Meister Eckhart in Erfurt
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Meister Eckhart in Erfurt
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Miscellanea Mediaevalia Veröffentlichungen des Thomas-Instituts der Universität zu Köln Herausgegeben von Andreas Speer
Band 32
Meister Eckhart in Erfurt
Walter de Gruyter · Berlin · New York
Meister Eckhart in Erfurt
Herausgegeben von Andreas Speer und Lydia Wegener
Walter de Gruyter · Berlin · New York
ISSN 0544-4128 ISBN-13: 978-3-11-018583-6 ISBN-10: 3-11-018583-0 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ” Copyright 2005 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandentwurf: Christopher Schneider, Berlin Satz: META Systems GmbH, Wustermark Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co GmbH, Göttingen
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Kontext Erfurt Andreas Speer (Köln) Zwischen Erfurt und Paris: Eckharts Projekt im Kontext. Mit einer Bibelauslegung zu Sap. 7, 7-10 und Joh. 1, 11-13 . . . . . . . . . . . . Georg Steer (Eichstätt) Meister Eckharts deutsche reden und predigten in seiner Erfurter Zeit . Freimut Lˆser (Augsburg) Meister Eckhart in Bewegung. Das mittelalterliche Erfurt als Wirkungszentrum der Dominikaner im Licht neuerer Funde . . . . . . . . . . . . Helmut G. Walther ( Jena) Ordensstudium und theologische Profilbildung. Die Studia generalia in Erfurt und Paris an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert . . . . . Gunther Felkel ( Jena) Theophilus von Stotternheim OP und der zornige Petrus - ein Erscheinungsbericht aus dem Erfurter Dominikanerkloster aus der Zeit Meister Eckharts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Die Erfurter ,Rede‘ Walter Senner OP (Paris) Die ,Rede der underscheidunge‘ als Dokument dominikanischer Spiritualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Burkhard Hasebrink (Freiburg i. Br.) sich erbilden. Überlegungen zur Semantik der Habitualisierung in den ,Rede der underscheidunge‘ Meister Eckharts . . . . . . . . . . . . . . . Marie-Anne Vannier (Metz) Les ,Entretiens spirituels‘, creuset de l’œuvre d’Eckhart . . . . . . . . . Udo Kern (Rostock) „Der Mensch sollte werden ein Gott Suchender.“ Zum Verständnis des Menschen in Eckharts ,Rede der underscheidunge‘ . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
Mika Matsuda (Kyoto) Eckharts Auseinandersetzung mit der thomasischen Kontritionslehre in den ,Reden der Unterweisung‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
III. Systematik und Einheit Jan A. Aertsen (Köln) Der ,Systematiker‘ Eckhart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Karl Albert (Wuppertal) Eckharts intellektuelle Mystik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Theo Kobusch (Bonn) Lesemeistermetaphysik - Lebemeistermetaphysik. Zur Einheit der Philosophie Meister Eckharts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Yossef Schwartz (Tel Aviv) Zwischen Einheitsmetaphysik und Einheitshermeneutik: Eckharts Maimonides-Lektüre und das Datierungsproblem des ,Opus tripartitum‘ 259
IV. Spekulation und Begriff Wouter Goris (Köln/Amsterdam) Die Freiheit des Denkens. Meister Eckhart und die Pariser Tradition Niklaus Largier (Berkeley) Kontextualisierung als Interpretation. Gottesgeburt und speculatio im ,Paradisus anime intelligentis‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alessandra Beccarisi (Lecce) Isticheit nach Meister Eckhart. Wege und Irrwege eines philosophischen Terminus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erik Alexander Panzig (Leipzig) gelaˆzenheit und abegescheidenheit - zur Verwurzelung beider Theoreme im theologischen Denken Meister Eckharts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angela Schiffhauer (Köln) „nos filii dei sumus analogice.“ Die Analogielehre Meister Eckharts in der Verteidigungsschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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V. Die deutschen Predigten Loris Sturlese (Lecce) Hat es ein Corpus der deutschen Predigten Meister Eckharts gegeben? Liturgische Beobachtungen zu aktuellen philosophiehistorischen Fragen 393
Inhaltsverzeichnis
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Nadia Bray (Lecce) Deutsche Bibelzitate in den Predigten Meister Eckharts . . . . . . . . . 409 Dagmar Gottschall (Lecce) „Man möhte wunder tuon mit worten“ (Predigt 18). Zum Umgang Meister Eckharts mit Wörtern in seinen deutschen Predigten . . . . . . . . . . . 427 Markus Enders (Freiburg i. Br.) Gott ist die Ruhe und der Friede. Eine kontextbezogene Interpretation der Predigten 7 (,Populi eius qui in te est, misereberis‘) und 60 (,In omnibus requiem quaesivi‘) des Meister Eckhart . . . . . . . . . . . . . . 450
VI. Rezeption und Mystik Jeffrey F. Hamburger (Cambridge, Mass.) Johannes Scotus Eriugena deutsch redivivus: Translations of the ,Vox spiritualis aquilae‘ in Relation to Art and Mysticism at the Time of Meister Eckhart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernard McGinn (Chicago) The Problem of Mystical Union in Eckhart, Seuse, and Tauler . . . . Jeremiah Hackett (South Carolina) The Reception of Meister Eckhart: Mysticism, Philosophy and Theology in Henry of Friemar (the Elder) and Jordanus of Quedlinburg . . Mikhail Khorkov (Moskau) Unbekannter Eckhart oder unbekannter Ruusbroec? Zum augustinistischen Kontext der Meister-Eckhart-Rezeption im 15. Jahrhundert . . .
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Verzeichnis der Handschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601 Namenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603
Vorwort Dieser 32. Band der ,Miscellanea Mediaevalia‘ geht auf einen besonderen Anlass zurück: auf eine internationale Tagung, die vom 25. bis 28. September 2003 anlässlich des Meister Eckhart-Gedenkjahres, das die Stadt Erfurt für 2003 ausgerufen hatte, stattfand. Das Generalthema der Tagung und eines vorausliegenden zweitägigen Workshops entsprach dem Titel des vorliegenden Bandes: ,Meister Eckhart in Erfurt‘ 1. Gedacht wurde der Rückkehr des Magisters Eckhart von Hochheim aus Paris in den Erfurter Dominikanerkonvent im Frühsommer 1303. Diesem Konvent hatte er bereits nach seinem Pariser Bakkalaureat und vor seinem ersten Pariser Magisterium, von dem er nun heimkehrte, als Prior vorgestanden. Im gleichen Jahr 1303 wurde Eckhart der erste Provinzial der neu begründeten Ordensprovinz Saxonia - ein Amt, das er bis zu seinem zweiten Pariser Magisterium im Jahre 1311 innehatte. In der allgemeinen Wahrnehmung auch der Forschung lagen die Erfurter Jahre bislang allerdings im Schatten seiner übrigen Wirkungsstätten Paris, Straßburg oder Köln. Dies mag verwundern, wenn man bedenkt, dass Eckhart in Erfurt immerhin fast zwei Jahrzehnte - unterbrochen nur durch sein erstes Pariser Magisterium - gelebt und gewirkt hat. Nun ist aber in den letzten Jahren vieles in der Eckhart-Forschung in Bewegung geraten. In diesem Zusammenhang sind auch die Erfurter Jahre Eckharts als Prior und Provinzial immer stärker in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Hierzu haben nicht zuletzt einige bahnbrechende Ergebnisse der historisch-philologischen Eckhart-Forschung beigetragen. Vor allem mit der (Neu-)Datierung wichtiger Schlüsselwerke in die Erfurter Zeit wird das dortige Predigerkloster zu dem Ort, an dem Eckhart seine maßgeblichen Gedanken entwickelt, skizziert und ausgearbeitet hat. Der vorliegende Band, der die Vorträge der Tagung - erweitert um einige Beiträge des Workshops - enthält, präsentiert die Ergebnisse einer Neubestimmung, die im Ausgang von den Erfurter Jahren Eckharts zentrale Themenfelder der Eckhart-Forschung betrifft: etwa den Entwurf zu seinem systematischen Hauptwerk im Kontext seiner übrigen Schriften und Predigten, den Einfluss der Pariser Debatten auf Eckharts Denken, das Verhältnis von Predigt und Traktatwerk, die Hermeneutik der Bibelauslegung, den Zusammenhang von lateinischem und deutschem Werk sowie Fragen von Authentizität, Adressatenkreis und Sprache der deutschen Predigten, schließlich Eckharts Stellung innerhalb der mystischen Tradition. Hinzukommt die genauere Einordnung der Erfurter 1
Siehe hierzu den ausführlichen Tagungsbericht im Bulletin de Philosophie me´die´vale 45 (2003), 259-272.
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Vorwort
Jahre in das Wirken Eckharts: als Seelsorger in bewegter Zeit, als zentrale Figur seines Ordens, als eine führende intellektuelle Persönlichkeit seiner Zeit, und schließlich auch mit Blick auf sein späteres Wirken in Straßburg und Köln oder in Hinblick auf den Avignoneser Prozess. Nicht zuletzt steht das Erfurter Wirken Eckharts in einem engen Zusammenhang mit der Gründungsphase der Dominikaner-Provinz Saxonia, deren erster Provinzial er war. Ein besonderer Dank gilt an dieser Stelle zunächst den Autoren, die auch im Nachgang zu der Tagung mit außergewöhnlichem Einsatz am Gelingen des nun vorliegenden Bandes mitgearbeitet haben. Die Impulse, die von der Tagung bereits für die Eckhart-Forschung ausgegangen sind, werden durch den Band sicherlich noch einmal verstärkt. Hervorzuheben ist vor allem die umfassende Kontextualisierung des Eckhart’schen Œuvre durch das Zusammenwirken vieler Disziplinen: lateinische und deutsche Philologie, Literaturwissenschaft und Philosophie, Theologie und Geschichtswissenschaft, Kunstgeschichte und Liturgiewissenschaft, Spiritualitäts- und Mystikgeschichte. Diese interdisziplinäre Vielfalt spiegeln auch die Beiträge dieses Bandes wider. Als eine weitere Frucht der Erfurter Eckhart-Tagung darf auch die Gründung einer wissenschaftlichen MeisterEckhart-Gesellschaft angesehen werden, die am 24. April 2004 in Würzburg erfolgte. Zu ihrem ersten Präsidenten wurde Prof. Dr. Georg Steer gewählt. Die internationale Tagung ,Meister Eckhart in Erfurt‘ und der vorausgehende Eckhart-Workshop wurden veranstaltet von der Universität Erfurt und der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt mit Unterstützung der Kulturstiftung des Bundes, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Vereinigten Kirchen- und Klosterkammer Erfurt und der Stadt Erfurt. Allen fördernden Institutionen gilt der aufrichtige Dank des Unterzeichnenden, der die wissenschaftliche Leitung übernommen hatte und zunehmend auch die organisatorische Verantwortung für diese große wissenschaftliche Veranstaltung übernahm. Hierbei konnte ich stets auf die großartige Unterstützung von Herrn Dr. Markus Hille (Weimar/Erfurt) und der Mitarbeiter meines damaligen Würzburger Lehrstuhls zählen, ohne die diese doppelte Aufgabenstellung nicht hätte gemeistert werden können. Ein besonderer Dank gebührt in diesem Zusammenhang ferner dem Kanzler der Universität Erfurt, Herrn Martin Henkel-Ernst, dem Wissenschaftlichen Sekretar der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt, Herrn Privatdozenten Dr. Jürgen Kiefer ( Jena), und dem Universitätsbeauftragten der Stadt Erfurt, Herrn Christian Piossek. Die Tagung wie auch der Workshop fanden an besonderen, geschichtsträchtigen Orten statt. Während für den Workshop der historische Kapitelsaal der Erfurter Predigerkirche, der noch auf die Zeit Eckharts zurückgeht, zur Verfügung stand, versammelten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Eckhart-Tagung im ,Coelicum‘ der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt auf dem Domberg. Ein namentlicher Dank für dieses unvergessliche Ambiente gilt dem Pfarrer der Predigergemeinde Johannes Stemmler und dem damaligen Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät und Vizepräsidenten der Universität Erfurt Prof. Dr. Eberhard Tiefensee. Dank sei ferner dem Leiter
Vorwort
XI
der wissenschaftlichen Sondersammlung der Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha, die auch die berühmte ,Bibliotheca Amploniana‘ enthält, Herrn Dr. Rupert Schaab gesagt, der uns den neuen Ort der alten Sammlung persönlich vorstellte, sowie dem Oberbürgermeister der Stadt Erfurt, Herrn Dr. Manfred Ruge, der die Teilnehmer der Eckhart-Tagung nach einem öffentlichen Abendvortrag im Festsaal der Stadt Erfurt empfing, und dem Präsidenten der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Werner Köhler, für seinen warmherzigen Abschiedsempfang. Ein besonderer Höhepunkt war ferner die zeitgleiche Eröffnung der Ausstellung ,Homo doctus homo sanctus. Wer ist Meister Eckhart?‘ im Stadtmuseum ,Haus zum Stockfisch‘, die einzigartige Exponate in einer äußerst gelungenen Ausstellungspräsentation darbot 2. Ein Dank gilt dem Direktor des Stadtmuseums, Herrn Hardy Eidam, sowie dem Direktor der Kunsthalle Erfurt im ,Haus zum Roten Ochsen‘, Herrn Kai Uwe Schierz, für die hervorragende Zusammenarbeit. Schließlich sei dem Verlag Walter de Gruyter und namentlich Frau Dr. Gertrud Grünkorn für die Zustimmung zur Aufnahme des vorliegenden Bandes in die ,Miscellanea Mediaevalia‘ und für dessen wie immer hervorragende Ausstattung gedankt. Innerhalb der ,Miscellanea Mediaevalia‘ ist dieser Band inzwischen der dritte, der auf eine Tagung in Erfurt zurückgeht 3. Der Band ist schließlich in Köln am Thomas-Institut fertiggestellt worden. Ein letzter, besonders herzlicher Dank gilt daher meinen hiesigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, namentlich Herrn Thomas Jeschke für die Mühe des finalen Korrekturlesens und der Erstellung der Indices, und insbesondere meiner Mitherausgeberin Frau Lydia Wegener, die den vorliegenden Band in dieser Qualität für den Druck vorbereitet hat. Dass sie dieses Vorwort nicht mitzeichnet, liegt - wie in dem Vorwort selbst deutlich geworden sein dürfte - allein an der komplexen Entstehungsgeschichte dieses Bandes, die viele Stationen umfasst. Diese Geschichte ist nunmehr mit dem Erscheinen des Bandes an ein glückliches Ende gelangt. Gespannt warten wir nun auf das Urteil der Leser und auf die Diskussionen in der Eckhart-Forschung. Köln, im September 2005
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Andreas Speer
Der Katalog unter dem gleichnamigen Titel ,Homo doctus - homo sanctus. Wer ist Meister Eckhart?‘ wurde im Auftrag der Stadtverwaltung Erfurt herausgegeben von Hardy Eidam, Ilka Thom und Ulrich Spannaus, Erfurt 2003. Siehe die beiden Bände: A. Speer (ed.), Die Bibliotheca Amploniana. Ihre Bedeutung im Spannungsfeld von Aristotelimus, Nominalismus und Humanismus (Miscellanea Mediaevalia 23), Berlin-New York 1995, und J. A. Aertsen/A. Speer (eds.), Was ist Philosophie im Mittelalter? Akten des X. Internationalen Kongresses für mittelalterliche Philosophie der Socie´te´ Internationale pour l’E´tude de la Philosophie Me´die´vale vom 25. bis 30. August 1997 in Erfurt (Miscellanea Mediaevalia 26), Berlin-New York 1998. Zu Meister Eckhart siehe in dem zuerst genannten Band den bahnbrechenden Beitrag von Loris Sturlese zur Datierung des ,Opus tripartitum‘ (ibid., 434-446) und in dem an zweiter Stelle genannten Band die Beiträge der Eckhart-Sektion (ibid., 683-711).
I. Kontext Erfurt
Zwischen Erfurt und Paris: Eckharts Projekt im Kontext. Mit einer Bibelauslegung zu Sap. 7, 7-10 und Joh. 1, 11-13 Andreas Speer (Köln) I. Meister Eckhar t in Erfur t: ein Forschungsdesiderat An keinem Ort ist er länger gewesen und nirgends hat er länger gewirkt als in Erfurt. Das zeigt bereits ein flüchtiger Blick auf die biographischen Daten des Eckhart von Hochheim. Doch zugleich ist über kaum eine Periode seines Lebens und Schaffens so wenig bekannt wie über die Erfurter Zeit - selbst wenn man die frühesten Jahre ausklammert, über die wir keine Quellen besitzen: sein Noviziat und Hausstudium im Erfurter Predigerkloster, einem der ältesten und angesehensten Konvente der Dominikanerprovinz Teutonia, seine Gelübde und die Priesterweihe, sodann die weitere Ausbildungs- und Studienzeit zunächst wahrscheinlich in Köln - ein Hinweis in Eckharts erster überlieferter Predigt auf Albertus Magnus legt dies nahe 1 - und schließlich in Paris. Erst von dort besitzen wir ein erstes Dokument, als der frater Eckhardus - inzwischen Lector sententiarum an der Theologischen Fakultät von Paris - am Ostertag des 18. April 1294 als Festprediger buchstäblich aktenkundig wird 2. Mit Paris verbinden sich gewöhnlich die akademische Karriere des Tambacher Rittersohnes und das lateinische Werk: Denn selbstverständlich schreibt der Pariser Theologieprofessor in der damaligen lingua franca. Die Straßburger Zeit zwischen 1313 und 1323 als Vikar des Ordensgenerals hingegen steht im Zeichen wachsender innerkirchlicher Auseinandersetzungen mit den so genannten ,Brüdern und Schwestern von der Sekte des freien Geistes und der freiwilligen Armut‘ und unter dem Einfluss der Beginenspiritualität. Der Schwerpunkt verlagert sich auf die Predigten. Eckhart spricht und schreibt nunmehr vorwiegend Deutsch, und dies auch in Köln, seiner letzten Station, die mit dem Prozess, der ihn bis nach Avignon an den päpstlichen Hof führt, einen jähen Abschluss findet 3. Und schließlich weist die biographische Forschungstopologie über Eck1 2
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Sermo Paschalis a. 1294 Parisius habitus (LW V, 145, 5). Cf. den in einer Kremsmünster Handschrift überlieferten ,Sermo Paschalis a. 1294 Parisius habitus‘ (LW V, 133-148; siehe auch nt. 1); Acta Echardiana, n. 4 (LW V, 157); ferner K. Ruh, Geschichte der abendländischen Mystik, vol. 3: Die Mystik des deutschen Predigerordens und ihre Grundlegung durch die Hochscholastik, München 1996, 236 sq. Cf. Ruh, Geschichte der abendländischen Mystik (nt. 2), 240-245. Zum philosophisch-theologischen Hintergrund der Auseinandersetzungen siehe auch N. Largier, Das Glück des Menschen. Diskussionen über beatitudo und Vernunft in volkssprachlichen Texten des 14. Jahrhunderts, in: J. A. Aertsen/K. Emery, Jr./A. Speer (eds.), Nach der Verurteilung von 1277. Philosophie und
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Andreas Speer
harts Lebenszeit hinaus, wenn wir die Komplexität der Eckhart-Überlieferung und Eckhart-Rezeption überwiegend im deutschen Sprachraum in den Blick nehmen: von Basel über Konstanz und Straßburg bis an den Niederrhein, etwa im Baseler Tauler-Druck und im so genannten Seuse-,Exemplar‘, oder aber in Melk - dort verbunden mit der Gestalt eines gelehrten benediktinischen Laienbruders namens Lienhart Peuger 4. Nun also Eckhart in Erfurt. Es erhebt sich die Frage: Warum stand Erfurt obgleich Eckharts Heimatkloster und Wirkungsort in ordenspolitisch wichtiger Funktion für fast zwei Jahrzehnte - bislang so sehr im Schatten der übrigen Plätze seines Wirkens? Und worin liegt nun gerade das aktuelle Interesse an der Erfurter Zeit begründet, sieht man einmal von dem Anlass des für 2003 ausgerufenen Erfurter Eckhart-Jahres ab? Beide Fragen hängen eng miteinander zusammen und sie werfen ein Licht auf die Entwicklung der Meister EckhartForschung. Blicken wir jedoch zunächst nach Paris, dem Ort der akademischen Formierung und Karriere Eckharts. Mit Recht hat Kurt Ruh - ganz im Gegensatz zu dem gern gepflegten Bild vom großen Außenseiter Eckhart, der im Widerspruch zur vorherrschenden akademischen Leitkultur stand - von der „steilen Gelehrten- und Ämterlaufbahn“ eines Hochbegabten gesprochen 5, die im Grunde erst mit der Kölner Anklageerhebung einen Bruch erleidet. Auch Loris Sturlese sieht in Eckhart primär einen Intellektuellen internationalen Rangs, der zudem aktiv die Politik seines Ordens mitgestaltet habe 6. Mithin müssen die Kontroversen des Pariser Magisters zunächst auch als durchaus üblicher universitärer Disput angesehen werden, in dem Eckhart - bisweilen in aller Deutlichkeit - Partei bezog, etwa in der Debatte mit Gonsalvus und Scotus über die visio beatifica. Dies zeigen insbesondere die ,Quaestiones Parisienses‘, die während seines ersten Pariser Magisteriums entstanden, aber nicht nur diese. So weist etwa die Erfurter Predigt 9 ,Quasi stella matutina‘, die Eckhart wahrscheinlich nicht lange nach der Rückkehr von seinem ersten Pariser Magisterium gehalten hat, deutliche Bezüge zu den groben und kleinen Meistern der schuole auf 7, in der Eckhart eigenem Bekunden nach auch selbst gesprochen hat 8.
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Theologie an der Universität von Paris im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts. Studien und Texte (Miscellanea Mediaevalia 28), Berlin-New York 2001, 827-855. Siehe hierzu den ausführlichen Überblick bei G. Steer, Die Schriften Meister Eckharts in den Handschriften des Mittelalters, in: H.-J. Schiewer/K. Stackmann (eds.), Die Präsenz des Mittelalters in seinen Handschriften. Ergebnisse der Berliner Tagung in der Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, 06.-08. April 2000, Tübingen 2002, 209-302, zu den genannten Beispielen bes. 262-281; ferner den Beitrag von F. Löser in diesem Band, 56-74, und Lösers große Studie: Meister Eckhart in Melk. Studien zum Redaktor Lienhart Peuger (Texte und Textgeschichte 48), Tübingen 1999. Ruh, Geschichte der abendländischen Mystik (nt. 2), 236. Siehe den Beitrag von L. Sturlese in diesem Band, 393-408, bes. 395. Pr. 9 ,Quasi stella matutina‘ (DW I, 145, 7-8): ,Grobe meister sprechent‘ (gemeint sind Gonsalvus und Scotus); ibid. (DW I, 147, 3): ,Kleine meister lesent‘. Pr. 9 (DW I, 152, 9-10): „Ich sprach in der schuole, daz vernünfticheit edeler wære dan wille, und gehœrent doch beidiu in diz lieht.“ - Für den Gesamtzusammenhang siehe ibid., 145, 7-147, 2 sowie 150, 1-154, 6. Siehe hierzu den Kommentar von N. Largier in der von ihm für die Bibliothek des
Zwischen Erfurt und Paris: Eckharts Projekt im Kontext
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Für lange Zeit, im Grunde bis vor zehn Jahren, wurde mit den Aufenthalten in Paris und insbesondere mit dem zweiten Pariser Magisterium auch der monumentale Entwurf des ,Opus tripartitum‘ verbunden, in dem Eckhart axiomatische Methode, scholastische Disputation und biblische Exegese auf vorher nicht gekannte Weise miteinander vereint. Dass dieses umfassend angelegte systematische Großprojekt, das Kurt Ruh als Grundriss einer christlichen Metaphysik bezeichnet hat 9, ein Torso blieb, wurde zumeist mit Eckharts Weggang aus Paris und seinen neuen Aufgaben in Straßburg erklärt 10. Neue Untersuchungen an der Erfurter Handschrift des ,Opus tripartitum‘, Cod. Amplon. F 181, durch Loris Sturlese, die dieser erstmals im Jahre 1993 anlässlich der AmplonianaKonferenz im Augustinerkloster zu Erfurt vorstellte, haben zu einer Revision der Chronologie geführt, die inzwischen von der Eckhart-Forschung allgemein akzeptiert worden ist. Die drei Textabschnitte des Erfurter Kodex spiegeln demnach drei Phasen der Ausarbeitung des ,Opus tripartitum‘ durch Eckhart wider, beginnend mit den Prologi, dem Ecclesiasticus- und Sapientiakommentar. Die erste Phase datiert Sturlese bereits auf das Jahr 1305. Eckhart muss also recht bald nach seiner Rückkehr aus Paris mit den Arbeiten an seiner ,Summa‘ begonnen haben. Auch wenn der Johanneskommentar und der ,Liber parabolarum Genesis‘ in die folgende Pariser Zeit und später (d. h. nach 1313) datiert werden müssen, so fällt das ,Opus tripartitum‘ in seinem ersten Entwurf sowie in den ersten Phasen seiner Ausarbeitung damit in die Erfurter Zeit zwischen die beiden Pariser Magisterien Eckharts. Auf diese Weise rückt - gegenüber der hergebrachten Einteilung in ein Früh- und in ein Spätwerk - auch das Œuvre Eckharts stärker zusammen, stellt sich die Frage nach seiner Einheitlichkeit bzw. nach seiner Entwicklung neu 11. In dieselbe Zeit des Provinzialats werden ferner diejenigen Predigten Eckharts datiert, die sich in der wahrscheinlich in den späten dreißiger Jahren des 14. Jahrhunderts im Erfurter Predigerkloster zusammengestellten Predigtsammlung finden, die unter dem Titel ,Paradisus anime intelligentis‘ oder ,Paradis der fornuftigen sele‘ überliefert ist 12. Diesem Predigtcorpus, das 64 Predigten aus der
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Mittelalters besorgten Werkausgabe der Predigten (Meister Eckhart: Werke I), Frankfurt a. M. 1993, 842-854, mit zahlreichen weiterführenden Literaturhinweisen; ferner Ruh, Geschichte (nt. 2), 272 sq., sowie den Beitrag von W. Goris in diesem Band, 283-297. Cf. Ruh, Geschichte (nt. 2), 305. Cf. ibid., 292. Cf. L. Sturlese, Meister Eckhart in der Bibliotheca Amploniana. Neues zur Datierung des ,Opus tripartitum‘, in: A. Speer (ed.), Die Bibliotheca Amploniana. Ihre Bedeutung im Spannungsfeld von Aristotelismus, Nominalismus und Humanismus (Miscellanea Mediaevalia 23), Berlin-New York 1995, 434-446; hierzu auch Steer, Die Schriften (nt. 4), 219-222; ferner den Beitrag von G. Steer in diesem Band, 34-55; auch der Beitrag von Y. Schwartz - gleichfalls in diesem Band (259-279) - widerspricht trotz einiger anderer Akzentsetzungen dieser Neubewertung im Grundsatz nicht. Cf. Paradisus anime intelligentis (Paradis der fornuftigen sele). Aus der Oxforder Handschrift Cod. Laud. Misc. 479 nach E. Sievers’ Abschrift ed. v. Ph. Strauch, Berlin 1919; zweite Auflage ed. u. mit einem Nachw. versehen v. N. Largier u. G. Fournier (Deutsche Texte des Mittelalters 30), Hildesheim 1998.
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Andreas Speer
Glanzzeit des Erfurter Dominikanerkonvents zur Zeit von Eckharts Provinzialat enthält, kommt insofern eine besondere Bedeutung zu, als es mit 32 EckhartPredigten für lange Zeit neben den in der ,Rechtfertigungsschrift‘ genannten Predigten der einzige Anhaltspunkt zur Rekonstruktion der durchweg sekundär und verstreut überlieferten deutschen Eckhart-Predigten war. Die ,Paradisus‘Sammlung ist zugleich ein wichtiges Element der Eckhart-Rezeption, denn sie stellt den vorsichtigen Versuch dar, dem einstmaligen Meister, der als zweifacher Inhaber des theologischen Lehrstuhls in Paris nach der kirchlichen Verurteilung nicht in den offiziellen Schriftstellerkatalog der Dominikaner aufgenommen wurde, wieder einen Platz in den Anthologien geistlichen Schrifttums zu geben. Der programmatische Titel der Predigtsammlung verweist zudem auf ein mögliches ordenspolitisches Motiv für diese Rehabilitierung im Kontext der Auseinandersetzung mit den Franziskanern um den Primat von Vernunft oder Willen 13. Entsprechende Anhaltspunkte finden sich insbesondere in der bereits genannten Predigt 9 ,Quasi stella matutina‘, die Ruh als die Schlüsselpredigt des ,Paradisus‘ bezeichnet 14. Doch ist diese an der visio-Frage festgemachte Kontroverse, die eine grundsätzliche anthropologische Dimension besitzt, im Grunde eine Pariser Debatte. Die gleiche dominikanische Perspektive zeigt sich nach Niklaus Largier auch in Hinblick auf die Dionysius-Lektüre, die Eckharts Denken zum einen eng an das des Areopagiten heranführen möchte, andererseits dem dionysischen Denken ein Profil zu verleihen sucht, das sich von der Interpretation in lateinischen und volkssprachlichen Texten franziskanischer Herkunft deutlich unterscheidet 15. Für Kurt Ruh kommt daher den ,Paradisus‘-Predigten, deren redaktionelle Bearbeitung gemäß der neueren Forschung in die Blütezeit des Erfurter Dominikanerkonvents fällt 16, eine große methodische Bedeutung zu. Sie sind für ihn ein Exempel für eine doppelte Begegnung: einerseits zwischen dem Gelehrten und Magister der Pariser Universität und seinem Publikum, das er in der Volkssprache adressiert, und sodann mit Bezug auf die Umsetzung theologischer Inhalte und Argumentationsgänge in die Volkssprache. Hierbei billigt Ruh dem deutschen Idiom einen Vorrang nicht nur an Bildhaftigkeit, sondern auch an gedanklicher Präzision zu 17. Wenngleich dieses Urteil auf einer Überbetonung des deutschen gegenüber dem lateinischen Werk beruht, so ist gleichwohl die Bedeutung der sich hier zeigenden Bemühungen Eckharts um eine volkssprach13
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Cf. Ruh, Geschichte (nt. 2), 273-279, sowie die Beiträge von G. Steer (46-54) und N. Largier (298-313) in diesem Band. Die deutsche Predigt steht in der Quint’schen Zählung an Nr. 9, in der Zählung des ,Paradisus‘ als Predigt 33. Cf. Ruh, Geschichte (nt. 2), 276 sq. Einen Beitrag zu einer liturgischen Neuordnung der deutschen Predigten hat in diesem Band L. Sturlese am Beispiel des ,Paradisus‘ vorgelegt. Cf. das Nachwort von N. Largier in der von ihm und G. Fournier besorgten Neuausgabe des ,Paradisus‘ (nt. 12), 171-188; ferner den Beitrag von N. Largier in diesem Band, 298-313. Siehe hierzu die Beiträge von G. Steer, 46-49, und N. Largier, 298-300, in diesem Band. Cf. Ruh, Geschichte (nt. 2), 279.
Zwischen Erfurt und Paris: Eckharts Projekt im Kontext
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liche philosophisch-theologische Terminologie nicht hoch genug einzuschätzen. Die systematische begriffsgeschichtliche Forschung steht im Grunde noch am Anfang. Neben den ,Paradisus‘-Predigten blieben für die Erfurter Jahre Eckharts lange Zeit nur die ,Rede der underscheidunge‘ aus seinem Priorat, gerichtet an die ,geistlichen Kinder‘, „die ihn zu diesen Reden nach vielem fragten, als sie zu abendlichen Lehrgesprächen (in collationibus) beieinander saßen“ 18. Doch im Gegensatz zu der lange vorherrschenden Einschätzung als wenig spekulative Frühschrift im Dienst der Brüder- und Novizenseelsorge treten gleich zu Beginn der Erfurter ,Rede‘, die Eckhart selbst als collationes bezeichnet, bereits deutlich die großen Themen seiner späteren Zeit hervor: Demut, Gelassenheit, Abgeschiedenheit und ebenso - darauf weist Burkhard Hasebrink hin - jenes präsentisch-performative Moment, das die späteren Predigten kennzeichnet 19. Insofern besitzen diese Reden durchaus programmatischen Charakter. So erläutert Eckhart gleich zu Beginn die Gehorsamsregel als ein Herausgehen aus dem eigenen Ich, als ein sich des Seinen Entschlagen, damit Gott notgedrungen (von noˆt) ,eingehen‘ muss. In der Entäußerung des eigenen Willens, so Eckhart, muss Gott für mich wollen; andernfalls versäumt er etwas für sich: „Darin, wo ich von meinem Ich lasse, da muß er [Gott] für mich notwendig alles das wollen, was er für sich selber will, nicht weniger noch mehr, und in derselben Weise, mit der er für sich will. Und täte Gott das nicht - bei der Wahrheit, die Gott ist, so wäre Gott nicht gerecht, noch wäre er Gott, was ›doch‹ sein natürliches Sein ist.“ 20
Deutlich erkennbar handelt es sich hier nicht um Anweisungen zur Frömmigkeit - weder für Klosterbrüder noch für solche, die meinen, Gott vorzüglich in der Kirche finden zu können. Auch in dieser Zurückhaltung hinsichtlich konkreter Lebensregeln bleibt sich Eckhart treu. Denn „mit wem es recht steht“, so seine Überzeugung, „wahrlich, dem ist’s an allen Stätten und unter allen Leuten recht“. Der hat Gott in Wahrheit bei sich, und zwar „an allen Stätten und auf der Straße und bei allen Leuten ebensogut wie in der Kirche oder in der Einöde oder in der Zelle“ 21. 18
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RdU (DW V, 185, 1-6): „Daz sint die rede, die der vicarius von türingen, der prior von erfurt, bruoder eckhart predigerordens mit solchen kindern haˆte, diu in dirre rede vraˆgeten vil dinges, doˆ sie saˆzen in collationibus mit einander.“ Cf. hierzu den Beitrag von B. Hasebrink in diesem Band, 122-136; siehe auch id., Formen inzitativer Rede bei Meister Eckhart. Untersuchungen zur literarischen Konzeption der deutschen Predigt (Texte und Textgeschichte 32), Tübingen 1992. RdU, c. 1 (DW V, 187, 6-188, 2): „Alsoˆ in allen dingen, daˆ ich mir niht enwil, daˆ wil mir got. Nuˆ merke! Waz wil er mir, daˆ ich mir niht enwil? Daˆ ich mich ane laˆze, daˆ muoz er mir von noˆt wellen allez, daz er im selben wil, noch minner noch meˆr, und mit der selben wıˆse, daˆ er im mit wil. Und entæte got des niht, in der waˆrheit, diu got ist, soˆ enwære got niht gereht noch enwære got, daz sıˆn natiurlich wesen ist.“ RdU, c. 6 (DW V, 201, 3-7): „Wem reht ist, in der waˆrheit, dem ist in allen steten und bıˆ allen liuten reht […]. Wer aber got rehte in der waˆrheit haˆt, der haˆt in in allen steten und in der straˆze und bıˆ allen liuten als wol als in der kirchen oder in der einœde oder in der zellen.“
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Dieser Befund wird bestätigt durch die Nähe zu dem weihnachtlichen Predigtzyklus ,Von der eˆwigen geburt‘, dessen Rekonstruktion und Edition durch Georg Steer neben der kritischen Edition und der darauf basierenden Neubewertung der so genannten ,Rechtfertigungsschrift‘, Eckharts ,Responsio ad articulos sibi impositos‘ durch Loris Sturlese, als ein wichtiger Markstein der jüngeren Eckhart-Forschung gelten kann 22. Georg Steer hat die Verbindung dieser Predigten, die das zentrale Thema der Gottesgeburt entfalten, mit den ,Rede der underscheidunge‘ sowie mit einer Reihe von lateinischen Sermones und Lectiones herausgearbeitet und eine Datierung unmittelbar nach Eckharts erstem Pariser Magisterium 1302/3 vorgeschlagen, also - folgt man Sturleses neuer Werkchronologie - ganz in der Nähe zur ersten Arbeitsphase am ,Opus tripartitum‘ 23. Man kann demnach feststellen: Es ist in den letzten Jahren vieles in der Eckhart-Forschung in Bewegung geraten. Viele wichtige Impulse kamen aus der Eckhart-Philologie, angestoßen durch neue Quellenfunde und durch methodische Fortschritte. Dies gilt für die Einbeziehung kodikologischer Forschungen ebenso wie für sprachgeschichtliche Untersuchungen, für neue disziplinäre Durchblicke und interdisziplinäre Zusammenhänge, insbesondere für die Zusammenschau von lateinischem und deutschem Werk. Die Produktivität dieser Entwicklung zeigt sich gerade mit Bezug auf die große Werkausgabe, die wesentlich zu dieser neuen Dynamik der Eckhart-Forschung beigetragen hat und diese widerspiegelt. Davon zeugen auch die Beiträge dieses Bandes, die viele neue Fragen aufwerfen und neue Durchblicke wagen. Fragt man nach gemeinsamen Tendenzen der neueren Eckhart-Forschung, so rücken insbesondere die Erfurter Jahre Eckharts als Prior und Provinzial immer stärker in den Mittelpunkt des Interesses. Mit der (Neu-)Datierung wichtiger Schlüsselwerke in diese Periode wird das Erfurter Predigerkloster zu dem Ort, an dem Eckhart seine maßgeblichen Gedanken entwickelt, skizziert und ausgearbeitet hat. Von einem besonderen Gewicht ist weiterhin die enge Verbindung mit Paris, sind doch die Erfurter Jahre eingerahmt durch Eckharts Pariser Tätigkeit zunächst als Lector sententiarum nach dem Abschluss seiner Studien, sodann zweimal als Magister actu regens auf dem Ausländern vorbehaltenen theologischen Lehrstuhl der Dominikaner, den auch Thomas von Aquin zweimal innehatte. Wenn wir also nach dem Kontext von Eckharts Projekt suchen, dann müssen wir gleichermaßen nach Paris wie nach Erfurt blicken. Mit diesen Orten verbinden sich die beiden Wirkungskreise: die universitäre Lehre und die Ordensseelsorge. Die beiden Jahrzehnte zwischen 1293 und 1313 bilden somit 22
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Cf. G. Steer, Meister Eckharts Predigtzyklus von der ˆewigen geburt. Mutmaßungen über die Zeit seiner Entstehung, in: W. Haug/W. Schneider-Lastin (eds.), Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte. Kolloquium Kloster Fischingen 1998, Tübingen 2000, 253-281. Der Predigtzyklus, dt. Predigten 101-104 (= Pfeiffer I-IV), ist erschienen in DW IV/1, ed. v. G. Steer unter Mitarb. v. W. Klimanek u. F. Löser, Stuttgart 2003, 279-610; L. Sturlese (ed.), Mag. Echardi Responsio ad articulos sibi impositos de scriptis et dictis suis (LW V, 5.-8. Lieferung), Stuttgart 2000. Cf. Steer, Meister Eckharts Predigtzyklus (nt. 22), 270-276.
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nicht nur den Höhepunkt der Gelehrten- und Ämterlaufbahn Meister Eckharts, in ihnen sind auch die maßgeblichen intellektuellen und geistlichen Einflüsse und Motive aufzusuchen, die seinem spekulativen Denkentwurf wie seiner Predigttätigkeit ihre unverwechselbare Prägung und Spezifik geben. Nicht zuletzt stellt sich die Frage nach der Beziehung zwischen lateinischem und deutschem Werk - ein gerade für die Erfurter Zeit bedeutsames Thema - und damit nach der Einheit von Eckharts Denken, soweit es sich in seinem Œuvre widerspiegelt. II. Eckhar ts Projekt im Kontext der Pariser Debatten Zwei Themenkreise scheinen mir mit Blick auf diese Fragen und auf die Forschungsdiskussion besonders aufschlussreich zu sein: (i) zum einen die besondere Methode Meister Eckharts und damit verbunden sein Philosophie- und Theologieverständnis 24, (ii) zum anderen die Intellektlehre im Kontext der visiound beatitudo-Problematik, einer Thematik, die von den vierziger Jahren des 13. Jahrhunderts an den Subtext für viele bedeutende epistemologische und psychologische, metaphysische und ethisch-anthropologische Debatten bildet 25. Beide Themen haben ihren traditionellen Sitz in den Pariser Debatten des ausgehenden 13. und frühen 14. Jahrhunderts. Wie engagiert, ja bisweilen aufgeheizt hier diskutiert wurde, zeigen nicht zuletzt die so genannten Verurteilungen von 1277 oder die Verurteilung von Marguerite Porete auf dem Konzil von Vienne im Jahre 1312, mit deren Ideen Eckhart während seines zweiten Pariser Magisteriums in Berührung kam, zumal der dominikanische Inquisitor Wilhelm von Paris Eckharts Hausgenosse war 26. Als Eckhart zum ersten Mal in Paris weilt, wird er Zeuge lebhafter Debatten, die vor allem um das Wissenschaftssubjekt der Theologie und damit um ihr Selbstverständnis sowie um ihr Verhältnis zu den übrigen Wissenschaften kreisen. Ihre Zuspitzung findet diese Diskussion noch durch die Frage nach der in diesem Erkenntnisstreben erreichbaren Glückseligkeit. Das philosophische Glücksideal des so genannten ethischen Aristotelismus einiger Pariser Artes24
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26
Cf. A. de Libera, Maıˆtre Eckhart et la mystique rhe´nane, Paris 1999, bes. 23-73; J. A. Aertsen, Meister Eckhart: Eine außerordentliche Metaphysik, in: Recherches de The´ologie et Philosophie me´die´vales 66 (1999), 1-20; A. Speer, Sapientia nostra. Zum Verhältnis von philosophischer und theologischer Weisheit in den Pariser Debatten am Ende des 13. Jahrhunderts, in: Aertsen/ Emery, Jr./Speer (eds.), Nach der Verurteilung von 1277 (nt. 3), 248-275, bes. 266-270. Cf. Maıˆtre Eckhart a` Paris. Une critique me´die´vale de l’ontothe´ologie. Les Questions parisiennes n∞ 1 et n∞ 2 d’Eckhart. E´tudes, textes et traductions par E. Zum Brunn, Z. Kaluza, A. de Libera, P. Vignaux et E. We´ber (Bibliothe`que de l’E´cole des Hautes E´tudes; Section des Sciences Religieuses LXXXVI), Paris 1984; C. Trottmann, La vision be´atifique. Des disputes scolastiques a` sa de´finition par Benoıˆt XII (Bibliothe`que des E´coles francX aises d’Athe`nes et de Rome 289), Rom 1995. Zum Hintergrund cf. K. Emery, Jr., Margaret Porrette and Her Book, in: Margaret Porrette: The Mirror of Simple Souls, transl. with an interpretative essay by E. Colledge, O.S.A./J. C. Marler/J. Grant, Notre Dame 1999, VII-XXXII.
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Magister, dass der Mensch in der besten ihm möglichen Verfassung lebt, wenn er sein Leben in das Studium der Weisheit setzt, wie es das Leben des Philosophen sei 27, wie auch der theologische Einspruch bezüglich der Heilsbedeutsamkeit eines solchen Wissens, das seinem Weisheitsanspruch, der am Ziel der Glückseligkeit zu messen ist, nicht gerecht zu werden vermag, beruhen gleichermaßen auf dem Verständnis der Theoria als einer Lebensform, welche auch die Vervollkommnung der moralischen Tugenden einschließt und zur höchsten Verwirklichung dessen führt, das der Mensch seinem Wesen nach ist 28. Diese Problematik spiegelt exemplarisch das ,Symbolum Parisinum‘ wider. Mit Bedacht beruft sich daher Etienne Tempier zu Beginn seines Briefes, der prologartig der Sammlung der inkriminierten 219 Thesen vorangestellt ist, ebenfalls auf das Weisheitsmotiv. Hierbei verbindet der Pariser Bischof auf suggestive Weise die Behauptung von zwei widerstreitenden Wahrheiten (,duae contrariae veritates‘) mit der Vorstellung einer wahren und einer falschen Weisheit 29. In aller Deutlichkeit richtet er sich gegen den Weisheitsanspruch der Philosophen (cf. art. 154) und erhebt konsequent das biblische ,perdam sapientiam sapientium‘ (Is. 29, 14; 1 Kor. 1, 19 sq.) zu seinem Leitspruch 30. Lässt man einmal die vielfältigen und durchaus gemischten Motive - insbesondere das Ringen um Kompetenzen und Zuständigkeiten in Personal- und Sachfragen - beiseite, die zu einem erheblichen Maß den Ausgangspunkt der Streitigkeiten zwischen der Artisten- und der Theologischen Fakultät bilden 31, so steht im Hintergrund dieser Debatten die im überkommenen Konzept einer sapientia christiana angelegte Grundspannung, die in dem Augenblick offen zutage tritt, als die im Zuge der Aristotelesrezeption ,wiederentdeckte‘ aristotelische ,göttliche Wissenschaft‘ oder Weisheit auf eine christliche Theologie trifft, die sich - nunmehr in aristotelischer Wissenschaftssprache - gleichfalls als erste und göttliche Wissenschaft und als Weisheit im eigentlichen Sinne versteht. In dieser unter dem Stichwort ,Weisheit‘ geführten Debatte um die erforderliche Grenzziehung zwischen den beiden ,göttlichen Wissenschaften‘, die um die Mitte des 13. Jahrhunderts nachhaltig einsetzt und auch das folgende Jahrhundert prägt, werden die aristotelischen Weisheitsbestimmungen aus ,Metaphysica‘ 27
28 29
30 31
So etwa Boethius von Dacien, De summo bono (ed. N. G. Green-Pedersen [Boethii Daci Opera VI/2], Hauniae 1976), 377, 239-242: „Haec est vita philosophi, quam quicumque non habuerit non habet rectam vitam. Philosophum autem voco omnem hominem viventem secundum rectum ordinem naturae, et qui acquisivit optimum et ultimum finem vitae humanae.“ Cf. Speer, Sapientia nostra (nt. 24), bes. 250 sq. u. 258. Epistola scripta a Stephano episcopo Parisiensis anno 1277 (ed. D. Piche´, La condamnation parisienne de 1277. Texte latin, traduction, introduction et commentaire, Paris 1999), 74: „Dicunt enim ea esse uera secundum philosophiam, sed non secundum fidem catholicam, quasi sint due contrarie ueritates, et quasi contra ueritatem sacre scripture sit ueritas in dictis gentilium dampnatorum, de quibus scriptum est: ,Perdam sapientiam sapientium‘, quia uera sapientia perdit falsam sapientiam.“ Cf. Artikel 154 des Syllabus: „Quod sapientes mundi sunt philosophi tantum“; cf. auch nt. 29. Cf. L. Bianchi, Censure et liberte´ intellectuelle a` l’universite´ de Paris (XIIIe-XIVe sie`cles), Paris 1999.
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I, 2 zum entscheidenden Kriterium 32. Dort nämlich, zu Beginn seiner Metaphysik-Vorlesung, bestimmt Aristoteles am Ende seiner wissensgenetischen Untersuchung die Weisheit als ein Wissen von den gewissen Prinzipien und Ursachen, vom Allgemeinsten und Ersten, das allein um seiner selbst willen gesucht wird und dennoch am schwersten zu erkennen ist. Demnach gilt die Weisheit als Wissen bzw. als Wissenschaft im höchsten Sinne, die gegenüber allem übrigen Wissen und den übrigen Wissenschaften eine ordnungsstiftende Funktion, ja, eine gebietende Stellung besitzt. Als ein Wissen schließlich, das der Mensch nicht um eines Nutzen willen sucht, ist Weisheit - gemäß der vollkommensten zweckfreien Vernunfttätigkeit des Menschen - die allein unter allen Wissenschaften freie und darum zugleich die ehrwürdigste und göttlichste Wissenschaft - nämlich Erste Philosophie oder Metaphysik oder Theologie 33. Die epistemologischen und ethischen Implikationen eines solchen Wissenschaftsverständnisses treten insbesondere mit Blick auf das Prinzipienwissen zutage sowie hinsichtlich der Möglichkeit, zu einer derartigen vollendeten Erkenntnis zu gelangen. Die Frage nach der Grenzziehung zwischen Theologie und Erster Philosophie gewinnt vor allem für die Theologie in zunehmendem Maße an Bedeutung und Dringlichkeit. Dies unterstreichen auch die immer verwickelteren Debatten - in den Quodlibeta ebenso wie in den ausgedehnten Prologi zu den Sentenzenkommentaren -, in deren Mittelpunkt die Fragen nach dem subiectum sowie nach dem Wissenschaftscharakter von Philosophie und Theologie stehen 34. Einen umfassenden Überblick über diese Diskussion mit Bezug auf die Theologie im ausgehenden 13. Jahrhundert bietet die wahrscheinlich zwischen 1307 und 1312 entstandene ,Defensa doctrinae fratris Thomae‘ des Hervaeus Natalis, eine Fragment gebliebene groß angelegte Verteidigungsschrift für seinen bedeutenden Ordensbruder Thomas von Aquin, von der nur der erste Teil vollständig überliefert ist 35. In diesem ersten Teil der ,Defensa‘, der in 38 Artikeln ausgearbeitet wird, behandelt Hervaeus mit großer Ausführlichkeit die Frage des Wissenschaftscharakters der Theologie. Gerade im Vergleich mit der ,Summa theologiae‘ des Thomas von Aquin, aber auch mit dem Proömium zum Sentenzenkommentar Bonaventuras fällt auf, welches Gewicht diese Frage nunmehr erhalten hat. Nicht nur in sachlicher Hinsicht stellt die ,Defensa‘ des Hervaeus einen Spiegel der Debatten über den Wissenschaftscharakter der Theologie dar, 32 33 34
35
Hierzu Speer, Sapientia nostra (nt. 24), 254-266. Aristoteles, Metaph. I, c. 2 (982a 3-983a 11). Für die Philosophie cf. A. Zimmermann, Ontologie oder Metaphysik? Die Diskussion über den Gegenstand der Metaphysik im 13. und 14. Jahrhundert. Texte und Untersuchungen, 2. erw. Aufl. (RTPM - Bibliotheca 1), Leuven 1998; für die Theologie U. Köpf, Die Anfänge der theologischen Wissenschaftstheorie im 13. Jahrhundert (Beiträge zur Historischen Theologie 49), Tübingen 1974. E. Krebs, Theologie und Wissenschaft nach der Lehre der Hochscholastik an der Hand der bisher ungedruckten ,Defensa doctrinae D. Thomae‘ des Hervaeus Natalis (BGPhMA XI, 34), Münster 1912.
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sondern auch durch die Zahl der namentlich ausgewiesenen oder identifizierbaren zeitgenössischen Autoren, insgesamt 27, unter denen Heinrich von Gent, Johannes Duns Scotus, Gottfried von Fontaines und Durandus von St. PourcX ain - sieht man einmal von Thomas von Aquin selbst und von Bonaventura ab - eine besonders prominente Stellung einnehmen 36. Auch wenn diese Debatte nicht erst mit Thomas von Aquin beginnt, so bildet seine Antwort darin einen wichtigen Bezugspunkt 37. Im Ausgang von der durch Boethius vorgegebenen Einteilung der theoretischen Wissenschaften unterscheidet Thomas deutlich zwischen einer Theologie der Heiligen Schrift (theologia sacrae Scripturae), deren Gegenstand Gott ist und in der er betrachtet wird, wie er in sich selbst ist, und einer philosophischen Theologie (theologia philosophica), in der Gott betrachtet wird, sofern wir ihn erkennen können, in der Gott also nicht der ausgezeichnete Gegenstand der Wissenschaft ist, sondern als Prinzip des Gegenstandsbereiches fungiert 38. Mit dieser Unterteilung in eine theologische Weisheit, die als Wissenschaft das Resultat menschlicher Bemühungen und menschlichen Wissens, als ,gottförmige‘ und mühelose Einsicht in die Glaubenslehren jedoch göttliches Gnadengeschenk (donum) ist, und ferner in eine Weisheit der Philosophie, die, auch wenn sie gleichfalls vom Göttlichen handelt, ihren Ursprung doch nicht einer theologischen Ordnung, sondern allein der menschlichen Vernunft verdankt 39, verbindet sich die grundsätzliche Frage nach der Tragweite der menschlichen Vernunft und nach den Grenzen der wissenschaftlichen Erkenntnis. Die Gegenüberstellung von sapientia divina und sapientia mundana zu Beginn des zweiten Buchs der ,Summa contra gentiles‘ ist für Thomas jedoch weniger Ausdruck einer Rangordnung als vielmehr der verschiedenen Ausgangspunkte der theologischen und philosophischen Erkenntnisordnung. Während die Philosophie ihre Argumente zunächst aus den eigentümlichen Ursachen der Dinge gewinnt und von dort zur Erkenntnis Gottes fortschreitet, nimmt die Theologie ihren Ausgang von der höchsten aller Ursachen; deshalb wird sie mit Recht die höchste Weisheit (superaltissima sapientia) genannt 40. 36 37
38
39 40
Cf. Krebs, Theologie und Wissenschaft (nt. 35), 5-13. Cf. M.-D. Chenu, La the´ologie comme science au XIIIe sie`cle, 3e e´d. (Bibliothe`que thomiste 33), Paris 1957. Cf. auch S. Brown, Duo Candelabra Parisiensia: Prosper of Reggio in Emilia’s Portrait of the Enduring Presence of Henry of Ghent and Godfrey of Fontaines Regarding the Nature of Theological Study, in: Aertsen/Emery, Jr./Speer (eds.), Nach der Verurteilung von 1277 (nt. 3), 320-356; Prospers Prolog zu seinem Sentenzenkommentar porträtiert die Diskussionen an der Sorbonne zwischen 1311 und 1314 und das Fortwirken der Debatten aus dem letzten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts. Cf. Thomas de Aquino, Super Boethium De Trinitate, q. 5, a. 4, c. - Cf. Zimmermann, Ontologie oder Metaphysik? (nt. 34), 154 sq. u. 211-222. Ferner J. A. Aertsen, Was heißt Metaphysik bei Thomas von Aquin?, in: I. Craemer-Ruegenberg/A. Speer (eds.), Scientia und ars im Hochund Spätmittelalter (Miscellanea Mediaevalia 22), Berlin-New York 1994, 217-239, bes. 220229. Cf. S. th. II-II, q. 45, a. 2; S. th. I, q. 1, a. 5, ad 2; Quodl. IV, 9, 3. Cf. ScG II, 4 (nn. 873-876); cf. De potentia I, 4, c.
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Meister Eckhart hingegen scheint von diesem Widerstreit zwischen einer sapientia christiana und einer sapientia mundana - eine Gegenüberstellung, die sich in dieser Formulierung meines Wissens erstmals in Bonaventuras erster ,Collatio in Hexaemeron‘ findet 41 - merkwürdig unberührt. Man gewinnt vielmehr den Eindruck, dass für ihn die Frage der Abgrenzung von Philosophie und Theologie, welche die Debatten zwischen Theologen und Artisten an der Pariser Universität im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts maßgeblich bestimmt und die er mit Sicherheit gekannt hat, und die Konkurrenz um den möglichen Vorrang der beiden ,ersten‘ Wissenschaften überhaupt gegenstandslos geworden ist. Die Heilige Schrift werde vielmehr, so schreibt Eckhart in seinem Johanneskommentar, sehr angemessen auf die Weise erklärt, „daß mit ihr übereinstimmt, was die Philosophen über die Natur der Dinge und ihre Eigenschaften geschrieben haben, zumal aus einer Quelle und einer Wurzel der Wahrheit alles hervorgeht, was wahr ist, sei es im Sein, sei es im Erkennen, in der Schrift und in der Natur“ 42.
Hierbei beruft er sich neben Röm. 1, 20 explizit vor allem auf Boethius, der mit Bezug auf die Lehre von der Trinität die Forderung erhoben hatte, „sorgfältig zu erwägen, was gesagt worden ist, und den Glauben, soviel man mag, mit der Vernunft zu verknüpfen“ 43. Eckhart scheint nicht nur den Gegensatz von Philosophie und Theologie zu ignorieren, sondern auch die strikte Unterscheidung der beiden Theologien, der philosophischen und der christlichen, wenn er programmatisch eine Konkordanz von Philosophie und Offenbarung, von Metaphysik und Evangelium behauptet 44. Ausgangspunkt seines systematischen Denkentwurfs, der modellhaft in seinem ,Opus tripartitum‘ vorliegt, ist die Möglichkeit der Konvergenz der auseinander strebenden Wissensbereiche und ihre sapientiale Integration. Dass er solchermaßen anderes im Sinn hat, zeigt bereits jene Universitätspredigt, die Eckhart von Hochheim während seines ersten Pariser Magisteriums zum Festtag des heiligen Augustinus am 28. August des Jahres 1302 oder 1303 gehalten hat. In dieser auf einem Vorsetzblatt des Folio 36 der Bibliotheca Amploniana überlieferten Predigt ,Vas auri solidum‘, die Kurt Ruh mit Recht für bemerkenswert hält 45, nimmt Eckhart gleich zu Beginn ausdrücklich auf das zweite Kapitel von Boethius’ Schrift ,De trinitate‘ unter Berücksichtigung der 41 42
43
44 45
Cf. Bonaventura, Collationes in Hexaemeron I, 9-10 (Opera omnia [ed. Quaracchi], V, 330b). In Ioh., n. 185 (LW III, 154, 14-155, 2): „Secundum hoc ergo convenienter valde scriptura sacra sic exponitur, ut in ipsa sint consona, quae philosophi de rerum naturis et ipsarum proprietatibus scripserunt, praesertim cum ex uno fonte et una radice procedat veritatis omne quod verum est, sive essendo sive cognoscendo, in scriptura et in natura.“ Boethius, Utrum Pater et Filius (eds. H. F. Stewart/E. K. Rand/S. J. Tester [LCL 74]), 36, 7071: „diligentius intuere quae dicta sunt et fidem si poterit rationemque coniunge.“ - Cf. In Ioh., n. 361 (LW III, 306, 5-307, 1). Cf. exemplarisch In Ioh., nn. 434-444 (LW III, 380, 7-14). Cf. LW V, 87 sq.; zur Datierung cf. K. Ruh, Meister Eckhart. Theologe, Prediger, Mystiker, München 1985, 24-25.
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entsprechenden Kommentare des Thierry von Chartres und des Clarembaldus von Arras Bezug. Diese ,anachronistische‘ Bezugnahme auf in dieser Zeit kaum zur Kenntnis genommene Autoren des 12. Jahrhunderts indiziert eine wissenschaftstheoretische Problemstellung, die ihren Ausgang vom boethianischen Theologieverständnis und der wissenssystematischen Stellung der Theologie im Ordnungsgefüge der theoretischen Philosophie nimmt 46. Bemerkenswert ist zunächst die Tatsache, dass Eckhart in dieser am aristotelischen Wissenschaftsverständnis orientierten Debatte um den Status der Theologie an die boethianische Lesart des Modells der theoretischen Wissenschaften anknüpft. Bemerkenswert ist ferner seine Erweiterung des boethianischen Theologiebegriffs im Geiste der dionysischen eminentia und der augustinischen sapida scientia, wodurch der menschliche Intellekt, nach seiner Befreiung von allen äußeren Eindrücken und Bezeichnungen, durch Rückführung auf seinen Ursprung schließlich im Außersichsein des Geistes (in exstasi mentis) über sich hinaus zur Erkenntnis dessen, was er von Natur aus nicht vermag, gelangt 47. Diese Weisheit, die ohne das Hinzutreten der aus Gnade verliehenen habitus nicht erreicht werden kann, besitzt für Eckhart eine entschieden praktische Dimension 48. Dies bringt er auch durch die Gleichsetzung von Theologie und Ethik (,ethica sive theologia‘) zum Ausdruck 49. Die ethische Dimension der höchsten Weise des Wissens, bzw. der Wissenschaft zeigt sich in der praktischen Ausrichtung der menschlichen Erkenntnis, in der Rückführung der Seele und mit ihr aller Geschöpfe zur Einheit des schöpferischen Ursprungs. Dieses Programm, das Burkhard Mojsisch als ,neue Metaphysik‘ bezeichnet hat, die selbst die Ethik zu integrieren trachtet 50, weiß sich dem methodischen Ideal einer axiomatisch-apodeiktischen Wissenschaft verpflichtet, welches Boethius und mit ihm vor allem seine Kommentatoren des 12. Jahrhunderts in voller Konsequenz auch auf die Lehre der Trinität angewendet wissen wollen. Doch erneut geht Eckhart über sein Vorbild hinaus, will er doch in diese Axiomatik gemäß dem ,Prologus generalis‘ des ,Opus tripartitum‘ nun auch die Bibelauslegung eingeschlossen wissen 51. Auf einmalige und unvergleichliche Weise verbindet Eckhart in den drei Teilen seines Torso gebliebenen systematischen Großprojektes die Axiomatik der Thesen, die Disputation der Fragen und die Schriftexegese dergestalt miteinander, dass die Lösungen der Quästionen und 46
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48
49 50 51
Hierzu ausführlich A. Speer, Ethica sive theologia. Wissenschaftseinteilung und Philosophieverständnis bei Meister Eckhart, in: J. A. Aertsen/A. Speer (eds.), Was ist Philosophie im Mittelalter? (Miscellanea Mediaevalia 26), Berlin-New York 1998, 683-693. Sermo die beati Augustini Parisius habitus, n. 5 (LW V, 93, 12-94, 2): „[…] quando scilicet lux divina per effectum suum aliquem specialem irradiat super potentias cognoscentes et super medium in cognitione, elevans intellectum ipsum ad id quod naturaliter non potest.“ Ibid., n. 6 (LW V, 94, 14-95, 2): „de tertio [i. e. extasi mentis] dicitur secundum est in intellectu practico. Haec cognitio vel sapientia, quasi sapida scientia, quae aliquando intromittit hominem in affectum multum.“ Ibid., n. 2 (LW V, 89, 7-90, 10). B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogie, Univozität und Einheit, Hamburg 1983, 14 sq. Cf. Prol. gen. in op. trip., n. 3 (LW I, 149, 3-5); ibid., n. 6 (LW I, 151, 7-12).
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die Schriftauslegungen auf den zugrunde liegenden Thesen beruhen - so können wir in der dritten Vorbemerkung des ,Prologus generalis‘ zum ,Opus tripartitum‘ lesen. In diesem Entwurf bringt Eckhart über die Grenzen von Theologie und Philosophie hinweg seine leitende Intuition einer zugrunde liegenden Konvergenz und Einheit zum Ausdruck. Mit diesem von Boethius inspirierten Integrationsmodell ist ein weit reichender Anspruch hinsichtlich einer natürlichen Gotteserkenntnis und damit einhergehend einer natürlichen Theologie verbunden, die sich auch auf die tiefsten Geheimnisse des christlichen Glaubens wie die Inkarnation und die Trinitätslehre erstreckt. Nimmt man die oftmals eifersüchtig geführten philosophischtheologischen Debatten seiner Zeit zum Maßstab, so mutet Eckharts Programm wie eine Provokation an. Kann man wirklich mit natiurlıˆchen reden von der Gottesgeburt in der Seele des Menschen handeln? - wie Eckhart in der ersten seiner Predigten ,Von der eˆwigen geburt‘ programmatisch feststellt 52. Wie muss eine Vernunft beschaffen sein, die uns den Zugang zu derartigen Fragen ermöglicht? Und welche Methode vermag dem Anspruch und der Reichweite dieser Fragestellung zu genügen? III. Streben nach Weisheit als Suche nach dem inneren Menschen - eine Bibelauslegung zu Sap. 7, 7-10 und Joh. 1, 11-13 In der dritten Vorbemerkung seines Prologs zum ,Liber parabolarum Genesis‘ spricht Eckhart davon, hinsichtlich des dort parabolice Gesagten vieles übersprungen und nur weniges kurz behandelt zu haben, und er gibt als Begründung an, auf diese Weise die studiosi, die lerneifrigen Leser, dazu anregen zu wollen, „auch verwandte Stellen ausführlicher zu betrachten“ 53. Zudem fordert er die Rückbindung der parabolischen Auslegungen an die entsprechenden Darlegungen im ,Opus quaestionum‘ wie im ,Opus expositionum‘ 54. Damit benennt Eckhart ein hermeneutisches Prinzip, das er bereits in der zweiten Vorrede zu seinem ,Opus expositionum‘ in fünf Vorbemerkungen erläutert hat. Diese betreffen die Auslegung der Bibelsprüche an ihrem Ort und in ihrem jeweiligen eigenen Verweiszusammenhang, ferner die Art ihrer Auslegung mitunter auch gegen den buchstäblichen Sinn gemäß einer tieferen Wahrheit, die Kürze der Auslegungen und 52
53
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Pr. 101 ,Dum medium silentium‘ (DW IV/1, 342, 33): „Ich wil iu dise rede bewæren mit natiurlıˆchen reden.“ In Gen. II, prol., n. 6 (LW I, 455, 11-13): „Tertio praenotandum, quod de his parabolice dictis hic transiliendo et pauca et breviter notavi, ut solum excitarem studiosos ad similia etiam et plenius consideranda.“ - Zum Begriff des studiosus lector cf. auch In Ioh., n. 225 (LW III, 189, 1-3); hierzu W. Goris, Prout iudicaverit expedire: Zur Interpretation des zweiten Prologs zum Opus expositionum Meister Eckharts, in: Medioevo 20 (1994), 233-278, hier: 266-270. In Gen. II, prol., n. 6 (LW I, 455, 13-15): „Probationes etiam et prosecutiones parabolice dictorum quae inducam requirantur plenius in Opere quaestionum et in Opere expositionum.“
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schließlich die Wahlmöglichkeit des gelehrten Lesers zwischen mehreren Auslegungen 55. Als einen Ableitungszusammenhang versteht Eckhart das Verweissystem der Bibelsprüche, das er dem studiosus lector an die Hand gibt. Denn diese erklären sich wechselseitig, aber auch auf ihrem jeweiligen Platz, so dass in jedem Fall für ein volleres Verständnis das Aufsuchen des Verweises unabdingbar ist. Darüber hinaus lassen sich die Expositionen eines Bibelspruches vom Ziel her als ein Ganzes darlegen, und so müssen sie auch begriffen werden. Nur auf diese Weise gelangt der eifrige Leser zu einem tieferen Verständnis (plenius intelligere) 56. Dieser zweite Prolog zum ,Opus expositionum‘ ist in der ältesten uns bekannten Fassung des Entwurfs des ,Opus tripartitum‘ unmittelbar vor dem Sapientiakommentar eingeschoben 57. Auch im zweiten Band der Lateinischen Werke steht er unmittelbar vor dem Sapientiakommentar, der somit zu einem Anwendungsfall der in der Vorrede aufgestellten Regeln wird. Ein solches Beispiel für Eckharts Hermeneutik stellt gleich zu Beginn der Bibelspruch aus dem siebten Kapitel des Buches der Weisheit (Sap. 7, 7) dar: „Optavi, et datus est mihi sensus, et invocavi, et venit in me spiritus sapientiae“ - „Ich wünschte, und mir wurde Einsicht verliehen, ich rief an, und der Geist der Weisheit kam in mich.“ Die Architektur der Exposition ist um die beiden exklamatorischen Verben optavi und invocavi fokussiert, die nach Art des litteram punctare zu Schlüsselbegriffen der Auslegung werden, die auch die beiden folgenden Verse Sap. 7, 8: „Divitias nihil dixi in comparatione illius“, und Sap. 7, 10: „Inexstinguibile est lumen illius“, umfasst 58. Eckhart eröffnet die Auslegung des optavi mit der Bemerkung, dass große natürliche Güter, die unsere Kräfte übersteigen, ja, sogar der Natur nach unmöglich sind, gleichwohl Gegenstand unserer Wünsche sind 59. Diese Suche nach dem wünschenswertesten und vorzüglichsten Gut ist dem Menschen eigentümlich, wie Eckhart mit seinem ausführlichen Referat der bei Cicero überlieferten Geschichte eines Gesprächs zwischen Xenophon und Aspasia verdeutlicht. Die vorläufige Antwort, man suche das, was das Beste sei, stets bei weitem am meisten, das aber sei die Weisheit 60, erfährt erst in der Auslegung von Sap. 7, 8: „Divitias nihil dixi in comparatione illius“ - „Reichtum achte ich im Vergleich mit ihr für nichts“, ihre volle Entfaltung. Dort nämlich setzt Eckhart dieses höchste Gut, „im Vergleich mit dem jedwedes andere, sogar alles zusammen nichts bedeutet“, mit Gott gleich 61 und den Besitz der göttlichen Weisheit mit der Ein55
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Cf. Prol. in op. exp., nn. 1-5 (LW II, 321-322); zu diesen praenotanda ausführlich Goris, Prout iudicaverit expedire (nt. 53), 241-247. Prol. in op. exp., n. 2 (LW II, 321, 8). Cf. K. Weiß in seiner Einleitung zu LW I, 123 sq.; hierzu auch Goris, Prout iudicaverit expedire (nt. 53), 241 sq. Zur Architektur der Auslegung und zur Struktur der Argumente siehe das Schema im Anhang, 30-33. In Sap., n. 85 (LW II, 417, 10 sq.): „Notandum quod ea quae sunt magna bona naturae et quae supra vires nostras sunt et etiam impossibilia naturae, solent optari.“ Ibid., n. 86 (LW II, 419, 9 sq.): „profecto semper id, quod optimum putatis esse, multo maxime requiretis.“ Ibid., n. 90 (LW II, 423, 4 sq.): „quia tantum bonum est deus, ut respectu ipsius et in eius comparatione quaelibet alia, etiam omnia, nihil computantur.“
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sicht, dass im Vergleich mit ihr aller Reichtum nichtig sei 62. Es sei ein deutliches Zeichen, dass der Mensch den Geist der Weisheit habe, wenn er alle Dinge als ein reines Nichts ansehe, nicht bloß als ein Sandkorn oder gar als Kot, so Eckhart in der Predigt 59 ,Daˆnieˆl der wıˆssage sprichet: ,wir volgen dir naˆch‘‘, die zunächst gleichfalls mit einer Auslegung von Sap. 7, 7 u. 9 beginnt und in ihrer Exposition den im Folgenden etablierten Auslegungszusammenhang bestätigt. Wer irgendein Ding als ein Etwas ansieht, in dem ist nicht der Geist der Weisheit 63. Gleiches gilt für die richtige Anrufung Gottes. Diese Thematik leitet über zur Auslegung des zweiten Schlüsselwortes invocavi. Eine erste Auslegung erfolgt zunächst im Anschluss an Augustins Auslegung von Ps. 85, 5 64. Wer Gott anrufe, um weltliche Güter und Würden zu erhalten, der rufe in Wahrheit diese Dinge an und mache Gott zum Handlanger seiner Wünsche und Begierden. Nur wer Gott als Gott anrufe, könne sicher sein, erhört zu werden. Denn er ruft den Geist der Weisheit und verlangt nach Einsicht, „da es ja nichts Besseres gibt“ 65. Auch die zweite Auslegung beginnt mit einem Augustinus-Zitat. Das berühmte Wort aus dem 39. Kapitel von ,De vera religione‘: „Noli foras ire, in te ipsum redi, in interiori homine habitat veritas“ - „Gehe nicht nach draußen, kehre ein in Dich selbst, im inneren Menschen wohnt die Wahrheit“, eröffnet einen höchst komplexen Auslegungszusammenhang, der selbst dem studiosus lector seine ganze Kunstfertigkeit und Ausdauer abverlangt. Im Mittelpunkt dieser Auslegung steht das ,venit in me‘, das Eckhart unter Verweis auf Joh. 1, 11 („secundum unam expositionem: ,in propria venit‘ “) als in propria deutet. Dieser Hinweis ist zugleich als ein expliziter Verweis auf die Auslegung dieses Bibelwortes zu verstehen und als eine Einladung an den eifrigen Leser, diesem Verweis im Johanneskommentar nachzugehen. Eine zweite Auslegung des in propria verbindet Eckhart mit dem Wort vom ,inneren Menschen‘ aus dem Augustinus-Zitat und bezieht dieses auf die ,vires intellectuales interiores‘, auf die inneren Verstandeskräfte 66. Ich folge zunächst dieser Spur und überspringe fürs Erste den Verweis auf den späteren Johanneskommentar. 62
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Ibid., n. 91 (LW II, 424, 13-425, 1): „Notandum ergo primo quod habens sapientiam dei omnia cetera reputat esse nihil, et vere nihil sunt sine deo. Secundo quod ille solus meretur dei sapientiam, qui omnia cetera pro nihilo habet.“ Pr. 59 (DW II, 623, 7-624, 4): „Daz ist ein offenbære zeichen, daz der mensche habe ,den geist der wıˆsheit‘, der alliu dinc ahtet als ein luˆter niht. Wer dehein dinc iht ahten mac, in dem enist niht ,der geist der wıˆsheit‘. Daz er sprach: ,als ein sandes korn‘, daz was ze kleine; daz er sprach: ,als einen pfuol‘, daz was ouch ze kleine; daz er sprach: ,als ein niht‘, daz was wol gesprochen, wan alliu dinc sint ein luˆter niht gegen ,dem geiste der wıˆsheit‘.“ Cf. Augustinus, Enarrationes in Psalmos LXXXV, 8 (CCSL, vol. 39, 1182 sq.). In Sap., n. 87 (LW II, 420, 5-13, im Zitat 11-13): „ ,Si ergo deum invocas tamquam deum, securus esto, exaudieris‘. Et hoc est quod hic dicitur: invocavi, et venit in me spiritus sapientiae, et quod praemissum est: ,optavi‘, utpote quia nihil melius.“ In Sap., n. 88 (LW II, 421, 1-5). Cf. Augustinus, De vera religione XXXIX, 72 (CCSL, vol. 32, 234, 12 sq.).
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Die inneren Verstandeskräfte des Menschen, so können wir lesen, haben nichts mit dem Teil unserer Natur gemein, den wir mit den Tieren teilen, denn man finde die Weisheit nicht im Viehstall und im Mist 67. Für diesen Glanz nämlich, so Eckhart in seinem Sermo XLVII/1 ,Confidimus in domino Jesu‘, sind „Schweine, Hunde und Wölfe, das heißt Menschen, die wie die Tiere in ihrem Leben nur von ihren niederen Kräften Gebrauch machen, nicht empfänglich“ 68. Mit dieser Unterscheidung in die höheren und niederen Vermögen ist ein grundlegender und für Eckharts Anthropologie fundamentaler Dualismus zwischen dem inneren, d. h. dem neuen und himmlischen Menschen und der geistigen Welt einerseits und dem äußeren, d. h. dem alten und irdischen Menschen und der sinnlichen Welt andererseits verbunden 69 - eine Gegenüberstellung, die sich bereits in Augustins Aufforderung findet, die Wahrheit nicht draußen, sondern inwendig zu suchen. Der Mensch nämlich ist seiner Natur nach ,ain vernunftiges wesen‘ 70. Das ist zugleich der Kern der Eckhart’schen Anthropologie. Ein solcher vernu´nftiger mentsch - so heißt es in Predigt 15 ,Homo quidam nobilis‘ - ist derjenige, der sich selbst mit der Vernunft begreift und „in im selber abgeschaiden ist“ von allem Stofflichen und allen Formen. Je mehr er „abgeschaiden ist von allen dingen vnd in sich selber gekeret“ und je klarer er alle Dinge in der Vernunft in sich selbst, ohne Hinwendung nach außen erkennt, desto mehr ist er ein Mensch 71. Doch Eckhart ist realistisch. Zwar gibt es, wie er in der Predigt 10 ,In diebus sui placuit deo‘ sagt, keinen noch so törichten Menschen, der nicht nach Weisheit begehre. Und doch werden wir nicht alle weise. Denn durch alle Dinge hindurch und über alle Dinge und aller Dinge Ursache hinauszugehen, das verdrieße die meisten Menschen, und so bleiben sie in ihrer Beschränktheit. Allein der ist ein weiser Mensch, dem „daz wesen der wıˆsheit und der natuˆre einförmic ist“ 72. Ich übergehe zunächst die dritte Auslegung von invocavi, die im Sinne der noch ausstehenden Auslegung des in propria in der angewiesenen Verweisstelle Joh. 1, 11 eine trinitätstheologische Interpretation erfährt, und springe zum folgenden Bibelvers Sap. 7, 10: „Inexstinguibile est lumen illius“ - „unauslöschlich ist 67
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In Sap., n. 88 (LW II, 421, 4-7): „,in propria‘, id est hominum vires intellectuales interiores, non in communia nobis cum pecoribus, vires scilicet exteriores. Non enim dignatur venire sapientia in stabulum iumentorum, quia ,computruerunt iumenta in stercore suo‘.“ Sermo XLVII/1, n. 484 (LW IV, 399, 17-400, 2): „Non enim splendoris illius capaces sunt porci, canes aut lupi, id est homines brutaliter viventes in exercitio solum virium inferiorum.“ Sermo VII ,Homo quidam erat dives‘, n. 78 (LW IV, 75, 10-13): „Ista ergo quattuor sibi respondent: homo interior, homo novus, homo caelestis, mundus intelligibilis. Rursus quattuor opposita sibi correspondent: homo exterior, ,homo vetus, homo terrenus‘, mundus sensibilis.“ Pr. 15 ,Homo quidam nobilis‘ (DW I, 250, 5 sq.). Cf. zur Anthropologie Eckharts auch den Beitrag von U. Kern in diesem Band, 146-177. Pr. 15 (DW I, 250, 6-10): „Ein vernu´nftiger mentsch ist, der sich selber vernu´nfteklichen versta´t vnd in im selber abgeschaiden ist von allen materien vnd formen. ie me er abgeschaiden ist von allen dingen vnd in sich selber gekeret, ie me er allu´ ding clarlich vnd vernu´nfteklich bekennet in im selber sunder uskeren: ie me es ain mentsch ist.“ Pr. 10 (DW I, 164, 15-165, 2).
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ihr Licht“, den Eckhart als Fortsetzung seiner zweiten Auslegung der invocaviExegese konzipiert, dessen vorzüglicher Gegenstand der innere Mensch ist. Von einem unauslöschlichen Licht könne zum einen mit Bezug auf die ungeschaffene Weisheit (sapientia increata), sodann aber auch hinsichtlich der geschaffenen, mitgeteilten Weisheit (sapientia participata) gesprochen werden 73. Das Verhältnis von ungeschaffener und partizipierter Weisheit wird - darauf weist Eckhart hin gewöhnlich durch das Begriffspaar lux und lumen ausgedrückt. Hierbei bezeichnet lumen etwas Mitgeteiltes, während lux allein Gott vorbehalten ist 74. Jedoch kann nicht nur von der ungeschaffenen göttlichen Weisheit gesagt werden, sie sei unauslöschlich. Es gebe auch ein mitgeteiltes unvergängliches Licht (,lumen participatum indeficiens‘), das gemäß dem Schriftwort unauslöschlich (inexstinguibile) sei 75. Dies ist für Eckhart der intellectus agens. Anders als die Schrift, die lux und lumen bisweilen sowohl vom Ungeschaffenen wie vom Geschaffenen verwende, seien Aristoteles und seine Kommentatoren hier terminologisch eindeutig, wenn sie den wirkenden Verstand als einen Teil der Seele (aliquid animae) ansehen, da ihn Aristoteles im dritten Buch von ,De anima‘ als lumen und nicht als lux bezeichnet habe 76. Auch in der Parallelstelle im ersten Kapitel des Johanneskommentars, die unmittelbar dem Eckhart’schen Verweis, der noch der Auslegung harrt, vorausgeht, bezieht Eckhart das Bibelwort vom wahren Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt ( Joh. 1, 9), auf den intellectus agens und wendet sich ausdrücklich gegen diejenigen, die glauben, „daß die Gnade allein Licht sei, während doch jede Vollkommenheit, vor allem das Sein, ein Licht ist und die Wurzel jeder leuchtenden Vollkommenheit“, so wie der Philosoph im dritten Buch von der Seele auch den wirkenden Verstand ein Licht nennt 77. Beide Stellen erinnern nicht von ungefähr an die Debatten des 13. Jahrhunderts um die Reformulierung der augustinischen Illuminationslehre vis-a`-vis der Erkenntnislehre des Aristoteles und seiner arabischen Nachfolger, vor allem Avicennas, die Gilson unter dem Stichwort ,augustinisme avicennisant‘ zusammengefasst hat. In diesen Debatten geht es um die Gewissheitsgrundlage und um die Reichweite der Erkenntnis. Beide Fragen stehen in einem ursächlichen 73
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In Sap., n. 92 (LW II, 425, 4 sq.): „Dupliciter potest hoc accipi: primo de sapientia increata, secundo de sapientia participata.“ Ibid., n. 93 (LW II, 426, 6-10): „Secundo modo exponitur verbum praemissum de lumine sapientiae participatae, et videtur sic magis proprie accipiendum, tum quia de sapientia increata hoc dicere non esset quid magni, tum etiam quia deus magis lux est proprie quam lumen […]. Lumen autem aliquid participatum significat.“ Ibid., n. 93 (LW II, 426, 10-427, 2): „Eccli. 24 [6]: ,ego feci in caelis, ut oriretur lumen indeficiens‘. Ecce habes duo: primo quidem quod lumen significat aliquid participatum, utpote factum […]; secundo quod ipsum est ,indeficiens‘. Et hoc est quod hic dicitur: inexstinguibile est lumen illius.“ Ibid., n. 93 (LW II, 427, 2-4): „Ad hoc facit quod expositores philosophi dicunt intellectum agentem esse aliquid animae, eo quod ipsum vocat lumen, non lucem.“ - Cf. De anima III, 5 (430a 15). In Ioh., n. 94 (LW III, 81, 10-13): „Secunda causa et falsa imaginatio, quia putant solam gratiam esse lumen, cum omnis perfectio, praecipue ipsum esse, lumen sit et radix omnis perfectionis lucentis. Et philosophus III De anima intellectum agentem lumen vocat.“ - Cf. wiederum De anima III, 5 (430a 15).
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Zusammenhang und finden ihren Prüfstein in der Bestimmung des Status gerade der natürlichen Erkenntnis, ohne das menschliche Erkennen auf diesen Bereich zu restringieren 78. Vor diesem Hintergrund betont Eckharts Rekurs auf den intellectus agens die Bedeutung des naturhaften Erkennens. Doch dieses ist von einer wundersamen Blindheit - man ist geneigt, sich hier Bonaventuras Wort von einer wundersamen Blindheit des Verstandes (,mira caecitas intellectus‘) zu Eigen zu machen -, wenn es um die Erkenntnis desjenigen geht, was das an sich Bekannteste ist. Gefangen von der Farbenvielfalt der Trugvorstellungen und gleichermaßen gebannt durch Partikuläres wie Universales, durch die Mannigfaltigkeit des hic et hoc, verhält der Verstand sich gleich dem Auge der Nachteule (oder Fledermaus) zu jenem unauslöschlichen Licht 79, das, so Eckhart im Anschluss an Augustinus, „im Grund der Seele (in abdito mentis) immer leuchtet, auch wenn es verborgen ist“ 80. Denn dieses Licht der Weisheit (lumen sapientiae) ist in sich und seiner Natur nach unauslöschlich; es kann von sich aus nicht ausgelöscht werden, mag es auch in uns erlöschen 81. Dieser Nachsatz gibt zu denken. Zwar folgt Eckhart Platon darin, dass die Seele, sofern sie unsterblich ist, für die Weisheit empfänglich und ihr Träger ist („capax est et subiectum sapientiae“) 82, doch wird das Licht der Weisheit nicht von der vernünftigen Seele (anima rationalis) aufgenommen, sofern sie Natur oder ein naturhaftes Seiendes ist, „sondern allein vom Verstand (intellectus), sofern er Verstand ist, und das heißt etwas Höheres und Göttliches“. Damit ist, in deutlicher Absetzung von der diskursiven Vernunft (ratio), der gesamte Intellekt angesprochen und nicht nur der intellectus agens als spezifisches Vermögen - etwa im Unterschied zum
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Einen guten Überblick über die Forschungsdiskussion zum Begriff ,augustinisme avicennisant‘ und eine kenntnisreiche Einordnung dieses Gilson’schen Terminus findet sich bei D. N. Hasse, Avicenna’s De anima in the Latin West (Warburg Institute, Studies and Texts 1), London Turin 2000, 203-223; zur Diskussion um die Erkenntnisgewissheit in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts im Ausgang vom augustinischen Paradigma cf. meinen Beitrag: Certitude and Wisdom in Bonaventure and Henry of Ghent, in: C. Steel/G. Guldentops (eds.), Henry of Gent and the Transformation of Scholastic Thought. Studies in Memory of Jos Decorte (Ancient and Medieval Philosophy, Series 1, vol. XXXI), Leuven 2003, 75-100. Cf. In Gen. I, n. 41 (LW I, 216, 8-10); zu diesem Bild der vespertilio, das auf Aristoteles, Metaph. II, c. 1 (993b, 9-11) zurückgeht, cf. auch Bonaventura, Itinerarium mentis in Deum V, 4 (Opera omnia V, 309a); zur Auslegungsgeschichte dieses Motivs cf. C. Steel, Der Adler und die Nachteule. Thomas und Albert über die Möglichkeit der Metaphysik (Lectio Albertina 4), Münster 2001. In Sap., n. 95 (LW II, 429, 2-4): „item quod ipse Augustinus docet quod in abdito mentis semper lucet, quamvis lateat, lumen divinum.“ - Cf. Augustinus, De Trinitate XIV, 7, 9 (CCSL, vol. 50A), 433, 19 sqq.; ferner De trinitate X, 12, 19 (CCSL, vol. 50), 332, und XIV, 14, 19 (CCSL, vol. 50A), 445-447. In Sap., n. 95 (LW II, 429, 4-6): „Hoc est igitur quod hic dicitur: inexstinguibile est lumen illius. Posset etiam dici quod lumen sapientiae, quamvis in nobis exstinguatur, in se tamen et ex sui natura est inexstinguibile, et habet ex se non exstingui.“ Ibid., n. 95 (LW II, 429, 1-2): „Ad hoc facit quod Plato probat animam eo esse immortalem, quo capax est et subiectum sapientiae.“
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intellectus possibilis 83. Eckhart bedient sich der aristotelischen Terminologie vom intellectus agens vielmehr, um eine bestimmte Lesart des augustinischen Lehrstücks vom abditum mentis zu etablieren: als Seelengrund im Sinne eines naturhaften, unverlierbaren Besitzes und nicht bloß als ein besonderes Gnadengeschenk 84. Eine solche Auslegung, die an die Lehre von der zweifachen Erkenntnis der Engel, der Morgen- und der Abenderkenntnis anknüpft 85, steht durchaus nicht im Widerspruch zu Eckharts Intellektlehre und dem Vorrang der aufnehmenden, passiven vor der erkenntniskonstituierenden, aktiven Verstandestätigkeit. Das gilt auch für unseren Auslegungszusammenhang. Der Grund nämlich dafür, dass das Licht der Weisheit unauslöschlich ist, ist gerade darin zu suchen, wodurch es vom Verstand aufgenommen wird („quo in intellectu recipitur “); das aber ist die Gottebenbildlichkeit des Intellekts 86. Anders als die - in Eckharts Worten - naturhafte Vernunft (ratio) nämlich ist allein der Verstand (intellectus) fähig, das unauslöschliche Weisheitslicht aufzunehmen, ohne es allerdings von sich aus zu besitzen oder erkennen zu können. In seinem Grund erkennt der Intellekt also, dass er auf etwas Höheres und Göttliches verwiesen ist. Dieses Gewahrwerden und ,Schmecken‘ Gottes lässt, wie Eckhart in Predigt 69 ,Modicum et iam non videbitis me‘ ausführt, die prinzipalen Eigenschaften des Intellekts hervortreten: (i) dass er abgelöst ist vom Hier und Nun, (ii) dass er nichts gleicht, (iii) dass er lauter und unvermengt ist, (iv) dass er in sich selber wirkend oder suchend ist, und (v) dass er ein ,Bild‘ ist 87. Ganz in diesem Sinne hatte Eckhart daher auch das Kommen des Geistes in me als ein Kommen des Geistes und des Sohnes in propria gedeutet und den Leser ausdrücklich auf den entsprechenden Bibelspruch im Johannes-Evangelium verwiesen 88. Wenn wir diesem Verweis nun nachgehen, so macht Eckhart den Leser zunächst auf zwei unterschiedliche Leserichtungen aufmerksam: Ge83
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Ibid., n. 94 (LW II, 428, 4-6): „Lumen quidem sapientiae, sub ratione sapientiae, non recipitur in corporibus, sed nec in anima rationali […], sed in ipso solo ,intellectu‘, in quantum intellectus est, superius ,aliquid‘ est et ,divinius‘.“ Alain de Libera hat auf die Eigenständigkeit der Eckhart’schen Verbindung der peripatetischen Auslegungstradition des intellectus agens mit der augustinischen Lehre vom abditum mentis hingewiesen, etwa gegenüber Albertus Magnus und vor allem gegenüber Dietrich von Freiberg. Cf. hierzu A. de Libera, La mystique rhe´nane. D’Albert le Grand a` Maıˆtre Eckhart, Paris 1994, 272-277. Zur Intellektlehre des Dietrich von Freiberg cf. auch die Einleitung von K. Flasch zu dessen intellekttheoretischen Schriften (Corpus Philosophorum Teutonicorum Medii Aevi II, 1), Hamburg 1977. De Libera, La mystique rhe´nane (nt. 84), 275 sq., verweist vor allem auf Pr. 37 ,Vir meus servus tuus mortuus est‘ (DW II, 221, 4-222, 2). Cf. Augustinus, De genesi ad litteram IV, 24-25 (CSEL, vol. 28/1, 123-125), und De civitate Dei XI, 29 (CCSL, vol. 48, 349). In Sap, n. 94 (LW II, 428, 4-9, Zitat 8 sq.): „Patet igitur ratio, quare lumen sapientiae hoc ipso est inexstinguibile, quo in intellectu recipitur.“ Pr. 69 (DW III, 169, 1-5): „Ein kraft ist in der seˆle, daz ist vernünfticheit. Von ˆerste, soˆ diu gotes gewar wirt und gesmecket, soˆ haˆt si vünf eigenschefte an ir. Daz ˆerste ist, daz si abescheidet von hie und von nuˆ. Daz ander, daz si nihte glıˆch enist. Daz dritte, daz si luˆter und unvermenget ist. Daz vierde, daz si in ir selber würkende oder suochende ist. Daz vünfte, daz si ein bilde ist.“ In Sap., n. 88 (LW II, 421, 4): „Ioh. 1, secundum unam expositionem: ,in propria venit‘.“
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mäß der ersten sollen wir das in propria verstehen als das, was Gott eigentümlich ist 89, gemäß der zweiten hingegen im Sinne des Kommens Gottes in das Eigene 90. Es geht mithin erneut um das Verhältnis zwischen Schöpfergott und Schöpfung und um das tiefere Verständnis des Zusammenhangs zwischen immanenter und ökonomischer göttlicher Wesensnatur, ist doch - so lesen wir in der zweiten Exposition - Gottes Sein zugleich Gottes Wirkung und die Inkarnation ein Kommen vom gemeinsamen Gipfel in das Eigene 91. In der Exposition der ersten Leserichtung bietet Eckhart - gemäß seinem eigenen hermeneutischen Anspruch, die tieferen Gründe auszuweisen - zunächst drei Auslegungen an. Die erste gründet auf der ontologischen Grundannahme ,Deus est esse‘; denn nichts ist so zu Eigen wie das Seiende dem Sein. Dies impliziert auch Gottes Schöpfersein 92. Die zweite Begründung erweitert diese ontologische Grundannahme auf die Transzendentalien esse sive ens, unum, verum, bonum und betont insbesondere den Reichtum des Ersten, das ,dives per se‘ ist und „in allem ist und wirkt und zu allen kommt, insofern sie sind, insofern sie eins sind, insofern sie wahr und gut sind“ 93. Im Unterschied zu den ersten beiden Auslegungen, die ausdrücklich auf einem natürlichen Beweisprinzip gründen 94, spricht die dritte von Eckhart selbst als zumeist theologisch (magis theologice) qualifizierte Begründung schließlich von der Notwendigkeit des Erbarmens und der Erlösung: Diese geschieht durch die gnadenhafte Annahme an Sohnes Statt 95. Diese ,theologische‘ Begründung, die unmittelbar auf die dritte Auslegung des ,invocavi‘ zurückverweist 96, favorisiert Eckhart in der Auslegung des folgenden Bibelverses Joh. 1, 12-13: „Quotquot autem receperunt eum, dedit eis potestatem filios dei fieri“ - „Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Söhne Gottes zu werden“, die er durch eine die Auslegung von Joh. 1, 11 abschließende Bemerkung zum moralischen Verständnis vorbereitet 97. So muss die folgende Auslegung von Joh. 1, 12-13 als Explikation und Fortführung der moralis interpretatio von Joh. 1, 11 gelesen werden. Von den einleitenden vier Vorbemerkungen, 89 90 91
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In Ioh., nn. 96-98 (LW III, 83 sq.); cf. auch das Schema im Anhang, 32. In Ioh., nn. 99-103 (LW III, 85-89); cf. auch das Schema im Anhang, 32. In Ioh., n. 103 (LW III, 89, 4 sq.): „Deus ergo in hunc mundum veniens, creaturam assumens, factus homo, quasi de fastigio communis venit in propria.“ Ibid., n. 96 (LW III, 83, 9-11): „Notandum ergo quod nihil tam proprium quam ens ipsi esse et creatura creatori. Deus autem esse est, ipse et creator est.“ Ibid., n. 97 (LW III, 83, 13-84, 5). Ibid., n. 96 (LW III, 83, 8 sq.): „Potest tamen dici probabiliter, quia ad ista verba in propria venit et cetera in rebus naturalibus exemplariter manifeste convincit ratio naturalis.“ Ibid., n. 98 (LW III, 84, 12-14): „Ait ergo quod deus verbum, filius, in propria venit, id est in eos qui filii sunt dei per gratiam adoptionis.“ Cf. In Sap., n. 89 (LW II, 421, 8-423, 2). In Ioh., n. 105 (LW III, 90, 1-5): „Moraliter vult dicere quod deus venit in mentes hominum, qui se totos deo dedicaverunt et proprios fecerunt, ut non iam sibimet vivant, sed deo. Et hoc est quod dicitur: sui eum non receperunt, id est qui sibimet vivunt, quaerentes quae sua sunt, non quae dei. Et hoc ipsum est quod sequitur.“
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die das rechte Verständnis der Gnade der Kindschaft (gratia adoptionis) und die Möglichkeit der Aufnahme und des Trägerseins behandeln 98, greife ich an dieser Stelle nur die Erklärung des vierten Notandum heraus. Eckhart betont hier die Passivität des Aufnehmenden, gleich wie der Gegenstand, insofern er erkannt ist, sich selbst oder sein Bild in dem erkennenden Vermögen erzeugt und gebiert und folglich das erkennende Vermögen sein Sein vom Erkannten hat, ja das Sein des Erkannten annimmt 99. Bezogen auf die Sohnwerdung, von der die Bibel spricht, ist der Ort der Gottesgeburt das wesenhaft Vernünftige. Denn aus dem Geist müssen wir geboren werden, „so daß wir aus Gott allein geboren sind“ 100. Die Gottesgeburt, der ewige Hervorgang des Sohnes aus dem Vater, wird für Eckhart zum Grundmodell für die Beseligung des Menschen. In diesem Modell werden die in den zeitgenössischen Debatten vorgegebenen Grenzlinien in zweifacher Hinsicht überschritten: (i) zum einen mit Blick auf den vornehmlich von Dominikanern und Franziskanern geführten Streit über den Primat von Vernunft und Willen im Vollzug der visio beatifica durch die Verlagerung des Ortes der Glückseligkeit in die essentia animae, die den Seelenvermögen vorausgeht; auch die irdische Vollkommenheit des Menschen liegt in einer Instanz, die sich Vernunft und Willen entzieht 101; (ii) zum anderen durch die Interpretation des - aus der Verbindung der anaxagoreisch-aristotelischen Vorstellung von der Unbestimmtheit der Vernunft mit dem vom Konzept des intellectus possibilis her gewonnenen - Begriffs der Möglichkeit aus der Sicht der negativen Theologie dionysisch-proklischer Prägung, dergemäß das Überschreiten der reflexiven und selbstbestimmten Vernunft nicht im Modell der coniunctio des intellectus adeptus mit den separaten Substanzen, sondern als Überschreitung aller naturhaften Determiniertheit und aller intentionalen Konstitution und Vermittlung gedacht wird, indem der Intellekt seine Selbsttätigkeit und Dynamik der Selbstbegründung preisgibt, um in dieser Negativität der reinen Möglichkeit mit der Gottheit zu konvergieren 102. Gemeinsamer Referenzpunkt ist die am Beginn der Auslegung zitierte augustinische Grundintuition von einem inneren Wissen, das wir nicht durch unsere natürlichen Vermögen erwerben können, sondern das eine seinsmäßige Überfor98 99 100 101
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Cf. ibid., nn. 106-109 (LW III, 90-94); cf. hierzu auch das Schema im Anhang, 33. In Ioh, n. 109 (LW III, 94, 2): „potentia cognoscens accipit esse a cognito et ipsum esse cogniti.“ Ibid., nn. 110-111 (LW III, 95, 8-96, 6). Cf. hierzu R. Guerizoli, Die Verinnerlichung des Göttlichen. Eine Studie über den Predigtzyklus von der ˆewigen geburt (Prr. 101-104) und die Armutspredigt (Pr. 52) Meister Eckharts, Diss. Köln 2004 (STGMA), Leiden-Boston-Köln (im Druck). Cf. hierzu N. Largier, Theologie, Philosophie und Mystik bei Meister Eckhart, in: Aertsen/Speer (eds.), Was ist Philosophie im Mittelalter? (nt. 46), 704-711, hier bes. 706 sq.; ferner id., Art. ,Vernunft; Verstand. III. Mittelalter, E. Deutsche Dominikanerschule und Mystik‘, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, vol. 11, eds. J. Ritter/K. Gründer, Darmstadt 2001, 786790, hier: 787.
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mung erforderlich macht 103. Den Weg zu dieser Erkenntnis, die mit der Wendung nach innen beginnt und in dessen Verlauf der Mensch sich schließlich selbst übersteigt, indem er in die Selbsterkenntnis Gottes eingeht, der allein sich selbst in sich selbst erkennt 104, denkt Eckhart folglich nicht als einen auf Optimierung und Vervollkommnung der eigenen Erkenntnisvermögen und Erkenntniskräfte basierenden Aufstieg, vielmehr als einen Abstieg in die Demut, als ein Lassen vom Eigenwillen, als ein Lassen von sich selbst, ja letztlich auch von jeglichem Lassen 105. Wahre Selbsterkenntnis führt mithin über den Selbstverlust, über den Verlust aller erkenntnisvermittelnden Bilder und Vorstellungen. Denn wahre Selbsterkenntnis ist unmittelbar. Befreit von den Erkenntnisbildern erkennt der Mensch sich so, wie er von Gott erkannt wird, erkennt er schließlich Gott selbst und sich, insofern er Bild Gottes ist. Diese Gotteserkenntnis ist weder diskursiv noch reflexiv; sie überschreitet somit die natürlichen Bedingungen menschlichen Erkennens und geschieht durch einen Akt gnadenhafter Überformung, für den der Mensch sich bereiten soll: nicht durch die Flucht vor den Dingen in eine äußerliche Einsamkeit; vielmehr muss der Mensch - in Eckharts Worten - „eine innere Einsamkeit lernen, wo und bei wem er auch sei. Er muß lernen, die Dinge zu durchbrechen und seinen Gott darin zu ergreifen und ihn kraftvoll in seiner wesenhaften Weise in sich hineinbilden zu können“ - so lesen wir bereits in den ,Rede der underscheidunge‘ 106. Darin besteht die wahre Abgeschiedenheit. Erst durch diese gnadenhafte Überformung kann sich ein Wissen um die Gotteserfahrung herausbilden, das dem Menschen als Wissen auch in seiner Verwirklichung naturhaft zukommt, insofern er Vernunft besitzt. Aus dieser Einsicht ergeben sich für Eckhart unmittelbar Regeln für das geistliche Leben, die er in einer abschließenden Reflexion der Auslegungen des ,in propria venit‘ des Johanneskommentars ableitet. Auch dies ist charakteristisch für seine ,neue Metaphysik‘ (so Mojsisch), die - wie Eckhart in seiner Pariser Universitätspredigt ausgeführt hatte - nicht nur die Theologie des Evangeliums und die Philosophie qua Metaphysik miteinander verbindet, sondern in gleicher Weise Theologie und Ethik miteinander identifiziert und in die Konvergenz von Theologie und Metaphysik hineinnimmt 107. Im Einzelnen sind es vier Regeln, die Eckhart in seiner moralis expositio zu Joh. 1, 12-13, welche jedoch den gesam103
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Cf. W. Goris, Die Vergegenwärtigung des Heils. Thomas von Aquin und die Folgezeit, in: J. A. Aertsen/M. Pickave´ (eds.), Ende und Vollendung. Eschatologische Perspektiven im Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 29), Berlin-New York 2002, 417-433, bes. 429. Cf. Pr. 15 (DW I, 252, 2-7). Cf. RdU, c. 3 (DW V, 192-194). RdU, c. 6 (DW V, 207, 5-9): „Diz enmac der mensche niht gelernen mit vliehenne, daz er diu dinc vliuhet und sich an die einœde keˆret von uˆzwendicheit; sunder er muoz ein innerlich einœde lernen, swaˆ oder bıˆ swem er ist. Er muoz lernen diu dinc durchbrechen und sıˆnen got dar inne nemen und den kreftliclıˆche in sich künnen erbilden in einer wesenlıˆchen wıˆse.“ Cf. Mojsisch, Meister Eckhart (nt. 50), 14 sq.; hierzu Speer, Ethica sive theologia (nt. 46), 683693.
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ten rekonstruierten Auslegungszusammenhang einschließt, ausdrücklich nennt. Nichts Menschliches und folglich auch nichts Weltliches und Geschaffenes, so lautet die erste der Regeln, dürfe sich in uns gebären, damit wir aus Gott allein geboren sind 108. Daraus folgt für das geistliche Leben als zweite Lehre, „daß der Mensch sich überall und in allem einförmig verhalten muß, um göttlich und gottförmig zu sein“ 109. Je mehr er daher das Vielerlei meidet und das Eine erstrebt, desto vollkommener und gottförmiger (deiformis), so die dritte Regel, wird er 110. Denn, so fügt Eckhart hinzu, wer sich vom Einen entfernt, „fällt ab vom Wahren, fällt ab vom Guten, fällt ab von Gott“ 111. Sofern nämlich der Mensch als Gottes Abbild (,ad imaginem Dei‘) geschaffen ist, ist er nach dem Einen geschaffen, findet er seine beseligende Vollendung nur in der Rückkehr zu diesem Einen 112. „Wer demnach Gott in sich finden will“, so lautet schließlich die vierte Regel, „der muß Gottes Sohn sein.“ 113 In gleicher Weise legt Eckhart auch im Sapientiakommentar die Ankunft der Weisheit als In-die-Welt-Kommen des Geistes und des Sohnes aus, dem die Weisheit und Wahrheit in Gott als eigentümlicher Name zukommt 114. Der Mensch, der so die Eigenschaften des Göttlichen annimmt, wird Sohn Gottes (filius Dei ), denn Gott wirkt in der Seele nichts anderes als in sich selbst 115. Wer demnach die Weisheit Gottes besitzt, so führt uns Eckhart in die subtilere Auslegung 116 des Sapientiakommentars zurück, „der erachtet alles übrige für nichts“ - denn getrennt vom göttlichen Sein (,divisum ab esse‘) ist alles nichts 117. Die Weisheit zu besitzen, heißt eben dies zu erkennen, heißt alles Geschaffene für nichts zu halten, heißt sich von allem Geschaffenen abzuscheiden und dorthin einzukehren, wo man die Weisheit vorzüglich zu suchen hat: in den inneren Menschen (,in interiori homine‘) 118. Wer also die Weisheit erkennen will, der gehe nicht nach draußen, sondern kehre bei sich ein. Das Augustinus-Zitat, das am 108
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In Ioh., n. 111 (LW III, 96, 3-5): „Vult ergo dicere quod nihil humanum et per consequens nihil mundanum neque creatum debet se gignere in nobis, ut simus ex illo nati, sed ex deo solo nati.“ Ibid., n. 112 (LW III, 97, 2-4): „docet moraliter secundo quod homo, divinus ut sit et deiformis, debet esse ubique et in omnibus uniformiter se habens.“ Ibid., n. 113 (LW III, 97, 13-15): „in propria venit nota moraliter tertio quod quanto quis elongatur a multo et unum intendit, tanto est perfectior et divinior.“ Ibid., n. 114 (LW III, 99, 7): „Recedens ergo ab uno, cadit a vero, cadit a bono, cadit a deo.“ Ibid., n. 549 (LW III, 479, 3 sq.): „Homo autem creatus est ad imaginem totius substantiae dei, et sic non ad simile, sed ad unum“; ibid. (479, 8-480, 1): „Homini autem, cum sit factus ad imaginem totius unius substantiae dei et sit in esse productus sub ratione unius totius, non sufficit recursus ad simile, sed recurrit ad unum unde exivit, et sic solum sibi sufficit.“ Ibid., n. 115 (LW III, 100, 10 sq.): „notandum quarto moraliter quod volens deum in se invenire oportet quod sit filius dei.“ Cf. In Sap., n. 89 (LW III, 421, 8-422, 7). Cf. In Ioh., n. 120 (LW III, 121, 5-10). In Sap., n. 91 (LW II, 424, 7): „Secundo modo potest dici subtilius quod sapiens ait.“ - Cf. zum Zusammenhang das Schema im Anhang, 31. Ibid., n. 91 (LW II, 424, 11-14): „Divisum autem ab esse et distinctum necessario nihil est […]. Notandum ergo primo quod habens sapientiam dei omnia cetera reputat esse nihil, et vere nihil sunt sine deo.“ Ibid., n. 88 (LW II, 421, 2); cf. supra, 17 sq.
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Ausgang der Auslegung stand, die uns durch eine Fülle von Verweisen führte, steht nun in seinem ganzen Reichtum und in seiner ganzen Tragweite vor Augen. Das unauslöschliche göttliche Licht nämlich, die ungeschaffene Weisheit, leuchtet im verborgenen Grund der Seele (,in abdito mentis‘) 119. Dies ist der Ort, der auf den ,Ursprung ohne Ursprung‘ (,principium sine principio‘) verweist, wo sich in Analogie zur göttlichen Weisheit, die der Sohn ist, das Zeigen des unvordenklichen Ursprungs ereignet, „der gleichsam in sich verborgen und verhüllt ist und nicht nach außen durch Sendung hervorgeht“ 120. IV. Eckhar t und sein Projekt: einig e Perspektiven Von der Zurückführung der Vielheit der Expositionen auf die sinngemäße Einheit des zugrunde liegenden Bibelspruchs hatte Eckhart in seinem zweiten Prolog zum ,Opus expositionum‘ gesprochen und davon, dass der von ihm ins Auge gefasste Leser die dargebotenen Auslegungsalternativen nicht nur auswählen, sondern als ein ,eifriger Leser‘, als studiosus lector, die Begründungen der Auslegungen erforschen soll 121. Blicken wir zurück, so bestätigt sich der von Eckhart behauptete Verweiszusammenhang in mehrfacher Hinsicht. Die für den ,groben‘, oberflächlichen Leser scheinbar verstreut vorgebrachten Lehrstücke vom inneren Menschen und den inneren Verstandeskräften, vom unauslöschlichen Licht und vom intellectus agens, vom abditum mentis und der Sohnwerdung, treten in ihrer inneren Systematik hervor und erhalten letztlich ihre Fundierung in einer Einheitsmetaphysik, die in der Konsonanz von biblischer und philosophischer Wahrheit die Vollendung des Menschen artikuliert. In diesem Spannungsfeld bringt die Weisheitsfrage die ethische Dimension im Denken Eckharts auch explizit zur Sprache, jedoch weder im Sinne einer philosophischen Ethik als praktischer Wissenschaft noch unmittelbar als Anweisung zum guten Leben oder als Lebensform einer Klasse von Intellektuellen. Im Grunde erweist sich Eckharts ,neue‘ Metaphysik somit als eine ,alte‘ Metaphysik in der longue dure´e eines im Horizont der Weisheit definierten Selbstverständnisses der Philosophie, in welches das Christentum scheinbar nahtlos eintreten konnte - als eine Art praktische Metaphysik, der es, wie Theo Kobusch zu zeigen versucht hat, um eine metaphysische Selbsterkenntnis im Sinne eines Wachsamseins gegenüber sich selbst zu tun ist 122. Gegenüber der scharfen wissenschaftstheoretischen 119 120
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Ibid., n. 95 (LW II, 429, 3); cf. supra, 20 sq. Ibid., n. 89 (LW II, 422, 4-7): „oportet ad ipsum venire et ipsum quaerere in se ipso, in sibi proprio, quod est ,principium sine principio‘, Ioh. 1: ,in principio‘, id est in patre, ,erat verbum‘. Et propter hoc Ioh. 14 filio dicitur: ,ostende nobis patrem‘, quasi in se ipso absconditum et latentem, non foras missione procedentem.“ Cf. nt. 53-56. Cf. Th. Kobusch, Metaphysik als Lebensform. Zur Idee einer praktischen Metaphysik, in: W. Goris (ed.), Die Metaphysik und das Gute. Aufsätze zu ihrem Verhältnis in Antike und Mittelalter. Jan A. Aertsen zu Ehren (RTPM - Bibliotheca 2), Leuven 1999, 27-56, bes. 45-52, sowie den Beitrag von Th. Kobusch in diesem Band, 239-258.
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Unterscheidung in Theorie und Praxis betont sie die enge Verbindung zwischen der Möglichkeit vollkommener Erkenntnis und der individuellen Vollendung des nach Weisheit strebenden Menschen, ja, bindet die theoretische Einsicht an die nur individuell zu erreichende Vollkommenheit. Damit aber wird zugleich erklärlich, warum Meister Eckhart sich nur schwerlich in eines der gängigen historiographischen und forschungsspezifischen Schemata fassen lässt. Wer beispielsweise mittelalterliche Philosophie vornehmlich im Gegensatz zur Theologie zu rekonstruieren trachtet, wird für Eckharts Anliegen entweder keinen Platz finden oder es um eine entscheidende Dimension verkürzen. Ebenso erschließt sich die Radikalität seines theologischen Fragens in Hinblick auf die Gnade, auf die natürliche Gotteserkenntnis oder die Lehre von der visio Dei in diesem Leben nicht ohne den zugrunde liegenden spekulativen Grundansatz. Dies zeigt geradezu exemplarisch der Prozess gegen Eckhart. Schließlich ermöglicht erst die umfassende Sicht von Scholastik und Mystik als distinkter intellektueller Formationen eine Gesamtsicht auf das Eckhart’sche Œuvre. Denn Eckhart ist nicht der Einzige, der sich in beiden Formationen bewegt hat. Dies zeigen nicht zuletzt die magistralen Überblickswerke zur Geschichte der abendländischen Mystik von Kurt Ruh und Bernard McGinn 123. Es wird aber auch deutlich, wie sich im Rahmen der volkssprachlichen Literatur eine neue Erfahrungsdimension erschließt, die - folgt man dem Literaturbegriff des Verfasserlexikons - einer ursprünglichen Einheit von Ästhetik und Lebenspraxis entspringt, die für das mittelalterliche Schrifttum, insbesondere aber für die geistliche volkssprachliche Literatur, kennzeichnend ist. Ähnliches kann man rückblickend auch von Meister Eckhart sagen, der sich - geleitet von seinem vorrangigen Anliegen der Vollendung des Menschen - auf die Suche nach dem inneren Menschen begibt. Diesen findet er vorzüglich in der Einheit mit seinem göttlichen Ursprung. Vielleicht liegt hierin der tiefere Grund, warum Eckhart seine Universitätskarriere zugunsten der Seelsorge, die Arbeit an seinem spekulativen Entwurf zugunsten der Predigt immer wieder unterbrochen, hintangestellt oder gar aufgegeben hat. Und dennoch gehören der lesemeister und der lebemeister zusammen - und das nicht nur biographisch. Denn der ethische Anspruch des lebemeisters kommt nicht aus einer ausgearbeiteten wissenschaftlichen Ethik - dies zeigt gerade der Blick auf die Grundlegungsversuche einer scientia practica im Ausgang von Aristoteles’ ,Nikomachischer Ethik‘ 124 - oder einer religiösen Praxis, auch wenn Eckhart sein ganzes Leben über geistlicher Begleiter war und dem geistlichen Leben einen 123
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K. Ruh, Geschichte der abendländischen Mystik, 4 vol. , München 1990 sqq.; B. McGinn, The Presence of God: A History of Western Christian Mysticism, 4 vol. , New York 1992 sqq. Cf. W. Kluxen, Philosophische Ethik bei Thomas von Aquin, Hamburg 31988, 21-57; G. Wieland, Ethica - scientia practica. Die Anfänge der philosophischen Ethik im 13. Jahrhundert, Münster 1981, 72-83 u. 98-99 (BGPhThMA, N. F. 21). Ferner auch die Arbeiten von H. Möhle, Ethik als scientia practica nach Johannes Duns Scotus: eine philosophische Grundlegung (BGPhThMA, N. F. 44), Münster 1995, u. J. Müller, Natürliche Moral und philosophische Ethik bei Albertus Magnus (BGPhThMA, N. F. 59), Münster 2001.
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zentralen Stellenwert eingeräumt hat, sondern dieser Anspruch entspringt unmittelbar den theoretischen Grundeinsichten des lesemeisters. Hierbei ist es die Metaphysik, welche die wesentlichen Einsichten freilegt, die zu einer Radikalisierung der Frage nach dem Glück als Rückkehr in die ursprüngliche Einheit Gottes führen, und die Bedingungen für diese Rückkehr in den göttlichen Ursprung, der im Grunde der Seele erfasst wird, aufdeckt. Die ethischen Konsequenzen sind ebenso grundsätzlicher Natur und ergeben sich, wie wir an einigen Beispielen zeigen konnten, ohne Vermittlung durch eine als praktische Wissenschaft auftretende Ethik unmittelbar aus den metaphysischen Grundeinsichten, wie etwa der Lehre vom göttlichen Seelengrund. Folglich besteht die ethische Dimension vorzüglich in der Rückkehr zu jenem Ursprung, die dem Menschen, der wesenhaft nach dem Bilde Gottes, und das heißt nach dem Einen, geschaffen ist, auf eine besondere Weise aufgetragen ist. Denn kraft seiner Vernunftnatur hat er unmittelbaren Anteil an der göttlichen Weisheit, „die mit Stärke von einem Ende bis zum anderen reicht und alles in Milde ordnet“ - so heißt es in Sap. 8, 1. Diesem Bibelvers, den auch Augustin dem 39. Kapitel von ,De vera religione‘ vorangestellt hatte, widmet Eckhart in seinem Sapientiakommentar eine große Exposition. Auf diese Weise erfährt zugleich die vorhergehende Auslegung des Bibelverses Sap. 7, 7 eine bedeutsame Weiterführung - etwa in der sechzehnten Exposition, in der Eckhart den Bibelspruch gemäß Aristoteles im Sinne der ordinativen Funktion der Weisheit auslegt. Zwar kommt es Gott in Rücksicht auf die Weisheit allein im eigentlichen Sinne zu, „von einem Ende bis zum anderen zu reichen“, insofern er die einzelnen Dinge zu den ihnen eigenen Zielen lenkt, und „alles mit Milde zu ordnen“, insofern er dies durch Mittel bewirkt, die mit den eigenen Zielen der einzelnen Dinge übereinstimmen 125. Doch haben gerade jene Tätigkeiten, deren Prinzip die Vernunft und der Verstand sind, und die sich folglich auf vieles, ja - soweit die menschliche Seele ,Wohnsitz der Weisheit‘ ist -, gewissermaßen auf alles richten können, in besonderem Maße Anteil an jenem göttlichen Tun. Denn in der Loslösung (Abscheidung) von allem Äußerlichen und in seiner Verneinung strebt der vernünftige, genauer der verständige Mensch auf denjenigen Zustand hin, in dem sich das Ganze in seinem universellen Ursprung zu zeigen vermag 126. Damit ist zugleich deutlich: Nicht um eine kurzschlüssige lebensweltliche Anwendung im Sinne einer optimierten Lebensführung oder eines gesteigerten individuellen Wohlbefindens, nicht um eine Form verborgener Spiritualität, für die Eckhart heute so oft herhalten muss, geht es hier, sondern buchstäblich um 125
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In Sap., n. 186 (LW II, 523, 3-6): „Hinc est ergo quod deo ratione solius sapientiae proprie convenit, sicut hic dicitur, attingere a fine usque ad finem, in quantum res singulas in fines proprios dirigit, et disponere omnia suaviter, in quantum hoc facit per media consona propriis finibus singulorum.“ Ibid., n. 186 (LW II, 522, 9-12): „Ubi notandum quod omnis actio, cuius principium est natura, ad unum est, sicut et ens omne natura unum est. Actio vero, cuius ratio est principium sive intellectus, ad multa esse potest, sicut et ratio ipsa multorum et ad multa est.“ - Cf. Goris, Prout iudicaverit expedire (nt. 53), 251-253.
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den Ernstfall der menschlichen Existenz, um die wahre Erfüllung unseres Strebens und unserer Sehnsüchte, kurz: um das Glück des Menschen. Mit Blick auf die Erfüllung dieses Strebens denkt Eckhart die Gottesschau radikal als Vereinigung mit Gott, als eine Vereinigung, die nicht erst nach dem Tod in einem künftigen Leben, sondern schon in diesem Leben möglich ist. In eben diesem Sinne ist Eckhart Mystiker, steht er in der langen Tradition christlicher Mystik, die wiederum Motive des Neuplatonismus aufgreift und christlich zu überbieten trachtet 127. Augustinus und Dionysius Areopagita sind ihm hier die Gewährsleute: der Meister der Lehre vom Seelengrund und der Meister der mystischen Theologie, ebenso wie die monastische spekulative Mystik des 12. Jahrhunderts, die in der Nachfolge der Patristik eine praktische Metaphysik zu sein beansprucht, der es nicht nur um einen theoretischen Diskurs, sondern um die Existenz des Menschen selbst geht, um die ethische Dimension eines solchen Wissens. Beides bildet für Eckhart von Anfang an eine untrennbare Einheit, wie sie sich dem studiosus lector seiner Schriften erschließt. Doch steht der heutige Leser, auch wenn er sich im Eckhart’schen Sinne eifrig bemüht, vor einem oftmals nur schwer zu überwindenden Problem. Ihm sind viele der leitenden Intuitionen Eckharts abhanden gekommen: die Verbindung von Geistigkeit und Vernünftigkeit, von Vollkommenheit und Gotteserkenntnis, von Demut und Glückseligkeit. So kommt es nicht selten zu fundamentalen Missverständnissen, wenn beispielsweise die Erfüllung der Bedingungen, von denen Eckhart mit Blick auf die in der Einswerdung mit Gott zu erreichende beatitudo spricht, im Sinne einer ,Technik‘ missverstanden wird, bildet doch gerade die intentionale Ausübung unserer Erkenntnis- und Strebekräfte ein unüberwindliches Hindernis auf dem Weg zur Glückseligkeit; denn „je mehr man dich sucht, um so weniger findet man dich“, heißt es vom verborgenen Gott im Grunde der Seele, „wo Gottes Grund und der Seele Grund ein Grund sind“ 128. „Daß wir ihn so suchen, daß wir ewig in ihm bleiben“ 129, setzt vielmehr einen Wandel der Einstellung voraus, nicht dann und wann, sondern grundsätzlich, wo auch immer man ist und was auch immer man tut - das hatte Eckhart bereits in den ,Rede der underscheidunge‘ ausgeführt. Um eine solche ethische Einstellung, die ihren Ernstfall in der als Glückseligkeit des Menschen gedachten Einswerdung mit Gott besitzt, geht es Meister Eckhart. Vielleicht liegt hier der entscheidende Grund für die Faszination, die von Meister Eckhart und seinem Denken bis heute ausgeht. Er scheint die immer wieder artikulierte Sehnsucht nach der Identität von Theorie und Praxis, nach der Übereinstimmung zwischen dem, was man sagt und lehrt, und dem, was 127
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Cf. Largier, Theologie, Philosophie und Mystik (nt. 102); ferner die Beiträge von N. Largier, 298-313, Th. Kobusch, 239-258, und B. McGinn, 538-553, in diesem Band. Pr. 15 (DW I, 253, 4-8): „darumb sprach der prophet: ,warlich, du bist der verborgen got‘ in dem grund der sele, da gottes grund vnd der sele grund ain grund ist. So man dich ie me suochet, so man dich ie minder vindet. Du solt in suochen, also das du in niena vindest. Suochest du in nit, so vindest du in.“ Ibid. (DW I, 253, 8 sq.): „Das wir also suochent, das wir ewenklich bi im belibent, des helf vns got.“
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man tut, zu verkörpern. Doch übersehen wir nicht die Grundlage, die Eckhart auf Distanz hält zu den schwärmerischen Geistern seiner Zeit und die ihn davor bewahrt, zum mediokren Guru zu werden, zu dem er heute mitunter gemacht wird: Es ist die spekulative Durchdringung und die metaphysische Distanznahme im Rückgang auf die zugrunde liegenden Bedingungen der sich ihrer selbst vergewissernden Vernunft, die zum Eingeständnis ihrer Grenze führt, einer Grenze, die nicht aus dem Eigenwillen heraus überschritten werden kann, sondern eine besondere Aufmerksamkeit und Offenheit erfordert für das, was Gnade heißt.
ANHANG Expositio libri Sapientiae, c. 7, vv. 7-10 (LW II, nn. 85-95) Sap. 7, 7: „Optavi, et datus est mihi sensus, et invocavi, → Sap. 7, 8 (→ ,optavi‘) et venit in me spiritus sapientiae“ (nn. 85-89). → Sap. 7, 10 (→ ,invocavi‘) n. 85: Optavi. Notandum quod ea quae sunt magna bona naturae et quae supra vires nostras sunt et etiam impossibilia naturae, solent optari. n. 86: Et hoc est quod hic dicitur: optavi, sapientiam scilicet, et sequitur: ,praeposui illam regnis et sedibus‘. n. 87: ,Invocavi‘ - (1a expositio): - Augustinus super illud ,Tu, domine, suavis ac mitis et multum misericors omnibus invocantibus te‘, Ps. 85, quaerit quomodo omnibus invocantibus sit deus misericors. (→ Augustinus, En. in Ps. 85, 8) - ,Invoca deum tamquam deum, ama deum tamquam deum. Illo nihil melius est; ipsum desidera, ipsum concupisce‘ (ibid.). → Predigt 59 ,Daˆnieˆl der wıˆssage sprichet: ,wir volgen dir naˆch‘‘. n. 88: ,Invocavi‘ - (2a expositio): → Augustinus De vera religione […]: ,noli foras ire, in te ipsum redi, in interiori homine habitat veritas‘. (→ Augustinus, De vera religione, XXXIX, 72) → Ioh. 1, secundum unam expositionem: ,in propria venit‘ → In Ioh., nn. 96105 (& nn. 106-113) n. 88: ,in propria‘, id est hominum vires intellectuales interiores → Sermo VII ,Homo quidam erat dives‘ → Sermo XLVII/1 ,Confidimus in domino Iesu‘ → Predigt 15 ,Homo quidam nobilis‘ n. 89: ,Invocavi‘ - (3a expositio): - filius et spiritus sanctus proprie invocantur et ad nos vocantur et in nos sive ad nos veniunt. Istae enim duae personae in divinis sunt ab alio et propter hoc mittuntur. - et propter hoc Ioh. 14 filio dicitur: ,ostende nobis patrem‘, quasi in se ipso absconditum et latentem, non foras missione procedentem. → In Ioh., n. 75: ,lux in tenebris lucet‘ (= principium absconditum)
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- et hoc est quod hic dicitur: venit in me spiritus sapientiae, id est filii, qui est sapientia et veritas appropriate in divinis. (→ In Eccli., n. 6; In Ioh., n. 419) Sap. 7, 8: ,Divitias nihil dixi in comparatione illius‘ (nn. 90-91). (→ In Sap., nn. 85-86) n. 90 (1∞ modo): - tantum bonum est deus. - nihil est sine ipso quam quod nec ipse sine se esse potest. (→ In Ioh., nn. 96-97) n. 91 (2∞ modo - subtilius): - omne autem ens divisum a deo dividitur et distinguitur ab esse, quia deus est ipsum esse. → Sermo XXX/2 ,Ex toto corde tuo‘ (LW IV, n. 317) - divisum autem ab esse et distinctum necessario nihil est → In Ioh., n. 114 - notandum ergo primo quod habens sapientiam dei omnia cetera reputat esse nihil, et vere nihil sunt sine deo. Sap. 7, 10: ,Inexstinguibile est lumen illius‘ (nn. 92-95): dupliciter potest hoc accipi: primo de sapientia increata, secundo de sapientia participata. (→ In Sap., nn. 8789) n. 92 (1∞ modo): sapientia increata: - hoc lumen non potest exstingui sive occultari aliquo maiori lumine. (→ Lib. de causis, prop. 5[6]) - lumen […] sapientiae, utpote supremum, est inexstinguibile. n. 93 (2∞ modo - magis proprie): sapientia participata: - deus magis lux est proprie quam lumen. - primo quidem quod lumen significat aliquid participatum, utpote factum; […] secundo quod ipsum est ,indeficiens‘. (→ Eccli. 24, 6) - et hoc est quod hic dicitur: inexstinguibile est lumen illius. - ad hoc facit quod expositores philosophi dicunt intellectum agentem esse aliquid animae, eo quod ipsum vocat lumen, non lucem, in III De anima. (→ In Ioh., n. 94) → In Ioh., n. 94: - omnis perfectio, praecipue ipsum esse, lumen sit et radix omnis perfectionis lucentis. - philosophus III De anima intellectum agentem lumen vocat. Et multa huic similia inveniuntur in sacra scriptura et in libris philosophorum. - sciendum igitur quod lumen participatum a deo, secundum illud: ,signatum est super nos lumen vultus tui, domine‘, inexstinguibile est. n. 94: - lumen quidem sapientiae, sub ratione sapientiae, non recipitur in corporibus, sed nec in anima rationali, ut natura sive ens est in natura, sed in ipso solo ,intellectu‘, in quantum intellectus est, superius ,aliquid‘ est et ,divinius‘, secun-
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dum quod ,genus dei‘ sumus, Act. 17, secundum quod ad imaginem sumus increati dei. - ,Eo enim imago est, quo dei capax est‘. (→ Augustinus, De Trinitate XIV, 8, 11) - patet igitur ratio, quare lumen sapientiae hoc ipso est inexstinguibile, quo in intellectu recipitur. n. 95: - Plato probat animam eo esse immortalem, quo capax est et subiectum sapientiae. (→ Plato, Phaedo 79 C) - Augustinus docet quod in abdito mentis semper lucet, quamvis lateat, lumen divinum. (→ Augustinus, De Trinitate X, 12, 19; XIV, 7, 9; XIV, 14, 18) - posset etiam dici quod lumen sapientiae, quamvis in nobis exstinguatur, in se tamen et ex sui natura est inexstinguibile, et habet ex se non exstingui, non abscondi nec ,poni sub modio‘, secundum illud Luc. 11 (33, 35).
Expositio s. evangelii sec. Iohannem, c. 1, vv. 11-13 (LW III, nn. 96-113) nn. 96-105: ,In propria venit‘ ( Joh. 1, 11) 1a expositio (nn. 96-98): - manifeste convincit ratio naturalis: - Deus autem esse est, ipse et creator est (n. 96). - propria ista, in quae deus venit, sunt esse sive ens, unum, verum, bonum. Haec enim quattuor deus habet propria, utpote ,primum‘, quod ,est dives per se‘. Habet ista, quia ,dives‘; habet propria, quia ,per se‘ (n. 97). - Docemur ergo primo quod deus est et operatur in omnibus et venit ad omnes et ad omnia, in quantum sunt, in quantum unum sunt, in quantum vera, in quantum bona. Secundo docemur quod deus veniens et eius praesentia immediate et nullo cooperante operatur in omnibus entitatem, unitatem, veritatem et bonitatem analogice quidem (n. 97). - magis theologice (n. 98): - quod haec propria, in quae venit deus verbum, sunt misereri, secundum illud Gregorii. (→ Sacramentarium Gregorianum, n. 201) 2a expositio (nn. 99-103): - quod autem sequitur: sui eum non receperunt, quantum ad tres expositiones praemissas eius quod dicitur in propria venit, potest exponi (nn. 99-100). - in propria venit, propria scilicet homini et naturae humane (nn. 101-102). - Deus est extra et supra omne genus (n. 103): - probat hoc ipsum ens, effectus dei, quod non est in genere nec proprium alicui generi, sed commune omni generi. - deus ergo in hunc mundum veniens, creaturam assumens, factus homo, quasi de fastigio communis venit in propria. - Et hoc est quod hic manifeste dicitur: ,erat lux vera quae illuminat omnem hominem‘ ( Joh. 1, 9). (→ In Sap., n. 93) 1um notandum: litteraliter (n. 104): quod verbum assumpsit carnem. 2um notandum: moraliter (n. 105): quod deus venit in mentes hominum, qui se totos deo dedicaverunt et proprios fecerunt, ut non iam sibimet vivant, sed deo.
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nn. 106-113: ,Quotquot autem receperunt eum, dedit eis potestatem filios dei fieri‘ ( Joh. 1, 12-13). - 4 notanda: (i) quod homo sit per gratiam adoptionis quod ipse [Christus] est per naturam, secundum quod hic dicitur: dedit eis potestatem filios dei fieri (n. 106). (ii) quod omne recipiens et participans ut sic nudum est et in potentia sola passiva (n. 106). (iii) quod potentia passiva seu receptiva universaliter et naturaliter per id, quod quid est potentia, totum suum esse accipit ab obiecto (n. 107). → ut actu sunt, hoc videns, illud visum, sic unum sunt, uno sunt et eodem actu sunt hoc videns, illud visum. → cum enim homo […] accipit totum suum esse se toto a solo deo, obiecto, sibi est esse non sibi esse, sed deo esse, deo, inquam, ut principio dante esse, et deo ut fini, cui est et cui vivit, se ipsum nescire nec quidquam nisi deum et in deo, in quantum in deo et in quantum deus. (iv) quod obiectum, cognitum scilicet, gignit se ipsum vel speciem suam et parit in potentia cognoscente (n. 109). → potentia cognoscens accipit esse a cognito et ipsum esse cogniti. → si quid enim praeter deum patrem haberet, parientem se in homine et cognitum ab homine, ab illo formaretur et acciperet esse ab illo et esse illius, et consequenter non esset perfectus nec vere filius solius dei […], sed nec esset filius dei. → Hoc est ergo quod hic dicitur: quotquot autem receperunt eum, nudi scilicet ab omni forma genita et impressa a creatura, dedit eis potestatem filios dei fieri, his qui credunt in nomine eius, id est notitia eius […], ut cognoscant‘ scilicet ,solum deum‘ (n. 110). (→ In Ioh., n. 107) - notandum (n. 111): in homine tria sunt: - unum irrationale nec oboediens rationi - appetitus […] concupiscibilis et irascibilis → rationale per participationem - rationale per essentiam nn. 111-115: docet moraliter: - quod nihil humanum et per consequens nihil mundanum neque creatum debet se gignere in nobis (n. 111). - quod homo, divinus ut sit et deiformis, debet esse ubique et in omnibus uniformiter se habens (n. 112). - quod quanto quis elongatur a multo et unum intendit, tanto est perfectior et divinior (n. 113). → recedens ergo ab uno, cadit a vero, cadit a bono, cadit a deo (n. 114). - quod volens deum in se invenire oportet quod sit filius dei (n. 115).
Meister Eckharts deutsche reden und predigten in seiner Erfurter Zeit Georg Steer (Eichstätt) I. Die Predigt mit dem Textwort ,Beati pauperes spiritu‘ gilt als eine der spätesten Predigten, die uns von Meister Eckhart erhalten ist. In ihr gelangt Eckhart, wie sich Kurt Ruh ausdrückt, „zu den kühnsten Folgerungen und Formulierungen seiner Abgeschiedenheits-Spiritualität“ 1. Arm ist der Mensch, der nichts will, nichts weiß und nichts hat. Am Schluss der letzten Armut, der äußersten Armut, führt Eckhart aus: „Also lehren wir, der Mensch solle so arm dastehen, daß er keine Stätte sei und keine Stätte habe, in der Gott wirken könnte. Wo der Mensch noch eine solche Stätte behält, dort hält er am Unterschied fest. Darum also bitte ich Gott, daß er mich ablöse von Gott, da mein wesentliches Wesen oberhalb Gottes steht, sofern wir Gott begreifen als den Ursprung der Geschöpfe. Denn in demselben Wesen Gottes, aufgrund dessen Gott oberhalb von Sein und Unterschied steht, da war ich selbst. Und dort wollte ich mich selbst, und dort erkannte ich mich selbst als den, der diesen Menschen schuf. Darum bin ich Ursprung meiner selbst, nach meinem Wesen, das ewig ist, nicht nach meinem Werden, das zeitlich ist. Aufgrund des Werdens bin ich geboren, und sofern ich geboren bin, kann ich sterben. Sofern ich ungeboren bin, bin ich ewig gewesen, bin ich jetzt und werde ich ewig dauern. Was an mir geboren ist, das wird sterben und zunichte werden, denn es ist zeitlich, darum muß es in der Zeit zugrunde gehen. Bei meiner Geburt, da wurden alle Dinge geboren, und ich war Ursprung meiner selbst und aller Dinge, und hätte ich gewollt, so wäre ich nicht entstanden, und alle Dinge wären nicht entstanden. Und wäre ich nicht, dann wäre auch Gott nicht. Daß Gott Gott ist, dafür bin ich der Ursprung. Und wäre ich nicht, dann wäre Gott nicht Gott. Dies muß man nicht unbedingt wissen.“ 2 Papst Johannes XXII. verurteilte in der Bulle vom 27. März 1 2
K. Ruh, Meister Eckhart. Theologe, Prediger, Mystiker, München 21989, 158. Meister Eckharts Predigten, ed. u. übers. v. J. Quint (Meister Eckhart, Die deutschen und lateinischen Werke, ed. im Auftrage der Deutschen Forschungsgemeinschaft: Die deutschen Werke, vol. 1-3 [= DW I-III]), Stuttgart 1958, 1971 u. 1976, hier: Pr. 52 (DW II, 502, 4-504, 3); N. Largier (ed.), Meister Eckhart: Werke I u. II (Bibliothek des Mittelalters 20 u. 21), Frankfurt a. M. 1993, Pr. 52 (vol. I, 550-563, hier: 560, 13-562, 2; Neuausgabe der Predigt ,Beati pauperes spiritu‘ v. G. Steer, in: G. Steer/L. Sturlese (eds.), Lectura Eckhardi I, Stuttgart-BerlinKöln 1998, 164-180, hier: 176, 27-178, 15: „Alsoˆ sprechen wir, daz der mensche alsoˆ arm sül staˆn, daz er niht ensıˆ noch enhabe deheine stat, dar got inne müge würken. Daˆ der mensche stat beheltet, daˆ beheltet
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1329 Eckhart, weil er „mehr wissen wollte als nötig war […], weil er sein Ohr von der Wahrheit abkehrte und sich Erdichtungen zuwandte“ 3. Eine pia opinio könnte argumentieren, Johannes XXII. hätte Eckhart unbesonnene Wissbegier nicht vorgeworfen, wenn er dessen ,Armutspredigt‘ gekannt hätte. Eckhart betont in ihr ausdrücklich, dass man um diese Armut nicht unbedingt wissen muss 4 und dass auch die guoten liute sie nicht alle verstehen: „Ich sage es noch besser und nehme ,Armut‘ in einem höheren Sinn: Ein armer Mensch ist, wer nichts will, nichts weiß und nichts hat. Von diesen drei Punkten will ich heute reden, und um der Liebe Gottes willen beschwöre ich euch, ihr möchtet diese Wahrheit verstehen, wenn ihr könnt. Und versteht ihr sie nicht, so sorgt euch darum nicht, denn ich will von einer Wahrheit sprechen, die so beschaffen ist, daß auch von guten Menschen nur wenige sie verstehen werden.“ 5 Er nennt dafür auch den Grund, warum dies so ist: „Wer diese Rede nicht versteht, der mache sich deswegen in seinem Herzen keine Sorgen. Denn solange der Mensch dieser Wahrheit nicht gleich wird, solange wird er diese Rede nicht verstehen, denn sie ist unverdeckte Wahrheit, wie sie unvermittelt aus dem Herzen Gottes kommt.“ 6 Und so undogmatisch kann das, was Eckhart sagt, nicht sein, denn
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er underscheit. Her umbe soˆ bite ich got, daz er mich quıˆt mache gotes, wan mıˆn wesenlich wesen ist obe gote, alsoˆ als wir got nemen begin der creˆatuˆren; wan in dem wesene gotes, daˆ got ist obe wesene und ob underscheide, daˆ was ich selbe, und daˆ wolte ich mich selben und bekante mich selben ze machenne disen menschen. Her umbe soˆ bin ich mıˆn selbes sache naˆch mıˆnem wesene, daz ˆewic ist, und niht naˆch mıˆnem gewerdenne, daz zıˆtlich ist. Her umbe soˆ bin ich geborn, und naˆch mıˆner gebornen wıˆse soˆ bin ich sterblich. Naˆch mıˆner ungebornen wıˆse soˆ bin ich ˆewıˆcliche gewesen und bin nuˆ und sol ˆewiclıˆche blıˆben. Daz ich bin naˆch gebornheit, daz sol sterben und ze nihte werden, wan ez ist zıˆtlich; her umbe soˆ muoz ez mit der zıˆt verderben. In mıˆner geburt daˆ wurden alliu dinc geborn, und ich was sache mıˆn selbes und aller dinge; und hæte ich gewolt, ich enwære niht, noch alliu dinc enwæren niht; und enwære ich niht, soˆ enwære ouch got niht. Daz got got ist, des bin ich ein sache; enwære ich niht, soˆ enwære got niht got. Diz ze wizzenne des enist niht noˆt.“ Nhd. Übers. v. K. Flasch, ibid., 169-181, hier: 175, 27-179, 16. M. H. Laurent, Autour du proce`s de Maıˆtre Eckhart. Les documents des Archives Vaticanes, doc. VIII, in: Divus Thomas 39 (Piacenza 1936), 331-447, hier 436: „Sane dolenter referimus, quod quidam hiis temporibus de partibus Theutonie, Ekardus nomine, doctorque, ut fertur, sacre pagine ac professor ordinis fratrum Predicatorum, plura voluit sapere quam oportuit et non ad sobrietatem neque secundum mensuram fidei, quia a veritate auditum avertens ad fabulas se convertit.“ Cf. dazu Röm. 12, 3: „Dico enim per gratiam quae data est mihi, omnibus qui sunt inter vos: Non plus sapere quam oportet sapere, sed sapere ad sobrietatem: et unicuique sicut Deus divisit mensuram fidei“; 2 Tim. 4, 3-4: „Erit enim tempus, cum sanam doctrinam non sustinebunt, sed ad sua desideria coacervabunt sibi magistros, prurientes auribus, et a veritate quidem auditum avertent, ad fabulas autem convertentur.“ Lectura Eckhardi I (nt. 2), 178, 15: „Diz ze wizzenne des enist niht noˆt“ („Dies muß man nicht unbedingt wissen“). Lectura Eckhardi I (nt. 2), 169, 22-28; 168, 23-28: „wir sprechen noch baz und nemen armuot in einer hœhern wıˆse: daz ist ein arm mensche, der niht enwil und niht enweiz und niht enhaˆt. Von disen drin punkten wil ich nuˆ sprechen. Und ich bite iuch umbe die minne gotes, daz ir verstaˆt dise waˆrheit, ob ir künnet; und enverstaˆt ir sie niht, soˆ enbekümbert iuch daˆ mite niht, wan ich wil sprechen von soˆ getaˆner waˆrheit, die lützel guoter liute verstaˆn suln.“ Lectura Eckhardi I (nt. 2), 181, 7-10; 180, 7-10: „Der diz niht enverstaˆt, der enbekümber sıˆn herze niht daˆ mite. Wan alsoˆ lange der mensche niht glıˆch enist dirre waˆrheit, soˆ lange ensol er dise rede niht verstaˆn; wan diz ist ein unbedahtiu waˆrheit, diu komen ist uˆz dem herzen gotes sunder mittel.“ Cf. auch 168, 1618: „Nuˆ bite ich iuch, daz ir alsoˆ sıˆt, daz ir verstaˆt dise rede; wan ich sage iu bıˆ der ˆewigen waˆrheit: ir ensıˆt glıˆch der waˆrheit, von der wir nuˆ sprechen wellen, soˆ ensult ir mich nicht verstaˆn“ („Nun beschwöre ich
Abb. 1: Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, Cod. 2057 (H2).
Perg., 4∞ (17,0 : 13,5 cm), 172 foll., Mitte 14. Jh., Inhalt: Predigtsammlung ,Paradisus anime intelligentis‘ (,Das buch heist das paradiß der selen‘; ,Explicit libellus qui dicitur paradysus anime intelligentis‘). H2 ist die Schwesterhandschrift zur Oxforder Handschrift Cod. Laud. Misc. 479 (O). Hier fol. 1r Beginn des Titulus-Registers (Überschriften zu den einzelnen Predigten) und fol. 172r Ende der letzten Predigt (Paradisus, Pr. 64, Strauch 139).
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auch Papst Johannes Paul II. dichtet in seinem ,Römischen Triptychon‘: „Das, was wohlgeformt war, wird formlos. Das, was lebendig war - jetzt ist es leblos. Das, was schön war - jetzt vergeht es in hässlichem Zerfall. Doch ich sterbe nicht ganz, denn das, was in mir ist, bleibt unzerstörbar […]. Non omnis moriar. Das, was unzerstörbar ist in mir, jetzt steht es Aug’ in Auge vor DEM, der IST.“ 7 Es hat schon immer verwundert, dass sich in der Verurteilungsbulle kein Reflex der ,Armutspredigt‘ findet. Die Inquisitoren hätten sie mühelos für Anklagepunkte auswerten können. Warum dies nicht geschah, hat man so erklären wollen: Zum Zeitpunkt der Materialrecherche, also vor 1326, habe es die Predigt noch nicht gegeben. Im Frühjahr 1327 reiste Eckhart nach Avignon. Die Predigt muss in den wenigen Monaten zwischen 1326 und 1327 in Köln entstanden sein. Kurt Ruh hat alle Einzelheiten zusammengetragen, die Hinweise auf die Entstehungsumstände der Predigt ,Beati pauperes spiritu‘ bieten. Er tat dies mit besonderer Akribie deshalb, „weil wir nur in diesem einen Fall Daten zur Entstehungsgeschichte einer eckhartschen Predigt an der Hand haben, nicht ganz sichere freilich, aber doch solche, die im Bereich der Wahrscheinlichkeit liegen“ 8. Weil sich mittlerweile ein Eintrag des C-Schreibers der ,Verteidigungsschrift‘ Eckharts, der sog. ,Rechtfertigungsschrift‘, über die ,wahre Armut‘ nicht als Entwurf der ,Armutspredigt‘ durch Eckhart selbst erwies, sind Ruh in der zweiten Auflage seines Eckhart-Buches Zweifel an dem zeitlichen Entstehungsansatz der Predigt gekommen: „Ist sie, wie es scheint, in Köln oder auch schon früher gehalten und in schriftlicher Gestalt verbreitet worden, so bleibt es freilich erstaunlich, daß sie die Inquisitoren nicht als Anklagematerial herangezogen haben.“ 9 Das heißt aber auch: Sie muss nicht in Köln geschrieben sein, und die Denunzianten Hermann von Summo und Wilhelm von Nidecke konnten sie sehr wohl gekannt, aber als Beweismaterial für eine Anklage verschmäht haben. Äußerungen, die der Autor selbst als unverständlich für die meisten Hörer erklärt, mochten als Beleg für Häresie eben dieses Autors nicht als tauglich erscheinen - im rechtlichen Sinn. Festzuhalten bleibt: Kurt Ruh will sagen, um unser Wissen um die Entstehung der deutschen Predigten Meister Eckharts ist es nicht zum Besten bestellt. Selbst
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euch, ihr möchtet so sein, daß ihr diese Lehre verstündet. Denn bei der ewigen Wahrheit, ich sage euch: Kommt ihr der Wahrheit nicht gleich, von der wir nun reden wollen, dann werdet ihr mich nicht verstehen“). Johannes Paul II., Römisches Triptychon. Meditationen. Mit einer Einführung von Joseph Kardinal Ratzinger, Freiburg-Basel-Wien 2003, 34 sq. Cf. dazu Q. Horatius Flaccus, Oden und Epoden, ed. u. übers. v. G. Fink, Düsseldorf-Zürich 2002, lib. III, Ode 30 ,Exegi monumentum‘, 212-213: „Non omnis moriar multaque pars mei Vitabit Libitinam“ („Nicht völlig werde ich sterben, und ein großer Teil von mir Wird der Todesgöttin entfliehen“); cf. dazu R. G. M. Nisbet/N. Rudd, A Commentary on Horace: Odes, Book III, Oxford 2004, 371. K. Ruh, Meister Eckhart. Theologe, Prediger, Mystiker, München 1985, 158. Ruh, Meister Eckhart (nt. 1), 158.
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am Entstehungsdatum der ,Armutspredigt‘, das zunächst so sicher zu sein schien, nagen Zweifel. Dies ist auch so bei den Predigten, die von Josef Koch und Josef Quint der Kölner Zeit Eckharts, also den Jahren 1323 bis 1327, zugewiesen werden, speziell die Predigten 12-15, 22 und 51, die im Kölner Zisterzienserinnenkloster Mariengarten und bei den Benediktinerinnen St. Machabaeorum gehalten worden sein sollen 10. So auch äußert sich Ruh 1985: „Durch Hinweise auf den Predigtort, zwei Kölner Klosterkirchen, und Rückverweise steht fest, daß die Predigten Quint 12-15 und 22 der Kölner Zeit angehören.“ 11 Doch 1999 verabschiedet sich Ruh mit Vehemenz von dieser Annahme, die bisher sententia communis war, und versucht, ausgehend von der These, „Eckharts Inquisitoren (verdankten) ihr Material vollständig und ausschließlich den Straßburger Kreisen“, darzutun, „daß keine Kölner Predigt des Meisters nachweisbar ist, und daß die Kölner Richter ihr Anklagematerial einzig aus in Straßburg oder früher entstandenen Texten bezogen haben“ 12. Ob auch die ,Armutspredigt‘ bereits zum Straßburger Bestand gehörte, scheint nicht zu klären zu sein. II. Schon seit den Anfängen der deutschen Mystikforschung im 19. Jahrhundert war es das Ziel, die literarische Hinterlassenschaft der mystischen Schriftsteller chronologisch zu ordnen. Das Programm gibt 1887 Wilhelm Preger bei der Untersuchung der Entstehung einiger Predigten Johannes Taulers vor. Er meint, in Johannes Taulers „Lebensumstände könnte es vielleicht einiges Licht bringen, wenn es gelänge, für einzelne seiner Predigten einen sicheren Zeitpunkt zu ermitteln.“ „Ja, liesse sich“, schreibt er, „auch nur für eine derselben das Jahr, in dem sie gehalten wurde, feststellen, so möchte ich glauben, es sei möglich, durch Abschätzung des Gleichartigen oder Ungleichartigen in den übrigen Predigten die Elemente zu finden, aus denen sich die geistige Gestalt des Mannes in einer bestimmten Periode seines Lebens zusammensetzt, und es müsste dann nicht 10
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Cf. J. Koch, Kritische Studien zum Leben Meister Eckharts, in: id., Kleine Schriften I (Storia e letteratura; Raccolta di studi e testi 127), Rom 1973, 247-347, hier: 297-303; J. Quint, in: DW I, 272 sq. Ruh, Meister Eckhart (nt. 1), 136. K. Ruh, Zu Meister Eckharts Kölner Predigten, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 128 (1999), 42-46. Seine neue Sicht der von Eckhart in Köln gehaltenen Predigten hat Ruh bereits ein Jahr früher in seiner Rezension zu K. Jacobi (ed.), Meister Eckhart: Lebensstationen - Redesituationen (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens, N. F. 7), Berlin 1997, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 127 (1998), 460-472, angekündigt, hier 468: „Ich bin jetzt übrigens der Ansicht, daß auch die dem St. Mariengartenkloster in Köln zugeordneten Predigten Q 12-15, 22 und 51 nicht hier, sondern im Straßburger Dominikanerinnenkonvent St. Margarethen gehalten worden sind. Es ist dies auch die ursprüngliche Ansicht Quints (DW I, S. 219 f.).“ In nt. 7, 468, verschweigt Ruh nicht: „Noch in der Geschichte der abendländischen Mystik III, 1996, vertrat ich die alte Auffassung (S. 324).“
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nur sicherer ermessen werden können, welche Predigten einer früheren oder späteren Entwicklungsstufe angehören, sondern auch in wie weit zeitgeschichtliche Umstände auf Tauler eingewirkt haben oder er hinwieder auf dieselben einzuwirken gesucht hat.“ 13 Kurt Ruh will dieses Programm forcieren. 1985 mahnt er an: „Es gehört zu den heute wichtigsten philologischen Aufgaben der Eckhartforschung, das Predigtwerk chronologisch zu ordnen.“ 14 Gegenwärtig zeichnet sich die folgende Chronologie der Predigten Eckharts ab: „(1) frühe Predigten, im Umkreis der ,Reden der Unterweisung‘, (2) Predigten aus der Provinzialatszeit mit dem ,Paradisus anime intelligentis‘ und (3) die Predigten der Straßburger und Kölner Zeit.“ 15 Mit Bewunderung muss die germanistische Eckhart-Forschung auf die lateinische Eckhart-Forschung blicken, der es gelungen ist, die erhaltenen 15 lateinischen Schriften Eckharts überzeugend in ein Zeitraster einzufügen. Freilich, die lateinischen Sermones sind bisher genauso wenig auf ihre zeitliche Entstehung hin untersucht wie eben auch die meisten deutschen. Die lateinische EckhartForschung steht mithin unter dem gleichen Diktat Ruhs, das Predigtwerk Eckharts „chronologisch zu ordnen“. Josef Koch, der Mitherausgeber der lateinischen Sermones und der Verfasser der Einleitung zur Ausgabe, äußert zur Entstehung der Sermones immerhin einige Vermutungen: „Man hat den Eindruck, daß die Sermones zu verschiedenen Zeiten entstanden sind und den Wandel, den Eckharts Denken durchmachte, widerspiegeln.“ 16 Eckhart habe seine lateinischen Predigten in ,Entwurfheften‘ gesammelt und er habe „vielleicht Jahre lang“ an ihnen gearbeitet. Die Entwurfhefte Eckharts, die Vorlage für die Sermones-Sammlung waren, gehörten, so Koch, dem „beginnenden 14. Jahrhundert“ an 17. Dies aber würde bedeuten: der Zeit, in der Eckhart in Erfurt wirkte. Eckhart ist, wie wir wissen, vor 1260 in Tambach bei Gotha geboren. Seine Familie gehörte dem niederen Adel an. Sie ließ ihn wohl mit 18 Jahren in den Dominikanerorden in Erfurt eintreten. Als Dominikanerstudent wurde er drei Jahre in den artes liberales, zwei Jahre in Naturphilosophie und drei Jahre in Theologie an einem Studium particulare unterrichtet, an welchem, wissen wir nicht; vielleicht in Köln, wo er noch Albertus Magnus kennen lernen konnte. In das Licht der Literatur tritt er mit einer ,Collatio in Libros Sententiarum‘ als Bakkalar (Lektor, Dozent) an der Universität Paris, die sich auf Mitte September bis 13
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W. Preger, Die Zeit einiger Predigten Taulers, in: Sitzungsberichte der philos.-philol. und hist. Cl. der k. b. Akad. d. Wiss. zu München, Jg. 1887, vol. 2, München 1888, 317-361, hier: 317; zur Chronologie der Tauler-Predigten cf. R. K. Weigand, Predigen und Sammeln. Die Predigtanordnung in frühen Taulerhandschriften, in: V. Bok/U. Williams/W. Williams-Krapp (eds.), Studien zur deutschen Sprache und Literatur. FS für K. Kunze, Hamburg 2004, 114-155. Ruh, Meister Eckhart (nt. 1), 136. Ibid. Magistri Echardi Sermones, ed. u. übers. v. E. Benz, B. Decker u. J. Koch (Meister Eckhart, Die deutschen und lateinischen Werke, ed. im Auftrage der Deutschen Forschungsgemeinschaft: Die lateinischen Werke, vol. 4 [= LW IV]), Stuttgart 1956, XXX. Ibid., XIV.
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Anfang Oktober 1293 datieren lässt. Diese Festrede zu Beginn seiner Vorlesungsreihe zu den Sentenzen des Petrus Lombardus ist der älteste lateinische Text Eckharts, den wir kennen. Seine erste gehaltene lateinische Predigt ist der ,Sermo paschalis‘, vorgetragen zum Osterfest am 28. März 1294 auf der Kanzel des Dominikanerkonvents St. Jacques in Paris. Ob eine der lateinischen Predigtskizzen der Sermones-Sammlung noch älter als der ,Sermo paschalis‘ ist, wissen wir nicht. „Man darf mit Sicherheit annehmen“, meint Josef Quint, „daß Eckhart von Paris 1294 zu seinem Heimatkonvent in Erfurt zurückkehrte.“ 18 Im Zeitraum zwischen 1294 und 1298 hat er Kollatien mit seinen Konventsbrüdern geführt, die er schriftlich niedergelegt hat, in deutscher Sprache. Einzig aus der Überschrift zu diesen ,Reden‘ wissen wir, dass er Prior von Erfurt und Vikar von Thüringen war: „Das sind die Reden, die er mit solchen geistlichen Kindern [Novizen] geführt hat, die ihn zu diesen Reden nach vielem fragten, als sie zu abendlichen Lehrgesprächen beieinander saßen.“ 19 Die ,Reden der Unterweisung‘ sind die am stärksten verbreitete Schrift Eckharts. Der älteste bekannte Textzeuge, ein Pergament-Doppelblatt der Stiftsbibliothek Zeitz aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, ist im thüringischen Dialekt geschrieben 20. Daraus lässt sich schließen: Die ,Reden‘ sind in Thüringen entstanden und von hier aus verbreitet worden. Im Jahr 1302 promoviert Eckhart an der Pariser Universität zum Magister der Theologie 21. Er hält am 28. August 1302 (oder am 28. Februar 1303), am Fest des hl. Augustinus, eine Predigt, die erhalten ist: ,Sermo die b. Augustini Parisius habitus‘ 22. In der Zeit seines ersten Pariser Magisteriums ver18 19
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J. Quint, in: DW V, 181. Meister Eckharts Traktate, ed. u. übers. v. J. Quint (Meister Eckhart, Die deutschen und lateinischen Werke, ed. im Auftrage der Deutschen Forschungsgemeinschaft: Die deutschen Werke, vol. 5 [= DW V]), Stuttgart 1963, 185-309, hier 185, 1-6: „Daz sint die rede, die der vicarius von türingen, der prior von erfurt, bruoder eckhart predigerordens mit solchen kindern haˆte, diu in dirre rede vraˆgeten vil dinges, doˆ sie saˆzen in collationibus mit einander.“ Dieser Satztitel von Eckharts deutschem Erfurter Hauptwerk bestimmt „Form, Inhalt und Zweckbestimmung“ (Ruh 31) sehr klar. Der heute gebräuchliche Titel wird nur von drei Handschriften (Pr1, Pr2 und M17) verbürgt: ,red der vnterscheidung‘. Er ist nicht ursprünglich. Nach Quint, DW V, 312, nt. 1, muss reden als terminus technicus aufgefasst werden und gibt lateinisch collationes in der Bedeutung von ,abendliche KonferenzGespräche‘ wieder. „Diese Collationes waren“ - so J. Koch, LW IV, XXVIII - „religiöse Ansprachen an die Mitbrüder im Kloster, und die Reden der Unterscheidung geben solche Ansprachen wieder.“ Mit diesem Verständnis stimmt überein, was die ,Regula S. Isidori‘ als Sinn und Aufgabe der collatio angibt: „Collatio erit vel pro corrigendis vitiis instruendisque moribus, vel pro reliquis causis ad utilitatem coenobii pertinentibus.“ Danach trifft instructio den Sinn von underscheidunge am besten, und die richtige Übersetzung von underscheidunge im Neuhochdeutschen ist ,Unterweisung‘ und nicht ,Unterscheidung‘. Cf. J. Quint, in: DW V, 148; F. Bech, Bruchstücke aus Meister Eckhart, in: Germania 20 (1875), 223-226; W. Stammler, Meister Eckhart in Norddeutschland, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 59 (1922), 181-216, hier: 186 sq. Cf. Acta Echardiana, n. 6 (LW V, 158): „Fr. Aychardus, Theutonicus, fuit licentiatus anno domini MCCCII.“ Cf. LW V, 89-99, hier 99, 5 sq.: „Iste sermo sic est reportatus ab ore magistri Echardi de hochheim, die beati Augustini, Parisius.“
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fasst Eckhart Quästionen. Von dreien kennen wir die Texte 23. 1303 kehrt Eckhart wieder nach Erfurt zurück. Hier wird er am 07./08. September 1303 zum ersten Provinzial der neu gegründeten Provinz Saxonia gewählt 24. Der Saxonia gehörten damals 50 Konvente an. Am 14. Mai 1307 wird Eckhart vom Generalkapitel auch zum Generalvikar des Ordensmeisters Aymerich von Piacenza für die böhmische Provinz ernannt 25. Am 8. September 1310 wählt man ihn auf dem Provinzialkapitel der Teutonia in Speyer zum Provinzial. Das Generalkapitel suspendiert diese Wahl und schickt Eckhart ein zweites Mal als Professor an die Sorbonne in Paris. Ein zweites Mal lehrt Eckhart in Paris wie vor ihm auch Thomas von Aquin. Er bleibt bis 1313, kehrt aber dann nicht wieder in die Saxonia zurück, sondern erhält in Straßburg als Generalvikar des Ordensgenerals Berengar von Landora eine neue Aufgabe: die Aufsicht und Betreuung der süddeutschen Frauenklöster des Ordens. Literarisch sind die Straßburger Jahre für Eckhart eine sehr fruchtbare Zeit. „Sicher dürfte sein“, konstatiert Ruh, „daß der Großteil aller überlieferten Meister Eckhart-Predigten in das Straßburger Jahrzehnt fällt.“ 26 Kehren wir in die Erfurter Zeit Eckharts zurück. Zwischen September 1302 und 1310 hat er auf zwei Provinzialkapiteln ,Sermones et Lectiones‘ über das 24. Kapitel des Ecclesiasticus gehalten. Die erste dieser Reden steht, wie Kurt Ruh zeigen konnte, in enger zeitlicher Nähe zu Eckharts Promotion. Erhalten geblieben sind sie, weil Eckhart sie in sein größtes lateinisches Werk, das ,Opus tripartitum‘, eingearbeitet hat. An diesem hat Eckhart in Erfurt vor allem gearbeitet. Er schuf in Erfurt bereits die ,Prologi in Opus tripartitum‘, bevor er in Paris seine Quästionen verfasste. Wer nach deutschen Predigten Eckharts in Erfurt fahndet, wird nicht fündig werden, weil es weder Einzelpredigten noch Predigtsammlungen gibt, die ein genaues Entstehungsdatum tragen. Wer die Suche nicht aufgeben will, kann nur einen Weg beschreiten: Er muss die inhaltlichen Aussagen der deutschen Predigten mit jenen Schriften Eckharts vergleichen, die zeitlich genauer fixiert sind, das sind vorwiegend die lateinischen, und er wird dann bei Feststellung identischer Aussagen diese in entstehungszeitliche Nähe zu den Vergleichstexten rücken. Durch diese Vorgehensweise ist gewiss keine absolute Chronologie erreichbar, aber immerhin eine relative. Erleichtert 23
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Cf. LW V, 37-71: 1. ,Utrum in Deo sit idem esse et intelligere‘ (1302/1303), 2. ,Utrum intelligere angeli, ut dicit actionem, sit suum esse‘ (1302/03), 3. ,Quaestio magistri Consalvi continens rationes magistri Echardi Utrum laus Dei in patria sit nobilior eius dilectione in via‘ (1302/03). Cf. Acta Echardiana, n. 9 (LW V, 159): „Anno domini M ∞CCC ∞III ∞ in capitulo provinciali apud Erphordiam fuit electus primus provincialis Saxonie magister Ekhardus.“ Cf. Acta Echardiana, n. 18 (LW V, 170): „Cum multa digna examinacione et correctione audiverimus de provincia Boemie, statuimus et ordinamus fratrem Aycardum provincialem Saxonie nostrum vicarium generalem in dicta provincia Boemie, dantes sibi plenariam potestatem tam in capite quam in membris, in omnibus et singulis, eciamsi de hiis oporteret fieri mencionem specialem, ut ipse ordinet et disponat, secundum quod sibi videbitur expedire.“ Ruh, Meister Eckhart (nt. 1), 136.
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wird diese Vergleichsarbeit durch Eckhart selbst, der uns in seinen Schriften oft mitteilt, er habe das eben Gesagte schon öfter und in anderen Zusammenhängen gesagt. Eckhart hat durch Rück- und Querverweise seine Schriften vernetzt; die Querverweise helfen, nicht nur Eckharts intertextuelles Vernetzungssystem zu eruieren, sondern auch die zeitlichen Konturen seiner Werke aufzuspüren 27. Ein erstes Beispiel: Weil Eckhart in den Pariser Quästionen 1302/3 ausführt, Gott habe nicht die Wesensbestimmtheit des Seienden, und wir in der deutschen Predigt ,Quasi stella matutina‘ lesen: „Got würket über wesene in der wıˆte, daˆ er sich geregen mac, er würket in unwesene; ˆe denne wesen wære, doˆ worhte got; er worhte wesen, doˆ niht wesen enwas“ („Gott wirkt oberhalb des Seins in der Weite, wo er sich regen kann; er wirkt im Nichtsein. Ehe es noch Sein gab, wirkte Gott; er wirkte Sein, als es Sein noch nicht gab“) 28, schließen wir, dass Eckhart diese deutsche Predigt, die wir aus 13 Abschriften kennen, nach seinem ersten Pariser Magisterium gehalten hat 29. Ein zweites Beispiel: Max Pahncke und Josef Quint haben als Erste bemerkt: Die Predigt 4 ,Omne datum optimum‘ hat einen Rückverweis, der präzise auf die ,Reden der Unterweisung‘ passt. In der Predigt sagt Eckhart: „Ich sprach einest an dirre stat, daz got joch gerner vergibet groˆze sünde dan kleine. Und soˆ sie ie grœzer sint, soˆ er sie ie gerner vergibet und sneller“ („Ich sagte einst an dieser Stätte, daß Gott sogar lieber große Sünden vergibt als kleine. Und je größer sie sind, umso lieber und schneller vergibt er sie“) 30. Diese Aussage findet sich in den ,Reden‘ tatsäch27
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Wie fragil letztlich die Sondierungsergebnisse der vornehmlich intertextuell arbeitenden Vorgehensweise bei der Rekonstruktion einer relativen Chronologie bleiben müssen, lehrt ein Blick auf die Überlieferung der 293 Predigten des Nicolaus Cusanus, die in dem langen Zeitraum zwischen Weihnachten 1430 und dem 5. Juni 1463 entstanden und die in ihrer überwiegenden Mehrzahl genau datierbar und lokalisierbar sind. Deshalb hat J. Koch in seiner grundlegenden Untersuchung ,Vier Predigten im Geiste Eckharts‘, lateinisch-deutsch, Heidelberg 1937, 4, die Predigten des Nikolaus von Kues als „ein ausgezeichnetes Mittel, die innere Entwicklung des Cusanus während dreißig Jahren zu beobachten“, eingeschätzt. Für die großen Entwicklungsetappen mag dies auch zutreffen, doch muss man sehen, dass jede Predigt ein eigenes, in sich geschlossenes literarisches Gebilde darstellt, das wesentlich durch ihren liturgischen Anlass, durch die Hörer, vor denen sie gehalten wurde, und durch die Amtsstellung des Predigers bestimmt ist. Dies bedenkend hat W. Dupre´, Die Predigt als Ort der Reflexion, in: K. Reinhardt/ H. Schwaetzer (eds.), Nikolaus von Kues als Prediger, Regensburg 2004, 101, beobachtet, dass der Zusammenhang der Predigten des Cusanus „gewissermaßen eine Kette von Welten darstellt, die diesen Zusammenhang zwar bestätigen, die sich ihm darin aber auch widersetzen, sofern die durchlaufende Argumentation in jeder Predigt neu beginnt, und an einzelne Verkündigungsworte gebunden bleibt, die gerade ausgesprochen werden“. Cf. dazu näherhin W. A. Euler, Entwicklungsgeschichtliche Etappen und schwerpunktmäßige Themenverschiebungen in den Sermones des Nicolaus Cusanus, in: Die Sermones des Nikolaus von Kues. Symposion I vom 21.-23. Oktober 2004 (im Druck). DW I, 145, 5-7. Siehe zur zeitlichen Einordnung und Deutung der Predigt Ruh, Meister Eckhart (nt. 1), 60-71. Cf. R. Imbach, Deus est intelligere. Das Verhältnis von Sein und Denken in seiner Bedeutung für das Gottesverständnis bei Thomas von Aquin und in den Pariser Quaestionen Meister Eckharts (Studia Friburgensia, N. F. 53), Freiburg/Schweiz 1976, 163. Pr. 4 (DW I, 65, 3-5).
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lich, sogar zweimal: „Und ie die sünde grœzer und meˆrer sint, ie sie got aˆne maˆze gerner vergibet und belder, wan sie im wider sint“ („Und je größer und je schwerer die Sünden sind, umso unermeßlich lieber vergibt sie Gott, und umso schneller, weil sie ihm zuwider sind“) 31; die zweite Stelle: „swem er vergibet, dem vergibet er alzemaˆle und ganz und ouch vil gerner groˆz dan kleine“ („Wem er vergibt, vergibt er voll und ganz und viel lieber Großes als Kleines“) 32. Quint weist noch weitere beträchtliche inhaltliche Übereinstimmungen zwischen beiden Texten nach. So kann Niklaus Largier zu Recht vermuten: „Sollte sich der Rückverweis [48, 30 sq.] tatsächlich auf die ,Reden der Unterweisung‘ beziehen, wäre die Predigt in Erfurt gehalten worden.“ 33 Man darf präzisierend mit Quint hinzufügen: „wahrscheinlich erst während des sächsischen Provinzialats Eckharts (13041311)“ 34. Die Predigt enthält allerdings eine Aussage, die man mit den ,Reden der Unterweisung‘ nicht mehr abgleichen kann. Es ist die Aussage, dass die Geschöpfe an sich betrachtet ein reines Nichts sind, denn ihr Sein hängt ganz und gar von der fortwährenden Gegenwart Gottes ab 35. Die Aussage der Predigt, in der Bulle als art. 26 verurteilt 36, setzt die Lehre ,Esse est deus‘ voraus, die Eckhart erstmals im ,Allgemeinen Prolog‘ des ,Opus tripartitum‘ entwickelt: „Extra esse et ante esse est solum nihil “ („Außerhalb des Seins und vor dem Sein ist allein das Nichts“) 37. Die Abfassung des ,Prologus generalis‘ dürfen wir nach den Forschungen Loris Sturleses „im ersten Teil“ 38 von Eckharts Provinzialat 31 32 33 34 35 36
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DW V, 238, 2-3. DW V, 243, 6-7. Largier, Meister Eckhart: Werke I (nt. 2), 777. DW V, 181. Immerhin sagt Eckhart in den RdU (DW V, 234, 5) bereits: „Got ist ein got der gegenwerticheit.“ M. H. Laurent, Autour du proce`s de Maıˆtre Eckhart. Les documents des Archives Vaticanes, doc. VIII, in: Divus Thomas 39 (Piacenza 1936), 331-447, hier 442: „Vicesimussextus articulus: Omnes creature sunt unum purum nichil. Non dico, quod sint quid modicum vel aliquid, sed quod sint unum purum nichil.“ Prol. gen. in op. trip., n. 12 (LW I, 158, 1): „Amplius quinto: extra esse et ante esse solum est nihil.“ Cf. dazu T. Sua´rez-Nani, Philosophie- und theologiehistorische Interpretation der in der Bulle von Avignon zensurierten Sätze, in: H. Stirnimann (ed., in Zusammenarbeit mit R. Imbach), Eckardus Theutonicus, homo doctus et sanctus. Nachweise und Berichte zum Prozeß gegen Meister Eckhart (Dokimion 11), Freiburg/Schweiz 1992, 31-96, hier: 88-90; R. Manstetten, Esse est Deus. Meister Eckharts christologische Versöhnung von Philosophie und Religion und ihre Ursprünge in der Tradition des Abendlandes, München 1992, 49-54. L. Sturlese, Meister Eckhart in der Bibliotheca Amploniana. Neues zur Datierung des ,Opus tripartitum‘, in: A. Speer (ed.), Die Bibliotheca Amploniana. Ihre Bedeutung im Spannungsfeld von Aristotelismus, Nominalismus und Humanismus (Miscellanea Mediaevalia 23), Berlin-New York 1995, 434-446, hier 443: „Die Materialien, über die“ der Schreiber des Codex Ampl. Fol. 181 „verfügte, stammten alle aus Eckharts Werkstatt, und die Zeit, in der sich diese Fakten abspielten, ist offensichtlich sehr früh anzusetzen. Eckhart hatte noch keinen ,Liber parabolarum Genesis‘ und keinen ,Johanneskommentar‘ geschrieben. Der ,Exoduskommentar‘ war nur geplant, der ,Genesiskommentar‘ befand sich in einem Frühstadium. Interessanterweise lag bereits der allgemeine Plan des ,Opus tripartitum‘ (,Prologi‘) vor, und zwei Reden bei zwei Provinzialkapiteln waren gehalten und redigiert worden. Eine von den beiden Reden ist - wie Kurt Ruh zeigte - in enger zeitlicher Nähe zu Eckharts Promotion (1302) entstanden. Mir scheint kein
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ansetzen. Danach kann Eckhart seine Predigt ,Omne datum optimum‘ als Provinzial der Saxonia in Erfurt gehalten haben. Es verwundert allerdings, dass diese prominente Predigt Eckharts nicht in der Predigtsammlung ,Paradisus anime intelligentis‘ steht. Wenn es stimmt, dass der Sammler des Predigtbuches nur dogmatisch unverfängliche Predigten aufnehmen wollte 39, dann ist es jedoch nur folgerichtig, dass er diese unterschlug, auch wenn sie in Erfurt gehalten wurde. Ein drittes Beispiel: Bisher galten fraglos die ,Reden der Unterweisung‘ als das erste deutsche Werk Eckharts. Da nimmt es wunder, dass Eckhart im 6. Kapitel der ,Reden‘, in dem er vom glıˆchen gemüete handelt, schreiben kann: „Und - als ich meˆr gesprochen haˆn - als man saget von glıˆcheit.“ 40 Ja, er äußert sich in den ,Reden‘ noch ein zweites Mal mit der gleichen Formel, im 10. Kapitel. Es ist eine oft zitierte Stelle, nur wird selten darauf geachtet, dass davor steht: „Als ich meˆr gesprochen haˆn“, nämlich: „wære der mensche alsoˆ in einem ˆınzucke, als sant Paulus was, und weste einen siechen menschen, der eines suppelıˆns von im bedörfte, ich ahtete verre bezzer, daz duˆ liezest von minne von dem und dientest dem dürftigen in meˆrer minne“ („Wäre der Mensch so in Verzückung, wie es St. Paulus war, und wüßte einen kranken Menschen, der eines Süppleins von ihm bedürfte, ich erachtete es für weit besser, du ließest aus Liebe von der Verzückung ab und dientest dem Bedürftigen in größerer Liebe“) 41. Beide Stellen könnten auf eine nach heutigem Kenntnisstand verloren gegangene Predigt verweisen, aus der ein größeres Stück von Jörg Gartner von Lor (Lahr im Elsass), dem Schreiber der bekannten Salzburger Eckhart-Handschrift M I 476 (Sigle S1) 42, im Jahr 1441 exzerpiert worden ist, das zwar Quint noch nicht definitiv als Eckhart-Predigt ansehen
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Zweifel zu bestehen: Wir befinden uns unmittelbar nach seiner Pariser Lehrtätigkeit 1302/03, im ersten Teil seines Provinzialats - in Eckharts Erfurter Zeit.“ Ruh, Meister Eckhart (nt. 1), 62: „Sollte hier ganz bewußt ein Meister Eckhart dokumentiert werden, der mit den verurteilten Sätzen nichts zu tun hat? Es ist nämlich festzustellen, daß der ,Paradisus‘ mit Ausnahme einer Stelle (Nr. 33 = Q 9) - die der Redaktor einfach übersehen haben dürfte und deren ,Häresie‘ im Kontext kaum erkennbar ist - keine Predigten überliefert, denen die päpstliche Bulle die inkriminierten Sätze entnahm.“ DW V, 203, 5 sq. DW V, 221, 4-8. Beschreibung der Handschrift M I 476 (= S1): J. Quint, Neue Handschriftenfunde zur Überlieferung der deutschen Werke Meister Eckharts und seiner Schule. Ein Reisebericht (Meister Eckhart, Die deutschen und lateinischen Werke, Untersuchungen 1), Stuttgart-Berlin 1940, 169-205; Die deutschen Handschriften des Mittelalters der Universitätsbibliothek Salzburg. Unter Mitarb. v. J. Feldner u. P. H. Pascher bearb. v. A. Jungreithmayr (Österreichische Akademie der Wissenschaften; Philos.-hist. Kl., Denkschriften, vol. 196. Veröffentlichungen der Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters; Reihe III, vol. 2), Wien 1988, 69-135; cf. auch G. Steer, Die Schriften Meister Eckharts in den Handschriften des Mittelalters, in: H.-J. Schiewer/K. Stackmann (eds.), Die Präsenz des Mittelalters in seinen Handschriften. Ergebnisse der Berliner Tagung in der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, 06.-08. April 2000, Tübingen 2002, 209-302, hier: 268-270 u. 302 (Abb. 21).
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wollte 43, das aber mittlerweile Freimut Löser für Eckhart reklamiert hat 44. Das von Jörg Gartner abgeschriebene Textstück ist ein Beleg für eine von Eckhart in seiner Erfurter Zeit verfasste Predigt. Mögen die drei Predigten nur spärliche Reflexe einer literarischen Predigttätigkeit Eckharts in Erfurt sein, so wissen wir mit großer Bestimmtheit um ein außergewöhnliches Predigtopus Eckharts, das ebenfalls in unmittelbarem Zusammenhang mit den ,Reden der Unterweisung‘ steht; es ist der Predigtzyklus ,Von der eˆwigen geburt‘, bestehend aus vier Quästionenpredigten. Diese zeigen noch die Form des Lehrgesprächs. Eckhart nennt sie auch selbst reden. Die formalen, terminologischen und inhaltlichen Übereinstimmungen mit den ,Reden der Unterweisung‘ sind frappant. Sie sind in DW IV/1 nachgewiesen 45. Die Zykluspredigten bringen aber im Vergleich mit den ,Reden‘ auch völlig Neues: das Thema der Gottesgeburt. Und neu ist auch, wie Eckhart seine Lehre von der ˆewigen geburt darlegt: „Ich wil iu dise rede bewæren mit natiurlıˆchen reden, daz ir ez selber möhtet grıˆfen, daz ez alsoˆ ist, wie ich doch der schrift meˆ gloube dan mir selber. Aber ez gaˆt iu meˆ ˆın und baz von bewærter rede“ („Zuallererst will ich euch in die Lehre [von der Gottesgeburt] mit Hilfe natürlicher Vernunftgründe einführen, damit ihr selbst begreifen könnt, daß es so ist, obwohl ich der Hl. Schrift mehr glaube als mir selbst. Doch es geht euch mit einer begründenden Darlegung eher und besser ein“) 46. Eckhart will auf dem Boden der Vernunft argumentieren. Solches sagt er nach bisherigem Wissen erst im Johanneskommentar. Da heißt es: „In cuius verbi expositione et aliorum quae sequuntur, intentio est auctoris, sicut et in omnibus suis editionibus, ea quae sacra asserit fides christiana et utriusque testamenti scriptura, exponere per rationes naturales philosophorum“ („Wie in allen seinen Werken hat der Verfasser bei der Auslegung dieses Wortes und der folgenden die Absicht, die Lehren des heiligen christlichen Glaubens und der Schrift beider Testamente mit Hilfe der natürlichen Gründe der Philosophen auszulegen“) 47. Nun ist aber der Johanneskommentar in seiner definitiven Form erst nach 1313 ausgearbeitet worden. Sind die Gottesgeburt-Predigten vielleicht doch erst nach Eckharts zweitem Pariser Magisterium abgeschlossen worden? Man darf eine vergleichbare Äußerung Eckharts im ,Prologus in opus propositionum‘ nicht übersehen. Diese lautet: „Declaratur autem hoc ad praesens dupliciter: primo in exemplis, secundo per rationes“ („Der Satz wird aber an dieser Stelle auf doppelte Weise erläutert: erstens mit Hilfe von Beispielen, zweitens durch Vernunftgründe“) 48. Man hat lange Zeit angenom43
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Quint, Neue Handschriftenfunde (nt. 42), 187, bemerkt zu fol. 223v-224v: „Eckhart (?). Der Text zeigt sehr enge Berührung mit Ausführungen der ,Rede der underscheidunge‘.“ Cf. F. Löser, Der niht enwil und niht enweiz und niht enhaˆt. Drei übersehene Texte Meister Eckharts zur Armutslehre, in: Contemplata aliis tradere. Studien zum Verhältnis von Literatur und Spiritualität, Bern (e. a.) 1995, 391-439, hier: 399-403. Cf. Pr. 101 (DW IV/1, 326-328). Ibid., 342, 1-3. In Ioh., n. 2 (LW III, 4, 4-6). Prol. in op. prop., n. 16 (LW I, 176, 8-9).
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men, das ,Opus tripartitum‘ sei eine Frucht des zweiten Pariser Magisteriums 1311-1313 und der Folgejahre gewesen. Diese Sicht hat Loris Sturlese in seinem Erfurter Aufsatz von 1995 „Meister Eckhart in der Bibliotheca Amploniana. Neues zur Datierung des ,Opus tripartitum‘ “ als irrtümlich erwiesen 49. Er hat zeigen können, dass beträchtliche Teile des ,Dreigeteilten Werkes‘, vor allem die Prologe, bereits vor 1305 abgeschlossen waren. Auch der Sapientiakommentar befand sich um diese Zeit schon „in einem sehr fortgeschrittenen Stadium“ 50. Und gerade mit diesem zeigt der deutsche Predigtzyklus auffälligste gedankliche Parallelen, worauf Karl Albert schon 1984 hingewiesen hat 51. Es fügen sich so die Predigten ,Von der eˆwigen geburt‘ umstandslos in die neue Werkchronologie ein: der Predigtzyklus, von Eckhart in Erfurt verfasst, in der Zeitspanne 1298-1305. Bisher hat man, ausgehend von der Predigt ,Ave, gratia plena‘ 52, angenommen, die Lehre der Gottesgeburt gehöre in Eckharts späte Zeit; und so wurde sie auch in Eckharts Biographie verankert 53. Wenn der zeitliche Ansatz der Entstehung des Predigtzyklus stimmt, ist der Geburtsort der Gottesgeburtslehre Erfurt und nicht Straßburg oder Köln. Wir müssen wohl annehmen, dass Eckharts Ansätze seines Denkens über die Gottesgeburt in die Erfurter Zeit zurückreichen. Diese Annahme widerspricht nicht der Auffassung Loris Sturleses, dass „das Theorem der ,Gottesgeburt‘, das das Charakteristikum und den Mittelpunkt seiner literarischen Tätigkeit in deutscher Sprache bildete, die Endstation eines spekulativen Weges [war], der mit dem nim dıˆn selbes war der Reden begonnen hatte und im lateinischen Werk seine spekulativen Konturen gewonnen hatte“ 54. III. Die drei vorgestellten Einzelpredigten und der Predigtzyklus sind nicht die einzigen Zeugnisse von Eckharts Predigttätigkeit in Erfurt; es gibt sogar eine ganze Sammlung mit lauter Predigten aus Eckharts Provinzialatszeit. Dies jeden49 50 51
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Siehe nt. 38. Ibid., 442. Cf. K. Albert, Meister Eckhart über das Schweigen. In: FS für L. Seppänen (Acta Universitatis Tamperensis; ser. A., vol. 183), Tampere 1984, 301-309. DW I, 375-389. Cf. Ruh, Meister Eckhart (nt. 1), 137: „Predigt Q 22, ,Ave, gratia plena‘, ist durch eine präzise Anspielung des Predigers auf das Zisterzienserinnenkloster St. Mariengarten, wo er ,neulich‘ gesprochen hätte (I 380, 7 f.), sowie durch den Hinweis auf die ,Schule‘ mit ,großen Pfaffen‘ (381, 3), womit nur ein Studium generale gemeint sein kann, für Köln gesichert. Sie hat zum Hauptthema im ersten Teil, der hier allein behandelt werden soll, die Gottesgeburt in der Seele“; cf. auch G. Steer, Meister Eckharts Predigtzyklus von der ˆewigen geburt. Mutmaßungen über die Zeit seiner Entstehung, in: W. Haug/W. Schneider-Lastin (eds.), Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte. Kolloquium Kloster Fischingen 1998, Tübingen 2000, 253-281, hier: 280. L. Sturlese, Meister Eckhart. Ein Porträt (Eichstätter Hochschulreden 90), Regensburg 1993, 1-27, hier: 18.
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falls ist die Meinung von Kurt Ruh. Diese Sammlung ist das Predigtbuch ,Paradisus anime intelligentis‘ 55, überliefert in einer Oxforder und einer Hamburger Handschrift 56. Sie enthält 32 (31 Eckhart namentlich zugeschriebene) Predigten Eckharts und weitere 32 Predigten von neun Dominikanerlektoren (Eckhart Rube, Giselher von Slatheim, Johannes Franke, Hermann von Loveia, Florentius von Utrecht, Albrecht von Treffurt, Thomas von Apolda, Helwic von Germar, Bruder Erbe), einem Karmeliter (Meister Hane) und einem Franziskaner. Gewiss kann sich diese Meinung auch wieder nur auf Indizienbeweise stützen. Diese Beweise sind indes beachtlich: Die beiden ,Paradisus‘-Handschriften kommen der Sprache nach aus Thüringen, die meisten Predigerautoren ebenfalls; und die Schlüsselpredigt der Sammlung, ,Quasi stella matutina‘, vertritt die Doktrin der Pariser Quästionen. Hinzu kommt: Diese Meinung ist schon recht alt; sie hat Tradition. Eduard Sievers hat 1872 die Predigten Eckharts, nur die Predigten Eckharts, aus der Sammlung veröffentlicht. Er schreibt, dass ihre „entstehung auf Erfurt hinzuweisen scheint“ und dass sie „wol dem anregenden einflusse der dortigen würksamkeit Eckharts [zu] verdanken [sei]“ 57. 1909 spricht Adolf Spamer erstmals davon, dass nicht bloß die Sammlung, sondern auch die einzige damals bekannte Handschrift des ,Paradisus‘, die Oxforder Handschrift Cod. Laud. Misc. 479 (Sigle O), „vermutlich auf Erfurt als Entstehungsort hinweist“ 58. 1919 gibt Philipp Strauch die Predigtsammlung nach der Oxforder Handschrift als Ganze heraus 59. Er hält diese Handschrift mit Adolf Spamer weiterhin für die Hauptvertreterin der sog. Mitteldeutschen Handschriftengruppe der mhd. Mystikertexte, untersucht sie aber erstmals sprachlich und plädiert für eine „rheinfränkische Herkunft“ 60. Otto Behaghel glaubt in seiner Rezension 1922 sogar feststellen zu können, dass die Sprachform im Ganzen „aufs nachdrücklichste“ gegen Thüringen und für das Rheingebiet spreche 61. 55
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Paradisus anime intelligentis (Paradis der fornuftigen sele). Aus der Oxforder Handschrift Cod. Laud. Misc. 479 nach E. Sievers’ Abschrift ed. v. Ph. Strauch, Berlin 1919; zweite Auflage ed. u. mit einem Nachw. versehen v. N. Largier u. G. Fournier (Deutsche Texte des Mittelalters 30), Hildesheim 1998. Siehe Abb. 1 (Hamburger Handschrift). Cf. außerdem: H. Eidam/I. Thom/U. Spannaus (eds.), homo doctus - homo sanctus. Wer ist Meister Eckhart? Katalog der Ausstellung, Erfurt 2003, 19, mit einer Abbildung von fol. 1r und Vorderspiegel (hebräischer Text in Quadratschrift des 15. Jahrhunderts) der Hamburger Handschrift H2. E. Sievers, Predigten von Meister Eckhart, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 15 (1872), 373-439, hier: 436. A. Spamer, Zur Überlieferung der Pfeiffer’schen Eckeharttexte, in: PBB 34 (1909), 307-420, hier: 344. Siehe nt. 55. Strauch, Paradisus (nt. 55), XIII. O. Behaghel, Rezension über Philipp Strauch, Paradisus anime intelligentis, in: Literaturblatt für germanische und romanische Philologie 43 (1922), 14: „Ich meine, wenn ein Text von mehr als 130 Druckseiten nicht mehr als ein halbes Dutzend Infinitive ohne n enthält, so spricht das aufs nachdrücklichste gegen Thüringen.“ Auch für Fournier (nt. 55), 189, weisen die Hamburger Handschrift wie „die Oxforder Abschrift auf eine Herkunft aus dem westlichen Mitteldeutschland“. Zur neuerlichen Festschreibung der Herkunft der Handschrift aus Rheinfranken bemerkt Kurt Ruh in seiner Rezension in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 128
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Philipp Strauch äußert auch erstmals Vorbehalte gegenüber der Annahme, die Predigten der Sammlung stammten alle aus Eckharts Erfurter Zeit: „Fraglich ist es, ob wir berechtigt sind, die in der Oxforder Handschrift so reich vertretene Predigt Meister Eckharts in ihrer Hauptmasse der Erfurter Periode seines Wirkens, mithin der Zeit bis c. 1300 zuzuweisen.“ 62 Hier klinkt sich Kurt Ruh in die Forschungsdiskussion ein: Weil dem intellectus „in der Frage der Gotteserkenntnis im ,Paradisus‘ eine zentrale Rolle zukommt, darf man die Entstehung dieser Ansprachen in die Zeit zwischen die beiden Pariser Magisterien, 13031311, ansetzen, die Zeit also, in der Eckhart als erster Provinzial die neugeschaffene Ordensprovinz Saxonia leitete“ 63. Bisher hat es niemand gewagt, die Entstehungszeit der Sammlung so genau zu bestimmen. Ruh weiß dies und sagt es auch. Es gebe „eine Handhabe für ihre Entstehungszeit“ und diese sei „eine Chance, die die Eckhart-Forschung bisher nicht wahrgenommen hat“: „Eckhart vertritt nämlich die Doktrin vom Vorrang des Intellectus einzig hier und in den Pariser Quästionen 1302/1303 in spezifischer Ausformung.“ 64 Ruh will zwei Fassungen des Erfurter Predigtbuches unterscheiden: eine ursprüngliche und eine gekürzte: „[Ich setze] die ursprüngliche Sammlung“, so im Verfasserlexikon 1989, „aus Gründen der Aktualität […] im ersten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts an mit dem Erfurter Dominikanerkloster, Sitz Meister Eckharts in der Zeit seines Provinzialats (1303-1311), als Ort der Erstredaktion. Ihr folgte dann, wiederum nach Ausweis der Sprache, in Erfurt, in den 40er Jahren die in O, H2 überlieferte gekürzte Sammlung.“ 65 Ruh bestimmt auch sehr genau den Zweck des Predigtbuches: Es sei zum Gebrauch der Predigerbrüder bestimmt und stehe außerhalb der cura monialium. Man müsse den ,Paradisus‘ als Hausbuch verstehen, als Erinnerungsbuch, das „die große Zeit des Erfurter Konvents, die Zeit um 1300, als Meister Eckhart mit anderen begabten oder doch tüchtigen Ordensvätern in ihm wirkte, als er zu den Mittelpunkten des Ordens in Deutsch-
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(1999), 113-115, hier 114: „Fournier beschreibt die Geschichte der Oxforder Handschrift präzis und nuanciert. Wir erfahren manches, was über bisher Bekanntes hinausgeht. Nur die ,Herkunft aus dem westlichen Mitteldeutschland‘ (S. 189) ist mehr als fragwürdig. Ich habe, nicht ganz unerfahren in diesem Geschäft, die Sprache von O immer als thüringisch bestimmt und sehe keinen Grund, von dieser Einsicht Abstand zu nehmen. Ich halte so auch den Redaktor, was nun doch das Naheliegendste ist, für einen Thüringer.“ Es scheint an der Zeit zu sein, dass sich kompetente Sprachwissenschaftler und ausgewiesene Kenner der historischen Schreibsprachen des Mitteldeutschen auf eine gründliche Sprachanalyse der Oxforder und der Hamburger ,Paradisus‘-Handschriften, die beide sprachlich engst verwandt sind, einlassen. Die Eckhart-Philologie möchte ihnen heute schon danken. Strauch, Paradisus (nt. 55), X. Ruh, Meister Eckhart (nt. 1), 63. Ibid. Zu Kurt Ruhs Beweisführung gibt L. Sturlese, Meister Eckhart (nt. 54), 26, nt. 86, kritisch zu bedenken: „Ruh hebt […] mit Recht die inhaltlichen Übereinstimmungen hervor, die zwischen der Sammlung und der Lehre der ersten Quaestiones Parisienses aus dem Jahre 1302/03 bestehen; diese Beobachtung würde jedoch erst eine chronologische Bedeutung gewinnen, wenn sich beweisen ließe, daß Eckhart später diese Lehre nicht mehr vertrat.“ K. Ruh, Paradisus anime intelligentis (Paradis der fornuftigen sele), in: id. (ed.), Die deutsche Literatur des Mittelalters: Verfasserlexikon, vol. 7, Berlin-New York 21989, 298-303, hier: 299.
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land gehörte […], [dokumentiert]“ 66. „Es ging somit dem Sammler und Redaktor um diese Verfasser und ihre im Haus gehaltenen oder dort verwahrten Predigten.“ 67 Trotz seiner Festlegungen lässt Ruh ein Fenster für weitere Forschungen offen. Er will nicht ausschließen, „daß die eine oder andere der 32 EckhartPredigten des ,Paradisus‘ nicht in Erfurt gehalten wurde, sondern erst aus späterer Zeit in schriftlicher Gestalt dorthin gelangte […]. Nur philologische Kleinarbeit könnte indes zu konkreten Resultaten führen“ 68. Auf solche konkreten Resultate möchte ich im Folgenden eingehen. 1. Die Frühredaktion des ,Paradisus‘ soll einen ,breiteren Bestand‘ gehabt haben als der in O und H2 dokumentierte Bestand von 64 Predigten. Aber wir kennen keine Handschrift, die uns diese Erstredaktion belegen könnte, auch die Londoner Handschrift des Victoria and Albert Museum, Cod. L 1810-1955 (Sigle Lo4) 69, nicht und auch die Melker Eckhart-Handschriften nicht 70. Ihr Bestand ist auch nicht aus anderen Eckhart-Handschriften oder im Zusammenhang mit ihnen zu rekonstruieren 71. 2. Sehr wohl handschriftlich belegt, mit vier Textzeugen (O, H2, K1, N4), ist das Predigtbuch, dessen Kennzeichen es ist, einen Titel zu haben sowie mit Überschriften zu den einzelnen Predigten versehen zu sein, die einen Kurzinhalt 66
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K. Ruh, Meister Eckharts Pariser Quaestionen 1-3 und eine deutsche Predigtsammlung. Perspektiven der Philosophie, in: Neues Jahrbuch 10 (1984), 307-324, hier: 315. Ruh, Meister Eckhart (nt. 1), 61. Ibid., 63. Cf. F. Löser, Als ich meˆ gesprochen haˆn. Bekannte und bisher unbekannte Predigten Meister Eckharts im Lichte eines Handschriftenfundes, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 115 (1986), 206-227. Lo4 bietet acht Abschriften von Predigten, deren Text aus anderen Handschriften bekannt ist: Die handschriftlichen Vergleiche der Predigten 32, 33, 61, 82, 87, 91, 95 und 96 geben keinen Hinweis auf eine nächste Verwandtschaft der Handschrift Lo4 mit den Handschriften O und H2. Freimut Löser kann lediglich eine Vermutung vermerken: „Die neuentdeckte Londoner Hs., deren Bedeutung für den ,Paradisus‘ ich darzustellen versuchte, könnte auf Vorlagen zurückgehen, die an der Nahtstelle zwischen den ,Kölner Klosterpredigten‘ und dem ,Paradisus anime intelligentis‘ gestanden haben dürften“ (227). Cf. F. Löser, Meister Eckhart in Melk. Studien zum Redaktor Lienhart Peuger. Mit einer Edition des Traktats ,Von der sel wirdichait vnd aigenschafft‘ (Texte und Textgeschichte 48), Tübingen 1999. Löser kann zwar „eine enge Verwandtschaft der Melker Sammlung mit der mitteldeutschen ,Gruppe‘ der Eckhartüberlieferung“ (268), zu der die Handschriften O, H2, K2, Wo1, Lo4, B6, B10 und Lo1 zu zählen sind, wahrscheinlich machen, aber eine gemeinsame Textform zwischen den ,Paradisus‘-Handschriften und den Melker Eckhart-Handschriften kann nicht sichtbar gemacht werden. Dies trifft auch auf die Nürnberger Handschrift Cent. IV 40 (Sigle N1) zu, die Kurt Ruh, Verfasserlexikon 7 (nt. 65), 299, zur „Streuüberlieferung des ,Paradisus anime intelligentis‘-Korpus“ rechnet, obwohl er zugestehen muss, dass das „Textverhältnis zum ,Paradisus anime intelligentis‘ noch nicht geklärt (ist)“. Ruh benennt ,16 Parallelstücke‘ zu O und H2. Die individuellen Textcharakteristika der Handschrift N1 lassen zwar ursprünglichere Textformen der Predigten erkennen, so besonders bei der Predigt 95 (DW IV/1, 150-175; cf. das Stemma 172), nicht aber Konturen einer umfänglicheren Predigtsammlung, als sie die Handschriften O und H2 bieten.
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der Predigt geben und den Autor der Predigt nennen. Die Überschriften stehen dabei nicht vor den einzelnen Predigten, wie im Tauler-Druck, sondern in einem Register 72 vor den 64 Predigten. Zudem zeigen die ,Paradisus‘-Predigten im Vergleich mit der Parallelüberlieferung eine eigene Textform, auch und gerade in der ,Quasi stella matutina‘-Predigt. Deshalb sollte man nur diese Textfassung, nach Ruh die gekürzte Sammlung, als ,Paradisus‘-Sammlung bezeichnen. 3. In die gekürzte Sammlung, den eigentlichen ,Paradisus‘, nach Ruh in den 40er Jahren des 14. Jahrhunderts in Erfurt geschaffen, können Predigten aus allen Lebensperioden Eckharts eingegangen sein. Und so war es wohl auch. Die ,Paradisus‘-Predigt 15 ,Sedebat Jesus docens in templo‘ 73 kann auf 1294 datiert werden wegen ihrer inhaltlichen Bezüge zum lateinischen ,Sermo paschalis‘ 74; die Predigt ,Quasi stella matutina‘ auf die Zeit unmittelbar nach 1303 wegen ihrer inhaltlichen und historischen Bezüge zu den Pariser Quästionen; und die Predigt ,Sta in porta‘ (Paradisus, Nr. 20) auf eine spätere Zeit wegen ihrer Kölner Herkunft. Freimut Löser hat dargelegt, dass sie nicht vor Eckharts Erfurter Mitbrüdern, sondern „mit Sicherheit in Köln (und dort wahrscheinlich vor den Nonnen des Benediktinerinnenklosters St. Machabaeorum) gehalten wurde“ 75. Ist dem so, dann kann sie nicht vor 1323/1327 in die ,Paradisus‘-Sammlung aufgenommen worden sein. 4. Es gibt für den Zeitpunkt der Entstehung der Sammlung, nicht der Entstehung der Predigten der Sammlung, einen konkreten Anhaltspunkt. Er liegt im Titel der Sammlung. Er heißt ,Paradisus anime intelligentis‘, deutsch: ,Dit buchelin heizit ein paradis der fornuftigin sele‘. Nach Ruhs Recherchen gibt es im ganzen Mittelalter diesen Titel nur hier. Weit verbreitet ist hingegen der Titel ,Paradisus animae‘. Ruh vermutet als Quelle der Titelgebung eine Textstelle bei Alcher von Clairvaux: „Anima […] similis est […] Deo per intelligentiam.“ 76 Wenn in den Titel tatsächlich das dominikanische Programm des Vorranges der Vernunft vor dem Willen eingeschrieben sein soll, dann erscheint die Alcher-Stelle recht unspezifisch, denn sie sagt nur, dass die intelligentia das Seelenvermögen ist, „das zur Teilnahme am Göttlichen befähigt“. In der ,Paradisus‘-Sammlung selbst müsste der Ausdruck vernünftige seˆle stehen. Steht er auch, aber nur einmal, 72 73 74
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Siehe Paradisus (nt. 55), 1-7. Pr. 90A (DW IV/1, 54-71). Cf. M. J. A. van den Brandt, Gotsontvankelijkheit en ,fornuftikeit‘. De Eckhartpreken uit de Paradisus anime intelligentis, Nijmegen 1993, 176-179; id., Die Eckhart-Predigten der Sammlung Paradisus anime intelligentis näher betrachtet, in: M. J. F. M. Hoenen/A. de Libera (eds.), Albertus Magnus und der Albertismus. Deutsche philosophische Kultur des Mittelalters (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 48), Leiden-New York-Köln 1995, 173-187, bes. 181-183. F. Löser, Predigt 19, Sta in porta domus domini, in: G. Steer/L. Sturlese (eds.), Lectura Eckhardi I, Stuttgart-Berlin-Köln 1998, 117-149, hier: 149. Cf. K. Ruh, Deutsche Predigtbücher des Mittelalters, in: id., Kleine Schriften II: Scholastik und Mystik im Spätmittelalter, ed. v. V. Mertens, Berlin-New York 1984, 296-317, hier: 315 sq.
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versteckt in der Predigt ,Quae est ista‘ 77: „Daz meinet eine ieglıˆche vernünftige seˆle, diu von rehter waˆrheit keine ruowe vindet an den creˆatuˆren.“ 78 Die programmatische Weite, die der Titel des ,Paradisus‘-Predigtbuches aufreißt, ist aus dieser Stelle nicht zu erspüren, wohl aber aus einem lateinischen Werk Eckharts, genauer, aus dem ,Liber parabolarum Genesis‘, bei der Auslegung von Gen. 2, 9: „lignum etiam vitae in medio paradisi lignumque scientiae boni et mali“ („[Gott ließ aus dem Erdboden aufsprießen] den Baum des Lebens mitten im Paradies und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen“) 79. Jeder gelehrte Dominikanerbruder, auch der ,Paradisus‘-Sammler, wusste, dass man in den ,Etymologien‘ Isidors 80 77 78 79
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Paradisus, Pr. 37 = Pr. 93 (DW IV/1, 124-137). Ibid., 128, 39 sq. Siehe Tabula auctoritatum Libri parabolarum Genesis, Capitulum secundum (LW I, 466, 1013): „Lignum etiam vitae in medio paradisi. Ibi invenies quinque rationes breves et bonas probantes quod intellectus est praestantior quam voluntas et sextam probantem quod beatitudo consistit in intellectu“ („Auch der Baum des Lebens mitten im Paradies. Dort findet man fünf kurze und gute Beweisgründe dafür, daß der Verstand vor dem Willen den Vorrang hat, und einen sechsten, der beweist, daß die Seligkeit in der intellektuellen Schau [Gottes] besteht“); In Gen. II, nn. 80-83 (LW I, 542, 1-5): „Lignum etiam vitae in medio paradisi lignumque scientiae boni et mali. Notandum quod in regione rationali sive intellectuali sunt duae potentiae, intellectus scilicet et voluntas, intellectus vero praestantior est. De quo post in quarta auctoritate circa finem, et patet ad praesens ex quinque“ („Auch den Baum des Lebens mitten im Paradies und den Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen. Es ist zu bemerken, daß es im Bereich der Vernunft oder des Verstandes zwei Vermögen gibt, Verstand und Wille, [unter denen] jedoch der Verstand den Vorrang hat. Hierüber [wird] gegen Ende [der Auslegung] des folgenden Schriftwortes [v. 16 sq.] gehandelt. An dieser Stelle seien dafür fünf Gründe genannt“); nn. 82-83 (LW I, 543, 9-544, 7): „Ex praemissis patet primo, propter quod lignum vitae et lignum scientiae boni et mali dicuntur producta in medio paradisi, id est ›in‹ regione intellectuali duo quaedam, intellectus et voluntas. Patet etiam secundo, quare praemittit lignum vitae, quod intellectum figurat, qui est ›radix‹ vitae animae rationalis, secundum illud Ioh. 1: ,quod factum est, in ipso‘, scilicet verbo in intellectu paterno, ,vita erat‘. Addit autem consequenter lignum scientiae boni et mali, quod utique ad voluntatem pertinet et ad res extra, secundum illud supra primo capitulo: ,vidit deus cuncta quae fecerat, et erant valde bona‘. Ex praemissis patet etiam quinta ratio, quod intellectus sit praestantior quam voluntas. Omne enim vivum praestantius est omni non vivo. Sed intellectus ex sui ratione vivus est, non autem voluntas“ („Aus dem Gesagten erhellt erstens, weshalb es heißt: Der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen wurden mitten im Paradies hervorgebracht. Denn im geistigen Bereich [der Seele] gibt es zweierlei, Verstand und Wille. Zweitens erhellt auch, warum er den Baum des Lebens zuerst nennt. Er ist das Sinnbild des Verstandes, der die Wurzel des Lebens der vernünftigen Seele ist, nach dem Wort: ,was geworden ist, war in ihm‘, nämlich im Wort, das im väterlichen Verstand ist, ,Leben‘ [ Joh. 1, 3 sq.]. Danach aber fügt er hinzu: den Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen. Das gehört ja zum Willen und zu den äußeren Dingen, nach jenem Wort: ,Gott sah alles an, was er gemacht hatte, und es war sehr gut‘ [1, 31]. Aus dem Gesagten erhellt auch der fünfte Grund dafür, daß der Verstand den Vorrang vor dem Willen hat. Alles Lebendige hat ja den Vorrang vor allem Leblosen. Der Verstand ist aber seinem Wesen nach lebendig, der Wille hingegen nicht“); n. 83 (LW I, 545, 4-6): „Hinc etiam patet quod beatitudo, cum sit vita aeterna, proprie consistit in intellectu sive in cognitione dei per essentiam, secundum illud Ioh. 17 [3]: ,haec est vita aeterna, ut cognoscant te solum verum deum‘ “ („Hieraus erhellt auch, daß die Seligkeit, die ja das ewige Leben ist, in der geistigen Schau oder der Erkenntnis Gottes seinem Wesen nach besteht, nach dem Wort: ,das ist das ewige Leben, daß sie dich, den allein wahren Gott, erkennen‘ [ Joh. 17, 3]). Cf. Isidorus Hispalensis, Etymologiae XIV, c. 3, n. 2.
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eine erste und verbindliche Erklärung des Wortes paradisus finden konnte. Auch Eckhart bezieht sich im ,Liber parabolarum Genesis‘ auf Isidor: „Paradisus enim ,hortus deliciarum‘ est.“ 81 Wichtig an der Exegese Eckharts von Gen. 2, 9 ist, dass er 1. das lignum vitae den intellectualia zuordnet 82, 2., dass er sie mit der Frage nach dem Vorrang von Verstand und Wille verbindet und 3., dass er eine Antwort auf die Frage gibt, worin die Seligkeit bestehe. Jeder, der die Exegese von Gen. 2, 9 bei Eckhart nachlas, geführt von der Tabula 83 - und ich nehme an, der ,Paradisus‘-Kompilator hat dies getan -, konnte alle drei semantischen Elemente finden, die in den Titel ,Paradisus anime intelligentis‘ eingegangen sind, und zwar genau in der Zusammenfassung von Eckharts Exegese: „Aus dem Gesagten erhellt erstens, weshalb es heißt, ,der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen‘ wurden ,mitten im Paradies‘ hervorgebracht, id est in regione intellectuali duo quaedam, intellectus et voluntas (d. h. im geistigen Bereich [der Seele] gibt es zweierlei, Intellekt und Wille).“ Somit erster Bestandteil des Titels: paradisus = regio intellectualis. Eckhart fährt fort: „Patet etiam secundo, quare praemittit lignum vitae, quod intellectum figurat“ („Zweitens erhellt auch, warum er den ,Baum des Lebens‘ zuerst nennt. Er ist Sinnbild des Intellekts“). Somit zweitens: der ,Baum des Lebens‘ in der Mitte des Paradieses = Intellekt = intelligens. Eckhart fährt fort: „[intellectus], qui est ,radix‘ vitae animae rationalis“ („der Intellekt, der die Wurzel des Lebens der vernünftigen Seele ist“). Somit der dritte Bestandteil des Titels: anima (seˆle). Der ,Liber parabolarum Genesis‘ ist Eckharts letztes lateinisches Werk vor der ,Responsio‘, der sog. ,Rechtfertigungsschrift‘. Der genaue Zeitpunkt seines Abschlusses ist unbekannt. Loris Sturlese vermutet: „erst nach der zweiten Entsendung Eckharts als Professor nach Paris (1311-1313), und zwar in dem Dezennium, das er nach seiner Rückkehr nach Deutschland in Straßburg verbrachte (1313-1323)“ 84. Besteht die Annahme zu Recht, dass der ,Paradisus‘-Redaktor den ,Liber parabolarum Genesis‘ gekannt hat, lässt sich die Zeit der Predigtenzusammenstellung auf wenige Jahre komprimieren: nach Abfassung des ,Liber parabolarum Genesis‘, nach Abfassung der Kölner Predigt ,Sta in porta‘ (etwa 1325) und vor der Fertigstellung der ,Sermones novi‘ des Nikolaus von Landau (etwa 1340) 85, worin sich Textstücke aus der ,Paradisus‘-Sammlung eingearbeitet finden 86. Obwohl es nahe liegt anzunehmen, der Redaktor des ,Paradisus‘-Predigtbuches gehöre zur Teutonia und stünde den Kölner Dominikanern nahe, kann er 81 82
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In Gen. II, n. 154 (LW I, 625, 1 sq.). In Gen. I, n. 203 (LW I, 351, 14-16): „,ex omni ligno paradisi comede‘, quantum ad intellectualia; ,de ligno autem scientiae boni et mali ne comedas‘, quantum ad sensibilia“ („ ,Iß von allen Bäumen des Paradieses‘ - das sind die geistlichen [Genüsse] - ,aber vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen‘ [2, 16 sq.) - das sind die sinnfälligen [Dinge]“). Cf. nt. 79. Sturlese, Meister Eckhart (nt. 54), 17. Cf. K. Ruh, Nikolaus von Landau OCist, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters: Verfasserlexikon, vol. 6, Berlin-New York 21987, 1113-1116. Cf. H. Zuchhold, Des Nikolaus von Landau Sermone als Quelle für die Predigt Meister Eckharts und seines Kreises (Hermaea 2), Halle/Saale 1905.
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sehr wohl auch den ,Paradisus‘ im Dominikanerkloster Erfurt kompiliert haben, wenn ihm im vierten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts der ,Liber parabolarum Genesis‘-Text und mehrere Sammlungen deutscher Predigten zur Hand waren. Eine solche Konstellation ist nicht singulär. Sie ist vergleichbar derjenigen im Melk des 15. Jahrhunderts: Lienhart Peuger „verfügte über eine umfangreiche mitteldeutsche Sammlung von Eckhartpredigten“. Zu dieser gehörten auch Predigten Johannes’ von Sterngassen, Florentius’ von Utrecht, Meister Hanes, Meister Gerhards und zwei der sog. Kölner Klosterpredigten. „Nicht alle ihre Texte hat“ Peuger „in die Codices 1865 und 705 übernommen; diejenigen, die er übernahm, hat er teilweise gekürzt.“ 87 Die Konstellation ist auch vergleichbar dem Arrangement des Basler Tauler-Druckes von 1521 durch den Kartäuser Georg Carpentarius, der zwischen die Tauler-Predigten 61 Predigten Eckharts aus Basler Handschriftenbeständen inseriert und mit einem längeren Vorspruch versehen hat 88. Schließlich: Die Konstellation gleicht in etwa auch derjenigen in Köln in der Vorphase des Inquisitionsprozesses gegen Eckhart, als Hermann von Summo und Wilhelm von Nidecke aus deutschen und lateinischen Schriften Eckharts Sätze exzerpierten, um ihn mit diesen der Häresie zu überführen 89. Nach dem Eckhart-Prozess und nach Eckharts Verurteilung mögen deutsche Dominikaner begonnen haben, zu Eckharts ,Ehrenrettung‘ 90 seine Schriften zu sammeln und sich damit mit Eckhart zu solidarisieren. Ein Zeugnis hoher Eckhart-Bewunderung ist die Basler Handschrift K, die Auszüge aus dem gesamten lateinischen Werk Eckharts versammelt und deren Entstehungsspuren letztendlich ins Kölner Dominikanerkloster führen 91. Loris Sturlese nennt solche Dominikaner, die Eckharts Lehre schätzen und weitertradieren, ,Eckhartisten‘ 92, Kölner ,Eckhartisten‘, weil sie hier ihr Zentrum hatten. Das Außergewöhnliche der historischen Deutung der ,Paradisus‘-Sammlung Kurt Ruhs ist, dass er ihren anonymen Kompilator nicht als einen heimlichen Eckhartisten und auch nicht als einen Vertreter der Lehrdoktrin einer bestimmten Tradition innerhalb des Dominikanerordens sehen will, sondern als einen nostalgischen Erfurter Dominikaner, der „um 1340“ mit einem Predigtbuch die große Zeit seines Klosters unter Meister Eckhart dokumentiert, die er „als junger Mann erlebt haben [mochte]“ und an die er „mit einer gewissen Wehmut [zurückdenkt]“ 93. „Es 87 88 89
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Löser, Meister Eckhart (nt. 70), 269. Cf. Steer, Die Schriften (nt. 42), 264-266. Cf. id., Zur Authentizität der deutschen Predigten Meister Eckharts, in: H. Stirnimann (ed., in Zusammenarbeit mit R. Imbach), Eckardus Theutonicus, homo doctus et sanctus. Nachweise und Berichte zum Prozeß gegen Meister Eckhart (Dokimion 11), Freiburg/Schweiz 1992, 127168, bes. 127-135. Cf. Ruh, Deutsche Predigtbücher (nt. 76), 315. Cf. Steer, Die Schriften (nt. 42), 217; Th. Kaeppeli, Eine Kölner Handschrift mit lateinischen Eckhart-Exzerpten, in: Archivum Fratrum Praedicatorum 31 (1961), 204-212. Cf. L. Sturlese, Die Kölner Eckhartisten. Das Studium generale der deutschen Dominikaner und die Verurteilung der Thesen Meister Eckharts, in: A. Zimmermann (ed.), Die Kölner Universität im Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 20), Berlin-New York 1989, 192-211. Ruh, Meister Eckhart (nt. 1), 62.
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geht, so scheint es, darum, die illustre Schar bedeutender Männer des Ordens, die in der Glanzzeit des Hauses in Erfurt tätig waren oder mit Erfurt in näherer Beziehung standen, in einem Erinnerungsbuch zu bewahren.“ 94 Ruhs Deutung der ,Paradisus‘-Sammlung als ,Hausbuch‘ des Erfurter Dominikanerklosters erinnert an ein anderes bekanntes ,Hausbuch‘, das annähernd zur gleichen Zeit angelegt wurde, in Würzburg, durch den bischöflichen Protonotar Michael de Leone (um 1300-03. 01. 1355) 95. Aus Würzburger Lokalinteresse hat er in sein literarisches Sammelwerk Lieder Walthers von der Vogelweide und Reinmars von Hagenau aufgenommen, neben anderen Werken zeitgenössischer Literatur. 5. Dass der anonyme Redaktor tatsächlich erst in den 40er Jahren des 14. Jahrhunderts gearbeitet hat und dass ihm keine originalen Schriften des Erfurter Klosters, sondern sekundäres Quellenmaterial zur Verfügung stand, kann die Textüberlieferung von Predigt 46 der ,Paradisus‘-Sammlung 96 beweisen. Die Predigt war in zwei Fassungen verbreitet, in einer originalen mit dem Textwort ,Os suum aperuit sapientiae‘ und in einer redigierten, ja depravierten Textgestalt mit dem Textwort ,Beatus homo qui invenit sapientiam‘. Letztere hat der ,Paradisus‘-Redaktor übernommen. Hätte man Eckhart diese Predigt als die seine unter die Augen gelegt, hätte er sie mit den gleichen Worten zurückweisen müssen, wie er die Predigt ,Intravit Iesus in quoddam castellum‘ zurückwies: „Es ist in dieser Predigt viel Dunkles und Zweifelhaftes, was ich niemals gesagt habe.“ 97 Schon die unterschiedliche Wiedergabe eines Hugo von St. Viktor-Zitates lässt erkennen, wie sehr der Bearbeiter in die originale Textgestalt Eckharts, die in der Fassung B erhalten ist, eingegriffen hat. Es ist erkenntniserhellend, darauf zu achten, welche Handschriften diese Sekundärversion, obwohl sie unter dem Namen Eckhart läuft, überliefern: Es sind die Handschriften O und H2, die Londoner Handschrift Lo4 und die Melker Handschriften Me2 und Me3. Das Beispiel zeigt: Eckhart selbst hat keinen Einfluss mehr auf die Gestaltung des Predigtbuches gehabt. Es wurde nach seinem Tode erstellt. Und sein Redaktor kannte Eckhart auch nur noch über vermittelnde literarische Instanzen. So viel scheint gewiss zu sein: Die Predigtsammlung ,Paradisus‘ spiegelt nicht als Ganze Eckharts literarische Aktivitäten in Erfurt; einige Predigten dürften jedoch in ihr bewahrt sein, die er tatsächlich in Erfurt gehalten hat. Ich komme zum Schluss. Die großen Gedanken der abegescheidenheit, des Freiwerdens von sich selbst, der äußersten Armut sowie der Gottesgeburt und des Einsseins in Gott hat Eckhart in Erfurt zu denken begonnen. Er hat sie weiterentwickelt, präzisiert und mit immer neuen Begriffen, Bildern und Vergleichen 94 95
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Ruh, Paradisus (nt. 65), 300. G. Kornrumpf, Michael de Leone, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters: Verfasserlexikon, vol. 6, Berlin-New York 21987, 491-503. Pr. 95A (DW IV/1, 150-201). Proc. Col. I, n. 147 (LW V, 303, 1 sq.): „ ,In anima est quoddam castellum‘ etc. In hoc sermone multa sunt obscura et dubia et quae numquam dixi.“
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verdeutlicht. Aus seinen verschiedenen Schriften, lateinischen wie deutschen, ist dies herauszulesen. Kennten wir diese in der genauen Abfolge ihrer Entstehung, könnten wir noch bestimmter als heute sagen: Die Erfurter Jahre waren für Eckhart die wichtigsten in seinem Leben.
Meister Eckhart in Bewegung. Das mittelalterliche Erfurt als Wirkungszentrum der Dominikaner im Licht neuerer Funde Freimut Lˆser (Augsburg) Im folgenden Beitrag werden neuere Funde (vor allem Handschriften- und Textfunde aus den 80er und 90er Jahren) vorgestellt. Da einer anderen Publikation nicht vorgegriffen werden soll, können von den neuesten Entdeckungen am Ende des Beitrages nur zwei erwähnt werden. Alle diese Funde betreffen Texte Meister Eckharts. Bei ihrer Vorstellung soll zunächst die Frage im Mittelpunkt stehen, was sie für die beiden Komplexe ,Eckhart in Bewegung‘ und ,Erfurt im Zentrum‘ bedeuten könnten.
I. 1. ,Eckhart in Bewegung‘ Bei dieser Formulierung mag man sich daran erinnern, dass das Wortfeld bewegunge, bewegen bei Eckhart eine Rolle spielt, etwa, wenn er definiert: „Nur das Ding lebt, das Bewegung aus seinem Eigenen nimmt.“ 1 Von Eckhart lässt sich mit Gewissheit sagen, dass er seine bewegunge aus sıˆnem eigene nahm; vielleicht ist er eben deshalb so lebendig. Aber was bewegte ihn? Nimmt man den Titel wörtlich, und räumlich, dann sieht man Eckhart ständig in Bewegung: von Tambach nach Erfurt, nach Köln, Paris, zurück nach Erfurt, wieder Paris, erneut Erfurt, Straßburg, Köln, Avignon, dazwischen die General1
Pr. 46 (DW II, 383, 10-384, 2) nach der Übersetzung J. Quints, ibid., 708. Benutzte Eckhartausgaben: DW I-III = Meister Eckharts Predigten, ed. u. übers. v. J. Quint, Stuttgart 1958, 1971 u. 1976; DW V = Meister Eckharts Traktate, ed. u. übers. v. J. Quint, Stuttgart 1963; DW IV/ 1 = Meister Eckharts Predigten, ed. u. übers. v. G. Steer unter Mitarb. v. W. Klimanek u. F. Löser, Stuttgart 1997 sqq.; F. Jostes, Meister Eckhart und seine Jünger, Freiburg/Schweiz 1895, Neuaufl. mit einem Wörterverzeichnis v. P. Schmitt u. einem Nachw. v. K. Ruh, Berlin-New York 1972; Paradisus anime intelligentis (Paradis der fornuftigen sele). Aus der Oxforder Handschrift Cod. Laud. Misc. 479 nach E. Sievers’ Abschrift ed. v. Ph. Strauch, Berlin 1919; zweite Auflage ed. u. mit einem Nachw. versehen v. N. Largier u. G. Fournier (Deutsche Texte des Mittelalters 30), Hildesheim 1998; F. Pfeiffer, Deutsche Mystiker des vierzehnten Jahrhunderts, vol. 2, Leipzig 1857, Nachdr. Aalen 1962.
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kapitel in Toulouse, Straßburg und Piacenza, die vielen Zwischenstationen mit den Klostergründungen durch die Provinzkapitel und die Reisen, die Predigertätigkeit in den verschiedensten Klöstern gar nicht gerechnet 2. Manche der Lebensstationen sind relativ gut erforscht (Köln, Paris, Straßburg, jetzt also auch Erfurt). Dazwischen klaffen Lücken. Was wissen wir schon beispielsweise über Eckharts Tätigkeit als Generalvikar der böhmischen Provinz (seit 1307 als Leiter der Saxonia von Erfurt aus)? Urkunden, Briefe, Lebenszeugnisse, Berichte von Nonnen, die ihm begegneten, zeigen Eckhart unterwegs. Seine Texte selbst aber spiegeln kaum etwas von dieser Bewegung. „Doˆ ich hiute her gienc, doˆ gedaˆhte ich, wie ich iu alsoˆ vernünfticlıˆche gepredigete, daz ir mich wol verstüendet“ 3 - eine solche Äußerung zeigt immerhin, dass Eckhart, als Prediger unterwegs, um diese Art ,Bewegung‘ wusste und sie auch erwähnte, dies aber eher nebenbei. Eine Äußerung wie „Man liset hütt da haime¯ [= ,hierzulande‘] in der epistel “ 4 zeigt gleichzeitig, dass dem bewegten Prediger regionale Unterschiede bewusst sind und dass diese regionalen Differenzen die Liturgie und den Predigttext betreffen. Eckhart erwähnt die Räume, in denen er sich bewegt, freilich kaum je konkret in seinen Predigten. Die Klosternamen, die er in den deutschen Predigten nennt - sent merueren und meirgarden - bezeichnen mit Sicherheit zwei Kölner Klöster, nicht, wie K. Ruh zuletzt gemeint hat, St. Margareten in Straßburg 5. Auch der Kölner Schule, in der er studierte, gedenkt der junge Eckhart, wenn er im sermo paschalis in Paris am 18. April 1294 Albertus Magnus erwähnt: „Albertus saepe dicebat.“ Erfurt freilich wird durch Eckhart nicht genannt. Seine Erwähnung bleibt den Handschriften vorbehalten: „Das sind die Reden, die der Vikar von Thüringen, der Prior von Erfurt, Bruder Eckhart, Predigerordens, mit solchen Kindern geführt hat, die ihn zu diesen Reden nach vielem fragten, als sie zu abendlichen Lehrgesprächen beieinander saßen.“ So werden in zahlreichen Handschriften die ,Rede der underscheidunge‘ eingeführt. Aber wie authentisch ist diese Einführung und von wem stammt sie? Eine Überlieferungsgeschichte der Werke Eckharts ist seit langem ein Desiderat der Forschung. Mit den reich überlieferten ,Reden‘ könnte man den Anfang machen und dabei auch die Frage untersuchen, von welchem Moment der Textgeschichte an die ,Reden‘ so charakterisiert wurden. Denn in Bewegung wird Eckhart auch durch die Handschriften versetzt. Das reicht von den regionalen Aspekten der ostmitteldeutschen, rheinischen oder alemannischen Überlieferung zu solchen des Verständnisses. Die mitteldeutsche 2
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Dazu etwa J. Koch, Kritische Studien zum Leben Meister Eckharts, in: id., Kleine Schriften I (Storia e letteratura; Raccolta di studi e testi 127), Rom 1973, 247-347; H. Eidam/I. Thom/ U. Spannaus (eds.), homo doctus - homo sanctus. Wer ist Meister Eckhart? Katalog der Ausstellung, Erfurt 2003. Pr. 48 (DW II, 416). Pr. 63 (DW III, 74, 1). Cf. DW I, 322 sq.; F. Löser, Predigt 19, Sta in porta domus domini, in: G. Steer/L. Sturlese (eds.), Lectura Eckhardi I, Stuttgart-Berlin-Köln 1998; demnächst id., Meister Eckharts Kölner Predigten.
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Überlieferung scheidet sich in einen Zweig, der eher im Ostmitteldeutschen/ Thüringischen seinen Ausgangspunkt nahm (um die Handschrift aus Kassel, deren Texte E. Sievers edierte, mit Ausläufern in den fränkisch-nordbayrischen Raum), und in eine westmitteldeutsche Sparte (mit dem Zentrum in Köln und Ausläufern in den Niederlanden). Dazu kommt die südwestdeutsche Überlieferung und die zahlenmäßig kleine bairisch-österreichische Abteilung mit ihren Sonderbedingungen. Kaum ein Schreiber/eine Schreiberin hat Eckhart unverändert gelassen. Sie waren von ihm bewegt und versetzten - deshalb - seine Texte in Bewegung. Der dominikanische Ordensbruder, der die Sammlung des ,Paradisus anime intelligentis‘ redigierte und aus dominikanischer Warte die Vorrangstellung des intellectus gegen die Franziskaner hervorhob, behandelte Eckharts Texte dabei anders als der benediktinische Laienbruder, dem am Klostergelübde der Demut lag. Damit ist ein weiteres Movens erwähnt, das dem ,Entwurf Eckhart‘ Bewegung verlieh: die verschiedenen geistlichen Orden. Dass sich das ,Konzept Meister Eckhart‘, das seine Ordensbrüder Tauler und Seuse entwarfen, von dem des Zisterziensers Nikolaus von Landau oder dem des Franziskaners Marquard von Lindau unterschied, ist evident. Auch bei den AugustinerEremiten fand Eckhart verständnisvolle und kongeniale Aufnahme ( Johannes Hiltalingen) 6. Eckhart strahlte weit über den eigenen Orden hinaus. Er hat in vielen Orden viele bewegt, die Laien (Rulman Merswin) ebenso wie die Gelehrten (Cusanus). Er wurde aber auch von vielen bewegt. Seine Texte waren steter Veränderung unterworfen. Der Text als variable Größe hat seinerseits die Eckhart-Philologie, besonders die Editionsphilologie, in Bewegung versetzt. Geboten und gelesen werden können und sollen (!) heute die Texte, die im Mittelalter gelesen, geschrieben und eben bearbeitet wurden - von den Schreibern und Schreiberinnen, von den Redaktoren, schon von Eckhart selbst, der häufig verschiedene Fassungen vorlegte. Das wiederum hat unser Eckhart-Bild verändert: Einen Text, der in Handschriften Eckhart zugeschrieben wird und dessen Autorschaft gültig nur durch philologische ,Kleinarbeit‘ zu klären wäre, kann man Eckhart nicht schon deshalb absprechen, weil er vom Aufstieg in Stufen handelt, und weil dies ,uneckhartisch‘ sei und nicht ins Bild passt. In den letzten Jahren ist die Bedeutung der einzelnen Handschriften für dieses Gesamt-Bild immer deutlicher geworden. ,Eckhart in Bewegung‘ setzt die Eckhart-Philologie in Bewegung - und die Philologen. Das ist wörtlich zu nehmen. Ich zum Beispiel gerade auch seit ich nicht mehr an der Eckhart-Edition aktiv mitarbeiten konnte - war auf zahlreichen Handschriften-Reisen in Deutschland, England, Österreich und (zuletzt vor allem) in Tschechien immer wieder auf Eckharts Spuren unterwegs. Von Funden während dieser Reisen wird zu berichten sein. 6
Cf. K. H. Witte, Der ,Traktat von der Minne‘, der Meister des Lehrgesprächs und Johannes Hiltalingen von Basel. Ein Beitrag zur Geschichte der Meister-Eckhart-Rezeption in der Augustinerschule des 14. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 131 (2002), 454-487.
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2. ,Erfurt im Zentrum‘ Natürlich steht Erfurt im Zentrum. Hier hat der junge Novize seine erste Ausbildung empfangen, hier wirkte er nach seiner ersten Rückkehr aus Paris zwischen 1294 und 1298 als Prior. Hier entstanden die ,Rede der underscheidunge‘. Hier war - von 1303 bis 1311 - Eckharts Sitz als Ordensprovinzial der Saxonia und als Generalvikar von Böhmen. Wie steht es aber mit der Erfurter Überlieferung? Vom lateinischen Werk liegen drei bedeutende Handschriften in der Bibliotheca Amploniana. L. Sturlese verdanken wir die Einsicht, dass sie nicht zufällig dorthin kamen, sondern dass mindestens die bedeutendste davon auch in Erfurt entstand, eine Einsicht zudem, die die frühere Unterscheidung zwischen ,Frühwerk‘ (um 1302/03) und ,Spätwerk‘ (nach dem Pariser Magisterium 1311-13) hinfällig machte 7. Für die deutschen Werke sieht die Lage anders aus. Und das gilt vornehmlich für die bekannte Sammlung ,Paradisus anime intelligentis‘. K. Ruh galt es als ausgemacht, dass sie die große Zeit des Erfurter Konvents dokumentierte und um 1340 dort entstanden war; er sprach von der ,Erfurter Sammlung‘ und ging davon aus, dass auch die meisten Predigten Eckharts, die darin enthalten sind, in Erfurt gehalten worden waren 8. G. Steer dagegen hat eine Entstehung der Sammlung in Köln angenommen: Die ,Paradisus‘Sammlung als Predigthandbuch für dominikanische Prediger könne „sehr wohl in Köln nach […] 1313 und vor 1341 […] entstanden sein“ 9. Wenn Erfurt aber ein Zentrum von Eckharts Leben und Tätigkeit als Ordensorganisator und als Lehrer bildet, wo ist dann - im Bereich der deutschen Predigt - die Erfurter Überlieferung? Oder weiter: In welchem Verhältnis stehen Eckhart’sche und nicht-Eckhart’sche Predigten des ,Paradisus‘? Wie steht es um die Erfurter Dominikaner, die Eckhart in der Sammlung begleiten? Kann man überhaupt mit Recht von einer Erfurter Eckhart-Rezeption sprechen?
3. ,Neuere Funde‘ Im Bereich der lateinischen Schriften Eckharts hat L. Sturlese für eine Sensation gesorgt, als er die Oxforder Handschrift entdeckte, die Erfurter Textzeugen untersuchte und damit die bisherigen Vorstellungen über Eckharts ,Opus tripar7
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Cf. L. Sturlese, Meister Eckhart in der Bibliotheca Amploniana. Neues zur Datierung des ,Opus tripartitum‘, in: A. Speer (ed.), Die Bibliotheca Amploniana. Ihre Bedeutung im Spannungsfeld von Aristotelismus, Nominalismus und Humanismus (Miscellanea Mediaevalia 23), Berlin-New York 1995, 434-446. Cf. K. Ruh, Meister Eckhart. Theologe, Prediger, Mystiker, München 21989, 60-63. G. Steer, Die Schriften Meister Eckharts in den Handschriften des Mittelalters, in: H.-J. Schiewer/K. Stackmann (eds.), Die Präsenz des Mittelalters in seinen Handschriften. Ergebnisse der Berliner Tagung in der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, 06.-08. April 2000, Tübingen 2002, 209-302.
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titum‘ ins Wanken brachte 10. Von ähnlicher Tragweite könnte sich ein Fund N. F. Palmers erweisen. Auch er betrifft das ,Opus tripartitum‘. Palmer hat im Bibliothekskatalog der Zisterzienser von Eberbach den Eintrag einer Handschrift mit einem Initium entdeckt, das bedeuten könnte, dass man dort weitere, heute verschollene Bestandteile des ,Opus tripartitum‘ aufbewahrte, das dann eben doch umfangreicher war, als wir heute noch glauben 11. Die Handschriftenfunde aus dem Bereich der deutschen Texte scheinen auf den ersten Blick - weniger aufregend. Ich halte sie - besonders die Fragment-Funde D. Schmidtkes und K. Schneiders - aber für spannend genug: Die heute in Pavia befindliche Handschrift aus dem ehemaligen Kloster der franziskanischen Tertiarerinnen in Thalbach zu Bregenz, die W. Fechter 1974 vorstellte 12, enthält dabei zwar den Predigtzyklus ,Von der eˆwigen geburt‘ 13, dies aber in einer sehr entstellten Form, von einem Auftragsschreiber ohne Verständnis für den Text geschrieben 14. Das ist bedauerlich, denn der Zyklus ist auch für das Thema des vorliegenden Tagungsbandes von Relevanz, wurde er doch, G. Steer zufolge, in Erfurt verfasst 15. Mehr Wert für die Forschung besitzt das von L. Kurras bekannt gemachte Nürnberger Fragment 16 aus dem Klarissenkloster in Freiburg: Es bezeugt eine relativ frühe Eckhart-Handschrift und belegt zudem die frühe Existenz einer alemannischen Textform von Predigten 17. Solche Fragmente belegen, dass wir „mit beachtlichen Verlusten von Meister Eckhart-Handschriften des 14. Jahrhunderts [schon] am Ende des Mittelalters“ rechnen müssen. Festgestellt hat dies 1983 D. Schmidtke anlässlich der Vorstellung der Fragmente dreier Eckhart-Predigten (zwei Doppelblätter), die er in Eichstätt entdeckt hatte 18. Schmidtke ist dabei die grundsätzliche Einsicht zu 10
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13 14 15 16
17 18
Cf. L. Sturlese, Un nuovo manoscritto delle opere latine di Eckhart e il suo signifı´cato per la ricostruzione del testo e della storia dell’Opus tripartitum, in: Albert der Große und die deutsche Dominikanerschule. Philosophische Perspektiven, Freiburg i. Ü. 1985, 145-154; id., Zur Stemmatik der offenen Tradition. Überlegungen zur Edition der drei Fassungen von Meister Eckharts ,Opus tripartitum‘, in: editio 6 (1992), 26-42. Cf. N. F. Palmer, Zisterzienser und ihre Bücher. Die mittelalterliche Bibliotheksgeschichte von Kloster Eberbach im Rheingau unter besonderer Berücksichtigung der in Oxford und London aufbewahrten Handschriften, Regensburg 1998, 124 sq. Cf. W. Fechter, Eine Thalbacher Handschrift mit Eckhart-Predigten, Exzerpten aus Seuse, dem Ps.-Albertischen ,Paradisus animae‘ und anderem in Pavia, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 103 (1974), 311-333. Predigten 101-104 (DW IV/1, 279-610). Cf. Steer, Die Schriften (nt. 9), 247. Cf. ibid., 249. Cf. L. Kurras, Ein Eckhart-Fragment aus dem Klarissenkloster in Freiburg, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 107 (1978), 216-218. Cf. Steer, Die Schriften (nt. 9), 248. D. Schmidtke, Eichstätter Fragmente von Eckhart-Predigten, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 112 (1983), 73-82, hier: 76. Drei Jahre zuvor hatte Schmidtke schon die so genannte ,Beuroner Mystikerhandschrift‘ bekannt gemacht; für die Eckhart-Forschung ist diese weniger bedeutend, weil Eckhart darin „nur schwach“ vertreten ist: D. Schmidtke, Eine Beuroner Mystikerhandschrift, in: Scriptorium 34 (1980), 278-287, hier: 285.
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verdanken, dass die Auffindung neuen handschriftlichen Materials auch einen scheinbar gesicherten Text noch fallweise ins Wanken bringen kann. Dies deshalb, weil das Gebäude des kritischen Textes im Falle Eckharts häufig auf zu schmalem Fundament errichtet werden musste: „Die zur Textkonstituierung voll verwertbaren Hss. der Einzelpredigten […] lassen sich teilweise an den Fingern einer Hand abzählen.“ 19 Heute wäre zu ergänzen: Bei manchen Predigten lassen sie sich an einem Finger abzählen. Jeder Fund zu deutschen Eckhart-Texten erweitert deshalb unsere Kenntnisse. Dies zeigt beispielhaft eine Abschrift der Predigten 101 und 102 (DW IV/1), der beiden ersten der vier Predigten aus dem Zyklus ,Von der eˆwigen geburt‘. Entdeckt hat sie Karin Schneider, vorgestellt im Jahr 1996 20. Schon ein Blick auf das Stemma der Predigt 101 21 zeigt die überragende Position dieses Fragmentes in der Textgeschichte. Steer hat festgestellt: „Es gibt keine vergleichbare Handschrift unter den über 30 erhaltenen Textzeugen der Predigt Nr. 101, die so verläßlich den Predigttext vermittelt.“ 22 Insgesamt vier Funde also der 70er und 80er Jahre bezeugen die Existenz früher Eckhart-Handschriften; sie sind fast alle von Wert für die Textkonstitution; sie betreffen meistens Fragmente; aber sie betreffen - anders als Palmers Spur - immer bereits bekannte Eckhart-Texte. Anders ist dies bei dem Fragment aus Nürnberg, das K. Ruh bekannt machte. Es handelt sich dabei um ein Pergamentdoppelblatt, nach paläographischen Kriterien „der Zeit um 1300“ zugehörig, Reste einer Handschrift also, die damit „als frühester Textzeuge des Eckhartschen Predigtwerkes zu gelten“ hat 23. Das Wichtigste dabei: Der Text ist singulär überliefert, er ist - bisher - aus keiner anderen Handschrift bekannt, er war der Forschung völlig unbekannt; Ruh konnte ihn überzeugend als Teil einer Predigt Eckharts erweisen. Der Text, inzwischen als Predigt 99 auch in der kritischen Edition von DW IV/1 vorliegend, kann, G. Steer zufolge, sehr gut in der Zeit nach 1303 abgefasst sein, in der Eckhart nach dem ersten Pariser Magisterium wieder in Erfurt wirkte 24. Neu an Ruhs Fund war vor allem, dass er erstmals nicht nur neue Textzeugen bekannter Eckharttexte, sondern einen neuen Text betraf. Die Einsicht, dass es auch nach jahrzehntelangen Forschungen noch möglich ist, neue Eckharttexte 19
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Schmidtke, Eichstätter Fragmente (nt. 18), 80. Cf. F. Löser, Nachlese. Unbekannte Texte Meister Eckharts in bekannten Handschriften, in: V. Mertens/H. J. Schiewer (eds.), Die deutsche Predigt im Mittelalter. Internationales Symposium am Fachbereich Germanistik der Freien Universität Berlin vom 03.-06. Oktober 1989, Tübingen 1992, 125-149, hier: 126. Cf. K. Schneider, Die deutschen Handschriften der bayerischen Staatsbibliothek München, vol. 5, 7: Die mittelalterlichen Handschriften aus Cgm 4001-5247, Wiesbaden 1996, 509 sq. Cf. DW IV/1, 316. Steer, Die Schriften (nt. 9), 247. K. Ruh, Fragment einer unbekannten Predigt von Meister Eckhart aus dem frühen 14. Jahrhundert, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 111 (1982), 219-225, hier: 221. So Steer, Die Schriften (nt. 9), 249.
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zu entdecken, bestätigte ein Fund, den ich im Jahr 1986 bekannt machen konnte 25. Damit komme ich zu den Handschriftenfunden und Textfunden, die mich persönlich seither in Bewegung hielten. Im folgenden zweiten Teil will ich versuchen, sie zu rekapitulieren und sie unter neuen Blickwinkeln zu sehen. Dies wird wieder in drei kurzen Teilen geschehen: ,Texte in Bewegung‘ - ,Eckhart in Bewegung‘ - ,Erfurt in Bewegung‘. II. 1. ,Texte in Bewegung‘ Die Handschrift, auf die N. Palmer gestoßen war, der mir die Bearbeitung überließ, liegt in London, im Victoria and Albert Museum. Sie trägt die Signatur L 1810-1955 und wird heute in der Eckhart-Philologie als Lo4 geführt. Sie stammt aus dem 15. Jahrhundert. Ihre Sprache ist mitteldeutsch, genauer: thüringisch. Meine Analyse ergab, dass sie dreierlei Dinge bot: a) neue Lesarten zu bekannten Predigten, b) neue Predigten, c) neue Überlieferungsbefunde. 1.1 ,Texte in Bewegung‘: neue Lesarten bekannter Predigten Die Handschrift wies in vielen Fällen bessere und eindeutig autornähere Lesarten auf als die bisher bekannten Handschriften oder gar die Abdrucke der frühen Eckhart-Herausgeber. Deshalb ließ sich mit Hilfe dieser Lesarten mehrfach auch sichern, dass die betreffenden - bis dato nicht kritisch edierten Predigten tatsächlich von Eckhart stammten. Ein Beispiel: Eine Textstelle der Predigt Nr. 47 aus der Sammlung des ,Paradisus anime intelligentis‘ lautet in der Fassung der Londoner Handschrift, inzwischen von uns in den kritischen Text übernommen: „Alliu volkomenheit der seˆle liget dar ane, daz si habe glıˆchnisse gotes, engel und aller creˆatuˆren, als ich ouch meˆ gesprochen haˆn, daz glıˆchnisse und volkomenheit aller creˆatuˆren ist geschaffen an den engeln geistlıˆche, ˆe sie geschaffen wurden an den creˆatuˆren.“ 26
Zu diesem Rückverweis konnte ich eine Reihe von Parallelen in Eckharts Werk finden, die zeigen, dass er sich tatsächlich auf diese Aussagen bezog. Eckharts Autorschaft an der Predigt, die den Rückverweis enthielt, war damit bewiesen 27. Nur: In den beiden Handschriften, die die ,Paradisus‘-Sammlung als 25
26 27
Cf. F. Löser, Als ich meˆ gesprochen haˆn. Bekannte und bisher unbekannte Predigten Meister Eckharts im Lichte eines Handschriftenfundes, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 115 (1986), 206-227. Pr. 96 (DW IV/1, 216, 2-4). Cf. Löser, Als ich meˆ gesprochen haˆn (nt. 25), 209-213.
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Ganze überliefern und die allein bis dahin bekannt waren, fehlt exakt dieser Rückverweis. Erst die Entdeckung von Lo4 also (und ihren neuen Lesarten) hat den Echtheitsnachweis ermöglicht. Die neuen Lesarten aus der Londoner Handschrift betreffen aber auch den Inhalt der Predigten und Eckharts Lehre. Ich stelle als Beispiel dafür die Fassung einer Textstelle der ,Paradisus‘-Predigt 16 nach den beiden ,Paradisus‘-Handschriften links der Londoner Version (inzwischen auch in unserem kritischen Text nachlesbar: DW IV/1, 95) gegenüber: Paradisus, Pr. 16, 41, 24-27: „ich spreche, daz alle sele mit allin urin creftin werin ein sele, si in mochte nicht inphahin noch irlidin daz lon daz fon deme minnisten w erke gevellit daz Got gebodin hait in der ewigin minne, di sele inmuˆiste zuglıˆdin und forwerdin und zuflıˆzin.“
Lo4, fol. 160rb-160va: „vnd ab alle dy craft dy an allen seln ist geleit were an eyne sele sy mochte das mynste lon nicht enphan das von dem mynsten w erke komt das got geboten hat in der ewigen libe dy sele muste czü gliten vnd sterben. Jch setcze myne sele czü phande an dem iungisten tage czü der helle czü geben, das dis war sy, daz ich nü sprechen wel: Ob alle dy kraft aller selen vnd aller engele und aller creaturn czümal geacht were uf eyne sele, sy mochte das mynsten lon eins guten gedanken nicht enphan, dy in der ewigen libe gedacht wirt, sy müste [160va ] czü gliten und czüflißen und sterben.“
Der zweite, in Lo4 überlieferte Abschnitt über den Gedanken fehlt in den beiden Handschriften der Predigtsammlung. In diesem Abschnitt will Eckhart zeigen, dass der Lohn nicht nur im guten Werk, sondern im guten Gedanken gefunden werden kann 28. Missverständnisse lagen hier nahe, wie die Bulle (art. 16-19) zeigt, wenn sie Eckhart unterstellt, er lehre, Gott lege keinen Wert auf äußere, sondern nur auf innere Werke. Wegen solch möglicher Missverständnisse beginnt der zweite Abschnitt mit der für Eckhart so charakteristischen Wahrheitsbeteuerung. Deshalb aber auch wurde dieser Abschnitt durch den Redaktor des ,Paradisus‘ gestrichen. Anhand der Stelle lässt sich weiter demonstrieren, dass mit dem gestrichenen Absatz ein bislang fehlendes Glied einer Kette gefunden ist. Denn ein Rückverweis aus einer anderen, ebenfalls in der Londoner Handschrift überlieferten Predigt bezieht sich auf exakt diese Stelle: 28
Cf. Pr. 41 (DW II, 293); DW V, 38 sqq., 196-200 u. 217-218.
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Lo4, fol. 150rb: „Dy ander sache ist, [dass] ußflüß götliches lichtis und siner suzikeit also obirclar und kreftig ist, das kein creatur enthalden mag, als ich oüch mer gespr ochen habe, ab alle dy craft aller engele und sele und aller creaturn gesmeltczt wern uff eyn engel adir uff eyne sele, sy mochten den götlichen flüß nicht enthalden.“ Auf ähnliche Weise ließ sich durch die neu entdeckten Lesarten der Londoner Handschrift noch die Echtheit zweier weiterer Predigten für Eckhart sichern 29. Betroffen davon waren vor allem die bis dahin nicht kritisch edierten Predigten des großen mitteldeutschen Überlieferungsverbundes. In einer dieser Predigten (Sievers Nr. XXIII) fand sich dabei eine Aussage, die ein neues - und bedeutendes - Schlaglicht auf Eckharts Arbeitsweise warf. Die fragliche Aussage betraf wiederum die gerade behandelte ,Paradisus‘-Predigt Nr. 16 30. Sie wird im Inhaltsverzeichnis der ,Paradisus‘-Sammlung so eingeführt: „In disir predigade lerit meistir Eckart wi Got di sele ladit zu eme […] und von deme lone.“ 31 Die Form, wie sie in der mitteldeutschen Predigt der Londoner Handschrift zitiert wird, ist ungewöhnlich: „wie god die sele l [a]det und wie her er lon ist, daz ist anderswo geschriben.“ Man sieht: Der Inhalt der Predigt (Gott lädt die Seele und ist ihr Lohn) wird durch den Verweis der zweiten Predigt genauso getroffen wie im Inhaltsverzeichnis der Sammlung. Interessant aber ist vor allem die Form des Verweises („ist anderswo geschriben“); eine Eckhart neu zuzusprechende Predigt zitierte eine bekannte Predigt als ,geschrieben‘; dies zeigte, dass Eckhart selbst ein Corpus seiner deutschen Predigten in verschriftlichter Form vor sich hatte. Vergleichbar war die Predigt 28, in der Eckhart bemerkt: „Ich schreip einest in mıˆn buoch.“ 32 Demnach gab es einen von Eckhart selbst schriftlich fixierten oder redigierten Verbund seiner deutschen Predigten. 1.2 ,Texte in Bewegung‘: neu entdeckte Eckhart-Predigten Zum Verbund dieser Eckhart-Predigten zählten mit Sicherheit auch zwei deutsche, bis dahin gänzlich unbekannte Predigten, die ich in der Londoner Handschrift entdeckte und die ich Meister Eckhart zuweisen konnte. Die eine 29 30
31 32
Cf. Löser, Als ich meˆ gesprochen haˆn (nt. 25), 217 sq. Cf. E. Sievers, Predigten von Meister Eckhart, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 15 (1872), 373-439, hier: 427, 84 sq. Paradisus (nt. 1), 2, 17-19. DW II, 62, 3 sqq.
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davon, eine Auslegung von Gal. 5, 22 und damit eine Beschreibung der zwölf Früchte des Geistes, will ich hier übergehen. Nur so viel: Die für Eckhart inzwischen zweifelsfrei gesicherte Predigt zeigt in ihrem aufreihenden Charakter der Früchte, dass ein relativ schlichtes, aufzählendes Predigtverfahren, das man auf den ersten Blick für ,uneckhartisch‘ halten würde, im Einzelfall (hier der zwölf Früchte wegen) bei Eckhart eben doch möglich ist. Die zweite Predigt hingegen (über Luc. 6, 19: ,Alle dy schar suchten vnsern herrn‘) würde wohl niemand für ,uneckhartisch‘ halten. Dazu sind ihr Duktus und ihre Aussagen zu charakteristisch. Das zeigt schon eine einzige Stelle: In der Predigt 47 erläutert Eckhart zum zweiten Mal einen radikalen Gedanken, der früher missverstanden worden sei: „Daz edelste, daz got würket in allen creˆatuˆren, daz ist wesen. Mıˆn vater gibet mir wol mıˆne natuˆre, er engibet aber mir niht mıˆn wesen; daz würket got luˆterlıˆche. Her umbe haˆnt alliu dinc, diu daˆ sint, vernünftigen lust an irm wesene. Sehet dar umbe, als ich ouch etwenne meˆ gesprochen haˆn und niht wol verstanden wart, daz Juˆdas in der helle niht enwölte ein ander sıˆn in dem himelrıˆche. War umbe? Und sölte er ein ander werden, soˆ müeste er ze nihte werden an dem, soˆ er ist an wesene.“ 33
Niemand wusste, worauf sich Eckhart mit der Äußerung über Judas bezog bis die neue Predigt auftauchte. Eckhart bezieht sich nämlich auf einen Abschnitt der erwähnten bis dahin unbekannten Predigt ,Alle dy schar‘, der sich fol. 155ra-rb in Lo4 findet: „ab alle dy pin, dy in der helle ist und an allen creaturn, uf eyne sele vile alczümal, sy mochte us der libe nicht geslän werde, Sy wolde io wesen haben. Jch wel ein unvornemlichs wort sprechen und ben es doch gewiß, das Jüdas, der in der helle ist [155rb ], wolde nicht sente petir sin in dem himmilrich durch das lustliche bilde sins wesens, das sich von gote erst an öm gebildet hat ane undirscheit; darumbe mochte er von keyner creatur kein ander wesen enphan.“
Die beiden Formulierungen sind deutlich aufeinander abgestimmt, schon als Eckhart das Beispiel des Judas zum ersten Mal nannte, war er sich seiner ,Kühnheit‘ 34 bewusst: Er wusste, dass er sich an den Grenzen dessen bewegte, was seine Zuhörer noch recht verstehen oder für rechtgläubig halten mochten; deshalb betont er, es folge „ein unvornemlichs wort“. Die Missverständnisse, die er von Anfang an befürchtete, sind dann tatsächlich eingetreten: Er wurde „niht wol verstanden“. Eben deshalb nimmt er den Gedanken (am selben Ort?) noch einmal auf, um ihn näher zu erläutern. Beide Formulierungen geben Zeugnis davon, dass Eckhart sich auf sein Publikum einzustellen wusste und dessen Reaktionen antizipierte, sie belegen die Reaktionen dieses Publikums und zeigen, dass Eckhart auf Fragen oder Kritik reagierte; sie sind Zeugnisse einer lebendigen Wechselwirkung zwischen dem Prediger und seinen Zuhörern (und Kritikern). Auf diese Weise werden Predigten fast zu einem ,Seminar‘, ganz ähnlich wie die Erfurter ,Rede der underscheidunge‘. Aber erst die Entdeckung der bis dato 33 34
DW II, 401. Cf. ibid., nt. 3.
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unbekannten Predigt in einem neu gefundenen Textzeugen ließ die intertextuelle Beziehung der Predigten erkennbar werden. Was bedeuten diese Neuentdeckungen nun für das Thema ,Eckhart und Erfurt‘? 1.3 ,Texte in Bewegung‘: neue Überlieferungsbefunde Die heute in London aufbewahrte Handschrift ist thüringisch. Sie stammt zwar erst aus dem 15. Jahrhundert, hat aber ältere Vorlagen. Diese Vorlagen und die mitüberlieferten Texte verbinden die Handschrift mit anderen bedeutenden Textzeugen aus dem mitteldeutschen Raum. Die Textgestalt der Handschrift ist nicht frei von Fehlern, aber sie ist insgesamt als gut zu bewerten. Bei der Textkonstitution verdient sie mehr Vertrauen als die meisten anderen Handschriften. Die Mitüberlieferung einiger nicht-Eckhart’scher Predigten (besonders des Kölner Dominikaners Meister Gerhard) verbindet den Textzeugen zudem mit den so genannten ,Kölner Klosterpredigten‘, einer zweiten Sammlung aus dem 14. Jahrhundert. Und damit erscheint die ,Singularität‘ der Sammlung des ,Paradisus anime intelligentis‘, von der K. Ruh immer ausging und von der kürzlich noch G. Steer gesprochen hat 35, in neuem Licht. Das Kölner ,Parallelunternehmen‘, das die Namen der dominikanischen Prediger ebenso dokumentiert, verdient mehr Beachtung. Sogar ein Franziskaner ist dort vertreten (als ,Kontrastfolie‘ wie im ,Paradisus‘). Nur diente die Kölner Sammlung der cura monialium, nicht als Handbuch für die Predigerbrüder. Nicht Eckhart steht dort im Mittelpunkt, sondern sein Ordensbruder Gerhard. Aber an einzelnen ,Schnittstellen‘ in der Überlieferung - primär in der Londoner Eckharthandschrift - sind Predigten beider dominikanischer Sammlungen miteinander verbunden 36. Das aber heißt: Die Vorlagen der ,Paradisus‘-Sammlung stammen nicht - oder nicht nur - aus Erfurt und mehr: Zahlreiche Predigten Eckharts im ,Paradisus‘ stammen nicht aus seiner Erfurter Frühzeit. In vielen Fällen besitzen sie eine rheinische Überlieferung, die autornäher ist als die beiden Handschriften, die die ,Paradisus‘-Sammlung tradieren. Überhaupt zeigen die neuen Überlieferungsbefunde und die neu aufgetauchten Lesarten mit Sicherheit eines: Die Sammlung des ,Paradisus‘ ist, so wie sie auf uns kam, sekundär. Sie ist teilweise sogar entstellt. Auf alle Fälle ist sie stark bearbeitet. So wurden, wie gesehen, Eckharts radikalere Aussagen entschärft. So wurde - etwa im Verhält35
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Steer, Die Schriften (nt. 9), 259: „Die Predigtsammlung ,Paradisus anime intelligentis‘ hat innerhalb der mittelalterlichen Predigtliteratur nicht ihresgleichen.“ Cf. Löser, Als ich meˆ gesprochen haˆn (nt. 25), 226 sq. Eine detaillierte Darstellung der ,Kölner Klosterpredigten‘ und ein Vergleich mit der ,Paradisus‘-Sammlung bei Löser, Predigten in dominikanischen Konventen, Vortrag auf der Oxforder Arbeitstagung zur dominikanischen Predigtsammlung ,Paradisus anime intelligentis‘, 01.-04. April 1998; künftiger Tagungsband ed. v. B. Hasebrink/H.-J. Schiewer/N. F. Palmer.
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nis von minne und bekantnisse - anders als beim beweglichen Eckhart eine konsequent fixierte dominikanische Haltung eingenommen. So wurden gerade die für Eckhart charakteristischen intertextuellen Bezüge fast systematisch getilgt. Der Untersuchung der Überlieferung außerhalb der Sammlung kommt damit größte Bedeutung zu. Bei den Predigten des ,Paradisus‘, so wie sie uns in den beiden bekannten Schwesterhandschriften der Sammlung geboten werden, handelt es sich um durchweg gekürzte Texte und es handelt sich um eine Auswahl. Denn: Nicht nur die Predigten, die in die Sammlung aufgenommen wurden, waren ursprünglich durch Rückverweise untereinander verbunden. Vielmehr wurde anhand der Londoner Handschrift deutlich: Verweise beziehen sich auch auf andere Predigten außerhalb der Sammlung. Das aber heißt, dass ein Komplex ursprünglich eng zusammengehöriger Predigten bestand, der umfangreicher war als das, was der Redaktor des ,Paradisus‘ in seine Sammlung aufzunehmen bereit war. Auf einen solchen größeren Überlieferungsverbund stieß ich auch in einer anderen Predigtsammlung. Die dabei angewandte Methode ergab sich aus der Untersuchung der Londoner Handschrift. In ihr hatten sich zwei unbekannte Predigten, die (ebenso anonym wie der Rest) gemeinsam mit Eckhart-Predigten überliefert waren, als neue Texte Eckharts bestimmen lassen. Das ließ sich verallgemeinern: Was würde geschehen, wenn man bekannte Eckhart-Handschriften untersuchte, und zwar nicht die Teile mit den bekannten Texten, denen sich Quint gewidmet hatte, sondern gerade die Texte, die er nicht berücksichtigt hatte? Nach den Erfahrungen mit der Londoner Handschrift war die Entdeckung weiterer Eckhart-Predigten zu erwarten. Für den Beginn bot sich eine Sammlung an, die mit derjenigen des ,Paradisus‘ eng verbunden ist: die des Nikolaus von Landau, eines Mönches im Zisterzienserkloster Otterberg bei Kaiserslautern (und hier sei daran erinnert, dass das benachbarte Zisterzienserkloster Eberbach ein Zentrum der Überlieferung der lateinischen Eckhart-Texte bildete). Nikolaus wirkte um die Mitte des 14. Jahrhunderts. Seine Predigtsammlung - eine Kompilation aus Materialien verschiedenster Autoren - sollte jungen Predigern als Vorbild dienen. Ihre Bedeutung für die Eckhart-Forschung besteht darin, dass zahlreiche Predigten Eckharts verwendet wurden, gerade solche aus der ,Paradisus‘-Sammlung. Das war bekannt 37. Eine erneute Durchsicht der Predigten des Nikolaus brachte aber weitere Exzerpte aus EckhartPredigten zum Vorschein, darunter ein Exzerpt aus einer bis dahin unbekannt gebliebenen Predigt 38. Nikolaus arbeitete dabei nicht mit der ,Paradisus‘-Sammlung, die wir kennen, sondern mit deren Vorlagen. Nicht nur Eckhart ist vertreten, sondern auch andere Prediger der ,Paradisus‘-Sammlung. Im Vergleich auch 37
38
Cf. H. Zuchhold, Des Nikolaus von Landau Sermone als Quelle für die Predigt Meister Eckharts und seines Kreises, Halle/Saale 1905. Cf. Löser, Nachlese (nt. 19), 129-130; id., Abschrift der Sermones novi des Nikolaus von Landau, in: Cıˆteaux 1098-1998. Rheinische Zisterzienser im Spiegel der Buchkunst, Wiesbaden 1998, 132 sq.
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dieser Texte ist erkennbar: Mit Sicherheit verfügte Nikolaus über mehrere Quellen, die umfangreicher und vertrauenswürdiger waren als die des dominikanischen Redaktors der ,Paradisus‘-Sammlung. Mehr neue Eckhart-Texte fanden sich dann in anderen Eckhart-Handschriften, die hier nicht aufgezählt werden können. Ein Beispiel muss genügen: In einem Komposittraktat ließ sich auch ein längeres Gebet für Meister Eckhart sichern und damit erstmals eine Textsorte, die man als Ganze für ihn bisher überhaupt noch nicht in den Blick genommen hatte. Das Gebet erweitert dabei die Kenntnis von Eckharts Theologie und Praxis des Betens, etwa, wenn es gegen Ende heißt: „Dw hast mich erhaben über alle creatur und hast mir in gedrukcht das insigel deins ewigen pilts […] dw hast dir selber dy sel natürleich geaigent vnd gleich gearnt, dar vmb pehalt sy, das in ir nichts müg stat haben dann dw allain.“ Dieses Gebet ist mit Blick auf Eckharts Erfurter Zeit von besonderer Bedeutung, denn es entspricht in seinen Aussagen exakt seiner Lehre ,Von dem allerkreftigisten gebete‘, die er in den ,Rede der underscheidunge‘ entwirft 39. Die Überlieferung dieses Gebets erweitert aber auch unsere Kenntnis der Eckhart-Rezeption, etwa, wenn der Laienbruder, der den Text im 15. Jahrhundert im österreichischen Melk vom Schluss einer großen Eckhart-Sammlung abschrieb, ein weiteres Gebet Anselms von Canterbury folgen lässt, das die Demut betont. Eckharts Text erschien ihm zu radikal; er holte ihn in die klösterliche Spiritualität des 15. Jahrhunderts zurück. Die Melker Überlieferung stellt dabei keine genuin österreichische EckhartTradition dar, sondern ist Ausfluss der mitteldeutschen Überlieferung auf der Basis verlässlicher Quellen 40. Ihre Analyse, insbesondere eines großen zweibändigen, um 1450 abgeschriebenen Predigtwerkes, erbrachte eine ganze Reihe Eckhart neu zuzuschreibender und ,Eckhart-verdächtiger‘ Predigten 41, die ich hier übergehen muss. Zwei der Forschung bis dahin entgangene Predigten, die sich für Eckhart sichern ließen, will ich immerhin erwähnen: Die eine über Luc. 21, 25-28 ist - neben vielem anderen - besonders für Eckharts naturkundliche 39
40
41
Cf. F. Löser, Oratio est cum deo confabulatio. Meister Eckharts Auffassung vom Beten und seine Gebetspraxis, in: W. Haug/W. Schneider-Lastin (eds.), Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte. Kolloquium Kloster Fischingen 1998, Tübingen 2000, 284-316. Abdruck des Gebets 307 sq., hier: 294 sq. Cf. Löser, Nachlese (nt. 19), 131-149; id., Anselm, Eckhart, Lienhart Peuger. Zu einer deutschen Übersetzung der ,Orationes et Meditationes‘ Anselms von Canterbury in Handschriften der Melker Laienbrüder, in: N. Henkel/N. F. Palmer (eds.), Latein und Volkssprache im deutschen Mittelalter 1100-1500. Regensburger Colloquium, Tübingen 1992, 232-255. Cf. F. Löser, Meister Eckhart in Melk. Studien zum Redaktor Lienhart Peuger. Mit einer Edition des Traktats ,Von der sel wirdichait vnd aigenschafft‘ (Texte und Textgeschichte 48), Tübingen 1999, bes. 223-246, 401 sq. u. 463-473 (Register 603 zu den nicht edierten Texten); cf. die Rezensionen von Ch. Glassner, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 131 (2002), 117-129, hier: 127 sq., und U. Störmer-Caysa, in: Zeitschrift für Germanistik 11 (2001), 179-181, hier: 180 sq.
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Vorstellungen von Interesse, zeigte sie doch, dass Eckhart den Mond tatsächlich für die hefe (faex aliorum elementorum) hielt, nicht - wie Quint in einer anderen Predigt glaubte konjizieren zu müssen - für die hebeamme 42. In der zweiten Predigt (über Mt. 13, 44) handelt Eckhart vom Schatz, der im Acker verborgen ist, und er behandelt dabei besonders das Verhältnis von Zeit und Ewigkeit: Die Predigt verweist auf das Beispiel des Petrus, „der sprach: herr mach wir hie drew getzelt. Dy maister sprechen, das er dar an hab törleich geret, das er hie in der tzeit dy ewigen ding haben wolt, seit got in dem hie nyembt gesehen mag“. J. Koch musste die kurze Stelle in Eckharts lateinischem Sermo XI/1 „Unde arguitur Petrus qui dixit: ,faciamus hic tria tabernacula‘ “ ohne Kenntnis der zu seiner Zeit noch unbekannten deutschen Parallele deuten. Er traf, wie sich jetzt zeigt, mit seiner Interpretation genau das Richtige: Petrus, so Koch zum lateinischen Text, werde wohl „gescholten, weil er glaubt, ein Zelt könne das Unendliche aufnehmen“. Exakt in diesem Sinn fährt die deutsche Predigt aus Melk unmittelbar fort: „got ist chain pild und wirt auch in chaim form pegriffen und ist auch nicht in der tzeit.“ So hat aber auch die Seele einen Teil, der der Zeit überhoben ist. Die Predigt formuliert dies als Rückverweis: „Jch sprach newleich in der predig und sprich es aber, das mein sel nach dem obristen tail in der tzeit nicht ist und würcht auch nicht in der tzeit.“ Dieser Rückverweis lässt sich auf die Eckhart-Predigt 26 beziehen: „Ez ist ein daz oberste teil der seˆle, daz staˆt obe zıˆt und enweiz niht von der zıˆt.“ 43 In deutlicher Parallele zur vorhin besprochenen Judas-Stelle heißt es dann in der Eckhart-Predigt über Mt. 13, 44 weiter: „dar umb hat sand peter törleich geret, das er hie in der tzeit welt ein himelreich machen. Wan als, das peschaffen ist, dem versag ich gentzleich himelreich ze geben. Möcht mir dy creatur das himelreich geben, ich wolt es nicht nehmen.“ Weil aber keine Kreatur das Himmelreich geben kann, „dar umb sol der mensch von aller welt aws gen, wann ye mer er da von aws get ye mer got in get“. Eine wörtliche Parallele dazu findet sich in den ,Rede der underscheidunge‘: „Ez ist rehte ein glıˆch widergelt und glıˆcher kouf: als vil duˆ uˆzgaˆst aller dinge, als vil […] gaˆt got ˆın mit allem dem sıˆnen, als duˆ zemaˆle uˆzgaˆst in allen dingen des dıˆnen.“ 44 Die Konsequenz daraus schließt in der Predigt unmittelbar an: „dy welt mag nyembt als wol haben als der sy lazzen hat, wan des selben ist sy alle.“ Dieser Satz verdient besonders hervorgehoben zu werden, weil Eckhart ihn an anderer Stelle (in der Predigt 38) als Rückverweis formuliert: „Ich sprach etwenne ein wort: der der werlt allerminnest haˆt, der haˆt ir allermeist. Niemannes enist diu werlt alsoˆ eigen, als der alle die werlt gelaˆzen haˆt.“ 45 In einer Anmerkung zu dieser Stelle sagt 42
43 44 45
Cf. Löser, Nachlese (nt. 19), 139 sq.; zur Predigt: id., Meister Eckhart in Melk (nt. 41), 230, 232, 236, 253 u. 477; zur Predigt über Mt. 13, 44: ibid., Register. DW II, 24, 3 sq. DW V, 197, 1-3. DW II, 240, 7-241, 1.
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Quint: „Auf welche Stelle sich Eckhart mit dem Rückverweis bezieht, weiß ich nicht.“ 46 In der unbeachteten Predigt der Melker Handschrift liegt diese Bezugsstelle nun vor. Die neuen Predigten fügen sich mit bekannten Texten somit ineinander wie die Glieder einer Kette. 2. ,Eckhart in Bewegung‘ Jeder neue Text enthält neue Aspekte. Diese sind auch inhaltlich relevant und relevant für die Lehre. Ich will dies in einem kurzen zweiten Teil anhand von Eckharts Armutslehre belegen. Dazu ziehe ich zwei weitere neue Texte heran 47. Den ersten davon, die Londoner Predigt über Luc. 6, 19 mit der charakteristischen Judas-Stelle, habe ich schon erwähnt. Nun hat sich aber zu dieser Predigt inzwischen ein zweiter Teil gefunden. Es handelt sich insgesamt um eine Predigt Eckharts über Luc. 6, 19-22 (Lesung der zweiten Messe von mehreren Heiligen im ,Commune sanctorum‘). Der neu identifizierte zweite Teil gilt dem Textwort ,Beati pauperes spiritu‘, das Eckhart ja auch in der berühmten ,Armutspredigt‘ auslegt. „Das ist ein rechter armer Mensch“, definiert Eckhart zu Beginn des Armutsteiles der neuen Predigt, „der - auch wenn er alles hätte, was Gott geschaffen hat - ein Bettler der Gnade unseres Herren Gottes wäre.“ „Und wenn“, heißt es später, „der Mensch Trost hat an seiner Kraft oder an seiner Gesundheit, so ist er nicht arm; er sei denn blind oder krank oder ungestalt genauso wie sehend oder gesund, so ist er nicht seiner selbst arm.“ Deshalb wird der Ausgang aus allem Kreatürlichen gefordert, denn der wahrhaft Arme finde kein Genügen am Kreatürlichen. Am Ende aber wird ihm verheißen: „Dy selbe selikeit, dy got ist vnd hat, der wirt der mensche teilhaftig mit der […] göttlichen wisheit.“ 48 Damit hat die ,Beati pauperes‘-Interpretation der neuen Predigt als Vorstufe der berühmten Armutspredigt zu gelten. Dieses erste Textbeispiel stammt aus der Überlieferung in Melk, wo der zweite Teil der genannten Predigt entdeckt wurde. Dort findet sich aber auch eine weitere neu entdeckte Predigt, die für Eckharts Armutslehre ebenfalls relevant ist. Dies lässt sich bereits anhand einer einzigen kurzen Textstelle demonstrieren: „Bischof Albreht sprichet, daz sıˆ ein arm mensche, der niht enhabe genüegede von allen den dingen, diu got ie geschuof, - und diz ist wol gesprochen. Aber wir sprechen noch baz und nemen armuot in einer hœhern wıˆse: daz ist ein arm mensche, der niht enwil und niht enweiz und niht enhaˆt.“ 46 47
48
DW II, 241, nt. 1. Cf. zum Folgenden: F. Löser, Der niht enwil und niht enweiz und niht enhat. Drei übersehene Texte Meister Eckharts zur Armutslehre, in: C. Brinker/U. Herzog/N. Largier/P. Michel (eds.), Contemplata aliis tradere. Studien zum Verhältnis von Literatur und Spiritualität. FS für A. M. Haas, Bern u. a. 1995, 391-439; dort auch Detailnachweise zu den Textstellen. Ibid., 418-421.
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Dies stammt natürlich nicht aus einer neu entdeckten Predigt. Man kennt die Stelle aus der berühmten Armutspredigt 52 49. Aus der inzwischen für Eckhart gesicherten Melker Predigt dagegen stammt das Folgende: „,armuet‘ […] das als vil gesprochen ist als ,nichts‘. Wann der mensch, der in warhait arm ist, der ist als das nicht, das man reden mag. Er ist nicht pewegleich noch pegreifleich, noch hat aigens noch aigenschafft. Er wirt nicht petruebt noch erfrewt. Er hat nichts und wil nichts und peger t nichts, als sand pernhard spricht.“
Das sind - wie man sieht - in neuer Variante gerade die oft zitierten Kernsätze der Armutslehre, die Sätze, mit denen Eckhart Albertus Magnus überbietet, die Sätze auch, an denen Jan van Leeuwen seine Polemik gegen Eckhart festmacht: „Ende onder veel ander woerden hebben [selke meesters] dit ghesproken: dat dat si een arm mensche, die niet enwilt, nocht niet en weet, noch oec niet en begheert. Dit hebben selke meesters ghesproken, daer niet vele af te houden en es, oft luttel, oft niet, oft min dan niet.“
Ich denke, nicht nur Jan van Leeuwen hätte die Dinge möglicherweise anders gesehen, hätte er die gerade vorgestellte Predigt Meister Eckharts gekannt, in der er die zitierten Kernsätze seiner Armutslehre explizit als Zitat aus Bernhard ausweist. Mein drittes und letztes Textbeispiel für die Relevanz der Neufunde betrifft einen Text, den ich 1995 erstmals Eckhart zuschreiben konnte. Er findet sich in der Hs. Salzburg, UB I 476 und wird nur deshalb als ,Salzburger Armutstext‘ bezeichnet. Er ist hier von Interesse, weil er nicht Salzburg, sondern Erfurt betrifft. Ich greife einen Teil heraus: In den ,Rede der underscheidunge‘ sagt Eckhart: „Und - als ich meˆr gesprochen haˆn - als man saget von glıˆcheit, soˆ enmeinet man niht, daz man alliu werk glıˆch sül ahten oder alle stete oder alle liute. Daz wære gar unreht, wan ez ist ein bezzer werk beten wan spinnen und ein edelriu stat diu kirche dan diu straˆze. Aber duˆ solt in den werken ein glıˆchez gemüete haben und ein glıˆchez getriuwen und eine glıˆche minne ze dıˆnem gote.“ 50
Quint vermerkt dazu: „Worauf Eckhart sich damit bezieht, weiß ich nicht“ und vermutet, „er dürfte wohl keine spezielle Stelle im Auge haben.“ Ich denke, ein derart prägnant gefasster Rückverweis muss eine bestimmte Stelle im Auge gehabt haben; und ich bin der Ansicht, dass diese Bezugsstelle im Text der Salzburger Handschrift überliefert ist. Dort heißt es: „Zuo dem andern mol soltu dich flissen, das du glich standest in allen dingen, so blibestu in grosser ruowe alle zit. Sol ich alle ding glıˆch achten? Neyn, da mœhten wir gar sere an irren. Wer zwifelt dar an, es sy ein besser werk betten vnd an got gedenken denn kochen oder spinnen? Aber du solt glich ston; nit die ding, sunder du solt glich ston in den dingen. Also gebu´rt dir ze sin in der kirchen 49 50
DW II, 488, 3-6. DW V, 203, 5-10.
