Aus Umweltschutzgründen wurde dieses Buch auf chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt.
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Aus Umweltschutzgründen wurde dieses Buch auf chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt.
8. Auflage 1993 CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Knickerbocker-Bande/Thomas Brezina. Lindwurmspuk vor Mitternacht. Abenteuer in Kärnten. EL Atelier Bauch-Kiesel. Foto: Thomas Raab. Wien; Stuttgart: Neuer Breitschopf Verlag 1990 ISBN 3-7004-1173-1 Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe, der Übersetzung und der Übertragung in Bildstreifen, vorbehalten. © Copyright by hpt-Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Wien 1990 ISBN 3-7004-1173-1
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Inhalt In der Gewalt des „Grauen Barons“!...............................4 Drache sucht Herrchen ....................................................8 Schreie auf dem Pyramidenkogel..................................13 Die Tränen des Drachens ..............................................16 Eine Geige geht flöten...................................................21 Krach in der Küche........................................................25 Der Mini-Lindwurm taucht wieder auf .........................29 Das Monster im See ......................................................34 Drei Minuten unter Wasser... ........................................38 Drohbrief Nummer l......................................................43 So einfach geht es nicht.................................................48 Gefangen! ......................................................................53 Drohbrief Nummer 2 .....................................................57 Der Mann mit dem Lollipop..........................................61 Bahn frei!.......................................................................66 Knallhofer & Co., aber wo???.......................................70 Herr Rabenstein ist gar nicht fein! ................................74 Rätselhafte Scherben .....................................................80 Was heißt HO TO 8? .....................................................83 Schock beim Märchenschloß ........................................87 Hilfe! .............................................................................92 Viele Fragen – viele Antworten ....................................98
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Der Name KNICKERBOCKER-BANDE... ...entstand in Österreich. Axel, Lilo, Poppi und Dominik waren die Sieger eines Zeichenwettbewerbs. Eine Lederhosenfirma hat Kinder aufgefordert, ausgeflippte und knallbunte Lederhosen zu entwerfen. Zum großen Schreck der Kinder wurden ihre Entwürfe aber verwirklicht, und bei der Preisverleihung mußten die vier ihre Lederhosen vorführen. Dem Firmen-Manager, der sich das ausgedacht hatte, haben sie zum Ausgleich einen pfiffigen Streich gespielt. Als er hereingefallen ist, hat er den vier Kindern aus lauter Wut nachgerufen: „Ihr verflixte Knickerbocker-Bande!“ Axel, Lilo, Dominik und Poppi hat dieser Name so gut gefallen, daß sie ihn behalten haben. KNICKERBOCKER-MOTTO 1: Vier Knickerbocker lassen niemals locker! KNICKERBOCKER-MOTTO 2: Überall, wo wir nicht sollen, stecken wir die Schnüffelknollen, sprich die Nasen, tief hinein, es könnte eine Spur ja sein.
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© Oktober 2003
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In der Gewalt des „Grauen Barons“! Dieses schauderhafte, schreckliche Surren! Der Ton ging Axel durch Mark und Bein. Er wollte die Hände an die Ohren pressen, aber er konnte nicht! Seine Arme waren mit einer dünnen Nylonschnur an die Lehne des Sessels gefesselt, auf dem er saß. Bei jeder Bewegung zog sich das Seil enger um die Handgelenke. Es tat höllisch weh. Das graue, faltige Gesicht des Barons tauchte vor Axels Augen auf. Der Baron verzog den Mund zu einem spöttischen Grinsen. „Willst du uns noch immer nicht verraten, wo der Professor die Pläne versteckt hat?“ Seine Stimme klang bohrend und böse. Axel schüttelte stumm den Kopf und biß die Zähne fest zusammen. Nein, von diesem widerlichen Gauner ließ er sich nicht unterkriegen. „Na, gut“, der Baron grinste noch breiter und noch gemeiner, „dann werde ich dein Trommelfell eben ein bißchen kräftiger ‚kitzeln’.“ Axel war verzweifelt. Lange hielt er nicht mehr durch. Sein Kopf dröhnte, und er hatte das Gefühl, daß seine Trommelfelle bald platzen würden. Vor drei Tagen hatte ihm sein Onkel, Professor Grübelkoller, ein Geheimnis anvertraut: „Bei meiner neuen Erfindung handelt es sich um einen Computer, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat. Das Ding ist nämlich eßbar. Wenn man den Blechtrottel nicht mehr braucht, kann man ihn Mikrochip für Mikrochip verspeisen“, hatte er seinem Neffen erklärt. Danach hatte er Axel in den Garten hinter seinem Laboratorium geführt und auf das Vogelhaus in der Wiese gedeutet. „Die Pläne mit der Geheimformel liegen dort drinnen. Außer dir kennt keiner das Versteck. Ich muß nun für drei Wochen verreisen. Sollte ich nicht mehr zurückkehren, bring meine Aufzeichnungen in Sicherheit. Doch darfst du in der Zwischenzeit niemandem etwas
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verraten, Axel! Unter keinen Umständen!“ hatte ihm der Onkel eingeschärft. Axel versprach es ihm. Er ahnte nicht, daß ein gefährlicher Gangsterboß, der in der Unterwelt als „Grauer Baron“ bekannt war, die Pläne unbedingt haben wollte. Deshalb hatte er Axel gleich nach der Abreise des Professors entführen lassen. In einem unterirdischen Kellergewölbe versuchte er nun bereits seit zwei Tagen, aus Axel das Versteck herauszupressen. Auf brutale Art und Weise! Aber Axel hielt dicht, obwohl er fast am Ende seiner Kräfte war. Als sich der „Graue Baron“ nun zu dem Gerät beugte, das die schmerzhaften Töne erzeugte, gelang dem Jungen etwas Sensationelles. Er schaffte es, eine Hand aus den Nylonschlingen zu ziehen. Ein paar Sekunden später hatte er auch die andere befreit. Blitzschnell sprang Axel auf und stürzte am „Grauen Baron“ vorbei aus dem Zimmer. Als dieser seine Flucht bemerkte, hastete der Junge bereits die Treppe hinauf. „Haltet ihn!“ hörte er die Stimme des Ganoven hinter sich. Da! Eine Tür! Zum Glück war sie nicht versperrt. Axel riß sie auf und stolperte ins Freie. Von der Sonne geblendet, schloß er die Augen. Da klatschte plötzlich eine weiche Masse in sein Gesicht, die ihm Mund und Nase verklebte. Axel schlug wild um sich, sprang in die Höhe, schnappte nach Luft und prallte mit dem Kopf gegen etwas Hartes. „Aua!“ schrie er und riß die Augen auf. Rund um ihn herrschte Dunkelheit. Vorsichtig hob er die Hand und tastete den Gegenstand über sich ab. Das war doch... eine Bettlampe. Verschlafen blickte er sich um. Er lag in einem breiten Bett, in einem fremden Zimmer. Warum und wieso? Langsam begannen seine Grübelzellen zu arbeiten. Jetzt konnte er sich wieder erinnern, daß er gar nicht zu Hause war. Er befand sich hier im Hotel „Seeblick“ am Wörthersee. Nun entdeckte er auch, was die „weiche Masse“ von vorhin war. Es handelte sich dabei eindeutig um seinen Kopfpolster. Axel
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hatte im Schlaf den Kopf tief hineingebohrt und deshalb keine Luft mehr bekommen. Die Geschichte mit dem „Grauen Baron“ war also nur ein Alptraum gewesen! Oder nicht? Axel lauschte in die Nacht. Wenn ihn nicht alles täuschte, war da ein Geräusch. Ein Surren und Rauschen. Genau wie in seinem Traum. Es kam aus dem Nebenzimmer. Durch die Wand drangen auch einige Wortfetzen. So sehr sich Axel aber anstrengte, er konnte nichts verstehen. Schließlich hörte er ein „Klick“, und danach herrschte wieder Stille. Jetzt rauschten nur noch die Blätter der Bäume vor seinem Fenster. Der Junge kramte seine Uhr unter dem Kopfpolster hervor, hielt sie zur Nachttischlampe und schaltete das Licht schnell ein und aus. Das genügte, um die Ziffern und Zeiger zum Leuchten zu bringen. Es war kurz nach drei Uhr früh. „Blöder Traum“, brummte Axel und gähnte. Dann ließ er sich wieder in den Polster sinken. Er zog die Decke bis zur Nasenspitze hoch, wälzte sich auf den Bauch und war gleich darauf eingeschlafen. Ungefähr zur gleichen Zeit läutete einen Stock höher, in einem anderen Zimmer des Hotels, das Telefon. Ein Mann, der komplett angezogen war, sprang aus dem Bett und riß den Hörer von der Gabel. „Ja, hallo?“ knurrte er. Er war zweifellos sehr verärgert. „Ich dachte, die Sache soll heute nacht über die Bühne gehen... Was?... Aha... Okay! Dann morgen... Übergabe wie vereinbart übermorgen... Nein, ich habe ihn noch nicht, aber ich erhalte ihn morgen. Er wurde angefertigt... Nicht hier, bin doch nicht wahnsinnig. In Italien... Alles läuft wie vereinbart. Ich hoffe, auch die Auszahlung meines Honorars. Ich warne Sie. In der Schweiz gibt es jemanden, der noch heute bereut, daß er mich betrügen wollte...“ Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang beschwichtigend und ruhig. Der Mann schien mit der Antwort zufrieden zu
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sein. Er legte auf, ließ sich dann auf den bequemen Lehnstuhl im Zimmer fallen und rieb sich freudig die Hände. Das tat er immer, wenn er viel Geld zu erwarten hatte. Er schnalzte genüßlich mit der Zunge. Dann zog er einen kleinen Gegenstand aus der Tasche und wickelte ihn aus. Dieses „Ding“ beruhigte ihn immer, wenn er ein wenig nervös wurde...
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Drache sucht Herrchen Am nächsten Morgen hatte Axel den Alptraum vergessen. Es war schon fast zehn Uhr, als sich Herr Klingmeier und sein Sohn auf der Terrasse des Hotels „Seeblick“ zum Frühstück niederließen. Von hier hatte man wirklich einen traumhaften Blick auf den Wörthersee. Auf dem Wasser tanzten bereits einige bunte Dreiecke. Manche Segler und Windsurfer gehörten eben zu den Frühaufstehern. Sie wollten jede Minute des prachtvollen Ferienwetters genießen. „Toller Anfang der ‚väterlichen Festwochen’!“ dachte Axel, während er sein Frühstücksei löffelte. Seine Eltern waren geschieden, und deshalb verbrachte er die eine Hälfte der Ferien mit seiner Mutter und die andere mit der väterlichen Hoheit. Und da Axel sich in den Kopf gesetzt hatte, surfen zu lernen, war sein Vater in diesem Jahr mit ihm nach Kärnten an den Wörthersee gefahren. Seine Knickerbocker-Freunde mußten aber unbedingt dabeisein – das war für Axel immer klar gewesen. Deshalb hatte er seinen Vater so lange bearbeitet, bis dieser auch Lilo, Poppi und Dominik einlud, nach Velden zu kommen. Der Rest der Knickerbocker-Bande sollte erst heute nach Kärnten kommen, und Axel konnte ihre Ankunft kaum erwarten. Beim Frühstück schaute der Junge ständig auf die Uhr. Seinem Vater entging das natürlich nicht. „Mein lieber Herr Sohn, nur die Ruhe“, brummte Herr Klingmeier. „Deine Freunde treffen erst heute nachmittag um zwei Uhr mit dem Zug ein. Daran änderst du auch nichts, indem du die Uhrzeit auswendig lernst.“ Axel knurrte etwas von „Das weiß ich auch“ und beschloß dann, zum See zu gehen. Dort verging die Zeit sicher schneller. Gerade als Axel aufstehen wollte, näherte sich einer der aufmerksamen Kellner ihrem Tisch. Ausnahmsweise hielt er
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diesmal keine Kaffeekanne in der Hand, sondern ein kleines Tablett. „Entschuldigen Sie, Herr Klingelmeier“, hüstelte er und streckte es ihm unter die Nase. Ein weißer Zettel lag darauf. Herr Klingmeier faltete ihn auf und zog erstaunt die Augenbrauen hoch. Dann reichte er die Nachricht an seinen Sohn weiter. „Ich erwarte Sie voll Ungeduld! Lady von Lotterstein.“ las Axel. „Hast du den Namen schon einmal gehört?“ fragte Herr Klingmeier. Axel schüttelte den Kopf. „Noch nie!“ „Wenn Sie mir bitte folgen würden“, näselte der Kellner. „Wohin?“ wollte Axels Vater wissen. „Zum Hoteleingang.“ „Und warum?“ „Weil die Absenderin der Botschaft dort in ihrem Wagen sitzt. Sie läßt sagen, daß sie nicht aussteigt, bis Sie und Ihr Herr Sohn persönlich eingetroffen sind und ihr Ihre Aufwartung machen.“ Mit diesen Worten machte der Kellner auf dem Absatz kehrt und schritt würdevoll zum Hoteleingang. Axel und sein Vater folgten ihm. Beide waren äußerst gespannt auf Lady Lotterstein. Wer war die Dame? Was wollte sie von ihnen? Als die beiden durch das Hotelportal traten, blieben sie wie angewurzelt stehen. „Ein irrer Schlitten!“ stieß Axel bewundernd hervor. Am Gehsteigrand parkte einer der langen amerikanischen Straßenkreuzer, die man sonst nur in Hollywood-Filmen sieht. Selbst eine Giraffe hätte sich in diesem Wagen bequem hinlegen und ausstrecken können. Die Wagenfenster waren verspiegelt, und so konnten Axel und Herr Klingmeier nicht erkennen, wer sich im Inneren des „Wahnsinnsschlittens“ befand. Die Fahrertür flog auf, und ein Chauffeur sprang heraus. Er trug eine blaue Livree und eine Kappe. Mit zackigen Schritten marschierte er um das Auto herum und riß den hinteren
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Wagenschlag auf. Ein dünner Arm wurde herausgestreckt. Der Chauffeur ergriff elegant die kleine Hand, und aus dem Straßenkreuzer hüpfte... Poppi! „Tag“, kicherte sie. Axel starrte sie mit offenem Mund an. „Poppi, du?... Wieso... in diesem Schlitten?“ „Mein Muttertier hat wieder einmal die Panik gepackt. Sie hat Angst gehabt, ich könnte im Zug gekidnappt werden oder vielleicht aus dem Fenster klettern. Deshalb hat sie Onkel Hugo gebeten, mich herzukutschieren. Du weißt ja, er vermietet Autos samt Chauffeur. Es war aber nur der Straßenkreuzer frei. Und auf der Fahrt von Graz nach Karaten ist dem Freddy“ – Poppi deutete auf den Chauffeur – „der Streich mit ,Lady von Lotterstein’ eingefallen.“ „Also dieser Scherz ist euch gelungen. Mein Papa und ich, wir sind beide darauf hereingefallen!“ lachte Axel. Der Fahrer angelte Poppis Koffer aus dem riesigen Kofferraum und verabschiedete sich. Mit einem leisen Brummen setzte sich der Straßenkreuzer wieder in Bewegung. „Ich hoffe, Sie geben uns nun die Ehre, mit uns gemeinsam ein kleines Frühstück einzunehmen, Lady von Lotterstein“, näselte Herr Klingmeier vornehm. „Ich nehme die Einladung an!“ erwiderte Poppi. Auch sie spielte auf nobel und sprach nur durch die Nase. „Mein Magen meldet knurrend Hunger an. Und auch Klarabella kann einen kleinen Imbiß vertragen!“ „Klarabella?“ Herr Klingmeier blickte sich suchend um. Wer war Klarabella? „Darf ich vorstellen: Fräulein Klarabella von und zu Nagezahn.“ Poppi deutete auf das kleine Tier, das neugierig aus ihrer Umhängetasche guckte. Axels Vater rümpfte die Nase. „Das ist ja eine Ratte!“ „Richtig“, bestätigte ihm Axel, „aber du brauchst gar nicht so zu schauen. Sie stinkt nicht und ist wahnsinnig lieb.“
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Herr Klingmeier nickte ungläubig und schnappte Poppis Koffer. Er wollte damit ins Hotel marschieren, doch plötzlich... zack... lag er der Länge nach auf dem Boden. Schimpfend und fluchend richtete er sich auf. „Wer läßt denn da sein Gepäck mitten auf dem Gehsteig stehen?“ brummte er und musterte die Gäste vor dem Hotel. Niemand erhob Anspruch auf die schwarze Ledertasche, über die Herr Klingmeier gestolpert war. Axel ergriff sie und schwenkte sie wie eine Fahne über seinem Kopf. „Wem gehört die da?“ rief er. Aber noch immer meldete sich der Besitzer nicht. „Schauen wir einmal, ob ein Paß oder ein Ausweis drinnen ist“, meinte Poppi und nahm Axel die Tasche aus der Hand. Mit einem Ruck öffnete sie den Reißverschluß und hob erstaunt eine Keramikfigur heraus. „Das ist ja ein Drache“, stellte Axel fest. „Irgendwie kommt er mir bekannt vor. Wo habe ich den nur schon einmal gesehen?“ Während er die Figur nachdenklich betrachtete, eilte der Chefportier aus dem Hotel zu den Kindern. Er packte den Drachen und stopfte ihn wieder in die Tasche. Dabei warf er Axel und Poppi einen strafenden Blick zu. „Laßt die Finger von fremden Gepäcksstücken. Verstanden?“ zischte er böse. „Aber wir wollten doch nur...“ „Keine dummen Ausflüchte!“ unterbrach der Portier Axel. „Ihr wart schlicht und einfach neugierig. Die Sachen gehören bestimmt einem Hotelgast, der sie hier versehentlich vergessen hat. Ich werde sie aufbewahren.“ „Aber wir...“ versuchte Axel sich zu verteidigen. Der Portier hörte gar nicht hin, sondern lief zurück zur Rezeption. Herr Klingmeier legte seinem Sohn beruhigend den Arm um die Schulter. „Kein Grund zur Aufregung. Der ist heute nur mit dem linken Bein zuerst aufgestanden. Kommt, wir gehen jetzt auf die Terrasse. Nach diesem Schreck können wir alle eine tüchtige Stärkung vertragen!“
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Als sich Axel, sein Vater und Poppi eine Minute später auf das Frühstücksbuffet stürzten, dachten sie längst nicht mehr an den kleinen Zwischenfall. Das heißt, Poppi fiel kurz einmal der Mann mit dem Lollipop ein. Er war neben dem Hoteleingang an einen Baum gelehnt gestanden. Erwachsene, die Lollipops lutschten, sah man normalerweise nur im Fernsehen. Deshalb war er Poppi aufgefallen. Der Herr mit der großen, sechseckigen, dunklen Sonnenbrille war der Aufmerksamkeit der Kinder aber entgangen. Als Herr Klingmeier über die Tasche stolperte, eilte er gerade zur Rezeption zurück, weil er vergessen hatte, seinen Zimmerschlüssel abzugeben. Nummer 115 stand auf dem schweren, metallenen Anhänger. Axel hatte die Nacht im Zimmer Nummer 116 verbracht. Fällt Euch etwas auf?
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Schreie auf dem Pyramidenkogel Endlich war die Knickerbocker-Bande wieder vereint. Die Züge waren pünktlich angekommen, und Dominik, Lilo, Axel und Poppi zwängten sich nun auf die schmale Rückbank des Autos von Herrn Klingmeier. Da sie einander viel zu erzählen hatten, redeten alle gleichzeitig. „Wollt ihr einen neuen Weltrekord im Schnell- und Dauerplappern aufstellen?“ lachte Herr Klingmeier. „Na klar“, rief Lilo übermütig. „So kommen wir endlich ins Buch der Rekorde!“ „Wohin fahren wir jetzt eigentlich?“ erkundigte sich Dominik. „Bitte zum Lindwurm! Den wollte ich immer schon sehen“, schlug Lieselotte vor. Poppi blickte sie erstaunt an. „Wo gibt’s hier Lindwürmer?“ „Vor dem Rathaus von Klagenfurt“, erklärte ihr Dominik. „Dort steht einer seit rund 400 Jahren.“ „Und es sind ihm noch immer nicht die Pfoten eingeschlafen“, witzelte Lilo. „Er ist nämlich aus Stein. Das Tolle daran ist: er wurde aus einem einzigen Stück Fels gehauen.“ „Woher wißt ihr das so genau, ihr Geographie-GeschichtsStreber?“ Axel zweifelte ein bißchen an Dominiks und Lilos Angaben. Ich habe es darin gelesen!“ Dominik streckte seinen Freunden ein kleines Buch unter die Nase. Es war ein Kärnten-Führer. Poppi stupste Axel mit dem Ellbogen. „He... du! Dieser Drache vor dem Hotel... das war doch eindeutig der Lindwurm! Ich meine, eine Mini-Ausgabe von dem Tier auf diesem Bild.“ „Jetzt ist mir klar, warum uns das Monster so bekannt vorgekommen ist!“ „Aber mir ist noch immer nicht klar, wohin wir fahren“, rief Dominik ungeduldig. „An den See natürlich!“ antwortete Axel.
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„Diese Auskunft ist mir nicht exakt genug“, erwiderte der Bub, „schließlich gibt es in Kärnten über 200 Seen!« „Wir wohnen am Wörthersee!“ erklärte ihm sein Knickerbocker-Freund. Dominik wollte es aber noch genauer wissen. „Am Ufer des Wörthersees liegen zum Beispiel die bekannten Orte Velden, Pörtschach und zahlreiche andere kleine Gemeinden. In welcher werden wir unsere Zelte aufschlagen?“ Axel holte tief Luft und flötete dann poetisch: „O holder Dominik, in Velden! Unsere Zelte werden auf einer Wiese hinter dem Hotel ,Seeblick’ stehen. Die Hoteldirektorin ist glücklicherweise eine alte Schulfreundin meiner väterlichen Hoheit und hat ihre Zustimmung dazu gegeben.“ „Bist du nun zufrieden mit dieser Auskunft?“ erkundigte sich Axel. Dominik nickte, und sein Gesichtsausdruck erinnerte an den eines Oberlehrers. „Warum nicht gleich so?“ meinte er tadelnd. „Habt ihr Lust, auf den Pyramidenkogel zu fahren?“ fragte Herr Klingmeier die Knickerbocker-Bande. „Dort befindet sich ein Aussichtsturm. Von ihm aus könnt ihr den ganzen Wörthersee überschauen!“ Alle waren einverstanden, und schon lenkte Axels Vater den Wagen nach links, den Berg hinauf. „Eine Wucht!“ „Wahnwitz – irre!“ „Einfach toll!“ „Ich habe Hunger!“ Das waren die Kommentare der vier Knickerbocker am Pyramidenkogel. Die Komplimente galten der unglaublichen Aussicht, die man vom 54 Meter hohen Turm hat. Auf der einen Seite erstreckten sich der Wörthersee und Klagenfurt. Drehte man sich ein Stück weiter, überblickte man den Keutschacher See, den Rauschelesee und den Baßgeigensee.
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Diesen Namen hat er wahrscheinlich deshalb, weil seine Form ein wenig an eine Baßgeige erinnert. „Was ist das für eine Halbinsel dort unten?“ erkundigte sich Lieselotte. „Meinst du die kleine im Wörthersee?“ fragte Axel. „Ja, genau die!“ „Das ist Maria Wörth. Einer der ältesten Orte hier am Wörthersee. Auf der Halbinsel befindet sich auch eine sehr alte Kirche“, erklärte Herr Klingmeier den Kindern. Als die fünf ein wenig später zum Wagen zurückschlenderten, erlebten sie auf dem Parkplatz vor dem Aussichtsturm etwas Seltsames. „Nein, niemals! Du bist ein gemeines Schwein!“ brüllte plötzlich jemand hinter ihnen. Axel und Lieselotte drehten sich erschrocken um. Etwas verdeckt durch ein Gebüsch konnten sie zwei Burschen erspähen. Beide trugen lederne Motorradanzüge. Der eine war etwas größer als der andere und hatte dem Kleineren den Arm auf den Rücken verdreht. Nun drückte er ihn immer fester in die Höhe. „Laß mich los! Das tut weh!“ keuchte der Kleine. „Das soll es auch“, zischte der Größere. „Morgen nachmittag bist du hier! Mit dem Zeug! Kapiert? Sonst trommle ich meine Kumpels zusammen, und wir spielen Schlagzeug.“ Er versetzte dem Kleinen einen Tritt, sodaß dieser gegen einen Baum prallte. „Du bist dann die Trommel!“ schrie er ihm ins Gesicht und schwang sich auf seine Maschine. Laut knatternd raste er davon. Der kleinere Bursche stand noch immer gegen den Baum gelehnt und versuchte den schmerzenden Arm zu bewegen. „He du! Brauchst du Hilfe?“ rief Lieselotte. Der Junge erschrak fürchterlich, als er entdeckte, daß sie beobachtet worden waren. Hastig stolperte er in den Wald und verschwand zwischen den Bäumen. „Komischer Kerl“, meinte Axel. „Wieso rennt er vor uns davon?“ Die Antwort sollte er schon bald bekommen...
