LUX
H I S T O R I S C H E
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Weltgeschichte in spannenden Einzelheften Heftpreis 7S Pfg.
Jedes Hell 64 Seite...
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LUX
H I S T O R I S C H E
R E I H E
Weltgeschichte in spannenden Einzelheften Heftpreis 7S Pfg.
Jedes Hell 64 Seiten
LUX HISTORISCHE REIHE bringt in fesselnder Darstellung, plastisch und farbig, Zeitbilder und Szenen aus dem großen Abenteuer der Menschheitsgeschichte. Menschen, Völker, historische Schauplätze und Landschaften aus allen Zeitaltern der Vergangenheit erstehen in bunter Folge vor dem Auge des Lesers. Geschichte wird hier zur lebendigen Gegenwart. Jedes Heft gibt ein abgerundetes und in sich abgeschlossenes Bild des dargestellten Zeitraumes. Titel der ersten Hefte: 7. 8. 0. 10. 11. 12.
1. Sphinx am Strom -. Priester und Magier 3. Götter und Helden 4. Die Griechen äfcj 5. Die Perserkriege C. Die Tempel Athens
Alexanderzug Pyrrhus — der Abenteurer Hannibal Untergang Karthagos Marius und Sulla Kaiser ohne Krone
Titel der folgenden Nummern-: Das Goldene Rom Die ersten Christen Caesarea und Soldaten Germanenzüge Die Hunnenschlacht Die Mönche von Monte Cassino Der Prophet Allahs Karl der Große Heiliges Römisches Reich Kaiser und Päpste Die Kreuzfahrer •'' j Friedrich Barbarossa Die Hohenstaufen Bürger und Bauern Die Humanisten Der Schwarze Tod Die Renaissance Neues Land im Westen Fahrendes Volk
Ritter und Landsknechte Kaiser der Welt Der Große Krieg Der Sonnenkönig Ruf übers Meer Der Preußenkönig Rokoko Im Schatten der Bastillc General Bonaparte Kaiser Napoleon Kongreß in Wien . ,'j Eiserne Straßen Der vierte Stand Verschwörer und Rebellen j Sieg der Technik Bismarck Die rote Revolution Demokratie und Diktatur j
und viele weitere Hefte. LUX HISTORISCHE REIHE bringt jedes Heft mit farbigem Umschlag, Illustrationen, Geschichtskundlichen Landkarten, Anmerkungen und Zeittafel. VERLAG SEBASTIAN LUX 1 MURNAU VOR MÜNCHEN
LUX
HISTORISCHE
REIHE
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OTTO ZIERER
MARIUS UND SULLA REVOLUTIONÄRE DER RÖMISCHEN REPUBLIK
VERLAG SEBASTIAN XUX MURNAÜ • MÜNCHEN • INNSBRUCK • OLTEW
EINLEITUNG Als die Bewohner der kleinen Bauernstadt Rom im \4. Jahrhundert v. Chr. zur Eroberung Mittelitaliens und schließlich der gesamten Halbinsel ausziehen, ist ihr Ziel ein unter römischer Führung geeintes und gegen alle Angriffe gesichertes Italien. Aber schon nach einem Jahrhundert überschreiten die römischen j Legionen die selbstgesteckten Grenzmarken, und] wieder ein Jahrhundert später beziehen sie die Ausgangsstellungen zur Begründung des römischen Weltstaates. H Ungeheurer Reichtum strömt aus den seit Urtagen angesammelten Schätzen der unterjochten Völker und Staaten in die Truhen des römischen Adels und der Finanzaristokratie. Aber tief und unüberbrückbar klafft der Riß zwischen arm und reich, zwischen dem \verschwenderischen Luxus der Großen und dem Elend des großstädtischen und ländlichen Proletariats. Aufrühr, Revolutionen und Revolten erschüttern das innere Gefüge des römischen Staates; die alte Form der vom Senat regierten Republik reißt unter gewaltigen Spannungen auseinander. In dem tödlichen Ringen um die Macht stehen sieh die Partei der revolutionären Reformer und die Verfechter der überkommenen Standesvorrechte erbittert gegenüber. Über ein Jahrhundert dauern die politischen Unruhen, die auch die Sklavenmassen in Bewegung bringen, während fremde Völker vom Meere und von den Grenzen her den Lebensraum des Römerreiches bedrängen. — Als das vorletzte Jahrhundert vor Christus zu Ende geht, treten zwei Männer großen Formats als Führer der gegnerischen Parteien bestimmend auf die politische Bühne Roms: Gajus Marius und Lucius Cornelius Sulla... 2
Gajus Marius ist ein Mann von breiter, stämmiger und etwas grobknochiger Figur; der mächtige, breitstimige Kopf des Zweiimdfünfzigjährigen verrät die Herkunft aus einem Bauerngeschlecht. Doch hat das Großstadtleben dem Antlitz dieses Mannes wenig gute Züge aufgeprägt1. Noch während das Gestirn des Marius den politischen Himmel Roms zu beherrschen beginnt, steigt bereits ein anderer Stern am Horizont herauf, der sich schon bald strahlend neben dem des neuen Konsuls behaupten wird. In einem der neugebauten Mietshäuser im Tal lebt in einer 2anspruchslosen Wohnung der junge Lucius Cornelius Sulla . Als Sohn einer verarmten patrizischen Familie hat der Einunddreißigjährige Zutritt zu allen Gesellschaftskreisen der Stadt. Die Freunde halten ihn für einen Nichtstuer, der sich in den neueröffneten „Punschküchen" hellenischer Unternehmer herumtreibe, in denen die Jugend Roms auf hohen Sesseln um halbrunde Tische sitzt und die Getränke der Wirte genießt. Sulla scheint keinerlei persönlichen oder politischen Ehrgeiz zu haben, man schätzt in ihm einen freundlichen, das Dasein genießenden Lebemann, den man meist in Gesellschaft von griechischen Schauspielern, Musikanten und Philosophen antrifft. Aber die Freunde kennen nur eine Seite des eleganten und gepflegten Mannes — nur die Seite, die er der Welt zu zeigen für gut hält. Die wenigsten ahnen etwas von den stillen und verborgenen Wünschen und dem Ehrgeiz dieses Römers. Lucius Cornelius Sulla ist ein Tempelgläubiger, fromm nach Väterart. Er fühlt sich im tiefsten Grunde seines Herzens den alten Göttern verbunden und spürt die un-1 auflöslichen Wechselbeziehungen zwischen Roms Größe und den ewigen Mächten; auch seine persönliche Zukunft ruht — das ist seine tiefe Überzeugung — im Schoß eines 3
hoffnungsvollen Schicksals, das ihn zu gegebener Stunde zum Auftritt auf der Bühne des öffentlichen Lebens rufen wird. Als er bei der Wahl des Marius das Geschrei der wankelmütigen, von Reden und Gerüchten trunkenen Massen erlebt, erkennt er jählings mit aller Schärfe, wie weit sich Rom schon von der Zucht der Vorfahren gelöst hat. Das geheiligte Schutzverhältnis zwischen Senat und Volk hat aufgehört zu bestehen, die höhere Bindung zwischen Göttern und Menschen ist gelöst oder zerrissen. Entschlossen wendet Sulla sich von seinem bisherigen Leben ab. Dank der guten Beziehungen zu den ersten Kreisen des Staates gelingt es ihm, mit dem Range eines Oberst der Armee des Marius zugeteilt zu werden, der in Nordafrika den aufrührerischen numidischen König Jugurtha bekämpft. Sulla wird Anführer einer Reitertruppe. In Zukunft wird man in Rom mit einem Manne namens Sulla rechnen m ü s s e n . . . Im Heere des Marius geben die aus dem proletarischen Stand hervorgegangenen Offiziere den Ton an, nur die Reiterei macht eine Ausnahme. Sie ergänzt sich fast ausschließlich aus den Söhnen des Senatorenstandes und aus reich gewordenen, geadelten Plebejern3. Sulla, der neue Kommandeur der Reitertruppe, wird von seinen eigenen Standesgenossen nicht ernst genommen. Spöttisches Lächeln und versteckte Anspielungen sind der Willkommensgruß der sonnengegerbten, kampfgestählten Veteranen. Wieder eines dieser Muttersöhnchen! — ärgern sie sich—, ein Paradesoldat, der vor dem ersten Gefecht Bauchweh bekommen wird. Die Linientruppen sehen den in neuen Waffen und blitzendem Panzer paradierenden Oberst noch mißtrauischer an als die adeligen Reiter; denn bald wird bekannt, daß Sulla nur mit höhnischer Verachtung von Marius, ihrem gefeierten Feldherrn, spricht. Sullas Gegner im Feldlager lassen sich täuschen. Sie sehen nur das Äußere des Neulings und erkennen nicht seinen stählernen Kern, nicht seine Tapferkeit und das Zielbewußtsein all seiner Unternehmungen. Sulla führt vor seinen Gefechten heimlich ein Götterbild an die Lippen. Kraft erflehend, wendet er sich vor der Schlacht zu den Göttern. Schon nach kurzer Zeit ist es ihm tatsächlich beschieden, durch einen kühnen Handstreich den end-
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losen Afrikakrieg zum Ärger des ehrgeizigen Marius unerwartet schnell zu beenden. Mit kleinem Gefolge durchreitet er das Wüstengebirge, in dem streifende Bäuberhorden hausen, er legt riesige Strecken in einem Lande zurück, das von den grausamen Numidiem des afrikanischen Königs Jugurtha beherrscht wird, aber er gelangt nach einem tollkühnen Ritt ans Ziel. In der Nähe der mauretanischen Residenz lockt er Jugurtha in eine Falle und nimmt ihn gefangen4. * Konsul Marius hat sich nach der überraschenden Beendigung des Feldzugs nach Cirta, die Hauptstadt Numidiens, begeben, um die Siegesbeute rechtzeitig in seinen Besitz zu bringen. In den letzten Septembertagen des Jahres, das den Sieg in Afrika gebracht hat, läuft im Hafen von Utica — nordwestlich der Ruinen von Karthago — ein Schnellsegler ein, nach dessen Ankunft sofort berittene Kuriere nach Cirta jagen, um Marius das baldige Eintreffen einer eiligen Gesandtschaft aus Rom anzukündigen. Gespannt erwartet der Feldherr die Ankunft der Römer. Cinna, der Adjutant des Feldherrn, berichtet Marius von den Gerüchten, die das letzte PostschüT aus Italien an die afrikanische Küste getragen hat. Vielleicht sind sie der Anlaß zu der Gesandtschaft aus Rom. Sie besagen, daß fremde Wandervölker aus dem Norden neuerdings gegen die Grenzen Italiens andrängen und daß schon in nächster Zeit ein Einbruch der wilden Kelten zu befürchten sei. Eilends werden die Abgesandten Roms vor den Konsul geführt. Kaum nimmt sich Lucius Opimius als Sprecher der Gesandtschaft Zeit für einige begrüßende und einleitende Worte, als er schon auf den Kernpunkt seines Auftrages zu sprechen kommt. „Ich habe Weisung, Gajus Marius, dir im Namen des Senats und des römischen Volkes zum zweiten Male das Konsulat anzubieten. Rom erwartet, daß du in der Stunde der Gefahr deine Hilfe nicht versagen wirst. Du bist in diesem Augenblick der einzige, auf den sich die beiden streitenden Parteien der Qptimaten und Populären einigen können." 5
Der Feldherr erblaßt. Ist ihm nicht vor Jahren von einer Prophetin die höchste Würde der römischen Republik siebenfach verheißen worden? Beginnt jetzt vielleicht der Weg ins Unausdenkbare, zu den höchsten Stufen der Ruhmeslaufbahn, die ihm vorausgesagt ist und von der er so lange geträumt hat. „Ich glaube", gibt er beherrscht zur Antwort, „daß euer Angebot den strengen Weisungen unserer geheiligten Verfassung widerspricht. Die Wahl der Volksversammlung hat mich vor zwei Jahren mit der Übertragung des Konsulats geehrt, also werden erst im übernächsten Jahre die vorgeschriebenen drei Amtsperioden verstrichen sein, die, nach dem Wortlaut des Staatsgesetzes, zwischen meinem ersten und einem zweiten Konsulat liegen sollen." Opimius bereitet es beinahe körperlichen Schmerz, dem Emporkömmling die hohe Würde anzutragen, die er selbst einmal innegehabt hat. „Außerordentliche Zeiten verlangen außerordentliche Maßnahmen!" ruft der Senator, unwillig über die gespielte Zurückhaltung des Generals, dessen nicht zu verbergende Erregung seine salbungsvollen Worte Lügen straft. Ehe es zu einer ausfälligen Bemerkung kommen kann, ergreift der Tribun Manilius Limetanus das Wort. „Imperator5, das Volk ruft dich! Man ist entschlossen, dir Sondervollmachten wie einem Diktator zuzugestehen und die Verfassung in diesem Falle außer Kraft zu setzen, um dich mit aller Macht auszustatten, die du brauchst. Das Vaterland ist in höchster Gefahr. Ich setze voraus", fährt er fort, „daß du dich der Ereignisse entsinnst, die sich vor deinem Abgang auf den afrikanischen Kriegsschauplatz an der Nordgrenze Italiens zugetragen haben?" „Mir sind nur die großen Zusammenhänge bekannt", erwidert Marius, „auf die Einzelheiten kann ich mich nicht mehr besinnen." Limetanus denkt einen Augenblick nach, dann spricht er weiter. „Es war schon im Verlaufe des Jahres 114 durch wandernde Kelten und Taurisker aus den Alpen das Gerücht] zu uns gedrungen, daß sich am Rande unserer Welt — in den dunklen Waldgebirgen jenseits des Donaustromes — gewaltige Barbarenmassen im Aufbruch befänden. Aber der Lärm der Kriegsfahrt drang nur von ferne an unser 6
West-Wanderzug der Kimbern und Teutonen (Sequana = Seine)
Ohr. Wir glaubten an Gallier, die ihre Wohnsitze verlassen hätten und die nun auf der Suche nach neuem Land wären. Heute wissen wir durch Aussagen von Gefangenen und durch Nachforschungen, die unterdessen angestellt wurden, was sich damals ereignet hat." „Ja", sagt Marius, „jetzt erinnere ich mich: Es waren Stämme, die sich Kimbern oder Chempo nannten, was in ihrer barbarischen Sprache soviel wie .Kämpfer* heißen soll. Unser Landvolk übersetzte das Wort recht treffend mit ,RäuberV „Du hast recht, Imperator! Wir haben auch eine Erklärung — die freilich sagenhaft klingt— für die Ursache des Kimbernzuges. Wie dir bekannt sein wird, ist um die Zeit, in der Alexander der Große lebte, ein Grieche aus Massilia 6bei seinen Fahrten bis zur Bernsteinküste vorgestoßen . Jener Reisende berichtete später in seinem Buch ,Über den Ozean' von fremden Völkern, den Goten, 7
Teutonen und Kimbern, die sich seit langem auf Wanderschaft befänden, da ihre heimatlichen Äcker durch riesige Sturmfluten zerstört seien. Nach den letzten Schätzungen handelt es sich um dreihunderttausend Menschen." Marius wiegt bedenklich das wuchtige Haupt. „Gab es nicht schon einmal ein Gemetzel im Taurischen Gebirge?" Manilius Limetanus, der Mann der Volkspartei, verbeugt sich ehrerbietig. „So ist es,Imperator! Man hat uns berichtet, daß damals diese Kimbern in ein Waldgebirge des Nordens eingedrungen seien, in dem der Volksstamm der Bojer seine Wohnsitze hatte. Nach heftigen Kämpfen mit diesem Volk wandten sich die Kimbern an den Donaufluß, bis zu dem wir bekanntlich unsere Vorposten über die östlichen Alpen vorgeschoben haben. Als der dort kommandierende Konsul Papirius Carbo erfuhr, daß die Donaukelten durch Kämpfe im Norden in Bedrängnis geraten seien, nützte er die Gelegenheit und griff nun seinerseits vom Süden her an, erreichte aber nur, daß den Kimbern der Durchbruch durch die keltische Donaulinie möglich wurde. Damals erfolgte der für uns so verlustreiche Einbruch der Barbaren in unsere Schutzgebiete am Schwarzen Meer." g| „Ich weiß", unterbricht Marius ungeduldig, „Papirius Carbo wies die Barbaren an, das Land unserer Schutzbefohlenen zu verlassen, und die Horden waren tatsächlich so sehr von der Achtung vor dem römischen Namen erfüllt, daß sie davonzogen. Leider verwechselte Carbo diesen frommen Glauben der Kimbern mit Furcht, er ließ sie — glaube ich — in einen Hinterhalt locken und versuchte sie zu vernichten. Aber die Barbaren durchschauten seine List. Seine beiden Legionen wurden bei Noreia in den Ostalpen geschlagen..." „Geschlagen? Nein, Imperator!" entgegnet Limetanus heftig. „Sie wären bis zum letzten Mann vernichtet worden, wäre nicht ein Unwetter mit Blitz und Hagel niedergegangen, in dem die abergläubischen Bombern den Unwillen ihrer Götter zu erkennen glaubten. Sie haben das Schlachtfeld von selber geräumt." „Opfern wir also den Göttern, damit sie uns vor den nächsten Barbarenschlachten wieder Hagel, Blitz und Donner schicken...!" sucht Marius zu scherzen. Lucius Opimius ergreift jetzt wieder das Wort.