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oder an dem gebette, so soltu din gemüet alzemol zuo got keren vnd versamnen czuo got; gebu´rt dir denn andere werk ze wu´rken vnd an andern stetten ze sin, in den du mit got mu´gest beston, so soltu reht haben dz selb gemüet zuo got, dz du vor hattest.“
Die Bezüge liegen auf der Hand: Eckharts Rückverweis in den ,Reden‘ postuliert, glıˆcheit meine „niht, daz man alliu werk, stete oder liute glıˆch sül ahten“; der Salzburger Text stellt die Frage: „Sol ich alle ding glıˆch achten?“ und gibt dieselbe Antwort wie die ,Reden‘: „Neyn.“ Die ,Reden‘ fahren fort, es sei „ein bezzer werk beten wan spinnen und ein edelriu stat diu kirche dan diu straˆze“. Sehr eng entspricht dem der Salzburger Text, der sagt, „es sy ein besser werk betten vnd an got gedenken denn kochen oder spinnen“. Die ,Reden‘ fordern: „Aber duˆ solt in den werken ein glıˆchez gemüete haben“; der Salzburger Text, der auch das Stichwort „selb gemüet“ (am Ende der zitierten Passage) aufgreift, erläutert: „Aber du solt glich ston; nit die ding, sunder du solt glich ston in den dingen.“ Aus all dem lässt sich eine generelle Beobachtung ableiten: Man kann, von der Überlieferungsgeschichte her kommend, Eckharts deutsche Texte als zerstreut ansehen, man kann sie aber auch textgenetisch und von der Intention des Autors her als ein komplexes Gebäude vielfältig miteinander verwobener Einzelteile oder als ein vernetztes System betrachten. So erweist sich denn auch der Salzburger Text als bislang fehlendes Glied einer Kette: Schon in den ,Rede der underscheidunge‘ greift „bruoder eckhart predigerordens“, der „vicarius von türingen, der prior von erfurt“ 51 auf den in der Salzburger Handschrift überlieferten Text zurück. Das aber heißt im konkreten Fall mit Blick auf Erfurt, die ,Reden‘ und den so genannten ,Salzburger Armutstext‘: Hatte John Margetts die ,Reden‘ noch für Eckharts ,Erstling‘ gehalten, so ist jetzt ein Text gesichert, auf den Eckhart sich in den ,Reden‘ zurückbezieht und der damit vor den ,Reden‘ anzusetzen ist - ein früher ,Armutstext‘ Meister Eckharts, der mit Sicherheit in Erfurt entstand. So gesehen, nehmen die Erfurter ,Reden‘ eine Schlüsselstellung ein. Von ihnen aus, nicht von den schwer fixierbaren Predigten der ,Paradisus‘-Sammlung, lässt sich, wenn überhaupt, die von K. Ruh eingeforderte Chronologie der frühen Predigten Eckharts in Angriff nehmen. Damit bin ich beim kurzen letzten Punkt: 3. ,Erfurt in Bewegung‘ Neufunde haben die Eckhart-Philologie, sie haben, denke ich, auch unser Eckhart-Bild in Bewegung gebracht. Und sie können auch unsere Vorstellung von Erfurt als Wirkungszentrum der Dominikaner des Mittelalters in Bewegung 51
DW V, 185, 2-3.
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bringen. Weitere solche Funde sind möglich. Ich nenne zwei der neuesten. Sie betreffen diesmal nicht Texte, sondern die Person eines Predigers und eine Handschrift: Unter den dominikanischen Autoren der ,Paradisus‘-Sammlung gibt es zwei auffällige Ausnahmen. Da ist zunächst der anonyme Franziskaner. Die Aufnahme seines Textes hat einen klaren Zweck. Er dient als Kontrastfolie. Denn von seiner Predigt glauben, so wird es im Inhaltsverzeichnis der Sammlung kämpferisch formuliert, „di brudere und lesemeistere in predigere ordine […] nicht eines wortis“ 52. Und gegen diese Lehre konnte, wie es im Inhaltsverzeichnis ebenfalls heißt, der Dominikaner „brudir Gisilher von Slatheim“ trefflich dispitiri[n] 53. Ein anonymer Franziskaner also dient dem Sammler dazu, die Lehre der Dominikaner, „daz diz werc der fornuft edilir ist dan diz werc dez willen“, in klarem Licht erscheinen zu lassen. Was aber tut ein Karmelit in der Sammlung? Neben all den lesemeister[n], lector[en] und brudir[n] erscheinen im Inhaltsverzeichnis nur zwei meister: Meister Eckhart und „meister Hane der calmelitta“; vertreten ist dieser durch drei Predigten (Nrr. 3, 30 und 54). Noch einmal: Was tut der Karmelit in der Dominikaner-Sammlung und wer ist er überhaupt? Die Frage hat die Forschung merkwürdigerweise kaum berührt. Ph. Strauch nahm an, er könne mit dem englischen Karmeliten Henricus de Hanna identisch sein 54. Eine Annahme, die keinerlei Wahrscheinlichkeit für sich hat; und L. Seppänen hat sie im Verfasserlexikonartikel ,Hane der Karmelit‘ 55 völlig zu Recht bezweifelt. Möglich sei dagegen, so meint Seppänen, „die Identifizierung mit dem Kölner Magister und Karmeliter-Prior Johannes Vogele, gut bezeugt in der Ordensgeschichte bis 1348“. Diese Identifizierung findet sich erstmals in einer bei K. Ruh entstandenen Würzburger Zulassungsarbeit. Vorgelegt hat sie L. Graser im Jahr 1969. Graser argumentiert zu Recht und mit zahlreichen Belegen aus dem Mittelalter, der Name ,Han/Hane‘ sei als Kurzform von Johannes zu interpretieren. Die vorgeschlagene Identifizierung mit Vogele scheint mir allerdings höchst seltsam: Der war nämlich Mitglied der erzbischöflichen Untersuchungskommission g eg en Eckhar t in Köln. Bei meinen Forschungsreisen in Tschechien ist mir letztes Jahr ein anderer Johannes begegnet, „Johannes dictus carmellita“, Prior eines Dominikanerklosters und „professor sacre theologie“ (Meister also). Der scheinbare Karmelit - ein dominikanischer Magister? Das könnte seine Aufnahme in die ,Paradisus‘-Sammlung am ehesten erklären. Ich bin noch nicht dazu gekommen, diese Spur zu verfolgen, aber ich werde es tun. Vom böhmischen Dominikaner „Johannes dictus carmellita“ sind nämlich - anders als von Henricus de Hanna und Johannes Vogele 52 53 54 55
Paradisus (nt. 1), 6 sq. (Pr. 62). Ibid., 5 (Pr. 41). Cf. ibid., IX sq. Cf. K. Ruh (ed.), Die deutsche Literatur des Mittelalters: Verfasserlexikon, vol. 3, Berlin-New York 21981, 429-431.
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weitere Werke bekannt, die sich mit den ,Paradisus‘-Predigten vergleichen lassen. Zudem ist die Spur aus einem zweiten Grund bedeutend; und der betrifft Eckhart persönlich: Eckhart wirkte von Erfurt aus auch als Generalvikar von Böhmen. Und er war - mindestens im August 1307 - in Böhmen. Es scheinen sogar lokale Berichte zu existieren, dass er dort in bestimmten Kirchen predigte. Aber Eckharts böhmische Zeit hat man bisher vernachlässigt. Er wirkte dort von seinem Amtssitz Erfurt aus. Es scheint - ich wage die Prognose - alles andere als Zufall, dass sich wohl ein Dominikaner-Meister „dictus carmellita“ in Böhmen und - neben Eckhart - in der Sammlung des ,Paradisus anime intelligentis‘ findet. Hat aber die ,Paradisus‘-Sammlung dann doch mit Eckharts Amtssitz in der fraglichen Zeit, mit Erfurt, zu tun? Es gibt ein neues Indiz dafür und damit komme ich zum zweiten hier zu behandelnden Fund: Von der Sammlung des ,Paradisus anime intelligentis‘ sind zwei Schwesterhandschriften, die heute in Oxford und Hamburg liegen, bekannt. Es dürfte eine dritte gegeben haben. Man kann ihre Existenz anhand eines Bibliothekseintrags erschließen: Im Mittelalter gab es zwei Werke mit dem Titel ,Paradisus anime‘: einen Tugendtraktat, den man Albertus Magnus zusprach, und unsere Predigtsammlung. Ein Titel für zwei Bücher ist immer eine Herausforderung für die Bibliothekare. Auch hier haben sie sie gemeistert. In der mittelalterlichen Bibliothek, von der die Rede sein soll, besaß man mehrere Exemplare des pseudo-Albert’schen Tugendtraktats ,Paradisus anime‘, im Katalog konsequent als ,Paradisus anime virtutum‘ oder ,De virtutibus‘ geführt. Klar davon abgegrenzt hat man einen anderen volkssprachlichen Titel unter der Signatur D 18, der die Predigtliteratur betraf: ,Paradisus anime in vulgari cum quibusdam profundissimis et misticis sermonibus‘. Der Bibliothekar, der den systematischen Katalog seit 1477 anlegte und auch diesen Eintrag verfasste, war selbst in starkem Maße an mystischem Schrifttum interessiert 56. Sein Name ist Jakob Volradi. Er war der Bibliothekar der Kartause Salvatorberg in Erfurt. Und hier eben, in dieser Erfurter Bibliothek, besaß man auch, wie der Katalog zeigt, eine Handschrift der deutschen Predigtsammlung ,Paradisus anime intelligentis‘. Der Bibliothekseintrag belegt eine ,Paradisus‘-Handschrift im mittelalterlichen Erfurt. Die Handschrift selbst ist bisher nicht greifbar. Man wird sie suchen müssen.
56
Cf. Märkert, A., Volradi, Jakob, in: Wachinger, B. (ed.), Die deutsche Literatur des Mittelalters: Verfasserlexikon, vol. 10, Berlin-New York 21999, 506-509.
Ordensstudium und theologische Profilbildung. Die Studia generalia in Erfurt und Paris an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert Helmut G. Walther ( Jena)
Arno Borst zum 08. Mai 2005
„Darum sagte ich in Paris, daß an dem gerechten Menschen erfüllt ist, was die Heilige Schrift und die Propheten jemals sagten.“ 1 Was Eckhart in Erinnerung an seine Pariser Lehrtätigkeit seinem deutschen Predigtpublikum als ein Zentralthema seiner theologischen Überzeugungen nahe zu bringen versucht, wird ihm Jahre später zunächst im Häresieverfahren vor dem Gericht des Kölner Erzbischofs vorgeworfen werden, dann zum inkriminierten und verurteilten Lehrsatz im durch seine Appellation erzwungenen Lehrzuchtverfahren an der Avignonesischen Papstkurie: „Quicquid dicit sacra scriptura de Christo, hoc etiam totum verificatur de omni bono et divino homine.“ 2 1
2
Pr. 24 ,Sant Paulus sprichet ,ıˆntuot iu‘‘ (DW I, 421, 1-422, 1) [= Meister Eckharts Predigten, ed. u. übers. v. J. Quint (Meister Eckhart, Die deutschen und lateinischen Werke, ed. im Auftrage der Deutschen Forschungsgemeinschaft: Die deutschen Werke, vol. 1-3 [= DW I-III]) Stuttgart 1958, 1971 u. 1976]; entspricht N. Largier (ed.), Meister Eckhart: Werke I (Bibliothek des Mittelalters 20), Frankfurt a. M. 1993, 280, 22-25 bzw. 281, 25-27 (= nhd. Übers. J. Quints). Cf. Kommentar Largiers 944 sqq. Konstitution Johannes’ XXII. ,In agro dominico‘ vom 27. März 1329, art. XII; Druck bei H. S. Denifle, Acten zum Processe Meister Eckharts, in: Archiv für Litteratur- und Kirchengeschichte 2 (1886), 636-640; entspricht M.-H. Laurent, Autour du proce`s de Maıˆtre Eckhart. Les documents des Archives Vaticanes, doc. VIII, in: Divus Thomas 39 (Piacenza 1936), 331-348, 430447, hier: 439; entspricht Acta Echardiana (cf. infra), n. 65; siehe auch G. The´ry, E´dition critique des pie`ces relatives au proce`s d’Eckhart contenues dans le manuscrit 33b de la bibliothe`que de Soest, in: Archives d’Histoire Doctrinale et Litte´raire du Moyen-Age 1 (1926/27), 129-268; deutsche Übersetzung in: Meister Eckehart. Deutsche Predigten und Traktate, ed. u. übers. v. J. Quint, München 21963, 449-455. Zum Verlauf des Prozesses in Köln, insbes. zur Beurteilung des Soester Dossiers (sog. ,Rechtfertigungsschrift‘), cf. K. Ruh, Meister Eckhart. Theologe, Prediger, Mystiker, München 21989, 168-186; W. Trusen, Der Prozeß gegen Meister Eckhart. Vorgeschichte, Verlauf und Folgen (Rechts- und staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft, N. F. 54), Paderborn 1988; L. Sturlese (ed.), Acta Echardiana (Meister Eckhart, lateinische Werke V), Stuttgart 1988, 19-240; N. Largier, in: Meister Eckhart: Werke I (nt. 1), 722-728; W. Trusen, Meister Eckhart vor seinen Richtern und Zensoren. Eine Kritik falsch gedeuteter Redesituationen, in: K. Jacobi (ed.), Meister Eckhart: Lebensstationen - Redesituationen (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens, N. F. 7), Berlin 1997, 335-352.
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Helmut G. Walther
Dieser Satz sowie 27 andere aus Eckharts Werken exzerpierte wurden von der Theologenkommission und dem Obergutachter Jacques Fournier zumindest mehrheitlich als häresieverdächtig, vom Papst und dem Konsistorium dann in der Urteilsbulle noch nach dem Tode des Ordenstheologen als zumindest in dem Maße verurteilenswert eingestuft, als sie als „multa fidem veram in cordibus multorum obnubilantia“ galten 3. Wir wissen freilich, dass Eckhart mit der Häresieanklage nur die Gefahren innovativer mittelalterlicher Theologen teilte. Die häufigen Lehrzuchtverfahren an den Universitäten selbst, vor Bischofs- und Regionalsynoden und an der päpstlichen Kurie können als geradezu typisches Zeugnis der Auswirkungen des wissenschaftlichen Diskurses an den Studia generalia der Zeit angesehen werden 4. Worin im besonderen Fall des deutschen Dominikaners Eckhart auch immer die auslösenden Momente für die Inkriminierung seiner Lehren lagen, ist wegen des in seinem Ablauf schlecht belegten ersten ordensinternen Verfahrens durch Nikolaus von Straßburg im Rahmen seiner Tätigkeit als päpstlich bestellter Visitator für die Provinz Teutonia nur mehr schwer zu rekonstruieren 5. Doch kann auf keinen Fall von einer prinzipiellen Distanzierung des Predigers Eckhart nach 1313 vom scholastischen Schulbetrieb und der von ihm zuvor in diesem Schulbetrieb eingenommenen Positionen gesprochen werden. Das wäre schon angesichts des langjährigen Verhaftetseins Eckharts im Schulwesen seines Ordens höchst unwahrscheinlich. Nach seiner Straßburger Aufgabe übernahm er mit dem theologischen Lehrstuhl am Kölner Generalstudium die drittwichtigste Position in der Ordensprovinz Teutonia und kehrte damit auch in den wissenschaft3
4
5
Cf. J. Miethke, Der Prozeß gegen Meister Eckhart im Rahmen der spätmittelalterlichen Lehrzuchtverfahren gegen Dominikanertheologen, in: Jacobi (ed.), Meister Eckhart (nt. 2), 353-375; R. E. Lerner, New Evidence for the Condemnation of Meister Eckhart, in: Speculum 72 (1997), 347-366. Cf Miethke, Der Prozeß (nt. 3); W. M. Courtenay, Inquiry and Inquisition. Academic Freedom in Medieval Universities, in: Church History 58 (1989), 168-191; J. M. M. H. Thijssen, Censure and Heresy at the University of Paris 1200-1400, Philadelphia 1998; L. Bianchi, Censure et liberte´ intellectuelle a` l’universite´ de Paris (XIIIe-XIVe sie`cles), Paris 1999; zuletzt U. Köpf, Die Ausübung kirchlicher Lehrgewalt im 13. und 14. Jahrhundert, in: G. Mensching (ed.), Gewalt und ihre Legitimation im Mittelalter (Contradictio 1), Würzburg 2003, 138-155. Der Rekonstruktionsversuch Trusens bezog erstmals die kirchenrechtlichen Grundlagen des Kölner Verfahrens in ihrer ganzen Tragweite ein und kann deswegen einen hohen Plausibilitätsgrad beanspruchen; er beruht aber letztlich auf einer bestimmten Einschätzung von Urheberschaften der Texte in der Soester Handschrift 33 wie auch von deren Funktion im Kölner Prozess. Cf. zusammenfassend zu den Abläufen und ihren prozessrechtlichen Grundlagen W. Trusen, Zum Prozeß gegen Meister Eckhart, in: H. Stirnimann (ed., in Zusammenarbeit mit R. Imbach), Eckardus Theutonicus, homo doctus et sanctus. Nachweise und Berichte zum Prozeß gegen Meister Eckhart (Dokimion 11), Freiburg/Schweiz 1992, 7-30, bes. 12 sqq., u. id., Meister Eckhart (nt. 2), 64 sq.; zur Beurteilung der Texte in der Soester Handschrift 33 cf. Trusen, Der Prozeß (nt. 2), 81 sqq. Dort findet sich auch eine Auseinandersetzung mit der abweichenden Beurteilung der Soester Hs. in der Rezension Sturleses von Trusens Prozessmonographie, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 114 (1992), 522-529.
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lichen Aufgabenbereich zurück, den er zuvor in der Pariser Universität für den gesamten Orden ausgefüllt hatte. Diese Funktion ist in ihrer Bedeutung in der Forschung viel zu sehr hinter der Laienpredigttätigkeit Eckharts verschwunden, nur weil Letztere das späte literarische Werk des Dominikanertheologen prägte. Dabei spielt es gar keine Rolle, ob Eckhart bis zum Prozess in Köln tatsächlich Magister regens des dortigen Studium generale war oder nicht 6. Es ist wohl noch immer dem Weiterwirken des älteren, antischolastisch ausgerichteten Bildes vom Mystiker Meister Eckhart geschuldet, dass auch noch jüngst das Verhältnis von Eckhart zu den Schulen als ein zumindest nicht konfliktfreies gewertet wird. Noch auf dem Freiburger Eckhart-Kongress von 1995 glaubte Mischa von Perger aus der Art der Verwendung von ,Paris‘ und ,Schule‘ in den späteren Predigttexten ablesen zu können, dass es sich bei diesen Erwähnungen um Reizworte des späten Eckhart handle 7. Solche Kontroversen berühren gewiss in stärkerem Umfang die Rahmenbedingungen der Situation Eckharts während seiner frühen Erfurter Zeit, die im Folgenden analysiert werden sollen. Bei der näheren Betrachtung dieser Lebensphase bietet es sich an, sich auf die forma vivendi des Eckhart von Hochheim aus thüringischem Adel zu konzentrieren. Denn die meisten der erhaltenen biographischen Zeugnisse stellen uns diesen Mann als den frater Eckhardus in verschiedenen Positionen und Funktionen im Dominikanerorden vor 8. Angesichts der unterschiedlichen Inanspruchnahmen Eckharts ist es nicht unwichtig zu betonen, dass der zu verfolgende Lebensweg Eckharts sich voll6
7
8
Dazu ausführlich Trusen, Der Prozeß (nt. 2), 62 sqq., u. id., Meister Eckhart (nt. 2), 338. Die Vermutung, Nikolaus sei vor der Übernahme des Visitatorenamtes der Lektor des Kölner Hausstudiums, nicht aber Sublektor (diese Funktion gibt es im Orden gar nicht offiziell) gewesen, bleibt die plausibelste Lösung; cf. Trusen, Der Prozeß (nt. 2), 63. Cf. Mischa von Perger, Disputatio in Eckharts frühen Pariser Quaestionen und als Predigtmotiv, in: Jacobi (ed.), Meister Eckhart (nt. 2), 115-148, bes. 116 sq. (,Paris‘ und ,Schule‘ als Reizworte). Zum Wandel des Eckhartbildes in der Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts siehe I. Degenhardt, Studien zum Wandel des Eckhartbildes, Leiden 1967; zuletzt auch W. Goris, Einheit als Prinzip und Ziel. Versuch über die Einheitsmetaphysik des Opus tripartitum Meister Eckharts (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 59), Leiden-New York-Köln 1997. Kurt Flaschs Vorwurf, dass mit dem Bild eines kirchenfrommen Eckhart nach 1945 nur eine klerikale Vereinnahmung an die Stelle der vorausgehenden faschistischen als Repräsentant germanischer Religiosität gesetzt worden sei, simplifiziert unzulässig. Cf. K. Flasch, Das philosophische Denken im Mittelalter. Von Augustin zu Machiavelli, Stuttgart 1986, 406 sq., mit Trusen, Meister Eckhart (nt. 2), 335. Zurückhaltender im Urteil: K. Flasch, Eckharts Absicht, in: K. Flasch/R. Imbach (eds.), Meister Eckhart - in seiner Zeit (Schriftenr. d. Identity-Foundation 7), Düsseldorf 2004, 20-27, hier: 20. Cf. Ruh, Meister Eckhart (nt. 1), pass.; siehe auch L. Sturlese, Meister Eckhart. Ein Porträt (Eichstätter Hochschulreden 90), Regensburg 1993, und R. Imbach/U. Schulze, Eckhart (Meister E.), in: Lexikon des Mittelalters, vol. 3, München-Zürich 1986 (zum Stand der biografischen Forschung).
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ständig im Rahmen der Möglichkeiten und Grenzen der Wirksamkeit des Mendikantenordens der Predigerbrüder vollzog, in dem Eckhart bis zu seinem Tod am 28. Januar 1328 9 tätig war. Auch wenn nun die ältere Kontroverse über die Herkunft Eckharts zugunsten der Abstammung aus dem westthüringischen Niederadel der milites de Hochheim als geklärt angesehen werden darf 10, wissen wir doch nichts über seine Jugend, seine Bildung, das Datum seines Eintritts in den Dominikanerorden und den Beginn seiner Studien. Josef Koch glaubte noch bis zum Schluss an ein artistisches Studium Eckharts vor 1277 in Paris, bei dem er Siger von Brabant gehört habe. Sodann habe er aber dort als Theologiestudent auch die Verurteilung von Lehren des Thomas und des Albertus Magnus selbst erlebt. Freilich habe er sein Theologiestudium dann aber noch vor 1280 am dominikanischen Generalstudium in Köln fortgesetzt 11. Nach allem, was wir über die Studienorganisation des Dominikanerordens im 13. Jahrhundert wissen, kann Eckhart als Angehöriger der Provinz Teutonia kaum ein vollständiges Artes-Studium an der Pariser Universität als Delegierter seiner deutschen Provinz im dortigen Jakobskonvent absolviert haben 12. Zum einen war der ständig bestehende Überhang der Nachfrage nach einem Studienplatz am Generalstudium des Ordens in Paris ein Dauerthema auf den Generalkapiteln. Das Problem war nämlich keineswegs dadurch beseitigt worden, dass seit 1248 die Einrichtung vier neuer Generalstudien des Ordens mit theologischem Promotionsrecht in den Provinzen Provence, Lombardia, Teutonia und Anglia vorgenommen worden war und 1259 das dominikanische Studiensystem vom damaligen Generalkapitel in Valenciennes in seiner Struktur für mehrere Jahrzehnte festgelegt wurde. Damals wurde auch von der Studienreformkommission des Ordens, der u. a. Albertus Magnus, Thomas von Aquin und Petrus von Tarentaise angehörten, der neue Pariser Lehrplan der Artistenfakultät modifiziert in den Studienplan der Dominikaner einbezogen. Damit hatten die ,weltlichen Wissenschaften‘ der Artisten neben den theologischen Studien einen legitimen Platz zugewiesen bekommen und war das hierarchische System von Studium im Heimatkonvent, im Partikularstudium (1259 erstmals als Studia solemnia unterschieden) auf der Ebene der Ordensprovinzen und - auf der höchsten Stufe - in den Studia generalia etabliert, die für die Ausbildung der Lektoren zuständig wa9
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Cf. W. Senner, Meister Eckhart in Köln, in: Jacobi (ed.), Meister Eckhart (nt. 2), 207-235, bes. 232 sq. (zum Todesdatum Eckharts). Zuletzt Trusen, Der Prozeß (nt. 2), 11 sqq., u. id., Meister Eckhart (nt. 2), 336 sq. Cf. die biografischen Ausführungen in: H. Eidam/I. Thom/U. Spannaus (eds.), homo doctus - homo sanctus. Wer ist Meister Eckhart? Katalog der Ausstellung, Erfurt 2003, 9 sqq. Cf. J. Koch, Kritische Studien zum Leben Meister Eckhart (zuerst 1959/60). Repr. in: id., Kleine Schriften I (Storia e letteratura; Raccolta di studi e testi 127), Rom 1973, 247-347, bes. 252 sqq. (Berufung auf drei Texte Eckharts ganz unterschiedlicher Provenienz). Gegen Kochs Konstruktion eines Pariser Artes-Studiums (Kritische Studien [nt. 11], 253 sq.) schon unter Verweis auf die damalige Studienstruktur des Ordens cf. L. Hödl, Meister Eckharts theologische Kritik des reinen Glaubensbewußtseins, in: U. Kern (ed.), Freiheit und Gelassenheit. Meister Eckhart heute, München-Mainz 1980, 37 sq.
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ren. Die Attraktivität des abendländischen theologischen Wissenschaftszentrums Paris und damit des dortigen Generalstudiums blieb bestehen, zumal sich die Ordensleitung vorbehielt, besonders begabte Studenten an das Pariser Generalstudium zu senden. Die Versorgungsfrage ihrer Studenten an den Generalstudien wurde damit für die dazu verpflichteten Ordensprovinzen noch problematischer - war doch auf Drängen der Provinz Francia gerade in den 70er Jahren des 13. Jahrhunderts die Beschränkung der Studienplätze in Paris nicht zuletzt wegen Versorgungsproblemen in St. Jacques auf zwei bis drei Theologiestudenten für jede der auswärtigen Provinzen festgeschrieben worden 13. Wenn Eckhart tatsächlich vor 1277 in Paris die Artes studiert hätte, dann müsste er es entsprechend den gültigen Regeln der Dominikaner also noch als Laie getan haben, wäre also erst als promovierter Artist in den Predigerorden eingetreten. Dann wäre freilich auch St. Jacques in Paris sein Heimatkonvent gewesen und Eckhart vom Orden trotz seiner Thüringer Herkunft nicht als Teutonicus bezeichnet worden. Also dürfen wir mit guten Gründen annehmen, dass Eckhart - mit welcher Vorbildung und zu welchem Zeitpunkt auch immer - den Ordenseintritt in Thüringen, und dort mit höchster Wahrscheinlichkeit in Erfurt, vollzogen hat. Zwar sind uns neben dem Datum des Ordenseintritts aufgrund der Quellenüberlieferung leider keine Beschlüsse der Provinzialkapitel der Teutonia über eine Entsendung Eckharts an das Generalstudium in Paris bekannt, aber deshalb auch kein solcher über eine alternativ mögliche Entsendung als Theologiestudent an das Generalstudium in Köln 14. Aber auch so ergibt sich bei genauem Hinsehen, dass die von Josef Koch für die Rekonstruktion der Studienzeit Eckharts herangezogenen Texte keineswegs die Folgerungen des Autors stützen. Die von Koch als Beleg für eine frühe Pariser Studienzeit Eckharts gewertete Angabe nostris temporibus meint keineswegs die Zeit der Tempier-Verurteilungen von 1270 und 1277. Sie dürfte sich vielmehr auf den späteren Korrektorienstreit beziehen und läge damit eng am ohnehin gesicherten Datum für die Lebensphase Eckharts als Pariser Baccalarius sententiarum nach 1293. Der von Koch für ein früheres Pariser Artes-Studium 13
14
Cf. D. Berg, Armut und Wissenschaft. Beiträge zur Geschichte des Studienwesens der Bettelorden im 13. Jahrhundert (Geschichte und Gesellschaft 15), Düsseldorf 1977, 60 sqq., 118 sqq. Cf. dazu die einschlägigen Beschlüsse der dominikanischen Generalkapitel seit Paris 1243 bis Montpellier 1283, in: B. M. Reichert (ed.), Acta capitulorum generalium ordinis Praedicatorum I (1220-1303) (Monumenta Ordinis Praedicatorum Historica 4 = künftig MOPH), Rom 1898; jetzt auch auf CD-ROM = Constitutiones et Acta Capitulorum Generalium Ordinis Fratrum Praedicatorum 1232-2001 (Digitale Bibliothek Spezial), Berlin 2002. Den gegenwärtigen Stand der Erforschung des mendikantischen Studienwesens repräsentiert der Kongressband Studio e studia: Le Scuole degli Ordini Mendicanti tra XIII e XIV secolo, Spoleto 2002; er bildet gewissermaßen ein aggiornamento des Forschungsstandes von 1976/78 im Kongressband Le Scuole degli Ordini Mendicanti (secoli XIII-XIV) (Convegni del Centro di Studi sulla Spiritualita` Medievale XVII), Todi 1978. Die Quellengrundlage hat sich seit der Untersuchung Josef Kochs von 1959, Kritische Studien (nt. 11), 252, nicht mehr verändert.
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gewertete Belegtext stammt nämlich aus der Einleitung Eckharts zu seinen Einlassungen von wahrscheinlich Anfang September 1326 zur ersten Liste von 49 Sätzen, die seine Gegner als häretische Lehren Eckharts dem Kölner Ketzergericht eingereicht hatten 15. Der von Eckhart bewusst auf die Klimax der Heiligsprechung des Ordenstheologen Thomas am Ende der Passage bezogene Ausgangspunkt seiner Argumentation verweist recht deutlich darauf, dass Eckhart mit der Anspielung auf die noch gut erinnerlichen (deshalb nostris temporibus) Pariser Untersuchungen gegen die berühmten Lehrer Albert und Thomas aus seinem Orden nur ein zusätzliches Argument gegenüber den beiden delegierten erzbischöflichen Richtern im Inquisitionsverfahren gewinnen wollte, das seine eigene Unschuld bekräftigen sollte. Wie sich einst in Paris selbst und dann an der päpstlichen Kurie die Anschuldigungen gegen die beiden prominenten Ordensangehörigen als unberechtigt erwiesen hätten, so erwarte er es für sich nun auch im Kölner Ketzerverfahren. Koch hat diesen Zusammenhang zu wenig beachtet und die Ausführungen Eckharts lediglich als Steinbruch für die Gewinnung biografischer Daten benutzt 16. Damit relativiert sich in keiner Weise, dass Eckhart vor seinem Pariser Theologiestudium entweder direkt in persönliche Beziehungen zu Albertus Magnus trat oder doch in Köln am Generalstudium des Ordens Näheres über dessen Lehre erfuhr, so dass sich Eckhart in seiner überlieferten Pariser Osterpredigt von 1294 als damaliger Baccalarius sententiarius auf einen häufigen Ausspruch Alberts des Großen über die Grenzen menschlichen Wissens bezieht und so seine Kölner Bekanntschaft mit dem bereits greisen Ordenslehrer dokumentiert. Am zwanglosesten lässt sich diese Bezugnahme einer eigenen theologischen Studienzeit Eckharts am Generalstudium in Köln zuordnen 17. Angesichts der Studiensituation in der Teutonia bis 1304 kam für einen Theologiestudenten Eckhart aus dem Dominikanerorden kaum ein anderes Generalstudium als Köln in Frage, an dem er zum Baccalarius biblicus promoviert worden sein konnte, bevor ihn sein Provinzialprior dann als Sententiarius an das Generalstudium nach Paris zur theologischen Promotion entsandte 18. Die jüngere Forschung hat mit Recht hervorgehoben, welche Bedeutung von Anfang an das Studium im Dominikanerorden spielte, wie es sich bezeichnend 15
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Cf. The´ry, E´dition critique (nt. 2), 185; Acta Echardiana (nt. 2), n. 46 (LW V, 226 sq.); dazu Trusen, Meister Eckhart (nt. 2), 341 sq. The´ry, E´dition critique (nt. 2), 185: „patienter tamen michi ferendum est quia beati qui patiuntur propter justiciam et deus flagellat omnem filium quem recipuit secundum Apostolum, ut merito dicam cum psalmo: ego autem in flagella paratus sum, maxime cum jam pridem magistri theologie Parisius nostris temporibus mandatum habuerint superioris de examinandis libris praeclarissimorum virorum sancti Thome de Aquino et domini fratris Alberti, tanquam suspectis et erroneis. Et contra ipsum sanctum Thomam frequenter a multis scriptum est dictum et publice predicatum, quod errores et hereses scripserit et docuerit. Sed favente domino tam Parisius quam per ipsum summum pontificem et romanam curiam ipsius vita et doctrina pariter sunt approbata.“ Cf. Koch, Kritische Studien (nt. 11), 252 sq. Cf. Koch, Kritische Studien (nt. 11), 253 sq. Zur damaligen Studiensituation schon eindeutig Berg, Armut (nt. 13), 120 sq., 135 sq.
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schon im Satz der ältesten Konstitutionen niederschlug, dass ein Konvent nur in der Doppelung von Prior und Doktor bestehen könne 19. Die Fixierung der theologischen Ausbildung der Brüder auf die Universität Paris als Zentrum des Theologiestudiums und die Orientierung am Pariser Modell beim Aufbau eines eigenen Studiensystems waren nur natürlich. Doch war keineswegs klar, ob das bei den Pariser Theologen vorausgesetzte Artistenstudium von den Dominikanern zur Gänze übernommen werden sollte und welche Ausrichtung es erfahren sollte, um den Theologiestudenten des eigenen Ordens an den Studieneinrichtungen in den einzelnen Provinzen und den für den Konvent St. Jacques in Paris ausgewählten zu Graduierenden die nötige Vorbildung bereitzustellen. Die Ordenskonstitutionen hatten von Anfang an die saeculares scientiae vom Studium ausgeschlossen; und noch in der Redaktion von 1256 waren diese wie die Lektüre von Büchern heidnischer Autoren und von Philosophen von einer Einzeldispens des Generalmagisters oder des Generalkapitels abhängig gemacht worden 20. Spannungen zwischen Konzeptionen für ein ordensumspannendes Studiensystem und den oft kläglichen Verhältnissen vor Ort in den einzelnen Provinzen blieben nicht aus. Der Jakobskonvent in Paris konnte den Unterhalt der landfremden Theologiestudenten des Ordens kaum tragen. Die Zuwendungen für den Unterhalt des Pariser Konvents aus den anderen Provinzen erwiesen sich als völlig unzureichend 21. Nicht zuletzt deswegen waren Beschlüsse zur Errichtung weiterer vier Generalstudien des Ordens (generalia studia et solempnia) notwendig 22. Mit Ausnahme Oxfords für die Anglia und von Toulouse für die Provincia bestanden die neu errichteten Generalstudien der Provinzen Lombardia und Teutonia nicht an Universitätsorten, so dass die dortigen Graduierungen und Promotionen kaum den Rang von Paris beanspruchen konnten, auch wenn das Pariser Studienmodell an den neuen Studia generalia des Ordens nach ausdrücklichem Beschluss der Generalkapitel imitiert wurde. Gerade das Oxforder Beispiel zeigt aber auch, dass sich der dortige Konvent gegen die Entsendung von je zwei Fratres aus allen anderen Provinzen nachhaltig sperrte. Da half es wenig, dass das Mailänder Generalkapitel von 1270 gleich sechs weitere Generalstudien des Ordens projektierte. Zehn Jahre später wurde der Beschluss noch einmal wiederholt, um ihn nochmals zwei Jahre später auf jede Provinz auszudehnen, jedoch 19
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22
Cf. I. W. Frank, Die Spannung zwischen Ordensleben und wissenschaftlicher Arbeit im frühen Dominikanerorden, in: Archiv für Kulturgeschichte 49 (1967), 164-207, hier: 164; H. S. Denifle, Die Constitutionen des Prediger-Ordens vom Jahre 1228, in: Archiv für Litteratur- und Kirchengeschichte des Mittelalters 1 (1885), 165-227, hier: 221. Zuletzt M. M. Mulchahey, First the Bow is Bent in Study. Dominican Education Before 1350, Toronto 1998. Cf. Denifle, Die Constitutionen (nt. 19), 222; Constitutiones Paris 1256: Constit. et Acta (nt. 13), 171. Cf. Generalkapitel Paris 1246 (MOPH III, 36 = Constit. et Acta [nt. 13], 243); cf. Berg, Armut (nt.13), 118-121. Generalkapitel Montpellier 1247; Bestätigung Paris 1248 (MOPH III, 38, 41 = Constit. et Acta [nt. 13], 251, 255).
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ein Jahr später wieder auf den Planungsstand von 1280 zu reduzieren. Schließlich glaubte man 1288 sich realistischerweise mit fünf Generalstudien begnügen zu sollen. Durch zweimalige Bestätigung des Beschlusses auf den folgenden Generalkapiteln wurde dieser rechtskräftig, die Zahl auf den nachfolgenden drei Generalkapiteln dann auf sechs erhöht. Das Kapitel von Bologna 1302 wollte nun jede Provinz - ausgenommen die personal- und finanzschwachen Dacia, Graecia und Terra Sancta - mit einem Generalstudium ausstatten 23. Durch Bestätigungen der Generalkapitel von 1303 und 1304 wurde dieser Beschluss zur Norm und zwang die Provinzen zur Umsetzung, „ut semper in aliquo conventu ydoneo sit generale studium et solempne“ 24. Weshalb die Generalkapitel ihre Beschlüsse zur Vermehrung der Generalstudien mehrfach verändern und revidieren mussten, macht der Fall des Kölner Generalstudiums der Teutonia deutlich. Noch drei Jahre nach seiner Gründung 1248 musste das Generalkapitel den Provinzialprior der Teutonia ermahnen, dass er entsprechend den Beschlüssen des Gesamtordens, seiner Leitungsgremien wie seines eigenen Provinzkapitels unbedingt dafür zu sorgen habe, dass die Konvente der Provinz dem Kölner Haus beizustehen hätten. Ansonsten bestehe Gefahr, „ne studium generale ibi positum propter inopiam domus impediri“ 25. Wenn diese Gefahr im reichen Köln bestand, können finanzielle Schwierigkeiten im niederrangigeren Studienwesen der Dominikaner in der Teutonia in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts trotz fehlender Quellen vorausgesetzt werden. Für andere Provinzen sind teilweise Schließungen gerade von artistischen Schulen der Dominikaner gut bezeugt 26. Einerseits war im Orden recht schnell mit der Orientierung an der Pariser Theologie eine Entscheidung gefallen, sich am dortigen Universitätscurriculum auszurichten und daher auch die sich verändernden Grundlagen des Artes-Studiums zu akzeptieren. Doch diese Übernahme trotz der in den Konstitutionen des Ordens auch weiterhin verankerten Einschränkung des Studiums der scientiae saeculares bedeutete nicht nur auf dem Gebiet der Theologie selbst einen Umbruch, sondern brachte in der Praxis der Vorbildung der Ordensstudenten für die ja universitätslose Provinz Teutonia im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts 23
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26
Cf. Berg, Armut (nt. 13), 120 sq. (zu den Beschlüssen über neue Generalstudien auf den Generalkapiteln seit Barcelona 1261 bis Bologna 1302), 118 (Verhältnisse in Oxford); Bologna 1302: MOPH III, 314 = Constit. et Acta (nt. 13), 902. Endgültiger Beschluss (Zitat): Generalkapitel Toulouse 1304 (MOPH IV, 1 = Constit. et Acta [nt. 13], 940). Generalkapitel Metz 1251: MOPH III, 59 (= Constit. et Acta [nt. 13], 293); cf. Berg, Armut (nt. 13), 103. Cf. Frank, Die Spannung (nt. 19), 173; Berg, Armut (nt. 13), 93 sq., 96, 100, 101 sq. (zur artistischen Ausbildung in den Schulen der einzelnen Provinzen). Zum Hintergrund in der gesamten Ordensentwicklung jetzt M. M. Mulchahey, The Roˆle of the Conventual Schola in Early Dominican Education, in: Studio e studia (nt. 13), 117-150.
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erhebliche Strukturprobleme für die Organisation ihres Studienwesens. Schon durch die Tatsache ihrer conversio erst als Magister oder Bakkalare waren die ersten dominikanischen Lehrstuhlinhaber von Anfang an der Neuausrichtung der Theologie in Paris verpflichtet. Und auch nach den 30er Jahren blieb der Orden durch seine zwei Magistri regentes Teil des Innovationsdiskurses der Disziplin, hatte mit Stephan von Venizy sogar einen Magister, der schon 1241 wegen der starken Einbeziehung der aristotelischen Naturphilosophie in ein Lehrzuchtverfahren verwickelt wurde 27. Der von der Ordensleitung durchgesetzte und konsequent durchgehaltene kurzfristige Personalwechsel am für Nichtfranzosen reservierten Lehrstuhl diente gerade besonders der theologischen Profilierung der Ordenstheologie. Dafür war es aber unumgänglich, die konsequente Pariser Aristoteles-Rezeption bei den Artisten, deren Magistergrad schnell die unumgängliche Voraussetzung einer Graduierung in der theologischen Fakultät wurde, auf das Curriculum der eigenen Artes-Studien im Orden zu übertragen. So waren zwar die dominikanischen Theologiestudenten in Paris und an den eigenen Studia generalia von der Erlangung des Grades eines Artistenmagisters dispensiert; jedoch nur deshalb, weil das Studiensystem des Ordens eine äquivalente artistische Grundausbildung für das Theologiestudium voraussetzte. Die Generalkapitel schärften immer wieder diesen Qualitätsstandard des Zusammenhangs von Artes- und Theologiestudium ein 28. Doch bleibt zu beachten, dass die Konsequenz der Pariser Neuorientierung der Artistenmagister, die nun neues Selbstbewusstsein als philosophi fanden und artikulierten, etwas anderes war als die bloße Möglichkeit, auch die libri naturales des Stagiriten zu studieren, mit der die von den Dominikanern geprägte junge Universität Toulouse seit 1230 um Studenten warb. Es war gegen erheblichen Widerstand im eigenen Orden, als 1259 im Auftrag des Ordensmagisters Humbert von Romans eine Reformkommission mit u. a. Albertus Magnus, dem Aquinaten und Petrus von Tarentaise sowie anderen Theologiemagistern eine Studienreform formulierte und durchsetzte, die das alte prinzipielle Verbot von Säku27
28
Dazu zuletzt Courtenay, Inquiry (nt. 4); id., Dominicans and Suspect Opinion in the Thirteenth Century: The Cases of Stephen of Venizy, Peter of Tarentaise, and the Articles of 1270 and 1271, in: Vivarium 32 (1994), 186-195, und Thijssen, Censure (nt. 4). Cf. die Beschlüsse des Pariser Generalkapitels von 1243, das ausdrücklich noch einmal das Studium von libri philosophici begrenzte und die Studenten aufforderte, die in Paris zensurierten Lehrsätze aus ihren Studienunterlagen auszuradieren (MOPH III, 26 = Constit. et Acta [nt. 13], 224 sq.). So das Generalkapitel von Genua 1305, das den Zusammenhang zwischen Artes-Studium auf aristotelischer Basis und Theologiestudium in Paris bzw. Graduierung zum Sententiarius an anderen Generalstudien des Ordens zur Voraussetzung für die Bestellung als Leiter eines Partikularstudiums (Lector principalis) machte; cf. MOPH IV, 12 = Constit. et Acta (nt. 13), 965: „Ordinamus, quod nullus rediens de aliquo studio generali, Parisiensi dumtaxat excepto, illo anno ponatur lector principalis nisi prius reponatur per annum in studio generali, si in sua provincia fuerit, ut de hoc studencium profectu cercior noticia possit haberi et per eos magis studium sue provincie vigorari. In studiis vero sentenciarum nullus principalis lector ponatur nisi de studio Parisiensi redierit vel lectionem principalem vel sentencias in provincia sua laudabiliter legerit. Et quia premissa non possunt sine studio arcium observari, volumus et ordinamus, quod omnes provincie ad providendum de naturarum studiis teneantur.“
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larstudien modifizierte und die sich auf Aristoteles gründenden studia arcium zur Grundlage der Unterrichtung der juvenes im Orden machte 29. Der in Paris 1255 modifizierte Lehrplan der Artisten wurde konsequent auf die Bedürfnisse der Dominikaner übertragen. Die theologische Ausbildung der Fratres sollte dem modernsten Stand dieser Wissenschaftsdisziplin entsprechen. In Konsequenz mussten nun in jeder Provinz auch die Hausstudien zumindest teilweise zu Vorbereitungsschulen für ein Theologiestudium auf aristotelischer Basis umgeformt werden. Dabei wurde zwischen Studia logicalia und Studia naturarum unterschieden. Isnard Frank hat bereits vor Jahren die Schwierigkeiten herausgestellt, die eine Umsetzung dieses Konzepts in der Provinz Teutonia bis weit nach der Wende zum 14. Jahrhundert mit sich brachte. Leider ist durch den Verlust der Provinzialkapitelsakten kein detaillierter und regional differenzierter Einblick in die Praxis des Ordensstudiums in der Provinz Teutonia mehr möglich 30. Es mangelte dem Orden in jener Zeit aber schlichtweg an geeignetem Lektorenpersonal. Bis weit ins 14. Jahrhundert hinein musste der Orden mit einer Verwaltung des Mangels improvisieren. Für die seit 1304 von der Teutonia getrennte Provinz Saxonia war die Lage noch schlechter, da sie nun zunächst noch über kein eigenes Generalstudium verfügen konnte. Dabei hatte das Generalkapitel von 1259 neben den Generalstudien im Sinne der theologischen Studienreform auch die Einrichtung von eigenen Studia solemnia in jeder Provinz verfügt im Sinne von theologischen Partikularstudien für die theologische Ausbildung der dortigen Fratres unterhalb der in ihrem Anspruch strikt am Pariser Universitätsmodell orientierten Generalstudien. Das Lehrprogramm dieser Partikularstudien sollte sich dabei zwar ebenfalls am Lehrplan der universitären Theologiefakultäten ausrichten. Während die Generalstudien jedoch die klare dreigliedrige Hierarchie von Baccalareus biblicus, Sententiarius und Doctor in sacra pagina übernahmen, konnte man sich am Partikularstudium notfalls statt mit einem als Theologiedoktor Graduierten mit einem Sententiarius als Lector principalis begnügen. Im Regelfall sollte aber bereits der zusätzliche Sublector diesen Grad besitzen und sogar bei entsprechendem Bedarf noch durch einen Lector ad legendam biblice ergänzt werden 31. Mit den hier graduierten Fratres sollten das wissenschaftliche Niveau des Personals für die Hausstudien der Konvente, die Bereitstellung von Cursores für die zwei Stufen von Artes-Studien im Orden und der Studienfortschritt der Studenten gesichert werden. Wer als Lector und Cursor zusätzlich die Funktion des Magister studencium übernahm, sollte zu29
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Generalkapitel Valenciennes 1259 (MOPH III, 98 sq. = Constit. et Acta [nt. 13], 374 sq.); Studienordnung der Magister von 1259, in: Chartularium Universitatis Parisiensis I, eds. H. S. Denifle/E. Chatelain, Paris 1899, no. 335 (385); Berg, Armut (nt. 13), 63 (Umsetzung der Reformen). Cf. I. M. Frank, Zur Studienorganisation der Dominikanerprovinz Teutonia in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts und zum Studiengang des seligen Heinrich Seuse OP, in: E. M. Filthaut OP (ed.), Heinrich Seuse. Studien zum 600. Todestag 1366-1966, Köln 1966, 39-69, hier: 52 sqq. Cf. die Beschlüsse von Genua 1305 (cit. nt. 28); Frank, Zur Studienorganisation (nt. 30), 59 sqq.
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dem regelmäßig an den Provinzial über Studienfortschritte berichten, damit dieser die geeigneten Kandidaten für die Partikular- und Generalstudien auswählen konnte 32. Freilich setzte die ordnungsgemäße Besetzung der Positionen der Lectores principales und Sublectores eine entsprechende Anzahl von Graduierten der Generalstudien oder zumindest der Partikularstudien der Ordensprovinzen voraus. Dies scheint lange Zeit nicht gewährleistet gewesen zu sein, so dass Querversetzungen der Graduierten einer Provinz an Studia generalia und solemnia einer anderen üblich waren 33. Da der Orden aber sein administratives Führungspersonal aus dem gleichen Reservoir an Graduierten beziehen musste, ergaben sich Personalengpässe. Das Bologneser Generalkapitel von 1315 ermächtigte ausdrücklich die Provinzialprioren zu einer Begrenzung der Studentenzahlen in den Generalstudienkonventen ihrer Provinzen auf 22 bis 23 und zum Ausschluss von fratres inutiles et onerosi aus diesen Konventen, die sich nur auf absolut ,funktionstüchtige und belastbare‘ Mitglieder beschränken sollten 34. Die um die Gebiete der neuen Provinz Saxonia verkleinerte Teutonia musste im zweiten Drittel des 14. Jahrhunderts auf ihren Provinzialkapiteln immerhin die Stellen von 13 Lektoren, 10 Sententiaren, 6 Lektoren für die Studia logicalia (Studia arcium) und 5 für die Studia naturarum, daneben noch diejenigen der 27 Leiter der Hausstudien in den übrigen Konventen besetzen. Die Generalkapitel schrieben außerdem fest und ermahnten die Provinzen zur Einhaltung der Norm, dass Lehrende, aber auch an diese Studieneinrichtungen abgeordnete Fratres nicht mit Positionen in der Ordensadministration belastet werden durften 35. Diese Auswirkungen der Studienreform belasteten aber die Infrastruktur der Provinz Teutonia außerordentlich und stellten ihre Provinzialprioren vor erhebliche Probleme. Einerseits hatten diese die wirtschaftlichen und seelsorgerischen Interessen der einzelnen Konvente zu wahren, andererseits die Beschlüsse und 32
33
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Auch hier sind mit ihrer Aufzählung der Curricula der einzelnen Studienstufen (Studia logicalia et naturarum, Studia sentenciarum, Studium generale) die Beschlüsse des Generalkapitels von Genua 1305 höchst aufschlussreich (MOPH IV, 12 sq. = Constit. et Acta [nt. 13], 965 sq.). Noch 1315 schärfte ein Beschluss des Generalkapitels von Bologna Entsprechendes ein; cf. MOPH IV, 79 = Constit. et Acta (nt. 13), 1146: „Cum profectus studii et sciencie a cursoribus et lectoribus dinoscitur principaliter dependere volumus et ordinamus, quod unus vel duo conventus ad minus in qualibet provincia eligantur, quibus priores provinciales vel eorum vicarii provideant de sufficientibus lectoribus et cursoribus pro officio lectionum“; siehe auch Berg, Armut (nt. 13), 64; davon sind Strafversetzungen in andere Provinzen zu unterscheiden, so die des Provinzialpriors der Anglia, Simon von Hinton (1261), der den Betrieb eines Generalstudiums in Oxford blockiert hatte, als Lektor in die Teutonia; cf. Berg, ibid., 118 sq. Generalkapitel Bologna 1315 (MOPH IV, 78 sq. = Constit. et Acta [nt. 13], 1144 sq.). So zu rekonstruieren aus den als Fragment erhaltenen Akten des in Basel abgehaltenen Provinzialkapitels der Teutonia 1346, ed. Th. Kaeppeli, Kapitelsakten der Dominikanerprovinz Teutonia (1346), in: Archivum Fratrum Praedicatorum 23 (1953), 327-334, hier: 329-333 (Studienorte und -personal); cf. Frank, Zur Studienorganisation (nt. 30), 45; Berg, Armut (nt. 13), 64 (zu den Regelungen seit Valenciennes 1259); auf der Ebene der Teutonia cf. die Anordnungen des Provinzials Hermann von Minden 1278 über die Entlastung auch der Artes-Studenten, in: Ungedruckte Dominikanerbriefe des XIII. Jhs., ed. H. Finke, Paderborn 1891, 84, 100.
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Gesamtinteressen des Ordens durchzusetzen und zu verwirklichen. Dass besonders in Provinzen ohne Universitätstradition die Umstellung des Theologiestudiums auf eine allein an Aristoteles ausgerichtete rationale Theologie mit ihren auf dialektische Disputation ausgerichteten Lehrformen auf Widerstand bei Gruppen unter den Predigerbrüdern stoßen musste, da doch deren Predigtmodus gerade in Hinblick auf ihr Laienpublikum wesentlich stärker von der traditionellen monastischen Weise der Bibelexegese geprägt war, machte sich noch um 1300 bemerkbar. Unter Bezugnahme auf Äußerungen Humberts von Romans und mit einem bewussten Aufgreifen älterer Vorstöße gegen die sich aristotelisierende Universitätstheologie konnte 1308 eine Mehrheit auf dem Generalkapitel von Padua erreichen, dass zumindest für einige Jahre eine Stärkung der kursorischen Bibellektüre im Studium erfolgte, wenn auch das Ziel eines eigenen Studium biblicum nicht erreicht wurde. So unterschied ein Beschluss des Generalkapitels von Ferrara 1290 ausdrücklich zwischen einer Behandlung der Bibel im Vorlesungsbetrieb cursorie und biblice 36. Der innere Widerstand gegen die Festlegung des Ordens auf die Lehre des Aquinaten zu Beginn des 14. Jahrhunderts ist auch unter solchen Gesichtspunkten zu beachten. Die Bedeutung solcher Fragen für die Haltung Eckharts und die Zielrichtung seiner Theologie liegt auf der Hand; sie kann aber an dieser Stelle nicht weiterverfolgt werden 37. Als ein bereits (am Kölner Generalstudium?) zum Grad eines Baccalarius biblicus promovierter Theologiestudent wurde Eckhart 1293 vom eigenen Provinzialprior und dem Generalmagister als Sentenzenbakkalar an die Theologische Fakultät der Pariser Universität geschickt. Die feierliche collatio zur Vorlesung über das erste Buch der Sentenzen hat sich erhalten, ebenso wohl zumindest eine der Predigten, die der Bakkalar zu halten verpflichtet war 38. 36
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Cf. I. W. Frank, Die Spannung (nt. 19), 195 sqq.; I. M. Frank, Zur Studienorganisation (nt. 30), 62; Ferrara 1290 (MOPH III, 256 = Constit. et Acta [nt. 13], 741): „Volumus et ordinamus, quod in quolibet studio generali biblia cursorie et biblice legatur. Si autem in scholis publice non legatur, quilibet doctor in theologia legat semper cursorie aliquid de textu, lectione dumtaxat de sentenciis non obmissa.“ 1308 konnte in Padua unter Verweis auf ein durch Vernachlässigung nahezu zusammengebrochenes Bibelstudium („studium sacre scripture nimis notabiliter sit collapsum et a plerisque negligi videatur“) durchgesetzt werden, dass die Bibelvorlesungen nur noch biblice stattfanden (cf. MOPH IV, 34 = Constit. et Acta [nt. 13], 1024). In Carcassonne 1312 setzten sich die Vertreter der ,Sentenziarier‘ letztlich weitgehend wieder durch. Die Bibelvorlesung biblice wurde auf ein Jahr beschränkt (cf. MOPH IV, 56 = Constit. et Acta [nt. 13], 1087). Cf. Frank, Zur Studienorganisation (nt. 30), 64. Es ist nicht nur für die Form der Bibelexegese im Ordensstudium der Dominikaner, sondern auch für diejenige Eckharts in seinen Predigten von großer Bedeutung, dass dann das Florentiner Generalkapitel von 1321 den Lectores principales die Literalexegese als vorrangige Aufgabe zuteilte (cf. MOPH IV, 133 = Constit. et Acta [nt. 13], 1272). Texte der ersten Pariser Zeit Meister Eckharts, in: LW V = Die lateinischen Werke, ed. u. übers. v. J. Koch, Stuttgart-Berlin 1936; cf. Th. Kaeppeli, Praedicator monoculus. Sermons parisiens de la fin du XIIIe sie`cle, in: Archivum Fratrum Praedicatorum 27 (1957), 120-167. Bei Ruh, Meister Eckhart (nt. 2), 19 sq., Zweifel an der Authentizität des in der Hs. Brügge, Bibl. Municip. Cod. 491, foll. 259r-315v, überlieferten Sentenzenkommentars in der Zuweisung an Eckhart.
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Die Wahl zum Prior des Konventes in Erfurt nach seiner Rückkehr aus Paris 1294 und vor allem die Bestellung zum Vikar des Provinzialpriors der Teutonia für die natio Thuringia dürften schon bei der Entsendung nach Paris geplant gewesen sein 39. Von dort war gerade der im September 1293 zum Provinzialprior gewählte Dietrich von Freiberg als Baccalareus formatus zurückgekehrt. Dieser erwarb dann 1296 nach dem Ende seiner Amtszeit als Provinzial den theologischen Doktorgrad in Paris. Wie bei dem etwas älteren Dietrich vollzog sich die Karriere im Orden im Wechsel von Lehrverpflichtungen an Studieneinrichtungen des Ordens, eigener theologischer Fortbildung und der Übernahme von administrativen Aufgaben für den Orden. Eckhart musste ab 1298 auf die gleichzeitige Ausübung des Priorenamtes und des Vikariates nach dem Unvereinbarkeitsbeschluss des Metzer Generalkapitels von 1298 verzichten. Es ist nicht bekannt, für welches Amt er sich entschied. Immerhin ist mit diesem Metzer Beschluss ein sicherer terminus ante quem für die ,Rede der underscheidunge‘ gegeben, die also sicher dieser Erfurter Phase Eckharts zuzuordnen sind 40. Im Anschluss an diese administrative Amtszeit, in der sich Eckhart offensichtlich bewährte, wurde er 1302 vom Generalkapitel in Bologna als erster deutscher Dominikaner nach Dietrich von Freiberg auf den für Nichtfranzosen reservierten Pariser theologischen Lehrstuhl entsandt. Dies geschah, nachdem dieses Generalkapitel die eingerissene Praxis der Pariser dominikanischen Theologiemagister actu regentes, die Stadt einfach zu verlassen, wie schon das Kölner Generalkapitel im vorigen Jahr erneut verurteilt hatte 41. Zum anderen beginnt das Generalkapitel 1301 mit der Teilung der Provinz Teutonia in zwei Provinzen. Die übliche Verfahrensweise des Ordens verlangt eine Wiederholung des Beschlusses auf den zwei folgenden Generalkapiteln, um Rechtskraft zu erlangen. Die Provinzteilung wird also 1303 nach dem Beschluss in BesancX on in Kraft treten, wenn Eckhart als Magister actu regens seine nach den Pariser Statuten notwendige zweijährige theologische Lehrtätigkeit beendet haben wird. Schließlich trifft das Bologneser Kapitel 1302 erstmals den Beschluss, in nahezu jeder Provinz ein Generalstudium einzurichten. Bei entsprechender zweimaliger Wiederholung würde das bedeuten, dass auch die aus der
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So jedoch J. Koch, Ein neuer Eckhart-Fund: Der Sentenzenkommentar (zuerst 1943), in: id., Kleine Schriften I (nt. 11), 239-246. Cf. W. J. Courtenay, Academic Formation and Careers of Mendicant Friars. A Regional Approach, in: Studio e studia (nt. 13), 197-217 (Verbindung von Studium und Ordenskarriere allgemein); Koch, Kritische Studien (nt. 11), 258 sq. (Quellengrundlagen, vor allem zu den Eckharts Erfurter Zeit nach 1294 zugewiesenen ,Rede der underscheidunge‘). Generalkapitel Metz 1298 (MOPH III, 289 = Constit. et Acta [nt. 13], 840). Sollte sich Eckhart nach dem Metzer Unvereinbarkeitsbeschluss für das Priorat entschieden haben, wäre er mit allen Konventsprioren der Teutonia auf dem Generalkapitel von Marseille 1300 abgelöst worden (cf. MOPH III, 298 = Constit. et Acta [nt. 13], 863). Verhalten des zweiten Pariser Theologiemagisters: Generalkapitel Köln 1301, Bologna 1302 (MOPH III, 305, 314 = Constit. et Acta [nt. 13], 878, 902).
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Teilung der Teutonia hervorgehende neue deutsche Provinz Saxonia nun ein solches Generalstudium einzurichten hätte, während die verkleinerte Teutonia entsprechend der vorgenommenen Grenzziehung weiterhin über das schon 1248 eingerichtete Kölner Generalstudium verfügen kann. Eckhart, der über alle für eine Pariser theologische Doktorpromotion notwendigen Voraussetzungen verfügte, dürfte noch im Herbst 1302 die licentia docendi des Pariser Kanzlers erhalten haben, so dass er nach seiner feierlichen inceptio mit seiner theologischen Vorlesung beginnen und die vom theologischen Magister geforderten Quästionen abhalten konnte. Zumindest zwei der unter Eckharts Namen überlieferten Quästionen sind diesem ersten Pariser theologischen Magisterium zuzuordnen. Wie die jüngsten Untersuchungen dieser Quästionen zeigen, erweist sich Eckhart in ihnen ganz als Teilhaber am aktuellen philosophisch-theologischen Diskurs über die Lehren der beiden großen Ordenslehrer Albert und Thomas über Gott als reinen Intellekt 42. Der Satz aus der quaestio I, „Sapientia autem, quae pertinet ad intellectum, non habet rationem creabilis“ 43, wird Eckhart bis in seinen Kölner Häresieprozess und das Avignonesische Lehrzuchtverfahren verfolgen. Die subtile Detailanalyse der Zeugnisse der ersten theologischen Lehrtätigkeit Eckharts in Paris vermag also die Individualität der Lehre dieses Denkers als Konstante herauszuarbeiten. Dennoch bleibt festzuhalten, dass die traditionelle Entgegensetzung des Mystikers Eckhart zur Scholastik und ihrem Lehrbetrieb Konstrukt bleibt - nicht zuletzt, da Eckhart bekanntlich bis zum Beginn des Kölner Prozesses wohl selbst Magister in sacra pagina des Kölner Generalstudiums seines Ordens war. Eckharts eigenständige philosophisch-theologische Prägung ist also das eine. Aber das darf nicht dazu führen, ihn als Denker in seiner intellektuellen Umwelt zu schnell zu isolieren. Zum Repräsentanten und mehr noch zum Begründer einer eigenständigen deutschen Denkrichtung taugt er nur ganz bedingt. Wer so mit ihm verfährt, vergisst zumeist die immense Spannbreite dominikanischen Denkens und theologischer Lehre gerade nach 1300. Nachdem in der jüngeren Forschung deutlich geworden ist, dass Eckharts Denuntiation als Ketzer durch eigene Ordensbrüder Ursprung des ordensinternen Verfahrens des Visitators Nikolaus von Straßburg und dann des Kölner Prozesses war, beweist der Ablauf 42
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Zur Doktorpromotion cf. Koch, Kritische Studien (nt. 11), 260 sqq.; zu den Pariser Quästionen: E´.-H. We´ber, L’argumentation philosophique personelle du the´ologien Eckhart a` Paris en 1302/ 1303, in: Jacobi (ed.), Meister Eckhart (nt. 2), 95-114; cf. R. Imbach, Deus est intelligere. Das Verhältnis von Sein und Denken in seiner Bedeutung für das Gottesverständnis bei Thomas von Aquin und in den Pariser Quaestionen Meister Eckharts (Studia Friburgensia, N. F. 53), Freiburg/Schweiz 1976, und die Beiträge im Sammelband Maıˆtre Eckhart a` Paris. Une critique me´die´vale de l’ontothe´ologie. Les Questions parisiennes n∞ 1 et n∞ 2 d’Eckhart. E´tudes, textes et traductions par E. Zum Brunn, Z. Kaluza, A. de Libera, P. Vignaux et E. We´ber (Bibliothe`que de l’E´cole des Hautes E´tudes; Section des Sciences Religieuses LXXXVI), Paris 1984. LW V, 41, 10 sqq.
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des Lehrzuchtverfahrens an der päpstlichen Kurie in Avignon einerseits, dass er zu den innovativen Denkern seiner Zeit zählte, für die diese Form der Auseinandersetzung mit einer Zensurierung aus Glaubensgründen zum ,Berufsrisiko‘ des mittelalterlichen Intellektuellen gehörte und deshalb den Angehörigen dieses Typus mehrheitlich nicht erspart blieb 44. Andererseits gerät seine tiefe Verwurzelung im Dominikanerorden aus dem Blick, wenn er durch die Arbeit an der Edition seiner Predigttexte nur noch zum predigenden Seelsorger für Laien, insbesondere von Frauengemeinschaften, stilisiert wird. Auf diese Tätigkeit lässt sich das Dasein dieses so prominenten Mitglieds seines Ordens kaum reduzieren. Hatte Eckhart bereits Paris verlassen, als im Sommer 1303 die Wellen der Auseinandersetzung zwischen König Philipp IV. und Papst Bonifaz VIII. hochschlugen? Zwei Ordensbrüder Eckharts aus dem Jakobskonvent, der französische Thomasschüler Jean Quidort und der damals schon prominentere Magister und ordensinterne Thomasgegner Durand de St.-PourcX ain, hatten aus den Reihen der Pariser Dominikaner an vorderster Stelle die Partei des Königs ergriffen, drei andere, der damalige Sententiarius und spätere Generalmagister Hervaeus Natalis ebenso wie der Prior und Subprior des Konvents und der Provinzialprior, leisteten wie insgesamt 133 Angehörige des Konvents am nächsten Tag die Unterschrift, nur 50 Brüder verweigerten diese. Dagegen bemühten sich vornehmlich die Augustinereremiten um eine argumentative Untermauerung des Anspruchs des Papstes auch auf eine potestas directa in temporalibus. Der bereits im September 1303 auf dem ersten Provinzialkapitel in Erfurt gewählte, auf dem Generalkapitel von Toulouse 1304 dann als Provinzialprior der neuen Ordensprovinz Saxonia bestätigte Eckhart war sofort darum bemüht, die Infrastruktur seiner Ordensprovinz zu verbessern 45. Die zweite Erfurter Phase Eckharts zwischen 1303 und 1311 macht deshalb deutlich, welche administrativen Aufgaben er für seinen Orden bereitwillig 44
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Cf. Koch, Kleine Schriften I (nt. 11), pass. (sp. zu Durandus de Sancto Porciano); Courtenay, Inquiry (nt. 4), pass.; Miethke, Der Prozeß (nt. 3), 353-375; Thijssen, Censure (nt. 4); Bianchi, Censure (nt. 4); Lerner, New Evidence (nt. 3); Köpf, Die Ausübung (nt. 4). Zu den politisch-publizistischen Auseinandersetzungen um 1300 mit gewichtiger Beteiligung der führenden Vertreter aller Bettelorden cf. zusammenfassend J. Miethke, De potestate papae. Die päpstliche Amtskompetenz im Widerstreit der politischen Theorie von Thomas von Aquin bis Wilhelm von Ockham (Spätmittelalter und Reformation, N. F. 16), Tübingen 2000; speziell zur Rolle des Pariser Dominikaners Jean Quidort siehe jetzt K. Ubl, Johannes Quidorts Weg zur Sozialphilosophie, in: Francia 30/1 (2003), 43-72. Zur Pariser Universitätssituation in den 90er Jahren cf. H. G. Walther, Aegidius Romanus und Jakob von Viterbo - oder: Was vermag Aristoteles, was Augustinus nicht kann? In: M. Kaufhold (ed.), Politische Reflexion in der Welt des späten Mittelalters. Essays in Honour of Jürgen Miethke, Leiden-Boston 2004, 151-169; zu den Verhältnissen im Pariser Konvent St. Jacques 1303 bei der Abstimmung über die Konzilsforderung König Philipps IV. cf. jetzt W. J. Courtenay, Between Pope and King: The Parisian Letters of Adhesion of 1303, in: Speculum 71 (1996), 577-605, hier: 596-599 (Verhältnisse in St. Jacques). Zum Amtsantritt Eckharts als Provinzial siehe Koch, Kritische Studien (nt. 11), 261 sqq.
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schulterte und durchaus nicht für unvereinbar mit seiner Position als Pariser Theologiemagister ansah. Die schon von den Reisewegen her beschwerliche Teilnahme an den jährlichen Generalkapiteln war noch das wenigste. Der neue Generalmagister Aymerich von Piacenza bestätigte auf dem Pfingstkapitel von Toulouse die Wahl Eckharts als Provinzial und ernannte ihn dann 1307 in Straßburg gleichzeitig zum Generalvikar in der Bohemia mit plenaria potestas. Das bedeutete eine zusätzliche intensive Reisetätigkeit für Eckhart außerhalb der Grenzen seiner Provinz. Reformen innerhalb bestehender und die Errichtung neuer Konvente blieben dort nicht ohne Widerstand, wovon Beschlüsse der Generalkapitel zumindest indirekt Nachricht geben 46. Eckhart kümmerte sich zuvor und danach um die Konsolidierung der eigenen Provinz. Nur wenige Urkunden sind aus seinem Provinzialat erhalten, verraten aber deutlich das Bestreben, neue Konvente zu den bestehenden 44 zu errichten. Von seinem ersten Provinzialkapitel in Rostock als anerkannter Provinzialprior bestätigte er brieflich im September 1305 das Abkommen des Göttinger Konvents mit dem städtischen Rat über die bauliche Ausdehnung der Konventsgebäude. Im folgenden Jahr konnte er die Verlegung des Frauenkonvents von Lahte (bei Loccum) nach Lemgo vermitteln, was wegen des dabei nötigen Wechsels der Diözese von Minden nach Paderborn zusätzliche kirchenrechtliche Schwierigkeiten bot. Bis 1310 folgten unter Eckhart noch Provinzialkapitel in Halle, Minden, Seehausen in der Altmark, Norden und Hamburg. Dabei scheint Eckhart auch gepredigt zu haben, wie zwei doppelt überlieferte Predigttexte zum Fest Mariae Geburt beweisen, also zu den traditionellen Terminen der Provinzialkapitel der Saxonia 47. Die neuen Konvente in Braunschweig, Dortmund und Groningen sind alle offiziell 1310 von Papst Clemens V. genehmigt und vom Generalkapitel in Piacenza in den Orden aufgenommen worden 48. Keine dieser Neugründungen blieb problemlos. Die Zeiten, in denen städtische Räte die Mendikanten mit offenen Armen empfingen, waren inzwischen vorbei. Mendikantenstreite, d. h. Konflikte mit dem Säkular- oder älteren Ordensklerus in den Städten und mit den sorgfältig auf Rendite des städtischen Grundbesitzes achtenden Räten, waren inzwischen fast überall an der Tagesordnung. Auch wenn diesen Konflikten in der Saxonia die großen dogmatischen und ekklesiologischen Dimensionen fehlten, die den Konflikt an der Pariser Universität des 13. Jahrhunderts noch ausgezeichnet hatten, bewiesen sie doch das Vorhandensein von erheblichem 46
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Cf. Koch, Kritische Studien (nt. 11), 265 sqq.; cf. auch Generalkapitel Straßburg 1307 (MOPH IV, 27 = Constit. et Acta [nt. 13], 1011). Cf. Koch, Kritische Studien (nt. 11), 271 sqq.; zu den Verhältnissen in der Saxonia im frühen 14. Jh. siehe H. Finke, Zur Geschichte der deutschen Dominikaner im XIII. und XIV. Jahrhundert, in: Römische Quartalsschrift 8 (1894), 369-392 (370 sqq.: Provinzialkapitel). Cf. Koch, Kritische Studien (nt. 11), 273 sqq.
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Konfliktpotential, das sich ein Provinzialprior zu Gunsten seines Ordens auszuräumen bemühen musste 49. Von einer Aufgabe, der sich Eckhart als Generalprior der Saxonia zu stellen hatte, ist in der bisherigen Forschung merkwürdigerweise noch nie die Rede gewesen: nämlich von der Errichtung eines neuen Generalstudiums in der Saxonia, das nach den Beschlüssen von BesancX on nun fällig wurde. Über welche Studienstruktur die alte Teutonia im Bereich der Nationen der nun von ihr abgetrennten neuen Saxonia verfügte, wissen wir wenig Konkretes, da bis auf das von Heinrich Finke entdeckte und 1894 publizierte Fragment aus den Jahren 1284 bis 1288 die Akten der Provinzialkapitel als verloren gelten müssen. Nur wenig ist zusätzlich aus chronikalischen Berichten und sonstiger Ordensüberlieferung zu erheben. Vom 15. Jahrhundert her wissen wir, dass die Dominikaner der Saxonia dann sowohl in Erfurt wie in Magdeburg ein Generalstudium unterhielten. Magdeburg war wie Bremen als Konvent einige Jahre älter als Erfurt, Lübeck wohl gleich alt 50. Dennoch fand die Wahl des ersten Provinzialpriors der Saxonia in Erfurt statt, was zumindest als indirektes Indiz für die Stellung und Bedeutung dieses Dominikanerkonvents für die neue Provinz gelten kann. Der bis zur Wahl Eckharts in BesancX on einstweilen als Vikar eingesetzte Ordensbruder Walter stammte ebenfalls aus dem Erfurter Konvent 51. Gab es unter Eckhart als erstem Provinzial bereits eine Art Präjudiz für Erfurt als Standort des Generalstudiums der Saxonia oder ist unter ihm wie in der Amtszeit seiner Nachfolger Johann von dem Busche (zuvor Prior in Minden) und Heinrich von Lübeck das Generalstudium öfter zwischen Erfurt, Magdeburg und Leipzig gewandert? Direkte Quellenzeugnisse sind nicht vorhanden 52. Doch sind die Indizien für eine von Anfang an vorherrschende Rolle Erfurts recht vielversprechend. Dabei dürfte das zu Beginn des 14. Jahrhunderts bereits voll ausgebaute Schulsystem Erfurts, das mit seiner Schulordnung von 1282 für 49
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Dazu Koch, ibid., 273 sqq. (freilich ohne die von der jüngeren Lokalforschung erhobenen Befunde schon einbeziehen zu können). Zum Verhältnis von Dominikanerkonvent und Stadtbevölkerung in der westfälischen Bischofsstadt Minden siehe nun B. Schlipköther, Klerikerwissen und Stadtgesellschaft. Die Dominikaner in Minden von 1236 bis 1530, in: Mitteilungen des Mindener Geschichtsvereins 69 (1997), 85-148; K. P. Schumann, Petrus Comestor und Petrus Lombardus in Minden? Prolegomena zu einer Geschichte der dominikanischen Partikularstudien im spätmittelalterlichen Westfalen, in: Manipulus Florum. Aus Mittelalter, Landesgeschichte, Literatur und Historiographie. FS für P. Johanek, Münster 2000, 151-169. Cf. Finke, Zur Geschichte (nt. 47), 376-379 (Fragment eines Provinzialkapitels der alten Teutonia von 1284-1288), 370 (Liste der ältesten Konvente der Saxonia); cf. P. von Loe¨, Statistisches über die Ordensprovinz der Saxonia (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens IV), 1910, 11 sq. Cf. Koch, Kritische Studien (nt. 11), 262. Cf. Schlipköther, Klerikerwissen (nt. 49), 115 (zum zwischen Magdeburg, Leipzig und Erfurt ,wandernden‘ Generalstudium der Saxonia ohne Nachweis); ihm folgend Schumann, Petrus Comestor (nt. 49), 154 (Nebeneinander von Magdeburg und Erfurt). Quelle dürfte von Loe¨ (nt. 50), 7-14, sein, dort jedoch ebenfalls ohne zwingenden Nachweis.
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die drei verbundenen Schulen am Reglerstift, an S. Marien und an S. Zephire eine Institution darstellte, die als Studium generale Erffordense die Grundlage für die spätere Universitätsgründung darstellte, gar nicht die entscheidende Rolle gespielt haben. Vielmehr ist auffallend, dass schon das von Finke entdeckte ältere Fragment des Provinzialkapitels von 1379 in Erfurt zwar die Verteilung der Lectores und Sublectores und ihrer Studenten auf die Partikularstudien und die Orte der Studia phylosophiae und Studia arcium in der Saxonia detailliert aufführt, aber kein Studium generale nennt. Für Magdeburg ist mit einem Lector principalis und einem Baccalarius sententiarum sowie einem Studentenmagister das typische Lehrpersonal eines Partikularstudiums benannt. Erfurt wird aber gar nicht aufgeführt, darf daher als Ort des Generalstudiums angenommen werden, über dessen Lehrpersonal und Studenten vom Kapitel 1379 nicht zu beschließen war. Es wäre noch anzumerken, dass damals gerade der erste Versuch der Erfurter angelaufen war, aufgrund des in Avignon erlangten päpstlichen Privilegs in der Stadt eine allgemein anerkannte Universitas magistrorum et scholarium einzurichten. Die theologische Fakultät des zweiten Anlaufs von 1392 wird dann im Wesentlichen aus der Inkorporation der vier Bettelordensgeneralstudien bestehen und damit das Kölner Modell imitieren. Wichtiger als Faktor für die Rekonstruktion der Frühgeschichte des Generalstudiums der Dominikaner in Erfurt scheint mir die von Sönke Lorenz herausgearbeitete curriculare Ausrichtung des dortigen Artistenstudiums auf die Pariser Universität zu sein. Hier ergeben sich zwanglos Verbindungen zur Ausrichtung der dominikanischen Artistenschulen und der Generalstudien nach der Durchsetzung der ordensinternen Studienreform bis ins frühe 14. Jahrhundert, wie sie die fortlaufenden Beschlüsse der damaligen Generalkapitel beinhalten 53. Es scheint nur eine Bestätigung dieser Querverbindung zu sein, dass um 1359 der aus Magdeburg als Cursor nach Erfurt gekommene Dominikaner Johannes von Stendal für die Erfurter Artisten eine astrologische Vorlesung über das Anfängerlehrbuch des al-Qubaisi hält 54. Offenbar hat sich die Forschung bislang bei der Vorgeschichte der Erfurter Universität zu sehr auf die artistischen Schulen der Stadt konzentriert. Stärkere Gewichtung sollten dagegen die drei für die Existenz eines dominikanischen theologischen Generalstudiums wichtigen, weil die Rahmenbedingungen seiner Entwicklungsmöglichkeiten bestimmenden Faktoren finden, nämlich die Stadt Erfurt, der Dominikanerkonvent in der Stadt und die Frühgeschichte der Uni53
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Cf. S. Lorenz, Studium Generale Erffordense. Zum Erfurter Schulleben im 13. und 14. Jahrhundert, Stuttgart 1989; id., Das Erfurter ,Studium generale artium‘ - Deutschlands älteste Hochschule, in: U. Weiß (ed.), Erfurt 742-1992, Stadtgeschichte - Universitätsgeschichte, Weimar 1992, 123-134; cf. P. Moraw, Die ältere Universität Erfurt im Rahmen der deutschen und europäischen Hochschulgeschichte, in: U. Weiß (ed.), Erfurt, Geschichte und Gegenwart, Weimar 1995, 189-205; Finke, Zur Geschichte (nt. 47), 383 sqq. (Studia in der Saxonia), 382 (Dispens für die ,fratres actu regentes in studio generali‘ der Saxonia). Cf. Lorenz, Studium (nt. 53), 155.
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versität Erfurt 55. Meister Eckhart als Gründer des Erfurter Generalstudiums seines Ordens scheint kein bloßer schöner Wunsch oder bloße Konstruktion zu sein. Der Meister zeigt damit völlig neue Facetten seiner ordensinternen Wirksamkeit, die aber ebenso wie sein Predigtwerk und literarisch-wissenschaftlicher Nachlass untrennbarer Teil seiner dominikanischen spirituellen Identität sind. Ex eventu besteht natürlich eine Neigung der Forschung, schon recht früh bei Eckhart eine Distanzierung vom theologischen Mainstream, sowohl seines Ordens wie außerhalb desselben, zu postulieren und in seinem Werk dann auch aufzufinden. Bei den Dominikanern lassen sich jedoch über persönliche Kontroversen hinaus, die sich letztlich bis zur Kölner Denuntiation entwickelten, keinerlei Indizien für eine Distanzierung vom prominenten Ordensmitglied auf regionaler Ebene oder auf der des Gesamtordens finden. Die Wahl Eckharts durch das Kapitel der Teutonia von 1311 zu ihrem neuen Provinzial zeigt, welche administrativen Fähigkeiten man ihm zutraute. Dass der Gesamtorden diese Wahl annullierte und stattdessen Eckhart für höhere Zwecke vorsah und ihn auf dem Generalkapitel von Neapel mit einem zweiten Magisterium in Paris beauftragte, macht deutlich, von welchem Vertrauen Eckhart zu dieser Zeit in seinem Orden getragen wurde. Die damalige Situation in der Pariser Theologie, die Auseinandersetzungen über Lehren von Ordensangehörigen schienen durch die Entsendung Eckharts auf den Pariser Lehrstuhl für Auswärtige entschärft werden zu können. Der Bischof von Paris, Guillaume de Baufet d’Aurillac, hatte nach dem Beginn seines Pontifikats 1304 keine glückliche Rolle im Prozess gegen den gerade erst zum Doktor der Theologie promovierten Pariser Dominikaner Jean Quidort bewiesen, der sich freilich mit seiner in Quodlibets vorgetragenen Eucharistielehre exponiert hatte. Der Bischof hatte auf Betreiben des alten Gegners von Quidort aus dem Konflikt zwischen Philipp IV. und Bonifaz VIII., des Augustinereremiten Aegidius Romanus, der inzwischen zum Erzbischof von Bourges aufgestiegen war, über den Dominikaner ein Lehrverbot verhängt und ihn seines Magisteramts entsetzt. Quidort hatte daraufhin an Papst Clemens V. appelliert, war aber vor einer Urteilsverkündigung 1306 an der Kurie in Bordeaux verstorben. Kaum war Eckhart 1313 aus Paris in die Teutonia zurückgekehrt, brach an der Universi55
Diese Bereiche wurden inzwischen durch Dissertationen von Jenaer Nachwuchshistorikern untersucht: cf. St. Wolf, Erfurt im 13. Jahrhundert. Städtische Gesellschaft zwischen Mainzer Erzbischof, Adel und Reich (Städteforschung A 67), Köln-Weimar-Wien 2005, und R. Gramsch, Erfurter Juristen im Spätmittelalter. Die Karrieremuster und Tätigkeitsfelder einer gelehrten Elite des 14. und 15. Jahrhunderts, Leiden-Boston 2003. Letztere Studie wird in Kürze durch eine Monografie über die Gründungsgeschichte der Erfurter Universität ergänzt. Auch die Analyse der Entwicklung des Erfurter Dominikanerkonvents anhand der unterschätzten Handschrift des sog. Erfurter Totenbuchs in der Doktorarbeit Gunther Felkels steht kurz vor dem Abschluss.
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tät ein neuer Konflikt aus, diesmal innerhalb des Dominikanerordens. Der junge Durandus von St. PourcX ain hatte in seinem Sentenzenkommentar noch vor 1307 Lehren des gerade zum Ordenslehrer erhobenen Thomas von Aquin angegriffen, geriet deshalb nach 1313 auf zwei vom Ordensgeneral Hervaeus Natalis autorisierte Irrtumslisten, war aber zuvor 1312 (also während des zweiten Pariser Magisteriums Eckharts) in Paris zum Doktor der Theologie promoviert worden. Durandus brachte es zunächst zum Lector sacri palatii an der päpstlichen Kurienuniversität und 1317, 1318 u. 1326 zu drei verschiedenen Bischofssitzen. Zu den damaligen innerdominikanischen Kontroversen gehört auch diejenige zwischen dem zum Kardinal aufgestiegenen Ordenstheologen Wilhelm Petrus de Godino und dem 1314 in Paris promovierten Kanonisten und Theologen Pierre de la Palu, der inzwischen zum Titularpatriarchen von Jerusalem erhoben worden war 56. Angesichts dieser Turbulenzen um Ordenstheologen und im Orden selbst könnte das zweite Pariser Magisterium Eckharts von der Ordensleitung selbst als Beruhigung gedacht gewesen sein, bevor dann der neue Generalmagister Hervaeus Natalis selbst die Kontroverse durch die Auseinandersetzungen mit dem doctor modernus Durandus von St. PourcX ain aus dem eigenen Orden anheizte. Auch wenn über den Aufenthalt Eckharts an der Kurie nur wenige Zeugnisse vorliegen, scheint doch der Generalmagister Barnabas Cagnoli von Vercelli Eckhart bis zum Schluss nicht fallen gelassen, die Distanzierung und das Vorgehen gegen die Anhänger des Magisters erst seit dem Generalkapitel von Toulouse 1328 eingesetzt zu haben 57. Der Kölner Prozess und das Avignonesische Verfahren scheinen jedenfalls das Bild Eckharts nicht überall im Orden nachhaltig verdunkelt zu haben. Über sein Provinzialat wurde in Deutschland notiert: „Anno domini MCCCIII in capitulo provincialo apud Erphordiam fuit electus primus provincialis Saxonie magister Echardus, qui fuit absolutus apud Neapolim a. d. MCCCXI et missus Parisius ad legendum.“ Provinzialat nach der Wahl in Erfurt und Lehrtätigkeit in Paris, dies scheint in dieser Perspektive das Bleibende an Eckhart zu sein. Aus der Sicht der Historiografie des Gesamtordens dreht sich das Verhältnis von Paris und Erfurt verständlicherweise um: „Frater Aycardus Theutonicus fuit licentiatus anno domini MCCCII. Hic fuit confirmatus in priorem provincialem Saxonie in generali capitulo Tholosano, anno domini MCCCIV.“ 58 Wie das Verhältnis von Erfurt und Paris sich im Werk des Meisters darstellt, wird diese Tagung noch zu ergründen haben. 56
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Zusammenfassend über diese Kontroversen zuletzt Miethke, Der Prozeß (nt. 3); L. Bianchi, Ordini mendicanti e controllo ,ideologico‘: il caso delle province domenicane, in: Studio e studia (nt. 13), 303-338. Bei Thijssen, Censure (nt. 4), ist dieser Komplex leider ausgeklammert. Cf. die perspektivreichen Überlegungen W. Trusens zu den Nachwirkungen des Avignonesischen Urteils in: id., Zum Prozeß (nt. 5), 23 sqq. Deutsche ordensgeschichtliche Quelle (Brevis Historia), cit. Finke, Zur Geschichte (nt. 47), 371, u. J. Koch, Kritische Studien (nt. 11), 262; Magistri in theologia Parisius (13./14. Jh.), ed. H. S. Denifle, in: id., Quellen zur Gelehrtengeschichte des Predigerordens im 13. und 14. Jahrhundert, in: Archiv für Litteratur- und Kirchengeschichte des Mittelalters 2 (1886), 165-248, hier: 211.
Theophilus von Stotternheim OP und der zornige Petrus ein Erscheinungsbericht aus dem Erfurter Dominikanerkloster aus der Zeit Meister Eckharts Gunther Felkel ( Jena) I. „Nur aus Individualisierung erwächst persönliche Betroffenheit“ - diese Überzeugung, mit der vor einiger Zeit eine Sammlung historisch-biographischer Essays eröffnet wurde 1, führt zu einer zentralen Frage der Vergegenwärtigung historischer Dimensionen und Zusammenhänge, die indes sehr unterschiedlich gewichtet und beantwortet werden kann. Nimmt man jedoch dieses Diktum in dem Versuch ernst, über das Schicksal des historischen Individuums hinaus auch die Folie, vor der sich dieses Schicksal ereignete, in ihren einzelnen Konturen dem Betrachter deutlicher vor Augen treten zu lassen, so birgt diese Verbindung eines Individuums mit historischen Strukturen und Mentalitäten einen nicht zu unterschätzenden Zugewinn an Verständnis für vergangene Zeitläufte und deren Wirkmächtigkeit bis in die heutige Zeit. Dies gilt für Meister Eckhart im Besonderen, erscheint doch in der Perspektive auf sein Leben eine in vielem einzigartige Persönlichkeit in einer Vielzahl von zeittypischen Lebensvollzügen. Allerdings stößt man bei Personen aus der Zeit des ausgehenden Hochmittelalters vielfach auf Fragen und Probleme, die aufgrund der lückenhaften Quellenlage häufig nicht beantwortet und gelöst werden können. Auch für Eckhart von Hochheim gilt dieser Befund, vor allem für seine frühen Jahre, die Zeit seiner Jugend im Erfurter Dominikanerkonvent. Verfügen wir aufgrund verschiedener Quellen für die Zeit ab Mitte der 90er Jahre des 13. Jahrhunderts über ein Datengerüst, das verschiedene Lebensstationen Eckharts in Köln, Paris, Thüringen und Straßburg plastisch vor Augen treten lässt, ist indes über seine Erfurter Zeit nur wenig bekannt 2. So sind selbst kleinste 1
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W. Goez, Gestalten des Hochmittelalters. Personengeschichtliche Essays im allgemeinhistorischen Kontext, Darmstadt 1983, X. Zur Biographie von Meister Eckhart cf. J. Koch, Kritische Studien zum Leben Meister Eckharts, in: Archivum fratrum Praedicatorum 29 (1959), 5-51. Wiederabdruck in: id., Kleine Schriften I (Storia e letteratura; Raccolta di studi e testi 127), Rom 1973, 247-347. Daneben W. Trusen, Der Prozeß gegen Meister Eckhart. Vorgeschichte, Verlauf und Folgen (Rechts- und staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft, N. F. 54), Paderborn 1988; und K. Ruh, Meister Eckhart. Theologe, Prediger, Mystiker, München 1985. Jüngst auch K. Jacobi (ed.), Meister Eckhart: Lebensstationen - Redesituationen (Quellen und Forschungen zur Geschichte
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Hinweise willkommen, die den Kontext zum Leben des gelehrten Dominikaners in seiner Erfurter Zeit deutlicher hervortreten lassen, liegt doch dieser Lebensabschnitt Eckharts aufgrund der desolaten Quellenlage zum Predigerkloster und -konvent in Erfurt immer noch weitestgehend im Dunkeln 3.
II. Als Stadtherr von Erfurt besaß der Mainzer Erzbischof Herrschaftsrechte über eine der bedeutendsten mitteldeutschen Handelsmetropolen, in der seit dem ersten Drittel des 13. Jahrhunderts auch die neuen Bettelorden, und unter ihnen die Dominikaner, ihre Niederlassungen gründeten 4. Im Verlauf der folgenden Generationen entwickelte sich der Dominikanerkonvent aus bescheidenen Anfängen zu einer angesehenen und für das geistlich-religiöse Leben der Stadt attraktiven Institution, deren Bedeutung allerdings oft nur indirekt zu erschließen ist. Am auffälligsten erscheint der eindrucksvolle und Anfang der 1270er Jahre bis zum fünften Joch fertiggestellte Oratoriumsbau 5. Dieser nicht nur für die Dominikaner und nicht nur für Mitteldeutschland exemplarische Sakralbau hat zusammen mit dem südöstlich angrenzenden Konventsgebäude
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des Dominikanerordens, N. F. 7), Berlin 1997; und K.-B. Springer, Die Reisen Meister Eckharts, in: H. Eidam/I. Thom/U. Spannaus (eds.), homo doctus - homo sanctus. Wer ist Meister Eckhart? Katalog der Ausstellung, Erfurt 2003, 47-53. Besonders nachteilig für die Überlieferung wirkten sich die Ereignisse im Zuge der reformatorischen Bewegung in Erfurt aus. So ging Anfang der 1520er Jahre der Kirchenbau und 1591 das gesamte Klosterareal in den Besitz des Erfurter Rates über; cf. K.-B. Springer, Die deutschen Dominikaner in Widerstand und Anpassung während der Reformationszeit (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens, N. F. 8), Berlin 1999, 104-124. Im Verlauf dieser Entwicklungen konfiszierte der Erfurter Rat innerhalb einer gegen alle geistlichen Institutionen Erfurts breit angelegten Aktion vermutlich auch die beweglichen Wertgegenstände des Predigerklosters - so die Klage, dass „alle closter in Erffurt ausgespulet und irer clinodien […] beraubet“ waren, in einem Schreiben der Erfurter Stiftsgeistlichkeit von S. Marien und S. Severi an den Mainzer Erzbischof Kardinal Albrecht von Brandenburg; cf. F. Günther/W. P. Fuchs (eds.), Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland, vol. II (Schriften der Sächsischen Kommission für Geschichte 44), Jena 1941, no. 1604. Schon 1522 hatten Vertreter des Rates ein Inventarium über den Besitz des Erfurter Predigerklosters anfertigen lassen, Magdeburg, Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Rep. A 37b I, II, XVIII, Nr. 5; cf. Springer, ibid., 106. Der bei Springer nachgezeichnete personelle und institutionelle Niedergang des Erfurter Predigerkonventes begünstigte darüber hinaus diesen Prozess. Zu Erfurt cf. U. Weiß, Sedis Moguntinae filia fidelis? Zur Herrschaft und Residenz des Mainzer Erzbischofs in Erfurt, in: V. Press (ed.), Südwestdeutsche Bischofsresidenzen außerhalb der Kathedralstädte (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in BadenWürttemberg, Reihe B: Forschungen 116), Stuttgart 1992, 99-131. Daneben M. Gockel, Erfurts zentralörtliche Funktionen im frühen und hohen Mittelalter, in: U. Weiß (ed.), Erfurt. Geschichte und Gegenwart, Weimar 1995, 81-94. Cf. T. Nitz, Das Stifterbuch des Erfurter Predigerklosters als Quelle für die Baugeschichte der Predigerkirche, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 62, N. F. 9 (2001), 71-101, hier: 89.
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die Umbrüche des reformatorischen Zeitalters überdauert. Nicht überliefert hat sich indes die Mehrzahl der schriftlichen Zeugnisse der Erfurter Dominikaner. Und auch die wenigen, vielfach kopial überlieferten Quellen bieten nur eine schmale Basis für die Frühgeschichte und die Geschichte der folgenden Jahrzehnte des Konventes 6. Erkennbar wird jedoch eine mendikantische Gemeinschaft, deren Mitglieder in einem weit gespannten Beziehungsgeflecht zwischen Erzbischof und Klerusvisitation, zwischen Kontakten zum Adel und zu Erfurter Patriziern, zwischen Sorge um Semireligiose und Seelsorge in Frauenklöstern bis über die Bistumsgrenzen hinweg erscheinen. Ein Blick in das Innenleben des Konventes bleibt uns jedoch - abgesehen von Namensnennungen einzelner Konventsmitglieder - im Großen und Ganzen verwehrt. Nähere Aufschlüsse könnten wir aus konventsinternen Quellen wie Konventslisten in Nekrologien oder Totenbüchern erwarten. Doch diese haben sich nicht erhalten. So wissen wir nicht zuletzt auf Grund dieser fragmentarischen Überlieferungslage bekanntermaßen nichts über die Erfurter Jahre Meister Eckharts, sein Noviziat, seine Jahre als Frater, Lektor oder Prior. 6
Im Zuge der Auflösung des Klosters gelangten die schriftlichen Quellen, soweit sie nicht durch den personellen Niedergang des Konventes schon vorher verloren gegangen waren, in die Hände des Erfurter Rates und somit in das städtische Archiv von Erfurt. Dort finden sich noch heute wenige Stücke; cf. Stadtarchiv Erfurt, Rep. 0-1 (Urkunden, Alter Bestand), besonders in Rep. 0-1/IV, Rep. 0-1/V und Rep. 0-1/VII. Infolge der preußischen Herrschaft über Erfurt im 19. Jahrhundert wurden einige dominikanische Archivalien in das damalige preußische Archiv nach Magdeburg verbracht, wobei einige Stücke heute auch in der Außenstelle Wernigerode zu finden sind; cf. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt Magdeburg, Rep. Cop. 1519 (Copiar des Erfurter Predigerklosters), Rep. Cop. 1520 (Transsumpta Bullarum Apostolicarum de Privilegiis fratrum Ordinis Praedicatorum); ibid., Außenstelle Wernigerode, Rep. A 37b I, II, XVIII, Nr. 5 (Acta miscellanea betr. das Predigerkloster zu Erfurt); ibid., Rep. A 37b I, II, XVIII, Nr. 22c, 185 (Acta des Dominikanerklosters zu Erfurt); ibid., Rep. U 15 (Stifte, Klöster in Erfurt), darin VI: Predigerkloster (1276-1584). Cf. B. Schwineköper (ed.), Gesamtübersicht über die Bestände des Landeshauptarchivs Magdeburg, 2 vol. (Quellen zur Geschichte Sachsen-Anhalts 1 und 3), Halle 1954 und 1955, hier: vol. I, 41 sq. (Rep. U 15) u. vol. II, 406-418 (Rep. 37a und Rep. 37b I). Einzelstücke finden sich auch im Bistumsarchiv Erfurt, im Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar und im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden. Ein ,Liber actorum‘ (sog. ,Totenbuch‘) verwahrt die Evangelische Predigergemeinde von Erfurt in ihrem Archiv; cf. dazu K.-H. Meißner, Totenbuch des Dominikanerklosters, in: J.-H. Bruns e. a., Schätze aus Erfurter Kirchen. Galerie am Fischmarkt Erfurt 20. 06.-06. 09. 1992. Eine Ausstellung zum 1250jährigen Bestehen der Stadt Erfurt. Katalog, Erfurt 1992, 183. Von der vermutlich reichhaltigen Klosterbibliothek fehlt jede Spur, auch die liturgischen Bücher haben sich anscheinend nicht erhalten - im Inventarium von 1522 werden noch insgesamt 22 Messbücher erwähnt, darunter ein mit Silber und Edelsteinen verziertes ,Evangelienbuch‘ (Evangeliar oder Evangelistar?); cf. Magdeburg, Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Außenstelle Wernigerode, Rep. A 37b I, II, XVIII, Nr. 5, foll. 1r-4v, hier: fol. 1r-v. Jeweils einen Codex Erfurter dominikanischer Provenienz konnte Sigrid Krämer in Basel und in Budapest nachweisen; cf. S. Krämer, Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Ergänzungsband 1: Aachen-Kochel, München 1989, 114. Cf. für eine gut dokumentierte dominikanische Bibliothek nördlich der Alpen den Bücherbestand des ehemaligen Basler Dominikanerklosters: P. Schmidt, Die Bibliothek des ehemaligen Dominikanerklosters in Basel, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 18 (1919), 160-254.
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Um 1300 leitete Eckhart als Prior einen Dominikanerkonvent, der sich seit 1229 mit Unterstützung durch den Mainzer Metropoliten und mit Hilfe thüringischer Adelsfamilien und Erfurter Bürger im Verlauf von vier Jahrzehnten innerhalb der Mauern Erfurts fest etabliert hatte und dessen Brüder ihre Aktivitäten in einem sich weit über das gesamte östliche Thüringen ausdehnenden Terminierbezirk entfalteten 7. Über die Größe des Konventes, seine innere Struktur, seine Beziehungen zur laikalen Außenwelt wie auch zum weltlichen und Ordensklerus dieser Zeit ist jedoch nur sehr wenig bekannt. So scheint die allgemeine Kenntnis aller Überlieferungen aus dieser Zeit zu den Erfurter Dominikanern umso dringlicher, auch wenn im Einzelnen weiterhin viele Fragen offen bleiben sollten. In einer der wichtigsten noch erhaltenen Quellen aus dem Erfurter Predigerkloster, dem sog. Totenbuch der Erfurter Dominikaner, das nach einer langen Odyssee schließlich vor 140 Jahren den Weg wieder an seinen ursprünglichen Ort und in den Besitz der Evangelischen Predigergemeinde gefunden hatte 8, findet sich eine Notiz, die im Zusammenhang mit Meister Eckhart in Erfurt unsere Aufmerksamkeit erregt, bietet sie doch an ihrem Ende die Datierungsangabe ,1303‘ 9. Diese Jahreszahl findet sich in einem allerdings durch eine fast völlig verblasste Schrift nur schwer zu entziffernden Bericht auf fol. 39r von der Hand eines Schreibers des späten 16. Jahrhunderts, in dem ein Erfurter Dominikaner das folgende persönliche Erlebnis mitteilt 10: Eines Nachts, als er aufgrund der Predigt eines Konventsmitgliedes, dessen Namen er uns leider nicht mitteilt, über die „Beschaffenheit des Fegefeuers“ durch „einige Gemütsunruhe“ keinen Schlaf finden konnte und seine Gedanken umherschweiften, geriet er in Zweifel, ob es sich bei den Vorstellungen über das Fegefeuer nicht bloß um ein ens ratione oder eine idea platonica handele. Von diesen Zweifeln arg bedrängt, wandte er sich im Gebet an die Heiligen, besonders aber an Petrus, 7
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Ihre Anfänge nahm die Niederlassung der Predigerbrüder in Erfurt am Ende der 1220er Jahre im südlichen Teil der Stadt am linken Ufer des ,Breitstromes‘ in unmittelbarer Nähe der Kirche S. Pauli. Dort errichteten die Dominikaner anscheinend unter der Leitung eines aus Nordthüringen stammenden Ordensbruders - Elgers von Honstein - ihre ersten Konventsbauten. Mit der Unterstützung durch verschiedene Zuwendungen gelang es ihnen endgültig 1269, über eine Stiftung und einen Grundstückstausch ein geschlossenes Klosterareal abzustecken. Cf. dazu G. Felkel, Das Erfurter Predigerkloster im 13. Jahrhundert, Jena 1997 (Dipl. Ms.); T. Nitz, Das Stifterbuch des Erfurter Predigerklosters als Quelle für die Baugeschichte der Predigerkirche, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 62, N. F. 9 (2001), 71-101; T. Berger, Die Bettelorden in der Erzdiözese Mainz und in den Diözesen Speyer und Worms im 13. Jahrhundert (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 69), Mainz 1995, 51 sq. Zum Terminierbezirk demnächst T. Nitz in der Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte 57 (2003). Cf. A. Zacke, Über das Todtenbuch des Dominikaner-Klosters und die Prediger-Kirche zu Erfurt, Erfurt 1861. Cf. das sog. Totenbuch der Erfurter Dominikaner, Archiv der Evangelischen Predigergemeinde Erfurt, ohne Signatur, fol. 39r-v, hier: 39r. Eine vollständige Edition des Textes wird im Rahmen meines Dissertationsprojektes ,Das sogenannte Totenbuch der Erfurter Dominikaner - Edition und Kommentar‘ in nächster Zeit veröffentlicht.
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der als „Himmelspförtner es […] doch am besten wissen würde“, und versprach dem Schlüsselträger, so viele Wachslichter zu stiften, wie es Tage im Jahr gäbe, damit Petrus ihm aus diesen Zweifeln heraushelfe. Wie er nun „diese Worte ausgeredet“, das heißt die Gebetsbitte gesprochen hatte, sah er (wie er berichtet) „einen alten Mann mit einem goldenen Schlüssel […] hereinkommen“. Unser dominikanischer Gewährsmann „erschrak“ daraufhin - so fährt er fort - „über alle Maßen sehr, erholte [sich] […] doch bald wieder und gedachte, es würde gewiß Sankt Petrus sein, welcher [seiner] […] Bitte“ nachgekommen wäre und „gewiß Nachricht von der Beschaffenheit des Fegefeuers mitteilen wolle. Er [das heißt der Apostel Petrus] aber [wandte] […] sich mit einem ernsten und ganz zornigen Gesicht zu“ unserem Berichterstatter „und […]“ - hier endet die Seite und der Text bricht unvermittelt ab. Wendet man das Folio, so findet man auf der Rückseite oben links beginnend einen Nachtrag von gleicher Hand mit folgendem Wortlaut: „Nova Mirabilia oder neue Zeitung aus dem Fegefeuer, worin die eigentliche Beschaffenheit wie jetziger Zustand des Fegefeuers wie auch der vortreffliche Nutzen der Seelmessen, Weihwassers, Ablasses, letzter Ölung und dergleichen herrlichen und köstlichen Sachen mehr gründlich und richtig beschrieben würde. Allen eifrig Römisch Katholischen zu sonderbarem Gefallen auch [als] notwendige […] und hochtröstliche […] Nachricht, geoffenbart durch Theophilum Stutterheim, Predigermönch in Erfurt A[nn]o 1303.“
Hier endet der Nachtrag, der Rest der Seite ist leer. „Im Jahre 1303“ - dieser Nachsatz weckt Interesse, war dies doch - wie wir wissen - im Zusammenhang mit der Etablierung der sächsischen Ordensprovinz und dem Ausbau der Studien im Erfurter Konvent eine ereignisreiche Zeit für den Orden der Predigerbrüder nördlich der Alpen und besonders auch für die Erfurter Dominikaner. Aus dieser Zeit und diesem Umfeld stammt nun, glaubt man der über 250 Jahre später verfassten Nachricht, der überlieferte fragmentarische Bericht über die Petruserscheinung, wobei zugleich über diese große Zeitspanne hinweg der Name des Visionärs explizit genannt wird 11. Dies verwundert, finden sich doch in der Sammelhandschrift, in der wir diese Nachricht finden - dem so genannten Totenbuch -, nur wenige Hinweise auf Konventsmitglieder des Erfurter Dominikanerklosters. Weniger als 25 Namen von Prioren, Subprioren, Lektoren und einzelnen Magistri finden sich vor allem in den Abschriften von Bruderschaftsverträgen zwischen dem Erfurter Predigerkonvent und verschiedenen Handwerksgesellschaften Erfurts aus dem 15. und 16. Jahrhundert, die in ihrer Gesamtheit den zweiten großen Komplex der Handschrift darstellen. Daneben enthält das Totenbuch eine Reihe illuminierter Stifterverzeichnisse, die nach bestimmten Kriterien, wie beispielsweise Stiftun11
Zu Visionen und Erscheinungen cf. P. Dinzelbacher, Erscheinung, in: Lexikon des Mittelalters, vol. 3, München-Zürich 1986, 2185 sq.; id., Himmel, Hölle, Heilige. Visionen und Kunst im Mittelalter, Darmstadt 2002, 14-17. Zu den von Erscheinungen abzugrenzenden Visionen cf. E. Benz, Die Vision. Erfahrungsformen und Bilderwelt, Stuttgart 1969; P. Dinzelbacher, Vision und Visionsliteratur im Mittelalter (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 23), Stuttgart 1981; id., Mittelalterliche Visionsliteratur. Eine Anthologie, Darmstadt 1989.
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gen einzelner Familien oder Zuwendungen verschiedener adliger Kreise, zusammengestellt wurden. In diesen Listen findet sich kein einziger Name eines Konventsmitgliedes. Eine separat überlieferte Liste verstorbener Dominikaner sucht man ebenso vergebens. Nach der Abschrift eines jener Bruderschaftsverträge - dem des Schmiedehandwerks -, die noch die ersten fünf Zeilen der Seite füllt, folgt der unser Interesse weckende Eintrag der Petruserscheinung. Dieser bricht nun - man mag meinen an der spannendsten Stelle - unvermittelt ab, auf ihn folgt der genannte Nachtrag von gleicher Hand mit Namensnennung und Datierung. Der Abbruch erfolgt dabei so plötzlich, dass der Eindruck entsteht, der Schreiber sei in seiner Arbeit gestört worden und später nicht mehr im Stande gewesen, den Bericht zu vollenden. Indes erweckt die Sprache des Eintrages im Zusammenhang mit der angegebenen Datierung von 1303 einiges Misstrauen. Sie ähnelt nicht der mitteldeutschen Sprachvariante des 13. und 14. Jahrhunderts. Die einzelnen Formulierungen und Wörter, ganz abgesehen von der Orthographie und Grammatik, zeigen vielmehr eine zeitliche Übereinstimmung zwischen dem paläographischen Befund - einer Schrift des ausgehenden 16. Jahrhunderts und der zu dieser Zeit auftretenden Schriftsprache 12. Die Längen im Satzbau könnten indes auch auf eine lateinische Vorlage verweisen. Hat hier ein Gelehrter einen älteren, lateinisch verfassten Bericht übersetzt, wurde jedoch unterbrochen, verlor das Original und konnte somit nur noch den historiographischen Nachsatz anfügen? Alles dies lässt sich nur vermuten, und in gleichem Maße, wie sich die stark verblasste Schrift vor den Augen des Lesers verbirgt, scheint sich die Textpassage weiteren nachprüfenden Analysen entziehen zu wollen. Allerdings lassen sich auf inhaltlicher Seite das Thema - die Existenz des Fegefeuers und die damit zusammenhängende Totenmemoria sowie die religiösen Stiftungsaktivitäten - und die Person des Tradenten - der Dominikaner Theophil ,Stutterheim‘ - ganz gut in die Welt des späten 13. und beginnenden 14. Jahrhunderts einordnen. III. Der kleine Ort Stotternheim liegt etwa 5 Kilometer nördlich von Erfurt 13. In dieser ländlichen Region, die bis heute den Ort und seine Umgebung prägt, lässt sich im Laufe des 11. Jahrhunderts ein der familia des Abtes von Hersfeld 12
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Cf. H. Eggers, Deutsche Sprachgeschichte, 3 vol., Reinbeck 1980, hier besonders in der Neuauflage von 1992 vol. II: Das Frühneuhochdeutsche und Neuhochdeutsche. Eine Parallelüberlieferung der Schriftzüge konnte innerhalb der bisherigen Archivrecherchen nicht nachgewiesen werden. Die Eingrenzung auf das Ende des 16. Jahrhunderts beruht auf den zu beobachtenden allgemeinen Veränderungen im Schriftbild dieser Zeit; cf. hierzu H. Eckardt e. a., ,Thun kund und zu wissen jedermänniglich‘. Paläographie - Archivalische Textsorten - Aktenkunde (Archivhefte 32), Köln 1999. Näheres zu dieser Passage im sog. Totenbuch in der angekündigten Edition. Ein historischer kurzer Überblick in: H. Patze (ed.), Handbuch der historischen Stätten, vol. IX: Thüringen, 2. verb. und erg. Aufl., Stuttgart 1989, 424 sq.
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zugehöriges Ministerialengeschlecht nachweisen, das sich nach seinem Stammsitz ,von Stotternheim‘ nennt 14. Etwa 100 Jahre früher - um 1088 - wird erstmalig ein ,Adelbert von Stotternheim‘ überliefert, der als Sühne für die Blendung eines Ministerialen des sächsischen Pfalzgrafen Friedrich dem Geschädigten Gut im Umfang von 4 Hufen übereignet 15. Auch wenn in der chronikalischen Notiz Adelbert von Stotternheim nicht näher charakterisiert wird, kann man dennoch vermuten, dass mit seiner Person hier erstmalig das Ministerialengeschlecht von Stotternheim in die Geschichte eintritt, dessen Vertreter sich an ihrem Stammsitz während der folgenden fast 200 Jahre nachweisen lassen. In unmittelbarer Nachbarschaft zu Besitzungen des Mainzer Erzbischofs 16 dienten sie anfangs dem Abt von Hersfeld 17, später dann in der familia der Grafen von Schwarzburg 18 und der thüringischen Landgrafen 19; sie verfügten jedoch als Ministeriale auch über eigenen Besitz 20, führten ein eigenes Siegel 21 und schie14
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Cf. O. Dobenecker, Regesta diplomatica necnon epistolaria historiae Thuringiae, voll. I-IV, Jena 1896-1939, hier: vol. II, no. 622 (zu 1182 April 5). Zu Ministerialen und ihrer Entstehung cf. Th. Zotz, Die Formierung der Ministerialität, in: S. Weinfurter (ed.), Die Salier und das Reich, vol. III: Gesellschaftlicher und ideengeschichtlicher Wandel im Reich der Salier, Sigmaringen 1991, 3-50; neuerdings auch: H. R. Derschka, Die Ministerialen des Hochstifts Konstanz (Vorträge und Forschungen, Sonderband 45), Stuttgart 1999, 235-238. Cf. Dobenecker, Regesta 1 (nt. 14), no. 950. Cf. Dobenecker, Regesta 1 (nt. 14), no. 1464 (1143) und no. 1597 (1148 März 21); Mainzer Urkundenbuch, vol. II/1, bearb. v. P. Acht (Arbeiten der Historischen Kommission Darmstadt), Darmstadt 1968, no. 43 und no. 110. Cf. H. Patze/W. Schlesinger (eds.), Geschichte Thüringens, vol. II/1: Hohes und spätes Mittelalter (Mitteldeutsche Forschungen 48/II, 1), Köln 1974, 211. Daneben ein Überblick bei G. Christ, Erzstift und Territorium Mainz, in: F. Jürgensmeier (ed.), Handbuch der Mainzer Kirchengeschichte 2 (Beiträge zur Mainzer Kirchengeschichte 6, 2), Würzburg 1997, 17-444, hier: 396-415. Nachweisbar in den 80er Jahren des 12. Jahrhunderts, so 1182 (Dobenecker, Regesta 2 [nt. 14], noo. 622, 623) und 1184 (Dobenecker, Regesta 2 [nt. 14], no. 698). Vor dem Hintergrund des Dienstverhältnisses zu den Grafen von Schwarzburg ist wohl auch die 1235 getätigte und in den folgenden Jahren bestätigte Übertragung eines Stotternheimer Eigengutes an das von den Schwarzburgern als Hauskloster gegründete Zisterzienserkloster Georgenthal zu werten; cf. Dobenecker, Regesta 3 (nt. 14), noo. 587, N 33, N 34, 605; cf. A. Overmann (ed.), Urkundenbuch der Erfurter Stifter und Klöster I (706-1330) (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und des Freistaates Anhalt, N. R. 5), Magdeburg 1926, no. 246 sq. Ein Ludolf von Stotternheim tritt auch als Bürge für Graf Heinrich von Schwarzburg im Rahmen einer Schenkung an das Georgenthaler Kloster auf; cf. Dobenecker, Regesta 3 (nt. 14), no. 911 (zu 1240 August 15). Cf. Dobenecker, Regesta 3 (nt. 14), noo. 3497, 3498, 3507, 3525; Dobenecker 4 (nt. 14), noo. 19, 371, 372. Inwieweit eine mögliche Verwandtschaft zu den Ministerialen von Schlotheim einen Übertritt in den Dienst des Landgrafen begünstigte, ist nicht sicher - für Verwandtschaft hat plädiert: H. Patze, Die Entstehung der Landesherrschaft in Thüringen I (Mitteldeutsche Forschungen 22), Köln 1962, 330, mit Bezug auf Dobenecker, Regesta 3 (nt. 14), no. 2520 (zu 1257 Febr. 25). Exemplarisch: Dobenecker, Regesta 1 (nt. 14), no. 950 (zu ca. 1088); Overmann, Urkundenbuch Stifter I (nt. 18), no. 246 (zu 1235); ibid., no. 247 (zu 1236); Dobenecker, Regesta 3 (nt. 14), no. 2351 (zu 1255). Cf. Dobenecker, Regesta 3 (nt. 14), no. 3003 zu 1262 Sept. 15 und no. 3498 zu 1266 Nov. 4. Daneben Beschreibungen von drei Siegeln (zu 1235, 1318 Febr. 25 und Dez. 29) bei Overmann,
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nen über die Jahre und Jahrzehnte allmählich als ,Ritter‘ einen sozialen Aufstieg zum niederen Adel genommen zu haben 22. Diese Kontinuität am Stammsitz Stotternheim brach jedoch abrupt ab, als im Jahre 1269 die Erfurter Bürgerschaft mit einer spektakulären militärischen Aktion den befestigten Stammsitz des Ministerialengeschlechtes eroberte und niederriss und auf diese Weise die kleine Herrschaft derer von Stotternheim im nördlichen Vorland der Stadt Erfurt zerbrach. Zugleich jedoch demonstrierte der Erfurter Rat mit diesem Handstreich seine macht- und territorialpolitischen Ambitionen in der Konkurrenz zum Landgrafen von Thüringen, war doch die Besetzung und Niederlegung der Stotternheimer Ministerialenburg zugleich ein Affront gegen den Dienstherrn des Stotternheimers, den Landgrafen Albrecht. Dieser erreichte in einem Ausgleich im Sommer 1269 dann zwar die Entschädigung seines Dienstmannes, eine Rückgabe des durch die Erfurter besetzten Gebietes jedoch gelang ihm nicht 23. Die Ministerialen von Stotternheim standen mit diesem Ausgleich indes vor einem Wendepunkt ihrer Geschichte: Mit der beachtlichen Entschädigungssumme von insgesamt 200 Mark Silber erwarben sie neben Hausrat vor allem Güter innerhalb der Mauern Erfurts, die sie als
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Urkundenbuch Stifter I (nt. 18), 1020 sq., noo. 117, 118, 119. Abbildungen der Siegel mit einem Adler als Wappentier finden sich leider bei O. Posse (ed.), Die Siegel des Adels der Wettiner Lande, voll. I-IV, Dresden 1903-1917, nicht - Posse konnte sein alphabetisch angelegtes Werk nicht vollenden. In der Zeugenliste des schwarzburgischen Grafen Günther II. von Käfernburg (zu 1220 vor Sept. - Dobenecker, Regesta 2 [nt. 14], no. 1910) erscheinen die Brüder Heinrich und Ludwig von Stotternheim noch vor dem gräflichen Truchsess; der in der gleichen Zeugenliste kurz zuvor genannte Albero von Vippach wird zudem ein Jahr später als ,Edler‘ bezeichnet (1221 vor Sept. - Dobenecker, Regesta 2 [nt. 14], no. 1973). Ob aus dieser personellen Nähe zu einem Niederadligen für die Stotternheimer der gleiche Rang und Stand angenommen werden kann, ist angesichts der 1240 und 1266 explizit auftretenden Erwähnung als Ministeriale (Dobenecker, Regesta 3 [nt. 14], no. 911 zu 1240 August 15 und no. 3424 zu 1266 April 3) nicht ganz sicher. Andererseits finden sich Mitte des 13. Jahrhunderts Personen mit dem Beinamen ,von Stotternheim‘, deren Rang ausdrücklich als ,Ritter‘ wiedergegeben wird. Auch wenn diese Bezeichnung nur im Zusammenhang mit dem hier genannten ,Günther‘ auftaucht, so scheint es dennoch nicht sehr einleuchtend, hier ein zweites Geschlecht oder eine Seitenlinie anzunehmen, da doch bald darauf, im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts, Vertreter mit den Leitnamen ,Kunemund‘ und ,Albert‘ ebenfalls als ,Ritter‘ in den Urkunden genannt werden; exemplarisch Dobenecker, Regesta 4 (nt. 14), no. 490 (1270 April 22) = C. Beyer (ed.), Urkundenbuch der Stadt Erfurt I (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete 23), Halle 1889, no. 239; Dobenecker, Regesta 4 (nt. 14), no. 791 (1272 Juni 11), no. 863 (1272). Eine Generation zuvor wurden ,Albert‘ und ,Kunemund‘ noch unter die Gruppe der Ministerialen gezählt. Auch 1267 bezeichnet sich Ludolf von Stotternheim ausdrücklich als ,Ritter‘, der über eigene Güter verfügt und diese urkundlich dem Deutschen Orden übereignet; cf. Dobenecker, Regesta 4 (nt. 14), no. 72. Cf. Dobenecker, Regesta 4 (nt. 14), no. 370 und no. 371; Beyer, Urkundenbuch Stadt Erfurt I (nt. 22), noo. 228, 231, 234. Dazu auch W. Mägdefrau, Erfurt in der Geschichte Thüringens Von der ersten schriftlichen Erwähnung 742 bis zur Gründung der Universität 1392, in: U. Weiß (ed.), Erfurt 742-1992. Stadtgeschichte, Universalgeschichte, Weimar 1992, 21-37, hier: 35 mit Bezug auf G. Oergel, Das ehemalige Erfurtische Gebiet, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 24 (1903), 159-190 (mit Karte).
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Burglehen von der Stadt Erfurt übernahmen 24. Aus dem landsässigen angesehenen Dienstmannengeschlecht wurde so eine vermögende Erfurter Bürgerfamilie mit annähernd adligem Stand, deren Vertreter seit dieser Zeit häufiger in Rechtsgeschäften mit Erfurter Bürgern auftraten und deren nun erscheinendes Kognomen ,dictus de Stutirenheim‘ noch auf ihren ursprünglichen Stammsitz verwies 25. 24
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Beyer, Urkundenbuch Stadt Erfurt I (nt. 22), no. 228: „[…] et quod iidem [Ludolf von Stotternheim und seine Erben] illa bona titulo castrensis feodi habere debeant ab Erfordia civitate similiter ibidem habendo tamquam cives alii ius civile.“ Nachweise im Zusammenhang mit Erfurter Bürgern: Overmann, Urkundenbuch Stifter I (nt. 18), noo. 438 (1272 Juni 11), 727 (1295 Juli 16), 750 (1296); Beyer, Urkundenbuch Stadt Erfurt I (nt. 22), no. 462; Overmann, ibid., no. 1060 (1318); Beyer, ibid., no. 601 (1317 März 25). Ganz reibungslos verlief jedoch dieser Eintritt eines Ministerialengeschlechtes in die Bürgerschaft der Stadt Erfurt nicht; cf. den Versöhnungsvertrag von 1286 Juni 30 zwischen der Stadt Erfurt und den Brüdern Günther, Lutolf und Hermann von Stotternheim bei Beyer, Urkundenbuch Stadt Erfurt I (nt. 22), no. 364. Ob hier auch ein Konflikt zwischen dem Thüringer Landgrafen und der Stadt Erfurt eine Rolle spielte, ist in diesem Rahmen nicht zu klären. Eine Untersuchung zum Komplex der Einflussnahme auf die innerstädtische Politik durch umliegende und mit der Stadt machtpolitisch konkurrierende Landesherren - in unserem Fall beispielsweise der Landgraf von Thüringen - über ehemalige Ministerialen, die in die Stadt aufgenommen wurden, steht für Erfurt noch aus - dazu bemerkenswerte Beobachtungen im süddeutschen Raum für Freiburg bei M. Kälble, Zwischen Herrschaft und bürgerlicher Freiheit. Stadtgemeinde und städtische Führungsgruppen in Freiburg im 12. und 13. Jahrhundert (Veröffentlichungen aus dem Archiv der Stadt Freiburg im Breisgau 33), Freiburg 2001, 134-146; grundlegend auch: E. Maschke/J. Sydow (eds.), Stadt und Ministerialität (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B: Forschungen 76), Stuttgart 1973. Der auch von Mathias Kälble, ibid., konstatierte Befund, dass stadtsässige Ministeriale auch weiterhin in einem Dienstverhältnis zu ihrem früheren Dienstherren standen, kann auch für die thüringischen Ministerialen von Stotternheim nachgewiesen werden; cf. Beyer, Urkundenbuch Stadt Erfurt I (nt. 22), no. 513 (1304 Nov. 14). Auf dieses Phänomen hat besonders hingewiesen K. Schulz, Die Ministerialität in rheinischen Bischofsstädten, in: E. Maschke/J. Sydow (eds.), ibid., 16-42; id., Die Ministerialität als Problem der Stadtgeschichte, in: Rheinische Vierteljahresblätter 32 (1968), 184-219. - Die Besonderheit in der Herkunftsbezeichnung bei Overmann, Urkundenbuch Stifter I (nt. 18), noo. 581 (1288 März 5), 584 (1288 April 20), 590 (1288 Juli 27), 592 und 593 (1288 Aug. 2); Beyer, Urkundenbuch Stadt Erfurt I (nt. 22), no. 450 (1296 Juni 23), 1084 (1318 Dez. 29), 1133 (1321 Jan. 21). In Stotternheim besaß die Familie in der Folgezeit anscheinend nur noch wenige Reste ihres ursprünglichen Güterkomplexes, die sukzessive über die folgenden Jahre und Jahrzehnte veräußert und gestiftet wurden, so beispielsweise 1270 (Beyer, Urkundenbuch Stadt Erfurt I [nt. 22], no. 239), vor 1285 (ibid., no. 356), 1288 (Overmann, Urkundenbuch Stifter I [nt. 18], noo. 581, 584, 590, 592, 593), 1296 (ibid., no. 750), 1318 (ibid., noo. 1060 und 1084), 1320 (ibid., no. 1118, und Beyer, ibid., no. 634), 1321 (Overmann, ibid., no. 1150), 1322 (ibid., noo. 1176 und 1179) und 1329 (ibid., noo. 1382 und 1386). Wichtig für den Wandel und Übergang der Ministerialität zum niederen Adel war nach Lutz Fenske die Übernahme von Lehen anderer Herren durch Ministerialen; dadurch wurde die „stufenweise voranschreitende Auflockerung der durch das Dienstrecht festgelegten, die persönliche Freiheit einschränkenden Herrenbindungen erkennbar“ - L. Fenske, Soziale Genese und Aufstiegsformen kleiner niederadliger Geschlechter im südöstlichen Niedersachsen, in: id. e. a. (eds.), Institutionen, Kultur und Gesellschaft im Mittelalter. FS für J. Fleckenstein, Sigmaringen 1984, 693-726, hier: 695. Josef Fleckenstein hatte schon vor Jahren die Rolle des Rittertums beim sozialen Wandel Ministerialität/niederer Adel betont; cf. id., Die Entstehung des niederen Adels und das Rittertum, in: id. (ed.), Herrschaft und Stand. Untersuchungen zur
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Ob nun jedoch der Predigerbruder auf fol. 39r des so genannten Totenbuches der Erfurter Dominikaner aus diesem Ort oder dieser Ministerialenfamilie stammte, kann nur vermutet werden. In den Quellen finden sich vor allem Vertreter dieses Geschlechtes mit den Namen Adalbert, Ludolf oder Günther. In diese Namensreihe lässt sich unser Theophil nur schlecht einfügen - gänzlich auszuschließen ist aber seine Existenz dadurch nicht. Die Namenskombination ,Theophil Stutterheim‘ ist indes in einer Zeit, in der Doppelnamen nur vereinzelt auftreten, sinnvollerweise als ,von Stotternheim‘ aufzulösen. Dass der Predigerbruder Theophil dabei aus einem in dieser Zeit angesehenen Ministerialengeschlecht stammte, ist nicht ungewöhnlich. Der Orden rekrutierte im thüringisch-sächsischen Raum seine Mitglieder auch aus Familien des niederen und höheren Adels 26. Darüber hinaus findet sich in den 50er Jahren des 13. Jahrhunderts ein Dominikaner im Erfurter Konvent mit dem Namen ,Ludolfus‘ einem Leitnamen der Stotternheimer Ministerialen 27. Zu Anfang des 15. Jahrhunderts leitete zudem ein Prior ,Andreas von Stotternheim‘ den Erfurter Konvent, der ca. 75 Jahre später in einem Regest zu diesem urkundlichen Nachweis konventsintern als ,Ritter‘ bezeichnet wird 28. Im Spätmittelalter bestand demnach nachweislich eine personelle Verbindung zwischen dem Ministerialengeschlecht von Stotternheim und dem Erfurter Dominikanerkonvent - wann dieser Kontakt seinen Anfang nahm und inwieweit er sich kontinuierlich über Jahrzehnte oder Jahrhunderte hin ausdehnte, können wir nicht sagen. Es liegt jedoch nahe, auch einer späten Überlieferungsschicht zu vertrauen und einen Predigerbruder aus dem Stotternheimer Geschlecht um 1300 im Erfurter Dominikanerkloster anzunehmen 29.
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Sozialgeschichte im 13. Jahrhundert, Göttingen 21979, 17-39, besonders hier: III. Das Rittertum als Bindeglied zwischen Vasallität und Ministerialität, 27-31. So beispielsweise der vermutliche Gründer und erste Prior des Erfurter Konventes, Elger von Honstein, aus dem gleichnamigen Grafengeschlecht aus dem südöstlichen Harzraum und der spätere Prior Heinrich von Weida aus dem Geschlechte der Vögte von Weida sowie die Ordensbrüder Günther von Schwarzburg und Dietrich, ehem. Edler von Salza. Cf. Overmann, UB Stifter I (nt. 18), no. 326 (1256 Okt. 22), und ibid., no. 333 (1257 Dez. 13). Im sog. Totenbuch (nt. 9) der Erfurter Dominikaner wurde auf dem verloren gegangenen fol. 12a zu 1417 Juni 13 in dem Bruderschaftsvertrag der städtischen Söldner mit den Predigerbrüdern ein „Bruder Andreas von Stotternheim Prior“ (erschlossen aus einer Abschrift im Stadtarchiv Erfurt, Rep. 5/101-6, foll. 296v-297r, hier: 297r) genannt, der ebenso in dem dazugehörigen ,Regest‘ von Johann Keilmann OP auf fol. 63v als „Andreas Stotternheim, Ritter, Prior“ erwähnt wird. Johann(es) Keilmann OP lässt sich zwischen September 1584 und 1586 als Prior des Erfurter Dominikanerkonventes nachweisen; Stadtarchiv Erfurt, Rep. 0-1/IV-856 und 857 und Magdeburg, Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Außenstelle Wernigerode, Rep. A 37b I, II, XVIII 22c (Abschrift des sog. Totenbuches: ,Antiquus Liber Mortuorum Monasterii Praedicatorum‘, fol. 1r: „Prior desselbigen Klosters dieses 1586 Jhars Johann Keilmann.“ Diese Passage ist auf dem Deckblatt des sog. Totenbuches verblichen. Eine erneute Erwähnung findet sich im sog. Totenbuch (nt. 9), fol. 30r zu 1438 Mai 14 in dem Bruderschaftsvertrag der Schneider als ,Andreas stutternheym Prior‘, wiedergegeben in dem entsprechenden ,Regest‘ von Johann Keilmann OP, ibid., fol. 63v. Zu Keilmann Näheres bei K.-B. Springer, Widerstand (nt. 3), 118-120 mit nt. 104 sq. Inwieweit dieser Stotternheimer Ministerialensohn jedoch den Namen ,Theophil‘ trug, ist nicht sicher. Ist es doch möglich, dass der Autor der späten Überlieferung eine Vorlage besaß, in der
Theophilus von Stotternheim OP und der zornige Petrus
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IV. Das Problem des Fegefeuers trieb indes die Menschen aller sozialen Schichten um 30. Gerade auf der Schwelle des 14. Jahrhunderts war die Theologie des ignis purgationis nicht zuletzt durch Thomas von Aquin so weit entfaltet und durch Konzilsbeschlüsse - hier vor allem in Lyon 1274 - dogmatisch ausformuliert 31, dass die Existenz dieses Zwischenzustandes nach dem Tod und vor dem Jüngsten Gericht sowie die plastische Ausgestaltung dieses Phänomens zum religiösen Allgemeingut zählten 32. Ein Zweifel an der Existenz des Fegefeuers erweckte schnell Misstrauen. Sollte die Unzahl an Almosen für Arme und Bedürftige, an Stiftungen und Zuwendungen für religiöse Zwecke in dieser Zeit ausschließlich auf ein immaterielles, nur auf Gedanken basierendes Seiendes gegründet sein, pointiert formuliert: die gesamte Sorge um das eigene Seelenheil und das der Mitmenschen auf einer Fiktion beruhen? Bei derartigen Zweifeln konnte nicht nur ein Predigermönch in große seelische Bedrängnis geraten. Erschien ihm deshalb der Apostelfürst, schlüsseltragend und zornig die Stirn runzelnd, um ihm eindringlich und mit ernsten Worten das Fegefeuer als ein id, quod est zu erläutern? Wir wissen es nicht. Ebenso wenig wissen wir, wer von den Mitbrüdern dem Erfurter Dominikaner Theophil von Stotternheim durch seine eindringliche Predigt eine schlaflose Nacht bereitete. Den Namen überliefert der späte Schreiber nicht 33. Für eine Argumentation „Allen eifrig Römisch Katholischen zu sonderbarem Gefallen“ 34 im gegenreformatorischen Sinn ließ sich dieser Erscheinungsbericht jedoch gut instrumentalisieren, und dies vor allem in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts - einer Zeit der wiederholten Versuche, im Dominikanerkloster zu Erfurt das monastische Leben zu reorganisieren. Am Ende misslang jedoch dieser Versuch und der letzte Dominikaner verließ 1591 das Erfurter Kloster 35.
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der Name nur durch ein ,T.‘ abgekürzt war - ein Befund, der in zahlreichen urkundlichen Belegen auftritt. Wurde dann in der Übersetzung/Abschrift aus ,T.‘ kurzerhand ,Theophil‘? Cf. J. LeGoff, Die Geburt des Fegefeuers, Stuttgart 1984; A. Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, 2. überarb. Aufl. 2000, 706-711. Cf. auch: L. Scheffczyk/B. Deneke, Fegfeuer, in: Lexikon des Mittelalters, vol. 4, München - Zürich 1989, 328-331. Cf. H. Denzinger/A. Schönmetzer (eds.), Enchiridion symbolorum, definitionum et declarationum de rebus fidei et morum, 36. Aufl., Barcinone 1976, noo. 856-859. Bei Thomas: S. th. III, q. 69, aa. 2 u. 7; q. 71, a. 6. Cf. id., S. th. I-III, lateinisch-deutsch, 36 vol. , ed. Katholischer Akademikerverband der Albertus-Magnus-Akademie Walberberg bei Köln, Heidelberg 1933 sqq. Aus der unzähligen Literatur zu den Jenseitsvorstellungen im Mittelalter jüngst P. Dinzelbacher, Himmel, Hölle, Heilige. Visionen und Kunst im Mittelalter, Darmstadt 2002. Daneben E. Fleischhack, Fegefeuer. Die christlichen Vorstellungen vom Geschick der Verstorbenen geschichtlich dargestellt, Tübingen 1969. Es findet sich nur die Angabe ,N‘. So im sog. Totenbuch (nt. 9), fol. 39v. Cf. K.-B. Springer, Widerstand (nt. 3), 122 sq.
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V. Blicken wir zurück: Auf der Suche nach Zeugnissen aus dem Erfurter Dominikanerkonvent aus der Zeit Meister Eckharts stießen wir auf die späte Überlieferung einer Erscheinungsgeschichte, die mehr als 250 Jahre nach dem Auftreten Eckharts in Erfurt in einer der wichtigsten erhaltenen Quellen zum dortigen Predigerkloster - dem so genannten Totenbuch - niedergeschrieben, vom neuzeitlichen Schreiber jedoch explizit in das Jahr 1303 datiert wurde. In diesem deutschsprachigen Textfragment berichtet ein im Nachtrag als ,Theophil Stutterheim‘ bezeichneter ,Dominikanermönch zu Erfurt‘ von einer ihm zuteil gewordenen Petruserscheinung, die ihm infolge seiner Zweifel am Fegefeuer und der Gewissensnöte, die ihm diese Zweifel bescherten, zuteil wurde. Der durch seinen beschriebenen Gesichtsausdruck ,zornige‘ Heilige setzte ihm dann - das müssen wir aufgrund des fragmentarischen Charakters des Berichtes vermuten - den Sinn und Nutzen dieser theologischen Doktrin auseinander. Der Anlass der Glaubenszweifel des Dominikaners - die Predigt eines Mitbruders über dieses Thema - bleibt im Dunkeln. Sollte hier eine der beispielhaften Predigten, wie sie im ,Paradisus anime intelligentis‘ 36 überliefert sind, oder gar ein Sermo des Priors und Provinzials Meister Eckhart als Ursache für die aufrüttelnde Erscheinung des Theophil von Stotternheim gelten können? Angesichts des Themas - das Fegefeuer - gibt es hier jedoch, so weit ich sehe, keinen hinreichenden Anhaltspunkt. Für das Zusammenspiel von religiöser Verkündigung, ausdifferenziertem Jenseitsglauben und Heiligenverehrung und -erfahrung bietet der Bericht des Erfurter Dominikaners jedoch ein plastisches Beispiel. Zugleich findet sich aber auch in dieser Blüte der Überlieferung, selbst wenn sie - wie es der Kontext der Niederschrift nahe legt - dem Humus reformkatholischer Intentionen entspross, ein versteckter Hinweis auf die hohe Bedeutung des Erfurter Dominikanerklosters zur Zeit Meister Eckharts.
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Paradisus anime intelligentis (Paradis der fornuftigen sele). Aus der Oxforder Handschrift Cod. Laud. Misc. 479 nach E. Sievers’ Abschrift ed. v. Ph. Strauch, Berlin 1919; zweite Auflage ed. u. mit einem Nachw. versehen v. N. Largier u. G. Fournier (Deutsche Texte des Mittelalters 30), Hildesheim 1998; K. Ruh, Paradisus anime intelligentis (Paradis der fornuftigen sele), in: id. (ed.), Die deutsche Literatur des Mittelalters: Verfasserlexikon, vol. 7, Berlin-New York 21989, 298-303.
II. Die Erfurter ,Rede‘
Die ,Rede der underscheidunge‘ als Dokument dominikanischer Spiritualität Walter Senner OP (Paris) Unter dieser Überschrift ist nicht eine umfassende Interpretation dieses frühesten bekannten, gleichwohl reifen Textes Meister Eckharts zu erwarten, wie Kurt Ruh sie meisterlich vorgelegt hat 1, auch keine geistliche Ausdeutung 2. Vielmehr soll dem Ordenskontext nachgegangen werden, aus dem diese Reden unbezweifelt stammen. Auch wenn ihr Titel erst sekundär ist, sind die ,Rede der underscheidunge‘ in ihrer Authentizität durch ausdrückliche Zuschreibung an Meister Eckhart unbezweifelt und gehören zu seinen am breitesten überlieferten Schriften 3. Der ältere ausführliche Satztitel lautet: „Daz sint die rede, die der vicarius von türingen, der prior von erfurt, bru˚der eckhart predigerordens mit solchen kindern haˆte, diu in dirre rede vraˆgeten vil dinges, doˆ sie saˆzen in collationibus mit einander.“ 4 Hier finden wir eine Reihe von Angaben, die eine nähere Bestimmung der Redesituation auf dem Hintergrund der Organisationsstruktur des Dominikanerordens - und speziell der deutschen Ordensprovinz Teutonia - erlauben. Sie sollen der Reihe nach durchgegangen werden: ,Vicarius von türingen‘. Die mit über 80 Konventen sehr große Teutonia war zu jener Zeit in neun Regionen aufgeteilt, die hier - spezifisch - nationes hießen 5 und nach Landschaften benannt waren: Rhenus (Nieder- und Mittelrhein), Brabantia (Flandern - soweit zum Römischen Reich Deutscher Nation gehörig und die niederländischen Provinzen Brabant und Limburg), Alsatia (mit Basel), 1
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Cf. Meister Eckhart. Theologe, Prediger, Mystiker, München 21989, 31-46; id., Geschichte der abendländischen Mystik, vol. 3: Die Mystik des deutschen Predigerordens und ihre Grundlegung durch die Hochscholastik, München 1996, 258-267. Hier ist besonders zu verweisen auf A. Schönfeld, Meister Eckhart: Geistliche Übungen. Meditationspraxis nach den ,Reden der Unterweisung‘, Mainz 2002. Cf. Ruh, Geschichte (nt. 1), 258 sq. Meister Eckharts Traktate, ed. u. übers. v. J. Quint (Meister Eckhart, Die deutschen und lateinischen Werke, ed. im Auftrage der Deutschen Forschungsgemeinschaft: Die deutschen Werke, vol. 5 [= DW V]), Stuttgart 1963, 185, 1-6. Cf. P. von Loe¨, Statistisches über die Ordensprovinz Teutonia (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens in Deutschland [in der Folge zit. als: QF] 1), Leipzig 1907, 5 sq.; id., Statistisches über die Ordensprovinz Saxonia (QF 4), Leipzig 1910, 10 sq. - dort die nach der Teilung 1303 zu Letzterer gehörenden thüringischen Konvente.
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Suevia (Baden, Württemberg und die Ostschweiz), Austria (Österreich und Bayern) sowie die 1303 als neue Provinz Saxonia von der Teutonia abgeteilten nationes Misnia (Sachsen), Marchia (Mark Brandenburg), Hollandia (Nordholland) und Thuringia. Die letztgenannte natio umfasste Konvente in Eisenach, Erfurt, Göttingen, Jena, Mühlhausen in Thüringen, Nordhausen und Treysa, griff also über Thüringen hinaus nach Niedersachsen und Nordhessen aus. In den ältesten Konstitutionen waren nur die Organisationsebenen Konvent, Provinz und Gesamtorden vorgesehen und mit auf der jeweiligen Ebene gewählten Oberen (Prior conventus, Prior provincialis, Magister Ordinis) ausgestattet worden 6. Vicarii konnte jeder von ihnen - und auch eines der alljährlich stattfindenden Provinz- oder Generalkapitel - für einen bestimmten delegierten, räumlich oder zeitlich begrenzten Aufgabenbereich einsetzen. Das Mandat eines vicarius währte maximal so lange wie die (durch Tod oder Abberufung durch das zuständige Kapitel endende) Amtszeit des ihn delegierenden gewählten Oberen 7. ,Prior von Erfurt‘ ist der gewählte Obere des größten Konvents der Thuringia. Er musste nicht Angehöriger dieses Klosters sein (durch Eintritt in es), aber meistens war es so. Wenn auch nicht mit Sicherheit, so doch mit hoher Wahrscheinlichkeit, können wir annehmen, dass Eckhart - der ja aus dem nahen Hochheim bei Wangenheim kam 8 - in den Erfurter Predigerkonvent eingetreten und dadurch dessen filius nativus war. Eine Folge dieser Beheimatung war, dass ein Dominikaner nach Ablauf eines Amtes im Orden, das ihn anderwärts verpflichtete, wieder zu seinem Heimatkonvent zurückkehrte - falls nicht unmittelbar ein anderer derartiger Auftrag folgte. Nach dem Pariser Bakkalaureat, d. h. nach dem Vorlesungsschluss am Fest der heiligen Apostel Petrus und Paulus (29. 06. 1294) und der Reisezeit von circa drei bis sechs Wochen - je nach Zahl und Dauer eventueller Zwischenaufenthalte -, können wir Meister Eckhart in Erfurt erwarten 9. Der Begriff collatio spielt seit den ,Collationes patrum‘ 10 der Wüstenväter eine wichtige Rolle in der monastischen und auch in der Spiritualität der Predigerbrü6
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Cf. Constitutiones antiquae Ordinis Fratrum Praedicatorum, d. 2, cc. 15-16, in: A. H. Thomas, De oudste constituties van de Dominicanen, Leuven 1965 (in der Folge zit. als: Const. ant.), 351-353. Dem Konventsprior ist kein eigenes Kapitel gewidmet, seine Funktionen werden an verschiedenen Stellen genannt. Cf. G. R. Galbraith, The Constitution of the Dominican Order, 1216 to 1360 (Publications of the University of Manchester, hist. ser. 44), Manchester 1925, 140-143. Cf. E. Albrecht, Amtsblatt der evangelisch-lutherischen Kirche in Thüringen 31/3 (1978), 2834; Internet-Site www.eckhart.de; Stichwort: Familie. Zum Pariser akademischen Kalender cf. P. Glorieux, L’enseignement au moyen aˆge, techniques et me´thodes en usage a` la faculte´ de the´ologie de Paris au XIIIe sie`cle, in: AHDLMA 35 (1968), 65-186, hier: 100 sq. Jean Cassien, Confe´rences, ed. E. Pichery, 3 vol. (Sources chre´tiennes 42, 54, 64), Paris 19551958.
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der. Dominikus hatte sie hoch geschätzt 11, Humbertus de Romanis hatte sie den Novizen als Basislektüre empfohlen 12, Heinrich Seuse fand in ihnen die wahre philosophia spiritualis 13. Doch leider ist collatio nur scheinbar eindeutig. Neben den allgemeinsprachlichen Bedeutungen ,Sammlung, Zusammenstellung‘ 14 oder ,Zusammenkunft, Beratung, Diskussion‘ 15 konnte dieser Begriff im 13. und 14. Jahrhundert die folgenden speziellen Bedeutungen annehmen: 1. Eine abendliche leichte Mahlzeit in der Klostergemeinschaft - insbesondere, aber nicht nur, an Fasttagen 16. 2. Die abendliche Zusammenkunft (des benediktinischen oder zisterziensischen) Konvents nach getaner Tagesarbeit zur Klärung praktischer Fragen und zur Besinnung 17. 3. Die bei dieser Gelegenheit - und dann auch unabhängig davon (etwa beim gemeinsamen Mahl) - vorgetragene Lesung aus der Ordensregel oder aus Schriften der Kirchenväter 18. 4. Die diese erklärende Ansprache des Abtes als geistlicher Vater seiner Kommunität, später auch der Vortrag eines Klosteroberen zu einem spirituellen Thema überhaupt 19. 11
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Jordanus de Saxonia, Libellus de principiis Ordinis Praedicatorum, n. 13, ed. H. C. Scheeben (Monumenta Ordinis Praedicatorum historica - in der Folge zit. als MOPH - 16), Rom 1935, 25-88, hier 32 sq.: „Librum quemdam, qui Collationes patrum inscribitur, tractandum de vitiis et omnis spiritalis perfectionis materia, hunc, inquam, legens et diligens salutis in eo rimari semitasque easdem tota animi virtute studuit imitari.“ Cf. Instructiones de officiis ordinis, c. 5, 18, in: Opera de vita regulari, ed. J.-J. Berthier, vol. II, Turin 1956, 230. Cf. Horologium sapientiae, lib. II, 3, ed. P. Künzle, Freiburg i. Ue. 1977, 545, 14-546, 28. Mittellateinisches Wörterbuch (in der Folge zit als: Mlat. WB), ed. v. d. Bayer. Ak. d. Wiss. u. d. Ak. d. Wiss. d. DDR, vol. II, München 1985, 830 sq. Zu collatio im klassischen Latein cf. Thesaurus linguae latinae, vol. III, Leipzig 1907, 1578-1580. Mlat. WB II (nt. 14), 831. Cf. A. Blaise, Lexicon latinitatis medii aevi, Turnhout 1975, 197b; Glorieux: L’enseignement (nt. 9), 120; Const. ant. (nt. 6), d. 1, c. 9, 320, 2-8; Kommentar: 161-165. Auf die Bedeutungsvielfalt im dominikanischen Kontext weist hin M. M. Mulchahey, First the Bow is Bent in Study. Dominican Education Before 1350, Toronto 1998, 194-203. Für ,Mahlzeit‘ cf. Humbertus de Romanis, Instructiones de officiis ordinis, c. 24, 3 (nt. 12), 297. J. Leclercq, Wissenschaft und Gottverlangen. Zur Mönchstheologie des Mittelalters, Düsseldorf 1963, 190. Cf. Mlat. WB II (nt. 14), 832; Leclercq, Wissenschaft (nt. 17), 190. Zum Zusammenhang der dominikanischen Tradition mit der monastischen und prämonstratensischen cf. A. H. Thomas, in: Const. ant. (nt. 6), 162-165. M. M. Mulchahey (nt. 16), 194, hält die collatio für einen Teil der Komplet; aus Const. ant. (nt. 6), d. 1, c. 9, 320, 8-10 ergibt sich jedoch, dass sie davor stattfand. Verwirrend ist freilich, dass später, als dieser unmittelbare zeitliche Zusammenhang aufgegeben wurde, die ursprünglich die collatio einleitende Segensbitte ,iube domne benedicere‘ und die Segensformel ,noctem quietam et finem perfectum tribuat nobis omnipotens et misericors dominus‘ (Const. ant. [nt. 6], 320, 4-6) an den Beginn der Komplet rückten (Completorii libellus juxta ritum Ordinis Praedicatorum, Rom 1911, 1). Cf. Leclercq, Wissenschaft (nt. 17), 190.
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5. Ein geistlich-theologischer Vortrag, oder ein solches Gespräch, ganz allgemein 20. 6. Im Dominikanerorden oblag dem Novizenmeister u. a. die Pflicht, die Novizen in einem eigens dazu bestimmten Raum neben dem Unterricht über die Konstitutionen und die Lebensweise des Ordens in Gesang und Lesen zu unterweisen, geistliche Vorträge zu halten und mit ihnen Gespräche (collationes aedificatoriae) zur Ermahnung und Tröstung zu führen; er konnte dies auch an andere geeignete Brüder delegieren 21. 7. Die Predigt außerhalb der Messfeier am Nachmittag oder Abend 22, besonders auch die vor der universitas magistrorum et scholarium 23. Von den Pariser Dominikanern wurde der Brauch um 1231 dahingehend adaptiert und abgewandelt, dass während der Vesper eine Predigt für die Ordensstudenten gehalten wurde 24. 8. Als collatio pro commendatione sacre doctrine wurde in Bologna die feierliche Antrittsvorlesung eines neuen Baccalaureus sententiarum bezeichnet, die in Paris principium hieß 25; die abendlichen Disputationen eines promovierenden Magister wurden dagegen vesperie genannt 26. 9. Eine (nachmittägliche oder abendliche) Repetition der Vorlesung (des Vormittags) im Studium 27. Humbertus de Romanis beschreibt ihre Organisation unter den Pflichten des Studentenmeisters 28. In der Studienordnung des Dominikanerordens von 1259 war diese einmal wöchentlich für alle studia vorgeschrieben 29. Eine spezielle Form dieser Übungen waren collationes, die einen praktisch-homiletischen Bezug zur Liturgie oder zu Fragen der Moral hatten 30.
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Cf. Mlat. WB II (nt. 14), 831; Glorieux: L’enseignement (nt. 9), 122. Humbertus de Romanis, De officiis ordinis (nt. 12), c. 5, 5, 216 sq.: „In hoc faciendae sunt ibidem admonitiones interdum, vel collationes aedificatoriae ab ipso [magistro novitiorum], vel ab aliis fratribus ad haec gratiosis; et ipso procurante, familiares collocutiones et consolationes.“ Cf. Glorieux, L’enseignement (nt. 9), 120. Cf. Glorieux, L’enseignement (nt. 9), 156 sq.; Mulchahey, First the Bow (nt. 16), 195. Cf. Mulchahey, First the Bow (nt. 16), 195. Cf. Glorieux, L’enseignement (nt. 9), 139. Cf. Glorieux, L’enseignement (nt. 9), 144 sq. Cf. Glorieux, L’enseignement (nt. 9), 120 sq. De officiis ordinis (nt. 12), c. 12, 3, 259: „Item, ad ipsum [magistrum studentium] pertinet convocare fratres [studentes] aliquo signo ad collationes in loco apto ad hoc secundum ordinationem prioris: et hoc semel, vel bis in septimana, vel frequentius, ubi, vel quando non sunt lectiones.“; cf. Mulchahey, First the Bow (nt. 16), 196 sq. Acta cap. Gen. (nt. 6), 100, 26: „Quod fiant repeticiones de questionibus in qualibet septimana“; Cod. Arch. gen. OP A1 hat collationes für repeticiones. Humbertus de Romanis, De officiis ordinis (nt. 12), c. 12, 3, 260: „Vel solent fieri collationes de moralibus, vel de certa aliqua materia, ut de evangelio, vel de epistola, vel de summa de vitiis et virtutibus, vel de casibus, et similibus: ita quod quilibet frater sciat de quo titulo debeat recitare, vel de quolibet ad voluntatem cujuslibet.“ Cf. Mulchahey, First the Bow (nt. 16), 198.
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10. Die Verleihung eines (kirchlichen) Amtes 31 oder die Übertragung einer Verfügungsgewalt bzw. einer Vollmacht 32. 11. Eine Schenkung 33. 12. Das Vergleichen verschiedener Handschriften eines Textes 34. Wie die Angabe ,mit solchen kindern‘ zeigt, handelt es sich bei den ,Rede der underscheidunge‘ um collationes in der vierten der genannten Bedeutungen. Ihr Publikum waren alle Mitbrüder des Konvents, nicht nur die Novizen. Für diese gab es als eigene Form der Unterweisung und Einführung in das Ordensleben die instructio und die collatio aedificatoria durch den Novizenmeister 35. Auch wenn die letztgenannte delegiert werden kann, ist es schwer vorstellbar, dass der Kloster- und Regionalobere sich dazu von seinem Untergebenen beordern lässt. Wohl ist es Brauch gewesen, dass auch die Novizen und Studenten des Ordens an der allgemeinen An- und Aussprache teilnahmen; sie mögen sich mit ihren noch frischen und ungeklärten Fragen auch besonders stark daran beteiligt haben. Dies gilt, da Meister Eckhart ja nicht nur Prior von Erfurt war, sondern auch Vikar der natio Thuringia, ebenfalls für die Schwesternkommunitäten in diesem Bereich. Underscheidunge, lateinisch discretio, ist das im Kontext des Dominikanerordens nicht Ketzerschnüffelei 36? Das konnte es leider auch sein, jedoch - bereits aus der monastischen Tradition übernommen - ist es in erster Linie die Unterscheidung zwischen dem, was für das geistliche Leben wesentlich und dem, was nebensächlich ist. ,Rede der underscheidunge‘, wie die gegenüber ,Rede der unterweisunge‘ besser bezeugte, wenn auch kaum ursprüngliche Version des Titels lautet, bedeutet also die Schwerpunktsetzung, in der Eckhart den Ordensmitgliedern - sei es als Prior seines eigenen Konvents, sei es als Vikar den Brüdern anderer Klöster der natio thuringiae oder den Dominikanerinnen in diesem Gebiet - erläutert, was ihm als für das geistliche Leben wesentlich erscheint und sich dabei auf Fragen und deren Diskussion einlässt.
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Cf. H. Heinemann, Amt, kirchliches, in: Lexikon des Mittelalters, vol. 1, München-Zürich 1980, 559-561, hier: 560. Cf. Mlat. WB II (nt. 14), 832. Cf. Mlat. WB II (nt. 14), 832; J. F. Niermeyer/C. Van der Kieft, Mediae latinitatis lexicon minus, vol. I, Leiden 22002, 260b, 5. Cf. ibid., 7. Cf. supra, Nr. 6. Im Auftrag des Generalkapitels 2000 soll diese dunkle Seite der Ordensgeschichte aufgearbeitet werden. Bereits erschienen: Praedicatores Inquisitores, vol. I: The Dominicans and the Mediaeval Inquisition. Acts of the 1st International Seminar on the Dominicans and the Inquisition (Dissertationes historicae 29), Rom 2004. Ein zweites Kolloquium mit dem Thema ,Dominikaner und die spanische Inquisition‘ hat 2004 in Sevilla stattgefunden, weitere sollen folgen. Zur discretio cf. F. Dingjan, Discretio, les origines patristiques et monastiques de la doctrine sur la prudence chez saint Thomas d’Aquin (Van Gocums theologische bibliotheek 38), Assen 1966.
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Die ,Reden‘ sind „zwanglos und relativ unsystematisch“ 37 aufgebaut - für Meister Eckhart erstaunlich. Dies lässt sich am besten damit erklären, dass sie eine Sammlung verschiedener teils unabhängig voneinander entstandener Ansprachen und Gesprächsnotizen sind. Es lassen sich drei Teile von abnehmender thematischer Strenge unterscheiden 38: Die (bis auf das sechste) verhältnismäßig kurzen Kapitel 1-8 haben, ausgehend vom Ordensgelübde des Gehorsams, das Lassen des Selbst, die Abgeschiedenheit, das Besitzen Gottes und das Wirken aus dieser Haltung heraus zum Inhalt. Sie zeigen eine klare, verknüpfte Struktur, ein sich aus dem Zuvorgesagten ergebendes Fortschreiten von Stichwort zu Stichwort. Die Kapitel 9-16 umfassen Einzelthemen, deren Konsistenz deutlich geringer ist. Gleichwohl ist als Hauptthema Sünde, Reue und Buße auszumachen. In den Kapiteln 17-23 behandelt der Meister verschiedene Fragen der geistlichen Lebensführung, ohne dass dabei eine Systematik sichtbar wird. Es ergibt sich der Eindruck, als seien hier - zumindest zum erheblichen Teil - von den Hörer(inne)n Fragen aus der Praxis gesammelt und vorgelegt worden 39. Als 20. Kapitel ist eine Predigt zum Sakramentenempfang, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Buße, eingefügt, die möglicherweise erst nachträglich hier aufgenommen worden ist 40. Auffällig ist das Fehlen stärkerer Bezüge zu Einzelfragen des Ordenslebens und das insbesondere zu dem der Dominikaner, wie es in den Werken des Humbertus de Romanis seine offiziöse Beschreibung gefunden hat 41. Nicht von ungefähr jedoch beginnt Meister Eckhart mit dem Gehorsam und behandelt ihn als Einziges der drei Ordensgelübde (Armut, Keuschheit, Gehorsam) als solches, ist er doch das einzige in der Profess im Dominikanerorden explizit ausgesprochene von ihnen. Die Professfeier beginnt mit der Frage des Ordensoberen: „Quid petistis?“, auf die hin die Profess ablegenden Novizen antworten: „Misericordiam Dei et vestram.“ Dann streckt der Obere seine Hände empfangend aus und der jeweils Profess ablegende Bruder legt die seinen gefaltet hinein und spricht: „Ego N. facio professionem et promitto obedientiam Deo et beatae Mariae et tibi N., magistro Ordinis Predicatorum, et successoribus tuis, secundum regulam beati Augustini et institutiones fratrum Ordinis Predicatorum, quod ero obediens tibi tuisque successoribus usque ad mortem.“ 42 37
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N. Largier, in: Meister Eckhart: Werke II (Bibliothek des Mittelalters 21), Frankfurt a. M. 1993, 791. Von Ruh, Meister Eckhart (nt. 1), 33-43 und Geschichte (nt. 1), 259, bzw. Largier, Meister Eckhart (nt. 37), 791 sq., leicht unterschiedlich gegliedert. Ich folge hier der Einteilung Largiers. Cf. Ruh, Geschichte (nt. 1), 260; Largier, Meister Eckhart (nt. 37), 792. Cf. Ruh, Meister Eckhart (nt. 1), 40 sq. Largier, Meister Eckhart (nt. 37), 798, hingegen sieht darin den Niederschlag eines Lehrgesprächs. Eine eingehende Interpretation dieses Textes gibt: B. Weiß, Die Eucharistie in der deutschen Mystik des Mittelalters, in: B. J. Hilberath/D. Sattler (eds.), Vorgeschmack. Ökumenische Bemühungen um die Eucharistie. FS für Th. Schneider, Mainz 1995, 225-257, bes. 229, 237-241, 249 sq., 252. Deren Sammlung unter dem Titel ,De vita regulari‘ (nt. 12) vorliegt. Const. ant. (nt. 6), d. 1, c. 16, 326, 1-327, 6. Cf. die elaboriertere spätere Form, die Wirken von Kanonisten zeigt: Processionarium iuxta ritum S. Ordinis Praedicatorum, Rom 1913, 151. A. H. Thomas (nt. 6), 143-152, vergleicht die alte dominikanische Professformel mit anderen und
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Meister Eckhart bezieht sich auf diese Situation: Er nennt Gehorsam „ein tugent vor allen tugenden“ 43. Hierbei ist nicht an Tugendkataloge zu denken oder an das aristotelische System der Tugenden, wie es Albertus Magnus und Thomas von Aquin rezipiert haben, erst recht nicht an ,preußische Sekundärtugenden‘. Worum es ihm geht, wird durch zwei Textstellen in diesem Zusammenhang deutlicher: „und swie kleine ein werk und swie snœde ez sıˆ, soˆ ist ez nützer getaˆn in waˆrer gehoˆrsame, ez sıˆ messe lesen, hœren, beten, contemplieren oder swaz duˆ maht gedenken.“ 44 „Gehoˆrsame würket alwege daz aller beste in allen dingen.“ 45 Wir müssen schließen: Gehorsam ist etwas, das mit allen rechten Handlungen einhergeht und sie besser, ja am besten macht. Das lässt sich sinngemäß auch bei Humbertus de Romanis lesen 46, der aber im Unterschied zu Eckhart sich in seinem Kommentar zu den Ordenskonstitutionen eingehend mit der Frage beschäftigt, was geschehen soll, wenn ein Predigerbruder eine Weisung eines Oberen als undurchführbar oder zu Schlechtem führend ansieht 47. Diese für die Praxis eminent wichtige Frage spielt hier keine Rolle. Meister Eckhart geht es nämlich nicht nur um den Ordensgehorsam im engeren Sinn, sondern um eine viel grundlegendere Dimension seiner Anthropologie: „Swaˆ der mensche in gehoˆrsame des sıˆnen uˆzgaˆt und sich des sıˆnen erwiget, daˆ an dem selben muoz got von noˆt wider ˆıngaˆn; wan soˆ einez im selber niht enwil, dem muoz got wellen glıˆcher wıˆs als im selber.“ 48 Die Vorstellung, dass die Entsagung von dem eigenen Willen Raum für das Wirken des Willens Gottes schafft, ist Gemeingut christlicher Spiritualitätsgeschichte seit ältesten Zeiten: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir.“ 49 Wir finden allerdings bei Eckhart nicht nur eine für ihn charakteristische Ausdrucksweise, sondern ein zu seiner spezifischen Anthropologie weiterentwickeltes Konzept: „daˆ an dem selben muoz got von noˆt wider ˆıngaˆn.“ 50 Es gibt also einen horror vacui: Dort, wo des Menschen Eigenwille keine ihn bewegende Kraft mehr ist, da ist das notwendigerweise (,von noˆt‘) Gottes Wille. Wir sind bei dem zentralen Punkt von Eckharts Anthropologie. Dabei wird dieser aus dem konkreten Anwendungsfall entfaltet: „Swenne ich mıˆnes willen bin uˆzgegangen in die hant
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sieht in derjenigen der Prämonstratenser das nächststehende mögliche Vorbild (150-152); der Predigerbruder gelobt allerdings keine stabilitas loci, die dem Charakter der Mendikantenorden als nicht ortsgebundenem Personenverband widersprechen würde (151). RdU, c. 1 (DW V, 185, 8). Ibid., 186, 1-3. Ibid., 186, 4 sq. Expositio regulae beati Augustini, in: Opera de vita regulari (nt. 12) I, 533: „[…] inter omnes virtutes religioso necessarias, de praecipuis est obedientia perfecta“; Ep. de tribus votis substantialibus religionis, in: Opera de vita regulari (nt. 12) I, 2, n. 2: „Hoc […] innuit exemplum ubi frater, cui quatuor ostensi sunt ordines bonorum, eum qui oboedientiam servavit summum vidit.“ Ibid., 531 sq. RdU, c. 1 (DW V, 187, 1-3). U. Kern, Die Anthropologie des Meister Eckhart, Hamburg 1994, 5, spricht von einer „theologischen Teleologie der Eckhartschen Anthropologie“. Gal. 2, 20. RdU, c. 1 (DW V, 187, 2).
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mıˆnes preˆlaˆten und mir selber niht enwil, dar umbe muoz mir got wellen, und versuˆmet er mich an dem teile, soˆ versuˆmet er sich selber.“ 51 Der Ritus der Ordensprofess, bei welcher der das Gelübde ablegende Bruder - oder die Schwester - die Hände in die des dieses abnehmenden Ordensoberen - bzw. der Oberin - legt, ist nur der Anknüpfungspunkt, denn der Meister kommt gleich zu einer radikaleren Forderung als jener der Ordenskonstitutionen: „In waˆrer gehoˆrsame ensol niht vunden werden ,ich wil alsoˆ oder alsoˆ‘ oder ,diz oder daz‘, sunder ein luˆter uˆzgaˆn des dıˆnen.“ 52 Das völlige Aufgeben des Eigenwillens führt konsequenterweise dazu, im Gebet nicht um dieses oder jenes zu bitten, was ich gerne möchte, sondern mich Gott in die Hand zu geben, wie dies bei der Professgeste symbolisch dargestellt wird: „Und dar umbe in dem aller besten gebete, daz der mensche mac gebeten, ensol niht sıˆn weder ,gip mir die tugent oder die wıˆse‘ oder ,jaˆ, herre, gip mir dich selber oder ˆewigez leben‘, dan ,herre, engip niht, wan daz duˆ wilt […] in aller wıˆse‘.“ 53 Dies geht noch deutlich über das von Thomas von Aquin bekannte „nichts als dich Herr.“ 54 hinaus. Doch auch dafür sind Vorbilder in der mystischen und aszetischen Literatur zu finden - Eckhart selbst nennt Augustinus 55 -, nicht aber für den Begründungszusammenhang, der für den Thüringer Meister charakteristisch ist, und durch den das Gebet hier in die Nachbarschaft des Gehorsams kommt. Das Armutsverständnis der klassischen monastischen Orden hatte sich in der Auseinandersetzung mit den Katharern in der Languedoc als unglaubwürdig erwiesen: Die Zisterzienseräbte, die hoch zu Ross antrabten, sahen gegenüber den barfüßigen perfecti schlecht aus 56. Dominikus legte deshalb Wert darauf, dass die Armut seiner Ordensbrüder auch im Verhältnis zu den Menschen sichtbar wurde. Franziskus erblickte demgegenüber in der ,Herrin Armut‘ eine perfectio evangelica, die ihn zu dem Ideal anreizte: „nudus nudum Christum sequi.“ 57 In Abgrenzung von dieser radikalen Armutsauffassung sah Humbertus de Romanis in 51
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Ibid., 187, 3-6; J. Quint in: Largier II (nt. 37), 335, 28-337, 2, übersetzt den letzten Halbsatz: „Versäumt er etwas für mich darin, so versäumt er es zugleich für sich selbst.“ RdU, c. 1 (DW V, 188, 3 sq.). Ibid., 188, 4-8. Zum Gebet cf. F. Löser, Oratio est cum deo confabulatio. Meister Eckharts Auffassung vom Beten und seine Gebetspraxis, in: W. Haug/W. Schneider-Lastin (eds.), Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte. Kolloquium Kloster Fischingen 1998, Tübingen 2000, 283316. Guillelmus de Tocco, Ystoria sancti Thome de Aquino, ed. C. le Brun-Gouanvic (Studies and Texts 127), Toronto 1996, c. 34, 162, 12 sq.: „Thoma, bene scripsisti de me, quam recipies a me pro tuo labore mercedem? […] Domine, non nisi te.“ Cf. RdU, c. 1 (DW V, 189, 4); Augustinus, Confessiones, ed. L. Verheijen (CCSL, vol. 27), Turnhout 1990, lib. X, c. 26, n. 37, 175, 8-10. Cf. M. H. Vicaire, Geschichte des hl. Dominikus, vol. I, Freiburg i. Br. 1962, 120 sq. Cf. D. Berg, Armut und Geschichte, Studien zur Geschichte der Bettelorden im hohen und späten Mittelalter (Saxonia Franciscana 11), Kevelaer 2001, 127-161. Zur weiteren Entwicklung: D. Burr, The Spiritual Franciscans. From Protest to Persecution in the Century after Francis, University Park PA, 2001.
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der Armut den spezifischen Weg, aber nicht das Ziel des Ordens der Predigerbrüder. Sie sollte sie nach dem Vorbild Christi und der Apostel frei machen von gefangen nehmender Sorge um Besitz, war aber keine Forderung an alle Christgläubigen 58. Thomas von Aquin präzisierte das in der Auseinandersetzung mit dem Pariser Weltklerus als instrumentum perfectionis 59. Die Armutspraxis im Dominikanerorden des beginnenden vierzehnten Jahrhunderts war dann noch einmal eine Sache für sich 60. In den ,Reden der ,Unterscheidung‘‘ finden wir zwar nur verstreut, aber nicht ohne Bezug zu den zentralen Gedanken des Meisters, Aussagen zur freiwilligen Armut: „Der heilige sprichet: swer daz kleine williclıˆche læzet, der enlæzet ez niht aleine, meˆr: er læzet allez, daz werltlıˆche liute mügen gewinnen, jaˆ, ouch, daz sie mügen begern; wan, der sıˆnen willen und sich selber læzet, der haˆt alliu dinc gelaˆzen als wærlıˆche, als sie sıˆn vrıˆ eigen wæren und [er] sie besezzen hæte in ganzem gewalte. Wan, daz duˆ niht enwilt begern, daz haˆst duˆ allez übergeben und gelaˆzen durch got. Dar umbe sprach unser herre: ,saelic sint die armen des geistes‘, daz ist des willen. Und hier ane ensol nieman zwıˆvelen: wære dehein bezzer wıˆse, unser herre hæte sie gesprochen, als er ouch sprach: ,swer mir welle naˆchvolgen, der verzıˆhe sich sıˆn selbes ze dem ˆersten‘: daˆ liget ez allez ane. Nim dıˆn selbes war, und swaˆ duˆ dich vindest, daˆ laˆz dich; daz ist daz aller beste.“ 61
Selbstwahrnehmung soll nicht zu einer höheren Form von Selbstentfaltung führen, sondern zum von Christus nahe gelegten ,sich selbst lassen‘ - von Eckhart als Lassen des eigenen Willens gesehen, in dem ich das Begehrte ,habe‘, auch wenn ich es noch nicht physisch besitze. Die geistliche Armut des Ordensgelübdes ist nichts anderes als eine spezielle Form der allen Menschen aufgegebenen Gelassenheit. Diese in der Entäußerung des Eigenwillens zu erreichende Armut des Geistes ist der Beginn der Vollkommenheit und Seligkeit: „Dar umbe, doˆ unser herre von allen sæligen sachen wolte reden, doˆ saste er die armuot des geistes ze einem houbete ir aller und was diu ˆerste ze einem zeichen, daz alliu sælicheit und volkomenheit al und alzemaˆle ein beginnen haˆn in der armuot des geistes.“ 62 Wirklich arm - und damit glücklich - ist, wer nichts begehrt, bedürfnislos lebt wie Diogenes in der Tonne: „Dar umbe sprach der, der in der kuofen bloˆz saz, ze dem groˆzen Alexander, der alle werlt under im haˆte: ,ich bin […] vil ein grœzer herre dan duˆ bist; wan ich haˆn meˆr 58 59
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Cf. Expositio regulae beati Augustini (nt. 12), Prooem., 5, 51 sq. Cf. U. Horst, Evangelische Armut und Kirche. Thomas von Aquin und die Armutskontroversen des 13. und beginnenden 14. Jahrhunderts (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens, N. F. 1), Berlin 1992, bes. 29-132; id., Bischöfe und Ordensleute. Cura principalis animarum und via perfectionis in der Ekklesiologie des hl. Thomas von Aquin, Berlin 1999, 154-160. Für Köln ist belegt, dass zahlreiche Dominikaner und Brüder anderer Orden ,Leibrenten‘, die Früchte kapitalisierter Erbteile, und persönliche Zuwendungen annahmen; cf. G. Löhr, Beiträge zur Geschichte des Kölner Dominikanerklosters im Mittelalter, Teil I (QF 15), Leipzig 1920, 16-29. RdU, c. 3 (DW V, 195, 2-196, 4); N. Largier, Meister Eckhart: Werke II, 794, sieht hier eine Anspielung auf Gregor den Großen oder Augustinus; cf. RdU, c. 23 (DW V, 298, 11-299, 2). RdU, c. 23 (DW V, 297, 4-8).
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versmæhet, dan duˆ besezzen haˆst‘.“ 63 Mit dem Gehorsam sieht Eckhart freiwillige Armut als Tugend, die durch Übung, ja durch Auf-sich-Nehmen von Verachtung, zu festigen und in ihrem ,Wesen und Grund‘ zu gewinnen ist: „Ouch ist ez seˆre nütze, daz im der mensche niht laˆze genüegen dar ane, daz er haˆt die tugende in dem gemüete als gehoˆrsame, armuot und ander tugende, sunder der mensche sol sich selber an den werken und an den vrühten üeben der tugende und sich dicke versuochen und begern und wellen von den liuten werden geüebet und versuochet. Wan daˆ mite enist ez niht genuoc, daz man tuo diu werk der tugent oder die gehoˆrsame getuon müge oder armuot oder smaˆcheit enpfaˆhen müge oder daz man sich mit einer andern wıˆse gedeˆmüetigen oder gelaˆzen müge, sunder man sol dar naˆch staˆn und niemer uˆfhœren, biz man die tugent gewinne in irm wesene und in irm grunde.“ 64
Doch so wichtig die geistliche Armut als Ansatzpunkt des Weges zur Vollkommenheit ist, sie ist auch für Meister Eckhart nicht das Ziel, keine in der Anschauung Gottes bleibende perfectio evangelica in sich. Wenn der Mensch sich des Seinen ganz entledigt hat, wird der unermessliche unbegreifliche Gott selbst sein Reichtum: „Entriuwen, wilt duˆ denne dıˆne armuot alle wandeln, soˆ ganc ze dem genüegenden schatze alles unmæzigen rıˆchtuomes, soˆ wirst duˆ rıˆch; wan duˆ solt daz wizzen in dir, daz er aleine ist der schatz, an dem dir mac genüegen und dich mac ervüllen. ,Dar umbe‘, sprich, ,wil ich ze dir gaˆn, daz dıˆn rıˆchtuom ervülle mıˆne armuot und alliu dıˆn unmæzicheit ervülle mıˆne ˆıtelkeit und dıˆn unmæzlıˆchiu, unbegriffenlıˆchiu gotheit ervülle mıˆne alze snœde verdorbene menscheit‘.“ 65
Das dritte Ordensgelübde, die Keuschheit, wird nur einmal erwähnt - in dem Gebet, das die in Kapitel 20 eingefügte Predigt über das Sakrament der Eucharistie abschließt: „Die [eˆwicheit] gebe uns der leˆrære der waˆrheit und der minnære der kiuscheit und daz leben der ˆewicheit. Aˆmen.“ 66 Die Lebensform des Ordens der Predigerbrüder ist durch die Synthese von Kontemplation und Aktion geprägt, für die Thomas von Aquin die treffende Kurzformel ,contemplari et contemplata aliis tradere‘ 67 gefunden hat. Meister Eckhart geht noch tiefer und findet in dem Wunsch nach ungestörter beschaulicher Abgeschlossenheit einen subtilen Egoismus, der gläubige Gottesverbundenheit in innerem Frieden nicht fördert, sondern hindert: 63 64
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Ibid., 300, 2-4. RdU, c. 21 (DW V, 281, 13-282, 4). So sehr das an Thomas‘ von Aquin Konzept des habitus anklingt - hierzu P. Nickl, Ordnung der Gefühle. Studien zum Begriff des habitus (Paradeigmata 24), Hamburg 2001, 36-53 -, hat in dessen System der Tugenden paupertas spiritus keinen Platz als eigene Tugend; wohl ist sie der caritas zugeordnet als die der Furcht (timor) entgegengesetzte Glückseligkeit (beatitudo); cf. S. th. II-II, q. 19, a. 12, c. RdU, c. 20 (DW V, 267, 1-7). Ibid., 274, 5-7. Quint weist in seinen Anmerkungen zur Stelle darauf hin, dass unter den Varianten „leˆrære […] minnære“ am besten belegt sind und einen sinnvollen Text ergeben. In der die dominikanische Komplet beschließenden Antiphon ,O lumen ecclesiae‘ (Completorii [nt. 18], 25 sq.) heißt es vom hl. Dominikus „Doctor veritatis, rosa patientiae, ebur castitatis“; doch der Textzusammenhang legt hier Gott selbst als „leˆrære der waˆrheit und der minnære der kiuscheit“ nahe, der das „leben der ˆewicheit“ gibt. S. th. II-II, q. 188, a. 6, c.
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„Die menschen sprechent: ,eyaˆ, herre, ich wölte gerne, daz mir alsoˆ wol mit gote wære und alsoˆ vil andaˆht hæte und vride mit gote, als ander liute haˆnt, und wölte, daz mir alsoˆ wære oder ich alsoˆ arm si‘, oder: ,mir enwirt niemer reht, ich ensıˆ denne daˆ oder daˆ und tuo sus oder soˆ, ich muoz in ellende sıˆn oder in einer kluˆsen oder in einem kloˆster‘. In der waˆrheit, diz bist duˆ allez selber und anders niht zemaˆle. Ez ist eigener wille, aleine enweist duˆ es niht oder endünket dich es niht: niemer enstaˆt ein unvride in dir uˆf, ez enkome von eigenem willen, man merke ez oder man enmerke ez niht. Swaz wir daz meinen, daz der mensche disiu dinc sol vliehen und jeniu sol suochen - daz sint die stete und die liute und die wıˆse oder diu menige oder diu werk -, daz enist niht schult, daz dich diu wıˆse oder diu dinc hindernt: duˆ bist ez in den dingen selber, daz dich hindert, wan duˆ heltest dich unordenlıˆche in den dingen.“ 68
Was der Meister hier kritisiert, ist nicht nur eine ungeordnete Zuwendung zu Geschaffenem 69, er fordert: „hebe an dir selber an ze dem ˆersten und laˆz dich.“ 70 Eine radikale Spiritualität, doch eine für alle, die es ernst nehmen wollen, lebbare. Sie kann nicht nur den Predigerbruder tragen; er kann sie auch Menschen, die keine Ordensgelübde abgelegt haben, weiter vermitteln, denn sie geht auf das Grundlegende christlicher Existenz überhaupt. Einem Missverständnis, das Kurt Ruhs Charakterisierung Eckharts als ,Ordensspirituale‘ 71 mit sich bringen kann, muss hier begegnet werden. Nicht nur bei den Minderbrüdern, auch bei den Dominikanern gab es Spirituales, Anhänger einer radikalen geistlichen Richtung. Sie waren jedoch mit den franziskanischen nicht vergleichbar; es ging ihnen nicht um Kirchenkritik und Armut als allgemeines Lebensideal, sondern um eine stark individualistische Frömmigkeit - bis hin zu eremitischen Neigungen 72. Um diese Sonderform entstand spätestens ab 1319 ein so heftiger Streit, dass - nachdem der Generalmeister Hervaeus Natalis in mehreren Rundschreiben zu Frieden, Einigkeit und Orientierung auf die apostolische Lebens- und Arbeitsform in gemeinsamem Gebet, Studium und Predigt gemahnt hatte 73 - sich das Generalkapitel in Florenz 1321 zum Einschreiten genötigt sah 74. Auch wenn Meister Eckharts Worte allgemeiner gefasst sind, gelten sie unter anderem den dominikanischen Spirituales: 68 69
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RdU, c. 3 (DW V, 191, 6-193, 2). Bei Thomas von Aquin die eigene Betrachtungsweise der Sündendefinition des Augustinus „Peccatum est dictum vel factum vel concupitum contra legem aeternam“. Er sieht in der Sünde eine Unangemessenheit (,caret debita commensuratione‘) gegenüber dem letzten Ziel des Menschen (S. th. IIII, q. 71, a. 6, c), so dass er sie als ,aversio a fine‘ begreift (ibid., ad 3). Cf. dazu auch den jüngst erschienenen Band 22 der Deutschen Thomasausgabe, Die Sünde, komm. v. O. H. Pesch, Graz-Wien 2004. RdU, c. 3 (DW V, 193, 3). Cf. Meister Eckhart (nt. 1), 31. Bekanntester Exponent dieser Richtung war Dalmatius Moner (1291-1341); cf. Proprium officiorum Ordinis Praedicatorum, Rom 1982, 388 sq. Amtierte 1318-1323. Litterae encyclicae Magistrorum Generalium Ordinis Praedicatorum, ab a. 1233 usque ad a. 1376, rec. B. M. Reichert (MOPH 5), Rom 1900, Nrr. 70-73, 220-230. Cf. Acta cap. Gen. II (MOPH 4), 137 sq.; cf. R. P. Mortier: Histoire des maıˆtres ge´ne´raux de l’ordre des Fre`res preˆcheurs, vol. II, Paris 1905, 557-560.
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„Ich wart gevraˆget: etlıˆche liute zügen sich seˆre von den liuten und wæren alles gerne aleine, und dar ane læge ir vride, und daz sie wæren in der kirchen, ob daz daz beste wære? Doˆ sprach ich: nein! und merke, war umbe! Wem reht ist, in der waˆrheit, dem ist in allen steten und bıˆ allen liuten reht. Wem aber unreht ist, dem ist unreht in allen steten und bıˆ allen liuten. Wem aber reht ist, der haˆt got in der waˆrheit bıˆ im. Wer aber got rehte in der waˆrheit haˆt, der haˆt in in allen steten und in der straˆze und bıˆ allen liuten als wol als in der kirchen oder in der einœde oder in der zellen; ob er in anders rehte haˆt und ob er in aleine haˆt, den menschen enmac nieman gehindern.“ 75
Im damaligen Kirchenrecht war der Übertritt von einem Orden in einen anderen nur dann möglich, wenn dieser, in den der Ordensangehörige überwechseln wollte, als strenger eingestuft wurde - es sei denn mit päpstlicher Dispens 76. Gegenüber dem Dominikaner- und Franziskanerorden galten nur noch die Kartäuser als strenger. Wie wir bereits bei den vorangegangenen Fragen gesehen haben, nimmt Eckhart auch hier in allgemeinerer Weise Stellung: „Swie wol im naˆchmaˆles ein ander wıˆse baz gevellet, soˆ sol er [der mensche] gedenken: dise wıˆse haˆt dir got zuo gegeben, und sıˆ im diu aller beste […]. Wan, daz der mensche wölte allez tuon und diz und daz und von sıˆner wıˆse laˆzen und nemen eines andern wıˆse, diu im nuˆ vil baz geviele, in der waˆrheit, daz machete groˆze unstæticheit; wan de´r mensche ˆe volkomen würde, der uˆz der werlt kæme zemaˆle in ´einen orden, dan de´r iemer würde, der uˆz ´einem orden kæme in einen andern, swie heilic der ouch gewesen wære: daz ist durch die wandelunge der wıˆse.“ 77
Die Form der collatio erklärt, warum in Meister Eckharts ,Rede der underscheidunge‘ so vieles zu fehlen scheint: Sie sind eben keine instructiones, sondern geistliche Vorträge, in denen der Prior von Erfurt und Vikar der Region Thüringen ohne Zwang zur Vollständigkeit die Themen ansprechen kann, die ihm besonders wichtig sind und auf die Fragen reagiert, die seine Mitbrüder (und -schwestern?) ihm stellen. Dafür, dass Eckhart sich hier des Deutschen bedient, sieht Kurt Ruh den „spirituellen Mehrwert der Volkssprache“ als tieferen Grund 78. Mit Sicherheit lässt sich zumindest sagen, dass eine solche Aufwertung die Folge seines deutschen Œuvres ist. Für die Sprachwahl gibt es allerdings auch einen ganz praktischen Grund: Zum Dominikanerkonvent - der Klostergemeinschaft - gehörten anders als bei den Benediktinern und Zisterziensern auch die fratres conversi, die Laienbrüder, vollgültig dazu. Außerdem war es mehr und mehr eingerissen, dass bereits Jungen im Alter von etwa zehn bis zwölf Jahren, die das Latein erst noch lernen mussten, in das Kloster kamen 79. Über75 76
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RdU, c. 6 (DW V, 200, 10-201, 9). Cf. R. Wiegand, Zur Lehre von der Dispensmöglichkeit des Gelübdes in Raymunds ,Summa de poenitentia‘ und bei ihren Bearbeitern, in: Escritos del Vedat 7 (1977), 329-354, bes. 330332. Für den Wechsel vom Zisterzienser- in den Dominikanerorden cf. Const. ant. (nt. 6), d. 1, c. 14, 18 sq. RdU, c. 22 (DW V, 285, 5 sq. u. 286, 2-7); cf. ibid., c. 17 (DW V, 252, 9-11): „Ein ieglıˆcher halte sıˆne guote wıˆse und ziehe dar ˆın alle wıˆse und neme in sıˆner wıˆse alliu guot und alle wıˆse. Wandelunge der wıˆse daz machet ein unstæte wıˆse und gemüete.“ Cf. Meister Eckhart (nt. 1), 43-45. Heinrich Seuse ist das bekannteste Beispiel. Er kam im Alter von ca. 12 Jahren in den Konstanzer Dominikanerkonvent, und das mit einer finanziellen Ausstattung, die ihn später fürchten ließ, er sei deswegen als Simonist der ewigen Verdammnis verfallen. Cf. Vita, prol., in: Heinrich
Die ,Rede der underscheidunge‘
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dies ist es nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich, dass in die ,Rede der underscheidunge‘ auch Ansprachen und Gespräche des Vikars vor und mit Schwestern in Dominikanerinnenklöstern seines Amtsbereiches eingeflossen sind. Von den Gemeinschaften, zu denen er sprach, kann also nicht vorausgesetzt werden, dass alle Mitglieder hinreichend des Lateins mächtig waren, um ihn in dieser Sprache zu verstehen. Meister Eckhart und seine geistliche Lehre sind nicht nur Besitz seines Ordens, einer Nation, einer Konfession. Sie sind ein Beitrag zu einer Spiritualität der Menschheit, zu einer Umkehr vom Weg des Egoismus und der Durchsetzung eigener Interessen, die heute nötiger ist denn je. Eckharts Herkunft, die ihn prägenden Faktoren, die Gesellschaft und ihre Gruppen, in denen er wirkte, aufzuzeigen, heißt nicht, sein Proprium aufzulösen 80, sondern seine Originalität genauer zu erkennen. Bereits in den ,Rede der underscheidunge‘ tritt das Charakteristische seiner Lehre deutlich hervor. Was er sagt, gilt nicht nur für Ordensleute, es ist allgemein gültig. „Er stellt hohe und höchste Anforderungen an den Christenmenschen [nicht nur an ihn], der nach dem ,rechten‘ Leben, einem Leben in Gott, strebt. Doch es sind Anforderungen ohne jegliche asketische Härte.“ 81 Eckhart hat hier, wie in seinem ganzen Werk, als Prediger, Lehrer und Oberer den Tradierungsprozess im Dominikanerorden mitgestaltet - und dieser ist nicht als Selbstzweck verstehbar, zu dem contemplari gehört notwendig das ,contemplata aliis tradere‘. Trotz Anfeindungen aus den eigenen Reihen und Zensur ist das nicht ohne Wirkung geblieben, durch seine unmittelbaren Schüler, unter denen Heinrich Seuse und Johannes Tauler herausragen, und durch spätere Generationen, die in ihm einen ,homo doctus et sanctus‘ erkannten 82.
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Seuse, Deutsche Schriften. Im Auftrag der Württembergischen Kommission für Landesgeschichte ed. v. K. Bihlmeyer, Stuttgart 1907, 8, 4-6. Cf. auch c. 21, 62, 23-63, 6 (wo er berichtet, wie ihn Meister Eckhart von dieser Angst befreite). Um 1232-1235 wurden achtzehn Jahre als Mindestalter für die Aufnahme festgelegt; cf. Const. ant. (nt. 6), d. 1, c. 14, 325, 23. Zahlreiche Mahnungen der Generalkapitel bezeugen, dass diese Bestimmung in den Konstitutionen nicht immer befolgt wurde. Das fürchtete O. Jungen, Morgen in Erfurt. Die Eckhart-Forschung entdeckt die Einheit des Meister-Werkes, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 228, Mi., 01. 10. 2003, N3. Ruh, Geschichte (nt. 1), 266. Bereits Humbertus de Romanis schrieb (Expositio regulae beati Augustini [nt. 12], prooem., 1, 45 sq.): „multae sunt regulae quae imponunt multas observantias corporales: regula vero beati Augustini magis consistit circa spirituales actiones, ut sunt dilectio Dei et proximi, unitas cordium, concordia morum et similia, ut patet fere per totum. Quis autem nesciat exercitia spiritualia praevalere exercitationibus corporalibus, sicut spiritus praevalet corpori, et lex spiritualis legi carnali?“ Cf. Johannes Meyer, Liber de viris illustribus Ordinis Praedicatorum, n. 48; ed. B. M. Reichert (QF 12), Leipzig 1918, 32; cf. L. Sturlese, Meister Eckharts Weiterwirken. Versuch einer Bilanz, in: H. Stirnimann (ed., in Zusammenarbeit mit R. Imbach), Eckardus Theutonicus, homo doctus et sanctus. Nachweise und Berichte zum Prozeß gegen Meister Eckhart (Dokimion 11), Freiburg/Schweiz 1992, 169-183.
sich erbilden. Überlegungen zur Semantik der Habitualisierung in den ,Rede der underscheidunge‘ Meister Eckharts Burkhard Hasebrink (Freiburg i. Br.) „Eine Einführung in die richtige Lebensführung und -haltung im Kloster“ so hat Kurt Ruh in seiner ,Geschichte der abendländischen Mystik‘ die Pragmatik der ,Rede der underscheidunge‘ umrissen 1. Der Traktat diene nicht der Erbauung, der Andacht oder der Meditation, sondern der Belehrung. Für die kulturwissenschaftlich orientierte Fragestellung nach der Kontextualisierung von Literatur bilden damit die ,Reden der Unterweisung‘ ein herausragendes Beispiel. Das Kloster gilt als privilegierter Ort religiöser Vervollkommnung, und auch wenn die Mendikanten sich allgemeinen kirchlichen Aufgaben stellten, sind sie keineswegs von den Wissensformationen der Mönchskultur abgeschnitten. Die ,Reden‘ verhandeln die Logik dieser Kultur und geben damit einen spannenden Einblick in die Begründungsmuster einer sozialen Ordnung. Diese Ordnung verhandelt ,Vervollkommnung‘ zugleich als Absage an eine Welt, die, um mit Eckhart zu sprechen, von Leiblichkeit, Mannigfaltigkeit und Zeitlichkeit gekennzeichnet ist. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Verneinung sich in einer latent paradoxen Konstellation befindet, insofern die religiösen Praktiken der Weltabsage stets neue symbolische Formen der kulturellen Ordnung hervorbringen. In dieser diskursiven Konstellation nehmen die ,Rede der underscheidunge‘ einen herausragenden Platz ein. Ich möchte daher eine Lektüre vorschlagen, die den Traktat auf eine grundlegende paradoxe Figur der Klosterkultur bezieht. Diese Konstellation, ich werde das gleich näher ausführen, suchen die ,Reden‘ zu entschärfen; ich lese sie daher als Versuch einer Entparadoxierung jener Risiken der Weltverhaftung, die Eckhart in den ,Reden‘ verhandelt. Dabei verstehe ich ,Kloster‘ auch in seiner metaphorischen Bedeutung; zur Debatte steht ein Modell der Heiligung, dessen Geltung für einen Orden von großer Bedeutung sein dürfte, der sich programmatisch auf das ,contemplata aliis tradere‘ bezieht. Daraus ergibt sich mein Programm. Dass Eckhart selbst diese prekäre Zuspitzung solcher Praktiken der Vervollkommnung in den ,Rede der underscheidunge‘ in den Blick nimmt, ist in einem ersten Schritt zu zeigen. Denn Eckhart kritisiert nicht einfach überzogene Formen klösterlicher Askese, sondern arbeitet 1
K. Ruh, Geschichte der abendländischen Mystik, vol. 3: Die Mystik des deutschen Predigerordens und ihre Grundlegung durch die Hochscholastik, München 1996, 259.
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an der Lösung eines Problems, das Peter Fuchs „Paradoxie der Weltflucht“ genannt hat 2. In einem zweiten Schritt möchte ich die wichtigsten Linien des Lösungsansatzes skizzieren, den Eckhart in den ,Reden‘ vorträgt. Ich knüpfe dabei insbesondere an die Beiträge von Georg Steer 3 und Markus Enders 4 an; mit den Stichworten ,Habitualisierung und Heiligkeit‘ möchte ich reformulieren, was Ruh möglicherweise mit ,Lebenshaltung‘ gemeint haben könnte: dass die klösterliche Vervollkommnung als Prozess der Habitualisierung verstanden wurde, der in der Einübung einer grundlegenden Selbstentäußerung mit dem Ziel bestand, gänzlich vom Willen Gottes durchformt zu werden. Die Ethik der Abgeschiedenheit bleibt also in den ,Reden‘ an ein Modell asketischer Entsagung gebunden, auch wenn das Konzept der Askese in spezifischer Weise spiritualisiert wird. Dabei spielt die Semantik von gemüete und erbilden eine besondere Rolle. Sehr aufschlussreich scheint mir zu sein, dass man jenes Wort, das man fast als Antonym zu erbilden verstehen kann, in den Erfurter ,Reden‘ Eckharts vergeblich sucht; entbilden kennen sie nicht. Möglicherweise kann man gerade deshalb anhand der Distribution von erbilden und entbilden eine erste Differenz markieren. Diese Differenz ist meines Erachtens konstitutiv für die Abgrenzung der ,Reden‘ von einem Modell der Gelassenheit, in dem sich die Logik der Gelassenheit konsequent auf diese selbst richtet und damit das Programm der Askese seine bestimmende Geltung verliert. Loris Sturlese hat auf den Umstand aufmerksam gemacht, dass schon die ,Reden‘ den spezifischen metaphysischen Begründungsanspruch Eckharts aufweisen 5. Zudem zeigt Dietmar Mieth in ,Lectura Eckhardi II‘ anlässlich seiner Lektüre der Predigt 86 zu Maria und Martha, wie unverkennbar Linien der Kontinuität die ,Reden‘ mit den deutschen Predigten verbinden 6. Mit Blick auf die These von der paradoxen Engführung einer abnegatio creaturae 7 möchte ich dennoch in einem dritten Schritt - auch dies skizzenhaft - die ,Reden‘ behutsam von den späteren Schriften abheben. Unter dem Stichwort der ,Selbstreferenz des ersten Grundes‘ möchte ich die ,Reden der Unterweisung‘ von der 2
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Cf. P. Fuchs, Die Weltflucht der Mönche. Anmerkungen zur Funktion des monastisch-aszetischen Schweigens, in: N. Luhmann/P. Fuchs, Reden und Schweigen, Frankfurt a. M. 1989, 2145. Cf. G. Steer, würken vernünfticlıˆchen. Das ,christliche‘ Leben nach den ,Reden der Unterweisung‘ Meister Eckharts, in: R. Blumrich/P. Kaiser (eds.), Heinrich Seuses Philosophia spiritualis. Quellen, Konzept, Formen und Rezeption. Tagung Eichstätt 02.-04. Oktober 1991 (Wissensliteratur im Mittelalter 17), Wiesbaden 1994, 94-108. Cf. M. Enders, Die ,Reden der Unterweisung‘: Eine Lehre vom richtigen Leben durch einen guten und vollkommenen Willen, in: K. Jacobi (ed.), Meister Eckhart: Lebensstationen - Redesituationen (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens, N. F. 7), Berlin 1997, 69-92. Cf. L. Sturlese, Meister Eckhart. Ein Porträt (Eichstätter Hochschulreden 90), Regensburg 1993, 7-10. Cf. D. Mieth, Predigt 86, Intravit Iesus in quoddam castellum, in: G. Steer/L. Sturlese (eds.), Lectura Eckhardi II, Stuttgart 2003, 139-175. Nach: EW I, 754.
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Armutspredigt her betrachten, die mit ihrem Konzept der Selbstidentität des ungeschaffenen Ich in der causa prima das Modell klösterlicher Initiation auf radikale Weise übersteigt. An die Stelle einer Zusammenfassung stelle ich schließlich eine Geschichte aus dem Zen-Buddhismus, die in ihrer Narrativität vielleicht prägnanter die Paradoxie der Weltverneinung zum Ausdruck bringt, als es meine eigenen Ausführungen vermögen. Es geht um Spiegel und Staub; und damit sind wir bereits mitten in der Lehre von Selbstentäußerung, Einübung und Habitualisierung der Gelassenheit. I. Die Paradoxie der Weltver neinung „Daz sint die rede, die der vicarius von türingen, der prior von erfurt, bruoder eckhart predigerordens mit solchen kindern haˆte, diu in dirre rede vraˆgeten vil dinges, doˆ sie saˆzen in collationibus mit einander.“ 8 Als collationes gelten die klösterlichen Lehrgespräche, wie sie auf Cassian zurückgehen, dessen ,Collationes‘ zu den Standardwerken monastischer Literatur im Dominikanerorden zählten 9. Den Titel ,Rede der underscheidunge‘ weist nur eine kleine Gruppe von Handschriften auf, nach einem Vorschlag Josef Quints wird er mit ,Reden der Unterweisung‘ übersetzt 10. Quint orientiert sich dabei an einer Begriffsbestimmung von collationes in der ,Regula Sancti Isidori‘, in der die Funktion dieser Lehrgespräche als instructio in den mores bestimmt wird. Dass Eckhart dabei die Legitimität klösterlichen Lebens im Blick hat, lässt sich mit zahlreichen Textstellen belegen. Eckhart spricht als Dominikaner; aber zweifellos visiert er grundlegende Fragen der Klosterkultur an, wobei ,Kloster‘ nicht einfach einen Ort des Rückzugs aus der Welt bezeichnet, sondern den Vollzug einer inneren Abkehr bereits miteinschließt. Um die Aporien einer solchen Abkehr geht es in den Erfurter ,Reden‘. So untermauert er seine Forderung nach Beständigkeit in der Lebensweise mit dem Beispiel eines Ordenswechsels: „wan de´r mensche ˆe volkomen würde, der uˆz der werlt kæme zemaˆle in ´einen orden, dan de´r iemer würde, der uˆz ´einem orden kæme in einen andern, swie heilic der ouch gewesen wære: daz ist durch die wandelunge der wıˆse.“ 11 Abwendung von der Welt und Stetigkeit in der eigenen Weise sind Merkmale einer geistlichen Vervollkommnung, die ,innerlich‘ zu vollziehen ist und nicht durch die Wahl eines vermeintlich günstigeren Ortes qualifiziert werden kann 12. Noch ausdrücklicher kommt 8 9 10
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DW V, 185, 1-6. Ich verweise auf den klärenden Beitrag von Walter Senner in diesem Band. Cf. DW V, 313. Zur Kombination von rede und einem Registertitel ,materie der underscheidunge‘ cf. K. Ruh, Meister Eckhart. Theologe, Prediger, Mystiker, München 21989, 31. DW V, 286, 4-7. Diese Verinnerlichung betrifft auch die Ordensgelübde wie Gehorsam und Armut sowie andere Tugenden: „Ouch ist ez seˆre nütze, daz im der mensche niht laˆze genüegen dar ane, daz er haˆt die tugende in dem gemüete als gehoˆrsame, armuot und ander tugende“ (DW V, 281, 13-15). Ebenfalls führen asketische Praktiken der Entsagung zu großer Freude, wenn sie aus der Liebe heraus vollzogen werden: „Wan daz wære einem minnenden menschen ein groˆziu vröude, daz er vil und groˆziu dinc vermöhte, ez sıˆ an wachenne, an vastenne oder an andern üebungen und an sunderlıˆchen groˆzen und swæren dingen“
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Eckhart auf rituelle Praktiken des Klosterlebens zu sprechen, wenn er die wahre peˆnitencie bestimmt 13. Wiederum kritisiert er die Vorstellung, die erstrebte Vervollkommnung werde durch die Ausführung asketischer Übungen allein erzielt: „Vil liute dünket, daz sie groˆziu werk süln tuon von uˆzern dingen, als vasten, barvuoz gaˆn und ander dinc des glıˆche, daz peˆnitencie heizet.“ 14 Die wahre poenitentia werde durch äußere Werke nur verhindert; sie liege vielmehr darin, dass sich das gemüete gänzlich von den Dingen frei mache und sich in Gott erhebe: „Disiu peˆnitencie [DW V, 246, 3: diu waˆre peˆnitencie] ist ein zemaˆle erhaben gemüete von allen dingen in got, und in welchen werken duˆ diz allermeist gehaben maht und haˆst von den werken, diu tuo aller vrıˆlıˆchest; und hindert dich des dehein uˆzerlich werk, ez sıˆ vasten, wachen, lesen oder swaz ez sıˆ, daz laˆz vrıˆlıˆche aˆne alle sorge, daz duˆ hie mite iht versuˆmest deheine peˆnitencie.“ 15
In die Kritik geraten selbst innicheit, andaˆht und jubilieren 16, also meditative und ekstatische Formen von Grenzüberschreitung, die Eckhart verdächtigt, reine Intensivierung des Fühlens und Empfindens zu sein 17. Im Hintergrund könnte auch das religiöse Leben in den Frauenklöstern stehen, so dass sich an solchen Stellen der Verdacht aufdrängt, Eckhart habe zwar mit jungen Ordensbrüdern gesprochen, sie aber zugleich auf die cura monialium vorbereitet, was auch die Verwendung der Volkssprache erklärte. Eckhart verwendet auch die traditionsreiche Metaphorik der Flucht, wobei er sich grundlegend dem Motiv der Abkehr von der Welt, der Apotaxis, zuwendet: „Diz enmac der mensche niht gelernen mit vliehenne, daz er diu dinc vliuhet und sich an die einœde keˆret von uˆzwendicheit; sunder er muoz ein innerlich einœde lernen, swaˆ oder bıˆ swem er ist.“ 18 Die Anwesenheit in Räumen der Heiligung mag die ,innere‘ Hinwendung zu Gott befördern, entscheidend ist es aber, dieses gemüete in der Welt der Menge, der Unruhe und der Differenz dauerhaft zu behalten: „Merke, wie duˆ dıˆnen got meinest, soˆ duˆ bist in der kirchen oder in der zellen: daz selbe gemüete behalt und trac daz under die menige und in die unruowe und in die unglıˆcheit.“ 19
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(DW V, 260, 6-8). Entsprechend werden lectio und oratio, aber auch die unter Umständen erforderlichen äußeren Werke aus dem inwendigen werke heraus vollzogen: „Wan man sol daz ouge ze disem inwendigen werke keˆren und dar uˆz würken, ez sıˆ lesen, beten oder - ob ez gebürt - uˆzwendigiu werk“ (DW V, 291, 7-9). Also die poenitentia, als deren Früchte gelten (so bei Alanus de Insulis, Summa de arte praedicatoria, c. 32, PL 210, 173 sq.; nach DW V, 344, nt. 236): remedia, orationes, jejunia, psalmodiae, vigiliae, oblationes, lectiones, eleemosynae, asperitas und habitus. DW V, 244, 5-6. DW V, 247, 1-5. Cf. DW V, 220, 1. Zu ,Ekstase‘ als Grenzüberschreitung cf. M. Gsell, Das fließende Blut der ,Offenbarungen‘ Elsbeths von Oye, in: W. Haug/W. Schneider-Lastin (eds.), Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte. Kolloquium Kloster Fischingen 1998, Tübingen 2000, 455-482, hier: 471. DW V, 207, 5-7. DW V, 203, 3-5. Cf. auch: „Wer aber got rehte in der waˆrheit haˆt, der haˆt in in allen steten und in der straˆze und bıˆ allen liuten als wol als in der kirchen oder in der einœde oder in der zellen“ (DW V, 201, 57).
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Vergegenwärtigen wir uns, wovon Eckhart sich abgrenzt (der Titel ,Rede der underscheidunge‘ ist in der Tat gut gewählt): Die Abkehr von der Welt durch das Leben im Kloster scheint mit Praktiken verbunden, die ,Weltflucht‘ im räumlichen Sinn realisieren durch den Rückzug an einen abgelegenen Ort, im körperlichen Sinn durch die Ausübung asketischer Praktiken und im geistigen Sinn durch lectio und oratio. Diese Praktiken sollen der eigenen Transformation dienen, doch sie bringen nur erneut ,Äußerlichkeit‘, uˆzwendicheit, hervor. Wenn man solche asketischen und meditativen Praktiken als Symbolisierungen der Gottessuche betrachtet, zeigen sie zwar einen Wechsel der kulturellen Ordnung an, nicht aber eine Überwindung des Symbolischen selbst. Oder, um mit Fuchs zu sprechen: „Apotaxis (Weltflucht) ist Paradoxieeffekt und selbst paradox gebaut. Sie erzeugt unweigerlich, was sie vermeiden will; sie stößt sich von Immanenz ab und produziert sie eben damit. Das Hin zur Transzendenz ist in einem Zuge ein Weg von Welt und Erzeugung dessen, wovor geflohen wird.“ 20
Eckharts Entschärfung dieses paradoxen Effektes in den ,Reden‘ scheint mir auf drei Punkten zu beruhen. Zum einen reduziert er die Frage nach der Gutheit einer Handlung auf die Intentionalität des Handelnden. Zum Zweiten fordert er die Negation dieser Intentionalität als Vollzug des eigenen Willens. Diese Verneinung des Eigenwillens wird schließlich drittens zur Bedingung dafür, dass der göttliche Wille in dem vom Eigenwillen befreiten Menschen notwendigerweise göttlich wirkt. Jedes in Abgeschiedenheit vollzogene Wirken des Menschen wäre damit als göttliches Wirken zu begreifen; eine solche religiöse Praxis wäre grundlegend vom Göttlichen durchformt und damit Vollzug des göttlichen Willens selbst. Die Paradoxie der Weltverneinung wäre damit aufgehoben, insofern die Praktiken der Vervollkommnung als Selbstmitteilung des göttlichen Willens selbst aufzufassen wären. Im Brennpunkt dieser Argumentation liegt offenbar die Verneinung des eigenen Willens, den Eckhart im fünften Kapitel als die entscheidende Instanz zur Hervorbringung erneuter Welt- und damit Ichhaftigkeit identifiziert - und zwar gerade in der Intensivierung des Wunsches nach Askese: „Die menschen sprechent: ,eyaˆ, herre, ich wölte gerne, daz mir alsoˆ wol mit gote wære und alsoˆ vil andaˆht hæte und vride mit gote, als ander liute haˆnt, und wölte, daz mir alsoˆ wære oder ich alsoˆ arm sıˆ‘, oder: ,mir enwirt niemer reht, ich ensıˆ denne daˆ oder daˆ und tuo sus oder soˆ, ich muoz in ellende sıˆn oder in einer kluˆsen oder in einem kloˆster‘. In der waˆrheit, diz bist duˆ allez selber und anders niht zemaˆle. Ez ist eigener wille, aleine enweist duˆ es niht oder endünket dich es niht: niemer entstaˆt ein unvride in dir uˆf, ez enkome von eigenem willen, man merke ez oder man enmerke ez niht.“ 21
Es ist wiederholt darauf hingewiesen worden, wie sehr hier Vorstellungen der puritas cordis, der tranquillitas animae und der apatheia nach Cassian und Evagrios 20 21
Fuchs, Weltflucht (nt. 2), 24 sq. DW V, 191, 6-192, 6.
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Ponticos wirksam sind 22. Wenn Eckhart in den ,Reden‘ die notwendige Überformung des entäußerten eigenen Willens durch den Willen Gottes propagiert, dann erinnert das zudem an jene consensio voluntatum, von der Bernhard von Clairvaux in seinen Hoheliedpredigten gesprochen hatte 23. Mir geht es hier nicht um Quellennachweise; ohnedies ist Eckhart sein bester Kompilator. Entscheidend scheint mir zu sein, dass Eckhart in seinen ,Reden der Unterweisung‘ eine Antwort auf das Paradox klösterlicher Existenz gibt, die zwar einerseits - ihrem instruktiven Charakter nach - ethischen Konzepten der Habitualisierung verbunden bleibt (daher gemüete), er aber andererseits diese Habitualisierung bis an die Grenzen ihrer eigenen Auflösung führt. Anders gesagt: Insofern habitus einen ,Besitz‘ bezeichnet, wird im Letzten genau dieser ,Besitz‘ zur Disposition gestellt 24. Die ,Reden‘ scheinen mir in dieser Hinsicht ein Schwellentext zu sein, in dem die Didaktisierung des asketischen Programms auf der Höhe ihrer theoretischen Durchdringung umbricht. Das auffällige Oszillieren bei der Einordnung der ,Reden‘ in das Œuvre, die zwischen Kontinuität und Diskontinuität hin und her schwankt, scheint mir hierin seine Erklärung zu finden. In dieser Ambivalenz changieren die ,Reden der Unterweisung‘ zwischen einer weitreichenden Grundlegung und einer begrenzten Perspektive. Sie verhindern nicht, dass die paradoxe Figur einer Vervollkommnung in der Welt in den deutschen Predigten erneut in ihrer ganzen Schärfe ausbricht. „Gott um Gottes willen lassen“, wird Eckhart beispielsweise in der Predigt ,Qui audit me‘ formulieren. Aber sie eröffnen mit ihrem Wechsel von den Werken zu dem Grund der Werke einen Weg radikaler Verneinung, auch wenn dieser Weg in der Form der üebunge, im gewenen, an die Logik der Askese gebunden bleibt. Ich möchte dies im nächsten Teil unter dem Stichwort ,Habitualisierung und Heiligkeit‘ näher erläutern. II. Habitualisier ung und Heiligkeit In seinen ,Collationes‘ hatte der Mönchsvater Johannes Cassianus als Ziel monastischer Vollkommenheit das Reich Gottes benannt und im Anschluss an Röm. 6, 22 von ,Heiligung‘, der sanctificatio, gesprochen 25. Systemtheoretisch ist ,Heiligung‘ als Umkehrung des Verhältnisses von Transzendentem und Immanentem zu bestimmen 26. Transzendentes erscheint als aus dem Immanenten 22 23
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Cf. Sturlese, Meister Eckhart (nt. 5), 8. Indem er Gott und Mensch eine Einheit dem Willen nach zusprach, keine Einheit jedoch dem Wesen nach, wie sie das Verhältnis des göttlichen Vaters und des göttlichen Sohnes auszeichne. Cf. K. Ruh, Geschichte der abendländischen Mystik, vol. 1: Die Grundlegung durch die Kirchenväter und die Mönchstheologie des 12. Jahrhunderts, München 1990, 273. Cf. etwa In Ioh., n. 191 (LW III, 160, 8): habitus ist hier übersetzt mit ,Besitz‘. Cf. Ruh, Geschichte (nt. 23), 126. Zur systemtheoretischen Reformulierung von ,Heiligkeit‘ im Mittelalter cf. P. Strohschneider, Inzest-Heiligkeit. Krise und Aufhebung der Unterschiede in Hartmanns ,Gregorius‘, in: C. Huber e. a. (eds.), Geistliches in weltlicher und Weltliches in geistlicher Literatur des Mittelalters, Tübingen 2000, 105-133, hier: 133.
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Ausgeschlossenes oder, um mit Eckhart zu sprechen (Predigt 38): „Daˆ von ist got got, daz er aˆne creˆatuˆre ist.“ 27 Auf der höchsten Stufe monastischer Vollkommenheit jedoch erscheint ,Heiligung‘ als Ausschluss der Welt, Vernichtung alles Geschaffenen, oder, wiederum mit Eckhart: als Einswerden mit Gott. Während bei Cassian die Absage, die renuntiatio, Körper, Seele und Geist betrifft 28, konzentriert Eckhart in den ,Reden‘ die Forderung nach Selbstentäußerung in erster Linie auf die Ebene der Intentionalität. Seine Antwort auf die aporetische Spannung im Konzept der Apotaxis ist die radikale Verneinung des (geschaffenen) Eigenwillens, so dass die Praxis des abgeschiedenen Menschen nicht als Wirken aus dem eigenen Willen heraus gedacht wird, sondern als notwendiges Wirken des göttlichen Willens, der den menschlichen Willen gänzlich überformt hat. Damit verschiebt sich zugleich der Begriff der üebunge (ich kann hier Überlegungen von Otto Langer aufgreifen 29): üebunge bezeichnet nicht den Vollzug unterschiedlicher asketischer Praktiken, sondern richtet sich allein auf das Lassen des eigenen Willens. Damit wird auch zugleich der Begriff der Heiligkeit transformiert, der sich nicht darauf gründet, was der Mensch tut, sondern was er ist (Ruh sprach von einer ,Ethik des Seins‘ 30): „Niht engedenke man heilicheit ze setzenne uˆf ein tuon; man sol heilicheit setzen uˆf ein sıˆn, wan diu werk enheiligent uns niht, sunder wir suln diu werk heiligen.“ 31 Mit dieser Umdeutung des monastischen Konzeptes der Heiligung und Vervollkommnung wird das Verhältnis von Gott und Mensch neu bestimmt. Die Welt selbst kann geheiligt werden, insofern sie gänzlich vom Göttlichen durchdrungen ist, wie es ungehindert in einem freien und von jedem Eigenwillen losgelösten gemüete wirken kann. Nicht das Was oder das Wie der Werke sagt etwas über ihre Gutheit aus, sondern, so Eckhart, „wie der grunt der werke sıˆ “ 32. Auf diesen ,grunt der werke‘ richtet sich also der Blick. Und wiewohl Eckhart für sein Konzept der Abgeschiedenheit Selbsterkenntnis und „ein wacker waˆr vernünftigez würklıˆchez wizzen“ 33 in Anspruch nimmt, wie Georg Steer es herausgearbeitet hat, wird dieser grunt selbst in den ,Reden der Unterweisung‘ nicht als vernünfticheit bestimmt. Die Ausführungen sind vielmehr fokussiert auf den Ausdruck ledigez gemüete, das Steer zuletzt als Kennwort der ,Reden‘ bezeichnet
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DW II, 241, 2-3. Cf. Ruh, Geschichte (nt. 23), 126 sq. Cf. O. Langer, Mystische Erfahrung und spirituelle Theologie. Zu Meister Eckharts Auseinandersetzung mit der Frauenfrömmigkeit seiner Zeit (MTU 91), München 1987; id., Christliche Mystik im Mittelalter. Mystik und Rationalisierung - Stationen eines Konflikts, Darmstadt 2004, 328 sqq. Ruh, Meister Eckhart (nt. 10), 35. Cf. V. Caysa, Die Ethik des Seins in Meister Eckharts ,Reden der Unterweisung‘, in: Jahrbuch der Oswald-von-Wolkenstein-Gesellschaft 6 (1990/91), 143150; Enders, Die ,Reden der Unterweisung‘ (nt. 4), 83. DW V, 198, 1-3. DW V, 198, 9. DW V, 207, 3-4.
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hat 34. Eckhart verwendet es weiterhin offensichtlich fast nur in dem Predigtzyklus ,Von der eˆwigen geburt‘, der, wie ebenfalls Steer zeigen konnte, den ,Reden‘ sehr nahe steht. Dass sich die Vokabel gemüete bis auf wenige Ausnahmen, darunter nicht umsonst die Predigt 86, in den deutschen Schriften schließlich verliert, könnte eine plausible Erklärung haben. Denn gemüete ist hier keineswegs Bezeichnung einer Empfindsamkeit. Im Gegenteil: gemüete ist in einem terminologischen Sinn verwendet, der eng an die Vorstellung der Habitualisierung gebunden ist, die Eckhart in den ,Reden‘ favorisiert. Denn auch wenn Eckhart eine tiefgreifende Umschrift dieses monastischen Programms vornimmt, gibt er dennoch in den ,Reden‘ weder die instruktive Form des Sprechens noch die Forderung nach einer Habitualisierung als Grundform monastischen Lebens auf. Habitualisierung aber richtet sich, soweit ich die ethische Diskussion überblicke, auf die mens als ein Collectivum, das, so Albertus in ,De homine‘, memoria, intelligentia und voluntas umfasst 35. Boethius etwa definiert die Tugend als „habitus mentis bene constitutae“ 36, eine Definition, der die aristotelische Konzeption der Arete´ als He´xis zugrunde liegt. Und auch in theologischen Tugenddefinitionen, die Gott als den eigentlichen Bewirker der Tugend verstehen, wird die Tugend als eine Qualität der mens verstanden 37. Die mittelhochdeutsche Literatur kennt, wenn man von gewonheit für lat. consuetudo absieht, noch kein Äquivalent für habitus; sie kompensiert es dadurch, so Thomasin von Zerclaere in seinem ethischen Lehrgedicht zu Beginn des 13. Jahrhunderts, dass sie die stæte als konstitutives Merkmal aller Tugend versteht. ,Beständigkeit‘ der Tugend wird darin zum Zeichen ihrer habituellen Verankerung 38. Wortgeschichtlich ist ausschlaggebend, dass gemüete als Übersetzungsäquivalent für mens etabliert ist. Eine solche Entsprechung findet sich beispielsweise in den ,Sieben Staffeln des Gebets‘ Davids
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Cf. G. Steer, Meister Eckharts Predigtzyklus von der ˆewigen geburt. Mutmaßungen über die Zeit seiner Entstehung, in: W. Haug/W. Schneider-Lastin (eds.), Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte. Kolloquium Kloster Fischingen 1998, Tübingen 2000, 253-281, hier: 262. Nach DW V, 437, nt. 3. Cf. G. Wieland, Ethica - Scientia practica. Die Anfänge der philosophischen Ethik im 13. Jahrhundert (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters, N. F. 21), Münster 1981, 223; O. Lottin, Les premie`res de´finitions et classifications des vertus au moyen aˆge, in: id., Psychologie et morale aux XIIe et XIIIe sie`cles, vol. 3, Gembloux 1949, 99-150, hier: 99. Maßgeblich formuliert wurde dabei die theologische Definition von Hugo von St. Victor, Petrus Lombardus und Petrus von Poitiers: „Virtus est qualitas mentis qua recta vivitur, qua nemo male utitur, quam Deus in homine sine homine operatur.“ Formulierung des Petrus von Poitiers, zit. nach Lottin, Les premie`res de´finitions (nt. 36), 102, nt. 2. „Ich wil daz man sıˆn arbeit / alreˆrst an die stætekeit/wende, soˆ gewinnt man baz/die andern tugende, wizzet daz./Die andern tugende sint enwiht,/und ist daˆ bıˆ diu stæte niht.“ Der wälsche Gast des Thomasin von Zirclaria (ed. H. Rückert), Quedlinburg-Leipzig 1852. Wiederabdruck mit einer Einl. und einem Register von F. Neumann (Deutsche Neudrucke, Texte des Mittelalters), Berlin 1965, v. 1815-1820.
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von Augsburg 39 oder in der mittelhochdeutschen Übertragung der ,Summa theologiae‘ 40, wobei ich eine mögliche Synonymie von mens und animus hier vernachlässigen darf. Eckhart selbst glossiert in einer Predigt mens mit gemüete 41. Die Verwendung von gemüete sehe ich also als lexikalisches Indiz dafür, dass Eckhart in den ,Reden‘ den Weg der Vervollkommnung als Prozess einer Habitualisierung versteht, in dessen Mitte anscheinend noch nicht die spätere Präferierung der Vernunft getreten ist, sondern in dem der Blick sich in erster Linie auf die Intentionalität und die Liebe richtet 42. Gemüete scheint in den ,Reden‘ genau der Ausdruck zu sein, der beides, die Preisgabe des Eigenwillens und daneben auch das „wacker waˆr vernünftige würklıˆche wissen“, in einem Begriff umschließt. Wenn die Vermutung stimmen sollte, dass Eckhart in den ,Reden der Unterweisung‘ zwar klösterlichen Gehorsam in neuer Weise zu Abgeschiedenheit des ledigen gemüetes umdeutete, zugleich aber damit Abgeschiedenheit als wenn nicht erlernbare, so doch einzuübende Tugend verstand, und zwar als jede Tugend qualifizierende Tugend, dann musste neben gemüete auch vom habitus selbst die Rede sein. Ein deutscher Ausdruck findet sich im ,Vocabularius ex quo‘ aus dem 15. Jahrhundert, der bei dem Lemma habitus als deutsche Äquivalente gewanhait (K), ,der sel inbildung uel saelikait ‘ (X) bzw. ,der sel inbildung uel saelikait vel klait uel geziert ‘ (Y) aufweist; Lexer bietet zu erbildunge - mit Verweis auf Diefenbach ,habitus, der seˆle cleit vel erbildunge‘ 43. Wir sind damit ganz nahe an einer Vokabel, die eine weitere Leitvokabel der ,Reden‘ darstellt: sich erbilden. Ich möchte die wichtigsten Verwendungsweisen dieses Wortes kurz vorstellen, denn dieses Verb klingt wie ein Präludium auf die ausgefaltete Bildtheorie Eckharts, deren komplexe Vorstellungen, so Mauritius Wilde, im erbilden der ,Reden‘ bereits vorhanden sind 44. John Crean 46 und Mauritius Wilde haben die Verwendungsweise von 39
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Cf. David von Augsburg, Die sieben Staffeln des Gebetes. In der deutschen Originalfassung ed. v. K. Ruh (Kleine deutsche Prosadenkmäler des Mittelalters 1), München 1965, 82 (Glossar). Cf. Middle High German Translation of the Summa Theologica by Thomas Aquinas. Ed. with a Latin-German and a German-Latin Glossary by B. Q. Morgan/F. W. Strothmann (Stanford University Publications, Language and Literature 8/1), Stanford, Calif. 1950, 366 (Glossar). Pr. 83 (DW III, 437, 4-7): „Nv spricht augustinus das an dem obersten teile der selen, das do ,mens‘ heiset oder gemvote, da hat ,got‘ geschepfet mit der sele wesen eine craft, die heisent die meistere ein sloz oder einen schrin geistlicher formen oder formelicher bilde.“ In DW I-III habe ich nur diese Stelle, die Stelle in der Predigt 86 und eine Stelle in Predigt 76 (DW III, 315, 7) gefunden. Es dürfte also nicht zutreffen, dass Tauler diesen bei ihm häufig verwendeten (und neu semantisierten) Ausdruck geschaffen habe (so L. Gnädinger, Johannes Tauler. Lebenswelt und mystische Lehre, München 1993, 125). Vocabularius ex quo. Überlieferungsgeschichtliche Ausgabe. Gemeinsam mit K. Grubmüller ed. v. B. Schnell (e. a.), vol. 3: Text D-K (Texte und Textgeschichte 24), Tübingen 1988, 1188; M. Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. Nachdr. der Ausg. Leipzig 1872-1878 mit einer Einl. v. K. Gärtner, vol. 1: A-M, Stuttgart 1992, Sp. 615. Schon im ,Abstractum-Glossar‘ heißt es: „Habitus der sel inbildung vel der sele (seligkeit) cleyt.“ (Ich danke für diesen Hinweis sehr herzlich Bernhard Schnell, Göttingen.) Cf. M. Wilde, Das neue Bild vom Gottesbild. Bild und Theologie bei Meister Eckhart (Dokimion 24), Freiburg/Schw. 2000, 164. Cf. J. E. Crean, Bilden/beelden in the Writings of Eckhart and Ruusbroec, in: Zeitschrift für deutsche Sprache 25 (1969), 65-95.
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erbilden in den ,Reden‘ eingehend untersucht; Wilde spricht ihm eine Schlüsselfunktion zu. Ich kann mich also darauf konzentrieren, die Verwendung im Kontext einer Semantik der Habitualisierung zu bestimmen. Dabei muss ich mich auf erbilden beschränken, auch wenn es sehr reizvoll wäre, ein ganzes Wortfeld der Habitualisierung abzustecken, in dem die Verben üeben, lernen, wachsen, die kunst gewinnen, zuonemen oder das sehr häufig verwendete (ge)wenen ihren Platz hätten. Erbilden ist in der Tat ein Leitwort aus dem sechsten Kapitel ,Von der abegescheidenheit und von habenne gotes‘: Das wahre Haben Gottes, so Eckhart, „liget an dem gemüete und an einem inniclıˆchen vernünftigen zuokeˆrenne und meinenne gotes“ 47. Gott in seinem gemüete zu haben und sich ihm vernünftig zuzuwenden, heißt aber nicht, wie Eckhart fortfährt, immerfort an Gott zu denken, denn wenn der Gedanke vergehe, so vergehe auch der Gott. Stattdessen solle man einen ,gewesenden got ‘ 47 haben, und wer Gott dem Sein nach besitze, „der nimet got götlıˆchen“ 48. Alle Dinge schmecken einem solchen Menschen göttlich, „und got erbildet sich im uˆz allen dingen“ 49. In diesem erbilden und ˆınbilden ist Gott dem Menschen gegenwärtig. Es ist diese Präsenz der Er-Bildung und Ein-Bildung, die den Menschen Gott in seinem Innersten seinshaft besitzen lässt. In Predigt 38 ,In illo temporis missus est angelus Gabriel‘ wird Eckhart erbilden mit ,geborn werden‘ 50 gleichsetzen. Dieses sich erbilden Gottes im Menschen bedarf aber der völligen Selbstentäußerung des Menschen, ja es vollzieht sich geradezu inversiv zu der Willensaufgabe. Sich erbilden bezieht sich also auch auf den Menschen, wie er sich Gott erbildet. Eckhart setzt nun noch einmal an. Es geht darum, wie das gemüete gegenüber den Dingen und den Leuten steht. „Triuwen, hie zuo gehœret vlıˆz und minne und ein wol warnemen des menschen inwendicheit und ein wacker waˆr vernünftigez würklıˆchez wizzen.“ 51 Dies könne der Mensch nicht lernen, indem er die Dinge fliehe und sich in die Einöde zurückziehe. Der Mensch müsse eine innerliche Einöde lernen, wo und bei wem er sei: „Er muoz lernen diu dinc durchbrechen und sıˆnen got dar inne nemen und den krefticlıˆche in sich künnen erbilden in einer wesenlıˆchen wıˆse.“ 52 Erbilden begegnet hier in einer anderen Verwendungsweise: Nicht das sich erbilden Gottes ist gemeint, sondern der Mensch soll lernen, seinen Gott in sich in einer seinshaften Weise zu erbilden. Um zu erläutern, was mit diesem erbilden gemeint ist, greift Eckhart auf das Beispiel des Schreibenlernens zurück. Auf diesen Vergleich ist verschiedentlich hingewiesen worden; mich interessiert vor allem die Funktion des Erbildens. Um die Kunst des Schreibens zu lernen, muss der Mensch sich den Buchstaben 46 47 48 49 50 51 52
DW DW DW DW DW DW DW
V, 205, 2-3. V, 205, 8. V, 205, 10. V, 205, 11-12. II, 240, 2-3. V, 207, 2-4. V, 207, 8-9.
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erst fest verbilden 53, um dann nach langem, fleißigen Üben unbefangen und frei 54 schreiben zu können, ohne weiterhin eines Bildes zu bedürfen. Eckhart unterscheidet in diesem Vergleich genau die Phasen: Der Schüler gewinnt die Kunst erst nach langer Übung. In der Phase des Lernens muss der Schüler noch an das Bild des Buchstabens denken, wenn er schreibt. Dieser Repräsentation des Buchstabens im mentalen Bild bedarf der Schüler aber nicht mehr, wenn er die Kunst des Schreibens habituell beherrscht. Das Erbildete ist zum Vollzug der Kunst selbst geworden - oder um es plakativer zu sagen: Die Erbildung beweist sich bei der Ausübung des Schreibens in der Performativität der Handlung. Die Betonung der üebunge ist sicherlich im Allgemeinen für Eckhart eher ungewöhnlich 55; im Kontext der ,Reden‘ scheint sie mir fast zwingend. Denn mit diesem Vergleich zielt Eckhart genau auf jene Habitualisierung, eine durch Einübung und Wiederholung sich festigende performative Kunst, wie sie für das Programm einer religiösen Initiation entscheidend ist. Gott in sich erbilden wird zur Performanz eines klösterlichen Lebens; und hatte Eckhart auch äußerliche Werke der Gottsuche als Chiffren des Eigenwillens entlarvt, so bleibt er in den ,Reden‘ doch der Methodik verbunden, die diese Praktiken begleitete. Die aporetische Konstellation, durch die Abkehr von der Welt sie als Eigenwille nur umso intensiver zur Geltung zu bringen, hat Eckhart damit überwunden, doch um den Preis, damit das auf Kunst, Wiederholung und Gewohnheit basierende Modell der Habitualisierung auf die Abgeschiedenheit selbst zu übertragen. Die Durchformung des Menschen mit der Form des geliebten Gottes ist in den ,Reden‘, wie Sturlese vermerkt, nicht systematisch entfaltet 56. Sie ist konzentriert auf die Willenseinheit, die selbst wiederum eingebunden ist in einen metaphysischen Begründungszusammenhang, der Abgeschiedenheit als Bedingung für die göttliche Selbstmitteilung auffasst. Habitualisierung bezieht sich also nicht auf ein bestimmtes Können oder auf eine besondere Tugend, sondern auf den Grund jeden guten Handelns und damit auf die jede Tugend leitende Durchformung durch den göttlichen Willen 57. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu hat ,Habitualisierung‘ als Inkorporierung der Regeln eines sozialen Feldes 53 54 55
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57
DW V, 208, 5. Die y-Gruppe hat hier: erbilden. DW V, 208, 6: „lediclıˆchen und vrıˆlıˆchen“. Cf. F. Löser, Oratio est cum deo confabulatio. Meister Eckharts Auffassung vom Beten und seine Gebetspraxis, in: W. Haug/W. Schneider-Lastin (eds.), Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte. Kolloquium Kloster Fischingen 1998, Tübingen 2000, 283-316, hier: 306. Cf. Sturlese, Meister Eckhart (nt. 5), 9: „Was genau diese ,göttliche Durchformung‘ bedeutet, wird man erst nach der Betrachtung von Eckharts lateinischen Werken erfahren, in denen er den theoretischen Rahmen seiner Lehre in der scholastischen Sprache verdeutlichte.“ „Tugend in sich selbst, Tugend im Grunde ist nichts anderes als Gott, diese Vorstellung umfaßt sowohl den geistlichen Gehorsam als auch die soziale Tugend der Gerechtigkeit.“ D. Mieth, Die theologische Transposition der Tugendethik bei Meister Eckhart, in: K. Ruh (ed.), Abendländische Mystik im Mittelalter. Symposion Kloster Engelberg (Germanistische Symposien-Berichtsbände 7), Stuttgart 1986, 63-79, hier: 64.
sich erbilden
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beschrieben 58. Von ,Inkorporieren‘ hatte auch Crean in Bezug auf die ,Reden‘ gesprochen. Nur dass der Mensch nach den ,Reden der Unterweisung‘ diese ,Inkorporierung‘ allein auf das Göttliche bezieht und damit Habitualisierung als ethisches Konzept völlig singularisiert. Ist Abgeschiedenheit schließlich zum Habitus geworden, ist die Gegenwärtigkeit Gottes „aˆne alle arbeit“ 59. Doch wenn Eckhart dieses Kapitel damit beschließt, dass dazu zuerst „ein anegedenken und ein merklich ˆınerbilden“ 60 gehöre, wie dem Schüler zu der Kunst, dann ist mit dieser Logik der Habitualisierung die Gegenwärtigkeit Gottes ein reines Entgelt: „Ez ist rehte ein glıˆch widergelt und glıˆcher kouf: als vil duˆ uˆzgaˆst aller dinge, als vil, noch minner noch meˆr, gaˆt got ˆın mit allem dem sıˆnen, als duˆ zemaˆle uˆzgaˆst in allen dingen des dıˆnen.“ 61 Die ,Reden‘ verheißen göttliche Präsenz als Ertrag einer radikalen Selbstentäußerung, die durch Wahrnehmung, Selbsterkenntnis und vernünftiges Wissen befördert wird, ohne dass die Durchformung als ein Aufgehen des Intellekts in den Vollzug göttlicher Vernünftigkeit begriffen würde. Sie wird als ein sich erbilden Gottes in der gereinigten Seele verstanden, doch in der Vorstellung der performativen Ausübung der Kunst tritt eine Vorstellung von luˆterkeit und vrıˆheit zutage, die weit über die ,Reden‘ hinausweist. Die ,Reden‘ schreiben monastische Kultur fort und dekonstruieren gewissermaßen deren Grundlagen. Wenn ,Kloster‘ heißt, in der Welt der Repräsentation einen Raum für die Präsenz des Göttlichen zu schaffen, dann wird mit den ,Reden‘ dieser Raum in eine rein innere Topographie des ledigen gemüetes übergeleitet. Es wird selbst zu einer Leerstelle, die als Preis für den Versuch bezahlt wird, die Paradoxie der Weltflucht zu entschärfen. Aber die Differenz, die dieser Verneinung zugrunde liegt, hebt es selbst nicht auf, auch wenn in ihm jede Form der Vermittlung, des Diskursiven und jede Logik der Repräsentation vernichtet ist. Der Versuch, eine religiöse Ordnung von den Paradoxien ihrer stets neuen Erzeugung kultureller Deutungsmuster zu befreien, indem jede kreatürliche Intentionalität verneint wird, ist radikal. Aber er lässt die Unterscheidung zwischen Gott und Mensch selbst unangetastet. Der Weg der Heiligung wird als Habitualisierung der Gelassenheit verstanden, aber ist dieser durch Temporalisierung gekennzeichnete Weg möglicherweise selbst Ausdruck jener Intentionalität, die er verneint? Ist im ,wahren Haben Gottes‘ nicht noch ein Haben (habitus als ,Besitz‘), im ,vernünftigen Wissen‘ nicht noch ein Wissen und selbst im Freiwerden für den göttlichen Willen noch ein Wollen mitgedacht? Abgrenzungen der ,Reden‘ von den deutschen Predigten ließen sich auf vielfache Weise vornehmen. Doch es scheinen mir besonders die Armutspredigt und die Predigt 12 ,Qui audit me‘ zu sein, die den 58
59
60 61
Cf. P. Bourdieu, Praktische Vernunft. Zur Theorie des Handelns (Raisons pratiques. Sur la the´orie de l’action, 1994). Aus dem Französischen v. H. Beister (edition suhrkamp, N. F. 985), Frankfurt a. M. 1998, bes. 145. DW V, 209, 1. Zur Leichtigkeit der Akte aus dem Tugendhabitus cf. In Ioh., n. 186 (LW III, 156, 2-4): „isti autem, utpote perfecti, ad Christum, filium, gratiam et veritatem pertinentes sunt leves, hilares, gaudiosi, faciles, quieti, suaves et deliciosi.“ DW V, 209, 3. DW V, 197, 1-3.
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Wandel der Perspektive sichtbar werden lassen, der mit der Hinwendung zur ,eˆrsten sache‘ 62, wie es in der Armutspredigt heißt, oder zum ,eˆrsten uˆzvluzze‘ 63, so in Predigt 12, verbunden ist. Unter dem Stichwort der ,Selbstreferenz des ersten Grundes‘ möchte ich im dritten Schritt diesen Perspektivenwechsel kurz hervorheben.
III. Selbstreferenz des ersten Gr undes Dabei gibt die Predigt 12 die Forderung, den Willen Gottes wirken zu lassen, keineswegs auf: „Der mensche, der nuˆ alsoˆ staˆt in dem willen gotes, der enwil niht anders, dan daz got ist und daz gotes wille ist.“ 64 Damit ist aber Gelassenheit noch nicht erfüllt: „Daz hœhste und daz næhste, daz der mensche gelaˆzen mac, daz ist, daz er got durch got laˆze.“ 65 Wenn Weltverneinung zum Paradox einer erneuten Konstruktion kultureller Formen führt, dann ist mit dieser selbst paradoxen Überbietung des ,Gott um Gottes willen lassen‘ die Leitdifferenz des religiösen Diskurses selbst zum Gegenstand der Verneinung geworden. Der Mangel, die Abwesenheit Gottes, hatte das Programm der Heiligung als ein Gewinnen Gottes verstehen lassen können, aber im Lassen Gottes um Gottes willen, so Eckhart, liege keine ,gewinnunge‘ 66 Gottes, sondern „ez ist ein ein und ein luˆter einunge“ 67. Dieses ein hat mit nichts etwas gemein, das geschaffen ist: Und dieser differenzlosen Identität des Einen, die Gelassenheit nicht erstrebt, sondern vollzieht, bleibt jede Weise einer ,Heiligung‘ fern. Von dieser Position lässt sich die Lehre der ,Reden der Unterweisung‘ absetzen. Die Grundfigur der Argumentation in den ,Reden‘ bestand in der Verneinung des Weltlichen und damit einer gänzlichen Interiorisierung der Vervollkommnung. Eckharts Strategie in den ,Reden der Unterweisung‘ bestand darin, Habitualisierung nicht länger auf unterschiedliche Akte guten Handelns zu beziehen, sondern sie radikal auf den Grund jeden Handelns zu beziehen, insofern sich Gott in dem vom geschaffenen eigenen Willen gelösten Menschen auf göttliche Weise erbilde. Ein guter ,Tausch‘, der das Feld der Tugenden entpluralisiert und Abgeschiedenheit als jede Tugendhaftigkeit generierende Tugend begreift - Wirken aus einem ledigen gemüete. Wenn man hier die Metaphorik des Spiegels bemühen wollte, dann ließe sich vielleicht als ,Formel‘ für die Erfurter ,Reden‘ formulieren: Halte den Spiegel der Seele frei von jedem Staub, so muss sich Gott darin auf göttliche Weise erbilden. 62 63 64 65 66 67
DW DW DW DW DW DW
II, 492, 3. I, 199, 3. I, 200, 14-15. I, 196, 6-7. I, 197, 4. I, 197, 6.
sich erbilden
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Genau dieses Modell erfährt auf besondere Weise in der Armutspredigt eine weitreichende Überbietung 68. Ich darf einige Aspekte hervorheben, die den besonderen Bezug zu unserem Rahmen des Paradoxes der Weltverneinung hervortreten lassen sollen. Die ,Reden‘ hatten die äußere Topographie von Orten der Heiligung konsequent durch eine Topographie des Innen ersetzt. Die Leitdifferenz des religiösen Diskurses, die Differenz zwischen Heiligem und Weltlichem, zwischen Gott und Mensch, hatten aber die ,Reden der Unterweisung‘ dadurch nur weiter vertieft. ,Geistliche Armut‘ wird aber ebenso wie ,Gelassensein‘ in Predigt 12 als Verneinung dieser Differenz verstanden, eine Verneinung, die Wollen, Wissen und Haben als unzulänglich gegenüber dem Heilig-Sein als Einssein verwirft. Es verwundert daher nicht, dass die Semantik der Habitualisierung in beiden Predigten keine Rolle spielt; von ,Tugend‘ ist in beiden Predigten keine Rede. Vielleicht gehört ebenfalls in diesen Zusammenhang, dass weder in der Armutspredigt noch in der Predigt 12 die Bildlehre in das Blickfeld des Predigers gerät. Besonders interessant scheint mir zudem ein Wechsel im Redegestus zu sein. Während die ,Reden der Unterweisung‘ ihre eigene hermeneutische Situation nicht thematisieren, nimmt die Armutspredigt dezidiert eine Hermeneutik der Integration für sich in Anspruch. Der Prediger referiert nicht auf die Wahrheit, sondern begreift sich als aus ihr sprechend, indem er das Verhältnis der Wahrheit zum Wahren als Anwesenheit versteht 69. Insofern damit die Grenze zum Anderen der Repräsentation offen gehalten ist, ließe sich die Predigt in der Tat als ,Sprechen vom Anderen her‘ verstehen. Einen präsentischen Modus scheint auch Kurt Flasch in seiner Lektüre der Predigt 6 anzuvisieren: „Die Gerechtigkeit ist jetzt im Gerechten. Wie könnten wir irgendetwas Wahres sagen, wenn die Wahrheit erst in Zukunft bei uns wäre?“ 70 Vielleicht ist es der gewichtigste Unterschied zwischen den ,Reden der Unterweisung‘ und einem erst in den deutschen Predigten Gestalt gewinnenden Redegestus, dass sie nicht von einem solchen präsentischen Sprechen dominiert wird. Die ,Reden der Unterweisung‘ kennzeichnet vielmehr eine Poetik der Instruktion, die die jungen Ordensbrüder auf dem Weg einer Heiligung begleitet, der sich, obwohl er doch gerade die Paradoxie der Weltverneinung überwinden wollte, selbst in paradoxer Weise als ,wegloser Weg‘ erweisen sollte. So kann man mit einer Geschichte schließen, die im Zen-Buddhismus überliefert wird und von der Suche nach dem Nachfolger des fünften Patriarchen handelt. Als der fünfte Patriarch sein Ende nahen sieht, lässt er seinen Lieblingsschüler zu sich kommen und bittet ihn, mit wenigen Worten seinen Glauben zusammenzufassen. Der Schüler antwortet mit einem Gedicht; das Wichtigste sei es, den Spiegel vom Staube völlig rein zu halten. Alle sind mit der Antwort zufrieden, als ein anderer hervortritt und die Antwort des Lieblingsschülers ver68 69
70
Cf. zuletzt Langer, Christliche Mystik (nt. 29), 330 sq. Cf. K. Flasch zu Predigt 6, Iusti vivent in aeternum, in: G. Steer/L. Sturlese (eds.), Lectura Eckhardi II, Stuttgart 2003, 29-51, hier: 43. Cf. Flasch, Iusti vivent (nt. 69), 51.
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wirft. Sein Gedicht gibt eine radikale Antwort: wo kein Spiegel, da kein Staub. Er wurde der sechste Patriarch 71; und es scheint, als habe Eckhart diese Rivalität der Schüler mit sich selbst ausgemacht.
71
Huineng (638-713). Es geht um die Frage ,stufenweiser‘ oder ,plötzlicher‘ Erleuchtung; cf. E. Conze, Eine kurze Geschichte des Buddhismus (A Short History of Buddhism), 1980. Übers., ed. und mit einem Nachwort versehen v. F. Wilhelm (suhrkamp taschenbuch 1297), Frankfurt a. M. 1986, 107 sq.; D. T. Suzuki, Die große Befreiung. Einführung in den Zen-Buddhismus, München 1976.
Les ,Entretiens spirituels‘, creuset de l’œuvre d’Eckhart Marie-Anne Vannier (Metz) L’œuvre d’Eckhart serait-elle impressionniste, dans la mesure ou` on y trouve une source de lumie`re: la naissance de Dieu dans l’aˆme qui succe`de au de´tachement, alors que certaines parties de cette œuvre n’apparaissent que sous forme de taches de couleur, car elles ne sont pas parvenues jusqu’a` nous dans leur inte´gralite´? Sans doute Eckhart n’a-t-il pas e´crit de somme the´ologique a` la diffe´rence de S. Thomas. Cela tient a` l’e´poque et a` ses options personnelles. Il n’en demeure pas moins que l’,Œuvre tripartite‘ e´tait son ouvrage de synthe`se qui est en partie perdu, malheureusement, et qui contenait a` travers l’œuvre des propositions, des questions et des expositions. Il se caracte´rise par son originalite´, il contenait a` la fois une synthe`se sur l’E´criture et sur le savoir de l’e´poque. De cette symphonie qui, pour nous, est inacheve´e, mais qui ne l’e´tait pas pour Eckhart, il ne nous reste aujourd’hui que les pre´ludes, mais de solides pre´ludes: le Prologue a` l’,Œuvre tripartite‘ et les ,Entretiens spirituels‘, re´dige´s par Eckhart lui-meˆme en Moyen Haut Allemand, sa langue maternelle et qui expriment justement le langage du cœur, de l’expe´rience spirituelle, alors qu’il e´tait prieur du Couvent d’Erfurt, entre 1294 et 1298, au retour de son premier se´jour a` Paris. ` lire ces ,Entretiens‘, on ne peut s’empeˆcher de penser au Sermon 52, connu A comme le plus grand sermon d’Eckhart, ou` il orchestre magistralement sa re´flexion sur le de´tachement, en partant du texte des Be´atitudes et plus pre´cise´ment de la Be´atitude: ,Beati pauperes spiritu‘ et qui d’apre`s Georg Steer, pourrait dater de la meˆme e´poque 1. Sans doute ne trouve-t-on pas dans les ,Entretiens spirituels‘ tout l’arrie`re-fond de la mystique rhe´no-flamande 2 (a` l’exception de Mechtilde de Magdebourg) et l’expe´rience spirituelle qu’Eckhart a ve´cue au de´but de son se´jour a` Strasbourg, mais il n’en demeure pas moins que le grand axe de son œuvre est trace´: l’accomplissement de l’eˆtre par l’abandon a` la volonte´ de Dieu ou encore, formule´ en d’autres termes: la dialectique du de´tachement, qui sous-tend sa pre´dication et qui n’est pas sans faire penser a` la dynamique pascale. Or, son premier sermon n’e´tait-il pas un Sermon pour Paˆques? Faudrait-il en conclure que ces ,Entretiens‘ sont pour Eckhart une sorte de Discours de la me´thode, a` coˆte´ des Sermons allemands qui correspondraient aux ,Me´ditations me´taphysiques‘ de Descartes, dont il ne nous resterait que les notes 1 2
Cf. article pre´ce´dent. Peut-eˆtre connaissait-il les e´crits de Mechtilde de Magdebourg qui vivait pre`s du Couvent d’Erfurt.
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de ses auditeurs? En fait, dans les Sermons eux-meˆmes et plus pre´cise´ment au de´but du Sermon 53, Eckhart donne, en quelque sorte, son discours-programme. Ainsi dit-il: „Quand je preˆche, j’ai coutume de parler du de´tachement et de dire que l’homme doit eˆtre de´gage´ de lui-meˆme et de toutes choses. En second lieu, que l’on doit eˆtre re´introduit dans le Bien simple qui est Dieu. En troisie`me lieu, que l’on se souvienne de la grande noblesse que Dieu a mise dans l’aˆme afin que l’homme parvienne merveilleusement jusqu’a` Dieu. En quatrie`me lieu, je parle de la purete´ de la nature divine - de quelle clarte´ est la nature divine, c’est inexprimable. Dieu est une Parole, une parole inexprime´e.“
Dans les ,Entretiens spirituels‘, en revanche, le programme n’est pas aussi clairement annonce´ et il reste fragmentaire, mais l’essentiel y est dit. Eckhart y de´veloppe surtout le premier point de son programme de pre´dication: le de´tachement. Mais, il aborde e´galement les autres points, quoique de manie`re plus occasionnelle, bre`ve, ou implicite. Dans ces conditions, faudrait-il plutoˆt envisager, le rapport entre les ,Entretiens spirituels‘ et le reste de l’œuvre et en particulier les Sermons allemands comme le rapport entre la ,Phe´nome´nologie de l’esprit‘ de Hegel et l’,Encyclope´die des sciences philosophiques‘? Cela correspondrait mieux a` la re´alite´, dans la mesure ou` l’on a a` faire a` deux œuvres originales et comple´mentaires, la premie`re servant de prope´deutique a` la seconde. Mais, il faut peut-eˆtre encore aller plus loin dans les analogies, car Eckhart n’entend pas faire œuvre ici de philosophe, mais plutoˆt de spirituel. Entendraitil re´pondre par les vingt-trois chapitres de ses ,Entretiens‘ aux „vingt-quatre philosophes qui se re´unirent pour parler de ce qu’est Dieu“ et laisser une place vide, en ne proposant pas de vingt-quatrie`me chapitre ou encore en se´parant le vingt-troisie`me entretien, qui est beaucoup plus long que les autres, en deux entretiens 3? Dans ces conditions, y aurait-il un paralle´lisme entre le Prologue a` l’,Œuvre tripartite‘, ou` il s’attache a` de´finir la nature de Dieu, en proposant une se´mantique de l’eˆtre et les ,Entretiens spirituels‘, ou` il explique qui est Dieu pour nous, et comment le rejoindre par le de´tachement afin d’accueillir sa vie? ˆ ge, les chiffres ont une signiIl importe e´galement de rappeler qu’au Moyen A 4 fication . Or, le chiffre vingt-quatre comporte une double perfection, en e´tant le re´sultat de deux chiffres parfaits: trois, e´voquant la Trinite´ et huit: le jour de la re´surrection. Or, dans les ,Entretiens spirituels‘, il y a trois parties, qui e´voquent trois e´tapes de la re´surrection: la premie`re reprenant la dialectique du de´tachement, la seconde pre´cisant le roˆle de l’amour dans le de´tachement, la troisie`me re´capitulant les deux autres. De plus, on pourrait rechercher des pre´ce´dents a` Eckhart dans l’histoire de la spiritualite´, ce qui nous ame`nerait a` Guillaume de S. Thierry, dont il semble avoir appre´cie´ l’œuvre ou a` S. Bonaventure qu’il n’a pu ignorer lors de ses e´tudes 3 4
W. Wackernagel, Introduction aux Conseils spirituels, Paris 2003, 9-10. Cf. Meyer-Suntrup, Lexikon der mittelalterlichen Zahlenbedeutung, Munich 1987.
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parisiennes. Or, la` encore, les choses sont difficiles, du fait qu’on ne peut e´tablir de paralle`le re´el entre les ,Entretiens spirituels‘ et ,La lettre d’Or ou Lettre aux Fre`res du Mont-Dieu‘. En effet, a` la diffe´rence de Guillaume de S. Thierry, Eckhart ne donne pas aux novices dominicains un programme pre´cis de vie spirituelle, il ne trace pas un itine´raire identique pour tous, il n’indique pas un itine´raire spirituel a` suivre, avec des e´tapes a` traverser, au contraire, il part de l’esprit libre et il leur demande de rechercher comment vivre le mieux possible en conformite´ avec la volonte´ de Dieu. En axant sa re´flexion autour du sche`me dionysien de l’exitus et du reditus, de la sortie et du retour, il reprend non seulement un the`me dionysien, mais aussi le mouvement de la ,Somme the´ologique‘ de S. Thomas et de l’,Itinerarium‘ de S. Bonaventure, mais il en vient a` un re´sultat diffe´rent qu’il exprime en ces termes: „Autant tu sors de toute chose, autant tu sors vraiment de tout ce qui est tien, autant ni plus ni moins, Dieu entre en toi avec tout ce qui est sien.“ 5 Il conclut a` une sorte de simultane´ite´ entre le de´tachement et la vie en Dieu, ce qui a une tonalite´ dionysienne, mais qui a surtout pour fonction de mettre en e´vidence le sens et l’enjeu du de´tachement, qui est l’objet meˆme de l’ouvrage et qui donne a` l’eˆtre humain sa ve´ritable stabilite´. C’est aussi pour Eckhart une autre manie`re d’interpre´ter le the`me augustinien du repos en Dieu, un the`me qu’il reprend dans nombre de ses sermons. En fait, ce livre qui se pre´sente sous la forme de rede en allemand, de collationes en latin n’est pas sans faire penser a` d’autres collationes ce´le`bres, celles de Jean Cassien qu’Eckhart a souvent entendues au re´fectoire comme le rapportent les ,Vitae Fratrum‘. Ces ,Collationes‘, ces ,Confe´rences‘, qu’Eckhart a certainement mises par e´crit a` la demande de ses contemporains, sont aussi selon l’e´tymologie latine du terme une synthe`se, une re´capitulation, dans la mesure ou` elles prennent ensemble, rassemblent un certain nombre de the`mes, et peut-eˆtre l’essentiel de son enseignement a` Erfurt. Or, il est un point essentiel, qui occupe d’ailleurs la majeure partie de la ,Premie`re Confe´rence‘ et l’ensemble de la ,Seconde Confe´rence‘ de Jean Cassien et que l’on trouvait de´ja` dans les ,Institutions ce´nobitiques‘ (V, 41), c’est la discretio, le discernement 6, qui constitue une boussole pour le moine. Or, a` travers ses entretiens avec les novices, Eckhart, qui n’a rien d’un esprit dogmatique, qu’entend-il leur faire comprendre, leur donner d’acque´rir, si ce n’est cette pierre pre´cieuse qu’est le discernement et qui repre´sente le ve´ritable chemin spirituel, qui leur permet d’eˆtre des esprits libres tout entiers ancre´s en Dieu et vivant autant qu’ils le peuvent de sa volonte´? Pour en faire ressortir l’importance, Jean Cassien comparait le discernement a` la ,lampe du corps‘, a` l’office du changeur, il soulignait, a` la suite de S. Paul (1 Co. 12, 8-9), que ce discernement n’a pas une origine humaine, mais divine, qu’il est au principe „de toutes les vertus, leur gardien et leur guide“ 7. Comme l’humilite´ a` laquelle il est lie´ et sur laquelle Eckhart met fortement l’accent, le discernement 5 6 7
Entretien 4, trad. A. de Libera, 81. Il correspond a` l’Unterscheidung en allemand et non a` l’Unterweisung. Confe´rence II, 4.
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permet de ne pas se tromper sur l’orientation a` donner a` un acte. C’est l’e´le´ment moteur de cette e´thique de l’intention qu’Eckhart propose dans la premie`re partie des ,Entretiens spirituels‘. Il est donc inutile de figer les choses, de donner des pre´ceptes rigides, l’esprit libre est a` meˆme de voir quelle orientation prendre. Cassien expliquait que „l’habilete´ et la science des changeurs triomphent a` discerner l’or parfaitement pur et celui qui n’a pas subi au meˆme degre´ l’e´preuve du creuset. Qu’un vil denier essaie d’imiter la monnaie pre´cieuse, en se couvrant des apparences et de l’e´clat de l’or, leur œil exerce´ n’y sera point trompe´. Puis, non seulement, ils savent reconnaıˆtre les pie`ces portant l’effigie des tyrans, leur sagacite´ va plus loin encore, et discerne celles-la` meˆmes qui, marque´es a` l’empreinte du roi le´gitime, ne sont pourtant qu’une contrefacX on. Ils recourent enfin a` l’e´preuve de la balance pour voir si rien ne manque du juste poids. Notre devoir, a` nous, est de porter dans les choses de Dieu toutes ces meˆmes pre´cautions, comme il ressort du nom meˆme de changeurs que l’E´vangile nous propose en exemple. Et d’abord, quelque pense´e qui se glisse en notre cœur, quelque maxime que l’on nous sugge`re, mettons a` la sonder un soin extreˆme. Sort-elle toute purifie´e du feu ce´leste de l’Esprit Saint? […] Devenons des changeurs selon l’E´vangile.“ 8
Le change dont il s’agit n’est pas celui de l’argent, mais des pense´es. Le changeur selon l’E´vangile est celui qui peut discerner l’œuvre de l’Esprit Saint et, le cas e´che´ant, substituer une pense´e a` une autre. C’est ce a` quoi Eckhart invite les novices. Il re´interpre`te e´galement Cassien en situant le discernement dans le de´tachement et en e´laborant toute une dialectique autour du de´tachement, une dialectique qui sera l’un des axes de son œuvre et de son anthropologie, qui s’exprime dans le rapport entre l’Entbildung et l’Überbildung, le de´tachement contribuant a` l’assomption de la personnalite´ ve´ritable, a` la re´alisation de l’eˆtre, d’ou` l’importance des ,Entretiens spirituels‘ qui sont plus qu’un discoursprogramme, qui apparaissent comme le creuset de l’œuvre d’Eckhart, le moment ou` il met en place sa dialectique du de´tachement. On en voit une sorte de contre-e´preuve dans le ,Granum sinapis‘, si tant est que ce Poe`me soit d’Eckhart, ou` le grain de se´neve´, la plus petite de toutes les graines, mais celle qui donne tout un arbre, est justement le de´tachement. De plus, Eckhart entend non seulement proposer une spiritualite´ vivante pour les novices dominicains, mais aussi pour toute personne, d’ou` l’actualite´ de son propos. Ce souci d’Eckhart de s’adresser a` tous apparaıˆt de`s les premiers mots du Traite´. Le de´ tachement, axe de l’œuvre d’Eckhar t Imme´diatement, c’est en tant que prieur du Couvent d’Erfurt qu’il e´crit cet ouvrage, comme en te´moignent les premiers mots, ou` il est dit: „Ce sont les paroles que le vicaire de Thuringe, prieur d’Erfurt, fre`re Eckhart, de l’Ordre des 8
Confe´rence I, SC 42, 101-102; II, 119-120.
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Preˆcheurs, adressa a` ses enfants qui lui posaient de nombreuses questions lorsqu’ils e´taient assis ensemble pour la collation du soir.“ On comprend, de`s lors, que la pre´sentation qu’il fait du de´tachement soit essentiellement pratique, meˆme si la dimension ontologique est loin d’eˆtre absente, comme on le verra. Il s’attache a` rendre accessible aux jeunes dominicains qu’il appelle ses enfants cette perle pre´cieuse qu’est le de´tachement. Le terme d’enfants peut e´galement avoir une autre signification qui met en e´vidence l’enjeu meˆme du de´tachement, qui n’est autre que la naissance de Dieu dans l’aˆme, meˆme si Eckhart n’emploie pas directement le the`me comme il le fera dans ses Sermons allemands et en particulier dans les Sermons 101 a` 104, re´cemment e´dite´s par Georg Steer. Pour lui, en effet, le de´tachement loin d’eˆtre un terme, un en soi, n’est au contraire qu’un point de de´part qui permet de laisser la place libre a` l’action de Dieu, afin de permettre la naissance de Dieu dans l’aˆme. Justement, dans les ,Entretiens spirituels‘, son roˆle est de pre´parer a` cette naissance de Dieu dans l’aˆme, d’ou` le terme d’enfants qu’il emploie. C’est ve´ritablement un Lebemeister qu’il parle ici, meˆme s’il ne reste pas pour autant un Lesemeister. Si on a parfois regrette´ le caracte`re par trop pe´dagogique de l’ouvrage, sa dimension mystique n’en est pas moins pre´sente, meˆme si elle est moins fulgurante que dans les Sermons. Loris Sturlese 9 parlait du contexte liturgique des œuvres d’Eckhart, je me demande, a` lire les ,Entretiens spirituels‘, s’ils ne correspondraient pas a` la dynamique pascale: en partant de l’obe´issance, du de´tachement pour arriver, comme le Sermon 7, a` la vie nouvelle, a` la re´surrection, a` la paix. Faudrait-il en conclure que ces ,Entretiens‘ ont e´te´ des confe´rences de Careˆme ou qu’ils ont e´te´ prononce´s pendant la Semaine Sainte? Si le de´tachement a une place centrale dans la premie`re partie des ,Entretiens spirituels‘ (1-8), Eckhart l’envisage de manie`re originale, non comme une pure et simple de´sappropriation. Au contraire, il le pre´sente comme un chemin d’accomplissement. Par le concours du de´tachement et de la graˆce, l’eˆtre humain se re´alise, s’accomplit. Eckhart part de l’obe´issance, qui est l’un des trois vœux et qui conduit a` la pauvrete´, a` l’homme pauvre qui est au cœur de l’ouvrage, mais il passe tre`s vite du plan institutionnel au plan existentiel pour faire de l’obe´issance une forme de de´tachement. Il va, alors, tre`s loin dans sa re´flexion. De prime abord, on peut eˆtre e´tonne´ qu’il dise que „la ve´ritable et parfaite obe´issance est une vertu qui passe avant toutes les vertus“ (41). Dans le ,Traite´ du de´tachement‘, c’est le de´tachement qui a ce roˆle. On s’attendrait a` ce qu’Eckhart place la charite´, ou du moins l’une des vertus the´ologales au sommet de la pyramide des vertus. En fait, s’il opte pour l’obe´issance, c’est comme le manifeste le mouvement meˆme des ,Entretiens spirituels‘: le passage de la premie`re a` la seconde partie, c’est pour montrer que, par l’obe´issance, on rejoint la volonte´ de Dieu, on est introduit au cœur meˆme de la vie divine pour connaıˆtre de l’inte´rieur son amour et 9
Cf. L. Sturlese, dans ce volume, 393-408.
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en vivre. Eckhart le dit d’ailleurs de manie`re lapidaire dans le ,Premier Entretien‘, lorsqu’il e´crit: „Si je m’abandonne, il faut ne´cessairement que Dieu veuille pour moi ce qu’il veut pour lui-meˆme, ni plus ni moins et de la meˆme manie`re qu’il le veut pour lui-meˆme“ (42). Sans doute y a-il la` quelque exage´ration, mais Eckhart entend montrer par la` l’importance de l’adhe´sion a` la volonte´ de Dieu. C’est la` le leitmotiv de tout l’ouvrage. Eckhart l’explique clairement dans le ,Quatrie`me Entretien‘: „dans la mesure ou` tu quittes toutes choses, dans cette meˆme mesure, ni plus ni moins, Dieu pe´ne`tre en toi avec tout ce qu’il a, tout comme tu as quitte´ comple`tement toutes choses qui sont en toi“ (45). Il y a un e´change e´tonnant, qui n’est pas sans faire penser a` un autre e´change qui est d’ailleurs constitutif de celui-ci et qui n’est autre que l’eucharistie. En effet, au de´but des ,Entretiens spirituels‘, on a l’impression que le de´tachement a un roˆle fondateur, cela est vrai, mais avec le concours de la graˆce, comme il l’explique a` la fin du texte. Dans le ,20∞ Entretien‘ sur l’eucharistie, Eckhart en pre´cise le sens en ces termes: „Si tu veux transformer comple`tement ta pauvrete´, va vers le tre´sor abondant de la richesse infinie et tu deviendras riche, car sois bien persuade´ qu’il est le seul tre´sor qui peut te suffire et te rassasier […]. Va vers lui, lui seul est la reconnaissance que le Pe`re puisse accueillir, la louange infinie, ve´ritable et parfaite de toute la divine bonte´ “ (74).
Il en va ici de la divinisation de l’eˆtre humain, sans le dire directement, ou encore de ce qu’Eckhart appelle la naissance de Dieu dans l’aˆme et qu’il lie ici a` l’eucharistie, alors qu’il ne le fera gue`re dans ses Sermons. Il explique que „nous devons eˆtre transforme´s en lui et comple`tement unis a` lui, en sorte que ce qui est a` lui est a` nous, notre cœur et le sien devenant un seul cœur“ 10. Ainsi met-il en e´vidence le roˆle de´terminant du de´tachement. Comme le disait E´tienne Gilson: „La doctrine d’Eckhart conduit directement a` l’union de l’aˆme a` Dieu pour se retrancher dans la citadelle de l’aˆme, la` ou` l’homme ne se diffe´rencie pas de Dieu. Pour que cette union mystique soit possible, il faut pratiquer une asce`se de se´paration et de de´tachement. Une fois la`, on peut se de´sinte´resser du reste.“ En d’autres termes, le de´tachement est la condition de possibilite´ de l’union a` Dieu. Comme le dira plus tard Angelus Silesius: „Autant tu ce`des a` Dieu, autant il peut devenir toi. Ce n’est ni plus ni moins qu’il te tirera de tes peines. Il t’aidera a` te tirer de ta souffrance.“ Or, cette re´flexion d’Eckhart sur le de´tachement n’est pas occasionnelle. Si elle prend une acuite´ particulie`re dans sa pre´dication allemande, elle est pre´sente dans toute son œuvre et en particulier dans le Sermon 52, dans le ,Benedictus Deus‘, dans le ,Traite´ du de´tachement‘ et de`s son premier e´crit que sont les ,Entretiens spirituels‘. Elle constitue meˆme l’axe de la pense´e d’Eckhart. L’Abgeschiedenheit a un roˆle fondateur. L’homme qui est parfaitement abandonne´, qui s’est laisse´ aller jusqu’en son fond, est e´ternellement libre et un, et Eckhart va jusqu’a` se demander s’il y a une diffe´rence entre cet homme et Dieu. 10
Entretien 20, 95.
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Comme il le souligne dans le ,Traite´ du de´tachement‘, si tant est qu’il soit l’auteur de cet ouvrage, la composante ne´gative du de´tachement ne doit pas faire illusion. Ce n’est qu’un moment, celui du ,paˆtir Dieu‘. (Dans les ,Entretiens spirituels‘, Eckhart souligne, d’ailleurs, qu’il y a la` une dimension active.) Ce premier moment, qui est, en quelque sorte, celui de la ke´nose, s’ouvre sur un autre: celui de la constitution de l’eˆtre. D’ou` la dialectique de l’Entbildung, de l’Einbildung et de l’Überbildung. Cette dialectique est pre´sente dans les ,Entretiens spirituels‘: en particulier dans le ,6∞ Entretien‘, ou` il met l’accent sur la dialectique du de´tachement et de la conformation au Fils. Il explique que c’est par le de´tachement que „l’homme doit eˆtre transi par la pre´sence de Dieu, eˆtre transforme´ selon la forme de son Dieu bien-aime´ et eˆtre en lui sur un mode substantiel pour que la pre´sence de Dieu l’illumine, sans le moindre effort, pour qu’il voit la purete´ en tout et reste entie`rement libre de tout“. En ces quelques mots, son programme de pre´dication, est re´sume´ et Eckhart passe radicalement du de´tachement a` son terme qui n’est autre que la cre´ation nouvelle, ce qui n’est pas sans faire penser a` la dynamique pascale. Dans ses œuvres ulte´rieures, il ne fait qu’approfondir cette re´alite´ sur un plan liturgique ou the´ologique et spirituel. Ainsi propose-t-il un jeu verbal autour du terme Bild dans le Sermon allemand 40, ou` il dit: „Lorsque l’homme s’abandonne tout entier dans l’amour, il est alors de´pouille´ de sa forme (entbildet), informe´ (ingebildet) et forme´ au-dessus de lui-meˆme (überbildet) dans l’unite´ de la forme divine (einförmichheit), en laquelle il est un avec Dieu. C’est tout cela que l’homme a dans la formation inte´rieure.“ Eckhart ne fait pas entie`rement œuvre de novateur. Il reprend et re´interpre`te les the`ses de S. Augustin et de S. Thomas. Cette dialectique se retrouve au ,Sermon de l’homme noble‘ et plus pre´cise´ment au sixie`me degre´, lorsque „l’homme est de´pouille´ de lui-meˆme et transforme´ par l’e´ternite´ de Dieu, quand il est parvenu a` l’entier et complet oubli de la vie temporelle avec tout ce qu’elle a de pe´rissable, il a e´te´ transforme´ et transfigure´ dans une image divine et est devenu un enfant de Dieu. Il n’y a pas d’autre degre´, de degre´ supe´rieur: la` est le repos e´ternel et la be´atitude. Car la fin e´ternelle de l’homme inte´rieur et de l’homme nouveau est la vie e´ternelle.“
On comprend, de`s lors, que, pour Eckhart, le de´tachement a une dimension ontologique. Il contribue a` la constitution de l’eˆtre. Il le fait clairement ressortir dans le ,6∞ Entretien‘, ou` il e´crit: „Les gens devraient moins penser a` ce qu’ils font, mais davantage a` ce qu’ils sont […]. La saintete´ ne re´side pas dans le faire, elle e´mane de l’eˆtre, car ce ne sont pas les œuvres qui nous sanctifient, mais c’est nous qui sanctifions les œuvres.“ Et cela va tre`s loin, comme il le montre dans la suite de cet ,Entretien‘: „Celui qui posse`de ainsi Dieu dans l’eˆtre le prend sous son aspect divin, et pour lui Dieu brille en toutes choses; car toutes choses ont pour lui le gouˆt de Dieu, et l’image de Dieu se facX onne pour lui en toutes choses. En lui, le rayon divin resplendit en tout temps, un de´tachement et abandon s’ope`rent et l’image de son Dieu bien-aime´ et pre´sent s’imprime en lui“ (64-65).
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Ainsi esquisse-t-il de´ja` le deuxie`me et le quatrie`me points de son programme de pre´dication, tel qu’il l’e´nonce au Sermon 53: la conformation a` Dieu et la perception de la clarte´ de la nature divine. Il dit qu’il est possible de trouver Dieu en tout, a` condition d’avoir le cœur pur, de´tache´. En ce sens, les ,Entretiens spirituels‘ pre´parent de´ja`, sur un mode pratique, comme dans le Sermon 86, les de´veloppements spe´culatifs de l’,Œuvre tripartite‘, ainsi que sa pre´dication. En mettant l’accent sur le ne´cessaire abandon de la volonte´, Eckhart aborde e´galement des questions essentielles pour son e´poque: celle des puissances de l’aˆme que sont l’intellect et la volonte´, a` laquelle il apportera une re´ponse dans les ,Questions parisiennes‘. S’il semble opter ici pour le primat de la volonte´, en fait, dans le seul passage ou` s’exprime clairement sur le sujet, il invite a` passer sur l’autre rive: „Tes puissances, dit-il, doivent eˆtre e´leve´es en Dieu, lui eˆtre entie`rement offertes et relie´es a` lui […]. C’est pourquoi, si tu veux recevoir dignement ton Dieu, veille a` ce que tes puissances supe´rieures soient dirige´es vers lui, que ta volonte´ recherche la sienne et ne pense qu’a` lui et que ta fide´lite´ soit constante en lui.“ 11
Il envisage e´galement le the`me de la consolation, comme l’avait souligne´ Kurt Ruh, dans la mesure ou` il dit: „Autant tu es en Dieu, autant tu es en paix.“ Comme il le fera plus tard dans le ,Livre de la consolation divine‘, il souligne que c’est le de´tachement qui nous donne la consolation ve´ritable, du fait qu’il nous donne d’accueillir la vie de Dieu. Ici, dans le ,10∞ Entretien‘ (75), il dit: „Sache que les amis de Dieu ne sont jamais sans consolation, car ce que Dieu veut est leur consolation supreˆme, que ce soit consolation ou absence de consolation.“ Ils le comprennent souvent apre`s-coup. Finalement, il faudrait comparer les ,Entretiens spirituels‘ et le Sermon 52. Sans doute ne trouve-t-on pas dans les ,Entretiens spirituels‘ le remarquable pouvoir de synthe`se du Sermon 52, mais il n’en demeure pas moins que la figure de re´fe´rence des deux textes est celle de l’homme pauvre, de celui qui a abandonne´ sa volonte´ propre pour adhe´rer au dessein de Dieu sur lui. Cette figure se de´tache du dernier des ,Entretiens spirituels‘, mais elle est pre´sente de`s le premier. Comme dans une symphonie, le the`me prend peu a` peu toute son ampleur. Eckhart ne dit pas que l’homme pauvre est celui qui ne veut rien, ne sait rien, n’a rien, mais il invite a` se de´tacher de sa volonte´, des images et des actions. Il dit successivement que „dans une entie`re de´sappropriation de la volonte´ et du de´sir, il faut s’en remettre a` la bonne et tout aimable volonte´ divine, avec tout ce qu’en toutes choses on peut vouloir et de´sirer“ 12, qu’il importe que l’esprit soit de´tache´, que „tout notre eˆtre n’est e´tabli en rien d’autre que dans l’ane´antissement“ 13 et que „le royaume des cieux revient a` celui qui est libre de toutes 11 12 13
Entretien 20, 98. Entretien 21, 106. Entretien 23, 111.