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Die Tränen des Drachens Am Nachmittag baute die Knickerbocker-Bande ihre Zelte auf dem Rasen hinter dem Hotel auf. Die Mädchen waren bald fertig. Die Buben hatten mit den Stangen und Planen etwas mehr zu kämpfen. Poppi und Lilo bogen sich vor Lachen, als sie sahen, wie tolpatschig sich Dominik und Axel anstellten. „Was soll dieser Krach? Elende Kinderschar!“ Die beiden Mädchen blickten erstaunt zum vierten Stock hinauf. Gleich neben der Regenrinne war ein Fenster aufgerissen worden. Ein Mann hatte seinen Kopf herausgestreckt und starrte die Knickerbocker-Bande wütend an. Poppi versteckte ihr Gesicht hinter Lieselottes Rücken. „Wie sieht der denn aus?“ kicherte sie. „Was hat der um den Mund gebunden? Ist das ein Maulkorb?“ „Aber nein. Das ist eine Bartbinde, damit der Schnurrbart beim Schlafen nicht verknittert wird“, flüsterte Lieselotte und versuchte krampfhaft, das Lachen zu verbeißen. Um seiner Wut noch einmal freien Lauf zu lassen, brüllte der Mann: „Ruhe, Ruhe, Ruhe!“ Dann zog er den Kopf zurück und verschwand in seinem Zimmer wie eine Schildkröte in ihrem Panzer. „Ist es nun endlich möglich, unser Zelt fertig aufzustellen?“ forderte Dominik. „Die Dunkelheit bricht bald herein.“ Axel setzte eine äußerst bekümmerte Miene auf und schlug die Hände zusammen. „O du grüner Schreck!“ flötete er theatralisch, „unser Bubi kriegt das große Schlottern. Gleich kommt der Geist, der dich beißt! Huhu!“ „Nun ist der Bogen meiner Geduld überspannt, das lasse ich mir nicht bieten!“ Dominik schoß unter der Zeltplane hervor und wollte sich auf Axel stürzen. Kurzentschlossen stellte sich Lilo zwischen die beiden und meinte energisch: „Höchste Zeit, daß wir
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die Sache in die Hand nehmen, Poppi. Sonst schlafen die ‚Herren’ im Freien.“ Wenige Minuten später stand auch das Zelt von Axel und Dominik. „Mädchen sind ab und zu doch zu etwas nutz!“ lautete Axels Kommentar dazu. Das Zeltbauen hatte die vier Knickerbocker aber hungrig gemacht, und da es bereits kurz vor sieben Uhr war, marschierten sie zum Abendessen. Die Knickerbocker-Bande hatte in ihrer Ausgelassenheit gar nicht bemerkt, daß sie die längste Zeit beobachtet worden war. In einiger Entfernung saß eine kleine, dunkle Gestalt in einem Lederanzug auf einem Motorrad. Mit Schwung sprang sie auf den Starthebel und setzte die Maschine in Gang. Der Mann hatte genug gesehen... „Ich möchte wissen, wie die Kärntner Kasnudeln zu der Bezeichnung ,Nudeln’ gekommen sind“, schmatzte Dominik. Als Hauptspeise gab es heute im Hotel „Seeblick“ die berühmte Kärntner Spezialität „Kasnudeln“, die in der Tat mit Nudeln wenig zu tun haben. „Der Form nach haben die Kasnudeln große Ähnlichkeit mit Ravioli. Also müßten sie eigentlich ,Kasravioli’ heißen. ,Topfenravioli’ wäre der exakte Name“, fügte er kauend hinzu. „Die Kasnudeln sind nämlich mit Topfen – auch Quark genannt – gefüllt!« „Nach diesem kulinarischen Vortrag von Herrn Dominik Kascha möchte ich nun an euch die Frage richten: Was unternehmen wir morgen?“ Herr Klingmeier blickte fragend in die Runde. Lieselotte hatte sich das bereits überlegt. „Bei Schönwetter möchte ich morgen schwimmen gehen. Falls es möglich ist, würde ich auch gerne segeln.“ „Ich auch!“ schloß sich Poppi an. „Ich könnte meine erste Surfstunde nehmen!“ rief Axel. „Und ich werde dir zuschauen, wie du ins Wasser fällst!“ lachte Dominik.
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„Und wenn es regnet... ? Das kommt hier in Kärnten im Sommer nicht sehr oft vor, aber ganz ausschließen können wir es auch nicht. Was machen wir dann?“ erkundigte sich Herr Klingmeier. Auch das wußte Lilo bereits. „Ich möchte so gerne die ‚Tränen des Drachens’ sehen!“ Herr Klingmeier ließ die Gabel sinken. „Die was?“ „Die ,Tränen des Drachens’. Das sind besonders große, unglaublich wertvolle Perlen. Wie sie zu diesem Namen gekommen sind, weiß ich aber auch nicht.“ „Dafür ist mir die Geschichte bekannt, die sich um diese Kostbarkeiten rankt“, mischte sich Dominik ein. „Die Perlen sind vor über 300 Jahren in einer Höhle in Mexiko gefunden worden. Eine Sage erzählt, daß ein Drache in dieser Höhle gehaust haben soll. Die Eingeborenen haben ihn als Glücksgott verehrt. Solange der Drache bei uns weilt, ist auch das Glück mit uns – haben sie gesagt. Doch eines Tages ist ein Krieger eines feindlichen Nachbarvolkes in die Höhle eingedrungen und hat den Drachen mit seinem Speer durchbohrt. Bevor er starb, soll der Drache große Tränen geweint haben, die als Riesenperlen zu Boden gefallen sind.“ „Die Perlen sind nicht nur sehr groß, sie sollen auch die sonderbarsten Formen haben. Eine sieht angeblich aus wie ein springendes Pferd. Eine andere hat die Gestalt eines Vogels“, berichtete Lilo. „Sie wurden von den Eingeborenen in Gold gefaßt und mit Edelsteinen verziert. Später sind sie in den Besitz eines reichen Spaniers gekommen, der sie nun auf der ganzen Welt ausstellen läßt. Zur Zeit sind sie in Kärnten zu bewundern.“ „Klingt äußerst interessant. Ich werde mich erkundigen, wo sich die Ausstellung befindet“, versprach Herr Klingmeier. „Aber es wird ohnehin nichts daraus. Morgen ist nämlich Schönwetter angesagt“, meinte Axel zuversichtlich. „Na ja“, seufzte Poppi, „hoffentlich weiß das auch das Wetter!“
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Es war kurz nach drei Uhr früh. Die Nacht war sternenklar, und der Halbmond beleuchtete das Ufer des Wörthersees mit seinem blassen Licht. Am Anlegesteg schaukelten mehrere Segelboote im Wasser. Leise surrend näherte sich ein kleines Elektro-Motorboot. Eine dunkle Gestalt in einem blauen Arbeitsoverall sprang auf den Holzsteg und vertäute das Boot. Sie gähnte heftig und marschierte dann pfeifend in Richtung Hotel „Seeblick“. Zufrieden grinsend steckte der Unbekannte zwei volle Stoffsäcke unter seinen Overall. Wie zwei Babies preßte er sie zärtlich an sich und streichelte liebevoll darüber. Was da wohl drinnen war? Ungefähr zur gleichen Zeit erwachte Poppi. Da war ein Geräusch! Ein Schaben und Kratzen draußen vor dem Zelt. Vorsichtig tastete sie nach Klarabella. Die Ratte schlief eingerollt zwischen Lieselottes Zöpfen. Poppi drückte sie an sich und streichelte sie. Dabei lauschte sie wieder in die Nacht. Das Kratzen war nicht mehr zu hören. Dafür ein „Platsch“. Anscheinend war jemand in das taufeuchte Gras gesprungen. Kein Zweifel. Jetzt hörte sie auch Schritte. Irgendwer schlich um das Zelt herum. Poppi packte ihre Freundin an der Schulter und schüttelte sie. „Lilo!“ Verschlafen richtete sich Lieselotte auf. „Was ist denn?“ „Schritte! Draußen sind Schritte. Es geht jemand herum.“ „Laß dich nicht pflanzen. Das sind der Axel und der Dominik. Die spielen Gespenster, weil sie uns erschrecken wollen. Aber diese Freude machen wir ihnen nicht. Schlaf weiter“, brummte Lilo und kroch zurück in ihren Schlafsack. „Tu so, als hättest du nichts gehört. Das ärgert die beiden am meisten. Diese Scherzkübel! Diese Witz-Böcke!“ Lieselotte hatte für Streiche dieser Art im Moment nicht viel übrig. Poppi drückte Klarabella fester an ihre Brust und lauschte angestrengt. Kein ungewohnter Laut war mehr zu hören. Beruhigt
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schlüpfte das Mädchen wieder in den Schlafsack und war gleich darauf eingeschlafen. Es hörte nicht mehr, als ein paar Minuten später in der Ferne ein Motorrad gestartet wurde. War das ein Zufall oder... ?
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Eine Geige geht flöten Am nächsten Morgen gab es für die vier Knickerbocker ein böses Erwachen. Auf der Wiese vor den Zelten redeten drei Leute wild durcheinander. Der Reißverschluß des Bubenzeltes wurde geöffnet, und Axels Vater steckte den Kopf herein. Über seinem linken Auge lag eine dicke Falte. Die verhieß nichts Gutes. Das wußte Axel aus Erfahrung. „Morgen“, knurrte Herr Klingmeier, „kommt bitte einmal heraus. Ich will für euch hoffen, daß es nicht stimmt, was Herr Kratzowsky behauptet.“ Gähnend krabbelten Axel und Dominik auf die Wiese. Verschlafen blinzelten sie ins Tageslicht. „Duuuu... !“ Mit einem Aufschrei stürzte sich eine kleine, hagere Gestalt auf Axel, packte ihn an der Trainingsjacke und schüttelte ihn wütend. Dabei zitterten die aufgezwirbelten Schnurrbartspitzen des Mannes, als hätten sie einen Wackelkontakt. „He, was soll das?“ rief Axel empört. Vom Lärm neugierig gemacht, kamen nun auch Lieselotte und Poppi aus ihrem Zelt. „Das ist ja der Mann mit der Bartbinde, der sich gestern über uns aufgeregt hat“, flüsterte Lieselotte Poppi zu. „Was macht er denn mit Axel?“ „Das geht zu weit, Herr Kratzowsky.“ Eine schlanke, elegante Dame in einem hellen Trachtenkostüm schob sich energisch zwischen Axel und den Mann. „Kinder, mein Name ist Karoline Fortano. Ich bin die Besitzerin dieses Hotels!“ stellte sie sich vor. „Ah, sie sind diejenige, die stets von Herrn Klingmeier in der Schule abgeschrieben hat“, platzte Dominik heraus.
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Frau Fortano schmunzelte für den Bruchteil einer Sekunde. Dann räusperte sie sich und sprach weiter. Ihre Stimme klang sehr ernst. „Unser Gast von Zimmer 406, Herr Kratzowsky, ist heute in der Früh zu mir gekommen, um einen Diebstahl zu melden. Er ist Geiger und wirkt beim Carinthischen Sommer mit!“ „Das sind so eine Art Festwochen mit vielen Konzerten und Opernaufführungen. Stimmt’s?“ Bei diesen Dingen kannte sich Dominik aus. „Richtig. Herr Kratzowsky behauptet nun, einer von euch wäre heute nacht in sein Zimmer eingestiegen und hätte seine Geige gestohlen.“ „Das ist nie und nimmer wahr!“ riefen alle Mitglieder der Knickerbocker-Bande im Chor. „Doch, doch, doch!“ kreischte das hagere Männchen. „Es war jemand in meinem Zimmer. Ich habe den Einbrecher sogar gesehen, als er an der Dachrinne heruntergerutscht und davongerannt ist. Die Flucht war natürlich nur ein Ablenkungsmanöver. Bestimmt ist er gleich in das Zelt zurückgekommen. Leider habe ich den Diebstahl erst heute in der Früh entdeckt, sonst hätte ich schon in der Nacht etwas unternommen.“ Poppi horchte auf und stieß Lieselotte mit dem Ellbogen in die Seite. „Du, dann habe ich mich doch nicht getäuscht.“ „Das Instrument ist mehrere Hunderttausend wert“, tobte Herr Kratzowsky. „Also falls ihr euch da einen Scherz erlaubt habt, dann gebt die Geige jetzt zurück und wir vergessen die ganze Angelegenheit.“ Frau Fortano schaute den vier Kindern tief und forschend in die Augen. Lieselotte trat einen Schritt auf sie zu und meinte bestimmt: „Keiner von uns würde sich so einen dummen Spaß erlauben. Wir waren es nicht. Das trau’ ich mich sogar zu schwören. Aber heute nacht hat Poppi Geräusche gehört. Sie hat mitbekommen, daß jemand an unseren Zelten vorbeigelaufen ist. Wer es war, wissen wir aber auch nicht.“
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„Wir haben nämlich geglaubt, die Buben wollen Gespenster spielen und uns erschrecken“, fügte Poppi hinzu. Herr Kratzowsky sprang aufgebracht durch das Gras. „Wie das Rumpelstilzchen“, dachte Axel. „Das ist gelogen! Lüge! Lüge! Lüge!“ kreischte er. „Ich verlange, daß die Polizei verständigt wird. Auf der Stelle.“ Frau Fortano nickte. „Das werde ich auch tun. Ich glaube, es ist wirklich notwendig. Bitte, Kinder, bleibt heute in der Nähe. Die Polizei wird euch bestimmt einige Fragen stellen wollen.“ „Sie wird euch schon auf die Schliche kommen!“ schrie der bestohlene Geiger und stapfte mit großen Schritten davon. Die Hoteldirektorin verdrehte die Augen und folgte ihm. „Keine Sorge, ich glaube euch schon“, sollte das heißen. Axel, Dominik, Lieselotte und Poppi standen in ihren Trainingsanzügen im Gras und sahen ziemlich betreten aus. Der Tag hatte nicht gerade gut begonnen. „Sag, hat heute nacht jemand den Lindwurm abgeholt?“ fragte der Chefportier den Nachtportier, als er ihn um neun Uhr vormittag ablöste. „Welchen Lindwurm?“ „Diese komische Figur in der schwarzen Reisetasche. Ein paar Kinder haben sie gestern vor dem Hotel gefunden.“ Sein Kollege gähnte heftig, schüttelte den Kopf und hatte nur noch einen Gedanken: ab ins Bett. Der Chefportier machte sich auf die Suche nach der Tasche, aber sie war nirgends zu finden. „Ich kann nur hoffen, daß sie nicht irgend jemand heimlich mitgenommen hat“, meinte er. „Falls sich heute der wahre Besitzer meldet, könnte das peinlich werden. Vor allem jetzt, nach dem Zwischenfall mit der Geige.“ Dann schob er aber diese Gedanken beiseite. Was sollte an dieser Tasche und der kitschigen Figur schon dran sein? Wenn der wüßte...
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Lustlos stocherte Dominik in seinem Spezialmüsli. Er hatte es am Frühstücksbuffet selbst gemixt. „Mir wird schlecht, wenn ich deine Mischung nur anschau’!“ stellte Lieselotte angeekelt fest. „Wie kann man sich nur Müsli, Joghurt, alle Marmeladen, Schokoladecreme, Obstsalat und Käse zusammenmischen? Kein normaler Mensch gibt sich Käse in das Müsli!“ „Ich aber schon! Der Käse gibt der ganzen Mischung erst die rechte Würze. Übrigens kenn’ ich außer dir keinen normalen Menschen, der Schinkenbrote mit Preiselbeermarmelade ißt.“ Das hatte gesessen. Lieselotte biß fest in ihr Schinkenbrot, das dick mit Preiselbeeren bestrichen war, und verlor kein Wort mehr über Dominiks Spezialmüsli. „Wir werden den Dieb ausforschen“, sagte sie plötzlich. Axels Vater ließ augenblicklich die Zeitung sinken, in die er gerade vertieft war. „Kommt überhaupt nicht in Frage! Bei der letzten Ermittlung in Salzburg wurdet ihr in einer Gruft gefangengehalten, als ihr diesen komischen UFOs auf die Spur kommen wolltet.* Nein, danke, ich verzichte auf Aufregungen dieser Art im Urlaub! Kapiert? Kein Detektivspielen!“ Er erhielt weder ein „Ja“ noch ein „Nein“ als Antwort. „Das ist doch nicht möglich!“ rief er kurze Zeit später. „Was ist denn, Papi?“ erkundigte sich Axel neugierig. „Die ‚Tränen des Drachens’ wurden gestern abend gestohlen.“
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Siehe „Ein UFO namens Amadeus“
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Krach in der Küche Die vier Knickerbocker rissen die Zeitung an sich und studierten aufgeregt den Artikel: „Gestern abend gelang einem bisher noch unbekannten Täter ein spektakulärer Diebstahl. Er entwendete aus der Perlensammlung ,Tränen des Drachens’, die wertvollsten Stücke. Obwohl die Vitrinen durch Alarmanlagen gesichert waren, konnte der Dieb kurz vor sechs Uhr, aus noch ungeklärten Gründen, vier Panzerglasschränke öffnen. Er erbeutete insgesamt siebzehn Perlen im Wert von ungefähr 36 Millionen. Da sich zu dieser Zeit keine Besucher mehr in der Ausstellung befanden, konnte der Täter unerkannt entkommen.“ „Vielleicht war es ein Unsichtbarer“, flüsterte Dominik mit geheimnisvoller Stimme. „Wie im Film ,Der Unsichtbare’. In dem habe ich übrigens auch mitgespielt, und...“ „Jajaja“, unterbrach ihn Axel, „wissen wir alles, aber das ist doch jetzt nicht wichtig. Hier geht es um einen Diebstahl der Spitzenklasse. Stellt euch vor, wir...“ Weiter kam er nicht. Sein Vater hatte ihm die Zeitung aus den Händen gezogen und blickte die vier Kinder streng an. „Nein!“ sagte er laut und deutlich. „Ein für allemal: Nachforschungen stellt die Polizei an. Sonst niemand! Ihr haltet euch auch da heraus. Verstanden?“ Die vier nickten und starrten auf ihre Frühstücksteller, als wollten sie das Porzellan hypnotisieren. „Nur nicht ‚ja’ sagen“, dachte Axel. „Nicken ist kein Versprechen.“ Poppi war es, die das große Schweigen unterbrach: „Klarabella braucht dringend etwas Hartes für ihre Zähne. Ich gehe in die Küche und frage, ob sie vielleicht ein paar trockene Nudeln haben. Die frißt sie so gerne.“ Sie sprang auf und lief aus dem Speisesaal.
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In der Küche waren bereits die Vorbereitungen für das Mittagessen im Gange. In dem großen, gekachelten Raum wimmelte es von Köchen, Köchinnen und Küchengehilfen. Alle trugen weiße Schürzen und kleine Kochhauben. Poppi wandte sich an einen großen Burschen, der gerade dabei war, einen Berg Kartoffeln zu schälen. War er mit einer Kartoffel fertig, schleuderte er sie mißmutig in eine Metallschüssel und spießte mit dem Messer die nächste auf. Mit dem Arm wischte er sich immer wieder die fettigen Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Entschuldigen Sie bitte, aber hätten Sie...“ weiter kam Poppi nicht. Der Jungkoch warf ihr einen bitterbösen Blick zu und zischte: „Verdünnisier dich. Zisch ab. Zack-Zack!“ Poppi machte erschrocken einen Schritt zurück und stieß dabei gegen einen Tisch, auf dem ein Stapel Kochtöpfe stand. Mit einem lauten Krach donnerten sie auf den Boden. Sofort kam ein kleiner, dicker Herr aus dem hinteren Teil der Küche angewieselt. Auf seiner Halbglatze balancierte er eine viel zu kleine, hohe Kochhaube. „Was ist hier schon wieder los?“ schnaubte er und musterte den Küchenburschen strafend. Der Küchengehilfe deutete auf Poppi und stieß zwischen den Zähnen hervor: „Die war’s!“ „Entschuldigen Sie... Das wollte ich nicht“, stammelte Poppi entschuldigend, „ich hätte nur gerne ein paar harte, trockene Nudeln für Klarabella.“ Der kleine Mann, der anscheinend der Chefkoch war, sah sie zweifelnd an. Er verstand nicht, wovon das Mädchen sprach. „Klarabella ist meine Ratte!“ sagte Poppi und deutete auf das Tier in ihrer Hand. Der Chefkoch starrte Klarabella einen Moment entsetzt an und schob Poppi dann sanft in Richtung Ausgang. „Tiere sind im Küchenbereich verboten. Das ist ein Gesetz!“ erklärte er ihr und schubste sie durch die Tür. „Die sind aber nicht sehr freundlich hier“, brummte Poppi empört und beschloß, ihre Ratte mit Keksen zu füttern. Gerade als
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sie gehen wollte, tauchte der Chefkoch wieder in der Tür auf. Er streckte ihr ein kleines Säckchen entgegen und meinte: „Mahlzeit, Klarabella!“ Ehe Poppi sich bedanken konnte, war er schon wieder in seinem Reich der Kochlöffelschwinger untergetaucht. Während Poppi in Richtung Hotelhalle zurücktrottete, dachte sie über den Küchenburschen nach. Sie hatte ihn schon irgendwo gesehen. Aber wo? Der Gang war ziemlich düster, weil zwei Lampen ausgefallen waren. Deshalb bemerkte das Mädchen die hagere Gestalt nicht, die über die Feuertreppe heruntergeschlichen kam. Poppi wollte gerade die Tür öffnen, die sich neben dem Stiegenaufgang befand, als sie plötzlich von einer dünnen Hand von hinten gepackt wurde. „Jetzt reicht es!“ zischte ihr eine Stimme ins Ohr. „Entweder du redest, oder ich zertrete dein Rattenvieh!“ Poppi schlug wild um sich, wirbelte ganz erschrocken herum und starrte dem kleinen Mann von heute früh ins Gesicht. Er hielt die strampelnde Klarabella zwischen seinen spitzen Fingern in die Luft. „Geben Sie mir Klarabella wieder“, schrie Poppi, „Sie tun ihr weh. Das dürfen Sie nicht!“ „Aha“, Herr Kratzowsky holte lautstark Luft, „aber ihr dürft mich erpressen. Ihr Gaunerpack!“ Er kramte in der Tasche seines grauen Sakkos und zog einen zerknitterten Zettel heraus. Seine Hand zitterte, als er ihn Poppi zu lesen gab. „100.000 in kleinen Scheinen, oder Ihre Geige wird verbrannt. Keine Polizei. Weitere Informationen erhalten Sie demnächst“, stand darauf. Die Buchstaben waren aus Zeitungen ausgeschnitten. „Der Brief ist nicht von uns. Glauben Sie uns endlich!“ rief Poppi. Die Ratte hatte nun genug. Wieso schwenkte sie dieser komische Kerl wie eine Fahne durch die Luft? Mit einer schnellen Bewegung drehte Klarabella den Kopf und schlug ihre Zähne in die Daumen des Mannes.
