Lean Time Management
Ralph Brugger
Lean Time Management Die ultimative Zeitrettung für Gipfelstürmer, Dauerbrenner und andere Ruhelose
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Ralph Brugger 79725 Laufenburg Deutschland
[email protected]
ISBN 978-3-642-14731-9 e-ISBN 978-3-642-14732-6 DOI 10.1007/978-3-642-14732-6 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: KuenkelLopka GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Für Claudia, Lisa und Celine
Rettung in Sicht - Die etwas andere Art, Zeitfreiräume zu erschließen
Wer sich in Seenot befindet, hilflos in stürmischen Gewässern umhertreibt, dem offenen Meer ungeschützt ausgeliefert ist und von aufgepeitschten Wellen mal hierhin und mal dorthin gespült wird, will nur eins: möglichst schnell gerettet werden. Da sollen die Retter nicht lange fackeln. Auf rasche und unkomplizierte Hilfe kommt es an. Ruck, zuck muss es gehen! Und wie schaut es aus, wenn jemand unter akuter Zeitknappheit leidet? Warum sollen wir es mit einem in Zeitnot geratenen Menschen anders halten? Hat er nicht eine ähnlich schnelle und unbürokratische Hilfe verdient? Sie wollen also gerettet werden? Gut so. Es ist die Sache auch wert. Zu viel in Ihrem Leben hängt von der Zeit ab - und Zeit zu verschenken haben Sie sowieso nicht. Die Rettung naht. Sie liegt buchstäblich in Ihren Händen. “Aber es muss schnell gehen”, sagen Sie. Okay, verständlich. Schließlich haben Sie keine Zeit noch nicht. Ihre Zeit ist momentan knapp; da können wir mehr draus machen. “Wird es denn kompliziert?”, werfen Sie ein. Aber nicht doch. Keineswegs. Das Leben hat schon genug Haken und Ösen. Wir wollen es nicht noch umständlicher machen. Ihre Zeitrettung ist einfach und schnell - dank einer Rettungsmission mit einem außergewöhnlichen Ansatz. Zwei Dinge sind es, die ich von Ihnen erwarte. “Nur zwei Dinge! Mehr nicht?”, kontern Sie skeptisch, gefolgt von einem “Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!” Doch, ist es. Zwei Rettungsmaßnahmen - und Sie sind erlöst. Zwei Aktionen, die aufeinander abgestimmt sind, sich perfekt ergänzen und nahtlos ineinander greifen. Zwei Vorgänge, die sich schnell umsetzen lassen und sofort wirken. Ohne Umschweife zum Ziel. Resultate auf direktem Weg. Darauf kommt es in der Zeitnot an. Einfach muss es sein. Schnell muss es gehen. Denn wenn Zeitmanagement zeitaufwendig ist, gibt’s nicht viel zu gewinnen. Ich weiß, ich verspreche das schier Unmögliche. Aber seien Sie beruhigt, genau das war schon immer die beste Voraussetzung, um auch das Bestmögliche zu erhalten. Diese Rettungsmission ist einzigartig und ungewöhnlich effektiv. Sie gibt Ihrer Zeit die Stunden, die Sie niemals hatten. Sie verschafft Ihrem Verstand die Atempausen fürs Loslassen und Abschalten. Sie lässt das Leben nicht mehr im Zeitraffer an Ihnen vorbeirauschen. Das ist das was zählt. Mit dem fortwährenden Gasgeben oder dem ständigen Hochstapeln ist dann auch gleich Schluss - weil es erstens anders und zweitens besser geht.
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Rettung in Sicht - Die etwas andere Art, Zeitfreiräume zu erschließen
Starten Sie in eine vergnügliche Zeitreise! Ergreifen Sie den sicheren Rettungsring! Spendieren Sie Ihrem Leben endlich die Zeit, die es verdient und gewähren Sie Ihren Gedanken den Freiraum, der Sie beflügelt! “Also gut”, geben Sie sich geschlagen. “Her damit!” PS: Dieses Buch ist durch und durch positiv. Sollten Sie auf der Suche nach Weltuntergangsstimmung sein - á la: Wir kommunizieren und reisen noch schneller; hetzen nur noch so durch die Welt; wechseln Jobs und Städte wie am Fließband; befinden uns im pausenlosen Wandel - und so weiter, und so weiter. Dann muss ich Sie leider enttäuschen. In diesem Buch finden Sie nichts dergleichen! Hier gibt es keine Schwarzmalerei und keine Hiobsbotschaften. Davon halte ich überhaupt nichts. Warum auch? Was bringt der Katzenjammer? Wozu die Klagelieder? Warum alten Zeiten nachhecheln, wo doch eh niemand das Rad der Zeit zurückdrehen kann? Weshalb soll ich bei einer nutzlosen Treibjagd auf Schuldige mitmachen? Wieso sollte ich in die gleiche Kerbe hauen wie alle anderen? Ich hab’s nicht verbrochen. Ich bin nicht angetreten, um im Superman-Kostüm die Welt zu retten. Ich will auch nicht den Don Quijote spielen, der gegen Windmühlen anrennt. Und einen Volksaufstand anzetteln will ich schon gar nicht. Nicht mal im Traum würde ich eine Rettungsweste auswerfen, um hinterher die Luft rauszulassen. Ich spann ja auch keine Pferde vor eine Kutsche, um sodann die Zügel aus der Hand zu geben. Ich zieh doch nicht den Karren aus dem Graben, um ihn gleich darauf mit Schwung in den nächsten zu werfen. Was soll ich also mit so einem Gerede? Von wegen. Nichts da. Sie sind mir ein Anliegen. Ihnen ganz allein bin ich verpflichtet. Ihnen will ich zeigen, wie Sie mit zwei griffigen und rasch umsetzbaren Maßnahmen zu einer unbeschwerten Leistungsfähigkeit finden und mehr im Leben erreichen können. That’s it. Ganz zum Schluss will ich Ihnen noch folgendes mit auf den Rettungsweg geben. Wer sich in einer Notlage befindet, wer verzweifelt ist, wessen Hoffnungen weggeblasen wurden wie das Laub von den Bäumen von den Stürmen des Herbstes, schätzt seine Lage mitunter falsch ein. Zwischen bitterem Ende und wundersamer Erlösung liegen für den Notleidenden oft Welten. Unberechtigterweise sieht er diese beiden möglichen Endzustände seiner Malaise meilenweit auseinander klaffen. Leichtfertigerweise übersieht er dabei, dass sich zwischen hoffnungslos und hoffnungsvoll in der Tat meist nicht viel befindet. Im vorliegenden Fall ist es nämlich genau eine Sache: Dieses Buch! Laufenburg, im November 2010
Ralph Brugger
Befinden Sie sich in akuter Zeitnot? Dann lesen Sie weiter bei Teil III „Die Einsatzbesprechung – Leitgedanken zur bevorstehenden Zeitrettung“ Befinden Sie sich in Zeitnot? Dann lesen Sie ab hier.
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Inhaltsverzeichnis
Teil I
Warum Nörgeln nicht weiterhilft – und weniger Zeitmanagement manchmal mehr ist
1 Wie! Sie haben keine Zeit? – Toll. Dann haben Sie allen Grund zur Freude! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2 Warum ich ein untypischer Zeitmanager bin – und Sie dieses Buch dennoch verdient haben! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3 Zeitmanagement mit Vollausstattung – Die geballte Ladung: Ist das immer die beste Lösung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4 Keine Macht den Zeitmanagement-Typberatern – Ich bin ich. Sie sind Sie. Und so soll es auch bleiben! . . . . . . . . . . . . . . .
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5 Vom besten Zeitmanager aller Zeiten lernen – Warum man manchmal weniger tun muss, um mehr zu erreichen . . . . . . . . . .
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6 Die kopernikanische Wende – und der Beginn einer Zeitmanagement-Wende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil II
Der Hilferuf – S.O.S. Ich bin in Zeitnot
7 Eine gewagte Unterstellung – Zeitnot: Der größte Schwindel aller Zeiten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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8 Die Uhr schlägt alle – Der Anfang vom Ende der freien Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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9 Die verdeckte Zeitrevolution – Vom leidvollen Einzelschicksal zum trendigen Massenphänomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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10 Wenn den Stunden die Minuten gestohlen werden – Wo ist meine Zeit geblieben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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11 Zeitnot ist das falsche Wort – Warum Zeitnot kein Zeitproblem ist . .
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Inhaltsverzeichnis
12 Gummizeit: Warum jeder Mensch anders tickt – und Ihre Einstellung Sie auszeichnet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil III Die Einsatzbesprechung – Leitgedanken zur bevorstehenden Zeitrettung 13 Zeitplanung nach Rumpelstilzchen-Manier – Das war einmal! . . . .
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14 Tausendundeine Nacht – Wenn 1.001 Gedanken ihr eigenes Spiel spielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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15 Den Poltergeist in die Schranken weisen – Wie man die innere Ruhe von den äußeren Umständen abschirmt . .
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16 Warum zwei Rettungsmaßnahmen den Erfolg ermöglichen – und wie uns das „Teile und herrsche“ ins richtige Fahrwasser bringt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil IV
Die Rettung – Maßnahme 1: Platz da! Selektives Outsourcing für Ihre Gedanken
17 Entlastung ist angesagt – Ein klares Konzept für klare Gedanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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18 Ist das denn möglich? – Nur zwei aufeinanderfolgende Schritte, und Sie sind perfekt aufgestellt . . . . . . . . . . . . . . . .
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19 Erster Schritt: Entscheiden – Vier Entscheidungen für Ihr persönliches Wohl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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20 Die erste Entscheidung – Was liegt vor? . . . . . . . . . . . . . . . .
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21 Die zweite Entscheidung – Will/Muss ich es angehen? . . . . . . . .
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22 Die dritte Entscheidung – Will/Muss ich es selbst tun? . . . . . . . .
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23 Die vierte Entscheidung – Was ist zu tun? . . . . . . . . . . . . . . .
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24 Zweiter Schritt: Externalisieren – Alles im Blick heißt alles im Griff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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25 Vergegenwärtigen und Aktualisieren – Ganz spontan, so wie es Ihnen beliebt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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26 Die Bestandsaufnahme – Ihr ganz persönlicher Start ins Externalisieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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27 Feinstruktur ergänzt Grobstruktur – So hält das Externalisieren jeder Last stand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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28 Ein wichtiges Etappenziel – Klar Schiff! Ihr physisches Deck ist geschrubbt und blankpoliert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teil V
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Die Rettung – Maßnahme 2: Film ab! Das Storyboard für den Tag
29 Das überrascht viele – Die große Wirkung einer schlanken Rahmensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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30 Denkfehler To-do-Liste – 10 gute Gründe um ihr Lebewohl zu sagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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31 Warum selbst der Terminkalender Grenzen hat – und Eisenhower uns auch nicht weiterhilft! . . . . . . . . . . . . . . . . .
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32 Kaum zu glauben! – Was ein guter Tag wert ist und wie es dazu kommt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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33 Und es geht doch! – Eine Tagesgestaltung mit Happy-End . . . . . .
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34 Ein ausgezeichneter Tag – Diese Eckpunkte zeichnen einen guten Rahmen aus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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35 Hurra ich bin gerettet! – Die Zeit kann mich nicht mehr überholen . .
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36 Lean Time Management auf den Punkt gebracht – Eine klare Ansage für die Zeitgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil VI
Die größten Irrtümer rund um die Zeit – und typische Zeitfallen
37 Das bringt Ihre größeren Aufgaben auf Vordermann – Freie Sicht auf die bevorstehenden Verrichtungen . . . . . . . . . . . . . .
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38 Der missverstandene Leistungsgedanke – Warum nicht harte Arbeit, sondern die richtigen Ergebnisse entscheidend sind . . . . . .
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39 Vergessen Sie die Spitzenleistung – Suchen Sie die Spitzenerfahrung! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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40 Das haben Sie nun davon – Was die optimale Erfahrung bewirkt . . .
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41 Denkfalle Perfektionismus – Warum zu viel Perfektion im Job hinderlich sein kann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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42 Warum die „lange Weile“ eine gute Sache ist – und sich das „Zeit nehmen“ auszahlt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ruhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gemächlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Langeweile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geduld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Illustre Zeitreisen
Im 19. Jahrhundert - und einem Wirbel der Prozente . . . . . . . . . . . .
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Im kopernikanischen Kosmos - und der größten Kehrtwende aller Zeiten .
37
Im finsteren Mittelalter - und dem größten Schwindel aller Zeiten . . . . .
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Im antiken Rom - und dem größten Spektakel aller Zeiten . . . . . . . . .
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Im 20. Jahrhundert - und der kommerziellsten Manipulation aller Zeiten .
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Im alten Ägypten - und der größten Baustelle aller Zeiten . . . . . . . . .
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Es war einmal. . . die Geschichte vom Spieglein an der Wand . . . . . . .
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Es war einmal. . . die Geschichte vom Rumpelstilzchen . . . . . . . . . .
85
Im Lande von Tausendundeiner Nacht - und den längsten Nächten aller Zeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Im Frankreich vor der Französischen Revolution - und der geschmackvollsten Revolte aller Zeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Im Eisenbahn-Zeitalter - und dem wertvollsten Tipp aller Zeiten . . . . .
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Teil I
Warum Nörgeln nicht weiterhilft – und weniger Zeitmanagement manchmal mehr ist
Kapitel 1
Wie! Sie haben keine Zeit? – Toll. Dann haben Sie allen Grund zur Freude!
Ihre Zeit ist ausgereizt? Wunderbar. Das hört sich gut an. Die Zeit zerrinnt Ihnen zwischen den Fingern? Prima! Eine bessere Nachricht könnte es nicht geben. Ich jedenfalls freue mich für Sie, wenn dem so ist. „Moment mal! Was soll das nun bedeuten?“, denken Sie verdutzt und werfen irritiert ein: „Was heißt hier, Sie freuen sich? Wie bitte darf ich das verstehen?“ Nun, das Vorwort hat den positiven Einschlag von Lean Time Management bereits unterstrichen. Überrascht es Sie da, wenn wir die aufbauende Linie konsequent weiterverfolgen und Ihrer Zeitmisere etwas Erfreuliches abgewinnen? Ihre Zeit vergeht so schnell wie der vorbeirauschende Wind? Demnach ist Bewegung in ihr enthalten. Sie haben Ihrer Zeit „Leben“ eingehaucht und damit Ihr Leben buchstäblich belebt. Bei Ihnen ist etwas los – vielleicht ist sogar der Bär los! Bei Ihnen geht was – vielleicht geht sogar die Post ab! Egal. Wann immer und wo immer es lebhaft zugeht, ist es vor allem die Zeit, die „lebendig“ wird. Wer keine Zeit hat, lebt! Herrlich ist das! Herrlich, weil es ein gutes Zeichen ist und – weil wir in dieser Zeit leben. Ich sage nicht, dass es automatisch gut ist. Ich sage nur, dass die Vorzeichen bilderbuchartig sind. Ihre Zeitknappheit ist erst mal eine positive Feststellung, weil in diesem Fall Ihre Lebenszeit ausgefüllt ist. Ob Sie die Zeit auch ideal verbrauchen und sinnvoll portionieren, lassen wir für den Moment dahingestellt. Auf was ich hinauswill, ist einzig und allein folgende Tatsache: Offensichtlich verfügen Sie über mehr als genug Beschäftigungsanreize, um Ihre verschiedenen Zeitfenster auszufüllen. Handlungsoptionen, die Sie an die Grenzen Ihres Zeitbudgets führen – und manchmal sogar darüber hinaus. Das ist der positive Gesichtspunkt: Sie besitzen Optionen für die Nutzung Ihrer Zeit! Vor Ihnen tun sich vielfältige Möglichkeiten auf, stehen Ihnen quasi abrufbereit zur Verfügung, drängen sich Ihnen förmlich auf, um Ihr Leben lebenswert zu machen. Na bitte, da haben wir’s. Der Fall ist klar! Sie können sich begründeterweise fühlen wie im siebten Himmel. Oder einfach nur in Ihrem Glück schwelgen. Wenigstens aber auf hohem Niveau mit sich zufrieden sein. Allermindestens Wohlgefallen an dieser Situation finden. An einem Funken Hochstimmung führt ganz gewiss kein Weg vorbei. Sie sind möglicherweise in den frühen Phasen ihres Lebensweges und absolvieren gerade ein Studium oder MBA, um optimal für Ihre weiteren Entwicklungsschritte präpariert zu sein. Vielleicht sind Sie bereits im Berufsleben verankert und gehen einer Arbeit nach, bei der es viel zu tun gibt. Sie sind in wichtigen Projekten R. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6_1, C Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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I Warum Nörgeln nicht weiterhilft
eingebunden, in denen schnelle Fortschritte gefordert sind. Sie stehen eventuell im Kreise einer Familie, in der Sie aufgehen, und sind womöglich in ein attraktives und abwechslungsreiches Vereins- oder Gesellschaftsleben eingebunden. Sie haben vielleicht ein schönes Apartment oder gar ein Haus, das sauber gehalten werden will. Da ist ein fest installierter Kollegenkreis, der das Leben zusätzlich erheitert. Da will eventuell ein schickes Auto in Schuss gehalten werden. Und es gibt natürlich noch vieles mehr, was auf Sie zutreffen könnte, denn vielfältig sind heute die Dinge, die einen beschäftigen. Summa summarum ist bei Ihnen etwas geboten – und das ist in erster Linie ein glücklicher Umstand. Selbst dann, wenn Sie kurz-, mittel- oder langfristig etwas an Ihren Lebensumständen ändern möchten. Okay, da gibt es vielleicht noch die ein oder andere Sache, der man wenig Positives abgewinnen kann, die aber dennoch Ihre Zeit beansprucht. Vielleicht sollten Sie sich sportlich betätigen, um Ihre körperliche Fitness zu verbessern – oder müssen es sogar, um Ihr Gewicht zu reduzieren. Diese anderen zeitraubenden Dinge und weitere unbequemere Nebensächlichkeiten gibt es natürlich. Aber sie sind in der Unterzahl. Deutlich in der Minderheit. Es sei denn, Sie haben jeglichen Optimismus über Bord geworfen, die Fronten gewechselt und sich auf die Seite der Schwarzmaler geschlagen. Sollte dies der Fall sein, besteht jedoch kein Anlass zur Sorge. Ihrer Grundeinstellung werden wir in den nächsten Kapiteln noch mehrere positive Impulse verleihen – ein verdecktes Aufbauprogramm sozusagen. Keine Bange! Sie müssen nicht in die Hände spucken, Ärmel hochkrempeln und sich selbst aus dem Graben befreien. Vielmehr erhalten Sie sanften Antrieb und wirkungsvolle Hilfestellung durch die beiden Maßnahmen, um die es bei Ihrer Zeitrettung geht. Das schaffen wir! Wie auch immer die Dinge bei Ihnen gelagert sind. Zeitknappheit deutet grundsätzlich auf ein erfülltes Leben hin. Wie ich darauf komme? Nun, es gibt eine direkte Verbindung zwischen dem Tempo der Zeit und den Optionen, die dem Einzelnen zur Verfügung stehen. Zeit hat nun mal die Tendenz, umso schneller zu vergehen, je mehr man damit anfangen kann. Das ist Zeit, gesehen unter individuellen Gesichtspunkten. Und es bleibt dabei: Zeitknappheit ist eine gute Sache! Wenn wir sie haben, stören wir uns zwar daran. Aber wenn wir sie nicht haben, vermissen wir sie. Das krasse Gegenteil – ein Übermaß an Zeit – sind wir nicht gewohnt. Oder wäre es Ihnen etwa lieber, wenn Sie die Zeit buchstäblich totschlagen müssten, wenn Ihnen die Decke auf den Kopf fallen würde? Dann stünden Sie gleichfalls vor einem Problem. Ihre Herausforderung besteht dann nicht darin, Zeit für Ihre Aktivitäten zu finden, sondern eher darin, Aktivitäten zu finden, die Ihre, nun nicht mehr ganz so wertvolle, Zeit füllen können. Für viele ist in der Tat die Zeit „tot“, wenn es keine Möglichkeit zum Zeitvertreib gibt. Das ansonsten so Lebendige – die Zeit – wandelt sich plötzlich ins Gegenteil und manch einer steht vielleicht vor der Frage: „Was zum Henker soll ich mit dieser Zeit anfangen?“ Also, wären Sie zufrieden, wenn Sie frei von jeglichen Pflichten wären, wenn sich keine Handlungsmöglichkeiten vor Ihnen ausbreiten, wenn Sie Tag für Tag eine Leere ertragen müssten? Wären Sie zufrieden, wenn Sie unendlich viel Zeit hätten,
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Wie! Sie haben keine Zeit? – Toll. Dann haben Sie allen Grund zur Freude!
