichts passiert.« Peter musterte den kräftigen Mann. »Verstehe, ein Bodyguard.« 78
»Genau. Ein Bodyguard. In meiner Position hat man nicht nur Freunde. Aber zur Sache: Ich habe euch über diesen Larry Blix zu mir gebeten, weil ich ein paar Informationen brauche.« Justus warf lässig einen Blick in die Eiskarte. »Ich wüsste aber nicht, welche Informationen wir Ihnen geben könnten.« McCooper lächelte verschmitzt. »Verstehe, ihr wollt verhandeln. Darf ich euch zunächst etwas anbieten?« Justus wusste, dass Giovanni auf Wunsch auch eine fantastische Pizza zubereiten konnte. Mittlerweile fand er Gefallen daran, dass so viele Menschen etwas von den drei ??? wollten. Leise knurrte sein Magen. Sie hatten seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. McCooper winkte Giovanni an den Tisch. »Hören Sie, die Kleinen möchten etwas bestellen. Bringen Sie am besten alles, was auf der Karte ist.« »Oh, mite Vergnügen! So langsam werden die Bambini meine Lieblingsgäste.« In der nächsten Zeit tischte Giovanni unentwegt Pizza, Eis und kalte Getränke auf. Im Verlauf des 79
Gesprächs zog Gilbert McCooper eine prall gefüllte Brieftasche aus seiner Jacke. »Kommen wir zum Geschäft. Ich will alles über diese sonderbaren Erscheinungen wissen. Meine Firma verkauft weltweit neue Technologien in alle Welt. Patente, neue Formeln und so weiter. Wir handeln also mit Erfindungen. Und das, was hier in Rocky Beach passiert ist, kann die Welt verändern. Ich brauche Namen und Adressen. Am besten alles, was ihr über die Sache wisst. Reichen 500 Dollar?« Nacheinander zog er die Scheine aus der Brieftasche. Justus war gerade dabei, in seine Salamipizza zu beißen und
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verschluckte sich beim Anblick der Banknoten. McCooper deutete dieses als ein Kopfschütteln. »Nun gut, ich habe verstanden und bin bereit, etwas draufzulegen. Ich will nicht kleinlich sein. Hier habt ihr 800 Dollar. Was sagt ihr dazu?« Bob starrte unentwegt auf das viele Geld. »Tut mir Leid. Sie könnten uns auch das Doppelte geben – leider wissen wir nicht mehr, als in der Zeitung steht.« McCooper legte noch ein paar Scheine auf den Stapel. Peter musste schlucken. »Selbst, wenn Sie uns das ganze Eiscafé kaufen. Wir haben keine Ahnung von Monsterfaltern oder Gamma…« Justus trat ihm kräftig unterm Tisch gegen sein Bein. Doch es war zu spät: Triumphierend rieb sich McCooper die Hände. »Na, bitte. Ich wusste, dass ich mich an eure Fersen heften muss. Gut, vielleicht braucht ihr ein wenig Bedenkzeit. Macht mir einfach ein Angebot und wir kommen ins Geschäft. Wir treffen uns in zwei Stunden hier wieder. Giovanni! Die Rechnung bitte.« »Mite dem größten Vergnügen, Signore.« 81
Lagebesprechung Leicht verwirrt verabschiedeten sich die drei ??? von McCooper und gingen zu ihren Rädern. Dort wartete schon der Reporter auf sie. »Und? Wie ist es gelaufen?«, fragte er neugierig. Justus setzte sich auf den Sattel. »Prima. Wir haben eine Million Dollar kassiert und holen jetzt den Riesenschmetterling. Für Ihre Ohren will er das Doppelte bezahlen. Also, beeilen Sie sich!« Die drei platzten fast vor Lachen und fuhren vom Marktplatz weg. Larry Blix ballte wütend die Faust. »He, das ist unfair. Die Presse hat ein Recht, informiert zu werden. Ihr seid aber auch nachtragend.« Als sie die Küstenstraße erreichten, lachten die drei immer noch. Peter wischte sich die Tränen aus den Augen. »Der hat vielleicht bescheuert geguckt. Im ersten Augenblick hat Blix die Sache mit der Million tatsächlich geglaubt. Das war die Rache für die Ohren.« Es war schon spät am Nachmittag und die drei 82
entschieden sich, zur Kaffeekanne zu fahren, um alles in Ruhe zu besprechen. An ein weiteres Treffen mit McCooper dachten sie nicht im Traum, denn die drei ??? hatten dem Professor ihr Wort gegeben. Nach einigen Kilometern bogen sie von der Küstenstraße ab und fuhren über einen holprigen Weg. Der Pfad war zugewachsen mit Büschen und Gestrüpp. Am Boden konnte man die rostigen Schienen
einer
stillgelegten
Eisenbahnstrecke
erahnen. Schließlich endete der Weg vor einem seltsamen Gebilde aus Holz und Eisen: die Kaffeekanne. In Wirklichkeit war es ein großer Wassertank für die alten Dampflokomotiven. Doch die modernen Loks brauchten solche Tanks nicht mehr und so war der Wasserspeicher in Vergessenheit geraten. Justus, Peter und Bob hatten ihn entdeckt und daraus ihr Geheimversteck gemacht. Peter stellte sein Rad ab und stieg die rostigen Eisenstufen hoch. Dann öffnete er über sich eine Klappe und verschwand im Innern. Hier hatten gerade mal drei Personen Platz. Ringsum lagerten 83