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„Aua!“ brüllte Herr Kratzowsky und ließ die Ratte fallen. Das Tier landete sicher auf allen vieren und suchte schnell das Weite. Poppi stürzte ihr nach, um sie einzufangen. Der wütende Geiger folgte den beiden und versuchte immer wieder, nach der Ratte zu treten. Klarabella geriet in Panik und suchte nach einem Unterschlupf. Doch sie konnte keinen entdecken. Also trippelte sie weiter geradeaus und saß plötzlich in einer kleinen, warmen Höhle. Die Wände rochen nach Zweibeiner. Das waren Menschenhände. Klarabella witterte aber sofort, daß ihr diese Hände wohlgesonnen waren. Sie gehörten Frau Fortano, die Poppi vorsichtig ihr Haustier überreichte. „Herr Kratzowsky, das geht zu weit!“ sagte sie ruhig, aber bestimmt. Der Mann schnappte nach Luft und wollte einen neuen Wortschwall loslassen. Was er sagte, hörte Poppi aber nicht mehr. Frau Fortano hatte ihn nämlich in ihr Büro geschoben. Sie blieb noch kurz in der Tür stehen und flüsterte Poppi zu: „Die anderen warten auf dich in der Halle. Es ist besser, wenn ihr euch heute im Hotel nicht sehen laßt. Macht einen Ausflug. Sonst platzt dieses ‚Rumpelstilzchen’ noch.“ Sie zwinkerte Poppi aufmunternd zu und zog dann die Tür ins Schloß. Poppi lief hastig in die Halle. Hauptsache Klarabella war wieder bei ihr und in Sicherheit. Aber die Knickerbocker-Bande schwebte in Gefahr. Ohne es zu ahnen, wußte Poppi nämlich zu viel...
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Der Mini-Lindwurm taucht wieder auf Am Nachmittag hatten Axel, Dominik, Lieselotte und Poppi die Sorgen und den Schrecken des Morgens fast vergessen. Herr Klingmeier hatte sie in den Europapark am Stadtrand von Klagenfurt geführt. Zu erleben gibt es dort genug. Zuerst bestieg die Knickerbocker-Bande den alten Straßenbahnwaggon, der von zwei Pferden durch den Park gezogen wird. Als es später zu nieseln begann, flüchteten die Kinder und Herr Klingmeier in das Raumflug-Planetarium. Gespannt nahmen sie auf den bequemen Sesseln unter der hohen Kuppel Platz und warteten. Sie staunten nicht schlecht, als das Licht im Saal erlosch und im Nu ein prachtvoller Sternenhimmel über ihnen erschien. Das Gerät in der Mitte des Raumes, das wie ein Riesenknochen mit Hunderten eingebauten Taschenlampen aussah, machte es möglich. Ein freundlicher Herr erklärte den Besuchern die verschiedenen Sternbilder, zeigte die Bewegung der Sterne im Lauf des Jahres und machte auch noch einen Ausflug in die Zukunft. Der Computer konnte nämlich bereits darstellen, wie die Sterne am 1. Juni 2000 stehen würden. Das war Lilos Geburtstag. Am Nachmittag kam der Höhepunkt des Tages: ein Besuch im Minimundus, der kleinen Stadt am Wörthersee. „An die 150 Bauwerke aus aller Welt könnt ihr hier besichtigen. Allerdings sind sie 25mal kleiner als in Wirklichkeit. Aber sie stimmen in allen Details mit den echten Gebäuden genau überein“, erklärte Herr Klingmeier. Lieselotte fand es äußerst lustig, der amerikanischen Freiheitsstatue einmal fast in die Augen sehen zu können. Poppi zeigte Klarabella sofort die Nachbildung des Wiener Riesenrades. „Das wäre doch etwas für dich“, flüsterte sie ihr ins Ohr, „die kleinen Gondeln sind genau richtig groß für dich.“ Die Ratte hatte aber anscheinend keine Lust auf eine Fahrt in einer der kleinen roten Kisten. Sie kletterte an Poppis T-Shirt hinunter und
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verkroch sich in der Umhängetasche. Das machte sie immer, wenn sie Ruhe haben wollte. „Dieser Turm ist schlecht gebaut“, sagte ein kleiner Bub zu seiner Mutter. „Er ist völlig schief. Der wird demnächst umfallen!“ Axel, der neben dem Buben stand, prustete vor Lachen. Es handelte sich um den „Schiefen Turm von Pisa“. Dominik bestaunte die Nachbildung eines Radio-Teleskops, das ein wenig Ähnlichkeit mit einer aufgestellten Riesenschüssel hatte. Anschließend spazierte er weiter zum berühmten Schloß Neuschwanstein, zum Mini-Eiffelturm, zu Big-Ben und dem weltbekannten Opernhaus von Sidney. Gleich neben dem Modell des Grazer Uhrturmes entdeckte Poppi unter einem Strauch den Lindwurm von Klagenfurt. „Komisch“, dachte sie, „wieso verstecken die Kärntner ihr Wahrzeichen hier? Der Lindwurm hätte sich eigentlich einen besseren Platz verdient, wo ihn alle sehen können.“ Die Zeit verging wie im Flug. Es war schon kurz vor fünf Uhr, als sich die Kinder und Herr Klingmeier beim Eingang von Minimundus wieder trafen. „Habt ihr noch Lust, den Reptilienzoo zu besuchen?“ fragte Herr Klingmeier. Lieselotte, Axel und Dominik stimmten sofort begeistert zu. Schlangen, Chamäleons und Eidechsen aus nächster Nähe zu sehen, fanden sie äußerst aufregend. Poppi warf einen fragenden Blick auf ihre Umhängetasche. „Ich glaube nicht, daß Klarabella sehr wild darauf ist, einer Schlange zu begegnen. Schlangen sind schließlich Feinde der Ratten. Vielleicht fürchtet sie sich“, meinte sie. Poppi griff in den Beutel, um ihre vierbeinige Freundin herauszuholen. „O nein!“ rief sie erschrocken. Die Naht am Boden der Tasche war geplatzt und die Ratte verschwunden. „Ich muß sofort zurück und Klarabella suchen!“ schrie sie aufgeregt und stürmte an der Kasse vorbei zu den Miniaturbauten.
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Während Herr Klingmeier die erstaunte Dame an der Kasse beruhigte, folgten die anderen Bandenmitglieder ihrer Freundin. „Klarabella! Klarabella!“ riefen sie durcheinander und rannten von Bauwerk zu Bauwerk. „Vermißt du dein kleines Schwesterchen?“ erkundigte sich ein älterer Herr bei Poppi. „Nein, meine Ratte!“ rief Poppi. „Haben Sie sie gesehen?“ Der Herr schüttelte den Kopf und meinte tadelnd: „Ich finde es gar nicht nett, wie du von deiner kleinen Schwester redest.“ Für Erklärungen war jetzt keine Zeit. Poppi hatte große Angst. Ihr Herz klopfte laut. Sie hatte die Ratte doch so gerne. „Ich habe sie!“ ertönte die Stimme von Lieselotte. Gleich darauf tauchte sie mit Klarabella in der Hand neben Poppi auf. Überglücklich drückte das Mädchen seinen vierbeinigen Liebling an sich. „Es scheint das kluge Tier nach Graz zu ziehen“, lachte Lieselotte. „Klarabella ist nämlich beim Uhrturm gesessen.“ „Vielleicht hat sie den Lindwurm besuchen wollen“, meinte Poppi. Lieselotte schaute sie verwundert an. „Welchen Lindwurm?“ „Na den, der beim Uhrturm steht. Unter dem Busch. Eine MiniAusgabe des Klagenfurter Lindwurms.“ „Dort ist gar nichts“, sagte Lieselotte. Poppi wollte ihr das nicht glauben, und so marschierten die beiden Mädchen zu dem kleinen Schloßberg. Lilo hatte recht. Der Platz unter dem Strauch war leer. Nur ein buntes Bonbon-Einwickelpapier lag dort. Ein Besucher mußte es achtlos hingeworfen haben. „Dann ist der Lindwurm gestohlen worden!“ rief Poppi aufgeregt. „Wir müssen den Diebstahl sofort melden.“ Die Uhr in der Halle des Klagenfurter Bahnhofes zeigte fünf Minuten nach sechs, als ein Mann im Laufschritt zu den Schließfächern stürmte. Aus der Tasche seiner Jacke zog er einen gelben Umschlag heraus und riß ihn auf. Ein Schlüssel, an dem ein kleines Messingschild hing, fiel in seine Hand. Nummer 21 war darauf eingraviert.
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Der Mann ließ seinen Blick über die Schließfächer schweifen. In der dritten Reihe entdeckte er Fach Nummer 21. Er steckte den Schlüssel in das Schloß des Metallkastens, drehte ihn zweimal herum und öffnete die Tür. Entsetzt starrte er hinein. Das Schließfach war leer. Nach einer Schrecksekunde knallte er es wütend zu und stürmte mit Riesenschritten aus dem Bahnhofsgebäude. Er warf sich hinter das Steuer eines blauen Sportwagens, ließ den Motor aufheulen und raste mit quietschenden Reifen aus dem Parkplatz auf die Straße. Mit den Flüchen und Verwünschungen, die er nun von sich gab, hätte man spielend ein Schimpfwörterbuch füllen können. „Andere sehen Gespenster, du siehst Lindwürmer!“ lachte Dominik. Die Knickerbocker-Bande saß wieder im Auto und befand sich auf der Fahrt nach Velden ins Hotel „Seeblick“. „Er war aber doch dort unter dem Strauch“, protestierte Poppi. „Die Dame an der Kasse hat uns aber versichert, daß es gar keinen Lindwurm in Minimundus gibt“, sagte Lieselotte. Poppi schwieg beleidigt. „Vielleicht hat der Lindwurm aus Klagenfurt einen kleinen Ausflug gemacht“, kicherte Dominik. „Dabei ist er aber in den Regen geraten und geschrumpft. Also hat er sich in Minimundus untergestellt. Später hat er wieder Lust bekommen, sich die Tatzen zu vertreten und ist weitergewandert. So könnte es doch gewesen sein.“ Poppi bekam einen roten Kopf. Sie haßte es, ausgelacht zu werden. „Es ist ein Lindwurm unter dem Strauch gestanden. Und er hat genauso ausgesehen, wie die Figur, die wir in der Tasche vor dem Hotel gefunden haben“, verteidigte sie sich energisch. Axel sah das jüngste Bandenmitglied ein wenig mitleidig an. „Aber, Poppilein“, seine Stimme klang, als würde er zu einem Baby reden, „die Lindwurmfigur steht beim Hotelportier. Die hat ein Urlauber als Andenken gekauft und dann vor dem Hotel vergessen.“
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Poppi verschränkte die Arme, schob die Unterlippe vor und sagte kein Wort mehr. Sie ließ sich doch nicht wie ein Dodel behandeln. Zurück im Hotel, führte Axels erster Weg gleich zum Portier. Als er zurückkam, kratzte er sich nachdenklich am Kinn. „Der kleine Lindwurm ist verschwunden. Spurlos. Irgend jemand muß ihn mitgenommen haben, aber die Portiere wissen nicht, wer es war“, berichtete er seinen Freunden. Poppi blickte triumphierend in die Runde. Lieselotte schnippte dreimal mit den Fingern und rümpfte dazu viermal die Nase. Das bedeutete: „Wir ziehen uns zur Beratung zurück. An einen Ort, wo uns kein Erwachsener stören kann.“ Wie auf Kommando stürmten die vier los und prallten gleich darauf mit Frau Fortano zusammen. Sie war plötzlich aus ihrem Büro getreten und hatte die Kinder einfach übersehen. „Entschuldigt“, stammelte sie und zog die Tür hinter sich ins Schloß. „Wo habe ich denn nur den Schlüssel gelassen?“ Sie tastete ratlos alle Taschen ihres Kostüms ab. „Der Schlüssel steckt doch im Schloß!“ rief Dominik. „Ach ja... natürlich... ja... danke“, murmelte die Hoteldirektorin und ging weiter. „He, Karoline, was ist denn los mit dir?“ rief ihr Herr Klingmeier nach, der von der Hotelhalle aus alles beobachtet hatte. Frau Fortano schüttelte den Kopf, setzte an, etwas zu sagen, ließ es dann aber doch wieder bleiben. „Kann ich etwas für dich tun?“ bot ihr Herr Klingmeier an. Sie nickte. „Bitte komm einen Augenblick in mein Büro. Ich muß dir etwas erzählen. Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll...“
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Das Monster im See „Egon, ich werde normalerweise mit allem fertig, aber dieser Herr Kratzowsky schafft mich total. Ich fühle mich so schuldig. Irgendwie bin ich schließlich für den Diebstahl der Geige verantwortlich. Mein Hotel ist nicht sicher genug. Wenn sich das herumspricht, verliere ich meine besten Gäste. Außerdem tut es mir schrecklich leid, daß dein Sohn und seine Freunde in diese Sache hineingezogen worden sind. Ich bin felsenfest von ihrer Unschuld überzeugt.“ „Ist bei euch schon öfter etwas abhanden gekommen?“ „Noch nie! Seit der Hoteleröffnung vor dreizehn Jahren ist das der erste Diebstahl.“ Frau Fortano genehmigte sich einen großen Schluck aus ihrem Glas. „Was sagt die Polizei zu der ganzen Sache?“ „Nichts, weil ich sie nicht verständigt habe.“ Herr Klingmeier blickte erstaunt auf. „Herr Kratzowsky dreht durch vor Angst. Er fürchtet, seiner Geige könnte etwas geschehen. Es handelt sich dabei um ein Erbstück. Angeblich ist das Instrument einige Hunderttausend wert, behauptet er. Er ist bereit, das Lösegeld zu zahlen. Heute nacht soll die Übergabe stattfinden. Herr Kratzowsky hat bereits Nachricht erhalten, wo es sein soll. Ich mache mir Sorgen um diesen Spinner. Wenn ihm nun etwas zustößt?“ Die beiden alten Schulkollegen waren so sehr in ihr Gespräch vertieft, daß sie das Rascheln des Gebüsches vor dem offenen Bürofenster überhörten. Vier kleine Gestalten krochen lautlos und vorsichtig hervor und schlichen geduckt an der Hausmauer entlang zu ihren Zelten. Sie zogen sich in das Bubenzelt zurück und hielten dort Kriegsrat. „Ab jetzt lassen wir den Kerl mit der Bartbinde keine Sekunde mehr aus den Augen“, beschloß Axel. Lieselotte stimmte ihm zu. „Wir müssen unbedingt herausfinden, wo die Übergabe des
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Lösegeldes erfolgt. Vielleicht können wir so den Erpresser entlarven und beweisen, daß wir mit der Angelegenheit nichts zu tun haben.“ Axel und Lilo wollten die ganze Nacht lang vor dem Hotel Wache halten. Dominik und Poppi sollten Kratzowskys Zimmer im Auge behalten. Die Knickerbocker-Bande durfte unter keinen Umständen den Augenblick verpassen, wenn der Geiger zur Übergabe des Lösegeldes das Hotel verließ. Lilo und Axel mußten lange warten. Axel kämpfte seit Stunden erbittert gegen den Schlaf. Gähnend hockte er mit seiner Knickerbocker-Freundin hinter einem Auto auf dem Hotelparkplatz. Von hier hatten sie eine gute Sicht auf das Portal. Immer wieder fielen Axel die Augen zu, und er nickte für einen Moment ein. Aber wirklich nur für einen Moment. Dann fuhr er wieder in die Höhe und zwickte sich kräftig ins Bein, um wach zu bleiben. Irgendwo schlug eine Turmuhr dreimal hoch und einmal tief. Es war also bereits l Uhr 45. „Axel! Lilo!“ Erschrocken drehten sich die beiden um. Dominik war hinter ihnen aufgetaucht. „Der Herr Kratzowsky hat in seinem Badezimmer das Licht siebenmal ein- und ausgeschaltet.“ „Spinnt der?“ fragte Lilo. Axel hatte einen Verdacht. „Das war todsicher ein Zeichen für die Erpresser. Ich wette, er taucht gleich hier auf.“ Der JuniorDetektiv hatte ganz richtig vermutet. Wenige Augenblicke später huschte eine kleine, hagere Gestalt durch die Drehtür. Kein Zweifel – es war Kratzowsky. Er trug einen Plastiksack eng an die Brust gepreßt und wollte die Straße überqueren. Gerade als er einen Fuß auf die Fahrbahn setzte, bog ein blauer Sportwagen mit quietschenden Reifen um die Ecke. Nur durch einen Sprung auf den Gehsteig konnte sich Kratzowsky in Sicherheit bringen. Um ein Haar wäre er überfahren worden. Der blaue Sportwagen bremste vor dem Hotel ruckartig ab und
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bog rasant auf den Parkplatz ein. Lilo, Dominik und Axel duckten sich. Der Wagen parkte nur wenige Schritte von ihnen entfernt ein. Ein großer Mann mit breiten Schultern sprang aus dem Auto und knallte die Tür zu. Als er zum Hotel ging, kam er so dicht an den Kindern vorbei, daß sie fast nach ihm greifen konnten. Als Herr Kratzowsky den Mann sah, wollte er zu einem seiner Wutanfälle ansetzen. Er ließ es dann aber bleiben. Schließlich hatte er Wichtigeres zu tun. Kratzowsky überquerte die Straße und bog in die Uferpromenade ein. „Warte im Zelt auf uns“, zischte Lieselotte dem jüngeren Bandenmitglied zu. Dann heftete sie sich mit Axel an die Fersen des Geigers. An einem Bootssteg, wo Segel- und Ruderboote vertäut waren, blieb der Musiker stehen. Er deutete mit seinem langen Zeigefinger der Reihe nach auf jedes Boot. „Er zählt sie ab“, zischte Lilo Axel ins Ohr. „Wozu?“ flüsterte dieser zurück. Lilo zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich sucht er ein ganz bestimmtes Boot.“ Schließlich bückte sich Herr Kratzowsky und steckte den Plastikbeutel unter die Abdeckung eines Segelbootes. Er richtete sich auf und schaute hastig nach allen Seiten. Axel und Lilo gingen blitzschnell hinter einer Eisbude in Deckung. Kratzowsky war überzeugt, daß ihn niemand beobachtet hatte, und lief zurück zum Hotel. Als er nicht mehr zu sehen war, streckten Axel und Lilo zaghaft ihre Köpfe hinter der Holzhütte hervor. Noch war nichts Besonderes zu entdecken. Doch plötzlich wurde das Wasser rund um das Segelboot, in dem das Geld lag, unruhig. Wellen kräuselten sich, und es bildete sich ein kleiner Strudel. Lilo und Axel trauten ihren Augen nicht. Ein schlankes, schwarzes Wesen schlängelte sich aus dem Wasser. Seine glatte Haut schimmerte glitschig. Es
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kroch tastend die Bootsplanke hinauf und ließ sich über die Kante gleiten. Den Kopf des Wassertieres konnten die Kinder im schwachen Licht der Stegbeleuchtung nicht richtig erkennen. Er hatte aber eindeutig eine andere Farbe als der Körper. „Das... das ist eine Seeschlange. Ein Seeungeheuer!“ stieß Axel hervor. Lieselotte sagte gar nichts. Sie starrte nur gebannt zum Bootssteg hin. Normalerweise behielt sie in jeder Lebenslage einen kühlen Kopf. An Geister und Ungeheuer hatte sie noch nie geglaubt. Aber jetzt zweifelte sie selbst. Sollte es wirklich ein Ungeheuer vom Wörthersee geben? Das schwarze, schlangenähnliche Tier hatte anscheinend nicht gefunden, wonach es suchte. Daher verschwand es wieder in der dunklen Tiefe. Lilo und Axel atmeten erleichtert auf. Aber nur für eine Sekunde. Dann kräuselte sich das Wasser wieder, und ein mächtiges, schwarzes Tier schoß heraus. Es war mindestens zwanzigmal so groß wie die Schlange von vorhin.
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Drei Minuten unter Wasser Axel und Lieselotte erschraken fürchterlich. Sie duckten sich hinter der Eisbude und hielten den Atem an. Axels Herz pochte so laut, daß Lilo es hören konnte. Schon bald war die Neugier wieder stärker als die Angst, und Lilo warf einen zaghaften Blick in Richtung Bootssteg. Prustend zog sie den Kopf zurück und preßte die Hand auf ihren Mund, um nicht lauthals loszulachen. Axel sah sie verständnislos an. „Spinnst du?“ Lilo schüttelte den Kopf und deutete stumm in Richtung Boot. Axel kroch am Boden zur Ecke der Eisbude und spähte zum Ungeheuer. Jetzt wußte er, warum Lilo lachte. Das Ungeheuer war natürlich kein Ungeheuer, sondern ein Taucher. Er trug einen schwarzen, glatten Anzug und eine Taucherbrille, die fast das ganze Gesicht bedeckte. Der Mann aus dem Wasser stopfte die Banknotenbündel hastig in einen wasserdichten Beutel. Axel ließ sich neben Lilo ins Gras sinken. „Wir müssen ihn verfolgen!“ flüsterte er. „Ja, aber womit?“ „Mit einem Boot natürlich. Am Bootssteg liegen genug davon. Vielleicht ist eines der Elektroboote nicht abgesperrt.“ Der Taucher war wieder im Wasser verschwunden. Die beiden Knickerbocker konnten sich aus ihrem Versteck wagen. Geduckt schlichen sie zum Steg und zerrten an den Bootsketten. Aber alle waren mit kleinen Schlössern gesichert. Schließlich entdeckten sie ein Ruderboot, das nur mit einem dünnen Tau angebunden war. „Das tut’s auch“, meinte Axel. „Allerdings wird die Verfolgung anstrengender.“ Flink kletterten die beiden in das Boot, knoteten das Seil los und stießen sich vom Steg ab.
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Lieselotte ruderte mit kräftigen Schlägen, um den Taucher einzuholen. Um keinen Lärm zu machen, tauchte sie die Ruder aber nicht zu tief ein. Dieses Geräusch wäre auch unter Wasser zu hören gewesen und hätte sie verraten können. Zum Glück war mittlerweile der Mond hinter einer Wolke hervorgekommen und beleuchtete die Oberfläche des Sees. Axel deutete aufgeregt auf ein dünnes Rohr, das etwa zehn Meter von ihnen entfernt durch die Wellen sauste. Es war ein Schnorchel – kein Zweifel. Er änderte ruckartig seine Richtung und steuerte wieder auf das Ufer zu. „Sehr weit ist der aber nicht geschwommen“, stellte Axel fest. Seine Freundin deutete ihm, still zu sein. Mit kurzen, sanften Ruderschlägen lenkte sie das Boot zum Ufer. Axel blickte sich hastig um. Er hatte den Schnorchel aus den Augen verloren. Auf der Wasseroberfläche war er nicht mehr zu entdecken. Lilo hatte einen Verdacht: „Der Taucher wird abgetaucht sein. Ich fürchte, er hat uns bemerkt. Deshalb schwimmt er nun unter der Wasseroberfläche, um uns abzuschütteln.“ „Lange kann er aber nicht unter Wasser bleiben. Irgendwann muß er wieder auftauchen, und dann sehen wir ihn bestimmt. Spätestens, wenn er an Land geht. Das muß irgendwo dort geschehen...“ Er deutete auf den langen Uferstreifen, der wie ein schmales, dunkles Band vor ihnen lag. Nur zwei kleine Bäume und ein Schuppen, der auf Pfeilern ins Wasser gebaut war, befanden sich darauf. 30 Sekunden vergingen... eine Minute verstrich. Nach zwei Minuten wurden die beiden Kinder unruhig. Das war doch nicht möglich. Der Taucher mußte längst zum Luftholen herausgekommen sein. Lilo ruderte näher an das Ufer heran. „Meinst du…“, Axel schluckte, bevor er weitersprach, „...er ist ertrunken?“ Lilo schwieg. In Gefahrenmomenten stets die Ruhe bewahren und klar denken – das sagte ihr Vater immer zu den Schülern in der Kletterschule.