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weil jegliche Zukunftsaussichten verloren gehen und das Leben in ein erwartungsloses Warten mündet? Ein Warten auf etwas, das man sich nicht recht vorstellen kann und das auch nicht kommt. Werden in diesem ewig eintönigen Zeitrhythmus die Stunden und Tage nicht bedeutungslos? Ist dann nicht alles gleichgültig? Wäre die Gegenwart dann nicht äußerst dünn und inhaltsarm? Ist es nicht so: Wenn der Fokus auf etwas Externes fehlt, wenden sich die Gedanken unserem Inneren zu und drehen dort Endlosschleifen? Birgt ein derart sinnloses Im-Kreis-Herumlaufen nicht Gefahrenpotential, weil es Zündstoff für Selbstzweifel sein kann? Ich sage Ihnen: Es gibt ein „Zuviel des Guten“, auch und gerade bei der Zeit. In einem Zeitvakuum ist der Zeitaspekt zwar vernachlässigbar, aber das Leben umso lebloser. Die Tage immer dieselben, sich selbst zum Verwechseln und bis zur Verwirrung ähnlich. Vielleicht wünscht man sich dann das Vergehen der Zeit sehnlichst herbei und schickt gleich nach dem Aufstehen am Morgen ein Stoßgebet ins Himmelreich: „Göttlicher Zeitgeist, lass es Abend werden, wenn’s geht noch vor Mittag.“ Oder, noch schlimmer, setzt voller Verzweiflung einen Notruf ab: „Hilfe, ich habe zu viel Zeit!“ Nein! Auf keinen Fall! Alles, nur das nicht, denn niemand kann so was auf Dauer ertragen. Eine verschwimmende Einförmigkeit schreitender Stunden, die immer in die gleiche Richtung wirkt und ins Bodenlose führt, macht keinen glücklich. Mir jedenfalls sind zeitliche Grenzerfahrungen tausendmal lieber. Zeitknappheit würde ich da allemal vorziehen, denn prinzipiell hat es etwas Gutes an sich, wenn wir unser Zeitbudget ausreizen können. Vor allem, wenn man mal den richtigen Dreh mit der Zeit raus hat, wenn man das Spiel mit der Zeit beherrscht und sich nicht von den äußeren Umständen verschaukeln lässt – aber dafür gibt es ja unsere Rettungsmission mit den zwei Sofortmaßnahmen. Das kommt noch. Es gibt einen weiteren, wertgeschätzten Grund, um mit einem lachenden Auge auf Ihre „scheinbar“ knapp bemessene Zeit zu blicken. Folgender Grundsatz erklärt warum: „Zeit vergeht – subjektiv gesehen – umso schneller, je wertvoller sie ist.“ Von dieser ersten „Lean Time Management“-Grundregel können wir ableiten: Wenn Ihre Zeit knapp ist und deshalb schnell vergeht, ist sie folglich wertvoll. Das ist Zeit, gesehen unter ökonomischen Gesichtspunkten. Was macht die Zeit werthaltig? Was steigert den Wert der Zeit und führt in der Konsequenz zu einer scheinbaren Verknappung Ihrer Zeit? Was treibt Sie in die wertbedingte Zeitarmut? In einer industrialisierten Welt steigt der Wert der Zeit ihrer Bewohner parallel mit dem technologischen Fortschritt. Ein wirtschaftlicher Umgang mit der Zeit wird wichtiger. Materiell arme Gesellschaften besitzen hingegen Zeit in Hülle und Fülle. Knappe Zeit ist somit eng mit dem Wohlstand einer Gesellschaft verbunden. „Reiche“ Gesellschaften haben nun mal schnellere Normen. Gesellschaften mit einem etablierten und gut funktionierenden Wirtschaftsgefüge legen größeren Wert auf Zeit. Und Gesellschaften, in denen Zeit wertgeschätzt wird, sind vielversprechende Kandidaten für ein prosperierendes Wirtschaftstreiben. Zeitknappheit als Wohlstandsindikator – so die Zauberformel. Wenn das mal keine gute Botschaft ist. Erfreulich für mich ist hierbei: Sie wissen nun den Wert dieses Buches zu schätzen, denn wir haben es soeben zum Diener Ihres wertvollsten Guts erhoben – Ihrer
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I Warum Nörgeln nicht weiterhilft
Zeit. Sie haben ohne Zweifel eine äußerst sinnvolle Investition getätigt. Vielleicht die beste Investition Ihres Lebens. Sie merken schon. Zeitnot ist facettenreich und hat gleich mehrere Schokoladenseiten. Hier ist eine weitere: Wenn Sie absolut keine Zeit haben, dann ist Ihre Zeit höchstwahrscheinlich – nein, sogar sicherlich – begehrt. Vorstellen kann man sich dies wie bei einer leckeren Torte mit einem süßlichen Duft. Klar will jeder gerne davon naschen. So in etwa mag Ihr tägliches Zeitbudget für viele einen schmackhaften Kuchen darstellen, von dem man sich liebend gerne bedient. Sich ein Stück Ihrer Zeit herauszuschneiden, dieser Versuchung kann kaum jemand in Ihrem Umfeld widerstehen. Aber wo denken Sie hin? Nicht der Zeit wegen! Nein, keineswegs. Sondern Ihretwegen! Ist doch klar. Man ruft nach Ihrer Zeit, weil man Sie schätzt. Man will Ihnen Zeit abringen, weil Ihre Fähigkeiten gebraucht werden, weil man Ihre Unterstützung wünscht, weil Ihre Meinung zählt und Ihr Rat gesucht ist. Vielleicht aber ist das Motiv ganz anderer Natur. Emotionaler verwurzelt und weniger sachbezogen. Möglicherweise mag Sie jemand so gerne, dass die gemeinsam mit Ihnen verbrachte Zeit für diese Person wiederum die schönste Art ist, seine Zeit „auszugeben“. Rührend und herzerwärmend ist dieses Verlangen nach Ihrer Zeit, denn so entwickeln sich Freundschaften und Herzensangelegenheiten. Um es auf den Punkt zu bringen: Wenn Sie gefragt sind, ist es Ihre Zeit auch. Wenn Sie sehr gefragt sind, ist Ihre Zeit ebenfalls heiß begehrt. Wenn Sie nicht gefragt sind, ist auch Ihre Zeit unattraktiv. So einfach ist das! Wie hätten Sie‘s denn gerne? Ich glaube die Antwort zu kennen. Eine stille Vermutung, eine leise Ahnung – oder fast schon eine tiefe Überzeugung. Ja, ich weiß, in welche Richtung Sie tendieren! Gehen wir folglich vom besten aller Fälle aus. Ähm, liege ich richtig? Im besten Fall sind Sie so gefragt, dass am Ende des Tages nichts mehr von Ihrer Zeit übrig bleibt – für Sie übrig bleibt. Das fordert natürlich Ihr Zeitbudget. Das strapaziert Ihre Lebensbalance. Das kann offensichtlich auf Dauer nicht funktionieren. Dennoch sollten Sie diesen Durst nach Ihrer Zeit nicht in ein schlechtes Licht rücken, schließlich ist dies der beste Beweis für die Wertschätzung, die man Ihrer Person entgegenbringt. Ein durch und durch positives Signal also, mit dem man sorgfältig umgehen sollte. Das ist Zeitknappheit unter sozialen Gesichtspunkten. Und so gesehen ist es doch ganz in Ordnung, wenn wir wenig Zeit haben. Alles bestens, gewissermaßen. Finden Sie nicht auch? So wie sich die Sache unter diesen Blickwinkeln darstellt, gibt es bestechende Gründe, um auch mit wenig Zeit vollauf zufrieden zu sein. Es gibt Fakten, die sich nicht von der Hand weisen lassen. Zufriedenheit kommt immer zur richtigen Zeit. Wir können sie gut gebrauchen, um mit ihrer Hilfe so manche Schattenseiten des Lebens in den Schatten zu stellen. Frohmut hat noch nie geschadet. Insbesondere nicht in Zeiten wie den unseren, in denen man einen allzu lockeren Umgang mit Katastrophenmeldungen aller Art pflegt. Da „reguläre“ Meldungen heute regelrecht untergehen und wir diese oft nur peripher wahrnehmen, schlagen die Medien über alle Stränge. Sie hauen mächtig auf den Tisch. Dinge aufzubauschen ist mittlerweile an der Tagesordnung. Mit einem Wetterumschwung kommt heute das Unwetter gleich mit. Wer von einer Brise reden will, dem wird schnellstens der Wind aus den Segeln genommen.
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Wie! Sie haben keine Zeit? – Toll. Dann haben Sie allen Grund zur Freude!
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Mit den Tiefs wird tiefgestapelt; nur die Titanic liegt tiefer. Mit den Hochs wird hoch gepokert, denn mit ihnen kommt der Klimawandel. Wenn’s im Winter schneit, ist ruck, zuck die Schneekatastrophe da. Fallen an der Börse die Aktienkurse, lautet die haltlose Meldung: „Märkte gehen in den Sturzflug über.“ Bricht ein Vulkan aus, wohnen wir plötzlich auf einem wilden Planeten. Ganz so, als ob aus leichten Verwüstungen gleich eine neue Sahara entsteht. Das findet Gehör. Das kommt beim Hörer an. Und weil die Nachrichten gehört werden wollen, geizen die Boten nicht mit Superlativen. Nichts ist mehr normal. Alles wird noch schlimmer enden, als es angefangen hat. Reißerische Meldungen geben was her, und wir sind offenkundig so beschaffen, dass uns die Übertreibung gefangen nimmt. Sie trifft uns wie der Eisberg die Titanic. Die Nachrichtenkultur hat sich darauf eingeschossen. Die Spielregeln im Berichtswesen haben sich dahin gehend verschoben. Und dementsprechend fallen die Reaktionen der Allgemeinheit aus. Beim einen schlägt’s auf den Magen, beim anderen auf die Zeit – denn wem können wir’s da übel nehmen, wenn in einem scheinbar dahinschmelzenden Zeitpolster sogleich eine handfeste Krise gesehen wird? Wie soll man da jemandem vermitteln, dass es sich bei weitem nicht um eine Beinahe-Katastrophe handelt, wenn es mal knapp zugeht mit der Zeit? Aber auch hier kann geholfen werden. Und wie! Es gibt mehr als nur Hoffnung. Jawohl! Zum großen Glück können wir jenen getrost zurufen: „Es ist noch nicht zu spät!“ Und sie im gleichen Atemzug an den ermutigenden Standpunkt von Max Frisch erinnern: „Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“ Sind Sie beruhigt? – Gut. Nebenbei erwähnt, Sie sollten wissen: Zeitnot ersatzlos streichen ist nicht drin! Schön wär‘s ja, aber leider lässt sie sich nur mit einer anderen Not ablösen: Zeitnot weg bedeutet Ausredenot da. Warum? Zeitknappheit ist immer für eine Ausflucht gut. Sehr angenehm, wenn man sich so vor Unangenehmem drücken und jede Schuld weit von sich weisen kann: „Könnten Sie mal? Würdest du mal?“ Da kontern Sie lässig: „Ich würde ja wirklich gerne, aber ich hab grad keine...! Ich muss los!“ Diese Platte können Sie nicht mehr auflegen, wenn man Ihnen die Zeitnot gestrichen hat. Hysterie hin oder her, einen letzten Zahn müssen wir ganz am Schluss noch ziehen. Es wäre äußerst unklug, den Härtefall außen vor zu lassen. Ja, den nicht zu unterschätzenden Härtefall. Schließlich könnte es derart schlimm um Ihre persönliche Zeitsituation bestellt sein, dass Sie tatsächlich jegliche Hoffnung aufgegeben haben. Doch selbst in dieser Aussichtslosigkeit gibt es einen Lichtblick. Und was für einen! Der Volksmund weist in diesem Fall die Skeptiker mit folgenden Worten in die Schranken: „Man macht nur Fortschritte, wenn man nicht mehr weiterweiß.“ Weil die Leere bekanntermaßen Raum für neue, völlig andere Einsichten schafft und zu innerer Wandlung führt, tun sich just in jenen Momenten unerwartete Möglichkeiten auf. Ein Glück. Und immerhin: Wenn wir an dieser Stelle zumindest erreicht haben, dass die Zeitknappheit Sie nicht vollends ins Unglück stürzen kann, können wir einen Erfolg verbuchen. Jetzt müssen Sie es nur noch halten wie Jean Anouilh’s wahre Lebenskünstler, die bereits dann glücklich sind, wenn sie nicht unglücklich sind. Das hat was.
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Mit diesem motivierenden Ausblick vor Augen vermittelt uns der Rückblick auf all die positiven Zeitnachrichten gleich die doppelte Freude. Wir haben der Zeit unter individuellen, ökonomischen und sozialen Gesichtspunkten nachgespürt. Wir haben viel Positives mitgenommen und wenig Raum für Zeitpessimismus übrig gelassen. Halt! Etwas wäre dabei fast unter den Tisch gefallen. Mit den guten Nachrichten ist es doch noch nicht vorbei. Wir können Ihrer Zeitnot einen weiteren durch und durch erfreulichen Punkt abgewinnen. Ein goldwerter Hoffnungsschimmer. Sie haben wenig Zeit, aber: Wir können etwas dagegen tun!
Kapitel 2
Warum ich ein untypischer Zeitmanager bin – und Sie dieses Buch dennoch verdient haben!