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choses pour Dieu, quoique Dieu lui donne ou ne lui donne pas“ 14. Les divers points y sont, mais pas the´matise´s comme dans le Sermon 52. Eckhart met e´galement en e´vidence le sens du de´tachement qui donne a` l’eˆtre humain d’eˆtre libre et accueillant a` la graˆce divine. Or, „la graˆce ne de´truit pas la nature, elle l’accomplit. La gloire ne de´truit pas la graˆce, elle l’accomplit, car la gloire est la graˆce accomplie. Il n’y a donc rien en Dieu qui de´truise tout ce qui a un eˆtre quelconque; au contraire Dieu est celui qui accomplit toutes choses“ 15. Dans les ,Entretiens spirituels‘, Eckhart ne fait qu’allusion a` la perce´e, mais il fait ressortir le roˆle constitutif du de´tachement qui donne la paix et la joie ve´ritables, qui contribue a` re´aliser la cre´ation nouvelle. C’est a` revivre le myste`re pascal qu’il invite ses auditeurs. Pour terminer, je reprendrai les mots de Stanislas Breton 16 qui mettait en e´vidence l’originalite´ du de´tachement eckhartien, qui est diffe´rent de celui des mystiques du XVII∞ sie`cle, de Caussade, par exemple. Il „est l’amen qui rend hommage a` l’universelle diffusion d’une instance donatrice dont la ge´ne´rosite´ sans repentance“ verdoie „dans les deux univers, si proches et si fraternels de l’eˆtre et du Verbe. L’amen du mystique recouvre la joie festive du the´ologien et l’ardeur du me´taphysicien intre´pide. Eckhart ne pourrait mieux dire le dernier avant-dernier mot - de sa pense´e“. D’ou` le caracte`re fondateur des ,Entretiens spirituels‘, ou` Eckhart donne sa pleine mesure au de´tachement et a` sa dialectique qui n’est autre que la dynamique pascale. Moins fulgurants que le Sermon 52, ils ont une dimension pe´dagogique, prope´deutique, qui en font un ve´ritable pre´lude, non seulement a` l’œuvre allemande, mais a` l’ensemble de l’œuvre, dans la mesure ou` finalement c’est de la constitution de l’eˆtre qu’il s’agit et par conse´quent, de la naissance de Dieu dans l’aˆme. Eckhart, qui a longuement re´fle´chi sur la cre´ation, non seulement dans son ,Commentaire de la Gene`se‘ mais aussi dans ses Sermons, n’envisage pas la de´cre´ation avec le de´tachement mais le passage a` la cre´ation nouvelle. Opportet transire, telle pourrait eˆtre l’expression des ,Entretiens spirituels‘ ou` se noue la dialectique eckhartienne du de´tachement, le passage de l’Entbildung a` l’Überbildung, pour arriver a` la puritas cordis, pour voir l’actualisation des Be´atitudes et vivre en Dieu.
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Entretien 24, 114. Entretien 23, 108. L’itine´raire spirituel de maıˆtre Eckhart, en: Revue de l’Institut catholique 28 (1988), 81.
„Der Mensch sollte werden ein Gott Suchender.“ Zum Verständnis des Menschen in Eckharts ,Rede der underscheidunge‘ Udo Kern (Rostock) Eckhart ist 1293/94 Lector sententiarum in Paris. Danach kehrt er nach Erfurt zurück und wird Prior des Erfurter Dominikanerkonventes und Ordensvikar für Thüringen. In der Zeit zwischen 1294 und 1298 entstehen in Erfurt die ,Rede der underscheidunge‘ (RdU) 1. Die RdU sind collationes 2, also Lehrgespräche, die der Erfurter Prior Eckhart unterweisend mit seinen kindern, seinen ,Mitbrüdern und Nonnen‘ 3, geführt hat 4. Als „spirituelle und […] wissenschaftliche Übung“ bezeichnet Yoshiki Koda die collatio 5. Auf die signifikante volkssprachliche Besonderheit der RdU verweist mit Recht Niklaus Largier 6. Erstaunlich ist
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Cf. N. Largier (ed.), Meister Eckhart: Werke I und II (Bibliothek des Mittelalters 20 u. 21), Frankfurt a. M. 1993 (zit. Largier I bzw. Largier II), hier: Largier II, 790. (Ich gebrauche im Folgenden nur den Kommentarteil Largiers.) In meinem Beitrag benutze ich Eckhart-Texte nach folgenden Werkausgaben: Meister Eckhart, Die deutschen und lateinischen Werke, ed. im Auftrage der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Stuttgart 1936 sqq. (zit. DW bzw. LW); Meister Eckhart, ed. v. F. Pfeiffer, Göttingen 41924 (zit. Pf.); Meister Eckehart. Deutsche Predigten und Traktate, ed. u. übers. v. J. Quint, München 41977 (zit. DPT). Largier II (nt. 1), 793: „Das mhd. rede ist wohl als terminus technicus anzusehen, der das lat. collatio übersetzt. Darunter hat man sich abendliche Lehrgespräche vorzustellen, bei denen als Ergänzung zur Schriftlesung […] unter der Leitung eines geistlichen Lehrers oder Vorgesetzten Fragen der Schriftauslegung, des monastischen und generell des spirituellen Lebens besprochen wurden.“ Cf. auch M. Enders, Die ,Reden der Unterweisung‘: Eine Lehre vom richtigen Leben durch einen guten und vollkommenen Willen, in: K. Jacobi (ed.), Meister Eckhart: Lebensstationen - Redesituationen (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens, N. F. 7), Berlin 1997, 69-92, hier: 92. Belegstellen für den Terminus collatio sind von J. Quint in DW V, 312 sq., nt. 2, aufgeführt. Largier II (nt. 1), 791. RdU (DW V, 185, 1-6): „Daz sint die rede, die der vicarius von türingen, der prior von erfurt, bru˚der eckhart predigerordens mit solchen kindern haˆte, diu in dirre rede vraˆgeten vil dinges, doˆ sie saˆzen in collationibus mit einander.“ Y. Koda, Mystische Lebenslehre zwischen Kloster und Stadt. Meister Eckharts ,Reden der Unterweisung‘ und die spätmittelalterliche Lebenswirklichkeit, in: E. C. Lutz (ed.), Mittelalterliche Literatur im Lebenszusammenhang, Freiburg/Schweiz 1997, 225-264, hier: 243-249. Largier II (nt. 1), 790: „Bemerkenswert ist, daß Eckhart seine Mitbrüder, die ja des Lateins mächtig waren, nicht in der gewohnten Schulsprache, sondern in der Volkssprache unterwies. Dies stellt zweifellos eine Ausnahme dar.“
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auch, dass die RdU sich nicht nur an Mitbrüder und Nonnen wenden, sondern an die ,Leute‘ 7, an ,den Menschen‘ allgemein 8. Prima facie sind die RdU inhaltlich gesehen weniger spekulativ als vielmehr moralisch-praktisch 9 orientiert. Sie behandeln „Fragen des religiösen Lebens von Ordensleuten“ 10. Tatsächlich sind die RdU jedoch mehr. Sie tragen nach Kurt Ruh den Charakter eigentlicher ,christliche[r] Lebenslehre‘ 11 und zeugen von der gedanklichen Reife des jungen Erfurter Priors 12. „Eine Lehre […] vom vollkommenen menschlichen Sein durch einen guten und vollkommenen Willen“ ist für Markus Enders 13 der Skopus der RdU. Damit jedoch sind die RdU auch noch nicht hinreichend charakterisiert, denn sie enthalten bereits im Kern „Eckharts […] Programm und […] alle Grundgedanken […], die er im späteren Werk philosophisch und theologisch eingehend thematisieren und in den Begriffen Gottesgeburt und Seelenfunke spekulativ entfalten wird“ 14. Nach Ludwig Hödl - der die Grundintention des Eckhart’schen Gesamtwerks in einer durch kritisches Gotteserkennen (das sich von einem konstruierten Gott abkehrt und dem lebendigen Gott erkennend zuwendet) bewirkten Veränderung und renovatio des religiösen Bewusstseins sieht - sind die RdU im Sinne dieser Eckhart’schen Grundintention spiritual-pädagogisch und theologie-didaktisch normgebend für Eckharts gesamtes Werk 15. Das gilt m. E. darüber hinaus auch (zumindest tendenziell) in philosophischer Hinsicht. 7
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Cf. die bei Enders, Die ,Reden der Unterweisung‘ (nt. 2), 70, nt. 9, angegebenen Stellen: DW V, 191, 6; 196, 8; 197, 6-8; 200, 10; 209, 8; 244, 5; 249, 5. Cf. RdU, c. 1 (DW V, 187, 1). Weitere Stellenhinweise gibt Markus Enders (Die ,Reden der Unterweisung‘ [nt. 2], 70, nt. 10): DW V, 192, 6; 194, 5 sq.; 203, 1; 208, 11; 209, 7; 210, 1; 211, 1; 212, 2; 215, 8; 222, 1; 223, 3; 228, 11; 239, 3 sq.; 244, 8; 246, 6; 249, 9 sq.; 250, 3; 256, 11; 258, 5; 259, 5; 262, 5; 263, 4 u. 9; 272, 5; 274, 9; 275, 11; 276, 10 sq.; 278, 13; 281, 3; 285, 11; 286, 7; 289, 4 u. 12 sq.; 290, 11 u. ö. Cf. Largier II (nt. 1), 790. Koda (Mystische Lebenslehre [nt. 5], 227) spricht von der „pragmatische[n] Ausrichtung“ der RdU, die „mit der geschichtlichen Situation des Erfurter Dominikanerkonvents“ zusammenhinge. „Die Bedeutung der ,Reden‘ “ ließe sich besser verstehen, wenn man Eckhart und „seine Gedanken als historische Phänomene im Zusammenhang mit seiner städtischen Welt“ zu begreifen suche (ibid., 263 sq.). Dieser durchaus legitimen und produktiven Fragestellung müsste noch präziser und mehr en detail nachgegangen werden als in Kodas Aufsatz, um tatsächlich für die Interpretation der RdU fruchtbar zu sein. Vielleicht ist das ja in Kodas 1994 in Freiburg/Schweiz angenommener Dissertation (Meister Eckhart in Erfurt. Studien zu den sozialen und gedanklichen Hintergründen der ,Reden der unterscheidunge‘), die mir leider nicht zugänglich ist, der Fall. Largier II (nt. 1), 790. K. Ruh, Meister Eckhart. Theologe, Prediger, Mystiker, München 21989, 32. Cf. Largier II (nt. 1), 791. Enders, Die ,Reden der Unterweisung‘ (nt. 2), 92. Largier II (nt. 1), 790. Cf. L. Hödl, Meister Eckharts theologische Kritik des reinen Glaubensbewußtseins, in: U. Kern (ed.), Freiheit und Gelassenheit. Meister Eckhart heute, München-Mainz 1980, 34-52, hier: 38.
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Sucht man eine Konstante, ein ,Leitmotiv‘, in den RdU, so kann man das mit Kurt Ruh in der Gelassenheit sehen, die allerdings zu eng geführt ist, wenn sie nur als Gegenstück des zu überwindenden Eigenwillens verstanden wird 16. Für Yoshiki Koda 17 ist das beherrschende Leitmotiv der RdU der Satz: „als vil duˆ uˆzgaˆst aller dinge, als vil, noch minner noch meˆr, gaˆt got ˆın mit allem dem sıˆnen, als duˆ zemaˆle uˆzgaˆst in allen dingen des dıˆnen.“ 18 Die RdU lassen sich in drei Sequenzen einteilen, die (1.) die Kapitel 1-8, (2.) die Kapitel 9-16 und (3.) die Kapitel 17-23 umfassen. Nach Georg Steer hat die erste Sequenz das Haben Gottes in der Vernunft, die zweite Sequenz das Haben Gottes im Willen und die dritte Sequenz das ,got naˆhen nemen‘ (Gott als nahe nehmen) in Vernunft und Willen hinsichtlich der je eigenen Nachfolge Christi des Menschen zum Thema 19. In diesem Beitrag beschäftige ich mich mit den anthropologischen Aspekten 20 in Eckharts RdU. Ich vertrete die These, dass Grunddaten des Eckhart’schen Verständnisses vom Menschen in nuce schon in seinen Erfurter ,Reden‘ enthalten sind, wenn auch - und das wiegt durchaus schwer - unter weitgehender Vernachlässigung bzw. eher skizzierter als gänzlich herausgearbeiteter Darstellung des für Eckhart so wesentlichen spekulativen Hintergrundes 21. Unter dieser Voraussetzung und Perspektive kann man sagen: Eckharts Anthropologie 22 ist schon in den RdU teleologisch, epistemologisch, ontologisch, lebenspraktisch und (primär präsentisch) eschatologisch als theologische Anthropologie angelegt. I. Der Ver nünftig e und wahrhaft Seiende Georg Steer hat Recht: In den Kapiteln 1-8 der RdU geht es Eckhart „nicht primär [um] die Auslegung der Ordensgelübde Gehorsam, Besitzlosigkeit, Keuschheit oder die Darstellung der Selbstentäußerung des Menschen, sondern 16
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22
Cf. Ruh, Meister Eckhart (nt. 11), 33. Cf. auch Enders, Die ,Reden der Unterweisung‘ (nt. 2), 73. Cf. Koda, Mystische Lebenslehre (nt. 5), 233. RdU, c. 4 (DW V, 197, 2 sq.). G. Steer, würken vernünfticlıˆchen. Das ,christliche‘ Leben nach den ,Reden der Unterweisung‘ Meister Eckharts, in: R. Blumrich/P. Kaiser (eds.), Heinrich Seuses Philosophia spiritualis. Quellen, Konzept, Formen und Rezeption. Tagung Eichstätt 02.-04. Oktober 1991 (Wissensliteratur im Mittelalter 17), Wiesbaden 1994, 94-108, hier 98: „Es handeln […] die Kapitel 1-8, wie Gott in der vernunft zu nehmen, ze habenne, ist […], die Kapitel 9-16, wie Gott mit dem Willen, in der minne, zu nehmen, ze habenne ist. Der dritte Teil in den Kapiteln 17-23 sieht das sich got naˆhen nemen (DW V, 250, 2) in Vernunft und Wille unter dem Aspekt der Nachfolge Christi in der je eigenen Weise des Menschen.“ Mit der Anthropologie Eckharts im Allgemeinen habe ich mich in meiner Jenenser Habilitationsschrift von 1983, die in Hamburg 1994 unter dem Titel ,Die Anthropologie des Meister Eckhart‘ erschien, beschäftigt. Das gilt z. B. für den spekulativen Hintergrund des für Eckharts Gesamtwerk so wichtigen Kerngedankens der Gottesgeburt in der Seele. Cf. Kern, Die Anthropologie (nt. 20).
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um das waˆre haben gotes (DW V, 205, 1)“ 23. Dieses waˆre haben gotes ereignet sich, wenn sich der Mensch des selbstischen Habens in Bezug auf das Ich, den anderen, die und das andere und seinen Gott entäußert: „Soweit du ausgehst aus allen Dingen, soweit […] geht Gott ein mit all dem Seinen.“ 24 „Swaˆ der mensche […] des sıˆnen uˆzgaˆt und sich des sıˆnen erwiget, daˆ an dem selben muoz got von noˆt wider ˆıngaˆn.“ 25 Für Eckhart ist der Ausgang des Menschen aus sich selbst und der Eingang Gottes in den Menschen ein Vorgang von „glıˆch[em] widergelt und glıˆche[m] kouf “ 26. Das wahre Haben Gottes liegt an dem ,inniclıˆchen vernünftigen zuokeˆrenne‘ zu Gott: „War ane liget nuˆ diz waˆre haben gotes, daz man in wærlıˆche habe? Diz wærlıˆche haben gotes liget an dem gemüete und an einem inniclıˆchen vernünftigen zuokeˆrenne und meinenne gotes.“ 27 Jedoch besteht es nicht in „einem beständigen, gleichmäßigen Darandenken“ („staeten anegedenkenne in einer glıˆchen wıˆse“) in Bezug auf Gott; das wäre desaströs, da ,unmügelich der natuˆre‘ des Menschen 28. Nicht in einem Denkakt besteht das Schauen (theoria) Gottes durch die Vernunft, vielmehr „in einer strukturellen Verschiebung, in der sich die Vernunft auf Gott hin öffnet“, und in einer Überformung von Gottes Sein, dem im Gegensatz zum Sein der Kreatur die puritas essendi 29 eignet 30. „Nur dadurch wird Gott zu einem wesenhaften Gott, das heißt, zu einem Gott, der in der Seele unmittelbar gegenwärtig ist, dieser das Sein verleiht, und zu einem Gott, dem sich die Seele in einer Weise geöffnet hat, daß ihr Wirken unmittelbar diesem Sein entspringt.“ 31 Der Mensch - so Eckhart griechisch und scholastisch geprägt 32 - ist ein Vernunftwesen: „Est […] homo animal rationale.“ 33 Es entspricht also dem Wesen des Menschen und er verwirklicht dieses, wenn er seine Vernunft nachhaltig gebraucht. Das gilt hinsichtlich seiner selbst, dem anderen Geschöpflichen gegenüber und in vornehmster Weise Gott gegenüber: „Der Mensch soll zu allen seinen Werken und bei allen Dingen seine vernunft merklıˆchen gebruˆchen und in allen Dingen ein vernünftigez mitewizzen von sich selbst und seiner Innerlichkeit haben und in allen Dingen Gott nehmen in der höchsten Weise, wie es möglich ist.“ 34
Aristoteles differenziert zwischen wirkender und möglicher Vernunft (intellectus agens und intellectus possibilis): „estin ho men toioutos nous to panta ginesthai, ho de to 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33
34
Steer, würken vernünfticlıˆchen (nt. 19), 99. RdU, c. 4 (DW V, 197, 2 sq.). Ibid., c. 1 (DW V, 187, 1 sq.). Ibid., c. 4 (DW V, 197, 1 sq.). Ibid., c. 6 (DW V, 205, 1-3). Ibid., 205, 3-5. Cf. Largier II (nt. 1), 881 sq. Ibid., 795. Ibid. Cf. LW III, 10, nt. 6. In Ioh., n. 10 (LW III, 10, 12). Cf. U. Kern, ,Gottes Sein ist mein Leben‘. Philosophische Brocken bei Meister Eckhart, Berlin-New York 2003, 41. RdU, c. 7 (DW V, 210, 1-4).
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panta poien.“ 35 Hier knüpft Eckhart an 36. Er unterscheidet zwei Begriffe der Vernunft, die sich naturhaftem und gnadenhaftem Vernunfterkennen verdanken: 1. Die Vernunft wird einmal von Eckhart als Seelenvermögen verstanden. Das ist das natürliche Erkennen im Seelenternar von memoria, intellectus und voluntas. 2. Zum anderen bestimmt Eckhart „Vernunft als Höchstes der Seele, das - als intellectus possibilis - mit dem Seelengrund koinzidiert“, ja, mit der „essentia animae […] verschmilzt“ 37. Das ist Vernunft im ,Licht der Gnade‘ 38. „Vernunft ist der Ort der Gnade, die in ihr als ein vünkelıˆn der redelicheit 39 (die scintilla rationis als Bild Gottes in der Seele im Sinne Augustins) allezeit gegenwärtig ist.“ 40 Ist die Vernunft ,reine Möglichkeit‘, so „spricht sich Gott gnadenhaft in sie und gebiert seinen Sohn in ihr“ 41. Insofern im Seelengrund Gott sich ausspricht, wird der Mensch zum Sohn. „Vernunft als mögliche Vernunft bezieht sich somit als Möglichkeit des Geboren-Werdens aufs Geboren-Sein des Menschen.“ 42 Diese Differenzierung der Vernunft ist zwar in den RdU noch nicht explizit auf den Begriff gebracht, aber Elemente derselben sind auch in ihnen zumindest implizit angelegt. Der vernünftige nachhaltige Gebrauch der Vernunft ist für das vernünftige Wesen Mensch fundamental hinsichtlich seines Menschseins. Übung der Vernunft ist angesagt, damit der Mensch sich nicht wesentlich verfehlt, sondern sich seinem eigentlichen Wesen gemäß entfalten kann. Lebendige, ,übende‘ Orientierung auf Gott dient der Profilierung der Vernunft und damit dem animal rationale, was der Mensch in seiner Bestimmung von der imago dei her ist. Im Innern kommt es so zur vernünfticlıˆchen göttlichen Kondeszendenz. „Dies ist vor allen Dingen nötig: daß der Mensch seine Vernunft recht und gänzlich an Gott gewöhne und übe; so wird es allezeit in seinem Innern göttlich. Der Vernunft ist nichts so eigen und so gegenwärtig noch so nahe wie Gott.“ 43 Gegenwärtigsein und authentisches Vernunftsein sind der Vernunft in der Nähe Gottes gegenwärtig gegeben. Indem die Vernunft vernünftig bleibt, „kehrt sie sich nim35 36
37 38 39 40
41 42 43
Aristoteles, De anima III, 5 (430a 14 sq.). Cf. zum Folgenden Largier I (nt. 1), 848-851, 996. Largier (ibid., 996) kennzeichnet präzise Eckharts Verständnis von möglicher und wirkender Vernunft: „Mit der möglichen Vernunft wird der rezeptive Aspekt des vernunfthaften Erkennens bezeichnet, der die bloße Möglichkeit ist, alles zu erkennen. Dieser ist durch die Unbestimmtheit charakterisiert, die den Intellekt dazu befähigt, alle Dinge zu werden (cf. In Gen. I, n. 115, LW I, 270, 1-272, 6). Demgegenüber ist die wirkende Vernunft derjenige Aspekt des vernunfthaften Erkennens, der das in der Wahrnehmung Aufgenommene von den Vorstellungsbildern zum aktuell Erkannten werden läßt und mithin das intelligible Sein der Dinge in der Seele, das heißt im intellectus possibilis bewirkt“ (cf. Sermo X, n. 109, LW IV, 102, 12 sq.). Largier I (nt. 1), 849 sq. Pr. 73 (DW III, 262, 1). Pr. 76 (DW III, 315, 6). A. M. Haas, Mystik als Aussage. Erfahrungs-, Denk- und Redeformen christlicher Mystik, Frankfurt a. M. 21997, 395-397. Largier I (nt. 1), 850. Ibid. RdU, c. 21 (DW V, 277, 4-6).
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mer anderswo hin“ 44 als zu Gott. Verlust des Vernünftigseins tritt ein, wenn die Vernunft sich den Kreaturen zukehrt. Das entspricht nicht ihrem Vernunftsein. Das ist Vernunftdestruktion und damit zerstörende substantiale Gefährdung des Menschen als ens rationale. „Zu den Kreaturen kehrt sie [die Vernunft] sich nicht, ihr geschehe denn Gewalt und Unrecht; sie wird da wirklich (rehte) gebrochen und verkehrt.“ 45 Eine substantiale Hinwendung der Vernunft zur Kreatur als deren erstrebte essentielle und teleologische Fundamentalorientierung verdirbt die vernünftige Seele des Menschen. Eine verdorbene und gebrochene Vernunft bei den Menschen wiederherzustellen ist Schwerstarbeit. Es bedarf dazu großen Fleißes, vieler Anstrengungen und Bemühungen 46. Eine durch die Kreaturen verbildete und so im wörtlichen Sinne verkehrte Vernunft vollständig zu restaurieren, vermag die verbildete Vernunft aus sich selbst heraus nicht. Ihre Verbildung hat sie so geschwächt, dass ihre Vernunftübung minimiert ist: „Denn so zu eigen und natürlich ihr [der Vernunft] Gott sei, sobald sie erst einmal verkeˆret wird und begründet wird mit den Kreaturen und mit ihnen verbildet und an sie gewöhnt ist, so wird sie an diesem Teil geschwächt und ungewaltic ihrer selbst und in ihrem edlen Streben (meinunge) so behindert, daß dem Menschen aller Fleiß, den er aufzubringen vermag, immer noch zu klein ist, sie völlig wieder zurückzugewöhnen.“ 47
Auf der Höhe der Vernunft zu sein, bedeutet Allgegenwärtigsein Gottes. Das hat zum Ertrag wahren Frieden und rechtes Himmelreich: „Wem Gott so gegenwärtig ist in allen Dingen und [wer] seine Vernunft im Höchsten beherrscht und gebraucht, der weiß allein von wahrem Frieden, und der hat ein rechtes Himmelreich.“ 48 Wem das Allgegenwärtigsein Gottes durch die Vernunft gegenwärtig ist, dem wird zugleich vernünfticlıˆches Warnen hinsichtlich internen und externen Schadens zuteil 49. Durch den höchsten Gebrauch der Vernunft kommt es zur theosis, zur Vergöttlichung des die Vernunft so Gebrauchenden. Er wird innen götlich: „Dis ist vor allen dingen noˆt: daz der mensche sıˆne vernunft wol und zemaˆle got gewene und üebe, soˆ wirt im alle zıˆt innen götlich.“ 50 Der Gebrauch der Vernunft steht für Eckhart nicht im Gegensatz zur Gnade 51. Wie Thomas 52 sagt er: „Gnade zerstört nicht die Natur, 44 45 46 47 48 49 50 51
52
Ibid., 277, 6 sq. Ibid., 277, 7 sq. Cf. ibid., 277, 9-11. Ibid., 277, 12-278, 2. Ibid., c. 7 (DW V, 211, 3-5). Cf. ibid., c. 8 (DW V, 212, 5-7). Ibid., c. 21 (DW V, 277, 4 sq.). Zu Eckharts Gnadenverständnis cf. Largier II (nt. 1), 904-909, und vor allem Largiers entsprechende Ausführungen in seiner Kommentierung von Sermo XXV (,Gratia dei sum id quod sum‘), in: G. Steer/L. Sturlese (eds.), Lectura Eckhardi II, Stuttgart 2003, 192-203. S. th. I, q. 1, a. 8, ad 2: „cum […] gratia non tollat naturam, sed perficiat.“
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sie vollendet sie.“ 53 Diese Aussage verbindet Eckhart mit der über einen freien Willen: „Der Mensch hat einen freien Willen, mit dem er Gutes und Böses wählen kann (gekiesen mac), und Gott legt ihm beim Übeltun den Tod und beim Rechttun das Leben vor. Der Mensch soll frei sein und ein Herr über alle seine Werke und unzerstört und ungezwungen. Gnaˆde enzerstœret niht die natuˆre, si volbringet sie […]. Ebenso sollen wir kein noch so kleines Gutes in uns zerstören, noch eine geringe Weise um einer großen willen, sondern wir sollen sie vollbringen in das Allerhöchste.“ 54
Der Mensch kann im ,vernunft merklıˆchen gebruˆchen‘ zwischen Gut und Böse, Leben und Tod wählen. Die Gnade ist die transzendentale Voraussetzung, also die Bedingung der Möglichkeit, der Freiheit. Sie wird als „Bedingung der Möglichkeit gesehen, die Welt und den Menschen nicht nur als etwas naturhaft und temporal Vermitteltes, also immer Unfreies zu denken. Der Begriff der Gnade ermöglicht es, die Welt und den Menschen als in ihrem Ursprung frei zu denken“ 55. Welt und sich selbst im Ursprung frei zu denken ermöglicht die Gnade. Denn die Gnade relationiert „auf die Rückkehr des Menschen in die göttliche Einheit“ 56, reditio ad unum. „Die gratia gratum faciens, die Eckhart als vernunfthaftes Eingehen des Menschen in den Grund seines Daseins deutet, befreit ihn radikal, konvergiert doch darin das diskursive und immer vermittelte Denken und Erkennen, durch das sich der Mensch auszeichnet, mit seinem Grund, der immer nur als vollkommene Unbestimmtheit zu denken ist.“ 57 Diese Konvergenz macht nach Eckhart die Freiheit aus 58. Indem für den die Gnade Empfangenden die Gnade, deren „werk […] ir gewerden“ 59 ist, „confirmatio, configuratio […] transfiguratio animae in deum et cum deo“ ist 60, wird er frei wie Gott, der ,ledic und vrıˆ‘ 61 ist. Die Gnade ist für Eckhart immer schon im Hegel’schen Sinne aufgehoben, „wo der Mensch 53 54 55
56 57 58 59 60
61
RdU, c. 22 (DW V, 289, 5 sq.). Ibid., 289, 2-10. Largier, Gratia dei sum (nt. 51), 197. Ibid., 197 sq.: „[…] bezieht sich doch die Gnade auf den Schnittpunkt zwischen göttlicher, ursprünglicher, also uneinholbarer Produktivität und kreaturhafter Wirklichkeit […]. Nur wenn der Grund dieser Wirklichkeit als absolute, unbestimmte Freiheit [Gott] und auch der Schnittpunkt zwischen dieser Freiheit und der kreaturhaften Bestimmtheit als vollkommen undeterminiert gedacht werde, können die Kreatur und der Mensch auch im Besonderen als frei konzipiert werden. Da die Gnade als ,Mittel‘ zwischen Unmittelbarkeit und Mittelbarkeit […] notwendigerweise paradoxen Status besitzt, wird sie von Eckhart gelegentlich als Kreatur, an anderer Stelle als göttlich, manchmal als Mittel, dann wieder als Negation aller Mittelbarkeit bezeichnet.“ Ibid., 199. Ibid. Cf. ibid. Pr. 11 (DW I, 177, 6 sq.). Sermo XXV/2, n. 263 (LW IV, 240, 3); In Ioh., n. 521 (LW III, 450, 3): „Gratia […] per se dat esse divinum.“ Pr. 1 (DW I, 9, 5).
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als Sohn Gottes“, also durch die Gottesgeburt qualifiziert, „gedacht und damit in die trinitarische Entfaltung Gottes vollständig einbezogen ist“ 62. Das wahre Haben Gottes, so Markus Enders 63, realisiert sich in der Sicht Eckharts nicht allein qua Vernunft, sondern ebenfalls durch das gemüete. Enders verweist neben RdU, DW V, 203, 1-3 und 9-11 auf RdU, DW V, 205, 2 sq.: „Diz wærlıˆche haben gotes liget an dem gemüete und an einem inniclıˆchen vernünftigen zuokeˆrenne und meinenne gotes.“ Nun sind m. E. Vernunft und gemüete nicht als Gegensatz, sondern inklusiv zu verstehen, denn gemüete kann definiert werden als „die Gesamtheit der Gedanken und Empfindungen“ 64. Also ist im gemüete die Vernunft enthalten. Gegenüber den Empfindungen ist Eckhart äußerst kritisch: „Duˆ ensolt niht groˆz wegen, wes duˆ enpfindest.“ 65 Entscheidend ist nicht das Empfinden, sondern das Wissen 66. Die Vernunft ist in dem gemüete als die „Gesamtheit der Gedanken und Empfindungen“ die regierende Größe, die auch die Empfindungen lenken muss, wenn denn das gemüete das erbringen soll, was es erbringen kann. Freilich ist das gemüete als gemüete dazu nur in der Lage, wenn es ein ledic gemüete ist. Dementsprechend hoch wertet Eckhart das Gemüt, genauer das ledige Gemüt: „Das ledige Gemüt vermag alle Dinge.“ 67 Drei Grunddaten bestimmen das ledige Gemüt 68: 1. ,an nichts gebunden‘, 2. ,des Seinen uˆzgegangen‘, 3. ,in den liebsten Willen Gottes versunken‘. Aus diesen drei Grunddaten des ledigen Gemütes ergeben sich dessen Dimensionen und Potenzen. Das heißt hinsichtlich des opus hominis: Aus dem ledigen Gemüt empfängt menschliches Werk Kraft und vermügen 69. Das Entscheidende, worauf der Mensch aus sein soll, ist jedoch nicht das Verrichten von Werken. Wird das als das Erste angesehen, kommt es zur verdinglichten Destruktion des Menschen. Die großen Werke bringen für das Wesen des Menschen nichts. Im Gegenteil: Sie leisten nicht nur keinen Beitrag zum Menschsein, sie sind sogar Verderben bringend. Das wirklich Geltende ist nicht das Werk, sondern das Sein. „Die nicht großen Seins sind, welche Werke die wirken, da wird nichts daraus.“ 70 Das Primäre, das, worauf es beim Menschen essentiell ankommt, ist nicht das Tun, sondern das Sein. Rechtes, Gott gemäßes Menschsein, Heiligkeit, ist nicht zu „gründen auf ein Tun“, sondern „auf ein Sein“ 71. Aus dem Sein ergibt sich das Tun. Diese Reihenfolge gilt. „Bist du 62 63 64 65 66 67 68
69 70 71
Largier, Gratia dei sum (nt. 51), 199. Enders, Die ,Reden der Unterweisung‘ (nt. 2), 86. M. Lexer, Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, Leipzig 321966, 61. RdU, c. 20 (DW V, 263, 2). Cf. ibid., 270, 1 sqq. Cf. ibid., 270, 1-4. Ibid., c. 2 (DW V, 190, 6 sq.). Ibid., 190, 8-14: „Waz ist ein ledic gemüete? Daz ist ein ledic gemüete, daz mit nihte beworren enist noch ze nihte gebunden enist noch daz sıˆn bestez ze keiner wıˆse gebunden enhaˆt noch des sıˆnen niht enmeinet in deheinen dingen, dan alzemaˆle in dem liebesten willen gotes versunken ist und des sıˆnen uˆzgegangen ist. Niemer enmac der mensche dehein soˆ snœde werk gewürken, ez enneme hier inne sıˆne kraft und sıˆn vermügen.“ Cf. die vorgehende nt. 68. RdU, c. 4 (DW V, 198, 6 sq.). Ibid., 198, 1 sq.
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gerecht, so sind auch deine Werke gerecht.“ 72 Deshalb verlangt Eckhart von den Menschen: „Die liute endörften niemer vil gedenken, was sie tæten; sie solten aber gedenken, waz sie wæren.“ 73 Man „soll allen Fleiß darauf legen, gut zu sein, nicht [aber] so sehr darauf, was man tue oder welcher Art die Werke seien, sondern wie der Grund der Werke sei.“ 74 II. Im Glauben und Einssein in dem Einen Des Menschen Wesen und Seinsgrund sind gut, und aus diesem Gutsein des Grundes folgt die Gutheit der Werke. Das wird dann wirksam, wenn „des menschen gemüete genzlıˆche ze gote sıˆ “ 75. Der Glaube, der ,ein götlıˆchiu tugent‘ ist, vereint als ein Licht mit dem göttlichen Licht 76. Er vermag das, was die Seele mit ihren Kräften nicht vermag, er trägt die Seele zu dem göttlichen Licht 77. Von der Einung mit Gott zeugen nicht Empfindungen oder Wahrnehmungen Gottes, sondern der wissende Glaube 78. Glaube ist nicht (fromme) Empfindung Gottes. Vielmehr gilt: „Je weniger du empfindest und je fester (groezlıˆcher) du glaubst, um so löblicher ist dein Glaube.“ 79 Glauben ist nicht Meinen oder frommes Fürwahrhalten, Glauben ist Wissen, wahres Wissen des Einen. „Ein ganzer Glaube ist viel mehr als ein Wähnen in dem Menschen. In ihm haben wir ein wahres Wissen. Fürwahr, uns gebricht es an nichts als an einem wahren Glauben.“ 80 Der Glaubende ist der Wissende, der die eine Wahrheit Gottes Wissende. Das macht die Notwendigkeit und Vernünftigkeit des Glaubens aus. Der Glaubende erkennt und weiß im Grunde der Seele den Grund Gottes. Der Mensch ist ein Gott Suchender. In dieser Suche stellt sich dem Gott Wissenden alles Gute, alle Tugend ein. „Suche Gott, so findest du Gott und alles Gute.“ 81 „Wer Gott anhaftet, dem haftet Gott an und alle Tugend. Und was du zuvor suchtest, das sucht nun dich.“ 82 „[…] wer Gott anhaftet grœzlıˆche, dem haftet alles an, was göttlich ist, und den fliehet alles, was Gott ungleich und fremd ist.“ 83 Das Gemüt des Menschen bedarf der uebunge, um den gegenwärtigen Gott überall strebend und liebend zu entdecken. „Der Mensch soll 72 73 74 75 76 77 78
79 80 81 82 83
Ibid., 197, 8. Ibid., 197, 6 sq. Ibid., 198, 7-9. Ibid., c. 5 (DW V, 199, 3 sq.). Pr. 32 (DW II, 142, 3 sq.). Ibid., 142, 4 sq. Haas, Mystik (nt. 40), 410: „Glauben und Wissen sind in der Sicht Meister Eckharts wesentliche Gehalte des Pilgerstands. Im Glauben findet der Mensch in eine Wahrheit, die alle Weltwahrheit in sich enthält und zudem […] die Wahrheit Gottes selbst vermittelt.“ RdU, c. 20 (DW V, 270, 1 sq.). Ibid., 270, 2-5. Ibid., c. 5 (DW V, 199, 8). Ibid., 200, 4 sq. Ibid., 200, 6-8.
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Gott in allen Dingen ergreifen und soll sein Gemüt daran gewöhnen, daß er alle Zeit Gott in der Gegenwärtigkeit in dem Gemüt und in der meinunge und in der Liebe habe.“ 84 Die Gegenwärtigkeit Gottes zu entdecken bezieht sich nicht, ja kann sich nicht auf die Gotteskonstruktionen des frommen Subjektes mit seinem Bedürfnis des ,Habens‘ beziehen. Orientierung nicht auf das Bewusstseinsprodukt Gott, sondern den wesenhaften Gott ist entschieden gefordert: „Der Mensch soll nicht haben, noch sich genügen lassen an einem gedachten Gott; denn, wenn der Gedanke vergeht, so vergeht auch der Gott. Man soll vielmehr haben einen wesenhaften Gott, der weit erhaben über die Gedanken des Menschen und aller Kreatur ist. Der Gott vergeht nicht, der Mensch wende sich denn mit Willen [von ihm] ab.“ 85
Dem wesenhaften Gott gilt die Ausrichtung des Gott suchenden Menschen, dem Gott, der ist, der in und aus sich selbst ist. Das ist der göttliche Gott. „Wer Gott […] im Sein hat, der nimmt Gott göttlich, und dem leuchtet er in allen Dingen.“ 86 Daraus ergibt sich der ontologisch-epistemologische indikative Imperativ: „[…] daß der Mensch sollte werden ein in allen Dingen Gott suchender und Gott findender Mensch zu aller Zeit und an allen Stätten und bei allen Leuten in allen Weisen. Darin mag man alle Zeit ohne Unterlaß zunehmen und wachsen und nimmer an ein Ende des Zunehmens kommen.“ 87
Dem göttlichen Gott gemäß wissend glauben und denken, ihn vernünfticlıˆche haben - das prägt nach Eckhart grundlegend Glauben und Vernunft, macht die Vernünftigkeit des Vernünftigen aus. Das vernünfticlıˆche haben des wesenhaften Gottes muss präzisiert werden. Der wesenhafte Gott ist der Eine. Diesem Einen zu korrelieren, ja mit dem Einen im Einen Eins zu sein, darin entscheidet sich und besteht authentisches Menschsein. Ausrichtung auf den Einen als den Einen ist vonnöten. In dieser Konzentration auf den Einen wird der Mensch das, was er im eigentlichen Sinne ist. Er wird Gott entsprechend; d. h. nicht in der Mannigfaltigkeit, der Zwei, ist er Mensch, sondern darin, einez in dem einen zu sein: „[…] so wie Gott keine Mannigfaltigkeit zu zerstreuen vermag, so vermag diesen Menschen nichts zu zerstreuen noch zu vermannigfaltigen, denn er ist einez in dem einen, da alle Mannigfaltigkeit eines ist und eine Nicht-Mannigfaltigkeit (unvermanicvalticheit) ist.“ 88
Einez in dem einen sein und unvermanicvalticheit charakterisieren ihn ontologisch. Halt in dem Einen zu finden, darauf kommt es an. Dem steht der Leistungskapitalismus des Menschen entgegen, der Stütze und Trost in den eigenen leis84 85 86 87 88
Ibid., Ibid., Ibid., Ibid., Ibid.,
c. 6 (DW V, 203, 1-3). 205, 5-9. 205, 10 sq. c. 22 (DW V, 289, 12-290, 3). c. 6 (DW V, 202, 8-10).
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tungsstarken Werken sucht. Große Freude, Stütze und Hoffnung haben die Menschen an ihren Werken wie Fasten, Wachen und anderen, insbesondere leistungsstarken, opera, „so daß ihnen ihre Werke Halt, Stütze und Verlaß sind. Das will unser Herr ihnen wegnehmen und will, daß er allein ihr Halt und Verlaß sei“ 89. Die selbstkonstruierten Stützen, die luˆter niht sind, lässt Gott zusammenbrechen. „Darum läßt der getreue Gott zu, daß seine Freunde oft in Schwachheit fallen, damit ihnen aller Halt abgehe, auf den sie sich neigen oder stützen (enthalten) könnten.“ 90 Die Pseudo-Halte müssen stürzen. Sie können nicht stützen. Gott soll den Menschen „Halt und Trost sein, und sie sollen als ein reines Nichts (luˆter niht) sich finden und erachten in all den großen Gaben Gottes“ 91. III. Der wahre, den Eig enwillen aufg ebende Gott Gehorsame Allein auf Gott soll der Mensch bauen 92. Das macht der Gehorsame. Darum wertet Eckhart den Gehorsamen sehr hoch. „Wahrer und vollkommener Gehorsam ist eine Tugend vor allen Tugenden.“ 93 Ohne Gehorsam kann „kein noch so großes Werk geschehen oder getan werden“ 94. Freilich geht es hier nicht um einen (generellen bzw. unqualifizierten) Gehorsam an sich, sondern um den teleologisch qualifizierten, den waˆren gehoˆrsame 95. Dieser „intendiert […] immer Gott und ist so als Preisgabe des Eigenwillens zugunsten des göttlichen Willens zu verstehen“ 96. Wahrer, also teleologisch-theologisch definierter, Gehorsam bringt produktiven Gewinn hinsichtlich des menschlichen Tuns. Er macht menschliches Tun, so gering es auch sei, nützer, edeler und bezzer 97. Wahrer Gehorsam „wirkt allewege das Allerbeste in allen Dingen“ 98. Das Tun des Menschen wird durch den wahren Gehorsam meliorisiert. Wahrer Gehorsam bringt nicht nur moralisch-ethische Meliorisierung, sondern auch transzendental-transzendenten Gewinn. „Wo der Mensch in Gehorsam des sıˆnen uˆzgaˆt und sich des Seinen entschlägt (des sıˆnen erwiget), ebenda muß Gott notgedrungen wieder hineingehen (got von noˆt wider ˆıngaˆn).“ 99 Gott kommt dann in den Menschen, wo dieser in wahrem Gehorsam des sıˆnen uˆzgaˆt. Des sıˆnen in wahrem Gehorsam uˆzgaˆn hat als Folge das Hineingehen, ja das Hineingehenmüssen Gottes. Dieses Muss Gottes ist, wie Loris Sturlese sagt, nicht mora89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99
Ibid., c. 19 (DW V, 260, 9-261, 3). Ibid., 260, 4-6. Ibid., 262, 1 sq. Ibid., 262, 5. Ibid., c. 1 (DW V, 185, 8). Ibid., 185, 9. Ibid., 185, 8; 186, 2, 4, 7. Largier II (nt. 1), 793. RdU, c. 1 (DW V, 186, 1 u. 4). Ibid., 186, 4 sq. Ibid., 187, 1 sq.
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lisch, sondern metaphysisch zu verstehen 100. Das „geistliche und moralische Leben“ benötigt bei Eckhart „keine asketischen und mystischen Handlungen, sondern eine metaphysische Grundlegung“ 101. Das Muss Gottes ist nicht als moralische Nötigung Gottes durch das des sıˆnen uˆzgaˆn seitens des Gehorsamen zu interpretieren, vielmehr drückt sich darin, dass ,got von noˆt wider ˆıngaˆn‘ müsse, „einfach ein objektiver Sachverhalt aus“ 102. Dieser objektive Sachverhalt stellt sich bei der sich ereignenden Negation der Verderben bringenden Selbstverdinglichung des Ichs und damit der Verneinung von deren naturalistischem Missverstehen von Mensch und Welt als seinsbegründende vorgeschöpfliche göttliche Dimension ein. „Verneinung des Selbst“ heißt dann „Verneinung von sich selbst als Ding, das eine falsche Selbständigkeit beansprucht“. Die „Einkehr Gottes“ ist „das Bewußt-werden, daß der Mensch, insofern, als er denkt und die Vernunft (intellectus inquantum intellectus) als Grund seiner verschiedenen Akte setzt, in einer nicht-dinghaften, sondern seinsbegründenden, vorkreaturalen und göttlichen Dimension lebt“. Eckhart entspricht mit seiner Lehre in bewusster Abgrenzung gegenüber den Franziskanern „der dominikanischen Tradition des Primats des Intellekts“. Ihm geht es darum, ein Grunddatum zu gewinnen, das es ihm erlaubt, „über eine naturalistische Interpretation der Welt und des Menschen hinauszugehen“; dieses ist: „die Anerkennung der unmittelbaren Abhängigkeit des Menschen von Gott als Vernunft.“ 103 Der den Eigenwillen als dinghafte Entfremdung von Mensch und Welt aufgebende Gott Gehorsame ist der wahre Mensch. „Nichts […] macht einen zum wahren Menschen als das Aufgeben des Willens.“ 104 Desaströse Entfremdungen von Gott 105, Mensch und Welt verdanken sich dem verdinglichten Geschäft des Eigenwillens. „Alles Gestürm und aller Unfrieden kommt allemal vom Eigenwillen.“ 106 Produkt des verdinglichenden Eigenwillens, dessen man sich zu entschlagen hat, ist auch alle aus „Trägheit und von kleiner minne“ herkommende gotes süezicheit, alles süße Gottesgefühl 107. Entäußerung des Eigenwillens befreit den Menschen von den Verdinglichungen in Bezug auf Gott, Mensch und Welt und lässt ihn gotvar werden. „Fürwahr, ein Mensch, der sich des Seinen ganz entäußert hätte, der würde so mit Gott umhüllt, daß alle Kreaturen ihn nicht zu berühren vermöchten, ohne zuerst Gott zu berühren; und was an ihn kommen sollte, das müßte durch Gott an ihn kommen, da nimmt es seinen Geschmack und wird gotthaft (gotvar).“ 108
100 101 102 103 104 105 106 107 108
L. Sturlese, Meister Eckhart. Ein Porträt (Eichstätter Hochschulreden 90), Regensburg 1993, 9. Ibid., 9 sq. Ibid., 9. Ibid., 12 sq. RdU, c. 11 (DW V, 226, 4 sq.). Ibid., 230, 8: „Ja, je mehr wir [uns] zu eigen sind, um so weniger sind wir [Gott] zu eigen.“ Ibid., c. 21 (DW V, 282, 11-283, 1). Ibid., 283, 5-8. Ibid., c. 11 (DW V, 228, 9-229, 2).
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Ontologisch bedeutsam ist das Zunichtewerden unseres Eigenwillens, „denn unser ganzes Sein liegt in nichts als in einem Zunichtewerden (niht-werdenne)“ 109. Daher ist das Werk ,vernihten sıˆn selbes‘ substantialontologisch relevant 110. Jedoch das ,vernihten sıˆn selbes‘ aus sich selbst genügt nicht, ist mangelhaft. Gott muss das Vollbringen in uns selbst ausführen, da es sonst nicht gelingt 111. Dem entspricht durch Gott der Demütige. Der Demütige realisiert durch Gott das Vernichten seiner selbst. „Dann erst ist die Demut vollkommen genug, wenn Gott den Menschen demütigt mit dem Menschen selbst.“ 112 „Das Evangelium sagt: ,Wer sich erniedrigt, der wird erhöht werden‘ [Mt. 23, 12; Luc. 14, 11) […]. Er [der Mensch] soll sich selbst erniedrigen, und dasselbe kann nicht genug geschehen, Gott tue es [denn].“ 113 Im Grunde der Demütigung liegt die höchste Erhöhung und tiefste Tiefe 114: „Die Höhe und die Tiefe sind eins. Je mehr sich darum einer erniedrigen kann, um so höher ist er und darum sprach unser Herr: ,Wer der Größte sein will, der werde der Geringste unter euch‘. Wer jenes sein will, der muß dieses werden. Dieses Sein ist nur zu finden in diesem Werden.“ 115
„Des raˆmet got in allen dingen, daz wir den willen uˆfgeben.“ 116, denn Eigenwille produziert ständig Unordnung und Unfrieden der Dinge 117. Wo das Zunichtewerden des Eigenwillens nicht geschieht, gedeiht unordentliche Verkehrung. Diese liegt nicht an den Stätten, Leuten, Weisen, Mengen oder Werken, sondern „du bist es in den Dingen selbst, was dich hindert, denn du verhältst dich verkehrt (unordenlıˆche) in den Dingen“ 118. Der Eigenwille in den Dingen untergräbt die Ordnung der Dinge. In uˆzwendigen dingen ist kein Frieden zu finden, es sei „an Stätten oder in Weisen, bei Leuten oder in Werken, in der Fremde (ellende) oder in Armut oder in Erniedrigung […], was es auch sei, das ist dennoch alles nichts und gibt keinen Frieden“ 119. Die durch den Eigenwillen produzierten Unordnung und Unfrieden können nur durch das Zunichtewerden des Eigenwillens begrenzt und beseitigt werden. „Darum fang zuerst bei dir selbst an und laß dich! Wahrlich, fliehst du nicht zuerst dich selbst, wohin du fliehst, da findest du Hindernisse und Unfrieden, es sei, wo es [auch] sei.“ 120 109 110 111
112 113 114 115 116 117
118 119 120
Ibid., c. 23 (DW V, 294, 7 sq.). Ibid., 292, 6 sq.: „Ein Werk bleibt [sc. dem Menschen] […], das ist: ein vernihten sıˆn selbes.“ Ibid., 292, 7 sq.: „Doch ist das Vernichten […], wenn Gott es nicht in einem selbst vollbringt, mangelhaft ([es] gebrichet ihm).“ Ibid., 292, 9 sq. Ibid., 293, 1-4. Ibid., 293, 5 sq.: „[…] diu hœhste hœhe der hoˆcheit liget in dem tiefen grunde der deˆmüeticheit.“ Ibid., 293, 8-294, 4. Ibid., c. 11 (DW V, 225, 10). Ibid., c. 3 (DW V, 192, 4 sq.): „[…] niemals steht ein Unfriede in dir auf, der nicht von dem Eigenwillen kommt.“ Ibid., 193, 1 sq. Ibid., 193, 6-194, 1. Ibid., 193, 3-5.
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Wo der Eigenwille den Menschen beherrscht, gedeiht nicht der schöpferische Wille des Menschen. Eckhart unterscheidet zwischen einem 1.) zufälligen (accidentalis) bzw. ,unwesentlichen‘ (non-essentialis) Willen und 2.) einem Willen, der ein zuoverhengender (entscheidender), machender (schöpferischer) und gewenter (eingewöhnter) Wille ist 121. Allein im zweiten Willen, „in dem der Mensch seinen Eigenwillen überwunden hat“, vermag „die Seele Gottes Gaben zu empfangen und in der Einheit mit Gott zu wirken“ 122. Eingebildet und eingeformt in den Willen Gottes kann sich der schöpferische Wille des Menschen fruchtbar entfalten. „So soll der Mensch von göttlicher Gegenwart durchdrungen sein und mit der Form seines geliebten Gottes durchformt sein und in ihm verwesentlicht sein.“ 123 Das Durchdrungen-, Durchformt- und Verwesentlichtsein durch die Formung Gottes ist also das Entscheidende: „Da ist der Wille vollkommen (ganz) und gerecht, wenn er ohne jedes Für-sich-selbstHaben (eigenschaft) ist und wo er seines Selbst uˆzgegangen ist, und in den Willen Gottes hineingebildet und geformt ist. Ja, je mehr dies ist, um so rechter und wahrer ist der Wille. Und in solchem Willen vermagst du alles.“ 124
Da der Wille alles vermag, kommt es darauf an, dass ich meines Willens leer werde, damit der gute, das ist der von Gottes Willen überformte Wille 125, in mir geschieht. Der eigenschaftliche Eigenwille, der immer irgendetwas in Gott haben will, verfehlt in diesem Haben sich und Gott 126. Dem Gott zu eigenen Menschen wird Gott gänzlich zu Eigen 127: „Gott gab sich nie noch gibt er sich je in irgendeinen fremden Willen. Nur in seinen eigenen Willen gibt er sich. Wo aber Gott seinen Willen findet, da gibt er sich ein und 121 122 123 124
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127
Ibid., c. 21 (DW V, 280, 3-5). Largier II (nt. 1), 800. Cf. RdU, c. 21 (DW V, 281, 3-12). RdU, c. 6 (DW V, 208, 11-209, 1). Ibid., c. 10 (DW V, 218, 9-12). Cf. auch ibid., c. 11 (DW V, 227, 5-8): „Das allein wäre ein vollkommener und ein wahrer Wille, daß man ganz in Gottes Willen getreten und ohne Eigenwillen wäre; und wer darin mehr [erreicht] hat, der ist um so mehr und wahrer in Gott versetzt.“ Enders, Die ,Reden der Unterweisung‘ (nt. 2), 90: „[…] der gute und vollkommene Wille [ist] per definitionem der von dem göttlichen Willen gänzlich überformte Wille.“ Pr. 62 (DW III, 58, 2-59, 4): „Die irgend etwas in Gott suchen - es sei Wissen, Erkennen oder Andacht oder was es sei -, findet man es, so findet man Gott nicht, obzwar einer Wissen, Erkennen, Innerlichkeit findet, was ich durchaus anerkenne; es bleibt ihm aber nicht. Sucht er aber nichts, so findet er Gott und alle Dinge in ihm, und die bleiben ihm. Ein Mensch soll nichts suchen, weder Erkennen noch Wissen noch Innerlichkeit noch Andacht noch Ruhe, sondern allein Gottes Willen.“ Enders, Die ,Reden der Unterweisung‘ (nt. 2), 91: „Gänzlich zu eigen ist Gott als Gott dem Menschen aber erst dann, wenn der Mensch ihm zu eigen, wenn also Gottes eigener Wille im Menschen uneingeschränkt wirksam und damit Gott selbst zum Subjekt der Verfügungsgewalt über den Menschen geworden ist. Denn eine Willenseinigung zwischen Mensch und Gott ist wegen der absoluten Einheit Gottes rein metaphysisch nur möglich in Form einer Aufhebung der Eigenwirksamkeit und damit der immanent differenten Struktur des menschlichen Willens und deren Ersetzung durch die Wirksamkeit des göttlichen Willens.“
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läßt er sich in ihn hinein mit allem dem, was er ist. Und je mehr wir des unsern entwerden, um so wahrhaftiger werden wir in diesem.“ 128 „Es ist rehte ein glıˆch widergelt und glıˆcher kouf: So weit du ausgehst aus allen Dingen, so weit […] geht Gott mit allem dem Seinen ein.“ 129
IV. Der Gelassene, der durch ausbrechende Innerlichkeit Ge prägte und der ar me abg eschiedene Freie Bestimmt der Eigenwille intentional das Verhältnis des Menschen zu den Dingen, entspricht das einer Gefangenschaft und Knechtung durch die eigene Intention und die Dinge. 130 Diese sind ontologisch, epistemologisch und moralisch desaströs für den Menschen. Ungelassenheit stellt sich ein. Ungelassene Leute sind ,voll Eigenwillens‘ 131. Gelassenheit 132 ist notwendig, um der vom Eigenwillen verursachten Gefangenschaft hinsichtlich Gott, Mensch und Welt die Basis ihrer Versklavungen zu entziehen. Die Gelassenheit ist (wie Armut und Abgeschiedenheit) ontologisch, epistemologisch und moralisch dimensioniert. Sein Sein, Erkennen und Handeln stellt der Gelassene „ganz Gott anheim“ unter Verzicht auf jede kreatürliche Selbstversicherung mittels eigener Intentionalität oder einer „vernunfthaften Repräsentation der Welt“ 133. Wie gelangt der Mensch nun zu der für sein Gottes-, Selbst- und Weltverhältnis essentiellen Gelassenheit? Wie gedeiht diese? Eckharts Antwort ist klar: „[…] wer am allermeisten entbehren und verschmähen kann, der hat am allermeisten gelassen.“ 134 Wer Frieden sucht, der „soll zuerst sich selber lassen, dann hat er alle Dinge gelassen“ 135. Das Sich-selbst-Lassen bewirkt die Gelassenheit gegenüber allen Dingen. „Ja […] läßt der Mensch sich selber, was er auch behält, es sei Reichtum oder Ehre oder was es sei, so hat er alle Dinge gelassen.“ 136 Freiheitliche Verfügungsgewalt gegenüber Letzteren wird dem Gelassenen im Sich-selbst-Lassen wirklich zuteil: „Denn wer seinen Willen und sich selber läßt, der hat alle Dinge so wirklich gelassen, als wenn sie sein freies Eigentum gewesen wären und er sie besessen hätte mit voller 128 129 130 131 132
133 134 135 136
RdU, c. 21 (DW V, 281, 5-9). Ibid., c. 4 (DW V, 197, 1-3). Cf. Largier II (nt. 1), 794. RdU, c. 3 (DW V, 191, 5). Grunddimensionen der Eckhart’schen Gelassenheit sind bei Largier I (nt. 1), 959-962, skizziert. Cf. auch E. A. Panzig, Gelaˆzenheit und abegescheidenheit - zur Verwurzelung beider Theoreme im theologischen Denken Meister Eckharts, theol. Diss., Leipzig 2003, 35-66, 120-180. Largier I (nt. 1), 960. RdU, c. 23 (DW V, 300, 8 sq.). Ibid., c. 3 (DW V, 194, 3 sq.). Ibid., 194, 6-8. Pauperismus ist für Eckhart ausgeschlossen. Panzig (Gelaˆzenheit [nt. 132], 57) schreibt: „Wesentlich ist nicht das Lassen von Etwas (rıˆchtuom oder ˆere), also das gelassen Haben, sondern das gelassen Sein.“
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Verfügungsgewalt. Denn was du nicht begehren willst, das hast du alles übergeben und gelassen um Gottes willen.“ 137
Auf den Punkt kommt die Gelassenheit des Gelassenen im Lassen Gottes. Das ist der gänzliche Verzicht und Abschied von allen anthropologisch voluntativ und intellektualistisch errichteten Gottesbildern, die letztlich Gott zum Gegenstand des Wollens und Erkennens ,mit Eigenschaft‘ seitens des kreatürlichen Subjektes machen und ihn damit totaliter ontologisch, epistemologisch und moralisch Verderben bringend verfehlen. Das Lassen Gottes ist das normative Kriterium der Gelassenheit. An ihm entscheidet es sich, ob jemand gelassen ist oder nicht. „Es ist kein Rat so gut, Gott zu finden, dan waˆ man got læzet“ 138. Gelassenheit ist der „Verzicht auf alles ,Warum‘, also auf alle Intentionalität und auf die Bestimmtheit eines Wegs, der zu Gott führen könnte“ 139. Weshalb ist das Gott-Lassen der entscheidende Punkt der Gelassenheit des Gelassenen? Er ist es deshalb, weil der Gelassene sich erst als solcher erweist, wenn er ein Gott-in-sich-wirken-Lassender ist. Gott kann aber nur dann in ihm wirken, wenn die eigenschaftlichen Gottesbilder kreatürlicher Konstruktionen nicht mehr Raum im Menschen haben, wenn sie Nichts 140 sind, wenn der Mensch ihrer leer ist. Auf das eine kommt es an: „Laˆz got würken in dir.“ 141 Dieses innere Wirken Gottes - auf welche Weise auch immer (qua Natur oder Gnade), das kümmere den Menschen nicht 142 - zeichnet den Gelassenen aus. Der Gott in sich wirken lassende Gelassene wird so in ein Gelassensein gestellt, was „auch einen Zustand der Ruhe und der Fülle, in dem der Mensch in der Liebe Gottes alles von Gott empfängt“ 143, bedeutet. Der Gelassene ist der in Freud und Leid sich gänzlich Gott Überlassende. Nicht Zustände und Verfasstheiten, nicht innerliche oder äußerliche Befindlichkeiten zählen hier. Vielmehr gilt in Freude und Leid, Ehre und Schmach, „daß sich der Mensch gänzlich Gott überlasse, so daß, wenn er [Gott] irgend etwas ihm aufbürden wolle, es sei Schmach, Mühsal oder was es sonst für ein Leiden sei, er es mit Freuden und Dankbarkeit annehme und sich mehr von Gott führen lasse, als daß der Mensch sich selbst darein setze. Und darum lernt gern von Gott in allen 137 138
139 140 141 142
143
RdU, c. 3 (DW V, 195, 4-7). Ibid., c. 11 (DW V, 225, 3). Largiers Kommentar zu dieser Stelle: „In der Aufforderung, selbst Gott zu lassen, formuliert Eckhart die radikale Konsequenz seines Postulats der Gelassenheit. Insofern darin vom Menschen verlangt wird, alle Vorstellungen und Erkenntnisbilder, alles eigene Wollen und das Ich zu überwinden, beinhaltet dies auch, von Gott zu lassen, insoweit er ein Objekt des eigenen Wollens und Erkennens ist. Erst dann kann sich der Mensch mit dem göttlichen Willen vereinen“ (Largier II [nt. 1], 796). Largier I (nt. 1), 959. Zum Nichts bei Eckhart cf. Kern, Gottes Sein (nt. 33), 137-211. RdU, c. 23 (DW V, 307, 2). Ibid., 307, 2-7: „Laß Gott in dir wirken, dem gip daz werk und kümmere dich nicht darum, ob er mit der Natur oder übernatürlich (ob der natuˆre) wirke; beides, die Natur und die Gnade, ist sein. Was geht es dich an, womit zu wirken ihm füglich ist oder was er wirke in dir oder einem andern? Er soll wirken, wie oder was oder in welcher Weise es ihm paßt.“ Largier I (nt. 1), 961.
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Dingen und folgt ihm, so wird es euch recht! Und dabei kann man auch Ehre oder Wohlbehagen (gemach) hinnehmen. Befiele aber Ungemach und Unehre den Menschen, so würde man auch die ertragen und gern ertragen wollen.“ 144
Eckhart betont den groˆzen vrume 145, das ist Nutzen, Gewinn, ja Vorteil, des Leidens 146. Jedoch zieht er daraus nicht den Schluss, dass der Mensch sich selbst ins Leiden versetzen sollte. Vielmehr gilt der groˆze vrume des Leidens nicht dem menschlichen Selbstversetzen ins Leiden, sondern dem Menschen, der von Gott ins Leiden versetzt wurde 147. Aber obwohl sich hier Segen und Nutzen des Leidens für den Menschen eröffnen 148, lässt Gott das Leiden, in das er den Menschen hineinführt, nicht eskalieren, sondern begrenzt es auf ein gerechtes Maß: „Und das ist […] die Ursache dafür, daß Gott seine Freunde großen und vielen Leides enthebt; sonst könnte das seine unermeßliche Treue gar nicht zulassen, weil so viel und so großer Segen (vrume) im Leiden liegt, und er die Seinen nichts Gutes versäumen lassen will […]. Er aber läßt es sich wohl genügen an einem guten gerechten Willen; sonst ließe er ihnen kein Leiden entgehen um des unaussprechlichen Segens (unzellıˆchen vrumen) willen, der in dem Leiden liegt.“ 149
In den RdU ist in nuce Wesentliches des Eckhart’schen Leidensverständnisses 150 überhaupt, wie es sich nachdrücklich im ,Buch der göttlichen Tröstung‘ zeigt, greifbar 151. Durch profilierte Innerlichkeit ist der Gelassene gestaltet, d. h. er lebt in und aus profilierter Innerlichkeit 152. Seinem Inneren soll der Mensch weder entweichen noch von ihm abfallen, es nicht negieren 153. Diese Innerlichkeit darf aber nicht missverstanden werden als ein quasi geschlossenes System untätiger inne144 145 146
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RdU, c. 18 (DW V, 256, 8-257, 4). Ibid., 257, 8. Laut Lexer heißt vrume: ,Nutzen, Gewinn, Vorteil‘. Cf. Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch (nt. 64), 300. Cf. RdU, c. 18 (DW V, 256, 10-257, 1). Ibid., c. 11 (DW V, 231, 7 sq.): „In der waˆrheit, dem reht wære und mit gote wol künde, dem würde alliu solchiu lıˆdunge und ˆınvelle ze groˆzem vrumen.“ In dem Traktat ,Von abegescheidenheit‘ (DW V, 433, 1-3) heißt es: „Das schnellste Tier, das euch zu dieser Vollkommenheit [sc. der Gotteserkenntnis und Tugend] trägt, ist Leiden; denn es genießt niemand mehr ewige Süßigkeit als die, die mit Christus in der größten Bitterkeit stehen.“ RdU, c. 18 (DW V, 257, 6-258, 3). Cf. Kern, Gottes Sein (nt. 33), 234-242; Largier II (nt. 1), 771-773. Enders, Die ,Reden der Unterweisung‘ (nt. 2), 91: „Eckharts Leidenslehre […] ist bereits in den Reden präsent: Jedes den […] von Gott selbst bewegten Menschen treffende Leid trifft zuerst auf Gott, nämlich auf das Tätigkeitsprinzip dieses Menschen, und gewinnt […] göttliche Qualität, da der Mensch das Leiden als Gottes Wille und darin Gott selbst an- und in sich aufnimmt. Daher kann“ - kein solches Leiden, nicht wie M. Enders meint: „kein Leiden“ - „einem solchen Menschen schaden“, sondern „müssen alle Dinge dem [durch Gott] Guten zum Guten gereichen.“ Cf. RdU, c. 11 (DW V, 231, 7-10). RdU, c. 21 (DW V, 276, 10-12): „Der mensche sol alle sıˆne krefte dar zuo wenen und keˆren und gegenwertic haben sıˆne inwendicheit.“ Ibid., c. 23 (DW V, 291, 3 sq.).
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rer bei sich selbst verharrender Selbsterbauung. Vielmehr erwächst aus profilierter Innerlichkeit innere und äußere Wirksamkeit: „[…] in dem und mit dem und aus dem [Innern] soll man so wirken lernen, daß man die Innerlichkeit breche in die würklicheit (Wirksamkeit) und die Wirksamkeit ˆınleite in die Innerlichkeit und daß man sich so gewöhne, lediclıˆche (freiheitlich) zu wirken.“ 154 „Denn man soll das Auge zu diesem inwendigen Werke kehren und daraus wirken […] äußeres Werk.“ 155
In dem Sermo XXXII bestimmt Eckhart mit Rückgriff auf Augustin den Glauben 156 „als Prinzip und Medium der Einheit, in die alle Divergenzen von Drinnen und Draußen […] ein-, aber nicht untergehen, sondern […] aufgehoben sind“ 157. Freiheitlich aus dem Innern zu wirken, daran gewöhne man sich. So soll man wirken lernen. Damit sind nicht alle Divergenzen zwischen Innen und Außen aufgehoben. Im Konfliktfall zwischen Innen und Außen gibt Eckhart folgenden Rat: „Will aber das äußere Werk das innere zerstören, so folge man dem inneren. Könnten aber beide in Einem sein, das wäre das Beste, auf daß man ein Mitwirken mit Gott hätte.“ 158 Inneres und Äußeres in Einem - das ist Gott gemäß. Ereignet sich dieses, dann geschieht cooperatio dei. Der durch die in die Wirksamkeit ausbrechende Innerlichkeit Geprägte entspricht der Einheit von Innen und Außen in dem Einen. Es ist wahr, dass der Mensch sich nach außen kehren muss, „jedoch sind die äußeren Erscheinungsformen (uˆzercheit der bilde) den geübten Menschen nicht äußerlich, denn alle Dinge sind den inwendigen Menschen eine inwendige göttliche [Seins-]Weise“ 159. Die innere Armut ist „die notwendige und hinreichende Bedingung dafür […], daß Gott sich selbst dem Menschen zu eigen gibt“ 160 - und das mit größter Wonne und Lust 161 -, „daß er des Menschen Werke wirkt“ 162. „Gott muß sie [sc. deine Werke] wirken, wenn du nur ihn im Sinne hast (meinest duˆ in aleine), er wolle oder wolle nicht.“ 163 Dies Alleine-Gott-Meinen darf nicht ,eigenschaftlich‘ missinterpretiert werden. Es ist nicht Produkt menschlicher Anstrengung und Konzentration. Es verdankt sich allein dem, „daß ich durch ihn [Gott!] mıˆn selbes uˆzgaˆn“ 164 bin. Das hat der Arme 165 begriffen. Er geht nicht 154 155 156
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Ibid., 291, 5-7. Ibid., 291, 7-9. Sermo XXXII, n. 331 (LW IV, 289, 4-6): „Idem [Augustinus] De trinitate XIII c. 5 [3]: ,rerum absentium praesens est fides, rerum quae foris sunt intus est fides, rerum quae non videntur videtur fides‘.“ Haas, Mystik (nt. 40), 391. RdU, c. 23 (DW V, 291, 9-11). Ibid., c. 21 (DW V, 277, 1-3). Cf. ibid., c. 23 (DW V, 298, 4-7): „Wider daz, daz ich mıˆn selbes uˆzgaˆn durch in, daˆ wider sol got mit allem dem, daz er ist und geleisten mac, alzemaˆle mıˆn eigen sıˆn, rehte mıˆn als sıˆn, noch minner noch meˆr.“ Ibid., 296, 8-297, 1: „Daˆ wil er selber aleine und alzemaˆle unser eigen sıˆn. Diz wil er […] und disem laˆget er aleine, daz er ez müge und müeze sıˆn. Hier ane liget sıˆn grœstiu wunne und spil.“ Enders, Die ,Reden der Unterweisung‘ (nt. 2), 91. RdU, c. 23 (DW V, 306, 9). Ibid., 298, 5. Zum Armen bei Eckhart cf. Kern, Gottes Sein (nt. 33), 78-97.
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,eigenschaftlich‘, sondern freiheitlich mit sich, Gott und Welt um. „Der hat keinen Eigenbesitz (niht eigenschaft), der nichts begehrt noch haben will, weder an sich selbst noch an alledem, was außer ihm ist, ja weder an Gott noch an allen Dingen.“ 166 So versteht Eckhart den nicht-habenden alles-habenden armen Freien bzw. freien Armen: „Willst du wissen, was ein wahrhaft armer Mensch ist? Der Mensch ist wahrhaft arm im Geist, der alles das wohl entbehren kann, was nicht nötig ist.“ 167 „Der ist viel sæliger 168, der alle Dinge entbehren kann und ihrer nicht bedarf, als der, der alle Dinge besessen hat mit noˆtdurft. Der Mensch ist der beste, der das entbehren kann, was ihm nicht not tut (des er keine noˆt enhaˆt).“ 169
Der freie Arme hat das rechte Himmelreich 170. Weil der freie Arme durch Gott ,recht‘ ist, empfängt er „im Darben ebenso wie im Haben“ 171. Der Arme ist der Abgeschiedene. Dieser setzt auf das reine Nichts, in dem „Gott nach seinem Willen uneingeschränkt wirken kann“ 172. Wer sich nicht genügen lässt an einem gedachten Gott (gedaˆhten gote), sondern auf einen wesenhaften Gott (gewesenden got) setzt, wer also „Gott […] im Sein hat, der nimmt Gott göttlich, und dem leuchtet er in allen Dingen […]. In ihm blicket Gott allezeit, in ihm ist ein abegescheiden abekeˆren und ein ˆınbilden seines geliebten gegenwärtigen Gottes“ 173. Abgeschiedenheit 174 steht ,ledic aller creˆatuˆren‘ und unterscheidet sich dadurch radikal von allen anderen Tugenden, die irgendein ,uˆfsehennes uˆf die creˆatuˆre‘ charakterisiert 175. Das abegescheiden abekeˆren und das ˆınbilden seines geliebten gegenwärtigen Gottes sind die beiden Grunddaten, die den Abgeschiedenen als solchen ausweisen. Beides gehört in ihm zusammen. In die Leere, in das Nichts des abegescheiden abekeˆren geschieht das ˆınbilden Gottes. Die Abgeschiedenheit des Abgeschiedenen darf jedoch nicht punktuell, des menschen gemüete nicht „abegescheiden […] in einem gegenwertigen puncten“, im Sinne eines chronologischen (vielleicht ein für allemal erreichten), präsentischen und abgeschlos166 167
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173 174 175
RdU, c. 23 (DW V, 299, 7-9). Ibid., 300, 2-5: „Darum sprach der, der nackt in der Tonne saß, zu dem großen Alexander, der alle Welt unter sich hatte: ,Ich bin‘, sprach er, ,ein viel größerer Herr, als du bist; denn ich habe mehr verschmäht, als du in Besitz genommen hast. Was du groß achtest zu besitzen, das ist mir zu klein zu verschmähen‘.“ Sæliger heißt nach Lexer: ,glücklicher, seliger‘. Cf. Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch (nt. 64), 175. RdU, c. 23 (DW V, 300, 6-8). Ibid., 300, 12-301, 2: „Der Mensch hätte ein rechtes Himmelreich, der um Gottes willen auf alle Dinge verzichten könnte, was [immer] Gott gäbe oder nicht gäbe.“ Ibid., 306, 1 sq. M. Enders, Abgeschiedenheit des Geistes - höchste ,Tugend‘ des Menschen und fundamentale Seinsweise Gottes, in: Theologie und Philosophie 71 (1996), 63-87, hier: 82. RdU, c. 6 (DW V, 205, 6, 8, 10-206, 1). Zur Debatte um Eckharts abegescheidenheit cf. Panzig, Gelaˆzenheit (nt. 132), 67-180. Von abegescheidenheit (DW V, 401, 6 sq.). Diese Aussagen zur Abgeschiedenheit in dem Traktat ,Von abegescheidenheit‘ korrespondieren denen in den RdU.
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senen kairos gedacht werden 176. Geboten ist dagegen wolgeüebete abegescheidenheit 177. Deren Ertrag ist das Wegräumen der menschlichen unbereitschaft. Mit wolgeübeter abegescheidenheit „kann man große Dinge von Gott empfangen und Gott in den Dingen […]. Ist man unbereit, so verdirbt man Gabe und Gott mit der Gabe. Das ist auch der Grund, weshalb uns Gott nicht allzeit [so] geben kann, wie wir es erbitten […]. Wir tun ihm [Gott] Gewalt und Unrecht mit dem an, daß wir ihn mit unserer unbereitschaft hindern in seinem natürlichen Wirken.“ 178
Kraft und Wesen empfängt der Abgeschiedene aus dem Einen, wenn er ,einez in dem einen‘ 179 ist. Dann ist er der Freie: „So soll der Mensch von göttlicher Gegenwart durchdrungen (durchgangen) sein und mit der Form seines geliebten Gottes durchformt sein und ihm verwesentlicht sein, daß ihm seine Gegenwart leuchtet ohne alle Arbeit, vielmehr: eine bloˆzheit neme in allen dingen und der dinge zemaˆle ledic blıˆbe.“ 180
Durchdrungen, durchformt, verwesentlicht durch Gott stellt sich Freiheit ein. Der so Gestaltete bleibt den Dingen gegenüber völlig frei. Dementsprechend lernt man, „daß man mitten im Wirken ungebunden sei (ı´n den werken ledic sıˆ )“ 181. Gott gibt sich uns selber und alle Dinge zu freiem Eigenen (vrıˆen eigene). Der uns aller eigenschaft entledigen wollende Gott qualifiziert uns zu solchen, die freiheitlich handeln können. Darum sollen wir, da wir durch Gott dazu befähigt sind, ohne eigenschaft mit den Dingen frei umgehen 182, ledig allen uns versklavenden Besitzens der Dinge. Sie sind uns (nur) geliehen. „Wir sollen alle Dinge [so] haben, als ob sie uns geliehen sind und nicht gegeben, aˆne alle eigenschaft, es sei Leib oder Seele, Sinne, Kräfte, äußeres Gut oder Ehre, Freunde, Verwandte, Haus, Hof, alle Dinge.“ 183 Gott will mit grœstiu wunne und spil 184 „selber allein und gänzlich unser eigen sein“ 185. Weil Gott allein und ganz unser Eigen sein will 186 - und das ist das spil Gottes 187 -, schließt sich ,eigenschaftlicher‘ Umgang mit den Kreaturen für den durch Gott Freien aus, denn „je mehr wir alle Dinge zu eigen haben, um so weniger haben wir ihn [Gott] zu eigen“ 188. Es kommt tatsächlich zum fröhlichen Wechsel und seligen Tausch: 176 177 178 179 180 181 182
183 184 185 186
187 188
RdU, c. 21 (DW V, 280, 6 sq.). Ibid., 280, 8. Ibid., 280, 9-281, 2. Ibid., c. 6 (DW V, 202, 9 sq.). Ibid., 208, 11-209, 2. Ibid., c. 21 (DW V, 275, 10). Ibid., c. 23 (DW V, 295, 3-5): „Dar umbe, als got uns sich selber und alliu dinc wil ze einem vrıˆen eigene geben, dar umbe wil er uns alle eigenschaft gar und zemaˆle benemen.“ Ibid., 296, 4-6. Ibid., 297, 1. Ibid., 296, 8. Ibid., 296, 8 sq.: Gott will „selbst alleine und gänzlich (alzemaˆle) unser eigen sein. Dies will er und dies meinet er, und darauf alleine hat er es abgesehen, daß er es sein müge und müeze“. Ibid., 297, 1. Ibid., 297, 2 sq.
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„Daß wir uns frei (bloˆz) halten der Dinge, die außer uns sind, dafür will Gott zu eigen geben alles, das in dem Himmel ist, und den Himmel mit aller seiner Kraft, ja alles, das aus ihm je floß […], daß das uns ebenso zu eigen sei wie ihm […]. Dafür, daß ich mıˆn selbes uˆzgaˆn durch in, dafür wird Gott mit allem, was er ist und geleisten mac, ganz und gar (alzemaˆle) mein Eigen sein, ganz so mein wie sein […]. Tausendmal mehr wird er mein Eigen sein, als je ein Mensch ein Ding gewann […] oder ihm je zu eigen wurde. Nie wurde etwas einem so zu eigen, wie Gott mein wird sein mit allem, was er vermag und ist.“ 189
Gott zahlt das widergelt der Freiheit. V. Der Sünder Sünde 190 - welcher Art sie auch ist, wann und wo auch immer sie geschieht - soll der Mensch nicht tun wollen: „Der mensche ensol niht sünde wellen tuon umbe allez, daz geschehen mac in zıˆt oder in ˆewicheit, weder tœtlıˆche noch tegelıˆche noch deheine sünde.“ 191 Göttliches Leben steht gegen sündiges Leben 192. Gott und Sünde vertragen sich nicht. Diesen allgemein christlichen Gedanken in den RdU vertritt Eckhart auch in seinem übrigen Schrifttum und baut ihn metaphysisch aus. Sünde ist als malum 193 gemäß (neu)platonischer Tradition 194 privatio und negatio des esse, Beraubung des Seins 195 und damit Negation der Selbstmitteilung Gottes 196. „Gott ist Etwas und ein reines Sein, und die Sünde ist Nichts und entfernt von Gott.“ 197 Die Sünde entfernt vom reinen Sein. „Der Sünder […] hat kein Sein, sondern ist Nichts.“ 198 Der Sünder setzt auf das Nichts, Gott auf das Sein. Sünde definiert Eckhart auch als ,abekeˆren von der sælicheit‘ und ,von der tugent‘ 199 und damit als Abkehr von Gott 200. „Daher, weil wir Gott [sc. als die reine Gutheit] nicht erkennen, darum lieben wir an den Kreaturen, was da gut 189 190
191 192 193
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199 200
Ibid., 298, 1-10. Zu Eckharts Sündenverständnis siehe die wichtige, Eckhart-Stellen heranziehende, summarische Charakterisierung des Eckhart’schen Sündenbegriffes von N. Largier (fokussierend auf den pejorativen Sündenbegriff): Largier I (nt. 1), 1078-1080. RdU, c. 12 (DW V, 232, 3-5). Ibid., 232, 7. Nach A. M. Haas, Mystik (nt. 40), 288, hat Eckhart jedoch auch „am intensivsten das malum im Geiste des Neuplatonismus demontiert“; er verweist in diesem Zusammenhang (ibid., 295) auf die Aussage aus Eckharts Trostbuch: BgT (DW V, 22, 5-15). Cf. LW II, 335, nt. 2 u. 3. In Sap., n. 14 (LW II, 335, 2 sq.): „[…] malum nihil est nisi privatio, sive casus ab esse et defectus, absentia sive carentia esse.“ Cf. Largier I (nt. 1), 1078. Pr. 57 (DW II, 597, 6). In Gen. I, n. 86 (LW I, 244, 9-11): „[…] peccator […] non habet esse, sed est nihil, Psalmus [cf. Psalm 14, 4]: ,ad nihilum redactus est peccator‘.“ Pr. 32 (DW II, 146, 2). Largier I (nt. 1), 1078: „Alle Sünde besteht […] in der Abkehr vom Ursprung des Seins, von der Seligkeit und von der Tugend, die die Seele nur in Gott zu finden vermag.“
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ist; und da wir die Dinge mit dem Gutsein lieben, so machet uns das Sünde.“ 201 So aber wird aus dem durch Gott Freien ein Sünder, d. h. ein Knecht des Kreatürlichen, des Nichtgöttlichen, der Dinge 202. Das ist die eine, die pejorative Dimension der Sünde bzw. des Sünders, daneben gibt es aber bei Eckhart auch ein affirmatives Verständnis der Sünde 203. Eckhart sagt, dass „die Neigung zur Sünde dem Menschen allezeit frommt (vrument)“ 204, d. h. Nutzen, Gewinn, Vorteil erbringt 205. „[…] den Guten kommen alle Dinge ze guote, wie Sankt Paulus spricht 206 und Sankt Augustinus 207 spricht: ,ja, auch die Sünden‘.“ 208 Will man Eckharts Argumentation zum vrumen der Sünde in den RdU interpretieren, so ist seine affirmative Deutung der Sünde im Johanneskommentar hilfreich. Die Sünde frommt dem Menschen nicht nur, vielmehr preist, wer sündigt, Gott; ja, „je schwerer er sündigt, um so mehr lobt er Gott, ja sogar wenn jemand Gott selbst flucht, lobt er damit Gott“ 209. Den Nutzen und den Lobpreis Gottes durch die Sünde zu verstehen, verlangt Berücksichtigung der causae der percussiones peccatorum. Mit Bezug auf Gregor den Großen nennt Eckhart fünf intentionale Gründe für die Schläge, die den Sünder treffen: 1. Nichtwiederholung desselben (bösen) Tuns, 2. die Besserung des Sünders, 3. nicht Verbesserung des vergangenen Tuns, sondern Nichtmehrbegehen desselben in der Zukunft, 4. weder Verbesserung der vergangenen Schuld noch Verhinderung künftiger und 5. durch den vierten Schlag Eintreten des unvermuteten Heils (salus) durch die dann zu erkennende und zu liebende Kraft des Heilenden (salvantis virtus) 210. Die Schläge der Sünde, das zeigen diese fünf causae, bewirken nicht Destruktion, sondern salus des Sünders. Wer von der Sünde geschlagen wird, wird auf salus, auf virtus salvantis, auf die Kraft des Heilenden 201
202
203
204 205
206 207 208 209
210
Pr. 63 (DW III, 79, 2 sq.); Largier I (nt. 1), 1078: „Sündhaft wird das Handeln des Menschen dort, wo der Mensch in den Dingen die Dinge selbst, aber nicht ihr Gutsein liebt, durch das Gott sich der Kreatur mitteilt und ihr das Sein schenkt.“ Largier I (nt. 1), 1078: „Die Transparenz der Dinge auf die Fülle ihres Seins in Gott wird dadurch zerstört. Der Mensch beraubt sich so selbst seiner Freiheit und wird zum Diener dessen, was Gott nicht ist.“ Dieses wurde, wie wohl zu erwarten war, von der päpstlichen Bulle ,In agro dominico‘ vom 27. März 1329 verurteilend angesprochen. Cf. M. H. Laurent, Autour du proce`s de Maıˆtre Eckhart. Les documents des Archives Vaticanes, doc. VIII, in: Divus Thomas 39 (Piacenza 1936), 437 (art. 5), 440 (art. 15). RdU, c. 9 (DW V, 212, 9 sq.). Cf. Lexer zur Wortbedeutung von vrume bzw. vrumen (Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch [nt. 64], 300). Röm. 8, 28. Cf. die DW V, 337 sq., nt. 181 genannten Augustinbezüge. RdU, c. 11 (DW V, 231, 8-10). Mit Bezug auf Joh. 1, 5, Dan. 3, 72 und Röm. 4, 17 schreibt Eckhart: „[…] in omni opere, etiam malo, malo, inquam, tam poenae quam culpae, manifestatur et […] aequaliter lucet gloria dei […]. Unde et vituperans quempiam vituperio ipso, peccato scilicet vituperii, laudat deum, et quo plus vituperat et gravius peccat, amplius deum laudat, quin immo deum ipsum quis blasphemando deum laudat“ (In Ioh., n. 494 [LW III, 426, 4-9]). Cf. In Ioh., n. 493 (LW III, 425, 6-11). Cf. auch ibid., n. 497 (LW III, 428, 1): „[…] auch wer Gott, der ihn bestraft, lästert, lobt ihn als den Verschonenden und Tröstenden.“
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und damit auf Gott selbst ausgerichtet. Gott, der essentiell ein Gott der Gegenwart ist, will nicht die destruierende reaktionäre oder futurische Verewigung der Sünde, sondern er schlägt den Sünder, um durch die heilende virtus salvantis die salus zu eröffnen. „Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt er und empfängt dich, nicht [als] das, was du gewesen bist, sondern [als] das, was du jetzt bist. Allen Schaden und Schmach, die Gott von allen Sünden geschehen könnten, die will er gerne leiden und viele Jahre erlitten haben, auf daß der Mensch danach zu einer großen Erkenntnis seiner Liebe komme und damit seine Liebe und seine Dankbarkeit um so mehr und sein ernst um so feuriger werde, wie das billıˆche und dicke kommt nach den Sünden.“ 211
Sünden werden Eckhart zum kraftvollen focus der großen Erkenntnis von Gottes Liebe. Von daher kann man nicht wollen, ohne Sünde zu sein, denn das bedeutet einen Vertrauensbruch gegenüber Gott: „Wer recht in den Willen Gottes versetzt wäre, der sollte nicht wollen, daß die Sünde, in die er gefallen war, nicht geschehen wäre. Freilich nicht im Hinblick darauf, daß sie gegen Gott war, sondern, sofern du dadurch zu größerer Liebe gebunden und dadurch erniedrigt und gedemütigt bist.“ 212
Oft ist es so, dass Gott den Schaden der Sünde von Menschen erduldet, mit denen er Großes vorhat und die ihm vertraut sind 213. So sind die Apostel „alle […] Todsünder gewesen“ 214. Ebenso sind viele von Gott geliebte und zu Großem berufene Leute im Alten und Neuen Testament in sündigem Fehl gewesen, um durch die Erkenntnis der liebenden Barmherzigkeit Gottes zu wahrer Demut gebracht zu werden 215. „Wenn Gott will, daß der Mensch sündige, dann soll der Mensch nicht anders wollen. Und gerade auf dieser totalen Übereinstimmung, da sie das Böse einschließt, beruht die wahre Buße, d. h. das Leiden für das vollzogene Böse.“ 216 Es gilt, sein Vertrauen auf Gott zu setzen, der dir die Sünde nicht hat widerfahren lassen, ohne das für dich Beste daraus zu ziehen 217. Für Eckhart, dem die Neigung zur Sünde nicht Sünde ist 218, hat der Kampf mit ihr einen positiven Ertrag für die Macht, Kraft und Vollkommenheit der Tugenden. Sie befähigt dazu, im Streit, in der Auseinandersetzung achtsam, aktiv 211 212 213 214 215 216
217
218
RdU, c. 12 (DW V, 234, 5-11). Ibid., 233, 4-7. Cf. ibid., 235, 1 sq. Ibid., 235, 5. Cf. ibid., 235, 5-11. T. Sua´rez-Nani, Philosophie- und theologiehistorische Interpretation der in der Bulle von Avignon zensurierten Sätze, in: H. Stirnimann (ed., in Zusammenarbeit mit R. Imbach), Eckardus Theutonicus, homo doctus et sanctus. Nachweise und Berichte zum Prozeß gegen Meister Eckhart (Dokimion 11), Freiburg/Schweiz 1992, 72. RdU, c. 12 (DW V, 233, 8 sq.): „Aber duˆ solt gote wol getriuwen, daz er dir des niht verhenget hæte, er enwölte denne dıˆn bestez dar uˆz ziehen.“ Ibid., c. 9 (DW V, 214, 1).
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und siegorientiert zu sein. Aus der Schwachheit der Sünde kann Tugend erbracht werden. Vorausgesetzt, man könnte die Neigung zur Sünde eliminieren, sollte man von diesem Wunsch dennoch Abstand nehmen. Ohne die Neigung zur Sünde „stünde der Mensch unsicher in allen Dingen und in allen seinen Werken und unbesorgt gegenüber den Dingen und ermangelte auch der Ehre des Streites und Sieges und des Lohnes“ 219, „denn Vollkommenheit der Tugend kommt von dem Kampf, wie Sankt Paulus sagt: ,Die Tugend wird in der Schwachheit vollbracht‘ [1 Kor. 12, 9).“ 220 „[…] die Neigung [sc. zur Sünde] macht den Menschen allerwegs beflissener, sich in der Tugend kräftig zu üben, und sie treibt ihn mit Macht zur Tugend, und sie ist eine strenge Geißel, die den Menschen zur Hut und zur Tugend treibt; denn je schwächer sich der Mensch findet, desto besser muß er sich mit Stärke und Sieg wappnen.“ 221
Gottes Wille, so argumentiert Eckhart in seinem Trostbuch 222, geschieht gemäß dem Vaterunser im Himmel und auf Erden, im Himmel in der woltaˆt, das heißt in Gott selber, auf Erden in der missetaˆt, in der Sünde. Wer wie der geistlich Arme alles will, was und wie es Gott will, kann nicht wollen, dass er seine Sünde nicht getan hätte, „denn so geschieht Gottes Wille auf ,Erden‘ “ 223. Wer also seine Sünde nicht getan haben wollte, der wollte auch nicht, dass Gott auf Erden mit seinem Willen wirkt. Weil der mit Gottes Willen einige Mensch das aber nicht wollen kann, kann er auch nicht wollen, dass er nicht gesündigt hätte. So will der Mensch, der Sünder ist, ja um Gottes willen (nicht um des eigenen Willen) Sünder sein will, „gotes durch got enbern und von gote durch got gesundert sıˆn, und daz ist aleine rehtiu riuwe mıˆner sünden; so ist mir Sünde leid ohne Leid, wie Gott alles Böse leid ohne Leid ist“ 224, „Leid aus der lautersten Güte und Freude Gottes“ 225. Nun bittet der Mensch Gott (und er soll das auch oft tun), ihm die gebresten der Sünde, wenn es sich mit der Ehre Gottes verträgt, abzunehmen. Allein Gott und nicht der Mensch vermag das. Kommt Gott der Bitte nach, so soll der Mensch ihm danken, entspricht Gott ihr nicht, dann ist das Erleiden der sündhaften gebresten durch Gott und um Gottes willen geboten, um seinetwillen, „jedoch nicht als ein gebresten einer sünde, sondern als eine große Übung“ mit effektivem Ertrag: „Damit sollst du Lohn verdienen und sollst damit Geduld üben.“ 226 Die gebresten der Sünde werden so fruchtbar zur üebunge gekehrt, dienen nicht mehr der weiteren Produktion von Sünde. Der Mensch kann Gott 219 220 221 222 223 224 225 226
Ibid., 214, 4-6. Ibid., 213, 9-11. Ibid., 214, 8-215, 4. Cf. zum Folgenden BgT (DW V, 22, 3-16). Ibid., 22, 8. Ibid., 22, 9-11. Ibid., 22, 16. RdU, c. 23 (DW V, 301, 7-9).
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vertrauen, denn dieser „gibt einem jeglichen nach dem, was sein Bestes ist und für ihn paßt“ 227, so oder so. Affirmativ und pejorativ wird also die Sünde von Eckhart gedacht. „Die Neigung zur Sünde ist nicht Sünde, aber sündigen wollen, zürnen wollen, das ist Sünde.“ 228 Präziser muss es heißen: Nicht das Sündigenwollen an sich ist Verderben bringende Sünde, sondern das Nicht-um-Gottes-willen-Sündigenwollen. Die Liebe vertreibt und deckt die Sünde zu, sagt Eckhart mit Bezug auf 1 Petr. 4, 8 229. Sünde vergeben kann allein Gott. Er vergibt gern und über alle Maßen 230. „[…] je größer und schwerer die Sünden sind, desto ohne Maßen lieber vergibt Gott sie um so schneller, weil sie ihm zuwider sind.“ 231 Vergebung schafft ganzes Vertrauen. Wem viel vergeben wird, der wird viel lieben 232. Gott hat den Menschen „aus einem sündigen Leben in ein göttliches Leben gebracht“ 233. Bei dem Menschen stellt sich Reue ein. Eckhart unterscheidet zweierlei Reue: 1. die zeitliche oder sinnliche Reue, 2. die göttliche oder übersinnliche Reue 234. Die zeitliche Reue führt in immer größere Verzweiflung und Leid. Sie verharrt im Leid. Aus zıˆtlıˆche[r] riuwe ,wird nichts‘ 235. Anders ist es mit der wirksamen göttlichen Reue: „Sobald der Mensch ein Mißfallen empfindet, sogleich erhebt er sich zu Gott und versetzt sich in einen unerschütterlichen Willen zu ewiger Abkehr von allen Sünden. Und darin erhebt er sich in ein großes Vertrauen zu Gott und gewinnt eine große Sicherheit“; aus dieser aber „kommt eine geistige Freude, die die Seele aus allem Leid und Jammer erhebt und sie fest an Gott bindet.“ 236
Ohne Sünde ist man „in der Kraft der göttlichen Reue“ 237, denn „wenn die göttliche Reue sich zu Gott erhebt, so sind alle Sünden bälder verschwunden im Abgrund Gottes, als ich mein Auge zutun könnte, und sie werden so völlig zunichte, als seien sie nie geschehen, sofern es eine vollkommene Reue wird“ 238. 227 228 229
230
231 232 233 234 235 236 237 238
Ibid., 302, 1. Ibid., c. 9 (DW V, 214, 1 sq.). Ibid., c. 15 (DW V, 243, 1-5): „,Die Liebe deckt die Fülle der Sünden zu‘ [1 Petr. 4, 8]. Denn, wo Sünden geschehen, da kann nicht volles Vertrauen sein noch Liebe; denn sie [die Liebe] deckt die Sünde völlig zu; sie weiß nichts von der Sünde. Nicht so, als habe man nicht gesündigt, sondern [so], daß sie die Sünden völlig austilgt (verderbet) und austreibt, als ob sie nie gewesen wären.“ Ibid., 243, 5-7: „Denn alle Werke Gottes sind so gänzlich vollkommen und übervlüzzig, daß, wem er vergibt, er voll und ganz vergibt und auch viel lieber Großes als Kleines, und dies schafft ganzes Vertrauen.“ Ibid., c. 13 (DW V, 238, 2 sq.). Cf. ibid., c. 15 (DW V, 244, 2 sq.). Ibid., c. 12 (DW V, 232, 7). Ibid., c. 13 (DW V, 236, 2 sq.). Ibid., 236, 3-6. Ibid., 236, 7-237, 4. Ibid., 237, 8 sq. Ibid., 238, 3-6.
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Viele Menschen sind der Auffassung, „große Werke in äußeren Dingen […], wie Fasten, Barfußgehen und dergleichen mehr, was man Bußwerke (peˆnitencie) nennt“, vollbringen zu müssen 239. Das ist weder wahre Buße noch bringt diese äußere Buße hinsichtlich der Sünde etwas. Wahre, nicht äußere, Buße ist erforderlich. Mit ihrem abekeˆren von allem Nichtgöttlichen und ihrem zuokeˆren zum liebenden Gott bringt sie Entlastung von der Sündenlast 240. „Diese Buße ist ein von allen Dingen fort ganz in Gott erhobenes Gemüt.“ 241 Wahre Buße hat eine christologische Basis, sie erwächst aus „dem würdigen Leiden in der vollkommenen Buße unseres Herren Jesu Christi“, und „je mehr der Mensch darin erbildet wird, um so mehr fallen alle Sünden und Sündenstrafen von ihm ab“ 242. Das zuokeˆren zum liebenden Gott präferiert die Beichte des Menschen vor Gott. Hier ist der locus poenitentiae. Bei Schuld hat die scharfe Anklage vor Gott ihren produktiven Raum. Im Angesicht Gottes bekommt die Beichte vor Gott ihr großes Gewicht 243. Sie wägt den Menschen zu Gunsten des göttlichen Lebens.
VI. Der (durch und in Christus) wissende ver nünftig e Tug endhafte In seinem Innern soll der Mensch auf Gott ausgerichtet sein und nicht durch anderes (was für opera und modi es auch seien) sein Inneres in chaotische, das Innere beschädigende Verwirrung bringen 244. Sunderlıˆche Werke und Weisen liefern nicht nur nichts zur oikodome des Innern, haben keinen Nutzen, sondern sind Verderben bringend für verlässliche Innerlichkeit - auf die Eckhart aus ist und die er später fundiert im ,Kernpunkt‘ seines Denkens: der Gottesgeburt in der Seele als radikale Innerlichkeit profiliert 245 -, und darum „solt duˆ vliehen alle 239 240
241 242 243
244
245
Ibid., c. 16 (DW V, 244, 5 sq.). Ibid., 244, 7-245, 2: „Wahre und die aller beste peˆnitencie, mit der man kräftig und im höchsten Maße Besserung schafft, das ist: daß der Mensch habe ein großes und vollkommenes abekeˆren von alledem, was nicht völlig Gott und göttlich an ihm und an allen Kreaturen ist, und habe ein großes und ein vollkommenes und ein ganzes zuokeˆren zu seinem lieben Gott in einer unbeweglichen Liebe.“ Ibid., 247, 1 sq. Ibid., 246, 2-6. Ibid., c. 21 (DW V, 275, 5-7): „Man sol gote ˆe bıˆhten dan den menschen, und, ist man schuldic, die bıˆhte vor gote groˆz wegen und seˆre straˆfen.“ Ibid., c. 18 (DW V, 258, 5-7): „Denn der Mensch soll innerlich so ganz Gottes sein in allem seinem Willen, daß er sich nicht viel weder mit Weisen noch mit Werken bewerre“ d. h. in Verwirrung bringe (cf. Lexer, Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch [nt. 64], 20). Largier I (nt. 1), 815: „Die Konzeption der Geburt Gottes im Menschen stellt eine Perspektive radikaler Innerlichkeit her: Wo der Mensch in sich, in seinem Innersten ist, trifft er auf Gott, nicht jedoch auf Gott als ein Gegenüber, sondern auf Gott als sich selbst, insofern […] der Mensch […] dort unmittelbar aus Gott hervorgeht.“ Die Grunddaten der Eckhart’schen Gottesgeburt in der Seele hat N. Largier in Largier I, 814-819, genannt.
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sunderlicheit“, welcher Art sie auch sei 246. Nüchternheit 247 ist angesagt. Jedoch ist nicht jede sunderlicheit verboten, sondern sunderlichen Leuten entspricht auch sunderlicheit tuon 248. Eindeutig gilt jedoch die Forderung, seine Hoffnung und sein Vertrauen nicht auf sunderlicheit zu setzen. Vielmehr sollen diese auf Gott basieren, und darin gibt sich wahre Liebe normativ urteilend zu erkennen. Diese gedeiht aus dem Vertrauen zu Gott 249. Großes Vertrauen zu Gott ist das für den Menschen Förderlichste 250. Wahre Liebe zu Gott generiert ihrerseits Vertrauen 251 zu Gott. Sie ist jedoch nicht nur getriuwen, sondern ein waˆr wizzen und eine unzwıˆvellıˆche sicherheit 252. Der Gott Liebende ist eschatologisch der Gott Wissende. Nun unterscheidet Eckhart „zweierlei Wissen in diesem Leben vom ewigen Leben“: 1.) ein extraordinäres, sozusagen visionäres bzw. revelationäres 253, dem Eckhart skeptisch gegenübersteht 254 und 2.) ein solches liebender Menschen, das durch völliges Vertrauen auf Gott sicheres Wissen erwirbt; was Eckhart das bessere Wissen nennt 255. Ein durch solche Liebe 256 wissender Mensch weiß mit Gewissheit um 246
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RdU, c. 18 (DW V, 258, 7-259, 1): „Und sunderlıˆche solt duˆ vliehen alle sunderlicheit, es sei in Kleidern, in Speisen, in Worten - wie [etwa] hohe Worte zu reden - oder Sonderlichkeit der Gebärden, darin kein Nutzen liegt.“ K. Weiß, Meister Eckhart der Mystiker. Bemerkungen zur Eigenart der Eckhartschen Mystik, in: U. Kern (ed.), Freiheit und Gelassenheit. Meister Eckhart heute, München-Mainz 1980, 103-120, hier 117: „Nüchternheit ist überhaupt das fast paradoxale Merkmal der Eckhartschen Mystik. Wer kennte nicht seinen berühmten Rat, den , jubilus underwıˆlen laˆzen […] und […] durch ein minnewerk ze würkenne‘ (RdU, DW V, 221, 2-4).“ RdU, c. 18 (DW V, 259, 1-4): „Indessen sollst du doch wissen, daß dir nicht a´lliu sunderlicheit verboten ist. Es gibt vil sunderlicheit, die man in vielen Zeiten und bei vielen Leuten halten muß; denn, wer sunderlich ist, der muß auch sunderlicheit tuon zu mancher Zeit in vielen Weisen.“ Ibid., c. 14 (DW V, 238, 8-239, 1): „Wahre und vollkommene Liebe soll man daran prüeven, ob man große Hoffnung und Zuversicht zu Gott hat; denn es gibt kein Ding, daran man es mehr müge geprüeven, ob man ganze Liebe habe, als am Vertrauen. Denn, wenn einer den anderen innig und vollkommen liebt, daz sachet die triuwe.“ Ibid., 239, 4 sq.: „Alliu dinc, diu man getuon mac, diu ensint niht als zimelich als groˆz getriuwen ze gote.“ Ibid., 239, 7 sq.: „[…] getriuwunge kumet von minne, wan minne enhaˆt […] getriuwen.“ Ibid., 239, 8 sq. Ibid., c. 15 (DW V, 240, 2-4): „Das eine ist, daß es Gott dem Menschen selber sage oder es ihm durch einen Engel entbiete oder durch eine besondere Erleuchtung offenbare; das geschieht selten und wenigen Leuten.“ Largier II (nt. 1), 797 sq. RdU, c. 15 (DW V, 240, 5-241, 2): „Das andere Wissen ist ungleich viel besser und nützlicher, und das geschieht dicke allen vollkommenen liebenden Menschen: Das ist, daß der Mensch aus Liebe und aus heimlicheit, die er hat mit seinem Gott, er ihm so völlig vertraut und seiner so sicher ist, daß er nicht zweifeln könne, und er dadurch so sicher wird, weil er ihn ohne Unterschied in allen Kreaturen liebt.“ Eckhart unterscheidet zwischen 1.) dem ,Wesen der Liebe‘ (,wesen der minne‘) und 2.) dem ,Werk oder […] Ausbruch der Liebe‘; cf. RdU, c. 10 (DW V, 219, 3 sq.). Cf. ibid., 219, 4-8 [zu 1.)]: „Die Stätte des Wesens der Liebe ist allein in dem Willen; wer mehr Willen hat, hat auch mehr Liebe. Aber wer davon mehr habe, das weiß niemand vom andern; das liegt verborgen in der Seele, dieweil Gott verborgen liegt in dem Grund der Seele“, sowie ibid., 219, 10-220, 4 [zu 2.)]: Das Werk der Liebe „scheinet sehr als Innigkeit und Andacht und Jubilieren, und ist allewegs das Beste nicht. Denn es ist mitunter nicht von der Liebe“, sondern aus natürlicher und sinnlicher
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die Ewigkeit, weil er Gott nachgeht, denn „Gott nachgehen und ihm folgen, das ist Ewigkeit“ 257. Der Gott liebende wissende Mensch entspricht rezeptiv dem Tun Gottes und deshalb gilt: „Fürwahr, wie ungerecht wir sein mögen“ und seien wir selbst Diebe oder Mörder 258 -, „nehmen wir von Gott, was er uns täte oder nicht täte als von ihm aus gerecht und leiden um der Gerechtigkeit willen, so sind wir selig.“ 259 In der Predigt 66 sagt Eckhart: Gott, der „eine lebendige, wesenhafte, seiende Vernunft [ist], die sich selbst begreift und ist und selbst in sich selbst lebt und dasselbe ist“, ist, wie er selbst ist, weiselos (,wıˆse aˆne wıˆse‘) 260. Dem weiselosen Gott steht die weisehafte Kreatur, der ,eigenschaftliche‘ Mensch gegenüber. Im Angesicht der Weiselosigkeit Gottes kommt es für den Gott wissenden und liebenden Menschen zwar nicht zur Aufhebung der Weisehaftigkeit, denn diese eignet dem Geschöpf notwendigerweise, jedoch zur Offenheit gegenüber anderen Weisen. Das darf nun nicht missverstanden werden im Sinne pluralistischer Belanglosigkeit, sondern jeder Mensch soll die eine ihm zukommende gute Weise nicht nur nicht eliminieren, sondern tatkräftig ergreifen 261. In der (je einen) guten Weise ist Gott nachzufolgen. Jedoch in der von Gott empfangenen je einen Weise 262 „soll man alle guten Weisen und nicht die Sonderheit (eigenschaft) dieser Weise ergreifen. Denn der Mensch muß jeweils nur Eins tun, er kann nicht alles tun. Es muß je Eines sein, und in dem Einen muß man alle Dinge ergreifen. Denn, wenn der Mensch alles tun wollte und diz und daz und von seiner Weise lassen und eines anderen Weise nehmen, die ihm gerade viel besser gefiel, fürwahr, das machte große Unbeständigkeit.“ 263
Zeigt sich aber, dass die eine Weise die andere nicht ertragen will, so ist das ein Zeichen dafür, dass sie nicht von Gott und damit nicht gut ist 264. Für unsere Weise der Nachfolge ist die ,höchste Weise‘ Christi normativ. „Unser Herr Jesus Christus […] hatte allemal die höchste Weise. Dem sollen wir […] stets recht
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süezicheit oder himmlischem ˆındruk. Es handelt sich hier um zu viel auf Gefühle und Empfindungen setzende Liebe. Cf. auch ibid., 221, 2-8: „Man soll solchen Jubilus aus Liebe bisweilen lassen um eines Besseren willen“, z. B. einem Bedürftigen ,in größerer Liebe‘ zu dienen. RdU, c. 20 (DW V, 274, 5). Cf. ibid., c. 23 (DW V, 305, 3-7). Ibid., 305, 7-9. Pr. 66 (DW III, 124, 2-4). RdU, c. 17 (DW V, 252, 9 sq.): „Ein jeder behalte seine gute Weise und beziehe alle Weisen darin ein und ergreife in seiner Weise alles Gute und alle Weisen.“ Ibid., c. 22 (DW V, 286, 7-287, 3): „Der Mensch ergreife eine gute Weise und bleibe immer dabei und bringe in sie alle guten Weisen ein und erachte sie als von Gott empfangen und beginne nicht heute eines und morgen ein anderes und sei ganz ohne alle Sorge, daß er darin je etwas versäume. Denn mit Gott kann man nichts versäumen; so wenig Gott etwas versäumen kann, so wenig kann man mit Gott etwas versäumen. Darum nimm Eines von Gott, und darin ziehe alles Gute hinein.“ Ibid., 285, 10-286, 4. Ibid., 287, 4-11.
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nachfolgen“, jedoch „nicht in jeder Weise.“ 265, sondern auf je eigene Weise 266. Es geht nicht um leibliche, sondern um geistliche Nachfolge 267, d. h. um vernünfticlıˆches würken 268. Christus ist ,in intellectu per fidem‘ und ,in affectu per caritatem‘ in uns 269. Ihm entsprechendes vernünfticlıˆches würken inkludiert freiheitliches, in der Tugend 270 geübtes und ihr gemäßes wesentliches und gegründetes Handeln ohne Warum 271. VII. Der Betende, der Demütig e und der Frieden Habende Beten gehört für Eckhart zum Menschsein. Jedoch kommt es darauf an, recht zu beten. Rechtes Gebet ist Gott-konzentriertes Gebet 272, und das soll der Mensch mit seiner ganzen Existenz kraftvoll und ausdauernd ausüben 273. Authentisches Gebet ist Gott gegenwärtiges Gebet. Es zieht seine einzige Legitimität daraus, dass es teleologisch theologisch dimensioniert ist. Wichtiger Faktor für das Zustandekommen rechten Gebets und für kraftvolles würdiges Gebet 265 266 267
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Ibid., c. 17 (DW V, 253, 4-7). Ibid., 253, 11 sq.: „Wir suln im [Christus] ie ´eigenlıˆchen naˆchvolgen.“ Ibid., 253, 7-9: „Unser Herr fastete vierzig Tage. Niemand soll es unternehmen, ihm darin zu folgen. Christus hat viele Werke getan in der Meinung, daß wir ihm geistig und nicht leiblich nachfolgen sollen.“ Steer, würken vernünfticlıˆchen (nt. 19), 106: „vernünfticlıˆchen würken ist Nachfolge Christi, bedeutet ,christlich‘ leben.“ Sermo V/2, n. 38 (LW IV, 40, 8-12): „Christus […] ist in uns auf zweifache Weise: durch den intellectus im Glauben als solchen (in intellectu per fidem, in quantum est fides), und durch den affectus in der Liebe (in affectu per caritatem), welche den Glauben formt (informat fidem): ,Wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott, (und Gott in ihm)‘ [1 Joh. 4, 16]. Wer also glaubt an Christus (credit in Christum), daß er zu ihm strebt (in eum tendat), hat ihn in affectu und in intellectu.“ RdU, c. 21 (DW V, 281, 13-282, 4): „Auch ist es sehr von Nutzen, daß sich der Mensch nicht daran genügen lasse, daß er die Tugenden, wie Gehorsam, Armut und andere Tugend, im Gemüt habe; […] sondern der Mensch soll sich selber an den Werken und an den Früchten der Tugend üben und sich sehr versuchen […] und wünschen, durch Leute geübt und erprobt zu werden […]. Damit ist es nicht genug, daß man die Werke der Tugend wirke […], sondern man soll danach trachten und nimmer aufhören, bis man die Tugend in ihrem Wesen und Grund gewinne.“ Ibid., 278, 6-9: „Wenn sich der Mensch erst einmal aller Dinge selber entwöhnt und sich ihnen entfremdet hat, so vermag er danach umsichtig (gewærlıˆche) alle seine Werke zu wirken und sie freiheitlich zu gebrauchen (lediclıˆche gebruˆchen) und sie zu entbehren ohne alle hindernisse“; ibid., 282, 5-10: „[…] daß man sie [die Tugend] habe, das kann man an dem prüeven: wenn man sich vor allen Dingen zur Tugend geneigt findet, und wenn man die Werke der Tugend wirkt ohne Bereitung des Willens und sie ohne besonderen eigenen Vorsatz einer gerechten und großen Sache wirkt, und sie vielmehr um ihrer selbst willen und wegen der Liebe zur Tugend und um keines Warum wirkt -, dann hat man die Tugend vollkommen und nicht eher.“ Zu Eckharts Lehre vom Gebet cf. Largier I (nt. 1), 923 sq. RdU, c. 2 (DW V, 191, 1-4): „So kraftvoll soll man beten, daß man wünschte, daß alle Glieder des Menschen und Kräfte […], Augen wie Ohren, Mund, Herz und alle Sinne darauf gerichtet wären; und nicht soll man aufhören, man empfinde denn, daß man sich wolle einen mit dem, den man gegenwärtig hat und bittet, das ist Gott.“
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ist das ledige Gemüt 274, also das Gemüt, welches des Seinen uˆzgegangen und in den Willen Gottes versunken ist 275. Nur das Gott-konzentrierte Gebet ist für Eckhart Gebet. Das Gebet ist als rechtes Gebet durch und durch Gott-dimensioniert. Daher darf sich auch die Bitte im Gebet „auf keine Gabe Gottes richten, sondern allein darauf, daß Gott den Menschen seiner würdig mache. Ist dies der Fall, muß sich Gott dem Menschen ganz mitteilen und sich ihm einen […]. Richtet sich die Bitte jedoch auf etwas Bestimmtes, betet der Mensch einen Abgott an“ 276, dann desavouiert sich totaliter das Gebet als Gebet 277. Das Gebet soll also nicht so sein: „ ,Gib mir die Tugend oder die Weise‘ noch ,Ja, Herr, gib mir dich selbst oder ewiges Leben‘, sondern ,Herr, gib nichts, als was du willst, und tue, Herr, was und wie du willst in jeder Weise‘ “ 278. In diesem Sinne ist Beten „ein bezzer werk […] wan spinnen“ 279. Gott um Gottes willen bitten und nicht die Bitte um anderes charakterisiert das authentische Gebet. Ist das Gebet auf anderes ausgerichtet, ist es unrecht 280. Daraus folgt konsequent das Nihtesgebet hinsichtlich des Außer-Gott-Seienden. „Wenn ich nichts erbitte (nihtes enbite), so bitte ich recht, und das Gebet ist recht und kräftig. Wer immer um etwas anderes bittet, der betet einen Abgott an, und man könnte sagen, es wäre reine Ketzerei. Ich bitte niemals so recht, wie wenn ich um nichts und für niemanden bitte (nihtes niht enbite und vür nieman enbite), weder für Heinrich noch für Konrad. Die wahren Anbeter, die beten Gott an in der Wahrheit und in dem Geiste, das ist: in dem heiligen Geist.“ 281
Im Gebet ist der Mensch in Gott versunken. Der Demütige ist der durch sein niht-werdenne 282 in Gott versunkene Mensch. Der Demütige ist der Erhöhte: „diu hœchste hœhe der hoˆcheit liget in dem tiefen grunde der deˆmüeticheit.“ 283 Er wird „eins […] mit Gott in seinem Grunde“ 284. Höhe und Tiefe sind in der Demut eins 285. Bezug nehmend auf Mk. 9, 34, Mt. 23, 12 und Luc. 14, 11 begründet Eckhart die fundamentale Bedeutung der Demut durch deren niht-werdenne 286, in dem unser ganzes Sein begründet liegt 287. Im späteren Werk bekräftigt und vertieft 274
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Ibid., 190, 3-5: „Daz kreftigeste gebet und vil naˆch daz almehtigeste, alliu dinc ze erwerbenne, und daz aller wirdigeste werk vor allen dingen, daz ist, daz daˆ gaˆt uˆz einem ledigen gemüete.“ Ibid., 190, 9-12. Largier I (nt. 1), 923 sq. Sua´rez-Nani, Philosophie- und theologiehistorische Interpretation (nt. 216), 54: „Derjenige, der betet, indem er etwas von Gott verlangt, betet nicht zu Gott, sondern benützt Gott um eine andere Sache zu erhalten.“ RdU, c. 1 (DW V, 188, 4-8). Ibid., c. 6 (DW V, 203, 8). Pr. 66 (DW III, 131, 3 sq.): „Die daˆ iht *es+ bitent wan gotes oder umbe got, die bitent unrehte.“ Pr. 67 (DW III, 131, 4-132, 1). RdU, c. 23 (DW V, 294, 8). Ibid., 293, 5 sq. Largier I (nt. 1), 898. RdU, c. 23 (DW V, 293, 8-294, 1): „diu hoehe und diu tiefe ist einez.“ Cf. ibid., 292, 12-294, 8. Ibid., 294, 7 sq.: „Wan allez unser wesen enliget an nihte dan in einem niht-werdenne.“
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Eckhart seine in den RdU gemachten Aussagen zur Demut 288. Eckhart definiert Demut als ein ,vernihten sıˆn selbes‘ 289. „Fundamentum […] et radix est humilitas.“ 290 Auch etymologisch erweist Eckhart den ontologischen Zusammenhang zwischen Demut und Menschsein: „Demut hat ihren Namen vom Boden (humilitas ab humo nomen trahit); Boden ist Erde (humus terra). Der Erde ist arteigentümlich ihre fixio und stabilitas.“ 291 Die Demut ist also durch fixio und stabilitas ausgezeichnet. Dadurch ist sie in der Lage, „wie die Erde die Wirkungen des Himmels, das Höchste zu empfangen“ 292. Die stabilitas hominis verdankt sich der „fixio et stabilitas humilitatis“. Ohne Demut wird der Mensch epistemologisch und ontologisch verfehlt. Der Demütige ist der Mensch. Dem entsprechend heißt es in der Predigt ,Von dem edeln Menschen‘ (VeM ): „Mensch […] meinet […] den, der sich ganz unter Gott beugt und fügt mit allem, was er ist und was sein ist, und aufwärts Gott anschaut, nicht das Seine, das er hinter sich, unter sich, neben sich weiß. Das ist volle und eigentliche Demut.“ 293 Der sich unter Gott beugende Mensch ist niemals ohne Trost. Dieser Satz gilt für Eckhart nur unter einer transzendentalen Voraussetzung: Trost ist das, was Gott will (und primär keine Befindlichkeit des frommen Menschen): „Du mußt aber wissen, daß die Freunde Gottes nie ohne Trost sind; denn, was Gott will, das ist ihr allerhöchster Trost, es sei troˆst oder untroˆst.“ 294 Derjenige, der „des Seinen uˆzgegangen“ und „in den liebsten Willen Gottes versunken“ 295 ist, also ledigen Gemütes ist, wird durch Gott in Gott getrösteter Mensch. Gott tröstet uns Menschen aus seiner vrıˆen güete, seiner eigeniu güete und nicht auf Grund von unseriu werk 296. Gott will den Menschen „ihr Halt und Trost sein, und sie sollen sich finden als ein luˆter niht“ 297. Trost empfangend ist der Mensch Mensch. Wahrer Frieden 298 stellt sich ein, „als duˆ zemaˆle uˆzgaˆst in allen dingen des dıˆnen“ und wenn Gott „gaˆt […] ˆın mit allem dem sıˆnen“ 299. Der in Gott Seiende, d. h. der Mensch, in dem Gott ist mit all dem Seinen, ist im Frieden: „[…] laß ihn [Gott] wirken und habe aleine vride.“ 300 Es gilt also: „Als vil in gote, als vil in 288
289 290 291 292 293
294 295 296 297 298 299 300
Cf. die LW IV, 327, nt. 3 angegebenen Stellen zur humilitas. Die Kerngedanken Eckharts zur Demut sind in Largier I (nt. 1), 897, komprimiert dargestellt. Von abegescheidenheit (DW V, 405, 3). Sermo XXXVIII, n. 381 (LW IV, 327, 5). Ibid., n. 382 (LW IV, 327, 6 sq.). Largier I (nt. 1), 898. VeM (DW V, 115, 20-23): „Mensche in der eigenschaft sıˆnes namen in dem latıˆne meinet in einer wıˆse den, der sich alzemaˆle under got neiget und vüeget, allez, daz er ist und daz sıˆn ist, und uˆfwert got aneschouwet, niht daz sıˆn, daz er hinder im, nider im, bıˆ im weiz. Daz ist volliu und eigeniu deˆmüeticheit.“ RdU, c. 10 (DW V, 224, 5 sq.). Ibid., c. 2 (DW V, 190, 11 sq.). Ibid., c. 19 (DW V, 261, 4-8). Ibid., 262, 1. Zum Frieden bei Eckhart cf. Kern, Gottes Sein (nt. 33), 252-263. RdU, c. 4 (DW V, 197, 2-5). Ibid., c. 23 (DW V, 308, 3).
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vride.“ 301 Das In-Frieden-Sein des Menschen ist für Eckhart Kriterium des InGott-Seins: „Daran erkenne, wie viel du in Gott bist und ob es anders ist: ob du Frieden oder Unfrieden hast.“ 302 Unfrieden kommt nicht von Gott, sondern von den Kreaturen 303. Wer den Frieden nicht in Gott, sondern in den Kreaturen Ursprung gebend sucht, findet diesen nicht 304, sondern generiert Unfrieden. Wo der Mensch nicht „sıˆnen willen und sich selber læzet“ 305, wo der Eigenwille regiert, entsteht und produziert sich der Unfrieden 306. Der Mensch des Unfriedens zerstört in seiner Ungelassenheit bzw. in seiner Versklavung an den Eigenwillen die im Frieden geordneten Dinge. Er geht unordenlıˆche mit den Dingen um 307. „Darum fang zuerst bei dir selbst an und laß dich“ 308 und lass Gott in dir wirken, denn, wem Gott vernünftig gegenwärtig ist, der hat wahren Frieden 309. So ist der Eckhart’sche Mensch ein gotsuochender und gotvindender 310 vernünftiger sæliger 311 Mensch.
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Ibid., 308, 5 sq. Ibid., 308, 6 sq. Ibid., 308, 8 sq.: „unvride kumet von der creˆatuˆre und niht von gote.“ Ibid., c. 3 (DW V, 193, 5-194, 1): „Die Leute, die Frieden in äußeren Dingen suchen, sei es an Stätten oder in Weisen, bei Leuten oder in Werken oder in Armut oder in Erniedrigung - […] was es [auch] sei, das […] gibt keinen Frieden.“ Ibid., 195, 4 sq. Ibid., 192, 4 sq.: „[…] niemer enstaˆt ein unvride in dir uˆf, ez enkome von eigenem willen.“ Ibid., 193, 1 sq.: „[…] duˆ bist ez in den dingen selber, daz dich hindert, wan duˆ heltest dich unordenlıˆche in den dingen.“ Ibid., 193, 3. Ibid., c. 7 (DW V, 211, 3-5): „Dem got alsoˆ gegenwertic ist in allen dingen und sıˆner vernunft an dem obersten gewaltic ist und der gebruˆchende ist, der weiz aleine von waˆrem vride, und der haˆt ein reht himelrıˆche.“ Eckhart sagt, „daz der mensche solte werden ein gotsuochender in allen dingen und gotvindender mensche ze aller zıˆt und in allen steten und bıˆ allen liuten in allen wıˆsen. In disem mac man alle zıˆt aˆne underlaˆz zuonemen und wahsen und niemer ze ende komen des zuonemennes“ (ibid., c. 22 [DW V, 289, 12-290, 3]). Ibid., c. 21 (DW V, 278, 13-279, 5): „Der mensche sol sich wenen, daz er des sıˆnen in keinen dingen niht ensuche noch enmeine und daz er got in allen dingen vinde und neme. Wan got engibet keine gaˆbe noch nie gegap, daz man die gaˆbe hæte und dar ane geruowete; sunder alle die gaˆbe, die er ie gegap in himel und uˆf erden, die gap er alle dar umbe, daz er ´eine gaˆbe geben möhte: daz was er selber. Mit disen gaˆben allen wil er uns bereiten ze der gaˆbe, diu er selber ist; und alliu diu werk, diu got ie geworhte in himel und in erden, diu worhte er durch ´eines werkes willen, daz er daz möhte gewürken: daz ist in sæligen, daz er uns möhte sæligen.“
Eckharts Auseinandersetzung mit der thomasischen Kontritionslehre in den ,Reden der Unterweisung‘ Mika Matsuda (Kyoto) In seinem frühesten deutschen Werk aus der Zeit seiner Tätigkeit als Erfurter Prior setzte sich Eckhart nicht nur mit der klösterlichen Spiritualität, sondern auch mit der Theologie des Thomas von Aquin auseinander - dem Nachweis dieser These gelten die folgenden Ausführungen. Als Hauptgegenstand der Analyse werden dabei die Kapitel 12 und 13 der ,Reden‘ 1 gewählt und daraufhin geprüft, inwieweit Eckharts Ausführungen über die Reue die thomasische Kontritionslehre voraussetzen und zugleich davon abweichen 2. Ferner wird der Unterschied zwischen den beiden Lehren im Zusammenhang mit der Lehre über die Liebe zu Gott erörtert. Der Hauptunterschied zwischen Thomas und Eckhart betrifft die Aufhebung der Reue als Unzufriedenheit des Willens hinsichtlich begangener Sünden. Thomas besteht darauf, dass die Zerknirschung im ganzen gegenwärtigen Leben fortdauern soll 3. Dagegen behauptet Eckhart, dass der gute Mensch nicht will, dass seine Sünde nicht geschehen wäre 4. Diese Aussage Eckharts wurde von der Bulle verurteilt 5. Insofern aber sie von Eckhart selbst verteidigt wurde 6, versuchen auch einige Eckhart-Forscher, sie apologetisch zu interpretieren. Im Folgenden möchte ich zuerst zwei solche Interpretationen behandeln und feststellen, ob sie ihrem Gegenstand gerecht werden. 1
2
3
4 5 6
Die deutschen und lateinischen Werke, Stuttgart 1936 sqq., werden im Folgenden mit den Abkürzungen ,DW‘ und ,LW‘ zitiert. Sämtliche Zitate des Thomas sind der ,Summa theologiae‘ entnommen. Dieses Werk wurde abgebrochen, bevor die contritio als Teil der poenitentia behandelt werden konnte. Im Folgenden versuche ich die Kontritionslehre zu analysieren, die aus dem ,Scriptum in IV libros Sententiarum‘ als Supplementum der ,Summa theologiae‘ hinzugefügt wurde (Suppl., qq. 1-5). Chenu weist darauf hin, dass eine Diskrepanz zwischen dem Kommentar und der ,Summa‘ besteht und nennt dabei als ein Beispiel den „Komplex der Bekehrung und Buße des Sünders“. So könnte auch die Kontritionslehre des Kommentars wohl Abweichungen vom abgefassten Teil der ,Summa‘ aufweisen. Cf. M.-D. Chenu, Das Werk des hl. Thomas von Aquin, Graz 21982, 310. Suppl., q. 4, a. 1, c: „in vitae hujus tempore status contritionis maneat quantum ad peccati detestationem.“ Cf. q. 4, a. 2, c: „quantumcumque homo continue in actu hujus displicentiae esse possit, melius est.“ Cf. DW V, 22, und DW V, 233. Cf. unten, 180. Cf. art. 14 u. 15. LW V, 282: „Ad septimum cum dicitur: ,Talis homo ita conformis est divinae voluntati‘ etc. Dicendum quod verum est et videtur planum et morale hoc sicut omnia alia […].“
Eckharts Auseinandersetzung mit der thomasischen Kontritionslehre
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I. Die Inter pretation von Kur t Ruh Nach Ruh nimmt Eckhart die Gefahr der innerlichen Vernichtung des Menschen durch das Sündengewicht wahr und bemüht sich um die „innerliche Überwindung der Sündenlast“ 7: „Als erfahrener Seelenführer weiß Eckhart um das Gewicht der Sünde und wie es den Menschen innerlich vernichten kann. Dem versucht er entgegenzuwirken mit einer Spiritualität des Trostes.“ 8 Diese Verteidigung von Ruh gründet im 13. Kapitel der ,Reden‘, wo Eckhart von der zeitlich-sinnlichen Reue redet, die zur Verzweiflung führen kann: „Diu riuwe ist zweierleie: diu ein ist zıˆtlich oder sinnelich, diu ander ist götlich und übernatiurlich. Diu zıˆtlıˆche ziuhet sich alle zıˆt niderwerts in ein meˆrer leit und setzet den menschen in einen jaˆmer, als ob er iezunt verzwıˆveln sül, und daˆ blıˆbet diu riuwe in dem leide und enkumet niht vürbaz; daˆ enwirt niht uˆz.“ 9
Von dieser Art der Reue grenzt Eckhart die göttlich-übernatürliche Reue ab, die von allem Leid und Jammer befreit ist, und mit der anscheinend der Mensch nicht will, dass seine Sünde nicht geschehen wäre: „Aber diu götlıˆche riuwe ist vil anders. Als balde der mensche ein missevallen gewinnet, zehant erhebet er sich ze gote und setzet sich in ein ˆewigez abekeˆren von allen sünden in einem unbewegelıˆchen willen; und daˆ erhebet er sich in ein groˆz getriuwen ze gote und gewinnet eine groˆze sicherheit; und daˆ von kumet ein geistlıˆchiu vröude, diu die seˆle erhebet uˆz allem leide und jaˆmer und bevestent sie an gote.“ 10
Aber Ruhs Verteidigungsargument hält sich nur, wenn die seelische Krise ausschließlich durch die Aufhebung der Zerknirschung zu vermeiden ist. Aber das gilt nicht, zumindest nicht bei Thomas von Aquin. Er berücksichtigt auch die Gefahr, dass der Mensch durch die gesteigerte Zerknirschung in seelische Not geraten kann, ist jedoch der Ansicht, dass der Mensch möglichst intensiv und dauerhaft seine Sünden bereuen soll. Dabei glaubt Thomas die Gefahr umgehen zu können, indem er den rationalen Schmerz der Reue von dem sinnlichen unterscheidet. Der erstere, genannt auch ,Schmerz im Willen‘ (,dolor in voluntate‘), ist nichts anderes als das Missfallen über begangene Sünden (,displicentia de peccatis commissis‘), dagegen ist der letztere lediglich Folge des ersteren. Während es hinsichtlich des rationalen Schmerzes kein Übermaß gibt, kann der sinnliche übermäßig werden und zur Verzagtheit oder Verzweiflung führen aufgrund dieses Unterschiedes soll das Übermaß nur im Hinblick auf den sinnli7 8 9 10
K. Ruh, Meister Eckhart. Theologe, Prediger, Mystiker, München 21989, 38. Ibid., 37 sq. DW V, 236, 2-6. DW V, 236, 7-237, 4. Das Wort missevallen scheint dem thomasischen Wort displicentia zu entsprechen, auf das ich im Folgenden noch eingehen werde. Sollte dies zutreffen, bedeutet missevallen die von Thomas als ,dolor in voluntate‘ bezeichnete Reue über begangene Sünden. Dolor wiederum könnte mit ,leit und jaˆmer‘ übersetzt worden sein.
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chen Schmerz vermieden werden 11. Hierzu sei angemerkt, dass Thomas der Kontrition nicht nur Schmerz, sondern auch Freude zuerkennt. Aber die Freude vermehrt bei Thomas das Missfallen über die begangene Sünde und löst den rationalen Schmerz nicht auf, selbst wenn sie den sinnlichen verringern kann 12. Dagegen redet Eckhart in der oben zitierten Stelle von der ,geistlichen Freude‘, in der nicht nur der sinnliche, sondern auch der rationale Schmerz aufgehoben zu sein scheint. Also nicht nur Eckhart, sondern auch Thomas versucht die Gefahr der innerlichen Vernichtung zu überwinden. Daraus folgt, dass der Grund der Aussage Eckharts über die Aufhebung der Reue tiefer zu verorten ist. II. Die Inter pretation von Her ma Piesch Piesch bietet ein anderes Verteidigungsargument an. Nach ihr enthält Eckharts Aussage kein ,Lob der Sünde‘, sondern ein Lob des ,Heilsplans‘, nach dem Gott voraussieht, dass der Mensch die Sünde begeht, damit er später umso mehr Gott liebe: „So ist denn auch die Sünde, wenngleich nicht gottgewollt, so doch im Heilsplan zugelassen um ,dein Bestes daraus zu ziehen‘: den Menschen zur Erkenntnis seiner eigenen Schwäche und Niedrigkeit - die ohne Gottes Gnade ja ein ,Nichts‘ ist - zu bringen und ihn durch die ihm erwiesene Barmherzigkeit zu um so grösserer Liebe zu verbinden.“ 13 Diese Rechtfertigung von Piesch stützt sich auf den letzten Satz des 11. Kapitels der ,Reden‘: „Wan den guoten koment alliu dinc ze guote, als sant Paulus sprichet, und als sant Augustıˆnus sprichet: ,jaˆ, ouch die sünden‘ “ 14, und auf das folgende Kapitel, das eine volle Entfaltung des genannten Satzes darstellt: „Jaˆ, der rehte wære gesetzet in den willen gotes, der ensölte niht wellen, diu sünde, daˆ er ˆın gevallen was, daz des niht geschehen wære; niht alsoˆ, als ez wider got was, sunder als verre als duˆ daˆ mite bist gebunden ze meˆrer minne und bist daˆ mite genidert und gedeˆmüetiget, als daz aleine, daz er wider got haˆt getaˆn. Aber duˆ solt gote wol getriuwen, daz er dir des niht verhenget hæte, er enwölte denne dıˆn bestez dar uˆz ziehen.“ 15
Aber der letzte Satz des 11. Kapitels ist ein Zitat aus dem vierten Gegenargument der ,Summa theologiae‘, Suppl., q. 4, a. 1: „Rom. 8 dicitur quod ,diligentibus Deum omnia cooperantur in bonum‘: ,etiam peccata‘, ut dicit Glossa. Ergo non oportet, post 11
12 13 14 15
Suppl., q. 4, a. 2, c: „Unde, cum contritio, quantum ad id quod est displicentia quaedam in appetitu rationis, sit actus poenitentiae virtutis, nunquam potest ibi esse superfluum, sicut nec quantum ad intensionem, ita nec quantum ad durationem […]. Sed passiones possunt habere superfluum et diminutum, et quantum ad intensionem, et quantum ad durationem. Et ideo, sicut passio doloris quam voluntas assumit, debet esse moderate intensa, ita debet moderate durare: ne, si nimis duret, homo in desperationem et pusillanimitatem et hujusmodi vitia labatur.“ Cf. Suppl., q. 3, a. 2, c. Cf. Suppl., q. 3, a. 1, ad 3. H. Piesch, Meister Eckharts Ethik, Luzern 1935, 44 sq. DW V, 231, 8-10. DW V, 233, 4-9.
Eckharts Auseinandersetzung mit der thomasischen Kontritionslehre
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remissionem peccati, quod de ipso doleant.“ 16 Auf dieses Gegenargument antwortet Thomas, dass der Mensch über die Sünden als solche immer Schmerz empfinden soll, obwohl er sich zugleich über die göttliche Vorsehung, die sich auch die Sünden zunutze macht, freuen muss 17. Demnach berücksichtigt auch Thomas den ,Heilsplan‘ Gottes, ohne deshalb, im Gegensatz zu Eckhart, die Aufhebung der Reue zu lehren. Daraus ergibt sich, dass das Verteidigungsargument von Piesch auch kein endgültiges für Eckharts Aussage über die Aufhebung der Reue darstellt. Es ist nach dem Grund zu fragen, warum Eckhart nicht die thomasische Antwort, sondern dessen Gegenargument als Ausgangspunkt seiner eigenen Auffassung nimmt und sich so bewusst in Opposition zur thomasischen Kontritionslehre setzt. Aber ebenso gut ließe sich fragen, warum Thomas bei der Notwendigkeit der Reue bleibt. III. Die Kontritionslehre des T homas von Aquin Um diese Frage zu beantworten, soll auf einen Unterschied hingewiesen werden, den Thomas in Bezug auf die Reue zwischen dem eigentlichen Gegenstand und dem Ermöglichungsgrund macht. Nach Thomas soll der Mensch im eigentlichen Sinne die Sünde als eine Beleidigung Gottes bereuen. Die Trennung von Gott, die von der Sünde verursacht wird, ist kein eigentlicher Gegenstand der Reue. Den Grund dafür erläutert Thomas, indem er zwischen zwei Arten von Schlechtigkeit unterscheidet: „Malitia autem in culpa mortali mensuratur ex eo in quem peccatur, inquantum est ei indigna; et ex eo qui peccat, inquantum est ei nociva.“ 18 Die eine Schlechtigkeit ist die Schädlichkeit gegenüber dem Menschen als dem Subjekt der Sünde, die andere ist die Beleidigung 19 gegenüber Gott, welche der eigentliche Gegenstand der Reue ist. Auch wenn sich aus der Trennung (separatio) von Gott infolge der Sünde immer nur Schaden für den Menschen, und sei dieser auch noch so groß, ergibt, soll der Mensch die Beleidigung Gottes stärker bereuen als die Trennung von Gott: „Et quia homo debet magis Deum quam seipsum diligere, ideo plus debet odire culpam inquantum est offensa Dei, quam inquantum est nociva sibi. Est autem nociva sibi principaliter inquantum separat ipsum a Deo. Et ex hac parte ipsa separatio a Deo, quae poena quaedam est, magis debet displicere quam ipsa culpa inquantum hoc nocumentum inducit […], sed minus quam culpa inquan16
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18 19
In der Anmerkung der kritischen Ausgabe zum letzten Satz des Kap. 11 (DW V, 337, nt. 181) wird auf eine Stelle der ,Summa theologiae‘ (I-II, q. 79, a. 4; q. 87, a. 2) verwiesen, aber nicht auf diese. Suppl., q. 4, a. 1, ad 4: „sicut non debet homo ,facere mala ut veniant bona‘, ita non debet gaudere de malis quia ex eis occasionaliter proveniunt bona, divina providentia agente: quia illorum bonorum peccata causa non fuerunt, sed magis impedimenta. Sed divina providentia ea causavit: et de ea debet homo gaudere, de praeteritis autem dolere.“ Suppl., q. 3, a. 1, ad 4. Das Wort offensa scheint bei Eckhart mit schade und smaˆcheit übersetzt zu werden, wobei das Wort smaˆcheit häufiger auftaucht.
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tum est offensa in Deum […]. Et ideo, cum hoc sit maximum nocumentum quo maximum bonum privatur, erit inter poenas maxima separatio a Deo.“ 20
Die Trennung von Gott, die hier nicht als der eigentliche Gegenstand der Reue in Betracht kommt, wird aber wieder in die Erklärung einbezogen, wenn Thomas den Ermöglichungsgrund der Reue erörtert. Ich möchte zwei Stellen zitieren, die auf den Ermöglichungsgrund der Reue hinweisen. Die erste Stelle will die Überlegenheit des rationalen Schmerzes der Reue über alle anderen Arten des Schmerzes begründen und weist auf die Tatsache hin, dass einem dasjenige, was vom Ziel ablenkt, missfällt: „quantum aliquid placet, tantum contrarium ejus displicet. Finis autem super omnia placet: cum omnia propter ipsum desiderentur. Et ideo peccatum, quod a fine ultimo avertit, super omnia displicere debet.“ 21 Hier wird als Ermöglichungsgrund der Reue herausgestellt, dass der Mensch durch die Sünde vom Letztziel abgehalten wird. Die zweite Stelle, welche die Notwendigkeit der Reue in diesem Leben nachzuweisen beabsichtigt, geht davon aus, dass der Mensch durch die Sünde auf dem Weg zum Letztziel behindert wird: „Quandiu enim est aliquis in statu viae, detestatur incommoda quibus a perventione ad terminum viae impeditur vel retardatur. Unde, cum propter peccatum praeteritum viae nostrae cursus in Deum retardetur […], oportet quod in vitae hujus tempore status contritionis maneat quantum ad peccati detestationem.“ 22
Die beiden zitierten Stellen zeigen, dass Thomas den Ermöglichungsgrund der Reue in der Behinderung auf dem Weg zum Letztziel sieht. Zusammengefasst: Obwohl die Trennung von Gott bei Thomas nicht der eigentliche Gegenstand der Reue ist, wird die Abhaltung vom Letztziel infolge der Sünde als Ermöglichungsgrund der Reue verstanden. Somit erhalten wir die Antwort auf die oben gestellte Frage, warum Thomas immer wieder die Unauflösbarkeit der Zerknirschung behauptet.
IV. Liebe zu Gott bei T homas So wie in der thomasischen Kontritionslehre der Unterschied zwischen dem eigentlichen Gegenstand und dem Ermöglichungsgrund der Reue festgestellt wurde, soll auch hinsichtlich seiner caritas-Lehre auf einen relevanten Unterschied zwischen dem eigentlichen Gegenstand und dem Ermöglichungsgrund der caritas aufmerksam gemacht werden.
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21 22
Suppl., q. 3, a. 1, ad 4. Hier wird die menschliche Liebe zu Gott erwähnt, was auf einen Zusammenhang zwischen der Kontritionslehre und der caritas-Lehre hindeutet. Suppl., q. 3, a. 1, c. Suppl., q. 4, a. 1, c.
Eckharts Auseinandersetzung mit der thomasischen Kontritionslehre
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Nach Thomas liebt der Mensch in der caritas als den eigentlichen Gegenstand Gott: „ex caritate magis debet homo diligere deum […] quam se ipsum.“ 23 Diese These von der übernatürlichen Liebe des Menschen zu Gott versucht Thomas mithilfe der Tatsache zu belegen, dass alles Seiende aufgrund der natürlichen Liebe Gott mehr liebt als sich selbst 24. Den Grund solcher Liebe zu Gott sieht Thomas darin, dass Gott für jedes Seiende der Grund des Seins und der Gutheit (,ratio existendi et bonitatis‘ 25) ist: „Non enim esset in natura alicuius quod amaret Deum, nisi ex eo quod unumquodque dependet a bono quod est Deus.“ 26 So macht bei Thomas die Abhängigkeit des Seins und der Gutheit jedes Seienden von Gott den Grund der Liebe zu Gott aus: „unicuique erit Deus tota ratio diligendi eo quod Deus est totum hominis bonum: dato enim, per impossibile, quod Deus non esset hominis bonum, non esset ei ratio diligendi. Et ideo in ordine dilectionis oportet quod post Deum homo maxime diligat seipsum.“ 27 Dass Gott der ganze Grund der Liebe ist, bedeutet, dass der Mensch Gott nicht um seiner willen, sondern um Gottes selbst willen liebt. Aber der Mensch liebt Gott um Gottes selbst willen eben deshalb, weil Gott das ganze Gute ist, an dem der Mensch teilhat. Und weil die Liebe zu Gott um Gottes willen von der Teilhabe an der göttlichen Seligkeit ermöglicht wird, soll der Mensch die Seligkeit mehr für sich selbst als für seinen Nächsten wollen. Zusammenfassend lässt sich formulieren: Da bei Thomas die Teilhabe an der göttlichen Seligkeit den Grund der Liebe zu Gott um Gottes selbst willen ausmacht, ist die Selbstliebe des Menschen, mit der er für sich selbst das Letztziel begehrt, nie aus der caritas auszuschließen 28. Aus den zitierten Stellen geht klar hervor, dass, während der eigentliche Gegenstand der caritas Gott ist, der Ermöglichungsgrund der caritas in der Teilhabe an der göttlichen Seligkeit liegt. Diese Logik des Thomas bildet genau die Kehrseite der Logik seiner Kontritionslehre, nach welcher der Ermöglichungsgrund der Reue in der Trennung von Gott liegt, während der eigentliche Gegenstand der Reue die Beleidigung Gottes ist. So lässt sich die Antwort auf die am Ende 23
24 25 26 27 28
S. th. II-II, q. 26, a. 3, c. Für die thomasische caritas-Lehre ist grundlegend der Unterschied zwischen der Begehrens- und der Freundschaftsliebe (cf. S. th. I-II, q. 26, a. 4). Mit der Begehrensliebe will einer etwas für sich selbst; mit der Freundschaftsliebe aber will er etwas für einen Freund. In der caritas liebt der Mensch Gott vor allem mit der Freundschaftsliebe, aber auch mit der Begehrensliebe, sofern er die Teilhabe an der göttlichen Seligkeit für sich selbst will (cf. S. th. II-II, q. 17, a. 8). Cf. S. th. II-II, q. 26, a. 3. S. th. I, q. 60, a. 5, ad 1. S. th. I, q. 60, a. 5, ad 2. S. th. II-II, q. 26, a. 13, ad 3. Auf diesen komplizierten Sachverhalt, den ich mit dem Unterschied zwischen dem eigentlichen Gegenstand und dem Ermöglichungsgrund der Liebe zu erklären versuchte, weist auch R. Leonhardt, Glück als Vollendung des Menschseins: Die beatitudo-Lehre des Thomas von Aquin im Horizont des Eudämonismus, Berlin 1998, hin. Er kritisiert die Deutung von K. Holl, nach der sich „der Mensch Gott in der caritas letztlich um der Erlangung seiner eigenen beatitudo willen“ zuwendet, und behauptet: „Die caritas kann nicht eudämonistisch interpretiert werden, weil die Teilhabe an der Eudämonie Gottes nicht ihr Motiv, sondern ihr ontologischer Ermöglichungsgrund ist“ (ibid., 248).
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des 2. Kapitels dieses Beitrags gestellte Frage neu formulieren: Thomas gibt die Notwendigkeit der Zerknirschung nicht auf, weil er grundsätzlich der Auffassung ist, dass der Mensch für sich selbst die Teilhabe an der göttlichen Seligkeit wollen soll. V. Liebe zu Gott bei Eckhar t Von Thomas weicht Eckhart gerade hinsichtlich der Lehre über die menschliche Liebe zu Gott ab. Im Gegensatz zu Thomas, für den die caritas die Selbstliebe des Menschen einschließt, fordert Eckhart in den ,Reden‘ einen solch vollständigen Gehorsam, dass der Mensch für sich selbst nicht einmal Gott will: „In waˆrer gehoˆrsame ensol niht vunden werden ,ich wil alsoˆ oder alsoˆ‘ oder ,diz oder daz‘, sunder ein luˆter uˆzgaˆn des dıˆnen. Und dar umbe in dem aller besten gebete, daz der mensche mac gebeten, ensol niht sıˆn weder ,gip mir die tugent oder die wıˆse‘, oder ,jaˆ, herre, gib mir dich selber oder ˆewigez leben‘, dan ,herre, engip niht, wan daz duˆ wilt, und tuo, herre, swaz und swie duˆ wilt in aller wıˆse‘.“ 29
Nach Thomas ist der Gehorsam (obedientia) das Gelübde, mit dem ein Mensch Gott seinen eigenen Willen weiht 30. Die caritas bringt den Gehorsam notwendigerweise mit sich, insofern der Mensch in der caritas als Freundschaft mit Gott aus seinem eigenen Willen heraustritt und etwas will, wie Gott will 31. Sofern Eckhart den Gehorsam auch als das Heraustreten aus dem eigenen Willen versteht („ein luˆter uˆzgaˆn des dıˆnen“), stimmt er mit Thomas weitgehend überein. Aber das Wort luˆter weist bei Eckhart gerade auf die Aufforderung hin, der Mensch möge seinen eigenen Willen so weit aufgeben, dass er für sich selbst nicht einmal Gott als sein Letztziel begehrt („ensol niht sıˆn […] , jaˆ, herre, gip mir dich selber oder ˆewigez leben‘ “), was bei Thomas ausgeschlossen bleibt. Ferner redet Eckhart im Zusammenhang mit der Reue von ,dem getreuen minnenden got‘ und Gottes selbstloser Liebe zum Menschen, mit der er die Beleidigung durch die menschlichen Sünden gerne erträgt: „Allen den schaden und smaˆcheit, diu gote möhte geschehen von allen sünden, den wil er gerne lıˆden und haben geliten vil jaˆr, uˆf daz der mensche dar naˆch kome ze einer groˆzen bekantnisse sıˆner minne und umbe daz sıˆn minne und sıˆn danknæmicheit deste meˆr und sıˆn ernst deste hitziger werde, daz billıˆche und dicke kumet naˆch den sünden.“ 32
Es sei angemerkt, dass Eckhart hier nicht lediglich seine Auffassung über die Liebe zu Gott vorträgt, welche nach einer begangenen Sünde größer wird, son29 30
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DW V, 188, 3-8. S. th. II-II, q. 186, a. 7, c: „Quod aliquis totaliter Deo offert per obedientiam, qua aliquis offert Deo propriam voluntatem, per quam homo utitur omnibus potentiis et habitibus animae.“ S. th. I-II, q. 19, a. 10: „Est et alius modus conformitatis secundum rationem causae formalis, ut scilicet homo velit aliquid ex caritate, sicut Deus vult.“ DW V, 234, 7-11.
Eckharts Auseinandersetzung mit der thomasischen Kontritionslehre
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dern mit dieser Redeweise bei den Zuhörern spontane Liebe zu Gott zu erwecken weiß. Dieser Gedanke über Gottes selbstlose Liebe zu dem Menschen und des Menschen Liebe zu Gott ist als Grund für Eckharts Aussage zu verstehen, wonach der gute Mensch nicht will, dass seine Sünde nicht geschehen wäre. Um seine eigenen Gedanken über die Liebe zu Gott von den thomasischen grundsätzlich abzugrenzen, entwickelte Eckhart seine Lehre über die Reue bis zur letzten Konsequenz 33. Auf der anderen Seite ist diese Stelle insofern aufschlussreich, als Eckhart hier nicht streng zur vollständigen Aufgabe des eigenen Willens auffordert, sondern die selbstlose Liebe zu Gott entfacht, indem er über Gottes selbstlose Liebe redet. So entpuppt sich die in den ,Reden‘ wiederholt auftauchende gebieterische Aufforderung zur Preisgabe des Eigenwillens als Einladung zur eigentlichen, natürlichen, selbstlosen Bewegung des Menschen. Das Thema der Reue in den ,Reden‘ ist bei den Interpreten dieser Schrift nicht so beliebt wie gerade die Thematik von Gehorsam, Preisgabe des Eigenwillens, Armut usw. Aber das Thema der Reue lässt sich durchaus im Zusammenhang mit dieser Thematik erforschen, so dass ans Licht gebracht werden kann, was Eckhart eigentlich mit ,Gelassenheit‘ meint. VI. Schluss Auf dem Weg meiner Darstellung ist deutlich geworden, dass die Abweichung der Eckhart’schen Lehre von der thomasischen eine konsequente ist. Dies lässt den Schluss zu, dass Eckhart sich in den ,Reden‘ gründlich mit der thomasischen Heilslehre auseinandergesetzt hat. 33
Hier wird auf die weitere Entwicklung der Eckhart’schen Lehre über die Reue im ,Buch der göttlichen Tröstung‘ hingewiesen. Bemerkenswert ist dabei, dass Eckharts Behauptung der Aufhebung der Reue (DW V, 22) in dieser späteren Schrift mit der Bibelstelle Röm. 9, 3 („Optabam anathema esse a Christo pro fratribus meis“) in Verbindung gebracht wird. Cf. DW V, 21, 2-7: „Doch, swie daz sıˆ: in dem aleine, daz ez gotes wille ist, daz ez geschehe, soˆ sol des guoten menschen wille alsoˆ gar mit gotes willen ein und geeiniget sıˆn, daz der mensche daz selbe mit gote welle, nochdenne ob ez sıˆn schade und joch sıˆn verdüemnisse wære. Dar umbe wunschte sant Paulus, daz er von gote gesundert wære durch got und durch gotes willen und durch gotes ˆere.“ Diese Paulusreferenz und die in einer späteren Stelle des Trostbuches (DW V, 40) vorgelegte Ausdeutung der betreffenden Stelle stehen im bewussten Gegensatz zu den Auslegungen, die Thomas gemäß seiner caritas-Lehre vorträgt (S. th. II-II, q. 27, a. 8, ad 1). Nach einer der zwei Auslegungen ist diese Äußerung des Paulus eine Begründung für den Vorrang der Gottesliebe vor der Selbstliebe und besagt, auf den Genuss Gottes ,eine Zeitlang (ad tempus)‘ zu verzichten, damit Gottes Ehre im Nächsten gefördert werde. Der Grund, warum Thomas den Vorbehalt ,eine Zeitlang‘ einfügt, dürfen wir darin sehen, dass der Mensch nach seiner caritas-Lehre an der göttlichen Seligkeit teilhaben soll. Aber diesen Vorbehalt des Thomas weist Eckhart im Trostbuch (DW V, 40) ausdrücklich zurück, was seiner Lehre über die Liebe zu Gott entspricht. Eine weitere Auslegung der Römerbriefstelle ist in der Predigt 12 der kritischen Ausgabe zu finden. Die Rede vom Lassen Gottes in derselben Predigt (DW I, 195 sqq.) ist als eine vertiefte Formulierung der in den ,Reden‘ vorgebrachten Aufforderung zum wahren
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Wie K. Ruh bemerkt, „haben die ,Reden‘ in jüngster Zeit vermehrte Aufmerksamkeit seitens der Forschung gefunden“ 34. Während viele Interpreten diese Schrift hauptsächlich im Kontext der klösterlichen seelsorglichen Tätigkeiten interpretieren, versucht L. Sturlese, metaphysische Elemente der Schrift hervorzuheben und verweist auf den Zusammenhang mit den lateinischen Werken 35. Ich möchte aber einen weiteren Gesichtspunkt vorschlagen. Wenn die ,Reden‘, wie ich herausgestellt habe, eine Auseinandersetzung mit der thomasischen Heilslehre enthalten, ist die Möglichkeit und Notwendigkeit ersichtlich, diese Schrift nicht nur im praktischen Zusammenhang mit der klösterlichen Seelsorge, sondern auch im theoretischen Zusammenhang mit der theologischen Diskussion um die Heilslehre zu untersuchen. Ferner schlage ich vor, die ,Reden‘ nicht nur im entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhang mit Eckharts späteren reifen Gedanken zu betrachten, sondern auch im geistesgeschichtlichen Kontext unter Einbeziehung des Gedankenschatzes des großen Vorgängers zu interpretieren. Das bedeutet keineswegs, dass Eckhart als Thomist einzuordnen sei. Ebenso wenig ist hier von einer Geringschätzung des Einflusses von Seiten der deutschen Dominikanerschule auf Eckhart die Rede. Aber die Annahme allein, dass er kein Thomist war, oder dass er im Umkreis der Albertusschule stand, widerlegt nicht, dass die Thomas-Lektüre für die Eckhart-Forschung hilfreich sein kann. Natürlich fehlt es in der Eckhart-Forschung nicht an komparativen Untersuchungen, die auf Thomas von Aquin Bezug nehmen: Es gibt zahlreiche Stellenverweise in der kritischen Ausgabe, einzelne Vergleiche hinsichtlich des Seinsbegriffs, der Analogielehre, der Pariser Quästionen, der Predigt von Maria und Martha, der Bildlehre 36 usw. Aber sollte man nicht darüber hinausgehend den Gesichtspunkt konsequent weiterverfolgen, dass Eckhart sich bewusst mit Thomas auseinandergesetzt hat?
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Gehorsam zu interpretieren, mit dem der Mensch für sich selbst nicht einmal Gott begehrt. Bezeichnend ist auch, dass der Rede vom Lassen Gottes eine in scharfem Gegensatz zur thomasischen (siehe oben, 183) stehende Freundschaftslehre vorangestellt ist, nach der der Mensch seinen Freund genauso wie sich selbst lieben soll. K. Ruh, Geschichte der abendländischen Mystik, vol. 3: Die Mystik des deutschen Predigerordens und ihre Grundlegung durch die Hochscholastik, München 1996, 265. Cf. L. Sturlese, Meister Eckhart. Ein Porträt (Eichstätter Hochschulreden 90), Regensburg 1993, 7. M. Wilde, Das neue Bild vom Gottesbild. Bild und Theologie bei Meister Eckhart (Dokimion 24), Freiburg/Schw. 2000, unternimmt einen Vergleich zwischen Thomas und Eckhart im Hinblick auf zusammenhängende Themenkomplexe aus der Bildlehre, Analogielehre, Metaphernlehre und Anthropologie.
III. Systematik und Einheit
Der ,Systematiker‘ Eckhart Jan A. Aertsen (Köln) I. Einleitung Allein der Titel meines Beitrages wird manchem Eckhart-Forscher schon ein Greuel sein: Eckhart als ,Systematiker‘ zu betiteln scheint eine contradictio in adiecto zu sein. Hören wir auf einen Großmeister der Forschung, Kurt Ruh: „Die Perspektivenvielfalt und Offenheit des Eckhartschen Denkens verbietet es, ihn, wie vielfach und immer wieder geschehen, auf ein ,System‘ festzulegen.“ 1 Zur Erhärtung des häufigen Perspektivenwechsels verweist Ruh auf eine deutsche Predigt (Q 39), wo es heißt: „Jetzt spreche ich in einem anderen Sinn anders darüber.“ Weitere Stimmen bestätigen die Überzeugung, dass, wer Eckhart auf ein ,System‘ festlege, ihn in eine Zwangsjacke stecke, sein Denken vergewaltige 2. Die Abwehr einer Systematik wird durch die Betonung des Diskontinuierlichen, Heterogenen und Fragmentarischen in Eckharts Werk unterstützt. Die deutsche Predigt, auf die Kurt Ruh verweist, zitiert auch Burkhard Mojsisch als Beleg für die Schwierigkeit, sich dem Denken Eckharts zu nähern; sie besteht darin, „daß dieses Denken von der lebendigen Spontaneität des momentanen Einfalls lebt“ 3. Aber ist diese Deutung zutreffend? Predigt 39 handelt von einem Text im Buch Weisheit (5, 16): ,Iusti vivent in aeternum‘ (,Die Gerechten werden ewig leben‘). Nun hat Eckhart dieselbe Textstelle auch in Predigt 6 behandelt. Wahrscheinlich bezieht er sich auf diese Predigt, wenn er in Predigt 39 zum zweiten Mal über den Text redet und bemerkt, dass er jetzt in einem anderen Sinn über den gerechten Menschen spreche. Das ist weniger ein spontaner Einfall als vielmehr eine wohlüberlegte Strategie des Predigers. Die programmatische Bedeutung des Themas hatte der Meister selbst in Predigt 6 betont: „Wer den Unterschied begreift zwischen der Gerechtigkeit und dem Gerechten, der begreift alles, was ich sage.“ 4 Die Gedanken, die Eckhart in beiden deutschen Predigten entwickelt, hat er auch in seinem Kommentar zum Buch Weisheit dargestellt. Aus dem Sapientiakommentar ergibt sich weiter, dass iustitia zu 1
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K. Ruh, Geschichte der abendländischen Mystik, vol. 3: Die Mystik des deutschen Predigerordens und ihre Grundlegung durch die Hochscholastik, München 1996, 305; cf. id., Meister Eckhart. Theologe, Prediger, Mystiker, München 1985, 86. Cf. zum Beispiel J. Bernhart, Die philosophische Mystik des Mittelalters von ihren antiken Ursprüngen bis zur Renaissance, München 1922, ND Darmstadt 1967, 181. B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogie, Univozität und Einheit, Hamburg 1983, 5. Pr. 6 (DW I, 105).
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den perfectiones generales gehört, welche die Kernbegriffe seines Denkens bilden. Eckhart denkt systematischer, als manche Interpreten uns glauben machen wollen. Im Gegenzug zu einem gängigen Forschungsmodell vertrete ich die These: Jeder Deutung, die den ,Systematiker‘ Eckhart aus dem Auge verliert, haftet der Charakter des Willkürlichen und Beliebigen an. Der Terminus ,System‘ ist konnotativ beladen und hat in der heutigen Philosophie einen ungünstigen Klang, weil mit ihm die Vorstellung einer ,Systembaumeisterei‘ (N. Hartmann) im Stile des deutschen Idealismus verbunden wird. Aber was ist mit ,System/ Systematik‘ (Griechisch ,Zusammenstellung‘) eigentlich gemeint? In seiner ,Kritik der reinen Vernunft‘ (B 860) gibt Kant eine klare Bestimmung: „Ich verstehe aber unter einem Systeme die Einheit der mannigfaltigen Erkenntnisse unter einer Idee.“ ,System‘ meint nichts anderes als eine Ordnungseinheit, die Idee eines gegliederten Ganzen. Gegensatz ist das ,Aggregat‘, das ,Rhapsodische‘, das ,Fragmentarische‘. Wesentlich für diese Bestimmung ist die Einsicht, System in diesem Sinne sei nicht eine Qualität, die Wissen oder Denken zukommen oder nicht zukommen kann, sondern notwendige Bedingung der Wissenschaftlichkeit oder des Denkens. Ohne ,systematische‘ Einheit gibt es ein Aggregat von Gedanken, aber keine Philosophie oder Theologie. Die Frage nach dem ,Systematiker‘ Eckhart ist mithin keine Gewalttat des Interpreten, sondern eine für ihn verbindliche Frage.
II. Eckhar ts Projekt des ,Opus tripar titum‘ In Bezug auf Eckharts Denken verfügen wir über ein einzigartiges Dokument. Texte, in denen ein mittelalterlicher Autor das Ganze seines Werkes betrachtet und expressis verbis sein theologisch-philosophisches Programm formuliert, sind selten. Eckhart bietet einen solchen Text, denn im ,Allgemeinen Prolog‘ zum ,Opus tripartitum‘ legt er einen Gesamtentwurf seines Lebenswerkes vor. Ausführlich unterrichtet er den Leser erstens über die intentio auctoris, zweitens über die Gliederung (divisio) des opus totale und drittens über die Ordnung und Methode (modus procedendi) in dem Werk. Man würde erwarten, dass dieses einzigartige Dokument die Grundlage für eine systematische Deutung seines Denkens sein sollte, aber diese Erwartung bewahrheitet sich nicht 5. Über die 5
Eine eingehende Analyse des Prologs ist eher Ausnahme als Regel in der Forschung. Zu diesen Ausnahmen gehören die Studien von K. Albert, Meister Eckharts These vom Sein. Untersuchungen zur Metaphysik des Opus tripartitum, Kastellaun 1976; W. Goris, Einheit als Prinzip und Ziel. Versuch über die Einheitsmetaphysik des Opus tripartitum Meister Eckharts (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 59), Leiden-New York-Köln 1997, und A. de Libera, Maıˆtre Eckhart et la mystique rhe´nane, Paris 1999. Hilfreich ist der Kommentar von F. Brunner zur französischen Übersetzung, in: L’œuvre latine de Maıˆtre Eckhart, vol. 1: Le Commentaire de la Gene`se, pre´ce´de´ des Prologues, Paris 1984, 97-195.
Der ,Systematiker‘ Eckhart
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Gründe dafür werden wir später reden, zuerst soll die programmatische Bedeutung des Prologs herausgestellt werden. Zwei Aspekte möchte ich hervorheben: Eckharts neue Logik des Wissens und seinen ,Grundsatz‘. 1. Eine neue Logik des Wissens Eckhart beginnt die Darstellung seiner Intention mit ganz traditionellen Floskeln: Eifrige (studiosi) Mitbrüder drängten ihn, schriftlich niederzulegen, was sie von ihm in Vorlesungen (lectionibus) und anderen Unterrichtsformen (actibus scholasticis) wie auch in Predigten (praedicationibus) und täglichen Gesprächen (collationibus) zu hören gewohnt waren. Diese schriftliche Fixierung beabsichtigt Eckhart in drei Richtungen zu verfolgen: mit Bezug auf gewisse allgemeine und lehrsatzartige Thesen (propositiones), mit Bezug auf neue kurze Erklärungen verschiedener Fragen (quaestiones) und drittens mit Bezug auf ungewöhnliche (rara) Auslegungen (expositiones) zahlreicher Aussprüche der Heiligen Schrift 6. In dieser Zielsetzung erklingt bereits der Ton der Neuheit: ,neue‘ Erklärungen der Fragen, ,ungewöhnliche‘ Schriftauslegungen. Dennoch bleibt das eigentlich Innovative noch verborgen: Hinsichtlich des ersten Ziels könnte man sich fragen, ob die Formulierung allgemeiner Thesen wirklich einen von Eckhart behaupteten Übergang der ,scholastischen‘ Praxis zur Schriftlichkeit bildet. Folgen wir aber zunächst Eckharts Darstellung der divisio operis. Gemäß der dreifachen Zielsetzung gliedert sich das opus totale in drei Teile: das ,Werk der Thesen‘, das ,Werk der Fragen‘ und das ,Werk der Auslegungen‘. Das Werk der propositiones würde mehr als tausend Thesen enthalten. Entsprechend den Begriffen (termini), aus denen die Thesen gebildet werden, wird es in vierzehn Traktate eingeteilt. Eckhart erwähnt auch die Titel dieser Traktate, welche sozusagen die ,Grundworte‘ seines Denkens enthalten. Sie bilden, wie sich zeigen wird, den Schlüssel zur Interpretation seiner Metaphysik: Der erste Traktat handelt: Vom Sein (esse) und vom Seienden (ens), und von dessen Gegensatz: vom Nichts, der zweite: Von der Einheit und vom Einen, und von dessen Gegensatz, das ist das Viele, der dritte: Von der Wahrheit und vom Wahren, und von dessen Gegensatz: vom Falschen, der vierte: Von der Gutheit und vom Guten, und von dessen Gegensatz: vom Übel, der fünfte: Von der Liebe (amor) und der Gottesliebe (caritas), und von deren Gegensatz: von der Sünde,
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Prol. gen. in op. trip., n. 2 (LW I, 148-149).
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der sechste: Vom sittlich Guten (honestum), von der Tugend und vom Rechten, und von deren Gegensätzen: vom sittlich Schlechten, vom Laster und vom Unrechten, der siebte: Vom Ganzen und vom Teil, seinem Gegensatz, der achte: Vom Gemeinsamen (commune) und Ununterschiedenen, und von deren Gegensätzen: vom Eigenen und Unterschiedenen, der neunte: von der Natur des Oberen und von der des Niederen, seines Gegensatzes, der zehnte: Vom Ersten und vom Letzten, der elfte: Von der Idee und vom Grund (ratio), und von deren Gegensätzen: vom Formlosen und der Beraubung, der zwölfte: Von dem, wodurch etwas ist (quo est), und von dem, was ist (quod est), dem von jenem Unterschiedenen, der dreizehnte: Von Gott selbst, dem höchsten Sein, das keinen Gegensatz hat außer dem Nicht-Sein, der vierzehnte: Von der Substanz und vom Akzidens 7. Der zweite Teil des ,Opus‘ ist das Werk der quaestiones, die in der gleichen Reihenfolge wie in der ,Summa (theologiae)‘ „des hervorragenden Lehrers, des ehrwürdigen Bruders“ Thomas von Aquin behandelt werden. Jedoch werden nicht alle Fragen erörtert, „sondern nur wenige, wie sie sich, je nach Gelegenheit, bei Disputationen, Vorlesungen und Besprechungen ergaben“ 8. Der dritte Teil ist das Werk der expositiones, das wieder zweigeteilt ist. Es besteht erstens aus Auslegungen der Aussprüche (auctoritates) in den Büchern des Alten und Neuen Testamentes (die sich nach der Reihenfolge dieser Bücher gliedern) und zweitens aus Predigten, in denen einige Schriftworte mit besonderer Ausführlichkeit behandelt werden 9. Die Gliederung bezieht sich also auf die Unterscheidung von drei literarischen Gattungen, die verschiedenen Denkformen entsprechen - Thesen, Fragen und Auslegungen. Das Besondere ist jedoch, dass Eckhart sich nicht auf die divisio der drei Werke beschränkt, sondern beabsichtigt, sie in eine logisch-systematische Ordnung zu bringen. Die drei Teile des ,Opus‘ stehen nicht unverbunden nebeneinander, sondern bilden ein Ganzes. Ähnliches finden wir weder bei Albert dem Großen noch bei Thomas von Aquin oder Duns Scotus. Eckharts ,Opus tripartitum‘ hat kein Äquivalent im Mittelalter. Das Einzigartige des Werkes ist genauer zu bestimmen. Nach Kurt Ruh ist das ,Opus tripartitum‘ „angelegt als neuartige theologische ,Summe‘. Eckhart 7 8
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Prol. gen. in op. trip., n. 4 (LW I, 150-151). Prol. gen. in op. trip., n. 5 (LW I, 151). In der kritischen Edition der lateinischen Werke wird quaestio mit ,Problem‘ übersetzt, aber diese Übersetzung ist irreführend; quaestio ist ein scholastischer terminus technicus für eine ,Ob‘-Frage, die bejaht oder verneint werden kann. Cf. Prol. gen. in op. trip., n. 6 (LW I, 151).
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konnte sich offensichtlich nicht mit den Großformen der Hochscholastik, den Sentenzenkommentaren und Summen befreunden, wohl wegen ihrer ausgeprägten Systematik. Er liebte das Offene und behielt sich Neuorientierungen vor“. Es gehört zu seinen „großen Neuerungen“, dass er die Exegese „neben die scholastischen Formen der Thesen und Quästionen gestellt hat“ 10. Diese Deutung trifft einen richtigen Kern, die Zentralstellung der Exegese, ist aber fragwürdig mit Bezug auf Eckharts Verhältnis zur ,Systematik‘ und ,Scholastik‘. ,Scholastisch‘ sind diejenigen Formen, die mit der ,Schule‘, d. h. dem universitären Unterricht, zusammenhängen und durch ihre spezifischen Lehrformen geprägt sind; die ,Thesen‘ gehören nicht dazu. Die statutarisch festgelegten Aufgaben eines Magisters in der Theologie bestanden in der lectio, disputatio und praedicatio. Die quaestiones und expositiones sind deshalb die üblichen literarischen Gattungen der ,Scholastik‘; sie zählen zu dem, was Eckhart am Anfang des Prologs die ,Schulpraxis‘ (actibus scholasticis) nennt. Die propositiones dagegen gehören zur im 13. und 14. Jahrhundert nicht sehr häufig benutzten literarischen Gattung der Theoremata und stellen eine andere Wissenstradition dar 11. Diese andere Wissenstradition wird oft als ,Axiomatik‘ oder ,axiomatischdeduktiv‘ bezeichnet. Das Thesenwerk Eckharts habe einen „axiomatischen Charakter“, der „eine Revolution in der Methode der mittelalterlichen Theologie“ darstelle 12. Im Aufbau des ,Opus tripartitum‘ zeige sich „jene Erkenntnismetaphysik, die allen axiomatischen Propositions-Systemen zugrunde liegt, seit Platon in seiner Dialektik die Idee des an sich Guten sich von oben nach unten, von Genus zu Genus entfalten ließ“ 13. Nun soll man nicht über Namen streiten, jedoch ist die Bezeichnung ,Axiomatik‘ missverständlich und könnte Eckharts Projekt mit falschen Erwartungen belasten. Hinsichtlich des Thesenwerkes sind zwei Aspekte zu unterscheiden: sein Verhältnis zu den beiden anderen Teilen des ,Opus‘ und das Werk selbst. Letzteres ist mehr eine ,Theorematik‘ als eine ,Axiomatik‘ 14. Theoremata-Texte 10 11
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Ruh, Geschichte (nt. 1), 292-296. Interessant ist in dieser Hinsicht das Werk des Aegidius Romanus. Er behandelt zweimal die Frage nach der Zusammensetzung aus ,Wesen‘ und ,Sein‘, erst in theorematischer Form (,Theoremata de esse et essentia‘), später in der Form von quaestiones disputatae. De Libera, Maıˆtre Eckhart (nt. 5), 55 sqq.; id., Gene`se et structure des me´taphysiques medie´vales, in: J.-M. Narbonne/L. Langlois (eds.), La me´taphysique, son histoire, sa critique, ses enjeux, Paris - Que´bec 1999, 159-181, bes. 176-177. J. Hirschberger, Geschichte der Philosophie, vol. 1: Altertum und Mittelalter, Freiburg-BaselWien 141987, 550. Er fährt fort: „Systemen also, wie sie vorliegen in den Propositionen der Sententiae ad intelligibilia ducentes des Porphyrios, der Elementatio theologica des Proklos, des Liber de causis, der Maximae theologiae des Alanus ab Insulis, des Liber de intelligentiis und des Buches der 24 Meister.“ Zu diesem Fragekomplex siehe die Studien von M. Dreyer und J.-L. Sole`re: M. Dreyer, Die literarische Gattung der Theoremata als Residuum einer Wissenschaft more geometrico, in: M. J. F. M. Hoenen/J. H. J. Schneider/G. Wieland (eds.), Philosophy and Learning. Universities in the Middle Ages, Leiden-New York-Köln 1995, 123-135; id., Wissenschaft als Satzsystem. Die Theoremata des Johannes Duns Scotus und die Entwicklung des kategorisch-deduktiven Wissenschaftsbegriffs, in: L. Honnefelder e. a. (eds.), John Duns Scotus. Metaphysics and Ethics,
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formulieren zu einem bestimmten Thema eine Reihe von Sätzen samt dazugehörender Erläuterungen oder Beweise, wobei im Idealfall die Thesen eine deduktive Ordnung besitzen. Der Anfang des Satzsystems ist also kein selbstevidenter Satz, d. h. kein Axiom. In seiner ,Rechtfertigungsschrift‘ kommt Eckhart auf die erste Proposition seines Thesenwerkes zurück, weil sie von den Kölner Inquisitoren inkriminiert wurde. Er verteidigt die These und bemerkt, dass sie durch fünf Argumente bewiesen wird (probatur) 15. Gemäß dieser Selbstaussage vertritt das ,Opus propositionum‘ eine Theorematik. Das formale Vorbild des Thesenwerkes war der ,Liber de causis‘, eine Schrift, die Eckhart im ,Prologus generalis‘ zitiert und die seinem Denken inhaltlich nahe steht 16. Das von einem anonymen arabischen Autor verfasste und im 12. Jahrhundert ins Lateinische übersetzte Buch enthält 31 Thesen, deren Gültigkeit im anschließenden Kommentar aufgewiesen wird. Der ,Liber‘ wurde im 13. Jahrhundert von Albert dem Großen und Thomas von Aquin kommentiert. In seinem Kommentar bemerkt Albert zur Methode des Buches, dass die Schrift auf theorematische Weise („per modum theorematum“) angeordnet sei und dass zu den Thesen jeweils ein Kommentar hinzugefügt werde, der nichts anderes als ein Beweis des diesbezüglichen Satzes sei 17. Eckhart hat unverkennbar ein Interesse an theorematischen Schriften. Häufiger als jeder andere Autor im Mittelalter zitiert er den ,Liber XXIV Philosophorum‘, eine im 12. Jahrhundert entstandene Sammlung von 24 Propositionen über Gott, die jeweils mit wenigen Sätzen erläutert werden 18. Eine weitere Schrift, welche Eckhart im ,Allgemeinen Prolog‘ zitiert, ist Boethius’ Traktat ,De hebdomadibus‘, der dem Modell der Axiomatik folgt. Ausgangspunkt ist die Frage ,Wie Substanzen in dem, was sie sind (in eo quod sint), gut sind, obwohl sie nicht substantiell gut sind?‘ 19 Zur Beantwortung der Frage führt Boethius more geometrico 9 Axiome an, die er „communes animi conceptiones“ nennt, auf deren
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Leiden-New York-Köln 1996, 87-105; J.-L. Sole`re, Ne´oplatonisme et Rhe´torique: Gilles de Rome et la premie`re proposition du De Causis, in: L. Benakis (ed.), Ne´oplatonisme et philosophie me´die´vale, Turnhout 1997, 163-196; id., Maıˆtre Eckhart, Proclus et Boe`ce: Du statut des Prologues dans l’,axiomatique‘ ne´oplatonicienne, in: J. Hamesse (ed.), Les prologues me´die´vaux, Turnhout 2000, 535-571; cf. A. Niederberger, Zwischen De hebdomadibus und Liber de causis Einige Bemerkungen zu Form und Argumentation der Regulae theologiae des Alanus ab Insulis, in: Convenit Selecta 5 (2000), 47-52. Cf. Proc. Col. I, n. 117 (LW V, 289). Cf. W. Beierwaltes, Primum est dives per se. Meister Eckhart und der Liber de Causis, in: E. P. Bos/P. A. Meyer (eds.), On Proclus and His Influence in Medieval Philosophy, Leiden-New York-Köln 1992, 141-169. Albertus Magnus, De causis et processu universitatis a prima causa II, tract. I, c. 1, ed. W. Fauser (ed. Colon. 17/2), Münster 1993, 59: „[…] per modum theorematum ordinans ea quorum commentum ipsemet adhibuit […]. quod nihil aliud est nisi theorematis propositi probatio.“ Cf. Ruh, Geschichte (nt. 1), 33-44. Boethius, Quomodo substantiae in eo quod sint bonae sint cum non sint substantialia bona, in: H. F. Stewart e. a. (eds.), Boethius. The Theological Tractates and The Consolation of Philosophy, Cambridge, Mass. 1973; dt. Übers. in: A. M. S. Boethius, Die Theologischen Traktate, übers., eingel. u. mit Anm. versehen v. M. Elsässer, Hamburg 1988.
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Grundlage das Problem der Gutheit der Dinge gelöst werden kann. Der XII. Traktat in Eckharts Thesenwerk, der von quo est und quod est handelt, rekurriert auf eines dieser Axiome. Boethius’ Abhandlung ist auch insofern für Eckharts Projekt vorbildhaft, als sie das Ideal eines axiomatischen Wissens mit der scholastischen Form der quaestio verbindet. Das eigentlich Innovative in Eckharts Projekt des ,Opus tripartitum‘ besteht in einer neuen Logik des Wissens: Er verknüpft das propositionale Modell des Wissens mit der scholastischen Tradition, und zwar in dem Sinne, dass die propositio für die quaestio und expositio logisch bestimmend ist. Im ,Allgemeinen Prolog‘ macht Eckhart nach der Darstellung der divisio des ,Opus‘ drei Vorbemerkungen, die er offensichtlich als wesentlich für das Verständnis des ganzen Werkes betrachtet. Die ersten zwei sind inhaltlicher Art, die dritte Vorbemerkung bezieht sich auf die Ordnung des ,Opus tripartitum‘: „Drittens und letztens ist vorher zu bemerken, daß das zweite Werk und gleichfalls das dritte so von dem ersten Werk, nämlich dem der Thesen, abhängen, daß sie ohne es nur von geringem Nutzen sind, weil sich die Erklärungen der Fragen und die Auslegungen der Schriftworte (auctoritates) meistens auf eine der Thesen gründen ( fundantur).“ 20
Eckharts Projekt findet seine systematische Grundlegung im Thesenwerk; ohne dieses sind die beiden anderen Teile „nur von geringem Nutzen“. Man könnte sich fragen, ob die Einbeziehung des Thesenwerkes in das ,Opus‘ nicht eine ganz bewusste Scholastikkritik impliziert. Eckharts Kritik betrifft jedoch nicht, wie Kurt Ruh meint, ihre „ausgeprägte Systematik“, sondern gerade den Mangel daran. Im Zentrum der scholastischen Methode steht die quaestio, eine konkrete Frage, die bejaht oder verneint werden kann. Nehmen wir z. B. die zweite ,Frage‘ aus der ,Summa theologiae‘ des Thomas von Aquin, die Eckhart als Modell für sein ,Werk der Fragen‘ diente. Zur Beantwortung der Frage (S. th. I, q. 2, a. 3) ,Ob Gott ist?‘ zeigt Thomas fünf ,Wege‘ auf, die zum Dasein Gottes führen. Sie sind alle Ursächlichkeitsbeweise, die sich auf verschiedene Arten von Kausalität gründen. Aber was Kausalität ist und wie sie zu differenzieren ist, wird in Thomas’ Darstellung nicht herausgestellt, sondern vielmehr vorausgesetzt. In Eckharts Projekt ist jedoch dem ,Werk der Fragen‘ das Thesenwerk vorgeordnet. Gerade die ,scholastische‘ Praxis könnte ihn zu dieser Entscheidung bewegt haben. 2. Eckharts ,Grundsatz‘ In der zweiten Hälfte des Prologs erläutert Eckhart seine Verfahrensweise mit Bezug auf das gesamte Werk durch ein Beispiel. Er behandelt die erste propositio ,Das Sein ist Gott‘ (,Esse est deus‘), die erste quaestio ,Ob Gott ist?‘ und 20
Prol. gen. in op. trip., n. 11 (LW I, 156).
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die erste auctoritas ,Im Anfang hat Gott Himmel und Erde geschaffen‘ (Gen. 1, 1). Nacheinander zeigt er die Erklärung der These, die Lösung der quaestio aufgrund dieser These und die Auslegung des Schriftwortes aufgrund derselben These. Der Ausdruck modus procedendi könnte nahe legen, dass der zweite Teil des Prologs nur der methodischen Erhellung dient. In Wirklichkeit ist Eckharts exemplarische Ausarbeitung seiner Vorgehensweise jedoch nicht nur für die systematische Ordnung des ,Opus tripartitum‘ aufschlussreich, sondern auch inhaltlich für das philosophische Anliegen des Projekts. Das inhaltliche Moment tritt sogleich in der Darstellung der ersten These hervor. Die erste These kann als der ,Grundsatz‘ des ,Opus propositionum‘ betrachtet werden, da am Schluss des Prologs gefolgert wird, dass aus jener These fast alle Fragen über Gott gelöst und die Schriftworte über ihn ausgelegt werden können. Zuerst ist die Eigenart der These zu berücksichtigen, dann werden wir Eckharts fünf Beweise für die These analysieren und schließlich die von ihm nicht explizierten Voraussetzungen der Argumentation kurz darlegen. 2.1 Die Eigenart der These Der Grundsatz bringt eine eigentümliche Ansicht Eckharts zum Ausdruck, die erst klar hervortritt, wenn man beachtet, was die These nicht sagt. Die erste These lautet nicht: ,Deus est esse‘ (obwohl sich auch dieser Satz sehr oft in Eckharts Werken belegen lässt), sondern ,Esse est deus‘. Es gibt einen bloß formalen Grund, der nahe legt, warum es von Belang ist, dass in Eckharts Satz das Sein, und nicht Gott, an der Subjektstelle steht. Die Subjektstellung eines Terminus ist für die Einordnung einer These in die Traktate des ,Opus propositionum‘ bestimmend. Eckharts Grundsatz gehört zum I. Traktat (,De esse‘), nicht zum XIII. Traktat (,De deo‘). Man könnte sich fragen, welche Relevanz die Umstellung des Satzes besitzt. Macht es in Aussagen über Gott einen Unterschied zu sagen A=B oder B=A? Ein interessantes Beispiel dafür, dass die Konvertibilität nicht selbstverständlich ist, bildet Anselms von Canterbury Dialog ,De veritate‘. Ausgangspunkt ist der (Glaubens)Satz ,Deus est veritas‘, aber inwiefern gilt nun auch ,Veritas est deus‘? Der Schüler beginnt den Dialog mit einer Bemerkung, die sofort zum Kern des Problems führt: „Da wir glauben, daß Gott die Wahrheit ist und [da] wir sagen, daß Wahrheit in vielem anderen ist, möchte ich wissen, ob wir, wo immer von Wahrheit gesprochen wird, gestehen müssen, daß sie Gott ist.“ 21 Ist Eckharts Theorem, wie behauptet worden ist, „rein scholastisch“ 22 ? In der scholastischen Theologie wird die Identität von Gott und Sein in zwei Zu21
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Anselm von Canterbury, De veritate, c. 1, ed. und übers. v. F. S. Schmitt, Stuttgart 1966, 36: „Quoniam Deum veritatem esse credimus, et veritatem in multis aliis dicimus esse, vellem scire, an ubicumque veritas dicitur, Deum eam esse fateri debeamus.“ W. Bange, Meister Eckeharts Lehre vom göttlichen und geschöpflichen Sein, Limburg an der Lahn 1937, 28.
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sammenhängen thematisiert. Der eine Kontext ist die Frage nach der Einfachheit Gottes: Von ihm sind alle für das endliche Seiende kennzeichnenden Formen der Zusammengesetztheit zu verneinen; Gott ist das Sein selbst (ipsum esse). Der andere Kontext ist die Abhandlung über ,die Namen Gottes‘, die angesichts der Vielheit dieser Prädikate fragt, welcher der eigentliche oder primäre Name Gottes sei. In dieser Debatte haben viele mittelalterliche Denker, z. B. Thomas von Aquin (S. th. I, q. 13, a. 11), die Auffassung vertreten, dass ,Sein‘ oder ,Seiendes‘ der adäquateste Gottesname sei 23. In Eckharts These aber ist der Satzgegenstand nicht Gott, dem das Seinsprädikat zugesprochen wird, sondern das Sein steht an der Subjektstelle der Aussage. Sein Grundsatz lautet: ,Esse est deus‘; sein Ausgangspunkt ist die Evidenz des Seins. Insofern ist Eckharts These nicht „rein scholastisch“. Man hat versucht, die Originalität des Eckhart’schen Grundsatzes durch den Hinweis zu relativieren, dass er im Neuplatonismus ein bestimmendes Vorbild hat 24. Der ,Liber de causis‘ versteht sich auch als Untersuchung des esse, weil die zweite These sagt: „Jedes höhere Sein ist entweder über der Ewigkeit und vor dieser oder mit der Ewigkeit oder nach der Ewigkeit und über der Zeit.“ Im Kommentar zu dieser These wird dann „das Sein, das vor der Ewigkeit ist“, mit der ersten Ursache, d. h. mit Gott, identifiziert. Eckharts These ist jedoch viel radikaler als diejenige im ,Liber de causis‘; sie gründet sich nicht auf eine Seinshierarchie und spezifiziert das mit Gott identische Sein nicht durch eine Hinzufügung. Seine These ist in ihrer Radikalität eine Eigenlehre. 2.2 Die Beweise für die These Die prima propositio wird durch fünf Argumente bewiesen, die eine gleiche formale Struktur besitzen 25. Um klarzumachen, dass der Subjekt- und Prädikatterminus nicht zwei distinkte Realitäten bezeichnen, wendet Eckhart mit großer Stringenz die Logik der consequentiae an. Das antecedens jedes Beweises lautet: „Wenn das Sein etwas anderes als Gott ist“ („Si esse est aliud quam Deus“). Eckhart zeigt, dass dieses jeweils zu einer falschen Konsequenz führt und das antecedens deshalb zu verneinen ist (der sog. modus tollens). Das erste Argument ist recht kompliziert: „Wenn das Sein etwas anderes ist als Gott, so ist Gott nicht und ist nicht Gott. Denn wie ist das oder wie ist es etwas, von dem das Sein verschieden, dem es fremd und von dem es unterschieden ist? Oder wenn Gott ist, so ist er in jedem Falle durch 23
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Auch Eckhart hatte eine quaestio über die göttlichen Namen vorgesehen. Cf. In Ex., n. 24 (LW II, 30). Er verweist auf Thomas’ Darstellung in In Ex., n. 161 (LW II, 142): „De hoc nomine [Qui est] dicit Damascenus, quod ipsum est primum nomen dei, cuius tres rationes pulchras assignat Thomas p. I, q. 13 a. 11.“ Cf. Mojsisch, Meister Eckhart (nt. 3), 44. Es handelt sich um fünf selbständige Argumente, nicht, wie Mojsisch meint, um kumulative.
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etwas anderes, da das Sein etwas anderes ist als er. Also ist Gott und das Sein dasselbe oder Gott hat das Sein von einem anderen. Und so ist er nicht Gott, wie vorausgeschickt wurde, sondern etwas anderes, Früheres als er und das ist (dann) die Ursache dafür, daß er ist.“ 26
Der Beweis geht von einem zweifachen Verständnis des Terminus aliud im Antezedens „Wenn das Sein etwas anderes als Gott ist“ aus: zuerst als dasjenige, was dem Sein fremd (alienum) und vom Sein verschieden (distinctum) ist, dann als dasjenige, was das Sein von einem anderen (ab alio) hat 27. Wenn der Vorsatz im ersten Sinne verstanden wird, dann ist die Konsequenz (a), dass Gott nicht ist und nicht Gott ist, weil, was vom Sein verschieden ist, weder ist noch etwas (aliquid) ist. Das gilt allerdings für jedes (x) (,Mensch‘, ,Baum‘), weil jedes (x), das vom Sein getrennt ist, nicht ist und nicht (x) ist. Wenn aber die Differenz zwischen Sein und Gott im zweiten Sinne gefasst wird, dann gibt es eine Konsequenz (b), die nicht für jedes (x) gilt. Wenn Gott ist, aber das Sein ab alio hat, dann ist nicht er Gott, sondern etwas anderes, Früheres (prius) als er, das die Ursache seines Seins ist. Die Kraft des Arguments besteht also darin, dass in beiden Fällen - entweder, wenn Gott nicht ist oder wenn er ist, aber ab alio - Gott nicht Gott ist. Diese Identität ist nur gewährleistet, wenn das Sein mit Gott identisch ist. Der zweite Beweis argumentiert von einer anderen Perspektive her, nämlich vom Sein der Dinge. „Wenn das Sein etwas anderes als Gott ist“, haben die Dinge das Sein von etwas anderem als von Gott. Begründung des (falschen) Nachsatzes: Alles, was ist, ist durch das Sein und von dem Sein 28. Der dritte Beweis bezieht den Schöpfungsbegriff in die Argumentation mit ein: Creatio ist Seinsmitteilung aus dem Nichts. Das Verhältnis des Seins zum Seienden wird durch das albedo-Beispiel erklärt, das häufig in Eckharts Metaphysik auftritt. „Wenn das Sein etwas anderes als Gott ist“, müsste der Schöpfer der Dinge etwas anderes als Gott sein. Begründung: Vor dem Sein ist nichts. Wer also Sein mitteilt, ist Schöpfer, da ,Schaffen‘ ,aus dem Nichts Sein geben‘ ist. Es steht aber fest, dass alles Sein vom Sein hat, wie alle weißen Dinge (alba) von der Weiße (albedo) sind 29. Der vierte Beweis hängt eng mit dem dritten zusammen und benutzt das gleiche albedo-Beispiel. „Wenn das Sein etwas anderes als Gott ist“, müssten die Dinge ohne Gott sein können und ist Gott nicht die erste Ursache der Dinge und die Seinsursache. Begründung: Alles, was Sein hat, ,ist‘, so wie alles, was Weiße (albedo) hat, weiß (album) ist 30. Der fünfte Beweis geht vom im dritten Beweis explizierten Seinsverständnis aus („Außerhalb des Seins und vor dem Sein ist allein das Nichts“) und greift dann auf die Argumentationsweise des ersten Beweises zurück. „Wenn das Sein 26 27 28 29 30
Prol. gen. in op. trip., n. 12 (LW I, 156-157). In Ex., n. 106 (LW II, 107): „Alienum enim ab alio dictum est.“ Cf. Prol. gen. in op. trip., n. 12 (LW I, 157). Cf. Prol. gen. in op. trip., n. 12 (LW I, 157). Cf. Prol. gen. in op. trip., n. 12 (LW I, 157-158).
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etwas anderes als Gott ist“, wäre Gott nichts oder wäre er von etwas Früherem als er. Der Beweis schließt mit der Wendung: Dieses Frühere wäre dann der Gott für Gott und aller Dinge Gott 31. 2.3 Voraussetzungen Die erste These ist kein selbstevidenter Satz, sondern ein Theorem, das durch fünf Argumente bewiesen wird. Die Logik der consequentiae setzt ein bestimmtes Verständnis beider Termini der Aussage voraus; Eckhart erläutert sein Seinsverständnis sowie sein Gottesverständnis jedoch nicht näher. Gewisse Momente seines Seinsverständnisses werden allerdings in den Begründungen der Nachsätze greifbar: - Der Sinn des Seinsbegriffs wird aus seinem Gegensatz zum Nichts bestimmt: Was vom Sein verschieden ist, ist nicht und ist nichts (Arg. 1). Außerhalb des Seins und vor dem Sein ist nur das Nichts (Arg. 3 und 5). - Esse ist Ursache und Prinzip, Anfang und Grund des Seienden (ens). Jedes Seiende hat vom Sein, dass es ist. Dieses Moment verbindet Eckhart mit dem Schöpfungsbegriff. - Die Differenz zwischen esse und ens wird durch das Beispiel des Verhältnisses eines abstrakten Terminus (albedo), der eine Form oder Vollkommenheit ohne die Beziehung zum Träger bezeichnet, zum konkreten Terminus (album), der die Form in concretione zum Träger bezeichnet, erläutert. Aber was heißt abstractum hier? Das albedo-Beispiel ist missverständlich, weil es suggerieren könnte, dass Eckhart das Sein als innere Formursache versteht. Eckharts Verständnis dessen, was mit der Vokabel ,Gott‘ gemeint ist, kommt nur indirekt in seiner Ablehnung der Konsequenzen zum Ausdruck: Gott ist das Erste, Seinsursache, Schöpfer. Weiteres Licht auf sein Verständnis wird durch eine Quelle geworfen, auf welche Eckhart in seiner Verteidigung der ersten These in der ,Rechtfertigungsschrift‘ verweist und die er öfters zitiert: „Siehe hierzu die eingehende Erörterung Bernhards im V. Buch seiner Schrift ,De consideratione (ad Eugenium papam)‘.“ 32 Bernhard von Clairvaux stellt sich im V. Buch (6, 13-15) die Frage ,Wer/was ist Gott?‘ 33 Seine Antworten sind: 31
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Cf. Prol. gen. in op. trip., n. 12 (LW I, 158). Deshalb kann Eckhart dieses Argument auch gegen den Polytheismus verwenden. Cf. In Ex., n. 103 (LW II, 104; zu Ex. 20, 3: ,Non habetis deos alienos‘): „Octavo: quicumque habetur sive dicitur deus esse et non est ipsum esse, sed aliquid aliud, aut erit ens sine esse, aut habet esse ab alio. Sed primum est impossibile. Secundum vero si dicatur, iam non est deus, qui accipit esse ab alio.“ Eckharts Verhältnis zu Bernhard von Clairvaux verdient eine weitere Untersuchung. Cf. B. McGinn, St. Bernard and Meister Eckhart, in: Cıˆteaux 31 (1980), 372-386; G. Steer, Bernhard von Clairvaux als theologische Autorität für Meister Eckhart, Johannes Tauler und Heinrich Seuse, in: K. Elm (ed.), Bernhard von Clairvaux. Rezeption und Wirkung im Mittelalter und in der Neuzeit, Wiesbaden 1994, 233-259. Bernhard von Clairvaux, De consideratione, eds. J. Leclercq/H. M. Rochais (S. Bernardi Opera III), Rom 1963, 477-479.
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- ,Qui est‘ (Ex. 3, 14). In seiner Auslegung des Satzes ,Ich bin, der ich bin‘ zitiert Eckhart Bernhards Ausführungen zu dieser Antwort: „Wenn du von Gott aussagen möchtest, daß er gut, groß, selig, weise oder etwas Ähnliches ist, so ist das in diesem Wort enthalten, daß er ist: Er ist […]. Wenn du einmal dieses so einzigartige und höchste Sein betrachtet hast, kommst du dann nicht zum Schluß, daß im Vergleich damit alles, was nicht auf diese Weise ist, mehr vom Nicht-Sein als vom Sein an sich hat?“ 34 - , Sine quo nihil est‘ ( Joh. 1, 3). Dieser Text spielt, wie wir sehen werden, eine wichtige Rolle in Eckharts Überlegungen. In seinem Sapientiakommentar zitiert er Bernhards Ausführungen zu dieser Antwort: „So sehr ist nichts ohne ihn, wie auch er selbst nicht ohne sich sein kann. Er ist sich, er ist allem das Sein. Dadurch ist er in gewissem Sinn allein, er, der sein eigenes Sein und aller Dinge ist.“ 35 - ,Principium‘ ( Joh. 8, 25). Was einen anderen Ursprung hat, ist nicht das Erste (primum). - ,Ex quo omnia, per quem omnia, in quo omnia‘ (Röm. 11, 36). Der Schöpfer-Gott machte alles durch sich (per se) und in sich (in se). Woraus? Aus dem Nichts. - ,Quo nihil melius cogitari potest‘. In Sermo XXIX (,Deus unus est‘), n. 295, erläutert Eckhart das Wort ,Gott‘ durch die berühmte Formel Anselms von Canterbury (,Über das hinaus nichts Besseres gedacht werden kann‘) und zitiert anschließend Bernhard. Aufgrund dieses Seins- und Gottesverständnisses wird Eckharts These verständlich. Das Sein ist Erstes und Prinzip. Wenn das Sein von Gott verschieden ist, wäre Gott nicht Gott: Er wäre nicht dasjenige, über das hinaus nichts Besseres gedacht werden kann. Nur wenn ,Esse est deus‘, gilt ,Deus est deus‘. Wir können hier nicht im Detail untersuchen, wie Eckhart in der Fortsetzung des Prologs die Grundlegungsfunktion des Thesenwerkes für die zwei anderen Teile des ,Opus‘ zeigt. Er beantwortet die erste quaestio ,Ob Gott ist?‘ „auf der Grundlage der ersten These“ („ex propositione iam declarata“) durch vier Argumente 36. Auf Grund derselben These, so führt er aus, wird das erste Schriftwort ,In principio creavit deus caelum et terram‘ vierfach ausgelegt 37. Am Ende des ,Allgemeinen Prologs‘ betont der Meister selbst noch einmal die grundlegende Bedeutung der ersten These und den ,rationalistischen‘ Charakter seines Vorgehens: „Schließlich ist zu bemerken: aus der ersten These lassen sich, wenn sie richtig abgeleitet werden (deducantur), alle oder doch fast alle Fragen über Gott leicht lösen und die Schriftworte über ihn - auch die dunklen und schwierigen - durch die natürliche Vernunft (ratio naturalis) leicht auslegen.“ 38 34 35 36 37 38
In Ex., n. 18 (LW II, 24 sq.). In Sap., n. 90 (LW II, 423 sq.). Cf. Prol. gen. in op. trip., n. 13 (LW I, 158). Cf. Prol. gen. in op. trip., n. 14 (LW I, 159). Prol. gen. in op. trip., n. 22 (LW I, 165).
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Fassen wir die Ergebnisse zusammen: Eckharts Projekt des ,Opus tripartitum‘ hat kein Äquivalent im Mittelalter; das Einzigartige besteht in der Grundlegungsfunktion des Thesenwerkes für die ,scholastischen‘ Werke der Fragen und der Auslegungen. Eckharts Darstellung seiner Methode bestätigt diese formal-logische Struktur und ruft ein ganz anderes Bild hervor als das eines ,fragmentarischen‘ Denkers, der jeder ,Systematik‘ abgeneigt war. Der ,Allgemeine Prolog‘ zeigt vielmehr einen Autor, der im ,Opus tripartitum‘ eine neue Architektonik des Wissens intendiert, systematisch in ihrem Anspruch, originell in ihrem Grundsatz, radikal in ihrer Methode, ausgeprägt in ihrer Rationalität. III. Einwendung en: Ideal und Wirklichkeit In der Forschung wird der ganzheitliche Anspruch des Prologs zwar anerkannt, seine programmatische Bedeutung aber meistens aus mehreren Gründen nivelliert und relativiert. Ein Hauptgrund liegt in dem Bann, in dem das Forschungsparadigma einer Entwicklungsgeschichte die Eckhart-Deutung hält: Es gibt nicht einen Eckhart, sondern mehrere. Man fühlt sich, so gesteht Ernst Reffke, zu dieser Hypothese ,gezwungen‘, weil man keinen anderen Weg sieht, widersprüchliche Aussagen Eckharts zu erklären 39. Dieses Paradigma hat in extremis dazu geführt, dass in Eckharts denkerischer Entwicklung nicht weniger als drei ,Wenden‘ unterschieden werden. Diese drei ,Wenden‘ werden an drei ganz verschiedenartigen Texten festgemacht. Wende (I) vollzieht sich in der ersten Pariser Quästion (1302-03), dem am meisten diskutierten Text Eckharts. Der Zentralgedanke in dieser Quästion beinhaltet einen Bruch mit dem frühen ,thomistischen‘ Eckhart: ,Deus est intelligere‘, er ist nicht ,Seiendes‘ und hat kein Sein 40. Wende (II) zeigt sich im ,Opus tripartitum‘, in dem Eckhart anscheinend seine Aussagen über die Seinslosigkeit Gottes revidiert: ,Esse est deus‘. Wende (III) wird mit dem Zweiten Genesiskommentar verbunden. Eckhart habe das Projekt des ,Opus tripartitum‘ aufgegeben und ein neues Unterfangen begonnen, dessen einzig abgefasster Teil der ,Liber parabolarum Genesis‘, der sog. Zweite Genesiskommentar, ist 41. Das Paradigma 39
40 41
E. Reffke, Studien zum Problem der Entwicklung Meister Eckharts im Opus tripartitum, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 67 (1938), 19: „Das Problem einer Entwicklung Meister Eckharts ist eine der Hauptfragen der Eckhart-Forschung von Anfang an. Denn das auf uns gekommene Gut deutscher und lateinischer Texte Meister Eckharts ist im ganzen wie im einzelnen so verschiedenartig und in seinen Zusammenhängen oft so rätselhaft, daß man zu der Annahme einer Entwicklung, die ein Verständnis dieser Widersprüche ermöglichen kann, gezwungen wird.“ Cf. Mojsisch, Meister Eckhart (nt. 3), 21 sqq. Cf. L. Sturlese, Meister Eckhart. Ein Porträt (Eichstätter Hochschulreden 90), Regensburg 1993, 17; id., Meister Eckhart in der Bibliotheca Amploniana. Neues zur Datierung des ,Opus tripartitum‘, in: A. Speer (ed.), Die Bibliotheca Amploniana. Ihre Bedeutung im Spannungsfeld von Aristotelismus, Nominalismus und Humanismus (Miscellanea Mediaevalia 23), Berlin-New York 1995, 446.
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einer Entwicklungsgeschichte hat das Eckhartbild zersplittert: Der Interpret kann unterm Strich über vier Eckharts verfügen, aber soll man ihn mit dieser Errungenschaft glücklich preisen? Nun ist die Voraussetzung, auf der die entwicklungsgeschichtliche Hypothese beruht, eine etablierte Chronologie, aber gerade diese ist im Fall des ,Opus tripartitum‘ höchst unsicher. Der zeitliche Ursprung des ,Opus‘ wird gewöhnlich auf Eckharts zweite Professur in Paris (1311-13) zurückgeführt; Loris Sturleses Untersuchung zur Handschrift Fol. 181 in der Bibliotheca Amploniana in Erfurt, welche die älteste Fassung des ,Opus tripartitum‘ enthält, stellt diese Chronologie jedoch in Frage. Aufgrund einer minutiösen Analyse ist der italienische Forscher zu dem Schluss gelangt, dass die erste Schicht des ,Opus tripartitum‘ früher (1305) zu datieren ist, als man bisher angenommen hatte. Das Ergebnis seiner Untersuchungen hat, wie er feststellt, unmittelbare Konsequenzen für die Eckhart-Deutung. Die Unterscheidung zwischen einem ,frühen‘ und einem ,späten‘ Eckhart ist nicht mehr haltbar. Man muss vielmehr von einer „grundlegenden Einheit“ in Eckharts Werk ausgehen, „waren doch die ,Prologi in Opus tripartitum‘, d. h. der Plan für Eckharts Lebenswerk, tatsächlich bereits vorhanden, bevor die ,Quaestiones Parisienses‘ vorgetragen wurden“ 42. Gegen das im Vorangehenden entwickelte Bild des ,Systematikers‘ Eckhart lässt sich noch ein weiteres Bedenken geltend machen. Das Bild, so könnte man gemäß dem Gemeinspruch Kants einwenden, mag in der Theorie richtig sein, es taugt aber nicht für die Forschungspraxis, weil Eckharts Projekt des ,Opus tripartitum‘ tatsächlich ein Torso geblieben ist. Er hat das im ,Allgemeinen Prolog‘ dargestellte Programm nie verwirklicht; seine systematische Absicht ist im Ideal stecken geblieben. Was uns überliefert worden ist, sind nur beträchtliche Partien des ,Werkes der Auslegungen‘: die Kommentare zu Genesis, Exodus, Ecclesiasticus c. 24, dem Johannes-Evangelium, noch einmal zu Genesis sowie Predigtentwürfe. Der erste und zweite Teil des ,Opus‘ sind, abgesehen von den Prologen, nicht erhalten; wahrscheinlich haben sie nie existiert. Vor allem das Fehlen des Thesenwerkes, der Grundlage des Projekts, wiegt schwer. Wenn laut Eckhart selbst die anderen zwei Teile des ,Opus‘ ohne dieses „nur von geringem Nutzen“ sind, scheint die hermeneutische Basis für eine Gesamtdeutung des Eckhart’schen Werkes zu fehlen. Wir kennen die erste Proposition, so Alain de Libera, aber nicht die 999 anderen 43. Durch die Diskrepanz zwischen Ideal und Wirklichkeit scheint jeder Versuch, das Denken Eckharts systematisch zu umreißen, zum Scheitern verurteilt. Der Meister ist nolens volens ein fragmentarischer Denker. Loris Sturlese ist noch einen Schritt weitergegangen: Das ,Opus tripartitum‘ ist ein Torso geblieben, weil Eckhart die Arbeit daran nach der Abfassung des Johanneskommentars ,eingestellt‘ habe. Zu einem bestimmten Zeitpunkt wahrscheinlich nach seiner zweiten Professur in Paris (1311-1313) - habe er 42 43
Sturlese, Meister Eckhart in der Bibliotheca Amploniana (nt. 41), 434-446, bes. 445. Cf. de Libera, Maıˆtre Eckhart (nt. 5), 57.
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den in den Prologen entworfenen systematischen Plan ,aufgegeben‘. Es gebe somit wirklich eine ,Wende‘ in Eckharts Werk: Er begann mit einem ganz neuen Unterfangen, dem ,Liber parabolarum rerum naturalium‘. Sturlese, der die Hypothese einer Wende zwischen den Pariser Quästionen und dem ,Opus tripartitum‘ kritisiert hatte, greift in seiner Deutung nun doch wieder auf das entwicklungsgeschichtliche Paradigma zurück und führt aufs Neue eine ,Wende‘ in Eckharts Denken ein 44. Der Torso-Charakter des ,Opus tripartitum‘ lässt sich natürlich nicht verneinen, und insofern hat der Einwand Recht. Das Fehlen des Thesenwerkes wird die Eckhart-Deutung immer begleiten und belasten 45. Dennoch gibt es keinen Anlass zur Resignation: Aus drei Gründen ist an der systematischen Bedeutung des ,Allgemeinen Prologs‘ für die Deutung des Gesamtwerkes Eckharts festzuhalten. (i) Es ist einfach nicht wahr, dass, wie Alain de Libera meint, wir nur die erste These des ,Opus propositionum‘ kennen (aber nicht die 999 anderen). In den überlieferten Werken des ,Opus‘ bezieht sich Eckhart wiederholt auf die Grundlegungsfunktion des Thesenwerkes: Seine Bibelkommentare und Predigten enthalten mehr als 20 explizite Verweise auf bestimmte Thesen im ,Opus propositionum‘. Wir geben die vollständige Liste der Verweise an 46: (1) In Gen. I, n. 14, ,In principio creavit deus caelum et terram‘ (Gen. 1, 1) [LW I, 197]: „[…] deus, utpote causa prima, intimus sit entibus, et eius effectus sive influentia utpote primi et supremi est naturalissima et suavissima et convenientissima, sicut declaratur in Oper e pr opositionum, tractatu De superiori, ratione et exemplo.“ (2) In Gen. I, n. 25, id. (Gen. 1, 1) [LW I, 204]: „Caelum, id est superius, et terram, id est inferius. Inferius enim semper est inane et imperfectum, superius nunquam. Notavi semper hoc in tractatu De natura superioris et inf erioris.“ (3) In Gen. I, n. 63, ,Spiritus dei ferebatur super aquas‘ (Gen. 1, 2) [LW I, 229]: „Octavo fertur super aquas, quia ,disponit omnia suaviter‘, Sap. 8. Omne siquidem superius suaviter disponit et afficit suum inferius longe amplius quam ipsa forma substantialis propria ipsius inferioris, ut patet in Oper e pr opositionum, tractatu De natura superioris.“ 44
45
46
Cf. Sturlese, Meister Eckhart. Ein Porträt (nt. 41), 17; id., Meister Eckhart in der Bibliotheca Amploniana (nt. 41), 446. Allerdings wird der Vorwurf von Hans Hof Eckharts Intention nicht gerecht: „Eckharts Methode, seine Philosophie in Form der Schriftexegese darzustellen, trägt zur Unklarheit in der Darstellung bei und erschwert in hohem Grade das Verständnis seiner Grundanschauung“ (H. Hof, Scintilla animae. Eine Studie zu einem Grundbegriff in Meister Eckharts Philosophie mit besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses der Eckhartschen Philosophie zur neuplatonischen und thomistischen Anschauung, Lund 1952, 143). Reffke, Studien (nt. 39), hat eine Liste der Verweise aufgestellt, die jedoch nicht erschöpfend ist. Hinzuzufügen sind die Verweise (21) und (22).
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(4) In Gen. I, n. 91, ,Factum est vespere et mane dies secundus‘ (Gen. 1, 8b) [LW I, 250]: „Rationes autem pulchras per Augustinum et Gregorium invenies in Opere primo tractatu De uno et eius opposito.“ (5) In Gen. I, n. 143, ,Requievit die septimo ab universo opere quod patrarat‘ (Gen. 2, 2) [LW I, 297]: „Minor [sc. deus est ipsum esse et solus ipse] apparet supra ex Oper e pr opositionum et in Pr ologo generali.“ (6) In Gen. I, n. 147, id. [LW I, 299]: „Quanto agens est prius et superius, tanto agit naturalius, facilius, dulcius ac suavius, sicut ostensum est supra De natura superioris. Deus autem est primum agens et supremum. Igitur operatur sine labore, quiescendo, delectabiliter, dulciter et suavissime, secundum illud: ,disponit omnia suaviter‘.“ (7) In Gen. I, n. 224, ,Paenitet me fecisse hominem‘ (Gen. 6, 7) [LW I, 368]: „Quomodo autem deus maxime offenditur peccato et tamen peccatum soli peccanti nocet et ipsum tangit et attingit, non autem aliquem iustum tangit et attingit nec turbat passione, minime autem deum, et quomodo deus damnum peccatoris plus ponderat quam offensam suimet dei, in Primo oper e, pr opositionem scilicet, ostensum est.“ 47 (8) In Ex., n. 85, ,Dominus regnavit in aeternum et ultra‘ (Ex. 15, 18) [LW II, 89]: „Sed ,quo est‘ deo est proprium, ,quod quid est‘ proprium creaturae, ut patet tractactu De ,quo est‘.“ (9) In Ex., n. 262, ,Ascende ad me in montem et esto ibi‘ (Ex. 24, 12) [LW II, 211-212]: „Semper enim in alto bonum; quo altius, tanto melius. Quod autem altissimum, hoc optimum. E converso in imo semper malum, et quanto plus imum fuerit, bassius et inferius sive subiectius aut subiectum pluribus, tanto peius. Patet hoc in tractatu De natura superioris, et est ratio brevis. Semper enim superius prius est et per consequens ,dives per se‘. Inferius autem, in quantum inferius, egenum est et nudum, mendicans; et continue omne, quod est et quod habet, est et habet a suo superiori.“ (10) In Eccli., n. 13, ,Ego quasi vitis fructificavi suavitatem odoris‘ (Eccli. 24, 23) [LW II, 243]: „Solum supremum sive altissimum sua vi trahit; omnia quae subsunt trahunt in vi superioris, sicut diffuse patet in tractatu De natura superioris.“ (11) In Eccli, n. 53, ,Qui edunt me, adhuc esuriunt‘ (Eccli. 24, 29) [LW II, 282]: „Notandum etiam quod hanc naturam analogiae quidam male intelligentes et improbantes erraverunt usque hodie. Nos autem secundum veritatem analogiae intelligendo, sicut ex primo Libr o pr opositionum declaratur, […].“ 47
Dieser Verweis bezieht sich auf den V. Traktat, der von der Liebe und von ihrem Gegensatz, der Sünde (peccatum), handelt.
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(12) In Sap., n. 2, ,Diligite iustitiam, qui iudicatis terram‘ (Sap. 1, 1) [LW II, 324]: „Superiora enim semper influunt cum suavitate, et quanto superius, tanto suavius, ut notavi in tractatu De natura superioris, et plura ibidem quae sunt ad propositum.“ (13) In Sap., n. 16, ,Deus non fecit mortem nec laetatur in perditione vivorum‘ (Sap. 1, 13) [LW II, 337]: „Esse autem impossibile est quod sit malum quodcumque aut qualecumque. Bonum enim et ens convertuntur. Quapropter dicere quod aliquid sit malum et sit factum a deo, est dicere quod esse non sit esse et malum non sit malum. De his notavi diffusius in tractatu De malo.“ (14) In Sap., n. 39, ,Creavit enim, ut essent omnia‘ (Sap. 1, 14) [LW II, 360]: „Ratio omnium praedictorum est, quia superius semper afficit secundum se ipsum omne suum inferius et ab ipso in nullo vice versa afficitur, sicut patet in tractatu De natura superioris. Igitur deus creator afficit omne creatum sua unitate, sua aequalitate et sua indistinctione.“ (15) In Sap., n. 95, ,Inexstinguibile est lumen illius‘ (Sap. 7, 10) [LW II, 429]: „Vide de praemissis in tractatu De accidente.“ (16) In Sap., n. 120, ,Innumerabilis honestas per manus illius‘ (Sap. 7, 11) [LW II, 456]: „Ad praemissa facit directe quod Stoici dicebant bona exteriora nihil penitus adicere virtuti ad bene et beate vivendum. Notavi de hoc novem vel decem rationes in Libr o pr opositionum, tractatu De bono.“ (17) In Ioh., n. 42, ,In principio erat verbum‘ ( Joh. 1, 1) [LW III, 35]: „Adhuc autem efficiens non agit nisi per intentionem finis, et motum a fine et propter finem, et sic per consequens est ›movens motum‹ et secundum in causando, quod deo proprie non competit. Notavi de hoc diffuse in tractatu De fine.“ 48 (18) In Ioh., n. 279, ,Videbitis caelum apertum et angelos dei ascendentes et descendentes super filium hominis‘ ( Joh. 1, 51) [LW III, 234]: „Rursus ascendentes ait, quia bonum semper in alto est, malum in basso, ut notavi in tractatu De natura superioris.“ (19) In Ioh., n. 593, ,Qui credit in me, opera quae ego facio et ipse faciet, et maiora horum faciet‘ ( Joh. 14, 12) [LW III, 517]: „Cum enim gratia secundum illud quod est sit supernaturalis, hoc ipso quod iustificatio impii est opus gratiae, maius est omni opere naturae in caelo sive in terra, alioquin enim gratia non esset nec diceretur supernaturalis. Patet hoc manifeste in tractatu nostro De natura superioris.“ (20) In Gen. II, n. 179, ,Apparuit ei dominus […] apparuerunt ei tres viri stantes prope eum […] adoravit et dixit: domine, si inveni gratiam in oculis tuis, ne transeas servum tuum‘ (Gen. 18, 2-3) [LW I, 649]: 48
Dieser Verweis bezieht sich auf den IV. Traktat (,De bono‘), weil das Ziel und das Gute konvertibel sind; cf. In Gen. I, n. 128 (LW I, 282): „Bonitas et eius ratio totaliter et tota consistit in fine solo et est idem cum fine ipso convertibiliter“; cf. ibid., n. 170 (LW I, 315); In Gen. II, n. 63 (LW I, 530 sq.); n. 96 (LW I, 561 sq.).
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„Glossa dicit ibidem: ,tres vidit et unum adoravit‘. Ubi hoc mihi notandum videtur quod, sicut in Libr o pr opositionum notavi tractatu De deo, deus nisi esset unus pariter et trinus, animam non beatificaret nec satiaret nec ipsi sufficeret sed nec quippiam quietaret.“ (21) Sermo 13, n. 150, ,Omnes unanimes in oratione estote, compatientes, fraternitatis amatores, misericordes, modesti, humiles‘ (1 Petr. 3, 8) [LW IV, 141]: „Humiles. Nota: superiorum quodlibet influit sui ipsius quod quid est sive essentiam et per consequens omnia sua, puta primum vivere sive vitam et sui ipsius vitam sive vivere. Unde omnes stellae et quaelibet terrae sive humo influit. Vide super ,superius‘.“ (22) Sermo 31, n. 324, ,Spiritu ambulate‘ (Gal. 5, 16) [LW IV, 283-284]: „Est autem quintus modus, qui cadit ex parte praemii, scilicet ut nihil habeat commune cum nihilo, eo quod in ipsa sit plenitudo totius esse […]. Cuius expositionem vide De communi.“ 49 Auffallend an dieser Liste ist, dass die Hälfte der Verweise Thesen im IX. Traktat (,Von der Natur des Oberen und des Niederen‘) betrifft. Die weiteren Verweise verteilen sich wie folgt über die anderen Traktate: I II IV V VIII XII XIII XIV
(De esse): Verweise (5) und (11); (De unitate): Verweis (4); (De bono et malo): Verweise (13), (16) und (17); (De peccato): Verweis (7); (De communi): Verweis (22); (De ,Quo est‘): Verweis (8); (De Deo): Verweis (20); (De accidente): Verweis (15).
Die wiederholte Bezugnahme auf das Thesenwerk beweist zwar nicht, dass das ,Opus‘ je in einer abgeschlossenen Fassung existierte, aber sie belegt doch einiges. Die Formulierung mancher Verweise ist solcherart, dass sie sich auf Materialien oder Vorarbeiten stützen müssen, die Eckhart für das Thesenwerk gesammelt oder angefertigt hat 50. So schreibt er im Sapientiakommentar (Verweis no. 16), dass er für die These „Äußere Güter fügen nichts der Tugend hinzu“ im IV. Traktat des Thesenwerkes „neun oder zehn Gründe verzeichnet hat (notavi)“. Eckhart hat in seiner ,Werkstatt‘ an dem Projekt weitergearbeitet. Außerdem lassen sich die Verweise in allen uns überlieferten Werken des ,Opus‘ finden, vom ersten bis zum letzten. Die Bezugnahme belegt also die Kontinuität des Eckhart’schen Vorhabens. Daraus ist ein wichtiges Argument gegen Sturleses Annahme einer ,Wende‘ im Denken Eckharts, die mit dem Zweiten Genesiskommentar zu verbinden 49
50
Dieser Verweis auf den VIII. Traktat ist in der kritischen Edition nicht erkannt worden; bemerkt wird zu dieser Stelle: „Sermo, in quo exponatur haec auctoritas evangelii de Communi plurimorum martyrum, adhuc ignotus est“ (LW IV, 284, nt. 2). Cf. Ruh, Geschichte (nt. 1), 292.
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wäre, zu entnehmen. Es ist nicht zu verneinen, dass die Erstellung mehrerer Kommentare zu demselben Bibelbuch nicht im ursprünglichen Plan des ,Opus tripartitum‘ vorgesehen war. Wie man diese Tatsache auch deuten mag, von ihr allein kann man doch nicht auf die ,Aufgabe‘ des Plans des ,Opus‘ schließen. Im Gegenteil belegt der Zweite Genesiskommentar gerade die Fortführung des systematischen Plans, weil Eckhart sich in diesem Kommentar explizit auf das Thesenwerk bezieht (Verweis no. 20). In der Auslegung von Gen. 18, 2-3 erklärt er, dasjenige, was zu dieser Stelle in der Glosse gesagt wird, im ,Opus propositionum‘ behandelt zu haben. Dieser Verweis macht klar, dass die Erstellung des Zweiten Genesiskommentars nicht gegen die kontinuierliche Durchführung des Projektes des ,Opus tripartitum‘ spricht 51. (ii) Der studiosus lector entdeckt in Eckharts Bibelkommentaren eine Reihe allgemeiner Propositionen, die unverkennbar zum Thesenwerk gehören. Im ,Allgemeinen Prolog‘ hat Eckhart programmatisch festgestellt, dass aus der These die Erklärungen der Schriftworte ,abgeleitet‘ (deducantur) werden können. Aber tatsächlich ist er nicht auf diese ,deduktive‘ Weise vorgegangen. Gleich nach der Abfassung des ,Allgemeinen Prologs‘ und des ,Prologs zum Thesenwerk‘ hat er mit dem Genesiskommentar begonnen. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass er erst im Verlauf seiner exegetischen Arbeit zur Formulierung bestimmter Thesen gelangt ist, die für das Verständnis des Textes die Grundlage bilden. Eckharts Methode ist daher vielmehr ,induktiv‘ 52. Eine gute Einsicht in sein Vorgehen bietet gerade der Zweite Genesiskommentar. In Gen. 2, 16 wird in der Bibel erstmalig von einem Gebot Gottes gesprochen. Das ist für Eckhart Anlass, eine Reihe allgemeiner Fragen zu stellen: (a) „Was gebieten ist, was verbieten, was Gebot ist, was Verbot, was Gott an uns gefällt und was er daher gebietet, was ihm mißfällt und was er daher verbietet; (b) was schlecht und was gut ist, was besser und was schlechter als ein anderes ist; (c) ferner, welche Gebote eine Ausnahme zulassen und welche nicht; und endlich viertens (d), inwiefern Gottes Gebot immer leicht ist, während die Gebote aller, die unter Gott sind, immer schwer auf uns lasten.“ 53 Zur Klärung dieser Fragen formuliert und begründet Eckhart vier Thesen, die auch, wie er hervorhebt, für das Verständnis anderer Schriftworte hilfreich sind. Die Thesen lauten: 1. „Universaliter superius praecipit sive imperat inferiori “ (n. 84). 2. „Praecipere superioris non est aliud quam inclinare, ordinare, monere et movere ipsum inferius ad conformationem, oboedientiam et subiectionem sui superioris“ (n. 85). 3. „Deus, utpote primum agens et movens, supremum omnium quae sunt, praecipit et imperat omnibus“ (n. 86). 51 52
53
Cf. Goris, Einheit (nt. 5), 50-51. Zu dieser Terminologie cf. E. Winkler, Exegetische Methoden bei Meister Eckhart (Beiträge zur Geschichte der biblischen Hermeneutik 6), Tübingen 1965, 103. In Gen. II, n. 84 (LW I, 545 sq.).
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4. „Deus, cum se toto sit esse et bonus sive bonitas, imprimit, imposit, praecipit, monet, consulit et inspirat bonum, dissuadet autem et prohibet omne dissonum et alienum bono, malum scilicet “ (n. 87).
Der studiosus lector erkennt, dass Eckhart hier vier propositiones (man beachte auch das universaliter in der ersten These) vorführt, die zur Thematik des IX. Traktats (,Von der Natur des Oberen und des Niederen‘) gehören. Jener Leser wird ein ähnliches Verfahren an weiteren Stellen in Eckharts Kommentaren entdecken. (iii) Ein letzter Grund dafür, an der programmatischen Bedeutung des Plans des ,Opus tripartitum‘ für die Gesamtdeutung Eckharts festzuhalten, ist die Tatsache, dass der ,Allgemeine Prolog‘ und vor allem der zweite Prolog, der Prolog zum ,Opus propositionum‘, weiteres Material enthalten, das eine genauere inhaltliche Bestimmung seines Projekts ermöglicht. Exemplarisch möchte ich das mit Bezug auf zwei Themen zeigen: die Zweigeteiltheit und die Gliederung des Thesenwerkes. IV. Die Zweig eteiltheit im T hesenwerk Im ,Allgemeinen Prolog‘ gliedert Eckhart das Thesenwerk in 14 Traktate entsprechend den Begriffen (termini), aus denen die Propositionen gebildet werden. Er fügt aber noch etwas hinzu, das jetzt nähere Beachtung verdient. Jeder Traktat, so bemerkt er, ist zweigeteilt (bipartitus): Zuerst werden Thesen über den Terminus selbst, dann über seinen Gegensatz aufgestellt 54. Ein erstes Strukturprinzip des Thesenwerkes ist somit die Zweigeteiltheit; Eckhart denkt, wie seine Auslegungen der ersten auctoritas Gen. 1, 1 bestätigen, in Gegensätzen: ,Sein Nichts‘, ,Eines - Vieles‘, ,Höheres - Niederes‘. Wie ist sein Anliegen zu verstehen? Anhand des I. Traktats, der vom größten Gegensatz handelt: „Nihil enim tam adversum, nihil tam contradictorium quam […] esse et nihil “ 55, werden wir versuchen, Eckharts gegensätzliches Denken zu konkretisieren. Gemäß seinem Ordnungsprinzip gliedert sich der Traktat in Thesen über das Sein und Thesen über das Nichts. 1. Die erste Seinsthese Der Gegensatz zwischen Sein und Nichts spielt in Eckharts Argumenten für die erste Seinsthese eine wichtige Rolle. Aus unserer Analyse des Seinsverständnisses, das seinen Argumenten für den Grundsatz zugrunde liegt, ergab sich als erstes Moment, dass Eckhart den Sinn des Seinsbegriffs aus seinem kontradikto54 55
Cf. Prol. gen. in op. trip., n. 3 (LW I, 35). In Sap., n. 255 (LW II, 587).
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rischen Gegensatz zum Nichts bestimmt: „Außerhalb des Seins und vor dem Sein ist nur das Nichts“ (Arg. 3 und 5). Der Begriff des Nichts stellt sich unausweichlich in dem Versuch ein, das Sein schlechthin oder das Seiende als Seiendes zu denken, und zwar durch Ausschluss seines Gegensatzes. Eckhart stellt sich damit in eine lange Tradition, denn der Begriff des ,Nichts‘ erscheint schon im griechischen Anfang des Denkens 56. Das früheste Beispiel dafür bildet ein Text des Parmenides von Elea. Der Kernsatz seines Lehrgedichtes lautet (Fr. 6): „Man muss sagen und denken, dass Sein ist, Nichts ist nicht.“ Aus dieser Wahrheit folgert er eine Reihe von Merkmalen, die dieses Sein kennzeichnen: Es ist ,Eines‘, zugleich ein ,Ganzes‘, ,vollkommen‘, ,unentstanden‘ und ,unvergänglich‘. Dieser Hinweis auf die frühgriechische Ontologie könnte vielleicht weit hergeholt scheinen, wäre es nicht so, dass in der Forschung Eckharts Seinsverständnis als ,Eleatismus‘ bezeichnet worden ist 57. Auch Eckhart selbst verweist in seinem ,Prolog zum Thesenwerk‘ auf die Eleaten: „Parmenides und Melissus hatten recht, wenn sie nur ein einziges Seiendes im absoluten Sinne erkennen wollten.“ 58 Entscheidend für Eckharts erste These ist, dass er das Sein mit Gott gleichsetzt: ,Esse est deus‘. Mit einem ,eleatischen Rigorismus‘ leitet er aus dem kontradiktorischen Gegensatz zum Nichts Merkmale des Seins ab, die im eigentlichen Sinne von Gott ausgesagt werden können: Esse ist indistinctum - denn was vom Sein verschieden ist, ist nicht - und infinitum, denn ,unendlich‘ ist, außerhalb dessen nichts ist 59. Die Konsequenz der ersten Seinsthese ist, dass außerhalb von Gott nichts anderes oder etwas ist. Was nämlich außerhalb des Seins ist, ist nichts und ist nicht 60. Typisch für Eckhart ist es, dass er aus dieser metaphysischen These eine ethische Anforderung an den Menschen ableitet; das Faszinierende seines Denkens ist vor allem darauf zurückzuführen, dass sein Philosophieren immer eine existentielle Dimension hat. „Es ist daraus einsichtig, daß du nichts anderes erstreben, nichts anderes suchen sollst […] als Gott […]. Wer nämlich etwas außerhalb von Gott oder neben Gott oder auch mit Gott etwas anderes sucht, 56
57
58
59
60
R. Panikkar, Sein und Nichts, in: W. Strolz (ed.), Sein und Nichts in der abendländischen Metaphysik, Freiburg-Basel-Wien 1984, 107: „Wie kommt das Nichts in die Philosophie?“; cf. K. Riesenhuber, Nichts, in: Handbuch philosophischer Grundbegriffe II, München 1973, 9911008. Cf. C. Fabro, Participation et causalite´ selon S. Thomas d’Aquin, Louvain-Paris 1961, 551 sqq.; V. Lossky, The´ologie ne´gative et connaissance de Dieu chez Maıˆtre Eckhart, Paris 1960, 162164. Prol. in op. prop., n. 5 (LW I, 168). Eckhart entlehnt seine Kenntnisse der Eleaten den Schriften des Aristoteles (Phys. I, c. 2, 184b und Metaph. I, c. 5, 986b) und des Avicenna (Sufficientia I, c. 4). In Sap., n. 145 (LW II, 483): „Constat autem quod esse est indistinctum ab omni quod est, et quod nihil est nec esse potest distinctum et separatum ab esse, Ioh. 1 (3): ,omnia per ipsum facta sunt, et sine ipso factum est nihil‘“; n. 146 (LW II, 484): „Infinitum enim est extra quod nihil est.“ Cf. Eckharts Beweise für den Satz „Gott ist keinem Seienden fremd (alienum)“, in: In Ex., n. 104 (LW II, 105). In Ioh., n. 215 (LW III, 181): „Extra deum, utpote extra esse, non est aliud nec aliquid. Quod enim extra esse est, nihil est nec est.“
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denkt nicht gut über Gott (non bene sentit de Deo). Nichts nämlich kann außerhalb von Gott sein […]. Sonst wäre er nicht das unendliche Gut.“ 61 Wenn es auch zwischen dem parmenideischen und dem Eckhart’schen Seinsbegriff gewisse Ähnlichkeiten gibt, so besteht doch ein wesentlicher Unterschied. Ein zweites Moment im Eckhart’schen Seinsverständnis bildet der Gedanke, dass esse Prinzip ist, Anfang und Grund des Seins der Dinge. Im 3. Beweis für die erste These bezieht er den Schöpfungsbegriff in die Argumentation ein („Vor dem Sein ist nichts. Wer also Sein mitteilt, ist Schöpfer, da ,Schaffen‘ ,aus dem Nichts Sein geben‘ ist“). Dadurch unterscheidet sich sein Seinsverständnis radikal vom eleatischen. Bereits Aristoteles hatte an Parmenides’ Konzeption, es gebe nur ein einziges Seiendes, kritisiert, dass sie den Prinzipiencharakter des Seins aufhebe. Was Prinzip ist, ist Prinzip von etwas, setzt mithin eine gewisse Differenz und Pluralität voraus 62. Die Schöpfungsidee passt in den I. Traktat, da für ihr Verständnis der Gegensatz zwischen Sein und Nichts bestimmend war. Schon früh in der christlichen Tradition hatte man das Einzigartige des Schöpfungsaktes - und zwar im Gegensatz zur Grundüberzeugung des griechischen Denkens ,Aus Nichts wird Nichts‘ (,ex nihilo nihil fit ‘) - mit der Formel creatio ex nihilo zum Ausdruck gebracht. In der Patristik und im Mittelalter wurde der biblische Schöpfungsgedanke mit der philosophischen Konzeption eines absoluten Seinsursprungs verbunden. Thomas von Aquin z. B. stellt die Schöpfungsidee als den Endterminus der philosophischen Reflexion über den Ursprung der Dinge dar. Die Seinsfrage wird erst wirklich beantwortet, wenn das Sein der Dinge dem Nichts gegenübergestellt wird. Das geschah, als „einige (aliqui ) sich zur Betrachtung des Seienden als Seienden erhoben“. Diese Metaphysiker betrachteten den Ursprung der Dinge nicht nur, insofern sie ,dieses Seiende‘ (hoc ens) sind, sondern auch, insofern sie ,Seiende‘ sind. Der Ursprung des Seienden als Seienden kann deshalb kein ,Werden‘ sein, da er nichts in den Dingen voraussetzt, sondern muss als ,Schöpfung‘ verstanden werden 63.
2. Die erste These über das Nichts Eckhart stellt ausführlich seine erste Seinsthese dar, nicht jedoch die erste These über das Nichts. In den Versuchen zur Rekonstruktion des I. Traktats, 61
62 63
In Sap., n. 7 (LW II, 328): „Intelligendum: ut nihil aliud intendas, nihil aliud quaeras […] nisi deus […]. Qui enim extra deum aliquid vel praeter deum aut etiam aliud cum deo quaerit, non bene sentit de deo. Nihil enim potest esse extra deum […] alias non esset infinitum bonum.“ J. Koch, Sinn und Struktur der Schriftauslegungen Meister Eckharts (in: Kleine Schriften I, 411), ist der Meinung, dass diese Aussage das eigentliche Anliegen des Thesenwerkes beschreibt: „,Bene sentire de deo‘ könnte man als das eigentliche Thema des Thesenwerkes bezeichnen.“ Cf. Aristoteles, Phys. I, c. 2. Thomas von Aquin, S. th. I, q. 44, a. 2.
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die in der Forschung unternommen worden sind 64, wird der Zweigeteiltheit des Traktats keine Rechnung getragen und die erste These über den Gegenbegriff ignoriert, obwohl der Begriff ,Nichts‘ „gewissermaßen der Inbegriff der Philosophie des Meister Eckhart“ ist 65. Aus den Argumenten für seinen Grundsatz lässt sich aber seine erste These zum Gegenbegriff ermitteln. Aus mehreren Gründen ist zu vermuten, dass diese These die ,Nichtigkeit‘ (nihileitas oder nulleitas) des Geschöpfes betrifft: ,creatum omne ex se nihil est‘ 66. Eckhart formuliert diesen Satz in einer moralischen Auslegung eines seiner Haupttexte für die Schöpfungsidee: „Er hat nämlich geschaffen, damit alles sei“ (Sap. 1, 14). Alles Geschaffene ist aus sich nichts, denn vor dem Sein ist nichts. Dieses Argument hat Eckhart auch für die Seinsthese benutzt: Sein ist das Erste (weil vor dem Sein nichts ist) und deshalb mit Gott identisch. Der Sapientiakommentar fährt fort: Wer also ein Geschöpf liebt, liebt nichts und wird zum Nichts. Die Liebe verwandelt nämlich den Liebenden in das Geliebte 67. Gerade in dieser Hinsicht zeigt sich die Einheit des lateinischen und des deutschen Werkes Eckharts, denn auch in seinen deutschen Predigten betont er öfters die Nichtigkeit des Geschöpfes im Kontext ethisch-spiritueller Überlegungen 68. Wie er aus der ersten Seinsthese eine ethische Anforderung an den Menschen ableitet („Du sollst nichts anderes erstreben, nichts anderes suchen als Gott“; In Sap., n. 7), so zieht er in Predigt 4 (,Omne datum optimum et omne donum perfectum desursum est‘; Jac. 1, 17) die moralische Konsequenz aus der These über das Nichts des Geschöpfes: „Wisse, suchst du irgendwie das Deine, so findest du Gott nie […]. Du suchst Nichtiges, und darum findest du auch Nichtiges. Daß du Nichtiges findest, hat keinen anderen Grund, als daß du Nichtiges suchst. Alle Kreaturen sind ein pures Nichts. Ich sage nicht, daß sie gering oder (überhaupt) etwas seien: Sie sind ein schlechthinniges Nichts. Was nicht Sein hat, das ist ein Nichts. Alle Kreaturen haben kein (eigenes) Sein, hängt doch ihr Sein an der Gegenwärtigkeit Gottes. Kehrte sich Gott einen Augenblick von allen Kreaturen ab, so würden sie zunichte.“ 69
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Cf. Albert, Meister Eckharts These vom Sein (nt. 5), 138-139. Cf. Th. Kobusch, Nichts, Nichtseiendes, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, vol. 6, eds. J. Ritter/K. Gründer, Darmstadt 1984, 816-817; B. Mojsisch, Nichts und Negation: Meister Eckhart und Nikolaus von Kues, in: B. Mojsisch/O. Pluta (eds.), Historia philosophiae medii aevi. Studien zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters, vol. 2, Amsterdam 1991, 675693; A. Charles-Saget, Non-eˆtre et Ne´ant chez Maıˆtre Eckhart, in: E. Zum Brunn (ed.), Voici Maıˆtre Eckhart, Grenoble 1994, 301-318. Eckhart verwendet die Neologismen nihileitas in Sermo XXXVII, n. 375 (LW IV, 321) und nulleitas in ,In Eccli.‘, n. 61 (LW II, 290) sowie Sermo XV/2, n. 158 (LW IV, 150). In Sap., n. 34 (LW II, 354-355): „Creatum omne ex se nihil est: creavit enim, ut essent, et ante esse nihil est. Qui ergo amat creaturam, amat nihil et fit nihil. Amor enim amantem transformat in amatum.“ Cf. In Ioh., n. 308 (LW III, 256): „Sic omnis creatura id quod in se est, ex nihilo est et nihil est.“ Cf. Pr. 4 (DW I, 69-70) und Pr. 10 (DW I, 170). Cf. K. Ruh, Predigt 4, Omne datum optimum, in: G. Steer/L. Sturlese (eds.), Lectura Eckhardi I, Stuttgart-Berlin-Köln 1998, 1-23. Ich folge seiner Übersetzung, 7.
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Eckharts These über die ,Nichtigkeit‘ des Geschöpfes war offensichtlich ein Stein des Anstoßes für seine Gegner. Die Anklagelisten der Kölner Inquisitoren erwähnen die Aussage wiederholt 70. In seiner ,Rechtfertigungsschrift‘ wendet Eckhart sich vehement gegen diese Inkriminierung. Am Schluss macht er eine Reihe von Bemerkungen, welche die ruditas und brevitas der Vernunft seiner Ankläger, ja ihre imbecillitas zeigen. Die siebte Bemerkung betrifft die Verneinung der Aussage, „das Geschöpf oder die Welt sei nichts in sich außerhalb von Gott“. Diese Verneinung widerspreche dem Evangelium. In diesem Zusammenhang zitiert Eckhart immer Joh. 1, 3: „Omnia per ipsum factum sunt et sine ipso factum est nihil.“ 71 Den letzten Teil des Textes - eine der Antworten des Bernhard von Clairvaux auf die Frage ,Was ist Gott?‘ (cf. 1.2) - liest Eckhart als „Ohne ihn ist das Gewordene nichts“. Alles Gewordene ist ohne Gott, von dem das Sein ist, ein nihil. Aber Eckhart führt auch mehrere Vernunftargumente für die ,Nichtigkeit‘ des Geschöpfes an, die ähnlich wie seine Gründe für die erste Seinsthese die Logik der consequentiae verwenden. Die Verneinung des Satzes, jedes Geschöpf sei in sich ein Nichts, ist eine klare Blasphemie. Besäße das Geschöpf ein Sein, wie gering es auch sei, ohne Gott, so wären die falschen Konsequenzen: (i) Gott wäre nicht die universale und erste Ursache. (ii) Das Geschöpf wäre nicht geschaffen; Schöpfung ist ja das Empfangen des Seins aus dem Nichts. (iii) Gott wäre nicht das unendliche Gut. „Unendlich nämlich ist das, außerhalb dessen nichts ist.“ (iv) Das Geschöpf wäre in sich zu lieben 72. Diese metaphysischen und moralischen Argumente untermauern unsere Vermutung, dass Eckharts erste These über das Nichts die Nichtigkeit des Geschöpfes betrifft, weil alle vier Gründe das logische Korrelat der These ,Esse est deus‘ sind. Aufschlussreich für die Kritik an Eckharts These über das Nichts ist das Gutachten einer Theologen-Kommission, das im Verlauf des Prozesses in Avignon eingeholt wurde. Das ,Votum theologicum avenioniense‘ setzt sich auch mit der Nichtigkeitsthese Eckharts auseinander (art. 6). Die Gutachter halten diesen Artikel für häretisch ,prout verba sonant‘ und führen dafür die folgenden Gründe an: Die These verneint, dass Gott Schöpfer ist, der den Dingen das Sein gibt. Die These verneint, dass der Endterminus der Schöpfung das Sein ist. Dies widerspricht dem Ausspruch in Sap. 1, 14: ,Creavit omnia ut essent‘. 70
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Proc. Col. II, n. 27 (LW V, 324): art. 13 „Omnes creaturae sunt nihil in se ipsis“; n. 79 (LW V, 338): art. 30 „Omnes creaturae sunt unum purum nihil. Nulla creatura est quae aliquid sit“; n. 106 (LW V, 343): art. 43 „Omnes creaturae sunt unum purum nihil “; n. 111 (LW V, 344): art. 46 „Omnes res creatae sunt nihil in se ipsis“. Proc. Col. II, n. 153 (LW V, 354): „Septimo, quia dicunt creaturam sive mundum non esse nihil in se praeter deum, quod est contra evangelium, Ioh. 1: ,omnia per ipsum facta sunt et sine ipso factum est nihil‘.“ Proc. Col. II, n. 107 (LW V, 344): „Dicendum quod hoc negare est deum blasphemare et ipsum abnegare. Sic enim creatura habet aliquod esse quantumque modicum sine deo, tunc deus non est causa omnium. Praeterea, creatura non esset creata. Creatio enim est acceptio esse ex nihilo […]. Praeterea, secundum istos non est infinitum bonum. Infinitum enim est, extra quod nihil est. Praeterea, creatura esset non contemnenda, sed amanda, utpote in se et ex se bona.“ Cf. n. 28 (LW V, 324); n. 153 (LW V, 354).
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Die These verneint Sein und Wirken in den Geschöpfen und leugnet, dass die vernunftbegabte Kreatur sich verdienstlich oder nicht verdienstlich macht, beglückseligt oder verurteilt wird 73. Offenbar hat Eckhart auf das ,Votum‘ reagiert - wir besitzen jedoch seine Erwiderung nicht -, aber die Avignonenser Gutachter zeigten sich durch seine Replik nicht beeindruckt („Hec non excludunt errorem“). Wenn die Geschöpfe auch von Gott abhängen, so darf man doch nicht sagen, dass sie ein reines Nichts sind; sie sind formaliter in sich selbst und gemäß sich selbst etwas (aliquid). Vielmehr beweist die wirkliche Abhängigkeit, dass sie ein esse reale besitzen, da eine wirkliche Dependenz in einer wirklichen Seiendheit (entitas) gegründet ist. Obwohl alles von Gott gemacht worden ist und ohne ihn nichts ist ( Joh. 1, 3), darf man doch nicht sagen, dass der Endterminus der Schöpfung das Nichts ist („creacio terminetur ad nichil “) 74. Die inkriminierte These wurde in die Verurteilungsbulle aufgenommen; art. 26 - eine wörtliche Übersetzung der Stelle in der deutschen Predigt 4 - lautet: „Omnes creaturae sunt unum purum nihil: non dico, quod sint quid modicum vel aliquid, sed quod sint purum nihil.“ 75 Die Auseinandersetzungen vermitteln den Eindruck, dass die Avignonenser Gutachter und Eckhart aneinander vorbeireden. Die Gutachter haben nicht erkannt, dass Eckharts These über die ,Nichtigkeit‘ des Geschöpfes nicht von seiner ersten Seinsthese, die das esse mit Gott gleichsetzt, getrennt werden kann. Eckhart verneint keineswegs, dass Gott den Dingen das Sein gibt, d. h. dass er Schöpfer ist. Das ist gerade eines seiner Argumente für die erste Seinsthese sowie für die Nichts-These. In seiner Exegese von Sap. 1, 14 bietet er acht Auslegungen, die erläutern, dass das Ziel der Schöpfung das esse ist. Eckhart betont dabei wiederholt die ethischen Konsequenzen seiner These für die Intentionalität des Menschen. Doch gibt es einen Kritikpunkt in der Stellungnahme der Theologen-Kommission, der nicht unvernünftig scheint: Eckharts These, die creatura sei ein reines nihil, suggeriert, dass der Endterminus der Schöpfung das Nichts ist. Zwar verneint der Meister explizit diesen Gedanken, aber seine Semantik des Wortes creatura könnte Anlass zu einem Missverständnis geben. Jedes Wirken oder jede 73
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Votum theologicum, art. 6 (ed. F. Pelster, Ein Gutachten aus dem Eckhart-Prozeß in Avignon, in: A. Lang/J. Lechner/M. Schmaus [eds.], Aus der Geisteswelt des Mittelalters, Münster 1935, 1112): „Hunc articulum, prout verba sonant, hereticum reputamus, quia hoc negat Deum creatorem rerum dantem esse eis, negat creacionem terminari ad esse contra illud Sapiencie 1 [14]: ,Creavit omnia, ut essent ‘, negat in creaturis esse, operari et creaturam racionalem mereri et demereri et beatificari et dampnari.“ Votum theologicum, art. 6 (ed. Pelster [nt. 73], 1113): „Quamvis enim creature dependeant a Deo creante, sunt tamen aliquid in seipsis et secundum seipsa formaliter per accionem creantis, ymo ex hoc quod realiter dependent a Deo, cum realis dependencia fundetur in reali entitate, probatur creaturas habere esse reale. Unde nec debent dici purum nichil, ymo aliquid, licet eciam omnia per ipsum facta sint et sine ipso sit nichil, non tamen dici debet, quod creatura sit purum nichil vel quod creacio terminetur ad nichil.“ Cf. T. Sua´rez-Nani, Philosophie- und theologiehistorische Interpretation der in der Bulle von Avignon zensurierten Sätze, in: H. Stirnimann (ed., in Zusammenarbeit mit R. Imbach), Eckardus Theutonicus, homo doctus et sanctus. Nachweise und Berichte zum Prozeß gegen Meister Eckhart (Dokimion 11), Freiburg/Schweiz 1992, 88-90.
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Bewegung vollzieht sich zwischen zwei Termini, die einander entgegengesetzt sind. Beide Termini werden in den geläufigen Umschreibungen der Schöpfungsidee zum Ausdruck gebracht. Schöpfung ist creatio ex nihilo: Terminus a quo ist das Nichts; Schöpfung verleiht oder gibt das Sein (,dat sive confert esse‘): Terminus ad quem ist das Sein 76. Gemäß einem von Eckhart unterschriebenen aristotelischen Prinzip „hat das Wirken wie auch die Bewegung Natur und Namen von ihrem Endterminus“ 77. Das heißt: Die Kreatur wird ,Kreatur‘ aufgrund des Terminus ad quem genannt; als creatura ist sie nicht ein Nichts, sondern ein Seiendes. Bei Eckhart erhält der Gegensatz zwischen Sein und Nichts innerhalb der geschaffenen Welt einen neuen Aspekt. Während in seinen Argumenten für die erste Seinsthese die Opposition dazu dient, die Absolutheit des Ersten zu erhellen, ist in der ersten Nichtsthese dieser Gegensatz für die ontologische Struktur des Geschöpfes konstitutiv. In sich betrachtet, d. h. getrennt von Gott, ist die Kreatur ein Nichts. Die Schöpfung ,hebt‘ die Nichtigkeit der Kreatur ,auf‘ sie ruft die Dinge aus dem Nichts zum Sein -, nicht durch dialektische Vermittlung, sondern durch das Sein selbst: „Das Sein ist selbst medium, durch dessen Vermittlung allein alles ist.“ 78 Zugleich setzt Schöpfung eine Differenz zwischen dem Sein selbst und dem Geschaffenen. Die Implikationen dieses dynamischen Verhältnisses würde der I. Traktat auch entwickeln. 3. Thesen über das Seiende (ens) Es ist auffallend, dass im Titel des I. Traktats nicht nur vom ,Sein‘ und ,Nichts‘ die Rede ist, sondern noch ein dritter Terminus eingeführt wird, ,Seiendes‘ (ens). Innerhalb der Zweigeteiltheit wird der positive Begriff sozusagen in ein abstractum und ein concretum ,verdoppelt‘. Diese Verdoppelung ist deshalb aufschlussreich, weil sie mit einer früheren Feststellung zu verbinden ist. In unserer Analyse des Seinsverständnisses, das Eckharts Beweisen für seinen Grundsatz zugrunde liegt (1.2), ergab sich als ein drittes Moment die Differenz zwischen esse und ens, die er durch das Beispiel des Verhältnisses zwischen dem abstrakten Terminus albedo und dem konkreten album erläutert. Im zweiten Prolog, dem Prolog zum ,Opus propositionum‘, macht Eckhart zwei Vorbemerkungen und formuliert eine Reihe von Thesen, die hauptsächlich von den konkreten Termini in den Titeln der ersten Traktate (,Seiendes‘, ,Eines‘, ,Wahres‘ und ,Gutes‘) handeln. Wir beschränken uns hier auf ihre Geltung für ens - der Zusammenhang dieser ,transzendentalen‘ Termini wird im Abschnitt 4 herausgestellt. 76 77 78
Cf. In Sap., n. 25 (LW II, 345); nn. 182-183 (LW II, 516 sqq.); In Gen. I, n. 160 (LW I, 307 sq.). In Ex., n. 31 (LW II, 37): „Praeterea actio sicut et motus habet naturam et nomen a termino in quem.“ Cf. In Sap., n. 284 (LW II, 616): „Esse ex sui natura est primum et novissimum, principium et finis, nequaquam medium: quin immo ipsum est medium ipsum, quo solo mediante sunt […] omnia […]. Deus autem ipse est esse ipsum.“
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3.1 ,Ens solum esse significat‘ Die erste Vorbemerkung betrifft die Semantik dieses Grundwortes: „Wie nach dem Philosophen ,Weißes‘ (album) allein die Qualität bezeichnet, so bezeichnet ,Seiendes‘ (ens) allein das Sein (esse).“ 79 In dieser Bemerkung verbindet Eckhart auf eigentümliche Weise verschiedene Gedanken aus der Tradition. (i) Das album-Beispiel ist der Kategorienschrift des Aristoteles (c. 5, 3b 19) entnommen. Es wird dort angeführt im Kontext seiner Ausführungen über die Bezeichnungsweise der sog. zweiten Substanzen. Unter ,zweiten Substanzen‘ versteht Aristoteles die Gattung und Art der ersten Substanz, des Einzeldinges. Sie bezeichnen ein ,Qualitatives‘, aber, so fügt Aristoteles hinzu, nicht schlechthin, „wie es z. B. das Weiße tut: das Weiße bezeichnet nichts außer der Qualität“. Dagegen bestimmen die Gattung (z. B. ,Sinnenwesen‘) und die Art (z. B. ,Mensch‘) „die Qualität mit Bezug auf die Substanz: sie bezeichnen die Einzelsubstanz als so und so beschaffen“. Der Sinn des Beispiels bei Aristoteles besteht also darin, die unterschiedlichen Bezeichnungen der zweiten Substanzen und der Prädikate, die zur Kategorie der Qualität gehören, zu erhellen. (ii) Das aristotelische Beispiel wurde im 13. Jahrhundert in der Diskussion über die Bedeutung der konkreten akzidentellen Termini (denominativa) aufgegriffen 80. Ausgangspunkt der Auseinandersetzungen war die Auffassung Avicennas, gemäß welcher ein konkretes akzidentelles Prädikat im Gegensatz zu seinem entsprechenden abstractum primär das Zugrundeliegende bezeichnet, dem das Akzidens zukommt, und erst in zweiter Linie das Akzidens selbst 81. Wie Thomas von Aquin lehnt Eckhart diese Auffassung ab: Das Weiße bezeichnet allein die Qualität; es bezeichnet den Träger mit (consignificat) oder konnotiert ihn 82. (iii) In seiner Vorbemerkung überträgt Eckhart die im album-Beispiel exemplifizierte Semantik der konkreten akzidentellen Termini auf die Ebene der konkreten termini generales. ,Seiend‘ bezeichnet allein das Sein, wie ,Weißes‘ allein die Qualität bezeichnet. Eckhart zitiert in seinen Werken wiederholt die aristotelische Aussage, um seine Semantik der concreta zu verdeutlichen. Ein konkreter Terminus bezeichnet allein die forma. Dementsprechend betont er im ,Buch der göttlichen Tröstung‘: „Weiterhin muß man wissen, daß, wenn wir vom ,Guten‘ sprechen, der Name oder das Wort nichts anderes bezeichnet und in sich schließt, und zwar nicht weniger und nicht mehr als die bloße und lautere Gutheit.“ 83 79 80
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Prol. in op. prop., n. 2 (LW I, 166). Cf. St. Ebbesen, Concrete Accidental Terms: Late Thirteenth-Century Debates about Problems Relating to Such Terms as ,album‘, in: N. Kretzmann (ed.), Meaning and Inference in Medieval Philosophy. Studies in Memory of Jan Pinborg, Dordrecht-Boston-London 1988, 107-174. Cf. die Kritik des Averroes an Avicenna in ,In Aristotelis Metaph. V‘, comm. 14 (ed. Ponzalli, 131). Cf. In Ex., n. 63 (LW II, 67 sq.); n. 84 (LW II, 87); Thomas von Aquin, In V Metaph., lect. 9, 894. DW V, 10.
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Offensichtlich berührt die erste Vorbemerkung im ,Prolog des Thesenwerkes‘ einen für den Meister wesentlichen Sachverhalt. Welche Differenzen es auch zwischen dem durch die konkreten und abstrakten Termini Bezeichneten geben mag, die Semantik der concreta zeigt ihre formale Einheit mit den ihnen entsprechenden abstracta: ens bezeichnet allein das esse. 3.2 ,De ente et de ente hoc et hoc‘ Die zweite Vorbemerkung führt eine Differenz im Bereich des ,Seienden‘ ein: „Man muß anders urteilen über Seiendes als über Dies-und-das-Seiende.“ 84 Eckhart gründet diese Auffassung auf Überlegungen aus der Prädikationstheorie, nämlich den Unterschied zwischen Aussagen de secundo adiacente (,etwas ist‘) und de tertio adiacente (,etwas ist Mensch‘) 85. Für den Sinn seiner Bemerkung ist es jedoch wieder aufschlussreich, den philosophiegeschichtlichen Hintergrund aufzudecken. Eckhart fügt zu seiner Vorbemerkung hinzu, dass, was für das ens gilt, auch für die übrigen termini generales gelte: „Man muß zum Beispiel über das Gute an sich (de bono absolute) anders urteilen als über Dies-und-das-Gute.“ 86 Dieses Beispiel ist nicht zufällig gewählt, sondern verweist auf einen berühmten Text in Augustins Schrift ,De trinitate‘. Im VIII. Buch beschreibt dieser, wie man durch ,Absehen‘ vom Partikulären zum Guten im absoluten Sinne gelangt. Die entscheidende Stelle lautet: „Es gibt dieses Gute und jenes Gute. Nimm das hoc et illud fort und erblicke, wenn du es vermagst, das Gute selbst: dann wirst du Gott erblicken, der nicht durch ein von ihm verschiedenes Gutes gut ist, sondern das Gute jedes Guten (bonum omnis boni).“ 87 Mit dieser Denkfigur Augustins, der Rückführung des Guten in der Kreatur auf Gott, verbindet Heinrich von Gent Avicennas Lehre von den Erstbegriffen, die viele mittelalterliche Denker fasziniert hat 88. Es gibt Begriffe, die nicht mehr auf andere, allgemeinere Begriffe zurückgeführt werden können, sondern unmittelbar eingesehen werden. Nach Heinrich weisen Erstbegriffe wie ,Seiendes‘, ,Eines‘ und ,Gutes‘ den Weg zu einer Wesenserkenntnis Gottes (im Allgemeinen) durch eine zweifache Abstraktion. Die erste ist die Abstraktion des Allge84 85
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Prol. in op. prop., n. 3 (LW I, 166). Für eine Analyse siehe A. de Libera, Le proble`me de l’eˆtre chez Maıˆtre Eckhart: Logique et me´taphysique de l’analogie, Genf 1980, 29-37. Ich teile jedoch nicht seine Ansicht, dass „la doctrine eckhartienne de la pre´dication est le ve´ritable fondement de sa me´taphysique“ (ibid., 39). Prol. in op. prop., n. 3 (LW I, 16). Augustinus, De trinitate VIII, 3 (CCL 50), 272, 15-17. Cf. J. A. Aertsen, ,Von Gott kann man nichts erkennen, außer daß er ist‘ (Satz 215 der Pariser Verurteilung). Die Debatte über die (Un-)möglichkeit einer Gotteserkenntnis quid est, in: J. A. Aertsen/K. Emery, Jr./A. Speer (eds.), Nach der Verurteilung von 1277. Philosophie und Theologie an der Universität von Paris im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts. Studien und Texte (Miscellanea Mediaevalia 28), Berlin-New York 2001, 22-37.
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meinen vom Partikulären. Eine formale Vollkommenheit wird vom einzelnen an der Form teilhabenden Träger losgelöst, z. B. wird das bonum hoc et illud auf das bonum universale zurückgeführt. Ergebnis dieser ersten Abstraktion sind die ersten Verstandesbegriffe, die auf analoge Weise dem Schöpfer und den Geschöpfen gemeinsam sind 89. Die zweite Abstraktion ist die des Subsistenten von der universalen Form, an der die Einzeldinge teilhaben. Sie führt zum bonum subsistens, das nur Gott eigentümlich ist. „Und wie es sich mit dem Begreifen des Guten verhält, so auch mit dem Begreifen des Seienden, des Wahren, des Schönen und des Gerechten.“ 90 Eckharts Vorbemerkung über den Unterschied zwischen ens und ens hoc et hoc hat einen ähnlichen Sinn wie bei Augustin und Heinrich von Gent. Das ergibt sich aus den Thesen, die er anschließend formuliert. 3.3 Vier Thesen Die erste These lautet: „Gott allein ist im eigentlichen Sinne (proprie) ,Seiendes‘.“ 91 Proprie, d. h. insofern ,Seiendes‘ absolute genommen wird, als ,Seiendes‘ betrachtet wird. Eckhart setzt nicht nur den abstrakten Terminus esse mit Gott gleich, sondern auch den konkreten Terminus ens. Für diese These führt er eine Reihe von Autoritäten an: die Bibel (Ex. 3, 14), die Patristik ( Johannes Damascenus, für den ,Sein‘ der erste Gottesname ist) und die Philosophiegeschichte (Parmenides und Melissus). Aber dass der Sinn seiner These einen augustinischen Hintergrund hat, zeigt sich am Ende seiner Überlegungen: „Von den übrigen Dingen aber ist jedes Einzelne dieses Seiende (ens hoc), nämlich Stein, Löwe, Mensch und dergleichen.“ 92 Die (von Eckhart nicht formulierte) Gegenthese wird mithin lauten: „Jedes Geschaffene ist ein Dies-oder-das-Seiendes.“ Die zweite These heißt: „Von Gott allein haben alle Dinge das Sein.“ Diese These entspricht der ersten Auslegung des Genesistextes im ,Allgemeinen Prolog‘: Lediglich durch das Sein, das Gott ist, haben die Dinge Sein. Eckhart beweist die These durch mehrere Argumente. Das erste greift auf seinen Grundsatz zurück und verwendet das albedo-Beispiel: „Wie nämlich hätte etwas Sein außer vom Sein? […] Ist doch z. B. alles Weiße (omne album) durch die Weiße weiß.“ 93 Ein weiteres Argument gründet sich auf die Erstheit und Gemeinsamkeit des Seienden und der übrigen termini generales. Als die Ersten (prima) und 89
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Heinrich von Gent, Summa quaestionum ordinarium, a. 24, q. 6 (fol. 142vS): „Ad cuius intellectum sciendum quod duplex est abstractio formae per intellectum a supposito participante formam. Uno modo, ut relatae ad supposita […]. Considerata primo modo, est abstractio universalis a particulari, ut boni ad hoc bono et ab illo […; fol. 142vV] A quo si subtraxeris hoc et illud […] est commune analogum ad deum et creaturam, et est de primis intentionibus quae per se et primo concipit intellectus de rebus, ut sunt unum et ens.“ Ibid., a. 24, q. 6 (142vS und V): „Et sicut est de intellectu boni, ita est de intellectu entis, veri, pulchri, iusti.“ Prol. in op. prop., n. 5 (LW I, 168). Prol. in op. prop., n. 8 (LW I, 170). Prol. in op. prop., n. 9 (LW I, 170-171).
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allem Gemeinsamen (omnibus communia) können sie nur auf die Kausalität der ersten und universalen Ursache zurückgeführt werden. Anschließend betont Eckhart, dass die Exklusivität der Seinsursache die Tätigkeit der Zweitursachen nicht ausschließt: „Dadurch wird jedoch der Einfluß der Zweitursachen nicht ausgeschlossen. Denn die Form des Feuers gibt ja dem Feuer nicht das Sein, sondern dieses Sein (hoc esse) […]. Aber eben dieses, daß nämlich die Form des Feuers dem Feuer Sein […] verleiht, hat sie aufgrund des ihr von der ersten Ursache verliehenen Bestandes (fixio), gemäß dem IX. Satz im ,Liber de causis‘: ,Jede Intelligenz hat Bestand und Wesen durch die reine Gutheit, welche die erste Ursache ist‘.“ 94
Jedes Seiende hat sein ganzes Sein nicht nur von Gott allein, sondern auch unmittelbar (immediate) von ihm, so behauptet die dritte These. Die Seinsgabe Gottes ist „ohne jede Vermittlung (medium)“. Durch diese These wird einerseits Avicennas Auffassung eines stufenweisen Hervorgangs aus dem ersten Prinzip verneint, andererseits das unmittelbare Verhältnis von Gott und Geschöpf hervorgehoben. Zwischen dem Sein, das Gott ist, und dem Seienden kann es kein Mittleres geben, das folglich außerhalb des Seins stehen würde. Außerdem: „Das Erste leidet kein medium.“ Eckhart verweist dafür wieder auf den ,Liber de causis‘, wo es in der Erläuterung des ersten Satzes heißt, dass der Einfluss der ersten Ursache zuerst eintritt und zuletzt weicht 95. Die vierte These ist gleichsam das Gegenstück der zweiten These: „Dies-oderdas-Seiende trägt nichts an Seiendheit (entitas) (zum Sein) bei.“ Der Zusammenhang mit der zweiten These zeigt sich auch in der anschließenden Bemerkung, die wieder betont, dass die Exklusivität der Seinsursache die Tätigkeit der Zweitursachen erst ermöglicht: „Indem wir dies sagen, heben wir das Sein der Dinge nicht auf noch zerstören wir es, sondern geben ihm Bestand (statuimus).“ 96 Eckhart führt für die vierte These vier Gründe an. Der erste beruht auf der Schöpfungsidee: „Alles, was Sein gibt, erschafft und ist die erste und allumfassende Ursache […]. Kein Dies-oder-Das (hoc aut hoc) ist die erste und allumfassende Ursache noch erschafft es. Also gibt kein Dies-oder-Das Sein.“ 97 Der dritte Grund greift auf den vierten Beweis für den Satz ,Esse est deus‘ zurück: „Außer dem Sein und ohne das Sein ist nichts, auch das Gewordene. Teilte also etwas Anderes außer Gott das Sein mit, so teilte Gott nicht allen Dingen Sein mit.“ 98
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Prol. in op. prop., n. 11 (LW I, 171-172). Prol. in op. prop., n. 13 (LW I, 172-173). Der Verweis auf den ,Liber de causis‘ ist in Wirklichkeit ein wörtliches Zitat aus Thomas’ Kommentar zu diesem Buch: In De causis, prop. 1 (ed. H. D. Saffrey, Fribourg-Louvain 1954, 8): „Ergo impressio causae primae primo advenit et ultimo recedit.“ Prol. in op. prop., n. 15 (LW I, 176). Prol. in op. prop., n. 20 (LW I, 178). Prol. in op. prop., n. 22 (LW I, 178-179).
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3.4 Zusammenfassung In den vorangehenden Paragraphen (3.1-3) haben wir den Anfang des I. Traktats über das Sein und das Nichts rekonstruiert. Eckharts originelle Thesen lassen sich schematisch wie folgt zusammenfassen: (1) Das Sein ist Gott. (2) Seiendes bezeichnet allein das Sein. (3) Man muss anders urteilen über Seiendes als über Dies-oder-dasSeiende. (4) Gott allein ist im eigentlichen Sinne Seiendes. (5) Von Gott allein haben alle Dinge das Sein. (6) Von Gott hat jedes Seiende unmittelbar sein ganzes Sein.
(1*) Jede Kreatur ist in sich ein Nichts.
(4*) Jedes Geschöpf ist ein Dies-oderdas-Seiendes. (5*) Das Dies-oder-Das trägt nichts an Seiendheit bei.
Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus dieser Rekonstruktion mit Bezug auf Eckharts Anliegen und Denkweise ziehen? V. Eckhar ts Anlieg en: ,Dialektik‘ Die Rekonstruktion ermöglicht es uns, schärfer die entscheidenden Gedankenschritte in Eckharts Darlegung zu sehen und die Dynamik seiner Metaphysik zu erkennen. (1) Ausgangspunkt des I. Traktats ist der radikale Gegensatz zwischen Sein und Nichts, Ausdruck der Zweigeteiltheit des Thesenwerkes. Eckharts erste These über das Sein setzt das esse mit Gott gleich, seine erste These über den Gegenbegriff behauptet, das Geschöpf sei in sich nihil. Ist dieses Verfahren ,dialektisch‘ zu deuten? Seit Losskys bahnbrechender Studie ist in der neueren Forschung des Öfteren die entscheidende Rolle der Dialektik in Eckharts Denken hervorgehoben worden 99. Der Inhalt und der Ort dieses Begriffs bleiben manchmal vage; auch der Meister selbst thematisiert das Verfahren nicht. Die Methode dieses philosophischen Denkens, so Heribert Fischer, ist ,dialektisch‘. „Thesis und Antithesis werden ,aufgehoben‘ in der Synthesis.“ 100 Das 99
100
Cf. Lossky, The´ologie ne´gative (nt. 57), 254 sqq.; M. de Gandillac, La ,dialectique‘ de Maıˆtre Eckhart, in: La mystique rhe´nane. Colloque de Strasbourg 16-19 mai 1961, Paris 1963, 5994; de Libera, Le proble`me de l’eˆtre (nt. 85), 1; Goris, Einheit als Prinzip und Ziel (nt. 5), 207251; B. McGinn, The Mystical Thought of Meister Eckhart. The Man from Whom God Hid Nothing, New York 2001, 91-96. H. Fischer, Meister Eckhart. Einführung in sein philosophisches Denken, Freiburg-München 1974, 41.
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klingt reichlich hegelianisch, aber wie es gemeint ist, verdeutlicht der Autor: „Aus Satz und Gegen-satz, durch Setzung und Ent-gegen-setzung, durch Position, Proposition und Opposition, wird nicht ein Mittleres gewonnen, sondern eine Syn-thesis.“ Zur Bestätigung dieser Behauptung zitiert er Eckharts Bemerkung zur 4. These im ,Prolog zum Thesenwerk‘: „Indem wir dies sagen, heben wir das Sein der Dinge nicht auf und zerstören es nicht, wir statuieren es, fügen es zusammen in einer Synthese.“ 101 In seine Übersetzung des Zitats führt Fischer einfach seine ,dialektische‘ Deutung ein (statuimus: „Wir fügen es zusammen in einer Synthese“). Diese Vermischung von Deutung und Übersetzung ist unangebracht und irreführend. Wie wir gesehen haben, beabsichtigt Eckhart mit seiner Aussage, einem falschen Verständnis seiner Thesen vorzubeugen. Die von ihm hervorgehobene Exklusivität der Seinsursache führt nicht dazu, dass das Wirken und Sein der Dinge ,aufgehoben‘ wird; sie gibt den Dingen erst Bestand. Aus der Struktur des Thesenwerkes kann man nicht ohne weiteres auf ein ,dialektisches‘ Vorgehen durch ,Thesis - Antithesis - Synthesis‘ schließen 102. Zu beachten ist, dass die Zweigeteiltheit dieses Werkes auf Begriffen, nicht auf Sätzen beruht. Ein Satz über den Gegenbegriff verhält sich nicht notwendig kontradiktorisch zum Satz über den positiven Begriff. Tatsächlich bildet die erste Nichts-These nicht die Antithese des Satzes ,Esse est deus‘, sondern vielmehr sein logisches Korrelat. (2) Eckharts zweiter Schritt besteht in der Einführung eines dritten Terminus, ens. Man könnte vermuten, dass der Grund dafür die Idee der Schöpfung ist, die ja eine Differenz zum absoluten Sein setzt. Hat der Begriff ens mithin nicht eine vermittelnde Funktion zwischen dem Esse/Deus und dem nihil? Der von Eckhart mehrmals zitierte 14. Satz aus dem ,Liber XXIV philosophorum‘ scheint diesen Gedanken nahe zu legen: „Gott ist der Gegensatz zum Nichts durch Vermittlung des Seienden“ („Deus est oppositio nihil mediatione entis“). Zweimal in seinen Schriften gibt der Meister eine Erklärung dieses rätselhaften Satzes 103. In seinem Johanneskommentar hebt Eckhart auf die ,Mittelstellung‘ des ens ab: „Der Sinn (des Satzes) ist, daß das ganze Universum sich zu Gott verhält wie das Nichts zum Universum, so daß das Universum, d. h. jedes Seiende, gleichsam die Mitte (medium) zwischen Gott und dem Nichts ist.“ 104 Im Sapientiakommentar dient der Satz dazu, die Unvergleichbarkeit und Transzendenz Gottes zu erhellen. Er wird im Rahmen einer Auslegung des Ausspruches ,Divitias nihil dici in comparatione illius‘ (Sap. 7, 8) zitiert: „Gott ist ein so großes Gut, daß ihm gegenüber und im Vergleich mit ihm jedwedes andere, sogar alles (zu101 102 103 104
LW I, 176; Fischer, Meister Eckhart (nt. 100), 42. Cf. Albert, Meister Eckharts These vom Sein (nt. 5), 25, nt. 105. Cf. Ruh, Geschichte (nt. 1), 42-43. In Ioh., n. 220 (LW III, 185): „Sensus est quod totum universum comparatum deo se habet sicut nihil comparatum ipsi universo, ita ut ipsum universum, ens omne, sit quasi medium inter deum et nihil.“
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sammen) nichts bedeutet, wie das Licht eines wenn auch hellen Sternes gegenüber dem Licht der Sonne.“ Eckhart bestätigt diese Auslegung durch mehrere Autoritäten: die Antwort des Bernhard von Clairvaux auf die Frage ,Was ist Gott?‘: „Ohne den nichts ist“, den 6. Satz im ,Liber XXIV philosophorum‘: „Gott ist der, im Vergleich mit dem die Substanz Akzidens ist und das Akzidens nichts ist“, und schließlich den 14. Satz im selben Buch. Letzterer Satz will sagen: „Wie jedes Geschaffene das Nichts übersteigt, so übersteigt Gott jedes geschaffene Seiende.“ 105 Eckhart weist aber darauf hin, dass die Textstelle im Buch ,Weisheit‘ noch auf eine andere, ,tiefere‘ (subtilius) Weise verstanden werden kann. Diese zweite Auslegung stellt tatsächlich die Vorstellung von einer ,Mittelstellung‘ des geschöpflichen Seienden, ja die Möglichkeit eines Vergleichens mit Gott überhaupt in Frage. Wer nämlich vergleicht, betrachtet beim Vergleichen das Verglichene immer wie zwei Dinge, die getrennt (divisa) und voneinander unterschieden (distincta) sind. Jedes Seiende aber, das von Gott getrennt ist, wird vom Sein getrennt und unterschieden, denn Gott ist das Sein selbst. Was aber vom Sein getrennt und unterschieden ist, ist notwendig nichts; denn nichts ist so sehr nichts wie das, was vom Sein getrennt ist 106. Die Transzendenz Gottes hinsichtlich jeder Kreatur darf man sich nicht als einen Unterschied zwischen zwei distinkten Dingen vorstellen. Es gibt kein Mittleres zwischen esse und nihil. Im Titel des I. Traktats setzt Eckhart ,Sein‘ und ,Seiendes‘ in Opposition zum ,Nichts‘. (3) Der dritte Schritt besteht in einer Differenzierung innerhalb des Bereiches des ens. Eckhart setzt nicht, wie man vielleicht erwarten würde, das ens mit dem Geschöpf gleich, sondern führt einen neuen Unterschied zwischen Gott und Kreatur ein, den Unterschied zwischen ens (absolute) und ens hoc aut hoc, der in seinen Werken eine prominente Rolle spielt 107. Das geschöpfliche Dies-und-das-Seiende schließt ein anderes Dieses aus, ist ein proprium, nicht commune 108. Als solches ,schmeckt‘ es nach Verneinung (negatio), ist mit dem Charakter des Nichts behaftet: Es stammt aus der Verbindung des Seienden und des Nichts 109. Der ursprüngliche Gegensatz zwischen Sein und Nichts wirkt in der Struktur der Kreatur weiter. Als Dies-und-das-Seiendes ist das Geschöpf ein Abfall vom ungeschiedenen Sein, das Gott ist; zugleich ist 105 106
107
108 109
In Sap., n. 90 (LW II, 424). In Sap., n. 91 (LW II, 424): „Omne autem ens divisum a deo dividitur et distinguitur ab esse, quia deus est ipsum esse. Divisum autem ab esse et distinctum necessario nihil est; nihil enim tam nihil quam divisum ab esse.“ Ähnlich In Ex., n. 40: „Omne autem ens creatum acceptum vel conceptum seorsum per se distinctum a deo non est ens, sed est nihil. Separatum enim et distinctum a deo separatum est et distinctum ab esse, quia ab ipso deo, per ipsum et in ipso sunt quaecumque sunt, et ,sine ipso factum est nihil‘, Ioh. 1, et Act. 17: ,in ipso vivimus, movemur et sumus‘.“ Cf. In Sap., nn. 98, 178, 282 (LW II, 432 sqq., 513 sq., 614 sq.); In Ioh., n. 611 (LW III, 533); Sermo LV, n. 546 (LW IV, 457); BgT (DW V, 25, 27). Cf. In Sap., n. 98 (LW II, 432). Cf. In Gen. II, 92 (LW I, 558).