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„Spotte nicht, Imperator! Wir werden die Hilfe der Götter nötiger haben als uns lieb ist", sagt er. „Nachdem die Barbaren lange Zeit wie vom Erdboden verschwunden waren, sind sie jetzt plötzlich von neuem, verstärkt und furchtbarer denn je, zum Angriff übergegangen. Seit Monaten plündern und sengen sie in unserer südgallischen Provinz. Die Landverbindung zwischen Italien und Spanien ist bereits unterbrochen, Massilia7, unsere Schutzbefohlene, erwartet voller Furcht den Ansturm der Wilden. Sie stritten unterdessen gegen die Helvetier und Gallier in den Westalpen und trafen an den Ufern der Seine ein ihnen verwandtes Volk, das unter einem König Teutobold lebt, und sich Teutonen nennt. Die beiden Stämme haben sich zu gemeinsamem Baubzug vereinigt. Man schätzt die Zahl der verbündeten Horden heute auf eine halbe Million, eine schreckliche Bedrohung für unsere Grenzen. Und das ist nicht einmal alles; das Beispiel der Kimbern und Teutonen hat Schule gemacht: Die kaum eingerichtete Südgallische Provinz steht in vollem Aufruhr, die Kelten dieses Landes haben sich mit den Wandervölkern vereinigt, unsere Besatzung überfallen und gefangen gesetzt — das Land von den Alpen bis zu den Pyrenäen ist ein einziger Brandherd, schon greift die Unruhe auf Helvetier und italische Gallier über; es ist höchste Zeit, daß etwas geschieht." Marius ist innerlich längst entschlossen, den ihn ehrenden Auftrag zu übernehmen. Das Angebot kommt ihm in diesem Augenblick, wo er durch das Ende des afrikanischen Krieges überflüssig geworden ist, mehr als gelegen. Aber seine Bauernschlauheit ahnt, daß es unklug wäre, mit beiden Händen zuzugreifen. „Ich weiß nicht, ob meine Kräfte und Fähigkeiten den großen Aufgaben der Zukunft gewachsen sind", sagt er lauernd. „Es gibt doch genug hervorragende Generäle unter den Senatoren Borns. Soll denn Marius alle Kriege Borns allein führen?" Doch der Senator weist die verlogene Bescheidenheit des Plebejergenerals mit nüchternen Worten zurück. „Du hast recht, Marius! Den Feldzug gegen die Barbaren vermöchten auch andere Männer zu führen — sie tun es übrigens bereits. Die Konsuln Marcus Scaurus und| Malüus Maximus sind mit ihren Truppen zum Bhonestrom abgegangen, der Pro-Konsul Caepio führt die dritte 10
Armee. Aber es scheint in Rom Brauch zu werden, daß die Feldherrn von der Gunst der Menge bestimmt werden. Das Volk fordert den Oberbefehl ihres Lieblings Marius; kein anderer Mann als du — mein General — vermag in diesem Augenblick die römischen Parteien in dem Krieg gegen Kimbern und Teutonen zu einen, und darum hast du das Vergnügen, hier den Senator neben dem Mann der Volkspartei, Vertreter der beiden feindlichen Lager Roms, vor dir zu sehen; noch gilt in Rom das Wort: ,Über allem Parteienzwist steht das Vaterland!'" „Das ist ein gutes Wort zur rechten Stunde, Freunde", fällt Marius dem Senator geschickt in die Rede, „ich nehme also euren Antrag um des Vaterlandes willen an, obschon er mich hindert, endlich die wohlverdiente Ruhe zu genießen. Ich werde Befehl geben, die Schiffe unter Segel zu setzen. Wir werden morgen schon nach Rom aufbrechen!" Am nächsten Tag begibt sich der Feldherr mit einigen Offizieren seines Stabes, unter denen sich auch Cornelius Sulla befindet, nach Utica und schifft sich auf einer Kriegsgaleere ein. Man hat doppelte Besatzung für die Ruderbänke unter Deck, um die Reise über das westliche Mittelmeer möglichst zu beschleunigen. Tag und Nacht hämmert der Schlagstock des Hortators, des Taktschlägers, im Ruderraum, wo in fünf Reihen übereinander die Sklaven die ungefügen Ruder handhaben. Einige von ihnen, die sich widersetzlich gezeigt haben, sind angekettet; zwischen den Reihen stehen Aufseher, die erbarmungslos ihre Lederpeitschen auf die nackten Rücken niedersausen lassen. Auf dem erhöhten Hinterkastell des Verdecks ist ein Sonnensegel ausgespannt. Dort ruht der General im fellbedeckten Liegestuhl und läßt sich durch einen Negersklaven Kühlung zufächeln. Marius hat den Tribunen Manilius Limetanus, der sich als Gast auf dem Kriegsschiff befindet, an seine Seite gewinkt und läßt sich von ihm berichten, was man in Rom über die Barbaren weiß. Er nutzt die Zeit der Seefahrt, um sich möglichst genau ins Bild zu setzen. " f,Sie sollen", erzählt Limetanus, „ihre Ausgangsstellungen in den waldbedeckten Gegenden nördlich der Mittelgebirge und vor allem östlich eines Flusses haben, den sie" j Elfr oder Elbe nennen, was in ihrer Sprache einfach ,Strom' bedeutet. Dort, in diesen unwegsamen und unerforschten 11
Gauen, stehen die Heiligtümer der größten Eidgenossenschaften, dort sind auch die Dorf- und Gaugemeinschaften zu größeren Stämmen vereint. Zwischen Skythen und Kelten hin und her geworfen, drängen die Völkerstämrne mehr und mehr nach Südwesten vor, zum Rheinstrom und gegen die Donau," „Wie schaffen sie es eigentlich, mit mehreren hunderttausend Menschen quer durch die Länder zu ziehen?" „Darüber hat mir Papirius Garbo berichtet, der mit ihnen bei Noreia so unangenehm in Berührung gekommen ist. Es muß ein schrecklicher Anblick gewesen sein! In mehreren Kolonnen neben- und hintereinander folgen sie alten Saumpfaden und Handelswegen, aber sie scheuen sich auch nicht, querfeldein zu gehen. In plumpen, ledergedeckten Zweiräderkarren, die von Ochsen oder Rossen gezogen werden, bergen sie die Kinder und ihre geringe Habe, Frauen und Männer wandern nebenher, Viehherden folgen, und Berittene traben in kleinen Abteilungen zum Schutze an den Flanken, an der Spitze und als Nachhut. Die meisten haben helle Haare, weiß, flachsfarben oder gelblich, auch von fuchsigem Bot, ihre Augen sind meist blau oder grau. Sie sind hochgewachsene, schwertgewaltige Kämpfer, tapferer und geschickter als die uns bekannten Kelten. Ihre Speisen bereiten sie nur wenig zu, auf der Wanderfahrt verschlingen sie das Fleisch roh oder halbgar. Sie kennen keine Axt der Bequemlichkeit; Tierfelle, grobes Linnen und Leder sind ihre Bekleidung, sofern sie nicht ihre derben Eisenpanzer tragen — Lederwämse mit aufgenähten Blechstüeken, die sich aber nur die Vornehmen leisten können, denn das Eisen ist kostbar bei ihnen." „Besitzen sie gute Waffen?" I „Sie können sich mit den unseren nicht messen, Imperator. An erbeuteten Stücken sahen wir, daß ihre Schwerter aus gewöhnlichem Weicheisen, ja, zum Teil aus Bronze sind. Die Stählung scheinen sie überhaupt nicht zu kennen. Viele tragen den Kurzspeer, den sie Ger nennen, andere verteidigen sich mit eisenbeschlagenen Keulen und Beilen. Am sonderbarsten erschien uns die Form ihrer Helme. Sie sind an den Schläfen mit Adlernügeln oder Ochsenhörnern verziert, was ihnen ein kühnes und kriegerisches Aussehen gibt." uA „Was halt Carbo für die Ursache seiner Niederlage, hast du mit ihm darüber gesprochen?" 12
„Papirius Garbo meint, man habe die Kimbern unterschätzt. Die Legionen hätten einen solch wuchtigen Angriff, der in Keilform und recht gut geordnet vorgetragen worden sei, nicht erwartet. Auch habe das furchtbare Schlachtgebrüll des wandernden Volkes die Standhäftigkeit unserer Soldaten erschüttert. Als es zum Kampfe kam, erhoben Frauen, Kinder und die Kämpfer selbst einen entsetzlichen Lärm, sie klatschten auf die Lederplanen, trommelten auf die Töpfe, brüllten in die hohlen Schilde und schlugen die Waffen gegeneinander. Dazu kam das rasende Unwetter in dem engen Tal von Noreia; Blitze durchzuckten den düsteren Himmel, Donnerschläge ließen die Erde erbeben, Hagel prasselte herab — ich begreife die Legionen gut, daß sie diesem Ansturm der Massen und der Elemente nicht gewachsen waren." Marius blickt sinnend auf das weite, tiefblau wogende Meer. Eine Weile vernimmt man nur den dumpfen Hammerschlag des Hortators und das gleichmäßige Klatschen der Ruderreihen. „ J a " , meint er nachdenklich, „auch ich begreife sie gut — die verweichlichten Römer, die Männer aus der Großstadt und aus friedlichen Landstädten. Ihre Kraft ist nicht mit der jener rauhen, kerngesunden Barbaren vergleichbar. Trotzdem wird man die Kimbern schlagen, so wie Erfahrung und Kunst immer der rohen Kraft überlegen gewesen sind."
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Es ist der 10. Oktober des Jahres 105, als das Schiff des Marius am Kai des römischen Stadthafens Ostia anlegt. Zur Verwunderung der Besatzung ist das Ufer voll aufgeregter Menschen, die sich — kaum daß die Landungsbrücke ausgefahren ist — lärmend auf die Galeere stürzen. Vornehme Römer in der Rittertoga, Kleinbürger, Sklaven, alle drängen durcheinander und bestürmen Matrosen und Kapitän mit Fragen: wann das Schiff wieder auslaufe und ob es Passagiere mitnehme? Als die Legionäre etwas Luft geschaffen haben, erscheint am Hafentor ein Ausrufer, von Polizeidienern mit Rutenbündeln begleitet; zwei Tubabläser lenken die Aufmerksamkeit des Volkes auf den Beamten. Als Ruhe eingetreten ist, bringt er eine Bekanntmachung des hohen römischen Senats zur Verlesung. 13
Bei Todesstrafe wird es allen Kapitänen verboten, waffenfähige Männer als Passagiere an Bord zu nehmen. Zugleich werden alle Dienstpflichtigen unter die Waffen gerufen, die amtliche Tranerzeit für die Gefallenen gilt als beendet — eine Maßnahme, die man nur nach der Kata-j atrophe von Cannae angewandt hat. Von jedem Italiker wird gefordert, daß er auf dem Rathaus semer Gemeinde einen Eid leiste und bereit sei, Italien in der Stunde der Not nicht zu verlassen. Marius ist an den Beamten herangetreten. „Was ist hier •loa?" herrscht er ihn an, „ist der Senat vom Dämon besessen?" Der Ausrufer sieht unwillig auf. Als er aber an der prunkvollen Silberrüstung und dem roten Umhang den hohen Rang des Fragestellers erkennt, verneigt er sich unterwürfig. „General", sagt er, „am 6. Oktober hat an den Ufern des Rhoneflusses, bei der Stadt Arausio, eine Doppelschlacht stattgefunden. Der Konsul Marcus Scaurus ist gefangen und nach Aussagen von Entkommenen von den Barbaren niedergestoßen worden; die Armeen des Caepio und Mallius sind vernichtet. Nur wenige Überlebende haben Rom erreicht; 80000 Legionäre und 40000 Troßleute sollen erschlagen worden sein, die römischen Feldlager mit allen Kassen, Vorräten und Waffen sind in die Hand der Barbaren gefallen. Die Alpenpässe liegen offen und ungeschützt vor den Fremden! Wir haben jetzt weder ein Heer noch einen Feldherrn — aber man erwartet in diesen Tagen Marius aus Afrika zurück..."
Erst in Rom erfahrt Marius die näheren Umstände des Unglücks von Arausio. Das Verhängnis ist durch den alten Zwist heraufbeschworen worden, der seit den mißlungenen landwirtschaftlichen und sozialen Reformen der beiden Gracchen schon eine Generation lang das römische Volk entzweit. Einer der Armeeführer, der Konsul Mallius, stammte aus niederem, plebejischem Geschlecht, der ihm beigegebene Pro-Konsul Caepio aber gehörte zum ältesten Adel. Der Patrizier hielt es für unter seiner Würde, sich den Befehlen eines Populären zu fügen. Auch der dritte Befehlshaber, der alte Marcus Scaurus, ging seine eigenen H
Wege. Die Heerführer intrigierten während der ganzen Dauer des Feldzuges gegeneinander. Als Caepio sich der abtrünnigen Stadt Tolosa wieder bemächtigt hatte, fielen ihm die ungeheuren, im Heiligtum des keltischen Apoll angehäuften Schätze in die Hand. Nach der Überlieferung waren diese Gold- und Silbergeräte von den Galliern vor einem Jahrhundert bei einem Raubzug im heiligen, griechischen Delphi erbeutet worden. Konsul Mallius befahl die Überführung der sagenhaften Schätze in sein Hauptquartier, aber unterwegs wurde der Wagenzug überfallen und ausgeraubt, die Geräte blieben verschwunden. Es war jedem Mar, daß Caepio selbst und seine senatorischen Freunde den Raubüberfall in die Wege geleitet hatten, um ihre Privatkassen zu füllen. Wahrend Mallius Verhandlungen mit den Barbaren führte, griff Caepio seinerseits überraschend an. Er hatte sich bis zuletzt geweigert, Befehle von dem Plebejer anzunehmen. Das Ergebnis war die Vernichtung aller drei Heeresgruppen. Der Senat wurde gezwungen, die eigenen Parteigänger, die Urheber der Niederlage, vor ein Gericht zu stellen. *
Die Freunde des Marius aus der Volkspartei haben in seiner Abwesenheit treffliche Vorarbeit für ihren Parteiführer geleistet. Die Schatten der gemordeten Gracchen stehen wider die Optimaten auf. Selbst hohe Offiziere, die sich zur Sache der Populären bekennen, Tribunen und Ritter vereinen sich mit Plebejern und Proletariern, die unhaltbaren Zustände zu beenden und Ordnung zu schaffen. Mit dem zurückkehrenden Popularenführer Marius trifft der Transport der afrikanischen Kriegsbeute in Rom ein. Im Widerstreit der Parteien beanspruchen sowohl die Populären für Marius, wie die Optimaten für den Senatsfreund Sulla das Verdienst, den afrikanischen Krieg beendet zu haben. Bei dem Triumphzug, der dem Marius für den glücklichen Ausgang des afrikanischen Feldzugs bewilligt wird, gilt ein großer Teil des Beifalls der Menge dem kühnen Handstreich des Cornelius Sulla. Bei der Wahl auf dem Marsfeld erlebt indessen Gajus Marius einen glänzenden Wahlsieg. Der zum zweiten Male zum Konsul Gewählte beginnt sofort mit den Rüstungen für den Kampf gegen die Kimbern und Teutonen. Doch 15
die Germanen haben die Gunst der Stunde abermals —- wie schon bei Noreia — nicht genutzt. Zum fassungslosen Erstaunen der Italiker sind sie nicht gegen die Alpenpässe vorgerückt, die ihnen nach Arausio offengestanden hätten, sondern sie haben sich zurückgezogen und wenden sich dem westlichen Bande der Kulturwelt zu. Aus Arbeitslosen, Söldnern, entwurzelten Handwerkern und Bauern schafft Marius eine neue Armee, die ex durch lange Märsche, strenges Lagerleben und harte Übungen stählt und für kommende Aufgaben bereit macht. Die nächsten drei Jahre gehören mit zu den schwersten der Geschichte Borns. Es sind Jahre, in denen alles erschüttert und in Präge gestellt scheint. Als nach der Katastrophe von Arausio die Germanen nach Westen abgezogen sind und die Stunde nach ihrem Siege nur dazu nützen, einen Raubzug zu den Pyrenäen und einen anderen entlang der Atlantikküste ins Land der Belgier zu machen, als Marius in fieberhafter Eile ein neues Heer ausrüstet und ausbildet, das stark genug ist, jeden Angriff abzuschlagen, hält man die tödliche Gefahr aus dem Norden für immer gebannt. Dann aber tauchen wie aus heiterem Himmel die unabsehbaren Scharen der gefürchteten Völker, verstärkt durch Kelten und andere Stämme, wieder auf, und diesmal scheinen sie fest entschlossen, nach Italien einzufallen. Hatte Born in den Tagen nach der Alpenüberschreitung des karthagischen Feldherrn Hannibal vor dem Bufe „Hannibal ante portas" — Hannibal vor den Toren Borns! — gebebt, so packt jetzt das Entsetzen vor dem „Furor Teutonicus", vor der Angriffswut der Barbaren, die Menschen; die Via Flaminia und die Aemilia sind tagelang verstopft von den Wagenzügen flüchtender Bömerkolonisten. Aber wie durch ein Wunder stellen die römischen Heere in letzter Stunde die Barbarenzüge und werfen sie vernichtend zurück. I
Born feiert innerhalb weniger Jahre zum zweiten Male einen großen Sieg. Marius ist inzwischen entgegen der Verfassung zum fünften Male Konsul geworden. Das Bild der Stadt hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert. Die rasche Vermehrung der einheimi16
sehen Bevölkerung, das Hinzuströmen vieler Fremden und die gesteigerten Lebensansprüche aller Klassen fordern] mehr Raum, als das alte, bäurische Rom zu bieten hat. Die beiden alten Wohnstraßen der patrizischen Geschlechter am Capitolshügel und zwischen Forum und Palatin sind aus ihrer vornehmen Abgeschiedenheit mitten in das Getriebe der Innenstadt versetzt. Die beiden Straßen waren von jeher eng, für die Raumnot hinter dem pressenden Mauerring gedacht, die eine achtzehn, die andere fünfzehn römische Fuß breit, eingeschnürt durch hochgelegene Bürgersteige und grob gepflastert, so daß die hochrädrigen Karren der Händler knarrend darüberholpern. Mit dem ersten Hahnenschrei rufen die Bäcker ihre Waren aus, allmorgendlich wandern die Hirten der nahen Sabinerberge in die Stadt und blasen auf ihren Kuhhörnern, um der Kundschaft frische Milch und Käse anzupreisen. Aus den Kinderschulen, die auch schon mit grauendem Tag beginnen, schallt das laute Buchstabieren. In den polternden Lärm des Fuhrwerksverkehrs mischt sich das Gedröhn und Geschrei aus den Werkstätten. „ . . . dort hämmert ein Arbeiter spanischen Goldsand auf einem Amboß. Ohne Unterlaß ertönt das Geschrei rasender Bellonapriester, das Geschwätz der Schiffbrüchigen, die, ein mit Binden umwickeltes Stück des Wracks in der Hand, Almosen heischen, des Jungen, den seine Mutter zum Betteln abgerichtet hat, der Ruf des triefäugigen Händlers . . . , derSchwefelfäden für zerbrochenes Glas eintauscht.. ." 8 • Kein Wunder, daß bei solcher Nachbarschaft allmählich eine Patrizierfamilie nach der anderen das Feld räumt und sich höher am Palatinischen Hügel anbaut. Jedem Rückzug der alten Zeit folgt der kräftige und ungezügelte, planlose Nachstoß der neuen. Wo sich Bogengänge an den Häuserfronten entlangziehen oder Torbauten der alten Patrizierhäuser zur Niederlassung einladen, siedeln sich die Bretterbuden der Handwerker an. Läden, Werkstätten, Speiselokale und Schenken wachsen aus dem Boden. Die Häuser erhalten Balkone, die in die Gasse hineinragen, und da niemand die Baulinie einhält, winden sich bald die Straßenzüge regellos und willkürlich wie tosende Bäche, voller Gewühl und Geschrei, flutend und brausend durch die Innenstadt. Mehr und mehr werden die weit vom Stadtmittelpunkt 3 (11)