Jedes Leben bringt Wendepunkte mit sich. Meilensteine im Lebensweg, an denen sich die Lebensumstände ändern. Beim Einen geschehen wegweisende Dinge früher, beim Anderen stellen sie sich später ein. Unsere Sensoren registrieren dann fleißig die stattfindenden Umwälzungen und Stück für Stück stellen wir uns auf die neue Lebenssituation ein. Bei mir hat sich beispielsweise während des Studiums eine zeitlose Erkenntnis gefestigt: Der Mensch wird zwar mit viel Zeit geboren, doch spätestens nach der Jugend liegt diese in Ketten. Folglich muss man sich gut organisieren, um etwas aus seiner Zeit zu machen und im Leben voranzukommen. Was aber bedeutet das konkret? Klar hat die richtige Einteilung und sinnvolle Nutzung der Zeit damit zu tun. Aber wie muss es denn ausgestaltet sein – das Zeitmanagement, meine ich? Was ist Pflicht, was ist essenziell, was gar lebenswichtig? Was macht Sinn, was ist blanker Unsinn? Was hält in der Praxis stand und was ist realitätsfremd? Was ist schmucke Beigabe, was ultracooles Zubehör, was gar purer Luxus? Was kommt an erster Stelle und was läuft nebenher? Was verleiht Flügel, auf was kann man getrost verzichten und was ist sogar vollkommen überflüssig? Muss man zwangsläufig in den sauren Apfel beißen und immer das volle Paket schultern oder gibt es die schnelle Schmalspur-Lösung? Wo kann man sich als „Early-Adopter“ profilieren und was ist längst kalter Kaffee oder sogar Schnee von gestern? Ist die Devise „von allem ein wenig“ oder darf man sich eine Rosine picken? Ist alles leicht verdaulich oder lässt man besser jemanden vorkosten? Muss man an einigen Stellen gar noch selber nachwürzen? Gibt es so was wie eine Erfolgsgarantie oder geht man besser mit einer Risikolebensversicherung ins Rennen? Soll man letzten Endes in James-Bond-Manier alles erstmal schütteln und dann doch noch gut rühren, weil’s die Mischung macht? Eine ganz andere Frage ist dann noch die nach den optimalen Startbedingungen. Wie kommt man denn am schnellsten in die Gänge? Ist es wie beim Segelfliegen? Aus eigener Kraft kann kein Segler abheben. Auch wenn der Gleiter noch so leicht ist, ohne fremde Hilfe kommt er nicht vom Fleck, geschweige denn in die Luft. Sollte man auch beim Zeitmanagement auf jemanden setzen, der Starthilfe gibt und dann ordentlich anschiebt? Benötigt man gar einen Brandbeschleuniger, damit’s richtig zündet, oder wird man automatisch zum Senkrechtstarter? R. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6_2, C Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Viele Fragen, wenig Antworten. Aber es ist allemal besser ein paar Fragen zu stellen, als alle Antworten schon zu kennen. Auch meine Eltern haben mir immer wieder bestätigt: Fragen ist erlaubt! Ungewiss sind nur die Antworten, die man bekommt. Ich bin den Fragen nachgegangen; habe Antworten gefunden. Klar ist: Was von Zeitnot befreien soll, darf nicht viel Zeit kosten. Wenn Sie ständig mehr Zeit investieren müssen, als Sie herausholen können, stimmt irgendetwas nicht. Das kommt mir entgegen. Sehr sogar. Möglicherweise sehen Sie dies genauso. Spielen wir doch mal: Wer bin ich, was will ich? Vielleicht zeigt sich da die ein oder andere Gemeinsamkeit zwischen Ihnen und mir. Ich bin einfach gestrickt. Ich orientiere mich an pragmatischen Vorstellungen – frei nach dem Werbespruch „quadratisch, praktisch, gut!“ Ich stehe für klare Grundprinzipien statt Begriffsverwirrungen. Ich mag es, wenn man mir griffige Lösungen präsentiert. Bei der Lösungsfindung vermitteln mir die folgenden Maximen Orientierung: schlüssig – also in sich stimmig; klar – das heißt für jedermann verständlich und nachvollziehbar; praktikabel – also einfach umsetz- und anwendbar; fokussiert – auf das Wesentliche konzentriert. Sollte mal etwas kompliziert werden, vereinfache ich es. Wenn das nicht möglich ist, neige ich eher dazu, es zu eliminieren oder vollständig auszutauschen und nach anderen, möglichst einfachen Lösungen Ausschau zu halten. „Das Geniale ist immer einfach!“, lautet eine oft zitierte Redewendung. Aber unterschätzen würde ich die Einfachheit nie. Der umtriebige Bertholt Brecht tat dies ebenfalls nicht und hat das Bild der Schmucklosigkeit mit unmissverständlichen Worten zurechtgerückt: „Einfachheit ist schwierig zu erreichen.“ Wie wahr. Mir gefällt es, wenn man sich kurz fasst und die Dinge auf den Punkt bringt. Konkret bleiben, bitte! Als Verfechter von direkten Wegen liegt bei mir richtig, wer ohne große Umwege zur Sache kommt. Ich schätze es, wenn mich jemand durch Fragenstellen zum Grübeln anregt. Nicht irgendwelche Fragen, sondern die richtigen Fragen! Gute Fragen, die wirklich weiterhelfen und etwas auslösen. Ich lasse mich gerne inspirieren. Ich mag es, wenn sich meine Gedanken frei bewegen können. Ferner trifft es sich immer gut, wenn mich jemand aufheitert und gute Laune verbreitet. Bleibt doch auf diese Weise meine positive Lebenseinstellung intakt. An einer gesunden Portion Lebensfreude und Optimismus liegt mir viel. Dabei muss ich immer an die Geschichte mit den Schuhen in Afrika denken. Wenn ein SchuhFabrikant zwei Verkäufer nach Afrika schickt, kann es so oder so ausgehen. Der eine kann den Chef anrufen und abwinken: „Hier trägt kaum jemand Schuhe. Sehe keine Chancen.“ Der andere kann den Chef unterrichten: „Hier ist großes Potenzial. Erst wenig Leute tragen Schuhe.“ Soweit zum Kurzporträt meiner Person. „Was hat das bitteschön mit Zeitmanagement zu tun?“, werden Sie vermutlich einwerfen. Gegenfrage: Was denken Sie denn nun, wie ich es mit dem Zeitmanagement halte? Eines dürfte sich jetzt schon herauskristallisiert haben: Auf direktem Weg zum Ziel! Vor allem aber ist es die zweite Seite der Medaille, die uns Stück für Stück der Antwort hinsichtlich meiner persönlichen Zeitmanagement-Haltung näher bringt: „Wer bin ich nicht, was will ich nicht? Worauf lege ich keinen Wert? Mit was
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kann ich mich nicht anfreunden?“ Möglicherweise kommt auch hierbei die ein oder andere Parallele bei unseren Veranlagungen zum Vorschein. Schlechte Nachrichten zum Beispiel sind so gar nicht mein Ding. Aber ich bin bereit, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Auf Schönfärberei steh ich nicht besonders. Ich bin Realist. In komplizierten Lösungen sehe ich nur selten Sinn. Will mir etwa ein Investment-Banker ein kaum durchschaubares Geldanlage-Konstrukt anbieten – ohne mich. „Kaufe nur, was Du verstehst!“, ist eine Devise, die dem legendären Investor Warren Buffett zugeschrieben wird. Er muss es wissen. Will mir jemand ein Geschäft vorschlagen und braucht Stunden um sein Modell verständlich rüberzubringen – dafür bin ich nicht zu haben. Will mir jemand ein Produkt verkaufen, das ein Normalsterblicher nur mit Zufallstreffern bedienen kann – soll er es woanders versuchen. Einfach muss es sein. Wenn es nicht einfach ist, kaufe ich es nicht. Was gibt es in Bezug auf die Lebensplanung über mich zu erfahren? Bin ich einer, der seinen Lebensweg im großen Stil und mit planerischer Akribie vorzeichnet? Nein, ich zähle mich nicht zu denen, die ihrem Leben eine Marschroute verpassen und es von A bis Z vorstrukturieren. Nein, ich bin nicht jemand, der sein Inneres mit komplizierten Selbstanalyse-Techniken nach außen dreht, um an so etwas wie Lebensziele zu kommen. Eine „Reise ins Ich“ liegt mir fern. Ich möchte nicht tagelang mit einer Selbstfindungs-Tour beschäftigt sein, die leicht zur Selbstzweifel-Tortur ausarten kann. Ich will nicht alles und jenes untersuchen oder hinterfragen, um mich intensiv kennen zu lernen. Mir genügen die groben Strömungen, Ideen, Richtungen und Möglichkeiten, welche diesbezüglich in meinem Kopf umherschwirren. Freimütig gestehe ich: Das Korsett einer weissagenden Lebensplanung ist nicht meine Sache! Schriftliche Lebensentwürfe werden zwar oft propagiert und stehen vielen sicherlich sehr gut. Der Überzeugung nach soll uns der Tunnelblick in die Kristallkugel mit dem Griffel in der Hand zu den Hintergründen führen. Den Motiven, die wir mit unserem Leben verbinden und die erklären, warum wir etwas erreichen möchten. Wenn unser Tun nicht einem höheren Zweck unterstellt ist, dann wird es zudem auch schwierig sein, den Sinn darin zu erkennen, so die hochfliegende Bergpredigt. Doch auch wenn die Übungen unserem Leben Ordnung einverleiben und Orientierung mit sich bringen sollen, sie machen die tagtägliche Arbeit nicht zwingend zielsicherer und schon gar nicht einfacher. In der Praxis kann ich es immer wieder erleben: Letzten Endes gehen etliche Entwicklungskonzepte am wirklichen Leben vorbei. Die gut gemeinte Lebenssinn-Schnitzeljagd, die Werte-Exploration und die Ziel-Erkundungsbohrungen verfehlen zu oft ihre Wirkung und verpuffen nach kurzer Zeit. Dennoch kann ich mir gut vorstellen, dass man in einer Ausnahmesituation einen schriftlichen Zukunftsentwurf vornimmt. Zu Beginn eines MBA-Studiums wird einem beispielsweise oft geraten, den eigenen Leidenschaften, Stärken und Schwächen nachzuspüren und einen Karriereplan aufzustellen, in welchem man die Jahre nach dem Abschluss vorausplant. Frei nach dem Motto: „Ohne Ziele ist jeder Weg der richtige!“ Schön und gut. Nur kenne ich bisher noch niemanden, bei dem
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das so wie geplant aufgegangen ist. Mag sein, dass der Weg das Interessante bei einer solchen Übung ist. Sie kennen das – der Weg ist wieder mal das Ziel. Im vorliegenden Fall würde der Weg aus den Überlegungen bestehen, die man gezwungenermaßen anstellt, um irgendwann einen schriftlichen Lebensentwurf in den Händen zu halten. Das würde mir einleuchten – als strukturierter Prozess der Selbstfindung, vor einem wegweisenden Meilenstein im Leben. Aber für den Normalfall? Nein, danke. Ich habe eine gesunde Vorstellung von dem, was ich tun möchte – und das genügt mir. Ich sehe mich nicht als orientierungslosen Wandersmann im morgendlichen Herbstnebel herumirren, nur weil ich keinen schriftlichen Lebensentwurf vor mir auf dem Tisch liegen habe. Ich sehe es eher wie Michel Villette, der an der „Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales“ in Paris lehrt. Während in Business Schools nach klassischer Lehrmeinung die allgemeinen Prinzipien erfolgreicher Unternehmensführung vermittelt werden (dazu zählen Innovationsmanagement, Qualitätskontrolle, optimale Finanzierung, Strategie, Kostenkontrolle, Effizienzsteigerung und Risikofreude), verfolgt Villette einen anderen Ansatz. Er hadert mit der Annahme, dass es einen definierbaren Weg gibt, der, wenn man ihn nur exakt studiert und konsequent umsetzt, jedem Fortune ermöglicht. Villette negiert die einschlägigen Rezepte zwar nicht, vermittelt aber in seinem Buch, dass viele wirklich erfolgreiche Größen der Wirtschaft ihren ersten Durchbruch anderen Fähigkeiten verdanken: Nicht der fixen Vision, sondern dem Auge für eine Chance. Nicht den penibel durchdachten und weit vorauseilenden Planungen, sondern raschem Zugriff bei einer sich auftuenden Möglichkeit und der Bereitschaft, komplett vom Plan abzuweichen, sollte ein solcher im Raum stehen. Wohl dem, der dem Zufall eine Chance offen hält. Das Leben ist nun mal kein Projekt, das sich exakt planen lässt. Deshalb meine abschließende Frage: Kann es beim Lebensentwurf auch spielerischer zugehen? Frei nach dem erbauenden Gedanken von Elfriede Hablé, einer österreichischen Musikerin: „Wünsche sind die beachtlichsten Brückenbauer und die mutigsten Begeher.“ Wieso also nicht ungezwungen in Lebensträumen schwelgen, sich seinen Vorstellungen hingeben, Perspektiven sehen und dann etwas tun, etwas wagen? Willen zeigen, bestärkt durch Walt Disneys kraftvolle Standpauke: „Was du träumen kannst, kannst du auch tun!“ Und heißt es nicht ebenso hoffnungsvoll: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!“ Wer sich etwas vornimmt und mit Disziplin und Ausdauer dran bleibt, hat gute Karten. Mitunter muss man auch „eisernen Willen“ zeigen, damit man bis zum Ende durchhält. Und den lege ich dann schon mal an den Tag. Willensstärke, darauf gebe ich was, das liegt mir am Herzen. Genauso wie einfache Fragen. Zum Beispiel kann ein „Was würde mich begeistern?“ der Anstoß sein, um Leidenschaften zu verfolgen. Dem Glück auf die Sprünge helfen vermag auch die Frage: „Was kann das Leben für mich bereithalten?“ Trotz alledem – und Spontanität hin oder her – will ich meine Zeit optimal ausnutzen, so wie Sie auch. Hier und jetzt. Einfach und schnell. Das ist Zeitmanagement, wie ich und – wenn man den Großteil der Bevölkerung als Maßstab anlegt – auch Sie es mögen. Das wäre vermutlich auch ein Zeitmanagement ohne Jo-Jo-Effekt. Wie war das noch mal in der Welt der Diäten? Erst geht’s abwärts,
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dann wieder aufwärts. Erst purzeln die Pfunde, kurze Zeit später sind sie wieder da. Moment mal, diesen Effekt kenne ich! Nicht wegen meinen – sicherlich irgendwo eingeschlossenen – Fettpölsterchen, sondern wegen meinem immer kleiner werdenden Zeitpolster. Ich will zwar nicht den Gürtel enger schnallen, aber schon manches Mal wollte ich der Zeitnot an den Kragen, mir ein größeres Zeitpolster zulegen – mittels Zeitmanagement. Doch so wie manch zuversichtlicher DiätenAspirant zum niedergeschlagenen Jo-Jo-Opfer gebrandmarkt wird, bin auch ich nun ein gebranntes Kind. Ein gebeutelter Veteran vieler Zeitmanagement-Initiativen. Was mir beim Zeitsparen bisher wenig geholfen hat, waren ZeitmanagementRatgeber in Form von Tipp-Ansammlungen. Potpourris mit einer kaum überschaubaren Anzahl von lose zusammenhängenden Einzelmaßnahmen. Da gibt es oft eine Menge zu tun. Das erfordert intensive Beschäftigung – war aber bei mir nicht drin, da für mich vordergründig das Tagesgeschäft zählt. Ich bin ja nicht Zeitsparer von Beruf! Würde ich mich jedem Tipp oder Einzelvorschlag widmen, so hätte ich das im besten Fall halbherzig durchziehen können. Was hätte mir das schlussendlich gebracht? Okay, man kann natürlich auf ein paar wenige Tipps setzen. In etwa so, wie es sich bei einem sonntäglichen Pferderennen abspielt, könnte man sein Glück versuchen. Auf der Rennbahn setzt die Spielernatur auf eines der startenden Pferde, ersehnt sich einen Glücksmoment herbei – und tatsächlich: Mit sehr viel Wettglück winkt ein Gewinn. Mit ebenso viel Dusel kann man auch bei den unzähligen Zeitmanagement-Ratschlägen richtig liegen und einen Treffer einheimsen. Aber was bringt diese eine Glückssträhne beim Zeitmanagement? Was gewinnt man mit dieser Ausschnitthaftigkeit? Bringt einen das wirklich spürbar voran? Falls nicht, dann dürfte sich der Aufwand kaum lohnen. So wie es Großsegler gibt, bei denen etliche Segel an einer handvoll Masten knattern, und die unter voller Besegelung schwermütig die Weltmeere durchpflügen, so gibt es auch Zeitmanagement-Fünftmaster, bei denen auf den unzähligen Segeln ganze Litaneien von Empfehlungen angeheftet sind. Diese tapezierten Fünfmastvollschiffe drängen sich mir nicht als erste Wahl fürs Zeitmanagement auf. Ihnen kann man oft einen Mast kappen, manchmal auch zwei, bisweilen sogar drei. Wer keine Masten niederreißen will, sollte immer noch wissen, dass man einen Ozeanriesen schleppend bewegt, wo der Zeitnotleidende eine schneidige Fregatte erwartet oder auch mal ein flottes Rettungsboot vorziehen würde. Diese Rettungsmission konzentriert sich deshalb auf einen „Zwei-Punkte-Plan“. Lediglich zwei Dinge sind hierbei entscheidend – hatten wir das schon erwähnt? Von zwei Sofortmaßnahmen ist hier die Rede und so ist das auch gemeint! Damit ist das Wesentliche getan. Was Ihnen bleibt sind Freiräume, dank derer Sie die oben erwähnten Chancen am Horizont erkennen und mit einem raschen Zugriff erschließen können. Kann sein, dass Sie enttäuscht sind, wenn Sie erfahren, dass es in diesem Buch keine Checklisten, Tests, Workshops oder Abfragen gibt. Methoden, Formeln und Rezepte brechen ebenso wenig über Sie herein. Persönlichkeitsanalysen mit Auswertungsbögen, Formularen oder Trainingskarten suchen Sie hier ebenfalls vergebens. Vielleicht vermissen Sie auch Protokolle zum Protokollieren oder Tabellen
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zum Tabellarisieren – tut mir leid, hab ich nicht in petto. Das Fehlen von Matrizen und Bäumen zum Über-sich-selbst-studieren ist dem Schlankheitsgedanken geschuldet – damit es „lean“ bleibt. Und was Sie erst recht nicht finden sind: „111 Turbo-Beschleuniger-Tipps, mit denen Sie in jeweils 11 Sekunden alles besser und alles schneller machen.“ Hier gibt es nichts dergleichen. Hier gibt‘s nur eins, und das dafür umso deutlicher: Eine klare Kante bei der Zeitgestaltung. Es erscheint dann nur folgerichtig, auch Übungen auszuklammern. Übungen, mit denen Sie sich „intensiv beschäftigen müssen“ – wozu Ratgeber gerne raten. Mein Rat ist ein anderer: Wer Erfolge im Leben verbuchen will, muss sich nicht zwangsläufig an Dingen versuchen, die einem schwer fallen. Sich auf Themen zu konzentrieren, die einem leicht von der Hand gehen, ist genauso erfolgversprechend. Einige meinen, Qualität kommt von quälen. Ich sehe das nicht so. Andere sagen: „Aller Anfang ist schwer.“ Nun, wenn er einem nicht leicht gemacht wird, mag das der Fall sein. Nebenbei erwähnt: Wer erfolgreiche Menschen studiert, wird eines deutlich feststellen: Sie orientieren sich an einigen wenigen Dingen, die sie weit besser beherrschen als andere – und die ihnen am meisten Spaß machen. In diesem Sinne sage ich: Guter Rat muss nicht teuer sein. Teuer im Sinne von „mit viel Zeitaufwand erkauft“. Mit diesem Buch unterm Arm ergeht es Ihnen deshalb nicht so wie dem Musiker-Kollegen, der mit einer Geige unterm Arm einen Passanten fragt: „Wie bitte geht’s hier zur Philharmonie?“ und als Antwort erhält „Üben, üben, üben!“ Beim Zeitmanagement-Training sind zwar alle reichhaltigen Elemente und Facetten des zuvor aufgeführten Repertoires grundsätzlich in Ordnung, durchaus sinnvoll und in manchen Situationen sicherlich auch sehr wertvoll. Ohne Zweifel! Ich allerdings konnte nach einem solchen Griff in die prall gefüllte Trickkiste keine dauerhafte Verbesserung meiner Zeitsituation feststellen. Mir hat es nicht wirklich weitergeholfen. Für mich scheint der Ansatz mit einem voluminösen Spektrum an Einzelmaßnahmen, tierischen Prinzipien und AKITUME-Methoden (Abkürzungen Klingen Immer Toll Und Machen Eindruck) irgendwie nicht passend zu sein – und deshalb hab ich in diesem Buch darauf verzichtet. Sich in erster Linie an einigen wenigen – dafür aber wesentlichen – Zeitmanagement-Erkenntnissen zu orientieren, erscheint in vielen Fällen sinnvoll. Das schärft den Blick. Das fokussiert die Gedanken. Das bündelt die Energie. Zeitmanagement kann meiner Erfahrung nach nur zielführend sein, wenn es nicht ausufert. Sie kennen das: Von allem etwas ist in etwa so viel, wie von allem nichts. Auch Sportler wissen: Aus dem Stand losrennen und nach vorn stürmen – das klappt nicht mit einem Klotz am Bein. Deshalb frage ich Sie: Darf’s etwas weniger Zeitmanagement sein? Zeitmanagement in seiner reinsten Form – in Reinkultur sozusagen. Das hört sich vielleicht untypisch an. Das klingt vielleicht nach einer verrückten Idee. Das gleicht vielleicht einem mutigen Vorstoß. Aber darin liegt auch eine Chance. In diese Richtung würden zumindest die Gedanken des erfolgreichen amerikanischen Schriftstellers Mark Twain gehen, der seinerzeit unverblümt zur Sprache brachte: „Menschen mit einer neuen Idee gelten so lange als Spinner, bis sich die Sache durchgesetzt hat.“ Die angedachte Reduktion – bei Ihrer Zeitrettung
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geht es um lediglich zwei Maßnahmen – ist möglicherweise alles andere als unvernünftig. Vielleicht sogar eine Idee mit Strahlkraft. Deshalb, denke ich, haben Sie dieses Buch verdient! Vielleicht wollen Sie die schlanke Lösung aber nicht. Vielleicht halten Sie eher nach dem Komplizierten Ausschau. Dann hab ich was für Sie!