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Ein dumpfes Poltern in der Holzhütte ließ die beiden JuniorDetektive aufhorchen. Mit wenigen Ruderschlägen hatten sie das Ufer erreicht. Vorsichtig schlichen sie sich an das Holzhaus an. Es war ungefähr drei Meter in den See hineingebaut. Um zur Tür zu gelangen, mußte man über einen schmalen, hölzernen Steg balancieren. Die Tür stand offen. Im Inneren der Hütte rührte sich nichts. Lilo deutete Axel mitzukommen. Schritt für Schritt tappten sie über den Steg und betraten den Schuppen. Im Inneren der Hütte herrschte völlige Finsternis. Die beiden Bandenmitglieder starrten angestrengt in das Schwarz, um ihre Augen daran zu gewöhnen. Langsam tauchten Umrisse aus der Dunkelheit auf. Die Hütte war leer und hatte keine Fenster. Außer einem Boden aus massiven Holzbohlen, vier Holzwänden und einem Giebeldach gab es hier nichts. Da konnte sich der Taucher also nicht versteckt haben. Aber wo war er hinverschwunden? Gerade als sich die beiden Kinder zum Gehen umdrehen wollten, flog die Hüttentür krachend zu. Lilo und Axel hörten, wie sie von außen mit einem Vorhängeschloß und einem Holzbalken verriegelt wurde. Lilo trommelte aus Leibeskräften gegen die Wand. „Aufmachen!“ brüllte sie. Am Knarren des Steges erkannte sie, daß den Unbekannten dieser Hilferuf wenig interessierte. Er verschwand in der Nacht. „Das war eindeutig der Taucher! Das traue ich mich wetten.“ Axel ballte wütend die Fäuste. „Jetzt haut er mit dem Lösegeld ab, und wir sitzen in der Falle. Vor morgen früh kommen wir nicht heraus.“ Irgendwo in der Nähe wurde ein Motorrad gestartet. Der Motor heulte einmal laut auf, dann wurde das Knattern immer leiser. „He, steh’ nicht so herum und starr’ Löcher in die Finsternis!“ schnauzte Axel Lieselotte an. „Reg dich ab, Kleiner!“ brummte das Mädchen.
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Etwas Ärgeres hätte sie zu ihm nicht sagen können. Mit einem Aufschrei stürzte er sich auf sie und riß sie an ihren Zöpfen. „Sag nie wieder ‚Kleiner’ zu mir, nur weil ich um ein paar Zentimeter kürzer bin als du“, brüllte er. Er hatte aber nicht mit Lieselottes Kraft gerechnet. Sie schüttelte ihn einfach ab und verdrehte ihm den Arm auf den Rücken. „Reg dich ab!“ wiederholte sie. „Krieg’ nicht gleich das große Zittern, nur weil wir in eine Falle getappt sind. Tut mir leid, daß mir der ‚Kleine’ herausgerutscht ist.“ Sie ließ Axels Arm los. Der Junge kauerte sich auf den Boden. Lieselotte hockte sich neben ihn. „Das dumpfe Poltern, das wir gehört haben, das war bestimmt der Taucher“, erklärte sie Axel, „aber wie ist er in die Hütte gekommen, ohne daß wir es sehen konnten?“ „Wozu ist diese Hütte überhaupt gut?“ dachte Axel. „Sie war wahrscheinlich einmal ein Bootshaus, das heute nicht mehr benutzt wird“, meinte Lieselotte. Da fiel ihr etwas ein. „He, Moment! Früher hatte die Hütte bestimmt keinen Boden. Der ist neu... Vielleicht... ist ein Brett locker?“ Beide Knickerbocker rutschten über den Boden und tasteten ihn Zentimeter für Zentimeter ab. Schließlich packte Lilo ein Brett und hob es hoch. Der Balken daneben konnte ebenfalls weggeschoben werden. So wurde ein schmaler Schlitz frei. Es war eine Geheimtür zum See. „Durch die muß der Taucher hereingeklettert sein, und als wir am Ufer angelegt haben, ist er herausgelaufen und hat sich irgendwo versteckt. Kaum waren wir in der Hütte, ist er zurückgekommen und hat uns eingesperrt. Und jetzt ab ins kühle Naß“, rief Lilo. Die beiden schwammen zum Ufer und bestiegen ihr Ruderboot. So schnell sie konnten, ruderten sie zurück und vertäuten das Boot am Bootssteg.
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Kurz vor vier Uhr früh krochen sie erschöpft in ihre Zelte. Poppi und Dominik erwarteten sie bereits. Sie hatten eine wichtige Beobachtung gemacht...
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Drohbrief Nummer l Im Zelt der Buben baumelte eine Taschenlampe und spendete ein wenig Licht für die nächtliche Versammlung der KnickerbockerBande. Lieselotte und Axel waren in trockene Trainingsanzüge geschlüpft und erzählten den beiden anderen von ihren Erlebnissen. Kaum hatten sie ihren Bericht beendet, platzte Poppi heraus: „Dann ist das eine ganze Erpresser-Bande!“ „Wie kommst du darauf?“ wollte Lieselotte wissen. Fast eine halbe Stunde lang hatten Poppi und Dominik ihre Sensation für sich behalten. Das war für die beiden eine Meisterleistung. Jetzt sollten Axel und Lieselotte aber erfahren, daß die beiden jüngeren Knickerbocker-Bandenmitglieder auch eine ordentliche Portion kriminalistischen Spürsinn besaßen! „Er war da...! Die Geige gebracht... Geklettert! Gesehen!“ Das war das einzige, was Lilo und Axel verstanden. Dominik und Poppi redeten wild durcheinander. Jeder wollte als erster von der wichtigen Beobachtung berichten. Lieselotte hob die Hand. „Stop! Einer nach dem anderen. Poppi fängt an.“ Das Mädchen holte tief Luft. „Nur ein paar Minuten nachdem der Kratzowsky mit dem Geld losmarschiert ist, haben wir wieder jemanden zum Hotel schleichen gesehen. Er ist ganz knapp an unserem Zelt vorbeigekommen.“ „Wir haben den Reißverschluß am Zelteingang ganz vorsichtig geöffnet und den Typ gesehen. Der Kerl hat einen schwarzen Overall angehabt und ist an der Dachrinne hinaufgeklettert. Er muß ziemlich geschickt sein, denn er hat ein großes Paket unter dem Arm getragen. Dann ist er in das Zimmer von Herrn Kratzowsky eingestiegen und ohne das Paket wieder herausgekommen.“
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„Und nachdem er weg war, habt ihr ein Motorrad knattern gehört!“ beendete Lilo den Bericht. Dominik und Poppi schauten sie verdattert an. „Woher weißt du das?“ fragten sie im Chor. „Ganz einfach. Weil auch der Kerl, der uns in die Hütte gesperrt hat, auf einem Motorrad unterwegs war. Für mich gibt es daher einen – besser gesagt – zwei Hauptverdächtige. Ihr erinnert euch doch sicherlich noch an die beiden Kerle auf dem Pyramidenkogel?“ „Der eine hat dem anderen gedroht!“ sagte Axel. „Moment einmal“, Poppis Gesicht erhellte sich, als wären ihr gerade 300 Glühbirnen aufgegangen. „Der keifende Koch in der Hotelküche – das war einer der zwei. Jetzt weiß ich, wo ich ihn schon einmal gesehen habe. Vielleicht hat er mich auch wiedererkannt und deshalb so angeschnauzt?“ „Das paßt alles zusammen wie bei einem Puzzlespiel“, meinte Lilo zufrieden. „Für diesen komischen Koch war es kein Problem, interessante Sachen über die Hotelgäste zu erfahren. So muß ihm auch die Geschichte mit der wertvollen Geige zu Ohren gekommen sein. Und deshalb hat er sie ‚entführen’ lassen. Von seinem Komplizen.“ „Morgen gehen wir zu Frau Fortano und erzählen ihr alles. Sie muß den Koch anzeigen!“ rief Dominik aufgeregt. „Schlaumeier! Sie hat doch keine Beweise!“ brummte Axel. „Die werden wir ihr beschaffen!“ beschloß Lilo. „Und jetzt habe ich nur noch einen Wunsch. Schlafen! Und zwar lange. Sonst treten meine Denkzellen in Streik!“ Herr Klingmeier wunderte sich außerordentlich, als am nächsten Morgen keines der Kinder zum Frühstück erschien. Als sie um 10 Uhr vormittags noch immer nicht aufgetaucht waren, ging er nachschauen. Waren sie schon baden? Oder... Ein Blick in die Zelte genügte, und er war wieder beruhigt. Alle vier schliefen tief und fest. Er nickte zufrieden und dachte bei sich: „Jaja, jetzt setzt die Erholungsphase ein.“ Wenn der wüßte...
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Zum Mittagessen waren aber wieder alle versammelt. Auf dem Weg zur Terrasse, auf der heute ein riesiges Mittagsbuffet aufgebaut war, traf Lieselotte Frau Fortano. „Poppi ist völlig geknickt, weil sie einer Ihrer Köche so unfreundlich behandelt hat“, erzählte sie ihr. Lilo machte das aus einem ganz bestimmten Grund. Auf der Stirn von Frau Fortano erschien eine lange Falte, die nichts Gutes verhieß. „Wer war es? Ich knöpfe mir den Burschen gleich vor. In meinem Hotel dulde ich keine schlechten Manieren.“ „Ein junger, großer Mann war es! Mit fetten Haaren. Frau Fortano nickte wissend. „Der Klaus Karmel. Das hätte ich mir denken können. Der ist ohnehin nicht mehr bei uns. Er hat heute früh angerufen und mir mitgeteilt, daß er kündigt. Mitten in der Hochsaison ist das zwar eine Katastrophe für die Küche, aber ehrlich gesagt bin ich froh, ihn loszusein.“ „Wohnt er auch in Velden?“ erkundigte sich Lilo scheinheilig. „Nein, in Villach. Wieso?“ „Ach, ich will nur nicht, daß Poppi ihm begegnet. Sie würde sich bestimmt sehr aufregen. Er hat nämlich gemeint, daß ihre Ratte in den Fleischwolf gehört.“ „Frechheit!“ brummte Frau Fortano. Dann wurde sie zur Rezeption gerufen. „Papa, könnten wir heute nicht nach Villach fahren?“ fragte Axel plötzlich beim Mittagessen. „Villach?“ Herr Klingmeier schaute erstaunt von seinem Teller auf. „Ja“, fügte Dominik eifrig hinzu, „wegen des Villacher Faschings!“ Für diesen Geistesblitz erntete er einen strafenden Blick von Lieselotte. „Darf ich dich darauf aufmerksam machen, daß wir Juli haben, bester Dominik!“ flötete Axel. „Zur Zeit kannst du höchstens den Villacher Kirtag besuchen.“
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Dominik verzog beleidigt den Mund. Er wollte nur einen guten Grund erfinden, um nach Villach zu fahren. Schließlich durfte Herr Klingmeier den wahren Grund nicht erfahren. „Ich habe aber einen Tip für dich, Dominik“, meinte Lieselotte. „Ganz in der Nähe von Villach befindet sich der Kurort Warmbad Villach. Da sprudeln jeden Tag 40 Millionen Liter warmes Heilwasser aus dem Boden. Vielleicht hilft dir das gegen deine frühzeitige Verkalkung. Auf einer Tafel vor einem Heilbad soll dieser Spruch stehen. Meine Oma hat ihn mir immer aufgesagt: ‚Dies Wasser ist für manch’ Übel gut, wer es nur recht gebrauchen tut, heilet Kummer, Not und Schmerz, tröstet manch betrübtes Herz!’ Das ist eindeutig das richtige für dich!“ Dominik gab ihr keine Antwort, sondern stopfte sich einen großen Löffel Spinat in den Mund. „Noch ein Wort und ich pruste einmal kräftig!“ drohte er Axel und Lilo an. Das wirkte. Es folgte kein Kommentar mehr von den beiden. „Wir haben uns nur gedacht, daß es zum Surfen heute schon zu spät ist, Herr Klingmeier...“ lenkte Lieselotte ein. „Und beim Warmbad Villach gibt es sogar eine Straße aus der Römerzeit“, schwärmte Axel. „Man soll noch genau die Fahrspuren erkennen können. Die möchte ich unbedingt sehen.“ Herr Klingmeier wunderte sich über nichts mehr. Anscheinend hatte Dominik einen leichten Sonnenstich und sein Sohn einen Anfall von Ferien-Streberei. Aber ihm sollte es recht sein. Er wollte ohnehin nach Villach und dort einen Kollegen besuchen. In der Zwischenzeit konnten die Kinder die Stadt erkunden. Vor der Abfahrt wollte Lieselotte noch schnell zurück, um ihren Fotoapparat zu holen. Schon von weitem sah sie, daß ein Zettel auf eine Stütze des Bubenzeltes aufgespießt war. Verwundert
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nahm sie ihn herunter. Es war eine Nachricht, die jemand aus Zeitungsbuchstaben zusammengeklebt hatte. „Haltet das Maul und haltet euch raus“, las sie. Lilo betrachtete das Stück Papier nachdenklich. Schließlich zerknüllte sie es und ließ es in die Tasche ihrer Jeans gleiten. „Der Taucher hat uns gestern also erkannt“, überlegte sie. „Nun möchte er uns abschrecken. Aber das gelingt ihm nicht. Ich sage den anderen am besten nichts von dem Brief. Jetzt müssen wir den Erpressern erst recht auf der Spur bleiben.“
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So einfach geht es nicht Eine halbe Stunde später saß die Knickerbocker-Bande im Auto. Alle vier waren noch ein wenig verschlafen und äußerst angespannt. Würde es ihnen gelingen, diesen Klaus Karmel zu finden? Und wenn sie ihn gefunden hatten, was dann? Irgendwie verließen sich Axel und Lilo auf den Zufall. Ihnen würde schon im richtigen Moment das Richtige einfallen. „Ist der hohe Berg dort vorne der Großglockner?“ erkundigte sich Poppi. „Du solltest nicht so viele Geographie-Stunden schwänzen“, hänselte sie Axel, „der Großglockner liegt noch mindestens 120 Kilometer von hier entfernt.“ „Wie heißt der Berg?“ „Das ist der Dobratsch, die Hausalpe der Villacher“, erklärte ihr Dominik. Nach einer kurzen Fahrt waren sie in Villach angekommen. Auf dem langgestreckten Hauptplatz mit den zahlreichen alten Häusern ließ Herr Klingmeier die Kinder aussteigen. „In zwei Stunden wieder hier. Abgemacht?“ rief er ihnen durch das Autofenster zu. Die Knickerbocker-Bande nickte. Zwei Stunden waren sehr kurz. Sie mußten sich beeilen. Da fiel Poppi etwas ein. „Verflixt! Wir wissen doch gar nicht, wo dieser Klaus Karmel wohnt. Wie sollen wir ihn finden?“ Lilo senkte geheimnisvoll die Stimme und murmelte: „Ich werde in einem Zauberbuch nachschlagen. Dann ist mir die Adresse gleich bekannt.“ Sprach’s und marschierte auf die nächste Telefonzelle zu. Gemeint hat sie damit klarerweise das Telefonbuch. Sie hatte Glück. Es gab nur einen einzigen Klaus Karmel in Villach.
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Bei einem Mann, der einen jungen Dackel an der Leine führte, erkundigte sich Axel nach dem Weg zur Adresse von Klaus. Die Straße lag nur unweit vom Hauptplatz entfernt. „Im Dauerlauf hin!“ kommandierte Lieselotte und stürmte los. Als die Kinder die richtige Straße gefunden hatten, bremsten sie ihren Lauf. „He, wo bleibt denn Poppi?“ fragte Dominik die anderen. Axel und Lilo schauten die Straße hinauf und hinunter. Von Poppi keine Spur. Dominik wollte schon nach ihr rufen, aber Axel drückte ihm die Hand auf den Mund. „Bist du verrückt?“, zischte er, „Willst du, daß hier alle zusammenlaufen? Dieser Klaus Karmel kennt uns doch vom Sehen. Er darf uns nicht bemerken!“ „Dann gehe ich den Weg zurück und suche Poppi. Ich glaube, sie streichelt noch immer den jungen Dackel, dem wir vorhin begegnet sind“, meinte Dominik und machte kehrt. Fröhlich vor sich hinpfeifend, schlenderten Axel und Lilo zum Haus Nummer 14. Dort sollte laut Telefonbuch Klaus Karmel wohnen. Die Einfahrt stand offen und gab den Blick in einen großen, ungepflegten, schmutzigen Hof frei. Drinnen waren zwei Motorräder abgestellt. Rundherum verstreut lagen Ersatzteile und Kanister. Die beiden Knickerbocker-Bande-Anführer überquerten die Straße und näherten sich der Hauseinfahrt. Axel deutete mit dem Kopf in Richtung Hof und zwinkerte Lieselotte zu. Vorsichtig schlichen sie hinein. Drinnen war niemand zu sehen. Die beiden Türen, die in das Haus führten, waren verschlossen. Nur ein Fenster im Erdgeschoß stand einen Spaltbreit offen. Dahinter hielt jemand anscheinend seinen Mittagsschlaf. Die Vorhänge waren nämlich zugezogen. Axel tappte auf Zehenspitzen an das Fenster heran und deutete Lilo zu kommen.
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Im Zimmer schlief niemand. Dafür stritten zwei Männer. Der eine hatte eine tiefe, heisere Stimme, der andere sprach hastig und stolperte immer wieder über seine Zunge. „Du hast 100.000 Flocken erbeutet. Ich schulde dir aber nur noch 80.000! Der Rest gehört also mir.“ Ein dröhnendes, gemeines Lachen war die Antwort. „Verdünnisier dich, Pinki! Du bist nur als Kletteräffchen zu gebrauchen. Sonst bist du völlig unfähig. Und jetzt verstinke hier nicht länger die Luft!“ Der Kerl mit der hohen Stimme dachte aber nicht daran, zu gehen. Statt dessen begann er, den anderen wild zu beschimpfen. „Du Mistkerl! Du Dreckskerl! Du Hund! Du...“ Anscheinend fiel ihm nichts mehr ein. Im Zimmer herrschte plötzlich eisiges Schweigen. Lilo und Axel kamen noch einen Schritt näher, damit ihnen auch bestimmt kein Wort entging. Da wurde der Vorhang mit einem Ruck zur Seite gezogen. Dahinter stand ein großer Bursche mit strähnigen Haaren und einem bösen Grinsen. Er betrieb zweifellos Bodybuilding, denn unter seinem engen Leibchen zuckten dicke Muskelpakete. „Habe ich es mir doch gedacht“, grunzte er. „Diese Knallfrösche spionieren mir nach.“ „Die wohnen hinter dem Hotel im Zelt!“ kreischte ein kleiner Bursche hinter dem Fleischberg. Axel erkannte ihn als den zweiten Kerl vom Pyramidenkogel. „Los, weg!“ zischte er Lilo zu. Er bewegte die Lippen dabei nicht und sprach so leise, daß nur Lieselotte die Nachricht verstehen konnte. Die beiden zählten im Kopf langsam bis drei und wollten dann so schnell wie möglich davonrennen. Aber sie kamen nicht dazu. Wie zwei riesige Zangen packten die Hände des Burschen die Kinder an den Schultern und hielten sie eisern umklammert. „Los, rein da!“ knurrte der Koloß und zerrte die beiden durch das Fenster. Sie strampelten und wehrten sich, aber es nützte
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nichts. Der Schreck hatte zuerst beiden die Sprache verschlagen, nun aber brüllte Lieselotte aus Leibeskräften. „Hilfe! Hilfeee!“ Wie zwei junge Hunde hatte sie der riesige Kerl in das Zimmer gehoben. Er schleuderte sie auf eine Bank und schlug das Fenster zu. „Schrei ruhig“, brummte er, „es hört dich hier keiner. Das Haus ist unbewohnt.“ Er wandte sich dem kleinen Burschen zu, der still daneben stand. „Los, feßle sie. Aber ordentlich! Vergiß den Knebel nicht. Sie dürfen frühestens in drei Tagen entdeckt werden. Dann bin ich längst über alle Berge.“ „Und was ist mit mir, Bulli? He?“ Die Stimme des Burschen zitterte. „Das überlege ich mir noch.“ Bulli warf seinem Komplizen eine Rolle Draht zu. Irgendwie mußte Axel an den Traum denken, den er in der ersten Nacht gehabt hatte. Jetzt war er Wirklichkeit geworden. „Laß mich los!“ Lilo schlug wild um sich, trat nach dem Kleinen und biß ihn in die Hand. Wimmernd zuckte der zurück. Aber es nützte gar nichts. Bulli kam seinem Kumpel zu Hilfe und umklammerte Lilos Hände wie ein Schraubstock. Der andere mußte nur noch den Draht herumwickeln. Wie zwei Postpakete lagen Axel und Lilo kurze Zeit später auf der Bank. Es war zum Verzweifeln. „Und jetzt, Bulli? Und jetzt?“ bohrte der Kleine. „Jetzt...“ Bulli sah den beiden höhnisch in die Augen. „Jetzt gehen wir und sperren gut zu. Vielleicht werden unsere Freunde gefunden. Vielleicht müssen sie aber auch verhungern! Adios Amigos!“ Die Tür fiel krachend ins Schloß. Axel und Lilo hörten, wie der Schlüssel zweimal umgedreht wurde. Dann herrschte Stille. Die beiden Kinder zogen und zerrten an den Fesseln. Dadurch schnitt sich der Draht aber nur tiefer in die Haut. Das tat höllisch weh. Deshalb ließen sie es bald bleiben. Axel warf Lieselotte einen verzweifelten, flehenden Blick zu. Sprechen konnten die
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beiden nicht miteinander. Ihre Gesichter waren nämlich mit einem breiten Streifen Klebeband umwickelt. Was nun?
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Gefangen! Durch einen kaputten Fensterladen fiel ein dünner Streifen Sonnenlicht in das düstere Zimmer. Er wanderte von der Tür zum Sofa, auf dem Axel und Lilo lagen. Daran konnten sie erkennen, wie die Zeit verging. „Jetzt liegen wir schon mindestens drei Stunden hier herinnen“, dachte Axel verzweifelt. „Warum kommt denn niemand?“ Auch Lilo grübelte verzagt vor sich hin. Wieso hatte sie aus der Adresse von diesem Klaus Karmel nur so ein Geheimnis gemacht? Sie wollte wieder ein bißchen wichtiger erscheinen. Das hatte sie nun davon. Hätte sie die Hausnummer doch auch den anderen verraten. Dominik und Poppi... Axel wälzte sich auf die andere Seite und konnte so einen Blick auf Lieselottes Uhr werfen. Es war erst kurz nach vier Uhr. Das bedeutete, daß noch nicht einmal eine Stunde vergangen war. Dem Jungen war es wie eine Ewigkeit vorgekommen. Verzweifelt rollte er sich auf dem Sofa hin und her und ließ sich auf den Boden fallen. Die Drähte, mit denen er gefesselt war, ließen keine schnelle Bewegung zu. Vorsichtig robbte er Zentimeter für Zentimeter in Richtung Tür. Als er sie erreicht hatte, versuchte er, das Klebeband von seinem Mund zu streifen. Immer wieder rieb er mit der Schulter darüber und schnitt Grimassen, um es zu lockern. Alle seine Anstrengungen blieben aber erfolglos. Erschöpft und entmutigt ließ er sich nach hinten sinken und starrte auf die Zimmerdecke, durch die sich ein fingerdicker Riß zog. Das Haus würde bestimmt bald abgerissen werden. „Spätestens dann wird uns jemand finden“, schoß es ihm durch den Kopf. „Auch wenn wir bis dahin längst verschimmelt sind.“ In der Ferne heulte eine Sirene. War das nicht eine Polizeisirene?