in alten Kisten Taschenlampen, Seile, ein Fernglas, drei große Lupen, Fingerabdruckpulver, unzählige Comics, zwei Funkgeräte, halb volle Kekspackungen, ein alter Suchscheinwerfer, Plastikhandschuhe, ein Fotoapparat, Markierkreide und all das, was Detektive irgendwann einmal gebrauchen konnten. Justus ließ sich auf eine alte Matratze fallen. »Also, wie machen wir weiter?« Bob ließ seinen Blick durch die Kaffeekanne schweifen. »Tja, mit 800 Dollar könnten wir uns hier eine Hightech-Detektivzentrale bauen.« Peter schüttelte energisch den Kopf. »Moment, du denkst doch nicht wirklich daran, diesem Cooper alles zu verraten?« »Nein, natürlich nicht. Wir haben dem Professor doch unser Ehrenwort gegeben. Aber was machen wir jetzt?« Justus knetete seine Unterlippe. »Gut, fassen wir zusammen, was passiert ist: Die beiden Brüder Dustin und Terence Harper haben einen Gammastrahler entwickelt, mit dem man alles riesengroß machen kann. Kirschen, Schmetterlinge, 84
Möwen, Pilze – einfach alles. Terence Harper ist dabei leider durchgedreht, hat sich die Gammakanone geschnappt und ballert damit wild in der Gegend herum. Selbst Fred Fireman hat es erwischt. Am Anfang haben sich die Dinge zum Glück noch wieder zurückverwandelt, aber seit den Monsterpilzen bleibt alles so groß. So eine Erfindung lockt natürlich haufenweise Leute an. Es gibt tausend Möglichkeiten, wofür man eine solche Kanone gebrauchen könnte.« Bob unterbrach ihn. »Du hast vergessen, dass die Strahlen bei allen Lebewesen tödlich wirken.« »Stimmt. Das macht die Sache nicht gerade ungefährlicher. Ich möchte gar nicht daran denken, an welche Leute McCooper die Erfindung verkaufen könnte. Er darf auf keinen Fall erfahren, wer hinter der Sache steckt. Und diesem Blix traue ich auch nicht über den Weg. Das mit der Gammakanone würde schneller in der Zeitung stehen, als Tante Mathilda Kuchen backen kann. Wenn uns nicht heute noch Terence Harper über den Weg 85
läuft, können wir leider nur bis morgen warten und Kommissar Reynolds die Geschichte erzählen. Ich kann nur hoffen, dass der uns mehr glaubt als der Typ mit der Pfeife. Also, dann treffen wir uns gleich morgen Früh um acht in der Kaffeekanne.« Bob kletterte als Letzter wieder aus der schmalen Luke. »Na, prima – acht Uhr! Und ich dachte, wir hätten Ferien.« Die Luft hatte sich gegen Abend etwas abgekühlt. Diesmal schoben sie die Räder über den holprigen Weg. Erst als sie wieder die Küstenstraße erreichten,
stiegen
sie
auf
und
fuhren
Richtung
Schrottplatz. Plötzlich stoppte Peter. »Was ist los?«, fragte Bob. »Ich bin mir nicht ganz sicher. Aber für einen Moment dachte ich, dort hinten steht ein roter Sportwagen. Jetzt ist er aber verschwunden.« Justus blickte in die Richtung. »Du denkst an Blix?« »Ja. Vielleicht habe ich mich aber auch getäuscht. Auf jeden Fall sollten wir in der nächsten Zeit unsere Augen offen halten.« 86
Als sie das Tor vom Schrottplatz erreichten, trennten sich ihre Wege. Justus lenkte sein Rad über den Kiesweg. »Dann bis morgen. Und denkt dran: Zu niemandem ein Wort!«
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Tante Mathilda war anscheinend endlich mit den Kirschkuchen fertig. Sie saß erschöpft auf der Veranda und trank einen Eistee. Onkel Titus stand daneben und hielt eine riesige Tüte Popcorn in der Hand. »Hallo Justus! Wo hast du dich denn den ganzen Tag herumgetrieben?« Tante Mathilda antwortete für ihn. »Titus, du wirst staunen. Justus hat mit seinen Freunden Physik für die Schule geübt. Endlich wird er erwachsen. So, ich geh ins Bett. Von mir aus könnt ihr hier die ganze Nacht sitzen. Bitte pustet aber vorher die Kerzen aus.« Als sie weg war, blinzelte Onkel Titus Justus zu. »So, so, Physik geübt.« Dann musste er grinsen. »Nee, mir kannst du nichts vormachen, Justus. Bis du erwachsen wirst, dauert es hoffentlich noch eine Weile.«
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Villa Kunterbunt Am nächsten Morgen wurde Justus durch seinen alten Rasselwecker aus den Träumen gerissen. Er brauchte eine Weile, um sich den vergangenen Tag wieder ins Gedächtnis zu rufen. Dann zog er sich eilig an, lief die Treppe zur Küche hinab und stolperte Tante Mathilda direkt in die Arme. »Guten Morgen, Justus. Du bist in den Ferien so früh auf den Beinen? Sag bloß, ihr wollt wieder Physik lernen?« Justus schüttelte noch etwas verschlafen den Kopf. »Nein, äh, heute besuchen wir Kommissar Reynolds.« »Ihr geht zur Polizei?« »Ja, wir wollen vielleicht ein Referat über die Arbeit der Kriminalpolizei schreiben.« Justus war froh, dass er ›vielleicht‹ gesagt hatte. Er konnte sich nicht daran erinnern, Tante Mathilda jemals belogen zu haben. Doch jetzt musste er sich beeilen, um nicht zu spät zur Kaffeekanne zu kommen. Im Vorbeigehen schnappte sich Justus ein 89