Kapitel 3
Zeitmanagement mit Vollausstattung – Die geballte Ladung: Ist das immer die beste Lösung?
Wünschen Sie ein Zeitmanagement mit Vollausstattung? Mit allem Drum und Dran. Die komplette Bandbreite an Zeitspar-Kompetenz und Arbeitstechnik-Expertenwissen. Wollen Sie Fakten und Ergebnisse jahrelanger wissenschaftlicher Untersuchungen serviert bekommen? Gepaart mit den neusten Studien aus dem Bereich der Gehirnforschung und obendrauf noch mit einem Schuss Esoterik? Oder abschließend garniert mit ein wenig spirituellem Flair? Zeitmanagement mit allen Schikanen. Läuft es so ab wie beim Wurstkauf, wenn die Verkäuferin fragt: „Darf’s etwas mehr sein?“, und Sie aus dem Bauch heraus denken: „Was soll’s! Lieber zu viel als zu wenig. Also, noch eins drauf.“ Oder geht’s vonstatten wie beim Autokauf? Einmal mit Karacho durch die Zubehörliste; das Meiste reingepackt, was an Optionen drinsteht; das Preisschild weggeklickt; zahlen tut’s eh die Bank. Beim Zeitmanagement kann man ebenso freigiebig vorpreschen – frei nach der Devise: „Mitnehmen, was man kriegen kann.“ Was kann uns dann noch aufhalten? Chancenreich könnten wir sogar bei „Deutschland sucht den Superzeitmanager“ antreten. Der Unbedarften wegen merke ich an, dass durchaus auch die Rappelkiste im Spiel sein kann. Sie kennen den Abzählreim aus dem Vorspann der gleichnamigen Kinderserie: „Ene mene miste, es rappelt in der Kiste...“ Das kann passieren, wenn man es mit dem Verpacken von Zeitmanagement-Ratschlägen hält wie mit dem Verpacken von Waren: Das Paket will einfach nicht voll werden. Und weil man den Eindruck von zu viel Luft im voluminösen Gebinde in jedem Fall vermeiden will, tut man es eben geschickt eintüten: Wenn alles in der Kiste ist, was eigentlich hineingehört, und es schlottert noch, so steckt man etwas weiteres hinzu – und wenn es ein Luftpolster ist. Das können andere Branchen auch. Die Freizeitindustrie lebt mittlerweile ganz gut mit dieser „Alles-ist-drin-Mentalität“. Im Urlaub sind „all inclusive“-Pakete eine feine Sache. Aber beim Zeitmanagement? Ist das volle Programm immer die beste Lösung? Hilft das in jedem Fall? Ich sage nur: Vorsicht! Wer sich auf einen derart umfassenden ZeitmanagementAnsatz einlässt, muss höllisch aufpassen, dass er sich nicht verzettelt. Am besten, ein integriertes Navi hält einen auf der Piste. Man sollte sich eher mehr als weniger intensiv damit auseinandersetzen, wie man das Ganze für sich strukturiert, aufbereitet und umsetzt. Zeitmanagement schrammt dann haarscharf am „Mittel R. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6_3, C Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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zum Zweck“ vorbei und zieht die Sorglosigkeit gleich mit in den Abgrund. Man muss nämlich mit der ständigen Gefahr leben, dass Zeitmanagement mehr Zeiteinsatz erfordert, als man investieren will. Einfach mal nebenher ist dann nämlich nicht drin. Ansonsten fährt man wie ein total überladener LKW durch die Gegend und erleidet höchstwahrscheinlich einen Achsbruch, wenn man durch das nächste Schlagloch rumpelt. „Kommense her, greifense zu, nehmense mit!“ Zeitmanagement-Tippsammlungen werden manchmal präsentiert, als entstammen sie dem Wühltisch beim Schlussverkauf: reichlich vorhanden, billig zu haben, wenig geachtet und nicht immer richtig verwendet. Vielleicht endet das Ganze ja auch so wie mit den Gesetzbüchern? Sie können sich das sicher gut vorstellen. Wenn man alle Gesetze studieren will, hat man keine Zeit mehr sie zu übertreten. Will heißen: Ihre ZeitmanagementStudien nehmen Sie womöglich derart in Beschlag, dass Sie kaum mehr zur Ausführung – dem eigentlichen Zeitmanagement – kommen. Gefangen im Dickicht zahlreicher Zeitmanagement-Ratschläge, die verstanden, umgesetzt und beständig angewendet werden wollen, galoppiert die Zeit nur so davon. Vor lauter Erfahrungen Sammeln und Ausprobieren kommt die Zeit erst recht unter die Räder. Schlechtes Timing also. Was uns beim Fernsehen in Fleisch und Blut übergegangen ist – einfach mal einschalten und los geht’s – davon ist man bei einem weitläufigen ZeitmanagementKonstrukt meilenweit entfernt. Von wegen „Buch aufschlagen und ab geht’s“. Nichts geht ab! Von wegen „Reinschauen und los geht’s“. Nichts geht los! Im Hinblick auf die trügerische Vollausstattung frage ich Sie deshalb: Müssen Sie wirklich alles wissen? Müssen Sie wirklich alles lesen? Müssen Sie wirklich alles leben? Lang und steinig ist ein solcher Weg. Das kostet Zeit – und zwar nicht unerheblich! Klar können wir das mit dem Zeitmanagement angehen wie beim festlichen Empfang. Die Zeitmanagement-Ratschläge sind dabei das riesige Buffet, welches sich vor uns auftürmt und von dem wir uns mundwässrig bedienen. Das einzige Buffet wohlgemerkt, welches wir ohne Figurprobleme abräumen können. Da kann man reinhauen. Da will man zuschlagen. Und so probieren wir einfach mal alles durch, egal wie klein und zahlreich die Häppchen auch sein mögen. Nur muss das erst mal verdaut werden, was sich da wie in einem Giraffenhals aufstaut. Vermutlich zu Recht höre ich hin und wieder von Zeitmanagement-Kollegen ein müdes Jammern: „Zeitmanagement ist zu zeitaufwendig.“ Bevor wir uns ebenfalls in den Chor der Wehklager und Nörgler einreihen, sollten wir bedenken: Niemand hat behauptet, dass Zeitmanagement ein Kinderspiel ist! Nein, das nicht. Aber von einer taumeligen Achterbahnfahrt mit vielen Höhen und Tiefen war auch nie die Rede. Und schon gar nicht davon, dass Zeitsparen Zeit rauben kann. Frei nach Karl Valentin würde manch einer unter diesen Umständen ächzen: „Zeitmanagement ist schön, aber es macht Arbeit, viel Arbeit.“ Und was hat’s am Ende gebracht? War es die Mühe wert? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Das hängt vom Einzelnen ab. Wie viel Geduld bringt man mit? Wie standhaft ist man? Hartnäckigkeit ist beim vollen Programm wichtig. Vielleicht konnten Sie das auch schon beobachten. An Ihnen selbst oder an anderen. ZeitmanagementNeulinge beginnen hoffnungsvoll. Mit viel Enthusiasmus und den besten Absichten
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Zeitmanagement mit Vollausstattung – Die geballte Ladung
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gehen alle ans Werk. Kein Wunder! Viele Bücher versprechen einen sofortigen Zeitsegen. Sie kennen das. In erwartungsvoller Hochstimmung ist der Himmel zum Greifen nah und die Welt liegt einem zu Füßen. Pardon, die Zeit natürlich. Doch ganz so einfach ist es nicht. Gut möglich, dass man als Zeitmanagement-Novize voller Tatendrang dasitzt und versucht und versucht. Nimmt mal hier einen Anlauf und mal dort. Probiert es einmal so und ein andermal so. Weil man sich eh nicht alles einprägen kann, nimmt man es nicht immer ganz so genau. Macht hin und wieder auch mal halbe Sachen. Zeigt sich fast immer kompromissbereit. Gezwungenermaßen, weil man irgendwie die Zeit nicht findet, sich in alles einzudenken, alles zu absorbieren. „Das wird schon!“ – ermutigt die innere Stimme. Es wird aber nicht! Denn: Wer wie ein Fähnlein im Wind flattert und einfach mal einsammelt, was ihm gerade entgegenfliegt, kann nur schwer etwas Nachhaltiges auf die Beine stellen. Und sowieso: Irgendwann holt sich das mit vielen Facetten angereicherte Leben einen Teil der verlorenen Aufmerksamkeit zurück – es besteht schließlich nicht nur aus Zeitmanagement. Spätestens dann sitzt diese Maßnahmenvielfalt dem Zeitmanagement-Anfänger bleischwer im Nacken. Wie ein Mühlstein hängt sie ihm um den Hals. Manche beugen und krümmen sich unter seiner Last. Die harte Realität bringt einen auf den Boden der Tatsachen. Was auf den ersten Blick daherkam wie ein traumhaft funkelnder Diamant, hat man jetzt genauer vor Augen. Der Glanz ist gewichen und gibt den Blick frei auf die vielen, vielen Facetten der spiegelglatten und filigran geschliffenen Oberfläche. Nur was dahinter liegt, kann man nicht erkennen. Wie beim Blick durch ein Kaleidoskop bleibt auf einmal vieles diffus. Da werden die ersten Träume zurechtgestutzt. Nicht Wenige erreichen nun einen Punkt, an dem sie sich geknickt fragen: „Krieg ich die Kurve?“ Die schwarz-weiß karierte Zielfahne kann man nur noch undeutlich erkennen. Einige werden an dieser Stelle innehalten und tiefer gehende Fragen aufwerfen: Wo soll das hinführen? Wird es gut gehen? Kann es glücklich machen? Kann es all das halten, was es verspricht? Eine gesunde Skepsis scheint angebracht. Kann man dieses Programm wirklich durchziehen und auch durchhalten? Einmal durchziehen vielleicht; aber langfristig durchhalten? Lassen sich diese ZeitmanagementFragmente in meinen Alltag integrieren und an meine verschiedenen Lebensumstände anpassen? Schaffe ich es, tief verwurzelte Angewohnheiten umzustellen? Nicht einfach! Obwohl es vielleicht ein wahrhaft tolles Rezept ist, welches da vor einem ausgebreitet wird. Nur ob man all diese reichhaltigen Zutaten auch tatsächlich so zusammenführen kann, dass es am Ende funktioniert, dass steht nun mal auf einem anderen Blatt. Der Illusionen beraubt wird manch einer vielleicht versuchen, mit einem neuen Impuls, einem weiteren Kraftakt, einem letzten Schub, das Ruder herumzureißen. Getreu dem Sofortvollzug-Motto: „Jetzt oder nie!“ Oder der Liedstrophe: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Aber dann bitte achtsam: „Worauf konzentriere ich meine Energie? Wo liegt mein Hauptaugenmerk? Was ist mein Fokus? Mit welchen Teilzielen und in welchen Etappen erreiche ich mein Endziel?“ Wer dies mit einer sportlichen Herausforderung in Verbindung bringt, liegt vielleicht nicht völlig verkehrt. Wie bei einem Marathonlauf sollte man mit seinen Kräften haushalten, darf
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sich nicht schon auf den ersten Metern völlig verausgaben. Nur wer seine Energie gleichmäßig und dauerhaft einsetzt, kommt ans Ziel. Wieder andere fackeln nicht lange, werfen resigniert die Flinte ins Korn und streichen die Segel vollends. Getreu der Devise: „Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende!“ Jenen ist klar geworden: Auch wenn man immer wieder aufs Neue gute Vorsätze fasst, bleibt schnell mal etwas auf der Strecke. Es ist, als würde man einen Güterzug mit Holzstämmen beladen. Für jeden Vorsatz einen Holzstamm. Solange der Güterzug auf den Bahngleisen dem Ziel entgegenrollt – kein Problem. Aber wehe der Zug kommt von den Schienen ab und eiert im Gleisbett umher. Dann wird’s brenzlig. Bei jedem Holperer werden die Baumstämme kräftig durchgeschüttelt. Hin und wieder werden die Waggons zu Leichtgewichten und verlieren die Bodenhaftung. Dem flüchtigen Schwebezustand folgt ein heftiger Aufprall. Baumstämme fliegen in hohem Bogen davon. Mal werden einige zur linken Seite herausgeschleudert und bleiben im Graben liegen. Mal werden sie rechts herauskatapultiert und stürzen einen steilen Hügel hinab. Das Schicksal Letzterer ist ungewiss. Sie werden nie mehr gesehen. Mit einem souveränen Transport an ein ausgemachtes Ziel hat diese schlingernde Zugfahrt plötzlich nichts mehr zu tun. Dafür aber umso mehr mit der harten Realität und den menschlichen Schwächen. Vieles was man sich vornimmt, fällt nach einiger Zeit wieder unter den Tisch – und die guten Vorsätze hinterher. Manch eine gute Absicht verliert man genauso schnell aus dem Blick wie eine Münze, die in den Brunnen fällt. Vielleicht muss man es hinnehmen wie bei den bekannten Pastillen: „Sind sie zu stark – bist du zu schwach!“ Wie auch immer, jeder zieht daraus seine eigenen Lehren. Unter Umständen fallen diese bei einem Zeitmanagement-Ansatz, der in die Vollen geht, genauso aus, wie es der scharfsinnige John Steinbeck, einer der bekanntesten Autoren Amerikas, kommen sah: „Man verliert die meiste Zeit damit, dass man Zeit gewinnen will.“ Seien Sie sich deshalb bewusst: Wenn die Zeit auf der Strecke bleibt, kommen Sie nicht vom Fleck. Offensichtlich ist auch: Das mit dem „Ziel anvisieren“ und dem „Kurshalten“ ist bei einem Rundumschlag so eine Sache. Wenn Zeitmanagement eher in einem unschlüssigen „Maßnahmenhaufen“ als einem stimmigen „Maßnahmenkonzept“ endet, wird’s taff. Da will man schon mal nachfragen: „Woran kann ich erkennen, dass ich Fortschritte mache? Was sind die Zeichen der Besserung? Wie deutlich sehe ich das Ziel vor mir? Wie greifbar ist dieses Ziel? Wie kann ich feststellen, dass der angestrebte Endzustand tatsächlich näher rückt? Kann ich sicher sein, dass die Richtung stimmt?“ Oder ähnelt das Ganze einer Bergauffahrt, der am Himmel stehenden Sonne entgegen. Aber im Rückwärtsgang, weshalb man die Sonne nur hin und wieder im Rückspiegel als grellen Punkt erkennen kann. Man will ja schließlich nach vorne schauen. Und in der Tat geht vielen dann ein Licht auf, das wahre Licht, nach dem falschen, welches durch trügerische Versprechungen am Beginn der Fahrt angezündet wurde. Hat manch einer am Anfang noch frohen Mutes gejubelt: „Der Aufschwung ist da!“, weil’s ab jetzt nur noch aufwärts gehen sollte mit der Zeit, merken viele nun: Es ist ein Aufschwung ohne Schwung. Und eine Etage tiefer, beim Otto-
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Zeitmanagement mit Vollausstattung – Die geballte Ladung
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Normal-Zeit-Verbraucher, kommt der Aufschwung sowieso nicht an. Anstatt sich wie ein Adler mit kräftigen Schwingen und ausholendem Flügelschlag in einer Spirale nach oben zu bewegen, dreht man sich im Kreis wie eine Ente im Teich. Eine Rückbesinnung auf ähnlich leidvolle Erfahrungen aus vergangenen Zeiten lässt da nicht lange auf sich warten. Prompt liegt der Vergleich mit den Hausaufgaben aus der Schulzeit in der Luft. Sie erinnern sich. Ein Perpetuum Mobile war das. Kaum hat man welche abgegeben, bekommt man schon neue. Beim Zeitmanagement sollten Sie besser nicht danebengreifen und statt der schlichten Wundertüte versehentlich die aufgedonnerte Mogelpackung erwischen. Das kann buchstäblich „viel Zeit kosten“. Zu viel Zeit. Zeit, die Sie nicht haben. Sind wir doch mal ehrlich, eigentlich wollen Sie so gut wie keine Zeit für das Zeitmanagement aufwenden. Erfahrungsgemäß wird deshalb bei einem vollumfänglichen Komplettpaket das meiste nicht lange überdauern. Die ersten paar Meter sind für gewöhnlich ein leichtes Spiel – von beflügelten Gedanken getragen. Einige Wochen oder Monate scheint alles im grünen Bereich. Danach aber schlägt die Macht der Gewohnheit mit aller Härte zu. Man wähnte sich schon auf der Spitze des Zeitmanagement-Idealgebildes, sah sich stolzen Hauptes vor dem Gipfelkreuz. Doch der Berg gerät ins Wanken, es bröckelt an allen Ecken und Enden. Der Zersetzungsprozess beginnt leise aber unaufhaltsam. Erst sind es nur winzige Sandkörner in luftiger Höhe, welche von windigen Bequemlichkeitsimpulsen hinweggetragen werden. Dann folgen nach und nach kleinere Steinchen, die von der unnachgiebigen Hektik des Tagesgeschäfts in Rollen gebracht werden und sich elegant bergab purzelnd von der Höhenluft verabschieden. Nur wenig später kommt dann auch noch der Alltagstrott ins Spiel. Eingefahrene und tief in uns verankerte Routine-Mechanismen stellen sich den gesteckten Idealen in den Weg. Wie von einer Peitsche getroffen werden nun große Felsbrocken losgerissen. Jetzt kommt’s dicke. Polternd stürzen die Bruchstücke hinab, wirbeln mächtig Staub auf, ecken mal hier und mal dort an. Risse zeichnen sich ab. Sogleich nutzt der im Untergrund schlummernde und kaum zu bändigende Zeitgeist die Gunst der Stunde. Aufgestachelt durch Leistungs- und Termindruck verschafft er sich Luft, drückt mit aller Macht durch das felsige Gestein und befreit sich Stück für Stück aus seinem Korsett. Ganze Felsmassen lösen sich, verdichten sich zu einer Lawine und donnern tosend ins Tal der Tränen. Bei der Landung gibt‘s einen ordentlichen Rumms. Das sitzt gewaltig, verdirbt den anfänglichen Optimismus und lässt wenig Raum für einen geordneten Rückzug. Ende der Fahnenstange. Aus der Traum. Und somit fällt man also nach einiger Zeit wieder in die geläufigen Verhaltensmuster zurück. Bestenfalls bleibt eine Ruine bestehen – für spätere Ausgrabungen, etwaige Wiederbelebungsversuche und einen Neuanfang an selbiger Stelle. So jedenfalls hat es sich in meinem Fall zugetragen. Die ruhmlose Bilanz: Trotz mehrerer Anläufe hab ich mit den Komplettpaketen keinen Durchbruch erlebt. Auf dem Weg zum Ziel geriet die Luxusarche irgendwann in Schieflage. Eine beherrschbare Schieflage, wie es zunächst den Anschein hatte. Doch nach einigen weiteren schlingernden und rauen Seemeilen kenterte das hoffnungslos überladene Traumschiff und ging senkrecht in die Tiefe. Waren die eingeleiteten ZeitsparMaßnahmen nichts anderes als das bloße Umstellen der Liegestühle auf der Titanic?