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entfernten Hügel mit ihren parkähnlichen Gärten und stillen Hainen zur neuen Wohngegend der Reichen. Die Villen, die dort oben entstehen, sind anspruchsvoller als die schlichten Stammhäuser der alten Familien. Mit der Zeit ist es üblich geworden, mit dem gelblichen Tuffstein, dem marmorähnlichen Travertin, zu bauen oder wenigstens die Fassaden damit zu verkleiden; und wenn es auch noch keine privaten Säulenhallen und weiträumige Architektur nach griechischer Art gibt, so äußert sich doch in der Anlage der neuen Herrenhäuser auf den Stadthügeln Palatin und Viminal der Wunsch nach Luxus, künstlerischer Ausstattung und Bequemlichkeit. Die Villa des Zensors L. Crassus, eines Mitgliedes der Optimatenpartei, ist das einzige Haus der Stadt, dessen Hauptraum, das Atrium, mit sechs aus Griechenland eingeführten Säulen geschmückt ist. Sie stammen aus den Marmorbrüchen von Athen und waren ursprünglich für ein Theater bestimmt, das Crassus der Bürgerschaft zu stiften gedachte. Der Zensor hat sich eines anderen besonnen. Nun prunken sie in seinem Haus auf dem Palatin — ein Ärgernis für viele altrömisch denkende, dem Luxus feindlich gesinnte Patrizier. L. Crassus ist Großspekulant in Mietshäusern; er läßt einen Wohnblock nach dem anderen auf dem teuren Grund der Innenstadt aufführen und überläßt sie zur Weitervermietung einem Pächter, der die Wohnungen an Interessenten vergibt. Für die Zimmer in diesen „insulae" — von vier Straßen umgrenzten, finsteren und bis zu drei und vier Stockwerken hoch aufgetürmten Kasernen mit schmutzigen Höfen — werden hohe Preise bezahlt. Crassus gilt bei den alten Geschlechtern als Emporkömmling, und man ist über diesen Nachbar auf dem Palatin nicht besonders erfreut. Dem Adel ist das vornehme Haus des Alt-Konsuls Q. Catulus — das ebenfalls auf dem Palatin hegt — ein Musterbeispiel guten Geschmacks, es ist „mit Citrusholz, Elfenbein und karthagischem Bodenbelag geschmückt". Im Grün des Parks stehen erlesene griechische Standbilder. In dieser Villa haben sich die Häupter der Optimatenpartei zusammengefunden, um Catulus, den Hausherrn — den soeben vom Kriegsschauplatz zurückgekehrten Sieger über die Kimbern —, zu feiern. Das Fest ist eine bewußte politische Kundgebung, da die übrige Stadt Marius als den 18
Sieger über die Kimbern zu feiern gedenkt und soeben die Vorbereitungen für seinen Triumphzug trifft. Die Optimatenpartei ist außer sich vor Empörung: Dieser Marius, Tagelöhnerssohn aus Arpinum, zum fünften Male Konsul, ist der verwöhnte Liebling des Volkes und darf sich nun auch ungestraft und unwidersprochen den Sieg über die Barbaren anmaßen, den in "Wirklichkeit Q. Catulus und seine Adelsreiterei gewonnen haben. Darum hatte sich auch der Alt-Konsul Catulus in äußerster Empörung vom Heere entfernt und war, dem Anmarsch des Marius voraus, nach Rom geeilt, um die Dinge noch zu seinen Gunsten zu wenden. Aber sein Bemühen war ohne Erfolg geblieben. Die Volkspartei hatte bereits gewaltige Kundgebungen für den „Sieger Marius" veranstaltet, so daß nichts mehr an den Tatsachen zu. ändern war. Wer ihr das Bild ihres Helden verdunkelt hätte, wäre von der fanatischen Menge erschlagen worden. In dem ausgedehnten Hain, der sich gleich .unter der Terrasse der Catulus-Villa öffnet, brennen Pechpfannen, deren flackernder Schein die weißen Marmorbilder, die längs der Kieswege aufgestellt sind, wie lebend erscheinen läßt. Senatoren gehen in kleinen Gruppen durch den Park; Frauenlachen schallt von dem kleinen Rundtempelchen herüber. Der Haushofmeister desCatulus hat hinterLorbeerbäumen griechische Musikanten aufgestellt, die mit Flötenund Saitenspiel die Gäste unterhalten; auf einer vom Mondschein erhellten Wiesenfläche tanzen schöne Sklavinnen. Kurz vor Mitternacht eilen Diener durch Haus und Garten und bitten die anwesenden Mitglieder des Senats in das Speisezimmer. In dem großräumigen Saal, der durch zahlreiche bronzene Öllampen erhellt ist, erwartet Q. Catulus seine Gäste. Als alle Geladenen versammelt sind, tritt der Hausherr an die Schmalseite des Raumes, wo ein kostbares Tuch einen Teil der Wandfläche bedeckt, er zieht den Vorhang beiseite und enthüllt eine große Bronzetafel, die ein seltsam geformtes Relief zeigt. Neugierig drängen die Senatoren näher heran. „Meine Freunde", beginnt der Konsul, „ich habe dieses seltene Stück durch Vermittlung des Hauslehrers meiner Kinder — des griechischen Gelehrten Gemisthos, der hier neben mir steht — erworben. Es ist einem Original in Griechenland nachgebildet. Gemisthos wird euch das Bild kurz erklären." 19
„Erlaubt mir, Väter", sagt der Grieche in schwerfälligem Latein, „einige erklärende Worte 1 Was man hier sieht, ist eine Landkarte, das heißt eine bildliche und verkleinerte Darstellung des Erdkreises: Gebirge, Flüsse und Meere sind entsprechend ihren Größenverhältnissen eingeritzt oder als erhabene Arbeit ausgeführt. Diese Kunst geht bis auf Anaximander zurück — einen Philosophen, der vor beinahe einem halben Jahrtausend gelebt hat. Man sagt, daß schon um die Zeit der ersten Perserkriege, also im 3. Jahrhundert nach der Gründung Roms, der weise Aristagoras zu Sparta eine sehr brauchbare erzene Karte besessen habe. Die Kunst der Erddarstellung hat sich seither in Hellas erheblich verbessert. Seit im vorigen Jahrhundert der weise Eratosthenes den Erdgradbogen zwischen Alexandria und dem oberen Nil gemessen hat, ist man sich nicht mehr im unklaren über die Krümmung und den Umfang der Erdoberfläche; die neuesten Karten weisen sogar schon Gradnetzmaße auf..." „Es ist genug, du kannst gehen, Gemisthos!" sagt der Konsul, der wohl bemerkt hat, daß die gelehrten Ausführungen die Mehrzahl seiner Gäste langweilen. Catulus tritt nun selbst vor die bronzegetriebene Land' karte und erläutert die Darstellung, zeigt die Lage Roms, die durch einen gezackten Mauerkranz und ein Rutenbündel angedeutet ist, und wendet die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer auf den gehügelten Bogen, der Italien nach Norden und Nordwesten abschließt — das Alpengebirge. An der Stelle, wo sich der Rhonestrom am Westrande des Gebirges hinschlängelt, vernarrt der Konsul. Nach einem Augenblick der Überlegung beginnt er mit seiner geplanten und wohlvorbereiteten Rede. „Senatoren und Ritter! Da es offenbar ist, daß die Ereignisse des Barbarenkrieges durch die Parteipropaganda entstellt und verzerrt worden sind, benütze ich die Gelegenheit, wenigstens diesen Kreis mit der Wahrheit bekannt zu machen. Ala vor nunmehr fast zwei Jahren9 die ersten Nachrichten kamen, die Kimbern und Teutonen seien wiederum in das Rhonetal eingebrochen, wußten wir noch nichts von den Plänen ihrer beiden Könige Boiorix und Teutobald. Heute durchschauen wir ihren Kriegsplan. Man kann dem strategischen Entwurf, der einen Zangenangriff gegen Italien vorsah, nicht seine Bewunderung versagen. 20
Während die Teutonen, geführt von der Irimbrischen Kernschar der Ambronen, den ihnen durch die Sage und gallische Heldenlieder bekannten Weg Hannibals über die alpinen Westpässe nehmen wollten, zogen die Kimbern den alten Marschpfad zurück, bis sie wieder ins Land der Ostalpen gelangten, um hier die im Jahre von Noreia erkundeten Pässe zu ersteigen. Hierbei fanden sie die Saumwege über den Brennerpaß und stießen auf diesem kürzeren Wege nach Italien herein. S Marius erwartete die Teutonen am Ufer der Rhone in einem verschanzten Lager. Die Barbaren versuchten in dreitägigem, wütendem Ansturm die Wälle zu nehmen. Als ihnen kein Erfolg beschieden war, ließen sie sich durch die uneinnehmbare römische Stellung nicht weiter aufhalten. In größter Unbekümmertheit zogen sie an dem abwartenden Römerheer vorbei in die Alpentäler. Ich habe mit Leuten gesprochen, die dieses Schauspiel sechs Tage lang erlebt haben, und alle sagten mir, daß dieses tatenlose Zusehen kaum zu ertragen gewesen wäre. Man stelle sich vor: Offiziere und Mannschaften stehen machtlos auf den Wällen, und unten im Tal rollt es tagelang ostwärts vorbei, die fellbedeckten, riesigen Krieger rufen in ihrer Sprache den Soldaten zu, sie möchten ihnen Bestellungen für ihre Frauen nach Italien mitgeben." „Man hat Marius eben wegen seines Zuwartens getadelt!" fallt Marcus Spurius ein. „Der Feldherr", fährt Catulus fort, „bemüht, seinen Fehler wieder gutzumachen, brach sofort das Lager ab und folgte den abrückenden Teutonen. Muß ein unange- I nehmer Marsch gewesen sein, immer in dichtgeschlossenen, kampfbereiten Kolonnen, jede Nacht das Lager befestigen und immer diese brüllende, alles niederwälzende Lawine vor sich .. ! An den Brunnen von Aquae Sextiä in der Nähe von Massilia (Marseille) stießen die Vorhuten aufeinander, es kam zum Geplänkel, aus dem sich die Schlacht entwickelte. Die Teutonen wurden fast restlos zusammengehauen. Es entspricht der Wahrheit, Senatoren, daß sich viele der teutonischen Frauen bis zuletzt mit der Waffe gewehrt haben. Als sie endlich den Untergang vor Augen sahen, als sie vergeblich unsere Legionäre anflehten, man möge sie nicht entehren, gaben sie sich zu Tausenden selbst den Tod." 21
„Bei Venus!" ruft der junge Patrizier Frontejus, „unsere Römerinnen hätten in ähnlicher Lage keinen Selbstmord begangen! Die Tage der standhaften Heldin Lucretia sind vorbei!" Als sich die Aufmerksamkeit wieder dem Sprecher zuwendet, fährt der Konsul fort: „Zur selben Zeit betraten im Nordosten die zahlenmäßig stärkeren Kimbern vom Brennerpaß her den Boden Italiens. Es waren schreckensvolle Tage, als die Flüchtlinge! aus dem Eisack- und Etschtal heranzogen und davon berichteten, daß die Berge von fremden, flachshaarigen Bewaffneten, von Weibern, Kindern, Viehherden und Wagenzügen wimmelten. Es war meine undankbare Aufgabe, das Etschtal zu schützen und den Austritt der Barbaren aus den Gebirgen zu verhindern. Bei Trient sperrten wir den Flußübergang, die Pioniere sicherten unseren Rückzug durch eine Holzbrücke. Allerdings ohne Erfolg, denn die Kimbern zeigten sich als geschickte Taktiker; sie warfen Baumstämme in den reißenden Fluß, die die Holzpfeiler zerbrachen —, die Brücke krachte zusammen, und ich stand mit zwei Legionen auf dem anderen Etschufer. Drüben aber rollte die barbarische Flut vorbei, südwärts — ins Po-Tal. Mit Mühe gelang mir die Rettung der Truppe." „Beim Hades!" grollt der alte Opimius, „es waren schlimme Zeiten! Halb Italien wollte nach Sizilien oder nach Afrika flüchten, selbst in Rom mußte man die Stadttore sperren, und auf dem Forum tobte die Menge gegen den Senat!" Der Alt-Konsul bittet um Ruhe. „Bei aller Furchtbarkeit", meint er, „sind diese Barbaren doch ebenso unbegreiflich wie närrisch gewesen! Ich glaube, wir haben sie nie völlig verstanden und vielleicht ganz unnötig Furcht vor ihnen gehabt. Was wollten sie denn eigentlich von uns? Bei ihrem ersten Auftreten waren sie bereit, sich Roms Gesetz zu unterwerfen: Bei Nbreiaj erbaten sie sich von Papirius Carbo Siedlungsland innerhalb des Römerreiches und Saatgetreide; sie wollten gute Untertanen sein, ließen sie durch ihre Gesandten mitteilen. Als sie dann nach Jahren erneut auf Römer trafen, schickten sie Friedensbotschaften und boten Unterwerfung an; Land und Saatgetreide waren ihre einzigen Forderungen. Und auch jetzt, als Italien offen vor den Kimbern lag und 22
sie sich nehmen konnten, was sie erbaten, waren sie wiederum bereit, Land und Saatgetreide zu kaufen. Die Kimbern haben die günstige Stunde nicht genützt; nach ergebnislosen Beratungen liefen sie in der weiten Po-Ebene auseinander. Zurückgebliebene Kolonisten haben uns berichtet, wie sich die Waldmenschen in den Villen breitmachten, wie sie die Bäder und Warmluftheizungen bestaunten und den Luxus unseres Wohnens auskosteten. Erst im Frühjahr, als Marius bereits mit 50000 Mann heranrückte, traten sie wieder zum Heerbann zusammen. Und nun komme ich dazu, über die letzten Ereignisse zu berichten!" Der Hausherr zeigt an der Karte die Marschwege der gegnerischen Armeen. „Boiorix zog mit seinem Volk das Po-Tal aufwärts, vermutlich, um am seichteren Oberlaufe eine Furt zu finden. Auf den Baudinischen Feldern trafen wir — das heißt Marius mit seinen Proletarierlegionen und meine Reiterei, verstärkt durch die städtischen Truppenteile — auf die Kimbern. Es geschah etwas völlig Unerwartetes: Der König der Bombern schickte uns Boten zu, wir möchten Ort und Zeitpunkt der Schlacht bestimmen, da es nun einmal ausgemacht scheine, daß ein Zweikampf zwischen Born und den Kimbern über Land und Saatgut entscheiden müsse. H Ich habe mir oft Gedanken darüber gemacht, meine Freunde, und ich glaube, gerade diese offene, gänzlich unstrategische Herausforderung sagt uns viel über die Sinnesart der Barbaren. Sie sind ein entwurzeltes, wanderndes Volk, das, von sagenhafter Kunde über den reichen Süden, vom weithinstrahlenden Glanz des Imperiums angelockt, neues Siedlungsland suchte. Wie in Urtagen befanden sie sich auf Landnahmefahrt — starke, naive Menschen, die das Völkerschicksal zu früh oder zu spät aus der Geborgenheit entlassen hatte. Marius bestimmte den Vormittag des 30. Juli als Zeitpunkt für die Schlacht und als Ort die Baudinischen Felder bei Vercellae in Oberitalien." Catulus macht eine nachdenkliche Pause. „Ich muß zugeben", fährt er dann fort, „daß es die staatsmännische Pflicht des Marius war, die Kimbern zu betrügen, obgleich sich unser Ehrgefühl dagegen wehrte. Nun — wir kennen Marius gut genug, um zu wissen, daß er nicht unter derartigen Skrupeln leidet! 23
Er vereinbarte den Zeitpunkt der Schlacht, ließ aber seine Truppen schon in der Nacht vorher zur Umgehung ausrücken. Dabei verirrte er sich mit den von ihm persönlich geführten Legionen, so daß meine Truppen bei Beginn des Überfalls allein zu kämpfen hatten. Marius griff erst in das Gefecht ein, als die unter meiner Führung stehenden Legionen des Zentrums die Schlacht schon entschieden hatten! Eine dichte Staubwolke lag über der Wagenburg der Kimbern, die riesigen Kerle stöhnten und schwitzten und waren von der Sonne wie geblendet. Wir trafen sie mitten in der Aufstellung. Wie stählerne Keile stießen die Legionen gegen ihr Lager mit den Weibern, Kindern und Viehherden vor. Um die Wagenburg schlössen sich die Tapfersten der Barbaren zu einem lebenden Wall zusammen — Schild an Schild standen sie —, so daß ich mich genötigt sah, Schützenabteilungen heranzuholen, die Mann für Mann aus sicherer Entfernung erledigten!" Der Konsul macht eine Pause und starrt vor sich hin. „Nun begann eine furchtbare, grimmige Menschenschlächterei. Die Männer fielen wie Bäume unter der Axt; Frauen und Kinder wehrten sich auf und zwischen den Wagen, Hunderte von Mädchen stürzten sich ins Schwert, andere warfen sich unter die Räder der flüchtenden Wagen oder stießen sich den Dolch ins Herz. Ich habe Szenen gesehen, die an mein Herz rührten: Männer, die sich aus Verzweiflung selbst an die Hufe ihrer wildgewordenen Ochsen banden und sich tottrampeln ließen; Weiber, die ihre kleinen Kinder mit Stricken erhängten und selber an aufgerichteten Deichseln hingen, Knaben, die sich mit der Waffe ihrer gefallenen Väter selbst den Tod gaben, als wir ins Lager eindrangen. Zu Bergen lagen die Leichen. Es war ein Sieg, wie er überwältigender nicht gedacht werden konnte.. .1" „Aber Marius und seine Volkspartei", zürnt der alte Opimius, „sind schamlos genug, für sich Sieg und Triumphzug zu begehren!" „Was hilft unser Protest!" sagt Catulus. „Meine Le^ gionen haben einunddreißig, jene des Marius nur zwei Feldzeichen der Kimbern erbeutet. Meine Offiziere führten die Abordnung der Volksversammlung an die verschiedenen Kampfplätze: Dort, wo die Adelsreiterei und die Truppen meines Kommandos gestritten hatten, lagen die erschlagenen Feinde in dichten Reihen — auf der anderen 24