Stück Kirschtorte und verschwand mit dem Rad durch die Toreinfahrt. Die Luft war noch nicht so warm und ein leichter Wind wehte vom nahen Pazifik ins Land. Es roch nach Meer und nach den Felsen der Steilküste. Kurz bevor Justus die Gabelung zur Kaffeekanne erreichte, erblickte er auf der Straße seine beiden Freunde. »He, Just!«, begrüßte ihn Bob. »Du bist wie immer der Letzte. Hattest du wieder Riesenkirschen vor der Tür liegen?« »Hör schon auf mit dem Quatsch! Es ist gerade mal eine Minute nach acht. Am besten, wir fahren direkt zu Kommissar Reynolds, sonst ist der schon wieder nicht zu erreichen. Ich will nur schnell unseren Fotoapparat aus der Kaffeekanne holen. Vielleicht bekommen wir heute wieder irgendwelche Monsterviecher zu Gesicht.« Peter blickte ängstlich in die Luft. »Lieber nicht. Mir reicht der Falter.« Anschließend fuhren sie hintereinander über den holprigen Weg zu ihrem Geheimversteck. Zumindest war es bis zu diesem Zeitpunkt geheim 90
gewesen, denn plötzlich tauchte aus dem Gebüsch Gilbert McCooper auf. »Guten Morgen, Kinder. Da staunt ihr, was? Ich habe eine kleine Überraschung für euch vorbereitet.« Justus stieg vom Rad ab. »Noch mehr Überraschungen? Woher wussten Sie, dass wir hier sind?« »Ach, diesem eifrigen Reporter entgeht einfach nichts. Mr Blix war so freundlich, mir von eurer Räuberhöhle zu berichten.« Jetzt wusste Peter, dass er am Abend zuvor doch einen roten Sportwagen gesehen hatte. »Keine Angst, ich werde niemandem davon erzählen. Im Gegenteil: Ich möchte zeigen, dass ich für gute Informationen gewillt bin, euch eine Gefälligkeit zu erweisen.« Justus ahnte Schlimmes. »Moment, an was für eine Gefälligkeit haben Sie gedacht?« »Kommt mit, ihr werdet staunen! Ich habe mir nämlich noch gestern am späten Abend euer lustiges Häuschen zeigen lassen. Nicht schlecht, aber so etwas geht natürlich noch besser.« Kurz 91
bevor sie die Kaffeekanne erreichten, blieb er hinter dem letzten Gebüsch stehen. »Wenn ich vorstellen darf: Euer neues Kinderhaus. Modell ›Villa Kunterbunt‹.« Das, was die drei ??? jetzt erblickten, verschlug ihnen die Sprache. Direkt vor der Kaffeekanne stand ein großer Lastwagen. Auf der Ladefläche befand sich eine
bunt
angemalte Holzhütte mit Klappfenstern
und einer kleinen
Veranda.
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»Da staunt ihr, oder? Innen drin ist alles voll mit dem neuesten Spielzeug: Malsachen, Puzzlespiele, Bauklötze und Springseile.« Aber es kam noch schlimmer: Der Lastwagen verfügte über einen kleinen Hebekran. Der Haken
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des Krans baumelte direkt über der Kaffeekanne und Mister Wang befestigte gerade zwei breite Gurte an der rostigen Eisenleiter. Gilbert McCooper strahlte. »Wir werden gleich die alte Bude unten absägen und mit dem Kran auf den LKW heben. Dann kommt der Wassertank zum Schrott und dafür stellen wir euer neues Spielhaus auf. Prima, oder? Und das alles für ein paar klitzekleine Informationen.« Justus musste zweimal schlucken, um genug Spucke für seine Antwort zu sammeln. »Sind Sie verrückt geworden? Wenn Sie die Kaffeekanne auch nur einen Zentimeter anheben, werden Sie nicht ein Sterbenswörtchen über die Riesenschmetterlinge erfahren. Nehmen Sie Ihre Villa Kunterbunt und stellen Sie sich die in den Vorgarten!« Gilbert McCooper glotzte ihn mit großen Augen an. »Na sowas? Die Jugend von heute hat sich anscheinend verändert. Ich hätte mich damals gefreut, als ich sieben Jahre alt war.« »Wir sind zehn!«, riefen die drei im Chor. 94
»Ja, ja, ist schon gut. Mister Wang! Lassen Sie bitte den alten Kasten an Ort und Stelle stehen. Das neue Haus kommt nicht besonders gut an bei den Jungs. Schenken Sie es Ihren Kindern.« »Mister McCooper, ich habe keine Kinder und ich mag keine Kinder.« »Ach so, ja. Hätte ich mir auch denken können.« Aus der Ferne hörte man plötzlich mehrere Fahrzeuge,
die
mit
hoher
Geschwindigkeit
die
Küstenstraße entlangfuhren. Darunter mischte sich eine Polizeisirene. Peter hielt sich die Hände an die Ohren. »Ich möchte mal wissen, was um die Zeit da los ist. Kommt, wir sehen uns das mal genauer an!« Gleichzeitig sprangen sie auf die Räder und fuhren den holprigen Pfad wieder zurück. »Kinder! Nun wartet doch. Wir können über alles reden. Nennt mir eure Wünsche, und ich kümmere mich darum. Mister Wang! Schnell in den Lastwagen. Wir folgen den Gören.«
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Große Fische Als die drei ??? wieder die Küstenstraße erreichten, blieben sie verwundert stehen und staunten über die vielen Autos. »Gibt’s irgendwo was umsonst?«, grinste Bob. Justus stieg wieder in die Pedale. »Quatsch! Die fahren alle in Richtung Süden. Los, hinterher!« Andauernd wurden sie von rasenden Autos überholt. Selbst Mister Porter knatterte mit seinem großen Lieferwagen an ihnen vorbei. Hinter einer Kurve schließlich sahen die drei, wohin die ganzen Menschen wollten. »Da! Die sind alle auf den Parkplatz zur Badebucht gefahren«, keuchte Justus und trat noch schneller in die Pedale. In diesem Moment holte sie der Lastwagen von Gilbert McCooper ein. Auf der Ladefläche schaukelte die ›Villa Kunterbunt‹ bedrohlich hin und her. Der Parkplatz war hoffnungslos überfüllt und die drei fuhren mit ihren Rädern bis zur Treppe der Steilküste. Peter blickte neugierig aufs Meer. »Nun 96