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Das Ergebnis meiner fruchtlosen Bemühungen passt irgendwie zu Brechts Motto: „Der Vorhang zu, und alle Fragen offen.“ Das Ende vom Lied war jedes Mal ein Ausstieg vom Einstieg, ein Rücktritt vom Eintritt. Ich startete mit der Illusion, ein Architekt zu sein, Wegbereiter für eine glorreiche Zeit, doch ich war nur ein Feuerwehrmann, umgeben von Brandherden. Vermutlich habe ich es nicht geschafft, genügend Zeit dafür aufzubringen – für das Zeitmanagement, meine ich. Oder ich bin einfach ein seltsamer Vogel. Vielleicht hab ich zu früh aufgegeben. Im schlimmsten Fall alles zusammen, dann wär’s eh hoffnungslos. Möglicherweise hätte ich das mit der Typberatung doch ernster nehmen sollen.
Kapitel 4
Keine Macht den Zeitmanagement-Typberatern – Ich bin ich. Sie sind Sie. Und so soll es auch bleiben!
Was sind Sie denn für ein Typ? Ist es ein Segen, dass der Typberater im „RundumSorglos-Paket“ gleich mitgeliefert wird? In Form von Fragenkatalogen und dazugehörigen Auswertungsbögen steht er dem leidgeplagten Zeitgenossen und dem lernwilligen Zeitmanager bei den verschiedensten Themen zur Seite. In mir kommen dann spontan folgende Fragen hoch: Wer bin ich denn? Kenne ich mich selbst zu wenig? Habe ich mich vielleicht sogar völlig falsch eingeschätzt? Bin ich zuletzt gar nicht der, der ich zu sein glaube? Die Auswahl bei der ZeitmanagementTypberatung ist beachtlich. „Da wird doch wohl ein passender Typ für mich dabei sein!“, hoffe ich inbrünstig. Also. Fragebogen ausfüllen. Punkte zusammenzählen. Auswertung lesen. Und voilà – „Mein Typ“ steht fest. Peng! Was für ein Treffer. Fortan werd ich nun als Typ XY abgestempelt. Ich bin getroffen. Oh, Entschuldigung; habe mich bei einem Buchstaben vertippt. Also noch mal: Ich bin betroffen. Zutiefst betroffen. Okay, das mit den Fragen war nicht so einfach. Ich muss gestehen: Das hab ich unterschätzt. Bei den Antworten war ich mir nicht immer sicher. Sie müssen wissen, vieles hängt bei mir von der Situation ab, in welcher ich mich gerade befinde. Von meiner Stimmung und den Umfeld-Einflüssen, die in der momentanen Lebenslage auf mich einwirken. So wie auch ein und derselbe Umstand heute als Risiko, morgen als Herausforderung und übermorgen als Chance erscheint, kann mein Urteil je nach Kontext anders ausfallen. Geht es beispielsweise darum festzustellen ob jemand ein rechtshirniger oder linkshirniger Typ ist, wird man meist mit Fragen im folgenden Stil konfrontiert: „Legen Sie Ihre Freizeit-Aktivitäten lange im Voraus fest oder bevorzugen Sie Überraschungen und entscheiden deshalb spontan darüber, was Sie wann in Ihrer Freizeit tun?“ Was soll man da antworten, wenn man einerseits mit Freunden Termine für’s Tennis oder Squash ausmacht, also vorausschauend plant, andererseits aber den Lebenspartner mal kurzweg auf ein Eis einlädt oder auf einen Abendspaziergang in der Flaniermeile? Ich sage Ihnen: Hin- und hergerissen wird man da. Und in der Zwickmühle ist man auch, denn leider kann man nur eines von zwei möglichen Antwortkästchen ankreuzen. Es gab aber auch andere Fälle, in denen ich schon erahnen konnte, auf was die Fragerei abzielt – in welche Richtung der Hase läuft. Kennen Sie das auch? Wenn man die ersten Fragen liest und die dazugehörigen Antwortmöglichkeiten sieht, weiß man, auf was das Ganze hinausläuft. Welches Spiel hier gespielt wird. Ich R. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6_4, C Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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bekomme dann regelmäßig das Gefühl, dass meine Hand, wie von einer magischen Kraft gelenkt, zu einem bestimmten Eintrag hingeführt wird und nur dort ein Kreuz setzen will. Als ob gerade bei diesem Kästchen ein Magnet für Anziehung sorgt. Ich spüre: Mein Unterbewusstsein (ist ehrlich und meint es nur gut mit mir) und mein Bewusstsein (will mich verführen) tragen einen unangebrachten Zweikampf aus. Und das große Problem dabei: Am Schluss, wenn der Haken gesetzt ist, weiß ich nie, welcher der beiden nun der Gewinner ist. Wer hatte denn just in dem Moment, in dem das Kreuzchen aus der Hand glitt, die Oberhand? Verflixt ist das. Man kommt einfach nicht dahinter. Das ist schier zum Verzweifeln. Aber wer einsteckt, darf auch austeilen: Bei den psychoanalytischen Fragebogen gab es hin und wieder wachsweich formulierte Kriterien. Sehr schwammig, sehr spitzfindig. Mehrere Antwortmöglichkeiten waren dann in der beschriebenen Situation für mich gleichbedeutend. Aber auch das hab ich gemeistert. Irgendwie eben. Doch wollen wir mal nicht so kleinlich sein. Schlussendlich zählt sowieso das Gesamtbild. Und dort zeigt sich die geballte Macht der Typberater. Spätestens hier schlägt sie zu. Wer in kein Schema passt, wird jetzt passend gemacht. Dann Schublade auf; Typ rein und schon ist jeder gut versorgt. Der ZeitmanagementTypberater hat’s einfach: Erst generalisieren und dann den Generalschlüssel auspacken – als Wunderwaffe für Quintessenz und Therapie. Dass jeder Mensch ein Unikum ist, zählt jetzt nicht mehr. Zugegeben, bei diesem letzten Punkt habe ich den Bogen etwas überspannt. Die Schematisierung an sich, vor allem wenn sie wissenschaftlich motiviert ist, möchte ich nicht schlechtreden. Wer Menschen auf Grundcharaktere reduziert, kann Wesenszüge besser einordnen, verstehen und beschreiben. Ich bin auch felsenfest davon überzeugt, dass Typisieren, Klassifizieren, Systematisieren und Standardisieren wichtige Vernunftsleistungen des Menschen sind. Aber was dies für mich persönlich bedeutet und wie stark dies mein alltägliches Verhalten tangieren soll, steht auf einem anderen Blatt. Ich lasse mich ungern in eine Schablone pressen. Muss man denn seriös und hochoffiziell mitgeteilt bekommen, ob man morgendlicher Senkrechtstarter oder abendlicher Spätzünder ist? Ob man am Morgen schon mit den Hühnern aufstehen oder abends erst mit den Füchsen in den Bau kriechen soll? Kann man nicht rein intuitiv dann aufstehen, wenn man es für richtig hält? Muss sich mein Leben zutragen wie in Dramen oder Theaterstücken, in denen jede Figur mit klar abgesteckten Grundeigenschaften versehen ist? Muss es sich abspielen wie in Märchen, die auf typologische Charakterporträtierungen mit bisweilen erstaunlicher Wirkung zurückgreifen? Wir brauchen nur jemanden als „tapferes Schneiderlein“ zu titulieren, und schon glauben wir im Bilde zu sein, mit welchem draufgängerischen Typ wir es zu tun haben. Ähnlich wie dies auch in Dichtungen der Fall ist, denn Dichter bemühen sich, ihre handelnden Personen immer wieder als scheinbar einheitliche Charakterfiguren darzustellen. Aalglatte Typen werden da geformt. Rundgeschliffene Persönlichkeiten kommen dabei raus. Bin ich auch so einer? Ich hoffe nein! Und in diesem Sinne ist es für mich nicht entscheidend, ob ich „Zeittyp A2“ oder „Zeittyp A4“ bin. Ich bin ich. Ich will mich nicht von „Typ A4“ auf „Typ A2“ umfunktionieren lassen. Nein, dass will ich partout nicht. Da singe ich lieber zufrieden in mich hinein: „Ich will so bleiben wie ich bin.“ Und überhaupt:
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Vieles ist eine heikle Sache. Will ich es – wirklich – so genau wissen? Muss ich es wissen? Ist es gut für mich? Will ich mich – wirklich – ändern? Bin ich jetzt Ihr Typ? Freilich können wir das Ganze deutlich lockerer aufnehmen. Man könnte es so sehen: Wer die Tests mit einem Augenzwinkern über sich ergehen lässt und als Unterhaltung annimmt, kann damit immerhin einige Zeit totschlagen. Mit dem Vorteil, dass die Ergebnisse keinem die Sprache verschlagen. Weil sie das Leben ohnehin nicht verändern. Summa summarum ist das mit der literarisch eingeleiteten Typberatung ein vielschichtiges und äußerst diffiziles Thema. Die Relativität und Begrenztheit derartiger Pauschalierungen und Reduzierungen auf eine oder wenige Grundcharaktereigenschaften sollte man mit etwas Distanz betrachten. Einerseits fallen persönliche Werte nur selten in wohlgeordnete Kategorien, besonders wenn es um tief verwurzelte Persönlichkeitsmerkmale geht. Die Psyche und der Charakter einer Person sind nun mal wesentlich vielschichtiger, als dass sie sich auf einige wenige Grundtendenzen beschränken ließen. Andererseits konnte ich anhand von Beobachtungen immer wieder feststellen, dass bei vielen Befragungsmodellen – vor allem in der Selbst- und ZeitmanagementAnalyse – in erster Linie unser Selbstbild zum Vorschein kommt. Mehr oder weniger wird also ein unbewusst vorgefasstes Bild der eigenen Persönlichkeit amtlich bestätigt. Ungewollt natürlich, aber darauf läuft’s hinaus. Denn wem mit diesen Techniken nur schwer beizukommen ist, ist die „echte“, tief in uns vergrabene, Persönlichkeitsstruktur. Die Selbsteinschätzung kann hin und wieder täuschen, weshalb das Selbstbild lediglich eine sinnvolle Ausgangsposition darstellt. Mit dessen Hilfe lässt sich der Findungsprozess in die richtige Richtung lenken. Mit diesen Startimpulsen kann man die tiefer verwurzelten „wahren“ Facetten eines Persönlichkeitsbildes ausgraben. Aus diesen Gründen erscheint einiges bei der im Zeitmanagement-Gewand verpackten Typberatung als theorielastig. Und dann frage ich mich, welchen Sinn dies in dem vereinnahmenden Alltagsgeschehen mit seinen klammernden Realitäten macht. So gesehen wirken die Zeitmanagement-Charakterstudien auf mich wie die Typberatung im Kosmetik-Studio – und die daran anschließende Behandlung durch die Visagistin nach dem Credo: Einfach dick auftragen, dann wird’s schon! Klar sind die Menschen ganz schön verschieden – einzigartig ist schließlich jeder Mensch. Das ist auch gut so. Aber jeder kommt auf seine Weise irgendwie damit klar. Auch das ist gut so. Umerziehen lässt sich niemand gern – geht dem ein oder anderen sogar gegen den Strich. Das ist halt so. Was stattdessen in den allermeisten Fällen zugkräftiger ist, sind einige kleinere Optimierungen an den wirklich wesentlichen Punkten. Punktuelle Eingriffe also, die leicht verdaulich und problemlos mit der eigenen Persönlichkeit vereinbar sind. Ein paar grundlegende Dinge, die für jeden Typ verträglich sind – Sie erinnern sich, von lediglich zwei Maßnahmen ist in diesem Buch die Rede. Damit kann man punkten. Damit hat man schon viel erreicht. Das ist verdaulich. Das kann ungewöhnlich effektiv sein – und geht auch ohne Typberatung über die Bühne. Erweitern lässt sich das Grundgerüst jederzeit. Den Schritt zu einem „persönlichen Zeitmanagement“, welches exakt auf Ihren Typ abgestimmt ist, können
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Sie später nachholen. Sie können problemlos anbauen, wenn Sie noch weiteres Potenzial sehen, wenn es wirklich notwendig wird oder wenn es einfach wünschenswert erscheint. Wenn Sie in einem zweiten Schritt auf einem starken Fundament aufbauen, haben Sie die besten Chancen. Wenn die Dinge perfektioniert werden sollen, kommt auch der Typberater genau richtig. Dann leistet er in der Tat die bereits erwähnten „wertvollen Dienste“. Das will allerdings honoriert werden. Aber keine Sorgen. Der Zeitmanagement-Typberater tritt zunächst als eher bescheidener Helfer in Erscheinung. Er ist zufrieden, wenn Sie ihm einen Teil Ihrer Zeit widmen. Man wird sozusagen zum Investor. Steckt vorab Zeit hinein, um hoffentlich an einem späteren Zeitpunkt mehr Zeit herauszuholen. Abgerechnet wird am Schluss. Dann wird der Saldo auf dem persönlichen Zeitkonto ermittelt. Die gewonnene Zeit wird mit der aufgewendeten Zeit saldiert. Mit einem satten Gewinn will jeder rauskommen. Bei einem Nullsummenspiel ist noch nichts gewonnen. Wie auch immer das Ergebnis ausfällt, wenn man Bilanz zieht, um mit dem Typberater abzurechnen, sieht man es schwarz auf weiß: Es braucht Zeit, um bei einem Zeitmanagement mit Verhaltensanpassungen in den grünen Bereich vorzudringen. Spätestens jetzt ist den meisten klar: Wer ernsthaft an sich selbst arbeiten will, muss zunächst mal Zeit opfern! Sein Verhalten umstellen kann man nur, wenn man Zeit für ein persönliches „Change Management“ in Kauf nimmt. Gewohnheiten aufzugeben ist in aller Regel eine Sache der Übung – das kann dauern, das muss man trainieren. Einfach den Hebel umlegen ist leider nicht drin. Das leicht angestaubte Buch von Mahatma Ghandi mit dem Zitat: „Du musst selbst die Veränderung sein, die du in der Welt sehen willst“ hat man schnell mal aufgeschlagen, um zu gegebener Zeit darüber zu sinnieren. Aber ebenso schnell ist es wieder zugeschlagen und im Schrank verstaut, wenn einem klar wird, dass der Wandel kein leichter ist. Wieder so ein AufklappZuklapp-Buch. Der Faktor Mensch impliziert es: Die Natur eines Individuums lässt sich nur schwer verändern. Das geht schon gar nicht vonstatten wie bei der Autoreinigung: Einmal Schnellwaschgang – und gut ist! Für eine Umstellung der Persönlichkeitsstruktur genügt es eben nicht, wenn man ein wenig an der Oberfläche poliert – damit’s mächtig glänzt, schön spiegelt und jeder geblendet wird. Da ist schon mehr Tiefgang angesagt. Arbeit unter der Oberfläche, Kontinuität und Ausdauer. Übungssache eben. Am Anfang ist es harzig. Neues muss sich erst einschleifen. Und das braucht Zeit. Möglicherweise klappt’s nicht schon beim ersten Anlauf. Aber dafür vielleicht umso besser beim zweiten Versuch. Möglicherweise läuft’s auch nach einiger Zeit nicht wie geschmiert. Dann muss man es eben besser schmieren – sprich: kleinere Nachjustierungen vornehmen, damit’s reibungslos flutscht. Allerdings darf man dann beim eingeschlagenen Weg nicht daneben liegen, denn wenn’s wie geschmiert in die falsche Richtung geht, hat man keinen Boden gutgemacht. „Gut geschmiert ist halb gewonnen“, davon kann dann keine Rede sein. Wie dem auch sei: Bei einem Zeitmanagement mit Typberatung ist man oft meilenweit von einem nachhaltigen Zeitsparen und einem spürbar verringerten Zeitdruck entfernt. Deshalb sage ich, wenn es um ein schlankes, aber dennoch wirkungsvolles Zeitmanagement-Fundament geht: Keine Macht den Zeitmanage-