Seite, wo Marius verspätet in die bereits entschiedene Schlacht eingegriffen hatte, fanden sich kaum tausend Gefallene! Trotzdem wurde von den Tribunen der Sieg dem Marius zuerkannt!" Erregtes Stimmengewirr erfüllt den Raum. Immer wieder wird die Frage aufgeworfen, ob man wohl vor einer plebejisch-proletarischen Revolution stehe. Manche der Optimaten meinen, allein die Tatsache, daß Marius entgegen der Verfassung seit dem Jahre der Schlacht von Arausio viermal Konsul gewesen sei, zeige deutlich die Absichten der Umstürzler. Aber bald fließt das Gespräch wieder in ruhigeren Bahnen. Das hier versammelte Rom rechnet schon wieder mit dem realen Gewinn, den der Barbarensieg mit sich bringen wird. Hier und dort stehen Senatoren in Nischen beisammen, man hört, wie Zahlen genannt, Preise abgesprochen und Verhandlungen geführt werden. Catulus berichtet, daß trotz der vielen Selbsttötungen Zehntausende von Kimbern gefangengenommen seien, hauptsächlich Frauen und Kinder. Die starken Menschen sind gesuchte Ware. Man rühmt ihnen Fleiß, Kraft, Geschick und vor allem Treue nach. * Niemand ahnt, daß die Kämpfe der vergangenen Jahre nur ein frühes Wetterleuchten kommender Stürme sind. Der Tag ist nicht fern, an dem die gefangenen Söhne der Kimbern und Teutonen aus den Fechterschulen Capuas ausbrechen, den großen Sklavenkrieg entfesseln und Rom zum anderen Male in Furcht und Schrecken versetzen werden. Nach Jahrhunderten aber wird sich eine andere, höhere Sturmwelle aus dem Norden erheben und über die schwach und brüchig gewordenen Dämme des Imperiums brechen, erschütternd, verwüstend und zerstörend. * Es ist der dritte Tag vor den Iden des fünften Monats des Jahres 100. In den Straßen Roms herrscht lautes Getriebe. Hochbeladene Karren lärmen durch die engen Gassen, Händler rufen ihre Waren aus, an allen Ecken stehen Garköche vor ihren kleinen Herdfeuern und bieten die billigen Gerichte den Vorübergehenden an. 4
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Durch den flutenden Menschenstrom bahnt sich mit hastigem Schritt ein Senator seinen Weg. Der begleitende Sklave versucht, seinem Herrn durch lautes Schreien Platz zu schaffen. „Obacht! Macht Platz, ihr Leute, für den edlen Herrn Gajus Julius! Zurücktreten . . . ! " Drückende Hitze herrscht zwischen den hohen Häusern, und Gajus, das Oberhaupt der patrizischen Familie der Julier, atmet erleichtert auf, als er sein Ziel, das Haus seines Freundes Gajus Memmius, eines Führers der Volkspartei, erreicht hat und in die Kühle des Vorbaues eintritt. Der Pförtnersklave kann seinen Platz neben der Haustür nicht verlassen, um den Besucher anzukündigen, er ist angekettet, aber sein Händeklatschen benachrichtigt den Verwalter. Im Atrium bewundert der Julier, wie schon oft, die vornehme Schlichtheit des Kaumes. Die Decke ist nach alter Sitte in der Mitte geöffnet, aber von einem bunten Sonnensegel überspannt; die glatten Wände sind durch flache Wandpfeiler unterbrochen, vor denen prachtvolle hellenische Büsten, Bronzen und Vasen aufgestellt sind. Jedesmal von neuem ist der Julier beeindruckt von dem satten Purpurrot und dem tiefen Azurblau der Deckenornamente. „Heil dir, Gajus!" begrüßt Memmius, der aus einem der Seitengemächer tritt, seinen Gast. „Ich freue mich sehr, dich zu sehen. Hoffentlich ist es ein angenehmer Grund, der dich in mein Haus führt?" „Mehr seltsam als angenehm", sagt der Julier mit etwas verlegenem Lächeln, „wir haben die Hebamme im Haus. Meine Frau erwartet ihr erstes Kind. Mich hielt es nicht länger daheim, und so komme ich zu dir." Memmius lacht. „Meistens benehmen wir Männer uns in solchem Falle schlechter als die Frauen!" „Dieses Warten ist furchtbar", seufzt Gajus Julius. „Aber das sage ich dir: Wird es ein Sohn, Memmius, so soll mir das genügen, ich wünsche nicht, mehr Kinder zuhaben." Memmius sieht verwundert den Freund an. „Laß das nicht deine Senatskollegen hören!" scherzt er. „Sie betonen bei jeder Gelegenheit, daß Roms Kinder Roms Stärke seien. Und", fährt er ernster fort, „darin muß ich ihnen zustimmen. Wir brauchen mehr Söhne und 26
mehr Töchter, wenn wir die Herren der Welt bleiben wollen. Aber es erscheint mir notwendig, erst einmal die Lebensbedingungen der römischen Väter und Mütter zu verbessern, bevor man ihnen zumutet, eine zahlreiche Nachkommenschaft zu nähren und zu kleiden. Hier Wandel zu schaffen, sehe ich als eine der höchsten Aufgaben der Volkspartei an. Hoffen wir auf den großen und von allen verehrten Führer der Volksmassen — auf Marius! Der geniale Sohn eines Proletariers wird den unvergessenen Gajus Gracchus rächen, indem er seine Reformen und seine Revolution zum erfolgreichen Ende führt." Der Julier bückt verwundert auf. „Ich glaube, du überschätzt Marius. Niemand wird ihm sein militärisches Geschick absprechen, seine proletarische Abkunft empfiehlt ihn den Massen, wie ihn ein gewisses Maß von Gesetzlichkeit dem gemäßigten Flügel der Optimaten nahebringt —, aber ich sehe keine klare und energisch verfolgte politische Linie in seinem Handeln, sofern du nicht maßlosen Ehrgeiz als die Richtschnur und die Triebfeder seiner Taten nehmen willst." „Er wird Ratgeber finden . . . " „Ich weiß", entgegnet Gajus Julius, „du selbst bewirbst dich um das Konsulat, und du könntest auch der politische Betreuer des Marius s e i n . . . zöge der Felclherr nicht den Rat von Wahrsagerinnen und Hexen vor." Memmius lächelt. „Ich begreife nicht, weshalb du die Lage der Partei so schwarz siehst!" „Ich nenne nur einen Namen, vor dem ihr zittern mußtet: Lucius Cornelius Sulla!" „Er hat weder Soldaten, noch Geld oder ein Amt." „Sulla ist der Kandidat der Optimaten, hinter ihm steht alles, was Reichtum, Einfluß und Stellung zu verteidigen hat. Und Sulla ist sehr ernst zu nehmen, er ist der geborene Politiker; seine militärische Tüchtigkeit hat er bereits bewiesen. Ich sage dir, in dem Augenblick, in dem Marius den Griff nach der Diktatur wagt, wird Sulla die Waffen des Senats gegen das Volk führen." Memmius ist aufgestanden und in die Türöffnung getreten, die zur Terrasse hinausführt. Er schweigt in tiefen Gedanken, dann wendet er sich wieder seinem Besucher zu und wirft sich in einen der Sessel. „Wir müssen reformieren, mein Freund, oder das Verhängnis ist nicht mehr zu beschwören! Vielleicht brauchen 27
wir die Eaust eines Diktators, der das über alle Grenzen gequollene Gebilde des Imperiums zur neuen, besseren Form bändigt und preßt. Aber wer soll es sein? Marius? Sulla? Oder einer, der größer ist als beide und den noch der Schoß der Zukunft b i r g t . . . ? " In diesem Augenblick erscheint ein Sklave des Juliers aufgeregt unter der Tür. Er kniet nieder und kreuzt grüßend die Arme vor der Brust. Gajus fahrt auf, eilt auf ihn zu und schüttelt den atemlosen Sklaven an der Schulter. „Sprich!" sagt er, „ist es ein Knabe?" „Ja, Herr, und deine Gemahlin befindet sich w o h l . . . " Tief atmet Gajus Julius auf, Stolz und Freude leuchten ihm aus den Augen, als er die Glückwünsche des Hausjherrn entgegennimmt. „Alles Heil der Götter deinem Sohn !"sagt der Tribun „In der vergangenen Nacht ward ein Komet gesichtet, vielleicht ist er ein geheimnisvolles Vorzeichen und verleiht dem Knaben Ehre, Macht und Ruhm! Wie wirst du ihn nennen?" Ohne Zögern sagt der Vater den Namen, der über viele Jahrtausende klingen wird: „Gajus Julius Cäsar!"
Die Spannung in Rom nimmt zu. Es ist offenbar geworden, daß man ein Weltreich nicht mehr im Sinne der altertümlichen Stadtverfassung regieren kann, die vor Zeiten dem Vater-Sohn-Verhältnis der Patrizier und Plebejer eines bäuerlichen Gemeinwesens entsprochen hat. Die Optimaten, die Partei der Senatoren und Großgrundbesitzer, der Ritter und Millionäre, lehnt jede Veränderung ab. Seitdem die Populären, die Volkspartei, unter ihrem Führer Marius, dem siegreichen Feldherrn, mächtig geworden sind und ein Teil der Ritterschaft, der Neureichen und sogar einige wohlmeinende und weitschauende Patrizier sich den Populären angeschlossen haben, treiben die Dinge zum Bürgerkrieg. Es gilt, das Ärgste zu verhüten und — wenn auch widerstrebend — mit Marius zu verhandeln.
Die Straßenzüge des Stadtviertels Roma Quadrata, die zwischen dem Capitol- und dem Esquilin-Hügel das Tal 28
queren, sind bereits am frühen Vormittag belebt. Es ist nicht nur der wolkenlose Frühlingshimmel, der das Volk auf die Gassen und Plätze lockt — Rom fiebert unter der Spannung ernster politischer Entscheidungen. Von der ,Heiligen Straße' südlich des Forums steigt eine flache Treppengasse zum Esquilin empor. Obschon dort oben in den letzten Jahren unter alten Pinien und fächerigen Palmen viele Patriziervillen erbaut wurden, ist doch die Proletarier-Region der Subura zu nahe, als daß nicht auch hier Unruhe und Lärm die Straßen füllte. Auf steinernen Brunnenborden und Mauergesimsen stehen Redner der Volkspartei und schreien ihre politischen Parolen in die Gruppen entlassener Legionäre, landloser Bauern und beschäftigungsloser Handwerker und Arbeiter. Scharen von Sklaven, die unter Führung ihrer Aufseher auf dem Weg zu den Arbeitsplätzen sind, benützen die willkommene Gelegenheit zum Schwätzen und Faulenzen und versperren die Gasse. Viele der Zuhörer tragen unter der Tunika Schwerter, obschon es verboten ist, im Bereich der heiligen Bannmeile bewaffnet zu gehen. Durch die ansteigende Gasse bahnen die Haussklaven des Senators Sextius Nunnius ihrem Herrn einen Weg, indem sie die Gaffer mit ihren weißen Stäben anrühren oder, wo es nottut, rücksichtslos auf Köpfe und Rücken schlagen. Pfiffe gellen, und manchmal fliegt ein Stein gegen die Herrendiener. Hinter den Wegbereitern hüpft ein wadenloser und buckliger Zwerg, den der Senator auf dem römischen „Markt der Mißgeburten" für ein paar tausend Sesterzen gekauft hat. In der Mitte der Gasse gelingt es selbst den Knütteln der Sklaven nicht mehr, Platz zu schaffen. Der Weg ist von einer dichten Menschenmenge versperrt, die einem Volksredner zuhört. „ . . . Noch immer gibt es vier Klassen von Menschen im Staate", gellt die Stimme des Agitators, „hoch oben die Patrizier, dann die von den Optimaten geknechteten Bürger Roms, dann die italischen Bundesgenossen und ganz unten schließlich die Unterworfenen der Provinzen. Was wäre, wenn wir unseren Marius und den Tribunen Saturninus nicht hätten? Es bliebe bis in alle Ewigkeit eine unerträgliche Kluft nicht nur zwischen Bürgern und Nichtbürgern, sondern auch zwischen Besitzenden und Habe29
nichtsen. Wir aber wollen den Ausgleich, denn schließlich haben Römer wie Italiker Schulter an Schulter gefochten, und nicht nur der Patrizier hat Land erobert und die Staatskassen gefüllt, sondern auch der Legionär . . . " Donnernder Beifall unterbricht den Redner. „Nur den Anträgen des Tribuns Saturninus", fährt er fort, „verdanken wir es, daß die Landverteilung an die Veteranen in Afrika wiederaufgenommen worden ist; nur der Volkspartei ist es gelungen, die Untersuchung der Korruption, der sich die Herren Optimaten schuldig gemacht haben, durchzusetzen. Denkt an die gestohlenen Tempelschätze von Tolosa! Wenn die Senatoren endlich das dem Volke geraubte Beutegut der letzten Kriege herausgeben, ist Geld genug in den Kassen, um jedem Kolonisten eine staatliche Erstausrüstung zu gewähren. Es lebe das Untersuchungsgericht des Saturnmus, das den Ausbeutern auf die Sprünge gekommen ist!" Schmährufe gegen die Patrizier werden laut. Fäuste und Stöcke erheben sich drohend. Ein Bettler springt neben den Redner auf die Mauer, mit heiserer Stimme lobt er den Tribunen der Armen. War es nicht Saturninus, der die öffentliche Getreideverteilung neu geregelt hat? War ehedem nicht ein Scheffel Getreide auf dem Armenmarkt von Rom fast unerschwinglich und sind seit Saturninus nicht die Verteilungsgebühren auf ein Siebtel des Preises gefallen? Bekommt man heute doch das Brot fast geschenkt! „Warum ist das früher nicht möglich gewesen?" schreit der Agitator. „Es lebe die Volkspartei! Hoch Marius! Hoch Saturninus!" Senator Sextius Nunnius fühlt sich äußerst unbehaglich inmitten der aufbegehrenden Masse. Verstohlen winkt er seinen Sklaven, daß sie ihm den Weg nach rückwärts freimachen. Eben als er sich zu gehen anschickt, kommt der ^^trizische Konsul des Jahres, Lucius Valerius Flaccus, egleitet von zwölf Liktoren, des Weges. Zögernd gibt die Menge die Gasse frei. Der Anblick der Liktoren mit den Rutenbündeln, den Zeichen der richterlichen Gewalt, verfehlt selbst in diesen Tagen nicht seine Wirkung. Die beiden Standesgenossen begrüßen sich, dann folgen sie durch eine Gasse des Schweigens den Sklaven. In hellem Rot leuchten die senatorischen Schuhe, die mit lackierten 30
Riemen —schwarzverschnürt bei Nunnius und rotverschnürt bei Konsul Valerius — bis zur Hälfte der Waden aufgebunden sind. „Wir tun diesem Proletarier zuviel Ehre an", beginnt Nunnius das Gespräch. Die beiden Männer befinden sich auf dem Wege ins Privathaus des Marius, um mit ihm die Staatsangelegenheiten offen zu besprechen. „Noch kein Gang ist mir so schwer geworden wie dieser", fährt der Senator fort, als sie die Straße einherschreiten. „Es ist ein Bettelgang. Am liebsten kehrte ich um!" Da sie eben eine Stelle erreicht haben, die den Blick zwischen den Mauern auf das Tal des Forum Romanum freigibt, bleibt Lucius Valerius stehen und deutet hinab. „§ieh das Gewimmel! Kaum, daß die dritte Morgenstunde11 angebrochen ist, drängt sich das Volk zuhauf. Der Ausbruch dieses Vulkans wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Hat der Senat nicht recht, wenn er der Meinung ist, daß die Erhaltung dieser Stadt und dieses Staates selbst die demütigende Verhandlung im Hause des Marius wert sei? Schließlich ist Gajus Marius nun zum sechsten Male Konsul Roms." „Trotzdem bleibt e3 eine Schande", beharrt Sextius Nunnius, „daß die ältesten Familien Roms gezwungen werden, einem ehemaligen Taglöhnerssohn gute Worte zu geben. Ich weiß, der Mann hat Karriere gemacht, hat sich im Heere ausgezeichnet, ist zu unserem Schaden General und schließlich Feldherr geworden. Er hat dazu beigetragen, daß die Kimbern und Teutonen geschlagen worden sind, aber sympathischer ist er mir auch dadurch nicht geworden." „Er ist der Abgott der Massen", wendet der Konsul ein, „das Volk erwartet von ihm die Fortführung der Gracchischen Reformen — und wir, lieber Sextius Nunnius, wir fürchten, daß er sie wirklich fortführt; denn die Agrarreform würde auf unsere Kosten gehen. Deshalb bin ich dafür, daß wir die Dinge hinauszögern, wenn nicht gar verhüten." „Weit genug sind wir gekommen!" entgegnet Nunnius erbittert. „Männer wie du und ich pilgern zu einem Manne, dessen Vorfahren unseren Vätern als Ochsentreiber gedient haben. Nur der Druck der Verhältnisse hat ihn emporgetragen und zum Herrn des Staates gemacht." 31
„Mag sein, mein Freund, aber an den Tatsachen können auch wir nicht rütteln. Man muß sie anerkennen. Doch tröste dich, Leute dieses Schlages sind immer zu bestechen, j j Nunnius blickt seinen Begleiter überrascht an. „Wie? Marius wäre käuflich? Man sagt doch von ihm, er habe saubere Hände?" Der Konsul lächelt. „Versteh mich nicht falsch! Diesen reich und mächtig gewordenen Proletariern darf man nicht plump kommen, etwa mit einer Handvoll Gold. Marius ist empfänglich für Achtung oder Mißachtung, für Ehrungen und Auszeichnungen. Man kauft ihn mit Liebenswürdigkeit und mit dem Appell an sein neues Standesbewußtsein. Wir müssen ihn begreifen lehren, daß ihn sein Amt zu einem der Unseren gemacht hat!" „Beim Hunde, Lucius Valerius, das wäre würdelos! Zu einem Kriecher werde ich nicht!" „Freund, die Zeiten haben sich geändert. Man kann die Plebejer heute nicht mehr durch Truppen zu Paaren treiben lassen, man muß sie politisch überspielen. Und das wird geschehen, verlaß dich darauf!" Die beiden Senatoren sind unterdessen an dem burgartigen Hause des Marius angelangt, das mitten in einem großen Park Hegt. Der Eingangsteil mit gemauerten Pfeilern trägt das schindelgedeckte Vordach. In einer Nische bemerkt Lucius Valerius eine Bildsäule des doppelgesichtigen Gottes Janus. Mit spöttischem Lächeln bleibt der Konsul vor dem Bildwerk stehen. „Der Gott des Eingangs und des Ausgangs, der mit einem Gesicht vorwärts, mit dem anderen rückwärts s c h a u t . . . kein besseres Sinnbild hätte für Marius gepaßt! Ist er doch selber einer, der vorwärts und rückwärts schielt, der die Freundschaft des Senats nicht verlieren will, weil sie den Emporgekommenen ehrt und erhebt, und der trotzdem an der Partei der Populären hängt, weil er auch die Volksgunst nicht einbüßen möchte." Bildseite rechts: oben: Inneres eines altrömischen Hauses; M i t t e : Schreibgriffel (Stilus) und Wachstafel; Papyrusrollen mit heraushängendem Band (Syllabos), auf dem der Inhalt angegeben ist, der Text ist in schmale Spalten aufgeteilt; angelehnt an den Bollenbehälter ein mehrteiliges, aufklappbares Wachstafelbuch; rechts daneben: Garküche; u n t e n : römische Bäckerei.