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es ein Abfall vom Einen, das Gott ist, weil jede Verneinung eine wirkliche Vielheit einschließt 110. Eckharts Anliegen ist jedoch, diesen Unterschied zwischen Gott und Kreatur, ja jeden Gegensatz, zu überwinden. Seine Metaphysik, die mit einem radikalen Gegensatz beginnt, zielt auf die Einigung und Einheit. Dazu soll der Mensch alles ,Eigentümliche‘ ablegen. An dieser Stelle wird die Metaphysik zur Ethik: Die Einheit mit Gott verlangt die abnegatio des hoc et hoc. Sehr klar stellt Eckhart die Notwendigkeit dieser ,Abgeschiedenheit‘ in seiner Auslegung von Sap. 18, 14 dar (,Als nämlich tiefes Schweigen alles umfangen hielt‘). Ruhe und Schweigen muss alles umfangen, damit Gott durch Gnade in den Geist kommt und der Sohn in der Seele geboren wird. ,Alles‘ schweigt, wenn in der Seele Dies-und-das-Geschaffene (hoc et hoc creatum) schweigt. Aus vier Gründen ist dies für die Seele, die Gott selbst aufnehmen soll, notwendig: (i) Gott ist nicht Dies-oder-Das, sondern über allem. (ii) Jedes Dies-und-Das ist geschaffen, Gott aber ist ungeschaffen. (iii) Alles, was Ununterschiedenes liebt, hasst Unterschiedenes. Gott aber ist ununterschieden (indistinctus), und auch die Seele selbst liebt ununterschieden zu sein, das heißt eins zu sein und eins zu werden mit Gott. Jedes Dies-und-Das aber ist unterschieden und schmeckt nach Unterschiedenheit. (iv) Die Seele bewegt sich von Natur aus auf das, was schlechthin und absolut gut ist. Nichts aber, was Dies-und-das-Gutes ist, ist schlechthin und absolut gut (mit einem Verweis auf Augustins Ausführungen im VIII. Buch von ,De trinitate‘) 111. An einer anderen Stelle im Sapientiakommentar nennt Eckhart das hoc et hoc einen ,Fallstrick‘, in dem man sich verfängt und nicht mehr frei ist. Ein solcher Mensch tut das Gute nicht um seiner selbst willen - sunder warumbe in den deutschen Predigten -, sondern dient diesem oder jenem um dieses oder jenes Gutes willen, ist Mietling, ein Knecht 112. (4) Eckharts vierter Schritt analysiert die ontologischen Bedingungen der Identität mit Gott, d. h. er betrachtet die creatura als ens. „Gott ist in jedem, insofern es ein Seiendes ist, in keinem aber, insofern es ein Dieses-Seiendes ist.“ 113 Die zweite und dritte These im ,Prolog zum Thesenwerk‘ legen dar, dass das Geschöpf als ,Seiendes‘ allein von Gott ist und unmittelbar von ihm ist. „Zwischen dem Sein und dem Seienden als Seiendem gibt es nämlich kein Mittleres.“ 114 Hier bricht der Prolog ab, aber Eckhart erhellt die unmittelbare und innige Beziehung zwischen dem Sein und dem Seienden durch weitere Überlegungen in seinem Werk. Dazu gehört die Kritik an der Idee der Exteriorität der Schöpfung, die Eckhart in der Auslegung der ersten auctoritas im ,Allgemeinen Prolog‘ übt. Dass 110 111 112 113 114
Cf. In Ioh., n. 611 (LW III, 533). Cf. In Sap., nn. 281-282 (LW II, 613 sqq.). Cf. In Sap., n. 98 (LW II, 433). In Ioh., n. 206 (LW III, 174). In Ioh., n. 205 (LW III, 172).
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Gott in principio geschaffen hat, heißt, dass er in sich selbst geschaffen hat 115. Auch in anderen Texten betont er diese Immanenz: Alles, was a Deo ist, ist in Deo, denn Gott ist das Sein. Was nicht in Gott ist, ist nicht im Sein, sondern ist nicht und ist nichts 116. Der Unterschied zwischen einer Zweitursache und der ersten Ursache besteht darin, dass die letztere ihre Wirkung nicht nur aus sich und von sich hervorbringt, sondern auch in sich 117. Das Sein des Geschöpfes ist als ein ,Insein‘ in Gott zu verstehen 118. Eckhart bestimmt das Verhältnis zwischen dem göttlichen esse und dem geschöpflichen ens auch durch den Begriff der ,Nähe‘. Auf der Grundlage der Identität von Sein und Gott argumentiert er: „Von Gott aber, dem Sein, ist nichts fern außer dem Nichts. Was ist aber dem Sein, das Gott ist, so nahe wie das Seiende? ,Nah bist du, o Herr‘ (Ps. 118, 151). Was könnte näher sein als das Seiende und das Sein, zwischen denen es kein Mittleres gibt?“ 119 Diese innere Nähe heißt für Eckhart letztlich, dass es keinen Unterschied gibt: Das Sein ist von allem, was ist, ununterschieden (indistinctum) 120. Die Analyse der Gedankenschritte Eckharts zeigt, wie sehr die Frage nach der Differenz und der Identität des göttlichen esse und des geschöpflichen ens sein Denken in Atem hält. Hier findet seine Lehre von der Analogie ihren Ort, die, wie sich aus einem expliziten Verweis ergibt, zur Thematik des I. Traktats gehört. Eine Stelle im Johanneskommentar bestätigt diesen Zusammenhang. In seiner Auslegung des Wortes ,In propria venit‘ ( Joh. 1, 11) referiert Eckhart seine ersten drei Thesen im zweiten Prolog, fügt aber hinzu, dass Gott auf analoge Weise (analogice) die Seiendheit in allen Dingen wirkt 121. Differenz und Identität - in dieser Problematik hat auch Eckharts neuplatonisch inspirierte ,Dialektik‘ ihren Ort 122; sie ist die andere Weise, auf welche er das Verhältnis zwischen dem Sein, das Gott ist, und dem geschaffenen Seienden deutet. Von den Perspektiven der Identität und Nicht-Identität der Relata her werden gleichzeitig gegensätzliche Aussagen über dieses Verhältnis gemacht. Die Berücksichtigung dieses ,dialektischen‘ Verfahrens ist für die Gesamtinterpretation des Eckhart’schen Denkens von großer Bedeutung, insofern sein Vorgehen klarmacht, dass es für die Erläuterung scheinbar kontradiktorischer Aussagen in Eckharts 115 116
117 118
119 120 121 122
Cf. Prol. gen. in op. trip., n. 16 (LW I, 39). Sermo XXIII, n. 220 (LW IV, 206): „Omne quod est a deo, est in deo. Primo, quia extra ipsum nihil est […]. Secundo, quia quod non est in deo, non est in esse, quia deus est esse. Quod autem non est in esse sed extra, non est et nihil est.“ Cf. In Eccli., n. 49 (LW II, 277); In Sap., n. 121 (LW II, 457 sq.). Cf. K. Kremer, Meister Eckharts Stellungnahme zum Schöpfungsgedanken, in: Trierer Theologische Zeitschrift 74 (1965), 65-82. In Sap., n. 164 (LW II, 499). Cf. In Sap., n. 145 (LW II, 483). Cf. In Ioh., n. 98 (LW III, 84). Cf. W. Wackernagel, Ymagine denudari. E´thique de l’image et me´taphysique de l’abstraction chez Maıˆtre Eckhart, Paris 1991, 110-117; Goris, Einheit als Prinzip und Ziel (nt. 5), 207251.
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Werk, z. B. in der ersten Pariser Quästion und im ,Opus tripartitum‘, durchaus nicht notwendig ist, auf die Hypothese einer denkerischen Entwicklung zu rekurrieren. Eckharts beliebtes Beispiel für die Deutung der Beziehung zwischen Gott und dem geschaffenen Seienden ist die dialektische Verwendung des Gegensatzes ,distinctum - indistinctum‘. Er formuliert zwei gegensätzliche Aussagen: „Nichts ist so sehr unterschieden […] vom Geschaffenen wie Gott“ und „Nichts ist so sehr vom Geschaffenen ununterschieden wie Gott.“ 123 Für beide Perspektiven führt er jeweils drei Gründe an. Sein erstes Argument für die zweite Aussage setzt das Verhältnis zwischen dem Geschöpf und Gott mit demjenigen zwischen ens und esse gleich: „Nichts ist so ununterschieden wie das Seiende und das Sein.“ 124 Der Gegensatz ,indistinctum - distinctum‘ war das Thema einer anderen Abhandlung des Thesenwerkes, des VIII. Traktats. Es ist deshalb erforderlich, den Horizont zu erweitern und einen Blick auf die Gliederung des Werkes im Ganzen zu werfen. VI. Glieder ung des T hesenwerkes Die 14 Termini (und ihre Gegensätze), welche die Traktate des Thesenwerkes gliedern, sind natürlich nicht willkürlich gewählt; sie stellen die ,Grundworte‘ des Eckhart’schen Denkens dar und liefern den Schlüssel zur Interpretation seiner Metaphysik 125. Gemäß welchen Prinzipien gliedert Eckhart das ,Opus propositionum‘? Die Einteilung in vierzehn Traktate legt eine Assoziation mit den vierzehn Büchern der ,Metaphysik‘ des Aristoteles nahe. Heribert Fischer war tatsächlich der Ansicht, „daß das Werk der Thesen mit den vierzehn Traktaten ausgewählten […] Büchern der aristotelischen ,Metaphysik‘ entspricht“ 126. Auf einen Nachweis dieser Abhängigkeit verzichtet Fischer jedoch; ein solcher Nachweis lässt sich auch nicht erbringen. Auch Karl Albert versucht, das Thesenwerk aufgrund des aristotelischen Metaphysikkonzepts zu gliedern. Nach Aristoteles hat die Metaphysik zwei Hauptgegenstände: das Seiende als solches und das höchste Seiende. Die Metaphysik ist einerseits Ontologie, andererseits Theologie. In den Traktaten des ,Opus propositionum‘ treten beide Hauptgegenstände der Metaphysik in Erscheinung. Laut Albert befassen sich die Traktate I-IV, 123
124 125 126
In Sap., n. 154 (LW II, 489); cf. W. Beierwaltes, Unterschied durch Un-Unterschiedenheit: Meister Eckhart, in: id., Identität und Differenz, Frankfurt a. M. 1980, 97-104; Goris, Einheit als Prinzip und Ziel (nt. 5), 220 sqq. für eine eingehende Analyse aller Argumente. In Sap., n. 155 (LW II, 491). Cf. Albert, Meister Eckharts These vom Sein (nt. 5), 27. H. Fischer, Die theologische Arbeitsweise Meister Eckharts in den lateinischen Werken, in: A. Zimmermann (ed.), Methoden in Wissenschaft und Kunst des Mittelalters (Miscellanea Mediaevalia 7), Berlin 1970, 57.
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VI-VIII und XIV mit der Ontologie, die Traktate V und IX-XIII mit der metaphysischen Theologie 127. Unverständlich bleibt jedoch in diesem Schema, warum Eckhart seine Traktate dann nicht entsprechend jener Zweiteilung geordnet hat. Das von Albert vorgeführte Ordnungsprinzip ist Eckharts Metaphysik in Wahrheit fremd. Eckhart thematisiert nicht zunächst eine formale Ontologie, die dann mit Bezug auf ein ausgezeichnetes Seiendes, das Göttliche, ausgearbeitet wird. Seine erste These lautet: ,Esse est deus‘. Die bisherigen Deutungsvorschläge sind unbefriedigend; wir bedürfen eines anderen Gliederungsprinzips 128. 1. Traktate I-VI: ,Transzendentalien-Metaphysik‘ Die ersten vier Traktate handeln vom ,Sein‘, von der ,Einheit‘, der ,Wahrheit‘ und der ,Gutheit‘ und von den ihnen entsprechenden concreta ,Seiendes‘, ,Eines‘, ,Wahres‘ und ,Gutes‘. Der klarste Beleg dafür, dass diese Traktate zusammengehören, ist die Tatsache, dass die Thesen im zweiten Prolog sich nicht nur auf ,Seiendes‘ (auf das wir uns im Abschnitt 3 beschränkt haben) beziehen, sondern auch auf die drei weiteren Termini. Eckhart selbst deutet den inneren Zusammenhang der Gegenstände der ersten vier Traktate an: „Das ,Seiende‘, ,Eine‘, ,Gute‘ und ,Wahre‘ sind transcendentia.“ 129 Seine Gliederung des Thesenwerkes folgt der im 13. Jahrhundert herausgebildeten und von Albert dem Großen, Thomas von Aquin und Heinrich von Gent weiterentwickelten Lehre von den ,Transzendentalien‘ 130. Eckharts Lehre von den transcendentia enthält mehrere Elemente, die zum traditionellen Bestand dieser Doktrin im 13. Jahrhundert gehören. Ens, unum, verum, bonum sind, so bemerkt er im ,Prolog zum Thesenwerk‘, die Ersten (prima) in den Dingen und allen gemeinsam (omnibus communia) 131. Gerade deshalb heißen sie ,Transzendentalien‘, denn wegen ihrer Gemeinsamkeit ,übersteigen‘ sie die aristotelischen Kategorien. Weil sie allen Dingen gemeinsam sind, schließen die Transzendentalien, im Gegensatz zu den Kategorien, einander nicht aus, sondern ein. Sie sind miteinander in der Aussage vertauschbar (convertibilis): Dasjenige, was ,seiend‘ ist, ist ,eins‘ und umgekehrt. Dennoch sind die Transzendentalien keine Synonyme, sondern unterscheiden sich begrifflich voneinan127
128
129 130
131
Cf. Albert, Meister Eckharts These vom Sein (nt. 5), 26-27; übernommen von Ruh, Geschichte (nt. 1), 298. Cf. F. Brunner, La structure de l’Opus propositionum de Maıˆtre Eckhart, in: J. Brunschwig/C. Imbert/A. Roger (eds.), Histoire et structure. A la me´moire de Victor Goldschmidt, Paris 1985, 241-249; J. A. Aertsen, Meister Eckhart: Eine außerordentliche Metaphysik, in: Recherches de The´ologie et Philosophie me´die´vales 66 (1999), 1-20. Sermo XXXVII, n. 377 (LW IV, 322): „Ens, unum, bonum, verum transcendentia sunt.“ Zur mittelalterlichen Transzendentalienlehre cf. J. A. Aertsen, Medieval Philosophy and the Transcendentals. The Case of Thomas Aquinas (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 52), Leiden-New York-Köln 1996. Zu Eckharts Lehre cf. Albert, Meister Eckharts These vom Sein (nt. 5), 109-189. Cf. Prol. in op. prop., n. 11 (LW I, 171).
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der 132; ,Eines‘, ,Wahres‘ und ,Gutes‘ fügen dem ,Seienden‘ etwas hinzu. Gemäß dieser Hinzufügung besitzen die Transzendentalien eine Ordnung: „Sein ist das Erste, dann kommt das Eine, danach das Wahre, viertens das Gute.“ 133 Diese Ordnung entspricht genau der Reihenfolge der Traktate I-IV. Die Traktate V und VI gehören zusammen und sind mit dem IV. Traktat über das Gute verbunden. Der Gegenstand der Liebe ist das bonum; die caritas ist „amor boni, in quantum bonum, et hoc deus est“ 134. Der VI. Traktat handelt „vom moralischen Guten“ (honestum), dem perfectum bonum und apex boni 135, und „von der Tugend“, deren Paradigma für Eckhart die Gerechtigkeit (iustitia) ist. Die Traktate V und VI bilden mit den ersten vier Traktaten eine nicht nur durch das Gute vermittelte, sondern unmittelbare Einheit. Diese gründet sich auf eine Besonderheit der Transzendentalienlehre Eckharts: seine Einbeziehung der ,geistigen Vollkommenheiten‘ in die Doktrin. In seiner Auflistung der allgemeinsten Vollkommenheiten werden nicht nur ,Sein‘, ,Einheit‘, ,Wahrheit‘ und ,Gutheit‘ erwähnt, sondern auch ,Weisheit‘ und ,Gerechtigkeit‘ 136. Ein klares Indiz für die Zusammengehörigkeit der ersten sechs Traktate ist Eckharts Vorbemerkung im ,Prolog zum Thesenwerk‘: „Seiendes (ens) bezeichnet allein das Sein (esse).“ Er fügt hinzu: „Entsprechendes gilt auch bei anderem: so bezeichnet unum nur die unitas, verum die veritas, bonum die bonitas, honestum die honestas, rectum die rectitudo, iustum die iustitia usw.“ 137 Die Transzendentalien bilden den Schwerpunkt des Thesenwerkes; die Vorbemerkungen und Thesen im Prolog zum ,Opus propositionum‘ beziehen sich auf diese termini generales. Daraus lässt sich eine wichtige, inhaltliche Spezifizierung der Grundlegungsfunktion des Thesenwerkes ableiten: Eckharts Projekt des ,Opus tripartitum‘ findet letztlich seine philosophische Grundlegung in einer ,Transzendentalien-Metaphysik‘ (der Terminus wurde von Josef Koch geprägt) 138. Diese vermittelt einen Einblick in die philosophische ,Systematik‘ Eckharts, weil vor diesem Hintergrund seine These ,Esse est deus‘ zu verstehen ist. Sein Grundsatz ist der Systematik des Denkens angemessen, denn die erste These fängt mit dem Ersten und Gemeinsamen an. 2. Traktate VII-XII: Strukturprinzipien Auch die nächsten sechs Traktate gehören zusammen. Dieser Zusammenhang ist nicht unmittelbar einsichtig, weil die behandelten Begriffe recht unterschiedlich sind. Sehen wir uns deshalb zunächst diese Traktate genauer an. 132 133 134 135 136 137 138
Cf. In Ioh., nn. 561, 562 (LW III, 488 sqq.). In Ioh., n. 547 (LW III, 478). In Sap., n. 98 (LW II, 432). Cf. In Sap., nn. 111, 113 (LW II, 447 sqq.). Cf. Prol. gen. in op. trip., n. 8 (LW I, 152); In Eccli., n. 52 (LW II, 282). Prol. in op. prop., n. 2 (LW I, 166). Cf. J. Koch, Sinn und Struktur der Schriftauslegungen Meister Eckharts, in: id., Kleine Schriften I (Storia e letteratura; Raccolta di studi e testi 127), Rom 1973, 413.
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Der VII. Traktat handelt vom totum und seinem Gegensatz, pars. Was Eckhart an diesen Begriffen interessiert, ist die seinsbegründende Funktion des Ganzen. „Jeder Teil empfängt das Sein vom Ganzen, im Ganzen und für das Ganze“ ein Satz, den er mit impliziten Verweisen auf Bibeltexte bekräftigt: „weil ,alles durch ihn und in ihm‘ (Col. 1, 16) und für ihn ist. Denn ,in ihm und durch ihn ist alles‘ (Röm. 11, 36).“ 139 Im ,Prolog zum Thesenwerk‘ erläutert Eckhart die 4. These („Dieses-oder-das-Seiende trägt als solches nichts an Seiendheit [zum Sein] bei“) mit dem Beispiel des Verhältnisses von Teil und Ganzem: „Die einzelnen Teile bringen ihrem Ganzen durchaus kein Sein zu, sondern empfangen vielmehr ihr ganzes Sein von ihrem Ganzen und in ihrem Ganzen. Sonst wäre nämlich das Ganze nicht eines.“ 140 Der VIII. Traktat handelt vom Gemeinsamen (commune) und Ununterschiedenen (indistinctum) und von seinem Gegensatz, dem Eigentümlichen (proprium) und Unterschiedenen. Diese Thematik ist für Eckharts Verständnis der Transzendentalien aufschlussreich, denn diese sind die gemeinsamsten Bestimmungen. Er vertritt die These ,Deus communis est‘. Alles Gemeinsame, insofern es gemeinsam ist, ist Gott, und alles Nicht-Gemeinsame, insofern es nicht-gemeinsam ist, ist geschaffen. Jede Kreatur ist etwas Unterschiedenes, ein ,Dieses-oderdas-Seiendes‘ (ens hoc aut hoc). Gott dagegen ist nicht etwas Distinktes, sondern ist allen Dingen gemeinsam 141. Wie wir gesehen haben (3.4), verwendet Eckhart vorzugsweise den Gegensatz ,indistinctum - distinctum‘ für die ,dialektische‘ Deutung des Verhältnisses zwischen Gott und Geschöpf. Der IX. Traktat ,Von der Natur des Oberen und von der Natur des Niederen‘ betrifft „einen Angelpunkt der Lehre Eckharts“; sein „Denken bewegt sich in der Vertikale und achtet auf die Über- und Unterordnung der Dinge“ 142. Im Paragr. 2 haben wir festgestellt, dass die meisten expliziten Verweise auf das Thesenwerk im ,Opus tripartitum‘ sich auf den IX. Traktat beziehen. Aus den zehn Verweisen lassen sich die Zentralthemen dieses Traktats erschließen: das kausale Verhältnis zwischen dem Oberen und Niederen („Das Höhere berührt das Niedere und gleicht es sich an, ohne selbst berührt zu werden“) und die Gnade (gratia), die als solche ,übernatürlich‘ ist und das Einssein mit Gott gibt. Der X. Traktat handelt ,vom Ersten und vom Letzten‘ (,De primo et novissimo‘). Dieses Thema wird in Eckharts exemplarischer Exegese des ersten Genesisverses im ,Allgemeinen Prolog‘ angesprochen. Die vierte Auslegung legt dar, dass Gott, da er das Sein ist, Anfang und Ende ist. Das Sein ist das Erste und Letzte, Ursprung und Ziel: Wie nämlich vor dem Sein nichts ist, so ist auch nach dem Sein nichts, weil das Sein der Endterminus jedes Werdens ist 143. Auf dieser 139 140 141 142
143
Quaestiones Parisienses, q. 5, n. 4 (LW V, 80). Prol. in op. prop., n. 18 (LW I, 176-177). Cf. Sermo VI/2, n. 53 (LW IV, 51-52); In Ioh., n. 103 (LW III, 88-89). J. Koch, Meister Eckhart. Versuch eines Gesamtbildes, in: id., Kleine Schriften I (nt. 138), 213214. Cf. Prol. gen. in op. trip., n. 19 (LW I, 163).
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Identität von Ursprung und Ziel beruht ein wichtiges Motiv in Eckharts Denken, das so genannte Kreislaufmotiv, Ausdruck der ontologischen Dynamik der Dinge, die aus Gott hervorgehen und zu ihm zurückkehren 144. Der XI. Traktat handelt von der Idee und vom Grund (ratio) und von deren Gegensätzen. Die Bedeutung dieser Termini wurde in Eckharts Auslegung der ersten auctoritas im Ersten Genesiskommentar greifbar. Das principium, in dem Gott Himmel und Erde geschaffen hat, ist die ratio idealis. Eckhart legt die Verbindung mit der Ideenlehre Platons dar: „Ganz allgemein nämlich ist das Prinzip und die Wurzel eines jeden Dinges seine ratio. Daher kommt es, daß Platon die Ideen der Dinge als Seins- und Erkenntnisprinzipien von allen Dingen annahm.“ Zugleich weist Eckhart auf die christliche Umdeutung dieser Lehre bei Augustin hin, der in principio als in Filio ausgelegt hat; der Sohn ist das Bild (imago) und die ratio idealis aller Dinge 145. Der XII. Traktat über den Unterschied zwischen quo est und quod est greift das zweite Axiom in Boethius’ Abhandlung ,De hebdomadibus‘ auf: „ ,Das Sein‘ (esse) und ,das, was ist‘ (id quod est) sind etwas Verschiedenes (diversum).“ Die These ist für die Interpretation der Verdoppelung der Transzendentalien in den ersten Traktaten von Bedeutung, da sie eine ,ontologische Differenz‘ behauptet, und zwar mittels eines abstrakten Terminus (,Sein‘) und eines konkreten (,Seiendes‘). Aus einem expliziten Verweis auf diesen Traktat ergibt sich, dass Eckhart das quo est als dasjenige deutet, was Gott eigen ist 146. Wie verschiedenartig die Thematik der Traktate VII-XII auch sein mag, es gibt darin Gemeinsames: Sie alle behandeln Strukturprinzipien, die das in der Transzendentalien-Metaphysik der ersten sechs Traktate angesprochene Verhältnis zwischen Gott und dem Geschöpf näher bestimmen und begründen. Die Zweigeteiltheit der Begriffe betrifft immer verschiedene Formen von Über- und Unterordnung. Am klarsten tritt diese Ordnung natürlich im IX. Traktat (superius und inferius) zutage, aber ,das Ganze‘, ,das Gemeinsame‘, ,das Erste und Letzte‘, ,die Idee‘ und das quo est haben eine ähnliche metaphysische Stellung zu ihren Gegensätzen. 3. Traktate XIII und XIV Die Traktate XIII und XIV schließen das Thesenwerk ab. Obwohl das ganze Thesenwerk von Anfang an, wie die erste These ,Esse est deus‘ belegt, auf das Verstehen der göttlichen Realität ausgerichtet ist, wird erst im Titel des XIII. Traktats der Terminus explizit erwähnt: „Von Gott selbst, dem höchsten Sein, das keinen Gegensatz außer dem Nichtsein hat, wie Augustin in den Schriften ,Von der Unsterblichkeit der Seele‘ und ,Von der Religion der Manichäer‘ sagt.“ 144 145 146
Cf. Goris, Einheit als Prinzip und Ziel (nt. 5), 252-287. Cf. In Gen. I, nn. 3-5 (LW I, 187 sqq.). Cf. In Ex., n. 85 (LW II, 89).
Der ,Systematiker‘ Eckhart
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In letzterem Werk setzt Augustin sich mit dem manichäischen Dualismus auseinander. Was im wahrsten Sinne des Wortes ,Sein‘ ist, ist nichts anderes als Gott. Wenn du etwas ihm Gegensätzliches suchst, dann findest du überhaupt nichts (,nihil omnino est‘). Das Sein hat ja keinen Gegensatz außer dem Nichtsein. Es gibt deshalb keine Gott entgegengesetzte Natur 147. Durch den im Titel zum Ausdruck gebrachten Gegensatz zwischen dem (höchsten) Sein und dem Nichts ist der XIII. Traktat eng mit dem I. verwandt, so dass zu vermuten ist, dass sein grundlegender Satz lautet: ,Deus est esse‘ 148. Der XIV. Traktat ist dem Geschöpf allein gewidmet: ,Von der Substanz und dem Akzidens‘. Der letzte Traktat wirkt nach Josef Koch wie ein Anhängsel und zeigt durch seine Stellung, wie wenig Eckhart sich für das Geschöpf als solches interessiert 149. Karl Albert vermutet, dass dieser Traktat „möglicherweise erst nachträglich an die letzte Stelle des Entwurfs gestellt [worden ist], weil in ihm […] die den Verdacht des Pantheismus abwehrende Analogielehre gegeben werden sollte“ 150. Aber diese Konjektur ist weder berechtigt noch nötig, weil wir aus einem expliziten Verweis auf das Thesenwerk im Ecclesiasticuskommentar wissen, dass bereits im I. Traktat die Analogie erörtert wurde. Allerdings könnte die Analogielehre der Grund dafür sein, dass der XIV. Traktat nicht einfach von der Kreatur handelt, sondern ,von der Substanz und dem Akzidens‘. Die Analogie im geschöpflichen Bereich diente als Modell zur Erhellung des analogen Verhältnisses zwischen Gott und der Kreatur. So benutzt Eckhart an mehreren Stellen in seinem Werk die Unterscheidung zwischen der generatio, dem substantiellen Werden, und der alteratio, der akzidentellen Änderung, zur Erläuterung der Beziehung des Menschen zu Gott 151. Plausibler ist die Annahme, dass die Traktate XIII und XIV zusammengehören, weil sie von Gott und dem Geschöpf handeln, d. h. von den beiden Termini, deren Verhältnis das Grundthema des Thesenwerkes bildet, und sie das in den vorangehenden Traktaten Dargestellte zusammenfassen. Der (dialektische) Zusammenhang der Termini wird durch den von Eckhart zitierten 6. Satz im ,Liber XXIV philosophorum‘ zum Ausdruck gebracht: „Gott ist der, im Vergleich zu dem die Substanz ein Akzidens ist und ein Akzidens nichts ist.“ Als Hauptergebnis unserer Analyse ist festzuhalten, dass das Thesenwerk sich thematisch in zwei Teile gliedert: eine Transzendentalien-Metaphysik (Trakt. IVI) und eine Metaphysik der Über- und Unterordnung (Trakt. VII-XII). Nun ist bemerkenswert, dass Eckhart im ,Allgemeinen Prolog‘ zwei inhaltliche Vorbemerkungen macht - die dritte betrifft die Ordnung des ,Dreigeteilten Wer147
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Augustinus, De moribus ecclesiae catholicae et de moribus Manichaeorum libri duo II, 1, 1 (CSEL 90). K. Albert, Meister Eckharts These vom Sein (nt. 5), 196, nt. 920 hat die Stellen gesammelt. Unverständlich ist die Meinung H. Fischers (Meister Eckhart [nt. 100], 114), dass diese These vielmehr in das Werk der Expositionen gehöre. Cf. Koch, Sinn und Struktur (nt. 138), 412. Albert, Meister Eckharts These vom Sein (nt. 5), 195. Siehe z. B. In Ioh., nn. 142-159 (LW III, 119-124).
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kes‘ -, die er offensichtlich als Bedingungen für das Verständnis seines Werkes sieht. Die erste Vorbemerkung handelt von den termini generales, die zweite vom Oberen und Niederen. Die beiden Vorbemerkungen geben somit gleichsam die Hauptkoordinaten des Thesenwerkes an, die für die systematische Deutung des Eckhart’schen Denkens wegweisend sind.
Eckharts intellektuelle Mystik Karl Albert (Wuppertal) Im Folgenden wird die Rede sein von Meister Eckharts ,intellektueller Mystik‘, einer Mystik des Intellekts, der Vernunft. Ein solcher Titel klingt paradox. Mystik scheint doch nichts zu tun zu haben mit Vernunft und Intellekt, und erst recht nicht in einer Zeit, in der einige glauben, Aufsehen erregen zu müssen durch die Behauptung, Eckhart mit Mystik in Verbindung zu bringen, verstelle sein eigentliches Anliegen (Flasch, Mojsisch, Sturlese). Allerdings ist daran zu erinnern, dass der scholastische Begriff intellectus etwas ganz anderes meint als der moderne Begriff des ,Intellekts‘. Der Intellektbegriff der mittelalterlichen Scholastik ist (wie übrigens auch der griechische Begriff des nous) als eine vernehmende, unmittelbar schauende, intuitive Erkenntniskraft zu verstehen. Wir werden noch sehen, wie sich das bei Meister Eckhart auswirkt. I. Wie steht es mit der Mystik bei Eckhart? Gibt es bei ihm eine Lehre vom Vereinigtwerden und Vereinigtsein der menschlichen Seele mit Gott? Vor allem Germanisten und Theologen nehmen dies an, und zwar insbesondere im Blick auf Eckharts Lehre von der ,Gottesgeburt in der Seele‘. Wäre dies jedoch ,Mystik‘, so doch wohl nur eine ,theologische Mystik‘, eine Mystik, die sich auf die Bibel und die biblische Theologie gründet: etwa auf den Johannesprolog, auf den Bericht über die Jordantaufe Jesu (Mt. 3, 13-17) oder den Taufbefehl Jesu an seine Jünger (Mt. 28, 19). Die patristischen Theorien dazu hat Hugo Rahner zusammengestellt 1. Der Germanist und Theologe Heribert Fischer, Mitherausgeber der großen Stuttgarter Eckhart-Ausgabe, ist in der Mystikfrage bei Eckhart anderer Meinung: „Die Themen von der Gottesgeburt und andere sind Theologoumena, jedoch keine ,Mystik‘.“ 2 Es soll hier aber nicht weiter untersucht werden, ob es sich bei Eckharts Lehre von der Gottesgeburt um rationale Theologie oder um Mystik handelt. Sollte aber diese Lehre bei Eckhart mystisch zu verstehen sein, so hat sie auch in diesem Falle lediglich den Charakter einer ,theologischen Mystik‘. Eine solche wäre allerdings fast nur in den deutschen 1
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Cf. id., Die Gottesgeburt. Die Lehre der Kirchenväter von der Geburt Christi im Herzen der Gläubigen, in: Symbole der Kirche, Salzburg 1964, 13-87. Meister Eckhart. Einführung in sein philosophisches Denken, Freiburg-München 1974, 141.
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Predigten zu finden, während sie in den lateinischen Schriften des Scholastikers Eckhart kaum eine Rolle spielt. Es gibt bei Eckhart aber nicht nur Theologie, sei sie nun mystisch oder nicht, sondern auch, wenngleich nur im Rahmen des Theologischen, Philosophie: rationale, logisch argumentierende Philosophie, die durchaus nicht in den Bereich einer Theologie der ,Gottesgeburt in der Seele‘ gehört. Wir wissen, dass Eckhart den Plan einer solchen geradezu reinen Philosophie im ersten Teil seines dreiteiligen Werks, des ,Opus tripartitum‘, entwickelt hat. Diesen Plan hat Eckhart bekanntlich in der ,Allgemeinen Vorrede‘ zum ,Opus tripartitum‘ mitgeteilt. Der erste Teil dieses niemals zum Abschluss gebrachten Werks sollte aus einer großen Zahl von Thesen, nämlich aus mehr als tausend, bestehen. Die Thesen sind in vierzehn Traktate gegliedert, auf die Eckhart im dritten Teil des ,Opus tripartitum‘, dem ,Opus expositionum‘, mehrfach verweist (während der zweite Teil des dreiteiligen Werks bis auf eine einzige Ausnahme wohl niemals ausgeführt worden ist). Aus den Verweisen im ,Opus expositionum‘ habe ich vor fast vierzig Jahren den Inhalt der rationalen Philosophie des ,Opus propositionum‘, gewissermaßen das philosophische System Eckharts, in seinen Hauptgedanken zu rekonstruieren versucht 3. Die Grundthese des dreiteiligen Werks, also nicht nur des ,Opus propositionum‘, sondern ebenso des ,Opus quaestionum‘ sowie des ,Opus expositionum‘, lautete nach Eckharts Prolog zu seinem geplanten Hauptwerk: ,Das Sein ist Gott‘ (,Esse est deus‘). Diese These gehört damit in die Thematik der für die mittelalterliche Metaphysik als charakteristisch angesehenen ,Exodusmetaphysik‘, welchen Ausdruck Etienne Gilson geprägt zu haben scheint 4. Die ,Exodusmetaphysik‘ des ,Opus tripartitum‘ hat, wie sich auch aus Eckharts Vorrede mit den dort angeführten Beispielen ergibt, nichts oder doch nur wenig mit Mystik zu tun. II. Mystik im Sinne einer erfahrungsmäßigen Erkenntnis der Vereinigung der Seele mit Gott, einer cognitio dei experimentalis, scheint es dennoch bei Eckhart gegeben zu haben, und zwar nicht in seiner theologischen Lehre von der Gottesgeburt in der Seele, sondern in der philosophischen Lehre von der intellektuellen Erkenntnis, und zwar auffälligerweise zunächst gerade nicht hinsichtlich der These der Identität des Seins mit Gott. Eine Zeitlang nämlich, und zwar in der Zeit seines ersten Pariser Magisteriums, hat Eckhart unter Berufung auf einen Satz aus dem ,Liber de causis‘ (prop. 4: ,Das erste der geschaffenen Dinge ist das Sein‘) die These vertreten: „Deshalb ist Gott, welcher der Schöpfer und 3
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Cf. K. Albert, Meister Eckharts These vom Sein. Untersuchungen zur Metaphysik des Opus tripartitum, Kastellaun 1976. Cf. id., L’esprit de la philosophie me´die´vale, Paris 21948. Dt. Übersetzung v. R. Schmücker, Wien 1950.
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nicht erschaffbar ist, Intellekt und intellektuelles Erkennen und nicht seiend oder Sein.“ 5 Gott ist für Eckhart also wesenhaft subsistierendes, in sich selbst Bestand habendes intellektuelles Erkennen und folglich etwas Höheres als das Sein, denn das Sein gilt in den frühen Pariser Quästionen als etwas rein Geschöpfliches. Allerdings fügt Eckhart, der natürlich nicht die Existenz Gottes bestreiten will, gelegentlich hinzu: „Willst du aber das intellektuelle Erkennen ,Sein‘ nennen, so habe ich nichts dagegen. Nichtsdestoweniger sage ich, daß, wenn es in Gott etwas gibt, was du ,Sein‘ nennen willst, so kommt es ihm durch das intellektuelle Erkennen zu.“ 6 Oder: „Gott kommt also das Sein nicht zu, es sei denn, du wolltest eine solche Lauterkeit ,Sein‘ nennen.“ 7 Und grundsätzlich: „So sage ich denn auch, daß Gott weder das Sein zukommt, noch daß er ein Seiendes ist, sondern er ist etwas Höheres als das Seiende.“ 8 Im gleichen Sinne heißt es in der deutschen Predigt 9 ,Quasi stella matutina‘: „Wenn ich aber gesagt habe, Gott sei kein Sein und sei über dem Sein, so habe ich ihm damit nicht das Sein abgesprochen, vielmehr habe ich es in ihm erhöht.“ 9 Eckhart geht hier wie auch sonst recht frei mit seinen Begriffen um, ohne dass man ihn deshalb als unsystematischen Denker bezeichnen dürfte. Die These ,Deus est intelligere‘ spielt nun auch eine Rolle in der Frage einer philosophischen Mystik bei Eckhart, und dies im Zusammenhang mit der zwischen Dominikanern und Franziskanern diskutierten Frage, ob das Erkennen oder die Liebe die höhere und Gott wohlgefälligere Seelenkraft sei. Eckhart vertritt hier die Theologie des Dominikanerordens, die der Franziskaner Gonsalvus angreift und dabei einige Argumente Eckharts festhält. Unter diesen findet sich eines, das als Hinweis einerseits auf den Vorrang des Intellekts, andererseits als Hinweis auf eine intellektuelle Mystik verstanden werden kann. Es hat in der uns vorliegenden Gestalt folgenden Wortlaut: „Das (intellektuelle) Erkennen [nämlich des Menschen, K. A.] bedeutet eine Gottförmigkeit oder ein Gottförmigwerden, denn Gott selbst ist das Erkennen selbst und er ist nicht Sein.“ 10 Das meint offensichtlich, dass im intellektuellen Erkennen der Mensch sich Gott angleiche, sich ihm nachbilde. Für Martin Grabmann und andere stand mit der Übernahme des Begriffs der deiformitas ohne weiteres fest, dass es sich um einen Terminus der mittelalterlichen Mystik handele und die Eckhart’sche quaestio in 5
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Quaestiones Parisienses, q. 1, n. 4 (LW V, 41, 13 sq.): „Et ideo deus, qui est creator et non creabilis, est intellectus et intelligere et non ens vel esse.“ Ibid., n. 8 (LW V, 45, 3-5): „Et si tu intelligere velis vocare esse, placet mihi. Dico nihilominus quod, si in deo est aliquid, quod velis vocare esse, sibi competit per intelligere.“ Ibid., n. 9 (LW V, 45, 14 sq.): „Deo ergo non competit esse, nisi talem puritatem voces esse.“ Ibid., n. 12 (LW V, 47, 14 sq.): „Sic etiam dico quod deo non convenit esse nec est ens, sed est aliquid altius ente.“ DW I, 141-158, hier: 146, 4-6: „Daz ich aber gesprochen haˆn, got ensıˆ niht ein wesen und sıˆ über wesene, hie mite enhaˆn ich im niht wesen abegesprochen, meˆr: ich haˆn ez in im gehœhet.“ Quaestiones Parisienses, q. 3 (LW V, 60, 8 sq.): „ipsum intelligere quaedam deiformitas vel deiformatio, quia ipse deus est ipsum intelligere et non est esse.“
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den Bereich einer Erkenntnismystik gehöre 11. Vor fast 40 Jahren hatte ich selbst übrigens in diesem Punkt noch Zweifel. Es gibt aber weitere und deutlichere Hinweise auf eine intellektuelle Mystik bei Eckhart. In der lateinischen Predigt über ,Deus unus est‘, die dem Denken des ersten Pariser Magisteriums noch recht nahesteht, spricht Eckhart von der Lauterkeit des göttlichen Seins in seiner Intellektualität und seinem Einssein: „Nichts anderes ist wahrhaft eines, weil nichts Geschaffenes reines Sein und ganz und gar Intellekt ist.“ 12 Gott ist also Intellekt und der Intellekt im eigentlichen Sinne die Sache Gottes 13. Auf dieser Grundlage wendet sich die Predigt schließlich der Thematik einer intellektuellen Mystik zu: „Wieviel also an Intellekt oder Intellekthaftem ein jedes (Seiende) hat, soviel hat es von Gott, soviel vom Einen und soviel vom Einssein mit Gott […]. Zum Intellekt aufzusteigen und sich ihm zu unterwerfen, ist mit Gott vereinigt zu werden. Vereinigt zu werden, eins zu sein, ist eins zu sein mit Gott.“ 14
Das ist nun offenbar Mystik, eine Mystik der Vereinigung der Seele mit Gott, freilich nicht eine Mystik der ,Gottesgeburt in der Seele‘, sondern philosophische Mystik, eine Mystik der vernunfthaften oder intellektuellen Erkenntnis. Um eine derartige intellektuelle Mystik handelt es sich offenbar auch in der deutschen Predigt 83 ,Renovamini spiritu‘ 15. Eckhart betont dort im Sinne der Lehre der frühen Pariser Quästionen, dass Gott nicht Sein, sondern überseiendes Sein sei. Dieses aber werde durch die Vernunft erkannt, durch den Intellekt, wie Eckhart übrigens wörtlich innerhalb seiner sonst deutschsprachigen Ausführungen lateinisch sagt: intellectus. Dieser Kraft gehe es um Gotteserkenntnis, die dann in der Weise mystischer Einheitserkenntnis beschrieben wird. Man solle Gott bildlos erkennen, unvermittelt und ohne Gleichnis. Dann heißt es: „Soll ich aber Gott auf solche Weise unvermittelt erkennen, so muß ich schlechthin er, und er muß ich werden. Und weiter sage ich: Gott muß schlechthin ich werden und ich schlechthin Gott, so völlig eines, daß dieses ,Er‘ und dieses ,Ich‘ ein ,Ist‘ werden und sind und in dieser Istheit ewig ein (einiges) Werk wirken.“ 16
Das sind hoffentlich hinreichend einleuchtende Belege für den Gedanken einer unio mystica bei Eckhart im Zusammenhang einer Mystik des Intellekts. Dies also zu Eckharts intellektueller Mystik aus dem Umkreis seiner Theologie aus der Zeit der frühen Pariser Quästionen. 11
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Cf. id., Neuaufgefundene Quaestionen Meister Eckharts und ihre Stellung in seinem geistigen Entwicklungsgange, München 1927, 39 sqq. Sermo XXIX (LW IV, 267, 9 sq.): „nihil aliud est vere unum, quia nec quidquam creatum est purum ‹esse› et se toto intellectus.“ Ibid., 269, 14: „Intellectus enim proprie dei est.“ Ibid., 269, 15-270, 6: „Igitur quantum habet unumquodque de intellectu sive de intellectuali, tantum habet dei et tantum de uno et tantum de esse unum cum deo […]. Ascendere igitur ad intellectum, subdi ipsi, est uniri deo. Uniri, unum esse, est unum cum deo esse.“ DW III, 437 sqq. Ibid., 447, 3-6: „Sol aber ich also got bekennen ane mittel, so muos vil bi ich er werden vnd er ich werden. Me sprich ich: Got mvos vil bi ich werden vnd ich vil bi got, alse gar ein, das dis ,er‘ vnd dis ,ich‘ Ein ,ist‘ werdent vnd sint vnd in de´r istikeit ewiklich ´ein werk wirkent.“
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III. Nun weiter. In der Zeit der Planung des ,Opus tripartitum‘ kehrt Eckhart wieder zu seiner ursprünglichen These der Einheit des Seins mit Gott zurück. Diese These wird entfaltet zunächst in den Vorreden zu den einzelnen Teilen des dreiteiligen Werks: einerseits im ,Prologus generalis‘, andererseits im ,Prologus in opus propositionum‘, also in der ,Allgemeinen Vorrede‘ sowie in der Vorrede zum ersten Teil des dreiteiligen Werks, dem Thesenwerk. Außerdem finden sich in den Schriftkommentaren des dritten Teils immer wieder Hinweise auf die Grundthese des ,Esse est deus‘ oder auch des ,Deus est esse‘ sowie auf die vierzehn Traktate des ersten Teils, in denen sie auftritt. Das Thesenwerk des ersten Teils war, wie sich aus den Vorreden ergibt, als eine philosophisch-theologische Lehre angelegt, wie denn auch in der Literatur mehrfach betont worden ist, nicht zuletzt auch kritisch gegen meinen eigenen früheren Versuch, auf die Einbeziehung der theologischen Momente zu verzichten. Ob man aber das gesamte Denken Eckharts schlechthin als ,Philosophie des Christentums‘ oder ,Philosophie des Evangeliums‘ deuten und damit Eckhart aus der Geschichte der Mystik entfernen darf, hängt davon ab, was man unter Philosophie versteht. Zwar bemerkt Eckhart zu Beginn des Johanneskommentars, er wolle die christlichen Glaubenslehren „per rationes naturales philosophorum“ auslegen, doch ist damit noch nicht gesagt, dass diese Auslegung Philosophie sei. Nicht jede Anwendung der Gesetze der Logik ist nämlich schon Philosophie. Und nicht jede Philosophie ist rationalistisch. Es gibt auch eine mystische Philosophie. Bei Eckhart findet sich eben nicht nur rationale, verstandesmäßige, schlussfolgernde Philosophie zur These ,Esse est deus‘, sondern ebenso (wie in den frühen Pariser Quästionen und den mit ihnen zusammenhängenden Texten) eine intellektuelle, intuitive, schauende philosophische Erkenntnis, die sich in dieser Phase der Entwicklung des Eckhart’schen Denkens ebenfalls auf die These des ,Esse est deus‘ bezieht. Anders als in der verstandesmäßigen Erkenntnis des geschöpflichen und vielheitlichen Seienden geht es hierbei um eine unmittelbare Erkenntnis des einen Seins, die von Eckhart mit unmittelbarer Gotteserkenntnis in eins gesetzt wird. Wenn es etwa bei Eckhart heißt, der Gegenstand des Intellekts sei das Seiende 17, so ist damit nicht das konkrete Seiende des Alltagsbewusstseins gemeint, das ens hoc et illud, sondern ein nichtgeschöpfliches, unvermischtes, schlechthin reines und eines Seiendes. Im Johanneskommentar ist derselbe Gedanke folgendermaßen ausgedrückt: „Das Objekt des Intellekts im eigentlichen Sinne aber ist das bloße Seiende, schlechthin und ohne Einschränkung (absolute) […]. Es ist also klar, daß die bloße Substanz Gottes, die Fülle des Seins, die unsere Seligkeit ist, nämlich Gott, im Intellekt besteht, gefunden, empfangen, berührt und (aus ihm) geschöpft wird.“ 18 17 18
In Sap., n. 10 (LW II, 331, 2): „Obiectum autem intellectus est ens.“ In Ioh., n. 677 (LW III, 591, 6-11): „Obiectum autem intellectus proprie est ens nudum simpliciter et absolute […]. Patet ergo quod nudam dei substantiam, plenitudinem esse, quae est nostra beatitudo, deus scilicet, consistit, invenitur, accipitur, attingitur et hauritur per intellectum.“
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Das ,Esse est deus‘ hat eben eine erfahrungsmäßige Grundlage, wird im Intellekt erfahren. Die intellektuelle Erfahrung des Seins hat mystischen Charakter. Auch in einer Reihe anderer Texte bezeichnet Eckhart den Gegenstand des Intellekts als das reine Sein und setzt es mit Gott gleich. Diese Seinserkenntnis durch den Intellekt, die zugleich Gotteserkenntnis ist, hat nun wiederum den Charakter eines unmittelbaren Erkennens. Die Unmittelbarkeit des intellektuellen Erkennens bringt Eckhart mit einem Bild zum Ausdruck: „Der Intellekt wird allein durch das Sein ernährt, und er wird so im eigentlichen Sinne durch Gott ernährt.“ 19 In der deutschen Predigt 37 heißt es in ähnlichem Sinne: „Die Vernunft dringt empor in das Sein […], sie versinkt in das Sein und erfaßt Gott, wie er reines Sein ist.“ 20 ,Versinken‘ im mit Gott identischen Sein meint offenbar, wenn man das Bild ernst nimmt, die Vereinigung des Intellekts mit dem Sein, welches Sein dann letztlich das göttliche Sein ist. Eine andere deutsche Predigt (Q 45) benutzt anstelle des Vernunftbegriffs den Begriff des Verstandes, meint jedoch zweifellos damit nicht das diskursive, sondern ein intuitives Vermögen: „Der Verstand dringt empor und erfaßt Gott, insofern er Sein ist.“ 21 Man kann nämlich ganz allgemein sagen: Intellectus, vernünfticheit, verstandnisse, redelicheit, sogar gelegentlich ratio werden von Eckhart ohne Beachtung eines Unterschieds in der Sache benutzt. Gemeint ist aber eindeutig ein intellektuelles, ein intuitives, schauendes und sogar, wie man an bestimmten Formulierungen erkennen kann, ein unitives Denken. Manchmal spricht Eckhart ferner im gleichen Sinne von einem ,Licht in der Seele‘ oder einem ,Funken der Seele‘ oder von einer Kraft in der Seele, die so hoch sei, dass sie Gott in seinem eigenen Sein erfasse. Im Mittelpunkt steht dabei immer wieder der Gedanke der Verbindung von intellektueller Seinserkenntnis und unmittelbarer Gotteserkenntnis. In der wichtigen Predigt 48 betont Eckhart besonders das Moment einer mystischen Erkenntnis: „Ich habe zuweilen von einem Licht gesprochen, das in der Seele ist, das ungeschaffen und unerschaffbar ist. Dieses selbe Licht pflege ich immer in meinen Predigten zu berühren, und dieses Licht nimmt Gott unmittelbar und unbedeckt und entblößt auf, so wie er in sich selbst ist.“ 22
In der Beschreibung dieser unmittelbaren Gotteserkenntnis geht Eckhart dann aber weiter in den Bereich mystischer Erkenntnis im Blick auf den Gedanken der Abgeschiedenheit des Geistes: „Wenn sich der Mensch abkehrt von sich selbst und von allen geschaffenen Dingen soweit du das tust, soweit wirst du geeint und beseligt in dem Funken in der Seele, 19 20
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Sermo LIV/1, n. 528 (LW IV, 445, 10 sq.): „intellectus pascitur solo esse et sic deo proprie pascitur.“ DW II, 216, 2-5: „Vernünfticheit dringet uˆf in daz wesen […], si versinket in daz wesen und nimet got, als er ist luˆter wesen.“ DW II, 371, 8 sq.: „verstantnisse diu dringet uˆf und nimet got, als er wesen ist.“ DW II, 418, 1-4: „Ich haˆn etwenne gesprochen von einem liehte, daz ist in der seˆle, daz ist ungeschaffen und ungeschepfelich. Diz lieht pflige ich alwege ze rüerenne in mıˆnen predigen, und diz selbe lieht nimet got sunder mittel und sunder decke und bloˆz, als er in im selben ist.“
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den weder Zeit noch Raum je berührte. Dieser Funke widersagt allen Kreaturen und will nichts als Gott unverhüllt, wie er in sich selbst ist. Ihm genügt es weder am Vater noch am Sohne noch am Heiligen Geist […]. Ja, ich will noch mehr sagen, was noch erstaunlicher klingt: Ich sage […], daß es diesem selben Licht nicht genügt an dem einfaltigen, stillstehenden göttlichen Sein, das weder gibt noch nimmt: es will wissen, woher dieses Sein kommt; es will in den einfaltigen Grund, in die stille Wüste, in die nie Unterschiedenheit hineinlugte, weder Vater noch Sohn noch Heiliger Geist; in dem Innersten, wo niemand daheim ist, dort genügt es jenem Licht […].“ 23
Hier wird offenbar nicht gefolgert, nicht argumentiert, nicht kritisch reflektiert, sondern erfahren, und zwar in der Weise einer Tiefenerfahrung, einer Letzterfahrung. Man sollte hier doch wohl auf den Gedanken kommen dürfen, dass es sich in diesem Falle um Mystik handeln könnte, freilich eben um intellektuelle, philosophische Mystik. Dazu nun noch einige kurze, abschließende, allgemeinere Bemerkungen. IV. Versuchen wir dabei, Eckharts intellektuelle Mystik in den größeren Zusammenhang einer philosophischen Mystik zu stellen und verstehen wir diese als eine besondere, neue, ursprungsnahe philosophische Disziplin 24! Die Philosophie beginnt schon bei Parmenides und Heraklit mit der Unterscheidung zweier Erkenntnisweisen: der Erkenntnisweise des Alltagsdenkens, die auf die Vielheit der Dinge und Ereignisse gerichtet ist, und einer von dieser Erkenntnisweise gänzlich verschiedenen Weise des Erkennens, die sich auf das eine Sein bezieht. Das entspricht im Kern der Heidegger’schen Betonung des Unterschieds zwischen dem Seienden und dem Sein. Bei Eckhart findet sich diese Unterscheidung als Unterscheidung zwischen dem ,Dies-und-das-Sein‘ (esse hoc et illud) und dem ,reinen und schlechthinnigen Sein‘ (esse purum et simplex). Wir erfahren nun Sein und Seiendes zwar gleichzeitig: Im Unterschied zur Erfahrung des Seienden wird das Sein von uns aber unmittelbar, intuitiv erfahren, also auf völlig verschiedene Weise von der alltäglichen Erfahrung des Seienden. Die Erfahrung des Seins liegt deshalb nicht ohne weiteres zutage. Sie ist bei aller Unmittelbarkeit gegenüber der Alltagserfahrung des Seienden gewissermaßen eine verborgene, 23
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Ibid., 419, 1-420, 10: „swenne sich der mensche bekeˆret von im selben und von allen geschaffenen dingen, als vil als duˆ daz tuost, als vil wirst duˆ geeiniget und gesæliget in dem vunken in der seˆle, der zıˆt noch stat nie enberuorte. Dirre vunke widersaget allen creˆatuˆren und enwil niht dan got bloˆz, als er in im selben ist. Im engenüeget noch an vater noch an sune noch an heiligem geiste […]. Ich spriche wærliche […], daz disem selben liehte niht engenüeget an dem einvaltigen stillestaˆnden götlıˆchen wesene, daz weder gibet noch nimet, meˆr: ez wil wizzen, von wannen diz wesen her kome; ez wil in den einvaltigen grunt, in die stillen wüeste, daˆ nie underscheit ˆıngeluogete weder vater noch sun noch heiliger geist; in dem innigesten, daˆ nieman heime enist, daˆ genüeget ez jenem liehte.“ Cf. K. Albert, Mystik und Philosophie, Sankt Augustin 1986; id., Einführung in die philosophische Mystik, Darmstadt 1996.
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eine hintergründige Erfahrung, eine Grunderfahrung, zu der wir nur Zugang haben, wenn wir die Alltagserfahrung beiseite lassen, von ihr abstrahieren. Man kann daher die Seinserfahrung mit der mystischen Erfahrung vergleichen und sie in diesem Sinne als Grunderfahrung einer philosophischen Mystik verstehen. Nietzsche hat in der Tat sogar den Ursprung der Philosophie auf eine ,mystische Intuition‘ mit ihrem sprachlichen Ausdruck im Satz ,alles ist eins‘ zurückgeführt 25. Und der späte Nietzsche notiert als Ziel der Philosophie den Satz: „Eigentlicher Zweck alles Philosophirens [ist] die intuitio mystica.“ 26 Die erfahrene Einheit des Seins ist aber zugleich die Erfahrung einer seienden Einheit. Der mystische Einheitsgedanke verbindet sich gemäß seiner Selbstbezeugung mit der philosophischen Erfahrung des Seins. Im Blick sowohl auf Bergson als auch auf Heidegger heißt es dazu bei Berdjaev, der dabei ein wenig provokativ und plakativ, jedoch nicht unsachgerecht, Philosophie und Philosophiehistorie scharf voneinander trennt: „Quelle der Philosophie ist nicht Aristoteles und nicht Kant, sondern das Sein selber, die Intuition des Seins. Wirklich Philosoph ist nur jener, der über die Intuition des Seins verfügt, dessen Philosophie aus lebendiger Quelle kommt.“ 27 Mit dem Gedanken einer Intuition des Seins nähern wir uns wieder dem Gedanken einer philosophischen Mystik. Ihr kommen wir besonders nahe, wenn wir den Gedanken der Intuition des Seins und des Einen mit dem Gedanken des Lebensvollzugs verbinden, d. h. wenn Einheitserfahrung und Seinserfahrung als gelebt verstanden werden. Bei Eckhart erscheint der Gedanke des Lebensvollzugs in der Forderung nach ,Abgeschiedenheit‘ (abegescheidenheit). Diesem Begriff hat Eckhart einen eigenen Traktat gewidmet und dieses Thema unter den vier wichtigsten Themen seiner Predigten an erster Stelle genannt: „Wenn ich predige, so pflege ich zu sprechen von Abgeschiedenheit und daß der Mensch seiner selbst und aller Dinge ledig werde.“ 28 Indem nun das philosophische Denken zu sich selbst kommt, indem es sich vom außerphilosophischen Alltagsleben und Alltagsdenken loslöst, indem es sich, eckhartisch gesprochen, vom ,Dies-und-das-Sein‘ befreit und das ,reine Sein‘ freilegt, gelangt es in den mystisch-metaphysischen Zustand der Abgeschiedenheit. So heißt es in der Predigt 76 ,Videte qualem caritatem dedit nobis pater‘: „Wenn ich daher dahin komme, daß ich mich in nichts hineinbilde und nichts in mich hineinbilde und (alles) hinaustrage und hinauswerfe, was in mir ist, so kann ich in das bloße Sein Gottes versetzt werden, und das ist das reine Sein des Geistes.“ 29
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KSA 1, 813. KSA 11, 232. Das Ich und die Welt der Objekte, Darmstadt 1952, 47. Pr. 53 ,Misit dominus‘ (DW II, 528, 5 sq.): „Swenne ich predige, soˆ pflige ich ze sprechenne von abegescheidenheit und daz der mensche ledic werde sıˆn selbes und aller dinge.“ DW III, 322, 4-6: „Dar umbe, swanne ich dar zuo kume, daz ich mich gebilde in niht und niht engebilde in mich und uˆztrage und uˆzwirfe, waz in mir ist, soˆ mac ich gesast werden in daz bloˆze wesen gotes, und daz ist daz bloˆze wesen des geistes.“
Lesemeistermetaphysik - Lebemeistermetaphysik. Zur Einheit der Philosophie Meister Eckharts Theo Kobusch (Bonn)
I. Ein neues Eckhar tbild Zweifellos hat sich das geistige Bild von der Philosophie Meister Eckharts in jüngster Zeit entscheidend verändert. Dazu haben nicht nur aufsehenerregende Beiträge zum Charakter der ,Rechtfertigungsschrift‘ Meister Eckharts beigesteuert, sondern auch L. Sturleses These, nach der das ,Opus tripartitum‘ unmittelbar nach Eckharts erstem Pariser Aufenthalt entstanden ist und die Pläne für das große Werk gar schon aus seiner Erfurter Zeit stammen. Das wirft alle Konzeptionen über verschiedene Phasen des Eckhart’schen Denkens über den Haufen und lässt ein beliebtes Instrumentarium der Philosophiegeschichtsschreibung - die genetische Zugangsweise - stumpf erscheinen. Auch die angebliche Ausnahmestellung der sog. Pariser Quästionen fällt dem zum Opfer. Man hat in den ,Quaestiones Parisienses‘ sogar eines der ersten Dokumente für die Entstehung der neuzeitlichen Subjektivität erkennen wollen, das hauptsächlich gegen Thomas von Aquin gerichtet sei. Doch weder das eine noch das andere hat einen Grund in der Sache. Denn die These von der Priorität des Erkennens vor dem Sein ist ein aus einer bestimmten Tradition stammender Grundsatz, und offenbar hatte Meister Eckhart dabei viel eher Duns Scotus und andere Franziskaner kritisch im Blick als seinen Dominikanerkollegen 1. Neben diesen die Biographie und die Chronologie der Werke betreffenden Neuerungen ist in jüngster Zeit freilich auch ein inhaltlich neues Eckhartbild entstanden. Eckhart, das war in den Publikationen der letzten 25 Jahre häufig der Philosoph der Subjektivität, die Vorwegnahme des spekulativen Idealismus, der Vertreter der absoluten Spontaneität des Denkens - und wie die manchmal etwas ideologisch klingenden, an der Philosophie des Deutschen Idealismus orientierten Klischees alle lauten mögen. Das neue Eckhartbild, das sich in Arbeiten von A. M. Haas, N. Largier, W. Goris oder O. Langer niederschlägt, 1
Über alle diese Zusammenhänge informiert sehr gut mit Hinweisen auf die Literatur N. Largier (ed.), Meister Eckhart: Werke II (Bibliothek des Mittelalters 21), Frankfurt a. M. 1993, 868876, hier: 873 sq.
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versteht sich auch als Kritik an dieser einseitigen Sicht der Dinge 2. Darüber hinaus gehört es auch zu diesem neuen Eckhartbild, dass der enge Zusammenhang der deutschen Dominikanerschule (Dietrich von Freiberg, Meister Eckhart) mit dem Denken Heinrichs von Gent, des notorisch Unterschätzten, gesehen wird, was sich bei Eckhart durch die Rezeption des im Neuplatonismus nicht nachweisbaren Begriffs der negatio negationis und der Deutung der biblischen Perikope von Maria und Martha unmittelbar dokumentieren und auch sonst in der Ontologie (s. u., 246) wahrscheinlich machen lässt 3. Schließlich scheint eine neue Seite der Eckhart-Deutung aufgeschlagen worden zu sein, wo das Eigentümliche seiner Vernunftauffassung herausgestellt wird. Die im Fahrwasser des Deutschen Idealismus verfassten sog. Intellekttheorien waren davon ausgegangen, dass wir es bei Eckhart mit einem - quasi aristotelisch verstandenen - immer tätigen, sich selbst vollkommen durchsichtigen Seelengrund zu tun hätten, der sich in seiner Einheit ganz erkennt. Eckharts Rede von der Vernunft als einer causa sui in der berühmten 52. Predigt wurde so im Lichte der idealistischen Selbstbegründungstheorien gelesen, ohne zu bedenken, dass es sich um eine bedingte Selbstverursachung neuplatonischen, genauer proklischen Zuschnitts handelt 4. Das neue Eckhartbild ist auch dadurch geprägt, dass diese idealistische Vernunftvorstellung als verzerrende Abstraktion kritisiert wird. Vernunft oder Intellekt, das ist nach Eckhart nicht die sich selbst setzende Selbsttätigkeit, kein Selbstbegründendes, ihre Erfüllung ist nicht die Selbstreflexion, und wenn es eine selbstreferentielle Struktur der intellektuellen Existenz des Menschen gibt, dann ist es nicht ihre letzte Instanz. Vielmehr ist Vernunft in ihrer letzten Instanz, d. h. als Grund der Seele, gerade das Gegenteil, sie ist die ,Preisgabe‘ aller Selbstbegründung, sie ist das Leerwerden, das Aufgeben aller Intentionalität, die Freiheit selbst. Das kann man mit guten Gründen Mystik nennen, denn die Mystik hat traditionellerweise immer die komplexe Struktur der menschlichen Vernunft thematisiert. Auf diese Weise wird im recht 2
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Cf. A. M. Haas, Mystik im Kontext, München 2004; N. Largier, Theologie, Philosophie und Mystik bei Meister Eckhart, in: J. A. Aertsen/A. Speer (eds.), Was ist Philosophie im Mittelalter? (Miscellanea Mediaevalia 26), Berlin-New York 1998, 704-711; W. Goris, Einheit als Prinzip und Ziel. Versuch über die Einheitsmetaphysik des Opus tripartitum Meister Eckharts (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 59), Leiden-New York-Köln 1997; id., Ontologie oder Henologie? Zur Einheitsmetaphysik Meister Eckharts, in: J. A. Aertsen/A. Speer (eds.), Was ist Philosophie im Mittelalter? (Miscellanea Mediaevalia 26), Berlin-New York 1998, 694-703; O. Langer, Christliche Mystik im Mittelalter. Mystik und Rationalisierung - Stationen eines Konflikts, Darmstadt 2004. Cf. Goris, Einheit (nt. 2), 199 sqq. Zum Einfluss Heinrichs auf Dietrich von Freiberg cf. Th. Kobusch, Begriff und Sache. Die Funktion des menschlichen Intellekts in der mittelalterlichen Philosophie, in: Internationale Zeitschrift für Philosophie, H. 2 (2004), 140-157, hier: 141147. Cf. dazu Th. Kobusch, Bedingte Selbstverursachung. Zu einem Grundmotiv der neuplatonischen Tradition, in: Th. Kobusch/B. Mojsisch/O. F. Summerell (eds.), Selbst - Singularität Subjektivität. Vom Neuplatonismus zum Deutschen Idealismus, Amsterdam-Philadelphia 2002, 155-173.
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verstandenen Mystikbegriff der komplexe Reichtum der Bewegung der menschlichen Vernunft eher erfasst als in einer dürren Intellekttheorie 5. Was sich für die interpretierende Eckhart-Forschung aus diesen neuesten Ergebnissen notwendig als Aufgabe ergibt, liegt auf der Hand. Was schon immer als zwei verschiedene Denkwelten erschien, was einerseits in den deutschen Predigten und andererseits in den lateinischen Werken enthalten ist, was als Ontologie und Vernunftlehre auseinander zu klaffen scheint - das gilt es zusammenzudenken, und zwar mit dem Blick des Lesemeisters einerseits, d. h. des Theoretikers aristotelischer Prägung, und dem des Lebemeisters andererseits, der für die aus der Spätantike stammende christliche Philosophie des Lebens steht. Das Eckhart’sche Werk ist von Anfang an, seit der Erfurter Zeit, von einem Grundgedanken beseelt, der sich in allen Einzelwerken, in den deutschen Predigten wie in den lateinischen Sermones, in den Bibelkommentaren wie in den Traktaten, in den Pariser Quästionen wie im ,Opus tripartitum‘ wiederfindet. Es gibt keine besonderen Brüche in diesem Denken, keinen Widerruf, der die Rede von einer Wende im Denken Eckharts begründen könnte 6. Es ist von seltener Einheitlichkeit in seiner Vielfalt. Diesen einen Gedanken, der alles zusammenhält und zugleich jedem Einzelnen seine Gestalt gibt, gilt es zu finden, nicht zu erfinden. Das schöne Wort Kants ist zu beherzigen: „Wenn man Erfinder sein will, so verlangt man der Erste zu sein, will man nur Wahrheit, so verlangt man Vorgänger“ (Reflexionen 2159, AA, vol. XVI, 235). In diesem Sinne gilt es auch, die wahren Vorgänger des Eckhart’schen Denkens zu ermitteln, nicht um seine Originalität in irgendeiner Weise beschneiden, sondern um diese in ihrer Eigentümlichkeit erkennen zu wollen. II. Das patristische Erbe Das Werk Meister Eckharts atmet den Geist der patristischen Philosophie. Damit ist nicht nur die Philosophie Augustins gemeint. Vielmehr erscheint als Hintergrund des Eckhart’schen Denkens jener allgemeine Charakter des Den5
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Cf. Largier, Theologie, Philosophie und Mystik (nt. 2), 706 sq. Hinter den Ausführungen Largiers steht der Interpretationsansatz von A. M. Haas, der ihn schon sehr früh (so in Gottleiden Gottlieben. Zur volkssprachlichen Mystik im Mittelalter, Frankfurt a. M. 1989) zum Ausdruck brachte. Cf. auch id., Aktualität und Normativität Meister Eckharts, in: H. Stirnimann (ed., in Zusammenarbeit mit R. Imbach), Eckardus Theutonicus, homo doctus et sanctus. Nachweise und Berichte zum Prozeß gegen Meister Eckhart (Dokimion 11), Freiburg/Schweiz 1992, 205268, hier: 215-217. L. Sturlese spricht in seiner Analyse (Meister Eckhart in der Bibliotheca Amploniana. Neues zur Datierung des ,Opus tripartitum‘, in: A. Speer [ed.], Die Bibliotheca Amploniana. Ihre Bedeutung im Spannungsfeld von Aristotelismus, Nominalismus und Humanismus [Miscellanea Mediaevalia 23], Berlin-New York 1995, 446) von einer ,Wende‘, die sich durch den ,Liber parabolarum Genesis‘ vollzogen haben soll. Cf. auch id., Meister Eckhart. Ein Porträt (Eichstätter Hochschulreden 90), Regensburg 1993, 17. Doch Eckhart stellt selbst deutlich genug (Liber parabolarum Genesis, n. 6 [LW I, 455, 11-15]) den Zusammenhang mit den übrigen Teilen
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kens, der von Justin an die christliche Philosophie bis ins 12. Jahrhundert durchzieht. Die Mediävisten vom Fach, die diese Tradition vielfach nicht kennen und deswegen auch Eckharts Rückgriff auf die Patristik nicht erkennen, sind oft geneigt, Eckharts andersartigen Denkansatz (im Vergleich zu Thomas von Aquin z. B.) als revolutionäre Neuerung zu verstehen. Dazu gehört allem voran das Philosophieverständnis. Meister Eckhart hat es als seine umfassende Absicht bezeichnet, den christlichen Glauben durch Vernunftgründe zu erschließen. Es gehört für ihn geradezu zum recht verstandenen Ethos der Philosophie, es nicht beim bloßen Glauben bewenden zu lassen, sondern natürliche Gründe und Bilder zu finden, durch die der Glaube erläutert werden kann 7. Das ist deutlich die Rezeption des Programms der gesamten Patristik, das schon in ihren Anfängen formuliert wurde. Man braucht nur an jene berühmten Bemerkungen des Origenes zu denken, die von der Bekräftigung des Glaubens durch den Logos oder von der systematischen Unverzichtbarkeit der offenbaren und notwendigen Gründe für den Inhalt der Schrift handeln, um wahrzunehmen, dass die philosophische Durchdringung der Glaubensinhalte von Anfang an die christliche Philosophie ausmacht 8. Man hat sich darüber gewundert, dass bei Meister Eckhart auch die Trinitätslehre, die Auferstehungslehre und die Lehre von der göttlichen Inkarnation Gegenstand der philosophischen Überlegungen sind und nicht - wie bei Thomas von Aquin - als eigentlicher Gegenstand der Theologie angesehen werden. Auch hier zeigt sich der patristische Einfluss in massiver Weise. Muss man daran erinnern, dass Ambrosius, Athanasius, Apollinaris von Laodicäa, Cyrill und Theodoret Schriften und Gregor von Nazianz ein philosophisches Gedicht über die Menschwerdung geschrieben haben? Muss man daran erinnern, dass aus patristischer Zeit philosophische Abhandlungen mit dem Titel ,Über die Auferstehung‘ existieren von Justin, Athenagoras, Hippolyt, Origenes (nicht erhalten), Ephräm dem Syrer, Methodius von Olympus? Und was das Trinitätsthema betrifft, so sind neben Hilarius und Augustinus im lateinischen Sprachraum die griechischen Zeugnisse für diesen klassischen Gegenstand der christlichen Philosophie in patristischer Zeit hier gar nicht alle aufzählbar. Es kann kein Zweifel bestehen: Meister Eckhart nimmt, indem er das Thema der Trinität und der Inkarnation philosophisch behandelt, den patristischen Philosophiebegriff auf, zu dessen charakteristischen Merkmalen es gehört, dass er nicht im Gegensatz zum Begriff der Theologie steht. Bis zum 12. Jahrhundert gibt es überhaupt keine von der Philosophie unterschie-
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des ,Opus tripartitum‘ her. Auch W. Goris, Prout iudicaverit expedire: Zur Interpretation des zweiten Prologs zum Opus expositionum Meister Eckharts, in: Medioevo 20 (1994), 274 sq., sieht keinen Beweis dafür, dass mit dem ,Liber parabolarum Genesis‘ das Projekt des ,Opus tripartitum‘ aufgegeben sei. Cf. In Ioh., nn. 2 (LW III, 4, 4-13) u. 361 (LW III, 306, 5-307, 5). Cf. auch Eckharts Bezugnahme auf die natiurlıˆchen reden in Pr. 101 (DW IV, 342, 33) und ibid., nt. 20 von G. Steer. Cf. Origenes, De principiis IV, 1, 1 (ed. H. Görgemanns/H. Karpp), Darmstadt 1976, 670; Praef. 4 (ibid., 90); Praef. 10 (ibid., 98); II, 5, 3 (ibid., 346).
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dene Theologie. Auch bei Meister Eckhart sind alle Einzeldisziplinen unter dem Dach der einen Philosophie vereinigt, die in patristischer Zeit ausdrücklich ,christliche Philosophie‘ genannt worden war 9. Durch die Rezeption dieser Tradition hat Meister Eckhart seine deutlichste Kritik an Thomas und dem am aristotelischen Wissenschaftsbegriff orientierten Theologieverständnis seiner Zeit zum Ausdruck gebracht. Die christliche Philosophie Meister Eckharts, die in der Heiligen Schrift und ihren Auslegungen greifbar ist, sieht sich in Übereinstimmung mit der paganen Philosophie, hier des Aristoteles, so wie die Patristik im Großen und Ganzen eine Übereinstimmung zwischen der christlichen und der nichtchristlichen, besonders der platonischen Philosophie gesehen hatte. Moses, Aristoteles und Christus unterscheiden sich nur graduell, so wie das Glaubwürdige, das Wahrscheinliche und die Wahrheit 10. Die eine Philosophie ist die ,Wurzel‘ und - wie Meister Eckhart bildreich erläutert - die identische Ader, aus der sich das Wissen der philosophischen Theologie, der Naturphilosophie, der Moralphilosophie und aller freien und mechanischen Künste sowie des positiven Rechtes ergibt 11. Die Aufteilung der Philosophie in die drei klassischen Disziplinen der Theologie, der Naturphilosophie und Moralphilosophie oder - wie die Unterscheidung der entsprechenden Gegenstandsbereiche lautet - der divina, naturalia und moralia, ist von grundlegender Wichtigkeit für alle Werke Eckharts. Meist wird auf die stoische Einteilung der Philosophie in Logik, Physik und Ethik als Hintergrund dieser Lehre verwiesen. Doch damit geht jener bedeutende Vorgang in patristischer Zeit dem allgemeinen Bewusstsein verloren, durch den Eckharts philosophische Annäherung an die Heilige Schrift allererst verständlich wird. Die Patristik hat nämlich seit Origenes’ einflussreichen wissenschaftstheoretischen Überlegungen im Proömium des Hoheliedkommentars die stoische Einteilung der Philosophie auf die christliche Philosophie, d. h. auf die Schriften des Alten und Neuen Testamentes, übertragen und dabei die ursprüngliche Disziplin der Logik in die Theologik, d. h. die philosophische Theologie, verändert. Nach dieser in der christlichen Philosophie weit verbreiteten Einteilung ist die Moralphilosophie vor allem in den Proverbia Salomonis, die Naturphilosophie in den Büchern Ecclesiastes und Genesis und die Metaphysik oder Theologie vor allem im Hohelied und im Johannes-Evangelium repräsentiert 12. 9
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Cf. dazu und zum Folgenden mein demnächst in der WBG erscheinendes Buch ,Christliche Philosophie. Die Entdeckung der Subjektivität‘. Cf. In Ioh., n. 185 (LW III, 154, 14-155, 7). Cf. die klassische Stelle bei Origenes, C. Cels. IV, 80: tñ˜ Xristianv˜ n kata¡ tay˜ ta pro¡w filosofi¬an symfvni¬á. Cf. In Ioh., n. 444 (LW III, 380, 12-381, 7). Cf. Origenes, Commentaire sur le Cantique des Cantiques I, Prol. 3, eds. L. Bre´sard/H. Crouzel/ M. Borret (SC 375), Paris 1991, 128-143; cf. auch Origenes, Expositio in Proverbia, PG 17, 220: pa˜ sa ga¡r h« kata¡ th¡n Grafh¡n pragmatei¬a, te¬mnetai trixv˜ w , eiœw hœuikh¡n kai¡ fysikh¡n kai¡ ueologikh¬n· kai¡ aœkoloyuei˜ tñ˜ mh¡n prv¬tñ, ai« Prooimi¬ai· tñ˜ dh¡ deyte¬rá, o« ¢Ekklhsiasth¬w· tñ˜ de¡ tri¬tñ, ×Asma áœsma¬tvn·; Basilius, Homilia in principium proverbiorum, PG 31, 388: °H me¡n ga¡r Paroimi¬a pai¬deysi¬w eœstin hœuv˜ n, kai¡ pauv˜ n eœpano¬ruvsiw , kai¡ oÕlvw didaskali¬a bi¬oy, pykna¡w ta¡w y«pouh¬kaw perie¬xoysa tv˜ n prakte¬vn· o« de¡ ÅEkklhsiasth¡w fysiologi¬aw aÕptetai, kai¡ aœpokaly¬ptei h«mi˜n tv˜ n eœn tì˜ ko¬smì toy¬tì th¡n mataio¬thta· vÕste mh¡ h«gei˜suai perispoy¬dasta eiÓnai ta¡ parerxo¬mena, mhde¡ toi˜w matai¬oiw prosana-
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Von dieser alten Einteilung der Schriften des Alten und Neuen Testamentes nach Naturphilosophie, Ethik und Metaphysik ist auch bei Meister Eckhart noch etwas zu spüren. Nicht als ob er einzelnen Büchern des Alten und Neuen Testamentes eine eindeutige und ausschließliche Funktion zugeteilt hätte. Vielmehr scheint nach dem Vorbild des Psellos, bei dem sich diese patristische Wissenschaftstheorie mit derjenigen des Proklos vermischt 13, auch bei Meister Eckhart li¬skein th˜ w cyxh˜ w ta¡w fronti¬daw . To¡ de¡ áÓsma tv˜ n aŠœsma¬tvn to¡n tro¬pon y«podei¬knysi th˜ w teleiv¬sevw tv˜ n cyxv˜ n. Perie¬xei ga¡r symfvni¬an ny¬mfhw kai¡ nymfi¬oy· toyte¬sti, cyxh˜ w oiœkei¬vsin pro¡w to¡n Ueo¡n Lo¬gon;
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Didymus Caecus, Comm. in Eccl. V, 31, ed. u. übers. v. G. Binder/L. Liesenborghs, Bonn 1979, 8: eœn me¡n tai˜w paroimi¬aiw-prv˜ ton de¡ bibli¬on | [1-2]. ta¬jei toy˜ to toy˜ prokeime¬noy-hœuikv˜ n m[ auhm ]a¬tvn eœsti¡n dida¬skalow . … Ibid., 6, 13: to¡ plei˜on me¬row eœn tì˜ eœkklhsiastñ˜ peri¡ tv˜ n aiœsuhtv˜ n kai¡ o«r[ v ]me¬nvn | oyœ mo¬non ktisma¬tvn [ aœl ]la¡ kai¡ eœpithdeyma¬tvn le¬getai. eœn de¡ tì˜ ásmat[ i ] tv˜ n aŠœs| ma¬tvn pa¬nta nohta¬ eiœ[ si ]n, [ eœ ]foptika¬, y«peroyra¬nia; Evagrius Ponticus, Expositio in Proverbia Salomonis, 106, 10: pa˜ sa ga¡r h« kata¡ th¡n grafh¡n pragmatei¬a te¬mnetai trixv˜ w , eiœw hœuikh¡n kai¡ fysikh¡n kai¡ ueologikh¬n· kai¡ aœkoloyuei˜ tñ˜ me¡n prv¬tñ ai« paroimi¬ai, tñ˜ de¡ deyte¬rá o« eœkklhsiasth¬w , tñ˜ de¡ tri¬tñ ta¡ ásmata tv˜ n áœsma¬tvn; Ambrosius, Explanatio psalmorum XII, ps. 36, 1, 1, eds. M. Petschenig/ M. Zelzer, CSEL 64, 70, 15-17: „unde et Salomonis tres libri ex plurimis uidentur electi: Ecclesiastes de naturalibus, Cantica canticorum de mysticis, Prouerbia de moralibus“; Ambrosius, Expositio psalmi 118, 1, 3, eds. M. Petschenig/M. Zelzer, CSEL 62, 6, 12-14: „Quam institutionem secutus Salomon librum de Prouerbiis scripsit, quo moralem locum uberius expressit, naturalem in Ecclesiaste, mysticum in Canticis canticorum“; Hieronymus, Epist. 30, ed. J. Hilberg, CSEL 54, 243, 5-10: „quomodo philosophi solerent disputationes suas in physicam et ethicam logicamque partiri, ita et eloquia diuina aut de natura disputare, ut in Genesi et Ecclesiaste, aut de moribus, ut in Prouerbiis et in omnibus sparsim libris, aut de logica, pro qua nostri g-theologikeˆn sibi uindicant, ut in Cantico canticorum et euangeliis […]“; Gregorius Magnus, Expositio in Canticum Canticorum 9, 194: „In prouerbiis quoque moralis uita exprimitur, ubi dicitur: audi, fili mi, sapientiam meam et prudentiae meae inclina aurem tuam in ecclesiasten uero, naturalis: ibi quippe, quod omnia ad finem tendant, consideratur, cum dicitur: uanitas uanitantium et omnia uanitas in canticis uero canticorum contemplatiua uita exprimitur […]“; Isidor v. Sevilla, Etymologiarum sive Originum libri XX, II, 24, 8: „Nam aut de natura disputare solent, ut in Genesi et in Ecclesiaste: aut de moribus, ut in Prouerbiis et in omnibus sparsim libris: aut de Logica, pro qua nostri Theoreticam sibi uindicant, ut in Cantico canticorum, et Euangeliis“; Rabanus Maurus, De universo, PL 111, 416B: „Dividitur ergo philosophia in tres partes, hoc est, in Physicam, Ethicam et Logicam, sicut superius ostendimus. In Physica igitur causa quaerendi, in Ethica ordo vivendi, in Logica ratio intelligendi versatur. In quibus videlicet generibus tribus Philosophiae divina eloquia consistunt. Nam aut de natura disputare solent, ut in Genesi, et in Ecclesiaste: aut de moribus ut in Proverbiis et in omnibus sparsim libris: aut de logica, pro qua nostri Theologiam sibi vendicant, ut in Cantico canticorum, et sancto Evangelio. Theologica quoque est, quae inspectiva dicitur, qua supergressi visibilia, de divinis et coelestibus aliquid mente solum contemplamur; Remigius v. Auxerre, Enarrationes in Psalmos, PL 131, 148B: „Sicut in mundanis libris, ita et in divinis quaerere potest unusquisque ad quam partem philosophiae spectet. Sed sicut in illis, ita et in istis quidam ad physicam, Ecclesiastes (in quo quaeritur initium et finis rerum omnium quae in mundo snnt [!], et ostenduntur omnia haec vanitati subjacere), et Genesis; quidam ad ethicam, ut Proverbia et Evangelia ex parte, quidam ad theoricam, ut Cantica canticorum et Evangelia ex parte, quae nos ad coutemplationm [!] divinorum mittunt. In divinis non habetur logica, sed loco logicae theorica habetur“; Richard von St. Viktor, Explicatio in Cantica Canticorum, PL 196, 409B: „[…] contemplativam. Quas vitas Graeci ethicam, physicam et theoricam nominaverunt. In Proverbiis quoque moralis vita exprimitur, ubi dicitur: Audi, fili mi, sapientiam meam, et prudentiae meae inclina aurem tuam (Prov. II). In Ecclesiasten vero naturalis. Ibi quippe quod omnia ad finem tendunt consideratur, cum dicitur: Vanitas vanitatum, et omnia vanitas (Eccle. I). In Canticis canticorum contemplativa vita exprimitur […].“ Psellus, Theologica Opusc. VI, l, 37, ed. P. Gautier, Leipzig 1989: ¤H me¡n oyÓn diai¬resiw tv˜ n syggramma¬tvn toy˜ Solomv˜ ntow hÕde· dielo¬menow de¡ oyÕtvw tay˜ ta aœpo¡ me¡n toy˜ plei¬stoy, eœn me¡n tì˜ ÅAismati ueolo¬gow eœsti¬n, eœn de¡ tì˜ ÅEkklhsiastñ˜ fysiolo¬gow kai¡ eœn tai˜w Paroimi¬aiw paidagvgo¡w aœtexnv˜ w eœsti svfro-
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in allen einzelnen Büchern der Heiligen Schrift Ethisches, Naturphilosophisches und Metaphysisches enthalten und damit gewissermaßen - mit den Worten des Psellos - ,alles in allem‘ zu sein. Aber das Buch Genesis z. B. hat, wie er von Maimonides gelernt hat, vorrangig die Funktion der Naturphilosophie - so schon im frühen Genesiskommentar 14 -, wenngleich in der zweiten Genesisschrift am Anfang direkt betont wird, dass in allen Schriften des AT eine verborgene Natur-, Moral- und Metaphysiklehre stecke. Hier wird erneut Eckharts eminent philosophischer Zugang zu den Heiligen Schriften erkennbar. Was im Alten und Neuen Testament unter dem Mantel der Gleichnisse und Allegorien, also ,in verborgener Weise‘, gesagt wird, ist nicht ein Beweis für die Seinsordnungen des Göttlichen, Naturhaften und Moralischen, sondern eher umgekehrt ist es Eckharts Absicht zu zeigen, dass die philosophische Wahrheit über diese Seinsbereiche in den Gleichnissen der Schrift bildhaft greifbar wird. Genau das entspricht wiederum dem Zugang der Patristik 15. Während Meister Eckhart offenkundig keinen Kommentar zum Buch des Predigers geschrieben hat - in patristischer Zeit das zweite Beispiel für die Physik der christlichen Philosophie -, scheint er doch einen Kommentar zu den Proverbia verfasst zu haben, die er im Sinne einer (vorrangigen) Morallehre erläutert haben dürfte 16. Schließlich hat Meister Eckhart auch einen Kommentar zum Hohelied verfasst, von dem wir jedoch nur ein Fragment besitzen. Welche Bedeutung indes das Hohelied als die Metaphysik der christlichen Philosophie für Meister Eckhart hatte, kann jenen Bemerkungen im ,Liber parabolarum Genesis‘ entnommen werden, die das Zentrum der Eckhart’schen Philosophie ansprechen, indem sie den mystischen Kuss zwischen dem Obersten der Seele - d. h. dem Fünklein - und Gott, das Zwiegespräch, den gegenseitigen Austausch und die Vereinigung thematisieren 17. Wie wir gesehen haben, wurde aber in der patristischen Tradition nicht nur das Hohelied, sondern auch das ,Evangelium‘, besonders das Johannes-Evangelium, als die christliche Form der Metaphysik angesehen. Meister Eckhart steht auch in dieser Hinsicht ganz in der patristischen Tradition. Nicht nur, weil er nisth¬w , to¡n de¡ ,eœn h«mi˜n pai˜da‘, htoi th¡n alogon kai¡ nhpiv¬dh cyxh¬n, tñ˜ toy˜ noy˜ h«gemoni¬á y«potiuei¡w kai¡ svfroni¬zvn toy¬toy to¡ atakton. esti de¡ oÕpñ tñ˜ me¡n fysiologi¬á ueologika¡ eœgkatami¬gnysi do¬gmata, tñ˜ de¡ ueologi¬á fysika¡ uevrh¬mata , vÀw de¡ kai¡ tai˜w Paroimi¬aiw ny˜ n me¡n fysikv˜ w , ny˜ n de¡ pro¬seisi ueologikv˜ w , oÕti kai¡ ,pa¬nta eœn pa˜ si‘ kata¡ th¡n ueologikh¡n toy˜ Pro¬kloy Stoixei¬vsin, … 14 15
Cf. In Gen. I, n. 199 (LW I, 345, 6-7). Cf. In Gen. II, n. 4 (LW I, 454, 6-10); cf. auch In Ex., n. 211 (LW II, 178, 3-7). Zum patristischen Hintergrund cf. z. B. Basilius, Adv. Eunomium II, 20, ed. B. Sesboüe´, Paris 1983, SC 305, 82: ÅEgv¡ de¡ polla¡ exvn eiœpei˜n peri¡ th˜ w fvnh˜ w tay¬thw· prv˜ ton me¡n, oÕti aÕpaz eœn pa¬saiw tai˜w Grafai˜w eirhtai epeiu’, oÕti eœn bi¬blvŠ poly¡ to¡ kekrymme¬non th˜ w dianoi¬aw eœxoy¬sñ, kai¡ dia¡ paroimiv˜ n te kai¡ parabolv˜ n kai¡ skoteinv˜ n lo¬gvn kai¡ aiœnigma¬tvn v«w ta¡ polla¡ prohgme¬nñ, vÕste mhde¡n aœnamfisbh¬thton mhde¡thlayge¡w aœpÅ ayœth˜ w eiÓnai labei˜n.; cf. auch das Prooemium von Theodoret, Quaestiones in
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Octateuchum, eds. N. F. Marcos/A. Sa´nez-Badillos, Madrid 1979, 3. Cf. In Ioh., n. 195 (LW III, 164, 7-8). Cf. In Gen. II, nn. 139-152 (LW I, 607-623). Die drei Bücher Salomonis erwähnt Meister Eckhart In Ioh., n. 176 (LW III, 145, 1-2).
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selbst als vorrangigen Gegenstand dieses Evangeliums die divina angibt („de quibus hic est sermo“ 18), sondern weil er an bedeutsamer Stelle dieses Kommentars jenen Satz formuliert, mit dem die Mediävisten meist nichts Rechtes anfangen können: „Evangelium contemplatur ens in quantum ens.“ 19 Er ist angemessen nur vor dem Hintergrund der patristischen Tradition verstehbar. Was Meister Eckhart hier andeutet, ist eine neue Form der Metaphysik gegenüber der aristotelischen. Das Seiende als solches ist nicht länger Gegenstand einer formalen Seinslehre, sondern der eigentliche Gegenstand einer ,Kontemplation‘, die nicht mit einer abstrakten Theorie verwechselt werden darf, sondern, wie wieder ein Blick auf die Auslegungstradition des Hoheliedes zeigen könnte, als die christliche Form der Betrachtung anzusehen ist, in der wesensmäßig das Element der Selbsttransformierung des betrachtenden Subjekts steckt 20. Die patristische Tradition hat seit Origenes den Gegenstand der im Sinne des Hoheliedes verstandenen Metaphysik auch ,das Mystische‘ genannt 21. Diese Form der Metaphysik ist in der Patristik oft genug, so z. B. bei Gregor von Nyssa, mit einer Absage an den aristotelischen Typ einer abstrakt-theoretischen Metaphysik verbunden 22. Die Metaphysik Meister Eckharts kann deswegen, insofern sie in dieser Tradition steht, Mystik genannt werden. Die unselige moderne Diskussion um das Unangemessene des Mystikbegriffs im Hinblick auf das Denken Meister Eckharts geht davon aus, dass Philosophie und Mystik in Gegensatz zueinander stünden. Diese Position, die ganz unsachgemäß die Philosophie gegen die Mystik ausspielen will, hat, ohne dass ihr das zu Bewusstsein gekommen wäre, unkritisch die fast allen Philosophiegeschichten des 19. Jahrhunderts zugrunde liegende Unterscheidung zwischen Scholastik = Philosophie und Mystik übernommen. Doch diese Unterscheidung widerspricht dem 18 19 20
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In Ioh., n. 4 (LW III, 5, 9). Ibid., n. 444 (LW III, 380, 13-14). Cf. dazu Th. Kobusch, Die Grenzen der theoretischen Vernunft, in: W. Hogrebe (ed., in Verb. mit J. Bromand), Grenzen und Grenzüberschreitungen. XIX. Deutscher Kongress für Philosophie, Bonn 23.-27. September 2002: Vorträge und Kolloquien, Berlin 2004, 237-256. Origenes, In Cant. Cant., Prol. 3, 16, eds. Bre´sard/Crouzel, I, 138: „ad mystica […] conscenditur.“ Cf. Ambrosius, De Isaac vel anima IV, 23, ed. C. Schenkl 1896, CSEL 32/1, 657, 17-19: „habes haec in Solomone, quia Prouerbia eius moralia, Ecclesiastes naturalis, in quo quasi uanitates istius despicit mundi, mystica sunt eius Cantica canticorum“; Ambrosius, Explanatio psalmorum XII, Ps. 36, 1, 1, eds. M. Petschenig/M. Zelzer, CSEL 64, 70, 15-17: „unde et Salomonis tres libri ex plurimis uidentur electi: Ecclesiastes de naturalibus, Cantica canticorum de mysticis, Prouerbia de moralibus“; cf. Ambrosius, Expositio Psalmi 118, 1, 3, eds. M. Petschenig/M. Zelzer, CSEL 62, 6, 12 sqq.; Theodoret, Explanatio in Canticum Canticorum, PG 81, 48: kai¡ ai« me¡n Paroimi¬ai th¡n hœuikh¡n vœfe¬leian toi˜w boylome¬noiw prosfe¬roysin· o« de¡ ¢Ekklhsiasth¡w , tv˜ n o«rvme¬nvn e«rmhney¬ei th¡n fy¬sin, kai¡ toy˜ paro¬ntow bi¬oy to¡ ma¬taion eœkdida¬skei, iÕna mauo¬ntew ayœtv˜ n to¡ eœpi¬khron, v«w pario¬ntvn katafronh¬svmen, kai¡ tv˜ n Š sma tv˜ n áœsma¬tvn, th¡n mystikh¡n syna¬feian th˜ w ny¬mfhw mello¬ntvn v«w meno¬ntvn eœpiuymh¬svmen. To¡ de¡ ×A kai¡ toy˜ nymfi¬oy dida¬skei· v«w eiÓnai th¡n pa˜ san toy˜ Solomv˜ ntow pragmatei¬an kli¬maka¬ tina, trei˜w exoysan toy¡w baumoy¡w , to¡n hœuiko¡n, to¡n fysiologiko¡n, to¡n mystiko¬n. Cf. dazu Th. Kobusch, Metaphysik als Lebensform bei Gregor von Nyssa, in: H. R. Drobner/ A. Viciano (eds.), Gregory of Nyssa. Homilies on the Beatitudes, Leiden-Boston-Köln 2000, 467-485.
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Geist der patristischen und übrigens auch neuplatonischen Philosophie, wonach das Mystische die höchste Stufe der Philosophie und die Metaphysik infolgedessen eine Art der ,Mystagogie‘ (so z. B. Gregor von Nyssa und Proklos) - ein Ausdruck, den Hegel mit ,spekulative Philosophie‘ übersetzt - darstellt. Indem die mittelalterliche Mystik die spätantik-patristische Idee einer nichttheoretischen Metaphysik, d. h. einer Metaphysik des inneren Menschen, aufnimmt - Eckharts Traktat ,Von dem edeln Menschen‘ ist ja in Wirklichkeit einer über den inneren Menschen -, stellt sie sich selbst auch in die Tradition der Lebensform-Philosophie. Die mittelalterliche Mystik ist es - und nicht eine besondere Interpretation des aristotelischen Glücksbegriffs an der Pariser Universität -, die als die legitime Nachfolgerin der spätantiken Lebensform-Philosophie anzusehen ist. III. Metaphysik des Lesemeisters: Transzendentalienlehre Der patristische Charakterzug des Denkens Meister Eckharts zeigt sich besonders in seinen Bibelkommentaren. Meister Eckhart hat dieses Auslegungswerk schon früh - wie L. Sturlese gezeigt hat - in einen Gesamtzusammenhang eingeordnet, nämlich in dem monumentalen ,Opus tripartitum‘, das in seinem ersten Teil aus einer Aufstellung allgemeinster Sätze besteht, in seinem zweiten aus einer Sammlung wichtiger (nichterhaltener) Fragen, deren Ordnung sich an Thomas’ ,Summa theologiae‘ orientiert, und das schließlich in seinem dritten Teil die Kommentare zur Heiligen Schrift und auch alle Predigten umfasst 23. Da aber der zweite und der dritte Teil nach Eckharts ausdrücklicher Feststellung nicht ohne den ersten Teil über die allgemeinen Begriffe verstanden werden können, hat der moderne Interpret die Pflicht, wenn er nicht die Absicht Eckharts verfälschend darstellen will, alles, was im lateinischen und deutschen Werk enthalten ist, inhaltlich unter den Vorzeichen der Lehre von den allgemeinen Begriffen zu verstehen. Nicht ausschließlich, aber im Wesentlichen geht es in diesem ersten Teil des umfassenden Werkes um die sog. Transzendentalien, d. h. jene allgemeinsten Bestimmungen, die mit der des Seins konvertibel sind, und das sind vor allem das Eine, Wahre und Gute. Das Seiende, Eine, Wahre und Gute sind die allgemeinen ontologischen Grundlagen und ,Voraussetzungen‘ jeglicher einzelnen und bestimmten Tätigkeit sonst und damit auch der Konkretisierung des Seienden, Einen, Wahren und Guten im Menschen 24. Was Eckhart also durch die Konzeption des ,Opus tripartitum‘ eigentlich erreichen will, ist die Einheit von metaphysischer Abhandlung und Predigt, von Transzendentalien-Metaphysik und Vernunftlehre, von Sein und Fünklein. 23
24
Cf. Prol. gen. in op. trip., n. 14 (LW I, 159, 9-10): „Et iste erit modus totius operis expositionum et sermonum […].“ Cf. In Gen. II, n. 86 (LW I, 548, 5 sqq.); zum Begriff des transcendens cf. In Eccli., n. 63 (LW II, 293, 1): unum transcendens.
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Die Transzendentalienlehre Meister Eckharts ist von unerhörter Neuheit. Denn sie ist nichts anderes als Gotteslehre. Das hatte man in Erfurt und Straßburg vorher noch nie vernommen, dass die transzendentalen Bestimmungen, die doch nach Thomas von Aquin das ens commune in konvertibler Weise bezeichnen, ,eigentlich‘ Gott zukommen und ihn in verschiedener Weise als ein von allem Sonstigen partizipiertes Gemeinsames charakterisieren 25. Das Sein als Sein oder das Sein in einem absoluten bzw. schlechthinnigen Sinne ist nämlich zu unterscheiden von jedem besonderen Seienden (ens hoc et hoc), ebenso das absolut Eine vom bestimmten Einen, das schlechthin und allgemein Wahre vom einzelnen Wahren und schließlich das transzendental Gute von allen einzelnen Gütern dieser Welt. Das eigentliche Sein, das eigentlich Eine, das eigentlich Wahre und das eigentlich Gute sind nichts anderes als Gott selbst. Die transzendentalen Bestimmungen sind Bestimmungen des göttlichen Seins. Diese enge Verschränkung zwischen der Transzendentalienlehre und der Theologie gilt es in ihrer philosophiegeschichtlichen Bedeutung zu erfassen. Denn hier drückt sich das Bewusstsein eines neuen Weges zur Gottesproblematik aus. Meister Eckhart hat diesen neuen Weg möglicherweise durch Heinrich von Gent kennen gelernt. Eine gedankliche Nähe zu dem von Heinrich von Gent in dessen ,Summa‘ in enger Anlehnung an Avicenna beschriebenen neuen ,Weg‘ ist unverkennbar. Heinrich hatte gegenüber dem bei den Aristotelikern üblichen ,Weg des Beweises durch das Sinnfällige‘ den ,Weg der intelligiblen, allgemeinen Begriffe bzw. Sätze‘ zur Erkenntnis des Göttlichen vorgeschlagen. Sie sind nichts anderes als eben die allgemeinen Sätze über das Seiende, Eine, Wahre und Gute und über die vom Intellekt ersterkannten allgemeinsten Bestimmtheiten der Dinge, durch die der Mensch, indem er von jedem bestimmten Seienden, Einen, Wahren und Guten (hoc ens etc.) absieht, das schlechthin Seiende, Eine, Wahre und Gute als notwendig Subsistierendes erfasst 26. Offenkundig hat Meister Eckhart diese von Heinrich von Gent erstmals beschriebene neue Methode der Gotteserkenntnis - die auch bei vielen Franziskanern Anklang fand 27 - übernommen, indem er im Sinne der Euklid’schen Methode, die auch der ,Elementatio‘ des Proklos zugrunde liegt, die allgemeinsten Sätze über die Transzendentalien als Axiome oder conceptiones animi oder koinai ennoiai dem ganzen monumentalen Werk vorausschickt. Das erste dieser selbstevidenten Axiome ist der Satz ,Das Sein ist Gott‘. Wer weiß, was das Sein eigentlich ist, nämlich die zu keinem Bestimmten kontrahierbare, unveränderliche, allgemeinste Vollkommenheit oder Aktualität selbst, und auch die Bedeutung des Ausdrucks ,Gott‘ kennt, der wird diesem Satz als einem in sich einsichtigen Prinzip sofort zustimmen. 25 26
27
Meister Eckhart, In Ioh., n. 512 (LW III, 443, 5-7). Heinrich von Gent, Summa Quaestionum Ordinariarum, a. 22, q. 5, ed. Badius, Paris 1520, vol. I, foll. 134rB-135rE. Cf. dazu Th. Kobusch, Gott und die Transzendentalien: Von der Erkenntnis des Inklusiven, Impliziten, Konfusen und Unbewußten, in: M. Pickave´ (ed.), Die Logik des Transzendentalen. FS für J. A. Aertsen (Miscellanea Mediaevalia 30), Berlin-New York 2003, 421-432.
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Ähnliches gilt auch für das Eine, Wahre und Gute, die sich aus dem recht verstandenen Seinsbegriff ergeben, ,am unmittelbarsten‘ aber das Eine. Denn wenn das Sein die Fülle aller Wirklichkeit ist, dann kann von ihm nichts in negativer Weise ausgesagt werden, ja dann muss es selbst die ,Negation der Negation‘ und in diesem Sinne das Eine sein. Meister Eckhart hat diesen Ausdruck, der gar nicht neuplatonisch ist, einem Meister zugewiesen: „Ein meister sprichet: ein ist ein versagen des versagennes.“ 28 Wie W. Goris nachgewiesen hat, handelt es sich auch hier um Heinrich von Gent, bei dem der Ausdruck im selben Sinne nachweisbar ist 29. Da, wo keine bestimmte Negation ist, wo nur die Negation der Negation ist, kann auch keine Unterschiedenheit sein. Deswegen ist das göttliche Sein das Eine auch im Sinne der Ununterschiedenheit, das sich gerade dadurch von dem Reich des Unterschiedenen und der Region der Unähnlichkeit unterscheidet 30. Offenkundig hat Meister Eckhart hier neuplatonische Elemente in seinen Begriff des Einen aufgenommen 31. Es ist nun von entscheidender Bedeutung für den Gesamtcharakter des Werkes, dass Meister Eckhart nicht bei einer solchen abstrakten Theorie der Transzendentalien stehen bleibt, nach welcher das wahrhaft Seiende und Eine und Wahre und Gute allein Gott vorbehalten ist, während alles Endliche das Nichts, das Vielheitliche, das Unwahre und das Schlechte wäre. Da, wo das Eine ist, ist kein Mehr oder Weniger, kein Dies und Das, kein Unterschied, kein Eigenes, denn das Eine ist allen gemeinsam. Im Einen ist kein Schlechtes, kein Defekt, keine Privation, keine Teilung, keine Zahl, keine Vielheit. Unter den endlichen Dingen also scheint es kein wahrhaft Eines geben zu können. Was aber ist mit der menschlichen Seele? Auch hier gilt zunächst, was für die Dingwelt gilt: Soweit sie das ,Eigene‘, die ,Eigenschaft‘ sucht, soweit sie das Dies und Das liebt und dem Vielheitlichen anhängt, soweit wohnt Gott, das Eine, nicht in ihr 32. Aber da ist noch eine ,Kleinigkeit‘, die in des Wortes doppelter - platonischer und Eckhart’scher - Bedeutung bedacht werden muss.
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31
Pr. 21 (DW I, 361, 13); cf. Prol. in op. prop., n. 15 (LW I, 175, 14-15). Cf. Goris, Einheit (nt. 2), 197-206. Cf. In Ioh., n. 99 (LW III, 85, 13-14): „dei proprium est esse indistinctum et ipse sola sua indistinctione distinguitur, creaturae vero proprium est esse distinctum“; ähnlich auch In Ex., n. 117 (LW II, 112, 7 sqq.). Der Neuplatonismus hat das Eine als das aœdia¬kriton begriffen. Auch die Dialektik von Ununterschiedenheit und Unterscheidung scheint dort schon vorgeprägt zu sein. Cf. z. B. Proclus, Theol. Plat. I, 11, eds. H. D. Saffrey/L. G. Westerink, Paris 1968, 54, 15: Pv˜ w oyÓn oyœk aœna¬gkh ta¡w ta¬zeiw tay¬taw diafe¬rein aœllh¬lvn; To¡ me¡n ga¡r aœdia¬kriton aÕte kryfi¬vw on kai¡ aœdiaire¬tvw syggene¬stero¬n eœsti pro¡w to¡ eÕn, to¡ de¡ diakrino¬menon deyte¬ran exei meta¡ toy˜ to ta¬jin, to¡ de¡ diakekrime¬non porrv¬teron hdh proelh¬lyuen aœpo¡ th˜ w prvti¬sthw . Oder: Damascius, Traite´ des Premiers Principes, vol. II, eds. L. G. Westerink/J. Combe`s, Paris 1989, 116: ÔEsti ga¡r h« diafora¡ h«nvme¬noy pro¡w diakekrime¬non, toy˜ to de¬ eœstin aœdia¬kriton pro¡w to¡ diakekrime¬non· kai¡ ga¡r to¡ aœdia¬kriton toy˜ diakekrime¬noy die¬sthken, tosoy˜ ton mo¬non diakriue¬n, oÕson mei˜nai aœdia¬kriton kai¡ oÕson aœntidiasth˜nai pro¡w to¡ diakekrime¬non.
32
Cf. In Ioh., n. 208 (LW III, 176, 1 sqq.).
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IV. Metaphysik des Lebemeisters: g eistig e Übung en der Ver nunft Sie wird von Eckhart in jenem Denken durchdacht, das man eine Metaphysik des Lebemeisters nennen könnte. Denn Eckhart hat sich selbst so genannt und auch den berühmten Satz geäußert, dass ein „Lebemeister mehr sei als tausend Lesemeister“ 33. Der Lesemeister ist der Meister der theoretischen Metaphysik, der Lebemeister lehrt - gemäß auch einer alten Tradition - die Philosophie des Lebens, er lehrt die Philosophie als Lebensform 34. Meister Eckhart ist beides: Er hat die spekulative Metaphysik in seiner Transzendentalienlehre aufgezeigt, aber er hat sie ergänzt durch eine entsprechende praktische Metaphysik, in der das Leben der menschlichen Seele, ihre Verwandlung im Sinne der Transzendentalien, d. h. ihre Einswerdung mit Gott, thematisch behandelt wird. Eckhart sagt nämlich auch, dass die menschliche Seele eine fundamentale Wandlung, eine Transformation ihrer selbst durchführen kann 35. Eckhart nennt das die Gottes- oder Sohnesgeburt der Seele. Jeder, der in diesem Sinne Sohn Gottes werden will, der muss gerade das Persönliche und das ,Eigene‘, d. h. alle Eigenschaft an sich, negieren 36. Da aber die ,Eigenschaft‘ nach Eckhart selbst schon ein Negatives ist - die Negation von allem außer ihr selbst -, bedeutet die Negation des Persönlichen eine Negation der Negation in der menschlichen Seele. Das transzendentale Eine erscheint als das Resultat der Selbsttransformation der Seele. Dass die transzendentalen Bestimmungen des Seins, Einen, Wahren und Guten auch im Bereich des Endlichen verwirklicht sind, ist keine Besonderheit der Lehre Eckharts. Denn die endlichen, beweglichen und sich verändernden Dinge gehören, gerade insofern sie sind und damit eine Form der Einheit, Wahrheit und Gutheit darstellen, zum Gegenstandsfeld der Metaphysik 37. Aber im Bereich des Endlichen sonst sind Sein und Einheit und Wahrheit und Gutheit nur auf analoge Weise wirklich 38. Allein in der Sohnesgeburt erscheint das transzendentale Eine im univoken Sinne. 33 34
35
36 37 38
Cf. F. Pfeiffer, Meister Eckhart, Göttingen 41924, 599, 19-20. Cf. zu diesem Gegensatz auch B. Welte, Meister Eckhart, Gedanken zu seinen Gedanken, Freiburg 1979, 16, und A. M. Haas, Meister Eckhart als normative Gestalt geistlichen Lebens, Einsiedeln 1979, 15. Cf. auch id., Aktualität und Normativität Meister Eckharts, in: H. Stirnimann (ed., in Zusammenarbeit mit R. Imbach), Eckardus Theutonicus, homo doctus et sanctus. Nachweise und Berichte zum Prozeß gegen Meister Eckhart (Dokimion 11), Freiburg/Schweiz 1992, 209-271, hier: 218. Die christliche Philosophie als Philosophie des Lebens hat Origenes vertreten; cf. dazu Th. Kobusch, Das Christentum als die wahre Philosophie. Zum Verhältnis zwischen Platonismus und Christentum bei Origenes, in: L. Lies (ed.), Origeniana Quarta (Referate des 4. Intern. Origenes-Kongresses), Innsbruck-Wien 1987, 442-446. Zum Begriff der Transformation cf. Sermo XXXI, n. 326 (LW IV, 285, 3 sqq.); In Gen. II, n. 180 (LW I, 650, 1 sqq.); Pr. 6 (DW I, 110, 8-111, 7). Cf. In Ioh., n. 290 (LW III, 242, 6): „abnegare personale, abnegare proprium.“ Cf. Prol. gen. in op. trip., n. 9 (LW I, 154, 1-2). Cf. In Ioh., n. 97 (LW III, 84, 3-5); cf. auch In Eccli., n. 52 (LW II, 281, 1-5).
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Der Gedanke der Gottesgeburt in der Seele ist nun von entscheidender Wichtigkeit im Werk Eckharts. Denn er ist es, der die Einheit des philosophischen Grundgedankens im lateinischen und deutschen Werk, in der Ontologie und in der Seelenlehre garantiert. In der und durch die Gottesgeburt nämlich nimmt der Mensch teil am göttlichen Leben und damit auch an den transzendentalen Bestimmtheiten, die Gott zuerst und eigentlich zukommen. Nirgendwo anders als am Anfang seines Traktates ,Von der göttlichen Tröstung‘ hat Meister Eckhart diese Verbindung zwischen Transzendentalienlehre und dem Gottesgeburtsthema deutlicher dargestellt. Es ist die göttliche Gutheit, Wahrheit, Gerechtigkeit, Weisheit usw., die das konkrete Gute, das konkrete Wahre, das konkrete Gerechte und Weise im Menschen gebiert. Der Mensch aber ist, insofern er gut, wahr, gerecht usw. ist, das geborene und partizipierende Gute usf. 39. Könnte die Beziehung zur Patristik im Hinblick auf andere Themen der Philosophie Eckharts vielleicht noch bezweifelt werden, so atmet dieses Wichtigste aller Lehrstücke Eckharts unbezweifelbar den Geist der frühen christlichen Philosophie. Eckhart selbst beruft sich auf Origenes, dem wir die erste ausgearbeitete Form dieser Lehre verdanken. Er beruft sich gerade auch deswegen auf ihn, weil schon nach Origenes die Gottesgeburt im Herzen des Menschen kein einmaliger Vorgang ist, sondern die habituelle Transformation des Selbst bezeichnet: „In einem jeglichen guten Gedanken oder guten Bestreben oder guten Werke werden wir allzeit neu geboren in Gott.“ 40 Deswegen vollzieht sich die Gottesgeburt nicht einmal, sondern ,allzeit‘ 41. Was Eckhart mit Berufung auf die altchristliche Tradition zur Geltung bringen will, ist somit kein besonderer theologischer Lehrsatz, sondern die philosophische Erkenntnis, dass das wahre Sein des Geistes in der Wiedergeburt besteht 42. Wie der Begriff der Geburt andeutet, handelt es sich bei diesem Sein um eine Art des Werdens. Eckhart hat den Begriff des Werdens gegenüber einer langen Tradition rehabilitiert, die ihn nur für das Entstehen der Naturdinge gebrauchte 39
40
41 42
Cf. BgT (DW V, 8 sqq.). Dazu die wichtigen Anmerkungen in N. Largier (ed.), Meister Eckhart: Werke II (Bibliothek des Mittelalters 21), Frankfurt a. M. 1993, 755-758. Auffälligerweise zählt hier Meister Eckhart auch die Gerechtigkeit und Weisheit zu den übrigen üblichen Transzendentalien. Die Weisheit wird auch im Prolog zum ,Opus tripartitum‘, n. 8 (LW I, 152, 8-11), unter den termini generales, im Sapientiakommentar, n. 74 (LW II, 404, 5-10), unter den ,geistigen Vollkommenheiten‘ erwähnt. Das könnte Eckhart von Heinrich von Gent übernommen haben; cf. Summa Quaestionum Ordinariarum, a. 22, q. 3, ed. Badius, Paris 1520, vol. I, fol. 132D. Zum Verhältnis zwischen Konkretem und Abstraktem, zwischen Partizipierendem und Partizipiertem cf. In Ioh., n. 14 (LW III, 13, 6-7): „iustus praeest in ipsa iustitia, utpote concretum in abstracto et participans in participato.“ Pr. 41 (DW II, 293, 5-6). Zur Gottesgeburt cf. bes. N. Largier, Meister Eckhart: Werke I (Bibliothek des Mittelalters 20), Frankfurt a. M. 1993, 814-817, und H. Rahner, Die Gottesgeburt. Die Lehre der Kirchenväter von der Geburt Christi im Herzen des Gläubigen, in: Zeitschrift für Katholische Theologie 59 (1935), 33-418, hier: 356-359. Pr. 37 (DW II, 219, 4-6). Pr. 41 (DW II, 293, 1-2): „Alsus soˆ wirt der sun in uns geborn: daz wir sıˆn sunder warumbe und werden wider ˆıngeborn in dem sune.“
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und - wie er selbst auch - dem wahren Sein gegenüberstellte 43. Die Gottesgeburt ist ein ständiges Werden, durch das das wahrhaft ,Neue und Frische‘ hervorgebracht wird. Während es im Bereich der Natur und der Kunst eigentlich nichts Neues gibt, sondern nur ,Erneuertes‘ - da stets die immer gleiche Materie zugrunde liegt -, ist die Gottesgeburt, die sich in jedem guten Werk, also im Bereich des Moralischen, vollzieht, das ,Werden ohne Werden‘ jenseits der Zeit, das unterschieden werden muss von jeglicher der Zeit unterworfenen Veränderung. In dieser ,Zeugung‘ entsteht ein ,Neues‘ ohne ,Erneuerung‘ 44. Das Fünklein ist der in der Kommunikation werdende Gott. Alle späteren Konzeptionen von einem ,Werden‘ Gottes sind Derivate dieses Grundgedankens. Doch ist die Gottesgeburt nicht ein kontingentes Ereignis, das auf die Seele gewissermaßen hereinbricht. Vielmehr vollzieht die oberste Vernunft des Menschen, die Eckhart mit so vielen Namen (des Fünkleins, Bürgleins usw.) belegt und ausdrücklich von der Vernunft im Sinne eines Vermögens der Seele unterscheidet 45, jene geistigen Übungen, die notwendig zur Gottesgeburt führen 46. Eckhart spricht sogar davon, dass der Mensch in der Zeitlichkeit Gott zwingen könne, seinen Sohn in ihm zu gebären, d. h. sein Sein, seine Gutheit und Liebe usf. ihm mitzuteilen 47. Man könnte meinen, es handle sich hier wie auch da, wo Eckhart von einem ,Müssen‘ Gottes spricht, um die später sog. moralische Notwendigkeit, die die Freiheit nicht ausschließt, vielmehr ihre eigentliche Erfüllung darstellt. Während etliche Meister der spekulativen Metaphysik darüber rätselten, wie das göttliche Sein, wenn es aristotelisch als Unbewegter Beweger und als transzendente Wesenheit gedacht wird, je in die Seele kommen könnte, ist es aus der Sicht des Lebemeisters notwendig (seine Gottheit hängt daran), dass Gott sich mitteilt und gemein macht 48. Eckhart, der Lebemeister, erneuert 43 44
45 46
47
48
Cf. In Ioh., n. 325 (LW III, 273, 5 sqq.). Zur Idee des Neuwerdens cf. Pr. 20a (DW I, 335, 4-5): „sıˆn gewerden ist nuˆ niuwe und vrisch und alzemaˆle in einem ˆewigen nuˆ “; Pr. 31 (DW II, 117, 1): „er gebirt sıˆnen sun und gebirt in alzemaˆle niuwe und vrisch“; bes. Pr. 50 (DW II, 459, 7-8): „Da enist enkein ,gewerden‘, mer: es ist ein nu´, ein gewerden svnder gewerden, ein nu´we svnder vernu´wen, vnd das gewerden ist sin wesen“; Pr. 20b (DW I, 349, 6-8): „Got gibet sich der seˆle alles niuwe in einem gewerdenne […] ez ist alles niuwe und vrisch als in einem gewerdenne aˆne underlaˆz.“ Zum Unterschied zwischen dem ,Neuen‘ und dem ,Erneuerten‘ cf. Sermo XLI/ 1, nn. 416-417 (LW IV, 351, 13-352, 14). Die Tugenden sind nach In Sap., n. 45 (LW II, 368, 6), ,in continuo fieri‘. ,Zeugung‘ und ,Veränderung‘ werden ibid., n. 30, terminologisch unterschieden. Zum Werden Gottes cf. S. Ueda, Die Gottesgeburt in der Seele und der Durchbruch zur Gottheit. Die mystische Anthropologie Meister Eckharts und ihre Konfrontation mit der Mystik des Zen-Buddhismus, Gütersloh 1965, 125. Cf. Pr. 71 (DW III, 215, 7-11). Cf. RdU, c. 21 (DW V, 277, 4-5): „daz der mensche sıˆne vernunft wol und zemaˆle gote gewene und üebe […].“ Cf. Pr. 22 (DW I, 385, 4-5): „[…] daz der mensche in der zıˆt dar zuo komen mac, daz er got mac twingen“; cf. auch das Folgende und Pr. 13 (DW I, 214, 5-9). Cf. Pr. 73 (DW III, 265, 4-9). Wie der Zusammenhang zeigt, ist die Argumentation gerade gegen den aristotelischen Gottesbegriff im Sinne des Unbewegten Bewegers gerichtet und damit auch gegen den metaphysischen Notwendigkeitsbegriff. Dies gegen L. Sturlese, Meister Eckhart. Ein Porträt (Eichstätter Hochschulreden 90), Regensburg 1993, 9.
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die antike, besonders die spätantike Philosophie im Sinne der geistigen Übungen 49. Zu den geistigen Übungen, die die Geburt Gottes geradezu veranlassen, gehört auch das ,Durchbrechen‘, das nicht einen intellektiven Vorgang meint. Der Durchbruch ist die Selbstbefreiung der Seele von den Bindungen an die endlichen Dinge, durch die sie in die ,göttliche Freiheit‘ gelangt 50. Aber nicht nur das. Der Durchbruch ist auch jene geistige Übung, durch die die Vernunft selbst die Hüllen der Güte und Wahrheit und Weisheit durchbricht und hinter sich lässt, um so in den grundlosen Grund zu gelangen, der Wurzel und Ursprung dieser Bestimmungen ist 51. Hier gebricht die Sprache, denn das lautere Wesen des Grundes ist das Namenlose 52. Dem entspricht auf der Seite des Lebens der Seele, wenn Meister Eckhart das Fünklein, also das, was der Mensch ursprünglich und eigentlich ist, das von allen Namen Freie und von allen Formen Bloße nennt 53. Der Durchbruch ist nicht die Eroberung eines Neuen, sondern die Rückkehr zu einem Ursprünglichen. Im Durchbrechen „bin ich, was ich war“ 54. Die Seele gelangt jedoch nicht dahin durch einen Aufstieg zu einem objektiven Punkt, sondern indem sie selbst das wird, wohin sie gelangt. Indem die Seele sich von allem absondert und alles negiert, wird sie selbst ein Eines, das nach Eckhart ausdrücklich etwas Lautereres ist als Gutheit und Wahrheit, weil es im Unterschied zu diesen zumindest gedanklich bereichernden Bestimmungen einer Sache nichts hinzufügt, sondern nur die Negation jeglicher Negation ausdrückt 55. Was die spekulative Transzendentalienmetaphysik die Negation der Negation nennt, das erscheint aus der Sicht des Lebemeisters als das einfaltig Eine des Fünkleins, das es dem Menschen ermöglicht, sich aus der Vielheit der Zerstreuungen zurückzuziehen und wieder ursprünglich zu werden 56. Deswegen muss der, „der Gott finden soll, Eins werden“ 57. Eins zu werden mit Gott bedeutet nicht nur die Vereinigung mit ihm. Deswegen unterscheidet Meister Eckhart 49
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Zur Neubestimmung der Übung bei Eckhart cf. bes. O. Langer, Mystische Erfahrung und spirituelle Theologie. Zu Meister Eckharts Auseinandersetzung mit der Frauenfrömmigkeit seiner Zeit (MTU 91), München 1987, 166 sqq. Cf. Pr. 81 (DW III, 401, 4-11). Cf. Pr. 69 (DW III, 178, 3-179, 7); cf. auch Pr. 73 (DW III, 261, 2 sqq.); Sermo LIV, n. 533 (LW IV, 448, 9-449, 3). Pr. 69 (DW III, 179, 5-6): „si brichet in den grunt […], daˆ güete und waˆrheit uˆzgaˆnde ist, ˆe ez daˆ deheinen namen gewinne, […]“; Pr. 7 (DW I, 122, 7-8): „und vellet uˆf luˆter wesen und nimet got bloˆz, als er aˆne namen ist.“ Cf. Pr. 2 (DW I, 40, 1-3). Pr. 52 (DW II, 505, 5). Die Selbstwerdung als Rückkehr zu einem Ursprünglichen ist gut dargestellt bei Ch. Steineck, Grundstrukturen mystischen Denkens, Würzburg 2000, 84 sq. Cf. bes. Pr. 21 (DW I, 361, 2 sqq.; 363, 1 sqq.). Auch in Pr. 71 (DW III, 221, 2-5) wird über die Bestimmungen des Lichtes, Seins und der Gutheit noch hinausgegangen - alle Beifügungen beiseite lassend -, um Gott als Eines zu erkennen. Cf. auch BgT (DW V, 41, 1 sqq.). Pr. 2 (DW I, 40, 3-4): „Ez ist soˆ gar ein und einvaltic, als got ein und einvaltic ist.“ Von dem edeln Menschen (DW V, 115, 5-6).
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dabei der strengen Terminologie des Neuplatonismus folgend - das ,Einswerden‘ und das ,Vereinigen‘ oder auch das ,einig Eine‘ und das ,Vereinte‘ 58. In der Vereinigung können die beiden Elemente noch ihr je eigenes Wesen bewahren. Da jedoch auch das Eine noch immer eine Form der Andersheit impliziert, muss die Vernunft, die Gott zunächst als Sein, Wahrheit und Gutheit genommen hatte, auch die Einheit negieren: „Wenn er nun weder Gutheit noch Sein noch Wahrheit noch Eins ist, was ist er denn? Er ist gar nichts, er ist weder dies noch das.“ 59 Gott muss so aus der Sicht der Transzendentalien-Metaphysik, gerade weil die Bestimmungen des Guten und der Wahrheit, aber auch der Person, des Geistes, Gottes usw. zu kurz greifen, in Übereinstimmung mit einer großen Tradition als ein Nichts, d. h. als überseiende Nichtheit begriffen werden. Eckhart spricht in diesem Sinne auch von dem Abgrund, der Wüste, der Einöde, der Stille, dem unergründlichen Meer, dem Grundlosen 60. Die Metaphysik des Lebemeisters sagt inhaltlich nichts anderes. Das höchste Leben der Seele besteht in der Demut, d. h. der Selbstvernichtung oder - wie Eckhart auch sagt - der Selbstverwerfung: „Wenn die Seele in das Eine kommt und darin eintritt in eine lautere Verwerfung ihrer selbst, so findet sie dort Gott als in einem Nichts“, und in diesem Nichts ward Gott geboren 61. Es kann kein Zweifel bestehen: Dem göttlichen Nichts - ein Begriff, der auf eine große Tradition der negativen Theologie zurückblicken kann - wird bei Eckhart aus der Sicht des Lebemeisters das Nichts der Seele oder vielmehr des reinen Geistes an die Seite gestellt. Denn Eckhart sagt ausdrücklich, dass das Sein des reinen Geistes darin besteht und wir deswegen „dahin kommen müssen, daß wir nichts sind“, dass wir „vom Etwas zum Nichts versinken“ 62. Man hat mit Recht darauf hingewiesen, dass es bei Eckhart eine „Applikation der negativen Theologie auf den Intellekt und Seelengrund“ gebe 63, also gewissermaßen eine negative Noologie. Nur muss dabei bewusst bleiben, dass Eck58
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Cf. BgT (DW V, 33, 8-9): „[…] daz wir mit im und in im ein würden, niht aleine vereinet“; Pr. 44 (DW II, 341, 9): „[…] als verre in gote […] niht vereiniget, meˆr: ez ist ein“; Pr. 23 (DW I, 401, 6): „wan ein daz ist eigenlıˆcher ein, dan daz daˆ geeinet ist.“ In der Predigt 12 (DW I, 197, 9) wird von dem ,Etwas in der Seele‘ gesagt, „daz ez ein ist und niht vereinet“. Cf. auch Pr. 65 (DW III, 101, 8-13). Zum neuplatonischen Unterschied zwischen dem ,schlechthin Einen‘ (a«plv˜ w eÕn) und dem ,Vereinten‘ (h«nvme¬non) cf. z. B. Proklos, In Parm., ed. V. Cousin, Opera, pt. 3, Paris 1864 (ND Hildesheim 1961), 1105. Pr. 23 (DW I, 402, 1-2). Pr. 83 (DW III, 442, 1-2): „ ,Got ist ein wesen‘ - es ist nit war: Er ist ein vber swebende wesen vnd ein vber wesende nitheit.“ Zu den anderen Bezeichnungen cf. Largier, Meister Eckhart: Werke I (nt. 40), 803. Pr. 71 (DW III, 224, 4-5). Zur Selbstvernichtung cf. auch Pr. 74 (DW III, 275, 4 sqq.). Pr. 76 (DW III, 322, 2-3); Pr. 83 (DW III, 448, 9). N. Largier, Theologie, Philosophie und Mystik (nt. 2), 706-707; cf. id., ,intellectus in deum ascensus‘. Intellekttheoretische Auseinandersetzungen in Texten der deutschen Mystik, in: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 69 (1995), 422-471, hier: 462 sq.
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hart auch damit auf eine alte neuplatonische Tradition zurückgreift, in der Negation und Selbstnegation zu den geistigen Übungen des theologischen Metaphysikers gehörten 64. Dieselbe Dialektik drückt Meister Eckhart durch das Motiv des mystischen Todes aus. Die Seele, die stirbt, hat das wahre Leben. Deswegen soll der Mensch ,toˆt sıˆn‘ 65. Es ist die metaphysische Übung des seit Ambrosius so genannten ,mystischen Todes‘ gemeint, durch die die Seele sich und der ganzen Welt abstirbt. Meister Eckhart kann auch sagen, dass „der mensche sol sich williclıˆche geben in den toˆt“ 66. Das erinnert an die speziell im Neuplatonismus und in der christlichen Philosophie kolportierte Unterscheidung zwischen dem physischen und dem ,willentlichen‘ Tod. Die traditionelle an Platon anknüpfende Philosophie hatte in diesem Sinne die Philosophie überhaupt als die ,Übung des Sterbens‘ verstanden 67. Meister Eckhart übernimmt diese Grundidee, verbindet sie aber mit einer Dialektik, die das Grundthema der spätantiken Philosophie - die Aufmerksamkeit auf sich selbst - im Innersten betrifft. Denn der Mensch soll so tot sein, dass er gar nicht mehr seiner selbst achtet. Das ist die wahre Selbstaufmerksamkeit, die auf sich als das partikuläre Individuum keine Acht mehr gibt, damit das wahre Selbst bewahrt bleibt 68. In ähnlicher Weise ist auch das Motiv der Übung der Selbstvergessenheit zu verstehen. Nicht nur die Dinge dieser Welt muss die Seele - getreu der bekannten Maxime Plotins „Die gute Seele ist vergeßlich“ (Enn. IV, 3, Ende) - zu vergessen üben, sondern auch und vor allem sich selbst. Wenn die Seele Gott erkennen will, „soˆ muoz si ir selber vergezzen und muoz sich selber verliesen“ 69. Die Selbstvergessenheit aber meint nicht die totale Unbewusstheit, sondern sie steht in den Diensten der wahren Selbsterkenntnis. Was vergessen werden soll, ist die partikuläre Individualität des Selbst, damit dieses in seiner eigentlichen Fülle erscheinen kann 70. Dieser Sinn des Begriffs der Selbstvergessenheit ist nicht neuplatonischen Ursprungs, wie man betonen muss. Denn da wie auch in der frühen christlichen Philosophie hat er ausschließlich einen pejorativen Sinn, indem er den Mangel an Selbsterkenntnis ausdrückt. Später jedoch, bei Bernhard von Clairvaux, den Viktorinern und mittelalterlichen Interpreten des Hoheliedes, kann der Begriff der Selbstvergessenheit 64
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Cf. Th. Kobusch, Negative Theologie als praktische Metaphysik, in: The´ologie ne´gative. Textes re´unis par M. M. Olivetti (Bibliotheca dell’ ,Archivio di Filosofia‘), Padova 2002, 185-200. Pr. 45 (DW II, 364, 5); cf. auch In Ioh., n. 533 (LW III, 464, 8-9); BgT (DW V, 21, 7-10). Pr. 8 (DW I, 134, 6). Zur mors mystica und anderen Todesbegriffen der spätantiken Philosophie cf. Th. Kobusch, Freiheit und Tod. Die Tradition der mors mystica und ihre Vollendung in Hegels Philosophie, in: Theologische Quartalschrift 164 (1984), 185-203; id., Der Tod. Elemente einer Begriffsgeschichte, in: G. Binder/B. Effe (eds.), Tod und Jenseits im Altertum (BAC 6), Trier 1991, 167179. Cf. Pr. 12 (DW I, 192-203). Pr. 68 (DW III, 149, 5-6). Zur Selbstvergessenheit cf. Pr. 79 (DW III, 370, 1 sqq.). Das ist der richtige Tenor der Darlegung bei Largier, Meister Eckhart: Werke I (nt. 40), 900902.
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durchaus auch einen positiven Sinn annehmen, insofern die Seele das an ihr, was zur Welt des Endlichen gehört, hinter sich lassen und vergessen soll, wenn sie ihr wahres Selbst finden will 71. Äquivalent ist dem mystischen Tod und der Selbstvergessenheit auch die Tugend der Gelassenheit. Die Gelassenheit meint jene Haltung, in der der Mensch alle Dinge dieser Welt hinter sich lässt und sie als ein Nichts, d. h. als für sein Selbst Unbedeutendes, ansieht. Es ist keine Weltverachtung oder Weltverneinung, die aus solchen Worten spricht. Denn die Welt ist dem gelassenen Menschen gerade wieder auf neue Weise zuteil geworden 72. Dieses Motiv des Loslassens der Dinge dieser Welt verrät ein weiteres Mal den Einfluss des Neuplatonismus. Plotin hat die Dialektik von Loslassen und Präsenz in neuer Weise durchdacht. Auch wenn Meister Eckhart das Thema der Gelassenheit gewissermaßen auf die Spitze treibt, indem er das Sichlassen als die höchste Tugend darstellt, bewegt er sich noch immer im Kontext der neuplatonischen Philosophie 73. Die Gelassenheit ist kein augenblickshaftes Erlebnis, sondern eine geistige Übung wie die anderen auch, durch die das menschliche Bewusstsein die Transformation seiner selbst vollzieht. Der gelassene Mensch ist der in der Gelassenheit geübte Mensch 74. Ihm ist alles zu Eigen, weil er auf alle Intentionalitäten verzichtet und in diesem Sinne alles ,Eigene‘ gelassen hat. Der gelassene Mensch ist der ,Mann ohne Eigenschaften‘ 75. Er handelt nicht, um etwas anderes zu erreichen. Insofern ist er intentionslos. Sein Handeln ist, wie Eckhart sagt, ,ohne Warum‘. Es hat seinen Sinn in sich selbst 76. Das ist das Göttliche am gelassenen Menschen, dass er, was er tut, um seiner selbst willen tut und so ohne Warum 77. Denn Gott hat keinen Zweck außerhalb seiner. Sein Sein ist, wie Eckhart aus der neuplatonischen Geistlehre gelernt hatte, das Warum, d. h. der Zweck alles anderen 78. Denkt man daran, dass schon im platonischen Dialog ,Gorgias‘ erstmals und nachhaltig eine teleologische Struktur des menschlichen Handelns fest71
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Zur Entwicklung des Begriffs der Selbstvergessenheit siehe den glänzenden Artikel von M. Laarmann, Selbstvergessenheit, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, vol. 9, eds. J. Ritter/K. Gründer, Basel 1995, 545-551. Cf. Pr. 42 (DW II, 306, 2-5). Cf. Pr. 28 (DW II, 61, 1-11). Zum neuplatonischen Hintergrund cf. Th. Kobusch, Mystik als Metaphysik des moralischen Seins. Bemerkungen zur spekulativen Ethik Meister Eckharts, in: K. Ruh (ed.), Abendländische Mystik im Mittelalter. Symposion Kloster Engelberg (Germanistische Symposien-Berichtsbände 7), Stuttgart 1986, 49-62, hier: 60-61. Bei Plotin, Enn. III, 8, 9, 30 ist vom ,Zurückweichen‘ und ,Sichlassen‘ des Geistes die Rede (oi√on eiœw toyœpi¬sv aœnaxvrei˜n kai¡ oi√on e«ayto¡n aœfe¬nta …). Cf. Pr. 12 (DW I, 203, 1-5). Cf. auch Largier, Meister Eckhart: Werke I (nt. 40), 879, 959 sqq. Zum mystischen Hintergrund in der literarischen Wiedergeburt des Begriffs der Eigenschaft in R. Musils Roman cf. J. Schmidt, Ohne Eigenschaften. Eine Erläuterung zu Musils Grundbegriff, Tübingen 1975, 46 sqq. Cf. Pr. 28 (DW II, 59, 6-7). Sermo IV/1, n. 21 (LW IV, 22, 12): „[…] quia deus, et per consequens homo divinus, non agit propter cur aut quare.“ Cf. auch die vielen dort aufgeführten Parallelstellen. Cf. Meister Eckhart, In Ioh., n. 50 (LW III, 41, 11-12): „Non habet quare, sed ipsum est quare omnium et omnibus.“ Nach Plotin VI, 7, 2, 4 hat der Geist zwar ein ,Dass‘, aber kein ,Warum‘.
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gelegt worden ist, so wird man Meister Eckharts Lehre vom Handeln des gelassenen, intentionslosen, keine äußeren und inneren Zwecke verfolgenden Menschen als die erste laute Kritik an der von Platon ins Spiel gebrachten, in der aristotelischen Tradition aber fortgesetzten Idee verstehen müssen. Schließlich hat Meister Eckhart die Selbstwerdung der Seele auch in dem Motiv des Ichs, genauer gesagt: der Ichwerdung, ausgedrückt. Schon im Zusammenhang der Metaphysik des Lesemeisters war festgestellt worden, dass das Wort ,ich‘ niemand außer Gott selbst im eigentlichen Sinne aussprechen kann 79. Auf der anderen Seite sagt Eckhart selbst, dass ,alle Kreaturen‘ von sich als ,ich‘ sprechen könnten 80. Der Sinn kann nur sein, dass das Geschaffene als solches nur im uneigentlichen Sinne ,ich‘ sagen kann. Eigentlich kann der Mensch nur dann Ich sein und von sich als ,ich‘ sprechen - das ist die große These der Predigt 77 -, wenn sich die Seele von diesem Geschaffenen befreit, sich damit ihrer partikulären Individualität entledigt und so wieder wird, was sie ursprünglich war: der Seelengrund, der eins ist mit der Lauterkeit des göttlichen Seins. Die Seele wird so wahrhaft ein Ich, indem sie ihr partikuläres Ich verwirft. Es ist ein allgemeines Ich, von dem Eckhart in affirmativer Weise spricht 81. Denn wenn das ,Eigene‘ abgelegt und das Persönliche negiert ist, erscheint das Allgemeine. „Je edler etwas ist, um so allgemeiner ist es.“ 82 Was so durch die geistigen Übungen der Selbstvernichtung und Selbstnegation zuletzt entdeckt wird, ist nichts anderes als das wahre Selbst, das allgemeine Ich oder - wie Eckhart auch sagt - die Vernunft selbst, freilich nicht als Naturding, d. h. als natürliches Seelenvermögen, verstanden, sondern als ein ,Höheres‘, nämlich als Seelengrund 83. Sie kommt zu sich selbst, insofern sie ,sich‘ als Natur transzendiert 84. Der Prozess der Ichwerdung, welcher der Gegenstand des Lebemeisters ist, meint also die Entwicklung der Seele zur reinen Vernunft. Nirgendwo ist der Einfluss jener spätantiken Metaphysiktradition, die ich an anderer Stelle praktische Metaphysik genannt habe, deutlicher zu spüren als an dieser Stelle des Eckhart’schen Gedankengangs. Denn mögen die neuplatonischen Lehren von der Vereinigung mit dem Einen und die christliche Metaphysik des Hoheliedes auch noch so verschieden sein, darin stimmen sie jedoch überein, dass Metaphysik nicht mehr als die unbeteiligte Schau des Unbewegten Bewegers gedacht werden kann, sondern als praktische Kontemplation begriffen werden muss, in der sich das betrachtende Subjekt selbst verändert, indem die 79 80 81
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Cf. Pr. 28 (DW II, 68, 4-5). Cf. Pr. 79 (DW III, 365, 10-11). Wie auch die Pr. 28 (DW II, 63, 6-7) zeigt, ist das Unverwechselbare und Inkommunikable der einzelnen Person in dem Ich aufgehoben, „als verre als ich ein mit im bin“. Pr. 4 (DW I, 66, 8-9). Das Göttliche ist nach Eckhart das Allgemeine: cf. In Ioh., n. 528 (LW III, 459, 12-460, 1); cf. auch ibid., n. 103 (LW III, 88, 13-89, 2); Sermo VI/1, n. 53 (LW IV, 52, 3-6); In Gen. II, n. 86 (LW I, 548, 12): „necessario est quid commune omnibus.“ Cf. In Eccli., n. 10 (LW II, 240, 1-3). Cf. Sermo LIV/2, n. 532 (LW IV, 448, 3-8); Pr. 41 (DW II, 296, 2-3): „daz si über sich komen muoz, sol si ein werden in dem sune.“
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Seele - wie Plotin sagt - zum Geist und zum Einen ,wird‘, oder, wie z. B. Gregor von Nyssa in seinem Hoheliedkommentar ausführt, die Angleichung an Gott durch eine Transformation ihrer selbst vollzieht 85. Die Metaphysik des Lebemeisters ist die Fortsetzung dieser Tradition, in der die Metaphysik als eine geistige Übung, als die Übung der Gottangleichung oder Gottwerdung, verstanden wird. Schon immer ist aufgefallen, dass Eckhart in einer Universitätspredigt des Jahres 1302, in der die Philosophie im Sinne der boethianischen Tradition in Mathematik und Physik und Theologie eingeteilt wird, die Ethik mit der Theologie (,ethica sive theologia‘) gleichstellt 86. Kann man deutlicher ausdrücken, dass wir es mit einer Form der praktischen Metaphysik zu tun haben?
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Cf. dazu Kobusch, Metaphysik als Lebensform (nt. 22). Cf. Sermo die b. Augustini Parisius habitus, n. 2 (LW V, 90). Cf. dazu auch J. A. Aertsen, Meister Eckhart: Eine außerordentliche Metaphysik, in: Recherches de The´ologie et Philosophie me´die´vales 66 (1999), 1-20, hier: 17; ferner den Beitrag von A. Speer in diesem Band, 3-33.
Zwischen Einheitsmetaphysik und Einheitshermeneutik: Eckharts Maimonides-Lektüre und das Datierungsproblem des ,Opus tripartitum‘ Yossef Schwartz (Tel Aviv) I. Die Maimonides-Zitate Eckhar ts unter Ber ücksichtigung der Chronologie seiner Schriften Eine der wichtigsten Thesen, die in der letzten Generation über ,Meister Eckhart in Erfurt‘ aufgestellt wurden, ist diejenige von Loris Sturlese über die frühe Entstehung des ,Opus tripartitum‘ während der Zeit unmittelbar nach dem ersten Parisaufenthalt, als Eckhart in Erfurt war 1. Im Folgenden möchte ich das ,Opus tripartitum‘ als Lebensprojekt Eckharts darstellen - ein Projekt, das sehr wahrscheinlich in seiner Erfurter Zeit anfing, das aber bis etwa zu der Zeit seines Kölner Prozesses weiterlief. Als einen der wichtigsten Belege für die Entstehung des ,Opus tripartitum‘ werde ich Eckharts Rezeption von Maimonides vorführen. Dabei möchte ich den von Ernst Reffke 1938 eröffneten Diskurs wieder aufnehmen 2, in dem den Zitaten aus dem ,Führer der Unschlüssigen‘ in den
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Cf. L. Sturlese, Meister Eckhart in der Bibliotheca Amploniana. Neues zur Datierung des ,Opus tripartitum‘, in: A. Speer (ed.), Die Bibliotheca Amploniana. Ihre Bedeutung im Spannungsfeld von Aristotelismus, Nominalismus und Humanismus (Miscellanea Mediaevalia 23), Berlin-New York 1995, 434-446, bes. 443. Auch die folgenden Veröffentlichungen Sturleses sind relevant, auch wenn sie nicht unbedingt untereinander kohärent sind: Un nuovo manoscritto delle opere latine di Eckhart e il suo significato per la ricostruzione del testo e della storia dell’Opus tripartitum, in: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie 32 (1985), 145-154; id., Die Kölner Eckhartisten. Das Studium generale der deutschen Dominikaner und die Verurteilung der Thesen Meister Eckharts, in: A. Zimmermann (ed.), Die Kölner Universität im Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 20), Berlin-New York 1989, 192-211; id., Meister Eckhart. Ein Porträt (Eichstätter Hochschulreden 90), Regensburg 1993; id., Zur Stemmatik der offenen Tradition. Überlegungen zur Edition der drei Fassungen von Meister Eckharts ,Opus tripartitum‘, in: editio 6 (1992), 26-63; Kurt Ruh vertrat zuerst die These der späten Datierung: cf. K. Ruh, Meister Eckhart. Theologe, Prediger, Mystiker, München 1985, 72. Im dritten Band der ,Geschichte der abendländischen Mystik‘ von 1996 stellte er die Ergebnisse Sturleses als unverrückbare Tatsache dar: cf. id., Geschichte der abendländischen Mystik, vol. 3: Die Mystik des deutschen Predigerordens und ihre Grundlegung durch die Hochscholastik, München 1996, 290 sq. Cf. E. Reffke, Studien zum Problem der Entwicklung Meister Eckharts im Opus tripartitum, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 57 (1938), 19-95, hier: 81 sqq.
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lateinischen Werken Eckharts ein besonderer Platz eingeräumt wird, wobei ich zu prüfen versuche, inwieweit seine Forschungsergebnisse auf der Basis neuerer Daten zu bestätigen oder derart zu aktualisieren sind, dass, obwohl sich seitdem die Forschungslage verändert hat - nicht zuletzt durch die Entdeckungen und Aufsätze Loris Sturleses -, es noch immer gerechtfertigt ist, auf einige der Einsichten Reffkes zurückzugreifen 3. Um es deutlich zu sagen: Maimonides ist in den Eckhart’schen Schriften beinahe nur im ,Opus tripartitum‘ wahrnehmbar, das seinerseits als Eckharts systematischstes und umfangreichstes Werk gilt 4. Dieses Werk entstand zweifellos in verschiedenen Arbeitsphasen, was die verschiedenen Handschriften zeigen. Die eindeutigste und systematischste Änderung zwischen den frühen und den späteren Arbeitsphasen hat mit der Rezeption von Maimonides zu tun, wie aus einem Vergleich zwischen der frühen, in der Erfurter Zeit entstandenen Handschrift E und den späten Manuskripten deutlich hervorgeht. Der Vergleich zwischen E und CT (seit 1985 auch Handschrift L) zeigt nämlich eindeutig, dass der Einfluss des Maimonides zugenommen hat 5. Darüber hinaus lassen sich große Unterschiede in der Maimonides-Rezeption in den verschiedenen Abhandlungen des ,Opus tripartitum‘ ausmachen. In den Kommentaren zu Genesis und Exodus und im Prolog zum ,Liber parabolarum Genesis‘ wird der Name des Maimonides am häufigsten erwähnt. In der ,Expositio Libri Sapientiae‘ kommt er dagegen weniger häufig vor und im ,Liber parabolarum Genesis‘ selbst sowie im Johanneskommentar noch weniger. In den allgemeinen Prologen wird sein Name nicht erwähnt. So meine ich, dass die Abhandlungen, in denen der Einfluss der Schriften Maimonides’ auf die Lehre Eckharts dominant wird, der letzten Phase seines Werkes angehören. Demnach lag die intensive Auseinandersetzung mit der maimonidischen Gedankenwelt zeitlich hinter der Niederschrift der Handschrift E, die - anders als die später entstandenen Handschriften - noch eine frühe Fassung der Genesiskommentare und des Exoduskommentars überliefert 6. 3
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Cf. dazu Y. Schwartz, ,To Thee is Silence Praise‘: Meister Eckhart’s Reading in Maimonides’ Guide of the Perplexed, Tel Aviv 2002 (Hebräisch); G. K. Hasselhof, Dicit Rabbi Moyses: Studien zum Bild von Moses Maimonides im lateinischen Westen vom 13. bis zum 15. Jahrhundert, Würzburg 2004, 205-214. Cf. den Kommentar von N. Largier in: id. (ed.), Meister Eckhart: Werke II (Bibliothek des Mittelalters 21), Frankfurt a. M. 1993, 816: „Die lateinischen Werke Eckharts […] sind praktisch in ihrer Gesamtheit unter der Perspektive des Opus tripartitum zu sehen.“ Cf. Sturlese, Zur Stemmatik (nt. 1), 29 sqq., 40-41. Es könnte zwar sein, dass Eckhart die Ideen des Maimonides schon zuvor gekannt hat, doch blieb diese frühe Begegnung - ob durch eigene Lektüre im ,Führer der Unschlüssigen‘ oder aus zweiter Hand - im damals üblichen Rahmen, ging also nicht über seine scholastischen Vorgänger hinaus, wie die Untersuchung der Zitate aus dem ,Führer der Unschlüssigen‘ in Eckharts Johanneskommentar zeigt. Die fünf Stellen, an denen Maimonides erwähnt wird, nehmen Bezug auf die Abhandlung über die Keimparabel, die Gründe, weshalb man die Masse nicht über die metaphysischen Wahrheiten aufklären soll, sowie die Natur der Materie und schließen eine kurze Anmerkung über Maimonides’ Besprechung des Traums Jakobs von der Himmelsleiter ein. Das Konnotationsfeld ist hier noch deutlich begrenzt.
Zwischen Einheitsmetaphysik und Einheitshermeneutik
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Bei dieser späten Rezeption spielt Maimonides’ Auffassung von der Einheit Gottes eine wichtige Rolle. Sowohl in den Listen der Zensoren als auch im 23. Abschnitt der Bulle des Papstes Johannes XXII. 7 werden Maimonides’ Ausführungen im ,Führer der Unschlüssigen‘ I, 50-51, über die absolute Einheit Gottes, die jenseits jeglicher Teilung und Vielfalt steht 8, aus den Schriften Eckharts (Exoduskommentar) zitiert 9. Dieser Satz über die Einheit Gottes markiert einen Knotenpunkt, denn er stellt ein zentrales Thema im theologischen Streitgespräch zwischen den kirchlichen Autoritäten und Eckhart dar, wie es sich bei der Lektüre der verschiedenen Anklageschriften und der Verteidigungsschrift Eckharts nachvollziehen lässt, wobei beide Seiten den jüdischen Ursprung des Zitats nicht als Tatsache betrachten, die irgendeine Bedeutung für die sachliche Auseinandersetzung zwischen ihnen hat. Der Satz erscheint schon in der frühesten Liste, die dem Bischof von Köln im August 1325 und im September 1326 vorgelegt wurde. In dieser Liste wurden auch der Name des Maimonides und die genaue Stellenangabe explizit erwähnt. Jedoch haben die Zensoren offensichtlich den in diesen von ihnen zitierten - Zeilen ausgedrückten Gedanken nicht mit Maimonides, sondern mit Eckhart in Verbindung gebracht. Noch wichtiger ist, dass Eckhart selbst sich der ihm aufgezwungenen Auseinandersetzung nicht mit dem relativ einfachen Argument zu entziehen sucht, der zitierte Satz bringe nicht seine, sondern Maimonides’ Ansicht zum Ausdruck. Auch bemüht sich Eckhart nicht, das Argument zu ignorieren, sondern versucht die ihm zugesprochene These zu
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Die lateinischen Werke Eckharts wie auch die deutsche Übersetzung zitiere ich nach der Kohlhammer-Ausgabe: Die lateinischen Werke, voll. 1-5, eds. K. Weiß/K. Christ/E. Benz/J. Koch, Stuttgart 1936 sqq. Cf. Acta Echardiana, n. 46 (= Proc. Col. I, n. 46), in: LW V, 214, 13-17: „ ,Deus est unus, ,[…] extra intellectum‘, ut ait Rabbi Moyses l. I c. 50. Qui enim ,duo‘ […]‘ “; cf. auch LW V, 313, 16-24; Reffke, Studien (nt. 2), 85. Cf. Salomon Munk (ed.), Dala¯lat al-Ha¯’irı¯n, Jerusalem 1931, 74, 25-77, 15; Dux seu director dubitantium aut perplexorum, ed. Justiniani, Parisiis 1520, c. 49-50, fol. 18r-18v; Führer der Unschlüssigen I, 50, übersetzt von A. Weiß, Leipzig 1923, 153 (die Werke des Maimonides werden im Folgenden aus diesen drei Ausgaben zitiert): „Wenn […] du es als wahr erkennst, daß Gott Einer ist, nämlich die wahre Einheit, so daß du einsiehst, es gebe in ihm schlechterdings keine Zusammensetzung, und es sei auch bei ihm an keine Art von Teilbarkeit zu denken […]“; Führer der Unschlüssigen I, 51, 157-158: „Es gibt aber überhaupt keinen Glauben an die Einheit Gottes außer dem Glauben an ein einziges, einfaches Wesen, bei dem keine Zusammensetzung und keine Vielheit von Bestimmungen denkbar ist, sondern nur einen Begriff, welchen du, du magst ihn von welcher Seite immer betrachten oder von welchem Gesichtspunkte immer prüfen, nur als Einen befindest, der in keiner Weise und aus keinem Grunde in zwei Begriffe geteilt werden kann, und bei welchem es weder außerhalb noch innerhalb des Denkens eine Vielfalt geben kann […].“ Cf. H. S. Denifle, Acten zum Processe Meister Eckharts, in: Archiv für Litteratur- und Kirchengeschichte 2 (1886), 616-640, hier 638: „Vicesimustertius articulus. Deus est unus omnibus modis et secundum omnem rationem, ita ut in ipso non sit invenire aliquam multitudinem in intellectu vel extra intellectum; qui enim duo videt vel distinctionem videt, deum non videt, deus enim est extra numerum et supra numerum, nec ponit in unum cum aliquo.“
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verteidigen 10. All dies rechtfertigt eine detailliertere Untersuchung der kirchlichen Auseinandersetzung mit den Schriften Eckharts unter dem Aspekt des Einflusses Maimonides’ auf sein Denken. Zur Zeit der Veröffentlichung der Kohlhammer-Ausgabe hielt die Forschung die chronologische Reihenfolge der überlieferten Abhandlungen des ,Opus tripartitum‘ für richtig, die sich aus ihrer Anordnung in Handschrift CT ergibt. Die Annahme, die Prologe seien zu Beginn der Arbeit am ,Opus tripartitum‘ verfasst worden, wurde von Sturlese aufgrund des synoptischen Vergleichs der verschiedenen Handschriften erneut bestätigt 11. Der Johanneskommentar wird in der Regel für den zuletzt entstandenen Kommentar gehalten. Diese Annahme stützt sich vor allem auf eine Analyse des Stils und der Inhalte und wird durch die Auffassung bestätigt, Eckhart habe im Johanneskommentar hinsichtlich Systematik und Klarheit den Höhepunkt seines Werkes erreicht. Die Forschung ging aufgrund der Analyse von Inhalt und Begrifflichkeit davon aus, dass der Johanneskommentar parallel zum ,Liber parabolarum Genesis‘ geschrieben wurde 12. Letzterer wiederum wird als der spätere unter den beiden Kommentaren angesehen, die Eckhart zum Buch Genesis verfasst hat. In diesem ,zweiten‘ Kommentar zur Genesis wich Eckhart schon vom ursprünglichen Entwurf des Werkes ab und begann ein neues Werk, das er allerdings nicht weitergeführt hat. Dies sollte ein neues, parabolisches Kommentarwerk für das gesamte Alte sowie Neue Testament werden. Dieses relativ einfache Schema erhält jedoch andere Dimensionen und wird um einiges komplizierter, wenn man berücksichtigt, dass das ,Opus tripartitum‘ als Ganzes mehrere Entstehungs-, Schreib- und Redaktionsphasen durchlief, wie schon die Analyse der Entwicklungen, die sich zwischen E und CT abzeichnen, zeigt. Mit der Analyse von Handschrift L - in der sich eine weitere Fassung der Prologe und der beiden Genesiskommentare befindet - wurde dieses Entstehungsschema noch weitgehender modifiziert. Sie ermöglicht eine Revision der Reihenfolge der Werke im ,Opus tripartitum‘, so dass der Johanneskommentar und der ,Liber parabolarum Genesis‘ einer früheren Phase, die späten Fassungen des sog. Ersten Genesiskommentars und des Exoduskommentars dagegen der abschließenden Phase zuzuordnen sind. Tatsächlich kann Eckharts Lektüre von Maimonides Auskunft über die komplexe Entstehung des ,Opus tripartitum‘ bieten. Die erwähnten MaimonidesZitate aus dem Prozess Eckharts sind schon ein Beleg für eine spätere Beschäftigung Eckharts mit den Ideen des Maimonides. Datiert man den ,Liber parabolarum Genesis‘ auf eine späte Entstehungsphase des ,Opus tripartitum‘, so ist der Prolog, in dem Maimonides’ Hermeneutik verarbeitet wird, ein zweiter Beleg 10
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Cf. L. Sturlese (ed.), Mag. Echardi Responsio ad articulos sibi impositos de scriptis et dictis suis (LW V, 291, 10-12): „Ad decimum cum dicitur: ,Deus est unus omnibus modis et secundum omnem rationem‘ etc. Dico quod verum est sicut iacet et consonat scripturae canonis, sanctorum et doctorum.“ Cf. Sturlese, Zur Stemmatik (nt. 1), 27 sqq. Cf. K. Weiß, Zur Einführung, in: LW I, 10 sqq.
Zwischen Einheitsmetaphysik und Einheitshermeneutik
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für Eckharts späte Maimonides-Lektüre. Auch und gerade die Rezeption von Maimonides’ Einheitshermeneutik scheint mir wichtig, um die Entstehung des ,Opus tripartitum‘ zeitlich zu bestimmen 13. Mit Einheitshermeneutik meine ich die Einheit zwischen der intentio auctoris und der intentio lectoris als führendes interpretatorisches Prinzip. Diese Einheit wird im Inneren des Texts erreicht, wobei dessen äußerer literaler bzw. historischer Sinn keine Bedeutung mehr hat. Die wahre intentio textus besteht in einem mystischen hermeneutischen Ereignis, das philosophisch gedacht und in philosophischer Sprache formuliert wird. Die hermeneutische Dichotomie, die Maimonides beschreibt, liegt nämlich nicht in der Diskrepanz zwischen einem sensus historicus und einem sensus allegoricus, sondern zwischen Außen und Innen als zwei Ebenen der Schrift, wobei die äußere Schicht (sensus historicus, bzw. literalis) für wertlos und irreführend und die innere Schicht für wahr gehalten wird. So kann der Philosoph als Leser dem Philosophen als Schriftsteller ohne die Vermittlungsfunktion des Textes begegnen - der Text wird in diesem metasprachlichen intellektuellen Ereignis ausgelegt. Von Allegorie kann hier nur im Sinne einer paulinischen pneumatischen Deutung der Schrift die Rede sein. Diese Einheitshermeneutik bestimmt den ,Prologus in liber parabolarum Genesis‘, der seinerseits als Kommentar zu Maimonides’ Einleitung im ,Führer der Unschlüssigen‘ gelesen werden kann 14. In diesem Prolog unternimmt Eckhart eine systematische Darstellung seiner hermeneutischen Prinzipien, die seine Interpretationen leiten 15. Ist im ,Allgemeinen Prolog‘ eine Art exegetische Reduktion zu erkennen, die auf der Autonomie der verschiedenen Diskursebenen und 13
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Cf. Schwartz, ,To Thee is Silence Praise‘ (nt. 3), 108-128; id., Meister Eckharts Schriftauslegung als maimonidisches Projekt, in: G. K. Hasselhof/O. Fraisse (eds.), Moses Maimonides (11381204) - His Religious, Scientific, and Philosophical Wirkungsgeschichte in Different Cultural Contexts (Ex Oriente Lux 3), Würzburg 2004, 173-208. Cf. K. Flasch, Die Intention Meister Eckharts, in: Sprache und Begriff. FS für B. Liebrucks, Meisenheim am Glan 1974, 292-318, hier 307: „Für sein Programm einer philosophierenden Schriftauslegung ist Eckhart Moses Maimonides verpflichtet.“ Zu Eckharts hermeneutischer Methode im Allgemeinen cf. J. Koch, Sinn und Struktur der Schriftauslegungen Meister Eckharts, in: id., Kleine Schriften I (Storia e letteratura; Raccolta di studi e testi 127), Rom 1973, 399-428; E. Winkler, Exegetische Methoden bei Meister Eckhart (Beiträge zur Geschichte der biblischen Hermeneutik 6), Tübingen 1965; K. Weiß, Die Hermeneutik des Meister Eckhart, in: Studia Theologica 21 (1967), 1-12; D. F. Duclow, Hermeneutics and Meister Eckhart, in: Philosophy Today 28 (1984), 36-43; id., Meister Eckhart on the Book of Wisdom: Commentary and Sermons, in: Traditio 43 (1987), 215-235; W. Goris, Prout iudicaverit expedire: Zur Interpretation des zweiten Prologs zum Opus expositionum Meister Eckharts, in: Medioevo 20 (1994), 233-278; id., Einheit als Prinzip und Ziel. Versuch über die Einheitsmetaphysik des Opus tripartitum Meister Eckharts (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 59), Leiden-New York-Köln 1997, 9-51; R. Imbach, La filosofia nel prologo di S. Giovanni secondo S. Agostino, S. Tommaso e Meister Eckhart, in: D. Lorenz/S. Serafini (eds.), Studi 1995, Roma 1995, 161-182. Die umfassendste Forschungsarbeit über Eckharts Hermeneutik und deren Quellen hat Winkler unternommen. Er untersucht die Interpretationsmethode Eckharts und versucht ihn in die scholastische Tradition der Auslegung zu stellen, wobei er den Einfluss Maimonides’ nur in geringem Maße berücksichtigt.
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gleichzeitig auf wechselseitigen Beziehungen zwischen ihnen beruht 16, so rückt im vorliegenden Prolog die Schriftauslegung in den Vordergrund. Weder metaphysische Thesen (,Opus propositionum‘) noch scholastische Diskussionen (,Opus quaestionum‘) werden hier erörtert, und aus dem Kontext wird deutlich, dass an den autonomen Diskursebenen kein Bedarf mehr besteht, weil sie unmittelbar aus den Bibelversen herauszulesen sind, die diese Ebenen implizieren. Tatsächlich kommen in den überlieferten Schriftauslegungen Sätze vor, die man bei Redaktionsarbeiten einem unabhängigen Werk von Propositionen hätte beifügen können. Sie enthalten auch Textpassagen, die als Fragmente eines unvollständigen Quästionenwerks interpretiert werden können. All das scheint die These zu bestätigen, dass die aufgezeigte Diskrepanz zwischen Entwurf und Endfassung nicht vom Material, das entweder gar nicht geschrieben wurde oder aber geschrieben wurde und anschließend verloren ging, determiniert war, sondern auf eine grundsätzliche Absichtsänderung des Verfassers in Bezug auf den Charakter seines Werkes zurückzuführen ist. Das hermeneutische Programm des ,Opus tripartitum‘, wie es im ,Allgemeinen Prolog‘ erscheint, und die Struktur des ,Opus‘, wie es überliefert wurde, zeugen von zwei unterschiedlichen Entwürfen, wobei jeder von ihnen eine andere Hermeneutik impliziert. Anders dagegen verhält es sich mit der überlieferten Fassung des ,Opus tripartitum‘ und dem hermeneutischen Programm des ,Prologus in liber parabolarum Genesis‘, die miteinander übereinstimmen. So ist, meine ich, der ,Prologus in liber parabolarum Genesis‘ ein alternativer Entwurf für das ,Opus tripartitum‘ selbst und nicht der Entwurf für ein neues Werk, das an die Stelle des alten treten sollte, oder anders gesagt: Wenn es um ein alternatives Werk Eckharts geht, so ist das ,Opus tripartitum‘ in seiner überlieferten Fassung schon dieser neue Entwurf. Im Gegensatz zu den allgemeinen Prologen, die geschrieben wurden, noch bevor Eckhart die Arbeit am Werk selber aufnahm, scheint der Prolog zum ,Liber parabolarum Genesis‘ entstanden zu sein, als der Kommentar, dem er vorangeht, schon abgeschlossen war. Chronologisch ist er deshalb parallel zur späten Erweiterung der Kommentare zu Genesis und Exodus anzusetzen, die unter dem Einfluss des maimonidischen Denkens steht 17. Das bedeutet, dass das ,Opus tripartitum‘ weder als ,frühes‘ Werk anzusehen ist, das abgebrochen wurde, wie Sturlese und Ruh behaupten, noch als ,spätes‘ Werk, das der Magister mit über 50 Jahren zu schreiben begann, wie zuvor angenommen wurde. Es handelt sich vielmehr um ein regelrechtes Lebenswerk 16
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Prol. gen. in op. trip., n. 11 (LW I, 156, 4-7): „Tertio et ultimo est praenotandum quod opus secundum, similiter et tertium sic dependent a primo opere, scilicet propositionum, quod sine ipso sunt parvae utilitatis, eo quod quaestionum declarationes et auctoritatum expositiones plerumque fundantur supra aliquam propositionum.“ In den Arbeiten von Reffke und Liebeschütz lassen sich intuitiv bestätigende Formulierungen finden, wenn sie in der Hermeneutik das zentrale Feld der Auseinandersetzung Eckharts mit der Lehre Maimonides’ sehen. Cf. Reffke, Studien (nt. 2), 90 sqq.; H. Liebeschütz, Meister Eckhart und Moses Maimonides, in: Archiv für Kulturgeschichte 54 (1972), 64-96, hier: 70 sqq.
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(eine Art ,work-in-progress‘), an dem Eckhart über eine lange Zeitspanne hinweg, welche die Hälfte seiner akademischen Tätigkeit umfasst, gearbeitet hat. So erklärt sich, weshalb es verschiedene Fassungen gibt, in denen sich dieser anhaltende schriftstellerische Prozess widerspiegelt. Der entscheidende Zeitpunkt ist wahrscheinlich sein zweites Pariser Magisterium, als Eckhart seine Kenntnis von Maimonides vertiefte. Dass das Manuskript E noch früher, in seiner Erfurter Zeit, entstanden sein soll, entspricht dieser Chronologie. Denn dann ist die Begegnung mit Maimonides das wichtigste Ereignis im Übergang von E zu CT. Der ,Prologus generalis‘ wurde in Erfurt verfasst. Der ,Prologus in liber parabolarum Genesis‘ entstand dagegen in Straßburg. Um diese allgemeine Aussage zu präzisieren, möchte ich nun die Passagen im ,Opus tripartitum‘, in denen Maimonides expressis verbis genannt wird oder eine Stellenangabe aus dem ,Führer der Unschlüssigen‘ verzeichnet ist, auflisten. In der im Anhang I stehenden Tabelle sind einige Schriften aus dem ,Opus tripartitum‘ (die verschiedenen Prologe, Erster Genesiskommentar, ,Liber parabolarum Genesis‘, Exoduskommentar, Johanneskommentar, Auslegung des Buchs der Weisheit und zu Ecclesiasticus) aufgeführt sowie eine Reihe heidnischer (Aristoteles, Proklos), christlicher (Augustinus, Dionysius, Boethius, Thomas), muslimischer (Ibn Sina, Ibn Rushd) und jüdischer (Ibn Gabirol, Maimonides) Autoren und die Anzahl der Bezugnahmen auf dieselben in den jeweiligen Schriften 18. Meine Untersuchung hat gezeigt, dass sich Eckhart am häufigsten auf Augustinus, Aristoteles und Maimonides bezieht, dann auf Avicenna, Thomas und Boethius. Wenn man das unterschiedliche Verhältnis der Quellen in der Annahme der Chronologie Johanneskommentar - ,Liber parabolarum Genesis‘ Genesiskommentar - Exoduskommentar betrachtet, kommt man zu folgenden Ergebnissen: Im Johanneskommentar sowie im Zweiten Genesiskommentar wird Maimonides jeweils nur fünf Mal erwähnt, dagegen wird er im Prolog zum Zweiten Genesiskommentar, der unter dem Einfluss der hermeneutischen Grundsätze des ,Führer(s) der Unschlüssigen‘ steht, beinahe so oft erwähnt wie Augustinus (drei zu vier Mal). Im Genesiskommentar gibt es 39 Bezugnahmen 18
Eckhart bezieht sich auf zahlreiche weitere Autoren, jedoch sehr viel seltener als auf die, die in meiner Tabelle (siehe Anhang) aufgelistet sind. Zwar ergibt sich aus den aufgeführten Zahlen kein vollständiges Zitaten-Bild, doch wird damit der Hauptanteil der Zitate erfasst. Das Verhältnis zwischen den Bezugnahmen auf die von mir untersuchten Autoren und anderen Quellen Eckharts in den jeweiligen Schriften wird besonders klar, wenn man in der erwähnten Tabelle die Spalte der ,Expositio Libri Sapientiae‘ betrachtet, die eine Übergangsphase zwischen Zweitem Genesis- und Johanneskommentar einerseits und Erstem Genesis- und Exoduskommentar andererseits darstellt. In diesem Kommentar werden von Eckhart 34 (!) Autoren namentlich erwähnt, darunter werden 22 weniger als fünf Mal genannt. Die Namen der zehn hier untersuchten Autoren erscheinen 169 Mal, während die Namen der übrigen 24 nur siebzig Mal auftauchen. Über die verschiedenen Quellen Eckharts in seinen philosophischen und hermeneutischen Schriften cf. K. Weiß, Meister Eckharts philosophische und theologische Autoritäten, in: Studia Theologica 21 (1967), 1-12.
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auf Maimonides, was einem Fünftel aller überprüften Zitate entspricht, im Exoduskommentar sogar 55, womit ein Drittel aller Zitate in diesem Kommentar aus Maimonides’ Schriften stammt. Das zeigt eine Wende im Denken Eckharts, die im Prolog zum Zweiten Genesiskommentar deutlich wird 19. Zwar zitiert Eckhart in allen Abhandlungen, die das ,Opus tripartitum‘ ausmachen, aus allen Teilen des ,Führer(s) der Unschlüssigen‘ 20, doch handelt es sich bei den wenigen Zitaten im Johanneskommentar und im Zweiten Genesiskommentar um Formulierungen von Gedanken, auf die sich schon lateinische Verfasser vor Eckhart bezogen haben 21. Eckhart zitiert Maimonides weit öfter 19
20
21
Reffke, Studien (nt. 2), war der Meinung, diese Wende, die mit der Auseinandersetzung Eckharts mit dem ,Führer der Unschlüssigen‘ einhergeht, sei im Verlauf der Arbeit am Ersten Genesiskommentar eingetreten, doch kann er aufgrund dieser zeitlichen Festlegung nicht erklären, warum der tief gehende Einfluss Maimonides’ sich in diesem Teilwerk niederschlägt, dann aber sofort wieder verschwindet. Die Liste der Kapitel, die Eckhart in den verschiedenen Teilen des ,Opus‘ als Quellen angibt und die ich im Folgenden anführe, unterscheidet sich von derjenigen, die Josef Koch erstellt hat, denn sie enthält einige weitere Kapitel. Da Koch die Stellen, auf die er sich in den Schriften Eckharts bezog, nicht angegeben hat, ist es mir nicht möglich zu überprüfen, woher diese Unterschiede stammen. Cf. J. Koch, Meister Eckhart und die jüdische Religionsphilosophie des Mittelalters, in: id., Kleine Schriften I (nt. 15), 349-365, hier: 354. In Kochs Liste werden (gemäß der lateinischen Kapiteleinteilung) folgende Kapitel aufgeführt: Führer der Unschlüssigen I: Einleitung, 2, 5, 31, 32, 50-55, 57-65; Führer der Unschlüssigen II: 6, 7, 10, 11, 23, 29, 31, 34; Führer der Unschlüssigen III: 9, 10, 12, 13, 14, 23, 25, 27, 34, 36, 53; in unserer Liste sind dagegen folgende Kapitel angegeben: Führer der Unschlüssigen I: Einleitung, 2, 5, 31-33, 50-55, 57-66; Führer der Unschlüssigen II: 6, 7, 10, 11, 18, 23, 29, 31, 34; Führer der Unschlüssigen III: 7, 9, 14, 18, 20, 23, 25, 27, 34, 36, 50, 52, 53; die bei Koch fehlenden Kapitel sind Führer der Unschlüssigen I, 33, 66; II, 18; III, 7, 11, 18, 20, 50, 52. Cf. H. Liebeschütz, Meister Eckhart (nt. 17), 69 sqq. Die revolutionären Gedanken, die Eckhart in verschiedenen zentralen Themenbereichen aufgreift, finden sich beinahe alle in den Kommentaren zu Genesis und Exodus. Die folgende Liste der Kapitel aus dem ,Führer der Unschlüssigen‘, auf die sich Eckhart in den verschiedenen Abhandlungen des ,Opus tripartitum‘ bezieht, soll diesen Sachverhalt verdeutlichen. Die Kapitel sind entsprechend der im Original und der hebräischen Übersetzung Ibn Tibbons gegebenen Einteilung aufgeführt, während die Kapitel in der lateinischen Übersetzung in Klammern gesetzt sind: Johanneskommentar: I, 34 (33); II, 17 (18); III, 6 (7), 8 (9); Ecclesiasticuskommentar: III, 8 (9); Liber parabolarum Genesis: II, 9 (10), 10 (11); III, 52 (53); Prolog zum Liber parabolarum Genesis: I, Einleitung; Expositio Libri Sapientiae: I, 59 (58); II, 5 (6), 22 (23), 30 (31); III, 10 (11), 13 (14), 17 (18), 19 (20), 22 (23), 24 (25); Genesiskommentar: I, Einleitung, 2, 65 (64), 67 (66); II, 5 (6), 6 (7), 10 (11), 22 (23), 30 (31); III, 8 (9), 12 (13), 13 (14), 24 (25), 49 (50), 52 (53); Exoduskommentar: I, 5, 51 (50), 52 (51), 54 (53), 55 (54), 58-64 (57-63), 66 (65); II, 30 (29), 35 (34); III, 8 (9), 9 (10), 12 (13), 22 (23), 26 (27), 33 (34), 35 (36), 51 (52), 52 (53). In den drei in meiner Liste an erster Stelle aufgeführten Abhandlungen wird Maimonides elf Mal erwähnt, wobei auf sieben Stellen aus dem ,Führer der Unschlüssigen‘ Bezug genommen wird. Nur drei dieser Kapitel finden auch in allen späteren Abhandlungen Erwähnung (II, 10; III, 8; III, 52). In der ,Expositio Libri Sapientiae‘ dagegen sind elf verschiedene Stellen angegeben, worunter keine Einzige ist, die schon in einem der früheren Kommentare erwähnt wurde. Dagegen tauchen acht davon auch in späteren Kommentaren auf. Im Prolog zum ,Liber parabolarum Genesis‘ wird die Einleitung des ,Führer(s) der Unschlüssigen‘ ausführlich zitiert. In früheren Abhandlungen wird in keiner Weise auf sie Bezug genommen, wogegen sie im Genesiskommentar sehr wohl Erwähnung findet.
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und ausgiebiger, als aus anderen Zusammenhängen geläufig ist. Allein in den beiden späten Kommentaren Eckharts zu Genesis und Exodus wird Maimonides häufiger namentlich erwähnt als in Thomas’ Gesamtwerk 22 ! Das ist umso bemerkenswerter, als in der philosophischen Denktradition, der Eckhart am ehesten zuzuordnen ist, i. e. der Tradition der deutschen Dominikaner, die Auseinandersetzung mit den Schriften des Maimonides verhältnismäßig gering ist. Zwar hatte Albertus Magnus den Grundstein für die Maimonides-Rezeption gelegt 23, aber nach ihm nimmt der Rückgriff auf Maimonides stark ab. Insofern bleibt Eckharts Maimonides-Lektüre innerhalb der deutschen Philosophie einzigartig. Allem Anschein nach kann man nicht davon ausgehen, dass die Auseinandersetzung mit den Schriften des Maimonides zur Formulierung jener Gedanken geführt hat, die die Kirche gegen Eckhart aufbrachte, sondern es muss vielmehr umgekehrt gewesen sein, dass Eckhart in den Schriften seines jüdischen Vorgängers eine Bestätigung für eigene Gedanken gefunden hat. Denn die radikalsten Aussagen in seinen Schriften und Predigten hat Eckhart schon viele Jahre vor seiner intensiven Auseinandersetzung mit Maimonides formuliert. Aber eine minutiöse Untersuchung des Verhältnisses Eckharts zu Maimonides zeigt, dass Eckhart jene Gedanken, die kirchlicherseits auf Ablehnung stoßen sollten, mit Hilfe des ,Führers der Unschlüssigen‘ theologisch begründet. Seine originelle Lesart des ,Führers der Unschlüssigen‘ und die religiöse und philosophische Verwandtschaft, die er darin zu Maimonides empfand, ließen Eckhart in diesem Werk Bestätigung für seine eigenen radikalen Positionen finden, deren schriftliche Verbreitung und mündliche Verkündung in den Kölner Kirchen zu der Kontroverse mit der Kirche und ihren dogmatischen Vertretern führten. Welche Bedeutung tatsächlich die Maimonides-Lektüre im Denken Eckharts während seiner letzten Lebensjahre hat, und vor allem, inwiefern sie mit dem Häresieverdacht und der darauffolgenden Verurteilung durch den Papst zusammenhängt, bleibt unklar. Neben dem Synchronismus, der mit der Datierung der Genesis- und Exoduskommentare in die späte Phase der Arbeit am ,Opus tripartitum‘ hergestellt wird, bietet sich nur jener Satz aus dem ,Führer der Unschlüssigen‘ für eine solche Annahme an, der in den Prozessdokumenten und in der päpstlichen Bulle zitiert wird. Er scheint eine weitere Diskussion über die in der päpstlichen Bulle formulierte Thematik der absoluten Einheit Gottes, wie sie von Maimonides und Eckhart verstanden wurde, zu rechtfertigen.
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23
Zu den Maimonides-Zitaten bei Thomas cf. R. Imbach, Alcune precisazioni sulla presenza di Maimonide in Tommaso d’Aquino, in: D. Lorenz OP/S. Serafini (eds.), Studi 1995, Istituto san Tommaso, Roma 1995, 48-64, hier: 50. Cf. C. Rigo, Zur Rezeption des Moses Maimonides im Werk des Albertus Magnus, in: W. Senner (ed.), Albertus Magnus: Zum Gedenken nach 800 Jahren. Neue Zugänge, Aspekte und Perspektiven (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens, N. F. 10), Berlin 2001, 29-66; Hasselhof, Dicit Rabbi Moyses (nt. 3), 93-108, 129-136.
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II. Die Reze ption von Maimonides’ neg ativer T heologie bei Eckhar t In mehreren Studien zu Eckharts Philosophie - insbesondere von Josef Koch und Burkhard Mojsisch 24 - wurde seine Einheitsmetaphysik vor allem durch seine Analogielehre dargestellt, die von der thomasischen analogia proportionalis abweicht und die zur Univozität führt. Dagegen möchte ich zeigen, dass Eckhart nicht nur zwischen Analogie und Einheit - in Anlehnung an Maimonides - pendelt, sondern vielmehr zwischen radikaler Äquivokation und radikaler Univozität, bzw. zwischen Immanenz und Transzendenz. Ein solcher Übergang von der aequivocatio zur univocatio wird sowohl in seiner Maimonides-Lektüre wie in seiner Einheitsmetaphysik erkennbar. Dabei stehen beide, Maimonides im arabischen Raum und Eckhart im lateinischen, für die komplexe Rezeptionsgeschichte neoplatonischer Theologumena im Mittelalter 25. Maimonides hat einen gewissen wissenschaftlichen Optimismus bezüglich menschlicher Erkenntnismöglichkeiten in der sublunaren Welt der Elemente, der zwangsläufig ansatzweise positive Aussagen über Gott nach sich zieht. Hierin bleibt Maimonides den Prinzipien der aristotelischen Welterforschung treu 26. Doch deutet sich im ersten Teil vom ,Führer der Unschlüssigen‘ eine Spannung zwischen diesem positivistischen Aristotelismus und seiner ansonsten radikalen negativen Theologie an. Gerade diese Spannung führt Eckhart in seiner Rezeption des Maimonides weiter. Am ausführlichsten bespricht Eckhart die Problematik der negativen Gottesattribute im Exoduskommentar, und zwar im Anschluss an seine Auslegung von Ex. 3, 14 27. Diesen Traktat eröffnet Eckhart mit Zitaten aus Thomas, aus dem ,Liber de causis‘, aus Augustinus und aus Avicenna. Von Thomas übernimmt er die Frage, inwieweit Gott benennbar (nominabilis) ist 28; aus dem ,Liber de causis‘ zitiert er den Satz, der besagt, die primäre Ursache liege jenseits jeglicher Be24
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Cf. J. Koch, Zur Analogielehre Meister Eckharts, in: id., Kleine Schriften I (nt. 15), 367-397; B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogie, Univozität und Einheit, Hamburg 1983. Cf. A. H. Armstrong, The Escape of the One, in: Studia Patristica 13 (1975), 77-89. Cf. E. Schweid, The Religious Philosophy of Hasdai Crescas, Jerusalem 1971 (Hebräisch), 22: „Der maimonidischen philosophischen Konzeption zufolge besteht eine absolute Identität zwischen dem, was wir wissen, und dem, wie wir wissen […]. Überträgt man diese Feststellung auf das Gebiet des Glaubens an Gott, so bedeutet sie, daß unser Glaube identisch ist mit dem, was wir von Gott wissen, und dies Wissen von Gott wiederum mit den Beweisen für seine Existenz gleichzusetzen ist. Da die Beweise für die Existenz Gottes in der Natur der Welt und ihren Gesetzen gründen, die in der Maimonides für wahr geltenden Physik Aristoteles’ formuliert sind, heißt dies, daß Erkenntnis Gottes nach Maimonides einer gewissen Art der Betrachtung der Physik gleichkommt.“ Wie Bernard McGinn in der Nachfolge Reffkes bemerkt, beginnt mit diesem Abschnitt des Exoduskommentars ein unabhängiger, von den Gottesnamen handelnder Traktat, der von Eckhart an anderen Stellen mit dem Titel ,De nominibus Dei‘ bezeichnet wird. Cf. Reffke, Studien (nt. 2), 55, 59; B. McGinn, Introduction, in: B. McGinn (ed.), Meister Eckhart. Teacher and Preacher, New York 1986, 16 sqq. Cf. In Ex., n. 34 (LW II, 40, 6-8).
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nennbarkeit, sei aber zugleich mit allen Bezeichnungen richtig benannt 29; aus Augustinus übernimmt er die Aussage, über Gott könne alles gesagt werden, doch nichts werde über ihn richtig gesagt 30; schließlich zitiert er aus dem Kommentar Avicennas zur ,Metaphysik‘ die Aussage, das Sein stelle die erhabenste aller Gottesbezeichnungen dar, und alle anderen Bezeichnungen bezögen sich nur als Negation oder Relation auf Gott. Dann spricht Eckhart über Maimonides’ Lehre von den Gottesattributen. Zunächst referiert er dessen Unterteilung der Gottesattribute in fünf Kategorien: Definition, Teil einer Definition, Akzidenz, Relation und Tätigkeit. Danach erklärt er, dass die unter die ersten drei Kategorien fallenden Gottesattribute nicht gebilligt werden können, weil es sich um affirmative Attribute handele. Auch die vierte Kategorie, die der Relation, könne nicht akzeptiert werden. Da diese Verneinung der Kategorie der Relation in der menschlichen Gott-Sprache innerhalb einer christlichen Theologie nicht unproblematisch ist, widmet ihr Eckhart eine ausführliche Diskussion. Maimonides sprach sich gegen die Annahme aus, es bestehe irgendeine Art von Relation zwischen Schöpfer und Geschöpf, und verwarf folglich auch die Annahme, es bestehe irgendein Ähnlichkeitsverhältnis zwischen ihnen 31. Eckhart stimmt dem zu und fügt den drei von Maimonides vorgebrachten Argumenten für diese Negierung ein weiteres Argument, eine ,tiefere‘ Begründung, hinzu („posset tamen fortassis subtilior ratio assignari“). Doch kehrt Eckharts eigene Begründung das zuvor Gesagte um, indem sie eine der Intention des Maimonides entgegengesetzte Tendenz begünstigt: dass nämlich ein Vergleich zwischen Gott und Welt deshalb unmöglich sei, weil eine Relation zwischen zwei verschiedenen Sachen immer schon voraussetzt, dass diese sich voneinander unterscheiden, das Geschöpf als Seiendes (ens) aber sich nicht wesentlich vom Sein (esse) selbst unterscheiden könne 32. 29 30 31
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Cf. ibid., n. 35 (LW II, 41, 6-42, 1). Cf. ibid. (LW II, 42, 1-5). Führer der Unschlüssigen I, 56; Weiß, 187 sq.: „Die Ähnlichkeit ist eine gewisse Beziehung zwischen zwei Dingen, und wenn zwischen zwei Dingen keine Beziehung gedacht werden kann, so ist auch deren Vergleichbarkeit undenkbar. Ebenso aber besteht zwischen Dingen, die nicht vergleichbar sind, auch keine Beziehung […]. Da also die Beziehung zwischen uns und Gott oder streng genommen zwischen Gott und einem Wesen außer ihm als undenkbar bewiesen ist, so ist folgerichtig auch die Ähnlichkeit mit ihm undenkbar.“ In Ex., n. 40 (LW II, 45, 7-14): „Posset tamen fortassis subtilior ratio assignari, quare nulla comparatio cadit inter deum et creaturam, quae talis est: omnis comparans aliqua accipit illa ad minus ut duo et ut distincta. Nihil enim sibimet comparatur nec est sibimet simile. Omne autem ens creatum acceptum vel conceptum seorsum per se distinctum a deo non est ens, sed est nihil. Separatum enim et distinctum a deo separatum est et distinctum ab esse, quia ab ipso deo, per ipsum et in ipso sunt quaecumque sunt et ,sine ipso factum est nihil‘, Ioh. 1, et Act. 17: ,in ipso vivimus, movemur et sumus‘.“ Dieser direkte Übergang von einer extremen Position (Äquivokation) zu einer anderen (Univokation) erinnert an die Warnung von Albertus Magnus, der in seinem Kommentar zu (Pseudo-) Dionysius’ ,De divinis nominibus‘ lehrt, dass alle drei theologischen Redeweisen von Gott: univocatio, aequivocatio, analogia, gleichermaßen problematisch sind. Albert verwirft die auf dem Hintergrund der Äquivokation formulierte Aussage und auch die auf absoluter Einheit (univocatio) fundierte Aussage. Auch vermittels der Analogie ist es seiner Ansicht nach nicht möglich, ein adäquates Modell zu erstellen. Besonders wichtig im hiesigen
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Nun wendet sich Eckhart der fünften Kategorie der Tätigkeitsattribute zu. Diese bezeichnen weder Vielfalt noch Veränderung Gottes und beinhalten auch keine Aussagen in Hinsicht auf seine Substanz. Beispiele für die Bezeichnung einer indirekten Tätigkeit, die keinerlei Einzelheiten über die Natur dessen preisgibt, der die Tätigkeit ausführt, sind zum einen das Feuer, dessen Auswirkungen nicht auf sein Wesen schließen lassen und das sowohl in der Eckhart’schen als auch in der maimonidischen Lichtsymbolik 33 zentral ist, und zum anderen der menschliche Intellekt, über dessen Wesen aufgrund der Vielfalt seiner Tätigkeiten in der Welt nichts erfahrbar ist 34. Dabei werden hier menschlicher und göttlicher Intellekt erneut analog gesetzt. Beide repräsentieren die Art, in der auch Einheit als physikalische und epistemologische Pluralität gedacht werden kann. Weiter in seinem Kommentar denkt Eckhart darüber nach, auf welchem Weg die „arabischen und griechischen Philosophen wie auch die jüdischen Gelehrten“ zur absoluten Negation aller affirmativen Attribute gekommen sind 35, wobei es ihm eigentlich nur um die Lehre Maimonides’ geht und er „verschiedene hebräische, arabische und griechische Weise“ nicht berücksichtigt. Dies führt ihn zur Darlegung der beiden Grundannahmen, aus denen sich die extreme Negation herleitet, zu deren Begründung er dann sieben Beweise anführt. In meinem jetzigen Kontext sind der vierte und fünfte Beweis besonders interessant. Der vierte Beweis besagt, die Annahme einer von diesem selbst getrennten Eigenschaft Gottes führe zwingend zur Annahme der Pluralität ewiger Wesenheiten und sei damit der Unendlichkeit Gottes entgegengesetzt. Das Ewige ist beständiges und unteilbares Moment, das sich jenseits aller Grenzen und Beschränkungen befindet und als solches unendlich ist. Zudem definiert sich das Unendliche auch dadurch, dass außerhalb davon nichts existiert 36. Der fünfte Beweis besagt, dass, wenn man Gott ein Attribut beilege, man damit die vollkommene und damit jenseits jeglicher Zahl stehende Einheit der göttlichen Na-
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Kontext ist Alberts Feststellung, jede auf Äquivokation gegründete Ansicht führe letztendlich zu irgendeiner Art von Einheit. Cf. Albertus Magnus, Super Dionysium De divinis nominibus I, ed. P. Simon (Alberti Magni Opera omnia 37/1), Münster 1972, 35, 24-35: „Omnis convenientia aut est secundum aequivocationem aut secundum univocationem aut secundum analogiam. Non potest autem esse convenientia secundum univocationem, quia nihil est univocum deo et creaturae; nec iterum secundum aequivocationem, quia omne aequivocum reducitur ad aliquod univocum, et sic redit eadem ratio; nec iterum secundum analogiam, quia oporteret aliquid inesse pluribus secundum prius et posterius […] deo autem nihil est prius; ergo non potest esse aliqua convenientia ipsius ad creaturas.“ Cf. In Ex., n. 42 (LW II, 46, 10-47, 11). Über den Ort des Feuers in der Eckhart’schen Lichtsymbolik siehe J. Koch, Über die Lichtsymbolik im Bereich der Philosophie und der Mystik des Mittelalters, in: id., Kleine Schriften I (nt. 15), 27-67, hier: 62. Cf. In Ex., n. 43 (LW II, 47, 12-48, 6). Ibid., n. 45 (LW II, 50, 12-16): „Viso igitur quid Rabbi Moyses et sapientes Hebraeorum senserint de nominibus attributis deo positive, secundo notandum principaliter quae sit radix et ratio, per quam philosophi Graeci et Arabes et sapientes Hebraeorum nihil affirmative sive positive dixerint in deo esse aut de ipso praedicari congruenter.“ Cf. ibid., n. 49 (LW II, 52, 11-53, 2).
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tur verletze. An dieser wie auch an anderen Stellen bezieht sich Eckhart unmittelbar auf die oben erwähnten Zitate des Maimonides, der sich mit seiner Betonung der in seiner Existenz wie im Denken bestehenden inneren Einheit Gottes laut scholastischer Lehre gegen das Trinitätskonzept richtete 37. Demnach schließt sich Eckhart der Position des Maimonides an, derzufolge die Pluralität der Gottesattribute nicht allein im menschlichen Denken verankert ist. Es bestehe nämlich keinerlei Legitimation, Gott aufgrund der in der Welt herrschenden Pluralität eine Vielzahl von Attributen beizulegen, denn Pluralität an sich habe doch schließlich keinerlei ontologischen oder epistemologischen Stand 38. Damit stellt sich Eckhart erneut gegen Thomas, für den die Vielzahl vorhandener Gottesattribute in der menschlichen Sprache für die göttliche Unendlichkeit steht, womit die Adäquatheit der den Geschöpfen entstammenden Erkenntnis Gottes Bestätigung findet 39. Im letzten Teil seiner Abhandlung über die Gottesattribute 40 kommt Eckhart auf Fragen zurück, die er schon im ersten Teil behandelt hatte, und prüft sie unter Hervorhebung des normativen Aspekts, d. h. unter Hervorhebung des Gebots, demzufolge die Negation der Attribute als religiöse, an den Gläubigen gerichtete Forderung zu verstehen ist. Diese zusammenfassende Reflexion ist völlig vom maimonidischen Denken beeinflusst. Eckhart eröffnet diesen letzten Teil seiner Abhandlung mit der Feststellung, die Gottesattribute ließen sich in zwei Kategorien unterteilen: in affirmative und negative Attribute. Die affirmativen Attribute werden von Maimonides zurückgewiesen, da sie, wie Eckhart nun erklärend hinzufügt, die absolute Einfachheit und Einheit des Schöpfers verletzen 41. Sie beschränken und reduzieren das göttliche Wesen, implizieren notwendigerweise irgendeine Gemeinsamkeit zwischen Geschöpf und Schöpfer und verletzen somit die absolute Transzendenz Gottes. Deswegen sind sie falsch und unsinnig, basieren sie doch auf einem Begriff von Gott, der keinerlei Ähnlichkeit mit seinem wahren Wesen aufweist. Ein positives Gottesattribut formuliert sich auf dem Hintergrund der Vorstellung, es gebe wirklich einen realen Aspekt, durch den sich Gott definiere. Wer einer derartigen Vorstellung anhängt, verletzt auf schlimme Weise seine Religiosität. Aus diesem Grund, so Eckhart mit Worten aus dem ,Führer der Unschlüssigen‘ I, 59, widersetzen sich die Weisen dem Brauch, im Gebet Gott allzu häufig zu loben und 37
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Ibid., n. 50 (LW II, 53, 3-8): „Quinta sic formatur: id, in quo cadit dispositio, in ipso cadit aliqua multitudo. Sed hoc repugnat divinae naturae unitati. ,Hoc enim vere unum est, in quo nullus numerus est‘, ut ait Boethius. Et Rabbi Moyses dicit quod deus est unus ,omnibus modis et secundum omnem rationem‘, ita ut in ipso non sit invenire aliquam ,multitudinem in intellectu vel extra intellectum‘.“ Mehr noch: Diese der Materie entspringende Pluralität wirkt sich zugleich auf Ontologie und Ethik aus. Das, was seinen Ursprung im Einen hat und sich unter ihm befindet, geht notwendig über in den Bereich der Pluralität, der Zahl, der Getrenntheit, der Schuld und des Mangels. Cf. In Ex., n. 58 (LW II, 64, 3-5): „ubi necessario hoc ipso quod ab uno quidem, sed sub uno sunt, incidunt in numerum, multitudinem et distinctionem et reatum seu maculam.“ Cf. F. Tobin, Meister Eckhart. Thought and Language, Philadelphia 1986, 70 sqq. In Ex., nn. 171-184 (LW II, 148-158). Cf. ibid., n. 171 (LW II, 148, 8-15).
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zu preisen. Diesbezüglich zitiert Eckhart zwei Stellen aus dem Psalter, jedoch nicht nach der traditionellen Übersetzung der Vulgata, sondern nach der lateinischen Übersetzung von Maimonides: „dicite in cordibus vestris et in cubilibus vestris et tacete semper“ und: „tibi silentium laus“ 42. Demnach wird jede Affirmation über Gott, die sich als feststellende Anschauung gibt, ihn entfremden. Und so gerät auch in der Erkenntnis oder Preisung Gottes Weisheit zu Torheit. Auch für diese Aussage des Maimonides gibt Eckhart drei Gründe an: Alles in der Welt der Dinge ist in ihr formal. In Gott dagegen ist alles nicht als Ursache, sondern als schöpferische Kraft. Deshalb besteht keinerlei Wesensähnlichkeit zwischen Geschöpf und schöpferischer Ursache 43. Die Wahrheit ist in der Vernunft - nicht in den in der Welt befindlichen Dingen. Die den Dingen immanenten Vollkommenheiten enthalten demnach keinerlei Hinweis auf oder Zeichen von der höchsten und wahren Vollkommenheit. Von diesen Vollkommenheiten auf Gott zu schließen, heißt einerseits verleugnen, dass er reiner Intellekt ist, und andererseits annehmen, dass er an den Dingen teilhabe 44. Nach diesem Überblick über die positiven Attribute wendet sich Eckhart der Analyse der negativen Attribute zu. Das negative Attribut, so bemerkt Eckhart zunächst, impliziert keinerlei Gotteserkenntnis. Deshalb stellt sich die Frage, woher die Negationsattribute dann ihren Wahrheitsgehalt beziehen und worin sie sich voneinander unterscheiden, wenn sie keinen konkreten Inhalt haben 45. So ist auch zu klären, worin der Vorteil der Negationsattribute gegenüber den Affirmationsattributen liegt, implizieren doch diese wie jene keinerlei Erkenntnisgehalt 46. In seiner Antwort zitiert Eckhart aus Maimonides’ Abhandlung im ,Führer der Unschlüssigen‘ I, 59, wobei er zeigen will, wie die Negierungen den menschlichen Verstand von den irrigen Vergleichen bezüglich Gottes läutern und ihn dadurch der höchsten Erkenntnis Gottes näher bringen. Dies führt ihn zu Maimonides’ Schlussfolgerung, es existiere keine Wissenschaft, der es möglich sei, das Wesen Gottes zu erfassen. Um diese Feststellung zu bestätigen, zitiert Eckhart verschiedene Philosophen von Platon über Macrobius bis Sokrates, der im Wissen darum, dass er nichts weiß, die höchste dem Menschen erreichbare Erkenntnis sieht. Tatsächlich stellt sich Eckhart, wenn er vom normativen Aspekt der Negation schreibt, uneingeschränkt auf die Seite Maimonides’, indem er die Negation als dem Gläubigen aufgegebenes sokratisches Gebot versteht. Diese eher allgemeine Überlegung benutzt Eckhart in seinem Kommentar bei einer konkreten Problematik, nämlich bei der Interpretation des biblischen Namens Gottes. Der biblische Gott hat mehrere Attribute, die in Wörtern gefasst sind, die Eigenschaften bezeichnen. Um die Einheit Gottes zu bewahren, 42 43 44 45 46
Ibid., n. 174 (LW II, 150, 11-13). Cf. ibid., n. 175 (LW II, 151, 9-15). Cf. ibid., n. 176 (LW II, 152, 1-5). Cf. ibid., n. 178 (LW II, 153, 7-154, 2). Cf. ibid., n. 178 (LW II, 154, 3-5).
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darf Er keine zusätzlichen Eigenschaften bekommen und müssen alle Seine Namen verneint werden. In der Hebräischen Bibel steht aber auch ein besonderer Name für Gott, das Tetragramm, der Name aus vier Buchstaben, YHWH, dessen Besonderheit im Fehlen der Vokale liegt, so dass eigentlich niemand weiß, wie er ausgesprochen werden soll. Mehrere esoterische Traditionen sind mit diesem Namen verbunden, dem Maimonides die letzten Kapitel seiner Abhandlung über die Attribute Gottes widmet: „Alle Gottesnamen, die sich in den heiligen Schriften vorfinden, sind von Wirkungen hergeleitet, und dies ist etwas, worin kein Geheimnis liegt. Eine Ausnahme bildet nur der Name YHWH (Ihvh), welcher der Gott ausschließlich zukommende Name ist, und deshalb Schem hamm’phorasch genannt wird, und dies bedeutet, daß dieser Name das Wesen Gottes in einer klaren, jede Gemeinschaft mit irgendeinem anderen Wesen ausschließenden Weise bezeichnet.“ 47
Dieser private Name steht also in keiner Beziehung zu etwas anderem, weder in der Welt - er bezieht sich auf keine Wirkung - noch in der Sprache, da keine semantische Ableitung aus ihm möglich ist. Er enthält keine Information und vermittelt kein neues Wissen. Haben Namen eine intertextuelle Komponente, indem sie eine Vielfalt an Verweisen und Referenzen hervorrufen, so verweigert sich das Tetragramm jeder Deutung, steht für die Unübersetzbarkeit des privaten Namens und wird zum Archetyp einer semantischen Hermetik, einer vollkommenen Geschlossenheit. Dennoch hat dieser Name eine Rechtfertigung. Nach Maimonides ist das Tetragramm der heiligste religiöse Inhalt und steht für Erinnerung und Versprechen. Es drückt die Erinnerung an die ontologische Einsamkeit Gottes aus, bevor Er die Welt mittels der Sprache schuf. Gott nämlich existiert vor der Welt und vor der Sprache, in einem vollkommenen, stillen Schweigen. Wie der Philosoph bewegt sich Gott zwischen Schweigen und Sprache 48. Der Name steht aber nicht nur für Erinnerung, sondern auch für ein Versprechen: das Versprechen eines eschatologischen Moments der Einheit, in dem die menschliche Erkenntnis zurück in diese Einheit, hinter Welt und Sprache - auch innere Sprache -, gelangt 49. In diesem eschatologischen Schweigen enthält der Gedanke keinen Inhalt mehr 50. So begreift auch Eckhart das Tetragramm als ,Privatnamen‘ Gottes und identifiziert ihn mit dem Seinsattribut esse: 47 48
49
50
Führer der Unschlüssigen I, 61; Weiß, 221 sq. Ibid.; Weiß, 226: „In den Pirqe´ di [sic!] R. Eliezer findet sich der Ausspruch: ,Ehe die Welt erschaffen wurde, existierte nur Gott und sein Name‘. Achte nun darauf, wie dieser Ausgleich es offenbar macht, daß alle diese abgeleiteten Namen erst nach Entstehung der Welt aufgekommen sind.“ Ibid.; Weiß, 225: „[…] deshalb hat Gott verheißen, daß die Menschen eine Erkenntnis erlangen werden, die ihnen diesen Zweifel benehmen wird, und so sagt die H. Schrift: ,An diesem Tage wird der Herr einzig sein und sein Name einzig‘ (Sacharja 14, 9), nämlich so wie er selbst nur Einer ist, wird er auch nur mit Einem Namen bezeichnet werden, der nur das Wesen bezeichnet und nicht abgeleitet ist.“ Cf. Y. Schwartz, From Negation to Silence: Maimonides’ Reception in the Latin West (Hebräisch), in: Iyyun 45 (1996), 389-406; Hasselhof, Dicit Rabbi Moyses (nt. 3), 147 sqq.
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Yossef Schwartz
„Et fortassis posset videri alicui quod esse esset ipsum nomen quattuor litterarum. Ad litteram enim li esse habet quattuor litteras, multas proprietates et perfectiones latentes. Ipsum etiam non videtur ,sumptum ab opere nec dictum a participatione‘. Sed haec hactenus.“ 51
Ein Aussagesatz, so Eckhart, gibt nicht die Sache wieder, von der er handelt, sondern die Meinung über sie. Das Wort entspricht nicht einem realen Seienden, sondern einem seelischen Ausdruck. Die in der Welt und durch die Welt in Gott erfahrene Vielfalt entspringt dem Intellekt, wobei dieser seine Gegenstände durch die Sinne von der Welt abstrahiert. Die vom Menschen den Dingen in der Welt zugewiesenen Namen ergeben sich demnach aus dem Wissen, zu dem er aufgrund seiner Sinneseindrücke gelangt 52. In ihrem göttlichen Ursprung sind alle Substanzen in unterschiedsloser Einheit verbunden, so sei Maimonides’ Rede von der göttlichen Einheit zu verstehen 53, erklärt Eckhart und zitiert den hier auf individueller und intellektueller Ebene geltenden eschatologischen Vers „Zu der Zeit wird der Herr der einzige sein und sein Name der einzige“ (Sacharja 14, 9), mit dem er schließlich eine unmittelbare, private Christologie formuliert. Um die inhärente individuelle und intellektuelle Bedeutung dieses Bibelverses zu verstehen, muss man Eckharts Gedankengang stufenweise nachvollziehen. In seiner Analyse der Schöpfung als entschiedener Ausdruck der Gott-WeltBeziehungen spricht Eckhart vom ,Anfang‘ als Prinzip (principium) und hebt somit den Diskurs von der zeitlichen Ebene, d. h. als Rede vom Zustand vor der Schöpfung der Welt und vom ersehnten Zustand am Jüngsten Tag, auf die ontologische Ebene, auf der die verschiedenen Schichten der Existenz und des Seins im Verhältnis Schöpfer - Geschöpf untersucht werden. Eckhart deutet den Satz „Zu der Zeit wird der Herr der einzige sein und sein Name der einzige“ so, als würde Gott zum „einfachen Nun der Ewigkeit“ („nunc simplex aeternitatis“) und damit überzeitlich und zeitlos. Die Erkenntnistätigkeit begrenzt und unterscheidet, doch lässt sich das Unendliche nicht begrenzen. Demnach bedeutet der Satz, dass es reale Jetzt-Momente gibt - entweder jenseits jeglichen Geschöpfs und jeglicher Zahl oder aber im Innersten der Geschöpfe. Die verschiedenen Namen, gleich ob sie sich auf die Schöpfung beziehen oder aber über die Schöpfung hinaus sich auf Gott richten, bezeichnen demnach allein unser Bewusstsein: „Adhuc autem quarto, distinctio omnis infinito repugnat. Deus autem infinitus est […]. Patet etiam quod huiusmodi nomina non sint synonyma, eo quod diversas rationes sive conceptiones intellectus nostri significant.“ 54 Gottes einziger Name war allein, bevor noch irgendein Geschöpf war, und wird am Ende des Erkenntnisprozesses alleinig sein. „Wenn der Mensch das 51 52 53
54
In Ex., n. 164 (LW II, 144, 9-12). Ibid., n. 167 (LW II, 146, 17): „nomen autem a notitia dictum est.“ Cf. ibid., nn. 58-61 (LW II, 65, 1-66, 13). In den ersten Zeilen dieses Zitats wiederholt Eckhart den Satz über die absolute Einheit Gottes in der Existenz wie im Denken, der schon oben zitiert wurde. Ibid., n. 61 (LW II, 66, 7-12).
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275
göttliche Wesen erkennt, so bleibt nichts als der Name des Seins.“ Die von Maimonides eher als Antithese zu den Erkenntnismöglichkeiten der Gegenwart gefasste universale, utopische Endzeit wird hier zum konkreten und persönlichen Ziel des Individuums erklärt, das durch intellektuelle Läuterung Erlösung sucht. Darüber hinaus deutet die Formulierung Eckharts auf die Unterscheidung zweier Momente in der Gottheit selbst hin. III. Von Neg ation zu Einheit Eckharts Denkschritte hin zur konsequenten Negation sind von einem affirmativen Denken begleitet, das sich zunächst in einer bekannten, relativ gemäßigten Kritik an der konsequenten Negation ausdrückt, die er aus Augustinus übernimmt: Bezeichnet man Gott als ,unbenennbar‘ (ineffabilis), so ist damit die Komplexität des Paradoxes nicht beschrieben, denn je mehr wir von dem sprechen, von dem nicht zu sprechen ist, desto weniger beziehen wir uns auf jenen unbenennbaren Aspekt in ihm 55. Deshalb gerät die Negation der Gesamtheit der erschaffenen Seienden zur höchsten aller Affirmationen, der Affirmation des absoluten Seins. Der Gesamtheit aller Sätze steht ein in seinem Wesen positiver und tautologischer Satz gegenüber, der besagt, das Seiende existiere, wie es denn auch in dem Bibelvers ,sum qui sum‘ ausgedrückt ist 56. Eckhart stimmt mit Maimonides darin überein, dass affirmative und zugleich Gott angemessene Sätze ihrem Wesen nach tautologisch sind. Bei Maimonides führt diese Feststellung zur Zurückweisung solcher Tautologien. Die hinter dieser Einschätzung stehende Überlegung ist in seiner Attributenlehre leicht nachzuvollziehen: Wird einer Verbindung zwischen Gott und Welt kein Raum gelassen, kann ein Identitätssatz über Gott keinerlei Legitimation beanspruchen. Handeln beide Teile solch eines Satzes von dem verborgenen, unbegreiflichen und sprachlich nicht fassbaren Gott, so erfüllt dieser Satz nicht die elementare Funktion eines (nach aristotelischen Kriterien definierten apodiktischen) Satzes, d. h. der Übermittlung einer neuen Information über die extra-mentale Welt. Umfasst ein Identitätssatz dagegen zugleich Gott und Welt, wie z. B. der von Hegel in seiner Einleitung zur Phänomenologie des Geistes 57 vorgestellte spekulative Satz „Gott ist das Sein“, ist er Ausdruck eines ontologischen Prinzips, das Maimonides unter keinen Umständen anzunehmen bereit 55
56
57
Ibid., n. 117 (LW II, 112, 12-14): „Sic enim quanto de ineffabili plus quis fatur, minus fatur de ineffabili in quantum ineffabile.“ Ibid., n. 74 (LW II, 77, 9-12): „Nulla ergo negatio, nihil negativum deo competit, nisi negatio negationis, quam significat unum negative dictum: ,deus unus est‘, Deut. 6; Gal. 3. Negatio vero negationis purissima et plenissima est affirmatio: ,ego sum qui sum.‘ “ G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, Hamburg 1952, 51. In diesem Punkt stützt sich Eckhart auf die Analogielehre, in der das Attribut des Seins allein Gott zugesprochen und die absolute Abhängigkeit aller Geschöpfe vom Schöpfer scharf herausgestellt wird. Siehe V. Lossky, The´ologie ne´gative et connaissance de Dieu chez Maıˆtre Eckhart, Paris 1960, 97-98.
276
Yossef Schwartz
gewesen wäre. Eckhart dagegen akzeptiert es in seiner ganzen Bedeutung „das Seiende ist“ gilt ihm als höchste aller möglichen Aussagen: „nulla propositio est verior illa in qua idem de se ipso praedicatur, puta quod homo est homo.“ 58 Anstelle dieser synthetisch-aristotelischen Auffassung setzt Eckhart nun die entsprechende analytisch-platonische Auffassung, so dass sich die Frage nach der Anpassung des Intellekts an die Sache als extra-mentalem Seienden nicht mehr stellt. Zum höchsten aller affirmativen Sätze, argumentiert Eckhart, gelangt der menschliche Intellekt auf dem Weg der Dialektik gerade durch die konsequenteste aller Negierungen, die in der Aussage „Gott ist Einer“ Ausdruck findet. Dies ist die Negierung aller Negierungen, die affirmativste aller Negierungen, negiert die Einheit Gottes doch, wie oben erklärt wurde, die Gesamtheit aller erschaffenen Seienden als Vielfalt der Namen, die das endliche menschliche Bewusstsein dem in der Welt sich äußernden Unendlichen gegeben hat. Demnach sind sich in dieser Aussage höchste Negierung und höchste Affirmation gleich. Versucht man Eckharts Haltung in dieser Frage zu klären, muss man seinen Begriff von Gott als von jedem einzelnen Geschöpf nicht-unterschiedene (indistinctum) Gegenwart eingehend prüfen, einen Begriff, dessen absolute Transzendenz den Bezug auf jedes einzelne Geschöpf von vornherein einschließt. Eckharts Kommentare zu den Bibelversen „Non habebis deos alienos“ (Ex. 20, 3) und „Neque omnem similitudinem, quae est in caelo desuper et quae in terra deorsum“ (Ex. 20, 4) sollen hierzu als Erklärungsvorlage dienen. Das von Eckhart zu Beginn seines Kommentars zu Exodus 20, 3 aufgestellte Prinzip besagt, dass Gott „quia si deus est, alienus non est, si alienus, deus non est “ 59. Diese Aussage begründet er zunächst unter Bezugnahme auf das Verhältnis zwischen Einem und Vielheit 60 und dann unter Bezugnahme auf die Natur Gottes als Seiendes und als absolute Existenz 61. Im Weiteren führt Eckhart sechs Gründe dafür an, warum Gott keinem bestehenden Ding fremd sein kann 62. Der dritte Grund ist hierbei besonders wichtig: Gott als Nicht-Unterschiedener (indistinctus) kann keinem Ding fremd sein 63. Dem Prinzip des Göttli58
59 60 61 62 63
Prol. gen. in op. trip., n. 13 (LW I, 158, 11-12). Zur Begründung dieser Auffassung zieht Eckhart Aristoteles heran. Demzufolge ergibt sich der Wahrheitsgehalt eines affirmativen Satzes aus der Entsprechung zwischen Subjekt und Prädikat und der Wahrheitsgehalt eines Satzes aufgrund der Existenz bzw. Nicht-Existenz der Sache, von der er handelt. Cf. In Ex., n. 73 (LW II, 75, 16-76, 2): „notandum quod veritas affirmativae propositionis universaliter consistit in identitate terminorum, negativae autem veritas consistit in alietate et distinctione terminorum. Unde philosophus in IV Metaphysicae ait quod ,verum est, cum dicitur esse quod est aut non esse quod non est ‘ “; In Ioh., n. 439 (LW III, 377, 4-6): „Eadem enim sunt principia essendi et cognoscendi, et sic res se habent in veritate sicut in entitate, sicut ait philosophus. ,Ab eo enim quod res est vel non est, oratio vera vel falsa dicitur‘.“ In Ex., n. 100 (LW II, 103, 5-6). Cf. ibid., n. 101 (LW II, 103, 7-17). Cf. ibid., n. 102 (LW II, 104, 1-11). Cf. ibid., nn. 104-105 (LW II, 105, 5-106, 13). Ibid., n. 105 (LW II, 106, 1-2): „Tertio sic: indistinctum proprie deo competit, distinctio vero creaturis, ut tactum est supra. Nihil autem indistinctum a re ipsi rei est alienum.“
Zwischen Einheitsmetaphysik und Einheitshermeneutik
277
chen als dem Nicht-Unterschiedenen entgegengesetzt, steht jedes Geschöpf in seiner konkreten Existenz und in der Natur seiner Erschaffenheit gemäß einem mit Wesen (essentia) ausgestatteten Seienden für die Andersartigkeit und Unterschiedenheit jedes anderen Geschöpfs. Nur das Sein (esse) bleibt von jeglicher Existenz und Substanz nicht-unterschieden 64. Da Sein das Letzte ist, empfängt es nichts, und da es Erstes ist, befindet es sich in keinem Ding. Als reines, zugleich erstes und letztes Sein empfängt Gott daher kein Ding und befindet sich auch in keinem 65. In seinem unmittelbar auf diese Ausführungen folgenden Kommentar zu Exodus 20, 4 stellt Eckhart das Spannungsverhältnis, auf dem sein Argument über die absolute, auf absoluter Nicht-Unterschiedenheit gründende Transzendenz aufbaut, noch deutlicher heraus. Der Schlüssel zum Verständnis dieser Ausführungen liegt in dem Satz: „Sciendum ergo quod nihil tam dissimile quam creator et quaelibet creatura. Rursus secundo nihil tam simile quam creator et creatura quaelibet.“ 66 Nichts unterscheidet sich mehr voneinander als das Unterschiedene vom NichtUnterschiedenen, und dennoch ist dem Geschöpf nichts mehr gleich als das, was sich mit ihm in seinem Inneren absolut und vollkommen in eins setzt. Nach diesem Paradox befindet sich der Mensch in einem Zustand, in dem er, je mehr er sich in seiner Vorstellung Gott annähert, sich zugleich von Gott entfernt, ist doch ein Ding, je mehr es Gott gleicht, von diesem in demselben Maße unterschieden 67. Im Weiteren erläutert Eckhart diesen Zusammenhang auf epistemologischer Ebene. Nichts ist einander so sehr ähnlich und zugleich so sehr voneinander unterschieden wie die dem Intellekt eingeprägte Idee oder Form eines Dings und das als konkretes Seiendes in der Welt bestehende Ding. Dies gilt sowohl in Bezug auf den göttlichen Logos, in welchem wie auch in dem durch ihn repräsentierten intelligiblen Raum die Welt in der Gottheit ruht, als auch in Bezug auf den menschlichen Intellekt, wobei sein Vermögen, das ihn umgebende Seiende uneingeschränkt zu begreifen und zu erkennen, des Menschen absolute Freiheit, d. h. auch sein absolutes Verschiedensein von jedem dieser Seienden, erfordert. Das Auge kann alle Farben wahrnehmen, weil es selbst jeglicher Farbe bar ist. Eine farbige Linse würde die ganze Welt unmittelbar in ihren Farben erscheinen lassen 68. Im Rahmen seiner eigenen Analogielehre denkt Eckhart die den Begriffen Äquivokation und Univokation impliziten Möglichkeiten gleichzeitig, d. h. in Form eines Paradoxes. Damit wählt er eine Position, die ihm erlaubt, sich zugleich auf beide Pole zu beziehen und diese Verbindung im Paradox des „totus 64
65 66 67 68
Ibid., n. 106 (LW II, 106, 14-107, 3): „E converso omne creatum, utpote distinctum et aliud ab esse, alienum est […]. Patet ergo quod omnis essentia omni essentiae aliena est sive alienum, utpote distinctum suo condistincto. Esse autem ab ente et ab essentia indistinctum est.“ Cf. ibid., n. 177 (LW II, 152, 6-153, 2). Ibid., n. 112 (LW II, 110, 3-4). Cf. ibid., n. 119 (LW II, 113, 3-6). Cf. ibid., nn. 120-126 (LW II, 113, 7-117, 10).
278
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intus, totus foris“ 69 zu ihrem Höhepunkt zu führen. Parallel entwickelt er über die Negierung der Attribute eine Lehre, die eher Maimonides als Thomas verpflichtet ist, und übernimmt entschieden die im ,Führer der Unschlüssigen‘ hervorgehobene Vorstellung von der Einheit Gottes. Und dennoch folgt Eckhart darin Maimonides nicht ganz, denn dieser entwickelt ja eine Lehre extremer Äquivokation, die höchstens dezente Hinweise auf die Möglichkeit einer Analogie beinhaltet. Es gibt also sowohl Gemeinsamkeiten als auch scharfe Unterschiede zwischen den Lehren Maimonides’ und Eckharts. Seine abweichende Meinung zu Thomas versucht Eckhart aus verständlichen Gründen meist vorsichtig zu formulieren. Divergenzen zu Maimonides dagegen mildert er nicht aus kirchenpolitischen Befürchtungen ab, sondern scheinbar in der Absicht, sich als treuer Schüler darzustellen. Der Eckhart’sche Identitätssatz verwandelt Gott nicht in ,Eins-mit-der-Weltdes-Hier-und-Jetzt‘, sondern will ihn von Abstraktion und Entfremdung, die der extremen Negierung implizit sind, befreien und so in ein reales Subjekt verwandeln, das dem öden und undefinierbaren Unendlichen in der Seele des Menschen und in der ihn umgebenden Welt gleichkommt. Der sich in seiner Tiefe erkennende Mensch dringt bis zu der ,göttlichen Wüste‘ in sich vor 70, „ad caliginem, in qua erat deus“ (Ex. 20, 21). Dort vereinigt sich sein Denken mit dem ihm inhärenten göttlichen Denken und erkennt die umfassende Gesamtheit in ihrer Wesenheit. Am Jüngsten Tag, an dem Gott Eins und sein Name Einer sein wird und es ein partikulares, für sich stehendes Seiendes nicht mehr geben wird an diesem Tag werden alle Individuen in dieser Gesamtheit aufgehen. Wie für Maimonides hatte auch für Eckhart die sich aus der extremen Negierung einerseits und dem Ringen um die bloße Möglichkeit des Sprechens von Welt und Gott andererseits ergebende Spannung eine ultimative Dimension. Die Eckhart’sche, an dem oben dargelegten Paradox des zugleich „ganz innen und ganz außen“ Seins Gottes festhaltende Version der Analogielehre erfüllt ein zweifaches Ziel. Zunächst soll sie den Begriff Gottes vom Erbe der negativen Theologie in ihren extremen Ausprägungen, von Abstraktion und Entfremdung, befreien. Hierbei verwandelt sie Gott nicht in ein konkretes Objekt menschlichen Denkens, setzt sie diese Konkretheit doch nicht mit den Inhalten der unmittelbaren, dem Intellekt über die Sinne sich mitteilenden Wirklichkeit gleich, sondern mit jenem öden und undefinierbaren, sich sowohl in der Seele des Menschen als auch in der Welt befindenden Unendlichen, das die Seele dadurch, dass sie selbst einen Mikrokosmos darstellt, widerspiegelt. In dieser Lehre entwickelt Eckhart einen höchst bedeutungsvollen Begriff, den sowohl Maimonides 69
70
In Gen., n. 61 (LW I, 228, 4); cf. ibid., n. 166 (LW I, 312, 11); In Ex., n. 163 (LW II, 143, 6); In Ioh., n. 12 (LW III, 11, 16). Zum Begriff der göttlichen Wildnis bei Eckhart cf. P. A. Dietrich, The Wilderness of God in Hadewijch II and Meister Eckhart and His Circle, in: B. McGinn (ed.), Meister Eckhart and the Beguine Mystics. Hadewijch of Brabant, Mechthild of Magdeburg, and Marguerite Porete, New York 1994, 31-43, hier: 36 sqq.
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als auch Thomas von Aquin zu formulieren bestrebt waren: Dieser Begriff drückt die absolute Transzendenz der Gottheit aus und bewahrt zugleich ihr lebendiges Bild in der Seele des Gläubigen. Das ist eine besondere Deutungsleistung Meister Eckharts, die ihn an einer in der Geschichte des religionsphilosophischen Denkens entscheidenden Stelle zwischen seinen beiden großen Vorgängern positioniert. Anhang Prol.
Eccli. Sap.
Gen. I
Prolog Gen. II
Gen. II Ex.
Ioh.
Insges.
Maimonides
-
1
11
39
3
5
55
5
119
Aristoteles
4
6
34
26
-
30
17
89
206
Proklos
2
-
2
2
-
3
-
5
14
Augustinus
15
19
87
82
4
52
60
248
567
Dionysius
1
1
3
1
-
4
3
8
21
Boethius
2
1
10
16
-
5
12
17
63
Thomas
2
2
3
6
-
3
18
31
65
Avicenna
4
1
14
11
-
11
10
22
73
Averroes
-
-
5
5
-
8
-
13
31
Ibn Gabirol
-
1
-
1
-
3
3
5
13
Insges.
30
32
169
189
7
124
178
443
1172
IV. Spekulation und Begriff
Die Freiheit des Denkens. Meister Eckhart und die Pariser Tradition Wouter Goris (Köln/Amsterdam)
„so muss der geist ubertreten ding und dinglikeit“ (Preger I, 488)
Es bildet sich im 14. Jahrhundert, bei Johannes Duns Scotus und bei Meister Eckhart, eine regelmäßige Serie von Aussagen heraus, welche die Freiheit auf exklusive Weise mit einem bestimmten Vermögen verbinden. Im vorliegenden Beitrag wird der Versuch unternommen, den Bedingungen für das Aufkommen eines solchen ,Jargons der Ausschließlichkeit‘ auf die Spur zu kommen. Zwei Verlagerungen sind dabei zentral: die Ausprägung eines Konzepts der Freiheit als Selbstbestimmung und die Erfahrung der Gebundenheit des Erkennens. Ihre Verflechtung ermöglicht die Auflösung der intimen Wechselbeziehung von Vernunft und Freiheit, einer Grundüberzeugung der aristotelischen Tradition. Dieses Ereignis wird unter Bezugnahme auf Texte von Aristoteles, Gottfried von Fontaines, Johannes Duns Scotus und Meister Eckhart vorgestellt. I. Der Beg riff - Freiheit des Ver nünftig en Freiheit ist das Ungenannte, wodurch sich bei Aristoteles vernünftige von unvernünftigen Vermögen unterscheiden. Er legt im neunten Buch der ,Metaphysik‘ dar, dass eine dy¬namiw, die meta¡ lo¬goy, mit Vernunft verbunden ist, auf Entgegengesetztes geht, ein unvernünftiges Vermögen dagegen nicht: „Und zwar geht von den mit Vernunft verbundenen Vermögen je ein und dasselbe auf das Entgegengesetzte, die unvernünftigen dagegen gehen jeweils nur auf ein Objekt“ (U 2, 1046b, 4-6: kai¡ ai« me¡n meta¡ lo¬goy pa˜ sai tv˜ n eœnanti¬vn ai« ayœtai¬, ai« de¡ alogoi mi¬a e«no¬w). Was auf Eines geht, ist auf dieses festgelegt; was aber zugleich auf eœnanti¬a geht, ist nicht auf ein Glied der Entgegensetzung festgelegt, sondern gegenüber Entgegengesetztem frei. Der Stagirit gibt das Beispiel des Warmen (to¡ uermo¬n), das nur zu wärmen vermag, und grenzt es von der iœatrikh¡ te¬xnh ab, die sich auf Krankheit (no¬sow) und Gesundheit (y«gi¬eia) bezieht. Was macht die Freiheit des Vernünftigen aus? Die Differenzierung von meta¡ lo¬goy und alogoi spricht für sich. Vernünftige und unvernünftige Vermögen unterscheiden sich durch den lo¬gow, durch den Begriff. Der Begriff ist nicht auf
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Wouter Goris
Eines festgelegt, sondern schließt, freilich nicht ohne sich vorrangig ,der Sache‘ selbst zu verpflichten, deren Entgegengesetztes ein: „Der Begriff erklärt zugleich die Sache (to¡ pra˜ gma) und deren Privation (h« ste¬rhsiw), nur nicht auf gleiche Weise, und geht in gewissem Sinne auf beides, in gewissem Sinne wiederum mehr auf das Seiende“ (U 2, 1046b, 8-10). Die Freiheit des Vernünftigen gründet also auf der Beschaffenheit des Begriffs: lo¬gow aœmfoi˜n estin. Diese Beschaffenheit, der ,amphische‘ Charakter des Begriffs, bringt eine verborgene Beweglichkeit zur Geltung. Geht der Begriff zunächst auf Seiendes, ist mit dieser Setzung auch die Negation ihrer selbst gesetzt, und der Begriff entwickelt sich zu einem Prinzip, das beide in seinem Wirkungskreis einschließt: „Denn in einem Prinzip, dem Begriff, wird das Entgegengesetzte umfaßt“ (U 2, 1046b, 24: mia˜ ga¡r aœrxh˜Š perie¬xetai, tì˜ lo¬gì). Der Begriff geht auf beides: die Sache und ihre Privation. Er (er)klärt sie, macht beide sichtbar, der Begriff - o« lo¬gow dhloi˜. Die Erklärung gelingt allein deswegen, weil der Begriff nicht auf gleiche Weise auf beides, sondern auf das eine an sich, auf das andere nicht an sich geht. „Nur durch Verneinung und Hinwegnehmung erklärt er (dhloi˜) das Entgegengesetzte; denn die Privation im eigentlichsten Sinne ist das Entgegengesetzte, diese ist aber eine Entziehung des Anderen (aœpofora¡ uate¬roy)“ (U 2, 1046b, 13-15). Der Begriff erklärt das Entgegengesetzte, indem er die Sache selbst, to¡ pra˜ gma, zu etwas Anderem macht: ua¬teron, to¡ eÕteron, dem sich das Entgegengesetzte, to¡ eœnanti¬on, entzieht. Der Entzug des Anderen bringt das Entgegengesetzte hervor - diese Klärung, deren Prinzip er ist, leistet offenbar der Begriff. So macht der Begriff die Freiheit des Vernünftigen aus. Wir sehen davon ab zu zeigen, wie sich diese ursprüngliche Freiheit des Denkens in einer Praxis der Freiheit umsetzt. Wenn überhaupt, ist die Umsetzung fragil, von zu vielen Bedingungen abhängig, um sinnvoll diskutiert zu werden. Nur sollte eine Frage nicht verschwiegen werden: Wenn wir bedenken, dass es sich hier um Ausführungen im Rahmen einer Theorie des Vermögens als des Prinzips der Veränderung in einem Anderen handelt, insofern es ein Anderes ist (U 1, 1046a, 11: aœrxh¡ metabolh˜ w eœn allì ñ√ allo), so zeigt sich, dass die vernünftigen Vermögen eine gesteigerte Potentialität besitzen: Die Veränderung, die sie in einem Anderen bewirken, lässt selbst noch ein Anderes zu, nämlich das Entgegengesetzte. Ist dies aber der Fall, gibt die Veränderung in diesem Anderen wiederum ein Anderes frei, dann ist, Aristoteles zufolge, nochmals ein eÕteron, Anderes, erforderlich, das dem vernünftigen Vermögen dessen Unbestimmtheit nimmt, es bestimmt. Damit besagte Veränderung zustande kommt, so führt der Stagirit in einem späteren Abschnitt des neunten Buchs aus, muss das nicht auf eine Wirkung festgelegte Vermögen die Entscheidung einem Dritten abtreten: „Denn die vernunftlosen Vermögen sind jedes nur einer Tätigkeit fähig, die vernünftigen aber sind des Entgegengesetzten fähig, so daß sie also das Entgegengesetzte zugleich tun würden, was doch unmöglich ist. Also muß etwas anderes das Entschei-
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dende sein (aœna¬gkh ara eÕtero¬n ti eiÓnai to¡ ky¬rion); ich meine hierbei das Begehren (orejiw) oder den Vorsatz (proai¬resiw)“ (U 5; 1048a, 8-11). Die ursprüngliche Freiheit im Denken, die Grundlage für alles Handeln, ist aufzuheben, damit es überhaupt zum Handeln kommt. Anderes muss to¡ ky¬rion sein, die Freiheit krönt Äußerliches und Fremdes zum Herrn. Und damit geht die Freiheit sich selber verlustig, nicht weil das Vernünftige überhaupt zur Bestimmtheit gelangt - denn sonst könnte es nicht tätig werden -, sondern weil es sich nicht selbst zur Bestimmung verhilft. Verhält sich der Wille nicht als eine Fremdbestimmung dem Vernünftigen gegenüber? Im christlichen Horizont, wo der Begriff des Willens zu vorher ungekannter Geltung kam, wächst diese Konstellation zur Trennung von Vernunft und Freiheit aus. Bevor wir uns diesem Ereignis zuwenden, diskutieren wir eine zweite Frage. II. Die Ver nunft, kein unver nünftig es Ver mög en? Man neigt vielleicht dazu, die Frage, ob die Vernunft selbst ein vernünftiges Vermögen sei, abzutun. Ist nicht offenbar, dass, wenn nicht die Vernunft gegenüber Entgegengesetztem frei ist, es keine vernünftigen Vermögen geben kann? Auf einer zweiten Ebene möchte man erwidern, dass die Frage nach der Vernünftigkeit des Vernunftvermögens keine aristotelische Frage ist. Was hier zum Bereich der vernünftigen Vermögen zählt, sind die Künste und die hervorbringenden Wissenschaften (U 2, 1046b, 2-3: ai« te¬xnai kai¡ ai« poihtikai¡ eœpisth˜ mai). Das trifft freilich nur bedingtermaßen zu. Setzt die Möglichkeit von vernünftigen Vermögen auf der Ebene des herstellenden Wissens nicht voraus, dass sich die Vernunft selbst als ein solches Vermögen beschreiben lässt? Dass die Vernunft in dem Sinne ein vernünftiges Vermögen sei, dass sie für Entgegengesetztes offen ist, dürfte aufgrund der Angaben des Aristoteles als gesichert gelten. Macht nicht der Begriff, der ja auf Entgegengesetztes geht, die Freiheit des Vernünftigen aus? Gibt also nicht der Begriff die Garantie dafür, dass hier die Vernunft als ein vernünftiges Vermögen gelten kann? Man wäre versucht, dies zu glauben. Freilich wird zu zeigen sein, dass Aristoteles in seiner Vernunftlehre für den noy˜ w nicht die Freiheit einräumt, die für die Bezeichnung als vernünftiges Vermögen erforderlich wäre, und dass diese Beobachtung in der nachfolgenden Tradition ein Argument für die Trennung von Vernunft und Freiheit war. Anders gesagt: Die Verbindung von Vernunft und Freiheit wird erst in einer Begriffslehre greifbar, welche den für die Freiheit des Vernünftigen konstitutiven Merkmalen des Begriffs Rechnung trägt. Eine der Grundfragen in der Vernunftlehre von ,De anima‘ gilt dem Verhältnis zwischen Wahrnehmungsvermögen und Denkvermögen. Einerseits denkt Aristoteles die Vernunft in einer Analogie zum Wahrnehmungsvermögen: „Ähnlich, wie das Wahrnehmungsfähige sich zum Wahrnehmbaren verhält, so muß sich die Vernunft zum Intelligiblen verhalten“ (De an. G 4, 429a, 16-18: o«moi¬vw exein, vÕsper to¡ aiœsuhtiko¡n pro¡w ta¡ aiœsuhta¬, oyÕtv to¡n noy˜ n pro¡w ta¡ nohta¬). Ande-
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rerseits aber unterscheidet er beide. Der Gegenstand der Wahrnehmung ist aufgrund der Verbindung mit einem körperlichen Organ bestimmt, der Gegenstand des Denkens dagegen völlig unbestimmt. Die Vernunft ist xvristo¬w, sie ist für ihre Tätigkeit nicht an Körperliches gebunden, nicht mit Stoff vermischt, weder zu diesem noch zu jenem bestimmt, sie ist gewissermaßen alles Seiende. Diese Ambiguität definiert eine Epoche im Prozess der Emanzipation der Vernunft. Wenn Aristoteles versucht, sich vom Modell der Wahrnehmung zu lösen, macht er auf halber Strecke Halt. Er wirft zwar toi˜w aœrxai¬oiw vor, Wahrnehmung und Denken miteinander identifiziert zu haben, und weist ihnen gegenüber darauf hin, dass die Vernunft nicht wie die Wahrnehmung auf einen Gegenstand festgelegt, sondern auf besondere Weise aœpaue¡w, leidensunfähig, ist. Diese Loslösung vom Muster der Wahrnehmung, so vielversprechend begonnen, bleibt aber weitgehend folgenlos, wird der Vernunft auf gleiche Weise wie der Wahrnehmung ein Gegenstand zugewiesen. Was für die Wahrnehmung gilt: „Die Wahrnehmung von ihren spezifischen Objekten ist immer wahr“ (G 3, 427b, 11-12: h« aisuhsiw tv˜ n iœdi¬vn aœei¡ aœlhuh¬w), wird nahtlos auf die Vernunft übertragen: „Die vernünftige Erfassung von unteilbarem Gegebenem gehört zu demjenigen, mit Bezug auf das es keinen Irrtum gibt“ (G 6, 430a, 26-27: ¤H me¡n oyÓn tv˜ n aœdiaire¬tvn no¬hsiw eœn toy¬toiw peri¡ aÀ oyœk esti to¡ cey˜ dow). Mag auch die Vernunft alles begreifen können, so ist sie dennoch in der Erfassung ihres eigenen Objekts festgelegt. Mit Bezug auf die einfachen Inhalte gibt es keinen Irrtum. Wir können zu dem Schluss kommen, dass Aristoteles die besondere Leidensunfähigkeit der Vernunft gegen die Schablone der Wahrnehmung abgrenzt - ein wahrer Befreiungsakt vis-a`-vis des Gegenstandes -, sie aber letzten Endes in der Weise der Gegebenheit ihres Gegenstandes doch noch von diesem fesseln lässt. Ist aber nicht alle Freiheit der Vernunft illusorisch, solange sie mit Gegebenem konfrontiert wird, mit reiner Inhaltlichkeit, die sie nur zu erfassen hat? III. Ver nunft wider Willen Die Fragen, die wir bisher aufgeworfen haben, galten der Spannung verschiedener Ansätze, die Freiheit eines Vermögens zu erklären. Ist ein vernünftiges Vermögen deshalb frei, weil es nicht von Anderem bestimmt wird, oder weil es Entgegengesetztem gegenüber nicht festgelegt ist? In der Scholastik wird das Konzept eines freien Willens geboren, dessen Freiheit darauf gründet, dass er von nichts Anderem als sich selbst bewegt wird. Wir lassen die technische Frage der Selbstbewegung eines Vermögens, wiewohl wegweisend, beiseite und konzentrieren uns auf den Gedanken der Unfreiheit der Vernunft, der in der Pariser Debatte über Vernunft und Freiheit gewonnen wird 1. Im Zentrum der Betrachtung stehen zunächst zwei Quellen: die quaestio 16 aus dem 8. Quodlibet Gott1
Eine genauere Betrachtung der Debatte findet sich bei B. Kent, Virtues of the Will. The Transformation of Ethics in the Late Thirteenth Century, Washington DC 1995, bes. 94-149.
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frieds von Fontaines 2 und der Schlusstext aus dem unvollendeten Metaphysikkommentar des Johannes Duns Scotus, die berühmte quaestio 15 zum neunten Buch 3. Gottfrieds Abhandlung der Frage, ob das Strebevermögen eines unvernünftigen Lebewesens, der appetitus bruti, solchermaßen frei ist, dass es Wille genannt werden kann, enthält einen wichtigen Abschnitt, in dem dieser magister saecularis sich bemüht, den Begriff der Freiheit in Auseinandersetzung mit der Auffassung des Thomas von Aquin zu klären. Es wäre darüber sehr viel mehr zu sagen, ich konzentriere mich hier auf einige Bruchstellen. Gottfrieds Antwort ist fest in der Tradition verwurzelt: Was nicht mit der Materie vermischt ist, ist unbestimmt und hat eine universelle Ausrichtung, die es erlaubt, das Ziel und die Hinordnung auf das Ziel ausdrücklich in den Blick zu nehmen. Nur die entia rationalia et intellectualia, die Vernunftwesen, sind daher frei: „Das der Erkenntnis Fähige, weil es aufgrund seiner Abstraktion und Unstofflichkeit nicht auf irgendein partikulares Seiendes oder Gutes hingeordnet ist, sondern sich auf jedes Seiende und Gute universell erstreckt, den universellen Begriff des Seienden und des Guten erfassend und auch erstrebend, vermag ein jedwedes und den Begriff eines jedweden sowohl in sich als auch in Hinordnung und im Verhältnis des einen zum anderen zu erkennen; und deswegen besitzt es Freiheit sowohl im Erkennen als auch im Streben.“ 4
Der Beschränkung der Freiheit auf die vernunftbegabte Natur folgt hier, gleichsam als Kehrseite, ihre Ausdehnung auf alle vernünftigen Vermögen, die, im Medium des Begriffs, nicht auf eines festgelegt sind. Weil etwas die ratio libertatis ursprünglich aufgrund der Unstofflichkeit seiner Natur zukommt, sind Vernunft und Wille als Vermögen der vernünftigen Seele beide frei. „Diesbezüglich behaupten einige freilich“, so fährt Gottfried fort, „daß die Freiheit im eigentlichen Sinne nur dem Willen zugesprochen werden darf.“ 5 Gottfried führt die Lehre des Thomas von Aquin - an sich schon bemerkenswert, wenn man an ihre intellektualistische Engführung in der Franziskanerschule denkt - als gegnerische Position auf. Gemäß dieser Lehre habe der Wille die Freiheit „wurzelhaft und erstursprünglich“ („radicaliter et primordialiter“) von der zugrunde liegenden Natur, ,des Nächsten‘ (ex proximo) aber von der durch die Vernunft erfassten Form, da das Wirkende gemäß einem solchen Akt geisti2
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Cf. Gottfried von Fontaines, Quodl. VIII, 16 (ed. J. Hoffmans, Les Philosophes Belges, vol. IV, Louvain 1924, 140-176): ,Utrum appetitus bruti sit liber et sic possit dici voluntas‘. Cf. Johannes Duns Scotus, In IX Metaph., q. 15 (eds. R. Andrews e. a. , OP III, St. Bonaventure, N. Y. 1997, 676-699). Gottfried von Fontaines, Quodl. VIII, 16 (ed. Hoffmans [nt. 2], 146-147): „rationabilia, quia ratione suae abstractionis et immaterialitatis non ordinantur ad aliquod ens aut bonum particulare, sed ad omne ens et bonum universaliter se extendunt, universalem rationem entis et boni apprehendentia et etiam appetentia, possunt cognoscere unumquodque et rationem uniuscuiusque et in se et in ordine et habitudine unius ad alterum; et ideo libertatem habent et in cognoscendo et in appetendo.“ Ibid., 147: „Circa hoc tamen aliqui dicunt quod libertas proprie non debet attribui nisi voluntati.“
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ger Erfassung, gemäß einem solchen Begriff, sowohl dies als auch sein Entgegengesetztes bewirken könne; aus sich selbst aber besitze der Wille die Freiheit formal (formaliter), weil er sich selbst zu jener Bestimmung verhelfe, die in jedem Wirken erforderlich sei 6. Damit stehen zwei Konzepte der Freiheit einander gegenüber, die ansatzweise bereits in der Aristoteles-Lektüre begegnet sind. Während Gottfried selbst die Freiheit in der Unstofflichkeit begründet sieht, die es ermöglicht, einen Begriff zu bilden, der auf Entgegengesetztes geht, schreibt er seinem Gegner die Position zu, Freiheit bestehe in der Selbstbestimmung eines Vermögens. Das ganze Problem liegt darin, dass nach klassischer Lehre nichts sich selbst in der gleichen Hinsicht zur Aktualität zu verhelfen vermag. In seinem Referat der Position des Thomas signalisiert Gottfried, dass dieser zwischen der Aktualisierung und der Bestimmung des Willens unterscheide - Erstere komme dem Ziel und dem, was auf das Ziel hingeordnet sei, Letztere dem Willen selbst zu 7. In der Folge rückt das Lehrstück des dominium, der Herrschaft über die Akte, ins Zentrum der Betrachtung. Der Wille hat Herrschaft sowohl über seine eigenen Akte als auch über die Akte anderer Vermögen. Wir können nicht darüber verfügen, was in unseren Geist kommt, wohl aber, ob wir dabei stehen bleiben oder nicht - das nun tun wir willentlich. Gottfried fasst es wie folgt zusammen: „Daß aber der Wille sich so bestimmen kann, beweisen sie, weil der Wille die anderen Vermögen bestimmt, nämlich die Vernunft, damit sie dies und nicht jenes betrachtet, was nur der Fall sein kann, wenn zuerst der Wille sich selbst bestimmt, daß er dies und nicht jenes betrachten will […]. Jene Herrschaft also, beim einen stehen zu bleiben und vom anderen abzulassen, ist dem Willen zuzusprechen, der zuerst Herrschaft über seinen eigenen Akt und dadurch über die Werke der anderen Vermögen hat. Der Wille verursacht in sich nicht das Wollen, sondern es steht in seiner Macht, im Wollen stehen zu bleiben oder nicht.“ 8
Die feine Verflechtung der Akte des Denkens und des Wollens ermöglicht es Thomas, die Freiheit formal dem Willen zuzusprechen als dem Vermögen, das sich selbst bestimmt, ohne sich selbst zu aktualisieren. Gegen die Lehre des Thomas führt Gottfried eine Reihe von Argumenten ins Feld, die wir hier weder im Einzelnen betrachten können noch müssen die Zusammenfassung genügt: „Also ist diese Weise, die Freiheit allein im Willen zu setzen, nicht angemessen. Ja, dies muß man auch der Vernunft zugestehen, denn der Grund der Freiheit des Willens 6
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Ibid., 148: „Ideo libertas inest voluntati ex immaterialitate naturae in qua fundatur radicaliter, ex forma apprehensa ex proximo et ex se ipso formaliter.“ Cf. ibid., 148-149. Ibid., 149: „Quod autem voluntas sic possit se determinare probant, quia determinat alias potentias, scilicet intellectum ut consideret de hoc et non de illo, quod esse non posset nisi prius voluntas se ipsam determinet ut velit considerare de hoc et non de illo […]; illud ergo dominium posse sistere in uno et desistere ab alio voluntati est attribuendum, quae primo habet dominium in operatione propria et per hoc in operibus aliarum potentiarum. Ista ergo in se non causat volitionem, sed in potestate sua est sistere vel non sistere in volitione.“
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besteht ursprünglich in seiner Abstraktion und Unstofflichkeit, was nicht nur ihm zukommt, sondern auch der Vernunft, weil sie im gleichen Wesen der Seele verwurzelt ist […]. Deswegen muß man nicht allein sagen, daß der Wille frei ist, sondern auch die Vernunft ist frei.“ 9
Gottfried kommt zu dem Schluss, dass dieser Freiheit nicht im Wege steht, dass sich einiges, was zu den Akten des Willens und der Vernunft gehört, in der Weise der Natur verhält 10. Er spezifiziert nicht, was er damit meint; wir dürfen annehmen, dass er dabei auch, wenn nicht vor allem, an die Fremdbestimmung der Vernunft denkt, die sich selbst nicht zur Bestimmtheit zu verhelfen vermag. Kurz rekapitulierend: Thomas spricht die Freiheit formaliter dem Willen zu, nicht primär, weil er ein vernünftiges Vermögen ist, das auf Entgegengesetztes geht - dies im Unterschied zu den natürlichen Vermögen, die auf eines festgelegt sind -, sondern weil der Wille, und nur dieser, sich selbst zu bestimmen vermag. Gottfried lehnt dies mit einer Reihe von Argumenten ab und hält an der Freiheit sowohl des Willens als auch der Vernunft fest, wobei er freilich einräumen muss, dass sich dabei einiges in der Weise der Natur verhält, die auf eines festgelegt ist. Damit sind die Weichen gestellt für eine Verlagerung der Problematik, die allerdings erst Johannes Duns Scotus bewirken wird.
IV. Natur und Freiheit In Auseinandersetzung mit Gottfried führt Duns Scotus im neunten Kapitel seines Metaphysikkommentars die Unterscheidung von vernünftigen und unvernünftigen Vermögen auf eine grundlegendere von Natur und Willen zurück 11.
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Ibid., 155: „Non est ergo iste modus ponendi libertatem in voluntate conveniens, nec etiam est ponendum voluntatem solam habere libertatem formaliter; immo etiam hoc est intellectui tribuendum, quia ratio libertatis voluntatis originaliter consistit in abstractione et immaterialitate sua, quod non solum sibi convenit, sed etiam intellectui qui in eadem essentia animae radicatur […]. Ideo non solum voluntas dicenda est esse libera, sed etiam intellectus erit liber.“ Ibid., 156: „quamvis et in Deo et in nobis aliqua pertinentia ad actus voluntatis et intellectus dicantur se habere modo naturae.“ Zu diesem Text cf. H. Möhle, Ethik als scientia practica nach Johannes Duns Scotus: Eine philosophische Grundlegung (BGPhThMA, N. F. 44), Münster 1995, 158 sqq.; T. Hoffmanns, The Distinction Between Nature and Will in Duns Scotus, in: AHDLMA 66 (1999), 189-224. Gemäß der neueren Forschung übernimmt Scotus in Paris am Anfang des 14. Jahrhunderts die Auffassung, die Gonsalvus von Spanien in der Auseinandersetzung mit Gottfried verteidigte, nämlich einen stringenten Voluntarismus, der den Willen als umfassende Ursache seines Aktes sieht. Cf. St. D. Dumont, Did Duns Scotus Change his Mind on the Will?, in: J. A. Aertsen/K. Emery, Jr./A. Speer (eds.), Nach der Verurteilung von 1277. Philosophie und Theologie an der Universität von Paris im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts. Studien und Texte (Miscellanea Mediaevalia 28), Berlin-New York 2001, 719-794. Zur gleichen Zeit lehrte in Paris Eckhart die entgegengesetzte These, und zwar in der Debatte mit Gonsalvus. Cf. Quaestiones Parisienses, q. 3, nn. 6-20 (LW V, 59-64).
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Der wichtigste Einwand ist folgender: Aristoteles scheint unter einem vernünftigen Vermögen allein die Vernunft zu verstehen 12. Scotus klärt die verschiedenen Wirkungen der aktiven Vermögen nicht mittels einer Differenzierung jeweiliger Gegenstände - wie dies bei der Unterscheidung von vernünftigen und unvernünftigen Vermögen der Fall ist -, sondern, grundlegender, durch die unterschiedlichen Weisen, wie sie ihre jeweiligen Wirkungen hervorrufen. Ist ein Vermögen von sich aus bestimmt zu wirken, so dass es von sich aus, ohne Behinderung von außen, nicht anders wirken kann, dann nennen wir dies: Natur. Ist ein Vermögen von sich aus nicht derart bestimmt, sondern kann es entweder diesen Akt oder den entgegengesetzten Akt vollziehen, entweder wirken oder nicht wirken, dann nennen wir dies: Wille 13. Demnach ist die primäre Einteilung der aktiven Vermögen die in Natur und Willen. Scotus wagt den Versuch, die Unterscheidung zwischen vernünftigen und unvernünftigen Vermögen mit der zwischen Natur und Willen in Einklang zu bringen. Vernunft und Wille können auf zweifache Weise miteinander verglichen werden: erstens mit Bezug auf die eigentümlichen Akte, welche sie hervorrufen, zweitens mit Bezug auf die Akte der untergeordneten Vermögen, worauf sie kausal Einfluss nehmen: die Vernunft aufzeigend und lenkend, der Wille antreibend und befehlend 14. Der erste Vergleich ist der wesentlichere. Ihm gemäß gehört die Vernunft zur Natur, da sie von sich aus zum Erkennen bestimmt ist: „Und so, gemäß der ersten Vergleichsweise, fällt die Vernunft unter die Natur. Sie ist nämlich von sich aus zum Erkennen bestimmt und hat es weder [mit Bezug auf Einfaches] in ihrer Macht, zu erkennen oder nicht zu erkennen, noch hat sie es mit Bezug auf Zusammengesetztes in ihrer Macht, zuzustimmen oder abzulehnen. Insoweit auch eine gewisse Erkenntnis auf Entgegengesetztes gehen würde, wie Aristoteles zu sagen scheint, ist die Vernunft dennoch mit Bezug auf eine solche Erkenntnis nicht von sich aus unbestimmt - vielmehr ruft sie notwendig jene Erkenntnis, wie die andere, die sich nur auf ein Erkanntes bezog, hervor.“ 15 12
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Cf. Johannes Duns Scotus, In IX Metaph., q. 15, n. 16 (OP III, 678-679): „Secundo, quia solummodo intellectum vel scientiam videtur ponere potentiam rationalem.“ Cf. ibid., n. 22 (OP III, 680-681): „Iste autem modus eliciendi operationem propriam non potest esse in genere nisi duplex. Aut enim potentia ex se est determinata ad agendum, ita quod, quantum est ex se, non potest non agere quando non impeditur ab extrinseco. Aut non est ex se determinata, sed potest agere hunc actum vel oppositum actum; agere etiam vel non agere. Prima potentia communiter dicitur ,natura‘, secunda dicitur ,voluntas‘.“ Die Unbestimmtheit des Willens grenzt Scotus als eine solche unbegrenzter Aktualität, in Überfluss vorhandener Zureichendheit von der bloß unzureichenden Unbestimmtheit ab, die der Aktualisierung seitens einer Form bedürfe. Aufgrund dieser Unbestimmtheit des Willens, seiner hervorragenden Vollkommenheit und nicht auf einen bestimmten Akt beschränkter Wirkkraft vermag er sich selbst zu bestimmen. Cf. ibid., nn. 31-34 (OP III, 683-684). Cf. ibid., n. 36 (OP III, 684): „Responsio: intellectus et voluntas possunt comparari ad actus proprios quos eliciunt vel ad actus aliarum potentiarum inferiorum in quibus quandam causalitatem habent: intellectus ostendendo et dirigendo, voluntas inclinando et imperando.“ Ibid.: „Prima comparatio est essentialior, patet. Et sic intellectus cadit sub natura. Est enim ex se determinatus ad intelligendum, et non habet in potestate sua intelligere et non intelligere sive circa complexa, ubi potest habere contrarios actus, non habet etiam illos in potestate sua: assentire et dissentire. In tantum quod si etiam aliqua
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Der Wille dagegen ist, wie gesagt, frei, den ihm eigentümlichen Akt hervorzurufen. Diskret fügt Scotus hinzu: „Gemäß dieser ersten Vergleichsweise scheint Aristoteles nicht zu sprechen.“ 16 Der zweite Vergleich (mit Bezug auf die Akte der untergeordneten Vermögen, worauf Vernunft und Wille kausal Einfluss nehmen) ist eher beiläufig - das ist aber die Perspektive, die Aristoteles einnimmt. Scotus zeigt, dass die Vernunft sogar mit Bezug auf den äußerlichen Akt nur in einer ganz beschränkten Hinsicht vernünftig ist, nämlich sofern sie im Voraus für den Akt des vernünftigen Vermögens erforderlich ist. Dann, in zweiter Instanz, tritt der bestimmende Wille hinzu, so dass der Wille, der mit Bezug auf den eigenen Akt nicht bestimmt ist, diesen hervorruft und durch ihn die Vernunft mit Bezug auf jene Kausalität bestimmt, die sie mit Bezug auf draußen zu Bewirkendes hat 17. So ist der Wille allein im eigentlichen Sinne ein vernünftiges Vermögen. Er bezieht sich auf Entgegengesetztes, nicht in der Weise der Natur, wie die Vernunft, die sich nicht zum Anderen bestimmen kann, sondern auf freie Weise, als etwas, das sich selbst zu bestimmen vermag. Der Wille allein ist frei. V. Jarg on der Ausschließlichkeit Vielleicht hat niemand im Mittelalter der These des Duns Scotus so entschieden widersprochen wie Meister Eckhart. Ich denke dabei in erster Linie an die These der ,Rechtfertigungsschrift‘, die, seit Sturleses Edition, als letzte Schrift des Thüringers gesichert ist 18. Hier in der ,Rechtfertigungsschrift‘, genauer gesagt: zwischen den Artikeln aus einem zweiten, von den Inkriminatoren frisch herbeigeschafften rotulus, gleichsam als Anzeige der Aktualität dieses Gedankens, ist ein Verweis enthalten auf eine bisher verschollene Predigt zu Mt. 2, 19: ,Defuncto Herode‘, wo gesagt werde, die Vernunft allein sei frei: „intellectus solus est liber.“ 19 Ein recht abenteuerlicher Gedanke, so scheint mir. Was soll es wohl heißen, dass die Vernunft allein frei sei? Es finden sich, wie gesehen, im Hochmittelalter unterschiedliche Auffassungen, welche die Freiheit entweder primär dem Willen, oder auch, dann aber als gleichberechtigt, der Vernunft zusprechen - eine communis opinio dahingehend, dass die Freiheit immer mit dem Willen zu tun hat, welche die These Eckharts nun sprengt. Die Vernunft allein ist frei - das exakte
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una notitia sit oppositorum cognitorum, ut videtur Aristoteles dicere, adhuc respectu illius cognitionis non est intellectus ex se indeterminatus; immo necessario elicit illam intellectionem, sicut aliam quae esset tantum unius cogniti.“ Ibid. (OP III, 685): „Secundum hanc primam comparationem non videtur loqui Aristoteles.“ Cf. ibid., nn. 37-39 (OP III, 685-686). Cf. Mag. Echardi Responsio ad articulos sibi impositos de scriptis et dictis suis (= Proc. Col. I + II, LW V, 249-520). Cf. Proc. Col. II, n. 49 (LW V, 328): „Vicesimus primus. In sermone ,Defuncto Herode‘ dicitur sic: Intellectus solus est liber.“
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Gegenstück der These des Scotus, dass der Wille allein frei ist. Beide Denker nehmen sich offensichtlich eines Jargons der Ausschließlichkeit an, dessen Form, bis zu dem sprachlichen Ausdruck, ernst zu nehmen ist. Dann zeigt sich nämlich, dass das Argument, womit Eckhart seine These verteidigt, keineswegs hierzu geeignet ist, dass er, vielleicht vom Moment gezwungen, sich dazu veranlasst sah, kurzerhand auf eine argumentative Strategie zurückzugreifen, der die These aber, genau in dieser ihrer Form, niemals entsprungen sein kann. Das Argument verläuft wie folgt: „Man muß sagen, obwohl hierüber zwischen den Gelehrten keine Einigkeit besteht (licet de hoc sit quaestio inter doctores), daß es dennoch wahrer ist, daß die Freiheit in der Vernunft der Kraft nach und wie in einer Wurzel (virtute et ut in radice), im Willen dagegen formal (formaliter) besteht. Weswegen alle Freiheit des Willens von der Vernunft herrührt und absteigt. ,Die vernünftigen Vermögen aber gehen auf Entgegengesetztes‘. Nun gehört die Vernunft wesentlich zum Vernünftigen, der Wille aber, als Strebevermögen, gehört zum Vernünftigen durch Teilhabe, gemäß dem, was vom Philosophen gesagt wird: ,Der Wille ist in der Vernunft‘.“ 20
Die Sache ist zwar offen, es ist aber wahrer zu sagen, dass - Eckhart zeigt sich betont nuanciert. Das Argument zielt dann auf eine intimere Zugehörigkeit der Freiheit zur Vernunft als zum Willen, etwas, das Eckhart in seiner ganzen Karriere verteidigt hat. Es geht dabei nicht an zu beanstanden, dass Eckhart hier eine Lehre des Thomas von Aquin, der die Freiheit im eigentlichen Sinne im Willen ansetzt, als Argument für seine These auffasst. Eckhart ist öfter etwas frei in seinen Deutungen der Tradition. Die Abkünftigkeit der Willensfreiheit von der Vernunftfreiheit, die dann folgt, schreibt er an anderer Stelle Gregor von Nyssa zu 21. Den Schluss, wohl ausschlaggebend für Eckhart, bildet eine Serie zerstreuter Zitate aus der ,Metaphysik‘, der ,Nikomachischen Ethik‘ und aus ,De anima‘, die belegen sollen, dass dem Willen nur durch die Vernunft und in der Vernunft Freiheit zukommt. Eine argumentative Strategie, der, wie gesagt, Eckhart in seiner ganzen Karriere gefolgt ist - man denke nur an die dritte Pariser Quästion, selbstverständlich von Sturlese auch in seinem Quellenapparat herangezogen 22. Eine argumentative Strategie also, die Eckhart aus dem Ärmel schütteln konnte, als er sich vor die Aufgabe gestellt sah, seine etwas kühn ausgefallene These zu verteidigen. Mag sie auch, qua Verteidigungsstrategie, Wirkung gezeigt haben - die These erscheint danach nicht weiter in den Anklagelisten -, sie ist weit davon entfernt, 20
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Ibid.: „Dicendum quod, licet de hoc sit quaestio inter doctores, verius tamen est quod libertas sit in intellectu virtute et ut in radice, in voluntate autem formaliter. Propter quod et omnis libertas voluntatis ab intellectu est et descendit. ,Potestates autem rationales sunt ad opposita‘. Intellectus autem pertinet ad rationale per essentiam, voluntas autem, utpote appetitus, pertinet ad rationale per participationem, secundum quod dicitur a Philosopho: ,voluntas est in ratione‘.“ Cf. Quaestiones Parisienses, q. 3, n. 14 (LW V, 62). Cf. ibid., n. 16 (LW V, 62): „radix libertatis est in intellectu. Unde libertas primo est in intellectu et originaliter, sed formaliter in voluntate.“
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dem Gedanken in der Form, in der er für die Ankläger skandalös war, Ausdruck zu verleihen. Eine Verteidigungsstrategie also als Verharmlosungsstrategie. Denn die These, die Vernunft allein sei frei, gehört zu einer anderen gedanklichen Serie als das Argument, dass die Vernunft eine intimere Zugehörigkeit zur Freiheit aufweist als der Wille, ein Argument, das die Freiheit dem Willen nicht abspricht - die Kluft, die sich zwischen These und Argument abzeichnet, ist vom Jargon der Ausschließlichkeit gezogen worden. Ich erinnere nur daran, dass im Werk Eckharts eine Reihe von Aussagen zur Freiheit des Willens vorliegt, so in Predigt 36a: „Der Wille ist frei, er bezieht nichts von der Materie. In diesem Einen ist er freier als die Erkenntnis (bekantnisse), und daran nehmen gewisse törichte Leute Anstoß und meinen, er sei der Erkenntnis überlegen. Dem ist nicht so. Die Erkenntnis ist auch frei, aber die Erkenntnis entnimmt von der Materie und von den körperlichen Dingen.“ 23
Die Serie von Aussagen, welche die Freiheit sowohl der Vernunft als auch dem Willen zusprechen, ist also klar von der Serie von Aussagen, welche die Freiheit einem bestimmten Vermögen allein zuschreiben, zu unterscheiden. Das eigentliche Vergleichsmoment für die These, die Vernunft allein sei frei, bildet daher vielmehr jene andere Aussage, genauso komfortabel im Jargon der Ausschließlichkeit eingenistet, eine Aussage, die ebenfalls die Aufmerksamkeit der Inkriminatoren auf sich gezogen hat, die aber in ihrer Begründung auf eine vollständige Leugnung der These, dass die Vernunft allein frei sei, hinausläuft. Ich meine den beanstandeten Satz aus der zweiten Predigt der Deutschen Werke, es sei eine Kraft in der Seele, die, weit über die Vernunft erhaben, allein frei sei: „sit una virtus in anima, quae sola sit libera.“ 24 Es gilt, die Bedeutung der Form dieser Aussagen zu unterstreichen. Es handelt sich hier nicht um einen Versprecher, um eine Unregelmäßigkeit - als hätte Eckhart sich im Fluss der Gedanken ein wenig mitreißen lassen -, sondern um eine regelmäßige Serie von Aussagen, deren Aufkommen es nicht zu beschönigen, sondern vielmehr zu bedenken gilt. Der Wille allein sei frei, die Vernunft allein sei frei, es gibt eine Kraft in der Seele, die sei allein frei. Was ist passiert? Was hat erlaubt, dass solche Aussagen gebildet werden? Welche Gemeinsamkeit, an sich vielleicht unscheinbar, dennoch aber strukturierend, liegt dem Jargon der Ausschließlichkeit zugrunde? Um dies zu ergründen, wenden wir uns nochmals dem Werk Eckharts zu, dem gleichzeitigen Auftreten zweier einander wechselseitig ausschließender Aussagen: Die Vernunft allein sei frei, und es gebe etwas in der Seele, das, weit über die Vernunft erhaben, allein frei sei. 23
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Pr. 36a (DW II, 191, 6-10): „Der wille ist vrıˆ, er ennimet niht von materie. An dem einen ist er vrıˆer dan bekantnisse, und dar ane stoˆzent etlıˆche toˆrehte liute und wellent, daz er sıˆ über bekantnisse. Des enist niht. Bekantnisse ist ouch vrıˆ, aber bekantnisse nimet von materie und von lıˆphaftigen dingen.“ Cf. auch Pr. 21 (DW I, 365, 3-5): „[Vernünfticheit] nimet […] von sinnen; daz die sinne von uˆzen ˆıntragent, daˆ von nimet vernünfticheit. Des entuot der wille niht; in dem stücke ist der wille edeler dan vernünfticheit.“ Cf. Proc. Col. II, n. 121 (LW V, 346): „sit una virtus in anima, quae sola sit libera […] altior est quam intellectus et voluntas.“ Cf. Pr. 2 (DW I, 39-40).
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Wouter Goris
VI. Vom Beg riff - die Freiheit Bekanntlich ist die Vernunftproblematik bei Eckhart eine heikle Frage, Gegenstand einer lebhaften Auseinandersetzung bis zum heutigen Tag. Mit Bezug auf Folgendes gibt es ein, wenn auch minimales, Einvernehmen unter den gelehrten Forschern. Der Gegenstand der Vernunft wird in einer methodischen Loslösung vom Bereich des Partikularen, des hoc et hoc, etabliert: „Ihr Gegenstand ist das ens absolute, nicht das hoc aut illud allein.“ 25 Es sei dahingestellt, ob Eckhart mit diesem ens absolute unmittelbar das Göttliche meint, wie es der Gedanke, dass alles, was unterhalb von Gott ist, ein ens hoc aut hoc, nicht aber ens aut esse absolute ist 26, wie es die wiederholte Berufung auf Augustin: „Nimm das hoc et hoc weg, und du wirst Gott sehen“ 27, wie es die These der ,Prologi in Opus tripartitum‘: ,Das Sein ist Gott‘ 28, sowie die These, dass Seiendes im eigentlichen Sinne nur Gott bezeichnet 29, und wie es schließlich Aussagen in den Bibelkommentaren nahe legen, wie jene im Johanneskommentar: „Vernunft und Wille haben durch ihre Loslösung von der Materie, ja von diesem und jenem Wahren und Guten (ab hoc et hoc vero et bono), Gott selbst zum Gegenstand unter der Hinsicht des absoluten Seienden und Guten (obiectum habent ipsum deum sub ratione entis et boni absolute).“ 30 Was auf diese Weise auf den Begriff gebracht wird, fällt selbst, als Begriff, noch einmal unter die Absage an das hoc et hoc. Ist man zunächst versucht, die Übersteigung des hoc et hoc im Bereich der Vernunft bereits als Geschehen der Freiheit zu verstehen, so wird die eigentliche Freiheit letztlich in die Überschreitung eben dieses Bereiches gelegt. Man kann dies schön zeigen anhand der 17. lateinischen Predigt zu Röm. 6, 22, ,Nunc vero liberati‘. Eckhart bestimmt zunächst den Bereich der Vernunft als einen solchen der Freiheit: „Alle Vermögen der Seele sind gewissermaßen beschränkt und gleichsam gefangen von ihren Gegenständen. Die Vernunft aber, in der die Wahrheit ist, ist frei.“ 31 Hier begegnet die Freiheit des Denkens. Die Vernunft wird von ihrem Gegenstand, dem Begriff - hier dem Begriff der Wahrheit -, nicht beschränkt oder gefangen. Was aber folgt, ist eine entschiedene Absage an diese Perspektive: „oportet liberari ab ipsa veritate“, wir müssen 25 26
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In Gen. I, n. 115 (LW I, 272, 5-6): „Unde et eius obiectum est ens absolute, non hoc aut illud tantum.“ In Ioh., n. 52 (LW III, 43, 11-12): „Omne autem citra deum est ens hoc aut hoc, non autem ens aut esse absolute, sed hoc est solius primae causae, quae deus est.“ Cf. In Ioh., n. 613 (LW III, 534, 1-2): „Augustinus De trinitate l. VIII c. 3 dicit: ,bonum hoc et bonum illud; tolle hoc et illud et videbis deum‘.“ Cf. Prol. gen. in op. trip., n. 12 (LW I, 156-158). Prol. in op. prop., n. 5 (LW I, 168, 6): „solus deus ens proprie est.“ In Ioh., n. 698 (LW III, 612, 7-10): „intellectus […] et voluntas […] per sui separationem a materia […], quin immo ab hoc et hoc vero et bono, obiectum habent ipsum deum sub ratione entis et boni absolute.“ Sermo XVII/2 (LW IV, 160, 10-11): „omnes potentiae animae quodammodo limitatae et quasi captae sunt obiectis suis. Intellectus autem, in quo veritas est, liber est.“
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sogar von der Wahrheit selbst noch befreit werden, da sie einen begrenzten Gesichtspunkt gegenüber der uneingeschränkten Erfahrung des reinen Seins darstellt, die unsere Seligkeit ausmacht. „Absque omni ratione contrahente et etiam concipiente seu etiam apprehendente“ - die Freiheit ist eine Freiheit vom Begriff 32. Eine erste Überschreitung des hoc et hoc also, die für den Begriff und damit für den Bereich der Vernunft konstitutiv ist, und eine zweite Überschreitung, die nunmehr den Begriff selbst als hoc et hoc erfasst und den Bereich der Vernunft zurücklässt. Das Geschehen der Freiheit ist, so verstanden, nicht primär Sache der Vernunft, sondern vielmehr eine durchgängige Absage an alles Gegebene, eine Flucht vor der Verdinglichung. In dieser zweiten Perspektive der Überschreitung sind all jene Eckhart-Texte zuhause, die Gott die traditionellen Prädikate wie Sein, Gutheit, Einheit, Wahrheit, ja sogar Vernunft absprechen. Zu dieser Perspektive gehört ebenfalls die zitierte Aussage in der zweiten Predigt, es gebe etwas in der Seele, das allein frei sei. Eckhart rememoriert, er habe diesem verschiedene Namen beigelegt, wie Hut des Geistes, Licht des Geistes, Fünklein. Es ist aber weder dies noch das, erhabener über dies und das, wie der Himmel über die Erde, von allen Namen frei und aller Formen bloß, ganz ledig und frei, wie Gott ledig und frei ist in sich selbst. Zu dieser Kraft hat die Vernunft keinen Zugang 33. Der Überstieg der Vernunft zur Freiheit wird dadurch legitimiert, dass die Vernunft in ihren Begriffen an das Geschaffene gebunden bleibt. Aber das ,Etwas in der Seele‘, zu dem der Überstieg der Vernunft hinführt, kann selbst, nach dieser Reinigung, in ganz bestimmtem Sinne wiederum als Vernunft angesprochen werden. Erinnern wir uns, dass Eckhart in der Predigt 36a den Willen freier nannte als die Vernunft, da diese die Erkenntnis den körperlichen Dingen entnimmt 34. In der Parallelpredigt 36b unterscheidet Eckhart jedoch diese Vernunft (verstantnisse) von einer höheren Vernunft (vernünfticheit), die nichts von körperlichen Dingen empfängt 35. In der Predigt 71 wird die Ebene des diskursiven Wissens -„vernünfticheit, als si noch suochende ist “ - von einer Vernunft überschritten, die nicht mehr sucht, die in ihrem lauteren Sein steht 36. Die Predigt 73 begreift dies in der Unterscheidung von Verstand (bekantnisse) und Vernunft (vernünfticheit) 37, die Predigt 76 unterscheidet das ,vünkelıˆn der redelicheit‘ von dem auf äußere Dinge gerichteten Erkennen, dem verstandesmäßigen Erkennen in Vorstellungsbildern und in Begriffen („daz verstentlıˆche bekennen, daz daˆ ist naˆch glıˆchnisse und naˆch rede“ - rede als Übersetzung von ratio, Begriff), das uns jenes Fünklein verbirgt 38. 32
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Ibid., 161, 7-10: „oportet liberari […] a vero, scilicet ab ipsa veritate […], quia ens nudum absque omni ratione contrahente et etiam concipiente seu etiam apprehendente beatificat et salvat.“ Cf. Pr. 2 (DW I, 39 sqq.). Cf. nt. 23. Cf. Pr. 36b (DW II, 202). Cf. Pr. 71 (DW III, 215, 9-10): „Über die vernünfticheit, diu daˆ suochende ist, soˆ ist ein ander vernünfticheit, diu daˆ niht ensuochet, diu daˆ staˆt in irm luˆtern einvaltigen wesene.“ Cf. Pr. 73 (DW III, 261). Cf. Pr. 76 (DW III, 315-316).