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ment-Typberatern! Und so ordnet sich dieses Buch einem einfachen Leitgedanken unter: Bleiben Sie einfach Sie selber! Wer vieles an sich selbst verändert, erkennt sich eines Tages vielleicht nicht wieder, wenn er in den Spiegel blickt. Oscar Wilde, eine spektakulär vielseitige und umtriebige Gestalt aus dem 19. Jahrhundert, hatte diese Entfremdung offensichtlich im Hinterkopf, als er unmissverständlich klarstellte: „Wer nicht auf seine Weise denkt, denkt überhaupt nicht.“
Kapitel 5
Vom besten Zeitmanager aller Zeiten lernen – Warum man manchmal weniger tun muss, um mehr zu erreichen
Wer sagt, dass die Besten eine Scheibe haben, weil man sich von ihnen immer eine Scheibe abschneiden kann, verpasst vielleicht die beste Scheibe seines Lebens. Die Fühler ausstrecken und Mut zum Vergleich haben, dass zahlt sich oft aus und ist selten brotlose Kunst. Da kann man so manchen Geniestreich einstreichen. Sich das Vorbild vornehmen und mal genauer hinschauen, dass kann unverhofften Auftrieb herbeizaubern und mitunter sogar Flügel verleihen. Diese Geschichte bereitet einem dieser Besten die Bühne, so dass sein grandioser Erfolg abfärben kann. Sie spielt sich ab, als die Tage des 19. Jahrhunderts gezählt sind. Es war die Königin aller Wissenschaften, welche diesem Zeitalter der industriellen Revolution zu einem krönenden Abschluss verhelfen und ihr die Krone aufs stolze Haupt legen sollte – zumindest wenn es nach der Royal Society ging, denn seit Newton drehte sich bei ihr alles um die Mathematik. Versetzen wir uns zurück in eine Zeit, in der deutlich über 95% des 19. Jahrhunderts, dem man die Vernichtung von Zeit und Raum in die Schuhe schiebt, schon abgelaufen sind. Eisenbahn und Dampfschiffe haben die Welt verkleinert und die Zeit komprimiert. Nah dran ist man am verheißungsvollen Jahrhundertwechsel, von dem niemand so genau weiß, wie viel Zeit und wie viel Raum er überhaupt noch mit sich bringt. Nur noch ein paar Prozente und die Schwelle zum globalen Zeitalter ist überschritten. Ein Glück, dass gerade zur rechten Zeit jemand auf der Startrampe ins neue Jahrhundert erscheint, der eben dieses Spiel mit den Prozenten beherrscht. Es ist ein Prozentfanatiker, der die Bildfläche des weltumspannenden Schaufensters mathematischer Künste betritt. Wie kein anderer kann jener mit Prozentpunkten jonglieren. Das „vom Hundert“ ist sein Metier. Als dieser MasterMind der Prozente knapp vor der Jahrhundertwende die Verteilung des Volksvermögens in verschiedenen Nationen untersucht, findet er etwas Interessantes heraus. „Klick“ hat es bei ihm gemacht und gefragt hat er sich: „Warum besitzen etwa 20% der Familien in etwa 80% des Vermögens in meinem Heimatland? Und warum verhält es sich in den anderen Ländern auch nicht viel anders?“ Ob er im Bann dieser Erleuchtung mit dem verführerischen Gedanken spielt, „Wie komm ich bloß an die restlichen 20%?“, scheint eher unwahrscheinlich. Ausschließlich die Prozente sind seine neue Manie, sein ganz persönlicher Prozent-Tick. Gefangen ist er von nun an im Universum der rätselhaften Prozent-Beziehungen. So wie ein Astronom mit der kalten Poesie des stellaren Räderwerks, unter dem alle menschlichen Leidenschaften null und nichtig sind, auf vertrautem Fuß steht, so durchschaut er seinen ureigenen Kosmos. Mit leidenschaftlicher Hingabe wandelt er auf der Milchstraße der Prozente.
R. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6_5,
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I Warum Nörgeln nicht weiterhilft Bei seinen Wanderungen im Prozentkosmos und seiner Suche nach der „Poesie der Prozente“ fällt ihm viel Prozenthaltiges wie Schuppen von den Haaren. Nur das Hochprozentige, das ist ihm nicht ganz geheuer. Des Öfteren muss er es bei manch nächtlicher Festivität am eigenen Leib erfahren: Je höher die Prozente, desto tiefer die Benommenheit. Er hat in diesem Zustand das Gefühl eines Menschen, der ausgleitet und sich eben noch glücklich auf den Füßen hält. Wenn aber das Maß voll ist, wenn es im Kopf rauscht, wenn der Boden wankt, dann sind die Prozente plötzlich doppelt da und tanzen einem auf der Nase herum. Auch manch anderes sieht man zweifach und ehe man sich versieht, ist man schachmatt – und zwar 100%. Auf einen Schlag sind die Prozente weg und die Ringe kreisender Sterne da. Betäubt von der ausschweifenden Feierlichkeit, die wie immer bewirkt, dass einem der Boden unter den Füßen entgleitet, schläft man ein wie erschlagen. Der folgende Tag nach des Meisters erstem Kontakt mit den Doppelprozenten ist in jeder Hinsicht eine Ernüchterung. Was als unbeschwerter Freiheitsrausch seinen Anfang nahm, findet in einem üblen Prozentkater sein leidvolles Ende. Ein böses Erwachen, ohne Rückhalt und ohne Erinnerungen, das in einen äußerst holprigen Tagesstart übergeht. Von diesen Nullernächten hat er vorerst genug, weiß er doch jetzt schon, dass das nächste Jahrhundert noch genug Nullerjahre mit sich bringen wird. Damit man die unsäglichen Doppelnullen keinesfalls mit seiner makellosen Prozent-Welt in Verbindung bringt, bezeichnet er sie flugs als „Promille“. Ganz unbeabsichtigt, aber nicht ohne Hintergedanken, wird er damit zum Namensgeber für das „Promillezeichen“. Dass das Promillezeichen vom Prozentzeichen abgeleitet wurde, weiß heute jeder. Nur der Patron dieser Promille-Symbolik ist bis heute in Deckung geblieben und kaum bekannt. Von einem Outing hat er aus gutem Grund abgesehen, wie wir jetzt wissen. Es sollte sein Geheimnis bleiben, aber aufgedeckt haben wir nun, woher der umgangssprachliche Bezug zum Alkoholgehalt im Blut kommt und bei wem wir uns dafür bedanken können. So hat unser Maestro mit allem über 90% seine liebe Müh. Ein Dorn im Auge sind ihm gar die 100%. Davon will er partout nichts wissen, denn nur zu genau weiß er, dass man alles auf die Spitze treiben kann. Er ist jemand, der mit kritischem Blick auf die grenzenlose Perfektion schaut. Er erkennt ohne Umschweife, dass ausufernde Perfektion teuer erkauft wird – oftmals einen zu hohen Preis hat. Einen Preis, der nicht in einem sinnvollen Verhältnis zum geleisteten Aufwand steht. Einen Preis, der schlicht und ergreifend überzogen ist! Aber über den Tisch ziehen lassen will er sich nicht. Und deshalb sieht er nicht nur das Licht in der Glanzleistung, sondern auch das undurchdringliche Dunkel auf der Schattenseite dieses Glanzstücks. Er nimmt deutlich wahr, was viele unvermittelt übersehen: Wo Licht ist, ist auch Schatten! Und weil er sich von der Schokoladenseite nicht verführen lässt, entgeht seinem charakterfesten Scharfsinn ebenso wenig, wie erstaunlich nah diese beiden Zustände manchmal beieinander liegen. Zwangsläufig muss in ihm wohl ein gesundes Faible für den „Mut zur Lücke“ reifen. Und spätestens dann ist es völlig um ihn geschehen, denn mit seiner Eingebung ist er in der Tat in eine Lücke des menschlichen Wissens gestoßen. Er hat eine Entdeckung gemacht, die die Welt in ihren Grundfesten erzittern lässt. Eine unglaublich simple wie geniale Erkenntnis. Ein geradezu bahnbrechender Gedanke, der es in Bezug auf Einfachheit locker mit Einsteins berühmter Formel aufnehmen kann. Ihm geht es dabei um das Zahlenpaar 80/20. Eindeutig das spannungsvollste Prozentverhältnis ist dies für ihn. Damit hat er seine „Poesie der Prozente“ endlich gefunden. Das ist die Spielwiese in seinem Kosmos, um die herum sich heute mehr bewegt, als es der Meister seinerzeit erahnen konnte. Eine Steilvorlage für viele der ihm nachfolgenden Wirtschafts- und Zeitwissenschaftler sollte daraus hervorgehen. Der mathematischen Geschichtsschreibung über die Prozentrechnung hat er mit seinen Weisheiten ein weiteres, diesmal abschließendes Kapitel hinzugefügt. Sie wissen vermutlich, von wem bei dieser Zeitreise die Rede war: Von einem italienischen Ökonom namens Alfredo Pareto.
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Seine Zauberformel war die 80/20-Verteilung. Aber so genau spielt das eigentlich keine Rolle. Vielleicht liegt das Verhältnis manchmal näher bei 30–70%. In anderen Fällen kann es auch mal auf 90/10 hinauslaufen. Das war dem Meister der Prozente grad egal. Er war weniger auf die exakte Prozentverteilung aus. Als einer, der verbissen um jedes Prozent feilscht, wollte er nicht in die Geschichte eingehen. Konsequenterweise lehnte er deshalb auch jegliche Form des Preisdumpings ab. Beim „Prozente-Verlangen“ hielt er sich zurück. Aber ausgerechnet wenn’s beim Volk um’s Schachern ging, waren seine geliebten „Prozente“ wie der Teufel gesucht, geradezu heiß begehrt. Dabei dachte er sich: „Wenn Prozente die Preise zum Purzeln bringen, soll man mich gefälligst außen vor lassen.“ Er wollte nicht derjenige sein, der die Preise auf die Schlachtbank führt. Was für den Metzger gut war, konnte ihn ins falsche Fahrwasser treiben. Zusammen mit seinen kostbaren Prozenten als Rabatttreiber zu enden, war nicht in seinem Sinne. Das war ihm die Sache nicht wert. Sollen andere sich im Abwärtssog der feurigen „Prozente-Spirale“ die Finger verbrennen, dann kann er mit seinem idealen „Prozente-Mix“ als Phönix aus der Asche emporsteigen. Von Tragweite war für ihn deshalb einzig und allein seine Entdeckung der ungleichen Verteilung. Das hinter dem magischen Prozentpaar „80/20“ stehende Grundprinzip und dessen Übertragung auf verschiedene Sachverhalte, darauf kam es ihm an. Damit kann man aus allem das Optimum herausholen. Das war sein stabiler Anker, denn die Grundaussage des Pareto-Verhältnisses ist und bleibt immer die gleiche! Ein schlauer Zeitgenosse war er, dieser Pareto. Inspiriert durch seine prozentualen Entdeckungen erkannte er in der Folge, dass das Verhältnis zwischen Ursachen und Wirkungen, Aufwand und Ertrag, Anstrengungen und Ergebnis keinesfalls gleichmäßig verteilt ist. So wie dies jeder von uns intuitiv erwarten würde. Es ist also mitnichten so, dass 50% der Ursachen oder des Aufwands zu 50% der Wirkungen oder des Ertrags führen. Beispielsweise generieren 50% der Produkte eines Unternehmens (Aufwand) nicht auch 50% der Erlöse dieses Unternehmens (Ertrag). Fortan war er getrieben von der Frage: Was sind die wenigen wesentlichen Anstrengungen oder Ursachen, die sich von den vielen unwesentlichen unterscheiden? Ohne es vorauszuahnen hat er damit die Saat für ein schnörkelloses, die Essenz fassendes Zeitmanagement gelegt. Einem Zeitmanagement nach seinen Schlankheitsidealen.
Signore Pareto hat nachvollziehbar dargelegt, dass in den allermeisten Fällen eine unausgewogene Verteilung resultiert, wenn man zwei Mengen vergleicht, die miteinander in einer Ursache-Wirkung-Beziehung stehen. Beispielsweise die Einwohnerzahl eines Landes und die Größe der Siedlungen in diesem Land. Es gibt viele kleine Dörfer mit relativ wenig Einwohnern. Ein relativ großer Bevölkerungsanteil wohnt hingegen in wenigen großen Städten. Oder die Kunden eines Unternehmens und deren Umsatz. Nach Pareto ist ein kleiner Kreis der Kunden für einen großen Teil des Umsatzes verantwortlich. Es handelt sich hierbei also um ein statistisches Phänomen, nach dem eine kleine Anzahl von hohen Werten einer Wertemenge mehr zu deren Gesamtwert beiträgt, als die hohe Anzahl der kleinen Werte dieser Menge. Daraus ist das Pareto-Gesetz entstanden – oder auch 80/20-Prinzip. Das 80/20-Prinzip besagt einfach ausgedrückt, dass eine Minderheit der Ursachen, Aufwendungen oder Anstrengungen für die Mehrheit der Wirkungen, Erträge oder Ergebnisse verantwortlich ist. So gesehen gehen 80% des Ertrags von 20% des Aufwands aus, 80% der Wirkungen gehen auf 20% der Ursachen zurück, 80% der Ergebnisse resultieren aus 20% der Anstrengungen.