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Das Tuten kam näher. Lieselotte und Axel horchten auf. Gespannt lauschten sie, ob der Polizeiwagen vor dem Haus halten würde. Die Sirene wurde lauter und lauter. Die Kinder atmeten bereits erleichtert auf, als das Heulen plötzlich abbrach. Es herrschte wieder Stille. Absolute Stille. Die Enttäuschung war Axel und Lieselotte ins Gesicht geschrieben. Der Polizeiwagen war weitergefahren. Doch dann hörten sie Schritte im Hof. Eine Tür wurde geöffnet. „Das ist der Abgang zum Keller“, sagte eine Stimme. „Hallo! Ist da wer?“ rief eine andere. Da keine Antwort kam, wurde die Tür wieder geschlossen. „Wenn du mich fragst, haben die beiden Kinder zu viele Krimis gelesen.“ „Das glaube ich nicht“, antwortete die zweite Stimme. „Die beiden wirken nicht so. Da ist schon etwas dahinter.“ „Unsinn, das Haus steht leer. Hier ist niemand. Komm, wir gehen wieder!“ Nein, nur das nicht! Axel nahm alle Kraft zusammen und wälzte sich auf den Bauch. Er kniete sich auf, und da er überaus wendig war, gelang es ihm, sogar trotz der Fessel aufzustehen. Mit Wucht warf er sich gegen die Tür. Wums! Es polterte, und er landete wieder unsanft auf dem Holzboden. „Da ist jemand!“ hörten sie eine Stimme draußen sagen. Es wurde an der Tür gerüttelt. „Versperrt! Wir müssen sie aufbrechen. Geht zur Seite! Damit ihr nicht verletzt werdet.“ Das Holz krachte und splitterte, und Axel und Lieselotte schlossen geblendet die Augen. Sie mußten sich erst wieder an das helle Tageslicht gewöhnen. Vor ihnen standen zwei Polizisten, die sie sofort von ihren Fesseln und Knebeln befreiten. Erleichtert taumelten die Kinder ins Freie, wo sie bereits von Dominik und Poppi erwartet wurden.
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„Ich bin vielleicht nicht der Mutigste“, grinste Dominik, „aber als Detektiv bin ich auf Zack.“ „Wie habt ihr uns überhaupt gefunden?“ wunderte sich Lieselotte. „Ich habe einen kleinen Hund gestreichelt und euch dabei aus den Augen verloren. Weil ich nicht gewußt habe, wo ich hinsollte, habe ich gewartet. Dominik ist schließlich bei mir aufgetaucht, und gemeinsam sind wie hierhergelaufen.“ „Aber woher hast du die Hausnummer gewußt?“ wunderte sich Lilo. Dominik strahlte. „Liebe Lieselotte, die Klugheit hast du weder erfunden noch gepachtet. Ich kann doch auch in ein Telefonbuch schauen. Und genau das habe ich gemacht.“ Als die beiden jüngeren Knickerbocker dann aber zum Haus Nummer 14 kamen, wurden sie Augenzeugen, wie Axel und Lilo von Klaus Karmel gerade in das Zimmer gezerrt wurden. Deshalb waren sie wieder zur Telefonzelle zurück gerannt und hatten die Polizei verständigt. Einer der Polizisten trat zu den Kindern. „Ich muß euch jetzt aber bitten mitzukommen. Wir müssen eure Aussage zu Protokoll nehmen.“ „Wird gemacht, aber zuerst sollten wir beim Hauptplatz vorbeischauen. Ich glaube, Papa wartet dort schon auf uns. Na, der wird Augen machen!“ meinte Axel. Herr Klingmeier staunte nicht schlecht, als die KnickerbockerBande in einem Polizeiwagen angefahren kam. Allerdings war er sehr erleichtert, als er sah, daß den Kindern nichts geschehen war. Deshalb vergaß er auch das Schimpfen. Unter leisem Zischen und Brutzeln brieten die Würstel und saftigen Steaks auf dem Holzkohlengrill. In der Glut lagen Kartoffeln in Folie gewickelt. Dominik wischte sich genüßlich den Mund ab und angelte das vierte Stück Fleisch vom Grill.
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„Schmeckt’s?“ erkundigte sich Frau Fortano. Dominik nickte nur. Durch die genaue Beschreibung, die Axel und Lilo gegeben hatten, konnten Klaus Karmel und sein Komplize Hans Pork gefaßt werden. Die beiden wollten mit dem erbeuteten Geld nach Jugoslawien. „Dieser Hans Pork ist eigentlich ein armer Hund“, berichtete Herr Klingmeier den Kindern. „Er hat sich vor einem Jahr ein Motorrad von Klaus Karmel ausgeborgt und damit einen schweren Unfall verursacht. Er ist in einen Straßengraben gerast und wie durch ein Wunder unverletzt geblieben. Das Motorrad war allerdings schrottreif. Klaus Karmel hat jetzt zugegeben, das Fahrzeug präpariert zu haben. Der Unfall war von ihm geplant. Er forderte einen Schadenersatz, der den tatsächlichen Wert des Motorrades bei weitem überstieg. Pork konnte nicht bezahlen und stand nun in Karmels Schuld.“ Der Rest der Geschichte war schnell erzählt. Pork mußte von nun an für Klaus Karmel verschiedene Sachen „erledigen“: Zum Beispiel bei Kratzowsky einsteigen und die Geige stehlen. Er war es auch gewesen, der sie nach der Übergabe des Lösegeldes wieder zurückgebracht hat. Klaus Karmel hatten Lilo und Axel zur selben Zeit beim Tauchen beobachtet. Insgesamt konnten Klaus Karmel und Hans Pork drei Erpressungen und zahlreiche kleine Einbrüche nachgewiesen werden. Der Knickerbocker-Bande war ein toller Fang gelungen. Herr Klingmeier blickte die vier streng an. „Aber eines müßt ihr mir jetzt feierlich versprechen: Keine weiteren ‚Nachforschungen’ oder ‚Täterjagden’ mehr in diesem Urlaub. Ich möchte mich erholen, und meine Nerven sind nicht die stärksten! Versprochen?“ Die Knickerbocker-Bande nickte. Hinter dem Rücken hielten allerdings alle vier die Finger gekreuzt. Das bedeutete, daß sie ihr Versprechen nicht ganz so streng einhalten mußten. Vielleicht ahnten sie, daß es noch nicht das letzte Abenteuer in diesem Sommer gewesen sein sollte...
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Drohbrief Nummer 2 Platsch! „32!“ zählte Dominik laut. Er lag bequem und faul auf seiner Luftmatratze am Ufer des Wörthersees und beobachtete Axel bei seinen ersten Surfversuchen. 32 mal hatte Axel schon versucht, das Surfbrett hinaufzuklettern und aufrecht darauf stehenzubleiben. Und genau 32mal war er dabei wieder im Wasser gelandet. „32!“ rief Dominik Axel noch einmal höhnisch zu, als dieser den Kopf aus dem See streckte. Axel hob drohend die Faust. „Du fauler Sack, spar dir deine blöden Witze. Versuch’ es lieber selbst einmal. Das tut deinem Natur-Schwimmreifen bestimmt gut!“ Dominik blickte sich erstaunt um. Wo sollte hier ein Schwimmreifen sein? „Ich meine deinen Speckring!“ schrie Axel. „Der schützt dich wenigstens vor dem Ertrinken. Fett schwimmt nämlich oben!“ Das war Dominik zuviel. Er war faul, aber sonst sehr sportlich. Schnell rannte er über den Steg, der einige Meter in den See hineinragte, und wollte mit einem eleganten Kopfsprung in Axels Richtung hechten. Leider wurde nur ein Bauchfleck daraus. Es klatschte laut, und als Dominik auftauchte, war sein Gesicht verzerrt. „Au! Autsch! Das brennt!“ wimmerte er. „He, ihr beiden, kommt schnell!“ Poppi und Lieselotte traten fest in die Pedale eines Tretbootes und steuerten auf Axel und Dominik zu. Die beiden Buben klammerten sich an den Bootsrand. „Heute in der Früh war ein Bericht über uns im Radio“, erzählte Poppi. „Frau Fortano hat ihn auf Kassette aufgenommen. Los, kommt zum Ufer, wir hören uns das gemeinsam an.“ „Außerdem will gegen Mittag ein Reporter von einer Kärntner Tageszeitung kommen und ein Interview mit uns machen!“ berichtete Lilo.
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Kurze Zeit später hatten die vier schwimmend und tretend das Ufer erreicht und stürzten sich auf den Walkman. Zum Glück besaß Poppi zwei Paar Kopfhörer, sodaß jeder einen Hörer ans Ohr pressen konnte. „Gestern nachmittag gelang es vier Kindern, die zur Zeit ihren Urlaub am Wörthersee in Kärnten verbringen, einem Erpresser und Einbrecher auf die Spur zu kommen...“ Mit diesen Worten begann der Bericht. Plötzlich fiel ein langer Schatten auf die Decke der Kinder. Über ihren Köpfen räusperte sich jemand lautstark. Die vier blickten auf. Ein großer, schlanker Mann mit einer übergroßen, sechseckigen Sonnenbrille auf der Nase stand neben ihnen. Die Gläser der Brille waren verspiegelt, sodaß sich die Knickerbocker-Bande darin sehen konnte. „Tut mir leid, euch beim Hören von Musik zu stören“, stieß der Mann hervor. Er hatte eine tiefe, heisere Stimme und sprach hastig und abgehackt. Deutsch war eindeutig nicht seine Muttersprache. „Ich bin Sebastian Koller und komme von Zeitung. Ich will schreiben einen Artikel über euch. Erzählt jetzt, was alles war.“ Er zückte einen kleinen Notizblock und lauschte. „Begonnen hat es mit Geräuschen, die wir in der Nacht gehört haben“, erzählte Lieselotte. Gemeinsam berichtete die Knickerbocker-Bande von ihren Erlebnissen. Der Reporter nickte und kritzelte immer wieder einige Zeilen auf seinen Block. „Außerdem war da auch die Sache mit dem Lindwurm, der aus Minimundus verschwunden ist...“ fügte Poppi am Ende hinzu. „Blödsinn! Das hast du dir nur eingebildet!“ fielen ihr die anderen ins Wort. Der Mann horchte auf. „Ist das vielleicht schon euer nächster ,Fall’?“ erkundigte er sich. Am Klang seiner Stimme erkannten die Kinder, daß er ihre kriminalistischen Fähigkeiten nicht sehr hoch einschätzte. „Nein“, antwortete Axel hochnäsig, „mit solchen Kleinigkeiten geben wir uns nicht mehr ab.“
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Lieselotte stimmte ihm zu und meinte im Spaß: „Als nächstes beschäftigen wir uns mit dem Diebstahl der ,Tränen des Drachens’!“ Der Zeitungsmann steckte seinen Block ein, nickte den Kindern zu, murmelte etwas von „Vielen Dank für das Gespräch“ und hetzte davon. „Komischer Kauz!“ stellte Lieselotte fest. „Er muß ein phänomenales Gedächtnis haben“, meinte Dominik. „Wieso?“ wollte Axel wissen. „Weil er die ganze Zeit nur Wellenlinien auf das Papier gemalt hat. Schriftzeichen waren das eindeutig keine.“ „Verflixt, wir haben vergessen zu fragen, wann der Artikel erscheint“, rief Poppi und wollte dem Reporter nachlaufen. Dabei prallte sie mit Frau Fortano zusammen, die gerade zum Strand herunterkam. Sie war nicht allein. „Hallo, Kinder!“ rief sie der Knickerbocker-Bande zu. „Das ist Herr Klausen! Er ist der Reporter, den ich euch angekündigt habe.“ Es war ungefähr eine halbe Stunde später. Die KnickerbockerBande und Herr Klausen saßen auf der Hotelterrasse und löffelten Eis. „Ich habe keinen Kollegen namens Sebastian Koller. Schon gar keinen, der so spricht, wie ihr es beschrieben habt“, meinte der Reporter. „Es ist auch ziemlich unwahrscheinlich, daß sich einer meiner Kollegen einen Spaß mit euch erlaubt hat. Warum und wozu?“ Darauf wußte selbst die Knickerbocker-Bande im Moment keine Antwort. Sie wollten später darüber beratschlagen, wer der Mann von vorhin gewesen sein konnte. Doch zuerst mußten sie dem echten Reporter noch einmal alles von vorne erzählen. Als sie mit ihrem Bericht fast fertig waren, trat der Chefportier an ihren Tisch. Er legte zwei Briefe vor die Kinder und sagte: „Die sind gerade vorhin für euch abgegeben worden.“
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Neugierig riß Axel den ersten Umschlag auf. Er trug den Briefkopf des Seehotels, war also zweifellos von einem Hotelgast. Mit einem leisen Pfiff zog der Junge mehrere Geldscheine heraus. Die Visitkarte von Professor Kratzowsky lag dabei und auf der Rückseite stand: „Vielen Dank und entschuldigt, daß ich Euch verdächtigt habe. Das ist ein kleines Honorar für Eure detektivische Arbeit!“ „Naja, gar so klein ist es auch nicht! Wir sind zufrieden!“ brummten Axel, Poppi und Dominik. Lieselotte, die inzwischen das zweite Kuvert aufgeschlitzt hatte, starrte mit großen Augen auf einen zerknitterten Zettel. Stumm reichte sie ihn weiter. „Steckt Eure Nase nicht in Angelegenheiten, die Euch nichts angehen!“ hatte jemand mit großen, schnörkeligen Buchstaben daraufgeschrieben. „Diese Warnung gibt es nur einmal.“
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Der Mann mit dem Lollipop Vorsichtshalber hatten die vier Knickerbocker aber weder dem Reporter noch Herrn Klingmeier von dem Drohbrief erzählt. „Wir leben ganz schön gefährlich“, dachte Lilo. Im Augenblick genossen die Kinder aber die Fahrt auf dem alten Dampfer „Thalia“. Die „Thalia“ war schon halb verrostet gewesen, als sie vor einigen Jahren dann doch noch renoviert wurde. Heute fährt sie auf dem Wörthersee von Velden nach Klagenfurt und ist eine beliebte Touristenattraktion. Die vier Knickerbocker standen an der Reling und blickten über den Wörthersee. „Wie auf dem Mississippi“, stellte Dominik fest. „Hmmmm“, war die einzige Reaktion von Lilo und Axel. Die beiden hatten viel Spaß an der Fahrt auf dem Raddampfer, aber dennoch ließ sie der Gedanke an den falschen Reporter nicht los. „Wozu hat sich der an uns herangemacht? Was wollte er?“ Axel sah die anderen fragend an. „Er hat versucht, etwas aus uns herauszukitzeln. Aber was... ?“ überlegte Lilo laut. Dominik war etwas aufgefallen. „Wie euch bekannt ist, kenne ich mich in der Gestensprache gut aus...“ begann er seine Rede. „Mach es bitte kurz, das Schiff legt in einer Stunde an“, bat ihn Lilo. Dominik räusperte sich empört. „Ich wollte sagen, da ich äußerst gut im Beobachten von Menschen bin, habe ich folgendes festgestellt: Als Lilo die ‚Tränen des Drachens’ erwähnte, kam eine merkliche Unruhe in dem falschen Reporter auf.“ „Blödsinn“, meinte Lieselotte. „Da hast du dich getäuscht.“ Ihr spukte nämlich schon die ganze Zeit ein anderer Verdacht im Kopf herum. „Als Poppi die Lindwurmfigur erwähnt hat, kam von diesem komischen Kerl sofort die Frage, ob das unser nächster Fall ist. Das bedeutet, er weiß mehr über den Lindwurm. Langsam
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glaube ich, daß diese Figur irgendein Geheimnis an sich hat. Ich kann diesen Verdacht zwar nicht beweisen, aber ich bin ziemlich fest davon überzeugt. Zweimal ist der Mini-Lindwurm in dieser Woche schon aufgetaucht und gleich darauf wieder blitzschnell und spurlos verschwunden. Mit dem stimmt etwas nicht!“ Poppi nickte heftig. „Das habe ich euch die ganze Zeit zu erklären versucht. Aber ihr habt euch nur über mich lustig gemacht.“ „Tut uns leid, tut uns leid“, entschuldigte sich Axel, „wir glauben dir jetzt alles. Übrigens könnte ich mir denken, daß sich der Besitzer des Lindwurm-Modells in unserem Hotel befunden hat. Vielleicht ist er sogar noch immer da. Als mein Vater über die Tasche gestolpert ist, war er vielleicht sogar in der Nähe...“ Dominik leuchtete das nicht ganz ein. „Warum hat er sich dann nicht gemeldet, als du gefragt hast, wem die Tasche gehört?“ „Das ist doch sonnenklar: Weil er mit der Figur nicht in Verbindung gebracht werden möchte. Er hatte die Tasche aus Versehen stehengelassen und sich einen Moment lang abgewendet. Als wir sie dann in der Hand gehalten haben, wollte er nicht zugeben, daß es seine ist“, erklärte Axel. „Und das beweist: Der Lindwurm spielt eine wichtige Rolle...!“rief Lilo. „Eine wichtige Rolle in welcher Angelegenheit?“ fragte Dominik. Darauf konnten aber sowohl Lilo als auch Axel nur mit einem Schulterzucken antworten. „Das Ganze ist ein Puzzle-Spiel mit vielen einzelnen Teilen, die aber nicht im geringsten ein Ganzes ergeben“, stellte Axel fest. Lieselotte hatte bereits einen Vorschlag, wie sie weiter vorgehen sollten: „Wir müssen entweder den Lindwurm oder seinen Besitzer ausfindig machen. Möglicherweise bekommen wir Anhaltspunkte dafür im Hotel.“ Ein schriller Pfiff riß die Knickerbocker-Bande aus ihren Überlegungen. Der Dampfer näherte sich bereits dem Ufer. „Hallo Kinder! Ihr macht so ernste Gesichter. Ist etwas?“ erkundigte sich Herr Klingmeier.