seht euch das an! Was schwimmt denn da auf dem Wasser?« Bob hielt sich die Hand über die Stirn und blinzelte gegen die Sonne. »Seltsam. Sieht aus, als ob dort lauter Boote herumschwimmen. Nein, es sind Wale. Aber das kann nicht sein – die liegen direkt auf dem Wasser. Ich versteh das nicht.« Justus hatte Kommissar Reynolds unten am Strand entdeckt und rannte die Treppe der Steilküste herab. »Kommt mit! Es wird Zeit, dass wir Reynolds alles erzählen.« Hinter ihnen folgten Gilbert McCooper und Mister Wang. Neben Kommissar Reynolds stand Blix, der Reporter. »Auch das noch«, stöhnte Bob. »Jetzt haben wir sie alle beisammen.« Die Menschen am Strand starrten aufs Meer und unterhielten sich aufgeregt. Kommissar Reynolds stand bis zu den Füßen im Wasser und blickte durch ein Fernglas. Justus lief auf ihn zu. »Hallo, Kommissar. Was ist das da draußen?« Der Polizist übergab ihm das Fernglas und kratzte sich besorgt am Kinn. »Tja, sieh selbst durch. Da ist etwas, was eigentlich nicht sein kann.« Aufgeregt nahm nun 97
Justus das Fernglas. Peter hüpfte ungeduldig von einem Bein aufs andere. »Und? Was schwimmt da denn jetzt?« »Unglaublich. Das sind riesige Fische. Bestimmt zehn Meter lang. Die liegen aber wie Boote flach auf dem Wasser – so wie Strandspielzeug zum
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Aufblasen.« Der Kommissar nahm ihm wieder das Fernglas ab. »Tja, und das sind keine Wale, sondern ganz normale Barsche. Die werden höchstens einen halben Meter groß. Ich weiß das, denn ich habe gestern selbst welche gefangen. Was soll man davon halten?«
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Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, um dem Kommissar alles zu erzählen. Justus versuchte, ihn zur Seite zu ziehen, doch Larry Blix, McCooper und Mister Wang ließen sich nicht abschütteln. »Okay, nützt ja nichts«, seufzte Justus. »Nach diesen Riesenfischen werden es sowieso alle mitbekommen. Also, Kommissar: wir wissen, wer hinter der ganzen Sache steckt.« Dann berichteten ihm Justus, Peter und Bob abwechselnd, was sie am Vortag in Erfahrung gebracht hatten. Gilbert McCooper klatschte begeistert in die Hände. »Großartig! Genau, was ich erhofft hatte. Die Gammakanone ist Millionen wert. Dieser verrückte Terence Harper muss vom Ufer aus wahllos ins Wasser gefeuert haben. Alle Fische, die dabei eine Strahlenladung abbekommen haben, sind riesengroß an die Oberfläche geschossen. Wirklich großartig.« Der Kommissar blickte ihn verständnislos an. »Ich möchte mal wissen, was an einem durchgeknallten Forscher mit so einer tödlichen Gammakanone großartig sein soll? Wir dürfen 100
keine Zeit verlieren und müssen sofort zum Chrysler Park. Vielleicht weiß der Bruder etwas Neues.« Dann wandte er sich an die drei ???. »Und ihr kommt am besten mit. Ihr seid die Einzigen, die bisher mit dem Mann gesprochen haben.« Dass er den Forscher noch einen Tag zuvor ausgelacht hatte, verschwieg er lieber. Als sie nacheinander wieder die Treppe hinaufliefen, blickte Peter ein letztes Mal aufs Meer. »Seht mal, die Fische werden von der Strömung immer weiter rausgetrieben.« Kurz darauf saßen die drei ??? im Polizeiwagen von Kommissar Reynolds. Der Beamte legte einen Hebel um und die Sirene heulte auf. »Okay, haltet euch gut fest.« Neben ihnen stand der rote Sportwagen von Larry Blix. Hektisch rissen der Reporter, McCooper und Mister Wang die Türen auf. »Blix, wir fahren bei Ihnen mit. Der LKW ist zu lahm. Ich gebe Ihnen 200 Dollar dafür. Lassen Sie sich aber nicht abhängen!« Mit Blaulicht jagte der Einsatzwagen die Küstenstraße Richtung Norden. Die drei ??? saßen 101
angeschnallt auf dem Rücksitz und Bob sah sich nervös um. »Blix gibt leider auch Vollgas. So leicht werden wir die nicht abhängen können.« Der Kommissar trat das Gaspedal noch weiter durch. »Hätten wir mehr Zeit, würde ich denen einen saftigen Strafzettel verpassen. Egal, wir haben jetzt Wichtigeres zu tun.« Nach wenigen Minuten hatten sie das stillgelegte Industriegelände erreicht. Justus deutete auf das Gebäude mit der Nummer 12. »Dort! Der große Blechschuppen mit dem Schiebetor. Seltsam, es steht offen.« Der Kommissar stoppte den Wagen mit quietschenden Reifen. Staub wirbelte auf und die Möwen auf dem Dach flatterten vor Schreck davon. Wenige Sekunden später hielt der rote Sportwagen neben ihnen. Kommissar Reynolds setzte seine Dienstmütze auf. »Die kleben einem ja wie Kletten am Hintern. So, vorwärts! Wo ist dieser Dustin Harper?«