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Dieses Muster lässt sich auf zahlreiche Alltagssituationen übertragen. Konstellationen, die für jeden von uns nachvollziehbar sind. Sicher können Sie eine tolle Liedersammlung Ihr Eigen nennen. Hunderte von Alben oder Musikstücken sind da im Laufe der Zeit zusammengekommen. Nun werden Sie nicht mit mechanischer Gleichförmigkeit die Sammlung von vorne bis hinten abarbeiten, um dann wieder am Anfang loszulegen. Vielmehr wird es Alben geben, die Sie deutlich öfter hören als andere. Na klar, Ihre Favoriten. Zu Ihren Lieblingen zählen Sie vielleicht ein Vierteln Ihrer gesamten Alben. Diesen „Schätzen“ widmen Sie deutlich mehr Ihrer audiophilen Zeit, als den restlichen drei Viertel Ihrer Sammlung. Letztere bekommen vielleicht nur etwa 10–30% Ihrer Hörzeit ab. Ähnliches spielt sich in Ihrem Stammlokal ab. Von den Speisen auf der Karte zählen Sie einige wenige zu Ihren absoluten Lieblingsgerichten. Ihre „Highlights“. Bei diesen wenigen Leckerbissen greifen Sie deutlich häufiger zu als beim großen Rest der Speisen auf der Speisekarte. Auch hier kommt also eine größere Menge nur in einigen wenigen Fällen zum Zuge – wenn Sie ausnahmsweise mal auf Abwechslung setzen. In der Tageszeitung erfahren Sie bereits auf einem eher kleinen Anteil der Seiten einen Großteil derjenigen Neuigkeiten, die Sie ernsthaft interessieren und gewissenhaft lesen. Aus einer vergleichsweise geringen Seitenzahl können Sie einen Großteil des Nutzens ziehen, den Sie sich von einer Zeitung erwarten. Bei Ihren Bekanntschaften pflegen Sie mit einigen Personen intensive Beziehungen. Sie erfahren in etwa durch 20% der Personen aus ihrem Freundeskreis 80% der Glücksmomente, die Ihre Beziehungen bewirken. In diesem Buch wird beispielsweise 80% des Textes mit 20% der Wörter bestritten (der, die, das etc.). Bei den auf Ihrem Computer installierten Anwendungsprogrammen verwenden Sie meistens nur einen kleinen Teil der Funktionsmerkmale; d. h. Sie nutzen in 80 oder 90% der Fälle nur etwa 20% der Gesamtfunktionalität – die Kernfunktionen eben. Lediglich in wenigen Ausnahmefällen (10–20%) greifen Sie auf Elemente des restlichen Funktionsumfangs (80% der Funktionalität) zurück. Höchstwahrscheinlich tragen Sie 20% der Kleider in Ihrem Kleiderschrank in 80% der Zeit. Diejenigen Kleidungsstücke, die Ihnen am besten gefallen, tragen Sie deutlich häufiger. Seine Entdeckung hat Pareto nicht nur zu einem berühmten Zeitgenossen gemacht, sondern – wie wir jetzt wissen – auch zum Urgenie des Zeitmanagements erhoben. Natürlich war dies nicht seine ursprüngliche Absicht, aber dennoch: Das hat vor ihm noch niemand bewusst geschafft – mit 20% der eingesetzten Zeit 80% des Ergebnisses zu erreichen. Das ist nicht nur rekordverdächtig, sondern macht Pareto glatt zum unumstrittenen Zeitmanagement-Rekordhalter. Der heimliche „King of Zeitmanagement“. Verdient hat er’s. Gönnen wir ihm diesen Titel von Herzen, denn von seiner wegweisenden Erkenntnis können wir nur profitieren. Unbeabsichtigt hat er etwas herausgefunden, was unser heutiges Zeitmanagement nachhaltig beeinflusst. Dank seiner Ansätze können wir sicher mit den Herausforderungen des modernen Lebens umgehen und diese meistern. Durch das Pareto-Prinzip wird uns unmissverständlich vor Augen geführt, dass 80% dessen, was wir mit unserer Arbeit erreichen, auf 20% der aufgewandten Zeit zurückgeht. Sollte uns diese aufschlussreiche Beziehung zwischen Einsatz und Ergebnis nicht auch bei unserem Zeitmanagement-Stil zu denken geben? Was für eine
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Zeitmanagement-Philosophie würde uns Herr Pareto wohl ans Herz legen? Keine Frage, der effektivste Zeitmanager der Geschichte würde von einem schlanken Zeitmanagement schwärmen und uns einen auf Effektivität ausgelegten Mitteleinsatz wärmstens empfehlen. „Lean Time Management“ eben. Ganz im Stile unserer Rettungsmission. Sie erinnern sich. Nur zwei Schritte. Die beiden Schritte dieser Rettungsmission verkörpern vielleicht rund 20% des maximal möglichen Zeitmanagement-Einsatzes. Aber mit diesen 20% erreichen Sie gut und gerne 80% der erzielbaren Zeitvorteile, beziehungsweise 80% des Zeitgewinns, der heute mittels Zeitmanagement möglich ist. Hoch lebe Pareto, der beste Zeitmanager aller Zeiten. Eine feine Sache ist das, dieses Prinzip von Pareto. Wie Rubik’s Cube kann man es drehen und wenden – es funktioniert in beiden Richtungen. Anders formuliert gilt deshalb auch: 80% der durch Zeitmanagement erreichbaren Resultate erzielen Sie durch die Konzentration auf 20% der wichtigsten Einzelmaßnahmen – im vorliegenden Fall unsere beiden Schritte. Das also ist die effektivste Auslegung des Zeitmanagements. Klingt logisch, denn mit großer Wahrscheinlichkeit sind Sie in vielerlei Hinsicht minimalistisch veranlagt. Mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel zu erreichen, das kann nicht falsch sein. Oder sehen Sie einen Sinn darin, mit möglichst viel Aufwand möglichst wenig zu erreichen? Wohl kaum. Ich zumindest gebe es offen zu: Ich bin ein Zeitmanagement-Minimalist. Mit minimalem Energieaufwand und mit bescheidenem Mitteleinsatz maximale Ergebnisse erzielen, das ist mein Zeitmanagement-Credo. Mein persönlicher Stil beim Zeitmanagement entspricht dem eines „Undercover“-Zeitmanagers. Zeitmanagement geschieht bei mir eher beiläufig und nebenher – aber ernsthaft und konsequent. Zeitmanagement unter der Oberfläche könnte man sagen – aber bewusst, stetig und grundsolide ausgestaltet. In meiner langjährigen Beschäftigung mit diesem Thema stoße ich immer wieder auf das Kontrastprogramm. Personen, die sich relativ oberflächlich mit einem weiten Spektrum an Zeitmanagement-Techniken und - Themen befassen. Seltsamerweise hängt gerade dann der Erfolg an einem seidenen Faden. Die Probleme sind immer ähnlich gelagert: Schnelle Fortschritte sind nicht erkennbar. Statt Fokus entsteht eine diffuse Maßnahmenfülle. Der Griff fehlt. Einstein verstand sein Ziel: „So einfach wie möglich, aber nicht einfacher!“ Wenn’s bei Einstein funktioniert hat, wieso sollte es dann nicht auch bei uns zünden? Entsprechend dieser einfachen Auslegung, der angestrebten Reduktion und der Begrenzung auf das Wesentliche gibt es bei dieser Rettungsmission ein Zeitmanagement ohne Schnickschnack. Ohne das ganze Brimborium. Ohne „fancy bells and whistles“ – wie man im Englischen so schön sagt und was übersetzt etwa bedeutet: Ohne goldene Glöckchen und schnuckelige Pfeifen. Bei Ihrer Zeitrettung schlagen wir nicht hundert Nägel in ein Brett – nach dem Motto: Einer wird das Ding schon halten. Diese Rettungsaktion bringt die Sache auf den Punkt. Hier wird keine Schrotflinte abgefeuert, um an vielen Stellen ein wenig einzuschlagen. Nichts da. Bei dieser Rettungsmission lautet die Kernfrage: „Was braucht man wirklich?“ Denn wenn Zeitmanagement mehr Zeiteinsatz fordert, als Sie investieren möchten, verfehlt es seinen Zweck. Angesichts des viel beklagten,
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permanenten Zeitmangels dürfte es beruhigend sein, dass beim Zeitmanagement die Hilfestellung mal nicht quantitativ motiviert ist, sondern essenzielle Grundgedanken im Vordergrund stehen. Ich bin kein Freund von „Viel bringt viel“-Methoden. Hier heißt es nicht: „Die Menge macht’s!“, sondern „Klasse statt Masse!“ Hier gibt‘s die Konzentration auf das Erfolgsentscheidende. Das Lean Time Management spielt sich diskret im Hintergrund ab. Es ist ein Zeitmanagement mit einer klaren Linie und einer konsequenten ergebnisorientierten Ausrichtung. Ein Zeitmanagement, das nicht von höherwertigen Interessen ablenkt. Angemessen, treffsicher und zielgenau, das ist die Leitvorstellung von Lean Time Management. Einfach umsetzbar, direkt nutzbar – so muss es sein! Der gute alte Alfredo wusste: Mehr Erfolg mit weniger Aufwand – das ist machbar. Das kostet wenig und bringt viel. Was spricht folglich dagegen, wenn wir das Zeitmanagement im Sinne eines Pareto gestalten und uns an der Devise „Weniger ist mehr“ orientieren? Was soll uns daran hindern, im Stil eines ZeitmanagementMinimalisten zu agieren und in die Fußstapfen des größten Zeitsparers aller Zeiten zu treten? Einem Revolutionär, dem einerseits klar war, dass in unserem Leben einige kleine Bruchteile unserer Zeit viel wertvoller sind als der gesamte Rest. Einem Querdenker, der andererseits erkannte, dass man in vielen Fällen mehr erreichen kann, wenn man sich auf die wesentlichen erfolgsentscheidenden Dinge konzentriert. Und wer weiß, hätte sich dieser Meister aller Zeitgestalter zu einem Zitat übers Zeitmanagement hinreißen lassen, so hätte er vielleicht erhellende Bilder ins Feld geführt: „Zeitmanagement ist ein Licht, davon will und soll der Mensch erleichtert und nicht in Brand gesteckt werden.“ Das ist einfach nur laut gedacht, denn leider können wir Signore Pareto nicht mehr dazu befragen. Klar ist nun: Sie können vielen Hinweisen nachgehen, um Zeit zu „sparen“. Sie können unzählige Tipps aufgreifen, um ihr Zeitbudget besser auszunutzen. Einige wenige Dinge werden aber immer viel wichtiger sein als die meisten Dinge! Diesen Satz kann man gar nicht genug betonen. Wer wirksam Zeit gewinnen und der Zeitnot entrinnen will, muss nicht unendlich viele kleine Fragmente beachten. Dabei versinkt man leicht in einem Meer von Einzelheiten. In etwa so, wie wenn man in vielen Tagen und Wochen tausende von Puzzle-Teilen in der richtigen Kombination aneinanderlegt. Übertragen auf unsere Rettungsmission ist die vordergründige Botschaft dieses Buches sinngemäß, dass sich unser Alltagsleben mit Hilfe von wenigen wesentlichen und grundlegenden Praktiken deutlich verbessern lässt. Die Rede ist von den beiden Maßnahmen, um die es bei Ihrer Zeitrettung geht. Das ist Zeitmanagement in Reinkultur. Wenn Sie also mit einem Minimum an Zeit und Aufwand das Optimum aus Ihrer Zeit herausholen möchten, halten Sie das richtige Buch in den Händen. Der 80/20-Urheber würde uns vermutlich auch Folgendes mit auf den Weg geben: Gehen Sie nicht erschöpfend, sondern selektiv vor. „Worauf kommt es wirklich an?“, das ist die Selektionsfrage, die Pareto vermutlich jedem andrehen würden. Nur so können Sie mit möglichst geringem Aufwand Ihr Leben kontrollieren und Ihre Ziele erreichen. Fokussieren Sie! Streben Sie gezielt – in wenigen, aber dafür wirklich wichtigen Bereichen – nach Spitzenleistungen, anstatt nach mittelmäßigen Leistungen in vielen Bereichen. Menschen, die eine Sache perfekt beherrschen und
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dies zu ihrem Vorteil einsetzen, erreichen in ihrem Leben mehr als diejenigen, die verschiedene Dinge relativ gut beherrschen, aber keines davon überdurchschnittlich. Das 80/20-Prinzip lässt keine Zweifel offen. Orientieren Sie sich an den wenigen Dingen, die Sie weit besser beherrschen als andere und die Ihnen am meisten Spaß machen. Konzentrieren Sie sich auf eine begrenzte Zahl äußerst wertvoller Ziele, bei denen das 80/20-Prinzip für Sie arbeitet. Überlegen Sie in jedem wichtigen Bereich, wo 20% Ihrer Anstrengungen zu 80% des Ertrags führen können. Wichtig ist auch eine andere Erkenntnis, die unser ruhmreiches ZeitmanagementVorbild in seiner Weltordnung der Prozente aufspürte. Auf eine etwaige Not an Zeit angesprochen, würde uns Pareto vermutlich entgegnen: Wenn wir nur 20% unserer Zeit gut überlegt und konsequent verwenden, werden wir keinen Mangel daran haben. Denn in diesen 20% können wir 80% der Leistungen beziehungsweise Ergebnisse erzielen, die für unser Leben eine entscheidende Bedeutung haben. Haben wir etwas Ähnliches nicht schon mal vernommen? In neuer Zeit? War es nicht der Business-Motivator Edgar Geoffrey, der in die gleiche Kerbe schlug und diesen Gedanken mit spitzer Zunge auf den Punkt gebracht hat: „Wer mit bescheidenen Mitteln die richtigen Dinge tut, wird mehr erreichen als einer, der mit aller Kraft an den falschen Aufgaben arbeitet.“ So ist es in der Tat.
Kapitel 6
Die kopernikanische Wende – und der Beginn einer Zeitmanagement-Wende
Wir alle wachsen mit der Zeit, aber dazu müssen wir mit der Zeit gehen. Bevor wir der Zeitnot auf den Zahn fühlen, möchte ich deshalb die Gunst der Stunde nutzen und die „Lean Time Management“-Philosophie in den intellektuellen Kosmos Ihrer Gedanken einbetten. Schließlich soll die Vorstellung eines schlanken Zeitmanagements in Ihrem Gedankenuniversum den richtigen Platz einnehmen und diesen Platz auch richtig einnehmen. Dass in unendlichen Weiten vieles von der richtigen Einordnung abhängt, ist dem Menschen heute sonnenklar. Noch vor Jahrtausenden wurde der kosmische Ball hingegen ganz schön flach gehalten. Durchsichtig war damals noch gar nichts. Auch in der Folge lief nicht alles auf Anhieb rund. Doch lesen Sie selbst. Werden Sie zuerst Zeitzeuge eines galaktischen Wandels und dann Augenzeuge einer neuen Wende – der kopernikanischen Wende beim Zeitmanagement. Wer die unrunden Zeiten hinter sich gelassen hat, kann ihm nicht of genug danken. Was Kopernikus in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts der Weltgemeinschaft auftischte, war nichts Geringeres als eine bahnbrechende Revolution. Die Wiege einer neuen kosmologischen Raumordnung. Nach der von Kopernikus wiederentdeckten Idee soll nicht mehr die Sonne ihre Bahnen um die Erde drehen, sondern die Erde um die Sonne schwingen. Unvorstellbar! Die Erde rotiert um eine Sonne, die völlig still stehen soll. Noch unvorstellbarer! Nicht mal von einer schönen Kreisform ist die Rede, in der die Erde die Sonne umkreist. Eiförmig soll sie sein, die Umlaufbahn. Ein schlechter Scherz! Zu allem Übel soll sich die Erde dabei noch um sich selbst drehen, dass einem schwindlig wird. Was für ein Schwachsinn! Und diese Erdrotation soll sogar um eine schief im Raum liegende Erdachse erfolgen. Ach was, einfach albern! Um die Wachablösung auf die Spitze zu treiben, soll sich ab sofort die Sonne im Zentrum der Gestirne befinden und alleine die tragende Rolle als Zentralkörper des Planetensystems einnehmen. Total durchgedreht! Die Erde zur Randerscheinung degradiert. Jetzt wird’s irre! Unser blauer Heimatplanet, ein lächerlich kleiner und kosmologisch vollkommen unbedeutender Trabant an den Ausläufern einer mittelmäßigen Galaxie in einer milchigen Straße. Glatter Wahnsinn! Kopernikus’ Suche nach der kosmischen Wahrheit hatte enorme Sprengkraft. Mit seinen mutigen „Thesen“ hat er nicht nur den Lauf der Sonne angehalten, sondern auch die Reformation der Astronomie eingeleitet. Das Räderwerk der antiken Sterndeutung war für ihn längst zum Stillstand gekommen, weshalb er unverfroren rüffelte: „Seit sich die Menschheit von der Weltenscheibe verabschiedete und antike Denker eine runde Sache
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I Warum Nörgeln nicht weiterhilft aus der Taufe gehoben haben, hat man sich keinen Millimeter mehr bewegt.“ Die avantgardistischen Feststellungen des Kopernikus waren ein weiteres Zeichen, dass die damalige Wissenschaft nur eine dünne Tünche der Erleuchtung über der schroffen Oberfläche verbreiteter Irrationalität war. Die schöngeistigen Himmelsarchitekten standen mit ihren wolkigen Idealen vor einem Abgrund. Starker Tobak war es, was unser Sternengucker seinen Fachkollegen vortrug. Potztblitz, damit konnten sie sich ums Verrecken nicht anfreunden. Mit einer aus den Fugen geratenen Welt wollten sie nichts zu tun haben. „Ist der tatsächlich von den Unsrigen?“, murrten sie ungläubig. „Herrjeses, die neuen Emporkömmlinge haben wirklich nicht alle Tassen im Schrank!“, prusteten sie herablassend. Der daraufhin einsetzende wissenschaftliche Dissens spaltete die astronomische Gemeinschaft in zwei Lager. Eines gebührte unserem krassen Außenseiter, ein anderes versammelte die Traditionsbewahrer. Letztere schwammen standesgemäß in der Masse mit, wollten in einem Krieg der Sterne nicht mitspielen und schnürten stattdessen einen Stabilitätspakt. Die Bedrohung durch eine mögliche Kernschmelze des Weltgebäudes hat sie eng zusammengeschweißt, denn einen derart riesigen Scherbenhaufen wollte niemand zusammenfegen. Und die darauf folgenden Jahre in Sack und Asche mochte auch keiner durchleben. Langsam dämmerte auch den Außenstehenden: Unter dem astronomischen Dach hängt der Haussegen schief. Unbeirrt und mit baritonaler Härte prangerten die Reformgegner die offenkundige Absurdität des Kopernikus-Modells an: „Das geht nicht! Völlig unmöglich! Hirngespinste alles zusammen!“ Nach ihrer Kunde sagten die Sterne etwas ganz anderes. Wie es seit eh und je war. Es ist nun mal so, dass die ältesten Geschichten in den Sternen geschrieben stehen. Und die sprechen eine deutliche Sprache, geben ein klares Bild ab. Sie drehen sich um die Erde, das sieht doch ein Blinder mit Krückstock. Jeder kann auch einen Sonnenaufgang anschauen oder einen Sonnenuntergang mitverfolgen – und so begreifen, dass es die Sonne ist, die auf- und untergeht. Jeder kann spüren, dass die Erde, auf der alle Menschen stehen, fest und unbeweglich ruht. Und diese Wahrnehmungen sollen nun nicht mehr der Wahrheit entsprechen? „Sackerment! Diesem kopflosen Springinsfeld muss man Einhalt gebieten“, reklamierten sie. „Gibt es nicht genug warnende Beispiele? Wer auch immer am überlieferten kosmologischen Modell kratzte, dessen Theorien sind heute Kanonenfutter für die Krieger auf den Jahrmärkten und die Gaukler auf den Volksfesten“, so ihre entwaffnende Logik. Auch die alte Garde wetterte: „Dieser grüne Aufschneider glaubt wohl immer noch, dass oben ist, wo die Sterne sind. Ha, von wegen. Wir ganz allein sind die höchste Instanz und über uns steht nichts. Nicht mal ein Himmelskörper.“ Doch unser Dissident ließ sich so leicht nicht ins Bockshorn jagen. Mit unbestechlichem Scharfblick trug er seine Ansichten vor. Das schreckte den einen auf und mahnte den anderen zur Vorsicht. Die renommierten Astronomen durchlebten die Belastungsprobe mit einer zum Firmament offenen Gefühlsskala, während die Quecksilbersäule der Vernunft in den Keller rauschte. Um Kopernikus‘ revolutionäre Glut schnellstmöglich auszulöschen, warfen ihm die sesselklebenden Himmelsforscher vor, er habe einen Knick in der Optik. Fernerhin sagten sie ihm nach, dass er des Nachts vor einer Mattscheibe schunkelt und ansonsten einer glasigen Tageshelle zuspricht. Den eigenen Theorien mehr Gewicht zu geben, indem man anderen die Leviten liest, das war zum wiederholten Male ihr Abwehrmechanismus. Lediglich die hochrangigen Mitglieder in der Akademie der Wissenschaften – auch für die Astronomen ein ordnungspolitischer Fixstern – forderten anstandshalber die sofortige Beendigung der Hetztirade. Ihnen missfiel, dass diese himmelschreiende Auseinandersetzung auf unterirdischem Niveau stattfand. „Die kopflosen Querschüsse einstellen!“, war ihre Mahnung zum verbalen Abrüsten. Prompt machten die Meister der Sternkunde einen auf unschuldig: „Mit all dem haben wir nichts zu schaffen“, war ihr Untätig-
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keitshinweis, mit dem sie jegliche Schuld weit von sich weisen wollten. „Bei uns wird niemand verfolgt. Nicht einmal ein Gedanke“, gaben sie sich unwissend. Um ihrem Ansehen nicht weiter zu schaden, verlagerten die bewahrenden Astronomen das Schlachtfeld und setzten nun auf die noch viel größere Hürde – die Alltagserfahrungen des gemeinen Volkes. Die standen mit den aus allen Rahmen fallenden Behauptungen von Kopernikus in krassem Widerspruch. „Da kann er lange an seinen realitätsleeren Utopias feilen und in luftigen Visionen schwelgen. So viel Ignoranz muss in der bodenständigen Landbevölkerung unten durchfallen“, feixten sie siegessicher. „Soll er sich doch den Mund fusslig reden und mit vollem Karacho ins offene Messer laufen“, stichelten sie mit Galgenhumor. In der Tat kann man sich noch heute gut vorstellen, wie abwegig die epochalen Theorien unseres Reformers auf die damaligen Erdbewohner wirkten. Bezahlen musste Kopernikus dafür mit einem landesweiten Imageverlust. Vorübergehend galt er als von der Sonne verblendet, vom Teleskop verhext und von allen guten Geistern verlassen. Manche behaupteten felsenfest, Kopernikus sei auf die schiefe Bahn geraten. Andere sahen ihn im Nebel Blindekuh spielen. Einige witzelten, er solle doch mal seine Koordinaten von einer Autorität überprüfen lassen. Der Rest hielt ihn für einen umnächtigten Spinner, gefangen in einem schwarzen Loch. Dabei hatte Kopernikus weder die Position der Sonne, noch die der Erde verändert. Aber er warf den Menschen mit voller Wucht aus der irrigen Vorstellung einer „kosmischen Zentralstellung“, wonach die Erde den Mittelpunkt der Welt bildete. Diese Wende löste die steinzeitliche Auffassung ab, laut der das Herzstück aller Gestirne in der guten Mutter Erde zu sehen ist. Eine längst überfällige Abkehr vom ptolemäischen System mit seinem geozentrischen Weltbild. Ein Abgesang für ein aus antiken Zeiten überliefertes System mit vielen Konstruktionsmängeln, welches nur von der Kirche wie ein heiliges Relikt verteidigt wurde. Direkt Betroffene in diesem Perspektivenwechsel waren aber weder die Erde noch die Sonne noch sonst ein Himmelskörper. Die Wende betraf alleine den Menschen und nicht die Gestirne. Ein Wandel im menschlichen Bewusstsein war angesagt. Ein Umdenkungsprozess in galaktischen Ausmaßen. Für diese „kopernikanische Wende“ sollten wir dem ruhmreichen Urheber einen Platz an der Sonne reservieren.