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Vier Köpfe wurden heftig geschüttelt. „Hoffentlich hat er uns nicht belauscht“, schoß es Axel durch den Kopf. „Ohne diese ständigen Aufregungen macht der Urlaub gleich viel mehr Spaß. Findet ihr nicht auch?“ Vier Köpfe nickten heftig. Aber nur, damit Herr Klingmeier beruhigt war und keinen Verdacht schöpfte. Es war kurz vor fünf Uhr, als die Knickerbocker-Bande wieder im Hotel „Seeblick“ eintraf. Herr Klingmeier ging auf sein Zimmer, um zu lesen. Lilo, Axel, Dominik und Poppi schlenderten durch die Halle, in der nur wenig Betrieb herrschte. Die meisten Gäste waren noch am See. Das Personal des Hauses konnte sich eine kleine Nachmittagspause gönnen. An der Rezeption lehnte ein Zimmermädchen und plauderte angeregt mit dem jungen Portier. „Wie romantisch!“ flötete Dominik kichernd. „Wie in einem Liebesfilm.“ Er hatte ziemlich laut gesprochen, und das Mädchen und der Portier drehten sich ertappt um. „Du!“ stieß das Zimmermädchen hervor und deutete mit ihrem ausgestreckten Zeigefinger auf Dominik. Dieser wich einen Schritt zurück. Das Zimmermädchen lief auf ihn zu und fuchtelte dabei wild mit ihrem Finger durch die Luft. „Du... !“ war das einzige Wort, das sie herausbrachte. Dominik setzte vorsichtshalber zu einer Entschuldigung an, doch er kam nicht dazu. Das Zimmermädchen stand nun vor ihm und musterte ihn von oben bis unten. Danach ließ es einen Wortschwall auf ihn nieder. „Du bist doch der kleine Gavroche aus dem Musical ,Les Miserables’, das in Wien gespielt wird. Ich kenne dich genau. Ich war nämlich bei meiner Tante, und die hat mich ins Theater mitgenommen. Und dort habe ich dich gesehen. Im Fernsehen warst du aber auch schon zweimal, oder war es sogar dreimal...? Ich finde es ungeheuer aufregend, jemanden vom Theater kennenzulernen. Weißt du, ich wollte auch immer zum Theater, und ich
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habe auch schon einmal eine stumme Rolle bei den Festspielen auf Schloß Porcia gespielt. Zwei Tage mußte ich dafür proben. Aber bitte, du mußt mir jetzt alles erzählen. Wie kommt man ins Fernsehen? Ich lade dich auf eine Limo ein.“ Unter sanftem Druck zerrte sie Dominik ins Hotelrestaurant, wo gerade für das Abendessen gedeckt wurde. „Gute Kontakte und Gelegenheiten muß man nutzen!“ rief Lilo laut. Sie hoffte, daß Dominik ihren Tip verstanden hatte und das Zimmermädchen ein bißchen über die Gäste aushorchte. Der Rest der Knickerbocker-Bande wollte sich gerade zum Gehen wenden, als eine Stimme hinter ihnen befahl: „Halt! Stehenbleiben!“ Die drei Kinder drehten sich erschrocken um. Auf dem Treppenabsatz stand ein hochgewachsener Mann, dessen Kopf nur von einem dünnen Haarkranz geziert wurde. „Ja, bitte?“ fragte Axel kühl. Er ärgerte sich über den barschen Tonfall. „Wenn mich nicht alles täuscht, seid ihr die Schmalspurschnüffler, die den Hoteldieb entlarvt haben“, grölte der Mann und kam auf die Kinder zu. Lieselotte blickte ihn herausfordernd an. „Wollen Sie ein Autogramm?“ Worte wie „Schmalspurschnüffler“ empfand sie als Beleidigung. „Hoppla, kleine Dame, fühl’ dich nicht auf den Schlips getreten. Ich bin ein Kollege“, rief der Mann. „Darf ich mich vorstellen: Lutz Selibor mein Name. Ich wollte euch nur gratulieren.“ „Danke!“ antwortete Axel hochnäsig. Auch er konnte diese kumpelhafte Art nicht leiden. Der Mann zog ein zerknittertes Papiersäckchen aus dem Hosensack und streckte es den Kindern hin. Drinnen lagen vier Lollipops. „Auch einen?“ fragte er. Poppi fischte einen heraus, die anderen lehnten ab. „Sie sind der Mann mit dem Lollipop!“ rief sie plötzlich. „Ich habe Sie schon einmal hier gesehen. Damals, als wir den Lindwurm gefunden haben.“
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„Tatsächlich?“ Der Mann lutschte heftig schmatzend an seinem grünen Lollipop. „Kann mich nicht erinnern. Ich bin aber auch sehr beschäftigt. Suche nämlich nach einem Kerl, der meine Versicherung betrogen hat. Es ist ihm gelungen, ein kleines Vermögen zu ergaunern. Wir haben Hinweise erhalten, daß er sich derzeit in Kärnten aufhält.“ „Wie heißt er?“ forschte Lilo. Herr Selibor schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung. Von unserem Informanten wurde mir nur mitgeteilt, daß er einen Kastenwagen fahren soll. Einen grasgrünen Kastenwagen mit der Aufschrift ,Knall... ‘ und so weiter. Außerdem hinkt der Mann. Die Suche nach ihm ist fast unmöglich. Aber wenn es der Chef verlangt...“ „Ich glaube von dieser Geschichte kein Wort“, flüsterte Lilo Axel zu. „Wieso weiß er den Namen des Mannes nicht?“ Herr Selibor hatte äußerst gute Ohren. „Weil er der Versicherung einen falschen angegeben hat. Deshalb! Natürlich ist auch die Adresse nicht richtig, die wir von ihm haben. Es handelt sich um einen äußerst raffinierten Betrüger“, antwortete Herr Selibor und grinste. Ihr Mißtrauen amüsierte ihn. Der Detektiv warf einen Blick auf die Uhr, rief „Tut mir leid, ich muß jetzt weiter!“ und salutierte zur Verabschiedung. Lieselotte war knallrot angelaufen. Ihr war die Sache peinlich. „Du darfst nicht immer so mißtrauisch sein“, dachte sie und warf sich über den großen Spiegel in der Hotelhalle einen strengen Blick zu. Aber Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste – diesen Spruch hörte sie oft von ihrem Vater zu Beginn einer Bergtour. Die drei Kinder marschierten zu den Zelten hinter dem Hotel. Bis zum Abendessen blieb noch ein wenig Zeit, und die wollten sie zum Lesen nutzen. Als sich Axel gerade ein Buch aus dem Zelt angelte, kam Dominik angestürzt. „Los, sofort alle herkommen!“ kommandierte er. „Ich habe eine irrsinnige Neuigkeit!“
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Bahn frei! Lilo, Poppi und Axel setzten sich zu Dominik ins Gras und sahen ihn erwartungsvoll an. „Im ersten Stock, auf Zimmer Nummer 15, hat bis vor drei Stunden ein Mann gewohnt, der Tag und Nacht eine sehr dunkle, sechseckige Sonnenbrille getragen hat“, berichtete Dominik seinen Freunden. „Mein Fan hat sich oft darüber gewundert.“ Das Wort „Fan“ betonte er besonders stolz. Aber da sie auf das äußerste gespannt waren, machten sich seine Freunde diesmal nicht darüber lustig. „Vroni – so heißt mein Fan – ist außerdem aufgefallen, daß der Mann ständig alle Kästen abgesperrt und die Schlüssel mitgenommen hat. Einmal ist sie aber am Vormittag zum Zimmer gekommen und hat nicht gewußt, ob der Gast noch da ist oder nicht. Sie hat geklopft, doch niemand hat geantwortet. Also ist sie eingetreten. Ein Kasten ist offengestanden, und sie hat darin eine Art Funkgerät gesehen.“ Axel schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. „Zimmer 15 im ersten Stock hat doch die Nummer 115! Ich habe die erste Nacht im Zimmer 116 verbracht und ein merkwürdiges Rauschen gehört. Jetzt weiß ich, was das war. Das Funkgerät. Der Typ hat eine bestimmte Sende-Frequenz gesucht. Damals war ich aber sehr verschlafen, und deshalb ist mir das nicht eingefallen!“ „Die Sonnenbrille deutet darauf hin, daß der Mann eventuell der falsche Reporter gewesen sein könnte“, meinte Lieselotte. Nun ließ Dominik die Bombe platzen: „Er war es! Vroni hat ihn beobachtet, wie er über die Straße zum Hotelstrand geschlendert ist. Zehn Minuten später war er zurück, hat bezahlt und ist abgereist. Übrigens ist das bereits seine zweite Abreise in dieser Woche. Schon einmal wollte er in dieser Woche weg, ist aber nach ein paar Stunden wieder im Hotel aufgetaucht und hat noch einmal sein Zimmer bezogen.“
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Axel starrte in die Luft, während Lieselotte an ihren Zopfspitzen knabberte. Das bedeutete, beide waren fest am Grübeln und Kombinieren. Herr Klingmeier riß die Knickerbocker-Bande aus ihren Überlegungen. „Zieht heute abend euer festlichstes Wams über und schnürt die Leiber Mädchen!“, verkündete er im Ausruferton. Axel sah ihn mitleidig an. Wollte sein guter Herr Papa witzig sein, oder hatte er zu lange in der Sonne gelegen? „Zu einem gar wohlschmeckenden und gar grauenhaft guten Rittermahle lade ich euch ein. In der Burgruine Landskron könnt ihr dies Spektakel auch heute noch miterleben. In einer halben Stunde erwarte ich euch bei meiner Kutsche des Benzins!“ Er verneigte sich tief und ließ die Kinder verdutzt zurück. Es wurde ein festlicher und lustiger Abend im Burgrestaurant der Ruine Landskron. Die Knickerbocker-Bande wurde nämlich von Kellnern bedient, die alle mittelalterliche Trachten trugen. Trotzdem ließen Axel und Lieselotte die Fragen nicht los: Wer war der Mann mit der Sonnenbrille? Warum hatte er sich als Reporter ausgegeben? Und wozu, um alles in der Welt, hatte er ein Funkgerät im Kasten versteckt? Die Antworten darauf sollten sie schon bald bekommen. Allerdings unter gefährlichen Umständen! Die erste Woche in Kärnten war wie im Flug vergangen. An einem Mittwoch waren die vier Knickerbocker-Banden-Mitglieder angekommen, und nun stand schon wieder Mittwoch auf dem großen, elektronischen Kalender in der Hotelhalle. Als die vier an diesem Morgen die Frühstücksterrasse betraten, schauten sie sich verwundert um. Herr Klingmeier war nirgends zu entdecken. Es war auch keine Zeitung in Sicht, hinter der er sich vielleicht versteckt hatte. „Äußerst verdächtig“, stellte Axel stirnrunzelnd fest, „dabei ist er doch ein Frühaufsteher Marke Superfrüh.“ Axel beschloß, einmal im Zimmer seines Vaters nachzusehen, und stapfte die Treppe hinauf. Bereits im ersten Stock kam ihm
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sein Herr Papa entgegen. Er war hochrot im Gesicht und schnaubte wie ein wütender Stier. „Nicht einmal im Urlaub kann man seine Ruhe haben!“ schrie er Axel an. Der Bub zuckte zusammen. Blitzschnell erforschte er sein Gewissen, ob er vielleicht etwas angestellt hatte. Das Ergebnis lautete: Null-Negativ! „Entschuldige“, knurrte Herr Klingmeier und fuhr seinem Sohn über den nichtfrisierten Kopf, „du kannst nichts dafür. Aber mein Büro hat mich gerade angerufen. Irgendein ,Heini’ aus den USA ist überraschend eingetroffen. Es geht um ein großes Geschäft. Und da sie sich hinten und vorne nicht auskennen, muß ich jetzt für ein bis zwei Tage nach Linz.“ Axel warf seinem Vater einen mitleidigen Blick zu. „Armer Papa“, sagte er sanft wie ein Engel. In seinem Hinterkopf ratterte es schon auf Hochtouren. Ohne das wachsame Auge der väterlichen Hoheit konnte die Knickerbocker-Bande wenigstens in aller Ruhe Nachforschungen anstellen. „Ihr werdet wohl mitkommen müssen.“ Diese Worte ließen Axel aus seinen Überlegungen hochfahren. Mitfahren – das mußte verhindert werden! „Aber Papa“, meinte Axel, „wir werden in den nächsten zwei Tagen weder verhungern noch erfrieren. Und deine Freundin, die Hoteldirektorin, hütet uns bestimmt gerne.“ Herr Klingmeier schaute seinen Sohn halb prüfend, halb zweifelnd an. „Geht in Ordnung! Vorausgesetzt, Karoline ist einverstanden! Hol deine Freunde, wir gehen zu ihr und fragen sie.“ Wenige Minuten später betraten sie das Büro von Frau Fortano. Poppi setzte ihren treuherzigsten Blick auf. Lilo spielte ganz auf erwachsen und ernst. Dominik machte den Eindruck eines Musterschülers, und Axel stellte das Bravsein in Person dar. Als die vier so der Hoteldirektorin gegenüberstanden, konnte sie nicht anders, als ja sagen. Die vier durften bleiben. Die Knickerbocker-Bande vollführte einen Freudentanz, und auch Herr Klingmeier atmete erleichtert auf. Eine halbe Stunde
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später stieg er unter Seufzen und Stöhnen in sein Auto und fuhr los. Axel, Lilo, Poppi und Dominik winkten ihm nach. Aber kaum war er hinter der Kurve verschwunden, sagte Lilo: „Heute beginnen wir mit den Nachforschungen in Sachen ‚Lindwurm’!“ Es hatte sie das Spür- und Tüftelfieber gepackt. „Zuerst stellen wir einmal das Hotel auf den Kopf. Vielleicht finden wir diese geheimnisvolle Lindwurmfigur doch noch irgendwo.“ „Wie wäre es denn heute mit einer Rodelpartie? Oder wollt ihr lieber in eine Schule aus dem vorigen Jahrhundert gehen?“ fragte da eine Stimme hinter ihnen. Erschrocken drehten sich die Kinder um. Hatte sie jemand belauscht?
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Knallhofer & Co., aber wo??? Herr Selibor war von hinten zu den Kindern getreten und weidete sich an den verblüfften Gesichtern. „Der spinnt!“ zischte Dominik Poppi zwischen den Zähnen zu. „Nein, das tut er nicht!“ kam prompt die Antwort von dem Versicherungsdetektiv, der wirklich ein überaus gutes Gehör haben mußte. „Die Rodelbahn befindet sich auf der Baumgartner Höhe in der Nähe des Faaker Sees. Es handelt sich natürlich um eine Sommerrodelbahn! Und in Schloß Porcia in Spittal an der Dräu ist im Heimatmuseum ein altes Klassenzimmer zu bewundern. Mit Pulten, in denen noch Tintenfässer eingelassen sind.“ „Rodeln, ich will rodeln gehen. Klarabella auch!“ jubelte Poppi. Ihre Ratte klapperte zur Bestätigung lautstark mit den Zähnen. „Rodeln im Sommer! Da kommt bei mir Freude auf!“ rief Dominik. Der Gedanke gefiel ihm. Lilo warf den beiden einen wütenden Blick zu. Sie wollten doch heute hierbleiben. Allein durften sie die beiden Jüngeren aber nicht mit Herrn Selibor fahren lassen. Und bevor Axel und Lieselotte die Einladung noch abbiegen konnten, sagte der Versicherungsdetektiv schon: „Dann fragt doch rasch eure Eltern, ob sie es erlauben.“ „Mein Vater ist nicht da!“ antwortete Axel schnell. „Aber Frau Fortano vertritt ihn“, rief Poppi und sauste los. Die Hoteldirektorin hatte nichts dagegen. Der Versicherungsdetektiv war bereits zwei Wochen lang Gast im Hotel „Seeblick“ und als überaus freundlich bekannt. Die vier Kinder gingen mit Herrn Selibor hinaus auf den Parkplatz, wo der Detektiv auf einen blauen Sportwagen zusteuerte. „Das ist der gleiche Wagen, der uns damals in der Nacht beinahe überfahren hätte“, flüsterte Lilo Axel zu.
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Nachdem sich die Knickerbocker-Bande auf die Rückbank gezwängt hatte, ließ Herr Selibor den Motor aufheulen, warf krachend den Gang ein, drehte das Autoradio auf volle Lautstärke und raste los. Nach einigen Metern verlangsamte er die Fahrt wieder und lachte über die erschrockenen Gesichter der Knickerbocker-Bande. „Keine Sorge“, beruhigte er sie, „ich wollte euch nur ein wenig erschrecken. Normalerweise fahre ich ,etwas’ weniger schnell!“ Erleichtert atmeten die vier Kinder auf. Die nächste halbe Stunde wurde für die Knickerbocker-Bande äußerst interessant. Der Detektiv berichtete nämlich von seinen spannendsten Fällen. Gerade als er vom Fall der „entführten Kuh“ zu erzählen begann, stutzte er plötzlich und sprang dann fest auf die Bremse. Mit quietschenden Reifen hielt der Wagen. Der Mann war auf einmal völlig verändert. Er starrte gebannt auf einen grünen Lieferwagen, der ungefähr 50 Meter vor ihm aus einer Seitengasse gebogen war. „Aussteigen!“ stieß Herr Selibor hastig hervor. „Dort ist ein Eisgeschäft. Kauft euch ein Eis. Ich hole euch in einer Stunde wieder ab. Schnell! Raus!“ Der Detektiv drückte Lilo einen Geldschein in die Hand und scheuchte die Kinder aus dem Wagen. Und kaum hatte Axel die Tür zugeschlagen, raste Herr Selibor schon davon. Lieselotte starrte verdutzt auf die Banknote. Das war aber sehr viel Geld! „Das wird heute das größte Eis meines Lebens!“ stellte Dominik zufrieden fest. „Gar nichts wird das!“ Axel riß ihn aus den schönsten Eisträumen. „Ist doch klar, was plötzlich in Herrn Selibor gefahren ist. Erinnert ihr euch nicht? Gestern hat er von einem grünen Kastenwagen gesprochen, den der gesuchte Versicherungsbetrüger fahren soll. Der Lieferwagen dort vorne... das könnte er doch sein. Herr Selibor verfolgt ihn. Und wir müssen ihm unbedingt nach.
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Einen echten Detektiv bei der Arbeit zu beobachten, das habe ich mir schon immer gewünscht.“ Lieselotte und er packten die beiden anderen bei der Hand und hasteten über die Straße, wo ein Taxi stand. „Sind Sie frei?“ fragte Lilo den Lenker. Als Antwort auf seinen mißtrauischen Blick hielt sie ihm den Geldschein unter die Nase. „Fahren Sie geradeaus, alles Weitere später!“ befahl Axel. Der Taxifahrer trat fest auf das Gaspedal, und die Knickerbocker-Bande wurde in die weichen Polster der Sitze gedrückt. Der grüne Lieferwagen und Herr Selibor hatten einen gewaltigen Vorsprung. Die Kinder konnten sie nirgends mehr entdecken. „Hoffentlich sind sie nicht von der Hauptstraße abgebogen“, dachte Lilo. Aber sie hatten Glück. Nach ungefähr einem Kilometer tauchte der blaue Sportwagen des Versicherungsdetektivs vor ihnen auf. Zwei Autos davor fuhr der grüne Lieferwagen. Als die Straße eine scharfe Kurve machte, konnten die Kinder die Aufschrift an der Seite des Kastenwagens entziffern: „Knallhofer & Co.“ stand da in dicken Buchstaben. „Folgen Sie dem Lieferwagen!“ sagte Axel zu dem Taxilenker. „Aber unauffällig!“ fügte Lieselotte hinzu. Bald bog der Lieferwagen von der Hauptstraße ab und kurvte durch einige schmale Seitengäßchen. Vor einem gelben, dreistöckigen Haus hielt er an. Herr Selibor parkte in einigen Metern Entfernung unter einem Kastanienbaum. Aus dem Lieferwagen sprang ein junges Mädchen in einem grünen Overall. Nachdem sie im Haus verschwunden war, stieg auch Herr Selibor aus seinem Auto und schlenderte zu der Villa hin. Das Gartentor war nicht verschlossen, und der Detektiv betrat das Grundstück. Das Taxi, in dem die Knickerbocker-Bande saß, stand versteckt hinter der Straßenecke. Dort konnten sie von Herrn Selibor nicht entdeckt werden, trotzdem aber alles beobachten. Lieselotte zahlte und gab den anderen ein Zeichen, ihr zu folgen. Vorsichtig schlichen sie an den Zäunen entlang bis zu dem
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Haus, vor dem der Lieferwagen parkte. Weder Herr Selibor noch das Mädchen waren zu sehen. Auf Zehenspitzen tappten die vier über den Kiesweg zur Villa. Lilo wollte unbedingt einen Blick in das Haus werfen, um zu sehen, was hier los war. Die Fenster waren aber alle verschlossen. Außerdem waren die Vorhänge zugezogen. „Kommt, wir gehen rundherum in den Garten. Vielleicht ist dort die Terrassentür offen“, sagte Lilo leise zu den anderen. Geduckt tappten sie über die Wiese. Plötzlich blieb Dominik mit einem Ruck stehen. „Was ist denn?“ erkundigte sich Lilo. „Pssst!“ zischte Dominik. „Da stöhnt jemand.“ Axel, Lilo und Poppi lauschten angestrengt. Aber außer dem Gezwitscher der Vögel und den Autos in der Ferne konnten sie nichts hören. „Quatsch!“ knurrte Axel und wollte weiter. Da polterte es dumpf neben ihm. Erschrocken fuhr er herum. Lieselotte deutete stumm auf einen Holzschuppen, der nur wenige Schritte von ihnen entfernt war. Wieder einmal bewies sie ihren Mut und schritt fest entschlossen auf die Hüttentür zu. Lilo stieß mit dem Fuß dagegen und trat schnell einen Schritt zurück. Knarrend und quietschend schwenkte die Tür nach innen. „Hilfe! Hilfe!“ röchelte eine heisere Stimme im Schuppen. Nun stürzten auch die drei anderen zu Lilo und starrten in das düstere Innere der Hütte. Zwischen einem Rasenmäher, Rechen, Sensen und Gerümpel aller Art entdeckten sie einen Schuh. Entsetzt deutete Poppi auf eine große Holzkiste. Unter dem Deckel hing eine Hand hervor.
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Herr Rabenstein ist gar nicht fein! Poppi preßte Klarabella eng an sich. Sie wagte nicht, noch einen Blick in die Hütte zu werfen. Axel nahm allen Mut zusammen und ging zu der Holzkiste. Er öffnete den Deckel. Darinnen lag ein Mann, dem jemand einen Jutesack über den Kopf gestülpt hatte. „Du, Lilo“, flüsterte Poppi, „ist der tot?“ Lieselotte legte ihren Arm tröstend um die erschrockene Poppi. „Nein, Poppi, keine Angst. Er hat doch vorhin Laute von sich gegeben. Außerdem bewegt er sich.“ Axel schaute die beiden Mädchen kopfschüttelnd an. „Weiber!“ fauchte er. „Statt dem armen Kerl zu helfen, genießen sie die Gänsehautschauer, die ihnen über den Rücken rieseln.“ Das konnte Lilo nicht auf sich sitzen lassen. Sie marschierte in die Hütte und kniete sich neben die Kiste. Vorsichtig band sie den Strick auf, mit dem der Jutesack am Hals des Mannes befestigt war. Der Mann erschrak und schlug wild um sich. „Laßt mich! Verschwindet! Banditen! Gauner! Hilfe!“ krächzte er. Lilo wich zur Seite und redete dann beruhigend auf ihn ein. „Wir tun Ihnen nichts. Wir haben Ihre Hilferufe gehört.“ Der Mann ließ erschöpft die Arme sinken. Nun konnte ihm Lilo den Sack vom Kopf ziehen. Ein hochrotes, dickes Gesicht kam zum Vorschein. Der Mann kniff, geblendet durch das Sonnenlicht, seine kleinen Augen zusammen. Wer war das? Er atmete tief durch und erhob sich ächzend aus der Kiste. Keuchend ließ er sich auf dem Kistenrand nieder. „Danke! Danke!“ stieß er hervor. „Er hat mich niedergeschlagen und in die Hütte gezerrt. Ich habe geglaubt, ich muß ersticken. Aber was macht ihr hier? Wer seid ihr?“
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„Mein Name ist Axel, und das sind meine Freunde Lieselotte, Poppi und Do...“ Axel stutzte. Wo war Dominik geblieben? Gerade vorhin hatte er noch vor der Hütte gestanden. Lieselotte half dem Mann auf die Beine und führte ihn aus dem Schuppen. „Sind Sie Herr Knallhofer?“ Als Antwort lachte der Mann laut auf. „Wie kommst du denn darauf?“ „Weil ein Lieferwagen der Firma Knallhofer vor Ihrem Gartentor parkt. Die Fahrerin besitzt einen Schlüssel zu diesem Haus.“ „Na und? Deshalb muß sie doch nicht mit mir verwandt sein. Oder?“ Lilo schüttelte den Kopf. Wieso hatte sie nur so einen Unsinn kombiniert? Das passierte ihr nur höchst selten. „Knallhofer ist eine Elektrofirma, die in meinem Haus zur Zeit sämtliche Leitungen erneuert. Ein Großauftrag, da diese Bude schon sehr altersschwach ist. Ich bin aber öfters nicht zu Hause, und deshalb besitzt die Firma einen Schlüssel.“ Mittlerweile hatten die drei Kinder und der Mann die Terrasse des Hauses erreicht. Leise stöhnend ließ er sich nieder. „Aber wer hat Sie überfallen und warum?“ platzte Axel heraus. „Das würde ich auch gerne wissen.“ Die Stimme gehörte Herrn Selibor, der mit Dominik durch die Terrassentür getreten war. „Ich dachte, ich hole ihn besser. Schließlich ist er ja hinter jemandem her. Vielleicht sogar hinter dem da!“ flüsterte Dominik seinen Freunden zu. Er war stolz auf seine Idee. Allerdings hatte der Mann, von dem die Knickerbocker-Bande noch immer keinen Namen wußte, jedes Wort verstanden. „Ich gebe hier keine Erklärungen ab“, knurrte er. „Ich bin keinem Menschen Rechenschaft schuldig. Außerdem erklären Sie mir zunächst einmal, was Sie in meinem Haus zu suchen haben. Wer sind Sie denn überhaupt?“ „Wer sind Sie?“ gab Herr Selibor die Frage zurück. „Mein Name steht neben dem Gartentor. Auf dem Schild über dem Klingelknopf.“
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„Und das ist Herr Selibor, ein Versicherungsdetektiv. Er sucht Sie, weil Sie seine Versicherung betrogen haben!“ sprudelte Dominik los. Axel warf ihm einen wütenden Blick zu, der ihn sofort zum Schweigen brachte. Der Mann sprang von der Gartenbank auf und brüllte: „Hinaus! Alle hinaus! Oder ich rufe die Polizei! Das halte ich nicht mehr aus! Zuerst wird meine Ausstellung geplündert. Dann schlägt mich ein Wahnsinniger nieder, und jetzt soll ich auch noch eine Versicherung betrogen haben. Raus!“ „Kommt, Kinder“, rief Herr Selibor. Die Knickerbocker-Bande und er traten den Rückzug an. Zum Rodeln hatten die Kinder nun keine Lust mehr. Außerdem wollte der Detektiv zurück zum Hotel, um einige Telefonate zu erledigen – wie er den Kindern erklärte. Herr Selibor war überhaupt irgendwie verändert. Er redete kaum noch ein Wort und erschien den vieren äußerst unruhig und hektisch. „Ist Herr Rabenstein der Mann, den Sie suchen?“ erkundigte sich Axel vorsichtig. „Rabenstein“ war der Name des Herrn, dem das Haus gehörte. Die Knickerbocker-Bande hatte selbstverständlich nicht vergessen, einen Blick auf das Türschild zu werfen. „Möglich.“ Mehr war aus Herrn Selibor nicht herauszubekommen . „Womit hat er Ihre Versicherung überhaupt betrogen?“ fragte Lilo. Der Detektiv gab keine Antwort, sondern fuhr zum Straßenrand und blieb stehen. Er drehte sich zu den Kindern um und sah sie streng an. Seine Stimme klang nicht böse, aber sehr bestimmt und drohend. „Das ist kein Spiel, sondern Ernst. Deshalb wagt es nie wieder, mir nachzuschleichen oder euch in meine Arbeit einzumischen. Das kann für euch gefährlich werden. Verstanden? Schreibt euch das hinter die Ohren. Kapiert?“ Die vier nickten. Der strenge und befehlende Tonfall erschreckte sie.
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Vor dem Hotel setzte der Detektiv die Kinder ab und fuhr anschließend gleich weiter. Allerdings wiederholte er zuvor noch einmal seine Warnung. Axel, Lilo, Dominik und Poppi machten betretene und ernste Gesichter. Die beiden Jüngeren wollten mit der Sache nichts mehr zu tun haben. In Lilo und Axel war dagegen ihr Krimi-Spürsinn geweckt. Wer war dieser Herr Rabenstein? Was ist ihm gestohlen worden? Wieso wurde er überfallen? Diese Fragen mußten beantwortet werden. Das stand für die Hälfte der KnickerbockerBande fest. Axel und Lilo setzten sich in ein Tretboot und strampelten hinaus auf den See. „Mir ist gerade ein komischer Verdacht gekommen“, begann Lilo. „Welcher denn?“ „Herr Rabenstein hat diesen Überfall nur vorgetäuscht.“ Axel schüttelte ungläubig den Kopf. „Wie kommst du darauf?“ „Mehrere Indizien weisen darauf hin: Erstens waren im Gras vor der Hütte keine Schleifspuren.“ „Herr Rabenstein wurde eben erst in der Hütte niedergeschlagen.“ Lilo winkte ab. „Er hat behauptet, in die Hütte gezerrt worden zu sein, als er bereits ohnmächtig war. Woher will er das wissen? Und überhaupt: sein Anzug, seine Krawatte und das Hemd, alles war tipp-topp in Ordnung. Kein Fleck, keine Falte, nichts. Überdies war er auch nicht gefesselt. Ich sage dir, es hat in Wirklichkeit kein Überfall stattgefunden.“ „Aber wozu sollte das ganze Theater dann gut sein?“ Das hatte sich Lilo schon überlegt: „Vielleicht ist Herr Rabenstein wirklich jener Mann, den die Versicherung sucht. Als er Herrn Selibor kommen gesehen hat, ist er durch die Terrassentür in den Garten und dann direkt in die Hütte gelaufen, wo er sich den Sack über den Kopf gestülpt hat. Möglicherweise wollte er Herrn Selibor den Überfall in die Schuhe schieben. Oder er wollte ihn einfach täuschen.“
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Axel hatte einen Einwand. „Vielleicht hat Herr Rabenstein überhaupt nichts mit dem Versicherungsbetrug zu tun. Eigentlich sollte man sich doch die Firma Knallhofer vornehmen. Wahrscheinlich war es purer Zufall, daß der Lieferwagen vor diesem Haus gehalten hat.“ „An Zufälle dieser Art glaube ich nicht“, erwiderte Lilo. „Dieser Herr Rabenstein ist nicht astrein. Ich finde, einer von uns sollte noch einmal zu seinem Haus und nachschauen, ob man nicht mehr herausfinden kann. Wir haben noch den Finderlohn für die Geige, mit dem wir die Fahrt bezahlen können.“ Sie einigten sich, daß Lilo selbst diese Aufgabe übernehmen sollte. Nachdem Lieselotte aufgebrochen war, schlenderte Axel zu den Zelten, um Poppi und Dominik alles zu berichten. Doch dort fand er sie nicht. Also suchte er sie im Hotel. In der Halle kamen sie ihm aufgeregt entgegengestürmt. Dominik wedelte Axel mit einem Prospekt vor der Nase herum. „Wir wissen, wer er ist!“ verkündete er triumphierend. „Wer soll wer sein?“ „Herr Rabenstein ist ein Manager. Er hat die Ausstellung gemanagt, die Lilo unbedingt sehen wollte. In diesem Prospekt steht es. Die Ausstellung mit den ,Tränen des Drachens’. Die sind doch gestohlen worden...“ „Und dieser Rabenstein... ich meine... Herr Rabenstein hat doch über einen Diebstahl gejammert“, meinte Poppi. „Vielleicht ist er selbst der Dieb und will tatsächlich die Versicherung betrügen. Daher ist ihm Herr Selibor also auf der Spur. Der Kerl könnte gefährlich werden. Hoffentlich ist Lilo vorsichtig.“ „Lilo? Wieso?“ wollte Poppi wissen. Aber Axel hatte nun keine Zeit für Erklärungen. Ihm war etwas eingefallen. Er ließ sich vom Portier die Telefonnummer einer Zeitungsredaktion heraussuchen. Axel wollte den Reporter anrufen, der sie gestern interviewt hatte. Vielleicht wußte er mehr über diesen Herrn Rabenstein.