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Sextius NiiniiiuB zuckt verächtlich die Schultern, finster winkt er einem Sklaven, den bronzenen Hammer zu betätigen, der den Pförtner ruft. Durch den Pfortnerbau erreichen die Besucher die von Piniengebälk überdachte Halle des Atriums. Man sieht durch den geräumigen Saal in eine weite Flucht von Zimmern bis zum offenen, säulenumstandenen Innenhof. Verschiedenfarbener Marmor, hellenische Statuen und syrische Vorhänge zeugen vom Reichtum des Hausherrn. Konsul Gajus Marius steht erwartend vor dem kleinen, mit bunten keramischen Platten ausgelegten Wasserbekken in der Mitte des Raumes. Das helle Licht aus der rechteckigen Öffnung des Daches umflutet seine breite, ein wenig plump wirkende Gestalt. Marius trägt die Toga praetexta, die purpurumsäumte Toga des amtierenden Konsuls, und die rotverschnürten, konsularischen Stiefel. Er geht den Besuchern einige Schritte entgegen. „Die Häupter des Senats sind bereits versammelt!" ruft er gutgelaunt. „Willkommen, Konsulatskollege, willkommen, Sextius Nunnius!" Der Konsul geleitet seine Gäste unter unverbindlichem Geplauder in den linken Flügel des Hauses; sie durchqueren den mosaik- und teppichgeschmückten Speisesaal. Tn dem anschließenden Raum finden sie die Senatoren in Gruppen beisammenstehen, einige sitzen auf den Polsterbänken oder lagern auf den hellenischen Ruhebetten. Haussklaven in weißen Tuniken eilen hin und her und bringen Früchte, Zuckerwerk und Wein. Als Marius unter der Tür erscheint, verstummt das halblaut geführte Gespräch. Der Hausherr tritt in den freien Raum, der sich wie von selbst inmitten der Senatorengruppe geöffnet hat. „Ich bin bereit, die Vorschläge des Senats zu hören!" sagt er ohne Umschweife. Quintus Metellus, ein persönlicher Gegner des Konsuls, macht sich zum Sprecher der übrigen. Metellus hat zuletzt mit Marius in den Konsulatswahlen kandidiert, und seitdem sind die beiden Männer verfeindet. „Wir sind gekommen, den Konsul des Staates als den Träger der Vollzngsgewalt zu ersuchen, gegen die fortU
schreitende Bebellion der Volksmassen einzuschreiten. Das Amt des Konsuls berechtigt ihn, jeden Bürger, der gegen die Gesetze und Anordnungen des Senats verstößt oder der mit Waffen die Sicherheit des Staatswesens gefährdet, festzusetzen. Zu diesem Recht der Inhaftnahme tritt das Recht zur Verhängung erheblicher Geldstrafen. Zudem ist der Konsul Befehlshaber der Truppen mit Gewalt über Tod und Leben der Legionäre..." Mit lauter, polternder Stimme unterbricht ihn Marius. „Ich weiß, ich weiß, Quintus Metellus! Schließlich bin ich nicht zum erstenmal Konsul. Wozu diese Rechtsbelehrung?" „Damit du von ihr Gebrauch machst, Konsul Marius! Du bist das Haupt derselben Volkspartei, deren Anhänger mit schlecht verborgenen Schwertern, mit offen zur Schau getragenen Knütteln und unter lauten Drohungen die Gassen anfüllen. Was gedenkst du zu tun, Konsul des Staates ? " „Ich werde den Gesetzen Achtung verschaffen, selbstverständlich — es ist meine Pflicht..." „Wirklich? Aber sind nicht die übelsten Hetzer und Aufruhrer deine engsten Parteifreunde? Man sagt, die Volkspartei rechne mit der Unterstützung durch aktive Truppen — Proletariertruppen, die unter dem Kommando eines gewissen Konsuls Marius s t e h e n . . . " „Du gehst sehr weit, Metellus!" „Marius, in diesem Kreise pflegt man mit aller Offenheit zu reden! Wir sind mißtrauisch geworden. Du weißt, wie dein sechstes Konsulat zustande gekommen ist: durch Stimmenbettel und Stimmenkauf! Durch Versprechungen, Drohungen und — wenn ich nicht irre — auch durch den Terror derer, die heute wieder in den Gassen rebellieren." Der Hausherr tritt ganz nahe an seinen Gegner heran. In seinen Augen flackern Furcht und Zorn. „Ich glaube, wir haben uns in dieser Hinsicht nichts vorzuwerfen, Metellus! Die Volkspartei gebraucht einmal dieselben Mittel, die bei den Optimaten seit langem üblich sind. Im übrigen scheint es mir nicht aristokratisch, seinen Ärger über die Wahlniederlage und persönlichen Neid so öffentlich zur Schau zu stellen." Metellus wird unter dem Angriff des Gegners keineswegs kleinlaut. „Was wir fordern, Konsul, ist ein scharfes Vorgehen der Staatsgewalt gegen die Zusammenrottungen der Plebejer. 35
Dulden wir innerhalb der heiligen Bannmeile im Innern der Stadt das Bestehen bewaffneter Parteigarden, so wird der Bürgerkrieg unvermeidlich sein; denn, Marius, vergiß nicht, daß auch Senat und Ritterstand über waffenfähige Jugend und geschulte Gladiatorensklaven verfugen..." „Man wird zusehen . . . " , murmelt der Konsul unsicher. „Ferner muß die alte Heeresverfassung, die in den Jahren unserer Bedrängnis aufgegeben worden ist, wiederhergestellt werden", fährt Metellus unbeirrt fort. „Seit alters war das römische Heer eine Miliz von Bürgern mit Landeigentum, du aber hast die besitzlosen Proletarier zu den Waffen gerufen, hast sie mit Versprechungen auf Landzuteilung und hohen Sold gelockt und aus dem bewaffneten Aufgebot einer freien Nation ein Parteiheer geschaffen, das die Sicherheit des Staates bedroht." Marius unterdrückt ein boshaftes Lächeln. Es könnte den Herren Optimaten so passen, denkt er, die Parteigarde, die einzige sichere Stütze der Populären, aufzulösen und die Führer des Volkes ungeschützt der Rache der Patrizier zu überlassen! „Fordern ist leicht", sagt er dann, „nicht so leicht ist es, euren Forderungen gerecht zu werden. Erinnert euch an die vergangenen Jahre! Wir haben Kriege in Makedonien, Spanien, Afrika und gegen die aufrührerischen Sklaven Siziliens führen müssen, dazu kam der Einfall der Kimbern und Teutonen. Der Prätor Antonius kämpfte in der gleichen Zeit gegen das überhandnehmende Seeräuberunwesen: Aufgaben genug, ja, zu viele für das Bürgerheer Roms! Ihr habt es selbst erlebt, daß unsere Bürger und Bauern und die italischen Bundesgenossen sich weigerten, Soldat zu werden. Man läßt nicht gern sein Landgut jahrelang allein, um in den Legionen zu dienen. In Afrika waren Fahnenflucht und Meuterei an der Tagesordnung. Die Tage des Bürgerheeres sind vorbei. Rom ist zu groß geworden; seine Aufgaben in aller Welt, die zahlreichen, kaum befriedeten Provinzen verlangen nach einem stehenden Berufssoldatenheer. Woher aber soll ich als Feldherr die Rekruten nehmen, wenn nicht aus den Massen der Arbeitslosen, aus landhungrigen Proletariern und aus den Entwurzelten? Nun, das ist geschehen. Daß die Leute an mir hängen, wer könnte es ändern?" „Dann ist es also nur ein Zufall", wirft Sextius Nunnius bissig ein, „daß der Feldherr eines solchen Heeres zugleich 36
das Haupt der Revolutionspartei ist. Aber es wird dir nicht ungelegen sein, für alle Fälle das Heer zur Hand zu haben?" „Zuerst bin ich Konsul Roms!" braust Marius auf, „niemals werde ich einen Rechtsbruch begehen!" „Gut, Marius", beschwichtigt Metellus, „weil wir das annehmen, sind wir gekommen. Es wird leicht für dich sein, das vom Tribunen Saturninus eingebrachte Bodenreformgesetz als revolutionär abzulehnen und dafür zu sorgen, daß es nicht zu Unruhen kommt." In der Stimme des Marius bebt verhaltene Wut. „Als Konsul habe ich die Pflicht, beide Seiten zu hören. Was aber das Saturninische Ackergesetz anbelangt, so sage ich euch: Wenn die Optimaten heute nicht freiwillig etwas vom Überfluß ihrer Riesenländereien abgeben, so werden sie morgen alles an das Volk verlieren. Ist es denn unbillig, wenn Saturninus fordert, daß den ausscheidenden Veteranen Land in Südgallien zugeteilt werde und daß der Staat die Ausrüstung der Kolonisten übernehme?" „Ausgerechnet in Südgallien!" entrüstet sich Marcus Scaurus, „in den besten Weizen- und Weinbaugebieten!" „Mühselig genug war es, diese Ländereien einzurichten und vor den streitsüchtigen Grenznachbarn zu behaupten", ruft Metellus, „jetzt sollen wir alles ehrlich Erworbene Faulenzern und Tagedieben überlassen? Wir verweigern unsere Zustimmung, wo es sich um offenbaren Raub handelt!" „Die Zeit alter Vorrechte geht zu Ende", erwidert Marius, aber seine Haltung ist unsicher geworden. Als Quintus Metellus das Gespräch wieder auf die verfassungsmäßigen Pflichten des Konsuls lenkt, wagt Marius es nicht, sich noch einmal mit gleichem Nachdruck zu den Forderungen des Saturninus zu bekennen. Er verspricht, als Konsul die Ordnung des Staates zu wahren. Schließlich gibt er die Zusage, daß er Polizei und Truppen gegen seine eigenen Parteigänger einsetzen werde, wenn sie die Verfassung des Staates mißachten sollten. * Kaum haben die Senatoren das Haus des Marius verlassen, als der Prätor Glaucia und der Tribun Saturninus gemeldet werden. 37
In Begleitung des C. Servilius Glaucia und des Saturninus befindet sich auch der ehemalige Tribun Gajus Q. Memmius, einer vom alten Schlage der Partei, der noch zu Zeiten der Gracchen mitgekämpft hat. Die Führer der Volkspartei kommen, weil sie von den geheimen Verhandlungen ihres Bannerträgers Marius mit der Senatspartei gehört haben. Es ist schwer für den Konsul, beiden Lagern gerecht zu werden. Die Pflicht und eine geheime Neigung für den Glanz alter Tradition binden ihn an den Senat; der eigene Vorteil, seine Herkunft und das Gefühl der ausgleichenden Gerechtigkeit führen ihn immer wieder zur Volkspartei. „Sie fordern also Verzicht auf das Gesetz des Saturninus?" poltert Glaucia, ein schwarzhaariger, riesenlanger Kerl mit Fäusten wie Hämmer, „das würde den Herren so passen! Damit sie ihre Riesenbesitzungen ins Unendliche vergrößern und die Massen der Rechtlosen durch Hunger gefügig machen können! Aber daraus wird nichts! Das Gesetz geht durch — so oder so! Das Volk wartet auf unseren Marschbefehl. Wenn es nottut, werden wir Politik mit Brandfackeln und Schwertern machen!" „Die Veteranen des Marius", wirft Saturninus ein, „werden auf der Seite der Proletarier kämpfen, die ihre Interessen vertreten." Jetzt müßte der Konsul gegen dieses frevlerische Ansinnen Einspruch erheben und die Parteifreunde zurückhalten. Ist er zu schwach, den Widerspruch der eigenen Partei herauszufordern, oder meint er, das Spiel zwischen Senat und Volk immer noch beherrschen und bändigen zu können? Marius schweigt, seine Miene ist undurchdringlich, und Glaucia und Saturninus nehmen sein Schweigen für Zustimmung. Als sich die beiden Volksführer verabschieden, bleibt der alte Gajus Memmius zurück. „Marius", sagt er, „die beiden, die dich eben verlassen haben, gehen einen gefährlichen Weg. Du weißt, daß ich die Gracchen sterben sah, daß ich dabei war, als Römer gegen Römer in den Straßen der Stadt gekämpft haben. Ich möchte diesen Anblick nicht zum zweiten Male erleben. Glaucia und Saturninus sind keine Männer vom Format der Gracchen! Erkennst du nicht, Konsul, daß sich gewissenlose Glücksritter der Führung unserer Partei bemächtigt 38
haben? Große und heilige Volksrechte sind ihnen willkommene Mittel zu verruchten Zwecken geworden. Diese Leute suchen nichts anderes als Ämter und Reichtum. Das ist keine Bundesgenossenschaft, Marius, weder für dich noch für uns!" „Wir brauchen sie", erwidert der Konsul mutlos, „was bin ich ohne die Partei?" „Du könntest Schiedsrichter sein. Du brauchst sie nicht, sie aber brauchen dich. Der Weizen der Glaucia und Saturninus blüht nur so lange, als Marius nicht seinen eigenen Weg geht. Entreiße dich der Verstrickung! Übernimm das Erbe der Gracchen und denke daran, daß sie den Staat der Zukunft nicht mit den Maulhelden der Straße aufbauen, wollten, sondern daß sie ein Bündnis des anständigen Proletariats mit dem Ritterstande und der Mittelschicht erstrebten. Mob und Unterwelt können vielleicht Revolten erregen, aber zu echten Revolutionen sind sie nicht zu gebrauchen. Solche Kräfte waren noch nie in der Geschichte Grundpfeiler neuer Ordnungen." Marius ist aufgesprungen. H „Sei überzeugt, Gajus Memmius, daß ich den Terror dieser Abenteurer nicht dulden werde! Niemand soll vergessen, daß ich als Konsul Wahrer und Hüter der überkommenen Gesetze bin." „Wenn du so gesinnt bist, Marius, dann laß auch keinen Zweifel an deiner Staatstreue aufkommen! Du mußt dich entscheiden, ob du Roms Erneuerer sein willst oder der Vorspann dunkler Gewalten!"