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Millionendeal Zielstrebig ging er auf das Tor zu und klopfte energisch gegen das Blech. »Hallo? Hier ist die Polizei von Rocky Beach. Mister Harper, sind Sie hier?« Niemand antwortete ihm. Dann betrat er entschlossen die Halle und alle anderen folgten ihm. »Harper? Wo stecken Sie?« Justus zeigte ihm den Weg zu dem Raum am Ende der Halle. Neugierig betrachtete der Kommissar das vergilbte Foto mit den beiden Zwillingsbrüdern. »Hier hat er uns zum ersten Mal von der Strahlenkanone erzählt. Warten Sie, in diesem Schrank müsste ein Model von der Kanone sein.« Als Justus das seltsame Gerät herausholte, rannte McCooper auf ihn zu und riss ihm den Gammastrahler aus den Händen. »Nun sehen Sie sich das an! Ein Mordsding. Ich werde es in Serie herstellen lassen. Jetzt brauche ich nur noch den Prototyp.« Genervt nahm ihm der Kommissar das Modell wieder ab. »Sie brauchen gar nichts, Mister McCooper. 103
Sie stören bei wichtigen Ermittlungen der Polizei. Bitte verlassen Sie das Gebäude!« Plötzlich drängte sich Larry Blix nach vorn und zückte seinen Presseausweis. »Tut mir leid, Kommissar, aber als Journalist habe ich das Recht auf eine freie Berichterstattung. Sie können die Arbeit der Presse nicht unterbinden.« Dann zwinkerte er McCooper zu. 104
»Und diese beiden Herren sind meine Mitarbeiter.« Gilbert McCooper strahlte. »Sehr richtig. Die Pressefreiheit ist unantastbar. Blix, damit haben Sie sich weitere 200 Dollar verdient.« Mürrisch legte der Kommissar das Modell der Strahlenkanone auf den Tisch. »Na schön, Sie werden schon sehen, was Sie davon haben. Was ist jetzt aber mit diesen Monsterpilzen?« Bob deutete auf die schmale Treppe, die zum Keller führte. »Er nannte das den Bunker. Früher hat man hier Feuerwerkskörper gelagert.« Der Kommissar folgte ihm. »Gut, dann will ich keinen mit Zigarette sehen. Mister Harper? Sind Sie da unten?« Auch diesmal antwortete niemand und die ganze Versammlung stieg vorsichtig die Treppe herab. Kommissar Reynolds zog seine Taschenlampe aus dem Gürtel. »Finsteres Loch hier. Ich bin froh, wenn wir wieder draußen sind.« Schließlich erreichten sie den Raum mit den riesigen Pilzen. Kommissar Reynolds fiel fast die Taschenlampe aus der Hand. »Ach, du dickes Ei! 105
Die sind ja noch größer, als ich sie mir vorgestellt habe.« Gilbert McCooper rannte sofort zu einem der Pilze. »Phänomenal! Ich muss den Gammastrahler haben.« Blix machte die ganze Zeit Fotos und die Pilze wurden in ein gespenstisches Blitzlichtgewitter getaucht. »Was für eine Schlagzeile: Monsterpilze greifen die Menschheit an! Damit werde ich Reporter des Jahrhunderts.« Kommissar Reynolds kratzte sich nervös am Kopf. »Gut. Ich werde jetzt zurück aufs Polizeirevier fahren und einen Krisenstab einberufen. Nicht auszudenken, was dieser Terence Harper in seinem Wahn mit der Kanone anstellen könnte. Alle anderen bleiben hier und passen auf, dass niemand diesen Ort betritt. Ab sofort unterliegt alles der obersten Geheimhaltungsstufe. Ich werde Spezialisten anfordern, die die Strahlenbelastung messen. Wahrscheinlich muss das FBI zu Hilfe gerufen werden. Rühren Sie nichts an, ich bin in einer halben Stunde mit der gesamten Mannschaft wieder da.« Dann rannte der Kommissar los und verschwand im 106
Dunkeln der langen Gänge. Gilbert McCooper brach ein großes Stück von einem der Pilze ab. »Natürlich werde ich etwas anfassen. Los, Mister Wang! Wir sehen uns oben im Labor um. Vielleicht entdecken wir geheime Aufzeichnungen.« Jetzt standen die drei ??? allein mit dem Reporter zwischen den Pilzen. Justus sah ihn wütend an. »Da haben Sie sich wirklich tolle Freunde angelacht. McCooper würde seine eigene Mutter verkaufen.« Blix steckte etwas unsicher seine Kamera wieder ein. »Na ja, so ganz sicher bin ich mir mittlerweile auch nicht mehr. Ich werde mal nachsehen, was die da oben treiben.« Als sie wenig später wieder in der Halle standen, riss McCooper wie besessen Aktenordner aus den Regalen. »Mister Wang!«, brüllte er. »Das nehmen wir alles mit. Jeder Zettel kann wichtig sein.« Plötzlich klingelte ein Telefon. Peter sah sich suchend um. »Das kommt von dort hinten. Mir nach!« Alle rannten ihm aufgeregt hinterher. In einer Ecke der Halle stand tatsächlich ein Telefon 107
zwischen zwei Computern. Vorsichtig nahm Peter den Hörer auf. »Ja, hier bei Harper?« Mit einem großen Schritt sprang McCooper auf ihn zu und drückte auf den Lautsprecherknopf. Jetzt war die Stimme des Anrufers zu hören: »Hier ist Dustin Harper. Wer spricht dort?« Peter bekam einen roten Kopf. »Äh, hier ist Peter Shaw aus Rocky Beach.« »Ah, die drei Kinder. Was für ein Glück. Ich habe nicht viel Zeit. Hört mir genau zu: Mein Bruder ist völlig durchgedreht. Ich wollte ihn stoppen, doch dann hat er mich gewaltsam verschleppt. Er will jetzt gegen meinen Willen unsere Strahlenkanone verkaufen. Er sagt, der Erste, der ihm zwei Millionen Dollar gibt, bekommt die Erfindung. Ich weiß nicht, wie ich ihn aufhalten kann.« Jetzt mischte sich Justus ein. »Mister Harper, wohin genau hat Sie Ihr Bruder verschleppt?« »An einen Ort, den man nicht so leicht erreichen kann. Ich bin gefangen auf der Bara…« Plötzlich wurde das Gespräch abrupt unterbrochen. 108