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Dem gleichzeitigen Auftreten zweier einander wechselseitig ausschließender Aussagen: die Vernunft allein sei frei, und es gebe etwas in der Seele, das, weit über die Vernunft erhaben, allein frei sei, liegt demnach eine tiefere Regelmäßigkeit zugrunde: die doppelte Überschreitung von Gegebenheit, eine erste auf den Begriff hin, eine zweite über den Begriff hinaus. Nach dieser Regelmäßigkeit haben wir gesucht, nicht um einen vermeintlichen Widerspruch bei Eckhart zu beseitigen, sondern um etwas darüber sagen zu können, dass sich bei Scotus und Eckhart ein Jargon der Ausschließlichkeit ausbildet. Dem wenden wir uns zum Schluss zu. VII. Schluss Zwei Freiheitskonzepte, so haben wir gesehen, überkreuzen sich, durchschneiden ihre Bahnen und halten sich wechselseitig in der Schwebe - Selbstbestimmung gegenüber Unbestimmtheit. Nicht nur Scotus, sondern auch Eckhart ist, in einer gewissen Weise, dem Konzept der Freiheit als Selbstbestimmung verpflichtet. Die Flucht vor aller Fremdbestimmung mündet nicht, paradoxerweise, in eine Fremdbestimmung seitens Gottes, sondern sie eröffnet einen Bereich, wo es kein Gegenüber mehr gibt, wo alle Bestimmung Selbstbestimmung ist 39. Der Jargon der Ausschließlichkeit ernährt sich, wiewohl jeweils auf unterschiedliche Weise, von der Erfahrung der Gebundenheit des Erkennens. Als Schwierigkeit bereits bei Aristoteles fassbar, führt bei Thomas von Aquin und Gottfried von Fontaines die Beobachtung, dass sich im Erkennen Grundlegendes in der Weise der Natur verhält, nicht zu einer theoretischen Neubesinnung. Die Erfahrung der Gebundenheit des Erkennens überschreitet diese Schwelle. Scotus’ Unterscheidung von Natur und Willen reflektiert diese Erfahrung genauso effektiv wie Eckharts Überschreitung der Vernunft auf einen überbegrifflichen Bereich hin, auf etwas in der Seele, das selbst auch wiederum Vernunft heißen kann. Was den Thesen dieser Denker den exklusiven Anspruch verleiht, den Jargon der Ausschließlichkeit etabliert, ist nichts anderes, als dass sie das neue Freiheits39
Burkhard Mojsisch hat, mit Blick auf Texte wie z. B. die Predigt 52, von einer Theorie des ,Ich‘ bei Meister Eckhart gesprochen. Cf. B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogie, Univozität und Einheit, Hamburg 1983, bes. 118-120; id., Die Theorie des Ich in seiner Selbst- und Weltbegründung bei Meister Eckhart, in: Ch. We´nin (ed.), L’homme et son univers au moyen aˆge (Philosophes Me´die´vaux 26-27), Louvain-la-Neuve 1982, vol. 1, 267-272. Diese Theorie beschreibt, wie ich ergänzend zu zeigen versucht habe, die drei Momente des neuplatonischen Kreislaufmotivs: Verharren, Ausgang und Rückkehr. Das Ich, im Verharren identisch mit der Gottheit vor jeglicher Schöpfung und Rückkehr, bestimmt sich selbst zur Schöpfung von und zur Rückkehr zu sich selbst. Diese Freiheit ist die der Selbstbestimmung. Cf. W. Goris, Der Mensch im Kreislauf des Seins. Vom ,Neuplatonismus‘ zur ,Subjektivität‘ bei Meister Eckhart, in: Th. Kobusch e. a. (eds.), Selbst - Singularität - Subjektivität. Vom Neuplatonismus zum Deutschen Idealismus, Amsterdam-Philadelphia 2002, 185-201.
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konzept der Selbstbestimmung nicht mit der Tätigkeit der Vernunft in Einklang gebracht haben. Tritt an die Stelle der Unbestimmtheit der Vernunft, die einst ihre Freiheit ausmachte, die Erfahrung der Gebundenheit des Erkennens und tritt an die Stelle der Freiheit als Unbestimmtheit ein Konzept der Freiheit als Selbstbestimmung, dann stehen, gleichsam als Ergebnis dieser zweifachen Verlagerung, Vernunft und Freiheit einander unversöhnt gegenüber. Bekanntlich ist man geneigt, Scotus’ Unterscheidung von Natur und Willen mit der kantischen von Natur und Freiheit in Beziehung zu setzen 40 - Kant wäre demnach einer mittelalterlichen Diskussion verhaftet geblieben. Vielleicht aber, es klang irgendwie schon an, lässt sich der Jargon der Ausschließlichkeit treffender von Hegels Logik her deuten. Die Ineinssetzung von Vernunft und Willen, von Freiheit und Notwendigkeit, von Vernunft und Verstand erlaubt es, die Tätigkeit der Vernunft als Selbstbestimmung zu denken, eine Selbstbestimmung, welche jene ursprüngliche Charakteristik des Begriffs, dass er auf Entgegengesetztes geht, aufgreift und ihm, durch gezielte Verflüssigung, gerade die Bestimmtheit nimmt. Freilich haben beide, die Emanzipierung des Willensbegriffs und die Dialektisierung der Vernunft, unter kritischer Distanznahme in unserer Zeit zu der Auffassung geführt, dass in einem Begriff Gewalt steckt, dass sich im Denken eine ursprüngliche Gewalt verbirgt, die in der Gesellschaft ausgetragen wird. Diese Auffassung, so habe ich im vorliegenden Beitrag bewusst zu machen versucht, hat entschieden ältere Wurzeln - Wurzeln, die bis ins Mittelalter zurückreichen und welche die Wirkmacht der mittelalterlichen Auseinandersetzungen zeigen. Entgegen aller mehr oder weniger gratuiten Vernunftkritik ist jedoch zugleich festzuhalten - es scheint nunmehr fast vergessen zu sein -, dass der Begriff, der sich im Laufe der Geschichte als Träger und Rüstzeug der Totalität offenbart hat, einst selbst Träger der Hoffnung war, mittels des Denkens Freiheit zu bewirken, ja das Freiheitsmoment im Denken selbst ausmachte.
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Cf. F. Inciarte, Natura ad unum - ratio ad opposita. Zur Transformation des Aristotelismus bei Duns Scotus, in: J. P. Beckmann e. a. (eds.), Philosophie im Mittelalter. Entwicklungslinien und Paradigmen, Hamburg 1987, 259-273.
Kontextualisierung als Interpretation. Gottesgeburt und speculatio im ,Paradisus anime intelligentis‘ Niklaus Largier (Berkeley) Nicht nur die Rezeption der Werke und des Denkens Meister Eckharts, sondern auch die Überlieferung seiner Werke ist von Anfang an geprägt durch Momente der Redaktion, der Interpretation, der Transformation und der Kritik. Dies verhält sich so bei Heinrich Seuse und Johannes Tauler, die beide Elemente aus Eckharts Denken einer interpretierenden Deutung unterziehen, wenn sie diese in ihr eigenes Werk aufnehmen und verteidigen. Es ist auch der Fall, wo etwa der Franziskaner Marquard von Lindau oder die Augustinereremiten Heinrich von Friemar, Jordan von Quedlinburg und Johannes Hiltalingen Texte Eckharts in ihre eigenen Werke einbauen und sich kritisch damit auseinandersetzen. Sie alle legen Zeugnis ab von einer Rezeption und einer Überlieferung Eckhart’scher Werke 1, die in Bewegung ist und die uns erlaubt, Einblicke zu gewinnen in Diskussionen, die Eckharts Denken ausgelöst hat. Ein herausragendes Beispiel solcher Rezeption ist die Predigtsammlung ,Paradisus anime intelligentis‘, die „innerhalb der mittelalterlichen Predigtliteratur nicht ihresgleichen“ 2 hat. Sie zeichnet sich nicht nur dadurch aus, dass der Kompilator ihr einen Titel gegeben und sie mit Predigttituli und einem Register versehen hat, sondern auch dadurch, dass sie Eckharts Denken auf programmatische Weise in einen Kontext mit Predigten anderer zeitgenössischer Theologen stellt 3. Ob die in zwei auf einer gemeinsamen Vorlage beruhenden Handschriften überlieferte Sammlung in Köln oder in Erfurt entstanden ist, bleibt umstritten. Auch ist nicht klar, ob wir von einer Entstehung während der Lebenszeit Eckharts oder kurz nach seinem Tod auszugehen haben. Wir wissen jedoch, 1
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Cf. dazu jetzt die wichtige Studie von G. Steer, Die Schriften Meister Eckharts in den Handschriften des Mittelalters, in: H.-J. Schiewer/K. Stackmann (eds.), Die Präsenz des Mittelalters in seinen Handschriften. Ergebnisse der Berliner Tagung in der Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, 06.-08. April 2000, Tübingen 2002, 209-302 (mit ausführlichen Literaturangaben). Ibid., 259. Cf. N. Largier, Nachwort, in: Paradisus anime intelligentis (Paradis der fornuftigen sele). Aus der Oxforder Handschrift Cod. Laud. Misc. 479 nach E. Sievers’ Abschrift ed. v. Ph. Strauch, Berlin 1919; zweite Auflage ed. u. mit einem Nachw. versehen v. N. Largier u. G. Fournier (Deutsche Texte des Mittelalters 30), Hildesheim 1998, 171-188; K. Ruh, Geschichte der abendländischen Mystik, vol. 3: Die Mystik des deutschen Predigerordens und ihre Grundlegung durch die Hochscholastik, München 1996, 273-279 u. 389-414.
Kontextualisierung als Interpretation
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dass Nikolaus von Landau eine Version der Sammlung benutzt hat, als er den ersten Band seiner Sermones im Jahre 1341 fertigstellte. Mit dem Titel ,Paradisus anime intelligentis‘, ,Paradies der vernünftigen Seele‘, zielt der Redaktor dieser Sammlung wohl darauf, „ein Predigthandbuch für dominikanische Prediger zu schaffen, das nicht ein Buch der Erbauung, sondern ein Buch der Lehre sein will“ 4. Wenn man davon ausgehen will, dass damit nicht zuletzt auch die intellektuell äußerst anspruchsvolle Predigtweise Eckharts in der Volkssprache verteidigt werden sollte und dass wir hier vielleicht das Werk eines ,Eckhartisten‘ 5 vor uns haben, so dürfen wir uns vorstellen, dass die Sammlung während des Prozesses gegen Eckhart oder kurz nach seinem Tod entstanden ist. Fest steht auf jeden Fall, dass hier ein Teil des Predigtwerkes Eckharts der Lektüre zugänglich gemacht und in einen Kontext eingebettet wird, der dem Denken Eckharts in ganz bestimmter Weise Kontur verleiht und es gezielt einer Interpretation unterwirft. Dabei steht, wie ich zeigen werde, nicht nur die dominikanische Lehrmeinung im Vordergrund, dass sich die beatitudo der Seele prinzipiell durch vernünfticheit - also nicht durch die Liebe - erschließe, sondern auch der Gedanke, dass Einheit mit Gott in der Vernunft nur als Gottesgeburt in der Seele zu fassen sei. So vertritt die ,Paradisus‘-Sammlung eine dezidiert dominikanische Perspektive, die den Intellekt privilegiert und sich damit von franziskanischen Modellen absetzt. Dies ist keineswegs überraschend. Bemerkenswert ist jedoch die spezifische Orientierung dieser dominikanischen theologischen Sicht, und zwar insofern, als sie auf Predigten Meister Eckharts zurückgreift und diese instrumentell gebraucht, um gleichzeitig eine bestimmte Form der Dionysius-Rezeption zu propagieren. Eckharts Denken wird dabei durch kontextuelle Verknüpfungen eng an Pseudo-Dionysius herangeführt, während umgekehrt dem Denken des Pseudo-Areopagiten in konziser Form ein Profil verliehen wird, das sich von den gängigen franziskanischen Lesarten und der Interpretation in lateinischen und volkssprachlichen Texten franziskanischer Provenienz wesentlich unterscheidet, welche die dionysische Einungslehre generell im Blick auf die Betonung des affectus interpretieren. Bemerkenswert ist dabei weiter, dass der ,Paradisus‘ auf diesem Wege einen an Dionysius orientierten Begriff der Gottesgeburt und eine ,Einheitsmetaphysik‘ entwickelt, die ein Denkmodell vorwegnimmt, das uns später bei Nikolaus von Kues wieder begeg4 5
Steer, Die Schriften (nt. 1), 259. Cf. L. Sturlese, Die Kölner Eckhartisten. Das Studium generale der deutschen Dominikaner und die Verurteilung der Thesen Meister Eckharts, in: A. Zimmermann (ed.), Die Kölner Universität im Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 20), Berlin-New York 1989, 192-211; cf. N. Largier, Die ,deutsche Dominikanerschule‘. Zur Problematik eines historiographischen Konzepts, in: J. A. Aertsen/A. Speer (eds.), Geistesleben im 13. Jahrhundert (Miscellanea Mediaevalia 27), Berlin-New York 2000, 202-213; id., Von Hadewijch, Mechthild und Dietrich zu Eckhart und Seuse? Zur Historiographie der ,deutschen Mystik‘ und der ,deutschen Dominikanerschule‘, in: W. Haug/W. Schneider-Lastin (eds.), Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte. Kolloquium Kloster Fischingen 1998, Tübingen 2000, 93-117.
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nen wird. Wenn wir so wollen, können wir deshalb von einem ,dionysischen‘ Eckhartisten sprechen, der im Hintergrund dieser Kompilation steht und der Eckharts Predigten einer deutenden Kontextualisierung unterwirft, die nicht primär von Eckharts ,eigenem‘ Denken zeugt, sondern von einer zeitgenössischen Eckhart-Deutung. Ob wir angesichts der Engführung, die ein Kernmotiv im Denken des Thüringer Dominikaners mit einer spezifischen Dionysius-Rezeption verbindet, von einer Strategie sprechen dürfen, mit der Eckhart einem ,orthodoxen‘ Modell verpflichtet wird, vermag ich an dieser Stelle nicht zu entscheiden. Dennoch scheint es mir wahrscheinlich, dass durch die kontextualisierende Interpretation des Motives der Gottesgeburt im ,Paradisus‘ nicht primär die dominikanische Lehre von der vernünfticheit gegen die franziskanische Position verteidigt, sondern Eckharts Philosophie der Gottesgeburt im Intellekt spezifisch interpretiert und durch den Rekurs auf Augustinus und eine dominikanische Dionysius-Rezeption theologisch rehabilitiert werden soll. Was ich im Folgenden zu zeigen versuche, soll diese doppelte Perspektive reflektieren, unter der die Eckhart-Rezeption durch die Dionysius-Rezeption definiert und gleichzeitig eine bestimmte Dionysius-Lektüre privilegiert wird. I. Da ich bereits an anderer Stelle versucht habe, die ,Paradisus‘-Sammlung als kohärenten theologischen und philosophischen Entwurf darzustellen 6, werde ich mich hier auf das Motiv der Gottesgeburt in der Seele beschränken, das die Predigten des ,Paradisus‘ durchzieht. Die Predigt Meister Eckharts, die an den Anfang der liturgisch geordneten Sammlung gestellt ist, markiert einen Ausgangspunkt, der durch die Gegenüberstellung von regio dissimilitudinis und regio beatitudinis charakterisiert ist. Damit wird im expliziten Bezug auf ,Confessiones‘, Buch VII, 10, 16, eine augustinische Perspektive gewählt, die als Rahmen für den Gedankengang der Predigt dient, der in den Feststellungen gipfelt: „di allir groiste selekeit ist daz daz Got geborin und geoffenbarit wirt in der sele an einer geistlichen einnunge. da fon wirdit der mensche seliger dan der lip unsis herrin Ihesu Christi one sine sele und one sine gotheit, wan ein iclich heilege sele ist edelir wan der totliche lip unsis herrin Ihesu Christi. Di innewendige geburt Godis an der sele ist ein follinbrengunge allir ire selikeit, und di selikeit frumit ir me dan daz unsir herre mensche wart in unsir frowin sente Merien […]. waz Got ie geworchte oder geteit durch den menschin, daz inhulfin nicht alse umme eine bonen, her inworde forenit mit Gode an einer geistlichin foreinunge, da Got geborin wirdit in der sele und di sele geborin wirdet in Gode, und hirumme hait Got alle sine werc geworcht. daz uns daz gesche, des helfe uns Got.“ 7 6
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Cf. Largier, Nachwort (nt. 3); cf. außerdem N. Largier, Vernunft und Seligkeit. Das theologische und philosophische Programm des ,Paradisus anime intelligentis‘ (im Druck). Ich übernehme hier einige meiner Überlegungen aus diesen Arbeiten. Paradisus (nt. 3), 9, 7-17.
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Mit anderen Worten, die Überwindung der Entfremdung und des ,Jammers‘ der regio dissimilitudinis vollzieht sich in der geistigen Geburt Gottes im Menschen, die nicht als historische Geburt des Gottessohnes zu sehen ist, sondern als gegenwärtiger geistiger Vollzug. Den einzigen Anhaltspunkt, wie dieser Vollzug zu verstehen ist, gibt die Predigt mit dem Satz: „du Godis son quam uf daz ertriche, der ein lutir spigil waz ane allin fleckin, der brach die ersten huden uf und brach die unschult und lutirkeit in mensliche nature uf daz ertriche. Salomon sprichit von Christo: ,her ist ein lutir spigil ane fleckin‘.“ 8 Dadurch, schließt der Prediger, „ist al mensliche nature selic wordin“ 9. Einung des Menschen mit Gott ist so als geistige Geburt bestimmt, die sich vollzieht, insofern der Mensch sich - wie Christus - zu Gott als ,reiner Spiegel‘ verhält. Es ist nun nicht bloß bemerkenswert, dass auch die anschließenden Predigten des ,Paradisus‘ die Gottesgeburt in der Seele thematisieren, sondern dass zunächst in den folgenden zwei Predigten der Bezug zu Augustinus ausgebaut, schließlich aber auf Dionysius hin geöffnet wird. Die Predigt 2 von Florentius von Utrecht erläutert im Rückblick auf Augustinus die Menschwerdung des Sohnes, die Predigt 3 von Hane dem Karmeliten zitiert Augustinus zunächst im Blick auf die Weise, wie Gott in der Seele durch die Liebe geboren wird: „sente Augustinus sprichit: ,wan die begerunge inphengit wirt mit der minne, so wirt Got geborin in der sele […]‘.“ 10 Diesen Gesichtspunkt, der die Einheit in der Liebe anspricht und mit dem Begehren nach der Überwindung der Entfremdung in der regio dissimilitudinis verbunden ist, verfolgt der Text jedoch nicht weiter. Das Interesse des Predigers gilt vielmehr im nächsten Schritt dem Motiv der ,Schau Gottes‘, für das ebenfalls Augustinus als Autorität angeführt wird. Doch ist auch dies nur ein weiterer Schritt innerhalb eines sechsgliedrigen Gedankengangs, der uns schließlich zurückführt zum Denkbild des ,reinen Spiegels‘ und damit zur eingangs von Eckhart vorgelegten Erläuterung der Gottesgeburt als geistiger Einung. Ich zitiere den entscheidenden Schlussabschnitt der Predigt: „Zu dem funften male so enigit Got die sele. wan dan cumit daz gotliche licht und nimit di formen der sele und zuhit si in di formen Godis und enigit und formit si also in Got daz si daz gotliche licht also durchschinen hait daz si sich itzunt nicht bekennit an irre naturlichin craft, mer si bekennit sich an dem gotlichen lichte. dissis ist ein glichnisse an der sunnen. alse si schinit uffe di dinc da si iren widerslac an hait, so nimit si di dinc di si irhebin mac, und zuhit si in sich. alse wir sehin an deme schine der sunnen, der da schinit in di luft und durchclerit di luft, daz si nicht schinet luft, mer si schinit alse ein schin der sunnen, also hait daz gotliche licht di sele durchschinen, daz si sich selbe nicht bekennit dan an deme gotlichen lichte […]. Zu dem seisten male holit Got die sele uber und nimit si an sich, also daz si daz gotliche licht alleine nicht durchschinet, mer si ist selbir ein gotlich licht. glichir wis alse der da neme einen cristallin oder einin berillum und hilde di in di sunnen, so forlorn si al ir gestaltnisse und worden glich deme lichte. Dyonisius: di engile sint ein durchschinic spigil gotlichis lichtis, di einen schowin in den anderen 8 9 10
Ibid., 8, 20-24. Ibid., 9, 3. Ibid., 12, 17-18.
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daz gotliche licht. also sint di seligin sele durchschinen mit eime durchschinigin lichte, und daz selbe licht daz di einen durchschinet, daz durchschinit ouch die anderen.“ 11
Damit ist die Einung, die als Gottesgeburt in der Seele gefasst wird, nochmals auf das Bild des Spiegels bezogen. Dieser bildet das entscheidende Element, das die Logik der Geburt - die mit der folgenden Eckhart-Predigt als Geburt „in deme heubite der sele, daz ist in vornuftikeit “ 12 zu verstehen ist - auf eine spezifische Form der Entfaltung des Intellektes bezieht und damit erkenntnistheoretisch, nicht ontologisch definiert. Der Intellekt geht in der Spiegelung seines eigenen Ursprunges als dieser selbe Ursprung, damit als ,Sohn‘, aus Gott hervor. Als reiner Spiegel ist er Bild seines eigenen Hervorgehens, und zwar als ,Licht‘, das eins ist mit dem Ursprung, aus dem es hervorgeht. Die Verbindung der Denkmotive in diesen Predigten, die ich hier als bewusst inszenierte Abfolge skizziere, ist äußerst komplex, doch darf zweifellos davon ausgegangen werden, dass ein mittelalterlicher, theologisch geschulter Leser sie durchschaut und sich wohl auch über die intellektuelle Ambition gefreut haben wird. Er wird sich dessen bewusst gewesen sein, dass Augustinus vor der besagten Stelle der ,Confessiones‘, auf die sich Eckhart bezieht, vom göttlichen Licht im Inneren des Menschen gesprochen hat, das hier nun mithilfe eines dionysischen Modells erläutert wird. Zudem wird er die Verbindung des Begehrensund Unbeflecktheitsmotives aus Cant. 5, 2 mit (Pseudo-)Augustinus auf der einen Seite (Gottesgeburt in der Liebe) 13, Dionysius auf der anderen Seite (Einung in der Spiegelung) als eine kontextuelle Einbettung verstanden haben, die Eckharts Überlegungen zum Begehren nach der Einung mit Gott in den ,Paradisus‘-Predigten 1 und 4 ein spezifisches Profil verleiht. Und nicht zuletzt wird er gesehen haben, dass durch die Reihe der Predigten, die sich alle mit der Gottesgeburt beschäftigen, nicht verschiedene Modelle des Verständnisses der Inkarnation vorgeführt werden, sondern ein einheitliches Paradigma der Lehre von der Gottesgeburt im Intellekt entworfen wird, das die ontotheologische zugunsten der intellekttheoretisch-gnoseologischen Perspektive ausblendet. II. Im Zentrum dieses kontextuell entfalteten Deutungsparadigmas steht das Motiv des Spiegels 14, das die ,Paradisus‘-Predigten als ein Leitmotiv durchzieht und 11
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Ibid., 13, 17-36. - Man vergleiche die unten angeführte Dionysius-Rezeption Marquards von Lindau mit dieser Stelle. Ibid., 14, 20. Es handelt sich um eine des Öfteren zitierte, nicht identifizierte pseudo-augustinische Stelle. H. Rahner (Die Lehre der Kirchenväter von der Geburt Christi aus dem Herzen der Kirche und der Gläubigen, in: id., Symbole der Kirche, Salzburg 1964, 13-87), „möchte […] die Herkunft aus einer Schrift der Bernhardinischen Mystik annehmen“ (85, nt. 18). Für die Quellen dieses Theologumenons vergleiche diese Studie, daneben Ruh, Geschichte (nt. 3), 327-330, und A. M. Haas, Gottleiden - Gottlieben, Frankfurt a. M. 1989, 241-263. Zum Motiv des Spiegels siehe jetzt: J. F. Hamburger, Speculations on Speculation. Vision and Perception in the Theory and Practice of Mystical Devotion, in: Haug/Schneider-Lastin (eds.),
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das auf Salomon, Sap. 7, 26-27, und auf Dionysius bezogen wird. So schreibt Johannes Franke in der Predigt 7 des ,Paradisus‘: „Salomon sprichit: ,der son ist ein bilde der gotlichen gude und ein spigil one fleckin und ein lutir schin siner clarheit und ein schone candor des ewigin lichtis.‘ in di formen des ewigin lichtes sal sich druckin di edele sele, also daz si sich stelle in eine suze guit zuphlichtikeit, di gar one erge sıˆ. in den spigil sal si sehin mit geistlichin ougin, da si findit reine lutirkeit one missewende, noch der si sich richten sal. ez muiz gar luˆtir sin da sich der gotliche schin inwerfin sal und sal durchflizin und durchluchten der sele fornuftikeit und reinigen von allime dinstirnisse der duplichin valscheit und sezin in di clarheit der ewigin warheit: also wirdit der mensche glich geformit noch dem bilde Godis sone. daz glichnisse daz wir habin mit Godis sone, da fone wir Godis sone heizin, daz ist an der geburt; wan alse her ewicliche Got uze Gode geborin ist, daz wort daz die warheit ist: also si wir geistliche uz Gode geborin in deme worte der worheit.“ 15
Die Verbindung, die hier hergestellt wird zwischen den Motiven der Güte Gottes, der Lauterkeit des Spiegels, der Reinheit Christi, des göttlichen Lichtes, der Reinigung der Seele und der Gottesgeburt in der Seele verweist auf Dionysius und auf seine Theorie der Reinigung, Kontemplation und Einung 16. Dabei spielt, obschon dies oft übersehen wird, auch bei Dionysius das Konzept der Gottesgeburt in der Seele eine Rolle. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang vor allem die folgenden Stellen: ,De coelesti hierarchia‘ I, 2; I, 3 und III, 2 sowie ,De ecclesiastica hierarchia‘ II, 2, 1; II, 3, 1 und III, 3, 10. Hier finden sich die genannten Motive, auf die sich die ,Paradisus‘-Predigten beziehen, wenn sie Christus als reinen Spiegel verstehen, dem der Mensch gleich werden soll, um so in die ursprüngliche Einheit zurückzukehren. Der Gedanke der Vergöttlichung des Menschen, der - wie gezeigt - explizit auch an Augustinus anschließt 17, wird damit eingebettet in das dionysische Konzept der Henosis und der hierarchischen Ausfaltung und Rückführung in Gott 18. In der dabei notwendigen Applikation der negativen Theologie auch auf den Intellekt verliert dieser alle naturhafte Determiniertheit und Vermitteltheit 19 und wird eins mit Gott 20. Auch der Begriff des Friedens, über den Eckhart handelt und der für das Einheitsverständnis des ,Paradisus‘ wichtig ist 21, verweist auf Dionysius (,De
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Deutsche Mystik (nt. 5), 353-408; N. Largier, Spiegelungen. Fragmente einer Geschichte der Spekulation, in: Germanistik, N. F. 3 (1999), 618-636. Paradisus (nt. 3), 22, 12-22. Ibid.; ebenso oder ähnlich: Eckhart: 8, 21-24; 27, 1-4; 76, 12-18; 85, 18-26; 130, 6-16. Hane: 13, 33 sqq.; 66, 14 sqq. Franke: 18, 35 sq. Eckhart Rube: 23, 30-24, 5. Erbe: 28, 26-34. Helwig von Germar: 97, 8-13. Florentius: 135, 4-12; 136, 24-30; 138, 21. - Cf. zudem: 64, 21-29; 68, 3-23. Cf. neben den bereits zitierten Stellen auch: ibid., 16, 20-25; 81, 5 sq.; 85, 11 sqq. Cf. ibid., Franke: Pr. 5. Eckhart: 38, 1-8; 50, 6-34; 110, 5-15. Giselher: 91, 28-37. Cf. ibid., Eckhart: Pr. 4, und Hermann, Pr. 13, doch zieht sich die negative Theologie mit diesem Schwerpunkt durch eine Reihe von Predigten. Ibid., Hane: Pr. 3 und 30. Eckhart: 51, 25-29; 110, 5-15; 128, 6-19. Franke: 46, 1-31. Cf. ibid., 37, 1-15; 47, 1-11; 128, 29 sqq. Rube: 71, 26.
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divinis nominibus‘ XI). Friede, Ruhe 22, Einfalt und Schweigen sind so die Voraussetzung einer mit Dionysius als Lauterkeit verstandenen Freiheit und Einheit 23, in der der Mensch - durch die Negativität und Bildlosigkeit gereinigt zum Spiegel des ursprünglichen Lichts wird und die Welt in diesem Licht sieht 24. Vor allem die ,Paradisus‘-Predigt 15, in der Eckhart sich im Anschluss an die Einführung des Begriffes des Friedens und der Stille wohl auch auf Alberts Kommentar zu Brief 8 und 9 des Dionysius bezieht, eröffnet hier den Blick auf die Albert und Eckhart verbindende spekulative und am Begriff des Intellektes orientierte Deutung des Ideals der humilitas, in der der Mensch die naturhaft vermittelte Positivität des Intellektes negiert und mit Gott eins wird 25. Damit ist die in der ersten Predigt der Sammlung thematisierte regio dissimilitudinis einem Begriff der beatitudo gegenübergestellt, der auf den Konzepten der Lauterkeit, der humilitas und der glicheit des Menschen mit Gott basiert. Diese Motive gehen in wesentlichen Zügen auf Dionysius zurück und ihnen wird hier in einer durch Albert den Großen vermittelten Weise neu Form verliehen. Bemerkenswert ist dabei vor allem, dass wir in dieser Kontextualisierung der Predigten Eckharts und vor allem seines Konzeptes der Gottesgeburt auch einer bestimmten Interpretation dieses theologischen Komplexes begegnen. Dieser unterscheidet sich von den in der Forschung gängigen Thesen, in denen in der Regel als mögliche Quellen Eckharts „Origenes, Gregor von Nyssa, Maximus Confessor (den Eriugena dem Westen vermittelte), aber auch […] Ambrosius und Augustinus“ 26 genannt werden, nicht aber Dionysius. Diese Traditionsbezüge sind natürlich auch hier nicht auszuschließen, und vor allem Augustinus wird im ,Paradisus‘ mit Nachdruck als Autorität zitiert. Gleichzeitig führt der ,Paradisus‘ indes Eckharts Grundgedanken und sein Konzept der Gottesgeburt eng an Dionysius heran, ohne sich um die Quellen dieses Konzeptes bei Eckhart selbst weiter zu kümmern. Dabei geht es nicht nur um die apophatische Theologie, sondern um ein Modell, das diese mit der Lehre von der Gottesgeburt verbindet und sie zu erläutern vermag. Wo der Intellekt in der Negation seiner eigenen Vermittlungsleistung frei wird von aller kreaturhaften Bestimmtheit und Vermitteltheit, so die kürzestmögliche Darstellung dieses Modells, ist er nichts als ein reiner Spiegel, in dem sein eigenes Sein sich als Prozess der Rückkehr in 22 23 24
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Cf. ibid., Eckhart: Pr. 36. Cf. ibid., Eckhart: 129, 6 sqq. Zum Hintergrund: Dionysius, De divinis nominibus XII, 2. Cf. ibid., Eckhart: 121 sq.; 127 sq.; 130 sq. Zum Hintergrund siehe besonders Dionysius, De coelesti hierarchia III, 2 sq., wo die spezifische Verbindung des Läuterungs-, Licht- und Gnadenmotivs begegnet. Cf. R. van den Brandt, Die Eckhart-Predigten der Sammlung ,Paradisus anime intelligentis‘, in: M. J. F. M. Hoenen/A. de Libera (eds.), Albertus Magnus und der Albertismus. Deutsche philosophische Kultur des Mittelalters (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 48), Leiden-New York-Köln 1995, 172-187, hier: 181 sq.; A. de Libera, Albert le Grand et la philosophie, Paris 1990, 277-286. K. Ruh, Predigt 4, Omne datum optimum, in: G. Steer/L. Sturlese (eds.), Lectura Eckhardi I, Stuttgart-Berlin-Köln 1998, 1-23, hier: 18.
Kontextualisierung als Interpretation
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den Grund und als bildhaftes Hervorgehen aus dem Grund vollzieht. So ist die apophatische Theologie, wie schon bei Dionysius, letztlich spekulative Theorie des Intellekts und Verständnismodell der Inkarnation im Begriff des zum Spiegel gewordenen Intellekts.
III. Damit sind wir hier auch auf ein spekulatives Modell verwiesen, das Nikolaus von Kues weiterentwickeln und zur Grundlage seines Verständnisses der filiatio Dei machen wird. Der Kusaner, dessen Interesse an Optik, Visualität und Metaphern des Sehens bezeichnend ist 27, fasst die Inkarnation wie Eckhart - nach der Lesart des ,Paradisus‘ - als theosis, als deificatio, in der der Mensch qua Intellekt immer schon am Göttlichen teilhat. Auch hier ist das wichtigste Motiv, das zur Erläuterung beigezogen wird, der Spiegel und die Spiegelung: „Ein Gleichnis soll dir helfen. Ohne Zweifel ist dir nicht unbekannt, daß die Formen in geraden Spiegeln in gleicher Größe, in gekrümmten kleiner erscheinen. Stellen wir uns nun eine vollkommene Spiegelung unseres Ursprunges vor […], in der Gott selbst erscheint. Es sei der Spiegel der Wahrheit, ohne Flecken, unbegrenzt und vollkommen […]; alle Geschöpfe hingegen seien verschränkte und verschieden gekrümmte Spiegel. Unter ihnen sind die vernunfthaften Naturen die lebendigen, klaren und geraden Spiegel. Von diesen nimm an, da sie lebendig und vernunfthaft und frei sind, daß sie sich selbst krümmen, begradigen und reinigen können. Ich sage nun: der eine Spiegelglanz strahlt in diesen sämtlichen Spiegel-Reflexionen wider, und in der ersten ganz geraden Spiegelklarheit strahlen alle Spiegel so wider, wie sie sind. Das kann man bei wirklichen Spiegeln sehen, deren Vorderseiten im Kreis einander zugekehrt sind. In allen anderen, den verschränkten und gekrümmten, erscheinen sie nicht so, wie sie sind, sondern sie entsprechen der Art des empfangenden Spiegels, d. h. beeinträchtigt und verringert, weil der sie empfangende Spiegel nicht gerade ist. Hält man nun einen vernunfthaften, lebendigen Spiegel vor den ersten Spiegel der Wahrheit, in dem alles, so wie es ist, wahrhaft und fehlerlos widerstrahlt, dann strömt dieser Spiegel der Wahrheit mit allen andern Spiegeln, die er in sich aufgenommen hat, in den vernunfthaften, lebendigen Spiegel über, und dieser empfängt jeden Spiegelstrahl der Wahrheit, der die Wahrheit aller Spiegel in sich birgt. Er empfängt in dem einen wahren Augenblick der Ewigkeit jenen lebenden Spiegel, einem lebendigen Auge gleich, welches das widerscheinende Licht des ersten Spiegels empfängt. Er erschaut sich darum in diesem Spiegel der Wahrheit so, wie er ist, und er sieht in sich alles auf seine Weise. Je einfacher, absoluter, klarer, reiner, gerader, gerechter und wahrer er ist, desto lauterer, freudiger und wahrer sieht er die göttliche Herrlichkeit und alle Dinge in sich. In diesem ersten Spiegel der Wahrheit, der auch Wort, Logos oder Sohn Gottes genannt werden kann, erlangt der vernunfthafte Spiegel die Kind27
Cf. Ch. Kiening, ,Gradus visionis‘. Reflexion des Sehens in der Cusanischen Philosophie, in: Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft 19 (1991), 243-272.
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schaft, durch die er alles in allem und alles in Gott und sein Königtum der Besitz Gottes und aller Dinge im Leben der Herrlichkeit ist.“ 28
Jedes Ding, betont Nikolaus denn auch, ist nur aus dieser Struktur der Spiegelung heraus wirklich zu verstehen, und der Intellekt, der das Ding in Ruhe betrachtet, wird in ihm unmittelbar auf den Ursprung zurückgeführt. So wird jedes Ding zu einem Punkt verschränkter, doch absoluter Intensität: „In der Mächtigkeit seiner [d. h. der göttlichen] Kraft ist alle Kraft der Himmel und alle Kraft der Dinge, die unter ihm sind, eingefaltet; darum ist jede Kraft, die in den Dingen ist, Ausfaltung der Kraft des vernunfthaften Geistes. So hat die Sinnenwelt in sinnenhafter Weise an derselben Kraft teil, an der die Vernunft auf vernunfthafte Weise partizipiert. Die absolute Kraft der vernunfthaften Welt verschränkt sich nämlich in verschiedenen Weisen der Teilhabe: himmlisch im Himmel, seelisch in den Seelen, lebendig im Lebendigen, pflanzlich in den Pflanzen, mineralisch in den Mineralien, usw. Wenn du darauf achtest, wirst du also in allem die absolute Kraft und ihre bestimmte Art finden.“ 29
Theosis, Teilhabe am Göttlichen, ist damit als eine spiegelnde Offenheit der Vernunft zu sehen, in der diese in sich die Ein- und Ausfaltung des Göttlichen - complicatio und explicatio - vollzieht. Basis und Grund dieses Vollzugs ist die speculatio, die Spiegelung, in der die Vernunft sich zunächst von aller Vermittlung und Selbstbestimmung befreit und rein rezeptiv zur Möglichkeit der Entfaltung aller Dinge wird. Nur als Spiegel all dieser Möglichkeiten bildet sie den Ort, wo alle Dinge in ihrer Entfaltung und gleichzeitig in ihrem absoluten Ursprung - das heißt in ihrer Unvermitteltheit - begriffen werden. Jedes Ding ist dann für die Vernunft ein Spiegel der absoluten Möglichkeit und Freiheit, die das Göttliche ist, und ihrer eigenen Partizipation am Absoluten. So schließt der Gesprächspartner im ,Dreiergespräch über das Können-Ist‘ (,Trialogus de possest‘) mit einer Ästhetik der Spiegelung, die gleichzeitig eine Ästhetik der Negation und absoluter Affirmation ist: „Aus diesem allen entnehme ich, daß die nach dem Nichtsein in einen Anfang gesetzte Welt deshalb auf Griechisch der schöne Kosmos genannt wird, weil sie von der unaussprechlichen ewigen Schönheit her ist, die vor dem Nichtsein ist […]. Was anderes also ist die Welt als des unsichtbaren Gottes Sichtbarwerden? Was anderes Gott als der sichtbaren Dinge Unsichtbarkeit […]? Die Welt enthüllt also ihren Schöpfer, auf daß er erkannt werde. Ja, der unerkennbare Gott zeigt sich der Welt im Spiegel und Rätselbild erkennbar, wie der Apostel treffend sagt: bei Gott gebe es nicht Ja und Nein, sondern nur das Ja.“ 30 28
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Nicolaus Cusanus, De filiatione dei 67, 1-16, in: id., Opera omnia, vol. 4: Opuscula, ed. P. Wilpert, Hamburg 1959, 49 sq.; dtsch. in: id., Philosophisch-theologische Schriften, ed. L. Gabriel, transl. D. Dupre´/W. Dupre´, Wien 1964-1967, vol. 2, 623-625. Ich habe die Übersetzung leicht modifiziert. Nicolaus Cusanus, De filiatione dei, 81, 1-10, ed. Wilpert (nt. 28), 58; ed. Gabriel (nt. 28), 635-637. Nicolaus Cusanus, Trialogus de possest. Dreiergespräch über das Können-Ist, ed. R. Steiger, Hamburg 31991, 89.
Kontextualisierung als Interpretation
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Bei Dionysius Areopagita und in der typologischen Deutung der Figur Marias und Christi durch Sap. 7, 26 ist das Motiv des Spiegels auf die Geburt bezogen. Die filiatio Dei wird - schon bei Dionysius Areopagita und im ,Paradisus‘, doch am eindringlichsten bei Nikolaus von Kues - als speculatio begriffen, als Spiegelung, aus der der Sohn hervorgeht. Das theologische Konzept der Inkarnation ist vollständig durch die Metapher der Spiegelung erläutert. Spiegelung bezeichnet das Moment, in dem alle Naturkausalität und Differenz als solche kollabiert und gleichzeitig in der Unmittelbarkeit des Blickes überschritten wird, in dem auch der Betrachtende aufgeht. Bildhaftes Hervorgehen und Wahrnehmung in Form der Spiegelung ist der Ort, an dem die Naturkausalität durch das Hervorgehen als Bild, damit auch die Natur durch die Freiheit abgelöst ist. Darin sieht sich die Welt denn auch, wie der Kusaner schreibt, nicht eigentlich im Spiegel reflektiert, sondern sie erkennt sich selbst als ,Darstellung‘ einer immer vorgängigen Wahrheit, deren strukturelle Vorgängigkeit - die durch die Applikation der negativen Theologie auf den Intellekt konstruiert wird - Bedingung der Möglichkeit von Freiheit ist. Nur im ,reinen Spiegel‘ wird so das Hervorgehen der Welt als etwas ihre eigene Ganzheit und Integrität immer schon Begründendes sichtbar. Oder, wie Cusanus schreibt: Der in den Spiegel Blickende glaubt zunächst, „die Gestalt, die er im Spiegel sieht, sei die Darstellung seiner eigenen Gestalt“. Doch „das Gegenteil davon ist wahr. Was er in jenem Spiegel der Ewigkeit sieht, ist nicht Darstellung, sondern die Wahrheit, deren Darstellung er, der Sehende, selbst ist“ 31. So wird in der Spiegelung - im Leben des zum Spiegel gewordenen Intellektes - greifbar, wie das Hervorgehen des Vielen aus dem Einen und wie der unmittelbare Rückbezug der Welt auf ihren göttlichen Grund zu verstehen ist. Gleichzeitig verschiebt sich das Verhältnis des Vielen zum Einen, erblickt doch im Spiegel jedes Ding sich selbst als das Eine, das ihm immer vorangeht und das nur im Blick in den Spiegel erscheint. Da zudem jedes andere Ding ein Spiegel ist, löst sich die Einheit im gleichen Maße auf, in dem sie sich konstituiert. Sie ist immer nur in der ,Reinheit‘ der Spiegelung, in der im befreiten, zur reinen Möglichkeit gewordenen Intellekt alles aus allem hervorgeht. Damit wird die negative Theologie zur Philosophie der Möglichkeit, insofern sie den Intellekt aller Bestimmtheit entledigt und ihn in seinem Grunde als ,reinen Spiegel‘ sieht, der alles zu werden vermag, aus dem alles in seiner Differenz hervorgeht und in dem alles in Einheit restituiert wird. IV. Doch kehren wir nochmals in die Zeit des ,Paradisus‘ zurück. Wie gesagt, ist die Dionysius-Rezeption des ,Paradisus‘ nicht nur als bestimmte Interpretation Eckharts zu lesen, sondern gleichzeitig als Votum für eine bestimmte Dionysius31
Nicolaus Cusanus, De visione dei XV, 63, ed. Wilpert (nt. 28), 317; ed. Gabriel (nt. 28), vol. 3, 161.
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Lektüre. Suchen wir nach einem Kontext, der uns die Bedeutung dieser Interpretation des Pseudo-Areopagiten verstehen lässt, können wir etwa auf das Predigtwerk Marquards von Lindau zurückgreifen, das Rüdiger Blumrich herausgegeben hat und für das „1389 als Entstehungsjahr in den Handschriften bezeugt“ 32 ist. Blumrich hat dabei auch gezeigt, dass Marquard mit den „verschiedenen Übersetzungen des ,Corpus Dionysiacum‘ bestens und aus erster Hand vertraut ist“ 33. Es ist zudem aufschlussreich zu sehen, dass „Marquards Werke […] von seinen Rezipienten in den Kontext der Werke Meister Eckharts, Johannes Taulers, Heinrich Seuses sowie der anonymen Literatur aus diesem Umkreis gestellt“ 34 werden. Dieser überlieferungsgeschichtliche Befund weist auf das Netz von Bezügen hin, in dem wir uns hier befinden. Marquard hat aus Eckhart, Tauler und Ruusbroec geschöpft. Er steht dem Autor des ,Buchs von der geistigen Armut‘ nahe. Er hat sich mit ihren Lehren auseinandergesetzt und dabei ein eigenes Werk geschaffen, dem man heute nicht mehr einfach alle Originalität absprechen kann. Er ist nicht bloß ein Kompilator, der sich vor allem für die morales expositiones interessiert, sondern ein Theologe, der durchaus auch eigenständige Positionen vertritt. Darauf hat neben Rüdiger Blumrich auch Georg Steer hingewiesen 35. Man kann diese Position mit Blumrich als „Explikation einer spirituellen Theologie“ 36 verstehen. Dass Marquards Werk im Überlieferungszusammenhang der oben genannten Autoren steht, zeigt zudem, dass er in diesem Kontext gelesen worden ist. Unter den von Marquard in seinem Predigtwerk namentlich am häufigsten zitierten Quellen nimmt Dionysius - nach Augustinus und Bernhard von Clairvaux - die dritte Stelle ein 37. Nigel Palmer merkt dazu an, dass der PseudoAreopagite hier „zum ersten Mal in solchem Umfang von einem deutschsprachigen Autor rezipiert“ 38 werde. Dasselbe lässt sich auch vom ,Paradisus‘ sagen 39, betont doch Kurt Ruh, dass es sich hier um die „erste volkssprachliche Schrift [handelt], die Dionysius als bedeutende spirituelle Autorität zitiert und auswertet“. Und Margot Schmidt schreibt in ähnlicher Weise über die um die Mitte des 14. Jahrhunderts entstandene alemannische Übertragung von ,De septem itineribus aeternitatis‘ (,Die siben strassen zu got‘) des Franziskaners Rudolf 32
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R. Blumrich, Marquard von Lindau. Deutsche Predigten. Untersuchungen und Edition (Texte und Textgeschichte 34), Tübingen 1994, 3*. R. Blumrich, Die deutschen Predigten Marquards von Lindau. Ein franziskanischer Beitrag zur Theologia mystica, in: Hoenen/de Libera (eds.), Albertus Magnus (nt. 25), 155-172, hier: 160 sq. Blumrich, Marquard von Lindau (nt. 32), 8*. Cf. G. Steer, Der Armutsgedanke der deutschen Mystiker bei Marquard von Lindau, in: Franziskanische Studien 60 (1978), 289-300. Blumrich, Marquard von Lindau (nt. 32), 56*. Cf. ibid., 60*. N. F. Palmer, Marquard von Lindau OFM, in: K. Ruh (ed.), Die deutsche Literatur des Mittelalters: Verfasserlexikon, vol. 6, Berlin-New York 21987, 81-126, hier: 124. Cf. K. Ruh, Dionysius Areopagita im deutschen Predigtwerk Meister Eckharts, in: Perspektiven der Philosophie. Neues Jahrbuch 13 (1987), 207-223, hier: 208; cf. id., Geschichte (nt. 3), 280290.
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von Biberach, dass hier „erstmalig größere Partien aus den Werken PseudoDionysius’“ 40 vorliegen. Was die drei Urteile belegen, ist vor allem, dass wir von einer intensiven Beschäftigung mit Dionysius ausgehen müssen, die auch in der Volkssprache ihren Ausdruck gefunden hat. Dies belegen auch der Text des ,Granum sinapis‘, der im Umfeld Eckharts entstanden sein wird, und der Kommentar dazu 41. Wir begegnen in der vergleichenden Konfrontation dieser Texte einem, ja dem entscheidenden Unterschied, der die verschiedenen Rezeptionslinien charakterisiert. Nach Marquard, der der franziskanischen Tradition folgt, die sich durch den Rekurs auf Thomas Gallus charakterisiert, ist Dionysius folgendermaßen zu verstehen. Ich zitiere aus der Predigt 30: „Die sechst schuol ist des hailgen gaistes, da huett die armen junger unsers herren sind ingefueret und aller warhait sind erfuellet. Dise hoh wirdig edel schuol ist allain behalten den demuetigen lutern gottlidenden menschen, die die aller hertesten, scharpfesten wege gegangen sind. In diser schuol so lernet man nit denn ain wort, daz geschriben ist mit zwain buochstaben, die da sind Alpha und O, Apocalipsis primo, daz sprichet: ,Ich bin der anvang und daz end.‘ Und in diser schuol lernet man gesehen mit blinthait und bekennen mit unbekantnuest. In diser schuol lernet man daz hailig ewangelium sant Paulus, als er von im selber schribet: ,Ego enim non accepi ab homine. Ich han es von kainem menschen genomen.‘ Und in diser schuol waz Jerotheus, von dem sant Dyonisius schribet. Und von der kunst diser schuol so sprichet sant Dyonisius: ,Hanc autem irracionalem stultam et amentem sapienciam etc.‘ Daz sprichet: ,Die unbeschaiden torocht unvernuenftig wisshait lobend wir ueber wesenlich und sprechend, daz si ist aller vernunft, beschaidenhait und wishait sach, und in ir ist aller rat und bekantnuest, und alle schaecz der wishait und der kunst sind in ir beschlossen.‘ Und in dem buechlin ,De mistica theologya‘ verbuetet er sinem fru´nd, daz er luog, daz nieman ungelerter da von hoer sagen. Und die haisset er ungelert, die da noch hafftend an den dingen, die da sind. Du merkest hie bi wol, wie gar geluetret edel menschen es muossend sin, die in disi schuol hoerend, wan in der schuol ist weder lieht noch vernunft, noch gedank, noch red, noch wirt gesuochet weder gnad noch glory. Wan vernunft und all kreft sind da beroubet irs werkes und in ainer stilli aines unwissends umb sich und umb aellu´ ding, als sant Dyonisius sprichet, mer allain der spicz der minnenden kraft suochet ainikait mit got. Und in dem spicz der minnenden kraft wirt got gelobt ueber wesenlich mit der ueber wallenden minn, die da besoeffet wu´rken aller ander kreft und blosslich 40
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Rudolf von Biberach, Die siben strassen zu got. Die hochalemannische Übertragung nach der Handschrift Einsiedeln 278, ed. M. Schmidt (Spicilegium Bonaventurianum 6), Quaracchi 1969, 176*. Cf. Ruh, Geschichte (nt. 3), 282-290 (Ruh hält Eckhart für den Autor des ,Granum sinapis‘); M. Bindschedler, Der lateinische Kommentar zum ,Granum sinapis‘ (Basler Studien zur deutschen Sprache und Literatur 9), Basel 1949. - Mit W. Haug denke ich, dass „dieses Gedicht nicht Eckhart selbst zugemutet werden kann“ (id., Meister Eckhart und das ,Granum sinapis‘, in: H. Brunner/W. Williams-Krapp [eds.], Forschungen zur deutschen Literatur des Spätmittelalters. FS für J. Janota, Tübingen 2003, 73-92, hier: 91). Dass nach Haug auch im ,Granum sinapis‘ „die erkenntnistheoretische Seite, letztlich nach dionysischen Vorgaben, pointiert herausgearbeitet“ ist, während der „für Eckharts Mystik sowohl fundamentale wie theologisch problematische Gedanke der Berührung des Seelengrundes mit dem Grund Gottes fehlt“ (ibid.), macht diesen Text in beachtenswerter Weise mit der dionysischen Intellekttheorie des ,Paradisus‘ vergleichbar. Anders als im ,Granum sinapis‘ wird jedoch im ,Paradisus‘ Eckharts Lehre von der Gottesgeburt in diese Intellekttheorie einbezogen.
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in got gekeret ist, als Vercellensis der abt sprichet. Und diss begeret ouch sanctus Dyonisius, da er also sprichet ,De mistica theologya‘: ,Secundum hanc nos fieri oramus.‘ Daz sprichet: ,Wir bittend die ueber glenczenden vinsternuest, daz wir also werdent, daz wir mit blinthait und unbekantnuest werdent sehen und bekennen, daz da ist ob sehen und bekantnuest ‘.“ 42
Der Unterschied zwischen der Dionysius-Rezeption, der wir bei Marquard begegnen und der Dionysius-Rezeption im ,Paradisus‘ besteht nicht so sehr in der Evaluation der Rolle der Vernunft, insofern diese sich letztlich in ihrem Bezug auf Gott bestimmen lässt, als vielmehr in der Explikation dieses Bezuges. Wo Marquard mit der franziskanischen Tradition und dem Abt von Vercelli, Thomas Gallus, 43 im dionysischen Textkorpus auf die Liebe zurückgreift, bezieht sich der ,Paradisus‘ auf die Denkfigur des Spiegels, die demselben Textkorpus entnommen wird. Wo Marquard ,De divinis nominibus‘ VII, 1 und den Begriff des summus apex affectionis aus der Paraphrase des Thomas Gallus als Alternative zur Einheit im Intellekt beizieht, bleibt der ,Paradisus‘ beim Begriff des Intellekts und versucht diesen durch den Rückgriff auf andere Stellen im Werk des Dionysius zu klären und im Blick auf die Einheit mit Gott so zu entfalten, dass affectus und begern subordiniert bleiben. Ähnliches lässt sich feststellen, wenn wir die Dionysius-Rezeption bei Rudolf von Biberach untersuchen, der seinen Traktat ,De septem itineribus aeternitatis‘, welcher der bereits erwähnten alemannischen Übersetzung zugrunde liegt, wohl noch am Ende des 13. Jahrhunderts verfasst hat. Auch hier bestimmt die von Thomas Gallus gewählte Perspektive der Privilegierung des affectus die Dionysius-Rezeption. Wie wir schon gesehen haben, markieren diejenigen Stellen eine deutliche Differenz zwischen den zwei Rezeptionslinien, an denen im ,Paradisus‘ vom Intellekt als Spiegel die Rede ist. Hier setzt der ,Paradisus‘ eine Tradition fort, die aus Alberts Dionysiuskommentaren schöpft und diese weiterentwickelt. Wie man weiß, hat Albert sich dabei bewusst von Thomas Gallus abgesetzt. Er akzeptiert die These nicht, dass die konsequente Apophase letztlich nur durch die Einheit in der Liebe kompensiert werden könne. Albert argumentiert vielmehr, dass in der apophatischen Bewegung der Intellekt selbst die Instanz ist, durch die der Mensch vergöttlicht wird („hi qui ad ipsum convertuntur deificentur“) 44. Damit wird die ignorantia, von der Dionysius spricht, zu einem Moment des Intellektes, das weiter untersucht und zur Darstellung gebracht werden kann. Genau dies leistet das Motiv des Spiegels. Dieses macht greifbar, was Albert in seinen Dionysiuskommentaren zum Ausdruck bringt. Dies tritt, auch wenn Al42
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Blumrich, Marquard von Lindau (nt. 32), 205 sq. Die Stelle ist vor dem Hintergrund der oben zitierten Hane-Predigt aus dem ,Paradisus‘ zu lesen. Cf. B. McGinn, Thomas Gallus and Dionysian Mysticism, in: Studies in Spirituality 8 (1998), 81-96; K. Ruh, Geschichte (nt. 3), 59-81. Albertus Magnus, Super Dionysium De divinis nominibus IX, 10, ed. P. Simon (Alberti Magni Opera omnia 37/1), Münster 1972, 383, 60 sq. - Cf. E´.-H. We´ber, L’apophatisme dionysien chez Albert le Grand et dans son e´cole, in: I. de Andia (ed.), Denys l’Are´opagite et sa poste´rite´ en orient et en occident. Actes du Colloque International, Paris, 21-24 septembre 1994, Paris 1997, 379-403.
Kontextualisierung als Interpretation
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bert selbst das Motiv des Spiegels nicht weiterentwickelt, in seinem Kommentar zu ,De coelesti hierarchia‘ III, 2 deutlich hervor. Albert schreibt dazu: „Littera sic construitur: Probatum est ex condicionibus divinis, quod hierarchia unit et assimilat deo, et etiam hoc est verum de ipsa, quod ,perficit suos laudatores‘, idest se inferiores; in Graeco enim habetur thiasotas, idest subditos, sed tamen laudatores transtulit, quia laudant, et complacet eis in donis quae a superioribus recipiunt; perficit, dico, ,agalmata divina‘, idest expressas dei imagines per similitudinem ex receptis donis, quibus laetitia eis oritur. Perficit, dico, ,specula clarissima et munda receptiva luminis principalis‘, idest divini, quod est principium omnis luminis, specula, dico, ,repleta sacre divini radii et claritatis inditae‘ eis a deo, quibus sacra efficiuntur. Et notandum, quod ponit tres proprietates in spiritualibus speculis, quas oportet esse in materialibus; oportet enim esse clara, ita quod sint plana et polita in superficie, ut speciem susceptam ostendant. Oportet ea etiam esse munda, ne scilicet aliqua macula serpat in profundum […]. Oportet ea etiam esse perlucida […]. Sic et perfectae hierarchiae sunt specula spiritualia, in quibus divina similitudo repraesentatur, clara quidem et polita per studium, quo a se quasi poliendo se omne impedimentum amovent, sed munda per meritum, perlucida sive receptiva per fervens desiderium, quo profundatur in ipsis divina similitudo. Similiter distinguendum est inter lumen, radium et claritatem in spiritualibus ad modum corporalium. Est enim radius corporalis linea visualis sive lux procedens in directum a corpore luminoso. Lumen vero dicitur lux diffusa non in directum; nam alias non viderentur corpora non opposita soli. Claritas vero dicitur divaricatio ipsius radii per reverberationem ad aliquod corpus splendens in superficie; frangitur enim radius in multos radios, ita quod visum obtenebret.“
Albert deutet damit die dionysische Hierarchie als Stufung von Spiegelungen, die das Prinzip der assimilatio der Seele an Gott zu erläutern vermögen. Auf der höchsten Stufe dieser hierarchisch gedachten Entfaltung, die gleichzeitig Hervorgehen und Rückkehr bedeutet, stehen die „specula clarissima et munda receptiva luminis principalis“. Diese werden vom radius divinus unmittelbar erfüllt, und es ist - wie in den eingangs zitierten Texten des ,Paradisus‘ - der vom göttlichen Strahl erfüllte Intellekt, welcher den Menschen zum ,Sohn‘ und zum ,Spiegel‘ macht, in dem nicht nur er selbst, sondern alle Dinge in den Ursprung zurückkehren: „Radius igitur in spiritualibus est persona divina procedens ad perficiendam mentem, filius quidem secundum intellectum et spiritus sanctus secundum affectum; lumen vero erit dona emanantia ab ipsa in mentem, claritas vero erit per divisionem donorum ad perficiendum omnia naturalia. Sic, dico, ipsi reformati in dei similitudinem alios faciunt specula divini luminis receptiva, ,que‘, idest et, faciunt praedicta specula non solum receptiva luminis, sed ,declarantia‘, idest cum quadam gloria refluentia, sicut dicit Augustinus, quod ,gloria est clara cum laude notitia‘, ,eam‘, scilicet divinam claritatem, ,copiose‘ in eis clarescentem non tantum ad sufficientiam sibi, sed ut in alterum redundare possit, ,iterum‘, scilicet declarantia, ,in ea quae sequuntur‘, idest in sibi subditos; faciunt enim superiores inferiores non solum similes per receptionem divini luminis, sed etiam per consortium potestatis, sicut et ipsi sunt […].“ 45
Was Albert damit vorlegt, ist nicht nur ein dynamisches Modell, das die hierarchische Selbstmitteilung des göttlichen Lichtes mithilfe der Spiegelmetapher er45
Albertus Magnus, Super Dionysium De caelesti hierarchia III, eds. P. Simon/W. Kübel (Alberti Magni Opera omnia 36/1), Münster 1993, 49 sq. Cf. ibid., 54, 43-70.
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Niklaus Largier
läutert, sondern gleichzeitig ein Gedankengang, der die filiatio als Assimilation denkt und diese im Blick auf den Begriff des Intellektes erkenntnistheoretisch als Spiegelung versteht. Dabei wird die Bedeutung des affectus nicht unterschlagen, sondern demselben Prozess und damit dem Hervorgehen des Intellektes subsumiert, also wie im ,Paradisus‘ nicht als Alternative zum Vermögen des Intellektes gesehen, sondern als Element seiner Entfaltung. Weiter stellt Albert einen wichtigen Bezug zu Augustinus her, wenn er den Begriff der gloria einführt und auf die Einheit in der Spiegelung bezieht. Es ist dies ein Bezug zu Augustinus, der so auch im ,Paradisus‘ wieder greifbar wird. Was der ,Paradisus‘ dabei deutlich in den Vordergrund rückt, ist nicht nur die Verbindung der entscheidenden Sentenz aus dem ,Corpus Dionysiacum‘, ,esse divinitus est divina generatio‘ 46, mit dem Prinzip der Spiegelung, sondern auch ein Begriff des intellektuellen Begehrens, welcher der Hinwendung zu Gott vorangeht. Diesen führt Dionysius an derselben Stelle, ,De ecclesiastica hierarchia‘ II, 2, 1, ein. Er begegnet im ,Paradisus‘ als begern, das aller intellektuellen purificatio, der Reinigung des Spiegels also, vorangeht. So schreibt Eckhart: „ez endarf nimannen unmogelich dunkin hizu zu cumene [d. h. zur Gottesgeburt in der Seele]. waz schadit mir daz, wi swere ez ist, sint he ez wirkit? alle sine gebot sint mir licht zu haldine. he heize mich joch alliz daz he wolle, des inachte ich nichtis nicht, daz ist mir alliz cleine, ob he mir sine gnade da zu gibit. ez sprechin etliche si inhaben is nicht, so spreche ich: daz ist mir leit. begeris du ez abir? ,nein‘. daz ist mir noch leidir. enmac man ez nicht gehabin, so habe man doch eine begerunge darzu. [hier fehlt aufgrund eines Homöoteleutons ein Satzteil: …] David sprichit: ,ich habe begerit einir begerunge zu dinir gerechtikeit.‘ “ 47
Wir sind so zurückgeführt zum Motiv der regio dissimilitudinis der ersten Eckhart-Predigt des ,Paradisus‘, die in vergleichbarer Weise die Überwindung der Entfremdung im Begehren ansetzt: „du di aldin vedere bekanten daz jamir da si inne waren, du schrigiten si mit irre begerunge in den himmel und worden in Got gegozzin mit irme geiste und lasin in gotlicher wisheit daz Got geboren solde werden.“ 48
Damit wird - wie schon bei Albert - auch das affektive Moment nochmals eingebunden in die dominikanische Dionysius-Lektüre, die hier propagiert werden soll. Begehren und Liebe (dilectio und eros) sind, so ist der Gedankengang zu lesen, nicht - wie in der Nachfolge des Thomas Gallus - als Kompensation des Ungenügens des Intellektes angesichts der Unfassbarkeit des ineffabile zu sehen, sondern als Momente der Entfaltung des intellektiven Vermögens im Blick auf die Vergöttlichung des Menschen, die nach dem ,Paradisus‘ schon Dionysius als Geburt Gottes im Spiegel des Intellektes gedacht hat. 46
47 48
Dionysius, De ecclesiastica hierarchia II, 2, 1. Ich zitiere den Text nach: Albertus Magnus, In Dionysium De ecclesiastica hierarchia II, 2, ed. A. Borgnet (Alberti Magni Opera omnia 14), Paris 1892, 509. Paradisus (nt. 3), 18, 1-8. Ibid., 7, 34-37.
Kontextualisierung als Interpretation
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V. Was dürfen wir aus dieser Rekonstruktion der Entfaltung einiger zentraler Motive des ,Paradisus‘ schließen? Beginnen wir mit den zuletzt dargestellten Elementen, können wir von einem Beitrag zur franziskanisch-dominikanischen Kontroverse über die Privilegierung des Intellekts oder der Liebe sprechen, der hier im Rekurs auf eine spezifische Dionysius-Lektüre in konziser Form Kontur verliehen wird. Ob die Predigt des Barfüßermönchs, die die Sammlung enthält 49, als Gegenexempel innerhalb einer Reihe die dominikanische Position vertretender Predigten zu verstehen ist, scheint mir nicht entscheidbar, obwohl dies der Verfasser des Inhaltsverzeichnisses so darstellt. In einer Vorform der uns vorliegenden Fassungen könnte die Predigt des Franziskaners durchaus als Text fungiert haben, der einer bestimmten dominikanischen Perspektive der DionysiusRezeption subsumiert werden sollte, und zwar im Blick auf die oben dargestellten Versuche, den Liebesbegriff in den Intellektbegriff zu integrieren und eine allgemein verbindliche Dionysius-Lektüre zu propagieren, die auch Theologen anderer Ordenszugehörigkeit zu integrieren vermag. Weit bedeutender als die Kontroverse über Liebe und Intellekt ist jedoch der Versuch des ,Paradisus‘, eine dionysische Lesart der Lehre von der Gottesgeburt zu entwickeln, welche auf der von Albert dem Großen vertretenen DionysiusInterpretation beruht, die den Intellekt und damit die Gnoseologie anstelle der Ontotheologie privilegiert. Dass Eckhart dabei eine so bedeutende Rolle spielt, darf man durchaus als Rehabilitation oder als Verteidigung seines Denkens sehen. Die Kontextualisierung zeigt denn auch, dass es vor allem darum geht, Bezüge zwischen dem von Eckhart intellekttheoretisch gefassten Begriff der Gottesgeburt in der Seele und dem Pseudo-Areopagiten herzustellen, die an Albert anschließen (und die auf Nikolaus von Kues vorausweisen). Ob dabei Eckharts Denken in gewisser Weise auch entschärft werden sollte, legt sich zumindest als Vermutung nahe. So ist etwa vom inkriminierten ,Ungeschaffenen in der Seele‘ als Figur der Unmittelbarkeit und als Aspekt der Philosophie der Gottesgeburt in der Seele nicht die Rede, sondern es ist der weithin akzeptierte Begriff des ,reinen Spiegels‘ und der speculatio, der die Unmittelbarkeit des Intellekts zum Absoluten und damit auch die Gottesgeburt nicht in ontologischer, sondern in gnoseologischer Form erläutert.
49
Cf. ibid., 131-133.
Isticheit nach Meister Eckhart. Wege und Irrwege eines philosophischen Terminus Alessandra Beccarisi (Lecce) I. Erst vor kurzem begann die Eckhart-Forschung die philosophische Sprache Meister Eckharts zu untersuchen. Hasebrinks 1 Studien zur performativen Funktion der Eckhart’schen Sprache, die neueren Beiträge von Nadia Bray 2 und Dagmar Gottschall 3 zur Übersetzung der Bibel in seinen deutschen Werken und zur philosophischen Begründung jener Übersetzung zeichnen das Bild eines Philosophen und Theologen, der seine Terminologie bewusst und auf raffinierte Weise wählt, um seine Gedanken möglichst klar zu formulieren. Wenn man von den schon eher veralteten Arbeiten von B. Schmoldt 4 und M. Morard 5 absieht, fehlt jedoch noch eine Analyse der philosophischen Terminologie Eckharts 6. Schmoldt untersucht eine große Anzahl von Begriffen, die in Eckharts Philosophie eine wichtige Rolle spielen, wie vernünfticheit, wesen, eigenschaft usw. Morard hingegen beschränkt sich darauf, das rätselhafte semantische Feld des substantivierten ist, von istic und isticheit zu untersuchen, wobei er zahlreiche Stellen zitiert, ohne jedoch zu einem definitiven Ergebnis zu kommen. Die Undurchdringlichkeit des Wortes isticheit widersetzte sich jahrzehntelang den Bemühungen der Eckhart-Forschung, so dass K. H. Witte noch im Jahre 2002 in seiner Analyse des ,Traktats von der Minne‘ schreiben konnte: „Eckhart benutzt isticheit nicht terminologisch, sondern, wie eine Untersuchung aller einschlägigen Stellen zeigt, pleonastisch, neben und das heißt gleichbedeutend mit 1
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Cf. B. Hasebrink, Formen inzitativer Rede bei Meister Eckhart. Untersuchungen zur literarischen Konzeption der deutschen Predigt (Texte und Textgeschichte 32), Tübingen 1992; id., Studies on Redaction and Use of the ,Paradisus anime intelligentis‘, in: J. Hamesse/X. Hermand (eds.), De l’home´lie au sermon, Louvain 1993, 143-158. Cf. N. Bray, Deutsche Bibelzitate in den Predigten Meister Eckharts, in diesem Band, 409-426. Cf. D. Gottschall, „Man möhte wunder tuon mit worten“ (Predigt 18). Zum Umgang Meister Eckharts mit Wörtern in seinen deutschen Predigten, in diesem Band, 427-449. Cf. B. Schmoldt, Die deutsche Begriffssprache Meister Eckharts, Heidelberg 1954, 65-66. Cf. M. St. Morard, Ist, istic, isticheit bei Meister Eckhart, in: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie 3 (1956), 169-186. Alle Beiträge über Sprache und Sprachproblematik in den Werken Meister Eckharts beziehen sich nur auf die Frage ,Mystik und Sprache‘. Cf. N. Largier, Bibliographie zu Meister Eckhart, Freiburg 1989.
Isticheit nach Meister Eckhart
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wesen.“ 7 Dieses Urteil fällt er nicht ganz zu Unrecht. Tatsächlich finden sich in den deutschen Werken Eckharts istic und isticheit neben dem Wort wesen, und wie wir sehen werden, könnte die Eckhart’sche Terminologie in gewissem Sinne ein Synonym von wesen sein. Trotzdem irrt sich Witte, wenn er versichert, dass Meister Eckhart isticheit und istic nicht terminologisch benutzt. Wie ich bereits zu beweisen versucht habe 8, bedeutet isticheit eine ,zu sich selbst zurückgewandte Identität‘, eine überwesentliche und intellektuelle Seinsweise, die Synthese der Gründe der Dinge, infolge deren Gott und Mensch eins sind. Es steht fest: In allen Predigten, in denen istic und isticheit auftauchen, ist immer die besondere Seinsweise Gottes und die Dynamik zwischen Gottheit und Mensch im Spiel. Das ist vielleicht der einzige Punkt, in dem die ganze Eckhart-Forschung übereinstimmt. Wir haben es doch nicht mit einem pleonastischen Lexem zu tun, sondern mit einer Fachterminologie in der Volkssprache, deren zugrunde liegende Theorie bereits vor der Straßburger Zeit 9 abgeschlossen war, wie ich zu beweisen versuchen werde. II. Eine erste Definition von isticheit kann man in Predigt 77 ,Ego mitto angelum meum‘ nachlesen, in der Eckhart vier verschiedene Bedeutungen des Pronomens ego analysiert. Die Erste ist die Folgende: „Daz diu geschrift saget ,ich‘, meinet des ˆersten gotes isticheit, daz got aleine ist; wan alliu dinc sint in gote und von im, wan uˆzwendic im und aˆne in enist niht in der waˆrheit: wan alle creˆatuˆren sint ein snœde dinc und ein bloˆz niht gegen gote. Dar umbe: waz sie sint in der waˆrheit, daz sint sie in gote, und dar umbe ist got aleine in der waˆrheit. Und alsoˆ meinet daz wort ,ich‘ die isticheit götlıˆcher waˆrheit, wan ez ist ein bewıˆsunge eines ,istes‘. Darumbe bewıˆset ez, daz er aleine ist.“ 10
In diesem Abschnitt verbindet Eckhart das Pronomen ich mit ist. Ich bedeutet vor allem einmal isticheit, was wiederum heißt ,nur Gott ist‘, da dieses Wort die Äußerung eines istes und gerade nicht eines wesens ist. Das ist ein grundlegender Unterschied, denn die erste Bedeutung von ich, das heißt isticheit, bezeichnet nicht irgendein esse, sondern ausschließlich den Eigennamen Gottes: „Ego sum qui sum.“ 11 7
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K. H. Witte, Der ,Traktat von der Minne‘, der Meister des Lehrgesprächs und Johannes Hiltalingen von Basel. Ein Beitrag zur Geschichte der Meister-Eckhart-Rezeption in der Augustinerschule des 14. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 131 (2002), 454-487, hier: 480. Cf. A. Beccarisi, Philosophische Neologismen zwischen Latein und Volkssprache: istic und isticheit bei Meister Eckhart, in: Recherches de The´ologie et Philosophie me´die´vales 70/2 (2003), 329358. Cf. L. Sturlese, Hat es ein Corpus der deutschen Predigten Meister Eckharts gegeben? Liturgische Beobachtungen zu aktuellen philosophiehistorischen Fragen, in diesem Band, 393-408. Pr. 77 (DW III, 339, 1-6). Ex. 3, 14.
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Alessandra Beccarisi
Eine weitere Definition von isticheit findet sich in Predigt 67: „Ez ist diu wesenlich vernünfticheit gotes, der diu luˆter bloˆz kraft ist intellectus, daz die meister heizent ein enpfenclıˆchez. Nuˆ merket mich! Dar obe nimet si ˆerste die luˆter absoluˆcio des vrıˆen wesens, daz daˆ ist sunder daˆ, daˆ ez ennimet noch engibet; ez ist diu bloˆze isticheit […]. Daˆ nimet si got bloˆz naˆch dem grunde daˆ, daˆ er ist über allez wesen. Wære daˆ noch wesen, soˆ næme si wesen in wesene; daˆ enist niht wan ´ein grunt.“ 12
Hier markiert isticheit die Ablösung (absoluˆcio) des reinen Seins (vrıˆen wesens), das heißt, das Anderssein ihrer ontologischen Dimension bezüglich der Ebene des Seins oder der Substanz 13. Diese bestimmte Seinsweise Gottes ist intellektueller Natur, wie Eckhart selbst an einer anderen Stelle der Predigt 66 betont: „Diu vröude des herren daz ist der herre selber und kein ander, und der herre ist ein lebende, wesende, istige vernünfticheit, diu sich selber verstaˆt und ist und lebet, selber in ir selber und ist daz selbe.“ 14 An dieser Stelle wird Gott selbst als Vernünftigkeit, die sich selber versteht (istige vernünfticheit) definiert, die ist (wesende) und lebt (lebende) selbst in sich selbst. Diese Auslegungen (das heißt, isticheit als ,ewige Rückwendung auf sich selbst‘, isticheit als „absoluˆcio des vrıˆen wesens“ und schließlich isticheit als Vernunft, die sich in sich selber versteht, ist und lebt) finden Bestätigung in drei lateinischen Werken, die Eckhart in einer genau festgelegten Zeitspanne, nämlich zwischen 1303 und 1309, also vom ersten Magisterium in Paris bis zum Provinzialat in Erfurt, verfasste. In der ersten ,Quaestio Parisiensis‘ (1303-1304) definiert Eckhart 15 die Eigenschaft der göttlichen Substanz, die intelligere ist, als puritas essendi. Seiner Meinung nach ist dies die richtige Interpretation vom Namen Gottes „Ego sum qui sum“. Die Wiederholung drückt die Reinheit des göttlichen Seins aus, das heißt: Gott kann nichts anderes als eine ewig rückwendige Identität sein. Im Kommentar zum Ecclesiasticus (vor 1309 in Erfurt) wird die göttliche Substanz als puritas substantiae definiert 16, und auch in diesem Fall ist der Aus12 13
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Pr. 67 (DW III, 133, 3-8). Cf. E. Gilson, La philosophie au Moyen aˆge. Des origines patristiques a` la fin du XIV sie`cle, Paris 1962, 696. Pr. 66 (DW III, 124, 1-3). Quaestiones Parisienses, q. 1, n. 9 (LW V, 45, 9-15): „Et ideo cum esse conveniat creaturis, non est in deo nisi sicut in causa, et ideo in deo non est esse, sed puritas essendi. Sicut quando quaeritur de nocte ab aliquo, qui vult latere et non nominare se: quis es tu? respondet: ,ego sum qui sum‘, ita dominus volens ostendere puritatem essendi esse in se dixit: ,ego sum qui sum‘. Non dixit simpliciter ,ego sum‘, sed addidit: ,qui sum‘ [Wiederholung und Identität]. Deo ergo non competit esse, nisi talem puritatem voces esse.“ In Eccli., n. 10 (LW II, 239, 1-240, 3): „Relucet autem ista puritas excellens ex quinque. Primo, quia est substantia se tota stans in se ipsa tota et ,in quolibet sui‘, nulli innixa, nulli permixta. Propter quod redit super se ,reditione completa‘. Secundo relucet, quia li ego dicit substantiam sine omni accidente, quin immo accidens in ipsa et per ipsam transit in substantiam. Ratio est, quia omnium accidentium in subiecto est idem esse cum ipso esse subiecti. In primo autem esse est ipsa substantia; ergo omne accidens in deo transit in substantiam. Sed quia sola relatio non habet esse in subiecto nec a subiecto, sed potius ab obiecto et a suo opposito, non transit in substantiam. Et sic manent in divinis tantum duo praedicamenta, scilicet substantia et relatio. Tertio relucet ex hoc, quia li ego non significat substantiam hanc aut illam, sed substantiam meram simpliciter. Quarto quia nec substantiam significat, quae sit in genere substantiae, sed quid altius et per consequens purius, includens perfectiones omnium generum. Quinto, quia substantiae ut sic, quam li ego significat,
Isticheit nach Meister Eckhart
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druck ,Reinheit der Substanz‘ eine Interpretation des Pronomens ego. Um seine Auffassung zu belegen, bedient sich Eckhart diesmal jedoch nicht des Verses aus dem Exodus, sondern des Satzes 15 aus dem ,Liber de causis‘ 17. Die göttliche Substanz, sagt Eckhart, ist puritas substantiae, da sie „se ipsa stans in se ipsa tota“ und „redit super se reditione completa“. Im Kommentar zum Exodus (vor 1309 in Erfurt) interpretiert Eckhart 18 die biblische Perikope „Ego sum qui sum“ vierfach als lautere Substanz (mera substantia), als Rückwendung auf sich selbst („super se ipsum reflexiva conversio“), als Beharren oder Feststehen in sich selbst („in se ipso mansio sive fixio“) und als Fülle des Seins (plenitudo esse). Es gibt doch eine frappante Kohärenz zwischen diesen lateinischen Werken und den drei oben genannten Predigten. Die Predigt 77 19 und der Exoduskommentar präsentieren eine vierfache Interpretation des Pronomens ego, und zwar: isticheit („super se ipsum reflexiva conversio“), ˆewigiu stæticheit („in se ipso mansio sive fixio“), „die bloˆzen luˆterkeit götlıˆches wesens“ (mera substantia) und „daz got ungescheiden ist von allen dingen“ (plenitudo esse). Das erlaubt, auf die eingangs gestellte Frage zu antworten, und zwar: Wann hat Eckhart begonnen, an isticheit als ewige Rückwendung auf sich selbst zu denken? Istic und isticheit sind nur in neun Predigten nachgewiesen und erscheinen stets in Kontexten, in denen Eckhart das Theorem der Einheit zwischen Mensch und Gott und des intellektuellen Grundes dieser Einheit vertieft. Aber man kann auch eine Entwicklung der Bedeutung dieses semantischen Komplexes beobachten. In den Predigten 66, 67 und 77 werden isticheit und istic von Eckhart als ,auf sich zurückgewandte Identität‘ ausschließlich verwendet, um die göttliche Substanz zu definieren, und nicht, wie in anderen Predigten, etwa in Predigt 6 und 12, um die Einheit zwischen Gott und Mensch zu benennen 20.
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non est capax hic mundus nec dignus, sed solus intellectus; nec hic in quantum natura sive ens naturae, sed inquantum altius quid natura.“ Liber de causis 15 (16), n. 128 (ed. Pattin), Leuven 1966, 79, 65-80, 69: „Et non significo per reditionem substantiae ad essentiam suam, nisi quia est stans, fixa per se, non indigens in sui fixione et sui essentia re alia rigente ipsam, quoniam est substantia simplex sufficiens per seipsam.“ Meister Eckhart, Expositio libri Exodi secundum recensionem Cod. Ampl. Fol. 181, cap. 3 (LW I, 98, 28-99, 30): „Notanda sunt hic primo quod hec tria ego sum qui propriissime deo conueniunt. Li ego pronomen est prime persone. Discretiuum pronomen autem meram substantiam signat […]. Tertio notandum quod repetitio quod bis ait: sum qui sum puritatem affirmationis excluso omni negatiuo ab ipso deo indicat; Rursus quamdam ipsam esse in se ipsum et super se ipsum reflexivam conuersionem et in se ipso mansionem siue fixionem […]. li sum qui sum inpermixtionem esse et eius plenitudinem indicat.“ Den Zusammenhang zwischen Pr. 77 und dem Exoduskommentar übersahen auch die früheren Gelehrten nicht, obwohl sie sich auf die Bedeutung des Pronomens ego und des Wortes isticheit als mera substantia beschränkten. Cf. Morard, Ist, istic, isticheit (nt. 5), 186; B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogie, Univozität und Einheit, Hamburg 1983, 100-105; A. de Libera, L’Eˆtre et le Bien: Exode 3, 14 dans la the´ologie rhe´nane, in: A. de Libera/E. Zum Brunn (eds.), Celui qui est. Interpre´tations juives et chre´tiennes d’Exode 3, 14, Paris 1986, 127-162, bes. 151162. Dieser Perspektivenwechsel im anthropologischen Sinne hängt wahrscheinlich mit der Lektüre einiger Texte des Proclus, etwa der Opuscula, zusammen. Cf. A. Beccarisi, Philosophische Neologismen (nt. 8), 111-115.
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Alessandra Beccarisi
Wir haben bereits festgestellt, dass es eine bemerkenswerte Übereinstimmung zwischen den drei deutschen Predigten und den drei lateinischen Werken gibt. Es handelt sich um Werke, die aus dem Zeitraum zwischen der Pariser Lehrtätigkeit Eckharts und dem ersten Teil seines Provinzialats in Erfurt stammen. Sowohl der Kommentar zum Ecclesiasticus als auch derjenige zum Exodus wurden in der Erfurter Zeit geschrieben, wie L. Sturlese aufgrund der Handschrift Ampl. F 181 nachgewiesen hat. In dieser Handschrift „war der ,Ecclesiasticus‘ bereits abgeschlossen, während Eckhart mit dem ,Exoduskommentar‘ kaum begonnen hatte“ 21. Die Interpretation der Perikope „Ego sum qui sum“, die ich analysiert habe, findet sich jedoch schon in der ersten im amplonianischen Codex überlieferten Redaktion, die Sturlese auf 1305 datiert. Um zum Schluss zu kommen: Schon zwischen 1303 und 1310 hatte Eckhart versucht, mit Ausdrücken wie puritas essendi und puritas substantiae die Ur-Einheit Gottes zu definieren. Istic und isticheit erlaubten Eckhart, jene Ur-Einheit feiner auszudrücken, ohne auf den scholastischen Apparat, der segmentiert und definiert, zurückzugreifen. Daraus folgt, dass die Predigten 66, 67 und 77 aufgrund ihres deutlichen Zusammenhangs mit den in Erfurt geschriebenen lateinischen Werken vor 1310, als Eckhart Provinzial war, konzipiert wurden. Aus dem bisher Gesagten geht hervor, dass die Analyse einer so seltsamen Terminologie wie isticheit und istic mehr als eine gelehrte Kuriosität ist. Vom Gesichtspunkt der Philosophiegeschichte aus ist sie aus mindestens drei Gründen wichtig: 1. Isticheit als ,ewige intellektuelle Rückwendung auf sich selbst‘ macht mit den Streitgesprächen über den Vorrang von esse und intelligere in Gott ein Ende. Es müsste neu überlegt werden, ob mit Eckhart in dieser Hinsicht wirklich eine Wende erfolgt ist 22. 2. Isticheit als Synonym von wesen bzw. substantia müsste dazu führen, dass auch die wahre Bedeutung von esse und substantia (mhd. wesen) im lateinischen Werk Eckharts neu überdacht wird, und zwar meiner Ansicht nach mehr auf neuplatonische als auf thomistische Weise. Außerdem kann isticheit nur dann als Synonym von wesen in Betracht kommen, wie K. H. Witte meint, wenn wesen als Substanz und nicht als esse verstanden wird. Das ist keine uninteressante Präzisierung, weil genau diese Bedeutung der in der Erfurter Zeit geprägten Fachterminologie Erfolg hatte. Eckhartisten und auch dem Einflussbereich Eckharts fremde Autoren nahmen das neue Angebot sofort wahr, vor allem als Synonym von göttlicher Substanz, und nicht so sehr, um die unterschiedslose und intellektuelle 21
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L. Sturlese, Meister Eckhart in der Bibliotheca Amploniana. Neues zur Datierung des ,Opus tripartitum‘, in: A. Speer (ed.), Die Bibliotheca Amploniana. Ihre Bedeutung im Spannungsfeld von Aristotelismus, Nominalismus und Humanismus (Miscellanea Mediaevalia 23), Berlin-New York 1995, 434-446, bes. 442-443. Cf. ibid., 445-446.
Isticheit nach Meister Eckhart
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Einheit zwischen Mensch und Gott zu bezeichnen. Diese Bedeutung, die in Eckharts Werk immer wieder auftaucht, wurde denn auch zweimal von der Inquisition verurteilt 23. 3. Isticheit ist ein interessanter Beweis für die Verbindung zwischen der Philosophie Dietrichs von Freiberg und jener von Meister Eckhart, die trotz der gründlichen Studien von K. Flasch 24 und von B. Mojsisch 25 noch nicht anhand von Textstellen belegt worden ist. Um diesen letzten Punkt zu klären, muss man zuerst verstehen, wieso diese philosophischen Fachterminologien trotz ihrer Verbreitung keinen Erfolg hatten, so dass sie vom Ende des 14. Jahrhunderts bis heute im Grunde nicht wirklich begriffen worden sind. Dies wird erlauben, nicht nur wertvolle Auskünfte über eine Zeit zu erhalten, in der die deutsche philosophische Sprache noch im Entstehen war, sondern auch a posteriori zu beweisen, dass isticheit und istic tatsächlich als ,ewige Rückwendung auf sich selbst‘ verstanden werden müssen. III. Nach dem Tod Eckharts übernahmen mindestens neun Autoren 26 die neue Fachterminologie, von denen nur zwei Augustiner, die Verfasser des ,Traktats von der Minne‘ und des ,In-principio-Dialogs‘, die Intention Meister Eckharts 23
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Ich beziehe mich auf die Predigten 6 und 12. Zur Geschichte des Kölner Prozesses cf. L. Sturlese (ed.), Mag. Echardi Responsio ad articulos sibi impositos de scriptis et dictis suis (LW V), Stuttgart 2000, 241-520 (dort Literatur). Siehe insbesondere Acta Echardiana, n. 47 (LW V, 236, 11-14): „Tricesimus sextus articulus sic dicit: ,Vivere meum est esse dei, vel vita mea est essentia dei, quidditas dei quidditas mea‘ “ und n. 47 (LW V, 231, 8-21): „Decimus septimus articulus dicit: Quod Paulus dicit: ,optabam anathema esse‘ etc., hoc dixit ,ex perfectione, alias non potuisset hoc vere dixisse‘. Et quod ,Paulus reliquit deum propter deum: reliquit omne, quod a deo recipere posset et quod deus ei dare posset‘, ,et tunc remansit ei deus, non secundum receptionem vel secundum dationem, sed secundum quod deus est in se ipso.‘ “ Cf. K. Flasch, Die Intention Meister Eckharts, in: Sprache und Begriff. FS für B. Liebrucks, Meisenheim am Glan 1974, 292-318, hier: 312-316; id., ,Procedere ut imago‘. Das Hervorgehen des Intellekts aus seinem göttlichen Grund bei Meister Dietrich, Meister Eckhart und Berthold von Moosburg, in: K. Ruh (ed.), Abendländische Mystik im Mittelalter. Symposion Kloster Engelberg (Germanistische Symposien-Berichtsbände 7), Stuttgart 1986, 125-134, hier: 126-130. B. Mojsisch, Dynamik der Vernunft bei Dietrich von Freiberg und Meister Eckhart, in: Ruh (ed.), Abendländische Mystik (nt. 24), 135-144. Die Predigten Taulers. Aus der Engelberger und der Freiburger Handschrift sowie aus Schmidts Abschriften der ehemaligen Straßburger Handschriften, ed. v. F. Vetter (Deutsche Texte des Mittelalters 11), Berlin 1910, ND Hildesheim 2000; Heinrich Seuse, Deutsche Schriften. Im Auftrag der Württembergischen Kommission für Landesgeschichte ed. v. K. Bihlmeyer, Stuttgart 1907, ND Frankfurt a. M. 1961; Konrad von Megenberg, Von der sel, ed. v. G. Steer, München 1966; Texte aus der deutschen Mystik des 14. und 15. Jahrhunderts, ed. v. A. Spamer, Jena 1912; K. Ruh, Traktat von der Minne: Eine Schrift zum Verständnis und zur Verteidigung von Meister
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verfälschten. Ein dritter, Pseudo-Konrad von Megenberg, beschränkte sich auf einen farblosen Gebrauch von isticheit. Die anderen, die so genannten Eckhartisten, benutzten treu die Terminologie und bewiesen, dass sie deren Bedeutung sehr gut kannten. Das Schicksal von istic und isticheit spielte sich also zwischen den Anhängern und den Gegnern von Eckhart ab. Gehen wir zuerst näher auf die Partei der Anhänger ein. Dazu gehören Seuse, Tauler, ein anonymer Korrespondent von Margaretha Ebner, ein unbekanntes, von Spamer herausgegebenes Gedicht und die von Pfeiffer herausgegebenen anonymen Autoren, die alle in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts tätig waren. In den neun untersuchten Werken kommen die Lexeme ist, istic und isticheit zwanzig Mal vor, was den Erfolg der Eckhart’schen Neubildung beweist. In allen analysierten Belegen werden istic und isticheit verwendet, um der Intention Eckharts entsprechend die besondere Seinsweise der Gottheit, ihren Kern, ihre verborgene kamer zu bezeichnen. Also nicht ,wesentlich seiend‘, sondern bloß istic, nicht Sein, Da-Sein oder Wesen, sondern isticheit, das heißt Eins, wie man in dem anonymen, an Margaretha Ebner geschriebenen Brief lesen kann 27. Der Brief ist nach 1348 datierbar und bezeugt, dass diese Terminologie schon zwanzig Jahre nach dem Tod Eckharts sehr verbreitet war, obwohl sie an eine gefährliche Heterodoxie grenzte. In seinem Essay ,Der Seelengrund in den Predigten Taulers‘ spricht P. Wyser 28 sogar vom ,Antithomismus‘: „Die ,Istikeit‘ bleibt auch in diesem Wesen der Seele: das ist eben das tiefst innerste Sein und Wesen der Seele! Und damit bleibt die höchst unthomistische Tendenz des eckhartschen Denkens eine monistische Identifikation unseres Seelengrundes mit Gott.“ Die Auslegung Wysers ging wahrscheinlich zu weit. Es wurde aber schon bewiesen, dass Eckhart die neue Fachterminologie schuf, um den Fesseln von esse, essentia, existentia und denen des ganzen scholastischen Apparats zu entgehen. Die traditionelle, gleichzeitig auf Gott und auf die Geschöpfe angewandte Terminologie drohte tatsächlich gefährliche Missverständnisse aufkommen zu lassen, was denn auch geschah. Tauler hatte sowohl die Neuheit als auch die Gefährlichkeit der Eckhart’schen Terminologie erkannt, die von einer undifferenzierten Einheit zwischen Mensch und dem Gott des Proclus sprach. Daher die Verbindung mit dem Seelengrund, aber auch die vorsichtige Distanznahme. Die auf den Begriff
27
28
Eckharts Metaphysik, in: L. Grenzmann (ed.), Philologie als Kulturwissenschaft: Studien zur Literatur und Geschichte des Mittelalters. FS für K. Stackmann, Göttingen 1987, 208-229; K. H. Witte, Der Meister des Lehrgesprächs und sein ,In-principio-Dialog‘. Ein deutschsprachiger Theologe der Augustinerschule des 14. Jahrhunderts aus dem Kreise deutscher Mystik und Scholastik. Untersuchung und Edition (MTU 95), München-Zürich 1989; Margaretha Ebner und Heinrich von Nördlingen. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Mystik, ed. v. Ph. Strauch, Freiburg i. Br.-Tübingen 1882; B. Hasebrink, Der Rebdorfer Eckhartkommentar. Überlieferung und Kommentierung der Armutspredigt Meister Eckharts in der Rebdorfer Handschrift Cgm 455, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 113 (1994), 207-222. Strauch (ed.), Margaretha Ebner (nt. 26), 277, 8-10: „die ewig gothait tu dich ewicklichen schawen ir einig istigkeit und ir istig einigkeit in dem spigel irs selbs luter warheit.“ P. Wyser OP, Lebendiges Mittelalter. Festgabe für Wolfgang Stammler, Freiburg 1966, 275.
Isticheit nach Meister Eckhart
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der isticheit gegründete Identifikation sollte Tauler durch die Rückkehr zum idealen Sein ersetzen. Weniger vorsichtig und mehr im Sinne Eckharts verhielt sich Seuse 29, der in seinem ,Buch der Wahrheit‘ wörtlich die schon analysierte Stelle aus der Predigt 66 Meister Eckharts zitiert 30: „Diser stiller einveltikeit wesen ist ir leben und ir leben ist ir wesen. Es ist ein lebendu´, wesendu´, istigu´ vernu´nftikeit, daz sich selber verstat, und ist und lebt selber in im selber und ist daz selb.“ 31 Wie schon gesagt, sind die Ausdrücke „sich selber verstat “, „selber in im selber und ist daz selb“ in Meister Eckharts Predigten wiederkehrende Umschreibungen für das Adjektiv istic, die die dem Intellekt eigene ewige Rückwendung auf sich selbst bezeichnen. Dank dieser inneren Dynamik kennt, lebt und ist Gott er selbst in sich selbst und hat alle Dinge in sich selbst, wie Seuse weiter in seinem ,Leben‘ bemerkt: „Von disem got und herren haben wir wol so vil kundsami, daz er ist ein substanzlich wesen, und daz er ist ewig, ane vor und ane na, einvaltig, unwandelber, ein unliplicher, weslicher geist, dez wesen sin leben und wuerken ist, dez istigu´ vernunftkeit ellu´ ding erkennet in im selb mit im selb.“ 32
Hier bezeichnet istic den göttlichen Intellekt, der insofern sich selbst in sich selbst denkt, als er auch ellu´ ding denkt. Das traditionelle Motiv der Präexistenz der idealen Gründe aller Dinge in Gott wird also durch die Doktrin der isticheit interpretiert. Diese Auslegung stützt sich auf die Stelle aus der auf S. 315 dieses Beitrags kommentierten Predigt 77, in der Eckhart die Bedeutung des Lexems isticheit deutlich erklärt. Denn da Gott wahres ,ist‘ ist, das heißt istic, hat er in sich alle Dinge und kennt demnach alles. Diese Interpretation sollte Erfolg haben. Wir finden sie bei Seuse, in der ,Gloˆse über daz eˆwangelium S. Johannis‘ 33 und auch im ,Traktat von der Minne‘ 34, in dem sie vom Autor Johannes Hiltalingen dazu benutzt wird, um Eckhart gegen die Anklage der Häresie zu verteidigen. IV. Während sich die Auslegung von isticheit als Grund des esse der Geschöpfe in mente Dei auch bei den Gegnern Eckharts einer gewissen Zustimmung erfreute, so hatte jedoch der genuinere Sinn von Eckharts philosophischer Terminologie weniger Erfolg. Es fehlt eine gründliche Analyse des philosophischen Grundes 29 30 31 32 33
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Heinrich Seuse, Deutsche Schriften, ed. v. K. Bihlmeyer (nt. 26). Cf. S. 316. Bihlmeyer (nt. 26), 329, 9-12. Bihlmeyer (nt. 26), 171, 17-21. Diu gloˆse über daz eˆwangelium S. Johannis, in: F. Pfeiffer (ed.), Deutsche Mystiker des vierzehnten Jahrhunderts, vol. 2, Leipzig 1857, 578-593. Cf. Ruh, Traktat von der Minne (nt. 26).
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dieser Worte, die so reine Firmenzeichen blieben. Wie Tauler richtig feststellte, leiteten im Übrigen istic und isticheit zu der von Proclus angekündigten rigorosen Einheit über. Deshalb wählten alle, Eckhartisten nicht ausgeschlossen, einen vorsichtigen Standpunkt. Alle, bis auf einen: den anonymen Verfasser der ,Gloˆse über daz eˆwangelium S. Johannis‘. Es handelt sich um einen Kommentar zu Joh. 1, 1-12, der das Thema der Gottesgeburt in der Seele und der Mitwirkung der Seele am werc gotes in der Vereinigung mit Gott behandelt. Was die Verfasserfrage betrifft, stimmt Peter Schmidt 35 Denifle zu, den Traktat nicht zu den Eckhart’schen Schriften zu zählen. Schmidt hatte nämlich festgestellt, dass die vermeintliche Eigennennung Eckharts („spriche ich meister Eckhart “; 579, 6-7) auf eine falsche Lesung Pfeiffers zurückgeht, denn in der Handschrift steht: „spricht maister egkhart “. Schmidt sieht im ,bruoder Johannes‘, Hans in der Handschrift, den Verfasser, der sich auf S. 590, 18 nennt. Der Text lautet: „Ich bruoder Johannes fraˆge zweier fraˆge. Diu ein ist doˆ er sprach welich in enpfiengen den haˆt er geben gewalt ze werden gotes kint, den die geloubent in sıˆnen namen. Ich fraˆge zuo dem ˆersten, obe der gewalt sıˆ in uns oder in gote, daz wir mügen werden gotes kint? Zuo dem andern maˆle fraˆge ich, welichez der name sıˆ, daˆ wir an gelouben süllen? Dar uˆf antwürte ich kurzlıˆche alsoˆ.“ 36
Es sei dahingestellt, ob diese Stelle genügt, um die ganze ,Gloˆse‘ einem Bruder Johannes zuzuschreiben, oder ob es sich nicht vielmehr um ein zufällig in diesen Text hineingeratenes Zitat handelt. Hier interessiert mich die Frage, wie dieser mysteriöse Autor istic und isticheit verwendet. Sicher ist zunächst, dass er die Eckhart’sche Philosophie sehr gründlich kannte, insbesondere in Bezug auf isticheit. Was an diesem Text besonders auffällt, ist die Betonung des wiederkehrenden Motivs der Rückwendung auf sich selbst, das den begrifflichen Mittelpunkt von Eckharts Terminologie darstellt. Diese Betonung geht daraus hervor, dass immer wieder das Adverb oder die Präposition wider in Zusammenhang mit Adjektiven, Verben und Substantiven verwendet wird, was sich für die Übersetzung als Problem erweist. In vielen Fällen geht es um Hapaxlegomena, wie Lexer 37 meint. So zum Beispiel im Falle des Substantivs widerwerfunge wie im folgenden Abschnitt: „Sıˆt daz in dem vater ist ein uˆzschenkendiu gotheit naˆch grundeloˆsikeit der naˆtuˆre in daz wort des sunes, soˆ muoz daz in veterlıˆcher vernunft sıˆn, daˆ er mit liehte sıˆner blıˆbenden bekantnüsse uˆf sich selber blicket mit einer widerumbetragenden fraˆge uˆz götlıˆcher istikeit, anders müeste diu enpfaˆhunge des wortes got sıˆn. Ouch muoz diu vernunft des vaters von der widerwerfunge götlıˆches wesens sich selber bilden oder uˆz sprechen in einer naˆchvolgenden naˆtiurlicheit. Daˆ von ist daz wort ein sun unde muoz in der götlıˆchen substancie, daz ist in dem blicke des widerwurfes veterlıˆcher vernünftekeit, diu geburt geschehen des uˆzschıˆnendes wortes, daˆ ez einig ist in dem wesen unde haˆt underscheit an 35
36 37
Cf. P. Schmidt, Diu gloˆse über daz eˆwangelium S. Johannis, in: K. Ruh (ed.), Die deutsche Literatur des Mittelalters: Verfasserlexikon, vol. 7, Berlin-New York 21989, 61. Diu gloˆse (Pfeiffer [nt. 33], 590, 18-23). Cf. M. Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. Nachdr. der Ausg. Leipzig 1872-1878 mit einer Einl. v. K. Gärtner, Stuttgart 1992, 248.
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persoˆnen. Und dar umbe mac man sprechen: daz was in dem anevange bıˆ gote, und dar umbe muoz diu widermeinunge und daz widerblicken naˆtiurlıˆcher gotheit uˆf sich selber in einem steˆten sıˆn verstricket sıˆn, daˆ von diu geburt ˆewig ist.“ 38
Dieser lange Abschnitt ist die rationale Darstellung des Verses „daz wort was in dem anevange bıˆ gote“. Der Autor selbst stellt den rationalen Aspekt in den Vordergrund, wenn er kurz zuvor sagt: „Hier will ich einen guten, deutlichen, vernünftigen Sinn geben“ („hie wil ich rüeren einen guoten klaˆren vernünftigen sin“) 39. Er gibt nicht eine von vielen möglichen Interpretationen, sondern ganz einfach eine rationale, eben vernünftige Erklärung des tiefen Sinns des Verses. Es handelt sich nicht, wie Peter Schmidt schreibt, um einen mystischen Kommentar, sondern vielmehr um eine rationale Auslegung des Johannes-Evangeliums. Der Anonymus will die Gottheit in ihrem Ursprung beschreiben und, um sie genau zu erfassen, verwendet er das Adverb wider und den Ausdruck ,uˆf sich selber‘: Beide beschreiben eine ganz besondere Dynamik, nämlich die Bewegung der Rückwendung der Gottheit, die in sich selbst sowohl die Identität als auch die Differenz der drei Personen und das Wesen der Schöpfung begründet. Die göttliche Identität wird mit drei verschiedenen Ausdrücken bezeichnet, nämlich götlıˆche istikeit, götlıˆche substancie und götlıˆches wesen, die aber keine verschiedenen Bedeutungen haben, sondern alle drei den ursprünglichen Kern Gottes benennen. Somit bestätigt sich die Gleichung isticheit = wesen = substancie, jedoch nur unter der Bedingung, dass die Art der göttlichen Substanz oder des göttlichen Wesens als ständige Rückwendung auf sich selbst weiter erklärt wird. Der Autor hatte demnach den Sinn der Eckhart’schen Neuschöpfung von Grund auf verstanden: Wenn der Vater seiner eigenen Natur nach dem Sohn seine ganze Göttlichkeit schenkt, dann muss dies innerhalb einer ,vernünftigen Vaterschaft‘ geschehen, weil nur der Intellekt ,auf sich selbst‘ blicken kann, wie schon der ,Liber de causis‘ betont hatte. Dieser Begriff wird dreimal auf verschiedene Weise wiederholt, womit gezeigt wird, dass diese Dynamik Identität begründet, während der Unterschied vom uˆz sprechen des Wortes herrührt. Damit stehen wir vor einer außergewöhnlichen Vielfalt an linguistischen Konstrukten, die für die Rhetorik Eckharts typisch ist, und zwar widerumbetragend, widerwerfunge, widerwurf, widermeinunge, widerblicken. Bei Lexer findet sich nur eine dieser kreativen Wortbildungen, nämlich widerwerfunge, was er mit ,zurückwerfen, zurückstrahlen‘ übersetzt. Nur insofern, als er Intellekt ist, gebiert Gott den Sohn („Sıˆt daz in dem vater ist ein uˆzschenkendiu gotheit naˆch grundeloˆsikeit der naˆtuˆre in daz wort des sunes, soˆ muoz daz in veterlıˆcher vernunft sıˆn“). Das Wort ist nichts anderes als diese Dynamik der ewigen Rückwendung, das heißt eine ewige Geburt. Hier liegt eine typisch Eckhart’sche Doktrin vor, die jedoch auf die Spekulationen des Mitbruders Dietrich von Freiberg zurückverweist. 38 39
Diu gloˆse (Pfeiffer [nt. 33], 580, 13-26). Ibid., 580, 7-8.
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Es gibt nämlich eine sehr enge Verbindung zwischen der Intellektlehre, die Dietrich in ,De visione beatifica‘ entwickelte, und Eckharts Lehre der isticheit. Um dies zu beweisen, werde ich näher auf einen anderen Text eingehen, der immer noch auf der Suche nach einem Autor ist, und zwar auf ,Die Sprüche der zwölf Meister‘ 40. Es handelt sich um ein Gedicht, das die Sprüche von zwölf Philosophen und Theologen des 14. Jahrhunderts enthält, unter denen die bekanntesten Eckhart und Dietrich von Freiberg sind. Vom Ersten wird die Doktrin des wesen blosz vorgestellt, vom Zweiten hingegen stammen die folgenden Verse: „Maister Dietreich sprichet von sinnekait./Er seczt das bild der sele in seines selbeshait;/da bechennet es got in seiner istichait.“ 41 Die ersten zwei Verse spielen auf die Doktrin Dietrichs an, nach der das abditum mentis, der verborgenste Teil unserer Seele und das, was uns am eigensten ist, das wahre Bild Gottes im Menschen ist. Dieses Bild ist der „intellectus agens per essentiam“. Der letzte Vers verwirrt uns hingegen ein wenig. Wie hat ein typisch Eckhart’scher Ausdruck wie isticheit in den philosophischen Text Dietrichs geraten können? Was heißt eigentlich „da bechennet es got in seiner istichait “? Versuchen wir den Vers zu übersetzen und zu interpretieren: da bezieht sich auf selbeshait, also auf abditum mentis, den Ort, wo es, das heißt das bild, Gott bechennet, das heißt kennt, und zwar nicht einfach als ekstatische Vision, sondern in seiner isticheit. Der Vers ist nun teilweise schon klarer. Nach Dietrich bezeichnet das Bild den in der Seele wesenhaften Intellekt. Dieser Intellekt erweist sich als Substanz, da er direkt aus dem ersten Intellekt hervorfließt, der Gott ist. Der erste Intellekt „magis intimum est quam ipse talis intellectus [das heißt der menschliche] sibi ipsi “. Genau dank seiner intellektuellen Natur kennt der tätige Intellekt, das heißt das Bild in der Seele, seinen Ursprung. Indem er seinen Ursprung kennt, kennt er nichts anderes außer sich, da das erste intellektuelle Prinzip all das, was es in sich hat, im Bild hervorfließen lässt. Es geht um die bekannte Doktrin Dietrichs über das ,procedere ut imago‘, aber es geht gleichzeitig auch um die ebenso bekannte Dynamik der reditio completa, die nach dem ,Liber de causis‘ den intellektuellen Substanzen eigen ist. Dieser Text ist denn auch eine der ersten Autoritäten, die Dietrich am Anfang seines ,De visione beatifica‘ zitiert 42. 40
41 42
Die Sprüche der zwölf Meister, in: Texte aus der deutschen Mystik des 14. und 15. Jahrhunderts, ed. v. A. Spamer, Jena 1912, 177-178. Spamer (nt. 40), 175, 5-7. Dietrich von Freiberg, De visione beatifica, ed. B. Mojsisch, 27, 37-45: „Est igitur intellectus per essentiam in actu sua intellectuali operatione semper in se ipsum conversus. Et sicut dicitur in Libro de causis propositione 15 de qualibet intelligentia, quae est intellectus in actu per essentiam, quod ipse est rediens ad essentiam suam reditione completa - praemiserat autem propositione 13, quod omnis intelligentia intelligit essentiam suam -, eandem etiam sententiam de intellectu per essentiam, quem in nobis vocat abditum mentis, videlicet quod se ipsum semper intelligit.“
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Der Ausdruck „Se ipsum semper intelligit“ bezeichnet eine innere Dynamik, dank der das Bild in sich das erste intellektuelle Prinzip, also Gott, erkennt. Es muss nun aber noch geklärt werden, was der anonyme Schreiber unter isticheit versteht. Er scheint eine bestimmte Weise der Gottheit hervorheben zu wollen, eine Weise, die mit dem oben beschriebenen Prozess verbunden ist und die Dietrich behandelt hat. Gehen wir also von isticheit als ,ewiger intellektueller Rückwendung auf sich selbst‘ aus und verwenden wir diese Bedeutung sozusagen als Leuchte auf dem Weg durch die meiner Meinung nach bemerkenswerten Abschnitte von ,De visione beatifica‘. Der Abschnitt stammt aus dem Kapitel 1.3.3, wo Dietrich den Unterschied zwischen substantiae primae oder substantiae quae substant oder supposita und substantiae secundae oder substantiae quae subsistunt oder naturae feststellt. Darauf gründet Dietrich eine Skala des Seins: entia creata, „substantiae separatae, quae sunt intellectus per essentiam“ und primum principium. Vorerst lasse ich die entia creata und die substantiae separatae beiseite, um näher auf das erste Prinzip einzugehen. Dazu lesen wir Dietrich 43: „Unde etiam evenit, quod substantia, quae est intellectus per essentiam semper in actu, nec se ipsam intelligit, nisi sui ipsius intelligentiam intus gignat, et secundum hoc invenitur ibi respectus gignentis et geniti, principii et principiati […]. Est autem cum his, quae dicta sunt, etiam hoc considerandum, quod de omnibus absolutis, quae absolute praedicantur de Deo, puta essentia, bonitas, virtus, omnipotentia, scientia, sapientia et cetera, nullum eorum quantum ad principale significatum suum importat aliquem respectum originis intraneum sibi praeter intellectum […]. Quoniam igitur essentia divina, quae est intellectus per essentiam, secundum rationem essentiae, scilicet inquantum est quid absolutum, non procedit ab aliquo alio principio - essentia enim seu essentiale inquantum huiusmodi nec gignit nec gignitur in divinis -, de ratione vero intellectus est, qui est intellectus per essentiam et substantia, ut sui ipsius intelligentiam intus gignat, necessarium est huiusmodi gignitionem reducere in respectivam quandam originem intra eandem essentiam communem utrique, scilicet gignenti et genito.“ 44
Die Gottheit gebiert als Wesen nicht; insofern, als sie jedoch Intellekt ist, gebiert sie, gerade weil sich nur der Intellekt ganz auf sich selbst zurückwenden kann oder, um es mit den Worten Dietrichs zu sagen: Nur der Intellekt hat „aliquem respectum originis intraneum“ 45. Es ist also ein intellektueller Prozess, denn Dietrich hatte bereits bewiesen, dass keine der Appropriationen Gottes (Wesen, Gutheit, Weisheit usw.) diesen respectus intraneus haben konnte. Die Appropriationen bestehen in Gott nur so, wie die Natur im suppositum besteht. Das suppositum in Gott ist eine intellektuelle Substanz, und zwar eine ewige Rückkehr nach innen. Diese Rückkehr des Intellekts in sich selbst begründet die subsistentia der drei Personen. Aber was ist dieses intus gignere des göttlichen Intellekts, was ist dieses „principium a se procedens“, wie Dietrich es an anderer Stelle nennt, wenn nicht genau das, was Eckhart isticheit nennt? 43
44 45
Dietrich von Freiberg, Tractatus de visione beatifica/Abhandlung über die beseligende Schau, übers. u. ed. v. B. Mojsisch, Tbilisi 2003. De visione beatifica 1.3.3, 12-14 (Mojsisch [nt. 43], 94-96). B. Mojsisch übersetzt: „einen ihr immanenten Ursprungsbezug mit sich“; Dietrich von Freiberg, Abhandlung über die beseligende Schau (nt. 43), 97.
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Zu diesem Schluss war sicher auch der anonyme Verfasser der Sprüche gekommen: Da das Bild in der Seele ein formelles Hervorfließen des göttlichen Intellekts ist, kennt es, wenn es sich selbst kennt, auch das eigene Prinzip einer Dynamik der Rückwendung, dank der sowohl das Prinzip als auch das Bild entstanden sind. Deshalb „bechennet es [das bild] got in seiner istichait “. Der Dichter hatte offensichtlich den von Dietrich stammenden philosophischen Grund der Eckhart’schen Spekulation um die isticheit verstanden und deshalb die neue Terminologie richtig verwendet. Noch mehr: Jetzt haben wir den textuellen Beweis für die Abhängigkeit der Eckhart’schen Intellektlehre von derjenigen Dietrichs von Freiberg 46. Denken wir daran, was Dietrich über die göttlichen Eigenschaften wie esse, bonitas, sapientia usw. in Bezug auf den Intellekt sagt: „omnia absoluta subsistunt tamquam natura aliqua in suppositis, ita, quod complementum et perfectio divinae existentiae et subsistentiae perfectius et prius natura secundum modum intelligendi attenditur in ipsis divinis hypostasibus.“ 47 Nur der Intellekt kann sich selbst gebären und als erste Substanz gelten, die für die absoluta das suppositum darstellt. Und genau das bekräftigt Eckhart in der ,Quaestio Parisiensis‘ 48: In Gott begründet das intelligere das Sein, und nicht umgekehrt. Den philosophischen und theoretischen Grund hatte er, wie wir gesehen haben, aus Dietrichs ,De visione beatifica‘ geschöpft. Damit wird endlich erklärt, warum esse, essentia, subsistentia oder existentia unangemessen sind, um die Bedeutung des Eckhart’schen Begriffs wiederzugeben. Nach Dietrichs Lehre ist isticheit die göttliche intellektuelle Dynamik, die die subsistentia begründet; es handelt sich um die Voraussetzung ihrer Möglichkeit. Wird ,Diu gloˆse über daz eˆwangelium S. Johannis‘ mit Dietrichs Text verglichen, so erhält sie eine ganz andere Bedeutung. Wie die ,Sprüche der zwölf Meister‘ zeugt sie sowohl von der Rezeption der Philosophie Eckharts als auch von deren Ursprung. Auch der Autor der ,Gloˆse‘ betont, dass die Gottheit nur 46
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Aufgrund dieser Analyse kann ich der Meinung Mojsischs, nach der sich hinter dem Wort isticheit ein impliziter Rekurs auf die Wesenstheorie Jakobs von Metz (essentia cum relatione) verbirgt, nicht zustimmen. Sicher kommt die Kategorie der ,Relationalität‘ in Betracht, aber nicht im Zusammenhang mit derjenigen der essentia. Nach Dietrich wie nach Eckhart hat nur der Intellekt und nicht das Wesen (essentia), auch cum relatione, solche Relationalität (respectum intraneum), die für Eckhart vor allem die Geburt des Wortes bedeutet. Ihre Interpretation stammt aus einer bestimmten Quelle, nämlich aus der Proposition 15 des ,Liber de causis‘, der sowohl von Dietrich als auch von Eckhart zitiert wird, um die intellektuelle Dynamik der göttlichen Substanzen zu erklären. Cf. Mojsisch, Meister Eckhart (nt. 19), 100-105; id., Perfectiones spirituales Meister Eckharts Theorie der geistigen Vollkommenheiten, in: M. Pickave´ (ed.), Die Logik des Transzendentalen. FS für J. A. Aertsen (Miscellanea Mediaevalia 30), Berlin - New York 2003, 511-524, hier: 513; W. Beierwaltes, ,Primum est dives per se‘. Maıˆtre Eckhart et le ,Liber de causis‘, in: E. Zum Brunn (ed.), Voici Maıˆtre Eckhart, Grenoble 1994, 285-300. Dietrich von Freiberg, Abhandlung über die beseligende Schau (nt. 43), 97: „[…] in denen alle absoluten Bestimmungen wie eine Natur in den Zugrundeliegenden subsistieren, und zwar so, daß die Fülle und Vollkommenheit der göttlichen Existenz und Subsistenz gemäß der Weise des Erkennens der Natur nach vollkommener und früher in eben den göttlichen Hypostasen anzutreffen ist.“ Quaestiones Parisienses, q. 1, n. 46 (LW V, 45, 11-15).
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als veterlıˆche vernünftikeit sich selbst ganz dem Sohn gibt, weil nur die intellektuelle Natur einen immanenten Ursprungsbezug zu sich hat, und dieser Ursprungsbezug ist eine generatio Verbi. Er hatte jedoch den Sinn der isticheit wohl verstanden. Wie Eckharts Predigt 77 lehrt, begründet die ewige intellektuelle Rückwendung auf sich selbst aber nicht nur Identität Gottes und Differenz der Personen, sondern auch die Gegenwart der Ideen und Dinge in Gott (wie es auch Seuse verstanden hatte) 49, so dass man neben einer götlıˆchen isticheit auch von einer weltlıˆchen isticheit sprechen kann 50. Weltlıˆche isticheit ist gleichbedeutend mit götlıˆche isticheit und meint ganz einfach das ,im Vater Sein‘ der Welt, das nach einer nicht geschaffenen Einfachheit erfolgt, die der Vater selbst ist. Morard bemerkt dazu richtig: „Hier ist jene weltliche Istigkeit der Dinge im Vater, noch bevor sozusagen der Vater das göttliche Wort erzeugt hat, in welchem er sich und die Welt innerlich anschaut und ausspricht, eins mit dem Göttlichen.“ 51 Die Welt in Gott ist ein Licht, das Vernunft ist. Und diese Vernunft, die die Welt ist, schaut ständig auf die ewige Rückwendung der Welt auf sich selbst. Mit anderen Worten ist auch die Welt in Gott ein Licht, das in sich selbst scheint. Das ist die auf Augustins Lehre gründende Doktrin Eckharts 52 über das doppelte Sein der Geschöpfe, das heißt „esse in causis suis“ und „esse extra in rerum natura“, die, wie erwähnt, auch bei den Nicht-Eckhartisten Erfolg hatte, wie z. B. bei dem Autor des ,Traktats von der Minne‘, den Witte mit einem Augustiner - vielleicht Johannes Hiltalingen identifiziert hat. V. Der Traktat erwies sich, in Bezug auf die neue Terminologie, als ,Holzweg‘ für die Eckhart-Forschung, weil istic und isticheit gerade aufgrund dieses Texts missverstanden wurden. Die Stelle ist die Folgende: „Zu dem ersten mall mag man verstan, das got sey formlich wesen aller creaturen also, daz die creature hab ir eygen wesen, nicht allein wesen der weßlicheit [= Wesen der Washeit], mer auch 49 50
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Cf. 321. Diu gloˆse (Pfeiffer [nt. 33], 589, 3-12): „Nuˆ merkent für baz. ,Er was in der welt und diu welt bekante sıˆn niht‘, als ir vor gehoˆrt haˆnt underscheit des geschaffen und ungeschaffen lichtes. Nuˆ spriche ich, daz diz was in der welt sıˆner fürsehenden bekentnüsse. Doˆ diu welt ungeschaffen wesenlich in dem vater was, doˆ was daz lieht, daz ist giezendiu vernunft, blickende uˆf die weltlıˆchen istikeit, daˆ diu welt in dem vater stuont in einer ganzen ungeschaffenen einvaltikeit aˆne alle bilde. Aber in dem ˆersten uˆzbruche der welt daˆ ist si mit manicvaltikeit uˆz gebrochen und doch alliu ir manicvaltikeit ist einvaltic an dem wesen. In disem uˆzbruche dirre welt was daz licht liuhtende in im selber.“ Morard, Ist, istic, isticheit bei Meister Eckhart (nt. 5), 184. Die Lehre Augustins eines esse rerum in mente Dei oder in causis suis hatte großen Einfluss auf die Philosophie der Kölner Schule von Albert bis Berthold von Moosburg. Interessant ist es zu sehen, wie Ulrich von Straßburg diese Doktrin im 4. Kapitel des II. Traktats ,De veritate‘ seines Werkes ,De summo bono‘ entwickelt.
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wesen der isticheit [= Wesen einer auf sich selbst zurückgewandten intellektuellen Identität], also doch das ditz wesen das die creature ist enist nicht ein anders wesen von dem wesen das sie in got hat, mer es ist dasselb wesen in einer andern weise, als das selb haus, das da ist in des zymermannes vernuft gegenwurflich, ist in dem stein vnd in dem holcz materlich, vnd darumb macht man werlich sprechen, das haus ist in des zymermannes bekentnusße vnd formlich wesen des auswendigen hauses in der materien. Darumb ensint hie nicht zwey heuser, mer eines, vnd das in einer anderen weise in dem bekentnusse vnd in einer anderen weise in der materien, vnd darumb ist ein formlich wesen. Das ander. Nu sint alle creaturen in got bekentlichen als das haus in dem zimerman, also das das selb weslich ist in got vnd in seiner eygen naturen, und die anderheit, die zwischen got ist vnd der creaturen, machet allein anderheit der wesen, vnd darumb mag man werlich sprechen, Got ist formlich wesen der creaturen vnd got ist der creaturen istikeit“ (ed. Ruh, 219).
Denifle 53, später Ruh 54 und schließlich auch Witte 55 übersetzen ,wesen der weßlicheit‘ mit esse essentiae, und ,wesen der isticheit‘ mit esse existentiae. Sie stützen ihre Übersetzung unter Berufung auf eine Stelle von Eckharts Exoduskommentar, die sie aber vom Gesichtspunkt der thomistischen Kategorien aus interpretieren. Eckhart spricht nämlich nicht so sehr von Existenz als vielmehr von anitas nach Avicenna 56. Der Text des Augustiners scheint ihnen jedoch Recht zu geben. Aber an dieser Stelle bedeutet isticheit etwas mehr als die einfache empirische Existenz; sie bedeutet, wie schon Ruh bemerkte, „die Identität mit dem in Gott vorhandenen Urbild“ 57. Witte 58 geht sogar so weit zu behaupten, dass im ,Traktat von der Minne‘ die Bedeutung von isticheit im Vergleich zu Eckharts Anliegen reichhaltiger ist! Wenn man, wie er, davon ausgeht, dass die isticheit bei Eckhart nur einen pleonastischen Wert hat, muss man ihm Recht geben. Inzwischen habe ich jedoch, wie ich hoffe, bewiesen, dass isticheit das Fachwort ist, das ,ewige Rückwendung auf sich selbst‘ bedeutet, also eine intellektuelle Dynamik, die das Sein Gottes und der Geschöpfe begründet. Johannes Hiltalingen beschränkt sich darauf, eine typisch Eckhart’sche Doktrin, zu der isticheit gehört, korrekt zu verwenden. Ja, noch mehr: Er benutzt die Doktrin der isticheit, um Eckhart vor sich selbst zu verteidigen. Damit leite ich über zu einer komplexeren Argumentation, die ich nun darstellen möchte. Aus einer These des Augustinus ,Gott ist die Liebe‘ folgte das Missverständnis ,Gott ist das förmliche Wesen der Kreaturen‘. Daraus wurde mit der terminologischen Erklärung geschlossen: ,Gott ist die isticheit der Kreaturen‘. 53
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Cf. H. S. Denifle, Meister Eckharts lateinische Schriften, in: Archiv für Literatur- und Kirchengeschichte des Mittelalters 2 (1886), 417-615, hier: 493, nt. 4. Cf. Ruh, Traktat von der Minne (nt. 26), 208-229. Cf. Witte, Der ,Traktat von der Minne‘ (nt. 7), 480. In Exod., n. 15 (LW II, 20, 11-21, 5): „Li sum […] purum esse et nudum esse significat in subiecto et de subiecto et ipsum esse subiectum, id est essentiam subiecti, idem scilicet essentiam et esse, quod soli deo convenit, cuius quiditas est sua anitas.“ Ruh, Traktat von der Minne (nt. 26), 259, nt. 52. Witte, Der ,Traktat von der Minne‘ (nt. 7), 481: „Die Vereinigung wird nicht im Wesen (essentia), sondern in der Daseinsform (existentia) gedacht. Nun ist man gewohnt, den Begriff existentia schlicht als ,Dasein‘, ,Vorhandensein‘ zu verstehen. Im ,Traktat von der Minne‘ aber ist istikeit bemerkenswert reicher: es ist Erkennen und Lieben, also der zweifaltig-eine Wesensakt Gottes.“
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Der Augustiner will beweisen, dass Gott die Minne ist. Mit anderen Worten: Er möchte beweisen, dass sich Gott als Liebe mit dem Menschen vereint und nicht als Wesen. In seiner Beweisführung brachte er als Erstes mynne mit bekantnusse zusammen: Die Liebe und die Erkenntnis, mit der sich Gott selbst erkennt und liebt, sind dieselben, mit denen er die Geschöpfe erkennt und liebt, denn „was in got ist, das ist got“. Nach diesem Beweisschritt stellen sich dem Anonymus zwei neue Fragen 59: „Wie Gott förmlich mit uns als ein Intellekt oder als Liebe und nicht als ein Wesen vereint werden kann“ und „wie man es nach dem Sinn des Meisters verstehen soll, dass Gott ein förmliches Wesen der Kreaturen sei“. Welche Rolle spielt nun hier der klare Verweis auf Eckhart „nach des meisters synne“? Warum ist es so wichtig, den Eckhart’schen Satz genau zu verstehen: „got sey formlich wesen der creaturen“? Es ist ziemlich einfach, auf die erste Frage zu antworten: Indem der Augustiner Liebe und Erkenntnis zusammenbringt, übernimmt er getreu einen Satz aus dem Kommentar zur Weisheit, wo Eckhart von den Kreaturen in Gott behauptet, dass sie nicht als festgelegte Wesen in Gott sind, sondern vielmehr als Leben und Erkennen 60. Man kann es so sagen: Die Kreaturen sind Gott, sofern man mit ,sind‘ etwas anderes meint, nämlich einen Zustand, der nicht empirisch ist, sondern rein intellektuell. Eine solche Doktrin wiederaufzunehmen bedeutete jedoch, sich mit einer anderen Behauptung Eckharts auseinanderzusetzen, die zu dieser in Widerspruch zu stehen scheint: ,Esse est deus‘ 61. Dieser Satz wurde missverstanden und deshalb verurteilt, so dass Eckhart in seiner ,Responsio‘ beteuern musste, dass er nicht das esse formaliter inhaerens meinte, also nicht das esse talium rerum, sondern nur das esse absolutum, das Gott eigen ist 62. Wenn sich also der Augustiner auf eine Doktrin des Meisters beruft, nach der Gott das förmliche Sein der Kreaturen ist, stützt er sich auf eine falsche Interpretation. Dieses Missverständnis musste der Augustiner jedoch in seiner Argumentation mitberücksichtigen. An dieser Stelle musste der Begriff isticheit eingeführt werden, denn der Autor des ,Traktats von der Minne‘ merkte, dass das Missverständnis gerade von dem zweideutigen Begriff des wesens herrührte. Anders formuliert: Das esse der Kreaturen in Gott, das empirische esse und das esse Gottes konnten nicht mit demselben Begriff benannt werden. Der Fehler stammt aus einer Fehlinterpretation, nicht aber die Antwort auf die Frage. Der Augustiner verwendet sehr geschickt Eckhart’sche Philosopheme und seinen neuen Fachausdruck isticheit. 59
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Ruh, Traktat von der Minne (nt. 26), 217, 169-172: „Zu dem dritten mall wil ich sagen, wie got muge vereint werden formlich mit vns als ein vernuft oder als mynne vnd nicht als ein wesen, vnd wie man es versten sulle nach des meisters synne, das got sey formlich wesen der creaturen.“ In Sap., n. 32 (LW II, 353, 4-6): „Sed in ipso nondum sunt, ut sunt, puta leo, homo, sol et huiusmodi, sunt autem in ipso non sub ratione esse talium rerum, sed sub ratione vivere et intelligere.“ Prol. gen. in op. trip., n. 12 (LW I, 156, 15-158, 4). Cf. Sturlese (ed.), Mag. Echardi Responsio (nt. 23), n. 117 (LW V, 289, 6-10).
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Avicennas Gedanken aufgreifend, hatte Eckhart im Kommentar zum Exodus die Trennung in den Geschöpfen zwischen quiditas oder ,essentia non ab alio‘ und anitas oder ,esse ab alio‘ konstatiert. Die erste Eigenschaft bezieht sich auf ihre Definition, die zweite auf ihre Existenz. Es geht jedoch nicht so sehr um die empirische Existenz als vielmehr darum, dass sie ,sind‘. Wenn die Kreaturen sind, dann verdanken sie das Gott. Wie Eckhart im Kommentar zur Genesis erklärt, hat dieses Sein zwei Aspekte, einen im Wort Gottes und einen im Festgelegtsein 63. Es handelt sich jedoch nicht um zwei verschiedene Arten von Kreaturen, sondern um dieselbe Kreatur, die entweder ,in mente Dei‘ oder in ihrer konkreten Bestimmtheit gesehen wird, genau wie das vom Maurer gebaute Haus nicht etwas anderes ist als die Idee von jenem Haus in der Vorstellung des Maurers 64. Zwischen dem Haus in der Vorstellung des Maurers und dem gebauten Haus gibt es nur einen Unterschied, der den örtlichen und zeitlichen Umständen zuzuschreiben ist. Das Haus ,ist‘ sowohl als Idee in der Vorstellung des Maurers als auch als konkret bestehender Gegenstand. Und genau das meint der Autor des ,Traktats von der Minne‘, der diese Gleichheit hervorstreicht 65: „Aus diesem Grund gibt es nicht zwei Häuser, sondern vielmehr eines, und das in einer Weise im Intellekt und in einer anderen Weise in der Materie. Deshalb ist [Gott] ein förmliches Wesen.“ Die Existenz in Gott und die Existenz außerhalb von Gott ist für den Augustiner die isticheit, also nicht eine bloß empirische Existenz oder ein esse existentiae oder ein ,Da-Sein‘. Hier ist der ganze Unterschied zwischen wesen als esse und der isticheit sehr gut sichtbar. Der Zustand der Kreaturen in Gott ist nicht wesen, sondern isticheit, denn nur dieses Wort bezeichnet das intellektuelle Sein der Kreaturen in Gott. Die Interpretation, die der Augustiner von der Eckhart’schen Terminologie liefert, ist ganz offensichtlich einschränkend, denn als Erstes fehlt jegliche philosophische Tiefe, die wir hingegen zum Beispiel in der ,Gloˆse über daz eˆwangelium S. Johannis‘ festgestellt haben. 63
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In Gen. I, n. 77 (LW I/1, 121, 21-122, 4): „Nota quod omnis creatura duplex habet esse. Unum in causis suis originalibus, saltem in verbo Dei; et hoc est esse firmum et stabile. Propter quod scientia corruptibilium est incorruptibilis, firma et stabilis, scitur enim res in suis causis. Aliud est esse rerum extra in rerum natura, quod habet res in forma propria. Primum est esse virtuale, secundum est esse formale, quod plerumque infirmum et variabile.“ In Ioh., n. 30 (LW III, 23, 14-24, 6): „Quod si domificator ipsa sua substantia, in quantum homo et hic homo, domificaret, domus ipsa extra, effectus suus, esset verbum, quo diceret se ipsum, substantiam suam, se totum, quod est homo et hic homo; et effectus suus, domus extra, esset in sua substantia, et per consequens esset ipsa sua substantia, sicut nunc est effectus domus in mente sive artis, et est ars ipsa, differens solum quibusdam alienis formae domus, puta materia, loco, tempore et similibus.“ Ruh, Traktat von der Minne (nt. 26), 219, 242-245: „Darumb ensint hie nicht zwey heuser, mer eines, vnd das in einer anderen weise in dem bekentnusse vnd in einer anderen weise in der materien, vnd darumb ist ein formlich wesen.“
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Als Zweites fehlt das Thema der Identität, und schließlich fehlt eine klare Analyse der intellektuellen Vereinigung zwischen Gott und den Kreaturen, die in Eckhart und den Eckhartisten vor allem in anthropologischem Sinne ausgeführt wird. So wird isticheit zu einer bloßen linguistischen Alternative, um den philosophisch-theologischen Wortschatz des Deutschen feiner zu differenzieren. Diese Alternative wird jedoch außerhalb ihres Kontextes abstrus, so dass sich der anonyme Autor des ,In-principio-Dialogs‘ 66 gezwungen sieht, eine unterschätzte, aber wertvolle morphologische Änderung vorzunehmen. So wird in seinem Werk, einem Dialog zwischen einem Meister und seinem Schüler, isticheit zu istkeit. Um die Bedeutung dieser Unterscheidung beurteilen zu können, soll kurz an die Schöpfung und die Geschichte von isticheit erinnert werden. Nach den Regeln der deutschen Wortbildung 67 ergibt sich das Abstraktum isticheit aus der Substantivierung des Adjektivs istic, nicht aus der des Verbs ist. Istic selbst leitet sich vom Verb ist her, dem das Suffix -ic beigefügt wird, wodurch ein eigentümliches Merkmal hervorgehoben werden kann. Ein Beispiel, das ich schon verwendet habe: Die Tatsache, dass der Mann Glauben hat, kann durch den Satz ,der Mann ist gläubig‘ ausgedrückt werden. Das Adjektiv geloubic weist auf eine bestimmte Qualität (den Glauben, geloube) hin, die eine bestimmte Menge von Menschen (die Gläubigen) charakterisiert. Den Glauben zu haben ist nämlich kein eigentümliches Merkmal des Menschen als solchem. Auch das Adjektiv ist-ic weist nicht auf die allgemeine Eigenschaft des Seins (esse) hin, sondern es deutet auf die spezifische Modalität des göttlichen Seins hin - nämlich auf das identische und in sich selbst zurückgewandte Sein. Die vom Autor des ,In-principio-Dialogs‘ vorgenommene Änderung ist also von einiger Bedeutung. Hier ist nämlich das Abstraktum istkeit die Substantivierung des Verbs ist und nicht des Adjektivs istic. Durch diese scheinbar banale Änderung bezieht sich der neue Ausdruck nicht mehr auf eine besondere Seinsweise Gottes, sondern nur noch auf das einfache ist, das Gott und den Kreaturen gemein ist und genau das Gegenteil von dem bezeichnet, was Eckhart mit seiner Fachterminologie ausdrücken wollte. Man kann es auch so formulieren: Während die göttliche isticheit der Grund des Seins in Gott und der Kreaturen in Gott ist, bedeutet istkeit nur die Tatsache, dass Gott und die Kreaturen sind, wenn auch auf verschiedene Weise, wie der anonyme Autor des ,In-principioDialogs‘ zu zeigen versucht. Damit bewegen wir uns innerhalb der Grenzen der Orthodoxie, was ohne eine Einschränkung der Eckhart’schen Terminologie 66 67
Witte, Der Meister des Lehrgesprächs (nt. 26). J. Erben, Einführung in die deutsche Wortbildungslehre, Berlin 2000, 119: „Obwohl -ig auch an einfache Basen treten kann, um das Versehensein mit dem genannten Merkmal anzuzeigen, gibt es weder ein arm-ig, aug-ig, brust-ig, nas-ig, stiel-ig, da offensichtlich (Körper-)Teilbezeichnungen ergänzungsbedürftig sind und das adjektivische Attribut gerade dann und nur dann gebildet wird, wenn eine Größe durch ein besonderes charakteristisches eigentümliches Merkmal von anderen abgehoben werden soll.“
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nicht möglich gewesen wäre. Sie ohne Auffangnetz zu benutzen hätte bedeutet, komplizierte und gefährliche philosophische Fragen zu riskieren, was der Autor des ,Traktats von der Minne‘ getan hatte. Der Autor des ,In-principio-Dialogs‘ erweist sich so als ein aufmerksamer Kenner der Eckhart’schen Philosophie, gleichzeitig jedoch auch als ein bedenkenloser Benutzer, der istkeit verwendet, um das semantische Feld von wesen zu differenzieren. Dies beweist die Stelle, in der er seinem Schüler zu erklären versucht, was unter lauteres wesen zu verstehen ist, wobei er von der Feststellung ausgeht, dass alle Dinge in ihrer Verschiedenheit ,sind‘ und ,Substanz‘ sind: „Erde vnd stein, tyer und fogel, mensch vnd engel, der iegclichs hat wesen [= Substanz] also daz der stein hot einez steinez wesen vnd der fogel einez fogels wesen und der mensche einez menschen wesen, vnd hot doch keinen vnterschied in dem wesen, wenn ez wirt gemeinet in seiner luterkait […]. Wanne so ich spriche: ,Der mensch‘, vnd so ich spriche: ,Himel vnd erde ist‘, daz ,ist‘, do von himel vnd erde wirt gesprochen, daz hat an im selber keinen vnterscheit, wie daz sei, daz himel vnd erd sei ein ander gar vngeleich.“ 68
Wesen mit ,Substanz‘ zu übersetzen ist nicht so abwegig, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte. Zu sagen ,Wesen des Steins‘ ist etwas anderes als ,der Stein ist‘. Die erste Wendung weist auf das hoc aliquid des Steins hin oder mit Aristoteles auf seine Substanz. Die zweite Wendung weist hingegen darauf hin, dass der Stein ist. Der Anonymus war sich dieses Unterschieds wohl bewusst, wenn er einige Zeilen weiter das ist als etwas anderes als das wesen definiert: „Ja, du hast ez nach worheit gesprochen. Wilt du sehen lauter wesen, so la daz vnd daz, vnd sich in daz ist, so sihst du, waz lauter wesen ist.“ 69 Ist und wesen bezeichnen zwei verschiedene Bereiche 70. Alles ist, aber die Hauptbedeutung ist stärker als Sein, es ist nur die Substanz und nicht die besondere Substanz, es ist die Substanz, die keine Teile und keinen Zufall hat. Deshalb bedeutet für den Anonymus die Einfachheit und die Allgemeinheit von ist zu verstehen, das Wesen in seiner Lauterkeit zu ergreifen, denn das ist ist ein Aspekt des lauter wesen, oder besser: Im lauter wesen entsprechen sich das ist und natur: „Daz ist der creaturen ist zugevallen der nature; do von so ist sie von natur ewig nit. Wanne aber daz ist gotez ist wesenlich sin natur, do von so ist daz ist im niht ein zuval, seiner natur besloszen ewiclich. Do von hat er allain besloszen, daz do sein natur ist wesenlich sein istkeit on allen vnterscheit, daz von keiner creaturen gesprochen mag werden […]. Wo lauterr wesen ist, do ist natur vnd istkeit wesenlichen eines.“ 71
Aus dieser Stelle kann klar abgelesen werden, dass das ist oder die istkeit das esse oder die anitas ist, die in den Kreaturen völlig zufällig ist, in Gott hingegen wesenlich, wo er doch per essentiam oder notwendigerweise ist. Deshalb ist Gott 68 69 70
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In-principio-Dialog (Witte, 20, 124-21, 140). Ibid. (Witte, 21, 160-161). Witte, Der Meister des Lehrgesprächs (nt. 26), 21, 150-151: „Wann ez ist newr ein ist vnd wesen in seiner lauterheit, wie dicke ez halt wirt genennet vnd gesprochen.“ In-principio-Dialog (Witte, 22, 185-23, 198).
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ein lauter wesen. Der Autor spielt nun weiter mit der neuen Terminologie und umschreibt so den klassischen Ontologiebeweis des Anselm 72. In dem ,In-principio-Dialog‘ wird isticheit oder besser istkeit also zur handlichen Alternative, um das esse existentiae zu bezeichnen. Dies gilt jedoch nur für dieses Werk und nicht, wie man bisher annahm, für den ,Traktat von der Minne‘ oder gar für die deutschen Werke Eckharts. Zu bemerken ist auch, dass die genannte Alternative nur galt, wenn isticheit also das substantivierte Adjektiv istic - in istkeit verwandelt wurde - also in das substantivierte Verb ist. Mit anderen Worten: Um die gefährliche Terminologie Eckharts abzuschwächen, genügte es nicht, ihn in fremden Kontexten zu verwenden, sondern es musste eine radikale morphologische Änderung vorgenommen werden, wie sie der kluge Autor des Dialogs durchführte. VI. Die Änderung des Augustiners beweist, dass Eckharts Fachterminologie die deutsche Kultur angeregt hatte und zumindest in der ersten Zeit nach ihrem Erscheinen ihr Ziel erreichen konnte: nämlich Philosophie in der Volkssprache zu betreiben. Die Augustiner versuchten daraufhin, vorsichtig Änderungen vorzunehmen, ohne jedoch ganz auf die sich neu eröffnenden Ausdrucksmöglichkeiten zu verzichten. Die Wörter ist(es), istic und isticheit hatten also mindestens in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts großen Erfolg. Alle Werke, die ich hier genannt habe, stammen aus der Zeit zwischen Eckharts Tod und dem Jahre 1348, in dem wahrscheinlich der Brief an Margaretha Ebner geschrieben wurde. Aber seit Ende des 14. Jahrhunderts bis heute ist diese philosophische Terminologie in der Volkssprache kaum verstanden worden. Es stellt sich erneut die Frage: Warum? Istic und isticheit waren kluge, aber schwierig zu verstehende Begriffe. Solange man sich im Bereich der Anhänger aufhielt, konnte die Terminologie selbständig leben oder so recht und schlecht überleben. Sie war, wie schon erwähnt, zu einer Art Firmenzeichen einer gewissen Schule geworden. Außerhalb dieses Bereichs musste sie sich jedoch den Bedürfnissen der anderen Schulen anpassen, die zwar die Neuigkeit zu schätzen wussten, sich aber vor allem darum bemühten, die Orthodoxie zu bewahren. Außerhalb ihres natürlichen Umfelds und innerhalb nicht eben vorteilhafter Kontexte verlor die Eckhart’sche Terminologie ihre Kraft und musste sich gegen andere Ausdrücke wie wesen oder nature behaupten, die einer längeren Tradition angehörten und ganz entschieden verständlicher waren. Eckhart war also ein außerordentlicher Philosoph, aber ein nur mittelmäßiger Manager seiner selbst. 72
Witte, Der Meister des Lehrgesprächs (nt. 26), 23, 202-205: „Wa lauterkait dez wesens ist, do mag kein vernunft vbersehen sein istkeit. Wa niman vbersehen mag sein istkait, do mag kein hertze groszers gedencken. Do von got ist daz, daz groszers kein mensch mag gedencken.“
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Elitarismus und Vorsicht bewirkten gezwungenermaßen den Untergang dieser Fachterminologie - und übrigens der gesamten Philosophie Eckharts. Nachdem sie vom Papst verurteilt worden war, überlebte sie nur noch in den Werken der Augustiner und Franziskaner oder in den Gebeten der Nonnen, so dass sie ihr Ziel der Erneuerung der deutschen Kultur nicht erreichen konnte.
gelaˆzenheit und abegescheidenheit zur Verwurzelung beider Theoreme im theologischen Denken Meister Eckharts Erik Alexander Panzig (Leipzig) Wenn im Titel die mittelhochdeutschen Wörter gelaˆzenheit und abegescheidenheit genannt werden, so geht es hier nicht um deren umgangssprachlichen Gebrauch. Im Blick liegt vielmehr ihre Verwurzelung im theologischen Denken Meister Eckharts. Damit ist zugleich eine semantische Differenz zwischen den Begriffen als Theologumena im Sinne Eckharts und ihrer Verwendung in einer heutigen säkularen Alltagssprache angezeigt. Im Folgenden wird demnach der Versuch unternommen, die Theoreme gelaˆzenheit und abegescheidenheit in ihrer spezifischen Genese im theologischen Denken Meister Eckharts zu erfassen und eine sich daraus ergebende und bisher unbeachtete Relation beider Begriffe zu erhellen 1. Zuvor soll aber danach gefragt werden, wie Meister Eckhart angesichts seiner heutigen Vereinnahmung durch neuzeitlich-philosophische und subjektiv-spirituelle Interpretationen als mittelalterlicher Theologe ausgewiesen werden kann. Ich meine, um bereits hier eine erste Antwort zu geben, dass das Denken des Thüringer Dominikanermagisters als genuin theologisches zu betrachten ist. Denn anders kann man dem von Meister Eckhart selbst in seinem Leben und Werk angezeigten Anliegen - philosophisch argumentierender Magister der Theologie und mystagogisch predigender Seelsorger sein zu wollen - nicht voll gerecht werden. Mit der vorliegenden Untersuchung der Eckhart’schen Begriffe gelaˆzenheit und abegescheidenheit soll demnach deutlich werden, dass diese Theoreme darstellen, die im Denken des philosophisch argumentierenden Theologen magister Echardus wurzeln, und als Theologumena innerhalb der mystagogischen Predigt und Seelsorge von bruoder Eckhart erfahrbar wurden. I. Meister Eckhar t: philosophisch argumentierender T heolog e und mystag ogisch predig ender Seelsorg er Dass die ,Bochumer Schule‘ vor dem Hintergrund der kritischen Editionsarbeit der Schriften Dietrichs von Freiberg und deren Einordnung in das CPTMA 1
Cf. dazu ausführlicher: E. A. Panzig, Gelaˆzenheit und abegescheidenheit - zur Verwurzelung beider Theoreme im theologischen Denken Meister Eckharts, theol. Diss., Leipzig 2003. Die überarbeitete Dissertation ist bei der Evangelischen Verlagsanstalt unter dem Titel erschienen: E. A.
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eine Neuorientierung in der Eckhart-Forschung eingeleitet hat, wird kaum mehr bestritten. Die zahlreichen Traditionslinien der Kölner Dominikanerschule, die Eckhart besonders in den lateinischen Schriften aufgreift, und die von daher auch für die deutschen Schriften Eckharts Bedeutung gewinnen, gelten nunmehr in der gesamten Eckhart-Forschung zum Verständnis des Denkens Eckharts als konstitutiv 2. So war auch Kurt Flaschs Vorwurf an die ältere deutsche EckhartForschung berechtigt, insofern diese den ,Mystiker‘ Eckhart von seinen Vorgängern und Zeitgenossen isoliert hat. Hinsichtlich der von Flasch aufgestellten These, dass Eckhart deshalb nicht als Mystiker, sondern als Philosoph zu begreifen sei, bleiben allerdings Fragen offen. Flasch hat das von ihm gescholtene historiographische Schema ,Mystik‘ durch seine Rede von einer im Hinblick auf Eckhart zu sehenden ,Philosophie des Christentums‘ ersetzt und damit selbst ein Schema für die Eckhart-Interpretation geschaffen 3. Wenn Eckhart in der Vorrede seines Johanneskommentars erklärt, die Schrift und den Inhalt des christlichen Glaubens aufgrund der natürlichen Beweise der Philosophen („per rationes naturales philosophorum“) auslegen zu wollen, muss allerdings gefragt werden, ob sich damit eine als ,Philosophie des Christentums‘ bestimmte Intention Eckharts überhaupt rechtfertigen lässt. Ist nicht eher von einem theologischen Denken Eckharts auszugehen, das sich zur Auslegung der Schrift (!) und der christlichen Glaubensinhalte (!) natürlicher Vernunftgründe bedient? Flasch versteht Theologie allerdings nur als eine „autoritativ argumentierende Glaubens- und Bibelwissenschaft“ 4, die so bei Eckhart nicht intendiert sein soll, obwohl sich Eckhart an verschiedenen Stellen in seinen lateinischen Texten auf biblische Autoritäten beruft, ohne „per rationes naturales philosophorum“ zu verfahren 5. Es ist dabei auch zu sehen, dass Eckhart gerade im Johanneskommentar betont, dass das Alte und Neue Testament und Aristoteles dasselbe lehren. Die Lehre Moses unterscheidet sich aber nur als glaubbare von der annehmbaren und wahrscheinlichen Lehre des Philosophen, von der sich dann die Lehre Christi als die Wahrheit ( Joh. 14, 6) abhebt 6. Das hat zuerst Burkhard Mojsisch gegen Flasch betont, indem er von einer Identität von Theologie als Wissenschaft des Evangeliums und Philosophie als Metaphysik bei Eckhart ge-
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Panzig, Gelaˆzenheit und abegescheidenheit. Eine Einführung in das theologische Denken des Meister Eckhart, Leipzig 2005. Cf. N. Largier, Meister Eckhart. Perspektiven der Forschung, 1980-1993, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 114 (1995), 42-46. Cf. K. Flasch, Meister Eckhart, expositio sancti Evangelii secundum Ioannem, in: id. (ed.), Hauptwerke der Philosophie, Mittelalter, Stuttgart 1998, 390; id., Das philosophische Denken im Mittelalter. Von Augustin zu Machiavelli, 2., rev. und erw. Aufl., Ditzingen 2000, 475. Id., Meister Eckhart und die ,Deutsche Mystik‘. Zur Kritik eines historiographischen Schemas, in: O. Pluta (ed.), Die Philosophie im 14. und 15. Jahrhundert (BSPh 10), Amsterdam 1988, 451. Cf. Quaestiones Parisienses, q. 1, n. 12 (LW V, 48, 5-8); Prol. in op. prop., n. 5 (LW I, 168, 6 sq.); ibid., n. 13 (LW I, 173, 9-13). Cf. In Ioh., n. 185 (LW III, 155, 5-7): „Idem ergo est quod docet Moyses, Christus et philosophus, solum quantum ad modum differens, scilicet ut credibile, probabile sive verisimile et veritas.“
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sprochen hat 7. Es ist letztlich zu hinterfragen, ob Flaschs Rede von einer bei Eckhart vorfindlichen ,Philosophie des Christentums‘ einen neuzeitlichen Theologiebegriff anwendet und so eine ahistorische Unterscheidung von Theologie und Philosophie vornimmt, so dass Eckhart neben Dietrich zu einem Protagonisten kantischen Denkens wird. Daneben ist außerdem zu sehen, dass Eckharts Vorrede zum Johanneskommentar nicht den einzigen programmatischen Text darstellt, in dem Meister Eckhart über sein Anliegen Auskunft erteilt. So ist zumindest das deutlich inhaltlich orientierte geistliche Predigtprogramm in der Predigt ,Misit dominus manum suam‘ ( Jer. 1, 9 sq.) zu beachten: „Swenne ich predige, soˆ pflige ich ze sprechenne von abegescheidenheit und daz der mensche ledic werde sıˆn selbes und aller dinge. Ze dem andern maˆle, daz man wider ˆıngebildet werde in daz einvaltige guot, daz got ist. Ze dem dritten maˆle, daz man gedenke der groˆzen edelkeit, die got an die seˆle haˆt geleget, daz der mensche daˆ mite kome in ein wunder ze gote. Ze dem vierden maˆle von götlıˆcher natuˆre luˆterkeit - waz klaˆrheit an götlıˆcher natuˆre sıˆ, daz ist unsprechelich. Got ist ein wort, ein ungesprochen wort.“ 8
Eckhart spricht hier über die an den Menschen gestellten Bedingungen für die Ermöglichung der Einheit mit Gott. Von einem der Intention nach radikal philosophischen Denkansatz kann bei diesem Programm keineswegs die Rede sein, denn Eckhart bietet hier ein pädagogisches Programm, das sich als mystagogische Hinführung zur unio mystica versteht. Möglicherweise fällt dann gerade Johannes Taulers Urteil hinsichtlich einer falschen Rezeption Meister Eckharts auf die Kritiker eines historiographischen Schemas ,Mystik‘ selbst zurück: „Wie solte denne der mensche goetteliche einunge verston? Die herin kumment, die wu´rckent ussewendig der zit in ewikeit, uss geschaffenheit in ungeschaffenheit, us manigvaltikeit in einvaltikeit […]; herin enmu´gent nu´t kummen die in ire natu´rlicher vernunft ufgewachssen sint und gezogen sint in ire eigenre doetlicheit und in iren sinnen gelebet hant, die enkumment herbi mit nu´te. Usser diseme lert u´ch und seit u´ch ein minnenclich meister, und des enverstont ir nu´t; er sprach uss der ewikeit, und ir vernement es noch der zit.“ 9
Der minnenclich meister Eckhart war beides: philosophisch argumentierender Theologe und mystagogisch predigender Seelsorger - lesemeister und lebemeister! Beide Aspekte des Lebens und Werks Eckharts sind demnach nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern auch aufeinander zu beziehen. Deshalb muss auch das Verhältnis der lateinischen und deutschen Schriften Eckharts so in den Blick genommen werden, dass die philosophiegeschichtlichen Zusammenhänge vor allem in Eckharts lateinischen Schriften als Voraussetzung für die an der Einheit des Menschen mit Gott orientierte deutschsprachige Predigt und Seelsorge Eckharts verstanden werden können. 7 8 9
Cf. B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogie, Univozität und Einheit, Hamburg 1983, 14 sq. Pr. 53 (DW II, 528, 5-529, 3). Die Predigten Taulers. Aus der Engelberger und der Freiburger Handschrift sowie aus Schmidts Abschriften der ehemaligen Straßburger Handschriften, ed. v. F. Vetter (Deutsche Texte des Mittelalters 11), Berlin 1910, ND Hildesheim 2000, 69, 17-28 (Pr. 15).
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II. Die T heologumena gelaˆ z enheit und abegescheidenheit als Exempla der philosophisch argumentierenden T heologie und mystag ogisch predig enden Seelsorg e Meister Eckhar ts Es sind insbesondere die beiden Theologumena gelaˆzenheit und abegescheidenheit, an denen exemplarisch das Verhältnis von philosophischer Argumentation des Pariser Magisters und mystagogischer Predigt des deutschen Dominikanerpriesters gezeigt werden kann. Beide Theoreme weisen eine theologische Grundlegung in den lateinischen Texten auf, die sich dann auch in den deutschen Traktaten und Predigten ausspricht. In der vornehmlich philologischen Beschäftigung mit den Begriffen gelaˆzenheit und abegescheidenheit ist die Beziehung zwischen den deutschen und lateinischen Schriften Meister Eckharts noch nicht deutlich genug in den Blick gerückt 10. Genauso wenig wurden die den Begriffen gelaˆzenheit und abegescheidenheit eigene und voneinander unabhängige Genese sowie das Beziehungsverhältnis beider Theoreme zueinander in den Texten Eckharts wahrgenommen. 1. Die Herkunft des Begriffs gelaˆzenheit (laˆzen, gelaˆzen) und seine ontologische Vertiefung durch Meister Eckhart Der Begriff gelaˆzenheit ist im vor-Eckhart’schen Wortschatz nicht belegt 11. Daneben ist aber auch zu beachten, dass der Begriff gelaˆzenheit gleich zahlreichen anderen mittelhochdeutschen Abstraktbildungen keine lateinische Parallele besitzt. Wörter wie resignatio, tranquillitas oder impassibilitas scheiden als Vorläufer aus, da sich keine entsprechenden Übersetzungen nachweisen lassen. Gleiches gilt für die griechischen Begriffe aœpa¬ueia und aœtaraji¬a. Allerdings verwendet Eckhart den Begriff gelaˆzenheit innerhalb seiner uns mit der Stuttgarter EckhartAusgabe vorliegenden Schriften nur einmal: „Wan, ez kome von traˆcheit oder von waˆrer abegescheidenheit oder von gelaˆzenheit, soˆ sol man merken, ob man sich hier inne vindet, 10
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Cf. L. Völker, ,Gelassenheit‘. Zur Entstehung des Wortes in der Sprache Meister Eckharts und seiner Überlieferung in der nacheckhartschen Mystik bis Jacob Böhme, in: F. Hundsnurscher/ U. Müller (eds.), ,Getempert und Gemischet‘, Göppingen 1972, 281-312; A. Bundschuh, Die Bedeutung von gelassen und die Bedeutung von Gelassenheit in den deutschen Werken Meister Eckharts unter Berücksichtigung seiner lateinischen Schriften, Frankfurt a. M.-Bern-New York-Paris 1990; J. Wagner, Meditationen über Gelassenheit. Der Zugang des Menschen zu seinem Wesen im Anschluß an Martin Heidegger und Meister Eckhart, Hamburg 1995; A. M. Haas, Gelassenheit - Semantik eines mystischen Begriffs, in: id. (ed.), Kunst rechter Gelassenheit. Themen und Schwerpunkte von Heinrich Seuses Mystik, 2., durchges. und verb. Aufl., Bern e. a. 1996, 247-269. Cf. K. Gärtner e. a. (eds.), Findebuch zum mittelhochdeutschen Wortschatz, Stuttgart 1992, IX-XI. Auch die theologischen und philosophischen Lexika kennen einen Gebrauch des Begriffs gelaˆzenheit vor Eckhart nicht: Cf. P. Heidrich, Gelassenheit I, in: HWP 3 (1974), 219; R. Körner, Gelassenheit, in: LThK 4 (1995), 403; J. Weismayer, Gelassenheit in der katholischen Mystik, in: RGG 3 (42000), 596; F. Kambartel, Gelassenheit, in: EPhW 1 (1995), 728.
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als man soˆ gar von innen gelaˆzen ist […].“ 12 Um die Entstehung und Bildung des Begriffs gelaˆzenheit zu verstehen, ist es deshalb notwendig, auf die der Eckhart’schen Abstraktbildung zugrunde liegenden Wörter laˆzen und gelaˆzen zurückzugreifen, die Eckhart wesentlich häufiger verwendet. Dabei bezieht sich Eckhart auf mehrere im biblischen Kontext der Jüngerschaft und Nachfolge Christi begegnende Termini. Der wichtigste und zentrale Terminus ist das Verb relinquere. Im Bericht der Berufung der ersten Jünger (Mt. 4, 18-22) heißt es: „at illi continuo relictis retibus secuti sunt eum“ (Mt. 4, 20) und „illi autem statim relictis retibus et patre secuti sunt eum“ (Mt. 4, 22) 13. Die Netze können hier als umfassende Aussage verstanden werden, wenn man bedenkt, dass sich die Nachfolgefrage Petri (Mt. 19, 27) auf den Berufungsbericht (Mt. 4, 18-22) zurückbezieht: „tunc respondens Petrus dixit ei ecce nos reliquimus omnia et secuti sumus te quid ergo erit nobis.“ 14 Das Verlassen der Netze wird zum Verlassen aller Dinge (omnia relinquere). Deutlich wird dies auch aus dem unmittelbar folgenden Jesuswort (Mt. 19, 29): „Et omnis qui reliquit domum vel fratres vel sorores aut patrem aut matrem aut uxorem aut filios aut agros propter nomen meum centuplum accipiet et vitam aeternam possidebit.“ 15 Eckhart bezieht sich auf diese Bibelstelle in einem lateinischen ,Sermo in festis Sancti Pauli Apostoli‘ 16: „Reliquimus. Linquimur a creaturis, igitur relinquamus. Secundo, relinquamus, id est iterum, id est perfecte linquamus. Omnia. Nota: li omnia signum est distributivum. Igitur, tum quia omnia creata sunt signum, tum quia distributa, divisa in se, dividentia a deo, debent relinqui.“ 17 Die konkrete biblische Wendung hat hier eine ontologische Deutung erfahren. Es ist nicht mehr die Rede von Familie und Besitz, sondern abstrakt von allen geschaffenen Dingen, die in Vielheit und Unterschiedenheit zerfallen und vom göttlichen Sein geschieden sind. Omnia hat folglich nicht mehr die Bedeutung des Jesuswortes, das summarisch Besitz und Familie aufzählt. Omnia ist für Eckhart Zeichen der Zerteilung (,signum est distributivum‘), das die ontische Geschiedenheit des Geschaffenen von Gott anzeigt. Deshalb kann Eckhart folgern: „Relinquamus omnia, id est id, per quod sunt omnia divisa. Nam in deo sunt ‹res› una omnia […]. Relinquamus omnia, id est inaequalitatem.“ 18 Die Forderung Eckharts, alles zu lassen (omnia relinquere), hat also nicht mehr die praktisch-ethische 12 13
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RdU, c. 3 (DW V, 283, 7-9). Cf. Luc. 5, 11: „et subductis ad terram navibus relictis omnibus secuti sunt illum“; Mk. 1, 18: „et protinus relictis retibus secuti sunt eum“; und Mk. 1, 20: „et statim vocavit illos, et relicto patre suo Zebedaeo in navi cum mercenariis secuti sunt eum.“ Cf. Luc. 18, 28: „ait autem Petrus ecce nos dimisimus omnia et secuti sumus te“; Mk. 10, 28: „coepit Petrus ei dicere ecce nos dimisimus omnia et secuti sumus te.“ Cf. Luc. 18, 29 sq.: „nemo est qui reliquit domum aut parentes […] propter regnum Dei et non recipiat multo plura in hoc tempore et in saeculo venturo vitam aeternam“; Mk. 10, 29 sq.: „nemo est qui reliquerit domum aut fratres […].“ Cf. Sermo LIII, n. 524 (LW IV, 441 sq.). Weitere Bezugnahmen auf omnia relinquere aus Mt. 19, 27-29 in Sermo LXIV, n. 437 (LW IV, 367, 5-7); Sermo XLIX/2, n. 509 (LW IV, 424, 4 sq.); In Ioh., n. 239 (LW III, 200, 1-5). Sermo LIII, n. 524 (LW IV, 441, 6-9). Ibid., n. 524 (LW IV, 441, 11-442, 3).
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Bedeutung der biblischen Aussage. Die Bedeutung von omnia relinquere ist eine ontologische geworden: Es gilt, das Zerteilte (distributa) und in seiner Zerteilung in sich Geschiedene (,divisa in se‘) zu lassen, da das kreatürliche Sein in seiner so verstandenen Ungleichheit (,id est inaequalitatem‘) von Gott scheidet (,dividentia a deo‘). Auch die adäquate Verwendung von laˆzen und gelaˆzen ist vom omnia relinquere der Nachfolgegeschichte (Mt. 19, 27-29) beeinflusst. Die biblische Formulierung omnia relinquere heißt in Eckharts deutschen Predigten ,alliu dinc laˆzen‘. Eindeutig geht das aus der Predigt ,Dilectus deo et hominibus‘ (Eccli. 45, 1) hervor, worin Eckhart eine wörtliche Übersetzung der Nachfolgefrage Petri bietet: „Meintent aber die leüt sich ald deß iren icht, so hetten sy nit gelassen, als ich sprich von sant Peter, das er sprach: ,Ecce nos reliquimus omnia‘: ,Sich, herr, wir hant alle ding gelassen; was wirt vns darumb?‘ der da gesehen hat, was im darumb würd, wie mag der alle ding gelassen han?“ 19
Deutlich wird die Beeinflussung des deutschen ,alliu dinc laˆzen‘ durch das lateinische omnia relinquere auch in Eckharts Auslegung von „centuplum accipiet et vitam aeternam possidebit “ (Mt. 19, 29b) in einer ohne biblischen Leittext überlieferten Predigt: „Swer alliu dinc læzet, der nimet hundertvalt wider. Swer aber hundertvalt meinet, dem enwirt niht, wan er enlæzet niht alliu dinc: er wil hundertvalt wider haben. Aber unser herre gelobet den hundertvalt, die alliu dinc laˆzent. Læzet er alliu dinc, soˆ sol er hundertvalt nemen und daz ˆewige leben.“ 20
Eckhart geht also auch in seinen deutschen Predigten über die biblische Vorstellungswelt hinaus, da er auch dem ,alliu dinc laˆzen‘ ontologische Bedeutung zumisst. So heißt es innerhalb der Predigt ,Ego elegi vos‘ ( Joh. 15, 16) zum selben Bibeltext („centuplum accipiet et vitam aeternam possidebit “): „Nuˆ sprichet unser herre: ,der iht læzet durch mıˆnen willen und umbe mıˆnen namen, dem wil ich ez hundertvelticlıˆche widergelten und dar zuo geben daz ˆewige leben‘. Læzest duˆ ez aber umbe daz hundertvalte und umbe daz ˆewige leben, soˆ enhaˆst duˆ niht gelaˆzen; jaˆ, læzest duˆ umbe hunderttuˆsentveltigen loˆn, duˆ enhaˆst niht gelaˆzen: duˆ muost dich selben laˆzen und gar laˆzen, soˆ haˆst duˆ rehte gelaˆzen. Ez kam einest ein mensche ze mir - des enist niht lanc - und sprach, er hæte groˆziu dinc gelaˆzen von ertrıˆche, von guote, durch des willen, daz er sıˆne seˆle behielte. Doˆ gedaˆhte ich: eyaˆ, wie weˆnic und kleine haˆst duˆ gelaˆzen! Ez ist ein blintheit und ein toˆrheit, die wıˆle duˆ ihtes ahtest, daz duˆ gelaˆzen haˆst. Haˆst duˆ dich selben gelaˆzen, soˆ haˆst duˆ gelaˆzen. Der mensche, der sich selben gelaˆzen haˆt, der ist soˆ luˆter, daz sıˆn diu werlt niht gelıˆden enmac.“ 21
Dieser Predigtabschnitt zeigt sehr deutlich, dass es Eckhart nicht um ein (Ver)lassen von weltlichem Besitz geht. Schon gar nicht wird Eckharts Anliegen eingeholt, wenn mit dem Lassen von weltlichem Besitz der Gewinn von himmlischem Besitz intendiert wird, wie es sich fälschlich in der Nachfolgefrage Petri im Bibeltext (Mt. 19, 27) und in Eckharts Predigt in der Person des vorgestellten 19 20 21
Pr. 74 (DW III, 286, 15-287, 3). Pr. 62 (DW III, 57, 1-4). Pr. 28 (DW II, 61, 1-11).
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Menschen darstellt. Das Lassen „umbe daz hundertvalte und umbe daz ˆewige leben“ oder „durch des willen, daz er sıˆne seˆle behielte“ trifft nicht die Vorstellung dessen, was Eckhart unter ,alliu dinc laˆzen‘ versteht. ,Alliu dinc laˆzen‘ heißt, ,sich selben laˆzen‘. Den Horizont des biblischen omnia relinquere erweitert Eckhart also auch innerhalb seiner deutschen Predigten, indem er mit ,alliu dinc laˆzen‘ kein praktisch-ethisch geprägtes gelaˆzen haˆn, sondern ein ontologisch orientiertes gelaˆzen sıˆn intendiert: „Duˆ muost dich selben laˆzen und gar laˆzen, soˆ haˆst duˆ rehte gelaˆzen.“ Deutlich wird die ontologische Vertiefung der biblischen Formulierung auch in Eckharts Auslegung innerhalb der ,Rede der underscheidunge‘: „Ez sprichet ein heilige uˆf daz wort, daz sant Peˆter sprach: ,sich, herre, wir haˆn alliu dinc gelaˆzen‘ - und er enhaˆte doch niht meˆr gelaˆzen dan ein bloˆz netze und sıˆn schiffelıˆn - der heilige sprichet: swer daz kleine williclıˆche læzet, der enlæzet ez niht aleine, meˆr: er læzet allez, daz werltlıˆche liute mügen gewinnen, jaˆ, ouch, daz sie mügen begern; wan, der sıˆnen willen und sich selber læzet, der haˆt alliu dinc gelaˆzen als wærlıˆche, als sie sıˆn vrıˆ eigen wæren und sie besezzen hæte in ganzem gewalte.“ 22
Neben der Bezugnahme auf das im Kontext der Jüngerfrage (Mt. 19, 27-29) begegnende (omnia) relinquere sind es zwei weitere im Rahmen der Nachfolge Christi auftretende biblische Formulierungen, auf die Eckhart bei der Verwendung der Wörter laˆzen und gelaˆzen zurückgreift. Dabei handelt es sich einerseits um das bei den Synoptikern parallel überlieferte Jesuswort „si quis vult post me venire abneget se ipsum et tollat crucem suam cotidie et sequatur me“ 23. Andererseits bezieht sich Eckhart auch auf das Jesuswort aus Luc. 14, 26 sq.: „si quis venit ad me et non odit patrem suum et matrem et uxorem et filios et fratres et sorores adhuc autem et animam suam non potest esse meus discipulus et qui non baiulat crucem suam et venit post me non potest esse meus discipulus.“ 24 Eckhart übersetzt das von Jesus zur Nachfolge geforderte ,abnegare se ipsum‘ mit ,sich selben laˆzen‘: „Dar umbe sprichet unser herre: wer mıˆn jünger wil werden, der muoz sich selben laˆzen.“ 25 Aber auch odire aus Luc. 14, 26 übersetzt Eckhart mit ,sich selben laˆzen‘: „Nun liset man in aim ewangelio, das christus sprach: ,Nieman mag min iunger gesin, er volg mir denn nach‘ vnd hab sich selber gelassen.“ 26 Ebenso findet sich bei Eckhart die Übersetzung von odire mit ,sıˆn selbes verzıˆhen‘: „Sant Lukas schrıˆbet in dem ˆewangelioˆ, daz unser herre sprach: ,wer mir welle naˆchvolgen, der verzıˆhe sich sıˆn selbes und neme sıˆn kriuze und volge mir naˆch‘.“ 27 Aber auch die Übersetzung von ,abnegare se ipsum‘ mit ,sıˆn selbes verzıˆhen‘ lässt sich bei Eckhart nachweisen: „Und hier ane ensol nieman zwıˆvelen: wære dehein bezzer wıˆse, unser herre hæte sie gesprochen, als er ouch sprach: ,swer mir welle naˆchvolgen, der verzıˆhe 22 23
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RdU, c. 3 (DW V, 194, 9-195, 6). Luc. 9, 23. Cf. Mt. 16, 24: „si quis vult post me venire abneget semet ipsum et tollat crucem suam et sequatur me“; Mk. 8, 34: „si quis vult post me sequi deneget se ipsum et tollat crucem suam et sequatur me.“ Cf. Mt. 10, 37 sq.: „Qui amat patrem aut matrem plus quam me non est me dignus et qui amat filium aut filiam super me non est me dignus et qui non accipit crucem suam et sequitur me non est me dignus.“ Pr. 10 (DW I, 169, 11-170, 1). Pr. 15 (DW I, 244, 5 sq.). Pr. 59 (DW II, 628, 3-5).
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sich sıˆn selbes ze dem ˆersten‘; daˆ liget ez allez ane.“ 28 Und schließlich gibt Eckhart ,abnegare se ipsum‘ und odire auch mit ,sıˆn selbes verlöugnen‘ (verlouknen) wieder: „,Verlöugene dıˆn selbes und biut uˆf dıˆn kriuze!‘“ 29; „Kristus saget: ,swer mir volgen wil, der verlougen sıˆn selbes und hebe uˆf sıˆn kriuze und volge mir‘“ 30; und „Daz meinte Kristus, doˆ er sprach: ,wer sich sıˆn selbes niht enverlougent und niht enlæzet vater und muoter und allez daz uˆzerlich ist, der enist mıˆn niht wert‘.“ 31 Eckhart kann also die der Terminologie der Nachfolge Christi entnommenen Formulierungen ,abnegare se ipsum‘ (Mt. 16, 24; Luc. 9, 23; Mk. 8, 34) und odire (Luc. 14, 26 sq.; Mt. 10, 37 sq.) gleichzeitig mit ,sich selben laˆzen‘, ,sıˆn selbes verzıˆhen‘ und ,sıˆn selbes verlöugnen‘ (verlouknen) wiedergeben. Dieser Sachverhalt macht noch deutlicher als die Übersetzung von (omnia) relinquere mit ,alliu dinc laˆzen‘, dass es Eckhart in der Verwendung des Verbs laˆzen nicht um ein Lassen von etwas (gelaˆzen haˆn), sondern um ein Gelassensein (gelaˆzen sıˆn) geht. Laˆzen besitzt für Eckhart zuvorderst ontologische und erst in zweiter Linie ethische Qualität. Andernfalls wäre die Bezogenheit von ,sich selben laˆzen‘ auf ,abnegare se ipsum‘ und odire unerklärlich. Es ist schließlich eine letzte biblische Formulierung zu nennen, auf die sich Eckhart mit laˆzen bezieht. Eckhart zitiert sie zweimal: „Nuˆ sprichet unser herre: ,nieman enhœret mıˆn wort noch mıˆne leˆre, er enhabe denne sich selben gelaˆzen‘. Wan der gotes wort hœren sol, der muoz gar gelaˆzen sıˆn“ 32; und „nieman enmac mıˆn wort hœren noch mıˆne leˆre, er enhabe denne sich selben gelaˆzen“ 33. Josef Quint verwies in diesem Zusammenhang auf Luc. 14, 26 34. Nun ist die Formulierung „nieman enhœret mıˆn wort noch mıˆne leˆre“, die Eckhart als Jesuswort kennzeichnet, bei Lukas und auch sonst im gesamten biblischen Zeugnis nicht nachzuweisen, so dass der Verweis Quints auf Luc. 14, 26 recht verwunderlich erscheint. Eher ist auf den Weisheitshymnus im Buch Ecclesiasticus bzw. Jesus Sirach (Kap. 24) hinzuweisen, wenn man bedenkt, dass Eckhart das Herrenwort „nieman enhœret mıˆn wort noch mıˆne leˆre“ innerhalb der Auslegung zu Eccli. 24, 30 sq. („qui audit me non confundetur et qui operantur in me non peccabuntur qui elucidant me vitam aeternam habebunt “) verwendet. Es ist deshalb notwendig, sich den Kontext, in dem Eckhart die Formulierung „nieman enhœret mıˆn wort noch mıˆne leˆre“ verwendet, genauer anzusehen. Eckhart leitet seine Predigt ,Qui audit me‘ mit der Übersetzung von Eccli. 24, 30 sq. ein: „Daz wort, daz ich gesprochen haˆn in latıˆne, daz sprichet diu ˆewige wıˆsheit des vaters und sprichet: ,swer mich hœret, der enschamet sich niht‘ - schamet er sich ihtes, soˆ schamet er sich des, daz er sich schamet - Swer in mir würket, der ensündet niht. Swer mich offenbaˆret und uˆzliuhtet, der sol
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RdU, c. 3 (DW V, 195, 8-196, 3). Pr. 59 (DW II, 630, 4). Pr. 76 (DW III, 326, 1 sq.). Pr. 101 (DW IV/1, 367, 1 sq.). Pr. 12 (DW I, 193, 5-7). Pr. 10 (DW I, 170, 1 sq.). Cf. DW I, 193.
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haˆn daz ˆewige leben‘. Von disen drin wörtelıˆn, diu ich gesprochen haˆn, wære ein ieglich genuoc ze einer predige.“ 35
Für den hiesigen Zusammenhang ist Eckharts anschließende Auslegung zum ersten wörtelıˆn wesentlich. Eckhart erklärt: „Ze dem ˆersten wil ich sprechen, daz diu ˆewige wıˆsheit sprichet: ,swer mich hœret, der enschamet sich niht‘. Swer die ˆewige wıˆsheit des vaters hœren sol, der sol inne sıˆn und sol daˆ heime sıˆn und sol ein sıˆn, soˆ mac er hœren die ˆewige wıˆsheit des vaters.“ 36 Hier wird schon deutlich, was für das Hören des Wortes nötig ist: inne sıˆn, daˆ heime sıˆn und ein sıˆn. Dementsprechend verhindert das Hören des Wortes das ,niht inne sıˆn‘, ,niht daˆ heime sıˆn‘ und ,niht ein sıˆn‘, was Eckhart mit lıˆplicheit, manicvalticheit und zıˆtlicheit wiedergibt: „Driu dinc sint, diu uns hindernt, daz wir niht enhœren daz ˆewige wort. Daz ˆerste ist lıˆplicheit, daz ander manicvalticheit, daz dritte ist zıˆtlicheit.“ 37 Somit gilt es folglich, sich zum Hören des Wortes von lıˆplicheit, manicvalticheit und zıˆtlicheit zu lösen: „Hæte der mensche disiu driu dinc übergangen, soˆ wonete er in ˆewicheit und wonete in dem geiste und wonete in einicheit und in der wüestunge, und daˆ hoˆrte er daz ˆewige wort.“ 38 Hier schließt nun direkt die biblische Formulierung an, die vom ,sich selben laˆzen‘ spricht: „Nuˆ sprichet unser herre: ,nieman enhœret mıˆn wort noch mıˆne leˆre, er enhabe denne sich selben gelaˆzen‘. Wan der gotes wort hœren sol, der muoz gar gelaˆzen sıˆn.“ 39 Es scheint keine Frage zu sein, dass sich Eckhart in der Verwendung des Wortes laˆzen neben der Bezugnahme auf Mt. 19, 27-29 (relinquere), Luc. 9, 23 (,abnegare se ipsum‘) und Luc. 16, 24 (odire) hier auf Eccli. 24, 30 sq. bezieht, wenn auch kein konkreter biblischer Terminus als Vorbild für Eckharts Wort ,sich selben laˆzen‘ auszumachen ist. Eckhart bezieht sich mit ,sich selben laˆzen‘ auf ,qui audit me‘. Der Schlusssatz („Wan der gotes wort hœren sol, der muoz gar gelaˆzen sıˆn“) ist dann als Zusammenfassung von Eckharts Auslegung zu lesen: ,gar gelaˆzen sıˆn‘ subsumiert inne sıˆn, daˆ heime sıˆn und ein sıˆn. Es meint das Freisein von lıˆplicheit, manicvalticheit und zıˆtlicheit. Die Formulierung „nieman enhœret mıˆn wort noch mıˆne leˆre, er enhabe denne sich selben gelaˆzen“ markiert genau wie die Bedeutungserweiterung des biblischen (omnia) relinquere durch gelassen sıˆn und die Bezogenheit von ,sich selben laˆzen‘ auf ,abnegare se ipsum‘ und odire den ontologischen Charakter des Verbs laˆzen (gelaˆzen) im Eckhart’schen Gebrauch. Ähnlich wie in Eckharts bereits erwähntem lateinischen ,Sermo in festis Sancti Pauli Apostoli‘ erfährt die biblische Wendung ,qui audit me‘ dadurch eine ontologische Deutung, dass Eckhart als Bedingung des Hörens des Gotteswortes das Lassen von Körperlichkeit (lıˆplicheit), Vielheit (manicvalticheit) und Zeitlichkeit (zıˆtlicheit) fordert. Im lateinischen Sermo galt es, das Zerteilte und in seiner Zerteilung in sich Geschiedene zu lassen, da das kreatürliche Sein in seiner so verstandenen Ungleichheit von Gott scheidet („Relinquamus omnia, id est id, per quod sunt omnia divisa. Nam in deo sunt ‹res› una omnia […]. Relinquamus omnia, id est inaequalita35 36 37 38 39
Pr. 12 (DW I, 192, 2-7). Ibid., 192, 8-11. Ibid., 193, 1 sq. Ibid., 193, 3-5. Ibid., 193, 5-7.
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tem.“ 40). In der Predigt ,Qui audit me‘ gilt es, ,inne zu sıˆn‘, ,daˆ heime zu sıˆn‘ und ,ein zu sıˆn‘, was durch Eckharts summarische Formel ,sich selben gelaˆzen sıˆn‘ eingeholt wird. Von daher kann festgehalten werden, dass Eckhart den Begriff gelaˆzenheit selbst bildet. Laˆzen und gelaˆzen haben ihren Ursprung in verschiedenen der Nachfolge Christi gewidmeten biblischen Texten. In erster Linie sind die Frage Petri nach dem Lohn der Nachfolge (Mt. 19, 27-29) und die Jesusworte bezüglich der Jüngerschaft (Luc. 9, 23; 14, 26 sq.) geltend zu machen. Eckhart entlehnt verschiedene Termini der biblischen Sprache und erweitert deren hauptsächlich praktisch-ethischen Horizont, indem er ihnen ontologische Bedeutung zumisst. Im Vordergrund steht dabei die biblische Formulierung omnia relinquere. Eckhart geht es in der Verwendung von omnia relinquere und dessen Übersetzung mit ,alliu dinc laˆzen‘ nicht um das biblische, zur Nachfolge Christi notwendige, Verlassen von Besitz und Familie. Die Nachfolge Christi ist im Sinne der Eckhart’schen Terminologie ontologisch zu verstehen: ,Alliu dinc laˆzen‘ bedeutet das Loslösen von kreatürlich Zufälligem und darüber hinaus die Befreiung aus Selbst- oder Ichbezogenheit. Eckhart markiert die Umwandlung eines biblischen Tugendbegriffs in einen Seinsbegriff durch die Verwandlung des (biblischen) gelaˆzen haˆn in das (Eckhart’sche) gelaˆzen sıˆn. Die Eckhart’sche Erweiterung des biblischen Bedeutungsrahmens wird neben der Auslegung von omnia relinquere aus Mt. 19, 27-29 und dessen Übersetzung mit ,alliu dinc laˆzen‘ auch dadurch deutlich, dass Eckharts Formulierung ,sich selben laˆzen‘ eine Übersetzung der biblischen Termini ,abnegare se ipsum‘ (Luc. 9, 23) und odire (Luc. 14, 26) darstellt. Zusätzlich markiert auch die nicht eindeutig zu lokalisierende, aber dem Kontext von Eccli. 24, 30 sq. entstammende Formulierung „nieman enhœret mıˆn wort noch mıˆne leˆre, er enhabe denne sich selben gelaˆzen“ den ontologischen Charakter des Verbs laˆzen (gelaˆzen) im Eckhart’schen Gebrauch. Gleichwohl will auch Eckhart in der sich in den Formulierungen mit dem Verb laˆzen (gelaˆzen) darstellenden ontologischen Erweiterung des biblischen Horizontes uneingeschränkt zur Nachfolge Christi rufen. Deutlich wird dies in folgendem, mehreren Bibelstellen zuzuordnenden und wohl eine Eigenbildung Eckharts darstellenden Herrenwort, welches den ontologischen Charakter des Eckhart’schen Verbs laˆzen (gelaˆzen) gut wiedergibt: „Daz meinte ouch Kristus, doˆ er sprach: ,der iht læzet durch mich, der sol hundertvalt widernemen. Und wer mich ouch wil haben, der muoz sich sıˆn selbes und aller dinge verzıˆhen. Und wer mir wil dienen, der muoz mir volgen.‘ Er ensol niht den sinnen volgen.“ 41 2. Die Herkunft des Begriffs abegescheidenheit (abegescheiden) und dessen Grundlegung im anaxagoreisch-aristotelischen Intellektbegriff Meister Eckhart hat dem Begriff abegescheidenheit in seinem bereits oben erwähnten geistlichen Predigtprogramm den ersten Platz zugewiesen: „Swenne ich 40 41
Sermo LIII, n. 524 (LW IV, 441, 11-442, 3). Pr. 101 (DW IV/1, 364, 7-10).
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predige, soˆ pflige ich ze sprechenne von abegescheidenheit und daz der mensche ledic werde sıˆn selbes und aller dinge.“ 42 Abegescheidenheit ist wie gelaˆzenheit in der vor-Eckhart’schen deutschen Sprache nicht belegt. Sehr wahrscheinlich ist also auch der Begriff abegescheidenheit eine originäre Bildung Eckharts, da das Wort sonst nur innerhalb der ,Deutschen Mystik‘, und zwar bei den Eckhart-Schülern Heinrich Seuse und Johannes Tauler, nachweisbar ist 43. Der Eindruck, dass die Genese des Wortes abegescheidenheit unmittelbar mit Eckhart in Zusammenhang gebracht werden muss, wird dadurch verstärkt, dass auch das Abstraktum abegescheidenheit keine Entsprechung im lateinischen Wortschatz hat. Insofern ist der gleiche Befund wie bei Eckharts Begriff gelaˆzenheit zu stellen. Beide Abstrakta sind als Wortschöpfungen Eckharts zu betrachten, da sie im ,vormystischen‘ Sprachgebrauch keine Verwendung fanden und ihnen keine lateinischen Vorbilder nachzuweisen sind. Doch auch hier muss gesehen werden, wie Eckhart mit dem zum Abstraktum abegescheidenheit gehörenden Partizip abegescheiden umgeht. Auch das Partizip abegescheiden hat wie laˆzen und gelaˆzen eindeutig identifizierbare Vorläufer. Konnten für laˆzen und gelaˆzen die biblischen Formulierungen relinquere, ,abnegare se ipsum‘ und odire aus der Terminologie der Nachfolge Christi ausgemacht werden, so hat Eckharts Partizip abegescheiden in den lateinischen Partizipien separatus est und abstractus est seine Vorbilder. Separatus est und abstractus est sind, wie sie in Eckharts lateinischen Texten und in der Übersetzung mit abegescheiden innerhalb seiner deutschen Schriften auftreten, als Termini aus der anaxagoreisch-aristotelischen noy˜ w- bzw. Intellektdefinition zu betrachten: „Nun merket mit flisse, das Aristotiles spricht von den abgeschaidnen gaisten in dem buoch, das da haisset methaphisica. Der hœhst vnder den maistern, der von natu´rlichen ku´nsten ie gesprach, der nemmet dis abgeschaiden gaist vnd sprichet, das si enkainer ding form sien, vnd si nemend ir wesen sunder mittel von got usfliessend; vnd also fliessend si och wider in vnd enpfahend den usfluss von got sunder mittel obwendig den engeln, vnd schowent das bloss wesen gottes sunder vnderschaid. Dis luter bloss wesen nemmet Aristotiles ain ,was‘.“ 44
Eckhart übersetzt hier die aristotelischen substantiae separatae mit abgeschaidnen gaisten. Mit den abgeschaidnen gaisten sind demnach die substantiae separatae (intelligentiae) gemeint, die im Anschluss an Aristoteles’ ,Metaphysica‘ XII (L; c. 8) vom Neuplatonismus und der Scholastik angenommen und vielfach mit den Engeln identifiziert wurden. So findet sich beispielsweise eine entsprechende Formulierung in Hermanns von Fritzlar ,Heiligenleben‘: „Der engel ist ein abegescheidene substantie und ist ein luˆter forme und ist ein widerbildic spigel gotlıˆcher klaˆrheit.“ 45 Die mit den reinen Geistern identifizierten Engel nehmen innerhalb der hierarchischen Entfaltung des Seins eine Mittlerstellung zwischen dem Einen (Gott) und dem 42 43 44 45
Pr. 53 (DW II, 528, 5 sq.). Cf. Gärtner e. a. (eds.), Findebuch (nt. 11), 1. Pr. 15 (DW I, 251, 4-11). Cf. F. Pfeiffer, Deutsche Mystiker des vierzehnten Jahrhunderts, vol. I, Leipzig 1845, Nachdr. Aalen 1962, 144, 27-29.
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Vielen (Kreatur) ein. Sie stehen so in unmittelbarer Weise zu Gott, da ihr Sein in einer ungegenständlichen Schau von Gott empfangen wird. Dieses einfache, undifferenzierte Sein wird von Aristoteles mit ,to¬ ti¬ hÓn ei√nai ‘ 46 benannt und im Sinne des thomasischen ,quod quid est‘ 47 von Eckhart mit was übersetzt. Hinter der Identifikation der Engel mit den aristotelischen substantiae separatae (intelligentiae), die auch Eckhart zumindest einmal innerhalb der Paradisus-Predigt ,Quasi stella matutina‘ (Eccli. 50, 6) wörtlich benennt 48, steht die Vorstellung der Reinheit, Unvermischtheit und Separiertheit des Intellekts, die Aristoteles in ,De anima‘ III (G; c. 4) entwickelt hat. Demnach ist der Seelenteil, mit dem die Seele erkennt, vom Körper abgetrennt (xvristo¬w ), einfach (a«ploy˜ n ), eigenschaftslos (aœpaue¬w ), unvermischt (aœmigh¬w ) und mit nichts etwas gemein habend (,mhueni¡ mhue¬n exei koino¬n ‘), um das Intelligible erkennen zu können. In seiner Definition des Intellekts („peri¡ de toy˜ mori¬oy toy˜ th˜ w cyxh˜ w ì√ ginv¬skeite h« cyxh¡ kai¡ fronei˜ […]“ 49) verweist Aristoteles in ,De anima‘ III (G; c. 4) allerdings auf eine Formel des Vorsokratikers Anaxagoras: „eiœ o« noy˜ w a«ploy˜ n eœsti¡ kai¡ aœpaue¬w kai¡ mhueni¡ mhue¬n exei koino¬n, vÕsper fhsi¡n ÅAnajago¬raw […].“ 50 Eckhart kennt diese Formel des Anaxagoras, was sich aus seinem achten Beweis zur Erklärung des Schriftwortes ,requievit deus ab universo opere‘ (Gen. 2, 2) innerhalb der ,Expositio Libri Genesis‘ ergibt: „Octavo sic: principium omnium productorum naturalium est intellectus altior natura et omni creato, et hic deus, de quo proprie loquitur Anaxagoras ad litteram quod est ,separatus‘, ,immixtus‘, ,nulli nihil habens commune‘, ut discernat omnia.“ 51 Die anaxagoreische Formel lässt sich auch in der Erklärung des Schriftwortes ,erat autem homo ex Pharisaeis Nicodemus‘ ( Joh. 3, 1) innerhalb Eckharts ,Expositio sancti Evangelii secundum Iohannem‘ nachweisen: „homo ab intellectu et ratione homo est. Intellectus autem abstrahit ab hic et nunc et secundum genus suum nulli nihil habet commune, impermixtus est, separatus est, ex III De anima.“ 52 Formelhaft treten im Anaxagoras- bzw. Aristoteleszitat, das Eckhart hier zur Kennzeichnung des menschlichen Intellekts heranzieht, die Formulierungen ,abstrahit ab hic et nunc‘, ,nulli nihil habet commune‘ und die Partizipien impermixtus est und separatus est auf. Direkt im Anschluss daran nutzt Eckhart dieselben Worte innerhalb der Auslegung von ex Pharisaeis: „,Phares‘ enim divisio est et separatio. Ubi notandum quod forma omnis quanto est separatior a materia, continuo et tempore, tanto nobilior et divinior. Esto talis: humilis, scilicet subiectus deo, 46 47 48
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50
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Cf. Pr. 15 (DW I, 251, n. 4). S. th. I, q. 57, a. 1. Cf. Pr. 9 (DW I, 153, 12-154, 1): „Ein meister sprichet: vernünfticheit gotes ist, daˆ des engels wesen zemaˆle ane hanget.“ Aristoteles, Über die Seele, Hamburg 1995, 164 (429a 10 sq.). Cf. ibid., 166 (429a 23): „le¬gv de noy˜ n ì√ dianoei˜tai kai¡ y«polamba¬nei h« cyxh¬.“ Ibid., 170 (429b 23 sq.). Cf. ibid., 166 (429a 18-20): „aœna¬gkh ara, eœpei pa¬nta noei˜, aœmigh˜ ei√nai, vsper fhsi¡n ÅAnajago¬raw, iÕna kratñ˜ , toy˜ to dÅ eœsti¡n iÕna gnvri¬zñ.“ In Gen. I, n. 168 (LW I, 313, 12-314, 2). In Ioh., n. 318 (LW III, 265, 12-266, 1). Cf. Sermo LIV/1, n. 525 (LW IV, 444, 1); Sermo LIV/2, n. 531 (LW IV, 447, 8 sq.); Quaestiones Parisienses, q. 2, n. 2 (LW V, 50, 1-5).
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separatus a tempore et continuo, impermixtus, nulli nihil habens commune: venis ad deum, et deus ad te.“ 53
Die Verwendung von ,abstrahit ab hic et nunc‘, ,nulli nihil habens commune‘, impermixtus est und separatus est innerhalb der Auslegung zu ex Pharisaeis hat eine doppelte Stoßrichtung: Einerseits geht es Eckhart um ein Freisein von kreatürlichen Bindungen („a materia, continuo et tempore“), andererseits will Eckhart die damit implizierte Hinwendung und Ausrichtung auf Gott aufzeigen („venis ad deum, et deus ad te“). Die anaxagoreisch-aristotelischen Formulierungen „abstrahit ab hic et nunc“, „nulli nihil habet commune“, impermixtus est und separatus est finden sich auch in entsprechenden Übersetzungen innerhalb der deutschen Schriften Eckharts, und sie bestimmen, das soll ja hier gezeigt werden, das Eckhart’sche Partizip abegescheiden. In Eckharts Predigt zum Schriftwort ,Modicum et iam non videbitis me‘ ( Joh. 16, 16) heißt es über die fünf Eigenschaften der Vernunft: „Daz ˆerste ist, daz si abescheidet von hie und von nuˆ. Daz ander, daz si nihte glıˆch enist. Daz dritte, daz si luˆter und unvermenget ist. Daz vierde, daz si in ir selber würkende oder suochende ist. Daz vünfte, daz si ein bilde ist.“ 54 Deutlich lassen sich die deutschen Formulierungen als Übersetzungen der lateinischen Termini identifizieren: „abescheidet von hie und von nuˆ “ entspricht „abstrahit ab hic et nunc“, „nihte glıˆch enist “ entspricht „nulli nihil habens commune“ und „luˆter und unvermenget ist “ entspricht „separatus et impermixtus est “. Ein weiteres Beispiel findet sich in Eckharts ,Buoch der götlıˆchen trœstunge‘ innerhalb der Auslegung zu Joh. 1, 12 sq.: „Bıˆ dem willen des mannes meinet sant Johannes die hœhsten krefte der seˆle, der natuˆre und ir werk ist unvermischet mit dem vleische, und staˆnt in der seˆle luˆterkeit, abegescheiden von zıˆt und von stat und von allem dem, daz ze zıˆt und stat kein zuoversiht haˆt oder smak, die mit nihte niht gemeine enhaˆnt, in den der mensche naˆch gote gebildet ist, in den der mensche gotes geslehte ist und gotes sippe.“ 55
Das hier verwendete „abegescheiden von zıˆt und von stat “ ist eine Übersetzung von „separatus a tempore et continuo“; „unvermischet mit dem vleische“ gibt „impermixtus est a materia“ wieder und „mit nihte niht gemeine enhaˆnt “ hat seine wörtliche Entsprechung in „nulli nihil habens commune“. Dass die lateinischen Formulierungen zur Kennzeichnung der Reinheit, Unvermischtheit und Separiertheit des Intellekts bei der Bildung und Verwendung des Eckhart’schen Partizips abegescheiden Pate standen, zeigen auch die Texte, in denen das Partizip abegescheiden nicht in direktem Bezug zur anaxagoreischaristotelischen Formel verwendet wird. In der Predigt ,Homo quidam nobilis‘ (Luc. 19, 12) heißt es vom vernünftigen Menschen: „Ein vernu´nftiger mentsch ist, der sich selber vernu´nfteklichen versta´t vnd in im selber abgeschaiden ist von allen materien vnd formen. ie mer er abgeschaiden ist von allen dingen vnd in sich selber 53 54 55
In Ioh., n. 318 (LW III, 266, 3-7). Pr. 69 (DW III, 169, 2-5). BgT, c. 1 (DW V, 11, 5-10).
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gekeret, ie me er aellu´ ding clarlich vnd vernu´nfteklich bekennet in im selber sunder uskeren: ie me es ain mentsch ist.“ 56
Hier verwendet Eckhart die Formulierungen „abgeschaiden von allen materien vnd formen“ und „abgeschaiden von allen dingen“, was deutlich an „separatus a materia, continuo et tempore“ erinnert. Und in der Predigt ,Renovamini spiritu‘ (Eph. 4, 23) sagt Eckhart über die Seele: „Dar vmbe heiset si ein geist, wan si abgescheiden ist von hie vnd von nu´ vnd von aller naturelicheit. Aber do si ein bilde gottes ist vnd nammeloz alse got, do vellet kein nvwekeit an si, wand alleine ewikeit, als in got.“ 57 Abermals wird deutlich, dass die Formulierung „abgescheiden von hie vnd von nuˆ “ („vnd von aller naturelicheit “) auf dem lateinischen „abstrahit ab hic et nunc“ fußt. Es gilt deshalb festzuhalten, dass Eckhart bei der Bildung und Verwendung des Partizips abegescheiden auf die lateinischen Vorbilder separatus est und abstractus est zurückgreift. Beide Wörter gewinnt Eckhart aus der anaxagoreisch-aristotelischen Formel „Intellectus autem abstrahit ab hic et nunc et secundum genus suum nulli nihil habet commune, impermixtus est, separatus est“ 58. In ihr werden die Reinheit, die Unvermischtheit und die Separiertheit des Intellekts definiert. Eckhart benutzt dann das Partizip abegescheiden, wenn er von der Vernunft oder vom vernünftigen Menschen spricht. Dabei geht es Eckhart in der Verwendung von abegescheiden einerseits um das intellektuelle Freisein vom Kreatürlichen. Deshalb nutzt er Formulierungen wie „abgeschaiden von allen dingen“ oder „abgescheiden von hie vnd von nuˆ vnd von aller naturelicheit “. Andererseits will Eckhart die aus der Freiheit vom Kreatürlichen folgende Gottunmittelbarkeit des Intellekts aufzeigen. Dafür treten zur Benennung der Vernunft bzw. des vernünftigen Menschen Bezeichnungen wie „do si [die Vernunft; die Seele] ein bilde gottes ist “, „der mensche naˆch gote gebildet ist “ oder „der mensche gotes geslehte ist und gotes sippe“. Wenn Eckhart das Partizip abegescheiden einerseits dazu verwendet, um die Entbindung des vernünftigen Menschen vom Kreatürlichen zu verdeutlichen, so steht abegescheiden auch im Kontext der Hin- und Ausrichtung auf Gott. Dem vernünftigen, mithin abgeschiedenen Menschen eignet folglich nicht nur Freiheit von jeglicher kreatürlicher Bezogenheit, sondern eine daraus folgende Gottunmittelbarkeit. So wie die Engel (abgeschaidnen gaisten - substantiae separatae) ihr Sein in einer ungegenständlichen Schau von Gott empfangen, so wird der abegescheidene menschliche Geist als einfaches, undifferenziertes Sein gefasst, der das „bloss wesen gottes sunder vnderschaid“ schaut, und damit ein bilde gottes und ,nammeloz alse got ‘ ist. Darin ist ein deutlicher Unterschied zu Eckharts Verwendung von laˆzen und gelaˆzen zu sehen, die zwar in der ontologischen Erweiterung des biblischen Horizontes (von gelaˆzen haˆn zu gelaˆzen sıˆn) ein Vergleichsmoment mit Eckharts Partizip abegescheiden hat, da auch mit gelaˆzen sıˆn die Entbindung des Menschen vom Kreatürlichen verdeutlicht wird. Laˆzen und gelaˆzen äußern aber von ihrer Herkunft her 56 57 58
Pr. 15 (DW I, 250, 6-10). Pr. 83 (DW III, 440, 4-6). In Ioh., n. 318 (LW III, 265, 12-266, 1).
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noch nicht explizit die der Abkehr des Menschen vom Kreatürlichen folgende Zukehr zu Gott. Die dem Partizip abegescheiden implizierte doppelte Stoßrichtung, die Eckhart im Kontext der lateinischen Vorbilder von abegescheiden bereits vorfand, besitzen laˆzen und gelaˆzen herkunftsmäßig nicht. Eckhart hat sie erst mit seinem Begriff gelaˆzenheit entwickelt. Das wird besonders in den ,Rede der underscheidunge‘ in der Formulierung „got muoz von noˆt “ deutlich und mit der Formel „glıˆch widergelt und glıˆcher kouf “ bezeichnet 59. Denn wie der gelassene Mensch „ist einez in dem einen, daˆ alliu manicvalticheit einez ist und ein unvermanicvalticheit ist“ 60, so führt abegescheidenheit den Menschen „in luˆterkeit und von der luˆterkeit in einvalticheit und von der einvalticheit in unwandelbærkeit, und diu dinc bringent eine glıˆcheit zwischen gote und dem menschen; und diu glıˆcheit muoz beschehen in gnaˆden“ 61. Es muss aber doch gesehen werden, dass dem Eckhart’schen Begriff abegescheidenheit ein wesentlich weiterer Bedeutungsrahmen inhäriert, insofern mit abegescheidenheit von einer gnadenhaften Gleichheit des Menschen mit Gott die Rede ist, da Eckhart mit dem Begriff abegescheidenheit nicht nur die höchste Tugend des Menschen, sondern zugleich die eigentliche Seinsweise Gottes benennt. Diese Differenz hat ihren Grund darin, dass Eckhart die Möglichkeit der Gleichheit des Menschen mit Gott in der Tatsache erkennt, dass sich Gott und Mensch im Erkennen gleichen - dass sich im Erkennen des Menschen eine ,deiformitas vel deiformatio‘ vollzieht -, da die eigentliche Seinsweise Gottes wie auch die des Menschen nach den ,Quaestiones Parisienses‘ selbst Erkennen (intelligere) ist. 3. Die theologische Differenz zwischen den Begriffen gelaˆzenheit und abegescheidenheit und ihre Relation im Denken Meister Eckharts Nun kann hier vor dem Hintergrund der generischen Differenz zwischen den Begriffen gelaˆzenheit und abegescheidenheit eine theologische Differenz dargelegt werden, insofern der ontotheologische Begriff gelaˆzenheit im Rahmen einer von Gott gesetzten analogen Relation zum kreatürlichen Menschen zu verorten ist, der intellekttheoretische Begriff abegescheidenheit hingegen innerhalb univoker Korrelationalität zwischen göttlichem und menschlichem Erkennen wurzelt. Wir hatten bereits zuvor gesehen, dass Eckhart den Begriff gelaˆzenheit auf der Grundlage verschiedener Termini aus der Nachfolgechristologie der Evangelien ontologisch vertieft. Das biblische omnia relinquere (,abnegare se ipsum‘, odire) versteht Eckhart nicht bloß als ein Verlassen von weltlichem Besitz (gelaˆzen haˆn), sondern als grundlegendes Lassen von allen kreatürlichen Bindungen (gelaˆzen sıˆn). Das wird deutlich, wenn Eckhart in den ,Rede der underscheidunge‘ vom 59
60 61
Cf. RdU, c. 4 (DW V, 197, 1-3): „Ez ist rehte ein glıˆch widergelt und glıˆcher kouf: als vil duˆ uˆzgaˆst aller dinge, als vil, noch minner noch meˆr, gaˆt got ˆın mit allem dem sıˆnen, als duˆ zemaˆle uˆzgaˆst in allen dingen des dıˆnen.“ Ibid., c. 6 (DW V, 202, 9 sq.). Von abegescheidenheit (DW V, 412, 9-413, 2).
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Menschen fordert: „Er sol sich selber laˆzen ze dem ˆersten, soˆ haˆt er alliu dinc gelaˆzen.“ 62 Diese seinsethischen Forderungen hat Eckhart mit der Vorstellung in Zusammenhang gebracht, dass Gott dann notwendigerweise in diesen gelassenen Menschen eingeht: „Alsoˆ sol der mensche mit götlıˆcher gegenwerticheit durchgangen sıˆn und mit der forme sıˆnes geminneten gotes durchformet sıˆn und in im gewesent sıˆn.“ 63 Formelhaft nennt Eckhart diesen Sachverhalt glıˆch widergelt und glıˆcher kouf, ohne allerdings eine ausführliche Antwort zu geben, wie das Sein Gottes als sich dem Menschen notwendig mitteilend gedacht werden kann. Eckhart hat in den ,Rede der underscheidunge‘ lediglich darauf hingewiesen, dass Gott um seiner Göttlichkeit willen zu diesem glıˆch widergelt und glıˆchen kouf genötigt ist: „Daˆ ich mich ane laˆze, daˆ muoz er mir von noˆt wellen allez, daz er im selben wil, noch minner noch meˆr, und mit der selben wıˆse, daˆ er im mit wil. Und entæte got des niht, in der waˆrheit, diu got ist, soˆ enwære got niht gereht noch enwære got, daz sıˆn natiurlich wesen ist.“ 64
Nun hatte Eckhart in der ,Collatio in Libros Sententiarum‘ von Gott als dem ,altissimus in essentia‘ geredet, dem die creatura limitatur als das Mannigfaltige (hoc et hoc) gegenübersteht: „Omne enim mutabile habet hoc et hoc, nec est simplex. Manet enim secundum aliquid et variatur secundum aliquid.“ 65 In der ,Collatio in Libros Sententiarum‘ legte Eckhart bekanntlich den Grund für seine Unterscheidung zwischen dem göttlichen esse und dem geschöpflichen esse hoc et hoc, auf der die ,Rede der underscheidunge‘ aufbauen, indem sie die theologischen Distinktionen der ,Collatio in Libros Sententiarum‘ übernehmen und vom gelassenen Menschen fordern, vom vielheitlich-kreatürlichen hoc et hoc zu lassen: „In waˆrer gehoˆrsame ensol niht vunden werden ,ich wil alsoˆ oder alsoˆ‘ oder ,diz oder daz‘, sunder ein luˆter uˆzgaˆn des dıˆnen.“ 66 Eine begründende Antwort für die notwendige Selbstmitteilung Gottes war damit allerdings auch nicht gegeben. Diese findet sich erst im ,Opus tripartitum‘, insofern Eckhart die Relation zwischen esse und esse hoc et hoc im ,Prologus in opus propositionum‘ rekapituliert: 1.) dass esse nur Gott zukommt, 2.) dass esse dem esse hoc et hoc von Gott im Sinne einer creatio continua andauernd zugeströmt wird, 3.) dass das esse hoc et hoc an sich nichtseiend ist 67. Eckhart holt dann mittels der analogia attributionis (und in Ablehnung der analogia proportionalitatis) die in den Prologen zum ,Opus tripartitum‘ vorgestellte Bezogenheit von esse (deus) und esse hoc et hoc ein (und beantwortet damit auch die Frage, wie Gott als sich dem Menschen notwendig mitteilend gedacht werden kann), insofern das esse hoc et hoc als esse mit dem esse (deus) identisch und als hoc 62 63 64 65
66 67
RdU, c. 3 (DW V, 194, 3 sq.). Ibid., c. 6 (DW V, 208, 11-209, 1). Ibid., c. 1 (DW V, 187, 7-188, 2). Cf. Collatio, n. 3 (LW V, 20, 2 sq.). Cf. Collatio, n. 4 (LW V, 21, 3-6): „Omnis creatura subiacet mutabilitati vel corruptionis vel localis transmutationis vel saltem durationis: corruptionis, ut elementa; localis transmutationis, ut corpora caelestia; durationis, ut natura angelica […].“ RdU, c. 1 (DW V, 188, 3 sq.). Cf. Prol. in op. prop., n. 25 (LW I, 181, 3-182, 6).
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et hoc Nichts ist, da dem esse hoc et hoc das esse vom esse (deus) gnadenhaft mitgeteilt wird: „In analogicis enim […] ipsum passivum totum quod habet de mera gratia superioris habet, utpote consequens ipsam naturam superioris ut proprium.“ 68 Es geht Eckhart damit folglich um ein schroffes Gegenüber von ontischer Identität und Nichts, nicht um ein ungenau abgegrenztes Ähnlichkeits- oder Unähnlichkeitsverhältnis zwischen Gott und Kreatur. Daraus folgt, dass der Mensch, insofern er sich dem kreatürlichen hoc et hoc zuwendet bzw. in diesem verbleibt, nur auf das Nichts stößt. Deshalb fordert Eckhart vom Menschen, vom hoc et hoc zu lassen und sich lediglich auf das esse zu konzentrieren, was ja die ontische Identität von Gott und Kreatur im Sinne analoger Relationalität ausmacht. Somit ist Eckharts Rede von gelaˆzenheit im Rahmen seiner Analogielehre zu verorten. Insofern der gelassene Mensch von allem kreatürlichen hoc et hoc lässt, beziehungsweise von diesem absieht, wird ihm Gott offenbar. So erkennt der gelassene Mensch seinen grunt, als der sich Gott ihm gnadenhalber mitgeteilt hat. Der Begriff abegescheidenheit muss auf der Grundlage der am ,Opus tripartitum‘ gemachten Beobachtungen dagegen anders im theologischen Denken Eckharts verortet werden. Eine Differenz zu gelaˆzenheit ergab sich bereits aus der andersartigen Genese von abegescheidenheit. Wir hatten gesehen, dass Eckharts Begriff abegescheidenheit ein intellekttheoretisches Theorem darstellt, weil es auf den der anaxagoreisch-aristotelischen Intellektdefinition entstammenden Termini (separatus est, abstractus est, impermixtus est, „nulli nihil habens commune“) fußt, die wiederum in ,De anima‘ III (G c. 4) die zur Erkenntnis des Intellekts notwendige Geschiedenheit des Intellekts vom Kreatürlichen und damit zeitlich Vielfältigen ausdrückten. Von daher kann Eckhart dann die dem Begriff abegescheidenheit implizierte Hin- und Ausrichtung auf Gott benennen: „Esto talis: humilis, scilicet subiectus deo, separatus a tempore et continuo, impermixtus, nulli nihil habens commune: venis ad deum, et deus ad te.“ 69 Das „venis ad deum, et deus ad te“ wird in Eckharts Traktat ,Von abegescheidenheit‘ deutlich 70, wenn es dort von der abegescheidenheit heißt: „Disiu unbewegelıˆchiu abegescheidenheit bringet den menschen in die grœste glıˆcheit mit gote. Wan daz got ist got, daz haˆt er von sıˆner unbewegelıˆchen abegescheidenheit, und von der abegescheidenheit haˆt er sıˆne luˆterkeit und sıˆne einvalticheit und sıˆne unwandelbærkeit. Und daˆ von, sol der mensche gote glıˆch werden, als verre als ein creˆatuˆre glıˆcheit mit gote gehaben mac, daz muoz geschehen mit abegescheidenheit.“ 71
Wenn Eckhart vom abgeschiedenen Menschen spricht, dann ist demnach nicht nur wie beim gelassenen Menschen von einer notwendigen Selbstmitteilung Gottes an den Menschen die Rede, sondern von Gleichheit zwischen Gott und Mensch. Der Differenzpunkt zwischen gelaˆzenheit und abegescheidenheit liegt somit darin, dass sich im Erkennen des Menschen eine ,deiformitas vel deiformatio‘ vollzieht, denn Eckhart hat in den ,Quaestiones Parisienses‘ das Sein Gottes mit 68 69 70 71
In Ioh., n. 182 (LW III, 150, 6-9). Ibid., n. 318 (LW III, 266, 5-7). Die Authentizität des Traktats ist vorausgesetzt. Cf. E. A. Panzig, Gelaˆzenheit (nt. 1), 100-107. Von abegescheidenheit (DW V, 412, 3-8).
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intelligere bezeichnet, um die höhere Weise der Seiendheit Gottes vom geschaffenen Sein abzuheben. Die Partizipation am mit intelligere bezeichneten ungeschaffenen Sein Gottes wird dem Menschen somit im Akt des Erkennens zuteil, und insofern spricht Eckhart in den ,Rationes Equardi‘ von der Gottförmigkeit (,deiformitas vel deiformatio‘) des erkennenden, mithin abgeschiedenen Menschen: „Ipsum intelligere quaedam deiformitas vel deiformatio, quia ipse deus ipsum intelligere et non est esse.“ 72 Somit ist abegescheidenheit, wie Eckharts gleichnamiger Traktat sagt, die höchste Tugend, „daˆ mite der mensche sich ze gote allermeist und aller næhest gevüegen müge und mit der der mensche von gnaˆden werden müge, daz got ist von natuˆre, und daˆ mite der mensche aller glıˆchest stande dem bilde, als er in gote was, in dem zwischen im und gote kein underscheid was“ 73.
Der Begriff abegescheidenheit beinhaltet demnach nicht nur wie gelaˆzenheit die aufgrund gnadenhafter göttlicher Selbstmitteilung geschenkte Erkenntnis der Identität des eigenen mit dem göttlichen Sein, die Erkenntnis seines Grundes; der abgeschiedene Mensch entspricht dem „bilde, als er in gote was“, in dem zwischen „im und gote kein underscheid was“. Demnach ist das Verhältnis zwischen Gott und Mensch nicht nur als analoge, sondern auch als univoke Beziehung zu verstehen. In abegescheidenheit ist der Mensch dann als exemplarursächliches Bild in Gott gleichzeitig auch Wort und Sohn Gottes. Wenn aber qua abegescheidenheit Univozität zwischen Gott und Mensch herrscht, dann kann nicht allein wie beim Begriff gelaˆzenheit von gnadenhafter Selbstmitteilung Gottes die Rede sein, noch (wie im Traktat ,Von abegescheidenheit‘) von abegescheidenheit als fundamentaler Seinsweise Gottes und von Gott gnadenhaft geschenkter Seinsmöglichkeit des Menschen gesprochen werden. Dann ist der abgeschiedene Mensch in univocis als Sohn auch Erbe Gottes: „In univocis autem […] inferius id quod recipit habet quidem de gratia superioris, sed non de mera gratia. Ratio est […] ipsum inferius recipit similitudinem et formam activi de gratia quidem superioris, meretur tamen ex natura sua, eo quod sit eiusdem naturae in specie cum agente.“ 74
Eckhart hat die univoken Strukturen in der ,Expositio sancti Evangelii secundum Iohannem‘ mit dem Schriftwort „et vita erat lux hominum et lux in tenebris lucet et tenebrae eam non comprehenderunt “ ( Joh. 1, 5b) allerdings auf das Erkennen des Menschen beschränkt 75. Dies verdeutlicht, dass die Beziehung zwischen Gott und dem abgeschiedenen Menschen als univoke Korrelationalität ausgesagt werden muss, wenn der Mensch als erkennend (animal rationale) verstanden wird. Insofern ist er Sohn und Erbe. Dagegen besteht in rebus creatis, zu denen der abgeschiedene Mensch unbestreitbar auch gehört, lediglich analoge, von Gott als dem Schöpfer des Seins gesetzte Relationalität (Gnade). 72 73 74 75
Quaestiones Parisienses, q. 3, n. 9 (LW V, 60, 8 sq.). Von abegescheidenheit (DW V, 400, 5-401, 3). In Ioh., n. 182 (LW III, 150, 12-151, 6). Cf. ibid., nn. 10-12 (LW III, 10, 11-12, 10).
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Den Begriffen gelaˆzenheit und abegescheidenheit können daher unterschiedliche Orte zugewiesen werden. Gelaˆzenheit ist nun als Terminus innerhalb analoger Relationalität zwischen Gott (esse) als die Relation setzendem primum analogatum und dem gelassenen Menschen als sich mit Gott in ontischer Relation wissendem secundum analogatum zu verstehen. Insofern gelaˆzenheit ihren grunt erkennt, indem sie vom hoc et hoc absieht, ist sie Voraussetzung der abegescheidenheit. Dagegen ist der abgeschiedene Mensch im Akt des Erkennens immer schon vom hoc et hoc geschieden. In ihm ereignet sich die ,deiformitas sive deiformatio‘. Deshalb bezeichnet abegescheidenheit eine zwischen Gott (intelligere) und erkennendem Menschen bestehende univoke Korrelation. Beides (Analogie im Sein; Univozität im Denken) muss im Zusammenhang gesehen werden, um das Verhältnis von gelaˆzenheit und abegescheidenheit, wie es in den Predigten Eckharts vor Augen tritt, angemessen zu beurteilen. Mit Eckharts Rede von univoker Korrelationalität zwischen Gott und Mensch (als erkennender Kreatur) haben wir zusätzlich einen Schlüssel in die Hand bekommen, der es uns ermöglicht, auch Eckharts Lehre von der Gottesgeburt in der menschlichen Seele und der damit verbundenen Sohnschaft des Menschen angemessen einzuordnen. Eckhart bietet damit in seinen Predigten einen theologischen Deutungshorizont, der in seinen früher zu datierenden deutschen Traktaten bezüglich der Begriffe gelaˆzenheit und abegescheidenheit zwar bereits angelegt, keineswegs aber derart ausführlich ausgebreitet zu lesen war. Dieser ist erst mit dem ,Opus tripartitum‘ bzw. vor dem Hintergrund des ,Opus tripartitum‘ gegeben. In den Prologen zum ,Opus tripartitum‘ hatte Eckhart im Rahmen der Explikation seiner These ,Esse est deus‘ von einem duplex esse des Kreatürlichen gesprochen. Dessen esse primum wird ihm im Sinne einer creatio continua ständig von Gott (analog) attribuiert, so dass es als esse virtuale in seinem vorkreatürlichen Ursprung wurzelt. Das esse secundum bestimmt als esse formale dessen hoc et hoc, das keinerlei zusätzliche entitas mitteilt und deshalb hinsichtlich des esse nichts ist 76. Deshalb fordert Eckhart vom Menschen, vom hoc et hoc zu lassen und sich vom Nichts abzuscheiden, um seinen grunt (esse - deus) zu erkennen. Darüber hinaus hat Eckhart im ,Opus tripartitum‘ - besonders in der ,Expositio sancti Evangelii secundum Iohannem‘ 77 - in der Zusammenschau von Gen. 1, 1 und Joh. 1, 1 die göttliche Seinsmitteilung als ein Geschehen im Sohn im Sinne einer generatio gesehen. Insofern die zweite Person der Trinität das wesensgleiche Abbild der ersten Person ist, ist auch das kreatürliche Sein als Sein (esse) göttlich bzw. als (univok) Hervorgebrachtes Wort und Sohn des Hervorbringenden: „Procedens est filius producentis. Filius est enim qui fit alius in persona, non aliud in natura. Ex quo sequitur […] sit id ipsum filius sive verbum, quod est pater sive principium.“ 78 76 77
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Cf. Prol. in op. prop., n. 11 (LW I, 171, 15-172, 5). Cf. In Ioh., n. 60 (LW III, 49, 15-50, 3): „Sic universum ipsum, caelum et terra, productum est in filio primi agentis, quod nec est hoc aut hoc, sed ens et esse ipsum, quod est deus. Et hoc est: ,in principio‘, scilicet filio, ,creavit deus caelum et terram‘ […].“ In Ioh., n. 6 (LW III, 7, 8-11).
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Daher fordert Eckhart vom Menschen, vom hoc et hoc zu lassen und sich vom Nichts abzuscheiden, um ,der selbe sun‘ zu sein. Eckharts maßgebliches Kriterium für die Rede von gelaˆzenheit und abegescheidenheit in den deutschen Predigten ist die Sohnschaft des Menschen, die ihre metaphysische Begründung im ,Opus tripartitum‘ hat. Deshalb formuliert Eckhart hinsichtlich des gelassenen Menschen: „Der mensche, der daˆ wære uˆzgegangen alsoˆ, daz er wære der eingeborne sun, dem wære eigen, daz daˆ eigen ist dem eingebornen sune.“ 79 Aber auch vom abgeschiedenen Menschen heißt es: „Und alsoˆ, sult ir ´ein sun sıˆn, soˆ müezet ir abescheiden und abegaˆn alles des, daz underscheit an iu machende ist.“ 80 Der vom hoc et hoc lassende und vom Nichts abgeschiedene Mensch ist mit dem eingeborenen Sohn Gottes identisch und in das innertrinitarische Sein Gottes einbezogen, da Christus im Inkarnationsgeschehen eine „vrıˆe, ungeteilte menschlıˆche natuˆre“ angenommen hat, die mit der jedem Menschen eigenen allgemeinen menschlichen Natur identisch ist 81. Der Mensch ist dann ,e´in einic sun‘, wenn er von seiner Individualität (,zuoval der natuˆre‘), die ihn als diesen oder jenen (hoc et hoc) Menschen auszeichnet, lässt. Somit ist die Voraussetzung für die visio beatifica dem gelassenen und abgeschiedenen Menschen in der Einheit mit Christus (als „ein einiger sun mit Kristoˆ “) gegeben. Insofern der gelassene und abgeschiedene Mensch im sich auch in ihm innerhalb der Gottesgeburt in der Seele vollziehenden inkarnatorischen Christusgeschehen ,e´in einic sun‘ wird, ereignet sich die deiformatio des gelassenen und abgeschiedenen Menschen. Dazu Eckhart: „Wan als daz waˆr ist, daz got mensche worden ist, als waˆr ist daz, daz der mensche got worden ist.“ 82 Als gelassener und abgeschiedener Mensch ist der „mensche ein waˆr mensche“, weil er ein ein ist und sich in ihm ,ein luˆter einunge‘ mit Gott vollzieht. Da der Mensch in gelaˆzenheit und abegescheidenheit in jenem ungeschaffenen und ungeschöpflichen Sein ist, in dem er war, als er noch nicht war, was sich innerhalb der generatio des Sohnes in der Seele dieses Menschen ereignet, ist er in der Einheit mir der puritas essendi Gottes, die die von jeglicher vielheitlich-zeitlichen Kreatürlichkeit (hoc et hoc) zu unterscheidende, wesenheitliche subsistentia (isticheit) Gottes am besten benennt: „Gotes wesen ist mıˆn leben. Ist mıˆn leben gotes wesen, soˆ muoz daz gotes sıˆn mıˆn sıˆn und gotes isticheit mıˆn isticheit, noch minner noch meˆr.“ 83 Mit den Begriffen gelaˆzenheit und abegescheidenheit benennt Eckhart in seinen deutschen Predigten die an den Menschen gestellte Bedingung für die mystische Einheit des Menschen mit Gott. Und es muss wohl in Einschränkung vorausgehender Überlegungen in dieser Untersuchung festgehalten werden, dass sich eine theologische Differenz zwischen Eckharts Begriffen gelaˆzenheit und abegescheidenheit, die sich von ihrer Genese her nahe legte, und die sich hinsichtlich der Unterscheidung von analoger Relationalität und univoker Korrelationalität 79 80 81 82 83
Pr. 12 (DW I, 193, 11 sq.). Pr. 46 (DW II, 381, 2-4). Cf. Pr. 24 (DW I, 420, 5-11). Pr. 46 (DW II, 380, 5-381, 1). Pr. 6 (DW I, 106, 1-3).
gelaˆzenheit und abegescheidenheit
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zu verfestigen schien, innerhalb der deutschen Predigten Eckharts nicht konsequent nachweisen lässt. Gelaˆzenheit kann nur dann als Terminus innerhalb analoger Relationalität zwischen Gott (esse) als die Relation setzendem primum analogatum und dem gelassenen Menschen als sich mit Gott in ontischer Relation wissendem secundum analogatum verstanden werden, wenn sie als gelaˆzen haˆn vom hoc et hoc absieht. So ist sie Voraussetzung des gelaˆzen sıˆn, welches Eckhart zumindest in den deutschen Predigten mit abegescheidenheit identifiziert. Denn der gelassen seiende und abgeschiedene Mensch ist immer schon vom hoc et hoc geschieden und erkennt als „ein einiger sun mit Kristoˆ “ seinen grunt, mit dem er sich in univoker Einheit weiß: „natura est nobis omnibus aequaliter communis cum Christo univoce.“ 84 Der Maßstab von Eckharts Rede von gelaˆzenheit und abegescheidenheit in den deutschen Predigten ist so der uns auch in seinen deutschen Traktaten und lateinischen Schriften anhaltend begegnende Grundsatz, der ihn mit der gesamten griechischen und lateinischen theologia cordis eint, nämlich dass der Christus pro nobis ein Christus in nobis werden muss: „volens filius dei fieri, verbum caro factum in se habitare […], abnegare personale, abnegare proprium.“ 85
84 85
In Ioh., n. 289 (LW III, 241, 7 sq.). Ibid., n. 290 (LW III, 242, 4-6).
„nos filii dei sumus analogice.“ Die Analogielehre Meister Eckharts in der Verteidigungsschrift Angela Schiffhauer (Köln) Einleitung Die Verteidigungsschrift Meister Eckharts, die bis in die jüngste Zeit meist unter dem Titel ,sogenannte Rechtfertigungsschrift‘ firmierte 1, ist eines der wichtigsten und umstrittensten Dokumente der Eckhart-Forschung. Ein zentrales Erkenntnisinteresse richtete sich auf die Rekonstruktion des Kölner Prozessverlaufs, zuletzt insbesondere aus rechtshistorischer Perspektive 2. In Bezug auf ihre inhaltlichen Ausführungen hingegen hat die Verteidigungsschrift bislang keine vergleichbare Aufmerksamkeit erfahren. Mögliche Ursachen hierfür liegen vermutlich in dem heterogen wirkenden Charakter der Quelle und den damit verbundenen Fragen nach ihrer Autorschaft, ihrer literarischen Gattung sowie dem philosophischen Aussagegehalt der Einlassungen begründet. Im Rahmen der kritischen Neuedition der Verteidigungsschrift konnte Loris Sturlese jedoch nachweisen, dass das als Teil einer Sammelhandschrift im Soester Stadtarchiv (Cod. Nr. 33) erhaltene Manuskript trotz seiner strukturell heterogenen Natur nicht auf einer Zusammenstellung diverser Prozessakten beruht, sondern als einheitliche Schrift Eckharts zu betrachten ist 3. Der Thüringer Dominikaner hat sie auf der Grundlage der ihm übergebenen Listen in Form einer privaten ,Responsio‘ eigenhändig verfasst und am 26. September 1326 vor Ge1
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Der vorliegende Aufsatz schließt sich den editorischen Ergebnissen Loris Sturleses an und verwendet die folgerichtige Bezeichnung des Textes als ,Verteidigungsschrift‘. Der philologisch aus zwei Textstellen erschlossene Titel der Edition lautet ,Magistri Echardi Responsio ad articulos sibi impositos de scriptis et dictis suis‘. Cf. L. Sturlese (ed.), Acta Echardiana (Meister Eckhart. Die deutschen und lateinischen Werke. Die lateinischen Werke, vol. 5 [= LW V], 5.-8. Lieferung, Stuttgart 2000, 241-520, hier: 271 sq.). Die Nummerierung der Abschnitte The´rys und deren Bezeichnung als ,Proc. Col. I‘ und ,Proc. Col. II‘ wurden von Sturlese aus Kontinuitätsgründen beibehalten (cf. ibid., 272). Cf. hierzu einschlägig W. Trusen, Der Prozeß gegen Meister Eckhart. Vorgeschichte, Verlauf und Folgen (Rechts- und staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft, N. F. 54), Paderborn 1988; id., Meister Eckhart vor seinen Richtern und Zensoren. Eine Kritik falsch gedeuteter Redesituationen, in: K. Jacobi (ed.), Meister Eckhart: Lebensstationen - Redesituationen (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens, N. F. 7), Berlin 1997, 335-352. Cf. Sturlese, Responsio (nt. 1), 268, 271. Cf. hierzu kritisch Trusen, Meister Eckhart (nt. 2), 341 sqq.
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richt einen „kontinuierlichen Einlassungstext“ 4 verlesen. Diese grundlegenden Ergebnisse sollten deshalb Anlass geben, die Verteidigungsschrift auch in systematischer und inhaltlicher Hinsicht verstärkt zu untersuchen und mit Eckharts Denken in anderen Werken zu konfrontieren. Gleichwohl erhebt sich angesichts der eigentümlichen Literaturgattung einer privaten ,Responsio‘ vor jeder inhaltlichen Analyse die zentrale methodische Frage, welcher Aussagewert den darin enthaltenen Einlassungen Eckharts zugeschrieben werden kann. Inwieweit müssen seine Erwiderungen aufgrund des besonderen Entstehungskontextes der Schrift unter der Prämisse ihrer apologetischen Funktion betrachtet werden? Inwiefern dürfen sie als authentische Auffassungen des Gelehrten interpretiert werden? Sind die Äußerungen Eckharts, mit anderen Worten, lediglich im Sinne einer Verteidigungsstrategie oder eher als wahres Bekenntnis zu verstehen? Mit diesem Beitrag soll versucht werden - unabhängig von der Frage nach der Orthodoxie bzw. Heterodoxie -, die Analogielehre Eckharts anhand der Aussagen in der Verteidigungsschrift erneut zur Diskussion zu stellen 5. Im ersten Abschnitt wird mithilfe zweier kontroverser Forschungspositionen zunächst auf die Wichtigkeit des Themas der Analogie bei Meister Eckhart hingewiesen (I). Da keine Textanalyse ohne Berücksichtigung der literarischen Gattung erfolgen sollte, so ist bei der Verteidigungsschrift in dieser Hinsicht ganz besondere Aufmerksamkeit vonnöten. Die exzeptionelle historische und textliche Situation macht es im zweiten Abschnitt deshalb unerlässlich, der methodischen Frage nach der Legitimität einer inhaltlichen Textbetrachtung breiteren Raum zu gewähren. Dieser Frage soll zum einen mittels einer Untersuchung von Eckharts Reaktionen auf die Vorwürfe im Allgemeinen nachgegangen werden, zum anderen ist sein Verhalten bezüglich der Inkriminierung der Analogielehre im Speziellen in den Blick zu nehmen (II). Auf dieser Basis werden daraufhin wesentliche Textstellen der Verteidigungsschrift, an denen ,Analogie‘ explizit Gegenstand sowohl der Anklage als auch der Argumentation ist, hinsichtlich der inhaltlichen Bestimmungen und Charakteristika dieses Konzeptes analysiert (III). Im Anschluss soll für eine genauere Erläuterung der Analogie ihre Abgrenzung zur Univozität hervorgehoben werden (IV). Abschließend wird das Thema der Gottessohnschaft des Menschen im Hinblick auf das analoge Verhältnis näher betrachtet (V). I. Analogie versus Univozität - eine Forschungsdebatte Die Analogielehre Meister Eckharts ist in der philosophischen Mediävistik Gegenstand einer wissenschaftlichen Kontroverse geworden, deren Tragweite 4 5
Sturlese, Responsio (nt. 1), 269. An dieser Stelle sei allen herzlich gedankt, die mich bei meiner Arbeit geduldig unterstützt haben, vor allem Herrn Prof. Wouter Goris für die Ermutigung und stete Hilfe bei der Auseinandersetzung mit diesem Thema.
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zugleich den Zugang zum Denken des mittelalterlichen Gelehrten wesentlich beeinflusst 6. Die Debatte führt direkt in das Herzstück des Eckhart’schen Werkes, nämlich das Thema der Seinsgemeinschaft zwischen Gott und Mensch, und sie mündet letztlich in die Kernfrage, ob Eckhart die Vollendung des Menschen als analogen oder als univoken Prozess dachte. Dass das Verständnis der Analogie und der Univozität für das Erschließen der Texte Eckharts zentral ist, gilt in der modernen Forschung als unbestritten, doch gelangte man zu ganz unterschiedlichen Interpretationen der beiden Schlüsselbegriffe im Denken des Meisters. Kam der Eckhart-Forscher und frühere Editor der lateinischen Werke Josef Koch in seiner systematischen, erstmals 1959 vorgetragenen Darstellung der Analogielehre des Thüringers zu der Einsicht, „daß diese Lehre den Angelpunkt des Eckhartschen Denkens bildet“ 7, so beanspruchte über zwei Jahrzehnte später der Bochumer Philosoph Burkhard Mojsisch eine Erweiterung dieser bis dahin anerkannten Position. Die Theorie der Analogie sei nur verstehbar „im Verein mit der ihr zugrundeliegenden Theorie der Univozität“ 8. De facto bedeutete seine Erweiterung der Perspektive allerdings eine erhebliche Einschränkung der Reichweite des Eckhart’schen Analogiebegriffs. Nach Mojsisch besagt ,Analogie‘ lediglich eine äußerst defiziente Form von Einheit, die, bezogen auf ihre theologische Anwendung, weniger die Einheit zwischen dem göttlichen und dem menschlichen Sein bedeutet als vielmehr den unendlichen Abstand zwischen dem absoluten Sein Gottes und dem nichtigen Sein der Kreatur als Kreatur anzeigt 9. ,Analogie‘ wäre demzufolge kaum noch von ,Äquivozität‘ zu unterscheiden 10, ja würde geradezu das Nichtidentische des Verhältnisses betonen. Im Kontext der Gottesgeburtsthematik besitze demnach nicht mehr die Analogielehre, sondern „die Theorie der Univozität eine Schlüsselfunktion im Denken Eckharts“ 11. Seit der Studie Mojsischs ist in der philosophischen sowie der ger6
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Im Folgenden sei die Forschungsdebatte lediglich anhand zweier Positionen aufgezeigt, die sich in gewisser Weise antipodisch gegenüberstehen und insofern als exemplarisch gelten können. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Vielzahl an Eckhart-Studien, die sich u. a. mit der Analogielehre beschäftigen, kann im Rahmen dieser Untersuchung nicht geleistet werden. J. Koch, Zur Analogielehre Meister Eckharts, in: Me´langes offerts a` E´tienne Gilson de l’Acade´mie francX aise, E´tudes de philosophie me´die´vale, Toronto-Paris 1959, 327-350, hier: 329; wieder in: id., Kleine Schriften I (Storia e letteratura; Raccolta di studi e testi 127), Rom 1973, 367-397, hier: 369. B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogie, Univozität und Einheit, Hamburg 1983, 65. Cf. ibid., 51: „Einzig zum Zweck der Hervorhebung der Schwachheit der Geschöpfe gegenüber der Erhabenheit Gottes, zum Zweck der Markierung ihrer Nichtigkeit, sofern sie in sich selbst genommen werden, dient […] die Analogielehre.“ Cf. auch ibid., 56: „Dem Analogiegedanken haftet somit immer das Signum der Defizienz an […].“ Dieser Auffassung ist auch R. Schönberger, Die Transformation des klassischen Seinsverständnisses. Studien zur Vorgeschichte des neuzeitlichen Seinsbegriffs im Mittelalter (Quellen und Studien zur Philosophie 21), Berlin-New York 1986, 175 sq. Mojsisch, Meister Eckhart (nt. 8), 58; cf. ibid., 132: „Eckharts […] originäre Leistung besteht jedoch darin, den Seelengrund einerseits in Verbindung mit der Sohnesgeburt in der Seele und damit das Höchste der Seele in seiner Identität mit dem Gottessohn als auf das transzendentale Sein univok bezogen zu denken“, sowie ibid., 136: „Als Schöpfer ist Gott Ursprung analogierten
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manistischen 12 und selbst der theologischen 13 Forschung die Auffassung anzutreffen, dass Eckharts zentrale Lehre von der Einung des Gottessohnes im Seelengrund des Menschen im Sinne eines univoken Geschehens zu verstehen sei. Welche Konzeption Eckhart im Rahmen dieser Thematik selbst beanspruchte, ist nicht selten unklar, da sich auf eine systematisch ausgearbeitete Analogielehre, die Aufschluss über sein eigenes Verständnis geben könnte, in den überlieferten Schriften nicht rekurrieren lässt. Und ob der Gelehrte im ,Opus propositionum‘ tatsächlich, wie er in einem Verweis des Ecclesiasticuskommentars behauptet, etwas über die ,Wahrheit der Analogie‘ geschrieben hatte 14, mag fraglich sein. Möchte man schließlich aus den Eckhart’schen Texten eine möglichst authentische Analogielehre rekonstruieren, so besteht eine wesentliche Schwierigkeit darin, dass explizite Präzisierungen bei der Thematik der Seinseinheit des Menschen mit Gott hinsichtlich der Begriffe ,Univozität‘ und ,Analogie‘ in der Regel fehlen. Daher scheint es umso mehr gerechtfertigt, nochmals einen genaueren Blick auf jene Textstellen zu werfen, an denen Eckhart explizit von analogia bzw. von den Ableitungen dieses Begriffs (z. B. analogice 15, analogum) handelt. Nicht zufällig sind diese zu einem beachtlichen Teil gerade in der Verteidigungsschrift zu finden. Insgesamt vierzehn Mal, so häufig wie in keinem anderen erhaltenen Text Eckharts, kommt der Analogiebegriff darin vor, und zwar sowohl in den inkriminierten Sätzen der Zensoren als auch in den Einlassungen des Meisters 16. Was
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Seins, als Identität von esse und intelligere aber, als vernünftiges Sein, ist er das transzendentale Sein, auf das der Seelengrund univok bezogen ist […].“ Cf. z. B. K. Ruh, Meister Eckhart. Theologe, Prediger, Mystiker, München 21989, 85 sq.: „Es tritt so zu der Analogie Gott-Geschöpf die Univozität (Gleichnamigkeit) Gott-Seelengrund, und diese besagt Wesensgleichheit. Hier, im Ineinandergreifen von Analogie und Univozität, liegt der Nerv von Eckharts Lehre und damit auch der Nerv wissenschaftlicher Kontroverse […]. Darnach ist zwar das generelle Verhältnis der geschöpflichen Welt zu Gott durch die attributive Analogie bestimmt, aber die Beziehung des Seelenfünkleins zum Göttlichen ist die der wesenhaften Gleichheit im Ereignis der Gottesgeburt. Ich meine, daß doch nur diese Sicht den Texten voll gerecht wird“; cf. auch B. Hasebrink, Formen inzitativer Rede bei Meister Eckhart. Untersuchungen zur literarischen Konzeption der deutschen Predigt (Texte und Textgeschichte 32), Tübingen 1992, bes. 97-103. Cf. z. B. M. Wilde, Das neue Bild vom Gottesbild. Bild und Theologie bei Meister Eckhart (Dokimion 24), Freiburg/Schw. 2000, bes. 353 sqq., und I. Kampmann, Ihr sollt der Sohn selber sein! Eine fundamentaltheologische Studie zur Soteriologie Meister Eckharts (Europäische Hochschulschriften XXIII, vol. 579), Frankfurt a. M.-Berlin-Bern 1996. In Eccli., n. 53 (LW II, 282, 8-9): „Nos autem secundum veritatem analogiae intelligendo, sicut ex primo Libro propositionum declaratur […].“ Am häufigsten verwendete Eckhart diese adverbiale Form, cf. infra (nt. 16). Proc. Col. I, n. 82 (LW V, 278, 6: analogice); Proc. Col. I, n. 114 (LW V, 288, 13: analogice; 288, 14: analogice); Proc. Col. I, n. 29 (LW V, 310, 10: analoga; 310, 12: analogice; 310, 15: analogice); Proc. Col. I, n. 30 (LW V, 310, 19: analogice); Proc. Col. II, n. 30 (LW V, 325, 8: analogice); Proc. Col. II, n. 92 (LW V, 340, 4: analogice); Proc. Col. II, n. 143 (LW V, 352, 7: analogice; 352, 9: analogice); Proc. Col. II, n. 145 (LW V, 352, 23: analogice; 352, 25: analogemur); Proc. Col. II, n. 149 (LW V, 353, 14: analogorum). Hinzu kommen drei Erwähnungen in den Marginalien n. 008 (analogice), n. 046 (analogice), n. 194 (analoga) (LW V, 375).
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in der modernen Forschung Gegenstand einer konträren inhaltlichen Debatte wurde, veranlasste zu Lebzeiten des Dominikaners zu einer Prüfung vor dem Inquisitionsgericht. Die Verteidigungsschrift ist auch unter der Perspektive der Analogielehre Eckharts ein eindrückliches Zeugnis der damaligen Auseinandersetzungen. Bevor jedoch einige relevante Textpassagen zur Analogie in der Verteidigungsschrift fokussiert werden, gilt es zunächst, methodische Bedenken gegen eine solche Untersuchung aus dem Weg zu räumen. II. Die Ver teidigungsschrift - eine Quelle für das Analogieverständnis Eckhar ts? 1326 wurde gegen den etwa 65-jährigen Meister Eckhart auf Initiative zweier intriganter Mitbrüder in Köln ein Inquisitionsverfahren eingeleitet. Trusen gelangte in seiner eingehenden Studie zu einer genauen Bestimmung der Rechtsform des Prozesses, die es erst ermöglichte, Inhalt und Funktion gewisser Aussagen in der Verteidigungsschrift verständlich zu machen: „Es handelte sich um einen Ketzerprozeß in der Form eines Inquisitionsverfahrens ,per promoventem‘ […].“ 17 Bei diesem Verfahren mussten die Denunzianten bzw. Promotoren des Prozesses dem Gericht zunächst genügend Beweismittel vorlegen, um Eckhart der Ketzerei zu überführen. Als Beweise dienten im Kölner Inquisitionsverfahren schriftliche Auszüge aus verschiedenen Werken und Predigten, die dem renommierten Theologen häretisches Gedankengut nachweisen sollten 18. Das Prozessrecht gestand dem Angeklagten allerdings die Möglichkeit der Verteidigung zu, um den Verdacht des „starrsinnigen Festhaltens an Irrtümern“ 19 als Voraussetzung einer Verurteilung ausräumen zu können. Das Soester Dokument ist, wie Trusen rekonstruieren konnte, demgemäß das Zeugnis eines dem damaligen kanonischen Recht entsprechenden Verfahrens 20. Es überliefert zwei Listen mit insgesamt 108 Beweisartikeln sowie deren Verteidigung. 17 18 19
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Trusen, Meister Eckhart (nt. 2), 339. Cf. ibid., 341, sowie id., Der Prozeß (nt. 2), 76. Proc. Col. I, n. 106 (LW V, 286, 17): „Sola enim pertinax adhaesio erronei haereticum facit“; cf. Proc. Col. II, n. 147 (LW V, 353, 7-8): „[…] solum pertinax adhaesio erroris haeresim faciat et haereticum […]“; cf. auch Eckharts ausführliches Zitat aus dem ,Decretum Gratiani‘ mit der entsprechenden Glosse sowie einer Augustinus-Stelle zu Beginn seiner Verteidigung der Predigtauszüge der ersten Liste: „[…] et est erroneum et haereticum, si temere defendatur, sine quo nullus error haeresis est. Probatur hoc ex Augustino XXIV q. 3. Dicit apostolus: ,haereticum hominem post primam et secundam correctionem devita‘. ,Haereticum‘, Glossa: ,qui suum errorem defendit pertinaciter‘. Et infra in eodem capitulo sequitur: ,sed qui sententiam suam, quamvis falsam atque perversam nulla pertinacia defendunt‘, ,corrigi parati‘, ,nequaquam sunt inter hereticos deputandi‘. Et post ibidem 31 c. sic ait Augustinus: ,qui in ecclesia Christi morbidum aliquid pravumque sapiunt, si correcti‘ ,resistunt contumaciter suaque pestifera et mortifera dogmata emendare nolunt, sed defensare persistunt, haeretici sunt‘“ (Proc. Col. I, n. 128 [LW V, 294, 14-23]). Cf. auch Trusen, Der Prozeß (nt. 2), 78 sqq., 97. Bezüglich der Rechtmäßigkeit des Prozesses weist Trusen einschränkend darauf hin, dass die Kommissare den Ketzerprozess aufgrund von Eckharts Erklärungen in ein normales Zensurverfahren hätten verwandeln müssen; cf. Trusen, Der Prozeß (nt. 2), 99.
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Wenngleich im Rahmen dieses Beitrages nicht weiter auf die Prozessgeschichte eingegangen werden kann, so sollte man sich im Hinblick auf eine inhaltliche Analyse dieser Quelle jedoch bewusst machen, dass die Verteidigungsschrift sicherlich nicht das Resultat einer rein wissenschaftlich motivierten theologischen oder philosophischen Debatte darstellt 21. Die historischen Wurzeln des gegen Eckhart initiierten Häresieprozesses reichen bis in seine Straßburger Zeit zurück, wo er von seinem Orden als Generalvikar mit der wichtigen seelsorgerischen Aufgabe der cura monialium beauftragt wurde. Konkret scheinen Konflikte innerhalb des Dominikanerordens eine Hauptrolle bei der Auslösung des Prozesses gespielt zu haben, wobei niedere persönliche Gründe der Denunzianten, beide Mitglieder des eigenen Konvents und selbst mehrfach gemaßregelt, zweifellos wesentlichen Anteil besaßen 22. Die ,Responsio‘ verfasste Eckhart also in einer Situation, in der er sich unter dem gewaltigen Druck der Inquisition für angebliche Irrtümer zu verantworten hatte und zudem gezwungen war, sich mit ungleichwertigen Gesprächspartnern auseinanderzusetzen. Dafür, dass man die Verteidigungsschrift dennoch als eine Quelle für Eckharts eigene Auffassung und im Besonderen für sein Analogieverständnis heranziehen sollte, sprechen m. E. mehrere Gründe - wie die Neubewertung der Quelle, Eckharts Haltung gegenüber der Anklage sowie speziell gegenüber der Inkriminierung seiner Analogielehre -, die im Folgenden einen Exkurs notwendig machen. 1. Neubewertung der Quelle Die Soester Quelle erfuhr, wie bereits erwähnt, eine einschneidende Neubewertung 23, die neben editorischen Konsequenzen nicht nur Folgen für die Interpretation bezüglich der Chronologie des Prozesses zeitigte, sondern auch die Bedeutsamkeit des Textes nochmals steigerte. Denn wenn die Verteidigungsschrift als Eckharts letztes authentisches Werk 24 gilt, ist es künftig geboten, dem Text auch inhaltlich mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Bedenkt man im 21 22
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Cf. ibid., 69. Ein entscheidendes Motiv stellte sicherlich der gescheiterte Versuch der beiden fratres dar, Eckhart bei Nikolaus von Straßburg zu denunzieren, der mit der Ernennung zum Visitator der Provinz Teutonia am 01. August 1325 (cf. Acta Echardiana, n. 44 [LW V, 190-192]) die Ordensdisziplin in den Dominikanerklöstern der Provinz wiederherstellen sollte und mit der Untersuchung der Vorwürfe gegen Eckhart beauftragt war. Dieser fand allerdings keinen Grund für eine Maßregelung, vielmehr fiel die Strafe auf die Denunzianten selbst zurück. Gleichsam angestachelt durch diese Niederlage, denunzierten sie ihren berühmten Mitbruder nun beim Kölner Erzbischof Heinrich von Virneburg. Cf. ausführlich über Person, Motiv und Vorgehensweise der Denunzianten Trusen, Der Prozess (nt. 2), 70-74. Cf. die Einleitung zur kritischen Edition von Sturlese, Responsio (nt. 1), 263-273; id., Die Kölner Eckhartisten. Das Studium generale der deutschen Dominikaner und die Verurteilung der Thesen Meister Eckharts, in: A. Zimmermann (ed.), Die Kölner Universität im Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 20), Berlin-New York 1989, 192-211. Zur Authentizität der Verteidigungsschrift cf. ibid., 201.
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Übrigen, dass die Schrift möglicherweise direkt nach der Gerichtsverhandlung von dem Meister selbst in Umlauf gebracht wurde 25, so liegt es nahe, dass der Angeklagte darin seine Lehre gemäß seiner tatsächlichen Auffassung verteidigte.
2. Eckharts Reaktionen in der Verteidigungsschrift Um Eckharts Stellungnahmen im Hinblick auf ihren Aussagewert weiter einordnen zu können, sollte man darüber hinaus die Reaktionen des Thüringers auf die Häresievorwürfe im Allgemeinen untersuchen. Denn es wäre durchaus nicht abwegig anzunehmen, dass seine Antworten so sehr von der existentiell bedrohlichen Lage einer möglichen Verurteilung geprägt waren, dass ihnen nur ein geringer Wahrheitswert zuzuschreiben ist. Sollte sich im Folgenden hingegen zeigen, dass Eckhart seine Positionen auch unter Anklage beibehält, besteht eine gewisse Berechtigung, auch seine Ausführungen zur Analogie in ihrem sachlichen Kern ernst zu nehmen. Insofern ist zu fragen, bevor auf Eckharts Verhaltensweise bezüglich der Inkriminierung der Analogielehre im Speziellen eingegangen wird, ob und in welchem Maße er sich generell von den Vorwürfen und von dem, was er tatsächlich gelehrt und gepredigt hat, distanziert. Welche Vorgehensweise wendet er für seine Verteidigung an, welche Haltung nimmt er gegenüber seinen Widersachern ein? In der Verteidigungsschrift ist eine Vielzahl von Reaktionen überliefert, die Eckharts eigene Situation reflektieren und die Aufrichtigkeit seiner Darlegungen bestätigen. Dass sich der Dominikaner zu dem Großteil der inkriminierten Sätze bekannte, mag ein erstes Indiz dafür sein, dass sich der Angeklagte prinzipiell zu einer wahrheitsgetreuen Stellungnahme verpflichtet sah. Das Außergewöhnliche von Eckharts Reaktionen wird aber vor allem in der Unerschrockenheit sichtbar, mit der er sogar diejenigen Sätze verteidigt, von denen er zugibt, dass sie ihrem Wortlaut nach falsch 26 oder auch ,emphatisch‘ 27 formuliert seien. Bemerkenswert ist überdies seine Entscheidung, auch zu vermeintlichen Sätzen aus seinen Predigten Stellung zu beziehen, die von ihm nicht einmal autorisiert waren, „cum passim et frequenter etiam a clericis studiosis et doctis deminute et falso quae audiunt reportantur“ 28, und zu deren Verteidigung er eigentlich nicht verpflichtet gewesen wäre. Ungeachtet möglicher nachteiliger Konsequenzen gibt er zu bedenken, dass „in nonnullis eorum aliqua tanguntur vera, quae sub vero intellectu et sano possent sustineri “ 29. Und selbst wenn er einräumt, dass einiges von dem, was er 25
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Cf. Sturlese, Responsio (nt. 1), 271. Über die relativ weite Verbreitung der Schrift cf. id., Die Kölner Eckhartisten (nt. 23), 203-205. Cf. z. B. Proc. Col. I, n. 133 (LW V, 297, 1-2); Proc. Col. II, n. 92 (LW V, 340, 3). Proc. Col. II, n. 30 (LW V, 325, 1): „Dicendum quod totum verum est, morale et devotum, emphaticum tamen […].“ Proc. Col. I, n. 127 (LW V, 293, 19-20). Proc. Col. I, n. 127 (LW V, 293, 22-23).
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gesagt und geschrieben hat, zu den subtilia und rara gehöre 30 - dessen war Eckhart sich wohl bewusst -, möchte er ihren Wahrheitsgehalt demonstrieren. Die grundsätzliche Frage, wie es der Beschuldigte mit der Wahrheit seiner Verteidigung hält, stellt sich jedoch in Anbetracht seiner Bemerkungen, die seine jederzeitige Bereitschaft zum Widerruf häretischer Sätze signalisieren 31. Vor dem Hintergrund des Prozessverfahrens wird allerdings klar, dass diese nicht als pure Taktik oder als bloßer Konformismus eines Angeklagten, dessen Person auf dem Spiel steht, zu werten sind 32. Der Angeklagte hatte gegenüber den Richtern seine persönliche Rechtgläubigkeit zu bekunden 33, um den Vorwurf der pertinacia zu entkräften. Tatsächlich dürfte Eckhart, auch angesichts seiner verantwortungsvollen Ämter, die er im Laufe seines Lebens innegehabt hatte, am Gehorsam gegenüber der Kirche gelegen haben, zumal er von seiner Rechtgläubigkeit stets überzeugt war. Eckharts Haltung in seiner Verteidigung changiert zwischen Unterwerfung gegenüber dem Gericht bzw. der kirchlichen Lehre einerseits und Auflehnung gegen die Vorwürfe andererseits, wie sie bereits in der Einleitung deutlich wird: „Si quid tamen in praemissis aut in aliis dictis meis aut scriptis falsum esset, quod ego non video, semper paratus sum sensui cedere meliori.“ 34 Wenngleich Eckhart im Dienste der Wahrheit also jederzeit willens ist, besseren Einsichten zu weichen, lässt er keinen Zweifel daran, dass die eigentliche Ursache der Irrtümer seiner Auffassung nach auf eine falsche Rezeption bzw. ein fehlendes Verständnis zurückzuführen sei. Eckhart greift mit einer teilweise überraschenden Schärfe diesbezüglich seine Gegner, eine Gruppe namentlich nicht weiter benannter aemuli 35, an, welche seine Sätze nicht mit gesundem und frommem Sinn auslegen und ihm solche Irrtümer unterstellen, wie er dies mithilfe eines langen AugustinusZitates in Worte fasst 36. 30
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Proc. Col. I, n. 79 (LW V, 276, 21-23): „Quantum igitur ad primum, secundum et tertium dico et fateor me illa dixisse et scripsisse et aestimo, sicut ex declaratione apparebit, omnia esse vera, quamvis rara sint plurima et subtilia.“ Die Formulierung erinnert an den ,Allgemeinen Prolog‘ zum ,Opus tripartitum‘, in dem Eckhart hervorhebt, „[…] dulcius irritant animum nova et rara quam usitata“ (Prol. gen. in op. trip., n. 2 [LW I/2, 21, 13-14]). Cf. auch In Sap., n. 300 (LW II, 634, 4-5): „[…] in quibus omnibus, praecipue quantum ad rariora, veritatis amatorem et pium desidero inspectorem.“ Cf. Proc. Col. I, n. 127 (LW V, 293, 20-22): „Hoc unum dico quod nullum eorum, sicut sonant et ut falsum implicant, errorem vel haeresim sapiunt, sentio nec sensi et tenui nec praedicavi.“ Cf. Trusen, Der Prozeß (nt. 2), 95 sq. Cf. folgende Beteuerungen Eckharts, er könne kein Häretiker sein. Proc. Col. I, n. 76 (LW V, 275, 14-16): „[…] praesertim cum non sim de haeresi notatus aut unquam fuerim infamatus teste omni vita mea et doctrina, acclamante opinione fratrum totius ordinis et populi utriusque sexus totius regni omnis nationis“; Proc. Col. I, n. 80 (LW V, 277, 4-5): „Errare enim possum, haereticus esse non possum. Nam primum ad intellectum pertinet, secundum ad voluntatem.“ Zum pertinacia-Begriff cf. supra (nt. 19). Proc. Col. I, n. 80 (LW V, 277, 1-2) (Hervorh. d. Verf.). Cf. Proc. Col. I, n. 127 (LW V, 293, 26-294, 1): „Qui error vel errores mihi imputari ab aemulis quibuscumque non possunt nec debent […]“; Proc. Col. I, n. 77 (LW V, 275, 19-21): „Quin immo si minoris essem famae in populo et minoris zeli iustitiae, certus sum quod contra me non essent talia ab aemulis attemptata.“ Cf. Trusen, Der Prozeß (nt. 2), 72 sq. Cf. Proc. Col. I, n. 127 (LW V, 294, 2-9): „arbitror [non] sane non ,nullos‘ tardiores in quibusdam locis librorum meorum opinaturos me sensisse quod non sensi aut non sensisse quod sensi. Quorum errorem mihi
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Den Grund für die falschen Auslegungen seiner Widersacher sieht der Thüringer Meister in deren intellektueller Inkompetenz und fehlender Rechtgläubigkeit 37, nicht zuletzt aber in deren böswilliger Gesinnung, die für den Prozess sicherlich die noch größere Rolle spielt 38. Er spricht offen und ohne Umschweife, unter anderem in der Einleitung der ,Responsio‘ zur zweiten Liste, von ,imbecillitas intellectus‘ und ,malitia adversariorum‘ und wirft den Widersachern schließlich sogar Blasphemie und Häresie 39 vor - selbst die Inquisitoren werden von diesem Vorwurf im Schluss-Notandum nicht ausgenommen 40. Eckharts Versuch, die Anklage theologischer Unwissenheit und Häresie gleichsam umzukehren und gegen seine intriganten Gegenspieler zu richten, bleibt im Kölner Inquisitionsprozess allerdings ohne Erfolg. In einem Ketzerverfahren brauchen die Promotoren keine Talionsstrafe zu fürchten 41. Wenngleich die ,Verteidigungsstrategie‘ insofern erfolglos ist, so lässt sich in den beschriebenen Reaktionen eines wohl ganz deutlich erkennen: die prinzipiell aufrichtige und mutige Haltung des angeklagten Eckhart.
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tribui non debere quis nesciat, si velut me sequentes neque apprehendentes deviaverunt in aliquam falsitatem, dum per quaedam densa et opaca cogor viam carpere, quandoquidem nec ipsis sanctis divinorum verborum auctoritatibus [n]ullo modo quisquam recte tribuat tam multos et varios errores haereticorum, cum omnes ex eisdem scripturis falsas et fallaces opiniones suas conentur defendere?“ Cf. z. B. Proc. Col. I, n. 104 (LW V, 286, 8-9): „Haec sunt quindecim, quae reprehendunt ex libro illo ,Benedictus deus‘ ,nescientes scripturas et virtutem dei‘.“ Cf. Sturlese, Responsio (nt. 1), 270. Proc. Col. II, n. 1 (LW V, 318, 7-10): „Imbecillitatem intellectus aut malitiam adversariorum ostendunt, quin immo manifestam blasphemiam; haeresim autem, si pertinaciter defendantur, utpote contra doctrinam Christi, evangelii, sanctorum et doctorum“; cf. Proc. Col. I, n. 78 (LW V, 276, 16-18): „Miror autem quod non plura opponunt contra scripta nostra diversorum librorum. Constat enim quod centum et plura scripsi, quae ipsorum ruditas non intelligit neque capit“; cf. auch Proc. Col. I, n. 150 (LW V, 304, 7-8): „Huius autem oppositum sentire error est imperitiae et sine dubio periculosa haeresis, si temere defendatur“; Proc. Col. II, n. 28 (LW V, 324, 16): „Hoc negare est ignorare et deum blasphemare […]“; sowie Proc. Col. II, n. 107 (LW V, 344, 5-6): „Dicendum quod hoc negare est deum blasphemare et ipsum abnegare.“ Proc. Col. II, nn. 146-147 (LW V, 353, 1-7): „Postremo notandum quod, licet in quolibet articulorum, quos ego praedicavi, docui et scripsi, appareat ruditas et brevitas intellectus illorum qui talia vitiare contendunt […]. In hoc tamen primo errant quod omne quod non intelligunt, errorem putant et iterum omnem errorem haeresim […]“; Proc. Col. II, n. 148 (LW V, 353, 9-10): „Secundo, quia cum se dicant inquisitores haereticae pravitatis, convertunt se ad libros nostros et ea obiciunt, quae sunt pure naturalia“; Proc. Col. II, n. 151 (LW V, 353, 18-19): „Quinto, quia obiciunt plura tamquam erronea, quae sunt communis sententia doctorum […]“; Proc. Col. II, n. 152 (LW V, 354, 3-4): „Sexto quia obiciunt quaedam tamquam falsa et haeretica, puta hominem non posse uniri deo, contra doctrinam Christi et evangelii […]“; Proc. Col. II, n. 153 (LW V, 354, 8-9): „Praeterea dicere mundum non esse nihil in se et ex se, sed esse quid modicum, manifesta blasphemia est“; Proc. Col. II, n. 154 (LW V, 354, 11-12): „Octavo, quia criminantur hominem deiformem operari opera dei, contra doctrinam Christi et evangelii […].“ Dass Eckhart die Inquisitoren derart kritisierte, könnte darauf hindeuten, dass das Notandum für einen späteren Gerichtstermin verfasst worden ist (cf. Trusen, Der Prozeß [nt. 2], 85 sq., 97, sowie Sturlese, Responsio [nt. 1], 270) oder dass es überhaupt nicht für eine Gerichtsverhandlung bestimmt war, sondern eher im Hinblick auf eine spätere Verbreitung der Verteidigungsschrift verfasst worden ist. Cf. Trusen, Der Prozeß (nt. 2), 76.
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Bei seinem Vorgehen, die einzelnen Artikel ,secundum verum intellectum‘ darzulegen 42, stützt er sich vor allem auf die Heilige Schrift sowie auf wissenschaftliche Argumente, Autoritäten, auf bereits Dargelegtes 43 oder auf seine allgemeinen Vorbemerkungen 44. Die Tatsache, dass Eckhart in der Verteidigungsschrift verstärkt auf autoritative Texte zurückgreift 45, um den Vorwurf der Häresie abzuwehren, darf hierbei keinesfalls als Rückzug seiner Position gedeutet werden, vielmehr dienen die Zitate in erster Linie der Bestätigung seines eigenen Denkens. Zusammenfassend kann man festhalten, dass die Reaktionen des angeklagten Meisters deutlich zeigen, dass er beabsichtigt, zu den inkriminierten Artikeln gemäß der Wahrheit und gemäß seiner Überzeugung im Sinne einer echten Verteidigung Stellung zu nehmen 46. Ferner legt der nicht zu übersehende Impetus der Verteidigung etwas Entscheidendes frei für den methodischen Zugang zu seinen Antworten, nämlich das Bemühen Eckharts nicht nur um seine unmittelbare physische Existenz, sondern vor allem um die Sache selbst und um seine gesamte Lehre. Die Reaktionen des Dominikaners berechtigen nicht nur dazu, sondern stellen geradezu einen Appell dar, die Verteidigung über die externen Faktoren hinaus in ihrer philosophischen und theologischen Dimension zu erschließen 47. 3. Die Analogielehre in der Verteidigungsschrift: Strategie oder Bekenntnis? Der gegen den ehemaligen Magister der Theologie angestrengte Prozess hängt, auf inhaltlicher Ebene, vor allem mit Thesen zusammen, die einerseits 42
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Als exemplarisches Beispiel mag hier der Anfang der solutio zum 39. Artikel der zweiten Liste gelten: „Totum, quod dictum est, falsum est et absurdum secundum imaginationem adversantium. Verum est tamen secundum verum intellectum quod […]“ (Proc. Col. II, n. 99 [LW V, 341, 24-25]). Cf. z. B. Proc. Col. I, n. 136 (LW V, 298, 10-11): „Error est sicut sonat, nisi exponatur sicut iam dictum est ad quartum et supra ad secundum.“ Z. B. Proc. Col. I, n. 114 (LW V, 288, 13-15). Als häufigste Autorität neben der Bibel nennt Meister Eckhart Augustin; aber auch Origenes, Bernhard von Clairvaux, Thomas von Aquin und Aristoteles spielen eine wichtige Rolle. Das Spektrum der zitierten Autoritäten umfasst darüber hinaus Seneca, Cicero, Beda, Albertus Magnus, Avicenna, Maimonides, Ps.-Dionysius Areopagita sowie den ,Liber de causis‘. Cf. ähnliche Einschätzungen beispielsweise von J. Koch, Zur Einführung, in: U. M. Nix/R. Öchslin (eds.), Meister Eckhart, der Prediger. Festschrift zum Eckhart-Gedenkjahr, FreiburgBasel-Wien 1960, 1-24, hier 16: „Man hat wohl behauptet, der Meister schwäche seine Lehren bei der Rechtfertigung ab. Davon kann keine Rede sein. Sie zeigt vielmehr, daß er so von seinen Gedankengängen eingenommen ist, daß er ein Nichtverstehen bei andern gar nicht begreift“, sowie von T. Sua´rez-Nani, Philosophie- und theologiehistorische Interpretation der in der Bulle von Avignon zensurierten Sätze, in: H. Stirnimann (ed., in Zusammenarbeit mit R. Imbach), Eckardus Theutonicus, homo doctus et sanctus. Nachweise und Berichte zum Prozeß gegen Meister Eckhart (Dokimion 11), Freiburg/Schweiz 1992, 31-96, hier 95: „Die Haltung Meister Eckharts während dem ganzen Prozeßverfahren war von einer großen Ehrlichkeit geprägt. Er hatte alles, was er tatsächlich gesagt oder geschrieben hatte, als seine Aussagen anerkannt in der Gewißheit um die Wahrheit seiner Aussagen.“ Cf. die Forderung Sua´rez-Nanis, ideengeschichtliche Erklärungsmuster bzw. die dem Eckhart’schen Denken immanenten Spannungen nicht aus dem Blick zu verlieren, die für die folgenschweren Entwicklungen ,fruchtbaren Boden‘ bildeten (ibid., 32).
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den nichtigen Status kreatürlichen Seins bzw. kreatürlicher Werke und andererseits das innige Verhältnis zwischen dem Göttlichen und dem Kreatürlichen betreffen. Eines der Grundthemen der Verteidigungsschrift, das später in der Bulle ,In agro dominico‘ seinen Niederschlag fand 48, ist also Eckharts zentrale Lehre von der Gottessohnschaft. Dies ist der thematische Kontext, in dem auch die Lehre von der Analogie und Univozität expressis verbis ihren Ort hat. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Analogiebegriff Meister Eckharts zum einen Bestandteil der inkriminierten Sätze, zum anderen Teil der Argumentation in den Einlassungen ist. Welche Rolle bzw. welchen Stellenwert, so ist nun anhand seiner Reaktionen konkret zu prüfen, nimmt im Rahmen seiner Verteidigung die Analogielehre ein? Ist das Theorem der Analogie gar als eine ,Abschwächung‘ 49 - seiner angeblichen Thesen über die univoke Einheit zwischen Gott und Mensch - zu verstehen oder entspricht es seiner Überzeugung? Dass der Thüringer Theologe in seiner Verteidigung mehrfach auf die Unterscheidung zwischen ,univok‘ und ,analog‘ zurückgreift, ist ein Hinweis dafür, dass die Kläger diese Differenzierung nicht in gebührender Weise zu beachten schienen. Ohne eine solche differenzierende Sichtweise dürfte der Schritt nicht weit gewesen sein, in Eckharts Schriften und Predigten aufgrund der starken Betonung der Seinseinheit des Menschen mit Gott eine Univozitätsthese bzw. starke pantheistische Tendenzen zu erkennen. Allerdings konnten die Promotoren des Prozesses keinen Beweis einer expliziten Stellungnahme des Angeklagten bezüglich einer univoken Relation zwischen Mensch und Gott erbringen. Eckhart vertritt in seinen ,Responsiones‘ vielmehr durchweg die Theorie der analogen Relation zwischen Gott und Mensch 50. Wenn auch die Skepsis gegenüber dem philosophischen Gehalt und der Glaubwürdigkeit der Aussagen Eckharts in der Verteidigungsschrift durch die Untersuchung der allgemeinen Reaktionen gemildert sein dürfte, ist im Folgenden zu ermitteln, wie authentisch Eckharts Bekenntnis zur Analogielehre ist oder inwiefern die Äußerungen strategischer Art sind. Dass der Analogiebegriff alles andere als marginal erscheint, resultiert zunächst aus seiner Häufigkeit und seiner Platzierung in der Verteidigungsschrift 51. Abgesehen von seinem Vorkommen in einzelnen Artikeln und Einlassungen 48
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Cf. Sua´rez-Nani, Philosophie- und theologiehistorische Interpretation (nt. 46), 93: „Die 28 Artikel der Bulle von Johannes XXII. enthalten die Gesamtheit des Eckhartschen Denkens. Die Tatsache, daß die am meisten beachtete Lehre diejenige von der Gottessohnschaft ist, gibt uns eine weitere Bestätigung dafür, daß diese Lehre nicht ein zweitrangiger Aspekt des Eckhartschen Denkens ist, sondern vielmehr seinen eigentlichen Kern bildet.“ So beispielsweise Kurt Flasch in einer Rezension anlässlich der Neuerscheinung der Verteidigungsschrift (Der Klosterzellkern ist geknackt [Rez.], in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 289, 12. 12. 2000, L20): „Er [Eckhart] präzisiert einige seiner Aussagen. Zuweilen schwächt er auch etwas ab, indem er schulmäßige Unterscheidungen anbringt oder erklärt, eine These sei nicht univok, sondern analog zu verstehen. Von einigen Sätzen gibt er zu, sie seien in predigerhaftem Überschwang formuliert. Aber wenn er zurückweicht, geht es um Nebensachen.“ Cf. infra, Abschnitt III-V. Cf. supra (nt. 16).
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wird er bereits in den einleitenden Vorbemerkungen 52 eingeführt und schließlich in dem angefügten Notandum nochmals aufgegriffen. In diesem Schluss-Notandum betont der Thüringer in einer zusammenfassenden Darstellung seiner angeblich häretischen Lehrmeinungen und unter Berufung auf Autoritäten, dass einer der Irrtümer seiner Gegner bzw. Inquisitoren darin bestünde, dass sie ihm ausgerechnet jene Sätze vorwerfen würden, die von dem ,heiligen Thomas‘ stammten, wie im Falle der „Unterscheidung und des Wesens des Univoken, Äquivoken und Analogen“ 53. Sicherlich ist der Verweis auf Thomas von Aquin an dieser Stelle auch unter einem strategischen Gesichtspunkt zu sehen, zumal die Kanonisation seines Ordensbruders zu dieser Zeit, 1326, erst drei Jahre zurückliegt. Eckhart wirft seinen Gegenspielern demzufolge nicht nur ein falsches Verständnis des Analogieproblems vor, sondern, was schwerer wiegt, eine Unkenntnis thomasischer Doktrin. Insofern wendet er die bereits erläuterte Strategie, die Anklage gleichsam umzukehren, auch bei dem Thema der Analogie an, doch darf der Einsatz einer solchen Verteidigungsstrategie nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Inkriminierung des Analogiekonzeptes nach der Meinung Eckharts keinesfalls sachlich begründet ist, sondern ausschließlich von der Ungelehrtheit der Gegner herrührt. Mit seiner Schlussbemerkung zur Unterscheidung des Univoken, Äquivoken und Analogen verweist Eckhart auf einen Artikel, der einer früheren, lediglich durch die Verteidigungsschrift bezeugten Apologie seines Trostbuches entstammt 54. Von den sechs Exzerpten aus diesem früheren apologetischen ,Requisitus‘-Traktat 55 betreffen allein zwei die Analogielehre, wobei der fünfte Artikel jene Distinktion zwischen dem Äquivoken, Analogen und Univoken enthält 56. In der zugehörigen Einlassung auf den inkriminierten Artikel wiederum verteidigt sich Eckhart mit den Worten „dicendum quod verum est“ und dem Hinweis 52 53
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Cf. infra (nt. 90). Proc. Col. II, n. 149 (LW V, 353, 11-14): „Tertio, quia ea obiciunt tamquam haeretica, quae manifeste posuit sanctus Thomas in solutionibus quorundam argumentorum, quas ipsi non viderunt aut non meminerunt, sicut est de distinctione et natura univocorum et aequivocorum et analogorum et similia.“ Im Übrigen sieht sich Eckhart in der Verteidigungsschrift nicht nur in konzeptioneller Hinsicht in der Tradition des 1323 heilig gesprochenen Thomas von Aquin, sondern glaubt sich mit seiner gesamten Situation in der Nachfolge der einstigen, unrechtmäßigen Verurteilungen renommierter Gelehrter. Selbst die Lehren des Aquinaten und des Albertus Magnus, so gibt Eckhart zu bedenken, waren einst verdächtig und wurden von päpstlicher Seite letztlich dennoch anerkannt: „Maxime cum iam pridem magistri theologiae Parisius nostris temporibus mandatum habuerint superioris de examinandis libris praeclarissimorum virorum sancti Thomae de Aquino et domini fratris Alberti tamquam suspectis et erroneis. Et contra ipsum sanctum Thomam frequenter a multis scriptum est, dictum et publice praedicatum quod errores et haereses scripserit et docuerit. Sed favente domino tam Parisius quam per ipsum summum pontificem et Romanam curiam ipsius vita et doctrina pariter sunt approbata“ (Proc. Col. I, n. 77 [LW V, 276, 2-8]). Vermutlich erhoffte sich Eckhart in der schwierigen Lebensphase des Kölner Prozesses, dass ihm bald dieselbe Gerechtigkeit widerfahren würde. Proc. Col. I, n. 24 (LW V, 309, 16-17): „Isti sunt articuli extracti de responsione Magistri Ekardi ad articulos sibi impositos de libro qui incipit ,Benedictus deus et pater‘, quem librum ipse composuit.“ Proc. Col. I, n. 104 (LW V, 286, 10): „Notavi de hoc subtilius in tractatu qui incipit ,Requisitus‘ etc.“ Zur Analyse dieses Artikels cf. infra, Abschnitt III.