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Der ewig unentschlossene Gajus Marius kann dem Gesetz seiner Natur nicht entrinnen; auch weiterhin treibt er mit beiden Parteien die doppelzüngige Politik, die ihm liegt. Aber trotz aller praktischen Klugheit ist sein beschränkter Geist dem gewagten Spiel nicht gewachsen; immer schwächer wird seine Position, immer tiefer untergräbt er seine Stellung. Während er mit Glaucia und seinen Anhängern über die bevorstehende Revolution verhandelt, bereitet er mit der Regierung die Maßnahmen vor, sie niederzuschlagen. Der Wille, auf jeden Fall bei der siegreichen Partei zu sein, ist die Triebfeder all seiner Unternehmungen. 39
Im Herbst des Jahres 100 fordern zwei aufeinanderfolgende Ereignisse die klare Stellungnahme des amtierenden Konsuls. Der Patrizier Quintus Gr. Nunnius, ein Neffe des gleichnamigen Senators, wird von einem Mauten marianisch gesinnter, von Glaucia aufgehetzter Soldaten und Arbeitslosen auf offenem Marktplatz erschlagen. Kaum hat sich die Empörung über die Gewalttat.etwas beruhigt, als Born durch ein weiteres Attentat in Unruhe versetzt wird. Terroristen ermorden den in allen Lagern beliebten G. Memmius. Memmius, der Tribun, ist bald nach seinem Gespräch mit Marina zur Regierungspartei übergegangen und hat es gewagt, sich als Rivale Glaucias um das Konsulat des kommenden Jahres zu bewerben. Skrupellos hat daraufhin der Führer des radikalen Flügels der Volkspartei seinen Konkurrenten beseitigen lassen. Ungeheure Erregung erfaßt die Weltstadt. Der Senat fordert den noch amtierenden Konsul Gajus Marius in Öffentlicher Sitzung auf, die Sicherheit des Staates durch hartes Durchgreifen wiederherzustellen. Widerstrebend führt Marius die Polizeiaktion gegen seine eigene Partei. Aber unaufhaltsam gleiten ihm die Ereignisse aus der Hand. Die Proletarier greifen zu den Waffen und wehren sich gegen die Verhaftung ihrer leitenden Männer. Die Pöbelhaufen, die unter Führung des Saturninus das Forum Romanum besetzen, beginnen zügellos zu plündern. Der erwartete, unselige Aufstand nimmt seinen Anfang. Am 10. Dezember findet innerhalb der Mauern eine erbitterte Schlacht zwischen Konservativen und Populären statt. Konsul Marius gibt der Senatspartei die Zeughäuser frei und läßt Schwerter, Helme und Schilder an den Adel und die Ritterschaft verteilen. Der Senat selbst, geführt von dem alten Marcus Scaurus, erscheint gewappnet auf dem Forum. Die zerstreut kämpfenden und ungeschulten Rebellen werden auf dem Capitol zusammengedrängt, erschlagen oder gefangengesetzt. Die Führer der Volkspartei, Glaucia und Saturninus, sind mit ihren Getreuen im kleinen Saal des Rathauses eingesperrt. Bewaffnete sichern die Ausgänge. Man hat die Aufrührer auf Befehl ihres Parteifreundes Marius dorthin gebracht, um ihr weiteres Schicksal einem künftigen Prozeß zu überlassen. Aber nun er40
weist sich, wie sehr Marius seinen Einfluß verspielt hat. Die siegreiche Adelspartei hört nicht mehr auf die Befehle des Konsuls. Hilflos muß der Feldherr der Ermordnung seiner alten Parteifreunde zusehen. Unter höhnischen Zurufen erklimmen die Söhne der Senatoren und Ritter das Dach des Rathauses und beginnen Ziegelplatten durch die Öffnung in der Mitte der Decke auf die wehrlosen Gefangenen hinabzuwerfen. Während das Volk schweigend, zwischen Teilnahme und Schadenfreude schwankend, auf dem Forum steht, während die bewaffnete Senatspartei die Stufen des Rathauses besetzt hält, klettern immer mehr patrizische Jünglinge auf das Dach und beteiligen sich an der furchtbaren Steinigung. Sie reißen die halbe Ziegeldecke ab, krachend fliegen die schweren Steine in das Innere. Manchmal vernimmt die harrende Menge draußen den lauten Todesschrei eines Gefangenen. Marius, der Konsul, drängt sich durch die versammelten Senatoren, tritt vor die schweigenden Männer der Gegenpartei und beschwört und bestürmt sie, das Leben der Gefangenen zu schonen. Achselzuckend, mit kaum verhehlter Verachtung, wenden sich die Senatoren von dem Manne ab, der seine eigenen Freunde verraten hat. Marcus Scaurus mißt Marius höhnisch vom Kopf bis zu den Füßen. „Es ist dein Sieg, Konsul!" sagt er mit grausamem Spott. Marius eilt über das Forum. Verzweifelt fleht er die Umstehenden an, dem Morden ein Ende zu setzen. Aus der Volksmenge, deren vergötterter Liebling Marius noch gestern gewesen, schlägt ihm offen Zorn undAbscheu entgegen. „Verräter! Senatsbüttel!" ruft man ihm zu. Da erkennt Marius, daß ihn dieser Tag alles gekostet hat; das große Spiel ist verloren. Marius wird nicht mehr mit der Unterstützung seiner Freunde rechnen können. Wenige Tage nach diesem 10. Dezember ruft der Senat Quintus Caecüius Metellus, den Todfeind des Konsuls, aus der Verbannung zurück. Das ist die offene Kampfansage! H Das Ansehen des Marius in Rom ist so sehr gesunken, daß ständig Mordanschläge seiner Gegner zu erwarten sind. So zieht er sich in den folgenden Jahren in die Provinz Asien zurück. Doch das Ringen um die Macht im 41
Staate geht unvermindert weiter. Auf und ab schwankt die Waage zwisohen Volks- und Senatspartei; neue Männer ergreifen das Ruder, werden gestürzt; andere treten an ihre Stelle, um ebenso zu versagen, bis man sich nach zwölf langen Jahren wieder des großen Namens entsinnt. Der amtierende Volkstribun Publius Sulpicius Rufus benützt die immer noch lebendige Erinnerung an den ruhmreichen Imperator Gajus Marius — sein Versagen auf dem Felde der Politik ist längst verziehen oder vergessen —, um mit seiner Hilfe der Sache der Populären endlich neuen Auftrieb zu geben. Marius ist inzwischen nach Rom zurückgekehrt und lebt fern allem politischen Geschehen. Im Atrium der Marius-Villa bestürmt der Tribun den neunundsechzig jähr igen Feldherrn, die Gunst des Augenblicks zu nützen. „Die Stunde ist gekommen, Marius", sagt er eindringlich, „alle Fehler der Vergangenheit mit einer einzigen kühnen Tat auszutilgen und auf dem Gipfel deines Lebens als Vollender der römischen Revolution in die Geschichte einzugehen. Aber eines tut not: Du mußt handeln, General, endlich klar und entschieden einem einzigen Ziel zustreben!" Marius, dessen Gesicht von Falten und Runzeln durchfurcht ist, hat sich müde auf dem griechischen Ruhebett ausgestreckt. Wie aus weiter Ferne hört er die Stimme des eifernden Tribunen. „Ja", murmelt er, „du wirst recht haben, Rufus, ich weiß es, mein Schicksal ruft mich, die Vorherbestimmung, die über allen Sterblichen und über den Göttern waltet, ist unausweichlich. Einstmals hat mir die afrikanische Seherin vorausgesagt, ich werde siebenmal Konsul Roms werden. Ich bin es sechsmal gewesen..,, einmal noch werde ich Konsul von Rom sein!" Sulpicius Rufus wehrt mißmutig ab. „Laß die Wahrsagerinnen, Sterndeuter und Scharlatane aus dem Spiel, Marius! Was du brauchst, ist politische Klarheit, nüchterne Abschätzung des Möglichen und Zielsicherheit in deinem Handeln." „Ich weiß, Sulpicius Rufus", bekennt Marius fast zu schnell, „was im Staatsleben entscheidet, ist die rechtzeitige und richtige Handhabung der Macht. Seitdem ich sie verloren habe, ist mir diese Einsicht zur Gewißheit geworden." 42
„Du wirst das Verlorene wieder erringen, wenn du den Willen hast, die Machtmittel anzuwenden, klug anzuwenden, General, die man dir in die Hand geben wird. Noch leben Zehntausende von Veteranen, die unter deinem ruhmreichen Kommando gefochten haben. Mit dem Namen Marius verbinden die Massen immer noch die Hoffnung auf politische Gleichberechtigung. Langst ist dein Verhalten bei dem unglücklichen Aufstand des Glaucia vergessen. Aber wichtiger als alles andere erscheint es mir, aus den Fehlern der Vergangeheit die notwendigen Lehren zu ziehen." ti \ Marius winkt ab. „Ach, laß ruhen, Rufus, was vorbei ist!" Doch der Tribun, der mit großen Schritten auf und ab geht, spricht beharrlich weiter. „Denk an den mächtigsten deiner alten Gegner, Marius! Wenn dir auch die Nennung seines Namens Schmerzen bereitet, so rufe ich dennoch den Konsul dieses Jahres, Cornelius Sulla, als Zeugeu dafür auf, daß die Betrachtung der Vergangenheit den politischen Blick für die Beurteilung der Gegenwart scharrt. Cornelius Sulla schreibt seit seiner Jugend au der Geschichte des Römertums, er fuhrt Tagebücher und hat sich an Cato, Polybios und anderen Historikern geschult. Versuche auch du, Marius, die Ereignisse von der Warte des Historikers aus zu betrachten! Muß ich dich daran erinnern, was seit jenem furchtbaren 10. Dezember geschehen ist, auf daß sich daraus um so klarer ergebe, was der morgige Tag von uns verlangt?" Der alte Imperator zuckt ergeben die Schultern. Der Einfluß des Sufpicius Rufus ist zu groß, als daß man ihm widersprechen dürfte. Da der Führer der Populären die Volksmassen hinter sich hat, ist der Mann, den Rufus zum Konsul vorschlägt, so gut wie gewählt. Sulpicius Rufus spricht von jenem Jahre, in dem Marius als Führer der besiegten Volkspartei die römische Bühne geräumt hatte, um in der Provinz Asien ein untergeordnetes Kommando zu übernehmen. „Du weißt", sagt er, „daß wir schon vor einem Menschenalter das römische Bürgerrecht auch für die italischen Bundesgenossen gefordert haben. Gajus Gracchus kämpfte für die Neuordnung des veralteten Systems, das nur dem freigeborenen Römer den vollen Anteil am eroberten Imperium gab, während die Brüder in den Samniterbergen, in den Gauen der Campanier und Umbrier und in den 43
italischen Städten wie Fremdlinge im gemeinsamen Heimatland behandelt worden sind; die Volkspartei ist seitdem niemals mehr von ihrer Forderung nach Gleichstellung aller Italiker abgewichen. Als du, mein General, Rom verlassen mußtest, fand die Volkspartei in einem Angehörigen der Patrizierklasse, in dem unvergessenen M. Livius Drusus einen stürmischen Verfechter ihrer Ideen; sein erstes Verlangen an den Staat war die Gleichstellung der italischen Bundesgenossen. Drusus wurde ermordet, seine Gesetze wurden für ungültig erklärt, und erst unter dem Eindruck dieses feindseligen Aktes — als alle gesetzlichen Mittel nichts halfen — griffen die italischen Bundesgenossen zu den Waffen."12 „Es war ein mörderischer Kampf", sagt Marius nachdenklich. „Damals war ich bereits wieder in Rom und begleitete das Heer als Legat." „Ja, du warst Legat!" erwidert Rufus schonungslos, „aber Feldherr war Sulla! Schrecklich habt ihr den Krieg geführt, Marius! SHavenjagd auf dem geheiligten Boden Italiens! Die hochadeligen Generäle haben ihre Großgüter für lange Zeit mit Sklaven, Frauen, Kindern und Männern italischer Herkunft, versorgen können! Wie leicht", fährt der Tribun fort, „hätte Rom in diesem Bürgerkriege untergehen können! Gerettet hat uns nur der altbewährte Staatsgrundsatz, den Gegner zu entzweien. Divide et impera! Nur dadurch, daß wir den treugebliebenen Bundesgenossen, den Latinern, Etruskern und Umbriern, sowie allen Überläufern das ersehnte Bürgerrecht gewährten, wurden wir des Aufstandes Herr . ! . " „Sage, SulpiciusRufus",fragt Marius nun ärgerlich, „weshalb erzählst du mir diese alten Geschichten? Du wirst doch nicht erwarten, daß ich Tränen des Mitgefühls vergieße, weil wir ungetreue Bundesgenossen gestraft haben . . . ? " „Nein, General, an dein Gefühl appelliere ich nicht, aber an deine politische Klugheit! Denn aus dem Geschehenen haben wir reichen'Gewinn gezogen: Die Volkspartei hat durch die Ereignisse wieder die Oberhand gewonnen. Gezwungen durch den verlustreichen Bundesgenossenkrieg, haben sich die Optimaten veranlaßt gesehen, den Italikern schließlich doch das römische Bürgerrecht zu gewähren — aber man hat sie wohlweislich in acht neue Tribus eingereiht, abgesondert von den 35 bisher bestehenden. Indem ich — als Tribun — nun die Forderung der Italiker unter44
stütze, daß sie in die alten Tribus aufgenommen werden und damit wirklich vor jeder Sonderbehandlung geschützt sind, verschaffe ich der Partei die Unterstützung der Bundesgenossen, die kaum erst die Waffen niedergelegt haben und noch in begreiflicher Erregung sind. Das ist der erste Wurf im Spiel, und er zählt hoch für uns." „Und der zweite?" ßH&ttf „Hör zu, General! Rom steht yor einem neuen Krieg. Fünfundsechzig Jahre hindurch hat sich der Osten ruhig verhalten, bis dieser skrupellose und gefährliche König Mithradates von Pontus aufgetaucht ist, ein Mann, der sich am Rande unserer Provinzen ein Reich zusammenerobert hat und dessen Einfluß heute schon von dei Halbinsel Krim über die Blaukasusländer bis nach Kleinasien reicht. Mithradates ist zu einer fürchterlichen Bedrohung geworden. Seien wir ehrlich: Ihm fliegen die Herzen der Provinzbevölkerung zu, weil sie von unseren Statthaltern, Steuerpächtern und Zöllnern nichts als Raub, Untreue und Demütigung erfahren mußte. Nur durch die Mißwirtschaft dieses korrupten Gesindels konnte es in der asiatischen Provinz zu dem blutigen Aufstand kommen, bei dem auf ein verabredetes Zeichen 80000 Italiker mitten im Frieden erschlagen worden sind." 13 „Wenn nicht ausgerechnet dieser Dummkopf Sulla Konsul wäre", fährt Marius auf, „dieses Liebfingskind des Senats, wenn man mir die Führung dieses Krieges überließe — bei Mars —, ich wollte diesen Barbarenkönig ins Schwarze Meer j a g e n . . . " „Ereifere dich nicht, General", unterbricht ihn der Tribun, „denn hiermit kommen wir zum eigentlichen Ziel unseres Gespräches: Du sollst Feldherr sein! Marius, nicht Sulla, soll den Krieg gegen Mithradates führen; du wirst — das ist unser aller Wunsch — die Legionen kommandieren und jene Macht noch einmal ausüben, die du leider vor zwölf Jahren so wenig zu gebrauchen wußtest; der Sieg ist dir gewiß, denn nach sicheren Nachrichten unserer Agenten ist König Mithradates selbst fest von seiner Niederlage überzeugt, da sein Heer schlecht ausgeruht und wenig geübt ist. Trotzdem wird die Niederwerfung des Mithradates in den Augen Roms und der Welt ein Triumph ersten Ranges sein. Diesen Propaganda- und Prestigeerfolg darf der Senat niemals für sich buchen; die zu erwartende ungeheure Beute muß durch die Volks45
partei verteilt werden. Alle Soldaten, die Bürger und großstadtischen Massen werden dem Manne folgen, der ihnen Gold, Brot und Äcker verspricht. Verstehst du, was ich meine, Marius?" „Und ob ich begreife! Noch einmal Feldherr sein, noch einmal an der Spitze meiner Veteranen zu Felde ziehen, noch einmal als Triumphator auf vergoldetem Wagen zum Capitol hinauffahren, das wäre die Wiederkehr meiner glücklichsten Tage! Ganz Rom wird jubelnd die Straßen säumen, und meine Feinde werden feige und winselnd vor mir kriechen. Nach einem solchen Tage mag ich ruhig zum Hades absteigen oder — wenn es wahr ist, was manche sagen — auch in das Nichts . . . " Sulpicius Rufus tritt nahe vor den alten Feldherrn. „Darum, Marius, habe ich dir die Vergangenheit so deutlich gemacht, weil in ihr allein die Möglichkeit beschlossen liegt, dem amtierenden Konsul Sulla das Kommando zu entreißen! Deshalb habe ich von Mithradates gesprochen, damit du hinter dem außenpolitischen Geschehen klar das Ziel unserer revolutionären Bestrebungen erkennst. Indem wir die Forderungen unserer Bundesgenossen unterstützen, gewinnen wir ganz Italien für unsere Sache; indem wir ihnen Aussicht auf Beute machen, sichern wir uns die großstädtischen Massen. Sie wünschen, die Verteilung der eroberten Schätze und Ländereien den habgierigen Händen der Optimaten zu entziehen. Indem wir Sulla vorwerfen, er wolle den verhaßten Senat in seine alten Rechte wiedereinsetzen, nehmen wir ihm die Gunst der Volksversammlung. Du, Marius, wirst das Kommando haben, und die Volkspartei wird — gestützt auf die Macht deiner Legionen — die Erfüllung ihrer Forderungen erzwingen. Besiege du den Mithradates, so wird es uns nicht schwer sein, die Optimaten zu schlagen!" Schwerfallig erhebt sich der Alte von seinem Lager und streckt dem Tribunen die Rechte hin. „Es gilt", sagt er, und ein Zug der Entschlossenheit geht über sein zerfurchtes Antlitz, „diesmal will ich die Stunde nützen, und sie wird mich in meiner alten Größe sehen." * Wenige Wochen späterjgeschieht das Unerhörte! Die Volksversammlung auf dem Marsfeld entzieht Sulla, dem patrizischen General, den Oberbefehl und zwingt ihn zur 46
Flucht aus der Stadt. Marius wird unter ungeheurem Jubel der Massen zum Feldherrn ernannt. Sofort gehen Eilkuriere des neuen Befehlshabers zu den Legionen nach Brindisi, in den Süden der italischen Halbinsel, ab. Dort warten die Truppen auf ihre Einschiffung. Aber auch Sulla bricht auf und reitet Tag und Nacht, um Marius zuvorzukommen. Sulla ist als erster zur Stelle und gewinnt die Legionen mit dem Hinweis, daß er der amtierende Konsul und deshalb nach der Verfassung der rechtmäßige Feldherr sei. Er gibt den Offizieren und Unterführern zu bedenken, daß sie im Falle eines Kommandowechsels ihrer Stellung und Vorrechte enthoben würden; denn Marius werde sich auf seine alten Veteranen stützen und ihnen alle einträglichen Stellen und den Hauptanteil der zu erwartenden Beute zukommen lassen. Stürmisch verlangen darauf die Truppen, Sulla möge sie nach Rom führen, damit sie mit dem Marianergesindel aufräumen könnten. Während im Osten die Vorhuten des Mithradates bereits Griechenland erreichen und die Städte Athen, Korinth und andere Plätze besetzen, liefert das zu seiner Bekämpfung bestimmte Heer auf den römischen Stadthügeln der Volkspartei eine grimmige Schlacht. Marius unterliegt; er und elf seiner engsten Freunde werden geächtet und müssen verkleidet entfliehen. Den Tribunen Sulpicius Rufus erschlagen sullanische Söldner im Straßenkampf. Der Senat wird wieder in seine Würde eingesetzt, die Optimatenpartei hat ihre Stellung stärker denn je befestigt. Marius entweicht in das Land, das seine große Vergangenheit sah, nach Afrika. In den Ruinen Karthagos haust er mit seinen Gefährten — ein vogelfreier Flüchtling, auf dessen Kopf ein hoher Preis gesetzt ist. Aber noch immer hofft der alte Löwe unentwegt auf die Erfüllung der Prophezeiung, die ihm sieben Konsulate verheißen h a t . . .