Barawasinseln Aufgeregt riss McCooper den Hörer an sich. »Hallo? Mister Harper? Sind Sie noch dran? Verdammt, jemand hat die Leitung gekappt. Barawas? Was wollte er nur sagen? So ein Mist!« Larry Blix wurde immer nervöser. »Also, ich glaube, das ist jetzt wirklich Sache der Polizei. Wir sollten warten, bis der Kommissar mit seiner Spezialeinheit zurück ist. Mir wird die Geschichte langsam zu heiß. Ich verschwinde.« Doch Gilbert McCooper war da anderer Ansicht. »Moment, Blix! Hier macht niemand einen Alleingang. Ich entscheide, wo es langgeht. Mister Wang, geben Sie dem Mann 500 Dollar, dann hält er den Mund. Ich will doch nicht, dass der Pressefuzzi draußen alles an die große Glocke hängt.« Der Reporter versuchte darauf zu antworten, doch als er von dem kräftigen Wang einmal kurz am Arm gepackt wurde, schwieg er. »Okay, okay, ich bleibe hier. Nur keine Aufregung.« 109
Die nächste Zeit lief McCooper ungeduldig in der Halle auf und ab. »Was kann dieser Trottel Harper nur gemeint haben? Er sprach von einem Ort, den man nicht so leicht erreichen kann. Eine Insel? Ich kenne keine, die mit Bara anfängt. Oder ein Schiff? Verflucht, es schwimmen tausende Schiffe auf den Weltmeeren. Ich muss mich konzentrieren.« Mit diesen Worten ging McCooper nachdenklich bis ans Ende der großen Halle. Mister Wang folgte ihm. Auch Justus grübelte die ganze Zeit über den Aufenthaltsort von Dustin Harper. »Habt ihr eine 110
Idee? An ein Schiff hatte ich auch zuerst gedacht. Barabas, Bararella, Barapapa … Mir fällt absolut nichts ein.« Der Reporter näherte sich den dreien. »Es wäre gut, wenn wir vor McCooper drauf kommen. Der denkt nur noch an den Gammastrahler.« Bob nahm seine Brille ab und legte den Kopf in den Nacken. »Wo kann man noch drauf sein? Insel, Schiff … was schwimmt alles im Meer?« Plötzlich durchzuckte Peter ein Gedanke. »Eine Ölplattform vielleicht? Sagt mal, gibt es nicht hier vor der Küste so etwas?« Justus war Feuer und Flamme. »Na klar, Onkel Titus hat vor kurzem davon erzählt. Man hat dort vergeblich versucht, nach Öl zu bohren. Jetzt überlegt man, die Plattform zu versenken oder abzureißen. Wie hieß die aber noch?« In diesem Moment riss Bob seinen Kopf wieder nach vorn. »Ich hab’s: Baracuda! Ja, Baracuda Ocean Oil. Mein Vater hat mal einen Bericht darüber geschrieben.« Justus ballte die Faust. »Das muss es sein. Aber Vorsicht – nicht zu laut. McCooper darf davon nichts mitbekommen.« 111
Doch die drei ??? hatten die Rechnung ohne Larry Blix gemacht. Plötzlich blitzten seine Augen auf und er rannte hinter McCooper her. »Warten Sie! Cooper! Ich habe es herausgefunden. Ich weiß, wo die Harpers sich aufhalten.« McCooper drehte sich erfreut um. »So? Wo denn?« »Moment, was zahlen Sie dafür?« McCooper griff in seine Brieftasche. »Hier, 1.000 Dollar. Jetzt aber raus mit der Sprache!« »Gut. Dustin und Terence Harper befinden sich ziemlich sicher auf einer stillgelegten Ölplattform ganz in der Nähe. Sie heißt Baracuda Ocean Oil.« »Na bitte, Blix. Ganz ausgezeichnete Arbeit. Ich werde alles Nötige veranlassen.« Justus, Peter und Bob warfen dem Verräter bitterböse Blicke zu. Blix sah für einen Moment auf den Boden, doch dann steckte er grinsend das Geld ein. McCooper hatte bereits sein Handy am Ohr. »Haben Sie verstanden? Ich erwarte Sie im Chrysler Park. Veranlassen Sie, dass das Geld dabei ist. Gut, bis gleich.« Dann schob er das Telefon wieder 112
in seine Jacke und kam auf die drei ??? zu. »Also, Kinder. Ich werde euch auf einen Ausflug einladen, den ihr so schnell nicht vergessen werdet. Ich kann es nicht zulassen, dass ihr dem Kommissar von unseren Erkenntnissen etwas mitteilt. Mister Wang wird euch jetzt nach draußen begleiten.«Justus biss sich auf die Lippen. »Und was ist, wenn wir keine Lust haben?« Das Gesicht von McCooper verfinsterte sich. Doch kurz darauf setzte er wieder sein Lächeln auf. »Keine Lust? Aber nein, Kinder. Ich bin mir sicher, dass unser lieber Mister Wang euch überzeugen kann. Oder? Ihr müsst wissen, Mister Wang liebt Kinder über alles.« Der kräftige Mann knackte einmal laut mit den Fingern und die drei wussten, was McCooper damit meinte. Vor der Halle stand immer noch der Wagen von Larry Blix. »So, ich fahr dann. Ich denke, mich braucht erstmal keiner mehr.« McCooper grinste wieder. »Aber, aber, Mister Blix. Wie können Sie denn fahren, wenn Ihre Räder platt sind?« Verwundert beugte sich der Reporter nach vorn. 113