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darauf, dass die Unterscheidung zwischen Analogie und Univozität „die Wurzel vieler Erkenntnisse und Auslegungen“ 57 bilde. Auch in dieser Antwort haben wir eine typische Reaktion Eckharts vor Augen, insofern er dem Inhalt nach konsequent an seinem Standpunkt festhält. Sie erscheint in diesem Fall umso erstaunlicher, als der Dominikaner im Kölner Prozess nicht eine erfolgversprechendere Taktik anwendet, sondern vielmehr diejenigen Sätze aufs Neue bekräftigt, die er im ,Requisitus‘-Traktat schon einmal in apologetischer Absicht angebracht hat, und zwar - angesichts ihrer Inkriminierung in der Kölner Liste ohne Erfolg. Zudem weiß Eckhart auch aus seiner Vergangenheit, wie aus einer Bemerkung im Ecclesiasticuskommentar hervorgeht, anscheinend sehr genau, dass diese Doktrin die Quelle vieler Missverständnisse und Irrtümer war 58. Angesichts solch wiederholter Kritik an der Analogielehre im Leben des Thüringers scheint es, als hätten die Ankläger einen empfindlichen Nerv des Eckhart’schen Denkens getroffen. Die These, in der Analogielehre sogar den eigentlichen Grund der Verurteilung sehen zu dürfen, ist deshalb nicht ganz von der Hand zu weisen 59. Zumindest zeigt sich die Brisanz dieser Theorie bereits zu Lebzeiten des Dominikaners ganz deutlich. Bringt man als Argument für eine methodische Skepsis hinsichtlich des Aussagewertes also Eckharts prekäre Situation in Anschlag, so lässt sich entgegnen, dass der Dominikaner mit seinem Rekurs auf die Analogielehre weniger eine ,Abschwächung‘ 60 seiner früheren Lehren vornimmt, als durch seine Beharrlichkeit vielmehr riskiert, das Kriterium für Häresie, „das starrsinnige Festhalten an Irrtümern“ 61, zu erfüllen. Aufgrund dieser Überlegungen scheint der Schluss zwingend, dass die Analogielehre Meister Eckharts im Rahmen seiner Verteidigung nicht eine lediglich strategische Funktion im Sinne eines harmlosen traditionellen Theorems besitzt, sondern als tatsächliches Bekenntnis zu verstehen ist. Dass er seiner Auffassung selbst unter dem Verdacht der Ketzerei treu bleibt, spricht viel eher für den systematischen Stellenwert, den die Analogielehre für Eckhart selbst einnimmt. 57
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Proc. Col. I, n. 110 (LW V, 287, 12): „Dicendum quod verum est et est radix multarum cognitionum et expositionum.“ In Eccli., n. 53 (LW II, 282, 7-8): „Notandum etiam quod hanc naturam analogiae quidam male intelligentes et improbantes erraverunt usque hodie.“ H. Fischer, Meister Eckhart. Einführung in sein philosophisches Denken, Freiburg - München 1974, 120: „Wie immer es auch um den literarischen Charakter und sonstige Kriterien der ,Rechtfertigungsschrift‘ bestellt sein mag, die Lehre von der Analogie findet sich darin wieder, und zwar in der gleichen Eindringlichkeit wie in den übrigen Werken. Aber nicht nur das, diese Lehre steht an entscheidender Stelle, so daß sie zum Verständnis als unbedingt notwendig angesehen werden muß. Und daraus läßt sich schließen, daß eben in dieser Analogieauffassung der eigentliche Anlaß und Grund zur Kritik an der Lehre Eckharts überhaupt zu erblicken ist und daß in der falschen oder auch fehlenden Einsicht in diese Grundlage es überhaupt zu Mißverständnissen, Anschuldigungen und einer Verurteilung kommen konnte.“ Cf. supra (nt. 49). Cf. supra (nt. 19).
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Somit sei eine genauere inhaltliche Untersuchung der wichtigsten Stellen zur Analogie in der Verteidigungsschrift erlaubt, um sich der „Analogie gemäß der Wahrheit“ 62 nach Eckharts Verständnis anzunähern. Im Folgenden sollen deshalb einige zentrale Charakteristika seiner Analogiekonzeption aufgeführt werden anhand von Textstellen in der Verteidigungsschrift, die den Analogiebegriff explizit aufweisen. Das Ziel ist hierbei nicht, eine erschöpfende Behandlung der Analogiethematik zu liefern, sondern ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass diese Textbasis, die von Eckharts eigenem Analogieverständnis zeugt, nicht außer Acht gelassen werden sollte.
III. Einheit und Differenz als komplementäre Elemente des Analogiebeg riffs (Proc. Col. I, n. 29) Für ein Verständnis dessen, was Eckhart selbst unter Analogie verstand, ist der fünfte inkriminierte Artikel, der dem ,Requisitus‘-Traktat entnommen wurde und in der ersten Liste der Verteidigungsschrift erscheint (Proc. Col. I, n. 29), maßgebend. Dieser enthält, ähnlich wie im Ecclesiasticuskommentar, Eckharts allgemeine und grundlegende Bestimmung von Analogie in Anlehnung an eine Textstelle bei Thomas von Aquin. Im Anschluss an das Zitat löst sich Eckhart jedoch von seiner Vorlage und wendet die dort gewonnene Bestimmung der Analogie auf das Beispiel der Gesundheit und schließlich auf die göttlichen Vollkommenheiten an.
1. Analogie als Relation verschiedener Modi derselben Sache Die Differenzierung von Univozität, Äquivozität und Analogie aus dem ,Requisitus‘-Traktat, welche die Ankläger, laut Eckhart, nicht berücksichtigt haben, entspricht einem fast wörtlichen Zitat aus dem Sentenzenkommentar des Thomas von Aquin - ohne dass hier ausdrücklich auf die Quelle verwiesen ist: „Quintus. Quod aequivoca distinguuntur per res diversas, univoca per diversas rei differentias, analoga vero non per diversas res nec per rerum differentias, sed per solos modos unius et eiusdem rei in numero.“ 63
Dass es sich bei diesen Ausführungen um eine grundlegende Bestimmung für Eckhart handelt, zeigt sich nicht nur darin, dass er im Schluss-Notandum noch einmal darauf rekurriert, sondern auch darin, dass eben dieselbe an Thomas angelehnte Analogiebestimmung an zwei weiteren Stellen des lateinischen 62 63
Cf. supra (nt. 14). Proc. Col. I, n. 29 (LW V, 310, 9-11).
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Werks in Erscheinung tritt, nämlich im Exoduskommentar 64 und in der II. Lectio zu Jesus Sirach (Ecclesiasticus) 65. Letztere Textstelle ist Teil der Auslegung des Ecclesiasticuswortes „wer von mir trinkt, dürstet weiter“ (Eccli. 24, 29), eine der reichhaltigsten und ausführlichsten Passagen zur Analogielehre des Dominikaners. Wie in der Verteidigungsschrift schließt sich im Ecclesiasticuskommentar auch das Beispiel der Gesundheit und die Übertragung auf die göttlichen Vollkommenheiten an 66. Da diese Passagen zu Eckharts Analogielehre bereits oft kommentiert wurden und insbesondere durch Josef Koch eine eingehende Analyse erfahren haben 67, mögen nachfolgend lediglich einige Bemerkungen zu dem fast identischen Textauszug in der Verteidigungsschrift ausreichend sein. Wie aus einem Vergleich des Zitats bei Eckhart mit dem referierten Passus in Thomas’ Sentenzenkommentar 68 schnell ersichtlich ist, lehnt sich Eckhart mit seiner Unterscheidung des Univoken, Analogen und Äquivoken sehr eng übrigens an allen drei Textstellen - an den Wortlaut des Aquinaten an. Bekanntlich übernimmt Meister Eckhart die bei Thomas definierte Verschiedenheit der Analogate hinsichtlich des modus, doch nutzt er, wie sich aus seinem weiteren Vorgehen zeigt, den modus-Begriff für die Möglichkeit einer Umdeutung. Indem Eckhart die modi nicht wie Thomas als Prädikationsweisen (modi praedicandi), sondern als Seinsweisen (modi essendi) versteht, gelangt er zu einem ganz anderen Modell von Analogie. Diesem Modell zufolge zeichnen sich die einzelnen Relata im analogen Verhältnis durch eine Verschiedenheit des Seinsmodus aus, dergestalt, dass das analogon nur dem Primäranalogat formal inhäriert, nicht aber den Sekundäranalogaten 69. Wurde Eckharts Analogieverständnis in jüngerer Zeit vor allem unter dem Blickwinkel dieses Kriteriums einer radikalen ontologischen Differenz der Relata betrachtet, sollte dennoch eine Ergänzung am Schluss des Zitats nicht übersehen werden, denn sie scheint ebenfalls wesentlich für die originäre Adaption des Thüringers zu sein. Meister Eckhart spezifiziert die modi des Seins nämlich stets 64
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In Ex., n. 54 (LW II, 60, 1-4): „Sciendum ergo quod haec est differentia aequivoci, univoci et analogi, quod aequivocum distinguitur per res diversas, univocum per rei eiusdem differentias, analogum autem nec sic nec sic, sed solum per modos unius eiusdem rei numero […].“ In Eccli., n. 52 (LW II, 280, 5-9): „Rursus nono advertendum quod distinguuntur haec tria: ›univocum, aequivocum et analogum. Nam aequivoca dividuntur per diversas res significatas, univoca vero per diversas rei differentias, analoga‹ vero non distinguuntur per res, sed nec per rerum differentias, sed ›per modos‹ unius eiusdemque rei simpliciter.“ In Eccli., n. 52 (LW II, 280, 9-281, 3): „Verbi gratia: sanitas una eademque, quae est in animali, ipsa est, non alia, in diaeta et urina, ita quod sanitatis, ut sanitas, nihil prorsus est in diaeta et urina, non plus quam in lapide, sed hoc solo dicitur urina sana, quia significat illam sanitatem eandem numero quae est in animali, sicut circulus vinum, qui nihil vini in se habet. Ens autem sive esse et omnis perfectio, maxime generalis, puta esse, unum, verum, bonum, lux, iustitia et huiusmodi, dicuntur de deo et creaturis analogice.“ Cf. Koch, Zur Analogielehre (nt. 7), 331. Cf. auch A. de Libera, Le proble`me de l’eˆtre chez Maıˆtre Eckhart: Logique et me´taphysique de l’analogie, Genf 1980, bes. 2-27. Thomas von Aquin, In I Sent., d. 22, q. 1, a. 3, ad 2: „[…] aliter dividitur aequivocum, analogum et univocum. Aequivocum enim dividitur secundum res significatas, univocum vero dividitur secundum diversas differentias; sed analogum dividitur secundum diversos modos.“ Cf. Koch, Zur Analogielehre (nt. 7), 331 sqq.
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dadurch, dass sie sich auf „ein und dieselbe Sache schlechthin“ 70 bzw. „die zahlmäßig ein und dieselbe Sache“ 71 beziehen. Analogie drückt in diesem Sinne nicht nur eine Verschiedenheit der Seinsweise, sondern zugleich eine Identität der Sache aus. Somit ist ,Identität‘ neben ,Differenz‘ ein zentraler Bestandteil der Analogiekonzeption Eckharts. 2. Die Anwendung der Analogiebestimmung Am Beispiel der Gesundheit wird die Spezifität dieser Analogiebestimmung mit ihren beiden Hauptmomenten, die sich gleichsam dialektisch gegenüberstehen, erläutert: „Exemplum ponit de hoc, quia sanitas ipsa unica animalis est a qua urina, diaeta et huiusmodi sana dicuntur analogice. In urina vero nihil prorsus est sanitatis plus quam in lapide, sed solum habet nomen sanitatis eo quod aliqua sui proprietate sit signum sanitatis eius quae est in animali.“ 72
Das analogon (sanitas) ist sowohl im Primäranalogat (animal) als auch in den Sekundäranalogaten („urina, diaeta et huiusmodi “) ein und dasselbe, aber ausschließlich im analogatum principale formal verwirklicht. Mit dem ersten Moment der Einheit der Gesundheit kommt die Identität der Sache zum Ausdruck („una et eadem res in numero“), mit dem zweiten Moment, demzufolge die Gesundheit im sekundären Analogat nur signifikativen, nicht aber ontologischen Charakter besitzt, deren Differenz (modus). Die Funktion des klassischen Beispiels des Gesunden versteht Eckhart somit in einer eigentümlichen Weise, wobei dieses allerdings genau der vorangegangenen Analogiebestimmung entspricht. Sein Blick richtet sich zum einen auf die Einheit der Sache und zum anderen auf deren unterschiedliche ontologische Verwirklichung in den Analogaten. Dieses Verständnis der Analogiemerkmale, zumal Eckhart meist dasjenige der Einheit betont, wird in der Anwendung auf den metaphysischen Bereich indessen zum Problem, und an dieser Stelle löst sich der Dominikaner deutlich von dem heilig gesprochenen Ordensbruder: 70 71
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Cf. supra (nt. 65). Cf. supra (nt. 63, 64). An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass Eckhart bei der Analogiebestimmung den res-Begriff („per solos modos unius et eiusdem rei in numero“ bzw. „per modos unius eiusdemque rei simpliciter“) auf eine andere Weise als in der Bestimmung des Äquivoken (,per res diversas‘) verwendet, denn res kann nicht, wie beim Äquivoken, im Sinne des suppositum verstanden werden. Im Beispiel der Gesundheit (sanitas) wird deutlich, dass es im analogen Verhältnis ja gerade zwei supposita gibt, nämlich Lebewesen und Urin, sowie im Beispiel der Vollkommenheiten (z. B. bonitas) Gott und Geschöpf. Daher kann mit der numerisch einen oder schlechthinnigen Sache nur das analogon bzw. die Vollkommenheit selbst gemeint sein. Neben der Inkonsistenz des res-Begriffs fällt hierbei auch die Abweichung gegenüber der thomasischen Unterscheidung auf, welche res zum einen nur im Sinne der res significata und zum anderen lediglich für das Äquivoke aufweist („aequivocum enim dividitur secundum res significatas“). Solche kaum merklichen Modifizierungen gegenüber der thomasischen Quelle scheinen die Eckhart’sche Umdeutung zu signalisieren und zeigen, wie der Thüringer die Doktrin des Aquinaten in sein Denken integriert. Proc. Col. I, n. 29 (LW V, 310, 11-14).
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„Et tunc postea addit quod sic per omnia in proposito bonum sicut et ens analogice se habent in deo et in creatura. Ipsa enim bonitas, quae in deo est, et quae deus est, ab ipsa sunt boni omnes boni.“ 73
Das Modell der Attributionsanalogie, das Eckhart mit der einleitenden Unterscheidung des Äquivoken, Univoken und Analogen und der anschließenden Anwendung auf das Beispiel der Gesundheit entwickelt, wird in einem dritten Schritt unmittelbar auf metaphysische Größen wie bonum und ens bzw. auf das Verhältnis zwischen Gott und Geschöpf übertragen 74. Genauso wie die Gesundheit ein und dieselbe in allen Analogaten ist, aber nur dem Lebewesen formal inhäriert, verhält es sich nach Eckhart auch mit der Gutheit sowie generell mit den allgemeinen und geistigen Vollkommenheiten. In diesem Sinne gibt es nur ein und dieselbe Gutheit in Gott und Geschöpf, wenngleich sie wesenhaft nur in Gott ist. Eine solche Konzeption der ontologischen Exklusivität schließt die bekannten Konsequenzen für das Analogieverständnis des Thüringers ein. So gelangt Eckhart im Ecclesiasticuskommentar beispielsweise zu der Schlussfolgerung, dass das Geschöpf als das Sekundäranalogat die Vollkommenheiten völlig ,von außen‘ (ab extra), nämlich von Gott, empfängt 75. Ebenso drückt sein ,Beweis‘ (ratio) aus, dass das Sekundäranalogat (ens creatum) formal nichts von der Sache bzw. den Vollkommenheiten besitzt, auf die es sich bezieht, sondern dass es diese ,wurzelhaft‘ (radicaliter) von Gott hat 76. Die Gutheit des Geschöpfes kann insofern auch nur als ein ,Zeichen‘ (signum) der göttlichen Gutheit verstanden werden 77. Wenn das Analogieschema bei Eckhart jedoch ausschließlich im Hinblick auf solche Aspekte der Differenz wie Äußerlichkeit, Wurzelhaftigkeit oder Zeichenhaftigkeit interpretiert wird, könnte man tatsächlich den Eindruck gewinnen, dass seine Theorie der Analogie nur dazu diene, die totale Dependenz und 73 74
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Proc. Col. I, n. 29 (LW V, 310, 15-17). Koch relativierte die Bedeutung dieses Modells der analogia attributionis gegenüber dem thomasischen Modell der analogia proportionalitatis propriae als Erklärungsmuster für die Unterschiedlichkeit der Analogiekonzeptionen beider Dominikaner und legte die zugrunde liegenden divergenten philosophischen Denksysteme frei. Nach Koch offenbart die Analogielehre Eckharts im Rahmen der Seinslehre eine typisch neuplatonische Umkehrung der aristotelisch-thomistischen Perspektive; cf. Koch, Zur Analogielehre (nt. 7), 336 sq. Auch de Libera zeigt, dass eine Gegenüberstellung dieser beiden Analogiemodelle allein nicht ausreicht, um die Eckhart’sche Analogielehre zu verstehen. Er charakterisiert Eckharts Modell als eine Synthese aus drei verschiedenen Typen analoger Prädikation, die Thomas in der ,Summa contra Gentiles‘ entwickelt hat, sowie als eine „dialectisation de l’analogie thomiste ,ad aliquid unum‘“. Durch diese Synthese hebe Eckhart die bei Thomas gegebenen metaphysischen Schranken auf; cf. de Libera, Le proble`me (nt. 67), 8 sq. Cf. In Eccli., n. 52 (LW II, 281, 3-5): „Ex quo sequitur quod bonitas et iustitia et similia bonitatem suam habent totaliter ab aliquo extra, ad quod analogantur, deus scilicet.“ Cf. In Eccli., n. 53 (LW II, 282, 1-5): „Colligatur et formetur breviter sic ratio: analogata nihil in se habent positive radicatum formae secundum quam analogantur. Sed omne ens creatum analogatur deo in esse, veritate et bonitate. Igitur omne ens creatum habet a deo et in deo, non in se ipso ente creato, esse, vivere, sapere positive et radicaliter.“ Cf. supra (nt. 72).
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Inferiorität des Niederen gegenüber dem Höheren zu betonen 78, wohingegen sie die Aufgabe, die Gemeinschaft zwischen Gott und Geschöpf zu erklären, gänzlich verlöre. Doch Eckharts Ausführungen zur Analogie, sei es in der Verteidigungsschrift oder an den beiden anderen Parallelstellen, sprechen eine andere Sprache. In der Übertragung des Beispiels der sanitas auf das Beispiel der bonitas liegt das Gewicht allein auf dem Einheitsmerkmal der Analogie: Die bonitas ist für Gott und Geschöpf ein und dieselbe, sie ist Gott selbst und durch eben diese göttliche Gutheit sind sämtliche Guten gut („ipsa enim bonitas, quae in deo est, et quae deus est, ab ipsa sunt boni omnes boni “ 79). Der Sinn von Analogie ist demnach nicht so sehr die Hervorhebung der Nichtigkeit des geschöpflichen Seienden, wie es in sich selbst ist, als vielmehr gerade die Möglichkeit seiner Hinordnung auf das Höhere, um eben diese Nichtigkeit in der Einheit zu überwinden. Und diese Hinordnung denkt Eckhart als eine derartig starke Einheit, dass er sogar von ein und derselben Sache („una et eadem res in numero“/„una eademque res simpliciter“) sprechen kann 80. Das Differenzmerkmal hingegen wird an dieser Stelle, wie auch an zahlreichen anderen Textpassagen zu den Vollkommenheiten von Gott und Geschöpf, nicht weiter ausgeführt. Dies mag umso erstaunlicher erscheinen, als der ontologische modus in Bezug auf die Vollkommenheiten im Geschöpf gerade als eines jener Momente gelten müsste, das die Analogie niemals zu einer Univozität werden lässt und den Angeklagten eigentlich vor dem Häresievorwurf hätte bewahren müssen. Dass Eckhart selbst in seinen apologetischen Texten das Differenzmerkmal der Analogate zugunsten des Einheitsaspektes vernachlässigt, lässt sichtbar werden, dass er das analoge Verhältnis vor allem hinsichtlich der Möglichkeit einer unmittelbaren Seinseinheit zwischen Gott und Geschöpf betrachtet. Die Analogiebestimmung des ,modus eiusdem rei ‘ erlaubt - im Bruch mit der thomasischen Auffassung -, eine reale Einheit zwischen Gott und Geschöpf zu denken, die aber durch das Moment der Differenz und der Nichtigkeit des Sekundäranalogats nicht zur Univozität mutiert. Es liegt indes nahe, dass eine solche Analogiekonzeption, die eine reale Einheit der Vollkommenheiten in Gott und Geschöpf zulässt, wenn sie sich auch modal differenziert, in den Augen der Gegner ein Kernproblem des Eckhart’schen Denkens verkörpert. Auch andere Textstellen, die nicht Gegenstand der Anklage waren, bestätigen die Eigentümlichkeit seines Analogiebegriffs - reale Einheit bei gleichzeitiger Verschiedenheit der modi. In der lateinischen Predigt XLIV beispielsweise zieht Eckhart sogar eine etymologische Begründung heran, aus der hervorgeht, dass er bereits auf terminologischer Ebene eine Ineinssetzung von Analogie und dem 78 79 80
Cf. Mojsisch, Meister Eckhart (nt. 8), 51. Cf. supra (nt. 73). Cf. supra (nt. 63, 64, 65).
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Merkmal der Selbigkeit in Verschiedenem („id est id ipsum utrobique“) vornimmt 81. Das Entscheidende von Eckharts Konzeption besteht also darin, in der Theorie der Analogie beide Momente, Differenz und Einheit, oder Extrinsität und Identität, als notwendig und komplementär zu sehen.
IV. Das Verhältnis zwischen Univozität und Analogie: Gleichheit und Ungleichheit Durch die Analyse des fünften Artikels der inkriminierten Exzerpte aus dem ,Requisitus‘-Traktat (Proc. Col. I, n. 29) sollten die grundlegende Bestimmung der Analogie als Relation verschiedener Modi derselben Sache und ihre zentralen Momente deutlich geworden sein. Allerdings fokussiert Eckhart bei der Analogiebestimmung, wie auch bei der Bestimmung von Äquivozität und Univozität, vor allem das Verhältnis der Glieder innerhalb der Relationsform, nicht jedoch deren Abgrenzung zu den beiden anderen Relationsformen. Insofern ist für ein besseres Verständnis der Eckhart’schen Analogiekonzeption nun zu untersuchen, wie sich Analogie und Univozität zueinander verhalten. Worin unterscheiden sie sich, welche Momente machen ihre Gleichheit aus? In diesem Zusammenhang soll auf ein wichtiges Motiv in Eckharts Denken hingewiesen werden, dem er zu Beginn seiner Verteidigung das erste von drei grundlegenden Notanda 82 widmet, die Reduplikation. Folgt man der im Anschluss an die Studie von Mojsisch gängig gewordenen Forschungsmeinung, so entfaltet dieses Motiv nur im Rahmen der Univozitätstheorie seine eigentliche Wirkmächtigkeit, und zwar dort, wo die Einheit Gottes mit dem Menschen in seinem Seelengrund gemeint ist 83. Ausgehend von Eckharts Verständnis von reduplicatio, werden im Folgenden Textstellen aus der Verteidigungsschrift aufgeführt, bei denen Reduplikationsformulierungen ausdrücklich auch im Kontext der Analogie situiert sind. Es handelt sich also nicht um ein Unterscheidungskriterium der beiden Konzepte, sondern vielmehr um ein Moment der Übereinstimmung. Erst die zweite Vorbemerkung wird deutlich machen, inwiefern sich Analogie und Univozität voneinander unterscheiden. 81
82 83
Sermo XLIV/3, n. 446 (LW IV, 372, 4-6): „Rursus notandum quod omnia parata sunt servire deo, quia res una est in causa et effectu analogis, differens solum modo. Propter quod ipsum nomen hoc indicat analogiae, id est id ipsum utrobique, per prius tamen et posterius.“ Cf. Proc. Col. I, n. 81 (LW V, 277, 6): „Ad evidentiam igitur praemissorum tria notanda sunt.“ Cf. Mojsisch, Meister Eckhart (nt. 8), 81: „Gegen eine Theorie, die den Menschen prinzipiell aus dem Bereich univok-korrelationaler Prozesse ausschließt - ein entsprechender historischer Markstein: Alberts des Großen Theorie der Äquivozität, Univozität und Analogie -, denkt Eckhart den Menschen, sofern er Gerechter als Gerechter oder Bild als Bild ist, als integratives Moment dieser Prozesse, als Moment, durch das diese Prozesse überhaupt auch erst möglich werden, indem die Momente sich wechselseitig setzen (mutuo se ponunt), ohne ihre Einheit zu verlieren.“
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1. Reduplikation In der ersten Vorbemerkung der Verteidigungsschrift macht Eckhart eigens auf die Bedeutung des Wortes inquantum im Sinne der Verdopplung (reduplicatio), jener für seine Theorie wichtigen logischen Grundlage, aufmerksam: „Primum est quod li ,in quantum‘, reduplicatio scilicet, excludit omne aliud, omne alienum etiam secundum rationem a termino.“ 84
Die inquantum-Reduplikation eines konkreten Terminus, wie beispielsweise ,iustus inquantum iustus‘, bedeutet demnach die Exklusion von allem anderen außerhalb seiner selbst, um zugleich in der Zurückbeugung auf sich die abstrakte Form hervorzuheben, die ihn definiert. Diese Struktur impliziert ein Begründungsverhältnis, bei dem das abstractum das concretum bestimmt und mit ihm zu einer Einheit wird 85. Und gemäß einer solchen Ordnung bekommt das Konkrete alles totaliter von dem Abstrakten. Diese Ordnung ist bei Eckhart nicht nur auf logischer, sondern vor allem auf metaphysischer Ebene zu verstehen 86 und entspricht jener zwischen Gott und Geschöpf 87. 2. Gleichheit zwischen Analogie und Univozität Reduplikationsformulierungen tauchen bei Eckhart meist im Kontext der allgemeinen und geistigen Vollkommenheiten, insbesondere der iustitia und bonitas, auf. In Anlehnung an die erste Vorbemerkung erscheint im Beispiel des Gerechten „der Gerechte als Gerechter“ bzw. „der Gerechte, insofern er gerecht ist“, unter Absehung aller anderen Bestimmungen, auch seiner Geschöpflichkeit, und das heißt gleichsam unter einer göttlichen Perspektive. Die reduplicatio erlaubt Eckhart somit eine Betrachtung des Menschen, durch die er diesem dieselben göttlichen Vollkommenheiten zusprechen kann, die Gott im eigentlichen Sinne zukommen. Ertrag und Ziel einer solchen Auffassung ist es, dass sich eine Verei84 85
86
87
Proc. Col. I, n. 81 (LW V, 277, 7-8). Cf. V. Lossky, The´ologie ne´gative et connaissance de Dieu chez Maıˆtre Eckhart, Paris 1960, 110: „En se repliant sur lui-meˆme par l’inquantum, un terme concret (iustus) de´gage la forme abstraite qui le de´finit (iustitia), pure de toute autre attribution qui pourrait de´terminer le sujet dans l’ordre concret de son existence. Purifie´ par la re´duplication, le terme concret atteint le niveau de l’abstrait qui le pre´ce`de non seulement logiquement, mais aussi dans le sens me´taphysique d’une formalite´ participe´e. Re´duit - ou plutoˆt exalte´ - au niveau de l’abstrait, le concret se montre identique avec la formalite´ abstraite: iustus, inquantum iustus, est ipsa iustitia.“ Cf. ibid. De Libera hat nachgewiesen, dass Eckhart mit den Beispielen, die er im Rahmen seiner Analogielehre verwendete, auf einen zeitgenössischen logischen Diskurs Bezug nahm und eine eigene Semantik bzw. Prädikationstheorie entwickelte. Diese versteht de Libera sogar als die eigentliche Basis der Eckhart’schen Metaphysik der Analogie: „[…] la doctrine eckhartienne de la pre´dication est le ve´ritable fondement de sa me´taphysique […]“ (Le proble`me [nt. 67], 39 sowie 9 sqq.). Cf. In Sap., n. 155 (LW II, 491, 1-2): „[…] nihil tam indistinctum quam ens et esse, potentia et actus eiusdem, forma et materia. Sic autem se habet deus et omne creatum.“
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nigung des Menschen mit Gott konzipieren lässt, bei der eine Angleichung an die Trinität stattfindet 88, die jedoch nicht als Univozität zu definieren ist. Denn die Vollkommenheiten werden, so fügt Eckhart in der Antwort zum 36. Artikel der zweiten Liste 89 hinzu, dem ,homo iustus inquantum iustus‘ in analoger Weise (analogice) verliehen: „Verum quidem est, devotum et morale quod hominis iusti, in quantum iustus, totum esse est ab esse dei, analogice tamen. Constat enim quod nemo iustus est nisi a iustitia, sicut nec albus nisi ab albedine […].“ 90
Der inquantum-Begriff als ,hermeneutische[s] Schlüsselwort‘ 91 ist sonach entgegen der Auffassung vieler Eckhart-Interpreten 92 - kein ausschließlicher Indikator für ein univokes Beziehungsverhältnis. ,Analogie‘ drückt vielmehr genau jene sachliche Einheit aus, die in der Reduplikation durch die Hinordnung des Konkreten auf das Abstrakte konstituiert wird und mit dem Identitätsmoment im analogen Verhältnis vereinbar ist. In diesem Sinne, d. h. unter der Perspektive der Reduplikation, kann der Mensch göttlich genannt werden, wie Eckhart dies in der solutio zum 14. Artikel der zweiten Liste darlegt. Dort wendet er das Schema der Reduplikation auf den homo humilis in seiner Bezogenheit auf die humilitas an. Wiederum betont Eckhart vor allem die Einheit beider, wobei er den Einheitsgedanken durch den Kontext der Hölle zusätzlich radikalisiert bzw. sich, so räumt er selbst ein, ,emphatisch‘ 93 ausdrückt. Als Beleg für die Ununterschiedenheit zwischen Konkretem und Abstraktem zieht er den oft wiederholten aristotelischen Grundsatz der Einheit zwischen album und albedo heran und überträgt diesen Gedanken schließlich auf die Göttlichkeit des Menschen, die er als analog charakterisiert: „,Si iste homo [= homo humilis] esset in inferno, oporteret deum venire in infernum et oporteret infernum esse regnum caelorum. Oporteret deum facere de necessitate […], quia istius esse est esse divinum et divinum esse est suum [est divinum] esse‘. Dicendum quod totum verum est, morale et devotum, emphaticum tamen […]. Homo enim humilis in quantum humilis non est duo cum humilitate. Duo enim divisionem dicit et est radix divisionis. Quomodo autem esset quis unus divisus 88
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Cf. Lossky, The´ologie ne´gative (nt. 85), 109 sq.: „Maıˆtre Eckhart de´couvre une saveur trinitaire dans ces propositions ou` l’identite´ de l’Eˆtre, l’identite´ de ses de´terminations transcendentales ou d’autres ,termes ge´ne´raux‘ et ,perfections spirituelles‘ (comme sagesse, justice, etc.) est pre´dique´e dans une re´pe´tition: sum qui sum, bonum bonum. Le meˆme sens trinitaire s’attache a` l’expression ,en tant que‘ (inquantum) que Maıˆtre Eckhart emploie tre`s souvent pour ope´rer la ,re´duplication‘ d’un terme.“ Proc. Col. II, n. 91 (LW V, 340, 1-2): „Vivere meum est esse dei, vel vita mea est essentia dei, quidditas dei quidditas mea.“ Proc. Col. II, n. 92 (LW V, 340, 3-6). Ruh, Meister Eckhart (nt. 12), 86. Cf. z. B. die unter Bezugnahme auf Mojsisch vertretene Auffassung von Sturlese: „Während von Gott und dem Naturding eine Vollkommenheit analog ausgesagt wird, wird die Vollkommenheit, die von Gott und vom Ding als (inquantum) vollkommen ausgesagt wird, univok ausgesagt, handelt es sich doch um eine Vollkommenheit Gottes selbst“ (L. Sturlese, Meister Eckhart. Ein Porträt [Eichstätter Hochschulreden 90], Regensburg 1993, 15). Cf. supra (nt. 27).
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ab ‹unitate, humilis divisus ab› humilitate, albus divisus ab albedine et sine albedine? Quapropter ubicumque in inferno esset humilis, necessario esset humilitas. Constat etiam quod eodem quo deus est deus, homo est divinus analogice. Nec enim quis est divinus sine deo, sicut nec albus sine albedine.“ 94
Steht das erste praenotandum mit dem Thema der Reduplikation gewissermaßen für die Gleichheit zwischen Analogie und Univozität, so weist Eckhart in der anschließenden zweiten allgemeinen Vorbemerkung ausdrücklich auf die Differenz zwischen Analogie und Univozität hin. 3. Differenz zwischen Analogie und Univozität Im zweiten praenotandum der Verteidigungsschrift fokussiert Eckhart das Verhältnis zwischen bonus und bonitas, wobei er sich auch hier wieder der Reduplikation bedient, doch macht er an dieser Stelle nichtsdestominder den Unterschied zwischen Analogie und Univozität deutlich: „Secundum est quod bonus et bonitas sunt unum. Bonus enim in quantum bonus solam bonitatem significat, sicut album solam qualitatem, albedinem scilicet, significat. Haec tamen, bonus et bonitas, sunt in filio, spiritu sancto et patre unum univoce, in deo autem et nobis, qui boni sumus, sunt analogice unum.“ 95
Das Verhältnis von bonus und bonitas ist unum univoce nur im innertrinitarischen Bereich. Wenn es aber Gott und Mensch betrifft, so sind Gutheit und Guter ,analogice unum‘ 96. Wie aus dem Zitat ersichtlich ist, spricht Eckhart hierbei nicht vom Verhältnis zwischen Gott und uns als Geschöpfen, sondern von Gott und „uns, die wir gut sind“ 97. Der Grund, warum diese Einheit, auch wenn von der 94
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Proc. Col. II, nn. 29-30 (LW V, 324, 23-325, 9) (Hervorh. d. Verf.). Zur Thematik der Gottessohnschaft cf. infra, Abschnitt V. Proc. Col. I, n. 82 (LW V, 278, 3-6). Otto Langer veranschlagt neben diesen beiden Relationen für das Verhältnis Gott - Seelengrund eine dritte, die er als Mischform begreift, bei der „analoge und univoke Gesichtspunkte ineinandergreifen“. Entsprechend ist für Langer der Seelengrund einerseits „das Analogon Gottes und zugleich univok eins mit Gott“; cf. id., Mystische Erfahrung und spirituelle Theologie. Zu Meister Eckharts Auseinandersetzung mit der Frauenfrömmigkeit seiner Zeit (MTU 91), München 1987, 273 u. 278. Eine klare Grenzbestimmung von Analogie, Univozität und der Mischform wäre kaum noch möglich, wenn jedes Verhältnis im Hinblick auf univoke und analoge ,Aspekte‘ sowie deren Zusammenfallen oder Getrenntbleiben untersucht werden müsste, zumal Uneinigkeit darüber besteht, welche Aspekte überhaupt der Univozität zuzuordnen sind und welche der Analogie. Langer hat in seiner Studie die Palette der ,12 Univozitätsgrundsätze‘ Mojsischs erheblich reduziert. Mojsisch meint hingegen: „Das Beispiel ,Gutheit - Guter‘ steht für Eckharts Univozitätstheorie überhaupt […]“; cf. id., Meister Eckhart (nt. 8), 71. Interessanterweise verrät die zugehörige Marginalie eine fehlerhafte Rezeption der zweiten Vorbemerkung durch den Korrektor Sc: „Bonus et bonitas sunt univoce in patre et filio, spiritu sancto, in nobis vero et deo analogice, ergo omnino bonitate et re idem sumus“ (Marg. sup. zu Proc. Col. I, n. 82, n. 008 [LW V, 375]). Dass der Korrektor die Analogielehre Eckharts eher missversteht, scheint aus zweierlei Gründen hervorzugehen. Erstens lässt er den wichtigen Zusatz ,qui boni sumus‘, also gerade die Perspektive der Verdopplung, beiseite. Zweitens handelt Eckhart nicht davon, dass der Mensch und Gott durch die res derselbe sei, sondern stets davon, dass die res für Gott
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Geschöpflichkeit des Menschen abgesehen wird, als analog und nicht als univok qualifiziert wird, kann nur darin liegen, dass der Seinsunterschied in der Einheit de facto bestehen bleibt. Reduplikationsformulierungen können somit zwar als Signal für die im Hintergrund stehende Analogie- und Univozitätsproblematik fungieren, sind aber für sich genommen kein ausreichendes Indiz entweder für Univozität oder für Analogie. Das Eigentümliche an Eckharts Modell der Einheit von bonus und bonitas ist gerade, dass es für das trinitarische Geschehen gleichermaßen wie für den Menschen in seinem Verhältnis zu Gott gilt. Die Konzepte von Analogie und Univozität unterscheiden sich in diesem Grundsatz also nicht: Nach Eckhart sind beide Formen von Einheit. Die Unterscheidung zwischen Univozität und Analogie, wie sie in der zweiten Vorbemerkung hinsichtlich der Gutheit ausgeführt wird, bezieht sich in gleicher Weise auf die anderen göttlichen Vollkommenheiten. In der Stellungnahme zu einem inkriminierten Exzerpt aus dem Ersten Genesiskommentar, das von der Rechtfertigung des Sünders handelt 98, äußert sich Eckhart ebenso in Bezug auf die Gerechtigkeit, wobei er auf die zweite Vorbemerkung verweist: „In divinis quidem univoce, in creaturis autem et deo analogice se habe[n]t. Est ergo eadem iustitia sive bonitas simpliciter et absolute in divinis, in creaturis autem analogice, ut dictum est supra frequenter.“ 99
Wiederum erfolgt hier die Differenzierung zwischen Univozität und Analogie gemäß den jeweiligen Anwendungsbereichen: Im Göttlichen muss die Gerechtigkeit univok, im Kreatürlichen analog verstanden werden. Trotz dieser Differenzierung betont der Thüringer - da dieser Aspekt das Hauptanliegen seiner Konzeption zu sein scheint -, dass es dieselbe göttliche Gerechtigkeit sei, die auch in den Geschöpfen ist. Eine weitere Unterscheidung zwischen den beiden Relationsformen ist in dem noch zu berücksichtigenden sechsten inkriminierten Artikel aus dem ,Requisitus‘-Traktat zu finden, und zwar aus der Perspektive des Verhältnisses zwischen Träger und Eigenschaft, zwischen Früher und Später: „Sextus est quod qualitates elementares univoce accipiunt esse a subiecto, per subiectum et in subiecto, analogice vero, puta iustitia, veritas et huiusmodi, non sic, sed e converso. Non enim accipiunt esse a subiecto, sed subiectum accipit ab ipsis et per ipsas et in ipsis esse iustum, verum, bonum et huiusmodi, quae sunt priora suis subiectis et manent corruptis subiectis suis […].“ 100
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und Mensch dieselbe sei. Die ,Selbigkeit‘, welche der Korrektor als Identität in Hinsicht auf das suppositum interpretiert, würde eine univoke Einheit bedeuten, die laut Eckhart aber nur im innertrinitarischen Bereich möglich ist. Cf. Proc. Col. I, n. 33 (LW V, 311, 12-15): „In iustificatione impii necessario concurrit iustitia ingenita gignens et pariens et parens. Item oportet concurrere iustitiam non aliam, sed eandem, genitam tamen. Sicut ergo nemo potest esse iustus sine iustitia, sic nec genitus iustus sine genita iustitia.“ Proc. Col. I, n. 114 (LW V, 288, 12-15). Proc. Col. I, n. 30 (LW V, 310, 18-23). Cf. Prol. gen. in op. trip., n. 8 (LW I, 152, 8-153, 2): „Primum est quod de terminis generalibus, puta esse, unitate, veritate, sapientia, bonitate et similibus nequaquam est imaginandum vel iudicandum secundum modum et naturam accidentium, quae accipiunt esse in subiecto et per subiectum et per ipsius transmutationem et sunt posteriora ipso et inhaerendo esse accipiunt […]. Secus
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Eckhart bezeichnet ein Verhältnis demzufolge als univok, wenn das Sein einer Qualität, wie im Beispiel der Elementarqualitäten, sich zum Träger so verhält, dass es vom Träger abhängig ist, weil es nur von ihm, durch ihn und in ihm dieses Sein erhält, und insofern später als sein Träger ist. Im Fall der Analogie verhält es sich genau umgekehrt, und hier gewinnt das Motiv an Brisanz. Der Mensch als Träger der Vollkommenheiten (,iustitia, veritas et huiusmodi‘) erhält das Gerechtsein, Wahrsein, Gutsein usw. nur von den Vollkommenheiten selbst, in diesen und durch diese. Da die allgemeinen und geistigen Vollkommenheiten immer schon mit Gott identisch sind, verweist jeder auf eine Vollkommenheit gerichtete Vollzug des Menschen auf Gott als seinen Ursprung und ist, darin besteht die radikale Konsequenz von Eckharts Verständnis der Analogie, unmittelbar eins mit ihr. Allerdings werden dem Menschen die Vollkommenheiten in dieser Einheit nicht als akzidentelle Bestimmungen oder dauerhafte Qualitäten verliehen, sondern immer nur - parallel zur Schöpfungslehre - in Form eines kontinuierlichen Werdens oder als eine Leihgabe. So versteht Eckhart beispielsweise das Gerechtsein des Menschen als sich je vollziehende Gleichgestaltungen mit der einen, göttlichen Gerechtigkeit, die im Menschen selbst jeglicher Eigenständigkeit entbehrt. Dieser Abhängigkeit im analogen Verhältnis seitens des Geschöpfes stehen die göttlichen Vollkommenheiten gegenüber, die ontologisch gesehen früher sind und, anders als beim Univoken, ohne einen Träger sein können. Dem inkriminierten Exzerpt aus dem ,Requisitus‘-Traktat zufolge ist das Merkmal der Analogie im Gegensatz zur Univozität so die völlige Abhängigkeit - des Trägers von der Form, des Menschen von Gott und von den mit ihm identischen Vollkommenheiten. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass das analoge Verhältnis in Hinsicht auf die Reduplikation, die sprachlich meist als inquantum ausgedrückt wird, dem univoken Verhältnis entspricht. Dies sollte jedoch nicht dazu führen, diese Analogie als vermeintliche Univozität zu deuten, denn Eckhart grenzt Erstere eindeutig von Letzterer ab. Ob ein solcher Analogiebegriff seiner zentralen Anwendung, der Gottessohnschaft des Menschen, wirklich standhält, soll abschließend eine Analyse des letzten Artikels der Verteidigungsschrift und seiner Einlassung erweisen. V. Die analog e Gottessohnschaft des Menschen („ nos filii dei sumus analogice “ ) Das Thema der Gottessohnschaft des Menschen durchzieht viele Artikel der Verteidigungsschrift. Der Ort, an dem explizit der Zusammenhang zwischen Gottessohnschaft und Analogie erörtert wird, ist die solutio zum 59. Artikel der zweiten Liste. Es ist der letzte und einer der wichtigsten Artikel der gesamten autem omnino se habet de praemissis generalibus. Non enim ipsum esse et quae cum ipso convertibiliter idem sunt, superveniunt rebus tamquam posteriora, sed sunt priora omnibus in rebus.“
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Verteidigungsschrift, den Eckhart ausführlich behandelt. Wie in den vorangehenden Artikeln 55 bis 58 handelt es sich hier um einen Auszug aus der zehnten deutschen Predigt, einer Auslegung von Eccli. 44, 16-17 101. Im 59. Artikel geht es in erster Linie um die Einheit und Ununterschiedenheit des eingeborenen Sohnes und der menschlichen Seele: „Homo debet sic vivere, quod ipse sit unum in illo unigenito filio et quod ipse sit ille unigenitus filius. Inter unigenitum filium et animam non est aliqua distinctio.“ 102
Besonders den letzten Satz, der die Indistinktheit zwischen der menschlichen Seele und dem eingeborenen Sohn betrifft, rückt Eckhart ins Zentrum seiner Einlassung. Zu Beginn der Antwort weist er die ihm vermutlich unterstellte häretische Lesart dieses Satzes, diejenige einer einfachen Identifikation des gerechten Menschen mit Gott, klar zurück. Obwohl sich der Prediger anscheinend der Gefährlichkeit eines solchen Satzes auch angesichts seiner persönlichen Verantwortung als Seelsorger bewusst war, beansprucht er die Richtigkeit seiner Lehre und erläutert zum Abschluss der Verteidigungsschrift nochmals sein Einheitsverständnis. Er macht dabei in genauer Differenzierung deutlich, worin die Ununterschiedenheit besteht und inwiefern es dennoch Unterschiedenheit innerhalb der Einheit mit dem Gottessohn gibt. Als Erklärung zieht er das paradigmatische Beispiel Guter - Gutheit heran, und nicht zuletzt erwähnt er im Zusammenhang mit der Gottessohnschaft des Menschen drei Mal, dass diese Einheit analogice zu verstehen sei. Mithilfe des bekannten Spiegelbeispiels veranschaulicht er die analoge Natur der Gott-Mensch-Beziehung, die abschließend in dem Moment der Innerlichkeit eine zusätzliche Steigerung erfährt. 1. distinctio und indistinctio in der analogen Einheit (Proc. Col. II, nn. 139-145) Um eine missverständliche Deutung des Satzes „inter unigenitum filium et animam non est aliqua distinctio“ abzuwehren, weist der Thüringer in der Einlassung zum 59. Artikel ausdrücklich darauf hin, dass die Indistinktheit nicht bedeute, dass „der gerechte Mensch Gott ist“, dass „das Geschöpf Schöpfer ist“ 103 oder, wie er es auch formuliert, dass „ich Gott bin“ 104. Von welcher Art ist dann eine solche indistinctio, die zugleich ein Moment des Unterschiedes enthält? Sie entspricht jenem Merkmal des Eckhart’schen Analogieverständnisses, das die Diffe101 102 103
104
„In diebus suis placuit deo et inventus est iustus.“ Proc. Col. II, n. 139 (LW V, 351, 1-3). Proc. Col. II, n. 142 (LW V, 352, 3-5): „[…] quamvis anima sancta unum sit cum deo […] non tamen creatura est creator nec homo iustus est deus“; cf. auch Proc. Col. II, n. 16 (LW V, 321, 18-19): „Non enim creatura creator est, sed creatio est propria soli deo“, sowie Proc. Col. I, n. 132 (LW V, 296, 1113): „Homo enim sanctus sive bonus quicumque non fit ipse Christus, nec primogenitus nec per ipsum salvantur alii nec est imago dei, filius dei unigenitus, sed est ad imaginem dei […].“ Proc. Col. II, n. 141 (LW V, 351, 8-9): „Si intelligatur quod ego sim deus, falsum est.“ Cf. auch die Einlassung zum 15. Artikel, Proc. Col. II, n. 35 (LW V, 326, 5-6): „Quod autem dicit articulus in fine, quod ,homo divinus fit nihil aliud quam quod deus est‘, falsum est et error.“
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renz in der Einheit berücksichtigt: die Verschiedenheit der natürlichen Seinsweise der Analogate trotz ihrer Einheit in der Sache oder im Sein. Warum Eckhart diesbezüglich oftmals falsch verstanden wurde, dürfte unter anderem auf das Problem zurückzuführen sein, dass der Gelehrte und Prediger die Differenz der Seinsweise für so selbstverständlich erachtete, dass er sie häufig entweder gar nicht oder nur beiläufig erwähnte 105. Eckharts Stellungnahmen in der Verteidigungsschrift reichten den Avignoneser Theologen letztlich jedoch nicht aus, um von einer Verurteilung Abstand zu nehmen. Die Sätze 20 bis 22 stehen in der Bulle im Verdacht genau jener häretischen Bedeutung, die Eckhart in der Einlassung zum 59. Artikel explizit für falsch hält, nämlich die pure Identität des Menschen mit dem Gottessohn, der menschlichen mit der göttlichen Natur 106. Doch in Avignon war allein der Wortlaut der Sätze (,verba prout sonant‘) unabhängig von ihrem Zusammenhang, ihrer wissenschaftlichen Begründung oder der Intention des Autors maßgebend 107. Der aus heutiger Sicht möglichen Deutung der Einheitsproblematik, dass sich nämlich Analogie nur dort findet, wo der Mensch qua Kreatur im Verhältnis zu Gott steht, dass aber der Mensch, insofern er als filius dei betrachtet wird, in gleicher Weise univok eins mit Gott ist wie Christus, widersprechen die folgenden Passagen der solutio zum letzten Artikel, in welchen Eckhart die analoge Einheit des Gottessohnes im Menschen darlegt. Die analoge Gottessohnschaft des gerechten Menschen erläutert der Dominikaner zunächst anhand des Verhältnisses zwischen der Gutheit und dem Guten, von denen er bereits im zweiten praenotandum ausgesagt hat, dass sie „in Gott und uns, die wir gut sind, analog eins sind“ 108: „Nec putandum est quod alio et alio filio dei iusti quique sint filii dei, sed sicut omnes boni ab una et eadem bonitate analogice boni sunt […].“ 109
In der Parallele zum Verhältnis zwischen bonus und bonitas kommt in dieser Einlassung wiederum die ,una et eadem res‘, nämlich der eine Gottessohn, als notwendiger Bestandteil des Analogen zum Tragen. Eckhart fährt fort, indem er auf das Motiv der Einheit des Gottessohnes in allen angenommenen Söhnen besonderen Nachdruck legt und ausdrücklich die Analogizität der Gottessohnschaft des Menschen erwähnt: 105
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Cf. z. B. Pr. 4 (DW I, 72, 15-73, 2): „Daˆ der vater sıˆnen sun in mir gebirt, daˆ bin ich der selbe sun und niht ein ander; wir sıˆn wol ein ander an menscheit, aber daˆ bin ich der selbe sun und niht ein ander.“ Cf. Acten zum Processe Meister Eckeharts, in: H. S. Denifle/F. Ehrle (eds.), Archiv für Literaturund Kirchengeschichte des Mittelalters 2 (1886), 616-640, hier 638: „Quod bonus homo est unigenitus filius Dei “ (Artikel 20); „Homo nobilis est ille unigenitus filius Dei, quem Pater aeternaliter genuit“ (Artikel 21); „Pater generat me suum filium et eundem filium. Quicquid deus operatur, hoc est unum; propter hoc generat ipse me suum filium sine omni distinctione“ (Artikel 22). Cf. Sua´rez-Nani, Philosophie- und theologiehistorische Interpretation (nt. 46), 78 sq. sowie 63-69; cf. auch H. Fischer, Grundgedanken der deutschen Predigten, in: Nix/Öchslin (eds.), Meister Eckhart (nt. 46), 25-72, bes. 62-68. Cf. Trusen, Der Prozeß (nt. 2), 117-121. Cf. supra (nt. 95). Proc. Col. II, n. 143 (LW V, 352, 6-7).
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„[…] et sicut unus est deus in omnibus per essentiam, sic unus est filius deus in omnibus filiis adoptionis et illi per ipsum et in ipso sunt filii analogice, sicut supra frequenter ostensum est.“ 110
Im Kontext der Gottessohnschaft des Menschen rekurriert der Dominikaner also explizit auf die Analogie, wohingegen der Univozitätsbegriff hier in keiner Form erscheint. Er taucht in der Verteidigungsschrift immer nur dann auf, wenn er zugleich von der Analogie abgegrenzt wird. Es gibt freilich eine Ausnahme, und diese Textstelle ist hinsichtlich der Problematik der Gottessohnschaft nicht unwichtig, weil sie einen Aspekt der Univozität hervorhebt, der sie von der Analogie wesentlich unterscheidet: „Assumendo igitur ipsam naturam in ipso et per ipsum contulit gratiam filiationis et adoptionis omnibus hominibus, mihi, tibi et cuilibet participantibus univoce et aequaliter ipsam naturam […].“ 111
Von Univozität kann im vorliegenden Zusammenhang daher nur in dem Sinne gesprochen werden, dass dem Menschen und Christus als inkarniertem Logos die Menschennatur, die humanitas, univok gemeinsam ist 112. Die Weise, an der beide an dieser Natur teilhaben, kommt in dem Wort aequaliter zum Ausdruck. Während bei der Analogie eine Verschiedenheit des Modus konstitutiv ist, könnte man für die Univozität entsprechend folgern, dass eine Gleichheit des Modus, d. h. der Natur, vorliegt. Christus als der eingeborene Sohn Gottes, nicht als Mensch gewordener Gott, hat die göttliche Natur nur mit Gottvater, aber nicht mit dem Menschen gemeinsam, „denn er ist der Sohn von Natur“ 113. Der Mensch vermag indes nicht, seine Menschennatur von sich aus zu transzendieren und ein natürlicher Sohn Gottes zu werden 114. Wollte man Eckhart mit zeitgenössischen häretischen Ansichten in Verbindung bringen, so muss man feststellen, dass er niemals von einer Einheit zwischen Mensch und Gott per naturam gehandelt hat. Der Mensch wird Sohn Gottes nur durch „die Gnade der Sohnschaft und Adoption“ („gratiam filiationis et adoptionis“); und dies ist der Sinn der Inkarnation 115. Der Mensch ist insofern - und das wird Eckhart nicht 110 111
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Proc. Col. II, n. 143 (LW V, 352, 7-10). Proc. Col. II, n. 65 (LW V, 333, 10-13). Cf. Proc. Col. I, n. 139 (LW V, 299, 10-12): „Verum est enim quod deus assumendo humanam naturam contulit ipsi et omnibus participantibus naturam illam illa quae Christo contulit […]“, und In Ioh., n. 289 (LW III, 241, 7-8): „[…] natura est nobis omnibus aequaliter communis cum Christo univoce.“ Cf. Lossky, The´ologie ne´gative (nt. 85), 360: „Si les personnes humaines sont univoques au Fils de Dieu (= Juste) quant a` l’humanite´ qu’il avait assume´e, elles ne le sont pas quant a` sa divinite´. Les hommes ne deviennent donc pas univoquement ,divins‘ (ou ,fils‘ univoques de la justice) par le fait de l’incarnation, mais ils recX oivent ,le pouvoir de devenir fils de Dieu‘ ( Jean 1, 12) dans un nouveau rapport analogique qui n’est plus celui de la cre´ation.“ Proc. Col. II, n. 144 (LW V, 352, 15-16): „[…] quia naturalis filius est.“ Mojsisch ist demgegenüber der Auffassung, dass der Mensch im Seelengrund, in der Menschennatur, „univok der Gottessohn selbst ist“ (Mojsisch, Meister Eckhart [nt. 8], 146). Cf. zur Weise der Gottessohnwerdung durch die Gnade (der Adoption) die folgende Bemerkung des Korrektors in der Marginalie zu Proc. Col. II, n. 142 (n. 450 [LW V, 378]): „Quare Christianus iam deificatus et Christo intime unitus iam quodam modo gratia adoptionis Christus factus est“, sowie die folgenden Stellen aus dem Johanneskommentar: In Ioh., n. 106 (LW III, 90, 11-12): „[…]
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müde zu betonen - derselbe Sohn Gottes, durch den auch Christus Sohn Gottes ist, aber was dieser von Natur ist, sind die Menschen im analogen Sinn: „Non est ergo putandum quod alius sit filius, quo Christus eius est filius, et alius, quo nos nominamur et sumus filii dei, sed id ipsum et is ipse, qui Christus filius est naturaliter genitus, nos filii dei sumus analogice […].“ 116
Die Identität bzw. indistinctio von Christus und der menschlichen Seele im gezeugten Gottessohn hebt den analogen Status somit nicht auf. Analogie steht nicht Einheit, sondern natürlicher Zeugung gegenüber. Da der Mensch aber kein natürlich gezeugter Gottessohn ist, folgt daraus, dass Analogie - auch in Bezug auf die Vollendung des Menschen - wesentlich mit Gnade als dem Modus der Zeugung verbunden ist 117. Erst die Gnade bewirkt „eine Gleichgestaltung der Seele mit Gott oder vielmehr deren Umgestaltung in Gott. Zweitens verleiht sie das Eines-Sein mit Gott“ 118. Wenn auf diese Grundlage nicht eigens verwiesen wird, scheint es, als könnte der Mensch sich allein durch richtige Lebensführung zur Einung mit dem Gottessohn qualifizieren - wie man beispielsweise durch den ethischen Imperativ im ersten Teilsatz des vorliegenden Artikels glauben könnte 119 -, und als würde die Gnade überflüssig sein 120. Eine solche Autonomie des Menschen, der für seine Vervollkommnung gleichsam selbst verantwortlich wäre, würde Eckharts Konzeption der Gottessohnschaft jedoch entgegenstehen. 2. imago speculis - Sinnbild der analogen Gottessohnschaft des Menschen als imago dei Wie die analoge Einheit des Gottessohnes im Menschen zu denken ist, veranschaulicht Meister Eckhart anschließend an dem Beispiel des Spiegelbildes, das den Charakter der Analogie treffend beschreibt:
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fructus incarnationis Christi, filii dei, primus est quod homo sit per gratiam adoptionis quod ipse est per naturam“; In Ioh., n. 184 (LW III, 154, 2-5): „Christus ergo perfectio, gratia, veritas est naturalis et per naturam […]. Nobis autem […] ea quae perfectionis sunt, gratiae et veritatis, per adoptionem sunt et per gratiam“; In Ioh., n. 120 (LW III, 105, 5-7): „[…] eodem filio dei omnes iusti et deiformes, qui verbum caro factum in Christo habitante in nobis et nos sibi per gratiam conformando nominamur et sumus filii dei.“ Cf. dazu W. Goris, Einheit als Prinzip und Ziel. Versuch über die Einheitsmetaphysik des Opus tripartitum Meister Eckharts (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 59), Leiden-New York-Köln 1997, 364: „Per adoptionem wird der Mensch filius dei - das Geschehen dieser Sohnwerdung denkt Eckhart im Modell des unum in actu.“ Proc. Col. II, n. 145 (LW V, 352, 21-23) (Hervorh. d. Verf.). Cf. supra (nt. 115). Sermo XXV/2, n. 263 (LW IV, 240, 2-4): „Item respectu suscipientis gratiam gratia est confirmatio, configuratio sive potius transfiguratio animae in deum et cum deo. Secundo dat esse unum cum deo.“ „Homo debet sic vivere, quod ipse sit unum in illo unigenito filio […]“ (cf. supra, nt. 102). Cf. Goris, Einheit (nt. 115), 284: „Wird im Aufstieg der Seele die Voraussetzung der Gnade nicht explizit gemacht, so droht eine rücksichtslose Überbewertung der menschlichen Natur, die sich und alles Geschaffene aus sich heraus zum Ursprung zurückzubringen vermöchte.“
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„Exemplum est in imaginibus genitis in multis speculis ab una facie intuentis, ubi omnes imagines illae, secundum quod imagines, sunt ab ipsa una imagine, quae est facies intuentis. Iterum, nulla ipsarum erat nec manet nisi per illam et in illa […]. Sic enim et imago sive species obiecta speculis semper manet manente natura.“ 121
Im Spiegelbeispiel werden zwei bereits bekannte Momente der Analogie hervorgehoben. Das Erste betrifft die Einheit der res bzw. die Selbigkeit des Bildes: wie viele Spiegelbilder (im übertragenen Sinn angenommene Gottessöhne) auch erzeugt werden, das Bild selbst (d. h. das Antlitz des Gottessohnes) ist und bleibt eines und ist dasselbe eine. Wäre dies im Übrigen nicht der Fall und gäbe es mehrere Gottessöhne, könnte man von den Menschen als Menschen (und dem inkarnierten Gottessohn) nicht im univoken, sondern nur im äquivoken Sinne von filii dei sprechen 122. Der zweite Punkt drückt die Abhängigkeit des Spiegelbildes von seinem Bild aus, denn nur solange die Natur des Bildes anwesend ist, existiert das Abbild. Hiermit ist ein wichtiges Merkmal der Analogie angesprochen, nämlich die totale Abhängigkeit des secundum analogatum vom primum analogatum, da jenes keinen Bestand in sich selbst hat. Im achten Artikel der Predigten innerhalb der ersten Liste, einem Exzerpt aus der deutschen Predigt 16a, wurde der Aspekt der Abhängigkeit des Bildes in der menschlichen Seele bereits verdeutlicht: „Quae imago [trinitatis] animae non est sibi ipsi, ,sed est maxime illi, a quo essentiam et naturam suam accepit‘, non aliam essentiam, sed eandem.“ 123 In der Spiegelmetapher kommt zwar eine gewisse Gleichheit von Abbild und Bild zum Ausdruck, doch wird dieses Verhältnis nicht univok, da das Abbild nicht aus sich selbst, sondern immer von einem anderen ist, von dem es die Natur empfängt 124. In der Gleichheit des trinitarischen Abbildes hört die Abhängigkeit des Abbildes von seiner Bild-Quelle auch dann nicht auf, wenn von aller Kreatürlichkeit des Menschen abgesehen und allein das rein geistige Sein 121 122
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Proc. Col. II, n. 144 (LW V, 352, 11-13; 16). Diese Hinzufügung macht Eckhart im Johanneskommentar im Anschluss an das Spiegelbeispiel: „Praeterea, quotquot specula opponantur vultui vel faciei hominis, formantur ab eadem facie numerali: sic etiam omnes iusti et singuli ab eadem iustitia prorsus et simpliciter iusti sunt, formantur, informantur et transformantur in eandem. Alioquin enim non essent univoce iusti, sed nec iustus quilibet esset vere iustus, si alia esset iustitia in se ipsa et alia in iusto“ (In Ioh., n. 119 [LW III, 104, 9-13]). Diese Aussage meint nicht das Verhältnis zwischen den gerechten Menschen und der Gerechtigkeit bzw. zwischen den angenommenen Gottessöhnen und dem natürlichen Gottessohn und braucht daher auch nicht als Zeugnis einer ,univoken Korrelationalität‘ in Anspruch genommen zu werden. Cf. Lossky, The´ologie ne´gative (nt. 85), 359: „L’expression univoce iusti ne doit pas nous geˆner, car elle ne concerne pas le rapport des justes a` la justice: il s’agit de l’univocite´ des justes entre eux et avec le ,premier Juste‘, le Christ, pour autant que le Fils de Dieu s’est rendu connaturel aux hommes ayant assume´ leur nature. Le rapport du juste a` la justice n’est univoque que pour le Fils de Dieu.“ Proc. Col. I, n. 62 (LW V, 315, 26-27). Cf. Pr. 16b (DW I, 269, 1-3): „Die ander eigenschaft des bildes sult ir merken an der glıˆcheit des bildes. Und hie merket sunderlıˆche zwei stücke. Daz ein ist: daz bilde enist sıˆn selbes niht, noch enist im selber niht“; cf. auch Pr. 16a (DW I, 259, 5-10): „dit beelde en es van den spiegele niet, en es oec van he¯ seluen niet, maer dit beelde alremeest es in dien, van wien tsijn wesen heeft ende sine nature.“
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des Menschen betrachtet wird. In der Einheit des Gottessohnes in der Seele bleibt immer noch eine relative Distinktheit von Gottvater als dem Zeugenden und dem Gottessohn als Gezeugtem vorhanden 125. Und diese befinden sich in der menschlichen Seele - dies ist das Entscheidende - eben nicht in einem gleichwertigen Verhältnis (,univoce et aequaliter‘) zueinander, sondern der Akt des Zeugens und somit sein Produkt, der gezeugte Gottessohn, sind von der unaufhörlichen Präsenz des Zeugenden und dessen Gnadeneinströmung abhängig 126. Eine solche einseitige Dependenz ist unhintergehbar, und selbst wenn wir als Gottessöhne alles aequaliter empfangen 127, kann der Prozess der Einswerdung mit dem Gottessohn dem Prozess der Gottessohnschaft in der Trinität nicht völlig angeglichen werden 128. ,Univoke Korrelationalität‘ demgegenüber würde 125
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Cf. Proc. Col. I, n. 129 (LW V, 295, 3-4): „Unde ubicumque deus est, pater est et generans et ingenitus est, et ubicumque deus est, et filius genitus est.“ Diese Dualität ist nicht spezifisch für die Analogie, auch bei der Univozität bleiben die Prinzipien von Zeugen und Gezeugtwerden im Verhältnis relativer Opposition zueinander: „[…] principium activum opponitur relative genito, proli, filio […]“ (Proc. Col. I, n. 84 [LW V, 279, 1-2]). Cf. Goris, Einheit (nt. 115), 343: „Nur eine Deutung, welche die Gottesgeburt in der Seele von der Gnadeneinströmung Gottes abhebt, kann es wagen, dem Menschen in diesem Leben ein anderes als ein analoges Verhältnis mit Gott zuzuweisen.“ Goris’ Kritik richtet sich gegen Mojsischs Auffassung, dass Gnade zwar „stets der Vorbereitung der Geburt“ diene, „im transzendental-univoken Korrelationsverhältnis jedoch keine Funktion mehr“ habe (Mojsisch, Meister Eckhart [nt. 8], 136, nt. 154). Dass Mojsisch das Moment der Gnade bei der Gottesgeburt ausblendet, ist notwendige Voraussetzung für seine Theorie der ,univoken Korrelationalität‘, gemäß welcher der Mensch „die Prozessualität des Absoluten selbst ist“ und welche Eckharts „Erweisabsicht, das Selbstverständnis des Menschen zu revolutionieren“, offen legen soll (ibid., 111 u. 117). In dieser Hinsicht ist die Univozitätstheorie Eckharts letztlich Zeugnis zum einen für dessen antischolastische Haltung, zum anderen für dessen präidealistisches Konzept des Selbstentwurfs einer mit der göttlichen identischen menschlichen Vernunft. Ein solches Eckhartbild ist m. E. auch Resultat eines bestimmten vorgefassten Analogiebegriffs, der sich auf den Aspekt der Differenz ohne Einheit gründet. Cf. In Sap., n. 96 (LW II, 430, 10-431, 1): „In ipso enim aequaliter sunt omnia, et ipse aequaliter est omnia, et unum sunt omnia, quamvis non secundum omnia absque omnibus recipiatur.“ Dies wird durch die Antwort auf den 15. Artikel der zweiten Liste, der ebenfalls die Einheit des Menschen mit dem eingeborenen Sohn thematisiert, bestätigt: „Opus naturae et creationis ordinatur ad opus gratiae et recreationis. Item etiam frustra essemus filii dei, nisi per ipsum, qui est vere filius dei naturaliter […]“ (Proc. Col. II, n. 32 [LW V, 325, 14-16]). Eine Interpretation, die eine Univozität des Gottessohnes im Menschen unter Absehung der Gnade unterstellt, kann eine solche solutio im Sinne der Vermittlung der Gottessohnschaft durch den natürlichen Gottessohn nur als opportunistisches Verhalten des Angeklagten werten: „Eine inhaltliche Verteidigung seiner zentralen These, der völlig - als bestimmtes Seiendes - vernichtete Mensch sei der eingeborene Sohn Gottes, erscheint Eckhart genausowenig aussichtsreich. Er hält zwar an ihr fest […], doch er verlagert ihren Akzent weg von der Identität, indem er sie begründet mit dem Hinweis auf die Vermittlung der Gotteskindschaft aller durch den Gottessohn von Natur, ein Gedanke, der seinen Richtern vertraut war“ (Kampmann, Ihr sollt der Sohn selber sein! [nt. 13], 167). Lossky hat hingegen erkannt, dass Eckharts Insistieren auf dem analogen Verhältnis der Gottessohnschaft keine Ausrede war: „Son insistance sur le rapport analogique qui re´git la ,transformation de l’homme en Dieu‘ n’e´tait pas un subterfuge, une tentative maladroite de de´fendre la position inde´fendable attaque´e par ses accusateurs“ (Lossky, The´ologie ne´gative [nt. 85], 369).
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die gnadenhafte Abhängigkeit des Sohnes vom Vater ausschließen. Nur Christus ist jedoch im univoken Sinne Gottessohn zu nennen, da er der Sohn von Natur aus ist. Aus dem Spiegelbeispiel lässt sich ableiten, dass die Analogiekonzeption auch im Hinblick auf das rein geistige Sein des Menschen greifen könnte und nicht unbedingt in eine Univozitätstheorie transformiert werden muss. Die Kriterien ,Unmittelbarkeit‘ und ,Indistinktheit‘ sind für sich genommen noch keine hinreichenden Bedingungen für Univozität. Analoge Einheit ist, wie aus der Verteidigungsschrift hervorzugehen scheint, die einzige Möglichkeit des Menschen zu einer Einheit mit Gott. Diese geschieht zwar nach dem Modell der trinitarischen Einheit, ist aber nicht mit ihr identisch. 3. Innerlichkeit des Gottessohnes im Menschen Im letzten Abschnitt der solutio zum 59. Artikel korrigiert Eckhart das Spiegelbeispiel dahingehend, dass in ihm ein Moment des Entferntseins noch aufgehoben werden muss. Das Bild ist nämlich nicht außerhalb des Abbildes, und umgekehrt. Der Gottessohn, da er Einer ist und nur Eines aus ihm hervorgehen kann, ist uns so innerlich und nah, dass wir in ihm und er in uns ist: „Nec est putandum quasi ipse filius dei, deus, sit aliquid extrinsecum sive distans a nobis, ad quod analogemur, sicut est imago obiecta speculis, sed ipse, utpote deus indivisus et unicus, per essentiam intimus est et proximus unicuique nostrum, ,in ipso vivimus, movemur et sumus‘, Act. 17.“ 129
Der Gedanke der Aufhebung jeglicher Distanz des göttlichen Bildes im Menschen zu seinem Urbild ist für die Verfechter einer Univozitätstheorie mit dem Analogieverhältnis nicht vereinbar 130. Sie beanspruchen diesen letzten Satz der gesamten Verteidigungsschrift als endgültige und programmatische Absage Eckharts an die Analogie, als ob er „zum Abschluß seiner Stellungnahme noch einmal fest[hält], was er immer zu zeigen bemüht war“, „obwohl Eckhart vor seinen Kölner Richtern nur von der analogen Gotteskindschaft der Gläubigen spricht“ 131. Dieser Einwand ist allerdings nur dann berechtigt, wenn man von einem bestimmten Verständnis von ,ad quod analogemur‘ im obigen Zitat ausgeht. 129 130
131
Proc. Col. II, n. 145 (LW V, 352, 24-27). Im Rahmen von Eckharts imago-Theorie sieht Mojsisch (Meister Eckhart [nt. 8], 80-81) in dem Merkmal der Unmittelbarkeit und Unvermitteltheit von Bild und Urbild einen „Hinweis auf die durch den Analogiegedanken nicht zu erklärende Selbstvermittlung Gottes […]. Das Sein des Urbildes ist das Sein des Bildes, das Sein der Gerechtigkeit das Sein des Gerechten als solchen, das Sein des Vaters das Sein des Sohnes, das Sein der Gutheit das Sein des Guten als solchen, das Sein des Abstrakten das Sein des Konkreten, sofern das Konkrete nämlich nicht in sich selbst gemäß analoger Dependenz gefaßt wird, sondern in seiner univoken Bezogenheit auf sein abstraktes Urbild.“ Überdies kontrastiert er anhand der Naturkausalität pauschal die Äußerlichkeit des analogen Verhältnisses mit der Innerlichkeit der Univozität: „Gegenüber der äußerlichen Relationalität analoger relata wird bei der univoken Korrelationalität ein immanentes Bezugsverhältnis herausgestellt“ (ibid., 61). Kampmann, Ihr sollt der Sohn selber sein! (nt. 13), 169.
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Wäre der eigentümliche Konjunktiv im Sinne einer irrealen Hypothese zu verstehen, d. h. dass wir also in Wahrheit nicht in einem analogen, sondern in einem univoken Verhältnis zu Gott stünden, müsste man Eckhart nicht nur einen Selbstwiderspruch zum vorangegangenen Satz („nos filii dei sumus analogice“ 132) unterstellen, sondern auch die Inkonsequenz erklären, warum er - aus Rücksicht auf die Kölner Ankläger - einerseits seine eigentliche Univozitätstheorie nie explizit ausspricht, andererseits zum Abschluss seiner Verteidigung aber dennoch ein Geständnis dieser angeblich wahren Lehre liefert. Der Text lässt sich jedoch auch ohne solche Komplikationen interpretieren, wenn ,ad quod analogemur‘ schlicht in der Weise verstanden wird, dass dasjenige, zu dem wir in einem analogen Verhältnis stehen, uns nicht äußerlich ist wie beim Verhältnis von Bild und Spiegelbild. Es geht also nicht um den Gegensatz zwischen Analogie und Univozität, sondern um verschiedene Momente innerhalb der Analogie, zu denen neben Distinktheit und Abhängigkeit auch Indistinktheit, Einheit und sogar Innerlichkeit gehören. Der letzte Satz der Verteidigungsschrift besagt, dass man sich die Hervorbringung des Gottessohnes nicht nach Art natürlicher Hervorbringung vorstellen darf, bei der das Produkt äußerlich ist (ebullitio), sondern in der Weise, dass das Hervorgebrachte dem Einen, das es hervorbringt, innerlich bleibt (bullitio) 133. In dem Spiegelbeispiel betont Eckhart gerade den Aspekt, dass der Hervorgang des Bildes aus seinem Urbild die Ebene aristotelischer Logik und extrinsischer Naturkausalität verlässt, da es sich um ein rein formales Ausfließen handelt 134. Die Innerlichkeit dieses emanativen Prozesses ist zugleich auch die Maßgabe für die Rückkehr der menschlichen Seele zu Gott. Im reditus fließt die Seele „gnadenweise mit Macht ohne Mittel zurück in ihren ersten Ursprung“ 135, ohne Gott als Finalursache zu setzen, denn „hier nimmt das Bild Gott nicht, wie er Schöpfer ist, sondern es nimmt ihn, wie er ein vernünftiges Sein ist“ 136. Würde der Mensch Gott nur als Schöpfer erkennen, so wäre er selbst noch Kreatur, seinsmäßig von Gott getrennt und hätte Gott als Objekt vor sich. In der Innerlichkeit aber - dies zeigt die Korrektur des Spiegelbeispiels - ist diese Trennung überwunden, im Sein wie im Erkennen 137. 132 133
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Cf. supra (nt. 116). Cf. In Sap., n. 283 (LW II, 615, 12-616, 3): „Imago autem ex sui ratione et proprietate est formalis quaedam productio in silentio causae efficientis et finalis, quae proprie creaturam extra respiciunt et significant ebullitionem. Imago autem, utpote formalis emanatio, sapit proprie bullitionem.“ Cf. dazu Goris, Einheit (nt. 115), 353 sq. Cf. L. Sturlese, Mystik und Philosophie in der Bildlehre Meister Eckharts. Eine Lektüre von Pred. 16a Quint, in: J. Janota (ed.), Festschrift Walter Haug und Burghart Wachinger, vol. I, Tübingen 1992, 349-361, hier: 354. Pr. 1 (DW I, 20, 2-3): „[…] von gnaˆden mit gewalte aˆne mitel wider in ir ˆerste begin.“ Pr. 16b (DW I, 268, 9-10): „Hie ennimet daz bilde niht got, als er ein schepfer ist, sunder ez nimet in, als er ein vernünftic wesen ist.“ Cf. Proc. Col. II, n. 129 (LW V, 349, 3-5): „Intimitas vel propinquitas dei et animae non habent in veritate aliquam distinctionem. Illud idem cognitivum vel cognitio, in quo deus se cognoscit, hoc est uniuscuiusque abstracti spiritus cognitio vel cognoscere vel cognitivum.“
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Das Moment der Innerlichkeit göttlichen Wirkens ist in den Eckhart’schen Analogiegedanken integriert und kann nicht als Univozität von ihm abstrahiert werden. Dass es hierbei dem anderen Moment, der Äußerlichkeit göttlichen Ursprungs, nicht widerspricht, basiert auf Eckharts Unterscheidung zwischen natürlichem und geistigem Sein des Menschen. Der Dominikaner hebt in seiner Verteidigung dementsprechend mit Recht hervor, dass der (äußere) Mensch, d. h. sofern er in seinem geschaffenen Sein als Träger betrachtet wird, nicht Gott ist, als innerer Mensch jedoch, d. h. in seinem ungeschaffenen Sein als Bild, ganz und gar mit ihm vereint wird 138. Würde man Ersteres der Theorie der Analogie zuordnen, Letzteres der Univozitätstheorie, so wäre isoliert, was realiter zusammengehört. Denn auch in der gnadenhaften Vereinigung mit Gott bleibt die Geschaffenheit des Menschen erhalten 139. Die Unterschiedlichkeit der natürlichen Seinsweise von Gott und Geschöpf erklärt auch, dass es trotz der indistinctio des Gottessohnes in der menschlichen Seele distinkte Elemente gegenüber der Gottessohnschaft Christi gibt: Ist Christus Sohn Gottes von Natur, so wird der Mensch es durch Gnade; ist das Bild auf der Seite Christi aus sich, so besteht es auf der Seite des Menschen nur in Abhängigkeit. Was Eckhart in der solutio zum letzten Artikel der Verteidigungsschrift in Bezug auf die Gottessohnschaft des Menschen darlegt, stimmt mit seiner Analogiebestimmung aus dem ,Requisitus‘-Traktat völlig überein. Der Mensch ist, wie Eckhart ausdrücklich betont, derselbe Gottessohn, aber per modos ist er verschieden.
Schluss Der explizite Rekurs auf den Analogiebegriff in den praenotanda, den Einlassungen und dem Schluss-Notandum der Verteidigungsschrift macht deutlich, dass dieser für das Eckhart’sche Denken von zentraler Bedeutung ist, auch und gerade im Zusammenhang mit dem Thema der Gottessohnschaft des Menschen. Die Unwissenheit der Gegner bezüglich dieses Begriffs sei, laut dem Thüringer, einer der Gründe für die Fehlinterpretation der inkriminierten Artikel gewesen. 138
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Cf. Sturlese, Mystik und Philosophie (nt. 134), 358: „Im metaphysischen Horizont, in dem sich Eckhart bewegte, gab es also sowohl Bild-mit-Träger als auch Bild-ohne-Träger. Ich bin davon überzeugt, daß Eckhart dachte, gerade aufgrund dieser Unterscheidung der Gefahr des Pantheismus entgangen zu sein. Wichtig ist aber: Die Bildlehre ist für beide Fälle genau dieselbe - und hierin besteht die Neuheit seiner Theorie. Eckhart sagte es mit aller Deutlichkeit: Durch den Bezug auf einen Träger wird die ratio imaginis nicht verändert.“ Cf. Goris, Einheit (nt. 115), 359: „Mittels der Unterscheidung von natürlichem und geistigem Sein gewinnt Eckhart einerseits ein Fundament der Gleichheit im Menschen, aufgrund dessen die Vereinigung mit Gott gedacht werden kann, garantiert andererseits aber den geschöpflichen Status des Menschen, der im Vollzug der Gnade nicht aufgehoben wird. Erreicht der Mensch auf diese Weise gemäß dem geistigen Sein eine Einheit mit Gott, so ist zugleich klar, daß er trotz jener Einheit dem natürlichen Sein nach bleibt, was er ist: ein Geschöpf.“
„nos filii dei sumus analogice“
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Analogie bedeutet, wie Eckhart in der Verteidigungsschrift nochmals bekräftigt, Einheit bei gleichzeitiger Unterschiedenheit der Seinsweise. Gemäß seiner Geschaffenheit, d. h. gemäß seiner natürlichen Seinsweise (per modum), ist das Geschöpf von Gott zwar völlig getrennt, doch in seiner Hinordnung auf Gott wird eine Einheit konstituiert, durch die es alle göttlichen Vollkommenheiten unmittelbar empfangen kann. Die Verleihung dieser Vollkommenheiten, ebenso wie die Einswerdung mit dem Gottessohn, wird als ein gnadenhaftes göttliches Geschehen aufgefasst, das entsprechend der analogen Ursächlichkeit gedacht werden kann. Wenn man also konzediert, dass Analogie nicht Einheit gegenübersteht, sondern selbst eine Form von Einheit ist, lässt sich nachvollziehen, dass der Analogiebegriff mehr zu leisten vermag als nur eine Beschreibung des defizienten geschöpflichen Seins. Würde sich der Analogiebegriff auf eine rein äußerliche Relationalität beschränken, die nur auf die Betrachtung des Sekundäranalogats in sich selbst abzielte und einseitig den Aspekt der Differenz des Geschöpfs gegenüber dem Schöpfer betonte, geriete das Konzept der Analogie aus dem Lot. Analogie aber bedeutet immer eine Dialektik von Unterschiedenheit und Ununterschiedenheit: Als Unterschiedenes ist das Sekundäranalogat nichts, als Ununterschiedenes ist es alles - ohne dass das eine das andere aufhebt. Jegliche Abstraktion des einen von dem anderen führt zu einem Missverstehen Eckharts, das die Verteidigungsschrift widerspiegelt: Auf Seiten des Unterschiedenen wird ihm ein Nihilismus des geschaffenen Seins vorgeworfen, auf Seiten des Ununterschiedenen klagt man ihn der Deifikation des Menschen an. Abgesehen davon, dass sich der Dominikaner nirgends explizit zur Möglichkeit einer univoken Gottessohnschaft des Menschen in hac vita bekennt, sollten die analysierten Textausschnitte gezeigt haben, dass Eckhart die Analogielehre an keiner Stelle zugunsten einer Univozitätstheorie aufgibt. Selbst da, wo die Vereinigung von Gott und Mensch sowie die Innerlichkeit und Unmittelbarkeit des Verhältnisses angesprochen sind, vor allem in der Bildlehre, können Eckharts Aussagen mit seiner Theorie der Analogie in Einklang gebracht werden. Wenn die Entgegnungen in der Verteidigungsschrift, wie versucht wurde darzulegen, als glaubwürdig einzuschätzen sind und Eckhart den Analogiebegriff keineswegs nur aus strategischen Gründen vorschaltet, um seine Theorie abzuschwächen, muss man sich zudem fragen, inwiefern die Auffassung von einer Gottessohnschaft des Menschen im univoken Sinne aufrechterhalten werden kann. Da die Begriffe ,Univozität‘ bzw. ,univoke Korrelationalität‘ in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung einem mittlerweile fast selbstverständlichen Gebrauch unterliegen, könnte es von Bedeutung sein, den Analogiebegriff künftig an den Texten erneut genau zu messen und zu diskutieren, wo die Grenzen und Kapazitäten des Analogietheorems im Eckhart’schen Denken liegen. An ältere Forschungspositionen anknüpfend, scheint die Analogielehre des Thüringers vielmehr das Modell einer exklusiven und unmittelbaren Einheit zwischen Gott und Mensch zu sein, die von einem innovativen und nicht minder brisanten Denken Eckharts zeugt.
V. Die deutschen Predigten
Hat es ein Corpus der deutschen Predigten Meister Eckharts gegeben? Liturgische Beobachtungen zu aktuellen philosophiehistorischen Fragen Loris Sturlese (Lecce) Während sich Eckharts lateinische Predigten in einem geschlossenen Corpus (,Opus sermonum‘) präsentieren (Cod. Cusan. 21, foll. 137r-166r ), krankt das deutsche Predigtwerk an einer stark zersplitterten und fragmentarischen Überlieferung, die die unterschiedlichsten Theorien der Textüberlieferung hervorgebracht hat. Doch ist das lateinische Predigtwerk Meister Eckharts wirklich so grundsätzlich verschieden von seinem deutschen? Oder lassen sich aus Eckharts Biographie und aus seinem Umgang mit den lateinischen Sermones Rückschlüsse auf die Art und Weise der von ihm veranlassten schriftlichen Fixierung seiner volkssprachlichen Predigten gewinnen? Dieser Frage soll im folgenden Beitrag nachgegangen werden.
I. Die Anfäng e von Eckhar ts Predigttätigkeit Obwohl Meister Eckhart zu seiner Zeit bereits eine bekannte Persönlichkeit war, gibt es nur wenige gesicherte Daten zu seiner Biographie. Wir wissen nicht, wann er geboren wurde. Auch über das Datum seines Todes (Februar 1328) herrscht noch eine gewisse Unklarheit. Doch aus den wenigen Zeugnissen ergibt sich eher das Curriculum eines Intellektuellen internationalen Ranges, der aktiv die Politik seines Ordens mitgestaltet, als das eines Predigers. Dennoch ist das erste Dokument seiner Biographie eine lateinische Predigt, die auf Ostern 1294 datierbar ist 1. Damals war Eckhart bereits als Dozent an der Universität Paris tätig. 1302 ist er wiederum in Paris, diesmal als Professor (magister regens) 2. In der Zwischenzeit hatte Eckhart das Amt des Priors in Erfurt bekleidet. Zwischen 1303 und 1310 ist er Provinzial der sächsischen Dominikaner mit Amtssitz in Erfurt 3. 1311-1313 verbringt er zwei weitere Jahre an der 1 2 3
Ed. L. Sturlese, in: LW V, 133-148, Acta Echardiana, n. 5; ibid., 156. Cf. L. Sturlese, Acta Echardiana, nn. 7-8 (LW V, 158). Cf. L. Sturlese, Acta Echardiana, nn. 9-33 (LW V, 159-179).
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Universität Paris 4. Danach kommt er nicht mehr nach Erfurt zurück, sondern ist 1314 und 1318 in Straßburg urkundlich bezeugt 5. 1326 wird in Köln ein Prozess gegen ihn eingeleitet 6. Aus diesen knappen biographischen Daten geht die besondere Bedeutung hervor, die Erfurt für die Tätigkeit Eckharts hatte. Bis 1314 ist Erfurt der Mittelpunkt seiner seelsorgerischen und ordenspolitischen Aktivitäten. In Erfurt tritt er dem Dominikanerorden bei. Hier wird er Vikar für Thüringen, amtiert als Prior des Erfurter Konvents, lenkt als Provinzial die Geschicke der Provinz Saxonia. Erst 1314 - Eckhart ist damals schätzungsweise 55 Jahre alt - kommt es in seinem Leben zu einer Art ,geographischer Wende‘: Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit als Mitglied des Dominikanerordens verschiebt sich plötzlich in das Rheinland, nach Straßburg und Köln. Warum dies geschieht - Auftrag des Generalmeisters, Reform der Frauenklöster, Leitung des Kölner Studium generale -, wissen wir nicht. Festzustellen ist jedoch, dass Eckhart viel enger mit Thüringen verbunden ist, als man gewöhnlich annimmt. Jahrzehntelang arbeitete er in Mittel- und Ostdeutschland, dort schrieb er seine Werke, dort bereitete er seine Vorlesungen für die Pariser Universität vor und dort predigte er. Diese Tatsache wird durch einen handschriftlichen Befund bestätigt. Ein Codex der Bibliotheca Amploniana zu Erfurt überliefert zwei verschiedene Redaktionen des ,Opus tripartitum‘ und geht auf Eckharts Erfurter Zeit zurück, als er gerade aus dem ersten Pariser Magisterium heimgekehrt war 7. Sind uns auch Spuren seiner volkssprachlichen Predigttätigkeit aus Erfurt erhalten? Dass Eckhart in Erfurt gepredigt hat, ist selbstverständlich und geht aus seiner oben skizzierten Biographie hervor 8. Als prominentes Mitglied des Erfurter Predigerordens gehörte die Predigt zu seinen täglichen Aufgaben. Die Predigt ist eingebunden in die Liturgie der Messfeier, ihr Thema wird von der Tageslesung des liturgischen Kalenders vorgegeben. Schätzungsweise 30 Jahre kam Eckhart dieser Aufgabe in Erfurt selbst und innerhalb der alten Provinz Saxonia nach. Die Predigten, die er zu halten hatte, und zwar in der Volkssprache, sind die Predigten von 30 liturgischen Jahren. War diese Aufgabe für Meister Eckhart, ein führendes Mitglied der akademischen Schicht der Dominikaner, nur eine lästige Pflicht, Alltagsbanalitäten, denen er keinen größeren Wert 4 5 6 7
8
Cf. L. Sturlese, Acta Echardiana, nn. 34-36 (LW V, 179-181). Cf. L. Sturlese, Acta Echardiana, nn. 38-40 (LW V, 182-187). Cf. L. Sturlese, Acta Echardiana, nn. 46-47 (LW V, 197-245). Beide Redaktionen sind rekonstruierbar aufgrund der Hs. Erfurt, Universitätsbibliothek, cod. Amplon. F 181; cf. L. Sturlese, Meister Eckhart in der Bibliotheca Amploniana. Neues zur Datierung des ,Opus tripartitum‘, in: A. Speer (ed.), Die Bibliotheca Amploniana. Ihre Bedeutung im Spannungsfeld von Aristotelismus, Nominalismus und Humanismus (Miscellanea Mediaevalia 23), Berlin-New York 1995, 434-446. Der Forschung ist diese Tatsache weniger selbstverständlich. Seit den bahnbrechenden Arbeiten von H. S. Denifle wird die Predigttätigkeit Eckharts immer wieder mit der cura monialium im Rheinland in Verbindung gebracht. Eine Stimme für viele: K. Ruh, Meister Eckhart. Theologe, Prediger, Mystiker, München 1985, 109-110.
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beimaß? Ich meine, nein. Dies zeigt eine ganz persönliche Entscheidung Eckharts bei der schriftlichen Niederlegung seiner Gedanken. Eckhart gehörte zu einer relativ kleinen internationalen Gruppe von Intellektuellen, die mit der Lösung komplizierter theologischer und philosophischer Fragen beschäftigt waren. Ihnen oblag die Aufgabe, die kulturelle Identität des Ordens und der Kirche zu konsolidieren, zu bestimmen und weiterzuentwickeln. Die Verkehrssprache dieser Kreise war selbstverständlich Latein, und die literarischen Genera, die sie verwendeten, waren der gelehrte Kommentar, die Quaestio disputata und der wissenschaftliche Traktat - auf Latein, versteht sich. Eckhart handhabte all diese Textsorten souverän. Jedoch im Unterschied zu seinen Kollegen, auch zu seinen deutschen Kollegen wie etwa Dietrich von Freiberg oder Johannes von Lichtenberg, setzte Eckhart neue Akzente. Er berücksichtigte auch die Volkssprache und damit ein deutschsprachiges Publikum, das kein Latein verstand oder Latein nur ungern und mit Mühe las. Eckhart vollzog diesen Schritt sicher schon in seiner Erfurter Zeit. Davon zeugt seine erste ,Veröffentlichung‘. Sie ist in deutscher Sprache geschrieben und fixiert schriftlich ,Reden‘, die er im Erfurter Konvent für die Mitbrüder gehalten hat: „daz sint die rede, die der vicarius von türingen, der prior von erfurt, bruoder eckhart predigerordens mit solchen kindern haˆte, diu in dirre rede vraˆgeten vil dinges, doˆ sie saˆzen in collationibus mit einander.“ 9 Das ist zunächst nichts Besonderes. Derartige Kollationen sind Aufgabe des Priors bei der Unterweisung der Novizen wie auch der jüngeren Brüder. Die vorgeschriebene Umgangssprache im Konvent war Latein; doch solche Regeln wurden immer wieder unterlaufen und wir dürfen im alltäglichen Gespräch ruhig einen großen Anteil deutscher Volkssprache voraussetzen. Doch Eckhart beließ es nicht beim mündlichen Austausch. Er veröffentlichte seine Reden auf Deutsch - und das, obwohl er damals schon Dozent in Paris gewesen war und somit Mitglied der internationalen lateinischsprachigen Elite. Die deutsche Sprache war ihm also aus irgendeinem Grund wichtig. Dass ihm auch die Textsorte Predigt wichtig war, zeigt das Programm seines großen wissenschaftlichen Projekts, das er bereits in seiner Erfurter Zeit entwarf und das z. T. direkt aus seiner Predigttätigkeit (in praedicationibus) hervorgeht. Der dritte Teil seines gewaltigen ,Opus tripartitum‘ soll auch einen lateinischen Predigtteil enthalten: „Opus vero tertium, scilicet expositionum, in duo dividitur […] opus sermonum […] opus expositionum subdividitur numero et ordine librorum veteris et novi testamenti.“ 10 Das enge Zusammenspiel von wissenschaftlicher Exegese und praktizierter Predigt kennzeichnet also von Anfang an Eckharts Verständnis seiner Mission. Das liturgische Leben des Predigers ist mit der Tätigkeit des Theologen und Philosophen Eckhart ganz eng verflochten. 9
10
DW V, 185. Mhd. rede (bwz. nhd. ,Reden‘) ist daher als echter Titel des Werks zu betrachten, das - bei allem Respekt der Traditionen - nach diesem Wortlaut zitiert werden sollte. Die Form ,Reden der Unterweisung‘ beruht auf einem sekundären und späten Inhaltsverzeichnis in drei Handschriften (Quint, DW V, 183: ,Registrum der matery der vnterschaidung‘). Prol. gen. in op. trip., n. 6 (rec. L; LW I/2, 23-25).
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II. Die Predigtsammlung ,Paradisus anime intellig entis‘ Die Suche nach Dokumenten von Eckharts jahrzehntelanger Predigttätigkeit in Erfurt führt unweigerlich zu einem hochaktuellen Forschungsthema, der Frage nach dem ,Paradisus anime intelligentis‘ 11. Der ,Paradisus‘ ist eine sonderbare Predigtsammlung, die 64 Stücke enthält. Genau die Hälfte, also 32 Texte, sind Predigten von Meister Eckhart, die andere Hälfte der Predigten stammt überwiegend aus der Feder von neun anderen Dominikanern 12, drei Predigten sind auf Hane den Karmeliten 13 und die vorvorletzte auf einen ,barfuzzin lesemeistir‘ 14 zurückzuführen. Die Predigten werden abwechselnd präsentiert, so dass eine Art Kontrapunkt zwischen Eckhart und den anderen Autoren entsteht, wobei sich Eckhart schon mit Rücksicht auf die Anzahl der aufgenommenen Predigten als Protagonist des Buchs erweist. Ich spreche ganz bewusst von einem ,Buch‘, denn die Sammlung trägt tatsächlich alle Merkmale eines Buches, sowohl im mittelalterlichen als auch im modernen Sinn: Sie wurde eindeutig nach einem bestimmten Konzept hergestellt, sie hat ein Register und eine Struktur. Die neueste Forschung hat besonders den literarischen Charakter dieses kleinen Meisterwerks hervorgehoben. So lautet auch das Urteil Kurt Ruhs, der sich wiederholt mit dem ,Paradisus‘ auseinandersetzte und diesbezüglich eine Wende in der Forschung herbeigeführt hat. Für Ruh bedeutete der ,Paradisus‘ an erster Stelle: Erfurt. Im ,Verfasserlexikon‘ wird der ,Paradisus‘ wie folgt charakterisiert: „Mystische Predigtsammlung des frühen 14. Jhs. aus dem Erfurter Dominikanerkloster, redigiert bald nach 1340.“ 15 In seiner Eckhart-Monographie fährt Ruh fort: „Die übrigen [sc. nicht von Eckhart verfassten Predigten] gehören zumeist thüringischen Dominikanern an, die in Erfurt gepredigt hatten […] in der Zeit von Eckharts Provinzialat […]. Der Sammler schuf ein ,Hausbuch‘, fast möchte man sagen ein Erinnerungsbuch […]. Sollte hier ganz bewußt ein Meister Eckhart dokumentiert werden, der mit den verurteilten Sätzen nichts zu tun hat?“ 16 Und in seiner Eckhart-Monographie macht Ruh auf eine „Besonderheit des Erfurter Predigtbuches“ aufmerksam, „nämlich eine Zweckbestim11
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Paradisus anime intelligentis (Paradis der fornuftigen sele). Aus der Oxforder Handschrift Cod. Laud. Misc. 479 nach E. Sievers’ Abschrift ed. v. Ph. Strauch, Berlin 1919; zweite Auflage ed. u. mit einem Nachw. versehen v. N. Largier u. G. Fournier (Deutsche Texte des Mittelalters 30), Hildesheim 1998. Wichtigste Literatur dort, 199-202. Florentius von Utrecht (3), Johann Franke (5), Thomas von Apolda, Eckhart Rube (6), Erbo, Hermann von Loveia (3), Giselher von Slatheim (5), Albrecht von Treffurt (2), Helwic von Germar (2). Cf. das Inhaltsverzeichnis, in: Paradisus (nt. 11), 1-7. Neue Erkenntnisse zur Person Hanes, vor allem zu dessen vermuteter Identität, bei Löser, oben in diesem Band, 56-74, bes. 73-74. Es handelt sich um die Kirchweihpredigt (,In dedicatione ecclesiae‘), Paradisus, Pr. 62, 131133. K. Ruh, Paradisus anime intelligentis, in: id. (ed.), Die deutsche Literatur des Mittelalters: Verfasserlexikon, vol. 7, Berlin-New York 21989, 298-303, hier: 298. Ruh, Meister Eckhart (nt. 8), 61.
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mung, die außerhalb der cura monialium, der Seelsorge für Ordensfrauen, liegt, die man als für die deutschen Predigten Eckharts konstitutiv erklärt hat“ 17. Leider thematisiert Ruh diese Zweifel an der Bedeutung der cura monialium nicht weiter - er trifft damit allerdings ins Schwarze - und er verrät uns auch nicht, woher er weiß, dass der ,Paradisus‘ in Erfurt geschrieben wurde. Ich gebe gerne zu, dass einige unter den erwähnten Dominikanern möglicherweise mit dem Erfurter Konvent zu tun hatten: Vielleicht ist Loveia eine Bezeichnung für den Thüringer Wald 18, Florentius wird als „undir (= unser) lesemeister zu Erforte“ 19 apostrophiert, dasselbe gilt für Helwic von Germar, „der lesemester waz zu Erforte“ 20; Giselher von Slatheim war „lesimeister zu Kolne und zu Ertforte“ 21; aber gerade das Fehlen so genauer Dienst-Angaben bei den Übrigen dürfte ein Zeichen dafür sein, dass die meisten Akteure auf der ,Paradisus-Bühne‘ zwar Lesemeister waren, aber nicht in Erfurt. Jedoch braucht uns in unserem Zusammenhang der Ursprung des ,Paradisus‘ nur wenig zu interessieren. Wesentlich wichtiger ist die Frage nach dem Ordnungsprinzip der Predigten in der ,Paradisus‘Sammlung. III. Der ,Paradisus anime intellig entis‘ unter einer liturgischen Perspektive Das liturgische Jahr zerfällt in zwei Teile, einen Festteil und einen festlosen Teil. Der Festteil beginnt vier Wochen vor Weihnachten (Advent) und erstreckt sich bis zum Sonntag nach Pfingsten. Der festlose Teil beginnt mit Sonntag Trinitatis und geht bis zum darauf folgenden ersten Advent. Das ganze System wird insgesamt von Ostern bestimmt, da sich die Sonntage zusammen mit Ostern bewegen. Zu diesen beweglichen Festen des Kirchenjahres (De tempore) gesellt sich das unbewegliche System der Heiligenfeiern, die an den Tagen ihres jeweiligen Namenspatrons begangen werden (De sanctis). Diese liturgische Strukturierung des Jahres muss man sich vor Augen halten, wenn man die Ordnung des ,Paradisus‘ verstehen will. Betrachtet man die entsprechenden Angaben im Register, so lässt sich feststellen, dass die Sammlung nach liturgischen Prinzipien angelegt wurde. Die ersten 31 Predigten sind ausdrücklich der Kirchenzeit zugeordnet (De tempore), die folgenden 33 bilden eine secunda pars, die sich auf das fixe System der Heiligenfeste bezieht (De sanctis). Ruh bemerkte hierzu: „Sicher nur beiläufig ist die Gliederung nach dem Kirchenjahr […]. Noch unverbindlicher ist der Heiligenzyklus […]. 17 18
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Ibid., 71. L. Seppänen, Hermann von der Loveia, in: K. Ruh (ed.), Die deutsche Literatur des Mittelalters: Verfasserlexikon, vol. 3, Berlin-New York 1981, 1072-1074. Paradisus (nt. 11), 1, 7. Ibid., 5, 11. Ibid., 5, 2-3.
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Es ging dem Sammler also keineswegs um Bereitstellung von Predigten im Ablauf des Kirchenjahrs […], sondern um Dokumentation.“ 22 Der gleichen Ansicht ist Alessandra Saccon 23. Auch Joachim Theisen, der Fachmann für liturgische Fragen bei Eckhart, hat 1998 auf einer dem ,Paradisus‘ gewidmeten Tagung in Oxford die Anordnung der Predigten analysiert. Ich zitiere aus seinem noch unveröffentlichten Vortrag. Ausgehend von der Frage, „ob es gerechtfertigt ist, von einer durchgehenden liturgischen Struktur der Predigtsammlung zu sprechen“, kann man folgenden Schluss ziehen: „Diese Grob-Ordnung paßt ebensowenig wie die Reihenfolge der Predigten innerhalb des Kirchenjahres […]“; und weiter: „Der Ehrgeiz der Redaktoren (kann) nicht darin angenommen werden, das Kirchenjahr in der Anordnung der Predigten abzubilden; vielmehr ist die ungefähre Anordnung im Kirchenjahr nichts weiter als eine meines Erachtens recht beliebige Ordnungsvorgabe. Interpretatorische Erkenntnisse lassen sich daraus nicht gewinnen. Es sei denn folgende: Die Anordnung nach dem Kirchenjahr und gleichzeitig der recht sorglose Umgang damit dürfte immerhin belegen, daß es müßig ist, nach einer anderen Ordnungskategorie überhaupt zu suchen.“ 24 Ich teile die Meinung von Ruh und Theisen nicht. Vielmehr bin ich davon überzeugt, dass wenigstens der erste Teil des ,Paradisus‘, und d. h. das Kirchenjahr, bewusst streng und konsequent nach der gewöhnlichen liturgischen Anordnung konzipiert und angelegt wurde - und zwar, was die Predigten Eckharts betrifft. Sehen wir uns kurz die Reihenfolge der Eckhart-Predigten im ,Paradisus‘ an, die ich nach Schneyers liturgischem Kalender 25 wiedergebe: Die erste Predigt des ,Paradisus‘ bezieht sich auf T 1 (1. Sonntag Advent, Dominikanerbreviar) 26, es folgt T 3/4 (Quatember Advent) 27, sodann T 8 (Beschneidung) 28, T 10 (Vigil Erscheinung) 29, T 11 (Sonntag nach der Oktav von der Erscheinung) 30, T 16 (Septuagesima) 31, T 23/5 (Donnerstag nach Quinqua22 23
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Ruh, Paradisus (nt. 15), 300. Cf. A. Saccon, Predicazione e filosofia: il caso del Paradisus anime intelligentis, in: N. Bray/L. Sturlese (eds.), Filosofia in volgare nel Medioevo. Atti del Convegno della Societa` Italiana per lo Studio del Pensiero Medievale (S.I.S.P.M.), Lecce, 27-29 settembre 2002 (Fe´deration Internaˆ ge 21), Louvain-la-Neuve tionale des Instituts d’E´tudes Me´die´vales. Textes et e´tudes du Moyen A 2003, 81-105, hier: 83-89. H. J. Theisen, Die liturgische Struktur des ,Paradisus anime intelligentis‘ (pre-print). Cf. J. B. Schneyer, Repertorium der lateinischen Sermones des Mittelalters für die Zeit von 1150-1350 (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters 43/1), Münster/Westf. 1969, 17-21. Paradisus, Pr. 1; liturgisch bestimmt bereits bei Theisen, Die liturgische Struktur (nt. 24); anders G. Steer zu Pr. 87 (DW IV/1, 20, nt. 1): „Der Schrifttext ist nach dem alten DominikanerMissale der Lectio der Messe des 25. Sonntags nach Trinitatis entnommen.“ Paradisus, Pr. 4; cf. J. Quint zu Pr. 38 (DW II, 227, nt. 1). Paradisus, Pr. 8; cf. G. Steer zu Pr. 88 (DW IV, 32, nt. 1). Paradisus, Pr. 10; cf. G. Steer zu Pr. 89 (DW IV, 38, nt. 1). Paradisus, Pr. 15; cf. G. Steer zu Pr. 90 (DW IV, 54, nt. 1). Paradisus, Pr. 16; cf. G. Steer zu Pr. 91 (DW IV, 84, nt. 1).
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gesima) 32, T 21/5 (Donnerstag nach dem 3. Fastensonntag) 33, T 22/5 (Donnerstag nach dem 4. Fastensonntag) 34, T 25 (Gründonnerstag) 35, T 28/5 (Donnerstag in der Osterwoche) 36, T 29 (Sonntag in der Oktav von Ostern) 37, T 31 (3. Sonntag nach Ostern) 38. Die Reihenfolge ist tadellos richtig, von „sorglosem Umgang“ kann ich hier nichts entdecken. Der Sammler des ,Paradisus‘ hat offenbar die Predigten Eckharts in Ordnung gebracht oder, was noch näher liegend ist, sich einer liturgisch geordneten Sammlung der deutschen Predigten Meister Eckharts bedient. Und hier stellt sich sofort die Frage nach dem redaktionellen Charakter seiner Sammlung. IV. Der redaktionelle Charakter des ,Paradisus anime intellig entis‘ Zur Frage nach der Quelle und dem redaktionellen Charakter des ,Paradisus‘ schreibt Löser: „(Es muß) ein Komplex ursprünglich eng zusammengehöriger Predigten bestanden haben, der umfangreicher war als das, was der Redaktor des Paradisus in seine Sammlung aufzunehmen bereit war.“ 39 In die gleiche Richtung zielt Ruh: „Ich setze die ursprüngliche Sammlung […] im ersten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts an mit dem Erfurter Dominikanerkloster […] als Ort der Erstredaktion […]. Ihr folgte dann […] in Erfurt in den 40er Jahren die in O, H überlieferte Sammlung.“ 40 Ich versuche, den Zusammenhang zu erklären. Der ,Paradisus‘ als Ganzes wird von zwei Handschriften, O und H, überliefert 41. Die Sammlung enthält aber Predigten, die außer in O und H auch in anderen Handschriften überliefert sind. Vergleicht man den ,Paradisus‘-Text mit der Parallelüberlieferung, so stellt man fest, dass der ,Paradisus‘-Text in der Regel eine redigierte, gekürzte Fassung enthält, wobei Verweise auf andere Predigten, die nicht in die ,Paradisus‘-Sammlung aufgenommen wurden, getilgt wurden. Konstituierend für die Zusammenstellung des ,Paradisus‘ ist die Idee des ,Kontrapunkts‘ von Eckhart und seinen Mitbrüdern. Dies bedeutet aber, dass der Redaktor aus einer wesentlich umfangreicheren Eckhart-Sammlung schöpfte - so umfangreich, dass er sich diejenigen 32 33 34 35 36 37 38 39
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Paradisus, Pr. 21; cf. J. Quint zu Pr. 37 (DW II, 210, nt. 1). Paradisus, Pr. 20; cf. J. Quint zu Pr. 19 (DW I, 311). Paradisus, Pr. 22; cf. J. Quint zu Pr. 43 (DW II, 316, nt. 1). Paradisus, Pr. 24, liturgisch bestimmt aufgrund des Themas. Paradisus, Pr. 26; cf. J. Quint zu Pr. 56 (DW II, 588, nt. 1). Paradisus, Pr. 27; cf. G. Steer zu Pr. 92 (DW IV, 101, nt. 1). Paradisus, Pr. 28; cf. J. Quint zu Pr. 70 (DW III, 187, nt. 1). F. Löser, Als ich meˆ gesprochen haˆn. Bekannte und bisher unbekannte Predigten Meister Eckharts im Lichte eines Handschriftenfundes, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 115 (1986), 206-227, hier: 214. Ruh, Paradisus (nt. 15), 298 sq. Es handelt sich um die Codices Oxford, Bodleian Library, Laud. misc. 479 (O) und Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, Cod. theol. 2057 (H).
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Predigten Eckharts auswählen konnte, die liturgisch zu seinem ,Kontrapunkt‘ passten. Er suchte nicht weniger als 32 Predigten aus und sorgte dafür, dass die ursprünglich von Eckhart angebrachten Querverweise getilgt wurden, um nicht Gefahr zu laufen, dass auf Predigten verwiesen wird, die nicht mehr in der Sammlung stehen. Wenn diese Interpretation richtig ist, wird sich die Eckhart-Forschung mit dem Gedanken anfreunden müssen, dass ein deutsches Predigt-Corpus Meister Eckharts existierte. V. Deutungsmodelle zur Entstehung des ,Paradisus anime intellig entis‘ Die Forschung hat sich immer wieder Gedanken zum konkreten procedere des ,Paradisus‘-Herausgebers gemacht. Die Vorstellungen bleiben ziemlich verschwommen. Doch lassen sich aus der Literatur einige stillschweigend benutzte Deutungsmodelle ermitteln. Geht man mit Ruh davon aus, die Sammlung sei im ersten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts in Erfurt erstellt worden 42, so setzt man implizit das sog. ,Reportations-Modell‘ voraus: Der Redaktor hat selbst alle Predigten des ,Paradisus‘ in Erfurt gehört und mitprotokolliert. Der ,Kontrapunkt‘ war nicht seine Idee, sondern hat historisch stattgefunden, und zwar in einem in Erfurt veranstalteten Predigtzyklus, in dem sich Eckhart und auswärtige Gäste des Dominikanerkonvents in der Predigt abwechselten. Es gibt durchaus Belege für einen solchen Fall, etwa die Klosterneuburger Handschrift mit Eckharts lateinischer Osterpredigt 43. Für den ,Paradisus‘ lässt sich dieses Modell aber nicht anwenden. Denn wie gezeigt wurde, handelt es sich bei dieser Sammlung um ein literarisches Produkt aus den 30er Jahren, das erst nach Eckharts Tod entstand. Eine andere Erklärungsmöglichkeit bietet das sog. ,Lose Blätter-Modell‘: Die Predigten Eckharts wie auch die der anderen Autoren standen als Einzeltexte verstreut auf separaten losen Blättern. Der ,Paradisus‘-Redaktor hat diese Blätter aus verschiedenen Provenienzen mühsam gesammelt und angeordnet. Der ,Kontrapunkt‘ hat also nicht historisch stattgefunden, sondern ist die geniale Idee des Redaktors. Gegen dieses Modell spricht die Tatsache, dass der Redaktor in seinen Vorlagen Querverweise auf andere Predigten des entsprechenden Autors vorfand, die er tilgen musste 44, da sie in seiner Neuzusammenstellung aus dem Zusammenhang gerissen und sinnlos geworden waren. Dieser Zusammenhang hatte vorher bestanden, und zwar in der umfangreicheren Sammlung, die der Redaktor abkürzend und auswählend benutzte. 42 43 44
Cf. Ruh, Meister Eckhart (nt. 8), 62. Cf. L. Sturlese, in: LW V, 133. Beispiele bei Löser, Als ich meˆ gesprochen haˆn (nt. 39), 206-227; cf. auch Saccon, Predicazione e filosofia (nt. 23), 94, nt. 36.
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Der Vollständigkeit halber erwähne ich noch das ,Mosaiktraktat-Modell‘: In diesem Fall exzerpierte der Redaktor seinen Text stückweise aus vorliegenden Sammlungen ähnlicher Textkonglomerate und fixierte seine ,Lesefrüchte‘ schriftlich zu späterer erbaulicher Lektüre 45. Auch dieses Modell trifft in unserem Fall nicht zu, da der ,Paradisus‘ zu stark liturgisch ausgerichtet ist. Da die bisher in der Forschung erwogenen Deutungsmodelle zur Entstehung des ,Paradisus anime intelligentis‘ als unangemessen ausscheiden, bleibt nur die Annahme eines Corpus der deutschen Predigten Eckharts übrig.
VI. Das Cor pus-Modell, mit Ber ücksichtigung des ,Opus ser monum‘ Die Entstehung des ,Paradisus anime intelligentis‘ kann nur dahingehend gedeutet werden, dass sein Herausgeber eine liturgisch angeordnete EckhartSammlung vor sich hatte, aus der er diejenigen Predigten entnahm, die er brauchte, um seinen ,Kontrapunkt‘ mit den Kollegen Eckharts zu inszenieren. Es spielt hier keine Rolle, ob diese Kollegen alle Thüringer waren oder nicht. Wenn die Dinge so stehen, kann die Zusammenstellung überall erfolgt sein, in Erfurt, in Köln, in Straßburg, in Nürnberg oder in Zürich - es ist eine rein literarische Angelegenheit. Das bedeutet aber: Bereits in den 30er Jahren des 14. Jahrhunderts 46 existierte ein Corpus deutscher Eckhart-Predigten, das mindestens ein recht gut strukturiertes Temporale aufwies. Ich wage diese ,unerhörte‘ Annahme aufzustellen mit einem Seitenblick auf die Überlieferung der lateinischen Predigten Meister Eckharts. Denn die historische Erfahrung lehrt: Große Fragen in der Eckhart-Forschung sind erst gelöst worden, nachdem die Barriere der Sprache, Latein oder Deutsch, niedergerissen war. Betrachten wir kurz die Anlage der lateinischen Predigtsammlung, die uns in unikaler Überlieferung im Codex Cusanus 21 (C) 47 überliefert ist. Hier stehen wir endlich auf sicherem Boden. Man braucht nur auf Josef Kochs hervorragende Studie zu rekurrieren und auf seine magistralen Hauptergebnisse zurückzugreifen: „1. Die Predigt-Sammlung in C umfaßt Sermones und Collationes. Die Sermones sind zum größten Teil Sermones de tempore, zum kleinsten Sermones de sanctis. Innerhalb der ersten Gruppe hebt sich ein Nachtrag von 10 Sermones von den voraufgehenden ab. 2. Die ganze Sammlung stand schon in derselben Anordnung in der Vor-Vorlage von C […]. 3. Der Sammlung liegen 45
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So scheint z. B. Lienhart Peuger gearbeitet zu haben; cf. F. Löser, Meister Eckhart in Melk. Studien zum Redaktor Lienhart Peuger. Mit einer Edition des Traktats ,Von der sel wirdichait vnd aigenschafft‘ (Texte und Textgeschichte 48), Tübingen 1999. Bereits im Jahr 1341 zitiert Nikolaus von Landau in seinen ,Sermones novi‘ die ,Paradisus‘Sammlung; cf. K. Ruh, Nikolaus von Landau, in: id. (ed.), Die deutsche Literatur des Mittelalters: Verfasserlexikon, vol. 6, Berlin-New York 21987, 1113-1116, hier: 1114. Genaue Beschreibung und Analyse der Handschrift durch J. Koch, in: LW IV, XIII-XXIII.
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letztlich Eckharts eigene Entwurfhefte zugrunde.“ 48 Die lateinische Sammlung ist dem Umfang nach unvollständig und weist einige Ungereimtheiten in der Struktur auf: „Stellt man sich nun das ganze Kirchenjahr als einen Kreis vor, der halbiert ist, so ergibt sich das […] Bild, daß die Sermones de tempore in C die eine Hälfte füllen” 49, und zwar von Trinitatis bis zum ersten Advent. Koch beschließt seine Analyse mit der Bemerkung: „Die ganze Sammlung ist eine Sammlung von Entwürfen, von denen eigentlich kein einziger bis zum letzten ausgearbeitet ist […]. Der außerordentliche Reiz der Sammlung liegt gerade darin, daß hier nichts fertig ist. Wir stehen in Eckharts Werkstatt und können alle Stadien seiner Arbeit von einer kurzen Skizze oder aneinandergereihten Notizen bis zur formgerechten Predigt verfolgen […]. Die Entwürfe haben keine endgültige Redaktion erfahren und sind nicht aufeinander abgestimmt. Es ist nicht schwer, Widersprüche festzustellen. Man hat den Eindruck, daß die Sermones zu verschiedenen Zeiten entstanden sind und den Wandel, den Eckharts Denken durchmachte, widerspiegeln […]. Aus dem Entwurfcharakter der Sermones erklären sich nun auch die Mängel in der Anlage […]. Es ließen sich […] mehrere Beispiele […] anführen, wo es an einer rechten Disposition fehlt oder eine angekündigte Disposition nicht durchgeführt wird […].“ 50 „Wir stehen in Eckharts Werkstatt […]. Der Sammlung liegen letztlich Eckharts eigene Entwurfhefte zugrunde […]“, so Koch zur Corpus-Handschrift der lateinischen Sermones. Ich habe Koch deswegen so ausführlich zitiert, weil diese Seiten das Ergebnis einer heute noch aktuellen, mustergültigen Untersuchung darstellen, aber auch, weil sie der Überlieferungssituation der deutschen Predigten sehr viel näher kommen, als man bisher annahm. Die Überlieferung der deutschen und der lateinischen Predigten verläuft ursprünglich gleich, solange sich die Texte noch in den Händen ihres Autors befinden. Dieser Umstand erklärt sich aus der Arbeitsweise Meister Eckharts. VII. Eckhar ts Entwurfhefte Seit der Begründung der kritischen Ausgabe haben wir viel Neues über Eckharts Arbeitsweise gelernt. Wir wissen heute, dass er ein Handexemplar des ,Opus tripartitum‘ bei sich hatte und dass er an diesem Handexemplar intensiv jahre-, vielleicht jahrzehntelang gefeilt hat, indem er ursprünglich nur zum Teil beschriebene Seiten mit Anmerkungen, notanda und zusätzlichen Erklärungen vervollständigte. Wenn der freie Platz nicht mehr ausreichte, fügte Eckhart seine Notizen auf zusätzlichen Zetteln und Einzelblättern bei, wobei er mit Rasuren, Tilgungen, Verweiszeichen usw. arbeitete, bis das Ganze so unübersichtlich war, 48 49 50
J. Koch, in: LW IV, XXIII. Id., ibid., XXIV. Id., ibid., XXIX sq.
Hat es ein Corpus der deutschen Predigten Meister Eckharts gegeben?
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dass er eine Schönschrift herstellen ließ, in der er mit seiner Feilarbeit wieder begann 51. Es ließ sich zeigen, dass dieses Handexemplar in verschiedenen Stadien von Kopisten benutzt wurde, um Abschriften herzustellen, die als Werk Eckharts in Umlauf gebracht wurden 52. Koch wies nach, dass auch ein Heft mit dem Corpus der lateinischen Sermones vorlag, dessen zweite Hälfte, De tempore von Trinitatis bis zum ersten Advent, der Codex C genau widerspiegelt. Hatte Eckhart etwa auch ein ähnliches Entwurfheft mit den deutschen Predigten bei sich? Und wie waren in diesem Heft die Materialien angeordnet? Ich lasse Eckhart selbst zu Wort kommen: „mer ich gedachte zo nachte, dat got inthoeget solde werden, neit ey alle me ey in, ind sprycht also vyle as inthoeget got, dat myr also wayle behagede, dat ich it in myn boich schryff “ („Meˆr ich gedaˆhte zer nahte, daz got enthœhet sölte werden, niht ie al, meˆr ie inne, und sprichet als vil als enthœhet got, daz mir alsoˆ wol behagete, daz ich ez in mıˆn buoch schreip“) 53.
Und weiter: „Ich schreip einest in mıˆn buoch: der gerehte mensche endienet weder gote noch den creˆatuˆren, wan er ist vrıˆ; und ie er der gerehticheit næher ist, ie meˆ er diu vrıˆheit selber ist und ie meˆ er diu vrıˆheit ist.“ 54
Ich glaube, man tut sich zu leicht, wenn man unhistorisch modernisierend ein mittelalterliches buoch (,mıˆn buoch‘) mit einem Tagebuch oder einem Notizbüchlein oder einem Terminkalender identifiziert 55. Ein buoch, das Eckhart ,sıˆn‘ nennen konnte, war bestimmt das mit Zetteln gespickte Exemplar der ,Prologi‘ und des ,Opus expositionum‘. Ein anderes buoch, das er auch mit gutem Recht ,sıˆn‘ nennen konnte, war das Exemplar der lateinischen Sermones. In den beiden angeführten Zitaten spricht Eckhart von deutschen Notizen, die er in ,sıˆn buoch‘ eingetragen hat. Es kann sich nur um das Entwurfheft für seine deutschen Predigten handeln. Nehmen wir einmal an, ein solches buoch mit den ,Reden‘, dem ,Liber Benedictus‘, den Predigten habe existiert - wie waren die Materialien in diesem Buch geordnet? Die Antwort ist nahe liegend: in der liturgischen Ordnung De tempore und De sanctis.
51
52 53 54
55
Cf. L. Sturlese, Zur Stemmatik der offenen Tradition. Überlegungen zur Edition der drei Fassungen von Meister Eckharts ,Opus tripartitum‘, in: editio 6 (1992), 26-42 (über die Hs. L). Cf. ibid. Pr. 14 (DW I, 237). Pr. 28 (DW II, 62, 3). Die Bezugsstelle wurde nicht gefunden, in Frage kommt Pr. 15 (DW I, 246): „Dirre mentsch lebt nu in ainer ledigen vriheit […].“ N. Largier (ed.), Meister Eckhart: Werke I (Bibliothek des Mittelalters 20), Frankfurt a. M. 1993, 962: „Mit dem Buch wird ein Notizbuch gemeint sein.“; J. Quint, in: DW II, 62, nt. 2: „Welches Buch gemeint ist, weiß ich nicht.“ Vorsichtiger F. Löser, Als ich meˆ gesprochen haˆn (nt. 39), 217: „Wir (dürfen) mit der Möglichkeit eines von Eckhart selbst schriftlich fixierten oder redigierten Verbundes seiner deutschen Predigten rechnen“, aber ohne diese Frage zu entscheiden.
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VIII. Editorische Konsequenzen Vielleicht wird es jemandem gelingen, das buoch oder Teile davon wieder aufzufinden. Doch es ist gar nicht nötig, auf einen sensationellen Handschriftenfund zu warten. Es gibt bereits in der bekannten Überlieferung Spuren, die zu einem mutigen Schritt in Richtung einer Rekonstruktion des deutschen CorpusExemplars anspornen. Zunächst lässt sich das Corpus rekonstruieren, das die Vor-Vorstufe der ,Paradisus‘-Sammlung bildete. Und auch andere Textzeugen geben den Blick auf liturgische Reihen frei. Wenn man z. B. die Predigt-Reihenfolge im Basler TaulerDruck von 1522 ansieht 56, kann man eine fast komplette Abfolge De tempore beobachten. Auch die Handschrift Bra3 ist in ihrer Anordnung stark von der Liturgie abhängig 57. Teile von Str1 und möglicherweise von S1 dürften ebenfalls Segmente liturgischer Reihen widerspiegeln 58. Es versteht sich, dass alle diese Nachforschungen voraussetzen, dass man die vorhandenen Predigten Eckharts in ihre ursprüngliche liturgische Anordnung zurückversetzt. Dies erfordert eine erhebliche Anstrengung, die weit über die bekannte Dissertation von Joachim Theisen hinausgehen muss. Ich habe bisher den Teil De tempore rekonstruiert, der Teil De sanctis bietet große Schwierigkeiten und wird noch längere Zeit in Anspruch nehmen. Die Arbeit hat jedoch eine interessante Bestätigung gefunden: Bisher konnten alle überprüften Rückverweise Eckharts auf Predigten bezogen werden, die sich im vorausgehenden Teil der liturgisch neu geordneten Reihe befinden. Vergleicht man das massive Corpus-Skelett, das allmählich immer genauere Konturen annehmend aus den Nebeln der Streuüberlieferung auftaucht, mit der großen Stuttgarter Ausgabe der Deutschen Werke Meister Eckharts, so besteht der Hauptunterschied zwischen beiden Predigtkomplexen darin, dass die Predigten in der neuen Reihenfolge liturgisch re-kontextualisiert werden, während die Reihenfolge Quint/Steer die Texte nach Kriterien anordnet, die zu einer radikalen liturgischen Dekontextualisierung führen. Hier zeigt das von Quint entwickelte Kriterium für die progressive Aufnahme der Predigten in die Edition seine seltsamsten Folgen. Quint stellte die Predigten in eine Abfolge, die dem Gesetz der degressiven Echtheit entsprach. An erste Stelle rückten die Predigten, die Materialien für das Inquisitionsverfahren geboten hatten und über die ,Responsio‘ als echte Predigten Eckharts ausgewiesen sind. Der Leser bekommt also zuerst die ,anstößigste‘ Gruppe von Predigten (Quint 1-20) präsentiert, die Eckhart als ,Häretiker‘ erscheinen lassen. Doch die Hauptgrenze des Quint’56
57 58
Cf. J. Quint, Die Überlieferung der Deutschen Predigten Meister Eckeharts, Bonn 1932, 929930 (Tabellarische Übersicht über die Reihenfolge der Predigttexte im Basler Tauler-Druck). Cf. Quint, Die Überlieferung (nt. 56), 929 (über die Hs. Bra3). Cf. Quint, Die Überlieferung (nt. 56), 933 (über die Hs. Str1), und id., Neue Handschriftenfunde zur Überlieferung der deutschen Werke Meister Eckharts und seiner Schule. Ein Reisebericht (Meister Eckhart, Die deutschen und lateinischen Werke, Untersuchungen 1), Stuttgart-Berlin 1940, 169-205 (Beschreibung der Hs. S1).
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schen Verfahrens liegt nicht bei seinem ,Gesetz der degressiven Echtheit‘ bzw. ,progressiven Rechtgläubigkeit‘ und auch nicht bei dem in letzter Zeit immer wieder beklagten ,divinatorischen Gefühl‘ 59, auf das Quint übrigens nur in extremen Fällen rekurrieren wollte. Wer seine 900-seitige Dissertation liest, findet dort eine in die Zukunft weisende, seitenlange Analyse der Überlieferungsgeschichte der Eckhart-Handschriften und liest am Schluss Quints ,Motto für die Zukunft‘ bei der geplanten kritischen Edition: „möglichste Beschränkung der freien Konjektur“ 60. Doch die wirklich gravierende Grenze des Quint’schen Ansatzes liegt in der liturgischen Dekontextualisierung der von ihm edierten Predigten. Es genügt, den ersten Band der deutschen Werke aus liturgischer Sicht zu lesen, um sich von den perversen Folgen des Prinzips der degressiven Echtheit zu überzeugen. Der Band beginnt mit einer Predigt De tempore für Zinstag nach Invocavit (1. Sonntag der Fastenzeit; Q 1), es folgt eine Predigt De sanctis (15. August, Assumptio; Q 2), dann wieder eine Predigt De sanctis, die aber für zehn Tage davor gilt (5. August, Vincula Petri; Q 3); es folgt De tempore (4. Sonntag nach Ostern; Q 4), dann 1. Sonntag nach Trinitatis (Q 5); es folgt eine Predigt auf Allerseelen (Q 6), sodann Samstag in den Tempora von September (Q 7), dann 29. Juni, Martyrium des Johannes und Paulus (Q 8); es folgt 5. August, hl. Dominicus (Q 9), etc. Dieser schwindelerregende Parcours zeigt letztlich nur eines: Quint betrachtete den liturgischen Kalender für seine Edition als eine akzidentielle Größe. Die Forschung hat bis auf wenige Ausnahmen konsequent diesen Grundsatz auf die Interpretation der Predigten angewendet. Ich hoffe gezeigt zu haben, dass es objektive Gründe gibt, sich über die Rekonstruktion eines Corpus der deutschen Predigten Meister Eckharts Gedanken zu machen. Freilich geht es nicht um eine Neuedition, wohl aber um eine neue Präsentation der Predigten. Der wichtigste Schritt in diese Richtung ist die Rekonstruktion der ursprünglichen, von Eckhart gewollten, Reihenfolge der deutschen Predigten; und das bedeutet, die Predigten De tempore von De sanctis zu trennen und die beiden Reihen nach der mittelalterlichen Liturgie der Dominikaner in Ordnung zu bringen. Erst dann wird es möglich sein, die Predigten in einer ,historischen‘ Anordnung und in ihrem ,historischen‘ Kontext zu lesen. Dann wird man die Werkstatt Eckharts betreten, denn vieles spricht dafür, dass das Corpus, von dem ich spreche, kein definitives Exemplar im Sinne einer modernen Veröffentlichung, sondern das buoch war, das Eckhart zuerst in Erfurt und dann in Straßburg und in Köln bei sich hatte 61. 59
60 61
Cf. F. Löser, Einzelpredigt und Gesamtwerk. Autor- und Redaktortext bei Meister Eckhart, in: editio 6 (1992), 43-63, hier: 43, unter Verweis auf G. Steer, Echtheit und Authentizität der Predigten Meister Eckharts, in: G. Stötzel (ed.), Germanistik. Forschungsstand und Perspektiven 2, Berlin-New York 1985, 41-50, hier: 50. Quint, Die Überlieferung (nt. 56), 950-951. Die Rekonstruktion von Eckharts liturgisch angeordnetem Predigt-Corpus, dessen erster Teil (De tempore) am Ende dieses Beitrags mitgeteilt wird, ist die Grundlage für die Neuausgabe der Predigten, die im Rahmen einer italienischen Gesamtübersetzung sowie einer neuen zweisprachigen Ausgabe der deutschen Werke Eckharts in Meiners Philosophischer Bibliothek erscheinen
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IX. Nachtrag: Grenzen und Probleme einer Cor pus-Rekonstr uktion Natürlich hat auch das Corpus-Modell seine Grenzen. Es wird nicht als ,Wunderwaffe‘ in Echtheitsfragen taugen. Auch wird es die Erwartungen in Hinblick auf eine exakte Datierung der Predigten nicht erfüllen. Es hat aber den Vorteil, Schriftlichkeit und Mündlichkeit bei Eckhart in eine neue Einheit zu bringen. Die Forschung tut sich derzeit schwer, zu diesem Punkt ein klares Wort zu sprechen. Ich zitiere nur Largier: „Man wird hier wohl von einer ursprünglichen Parallelität der schriftlichen und der mündlichen Form ausgehen dürfen, wobei die schriftliche Urform als Rekomposition des mündlichen Vortrags aufgrund eines zuvor bestehenden Entwurfs angesehen werden kann. Diese Rekomposition mag sich denn auch in vielen Fällen der Traktatform angenähert haben […].“ 62 Doch ein großes Problem bleibt nach wie vor bestehen: die desolate Überlieferungssituation der deutschen Predigten Eckharts, die ein ungewöhnlich hohes Maß an Zersplitterung aufweist und selbst heute noch nicht vollständig erfasst ist. Ich weise in diesem Zusammenhang kurz auf einen Handschriftenfund hin: Zürich, Zentralbibliothek, Z XIV 35, ein Pergament-Doppelblatt, ursprünglich 270 ¥ 175 cm 63. Das Blatt wurde aus einem Einband der Bibliothek mit der Signatur 226 U entnommen. Es enthält ein Fragment von Eckharts Predigt 59 (De tempore, Sonntag vor der Fastenzeit) sowie, ebenfalls fragmentarisch, einen Traktat über die Wirkung der Eucharistie von einem unbekannten Verfasser. Das Blatt wurde von Karin Schneider datiert, sie konnte auch seine Provenienz bestimmen: „Mit aller gebotenen Vorsicht würde ich also das Eckhart-Fragment ins 1. Viertel des 14. Jahrhunderts datieren (wohl kaum vor 1310) und Entstehung in St. Katharinental vermuten, wogegen auch sprachlich nichts einzuwenden wäre. Es wäre damit etwa gleichzeitig oder nur geringfügig jünger als das Predigtfragment aus dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg.“ 64 Das Blatt weist ein seltsames Folioformat auf, das keine Entsprechung bei den älteren Eckhart-Fragmenten zu haben scheint 65. Der Neufund, der in die Zeit zurückweist, als der ,Paradisus‘-Redaktor Eckharts Predigt-Corpus ,ausschlachtete‘, gehört natürlich nicht zu jenem Corpus.
62 63
64 65
wird. An diesem Projekt arbeitet eine Forschergruppe in Lecce, die von Dagmar Gottschall und mir geleitet wird. Largier (ed.), Meister Eckhart: Werke I (nt. 55), 733. Das Doppelblatt wird an anderer Stelle vorgestellt mit exakter Beschreibung und Abdruck seines Inhalts. K. Schneider, briefliche Mitteilung vom 04.06.2003. Zu den ältesten Eckhart-Handschriften grundlegend G. Steer, Die Schriften Meister Eckharts in den Handschriften des Mittelalters, in: H.-J. Schiewer/K. Stackmann (eds.), Die Präsenz des Mittelalters in seinen Handschriften. Ergebnisse der Berliner Tagung in der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, 06.-08. April 2000, Tübingen 2002, 209-302, bes. 246252.
Hat es ein Corpus der deutschen Predigten Meister Eckharts gegeben?
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Sein Inhalt weist das Blatt einer der zahlreich zirkulierenden mystischen Sammelhandschriften zu. Das Buch Meister Eckharts ist in seiner liturgischen Ordnung als eine Art ,Dienstexemplar‘ in den Händen eines Predigers zu erwarten, Frauenklöster hatten ganz andere Bedürfnisse und Erwartungen. Die Zersplitterung des Predigt-Corpus Eckharts hat offenbar bereits zu seinen Lebzeiten eingesetzt - z. B. in Katharinental.
Anhang Die Sermones de tempore Meister Eckharts 1 2 3 4 5
dom. I adventus id. dom. II adventus dom. III adventus feria quattuor temporum 6 id. 7 dom. IV adventus 8 in nativitate domini 9 dom. infra octavam nativitatis 10 in circumcisione domini 11 in vigilia epiphaniae 12 in epiphania domini 13 id. 14 dom. infra octavam epiphaniae 15 id. 16 id. 17 dom. in septuagesima 18 f. 3 post dom. I quadragesimae 19 dom. III in quadragesima 20 id. 21 f. 3 post dom. III quadrag. 22 f. 4 post dom. III quadrag. 23 f. 5 post dom. III quadrag. 24 f. 6 post dom. III quadrag. 25 dom. IV in quadragesimae 26 f. 3 post dom. IV quadrag.
66
Nach BT.
Ecce dies veniunt Induimini Scitote, quia prope est Ecce, mitto angelum Ave, gratia plena
(Brev.) Jer. 23, 5 S 87, DW IV/1, 1-28 Röm. 13, 14 Q 24, DW I, 411-423 Luc. 21, 31 Q 68, DW III, 138-152 Mt. 11, 10 Q 77, DW III, 330-346 Luc. 1, 28 Q 22, DW I, 371-389
Par. an. 1
In illo tempore Gaudete in domino Videte qualem caritatem
Q 38, DW II, 224-245 Q 34, DW II, 156-169 Q 76, DW III, 304-329
Par. an. 4
Post dies octo
Luc. 1, 26-28 Phil. 4, 46 (Thema) 1 Joh. 3, 1 66 (Offic.) Sap. 18, 14 Luc. 2, 21
Angelus domini apparuit Surge, illuminare Iherusalem Ubi est, qui natus est Sedebat Iesus docens
Mt. 2, 19 Is. 60, 1 Mt. 2, 1-2 Luc. 2, 46
S 89, DW IV/1, 36-42 Par. an. 10 Q 14, DW I, 227-241 S 102, DW IV/1, 407-425 S 90, DW IV/1, 43-71 Par. an. 15
Cum factus esset Iesus In his, quae patris mei sunt Voca operarios Intravit Iesus
Luc. 2, 42 Luc. 2, 48 Mt. 20, 8 Mt. 21, 12
S 103, DW IV/1, 426-492 S 104, DW IV/1, 493-610 S 91, DW IV/1, 72-98 Par. an. 16 Q 1, DW I, 3-20
Eratis enim aliquando tenebrae Beatus venter Vir meus
Eph. 5, 8
Q 50, DW II, 452-460
Luc. 11, 27 IV Reg. 4, 1
Q 49, DW II, 422-451 Q 37, DW II, 205-223
Hec dicit dominus
Mt. 15, 4
Q 51, DW II, 461-477
Sta in porta
Jer. 7, 2
Q 19, DW I, 308-321
Mulier venit hora
Joh. 4, 23
Q 26, DW II, 19-36
Laetare sterilis
Gal. 4, 27
S 99, DW IV/1, 253-261
Moyses orabat
Ex. 32, 11
Q 25, DW II, 3-18
Dum medium silentium
S 101, DW IV/1, 279-367 S 88, DW IV/1 29-35
Par. an. 8
Par. an. 21
Par. an. 20
408 27 f. 5 post dom. IV quadrag. 28 id. 29 vigilia dom. I passionis 30 f. 5 post dom. I passionis 31 f. 5 in cena domini 32 id. 33 id. 34 in vigilia paschae 35 f. 5 post pascha 36 id. 37 dom. in octava paschae 38 id. 39 id. 40 dom. II post pascham 41 id. 42 dom. III post pascham 43 in vigilia ascensionis domini 44 id. 45 id. 46 in ascensione domini 47 f. 4 post pentecosten 48 in festo s. Trinitatis 49 dom. I post Trinitatis 50 id. 51 id. 52 id. 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62
67
id. id. id. dom. IV post Trinitatis dom. XVI post Trinitatis dom. XVII post Trinitatis f. 6 quattuor tempora sept. dom. XIX post Trinitatis dom. XXIV post Trinitatis id.
Loris Sturlese Adolescens, tibi dico
Luc. 7, 11
Adolescens, tibi dico Laudate caeli. Ego sum lux Nunc sequimur
Luc. 7, 11 Q 43, DW II, 310-330 Is. 49, 13; Joh. 8, Q 79, DW III, 358-370 12 Dan. 3, 41 Q 59, DW II, 619-636
Si non lavero te Homo quidam Homo quidam Si consurrexistis Maria Magdalena Maria venit Cum sero
Joh. 13, 8-9 Luc. 14, 16 Luc. 14, 16 Col. 3, 1 Joh. 20, 1 Joh. 20, 11 Joh. 20, 19
S 108, DW IV/2, 731-747 Q 20a, DW I, 322-339 Q 20b, DW I, 340-352 Par. an. 24 Q 35, DW II, 170-183 Q 55, DW II, 572-585 Q 56, DW II, 586-590 Par. an. 26 Q 92, DW IV/1, 99-105 Par. an. 27
Stetit Iesus Cum sero Modicum
Joh. 20, 19 Joh. 20, 19 Joh. 16, 16
Q 36a, DW II, 184-193 Q 36b, DW II, 194-204 Q 69, DW III, 153-180
Modicum Omne datum optimum
Joh. 16, 16 Jac. 1, 17
Q 70, DW III, 181-203 Q 4, DW I, 58-74
Haec est vita aeterna
Joh. 17, 3
Q 46, DW II, 374-388
Sublevatis oculis Haec est vita aeterna Convescens praecepit Spiritus Domini Misericordia domini In hoc apparuit In hoc apparuit Deus caritas est 67 Diu seˆle diu wirt ein (subsermo) Deus caritas est Deus caritas est Homo quidam Non sunt condignae
Joh. 17, 1 Q 54a, DW II, 542-561 Joh. 17, 3 Q 54b, DW II, 562-571 Act. 1, 4 Q 29, DW II, 70-89 Sap. 1, 7 Q 47, DW II, 389-409 (Brev.) Ps. 32, 5 Q 61, DW III, 30-47 1 Joh. 4, 9 Q 5a, DW I, 75-82 1 Joh. 4, 9 Q 5b, DW I, 83-96 1 Joh. 4, 16 Q 63, DW III, 70-83 1 Joh. 4, 16 Q 64, DW III, 84-91 1 Joh. 4, 16 1 Joh. 4, 16 Luc. 16, 29 Röm. 8, 8
Q 65, DW III, 92-103 Q 67, DW III, 126-135 Q 80, DW III, 378-388 S 94, DW IV/1, 138-149 Par. an. 42
Adolescens
Luc. 7, 14
Q 42, DW II, 298-309
Unus deus
Eph. 4, 6
Q 21, DW I, 353-370
Populi eius
Os. 14, 4
Q 7, DW I, 116-124
Renovamini spiritu
Eph. 4, 23
Q 83, DW III, 434-449
Puella surge
Mt. 9, 18
Q 84, DW III, 450-465
Par. an. 57
Puella surge
Mt. 9, 18
Q 85, DW III, 466-471
Par. an. 58
Vielleicht Sermo de sanctis, Fest unbestimmbar.
Q 18, DW I, 294-307 Par. an. 22
Par. an. 28
Deutsche Bibelzitate in den Predigten Meister Eckharts Nadia Bray (Lecce) I. Die Eckhart-Forschung stellte die Frage nach dem Umgang Meister Eckharts mit dem Bibeltext in erster Linie für die lateinischen Werke, und hier im Zusammenhang mit Eckharts Exegesemethoden. Zu erwähnen sind die Arbeit von Winkler 1, der Sammelband von Nix und Öchslin 2 sowie die Studie von Theisen, der versuchte, die Predigten Eckharts in den Kontext der dominikanischen Liturgie zu stellen 3. Die grundlegende Untersuchung zur Schriftexegese Meister Eckharts, soweit sie seine lateinischen Bibelkommentare betrifft, stammt von Josef Koch 4. Kochs Hinweise wurden aufgegriffen und in zahlreichen Abhandlungen über den theologischen Aspekt der Werke Meister Eckharts weiterentwickelt. In der Forschung fehlt jedoch eine systematische Untersuchung der Stellen, in denen Eckhart den Bibeltext ins Deutsche übersetzt 5. Die Materialien dazu stehen durchaus zur Verfügung. Jede deutsche Predigt beginnt normalerweise mit der Übersetzung der Tagesperikope (oder eines Teils daraus) in die Volkssprache. Wir haben mindestens ein gutes Hundert Perikopen zu Beginn der authentischen Predigten. Es schließt sich eine beachtliche Zahl von oft wörtlichen Bibelzitaten im fortlaufenden Predigttext und in den Traktaten an. Eckhart zitiert häufig Autoritäten und Stellen aus der Bibel. Doch nicht nur die Perikope in ihrem Zusammenhang, sondern jedes einzelne biblische Lexem ist für Eckhart von Bedeutung, denn es umschließt in sich einen ,Bedeutungskern‘, den es von Mal zu Mal sorgfältig zu erschließen und zu erläutern
1
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5
Cf. E. Winkler, Exegetische Methoden bei Meister Eckhart (Beiträge zur Geschichte der biblischen Hermeneutik 6), Tübingen 1965. Cf. U. M. Nix/R. Öchslin (eds.), Meister Eckhart, der Prediger. Festschrift zum Eckhart-Gedenkjahr, Freiburg-Basel-Wien 1960. Cf. H. J. Theisen, Predigt und Gottesdienst. Liturgische Strukturen in den Predigten Meister Eckharts (Europäische Hochschulschriften, Reihe 1, 1169), Frankfurt a. M. 1990. Cf. J. Koch, Sinn und Struktur der Schriftauslegungen Meister Eckharts, in: id., Kleine Schriften I (Storia e letteratura; Raccolta di studi e testi 127), Rom 1973, 399-428. An dieser Stelle ist auf die Arbeit Freimut Lösers zu verweisen, der die Aufmerksamkeit auf Eckharts Übersetzungstechnik gelenkt hat; cf. F. Löser, Lateinische Bibel und volkssprachliche Predigt. Meister Eckhart als Übersetzer von Bibelstellen (Vortrag der Tagung: Wirkungsgeschichte der Bibel im deutschsprachigen Mittelalter, 04.-06. September 2000, Trier), im Druck.
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Nadia Bray
gilt, sowohl in Latein als auch in der Volkssprache 6. Koch hat gezeigt, wie weit diese Form von Exegese von jener in erster Linie wörtlichen eines Thomas von Aquin entfernt ist, und in der Forschung hat sich die Vorstellung verbreitet, dass der Methode Eckharts - von Ruh treffend zusammengefasst in der Formel litteram punctare 7 - etwas Willkürliches anhafte, wenn sie nicht sogar als ,Manipulation‘ des Originals anzusehen sei 8. Eckhart arbeitet tatsächlich mit der ausdrücklichen Voraussetzung, dass die Heilige Schrift eine unendliche Fülle von Bedeutungen in sich berge und dass diese unendliche Bedeutungsfülle bereits im allerkleinsten Wort dieses Textes enthalten sei: „daz diu geschrift alsoˆ vol ist, daz nieman daz allerminste wort ergründen enkan.“ 9 Jedoch bleibt der lateinische Text der Vulgata das unerschütterliche Fundament von Eckharts Exegese, die auf dem Vergleich des kanonischen Schriftwortes mit anderen biblischen Autoritäten und Philosophen der Tradition fußt, mit normalerweise expliziten und präzisen Verweisen. In den deutschen Werken scheint sich jedoch oft die Wortwörtlichkeit der in Übersetzung präsentierten Texte zu verlieren zugunsten eines sich gleichsam ,überstürzenden‘ und fließenden Stils: Die philosophischen und theologischen auctoritates, auf die sich Eckhart bezieht, werden jetzt größtenteils zusammenfassend referiert und anonym eingeführt - ,Meister‘, ,heidnische Weise‘ etc. Auch die Bibelstellen werden ohne Kapitelangabe zitiert und übersetzt: „man liset in dem ˆewangelioˆ “, oder: „diz wort staˆt geschriben in dem buoche der wıˆsheit“, oder: „in dem heiligen ˆewangelioˆ, daz uns Johannes schrıˆbet, liset man“, und dergleichen typisch Eckhart’sche Einleitungsformeln. II. In den deutschen Werken ist das Problem der Exegese eng mit dem Problem der Bibelübersetzung verflochten. Deshalb stellt sich als erste Frage: Hat Eckhart eine bereits vorhandene Übersetzung benutzt, die vielleicht auch nur in mündlichem Gebrauch in seinem Umkreis gewöhnlich zitiert wurde? Wenn wir, wie ich glaube, beträchtliche Gründe haben, dies zu verneinen, ergibt sich die zweite Frage: Wenn Eckhart persönlich die Heilige Schrift übersetzt, gibt es dann Anhaltspunkte, um seine Übersetzungstheorie zu rekonstruieren? Und weiter: Ist Eckhart im Laufe seines Arbeitsprozesses konsequent in der Wahl eventuell unterschiedlicher Übersetzungstechniken? Es handelt sich um Fragen, die bisher noch nicht gestellt wurden, jedoch von nicht unerheblicher Bedeutung sind, denn dem Mittelalter ist der Abschnitt des Hieronymus über die Notwendigkeit, zwischen einer ,verbum de verbo‘- und einer 6
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Eckhart selbst verwendet die Metapher von Kern und Schale: „Diu schal muoz enzwei sıˆn, sol der kerne her uˆz komen“ (Pr. 13, DW I, 212, 5 sq.); „wiltu den kernen haben, soˆ muostu die schalen brechen“ (Pr. 51, DW II, 473, 6 sq.). K. Ruh, Meister Eckhart. Theologe, Prediger, Mystiker, München 1985, 70. Cf. ibid. Pr. 22 (DW I, 381, 4 sq.)
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,sensus de sensu‘-Übersetzung zu wählen 10, wohl bekannt, und zwar nicht in Hinblick auf einen beliebigen Text, sondern in Hinblick auf die Heilige Schrift. Um diese Fragen erschöpfend zu beantworten, ist es nötig, sämtliche deutsche Bibelzitate bei Meister Eckhart systematisch zu analysieren, zusammen mit einer Untersuchung älterer und zeitgenössischer Übersetzungen, sowohl systematischer Perikopenübersetzungen wie bei Eckhart als auch verstreuter Zitate in Predigten und Traktaten. Zu diesem Zweck müssten auch zeitgenössische oder wenigstens zeitlich nahe stehende Predigtsammlungen herangezogen werden, zum Beispiel die Sammlung Taulers 11 oder die Werke Seuses 12. All dies kann ich hier nicht leisten. Jedoch habe ich mit einer ersten Durchsicht des Materials begonnen, das ich bisher zusammengetragen habe. Darin fallen auf den ersten Blick einige Besonderheiten ins Auge, auf die ich hier aufmerksam machen möchte: An erster Stelle stehen die beachtlichen Schwankungen Eckharts in der Wortwahl, wenn er denselben Bibelvers in verschiedenen Predigten auf Deutsch wiedergibt. Ich bringe im Folgenden eine Liste ausgewählter Bibelzitate, die mindestens zweimal im ganzen deutschen Werk Meister Eckharts vorkommen: Eccli. 24, 15 „Et in civitate sanctificata similiter requievi.“
Pr. 18 (DW I, 297, 4-5) „Ich sol glıˆche widerruowen in der gewıˆhten und in der geheiligeten stat.“
Pr. 60 (DW III, 11, 2-3) „An der geheiligeten stat ist mıˆn ruowe.“
Cant. 3, 4 „Paululum cum pertransissem eos, inveni quem diligit anima mea.“
Pr. 69 (DW III, 163, 1-2) „Dar naˆch, doˆ ich ein weˆnic oder ein lützel überspranc, doˆ vant ich, den mıˆn seˆle daˆ minnet.“
Pr. 71 (DW III, 230, 7) „Doˆ ich ein weˆnic vürbaz kam, doˆ vant ich, den mıˆn seˆle minnet.“
Ps. 30, 20 „Quam magna multitudo dulcedinis tuae, Domine, quam abscondisti timentibus te.“
Pr. 20a (DW I, 331, 1-3) ˆ herre, wie groˆz und wie ma„O nicvaltic ist dıˆn wirtschaft und der smac der süezicheit, diu den bereitet ist, die dich minnent, niht den, die dich vürhtent.“
Pr. 20b (DW I, 345, 6-7) „Herre, wie groˆz und wie manicvaltic ist diu süezicheit und diu spıˆse, die duˆ verborgen haˆst allen den, die dich vürhtent.“
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Cf. Hieronymus, De optimo genere interpretandi (Epistula 57). Ein Kommentar von G. J. M. Bartelink, Leiden 1980; R. Copeland, Rhetoric, Hermeneutics, and Translation in the Middle Ages. Academic Traditions and Vernacular Texts, Cambridge 1991; G. Contamine (ed.), Traduction et traducteurs au Moyen Age, Paris 1989; J. Beer (ed.), Medieval Translators and their Craft (Studies in Medieval Culture 25), Kalamazoo 1989; P. Chiesa, Ad verbum o ad sensum? Modelli e coscienza metodologica della traduzione tra tarda antichita` e alto medioevo, in: Medioevo e Rinascimento 1 (1987), 1-1. Die Predigten Taulers. Aus der Engelberger und der Freiburger Handschrift sowie aus Schmidts Abschriften der ehemaligen Straßburger Handschriften, ed. v. F. Vetter (Deutsche Texte des Mittelalters 11), Berlin 1910. Heinrich Seuse, Deutsche Schriften. Im Auftrag der Württembergischen Kommission für Landesgeschichte ed. v. K. Bihlmeyer, Stuttgart 1907.
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Ps. 45, 5 „Fluminis impetus laetificat civitatem Dei.“
Pr. 23 (DW I, 407, 7-8) „Der sturm des vluzzes ervröuwet mıˆne stat.“
Pr. 81 (DW III, 395, 1) „Der rüsche oder der snelle vluz der haˆt ervröuwet gotes stat.“
Luc. 9, 24
Pr. 76 (DW III, 326, 1-2)
„Si quis vult post me venire abneget se ipsumet tollat crucem suam cotidie et sequatur me.“
Pr. 59 (DW II, 628, 4-5) „Wer mir welle naˆchvolgen, der verzıˆhe sich sıˆn selbes und neme sıˆn kriuze und volge mir naˆch.“
„Swer mir volgen wil, der verlougen sıˆn selbes und hebe uˆf sıˆn kriuze und volge mir.“
Luc. 10, 38-40 „Et ipse intravit in quoddam castellum; et mulier quaedam, Martha nomine, excepit illum in domum suam.“
Pr. 2 (DW I, 24, 4-6) „Unser herre Jeˆsus Kristus der gienc uˆf in ein bürgelıˆn und wart enpfangen von einer juncvrouwen, diu ein wıˆp was.“
Pr. 86 (DW III, 481, 2-4) „Unser herre Jeˆsus Kristus gienc in ein kleinez stetlıˆn; daˆ enpfienc in ein vrouwe, hiez Marthaˆ.“
Luc. 19, 12
Pr. 15 (DW I, 244, 3-5)
„Homo quidam nobilis abiit in regionem longinquam accipere regnum et reverti.“
„Es was ain edel mentsch, der gieng us in froemde land von im selber vnd kam richer wider hain.“
Von dem edeln Menschen (DW V, 109, 1-2) „Ein edel mensche vuor uˆz in ein verrez lant enpfaˆhen im ein rıˆche und kam wider.“
1 Joh. 4, 16
Pr. 7 (DW I, 121, 14-122, 1)
Pr. 10 (DW I, 167, 9-10)
„Deus caritas est et qui manet in caritate, in Deo manet et Deus in eo.“
„Got ist diu minne, und der daˆ blıˆbet in der minne, der blıˆbet in gote und got in im.“
„Got ist diu minne, und diu minne ist got, und wer in der minne wonet, der wonet in gote und got wonet in im.“
Pr. 27 (DW II, 49, 4-5)
Pr. 63 (DW III, 74, 1-2)
Pr. 64 (DW III, 87, 4-5)
„Got ist diu minne, und der in der minne ist, der ist in gote, und got ist in im.“
„Got ist die mynne, vnd der in der mynne ist, der ist in got, vnd got ist in im.“
„Got ist mynne, vnd der in der mynne ist, der ist in got, vnd er [Gott] ist in ime.“
Aus dieser Zusammenstellung geht ganz klar hervor, dass Eckhart über keine verbindliche und kanonische Bibelübersetzung verfügte. Eine solche Übersetzung hätte eine derartige Schwankung, wenigstens aus formaler Sicht, in den Übersetzungsformen von ein und demselben Vulgatatext sicher verhindert. Dürfen wir also aus dieser Beobachtung schließen, dass Eckhart jedes Mal ad hoc, wenn sich das Problem stellte, aus dem Lateinischen übersetzte? Diese Hypothese erscheint sehr wahrscheinlich, löst aber nicht das Problem der Konsequenz. Auch im Fall von Übersetzungen, die zu unterschiedlichen Zeiten angefertigt wurden, würde man doch an entsprechender Stelle die gleiche Lösung erwarten. Oder ist etwa das Konzept der ,Kohärenz‘ im vorliegenden Fall verfehlt?
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Wie man auch urteilen mag - ,Inkonsequenzen‘ in diesen Übersetzungen sind reichlich vorhanden, für deren Zustandekommen sich drei Erklärungsmuster anbieten: 1. Es handelt sich um schlichte Nachlässigkeit Meister Eckharts, den das Problem einer ,systematischen‘ Bibelübersetzung nicht interessierte. 2. Eckhart erprobte jedes Mal neue Ausdrücke, die in einem noch formbaren linguistischen Medium wie der Volkssprache möglich sind, im Gegensatz zum verbindlichen und autoritativen Text der Vulgata. 3. Eckhart wählte bewusst unterschiedliche Übersetzungen. Seine Wahl ist motiviert von der sich anschließenden Exegese und daraus erklärbar 13. Es ist nicht auszuschließen, dass sich diese drei Erklärungen gegenseitig ergänzen. Im Folgenden möchte ich einige Beispiele vorstellen, in denen sich die scheinbare ,Nachlässigkeit‘ Eckharts bei näherem Zusehen als strenge Konsequenz seiner Auslegung der betreffenden Stelle erweist. III. Das erste Beispiel ist ein Vers aus den Psalmen: Ps. 30, 20 „Quam magna multitudo dulcedinis tuae, Domine, quam abscondisti timentibus te.“
Pr. 20a (DW I, 331, 1-3) ˆ herre, wie groˆz und wie ma„O nicvaltic ist dıˆn wirtschaft und der smac der süezicheit, diu den bereitet ist, die dich minnent, niht den, die dich vürhtent.“
Pr. 20b (DW I, 345, 6-7) „Herre, wie groˆz und wie manicvaltic ist diu süezicheit und diu spıˆse, die duˆ verborgen haˆst allen den, die dich vürhtent.“
Warum wird dem Substantiv dulcedo, übersetzt mit süezicheit, einmal, in Predigt 20a, das Lexem wirtschaft und ein andermal, in Predigt 20b, diu spıˆse beigegeben? Beide Lexeme haben mit dem Essen, mit der Nahrung zu tun und der Übergang ist nicht einsichtig und unmittelbar. Bei genauerem Hinsehen ist festzustellen, dass beide Predigten, in denen der Psalm 30, 20 zitiert wird, von der Perikope Luc. 14, 16 ausgehen ,Homo quidam fecit cenam magnam‘ 14. Und tatsächlich verbindet Eckhart das Thema der dulcedo mit dem der cena magna. Das Abendessen ist die letzte Mahlzeit des Tages, nach der man keinen Hunger mehr hat 15, und 13 14
15
Cf. dazu bereits Löser, Lateinische Bibel (nt. 5). Pr. 20a (DW I, 326, 1-339, 3); 20b (DW I, 342, 1-352, 7). Ich betrachte Pr. 20a und 20b als „zwei selbständige Predigten desselben Verfassers“, wie J. Quint, DW I, 324, ausführlich bewiesen hat. Pr. 20a (DW I, 327, 1-3): „Ze dem vierden maˆle meinet ez alsoˆ, als sant Gregorius sprichet, daz naˆch der aˆbentspıˆse engaˆt kein ander spıˆse. Swem got dise spıˆse gibet, diu ist soˆ süeze und soˆ verwenet, daz den niemermeˆ engelüstet keiner andern spıˆse.“; 20b (DW I, 343, 3-4): „Nuˆ sprichet sant Gregorius von dem aˆbentezzen: als man des morgens izzet, dar naˆch volget ein ander ezzen; aber naˆch dem aˆbentezzen envolget kein ander ezzen.“
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man lädt dazu Freunde, denen man in großer Liebe zugetan ist 16; die Speise für diese Mahlzeit ist Gott selbst, der zugleich der Gastgeber und der geliebte Freund ist 17. Nun ist es der Speise eigentümlich, sich in Fleisch und Blut dessen zu verwandeln, der sie zu sich nimmt. Wer an diesem Abendessen teilhat, wird eins mit Gott selbst. Nicht Gott verwandelt sich in die Kreatur, sondern die Kreatur verwandelt sich in Gott 18. In der Einheit, die sich zwischen Gott und der Seele verwirklicht, bildet sich eine Ruhe und eine Labung, die nur den Geschmack einer ewigen, unveränderlichen Süßigkeit haben kann. Solange aber noch eine Bindung mit den Irdischen besteht, erlangt die Seele nicht diese festliche Einheit 19. Das ist zusammenfassend der Sinn, der für Eckhart die Beziehung zwischen den beiden zitierten Versen begründet. Wie man sehen kann, sind die mhd. Lexeme wirtschaft und spıˆse keine eigentliche Übersetzung von dulcedo, was süezicheit bedeutet, sondern sie sind das Ergebnis einer präzisen Exegese, die übrigens schon in Eckharts lateinischen Werken vorliegt. In Sermo VIII kommentiert Eckhart eben diese Perikope aus Luc. 14, 16, indem er sie mit dem besprochenen Psalm 30, 20 verbindet, und er leitet wieder die ewige Süßigkeit aus der Verbindung von Liebhaber und Geliebtem ab, oder anders ausgedrückt: aus einer vollkommenen Liebe, gegründet auf Vergessen und Ausschluss einer jeglichen Sache, die außerhalb ihrer Beziehung steht: „Super cenam nota quod secundum Gregorium post cenam prandium non sequitur. Ubi dic primo quod in hoc designatur convivium caeleste fore sine fine. Augustinus: […] ,intromittis me in quandam dulcedinem, quae si continuaretur‘ etc. Secundo dic in hoc designari quod ,gustato illo desipit omnis caro‘ et creatura […]. Super magnam dic: ,quam magna multitudo dulcedinis tuae‘ etc. Nota: quid tam abscondit magnum, multum et longum quam simplex unicum nunc manens aeternitatis? […] Ad litteram: ,dulcedo‘ amat*i+ subducit et in oblivionem facit ire omne aliud, omne circumstans, se toto quiescens et sistens in praesentia amati non praesentis. Amans siquidem quippiam plene totum habet in illo quod vult. Omne non illud, omne circumstans illud est onerosum, molestum et odiosum, secundum illud: ,amator factus sum formae illius‘. Ubi nota quod etiam perfectio quaelibet amati, nisi sit ipsa natura, ipsa forma amati, onerosa est.“ 20
Der Vergleich mit dem lateinischen Sermo zeigt, dass die Übersetzungen der biblischen Zitate Exegese sind und daher nicht an den semantischen Bereich gebunden, den das deutsche Lexem suggeriert, sondern an eine präzise begriffli16
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Pr. 20a (DW I, 326, 3-6): „Waz meinet, daz er ez nennet eine aˆbentspıˆse? Ein meister sprichet alsoˆ, daz ez eine groˆze minne meinet, wan ez got niemanne læzet, dan der gote heimlich ist “; 20b (DW I, 342, 34): „aber ze der aˆbentwirtschaft ladet man groˆze liute und liebe liute und gar heimlıˆche vriunde.“ Pr. 20a (DW I, 328, 5-6): „Daˆ von haˆt er sich bekleidet mit dem rocke der glıˆchnisse des broˆtes“; 20b (DW I, 343, 14-344, 1): „Got gibet sich, allez daz er ist, in der aˆbentwirtschaft ze einer spıˆse sıˆnen lieben vriunden.“ Pr. 20a (DW I, 331, 5-6): „Duˆ ensolt aber niht wænen, daz ich in dich gewandelt werde: duˆ solt in mich gewandelt werden.“ Pr. 20a (DW I, 337, 3-4): „die noch etwaz klebent mit sorcsamkeit; die enbıˆzent der aˆbentspıˆse niemer “; 20b (DW I, 350, 6-7): „Die wıˆle diu seˆle iht haˆt an ir, daz irdisch ist, soˆ enkumet si ze der wirtschaft niht.“ Sermo VIII, nn. 84-86 (LW IV, 80, 8-82, 6).
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che Bedeutung der Heiligen Schrift selbst: also eine von der linguistischen Ebene unabhängige Erklärung. Die in die Volkssprache übertragenen Bibelzitate sind bereits zusammenfassender Ausdruck von Eckharts exegetischer Analyse. Es überrascht sicher, dass Eckhart sich die Freiheit nimmt, sie als wörtliche Zitate zu präsentieren, doch als Prediger in der Volkssprache war er an keine festgelegte biblische Tradition gebunden, ja, man kann sich darüber hinaus vorstellen, dass er seine Predigten auf der Basis genau studierter rhetorischer Mittel strukturierte und dass er seine Auslegungen in wirksamen Formeln verdichtete. IV. Das zweite Beispiel ist ein Zitat aus Eccli. 24, 15, das in zwei verschiedenen Predigten in unterschiedlicher Übersetzung erscheint, und zwar in Predigt 18 und in Predigt 60: Eccli. 24, 15 „Et in civitate sanctificata similiter requievi.“
Pr. 18 (DW I, 297, 4-5) „Ich sol glıˆche widerruowen in der gewıˆhten und in der geheiligeten stat.“
Pr. 60 (DW III, 11, 2-3) „An der geheiligeten stat ist mıˆn ruowe.“
In beiden Predigten wird sanctificata mit geheiligeten übersetzt, aber in Predigt 18 erscheint zusätzlich das Lexem gewıˆhten, dem kein lateinisches Wort des Verses entspricht. In Predigt 18 bezieht sich Eckhart auf die Tagesperikope (Luc. 7, 11-17) und erzählt das Wunder am Tor der Stadt Naim, wo Christus den einzigen Sohn einer Witwe vom Tod erweckte mit den Worten: „Adolescens, tibi dico, surge.“ Der Jüngling richtete sich auf und begann zu sprechen. Eckhart fügt hinzu, dass der Inhalt dieses Sprechens die Gleichheit mit dem ewigen Wort war, die der Jüngling in sich verspürte 21. Das Thema der Predigt entwickelt die Bedeutung dieses Einschubs von Seiten Eckharts, der absolut nichts mit dem Bibeltext zu tun hat, aber markant und treffend formuliert ist. Der Jüngling wurde auferweckt kraft des Wortes: Das Wunder hat eine Erklärung, denn die Natur vollführt keine Sprünge, sondern schreitet geradlinig fort vom Niedrigeren zum Höheren 22, und das wirkende Wort wurde von Gott nicht in irgendeine beliebige Seele gesprochen, sondern in eine vom Heiligen Geist gereinigte und erhöhte Seele 23. Die Weisheit nennt eine solche Seele ,geheiligte Stadt‘ und beschreibt sie als Ort, an dem Gott Ruhe findet: „in civitate sanctificata similiter requievi.“ 24 21 22 23
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Cf. Pr. 18 (DW I, 296, 1-307, 6; ibid., 296, 2-7). Ibid., 298, 4-5: „Diu natuˆre enübertritet niht; si hebet iemer an ze würkenne an dem nidersten und würket.“ Ibid., 298, 7-299, 1: „Der heilige geist nimet die seˆle und liutert sie in dem liehte und in der gnaˆde und ziuhet sie uˆf in daz allerhœhste.“ Ibid., 297, 3-5.
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Auch in diesem Fall ist die Übersetzung Eckharts genau überlegt: Die civitas sanctificata ist nicht nur geheiliget durch den Heiligen Geist, sondern sie ist auch Gott geweiht und zugleich gerüstet gegen die Schwäche, befestigt gegen jede Art von Vielheit und deshalb selbst der Ruhe und Einheit zugewandt 25. Der Name dieser Stadt ist Naim und bedeutet ,Einfachheit‘. Einfach ist die Seele, die Gott geweiht und jeder Kreatur verschlossen ist 26. Die völlige Ablösung von der Vielheit der Sinneserfahrung bringt die Seele dazu, ihre Einheit in Gott und in Gott ihre Ruhe zu finden: In gleicher Weise findet Gott in ihr seine Ruhe 27. Die gleichen Themen werden von Eckhart auch im lateinischen Sermo XXXVI/1 ,Ibat Iesus in civitatem quae vocatur Naim‘ 28 behandelt, und zwar die civitas als befestigte und gegen fleischliche Versuchungen gefeite Seele, das Konzept der Natur, die stufenweise fortschreitet, das Thema der Ruhe, die sich in der Ähnlichkeit und Gleichheit bildet. Besonders interessant ist jedoch, dass Eckhart auch im lateinischen Text das Lexem sanctificata mit der städtischen Terminologie der dicatio verbunden hat, der feierlichen Erklärung, Bürger eines bestimmten Staates werden zu wollen, wie in dem gerade in Predigt 18 beobachteten Zusammenhang: „,Sanctificata‘, id est deo dicata, omnibus aliis abdicata […].“ 29 Der ganze Sermo ist eine Parallele zu der deutschen Predigt. Hier nur ein relevanter Abschnitt: „Nota: Iesus, salus, vadit et venit in civitatem, id est animam bene munitam et securam contra temptationes carnis, mundi et diaboli, iuxta illud: ,salvator ponetur in ea murus et antemurale‘. Item civitas, id est civium, id est virium, potentiarum et affectuum, unitas, tranquillitas. Et ut totum, quod est animae unum, quaerat in hac, venit Iesus, Eccli. 24: ,in civitate sanctificata similiter requievi‘. ,Sanctificata‘, id est deo dicata, omnibus aliis abdicata; ,sanctificata‘, spiritu sancto illustrata […]. ,Similiter requievi‘, quia in his, qui in deo quiescunt, deus pari modo requiescit; si multum, multum, et e contrario […]. Circa li ,sanctificata‘ notatur quod natura non movetur a gradu inferiori ad superiorem *nisi prius deducto ad summum+ omni eo quod est inferioris.“ 30
In Predigt 60 31 dagegen ist die Übersetzung von sanctificata genau wörtlich und paradoxerweise stellt auch dies ein Problem dar. Es gibt keinen Hinweis auf die befestigte Stadt und keinen Bezug zwischen der Gewinnung der Einheit und dem folgenden Frieden. Eckhart beschreibt die Seele, in der Gott ruht, als rein 25
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Ibid., 296, 8-297, 2: „Diu stat daz ist diu seˆle, diu wol geordent ist und gevestent und behuot vor gebresten und uˆzgeslozzen haˆt alle manicvalticheit und eintrehtic ist und wol gevestent in dem heile Ieˆsus und umbemuˆret und umbevangen ist mit dem götlıˆchen liehte.“ Ibid., 303, 1-3: „ ,Naim‘ sprichet als vil als ein tuˆben sun und bediutet einvalticheit. Diu seˆle ensol niemer geruowen in der mügelıˆchen kraft, si enwerde al ein in gote.“ Ibid., 299, 2-5: „Als vil diu seˆle ruowet in gote, als vil ruowet got in ir. Ruowet si ein teil in im, soˆ ruowet er ein teil in ir; ruowet si alzemaˆle in im, soˆ ruowet er alzemaˆle in ir. Dar umbe sprichet diu ˆewige wıˆsheit: ,ich sol glıˆche widerruowen‘.“ Sermo XXXVI/1, nn. 364-371 (LW IV, 313, 1-318, 9). Ibid., n. 364 (LW IV, 313, 11). Ibid., nn. 364-366 (LW IV, 313, 6-315, 3). Pr. 60 (DW III, 10, 1-29, 2).
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in ihrer Hingabe an die geistigen Dinge 32, wobei er das Thema der Einheit und der Gleichheit mit Gott nur streift, das doch so fest mit dem Lexem gewıˆhten aus Predigt 18 verbunden ist. Er vertieft jedoch sorgfältig den Perikopenvers Eccli. 24, 11: ,In omnibus requiem quaesivi‘, den er als Dialog zwischen der Seele und der Weisheit präsentiert, um zu zeigen, dass die Ruhe tatsächlich das Ziel der gesamten Schöpfung ist 33. Daraus lässt sich ein weiteres nützliches Element gewinnen, um Eckharts Übersetzungstechnik für den biblischen Text zu beschreiben: Für gewöhnlich sind die wörtlichen Zitate gleichsam irrelevant im Vergleich zu den bewusst gewählten Abweichungen, die die Reflexion ihres Autors über besondere Aspekte eines bestimmten Lexems signalisieren. Im Fall von Predigt 60 hat Eckhart kein Interesse an einer Kommentierung des Lexems sanctificata und es wird einfach wörtlich ins Deutsche übersetzt. V. Diese Interpretation lässt sich auch durch andere Textstellen bestätigen: Luc. 9, 24 „Si quis vult post me venire abneget se ipsumet tollat crucem suam cotidie et sequatur me.“
Pr. 59 (DW II, 628, 4-5) „Wer mir welle naˆchvolgen, der verzıˆhe sich sıˆn selbes und neme sıˆn kriuze und volge mir naˆch.“
Pr. 76 (DW III, 326, 1-2) „Swer mir volgen wil, der verlougen sıˆn selbes und hebe uˆf sıˆn kriuze und volge mir.“
Die interessantesten Übersetzungen drehen sich hier um zwei Begriffe. Die Analyse von abneget wird erschwert durch Probleme der sprachlichen ,Normalisierung‘ in der Edition Quints; deshalb wende ich mich zunächst den verschiedenen Übersetzungen von tollat zu: neme, biut uˆf und sein Synonym hebe uˆf. In Predigt 59 34 spricht Christus nach dem Evangelium des Lukas: „Wer mir welle naˆchvolgen, der verzıˆhe sich sıˆn selbes und neme sıˆn kriuze und volge mir naˆch.“ Das mhd. Verbum nemen ist wörtliche Übersetzung von lat. tollere, und wieder verbindet sich die wörtliche Übersetzung mit dem Fehlen jeglicher Kommentierung des entsprechenden Lexems. Weiter unten wird die Stelle wiederholt: „Verlöugene dıˆn selbes und biut uˆf dıˆn kriuze! “ 35 Die Lesart biut uˆf erweitert das semantische Feld: Mit dem Konzept des einfachen ,Nehmens‘ verbindet sich die Vorstellung ,Höhe‘, und das nicht zufällig, denn Eckhart vertieft in diesem Kontext das Thema des ,Leidens‘. Er distanziert sich dabei von seinen Vorgängern, für die 32
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Ibid., 16, 6-17, 2: „Waˆ von wirt diu seˆle reine? - Daz si sich heltet ze geistlıˆchen dingen, daˆ von wirt si erhaben; und soˆ si ie hœher erhaben wirt, soˆ si ie luˆterer wirt an ir andaˆht; und soˆ si ie luˆterer wirt an ir andaˆht, soˆ si ie kreftiger wirt an irn werken.“ Ibid., 11, 4-12, 1: „Vraˆgete man mich, daz ich endelıˆche berihten sölte, waz der schepfer gemeinet hæte, daz er alle creˆatuˆren geschaffen hæte, ich spræche: ,ruowe‘.“ Pr. 59 (DW II, 623, 1-636, 6). Ibid., 630, 4.
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,das Kreuz auf sich nehmen‘ in erster Linie körperliche und spirituelle Kasteiung bedeutet wie Fasten und Büßen. Für Eckhart folgt aus diesem Akt jedoch nur Freude 36. Deshalb insistiert er auf der Übersetzung ,biut uˆf ‘. Derselbe Gedanke drückt sich in Predigt 76 37 in dem Synonym hebe uˆf aus. Hier wird die Vorstellung vom Leiden in allen Details untersucht und schließlich mit dem Thema der Perikope verbunden, oder besser: mit der Gabe, Kinder Gottes zu heißen: ,Videte qualem caritatem dedit nobis Pater, ut filii Dei nominemur et simus‘ (1 Joh. 3, 1). Die Möglichkeit dieser Gabe ist an die ontologische Würde des reinsten Seelenteils gebunden: Er hat das gleiche Sein wie der Sohn 38. Die Seele wird rein, wenn sie alle äußeren Bilder, die sich in ihr verbergen, vertreibt 39 und somit jede Unvollkommenheit ausschließt. Denn nur davon rührt das Leid des Menschen her 40. Eckhart führt also die Idee ein, dass das, sicherlich positive, christliche Leiden nicht vollkommen ist. Nimmt man es als Selbstzweck, verwandelt es sich in Zwang und darf nicht verwechselt werden mit dem Zeichen der vollen Ergebenheit in Gottes Willen: Das wahre Zeichen wäre nämlich die Freude 41. Der Mensch wurde von Gott im Geist und außerhalb der Welt erschaffen, also fern von allem, das Schmerz hervorruft: Wenn das Leiden vor der Freude weicht, dann hat die Schöpfung sich wahrhaftig erfüllt, jene des Menschen in Gott und jene Gottes im Menschen 42. Dies ist für Eckhart der Sinn von Luc. 9, 24: „Swer mir volgen wil, der verlougen sıˆn selbes und hebe uˆf sıˆn kriuze und volge mir.“ Auch in diesem Fall verwendet Eckhart nicht einfach des Verbum nemen, sondern uˆfheben: Das Leiden wird aus dem Herzen vertrieben, um der ewigen Freude den Platz zu lassen, so ist das Kreuz ,auf-gehoben‘ 43. Die gleiche Idee findet sich in den lateinischen Sermones, genauer, in Sermo XLV ,Accipite armaturam dei‘ 44: 36
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Ibid., 630, 4-6: „ ,Verlöugene dıˆn selbes und biut uˆf dıˆn kriuze!‘ Daz sprechent die meister, daz sıˆ pıˆne: vasten und ander pıˆne. Ich spriche, ez sıˆ pıˆne a´belegen, wan niht dan vröude volget disem wesene.“ Pr. 76 (DW III, 310, 1-329, 5; cf. ibid., 326, 1-2). Ibid., 315, 6-316, 7: „Diu seˆle haˆt etwaz in ir, ein vünkelıˆn der redelicheit, daz niemer erlischet, und in diz vünkelıˆn setzet man daz bilde der seˆle als in daz oberste teil des gemüetes […]. Wie sıˆn wir ,süne gotes‘? Daz ist: daz wir ´ein wesen haˆn mit im […]; doch enist ez niht der seˆle wesen, meˆr: ez ist dar ˆın gewurzelt und ist etwaz lebens der seˆle.“ Ibid., 322, 6-324, 2: „Daˆ muoz allez daz uˆzgetriben werden, daz glıˆcheit ist, daz ich übergesast werde in got und werde ein mit im und ´ein substancie und ´ein wesen und ´ein natuˆre und der sun gotes […]. Wan, blibe dehein bilde in dir oder dehein glıˆch, duˆ enwürdest niemer ein mit gote.“ Ibid., 324, 5-7: „Merke, waz gebreste ist! Der ist von nihte. Dar umbe: waz des nihtes ist in dem menschen, daz muoz getilget werden […]. Daz der mensche klaget und leidic ist, daz ist allez von gebresten.“ Ibid., 324, 8-9: „Dar umbe muoz ez allez getilget sıˆn und uˆzgetriben sıˆn, daz der mensche werde gotes sun, daz noch klage noch leit daˆ ensıˆ.“ Ibid., 325, 3-6: „Ez ist zweierleie geburt der menschen: ein ´ın die werlt und ein uˆz der werlt, daz ist: geistlıˆche in got. Wilt duˆ wizzen, ob dıˆn kint geborn werde und ob ez geblœzet sıˆ, daz ist, ob duˆ gotes sun sıˆst gemachet? Als lange duˆ leit in dıˆnem herzen haˆst umbe dehein dinc, ez sıˆ joch umbe sünde, als lange enist dıˆn kint niht geborn.“ Ibid., 326, 1-3: „Kristus saget: ,swer mir volgen wil, der verlougen sıˆn selbes und hebe uˆf sıˆn kriuze und volge mir‘. Daz ist: allez herzeleit wirf uˆz, alsoˆ daz in dıˆnem herzen niht wan stætiu vröude ensıˆ.“ Sermo XLV, nn. 448-463 (LW IV, 374, 1-383, 14).
Deutsche Bibelzitate in den Predigten Meister Eckharts
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„,Tollat crucem suam‘. Ubi notandum quod multi portant crucem, sed non proprie tollunt, scilicet qui coacti et involuntarii tollunt. Matth. 27 *legitur+ quod milites praesidis ,angariaverunt‘ ,hominem Cyrenaeum‘, ,ut tolleret crucem‘. Inanimatorum et brutorum est, ut agant acta ab alio. Debet ergo homo sponte tollere sive attollere, Gal. 6: ,mihi absit gloriari nisi in cruce‘. Debet enim virtuosus gaudere patiendo pro Christo, Act. 5: ,ibant gaudentes‘ apostoli, ,quoniam digni habiti sunt pro nomine Iesu contumeliam pati‘. Delectatio enim signum est habitus virtutis. Unde Glossa super illo: ,mihi absit gloriari‘ sic dicit: ,ecce, unde philosophus mundi erubuit, ibi apostolus thesaurum invenit; quod illi visum est stultitia, apostolo sanctum est, sapientia et gloria‘. Et infra: ,crucem, ut in ea gloriemur passione mentis et cordis, dominus suo gestans humero pro ,virga regni‘ nobis commendavit‘.“ 45
Der Begriff tollere wird nur in zwei Fällen kommentiert, und zwar, wie wir schon gesehen haben, dort, wo die Verben uˆfbieten und uˆfheben erscheinen, nicht aber, wo tollere mit nemen übersetzt wird. Doch zurück zu den drei Varianten von Luc. 9, 24, die ich gerade analysiert habe. Das Korrelat von tollere crucem ist abnegare se ipsum. Auch abneget wird auf zwei verschiedene Weisen übersetzt: verlöugnen und verzıˆhen. Von den beiden ist verlöugnen eine perfekte Lehnübersetzung des lateinischen Lexems abnegare und zweifellos die wörtliche Übersetzung. Verlöugnen erscheint in Pr. 76 und im zweiten Zitat aus Pr. 59: Es sind genau die Stellen, in denen Eckhart die besondere Deutung und Übersetzung von tollat entwickelt hat und die für den Autor keine Gelegenheit bieten, die Bedeutung von abnegatio zu erklären. Im ersten Zitat von Predigt 59 existiert als wörtliche Übersetzung nur nemen für tollere. Handelt es sich hier nur um Zufall? Ich glaube nicht. Predigt 59 beginnt mit einem Zitat aus Dan. 3, 41: „Wir volgen dir naˆch von allem herzen und vürhten dich und suochen dıˆn antlütze.“ Das Grundthema dieser Predigt ist die Nachfolge Christi, die nur echt ist, wenn sie den Eigenwillen zurückstellt und aus Gott keinen Zweck macht wie aus jeder beliebigen Sache. Wer Christus nachfolgt, bittet Gott um die größte Gabe, ihn selbst 46. Diese Gabe erfüllt sich in der Erschaffung Gottes in der Seele und ist ebenso innig wie auch unerschöpflich und ewig 47. Die größte Freude Gottes besteht im Erschaffen und diese Freude verbreitet sich im Herzen des Menschen, der Gott eigentlich nachfolgt. Eigentlich ist das gleiche Adverb, das Eckhart in diesem Zusammenhang verwendet, und es taucht an drei anderen Stellen in diesem Kontext auf: Der Mensch gehört eigentlich Gott an und Gott eigentlich dem Menschen, wenn der Mensch auf sich selbst verzichtet 48. Das Thema des Verzichtes und der Aufgabe seiner 45 46 47
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Ibid., n. 463 (LW IV, 383, 1-12). Pr. 59 (DW II, 624, 8-9): „Etlıˆche liute […] ,ladent‘ ˆın gesuntheit und rıˆchtuom und wollust.“ Ibid., 627, 3-8: „Er gibet sich selben geberlıˆche […]. Allez, daz mir anegeborn ist, daz enmac mir nieman genemen, ez ensıˆ denne, daz er mich mir selben beneme. Allez, daz mir zuogevallen mac, daz mac ich verliesen; dar umbe gebirt sich got zemaˆle in mich, daz ich in niemer verliese; wan allez, daz mir anegeborn ist, daz enverlür ich niht.“ Ibid., 628, 1-6: „Dar umbe sprach Kristus, als sant Johannes schrıˆbet in dem ˆewangelioˆ, ,sie volgent mir naˆch‘. Gote eigenlıˆche naˆchvolgen, daz ist guot: daz wir sıˆnem wı´llen naˆchvolgen, als ich gester sprach: ,dıˆn wille werde‘. Sant Lukas schrıˆbet in dem ˆewangelioˆ, daz unser herre sprach: ,wer mir welle naˆchvolgen, der verzıˆhe sich sıˆn selbes und neme sıˆn kriuze und volge mir naˆch‘. Der sich sıˆn selbes eigenlıˆche verzige, der wære eigenlıˆche gotes, und got wære eigenlıˆche sıˆn; des bin ich alsoˆ gewis, als daz ich mensche bin.“
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selbst ist offensichtlich zentral in dieser Predigt: Nur wenn man sich selbst aufgibt im eigentlichen Sinne des Wortes, das heißt, wenn man sich selbst als ontologisch abhängig erkennt, kann man Gott eigentlich empfangen und die Erschaffung des Wortes kann sich erfüllen. Um dieses ,Sich-Aufgeben im eigentlichen Sinne‘ zu beschreiben, verwendet Eckhart das Verbum verzıˆhen und nicht verlougnen wie in den vorausgegangenen Beispielen. Im lateinischen Sermo LV/3 49 ,Si quis vult post me etc.‘ (Mt. 16) glossiert Eckhart ,abneget semet ipsum‘ unter Verweis auf Dan. 10, 16-17, woraus auch die Perikope der hier zu untersuchenden Predigt genommen ist, und auf Jer. 1, 10: „Abneget semet ipsum etc. Exemplum in Daniele, in quo ,nihil remansit virium‘. Unde et Ieremiae dictum est: ,evellas et destruas, disperdas et dissipes‘, et sequitur: ,aedifices et plantes‘.“ 50 Abnegare wie auch dissipare passen nicht zu den beiden Verben der deutschen Predigten: verlougnen und verzıˆhen bedeuten nämlich ,verleugnen‘. Ob es reiner Zufall ist, dass ,disperdas et dissipes‘ aus Jeremias mit dem mhd. Verbum verziehen zu übersetzen wäre, dessen Schreibweise dem verzıˆhen unseres Textes sehr nahe kommt? Der Text Quints ist bekanntermaßen normalisiert. Eine Kontrolle der Handschriften, die ich hier nicht durchführen kann, könnte vielleicht das disperdere der lateinischen Exegese zu Tage fördern. In jedem Fall wird die wahre abnegatio mit verzıˆhen ausgedrückt und fügt sich in den Kontext der Argumentation Eckharts über die Notwendigkeit, dass der Mensch alles Akzidentelle in sich ablege, bis er alle Dinge als reines Nichts ansieht und sich anschickt, der bloße Raum zu sein, in dem Gott sich erschafft 51. VI. Das letzte Beispiel, das ich hier vorstellen möchte, bezieht sich auf 1 Joh. 4, 16. Die Übersetzung dieser Stelle findet sich mindestens fünf Mal in den Werken Eckharts: 1 Joh. 4, 16 „Deus caritas est et qui manet in caritate, in Deo manet et Deus in eo.“
Pr. 7 (DW I, 121, 14-122, 1) „Got ist diu minne, und der daˆ blıˆbet in der minne, der blıˆbet in gote und got in im.“
Pr. 10 (DW I, 167, 9-10) „Got ist diu minne, und diu minne ist got, und wer in der minne wonet, der wonet in gote und got wonet in im.“
Pr. 27 (DW II, 49, 4-5) „Got ist diu minne, und der in der minne ist, der ist in gote, und got ist in im.“
Pr. 63 (DW III, 74, 1-2) „Got ist die mynne, vnd der in der mynne ist, der ist in got, vnd got ist in im.“
Pr. 64 (DW III, 87, 4-5) „Got ist mynne, vnd der in der mynne ist, der ist in got, vnd er [Gott] ist in ime.“
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Sermo LV/3, nn. 545-546 (LW IV, 456-457). Ibid., n. 545 (LW IV, 456, 7-9). Pr. 59 (DW II, 624, 7-8): „Ez ist ein kraft in der seˆle, diu ist wıˆter dan alliu disiu werlt. Ez muoz gar wıˆt sıˆn, daˆ got inne wonet.“
Deutsche Bibelzitate in den Predigten Meister Eckharts
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Das Verbum manet wird auf drei verschiedene Weisen übersetzt: blıˆbet, wonet und ist (es ist zu beachten, dass das Zitat aus Pr. 27 identisch ist mit dem aus Pr. 63; alle anderen Übersetzungen weisen untereinander verschiedene Formulierungen auf). In Predigt 7 52 erscheint das Lexem blıˆbet. Die Perikope stammt aus Hos. 14, 4-5: ,Populi eius qui in te est, miserebis‘, und Eckhart verbindet sie mit Luc. 7, 36, wo von dem Pharisäer berichtet wird, der mit Christus speisen wollte. Der Hinweis auf Luc. 7, 36 dient zur Einführung des Themas der Einheit: Die Seele ist mit dem Auge in seiner Tätigkeit vereint, doch diese Vereinigung ist nicht vollkommen; der Mensch soll jedoch mit Gott dieselbe Vereinigung verwirklichen, die die Nahrung mit dem Körper eingeht, der sich von ihr ernährt, nämlich die Einheit im Sein; aus diesem Grund bat der Pharisäer den Herrn, mit ihm zu essen, um in ihm zu sein gemäß des Seins 53. Diese Einheit kommt nicht im Intellekt zustande und auch nicht im Willen. Der Intellekt erkennt Gott in sich, aber er bleibt für ihn unergründbar; der Wille aber liebt Gott nur, insofern er gut ist 54. Dazu zitiert Eckhart 1 Joh. 4, 16: „got ist diu minne, und der daˆ blıˆbet in der minne, der blıˆbet in gote und got in im“ 55; er präzisiert aber, dass die Liebe in keiner Weise vereinigt, sondern nur eines ans andere bindet von zweien, die schon vereinigt sind 56. Das Erbarmen steht jedoch über Liebe und Intellekt, es ist die eigentlichste Tätigkeit Gottes und sie vollzieht sich im höchsten, reinsten und zugleich geheimnisvollsten Teil der Seele 57. Das Lexem blıˆbet scheint perfekt dazu geeignet, die Eigenart der Liebe zu beschreiben, die eine schon stabilisierte Einheit bewahrt und erhält. Eckhart insistiert ganz deutlich auf diesem Punkt auch in seinem lateinischen Sermo VI/ 3 ,Qui manet in caritate etc.‘ 58: „Nota: dicturus qui manet in caritate etc. optime praemisit: deus caritas est. Hoc enim viso plana sunt omnia. Est autem deus non minus nec aliter caritas quam suum esse. Constat autem quod qui manet in esse dei, deo immanet et deus in eo. Ubi nota quod caritas nihil facit in 52 53
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Pr. 7 (DW I, 117, 1-124, 7). Ibid., 118, 10-119, 7: „Nuˆ merket: ,der phariseˆus begerte, daz unser herre mit im æze‘. Diu spıˆse, die ich izze, diu wirt alsoˆ vereinet mit mıˆnem lıˆbe als mıˆn lıˆp mit mıˆner seˆle. Mıˆn lıˆp und mıˆn seˆle diu sint vereinet an einem wesene, niht als an einem werke, als mıˆn seˆle, diu einiget sich dem ougen an einem werke, daz ist, daz ez sihet. Alsoˆ haˆt diu spıˆse, die ich izze, ein wesen mit mıˆner natuˆre, niht vereinet an einem werke, und meinet die groˆzen einunge, die wir mit gote suln haˆn an einem wesene, niht an einem werke. Dar umbe bat der phariseˆus unsern herren, daz er mit im æze.“ Ibid., 122, 8-123, 3: „Ich spriche: noch bekantnisse noch minne eneiniget niht. Minne nimet got selben, als er guot ist […] under einem velle, under einem kleide. Des entuot vernünfticheit niht; vernünfticheit nimet got, als er in ir bekant ist; daˆ enkan si in niemer begrıˆfen in dem mer sıˆner gruntloˆsicheit.“ Ibid., 121, 14-122, 1. Ibid., 122, 1-5: „Aleine Sant Johannes spreche, minne diu einige, minne ensetzet niemer in got; vil lıˆhte lıˆmet si zuo. Minne eneiniget niht, enkeine wıˆs niht; daz geeiniget ist, daz heftet si zesamen und bindet ez zuo. Minne einiget an einem werke, niht an einem wesene.“ Ibid., 123, 3-5: „Ich spriche: über disiu beidiu, bekantnisse und minne, ist barmherzicheit; daˆ würket got barmherzicheit in dem hœhsten und in dem luˆtersten, daz got gewürken mac.“ Sermo VI/3, nn. 62-65 (LW IV, 60, 8-64, 4).
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praemio, totum suum esse est in merito; iterum in actione sive agendo, in crescendo, disponendo, movendo. Propter quod etiam in voluntate est. Iterum per ipsam solam boni sumus, intellectu autem nudo et supernudo non boni, sed beati sumus. Habent se intellectus et voluntas, caritas et beatitudo sicut ancilla et libera, sicut forma substantialis et dispositio ad illam, sicut esse ad fieri, sicut moveri sursum ad quiescere sursum.“ 59
In Predigt 10 60 ,In diebus suis placuit deo et inventus est iustus‘ (Eccli. 44, 16) behandelt Eckhart das Thema der Innerlichkeit und übersetzt folgerichtig inventus mit inne vunden, um zu unterstreichen, dass der Gerechte ,im Inneren‘ gefunden wurde 61. Die Innerlichkeit wonet im Seelengrund 62, der dem Menschen versperrt ist, der seine Gewöhnung an die äußerlichen Dinge 63 pflegt, den Kreaturen zugewandt ist und seine Wahrnehmung aus den Bildern und Kräften speist 64. Wie die Jünger hinter verschlossenen Türen am Ostertag den Herrn empfingen, so wird die Innerlichkeit des Menschen, der sich in sich selbst eingeschlossen hat, mit dem Schlüssel der Wahrheit 65 zur ,Wohnung‘ Gottes und Gott ,wohnt in ihm‘, denn er findet ihn in der Innerlichkeit und in der Gerechtigkeit. Der Körper des Menschen ist viel mehr in seiner Seele, als dass seine Seele im Körper ist, und beide sind mehr in Gott, als sie in sich selbst sind 66. Der lateinische Sermo VI/3 glossiert den Vers 1 Joh. 4, 16 genau in diesem Sinn: „Tertio notandum quod ait: qui manet in caritate. Nam in corporalibus albedo est in corpore, in spiritualibus e converso iustus est in ipsa iustitia. Unde secundum idiotas anima est in corpore, secundum sapientes verius est corpus in anima. Substantia ergo animae se habet respectu caritatis ut accidens […].“ 67
Der Mensch, der im Seelengrund wohnt, wohnt also in Gott und Gott in ihm und „der daˆ in gote wonet, der haˆt wol gehuˆset und ist ein erbe gotes“ 68. 59 60 61
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Ibid., n. 64 (LW IV, 61, 11-62, 8). Pr. 10 (DW I, 161, 1-174, 8). Ibid., 161, 3-5: „[…], und sprichet daz wort ze tiutsche alsoˆ: ,er ist inne vunden gereht in sıˆnen tagen, er haˆt gote wol gevallen in sıˆnen tagen‘.“ Ibid., 173, 10-12: „,Er ist inne vunden‘. Daz ist inne, daz daˆ wonet in dem grunde der seˆle, im innersten der seˆle, in vernünfticheit und engaˆt niht uˆz und ensihet niht uˆf kein dinc.“ Ibid., 164, 5-6: „Aber dem menschen, der von inwendigen dingen nie gewon enist, der enweiz niht, waz got ist.“ Ibid., 165, 4-8: „Diu seˆle haˆt zwei ougen, einz inwendic und einz uˆzwendic. Daz inner ouge der seˆle ist, daz in daz wesen sihet und sıˆn wesen von gote aˆne allez mitel nimet: daz ist sıˆn eigen werk. Daz uˆzer ouge der seˆle ist, daz daˆ gekeˆret ist gegen allen creˆatuˆren und die merket naˆch bildelıˆcher wıˆse und naˆch kreftlıˆcher wıˆse.“ Ibid., 165, 8-15: „Welher mensche nuˆ in sich selber wirt gekeˆret, daz er bekennet got in sıˆnem eigenen smacke und in sıˆnem eigenen grunde, der mensche […] ist in im selber beslozzen in einem waˆren slozze der waˆrheit. Alsoˆ als ich einest sprach, daz unser herre kam ze sıˆnen jüngern an dem oˆstertage mit beslozzenen türn; alsoˆ dirre mensche, der daˆ gevrıˆet ist von aller anderheit und von aller geschaffenheit, in den menschen enkumet got niht: er ist daˆ wesenlıˆche.“ Ibid., 161, 5-7: „Mıˆn lıˆp ist meˆr in mıˆner seˆle, dan mıˆn seˆle in mıˆnem lıˆbe sıˆ. Mıˆn lıˆp und mıˆn seˆle ist meˆr in gote, dan sie in in selben sıˆn.“ Sermo VI/3 (LW IV, 60, 14-61, 4). Pr. 10 (DW I, 167, 10-11).
Deutsche Bibelzitate in den Predigten Meister Eckharts
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Im lateinischen Sermo XLVII/3: ,Hoc oro, ut caritas vestra magis ac magis abundet‘ 69 (Phil. 1, 9) zitiert Eckhart 1 Petr. 4, 8: ,caritas operit multitudinem peccatorum‘. Als Erklärung von caritas operit führt er die Idee der caritas als Wohnung ein - eine Idee, die sich also nicht nur in den deutschen Werken findet. Eine der zitierten Verweisstellen aus der Bibel ist genau 1 Joh. 4, 16: „Sequitur: ,operit caritas‘. Si quis multa homicidia et furta haberet in domo sua veniente iudice, quanti credimus emeret vestem qua haec omnia occultaret et operiret. Propter hoc ergo caritas soli comparatur, Psalmus: ,in sole posuit tabernaculum suum‘, id est in caritate; Ioh. 4: ,qui manet in caritate, in deo manet‘; sequitur: ,et deus in eo‘. ,Ecce tabernaculum dei cum hominibus‘. Hieronymus super Ecclesiasten 2c: ,qui nondum ad solis claritatem ordinemque constantiae pervenit, in eo nec habitare poterit nec abundare‘.“ 70
An diesem Punkt stellt sich noch die Frage nach den drei Predigten, in denen manet mit ist übersetzt wird. In Predigt 27 71 kommentiert Eckhart die Perikope ,Hoc est praeceptum meum ut diligatis invicem, sicut dilexi vos‘ ( Joh. 15, 12). Christus gebietet die Liebe bzw. ein Leben gemäß dem Heiligen Geist, der die Liebe ist und Gott, wie die besten Meister 72 bestätigen. In diesem Gebot besteht die Seligkeit des Menschen 73. Die Liebe, die Gott gebietet, ist rein, abgelöst und eine 74, sie existiert nur dort, wo das Verhältnis zwischen ,Knecht und Herr‘ verschwindet und sich ein Verhältnis zwischen ,Freunden‘ entwickelt, das sich auf Gleichheit und Einheit gründet 75. Eckhart arbeitet mit dem Beispiel eines Apfels, der dem Auge Freude oder dem Geschmack Süßigkeit vermitteln kann, aber in ausschließender Weise: Die beiden Empfindungen können nicht zusammen existieren, sondern eine von beiden muss ihr eigenes Sein verlieren und in der anderen aufgehen 76. Auch die Heilige Schrift sagt: „got ist diu minne, und der in der minne ist, der ist in gote, und got ist in im“ ( 1 Joh. 4, 16), und Eckhart kommentiert: „Jaˆ, er sprichet gar wol: wære got in mir und enwære ich in gote, oder wære ich in gote und enwære got niht in mir, soˆ wære allez enzwei.“ 77 69 70 71 72
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Sermo XLVII/3, nn. 490-499 (LW IV, 405, 4-413, 15). Ibid., nn. 496-497 (LW IV, 410, 11-412, 3). Pr. 27 (DW II, 40, 1-55, 6). Ibid., 41, 4-42, 2: „Die besten meister sprechent, daz diu minne, mit der wir minnen, ist der heilige geist […]. Daz ist iemer waˆr: alle die bewegede, daˆ wir beweget werden ze minne, daˆ beweget uns niht anders wan der heilige geist.“ Ibid., 44, 5-8: „Nuˆ sprichet er: ,daz ist mıˆn gebot‘. Der mir gebiutet, daz mir süeze ist, daz mir nütze ist und daˆ mıˆn sælicheit ane ist, daz ist mir gar süeze. Soˆ mich dürstet […], soˆ gebiutet mir diu spıˆse. Und alsus tuot got: jaˆ, alsoˆ süeze, daz alliu disiu werlt des glıˆch niht geleisten enmac.“ Ibid., 42, 3-43, 1: „Minne in dem luˆtersten, in dem abegescheidensten, in ir selber enist niht anders dan got.“ Ibid., 47, 7-48, 6: „Ein herre, der einen kneht haˆt, daˆ enist niht vride, wan daˆ enist niht glıˆcheit […]. War umbe? Einez enist daz ander niht, wan daz niht, daz daˆ machet underscheit, daz enist niht anders wan bitterkeit, wan daˆ enist niht vride.“ Ibid., 48, 6-49, 2: „Haˆn ich einen apfel in mıˆner hant, der ist mıˆnen ougen lustlich, aber der munt wirt der süezicheit beroubet. Aber izze ich in, soˆ beroube ich mıˆniu ougen des lustes, den ich dar ane haˆn. Alsus enmügen zwei niht bıˆ einander gesıˆn, wan einez muoz sıˆn wesen verliesen.“ Ibid., 49, 5-7.
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Auch in Predigt 63 und 64 erklärt Eckhart den Sinn dieses ,Seins‘ in der Liebe als Verlust der eigenen Andersheit in Bezug auf das Sein Gottes und als Charakteristik der Seele, die ,eins‘ ist mit Gott und nicht ,vereint‘. Die fraglichen Predigten stellen einen kohärenten und fortlaufenden Argumentationszusammenhang zu diesem Thema dar. Eckhart kündigt nämlich im Schlusswort der Predigt 63 die Absicht an, seine Hörer noch für eine weitere Homelie 78 festzuhalten, und in der darauf folgenden Predigt präsentiert er dann genau denselben Vers, mit dem Predigt 63 beginnt: „Got ist die mynne, vnd der in der mynne ist, der ist in got, vnd got ist in im.“ 79 Hier erklärt er zuerst in vier Deutungen, dass Gott Liebe ist 80, dann entwickelt er daraus eine Charakteristik der Seele, die in Liebe ist: Sie ist überall, denn Gott, der Liebe ist, ist überall 81. Die Argumentation dreht sich wieder um das Sein und nicht um die Idee des Bleibens: Eckhart möchte vielmehr hervorheben, dass die Natur dessen, in dem man bleibt, das Sein Gottes ist. Wo Gott ist, dort ist die Seele, und wo die Seele ist, dort ist Gott 82, jenseits jeder Differenzierung und jeder Einheit. Die Vereinigung, die die Seele mit Gott erreicht, betrifft das Sein und unterscheidet sich von der Einheit des Wassers im Vergleich zu dem Fass, in das es gegossen wurde, oder des Holzes im Vergleich zum Wasser, das es benetzt 83. Es handelt sich vielmehr um die Vereinigung, von der Mt. 25, 21 sagt: „gang in, getrüwer chnecht, in die fröd deins herren“ 84 und die für Eckhart auch den Sinn des folgenden Abschnittes aus dem lateinischen Sermo VI/3 bestimmt: „In deo manet. Nota quod manere in deo sive in caritate est intromitti sive intrare, ubi sunt unum omnia, Matth. 25: ,intra in gaudium domini tui‘ […]. Hoc est: et deus in eo, hoc est deo aperire, deum intromittere.“ 85 VII. Das Studium der deutschen Bibelzitate in den Werken Meister Eckharts kann auf keine Vorarbeiten der Forschung zurückgreifen. Das aufgeworfene Problem 78
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Pr. 63 (DW III, 83, 1-2): „Nu siczent alle stille, ich wil üch länger halten. ich wil üch noch ain sermon sprechen. hilf got aus not!“ Pr. 63 (DW III, 74, 1-83, 2; ibid., 74, 1-2). Ibid., 75, 1-81, 2: „Die erst sach ist: got iaget mit seiner mynn alle creaturen mit dem, das sy got begerent zemynnen […]. ze dem andern mal: alle creaturen die iagent got mit ir mynne […]. ze dem drytten mal sprich ich: ,got ist mynne‘, wann got hat sein mynne zersprait in alle creature vnd ist doch an im selber ain […]. ze dem vierden mal so sprich ich: ,got ist mynne‘, won er mynnen müß alle creatüre mit seiner mynne, sy wissens oder wissens nit.“ Ibid., 82, 2-8: „Nun spriche ich: ,der in mynne ist, der ist in gote, vnd er ist in ime‘. der mich fragti, wo got wär, so antwurte ich: er ist über al […]; got ist über al in der sele, vnd sy ist in ime über al.“ Pr. 64 (DW III, 86, 5-6): „won wa got ist, da ist die sele, vnd wa die sel ist, da ist got.“ Ibid., 86, 1-5: „die sele die wirt ain mit gotte vnd nit veraint. des nement ain glichnüsß. füllet man ain vass wassers, so ist das wasser im vas veraint vnd nit ain, wann da*s+ wasser ist, da*s+ ist nit holcz, vnd da holcz ist, da ist nit wasser. nu nement das holcz vnd werfent das enmitten in das wasser, so ist doch das holcz nit wan veraint vnd nit ain. also ist es vmb die sele nit; die wirt ain mit gotte vnd nit veraint.“ Ibid., 87, 6-7. Sermo VI/3 (LW IV, 61, 6-10).
Deutsche Bibelzitate in den Predigten Meister Eckharts
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enthüllt seine Neuheit schon in den ersten Eindrücken, die es erweckt. Was heißt es, das Studium biblischer Zitate in deutschen Schriften vor Luther zu betreiben? Warum sich noch weiter bei diesem Problem aufhalten, nachdem einmal, wie im vorliegenden Fall, die Annahme der Existenz einer wie auch immer gearteten verbindlichen Übersetzung ausgeschlossen wurde und die Schwankungen der sicher von Eckhart persönlich stammenden Übersetzungen festgestellt wurden? Es handelt sich nicht um die Ermittlung, wie Eckhart die eigene Muttersprache im Vergleich zur Bedeutungsdichte des biblischen Wortes auf Latein einschätzte - diese Fragestellung verlangte spezifische Untersuchungsstrategien -, es handelt sich auch nicht um die einfache Rekonstruktion der sprachlichen Schwierigkeiten, auf die Eckhart stieß, als er Passagen der Bibel ins Deutsche übersetzte, sondern um die Überprüfung, ob nicht hinter den besonderen, auf den ersten Blick bedeutungslosen Varianten, wie der Hinzufügung oder Auslassung kleiner Wörter, dem Gebrauch scheinbar synonymer Verben, der expliziten oder nur unterschwellig mitinbegriffenen Verwendung von Pronomina, präzise entwickelte Lehren Eckharts stehen. Die vorgeführten Beispiele und der Vergleich mit den entsprechenden lateinischen Parallelen zeigen: - Die eigentümlichsten Übersetzungen der Bibelzitate sind das Ergebnis seiner Exegesen. - Diese Exegesen entwickeln sich nicht im Kontext der Predigt in assoziativer und rhapsodischer Weise, sondern sind Stützpfeiler für die Architektur des behandelten Themas, sie sind unverzichtbare argumentative Passagen einer bestimmten philosophischen These, in absoluter Abhängigkeit vom Bibelvers, auf den sie sich beziehen, und sie treten parallel im deutschen und lateinischen Werk auf. - Diese Exegesen sehen vom semantischen oder phonetischen Wert eines gegebenen deutschen Lexems ab: Für sich genommen verweist süezicheit weder auf wirtschaft noch auf spıˆse (Ps. 30, 20; Pr. 20a, Pr. 20b). Diese Termini sind nicht Synonyma, sie gehören nicht zum gleichen semantischen Feld. Eckhart verbindet sie auch im lateinischen Sermo VIII, wo er die Beziehung zwischen dem Thema der dulcedo und dem der cena magna entwickelt, und zwar in der Auslegung der Stelle Luc. 14, 16 86. In der gleichen Weise ist die geheiligete Stadt nicht notwendig gewıˆht (Eccli. 24, 15; Pr. 18). Die Verbindung der beiden Termini setzt die Erklärung aus dem lateinischen Sermo XXXVI/1 voraus: „,Sanctificata‘, id est deo dicata, omnibus aliis abdicata […]“ 87, im Rahmen eines Kontextes, der, wie wir gesehen haben, die Stadtterminologie auf die befestigte, d. h. gegen fleischliche Versuchungen gefeite, Seele bezieht. 86 87
Cf. supra, 413-415. Sermo XXXVI/1, n. 364 (LW IV, 313, 11).
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Nadia Bray
Bisweilen scheinen die unterschiedlichen Übersetzungen nur einfache Bedeutungsschattierungen zu sein wie im Fall von: das Kreuz nemen und uˆfheben (Luc. 9, 24; Pr. 59, Pr. 76). Doch bei näherem Hinsehen enthüllt uˆfheben Eckharts Stellungnahme gegen den religiösen Formalismus und seine Aufforderung, dem christlichen Leiden und Schmerz als Selbstzweck zu misstrauen: „Daz der mensche klaget und leidic ist, daz ist allez von gebresten.“ 88 Auch blıˆben, wonen, sıˆn (1 Joh. 4, 16; Pr. 7, Pr. 10, Pr. 27, Pr. 63, Pr. 64) haben keine besonders verschiedenen Bedeutungen. In Wirklichkeit entsprechen sie jedoch Auslegungsmustern, die in den lateinischen Werken exakt unterschieden sind in primo, secundo, tertio […] notandum; nota quod etc., für gewöhnlich im Textverlauf desselben Sermo. In den deutschen Predigten tauchen diese Aspekte nicht immer gemeinsam auf, sondern nur Einzelne werden ausgewählt und entwickelt, und zwar jedes Mal in Verbindung mit einer genau definierten Variante der lateinischen Version. Als geübter Rhetoriker verwandelt Eckhart den Nachteil, nicht auf eine verbindliche Übersetzung der Bibel zurückgreifen zu können, in eine rhetorische Möglichkeit: Wenn er sagt: „diz wort staˆt geschriben in dem buoche der wıˆsheit“, oder: „in dem heiligen ˆewangelioˆ, daz uns Johannes schrıˆbet, liset man“, und dann unbekannte Formulierungen einführt, zwingt er uns zu wählen: sie entweder als Flüchtigkeitsfehler zu betrachten oder ihren Charakter gedanklicher Schärfe anzuerkennen und aufmerksam und ernsthaft jeden Schritt seiner Argumentation zu studieren, um den Grund zu verstehen. Man kann sich nur schwer vorstellen, dass die Adressaten von Eckharts Predigten nicht mit Überraschung auf den ungewöhnlichen Charakter mancher seiner Übersetzungen reagierten. Sehr wahrscheinlich kannten sie die lateinischen Bibelverse auswendig und akzeptierten seine extravaganten Lösungen nur unter der Bedingung einer befriedigenden Erklärung. Wenn Eckhart Neuheiten einführt, auch bei der schlichten Übersetzung biblischer Zitate, so hat er immer, wie ich zu zeigen versucht habe, einen guten Grund.
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Pr. 76 (DW III, 324, 7).
„Man möhte wunder tuon mit worten“ (Predigt 18). Zum Umgang Meister Eckharts mit Wörtern in seinen deutschen Predigten Dagmar Gottschall (Lecce) Die Eckhart-Forschung behandelt Eckharts Sprachtheorie unter dem Aspekt des thomistischen Dreistufenmodells: Am Anfang steht das verbum cordis, das rein geistige, bilderlose ,Wort‘ des Intellekts, das sich zur Vorstellung eines Lautbildes verdichtet: verbum interius, und schließlich als konkrete Lautfolge ausgesprochen wird: verbum vocis 1. Sie tut dies mit gutem Recht, denn Eckhart selbst verwendet die Terminologie dieses Modells, um mit dem Bild des Sprechens die innertrinitarische Dynamik zu erklären oder das wortlose Zwiegespräch zwischen Gott und Seele zu verdeutlichen 2. Eckhart scheint in erster Linie am dialogischen Prozess des Sprechens auf metaphorischer Ebene interessiert zu sein und weniger an der konkreten Kommunikationssituation mit ihrem ganz konkreten Material, den Wörtern einer menschlichen Sprache. Deshalb verweist die Forschung 1
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Cf. Thomas von Aquin, De veritate IV, 1 (P. A. Lobato OP e. a. [eds.], S. Tommaso d’Aquino, Le questioni disputate. Testo latino dell’Edizione Leonina e traduzione italiana; vol. I: La Verita` [Questioni 1-9], Bologna 1992, 416): „Et ideo sicut in artifice tria consideramus, scilicet finem artificii et exemplar ipsius et ipsum artificium iam productum, ita et in loquente triplex verbum invenitur, scilicet id quod per intellectum concipitur, ad quod significandum verbum exterius profertur: et hoc est verbum cordis sine voce prolatum iterum exemplar exterioris verbi, et hoc dicitur verbum interius, quod habet imaginem vocis, et verbum exterius expressum, quod dicitur verbum vocis; et sicut in artifice praecedit intentio finis et deinde sequitur excogitatio formae artificiati et ultimo artificiatum in esse producitur, ita verbum cordis in loquente est prius verbo quod habet imaginem vocis et postremum est verbum vocis.“ Cf. Pr. 22 (DW I, 376, 8-11): „Ze glıˆcher wıˆs, als daz wort, daz ich nuˆ spriche, daz entspringet in mir, ze dem andern maˆle soˆ ruowe ich uˆf dem bilde, ze dem dritten maˆle soˆ spriche ich ez uˆz, und ir enpfaˆhet ez alle; nochdenne blıˆbet ez eigenlıˆche in mir.“ Oder Pr. 9 (DW I, 157, 3-8): „Ez ist ein vürbraˆht wort, daz ist der engel und der mensche und alle creˆatuˆren. Ez ist ein ander wort, bedaˆht und unvürbraˆht [Quint: vürbraˆht; zur Diskussion der Stelle cf. ibid., 157, nt. 2], daˆ bıˆ mac ez komen, daz ich in mich bilde. Noch ist ein ander wort, daz daˆ ist unvürbraˆht und unbedaˆht, daz niemer uˆzkumet, meˆr ez ist ˆewiclich in dem, der ez sprichet; ez ist iemermeˆ in einem enpfaˆhenne in dem vater, der ez sprichet, und inneblıˆbende.“ Cf. auch die Eckhart zugeschriebene Predigt 4 des ,Paradisus anime intelligentis‘ (Paradisus anime intelligentis [Paradis der fornuftigen sele]. Aus der Oxforder Handschrift Cod. Laud. Misc. 479 nach E. Sievers’ Abschrift ed. v. Ph. Strauch, Berlin 1919; zweite Auflage ed. u. mit einem Nachw. versehen v. N. Largier u. G. Fournier [Deutsche Texte des Mittelalters 30], Hildesheim 1998, 14, 14-18): „in der zit in deme da diz wort zu dem erstin inphangin wirt in minir fornuft, da ist ez so lutir und so cleinlich, da ist ez ein wair wort er ez gebildit wirdit in mime gedanke. zu dem drittin wirdit ez gesprochin uzwendic mit deme munde, und also in ist ez nicht dan ein offinbarunge des innerin wortis.“
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stets auf Eckharts negative Haltung zur Sprache und zum Sprechen 3. Das materielle Sprechen mit Lautäußerung führe nur von der Einheit weg in die Vereinzelung der Begriffe und sei deshalb auf der via purgativa zu überwinden. Dem mit Gott vereinten Menschen bleibe nur das mystische Schweigen 4 oder wenigstens eine mystische ,Grenzsprache‘, die in dichterischen Bildern, Metaphern und Gleichnissen, getragen vom schönen Klang, das Unsagbare ahnen lässt 5. Dagegen steht Eckharts Äußerung in Predigt 18, man könne Wunder tun mit Worten, was keinesfalls mit Sprachpessimismus zu vereinen ist 6. Ich möchte im Folgenden auf genau diesen Aspekt von Eckharts Sprachtheorie eingehen, der meines Wissens bisher von der Forschung völlig vernachlässigt wurde, weil er erstens nicht in das bisher gezeichnete Bild passt und den universitären Denkmodellen zuwiderläuft und weil er zweitens von Eckhart selbst nur mit Vorsicht und verdeckt geäußert wird. Es handelt sich genau genommen um eine rätselhafte Äußerung in Predigt 18, die von Eckharts lateinischem Entwurf zu dieser Predigt, Sermo XXXVI/1, gestützt wird, und dabei bleibt es. Eckhart spricht nicht wieder darüber. Die rätselhafte Äußerung lässt sich über Analogieschlüsse weiter konkretisieren und auch Eckharts Quelle für diesen ganzen Themenkomplex ist bekannt: die von neuplatonischer Emanationslehre getragene Vorstellung eines einheitlich von ,Kräften‘ belebten Kosmos, in dem alles alles beeinflusst, wie wir sie in Al-Kindis Theorie magischer Künste (,Theorica artium magicarum‘) nachlesen können. Ob sich daraus Konsequenzen ergeben für Eckharts Umgang mit Sprache und Wörtern, bleibt weitgehend Spekulation. Ich habe mich auf diese Spekulation eingelassen. I. Predigt 18 ,Adolescens, tibi dico, surge‘ 7 hat zum Ausgangspunkt den Perikopentext Luc. 7, 11-15, der von einem Wunder mit Worten berichtet: Christus erweckt einen Toten mit der verbalen Aufforderung ,steh auf‘. 3
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So schon grundlegend J. Quint, Mystik und Sprache. Ihr Verhältnis zu einander, insbesondere in der spekulativen Mystik Meister Eckeharts, in: Deutsche Vierteljahresschrift 27 (1953), 48-76. Cf. L. Seppänen, Meister Eckharts Konzeption der Sprachbedeutung. Sprachliche Weltschöpfung und Tiefenstruktur in der mittelalterlichen Scholastik und Mystik?, Tübingen 1985, 71-79. Köbele spricht von „hyperbolischer Grenzsprache“: S. Köbele, Bilder der unbegriffenen Wahrheit. Zur Struktur mystischer Rede im Spannungsfeld von Latein und Volkssprache, Tübingen Basel 1993, 151; cf. auch A. M. Haas, Granum sinapis. An den Grenzen der Sprache, in: id., Sermo mysticus. Studien zur Theologie und Sprache der deutschen Mystik, Freiburg/Schweiz 1979, 301-329, hier 301 sq.: „Gerade der Sinnbezug zwischen significans und significatum, zwischen dem Bezeichnenden und Bezeichneten, scheint apophatisch in Frage gestellt, wenn der von der Bibel her gewohnte Sprachoptimismus hinsichtlich Gottes und seiner Schöpfung in die theoretisch unterbaute Sprachfeindlichkeit ausläuft, die genau weiß, daß Gott ,sunder wıˆse und sunder eigenschaft‘ ist.“ Laut Quint ist Eckhart „dem Begrifflichen abhold“; J. Quint, Die Sprache Meister Eckeharts als Ausdruck seiner mystischen Geisteswelt, in: Deutsche Vierteljahresschrift 6 (1928), 671-701, hier: 693 u. 696. So gesehen auch von J. Margetts, Die Satzstruktur bei Meister Eckhart, Stuttgart 1969, 140. DW I, 296-307.
„Man möhte wunder tuon mit worten“ (Predigt 18)
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Das Evangelium Luc. 7, 11-15 lautet folgendermaßen: „Et factum est: deinceps ibat in civitatem, quae vocatur Naim: et ibant cum eo discipuli eius, et turba copiosa. Cum autem appropinquaret portae civitatis, ecce defunctus efferebatur filius unicus matris suae: et haec vidua erat: et turba civitatis multa cum illa. Quam cum vidisset dominus, misericordia motus super eam, dixit illi: noli flere. Et accessit, et tetigit loculum. (Hi autem, qui portabant, steterunt.) Et ait: Adolescens, tibi dico, surge. Et resedit qui erat mortuus, et coepit loqui.“
Eckhart gibt den Perikopentext wie folgt wieder: „Unser herre gienc ze einer stat, diu hiez Naim, und mit im vil liutes und ouch die jünger. Doˆ sie koˆmen under die porte, doˆ truoc man dar uˆz einen toˆten jüngelinc, einen einigen sun einer witewen. Unser herre trat hin zuo und ruorte die baˆre, daˆ der toˆte uˆf lac, und sprach: ,jüngelinc, ich sage dir, stant uˆf!‘ Der jüngelinc rihte sich uˆf und begunde zehant ze wortenne“ - bis hier stimmt alles mit dem Bibeltext überein - „von der glıˆcheit, daz er von dem ˆewigen worte was uˆferstanden.“ 8
Die Heilige Schrift sagt nur, dass der Auferweckte spricht. Eckhart sagt auch, weshalb und was er spricht. Das Sprechen des Auferweckten ist ein Antworten auf das, was er gehört hat, als er mit Worten ins Leben zurückgeholt wurde. Auffällig ist auch der gewählte Ausdruck für ,sprechen‘: mhd. worten. Ich möchte nicht weiter auf die Auslegung der einzelnen Schriftworte eingehen (die Stadt, die Leute, die Jünger, der tote Jüngling), sondern mich sofort dem eigentlichen Wunder zuwenden. In seiner Auslegung erklärt Eckhart den Vorgang genau: „Ze disem toˆten sune sprach unser herre: ,ich spriche ze dir, jüngelinc, stant uˆf!‘ Daz ˆewige wort und daz lebende wort, in dem alliu dinc lebent und daz alliu dinc uˆfheltet, daz sprach daz leben in den toˆten, ,und er rihte sich uˆf und begunde ze sprechenne‘. Swenne daz wort sprichet in die seˆle und diu seˆle widersprichet in dem lebenden worte, daˆ wirt der sun lebende in der seˆle.“ 9
Das Sprechen Gottes zu dem Toten ist das Sprechen zu der für diese Worte empfänglichen Seele, die antwortet und in einen Dialog mit Gott eintritt. Ansprechen (sprechen) und antworten (widersprechen) ist metaphorischer Ausdruck für die enge Vertrautheit der mit Gott vereinten Seele. Doch Eckhart fährt fort: „Die meister sprechent, weder bezzer sıˆ: kraft der kriuter oder kraft der worte oder kraft der steine? Man sol sich dar umbe beraˆten, welhez man kür.“ 10 Wer sind die Meister? Sie konnten nicht identifiziert werden. Doch was folgt, ist die Gegenüberstellung dreier magischer Gegenstände mit ihrer jeweiligen Wirkkraft: Kräuter, Worte und Edelsteine. 1. Die Kraft der Kräuter: Sie können als tötliche Waffe dienen und werden auch von Tieren instinktiv benutzt. „Diu kriuter haˆnt groˆze kraft. Ich vernam, daz ein slange und ein wisel mit einander striten. Doˆ lief diu wisel enwec und holte ein kruˆt und bewant daz mit einem andern dinge und warf daz kruˆt 8 9 10
Pr. 18 (DW I, 296, 1-7). Ibid., 304, 9-305, 5. Ibid., 305, 6-306, 1.
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uˆf den slangen, und er zerbrast von einander und lac toˆt. Waz gap der wiseln die wıˆsheit? Daz si die kraft wiste an dem kruˆte. Dar an liget ouch groˆziu wıˆsheit.“ 11
Eckhart verwendet ein beliebiges Beispiel aus der traditionellen Naturkunde 12, in der immer wieder von Tieren berichtet wird, die über ein ,geheimes Wissen‘ verfügen und sich der Naturkräfte zu bedienen wissen, die sie somit dem menschlichen Beobachter offenbaren. Kräuter können heilen 13, können töten, wie im vorliegenden Fall, können aber auch auf andere Objekte einwirken, z. B. verschlossene Türen öffnen 14. Eckhart gibt ein Beispiel für die Wirkung, erklärt aber nicht, wie sie zustande kommt. 2. Die Kraft der Worte: „Wort haˆnt ouch groˆze kraft; man möhte wunder tuon mit worten. Alliu wort haˆnt kraft von dem ˆersten worte.“ 15 Eckhart sagt nicht viel, doch etwas mehr als zu den Kräutern: Man könnte Wunder tun mit Worten, denn Worte haben ihre Kraft (virtus) von dem Ersten Wort, das ist Gott. Und diese Kraft haben alle Worte 16. Es handelt sich also 11 12
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Ibid., 306, 1-5. Quint verweist auf Aristoteles, De animalibus, und den Kommentar Alberts dazu: Albertus Magnus, De animalibus XXI, tract. I, c. 2, n. 11 (ed. H. Stadler [Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters 15-16], Münster i. W. 1916-1920, vol. 16, 1327, 33 sq.). Doch hier schützt sich das Wiesel lediglich durch Verzehr eines bestimmten Krautes. Eckharts Exempel spielt vielleicht auf den Kampf zwischen Wiesel und Basilisk an, in dem allerdings auch das Wiesel zu Tode kommt; cf. Konrad von Megenberg, Das Buch der Natur III, A. 52 ,Von der wisel ‘ (ed. R. Luff/G. Steer, Tübingen 2003, 177). Nach Thomas Cantimpratensis, Liber de natura rerum IV, 77: ,De mustela‘ (ed. H. Boese, Berlin-New York 1973, 152, 8), weckt das Wiesel seine toten Jungen auf „per herbam naturaliter notam“. Ein ,klassisches‘ Beispiel ist der Hirsch, der das Kraut Dyptam (im Volksmund Hirschwurz) benutzt, um sich, wenn er angeschossen wurde, die Pfeile aus dem Körper zu ziehen. Cf. Thomas Cantimpratensis, Liber de natura rerum IV, 22: ,De cervis‘ (ed. H. Boese, Berlin - New York 1973, 122, 42-45): „Diptamnum herbam prodiderunt, ut dicit Ambrosius. Nam cum vulnerati fuerint telis, edunt ipsam herbam, ut eius virtute accepta iacula excutiant. Hoc idem Ambrosius dicit de capra et aliis bestiis.“ Der Specht benutzt das paumhäckelkraut, auch Springwurzel genannt, um seine eingeschlossenen Jungen zu befreien. Cf. Konrad von Megenberg, Das Buch der Natur, V. 0 (ed. R. Luff/G. Steer, Tübingen 2003, 413, 12-19): „Sage mir, waz ein vogel suende, der haizt ze latein merops (Luff/ Steer: merpos) vnd haizt ze daeutsch paemheckel vnd nistet in den holen paumen, vnd swenn man im seine chint versleht mit einem zwikel, so pringet er ein chraut vnd habt daz für den zwichl, so uert der czwichl her dan. Daz chraut haizzt ze latein herba meropis, daz spricht paemhaechl chraut vnd haizt in der zaubrar puech thora und waer nicht guot, daz man ez gemainchleich erchennet, wan es gent sloz gegen im auf, da mit suendet niemant, der gevangen waer auf den leip. Ez habent auch anderew chraewter gar wunderlichew werch […].“ Pr. 18 (DW I, 306, 5-7). Interessant sind die Varianten zur Stelle: „Elliu wort haˆnt kraft von dem ˆersten worte: Aber der unnutz und diu manigvaltikeit der worte entedelt die kraft. Kruˆt haˆt ouch groˆze kraft“ (Pf, Str3, Mai1). „Alle wort hand krafft von dem ersten wort. Wie wol der vnnutz irer manigfaltikeit (den vnbesinten menschen nit ansehent) entedelt die wort/das ist/das sy verachtet werdent vnd kein nutz bringen. Darumb solt man gar fleyszlich warnemen was man redte/vnd wie die wort gethan werent/wann nit on grosse vrsach das ewig wort des himmelschen vatters Christus sprach. Von eim yegklichen vnnützen wort/das die menschen geredt hand/ werden sy rechnung daruon geben am tag des vrteils. Aber das sicht man (leider) wenig an/darumb entspringt
„Man möhte wunder tuon mit worten“ (Predigt 18)
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nicht um rituelle Magie, die eine bestimmte Formel, bestimmte Wörter verlangt und wo weniger die Bedeutung als die richtige Reihenfolge, der richtige Klang, der richtige ,Wortkörper‘ ausschlaggebend ist, wohl aber um eine Idee von magischem Sprechen. Beim sog. ,primitiven‘ oder magischen Sprechen wird das Wort mit dem außersprachlichen Referenten identifiziert. Das Wort, genauer der Name, ist nicht beliebiges Symbol eines gedanklichen Begriffes, sondern bezieht sich direkt auf den Gegenstand derart, dass es diesen teilweise in seinem Sein determiniert 17. Das Wort ist die Sache. Wer das Wort verändert, verändert die Sache. Dies setzt freilich voraus, dass die Wörter einer Sprache aufgrund einer natürlichen Verbindung (physei) zu ihrer res gesetzt wurden - eine Vorstellung, die der scholastischen Sprachtheorie völlig fremd ist. Wir werden weiter unten sehen, dass bei Eckhart die Dinge etwas anders liegen. 3. Die Kraft der Steine: „Steine haˆnt ouch groˆze kraft von der glıˆcheit, die die sternen und des himels kraft dar inne würket.“ 18 Am deutlichsten wird der Wirkungsmechanismus bei den Edelsteinen: Sie wirken aufgrund ihrer elementaren Gleichheit mit den Sternen und den Himmelssphären, die ihnen ihre Kräfte vermitteln. Es handelt sich also um sog. natürliche Magie, um die Einwirkung höherer Naturen auf niedrigere, die somit zum Instrument der höheren Naturen werden. Eine solche Verkettung aus causae und effectus gehört zur Vorstellungswelt der Naturphilosophie in Eckharts Zeit. Da die drei Gegenstände analog behandelt werden, ist für die Worte zu erschließen, dass auch sie Instrumente mit der Wirkkraft der höchsten ,Natur‘, nämlich Gottes selbst, sind. II. Um die ,Mechanik‘ dieser Wirkung zu verstehen, reicht Eckharts Predigt 18 nicht aus. Doch in Sermo XXXVI/1 liegt eine lateinische Predigt- und Auslegungsanweisung zu eben diesem Perikopentext vor, mit präziseren Angaben:
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so grosses übel vnnd iamer darusz/das es zuo erbarmend ist. Kraut hat auch grosse krafft“ (BT; cf. DW I, 306, nt. 1). Der Exkurs der Kopisten lässt an Thomas von Aquin denken, Super Ioannem, c. I, lect. I, 27 (P. R. Cai [ed.], S. Thomae Aquinatis Doctoris Angelici super Evangelium in S. Ioannem Lectura, Rom 1952, 8): „Quia enim nos non possumus omnes nostras conceptiones uno verbo exprimere, ideo oportet quod plura verba imperfecta formemus, per quae divisim exprimamus omnia, quae in scientia nostra sunt. In Deo autem non est sic: cum enim intelligat, et seipsum etiam et quicquid intelligit per essentiam suam, uno actu, unicum Verbum divinum est expressivum totius quod in Deo est“ (zit. bei Seppänen, Meister Eckharts Konzeption [nt. 4], 40, nt. 77). Cf. M. Buzzoni, Il ,genere‘ incantesimo nella tradizione anglosassone: aspetti semantico-pragmatici e sviluppo diacronico, Firenze 1996, 21-25. Pr. 18 (DW I, 306, 7 sq.).
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„,Accessit et tetigit loculum. Et ait: adolescens, tibi dico, surge!‘“ Eckhart erwähnt nur knapp: „Pertracta haec omnia, ut nosti.“ Und er fährt fort: „Et coepit loqui. Nota: primum opus suum fuisse scribitur, postquam resedit a morte, loqui. Verbo enim dei, quo creata sunt et portantur omnia, rediit ad vitam. Tibi, inquit, dico, surge!“ Und nun erklärt Eckhart, wie das Wort funktioniert: „Unde hoc verbum ipsi animae impresserat formam et similitudinem suam, ut abinde primo operaretur sibi simile.“ 19 Das Wort hatte seine Form und sein Bild (,formam et similitudinem‘) in die Seele geprägt, die deshalb etwas dieser Prägung Entsprechendes wirken muss. Das wirkende Prinzip ist die glıˆcheit (similitudo) 20. Auf der Ebene des Literalsinns ist das Wort ganz konkret surge und der Jüngling erhebt sich. Auf dieser Ebene funktioniert auch alles menschliche Sprechen, das allerdings auf die äußeren Sinne angewiesen ist, um die Seele bzw. den Intellekt des Angesprochenen zu erreichen. Sprechen ist die Wirkung eines Intellekts auf einen anderen. Auf der Ebene des spirituellen Sinns, auf der Eckhart den Text liest, ist das Wort das ewige Wort, Gott, das zur Seele des Menschen spricht, das heißt, sie ins Leben ruft. Die Reaktion der Seele ist ein Gleiches (sibi simile), d. h. ein Wort - sie spricht: „Et coepit loqui.“ Für Eckhart ist das Sprechen als erstes Zeichen des erwachten Lebens besonders wichtig: „Nota: primum opus suum fuisse scribitur, postquam resedit a morte, loqui.“ Der Jüngling spricht (wortet) aufgrund der Gleichheit mit dem göttlichen Wort. Und der Inhalt seiner ersten Äußerung nach dem Tod kann auch nur einer sein: Er legt Zeugnis ab, dass er von Gott, dem ewigen Wort, auferweckt wurde. Genau das sagt Eckhart in seiner deutschen Predigt: „Der jüngelinc rihte sich uˆf und begunde zehant ze wortenne von der glıˆcheit, daz er von dem ˆewigen worte was uˆferstanden.“ 21 Die Erweckung erfolgt durch Gottes Sprechen in die Seele und die Seele erwacht in der Antwort auf Gottes Sprechen. Sprechen ist also immer dialogisch. In der Bibel steht nichts davon, was der Jüngling sprach. Eckhart scheint sich über den biblischen Text hinwegzusetzen und unbekümmert den Inhalt dieses Sprechens zu erfinden. Hier nur so viel, dass der Literalsinn für Eckhart offenbar von sehr geringer Bedeutung ist, der Inhalt des Sprechens ist für ihn im 19 20
21
Sermo XXXVI/1 (LW IV, 313-318, hier: 316, 2-8). Das mhd. Lexem glıˆcheit deckt, noch stärker als nhd. ,Gleichheit‘, ein sehr weites Bedeutungsfeld ab: glıˆcheit steht sowohl für lat. similitudo (Ähnlichkeit) als auch für aequalitas (Identität) und bedeutet darüber hinaus auch ,Gleichnis, Bild‘. Für den Übersetzer und Interpreten von Eckharts volkssprachlichen Texten ergeben sich daraus nicht geringe Probleme. Eckhart verwendet das Adjektiv glıˆch, um die Ähnlichkeit zweier Objekte auszudrücken, die jedoch so groß sein kann, dass bis auf die Tatsache, dass es sich immer um zwei handelt, Identität eintritt. Cf. Pr. 44 (DW II, 338, 2 sq.): „Einunge enmac niht gesıˆn, si enhabe glıˆchnisse“; dazu Sermo XXIX, n. 297 (LW IV, 264, 6 sq.): „Similitudo autem est quaedam unitas sive quorundam unitas.“ Die Herausgeber E. Benz/B. Decker/J. Koch (LW IV, ibid., nt. 4), verweisen auf Aristoteles, Metaph. V, t. 20: „similia vero (dicuntur) quorum qualitas est una.“ Das Adverb glıˆche steht bei Eckhart für die identische Art und Weise einer Handlung. Cf. auch F. Kluge/E. Seebold (eds.), Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 23., erw. Auflage, Berlin-New York 1995, 326: Das Adj. ,gleich‘, das allen germ. Sprachen gemeinsam ist, bedeutet urspr. ,gleiche Gestalt habend‘. Pr. 18 (DW I, 296, 6 sq.).
„Man möhte wunder tuon mit worten“ (Predigt 18)
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Ausdruck loqui und in der geschilderten Situation (Sprechen Christi und ,Zurück‘-Sprechen des Jünglings) bereits enthalten. Das Sprechen Christi hat in der Deutung Eckharts also nichts mit ritueller Magie zu tun in dem Sinne, dass Christus die richtige Formel weiß 22. Und doch tut er Wunder mit Worten, dank der Kraft, die in den Wörtern, und zwar in allen, verborgen ist. ,Wunder tun‘ heißt bei Eckhart mutare naturam, den gesetzmäßigen Lauf der physischen Welt durchbrechen. Wunder wirkende Kraft ist die durch Prägung (impressio) entstandene Gleichheit mit höheren Naturen, die das Wort, wie jeden anderen magischen Gegenstand, zum vermittelnden Instrument machen zwischen oben und unten, hoch und niedrig, sublim-geistig und elementar-materiell. Eckhart verharrt in seinem lateinischen Sermo noch länger bei dem Prinzip der Gleichheit. Sie gilt für den ersten Augenblick der ,intellektuellen Berührung‘, ausgehend vom aktiven, schaffenden Prinzip, und bedeutet offensichtlich völlige Übereinstimmung des Geschaffenen bis auf seine Unterschiedenheit als Zweites. Satan ist im Moment seiner Erschaffung gut, erst in einem zweiten Moment kann er rebellieren und sündigen 23. Das Prinzip der Gleichheit gilt auch für gröbere Übertragungswege wie die fünf Sinne. Wer in das grelle Licht der Sonne schaut, wird im ersten Augenblick überall nur Lichtflecken wahrnehmen 24. Und Eckhart schließt mit dem Hinweis auf die Wunderkraft der Worte: „Item iuxta hoc quomodo verbis miranda fiunt. Si enim herbae et gemmae miranda agunt, impressa a caelo et stellis, quanto magis verba in quantum huiusmodi, impressa ab *et+ in primo verbo.“ 25 Denn, wie er in Predigt 18 sagt: „Alliu wort haˆnt kraft von dem ˆersten worte.“ Worte funktionieren wie Edelsteine und Kräuter, ja noch besser, denn sie sind geprägt von der absolut höchsten Natur, von Gott selbst. III. Leider verrät uns Eckhart kein Beispiel von Wortzauber in der irdischen Menschenwelt. Jedoch erklärt er detailliert, wie die Wunderkraft der Kräuter und Steine funktioniert. In Predigt 54a beschreibt er ausführlich den Mechanismus der ,Kraftübertragung‘ und der Wirkung. 22
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Andererseits verweist der Literalsinn der Schrift auf ganz konkrete Wortmagie. Mk. 5, 41 berichtet von einem ähnlichen Erweckungswunder Christi an der Tochter des Jairus, die Jesus mit genau derselben Formel ins Leben zurückruft: „Puella, tibi dico, surge.“ (Die Parallelstelle Mt. 9, 25 sagt nichts von der Formel, die bloße Berührung durch Christus genügt. Diese Berührung geht übrigens in beiden anderen Berichten der Formel voraus.) Das Mädchen spricht nicht, es steht auf und geht umher. Der Literalsinn der Schrift begnügt sich offenbar mit der Dokumentation irgendeiner Lebensäußerung. Für Eckhart ist die absolut erste Lebensäußerung des Menschen ,Sprechen‘ - in Analogie zum absolut ersten Beginn aller Dinge im Ersten Wort, das Gott ist, wie Eckhart immer wieder im Rückgriff auf den Beginn des Johannes-Evangeliums betont. Sermo XXXVI/1 (LW IV, 316, 8-11): „Iuxta quod dic: angelus in primo instanti peccare non potuit, quia primus actus necessario procedit in similitudine naturae suae et causae suae naturae, scilicet dei.“ Cf. auch Thomas von Aquin, S. th. I, q. 63, a. 5. Sermo XXXVI/1, 316, 11 sq.: „Item dic quomodo visus post solis inspectionem omnia iudicat lucida; similiter in aliis inspectionibus mobilium et colorum.“ Ibid., 316, 12-317, 2.
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Die Sphäre des Himmels gießt ihre Kraft in Sonne und Sterne, und diese wiederum leiten sie weiter ins Zentrum der Erde, wo sie Metalle und Edelsteine hervorbringt. Diese, als himmlisches Produkt und mit dem Himmel über glıˆcheit verbunden, haben daher die Kraft, Wunder zu wirken: „Der himel giuzet sıˆne kraft in die sunnen und in die sternen, und die sternen giezent ir kraft enmitten in daz ertrıˆche und würkent golt und gesteine alsoˆ, daz daz gesteine haˆt kraft ze würkenne wunderlıˆchiu werk.“ 26 Als Beispiel führt Eckhart die Wirkung des Magnetsteins an 27. Und auf die gleiche Weise gelangt himmlische Kraft in Kräuter, ja sogar in Tiere, so dass man Edelsteine und Kräuter auch als ,Häuser der Sterne‘ bezeichnen kann. „Ieglich gesteine und kruˆt ist ein hiuselıˆn der sternen, daz in im beslozzen haˆt eine himelische kraft. Alsoˆ als der himel giuzet sıˆne kraft in die sternen, alsoˆ giezent sie die sternen vürbaz in daz gesteine und in diu kriuter und in diu tier.“ 28 Die Steine sind mit dem Himmel nur über die Elementarkräfte verbunden. Kräuter und Tiere sind höhere Organisationsformen, sie leben und bedürfen auch einer vernünftigen kraft des Himmels. Am höchsten steht die Seele. Sie kommuniziert nur über den Intellekt mit dem Himmel - in Eckharts Terminologie hieße das ,mit Worten‘. „Daz kruˆt ist edeler dan daz gesteine, wan ez haˆt ein wahsendez leben. Ez versmaˆhet im ze wahsenne under dem lıˆplıˆchen himel, daˆ enwære denne ein vernünftigiu kraft inne, von der ez sıˆn leben enpfæhet. Alsoˆ als der niderste engel giuzet sıˆne kraft in den himel und beweget den und tuot in umbeloufen und würken, alsoˆ giuzet der himel sıˆne kraft gar heimlıˆche in ein ieglich kruˆt und in diu tier. Daˆ von haˆt ein ieglich kruˆt ein eigenschaft des himels und würket alumbe sich sinwel als der himel. Diu tier tretent baz uˆf und haˆnt vihelich und sinnelich leben und blıˆbent doch in der zıˆt und in der stat. Aber diu seˆle tritet über an irm natiurlıˆchen liehte in irm hœhsten über zıˆt und über stat in die glıˆchnisse des liehtes des engels und würket mit im vernünfticlıˆche in dem himel.“ 29
IV. Die Stelle in Predigt 54a ist wichtig. Sie belegt nicht nur den hermetischneuplatonischen Einfluss auf die deutsche Wissenschaft des 13. und 14. Jahrhunderts, in dessen Umfeld Eckhart sich bewegt 30, sie dürfte auch über die ,Kraft 26 27
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Pr. 54a (DW II, 554, 6-8). Ibid., 554, 8-555, 3: „Einiu haˆnt die kraft, daz sie an sich ziehent bein und vleisch. Kæme ein mensche dar, er müeste gevangen sıˆn und enmöhte niht dannen komen, er enkünde denne liste, daˆ mite er sich dannen lœste. Ander gesteine ziehent an sich gebeine und ˆısen.“ Cf. zum Magnetstein auch Pr. 29 (DW II, 74, 5-8): „Ein ˆısen, des natuˆre ist, daz ez nidervellet, daz hebet sich uˆf wider sıˆne natuˆre und henket sich an den agestein durch edelkeit des ˆındruckes, den der stein von dem himel enpfangen haˆt. Swaˆ sich der stein hine keˆret, daˆ keˆret sich ouch daz ˆısen hine.“ Zur Anziehung von Fleisch und Knochen cf. Albertus Magnus, De mineralibus II, tract. II, c. 11 (ed. A. Borgnet, vol. 5, Paris 1890, 40b): „Aristoteles dicit quod est quoddam genus aliud magnetis quod trahit carnes hominis.“ Pr. 54a (DW II, 555, 3-6). Ibid., 555, 3-557, 1. Zur Stelle cf. L. Sturlese, Proclo ed Ermete in Germania da Alberto Magno a Bertoldo di Moosburg, in: K. Flasch (ed.), Von Meister Dietrich zu Meister Eckhart (Corpus Philosophorum Teutonicorum Medii Aevi, Beiheft 2), Hamburg 1984, 22-33, besonders 29: „Sugli influssi celesti Eckhart scrive una pagina meravigliosa: ,Ieglich gesteine und kruˆt ist ein hiuselıˆn der
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der Worte‘ Aufschluss bringen, da ihre Wirkung in eben diesem Kontext anzusiedeln ist. Dieser Kontext ist die Struktur des gesamten Universums, die Eckhart aus der Auslegung der Traumvision Jacobs gewinnt: „Vidit quoque in somnis scalam stantem super terram et cacumen eius tangens caelum et angelos dei ascendentes et descendentes per eam et dominum innixum scalae.“ 31 In der berühmten Deutung der Jakobsleiter 32 mit ihren vier Stufen, auf denen vier Engel, je zwei und zwei, hinauf- und hinabsteigen, und die das Unterste mit dem Obersten nach Art der catena aurea verbindet, stützt sich Eckhart fast ausschließlich auf den ,Dux neutrorum‘ des Moses Maimonides, der gegen 1190 in arabischer Sprache vollendet wurde. Dieses Universum ist strukturiert in der Zahl vier: vier Stufen aller Dinge (unum, intelligentia, anima, natura), vier Engel (causa und effectus, jeweils secundum esse reale und secundum esse spirituale), vier Himmelssphären (Fixsterne, die fünf Planeten, Sonne und Mond), vier Elemente, vier Ursachen der Himmelsbewegung, vier Arten der universalen Kräfte (virtutes universales: virtus generationis liquabilium, virtus animae vegetativae, virtus animae sensibilis, virtus animae rationalis). Jede Wirkkraft irdischer Körper, und dazu zählen auch Steine und Pflanzen, stammt aus den Kräften der Himmelskörper. Das gilt für in Steine geschnittene magische Bilder bzw. Talismane; Eckhart beruft sich auf Ps.-Ptolemaios, demzufolge die Steinschneider bestimmte Gestirnkonstellationen abwarten, um ihr Werk wirksam zu machen 33. Das gilt auch für die Pflanzen: „Et iterum planta quaelibet in terra reducitur in stellam aliquam, cuius virtutem sapit appropriate.“ 34 Und das gilt für die Edelmetalle, „[…] quorum unumquodque sapit naturam specialiter unius alicuius planetarum“ 35. Und deshalb nennt Ps.-Ptolemaios auch die Dinge der
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sternen […]‘ “, und 30: „Le attivita`, le operazioni che Teodorico con Proclo […] ricercava, sono, nelle prediche di Eckhart, krefte: himmelische kraft, kraft der kriuter, kraft der steine; ma anche, e forse sopra di tutto, la kraft der worte (Pr. 18; DW I, 305). La parola magica di Ermete e Al Kindi, o il Verbo divino, o entrambi?“ Genau diese Kette der Wirkungen findet sich eine Generation nach Eckhart bei Konrad von Megenberg, Das Buch der Natur, V. 0 (ed. R. Luff/G. Steer, Tübingen 2003, 413, 1-25) und VI. 0 (463, 24-465, 33), hier ,zwischen wuerchende chrefte‘ genannt. Gen. 28, 12-13. Cf. Liber parabolarum Genesis (= In Gen. II), c. 28, nn. 204-213 (LW I, 677-689); cf. auch J. Koch, Meister Eckhart und die jüdische Religionsphilosophie, in: id., Kleine Schriften I (Storia e letteratura; Raccolta di studi e testi 127), Rom 1973, 349-365, hier: 364. In Gen. II, c. 28, n. 208 (LW I, 682, 10-683, 2): „Et hoc est quod Ptolomaeus in Centilogio propositione sive verbo nono ait: ,vultus huius saeculi sunt subiecti vultibus caelestibus. Et ideo sapientes, qui imagines faciebant, stellarum introitus in caelestes vultus inspiciebant et tunc operabantur quod debebant‘.“ Ibid., 683, 3 sq. Weiß übersetzt: „[…] von dessen Kraft etwas an ihr [sc. der Pflanze] zu spüren ist.“ Ich glaube, das sapere des lat. Textes ist nicht so unpersönlich zu verstehen, sondern durchaus als verbale Basis zu sapientia: „[…] dessen Kraft sie, die Pflanze, im Innersten kennt“, nämlich appropriate, von propriare: ,sich aneignen, einverleiben‘. Ibid., 683, 5 sq. Für sapere des lat. Textes gilt das Gleiche wie oben: nicht „[…] von denen jedes einzelne (sc. Metall) jeweils die Natur eines bestimmten Planeten an sich hat“ (Weiß), sondern „[…] von denen jedes einzelne Metall die Natur eines gewissen Planeten auf besondere Weise kennt“.
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niederen Welt ,zweite Sterne‘. Eckhart zitiert an dieser Stelle seine Hauptquelle Maimonides nicht namentlich. Wohl aber weiter unten, als er den Aufbau der elementaren Welt nochmals zusammenfasst: „Resumentes autem ea quae supra dicta sunt de sex quaternariis […] sciendum quod Rabbi Moyses l. II c. 10 sic ait: ,dicemus quod numerus sphaerarum, in quibus sunt formae stellarum‘, ,quaternarius est, scilicet sphaera fixarum stellarum et sphaerae quinque planetarum, sphaera solis et sphaera lunae‘. ,Sphaeras enim quinque‘ planetarum aliorum ,pro una computabant‘ sapientes.“ 36
Soweit zur Struktur des Kosmos nach der Zahl vier. Und Eckhart fährt fort mit Maimonides-Zitaten zur Funktion dieses Kosmos; die irdische Welt unten nämlich wird vollständig von den Kräften des Himmels oben beherrscht: „Et infra ait c. 11: ,regnum huius inferioris mundi‘ ,non est nisi cum virtutibus quas largiuntur caeli‘. ,Invenies etiam dictum a sapientibus: non est aliqua planta inferius, quae non habeat stellam in caelo, quae percutit‘ sive parturit ,ipsam‘.“ 37 Es handelt sich um Moses Maimonides, ,Dux neutrorum‘ II, 10 und 11 38. Eckhart hat wortwörtlich exzerpiert, bis auf den Schluss. Im Text des Maimonides steht: „non est aliqua planta inferius, quae non habeat stellam in caelo, quae percutit ipsam et dicit: cresce.“ 39 Eckhart schreibt dagegen: „non est aliqua planta inferius, quae non habeat stellam in caelo, quae percutit sive parturit ipsam.“ Weiß bemerkt zur Stelle: „Eckhart ersetzt das ihm wegen Verstümmelung seines Maimonidestextes unverständliche ,anrührt‘ vermutungsweise durch ,erzeugt‘. Bei Maimonides heißt es jedoch: ,der sie anrührt und zu ihr spricht: wachse!‘.“ 40 Ich glaube nicht, dass Eckhart ein verstümmelter Text vorlag, sondern dass er ganz bewusst änderte. ,Sprechen‘ ist für ihn identisch mit ,Erzeugen, Gebären‘, analog zum Sprechen des Ersten Wortes, d. h. des Schöpfungsaktes. Da ein Stern nur im übertragenen Sinne spricht, schien es ihm angemessener, an dieser Stelle die eigentliche Tätigkeit zu nennen, nämlich ,erzeugt‘. V. Wenn unsere Hypothese richtig ist, und Eckhart in Predigt 18 nicht nur scherzt, sondern Steine, Kräuter und Wörter als gleichwertige Objekte und Träger höherer Einflüsse betrachtet, dann müssen die Wörter ebenfalls irgendwo in diesem Universum ihren natürlich angestammten Platz haben. Ich stütze mich für diese Überlegung auf zwei Texte: auf Eckharts Kommentar zu Genesis und Exodus und auf den kurzen Traktat ,De radiis seu De 36 37 38
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Ibid., n. 210 (685, 5-12). Ibid., n. 210 (685, 12-686, 1). Moses Maimonides, Dux seu director dubitantium aut perplexorum II, c. 10 u. 11, ed. A. Iustinianus, Parisiis 1520, unveränd. Nachdruck Frankfurt a. M. 1964, fol. 44r, 47-49 und 44v, 37. So die handschriftliche Bezeugung; die recht unzuverlässige Ausgabe des Bischofs Augustinus Iustinianus hat an dieser Stelle: „[…] quae percutit ipsam et dat ei crescere“ (44v, 5). LW I, 686, nt. 1.
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theorica artium magicarum‘ des Al-Kindi. Eckharts Kenntnis Al-Kindis ist leicht zu übersehen. Er erwähnt den Text ein einziges Mal in Sermo XIX, mit namentlicher Nennung des Autors und des Titels, zustimmend und in unmittelbarer Verbindung mit Rabbi Moyses. Eckhart spricht hier den Dämonen, ja Satan selbst ihr Sein ab und definiert sie als die Sünde und das Böse. Und hierfür beruft er sich auf Al-Kindi: „Hinc Iacob De radiis non ponit spiritus malos nisi vitia sive malum, et Rabbi Moyses non ponit angelos bonos aliud quam virtutes sive naturales sive morales.“ 41 Wie schon Koch feststellte, handelt es sich nicht um ein Zitat, sondern bestenfalls um eine Anspielung 42, doch Autor und Titel lassen an der Identität des Eckhart inspirierenden Textes keinen Zweifel: Es handelt sich um den in der lateinischen Übersetzung dem Ja’qub ben Ishaq al-Kindi (ca. 805873) zugeschriebenen Traktat ,De radiis‘. D’Alverny konnte die Autorschaft AlKindis über Quellenuntersuchungen überzeugend nachweisen 43. Da das arabische Original verloren ist und der Übersetzer nicht bekannt, ist eine Datierung der lateinischen Version äußerst schwierig. Sie muss jedoch spätestens Ende des 12. oder Anfang des 13. Jahrhunderts vorgelegen haben, da der in rund 20 Handschriften erhaltene Traktat im 13. Jahrhundert zu zirkulieren beginnt. Eckhart kann ihn gut in Paris kennen gelernt haben 44. Die Irrtümer Al-Kindis standen übrigens in der um 1270 von Ägidius Romanus zusammengestellten Liste ,Errores philosophorum‘ gleich vor denen des Rabbi Moyses, und möglicherweise prangert auch die Liste des Bischofs Etienne Tempier von 1277 AlKindi an 45. Eckhart scheint sich an all dem nicht gestört zu haben. ,De radiis‘ präsentiert ein kosmisches System, das vollständig auf universeller Sympathie aufgebaut ist und so im Gleichgewicht gehalten wird. Diese Sympathie manifestiert sich in wechselseitigen Strahlungen zwischen Gestirnen und Elementarkörpern und formt einen mechanisch funktionierenden Kosmos, der von der Ersten Ursache bzw. Gott mittels der Sterne gesteuert wird und in dem der Zufall nicht vorkommt. Der Mensch, perfekter microcosmus, nimmt dank seines Intellekts einen privilegierten Platz in diesem System ein, das er verstehen 41 42
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Sermo XIX (LW IV, 176, 9-177, 2). Cf. ibid., 176 sq., nt. 4: „Echardus forte alludit ad (Iacob) Alkindi, De radiis stellicis seu De theorica artium magicarum, c. 8: ,Homines autem quibus fides facta est quod spiritus habent esse in suo modo et operantur motus et formas in materia elementari credunt eos sacrificiis induci ad faciendum quod intentio sacrificantis desiderat. Unde ad honorem et placationem spirituum tanquam potestatem habentium sacrificia offerunt credentes et sperantes eorum suffragiis malum excludi et bonum procurari secundum speciem thematis quod intenditur. Haec autem opinio, sicut praedictum est, ex radice sensus naturalis non surgit in anima hominis, et ideo an sit erronea ab homine ignoratur‘.“ Cf. M.-T. D’Alverny/F. Hudry (eds.), Al-Kindi, De radiis, in: Archives d’histoire doctrinale et litte´raire du Moyen Age 41 (1974), 139-260, hier: 149-167. Interessant ist Eckharts Autornennung: Iacob. Der Text ist in der Regel anonym oder unter AlKindi überliefert, nur eine einzige Handschrift führt den Text unter ,Incipit liber Iacobi Alchindi de radiis‘ (fol. 1r ) und ,Explicit Iacobus Alchindi de radiis‘ (fol. 11v ): Paris, BN, N. acq. lat. 616, Pap., 203 x 133 mm, 17 foll., vom Jahre 1442. Enthält nur Al-Kindi, ,De radiis‘ und ,Conclusiones ex libro Iacobi Alkindi de radiis‘. Cf. D’Alverny/Hudry (eds.), Al-Kindi (nt. 43), 203. Cf. D’Alverny/Hudry (eds.), Al-Kindi (nt. 43), 139.
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und auf das er bewusst Einfluss nehmen kann. Diese Einflussnahme erfolgt über die Vorstellungskraft (spiritus imaginarius) und die Vernunft, die den Dingen, auf die sie wirken wollen, konforme Strahlen aussenden, da sie die Bilder der Dinge im Geiste verinnerlicht haben. Verstärkend zur Vorstellungskraft wirken Worte und manuelle Operationen, wie die Herstellung von Talismanen, magischen Figuren und Inschriften, sowie Opferhandlungen. Den größten Umfang in ,De radiis‘ nimmt Kapitel 6 ein: ,De virtute verborum‘. Die Kraft der Worte ist, nach Al-Kindi, immer an die Astrologie gebunden, wie alle Dinge, und sie wirken genau wie andere Objekte ,körperlich‘ durch Aussendung von Strahlung, die die Intention des Sprechers in Bewegung setzt. „Quia igitur verba creduntur ab hominibus effectum motus continere, de hoc resumentes dicimus quod voces in actum producte radios faciunt sicut et alie res actuales, et suis radiis operantur in mundo elementorum sicut et alia individua. Et cum innumerabiles sint differentie vocum, unaqueque actualiter prolata suum habet effectum in rebus aliis elementaribus, differentem ab effectu aliorum, et sortite sunt voces suum effectum a celesti armonia, sicut et herbe et res alie, et similiter effectus qualitatem valde diversam in diversis.“ 46
Al-Kindi ist sicher einer der Meister, den Eckhart in Predigt 18 über den Vorrang von Kräutern, Worten oder Steinen nachdenken lässt, und neben ihm Plotin, Proclus und Hermes Trismegistus, die von Al-Kindi herangezogenen Quellen. Al-Kindi unterscheidet ferner zwischen voces, die naturaliter bedeuten, wie die Stimmen der Tiere, und voces, die ihre Bedeutung durch impositio hominum erhalten. Worte, die ad placitum gesetzt sind, wären ein Widerspruch in diesem durchorganisierten Kosmos, und Al-Kindi löst das Problem elegant. Jedes Wort hat eine natürliche und eine akzidentelle Bedeutung und wenn beide zusammenfallen, ist die Wirkkraft des Wortes besonders groß. „Quia enim homo suam habet substantiam et omnia sua accidentia ab ipsa in hoc loco et hoc tempore, habet quoque ab eadem dispositionem vocandi hominem hoc nomine et asinum illo, et sic de aliis in hoc loco et in hoc tempore. Et quia diversorum locorum et temporum homines diversis sunt informati qualitatibus in suis unitatibus regitivis, secundum sue complexionis exigentiam diversas voces assumpserunt ad res significandas. Descendit ergo ab armonia primo, et per eam ab hominum complexione, talis vocis impositio ad talem rem significandam. Vox autem facta significativa per impositionem et consuetudinem hominum deducta ad significandum proprietatem ex hoc recipit quam antequam significativa fieret non habebat.“ 47
Das bedeutet aber auch, dass es keinen Unterschied zwischen den einzelnen Sprachen gibt, die nur Ausfluss unterschiedlicher Komplexionen der Völker sind und in ihrer Bedeutungskraft Gleichwertiges leisten. Dieser Aspekt scheint mir wichtig für Eckhart, der selbst souverän zwei linguistische Codes, Latein und Deutsch, handhabt, ohne jemals das Übersetzungsproblem zu thematisieren oder die Verwendung der Volkssprache zu rechtfertigen. 46 47
Al-Kindi, De radiis (ed. D’Alverny/Hudry [nt. 43]), c. 6, 233. Ibid., 235 sq. Interessant ist der Ausdruck unitas regitiva. D’Alverny kann zeigen, dass es sich um die monas hegemonike aus Proclus handelt (160 sq.).
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Der Idealfall ist nach Al-Kindi gegeben, wenn das significans vom Menschen so geformt ist, dass es über kosmische Sympathie mit seinem significatum verbunden ist. In den traditionellen Bahnen der Schulgelehrsamkeit manifestiert sich dies in der Etymologie eines Wortes. Doch zunächst noch einmal Al-Kindi: „Cum autem in aliqua voce concurrunt impositio significationis ab armonia facta et ab hominibus, geminatur virtus significationis illius vocis. Si enim hoc nomen, homo, ab armonica dispositione haberet significationem hominis, sicut habet ab impositione hominum latinorum, operaretur suis radiis in materiam cum fuerit prolatum virtute duplici, scilicet naturali et accidentali, et sic fortius surgeret in effectum, et idem est de omnibus aliis.“ 48
Wichtig ist das ausgesprochene Wort (vox prolata), das so körperliche Gestalt annimmt und besonders im Element Luft seine Wirksamkeit entfaltet. Die Luft ist leicht empfänglich für Prägung (impressio) und lässt sich von der Wortgestalt formen. Da auch der menschliche spiritus aus ,Luftnatur‘ besteht, wird er von derart geformter Luft selbst ,verformt‘ („recipit inmutationem per verba“) 49. Auf diesem Weg wirken Wörter. Es ist der Weg, den Eckhart in Predigt 18 und in Sermo XXXVI/1 beschrieben hat. Auch wenn Al-Kindi keine einzige Formel nennt - sein Traktat behandelt die theoretischen Grundlagen der natürlichen Magie -, so deutet er doch einige Beispiele für ,Wunder durch Worte‘ an. Schädliche Tiere wie Skorpione, Mäuse oder Fliegen, aber auch Wölfe und Löwen können durch Worte vertrieben werden 50, Erde kann erwärmt werden und man kann Eisen veranlassen, auf dem Wasser zu schwimmen, und Wind und Regen aufhören lassen, ja, auch dem Feuer verbieten, etwas zu verbrennen 51. Dies alles beruht auf natürlicher Sympathie und erscheint nur dem Unwissenden wunderbar. Auch Gebete oder Opferhandlungen wirken über Strahlungen unter dem Einfluss der Gestirne und nicht, wie viele glauben, weil Gott damit gnädig gestimmt würde oder Gefallen daran hätte 52. 48 49
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Ibid., 236 sq. Cf. ibid., 240: „Materia autem in qua verba operantur magis propria est aer et substantie habentes plurimum aeree nature. Voces enim sunt forme aeree propter quod ipse sunt magis operative in aeria materia quam in alia. Preterea aer est facilioris impressionis quam alia elementa, propter quod voces plus efficacie habent in aereis corporibus et qualitatibus quam in corporibus et qualitatibus aliorum elementorum, licet et in hiis quedam verba effectum sortiuntur […]. Spiritus enim hominis est aeree nature; unde de facili recipit inmutationem per verba sicut et aliunde […]. Ex hoc etiam est quod per verborum prolationem inmutantur diverse passiones in animam hominis, scilicet timor, spes, gaudium, dolor, et fiunt hec in aliis animalibus similiter.“ Cf. ibid., 241: „Hinc est quod scorpiones expelluntur a locis suis per verba, et lupi et leones, et mures et musce, et hoc modo quandoque advocantur animalia et aves ad aliquem locum et expectant captionem.“ Cf. ibid., 242: „Terra enim, cum sit naturaliter frigida, per vim verborum calefit et calorem retinet. Aqua quoque, que ponderosa corpora per naturam suam intra se recipi permittit, per vim verborum quorumdam ista natura privatur, et fit quod ferrum super aquas natat. Aer quoque per verba a flatu cessat et a pluvie generatione. Ignis etiam a combustione cessat per verba, combustibilibus ei applicatis.“ Cf. ibid., c. 9 ,De sacrificiis‘, 257: „Ipsi quoque Deo offeruntur diversorum modorum sacrificia ab hominibus quibus fides facta est ipsum sacrificiis placari et benivolum reddi ut bona tribuat, mala depellat. Sed etsi hec opinio non contineat veritatem, valet tamen sacrificium ad effectum thematis quod intenditur propter suam naturam et radiorum proprietatem quam recepit a celesti causa si cum debita sollempnitate offeratur, sicut plurimi sapientes experimentis probaverunt.“ Natürlich wurde diese Position von christlichen Theologen wie
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Ich möchte nicht behaupten, dass Eckhart Al-Kindis Vorstellungen völlig teilt oder mit seinem Satz „Man könnte Wunder tun mit Worten“ auf derartige Effekte abzielt. Doch das von Al-Kindi beschriebene Universum ist Eckhart nicht fremd. Ich verweise nur auf die wiederholten Stellen in seinem Predigtwerk, in denen Eckhart erklärt, wenn sich der Mensch so oder so verhalte, müsse Gott von noˆt reagieren 53; von noˆt, das ist der magische Zwang eines in sich ausbalancierten Kosmos, in dem das wirkende Prinzip der glıˆcheit bestimmend ist. Und diese glıˆcheit bestimmt auch die Kraft der Worte, die - und das ist notwendige Voraussetzung - mit diesem Kosmos irgendwie verbunden sein müssen. Wie sehr Eckhart diesem neuplatonischen Kosmosgedanken verhaftet ist, wird aus einer frappierenden Parallelstelle zum Problem der Kraft der Worte bei Raymundus Lullus deutlich. Der katalanische Autodidakt und Universalgelehrte ist Eckharts Zeitgenosse und hielt sich selbst mehrfach an der Universität Paris auf, wo er mit wechselndem Erfolg um die Anerkennung seiner Kunst zur Wahrheitsfindung (,Ars generalis ultima‘ von 1308) warb. Lulls erklärtes Ziel seiner immensen schriftstellerischen Produktion ist die christliche Missionierung. So wundert es nicht, dass seine ,Rethorica nova‘, 1301 auf Katalanisch verfasst und bereits 1303 ins Lateinische übersetzt, nichts anderes als eine ars predicandi ist. Der bislang unedierte Text gliedert sich in einen Prolog und vier distinctiones zu den Themen ,Ordnung‘, ,Schönheit‘, ,Wissen‘ und ,Liebe‘ 54. Die Sektion über ,Wissen‘ enthält auch eine Theorie zur virtus der Wörter: „Si Deus posuit virtutes in herbis et lapidibus, multo magis in verbis que virtuosa sunt per virtutes morales et theologicales in loquente existentes. Et ideo quando loquens habet verba virtuosa, quorum virtus est subiectum sive materia, colorat formam eorum, propter quam colorationem forma pulcra est. Et ipsam ornatam formam audientes cum delectatione verba suscipiunt, et aures atque cor inclinant benivolas ad auditum.“ 55
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Aegidius Romanus heftig angegriffen. Cf. Errores philosophorum X ,De collectione errorum Alkindi‘, 13 ( J. Koch/J. O. Riedl [eds.], Giles of Rome, Errores philosophorum, Milwaukee 1944, 52): „Ulterius erravit volens sacrificia oblata spiritibus vel etiam Deo nihil facere ad hoc quod per ipsum aliquid consequamur, sed naturaliter habere effectum ad quem ordinantur“; X, 14 (ibid., 54): „Ulterius erravit quia noluit Deum et spirituales substantias placari per preces et sacrificia nostra. Quod totum patet ex capitulo ,De sacrificiis‘.“ Cf. z. B. RdU (DW V, 187, 1 sq.): „Swaˆ der mensche in gehoˆrsame des sıˆnen uˆzgaˆt und sich des sıˆnen erwiget, daˆ an dem selben muoz got von noˆt wider ˆıngaˆn“; Pr. 99 (DW IV/1, 260, 42-44): „swenne sich got gibet, er gibet sich zemaˆle. Er gibet entweder oder niht, als verre als ez diu seˆle enpfaˆhen mac, wan von noˆt muoste sich got zemaˆle uˆzgiezen“; Pr. 104 (DW IV/1, 587, 244A-589, 248A): „Eyaˆ, swenne sich der mensche zemaˆle müeziget und diu würkende vernunft an im gesıˆget, soˆ muoz sich got von noˆt des werkes underwinden und muoz selber daˆ werkmeister sıˆn und sich selber gebern in die lıˆdende vernunft.“ Ich stütze mich auf M. D. Johnston, The Rethorica nova of Ramon Llull: An Ars praedicandi as Devotional Literature, in: L. Amos/E. A. Green/B. M. Kienzle (eds.), De Ore Domini. Preacher and Word in the Middle Ages, Kalamazoo 1989, 119-145, der die Struktur der ,Rethorica nova‘ über den lateinischen Prolog erschließt, auf der Basis der Handschrift: Paris, Bibl. Nat. MS lat. 6443c, 14. sec., foll. 95va-109va. Von der katalanischen Urfassung ist außer einer Liste von 50 Sprichwörtern nichts erhalten (ibid., 122). Raymundus Lullus, Rethorica nova, fol. 105rb. Zit. bei M. D. Johnston, The Rethorica nova (nt. 54), 143, nt. 66.