„Lucius Cornelius Cinna entbietet dem Imperator Marius Gruß und Freundschaft! y^\ Dies schreibe ich dir, Marius, um dich aus deinem Asyl nach Italien zu rufen, auf daß du zusammen mit deinen 47
Freunden die Macht ergreifen mögest. Höre, was 'sich seit deiner Flucht begeben hat! Sulla — Wortführer und Feldherr der Optimatenpartei — hat eine Reihe schwerwiegender politischer Fehler begangen, die wir, deine Freunde und Vertreter, klug genützt haben. Es sind Fehler, die sich nur aus der Veranlagung deines Gegners erklären lassen. Sulla ist eine merkwürdige Mischung aus überschäumender Tatkraft und schicksalsgläubigem Gleichmut; ein Mensch, der Größe, Bürgersinn, Todesmut und patrizischen Hochmut in sich vereinigt. Sulla ist zutiefst von der Fragwürdigkeit und Nebensächlichkeit all unseres Tuns überzeugt. Erliest stoische Philosophen und lebt nach den Regeln des Epikur; das heißt, seine Liebe gehört der Philosophie ebenso wie dem frohen Genuß des Lebens. Ein Redner auf dem Forum hat kürzlich treffend von ihm gesagt: ,Sulla ist halb Löwe, halb Fuchs, wobei aber der Fuchs gefährlicher ist als der Löwe . . | In seiner unbegreiflichen Lässigkeit hat dieser Mann nicht einmal die nach deiner Flucht besiegte Volkspartei verboten oder aufgelöst, ja, er hat sogar ihre Führer weiterhin im politischen Kampf geduldet. Mit mir zusammen sind heute die Tribunen Papirius Carbo und Quintus Sertorius in der Sache der Populären tätig. Sulla hat noch einen zweiten Fehler gemacht, durch den er sich weitere Sympathien verscherzt hat. Um Mittel für den Mithradatischen Krieg zu beschaffen, erließ er neue, einschneidende Zins- und Steuergesetze und zog sich damit den Zorn seiner eigenen Kaste, der reichen Senatoren und Ritter zu. Man spricht in Kreisen der Optimaten allgemein davon, Rom stünde vor der schwersten Finanzkrise seiner Geschichte; es sei unverantwortlich von der Regierung gewesen, weder den verlustreichen Bondesgenossehkrieg, noch den teuren Mithradatischen Feldzug verhindert zu haben. Die allgemeine Mißstimmung hat also Sullas politische Stellung gleich nach seinem Sieg erschüttert. Die Freundschaft der Italiker hat er sich auf immer verscherzt, weil er die Sulpicischen Reformgesetze, nach denen die Bundesgenossen den alirömischen Bürgern gleichgestellt werden sollten, aufhob. Die römischen Bürgerkolonisten, die du, mein Marius, mit Staatsmitteln ausgerüstet und auf Kosten der Großgrundbesitzer angesiedelt hast, erwarten ebenfalls nichts Gutes von Sulla, dem Vertreter der Optimaten. Die großstädtischen Massen 48
grollen, weil sie den Schwertern des Adels weichen mußten. In dieser Situation beging nun Sulla — du wirst es nicht für möglich halten — seinen letzten und bedeutendsten Fehler: Anstatt allein das Heft in der Hand zu behalten, veranlaßte er, daß das Konsulat des laufenden Jahres zwischen dem Patrizier Gnäus Octavius und mir, dem Vertreter der Populären, geteilt wurde. Zur Aufrechterhaltung des inneren Friedens begnügte sich Sulla, dieser seltsam gleichgültige Mensch, mit einem feierlichen Eide, den ich ihm vor versammeltem Volke zu leisten hatte: es sollte nichts an den Sullanischen Gesetzen geändert und kein Staatsstreich unternommen werden! Ich schwor natürlich; denn es gab keinen anderen Weg, den General zu überlisten. Bald nach Sullas Abreise zur Ostarmee brach der Streit aus. Ich habe mit Hilfe der Volkstribunen die Sulpicischen Gesetze wieder in Kraft gesetzt und Sullas Maßnahmen aufgehoben. Auf dem Forum stand das Volk, mit Schwertern und Stöcken bewaffnet. Unsere Leute rissen einen Redner der Senatspartei von der Tribüne und brüllten nach Marius! Da Heß Octavius die adelige Jugend in geschlossenem Angriff in die Volksmassen einbrechen — ein furchtbares Blutbad war die Folge. Man sagt, zehntausend Gefallene hätten an diesem blutigen ,Octaviustag'14 die Straßen und Plätze Roms bedeckt. Du kennst die Wankelmütigkeit der Massen, mein Feldherr! Umsonst rief ich die Proletarier der Unterstadt auf, vergeblich versprach ich sogar den Sklaven und den Fechtern der Gladiatorenscnulen Freiheit und Belohnung, wenn sie uns beistünden: Furcht wehte die Gassen leer. Die Volkspartei mußte Rom räumen, als der Pro-Konsul Gnäus Pompejus, den sie Strabo nennen, mit seinen Truppen herbeieilte. Quintus Sertorius und ich sind nach dem Norden Italiens gegangen, wo wir alle Unzufriedenen, die jnit der Volkspartei kämpfen wollen, zusammenziehen; auch mit den aufständischen Samnitern haben wir schon Verbindungen angeknüpft. Unser gemeinsamer Freund Papirius Carbo ist nach Sizilien geeilt, um dort den Aufstand zu entfesseln. Die Stunde der Rache ist da, Marius! Wir rufen dich . . . ! Kehre heim, Feldherr, die alte Weissagung wird sich erfüllen, du sollst zum siebten Male Konsul werden! 49
Laß uns Rom mit stürmender Hand nehmen und all unsere Rechnungen begleichen! Ich habe eine lange Liste von Namen zur Hand, Leute, die ich aus persönlichen und politischen Gründen zur Verantwortung ziehen will! Meine Freunde haben ähnliche Wünsche, und du — der du fast ein Jahr wie ein gehetztes Tier in den Höhlen von Karthago gehaust hast, immer in der Furcht vor den Henkern Sullas — wirst, wie ich mit Sicherheit annehme, ebenfalls den brennenden Wunsch haben, Rache zu üben für alles Unrecht, das man dir angetan. Komm zurück, Marius! Alles ist bereit." * Noch einmal betritt C. Marius die politische Bühne. Die Kunde von seiner bevorstehenden Rückkehr und seines schrecklichen Heranmarsches gegen Rom gelangt zusammen mit Hunderten von flehenden, Heimkehr und Rettung erbittenden Briefen ins griechische Hauptquartier der Sullanischen Armee. Marius zieht wie ein Rachegott durch die italischen Gaue. Er, der Imperator und Revolutionär, geht verwildert, in zerlumpten Kleidern einher, um der Welt zu zeigen, daß sich nun die Woge der Unterdrückten aus den Abgründen des Elends und der Not erhoben hat. Aus den Gebirgen laufen ihm die kaum besiegten Räuberhorden der Samniter und Lukaner zu; aus den Fechterschulen brechen die Gladiatorensklaven aus, und in Rom selber steht das Proletariat von neuem auf, wälzt sich aus der Vorstadt zum Forum und Capitol, alles niederreißend und zerstörend. Allzuviel haben die großen Geldleute, die Herren der Handelsgesellschaften, gesündigt; allzugroß waren Habgier und Ausbeutung. Jetzt bricht die Erde Italiens auf und schleudert revolutionäre Gewalten hervor. Aber nicht nur Italien erglüht im roten Brandschein; der gesamte Erdkreis wird von Unruhen geschüttelt und bäumt sich auf gegen die ausbeuterische Gewalt des Imperiums. Der Osten rast in Aufruhr; Mithradates hat sich geschickt zum Wortführer der Unterdrückten gemacht, abgrundtiefer Haß lenkt alle Racheströme gegen die Dämme Roms. Die Agenten des Königs durchwandern die Länder der Welt; sogar in Samnium, Lukanien und in den Sabinerbergen vor den Toren Roms rührt das Gold des Mithrada50
tes Feindschaft auf; Gesandtschaften gehen in das Lager der Marius-Armee, um den tödlichen Ejreis gegen Born zu schließen. Marius stürmt gegen Rom. Die schlecht verteidigte Stadt, in deren Mauern der Bürgerkrieg tobt, fallt als leichte Beute noch im gleichen Jahr in die Hand der Revolutionsarmee. Fünf Tage lang wird die reiche Stadt am Tiber von den. zügellosen Horden geplündert. Das Ende des Imperiums scheint gekommen. Aber noch gibt es überall Kräfte des Widerstandes: In Spanien steht ein senatstreues Heer im Kampf gegen die von Sertorius geführten Truppen der Volkspartei; die Verbündeten im Osten und Westen schwanken, auf welche Seite sie sich schlagen sollen — und noch lebt Sulla, der gefürchtetste und gefährlichste Feind der Populären. Anscheinend unbekümmert und unberührt von den Ereignissen in Rom und Italien, führt er weiter Krieg gegen die abtrünnigen und treulosen Städte und Stämme in Griechenland. Wohl sieht er das brandige Geflacker an allen Horizonten, aber er hat die Gewißheit, daß Rom durch die Feuerwände hindurchschreiten wird, ohne Schaden zu nehmen. Ihn trägt das Bewußtsein des Beistandes der Götter, die Macht des alten Jupiter Capitolinus hüllt ihn ein. Er weiß: Einst wird der Tagtommen, an dem er siegreich und richtend über den beruhigten Erdkreis schreiten wird, die alte Ordnung Roms neu zu errichten und die Götter in Ehren aufs Capitol heimzuführen. Religiöse Besessenheit hält ihn unerschütterlich an der großen Aufgabe fest. Schweren Herzens erteilt Sulla den Befehl zum Sturm auf Athen, um den mit Mithradates verbündeten griechischen Städten ein abschreckendes Beispiel zu geben. Seine Legionäre fällen die Platanen im Haine der Akademie, unter denen einst Piaton wandelte. Aus dem Holz der Bäume werden Belagerungsgeschütze gebaut, die Athens Festungswerke beschießen. Als die Mauern zerborsten und die Truppen zum Gewaltsturm angetreten sind, bitten die Athener um Gnade. „Es sei!" sagt Sulla, „ich will Athen schonen — nicht um seiner Lebenden, doch um seiner Toten 15
willen .. ."
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Er selbst trägt eine einzige Beute aus der eroberten Stadt: die gesammelten Werke des Aristoteles, die er von nun an im abendlichen Feldlager studiert, die er später 51
nach Rom bringen und damit*vor der Vernichtung bewahren wird. Im folgenden Jahre schlägt er zwei Heere des Mithradates in Mittelgriechenland, und nun schickt ihm sogar die "in Rom gebildete, revolutionäre Regierung ein von einem Volksparteüer geführtes Hilfskorps zur Unterstützung, das Mithradates an den Meerengen angreift. • In der Stadt Dardanus, an den südlichen Dardanellen, wo Sulla sein Hauptquartier aufgeschlagen hat, erreicht ihn ein Brief seines alten Freundes und Schwiegervaters Quintus Caecilius Metellus. * „Metellus an Sulla. — Glück und Heil zuvor! Da du, mein Cornelius, wie man mir berichtet, von allen Seiten bestürmt wirst, nach Italien zurückzukehren, um die Sache der Optimaten zu retten, laß auch mich ein Wort dazu sagen. Von der Einnahme Roms durch Marius weißt du. Wir — die Träger großer Namen und Besitzer umfangreicher Vermögen — wurden zum vogelfreien Wild für die Häscher des Proletariergenerals. Denn Rache war das einzige Programm, das der Greis aus den karthagischen Ruinen mitgebracht hatte. Jetzt — da ihm ein unbegreifliches Geschick die absolute Macht im Staate zugespielt hatte — wußte er keinen anderen Gebrauch davon zu machen, als seine persönlichen Feindschaften auszutragen und seinen Horden zu erlauben, eigene finanzielle und moralische Schulden mit dem Mordstahl zu begleichen. Die Banden rasten wie die wilden Tiere gegen die vornehmen Familien. Es genügte allein die Tatsache, in einem guten Hause zu wohnen oder Sklaven zu besitzen, um als verdammenswerter Optimat zu gelten. Ganze Familien des Hochadels sind ausgerottet, riesige Vermögen konfisziert und verschleudert. Marius ist zwar zum siebten Male Konsul geworden, aber schon nach wenigen Tagen raffte ihn ein Lungenleiden hinweg16. Man sagt, die Angst vor der Vergeltung und die Aufregungen der letzten Monate hätten seine Gesundheit untergraben, nun — möge ihm der Hades schwer werden! Mir gelang mit einer kleinen Schar meiner Leute die Flucht nach Lukanien, wo wir den Kleinkrieg gegen die 52
Revolutionäre weiterfuhren. Deine Familie lebt in Sicherheit auf ihrem Landgut. Nun aber laß dir sagen, mein Cornelius, daß du falsch und unrömisch handeln würdest, wenn du jetzt nach Born zurückkehrtest, um uns in unserer Not zu helfen! Was immer auch Rom mit sich selbst auszumachen hat, zuerst muß gegen Barbaren und äußere Feinde das Schwert geführt werden. Das hat sogar Cinna begriffen, als er dir Valerius Flaccus mit zwei Legionen zu Hufe geschickt hat. Wir Römer aus den alten Geschlechtern wollen uns nicht von Cinna beschämen lassen: Rom zuerst, mein Sulla! Darum, wirf Mithradates nieder, dann erst magst du daran denken, Rache an den Mördern deiner Freunde und Verwandten zu nehmen!" * Zwei Jahre lang geht der Krieg gegen Mithradates weiter, bis der König, Eroberer Südrußlands, Kleinasiens und Griechenlands, in die Enge getrieben, Sulla um Friedensverhandlungenbittet.ZuDardanusandenDardanellenwird der Friede geschlossen. Mithradates muß Flotte und Kriegsschatz ausliefern; den ihm verbündeten Städten wird eine ungeheure Strafsumme auferlegt. In diesen Wochen erhält Sulla eine Mitteilung aus Rom, deren ganze Bedeutung ihm erst später zum Bewußtsein kommt. Absender ist der zweiundzwanzigjährige Patriziersohn Gnäus Pompejus17. „Gnäus Pompejus, der Sohn des Pro-Konsuls Gnäus Pompejus — den man Strabo nannte —, sendet dies dem Imperator Sulla!" Als er diese Anrede liest, stutzt Sulla. Strabo — denkt er —, das war der Konsul des Jahres vor meiner Abreise nach dem Osten, ein ehrenhafter und gerechter Mann. War er nicht hoher Offizier im Bundesgenossenkrieg, hatte Strabo nicht Sardinien, dann Sizilien für den Senat verwaltet und sich dabei ein gewaltiges Vermögen erworben? Aber — sinnt der Feldherr weiter —, die Männer dieser Familie sind keine Optimaten, obschon Strabo im Auftrag des Senats gegen Marius gekämpft hat. Von dem jungen Pompejus sagt man sogar, er habe freiwillig als Offizier in. der revolutionären Armee gedient. Sulla liest: & 53
„Wenn du wohlauf bist, Imperator, so haben die Götter mein Gebet erhört. In dir sehen die wohlgesinnten Römer die Hoffnung des Vaterlandes, du gibst ihnen Aussicht auf eine Veränderung der gegenwärtigen, unerträglichen Zustände des Staates. Erlaube mir, o Feldherr, dir diese Worte, die aus meinem Munde vielleicht überraschend klingen mögen, zu erklären. Ich habe unter Cinna in der Armee gedient und dachte, Rom an meinem Platze zu nützen, so wie ja auch du Siege im Osten erfochten hast, obschon ein Cinna in Rom regierte. Doch die Proletarier sahen in mir nur den Sproß einer vornehmen und reichen Familie. Besonders den Reichtum nahmen sie mir übel, und sie versuchten, mich unter fadenscheinigem Vorwand um mein ererbtes Vermögen zu bringen. Ich bin aus der Armee ausgetreten, weil ich eingesehen habe, daß ein Aristokrat mit den Leuten des Cinna auf die Dauer nicht auszukommen vermag. Die Volkspartei verfällt immer mehr. Außer Quintus Sertorius steht kein tüchtiger General mehr in ihren Diensten. Von Cinna spreche ich nicht, denn er scheint zu beabsichtigen, dir, mein Feldherr, den schon gewonnenen Sieg über Mithradates im letzten Augenblick zu entreißen, indem er sich selbst nach Asien einschifft, um dann von dort als Triumphator mit der gesamten Beute nach Romj heimzukehren. Wir wollen abwarten, ob es dazu kommt. Ich und meine Freunde sind fest entschlossen, dir im Falle deiner Rückkehr nach Italien sogleich drei kriegsstarke Legionen, die wir aus unserem eigenen Vermögen besolden und ausrüsten, zuzuführen. Das ist es, Imperator, was dir Gnäus Pompejus zu sagen hat."