»Wieso? Die sehen doch ganz normal aus?« Daraufhin gab McCooper Mister Wang ein Zeichen. Dieser zog ein Messer und stach alle vier Reifen platt. Jetzt hatte auch Larry Blix verstanden. »Okay, was kommt nun? Werden wir mit einem anderen Auto abgeholt?« »Ein Auto?« McCooper lachte amüsiert. »In solchen Fällen braucht man etwas anderes.« Sekunden später hörte man von oben lautstarke Motorengeräusche. Peter blickte in die Luft. »Irre! Da kommt ein Hubschrauber.«
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Hubschraubereinsatz Der Hubschrauber sank immer tiefer. Sand und Gestrüpp wurden aufgewirbelt und alle hielten sich die Hände vors Gesicht. Schließlich setzten die Kufen des Hubschraubers auf dem Boden auf. »Los! Alles einsteigen!«, brüllte McCooper gegen den Lärm an. »Ich habe extra einen großen bestellt. Beeilung!« Mister Wang schob die drei ??? mit sanfter Gewalt zum Hubschrauber. Larry Blix ging lieber freiwillig. Anschließend drückte McCooper den Reporter neben sich auf die Bank. Ihnen gegenüber saßen Justus, Peter und Bob. Vorne neben dem Piloten hatte Mister Wang Platz genommen. Mit lautem Dröhnen hob der Hubschrauber sofort wieder ab. In der Maschine war es so laut, dass man sich unmöglich unterhalten konnte. Justus blickte durch ein kleines Seitenfenster. Unter sich erkannte er den Wagen von Kommissar Reynolds. Zusammen mit 115
mehreren Polizeifahrzeugen raste er durchs Industriegebiet – leider eine knappe Minute zu spät. Schnell gewann der Hubschrauber immer mehr an Höhe und nun konnte Justus in der Ferne Rocky Beach erkennen. Von hier oben sah die Stadt noch kleiner aus, als sie sowieso schon war. Der Pilot führte die Maschine weiter an der Küste entlang. Ganz winzig unter sich sah Justus den Schrottplatz. Tante Mathilda war gerade dabei, Wäsche aufzuhängen. Justus presste sein Gesicht gegen die Scheibe und musste schlucken. Dann drehte der Pilot aufs offene Meer ab. Für einen Moment dachte Justus, die großen Fische erkennen zu können. Aber vielleicht waren es auch nur Schaumkronen von größeren Wellen. Schon bald konnte man kein Land mehr sehen. Ringsherum erstreckte sich der endlose Pazifische Ozean. Erst nach einer Viertelstunde kam am Horizont ein seltsames Gebilde in Sicht. Etwas später war sich Justus ganz sicher: Sie flogen direkt auf die Bohrinsel zu. Immer mehr konnte man jetzt 116
von den hohen Aufbauten der Plattform erkennen. Die Bohrinsel stand auf vier langen Pfeilern, die senkrecht aus dem Meer ragten. An einem der Pfeiler war ein kleines Boot festgemacht. Neben der Plattform befanden sich kastenförmige Gebäudeteile. Auf der gegenüberliegenden Seite erhob sich eine weitere kreisrunde Plattform. In der Mitte stand dort ein großes ›H‹ für Hubschrauberlandeplatz. Langsam steuerte der Pilot die Maschine genau auf diesen Punkt zu. Wenig später setzte er zur Landung an. »So, da wären wir!«, strahlte McCooper. »Ich hoffe, jeder hat den Flug genossen. Alle aussteigen und Köpfe einziehen.« Nachdem sie die Maschine verlassen hatten, stellte der Pilot die Rotoren ab. Schließlich hörte man nur noch das Pfeifen des Windes, kreischende Möwen und Wellen, die gegen die Plattform klatschten. Der Pilot überreichte McCooper einen schwarzen Aktenkoffer. »Also, dann wollen wir mal sehen, 117
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wie zwei Millionen Dollar ausschauen.« Neugierig beugten alle die Köpfe über den Koffer. Er war bis zum Rand gefüllt mit neuen Hundertdollarnoten. Doch schnell klappte McCooper den Koffer wieder zu. »Nur angucken – nicht anfassen, die Herrschaften. Schade ums schöne Geld, aber ich glaube, es ist gut angelegt. Dann wollen wir mal sehen, ob wir auch am richtigen Ort sind. Hallo? Mister Terence Harper? Ich bin hier und will Ihnen schöne zwei Millionen Dollar bringen. Was ist? Machen wir das Geschäft?« Es dauerte nicht lange, bis ihm tatsächlich jemand mit einem Megafon antwortete. »Zeigen Sie mir den Koffer! Ich will wissen, ob das Geld drin ist. Und keine Dummheiten! Meine Gammakanone ist direkt auf Sie gerichtet.« McCooper versuchte zu lächeln und öffnete den Koffer. »Sehn Sie. Das Geld gehört Ihnen. Und lassen Sie den Quatsch mit der Kanone. Die Kinder wollen zwar groß und stark werden, aber so groß nun auch wieder nicht.« Fieberhaft versuchten alle herauszuhören, woher 119
die Stimme kam. Doch in dem Gewirr aus Rohrleitungen und Stahltreppen war dies unmöglich. Wieder meldete sich die Megafonstimme. »Gut. Ich vertraue Ihnen. Mein Bruder Dustin wird jetzt langsam zu Ihnen kommen und das Geld in Empfang nehmen. Der Gammastrahler wird Ihnen dann bis heute Abend an jede gewünschte Adresse geliefert.« McCooper war damit überhaupt nicht einverstanden. »Moment, so läuft das nicht! Ich will die Gammakanone gleich.« »Tut mir leid. Dann wird aus dem Geschäft nichts. Entweder nach meinen Regeln oder überhaupt nicht.« »Ja, ist schon gut. Ich habe ja schließlich keine andere Wahl. Schicken Sie Ihren Bruder los!« »Okay. Bei der geringsten Dummheit werde ich von der Gammakanone Gebrauch machen. Und glauben Sie nicht, dass ich Skrupel habe und zögere. Ich schieße sofort – darauf verwette ich meinen Bart.« 120