„Man möhte wunder tuon mit worten“ (Predigt 18)
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Die Ähnlichkeit mit Eckharts Sermo XXXVI/1: „Si enim herbae et gemmae miranda agunt, impressa a caelo et stellis, quanto magis verba in quantum huiusmodi, impressa ab *et+ in primo verbo“ 56 fällt sofort ins Auge, aber auch die grundsätzliche Verschiedenheit. Beide Philosophen gehen von der festen Überzeugung aus, dass Kräuter, Edelsteine und Wörter besondere Wirkungen hervorrufen können, beide schätzen die Wirkkraft der Wörter am höchsten ein 57. Doch während Lullus die Sprache rein als innermenschliches Kommunikationssystem bewertet und damit keinen Deut von der scholastischen Sprachtheorie abweicht, geht Eckhart weit darüber hinaus und setzt ein universales Kommunikationssystem an. Lulls Wörter wirken nur insofern, als sie die moralische und theologische virtus des menschlichen Sprechers mit Hilfe rhetorischen Schmucks vermitteln, Eckharts Wörter vermitteln die virtus des Schöpfers des Universums. Oder anders ausgedrückt: Lulls Worte haben nur Kraft, wenn der Sprecher Kraft hat, Eckharts Worte wirken Wunder auch im Munde eines Lügners ohne jede Moral, denn: „Alliu wort haˆnt kraft von dem ˆersten worte.“ 58 Wörter dürfen also nicht beliebige vom Menschen nach gesellschaftlicher Konvention gesetzte Zeichen sein. Diese für eine Sprachtheorie reichlich ungewöhnliche Überlegung findet sich bei Eckhart in seinem Genesiskommentar, wo es um den Ursprung aller Sprachen, der Sprache Adams, geht: „Omne quod vocavit Adam animae viventis, ipsum est nomen eius.“ 59 Eckhart interpretiert diesen berühmten Vers auf recht eigenwillige Weise: Adam setzte die Benennungen so, dass sie die Natur der Dinge ausdrückten. Diese Lehre der ,natürlichen‘ Namensetzung vertreten auch Aulus Gellius, Cicero und Augustinus. Sie wird bestätigt durch die Lehre von der Etymologie, und darüber hinaus gibt es Wahrsager, die aus Namen und beliebigen Appellativen Vorhersagen treffen 60. Eckhart vertritt hier die Ansicht, dass selbst der konkrete Sprachlaut von der einen konstituierenden Idee hervorgebracht wird, die auch den außersprachlichen Gegenstand determiniert. So sind z. B. alle möglichen konstruierten Häuser und alle noch so verschieden ausgesprochenen Lautfolgen für ,Haus‘ gleichrangige Manifestationen der Idee ,Haus‘, gleichrangige Individuen einer Art (species) 56 57
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Sermo XXXVI/1 (LW IV, 316, 13-317, 2). Lull bewertet die Sprachfähigkeit des Menschen sogar als einen sechsten Sinn (affatus); cf. M. D. Johnston, The Rethorica nova (nt. 54), 124. Pr. 18 (DW I, 306, 6 sq.). Gen. 2, 19. In Gen. I, c. 2, n. 192 (LW I, 336, 8-338, 4): „Videtur mihi quod vult dicere quod Adam imposuit singulis nomina iuxta ipsarum rerum proprietates, ita quod ipsa indicabant naturas et proprietates naturales rerum. Et hoc satis invenio in simili ex A. Gellio, Tullio et Augustino. Unde A. Gellius l. XI c. 4 dicit ,nomina et verba non fortuito imposita, sed‘ naturali ,quadam vi et ratione naturae facta esse‘ sive imposita. Et hoc probat multis exemplis in Graecis vocibus et Latinis. Possumus etiam apud nos videre hoc ipsum. Luminellam sive luminariam herbam quandam vocamus, quae, ut experimento didici, mirabilem efficaciam habet in reformatione luminis et visus oculorum. Et secundum aliquos sol vocatus est, eo quod solus lucet et ab ipso omnia lumen mutuant. Unde divinatores multum se fundant et confidunt praesagiendo in nominibus sive hominum sive rerum aliarum quarumlibet, tam in numero, quam in figura, quam etiam in ordine litterarum.“
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bzw. Variationen eines gleich bleibenden Themas. Diese Sichtweise steht völlig außerhalb der mittelalterlichen Sprachtheorie, die seit der Aristotelesrezeption den konkreten Sprachlaut als beliebiges, nach menschlicher Konvention (ad placitum) gesetztes Zeichen betrachtet - wie es ja die Existenz verschiedener Sprachen auch nahe legt. „Aber Eckhart scheint diese auch im Mittelalter allgemeine Ansicht nicht zu teilen, wahrscheinlich deshalb nicht, weil ihm die unveränderte Identität der hervorbringenden Idee mit allem Hervorgebrachten so lebenswichtig war.“ 61 Auch Eckhart selbst scheint es nicht ganz wohl zu sein bei seiner These. Er spricht sehr vorsichtig („videtur mihi quod vult dicere […]“), führt ein ganzes Bataillon von stützenden Autoritäten an - übrigens sämtliche falsch oder missverstanden 62 - und verschanzt sich schließlich hinter der ,klassischen‘ Etymologie für ,Sonne‘: „,sol‘, quod solus lucet“, und der Benennung einer Heilpflanze „luminella sive luminaria“, deren Name ihre positive Wirkung auf die Augen verrät. Zuletzt kommt er noch mit Wahrsagern (divinatores) daher, die aus den Wörtern prophezeien, indem sie die Wortgestalt (figura) und Zahl und Anordnung der Buchstaben („numerus et ordo litterarum“) berücksichtigen. Wenn sie daraus Vorhersagen treffen können, muss in der konkreten Laut- und Schriftgestalt die entsprechende Information verborgen sein, d. h. die Wahrheit der außersprachlichen Referenten. Wir wissen nicht, wen Eckhart mit den divinatores meint. In seinem Exoduskommentar, genauer in der Diskussion um die Namen Gottes, die Eckhart bekanntermaßen ganz und gar aus Moses Maimonides übernimmt, spricht er in einer eigenen Digression das Problem nochmals an, jetzt bezogen auf die Gottesnamen: „Numerus etiam et ordo litterarum in nominibus secundum aliquos fortassis non caret significatione et proprietate naturali, ut nec ordo nec numerus casualia putentur.“ 63 Eckhart sagt nicht, wer die aliqui sind, die auch noch aus Zahl und Ordnung der Buchstaben einen tieferen Sinn entnehmen. Man ist versucht, an die hebräische Schriftauslegung, und hier an die erstmals Ende des 12. Jahrhunderts in der Languedoc sich entwickelnde und zur Zeit Eckharts in Spanien, Italien, aber auch in Deutschland florierende Richtung der Kabbala zu denken. Die Benennung eines Gegenstandes, weit entfernt von bloßem Symbol- und Zeichencharakter, enthält in ihrer spezifischen Laut- und Schriftgestalt in dinglich konkreter Form spirituelle Kraft, die der Kundige nutzen kann zur höheren Erkenntnis 64. 61 62
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Seppänen, Meister Eckharts Konzeption (nt. 4), 58. Cicero macht sich lustig über diese von den Stoikern vertretene Ansicht, Gellius diskutiert ein Zitat von Nigidius Figulus, das er selbst ablehnt, und auch Augustin folgt der herkömmlichen Meinung: De musica III, c. 2, n. 3 (PL 32, 1116): „res omnium mentibus communiter sunt insitae, nomina vero ut cuique placuit imposita, quorum vis auctoritate atque consuetudine maxime nititur“; cf. LW I, 336, nt. 4. In Ex., c. 20, n. 152 (LW II, 136, 16-137, 2). Ganz fremd ist dieser Gedanke auch dem Christentum nicht. In den Erzählungen von der Kindheit Jesu der apokryphen Evangelien lehrt der Jesusknabe in der Schule seinen Magister Zacheus die Buchstabensymbolik des Alphabets. Cf. M. Erbetta (ed.), Gli Apocrifi del Nuovo Testamento. I/2. Vangeli, Genova 1981, rist. 1992, 85: Ps.-Tommaso, Ta paidika tu kyriu, VI, 3-4.
„Man möhte wunder tuon mit worten“ (Predigt 18)
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Ein wenig spielt Eckhart selbst mit diesen Ideen. Ich komme kurz zurück auf seine Etymologie des Wortes sol. In der zitierten Auslegung von Gen. 2, 19 („Et secundum aliquos sol vocatus est eo, quod solus lucet et ab ipso omnia lumen mutuant“) bringt er die ,klassische‘ Etymologie Isidors 65. In seiner Auslegung von Gen. 1, 16: ,Fecit deus duo magna luminaria‘ führt er darüber hinaus noch eine weitere, ,bessere‘ Etymologie an: „[…] aut potius etymologice quasi ,super omnia lucens‘.“ 66 Weiß interpretiert ganz richtig: „sol (Sonne) wird als Akronym verstanden.“ 67 Und genauso hat es auch Eckhart gesehen. In seiner Überarbeitung des Genesiskommentars, der Recensio L, in die Eckhart übrigens noch intensiver Maimonides einarbeitet, schreibt er: „[…] aut potius etymologice quasi ›super omnia lucens‹, id est super omnia lumina lucens: s. super, o. omnia, l. Lucens.“ 68 Ein solches Verfahren kennt auch die hebräische Schriftexegese. Es handelt sich um das Verfahren des Notarikon, „das heißt der Betrachtung der Buchstaben eines Wortes als Abbreviatur eines ganzen Satzes“ 69. Ich vermag keine Verbindung Eckharts mit kabbalistischen Quellen nachzuweisen. Die Forschungslage auf diesem Gebiet ist desolat, und für einen Nichthebraisten ist der Zugang zu den einschlägigen Texten versperrt, mangels Übersetzungen und oft sogar mangels der Editionen selbst. Dennoch bleibt zu beachten, dass das geistige Klima von Eckharts Zeit eine solche Verbindung nicht ausschließt. Ich verweise nur auf die Bewegung der Chasside Aschkenas, der ,Frommen Deutschlands‘, die seit dem 9. Jahrhundert in der Region um Mainz verwurzelt ist und sich im 13. Jahrhundert bis nach Regensburg ausbreitet, und ihren berühmtesten Vertreter, Rabbi Eleasar von Worms, der in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts seine theosophischen Schriften verfasste 70. Dazu kommt das allgemeine Interesse an hebräischer Schriftauslegung auch seitens der christlichen Theologen im 13. und 14. Jahrhundert 71 und das persönliche Interesse Eckharts: Kaum jemand studierte mit solcher Intensität Moses Maimonides 72. 65 66
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Cf. Isidor, Etymologiae III, 71, 1 (ed. W. M. Lindsay, Oxford 1911). In Gen. I, c. 1, n. 103 (LW I, 259, 8 sq.). Zur Etymologie cf. Honorius Augustodunensis, De imagine mundi I, 77 (ed. V. I. J. Flint, in: Archives d’histoire doctrinale et litte´raire du Moyen Age 57 [1982], 1-153, hier: 77). LW I, 259. In Gen. I, c. 1, n. 103 (Rec. L), LW I/2, 143, 22 sq. G. Scholem, Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen, Frankfurt a. M., 41991, 109. Cf. L. Sturlese, Die deutsche Philosophie im Mittelalter. Von Bonifatius bis zu Albert dem Großen (748-1280), München 1993, c. 10: ,Chasside Aschkenas‘: Kurzer Exkurs über das jüdische philosophische Denken im hochmittelalterlichen Deutschland, 264-276. Cf. B. Smalley, The Study of the Bible in the Middle Ages, London 1952 (ital. Übersetzung: Lo studio della Bibbia nel Medioevo, Bologna 1972, besonders: La ,hebraica veritas‘, 454-489). Imbach verweist auf den großen Einfluss des ,Dux neutrorum‘ auf das Denken des Thomas von Aquin, und ganz besonders auf Meister Eckhart: R. Imbach, Ut ait Rabbi Moyses. Maimonidische Philosopheme bei Thomas von Aquin und Meister Eckhart, in: id., Quodlibeta. Ausgewählte Artikel/Articles choisis, ed. F. Cheneval/Th. Ricklin/C. Pottier/S. Maspoli/M. Mösch, Freiburg/Schweiz 1996, 333-349, hier 341: „Die Präsenz des Rabbi Moyses im Werk Eckharts ist noch eindrücklicher als bei Thomas. Wer die Auslegung des Exodus studiert, kann über die Zahl der Zitate, ja gar der Exzerpte aus dem Moreh Nabuchim nur staunen.“
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VI. Ich möchte abschließend versuchen, Eckharts ganz persönliche Auffassung von Sprache und vom Sprechen nochmals zusammenzufassen, wie sie sich aus seinem Ausspruch in Predigt 18 „man möhte wunder tuon mit worten“ ableiten lässt, und die Frage stellen, ob diese Sprachtheorie Konsequenzen hat für Eckharts eigenen Umgang mit Worten. Zunächst ist festzuhalten: „man möhte wunder tuon mit worten“ ist Nachsatz (Apodosis) eines konditionalen Satzgefüges, in dem die Bedingung (Protasis) nicht ausgesprochen ist. Eckhart beabsichtigt also keinen Wortzauber mit magischen Formeln. Er ist allerdings, genau wie sein Zeitgenosse Raymundus Lullus, fest von der außerordentlichen Wirkkraft der Wörter überzeugt, die er wie Lull in ihrer Effizienz noch über Kräuter und Edelsteine stellt. Doch während Lull die Sprache nur als zwischenmenschliches Kommunikationssystem sieht, das die moralischen Qualitäten des Sprechers dem Hörer vermitteln kann, sind für Eckhart die Wörter natürliche Bestandteile des Universums, in dem sie dank ihrer glıˆcheit mit dem Ersten Wort über impressio im Intellekt des Hörers ihre Wirkung entfalten. Ihr Ursprung ist letztendlich der intellectus agens bzw. das Schöpfungswort Gottes, ihre Konkretisierung in den menschlichen Sprachen beruht auf Vervielfältigung, und das heißt Verlust der Einheit, wie der geschaffene Kosmos selbst. Adam, der als Erster in Menschensprache die Welt benannte aufgrund seiner profunden Kenntnis aller Dinge, erhielt diese Kenntnis auf wortlose Weise vermittelt, unmittelbar durch den intellectus agens. Aus Gen. 2, 19 und Eckharts Interpretation, dass Adam die Dinge nach ihrer wahren Natur benannte, folgt, „[…] quod Adam novit naturas rerum omnium, eo quod ipse nomina imposuit omnibus. Sic enim Adam institutus est a deo perfectus scientia, ut omnia sciret, quae cadunt et cadere possunt sub luce agentis intellectus ut dicunt doctores“ 73. Die doctores sind die Lehrer der Universität wie Petrus Lombardus oder Thomas von Aquin 74. Die gleiche Lehre wird aber auch von Abraham Abulafia, einem Zeitgenossen Meister Eckharts, vertreten, dem Begründer der sog. ,ekstatischen Kabbala‘. Der intellectus agens als kosmische Kraft verleiht dem Menschen die Gabe der Sprache als ,form of speech‘, sie ist natürlich. Erst aufgrund der babylonischen Sprachverwirrung prägen sich die konventionellen Einzelsprachen aus. Das Erste Wort bedeutet noch alles, die nomina Adams zerstreuen bereits diese Kraft, und die ,Qualitätsminderung‘ der Sprache verstärkt sich in der Zersplitterung in die Einzelsprachen 75. Insofern sind Wörter defekt. Doch wie die geschaffenen Kreaturen vesti73 74
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In Gen. I, c. 2, n. 192 (LW I, 339, 1-4). Cf. LW I, 339, nt. 2. Weiß nennt Hugo von St. Victor, De sacramentis christianae fidei I, p. 6, c. 12, 13 (PL 176, 270 sq.); Petrus Lombardus, Sententiae II, d. 23, c. 3, n. 193; Thomas von Aquin, Sententiae II, d. 23, q. 2, a. 2; S. th. I, q. 94, a. 3. Cf. M. Idel, The Infant Experiment: the Search for the First Language, in: A. P. Coudert (ed.), The Language of Adam. Die Sprache Adams (Wolfenbütteler Forschungen 84), Wiesbaden 1999, 57-79, bes. 67 sq. Abulafias ,form of speech‘ hat evtl. Dante beeinflusst, der von forma locutionis spricht. Cf. U. Eco, La ricerca della lingua perfetta, Roma-Bari 1993, 56-58.
„Man möhte wunder tuon mit worten“ (Predigt 18)
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gia dei sind, so enthält jedes Wort einen Abglanz des Ersten Wortes. Insofern sind sie kostbare Bilder des Intellekts und höher zu bewerten als die Kreaturen. Denn in ihnen offenbart sich die kosmische Kraft des Intellekts. Unter dem Aspekt der Beschränktheit der Einzelsprachen muss Eckhart also das gesprochene Wort (vox prolata), lateinisch oder deutsch, gering schätzen. Nicht aber in dem, was es an sich ist bzw. sein sollte. Lassen wir Eckhart selbst zu Wort kommen. Dem gesprochenen äußeren Wort, und zwar gleichgültig, welcher Sprache es angehört, fällt nur eine Funktion zu: die in ihm verborgene Idee den anderen kundzutun. Insofern ist jedes Wort ein ,Bote‘. „Nomen autem a notitia dictum est, eo quod sit nota conceptus alicuius in intellectu, notificans etiam ipsum conceptum aliis. Propter quod ipsum est nuntius, quo nuntiatur ipse conceptus aliis.“ 76 Jedes Ding drückt in seinem Sein seine Ursache aus, und analog drückt jedes Wort die Idee seines Sprechers aus: „Ratio est, quia res omnis dicit et manifestat suum principium vel suam causam; verbum autem non est aliud nec ad aliud nec propter aliud, nisi ut manifestet conceptum mentis eius qui loquitur.“ 77 Das klingt ganz nach scholastischer Sprachtheorie, die Sprache als innermenschliches Kommunikationssystem analysiert. Doch bei Eckhart gilt: „iustus verbum est iustitiae […].“ 78 Zwischen der metaphysischen Entität und ihrer Realisierung im konkreten hic et nunc besteht ein reziprokes Wechselverhältnis, vergleichbar einer sprachlichen Kommunikationssituation. ,Gerecht‘ ist immer in irgendeiner Weise Ausdruck, d. h. ausgesprochenes ,Wort‘, der Gerechtigkeit an sich, und so fort. Das gilt auch für das Wortpaar ,gut‘ und ,Güte‘. Im ,Liber Benedictus‘ erklärt Eckhart in eindrucksvoller Weise, was er unter dem Wesen eines Wortes versteht: „Noch sol man wizzen, daz der name oder daz wort, soˆ wir sprechen ,guot‘ nennet und besliuzet in im niht anders, noch minner noch meˆ, wan bloˆze und luˆter güete; doch gibet ez sich. Soˆ wir sprechen ,guot‘, soˆ vernimet man, daz sıˆn güete ist im gegeben, ˆıngevlozzen und ˆıngeborn von der ungebornen güete.“ 79
Ich übersetze diesen Abschnitt wie folgt: „Man soll ferner wissen, daß der Name bzw. das Wort, wenn wir ,gut‘ sagen, nichts anderes benennt und in sich beschließt, nicht weniger und nicht mehr, als bloße und reine Güte; jedoch teilt es sich mit (,gibet ez sich‘). Wenn wir ,gut‘ sagen, vernimmt man, daß ihm seine Güte mitgeteilt, zugeflossen und eingeboren ist von der ungeborenen Güte.“
Anders als Quint beziehe ich das rätselhafte ez in ,doch gibet ez sich‘ auf ,das Wort‘ und ebenso die folgenden Pronomina sıˆn und im 80. Damit ergibt sich die 76
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In Ex., c. 20, n. 167 (LW II, 146, 17-147, 2). Die Etymologie findet sich im ,Vocabularius‘ des Papias: „nomen dicitur a notatione vel a notamine“; cf. LW III, 95, nt. 1. In Ioh., c. 1, n. 132 (LW III, 114, 1-3). Ibid., c. 1, n. 15 (LW III, 13, 8). Liber Benedictus (DW V, 10, 3-7). Quint (DW V, 472) übersetzt: „Weiterhin muß man wissen, daß, wenn wir vom ,Guten‘ sprechen, der Name oder das Wort nichts anders bezeichnet und in sich schließt, und zwar nicht weniger und nicht mehr, als die bloße und lautere Gutheit; jedoch meint man dann das Gute, sofern es die sich gebende, gebärende Gutheit ist. Wenn wir vom ,Guten‘ sprechen, so versteht man
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exakte Formulierung von Eckharts Sprachtheorie. Das Wesen eines Wortes besteht darin, dass es gesprochen ist, d. h. geboren ist, ,Sohn‘ ist eines ungeborenen ,Vaters‘. Und das Wesen eines Wortes besteht darin, dass es sich mitteilt. Indem es sich mitteilt, teilt es von seinem Ursprung mit. ,Gut‘ als Wort teilt mit von der ungesprochenen und unsprechbaren Idee des Guten. Wenn man Lulls Sprachtheorie als ,moralisierend‘ bezeichnen möchte, so wäre diejenige Eckharts ,metaphysisch‘ zu nennen.
VII. Hat diese Sprachtheorie Konsequenzen für Eckharts eigenen Umgang mit Wörtern? Von Berufs wegen hat er täglich mit Worten zu tun, als Prediger versteht er sich als ein mitewürker gotes, der das Wort Gottes neu sprechen muss 81. Wenn seine Aussage in Predigt 18, „Wort haˆnt ouch groˆze kraft“, denn „alliu wort haˆnt kraft von dem ˆersten worte“, nicht nur ein blindes Motiv ist, muss man diese Frage bejahen. Wesentlich schwieriger ist es festzustellen, wie genau sich diese Theorie in der Praxis umsetzt. Es wäre eine gründliche und systematische Untersuchung nötig, die ich hier nicht leisten kann. Doch ich möchte wenigstens einige Beispiele anführen, die sich beliebig vermehren lassen. Ich wähle diese Beispiele aus Eckharts deutschen Predigten. Immer wieder wird auf die unglaubliche Freiheit hingewiesen, die sich Eckhart bei seiner Auslegung des Bibeltextes nimmt. Er treibt die scholastische Methode des litteram punctare offensichtlich auf die Spitze und segmentiert nicht nur Satzglieder, sondern Einzelwörter, die er dann noch nicht einmal mehr in ihrer Reihenfolge belässt 82. Man ist dann gerne geneigt, in dieser Willkür den Mystiker zu sehen, der sich um logische Zusammenhänge nicht zu kümmern braucht und das Schriftwort nur als ,Sprungbrett‘ für sein einziges großes Thema ,Gott und die Seele‘ benutzt 83. Vielleicht hängt dieses Verhalten Eckharts aber mit seiner besonderen Vorstellung von Wörtern zusammen. Aus seiner außergewöhnlichen Hochschätzung des gesprochenen oder geschriebenen Wortes folgt:
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dabei, daß sein Gutsein ihm gegeben, eingeflossen und eingeboren ist von der ungeborenen Gutheit.“ Quint möchte in dem Satz „doch gibet ez sich“: doch gibt sie (d. h. die Güte) es (d. h. das Gutsein) lesen und begründet damit seine paraphrasierende Übersetzung; cf. seine Diskussion der Stelle ibid., 65, nt. 8. Cf. Pr. 81 (DW III, 398, 9-14): „Etelich werk würket unser herre got aˆne underscheit selbe, etelich mit underscheide und mit helfe. Möhte diu gnaˆde, diu in mıˆn wort gebunden ist, aˆne underscheit komen in die seˆle, als ob ez got selbe spræche oder wörhte, diu seˆle würde alzehant bekeˆret und würde heilic und enmöhte sich niht daˆ vor enthalten. Als ich gotes wort spriche, soˆ bin ich ein mitewürker gotes und ist diu gnaˆde gemenget mit der creˆatuˆre und enwirt niht genzlıˆche enpfangen in die seˆle.“ Cf. z. B. K. Ruh, Predigt 4, Omne datum optimum, in: G. Steer/L. Sturlese (eds.), Lectura Eckhardi I, Stuttgart-Berlin-Köln 1998, 1-23, hier: 10. Cf. E. Winkler, Exegetische Methoden bei Meister Eckhart (Beiträge zur Geschichte der biblischen Hermeneutik 6), Tübingen 1965, 112.
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1. Von Sprachpessimismus kann nicht die Rede sein. 2. Alle Sprachen sind gleichwertig und es spielt keine Rolle, ob auf Latein oder auf Deutsch gepredigt wird. 3. Jedes Wort der Heiligen Schrift ist gleich wichtig und auslegungswürdig. Dies zeigt sich in der immer wieder zu beobachtenden Vorliebe Eckharts für die ,kleinen‘ Wörter. In der berühmten Predigt 9 ,Quasi stella matutina‘ kapriziert er sich auf quasi, und zwar auf das reine bıˆwort (in der grammatischen Terminologie Eckharts und seiner Zeit) ohne kontextuellen Zusammenhang 84. Predigt 44 hat als Perikopentext die Darbringung Jesu im Tempel nach dem Evangelium des Lukas: ,Postquam completi erant dies […]‘ 85. Eckhart übersetzt den ganzen Abschnitt ins Deutsche: „Sant Lukas schrıˆbet in dem ˆewangelioˆ: ,doˆ die tage volbraˆht wurden, doˆ wart Kristus getragen in den tempel. Und nemet war, doˆ was ein mensche, hiez Simeoˆn, in Jeˆrusalem, der was gereht und gotvorhtic; der beite des troˆstes des volkes von Israˆˆel, und der heilige geist was in im‘.“ 86
Seine Auslegung konzentriert sich auf und (et), nemet war (ecce), ein mensche (homo) und was (erat) 87. Und in Predigt 12 ,Qui audit me‘ konstatiert Eckhart: „Von disen drin wörtelıˆn, diu ich gesprochen haˆn [und zwar qui, audit und me] wære ein ieglich genuoc ze einer predige.“ 88 4. Der Kontext eines Wortes, d. h. der Satz, ist nur von geringer Bedeutung. (Das Erste Prinzip bedient sich nicht der irdischen Grammatik.) Ich möchte dies kurz an einer berühmten Stelle aus Predigt 30 illustrieren. Eckhart sagt: „Ich saz gester an einer stat, doˆ sprach ich ein wörtelıˆn, daz staˆt in dem pater noster und sprichet: ,dıˆn wille der werde!‘ Meˆr: ez wære bezzer: ,werde wille dıˆn!‘; daz mıˆn wille sıˆn wille werde, daz ich er werde: daz meinet daz pater noster.“ 89 Köbele spricht von ungewöhnlicher deutscher Wortfolge, die sich exakt am Lateinischen orientiere und die in ihrer irritierenden Nähe zum Original die Aufmerksamkeit des Lesers herausfordere 90. Auch Löser sieht den ,springenden Punkt‘ in der Wortstellung, in der besonders genauen Übersetzung: „Die genaue Übersetzung eines biblischen Satzes löst eine theologische Reflexionsbewegung aus, die wieder in der Vereinigung von Mensch und Gott gipfelt (der Wille des Menschen soll mit dem Gottes
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Köbele kommt resignierend zum Schluss: „[…] das Wort hat als Wort schon Wert, jenseits einer Zeichenbeziehung“; S. Köbele, Bıˆwort sıˆn. ,Absolute‘ Grammatik bei Meister Eckhart, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 113 (1994), 190-206, hier: 205. Luc. 2, 22 und 25: „Et postquam impleti sunt dies purgationis eius secundum legem Moysi, tulerunt illum in Ierusalem […]. Et ecce homo erat in Ierusalem, cui nomen Simeon, et homo iste iustus, et timoratus, exspectans consolationem Israel, et Spiritus sanctus erat in eo.“ Pr. 44 (DW II, 337, 3-6). Cf. ibid., 337, 7 sqq. und 345, 4 sqq. Pr. 12 (DW I, 192, 6 sq). Pr. 30 (DW II, 99, 1-3). Cf. S. Köbele, Primo aspectu monstruosa. Schriftauslegung bei Meister Eckhart, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 122 (1993), 62-81, hier: 73.
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identisch werden: ,werde wille dıˆn‘).“ 91 Doch handelt es sich hier wirklich um die genaue Übersetzung eines biblischen Satzes? Ich meine: Nein, es handelt sich um die Übersetzung einzelner Wörter. Was Eckhart hier vorlegt, ist bestenfalls eine Interlinearglosse zu ,fiat voluntas tua‘ 92. Die älteste bekannte deutschsprachige Vaterunser-Version bietet einen solchen Text: ,uuerde uuillo diin‘ schrieb der anonyme Übersetzer, dessen Paternoster uns in einer St. Galler Handschrift aus dem 8. Jahrhundert überliefert ist 93. ,Übersetzen‘ bedeutete für ihn noch in erster Linie ,Glossieren‘, wobei der Leser das Kontextverständnis aus dem Lateinischen gewinnen muss, denn die Glossierung nimmt keine Rücksicht auf die Syntax der Zielsprache. Doch aus dem Lateinischen ergibt sich eindeutig: Dein Wille, d. h. der Wille Gottes, werde. Was tut also Eckhart? Zunächst streicht er den bestimmten Artikel: ,[ez] werde der wille dıˆn‘ wäre ein verständlicher mittelhochdeutscher Satz 94, auch wenn ez als Scheinsubjekt erforderlich wäre, da das nominale Subjekt dem Verbum folgt. Doch dieser Satz bedeutet immer noch: ,Der Wille Gottes geschehe‘. Und zweitens liest er das intransitive Vollverb fieri, das im lateinischen Original mit seinem Subjekt voluntas tua verbunden ist, als Hilfsverb, das ein Prädikatsnomen erfordert. Nur so kann Eckhart ,übersetzen‘: ,werde [mıˆn] wille dıˆn [wille]‘. Eckhart nimmt ,fiat voluntas tua‘ nicht als Satz, sondern als drei Wörter. 5. Eckhart zeigt einen besonders sorgfältigen Umgang mit dem ,Wortkörper‘ in seiner mhd. Übertragung. Ich meine seine oft ausgefallene Wortwahl und seine Vorliebe für die figura etymologica und die Stilfigur des color rhythmicus. Beides ist immer wieder in Stiluntersuchungen festgestellt worden 95 und belegt die Geschicklichkeit des Rhetorikers in seiner Kunst zu predigen. Ich glaube, bei Eckhart sind diese Elemente mehr als rhetorischer Schmuck, sie sind wesentlicher Bestandteil seiner Aussage. Die Wiederholung ein und derselben Wortwurzel dient sicher zur hervorhebenden Betonung einer Aussage, bewahrt aber auch die Form eines Wortkörpers in seiner Laut- und Schriftgestalt, die so im Intellekt 91
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F. Löser, Lateinische Bibel und volkssprachliche Predigt. Meister Eckhart als Übersetzer von Bibelstellen (Vortrag der Tagung: Wirkungsgeschichte der Bibel im deutschsprachigen Mittelalter, 04.-06. September 2000, Trier), 17. Das im Druck befindliche Manuskript wurde mir freundlicherweise vom Verfasser zur Verfügung gestellt, dem ich an dieser Stelle herzlich danke. So bereits angedeutet bei Köbele, Primo aspectu (nt. 90), 73: „Der invertierte Satz folgt interlinear der Vorlage.“ Jedoch interpretiert sie Eckharts Vorgehen nach wie vor als Übersetzung eines Satzes: „Das im Akt der Übersetzung […] in die Schwebe gebrachte und grammatisch modifizierte Schriftwort verselbständigt sich mit einer eigenen Deutung. Die Übersetzung der Paternosterbitte, indem sie der lateinischen Vorlage mit möglichster Wörtlichkeit folgt, verleiht ihr gerade eine äußerste Autonomie“ (ibid., 80). St. Galler Paternoster, St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 911 (8. Jh.), 319-322, in: W. Braune, Althochdeutsches Lesebuch, 17. Auflage, bearb. v. E. A. Ebbinghaus, Tübingen 1994, 11. Cf. H. Paul/I. Schröbler/P. Wiehl/S. Grosse, Mittelhochdeutsche Grammatik, 24. Auflage, Tübingen 1998, § 408: Possessivpronomen und Artikel: „Häufig wird das Pronomen, meist in der flexionslosen Form, nachgestellt“ (372). Erst jüngst hat Steer für Predigt 109 wieder darauf aufmerksam gemacht; cf. DW IV/2, 766 sq., nt. 14.
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des Hörers oder Lesers immer wieder die gleiche Prägung (impressio) der gleichen kosmischen Kraft hervorruft. Ich nehme unsere Predigt 18. Es ist sicher kein Zufall, dass Eckhart den lateinischen Text ,Et resedit qui erat mortuus, et coepit loqui‘ mit „Der jüngelinc rihte sich uˆf und begunde zehant ze wortenne“ wiedergibt, denn es folgt: „von der glıˆcheit, daz er von dem ˆewigen worte was uˆferstanden.“ 96 Das angeschlagene Thema ist ,Wort‘, es geht um die Kraft der Worte, und ein simples sprechen für loqui wäre hier fehl am Platz. Weiter unten, wenn es Eckhart um den Dialog zwischen Gott und Seele zu tun ist, um sprechen und widersprechen, hört sich die gleiche Stelle so an: „[…] ,und er rihte sich uˆf und begunde ze sprechenne‘. Swenne daz wort sprichet in die seˆle und diu seˆle widersprichet in dem lebenden worte, daˆ wirt der sun lebende in der seˆle.“ 97 Für Eckhart ist das Wort in allen seinen Aspekten bedeutsam und er handhabt souverän die Gesetze der Wortbildung, des Rhythmus und des Klanges. Ich schließe mit einem Zitat aus Predigt 53: „Got ist ein wort, daz sich selben sprichet. Swaˆ got ist, daˆ sprichet er diz wort; swaˆ er niht enist, daˆ ensprichet er niht. Got ist gesprochen und ist ungesprochen. Der vater ist ein sprechende werk, und der sun ist ein spruch würkende.“ 98 In dieser Aussage, wenn auch hier völlig aus dem Zusammenhang gerissen, spricht nicht nur der Philosoph und Theologe, sondern auch ein wenig der Meister des Wortes, der seine Art von Magie betreibt - eine Magie, der wir uns auch heute offenbar nicht ganz entziehen können.
96 97 98
Pr. 18 (DW I, 296, 6 sq.). Ibid., 305, 3-5. Pr. 53 (DW II, 529, 6-530, 1).
Gott ist die Ruhe und der Friede. Eine kontextbezogene Interpretation der Predigten 7 (,Populi eius qui in te est, misereberis‘) und 60 (,In omnibus requiem quaesivi‘) des Meister Eckhart Markus Enders (Freiburg i. Br.) I. Gott selbst ist der Friede. Eine Inter pretation der Predigt 7 (,Populi eius qui in te est, misereberis‘) Die Predigt 7 (,Populi eius qui in te est, misereberis‘) Meister Eckharts dürfte sowohl auf Grund ihrer Aufnahme in die Sammlung des ,Paradisus anime intelligentis‘ 1 als auch aus inhaltlichen Gründen kurz nach dem ersten Pariser Magisterium und damit in Eckharts zweiter Erfurter Zeit zwischen 1303 und 1311 entstanden sein; weist sie doch in der Vorzugsstellung, die sie dem geschöpflichen Erkenntnis- gegenüber dem geschöpflichen Liebesvermögen einräumt, ein inhaltliches Merkmal auf, das ihre Zuordnung zu den anderen in den ,Paradisus anime intelligentis‘ aufgenommenen Predigten und damit ihre inhaltliche Nähe zu den Pariser Quästionen Meister Eckharts nahe legt und verständlich macht. Zunächst soll auf den formalen Aufbau dieser Predigt eingegangen werden. 1. Zum Aufbau der Predigt Der Aufbau dieser Predigt folgt den Worten des biblischen Leitverses aus Hos. 14, 4 sq., den Eckhart folgendermaßen zitiert: „,Herr des Volkes, das in dir ist, dessen erbarme dich.‘ Unser Herr antwortete: ,Alles, was anfällig ist, das werde ich gesund machen und werde sie willig lieben.‘“ 2 Zum Aufbau der Predigt in Bezug auf diesen ihren biblischen Leitvers bemerkt Niklaus Largier tref1
2
Cf. Paradisus anime intelligentis (Paradis der fornuftigen sele). Aus der Oxforder Handschrift Cod. Laud. Misc. 479 nach E. Sievers’ Abschrift ed. v. Ph. Strauch, Berlin 1919; zweite Auflage ed. u. mit einem Nachw. versehen v. N. Largier u. G. Fournier (Deutsche Texte des Mittelalters 30), Hildesheim 1998, 46, 32-48, 22. DW I, 117, 2-4 (die Übersetzungen ins Neuhochdeutsche stammen vom Vf.); zu diesem Leitzitat der Predigt cf. H. J. Theisen, Predigt und Gottesdienst. Liturgische Strukturen in den Predigten Meister Eckharts (Europäische Hochschulschriften, Reihe 1, 1169), Frankfurt a. M. 1990, 194: „Als Leitzitat der Predigt vom Quatemberfreitag im September wählt Eckhart einen Vers der Epistel, der den Grundgedanken des Meßformulars des Tages formuliert, die Barmherzigkeit.“
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fend: „In drei Abschnitten wird so zuerst das in dir auf die Seele des Menschen bezogen, dann das Wesen der Barmherzigkeit bestimmt und schließlich die Frage gestellt, inwiefern diese in der Seele gegenwärtig sei. Zum besseren Verständnis des in dir zieht Eckhart den Schrifttext Luc. 7, 36 und 7, 50 aus dem Tagesevangelium bei“ 3, d. h. die Verse: „Der Pharisäer begehrte, dass unser Herr mit ihm esse“ und den Viertel-Vers „vade in pace!, geh in Frieden“ 4; mit diesem zuletzt genannten Diktum Jesu an die durch ihn von ihren Sünden befreite Frau beginnt Eckhart seine Ausführungen.
2. Das unvollkommene ,Anfangen im Frieden‘ „Es ist gut, wenn man vom Frieden zum Frieden kommt, es ist löblich; trotzdem ist es mangelhaft. Man soll laufen in den Frieden, man soll nicht anfangen im Frieden. Gott will sagen: Man soll versetzt und hineingestoßen werden in den Frieden und soll enden im Frieden. Unser Herr sprach: ,In mir allein habt ihr Frieden‘ ( Joh. 16, 33). Genau so weit in Gott, so weit in Frieden. Was irgend von einem in Gott ist, das hat Frieden; ist dagegen etwas außerhalb Gottes, so hat es Unfrieden. Sankt Johannes spricht: ,Alles, was aus Gott geboren ist, das sucht Frieden und läuft in den Frieden.‘ Darum sprach er: ,Vade in pace, lauf ’ in den Frieden!‘ Der Mensch, der sich im Laufen und in beständigem Laufen befindet, und zwar in den Frieden, der ist ein himmlischer Mensch. Der Himmel läuft beständig um, und im Laufe sucht er Frieden.“ 5
Dieser von Niklaus Largier treffend übersetzte Passus dürfte etwa den folgenden gedanklichen Aufbau besitzen: Es fällt zunächst auf, dass Eckhart einen deutlichen Unterschied in der Wertung zwischen dem vornimmt, was er das ,Laufen in den Frieden‘ nennt, und dem, was er als ,Kommen vom Frieden in den Frieden‘ bzw. als ,Anfangen im Frieden‘ bezeichnet. Während er das ,Laufen in den Frieden‘ uneingeschränkt empfiehlt, rät er von dem ,Anfangen im Frieden‘ bzw. dem ,Kommen vom Frieden in den Frieden‘ ab. Was aber ist mit beiden Metaphern genau gemeint? Wie so oft, interpretiert auch hier Eckhart sich selbst, indem er seine Deutung der zweiten Stelle aus dem Lukas-Evangelium hinzufügt: „Gott will sagen: Man soll versetzt und hineingestoßen werden 3
4
5
N. Largier (ed.), Meister Eckhart: Werke I (Bibliothek des Mittelalters 20), Frankfurt a. M. 1993, 820. Vulgata, Luc. 7, 36: „Rogabat autem illum quidam de pharisaeis, ut manducaret cum illo“; Luc. 7, 50: „Dixit autem ad mulierem: ,Fides tua te salvam fecit; vade in pace!‘“ DW I, 117, 7-118, 9: „Ez ist guot, der von vride ze vride kumet, ez ist lobelich; doch ist ez gebrestenlich. Man sol loufen in den vride, man ensol niht anevaˆhen in vride. Got wil sprechen, man sol gesast sıˆn in vride und gestoˆzen sıˆn in vride und sol enden in dem vride. Unser herre sprach: ,in mir haˆt ir aleine vride‘. Rehte als verre in got, als verre in vride. Ist sıˆn iht in gote, daz haˆt vride; ist sıˆn iht uˆz gote, daz haˆt unvride. Sant Johannes sprichet: ,allez, daz uˆz gote geborn ist, daz überwindet die werlt‘. Waz uˆz gote geborn ist, daz suochet vride und loufet in vride. Dar umbe sprach er: ,vade in pace, louf in den vride‘. Der mensche, der in einem loufe ist und in einem stæten loufe ist und daz in vride ist, der ist ein himelischer mensche. Der himel loufet stæticlıˆche umbe und in dem loufe suochet er vride.“
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in den Frieden und soll enden im Frieden“ 6; mit diesem Frieden ist, wie aus dem Folgenden deutlich hervorgeht, jener allein wahre, weil vollkommene Friede gemeint, der Gott selbst ist: „Unser Herr sprach: ,In mir allein habt ihr Frieden‘ ( Joh. 16, 33). Genau so weit in Gott, so weit in Frieden. Was irgend von einem in Gott ist, das hat Frieden; ist dagegen etwas außerhalb Gottes, so hat es Unfrieden.“ 7 Was also besagt diese Selbstinterpretation Eckharts? Jeder, der im Frieden selbst anfängt, hat das Prinzip seiner Strebensbewegung zum Frieden hin in sich selbst, genauer in seinen kreatürlichen Seelenkräften; er sucht daher den Frieden noch mit seinen ihm eigenen Kräften. Infolgedessen kann er den wahren Frieden, der Gott selbst ist und nach dem er sucht, weil er ihn noch nicht in sich hat, auch nicht erreichen. Sein eigenes, eigenwirksames Streben nach dem göttlichen Frieden nimmt also seinen Ausgangspunkt in seinem eigenen, selbstgewirkten Seelenfrieden, aus dem er nach Eckharts Metapher gleichsam kommt und der ihn selbst auch nicht vollkommen zufrieden stellen kann; sonst wäre er ihm nicht Ausgangspunkt einer über ihn hinausgehenden Suche nach dem eigentlichen, dem göttlichen Frieden. Denn der Friede, der Gott selbst ist, lässt sich nur in und durch Gottes eigene Wirksamkeit finden. 3. Das vollkommene ,Laufen in den Frieden‘ Worin unterscheidet sich von diesem derjenige, der in den Frieden läuft? Wer in den Frieden läuft, hat den Frieden Gottes nicht nur zur bewegenden Finalursache seines Strebens nach dem Frieden, denn dies gilt auch für denjenigen, der im Frieden anfängt; er hat ihn vielmehr - darin unterscheidet er sich grundlegend von Ersterem - auch zur Form- und zur Wirkursache seiner Strebensbewegung nach ihm. Gott selbst lässt ihn also gleichsam laufen von sich zu sich, indem er ihn, wie es anschaulich heißt, versetzt und hineinstößt in seinen eigenen, d. h. in den göttlichen, Frieden und ihn darin schließlich enden lässt. Weil es der Friede Gottes selbst ist, in den dieser gleichsam läuft, fügt Eckhart das Schriftzitat nach Joh. 16, 33 unmittelbar an: „In mir allein habt ihr Frieden.“ 4. Der Friede Gottes als dessen konstitutive und vollendende Wirkweise Was aber ist nach Eckharts Auffassung der Friede, den die menschliche Seele nur in Gott finden kann? In seinem Kommentar zu dieser Stelle schreibt Niklaus Largier: „Der Begriff des Friedens drückt hier […] einen eschatologischen Zielpunkt der Ruhe in Gott aus (In Gen. I n. 142), der als exitus de labore ad quietem (,Übergang von der Mühsal zur Ruhe‘, In Gen. n. 263), ontologisch als Übergang 6 7
DW I, 117, 8-118, 2. DW I, 118, 2-4; nahezu bis in den Wortlaut hinein identisch ist hiermit DW V, 308, 4-6: „Wan als vil bist duˆ in gote, als vil duˆ bist in vride, und als vil uˆz gote, als vil duˆ bist uˆz vride. Ist iht einez in gote, daz selbe haˆt vride. Als vil in gote, als vil in vride.“
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vom Werden zum Sein, zu begreifen ist“ 8; Largier verweist in diesem Zusammenhang dankenswerterweise auch auf eine Stelle in Predigt 57 (,Vidi civitatem sanctam Ierusalem novam descendentem de caelo a domino etc.‘ [Apoc. 21, 2]), an der Eckhart für sein Verständnis des gesollten Friedens der menschlichen Seele ausdrücklich aus dem 11. Kapitel von ,De divinis nominibus‘ des Dionysius Ps.-Areopagita zitiert; dort heißt es: „Sankt Dionysius sagt: Der göttliche Friede durchzieht und ordnet und vollendet alle Dinge; täte dies der Friede nicht, so zerflössen alle Dinge und hätten keine Ordnung; zum zweiten läßt der Friede die Kreaturen sich ergießen und in Liebe ausfließen und nicht, um zu schaden. Zum dritten macht er die Kreaturen einander dienstbeflissen, so daß sie Bestand haben eine an der anderen. Was eine von ihnen nicht von sich selbst haben kann, das erhält sie von der anderen. Darum kommt eine Kreatur von der anderen. Zum vierten läßt der göttliche Friede die Kreaturen sich wieder zurückneigen in ihren ersten Ursprung, das heißt: in Gott.“ 9
In diesem Passus wird der Friede Gottes erstens mit der konstitutiven, d. h. die Geschöpfe ordnend-erhaltenden, und zweitens auch mit der sie vollendenden, d. h. sie zu sich zurückführenden, Wirkweise Gottes identifiziert. Die an zweiter und die an dritter Stelle genannten Wirkweisen des göttlichen Friedens entfalten nur dessen konstitutive Wirkweise auf gleichsam horizontaler, zwischengeschöpflicher Ebene: Denn es ist die konstitutive Wirkweise Gottes, die die Kreaturen in Liebe fruchtbar werden und sich selbst mitteilen lässt; ebenso wie es das erhaltende Wirken Gottes ist, das die Kreaturen auch einander Halt und Bestand schenken lässt, sofern sie nur in Gemeinschaft und durch diese lebensfähig sind, weshalb sie auch auseinander - die Nachkommen aus ihren Eltern - hervorgehen bzw. ins Leben treten und im Regelfall auch erst durch sie, ihre Fürsorge und Hilfe, lebenstüchtig und selbständig werden. Schließlich ist es auch der göttliche Friede, der die Kreaturen zu Gott als ihrem Ursprung und Ziel zurückführt, d. h. auf ihn hin ausrichtet 10. Während also in diesem Passus aus der Predigt 57 der Friede mit der konstitutiven und der die Geschöpfe vollendenden Wirkweise Gottes unmittelbar und damit implizit und mittelbar auch mit Gott selbst identifiziert wird, wird diese Identität des Friedens mit Gott in Predigt 7 noch deutlicher und pointierter zum Ausdruck gebracht: „Genau so weit in Gott, so weit im Frieden.“ 11 Außerhalb Gottes besteht, wie anschließend folgerichtig festgestellt wird, Unfriede 12. Was aber be8 9 10
11 12
Largier (ed.), Meister Eckhart: Werke I (nt. 3), 821 sq. DW II, 595, 4-11. Zu dieser zweiten Wirkweise des göttlichen Friedens cf. auch U. Kern, ,Man sol loufen in den vride‘ - ,Frieden‘ bei Meister Eckhart, in: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie 33 (1986), 108: „Der Frieden, der für Eckhart als Frieden göttlicher Frieden ist, bringt die Geschöpfe zum Principium, zum Beginn, zum Anfang zurück.“ DW I, 118, 2 sq.; cf. auch DW V, 308, 5 sq. Cf. DW I, 118, 3 sq.; cf. hierzu entsprechend DW V, 308, 6 sq.: „Dar ane kenne, wie vil duˆ in gote bist und ob ez anders ist: ob duˆ vride oder unvride haˆst“ („wie weit du in Gott bist und ob dem nicht so ist, dies erkenne daran: ob du Frieden oder Unfrieden hast“).
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deutet nach Eckharts Verständnis der offenbar mit Gott selbst identische Friede? Ist er nichts anderes als die ad extra ordnende und erhaltende Wirkweise Gottes? 5. Der Friede Gottes als die vollkommene Einfachheit der göttlichen Natur Aus dem 11. Kapitel von ,De divinis nominibus‘ als der dionysischen Quelle für Eckharts Verständnis des Friedens in seiner Predigt 57 wird dessen Bedeutung über seine beschriebene Funktion als die konstitutive und vollendende Wirkweise Gottes hinaus noch genauer entfaltet: Denn hier führt Dionysius nicht nur breit aus, dass die einende und vereinigende Wirkung dieses Friedens dem gesamten Weltall Ordnung und Bestand verleiht, sondern auch, dass dieser göttliche Friede in sich selbst vollkommene Ruhe und Bewegungslosigkeit bedeutet: „Über diesen göttlichen Frieden und über diese göttliche Ruhe nun, die der fromme Justus Lautlosigkeit und Bewegungslosigkeit zu aller erkennbaren Emanation hin nennt, wie der Friede stillsteht und Ruhe hält, wie er in sich selbst und innerhalb seiner selbst ruht, wie er ganz in sich selbst total übergeeint ist, wie er, wenn er in sich selbst eingeht, und wenn er sich vervielfältigt, dennoch seine Einung mit sich selbst nicht verläßt, sondern vielmehr in alles hervortritt, während er dessen ungeachtet aufgrund der Überfülle der alles überragenden Einung ganz in sich selbst verbleibt, darüber zu sprechen oder auch nur zu denken ist keinem Seienden gestattet oder möglich.“ 13
Dionysius dürfte hier u. a. darauf anspielen, dass die Überrationalität bzw. Unbegreifbarkeit des göttlichen Friedens für die Menschen auch eine biblische Feststellung ist: Nach Phil. 4, 7 („Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren“) übersteigt der Friede Gottes 14 alles menschenmögliche Begreifen, und zwar, wie Dionysius hier völlig zu Recht ausführt, auf Grund seiner vollkommenen Einheit und Ruhe, wobei die Ruhe nur den Aspekt der schlechthinnigen Bewegungslosigkeit der Einheit des göttlichen Wesens zum Ausdruck bringt. Der vollkommene Friede aber ist deshalb ein Zustand vollkommener Ruhe, weil in ihm nichts Gegensätzliches mehr sein kann. So wie im zwischenmenschlichen Frieden die sich zuvor ausschließenden und daher einander bekämpfenden gegensätzlichen Seiten auf den versöhnten Unterschied zu13
14
Ps.-Dionysius Areopagita, Die Namen Gottes. Eingeleitet, übersetzt und mit Anmerkungen versehen v. B. R. Suchla (Bibliothek der griechischen Literatur 26), Stuttgart 1988, 94; das griechische Original in: Corpus Dionysiacum I: Pseudo-Dionysius Areopagita, De divinis nominibus XI, 1, ed. v. B. R. Suchla (Patristische Texte und Studien 33), Berlin-New York 1990, 218, 714. Weitere Bibelstellen zum göttlichen Frieden, bzw. zum Frieden, der Gott selbst ist, sind: Is. 9, 5 sq.; 1 Thess. 5, 23; Col. 3, 15; Röm. 15, 33.
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rückgeführt sind, koinzidieren alle Formen von Gegensätzlichkeit und Differenz in der vollkommenen Einfachheit des göttlichen Wesens. Während der dionysische Text darüber hinaus auch die Gleichzeitigkeit des Insichbleibens und des Aussichhervorgehens des göttlichen Friedens gemäß dem neuplatonischen, insbesondere proklischen Grundgesetz von mo¬nh (,Verharren‘), pro¬odow (,Hervorgang‘) und eœpistrofh¬ (,Rückkehr‘) als die „drei Sinnmomente der ganzen Bewegung des Wirkens von Ursache“ 15 betont, kommt es Meister Eckhart in seiner Rezeption dieses Dionysius-Textes alleine auf die konstitutive und zu sich zurückführende Wirkweise des göttlichen Friedens sowie auf dessen Synonymität mit der vollkommenen Einheit und Ruhe des göttlichen Wesens an. 6. Die Vereinigung von Gott und Mensch im Sein Wie aber kann der Mensch, und darum geht es Eckhart als lebmeister 16, dieses göttlichen Friedens, d. h. der Einheit des göttlichen Wesens, teilhaftig werden? Für diese Erklärung nimmt Eckhart bewusst wieder die (göttliche) Autorität der Heiligen Schrift in Anspruch, kann doch nur Gott selbst uns sagen, wie wir zu ihm und schon gar in sein Innerstes kommen können, weil es das menschliche Einsichtsvermögen unendlich überragt: „Sankt Johannes spricht: ,Alles, was aus Gott geboren ist, das überwindet die Welt‘ (1 Joh. 5, 4): Was aus Gott geboren 15
16
W. Beierwaltes, Proklos. Grundzüge seiner Metaphysik (Philosophische Abhandlungen 24), Frankfurt a. M. 21979, 139. Zu Eckharts Selbstverständnis als lebmeister cf. den als eine Aussage Meister Eckharts verzeichneten ,Spruch‘ in: F. Pfeiffer, Deutsche Mystiker des vierzehnten Jahrhunderts, vol. 2, Leipzig 1857, Nachdr. Aalen 1962, 599, 19 sq.: „weˆger weˆre ein lebmeister denne tuˆsent lesemeister“; siehe hierzu A. M. Haas, Geistliches Mittelalter (Dokimion 8), Freiburg/Schweiz 1984, 319, nt. 8: „Wie alle Sprüche ist auch dieser von zweifelhafter Authentizität; trotzdem vermag er eine Anschauung Eckharts zu illustrieren, die ihn in seinem deutschsprachigen Predigtwerk geleitet haben dürfte: die Intention, auf die Seelen der Angesprochenen einzuwirken, und weniger die Absicht, reine Lehre zu vermitteln.“ Zur Einheit von Leben und Lehre in der Persönlichkeit Meister Eckharts cf. A. M. Haas, Nim din selbes war. Studien zur Lehre von der Selbsterkenntnis bei Meister Eckhart, Johannes Tauler und Heinrich Seuse, Freiburg/Schweiz 1971, 70 sq.; auch für die Eckhart-Schüler Johannes Tauler und Heinrich Seuse ist dieses primäre Selbstverständnis verbindlich; für Tauler cf. Die Predigten Taulers. Aus der Engelberger und der Freiburger Handschrift sowie aus Schmidts Abschriften der ehemaligen Straßburger Handschriften, ed. v. F. Vetter (Deutsche Texte des Mittelalters 11), Berlin 1910, ND Dublin-Zürich 1968, 196, 28 sqq.; zu Seuse cf. E. M. Filthaut, Heinrich Seuse in dominikanisch-priesterlich-seelsorglicher Sicht, in: id. (ed.), Heinrich Seuse. Studien zum 600. Todestag 1366-1966, Köln 1966, 267-304; zum Ganzen cf. A. M. Haas, Gottleiden - Gottlieben. Zur volkssprachlichen Mystik im Mittelalter, Frankfurt a. M. 1989, 16 sq.: „Worin sich aber Eckhart, Tauler und Seuse unverbrüchlich einig sind, ist die Verpflichtung auf Seelsorge, mithin der Vorrang ihrer gesellschaftlichen Funktion als lebmeister vor jeder gelehrten Tätigkeit als lesmeister (= Lektor). Diese Sinngebung ihrer Existenz durch die Priorität konkreter Vermittlung der göttlichen Heilsgnade an andere Menschen (vor allem in Städten, wo es nach Humbert von Romanis ,mehr Sünde gibt‘) ist auch der Kern ihrer mystagogischen Tätigkeit, in der von einer […] Einheit des Menschen mit Gott gepredigt wurde.“
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ist, das sucht Frieden und läuft in den Frieden. Darum sprach er: ,Vade in pace, lauf ’ in den Frieden!‘“ 17 Nur derjenige läuft also nach Eckhart in den Frieden, der aus Gott geboren ist, dessen Seele durch die in seinem Seelengrund sich vollziehende Sohnesgeburt bewegt und erfüllt wird. Denn die mit dem göttlichen Sohn aktual eins gewordene Seele kehrt in der Sohnesgeburt durch die innertrinitarischen Relationen Gottes hindurch in die vollkommene Einheit, in den Frieden des göttlichen Wesens zurück und geht aus ihm wieder in die trinitarischen Relationen Gottes hervor. Daher ist der beständig in diesen göttlichen, da mit der vollkommen bewegungslosen Einheit des göttlichen Wesens identischen Frieden laufende Mensch auch, wie Eckhart sagt, ein „himmlischer Mensch“ 18; denn wie die stetige, immer gleichförmige Kreisbewegung des Himmels die ewige Ruhe bzw. den Frieden Gottes nachahmt und ihm ähnlich zu werden sucht 19, so wird die Seele des in den Frieden laufenden Menschen aus dem Frieden Gottes stets neu geboren und lebt daher in einem unerschütterlichen, weil göttlichen Frieden. In einem nächsten Argumentationsschritt legt Eckhart die zuerst genannte Stelle aus dem Lukas-Evangelium aus (cf. Luc. 7, 36): ,Der Pharisäer begehrte, daß unser Herr mit ihm esse‘, indem er die Einheit von Leib und Seele im Menschen ausdrücklich als eine solche des Seins und nicht des Wirkens be17
18
19
DW I, 118, 4-7: „Sant Johannes sprichet: ,allez, daz uˆz gote geborn ist, daz überwindet die werlt‘. Waz uˆz gote geborn ist, daz suochet vride und loufet in vride. Dar umbe sprach er: ,vade in pace, louf in den vride‘.“ Eckhart übersetzt das Diktum Jesu ,vade in pace‘ nicht ganz korrekt mit ,lauf ’ in den Frieden‘ anstelle der richtigen Übersetzung ,geh’ in Frieden‘; dies deshalb, weil er das jesuanische Diktum mit dem Lauf des Himmels sowie des himmlischen Menschen sachlich verbinden will. DW I, 118, 7 sq.: „Der mensche, der in einem loufe ist und in einem stæten loufe ist und daz in vride ist, der ist ein himelischer mensche.“ Eckhart bezeichnet den homo caelestis auch als ,homo divinus, perfectus‘ (In Gen. II, n. 27, in: LW I, 497, 2), wobei der Ausdruck homo divinus bei Eckhart noch ausführlicher als der synonyme Terminus homo caelestis belegt ist; cf. Sermo IV/1, n. 21: „primo quia deus, et per consequens homo divinus, non agit propter cur aut quare“ (LW IV, 22, 11 sq.); In Ioh., nn. 112 (LW III, 97), 224 (LW III, 187 sq.), 338 (LW III, 287), 381 (LW III, 324 sq.), 384 (LW III, 327 sq.), 394 (LW III, 336), 397 (LW III, 338 sq.); ,himmlisch‘ wird der göttliche Mensch von Eckhart genannt, weil er zuerst und vor allem nach den himmlischen und geistigen Gütern bzw. nach Gott selbst strebt; ihm stellt er den homo terrestris, den primär nach Sinnlichem, nach Materiell-Irdischem strebenden Menschen, kontrastiv gegenüber; cf. In Gen. II, nn. 38 sqq. (LW I, 505, 8-507, 6). Der ,himmlische Mensch‘ bleibt von allem Kreatürlichen unberührt und unbewegt; cf. DW I, 128, 2-5: „Ein meister sprichet: den himel enmac niht berüeren, und meinet, daz der mensche ein himelisch mensche ist, dem alliu dinc niht soˆ vil ensint, daz sie in berüeren mügen.“ Das Meister-Zitat ist eine freie Wiedergabe dessen, was Aristoteles im sechsten Kapitel des ersten Buches von ,De gen. et corr.‘ (322b-323b) ausführt; zur Unberührtheit bzw. Unbewegtheit des Himmels nach Eckhart cf. auch In Ioh., n. 602 (LW III, 525, 5-7) und DW I, 56, 12 sq. Es sei hier nur am Rande darauf hingewiesen, dass dem Terminus homo divinus zur Bezeichnung des idealen Menschen in der nach-Eckhart’schen Theologen-Generation eine nennenswerte Bedeutung erst wieder im Prokloskommentar Bertholds von Moosburg zukommt; cf. hierzu L. Sturlese, ,Homo divinus‘. Der Prokloskommentar Bertholds von Moosburg und die Probleme der nacheckhartschen Zeit, in: K. Ruh (ed.), Abendländische Mystik im Mittelalter. Symposion Kloster Engelberg (Germanistische Symposien-Berichtsbände 7), Stuttgart 1986, 145-161. DW I, 118, 8 sq.: „Der himel loufet stæticlıˆche umbe und in dem loufe suochet er vride.“
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stimmt. Auch die leibliche Speise, die wir zu uns nehmen, werde mit dem Leib im Sein und nicht im Wirken und damit ebenso vereint wie die Seele mit dem Körper vereinigt sei 20. Beide Formen einer seinsmäßigen Vereinigung aber verwendet Eckhart nur zur Veranschaulichung für „die große Einung, die wir mit Gott im Sein, nicht aber im Wirken haben sollen“ 21. Wie aber ist diese Vereinigung zwischen Gott und Mensch im Sein (!), nicht im Wirken, die Eckhart für den in den Frieden Gottes laufenden Menschen verwirklicht sieht, überhaupt möglich? Denn die Ungeheuerlichkeit dieser Annahme muss eigens hervorgehoben werden: Eckhart behauptet demnach die Möglichkeit einer Einswerdung von Gott und Mensch im Sein und damit die Möglichkeit einer seinsmäßigen Vergöttlichung des Menschen. Offensichtlich sieht er erst in dieser innergöttlichen Gottwerdung des Menschen die äußerste Stufe der unio mystica zwischen Gott und Mensch realisiert. Wie aber, um nochmals zu fragen, ist eine solche überhaupt möglich? Auf diese für ein angemessenes Verständnis des zentralen Inhalts dieser Predigt alles entscheidende Frage gibt Eckhart, wie wir noch sehen werden, selbst die Antwort. 7. Das Abgeschiedensein von allem Nicht-Göttlichen als Voraussetzung für die unio mystica Dass es ein Pharisäer ist, der nach dem Schriftwort den Herrn um das gemeinsame Mahl mit ihm bittet, deutet Eckhart gemäß der ihm von Hieronymus überkommenen etymologischen Wortbedeutung von ,Pharisäer‘ als der (nämlich vom gemeinen Volk religiös) ,Abgesonderte‘ bzw. ,Abgetrennte‘ 22 dahingehend, dass die Seelenkräfte, und zwar vor allem die beiden höchsten des Intellekts und des Willens, desjenigen Menschen, der die besagte seinsmäßige Vereinigung mit dem Frieden Gottes erfährt, von allem, was nicht Gott selbst ist, gänzlich losgelöst bzw. im radikalen Eckhart’schen Sinne dieses Wortes ,abgeschieden‘ sein müssen 23; denn nur diese von jeder Eigen- und Fremdbewegung losgelöste Ab20
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DW I, 118, 10-119, 5: „Diu spıˆse, die ich izze, diu wirt alsoˆ vereinet mit mıˆnem lıˆbe als mıˆn lıˆp mit mıˆner seˆle. Mıˆn lıˆp und mıˆn seˆle diu sint vereinet an einem wesene, niht als an einem werke, als mıˆn seˆle, diu einiget sich dem ougen an einem werke, daz ist, daz ez sihet. Alsoˆ haˆt diu spıˆse, die ich izze, ein wesen mit mıˆner natuˆre, niht vereinet an einem werke […].“ Zur seinsmäßigen Einheit zwischen Körper und Seele, die für Eckhart die größte Einheit zwischen Geschaffenem überhaupt darstellt, cf. die ausführlichen Hinweise bei Quint, DW I, 119, nt. 2, und bei Largier (ed.), Meister Eckhart: Werke I (nt. 3), 823 sqq. DW I, 119, 5 sq.: „[…] und meinet die groˆzen einunge, die wir mit gote suln haˆn an einem wesene, niht an einem werke. Dar umbe bat der phariseˆus unsern herren, daz er mit im æze.“ Cf. Hieronymus, Liber interpretationis Hebraicorum nominum, ed. P. De Lagarde (CCSL, vol. LXXII, Turnhout 1954), Lag. 61, 20: „Fares diuisio. Farisaei diuidentes uel diuisi.“ Cf. Lag. 69, 5 sq.; Lag. 76, 28: „Farisaeus diuisus.“ DW I, 119, 8-120, 5: „Phariseˆus sprichet als vil als einer, der abegescheiden ist und umbe kein ende enweiz. Waz ze der seˆle gehœret, daz sol abegelœset sıˆn alzemaˆle. Dar naˆch die krefte edeler sint, dar naˆch lœsent sie meˆr abe. Etlıˆche krefte sint soˆ hoˆch obe dem lıˆchamen und soˆ versundert, daz sie alzemaˆle abeschelent und scheident. Ein meister sprichet ein schœne wort: waz eines rüeret lıˆplich dinc, daz enkumet niemer dar ˆın.“ Zur
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geschiedenheit versetzt die Seele in jenen Frieden der vollkommenen Einheit des göttlichen Wesens, in dem man nicht einmal mehr etwas vom Unfrieden weiß 24, weil in ihm jedes reflexive Bewusstsein, auch das der absoluten Selbstreflexion des trinitarischen Gottes, untergegangen ist. 8. Die seinsmäßige Vereinigung des Grundes der menschlichen Seele mit dem vollkommen einfachen Wesen Gottes als ein Werk der göttlichen Barmherzigkeit In einem weiteren Schritt führt Eckhart mit großer Eindringlichkeit aus, dass diese von ihm beschworene Vereinigung des Menschen mit dem vollkommenen Frieden des göttlichen Wesens ein Werk der göttlichen Barmherzigkeit ist. Die Barmherzigkeit Gottes aber sei das größte bzw. höchste Werk, das Gott je in allen Kreaturen wirkte 25, und Gottes erster ,Ausbruch‘ 26. Dieses höchste Werk Gottes bestehe genauer darin, „daß Gott die Seele in das Höchste und Lauterste versetzt, das sie zu empfangen vermag, in die Weite, in das Meer, in ein unergründliches Meer; dort wirkt Gott Barmherzigkeit“ 27. Das ,unergründliche Meer‘ 28, in welches Gott durch seine Barmherzigkeit den Seelengrund des Menschen im Vorgang seiner Vereinigung mit ihm versetzt, aber ist nichts anderes als der göttliche Friede, d. h. die nicht nur für uns, sondern auch für Gottes eigenen, den absoluten Geist unbegreifbare Einfachheit des göttlichen Wesens,
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,abscheidenden‘, abstrahierenden Wirkung der Seelenkraft insbesondere des Intellekts cf. die Hinweise von Quint in DW I, 120, nt. 2. Zur radikalen Eckhart’schen Bestimmung der ,Abgeschiedenheit‘ cf. M. Enders, Abgeschiedenheit des Geistes - höchste ,Tugend‘ des Menschen und fundamentale Seinsweise Gottes, in: Theologie und Philosophie 71 (1996), 63-87. Das Meister-Zitat dürfte sich beziehen auf Augustinus, De trinitate XIV, 8, 11, ed. W. J. Mountain (CCSL, vol. L), Turnhout 1968, 436, 14-26. DW I, 120, 7-10: „Daz dritte meinet, daz man kein ende habe und niendert sıˆ beslozzen und niendert enhafte und alsoˆ gesast sıˆ in vride, daz man niht enwizze umbe unvride, soˆ der mensche in got gesast wirt mit den kreften, die alzemaˆle abegelœset sint.“ Mit den ,völlig abgelösten Kräften‘, durch die der Mensch in Gott versetzt wird, sind die höchsten Seelenkräfte des Intellekts und des Willens gemeint, cf. hierzu nt. 23. DW I, 121, 1 sq.: „Ein meister sprichet: daz hœhste werk, daz got ie geworhte an allen creˆatuˆren, daz ist barmherzicheit.“ Mit dem Meister-Zitat nimmt Eckhart Bezug auf Petrus Lombardus, Sententiae IV, d. 46, c. 5, in: Magistri Petri Lombardi Sent. In IV Libris Distinctae, ed. Collegii S. Bonaventurae Ad Claras Aquas, Grottaferrata (Roma) 1981, 535, 12-537, 7; Eckhart pflegt allerdings einen sehr freien interpretatorischen Umgang mit diesem Basistext, in dem sich kein echter Beleg für seine These findet. DW I, 121, 5: „Swaz got würket, der ˆerste uˆzbruch ist barmherzicheit […].“ DW I, 121, 10-12: „Daz hœhste werk gotes ist barmherzicheit und meinet, daz got die seˆle setzet in daz hœhste und in daz luˆterste, daz si enpfaˆhen mac, in die wıˆte, in daz mer, in ein ungrüntlich mer: daˆ würket got barmherzicheit.“ Zur Metapher des ,unergründlichen Meeres‘ bzw. des ,mer sıˆner gruntloˆsicheit‘ (DW I, 123, 2 sq.) für die vollkommene Einfachheit des göttlichen Wesens cf. Largier (ed.), Meister Eckhart: Werke I (nt. 3), 826: „Im Werk Eckharts begegnet eine ganze Reihe vergleichbarer Ausdrücke, die sich auf die Unfaßbarkeit der Gottheit in ihrem Einssein jenseits der trinitarischen Entfaltung beziehen: einœde, wüestunge, grunt […], abgrunt.“
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die Eckhart bekanntermaßen wiederholt die ,Gottheit‘ nennt 29 und damit auch terminologisch von der Trinität Gottes unterscheidet. Gott versetzt also das Innerste der Seele durch das Werk seiner Barmherzigkeit „in das Höchste und Lauterste, das sie zu empfangen vermag“, nämlich in die vollkommene Einfachheit seines eigenen Wesens, mit der er den Grund der menschlichen Seele vereinigt. Dabei grenzt Eckhart seine Bestimmung der Barmherzigkeit Gottes dezidiert von dem gewöhnlichen Verständnis göttlicher und menschlicher Barmherzigkeit als der Sünden vergebenden Wirkweise Gottes bzw. als des sich erbarmenden Mitleids eines Menschen mit einem anderen ab 30. Denn er bestimmt die Barmherzigkeit zwar als eine genuine Tätigkeit Gottes - daher auch seine Redeweise von dem ,Werk der Barmherzigkeit‘; aber nicht als eine nach außen, d. h. auf etwas anderes, mithin Nicht-Göttliches, bleibend gerichtete Wirkweise, sondern als das den Grund der menschlichen Seele mit seinem eigenen, vollkommen einfachen Wesensgrund vereinigende Wirken Gottes. Dieses Wirken ist daher kein Wirken ad extra, sondern nur die Zurückführung des in der Sohnesgeburt bereits mit dem trinitarischen Gott vereinigten menschlichen Seelengrundes in die vollkommene Einfachheit des göttlichen Wesens, mit dem der Seelengrund dabei nicht im Wirken, sondern nur im Sein geeint werden kann, weil eine Vereinigung im Wirken noch eine Beziehung und damit eine Differenzstruktur darstellt, die in der vollkommenen differenz- und damit auch geist- und relationslosen Einfachheit des göttlichen Wesens nicht mehr bestehen kann. Daher nennt Eckhart auch dieses vereinigende Wirken Gottes „das Werk der Barmherzigkeit, so wie es in sich selbst und wie es in Gott ist“ 31; denn diese Vereinigung des menschlichen Seelengrundes mit der Gottheit als dem vollkommen einfachen Wesen Gottes ist ein gänzlich innergöttliches, in Gott selbst bleibendes und nicht in einen außergöttlichen Bereich übergehendes Wirken Gottes und ist dennoch ein ,Werk der Barmherzigkeit‘; denn dass Gott den menschlichen Seelengrund mit sich im Sein vereinigt und darin jede Differenz zwischen sich und dem Menschen aufhebt, stellt die unübertrefflich größte und daher auch schlechthin ungeschuldete Zuwendung Gottes zum Menschen dar, die zugleich das menschlich Vorstellbare unendlich überschreitet, ohne deshalb 29
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Zu Eckharts Unterscheidung zwischen dem einfachen Wesen Gottes, das er terminologisch mit ,die Gottheit‘ bezeichnet, und der von ihm ,Gott‘ genannten göttlichen Trinität cf. S. Ueda, Die Gottesgeburt in der Seele und der Durchbruch zur Gottheit. Die mystische Anthropologie Meister Eckharts und ihre Konfrontation mit der Mystik des Zen-Buddhismus, Gütersloh 1965, 113 sqq.; auch im lateinischen Werk Meister Eckharts gibt es Ansätze für diese Unterscheidung zwischen Gottheit (deitas) und Gott (deus); cf. H. Merle, Deitas. Quelques aspects de la signification de ce mot d’Augustin a` Maıˆtre Eckhart, in: K. Flasch (ed.), Von Meister Dietrich zu Meister Eckhart (Corpus Philosophorum Teutonicorum Medii Aevi, Beiheft 2), Hamburg 1984, 1221; B. McGinn, The God beyond God: Theology and Mysticism in the Thought of Meister Eckhart, in: Journal of Religion 61 (1981), 1-19, bes. 12 sqq. DW I, 121, 5 sq.: „[…] niht als er [sc. got] dem menschen sıˆne sünde vergibet und als sich ein mensche über den andern erbarmet.“ DW I, 121, 4: „daz werk barmherzicheit, als ez in im selber ist und als ez in gote ist.“
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unmöglich zu sein. Sie zeigt zugleich, dass der Seelengrund des Menschen empfänglich sein muss für die vollkommene Einheit des göttlichen Wesens. Denn sonst könnte er nicht mit dem Innersten Gottes vereinigt werden. 9. Die Vereinigung von Gott und Mensch im Sein ist weder ein Werk der Liebe noch der Vernunft Im vorletzten Teil dieser Predigt zeigt Eckhart, dass diese Vereinigung des Grundes der menschlichen Seele mit der Gottheit weder das Werk der Liebe, und zwar weder der göttlichen noch der kreatürlichen Liebe, noch das Werk des göttlichen oder kreatürlichen Erkennens sein kann. Denn die Kraft der Liebe und dies gilt sowohl für die geschöpfliche als auch für die göttliche Liebe „versetzt niemals in Gott; allenfalls verleimt sie schon Vereinigtes. Die Liebe vereinigt nicht, in gar keiner Weise; was schon vereinigt ist, das heftet sie zusammen und bindet es zu. Liebe vereint im Wirken, nicht aber im Sein“ 32. Meister Eckhart zeigt in seiner andernorts entwickelten trinitätstheologischen Bestimmung des göttlichen Wesens der Liebe, dass eine Gleichheit des Seins die Voraussetzung, nicht jedoch das Resultat des Wesens der göttlichen Liebe ist; diese aber besteht in der Vereinigung von seinsmäßig Gleichem und nur personal, mithin relational, Unterschiedenem - von göttlichem Vater und göttlichem Sohn -, die zur Geburt, d. h. zur wesensidentischen Hervorbringung, einer dritten innergöttlichen Person, des Heiligen Geistes, führt 33. Personale Liebe ist also in ihrem göttlichen Wesen eine Vereinigung zweier voneinander unterschiedener Personen miteinander, aber nicht im Sein, sondern im Wirken, nämlich in der gemeinsamen Hervorbringung des Heiligen Geistes durch die und in der Vereinigung von Vater und Sohn. Daher vereinigt auch die Liebe Gottes zum ganz gottempfänglich gewordenen Menschen diesen mit Gott nicht im Sein, sondern im Wirken, indem sie in der mystischen Vereinigung seine Geistseele mit der Wirkmacht des göttlichen Geistes erfüllt. Die Vereinigung des Grundes der menschlichen Seele mit dem einfachen Wesen Gottes kann daher kein Werk der Liebe sein. Dass Liebe nicht im Sein, sondern nur im Wirken vereint, muss folglich auch für wahre menschliche Liebe, und zwar nicht nur für die zwischen32
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DW I, 122, 1-5: „Aleine Sant Johannes spreche, minne diu einige, minne ensetzet niemer in got; vil lıˆhte lıˆmet si zuo. Minne eneiniget niht, enkeine wıˆs niht; daz geeiniget ist, daz heftet sie zesamen und bindet ez zuo. Minne einiget an einem werke, niht an einem wesene.“ Largier (ed.), Meister Eckhart: Werke I (nt. 3), 826, beschränkt Eckharts Aussage von der fehlenden Kraft zur Vereinigung im Sein auf die kreatürliche Liebe und das kreatürliche Erkennen; im Unterschied hierzu scheint mir diese Aussage von Eckhart aber als allgemein und damit auch für Gottes Liebe und Gottes eigenes Erkennen intendiert. Denn Eckhart entfaltet dieses Theorem in diesem Kontext als eine Auslegung von 1 Joh. 4, 16, d. h. der Identifizierung Gottes mit der Liebe selbst; cf. DW I, 121, 14122, 1. Cf. hierzu mit zahlreichen Belegstellen M. Enders, Das göttliche Wesen der Liebe im Verständnis Meister Eckharts, in: Erbe und Auftrag 79 (2003), 27-44, bes. 27-32.
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menschliche, sondern auch für die menschliche Liebe zu Gott, gelten. Diese nimmt Gott, wie Eckhart metaphorisch ausführt, ,unter dem Fell‘ bzw. dem ,Kleid‘ seiner Gutheit 34. Sie ist also nicht auf Gottes inneres Sein und Wesen, sondern auf seine den Geschöpfen zugewandte und daher für diese erkennbare Güte und damit auf die Grundqualität des göttlichen Wirkens nach außen, zu den Geschöpfen, finalursächlich bezogen. Die Güte Gottes aber verbirgt gleichsam - wie ein Kleid seinen Träger - Gottes An-Sich, d. h. die vollkommene Einheit seines eigenen Wesens. Daher kann die Liebe des Menschen zu Gott ihn nicht mit Gottes eigenem Sein vereinigen. Doch auch das Erkennen vermag nach Eckhart diese Vereinigung von Gott und Mensch im Sein nicht zu bewirken. Und zwar muss dies, auch wenn es von Eckhart hier nicht mehr explizit gemacht wird, bereits für das göttliche Erkennen gelten. Denn auch diesem bleibt trotz der Wesensidentität beider Seiten der göttlichen Selbstreflexion wie jedem Erkennen eine immanente Relationalität und damit Differenz, die daher gerade nicht eine unterschiedslose Einswerdung seiner selbst mit dem von ihm Erkannten bewirken kann. Noch viel weniger aber gilt dies für die menschliche bzw. geschöpfliche Gotteserkenntnis. Denn auch wenn die menschliche Vernunft im Akt ihrer Gotteserkenntnis von Gott nicht bloß - wie die menschliche Gottesliebe - eine bestimmte seiner Seinsvollkommenheiten erfasst, so nimmt sie Gott notwendigerweise doch so, „wie er in ihr erkannt wird“, d. h. nach dem Maß und in der Weise ihres eigenen Seins. Deshalb kann auch sie die unermessliche Einheit des reinen göttlichen Seins nicht erfassen und folglich auch nicht den menschlichen Seelengrund mit dem göttlichen Seinsgrund vereinigen 35. Dieses Werk bleibt vielmehr einzig und allein der Barmherzigkeit Gottes als jener innergöttlichen Tätigkeit vorbehalten, durch die Gott sich selbst in seinem Innersten mit dem Grund der menschlichen Seele vereinigt. Wo jede geschöpfliche Liebe zu ihm gänzlich versagt, erbarmt sich Gott seines nach ihm strebenden Geschöpfes, indem er es eins werden lässt mit seinem innersten Geheimnis. 10. Der ,Ort‘ des göttlichen ,Werks der Barmherzigkeit‘: der Grund der menschlichen Seele Im Schlussteil dieser Predigt muss Eckhart die Bedingung der Möglichkeit der von ihm zuvor behaupteten seinsmäßigen Vereinigung von Gott und Mensch ex parte creaturae erläutern. M. a. W.: Er muss erklären, was von der menschlichen 34
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DW I, 122, 9-123, 1: „Minne nimet got selben, als er guot ist, und entviele got dem namen güete, minne enkünde niemer vürbaz. Minne nimet got under einem velle, under einem kleide.“ DW I, 123, 1-3: „Des entuot vernünfticheit niht; vernünfticheit nimet got, als er in ir bekant ist; daˆ enkan si in niemer begrıˆfen in dem mer sıˆner gruntloˆsicheit.“ Cf. auch Largier (ed.), Meister Eckhart: Werke I (nt. 3), 826: „Wichtig ist der Gedanke, daß auch die Vernunft - als Seelenvermögen - Gott nicht fassen kann im ,Meer seiner Unergründlichkeit‘ […], da sie, wie die Liebe an die Qualifizierungen, an ihr Erkenntnisvermögen gebunden bleibt.“
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Person mit Gott unter Wahrung der Göttlichkeit Gottes im Sein überhaupt vereinigt werden kann. Er muss also auf den Grund der menschlichen Seele als den - raum- und zeitfreien - ,Ort‘ dieser Vereinigung zu sprechen kommen. Um mit Gottes vollkommen einfachem Sein bzw. Wesen vereinigt werden zu können, muss der Grund der menschlichen Seele selbst form- und differenzlos und daher für das natürliche Wissen des Menschen unbegreifbar sein 36. Nur von Gottes eigenem, übernatürlichem Wissen kann der Seelengrund erkannt werden 37. Weiß daher ein Mensch etwas von seinem eigenen Seelengrund, dann notwendigerweise nur aus Gnade, d. h. weil es ihm von Gottes übernatürlichem Wissen gegeben wurde 38. In seiner verborgenen Einfachheit - die jedoch nicht mit der absoluten Einfachheit des göttlichen Wesens identisch sein kann, denn sonst wäre der Seelengrund selbst wesenhaft göttlich und müsste nicht von Gottes Barmherzigkeit mit Gottes eigenem Wesen geeint werden - ist der Seelengrund erhaben über Vernunft und Wille als die höchsten Kräfte der menschlichen Seele, die aus ihm hervorgehen 39. Somit ist der Grund der menschlichen Seele das kreatürliche Abbild des göttlichen Vaters, aus dem der Sohn und der Heilige Geist hervorgehen 40.
II. Gott ist die Ruhe selbst. Eine Inter pretation der Predigt 60 (,In omnibus requiem quaesivi‘) Dass die Einheit des göttlichen Wesens, die unter dem Aspekt ihrer vollkommenen Bewegungslosigkeit von Eckhart die Ruhe selbst genannt wird, dass also diese Ruhe das Ziel aller Bewegung überhaupt ist, und zwar sowohl aller geschöpflichen als auch der innergöttlichen Selbstbewegung, wird von Eckhart in der Predigt 60 ausführlich entfaltet. In dieser Predigt legt er den Schriftvers nach 36
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DW I, 123, 11-124, 2: „Ein meister sprichet, der aller beste von der seˆle gesprochen haˆt, daz alliu menschlıˆchiu kunst niemer enkumet dar ˆın, waz diu seˆle in irm grunde sıˆ.“ Das Meister-Zitat nach Augustinus, De Gen. ad litt. libri duodecim, lib. VI, c. 29, in: J. Zycha (ed.), CSEL, vol. XXVIII, pars 1, Prag-Wien-Leipzig 1894, 200, 16-18: „[…] fateor neminem adhuc mihi persuasisse, quod sic habeam de anima, ut nihil amplius quaerendum putem“; cf. ferner DW I, 124, 3-5: „Daˆ uˆzgaˆnt die krefte von der seˆle in diu werk, daˆ enwizzen wir niht von; wir wizzen wol ein weˆnic daˆ von, ez ist aber kleine. Waz diu seˆle in irm grunde sıˆ, daˆ enweiz nieman von.“ DW I, 124, 2: „Waz diu seˆle sıˆ, daˆ hœret übernatiurlıˆchiu kunst zuo.“ DW I, 124, 5 sq.: „Waz man daˆ von gewizzen mac, daz muoz übernatiurlich sıˆn, ez muoz von gnaˆden sıˆn.“ DW I, 123, 6-8: „Ein meister sprichet ein schœne wort, daz neizwaz gar heimlıˆches und verborgens und verre dar enboben ist in der seˆle, daˆ uˆzbrechent die krefte vernünfticheit und wille.“ Mit dem Meisterzitat dürfte sich Eckhart nach der Angabe von Largier (ed.), Meister Eckhart: Werke I (nt. 3), 826, auf Alcher von Clairvaux, De spiritu et anima, c. 27, in: PL 40, 799, beziehen: „Animam tamen hominis, id est mentem, nulla creatura juxta substantiam implere potest, nisi sola Trinitas.“ DW I, 123, 8-11: „Sant Augustıˆnus sprichet: als daz unsprechelich ist, daˆ der sun uˆzbrichet von dem vater in dem ˆersten uˆzbruche, alsoˆ ist neizwaz gar heimlıˆches dar enboben dem ˆersten uˆzbruche, daˆ uˆzbrechent vernünfticheit und wille.“ Zur Bezugsstelle bei Augustinus cf. De trinitate XIV, 8, 11, ed. W. J. Mountain (CCSL, vol. L), Turnhout 1968, bes. 435, 74-436, 13.
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Eccli. 24, 11 aus: ,In allem habe ich Ruhe gesucht‘ 41. Die vier Fragen, die Eckhart sich selbst eingangs stellt, strukturieren die ganze Predigt. Sie lauten im Einzelnen: „Fragte man mich, ich sollte erschöpfend Auskunft darüber geben, worauf der Schöpfer abgezielt habe damit, daß er alle Kreaturen erschuf, so würde ich sagen: auf ,Ruhe‘. Fragte man mich zum zweiten, was die Heilige Dreifaltigkeit in allen ihren Werken insgesamt suche, ich würde antworten: ,Ruhe‘. Fragte man mich zum dritten, was die Seele in allen ihren Bewegungen suche, ich würde antworten: ,Ruhe‘. Fragte man mich zum vierten, was alle Kreaturen in allen ihren natürlichen Strebungen und Bewegungen suchen, ich würde antworten: ,Ruhe‘.“ 42
In dieser Reihenfolge geht Eckhart anschließend diese vier Fragen und seine jeweils gleich lautende Antwort auf sie ausführlich durch. 1. Die Ruhe des göttlichen Wesens als die gottgegebene Finalursache allen geschöpflichen Seins Zur ersten Frage nach der Absicht und Zielsetzung, mit der Gott die Geschöpfe hervorbringt: Gott anerschafft den Geschöpfen, insbesondere der vernunftbegabten Seele, ein natürliches Streben auf ihn hin, um sie zu sich zu führen 43; da seine göttliche Natur aber die vollkommene Ruhe ist, hat er sie aus einem Wohlgefallen an bzw. aus Liebe zu ihr gleichsam 44, wie Eckhart notgedrungen bildhaft ausführt, „aus sich herausgestellt, um aller Kreaturen natürliches Begehren zu reizen und an sich zu ziehen. Nicht allein sucht der Schöpfer seine eigene Ruhe damit, daß er sie aus sich herausgestellt und allen Kreaturen angebildet hat, sondern er sucht zugleich alle Kreaturen mit sich wieder in ihren ersten Ursprung, das ist in die Ruhe, zurückzuziehen“ 45. Eckhart will sagen: Gott hat sein eigenes Wesen, welches die Ruhe selbst ist, zum finalursächlich wirkenden Vollendungszustand allen geschöpflichen Strebens gemacht, und zwar vor allem aus Liebe zur Ruhe als zu seinem eigenen Wesen sowie aus Liebe 41
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Zu diesem Leitzitat der Predigt cf. Theisen, Predigt und Gottesdienst (nt. 2), 254: „Das Leitzitat der Predigt steht in der Epistel des Festes Maria Himmelfahrt. Eckhart konstruiert aus drei Versen der Epistel einen Dialog zwischen der ewigen Weisheit und der Seele. Inhaltlich folgt er dabei der Grundstruktur des Verhältnisses zwischen Gott und Maria; gleichzeitig erschließt er, indem er als Partner der ewigen Weisheit die Seele benennt, das Maria widerfahrene Heilshandeln Gottes jedem Menschen.“ DW III, 11, 4-12, 5: „Vraˆgete man mich, daz ich endelıˆche berihten sölte, waz der schepfer gemeinet hæte, daz er alle creˆatuˆren geschaffen hæte, ich spræche: ,ruowe‘. Vraˆgete man mich ze dem andern maˆle, waz diu heilige drıˆvalticheit suochte zemaˆle an allen irn werken, ich spræche: ,ruowe‘. Vraˆgete man mich ze dem dritten maˆle, waz diu seˆle suochte an allen irn bewegungen, ich spræche: ,ruowe‘. Vraˆgete man mich ze dem vierden maˆle, waz alle creˆatuˆren suochten an irn natiurlıˆchen begerungen und bewegungen, ich spræche: ,ruowe‘.“ DW III, 13, 1 sq.: „Ze dem ˆersten maˆle suln wir merken und prüeven, wie daz götlıˆche antlütze götlıˆcher natuˆre machet unsinnic und tobic aller der seˆle begerungen naˆch im, daz er sie ze im ziehe.“ DW III, 13, 3: „Wan gote smacket soˆ wol und ist im soˆ behegelich götlıˆchiu natuˆre, daz ist ruowe […].“ DW III, 13, 3-14, 1.
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zu den Geschöpfen, sofern diese im Grunde nach nichts anderem streben als danach, in die vollkommene Ruhe des göttlichen Wesens als in ihren ersten Ursprung zurückzukehren 46. Gott aber liebt in allen seinen von ihm hervorgebrachten Kreaturen erst- und letztlich sich selbst, seine ihm wesenseigene Ruhe 47. 2. Die Ruhe des göttlichen Wesens als die Zielbestimmung allen trinitarischen Wirkens und aller innertrinitarischen Bewegungen Die zweite Frage nach der Absicht der Heiligen Dreifaltigkeit in allen ihren Werken wird von Eckhart nur sehr knapp behandelt: „Der Vater sucht Ruhe in seinem Sohn, darin, daß er alle Kreaturen in ihm ausgegossen und gebildet hat, und sie beide suchen Ruhe im Heiligen Geist darin, daß er von ihnen beiden als eine ewige unermeßliche Liebe ausgegangen ist.“ 48 Wie Gott in den Kreaturen die Ruhe seines Wesens sucht, so sucht er aus demselben Grund auch in seinen im Sohn verwahrten Ideen seine Ruhe, sofern diese ja nichts anderes als die göttlich-ideellen, exemplarursächlichen Schöpfungsgründe aller Kreaturen sind. Zudem sind die Ideen Gottes ein Bild und Spiegel des göttlichen Wesens und damit Ausdruck seiner vollkommenen Ruhe. Vater und Sohn aber suchen im Heiligen Geist Ruhe, sofern der Geist die liebende Vereinigung und Verbindung von beiden und daher gleichsam die personale Gestalt ihrer wechselseitigen Anwesenheit beieinander ist, in der sie beim je anderen Ruhe finden. 3. ,Ruhe‘ als der Zielpunkt aller natürlichen Bewegungen des menschlichen Körpers und der menschlichen Geistseele Sehr viel ausführlicher behandelt Eckhart auf Grund seiner primär mystagogischen Zielsetzung die dritte Frage nach dem, was die menschliche Seele in allen ihren Bewegungen sucht. Hier führt Eckhart erstens aus, dass die Ruhe die Finalursache bereits aller natürlichen Strebebewegungen des menschlichen Körpers ist, in und mit denen die menschliche Seele daher Ruhe sucht. Denn der Mensch suche in allen seinen körperlichen Bewegungen sich entweder dessen zu begeben, was ihn an der Ruhe behindert, oder etwas zu erlangen, worauf er ruhen kann 49. Aber auch in den Mitgeschöpfen suchen die Menschen nach Eckhart nichts anderes als die Ruhe, was prima facie höchst unplausibel klingt; deshalb fügt Eckhart als Begründung hinzu, dass die Menschen dasjenige an den Geschöpfen lieben, worin sie am meisten Gottes Gleichnis erkennen; nichts 46 47 48 49
Cf. DW III, 13, 3-14, 1. Cf. DW III, 14, 1-3. DW III, 14, 4-7. Zu diesem Passus cf. DW III, 14, 8-16, 2.
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aber gleiche in allen Kreaturen Gott so sehr wie die Ruhe 50; mit ,Ruhe‘ darf in dem angesprochenen geschöpflichen Kontext allerdings keineswegs bloß der kreatürliche Schlafzustand assoziiert werden; vielmehr ist hier an alle geschöpflichen Formen (relativer) Beständigkeit und Dauerhaftigkeit und damit geringer Veränderlichkeit zu denken, und zwar sowohl im physischen als auch im psychischen und nicht zuletzt im mentalen Bereich, d. h. vor allem hinsichtlich der Prinzipienfestigkeit des Wertgefüges und der Verhaltensnormen einer Person. 4. Reinheit und Ruhe als Kennzeichen der mit dem Wesen Gottes geeinten Seele Anschließend charakterisiert Eckhart die vorbildliche menschliche Seele, in der Gott ruht. Diese Seele ist vollkommen rein. Denn je reiner eine Seele wird, umso ruhiger ist sie. Sie wird aber umso reiner, je geistiger und höher sie erhoben, das heißt, je näher sie zu Gott geführt wird. Je erhabener und reiner aber eine Seele ist, umso größer ist auch ihre Wirkkraft nach außen, wie Eckhart an Beispielen veranschaulicht 51. Ruhe ist schließlich dasjenige, was Gott im Menschen am meisten liebt: „Fürwahr, der Mensch kann Gott nichts Lieberes bieten als Ruhe. Des Fastens, Betens und aller Kasteiung achtet und bedarf Gott nicht im Gegensatz zur Ruhe. Gott bedarf nichts weiter, als daß man ihm ein ruhiges Herz schenke; dann wirkt er solche heimlichen göttlichen Werke in der Seele, daß keine Kreatur dabei zu dienen oder ›auch nur‹ zuzusehen vermag.“ 52
Warum aber liebt und sucht Gott nach Eckhart am meisten und vor allem, wenn nicht gar ausschließlich, die Ruhe in der menschlichen Seele? Weil er nur im ihm Ähnlichen bzw. Gleichartigen wirken kann. Je ruhiger und damit ärmer an eigenwirksamer Selbstbewegung, vor allem an der Tätigkeit eines eigenen Willens, daher eine Seele ist, umso gottempfänglicher ist sie. Und was wirkt Gott in der in ihm ruhenden Seele? Er führt sie, wie Eckhart in seiner Deutung von Hosea 2, 14 betont, „in die Einöde, abseits aller Kreaturen“ 53, das aber heißt: bis in die Einfachheit seines eigenen Wesens hinein. 5. Die Vorrangstellung des Seelenvermögens der Liebe gegenüber dem des Intellekts Nun kann aber Gott, wie Eckhart dezidiert hervorhebt, dieses ihm eigene, mithin göttliche Werk nicht in der kreatürlichen Seele als solcher wirken, weil die Aufnahmefähigkeit alles Kreatürlichen begrenzt und eingeschränkt, während 50 51
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Cf. DW III, 16, 2-5. Cf. DW III, 16, 5-18, 1; cf. hierzu auch die Hinweise bei Largier (ed.), Meister Eckhart: Werke I (nt. 3), 1090. DW III, 19, 1-5. DW III, 20, 3-21, 3.
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alles Göttliche wesenhaft unbegrenzt ist 54. Die höchsten kreatürlichen Seelenkräfte des Erkennens und des Liebens können diese Vereinigung der menschlichen Seele mit dem göttlichen Wesen ebenfalls nicht kraft eigenen Vermögens vollziehen; denn das menschliche Erkenntnisvermögen „trägt Gott in die Seele und leitet die Seele zu Gott. In Gott hinein aber vermag sie [sc. die Erkenntnis] sie [die Seele] nicht zu bringen“ 55, wie Eckhart hier ausdrücklich sagt; die kreatürliche Erkenntnis des Menschen ist daher nach Auskunft dieser Stelle gerade nicht ein Vermögen, welches die Seele mit Gott zu vereinigen und damit gleichsam in ihn hineinzuführen vermag; sie führt vielmehr, um Eckharts Bild aufzugreifen, die Seele an Gott heran, indem sie nach ihrer Abstraktion von ihren auf Vielheitlich-Konkretes bezogenen Erkenntnisbildern durch Ausübung ihrer höchsten Tätigkeit der Reflexion ihres eigenen Vermögens die notwendige Bedingung dafür schafft, dass die kreatürliche Liebeskraft der Seele diese mit allen ihr eigenen Kräften in Gott hineinzuführen und mit ihm zu vereinigen vermag 56. Dieser bemerkenswerte Absatz stellt also das Seelenvermögen der Liebe hinsichtlich seiner die menschliche Seele mit Gott vereinigenden Kraft ganz eindeutig über das der Erkenntnis, weshalb dieser Passus im ,Paradisus anime intelligentis‘ signifikanterweise gestrichen worden ist. Da ihn aber alle anderen Handschriften einhellig überliefern, dürfte er dennoch authentisch sein. Freimut Löser hat in einer Synopse des authentischen Eckhart-Textes mit der Fassung dieser Predigt im ,Paradisus anime intelligentis‘ deutlich gezeigt, dass der Redaktor des ,Paradisus‘ Eckharts authentischen Text manipuliert, indem er ihn der vom ,Paradisus‘ vertretenen programmatischen Überordnung des Vernunftvermögens über das Liebesvermögen der menschlichen Geistseele angleicht 57. Jedenfalls gehört diese Predigt mit ihrer prononcierten Betonung der Vorrangstellung des Seelenvermögens der Liebe gegenüber dem Intellekt eindeutig nicht in die Programmatik des ,Paradisus anime intelligentis‘. Sie ist daher dem frühen Eckhart und damit Eckharts Erfurter Zeit insgesamt abzusprechen 58, auch wenn sie mit der Predigt 7 in der Lehre über die göttliche Ruhe und den göttlichen Frieden voll übereinstimmt. 54 55 56
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Cf. DW III, 21, 3-6. DW III, 22, 2 sq. DW III, 22, 5-7 (in eigener neuhochdeutscher Übersetzung): „Dann tritt die oberste Kraft hervor - das ist die Liebe - und bricht in Gott ein und führt die Seele mit der Erkenntnis und mit allen ihren Kräften in Gott hinein und vereinigt sie mit Gott.“ Cf. F. Löser, Einzelpredigt und Gesamtwerk. Autor- und Redaktortext bei Meister Eckhart, in: editio 6 (1992), 56-60, bes. 58: „Im Gegensatz zum Programm des Paradisus anime intelligentis lehrt Eckhart hier - in dieser einen Predigt - also nicht den Vorrang des intellectus […]. Der Redaktor dagegen wahrt das Programm der von ihm angelegten Sammlung, manipuliert Eckharts Text, greift sinnverändernd ein, so daß wieder bekantnisse als oberste kraft erscheint. Nicht Eckhart vertritt in dieser Predigt die Doktrin vom Vorrang des intellectus, sondern der Redaktor der Sammlung.“ In diesem Sinne auch F. Löser, Einzelpredigt und Gesamtwerk (nt. 57), 58: „Die restliche Überlieferung der Predigt weist ins Rheinland. Sie ist demnach später, nicht in Eckharts Erfurter Zeit entstanden, ist anders in ihrer Doktrin. Der Redaktor erst hat sie in seinem eigenen und Eckharts früherem Sinn bearbeitet.“
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Doch kehren wir zur inhaltlichen Betrachtung dieser Predigt zurück: Scheint sich Eckhart nicht innerhalb dieser Predigt selbst zu widersprechen? Denn wie kann er der Liebe das Vermögen zusprechen, die Seele mit Gott zu vereinigen, wenn die hier gemeinte Kraft der Liebe doch ein kreatürliches Vermögen ist und bleibt und daher nicht der Ort sein kann, in dem Gott sein ,göttliches Werk‘ wirkt? Dieser Einwand scheint mir die folgende Deutung des diesbezüglichen Passus erforderlich zu machen: Die Liebe erfüllt im Unterschied zum kreatürlichen Erkenntnisvermögen nicht nur eine notwendige, sondern darüber hinaus auch eine hinreichende Bedingung dafür, dass Gott selbst die Seele mit sich vereinigt und in ihr sein göttliches Werk auf, um mit Eckhart zu sprechen, göttliche Weise vollzieht 59. Denn Gott muss, wie Eckhart an zahlreichen anderen Stellen insbesondere seines Predigtwerkes in geradezu beschwörendem Tonfall beteuert, aus der Überfülle seiner sich mitteilen wollenden Güte und damit aus eigener Seinsnotwendigkeit heraus sich selbst einer für ihn ganz empfänglich gewordenen Seele gnadenhaft schenken und sie mit sich vereinigen 60. Die die Seele mit Gott vereinigende Kraft ist daher letztlich und eigentlich kein kreatürliches, sondern ein göttliches Vermögen 61, es ist genauer die vollkommen vereinigende Liebeskraft des göttlichen, des Heiligen Geistes, wie dies von Eckhart insbesondere in seinen beiden deutschen Predigten 63 und 75 ausgeführt wird 62. Worin aber besteht die hinreichende Bedingung, welche das Liebesvermögen der menschlichen Seele erfüllt, damit sie Gott mit sich vereinigen kann? Sie liegt, wie ebenfalls aus zahlreichen Texten Meister Eckharts, nicht zuletzt aus den Erfurter ,Reden der Unterweisung‘, deutlich wird 63, in der Aufhebung der Selbsttätigkeit des eigenen Willens; denn der Wille des Menschen besitzt im Unterschied zu seinem Erkenntnisvermögen die Fähigkeit, seine eigene Wirksamkeit vollkommen zur Ruhe zu bringen bzw. aktual aufzuheben; und wenn er 59 60
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Cf. DW III, 22, 3 sq. Zu diesem ,Müssen‘ im Sinne einer durch Gottes eigene Seinsvollkommenheit bedingten Notwendigkeit cf. etwa DW I, 71, 7-72, 2; 234, 13-237, 3; DW III, 81, 1-9; DW V, 187, 1-188, 2; 202, 3 sq.; 228, 9-229, 2; 295, 3-5; 306, 7-9; hierzu cf. S. Ueda, Über den Sprachgebrauch Meister Eckharts: ,Gott muß …‘ - Ein Beispiel für Gedankengänge der spekulativen Mystik, in: G. Müller/W. Zeller (eds.), Glaube, Geist und Geschichte. FS für E. Benz, Leiden 1967, 266-277. In diesem Sinne auch D. Mieth (ed.), Meister Eckhart. Einheit im Sein und Wirken, München Zürich 1986, 41: „Wo das Denken aufhört, da fängt die Liebe eigentlich erst an (vgl. LW 4, Sermo VI, n. 52, S. 51). Man darf sich also beim Lesen Eckharts nicht durch die vielen Stellen, an denen vom Vorrang des Denkens vor dem Lieben die Rede ist, täuschen lassen. Dieser Vorrang gilt dialektisch: das Denken treibt die Liebe über den bloßen Willensakt hinaus zur Liebe ,ohne Worumwillen‘, die in die von Gott ausgehende Liebe eingefügt ist. Die meisten Ausleger übersehen dies.“ Cf. M. Enders, Das göttliche Wesen der Liebe im Verständnis Meister Eckharts, in: Erbe und Auftrag 79 (2003), 38 sq., 42 sqq. Cf. hierzu M. Enders, Die ,Reden der Unterweisung‘: Eine Lehre vom richtigen Leben durch einen guten und vollkommenen Willen, in: K. Jacobi (ed.), Meister Eckhart: Lebensstationen Redesituationen (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens, N. F. 7), Berlin 1997, 69-92.
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dies tut, dann muss - und darin besteht die Erfüllung der besagten hinreichenden Bedingung - der göttliche Wille aktual an die Stelle des menschlichen treten, dann muss Gott den vor ihm willenlos und damit ganz gottempfänglich gewordenen Menschen mit seinem eigenen Willen, seiner göttlichen Liebe vollkommen erfüllen. In diesem negativen Vermögen zur aktualen Aufhebung der eigenen Wirksamkeit liegt der Vorzug der Seelenkraft des Willens bzw. der Liebe gegenüber der des Denkens, die, weil sie dies nicht vermag, die Seele nur an Gott heran-, nicht aber in Gott hineinzuführen vermag 64. 6. Die gnadenhafte Transformation der Seele in die Natur und das Leben Gottes Was aber geschieht mit der mit Gott durch die zunächst menschliche, dann aber göttliche Liebe vereinten Seele? Eckhart sagt: „Und dort wirkt Gott oberhalb der Kraft der Seele, nicht als in der Seele, sondern als göttlich in Gott. Dort wird die Seele getaucht in Gott und getauft in göttlicher Natur, und sie empfängt darin ein göttliches Leben und nimmt göttliche Ordnung an, so daß sie nach Gott geordnet wird.“ 65
Was bedeutet das ,Getauftwerden‘ der Seele in der göttlichen Natur - eine Formulierung, die Eckhart in dieser Predigt wiederholt gebraucht 66 - anderes als die der Seele in ihrem Grund von Gott gnadenhaft gegebene Erfahrung der vollkommenen Einfachheit seiner Natur, eine Erfahrung, die einer ,Taufe‘, d. h. einer vollkommenen Reinigung und einer radikalen Transformation der Seele in einen ihr gnadenhaft geschenkten Zustand göttlichen Lebens, gleichkommt? Eckhart veranschaulicht diese Überformung der Seele mit folgendem Gleichnis: Wie der Körper durch die Eingießung der Seele in ihn eine neue, dem Leben der Seele gemäße, einheitliche Gestalt erhält, so verliert die mit Gott vereinte, in göttlicher Natur getaufte Seele „alle ihre Hindernisse und Schwäche und Unbeständigkeit und wird völlig erneuert in einem göttlichen Leben und wird in allen ihren Sitten und Tugenden geordnet nach göttlichen Sitten und Tugenden, wie man am Licht erkennen kann: Je näher die Flamme beim Docht brennt, um so schwärzer und grob-stofflicher ist sie; je höher sich aber die Flamme vom Docht weg hinaufzieht, um so lichter ist sie. Je höher die Seele über sich selbst hinaus emporgezogen ist, um so lauterer und klarer ist sie, um so vollkommener vermag Gott in ihr in seinem eigenen ,Gleichnis‘ sein göttliches Werk zu wirken“ 67. 64
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Hierzu auch F. Löser, Einzelpredigt und Gesamtwerk (nt. 57), 59: „Eckharts feine Differenzierung des zum wahren Gott Gelangens qua bekanntnisse (des, wie er formuliert zu gote und an gote) einerseits und des in Gott-Vereint-Werdens und -Bleibens qua minne andererseits geht in Predigt 60 durch die Bearbeitung des Paradisus-Redaktors, der den Vorrang des intellectus unter allen Gesichtspunkten zu wahren bestrebt ist, verloren.“ DW III, 22, 7-24, 1. Cf. DW III, 25, 4. DW III, 25, 4-26, 3.
Gott ist die Ruhe und der Friede
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Mit anderen Worten: Je tiefer die Seele in Gott mit ihm vereinigt wird, umso beständiger, reiner und klarer, umso gottförmiger ist sie. Die mit Gott ganz, das aber heißt: mit seinem einfachen Wesen in ihrem Grund gnadenhaft vereinigte Seele lebt folglich in einem tiefen Frieden. Denn Gott selbst ist in seinem einfachen Wesen als seinem Innersten vollkommene Ruhe und vollkommener Friede. Daher ist der Grad des inneren Friedens eines Menschen ein Kriterium für das Maß seiner existentiellen Gottesnähe und Gottförmigkeit. Oder nochmals mit Eckharts eigenen Worten: „So auch sollte ein wahrhaft geistiger Mensch in einem rechten Frieden ganz und gar unwandelbar in göttlichen Werken emporgehoben sein. Dessen mag sich ein geistiger Mensch wohl schämen, daß er in Betrübnis, in Zorn und in Ärger so leicht dem Wandel unterworfen wird. Ein solcher Mensch ward noch nie recht geistig.“ 68
7. Das Streben aller natürlichen Bewegungsprozesse nach der Ruhe (Gottes) Schlussendlich begründet Eckhart auch seine Antwort auf die vierte eingangs dieser Predigt gestellte Frage nach dem, was alle Kreaturen in allen ihren natürlichen Strebungen und Bewegungen suchen. Alle, nicht nur die vernunftbegabten, Kreaturen suchen in ihrem natürlichen Streben nichts anderes als Ruhe, ob sie es nun wissen oder nicht; sie bezeugen es nach Eckhart durch ihr natürliches Tun und Wirken 69. Denn alle natürlichen Bewegungsprozesse streben, wie Eckhart mit einer langen, spätestens mit Aristoteles beginnenden Tradition teleologischer Naturbetrachtung sowie der ursprünglich stoischen, dann stark christlich, insbesondere augustinisch, und in dessen Gefolge auch mittelalterlich breit rezipierten Lehre von dem jeder Entität eigenen ,natürlichen Ort‘ versichert, nach ihrem je eigenen Erfüllungs- und Vollendungszustand, durch dessen Erreichen ihr Streben erlischt, sie also zur Ruhe kommen. Zur Veranschaulichung dieser Grundgesetzlichkeit natürlicher Bewegungsvorgänge führt Eckhart zwei traditionelle und daher auch bei ihm häufige Beispiele an 70, nämlich die Bewegung des fallenden Steines nach unten zur Erde und die Bewegung des Feuers nach oben 71: „Die Bewegung des fallenden Steines währt daher so lange, bis er seinen naturgemäßen Platz auf der Erde eingenommen hat; in gleicher Weise strebt das Feuer, dessen Ort in der Hierarchie der Elemente oben ist, aufwärts.“ 72 Jede geschöpfliche Entität strebt also nach Ruhe, sucht ihren jeweiligen natürlichen Ort, an dem sie zur Ruhe kommt; „und darin“, so Eckhart, „verrät sie die Gleichheit mit der göttlichen Ruhe, die Gott allen Kreaturen zugeworfen hat“ 73. 68 69 70 71 72 73
DW III, 26, 5-27, 2. Cf. DW III, 27, 3 sq. Zu weiteren Belegstellen bei Eckhart cf. DW III, 28, nt. 1. Cf. DW III, 27, 4-6. Largier (ed.), Meister Eckhart: Werke I (nt. 3), 1091. DW III, 28, 1 sq.: „und dar ane bewıˆset si die glıˆchnisse götlıˆcher ruowe, die got an alle creˆatuˆren geworfen haˆt.“
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Die Ruhe, nach der die Geschöpfe jeweils natürlicherweise streben, ist zunächst und unmittelbar selbstverständlich nicht Gott, sondern ein bestimmter und immer wieder neu zu suchender energetischer Gleichgewichtszustand, mithin etwas Innerweltliches. Doch in seiner naturnotwendigen Suche nach Ruhe gleicht das Geschöpf seinem Schöpfer, der, wie wir sahen, sowohl in seinem schöpferischen Wirken ad extra als auch in seinen innertrinitarischen Hervorgängen die Ruhe seines eigenen Wesens als seinen eigenen, allerdings nur in analoger Weise zu verstehenden Vollendungszustand sucht. Diese Ähnlichkeit der geschöpflichen Ruhe mit seiner eigenen göttlichen Ruhe hat Gott den Geschöpfen, wie Eckhart anschaulich formuliert, ,zugeworfen‘, d. h. anerschaffen. Da es Eckhart aber vor allem anderen um das Erreichen der göttlichen Ruhe durch die nach ihr in allen ihren natürlichen Bewegungen suchende menschliche Seele geht, bittet er im letzten Satz dieser Predigt Gott um dessen Hilfe dafür, „daß wir so die göttliche Gleichheit göttlicher Ruhe suchen und bei Gott finden mögen“ 74. Diese „göttliche Gleichheit göttlicher Ruhe“ aber ist der göttliche Sohn. In ihm geht die mit ihm in ihrem Grunde vereinte Seele in dem raumund zeitfreien Kreislauf des Hervorgangs der göttlichen Trinität aus dem vollkommen einfachen Wesen der Gottheit und der Rückkehr in dieses ein in die absolute Ruhe des göttlichen Wesens, in dem alle Bewegungsvorgänge überhaupt, sowohl die außergöttlichen als auch die trinitarisch-innergöttlichen, ihre Ruhe und ihre Vollendung finden. Denn Gott ist in seinem Innersten die Ruhe und der Friede.
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DW III, 29, 1 sq.
VI. Rezeption und Mystik
Johannes Scotus Eriugena deutsch redivivus: Translations of the ,Vox spiritualis aquilae‘ in Relation to Art and Mysticism at the Time of Meister Eckhart Jeffrey F. Hamburger (Cambridge, Mass.) My title pays posthumous tribute to one of the doyens of Eckhart studies, the late Kurt Ruh. If anyone among the modern students of the great Dominican scholastic, philosopher and mystic deserved the title of ,Meister‘, then surely it was he. In 1988, three years after the publication of his path-breaking monograph on the great Dominican theologian, preacher and mystic (to paraphrase its title), Ruh published an important article in the ,Zeitschrift für deutsches Altertum‘, ,Johannes Scotus Eriugena deutsch‘ 1. Ruh closed his article by modestly declaring that, far from being conclusive, it merely indicated: „Vielmehr hat die Erforschung der Eriugena-Eckhart-Beziehung eben erst begonnen“ 2. The following observations, which draw on what Kurt Ruh, no less perhaps than Meister Eckhart, might have regarded as an unlikely combination of philological and art-historical evidence, are offered in this same spirit, and with even greater modesty. In addition to providing new evidence for Johannes Scotus Eriugena deutsch, they will reveal the existence of a previously unsuspected Johannes Scotus Eriugena en franc¸ais. Among the more esoteric authors of the Middle Ages, Eriugena was nonetheless disseminated in the vernacular. In this respect, one might conclude, with Beryl Smalley, that in the thirteenth century „what had been seen as secret and holy ceased to be secret and by familiarity became less holy. The tabernacle served as the kitchen cupboard“ 3. Vernacularization, however, did not necessarily entail vulgarization. Translated into the vernacular, Eriugena’s thought encouraged spiritual speculation - and visualization - of a kind that he could never have envisaged. Ruh’s article took as its point of departure a passing observation made by Heinrich Denifle in his review of Wilhelm Preger’s ,Geschichte der deutschen 1
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K. Ruh, Johannes Scotus Eriugena deutsch, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 117 (1988), 24-31. I am very grateful to Dominique Stutzmann for his assistance with the transcription of the French texts, as well as for other suggestions. Ruh, Johannes Scotus Eriugena (nt. 1), 30. B. Smalley, Use of the ,Spiritual‘ Senses of Scripture in Persuasion and Argument by Scholars in the Middle Ages, in: Recherches de the´ologie ancienne et medie´vale 52 (1985), 44-63, esp. 47.
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Mystik‘, published in 1875. According to Denifle, only a single work attributable to Eckhart, the treatise published that same year by Auguste Jundt under the title ,Daz send gar hoch fragen und materien‘ betrayed clear and certain knowledge of the writings of Eriugena other than his influential translation of the pseudoDionysius the Areopagite 4. Ruh pointed out that the treatise published by Jundt, far from being by Eckhart, represents an anonymous author’s translation of a portion of Eriugena’s ,Periphyseon‘. In Ruh’s words, the literature of which this translation is an example „birgt nicht nur Schätze, die als solche Beachtung verdienen, sondern […] hilft uns auch, die geistige Umwelt Eckharts zu erhellen“ 5. In this paper I build on Ruh’s conclusions by publishing other overlooked treasures from this same milieu, among them, a sermon that, to the best of my knowledge, provides the first substantial translation into German of John Scotus Eriugena’s ,Homily on John the Evangelist‘, the ,Vox spiritualis‘ 6. The sermon, which can itself be dated to ca. 1300, survives only in two fifteenth-century manuscripts, one in Basel (Öffentliche Bibliothek der Universität Basel, Ms. A VI 38, foll. 47ra-60ra), the other in Karlsruhe (Badische Landesbibliothek, Ms. St. Peter pap. 21, foll. 151r-174v ). Both these manuscripts belong to a group of libelli, first identified by Hans-Jochen Schiewer, and since studied by Annette Volfing, containing sermons and tracts in honor of John the Evangelist 7. The libelli honor a saint who in many respects served as a second patron of the Dominican order 8. Revered as the first theologian, John the Evangelist’s status as a preacher, theologian, mystic, and visionary made him a multifaceted model 4
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H. S. Denifle, Eine Geschichte der deutschen Mystik, in: Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland 75 (1875), 679-790, 903-928, esp. 778, and A. Jundt, Histoire du panthe´isme populaire au moyen aˆge, Paris 1875 (reprinted Frankfurt a. M. 1964), Appendix II: Sermons et pie`ces diverses de Maıˆtre Eckhart, no. 3, 240-246. Ruh, Johannes Scotus Eriugena deutsch (nt. 1), 25. E´. Jeauneau (ed. and trans.), Jean Scot. Home´lie sur le Prologue de Jean (Sources chre´tiennes 151), Paris 1969, which should be supplemented by the studies gathered in E´. Jeauneau, E´tudes E´rige´niennes, Paris 1987. All English translations from J. J. O’Meara, Eriugena, Oxford 1988, 155-176. See H.-J. Schiewer, Uslesen. Das Weiterwirken mystischen Gedankenguts im Kontext dominikanischer Frauengemeinschaften, in: W. Haug/W. Schneider-Lastin (eds.), Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte, Kolloquium Kloster Fischingen 1998, Tübingen 2000, 581-603; J. Conzelmann, Die Johannsen-Devotion im Dominikanerinnenkonvent St. Katharinenthal bei Dießenhofen. Ein Modellfall für Literaturrezeption und -produktion in oberrheinischen Frauenklöstern zu Beginn des 14. Jahrhunderts, in: V. Mertens/H.-J. Schiewer/W. Schneider-Lastin (eds.), Predigt im Kontext. Internationales Symposium am Fachbereich Germanistik der Freien Universität Berlin vom 05.-08. Dezember 1996, Tübingen [im Druck], and A. Volfing, John the Evangelist in Medieval German Writing. Imitating the Inimitable, Oxford 2001, chapter 4 ( Johannes-libelli). See M. Wehrli-Johns, Das Selbstverständnis des Predigerordens im Graduale von Katharinenthal. Ein Beitrag zur Deutung der Christus-Johannes-Gruppe, in: C. Brinker/U. Herzog/N. Largier/P. Michel (eds.), Contemplata aliis tradere. Studien zum Verhältnis von Literatur und Spiritualität, Bern 1995, 241-272.
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of the contemplative as well as of the active life 9. As a priest who had rested on Christ’s breast at the moment of the institution of the Eucharist, the Evangelist also supplied an embodiment of eucharistic devotion. Nowhere were these various aspects of Dominican mission and self-definition more closely intertwined than in an activity to which they had come, at first only reluctantly: the cura monialium, or the pastoral care of nuns 10. In his analysis of the treatise first published by Jundt, Ruh observed that the „hoch fragen und materien“, far from depending directly on Eriugena’s ,Periphyseon‘, drew on a later cosmological commentary, the ,Clavis physicae‘ of Honorius Augustodunensis, written in the second quarter of the twelfth century 11. In addition, Ruh noted that the Latin commentary on the ,Granum sinapis‘, a German sequence that he attributed to Eckhart, depended on the same source, a point of contact that he went so far as to call the most important instance in the German reception of Eriugena prior to Berthold of Moosburg’s commentary on Proclus 12. In his history of western mysticism, Ruh modified his reading of these relationships, arguing that the commentary’s wording in fact precluded Honorius as a mediating source and that, as a result, „es […] also im engsten Umkreis von Meister Eckhart eine Dokumentation von Eriugena-Texten gegeben [hat]“ 13! This evidence, Ruh noted, was that much more remarkable in that neither Eckhart’s Latin nor his German works provided any evidence for his direct recourse to the Carolingian commentator 14. In Ruh’s words: „So haben meine Nachkontrollen keine sicheren Beispiele von Textbenutzung ergeben. Das gilt auch für die Homilie ,Vox spiritualis‘ und für den Johannes-Kommentar.“ 15 Ruh came to this negative conclusion despite what he, along with Alois Maria Haas, acknowledged, namely, that „der Geist Eriugenas in Eckharts Wort zu fassen ist“. With this in mind, Ruh regarded his results as provisory (in his words, „ein ,Zwischenresultat‘ von heute“) 16. To judge from the most recent scholarship on the subject, the question of Eriugena’s impact on Eckhart remains open. In his commentary on Eckhart’s ,Expositio Sancti Evangelii secun9
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See A. Volfing, John the Evangelist in Medieval German Writing. Imitating the Inimitable, Oxford 2001; J. F. Hamburger, St. John the Divine. The Deified Evangelist in Medieval Art and Theology, Berkeley 2002; and A. Kijewska, The Eriugenian Concept of Theology. John the Evangelist as the Model Theologian, in: G. van Riel/C. Steel/J. McEvoy (eds.), Iohannes Scottus Eriugena. The Bible and Hermeneutics. Proceedings of the Ninth International Colloquium of the Society for the Promotion of Eriugenian Studies Held at Leuven and Louvain-la-Neuve, June 7-10, 1995 (Ancient and Medieval Philosophy, Series 1/20), Leuven 1996, 173-193. See, among the many studies that could be cited, J. B. Freed, The Friars and German Society in the Thirteenth Century, Cambridge, Mass. 1977. See Ruh, Johannes Scotus Eriugena deutsch (nt. 1), 27. See ibid., 28. K. Ruh, Geschichte der abendländischen Mystik, vol. 1: Die Grundlegung durch die Kirchenväter und die Mönchstheologie des 12. Jahrhunderts, Munich 1990, 181. See Ruh, Johannes Scotus Eriugena deutsch (nt. 1), 28. Ibid., 29. Ibid., 30.
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dum Iohannem‘, Niklaus Largier follows Ruh’s lead in noting that, to the extent any echos of Eriugena can be heard in Eckhart’s commentary, they should most likely be traced to the short excerpts from Eriugena’s ,Homily‘ that its editor, E´douard Jeauneau, traced to Thomas Aquinas’s ,Lectura super Iohannem‘ 17. In contrast, Bernard McGinn acknowledges that „it is difficult to number Eriugena among Eckhart’s key sources“. Nonetheless, he adds emphatically, „we are sure that he did read one of them, Eriugena’s Homily on the Prologue of John“ 18. These differences of opinion, although slight, are significant. Eriugena and Eckhart represent, as it were, the alpha and omega of medieval neo-Platonism 19. As noted by McGinn, „Eckhart, like John Scottus Eriugena, taught a form of negative mystical anthropology in which God and soul are ultimately one because both are radically unknowable“ 20. Eriugena also provides precedents for various motifs that play prominent roles in Eckhart’s thought, among them, the notion of the birth of God in the soul, the definition of the empty ground of apophatic union as a ,desert‘, and what McGinn calls common ways of conceiving of „the whole dynamic process of exitus and reditus“ 21. The extent to which Eckhart could have known Eriugena is therefore of significance. Eckhart, however, can only be evaluated in his context. In this case, context is provided by the Dominican Order’s cult of John the Evangelist. Seen in light of this entire spectrum - liturgical and pastoral as well as philosophical and theological texts - the only surprise would be if Eckhart had not known Eriugena. In comparing Eckhart’s writings with texts of this kind, my intent is not to level the differences between them. Rather, it is to throw Eckhart into relief. In the words of L. M. J. Delaisse´: „I cannot see, however, that one can explore a chain 17
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See N. Largier (ed.), Meister Eckhart: Werke I u. Werke II (Bibliothek des Mittelalters 20-21), Frankfurt a. M. 1993, vol. II, 846, with reference to Jeauneau, Jean Scot (nt. 6), 143-144. B. McGinn, The Mystical Thought of Meister Eckhart. The Man from Whom God Hid Nothing, New York 2001, 178. Among the many studies that could be cited are: H. Liebeschütz, Mittelalterlicher Platonismus bei Johannes Eriugena und Meister Eckhart, in: Archiv für Kulturgeschichte 56 (1974), 241269; A. M. Haas, Eriugena und die Mystik, in: W. Beierwaltes (ed.), Eriugena redivivus. Zur Wirkungsgeschichte seines Denkens, Vorträge des V. Internationalen Eriugena-Colloquiums, Werner-Reimers-Stiftung Bad Homburg, August 1985, Heidelberg 1987, 254-278; W. Beierwaltes, Negati Affirmatio. Welt als Metapher. Zur Grundlegung einer mittelalterlichen Ästhetik durch Johannes Scotus Eriugena, in: Philosophisches Jahrbuch 83 (1976), 237-265; and P. Edouard/ H. We´ber OP, E´lements ne´oplatoniciens en the´ologie mystique au XIIIe`me sie`cle, in: K. Ruh (ed.), Abendländische Mystik im Mittelalter. Symposion Kloster Engelberg (Germanistische Symposien-Berichtsbände 7), Stuttgart 1986, 196-217. McGinn, The Mystical Thought (nt. 18), 48. McGinn, The Mystical Thought (nt. 18), 141, 143 and 178, who bases his remarks, in part, on Haas, Eriugena (nt. 19). See also E´. Jeauneau, The Neoplatonic Themes of Processio and Reditus in Eriugena, in: Dionysius 15 (1991), 3-29. On the theme of the desert, see B. McGinn, Ocean and Desert as Symbols of Mystical Absorbtion in the Christian Tradition, in: Journal of Religion 74 (1994), 155-181; and P. A. Dietrich, The Wilderness of God in Hadewijch II and Meister Eckhart and His Circle, in: B. McGinn (ed.), Meister Eckhart and the Beguine Mystics. Hadewijch of Brabant, Mechthild of Magdeburg, and Marguerite Porete, New York 1994, 31-43.
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of mountains by jumping from one peak to another; it can only be done by climbing the knolls, hills and heights which are crowned by the peaks.“ 22 The manuscripts attribute the sermon to Bernard of Clairvaux („Dis ist ein schoene minnsame bredige die huongflu´ssig andehtig lerer sant Bernhart geton hett an sant Johannes Ewangelisten tag“ (lines 1-2). An attribution of the sermon to Bernard, however, is out of the question. The sermon turns out to be a cento of excerpts from Eriugena’s ,Homily‘ and Peter Damian’s widely circulated sermons on the Evangelist. The only other major source is the ,Alsatian Legenda Aurea‘, from which the compiler lifted an account of the Evangelist’s last days 23. Derived from chapter 21 of John’s Gospel, legends of John’s bodily assumption into heaven figure prominently in discussions of his deification 24. The sermon provides a vernacular pendant to Eriugena’s reception by Hildegard of Bingen over a century earlier, a moment christened by Christel MeierStaubach ,Eriugena im Nonnenkloster‘ 25. If the nuns to whom Eckhart and his closest colleagues were preaching as part of the cura monialium had access to Eriugena in German, their confessors likely were reading him in Latin. In this content, it seems appropriate to quote Ruh’s characterization of the treatise originally published by Jundt, of which he declared: „Die größte Überraschung aber ist die bis jetzt übersehene Tatsache, daß Eriugena sogar mittelhochdeutsch, und damit von Illitterati, gelesen werden konnte.“ 26 To speak of illiterati, however, while justified, is not sufficiently precise. In the case of the sermon, the illitterati in question were nuns in the Dominican convents of the Alemannic region in which most of Meister Eckhart’s efforts as a preacher were concentrated, of which the most important was the community of St. Katharinenthal 27. 22
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L. M. J. Delaisse´, Review of Millard Meiss, French Painting in the Time of Jean de Berry, Part I: The Late Fourteenth Century and the Patronage of the Duke, London 1967, in: Art Bulletin 52 (1970), 206-212, esp. 209. See U. Williams/W. Williams-Krapp (eds.), Die ,Elsässische Legenda Aurea‘, 3 vols. (Texte und Textgeschichte. Würzburger Forschungen 3, 10 and 21), Tübingen 1980-1990, vol. I, 68, lines 13-28. Given that the earliest extant manuscript of the ,Elsässische Legenda Aurea‘ is dated ca. 1350, the presence of an excerpt in the sermon in Basel raises three possibilities: i) that the translation existed earlier, ii) that the excerpt from the ,Legenda Aurea‘ represents an interpolation added to the sermon in the process of its transmission, or iii) that the ,Alsatian Legenda Aurea‘ itself drew on an earlier source resembling this part of the sermon, if not the sermon itself. The evidence does not allow this issue to be resolved in a conclusive fashion. For complete documentation of the sources for the sermon, see Hamburger, St. John the Divine (nt. 9), 207-229. Ch. Meier-Staubach, Eriugena im Nonnenkloster? Überlegungen zum Verhältnis von Prophetentum und Werkgestalt in den figmenta prophetica Hildegards von Bingen, in: Frühmittelalterliche Studien 19 (1985), 466-497, and id., Scientia divinorum operum. Zu Hildegards von Bingen visionär-künstlerischer Rezeption Eriugenas, in: W. Beierwaltes (ed.), Eriugena redivivus. Zur Wirkungsgeschichte seines Denkens im Mittelalter und im Übergang zur Neuzeit. Vorträge des V. Internationalen Eriugena-Colloquiums Werner-Reimers-Stiftung Bad Homburg, 26.-30. August 1985, Heidelberg 1987, 89-141. Ruh, Geschichte (nt. 13), 181. In this context, L. Sturlese’s discovery in Zürich of a fragment from St. Katharinenthal containing German sermons by Eckhart is of enormous significance. See Sturlese’s contribution to this volume, 393-408.
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The corpus of which the sermon forms a part was first identified and analyzed by Hans-Jochen Schiewer 28. The principal witness to this group of texts is a libellus now in Pommersfelden (Gräflich Schönbornsche Bibliothek, Ms. 120 [olim 2868]) 29. In addition to texts attributed to or about John the Evangelist, among them the Apocalypse in translation and a tract on the ,Zeichen des Johannes‘, the libellus contains a series of sermons honoring various saints, but principally devoted to John the Evangelist. As Schiewer demonstrated, these sermons can be attributed to Dominican preachers of the generation prior to Eckhart who, like him, ministered in the vernacular to nuns in communities around the Bodensee 30. Many of the libelli were probably first compiled at St. Katharinenthal itself 31. In Schiewer’s words, the sermons, many of which are speculative in content, for the first time make it possible, „dominikanische Literatur in größerem Umfang in der Generation vor Meister Eckhart im oberdeutschen Raum nachzuweisen. Gleichzeitig erhalten wir damit Einblick in die frühe cura monialium der Dominikaner, denn für diesen Bereich dürften die Texte bestimmt gewesen sein“ 32. Like the libellus in Pommersfelden, the libelli in Basel and Karlsruhe were compiled and copied in the second half of the fifteenth century. Their content can nevertheless be traced to the last quarter of the thirteenth century 33. Like many transcriptions and adaptations of earlier mystical literature, the libelli are characteristic products of the Dominican reform. A sermon unique to the collection in Basel is attributed to John of Nordlingen and was delivered „in der kilchen ze gnodental ze basel ze Sanct Cloren“ (fol. 83vb) 34. The John in question was therefore most likely a Franciscan. From this, however, it does not follow that the entire collection is Franciscan in origin. Instead, its contents and affiliations suggest Dominican patronage and provenance. The manuscript bears no comparison to those that can be documented as coming from Gnadenthal, including those written by the nun and archivist, Dorothea Schermann 35. Moreover, the 28
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See H.-J. Schiewer, Die beiden Sankt Johannsen, ein dominikanischer Johannes-Libellus und das literarische Leben im Bodenseeraum um 1300, in: Oxford German Studies 22 (1993), 21-54. See also A. Volfing, The Authorship of John the Evangelist as Presented in Medieval German Sermons and ,Meisterlieder‘, in: Oxford German Studies 23 (1994), 1-44. See H.-J. Schiewer, Der Pommersfeldener Johannes-Libellus. Der Evangelist und der Baptist in früher dominikanischer Literatur in der Volkssprache, Tübingen, forthcoming. See Schiewer, Die beiden Sankt Johannsen (nt. 28), 28. See Schiewer, Uslesen (nt. 7), 590-592. Schiewer, Die beiden Sankt Johannsen (nt. 28), 28. See ibid. G. Binz, Die Handschriften der Oeffentlichen Bibliothek der Universität Basel. Erste Abteilung: Die deutschen Handschriften, Basel 1907, 75-78. See also C. Stöllinger, Johannes von Nordlingen, in: K. Ruh (ed.), Die deutsche Literatur des Mittelalters: Verfasserlexikon, vol. 4, Berlin New York 1980, 696-697. For whom see A. Bruckner, Zum Problem der Frauenhandschriften im Mittelalter, in: Aus Mittelalter und Neuzeit. Gerhard Kallen zum 70. Geburtstag dargebracht von Kollegen, Freunden und Schülern, Bonn 1957, 171-183 and figs. 1-6.
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date of 1493 added at the end of the manuscript (fol. 265v ) is misleading, providing no more than a terminus ante quem for the rest of the book, which most likely dates to the third quarter of the fifteenth century. In his discussion of the sermons in the Pommersfelden libellus, which served as the basis of his edition, Schiewer observed that „lateinische Vorlagen für die Predigten […] bisher noch nicht nachgewiesen werden [konnten], […] aber nicht auszuschließen [sind], da viele initiengleiche Texte unediert und daher schwer zugänglich sind“ 36. Schiewer’s suggestion is certainly borne out by the sermon unique to the libelli in Basel and Karlsruhe. Even more extensive than the quotations from Eriugena are the excerpts from several sermons on John the Evangelist by Peter Damian, the eleventh-century monk and reformer, which comprise much of its second half. Damian is not usually regarded as a mystical author, and he does not figure in discussions of possible sources for Eckhart and his circle 37. There was no tradition of translating, let alone transmitting, Peter Damian’s sermons in German or Netherlandish 38. Of his entire output, only a single sermon (no. 63) - as it happens, one of the two on John that the manuscript in Basel combines with Eriugena - was translated into Middle Netherlandish (see Appendix III) 39. Nonetheless, there is at least one Latin manuscript in which sermons by Eriugena and Peter Damian circulated together, a thirteenth-century compendium of French origin that by the fifteenth century belonged to the abbey of Foucarmont in the diocese of Rouen (Paris, Bibliothe`que nationale de France, Ms. lat. 1645) 40. Whoever penned the sermon that brings the two authors together, be it the author of the Latin model or the compiler cum translator of its German counterpart, would not have had to look beyond the covers of a single manuscript in seeking models for his own oration. In a study of „compilatio as a method of Middle High German literature production“, Andrea Syring noted with regard to the Johannine libelli that „compilatio may have been a way of making at least a few passages of mystical literature available by smuggling them into a harmless text in the hope that they would 36 37
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Schiewer, Die beiden Sankt Johannsen (nt. 28), 39. See McGinn, The Presence of God. A History of Western Christian Mysticism, vol. 2: The Growth of Mysticism, New York 1994, 125-126 and 143. As noted by V. Honemann, Petrus Damiani OSB (in: VL 7 [nt. 34], 501-504), the Franciscan, Johannes Pauli, quotes the same sermon in passing; see R. G. Warnock, Die Predigten Johannes Paulis (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 26), Munich 1970, 130. Of the two sermons by Peter Damian (numbers 63-64 in J. Lucchesi [ed.], Sancti Petri Damiani Sermones [Corpus Christianorum Continuatio Mediaevalis 57], Turnhout 1988), drawn on by the anonymous translator, the first, number 63, also exists in a Middle Netherlandic translation in Sint Truiden, Instituut voor Franciscaanse Geschiedenis, cod. Vaalbeek A 21, foll. 53v-63r, dated to the last third of the fifteenth century; see Appendix III. See K. Stooker/T. Verbeij, Collecties op orde. Middelnederlandse handschriften uit kloosters en semi-religieuze gemeenschappen in de Nederlanden, 2 vols., Leeuven 1997, vol. II, 294, no. 880, where the manuscript is dated ca. 1470. See Jeauneau, Jean Scot (nt. 6), 102.
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not be noticed by the censor“ 41. She also observed that „compilatio was a manner of text production that was also employed by religious women“ 42. The opening of our sermon, however, indicates unequivocally that in its original incarnation it was addressed, not to women, but to men: „Wir soellen v´ns froewen in gott, aller liepsten min brueder der gegenwertikeit v´wer bruederlichen samnung, wan on zwifel der heilig geist gu´sset v´ch in dz ir also reht erwirdiklich vnd froelich vnd also demuetiklich zesamen komen sind vnd dz ir gereisset sind zuo der ere des wirdigen heiligen sanctum Johannem Ewangelisten, Ein erwinscheter sun der megt vnd ein brueder Christi, Vnd des hu´ttigen sines hochzites.“
The shift from a male to a female audience suggests that at least in this instance the compiler most likely worked in Latin. Only once his mosaic had been assembled was the entire sermon translated into German. The preacher’s language further suggests that the men who made up his audience were fellow mendicants who, much like the apostles at Pentecost, had come together for inspiration on the feast day of John the Evangelist before going back out into the world to preach the word of God. The sermon continues by lavishing praise on John the Evangelist as Christ’s most beloved disciple („dz der von allen cristenen menschen aller meist liep gehebt,“ line 7), as his foremost officier („der groest fu´rgeordeneter,“ line 10), the cup-bearer of the high king („des aller hoehsten ku´nges kamerer,“ line 10), and his exceptional and secret friend („heimlicher uszgenumener fru´nd,“ line 11). In addition to heaping such epithets on John, the sermon argues, more adventurously, that he is especially to be loved because he (not Christ!) „so grosse goettliche minne vnd liebi zuo Vns gehebt het, dz er den schatz […] der […] der goettlich […] heit die im […] sind geoffenbaret hat, Und uns ovch die richtuom des ewigen lebens die er allein enphangen hat gemainsamet hat, Und getru´wlich vnd minsamklich geben hat “. In applying to John phrases and properties usually reserved for Christ, these words herald the remainder of the sermon, which explicitly elaborates a theology of deification 43. It is in its discussion of deification that the compiler depends most heavily on Eriugena. Eriugena played a key role in introducing the concept of deification, known in the Byzantine East as theosis, into western theology, and in giving it broader currency. In the ,Periphyseon‘, he notes that 44: „The use of this word, deification, is very rare in the Latin books. … I am not sure of the reason for this reticence: perhaps it is because the meaning of this word theosis (the term the Greek usually employ in the sense of the psychic and bodily transformation of the Saints into God so as to become one in Him and with Him, when there 41
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A. Syring, Compilatio as a Method of Middle High German Literature Production, in: J. Hamesse/ B. M. Kienzle/D. L. Stoudt/A. T. Thayer (eds.), Medieval Sermons and Society. Cloister, City, University (Fe´de´ration Internationale des Instituts d’E´tudes Me´die´vales. Textes et E´tudes du ˆ ge 9), Louvain-la-Neuve 1998, 117-143, esp. 142. Moyen A Syring, Compilatio (nt. 41), 142. For the theme of deification in medieval art, see Hamburger, St. John the Divine (nt. 9). The passage quoted here comes from the ,Periphyseon‘ V, 1015 B-C in the translation provided by E´. Jeauneau, Processio and Reditus (nt. 21), 24-25.
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will remain in them nothing of their animal, earthly and mortal nature) seemed too profound for those who cannot rise above carnal speculations, and would therefore be to them incomprehensible and incredible, and thus the doctrine was not to be taught in public, but only to be discussed among the learned.“
Eriugena’s ,Homily on John‘ formulates the concept of deification more succinctly: „Non enim aliter potuit ascendere in deum, nisi prius fieret deus.“ The libellus in Basel translates this phrase with eloquence and economy as: „Er moht ovch anders nit in gott sin vf gangen er were denn vor goettlich worden“ (lines 108-109). In light of the skepticism of fifteenth-century reformers regarding the more radical expressions of mystical piety inherited from the preceeding century, it is remarkable that this, among the most radical statements of the doctrine of deification in medieval Latin literature, survived in any form. Eriugena’s influence on Eckhart is elusive: everywhere, yet nowhere at the same time. Scholarly sleuths such as Ruh have been able to find few, if any, passages that were not mediated by intermediary sources, such as Thomas Aquinas 45. The sermon, in contrast, is suffused with the spirit of Eriugena’s ,Homily‘, and, in its first half, borrows from it liberally. The extent and character of the sermon’s borrowings are best indicated in tabular form (see Appendix I, columns 1-2). In addition to the occasional interpolation or elaboration, as well as a few omissions, repetitions, and variations in wording - many of which would be worthy of closer attention - the sermon echoes Eriugena’s imagery and rhetoric, without reproducing them exactly. The following represents a paraphrase of this sort: Vox spiritualis aquilae, § 1, 2-17: „Vox altiuoli uolatilis, non aera corporeum uel aethera uel totius sensibilis mundi ambitum superuolitantis, sed omnem theoriam, ultra omnia quae sunt et quae non sunt, ciuiuolis intimae theologiae pennis, clarissimae superaeque contemplationis obtultibus transcendentis. Dico autem quae sunt, quae siue humanum siue angelicum non omnino fugiunt sensum, cum post deum sint et eorum numerum quae ab una omnium causa condita sunt non excedant; quae uero non sunt, quae profecto omnis intelligentiae uires relinquunt. Superuolat itaque beatus theologus Iohannes non solum quae intelligi ac dici possunt, uerum etiam in ea quae superant omnem intellectum et significationem superuehitur, extraque omnia, ineffabili mentis uolatu, in archana unius omnium principii exaltatur.“ 45
Sermon, lines 36-39: „Dirr Sanctus Johannes hat v´berfaren nit allein die spitzi des bergen sunder ouch die ebni des landes vnd die hoehi der himmeln vnd die choer der engelen, won hette er nit alle geschaffene ding v´berfaren, so wer er nit komen zuo dem wort dur dz all ding geschaffen sind.“
First observed by Jeauneau, Jean Scot (nt. 6), 143, who also notes, 145-146, that the same source served the Dominican, Nicholas Eymeric (d. 1399).
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The preacher weaves his borrowings seamlessly into his own performance. Never does he so much as say: „Nu sprichet ein hoher meyster.“ 46 Direct quotations are interrupted by interpolations, of which the longest suggests that the preacher sought to inflate Eriugena’s already lofty claims for John: „Er ist ovch der aller heiligest Sanctus Iohannes ein sunderlich ror in der gottheit, Die die gnod der goettlichen erkantnisse treit in der cristenen menschen herz. Won die hoh gottheit muest iemer me verborgen sin gewesen der cristenheit hette si Sanctus Johannes nit geoffenbaret“ (lines 91-94). With these words, the preacher identifies John as the ultimate hierophant without whom the central mysteries of Christianity itself would never have been revealed. Although limited to four of the Homily’s twenty-three sections, the sermon’s borrowings from the ,Homily‘ are nonetheless substantial. Precisely those passages that speak most eloquently to the doctrine of deification represent an intelligent selection. Eriugena famously compares John to „the mystical bird, who flies fast and looks upon the face of God - I mean John, the ,theologian‘ - [who] rises above every visible and invisible creature, soars over all understanding, and, deified, enters into God who deifies him“. In Basel, this becomes: „Vnd dorumb so nen ich billich […] [ Johannes] ein meister der gottheit wan er ist gegoettet ingangen in gott Goettende mit v´ber gond all creaturen vnd sinne vnd alle verstentnisse vnd vernunft“ (lines 89-91). Karlsruhe is not quite so daring: „ein meister der gottheit“ is toned down to read „ein meister der heiligen geschrift “. Also included is a paraphrase of the opening invocation, in which the Evangelist is praised as having flown up to heaven by „an ineffable flight of the mind“ (lines 67-74) and Eriugena’s famous characterization of John as the „eagle, descending from the highest top of the mountain of theology, in his smooth flight to the deepest valley of history, loosening the wings of lofty contemplation, as he descends from heaven to earth of the mystic world“ (cf. lines 75-77). In cutting and pasting these passages, which come from separate sections of Eriugena’s original, the sermon evokes with great economy the cyclic path of ascent and descent that structures Eriugena’s mystical system. As in any such adaptation, what is omitted is just as important as what is included. The sermon emphasizes what Jeauneau, in his edition, calls „l’e´loge de saint Jean l’e´vangeliste“ (chapters 1-5) drawing in particular on the comparison of John to the eagle, and of John to Paul, and the section on John’s divinization. Other than chapter 14, which introduces the theme of the ,valley of history‘, no use is made of subsequent sections, which include the commentary on the prologue proper to John’s Gospel. In short, the German sermon appropriates grandiloquent passages of hyperbolic praise, leaving to one side the more analytical sections of theological commentary. The borrowings from Peter Damian’s sermons are entirely in keeping with this pattern, praising John as a scourge of heretics, an exemplary virgin, and a model contemplative 47. 46
47
H. Zuchhold, Des Nikolaus von Landau Sermone als Quelle für die Predigt Meister Eckharts und seines Kreises (Hermaea 2), Halle 1905, 123, line 21, quoted from a sermon on John the Evangelist in which the master in question is none other than Meister Eckhart. For the borrowings from Peter Damian, see Appendix II.
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Further evidence for the circulation of Eriugena’s ,Homily‘ in German comes from a separate section of the libellus in Basel, which, in addition to sermons, contains a variety of other texts associated with or about the Evangelist. Among these is a cento (foll. 28r-31r ) that Gustav Binz overlooked in his description of the manuscript. Larded into this mosaic of passages in praise of John is the longer passage from Eriugena (Homily 4, 4-16) that provided two of the excerpts found in the sermon, but employing different wording and attributed to Origen (a attribution found in quite a number of manuscripts). Vox spiritualis aquilae, § 4, 4-16: „O beate Paule, raptus es, ut tu ipse asseris, in tercium caelum, in paradisum, sed non es raptus super omne caelum et paradisum.
Sermon, Öffentliche Bibliothek der Universität Basel, Ms. A VI 38, fol. 50v: „O sancte paule, du bist gezogen in dz paradies als du sprichest vnd in den driten himmel,
Cento, Basel, Öffentliche Bibliothek der Universität Basel, Ms. A VI 38, fol. 30vb: „Origenes sprichet: ,Eya du seliger paule, du heissest vor ´ınen allen ein lerer der welt vnd der cloren ovgen eis des libes der cristenheit des hovbt christus ist vnd heissest ein u´ber hoh schellende schalmye vnd busun? vor den anderen vnd wurt gezucket als du sprichest in dz paradis vnd in den driten himel. Aber Sanctus Johannes ist u´ber alles paradies vnd u´ber alle geschaffen himmel gegangen vnd geflogen‘.
Iohannes omne caelum conditum omnemque creatum paradisum. Iohannes omne caelum conditum omnemque creatum paradisum, hoc est omnem humanam angelicamque transgreditur naturam.
aber Sanctus Iohannes ist v´bergangen alle paradis vnd alle geschaffene himmel.
In tercio caelo, o uas electionis et magister gentium, audisti uerba quae non licet homini loqui.
Aber du paule, ein vsserweltes vass vnd ein lerer des volkes, du hast gehoert die wort die do nit zimmen dem menschen ze reden.
Aber spricht er: ,O paule, du hest gehoert vnd geschen do von den lu´tten nit zinlich ist ze reden,
Iohannes, intimae ueritatis inspector, ultra omne caelum in paradiso paradisorum, hoc est in causa omnium, audiuit unum uerbum per quod facta sunt omnia; et licuit ei illud uerbum dicere hominibusque praedicare quantum hominibus praedicari potest, ac fiducialiter clamat: ,In principio erat uerbum‘.“
Sanctus Johannes der schovwer der inren worheit v´ber alle himmel in dem paradis aller paradisen, dz ist in dem anfang vnd end aller dingen, hat gehoert ein wort dur dz geschaffen sind alle ding, vnd dz im dz gezam ze sprechen als vil er den lu´ten gepredien moht vnd geschriben. Vnd dorumb rueffet er getu´rstiklich In principio erat etc., In dem angeng waz das wort.“
aber sanctus Johannes der ein anseher ist gewesen der innren worheit u´ber all himmel indz paradis aller paradi ist gezucket, dz ist daz inrest aller geschaffenen ding In den grundlosen brunnen aller wesens, vnd im doch mu´glich wz ze reden so vil es menschlich hertz moht gevohen vnd begriffen.‘ vnd ruft: ,In principio erat verbum et cetera.’ ”
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Sermon and cento represent independent translations of Eriugena’s ,Homily‘, indicating that the ,Vox spiritualis‘ enjoyed wider circulation in the vernacular than the sermon alone would suggest. The presence of Eriugena’s ,Homily‘, albeit partial, in various German texts whose origins can be traced to the late thirteenth century suggests that, far from an esoteric author, Eriugena, especially when circulating under names other than his own, enjoyed a certain currency, if not popularity. Several of the same excerpts also occur in the ,Liber de sancto Iohanne euangelista‘ by the Dominican Vincent of Beauvais, who died in 1264 (see Appendix I, column 3) 48. Like the sermon, Vincent’s short treatise is made up almost entirely of authorities, including, in addition to Eriugena, substantial segments of Peter Damian’s sermons. Of the six excerpts from the ,Homily‘ (from chapters 1, 2, 3, 5, and 14) incorporated into Vincent’s tract, three correspond quite closely to sections of chapters 4, 5, and 14 found in the sermon. The correspondences, however, do not permit one to conclude that Vincent served as the sermon’s source: in addition to telltale differences in wording, which indicate that the sermon drew directly on Eriugena (or on a more faithful intermediary than Vincent of Beauvais), omitted is the one section of chapter 1 that the sermon does not merely paraphrase but translates with reasonable accuracy (lines 13-16). Whereas Vincent is often content to paraphrase Eriugena, the sermon makes an ingenious attempt to translate his rather abstruse Latin as faithfully as possible. Rather than primary and secondary derivations from Eriugena’s original, sermon and treatise either go back to a common source that derives from Eriugena’s original or adapt it independently of one another. Rather than speaking of a revival of interest in Eriugena, it would, perhaps, be more appropriate to think in terms of a reinvigorated cult of the Evangelist, which led, in turn, to a renewed interest in Eriugena on John. This context returns us to Eckhart, in particular, his ,Expositio Sancti Evangelii secundum Iohannem‘, the work in which Eriugena’s influence has most often been suspected. Eckhart’s prologue is a miniature masterpiece no less accomplished than the invocation that opens Eriugena’s ,Homily‘. The two have been compared, on the basis not only of their content, but also their high-flown rhetoric, which in each case centers on the eagle as a symbol for the inspired Evangelist. In his commentary on the prologue, Niklaus Largier reports a consensus in suggesting: „In Erwägung zu ziehen ist hier auch der Einfluß von Johannes Scotus Eriugena, Homilia super prologum Joannis, wobei wohl kaum von einem direkten Einfluß ausgegangen werden kann. Wenn hier Gedanken Eriugenas ins Denken Eckharts Eingang gefunden haben, dann mit größter Wahrscheinlichkeit über die Lectura super Iohannem des Thomas von Aquin.“ 49 In light of the libelli, however, one must ask, why „wohl kaum“? „Wohl wahrscheinlich“ now seems more likely. 48 49
Jeauneau, Jean Scot (nt. 6), 141-142, identifies Vincent of Beauvais’ borrowings from Eriugena. Largier (ed.), Eckhart II (nt. 17), 846.
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Far removed though they may be from Eckhart’s commentary in form as well as content, Dominican libelli in honor of the Evangelist employ conventions that can shape our readings of Eckhart, just as they shaped his writing. Eckhart opens with three passages from the Old Testament (Ezechiel 17, 3; Job 39, 27; and Ezechiel 1, 5) that gloss the opening of John’s Gospel, „In principium erat verbum“ 50: „In principio erat verbum [ John 1, 1]. ,A large eagle with great wings, long-limbed, full of feathers, and of variety, came to Libanus, and took away the marrow of the cedar‘ [Ezechiel 17,3]. It is John the Evangelist who, building his nest in high places, dwelleth among cragged flints and stony hills [ Job 39, 27] from which he endeavors, contemplates, and preaches. He came to Libanus and took away the marrow of the cedar, cropped off the top of the twigs thereof and carried it away into the land of Canaan, for he drank in this Word in the lap of the Father and announced it to the inhabitants of the earth, saying in principio erat verbum. As Augustine says, he surpassed the other Evangelists in his profound knowledge of divine mysteries. And in the likeness of the four living creatures [Ezechiel 1, 5; Apoc. 4, 6], he is likened to the eagle, which flies higher than the other birds and looks into the rays of the sun with unblinded eyes.“
In Eckhart’s prologue, as in Eriugena’s ,Homily‘, the flight of the eagle provides the dominant motif. In linking John’s eagle with the eagle seen by the Old Testament prophet as part of his vision of the ,four living creatures‘ (Ezechiel 1, 5), Eckhart follows in the footsteps of the author of the Apocalypse himself 51. The link with Job is determined by what Eckhart omits, namely, that the bird that builds its nest in high places is once again the eagle, whence „she looketh for the prey, and her eyes behold afar off “ ( Job 39, 27-29). Eckhart applies the passage to John, who is characterized as a hunter who seeks to satisfy the intellectual and spiritual hunger of mankind 52. Eckhart’s manner of stringing together scriptural sources derives from distinctiones, lists or centos of scriptural authorities deemed relevant to a particular topic that provided the basis for exegesis, above all, in the form of sermons 53. A similar set of passages, designed to provide a basis for preaching, occurs in an illuminated Latin libellus in honor of St. John and St. James the Greater (held to be John’s brother), now in Gotha (Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt - Gotha, Ms. Memb. I 68). Style suggests that the libellus, which was 50 51
52 53
Ibid., 488. Ibid. 488, lines 1-23: „In principio erat verbum. ,Aquila grandis magnarum alarum longo membrorum ductu, plena pumis et varietate, venit ad Libanum et tulit medullam cedri. Summitatem frondium eius avulsit, transportavit eam in terram Chanaan‘. Ezech. 17. Iohannes evangelista ipse est ,in arduis ponens nidum‘ intentionis, contemplationis et praedicationis, ,in praeruptis silicibus‘ ,atque inaccessis rupibus‘, Iob. 35. ,Venit ad Libanum, tulit medullam cedri, summitatem frondium eius avulsit, in terram Chanaan transportavit‘, dum ipsum verbum in sinu patris hauriens habitantibus in terra manifestavit dicens: in principio erat verbum.“ See Volfing, John the Evangelist (nt. 9), 94-96. See R. H. Rouse, Biblical Distinctions in the Thirteenth Century, in : Archives d’histoire doctrinale et litte´raire du moyen aˆge 41 (1974), 27-37.
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made for a Dominican house, was illuminated in Nuremberg ca. 1410-1420 54. In its extravagant, even exaggerated, praise of the Evangelist, the manuscript should probably be seen as a product of the competition between the cults of the two St. Johns that, precisely during this decade, mendicant reformers in Nuremberg sought to suppress 55. The compilation confirms what in itself hardly comes as a surprise, namely, that Eckhart took as one point of departure the liturgical traditions of his own Order 56. In addition to a vita and the Apocalypse, the libellus includes treatises, sermons, prayers, hymns, sequences, as well as the text for John’s Office, complete with notation. The distinction that opens with Ezechiel 17, 3 continues with Ezechiel 1, 5, followed by related passages from Ecclesiasticus, Job and the Song of Songs (foll. 173r-176r ). Repeated references to Ecclesiasticus 15 as ,in hodierna epystola‘ indicate that the text served as the basis for a sermon for the Evangelist’s feast 57. The opening gloss conveys the tenor of the whole: „Ezechielis. Aquila ab acumine visus conductus est beatissimus Johannes, qui subtili mentis intuitu supra se elevatus unigenitum filium qui est in sinu patris qui erat in principio verbum vidit et nobis enarravit et nos scimus quia verum est testimonium eius.“ A later gloss identifies John as the virginal bride of Christ, applying to him language from the Song of Songs usually reserved for the Virgin Mary: „Veni ad lybanum et tunc coronaberis [Cant. 4, 8]. Mons lybani qui interpretatur candidacio est celestis patria.“ A miniature of John crowned by Christ and Mary, modelled on a Coronation of the Virgin, confirms the analogy [Fig. 1]. Yet another gloss is still more daring in applying to John the words spoken by God (Math. 17, 5) of Christ at the Transfiguration, to which, in the Gospels, John was merely a witness: „Unde dominus dicit: Tu es discipulus reclinauit meus dilectus in te conplacuit anime mee.“ 54
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57
See C. Hopf, Die abendländischen Handschriften der Forschungs- und Landesbibliothek Gotha: Bestandverzeichnis 1. Großformatige Pergamenthandschriften Memb. I (Gotha: Forschungsund Landesbibliothek, 1994), 49-52. Hopf tentatively localizes the manuscript to St. Willbrord at Echternach, without, however, providing any evidence in support of this hypothesis. For the localization to Nuremberg, see L. von Wilckens, Zwei Kanonbilder in Missalebänden des Nürnberger Katharinenklosters, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums (1963), 6266, and for the style of the miniatures, see also K. Jänecke, Der spiegel des lidens cristi. Eine oberrheinische Handschrift aus dem Beginn des XV. Jahrhunderts in der Stadtbibliothek zu Colmar (Ms. 306), Inaugural-Dissertation, Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg i. Br., Hannover 1964, 225, nt. 660, and L. E. Stamm, Die Rüdiger-Schopf-Handschriften, Aarau 1981. The female endings in some of the prayers point unequivocally to the manuscript having been made for, and perhaps by, a female Dominican community. For documentation relating especially to the convent of Poor Clares in Nuremberg, see J. Kist, Das Klarissenkloster in Nürnberg bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts, Nuremberg 1928, 1955 and 158-166; Caritas Pirckheimer 1467-1532, Munich 1982, 90-96; and L. von Wilckens, Kunst in Nürnberg um 1400. Eine Bilanz neuer Einblicke, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums (1996), 53-75, esp. 56-57. See H. J. Theisen, Predigt und Gottesdienst. Liturgische Strukturen in den Predigten Meister Eckharts (Europäische Hochschulschriften, Reihe 1, 1169), Frankfurt a. M. 1990. For the scriptural sources for the Office and Mass of John the Evangelist, see Volfing, John the Evangelist (nt. 9), chapter 2.
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Fig. 1. Coronation of John the Evangelist by Christ and the Virgin Mary, Latin libellus for John the Evangelist, Nuremberg, ca. 1410-20. Gotha, Universitäts- und Forschungsbibliothek ErfurtGotha, Ms. Memb. I 68, fol. 187r
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A short sermon from the same compilation (foll. 162r-167r ) echoes Eckhart in still more suggestive ways. Among the sermon’s purported sources are John Chrysostom and Rhabanus Maurus 58. Most frequently cited, however, is Augustine, including a passage from the City of God (Book X, chap. 29) in which the Church Father invokes the authority of an unnamed Platonic philosopher in declaring that so sublime are the opening words of John’s Gospel that they should be prominently displayed in golden letters: „Hoc enim cum quidam phylosophus legisset sicut refert sanctus Augustinus quod aureis litteris deberet scribi et poni in altum ut ob omnibus legi posset.“ Eckhart’s prologue refers to precisely this passage 59. To further demonstrate the scripture’s sublimity, the sermon quotes ,Orienes‘ (fol. 165v ), in fact, a paraphrase of the invocation that closes chapter IV of Eriugena’s ,Vox spiritualis‘: „O uas eleccionis et magister gencium audisti uerba que non licet homini loqui. Johannes uero retissime ueritatis inspector in paradysum paradysorum, id est, in prima causa audiuit uerbum per quod facta sunt omnia; et licuit ei dicere uerbum illud et hominibus predicare Unde fiducialiter clamat: In principio erat uerbum.“ 60
Another, longer treatise in the same compilation offers a much looser paraphrase (foll. 30r-30v ), combining reminiscences of invocations from chapters II (1-10) and IV (4-16) of the same passage. As in other instances, Eriugena is identified as Origen: „Propter hoc scribit origines in quadam omelia: O felix Iohannes, tu proprie uocaris iohannes in quo est gracia, nam cui homini talis graciatata est nescio. Iterum dicit petro qui nobiliter dixit ad christum: tu es filius dei uiui, bene et profunde, sed non a de profunde ut iohannes. O paule, dicis: tibis est magna data gracia. Rundit [sic] origines et dicit [,Vox spiritualis‘, IV, 4-16]: Dilecte mi, es tu raptus in tercium celum et in paradisum, sed iohannes uolauit super omnes creatos celos, hoc est super [30v ] omnes creatos celos, hoc est super angelos: et super creatum paradisum, hoc est super omnes homines. Iterum dicit origenes: tu electum uas, tu lumen et doctor christianitatis, tu audisti uerba que non licent homini loqui. Attamen iohannes integer speculator occultorum deitatis, in prima causa uidit eternum uerbum qui omnia causauit, quod concessum est et loqui: propter hoc dicit secure: in principio erat uerbum.“
The same passages are among those paraphrased in Vincent of Beauvais’ ,Liber de sancto Iohanne euvangelista‘, suggesting that Vincent may have served as an intermediary source for the libellus’s compiler 61. If so, the two treatises could be considered as evidence for the dissemination of Eriugena’s ,Homily‘ and its popularization at a date well before Eckhart’s career got underway. 58 59
60 61
The tract opens (fol. 167r ): „Primum erat omnes cursus christianitatis.“ Largier, Eckhart II (nt. 17), 490, 6-9: „Et De civitate dei 1. X narrat de quodam Platonico, qui dicebat principium huius capituli usque ibi: ,fuit homo missis a deo‘ „aureis litteris conscribendum et“ „in locis eminentissimis proponendum“ .“ Cf. Jeauneau, Jean Scot (nt. 6), IV, 9-16. Jeauneau, Jean Scot (nt. 6), 141-142, identifies those passages paraphrased by Vincent of Beauvais.
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Neither Ezechiel’s eagle, nor its counterpart in Job usually received an interpretation in bonum. Of the two eagles mentioned in Ezechiel’s prophecy, the first was associated, with few exceptions, with Satan or various secular powers, be it the Roman imperium (of which the eagle was also the emblem) or, above all, the wicked king Nabuchodosor, king of Babylon 62. In contrast, in keeping with Ezechiel 17, 12 („Behold the king of Babylon commeth to Jerusalem“) the second „large eagle, with great wings, and many feathers“ (Ezechiel 17, 7) was identified with Jerusalem and the kingdom of heaven. This second eagle takes shelter in vine that grows in Chanaan from the seed of the cedar cropped by the first: „Thus saith the Lord God: I myself will take of the marrow of the high cedar, and will set it: I will crop off a tender twig from the top of the branches thereof, and I will plant it on a mountain high and eminent. On the high mountains of Israel will I plant it, and it shall shoot forth into branches, and shall bear fruit, and it shall become a great cedar: and all birds shall dwell under it, and every fowl shall make its nest under the show of the branches thereof.“
There follows the prophecy of the dry tree and the green tree (Ezechiel 17, 24), which, in the same spirit, distinguishes between the tree that flourishes and the high tree that is laid low: „I the Lord have brought down the high tree, and exalted the low tree: and have dried up the green tree, and have caused the dry tree to flourish.“ Commentators read the contrast between the two trees as the opposition between Synagogue and Ecclesia, an antithesis that also formed a staple of Christian iconography 63. 62
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This is in keeping with the interpretations offered by the ,Glossa ordinaria‘; see Biblia Latina cum Glossa Ordinaria. Facsimile Reprint of the Editio Princeps Adolph Rusch of Strassburg 1480/81, 4 vols., Turnhout 1992, vol. 3, 253-255. Cf. Odo Cluniacensis, Moralium in Job, Libri XXXV, PL 133, col. 476, on Job 39, 27: „Nunquid ad praeceptum tuum elevabitur aquila, et in arduis ponet nidum suum? In Scriptura sacra vocabulo aquilae, aliquando praesentis saeculi potestates designantur, ut est in Ezechiel: Aquila grandis magnarum alarum, longo membrorum ductu, plena plumis et varietate, venit ad Libanum, et tulit medullam cedri, et summitatem frondium ejus avulsit [Ezech. XVII, 3, 4]. Aquila autem Nabuchodonosor intelligitur, qui immensitate exercitus magnarum alarum, pro diuturnitate temporum longa membrorum, pro multis divitiis plena plumis, pro innumera terrenae gloriae plena varietate.“ Cf. Rupert of Deutz, Commentariorum in Duodecim Prophetas Minores Libri XXXI, In Osee Prophetam Commentariorum, Bk. 3, chap. 3, PL 168, col. 119: „Aquila namque veniet super domum Domini, id est, Romanum imperium, cujus militare signum aquila erat, veniet super civitatem, in qua est domus Domini. In Ezechiele, ubi contra Judam prophetia dirigitur, decem tribubus jam in Assyrios translatis per aquilam Nabuchodonosor significatur his verbis: Aquila grandis alarum magnarum longo membrorum ductu, plena plumis et levitate, venit ad Libanum et tulit medullam cedri, summitatem ejus avulsit, etc.“ Ruusbroec’s association of the high flight of the eagle with heresy is in keeping with these glosses; see F.-J. Schweitzer, Caritatem habe, et fac quod vis! Die ,Freien Geister‘ in der Darstellung Jans von Ruusbroec und in Selbstzeugnissen, in: P. Mommaers/N. de Paepe (eds.), Jan van Ruusbroec. The Sources, Content and Sequels of his Mysticism (Mediaevalia Lovaniensia, Series I, Studia XII), Leuven 1984, 48-67, esp. 50. See L. Behling, Ecclesia als arbor bona. Zum Sinngehalt von Pflanzendarstellungen des 12. und frühen 13. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Kunstwissenschaft (1959), 139-154, and H. Toubert, Une fresque de San Pedro de Sorpe (Catalogne) et le the`me iconographique de l’Arbor BonaEcclesia, Arbor Mala-Synagoga, in: Cahiers Arche´ologiques 19 (1969), 167-189.
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Against this background, Eckhart’s gloss on Ezechiel is anything but conventional (if not without parallels). As Eckhart noted in the general prologue to the ,Opus tripartium‘, written, according to the latest estimates, ca. 1302-1303, his work contained ,new and unusual‘ (nova et rara) interpretations of authorities from both Testaments („ad auctoritatum plurimarum sacri canonis utriusque testamenti raras expositiones“) 64. In reading the eagle who crops the top of the cedar tree as John the Evangelist, Eckhart parts ways with precedent, without, however, going out on an exegetical limb. Among his contemporaries, Bonaventure comes closest to Eckhart in reading the marrow of the cedar as the divinity of the Word, hidden within the cedar, which stands in turn for Christ’s humanity. From this marrow stems John’s Gospel. Unlike the other Evangelists, who left the cedar intact, John penetrates to its core 65. Whether as emblems of John, Christ or the aspiring contemplative, eagles are an ubiquitous presence in late medieval mystical literature 66. In contrast, however, to the image of the eagle flying unhindered into the sun, drawn from bestiary lore, mystics only rarely made use of Ezechiel’s image of the eagle feeding on the marrow of the cedar as a figure of divine inspiration. Among Eckhart’s contemporaries, Marguerite Porete, who was burned at the stake in 1310, approximately three years before Eckhart completed his ,Expositio Sancti 64
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For the dates of the various parts of the ,Opus tripartitum‘, including the ,Expositio Sancti Evangelii secundum Iohannem‘, see L. Sturlese, Meister Eckhart in der Bibliotheca Amploniana. Neues zur Datierung des ,Opus tripartitum‘, in: A. Speer (ed.), Die Bibliotheca Amploniana. Ihre Bedeutung im Spannungsfeld von Aristotelismus, Nominalismus und Humanismus (Miscellanea Mediaevalia 23), Berlin-New York 1995, 434-446; L. Sturlese, Zur Stemmatik der offenen Tradition. Überlegungen zur Edition der drei Fassungen von Meister Eckharts ,Opus tripartitum‘, in: editio 6 (1992), 26-42, and G. Steer, Die Schriften Meister Eckharts in den Handschriften des Mittelalters, in: H.-J. Schiewer/K. Stackmann (eds.), Die Präsenz des Mittelalters in seinen Handschriften. Ergebnisse der Berliner Tagung in der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, 06.-08. April 2000, Tübingen 2002, 209-303. Bonaventura, Opera Omnia (Ad claras aquas 1893), vol. 6, Prooemium Comentarii in Ioannem, 241: „Evangelium beati Ioannis sublime est, quia de sublimibus agit, quia de Verbo incarnato secundum utramque naturam, quae valde sublimes sunt, maxime divina. Quod bene exprimitur parabolice Ezechielis decimo septimo: Haec dicit Dominus Deus: Ego sumam de medulla cedri sublimis, et plantabo super montem excelsum et eminentem, in monte sublimi Israel. Medulla cedri sublimis est latens Divinitas Verbi. Haec plantavit Deus Pater in monte sublimi Israel, quia humanae naturae in Christo univit, qui est lapis abcissus de monte sine manibus. De hac medulla cedri sublimis est Evangelium beati Ioannis. Aquila grandis magnarum alarum, longo membrorum ducti, plena plumis et varietate, venit ad Libanum et tulit medullam cedri. Summitatem frondium eius avulsit et transportavit eam in terram magnarum alarum, per contemplationis altitudinem; longo membrorum ducti, per exspectationis longitudinem; plena plumis et varietate, per virtutum multitudinem; venit ad Libanum, id est ad montem montium Christum; tulit medullam cedri, id est latentem Divinitatem Verbi; et summitatem frondium avulsit, quia operum divinorum excellentiam descripsit, sicut nobilissima miracula et altissima documenta, quae alii Evangelistae reliquerunt intacta.“ Bonaventure’s interpretation stems in part from Gregory the Great’s ,Moralia in Iob‘, chapter 47. Cf. Gotha, Ms. Memb. I 68, fol. 175v: „uel cedrus incorruptibilis est humanitas christi qui non uidit corrupcionem cum medulla est deitas. Tulit medullam cedri et attulit nobis cum dixit: Uerbum caro factum est et habitabit in nobis.“ There is not a single reference to Ezechiel 17 in the otherwise wide-ranging survey supplied by P. Dinzelbacher, Die mittelalterliche Adlersymbolik und Hadewijch, in: Mittelalterliche Frauenmystik, Paderborn 1993, 188-204.
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Evangelii secundum Iohannem‘, offers a parallel reading of Ezechiel 17. In chapter 22, the beguine branded as a heretic describes „comment cest Ame est acomparagee a l’aigle, et comment elle prent conge´ de Nature“ 67: „Adonc est ceste Ame acomparagee a l’aigle, pource que ceste Ame vole hault et tres hault, mais encore plus hault que nulz aultres oyseaux, care elle est empennee de Fine Amour. Elle regarde plus clerement la beaulte´ du soleil, le raiz du soleil et la resplendisseur du soleil et du raiz qui lui donne pasture de la mouelle du hault cedre.“
I am not proposing to link Eckhart and Marguerite Porete on so narrow a basis. Several scholars, however, among them Kurt Ruh and Bernard McGinn, have suggested that Eckhart must have been familiar with Porete’s case and with her writings 68. From 1311 to 1313, while teaching in Paris, Eckhart shared one roof at St. Jacques with William of Paris, the papal inquisitor who organized Marguerite’s trial and condemnations. Ruh proposed that Eckhart’s concept of the soul’s ,Vernichtung‘ resembles Margarete’s concept of the ame anientie closely enough to warrant positing a relationship between the two. Elaborating on an aside by Alois Maria Haas, that Eckhart „die Vergottungslehre in einen orthodoxen Zusammenhang zurückzuholen versuchte,“ Ruh suggested that Eckhart sought to ,redeem‘ the doctrine of deification in response to the teachings of beguines associated, at least in the eyes of their persecutors, with the heresy of the Free Spirit 69. As Eckhart himself was to discover, the line between orthodoxy and heresy was notoriously difficult to draw. Eckhart’s comparison of John to the eagle that „took away the marrow of the cedar“ finds a still more compelling parallel in a French treatise written and perhaps translated from the Latin in Paris ca. 1375-1380 in the circle of king Charles V. The treatise is entitled ,Les Loanges de monseigneur saint Jean l’e´vangeliste‘. Paris may seem far afield, but the author identifies himself as „frere Jehan de l’ordre des prescheurs de la province d’Alemaigne“ (fol. 1v ) and as „un maistre en divinite´ “ (fol. 1r ) 70. Given the treatise’s content, in which theological learning 67
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R. Guarnieri (ed.), Le Mirour des simples ames et qui seulement demourent en vouloir et desir d’amour, Rome 1961, 541; M. Doiron, The Middle English Translation of Le Mirour des simples ames, in: A. Ampe (ed.), Dr. L. Reypens Album, 1884-1964. Opstellen aangeboden aan Prof. Dr. L. Reypens s.j. ter gelegenheid van zijn tachtigste verjaartag op 26 februari 1964, Antwerp 1964, 131-152, errs in calling Marguerite’s employment of the image of the eagle from Ezechiel 17 ,typical‘. See K. Ruh, Meister Eckhart und die Spiritualität der Beginen. Perspektiven der Philosophie, in: Neues Jahrbuch 8 (1982), 323-334, reprinted in Ruh, Kleine Schriften II: Scholastik und Mystik im Spätmittelalter, ed. v. V. Mertens, Berlin-New York 1984, 327-336, esp. 333. See also McGinn, Meister Eckhart and the Beguine Mystics (nt. 21), and A. Hollywood, The Soul as Virgin Wife: Mechthild of Magdeburg, Marguerite Porete, and Meister Eckhart (Studies in Spirituality and Theology 1), Notre Dame 1995. See Ruh, Meister Eckhart (nt. 68), 329, and A. M. Haas, Sermo mysticus. Studien zu Theologie und Sprache der deutschen Mystik, Freiburg/Schweiz 1979, 238-254, nt. 28, and 249. (fol. 1r ) [Rubric] „Ci commence le prologue d’un livre qu’a fait un maistre en divinite´ de l’ordre des freres precheurs, des loanges monseigneur saint Jehan l’evangeliste.“ [Text ] „Valde honorandus est beatus Johannes. Saint Jehan l’evangeliste doit estre molt honore´.“ The explicit is: „Donques le devons nous especialment en nostre ayde appeller et de dignes loenges loer et de grans honeurs honorer.“
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is tailored to the requirements of lay readers at court, it is difficult to imagine that the John in question could possibly be the Johannes Teutonicus (ca. 1180d. 1252), otherwise known as John of Wildeshausen, who served as the fourth Master General of the Dominican Order from 1241 until the time of his death and contributed to the Order’s liturgy during its formative period 71. Several Johns with the same epithet are recorded at the University of Paris in the course of the fourteenth century 72. The unpublished treatise, for which there may well have been a Latin model, survives in two copies, one in St. Petersburg (National Library of Russia, Ms. Fr. O.v.I,1), the other in Berlin (Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. Hamilton 405) 73. Each opens with an initial in which the Evangelist or Johannes Teutonicus appears as a friar at work at his writing desk. In the copy 71
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See Th. Kaeppeli OP, Scriptores Ordinis Praedicatorum Medii Aevi, 4 vols., Rome 1970, 4748; M. Lutolf, Anmerkungen zum liturgischen Gesang im mittelalterlichen St. Katharinenthal, in: A. A. Schmid e. a., Das Graduale von Sankt Katharinenthal. Kommentar zur FaksimileAusgabe des Graduale von Sankt Katharinenthal, Luzern 1983, 235-264, esp. 237-239; D. A. Mortier, Histoire des Maıˆtres Ge´ne´raux de l’Ordre des Fre`res Preˆcheurs, vol. I, Paris 1903, 287-301; A. Walz, Compendium historiae Ordinis Praedicatorum, Rome 1958, 35-38, and P. Künzle, Heinrich Seuses Horologium Sapientiae. Erste kritische Ausgabe unter Benützung der Vorarbeiten von Dominikus Planzer OP (Spicilegium Friburgense 23), Fribourg 1977, 9-10, kindly brought to my attention by N. Palmer. This Johannes Teutonicus is not identical with the famous Bolognese canonist of the same name who wrote the ,Glossa ordinaria‘ to Gratian’s Decretals. See Chartularium Universitatis parisiensis, 4 vols., Paris 1889-1897, vol. 2, 165 ( Johannes Alemanus, recorded in 1313) and 394 ( Johannes de Almania, recorded in 1332). My thanks to M. Backes for bringing this material to my attention. Walter Senner OP kindly consulted the documentation at the IRHT on my behalf and reports another six possible candidates of both the thirteenth and fourteenth century, all listed in Kaeppeli (nt. 71). There is, unfortunately, no way of definitively linking the treatise with any of these figures. For St. Petersburg, National Library of Russia, Ms. Fr. O.v.I,1, see O. Pächt, The Illustration of the St. Anselm’s Prayers and Meditations, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 19 (1956), 68-83, esp. 78, nt. 1; J. F. Hamburger, Brother, Bride and alter Christus. The Virginal Body of John the Evangelist in Medieval Art, Theology and Literature, in: U. Peters (ed.), Text und Kultur. Mittelalterliche Literatur 1150-1450 (Deutsche Forschungsgemeinschaft-Symposium), Stuttgart 2001, 296-328, and T. Voronova and A. Sterligov, Les manuscrits enlumine´s occidentaux du VIIIe au XVIe sie`cle a` la Bibliothe`que nationale de Russie de Saint-Pe´tersbourg. France, Espagne, Angleterre, Allemagne, Italie, Pays-Bas (Bournemouth 1996), 88-92, Fig. 9299, with additional bibliography. Hamilton 405 is unpublished other than a listing in S. Lemm, Mitteilungen aus der königlichen Bibliothek, herausgegeben von der Generalverwaltung, Bd. IV (Kurzes Verzeichnis der romanischen Handschriften, Berlin 1918), 30, and a summary description in A. Boeckler, Schöne Handschriften aus dem Besitz der Preussischen Staatsbibliothek, Berlin 1931, no. 67, 116-117; see also G. Debure, Catalogue des livres de la bibliothe`que de feu M. le duc de La Vallie`re, premie`re partie […] (Paris 1783), vol. 1, 205, no. 578, and [Sotheby, Wilkinson, Hodge] Catalogue of the magnificent collection of manuscripts from Hamilton Palace (London 1882), 66, the latter kindly brought to my attention by Dominique Stutzmann, who will describe the manuscript in his forthcoming catalogue of romance manuscripts in the Staatsbibliothek zu Berlin. The stylistic comparisons suggested by Boeckler are unconvincing. A single folio (36v ) is reproduced in H. Degering, Die Schrift. Atlas der Schriftformen des Abendlandes vom Altertum bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, Tübingen 31952, 94.
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in St. Petersburg, which is the earlier of the two by as much as a generation, the program of illustration is both more complete and more elaborate. The Evangelist, identifiable by his halo, appears in the guise of a friar, complete with tonsure [Figs. 2-3]. Each of the treatise’s twenty-two chapters opens with either a miniature or a historiated initial. In contrast, the more modest copy in Berlin, painted in Paris ca. 1400, reduces the complement to eighteen 74. Remnants of instructions to the illuminator and sketches for the miniatures on some folios suggest that scribe and artist were not working from an illuminated exemplar. The copy in St. Petersburg lacks a presentation miniature or any other remaining indications of medieval ownership or provenance. Nonetheless, an erased and overpainted coat-of-arms on fol. 1r, still visible from fol. 1v, makes it clear that it was intended, not for the monarch, but rather for his brother, Jean, duc de Berry, one of whose name saints was none other than John the Evangelist 75. Indeed, the Duke’s inventories list a copy of the same text, almost certainly the one in St. Petersburg 76. Illuminated in a style similar to that of the Master of the Coronation of Charles VI, the manuscript resembles others made for the bibliophile monarch and members of his court, for example, a vernacular version of the visions of Elisabeth of Schönau, Les voies de Dieu, ou Visions de saint E´lisabeth (Paris, Bibliothe`que Nationale de France, Ms. fr. 1792, fol. 5r ), translated by Jacques Bauchant, whose copy prompted the king’s request for a translation 77. Both books indicate an interest at court in mystical texts of German origin, part of a cosmopolitan process of dissemination and exchange in which the international network of the Dominican order would have played a leading part. Although extent only in French, ,Les Loanges‘ nonetheless has important implications for the study of Eckhart, and not only because it identifies itself as stemming from German sources. In addition to glosses on Ezechiel 17 analo74
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In St. Petersburg, one chapter (chap. 12, ,Les offices de monseigneur saint Jehan‘) is anomalously punctuated by two miniatures, the first (fol. 84v ) at the opening, a second (fol. 85r ) after a short section of text. As a result, there are a total of 23 initials and miniatures in the copy in St. Petersburg, as opposed to only 20 in the copy in Berlin, where the miniatures for chapters 8, 11 and 14 were omitted, apparently for no other reason than that the text of the preceding chapter ended close to the bottom of a text column, leaving no room for the miniature unless it spilled over onto the subsequent folio. My thanks to Dominique Stutzmann for bringing Jean de Berry’s ownership to my attention. See J. Guiffrey, Inventaires de Jean duc de Berry (1401-1416), Paris 1894, vol. 1, 231 (no. 811), and L. Delisle, Recherches sur la librarie de Charles V, roi de France, 1337-1380, Partie II: Inventaire des livres ayant appartenu aux rois Charles V et Charles VI et a` Jean, duc de Berry, notes et tables (Paris 1907; reprint, Amsterdam 1967), no. 216, *269: „Un livre en francX ois des Loenges de saint Jehan euvangeliste, historie´ en plusieurs lieux, et au commencement a un escu des armes feue madame la duchesse.“ See L. Delisle, Recherches sur la librairie de Charles V, roi de France, 1337-1380, 2 vols., reprint edition, Amsterdam 1967, vol. I, 88-91 and 235-236, La Librairie de Charles V, Paris 1968, cat. no. 182, 104-105, and, for a color reproduction, P. Dinzelbacher, Himmel, Hölle, Heilige. Visionen und Kunst im Mittelalter, Darmstadt 2002, 126-127. The dedication page is reproduced in L. Delisle, Fac-simile de livres copie´s et enlumine´s pour le roi Charles V. Souvenir de la journe´e du 8 mars 1903 offert a` 3 ses amis, Paris 1903, 8 and plate III.
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Fig. 2. „Frere Jehan de l’ordre des prescheurs de la province dalemaigne,“ John the Evangelist as a friar, Loanges monseigneur saint Jehan, Paris, ca. 1375-1380. St. Petersburg, National Library of Russia, Ms. Fr. O.v.I,1, fol. 1r
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Fig. 3. “Frere Jehan de l’ordre des prescheurs de la province d’alemaigne,“ author portrait, Loanges de monseigneur saint Jehan, Paris, ca. 1400-1410. Berlin, Staatsbibliothek-Preußischer Kulturbesitz, Ms. Hamilton 405, fol. 1r
gous to Eckhart’s, it also contains, to the best of my knowledge, the only known translations of Eriugena’s ,Homily‘ into medieval French. In his prologue, the otherwise unidentifiable John of the Dominican province of Teutonia identifies his sources, which include a wide range of Greek and Latin fathers. The author adds, „quant a la mainiere de proceder a ce que la quotation des aucteurs ne corrumpent le stile ie ne nommeray pas les docteurs ou corps du livre, mais toutefuoies pour avoir tesmoignage plus certain ie le mectray en la marge“ (foll. 3v-4r ) 78. From this, it can be gleaned 78
John lists his authorities as follows (foll. 3r-3v ): „Et est a savoir que pour la vraie commendation de cestui saint avec les escriptures canoniques je amenray les tesmoings de pluseurs nobles et sains docteurs comme de saint Augustin lequel bien souvent pour cause de son stile qui est molt bel et gracieux. je appelleray le grant pere. de saint Jerome lequel aucune foiz je nommeray prestre ou cardinal, de saint Ambroise que je nomeray bien souvent le grant Ambroise ou arcevesque, de saint Gregore que je nommeray pastour des oailles de Jhesu Crist, ou celi noble Gregoire, de saint Denis qui est dit Ariopagite, de Jehan Cristostome qui est appelle´ Bouche d’or, de Jjehan Damascene, de saint Bernart qui est le pere de Clerevaux, de Origene que ie nommeray le noble, du grant Albert de l’ordre des prescheurs que ie nommeray le grant Albert, ou Alement ou Barbarin, de saint Thomas qui fut d’Aquin lequel je diray Aquinais, de Pierre de Ravenne que ie nommeray Ravennais, ou je les loeray comme tieulx, de Pierre Damien que ie appeleray Damien, ou je le nomeray comme aucuns autres, c’est a savoir Milet de Laodice´, Ysidiore le grant et saint Girart de Moresne qui furent jadis evesques, et s’il y en a aucuns autres qui soient entitulez du tiltre de noble pere ou de docteur telement je les nommeray, et n’est
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that the manuscript in St. Petersburg is not the (most likely Latin) original; at the very least, its mise-en-page, in which the authorities‘ names have been larded into the text, no longer reflects its author’s intentions. Among the authorities indicated is Johannes Scotus Eriugena, identified, however, as Peter Damian. The principal quotations from Eriugena’s ,Homily‘ are woven into the fabric of the treatise’s fifth chapter, entitled „comment saint Jehan fu deciple de ihesu crist et parquels signes il le demonstra“. The chapter opens with a miniature made up of two separate scenes, on the left, a kneeling John receiving a sealed letter from a standing Christ, on the model of the Virgin Mary at the Annunciation, on the right, John bearing witness to Christ’s sacrifice at the Crucifixion 79 [Fig. 4]. In speaking of John’s unmatched insight into the mysteries of the divinity, the anonymous Dominican echoes Eriugena, especially chapters 15-21 of his ,Homily‘. In most cases, however, we are at best dealing with echoes of Eriugena, not direct quotations. The following section, however, a demonstration of „comment saint Jehan seurmonta saint Pol et les autres sains en la clarte´ de vision“ (fol. 51r ), translates Eriugena more or less word for word, although it cannot be proven the author of the original Latin had direct recourse to the full text of Eriugena’s original. The compiler refers to the proofs of certain noble persons, including, once again, Peter Damian („et ceci je demonstreray par les tesmoins des nobles hommes, c’est a savoir des sains docteur[s] de quoy parle Pierre Damien disant ainsi“ [foll. 51r-51v]): St. Petersburg, National Library of Russia, Ms. Fr. O.v.I,1, fol. 51v: „Celi esperituel Dedalus volant bien tost, c’est assavoir s. Jehan qui seürmonte toute creature et tout humain entendement, mue´ en Dieu entra en celi qui fait des hommes dieux, c’est a savoir en dieu le pere. O beneüre´ saint Pol, tu fus ravis en paradis comme tu dis et ou tiers ciel, mes saint Jehan trespassa tout paradis et ciel cree´. Tu qui es le vaissel d’eleccion et le maistre des paiens oı¨s ou tiers ciel les paroles qui n’appartiennent pas a dire a homme. Mais saint Jehan qui contemple la souveraine verite´ oy¨ oultre tout ciel, ou paradis des paradis, cest a savoir en la cause de toutes choses, et en osa au monde parler tant comme on la puet aus hommes parler en preschant de quoy il crie fiablement au commencement de son evangile en disant: le filz de Dieu estoit au comencement.“
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Vox spiritualis aquilae, § 4, 1-16: „Spirituale igitur petasum, citiuolum, deiuidum Iohannem dico theologum - omnem uisibilem et inuisibilem creaturam superat, omnem intellectum penetrat, et deificatus in deum intrat se deificantem. O beate Paule, raptus es, ut tu ipse asseris, in tercium caelum, in paradisum, sed non es raptus super omne caelum et paradisum. Iohannes omne caelum conditum omnemque creatum paradisum, hoc est omnem humanam angelicamque transgreditur naturam. In tercio caelo, o uas electionis et magister gentium, audisti uerba quae non licet homini loqui. Iohannes, intimae ueritatis inspector, ultra omne caelum in paradiso paradisorum, hoc est in causa omnium, audiuit unum uerbum per quod facta sunt omnia; et licuit ei illud uerbum dicere hominibusque praeicare quantum hominibus praedicari potest, ac fiducialiter clamat: ,In principio erat uerbum‘.“
pas merveille se je di ceci de celi Pierre Damien, car si comme les hystoires enseignent ou temps de Henry le quart qui fu de Romme empereur, il estoit tres rennome´ comme celui qui estoit tres excellent et fu puis evesque dit Hostiense.“ For fuller analysis of this image, see Hamburger, Brother, Bride and alter Christus (nt. 73).
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Fig. 4. „Comment saint Jehan fu deciple de Jhesu Crist et parquels signes il le demonstra,“ Loanges de monseigneur saint Jehan, Paris, ca. 1375-1380. St. Petersburg, National Library of Russia, Ms. Fr. O.v.I,1, fol. 44v
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The naming of John a ,spiritual Daedalus‘ is the translator’s fanciful addition. Otherwise, his translation is faithful to Eriugena’s original. The passage continues with a paraphrase of the opening to chapter V, the section in which Eriugena introduces the topic of John’s divinization (foll. 51v52r ): St. Petersburg, National Library of Russia, Ms. Fr. O.v.I,1, foll. 51v-52r: „C’est a savoir pardurablement, donques il n’estoit me´s homme quant il seürmonta soy meismes et toutes choses creees, et par la vertu de excellent sapience et par le tres pur regart de sa pensee il fu esleve´ a veoir les secrez qui sont par dessus toutes choses, c’est a savoir a cognoistre une divinite´ en trois personnes et trois personnes en une essence, ne autrement il ne povoit a Dieu attaindre. Et s’il ne fust premierement mue´ en Dieu aussi comme nostre veüe ne puet cognoistre les choses sensible iusques a tant que la raye du soleil fort iointe a loeil corporel et de ses .ii. choses une soit faite. Donques le beneüre´ theologien mue en dieu et parsonnier de la verite´ crie que Dieu la parole est en Dieu le commencement, c’est a savoir Dieu le filz en Dieu le pere. Ausquiex diz s’acorde tres noble docteur, lequel en preschant de saint Jehan, et en le comparant a l’aigle dit de lui en tele maniere: il vola de terre jusques au ciel, et non pas tant seulement au tiers ciel mais par dessus touz les cieulx, il vola sus les pennes des venz, c’est a savoir sus les puissances angeliques, ains sus la souveraine ordre qui est dite seraphin.“
Vox spiritualis aquilae, § 5, 1-17: „Non ergo Iohannes erat homo, sed plusquam homo, quando et seipsum et omnia quae sunt superauit, et ineffabili sapientiae uirtute purissimoque mentis acumine subuectus, in ea quae super omnia sunt, secreta uidelicet unius essentiae in tribus substantiis et trium substantiarum in una essentia, ingressus est. Non enim aliter potuit ascendere in deum, nisi prius fieret deus. Vt enim radius oculorum nostrorum species rerum sensibilium coloresque non prius potest sentire quam se solaribus radiis immisceat, unumque in ipsis et cum ipsis fiat, ita animus sanctorum puram rerum spiritualium omnemque intellectum superantium cognitionem non suffert accipere, nisi prius incomprehensibilis ueritatis participationem dignus efficiatur habere. Sanctus itaque theologus, in deum transmutatus, ueritatis particeps, deum uerbum subsistere in deo principio, hoc est deum filium in deo patre, pronuntiat: In principio, inquit, erat uerbum.“
The treatise’s third chapter, which opens with a miniature of the Transfiguration, paraphrases the same passage, attributing it once again to ,Peter Damian‘: „Et a ceci s’acorde Pierre Damien qui dit en tele maniere le deı¨fie´, c’est a savoir saint Jehan seürmonte [seürmontant, Ms. Berlin] tant toute creature et tout humain entendement entra dedenz Jhesu Crist, et par tres pur entendement cognut les secrez qui sont par dessus touz autres, c’est a savoir une essence en trois personnes et trois personnes en une essence“ (fol. 34v ). In this case, however, the passage is marshalled as part of a different argument, in the words of the chapter’s title (fol. 29v ): „de la familiarite´ que Dieu et sa mere orent a monseigneur saint Jehan et quelz signes ilz li monstrerent.“ Chapter 5 of ,Les Loanges‘ concludes as Eckhart’s commentary on John begins, with an elaboration of Ezechiel 17. If John the Evangelist penetrates to the heart of divine mysteries, it is because, like the eagle that „took away the marrow of the cedar“:
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„ il vola de terre jusques au ciel, et non pas tant seulement au tiers ciel mais par dessus tous les cieulx. Il vola sus les pennes des venz, c’est a savoir sus les puissances angeliques, ains sus la souveraine ordre qui est dite seraphin, et en prenant les pennes d’aigle il vola iusques au hault cedre, c’est a savoir jusques a la destre de Dieu le pere. Et se tu veulz savoir qu’il y fist, et quelle chose il nous en aporta, je te respons qu’il nous en aporta la moelle, c’est a savoir la parole de Dieu le pere laquelli [sic] il prist ou cuer du pere, laquelle parole c’est a savoir le filz de Dieu que est la parole medicinable, la parole qui estoit au monde celee, la parole qui est pardurable par laquelle Dieu le pere a toutes choses creees“ (foll. 52r-52v ).
Writing about his namesake, John the Dominican returns to the same source in chapter 9, „des excellences de la doctrine saint iehan et du proffit qui en vint a toutes manieres de genz“ (fol. 66r ). The miniature opening this chapter portrays John kneeling devoutly in prayer, looking more like the patron of a fourteenth-century prayer book than a quasi-Divinity [Fig. 5]. John, the chapter explains, „c’est l’aigle de quoy parla Ezechiel qui dist que une grant aigle de longues eles vint au Liban et prist la moelle du cedre et arracha le coupel des branches. Ceste aigle est saint Jehan qui fu grant en charite´ de longues eles en contemplant la verite´ qui vint au Liban, c’est a savoir a Jhesu Crist qui est la haute montaigne, et prist la moelle du cedre, c’est a savoir il cognut la divinite´ qui estoit celee avecques humanite´, et arracha le coupel des branches, car il escript l’excellence des oevres et des miracles de Dieu“ (fol. 68v ). Although John of Teutonia lists the authorities that inform his treatise, it cannot be assumed that he had direct recourse to them all. He may well have drawn on intermediary sources, among them other treatises, commentaries, and sermons on the Evangelist. One can only speculate, but the content and character of the treatise, for which French religious writing of the period provides few, if any, points of comparison, might well stem from Latin models composed at or around the University in Paris in the first decades of the fourteenth century, at the very time when Eckhart was writing his commentary on John. Previously unidentified borrowings from Eriugena in an unpublished treatise by the Dominican, Nicholas of Strasburg, ,De beato evangelista Johanne‘, point to the existence of the widespread circulation of selected excerpts from the ,Homily‘. Nicholas was appointed vicar of the province of Teutonia in 1325; his treatise on John, in which Nicholas praises the Evangelist as an exemplary virgin, disciple and teacher of holy wisdom, circulated together with his ,Flores de gestis beatae Mariae‘ 80. The passages that he paraphrases without any attribution are much the same as those quoted in the sermon in Basel and Karlsruhe 81. They are, moreover, combined in much the same way. 80
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Described by E. Hillenbrand, Nikolaus von Strassburg. Religiöse Bewegung und dominikanische Theologie im 14. Jahrhundert (Forschungen zur Oberrheinischen Landesgeschichte 21), Freiburg i. Br. 1968, 79-88; the treatise remains unpublished. I consulted the copy in the British Library, Add. Ms. 29984, foll. 147r-160v. According to Hillenbrand, over a third of the treatise draws on Peter Damian’s sermons on John the Evangelist. Chapter 14 („Cur in aquile designatur“), Add. 29984, fol. 154r, borrows heavily from the Homily I, 1-8 and XIV, 1-5: „hic velut ad celum cum domino uolauit: dum eterna diuinitatis eius naturam per quam facta sunt omnia sublimius mente uolando et limpidius speculando cognouit. ac nobis cognoscendam scribendo tradidit. In principio inquit erat uerbum. Ecce uox spiritualis aquile auditum pulsat ecclesie. Vox
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Fig. 5. „Des excellences de la doctrine saint Jehan et du proffit qui en vint a toutes manieres de gens,“ Loanges de monseigneur saint Jehan, Paris, ca. 1375-1380. St. Petersburg, National Library of Russia, Ms. Fr. O.v.I,1, fol. 66r
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The content of John’s Gospel assured it a prominent profile in the commentary tradition, but the thirteenth and fourteenth centuries witnessed a revival, or, perhaps better, a transformation, of interest in John as a devotional and even as a literary model 82. In addition to the profusion of illustrated Apocalypses, many of them incorporating commentaries in the vernacular, new didactic tracts were written, praising John as a model, despite his exalted and exclusive status 83. ,Les Loanges‘ most likely was translated as part of Charles V’s systematic campaign to make available in French all sorts of theological and didactic works. A full and proper evaluation of ,Les Loanges mon seigneur saint iehan levangeliste‘, including its dependence on Eriugena, awaits a full and proper edition. In this context, it suffices to point out that John of Teutonia makes no distinction between Peter Damian and Eriugena. The fact that Eriugena circulated under Peter Damian’s name explains how, in the sermon included in the libelli in Basel and Karlsruhe, a similar conflation occurred, even if there under the still more unlikely name of Bernard of Clairvaux. Turning in a different direction, it is possible to identify yet a further point of comparison for Eckhart’s interpretation of Ezechiel 17. It comes in the form of an image, the great initial ,I‘ for the versicle „In medio ecclesie aperuit os eius et implevit eum dominus spiritu sapientie et intellectus stola glorie induit eum,“ a paraphrase of Ecclesiasticus 15, 5, that opens the feast of John the Evangelist in the Gradual of the Dominican convent of St. Katharinenthal 84. The chronicle of St. Katha-
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inque altiuidi uolatilis ultra omnia que sunt et qui non sunt: omnem theoriam citiuolis intime theologie pennis clarissimesque contemplationis obtutibus transcendentis. Et paulo post fuit inquit homo missus a deo etc. Ecce misit aquilam de sublimissimo uertice montis theologie leui uolatu descendentem ad profundissimam historie uallem de celo in terram pennas altisimme contemplationis demittentem. Intuere ergo celum apertum id est reuelatum mundo summo diuinitatis misterium,“ etc. Chapter 20 („Quod in super deificatus angelis assimilatur“) borrows from the Homily IV-V, 16: „Spirituale ergo pegasum citiuolum dedalum iohannem dico theologum. qui omnes creaturam omnesque superans intellectum deificatus deificantem intrauit in deum. O paule beate raptus es ut asseris in paradisum et in tertium celum. sed iohannes transgreditur omnem paradisum celumque creatum. In tercio celo vas electionis et magister gencium audisti uerba creatum. In tercio celo uas electionis et magister gencium audisti uerba que non licet homini loqui [fol. 157r ]. Iohannes intime ueritatis inspector ultra omne celum in paradisum paradisorum. hoc est in causa omnia audiuit unicum uerbum per quod facta sunt. omnia quod et licuit [sic] ei loqui quantum potest hominibus predicari. unde et fidicaliter clamat In principio erat uerbum. non ergo iam erat homo sed plusque homo quando et seipsum et omnia que sunt superauit et ineffabili sapientie uirtute purissimoque mentis acumine subuectus: in ea quae super omnia sunt. secreta uidelicet unius essencie in tribus substanciis et trium substanciarum in una essentia introiuit. non enim aliter potuit in deum ascendere: nisi prius fieret deus sicut nec oculorum nostrorum radius rerum sensibilium species atque colores potest sentire. priusque se radiis solaribus immisceat. unusque in ipsis et cum ipsis fiat. Sanctus ergo theologus in deum transmutatus ueritatis particeps deum uerbum in deo principio clamat subsistem. hoc est deum in filium deo patre,“ etc. See Volfing, John the Evangelist (nt. 9). See S. Lewis, Reading Images. Narrative Discourse and Reception in the Thirteenth-Century Illuminated Apocalypse, Cambridge 1995. Wehrli-Johns, Das Selbstverständnis (nt. 8), 259-260, notes that Thomas Aquinas, in his commentary on John, uses this passage to underscore John’s character as the embodiment of the vita contemplativa and its superiority to the vita activa embodied by Peter. For a fuller discussion of the Gradual’s iconography, see Hamburger, St. John the Divine (nt. 9), chapter 5, of which an abridged version has been published in German as: Siegel der Ebenbildlichkeit, voll von
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rinenthal reports that „Meister Eckart was ze einer zit bi u´ns,“ and there is no reason to doubt its testimony, even if much of what it reports cannot be taken as a matter of fact 85. Noted for the complexity of its iconography, much of which is mystical in character, the Gradual is dated 1312, making it contemporaneous with parts of Eckhart’s ,Opus tripartitum‘. The Gradual accords the Evangelist exceptional programmatic prominence: of its seventy-six initials, no fewer than thirty are devoted to the Evangelist (as opposed to a mere three for Dominic, the patron of the Order). Looking at the lavishly illuminated incipit inevitably calls to mind Augustine’s comment, quoted by Eckhart, that the opening of John’s Gospel should be prominently displayed in gold for all to see 86. In the Gradual of St. Katharinenthal, the initial ,I‘ that opens John’s feast towers along the outer margin and proclaims the larger significance of the Evangelist’s life and message [Fig. 6]. In its format, the initial recalls the ,In principio‘ initials for Genesis in Gothic bibles, a deliberate linking of the two Testaments. The ,In principio‘ of Genesis is linked visually to the ,In principio‘ of John, suggesting the overarching unity of the two Testaments. The theme of contemplative vision is taken up and elaborated in the rest of the initial. Read from bottom to top, the roundels trace an ascent towards the unmediated vision enjoyed by the blessed in heaven. Of these, the first has proven the most resistent to interpretation, yet it provides the key to much of the ensuing program. The roundel shows an eagle perched in a tree with a scroll inscribed ,In principio erat verbum‘. To either side of the tree can be seen, on the left, a second eagle and, on the right, a seated figure with a halo who points upward, who has been identified as the Evangelist. Unfortunately, the scrolls held by the second bird and the man are now illegible. This roundel does not, as has been suggested, illustrate a moralization of the eagle as a figure of contemplation. The tree, and by extension, the entire initial, is the cedar of Lebanon, as it is described in Ezechiel 17, which also accounts for the presence of two eagles. The roundel represents the sole representation in all of medieval art of the ,root‘ for the great ,trunk‘ of the initial rising above it that culminates, like sacred history, in the person of Christ. The eagle perched in the ,top of the twigs‘ is the large eagle who crops the cedar and eats its ,marrow‘ (i. e., John), the eagle at the lower left is the second eagle towards whom the vine bends its roots (i. e., Christ). The haloed figure to the right, then,
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Weisheit. Johannes der Evangelist und die Bildersprache der Vergöttlichung im Graduale von St. Katharinenthal, in: Präsenz des Mittelalters (nt. 64), 115-137. R. Meyer, Das ,St. Katharinentaler Schwesternbuch‘. Untersuchung, Edition, Kommentar (Münchener Texte und Untersuchungen 104), Tübingen 1995, 131, line 95, and 263-264. Augustine’s remark is of interest in that it documents the use of chrysography in his lifetime, well before the earliest extant manuscripts written in gold, which date to the 6th century; see J. Lowden, The Beginnings of Biblical Illustration, in: J. Williams (ed.), Imaging the Early Medieval Bible, University Park, PA 1999, 9-59.
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Fig. 6. In medio ecclesie, Gradual of St. Katharinenthal, 1312. Schweizerisches Landesmuseum, Zürich, Inv.-Nr. LM 26117, fol. 158v
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Fig. 7. In medio ecclesie, Gradual of St. Katharinenthal, 1312. Schweizerisches Landesmuseum, Zürich, Inv.-Nr. LM 26117, fol. 158v, detail
is not John, but Ezechiel. The flowering serifs that curl up to either side to enclose opposing pairs of nuns and lay donors are not simply decorative extensions of the initial, they also extend and elaborate its meaning. They represent the paradisiacal arbor to which God refers when, in Ezechiel’s prophecy, he declares of the tree: „All birds shall dwell under it, and every fowl shall make its nest under the shadow of the branches thereof.“ From its inception, the decoration to the Evangelist’s feast holds out the promise of a return to paradise, mapped out within the initial’s roundels in terms of an upward ascent to God in majesty [Fig. 7]. After a series of initials that identify John with Christ and Holy Wisdom, the program culminates with another ,I‘-initial that once again show John rising through a series of imbricated medallions. In this case, however, it is not John’s contemplative ascent that is represented, but rather the assumption of his body into heaven, an event that was taken to confirm his deification 87. In the Gradual of St. Katharinenthal, the majority of the initials illuminating the Evangelist’s feast illustrate a liturgical sequence written in his honor, ,Verbum dei, deo natum‘. Responding to cues in the sequence, the imagery of the initials 87
See my discussion of John’s assumption into heaven in: St. John the Divine (nt. 9).
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that open each section of the sequence celebrates John’s divinization and his identification with Holy Wisdom 88. Passages from the same sequence are woven into the fabric of the French treatise, ,Les Loanges‘ 89. After praising John’s unparalleled wisdom and insight into the mysteries of the divinity, the compiler proceeds by paraphrasing the sequence ,Verbum dei, deo natum‘, which, in addition to comparing John to Ezechiel’s eagle, characterizes him, in terms reminiscent of Eriugena, as a ,spiritual speculator‘: „Speculator spiritalis/quasi Seraphim sub alis/ dei videns faciem“ (section 3b). In ,Les Loanges‘, these verses are rendered as „Le regardeur esperituel vit la face clere de dieu comme cherubin dessous les eles“ (St. Petersburg, fol. 49v ). In the Gradual, the initial ,S‘ that opens the verse ,Speculator spiritalis‘ shows John holding a scroll reading „Hec est vita eterna,“ addressing a female personification of Wisdom [Fig. 8]. The compiler notes that these verses signify that „il [ John] vit la roe du vray soleil par quoy Dieu est entendu qui est comparage´ au soleil pour ce qu’il enlumine tout le monde, et a la roe pour ce qu’il n’a ne commencement ne fin“ (St. Petersburg, fol. 49v ), a gloss that is no more than a paraphrase of the preceeding portion of the sequence (section 3a): „Celum transit veri rotam/solis ibi videt totam/mentis figens aciem.“ In the Gradual, the initial that opens these verses portrays Ezechiel declaring: „Tu signaculum similitudinis plenus sapiencia,“ „Thou wast the seal of resemblance, full of wisdom, and perfect in beauty“ (Ezechiel 28, 12) [Fig. 9]. The same imagery of sealing recurs in chapter four of ,Les Loanges‘, „de l’amour que Dieu ot a s. Jehan l’evangeliste et comment il li monstra“ (fol. 40v ), which opens with a miniature depicting, on the left, John receiving inspiration from the Holy Spirit (on the model of the Virgin Mary at the Annunciation), and on the right, by John looking up to God, whose unfurled scroll represents the outpouring of the Word into John, his chosen vessel [Fig. 10]. The ensuing text takes up the imagery of sealing, elaborated in the second response for the first nocturn in the Office of the Evangelist and intended to identify the Evangelist as the mirror image of Christ and ideal incarnation of the imago dei: „notre mere sainte eglise chante de saint iehan en la personne de ihesu crist. en celle iournee dit il: ,ie te receure mon sergent et te mectray comme un signacle devant mes yeux, car ie tay esleu‘ “ (fol. 41r ). The Office, which paraphrases Song of Songs 8, 6 („pone me ut signaculum super cor tuum, ut signaculum super brachium tuum, quia fortis est ut mors dilectio“) in order to identify John as Christ’s virginal bride who, on 88
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See Hamburger, St. John the Divine (nt. 9), chapter 5. ,Verbum dei deo natum‘ appears to be the only sequence ever to have been illustrated in the Middle Ages. In addition to its illumination in the Gradual of St. Katharinenthal, one newly discovered example can be cited: Harvard University, Houghton Library, Ms. Typ 1095, closely related to a Gradual now in Düsseldorf, Landes- und Universitätsbibliothek, Ms. D 11, reproduced in: Gotische Buchmalerei aus Westfalen. Choralbücher der Frauenklöster Paradiese und Welver bei Soest, ed. by U. Löer, Soester Beiträge 57, Soest 1997, in which the illumination for the feast of John the Evangelist exalts him in similar terms derived from the theology of deification. The fragments at Harvard include inscriptions attributed to Origin that in fact represent borrowings from the ,Vox spiritualis‘ of Eriugena. Together with Felix Heinzer and Susan Marti, I am preparing a study of the newlydiscovered leaves. A similar use of the sequence as a source can be found in the libellus in Gotha, fol. 177v.
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Fig. 8. Speculator spiritalis, Gradual of St. Katharinenthal, 1312. Schweizerisches Landesmuseum, Zürich, Inv.-Nr. LM 26117, fol. 159r, detail
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Fig. 9. Celum transit, Gradual of St. Katharinenthal, 1312. Schweizerisches Landesmuseum, Zürich, Inv.-Nr. LM 26117, fol. 159r, detail
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Fig. 10. Christ infusing John the Evangelist with the Holy Spirit; John in prayer. Loanges de monseigneur saint Jehan, Paris, ca. 1375-1380. St. Petersburg, National Library of Russia, Ms. Fr. O.v.I,1, fol. 40v
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the model of the Virgin Mary, was raised up to heaven, proclaims: „In illum diem suscipiam te servum meum, et ponam te sicut signaculum in conspecti meo. Quoniam ego elegi te, dicit Dominus. V. Esto fidelis usque ad mortem, et dabo tibi coronam vitae. Quoniam.“ In this context, the marriage to which the Song of Songs refers is that between Christ and John himself, consummated at the Marriage of Cana, a scene depicted in the Basel libellus, which shows John in female guise, seated between Christ and the Virgin 90 [Fig. 11], and again in Gotha [Fig. 12]. Referring to the authority of Peter Damian, the compiler relates that „pour le temps qu’il estoit en vie il ficha les raies de sa pensee en la roe du soleil pardurable, c’est a savoir en la clarte´ de la substance divine“ (fol. 49v ). There follows yet another section of the sequence, introduced by the injunction: „Escoute quelle chose par l’inspiracion du saint esperit est chantee de saint Jehan l’oisel.“ The chant to which the treatise refers is the section of the sequence comparing John to a bird who flies higher than all humanity: „Volat avis sine meta/quo nec vates nec propheta/evolavit altius,/Tam implenda quam impleta/ nunquam vidit tot secreta/purus homo purius“ (sections 9a-b). In French, these verses become: „saint Jehan vola sanz terme et sanz fin, en tant que poete ne prophecte ne vola onques si hault, onques pur homme mortel ne vit si tres clerement les choses faites et a faire“ (foll. 49v-50r ). In the Gradual, the initial that opens this verse marks the culmination of its visual declaration of deification: John sits atop a rainbow with both hands upraised, like Christ at the Last Judgment [Fig. 13]. The absence of stigmata ensures that the figure could not have been mistaken for Christ with the dove of the Holy Ghost or with John’s eagle perched on his lap. In the Latin libellus in Gotha, the same verse has been added to a miniature of the four Evangelists’ symbols surrounding the Agnus dei that prefaces the full text of the sequence, complete with notation [Fig. 14]. The annotation confirms the meaning of the Majestas miniature, which would otherwise be entirely out of place, as a veiled allusion to John’s deification and his status as first among equals among the Evangelists. The Gradual of St. Katharinenthal gives visual form to ideas elaborated first by Eriugena, then by Eckhart, expressing in images the idea that John the Evangelist represents the perfect incarnation of Christ’s wisdom. It may seem paradoxical, to say the least, to suggest that a work of art can shed light on Meister Eckhart, especially when one considers his indifference, if not outright hostility, not only to the visual arts, but also to visions, and, more generally, to visual experience. After all, this is the preacher who declared: „An eye is nobler in itself than an eye that is painted on a wall.“ 91 Eckhart’s mysticism is predicated on overcoming all forms of mediation, yet, paradoxically, that process depends on, even as it retraces and seeks to erase a procession of images 92. Eckhart’s 90
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See Hamburger, St. John the Divine (nt. 9), 159-160, and Hamburger, Brother, Bride and alter Christus (nt. 73). Sermon 9; see Largier, Eckhart I (nt. 17), 112, lines 2-3: „Ein ouge ist edeler in im selber dan ein ouge, daz an eine want gemaˆlet ist.“ See M. Wilde, Das neue Bild vom Gottesbild. Bild und Theologie bei Meister Eckhart (Dokimion 24), Freiburg/Schw. 2000), and S. Köbele, Predigt 16b, Quasi vas auri solidum, in: G. Steer/L. Sturlese (eds.), Lectura Eckhardi I. Stuttgart-Berlin-Köln 1998, 44-74.
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Fig. 11. Marriage of Christ and John the Evangelist at the Marriage of Cana, Libellus for John the Evangelist, Upper Rhine, before 1493. Öffentliche Bibliothek der Universität Basel, Ms. A VI 38, fol. 4r
real concern, however, is less what is depicted or seen than how it is seen, and the relationship between the eye of the viewer and the all-seeing eye of God, with vision - contemplative as well as corporeal vision - providing the link between the two. Eckhart depreciates visual images, but that is hardly the entire
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Fig. 12. Marriage of Christ to John at Cana, Latin libellus for John the Evangelist, Nuremberg, ca. 1410-1420. Gotha, Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt-Gotha, Ms. Memb. I 68, fol. 21v
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Fig. 13. Volat avis, Gradual of St. Katharinenthal, 1312. Schweizerisches Landesmuseum, Zürich, Inv.-Nr. LM 26117, fol. 160r, detail
import of his remark. The oddity of his example - a painting of an disembodied eye, not unlike the eye found on the back of any dollar bill - indicates that more is at stake 93. The disembodied eye stands for the all-seeing God and the intellect that, in striving for union with God, comes to see all. Elsewhere, Eck93
For the eye of God, see G. Schleusener-Eichholz, Das Auge im Mittelalter (Münstersche Mittelalter-Schriften 35, 1-2), Munich 1985, vol. II, 1076-1110.
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hart states: „The eye with which I see God is the same eye with which God sees me: my eye and God’s eye are one eye, one seeing, one knowing and one love.“ 94 Despite the contrast between true and false images, true and false sight - the eye of the spirit and the inert, material representation of an eye Eckhart casts the issue of representation and the restoration of likeness in terms of vision. However inscrutable the Godhead, Eckhart exalts vision as the faculty through which man not only resembles, but also through which that resemblance can be restored. Eckhart neatly summarized the identity of man and God in terms of vision in a fragmentary sermon which begins with John’s vision of the Lamb as described in Revelation 14, 1 („And I beheld, and lo a lamb stood upon mount Sion, and with an hundred forty-four thousand, having his name, and the name of his Father, written on their foreheads“) 95. Sion was glossed as meaning vision, and Eckhart identifies John with the mountain, interpreted as the apex or summit of human experience 96. The fragment ends with Eckhart identifying John with the imago Dei and the deified worshipper with John: „Let at least God’s name be written in us. We must bear God’s image in us, and His light must shine in us, if we would be John.“ 97 The worshipper becomes Godlike in becoming like John. John does not simply represent but actually embodies the apex of vision. Like John, who according to Eriugena, assumes the form of God the creator, the form of all forms, every soul contains within itself the summa formarum. Eckhart summarizes this radical vision of the soul’s return to the Godhead by returning, with John, to first principles: „ ,In principio‘. Here we are given to understand that we are an only son whom the Father has been eternally begetting out of the hidden darkness of eternal concealment, indwelling in the first beginning of the primal purity which is the plenitude of all purity.“ Reading Eckhart’s sermon, one has forcibly to remind oneself that he is speaking of himself and is not putting words in the mouth of Christ: „There I have been eternally at rest and asleep in the hidden understanding of the eternal Father, immanent and unspoken. Out of the purity He has been ever begetting me, his only-begotten son, in the very image of His eternal Fatherhood that I may be a father and beget him of whom I am begotten.“ 98 Commenting on John, 94
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Sermon 12, see Largier, Eckhart I (nt. 17), 148, lines 31-34: „Daz ouge, daˆ inne ich got sihe, daz ist daz selbe ouge, daˆ inne mich got sihet; mıˆn ouge und gotes ouge daz ist ´ein ouge und ´ein gesiht und ´ein bekennen und ´ein minnen.“ For the English translation, M. O’Walsche (ed. and trans.), Meister Eckhart. Sermons and Treatises, 3 vols., London 1981-1987, vol. II, 87. Largier, Eckhart I (nt. 17), 160-163. For the translation, see O’Walsche, Meister Eckhart (nt. 94), vol. I, 193-195. See J. O’Reilly, St. John as a Figure of the Contemplative Life. Text and Image in the Art of the Anglo-Saxon Benedictine Reform, in: N. Ramsey/M. Sparks/T. Tatton-Brown (eds.), St. Dunstan. His Life, Times and Cult, Woodbridge 1992, 165-185, discusses earlier examples of this allegorization, which originates in Augustine’s ,Commentary on John‘. Largier, Eckhart I (nt. 17), 162. O’Walsche, Meister Eckhart (nt. 94), vol. II, 63-64.
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Eckhart identifies an apex mentis in all those who are pure of heart that allows them, like John, to participate in divinity. At issue in all of this is not anything so simple or so mechanical as the possibility of Eriugena’s influence on Eckhart or of Eckhart’s on the Gradual of Katharinenthal. Eriugena (be it in Latin or the vernacular), Eckhart, the images in the manuscripts: All enter into a multi-lingual (and multimedia) conversation with one another. The use to which Eckhart put Eriugena is by no means identical with that of the anonymous author of the sermon in Basel and Karlsruhe, let alone the author of ,Les Loanges‘, whatever his identity. All, however, represents different facets of the multifaceted reception of Eriugena in the Dominican Order in the thirteenth and fourteenth century, and each helps provide a context in which the others can better be understood. The circulation of Eriugena’s ,Homily‘ in various vernaculars as well as in Latin should also prompt renewed consideration of the relationship of Latin and the vernacular in Eckhart’s own writings, as well as of the social circumstances of the cura monialium that prompted exchange between the two 99. As Georg Steer has remarked: „Das Bild von den beiden Überlieferungssträngen der lateinischen und deutschen Werke Eckharts und die Vorstellung von gelehrten Adressaten für die lateinischen Schriften und ungelehrten Hörern (und offensichtlich auch Lesern) der deutschen Schriften, es ist zu grob gezeichnet und es stimmt nicht.“ 100 The discovery of Eriugena in the vernacular is part of this same picture, in which black and white distinctions have no part. That Eriugena had a decisive impact on later medieval philosophy and mysticism there has never been any doubt. About his impact on Carolingian art there has been some speculation 101. That Eriugena was read in the vernacular, by nuns and the laity, in elaborately illustrated manuscripts, comes as more of a surprise. Eckhart himself, however, both addressed and encouraged the circumstances that enabled the circulation of such works when, in the Apology of the ,Buch der göttlichen Tröstung‘, he declared: „Ouch sol man sprechen, daz man soˆgetaˆne leˆre niht ensol sprechen noch schrıˆben ungeleˆrten. Dar zuo spriche ich: ensol man niht leˆren ungeleˆrte liute, soˆ enwirt niemer nieman geleˆret, soˆ enmac nieman leˆren noch schrıˆben. Wan dar umbe leˆret man die ungeleˆrten, daz sie werden von ungeleˆret geleˆret […]. Sant Johannes sprichet daz heilige ˆewangelium allen geloubigen und ouch allen ungeloubigen, daz sie geloubic werden, und doch beginnet er daz ˆewangelium von dem hœhsten, daz kein mensche von gote hie gesprechen mac.“ 102 99 100 101
102
See G. Steer, Die Schriften (nt. 64), 280-281. Ibid., 232. See E´. Jeauneau, De l’art comme mystagogie (Le Jugement dernier vu par E´rige`ne), in: Y. Christ (ed.), De l’art comme mystagogie. Iconographie du Jugement dernier et des fins dernie`res a` l’e´poque gothique. Actes du Colloque de la Fondation Hardt tenu a` Gene`ve du 13 au 16 fe´vrier 1994, Poitiers 1996, 1-8; P. Dutton/E´. Jeauneau, The Verses of the Codex Aureus of Saint Emmeram, in: Studi medievali, 3rd series, 24 (1983), 75-120; and Beierwaltes, Negati Affirmatio (nt. 19). DW V, 60, 27-61,8; quoted by Steer (nt. 64), 232-233.
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Fig. 14. Majestas inscribed with verse from the sequence, ,Verbum dei deo natum‘, Latin libellus for John the Evangelist, Nuremberg, ca. 1410-20. Gotha, Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt-Gotha, Ms. Memb. I 68, fol. 187v
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Fig. 15. John the Evangelist preaching, libellus for John the Evangelist, Upper Rhine, before 1493. Öffentliche Bibliothek der Universität Basel, Ms. A VI 38, fol. 6r
The Basel libellus presents the Evangelist in precisely this guise: as a preacher, not only to clerics and kings, but to what Eriugena’s sources would have considered the hoi polloi, the unlearned, lay men and lay women [Fig. 15]. The preacher of the anonymous sermon in the Basel libellus declares of John: „Er ist ovch der
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aller heiligest Sanctus Iohannes ein sunderlich ror in der gottheit, Die die gnod der goettlichen erkantnisse treit in der cristenen menschen herz. Won die hoh gottheit muest iemer me verborgen sin gewesen der cristenheit hette si Sanctus Johannes nit geoffenbaret“ (lines 91-94). Eriugena was more discreet and limited himself to saying, „In tercio caelo, o uas electionis et magister gentium, audisti uerba quae non licet homini loqui,“ „In the third heaven, O chosen vessel and master of the Gentiles, you heard words which it is not allowed for man to hear“ (Homily 4, 9-11). By the turn of the thirteenth century, however, men - and women - were allowed to hear, and to read some of those secrets, not only in Latin, but also in German and in French. If Vincent of Beauvais knew Eriugena, if the Dominican nuns of St. Katharinenthal knew Eriugena, if the King of France and members of his court knew Eriugena even if under other names - then surely Meister Eckhart knew him as well. As Kurt Ruh said: „Die Erforschung der Eriugena-Eckhart-Beziehung [hat] eben erst begonnen.“
Appendix I: Concordance of correspondences between John Scotus Eriugena, Vox spiritualis, Öffentliche Bibliothek der Universität Basel, Ms. A VI 38, foll. 47ra-60ra, and Vincent of Beauvais, Liber de sancto Johanne evangelista (included in Vincent of Beauvais, Liber gratie, etc. [Basel, Johann Amerbach, 13 December 1481], Houghton Library, Harvard University, Inc. 7652 [31.5]) N.B. Passages are listed in the sequence in which they occur in the sermon in the manuscript in Basel. Vox spiritualis aquilae, § I, 1-21:
„Vox spiritualis auditum pulsat ecclesiae. Exterior sensus transeutem accipiat sonitum, interior animus manentem penetret intellectum. Vox altiuoli uolatilis, non aera corporeum uel aethera uel totius sensibilis mundi ambitum superuolitantis, sed omnem theoriam, ultra omnia quae sunt et quae non sunt, ciuiuolis intimae theologiae pennis, clarissimae superaeque contemplationis obtutibus transcendentis. Dico autem quae sunt, quae siue humanum siue angeli-
Öffentliche Bibliothek der Universität Basel, Ms. A VI 38, foll. 47r-60r, lines 6774: „Dirr edel Sanctus Johannes treit ovch muglich vnd billich dz bild des adlers der do hoeher denn alle fogel flu´get vnd der do lutterlicher vnd klerlicher denn alle tier in dz rad vnd glast der sunnen sehen mag, Won er hat lutterlicher geschovwet vnd erkant vnd v´ns ingeschrift ze erkennen geben fu´rer denn die anderen ewangelisten die flisseklich christus zitliche geburt vnd sine zitlichen werck vnd getet hand vsz geleit vnd geschriben, als die vff ertrich mit im gewandlet haben.
Vincent of Beauvais, Liber de sancto Johanne evangelista, chapter 14: „Ecce vox spiritualis aquile auditum pulsat ecclesiae. Vox inquam altiuoli uolatilis ultra omnia quae sunt et quae non sunt, omnem theoricam cituolis intime theologiae pennis, clarissimeque contemplationis obtutibus transcendentis. Et paulo post fuit inquit homo missus a del et cetera.“
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cum non omnino fugiunt sensum, cum post deum sint et eorum numerum quae ab una omnium causa condita sunt non excedant; quae uero non sunt, quae profecto omnis intelligentiae uires relinquunt. Superuolat itaque beatus theologus Iohannes non solum quae intelligi ac dici possunt, uerum etiam in ea quae superant omnem intellectum et significationem superuehitur, extraque omnia, ineffabili mentis uolatu, in archana unius omnium principii exaltatur, incomprehensibilemque ipsius principii et uerbi, hoc est patris et filii, unitam superessentialitatem necnon et distinctam supersubstantialitatem pure dinoscens, euvangelium suum inchoat dicens: ,In principio erat uerbum‘ .“
Aber dirr heilig Ewangelist Sanctus Johannes ist mit gott vff in die himmel geflogen, do er die ewig natur siner gottheit dur die alle ding geschaffen sin, Hoch mit gemuet vnd sinnen fliegende vnd luterlich schovwende voelleklich erkant hatt.“
Vox spiritualis aquilae, § 14, 1-5: „Ecce acquilam desublimissimo uertice montis theologiae leni uolatu descendentem in profundissimam uallem historiae, de caelo in terram spiritualis mundi pennas altissimae contemplationis relaxantem.“
Sermon, lines 75-77:
Chapter 14:
„Nim war des adelers von der spitzi des hoehsten berges der heiligen geschrift eins lihten beswinden flugs fliegende in dz aller tieffest tal der historie der gotheit, Vnd die federen des aller lu´tteresten vnd hoehsten schouwendes von dem himmel vff die erden lossende.“
„Ecce nunc acquilam de sublimissimo uertice montis theologiae leni uolatu descendentem ad profundissimam historiae vallem de caelo in terram pennas altissimae contemplationis demittentem.“
Vox spiritualis aquilae, § 1, 13-16: „Superuolat itaque beatus theologus Iohannes non solum quae intelligi ac dici possunt, uerum etiam in ea quae superant omnem intellectum et significationem superuehitur.“
Sermon, lines 80-82:
Not included
Vox spiritualis aquilae, § 4, 1-4: „Spirituale igitur petasum, citiuolum, deiuidum - Iohannem dico
Sermon, lines 89-91:
Chapter 20:
„Vnd dorumb so nen ich billich […] ein meister der gottheit wan
„Spiritualem ergo pegasus citiuolem denudum denudum Iohan-
„Sanctus Johannes v´berflu´get nit allein dz do gesprochen vnd ze verstond mag geben werden sunder ovch v´berflu´get er die ding die alle verstendnisse vnd betu´tnisse v´bertreffende.“
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theologum - omnem uisibilem et inuisibilem creaturam superat, omnem intellectum penetrat, et deificatus in deum intrat se deificantem.“
er ist gegoettet ingangen in gott Goettende mit v´ber gond all creaturen vnd sinne vnd alle verstentnisse vnd vernunft.“
nem dico theologum qui omnes creaturas omnesque superans intellectum deificatur deificantem intrauit in deum.“
Vox spiritualis aquilae, § 4, 4-16: „O beate Paule, raptus es, ut tu ipse asseris, in tercium caelum, in paradisum, sed non es raptus super omne caelum et paradisum. Iohannes omne caelum conditum omnemque creatum paradisum, hoc est omnem humanam angelicamque transgreditur naturam. In tercio caelo, o uas electionis et magister gentium, audisti uerba quae non licet homini loqui. Iohannes, intimae ueritatis inspector, ultra omne caelum in paradiso paradisorum, hoc est in causa omnium, audiuit unum uerbum per quod facta sunt omnia; et licuit ei illud uerbum dicere hominibusque praedicare quantum hominibus praedicari potest, ac fiducialiter clamat: ,In principio erat uerbum’.“
Sermon, lines 94-101:
Chapter 20 (continued):
„O sancte paule, du bist gezogen in dz paradies als du sprichest vnd in den driten himmel, aber Sanctus Iohannes ist v´bergangen alle paradis vnd alle geschaffene himmel. Aber du paule, ein vsserweltes vass vnd ein lerer des volkes, du hast gehoert die wort die do nit zimmen dem menschen ze reden. Sanctus Johannes der schovwer der inren worheit v´ber alle himmel in dem paradis aller paradisen, dz ist in dem anfang vnd end aller dingen, hat gehoert ein wort dur dz geschaffen sind alle ding, vnd dz im dz gezam ze sprechen als vil er den lu´ten gepredien moht vnd geschriben. Vnd dorumb rueffet er getu´rstiklich In principio erat etc., In dem angeng waz das wort.“
„O Paule beate raptus es ut asseris in paradisum et in tertium celum. sed Iohannes transgreditur omnes paradisum celumque creatum. In tertio celo vas electionis et magister gentium audisti verba quae non licet homini loqui. Iohannes intime veritatis inspector ultra omne celum in paradiso paradisorum, hoc est in causa omnium audivit unicum verbum per quod facta sunt omnia. adest et licuit ei loqui quantum potest hominibus praedicari. Unde et fiducialiter clamat: In principio erat verbum.“
Sermon, lines 103-113:
Chapter 20 (continued):
„Dorum so waz er nit ein mensche, sunder mer denn ein mensch, do er sich selber vnd alles dz do ist v´berkumen hat vnd ovch mit vnussprechenlicher tugende vnd kreften der wiszheit, Vnd mit der aller lu´tteresten vernunft vnd clorheit sins luteren gemuetes vffgezogen wart, Vnd ingieng in die heimlicheit die do ist v´ber alle heimlicheit, Dz ist also vil gerett In die heimlichkeit eis wesen des in dryen substaneien, vnd dryg substancien in ein wesen. Er
„Non ergo iohannes erat homo, sed plusquam homo, quando et seipsum et omnia quae sunt superauit, et ineffabili sapientiae uirtute purissimoque mentis acumine subuectus, in ea quae super omnia sunt, secreta videlicet unius essentiae in tribus substantiis, et trium substantiarum in una essentia introiuit. Non enim aliter potuit in deum ascendere nisi prius fieret deus. sic nec oculorum nostrorum radius rerum sensibilium species atque colores potest sentire priusque se
Vox spiritualis aquilae, § 5, 1-17: „Non ergo Iohannes erat homo, sed plusquam homo, quando et seipsum et omnia quae sunt superuit, et ineffabili sapientiae uirtute purissimoque mentis acumine subuectus, in ea quae super omnia sunt, secreta uidelicet unius essentiae in tribus substantiis et trium substantiarum in una essentia, ingressus est. Non enim aliter potuit ascendere in deum, nisi prius fieret deus. Vt enim radius oculorum nostrorum species rerum sensibilium coloresque non prius potest
520 sentire quam se solaribus radiis immisceat, unumque in ipsis fiat, ita animus sanctorum puram rerum spiritualium omnemque intellectum superantium cognitionem non suffert accipere, nisi prius incomprehensibilis ueritatis participationem dignus efficiatur habere. Sanctus itaque, theologus, in deum transmutatus, ueritatis particeps, deum uerbum subsistere in deo principio, hoc est deum filium in deo patre, pronuntiat: In principio, inquit, erat uerbum.“
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moht ovch anders nit in gott sin vf gangen er were denn vor goettlich worden. Reht zegelicher wis als die gesiht der ovgen nu´t begriffen noch gesehen mag die form, bild, noch farw der gesiht klichen dingen E dz si werden mit dem schin der sunnen oder des liehtes vermu´schelet vnd eis mit einander, wirt Sanctus Johannes in gott verwandelet ein gemeinde der goettlichen worheit. Rueffet dz wort in gott In dem anvang wesen sin, dz ist gottes sun in gott vatter wesende.“
radiis solaribus immisceat unumque in ipsius et cum ipsis fiat.“
„Sanctus ergo theologus in deum transmutatus veritatis participes deum verbum in deo principio clamat subsistere: hoc est deum filium in deo patre.“
Appendix II: Concordance of correspondences between Peter Damian, Sermons 63-64, and Öffentliche Bibliothek der Universität Basel, Ms. A VI 38, foll. 47ra-60ra For the full text of the sermon, see J. F. Hamburger, St. John the Divine. The Deified Evangelist in Medieval Art and Theology, Berkeley 2002, 213-229. Peter Damian, ed. Lucchesi, Sermon 63, lines 317-346: „O mirabilem atque incomparabilem uirum, et omni christianae deuotionis praeconio praeferendum! Ecce uerbum profertur in medium, et totus tacet ac sub silentii sui censura reprimitur senatus apostolorum. Tanta siquidem Magistri praesidentis uidebatur auctoritas, ut sub districta se compesceret beata discipulorum concio disciplina. Haesitant, ambigunt, atque inter se inuicem oculorum nutibus quodammodo interrogantes aspiciunt; uerumtamen lingua proferre quod gestiunt, uel Dominum consulente inquirere non praesumunt. Tacet Petrus, tacet clauicularius coeli: tacet denique lingua, quae clauis facta est coelorum, coelum simul et terram ligat et soluit; tacet, inquam is cui inferi portae non praevalent, qui ligandi animas atque soluendi optinet principatum. Silet Andreas, qui ipsi fratri ad fontem uitae praevius fuit. Non loquitur Thomas, qui, uiam se nescire professus, eumdem esse uiam ueritatem et uitam ipso referente cognovit. Non praesumit os aperire Phylippus, qui, dum Patrem sibi poposcit ostendi, pro-
Sermon, lines 127-145: „O min lieben brueder, sehen wie der wunderlich heilig Johannes vor aller cristenlicher andacht vir zebieren ist vnd nieman im ze glichen ist. Nim war ein wort wirt zuo den iungeren allen gerett, vnd swiget die wiszheit der zwoelfboten aller, Won des gegenwertigen meisters gewalt vnd kraft dunckte si also grosz dz die heilig schar der iungeren nu´t getorsten gefragen. Si zwifleten, si hatten argwon, vnd sohen ain ander an vnd frogeten ein ander mit winckenden ovgen. Si getorsten nu´t gereden, dz si gedohten vnd getorsten ouch den herren nit rates gefrogen, noch an im erfaren wer der hin geben wer. Sant Peter sweig, Es sweig der himmelslu´sseltrager, och sweig die zung die do ein slu´ssel des himmels worden ist. Vnd die do himmel vnd erd bindet vnd entbindet, wider den sich die hell nu´t vermag. Sant Andres swiget der do sinen bruoder Petrum zuo den lebenden brunnen virkam. Sant Philippus getar sinen mund nit vf getuon, der do bat im den vatter zoeigen vnd do hort tieffi heimlicheit der goettlichen tryvalikeit. Si swigen alle,
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funda mysteria indiuiduae diuinitatis audivit. Omnes tacent omnes dubitant et latenter inquirunt, non quidem prolatione uerborum sed tantum nutibus oculorum. Sed cum res diu sub hac ambiguitate penderet, nec nondum quispiam dubietatis absolveret, tandem Iohannis patrocinium quaeritur, et sic ad rei dubiae notitiam peruenitur. Ille nimirum, condiscipulorum in se persona suscepta, consultor accedit, qui de ampliori familiaritatis atque dilectionis praerogativa confidit. Vnde considerandum est, frates mei, quantae deuotionis instantia beati Iohannis flagitare debemus auxilium, quem sibimet interuentorem, et ipsi apostoli petierunt. Quantum apud iustum Iudicem pro peccatoribus poterit, qui et pro ipsis caelestis curiae senatoribus intervenit? Et qui aduocatus factus est summis, quam humiliter implorandus est a minimis?“
Si zwifleten alle, vnd erfuoren heimlich wer er wer nit mit worten, sunder mit wincken der ougen, vnd do die sach lang also zwifelich waz vnd ir keiner den knopf des zwifels entknu´pfen kunde, do zelest suochten si rot vnd hif an sancte Johannes, vnd also komen si zuo erkantnu´sse der zwifelichen sache. Dorumb aller liepsten min brueder, nemen war vnd gedenken mit wie grosser demuot wir soellen bitten vnd anrueffen sin die hilf vnd gnod Sancte Johannes, den die heiligen apostelen inen selber zuo einer virsprechen botten. Betrahten ovch wie vil er sich vor dem gerehten riht vir die su´nder vermag der do virsprech gewesen ist der obresten vnd der hoehsten fu´rsten.“
Peter Damian, Sermon 64, lines 14-42: „Quid enim diuinae sapientiae quaeris, quod apud Joannem reperire non possis? Quae enim haeretica prauitas, quae arriana perfidia, quae Iudaeorum uesana calumpnia, quae Gentilium philosphorum uersutia, quae denique schismaticorum abominanda scissura, beati Iohannes non est eloquio superata eiusque doctrina euidenter attrita? Si quando enim ab inimicis ueritatis obiciuntur nobis uolumina quaestionum, ilico Iohannes accedit in medium, Iohannes occurrit, Iohannes silentium uerbosis imponit. Quoties siquidem de uere humanitate, ac diuinitate Christi certamen quaestionis oboritur, quae uidelicet omnibus pacis inimicis communis est materia dimicandi, protinus ad Iohannis euangelium curritur, Iohannis in pugna patrocinium quaeritur, et sic mox cuncta litigiosi certaminis iurgia conquiescunt. Quid igitur necessarium in doctrinis, quod Joannis uolumina sacrosancta non teneant? Quid in uirtutibus, quid in meritis, quo beatissimus incomparabiliter non excellat? Apostolus siquidem in epistolis, euangelista in euangelio, propheta in Apocalypsi, Propheta, inquam, et non qualiscumque, sed mirabilis atque, ad similitudinem alterius Iohannis, plus quam propheta. Nam quia prophetae officium est futura praedicere, non praesentia demonstrare, beatus Iohannes Baptista idcirco caeteris prophetis emicuit, quia Dominum digito quem
Sermon, lines 146-169: „Es ist nu´t es sig wiszheit, Richtuom, aplos, gnod oder anders; suochestu es an im, du vindest es alles. Sag mir wele boszheit der ketzer, weler vnglovb der vngeloeibigen, Wele boese schalkheit der iuden, wele verkerung des rehten glovben der heidenschen meisteren, vnd wele vnmenschliche zweyung der irrenden cristenen ist nit von sanctus Johannes heiligen lere vnd vszsprechen v´berwunden. Wenn so von den vigenden der worheit v´tzit wider den glouben fu´rgeworffen wirt, zestund wirt Sanctus Johannes lere zuo gezu´gnisse genumen gegen den vigenden des glovbens, vnd do mit wirt zestund aller der mund gar gesweigt. Wenn dz geschiht, dz von den vigenden des friden vnd des glovben ein frog vffstot von der geworen menscheit vnd der gottheit Jhesu Christi zehand, wirt die fluht genumen zuo sanctus Johannes Ewangelium, vnd wirt Sanctus Johannes hif vnd sin lere gesuocht, vnd denn zestund wirt allem zwifel vnd miszhellen ein ende gemaht vnd nider geleit Sag mir was ist notturftig in goettlicher lere dz Sanctus Johannes in sinr heiligen lere nit voelleklich hab geseit! Sag mir waz tugend ist oder waz verdienens mag wesen in dem Sanctus Johannes vnzalich vnd v´berswenkenlich nit v´bertriffet, won er ist ein apostel in sinen epistelen, Er ist ein Ewangelist in sinem heiligen Ewangelio, Er is ein prophet in der tovgenheit, Er ist ein prophet, nit als die andren propheten gewesen sind,
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prophetabat ostendit. Nunquid et iste Joannes plus quam propheta non est, qui praeter omnium consuetudinem prophetarum semetipsum conspexit in spiritu? Et inter plurima reuelationum caelestium sacramenta, dum aquilae uolantis similitudinem uidit, semetipsum ueraciter recognouit. Hezechiel autem eandem aquilam spiritu reuelante conspexit, non quidem uolantem, sed caeteris animalibus desuper eminentem.“
su´nder er ist gewesen ein wunderlicher propheten wann wor ist dz eim propheten zuo gehoert, vnd sin ampt ist dz er ku´nftige ding seit vnd nit gegenwertige ding zoeiget. Aber dirr prophet Johannes hat nit allein ku´nftige ding geoffnet, sunder hat er gegenwirtige heimlichkeit gezoeiget. Nun sag mir ist dirr Sanctus Johannes nit me denn ein prophet, der do v´ber aller propheten gewonheit vnder anderen vil offnungen der himmelschen sacramenten sich selber in dem geist schovwete, do erkante er sich selben gewerlich do er sah die gelichnis des adelers. Ezechiel sah ovch den adler v´bertreffen den loewen, dz rinde kalb vnd den menschen, vnd sah Sanctus Johannes in der goettlichen heimlichen gesiht v´ber fliegende.“
Peter Damian, Sermon 64, lines 47-58: „O quam admirabilis est immutatio dexterae Excelsi, quam terribilis Dominus in consiliis super filios hominum! Quis enim digne consideret de quanta humilitate iste piscator ad quantae celsitudinis culmen meruerit sublimari? Nam qui olim uili nauicula contentus et retibus, maris profunda simpliciter scrutabatur, nunc illustratae mentis radio secreta caelestia penetrat, mysteria intonat, diuini consilii hominibus occulta reuelat, prophetica depromit oracula, apostolica tradit hominibus documenta. Immo in speculanda summae diuinitatis essentia praecedit prophetas, supergreditur patriarchas, apostolos superat, postremo totius humanitatis transcendit ingenia, et illuc usque mentis aciem tendit, quo uix et angelica valet attingere creatura.“
Sermon, lines 170-179: „O wie gar wunderlich, O wie gar erschrockenlich ist die wandlung der rehten hand gottes! O wie gar forht samklich ist der herre in sinen reten v´ber die kind der menschen. Wer ist nun der do wirdiklich betrahten mag mit waz demuetikeit vnd tugend sanctus Johannes verdienet hab, dz er zuo semlichen grossen eren ist erhoehet, dz er mit dem glesten sins durlu´hten gemuetes die heimlicheit der himmeln durtringet, Vnd die verborgene des goettlichen rores offenbaret dem menschen, Vnd die ku´nftigen ding mit worten uszsprichet, Vnd die goettlichen heiligen lere git dem menschen. Er virgoht mit dem schovwen des wesendes der obresten gottheit alle propheten, Vnd v´bergoht alle patriarchen. Er v´bertriffet alle apostolen. Dor zuo v´berflu´get er all menschlich sinn vnd berueret do hin mit dem spitz sins gemuetes Do hin kum engelsch creaturen berueren mag.“
Peter Damian, Sermon 64, lines 82-116: „Hic beatus Iohannes egregius sit et insignis est. Atque cum his omnibus tanto Agnum quocunque ierit propinquior sequitur, quanto et eidem Agno dilectior ac familiarior extitit, et insuper Matri eius, quae uirgo est uirginum, perpetua filii subiectione coniunxit. Nam ex utriusque, matris uidelicet filiique consortio, Iohannis uirginitas excellenter enituit, et quousque humana possunt merita prouehi, quasi meta uirtutum factus indeficenter excreuit. Neque enim illa uerba quae Salvator noster in cruce positus protulit: Mulier, ecce filius
Sermon, lines 179-208: „Dirr Sanctus Johannes ist so gar volkumen vnd virnem in lutterer megtlicheit, dz er dem heiligen lamb aller nehst noch folget, war es goht, vnd ist ovch dem selben lamb aller suessest vnd dienstbarest. Vnd dar zuo ist er gottes muoter, der ewigen magt, anstatt irs suones mit sunderbarer liebi zuo gefuegt, Wan die megtlich reinikeit Sanctus Johannes ist v´bertreffenlich erschinen in der geselschaft bede Maria der muoter vnd ires suones, Vnd ist ein zil vnd ein spiegel worden aller tugend vnd als verr als menschlich verdienen gezogen mag werden, hat
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tua, ad discipulum autem: Ecce mater tua, sic simpliciter sunt accipienda ut humano tantum uideantur more prolata, sed prorsus efficacia sunt et diuinis uirtutibus fulta, atque ineuitabili ueritatis auctoritate subnixa. Illud enim unicum Patris Verbum quod in cruce pendebat, substantiuum, et consubstantiale Patri ac sempiternum est. Atque idcirco uerba quae locutus est, quia Spiritus et uita sunt, inaniter transire non potuerunt: Caelum, inquit, et terra transibunt, uerba autem meam non transient. Sicut enim dixit matri: Hic est filius tuus, ita dixit discipulus: Hoc est corpus meum. Et tantus fuit in illis uerbis effectus, ut ilico panis ille quem dabat dominicum fieret corpus. Dixit enim, et omnia facta sunt; mandauit, et creata sunt. Ex quadam itaque similitudine, si dicere audeamus, et beatus Iohannes non solo filii potitus est nomine, sed propter uerba illa dominica, quoddam maius necessitudinis sacramentum apud beatam Virginem meruit optinere. Consideremus itaque, dilectissimi, quantae gloriae magnus uir iste credendus est, qui per quoddam adoptionis arcanae mysterium, et filius Virginis et frater est Saluatoris. Hinc est quod mentem eius omnipotens Deus ad tantum puritatis ac mysticae reuelationis culmen euexit, ut ei non modo statum Ecclesiae praesentis ostenderet, sed etiam quid deinceps futurum esset usque in perpetuum reuelaret. Vnde et illam nobilem suam scripsit Apocalypsin, quae nimirum tantis cognoscitur redundare mysteriis, ut tot uideatur habere sacramenta quot uerba, imo in uerbis singulis multiplices lateant intellectus.“
er on vnderlos tugend gewircket vnd gevvebet. Die wort die v´nser behalter Christus an dem heiligen crütz sprach, ,Frovw, nim war dinen sun,‘ vnd sprach zuo dem iunger sanctam Johannem, ,Nim war din mouter,‘ Die wort sint nit also einfaltiklich zenemen vnd ze verstond als weren si von einen luterem menschen gesprochen. Sunder die wort sint mit ein ander kreftig vdn reht vovl guettlicher tugenden vnd vovl goettlicher worheit, Won dz ein des himmelschen vatters dz do hieng an dem cru´tz Christus Jhesus was ie eis vnd eins vnd mitewig dem vatter. Vnd dorumb die wort die er sprafh die geist vnd leben sint moegen nit v´ppiklich vnd on wircken zergon, won als er sprichet ,himmel vnd erd werden zergon, Aber mine wort zergond niemer,‘ Vnd ze gelicher wis als er sprach zuo siner muoter, ,Nim war dinen sun,‘ Also sprach er ovch zuo sinen iungeren an dem obenessen, ,Dis ist min lib,‘ Vnd in dem worten waz also vil kraft dz dz brot dz er inen gab zestund der goettlich lichnam wart. Won er hett gerett vnd sint all ding geschaffen, Er het gebotten vnd sint alle sing geschehen. Also moegen wir wol in gelichnisz sprechen dz Sanctus Johannes der nam der megt sun geben ist sunderlich von der goettlichen wort wegen hatt er verdienet, vnd ist imdise grosse heilikeit worden vnd geben. Nun soellen wir warnemen vnd betrahten waz grosser glorie vnd eren dirr wirdig Sanctus Johannes gewesen ist, der do von enphengnisze der goettlichen heimlichen sacrament Ein sun der lutterkeit worden ist, Vnd dor zuodie grosz ere vnd wirdikeit der heimlichen goettlichen offenbarung.“
Peter Damian, Sermon 64, lines 164-166: „Iam uero illud quis digne miretur quod in sepulcro eius manna reperitur, et in terrae specu panis coeli non semel sed cotidie nascitur? “
Sermon, lines 244-245: „Sol nit ein ieglich mensch sich billich wunderen dz in sinem grab dz himmelbrot funden wart? Vnd dz in der gruoben des ertrichs dz brot von himmel nit einest wachset, sunder alle zit vff fu´lt? “
Peter Damian, Sermon 64, lines 180-187: „Ecce quid meretur pudicitia uirginalis, ecce quantae magnitudinis est inuiolatae carnis integritas. Videte, fratres mei, considerate, perpendite quid deliciarum incorruptio corporis habeat in caelo, si cibum caeli germinat in sepulcro. Quantis illic honoribus sublimatur beata uirginitas, ubi nimirum sola est gloria, si et in loco foetoris atque
Sermon, lines 246-251: „Nim war waz alles verdienen mag die megtliche schamm! Nim war waz grosser wirdikait vnd ere hett die getzi des vnberuerten libes! Sehen, min brueder, gedencken vnd betrachten wie vil wovllustes vnd froeiden der vnberoert lib hatt in den himmeln! So des wort dz himmelbrot wachsen machet in dem grab, gedencken wie wie [sic] mit grossen eren die
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putredinis tam mirabiliter est gloriosa? Vnde, etsi non audeamus peniter definire, […].“
heilig megtlicheit wirt erhoehet vnd gewirdigt, Do on zwifel allein ist ere vnd glorie! So die megtlich reinikeit in dem grab des vngesmackes so wunderlich ist geeret mit himmelschen lieht vnd mit himmelbrot als vor geseit ist.“
Peter Damian, Sermon 64, lines 193-197: „Si enim beatissimi uirgines isti, Iohannes uidelicet et Maria, nullatenus surrexissent, cur in eorum tumulis sepulta cadauera non iacerent, cum uidelicet beati Petri et Pauli ceterorumque apostolorum et martyrum corpora suis quaeque noscantur mausoleis tumulata?“
Sermon, lines 252-260: „Vnd dorvmb ist dz das wir nit voelleklich usz getoeren gesagen. So ist milteklich usz ze schetzen vnd ze gelovben dz sanctus Johannes mit lib vnd mit sel erstanden si als wir gelouben dz v´nser liebi frovw gottes muoter ist erstanden. Vnd reht als Maria vnd Sanctus Johannes in megtlicher reinikeit gemeinsame hatten waz ovch billich vnd muglich dz si in der virgenumennen vrstende ovch gelich weren. Vnd wer vnzimlich dz ein vnterscheid der vrstende wer gewesen so si in ir beder leben so grosser einmuetikeit gewesen sind, won wer es dz dise zwo aller heiligesten megt Maria vnd Johannes nit werent mit sel vnd mit lib erstanden, so werent on zwifel in iren grebern ir totten lib funden als der anderen apostelen lib wart funden in iren grebern.“
Peter Damian, Sermon 64, lines 211-258: „Scriptum est in Deuteronomio: Mortuus est Moyses seruus Domini in terra Moab iubente Domino, et sepeliuit eum in ualle terrae Moab, contra Phogor, et non cognouit homo sepulcrum eius usque in praesentem diem.‘ Renouatum est itaque illud de corpore Moysi nunc etiam in Iohanne miraculum. Et qui legislatorem tunc dignatus est nullis scientibus sepelire, ipse etiam corpus euangelistae sui secreto quodam mysterio uoluit sepulturae subducere. Vterque scilicet lux mundi, uterque mandatorum caelestium baiulus, uterque diuini consilii reuelator. Nec immerito in dignitate suis delata cadaueribus congruunt, qui et in sublimibus uitae suae meritis, diuersis licet temporibus, concorditer claruerunt. Et si res diligenti consideratione perpenditur, ut cum beati Moysi pace loquar, Iohannes potior inuenitur. Ille siquidem minister extitit legis, hic praedicator extitit gratiae. Ille praecepta tradidit quibus peccata punirentur, iste poenitentiae baptismum contulit, quo omnia crimina delerentur. Ille annuntiator est umbrae, hic minister est ueritatis. Ille dixit Domino: Si inueni gratiam in conspectu tuo, ostende michi faciem tuam
Sermon, lines 261-304: „Es ist geschriben in dem buoch Deutronomio Dz moyses tod ist vnerkant allen menschen bisz vf disen hu´ttigen tag wo er begraben ist. Geschah dz do in der alten e von moyses dz wunder ist nun an sanctus Johannes ernu´weret vnd der gott der do in den ziten der geber des gesetzd moyses wolt on wissen aller menschen begraben, der wolt ouch den allerwirdigesten heiligsten lib Sanctus Johannes sins aller gemintesten zwoelfbotten vnd Ewangelisten in neiszwaz heimlichi goettlicher heimlichkeit infueren. Die bed Sanctus Johannes vnd moyses worent der welt liehter ir weder waz der himmelschen gebotten ein trager vnd usz kunder vnd ein offner des goettlichen rores. Wen ovch mit flissigem betrahten eben war nimmet so wirt dir wirdig aller heiligest Sanctus Johannes wirdiger vnd groesser gar vil hoeher funden denn moyses. Wan moyses waz ein diener der gesetzd, So waz der wirdig Sanctus Johannes ein brediger vnd ein vszku´nder des gnoden vnd ein iunger vnd bruoder Jhesu Christi des behalters. Moyses gab gebott dz die sund gerochen solt werden, Sanctus Johannes het geben den touff der penitencie vnd des ru´wen mit dem vnd in dem alle
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ut sciam te; sed protinus audiuit: Non poteris uidere faciem meam; non enim uidebit me homo et uiuet. Iste uero Deum incarnatum, non solum uidit et audiuit, sed etiam manibus contrectauit, sicut ipse testatur, dicens: Quod fuit, inquit, ab initio, quod uidimus, quod audiuimus, quod oculis nostris perspecimus, et manus nostrae contrectauerunt de uerbo uitae, et uidimus et testamur, et annuntiamus uobis uitam aeternam quae erat apud Patrem, et apparuit nobis. Atque ut adhuc comparatio producatur, Moyses tabernaculo praeerat, quod nubes operiebat ita ut aliquando nec ipse Moyses potuisset intrare, sicut in Exodo legitur quia operuit nubes tabernaculum testimonii, et gloria Domini impleuit illud; nec poterat Moyses ingredi tectum foederis, nube operiente omnia. Iohannes, autem, melioris tabernaculi custos factus, beatae Mariae minister extitit, quam non uidelicet corporea huius aeris nubes obtexit, sed Spiritus Sanctus inuisibiliter obumbrauit. Et gloria Domini, hoc est Filius Dei, qui hoc tabernaculum, non mox discessurus sed ueram carnem suscepturus impleuit, non mansit sub aeriae caligne nubis, sed potius in lumine solis, sicut per prophetam dicitur: in sole posuit tabernaculum suum. Per illum manna datum est tunc israelitico populo: ecce ista quanto gloriosus habet iste manna etiam in sepulchro. Et quid plura? Ille faciem suam operit populo ne uideatur, iste etiam diuinitatis reuelat essentiam, ut Deus ab omnibus agnoscatur. Atque ut idem repetam, ille splendorem sui uultus obtexit, ne ab illa plebe conspiceretur; iste Dei Verbum, quod est imago Patris, splendor gloriae et figura substantiae eius, perspicue revelavit, ut a nobis agnosceretur.“
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su´nde vnd misztot wirt vertilket. Moyses ist ein uszku´nder des schatten. So ist der aller heiligest Johannes ein brediger der worheit. Moyses sprach zuo gott: ,Herre, hab ich gnod funden in dinr gegewertikeit, so erzoeige mire din antlu´t dz ich dich wisse.‘ Do hort er zuo stand die antwurt: ,Du maht min antlu´t nit gesehen, Mich gesiht kein mensch nit dz do lebet.‘ Aber dirr wirdig vnd aller heiligest Sanctus Johannes sah vnd hort vnd beruort gott vnd menschen worden. Als der selb Sanctus Johannes gesprochen hat ,dz do gewesen ist von angeng, dz wir gehoert hand, vnd dz wir mit v´nseren ovgen dursehent hant, Vnd dz vnser hend beroert von dem wort des lebens, des geben wir gezu´gnisz vnd verku´nden v´ch dz ewig leben dz do waz bi dem vatter vnd hat sich v´ns erschinen. Moyses waz enpholen der tabernackel dz do der wolk bedackte dz ioch moyses selber vnderwilen mit moht dor inkumen, als wir lesen in dem buoch Exodi dz der wolk bedakt dz tabernackel des gezu´gnisz, Vnd die ere vnd glorie gottes erfulte dz, vnd moht ovch moyses nit inkumen vnder dz tach der gelu´pt, Wan der wolk teckte es alles samen. Aber dirr loblich wirdig aller heiligest Sanctus Johannes ist gewesen ein hu´ter eis besseren vnd wirdigern tabernackels, Vnd ein diener vnd sun der reinen ku´schen magt Marie, Die do nit hat bedeckt ein wolk des luftes, Sunder der heilig geist hat si vngesihteklich v´berschetwet vnd die glorie des herren, dz ist der sun gottes, der do nit waz ein tabernackel dz do bald scheidet vnd abgond waz, Er was ein geworen menschlichen lib an sich nemende, Er waz ouch nit wonen in der hitz des luftes, sunder waz er woren in dem lieht der sunnen. Noch dem als gesprochen ist dur den propheten David: ,In der sunnen hat er sin tabernackel gesetzd.‘ Dur moyses wart dz himmelbrot geben dem volk von israhel. Sih wie dirr aller wirdigest Sanctus Johannes hat himmelbrot in sim aller heiligesten grabe! Waz sol ich me sagen? Moyses tuckte sin antlu´t dz er von dem volk nit gesehen wurde. Aber dirr, aller heiligest Sanctus Johannes, offenbarte vns dz goettlich wesen dz es von allen menschen mag erkannt werden vnd hat v´ns dz wort gottes dz do ist ein bild des vatters vnd ein schin der glorie vnd ein figur siner substancie dursihtiklich geoffenbart dz es v´ns mag erkant werden.“
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Peter Damian, Sermon 64, lines 274-288: „Et notandum quam affectuose, quam amabiliter Saluator: ,Sic, inquit, eum uolo manere donec ueniam.‘ Veniam, non mittam. Non mittam uidelicet supernam aliquam uirtutem, non angelicam potestatem, quae huius ministerii michi fungatur officio, quae oboedientiae huius exequatur effectum. Ipse per memetipsum ueniam, ipse egredientem eius animam in gloriae meae claritate suscipiam, quam et in carne manentem diuinitus illustrabam. Quantae igitur reuerentiae habendus est hominibus beatus iste Iohannes, quem ipse auctor uitae honorauit in carne uiuentem, honoraui et de saeculo recedentem! Nimis enim honorati sunt amici tui, Deus. Honoravit siquidem eum in uita, cum de sacrosancto pectore suo sibi reclinatorium fecit. Honoravit rursus in morte, cum ad suscipiendam felicem meritis animam dignatus est aduenire. Nec mirum si diuersis eum honoribus cumulauit, quem et in consortium sibimet adoptiuae fraternitatis adsciuit.“
Sermon, lines 309-324: „Wie gar begirlich vnd wie minnsamklich v´nser behalter gesprochen hat: ,Also wil ich in beliben lossen bis dz ich kumen wird.‘ Er hat gesprochen: Ich wird kumen, nit ich wird senden, Ich wil nit senden ze gesehen etwaz der obresten kreften, Nit ein engelschen gewalt der sich des amptes eis soelichen heimlichen dinges vnderwinde fu´r mich. Vnd der do volbring die kraft der heiligen demuetikeit. Ich wil selber kumen. Ich wil die usz gon sel selber enphohen in die clorheit minr ewigen glory, Die sel ich goettlich durluhte do so de neht in dem lib wonete. wie in so gar grosser wirdikeit dirr heilig Johannes lieb zuo habent ist, den do gott selber so groessiklich geeret hat do er de neht in dem lib waz lebende, Den er ovch geeret hat vnd von der welt gescheiden. Als der prophet David spricht: ,Gott din fru´nd sind zevil geeret.‘ Gott hat in selber geeret in sim leben do er im von siner aller heiligesten brust ein ruow ku´ssi mahti. Anderwerb hat in gott geeret an sinem tod, do er sich begnode zuo sinem tod zekumen, Vnd sin heilige sel ze enphohend. Vnd ist nit wunder dz gott Sanctus Johannes als mit mengerley eren geoffnet vnd geeret hat, Den er in bruederlicher geselschaft im selber zuo einem bruoder zuo gab.“
Peter Damian, Sermon 63, lines 385-387: „Ecce mater tua, nemo iure uidetur maior meritis eo qui speciali quadam gloria frater est Saluatoris.“
Sermon, lines 325-326: „,Nim war din muoter.‘ Vnd dorumb waz billich dz in v´nser herr hoeher vir menglich ereti, So vil als er in vir menglich lieb hat gehebt.“
Peter Damian, Sermon 64, lines 375-392: „[…] ut merito dicatur os Dei, lingua Spiritus Sancti, cedrus paradisi, lux ecclesiae, decus orbis, praeco caeli, lumen mundi, sidus hominum, specimen angelorum, lapis uiuus, speculum lucis, logotheta diuinitatis, forma fidei, columpna coeli, architectus ueri tabernaculi, quod fixit Deus et non homo. Nam et cherubin iure perhibetur, qui scientiae plenitudinem ex ipso Redemptoris pectore percepisse cogniscitur. Verumtamen eum nos quantumlibet efferre contendimus, celsitudinis eius merita non aequamus. Quia qui diuinae laudis praeconia meruit, ad euis digne collaudanda merita humanae linguae fragilitas non assurgit. Ipse quippe eius est laus eius, qui illi et olim pretium, et nunc factus est praemium. Per huius ergo uesti-
Sermon, lines 328-349: „[…] der do von dem wirdigen verdienen sinr heiligen lere genant is der mund gottes, die zung des heiligen geistes, Ein zederbovm des paradises, Ein spiegel der engel, Der lebend stein, Ein glast des liehtes, Ein brediger vnd ein vszku´nder der gottheit, Ein Stifter des glovben, Ein sul des tempels gottes, Ein pfleger des woren tabernackels dz do gemaht het gott vnd nit der mensch. Er wirt ovch mit reht ein cherubin bewert, wenn er die volkumenheit aller wiszheit vss des erloesers brust hat genumen. Wie wir nun sanctum Johannem gern erhueben als billich wer, So koennen wir doch dz verdienen sinr hoehi nit voll sagen, Wann er hat verdienet die ere goettlichen lobes. Vnd dorumb so vermag sich nu´t die menschlich zung ze loben sin
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gia, dilectissimi, ad Redemptorem nostrum pleno cordis amore tendamus, huius doctrinam uelut coruscam in tenebris lampadem nostris semper gressibus praeferamus. Pudeat jam terrenis incumbere, qui per spei desiderium ad coelestem coepimus gloriam festinare.“
wirdiges verdienen, Wenn der ist sin lob der in gekovffet hatt mit sinem tod Vnd nun worden ist sin lon in der ewikeit. Dorumb so soellen wir in den fuoszstapfen des aller gemintesten minners mit volkumener minne v´nsers herzen zuo v´nsere erloeser gon. Vnd soellen sin mineckliche heilsame ler vor v´nseren ovgen tragen Reht als ein glestende ampulen. Wir die da angefangen haben mit rehter zuofersiht vnd mit innerlicher begird zuo ilen zuo der himmelschen glorie.“
Peter Damian, Sermon 63, lines 402-408: „Inter haec itaque, fratres carissimi, ceterarumque dona uirtutem, caritas, quae mater est omnium, in sacrario uestri pectoris semper teneat principatum, quia, sicut Iohannes dicit: Deus charitas est. Vt quia per caritatem Dei Filius descendit in Virginem, per eam uos exaltet ad paternae gloriae claritatem, qui uiuit et regnat in Trinitate perfecta unus et uerus Deus per omnia saecula saeculorum. Amen.“
Sermon, lines 353-359: „Aller liepsten brueder, vnder disen tugenden vnd andren goben der tugenden so sol in der heimlicheit v´nsers herzen die goettlich minne die do ist ein muoter aller tugenden allwegen v´ber hand nemen. Wan als der selb heilig Sanctus Johannes sprichet: ,Gott ist die minne.‘ Wan ouch dur die minne gottes sun von himmel in der megt lib har ab kumen ist, Dur die selb heilig magt vnd ir wirdiges verdienen vnd dur diz verdienen des aller heiligesten sancti Johannes ir sunes vnd pflegers muesz v´ns erhoehen zuo der clorheit der vetterlichen glorye Jhesus Christus der do lebet vnd richset in der volkumenen trinitat einiger vnd geworer gott, Dur alle die welt der welten. Amen.“
Appendix III: Transcription of Peter Damian, Sermon 63, Ms. Vaalbeek IFG A 21, foll. 53vb-63rb 103 Dit sermoen bescryft petrus damianus van sint Jan euangelisten. Myn alreliefste huyden is ons een tweeuoldige blitscap. Want die wile dat noch duert die feeste van ons heren gheboerte: so coemt ons te ghemoete die glorioese feeste sint ians euangelisten. Huyden wort omhelst van sinen gheminden ihesus die gheminde discipel dien ihesus mmdc. ende mit hem verenicht in ghebrukelicker minnen. Ende dat hi te voeren ghehoert hadde ende ghesien ende ghehandelt vanden woerde des leuens. dat bescout hi nv also voel hoechliker dan te voeren. Huyden die wonderlicke aar. dien die propheet ezechiel sach verhoecht bouen den anderen dieren. die een figure sijn der .iiij. euangelisten als een propheet ghemaict van hem seluen in enen geistelicken visioen. iohannes hem seluen des 103
I am greatly indebted to Wybren Scheepsma for having provided me with the following transcription. Any errors remain my own.
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ghelijcs siende als enen aar vlieghende bouen den anderen dieren mit wtghestrecten vederen van hogher ende sonderlingher verdiente. is opgheuloghen totter hoegher spisen der engelen. Ende al eest dat ghemeynlic die aren pleghen te vergaderen daer die iicharn vleischelic is. nochtan is dese gheisteiic aer iohannes ontbonden van den banden der sterffelicheit. also vele ghenuechlicker huyden opgheuloghen om te ghenieten der spisen des ewighen leuens. Als hij die wile dat hi noch leefde hoechlicker intrat totter ewigher sonnen. dat is in claren bekennissen des godlicken wesens mitten rayen sijnre suuerder herten bouen alien den anderen heeft ghestuert. Och hoe wonderlic is op ons menschen die dispensacie des godlicken raets. Hoe diep is die hoecheit der godlicker wijsheit. God is neder ghecomen totten mensche. om den mensche sijn godheit te vertoenen. Hij heeft ghewerdicht te comen openbaeriic totter menscheliker sterfelicheit. om ons te vertoenen die verborghentheit sijnre ewicheit. Mer of hij dat sacrament sijnre godheit ter stont hadde willen den mensche openbaren doen hi den mensche mitter heiligher euangelien begonst te leeren. hoe solde enich mensche dat hebben moeghen verstaen. Dat machmen hier aen merken: want op dat iohannes vander godheit swige doen ihesus seide. Het en sy dat ghi eet dat vleisch van des menschen sone. ende drinct sijn bloet. gi en suit gheen leuen in w hebben. Ende die my eet sal ieuen ouermits my: Ter stont so versrnaeden dat woert die ioeden. ende verscricten seggende. dat is een haert woert. wie macht hoeren. Daer na staet ghescreuen. Ende het ginghen voei discipulen van ihesum achter wert. Merct dat niet allene vanden ghemeynen scharen: noch oic vanden openbaren sonderen. Mer oic vanden discipulen vele waren. die dit niet verstaen en consten. Wat [fol. 54va ] solden dan dese menschen die dat licht vander lanternen niet begripen en consten der menscheiicheit oft sy ghesien hadden dat liecht der sonnen. dat is der godlicheit. ho solden si hebben connen verdraghen den luyt van den donre: die niet en consten verdraghen den Iuyt vander trompetten. ya die doefworden van eenre cleynre sternmen der menschelicheit. Ende hieromme ons verloessere ihesus maicte ende vercoes sine, i gheminden. ende onder den anderen sinen wtuercoren discipel mit speciaelder gracien sint ian euangelisten. als een organe om dair mede te verciaren: dat onbegnpelic wesen sijnre godheit. Om dat also te volbringhen doer Sinen vicaris dair toe vercoren: dat hij om sekere redene van beginne der went verborghen hadde. Ende dat also na die passie ende verrisenisse ons here ihesu christi omtrint lxv. iaer om claerlicker hier af die waerheit te bekennen die menschen be- [fol. 54vb ] quamer werden mochten. om mitten inwendighen ogen hare verstendenissen dit te verstaen. dat is dat verborghen sacrament vander godheit inden mensche. dat sint ian heeft gheopenbaert seggende. Inden beginne was dat woert. ende dat woert was bi gode. ende god was dat woert. Seker die ordinancie der menscheliker crancheit heyschede. dat die mensche ierst solde bekennen. dat beghin middel ende deynde vander menscheit christi ende oic syn myraculen. Ende dat hij allensken toenemende te lesten solde sun begheerte verheffen om te bekennen dat verborghen misterium sijnre godheit. wair bi dat een sake was des godlics raets. dat die iij. euangelisten die vander
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men scheit christi haer euangelien hebben bescreuen enen langhen tijt solden voergaen. Ende dat sint ian die selue menschen. na dat sij als ionghe kindere ghesoeken hadden dat meick der menschelicheit: ende [fol. 55ra ] sij also stercker weren worden. om op te ciemmen die voetstappen der waerheit solde promoueren. om te comen ter kennissen der sueticheit. vander godlicheit. Ende aldus eist bi ghecomen dat sint ian ouenuloedigher glorie der godlicker wijsheit doen in sijnre herten ontfinc doen hij in dat heilighe auontmail nuste op die heilighe borst ons heren ihesu christi. Ende want dair in sun verborghen aile die scatte der godlicker wijsheit ende consten: so trac sint ian dair wt den gheistelicken trisoer een volmaictheit. daer hy van onse armoede oueruloedeiic heeft rijc ghemaict. Siet aldus heeft hij wten ghemeinen tnisoer den godlicken rijcheit ons voent bnacht oueruioedicheit. ende die mildelic ghedeilt in ghemeinen profite. ende salicheit alder werlt. Yae hij heeft gherust op die fonteine des ewighen leuens. om dat hi daer wt sceppen solde die ieuende watene aitois vloeynde der hiemelscher lere. [fol. 55rb ] om ons die te deiien ten behoeniicker tijden. Hi is een groet vloet ende nuiene des geistelics paradijs. die wten principalen oerspronc den godliken fonteinen comende mitten oueruloyen der gheistelicken gauen vnuchtbarich makende die wiidennissen der menschelicken henten. om voert te brenghen voele nuwer vruchten van gueden wenken. Ende daer om en eist niet te verwonderen. dat sure meechdelicker neynicheit. waint vertoent die godlicke neuelacie bouen den anderen. Op dat die hem seiuen ontrac die smette des vleischs. mit eenre saligher wisselinghen. voer die ghenuechten des vleisches soide moeghen ghebruken die ghenuechlicheit den hiemelscher spisen. Hij is verhauen tot alsoe groten pniuilegien. dat hij gaende bouen alle creatunen. daer heeft genaect mitten scenppen ghesichte sijns herten. dair noch patriarch. noch propheet. noch oic van beghinne den wen [fol. 55va ] cit noyt yemant inden vleische ieuende en const ghenaken. Ende het en is gheen wonder dat ons verloeser ihesus christus sint ian in sijn stat heeft ghesedt. om te openbanen die verholentheit sijnre godheit. Dien hi oic sijn liefmoeden te bewanen gaff die neyne maghet als hanen sone in sijn stat segghende tot haen dam hi inden cruce hinc. Wyff sich hien dijn kint. Ende tot sint ian sinen discipei. Siet dijn moeder. Want het betaemde dien hij die hiemelsche dinghen hadde beuolen. dat hij hem oic des ghelijck beual die eentsche. Ende want die middeleer tusschen god ende den mensche is ghemaict van tween natunen een persoen emanuel. dat sint ian beiden desen natunen solde sijn een ghetnouwe dienare. Die die sacramenten der godheit bescriuen solde: ende den heiiigher ende den ewighen maghet manen als een ghetrouwe dienare solde wesen ondenstandich. weicken discipel van beiden desen [fol. 55vb ] dinghen hem claerlic toent te sun een dienane in dat hij alien den ouenloep sijnre heilighen euangelien also tempent sine maniere van scniuen: ende nv dus. nv soc verwandelt geistelic. dat hij als nv die menscheit. als die godheit openbaert. Die menscheit in manieren van histonien: ende die godheit mit hoghen ende subtilen woenden. Ende hij tempent die spnake den woenden vanden godheit mit alsuicker maten van sobenheiden. dat hi die verborghen hoecheit den godiic-
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heit bedectelic openbaert. Ende dat den gheloeue aencleeft vander menschelicheit niet en bedect. also verne aist ons van node is. Want hi heeft die woende den historien wtghespnoken: als doer openbanen spleeten. daer den blick den godheit doer comt schinende totter kennissen den menscheliken ogen. Ende wont dat oge ons verstaens beuaen ende veriiecht mit enen subtilen raye des ewighen leets. ende opge [fol. 56ra ] daen om te ondersueken claenlicken dat ontoeganckelic licht der ewigher waerheit. Ende want Sint ian mit ondensceidighen ondinancien nv wtsprict ende condicht subtiliken die godheit: ende nv claenlic ende oitmoedelic de menscheit christi. ghelijck dat hi veruolghende toent inden beghinne van sinen euangelien. In principio erat verbum ten eynde toe. Want alsoe is te merken inden beghinne. so spnict hij vanden godlicken woerde. aldus sprekende. Inden beghinne was dat woert: ende dat woert was bi gode. ende god was dat woent. Siet ho dese aane gods ouerhoegheiic is gheuloeghen totten ouersten des hiemels. Men het was oic van noede dat hi ten spijsen des vleischs mit bedwonghenen vloegelen nederdaelde. Ende daer om corts daer nae hoert wat hij spnct. Ende dat woert is vleisch gheworden ende heeft ghewoent in ons. Van deser enicheit den godlicker ende menscheliken [fol. 56rb ] naturen in enen pensoen christi. sprict die bruyt in cantiken van haren brudegom. Sinen buyc is van yuorien ghesciert mit saphiren. Want inden leeden des menschelicken lichams. en is niet alsoe weec ende teeder als die buyc. Ende daer omme so wont wel biden buyc beteikent. die crancheit den menschelicker naturen van christo aenghenomen. Men yuoer is een been van enen elephant. dat weic is een dier dat van natueren is bouen maten reyn ende colt. Ende aldus is des brudegoms buyc van yuore. Want die mensheit die christus heeft aenueert die was ende is bleuen suuer ende neyn van alien smetten den sonden. Want hij noyt sonde en dede. noch ny en was bedroch geuonden in sinen monde. Saphirus is oic een costelic steen. van verwen ghelijc den hemel. Dair af staet ghescreuen in enen visioen ons heren dat onder sijn voete stont een werck als een saphier ghelijc den hemel [fol. 56va ] ais hij claer is. Ende aldus so werden biden saphier beteikent die wercken den godlicheit die god openbaerde doer die menscheit. Aldus was die buyc des brudegoms ghesciert mit saphiren. doen die menscheit christi wairt gheopenbaert mit godlicken myraculen. Menct dat daer niet en staet ghescreuen vol saphieren: mer gheschiert. also dat die scoenheit van yuore der menschelicheit hem mocht openbaren. Want christus wracht also die wercken sijnre menscheit dat niet myn oic kenlijck waren die myraculen sijnre godlicheit. Want hongher ende dorst hebben: ende ten lesten ghecruyst werden ende te steruen. dit waren die werken den menschelicheit. Men der godheit werken waren dat hij die myraculen dede niet alleen aen ander menschen: mer oic hem seluen verwekkende vander doot. Ende aldus verclaert sint ian des brudegoms buyc. als een yuoeyr ghesciert mit saphieren. als hi van christus godheit. [fol. 56vb ] ende als nv bescnijft sijn heilighe mensheit. Want dan sint ian somwiien bouen alien sterfelicke menschen wondeniijc sprict vander godheit. ende oic somwile vander menscheit christi. So eest wel recht dat hij niet alieen vanden latijnschen. men oic vanden grieken wont gheheiten Theologus. Mariam. heit men Theo[tecos].