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Er hatte Glück und erreichte Herrn Klausen. Dieser versprach, sofort im Archiv nachzuschauen. Zum Glück gab es bereits einen Stichwort-Computer, der auf Knopfdruck alle Artikel nannte, in denen der Name Rabenstein erwähnt wurde. Axel hatte sich zum Telefonieren in das Zimmer seines Vaters zurückgezogen. Unruhig stapfte er von der Balkon- zur Zimmertür. Dazwischen warf er dem Telefon beschwörende Blicke zu. Endlich klingelte es. Herr Klausen war am Apparat. „Dieser Rabenstein hat nicht gerade die beste Presse“, berichtete er. „In den vergangenen fünf Jahren hat er insgesamt drei Pleiten gebaut. Zuerst ist ein Briefmarkenmuseum abgebrannt, das er eingerichtet hat. Danach ist ein Schiff, das ihm gehörte, im Faaker See versunken. Und vor zwei Jahren ist er in Kärnten mit einer Tierschau aufgetaucht. Die Hälfte der Tiere wurde damals vergiftet. Nie konnte ein Täter gefunden werden.“ Axel bedankte sich für die Information und legte auf. Dieser Rabenstein war wirklich nicht astrein. Er warf einen Blick auf die Uhr. Es war kurz nach halb drei. „Wenn Lilo bis sechs nicht zurück ist, verständige ich Frau Fortano. Auch wenn es ein Donnerwetter gibt“, beschloß Axel. Er hatte Angst um Lieselotte.
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Rätselhafte Scherben Per Bus und Taxi war Lilo schnell in der Straße angelangt, wo Herr Rabenstein wohnte. Nun stand sie an der Straßenecke und spähte in Richtung Villa. Es parkten zwei Autos davor. Der Lieferwagen von „Knallhofer & Co.“ und der Sportwagen von Herrn Selibor. Lieselotte traute sich nicht näher heran. Der Versicherungsdetektiv saß in seinem Auto und durfte sie unter keinen Umständen hier sehen. Also schlich sie weiter. Soweit sie sich erinnern konnte, war das Grundstück sehr groß. Vielleicht reichte es bis zur nächsten Seitengasse. Dann konnte sie von dort einsteigen. Lilo hatte richtig kombiniert. Hinter einem morschen Bretterzaun erkannte sie durch das Gebüsch die Villa. Sie kletterte in den Garten und tappte geduckt zwischen Büschen und dem Zaun in Richtung Haus. Plötzlich stieß sie auf einen eckigen Holzverschlag, von dem ein ekelig muffiger Geruch aufstieg. Es handelte sich um den Komposthaufen. Da sie an der Seite nicht vorbeikam, stieg Lilo einfach darüber. Ihre Turnschuhe versanken in der feuchten Masse aus Gras und modrigem Laub. „Autsch!“ Lilo biß die Zähne zusammen. Ein spitzer Gegenstand hatte sich durch ihre Sohle gebohrt. Sie mußte auf einen Nagel gestiegen sein. Lilo hob den Fuß und starrte auf den Schuh. Ein Stück Draht hing daran, und am Ende des Drahtes baumelte ein Tonscherben. Lieselotte griff mit der Hand in den Kompost und zog Teile einer zerbrochenen Keramikfigur heraus. Erstaunt pfiff sie durch die Zähne, sprang von der Kompostkiste und kramte aus ihrer Hosentasche ein Plastiksäckchen heraus. Alle Scherben, die sie im modrigen Gras finden konnte, füllte sie hinein. Das Säckchen versteckte sie neben der Kiste und schlich weiter in Richtung Schuppen. Endlich hatte sie ihn erreicht. Sie kauerte sich dahinter ins Gras und überlegte. Wie konnte sie nun in das Haus gelangen, ohne bemerkt zu werden?
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„Sabine!“ Lilo zuckte zusammen. Die Stimme war ganz in ihrer Nähe. Sie spähte um die Ecke der Hütte zur Villa. Ein großes Fenster im Erdgeschoß stand nun offen. Im Zimmer konnte sie Herrn Rabenstein erkennen. Er lief wie ein Panther im Käfig auf und ab. Lilo fiel sofort etwas auf. Herr Rabenstein hinkte. Er schien also wirklich der Mann zu sein, den Herr Selibor beschrieben hatte. Die Zimmertür ging auf, und ein Mädchen trat ein. Es war das Mädchen, das am Vormittag aus dem Lieferwagen gestiegen war. „Ja, bitte, Herr Rabenstein?“ „Sabine, Sie können gehen.“ „Aber ich habe...“ weiter kam das Mädchen nicht. Herr Rabenstein schob sie mit Nachdruck durch die Tür. „Schluß für heute.“ „Brauchen Sie vielleicht wieder unseren Lieferwagen, um Obst abzuholen? Ich borge ihn gerne noch einmal her. Gegen entsprechende Bezahlung natürlich. Bin zur Zeit ziemlich pleite“, sagte das Mädchen. Herr Rabenstein gab ihr keine Antwort, sondern knallte die Tür zu. Da surrte etwas im Raum. Es war das Telefon. Herr Rabenstein hob ab. „Ja?... Die Übergabe... Treffen? Wann?... Morgen 17 Uhr! In Ordnung!!“ Es war ein kurzes Gespräch. Der Hörer wurde in die Gabel geworfen, und unmittelbar danach polterte es. Herr Rabenstein hatte das Zimmer verlassen. Gleich darauf sah ihn Lieselotte über die Terrasse und durch den Garten hasten. Tolpatschig kletterte er über den Zaun, über den auch sie gekommen war. Als er fort war, wagte sich Lilo aus ihrem Versteck. Das Fenster stand noch immer offen. Für Lieselotte war es eine Kleinigkeit, auf das Fensterbrett zu springen und in das Haus zu klettern. Sie ließ ihre Blicke durch den Raum schweifen, der Herrn Rabenstein anscheinend als Büro diente. Neben dem Telefon lag ein Block. Leider stand nichts darauf. Bei genauerer Betrachtung entdeckte
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Lieselotte auf dem obersten Blatt aber Buchstaben und Ziffern, die sich durchgedrückt hatten. Sie nahm einen Bleistift vom Schreibtisch und malte das Papier vorsichtig grau an. Dadurch wurden die Schriftzeichen lesbar. „HO TO 8“ – lautete die Notiz. Daraus wurde Lilo leider nicht schlau. Deshalb riß sie den Zettel ab und steckte ihn ein. Gerade als sie wieder zum Fenster hinauswollte, wurde eine Tür zugeschlagen. Es hatte jemand das Haus betreten. Schritte kamen näher. Das Mädchen sah sich hastig nach einem Versteck um. Es gab nur eine Möglichkeit für sie: Lilo kroch auf allen vieren unter den Schreibtisch. Die Zimmertür wurde geöffnet. Ein Paar Beine, die in einer grünen Hose steckten, tauchten vor Lilo auf. Sie waren so nahe, daß sie danach greifen konnte. Herrn Rabenstein gehörten sie eindeutig nicht. Aber wem dann? Lieselotte hielt die Luft an. Der Eindringling wandte sich nämlich nun dem Schreibtisch zu. Er nahm alles in die Hand, was darauf lag. Dann schleuderte er die Sachen einfach auf den Boden. Anschließend riß er die Schubladen unter der Tischplatte auf und leerte ihren Inhalt aus. Lilo drückte sich noch ein wenig fester gegen die Wand. Der Mann polterte wütend weiter und stellte das ganze Zimmer auf den Kopf. Nun konnte ihn Lilo auch sehen. Es war Herr Selibor. Nach ein paar Minuten, die dem Mädchen wie Stunden vorgekommen waren, ging er wieder. Anscheinend hatte er nicht gefunden, wonach er suchte. Lieselotte hörte, wie er nun das ganze Haus durchstöberte. Sie kam aus ihrem Versteck und sprang aus dem Fenster in den Garten. Wenige Sekunden später stand sie wieder auf der Straße. In der Hand hielt sie den Sack mit den Scherben und den Zettel.
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Was heißt „HO TO 8“? Es war zehn Minuten vor sechs. Den ganzen Nachmittag lang war Axel im Tretboot auf dem See herumgekurvt. Er wollte damit den besorgten Fragen der Hoteldirektorin ausweichen. Kurz nachdem Lilo aufgebrochen war, hatte sich nämlich Frau Fortano nach ihr erkundigt. Axel hatte ihr glaubhaft einreden können, daß Lilo gerade tauchen war. Aber was sollte er ihr nun erzählen? Lilo konnte doch nicht drei Stunden unter Wasser bleiben. Axel hatte den Badestrand keine Minute aus den Augen gelassen. „Sie gibt mir bestimmt ein Zeichen, wenn sie zurück ist“, dachte er. Langsam fühlte er sich aber unbehaglich. Wenn sie nun nicht kam? Dann mußte er wohl oder übel zu Frau Fortano gehen. Gerade in diesem Moment tauchte die Direktorin des Hotels am Strand auf und winkte ihm. Jetzt gab es kein Ausweichen mehr. „Axel!“ schrie sie. „Komm bitte, ich muß mit dir reden.“ Axel schluckte. Verdammt, das hatte noch gefehlt! Er trat nicht gerade fest in die Pedale, um Zeit zu gewinnen. Als er aus dem Boot kletterte, erwartete ihn Frau Fortano bereits am Bootssteg. „Ich kann Ihnen das erklären. Wissen Sie...“, setzte Axel zu einer Verteidigungsrede an. Frau Fortano blickte ihn zweifelnd an. „Wie... Was? Was erklären?« „Na, wegen Lilo...“ „Lilo? Ach, deine Freundin... Noch immer nicht aufgetaucht? Kann die aber lange die Luft anhalten!“ Die Hoteldirektorin lachte laut über ihren Scherz. „Was gibt’s denn eigentlich?“ erkundigte sich Axel nun vorsichtig. Frau Fortano nahm ihn freundschaftlich bei der Schulter und schob ihn in Richtung Hotel.
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„Dein Vater hat gerade angerufen. Er kann nicht weg aus Linz. Er muß noch mindestens drei Tage bleiben.“ Axel atmete erleichtert auf. „Na bestens!“ rief er freudig. Frau Fortano runzelte die Stirn. „He, er glaubt, du trittst aus lauter Kummer darüber in den Hungerstreik. Er läßt dich fragen, ob du mit deinen Freunden nicht auch nach Linz kommen willst?“ „Nein, nein“, wehrte Axel ab, „wir bleiben. Oder haben Sie etwas dagegen?“ „Keineswegs. Wenn ihr weiterhin so pflegeleicht seid, kein Problem.“ „Hallo Axel! Tag, Frau Fortano!“ Lieselottes Stimme. Kein Zweifel. Axel atmete zum zweitenmal in fünf Minuten erleichtert auf. „Nanu, seit wann tauchst du in Jeans und Turnschuhen?“ Die Hoteldirektorin musterte das Mädchen erstaunt. Lilo verstand nicht ganz. „Sie hat sich schon umgezogen und war gerade unseren Schokoladevorrat auffrischen“, erklärte Axel schnell. Frau Fortano war mit der Antwort zufrieden und zog ab. Die Knickerbocker-Bande versammelte sich bei ihren Zelten, denn es gab viel zu besprechen. Die vier Freunde starrten auf die Scherben. Klarabella, die Ratte, beschnüffelte sie neugierig. Es gab keinen Zweifel. Das war einmal der Lindwurm gewesen, den Poppi damals in der Tasche und dann wieder in Minimundus gesehen hatte. Doch warum war er nun zerbrochen? Und wie war er in den Besitz von Herrn Rabenstein gekommen? Axel hatte auf einem Zettel die wichtigsten Beobachtungen der letzten Tage aufgeschrieben und trug sie seinen Freunden nun vor. „Der Lindwurm muß entweder als Zeichen oder...“ „...oder als Versteck... als Behälter gedient haben“, fiel ihm Poppi ins Wort. „Die ganze Zeit denke ich schon nach, woran mich dieses Ungetüm erinnert. Jetzt weiß ich es: an ein Sparschwein. Das ist auch innen hohl.“
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„Keine schlechte Idee“, lobte Axel. „Aber was sollte in dem Lindwurm drinnen gewesen sein? Auf jeden Fall gibt es bis jetzt drei Leute, die in den Fall verwickelt sind. Da wäre erstens der Mann, der sich als Reporter ausgegeben hat. Zweitens Herr Rabenstein und drittens der Versicherungsdetektiv.“ „Jetzt stellt sich auch die Frage, wohin Herr Rabenstein verschwunden ist. Was könnte dieses HO TO 8 bedeuten? Oder heißt es vielleicht gar nichts?“ Lieselotte und die anderen waren mittelmäßig ratlos. „Abendessen ist fertig!“ Die Stimme von Frau Fortano riß sie aus ihren Überlegungen. „Ist doch klar, daß uns nichts einfällt“, brummte Dominik. „Mit leerem Bauch ist das auch unmöglich!“ Als die vier Kinder bei der Nachspeise angelangt waren, setzte sich Frau Fortano zu ihnen. Während die vier genüßlich ihr Apfeleis löffelten, meinte sie ganz beiläufig: „Hättet ihr nicht zur Abwechslung einmal Lust, morgen Gold waschen zu gehen?“ Wie auf Kommando ließen die vier Freunde die Löffel sinken. „Das ist in Kärnten tatsächlich noch möglich. In den Hohen Tauern. Dazu müßt ihr allerdings Mitglied der ,Gold- und Silberschürfgesellschaft’ werden. Das ist aber kein Problem“, erklärte Frau Fortano. „Reich ist noch keiner dabei geworden. Wenn ihr am Abend ein paar Goldplättchen in eurer Schüssel habt, ist das schon viel. Doch es macht Spaß! So ihr Lust habt, könnt ihr aber auch auf den Großglockner fahren. Er ist mit 3797 Metern immerhin der höchste Berg Österreichs. Ich kenne dort einen Bergführer, der euch bestimmt zu einer kleinen Wanderung über den Pasterzengletscher mitnimmt! Am Rande des Gletschers tummeln sich auch viele Murmeltiere. Die sind übrigens so verwöhnt, daß sie nicht mehr alles fressen, was ihnen die Touristen als Futter vorsetzen. Die Murmeltiere bevorzugen Schokokekse und Mozartkugeln!“ Beim Wort Murmeltier strahlte Poppi.
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„Ich habe aber noch einen Vorschlag für euch: Ihr könntet auch zur Burg Hochosterwitz fahren. Sie war übrigens das Vorbild für das Schloß in Walt Disneys Zeichentrickfilm ‚Schneewittchen’. Den Schloßberg müßt ihr allerdings zu Fuß hinauf. Durch genau 14 Tore.“ „Nein, wir wollen auf den Großglockner“, riefen Poppi und Dominik. Lilo und Axel konnten sie nicht mehr bremsen. Morgen hatten sie wirklich Wichtigeres zu tun. Doch es war zu spät. „Um zehn Uhr ist Abfahrt“, sagte Frau Fortano. „Der HotelMini-Bus ist frei und wird euch hinbringen.“ Dann verabschiedete sie sich von den Kindern. Lilo war sauer. Erstens wußte sie noch immer nicht, was HO TO 8 bedeutete, und zweitens würde morgen die Übergabe ohne sie stattfinden. Diese verdammten Kleinen! Es war eine warme Sommernacht. In den Zelten der Kinder war es schwül. Lieselotte warf sich auf ihrer Luftmatratze hin und her. Immer wieder stapften riesige Füße durch ihre Träume. Das rosige, runde Gesicht von Herrn Rabenstein tauchte vor ihr auf und verzerrte sich zu einer Fratze, die schließlich in tausend Stücke zersprang. Aus den Scherben formte sich wieder ein Lindwurm. Er spuckte Feuer. Und die Flammen bildeten Schriftzeichen: HO TO 8. Die Hitze schlug in Lilos Gesicht. Mit einem Schrei erwachte sie und setzte sich auf. „Nicht Hochosterwitz... Murmeltiere... Mozartkugeln...“ flüsterte Poppi im Schlaf. Lieselotte nahm Klarabella, die es sich auf ihrem Kopfpolster bequem machen wollte, in die Hand. Sie kraulte die Ratte zwischen den Ohren und lauschte in die Nacht. „Ich hab’s!“ flüsterte sie plötzlich aufgeregt. „Ich hab’s! Jetzt weiß ich, wo sich Herr Rabenstein mit dem Unbekannten treffen will. Natürlich!“
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Schock beim Märchenschloß „Wir müssen heute unbedingt zur Festung Hochosterwitz!“ erklärte Lieselotte den anderen beim Aufstehen. Dominik gähnte und blinzelte sie verschlafen an. „Wozu denn? Wir fahren doch auf den Großglockner!“ „Weil heute um 17 Uhr Herr Rabenstein irgend etwas irgend jemandem übergeben wird und wir herausfinden müssen, wer es ist und was es ist.“ „Aber wieso Hochosterwitz?“ Dominik verstand noch immer nicht ganz. „Weil HO TO 8 ganz sicher die Abkürzung für Hochosterwitz Tor Nummer 8 ist! Deshalb, du Schlafmütze! Schnarch weiter! Obwohl, ich bin euch jetzt direkt dankbar, daß ihr heute wegfahren wolltet. So müssen wir uns wenigstens nicht darum kümmern, wie wir zur Burg Hochosterwitz kommen.“ Der Kleinbus stand bereits vor dem Hotel, als die Kinder durch die Drehtür traten. Nachdem sie alle hineingeklettert waren, stürzte plötzlich der Portier zum Wagen. „Frau Fortano läßt euch einen schönen Tag wünschen. Sie ist heute in Klagenfurt und hat mich gebeten, euch ihre Grüße auszurichten. Und das soll ich dir geben.“ Der Portier überreichte Axel einen zusammengefalteten Zettel. Dann ging die Fahrt los. „Wir wollen bitte doch nicht auf den Großglockner, sondern zur Burg Hochosterwitz“, sagte Lieselotte zum Fahrer. Der schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, die Chefin hat mir aufgetragen, mit euch die Hochalpenstraße hinaufzufahren. Und was meine Chefin sagt, das mache ich auch.“ Es nützte kein Bitten und Betteln. Der Chauffeur blieb hart. Die Knickerbocker-Bande war verzweifelt. Was jetzt? Dieser Rabenstein würde ihnen durch die Lappen gehen. Nach der „Übergabe“ machte er sich wahrscheinlich aus dem Staub, und dann... Lieselotte wollte gar nicht daran
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denken. Dabei wäre das heute wahrscheinlich die große Chance gewesen, das Geheimnis des Lindwurms zu lüften. Der Zufall kam ihnen schließlich zu Hilfe. Und zwar in Form des Verkehrsfunks. „Auf der Großglockner-Hochalpenstraße hat sich gerade ein schwerer Verkehrsunfall ereignet. Da die Räumungsarbeiten noch andauern, muß die Straße vorübergehend gesperrt werden. Seufzend machte der Fahrer wieder kehrt. „Das kann länger dauern“, brummte er. „Fahren wir eben doch zur Burg Hochosterwitz. Das wird die Chefin schon verstehen. Hoffentlich...“, fügte er noch hinzu. Die Knickerbocker-Bande war sehr aufgeregt. Ob ihr Verdacht stimmte? Bedeutete HO TO 8 wirklich Tor Nummer 8? Wen würde Herr Rabenstein dort treffen? Auf der Fahrt besprach Lieselotte mit den anderen ihre Taktik. „Auf keinen Fall darf uns Herr Rabenstein zu früh sehen. Er kennt uns und weiß, daß wir etwas mit dem Versicherungsdetektiv zu tun haben. Wir werden uns auf der Burg trennen. Höchstens zwei dürfen miteinander gehen. Kapiert?“ Alle nickten. „Ab 16 Uhr 45 halten sich alle in der Nähe von Tor 8 auf. Wer etwas Verdächtiges beobachtet, pfeift sofort unseren Geheimpfiff.“ Als der Fahrer bei einer roten Ampel stehenbleiben mußte, drehte er sich zu den vier Freunden um. „Auf der Rückfahrt zeige ich euch den Magdalensberg!“ verkündete er. „Da hat man Reste einer römischen und einer keltischen Siedlung ausgegraben und zum Teil wiederaufgebaut. Jedenfalls kann man sich gut vorstellen, wie ein Dorf vor 2000 Jahren ausgesehen hat. Zum Beispiel gibt es eine römische Badewanne, in der 20 Kinder Platz hätten.“ „Klingt nicht schlecht!“ stellte Dominik fest. „Eine Bronze-Statue eines Jünglings wurde auch entdeckt. Bereits vor ungefähr 500 Jahren. Es ist die Nachbildung einer 2000 Jahre alten Figur. Ein Bauer hat sie beim Pflügen in der
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Erde gefunden. ,Der Jüngling vom Magdalensberg’ wird sie genannt.“ „Aha!“ war Poppis Kommentar. „Ich glaube nicht, daß mich...“ Lilo versetzte ihr einen Rippenstoß und fuhr fort: „Ich glaube, daß uns das sehr interessiert. Können wir nicht gleich auf den Magdalensberg?“ „Wieso gleich?“ zischte Axel beunruhigt. „Weil wir so Zeit gewinnen,“ flüsterte Lieselotte. „Es ist erst 11 Uhr. Sechs Stunden lang läßt uns der Gaspedal-Heini sicherlich nicht auf Burg Hochosterwitz herumstiefeln.“ Axel nickte. Er hatte verstanden. Alle vier Mitglieder der Knickerbocker-Bande waren auf das äußerste gespannt. Sie sahen dem Nachmittag mit großer Unruhe entgegen. Es war halb fünf, als die vier Kinder schnaufend den Burghof von Hochosterwitz betraten. Der Aufstieg zur Festung hatte eine halbe Stunde gedauert. Es war ein ziemlich heißer Tag, und die vier waren tüchtig ins Schwitzen geraten. Der Weg auf den Burgberg führte tatsächlich durch 14 Tore. Lieselotte hatte – mißtrauisch, wie sie nun einmal war – nachgezählt. Jedes Tor stellte eine kleine Festung dar. Der Feind, der früher die Burg erobern wollte, mußte erst alle Tore überwinden, um auf die Spitze der Anhöhe zu gelangen. Das Tor Nummer 8 war besonders raffiniert. Es war genau über einem Abgrund errichtet. War es den angreifenden Rittern gelungen, das äußere Tor zu durchbrechen, so stürzten sie im Inneren des Torbogens in einen Abgrund. Die Zugbrücke, die ihn sonst überspannte, war dann nämlich hochgezogen. Nun trennten sich die vier Kinder. Lilo spazierte in das Burgmuseum, Dominik inspizierte die ausgestellten Rüstungen, Poppi hatte sich im Burghof niedergelassen und fütterte Klarabella mit Keksen, und Axel genoß die Aussicht. Als er ein Päckchen Kaugummi aus der Hosentasche ziehen wollte, hielt er plötzlich einen Zettel in der Hand. „Den hat mir doch der Portier in der Früh überreicht“, erinnerte er sich.