Wenige Tage später bringt ein Schnellsegler eine kurze, aber inhaltsschwere Depesche der römischen Parteifreunde. „Lucius Cornelius Cinna wurde gestern, zwei Tage nach den Nonen des Februar des Jahres 84 im Hauptlager der Legionen zu Ancona von meuternden Soldaten erschlagen. Kehre zurück, Imperator, Rom erwartet dich!" * 54
Im Frühjahr des folgenden Jahres landet Sulla seine vier Veteranenlegionen in Brindisi, an der adriatißchen Küste Süditaliens. Alle versprengten Optimaten und geflüchteten Patrizier eilen zu seinen Standarten, Pompejus aberfuhrt ihm die versprochenen dreiLegionenVerstarkung zu. Dann zwingt der unbegreifliche Sulla seine rachedurstigen Truppen Mann für Mann zu dem Schwur, den kommenden Kampf menschlich und mit aller Rücksicht, wie es Römern gegen Körner zukomme, zu führen. Hunderttausend bewaffnete Proletarier, Kolonisten, Sklaven und Kolonialsoldaten treten dem heimgekehrten Sulla entgegen; die Samnifcer erheben sich zu neuer und letzter Rebellion. Pontius von Telesia, der Führer der verzweifelten Italiker, spricht angesichts Roms die furchtbaren Worte: „Um die Wölfe, die Italien die Freiheit genommen haben, loszuwerden, muß man den Wald ausrotten, in dem sie h a u s e n . . . " Pontius will Rom anzünden und austilgen. Aber ehe es zu dieser Freveltat kommen kann, werden die Samnifcer geschlagen. Rom ist gerettet. Zu Praenesfce schließen die Truppen der Optimaten das Proletarierheer ein; sein Feldherr, der jüngere Marius, tötet sich selbst, während die Rächer die Mauern Praenestes ersteigen. Nun bricht alles zusammen. Sertorius und andere Häupter der Revolutionsregierung entkommen. In Afrika, in Spanien und auf Sizilien bricht der Bürgerkrieg zwischen den Parteien aus. .. aber Rom erlebt den siegreichen Einzug des Sulla, der als echter Stoiker nicht seinem Verdienst, sondern dem Glück Triumph und Wandel zuschreibt. „Sulla felix" — der glückliche Sulla — wird der Diktator Roms. „Marcus L. Orassus, der Senator, entbietet seinem Geschäftefreund, dem Licinius Lucullus, Grüße und erfleht für ihn den Segen der Götter! Alles Heil dir, treuer Licinius! Du hast mich in deinem letzten Briefe gebeten, dir über die Verhältnisse in Rom zu berichten. Zunächst möchte ich dir dringend abraten, jetzt schon hierher zurückzukehren. Die Hauptstadt ist immer noch vulkanischer Boden, sie verschlingt manchen, der erst am 55
Abend vorher aus dem Nichts zum Millionär geworden ist. Wenn du also hier nichts zu verlieren hast, so bleib, wo du [bist, mein Licinius! Denn vor Sulla sind selbst seine besten Freunde nicht sicher. Warte ab! Man sagt, der Diktator sei es bereits müde, Herr des Imperiums zu sein, er spricht von Abdankung und sehnt sich nach Puteoli am Golf von Neapel, wo er ein Landgut und seine geliebte Jagd hat. Wer wird jemals Lucius Cornelius Sulla ganz begreifen? Allen Wohlgesinnten erschien es unfaßbar, als dieser maßvolle und überlegene Philosoph, der den Truppen den Eid der Schonung abgenommen, mit dem Einzug in Rom zum blutgierigen Tiger geworden ist. Niemand versteht es, warum sich der Stoiker und Epikuräer, der Liebhaber Aristotelischer Schriften, plötzlich so tatkräftig an dem wahnsinnigen Rachefeldzug der Optimaten beteiligte, den er vorher mit allen Mitteln zu verhindern versucht hatte. Wie ein schrecklicher Traum erscheinen mir heute die letzten Jahre. Es begann gleich mit dem Tage des Sieges, als die Legionen das Samniterheer geschlagen hatten. Viertausend Gefangene — Greise und halbe Knaben darunter — fielen in unsere Hände. Während Sulla den Senat im Marstempel versammelte, vernahmen wir draußen auf dem Truppenübungsplatz das Geklirr der Schwerter, das Schreien der Verlorenen, die von den Sullanischen Soldaten erbarmungslos niedergemacht wurden: alle viertausend, die letzten samnitischen Männer! Er aber, Sulla felix, saß da, lächelte und war vielleicht nur zu gleichgültig und zu müde, um das Wort zu sprechen, das den Gefangenen das Leben gerettet hätte. H Die Männer seines Gefolges, diese Emigranten und Flüchtlinge, die jahrelang vor den Volksmännern gezittert hatten, deren Verwandte und Freunde unter Marius und Oinna getötet worden waren, erkannten schnell, daß Sulla nichts tun würde, um ihren Rachegelüsten Einhalt zu gebieten. Gleich einem losgelassenen Wolfsrudel brachen sie in Rom ein. In den ersten Monaten des Sieges unserer Partei war jeder vogelfrei, der nicht über Beziehungen zu Sulla oder zu den Häuptern der Optimaten verfügte. Sulla selbst beglich skrupellos seine persönlichen Rechnungen. Einen Neffen des Marius, der in seine Hände gefallen war, ließ er zu Tode foltern; das Grab des alten Marius selbst wurde aufgerissen, die Gebeine wurden geschändet 56
„Born rar Zeit der Bepublik"
und in den Tiber geworfen. Am Servilischen Bassin, da, wo die Jugarische Gasse in den Marktplatz mündet, häuften sich die abgeschlagenen Köpfe der marianisch gesinnten Senatoren, die auf Befehl Sullas dort ausgestellt wurden. Wer zur Optimatenpartei gehörte, durfte ungestraft morden und rauben. Viele erschlugen ihre Gläubiger und wurden auf solche Art ihre Schulden los, andere bereinigten auf ähnliche Weise alte Eifersuchtsgeschichten. Konkurrenten in der B-angleiter der Beamtenstellen wurden kurzerhand niedergehauen — niemand fragte nach den Mördern. Ach Licinius, ich habe damals die Menschen verachten gelernt! Der Nachbar verriet den Nachbarn, der Freund den Freund, und sogar innerhalb der Familien zerriß die Politik alle Bande der Natur! 57
Als sich immer mehr Verbrecher die ungesetzliche Situation zunutze machten, als der erste Rachedurst gesättigt schien und die sullanischen Anhänger genug erbeutet hatten, griff Sulla endlich ein. Aber anstatt die Rache ganz zu beenden und dem Gesetz zum Siege zu verhelfen, brachte er sie nur in ein ausgeklügeltes System. W\ Proskriptionslisten wurden angeschlagen! Du hast sicher von dieser Einrichtung gehört. Männer, die Marius jemals einen Dienst erwiesen oder die der Volkspartei angehört hatten, ferner solche, deren Vergehen nur in ihrer Mißliebigkeit oder in ihren Schätzen bestand, wurden auf Tafeln aufgeführt und öffentlich für vogelfrei erklärt. Nach dem Gesetz sollte jeder, der einen dieser Geächteten tötete, nicht nur straffrei sein, sondern auch noch belohnt werden. Gleich Henkern ließen sich Bürger für die Köpfe der Unglücklichen eine Prämie von 12000 Denaren18 ausbezahlen. Du kannst dir denken, unter welch fadenscheinigen Beschuldigungen man Leute erschlug. Da konnte jemand Leben und vermögen verlieren, nur weil Cinna einmal in seinem Hause zu Gast geweilt hatte; als wenn es unter der Herrschaft dieses Tyrannen möglich gewesen wäre, ihn — den regierenden Konsul — zur Türe hinauszuwerfen! Die Politik, die heute in Rom gemacht wird, ist nichts weiter als ein riesiges Geschäft! Ich war selbst dabei, als Sulla — launisch und unberechenbar, wie er nun einmal ist — in Begleitung des Syrers Eleutherius, eines seiner alten Veteranen, über das Forum ging und gutgelaunt über einen neuen Soldatenwitz lachte. Plötzlich blieb der Diktator stehen und fragte den Syrer: ,Eleutherius, bist du eigentlich vermögend?' H Der Legionär verneinte erstaunt. Da führte ihn Sulla wortlos zu der Stelle hinüber, wo man eben das Landgut des marianischen Senators Papirius Garbo versteigerte. te »Wieviel Geld hast du?' fragte Sulla seinen Begleiter. Zweitausend Denare, Imperator!' antwortete der Veteran. ,Biete sie!' befahl Sulla, und Eleutherius gab gehorsam sein Gebot ab. Niemand wagte, ihn zu überbieten, und so erhielt der Glückliche im Handumdrehen einen riesigen Landbesitz zugesprochen, dessen Schätzwert ungefähr 6 Millionen beträgt. 58
Sullas Willkür übersteigt alle Grenzen. Nicht nach dem wirklichen Verdienst um unsere Sache, sondern ganz nach Laune und Belieben verschenkt er Millionenvermögen. Du wirst ebenso empört sein wie ich, teurer Freund, wenn du hörst, daß Sulla mich, Marcus Licinius Crassus, von allen Regierungsgeschäften ausgeschlossen hat, weil ihm einiges über mich zu Ohren gekommen sein soll. Ich habe nämlich in einigen Fällen den Familien von Proskibierten geholfen, indem ich mich im Testament von hingerichteten oder erschlagenen Marianern nachträglich als Erben eintragen ließ. Die Vermögen der Getöteten konnten dann nicht mehr beschlagnahmt werden. Später gab ich den Angehörigen die Erbmasse abzüglich einer Provision von fünfzig bis siebzig Prozent zurück. Anscheinend hat Sulla vergessen, daß die Marianer mir mein römisches Baugeschäft ruiniert, meine Güter beschlagnahmt und mich selbst in die Verbannung nach Afrika getrieben haben! Er will es nicht mehr wissen, daß ich einer der ersten war, die sich den sullanischen Truppen bei der Landung in Brindisi angeschlossen haben! Undank ist der Lohn in der Politik. Einen einzigen Mann seiner Umgebung überschüttet er allerdings mit Gunstbeweisen, das ist der junge Gnäus Pompejus, den der Diktator ,Magnus* — den Großen — nennt. Ich halte diesen Pompejus für einen durchaus gewöhnlichen, weder durch Bildung noch durch Geist oder Tatkraft besonders hervorragenden Menschen. Das einzige, in dem er wirklich Überragendes lernten soll, ist die Athletik. Er übertrifft alle seine Soldaten im Sprung, im Ringen und Schwertkampf. Aber das macht weder einen Feldherrn noch einen Staatsmann! Ich schließe mich von der allgemeinen Pompejus-Verehrung jedenfalls aus. Mir ist der Liebling Sullas zu eingebildet, zu leidenschaftslos und zu kaltherzig. Als Sulla es verlangte, hat er sogleich seine Gattin, die aus marianischem Geschlecht stammt, verbannt; selbst für gute Freunde rührt er keine Hand, wenn er zu erkennen glaubt, Sulla wolle sie geopfert sehen. Um so mehr freut es mich, mein Licinius, daß sich wenigstens ein Mann in Rom fand, der Sulla Widerstand zu leisten gewagt hat: ein ganz junger Patrizier von zwanzig Jahren — Gajus Julius Cäsar19. 59
"Wie dir vielleicht bekannt ist, hat dieser Neffe des Manns eine Tochter des China zur Frau, Grund genug, jählings das Leben zu verHeren! Andere haben in ähnlicher Lage ihre Gattinnen verstoßen, ihre freunde verlassen und mit tausend Eiden bekräftigt, daß sie nie die Sache des Marius unterstützt hätten. Als Sulla Cäsar befahl, sich von seiner Gattin zu trennen, soll dieser Tapfere gesagt haben: ,Sich in der Not von einem Menschen zu trennen, der in guten Tagen treu gewesen ist, ist eines edlen Römers unwürdig. Cornelia Ist und bleibt meine Gattin!* Sulla bewunderte die mutige Haltung und hat seither Julius Cäsar, trotz seiner starken Belastung, unbehelligt gelassen. Zu den Optimaten, die Caesars Tod forderten, soll er gesagt haben: »Hütet euch vor diesem Knaben! In ihm steckt mehr als ein Marios!' Für Sulla ist all das Geschehen, das uns und Hunderttausenden Glück oder Unglück bedeutete, ein Nichts! Er steht gleichsam neben dem Leben, sieht spöttisch zu und verachtet Triumph, Mord, Reichtum und Not —1 all das vergängliche, fragwürdige Gemisch von Erscheinungen, das wir unser Dasein nennen. Am meisten aber verachtet er die Menschen." *
Nachdem sich die Verhältnisse in Italien beruhigt haben und die Sullanische Partei sich fest in den Sattel geschwungen hat, faßt der Diktator seine Reformen in einer Reihe von Gesetzen zusammen. B Er stellt die volle Macht des Senats — der sich wieder aus dem Hochadel und den alten, reichen Familien zusammensetzt — von neuem her, erweitert das Kollegium auf sechshundert Mitglieder und beseitigt fast völlig das Einspruchsrecht der Tribunen. DeT Ritterstand muß seine Bündnispolitik mit der Volkspartei büßen, indem ihm Zollpacht und Richteramt in den Provinzen entzogen werden. Für den Anfang des Jahres befiehlt Sulla, dem immer noch ganz Rom zu Füßen liegt, entsprechend der von ihm selbst geschaffenen Verfassung die Löschung der Diktatur und die Wahl von zwei Konsuln. Publius Servilius und Appius Claudius übernehmen am 1. Januar feierlich das 60
höchste Amt des Staates. Sulla selbst erklärt vor versammeltem Volk, er werde sich ins Privatleben zurückziehen. Erstarrt und schweigend verharren die Massen auf dem Forum. H „Begebt euch zu den Konsuln, Liktores!" ruft der alte Diktator den 24 Trägern der Rutenbündel zu, die als ständige Begleiter des Staatsoberhauptes vor der Rednertribüne auf dem Forum stehen. Zögernd verlassen ihn die Beamten. Darauf entbindet Sulla die tausend Mann seiner Leibwache von Pflicht und Eid und steht nun allein und schutzlos einer Bürgerschaft gegenüber, unter der kaum ein Mann ist, dessen Verwandte oder Freunde nicht durch das Strafgericht der Sulla-Partei gelitten hatten. -;• I Jetzt, da er die Macht aus den Händen gelegt hat, spricht Sulla in überlegener Menschenverachtung seine Abschiedsworte. „Es möge vortreten, ihr Römer, wer immer Grund zur Klage gegen mich hat. Es ist der Augenblick gekommen, Beschwerden wider den Bürger Sulla vorzubringen!" Das wagt er in einer Stadt zu sagen, die jahrelang vor diesem Mann gezittert und die er zutiefet mit Schrecken und Angst erfüllt hat. H Aber niemand erhebt seine Stimme. Aufrecht verlaßt Sulla die Rednertribüne und geht mit unbewegtem Antlitz durch eine schweigende Gasse, die sich vor ihm öffnet. Einsam schreitet er über das Forum Romanum, fort von der politischen Bühne in den Frieden seines Landgutes. In seiner Villa zu Puteoli, angesichts des Meeres, widmet Sulla sich der Niederachrift geschichtlicher und biographischer Arbeiten und der Jagd in den ausgedehnten Wäldern. Ein Jahr nach seinem Rücktritt, im sechzigsten Jahr seines Lebens, wird er durch einen Blutsturz .hinweggerafft. Seine königlich geschmückte Leiche wird in feierlichem Zuge in die Hauptstadt gebracht, Tausende der alten Söldner schließen sich an; Liktorenbündel und Feldzeichen werden vorausgetragen; zweitausend goldene Ehrenkränze — eine letzte Gabe der getreuen Legionen — bedecken den Scheiterhaufen. Denn, obschon es nicht Familiensitte der Cornelier ist, die Toten zu verbrennen, befiehlt der Senat doch, diesen Leichnam dem Feuer zu überantworten, auf daß ihm nicht widerfahre, was den Überresten des Marius geschah. 61
ANMEBKÜNGEN *) M. lebte von 156 bis 86 v. Chr.; 107 von der Volkspartei (Populären) zum Konsul gewählt; im Ständekampf Borns Vorkämpfer der Volksrechte gegen die regierende Senatspartei (Optimaten); besonders bedeutsam wurde seine Beform des Militärwesens, durch die er minderbemittelten Bürgern die Möglichkeit bot, Berufssoldaten zu werden; — *) S. lebte-von 138 bis 78 v. Chr.; er stammte aus dem berühmten Patriziergeschlecht der Cornelier; als Führer der Senatspartei der entschiedenste Gegner des Marius und dessen sozialer und politischer Beformpläne; — 8) in dieser Zeit der Republik werden die Plebejer im allgemeinen gleichgesetzt mit dem 3. Stand, den nicht zum Amts- und Geburtsadel und nicht zur Großkaufmannschaft gehörenden Volksschichten; Vertreter reicher plebejischer Geschlechter konnten jedoch dem Senat angehören; — *) im Frühjahr 105; — •) in der Zeit der Republik Titel eines siegreichen Feldherrn, sofern ihn das Heer dazu ausrief;- er konnte sich beim Senat um den „Triumph" bewerben, den festlichen Siegeseinzug in die Stadt Rom; der Triumphzug führte vom Marsfeld durch die Porta triumphalis auf der Via saora zum Forum und Capitol, wo die Dankopfer dargebracht wurden; — •) der Reisende war Pytheas von Massilia (Marseille), der um 326 v. Chr. an der Westküste Europas entlang nach Norden segelte und bis zur Bernsteinküste (Jütland oder Ostpreußen) vordrang; — '•) das heutige Marseille, um 600 •• Chr. gegründet, einst Zentrum der griechischen Kultur im westlichen Mittelmeer; — •) zitiert nach dem römischen Dichter Martial, 1. Jh. n. Chr.; —- •) im Jahre 102 v.Chr. —10) im Jahre 101 v. Chr.; — n ) 9 Uhr vormittags; — u ) als Bundesgenossen galten die italischen Stämme außerhalb Borns, sie besaßen nicht das Bürgerrecht der Römer, waren aber zum Heeresdienst verpflichtet. Als Born ihnen das durch Drusus beantragte Bürgerrecht verweigerte, begann der Bundesgenossenkrieg (91—82 v. Chr.); die Aufständischen gründeten eine eigene Hauptstadt (Itala). Erst als Born das Bürgerrecht zugestand, konnte der Widerstand gebrochen werden; — l s ) im Jahre 88 v. Chr.; der Name des Königs ist auch Mithridates, beide Namensformen bedeuten „Geschenk des Gottes Mithras". Die drei Kriege der Römer gegen M. (Mithradatische Kriege) währten von 88 bis 63 v. Chr.; S M ) im Jahre 87 v. Chr.; — ") Zitat nach dem griechisch-römischen Historiker Plutarch (1./2. Jh. n.Chr.); — ") Marina starb im Jahre 86 v. Chr.; —1T) die Familie des P. war ursprünglich plebejischer Abstammung; Gnaeus P., 106—48 v. Chr., erwarb sich Kriegsrnhm durch seine Siege über die Anhänger des Marius in Sizilien,! Afrika nnd Spanien, über die aufständischen Sklaven unter Spartakus, über die Seeräuber und über Mithradates; er sicherte die römische Machtstellung im Orient; — 18) 1 Denar entsprach etwa 1 griech. Drachme; Metallwert etwa gleich IMark, der Kaufwert schwankte; — u) Cäsar, 100—44 v.Chr., entstammte einem hochadligen Geschlecht; er schloß sich aber der Volkspartei an; später unumschränkter Alleinherrscher in Rom.
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ZEITTAFEL 113—101 v. Chr.
Das germanische Volk der Kimbern, denen die Heimat in Nordjütland zu eng geworden ist (vielleicht durch gewaltige Überschwemmungen), ziehen nach Böhmen, dann in die Steiermark. In der Schlacht bei Noreia (113) besiegen sie hier ein Römerheer unter Papirius Carbo. Sie wenden sich an den Alpen entlang westwärts über den Rhein und erbitten Landzuteilung von den Römern. Als sie ihnen verwehrt wird, vernichten sie bei Arausio (105) drei Römerheere und dringen in Spanien ein. Zurückgeschlagen, verbinden sie sich an der Seine mit den Teutonen und anderen germanischen und keltischen Stämmen. Über die Westund Ostalpen fallen sie in Oberitalien ein. Sie werden bei Aqua Sextiä (102) und Vercellae (101) von Marius bzw. CatuluS völlig besiegt. 111—105 Bei Erbfolgekämpfen im nordafrikanischen v. Chr. Königreich Numidien werden zahlreiche Römer getötet. Rom eröffnet den Rachekrieg gegen den numidischen König Jugurtha. Der Krieg offenbart erstmals den Zustand des durch Parteienzwist geschwächten Rom. Im Jahre 108 übernimmt Konsul C. Marius den Oberbefehl. Den Krieg entscheidet jedoch L. C. Sulla, der politische Gegner des Marius, der die Bundesgenossen des Jugurtha veranlaßt, den König den Römern auszuliefern. Jugurtha wird in Rom hingerichtet. 104—101 Heeresreform durch Marius; er schafft ein Berufsheer unter Heranziehung besitzloser Bürger und des städt. Proletariats. Nach einer Dienstzeit von 16 Jahren erwerben die ausgedienten Legionäre Recht auf Versorgung und Landzuteilung. 106 v. Chr. Gnäus Pompejus geboren. 100 v.Chr. Gaius Julius Cäsar geboren. 91—89 Bundesgenossenkrieg; die Italiker fordern das bzw. 82 römische Bürgerrecht und damit die Teilnahme v. Chr. an der Weltherrschaft Roms, sie erhalten es erst nach hohen Blutopfern. 63
88—63 v. Chr.
88—84 v. Chr.
86 v.Chr. 82 v.Chr.
82—79 v. Chr.
79 v.Chr. 78 v.Chr.
Die innerpolitische Schwächung Roms nutzt König Mithradates von Pontus (Südküste des Schwarzen Meeres) aus, um ein umfassendes Schwarzmeer-Reich aufzurichten. Die Ermordung von 80000 Römern und Italikern in Kleinasien soll der Auftakt zu einer allgemeinen Erhebung des Ostens gegen Rom sein. M. gewinnt Südrußland und erobert Griechenland. Nach den vier „Mithradatischen Kriegen", die erst im Jahre 63 durch Pompejus beendet werden können, ist die Macht Roms im Orient gesichert. Mithradates gibt sich den Tod. Höhepunkt des Machtkampfes zwischen den aristokratisch-konservativen Optimaten, der Partei des Senats, und den Populären, die soziale, wirtschaftliche und innenpolitische Reformen im Sinne des Volkes fordern. Tod des Marius in seinem 7. Konsulat. Sulla kehrt als Sieger über Mithradates aus dem Osten heim und erobert das in den Händen der Populären befindliche Rom. Beginn der Schreckensherrschaft des Sulla mit Ächtung oder Hiiirichtung der politischen Gegner. Sulla Diktator Roms, gestützt vom Senat, Vergrößerung des Senatskollegiums auf 600 Mitglieder. Neuregelung der Ämterlaufbahn zu Gunsten der Senatsanhänger. Weitgehende Entrechtung der Tribunen, der höchsten Vertreter der Plebejer; Aufhebung ihres Einspruchs(Veto)rechtes gegenüber dem Senat. Nach Durchführung seiner Reformen verzichtet Sulla freiwillig auf Ämter und Würden und zieht sich ins Privatleben zurück. Sullas Tod. In der Folge wird die zeitweise unumschränkte Macht des Senats geschwächt durch die Reichsfeldherren, als deren bedeutendste schon bald Gnäus Pompejus und Gajus Julius Cäsar erscheinen.
Alle Bechte vorbehalten. Einbandgestaltung: Karlheinz Dobsky Kartenzeichnungen: Anton Eckert; Illustrationen: H. G. Strick Druck.: Dr. F. P. Datterer & Cie. § Inhaber Sellier-Freising/Obb.
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BILD DER JAHRHUNDERTE von OTTO Z I E R E R verwiesen. In neuartiger, eindrucksvoll erzählender Darstellung behandelt Otto Zierer im „Bild der Jahrhunderte'', dem der Text zu dem vorliegenden Heft im wesentlichen entnommen ist, die Geschichte des Abendlandes und der Welt von ihren Anfängen bis zur Gegenwart.
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