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want sij gewanichlicke god heeft ghebaert ende voert ghebracht inder natueren. Johannem heitmen Theologum. want hi dat selue woert gods: dats dien soen gods die maria heeft ghebaert. met hogher subtijiheit heeft wtghespraken. alsoet gheweest heeft voert beghinne den went bi den vader: ende oic ghesien in onsprekelicker manieren. So dat hi wel segghen mach mitten propheet dauid. Mijn hente heeft wtgheruptsemt een guet woert. Ende aldus waest tameiike. dat die maghet sint ian der maghet manien gegheuen tot enen dienare: [fol. 57ra ] ende in die stat vanden here die knecht. als een vercoren soen. in die stat van den natuerlicken soen den maghet manen ghegeuen want. op dat also die claerheit der meechdeliker reynicheit in elcken van hen beiden. die een totten anderen lichten solde: ende dat bloesende aenscouwen dat in hem was ende dat hadden die een totten anderen in reynre mynnen in malcanderen mencken solden. Hier suldi merken alreliefste brueder een suete veranderinghe der godlicker werken ende ordinancien in die oefeninghe van uwer minnen. Ende w pynen te maken ende te verstaen een ghelikenisse tusschen die twee gloniose christi ons verloessers gheminde discipulen. Te weten iohannem ende petrum. ho dat si mit malcanderen verenicht sun in groter ghelickenissen. Want inden iensten soc heeft christus sint peter beuolen die sloetelen den heiligher kerken. Ende daer na soc woide hi sint iohanni beuelen sijn lieue moeder. Dit waren beide moederen maria ende die hei- [fol. 57rb ] lighe kercke. Maria was die moeder christi. Die heilighe kerke was moeder aire kerstenen. christus ontfinc vleisch van marien. ende die heilighe kercke is ghecomen wter sijden van christus vleische. christus is wt marien ghecomen naden vleische: mer christus heeft ghebaert die heilighe kercke wt synre sijden. wt marien is hij gheboeren. ende om die heilighe kerke is hij ghestoruen. Wt marien is hij eens ghebaent in sijnen properen persoen. wten heiligher kercken werden daghelics ghebaert. die gheistelicke lede christi. dat sijn alle vercenen menschen. Christus heeft van marien ontfaen. dat hij gheoffent heeft sinen vader. gheoffert mitter doot. om also beide te samen ieuende te maken ende te verholden. Ende aldus soc is maria een grote ende salighe moeder. wt wiens lichame christus heeft menschelicke nature na den vleische aengenomen ende dair wt is die heilighe kerke comen. doen water ende bloet te samen quamen gheuloeten wt christus syde. Ende aldus eist claer dat die heilighe kerke den kerstender menschen gheistelicke moeder haer beghin ende oerspronc heeft genomen wt manien ons here ihesus christus moeder. Weicke twe moederen sijn sekerlicke aile beide reyn ende suuer. ende behuedt metten teiken der ewigher meechdelicheit. Deser tweer moederen ende ewighen meechdelicheit wolde ihesus die een beuelen sint ianne. ende dander sint peter. om alsoe wel gheweghen eens yeghelics dienst van hem beiden. haer beider hoegher ende wtnemende werdicheit solde moeghen ouermits hare verdienten werden ghelijc. Tot sint peter sprac christus. Ic sal di gheuen die sloetele der hiemelen. Nu merct hoe dat maria oic een hiemel was. doen in haren meechdelicken lichaem .ix. maende lanc bleef volcomelic alle die voiheit den heiligher dnieuoldicheit. wt wiens reynen binnensten dat woert gods [57vb ] doer wien alle creatueren ghescapen sun, hem heeft ghecleet mitten vleische. ontfaen van haere
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reynder meechdelicheit. doen hi lach besloeten inden meechdelicken buyc. Ende hij nochtan mit sinen vader euen gelijc regnierde ouer al dat was in hemel ende op den eerden. Aldus dan so was maria een ghewanich hemel daer af dat ihesus maicte iohannem enen sloetel draghere. doen hij hem sun lieue moeder gaff te behuedene. Ende op datmen noch claeniiker die gheiikenisse tusschen dese twe vercorene discipulen christi mach verstaen ende bekennen. Doen onse heen ihesus christus sinen discipulen vraechde wat gheuoelen die menschen van hem hadden: ende sij hem daer op hadden gheantwoert. dat die somighe seiden dat hi was iohannes baptista. Dander helyas. dandere Jheremias. dandere enighen vanden propheten. Doent quam dat sint peter sijn antwoerde gheuen solde. so was die antwoerde al in twiueie: [58ra] noch christo en was in sijnre vraghen niet ghenoech ghedaen. Mer doen die discipulen worden gheunaecht wat si geuoelden. So ginc petrus die die vorste stat hadde onder den apostolen inden ghetugenisse der waerheit voer anderen segghende. Du bist christus des leuenden gods soon. Siet onder die donckerheit des kerstenen gheloefs. onder den twiuel den onghestadigher tempeesten. Hoe dese visschere den ancher des gheioefs gheuesticht heeft ende dat sceepken des kerstenen gheioefs geset in die hauene des ghesaeten vreden. Nu laet ons des ghelijcs merken oft iohannes euangelist eenich werck heeft opder erden ghedaen. daer mede dat hi sint peter te ghelicken is. Johannes waert ghewroecht voer domiciaen den keyser van sijnen voistendighen gheloeue. dat hi in christo hadde. Dairomme wart wart hi vanden seluen keyser ghebannen: ende als ballinc ghesonden in een [58rb ] wilde eylant. Doen stonden ter stont op. marchyon. chenintus. chyon. ende meer andere ongheloeuighe. die die seiue iohannes alte antikerstenheit. Dese begonsten te aenuerden die coye der gheloeuigher scape. ende als boese wolue te vernielen die scaepkens die beroeft waren van haren herde sint ian die sij plach te behueden ende te bescermen. Dese ongheloeuige menschen leerden. dat christus voer marien sijnre moeder niet en was. Ende aldus soc corrumpierden sij mitten besmetheit van haren ongeloeue die puere waerheit des kerstenen gheloefs. Die went begonst confuyst te werden: die heilighe kerke gheturbiert. Dat kerstene gheloeue begonst te krenckene: ende veel menschen begonsten in groten perikel te comen. wat sal ic meer segghen. Biden ghestaden gods. so quain die keyser domicianus te eenre scandelicker doot: ende iohannes is mit eeren weder comen tot ephesien. Ende hi vant seer be- [58va ] druct die heilighe kercke. Mer al dat hij daer vant ontstelt mitter dolinghen des ongheioefs. dat bracht hi ter stont weder vaster ende sterkker totten sacramente des heilighen gheloefs Want also die historien van hem scriuen doen hi dam toe was ghebeden vander ghemeynre heiligher kerken. Doe sprac hy ten lesten sijn hoeghe leere van sinen euangelien bider godlicker gracien gheinspiriert seggende. Inden beghinne was dat woert. ende dat woert was bi gode: ende god was dat woert. Ende aldus sette hi een eynde vander leeren den ongheloeuigher: ende stercte van dier tijt voentaen die heilighe kerke in enen ewighen vasten gheloeue. Aldus is petrus petra. dat is een harde keye. daer op dat christus die heilighe kerke heeft ghefundiert. Ende des ghelijc tis oic iohan-
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nes een keye. op wiens fundament om sijn vast gheloeue die structure der heiligher kerken wonderlijc verhauen is. [58vb ] Want se gheen aenuechtinghe der ongheloeuigher beruerren en mach. Mit deser keyen. dat is mit desen steene was gheladen des conincs dauids slinghere doen hi merkelijc goliad den groten rese raecte in sijn voerhoeft om dat hij mitten teiken des heilighen crucen daer niet gheteikent en was. Dese keye vernielt alle die wedersaken der heiligher kercken. Ende si wonpt ter neder alle dongheloeue den ioeden: ende der ongheloeuighen. Het en is oic gheen wonder dat iohannes gheiijc peter petna. dat is een keye gheheiten is. Want van hem die propheet ezechiei seit Sich ic sal dijn aenschijn maken stercker dan haer aenschijn. ende dijn voerhoeft harder dan thoere. Ic heb dijn aensicht also hart ghemaict als een dyamant ende keye. Voer waer tselue dat oic yeghelijc van hem beiden discipulen ghespraken heeft vanden sacraemente ons heilighen gheloefs. als eist god [fol. 59ra ] lijc ende op dat alre diepste te verstaen. also dat hoerder beider worde gaen bouen alle menschen verstentenisse. ende het niet en schijnt ondersceiden in di onbegripelicke godheit. datsi beide ghelijc hebben ghesproken bi ingistinghe des heilgen geist. Nochtan dat gheen dat iohannes sprict is mit sonderlinheiden. alsoe voel meer gheacht. ende te verwonderen. alsmen inder waerheit beuinden mach. dat noyt yemant des ghelijc. nach voer noch na ghesproken en heeft. Mer dat petrus heeft van christus godheit ghetuycht dat heeft oic des ghelijc ghesporken martha magdalenen suster. Want doen haer christus toesprac. also men leest in die euangelie segghende. So wie dat leeft ende in my ghloeft. die en sal nummermeer steruen. ende veruolghens sprac hij. gheloefs du dit. Doen antwerde daer op martha ter stont inden gheist tselue dat sint peter seide. Ic heb gheloeft dattu bist christus des le [fol. 59rb ] uenden gods sone. die hier bist comen in deser werelt. Ende wat wonder eest dat wi iohannem wt der gotheit sprekende setten hoegher dan petrum. Ghemerct die woerde vanden beghinne van sijnre euangelien: op dat georloft is te seghen. schinen hoegher gaende. dan die woerde ons heren ihesu christi. Oic en is dat gheen oneere. oft vermindernisse ons beholders. datmen gheloeue dat hi doer sinen gheminden discipel dien hij daer toe mit sonderlinheiden vercoren hadde. yet hoegher sprict dan doer hem seluen. ende mit sijnre tonghen openbaer. dat hij bi hem seluen miet openbaren en wolde. Want niet wederstaende baptisten heilicheit van sijnre moeder lichame. So wolde hij nochtan sin ian euangelisten. die van ionx al sulcke gracie niet en hadde. mit sonderlingher gracien daer toe verkiesen. dat hi baptisten ghetuige gheuwn solde. om datmen hem te bat gheloweven solde: ende sijn heiligheit te meerder achten. also hij [fol. 59va ] scrijft in sijn euangelie. dat een man ghesendt was van gode die gheheiten was iohannes etc. [?] Ende om een claeder bescheit te hebben. tusschen hare beider werdicheit. te weten tusschen petrum ende iohannem euangelistam. Soe is te merken dat ons here heeft iohanni verloent hoegher te vlieghen ende te toenen inder woerden. dat hij sint peter heeft verleent in meerder myraculen. Want met leest inden boec vander apostolen werken. Datmen die ziecken bracht inden straten mit haren bedde. daer petrus lijden solde. op dat sij bi sijnre scaduen ghenesen solde. des ghelijc men noyt
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en vint ghescreuen geschiet van onsen heer ihesus. dat hi oyt enighen mensche ghenas mit sijnre scaduen. als peter dede. Mer dat selue dat ihesus te voeren hadde voerseit. dat is volcoemelijc gheschiet. Want also sint ian tuycht in sijn euangelie. so sprac ihesus aldus tot sinen discipulen voer waer voer waer [fol. 59vb ] seggic w die in my gheloeft. hij sal de selue wonderlicke werken doen. die ic doen. ende noch meerdere. want ic gae te mynen vader. Aldus heeft hij doer peter ghewracht. ende ghesproken doer iohannes. hoeckhliker dan hi selue werken wolde. oft oic spreken. daer om dat hij oic selue seit tot sinen discipulen. Ghij en sijt niet die sprect. maer die geist mijns vaders sprict in w. Het is wail recht dat iohannes bouen haet allen leeraren die oyt sijnen tijt ende na hem boeke ghescreuen hebben vander godlicheit mit sonderlingher gracien van wtspreken ende leeeren dien gheen smette der onsuuerhit noyt en ghenaicte. mer dien gheheelheit der meechdelicheit alle sijn leefdaghe heeft verschiert. Want hi vliende die vereninghe des huwelicken staets ouerdroech die hitte sijns minnenden herten in die weelden der gheistelicker ghenuechten. ende in die salige ryen mynne. sijns ge- [fol. 60ra ] mynden beholders ihesu christi. om wiens wille hij versmade alle ghenuechten der vleischeliker minnen. Ende dair omme so was hem oic alsulcke gracie van gode verleent: dat sijn minlicke herte tyt allen sinen bruederen. also vol was hi in caritaten. Dat sijn heilighe borst scheen ghelijc enen heilighen tempel. vol sijnde vanden vuyre der godlicker minnen. Dat welcke menscherlic mach bekennen in sommighen van sijnen leeren. In den welcken hij schinet in allen sijnen. als oft doer denre hande spleten die hitte des vuyrs van sijnre mynnen scheen gheuende mit vuerigher minnen vlamme tot allen menschen. In dien dat hij als nv. die sommighe als vaders noemt. die hit guetelic vermaent tot minnen van haren gheistelicken kinderen. Als nv die sommighe niet allene kinder. mer kinderkins wt volheit der ninnen heiten wolde. Als nv oic enige [fol. 60rb ] mit haren properen name ionghe kinderkins ende andere ionghe personen. Ende oic olde. yeghelijc na sijnen staet hem pijnde te vermanen ende te trecken ter minnen gods. Als nv oic sommighe ioncfrouwen ende anderen vrouwen scriuende ende vermanende. dat sij solden ghestandlich bliuen in gueden gheloeue ende in godlicker minnen. End ealdus verliecht ende bernende mit groter minnen kierende hem tallen eynden. Ende al omgaende daers van node was pijnde hi hem mit sijnre vreindelicheit te trecken alre hande menschen ter minnen gods enen yeghelicken na sinen staet. Ende ghelijc enen boghe mit ontlokenen armen te omvaen. ghelijck enen minlicken vader alle menschen der heilgher kerken. alst oft sihn eyghen kinderen hadde gheweest. om enen yeghelicken van hem te trecken tot godlicker minnen dier hi vol was. Want die godlicke min- [fol. 60va ] ne dair hem onse heeer bouen al den anderen mit sonderlinheiden hadde mede begaeft. hadden alsoe gherenen ghemaict. ende mit mynnen geneicht tot alre menschen salicheit. dat alst gheen wonder was en was hi meer dan dandere discupulen minde. Want hij van gode meer was gemint. so dat hi die ierste ende die ouerste was inder minnen ons heren. Want hij oci die principaelste was om sijn minne te bewisen. ende te deilen sinen bruederen. Ende hoe hoeghen stat dat hi hadde bouen den anderen in godlicker minnen.
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om te vercrighen dat hij begheerde van onsen heere ihesu christo sinen geminden. ende sinen minner is hier aen claerlijc te merken. dat die selue iohannes van god vercoren als apostel ende euangelist van hem seluen tuycht in sijn helighe euangelio. doen hi was mitten anderen inden heiligen auontmaile. Ende onse here ihesus in den geist gheconturbiert seide [fol. 60vb ] tot hem allen ynt ghemeyn. Voer waer voer waer seggic w. dat een van uwer gheselscap sal my verraden. Ende als sij dit hoerden saghen sij op malcanderen mit wondere ende twiuelden. wie dat solde sijn. Soe volcht terstont in die euangelie. dat een van den seluen discipulen in den seluen avontmaile rustende was ip ihesus borste den ihesus mynde mit sonderlinheiden. Totten welcken doen sprac symon petrus. ende vraechde hem. wie die ghene waer. die ihesum verraden solde. Ende als dit iohannes inden geist ihesum vraichde. Ter stont antwerde ihesus int openbaer. Het sal die gheen sijn. dien ic dat ghenette broet gheuen sal. Eenen discipel vna groter werden. die mit rechte cor al te setten is in den loue der kerstenheit. Dat ewighe woert sprict onder die ghemeynsamheit der apostolen. ende sij bleuen van wondere allen swighende. Want die auctoriteit. ende wer- [fol 61ra ] dicheit haers meisters ihesu christi. die dair sprac was also groet. dat die heilighe versameninghe der discipulen haer bedwanc. mit discipulen der silencien. Si waren onderlinghen in groten twiuele. ende al en spraken si niet. sij gauen malcanderen nochtan teikene om te weten die waerheit: mer si end dorsten mit woerden niet vraghen onsen heer. Petrus sweech die nochtan mit christo was alse gheacht. dat hij hem beuolen hadde die sloetele des ewighes leuens: om te binden ende te ontbinden op der eerden. Ya die die macht hadde also groet. dat die poerten der hellen hem niet en consten wederstaen. Want hij macht hadde die zielen te binden. ende te verlossen. Andries sweech oic die ierst riep peter sinen brueder ter fonteinen des ewighen leuens. Thomas sweech. die niet wetende den wech des leuens. van christo nochtan wert was gheleert te werden dat hi was die wech [fol. 61rb ] die waerheit. ende dat leuen. Philips en dorst niet op doen sinen mont. nochtan dat hem christus vele misterien leerde vander gotheit sijns vaders. Si sweghen alle. Mer ten lesten als dit een wile aldus hadde gheduert. ende niemant hem ghenoech en dede. van daer sij aff in twiuel stonde. ende daer sij gherne die waerheit af gheweten hadden. Soe sochten si ten lesten rait aen sint ianne. Ende aldus so quemen sij int middel van hon ter kennissen. daer af dat si in groten twiuel waren. Want hi als die meeste coenheit mit christo hadde. ter begheerten van sinen medeghenoeten. ouermits coenicheit mit christo hadde. ter begheerten van sinen medeghenoeten. ouermits coenicheit ende groten betrouwen der sonderlingher liefden die christus specialic tot hem hadde was werdich van hem die waerheit te verstane dir dander niet to ghecomen en consten. Hier wt is te merken vieue brueders. mit hoe groter werdicheit ende sonderlingher deuocien ende gueden betrouwen wi moghen desen lieuen discipel ende [fol. 61va ] gheminden vrient ons heren ihesu christi nemen tot enen sonderlinghen patroen bouen den anderen apostolen. ouermits hulpen van sinen verdienten van gode te vercrighen dat wi begheeren. die also hoeghe is bi onsen
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heer. dat die andere discipulen doer sijn verdienten hem pijnden van gode te vercrighen. dat sij begheerden. Ach hoe voele vermach hij bi den gherechtigen richtere tot onser armen menschen beheof. die weert was een middelaer tusschen gode ende die heilighe princen den apostolen gods te sijn Voerwaer dese hoeghe weedichheit van sint ianne bekende wel die engel in apocalipsi die hem verboet doen hiten aenbeeden wolde seggende. Siet jan. dattu dat niet en duet. want ic ben een dijn mede gheselle. ende dijnre bruederen. die hebben ghetuyghenisse ons heren ihesu christi. mer aenbeet gode. Die engel en wolde van sint ian niet sijn aenghebeet noch [fol. 61vb ] ghedient dien hij bekende voer den hoeghen richtere hebbende een grote gracie van wtnemenden ende werdicheit. Mer hij kenden voer sinen brueder ende medegheselle. Ende daer omme. soe end wolde hio van hem niet ontfaen enighen dienst van nederheiden. Eist oic also inder waerheit. dat die meechdelichke reynicheit in allen santen is een heilichgen engelen een maechschap. nochtan soe is die reinicheit van sint ianne alsoe voel naerder ende ontfencliker der engelscher reinicheit bouen den anderen int ghemeyn. als hi mit sijnre heiligher verdiensten meer dan dandere werdich was. om sijne meechdelike reynicheit te sijn een dienere ende behoedere der ewigher reynicheit van marien. Die alsoe groet is voer gode. dat gheen ander puerheit. noch van engelen noch van menschen hoerder reynicheit is te ghelicken. Want haer vruchtbaerheit in har meech- [fol. 62ra ] delicheit onthoecht alle hiemelsche gheisten. Ya niet alleen om dat si vruchtbarich is. mer oic godbarich. Het is een nyeu dinck dat een maghet baert: mer dat een maghet gode baert. dat gheet sonderlinghen bouen alle niwtheit. Want het is alsoe onbegripelic. dat noch tonghe ghespreken. noch oic herte en kant verstaen. Mer ghelijc dat marien maechdelicheit gheetbouen sint ians reinicheit. Dies ghelic gheet die reynicheit van sint ianne bouen die reynicheit alle der anderen menschen die oyt waren van beghinne der werlt. Ende hier toe dient dat hij ruste op die borst ons heren. Want die godlicke iohanne der reynder minnen gods die in hem wracht. ende die hi mit godlicker inspiracien daer ontfinc in sinen binnensten. die verteerde in hem ende verdreef alle gheneychtheit der onsuuerhiet. also dat oci sinen werden licham als einen tempel des heili- [fol. 62rb ] ghen geist verhuet was van allen opualle der onsuuerheit. Want die valmme der vleischelicker gheneychtheit en const gheen stat ghehebben inden licham die bescaduet was vanden heilighen geest. Ende daer om waest tamelick dat iohannes euangelist. der seluer maghet verleent was tot enen huder. daer die engel gabriel was toe ghesonden mit eenre groeten. Op dat die hiemelsche bode onsienlic der meechdelicker reynicheit marien. als een dienre solde sijn van binnen. Ende sint iohannes der seluer maghet als sijnre vrouwen van buiten naden licham solde ghedientich sijn. mit tamelicker ghehiersamheit. Oic so waest tamelicke dat die werde ioncfrouwe die ghebaert hadde den heer van hiemelrike ende van eertrike oic solde bebben twe dienaren. Den enen wten hiemel ende den anderen opter eerden. Om also van hon beiden ghewarich ghetuych [fol. 62va ] te gheuen van hare meechdelicker reynicheit. Aldus so was sint ian naerder der moeder di baerde dat woert gods. so was oci sint ian naeder
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den seluen woerde. dan di andere waren. Ende want oic sint ian gheheiten was selue marien soon. niet van yemant vreemds. mer van gode selue die die ewighe waerheit i. Doen hi sprac hanghende inden cruce. Wijf sich daer dijn kint. ende dat selue noch dair na veruolghens confirmierde totten discipel segghende. Siet dair dijn moeder. Soe eist wail redene dat niemant mit rechte en mach hoegher sijn den ghenen dien christus selue tot enen bruder vercoeren heeft van sonderlingher priuilegien ende gracien. Hier om mijn alreliefste brueder lait ons erstich sijn te leuen ende te leeren ende te volghen des gheens voetstappen ende geboden. die aldus sonderlinghen is bi gode ver- [fol. 62vb: this and the following column in the manuscript are in part illegible] hauen Ende al eist dat wi alle mit [verstanne] lichamlicke reynicheit niet en hebben noch ghelijc niet hem gheholden en connen. Nochtan want ons diedens verdroncken sijn moeghelijc is te comen tot beholdenissen. Lait ons also voel te meer pinen te bloyen ende toe te nemen in doechden. op dat wi als soe te bat verhanlen moeghen die scade van onser verlorender reynicheit En lait ons dan niet werden verwonnen vander hitten der tornicheit [doer?] ghiericheit der gramscap. ende van der vlammen der onsuuerheit. Ende en laten in ons gheen stat hebben inich onsuuer ghepeys dat in enigher eijs die inwendighe scoenheit onser zielen beulecken mochte. Lait ons niet gheleidt ende bedroeghen werden biden wtwendighen dinghen tot enigher gheistelicker houerdien. Ende laet ons gheen gheiricheit besluyten [fol. 63ra ] die [binnen? ten?] den armen der […]kender ontfermherticheit te ontrecken Mer in ons meot bloyen ende wassen hertelic reynicheit. oetmoedicheit. ghedoecsamheit. sorberheit. […dicheit. … 2 lines illegible] mit saechtmoedicheiden [… three-quarters of a line illegible] dese ander doechden die ons behoerlic sijn tot onser salicheit caritate [klopt?] die een moeder is alre doechden […] hebben ende holden [….] in onser herten. Want alsoe sint ian beschrijft God is die ewicheit. Ende want ouermits caritaten die sone gods is wten hiemel terneder ghdaelt inder reydner maicht. so lait ons also in minnen leuen. dat hi ons also moet verheffen mit sijnre godlicker minnen. om bi hem te comen in die glorie des ewigen leuens. Daer h in die volmaicte drieuoldicheit een mitten vader ende den heilighen giest leeft ende regniert in e- [fol. 63rb ] wicheit. Amen. Ach die wiste die euangeliste. wat hi vermach. hij solden minnen mit herten ende sinnen. nacht ende dach. Brueder wildi sijns ghenieten. en lait w der minnen niet verdrieten. Want hi is een sunderlinghe hulpe ende troest voer gode ende sijnre lieuer moeder den ghenen die in enigher noit of tribulacien sijn. ende hem aenroept. Ende onse heer vertroest dien mensche sunderlinghe. ende sijn lieue moeder oci die haren lieuen vrient sin ian in eeren ende in weerden hebben. of enighen dients doen hoe cleyn hi is. god en laten hem niet ongheloent. in deser tijt. oft hier na inden ewighen leuen sonder eynde.
The Problem of Mystical Union in Eckhart, Seuse, and Tauler Bernard McGinn (Chicago) Mysticism, especially the forms of mysticism that center on becoming one with God, has long been controversial in the German Protestant tradition. The great exponent of Dogmengeschichte, Adolf Harnack, deplored unitive mysticism and blamed it for some major problems in the development of doctrine, such as the Chalcedonian definition of the union of God and human in Christ and the notion of a real presence of Christ in the Eucharist 1. For Harnack, mysticism was fundamental to Catholicism, but not compatible with the evangelical purity of Protestantism - „ein Mystiker, der nicht Katholik wird, ist ein Dilettant,“ in his famous phrase 2. The teachings of the mystics about the annihilation of created particularity, and the attendant doctrine of deification, according to Harnack, are pantheistic, hubristic, and just plain wrong. To quote one passage among many: „Ist aber die Seele per raptum eines solchen Aufschwungs aus ihrem Nichts zu Gott fähig, kann Gott in ihr Innerstes eintreten, dann - hier liegt der nothwendige Umschwung der Betrachtung - umschliesst die Seele selbst in ihrem innersten Wesen ein tiefverborgenes Göttliches. Das Pantheistische schlägt in Selbstvergötterung um. Das Göttliche ist im Grunde die Fähigkeit der Seele, von allem Erscheinenden abstrahiren und sich befreien zu können.“ 3
This text from the Dogmengeschichte comes from a section where Harnack is discussing Eckhart and Thomas Aquinas, though how such a distinguished scholar came to misunderstand the Angelic Doctor so badly is puzzling 4. Harnack was mistaken about Thomas Aquinas, but what about Meister Eckhart? Harnack had obviously read Eckhart; his tirade against mysticism in many ways is really an attack on the Dominican of Erfurt. In what sense is Eckhart’s view of mystical union pantheistic, or monistic, rather than Christian? While I’m sure that I could not convince Harnack, whose famous ,Das Wesen des Christentums‘ makes clear his theological opposition to mysticism, I will use this essay to try to indicate why neither pantheism nor monism is a useful term 1
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For a discussion of A. Harnack on mysticism, see G. Jantzen, ,Where Two are to Become One‘: Mysticism and Monism, in: G. Vesey (ed.), The Philosophy in Christianity, Cambridge 1982, 150-152. A. Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte, vol. 3, Tübingen 1920, 436. Ibid., 442. On the previous page (441) Harnack claims that Aquinas holds that the soul in this life can enjoy the full visio Dei, something that Aquinas explicitly denies.
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for understanding Eckhart’s teaching on union. My aim, however, is not so much to belabor Harnack as to use his misunderstanding to provide a perspective for a better grasp of how Eckhart and his followers present mystical union. Before turning to Eckhart and his followers, however, some methodological and historical remarks on the nature of unio mystica will help set the stage 5. The term unio mystica is primarily a modern category of the study of religion, much like the word mysticism itself. Of course, the Greek adjective mystiko¬w , meaning hidden, was taken over by Christians as early as the second century to indicate the inner realities of their beliefs and practices, especially the sensus mysticus of scripture, but also extended to such terms as mystica contemplatio and mystica theologia. Mystical union, however, was a rarely used expression. It first occurs in the Pseudo-Macarian homilies of the late fourth century (synoysi¬a mystikh¬; koinvni¬a mystikh¬). It was also used by Pseudo-Dionysius in the ,De divinis nominibus‘ (eÕnvsiw mystikh¬) 6. Unio mystica is infrequent in the later mystical tradition, though the language of union, variously presented, is an important feature of Christian mysticism, just as it is in Judaism and Islam. The second point to note about mystical union is that there is no commonly agreed upon vocabulary for its investigation. Previous scholars of mysticism often distinguished between opposed forms of union, such as impersonal versus personal union, absorptive versus non-absorptive union, habitual versus ecstatic union, essential versus intentional union, and the like. There is nothing wrong with these categories, as long as they are not employed in any crude way to pigeonhole mystics. Rather than being easily classifiable by opposed types, most mystical texts present an oscillation and interaction between two broad ways of describing union: first, what we can call mystical uniting, that is, descriptions of an intentional union between God and human that emphasizes the continuing distinction of the two entities; and second, mystical identity, signifying a deeper union meant to express a state of becoming indistinct in God, at least at some level of reality. The language of mystical uniting is more common and doctrinally safer; the language of mystical identity is daring, even dangerous, yet noted mystics, not only in Christianity, but also in Judaism and Islam, have taught that indistinction is the goal of the mystic path. Many mystics in all three traditions use expressions that reflect subtle variations on both types of mystical union, while other mystics tend to concentrate on one or the other. Meister Eckhart is perhaps the best example of a pure mysticism of identity in the history of Christianity. In this he compares with two roughly contemporary mystics of the related monotheistic faiths, the Andalusian Sufi, Ibn al’Arabi (d. 1240), and the ecstatic Kabbalist, Abraham Abulafia (d. 1291) 7. 5
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See my forthcoming article, Mystical Union in Judaism, Christianity, and Islam, in: The Encyclopedia of Religion, New York 22005. For a history of the term, see A. M. Haas, Unio mystica, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, vol. 11, eds. J. Ritter †/K. Gründer/G. Gabriel, Basel 2001, 176-179. Mystical identity was strong in Islamic mysticism, especially in the ninth and tenth centuries, as the names of Al-Bistami, Al-Junayd, and Al-Hallaj, indicate. As M. Idel has shown, unitive
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An interactive understanding of the two modes of mystical language helps reveal some of the issues addressed by unitive mysticism. I can only touch on two of these here. Mystics insist that they are trying to bring to speech a form of consciousness that is ultimately ineffable. Unitive language is one of the strategies they use in this impossible but necessary endeavor. Hence, we need to pay careful attention to the hermeneutics of mystical texts to begin to understand what unitive language is trying to do. For lack of a more extensive explanation, the goal can be briefly described as the attempt to break down ordinary modes of thinking and speaking in order to prepare for the mystic’s inner transformation in light of a consciousness of the direct presence, or present absence, of God. One of the favorite ways to further this reconstitution of consciousness is the use of concrete images and symbols that suggest, in a tactile way, uniting with God and even becoming identical with God. Images of erotic love, especially those taken from the Song of Songs for Jewish and Christian mystics, and from pre-Qu’ranic love odes for Muslims, are the most frequently employed ways of expressing the uniting in which two persons become one in the love that still leaves intact their essential differences. Other images and symbols lend themselves more readily to symbolizing the absorption that leads to identity with God. (These are found in mystics across the three monotheistic faiths.) Among these images are the infinite ocean as the repository of all waters, the bare solitude of the desert, the depth of the abyss, the reflectiveness of the mirror, and what can be called the identical eye, as expressed by Eckhart’s formula, „Daz ouge, daˆ inne ich got sihe, daz ist daz selbe ouge, daˆ inne mich got sihet“ 8. The eye image is echoed in the famous ,hadith‘ (an extra-Qu’ranic divine statement) in which Allah proclaims: „I became the hearing with which he hears, the seeing with which he sees, the hand with which he grasps, and the foot with which he walks.“ 9 Along with such concrete images and symbols, unitive mystics, especially those who favor mystical identity, have employed an array of distinctive linguistic strategies and verbal techniques to help effect the breakdown of normal language and consciousness. Among these are the blasphemous ecstatic proclamations (shathiyat) found in Islam, as in Al-Hallaj’s „I am the Truth,“ and AlBistami’s „Glory be to me!“ Other special forms of language involve the return to one’s pre-creational state, what in Eckhart can be called virtual or principal existence (esse virtuale). Common to Eckhart, to Jewish mystics like Abulafia, and
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mysticism is also found in Jewish mysticism; see his Kabbalah: New Perspectives, New Haven 1988, chaps. 3-4. Pr. 12 (DW I, 201, 5-6); cf. Pr. 69 (DW III, 175, 5). For similar formulations, cf. Pr. 10 (DW I, 162, 2-4; 168, 4-7); Pr. 76 (DW III, 310, 3-4); and In Ioh., nn. 506-509 (LW III, 437441). On the role of this saying in Islamic mysticism, see M. Sells, Bewildered Tongue: The Semantics of Mystical Union in Islam, in: M. Idel/B. McGinn (eds.), Mystical Union in Judaism, Christianity, and Islam. An Ecumenical Dialogue, New York 1996, 87-89.
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to Muslims such as Al-Junayd and Ibn al’Arabi, are forms of dialectical language that explore the interplay of distinction and indistinction in the divine-human relationship. Such dialectical language often includes expressions featuring reduplicating discourse and deliberate forms of referential ambiguity and fusion in which the pronouns indicating God and human break down, melt together, and reverse themselves. For example, in speaking of Adam as the mirror in which God creates all things, Ibn al’Arabi uses the simple phrase „He saw him reflected in the mirror“. But since Arabic does not insist on choosing between reflexive and non-reflexive pronouns, the ,he‘ can refer to either God or human 10. As the passage develops, we are not sure who is seeing whom. Abraham Abulafia (or possibly a student of Abulafia’s), reflecting on three passages in the Hebrew Bible, also criss-crosses referents: „He told me: ,Thou art my son, this day I have begotten you‘ (Ps. 2, 7), and also ,See now that I, even I, am he‘ (Deut. 32, 39), and the secret is the union of the power, i. e., the supernal divine power called the sphere of prophecy, with the human power; and it is also said: ,I I‘ (Is. 43, 11).“ 11 Such he-he and I-I formulae are found in other places in this Kabbalist’s writings. Similar pronominal ambiguities can be found in Eckhart’s texts, such as in the famous poverty sermon (Pr. 52), or in a passage from Pr. 83: „Dv solt alzemal entzinken diner dinisheit vnd solt zer fliesen in sine sinesheit vnd sol din din vnd sin sin ´ein min werden als genzlich, das dv mit ime verstandest ewiklich sin vngewordene istikeit vnd sin vngenanten nitheit.“ 12 The second issue involved in unitive mysticism is that of the annihilation of the personality. Annihilation language comes in weak and strong formulations. The weak, or metaphorical, expressions of annihilation are mostly employed in the realm of mystical uniting. A good example can be found in the language of the passing away of the lover in the ecstasy of a sexual embrace with Christ, as we find it in mystics like Hadewijch or Mechthild of Magdeburg. Strong forms of annihilation language are evident in mystics like Eckhart and Marguerite Porete, who insist that annihilation is not a metaphor - becoming identical with God can be realized only through annihilation of the self (just what Harnack feared!). Nevertheless, when we begin to explore the meaning of non-metaphorical annihilation, it becomes more complex, if no less challenging, than Harnack imagined. When mystics talk about self-annihilation, a number of further questions suggest themselves as important for understanding what they intend. For example, what self is being annihilated: the created self, or also the deeper, uncreated self ? Is the ego-annihilation total and final, or only in certain respects and for particular times and circumstances? Finally, is the annihilation in some way a mutual one in which both God and human lose themselves in some deeper reality? Thus, annihilation is not a simple category; but, like many forms of mystical language, it is paradoxical, analogical, and dialogical. 10 11 12
See Sells, Bewildered Tongue (nt. 9), 121-122. Text from M. Idel, Studies in Ecstatic Kabbalah, Albany 1988, 11-12. Pr. 83 (DW III, 443, 5-7).
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Furthermore, when strong annihilation language is used in mystical texts it is often accompanied by strategies of qualification that must be taken into account to get the full measure of the meaning of annihilation. Some of these strategies are dialectical in the sense that they emphasize the coexistence and even the intensification of indistinction and distinction in mystical identity - from one perspective, union is absolute identity; from another, identity itself is grounded in a radical distinction between God and human. Other qualifications emphasize perception, claiming that in some situations the mystic loses all sense of personal distinction from God, although ontologically the essential difference between the two always remains. These preliminary observations begin to suggest an approach to mysticism that challenges the categories used by Harnack and others to characterize mystical union. They indicate that such broad terms as pantheism and monism are neither accurate nor helpful for understanding mystical union: They function more like slogans employed to dismiss mysticism before examining it than instruments for careful analysis. In the case of pantheism, we can admit that mystics, and many other monotheists, insist that God is all things in the sense that the being of the world is a manifestation of God and its reality is its participation in God. But saying that the world is God made manifest does not necessarily imply the reverse. God is more than the world for the mystics, so the simple identification of God and world implied in pantheism is not an accurate term for most forms of mysticism 13. Further, if we understand monism in its root sense as the contention that there is only one basic principle underlying all reality, this claim is certainly true for most forms of monotheistic mysticism, such as of that of Eckhart and of the great Sufis. But ,monism‘ says nothing more; it is so broad and unnuanced, embracing so many possible forms, that it is scarcely helpful as a heuristic tool for understanding the variety and intent of mystical texts. From the time of Origen, Christian authors made use of the language of union, especially that of mystical uniting. Commenting on Song of Songs 2, 10-13, Origen says, „For the Word of God would not otherwise say that the soul was his neighbor, did he not join himself to her and become one spirit with her“ 14. In using the language of one spirit, Origen is referring to 1 Corinthians 6, 17, „Whoever is joined to the Lord becomes one spirit with him,“ a passage that became the leitmotif for mystical uniting. However, language of mystical identity is also found in Christian history as early as the late fourth century in the writings of Evagrius Ponticus, the Origenist desert father. In the writings of Pseudo-Dionysius we find a mysticism of identity achieved by passing beyond 13
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On the inadequacy of pantheism as a description of the thought of many Neoplatonic philosopher-mystics, see D. Moran, Pantheism from John Scottus Eriugena to Nicholas of Cusa, in: American Catholic Philosophical Quarterly 64 (1990), 131-152. Cf. W. A. Baehrens (ed.), Origenis Commentarium in Cantica Canticorum, Liber III, in: Origenes, Werke VIII (Griechische Christliche Schriftsteller 33), Leipzig 1925, 223, 21-22.
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all categories of knowing and unknowing into the silent darkness of God. Describing the ascent up Sinai of Moses, an archetypal mystic for Jews, Christians, and Muslims, Dionysius writes: „Renouncing all that the mind may conceive, wrapped entirely in the intangible and invisible, he belongs completely to Him who is beyond everything. Here, being neither oneself nor someone else, one is united to the wholly Unknown by an inactivity beyond all knowledge, for the best, knowing beyond the mind in knowing nothing.“ 15 The twelfth century was the golden age of speculation on mystical unity, the unitas spiritus of Paul’s text, especially among the Cistercians and Victorines. Bernard of Clairvaux is unrivalled in his presentations of how the love affair between the soul and the incarnate Word, as revealed in the mystical reading of the Song of Songs, leads to loving conformity of wills in spousal union. But Bernard was insistent on distinguishing oneness in loving (unus amor) from the oneness of essence (unum) enjoyed by the three Persons of the Trinity 16. Bernard’s friend William of St. Thierry did not abandon the language of union of spirit, but his profound exploration of how the Holy Spirit, transcendent Love itself, becomes the love by which we love God, moves in the direction of mystical identity 17. It was in the thirteenth century that the language of mystical identity first became strong in Latin Christendom. The earliest exponents are found among the women mystics of this new era in the history of mysticism, such as Beatrice of Nazareth, Hadewijch of Antwerp, Mechthild of Magdeburg, and especially Marguerite Porete, the beguine who paid with her life for the challenging mysticism of identity set forth in her condemned book, ,The Mirror of Simple Annihilated Souls‘. Recent scholarship has shown that Eckhart knew this work, both employing some of its themes, such as annihilating poverty, and subtly correcting others 18. The reasons for the turn to mystical identity language in the thirteenth century are not easy to retrieve. Eckhart, as its primary theoretical exponent, made use of Neoplatonic philosophical dialectics drawn primarily from the Dionysian writings, but also to some extent from Proclus. But the revival of Dionysianism, both the affective Dionysianism of Thomas Gallus and the intellective Dionysianism pioneered by Albert the Great that influenced Eckhart, was not the 15
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De mystica theologia I, 3 (144, 12-15), in: G. Heil/A. M. Ritter (eds.), Corpus Dionysiacum II, Berlin 1991. See, e. g., Bernard of Clairvaux, Sermones super Cantica Canticorum, 71, 6-9, eds. J. Leclercq/ C. H. Talbot/H. M. Rochais (S. Bernardi Opera II), Rome 1957, 217-221. Another well-known passage on the difference of substance that remains in mystical uniting can be found in the treatise, De diligendo Deo 28 (S. Bernardi Opera III, Rome 1963, 143). On William’s teaching on mystical union, see B. McGinn, The Growth of Mysticism, New York 1994, 260-267. There is a considerable literature on the relation of Eckhart and Porete. In English, see B. McGinn (ed.), Meister Eckhart and the Beguine Mystics. Hadewijch of Brabant, Mechthild of Magdeburg, and Marguerite Porete, New York 1994.
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source for the new forms of mystical language, but only a tool that furthered its exposition. New religious movements such as the mendicants and the beguines, the growing desire for a deeper spiritual life among the laity, especially women, as well as the burst of creativity found in the movement of mystical writing into the vernacular languages, were all factors, but scarcely provide a full explanation. Eckhart’s understanding of union with God can be characterized as an unitas indistinctionis in contrast to the unitas spiritus that was the dominant motif in the twelfth century. Though Eckhart never explicitly uses this term, his powerful discussions of God’s distinct-indistinct relation to all things and his preaching designed to bring his audience to the awareness of their indistinction from God in the grunt express the fundamental nature of his understanding of unio mystica. As he puts it in one place: „Deus autem indistinctus est, et anima amat indistingui, id est, unum esse et fieri cum deo.“ 19 Eckhart, like many Christian mystics, taught that mystical union is realized on two levels: first, the pre-existing identity that is God’s abiding indistinction from all things; and second, the personal realization of this identity that can be achieved through the threefold process of detaching (abescheiden), birthing (gebern), and breaking-through (durchbrechen). These three activities are not to be seen as successive or separable, but are interrelated aspects of the process of unknowing (unwizzen) and unbecoming (entwerden) by which we attain transcendental consciousness of the identity of the single grunt (,ein einig ein‘). As Eckhart puts it in several places, „Hie ist gotes grunt mıˆn grunt und mıˆn grunt gotes grunt“ 20. To simplify matters, we can say that the pre-existing identity is explored mostly in the Dominican’s scholastic Latin writings, especially in the places where he analyzes God’s indistinct-distinction from the world 21, while the Middle High German sermons stress the message about how to attain a realization of union, to live life out of the ground, or, as he often put it, „to live without a why“ (sunder warumbe/ane warumbe). Here, I shall concentrate on this latter aspect of Eckhart’s teaching on mystical identity, but we must not forget that the theory of identity, that is, of God as the unum indistinctum, is the foundation for his preaching on the need to realize identity. Eckhart’s preaching about attaining identity with God cannot be reduced to a doctrine in the sense of a sequential presentation of themes or points. His sermons, as a number of recent investigators have shown, are self-referential speech acts, forms of a mystical praxis designed to image and enact what they 19 20
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In Sap., n. 182 (LW II, 614, 13-615, 1). Pr. 5b (DW 1, 90, 8-9); cf. Pr. 28 (DW II, 67, 1-69, 4); Pr. 48 (DW II, 415, 4-9); Pr. 80 (DW III, 378, 2-5); and Pr. 98 (DW IV/1, 243, 35-244, 44). On God’s distinction-indistinction, see especially W. Goris, Einheit als Prinzip und Ziel. Versuch über die Einheitsmetaphysik des Opus tripartitum Meister Eckharts (Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters 59), Leiden-New York-Köln 1997, chaps. 4-5.
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intend 22. All attempts to summarize Eckhart’s preaching, as I am doing here, are ultimately misleading, even mendacious. As Eckhart himself said: „[…] cum deus sit in sui et ex sui natura indicibilis, utique quod dicitur esse, non est in ipso. Unde Psalmus: ,omnis homo mendax‘ [Ps. 115, 11].“ 23 The recognition of this impass, however, can also be a spur to further effort. As Samuel Beckett, another apophatic genius, once put it: „[…] there is nothing to express, nothing with which to express, nothing from which to express, no power to express, no desire to express, together with the obligation to express.“ 24 Rather than try to present in any brief fashion the three fundamental practices of Eckhartian mysticism (abescheiden - gebern - durchbrechen), I will consider some of the images and language strategies Eckhart employs to present identity in his mystical mendacities. The most crucial of these, as I have argued elsewhere 25, is the term grunt itself, what several scholars, following Hans Blumenberg, have referred to as a ,Sprengmetapher‘ 26, and what can also be called a master metaphor because of the way in which it helps to focus the range of language games Eckhart uses to describe the identity between God and human. Grunt is the protean term at the center of Eckhart’s mysticism, and consciousness of the grunt, a mode of awareness different from all other ways of experiencing and knowing, is the foundation of his mystical preaching. What makes Eckhart’s presentation of the ground so intriguing is how this simple and concrete term became capable of bringing to speech such an exuberant semantics and so wide a range of speculative issues. We can get some idea of the range and flexibility of grunt as a master metaphor from even a few select passages. At the end of Pr. 42, for example, Eckhart says: „Nuˆ wizzet: alliu unser volkomenheit und alliu unser sælicheit liget dar ane, daz der mensche durchgange und übergange alle geschaffenheit und alle zıˆtlicheit und allez wesen und gange in den 22
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For recent work on Eckhart’s manner of preaching, cf. B. Hasebrink, Formen inzitativer Rede bei Meister Eckhart. Untersuchungen zur literarischen Konzeption der deutschen Predigt (Texte und Textgeschichte 32), Tübingen 1992; G. Steer/L. Sturlese (eds.), Lectura Eckhardi I, Stuttgart-Berlin-Köln 1998; id., Lectura Eckhardi II, Stuttgart 2003; B. Milem, The Unspoken Word. Negative Theology in Eckhart’s German Sermons, Washington DC 2002. Sermon IV/2, n. 30 (LW IV, 31, 5-7). Quoted in J. Knowlson, Damned to Fame. The Life of Samuel Beckett, New York 1996, 336. See also S. Beckett, Worstward Ho in: Nohow On, New York 1983, 89: „All of old. Nothing else ever. Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better.“ On the relation between Beckett’s secular apophaticism and mysticism, see M. Buning, Samuel Beckett’s Negative Way: Intimations of the Via Negativa in his Late Plays, in: D. Jasper/C. Crowder (eds.), European Literature and Theology in the Twentieth Century, London 1990, 129 sqq. Cf. B. McGinn, The Mystical Thought of Meister Eckhart. The Man from Whom God Hid Nothing, New York 2001, chap. 3. See, e. g., S. Köbele, Bilder der unbegriffenen Wahrheit. Zur Struktur mystischer Rede im Spannungsfeld von Latein und Volkssprache, Tübingen-Basel 1993, 17-18, 66-67, 181-191; and A. M. Haas, The Nothingness of God and its Explosive Metaphors, in: The Eckhart Review 8 (1999), 6-17.
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grunt, der gruntloˆs ist. Wir biten des unsern lieben herren got, daz wir ein werden und innewonen, und ze dem selben grunde helfe uns got. Aˆmen.“ 27
Note that Eckhart does not say the gruntloˆs grunt is either God’s or the soul’s. Though he does speak of the grunt der seˆle in many places, the essential point is that the ground as such belongs to both God and human - it cannot be distinguished. It is not because either the soul is grounded in its reality, or God in his, but because they are both univocally grounded in the same ground in a fused identity that the mysticism of Eckhart and his followers can be spoken of as a mysticism of the ground. Eckhart employs the term grunt and its derivatives about 140 times in his sermons, but he also found a number of equivalent words and symbols useful for presenting mystical identity. For example, although Eckhart uses the symbol of the ocean only rarely 28, he was one of the major innovators in the use of the biblical image of the desert in Christian mysticism 29. In the Bible the emptiness and solitude of the desert is both challenging and consoling - a place of temptation, but also of the encounter with God. Moses’s meeting God in the desert was a founding narrative for Christian mysticism. John Scottus Eriugena, however, was the first thinker to take the further step suggested by scripture when he identified God with the desert 30. Cistercian and Victorine mystics used the desert motif both with reference to God and to the solitude of the soul stripped of all created things, but it was Eckhart who fused the references, employing the desert more than a dozen times to symbolize both the uncreated something in the soul and the divine ground. In Pr. 29, for example, he says: „Dirre geist muoz übertreten alle zal und alle menige durchbrechen, und er wirt von gote durchbrochen; und alsoˆ, als er mich durchbrichet, alsoˆ durchbriche ich in wider. Got leitet disen geist in die wüestunge und in die einicheit sıˆn selbes, daˆ er ein luˆter ein ist und in im selben quellende ist. Dirre geist haˆt kein warumbe, und sölte er dehein warumbe haben, soˆ müeste diu einicheit ir warumbe haben.“ 31
Another passage, this one from the end of the sermon ,Von dem edeln Menschen‘ (VeM), summarizes the desert image using Eckhart’s favorite biblical desert text: „Wer ist danne edeler wan der einhalp geborn ist von dem hœhsten und von dem besten, daz creˆatuˆre haˆt, und anderhalp von dem innigesten grunde götlıˆcher natuˆre und des einœde? Ich, sprichet unser 27 28
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Pr. 42 (DW II, 309, 3-7). See, however, Pr. 7 (DW I, 122, 8-123, 3); and Jostes, no. 82, in: F. Jostes, Meister Eckhart und seine Jünger. Ungedruckte Texte zur Geschichte der deutschen Mystik, Freiburg/Schweiz 1895, 95, 38-39. For the wider context, see B. McGinn, Ocean and Desert as Symbols of Mystical Absorption in the Christian Tradition, in: Journal of Religion 74 (1994), 155-181. E´. Jeauneau (ed.), Jean Scot. Commentaire sur l’e´vangile de Jean (Sources chre´tiennes 180), Paris 1972, lib. I, c. XXVII (140, 80-81): „Altiori uero theoria desertum intelligitur diuinae naturae, ab omnibus remotae, ineffabilis altitudo.“ Pr. 29 (DW II, 76, 2-77, 4).
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herre in dem wıˆssagen Osee, wil die edeln seˆle vüeren in ein einœde, und ich wil daˆ sprechen in ir herze [Osee 2, 14] ein mit einem, ein von einem, ein in einem und in einem ein ˆewiclıˆche. Aˆmen.“ 32
Another important image for mystical identity, though one less used by Eckhart, is that of the abyss 33. The Old Testament employs abyssus (Greek: without bottom) to symbolize a depth beyond imagination. In the Christian tradition, Psalm 41, 8, „Abyssus abyssum invocat in voce cataractarum tuarum“ („Abyss calls out to abyss in the voice of thy cataracts“) became a central passage. Until the twelfth century the text was used in routine fashion, but the mutuality of the abysses found in the verse suggested an interpenetrating relation between God and human that gradually developed in the twelfth century and that became explicit in the thirteenth in the writings of the beguine mystic Hadewijch 34. Eckhart uses abgrunt or abyss occasionally as a synonym for grunt, but his disciple, Johannes Tauler, expressed Eckhart’s teaching on the fused identity through frequent use of abyss language, several times with reference to Ps. 41, 8. In his Sermon 41, for example, he says: „Hie wirt das wort wor das in dem salter der prophete sprach: ,abyssus abyssum invocat, das abgru´nde das inleitet das abgru´nde.‘ Das abgru´nde das geschaffen ist, das inleit in sich das ungeschaffen abgru´nde, und werdent die zwei abgru´nde ein einig ein, ein luter goetlich wesen, und do hat sich der geist verlorn in Gotz geiste; in dem grundelosen mere ist er ertrunken.“ 35
Eckhart’s use of concrete images and symbols to suggest indistinct union goes hand-in-hand with a bewildering array of linguistic strategies designed to force the listener to think what is beyond thinking through the experience of what might be called verbal vertigo. In the Latin works these strategies are most evident in the reduplicating formulae analysing God’s distinct-indistinction and similar-dissimilarity 36. Shorter versions of such dialectical formulae are found in the sermons 37, but basically the vernacular works display Eckhart’s deconstruction of language through more varied and almost poetical experiments found throughout his sermons and treatises. Many of these have been well-studied in 32
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VeM (DW V, 119, 2-7). For a comparable passage in the Latin works, see In Gen. II, n. 149 (LW I, 618, 12-619, 1). For the history of the abyss theme in Christian mysticism, see B. McGinn, The Abyss of Love, in: E. Rozanne Elder (ed.), The Joy of Learning and the Love of God. Studies in Honor of Jean Leclercq, Kalamazoo 1995, 95-120. On Hadewijch’s teaching, see McGinn, The Abyss of Love (nt. 33), 106-108. Die Predigten Taulers. Aus der Engelberger und der Freiburger Handschrift sowie aus Schmidts Abschriften der ehemaligen Straßburger Handschriften, ed. v. F. Vetter (Deutsche Texte des Mittelalters 11), Berlin 1910, 1968 reprint, Pr. (hereafter V) 41 (176, 6-11). See also V 9 (44, 15-18 and 45, 33-46, 4); V 45 (201, 2-7); V 61 (331, 12-17); and V 67 (367, 32-368, 1). On the abyss in Tauler, see L. Gnädinger, Johannes Tauler. Lebenswelt und mystische Lehre, Munich 1993, 181-193. The three most noted of these passages are: In Ex., nn. 113-119 (LW II, 110-117); In Eccli., nn. 42-61 (LW II, 270-290); and In Sap., nn. 144-157 (LW II, 481-494). Cf., e. g., Prr. 10, 13b, 14 (DW I, 173, 225, 237); Prr. 28, 30, 36a, 50 (DW II, 67-68, 94, 189, 459-460); Prr. 63, 77 (DW III, 82, 338-340); VeM and RdU 3 (DW V, 115 and 293-294).
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a genre typical of Eckhart scholarship, that is, the detailed analysis of individual sermons 38. In surveying such linguistic experiments and contortions (mystical mendacities, as I have called them), one might be tempted to accuse Eckhart of showmanship and provocation, had we not his own declarations that he was convinced such ,rara et subtilia‘ were necessary for the preacher’s task. For Eckhart, an extravagant, even outrageous, style of preaching not only fitted the excessive character of God’s mode of speaking in the Bible 39, but also served the preacher’s purpose to awaken his listeners from their spiritual slumber. Thus, Eckhart was convinced that his daring language about mystical identity was grounded in scripture itself. If the proponents of mystical uniting loved to cite 1 Cor. 6, 17 as a prooftext for unitas spiritus, Eckhart supported unitas indistinctionis by appealing to John 17, 21, Christ’s prayer that all who believe in him „might be one, Father, as you are in me, and I in you, and that they may be one in us“ 40. The Dominican interpreted the verse in a literal way: „Unum autem, non unus, omnes sancti in deo“ - that is, „All the saints are one thing (unum) in God, not just one (unus),“ 41 directly contradicting the position of Bernard of Clairvaux cited above. Eckhart’s view of indistinct union can be described as a permanent state of non-absorptive and divinizing awareness of the absolute identity of the grunt 42. Eckhart’s formulae of identity do not privilege God over human, but emphasize the fusion of the two in the oneness of the ground. As Pr. 52 indicates, God and human are interdependent terms, but ultimately also unsatisfactory ones, at least in terms of their common understanding. „Her umbe soˆ bite ich got, daz er mich ledic mache gotes,“ 43 as the Dominican puts it. What is initially expressed as mutual interpenetration of divine and human subjects is only the first stage in a radical process of deconstruction that aims for the grounding identity where there can be no mutuality because all is one. The indistinction that is the formal feature of analyses of how God both is and is not the world, Eckhart insists, is unchanging in the simple now of eternity. This is the root of his claims, condemned as heretical, about the eternity of the universe 44. Identity in the ground, since it is timeless, must always be the case, though it need not, and indeed cannot, be continuous in the temporal consciousness of the mystic. Again, we witness a paradox of mystical consciousness: 38 39 40
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See nt. 22. Cf. In Ioh., n. 745 (LW III, 649, 3-10). Eckhart uses Jn. 17, 21 in both his Latin and German works to ground mystical identity: see, e. g., In Sap., n. 44 (LW II, 366); In Ioh., nn. 130, 383, and 548 (LW III, 112, 326, 478); Pr. 46 (DW II, 383, 388); Prr. 64 and 65 (DW III, 88-90, 100-101); and BgT 1 (DW V, 33). Sermon XXX, n. 314 (LW IV, 276, 7-8). What follows is adapted from McGinn, The Mystical Thought of Meister Eckhart (nt. 25), 148-153. Pr. 52 (DW II, 502, 6). The papal Bull ,In agro dominico‘ condemned several of Eckhart’s statements about the eternity of the world in articles 1-3.
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Identity, in its Eckhartian formulation, is permanent in the sense that it is always present, but since it is not subject to ordinary forms of awareness, it can only be received through a total detachment that problematizes temporality even while necessarily bound to its presence 45. Eckhart, and especially Tauler, provide concrete advice about how to undertake forms of mystical praxis leading to consciousness of the ground 46, for example, in cultivating fundamental attitudes such as humility and obedience, in the practice of silence and inner emptying of the mind, and in propounding a new form of activity - living without a why. Finally, it is important to note that Eckhart’s notion of unitas indistinctionis is non-absorptive, in the sense that human individuality is never completely lost, no matter how much some Eckhartian texts stress that everything particular must be annihilated. Such seeming contradictions occur only on the level of Aristotelian logic, as Nicholas of Cusa later argued 47. On the higher level of dialectical thinking, simultaneous recognition of the contradiction of being identical with God and at the same time not identical yields the wisdom that is mystical unknowing and the concrete praxis of living without a why. The principle of contradiction is accurate for describing the relation of realities in the world of everyday experience, but is not equipped to deal with the docta ignorantia that breaks open logical categories founded upon created particularity. Eckhart’s insistence on the ongoing distinction of God and world and of God and soul is evident throughout the documents of defense from his trials at Cologne and Avignon 48. A key element is found in his appeal to the in quantum principle, that is, the need to recognize the difference between speaking of something formally and a-temporally insofar as two things possess the same form, and speaking concretely, that is, insofar as one thing is actually different from another in created time and place 49. Other ways of making the same point are found throughout his works, both the scholastic Latin writings and the German sermons and treatises. A good illustration of such forms of qualification can be found in the way the Dominican distinguishes speaking of the soul as imago Dei and as created ad imaginem Dei. In Eckhart’s usage the former mode of predication emphasizes the indistinction of the divine and human intellects. Humanity alone among God’s creation is not made according to an idea in the 45
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On the relation between time and eternity in mysticism, including the mysticism of Eckhart, see W. Haug, Der Durchbruch durch die Ordnung der Zeit in der abendländischen Mystik, in: T. Schabert/M. Riedl (eds.), Das Ordnen der Zeit, Würzburg 2003, 15-45. For Eckhart, these practices are mentioned not only in the RdU, but also in Prr. 101-104 (DW IV/1, 279-610). On the RdU, see A. Schönfeld, Meister Eckhart. Geistliche Übungen. Meditationspraxis nach den ,Reden der Unterweisung‘, Mainz 2002. See Cusa’s famous expositions of the coincidentia oppositorum in such works as the ,De docta ignorantia‘ and in his mystical treatise ,De visione Dei‘. The documents of the two investigations against Eckhart are still in process of publication in LW V. See, for example, the comments at the outset of his Cologne defense on the need for invoking the in quantum principle to understand all his teaching; Acta Echardiana, n. 48; Processus contra magistrum Echardum, n. 81 (LW V, 277, 7-278, 2).
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mind of God, but is the very imago, formal emanation, or full expression of the God it images 50. But humans are also particular creatures made ad imaginem, and therefore distinct from God insofar as they are ens hoc et hoc. Pr. 40 clearly distinguishes the two ways of speaking in the following passage. Eckhart says: „Und dar umbe: als man sprichet, daz der mensche mit gote ein sıˆ und naˆch der einicheit got sıˆ, soˆ nimet man in naˆch dem teile des bildes, an dem er gote glıˆch ist, und niht naˆch dem, und er geschaffen ist. Wan daˆ man in got nemende ist, daˆ ennimet man in niht naˆch der creˆatiurlicheit; wan als man in got nimet, soˆ enlougent man der creˆatiurlicheit niht, daz diu lougenunge ze nemenne sıˆ naˆch dem, daz diu creˆatiurlicheit ze nihte werde.“ 51
This distinction remains true, both here and hereafter, as is clear from Pr. 39 52. Eckhart’s students, Heinrich Seuse and Johannes Tauler, present challenging teaching on unitas indistinctionis based on Eckhart’s views. In their texts, unlike Eckhart’s, we also find many of the images and formulae from the tradition of unitas spiritus. There is no space here to present an adequate analysis of how the two Dominicans found no contradiction in employing both forms of unitive language - something not uncommon in the history of Christian mysticism. What is significant is that in the light of Eckhart’s condemnation, both of these followers felt the need to qualify Eckhart’s presentation of mystical identity in ways that he had not adopted. In Seuse’s writings, especially in the ,Büchlein der Wahrheit‘ and the ,Vita‘, we find the language of Eckhartian mystical identity, along with a defense of the Meister’s teaching based on several kinds of qualification 53. Seuse’s modified Eckhartianism is most evident in chapters 4-6 of the ,Büchlein‘ and in chapters 50-53 of the ,Vita’. It is unclear in the long run how far Seuse is willing to admit a real indistinction between God and human, though he often uses language that echoes Eckhart in this respect 54. While Eckhart had presented mystical annihilation primarily in dialectical terms, Seuse shifts ground, emphasizing the ongoing ontological distinction between God and human on the one hand, and, on the other, seeing mystical identity as a function of the perception of the mystic. 50
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The notion of image (imago/bild), a central Eckhartian motif, has received considerable discussion. See especially M. Wilde, Das neue Bild vom Gottesbild. Bild und Theologie bei Meister Eckhart (Dokimion 24), Freiburg/Schw. 2000. Pr. 40 (DW II, 277, 7-12). Cf. Pr. 39 (DW II, 264-266). Citations from Seuse’s writings come from Heinrich Seuse. Deutsche Schriften. Im Auftrag der Württembergischen Kommission für Landesgeschichte ed. v. K. Bihlmeyer, Stuttgart 1907; reprint Frankfurt a. M. 1961. See the discussion in ,Büchlein‘ 4 (Bihlmeyer, 336-337), where, despite strong language of indistinction and annihilation, Truth proclaims that the substance of the mystic always remains. This view is not essentially different from that of Bernard of Clairvaux, despite the heightened language. There is similar discussion in ,Vita‘ 48 (Bihlmeyer 162, 26-28).
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Seuse’s emphasis on how the mystic loses consciousness in moments of rapture (entnomenheit) is found throughout his writings, but is strongest in the ,Büchlein‘. In chapter 5, for example, we find expressions of mystical identity, passages where the pronouns referring to God and human fuse, the use of the master metaphor of the grunt, as well as the appearance of such symbols as the abyss and the desert - even the use of the technical term, ,ein einig ein‘. Yet this bravura display of Eckhartianism is changed into something different by the statement Truth makes in the text: „Verstast du nit, daz der kreftiger entwordenliche inschlag in daz niht entschleht in dem grunde allen underscheid, nu´t nach wesunge, mer nach nemunge u´nser halb, als geseit ist? “ 55 For Seuse, identity is a matter of perception („nach nemunge u´nser halb“). Like Al-Ghaza¯lı¯ and other moderate Sufi mystics who legitimated the daring expressions of earlier Muslim mystics such as Al-Hallaj 56, Seuse explains the mystical identity formulations of Eckhart by attributing them to what the Sufis called the language of intoxication, not that of sober discourse. The differences between Eckhart’s view of indistinction and that of Seuse are also evident in the disciple’s explanation and defense of misunderstandings of Eckhart found in chapter 6 of the ,Büchlein‘. The first of the five points where the disciple refutes the errors of the ,Nameless Wild One‘ (,daz namelos wilde‘) concerns the true meaning of distinction (underscheit) 57. Understanding lack of distinction to refer to the condition of someone lost in God, Seuse responds by referring to his constant teaching that this concerns human perception of the event, not its ,mode of being‘ (wesunge) 58. Seuse goes further by invoking the difference between inseparability (nothing can be separate from God) and distinction (the divine being is not the stone’s being, and vice versa). At this point he refers to Eckhart’s discussion of God’s distinct-indistinction as found in the Commentary on Wisdom 59, but he changes Eckhart’s teaching in two ways. First, he introduces a point foreign to Eckhart when he says the distinction in a proper sense is not in God but is rather from God 60. For Eckhart, however, distinction or difference is indeed in God as the necessary implication of his indistinction from all things 61. Second, Seuse replaces Eckhart’s indistinctus 55
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Büchlein 5 (Bihlmeyer, 343, 17-19). For similar passages, see, e. g., Büchlein 5 (345, 20-24; 350, 23-28); and 6 (353, 27-354, 15 and 356, 18-23); and Vita 32 and 48 (94, 9-14; 162, 31-163, 8). Al-Ghaza¯lı¯, The Niche of Lights, translated, introduced, and annotated by D. Buchman, Provo 1998, chap. 1, 45-48 (pp. 17-18). Cf. Büchlein 6 (Bihlmeyer, 354, 5-355, 4). Büchlein 6 (Bihlmeyer 354, 13-15): „Nimest du es ovch von eins vergangnen menschen entwordenheit, da von ist genuog da vor geseit, wie es ist ze verstenne nach der nemunge, nit nach der wesunge.“ Cf. In Sap., nn. 144-157 (LW II, 481-494). Büchlein 6 (Bihlmeyer, 355, 1-2): „[…] daz disu´ underscheidenheit eigenlich ze sprechenne nit si in gotte, mer si ist von gotte.“ In Sap., n. 154 (LW II, 490, 4-5): „[…] omne quod indistinctione distinguitur, quanto est indistinctius, tanto est distinctius; distinguitur enim ipsa indistinctione“ („Everything that is distinguished by its own indistinction is the more distinct the more indistinct it is, because it is distinguished by its own indistinction“). See Goris, Einheit als Prinzip und Ziel (nt. 21), 224-228.
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with the MHG innigers 62. In other words, Seuse’s concept of divine immanence is not really dialectical in the Eckhartian sense. Tauler’s qualifications of Eckhart’s teaching on mystical identity are remarkably similar to Seuse’s. While Tauler uses the word grunt even more often than Eckhart (more than four hundred times), he prefers the image of the abyss to present his version of Eckhart’s teaching about the fused identity expressed in the replicating phrase ,ein einig ein‘ 63. It is clear that the Strassburg preacher also sought to avoid some of the more daring aspects of Eckhart’s notion of the ground, such as the way that Eckhart spoke of the grunt at times as somehow beyond the Trinity (e. g., Pr. 48). As a symbol of mystical identity, Tauler’s abgrunt is a vehicle for expressions of mystical annihilation no less strong than those found in Eckhart. In the Fourth Sermon for the Ascension, for example, Tauler distinguishes two forms of union: a lower state in which the faculties of the soul are raised up to bliss (unitas spiritus); and a rising up to a higher heaven in which the soul „completely loses itself and sinks away“ („[…] daz er sich selber do verlu´ret alzuomole, und do versincket er “). Tauler says that the spirit that is united with God in this way loses all consciousness of self and feels nothing but God („[…] ist also versmoltzen in das goetteliche abgrunde das er nu´t enweis, enfuelet noch ensmacket dan einen einigen lutern blossen einvaltigen Got “) 64. Is this passing away a real identity with God or does it depend on the perception of the mystic? Tauler’s analysis of three forms of union in Sermon 39 helps answer this question 65. In this homily the preacher speaks of the ecstasy of jubilation (jubilacio) as the lowest stage of nearness to God. The second stage, typical of Tauler’s mysticism but rare in Eckhart, is a form of poverty of spirit that expresses itself as pain and alienation („ein armuete des geistes und ein sunderlich in ziehen Gotz in einer qwelender beroubunge des geistes“) 66. The third stage is „a transformation into divine being“ that Tauler describes as „an essential conversion“ 67. Later in the sermon Tauler describes this final union as a form of divinization in which a person loses all sense of self and knows and feels nothing beyond the simple divine essence 68. Here Tauler, like Seuse, emphasizes the lack 62 63
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Büchlein 6 (Bihlmeyer, 355, 3): „[…] als nu´t innigers ist denn got, also ist nu´t underscheideners.“ On ,ein einig ein‘ in Tauler, see Die Predigten Taulers (nt. 35), especially V 39 (156, 19-22). For other appearances of the phrase and equivalent expressions, see, e. g., V 41 (176, 9); V 45 (201, 6-7); V 54 (249, 9); V 60 (277, 16-17); V 64 (347, 12); and V 67 (366, 22). V 21 (87, 32-33 and 88, 2-4). The three stages of union of V 39 are introduced in 159, 29-130, 6 and discussed at length from 160, 7-162, 23. On this sermon, see Gnädinger, Johannes Tauler (nt. 35), 160-169. 66 V 39 (160, 1-2). V 39 (160, 3-5): „Das dritte das ist ein u´bervart in ein gotformig wesen in einikeit des geschaffenen geistes in den istigen geist Gotz, das man einen weselichen ker mag heissen.“ V 39 (162, 8-13): „[…] und wirt do der mensche als vergottet das alles das der mensche ist und wu´rket, das wu´rket und ist Got in ime […]. Hie inne voelt und bevint sich der mensche selber verlorn haben und enweis noch enbevint noch engevoellet sich niergen; er enweis nu´t denne ein einvaltig wesen.“ For other passages on losing all sense of distinction, see, e. g., V 26 (109, 20-30); V 28 (117, 30-36); V 56 (263, 14-18); and V 62 (340, 20-28).
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of awareness of self on the part of the mystic, thus implying that on the ontological level distinction remains. While Tauler continued to make use of Eckhart’s language of indistinction 69, his view of mystical identity is probably best expressed in a passage from Sermon 56 where, after quoting Eckhart, he says: „Und wer moechte denne gescheiden dise goetliche verre u´ber natu´rliche einunge, do der geist ist in genomen und in gezogen in das abgru´nde sines beginnes? Wissent: wer es mu´gelich das man den geist in dem geiste gesehen moechte, man sehe in ane allen zwivel an fu´r Got.“ 70 So, while human vision could not help but see the divinized soul as God if it could see it („wer es mu´gelich“), and while human consciousness has no awareness of anything save indistinction at this level, Tauler seems to say that the substances of God and human remain distinct on the ontological level 71. To conclude: The language of mystical identity as used by Eckhart and comparable figures in Jewish and Islamic mysticism is far too complex and nuanced to be reduced to pantheism or monism. Nevertheless, such mystical mendacities and the states of supra-consciousness in which they arise do represent a challenge to customary ways of thinking about the relation between God and human. The fact that Eckhart’s two most talented followers, Seuse and Tauler, thought it necessary to introduce even more qualifications than their master had in presenting the language of identity amply demonstrates this. Still, mystical identity has had a profound attraction for many thinkers, not only because it is so effective in destroying idols, the false ways of conceiving God that are the part of the dark side of religion, but also because it tests the limits of all attempts to express the relation between human destiny and the mystery (a divine mystery for believers) that remains the abiding source of wonder.
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Cf., e. g., V 7 (33, 25-28); V 11 (54, 27-55, 16); V 31 (314, 16-20); and V 41 (176, 4-5). V 56 (263, 14-17). This claim on Tauler’s part may well be because of his recognition of false understandings of union as being changed into the divine nature; see, e. g., V 32 (121, 26-30), and V 55 (258, 46). Here I part company with G. Wrede, Unio mystica. Probleme der Erfahrung bei Johannes Tauler, Uppsala 1974, 253-254, 270-272, and 280, who holds that for Tauler not only the phenomenological self but also its ontological root is annihilated in the deepest level of union.
The Reception of Meister Eckhart: Mysticism, Philosophy and Theology in Henry of Friemar (the Elder) and Jordanus of Quedlinburg Jeremiah Hackett (South Carolina) Jordanus of Quedlinburg was a younger contemporary of Meister Eckhart 1. Born about 1299 when Meister Eckhart was Prior of the ,Predigerkirche‘ at Erfurt and Vicar-Provincial of the Saxon-Thuringian Province of his Order, Jordanus died sometime after 1365. Jordanus was a Preacher, Inquisitor, Historian, Master of the Spiritual Life, Administrator and author of the influential ,Vitasfratrum‘. Late in his life, Jordanus produced a number of very important sermon-treatise collections: the ,Opus postillarum et Sermones de tempore‘, ,Opus Jor‘, ,Opus Dan‘ 2. The nativity sermons from the ,Opus postillarum‘ contain an interpretation of the ,Prologue to the Gospel of St. John‘ in terms of literal, moral, anagogical and mystical meanings of the text. The ,Prologue to the Gospel of St. John‘ is one of the central texts for Christian mysticism, and 1
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A. Zumkeller, Die Lehrer des geistlichen Lebens unter den deutschen Augustinern. Vom dreizehnten Jahrhundert bis zum Konzil von Trient, in: Sanctus Augustinus Vitae Spiritualis Magister, vol. II, Rome 1959, 239-338, esp. 261-268; id., Jourdain de Saxe, in: Dictionnaire de Spiritualite´, Paris 1974, 1423-1430; id., Jordanus von Quedlinburg, in: K. Ruh (ed.), Die deutsche Literatur des Mittelalters: Verfasserlexikon, vol. 4, Berlin-New York 21984, 855-861. For a recent study of the Augustinian tradition from 1292 to 1524, see E. L. Saak, High Way To Heaven: The Augustinian Platform Between Reform and Reformation, 1292-1524 (Studies in Medieval and Reformation Thought 89), Leiden-Boston-Köln 2002. For critical treatment of Jordan’s sermons in a modern edition, see N. Bray (presentatio di Loris Sturlese), Opus Jor: Registrum Sermonum, Tabula Contentorum Secundum Ordinem Alphabeti, Pisa 2004. I have transcribed Jordanus’s text in the ,Opus postillarum‘ from the Editio princeps, Strasbourg 1483, as found in Munich Staatsbibliothek 2 JNC/ CA 1343 Ab. I expanded and altered the punctuation and orthography of the Editio princeps for this paper. For earlier studies dealing with Eckhart in relation to Jordanus of Quedlinburg and Henry of Friemar, see J. Hackett, The Use of a Text Quotation from Meister Eckhart by Jordanus of Quedlinburg (Saxony), O.S.A., in: Proceedings of the Patristic, Mediaeval and Renaissance Conference (Villanova, Pa.) 2 (1977), 97-102.; id., Verbum mentalis conceptio in Meister Eckhart and Jordanus of Quedlinburg. A Text Study, in: J. P. Beckmann/L. Honnefelder/G. Jüssen e. a. (eds.), Sprache und Erkenntnis im Mittelalter. Akten des VI. Internationalen Kongresses für Mittelalterliche Philosophie der Socie´te´ Internationale pour l’E´tude de la Philosophie Me´die´vale (Miscellanea Mediaevalia 13/2), Berlin-New York 1981, 1003-1011; id., Augustinian Mysticism in Fourteenth-Century Germany: Henry of Friemar and Jordanus of Quedlinburg, in J. Schnaubelt/F. Van Fleteren (eds.), Augustine: Mystic and Mystagogue (Collectanea Augustiniana 3), New York 1994, 439-456.
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it was the subject of commentary by major thinkers from Augustine and Johannes Scottus (Eriugena) up to Aquinas and Meister Eckhart. The question naturally arises: Granted that Augustine is the major source for Jordanus, did he or his mentor, Henry of Friemar (the Elder), have a good knowledge of Meister Eckhart’s ,Commentary on St. John‘? I will argue in this paper that Henry of Friemar and Jordanus did have a very good knowledge of Eckhart’s thought and that Jordanus in particular had thoroughly appropriated Eckhart’s ,Commentary on St. John‘. Further, I will argue that Henry of Friemar was acquainted with the teaching of Meister Eckhart particularly from his time in Erfurt before Eckhart moved to Paris in 1302-03. Henry must have known him in person; Jordanus certainly knew his writings, in particular his ,Commentary on St. John‘. Any discussion of mysticism, whether in the context of ancient philosophy that is, the mysticism of ,The Good‘ - or in the context of the Christian mysticism of the Middle Ages, must start from the belief that the search for Wisdom is (a) a Way of Life and (b) a kind of Experience and/or a related Teaching. The British Philosopher of Religion H. P. Owen argues that mystical experiences are always found in the context of an already given historical, doctrinal and institutional setting 3. In this, he is quite correct. There is no such thing as a Robinson Cruso creation of language and experience on a desert island from nothing. Hence, there is no experience of mysticism that is not already mediated through a living language. We find ourselves thrown in a world or worlds of experience structured by language, and we find ourselves there in the context of our language. Because of the continuity in language between late ancient and medieval times, I would wish to argue against Pierre Hadot’s claim of a total chasm between spiritual experience in the late ancient world and the world of the Middle Ages 4. I believe that there is both continuity as well as discontinuity 3
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Cf. H. P. Owen, Experience and Dogma in the English Mystics, in: St. T. Katz (ed.), Mysticism and Religious Traditions, Oxford University Press 1983, 148-162. Cf. P. Hadot, What is Ancient Philosophy?, Cambridge, Mass.-London 2002. It is clear that medieval philosophers such as Boethius of Dacia, Siger of Brabant and Meister Eckhart would not recognize themselves in the 20th century notion of ,Christian Philosophy‘ that is used by Hadot to read ,Medieval Philosophy‘. For a broader perspective on the nature of medieval philosophy and a way of life, see Andreas Speer (ed.) Philosophie und geistiges Erbe des Mittelalters (Kölner Universitätsreden 75), Köln 1994. Major medieval philosophers had a significantly developed sense of the autonomy of philosophy. This autonomy was given legal definition in medieval law and practice. And the tradition of autonomy of the Liberal Arts Masters was not just a matter of ,theoretical study‘, as claimed by Hadot; it was a matter of a combination of a way of life and philosophical reflection. See the example of Boethius of Dacia and Siger of Brabant. The modern chasm between school philosophy and life did not exist for these thinkers. Further, the fact that the philosophical way of life and philosophical reflection was taken up as a moment in theological reflection did not mean a lessening of the philosophical elan. If anything, as in the case of Thomas Aquinas’s fundamentally important reflections on ,De anima‘, and in Eckhart’s appropriation of Proclus and Maimonides among others, it marked an advance in philosophical reflection. For an account of the relation of Augustine to Philosophy, see G. Madec, Chez Augustine (Collection des E´tudes Augustiniennes: Se´ries Antiquite´ 160), Paris
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between late ancient models of a philosophical-religious life and various medieval institutional attempts to structure such a life. The claim that a properly philosophical element in the spiritual life is absent from the Middle Ages only to arise phoenix-like from the ashes in the figure of Rene´ Descartes cannot be sustained by the evidence. Neither does it do justice to the specifically Medieval sources of Descartes’ philosophical way of proceeding. Rational autonomy in philosophy did not begin with Rene´ Descartes. It had already asserted itself in the context of the Medieval University with Boethius of Dacia and Siger of Brabant in 1266-77 and was depicted in the early fourteenth century in the ,Paradiso‘ of Dante Alighieri. It continued in the thoroughly philosophical life of later medieval thinkers, whose true philosophical genius was not recognized by earlier scholarship. This sense of philosophical autonomy was reinvigorated by the Renaissance discovery of newfound ancient texts and it reached its own internal crisis in the 17th and 18th century ,Enlightenments‘. In what follows, I will first provide an introduction to the teaching on the spiritual life from the ,Vitasfratrum‘ of Jordanus 5. This important work will help us to situate the teaching of both Jordanus and Henry of Friemar on mysticism. Secondly, I will compare the teaching of Henry of Friemar and Meister Eckhart on the theme of the adventum verbi in mentem. Thirdly, I will attempt to give a detailed account of the manner in which Jordanus is indebted to Meister Eckhart in Sermo 68, 69. I will also draw on relevant sections of Sermo 74 of the ,Opus postillarum‘ for his interpretation of the ,Prologue to the Gospel of St. John‘. Fourthly, I conclude with a brief summary of the main themes of this paper. I. Jordanus of Quedlinburg’ s ,Liber vitasfratr um‘ First a question: What was the major life-orienting defining experience for Jordanus of Quedlinburg? I would suggest that it was his involvement with others in the establishment of what the late Heiko Oberman would call the Via Augustini. The Via Augustini is that distinctive kind of humanistic and religious practice that was institutionalized in the 13th century and which developed in the Later Middle Ages. It was based on a repetition of the monastic form of life imputed by 14th century Augustinian writers to Augustine of Hippo. In other words, Jordanus of Quedlinburg belongs to a distinct way of life and to a distinct school for contemplation, the Augustinian way of the Friar Hermits. Moreover, Jordanus’s life is very much concerned with the institutionalization of this spe-
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1998. For a broader picture of the appropriation of philosophy in medieval thought see A. de Libera, Le proble`me de l’eˆtre chez Maıˆtre Eckhart: Logique et me´taphysique de l’analogie, Geneva 1980; id., On Some Philosophical Aspects of Meister Eckhart’s Teaching, in: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie 45 (1998), 150-168. Jordanus of Quedlinburg, Liber vitasfratrum, ed. R. Arbesmann OSA and W. Humpfner OSA (Cassiciacum: Studies in St. Augustine and the Augustinian Order 1), New York 1943.
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cific way of life in relation to ,learning‘ and daily life. The first major legislation for the Augustinian Friar Hermits on the role of the study of philosophy in relation to theology and mystical experience was outlined in 1328 by William of Cremona, the Prior General of the Order. Before 1328, individual Augustinian teachers studied in scholae exteriores. Giles of Rome studied under Thomas Aquinas, Prosper of Reggio Emilia under Henry of Ghent, and Henry of Friemar (the Elder) possibly under Godfrey of Fountains. Hence, one must be cautious in speaking about ,Augustinianism‘ as an organized School before the time of Jordanus of Quedlinburg 6. To put the matter simply, Giles of Rome was a ,student‘ of Thomas Aquinas, and yet he strongly upholds the ,primacy‘ of will over reason. The same is true of Meister Eckhart’s Augustinian contemporary at Erfurt, Henry of Friemar (the Elder). Nevertheless, the existence of a specific Thomistic Dominican influence on these early Augustinian teachers cannot be ignored. Indeed, as is clear from early statutes of the new Order, Augustinian friars were directed to show hospitality and respect to their Dominican neighbors. 6
There is a great difficulty in defining the term ,Augustinianism‘. Most medieval thinkers were ,Augustinian‘ in the sense that all are influenced by Augustine. In this sense, Thomas Aquinas and Meister Eckhart are ,Augustinian‘. Fr. Cayre´ and Fr. Thonnard have used the term ,Augustinism‘ to describe the doctrine of the Franciscan school formed in the 13th century in response to the impact of the new Aristotelian translations. Some significant doctrines of this school are: plurality of forms, seminal reasons, spiritual matter, the primacy of the will over intellect, proof of the creation of a first temporal moment on the basis of reason. We can call this school the First Augustinian School in the 13th century. The Second Augustinian School in the 13th century originates with Giles of Rome (Aegidius Romanus) and can be called the Scola Aegidiana. Both Henry of Friemar (the Elder) and Jordanus of Quedlinburg belong to this school-tradition. The following are some of the characteristics of this school: a closer relation to Thomas Aquinas than to ,Augustinism‘; the philosophical principles of this school are essentially ,AristotelianThomistic‘; they adhere to the Thomistic doctrines of the unity of substantial form, matter as a principle of individuation, universal application of potency and act, the real distinction of esse and essentia in finite being. Yet this school will depart from these principles on certain issues such as the will. Both Giles of Rome and James of Viterbo were affected by the outcome of the Parisian Condemnations of 1277. At the General Chapter of the Order in Florence, 1287, all members are required to follow the teaching of Giles of Rome. Chapters at Ratisbon 1290 and Würzburg 1391 repeat the same statute. Further, this school will distinguish itself from both Thomism and Scotism in regard to the nature of theology. Theology is not a speculativescientific inquiry as in Thomas nor even a practical science as in Duns Scotus. It is in the words of Adolar Zumkeller ,an affective science‘. The theology of this school is also characterized by the following: (1) The primacy of Scripture over ,speculative-scientific‘ theology and (2) Attachment to the works of St. Augustine as the primary determining reference. Due to the influence of Giles of Rome, the school had a strong political commitment to the defence of absolute Papal power, both spiritual and temporal. The later Via Augustini influenced by Gregory of Rimini, Paul of Venice and others has been characterized as a ,Second Augustinian School‘, or second development of this school. And this is not without reason since the issues in the Realism - Nominalism debates of the 14th century and later are worked into the teaching of this school. Further, Martin Luther quondam member and Professor of Scripture in this school was influenced by this latter tendency in this tradition in his fundamental philosophical and theological beliefs.
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The ,Vitasfratrum‘ of Jordanus sets out the rules for an eremetical life to be lived in common after the model of St. Augustine and the early Christian community as given in the ,Acts of the Apostles‘. It is clear then that the personal model of Augustine and his remarks on contemplative union of the human being with God in the ,Confessiones‘ and ,De Trinitate‘, among other works, form the primary context for Jordanus’s schema for a contemplative life and for his preaching. Nevertheless, Jordanus depends heavily on the examples from John Cassian, Gregory, and later writers, including the Victorines. And indeed, there is no absence of important ancient philosophical authors on the spiritual life, specifically, Aristotle, Plato, Cicero, Seneca. For present purposes, I would like to highlight a few themes from the ,Vitasfratrum‘. These themes provide a significant context for Jordanus’s discussion of mysticism: First, his teaching on unity of heart (cor unum). Secondly, the teaching on Lectio Divina. Thirdly, the teaching on spiritual knowledge (spiritualis scientia). Fourthly, the significance of Jordanus’s sources, both ancient and medieval. I believe that these four themes will shed light on how Jordanus understood the relation between mystical union, reading/teaching, spiritual illumination and A Way of Life. The Augustinian doctrine of the primacy of the heart: The imitation of the Apostolic Life is a life in common where „Deus est omnia in omnibus“. Following Augustine’s Rule: „And you should have one heart and life (soul - anima) in God,“ Jordanus asks the following question: How is one to interpret cor et anima, as synonyms? In this matter, he says: „I intend above all to follow Augustine.“ For Augustine, according to Jordanus, the heart is to be understood as the unanimity of the will; anima is to be understood as a form of life. Jordanus continues: Just as the physical heart is the source of corporeal life, so the will is the source of all spiritual motion. Such a community of heart is essential for a common religious form of life. Indeed, the common life is based on a sublimation of the person’s will to the desire for the will of God. In Jordanus’s view, a common form of life in the search for Wisdom precludes a pure egoism where each one wanted to do his/her own thing. This would be a ,Babylonian confusion‘, a horror. Following on this account, Jordanus presents an account of the ,virtues‘ as a preparation for the common life. This theme of a common life as a way towards philosophical, theological and mystical awareness is important, and stands in strong contrast with both medieval and modern forms of ,individualistic‘ mystical-visionary experiences. One would expect that Lectio Divina would form an important part of this kind of communal religious/philosophical life. He treats of Lectio Divina or the ,Study of Sacred Scripture‘ in chap. XXII. When time is not given to prayer, it should be given to reading. The reading of Scripture has three results. First, it frees one from noxious thoughts. Second, study will reveal the hidden sense of the text. Third, according to Hugh of St. Victor, all of our life in action, intention and hope will be informed and instructed. According to Augustine, this leads to love of God, illumination of the soul, purification of language, forma-
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tion of conscience, sanctification of soul etc. This is the ,Science of Sciences‘ that gives Wisdom. Augustine gives the example of Jerome, and we have the example of Augustine himself who after a busy day gave himself to reading of Scripture. Jordanus then moves directly from Augustine to Giles of Rome (Aegidius Romanus) as the one who in our times, he tells us, is ,primus doctor in theologia‘. He presents a brief biography followed by a list of his works. And he adds: „I have seen some of his writings.“ Significantly, he includes both works on Scripture and the philosophical works. He briefly remarks that Giles was succeeded as leading theologian by James of Viterbo. The next person in the line of spiritual leadership is his own ,Landsmann‘, Heinricus Alemannus (Henricus de Frimaria), „a man of high honor and very great studiositas“. According to Jordanus, he detested wasting time in idleness. And he remained studious into old age. When as a septuagenarian he was chided about his habit of study, he answered that even if he had one foot in the grave, he would still wish to learn something. Again, Jordanus praises him not only for his preaching, his legal and spiritual writings but also for his work on the ancient philosophers, specifically his Commentary on Aristotle’s ,Nicomachean Ethics‘. When Jordanus in the next chapter turns to a consideration of how one acquires ,Spiritual Science/Knowledge‘, he lists the following requirements: purity of heart, humility of mind, piety in prayer, fruitful works. In all of this he draws heavily on John Cassian and Augustine. He cites the example of Anthony of Egypt, who understood the words of Scripture without the assistance of academic learning. For a living example of this fusion of scriptural reading, philosophical reflection and spiritualis scientia, Jordanus turns to the one who for him was a living witness, Henry of Friemar. Henry of Friemar (the Elder) was the most important Augustinian theologian in Germany at the beginning of the fourteenth century. He was born about 1245 and died c. 1340. The details of his life are presented in the next section. Finally, Jordanus’s sources present a thorough representation of the texts of Scripture and the writings of the Church Fathers, especially Augustine and Pseudo-Augustine, Gregory the Great, John Cassian and the ,Vitae patrum‘. Significant representative Medieval authors include: Bernard, Thomas Aquinas, Henry of Friemar, James of Voragine, James of Vitry, Jordan of Saxony (Dominican), Peter Lombard, Thomas of Celano. Conclusion: However, one is to think of mystical union in 14th century German mysticism, and in the preaching-treatises of Jordanus of Quedlinburg, one has to take into account the essential connection between (a) A Way or Form of Life and (b) An Illumined Experience. Thus, we can see that Jordanus is the beneficiary of many traditions of piety and learning which begin with Augustine and which include a broad representation of philosophical and scriptural learning. He is more specifically influenced by the traditions in his own order developed prior to his
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times, especially those represented by Giles of Rome, James of Viterbo and others, and personified by the studious Henry of Friemar. From the ,Liber vitasfratrum‘, one has the sense that Jordanus is giving an account of the life he witnessed in the actions of Henry of Friemar. And of course, Jordanus in his many writings from his early Parisian ,Collectanea Augustiniana‘ onwards was involved in the task of legitimating ,the common life‘ of the new Augustinian Order of Mendicant Friars, founded as a unified Order in the great union of 1256. And during the years of his active life in 1331, this legitimacy was given corporeal support by gaining the care of the body of Augustine in Pavia, Italy. We must now turn to Henry of Friemar, the one who set out the main lines of Augustinian mystical union in his aescetic-mystical treatises. II. Henr y of Friemar and Meister Eckhar t: A Common T heme - de ad ventu verbi in mentem 7 A consensus of modern Eckhart scholarship presents the following portrait of the great preacher and teacher, Meister Eckhart: Preacher of great accomplishment, Biblical Expositor and Exegete of very great originality, Philosopher, Theologian, Administrator, Spiritual Guide. His dependence on Thomas Aquinas is evident even as he ,transcends‘ his great predecessor. It is now clear that he appropriates the ,Dux neutrorum‘ (,The Guide for the Perplexed‘) of Maimonides for his parabolic interpretation of Scripture 8. Some argue that the 7
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For a very careful summary of historical evidence concerning the possible relation between Meister Eckhart and Henry of Friemar, see A. Zumkeller, Ein Zeitgenosse Eckharts zu Fehlentwicklungen in der damaligen mystischen Bewegung. Kritische Bemerkungen in neuentdeckten mystischen Traktaten Heinrichs von Friemar des Älteren O.S.A., in: Kirche und Theologie in Franken (Würzburger Diözesangeschichtsblätter 37/38), Würzburg 1975, 229-238. Parts of the following two tables are reproduced from note 2 and outline the teaching vocation of Eckhart and Henry: (1) Eckhart: 1293/94: Bachelor of the Sentences, Paris; c. 1294-1300: Prior in Erfurt and Vicar-Provincial; 1302/03: Master of Theology, Paris; 1303-1311: Provincial; 13111313: second period as Master of Theology at Paris; 1313-1324: Strasbourg; 1324-1327 Spring: Dominican School, Cologne; Spring 1327-1328: Avignon, death. (2) Henry of Friemar: 1291: Provincial - domicile unknown; 1292: Provincial - for a time at Mindelheim; 1294: Provincial - for a time in Speyer; 1298: Provincial - for a time in Zürich; 1298: for a time in Niedervierbach/Niederbayern; 1300-1305: Sentences and promotion to Master, Paris; 1307: Professor at Paris; 1309: Professor at Paris; 1311-1312: Expert at the Council of Vienne. This table is qualified by the following remark in the text: „Als Eckhart in den neunziger Jahren des dreizehnten Jahrhunderts, etwas über 30 Jahre alt, als Prior und Distriktvikar für Thüringen im Erfurter Dominikanerkloster wirkte, dürfte Heinrich, damals schon nahe den Fünfzig, seinen Wohnsitz nur wenige hundert Meter entfernt im Augustinerkloster derselben Stadt gehabt haben, auch wenn ihn sein Amt als Provinzial der deutschen Augustiner oftmals auf Reisen führte. Auch in Paris haben Eckhart und Heinrich zu Beginn des vierzehnten Jahrhunderts ziemlich gleichzeitig an der Universität gelehrt. Dass sie sich persönlich kannten, ist zwar nicht bezeugt, aber aufgrund der räumlichen Nähe mit Sicherheit anzunehmen“ (229/230). Cf. B. McGinn, The Mystical Thought of Meister Eckhart. The Man from Whom God Hid Nothing, New York 2001, for the most complete study of Eckhart in English; F. Tobin, Meister
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authentic and creative Eckhart is found in the greater semantic richness of the German sermons. Others argue that one finds the same message in Eckhart’s Latin and German works. A comparison of the Latin and German writings of Henry of Friemar, however, is not possible. The extant German text of Henry consists of a translation done about one hundred years later. We are unfortunate, however, in not having samples of the German preaching of Henry of Friemar. His Latin works show that he did have a definite aesthetic presentation that differs somewhat from the probing, argumentative and directly interrogatory style of Eckhart. Henry’s writing is presented in an ,expository style‘. One can contrast the ,intellectual‘ and sometimes argumentative style of Eckhart with the more personal and ,affective‘ mysticism of Henry of Friemar. The latter unlike Eckhart, who places primary emphasis on intellectus, always emphasizes the absolute primacy of caritas. The ,affective mysticism‘ of the primacy of caritas is continually emphasized in Henry of Friemar. It is a mistake, however, to think that Henry does not give a central role to intellectus or to ignore the elements of an affective mysticism found in the Albertinian tradition of which Eckhart is a representative. One can easily see how a thinker so much more influenced by Proclus than was Henry might appear to put so much emphasis on the intellectual aspects of vision that the emphasis on caritas might appear to be of only consequential import. In what follows, I will present an overview of the approach of Henry of Friemar on mystical union, and I will briefly compare it with the position of Meister Eckhart. Such a comparison is necessary for a number of reasons. First, Eckhart. Thought and Language, Philadelphia 1986; D. Turner, The Darkness of God, Cambridge 1995; see U. Kern, ,Gottes Sein ist mein Leben‘. Philosophische Brocken bei Meister Eckhart, Berlin-New York 2003, for a comprehensive review of theological themes in Eckhart; on the nature of Eckhart’s reading of Maimonides see Y. Schwartz, ,To Thee is Silence Praise‘: Meister Eckhart’s Reading in Maimonides’ Guide of the Perplexed, Tel Aviv 2002 (Hebräisch) and id., Zwischen Einheitsmetaphysik und Einheitshermeneutik: Eckharts Maimonides-Lektüre und das Datierungsproblem des ,Opus tripartitum‘ in the present volume. See also related papers in the present volume. See also J. Koch, Meister Eckhart und die jüdische Religionsphilosophie des Mittelalters, in: Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft fur vaterländische Kultur 1928, 101 (1929), 114-148. See McGinn, The Mystical Thought (nt. 8), 53, for the following description of Meister Eckhart: „Meister Eckhart was a noted magister theologiae, a profound metaphysician, and an original scriptural exegete. All these aspects of his achievement as lesemeister, however, were harnessed to his Dominican vocation as a lebemeister, that is, preacher and spiritual guide. Eckhart was no less a theologian, philosopher, and exegete in his sermons than in his Latin works, though in a different register. Hence, although students of philosophy and theology rightly investigate Eckhart’s technical scholastic works, a larger public continues to read and ponder his vernacular sermons and treatises for inspiration and insight into how to live. Neither side of the Dominican’s heritage can be neglected if we wish to grasp the depth of his message about the one ground of God and human. Nevertheless, it is within the very act of preaching and ascesis of attentive listening that awareness of the divine birth taking place in the ground is attained. In order to convey how Eckhart actually presented his mystical teaching, it will be helpful to present a detailed analysis of a group of four sermons the Dominican constructed as a preaching cycle unique in his oeuvre. This will give us a sense of what linguists call the ,pragmatics‘, or situational context, of the Meister’s message“ (see below nt. 14 for an example).
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Meister Eckhart is often presented as being primarily a representative of ,intellectual‘ mysticism to such an extent that his Augustinian contemporaries are categorized as ,affective‘ mystics. Secondly, it seems that Henry of Friemar offers a criticism of one central aspect of Meister Eckhart’s teaching: the union of fused identity of the human and divine. Thirdly, it would appear that Henry knew something of Eckhart’s preaching in Erfurt when he wrote his treatise ,De adventu verbi in mentem‘. This latter work was written some short time c. 1300 and prior to his formal teaching at the University of Paris. This was the period before Eckhart’s second visit to Paris in 1302 when both men were domiciled in Erfurt. This Erfordian context is very important in showing that a very lively dialogue must have existed in Erfurt among these gifted teachers at the end of the thirteenth century and the beginning of the fourteenth century. And yet for all that, these two important teachers on the mystical life share a commitment to a common tradition of Western mysticism from Pseudo-Dionysius through Bernard of Clairvaux to Albertus Magnus, Thomas Aquinas, Bonaventure, and Eckhart. This is a tradition that would be re-invigorated and transformed by Nicholas Cusanus at the dawn of the modern age in the fifteenth century. Indeed, Nicholas Cusanus is the first scholar to have drawn attention to the assimilation of Eckhart’s ,Expositio on St. John‘ by Jordanus of Quedlinburg. Who was Henry of Friemar? 9 Briefly, what do we know about Henry of Friemar? He was born c. 1245 at Friemar, a village near Gotha. He studied at Bologna about 1264. In 1279 he was Provincial of the Augustinian Order in Germany. He attended the General Chapter at Ratisbon (1290) where the German Province was divided in four: Rheno-Suevian, Saxo-Thuringian, Cologne and Bavaria. In 1300 at the General Chapter in Naples, he was appointed to Paris to pursue the Magisterium in Theology, though he does not seem to have taken up residence before 1305. By 1307 he had succeeded James of Viterbo in the Order’s Chair at Paris. Henry produced a commentary on Aristotle’s ,Nicomachean Ethics‘. In it he refers to his own ,Quodlibetum disputatum et determinatum‘ at Paris in 1306. In 1311-13, he accompanied the General Jacobus de Orto to the Council of Vienne as a theological expert. By 1315, he had returned to Germany, because in that year he is styled: „Magister Sacrae Theologiae, Professor, et Prior Provinciae Thuringiae et Saxoniae.“ Thus, it would seem that he could combine his professorial tasks and his administrative duties. In 1318, he was appointed examiner for students for the lectorate in Germany. He resided in Erfurt, and acted as Vicar 9
See Zumkeller, Ein Zeitgenosse Eckharts (nt. 7); see also C. Stroick OMI, Heinrich von Friemar: Leben, Werke, philosophisch-theologische Stellung in der Scholastik, Freiburg 1954. See R. G. Warnock/A. Zumkeller OSA (eds.), Der Traktat Heinrichs von Friemar über die Unterscheidung der Geister. Lateinisch-mittelhochdeutsche Textausgabe mit Untersuchungen (Cassiciacum 32), Würzburg 1977.
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General at the Chapter of Himmelpforten (1320) and Munnerstadt (1323). He was present at the General Chapter in Paris in 1329. On his return from Paris, he preached at Munster on the Bull of Excommunication against the anti-Pope Petrus de Corbaria. He died about 1340. Henry of Friemar and Meister Eckhart on the Mystical Life: When did Henry of Friemar write or deliver the mystical treatises: ,Tractatus de adventu verbi in mentem‘, ,Tractatus de adventu domini‘ and the ,Tractatus de incarnatione verbi‘? Fr. Zumkeller has shown that the first of these treatises would have been written c. 1300. The other two cannot be dated with certainty. Since the work is not ascribed to Henricus Alemannus, his normal scholarly name at Paris, it is thought that these works pre-date his mastership at Paris 1305-08 10. In part one of his ,Tractatus de adventu verbi‘ Henry argues that the human obediential potentiality for hearing the Word is already inspired by Grace. And he states that this is proved by experience. Mystical illumination, therefore, is not a self-caused product; it is a gift. Further, it is not brought about due to one’s possession of knowledge but it presupposes ,purity of heart‘, since each purified person can surpass even ,great clerics‘ in reaching this illumination. The proof of this claim is taken, from Augustine’s doctrine of Grace as one might expect, but also confirmed by the ,Elements of Theology‘ by Proclus, one of the last of the great ancient philosophers 11. Further, through illumination, there is a reduction of the soul to its uncreated Image. Throughout the text, Henry speaks of the allegorical or ,mystical‘ sense of specific words. One could say that in the beginning of his treatise, Henry provides one with an account of the preparation for a way of life leading to an illumined or mystical experience. It would be a mistake to contrast the affective and the intellectual in this way of life. Both dimensions are involved in the process of self-transcendence. The method involves a purification of the powers of the mind and heart. First, one is led to avoid evils; one is not upset and distracted by the misdeeds of others, and one does not condemn them. Here, we see his concern with illumination and directedness toward the good in the 10
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A. Zumkeller, Ein Zeitgenosse Eckharts (nt. 7), 231-232: Writing of Henry’s three mystical treatises as part of a preaching cycle, he notes that all three are found in Heidelberg MS Pal. Lat. 454 and that only the first treatise, the one under consideration here, ,De adventu verbi in mentem‘, can be securely dated. „Freilich kann man nur den ersten Traktat mit Sicherheit festlegen. Er wurde um 1300 geschrieben.“ He concludes that since the author is not named as ,Henricus de Alemania‘, the work must have been written prior to his journey to Paris early in the first decade of the 13th century. A. Zumkeller (ed.), Henrici De Frimaria O.S.A.: Tractatus ascetico-mystici, vol. 1: Tractatum de adventu Verbi in mentem; Tractatum de adventu Domini; Tractatum De incarnatione Verbi (Cassiciacum, Suppl. VI), Würzburg 1975, 13-14: „Cum enim secundum Proclum omnis effectus maneat in sua causa et exeat ab ea et convertatur ad ipsam, hoc multo excellentius habet facere lumen gratiae, quod est suo principio magis conforme etiam ex quadam, quam in se retinet, deiformi claritate.“
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context of a communal life. This sublimatione virtuosa is such that no attraction of secular behavior can defeat the perfect peace of conscience. For Henry, the teaching on the primacy of conscience is a fundamental aspect of the life of perfection 12. It is the locus for illumined experience. Second, the self is freed (abstracted) from a concern with created images (species). Moreover, the proof of this, just like the proof for ,purity of heart‘ is taken from philosophical sources, namely Boethius and Pseudo-Dionysius. Henry maintains that illumination can only be reached by the aid of the intellect alone (,sola mentis intelligentia‘) 13. The doctrine of knowledge based on the assimilation of the mind to the object known discloses the fundamental realism of Henry’s position. The following expression, „Since according to the philosophers similitude is the cause of union,“ exhibits a fundamental debt to Aristotle’s ,De anima‘ and to Neo-Platonic writers. Further, Henry notes that Dionysius states that one must remove one’s attention from sense objects and from rational activities so that one can concentrate on the one objective of primary attention („One must leave aside sense knowledge and intellectual operations“). In this way, one reaches ,intentionally‘ towards that which is above all substances („qui est super omnia substantia“). And so, the high point of the soul, the acies mentis, is converted to „the supersubstantial divine darkness“. In his ,Tractatus de incarnatione verbi‘, Henry will expand on this and he will argue that the anima contemplativa purified of all created forms is so abstracted „that it is intimately united only with the first truth by means of knowledge and love“. We should pause here and recognize the great extent to which both Eckhart and Henry share this common teaching, one which is the common coin of the Western mystical tradition. For both authors, a communal form of life was the necessary but not sufficient condition for self-transcendence beyond beings and towards ,supersubstantial being‘. This directedness towards ,the Good‘ involves the self in a movement beyond all created images including any created images of God. Third, the mens is perfected in all the virtues. The proof of this is taken from St. John and from Pseudo-Dionysius. And here again, Henry returns to iste lectulus (this stretcher; bed), „a pure conscience which is the image of reason“. And here it savors a true moment of illumined quietness. Drawing on Augustine, 12
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Ibid., 19: „Propter primum est sciendum, quod iste lectulus nihil est aliud quam pura conscientia et imago rationalis ad perfectam puritatem et securitatem interioris quietis producta.“ See also ibid. the references to lectus conscientiae and iste lectus. While Henry and the Scola Aegidiana do give a certain priority to the will, this is not meant to be a subordination of reason and will. Both reason and will are inter-related. On the reason/will issue in Eckhart, see A. de Libera, Les ,raisons d’Eckhart‘, in: id., Maıˆtre Eckhart a` Paris: une critique me´die´vale de l’Ontothe´ologie, Paris 1984, 109-140. Ibid. (nt. 11), 17: „Aliter enim illud lumen theoricum et divinum contemplari non potest, quia secundum Dionysium et Boethium sola mentis intellegentia attingitur. Ratio autem praedictae abstractionis ex hoc sumi potest: Cum enim secundum philosophos similitudo sit causa unionis, oportet mentem esse virgineam et nulla specie creata ingravidatam, quae debet esse aeterni Verbi virginei conceptiva. Et in huiusmodi signum, quod oportet mentem Verbum aeternum concipientem esse abstractam ab omni specie creata, ipse Christus in Galilaea se visurum discipulis repromisit, Matthaei 28: ,Praecedam‘, inquit, ,vos in Galilaeam, ibi me videbitis‘ et cetera.“
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Henry speaks of the divine indwelling, not just in the intellect alone but in our total self, namely, in our memory, intellect and will. A related teaching is, of course, found in Dietrich of Freiberg and especially in Meister Eckhart, where the notion of intellectual union alone is given primary emphasis. The following two texts, however, of both Henry of Friemar and Eckhart, show the extent to which both authors also draw on common texts from Pseudo-Dionysius. And indeed they share many other common sources: A. Heinrich von Friemar, ,Tractatus de adventu verbi‘, ed. Zumkeller, 17-18: „Ad hanc autem abstractionem inducit Dionysius Timotheum in De mystica theologia cap. 1 sic dicens: ,Tu autem, amice Timothee, forti contritione sensus derelinque et intellectuales operationes et omnia sensibilia et intellegibilia, et ad eius unionem propera, qui est super omnem substantiam et cognitionem, etenim excessu tui ipsius et omnium in mundo retentibili cuncta auferens et a cunctis absolutus ad supersubstantialem divinarum tenebrarum radium aciem mentis converte.‘ Qualiter autem ista mentis abstractio sit intellegenda, utrum realiter debeat a speciebus segregari vel solum quoad usum intellectualis operationis, alibi declaravi.“ B. Eckhart, Predigt 101, ed. Steer 14: „Hie zuo maˆnete Dionysius sıˆnen jünger Timotheum und sprach: ,lieber mıˆn sun Timotheeˆ, duˆ solt mit umbegekeˆrten sinnen dich erswingen über dich selber und über alle krefte, über redelıˆcheit und über vernunft, über werk und wıˆse und wesen in die verborgene stille dünsternisse, uˆf daz duˆ komest in ein bekantnisse des unbekanten übergotteten gottes‘. Ez muoz ein entziehen sıˆn von allen dingen. Gote dem versmaˆhet ze würkenne in bilden.“ The importance of this latter text from Meister Eckhart is that it can be dated to Erfurt in the late thirteenth century and early fourteenth century and belongs to a very important Christmas cycle of sermons. Likewise, the text from Henry of Friemar can be shown to have been composed c. 1300 in Erfurt. This common Erfordian background to both authors is of great significance. Both teachers and authors would go on to hold the teaching position of their respective Orders in the University of Paris in the first decade of the fourteenth century. 14
G. Steer, Predigt 101, Dum medium silentium tenerent omnia, in: G. Steer/L. Sturlese (eds.), Lectura Eckhardi I, Stuttgart-Berlin-Köln 1998, 256-257: „Hierzu ermahnte Dionysius seinen Jünger Timotheus und sagte: ,Lieber Sohn, Timotheus, du soll[s]t dich mit umgekehrten Sinnen über dich selbst hinausschwingen und über alle deine Kräfte, über Verstand und über Vernunft, über Werk, Weise und Wesen in die verborgene stille Finsternis, auf daß du zur Erkenntnis des unbekannten übergöttlichen Gottes kommst‘. Man muß sich allen Dingen entziehen. Gott widerstrebt es, in Bildern zu wirken.“ For an analysis of Eckhart’s preaching-cycle (Pfeiffer 1-IV; Steer 101-104), see G. Steer, Meister Eckharts Predigtzyklus von der ˆewigen geburt. Mutmaßungen über die Zeit seiner Entstehung, in: W. Haug/W. Schneider-Lastin (eds.), Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang. Neu erschlossene Texte, neue methodische Ansätze, neue theoretische Konzepte. Kolloquium Kloster Fischingen 1998, Tübingen 2000, 253-281. I intend to present a new paper soon which will make a formal comparison of this Christmas-cycle on the birth of the Word and the Christmas-cycle of Henry of Friemar.
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Bernard McGinn characterizes the four Eckhart sermons as follows: „The four sermons form an extended meditation on the meaning of Christ’s birth based on key texts from the liturgy of the Christmas season. Though the birth of the Son in the soul is found almost everywhere in the Dominican’s preaching, nowhere else does he make it the subject of a sermon cycle (my italics). Because the eternal birth takes place in the fused identity of the grunt, these sermons also contain one of the Dominican’s most extensive explorations of the language of the ground (the term and its derivatives appear no fewer than thirty-three times). In addition, so many other of the major themes of Eckhart’s preaching appear in this Christmas cycle that it can be described as a vernacular summa of his mysticism 14a. Certain features of Eckhart’s account stand out. For example, he overcomes the distinction of births by claiming that the eternal birth of the Word from the Father is always „now born in time, in human nature“. And just as in his ,Commentary on St. John‘, as we will see later in the paper, Eckhart will introduce his distinctive natural-philosophical reading of the text of Scripture. McGinn correctly places much emphasis on the „motif of pure interiority and utter stillness“ as the key to the relation between our actions and the consummation of the birth of the Word. Nevertheless, even as Eckhart speaks about the utter passivity of the self as the only possible preparation for the birth of the Word, he does presuppose that the self has been purified by the virtues and by the imitation of the life of Christ. Further, he makes explicitly reference to the two great examples of mystical union in the Jewish and Christian traditions, namely, Moses’s forty-day fast on Sinai (Exodus 24, 18) and Paul’s ascent to the third heaven (2 Cor. 12, 2). McGinn demonstrates that Eckhart in the Christmas cycle makes his argument from the works of the philosophers, Anselm, Dionysius, Augustine and Avicenna „on the necessity of the inward emptying of the mind to achieve mystical consciousness“. This point is very important in reference to my remarks about Henry of Friemar below. Henry of Friemar will also make use of these two important references in his account of mystical union. I will argue that Henry of Friemar in his mystical treatises which are contemporary with this sermon-cycle of Meister Eckhart presents exactly the same teaching: One has need of preparation to reach the still point when union becomes possible. Further, he uses the same philosophical sources, Anselm, Dionysius, Augustine to prove the necessity for inward emptying of the mind as a necessary but not sufficient stage towards mystical union. Further, Eckhart like Henry understands the forms of detachment as the work of God’s grace. They are not the work of human self-sufficiency. According to McGinn, „the birth takes place only in an inner condition of total passivity“. I will show below that Henry of Friemar makes the same claim in his Christmas cycle. Further, he speaks about 14a
Cf. McGinn, The Mystical Thought (nt. 8), 54. See 53-60 for a very fine summary of Eckhart’s Predigt 101.
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the ,inaccessibility‘ and ,hiddenness‘ of the dark silence of God. The reason for this similarity is their common use of the texts of both Augustine and Dionysius. Since both authors share common sources, I would like to make a small criticism of a tendency in modern Eckhart scholarship. That is the tendency to take vernacular expressions concerning the super-substantial being, nothingness, and transcendence as though such novel expressions or their equivalents are not already found in Eckhart’s Latin works, and as though such terms are not found in the classics of Western mysticism. Following on the foregoing comparison of texts I will go further and state categorically that one finds many of these same expressions in the Latin texts of both Henry of Friemar and Meister Eckhart. And even in terms of the ,meaning‘ of these expressions in both authors, while there are indeed different shadings of meaning, there are also remarkable agreements. In his ,Tractatus de adventu Domini‘, Henry makes three points. First, the soul of Christ is the rule of virtue, the perfect form we seek, and character and figure of love to which we conform. Of course, one finds a similar teaching in Eckhart. Secondly, the divine being (esse divinum) „since it is independent from all other beings, is first in dignity and causality. And so it subsists from the characteristics of its own nature. All other beings (essentia) are caused by the divine being and are dependent on it“ 15. And so according to Henry, Augustine said it well when he argued that „all created beings tend toward nothingness, and cannot subsist for a moment on their own, unless they are maintained by the omnipotent power of God, since the divine being by means of its causal influence in this manner conserves the being of all things whatsoever. And so, Augustine states that God is more intimate to each being than that very being to itself“. Now, plainly Eckhart teaches this very same doctrine and uses the same words of Augustine. It is clear that for both authors, Augustine is a primary source and in particular, he is the source for this doctrine of the nothingness of created beings. Thirdly, Henry holds following Pseudo-Dionysius that „the Father from the nature of his fecundity is said to have the totality of Godhead in him, since the Father in understanding himself gives birth to the Verbum by a notional act of personal note, that is, through an act of intellectus“ 16. Elsewhere in the same work, Henry of Friemar, influenced by Pseudo-Dionysius in ,The 15
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Henry of Friemar, Tractatus de adventu domini (nt. 11), 68: „Primum patet. Nam esse divinum, cum sit independens ab alio, est primum dignitate et causalitate. Et ideo subsistit ex naturae suae proprietate. Omnia autem alia essentia sunt ab ipso causata et dependentia. Et ideo bene dicit Augustinus, quod omnia creata ad nihilum tenderent nec ad momentum subsistere possent, nisi virtute omnipotentis Dei manutenerentur (my emphasis). Et quia esse divinum per suum causalem influxum sic conservat essentiam cuiuslibet rei, ideo dicit Augustinus, quod Deus est intimior cuilibet rei quam res sibi ipsi.“ Ibid., 69: „Tertium patet. Nam Pater ex naturae suae fecunditate secundum Dionysium dicitur tota fontana deitas eo, quod Pater intellegendo se per actum notionalem notitiae personalis gignit Verbum per actum intellectus. Pater autem et Filius amando se mutuo amore notionali et personali spirant Spiritum Sanctum per actum voluntatis.“ See Eckhart, In Ioh., n. 53 (LW III, 44, 13-14): „Constat enim quod omne, quod est sine esse, est nihil.“
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Mystical Theology‘, holds that the divine essence due to its excessive light is hidden from all created light and knowledge: „umbra dicitur et caligo.“ Further on in the text, Henry exhibits his debt to another major representative of Christian Platonism, Anselm of Canterbury: „And so Anselm states that the creature in God is nothing other than that [divine] creative essence.“ 17 Henry further exhibits his debt to Augustine by drawing on the importance of the pre-existence of creatures in the divine essence according to their perfectional reasons (“praeexistunt in mente paterna originaliter secundum rationes suas ideales“). Here, on this very important issue, one sees that Eckhart and Henry are very much in agreement. Henry of Friemar and Meister Eckhart used both Latin and German to communicate with their audiences. Unfortunately, we lack evidence of Henry’s writings in German. Since Eckhart’s German sermons are unusually rich in semantic resonance, it is often too easy to ignore the fact that the same content can be expressed in philosophical Latin. This continuity in Eckhart’s teaching ought not to hide the sheer creativity, semantic depth and greatness of Eckhart’s philosophical German. Drawing on the mystice significationis of the word ,virgin‘, Henry again speaks of ,purity of mind‘, and echoing a theme in Hildegard of Bingen, he speaks of the virgin mind as virile and not effeminate. Again, this is a theme that is also found in Eckhart 18. This purity of heart leads to virtuous works and future beatitude and to a growth in the vita contemplativa. Here, the mind infused with caritas (love) reaches the most pure kind of union. Still, one must acknowledge that the completion of intellectual vision in active love is significantly emphasized by Meister Eckhart. The structure of such a mind, educated through the virtues, love and humility, is made ready for the reception of the birth of the Word, that is, for the reception of original Justice and Goodness, in the mind/self (mens) of the human being. Much of Henry’s treatise is a doctrine of the preparation of the self for the birth of the Word. The birth of the Word itself leads to a threefold elevation of the soul that produces a threefold reduction of the soul to its original image. Once again, Henry stresses the central role of caritas (love) in the movement of self-transcendence towards ,super-substantial being‘. In part two of his treatise ,De adventu verbi in mentem‘, Henry focuses on the birth of the Word. He again signals the role of Grace and speaks of a materna fecunditas that is produced in the soul. He addresses a doubt: Why is it that the Verbum (Logos) is born and not all the persons of the Trinity 19? In answering this doubt, he distinguishes between the Word born in flesh and the advent of the Word in the soul/mind. The first has to do with the Hypostatic Union; the second is a result of a causal efficacy that has a necessary connection to the 17 18
19
Ibid., 84: „Ideo dicit Anselmus, quod creatura in Deo non est aliud quam ipsa creatrix essentia.“ See A. Hollywood, The Soul as Virgin Wife. Mechtild of Magdeburg, Marguerite Porete, and Meister Eckhart, Notre Dame 1995. Ed. cit. (nt. 11), 35-36.
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divine essence. Thus, the whole Godhead is born and conceived in the soul. Speaking about Simeon, he addresses the issue of whether there is one or there are many illuminations. He resolves this by making a distinction between the ,one‘ object desired and the many desiring affective persons. Again, the mind is freed from worldly cares, is recollected and is illumined by a theoretic light in order to be able to conceive the Word. Then, the indwelling of the Word leads to divine love and an overcoming of all other cares. Hence, one is lead to a faithful commitment to the Good. The Word is received in the mind through the emanation of mental light. And using the text from John 14, 7, he speaks of the Father as „fontale et originalis principio totius“ leading to speculo intellectualis. Again this teaching has strong echoes in Eckhart’s sermons and treatises. This leads Henry to treat of adoptive sonship and fraternal participation in friendship with God. And he then makes a remark that echoes similar expressions in Eckhart. Henry speaks of the divine clemency that deigns to illustrate, „et quod in ipso tamquam in speculo limpidissimo omnem veritatem desideratam in ictu oculi perfectissime comprehendet“. And thus, all desired truth is perfectly comprehended in the flash of the eye. And it is here in what follows that one finds echoes of Eckhart’s teaching about the divine indwelling of the Word. Citing Luke 1, 28, Henry states that the mens devota receives the fullness of all grace and the addition of all divine gifts, „and this in a rational manner“: „For it is certain that the person to whom the presence of the divine Goodness is communicated really and in-existence, should also as a consequence have communicated to them all the resource of Grace, which is born from the outflow of divine Goodness. Just as whoever essentially receives the presence of the sun, has communicated to him the effect of light and clarity and all other effects, which are destined to flow from the same sun. But it follows that through the spiritual conception of the Word, this same Word is communicated to the mind/soul of the human being in presence and in-existence (in-exsistenter et praesentialiter).“ 20
Since Henry is dealing with the mental being of the person, he is careful to speak of the divine presence as it were in terms of the ,intentional in-existence of this objective presence‘, and not in terms of some real being. Thus, the human being is ,filled with grace‘ and is totally transformed into God, and is one in spirit with God. Following this remark, he adds a pertinent criticism of the Albertinian tradition with its emphasis on a unity of real being as presented in both differently by Dietrich of Freiberg and Meister Eckhart. He remarks: 20
Ibid., 41-42: „Nam certum est, quod, cuicumque communicatur realiter et inexsistenter praesentia divinae bonitatis, oportet, quod ei ex consequenti communicetur omnis thesaurus gratiae, qui natus est effluere a divina bonitate, sicut etiam, cuicumque communicaretur essentialiter praesentia solis, illi communicaretur effectus lucis et claritatis et omnis alius effectus, qui natus est effluere ab ipso sole. Sed constat, quod per spiritualem conceptionem Verbi ipsum Verbum inexsistenter et praesentialiter [my emphasis] communicatur ipsi menti.“
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“But this unity is not to be understood as an identity of real existence, as certain ones erroneously teach, but is to be understood as a similitude of conformity and transformation according to the account in John 3: ,We know that, when he appears, we will be like him, because we will see him just as he is‘.“ 21
This would appear on the surface to be a reference to Eckhart’s explicit teaching in Sermon 6: „ ,Wir werden alzemaˆle transformieret in got und verwandelt.‘ Merke ein glıˆchnisse. Ze glıˆcher wıˆse, als an dem sacramente verwandelt wirt broˆt in unsers herren lıˆchamen; swie vil der broˆte wære, soˆ wirt doch ´ein lıˆchame. Ze glıˆcher wıˆse, wæren alliu diu broˆt verwandelt in mıˆnen vinger, soˆ wære doch niht meˆr dan ´ein vinger. Meˆr: würde mıˆn vinger verwandelt in daz broˆt, so wære diz als vil als jenez wære. Waz in daz ander verwandelt wirt, daz wirt ein mit im. Alsoˆ wirde ich gewandelt in in, daz er würket mich sıˆn wesen ein, unglıˆch; bıˆ dem lebenden gote, soˆ ist daz waˆr, daz kein underscheit enist.“ 22
Commenting on 1 Cor. 13, 12: „Then I will know him just as I am known,“ Henry remarks: „That certain ones understand this text in a perverse manner, namely, that just as God knows us through himself and in himself without any habit or mediating act, so too we ourselves know immediately in God and through God and not by means of any act or habit of the knowing subject. And this error flows from this erroneous opinion which teaches that the rational spirit is united in the beatific act with the divine essence by means of an essential flowing back (per refluxum essentialem) into the identity of the divine nature […].“ 23 21
22
23
Ibid., 42: „Quae quidem unitas non intelligetur secundum identitatem realis exsistentiae, ut quidam erronee posuerunt [my emphasis], sed secundum quandam conformitatis et transformationis similitudinem iuxta illud primae Joannis 3: ,Scimus quod, cum apparuerit, similes ei erimus, quia videbimus eum, sicuti est.“ N. Largier, Meister Eckhart: Werke I (Bibliothek des Mittelalters 20), Frankfurt a. M. 1993, 8485: „ ,Wir werden alzemaˆle transformieret in got und verwandelt‘ [2 Cor. 3, 18]. Merke ein glıˆchnisse. Ze glıˆcher wıˆse, als an dem sacramente verwandelt wirt broˆt in unsers herren lıˆchamen; swie vil der broˆte wære, soˆ wirt doch ´ein lıˆchame. Ze glıˆcher wıˆse, wæren alliu diu broˆt verwandelt in mıˆnen vinger, soˆ wære doch niht meˆr dan ´ein vinger. Meˆr: würde mıˆn vinger verwandelt in daz broˆt, soˆ wære diz als vil als jenez wære. Waz in daz ander verwandelt wirt, daz wirt ein mit im. Alsoˆ wirde ich gewandelt in in, daz er würket mich sıˆn wesen ein, unglıˆch; bıˆ dem lebenden gote, soˆ ist daz waˆr, daz kein underscheit enist.“ See 808-819 for Largier’s very fine extended commentary on Predigt 6. - For Eckhart’s own careful and non-problematic qualification of his position, see In Ioh., n. 119 (LW III, 104, 6-13): „Non enim est imaginandum falso quasi alio filio sive imagine Christus sit filius dei, et alio quodam homo iustus et deiformis sit filius dei. Ait enim: ,transformamur in eandem imaginem‘. Praeterea, quotquot specula opponantur vultui vel faciei hominis, formantur ab eadem facie numerali: sic etiam omnes iusti et singuli ab eadem iustitia prorsus et simpliciter iusti sunt, formantur, informantur et transformantur in eandem. Alioquin enim non essent univoce iusti, sed nec iustus quilibet esset vere iustus, si alia esset iustitia in se ipsa et alia in iusto.“ One could imagine that an untrained person would not make such a distinction and hence some members of the ,Brethren of the Free Spirit‘ could simply state without remainder that each just person is the Son of God. Henry of Friemar, Tractatus de incarnatione Verbi (nt. 11), 130/131: „Quod quidam perverse sic intellegunt, quod, sicut ipse nos per se ipsum et in se ipso sine ullo habitu et actu medio cognovit, ita et nos ipsum cognoscemus immediate in se ipso et per se ipsum et non per aliquem actum vel habitum ex parte cognoscentis. Et iste error emanat ab illa opinione erronea, quae ponit spiritum rationalem in actu beatifico uniri divinae essentiae per refluxum essentialem in identitatem divinae naturae. Quod est falsum et impossibile.
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It is clear from this text that Henry differed significantly from Dietrich of Freiberg and Meister Eckhart on the role of a habit or mediating act in reference to the beatific vision. Henry then examines two questions: Is God just revealed in one person? Does beatitude consist of direct or reflected vision? Evidently, in what follows, mystical illumination is connected with beatific vision. He cites the example of St. Paul „qui fuit in raptu contemplatione intuitiva divinae essentiae transitorie illustrans,“ and asks: Did this make him perfecte beatus? That is, was Paul a just person in the perfect sense in which God the Son is perfect? No. He did not have permanent intuitive awareness of God. He had reflected light as in the air, not the direct sunlight. Conclusion: We can now see that both Henry of Friemar and Eckhart share a common world, the world of the traditions of mysticism, philosophy and theology beginning with Augustine and continued through Boethius, Pseudo-Dionysius, Anselm, Albertus, Aquinas, Bonaventure and others. We have seen examples of expressions such as „the nothingness of creatures“ used by both authors. And yet such expressions in Eckhart sound and seem more radical than in Henry. Certainly, the teaching on the union of the just person with God by means of fused identity is more ,radical‘ than the preservation of human altereity as presented in Henry. Indeed, there is a major difference between them as to how one is to understand (1) the indwelling of the Word in the soul of man and (2) the nature of mystical union in beatific vision. Despite these differences as to what was considered by Henry to be an ,erroneous opinion‘, one should underscore their common agreements rooted in common philosophical and theological sources. We must now turn to Henry of Friemar’s younger contemporary, Jordanus of Quedlinburg and we will examine some aspects of Jordanus’s response to Meister Eckhart. He comes to this task from a new standpoint. His sermon works postdate the Papal condemnation of some propositions of Eckhart in the Bull ,In agro dominico‘ (1327). And as an Administrator and Inquisitorial OffiEt ideo verbum Apostoli sic debet intellegi, quod, sicut me cognovit in se ipso et per se ipsum, sic ipsum cognoscam in se ipso obiective, quia non per speciem mediam, sicut cognoscimus quaecumque creata; quae quia non possunt illabi ipsi menti, oportet quod non immediate per suam essentiam, sed per eorum speciem mediam a nobis cognoscantur […]. Et per consequens oportet, quod potentia intellectiva creata sit elevata per habitum supernaturalem luminis gloriae ad eliciendum actum beatae visionis.“ See Eckhart, Predigt 6, ed. cit. (nt. 22); see also Dietrich of Freiberg, De visione beatifica. As Nadia Bray has shown, Henry is clearly engaging with the teaching of Dietrich of Freiberg and his colleague, Meister Eckhart, on the nature of the beatific vision. For an account of the causa essentialis theory in Dietrich of Freiberg and Meister Eckhart, see B. Mojsisch, Meister Eckhart. Analogy, Univocity and Unity, transl. with a Preface and an Appendix by O. F. Summerell, Amsterdam-Philadelphia 2001, 28-34: Dietrich of Freiberg: God as intellectivum and the theory of the causa essentialis; Meister Eckhart: causa essentialis and principium essentiale.
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cial, he could not ignore this official condemnation. Still, one ought not be mislead by the occurrence of a condemnation of this one item from the works of Meister Eckhart. An examination of the first part of Eckhart’s ,Commentary on the Prologue to St. John‘ with some of the nativity sermons by Jordanus from his ,Opus postillarum‘ will prove that Jordanus was positively indebted to his Thuringian older contemporary for significant portions of some of his nativity sermons. In fact, Jordanus reproduces much of the teaching of Meister Eckhart as his own and without attribution. The result will, therefore, be paradoxical. On the one hand, there is the evident criticism of some central issues from Eckhart, but at the same time, Eckhart is inscribed in the main tradition of interpreters of St. John such as Origen, St. Augustine, Johannes Scottus (Eriugena), Thomas Aquinas. Further, Eckhart becomes for Jordanus the explicit source and context for some central citations from the ,Vox spiritualis‘, the very influential nineth century ,Homilia on the Prologue to the Gospel of St. John‘ by Johannes Scottus (Eriugena), commonly ascribed to Origen in the later Middle Ages 24. Indeed, one will need to conclude that Jordan had great respect for the achievement of Meister Eckhart in his ,Commentary on St. John‘, and further we will need to acknowledge the mediating role that Eckhart’s text plays for Jordanus’s uses of the ,Vox spiritualis’.
III. Jordanus of Quedlinburg and Meister Eckhar t: the Inter pretation of the ,Prologue to the Gospel of St. John‘ In earlier work, as indicated in note 2, I have identified some evident uses of texts from Eriugena and Meister Eckhart by Jordanus of Quedlinburg. This was concerned with Jordanus’s explicit application of the Papal Bull ,In agro dominico‘ against Eckhart’s position on divine sonship and adoption. This criticism, however, is limited to one topic. Yet, when one turns to the extensive use by Jordanus of Eckhart’s ,Commentary on St. John‘, one cannot but marvel at the respect he shows to Eckhart’s text by re-inscribing it so fully in his own sermontreatise. In this way, Jordanus acknowledges the importance of the ,Commentary on St. John‘ by Meister Eckhart. This is surely very significant in the light of the condemnation of Eckhart in the Papal Bull ,In agro dominico‘. It clearly shows that whatever the extent to the disagreement on the manner of Eckhart’s presentation of his notion of fused identity in regard to the divine sonship of the just person, Jordanus clearly held Eckhart in high regard and plainly acknowledged the importance of his commentary. 24
Cf. E´. Jeauneau (ed.), Jean Scot: Home´lie sur le Prologue de Jean (Sources Chre´tiennes 151), Paris 1969.
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In the light of the recent research of Nadia Bray concerning ,Giordano di Quedlinburg come documento delle discussioni posteckhartiane‘ 24a, it is now clear that a consistent Erfurtian Augustinian tradition of the appropriation and criticism of Eckhart’s theology is characteristic of the Erfurt Augustinian School and is continuous from Henry of Friemar in Erfurt in the late 1290’s and early 1300’s through the texts of Jordanus of Quedlinburg, and is found in the texts of Johannes Hiltalingen of Basle later in the 14th century. Yet, it is also evident that by positively inscribing Eckhart’s great ,Commentary on St. John‘ in his own text without adscription, Jordanus was recognizing the importance of his Thuringian contemporary for the interpretation of the most philosophically important of all the Gospels. What then is the nature and extent of the borrowing by Jordanus from Meister Eckhart? In what respect does he both agree with Eckhart’s Commentary on St. John and in what respect does he disagree with Eckhart’s interpretations? This problem is further complicated by the fact that when Jordanus cites Eckhart, he also cites the ,Homilia on the Prologue to the Gospel of St. John‘ by Johannes Scottus (Eriugena). In the light of the parallel text evidence which I will outline below in reference to Johannes Scottus (Eriugena), Meister Eckhart and Jordanus of Quedlinburg, I make the following claims: First, Jordanus agrees with Meister Eckhart’s basic hermeneutic program in the ,Expositio Sancti Evangelii secundum Iohannem‘. That is, he takes over Eckhart’s manner of scriptural interpretation. This involves not only the moral interpretation but more importantly Eckhart’s naturalphilosophical mode of interpretation. Second, in regard to the interpretation of the ,Prologue to St. John‘, he does not excerpt in a few places; rather, he takes over large sections of Eckhart’s text as his own without attribution. Third, Jordanus gives his citations of the ,Homilia on the Prologue to the Gospel of St. John‘ by Johannes Scottus (Eriugena) verbatim from Eckhart’s commentary together with the context found in Eckhart’s text. In other words, for many citations he is indebted to Eckhart for the manner in which the latter reworks Eriugena’s foundational text. In what follows, I will provide a representative sample of this reception of Meister Eckhart by his younger contemporary, the teacher of the Via Augustini, Jordanus of Quedlinburg. 24a
N. Bray, Giordano di Quedlinburg come documento delle discusione posteckhartienne, Paper at the XI Congress of Medieval Philosophy, SIEPM, Porto, 2002, forthcoming in the Acts of the Congress 2004. This paper has the great merit of noticing the significant interaction of Henry of Friemar, Jordanus of Quedlinburg and other members of the Scola Aegidiana with the work of Dietrich of Freiberg ,De visione beatifica‘. In particular, she demonstrates the relation of the material in ,Opus Jor‘ to the discussions of essential intellectual vision in Dietrich of Freiberg and Meister Eckhart. See also id., Eckhart e Teodorico di Freiberg nell’Opus Ior di Giordano di Quedlinburg, in: Giornale critico della filosofia italiana 82 (2003), forthcoming. For a very fine summary of Eckhart’s relation to the Albertinian tradition including Dietrich of Freiberg, see A. de Libera, La mystique rhe´nane d’Albert le Grand a` Maıˆtre Eckhart, Paris 1994.
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Eckhart, Jordanus and the ,Homilia on the Prologue to the Gospel of St. John‘ by Johannes Scottus (Eriugena) There are at least seven citations from the Homilia in the above mentioned Sermones from Jordanus. The following parallel texts will outline the extent of Jordanus’s dependence on the mediation of Eckhart’s text. It will also indicate that Jordanus also drew on other sources for the Homilia. 1. Eriugena, Homilia VI, 9-14: „Tale est ergo quod ait In principio erat verbum, ac si aperte diceret: In patre subsistit filius. Quis enim sanum sapiens dixerit filium in patre temporaliter unquam substitisse? Illic enim sola cogitatur aeternitas, ubi sola intelligitur veritas.“ Jordanus, Sermo LXVIII, B: „Nam sicut dicit beatus Augustinus est principium non de principio, et hoc est pater. Et est principium de principio et hoc est filius. Hic autem accipitur principium per antonomasiam de patre. Est sensus: in principio erat verbum, id est in patre erat filius, ac per hoc indistinctus a patre per essentiam.“ Jordan like Eckhart draws his sources from Augustine’s major treatise on John. The importance of Augustine’s text for both authors cannot be underestimated. Two other sources are also important: the ,Glossa Interlinearia‘ and Thomas Aquinas on John. In what follows, however, it will become quite evident that Jordanus is using the text of Eckhart’s ,Expositio on John‘ as his main source for the text of the ,Vox spiritualis‘ of Johannes Scottus (Eriugena). 2. Eriugena, Homilia VI, 1-10: „In principio, inquit, erat verbum. Et notandum quod in hoc loco, non temporis, sed substantiae significationem beatus euangelista insinuat per hanc uovem quae est ,erat‘. Nam et positiuum eius, id est, ,sum‘, unde inaequaliter flectitur, duplicem continet intellectum: aliquando quidem subsistentiam cuiuscunque rei de qua praedicatur, absque ullo temporali motu significat, ideoque substantiuum verbum uocitatur; aliquando temporales motus secundum aliorum uerborum analogiam declarat. Tale enim est ergo quod ait: In principio erat verbum, ac si aperte diceret: In patre subsistit filius.“ Eckhart, In Ioh., n. 8 (LW III, 8, 13-9, 9): „Propter quod consequenter non transit in non-esse nec labitur in praeteritum. Quod si sic, semper est in principio - nam et apud nos: tolle tempus, occidens est oriens -, et si semper in principio, semper nascitur, semper generatur; aut enim nunquam aut semper, quia principium sive in principio est semper. Hinc est quod filius in divinis, verbum in principio, semper nascitur, semper natus est. Et hoc est quod sequitur erat: in principio erat verbum. Li erat enim tria dicit: substantiam, cum sit verbum substantivum, item praeteritum, item imperfectum. Et quia substantivum, verbum est ipsa principii substantia; quia praeteritum,
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semper natum est; quia imperfectum, semper nascitur. Hinc est quod in qualibet clausularum primarum quattuor, ubi Iohannes loquitur de verbo, semper utitur hoc verbo erat substantivo, praeterito et imperfecto.“ Jordanus, Sermo LXVIII, K: „Respondetur dicendum quod tria dicuntur de verbo divino. Primum quod est substantia. Non enim est intentio et accidens sicut verbum nostrum. Sed est ipsa substantia et essentia Patris. Et ideo tria importat hoc verbum erat quod est verbum substantivum praeteritum et imperfectum. Quia enim substantivum importat verbi. Quia praeteritum designat ipsum verbum semper natum esse. Quia vero imperfectum denotat ipsum semper nasci. Unde dicit hic glossa. Quatuor ponitur erat substantivum verbum. Divinis enim generatio non transit in non esse, nec labitur in praeteritum set semper est, semper in principio est. Nam et apud nos tolle temporis occidens est oriens. Et si semper in principio semper nascitur. Et hoc est quod dicit beatus Augustinus in glossa.“ Comment: In this text also Thomas Aquinas’s ,Expositio on John‘ is the source for Eckhart’s account of the ,Vox spiritualis‘, and hence is indirectly the source for Jordanus’s use of the text. 3. Jordanus, Sermo LXVIII, H: „Prima est quod intimum Iacobi 1. Suscipite insitum verbum. Et hoc notat hec prepositio in. Dei enim et divinorum omnium in quantum divinorum omnium in quantum divina sunt est inesse et intimum esse. Patet hoc in prima propositione De causis specialiter in commento. Patet etiam in primo effectu dei qui est esse quod est omnium intimum. Unde beatus Augustinus iii Confes. Tu interior eras intimo meo. Et x Confes. Intus eras et ego foras. Patet etiam in potentiis anime que quanto diviniores et perfectiores tanto sunt interiores.“ Eckhart, In Ioh., n. 34 (LW III, 28, 4-9) 25: „De primo istorum, quod notat li in, praepositio, nota quod dei et divinorum omnium, in quantum divina sunt, est inesse et intimum esse. Patet hoc in prima propositione De causis, specialiter in commento. Patet etiam in primo effectu dei foras, qui est esse, omnium intimum, secundum illud Augustini: ›intus eras et ego foras‹. Patet hoc tertio in ipsis potentiis animae, quae quanto diviniores et perfectiores, tanto interiores.“ Comment: In these texts we have an example of a combination of a NeoPlatonic text, the ,Liber de causis‘, and Augustine. As we saw above in the case of Henry of Friemar this kind of shared sources is common in these authors. 4. Jordanus in Sermo LXVIII, L which follows the latter citation introduces his moral interpretation by taking the text verbatim from Eckhart’s ,Expositio Sancti Evangelii secundum Iohannem‘, n. 51 (LW III, 41 sq.). This will be the 25
Magistri Echardi Expositio Sancti Evangelii secundum Iohannem, ed. u. übers. v. K. Christ u. J. Koch (Meister Eckhart, Die deutschen und lateinischen Werke, ed. im Auftrage der Deutschen Forschungsgemeinschaft: Die lateinischen Werke, vol. 3 [= LW III], Stuttgart 1935).
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first of three extensive moral interpretations excerpted by Jordanus from Eckhart’s text. Jordanus’s text reads: „Moraliter docemur hic quod principium omnis nostrae intentionis et actionis debet esse deus. Quia in principio erat verbum, et deus erat verbum. Iterum si vis scire de omni actione tua interiori et exteriori utrum sit divina vel non et utrum ipsam deus operetur in te et per ipsum sit facta vide si finis intentionis tue sit deus. Quod si sic, actio tua est divina. Quia principium et finis idem scilicet deus. Item docemur hic quod opus nostrum debet esse rationale et secundum dictamen rationis principiantis opus. Ait enim In principio erat verbum ibi grecus dicit. Logos, id est ratio. Rom. xii. Rationabile obsequium vestrum. Et 1 Pet. ii. Rationabiles et sine dolo. Unde Diony. iiii.c. De divinis nominibus dicit: Quis bonum hominis est secundum rationem esse. Malum autem quod est preter rationem. Et i. Methaphysicae. Dicitur quia hominum genus arte et ratione vivit. Et hoc est quod dicitur in psalmo. Multi dicunt. Quia ostendit nobis bona et respondetur. Signatum est super nos lumen vultus tui domine, quasi dicit, Ratio que in vobis de vultu dei imprimitur. Ipsa est que ostendit nobis bona. Illum enim quod secundum rationem fit, bene fit, recte fit et bonum fit et de vultu dei procedit. Psal. De vultu tuo iudicium meum prodeat. Unde beatus Augustinus in libro De libero arbitrio: docet quod omnis lex hoc ipsum iusta est et bona quod de vultu dei.“ Eckhart, In Ioh., n. 51 (LW III, 41, 15-43, 3): „In principio erat verbum. Moraliter docemur quod principium omnis nostrae intentionis et actionis debet esse deus, quia in principio erat verbum, et deus erat verbum. Iterum, vis scire de omni actione tua interiori et exteriori, utrum sit divina vel non, et utrum deus ipsam operetur in te, et per ipsum sit facta: vide si finis intentionis tuae est deus. Quod si sit, actio est divina, quia principium et finis idem: deus. Adhuc autem docemur quod opus nostrum debet esse rationabile et secundum dictamen et ordinem rationis principiantis opus. Ait enim: in principio erat verbum, quod est ratio, Rom. 12: ,rationabile obsequium vestrum‘; et 1 Petri 2: ,rationabiles sine dolo‘. Et Dionysius quarto capitulo De divinis nominibus dicit quod bonum hominis est secundum rationem esse, malum autem quod est ,praeter rationem‘. Et I Metaphysicae dicitur quod ,hominum genus arte et ratione‘ vivit. Et hoc est quod in Psalmo dicitur: ,multi dicunt: quis ostendit nobis bona?‘ Et respondetur: ,signatum est super nos lumen vultus tui, domine‘, quasi dicat: ratio, quae nobis de vultu dei imprimitur, ipsa est quae ostendit bona. Illud enim quod secundum rationem fit, bene fit, recte fit et bonum est, et de vultu dei procedit, secundum illud: ,de vultu tuo iudicium meum prodeat‘. Et Augustinus De libero arbitrio docet quod omnis lex hoc ipso iusta est et bona, quod de vultu dei procedit; mala vero et iniusta, si abinde non procedit.“ 5. Jordanus, Sermo LXIX, A: At the end of this section, Jordanus uses a series of texts from Augustine that are different from the Augustine citations in Eckhart. Yet at the end of these citations, he adds the following from Eckhart’s ,Expositio Sancti Evangelii secundum Iohannem‘, n. 52 (LW III, 44, 6-8): „Et nota quod li omnia divisionem
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importat et numerum et per consequens sub li omnia nec cadit filius nec spiritus sanctus nec quidquam divinum, in quantum divinum est.“ In the next section, Sermo LXIX, B, Jordanus again cites from Eckhart: Eckhart, In Ioh., n. 52 (LW III, 43, 9-44, 5): „Ratio ergo huius quod hic dicitur omnia per deum facta esse est, quia unumquodque agit sibi simile, nec quidquam agit ultra suam speciem. Omne autem citra deum est ens hoc aut hoc, non autem ens aut esse absolute, sed hoc est solius primae causae, quae deus est. Secundo notandum quod li omnia distribuit pro entibus. Peccata vero et universaliter mala non sunt entia. Unde non sunt facta per ipsum, sed sine ipso. Et hoc est quod sequitur: sine ipso factum est nihil, id est peccatum sive malum, secundum Augustinum, et hic dicitur: omnia per ipsum facta sunt. Mala enim non sunt nec sunt facta, quia non effecta sive effectus, sed defectus alicuius esse.“ Jordanus, Sermo LXIX, B: „Et est quod dicitur in De causis: Prima rerum creaturarum est esse. Ratio autem iam dicti est. Quia unumquodque agit sibi simile, nec quicquam agit ultra suam speciem. Omne autem citra deum est ens hoc aut hoc, non autem ens vel esse absolute, sed hoc est solius primae causae, quae deus est. [Licet ergo a causis aliis secundis res aliquae producantur. Omnia tamen et singula sive a natura sive ab arte producta, immediate ab ipso solo verbo habent esse suum quod sunt. Ut sit ordo litterae. Omnia facta per ipsum sunt. Unde aperte sequitur. Et sine ipso factum est nihil, id est: omne factum a quocunque sine ipso est nihil. Quomodo enim esset sine esse.] (This bracketed section is from Eckhart, In Ioh., n. 53 [LW III, 44, 9-14]. The text prior to the brackets is from Eckhart, In Ioh., n. 52 [LW III, 43, 9-12]. And the next text which follows these brackets, is from n. 52 [LW III, 43, 13-44, 3]. Jordanus, in this mosaic-like manner, simply re-arranged Eckhart’s text.) Et notandum quod li omnia distribuit pro entibus. Peccata vero et universaliter mala non sunt entia. Unde non sunt facta per ipsum set sine ipso. Et hoc est quod sequitur. Sine ipso factum est nihil, id est, peccatum sive malum secundum beatum Augustinum.“ 6. Eriugena, Homilia IX, 16-30: „Quae sententia dupliciter pronuntiatur. Potest enim subdistingui: Quod factum est in ipso, ac deinde subinferri, vita erat […]. Quod factum est in ipso, non aliud est nisi vita: ut sit sensus: Omnia quae per ipsum facta sunt, in ipso vita sunt et unum sunt. Erant enim, hoc est subsistunt, in ipso causaliter, priusquam sint in semetipsis effective. Aliter enim sub ipso sunt ea quae per ipsum facta sunt, aliter in ipso sunt ea quae ipse est.“ Jordanus, Sermo LXIX, D: „Aliter secundum Originem [sic! Johannes Scottus (Eriugena)] qui sic distinguit: Quod factum in ipso ibi fit punctus. Et postea vita erat ut sit sensus. Omnia que in ipso et per ipsum facta sunt. In ipso vita sunt scilicet causaliter priusquam sint
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in semetipsis effective. Et hoc posset esse contra quosdam antiquos philosophos qui negaverunt causam agentem et finalem ponentes tantum causam materialem rerum.“ Eckhart comments on the bare text „Quod factum est in ipso vita erat,“ but does not cite the ,Vox spiritualis‘. 7. Jordanus in Sermo LXIX, E simply reproduces the text of Eckhart in the following: „Prima sumiitur ex parte principii formalis. Universaliter enim effectus est in suo principio effectivo secundum id quod formaliter et per seipsum efficiens est causa effectus. Sicut in arte apud nos, ars ipsa est illud que formaliter artifex producit et efficit artificatum. Unde philosophus dicit quod Policletus est causa statue in quantum statuarius habens artem statue. Unde non refert utrum sit Petrum vel Martinus sed nec si sit homo vel equus, dum tamen artem habeat qui operatur. Et si substantia esset ipsa ars sua, utique statua in ipso ut in ipso est, esset ipsa substantia artificis.“ See Eckhart, In Ioh., n. 66 (LW III, 54, 6-55, 2) „Quinta ratio est: ubi sciendum quod universaliter effectus est in suo principio effectivo secundum id et id quo formaliter et per se ipsum efficiens est causa effectus, ut in arte apud nos ars ipsa est illud quo formaliter artifex producit et efficit artificiatum. Unde philosophus dicit quod Polycletus est causa statuae per accidens, per se autem causa est statuae, in quantum est statuarius, habens artem statuae. Unde non refert utrum sit Petrus vel Martinus, sed nec si sit homo vel equus, dum tamen artem habeat qui operatur. Quod si substantia artificis ipsa ars sua esset, utique statua in ipso esset ipsa substantia artificis, ut in ipso est.“ 8. In Sermo LXIX, G Jordanus proceeds further and takes his moral interpretation directly from Eckhart, In Ioh., n. 68 (LW III, 56, 7-57, 9): „Moraliter notandum quod virtutis est opus vite sicut opera vitiosa dicuntur opera mortis. Unde cuidam viciis et peccatis obnoxio dicitur Apocalypsis III. Nomen habens ut vivas et mortuus es. Opus autem virtutis sive opus bonum nullus operatur nisi in deo. Psalmus. In deo faciemus virtutem. Ecclesiastici XXIIII. Qui operantur in me non peccabunt. Unde de viro iusto dicitur Iohannis iii. Quia opera eius in deo facta sunt. Et Iohannis XV dicitur. Sicut psalmes non potest facere fructum nisi manserit in vite sic nec vos nisi in me manseritis. Si vis ergo scire a opus tuum sit vivum, id est si sit opus virtutis sive opus bonum et divinum, vide si sit factum in ipso scilicet deo, quia hic dicitur. Quod factum est in ipso scilicet deo vita erat id est vitale et vivum est. In deo autem fit quod in charitate fit 1 Iohannis. Illi qui manent in charitate in deo manent. Vel sic e converso. Si vis scire si opus tuum factum sit in deo vide si opus tuum ait vivum. Vivum autem opus est quod extra deum et preter deum non habet movens nec finem. Et tale opus sit in deo. Rursus sic si vis scire si opus tuum sit in deo vide si opus tuum sit vita tua. Hoc est dictum. Si vis iuste et bene agere. Hoc scilicet bene agere sit tibi charius et dulcius quam vita tua temporalia secundum illum Ecclesiastici. iiii. pro iusticia agonizare per anima tua. Et usque ad mortem certa pro iusticia. Sic Aposto-
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lus Phil 1 Mihi vivere christus est et cetere. Quod si sic. Tunc scias opus tuum esse in deo opus divinum et iustum.“ It will be clear that although Jordanus alters the text slightly, it is based on Eckhart’s text. 9. Eriugena, Homilia XI, 1-3: „Omnia itaque per verbum facta sunt, in ipso vivunt incommutabiliter et vita sunt; in quo neque fuerunt omnia temporalibus intervallis seu localibus nec futura sunt, sed solumodo super omnia tempora et loca in ipso unum sunt.“ Jordanus, Sermo LXIX, H: „Hic duo sunt consideranda. Primo quod evangelista prius verbum appelavit vitam. Et bene coniunguntur ista duo in verbo scilicet lux et vita.“ 10. Eriugena, Homilia, 24-39: „Et vita lux hominum. Quare addit ,lux hominum‘ quasi specialiter ac proprie lux sit hominum, qui est lux angelorum, lux universitatis conditae, lux totius visibilis et invisibilis existentiae? An forte verbum vivicans omnia non solum hominibus, verum etiam angelis omnique creaturae divinae cognitionis particeps fieri valenti seipsum declaravit? Non enim per angelum angelis, neque per angelum hominibus, sed per hominem et hominibus et angelis, non in phantasia, sed in vera humanitate, quam totam sibi in unitatem substantiae suscepit, apparuit, suamque cognitionem omnibus cognoscentibus se praestit. Lux itaque hominum est dominus noster Ihesus christus, qui in humana natura omni rationali et intellectuali creaturae seipsum manifestavit, suamque divinitatis, qua pari aequalis est, abdita reseravit misteria.“ Eckhart, In Ioh., nn. 64, 65 (LW III, 53, 8-54, 3): „Et hoc est quod hic optime dicitur: quod factum est sive ens in ipso vita erat, et vita, id est vivens, erat lux hominum. Vivum enim proximum superius est enti, intellectus vero proximus superius est viventi. Et fortassis haec est ratio, quare dicit lux hominum, eo scilicet quod intellectus hominum est proximum intellectivum superius viventi, utpote infimum intellectivum. Huius tamen, quare dicat lux hominum, supra duae causae aliae assignatae sunt. Chrysostomus vero dicit quod dictum est lux hominum, quia Iohannes scripsit et loquebatur hominibus, et de verbo quod ,caro‘, id est homo, ,factum est‘; ideo dixit lux hominum. Origenes [sic! Johannes Scottus (Eriugena)] vero dicit quod per li hominum intelligitur universaliter natura rationalis. ,Sumus enim rationales nos et dii‘, ut dicit Porphyrius, et diffinitio hominis est esse animal rationale.“ Jordanus, Sermo LXIX, K (ad sensum): „(I) Circa hoc autem quod dicitur verbum esse lux hominum quadruplex cadit dubitatio. Prima quare verbum non dicitur vita hominum sicut dicitur lux hominum. Ad hoc dicendum quod hoc ideo est, quia homines de se sunt viventes set non lucentum […].
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Aliter dubitatio est quare non dicitur. Verbum erat lux hominum. Sed dicitur: vita erat lux hominum. Respondetur dicendum secundum Origenem [sic! Johannes Scottus (Eriugena)]. Quia vita accipitur hic non animalis que est communia etiam irrationabilibus, sed intellectualis. Vita autem intellectualis potest dupliciter considerari. Uno modo prout homo est in potentia ad intelligendum. Et talis vita non participat lucem nisi in potentia. Alio modo prout homo est actu intelligens. Et talia vita requirit lucem actu. Quia igitur homo ut participat verbum divinum potest esse in potentia ad intelligendum. Pro quanto vero participat vitam intellectualem quae proprie in actu intelligendi perficitur oportet mentem actu luce illustrati. Et tunc idem est vita et lux. Hinc est quod dicitur vita esse lux hominum, non autem dicitur verbum lux hominum quamquam idem sint verbum et vita. Tertia dubitatio est. Cum enim ista vita que est verbum sit etiam lux angelorum, quare soli homines nominantur hic. Ad hoc respondet Chrysostomus: Quia Iohannes scripsit et loquebatur hominibus et de verbo quod caro id est homo factum est ideo dixit lux hominum. Aliter respondit Origenes [sic! Johannes Scottus (Eriugena)] dicentes quod per hominem in hoc loco quecunque rationalis creatura debet intelligi. Sumus enim nos et dii rationales, ut ait Porphyrius.“ This is evident borrowing of Eriugena’s text from Eckhart’s ,Commentary on St. John‘. 11. Eriugena, Homilia XIII, 2-9: „XIII. Physica vero horum vereborum theoria talis est. Humana natura, etsi non pecasset, suis propriis viribus lucere non posset, non enim naturaliter lux est, sed particeps lucis. Capax siquidem sapientiae est, non ipsa sapientia cuius participatio sapiens fieri potest. Sicut ergo aer iste per semetipsum non lucet sed tenebrarum vocabulo nuncupatur, capax tamen solaris lumine est, ita nostra natura, dum per seipsam consideratur, quaedam tenebrosa, capax ac particeps lucis sapientiae.“ Eckhart does not cite this text in this same manner. He simply states, In Ioh., n. 74 (LW III, 62, 6-12): „lux in tenebris lucet, id est in creaturis quae habent aliquid opaci, id est nihili, adiunctum. Et hoc est quod dicit Dionysius: ,impossibile est nobis aliter lucere divinum radium nisi varietate velaminum circumvelatum‘. Sic enim ignis in se ipso, in sphaera sua, non lucet. Propter quod per tenebras signatur Gen. I: ,tenebrae erant super faciem abyssi‘, scilicet ignis secundum doctores; lucet in materia aliena, puta in terreo, carbone scilicet, vel in flamma aerea.“ Jordanus, Sermo LXIX, Q: „Et lux in tenebris lucet et tenebre eam non comprehenderunt. Ubi secundum Originem [sic! Johannes Scottus (Eriugena)], per tenebras intelligitur natura nostra. Natura enim nostra non est lux set participans lucem sicut aer semetipsum non lucet set tenebrarum vocabulo nuncupatur. Genesis I: Tenebre erunt super faciem abyssi. Ita natura nostra per se considerata est quaedam tenebrosa substantia, tamen capax
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et particeps lucis et sapientiae. In istis tenebris lucet lux divina pro quanto menti rationali participationem sui influit, nec tamen lucem illam mens humana comprehendit, cum sit infinita et incomprehensibilibus omni creature.“ 12. In the following section S, Jordanus again makes use of a text from Eckhart in the following manner: Eckhart, In Ioh., n. 70 (LW III, 58, 11-59, 10): „[verba ista supra tripliciter sunt exposita. Nunc autem advertendum est quod lux medium quidem illuminat, sed radices non mittit. Propter quod totum medium lumen recipit immediate a corpore luminoso, non prius oriens quam occidens, nec occidens ab oriente, sed utrumque simul, et iterum utrumque immediate a corpore luminoso. Et ratio est, quia radicem non mittit in oriente nec in aliqua parte medii.] Propter quod non haeret lux in medio nec fit heres luminis, nec corpus luminosum facit medium heredem suae actionis, quae est illuminare. Communicat quidem ipsi medio quasi mutuo et in transitu per modum passionis et transeuntis et fieri, ut sit et dicatur illuminatum, non autem communicat ipsi medio lumen suum per modum radicati et haerentis passibilis qualitatis, ut scilicet lux maneat et haereat et illuminet active, absente corpore luminoso.“ Jordanus, Sermo LXIX, S: [Ubi notandum quod lux medium quidem illuminat sed radices non mittit.] Propter quod non heret lux in medio, nec fit heres luminis, nec corpus luminosum facit medium heredem sue actionis que est illuminare. Communicat quidem ipsi medio quasi mutuo et in transitu per modum passionis transeuntis et fieri et quasi per modum hospitis ut sit illuminatum. Non autem communicat ipsi medio lumen suum per modum radicati et herentis passibilis qualitatis seu heredis ut scilicet lux maneat et hereat et illuminet active absente corpore luminoso. 13. In Sermo LXIX, U Jordanus excerpts a complete ,natural philosophical‘ interpretation from Eckhart’s commentary. Here, he excerpts pieces from Eckhart’s account of light and knits it into his own narrative. Eckhart, In Ioh., n. 74 (LW III, 62, 3-12): „Octavo: lux in tenebris lucet. Notandum quod perspicuum de natura lucis nunquam videtur nec apparet lucere nisi adiuncto sibi aliquo opaco, puta pice, plumbo aut huiusmodi. ,Deus‘ autem ,lux est, et tenebrae in eo non sunt ullae‘, Ioh. 1. Hoc est ergo quod hic dicitur: lux in tenebris lucet, id est in creaturis quae habent aliquid opaci, id est nihili, adiunctum. Et hoc est quod dicit Dionysius: ,impossibile est nobis aliter lucere divinum radium nisi varietate velaminum circumvelatum‘. Sic enim ignis in se ipso, in sphaera sua, non lucet. Propter quod per tenebras signatur Gen. 1: ,tenebrae erant super faciem abyssi‘, scilicet ignis secundum doctores; lucet in materia aliena, puta in terreo, carbone scilicet, vel in flamma aerea.“ Jordanus will knit parts of this text into his own account: Jordanus, Sermo LXIX, U: „Aliter potest exponi sic Naturaliter. Nullam cognitionem habemus de deo nisi in quantum relucet in creaturis. Quia invisibilia dei a creatura mundi per ea que facta sunt intellecta
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conspiciuntur. Rom. 1. Sicut videmus in exemplo. Quod perspicuum in de natura lucis non apparet nobis lucere nisi adiuncto sibi aliquo opaco, puta, plumbo, pice, vel alio huiusmodi ut patet in speculo. Sic etiam ignis in sphera sua non lucet. Unde tenebrarum vocabulo nuncupatur cum dicitur Genesis 1. Tenebre erant super faciem abyssi. Ubi per faciem abyssi intelligitur supremum et nobilius totius elementaris regionis proximum celo. Lucet autem ignis in materia aliena, puta in terreo carbone vel in flamma aerea.“ For a programmatic statement of his principle of interpretation see Eckhart, In Ioh., prol., n. 2 (LW III, 4, 4-13): „In cuius verbi expositione et aliorum quae sequuntur, intentio est auctoris [my emphasis] sicut et in omnibus suis editionibus, ea quae sacra asserit fides christiana et utriusque testamenti scriptura, exponere per rationes naturales philosophorum [my emphasis]. ,Invisibilia enim dei a creatura mundi per ea, quae facta sunt, intellecta conspiciuntur: sempiterna quoque virtus eius‘, ,id est filius‘, ,et divinitas‘, ,id est spiritus sanctus‘, ut ait Glossa, Rom. 1. Et Augustinus 1. VII Confessionum dicit se in libris Platonis legisse in principio erat verbum et magnam partem huius primi capituli Iohannis. Et De civitate dei 1. X narrat de quodam Platonico, qui dicebat principium huius capituli usque ibi: ,fuit homo missus a deo‘ ,aureis litteris conscribendum et‘ ,in locis eminentissimis proponendum‘. (See also ibid., n. 185 [LW III, 154, 15-155, 7]; see McGinn, op. cit., 3: Both his historical situation and his own convictions, however, led Eckhart beyond Albert and Thomas Aquinas: not only was there no contradiction between philosophy and theology, but as he wrote in his ,Commentary on the Gospel of John‘: ,What the philosophers have written about the natures and properties of things agree with it [the Bible], especially since everything that is true, whether in being or in knowing, in scripture or in nature, proceeds from one source and one root of truth […]. Therefore, Moses, Christ, and the Philosopher [i. e. Aristotle] teach the same thing, differing only in the way they teach, namely as worthy of belief, as probable and likely, and as the truth.‘ Jordanus would have been willing to grant the first part of this paragraph, and he would have granted the unity of truth, but it is doubtful that he would make the claim that Moses, Christ and the Philosopher teach the same thing differing only as to mode of teaching. Still, he would agree with Eckhart that the ancient philosophers, especially those in the Platonic-Aristotelian tradition, did engage in a truthful search for the nature of the divine, one from which even Christians can learn by example.) 14. Eriugena, Homilia XII, 19-22: „Lux in tenebris fidelium animarum lucet, et magis ac magis lucet, a fide incohans, ad speciem tendens; impiorum vero cordium perfidia et ignorantia lucem verbi dei in carne fulgentis non comprehenderunt. ,obscuratum est enim‘, ut ait apostolus, ,insipiens cor eorum, et satientes se esse dicentes stulti facti sunt‘. Sed iste sensus moralis.“ Jordanus, Sermo LXIX, X: „Aliter exponit ingelligendo per lucem verbum incarnatum et hoc quattuor modis. Primo secundum Originem [sic! Johannes Scottus (Eriugena)]. Lux id est verbum incarnatum
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in tenebris, id est, inter iudeos et infideles [sapientes mundi-philosophi and Jewish request for miracles: Paul, 1 Cor. 1, 17-25] lucebat, scilicet predicando et mirabilia operando et tamen iste tenebre ignorantia et perfidia obcecat, lucem dei in carne fulgentis non comprehenderunt […]. Item aliter secundum Origenem [sic! Johannes Scottus (Eriugena)] Lux in tenebris est divinitas in carne humana que similitudinem carnis peccati habuit.“ 15. Jordanus in Sermo LXIX, Y takes his moral interpretation once more verbatim from the text of Eckhart, In Ioh., nn. 76-78 (LW III, 64, 1-66, 11): „(Y) Moraliter, lux in tenebris lucet, quia virtus lucet et apparet in adversis et oppositis I Cor. 12: ,virtus in infirmitate perficitur‘ […]. Et hoc est quod hic dicitur: lux in tenebris lucet.“ 16. Finally, at the end of this Sermo at Section Z, Eckhart is again cited by Jordanus: Eckhart, In Ioh., n. 78 (LW III, 67, 1-5): „Quarto, quia plerumque homo optat et orat liberari ab adversis, et nescit quod in illis ipsi cavetur a maioribus malis et providetur in melioribus. Et sic iterum lucet lux in tenebris, quamvis non comprehendatur nec cognoscatur. Et sic exponit Chrysostomus illud Matth. 7: ,si petierit‘ ,panem, numquid lapidem porriget ei?‘ “ This mosaic-like quotation continues and Jordanus proceeds to incorporate p. 68 of Eckhart’s text. Jordanus, Sermo LXIX, Z: „(Z) Aliter sic. Plerumque homo optat et orat liberari ab adversis et nescit quod in illis sibi cavetur a maioribus malis et providetur in maioribus bonis. Et sic lux in tenebris lucet licet non comprehendentur nec cognoscatur. Et sic exponit Chrysostomus illud Matth. 7: si potierit panem numquid lapidem porriget illi.“ Comment: For Eckhart as for his contemporary Augustinians, the ,Commentary on John‘ by Augustine was fundamental. Naturally, he uses this text and other related texts, in particular the ,Glossa Interlinearia‘. And yet one witnesses with astonishment the sheer breath and daring use of the philosophers, ancient and modern, in their attempt to provide a natural-philosophical reading and a moral reading of the text of St. John, especially in the light of the Platonic-Aristotelian tradition and the Stoic tradition. For these authors, the texts of Boethius, Origen [= Johannes Scottus (Eriugena)], and Anselm are of great importance. What stands out above all is Jordanus’s dependence on Eckhart for the use of the latter’s natural-philosophical mode of interpretation and also for his moral interpretation of the text. This borrowing from Eckhart concerns both method and content. As I have indicated in earlier studies, both Henry of Friemar and Jordanus of Quedlinburg are critical of Eckhart’s doctrine of the fused identity of the just
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person and the son of God. We have seen Henry of Friemar’s argument above. The following is a brief citation from Jordanus’s of Quedlinburg Sermo 74: „Notice that from this place certain moderns [Eckhart] have taken an occasion of error. They have said that in the same way in which the Word made flesh lives in the man Christ in the unity of the supposite, so he lives in any just man excepting nothing, neither union nor holiness. But all that the Father gave to the Son in human nature, he gives to every just person as he gave to the Son. For as they say, the Word made flesh that stands for the man in Christ, that supposite would not mean much to me unless it also were in me personally so that I should be the son of God. For the Word made flesh outside of us does not make us perfect. But when it dwells in us, for example in any one of us, the Son of God becomes man and the son of man becomes the Son of God. But that was said to be erroneous and heretical by Pope John XXII, and was condemned by him. It is not to be understood that He lived in us as in the unity of the supposite in any one of us as in Christ. But it is to be understood in regard to the unity of human nature that He has in common with us.“ 26
This difference in this significant theological subject-matter notwithstanding, one can argue on the basis of the evidence considered above that Henry of Friemar, Jordanus of Quedlinburg and Meister Eckhart shared the main sources of the traditions of spiritual life and mysticism which the later Middle Ages had inherited from Hebrew, Greek, Roman and Islamic sources. Further, one can argue as has Nadia Bray for the existence of a strong inter-active dialogue between the Albertinian school as represented by Dietrich of Freiberg and the Schola Aegidiana as represented by both Heinrich of Friemar (the Elder) and his younger contemporary, Jordanus of Quedlinburg among others in the Via Augustini. I believe that I have made explicit the extent to which they shared these sources in common notwithstanding significant theological differences on divine sonship and the beatific vision. That Jordanus in particular takes over and appropriates important sections of Eckhart’s ,Commentary on St. John‘ long after the Papal Bull ,In agro dominico‘, March 27, 1329 is surely a recognition by Jordanus of the fundamental importance of Eckhart’s ,Expositio on the Gospel of John‘ and his enduring importance as a thinker in philosophy and theology. 26
Jordanus of Quedlinburg, Opus postillarum, Sermo 74, E: „Et nota quod ex hoc quidem modernorum sumpserunt occasionem erroris. Dixerunt quod eodem modo quo verbum varo factum habitat in homine Christo in unitate suppositi, sic et habitat in quolibet iusto nihil excipiendo nec unionem nec sanctitatem. Sed totum quod deus pater dedit filio in humana natura, det cuilibet iusto sicut sibi. Parum enim ut inquiunt mihi esset verbum caro factum pro homine in Christo supposito illo a me distincto etiam et in me personaliter ut ego essem Filius Dei. Verbum enim caro factum in Christo extra nos, hoc ipso extra nos non facit nos perfectos sed cum in nos habitat. Quando videlicet in quolibet nostrum filius dei fit homo et filius hominis fit Dei filius tunc proficimur. Sed illud dictum est tamquam erroneum et hereticum a Papa Johanne XXII damnatus. Non enim intelligendum est habitavit in nobis quasi in unitate suppositi in quolibet nostrum sicut in Christo. Sed intelligendum est in unitate naturae humanae quae communem habuit nobiscum.“ See nt. 2 above for my earlier studies of this text. - See Meister Eckhart, In Ioh., n. 117 (LW III, 101, 12-102, 2): „Secundo notandum quod, sicut supra dictum est, primus fructus incarnationis verbi, quod est filius dei naturaliter, est ut nos simus filii dei per adoptionem. Parum enim mihi esset verbum caro factum pro homine in Christo, supposito illo a me distincto, nisi et in me personaliter, ut et ego essem filius dei.“
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IV. Summar y: Henr y of Friemar, Jordanus of Quedlinburg and Meister Eckhar t Can one speak of Erfordian schools of philosophy and theology at the end of the thirteenth and beginning of the fourteenth century? Yes, I believe that one can. Throughout this paper we have seen an example of scholarly interaction in Erfurt c. 1300. That the Via Augustini is to be distinguished from the Albertinian tradition as represented by Dietrich of Freiberg is clear. But what is also clear is that these schools experienced a creative interaction of both texts and scholars. The texts of Jordanus and of Henry provide good examples of inter-textuality. This is especially the case with the nativity sermons of Jordanus of Quedlinburg. Further, the researches of Adolar Zumkeller prove that Henry of Friemar (the Elder) and Meister Eckhart were neighbors in Erfurt and were scholars in Paris during the first decade of the fourteenth century. Both schools take the writings of Augustine of Hippo as their point of departure. Both use many of the same sources of traditional philosophical and Christian mysticism. Apparent differences in teaching have largely to do with philosophical positions taken in regard to the nature and limits of human knowledge and in regard to the application of this knowledge to the explanation of two central theological doctrines, the divine sonship due to the transformation of Faith and Grace and the doctrine of the beatific vision. It also has to do with the manner in which caritas (love) is foregrounded in the sermons and treatises of the new representatives of a distinctive Via Augustini. In other words, one is dealing with two different but related philosophical-theological schools of thought. These scholars interpret Scripture in the manner that was common in the Later Middle Ages. We first examined the ,Liber vitasfratrum‘ of Jordanus in order to present the connection between an illumined experience and a common form or way of life. In this, we got a sense of the sources of Jordanus’s teaching, both philosophical and theological. We then examined the teaching of Henry of Friemar on the nature of the preparation for the experience of union with God. In this, we noted the common sources and concepts that he shares with Eckhart. And we also noted his disagreement with Eckhart on the notion of unity based on fused identity. We then turned to an examination of the nature of the reception of Meister Eckhart by Jordanus of Quedlinburg in the ,Opus postillarum’. We exhibited the nature of the major borrowing of texts by Jordanus in his ,Expositio on the Gospel of St. John‘. Indeed, we claimed that Jordanus does Eckhart a great honor by re-inscribing large sections of his ,Commentary on St. John‘ in his own nativity sermon-treatise. We also saw that Jordanus is indebted to Eckhart for many of his citations from the important ,Vox spiritualis‘. In this case, Jordanus simply takes over Eckhart’s interpretation of this important text as his own. Above all, we demonstrated that Jordanus agrees with Meister Eckhart concerning his manner of interpreting Scripture by means of the natural-philosophical
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texts of the ancient and medieval philosophers, in particular, the Platonists and the Aristotelians. In this, one has a very good example of the common procedures and hermeneutical methods of the Schools of Erfurt during the first part of the fourteenth century.
Unbekannter Eckhart oder unbekannter Ruusbroec? Zum augustinistischen Kontext der Meister-Eckhart-Rezeption im 15. Jahrhundert Mikhail Khorkov (Moskau) Es mag überraschen, wie oft Meister Eckharts philosophisch-theologische Konstruktionen in der Geschichte ihrer Rezeption unabhängig von ihrem ursprünglichen (scholastisch-thomistisch-neuplatonischen) Kontext existieren konnten - nicht zuletzt wegen der universalen Elastizität, Allgemeingültigkeit und Paradoxie seines Denkens. Je nach Bedarf lässt sich aus seinen Schriften auszugsweise genau das herauslösen, was für den jeweiligen Rezipienten wichtig ist. Eckhart nachdenken bedeutet manchmal Eckhart umdenken und umgestalten, aber auch dies geschieht oft mittels Zitaten aus seinen Werken. In der mystischen Sammelhandschrift M I 476 der Universitätsbibliothek Salzburg, deren Texte in der Mitte des 15. Jahrhunderts verfasst worden zu sein scheinen, ist auf den Blättern 223v-224v das Fragment eines mystischen Traktats enthalten, der sich seiner Herkunft nach in der oberrheinischen Region lokalisieren lässt und nach der Meinung von Josef Quint eine Paraphrase der ,Reden der Unterweisung‘ von Eckhart ist 1. Ich denke, diese Beurteilung greift zu kurz. Es scheint, dass das Problem viel komplizierter ist. In diesem Traktat zielt die Intention des anonymen Autors auf etwas anderes: Obwohl er tatsächlich Passagen aus Eckharts ,Reden‘ anklingen lässt, sind der Gedanke Eckharts und die Struktur seines Textes gänzlich verändert. Ich möchte hier den Charakter und den Sinn dieser Veränderungen ausführlicher untersuchen. Wie es in den Sammlungen der mystischen Mosaiktraktate oft zu beobachten ist, handelt es sich hier nicht um einen vollständigen Traktat, sondern um ein Traktatfragment. Das auffälligste Merkmal in diesem Fall von Eckhart-Rezeption ist, dass die herangezogenen Fragmente des Eckhart’schen Textes in einen katechismusartigen Dialog, wahrscheinlich zwischen einem geistlichen Lehrer und einem Schüler, eingebaut worden sind. Der Dialog beginnt didaktisch mit einem Erbauungswort des Lehrers: 1
Cf. J. Quint, Neue Handschriftenfunde zur Überlieferung der deutschen Werke Meister Eckharts und seiner Schule. Ein Reisebericht (Meister Eckhart, Die deutschen und lateinischen Werke, Untersuchungen 1), Stuttgart-Berlin 1940, 187-190; Die deutschen Handschriften des Mittelalters der Universitätsbibliothek Salzburg (Veröffentlichungen der Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters III, 2), Wien 1988, 111.
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„Nun merkent dru stuk, wie der mensch hin sol tu˚n den grunt mit der wurczeln der solichen schaden in dem menschen tu˚t, dz sich got in in nit geberen mag. Dz erst ist ein sichere frye consciencz. Wz machet die ein unberuerte unbetruepte luterkeit, machet ein sicher consciencz und ein fryes gemuete. Wa aber die luterkeit betruept ist und die friheit des gemuetes entfryet, ist von anhafftung der creature und von zu˚fal des ubels in uebung der gebresten, das mu˚ss man alles ab weschen mit rehter ruw. Nun wz ist rehte ruw.“
Der Schüler schlägt, vorsichtig fragend, folgende Antwort vor: „Dz man sich ubel gehab und weyne?“
Der Lehrer erwidert darauf ausführlich: „Neyn, nit lit es gar an weynen, aber merk, wz rehte ruw sy. Ein iegliche creatur minnet got von natur me denn sich selber on allein der sunder, der minnet sich selber me denn got, wenn er su˚chet sinen lust und genuegde an den creaturen, wie leid es got sy. So nun der sunder dis wol weisst, dz ewig leben verlurt, dar umb so hat er ruw und leid umb sine sunde, und er ist doch dem waren ruwen noch gar ferre, wenn er dienet hie mit im selber und got nit, dar umb so git dise ruw nit gnade, wenn die gnade ist allein in got, und wurt din meynung nit gezogen von den creaturen und got allein anhafften mit aller truwe, so enfindestu nit gnade. Aber wenn der mensche ein tugend wurket an den creaturen und got sin meynung ist des selben werkes wil sich got an nemen, als ob es im selb beschehen sye. Dar umb sich nit an den armen, dem du gu˚t tu˚st. Sich an got in diner meynung und dar umb wenn der mensche hat got gegenwurtig in siner meynung, so wurt sin hercz, sin gemu˚t und sin minne in got gezogen und mit got vereinet und entfroemdet allen creaturen, und da ist gnade in got und nit in den creaturen.“ 2
Dieses Textstück mag wie eine Eckhart-Paraphrase 3 oder gar nach einem Zitat aus einem unbekannten Text Eckharts klingen. Es weist aber vor allem eine gewisse Parallelität mit einem Text Jans van Ruusbroec auf. Am Anfang seines Traktats ,Vanden blinkenden steen‘ schreibt Ruusbroec: „Nu suldi merken drie poente die eenen goeden mensce maken. Dat eerste poent dat een goet mensche hebben moet, dat es eene suvere conziencie sonder wroeghinghe van dootsonden.“ 4 Wie die Untersuchungen von Wolfgang Eichler 5 demonstrieren, waren die Texte Ruusbroecs im 14. und 15. Jahrhundert am Oberrhein sehr bekannt. In der oberdeutschen Übersetzung steht die zitierte Stelle dem Beginn des hier untersuchten Dialogs noch näher: „Du solt merken dru´ punten, die einen gu˚ten menschen machent. Daz erste stu´cke, daz ein gu˚t mensche haben mu˚z, daz ist ein reine consciencie sunder bregunge von totsu´nden.“ 6 D. h. dort, wo im Text des Salzburger Manuskriptes paraphrasierend 2 3
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Ms. M I 476 der UB Salzburg, fol. 223v. Cf. DW V, 263, 4-6: „Der mensche, der vrıˆlıˆche wil und mac ze unserm herren gaˆn, der sol ze dem ˆersten an im haben, daz er sıˆn gewizzen vinde aˆne allez straˆfen der sünden.“ Jan van Ruusbroec, Vanden blinkenden steen, in: Jan van Ruusbroec, Opera omnia 10 (Corpus Christianorum, Continuatio Mediaevalis CX), Turnhout 1991, 103, 8-10; cf. Jan van Ruusbroec, Die geestelike brulocht, in: Jan van Ruusbroec, Opera omnia 3 (Corpus Christianorum, Continuatio Mediaevalis CIII), Turnhout 1988, 163, 103, 105. Cf. W. Eichler (ed.), Jan van Ruusbroecs ,Brulocht‘ in oberdeutscher Überlieferung, München 1969; id. (ed.), Jan van Ruusbroec, Van den blinckenden steen in oberdeutscher Texttradition, München 1968. Ruusbroec, Van den blinckenden steen in oberdeutscher Texttradition (nt. 5), 19, 14-17.
Unbekannter Eckhart oder unbekannter Ruusbroec?
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von einem „solichen schaden in dem menschen, dz sich got in in nit geberen mag“, die Rede ist, sprechen Ruusbroec und sein oberdeutscher Übersetzer einfach von den Todsünden (dootsonden/totsu´nden) und von der Buße als einer Bedingung dafür, die Gabe des göttlichen Gnadenlichts annehmen zu können, ohne die die Befreiung von der Todsünde unmöglich wäre. Ist der Passus bei Ruusbroec das Original, derjenige im Salzburger Text seine Paraphrase? Doch nach dieser Stelle geht die Rede im Dialog ihren eigenen Gang. Während für Ruusbroec der zweite und dritte Punkt Gehorsam (ghehoorsam 7) und die Verehrung Gottes in allen menschlichen Werken sind („dat hi principalijc gods eere meynen sal in allen sinen werken“ 8), nennt der anonyme Autor nur noch eine Voraussetzung für die echte Reue, ein ,sich flissen‘: „zu˚ dem andern mol soltu dich flissen, das du glich standest in allen dingen, so blibestu in grosser ru˚we alle zit.“ 9 Diese Wendung hat freilich an sich nichts Merkwürdiges. Die Umakzentuierung ist offenbar dadurch bedingt, dass das Hauptthema des Dialogautors die Reue ist ein Thema, für das er das Schema Ruusbroecs adaptiert und die herangezogenen Begriffe ausführlich erläutert. Wen also paraphrasiert eigentlich der anonyme Autor: Meister Eckhart oder Jan van Ruusbroec? Welcher Lehre hängt er an: Eckharts oder Ruusbroecs? Oder legt er eine Lehre dar, in deren Rahmen es möglich ist, Elemente der Texte beider Denker zu verbinden? Und wenn dies zutreffen sollte, was ist das dann für eine Lehre und welches sind ihre möglichen theoretischen Gründe und Quellen? Es ist höchst wahrscheinlich, dass einige der in diesem Traktat behandelten Themen und Formeln ihren Ursprung in Eckharts ,Reden der Unterweisung‘ haben. Zum Beispiel wird die Passage im sechsten Kapitel der ,Reden‘: „Daz wære gar unreht, wan ez ist ein bezzer werk beten wan spinnen und ein edelriu stat diu kirche dan diu straˆze“ 10, im Dialog folgendermaßen aufgenommen: [Schüler:] „Sol ich alle ding glich achten?“ [Lehrer:] „Neyn, da moehten wir gar sere an irren, wer zwifelt dar an, es sy ein besser werk betten und an got gedenken, denn kochen oder spinnen, aber du solt glich ston nit die ding sunder, du solt glich ston in den dingen also gebu´rt dir ze sin in der kirchen oder an dem gebette.“ 11
Dass hier die Eckhart’sche Lehre von der Gelassenheit im Hintergrund steht, obwohl sein Name nicht genannt wird, zeigt die nochmalige - diesmal negative - Anwendung derselben rhetorischen Figur im Dialog: „wer got nit su˚chet und meynet in allen dingen in allen wisen und in allen stetten, der envindet sin niemer, wer got nit da heyme oder an der strasse su˚chet noch vindet noch nymmet, der genam in oˇch nie reht in der kirchen.“ 12 Mit Hilfe dieser Denkkonstruktion gibt Eckhart in den 7 8 9 10 11 12
Ruusbroec, Vanden blinkenden steen (nt. 4), 103, 14. Ibid., 19-20. Ms. M I 476 der UB Salzburg, fol. 223v. DW V, 203, 7-9. Ms. M I 476 der UB Salzburg, fol. 223v. Ibid., fol. 224r.
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,Reden der Unterweisung‘ eine Deutung seiner Konzeption der Gelassenheit als einer notwendigen Bedingung für das echt tugendhafte Leben mit Gott und in Gott. Nicht zuletzt dieses Prinzip des geistlichen Lebens ist es, was innerhalb der Geschichte der spätmittelalterlichen Mystik die ,Reden der Unterweisung‘ zum authentischen Zeugnis Eckhart’scher Denkart macht, zum Eckstein seiner Spiritualität. Wenn dem Erfurter Prior seine Formel hilft zu erklären, dass Gott wesentlich dem Menschen nah ist, so verfolgt der Autor des Fragmentes gerade das konträre Ziel. Die Distanz zwischen Gott und Mensch wird bei ihm in eine beinahe unüberwindliche Kluft umgewandelt. Rhetorisch verstärkt der anonyme Autor diesen Gedanken durch eine Reihe von Gegensatzpaaren: „Wenn got ist innwendig und wir sint usswendig und got ist ein geist und wir sint liplich und got ist entploesset von allen creaturen und wir sind noch behangen mit den creaturen und got luter und klor und einfaltig und wir sint manigfaltig. Er ist dz lieht und wir sint noch vinsterniss von su´nden.“ 13
Die derart eindrücklich gemachte Notwendigkeit, dass zwischen den beiden Naturen vermittelt werde - zwischen der sündigen menschlichen und der göttlichen, die frei von der Sünde ist -, lässt die Funktion der Reue klar hervortreten. Die Reue besteht im Verzicht auf die Dinge der äußerlichen Welt und in der Orientierung auf die innere Welt. Formal gesehen, ist diese Konstruktion Denkformen ähnlich, die Eckhart in seinen ,Reden‘ demonstriert. Aber in der Paraphrase verändert sich das Modell des geistlichen Lebens, das Eckhart dort beschreibt, vollständig. Obwohl der anonyme Autor, der Tradition Augustins folgend, Gott mit dem Intimsten und Innersten im Menschen und nicht mit dem äußerlichen Menschen identifiziert, setzt er ihn nicht mit dem ,inneren Menschen‘ gleich. Der Mensch findet Gott in seiner inneren Welt nicht automatisch oder wenigstens mit einiger Sicherheit. Der innere Mensch als solcher ist ebenso von Gott entfernt wie der äußerliche Mensch. Ohne Reue und Gnade ist es ihm ganz unmöglich, sich Gott zu nähern. Aber schon die tiefere Konzentration auf die innere Welt bedeutet für den wahrhaft reumütigen Menschen, dass in ihm die Gnade Gottes wirkt. Eine bestimmte Wendung in dem oben zitierten Anfang des Dialogs klingt auf Anhieb eckhartistisch; sie scheint sich auf Eckharts Lehre von der Gottesgeburt in der Seele zu beziehen und auf sein Verständnis vom vollkommen gelassenen Menschen als Sohn Gottes: Es handelt sich um die Formulierung „dz sich got in in nit geberen mag“. Es ist jedoch möglich, dass hier die Rede nur von den angeborenen Qualitäten der menschlichen Natur ist, die ein Zeugnis der Fürsorge Gottes für den Menschen darstellen. Diese Fürsorge äußert sich als göttliche Liebe und wird in der luterkeit, im Licht des natürlichen Intellekts, erkannt. Eine andere Passage, in der Eckhart über das Erkennen Gottes in allen Dingen spricht 14, formt der Verfasser des Dialogs so um: „wenn der mensche hat got 13 14
Ibid. DW V, 203, 1-3: „Der mensche sol got nemen in allen dingen und sol sıˆn gemüete wenen, daz er alle zıˆt got habe in gegenwerticheit in dem gemüete und in der meinunge und in der minne.“
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gegenwu´rtig in siner meynung so wu´rt sin hercz sin gemuet und sin minne in got gezogen und mit got vereint und entfroemdet allen creaturen und da ist gnade in got und nit in den creaturen.“ 15 Da er hier die ,Entfremdung von allen Kreaturen‘ positiv interpretiert, stimmt offensichtlich seine Aussage mit einer anderen überein, die sich bei Eckhart findet: „Alsoˆ sol der mensche mit götlıˆcher gegenwerticheit durchgangen sıˆn und mit der forme sıˆnes geminneten gotes durchformet sıˆn und in im gewesent sıˆn, daz im sıˆn gegenwerticheit liuhte aˆne alle arbeit, meˆr: eine bloˆzheit neme in allen dingen und der dinge zemaˆle ledic blıˆbe.“ 16 Die Eckhart’schen Formeln „bloˆzheit in allen dingen“ und „der dinge zemaˆle ledic blıˆbe[n ]“ bleiben aber im Dialog außer Betracht. Und die Formulierung „da ist gnade in got und nit in den creaturen“ scheint von den ,Reden‘ Eckharts ziemlich fern zu sein. Das in dieser Konstruktion anklingende Thema der Wichtigkeit der Gnade und der Reue für das geistliche Leben demonstriert unzweideutig, dass der anonyme Autor hier nicht die Eckhart’sche Lehre vom gelassenen Menschen referiert, sondern vielmehr den Intellektualismus und die Ontologie, die Eckhart in dieser Sache walten lässt, von der Position einer Theologie augustinistischer Prägung aus revidiert. Kein Zweifel, dass wir es hier mit traditionellen augustinischen Aussagen zu tun haben. Die theologische Bildung des anonymen Autors, der wohl kaum mit einer Universität in Verbindung stand, geht durchaus im Bestand der augustinistischen Überlieferungen seiner Zeit auf. Man wird kaum zweifeln können, dass er von jener Gnadentheorie geprägt ist, die in den augustinistischen Kreisen gelehrt wurde. Es ist zu vermuten, dass der Autor die erwähnten eckhartisch klingenden Passagen nicht unmittelbar als abgewandelte Zitate aus Eckharts ,Reden der Unterweisung‘ gelesen wissen wollte. Er deutet durch nichts auf die originalen Eckhart’schen Texte hin oder darauf, dass er sich als Eckhart-Rezipient verstehe. Es ist auch sehr unwahrscheinlich, dass Eckhart die Formeln seiner Theorie der Abgeschiedenheit in einer Verbindung mit den Gnaden- und Bußtheorien der Augustiner-Schule hätte gebrauchen können. Warum konnte sie aber der Dialogautor so gebrauchen, und zwar in einer Wendung gegen den ,Pelagianismus‘ und Intellektualismus Eckharts? Welches sind die geistesgeschichtlichen Voraussetzungen dafür? Eine Interpretation der Rolle und Stellung der Tugenden im geistlichen Leben vom augustinistischen Standpunkt aus gibt der Groenendaaler Augustiner Jan van Ruusbroec in seinem Buch ,Die geestelike brulocht‘, das auch am Oberrhein in oberdeutscher Übersetzung gut bekannt war 17. Wenn wir das Verzeichnis der Tugenden in Ruusbroecs ,Brulocht‘ mit Meister Eckharts ,Reden‘ vergleichen, fällt vor allem eines auf: Während bei Eckhart Gehorsam (gehoˆrsame) die erste Tugend ist, nimmt bei Ruusbroec Gehorsam (ghehoorsamheit) nur die zweite Stelle nach der Demut (oetmoedicheit) ein. Für ihn ist Demut die erste und wichtigste 15 16 17
Ms. M I 476 der UB Salzburg, fol. 223v. DW V, 208, 11-209, 2. Cf. Eichler (ed.), Jan van Ruusbroecs ,Brulocht‘ (nt. 5); id., Jan van Ruusbroec (nt. 5).
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Tugend. Nur ein echt demütiger Mensch kann den wahren Gehorsam erreichen. „Ute deser oetmoedicheit comt ghehoorsamheit, want niement en mach inwindich ghehoorsam sijn dan die oetmoedighe mensce“, schreibt der Groenendaaler Meister 18. Sodann sprechen beide Mystiker über den Verzicht des Menschen auf den eigenen Willen. Eckhart aber interpretiert diesen Verzicht im Rahmen des Gehorsams. Für ihn ist das nur ein erster Teil des Themas ,Abgeschiedenheit‘. Im Unterschied dazu behandelt Ruusbroec den Verzicht auf den eigenen Willen als ein selbständiges Thema, das auf dasjenige des ,Gehorsams‘ folgt. Was er über diesen Verzicht sagt, bildet nicht die Einleitung zu Überlegungen über die Abgeschiedenheit, wie es bei Eckhart der Fall ist. Ruusbroec erkennt keine Abgeschiedenheit im Eckhart’schen Sinne an. Die Tugend des Gehorsams beschreibt er zunächst als einen Weg, der es dem Menschen ermöglicht, nach dem Willen Gottes zu leben und seinem Herrn Jesus Christus nachzufolgen. Ruusbroec erklärt dieses Verständnis der Tugenden schon am Anfang seines Buches ,Die geestelike brulocht‘. Gehorsam war demnach die menschliche Haupttugend vor dem Sündenfall. Nach dem Sündenfall kann die Tugend des Gehorsams nicht mehr als Haupttugend gelten, weil sie durch die sündhafte Natur des Menschen verhindert wird: durch die Unmöglichkeit der vollen Unterordnung des sündigen Menschen unter Gott 19. Der Hauptunterschied im Verständnis der Tugenden zwischen Ruusbroecs ,Brulocht‘ und Meister Eckharts ,Reden‘ besteht also darin, dass sie die Rolle der Gnade Gottes im geistlichen Leben verschieden verstehen. Obwohl E´douard-Henri We´ber OP behauptet, dass „la graˆce, the`me central en the´ologie chre´tienne, est au cœur de toute l’œuvre d’Eckhart qui en expose une acception tre`s profonde“ 20, betont Eckhart das vom Prozess der Gelassenheit unabhängige Moment der Gnadenwirkung in den ,Reden‘ speziell nicht. Für Ruusbroec spielt die Gnade Gottes eine zentrale Rolle, weil der Mensch unter den Bedingungen eines Lebens, das er als Sünder/in führt, ohne Gnade nicht vollkommen werden kann. Die Hinwendung zum inneren Menschen und die Befreiung von den äußerlichen geschaffenen Dingen sind ohne Gnade unmöglich. Bei der Schaffung der Welt durch Gott nahm die menschliche Natur zunächst das Paradies als die würdigste Stelle in der kreatürlichen Welt ein. Diese geschaffene Welt bezeichnet Ruusbroec als „das Reich der Erde“ (eertrijcke) 21. In seiner lateinischen Übersetzung (1552) gibt L. Surius diese Phrase mit stilistischer Eleganz und nachdrücklicher Rhetorik wieder: „Collocaratque eam iam inde ab initio in editissimo ac elegantissimo terrae loco, qui caeteris opulentia, gaudio, voluptate, deliciis praestaret, id est, in paradiso.“ 22 18 19 20
21 22
Ruusbroec, Brulocht (nt. 4), 217, 529-530. Cf. ibid., 151, 7-19. E´.-H. We´ber OP, La the´ologie de la graˆce chez Maıˆtre Eckhart, in: Revue des sciences religieuses 70/1 (1996), 48. Ruusbroec, Brulocht (nt. 4), 151, 8. Ibid., 150, 10-12.
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Ruusbroec meint hier die weit verbreitete populäre mittelalterliche Vorstellung vom Paradies als einem Ort auf der Erde, d. h. in der Sphäre der geschaffenen Natur. Das Paradies sollte sich in dieser Sphäre aus dem einfachen Grund befinden, dass dort die ersten Menschen, Adam und Eva, untergebracht waren. Als geschaffene Lebewesen konnten sie nur in der Sphäre des Geschaffenen existieren, genauer gesagt, in der körperlichen Welt, weil sie Körper hatten. Im Himmel, in der Sphäre der ungeschaffenen göttlichen Natur, konnten sie sich nicht befinden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass mit dem Hinweis auf dieses primitive mittelalterliche Modell des Kosmos Ruusbroec sich von Anfang an vom Exemplarismus Eckharts, nach dem sich alle geschaffenen Dinge ursprünglich, vor der Schöpfung der Welt, in Gott als in ihrem Exemplar befanden, zu entfernen versuchte. Offenbar besteht der Grund dafür darin, dass dieser Exemplarismus die Rolle der Erbsünde in der menschlichen Natur nicht berücksichtigt und die Rolle der Gnade Gottes bei der Erlösung des Menschen sehr begrenzt. Die Besonderheit der Beziehungen zwischen der menschlichen Natur und Gott, d. h. zwischen zwei vernünftigen Naturen, von denen die eine geschaffen und endlich ist, die andere ungeschaffen und unendlich, beschreibt Ruusbroec so, dass die menschliche Natur sich vor den anderen geschaffenen Dingen durch zwei Gaben auszeichne, die sie von Gott bekommen habe: erstens durch die Gnade, zweitens durch die Gebote, die sie in Gehorsam (ghehorsamheyden 23) befolgt. Die Gnade Gottes und der Gehorsam ermöglichten es der menschlichen Natur im Paradies, in direktem Kontakt mit Gott zu bleiben, die enge, intime Beziehung mit ihrem ,Bräutigam‘ zu pflegen und ihm die ewige Treue zu halten - dies dadurch, dass sie keine Sünden beging. Die Besonderheit dieses Zustandes zeigt sich darin, dass Gott der menschlichen Natur alle anderen geschaffenen Dinge unterordnete. Für das Verständnis der weiteren Überlegungen Ruusbroecs ist es bemerkenswert, dass für ihn Gehorsam die Haupttugend, wenn nicht die einzige Tugend des Menschen vor dem Sündenfall ist: für die menschliche Natur, die die Sünden nicht kennt. Nach dem Sündenfall kann der Mensch den Gehorsam nicht ohne die Reue verwirklichen. Die Reue als demütige Selbsterkenntnis besteht aber nicht nur im Bewusstwerden der eigenen Sündhaftigkeit, sondern weit mehr noch in einer Konfrontation mit der unendlichen Größe Gottes. Anders gesagt, kommt der Mensch als Sünder nicht ohne die Tugend der Demut zum echten und vollkommenen Gehorsam. Eben darum hat die Demut für die menschliche Natur nach dem Sündenfall als erste Tugend zu gelten, während der Gehorsam ihr folgt und ohne sie unmöglich ist. Für unser Thema ist es wichtig zu beachten, dass sich die Position Ruusbroecs in dieser Frage von der Position, die Meister Eckhart in den ,Reden der Unterweisung‘ darlegt, grundsätzlich unterscheidet. Die erste und wichtigste Tugend ist für Eckhart Gehorsam. In der Liste der Tugenden steht Gehorsam an erster Stelle: 23
Ibid., 151, 11.
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„Waˆriu und volkomeniu gehoˆrsame ist ein tugent vor allen tugenden, und kein werk soˆ groˆz enmac geschehen noch getaˆn werden aˆne die tugent; und swie kleine ein werk und swie snœde ez sıˆ, soˆ ist ez nützer getaˆn in waˆrer gehoˆrsame, ez sıˆ messe lesen, hœren, beten, contemplieren oder swaz duˆ maht gedenken. Nim aber swie snœde ein werk duˆ wellest, ez sıˆ swaz daz sıˆ, ez machet dir waˆriu gehoˆrsame edeler und bezzer. Gehoˆrsame würket alwege daz aller beste in allen dingen. Joch diu gehoˆrsame engeirret niemer niht und enversuˆmet ouch nihtes, swaz ieman tuot, in deheinen dingen, daz uˆz der waˆren gehoˆrsame gaˆt, wan si enversuˆmet kein guot. Gehoˆrsame bedarf niemer niht gesorgen, ir engebrichet ouch keines guotes. Swaˆ der mensche in gehoˆrsame des sıˆnen uˆzgaˆt und sich des sıˆnen erwiget, daˆ an dem selben muoz got von noˆt wider ˆıngaˆn.“ 24
Ruusbroec stellt fest, dass Gehorsam gegenüber Gott nur für die menschliche Natur, die die Sünde nicht kennt, möglich sei 25, Eckhart dagegen spricht in den ,Reden‘ gerade über diese, den in rechter Weise gelassenen Menschen schon in diesem Leben auszeichnende Natur, die mit der Freiheit von der Sünde unmittelbar verbunden ist 26. Die wahrhaft abgeschiedene Konzentration auf den Grund der vollkommenen Tugenden, meint Eckhart, ermöglicht es dem Menschen, die Sünde nicht begehen zu wollen. Ruusbroec jedoch ist davon überzeugt, dass die Erbsünde tiefgreifend die Natur des Menschen korrumpiert hat und dass der Mensch nach dem Sündenfall die Wirkung der Erbsünde auf seine Natur ohne Hilfe von Gottes Gnade nicht überwinden kann 27. Ihm zufolge ist für den Menschen, der versucht, die Sünde nur mit seinen eigenen Kräften zu überwinden, diese Überwindung im Prinzip unmöglich. Inhaltlich kann man Ruusbroecs Lehre vom Gehorsam auch mit derjenigen Taulers vergleichen. In der Predigt ,Qui spiritu dei aguntur, hij filij dei sunt‘ (Vetter 43) spricht Tauler über den Gehorsam, und zwar über die soziale Dimension dieser Tugend, die nicht nur für die Mönche, sondern auch für die Laien eine Bedeutung hat: „Also sol der mensche sich under werffen einem ieklichen; in sol dunken das alle menschen rechter haben wan er, und sol sich gegen nieman setzen in deheiner wise, und losse einen ieklichen recht haben. Denne in sol von grunde des dunken das alle menschen rechter haben wan er“ („So soll der Mensch sich jeglichem unterwerfen in dem Gedanken, dass alle Menschen mehr 24 25 26
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DW V, 185, 8-187, 2. Cf. Ruusbroec, Brulocht (nt. 4), 151, 12-13. DW V, 208, 11-209, 2: „Alsoˆ sol der mensche mit götlıˆcher gegenwerticheit durchgangen sıˆn und mit der forme sıˆnes geminneten gotes durchformet sıˆn und in im gewesent sıˆn, daz im sıˆn gegenwerticheit liuhte aˆne alle arbeit, meˆr: eine bloˆzheit neme in allen dingen und der dinge zemaˆle ledic blıˆbe“; 214, 1-2: „Diu neigunge ze den sünden enist niht sünde, aber wellen sünden, daz ist sünde, wellen zürnen, daz ist sünde.“ Ruusbroec, Brulocht (nt. 4), 161, 94-163, 107: „Ende gheen werc en mach smakelijc oft orborlijc sijn den menschen, het en wasse ute desen rijse. Dit rijs der gracien gods dat den mensche gode bevallijc maect, daermen in verdient eewich leven, dat wert allen menscen gheboden maer het en wert in allen menschen niet gheplandt. Want si en willen die wiltheit haers boems niet af sniden, dat es: onghelove ochte een verkeert onghehorsam wille totten gheboden gods. Maer sal dit rijs der gracien gods in onse ziele gheplant werden, daer toe behoren van noode drie dinghe: die voerlopende gracie gods, ende een vri toeghekeert wille, ende [een] suveringhe ‹der› conziencie‹n›. Die voergaende gracie die ruert alle menschen, want die ghevet god. Maer vrijen toekeer ende suveringhe der conziencien die en gheven alle menschen niet, ende daer omme ontblivet hem de gracie gods daer si in verdienen souden eewich leven.“
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im Recht seien als er, und niemandem und auf keine Weise Widerstand leisten und jeden Recht haben lassen, denn er soll denken im Grunde, dass alle Menschen mehr im Recht seien als er“) 28.
Offensichtlich ist dieses radikale Verständnis des Gehorsams der Askese Ruusbroecs fremd. Die Tugend des Gehorsams hat für ihn keine metaphysischexemplaristische, sondern eine soteriologische und praktische Bedeutung. Tauler rechtfertigt seine Lehre mit Hilfe der metaphysischen Position des Exemplarismus, die die evangelischen Tugenden als ein Muster interpretiert, das den Menschen unmittelbar zur Einheit mit dem Wesen Gottes führt. Diese Position des ethischen Exemplarismus äußert Tauler in Bezug auf die Tugend des Gehorsams in einer Predigt ganz kurz: „Den sol man sich under werffen und gehorsamen und nu´t usser im selber leben.“ 29 Zu den Anhängern dieser Lehre kann man Ruusbroec nicht zählen. Vielmehr lehnt er den ethischen Maximalismus Eckharts und Taulers ab und ist Anhänger der mehr sozial angepassten Doktrin einer Unterordnung unter die kirchlichen Mächte, Hierarchien und Autoritäten. Aber auch der Mystik am Oberrhein im 15. Jahrhundert war die Idee einer Unterordnung unter die Autoritäten nicht völlig fremd. Die mystische Textsammlung M I 476 der UB Salzburg, die nach dem Prinzip von Exempla und Zitaten aus den Autoritäten, den Kirchenlehrern und den Meistern des geistlichen Lebens verfasst ist, demonstriert, dass im geistlichen Leben die Orientierung an Exempla nur bei der Anerkennung einer autoritären Leitung als des einzigen Weges zu Gott möglich ist. Paradoxerweise hat das geistliche Leben nur in diesem Fall kein Element der Gewalt in sich, weil die Anerkennung eines Leiters auf dem Weg zur Vollkommenheit den Menschen nicht versklavt, sondern im Gegenteil befreit. Die Parallelität der in der besagten Handschrift dargestellten Denkstrukturen spiegelt sich bemerkenswerterweise auch in den Texten der anderen Groenendaaler Augustiner wider. Bewusste, dem analysierten anonymen Dialog ähnliche Korrekturen Eckhart’scher Gedanken kann man in einem Traktat von Ruusbroecs Schüler Godeverd van Wefele, ,Van den XII dogheden‘ (,Über die zwölf Tugenden‘), deutlich bemerken. Dieses Werk ist zu einem bedeutenden Teil auch eine Paraphrase von Eckharts ,Reden der Unterweisung‘ 30. Maria Alberta Lücker gibt in ihrer Untersuchung des Traktats eine kurze, aber genaue Darstellung davon, wie Godeverd mit den ,Reden der Unterweisung‘ umgeht. Dabei meint sie: „Hier und da verändert er den Text, vor allem, wenn ihm Eckharts Ausdrücke zu pantheistisch klingen.“ 31 Doch handelt es sich nicht einfach um Ausdrü28
29 30
31
Die Predigten Taulers. Aus der Engelberger und der Freiburger Handschrift sowie aus Schmidts Abschriften der ehemaligen Straßburger Handschriften, ed. v. F. Vetter (Deutsche Texte des Mittelalters 11), Berlin 1910, 187, 13-16; Johannes Tauler, Predigten. Vollständige Ausgabe, übers. u. ed. v. G. Hofmann, Freiburg i. Br.-Basel-Wien 1961, 349-350. Vetter 223, 29-30. Diesen Text von Godeverd van Wevele analysiert in seiner ,Geschichte der abendländischen Mystik‘ Kurt Ruh; cf. K. Ruh, Geschichte der abendländischen Mystik, vol. 4: Die niederländische Mystik des 14. bis 16. Jahrhunderts, München 1999, 119-123. M. A. Lücker, Meister Eckhart und die Devotio moderna, Leiden 1950, 63-64.
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cke, die einem unbestimmten Begriff wie ,Pantheismus‘ zuzuordnen wären. Der Autor des Buches ,Van den XII dogheden‘ lehnt jene Äußerungen Eckharts ab, die nicht in das Ruusbroec’sche Schema passen, dem er von Anfang an folgt. Dass sich Godeverd vor allem an Ruusbroec orientiert, ist schon an seinem Verzeichnis der Tugenden abzulesen, das dem Verzeichnis in Ruusbroecs Traktat ,Die geestelike brulocht‘ entspricht. Wie für Ruusbroec steht auch für Godeverd an erster Stelle die Tugend der Demut, aus der die Tugend des Gehorsams folgt: „Ute deser doghed [Demut] comt ghehoorsamheit.“ 32 Besonders interessant ist, wie Godeverd im fünften und sechsten Kapitel seines Buches die Lehre Eckharts von der Abgeschiedenheit interpretiert. In die Betrachtungen Eckharts bringt er eine derart radikale Präzisierung ein, dass von Eckharts Lehre nur wenig bleibt: Der Mensch muss sich seiner sündigen Natur wegen, die ihn immer zum Übel und Bösen geneigt macht, in Abgeschiedenheit üben. Die Abgeschiedenheit gehört nicht zum Wesen Gottes und bedeutet für den Menschen keine unmittelbare, sozusagen automatische Einigung mit Gott, sondern lediglich den Verzicht auf die Sünden - so kann sie dem Menschen helfen, das Licht der göttlichen Gnade zu empfangen. „Für Eckhart ist die Sünde ein Anlass zur grösseren Minne Gottes, für Godeverd zur grösseren Busse des Menschen“ - so charakterisiert M. A. Lücker die Positionen beider Autoren 33. Der Weg zu Gott ist für Godeverd die Buße, aber nicht die Liebe selbst. Dabei soll der Mensch die Buße in der Liebe zu Gott und im Vertrauen auf ihn ausüben. Nach Eckhart aber führt der Weg zu Gott unmittelbar durch die göttliche Liebe. Darüber spricht er klar nicht nur in den ,Reden der Unterweisung‘, sondern auch in vielen Predigten 34. Godeverd stellt jedoch fest, dass dieser Weg für den Menschen nur über die Erkenntnis seiner Sünde geht. Godeverd ist kein Pessimist, wie Lücker behauptet 35. Er sagt nur, dass der Mensch seiner Natur nach eine Liebe, die für seine Erlösung ausreichend wäre, nicht haben kann. Anders gesagt, diese Liebe ist nur bei Gott. Er offenbart sie in seiner Gnade, und nur in der Gnade Gottes kann für den Menschen die Erlösung sein. Warum aber kann der Mensch zu Gott nicht direkt durch die Liebe kommen? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir berücksichtigen, wie dieses Thema in der Theologie der Augustiner-Schule in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts betrachtet wurde. Aus dieser Perspektive dürfte es interessant sein, auch die Theologie und Philosophie der scholastischen Traktate der deutschen Augustiner-Eremiten mit dem Dialog in der Handschrift M I 476 der UB Salzburg zu vergleichen. Das wäre wichtig und notwendig, weil die mystischen Mosaiktraktate und Sammlungen in der Regel keine ausführliche Erklärung der theologi32 33 34
35
Ibid., 61. Ibid., 67. Ausführlicher zum Thema Liebe bei Meister Eckhart cf. Udo Kern, ,Gottes Sein ist mein Leben‘. Philosophische Brocken bei Meister Eckhart, Berlin-New York 2003, 98-116. Cf. Lücker, Meister Eckhart (nt. 31), 67.
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schen und philosophischen Konstruktionen geben, die aus dem Gebiet der Schultheologie kommen, sondern sie in einen schon fertigen und den Zielen des geistlichen Lebens angepassten Kontext stellen, in dem die Ideen, die im Rahmen verschiedener mystischer Bewegungen produziert worden waren, manchmal ohne jede logische Konsequenz vermischt sind. Solche mystischen Textsammlungen bewahren also implizit eine volkssprachliche Schultheologie, deren Konstruktionen in ihnen rezipiert, nicht aber selbständig erarbeitet und erklärt werden konnten. Dank Kurt Ruh und Karl Heinz Witte ist über diese augustinische Schule heute vieles bekannt. Speziell dem Thema Liebe ist der ,Traktat von der Minne‘ gewidmet, der von Kurt Ruh publiziert 36 und von Karl Heinz Witte neu ediert und übersetzt wurde 37. Der Verfasser dieses kleinen Traktats, vermutlich der Augustiner-Magister Johannes Hiltalingen von Basel, formuliert seine Hauptthese auf folgende Weise: „die myn ist got selber“ (l. 161). Mit anderen Worten: Die Liebe ist das ungeschaffene Wesen. Zunächst kritisiert und widerlegt der Autor die hochscholastische anthropologische Lehre von der Liebe als ein geschöpflicher Habitus, eine natürliche Neigung. Dann beginnt er die Argumentation für seine These mit einer Erläuterung der biblischen Aussage „got ist die minne“ („deus caritas est“; 1 Joh. 4, 8) und kommt zu der Schlussfolgerung, dass „got ist die minne wesenlich“. Substanziell charakterisiert die Liebe das Wesen Gottes und nicht die geschaffene menschliche Natur. Wie Petrus Lombardus, Thomas von Aquin 38 und gerade auch Meister Eckhart 39 identifiziert der Autor des ,Traktats von der Minne‘ die Liebe in ihrer Aktivität mit dem Heiligen Geist: Göttliche Liebe ist „in vns […] nicht die ingegossen tugent, mer der heylig geist selber, der des menschen wille mer inne ist den kein geschaffen forme“ (ll. 149-150). Ein Wendepunkt in der ganzen Überlegung ist die Analogisierung der Konstruktion „deus est intellectus“ mit der Formel „got ist die minne“: „das wir got nicht mugen bechennen den mit gotlichem bechentnuß: so enmugen wir in auch nicht geminnen den mit gotlicher mynne“ (ll. 115-117). Interessanterweise benutzt der Autor dafür das Argument von Meister Eckhart: „Ditz ist das vngeschaffen in der seln, da meister 36
37
38
39
Cf. K. Ruh, Traktat von der Minne: Eine Schrift zum Verständnis und zur Verteidigung von Meister Eckharts Metaphysik, in: L. Grenzmann (ed.), Philologie als Kulturwissenschaft: Studien zur Literatur und Geschichte des Mittelalters. FS für K. Stackmann, Göttingen 1987, 208-229. Im Internet unter http://www.hiltalingen.de. Cf. K. H. Witte, Der ,Traktat von der Minne‘, der Meister des Lehrgesprächs und Johannes Hiltalingen von Basel. Ein Beitrag zur Geschichte der Meister-Eckhart-Rezeption in der Augustinerschule des 14. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 131/4 (2002), 454-487. Cf. Petrus Lombardus, Sententiae I, d. 17, c. 1, n. 143; Thomas von Aquin, S. th. II-II, q. 23, a. 2. In Sermo VI/1 ,Deus caritas est‘ (LW IV, 53, 7 sq.) interpretiert Eckhart die Liebe pneumatologisch: „amor, quo nos diligit, est ipse spiritus sanctus“; cf. Sermo XL/2 ,Diliges proximum tuum sicut te ipsum‘ (LW IV, 338, 2 sq.): „Ergo ipsa dilectio est deus, spiritus sanctus est“, und in den deutschen Predigten 65 ,Deus caritas est‘ (DW III, 97, 21-98, 1): „diu minne, diu in uns ist, daz diu der heilige geist wære“, und 73 ,Dilectus deo et hominibus‘ (DW III, 268, 1 sq.): „Sıˆn minne ist in uns ein uˆzblüejen des heiligen geistes.“
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Eckhart auf spricht, das da wirt vereint einer iglichen creaturen in allen vernuftigen werken“ (ll. 161-163). Im Unterschied zu Eckhart begründet er aber seine Liebestheorie nicht aus dem onto-theologischen Fundamentalprinzip heraus, dass Liebe da ist, weil Gott sich selbst liebt und die Liebe ist, und weil alles, was ist, in der Liebe und durch die Liebe (Gottes) ist. Vielmehr stellt er fest, dass der Mensch Gott nur mit der göttlichen Erkenntnis erkennen und mit der göttlichen Liebe lieben könne, weil dieser seinem Wesen nach das Erkennen und die Liebe ist. Eine ontologische Wesensidentität zwischen Gott und Mensch durch die Aktivität der göttlichen Natur ist für Johannes Hiltalingen nicht vorstellbar. Im Gegenteil, je mehr sich in der Liebe die göttliche Natur zeigt, desto weniger kann von der Größe der menschlichen Natur die Rede sein. Schließlich gelangt der Autor des ,Traktats von der Minne‘ zu der Feststellung, dass nur die Gnade Gottes einen festen Grund für die ungeschaffene Liebe und das geschaffene menschliche Handeln aus Liebe bietet: „Von disem wurken des heyligen geistes beleibet vnserm willen ein bereitten vnd ein neygunge ze wurken werk der mynne, wan sy enmag nicht neygen got ze mynnen loblich an sunderlich bewegunge des heiligen geistes“ („Aus diesem Wirken des Heiligen Geistes kommt unserem Willen eine Bereitschaft und eine Neigung zu, Werke der Liebe zu tun; denn sie [die Liebe] kann nicht geneigt sein, Gott lobenswert zu lieben, ohne einen besonderen Bewegungsanstoß des Heiligen Geistes“, ll. 156-159).
Die Äußerungen Eckharts sind also im neuen Kontext ihrem Sinn nach umgestaltet, manchmal auch radikal geändert worden. Im hier untersuchten Dialog der mystischen Sammlung M I 476 der UB Salzburg kann man den Grund dieser Veränderungen und aller übrigen Bestimmungen des ,Lehrers‘ in der schon oben zitierten Formel ausgedrückt finden: „da ist gnade in got und nit in den creaturen.“ Von hier aus sind die Motive vorgezeichnet, die nicht vom Dominikaner Eckhart, sondern von der augustinistischen Gnadentheologie herkommen. Wie kann man diese uminterpretierende Eckhart-Rezeption erklären? Wahrscheinlich ist sie eine Nachwirkung der Verurteilung von Eckharts Lehre, nach der der Thomismus der dominikanischen Schule im 14. und 15. Jahrhundert seine Aktualität für die mystischen Gruppen einbüßte und stattdessen der Augustinismus immer mehr bevorzugt wurde. Aber obschon von der authentischen Lehre Eckharts in den erwähnten Umschreibungen und Interpretationen nur wenig erhalten ist, blieb der Meister für die Verfasser der Salzburger mystischen Sammlung im eigentlichen Sinne des Wortes ein Lehrer ihres Glaubens und ihres Lebens. Diese verändernde Rezeption von Eckharts Schriften entspricht der spirituellasketischen Struktur der Salzburger Sammelhandschrift im Ganzen. Die Autoren folgen nicht der transzendentalen Metaphysik Eckharts, sondern der Struktur der musterhaften Aussprüche und Vorschriften der geistlichen Lehrer, die insgesamt gesehen im Rahmen der augustinistischen Theologie und (formal) von Seuses Phänomenologie der Innerlichkeit liegen. Die ganze Textsammlung ist im Sinne von Seuses Mystik der Betrachtung der Passiones Christi im ,Büchlein der Ewigen Weisheit‘ (fol. 1r-28v der Salzburger Handschrift) organisiert. Die
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Ideen Eckharts lösen sich darin gewissermaßen auf, und die Verfasser ändern entsprechend den Text der ,Reden der Unterweisung‘ und formen ihn nach der allgemeinen Ausrichtung der theologischen und mystischen Lehre augustinistischer Prägung um. Meine These ist, dass der anonyme Verfasser des dialogischen Mosaiktraktats in seinem mystischen Denken und in seiner Bußtheologie stark von den Topoi der Liebes- und Gnadenmystik, die allgemein sowohl für Ruusbroec als auch für Eckhart Gültigkeit hatten, beeinflusst war. Er bezieht sich oft auf diese beiden Autoren. Wie aus der Analyse seines Textes hervorgeht, hat er die besagten Topoi in modifizierter Form auf die Tendenzen der augustinistischen Bußtheologie seiner Zeit anzuwenden versucht. So stellt er fest, dass sich Reue und Buße aus der wahren Liebe zu Gott in der gnadenhaften Einigung mit Gott vollenden 40. Den Texten Eckharts und Ruusbroecs hat er entnommen, was er für seine Zwecke verwerten konnte. Wenn die von Eckhart ausgedrückten Meinungen über die Gnade, die Liebe und die Tugenden irgendwie mit Ruusbroec’schen Ideen zusammenfielen, dann wurden sie in den Text eingeschoben, wörtlich, zusammengefasst oder mit anderen Sätzen erweitert. Für seine Ziele hat er wohl die in den mystischen Kreisen am Oberrhein verbreitetsten und populärsten Texte gewählt und sich die Aufgabe gestellt, mittels daraus entnommener Zitate augustinistische Spiritualität mit den Ideen Eckharts zu verbinden. Es handelt sich hier in keiner Weise um eine passive Wiedergabe des Originals, sondern um eine kritische und bewusste Überarbeitung, wobei der anonyme Autor ausgewählte Fragmente mit seinen eigenen Vorstellungen über das geistliche Leben in einem neuen Kontext verbunden und verflochten hat. Daraus ist ein origineller Text entstanden, der sich u. a. durch seine dialogische Form als aktuell anbietet: Das Spiel von Frage und Antwort lenkt Auswahl und Formung der Fragmente. Der anonyme Autor fasst verschiedene mystische Topoi zusammen, die im Rahmen der augustinistischen Gnadenmystik benutzt worden sind. Alle diese Topoi lassen sich aus dem Begriff der göttlichen Liebe ableiten. Man muss jedoch zwei Bedeutungen dieses Begriffs und die beiden mit ihnen verbundenen Arten der Liebesmystik unterscheiden: intellektuell-exemplaristische Mystik und Bußmystik. Beide kann man auch als Gnadenmystik interpretieren, weil jede Gnadenerfahrung ihrem Wesen nach eine mystische Erfahrung ist. Aber die Natur und die Wirkung der Gnade kann man unterschiedlich verstehen. In diesem Sinne sind Meister Eckhart und Jan van Ruusbroec zwei Pole, zwischen denen verschiedene mystische Strömungen des Spätmittelalters existierten. Die authentischen Texte beider Autoren demonstrieren klar den Gegensatz zwischen ihnen. In der Salzburger Sammelhandschrift jedoch, auf der Ebene der hier intendierten praktischen Frömmigkeit, sind die sprachlichen Unterschiede zwischen den Zitaten aus den Texten der beiden Denker relativ gering. Der ano40
Cf. Ms M I 476 der UB Salzburg, fol. 223v.
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nyme Dialogautor wollte zwei Gnadentheorien auf verschiedenen formalen Ebenen miteinander verbinden: von der Exzerpierung und mosaikartigen Fassung bis hin zur formal-begrifflichen Angleichung, bei der typische Denkfiguren teils in Topoi, teils in Exempla umgewandelt werden. Der entscheidende Punkt ist aber, dass die geistesgeschichtlichen Ursprünge dieser Kompilierung tiefer liegen, etwa in dem augustinistischen Gedanken, dass man nur in und durch Gott sein könne. Dieser grundlegende Gedanke war auch dem Erfurter Prior Meister Eckhart nicht fremd. Das wird besonders deutlich an einer Stelle aus den ,Reden der Unterweisung‘: „er [got] aleine ist der schatz, an dem dir mac genüegen und dich mac ervüllen.“ 41
41
DW V, 267, 3-4; cf. DW V, 269, 3-4: „diu seˆle ist vil næher mit gote vereinet dan lıˆp und seˆle, die ´einen menschen machent.“
Verzeichnis der Handschriften Augsburg, Universitätsbibliothek [vormals Fürstl. Oettingen-Wallerstein’sche Bibl.] Cod. III 1 4∞ [Mai1]: 430 Basel, Öffentliche Bibliothek der Universität Ms. A VI 38: 474, 478, 479, 481-483, 499, 501, 509, 510, 516-527 Cod. B VI 16 [K]: 53 Braunau, vormals Langersche Bibliothek Cod. 467 [Bra3 ]: 404 Berlin, Staatsbibliothek der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Ms. germ. 4∞ 1084 [B6]: 49 Ms. germ. 4∞ 1079 [B10]: 49 Ms. Hamilton 405: 492, 493, 495, 498 Brügge, Stadtbibliothek Cod. 491: 86 Düsseldorf, Landes- und Universitätsbibliothek Ms. D 11: 505
Harvard University, Houghton Library Ms. Typ 1095: 505 Heidelberg, Universitätsbibliothek Ms. Pal. Lat. 454: 563 Karlsruhe, Badische Landesbibliothek Ms. St. Peter pap. 21: 474, 478, 479, 482, 499, 501 Kassel, Murhardsche und Landesbibliothek Cod. theol. 11 [K1a]: 49 Cod. theol. 12 [K1b]: 49 Cod. theol. 94 [K2]: 49 Kremsmünster, Stiftsbibliothek Cod. 83: 3 Kues, Hospitalbibliothek Hs. 21 [C; Codex Cusanus]: 260, 262, 265, 393, 401-403 London, Library of University College MS. germ. 11 [Lo1]: 49
Erfurt, Archiv der Evangelischen Predigergemeinde ,Totenbuch der Erfurter Dominikaner‘ [ohne Signatur]: 97, 98, 103-106
London, Victoria and Albert Museum Cod. L 1810-1955 [Lo4]: 49, 54, 62-67, 70
Erfurt, Bibliotheca Amploniana Cod. Amplon. F 181 [E]: 5, 43, 59, 202, 260, 262, 265, 317, 318, 394
Magdeburg, Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt Rep. Cop. 1519: 97 Rep. Cop. 1520: 97
Erfurt, Stadtarchiv Rep. 0-1/IV-856: 104 Rep. 0-1/IV-857: 104 Rep. 5/101-6: 104
Magdeburg, Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Außenstelle Wernigerode Rep. A 37b I, II, XVIII, Nr. 5: 97 Rep. A 37b I, II, XVIII, Nr. 22c: 104 Rep. A 37b I, II, XVIII, Nr. 22c, 185: 97 Rep. U 15 VI: 97
Gotha, Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha: Ms. Memb. I 68: 485-488, 490, 505, 509, 511, 515 Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek Cod. theol. 2057 [H2]: 36, 47, 48, 49, 54, 399
Melk, Stiftsbibliothek Cod. 705 (371/G33) [Me2]: 54 Cod. 1569 (615/L27) [Me 3]: 54 Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum Hs. 8∞ 18537 [Pergament-Doppelblatt]: 61
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Verzeichnis der Frühdrucke
Nürnberg, Stadtbibliothek Cent. IV 40 [N1]: 49 Cent. VI 55 [N4]: 49
Soest, Stadtarchiv und wissenschaftliche Stadtbibliothek Cod. 33: 356, 360, 361
Oxford, Bodleian Library Cod. Laud. Misc. 222 [L]: 260, 262, 402 Cod. Laud. Misc. 479 [O]: 5, 36, 47-49, 54, 56, 59, 106, 298, 396, 399, 427, 450
St. Gallen, Stiftsbibliothek Cod. 911: 448
Paris, Bibliothe`que nationale de France Ms. lat. 1645: 479 Ms. lat. 6443c: 440 Ms. fr. 1792: 493 N. acq. lat. 616: 437 Pavia, Bibl. Universitaria Cod. Aldini 155: 60 Pommersfelden, Gräflich Schönbornsche Bibliothek Ms. 120 [vormals 2868]: 478, 479 Salzburg, Universitätsbibliothek Cod. M I 476 [S1]: 44, 71, 72, 404, 587591, 595, 596, 598, 599 Sint Truiden, Instituut voor Franciscaanse Geschiedenis Ms. Vaalbeek IFG A 21: 479, 527-537
St. Petersburg, National Library of Russia Ms. Fr. O.v.I.,1: 492-494, 496-500, 505, 508 Straßburg, Bibliothe`que Nationale et Universitaire L. germ. 2795 [Str.3]: 430 Trier, Stadtbibliothek Hs. 72/1056 [T]: 260, 262, 265 Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek Cod. Guelf. 1066 Helmst [Wo1]: 49 Zürich, Schweizerisches Landesmuseum Inv.-Nr. LM 26117: 503, 504, 506, 507, 512 Zürich, Zentralbibliothek Z XIV 35 [Pergament-Doppelblatt]: 406
Verzeichnis der Frühdrucke Baseler Taulerdruck 1521/1522 [BT]: 431 Houghton Library, Harvard University Johannes Amerbach (13. Dezember 1481) (Inc. 7652 [31.5]): Vincent von Beauvais, Liber de sancto Johanne evangelista: 517-520
München, Staatsbibliothek Editio princeps des ,Opus postillarum‘ Jordanus’ von Quedlinburg (2 JNC/ CA 1343 Ab. I): 554
Namenregister Abraham Abulafia 444, 539-541 Acht, P. 101 Adam 441, 444, 541, 593 Adelbert v. Stotternheim 101 Aegidius Romanus 93, 193, 437, 440, 557, 559, 560, 564, 573, 584 Aertsen, J. A. 4, 9, 12, 14, 23, 24, 189, 216, 225, 240, 258, 289, 299 Alanus ab Insulis 125, 193 Albero v. Vippach 102 Albert, K. 46, 190, 211, 220, 224, 225, 229, 231, 232, 237 Albertus Magnus 3, 21, 39, 57, 71, 74, 78, 80, 83, 88, 114, 129, 192, 194, 225, 267, 269, 270, 304, 310-313, 327, 365, 367, 374, 430, 434, 495, 543, 561, 562, 569, 571, 573, 582, 584, 585 Albrecht v. Brandenburg, Kardinal, Ebf. v. Mainz 96 Albrecht v. Treffurt 47, 396 Albrecht, E. 110 Alcher v. Clairvaux 50, 462 Alexander der Große 117, 164 Ambrosius, Bf. v. Mailand 242, 244, 246, 255, 304, 430, 495 Amos, L. 440 Ampe, A. 491 Anaxagoras 23, 344, 345, 346, 347, 348, 351 Andia, I. de 310 Andreas, Apostel 520 Andreas v. Stotternheim 104 Andrews, R. 287 Angelus Silesius (Johannes Scheffler) 142 Angenendt, A. 105 Anselm v. Canterbury 68, 196, 200, 333, 566, 568, 571, 583 Antonius v. Ägypten 559 Apollinaris v. Laodicea 242 Arbesmann, R. 556 Aristoteles 10, 11, 19, 20, 21, 23, 27, 28, 83, 84, 86, 114, 129, 149, 209, 210, 214, 215, 224, 225, 238, 240, 241, 243, 246, 247, 252, 257, 265, 268, 275, 276, 279, 283-286, 288, 290-292, 296, 332, 336, 344-348, 351, 365, 372, 376, 387, 430, 432, 434, 442, 456, 469, 549, 557-559, 562, 563, 582, 583
Armstrong, A. H. 268 Aspasia 16 Athanasius 242 Athenagoras 242 Augustinus 13, 17-21, 23, 25, 28-30, 32, 40, 116, 117, 119, 121, 130, 139, 143, 150, 163, 167, 180, 204, 216, 217, 222, 228, 229, 241, 242, 265, 268, 269, 275, 279, 294, 300-304, 308, 311, 312, 327, 328, 360, 363, 365, 414, 441, 442, 458, 462, 469, 485, 488, 495, 502, 513, 555-560, 562, 564, 566-568, 571577, 582-585, 587, 590, 591, 597 Augustinus (Ps.-) 302, 559 Aulus Gellius 441, 442 Averroes (Ibn Rusˇd) 215, 265 Avicebron (Ibn Gabirol) 265, 279 Avicenna (Ibn Sı¯na¯) 19, 209, 215, 216, 218, 248, 265, 268, 269, 279, 328, 330, 365, 566 Aymerich v. Piacenza 41, 90 Backes, M. 492 Badius, J. 248, 251 Baehrens, W. A. 542 Bange, W. 196 Barnabas Cagnoli v. Vercelli 94 Bartelink, G. M. J. 411 Basilius 245 Beatrix v. Nazareth 543 Beccarisi, A. 314, 315, 317 Bech, F. 40 Beckett, S. 545 Beckmann, J. P. 297, 554 Beda Venerabilis 365 Beer, J. 411 Behaghel, O. 47 Behling, L. 489 Beierwaltes, W. 194, 224, 326, 455, 476, 477, 514 Beister, H. 133 Benakis, L. 194 Benedikt XVI., Papst cf. Ratzinger, J. Benz, E. 39, 99, 261, 432 Berdjaev, N. A. 238 Berengar v. Landora 41 Berg, D. 79, 80-82, 84, 85, 116 Berger, T. 98
604
Namenregister
Bergson, H. 238 Bernhard v. Clairvaux 71, 127, 199, 200, 212, 221, 255, 302, 308, 365, 477, 495, 501, 543, 548, 550, 559, 562 Bernhart, J. 189 Berthier, J.-J. 111 Berthold v. Moosburg 327, 456, 475 Beyer, C. 102, 103 Bianchi, L. 10, 76, 89, 94 Bihlmeyer, K. 121, 319, 321, 411, 550-552 Binder, G. 244, 255 Bindschedler, M. 309 Binz, G. 478, 483 al-Bistami 539, 540 Blaise, A. 111 Blumenberg, H. 545 Blumrich, R. 123, 148, 308, 310 Boeckler, A. 492 Boese, H. 430 Boethius 12-15, 129, 194, 195, 228, 258, 265, 271, 279, 564, 571, 583 Boethius v. Dacien 10, 555, 556 Bok, V. 39 Bonaventura 11-13, 20, 138, 139, 490, 562, 571 Bonifaz VIII., Papst 89, 93 Borgnet, A. 312, 434 Borret, M. 243 Borst, A. 75 Bost, E. P. 194 Bourdieu, P. 132, 133 Brandt, M. J. A. van den 50 Brandt, R. van den 304 Braune, W. 448 Bray, N. 314, 398, 409, 554, 571, 573, 584 Bre´sard, L. 243, 246 Breton, S. 145 Brinker, C. 70, 474 Bromand, J. 246 Brown, St. F. 12 Bruckner, A. 478 Brun-Gouanvic, C. le 116 Brunner, F. 190, 225 Brunner, H. 309 Bruns, J.-H. 97 Brunschwig, J. 225 Buchman, D. 551 Bundschuh, A. 338 Buning, M. 545 Burr, D. 116 Buzzoni, M. 431 Cai, P. R. 431 Caussade, J.-P. de 145
Cayre´, F. 557 Caysa, V. 128 Charles-Saget, A. 211 Chatelain, E. 84 Cheneval, F. 443 Chenu, M.-D. 12, 178 Chiesa, P. 411 Christ, G. 101 Christ, K. 261, 575 Christ, Y. 514 Cicero 16, 365, 441, 442, 558 Clarenbaldus v. Arras 14 Clemens V., Papst 90, 93 Colledge, E. 9 Combe`s, J. 249 Contamine, G. 411 Conze, E. 136 Conzelmann, J. 474 Copeland, R. 411 Coudert, A. P. 444 Courtenay, W. J. 87, 89 Courtenay, W. M. 76, 83, 89 Cousin, V. 254 Craemer-Ruegenberg, I. 12 Crean, J. E. 130, 133 Crouzel, H. 243, 246 Crowder, C. 545 Cyrill 242 Dalmatius Moner 119 D’Alverny, M.-T. 437, 438 Damascius 249 Dante Alighieri 444, 556 David, bibl. 312, 525, 526 David v. Augsburg 129, 130 Debure, G. 492 Decker, B. 39, 432 Degenhardt, I. 77 Degering, H. 492 De Lagarde, P. 457 Delaisse´, L. M. J. 476, 477 Delisle, L. 493 Deneke, B. 105 Denifle, H. S. 75, 81, 84, 94, 261, 322, 328, 381, 394, 473, 474 Denzinger, H. 105 Derschka, H. R. 101 Descartes, R. 137, 556 Didymus Caecus 244 Diefenbach, L. 130 Dietrich v. Freiberg 21, 87, 240, 319, 323326, 335, 337, 395, 435, 565, 569, 571, 584, 585 Dietrich v. Salza 104
Namenregister Dietrich, P. A. 278, 476 Dingjan, F. 113 Dinzelbacher, P. 99, 105, 490, 493 Diogenes 117 Dionysius Areopagita (Ps.-) 6, 14, 23, 29, 139, 265, 269, 279, 299-305, 307-313, 365, 453-455, 474, 495, 539, 542, 543, 562, 564-567, 571, 576, 580, 581 Dobenecker, O. 101, 102 Doiron, M. 491 Dominikus v. Guzma´n 111, 116, 118, 502 Dorothea Schermann 478 Dreyer, M. 193 Drobner, H. R. 246 Duclow, D. F. 263 Dumont, St. D. 289 Dupre´, D. 306 Dupre´, W. 42, 306 Durandus de S. Porciano 12, 89, 94 Dutton, P. 514 Ebbesen, St. 215 Ebbinghaus, E. A. 448 Eckardt, H. 100 Eckhart Rube 47, 303, 396 Eco, U. 444 Edouard, P. 476 Effe, B. 255 Eggers, H. 100 Ehrle, F. 381 Eichler, W. 588, 591 Eidam, H. 47, 57, 78, 96 Eleasar v. Worms, Rabbi 443 Elger v. Honstein 98, 104 Eliezer, Rabbi 273 Elisabeth v. Schönau 493 Elm, K. 199 Elsässer, M. 194 Emery Jr., K. 4, 9, 12, 216, 289 Enders, M. 123, 128, 146-148, 153, 159, 162-164, 450, 458, 460, 467 Ephraem Syrus 242 Erbe, Bruder 47, 303, 396 Erben, J. 331 Erbetta, M. 442 Euklid 248 Euler, W. A. 42 Eva 593 Evagrius Pontikos 126, 127, 244, 542 Ezechiel 489, 490, 504, 505, 522, 527, 533 Fabro, C. 209 Fauser, W. 194 Fechter, W. 60
605
Feldner, J. 44 Felkel, G. 93, 95, 98 Fenske, L. 103 Filthaut, E. M. 84, 455 Fink, G. 37 Finke, H. 85, 90-92, 94 Fischer, H. 219, 220, 224, 229, 231, 368, 381 Flaccus, Q. Horatius 37 Flasch, K. 21, 35, 77, 135, 231, 263, 319, 336, 337, 366, 434, 459 Fleckenstein, J. 103 Fleischhack, E. 105 Flint, V. I. J. 443 Florentius v. Utrecht 47, 53, 301, 303, 396, 397 Fournier, G. 5, 6, 47, 48, 56, 106, 298, 396, 427, 450 Fraisse, O. 263 Frank, I. M. 84-86 Frank, I. W. 81, 82, 86 Franz v. Assisi 116 Freed, J. B. 475 Friedrich, sächs. Pfalzgraf 101 Fuchs, P. 123, 126 Fuchs, W. P. 96 al-Gaaza¯lı¯ 551 Gabriel, G. 539 Gabriel, L. 306, 307 Galbraith, G. R. 110 Gandillac, M. de 219 Gärtner, K. 130, 322, 338, 345 Gautier, P. 244 Georg Carpentarius 53 Gerhard, Meister 53, 66 Gilson, E´. 19, 20, 142, 232, 316 Giselher v. Slatheim 47, 73, 303, 396, 397 Glassner, Ch. 68 Glorieux, P. 110-112 Gnädinger, L. 130, 547, 552 Gockel, M. 96 Godeverd van Wefele 595, 596 Goez, W. 95 Gonsalvus (Hispanus) 4, 233, 289 Görgemanns, H. 242 Goris, W. 5, 15, 16, 24, 26, 28, 77, 190, 207, 219, 223, 224, 228, 239, 240, 242, 249, 263, 283, 296, 357, 383, 385, 387, 388, 544, 551 Gottfried v. Fontaines 12, 283, 286-289, 296, 557 Gottschall, D. 314, 405, 427 Grabmann, M. 233 Gramsch, R. 93 Grant, J. 9 Graser, L. 73
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Namenregister
Gratian 492 Green, E. A. 440 Green-Pedersen, N. G. 10 Gregor I. der Große, Papst 117, 167, 204, 244, 490, 495, 559 Gregor v. Nazianz 242 Gregor v. Nyssa 246, 247, 258, 292, 304 Gregor v. Rimini 557, 558 Grenzmann, L. 319, 597 Grosse, S. 448 Grubmüller, K. 130 Gründer, K. 23, 211, 256, 539 Gsell, M. 125 Guarnieri, R. 491 Guerizoli, R. 23 Guiffrey, J. 493 Guillaume de Baufet d’Aurillac, Bf. v. Paris 93 Guillelmus de Tocco 116 Guldentops, G. 20 Günther II. v. Käfernburg 102 Günther v. Schwarzburg 104 Günther v. Stotternheim 103 Günther, F. 96 Haas, A. M. 150, 154, 163, 166, 239, 240, 241, 250, 302, 338, 428, 455, 475, 476, 491, 539, 545 Hackett, J. 554 Hadewijch v. Brabant 541, 543, 547 Hadot, P. 555 al-Hallaj 539, 540, 551 Hamburger, J. F. 302, 473, 475, 477, 480, 492, 496, 501, 505, 509, 520 Hamesse, J. 194, 314, 480 Hane der Karmelit 47, 53, 73, 301, 303, 310, 396 Harnack, A. 538, 541, 542 Hartmann, N. 190 Hasebrink, B. 7, 66, 122, 314, 320, 359, 545 Hasse, D. N. 20 Hasselhof, G. 260, 263, 267, 273 Haug, W. 8, 46, 68, 116, 125, 129, 132, 299, 302, 309, 474, 549, 565 Hegel, G. W. F. 138, 152, 220, 247, 275, 297 Heidegger, M. 237, 238 Heidrich, P. 338 Heil, G. 543 Heinemann, H. 113 Heinrich v. Friemar 298, 554-557, 559-571, 573, 575, 583-585 Heinrich v. Gent 12, 216, 217, 225, 240, 248, 249, 251, 557 Heinrich v. Lübeck 91 Heinrich v. Nördlingen 320
Heinrich v. Schwarzburg 101 Heinrich v. Stotternheim 102 Heinrich v. Virneburg, Ebf. v. Köln 361 Heinrich v. Weida 104 Heinzer, F. 505 Helwic v. Germar 47, 303, 396, 397 Henkel, N. 68 Henricus de Hanna 73 Heraklit 237 Hermand, X. 314 Hermann v. Fritzlar 345 Hermann v. Loveia 47, 396 Hermann v. Minden 85 Hermann v. Stotternheim 103 Hermann v. Summo 37, 53 Hermes Trismegistus 435, 438 Hervaeus Natalis 11, 89, 94, 119 Herzog, U. 70, 474 Hieronymus 244, 410, 411, 423, 457, 495, 559 Hilarius 242 Hilberath, B. J. 114 Hilberg, J. 244 Hildegard v. Bingen 477, 568 Hillenbrand, E. 499 Hippolytos v. Rom 242 Hirschberger, J. 193 Hödl, L. 78, 147 Hoenen, M. J. F. M. 50, 193, 304, 308 Hof, H. 203 Hofmann, G. 595 Hoffmanns, T. 289 Hoffmans, J. 287 Hogrebe, W. 246 Holl, K. 183 Hollywood, A. 491, 568 Honemann, V. 479 Honnefelder, L. 193, 554 Honorius Augustodunensis 443, 475 Hopf, C. 486 Horst, U. 117 Hrabanus Maurus 244, 488 Huber, C. 127 Hudry, F. 437, 438 Hugo v. St.-Victor 54, 129, 444, 558 Huineng, buddh. Patriarch 136 Humbert v. Romans 83, 86, 111, 112, 114116, 121, 455 Humpfner, W. 556 Hundsnurscher, F. 338 Ibn al’Arabi 539, 541 Ibn Gabirol cf. Avicebron Ibn Rusˇd cf. Averroes Ibn Sı¯na¯ cf. Avicenna
Namenregister Ibn Tibbon 266 Idel, M. 444, 539-541 Imbach, R. 42, 43, 53, 76, 77, 88, 121, 168, 213, 241, 250, 263, 267, 365, 443 Imbert, C. 225 Inciarte, F. 297 Isidor v. Sevilla 51, 52, 124, 244, 443 Jacobi, K. 38, 75-78, 88, 95, 123, 146, 356, 467 Jacobus de Orto 562 Jacobus v. Viterbo 557, 559, 560, 562 Jacobus de Voragine 559 Jacques Bauchant 493 Jacques Fournier 76 Jairus 433 Jakob, bibl. 260, 435 Jakob Maior 485 Jakob v. Metz 326 Jakob v. Vitry 559 Jakob Volradi 74 Jänecke, K. 486 Janota, J. 387 Jantzen, G. 538 Jan van Leeuwen 71 Jan van Ruusbroec 308, 489, 587-589, 591596, 599 Jasper, D. 545 Jean, Duc de Berry 493 Jeauneau, E´. 474, 476, 479-482, 484, 488, 514, 546, 572 Jeremias 420, 532 Jerotheus 309 Jesus Christus 33, 75, 117, 148, 162, 171, 173, 174, 231, 243, 300, 301, 303, 307, 336, 339, 341, 342, 344, 345, 354, 355, 360, 364, 380, 382-384, 386, 388, 412, 415-419, 421, 423, 428, 430, 433, 442, 447, 451, 454, 456, 475, 480, 483, 486-488, 490, 495, 496, 498, 499, 502, 504, 505, 509, 513, 521, 523, 524, 527-538, 541, 548, 564, 566, 567, 570, 579, 582, 584, 592, 598 Johann Keilmann 104 Johann von dem Busche 91 Johannes, Ev. 347, 419, 421, 426, 451, 455, 456, 460, 474, 477-488, 490, 491, 493, 496, 498, 499, 501, 502, 504, 505, 509, 513, 514, 516-518, 519-528, 530-536, 564, 572, 575, 579, 580, 582, 583 Johannes XXII., Papst 34, 35, 75, 261, 366, 584 Johannes Alemanus 492 Johannes de Almania 492
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Johannes Cassian 110, 124, 126-128, 139, 140, 558, 559 Johannes Chrysostomus 488, 495, 579, 583 Johannes Damaskenos 197, 217, 495 Johannes Duns Scotus 4, 12, 192, 193, 239, 283, 287, 289-292, 296, 297, 557 Johannes Hiltalingen v. Basel 58, 298, 321, 328, 573, 597, 598 Johannes Franke 47, 303, 396 Johannes v. Lichtenberg 395 Johannes v. Nördlingen 478 Johannes v. Paris (Quidort) 89, 93 Johannes Paul II., Papst 37 Johannes Pauli 479 Johannes Scotus Eriugena 304, 473-477, 479-485, 488, 495, 496, 498, 501, 505, 509, 513, 514, 516, 517, 546, 555, 572-574, 577, 579, 580, 582, 583 Johannes v. Stendal 92 Johannes v. Sterngassen 53 Johannes der Täufer 521, 532, 533 Johannes v. Teutonia 495, 496, 499, 501 Johannes Teutonicus v. Wildeshausen 492 Johannes Vogele 73 Johnston, M. D. 440, 441 Jordan v. Quedlinburg 298, 554-560, 562, 571-585 Jordanus de Saxonia 111, 559 Jörg Gartner von Lor 44, 45 Jostes, F. 56, 546 Judas Iskariot 65, 69 al-Junayd 539, 541 Jundt, A. 474, 475, 477 Jungen, O. 121 Jungreithmayr, A. 44 Jürgensmeier, F. 101 Jüssen, G. 554 Justin 242 Justinianus, A. 261, 436 Kaeppeli, Th. 53, 85, 86, 492 Kaiser, P. 123, 148 Kälble, M. 103 Kaluza, Z. 88 Kambartel, F. 338 Kampmann, I. 359, 385, 386 Kant, I. 190, 202, 238, 241, 297, 337 Karl V., franz. Kg. 491, 501 Karl VI., franz. Kg. 493 Karpp, H. 242 Katz, St. T. 555 Kaufhold, M. 89 Kent, B. 286
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Namenregister
Kern, U. 18, 78, 115, 146-149, 161-163, 172, 176, 453, 561, 596 Khorkov, M. 587 Kiening, Ch. 305 Kienzle, B. M. 440, 480 Kijewska, A. 475 al-Kindi 428, 435, 437-440 Kist, J. 486 Klimanek, W. 8, 56 Kluge, F. 432 Kluxen, W. 27 Knowlson, J. 545 Kobusch, Th. 26, 29, 211, 239, 240, 246, 250, 256, 258, 296 Köbele, S. 428, 447, 448, 509, 545 Koch, J. 38, 39, 40, 42, 57, 69, 78-80, 8691, 94, 95, 210, 226, 227, 229, 261, 263, 266, 268, 270, 358, 365, 370, 372, 401-403, 409, 410, 432, 435, 437, 440, 575 Koda, Y. 146-148 Konrad v. Megenberg 319, 320, 430, 435 Köpf, U. 11, 76, 89 Körner, R. 338 Kornrumpf, G. 54 Krämer, S. 97 Krebs, E. 11, 12 Kremer, K. 223 Kretzmann, N. 215 Kübel, W. 311 Künzle, P. 111, 492 Kurras, L. 60 Laarmann, M. 256 Lang, A. 213 Langer, O. 128, 135, 239, 240, 253, 377 Langlois, L. 193 Largier, N. 3, 5, 6, 23, 29, 34, 43, 47, 56, 70, 75, 106, 114, 116, 117, 146, 147, 149, 150153, 156, 159-162, 166, 167, 171, 172, 174-176, 239-241, 251, 254-256, 260, 298-300, 303, 314, 336, 396, 403, 406, 427, 450-453, 457, 458, 460-462, 465, 469, 474, 476, 484, 488, 509, 513, 570 Laurent, M. H. 35, 43, 75, 167 Lechner, J. 213 Leclercq, J. 111, 199, 543 LeGoff, J. 105 Lemm, S. 492 Leonhardt, R. 183 Lerner, R. E. 76, 89 Lewis, S. 501 Lexer, M. 130, 153, 162, 164, 167, 171, 322, 323
Libera, A. de 9, 21, 50, 88, 139, 190, 193, 202, 203, 216, 219, 304, 308, 317, 370, 372, 375, 556, 564, 573 Liebeschütz, H. 264, 266, 476 Lies, L. 250 Liesenborghs, L. 244 Lindsay, W. M. 443 Lobato, P. A. 427 Loe¨, P. v. 91, 109 Löer, U. 505 Löhr, G. 117 Lorenz, D. 263, 267 Lorenz, S. 92 Löser, F. 4, 8, 45, 49, 50, 53, 56, 57, 61, 62, 64, 66-70, 116, 132, 396, 399, 400, 401, 403, 405, 409, 413, 447, 448, 466, 468 Lossky, V. 209, 219, 275, 375, 376, 382, 384, 385 Lottin, O. 129 Lowden, J. 502 Lucchesi, J. 479, 520 Lücker, M. A. 595, 596 Ludolf v. Stotternheim 101, 102, 103 Ludwig v. Stotternheim 102 Luff, R. 430, 435 Luhmann, N. 123 Lukas, Ev. 341, 342, 417, 419, 447 Luther, M. 425, 557 Lutolf, M. 492 Lutz, E. C. 146 Macrobius 272 Madec, G. 555 Mägdefrau, W. 102 Makarios (Ps.-) 539 Manstetten, R. 43 Marcos, N. F. 245 Margareta Porete 9, 490, 491, 541, 543 Margaretha Ebner 320, 333 Margetts, J. 72, 428 Maria 307, 463, 486, 487, 496, 505, 509, 522525, 530-532, 536, 537 Maria Magdalena 123, 240 Märkert, A. 74 Marler, J. C. 9 Marquard v. Lindau 58, 298, 302, 308-310 Martha 123, 240, 412, 533 Maschke, E. 103 Maspoli, S. 443 Matsuda, M. 178 Maximus Confessor 304 McEvoy, J. 475 McGinn, B. 27, 29, 199, 219, 268, 278, 310, 459, 476, 479, 491, 538, 540, 543, 545-548, 560, 561, 566, 582
Namenregister Mechthild v. Magdeburg 137, 541, 543 Meier-Staubach, Ch. 477 Meiss, M. 477 Meißner, K.-H. 97 Melissos 209, 217 Mensching, G. 76 Merle, H. 459 Merswin, R. 58 Mertens, V. 50, 61, 474, 491 Methodius v. Olympos 242 Meyer, H. 138 Meyer, J. 121 Meyer, P. A. 194 Meyer, R. 502 Michael de Leone 54 Michael Psellos 244, 245 Michel, P. 70, 474 Mieth, D. 123, 132, 467 Miethke, J. 76, 89, 94 Milem, B. 545 Milet v. Laodicea 495 Möhle, H. 27, 289 Mojsisch, B. 14, 24, 189, 197, 201, 211, 231, 240, 268, 296, 317, 319, 324, 325, 336, 337, 358, 373, 374, 376, 377, 382, 385, 386, 571 Mommaers, P. 489 Moran, D. 542 Morard, M. St. 314, 317, 327 Moraw, P. 92 Morgan, B. Q. 130 Mortier, D. A. 492 Mortier, R. P. 119 Mösch, M. 443 Moses, bibl. 243, 336, 447, 524, 525, 543, 546, 566, 582 Moses Maimonides 245, 259-275, 278, 279, 365, 435-437, 442, 443, 555, 560, 561 Mountain, W. J. 458, 462 Mulchahey, M. M. 81, 82, 111, 112 Müller, G. 467 Müller, J. 27 Müller, U. 338 Munk, S. 261 Musil, R. 256 Narbonne, J.-M. 193 Nebukadnezar, babyl. Kg. 489 Neumann, F. 129 Nickl, P. 118 Niederberger, A. 194 Niermeyer, J. F. 113 Nietzsche, F. 238 Nigidius Figulus 442 Nikolaus V., Gegenpapst 563
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Nikolaus Eymerich 481 Nikolaus v. Kues 42, 58, 299, 305-307, 313, 549, 562 Nikolaus v. Landau 52, 58, 67, 68, 299, 401 Nikolaus v. Straßburg 76, 77, 88, 361, 499 Nisbet, R. G. M. 37 Nitz, T. 96, 98 Nix, U. M. 365, 381, 409 Oberman, H. 556 Öchslin, R. 365, 381, 409 Odo v. Cluny 489 Oergel, G. 102 Olivetti, M. M. 255 O’Meara, J. J. 474 O’Reilly, J. 513 Origenes 242, 243, 246, 250, 251, 304, 365, 483, 488, 495, 505, 542, 572, 577, 579, 580, 582, 583 Overmann, A. 101, 103, 104 O’Walsche, M. 513 Owen, H.P. 555 Pächt, O. 492 Paepe, N. de 489 Pahnke, M. 42 Palmer, N. F. 60-62, 66, 68, 308, 492 Panikkar, R. 209 Panzig, E. A. 160, 164, 335, 336, 351 Papias 445 Parmenides 209, 210, 217, 237 Pascal, B. 143, 145 Pascher, P. H. 44 Pattin, A. 317 Patze, H. 100, 101 Paul, H. 448 Paulus, Apostel 44, 139, 167, 169, 180, 185, 263, 306, 309, 319, 360, 482, 483, 488, 496, 519, 524, 543, 566, 571, 576, 578, 582, 583 Paulus Venetus 557 Pelster, F. 213 Perger, M. v. 77 Pesch, O. H. 119 Peters, U. 492 Petrus, Apostel 69, 95, 98, 99, 339-341, 344, 501, 520, 524, 531-535, 576 Petrus v. Corbara cf. Nikolaus V., Gegenpapst Petrus Damiani 477, 479, 482, 484, 495, 496, 498, 499, 501, 509, 520-537 Petrus Lombardus 40, 129, 444, 458, 559, 597 Petrus de Palude 94 Petrus v. Poitiers 129 Petrus v. Ravenna 495 Petrus v. Tarentaise 78, 83
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Namenregister
Petschenig, M. 244, 246 Peuger, L. 3, 4, 53, 401 Pfeiffer, F. 8, 56, 146, 250, 320-323, 327, 345, 455, 565 Philipp IV., franz. Kg. 89, 93 Philippus, Apostel 520, 535 Piche´, D. 10 Pichery, E. 110 Pickave´, M. 24, 248, 326 Piesch, Herma 180, 181 Platon 20, 32, 193, 228, 243, 249, 255-257, 272, 276, 558, 582, 583 Plotin 255, 256, 258, 438 Pluta, O. 211, 336 Ponzalli, R. 215 Porphyrios 193, 579, 580 Posse, O. 102 Pottier, C. 443 Preger, W. 38, 39, 283, 473 Press, V. 96 Proklos 23, 193, 244, 245, 247-249, 254, 265, 279, 317, 320, 322, 435, 438, 455, 475, 543, 555, 561, 563 Prosper de Reggio Aemiliae 12, 557 Ptolemaios (Ps.-) 435 al-Qubaisi 93 Quint, J. 34, 38, 40, 42-45, 56, 67, 69-71, 75, 109, 116, 118, 124, 146, 342, 398, 399, 403-405, 413, 417, 420, 427, 428, 430, 445, 446, 457, 458, 587 Rahner, H. 231, 251, 302 Raimundus Lullus 440, 441, 444, 446 Ramsey, N. 513 Rand, E. K. 13 Ratzinger, J. 37 Reffke, E. 201, 203, 259-261, 264, 266, 268 Reichert, B. M. 79, 119, 121 Reinhardt, K. 42 Reinmar v. Hagenau 54 Remigius v. Auxerre 244 Richard v. St.-Victor 244 Ricklin, Th. 443 Riedl, J. O. 440 Riedl, M. 549 Riel, G. van 475 Riesenhuber, K. 209 Rigo, C. 267 Ritter, A. M. 543 Ritter, J. 23, 211, 256, 539 Rochais, H. M. 199, 543 Roger, A. 225 Rouse, R. H. 485
Rozanne Elder, E. 547 Rückert, H. 129 Rudd, N. 37 Rudolf v. Biberach 308-310 Ruh, K. 3-6, 13, 27, 34, 37-44, 46-50, 5254, 56, 57, 59, 61, 66, 72, 73, 75, 77, 86, 95, 106, 109, 114, 119-124, 127, 128, 130, 132, 144, 147, 148, 179, 186, 189, 192-195, 206, 211, 220, 225, 256, 259, 264, 298, 302, 304, 308-310, 319, 321, 322, 328-330, 359, 376, 394, 396-401, 410, 446, 456, 473478, 481, 491, 517, 554, 595, 597 Rupert v. Deutz 489 Saak, E. L. 554 Saccon, A. 398, 400 Saffrey, H. D. 218, 249 Salomo 244, 245, 246, 301, 303 Sa´nez-Badillos, A. 245 Sattler, D. 114 Schabert, T. 549 Scheeben, H. C. 111 Scheepsma, W. 527 Scheffczyk, L. 105 Schenkl, C. 246 Schiewer, H.-J. 4, 44, 59, 61, 66, 298, 406, 474, 478, 479, 490 Schiffhauer, A. 356 Schlesinger, W. 101 Schleusener-Eichholz, G. 512 Schlipköther, B. 91 Schmaus, M. 213 Schmid, A. A. 492 Schmidt, J. 256 Schmidt, M. 308, 309 Schmidt, P. 97, 322, 323 Schmidtke, D. 60, 61 Schmitt, F. S. 196 Schmitt, P. 56 Schmoldt, B. 314 Schmücker, R. 232 Schnaubelt, J. 554 Schneider, J. H. J. 193 Schneider, K. 60, 61, 406 Schneider-Lastin, W. 8, 46, 68, 116, 125, 129, 132, 299, 302, 474, 565 Schnell, B. 130 Schneyer, J. B. 398 Scholem, G. 443 Schönberger, R. 358 Schönfeld, A. 109, 549 Schönmetzer, A. 105 Schröbler, I. 448 Schulz, K. 103
Namenregister Schulze, U. 77 Schumann, K. P. 91 Schwaetzer, H. 42 Schwartz, Y. 5, 259, 260, 263, 273, 561 Schweid, E. 268 Schweitzer, F.-J. 489 Schwineköper, B. 97 Seebold, E. 432 Sells, M. 540, 541 Seneca 365, 558 Senner, W. 78, 109, 124, 267, 492 Seppänen, L. 73, 397, 428, 431, 442 Serafini, S. 263, 267 Sesboüe´, B. 245 Seuse, H. 58, 111, 120, 121, 129, 298, 308, 319-321, 327, 345, 411, 455, 538, 550553, 598 Sievers, E. 5, 47, 56, 58, 64, 106, 298, 396, 427, 450 Siger v. Brabant 78, 555, 556 Simeon 447, 569 Simon v. Hinton 85 Simon, P. 270, 310, 311 Smalley, B. 443, 473 Sokrates 272 Sole`re, J.-L. 193, 194 Spamer, A. 47, 319, 320, 324 Spannaus, U. 47, 57, 78, 96 Sparks, M. 513 Speer, A. 3-5, 9-12, 14, 23, 24, 43, 59, 201, 216, 240, 241, 258, 259, 289, 299, 318, 394, 490, 555 Springer, K.-B. 96, 104, 105 Stackmann, K. 4, 44, 59, 298, 406, 490 Stadler, H. 430 Stamm, L. E. 486 Stammler, W. 40 Steel, C. 20, 475 Steer, G. 4-8, 34, 44, 46, 50, 53, 56, 57, 5961, 66, 123, 128, 129, 135, 137, 141, 148, 149, 151, 174, 199, 211, 242, 298, 299, 304, 308, 319, 398, 399, 404-406, 430, 435, 446, 448, 490, 509, 514, 545, 565 Steiger, R. 306 Steineck, Ch. 253 Stephan Tempier, Bf. v. Paris 10, 79, 437 Stephan v. Venizy 83 Sterligov, A. 492 Stewart, H. F. 13, 194 Stirnimann, H. 43, 53, 76, 121, 168, 213, 241, 250, 365 Stöllinger, C. 478 Stooker, K. 479 Störmer-Caysa, U. 68
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Stötzel, G. 405 Stoudt, D. L. 480 Strauch, Ph. 5, 36, 47, 48, 56, 73, 106, 298, 320, 396, 427, 450 Strohschneider, P. 127 Stroick, C. 562 Strolz, W. 209 Strothmann, F. W. 130 Sturlese, L. 4-8, 34, 43, 46, 48, 50, 52, 53, 57, 59, 60, 75-77, 121, 123, 127, 132, 135, 141, 151, 156, 157, 186, 201-203, 206, 211, 231, 239, 241, 247, 252, 259, 260, 262, 264, 291, 292, 299, 304, 315, 318, 319, 329, 356, 357, 361, 362, 364, 376, 387, 388, 393, 394, 398, 400, 402, 443, 446, 490, 509, 545, 554, 565 Stutzmann, D. 473, 492, 493 Sua´rez-Nani, T. 43, 168, 175, 213, 365, 366, 381, 434, 456, 477 Suchla, B. R. 454 Summerell, O. F. 240, 571 Suntrup, R. 138 Surius, L. 592 Suzuki, D. T. 136 Sydow, J. 103 Syring, A. 479, 480 Talbot, C. H. 543 Tatton-Brown, T. 513 Tauler, J. 38, 39, 50, 53, 58, 121, 130, 298, 308, 319-322, 337, 345, 411, 455, 538, 547, 549, 550, 552, 553, 594, 595 Tester, S. J. 13 Thayer, A. T. 480 Theisen, H. J. 398, 404, 409, 450, 463, 486 Theodoret 242, 245, 246 Theophil v. Stotternheim 95, 99, 100, 104106 The´ry, G. 75, 80, 356 Thierry v. Chartres 14 Thijssen, J. M. M. H. 76, 83, 89, 94 Thom, I. 47, 57, 78, 96 Thomas, Apostel 520, 535 Thomas (Ps.-), Ev. 442 Thomas v. Apolda 47, 396 Thomas v. Aquin 8, 11, 12, 41, 78, 80, 83, 86, 88, 94, 105, 115-119, 137, 143, 151, 178186, 192, 194, 195, 197, 210, 215, 218, 225, 239, 242, 243, 247, 248, 265, 267, 268, 271, 278, 279, 287-289, 292, 296, 346, 365, 367, 369, 370-373, 410, 427, 431, 433, 443, 444, 476, 481, 484, 495, 501, 538, 555, 557, 559, 560, 562, 571, 572, 574, 575, 582, 597 Thomas v. Cantimpre´ 430 Thomas v. Celano 559
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Namenregister
Thomas Gallus, Abt v. Vercelli 309, 310, 312, 543 Thomas, A. H. 110, 111, 114 Thomasin v. Zerclaere 129 Thonnard, F.-J. 557 Tobin, F. 271, 560 Toubert, H. 489 Trottmann, Ch. 9 Trusen, W. 75-78, 80, 94, 95, 356, 360, 361, 363, 364, 381 Turner, D. 561 Ubl, K. 89 Ueda, S. 252, 459, 467 Ulrich v. Straßburg 327 Van der Kieft, C. 113 Van Fleteren, F. 554 Vannier, M.-A. 137 Verbeij, T. 479 Verheijen, L. 116 Vesey, G. 538 Vetter, F. 319, 337, 411, 455, 547, 594, 595 Vicaire, M. H. 116 Viciano, A. 246 Vignaux, P. 88 Vinzenz v. Beauvais 484, 488, 517 Volfing, A. 474, 475, 478, 485, 486, 501 Völker, L. 338 Voronova, T. 492 Wachinger, B. 74 Wackernagel, W. 138, 223 Wagner, J. 338 Walter, Dominikanerfrater 91 Walther v. d. Vogelweide 54 Walther, H. G. 75, 89 Walz, A. 492 Warnock, R. G. 479, 562 We´ber, E. 88 We´ber, E´.-H. 88, 310, 592 We´ber, H. 476 Wehrli-Johns, M. 474, 501 Weigand, R. K. 39 Weinfurter, St. 101
Weismayer, J. 338 Weiß, A. 261 Weiß, B. 114 Weiß, K. 16, 172, 261-263, 265, 435, 436, 443, 444 Weiß, U. 92, 96, 102 Welte, B. 250 We´nin, Ch. 296 Westerink, L. G. 249 Wiegand, R. 120 Wiehl, P. 448 Wieland, G. 27, 129, 193 Wilckens, L. von 486 Wilde, M. 130, 131, 186, 359, 509, 550 Wilhelm v. Cremona 557 Wilhelm v. Nidecke 37, 53 Wilhelm v. Paris 9, 491 Wilhelm Petrus de Godino 94 Wilhelm v. St. Thierry 138, 139, 543 Wilhelm, F. 136 Williams, J. 502 Williams, U. 39, 477 Williams-Krapp, W. 39, 309, 477 Wilpert, P. 306, 307 Winkler, E. 207, 263, 409, 446 Witte, K. H. 58, 314, 315, 318, 320, 328, 331333, 597 Wolf, St. 93 Wrede, G. 553 Wyser, P. 320 Xenophon 16 Zacheus, Magister Jesu 442 Zacke, A. 98 Zeller, W. 467 Zelzer, M. 244, 246 Zimmermann, A. 11, 12, 53, 224, 259, 299, 361 Zotz, Th. 101 Zuchhold, H. 52, 67, 482 Zum Brunn, E. 88, 211, 317, 326 Zumkeller, A. 554, 557, 560, 562, 563, 565, 585 Zycha, J. 462