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„Herr Klausen hat angerufen. Bei Gelegenheit bitte zurückrufen“, stand darauf. Axel spürte, daß es wichtig war und suchte einen Telefonautomat. Als er den Hörer wenig später wieder aufhängte, atmete er einmal tief durch. Was ihm der Reporter da erzählt hatte, mußte er sofort Lilo mitteilen. Als er in den Burghof trat, zuckte er sofort wieder hinter die Tür zurück. An einem der vielen Tische saß Herr Rabenstein. Er hatte ein Glas Bier vor sich stehen und schaute ununterbrochen auf die Uhr. Nervös fingerte er an seinen Jackentaschen herum, die beide sehr ausgebeult waren. Da trat Lieselotte aus dem Eingang zum Burgmuseum. Auch sie hatte Herrn Rabenstein sofort entdeckt. Axel versuchte ihr ein Zeichen zu geben, aber er konnte sich nicht bemerkbar machen. Lilo schaute in eine andere Richtung. Dabei mußte er so dringend mit ihr reden. Mittlerweile war es fünf vor fünf. Herr Rabenstein warf einige Münzen auf den Tisch, sprang auf und hastete in Richtung Burgtor. Lilo heftete sich ihm an die Fersen. Axel folgte mit einigem Abstand. Bevor er den Burghof verließ, stieß er aber noch drei schrille Pfiffe aus. Das war das Zeichen für Poppi und Dominik, nachzukommen. Im Laufschritt hetzte der rundliche Mann den holprigen Weg hinunter. Bei jeder Biegung, die der Pfad machte, wartete Lilo, bis Herr Rabenstein nicht mehr zu sehen war. Erst dann lief sie weiter. Falls er sich umdrehte, konnte er sie so auf keinen Fall entdecken. Bei Tor Nummer 8 blieb Herr Rabenstein stehen, zog zwei Stoffbeutel aus der Jacke und legte sie unter den steinernen Bogen, wo bereits ein schwarzer Koffer für ihn bereitstand. Er schnappte ihn und verschwand im Laufschritt talwärts. Lilo und Axel hatten diese Aktion aus einiger Entfernung beobachtet. Gerade, als sie zum Torbogen laufen wollten, um die beiden Beutel zu begutachten, kam ein Mann in einem schwarzen Mantel den Berg herauf. Sein Gesicht war durch einen großen Schlapphut verdeckt. Blitzschnell bückte er sich und ließ die
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beiden Stoffbeutel unter seinem Mantel verschwinden. Dann machte er kehrt und marschierte nun mit ruhigen Schritten den Weg zurück zum Tal. Axel und Lilo schlichen ihm nach. Hinter sich hörten sie die Stimmen von Dominik und Poppi. Lilo drehte sich um und deutete ihnen, still zu sein. Außer ihnen war in diesem Moment niemand auf dem Burgweg unterwegs. Der Kerl im schwarzen Mantel war ungefähr 50 Meter von ihnen entfernt, als er plötzlich mit einem Ruck stehenblieb und sich umdrehte. Die vier Kinder konnten sich nicht mehr rechtzeitig verstecken. Entsetzt starrten sie in das Gesicht eines dunkelhäutigen Mannes, der eine große, dunkle, sechseckige Sonnenbrille trug. Es war der falsche Reporter aus dem Hotel.
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Hilfe! „Ich euch habe gewarnt“, stieß er in seiner harten, abgehackten Sprache hervor. Lilo, Axel, Dominik und Poppi wagten es nicht, sich zu bewegen. Der Mann hatte eine Hand in die Tasche gesteckt. Unter dem Stoff des Mantels zeichneten sich die Umrisse einer Pistole ab, die er auf die Kinder gerichtet hatte. „Ihr werdet es nicht mehr verhindern... mit eurer Neugierde. Ihr dummen Kinder. Los, ihr geht nun drei Schritte vor mich... Keine dummen Tricks und kein Wort zu den Leuten, die uns kommen entgegen. Sonst ich drücke ab.“ Langsam und zögernd taten die Kinder, was der Mann von ihnen verlangte. „Unten, am Fuße des Berges, wartet der Hotel-Chauffeur auf uns“, schoß es Axel durch den Kopf. „Hoffentlich erkennt er, was los ist, und hilft uns.“ Im nächsten Moment seufzte er aber schon enttäuscht. Der Fahrer war gar nicht da. Er hatte den Kindern mitgeteilt, daß er etwas besorgen müsse und sie gegen sechs Uhr abholen würde. Nun war es erst zehn nach fünf. „Lächeln, tut so, als würdet ihr haben viel Spaß mit mir“, raunte der Mann den Kindern zu, als ihnen ein paar Touristen entgegenkamen. Was blieb der Knickerbocker-Bande anderes übrig als zu gehorchen? Poppis Herz klopfte laut. Sie preßte ihre Ratte eng an sich. Auch Dominik hatte ziemlich weiche Knie. Lieselotte versuchte die Ruhe zu bewahren und klar zu denken. Leicht fiel es ihr nicht. Auf dem Parkplatz vor dem Burgberg zwang der Mann im schwarzen Mantel die Kinder, in einen schmutzigen, verbeulten Wagen einzusteigen. Widerstrebend zwängten sich die vier auf die enge Rückbank. Der Mann löste die Kindersicherungen in den
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Türen aus und schlug sie zu. Nun konnten sie nicht mehr von innen geöffnet werden. Als sich der Mann hinter das Lenkrad schob, tauchte wenige Schritte vom Wagen entfernt eine bekannte Gestalt auf. „Herr Selibor!“ rief Poppi. „Mund halten!“ befahl der Mann mit der Sonnenbrille. Aber der Detektiv hatte die Kinder im Auto bereits entdeckt. Erleichtert atmeten sie auf. Herr Selibor würde sie aus der Gewalt dieses Gauners befreien. Mit einem Ruck riß der Versicherungsdetektiv die Fahrertür auf und zerrte den überraschten Mann aus dem Wagen. Die Waffe schleuderte er ihm mit einem gezielten Schlag aus der Hand und hob sie blitzartig auf. Der Ganove taumelte erschrocken zurück und prallte gegen ein parkendes Auto. Herr Selibor hatte den Revolver nun auf den Mann im schwarzen Mantel gerichtet. Er sagte etwas zu ihm, das die Kinder nicht verstehen konnten. Der Mann ließ seine Hand langsam unter den Mantel gleiten und zog die beiden Stoffbeutel hervor. Der Detektiv riß sie an sich und schlug dem Mann mit der Handkante ins Genick. Er taumelte und sank zusammen. „Ist er jetzt... tot?“ flüsterte Poppi ganz entsetzt. Lieselotte schüttelte den Kopf. „Nur bewußtlos. Das war ein Karateschlag, mit dem man seinen Gegner für kurze Zeit außer Gefecht setzten kann.“ Die Kinder blickten Herrn Selibor erwartungsvoll entgegen. Er war wirklich ein toller Kerl. Aber was befand sich in den Stoffbeuteln? Der Detektiv sprang in das Auto, startete den Motor und trat fest auf das Gaspedal. „He, wollen Sie uns nicht zuerst herauslassen? Wozu nehmen Sie diesen Wagen? Ihr eigener parkt doch dort drüben!“ rief Axel. „Schnauze!“ fuhr ihn Herr Selibor an. Ihr habt es eurer verdammten Schnüffelei zuzuschreiben, daß ihr nun für eine Weile auf Tauchstation gehen müßt. Von euch lasse ich mir die Tour nicht mehr vermasseln. Mich trickst keiner mehr aus.“
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Die Kinder sahen sich erschrocken an. Mit quietschenden Reifen bog er aus dem Parkplatz auf die Straße und gab Gas. Der Motor heulte laut auf. „Herr Selibor, bitte... was ist... Sagen Sie uns, was Sie vorhaben? Was soll das?“ schrie Lieselotte und schüttelte ihn an der Schulter. Der Detektiv schlug ihr auf die Hand, und Lilo zuckte zurück. „Schnauze habe ich gesagt, und falls sich einer von euch auffällig benehmen sollte, mache ich kurzen Prozeß.“ Die Kinder schwiegen entsetzt. „Nur zu eurer Information: Ich bin kein Detektiv. Ich bin das Gegenteil...“ „Ein...“ Axel traute sich nicht weiterzureden. „Ein Profi-Gauner! Du kannst es ruhig sagen. Anruf genügt, ich komme sofort. Ihr seid doch so neugierig. Ich erzähle euch jetzt alles.“ Herr Selibor lachte laut auf. Es klang verrückt und beängstigend. „Vor zwei Wochen wurde ich von einem Unbekannten beauftragt, die Prunkstücke der Ausstellung von diesen ,Tränen des Drachens’ zu stehlen. Eine Kleinigkeit für mich. Als Anzahlung hat er mir 100.000 Scheine zukommen lassen. In der Ausstellung lag – wie vereinbart – der Schlüssel zu einem Schließfach, wo eine weitere Million auf mich warten sollte. Aber als ich sie abholen wollte, mußte ich feststellen, daß sie nicht da war. Und die ersten 100.000 haben sich als Blüten erwiesen.“ „Falschgeld?“ fragte Dominik erstaunt. „Nein, Rosen!“ spottete Herr Selibor. „Der mysteriöse Auftraggeber wollte mich austricksen. Aber dazu muß er früher aufstehen. Er wollte unerkannt bleiben, darum mußte die Übergabe der Perlen auch auf so komische Art und Weise erfolgen. Aber ich habe den Kerl trotzdem gesehen und bin ihm auf die Spur gekommen.“ Herr Selibor riß das Steuer herum und raste durch eine Seitengasse. „Es war Herr Rabenstein. Stimmt’s?“ sagte Lilo. Herr Selibor grunzte zustimmend.
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„Aber wieso läßt dieser Herr Rabenstein seine eigene Ausstellung ausrauben und übergibt die Perlen dann an diesen Mann mit der schwarzen Sonnenbrille?“ wollte Axel wissen. Poppi zitterte am ganzen Körper. „Das ist doch völlig egal“, schrie sie außer sich. „Wohin bringt uns dieser Irre? Was hat er jetzt vor?“ Herr Selibor warf einen kurzen Blick nach hinten und grinste böse. „Ihr geht jetzt auf Tauchstation“, knurrte er. „Für immer...“ „Sind Sie wahnsinnig? Was soll das heißen?“ schrie ihn Axel an. „Das Auto wird in wenigen Minuten im Völkermarkter Stausee versinken. Ein Unfall, bei dem ein Wagen von der Fahrbahn abkommt. Vier Kinder können sich nicht rechtzeitig aus dem Auto befreien und ertrinken.“ Dieser Gedanke schien Herrn Selibor überaus zu gefallen. Er lachte heiser vor sich hin. „Eigentlich wollte ich euch schon gestern für einige Zeit beseitigen, aber dann bin ich diesem Rabenstein schneller auf die Spur gekommen, als ich gedacht hatte. Gestern habt ihr noch einmal Glück gehabt. Heute aber nicht!“ „Der ist verrückt geworden. Er will uns umbringen, damit wir ihn nicht verraten“, schrie Axel. Poppi und Dominik waren starr vor Schreck. Lieselotte schien das alles nichts auszumachen. Sie saß regungslos da und lächelte still vor sich hin. „Hast du nicht kapiert, was der Irre vorhat?“ flüsterte ihr Axel zu. Lilo lächelte weiter und stieß zwischen den Zähnen hervor: „Auch wenn es dir schwerfällt, reg dich ab. In Kürze bleibt der Wagen stehen. Dann stürzen wir uns auf den Selibor, und zwar alle gleichzeitig.“ Axel wollte fragen, wie Lilo auf diese Idee kam, aber sie antwortete nicht. Dafür gab sie ihm ein Zeichen, auch die beiden anderen von ihrem Plan zu verständigen. Es folgten die schlimmsten und aufregendsten Minuten ihres Lebens. Der Wagen fuhr und fuhr. Bis nach Völkermarkt waren es laut Wegweiser nur noch vier Kilometer.
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„Völkermarkt 3 Kilometer“ las Axel bald darauf. Nichts geschah. Auch Lilo wurde langsam unruhig. War ihre Beobachtung vielleicht doch falsch? Wieder raste Herr Selibor mit quietschenden Reifen um eine Kurve. Er trat noch fester auf das Gaspedal. Poppi und Dominik blickten Lilo hilfesuchend an. Wieso tat sich nichts? Da geschah es. Der Auspuff knallte zweimal. Der Motor blubberte und starb ab. Herr Selibor versuchte ihn wieder zu starten und sprang wild auf das Gaspedal. Aber nichts rührte sich. Der Tank war nämlich leer. Lilo hatte bemerkt, daß die Benzinuhr schon die längste Zeit auf Null gestanden war. Kaum war der Wagen ausgerollt, schrie sie: „Jetzt!“ Die vier Kinder stürzten sich nun von hinten auf den Mann am Steuer. Poppi zog ihn an den Ohren, Dominik hielt ihm die Nase zu und Lilo versuchte, seine Arme zu erwischen. Ehe Herr Selibor nach dem Revolver greifen konnte, hatte ihn Axel bereits aus seiner Jackentasche gezogen. Daraufhin riß der Dieb die Autotür auf und rannte los. Axel und Dominik kletterten über die Vordersitze aus dem Wagen und nahmen die Verfolgung auf. Jetzt war der Gauner schließlich nicht mehr bewaffnet. Axel lief so schnell er nur konnte. Er war ein ausgezeichneter Sprinter, und schon nach hundert Metern hatte er Herrn Selibor eingeholt. Von hinten sprang er ihn an und klammerte sich an seinen Hals. Der Mann schlug wild um sich und versuchte ihn abzuschütteln. Axel konnte sich nicht länger halten und mußte loslassen. Doch da stolperte Herr Selibor und schlug der Länge nach auf den Asphalt. Dominik hatte ihm ein Bein gestellt. Blitzschnell packte Axel den Arm des Mannes und verdrehte ihn auf den Rücken. Drei Passanten stürzten zu den Kindern und Herrn Selibor. „Rufen Sie sofort die Polizei!“ schrie ihnen Axel zu. „Dieser Mann darf nicht entkommen.“
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Nur wenige Minuten später wurde Herr Selibor von der Polizei abgeführt.
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Viele Fragen – viele Antworten „Papa, was machst DU denn da?“ „Na, das ist vielleicht eine Begrüßung“, wunderte sich Herr Klingmeier, der die Knickerbocker-Bande vor dem Hotel ungeduldig erwartet hatte. Es war ihm gelungen, zwei Tage früher nach Kärnten zurückzukommen. Bei seiner Ankunft hatte ihn Frau Fortano aber dann mit der Nachricht überrascht, daß die Kinder bei der Polizei waren. „Die vier haben es geschafft, einen gesuchten Profi-Gauner zu fassen“, berichtete der Polizist, der die Kinder nach Hause gefahren hatte. „Auch die beiden anderen Männer, die in diese Geschichte verwickelt sind, konnten bereits festgenommen werden.“ Der Kriminalbeamte verabschiedete sich, und Frau Fortano lud die Kinder auf die Hotelterrasse ein. Dort wurde zur Stärkung ein Imbiß serviert. „Ich hoffe, du bist nicht böse, aber irgendwie bin ich mitschuldig an der Sache...“, meinte die Hoteldirektorin zu Herrn Klingmeier. „Ich hätte die Kinder nie allein fortlassen dürfen... !“ „Mach dir keine Gedanken, Karoline. Du kannst überhaupt nichts dafür“, tröstete sie Herr Klingmeier. „Wenn sich mein Herr Sohn und seine Freunde etwas in den Kopf setzen, dann tun sie es auch. Ich bin Kummer gewöhnt...“ „Aber wir mußten der Sache einfach auf den Grund gehen“, sagte Lilo mit vollem Mund. „Das war die heißeste Spur, die wir je entdeckt haben!“ „Nachdem ihr alle hinuntergeschluckt habt, möchte ich aber gerne wissen, was ihr diesmal wieder herausgefunden habt.“ Herr Klingmeier lehnte sich zurück und lauschte. „Weißt du Papa“, begann Axel, „eigentlich bist DU an allem schuld. Wenn du nicht über die Tasche gestolpert wärst...“
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Herr Klingmeier holte empört Luft. „Jetzt bin ich also der Grund, warum ihr euch wieder Hals über Kopf in große Gefahr begeben habt. Das ist unerhört...“ „Aber wahr!“ meinte Lilo. „Sie erinnern sich doch an die Lindwurmfigur, die in der Tasche vor dem Hotel war?...“ Axels Vater nickte. Frau Fortano hörte gespannt zu. „Was war mit dieser Figur?“ wollte sie wissen. „In den Fall sind drei Männer verwickelt. Herr Rabenstein: ein zwielichtiger Typ, der sein Geld auf sehr unseriöse Weise verdient. Außerdem Herr Selibor: er hat in diesem Hotel gewohnt und sich als Versicherungsdetektiv ausgegeben. In Wirklichkeit ist er ein eiskalter Profi-Gauner. Der dritte ist der Mann mit der schwarzen Sonnenbrille“, erklärte Lilo. „Wir wissen mittlerweile, daß er Carlos Kauel heißt und aus Mexiko kommt. Er gehört einer Gruppe von Menschen an, die die Herausgabe der ,Tränen des Drachens’ fordern. Sie sagen, daß es sich dabei um Kunstschätze ihres Landes handelt, auf die nur sie ein Anrecht haben. Der spanische Wissenschaftler, dem die Perlen heute gehören, soll sie ihnen angeblich gestohlen haben“, erzählte Axel, der diese Informationen von dem Zeitungsreporter erhalten hatte. „Carlos hatte nun den Auftrag, die Perlen in sein Land zurückzubringen. Er hat übrigens zur Kontaktaufnahme mit seinen Leuten nicht das Telefon, sondern stets ein Funkgerät verwendet. Über den Grund sind wir uns nicht im klaren.“ „Auf jeden Fall wurden Herrn Rabenstein von Carlos 10 Millionen für die Perlen geboten“, fuhr Dominik fort. „Diesem Angebot konnte Herr Rabenstein nicht widerstehen. Der Haken an der Sache war nur, daß ihm die Perlen nicht gehörten. Deshalb heckte er einen raffinierten Plan aus: Er hat die Perlen von einem Profi-Gauner stehlen lassen. Von Herrn Selibor. Den Schaden hätte dann die Versicherung abdecken müssen, und auf Herrn Rabenstein wäre kein Verdacht gefallen.“
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Axel hatte sich auch seine Gedanken gemacht: „Ich wette, dieser Rabenstein hat sogar die Alarmanlage ausgeschaltet, damit Herr Selibor ungestört stehlen konnte.“ „Doch ist dieser Rabenstein auch ein ziemlicher Geizkragen. Deshalb hat er den Selibor um sein Honorar betrogen und ihm Falschgeld untergejubelt“, grinste Poppi und fütterte Klarabella mit Knäckebrot. „Die drei Männer haben übrigens nur per Telefon miteinander verhandelt. Herr Rabenstein wollte unerkannt bleiben und hat dem Selibor daher vorgeschlagen, die Perlen in einer Nachbildung des Klagenfurter Lindwurms zu verstecken. Die Figur sollte der Gauner dann beim Grazer Uhrturm in Minimundus abstellen“, setzte Lieselotte den Bericht fort. „Poppi hat den Lindwurm sogar gesehen, bevor ihn Herr Rabenstein heimlich abgeholt hat. Der Mann war als Elektriker verkleidet nach Minimundus gekommen und hatte so getan, als würde er etwas reparieren. In dem geborgten Lieferwagen der Firma Knallhofer ist er wieder nach Hause gefahren. Er hat wirklich alles versucht, um seine Spur zu verwischen.. Es ist ihm aber nicht ganz gelungen. Er wurde von Herrn Selibor im Europapark beobachtet. Als dieser dann feststellen mußte, daß sein Honorar aus Falschgeld bestand, und der Rest überhaupt fehlte, machte er sich daran, seinen Auftraggeber zu finden. Als es ihm gelungen ist, waren aber dummerweise wir – die Knickerbocker-Bande – dabei!“ „Haltet euch fest“, rief Axel, „an diesem Tag wollte uns der Kerl sogar für eine Weile loswerden und in einem Keller einsperren, damit wir ihm nicht dazwischenfunken. Darum hat er uns zur Sommerrodelbahn eingeladen! Er hatte aber Pech und brachte uns so nur noch schneller auf die Spur seiner finsteren Machenschaften.“ „Die ‚Tränen des Drachens’ sind auf jeden Fall sichergestellt“, verkündete Lieselotte stolz. „Herr Selibor wird vor Gericht gestellt. Der Mann aus Mexiko, der übrigens auf dem Parkplatz bei Burg Hochosterwitz von der Polizei gefunden wurde, wird sich auch verantworten müssen. Seine Bemühungen, die Kunstschätze
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in sein Land zurückzubringen, kann ich schon verstehen. Aber vielleicht sollte er sich besser an den wirklichen Besitzer der ,Tränen des Drachens’ wenden.“ Das letzte Wort hatte Dominik: „Die Polizei hat uns gesagt, daß Herr Rabenstein auf dem Klagenfurter Flughafen gestellt werden konnte. Damit ist die Sache vorläufig abgeschlossen.“ Frau Fortano blickte die vier bewundernd an. „Woher wißt ihr eigentlich alles so genau?“ „Wir haben kombiniert! Vieles wußten wir schon lange, manches haben wir erst jetzt erfahren und wie ein Puzzlespiel zusammengesetzt“, erklärte ihr Axel. Die Hoteldirektorin hatte nun aber auch noch eine große Überraschung: „Euch steht eine beachtliche Belohnung zu. Sie wurde von der Versicherungsgesellschaft für die Auffindung der Perlen ausgesetzt.“ „Ich weiß schon, was ich euch davon kaufe“, meinte Herr Klingmeier. Die Kinder sahen ihn entsetzt an. „Du? Wieso du? Das ist unser Geld!“ protestierte Axel. „Ja, aber im Sinne meiner Nerven werde ich ein großes Boot mieten und mit dem bringe ich euch hinaus auf den Wörthersee. Und dort gehen wir dann vor Anker und bleiben. Damit ihr nicht wieder in das nächste Abenteuer stolpert. Eure Nerven halten es vielleicht aus. Meine aber nicht.“ „Naja“, Frau Fortano schmunzelte, „wie ich die vier jetzt kenne, wird dann plötzlich eine Schatztruhe im Wasser schwimmen!“ „Oder es fällt ein Spion vom Himmel!“ rief Dominik. „Oder ein entführter Goldfisch taucht auf!“ kicherte Poppi. „Oder ein Drachenflieger aus dem Geheimdienst der britischen Königin landet vor unserer Nase!“ meinte Lilo. „Oder wir finden im Boot eine geheimnisvolle Botschaft... !“ fügte Axel noch hinzu. Der laute Seufzer von Herrn Klingmeier ging im schallenden Gelächter der Kinder unter. Er schob den Gedanken einfach beiseite, daß die Jagd nach dem Millionenlindwurm bestimmt nicht
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der letzte Fall der Knickerbocker-Bande war. – Er sollte sich nicht täuschen ...
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