Geldübergabe Ganze fünf Minuten mussten sie warten, bis sich plötzlich aus einem der vielen Aufbauten eine Stahltür öffnete. Kreideweiß trat Dustin Harper aus der Dunkelheit und ging mit langsamen Schritten auf den Hubschrauber zu. Als er die Gruppe erreichte, versuchte ihm Bob etwas mitzuteilen. »Mister Harper«, zischte er durch die geschlossenen Lippen. »Können wir Ihnen helfen? Wo versteckt sich Ihr Bruder?« Doch der Mann schüttelte nur mit dem Kopf. »Niemand kann uns helfen, solange Terence die Gammakanone auf uns gerichtet hält.« »Und wie geht es jetzt weiter?« »Mein Bruder hat sich einen perfekten Plan ausgedacht. Ich soll allein in die Maschine steigen und ihn dann oben von einem der Aufbauten mit der Seilwinde in den Hubschrauber ziehen.« »Sie können Hubschrauber fliegen?«, wunderte sich Peter. 121
»Ja, das habe ich damals bei der Armee gelernt. So, jetzt lasst mich bitte durch, sonst macht mein Bruder noch Dummheiten!« Justus stand die ganze Zeit etwas abseits und knetete ununterbrochen seine Unterlippe. Kurz bevor Dustin Harper in den Hubschrauber stieg, rief er ihm plötzlich hinterher: »Hat sich Ihr Bruder eigentlich einen Bart wachsen lassen?« »Einen Bart? Nein, wieso? Ich bin der einzige in der Familie, der einen Bart trägt.« »Sehr gut, Mister Harper. Damit haben Sie sich verraten. Terence und Dustin sind keine Zwillinge, sondern ein und dieselbe Person! Sie hätten kein Bild von Ihrem vermeintlichen Bruder aufhängen sollen.« Für einen Moment war es totenstill auf der Ölplattform. Nur einige Möwen kreischten über ihren Köpfen. Allmählich begriff auch Gilbert McCooper, was Justus gerade herausgefunden hatte. »Sekunde mal, der Bengel hat Recht. Mir klingt es noch im Ohr. Sagte Ihr Bruder nicht eben, dass er 122
seinen Bart verwetten wollte?« Dustin Harper wurde noch blasser, als er sowieso schon war. »Na klar, was für ein genialer Plan. Wir denken alle an den bösen Zwilling, dabei ist es Dustin, der uns die ganze Zeit einen Bären aufbindet. Der Bart hat ihn verraten!« Plötzlich rannte der Professor los und versuchte, die Maschine zu erreichen. Weit kam er aber nicht, denn Mister Wang sprang hinterher und warf den schmächtigen Mann zu Boden. Dabei platzte der Koffer auf und tausende Banknoten wurden über
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die Plattform ins Meer geweht. McCooper schrie, als würde man ihm den Kopf abreißen. »Nein! Mein Geld! Wang, tun Sie was! Sammeln Sie es ein! Los, hinterher!« Dann rannte er selbst los und versuchte zu retten, was zu retten war. Dustin Harper hockte am Boden und starrte vor sich hin. »Oh, nein, es ist alles vorbei. Mein genialer Plan zerstört von einem Bart.« Peter ging vorsichtig auf ihn zu. »Dann gab es gar keine Gammakanone?«
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»Nein, es war nur ein Wunschtraum. Ich wollte der Menschheit beweisen, dass ich so einen Apparat entwickeln kann. Auf der Universität hat man mich mit meiner Idee nur ausgelacht.« »Aber was ist mit den ganzen Erscheinungen?«, fragte Bob weiter. »Ach, ich habe in jungen Jahren als Bühnenbauer gearbeitet. Mit ein bisschen Schaumstoff und Farbe ist sowas kein Problem. Am schwierigsten war der Schmetterling. Die Kirsche, Fred Fireman und die Fische ließen sich wesentlich einfacher herstellen. Natürlich musste ich alles immer wieder schnell beiseite schaffen. Die Gefahr war zu groß, dass jemand die Monster genauer unter die Lupe nimmt.« Justus erinnerte sich an den Lastwagen auf dem Parkplatz und der Tankstelle. »Verstehe. Sie selbst haben die in den Lastwagen gepackt?« »Ja, die meisten. Bei den Pilzen hatte schon niemand mehr genau hingeguckt und die Fische sollten auf den Ozean hinaustreiben. Und ich dachte, es wäre der Coup meines Lebens. Das 125
perfekte Verbrechen. Mit dem Geld wollte ich meine Forschungsarbeiten in der Plasmagenese finanzieren. Ein von mir erfundener Wissenschaftszweig. Was werdet ihr nun mit mir machen?« Justus sah ihn scharf an. »Das wird Kommissar Reynolds entscheiden. Wir werden mit dem Funkgerät aus dem Hubschrauber Hilfe holen.« Bob blickte schadenfroh zu McCooper. »Der ist mit seinem weggewehten Geld schon fast genug bestraft.« »Und was wird aus mir?«, fragte Larry Blix mit leiser Stimme. Justus überlegte eine Weile. Dann grinste er. »Sie dürfen einen Zeitungsbericht veröffentlichen, den wir aber schreiben werden. Und dazu basteln Sie am Computer ein passendes Foto für die Titelseite.« »Ja, und was soll auf dem Foto zu sehen sein?« »Larry Blix, wie er in Badehose auf einer riesengroßen Monsterschleimschnecke reitet.« Alle drei lachten so laut, dass die Möwen über ihnen für einen kurzen Moment verstummten. 126