Und wie ist es beim Zeitmanagement? Wie verhält es sich mit dem vorherrschenden Zeitmanagement-Weltbild, nach dem vieles an Größe und Umfang festgemacht wird, und Innovationen gerne an quantitativen Eindrücken wie Volumen und Menge ausgerichtet werden? Ist das über jeden Zweifel erhaben? Wird das ewig Bestand haben? Soll das weiterhin unantastbar bleiben? Vernimmt man nicht seit einiger Zeit Rufe nach einer Zeitmanagement-Diät? Die Schöpfung hat es uns vorgelebt, von der Biologie wissen wir und die Evolution untermauert es felsenfest: Gewicht ist nicht alles! Das ist so klar wie ein von Millionen Sternen erleuchteter Nachthimmel, denn wenn nur Schwere als Faktor für Innovationen zulässig wäre und nur die Leibesfülle in der Natur zählen würde, dann gäbe es nur Elefanten auf unserem Planeten. Dem ist aber nicht so. Warum also nicht einen Kontrastpunkt im Kosmos des Zeitmanagements setzen und die oft erdrückende Wuchtigkeit außen vor lassen? Ist es an der Zeit für eine weitere kopernikanische Wende? An einer neuen Front - an der Zeitfront? Hat nicht gerade jemand, der diese kopernikanische Wende beim Zeitmanagement vollzieht, weg von aller Mannigfaltigkeit und weg von so manchen wässrigen Mixturen
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des vollausgestatteten Zeitmanagements, die besten Chancen, die Mehrzahl der Gehetzten als dauerhafte Zeitgestalter zu gewinnen? Kann nicht jemand, der den so menschlichen Beharrungstendenzen etwas Griffiges entgegensetzt, das Eis brechen, den schwelenden Verschlankungsimpulsen Freiräume verschaffen und somit einen Zeitmanagement-Kulturwandel andeuten oder vielleicht sogar einleiten? Bei seinem „Auf zu neuen Wegen!” hatte Kopernikus sechs wichtige Axiome aufgestellt. Diese sollten die Stützpfeiler seiner Wende bilden und das neu geschaffene Weltbild untermauern. Lean Time Management schafft das mit zwei Axiomen. Sie sind aussichtsreiche Kandidaten, um die Zeitmanagement-Weltanschauung in neue Umlaufbahnen zu lenken und die Vorstellung einer Trendwende beim Zeitmanagement zu transportieren. Lean Time Management, mit seiner von zwei Maßnahmen getragenen Rettungsmission, bildet einen Gegenpol und einen Reality-Check zum klassischen „Zeitmanagement mit Vollausstattung“. Denn obwohl Zeitmanagement-Ratgeber immer eine stolze Fundgrube an Tipps & Tricks mitbringen, der Pferdefuß ist und bleibt, die vielfältigen Rezepte und Prinzipien ins Tagesgeschäft hinüberzuretten und in den Alltag zu integrieren. Aus der konturlosen Gemengelage an Schlagworten, Lebensweisheiten und Durchhalteparolen jene griffigen Fragmente herauszudestillieren, die in der Praxis etwas bewegen und einem wirklich weiterhelfen, das ist eine sportliche Herausforderung. Eine Findigkeit, die Zeit kostet und manchmal auch Nerven. Was man im ersten Moment für die größte Erfüllung hält, stellt sich bald schon als ebenso undurchführbar wie atomar heraus. Bei einem aufgebohrten Zeitmanagement wird die Selbst- und Zeitadministration ab und an in der denkbar kleinteiligsten Form zelebriert. Da spalten Atome die Zeitmanagement-Fangemeinde. Hier ein paar Minuten. Dort ein paar Minuten. Was bringt mehr? Was bringt weniger? Was bringt ein wenig mehr? Harte Arbeit und intensive Tüftelei mit Hingabe bis in die Einzelheiten ist die Folge. Eine solche Detailverliebtheit ist aber nicht jedermanns Sache. Man fühlt sich wie Sisyphos, dem der Stein immer wieder wegrollt. Dennoch hat die Vollausstattung Potenzial. Ein verhängnisvolles Potenzial allerdings, da es sich nicht zwingend in die richtige Richtung entfaltet. Die Vollbestückung enthält genügend Elemente und ist derart facettenreich, um selbst wiederum Hektik zu schüren und Zeitdruck zu erzeugen. Was da alles reingepackt wird, verleitet manch einen zur vorsichtigen Frage: „Und Zeit managen kann man damit auch?“ Wie will man da ausschließen, dass die entfachte Skepsis um sich greift und die Finessen in den Köpfen der Zeitmanager ihren Spuk treiben. Weil sie dort womöglich die Lebensgeister auf Abwege führen, kann plötzlich die Frage im Raum stehen: „Muss ich dafür ein neues Leben beginnen?“ Natürlich ist es ein überspitztes Bild, welches ich mit diesen Fragen zeichne. Natürlich schwingt in dieser Szenerie eine bissige Satire mit, wie sie uns auch schon an anderer Stelle in diesem ersten Buchteil begegnet ist. Und natürlich wird alles nicht so schlimm kommen, wie es hier mit viel Ironie anklingt. Gleichwohl möchte ich eines festhalten: In der Praxis erlebe ich immer wieder, wie ZeitmanagementRatsuchende vor einer Mauer von Patentrezepten stehen, die sie nur schwerlich
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abtragen können. Eine paradoxe Situation also, bei der man mit großem Zeiteinsatz die Zeitnot aus dem Leben vertreiben will. Man kann dann sehr schön beobachten, dass es einen Unterschied gibt zwischen dem, was in Veröffentlichungen und an Seminaren angeschleppt wird und dem, was die „Verbraucher“ tatsächlich in ihre alltägliche Arbeitsweise übernehmen. Es kommt zum „déjà-vu-Effekt“. Und wer weiß; gut möglich, dass der ein oder andere in seiner Not schon Schlimmes vorausgesehen hat: „Das Zeitmanagement kostet mich noch Kopf und Kragen.“ Freilich ist bei solchen Pauschalurteilen Fingerspitzengefühl gefragt. Und das wollen wir hier an den Tag legen. Wenig plausibel ist es, wenn gerade die Gehetztesten unter uns Menschen gerne einwenden, ihre Arbeit lasse ihnen keine Zeit für das Zeitmanagement. Das ist wie der oft zitierte Holzfäller, der mit einem stumpfen Beil versucht, Brennholz zu schlagen. Resigniert klagt er: „Oh weh, das Beil ist längst nicht mehr so scharf wie am ersten Tag.“ Den Einwand „Warum schärfst du nicht die Axt?“ kontert er kurz angebunden: „Keine Zeit, muss Bäume fällen!“ Das kann’s nicht sein. So darf man sich nicht herausreden. Aber vielleicht legt gerade diese Abwehrhaltung den Finger in die offene Wunde. Wie würde etwa unser notleidender Axtschwinger reagieren, wenn wir ihm ein gewachsenes Meisterwerk in die Hände drücken: „111 Tipps&Tricks für die schnelle Brennholzgewinnung!“ Würde er mit dieser abendfüllenden Last in beiden Händen erst mal ganz tief durchatmen und dann in sich gehen? Und was wäre sein Impuls, wenn wir ihm folgende Wegleitung aushändigen: „Zwei Dinge für eine scharfe Axt!“ Würde er da anbeißen? Würde dies die Einstiegsbarrieren abbauen? Ist nicht genau das ein wichtiger Punkt? Ist es nicht so, dass man auf einer geraden und asphaltierten Straße besser voran kommt als auf geschwungenen und mit Schotter übersäten Feldwegen? Deshalb meine ich: Keine Hürden für den leichtfüßigen Einsteiger. Keine Hemmschwellen für Notleidende. Wenn bei den Literaten gilt „Sprachkürze gibt Denkweite“, wieso sollte dann nicht sinngemäß für das Zeitmanagement gelten „Maßnahmenarmut gibt Zeitreichtum“? Also: Ist es Zeit für eine Wende?
Teil II
Der Hilferuf – S.O.S. Ich bin in Zeitnot
Kapitel 7
Eine gewagte Unterstellung – Zeitnot: Der größte Schwindel aller Zeiten?
Manchmal – wenn ich Zeit habe – fantasiere ich so vor mich her. Hin und wieder komme ich dabei auf seltsame Gedanken und ungewöhnliche Fragen, und nicht selten kreisen diese um des Menschen kostbarstes Gut: die Zeit. Wie war das Leben wohl, als es noch kein Zeitmanagement gab? Kannte man in den viel gerühmten „guten alten Zeiten“, die sehr wahrscheinlich vor der Erfindung des Zeitmanagements lagen, auch schon so was wie Zeitnot? Oder waren alle „happy“ mit dem Takt des Lebens? Hat die Zeit schon damals Druck auf die Menschen ausgeübt (Zeitdruck eben) oder war sie stets gut zu haben (Zeitguthaben eben)? Hat sich die Zeit schon immer so schnell verflüchtigt, wie der Duft eines leicht vergänglichen Damenparfüms, oder konnte man sich in früheren Zeiten so viel Zeit nehmen, wie man wollte? Hat denn in diesen Zeiten die Zeit überhaupt eine Rolle gespielt? Wenn ich diese nagenden Zweifel und zwiespältigen Eindrücke weiterverfolge, kommen auch mal ganz verwegene Überlegungen an die Oberfläche und zunehmend verunsichert keimt in mir die Frage: Wer hat’s erfunden? – die Zeitnot, meine ich. Waren es in Seenot – Pardon: Zeitnot – geratene Zeitgenossen? Oder – ein wirklich gewagter, ja ungeheuerlicher Gedanke – gab es etwa eine verschworene Gemeinschaft, welche der Menschheit die Zeitnot aufs Auge drücken wollte? Ging es nicht nur um viel Zeit, sondern auch um viel Bares? Wollte man Geschäfte mit der zeitnotleidenden Bevölkerung machen? Wollte man Profit aus der Not der Menschen schlagen? So was! Man schwingt die Keule der Zeitnot, um das Produkt – einen schnörkeligen und goldverzierten, von „Missionaren“ mit Feder und Tinte vervielfältigten Zeitmanagement-Wälzer – schmackhaft zu machen und dann mit dieser einzigartigen Enzyklopädie der Zeit gnadenlos abzukassieren. In dem Irrglauben, dass die menschliche Vervollkommnung einzig aus dem Geiste der Literatur entstammt und dieser zugleich auch der Geist der Zivilisation und aller zeitlichen Segnungen sei, erhofft man sich ein leichtes Spiel. Und weil die dickleibigen und schwergewichtigen Wunderwerke allen Zerreißproben hartnäckig widerstehen, kennt die Fabulierlust der selbst ernannten Zeitpropheten keine Grenzen. Hat man etwa dieses Wissen über die Zeit in Stein gemeißelt, um es für ewige Zeiten zu konservieren und einen Mythos ins Leben zu rufen – den Stein der Weisen? Ist die Zeit das verbindende Element aller Verschwörungen jener Zeit? Gehen wir ein paar Jahrhunderte in der Zeit zurück, als forsche Neueinsteiger auf dem Markt der Zeitverwaltung in konsequenter Linie einem Raubtier-Instinkt folgend: zuschlagen, wenn sich eine Chance bietet. Es ist ein unmoralisches Angebot, in bester Fallensteller-Tradition. Es sind „magische Momente“, die man der gutgläubigen Kundschaft in Aussicht stellt, wenn sie sich auf den Deal einlässt. Die Menschheit wird
R. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6_7,
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II Der Hilferuf – S.O.S. Ich bin in Zeitnot von da an zum Spielball einer dunklen Macht, eines mächtigen Geheimbunds, der mit einer abgrundtiefen Schreckensvision droht, wenn man ihr Angebot ausschlägt. Die Bevölkerung steht vor einer zeitlosen – Pardon: auswegslosen – Situation. Mit dem Rücken zur Wanduhr und vor sich das Horrorszenario des unaufhaltsamen Zeitverfalls. Ein Zeitsterben auf Raten. Was für ein Gaunerstück. Was für ein Tanz auf dem Vulkan. Mit schonungsloser Beeinflussung vermarkten die machtbesessenen Zeitjünger ihren neuen Kult als den „Jakobsweg der Zeit“. Gebetsmühlenartig verkünden die feinen Herren dieses Klans, dass sie angetreten sind, um die Zeit der Menschen zu bewahren. Ja sogar, um verlorene Zeit wieder für die Allgemeinheit verfügbar zu machen. Das ist natürlich die pure Scheinheiligkeit, die da aus ihren Mündern entfleucht. Knallharte Zeitdiebe sind diese skrupellosen Fanatiker in Wahrheit. Sie beanspruchen die Herrschaft über die Zeit und betten diesen Anspruch in sakrale Praktiken, aus denen heraus der Begriff „heilige Zeit“ geboren werden sollte. Diese (Schein-)Heiligkeit grenzt die Zeitbibeln von den damals noch profanen Grundsätzen ordnungsgemäßer Lebensführung ab und zeigt dem erstaunten Seitenblätterer einen völlig neuen Heilsweg zur Erlangung der höchsten Freiheit. Das Heilsziel liegt nun in der vorbehaltslosen Beachtung und Anwendung weltlicher Zeitregeln. Die Zeit ist reif, dass die ohnehin schon verunsicherte Bevölkerung den wahren Charakter der Zeitoffenbarung als himmlisches Wunderwerk erkennt, mit dem sich die Zeitboten als neue Herrschaftsinstanz offenbaren. Das zugesagte, aber selbst unter günstigsten Umständen nie erreichbare Ziel ist die Erlangung unvergänglicher Zeit. Die Masche funktioniert genauso unseriös wie die zahlreichen abstrusen Bauernfängereien und Quacksalbereien, mit denen man auf arglose und weltfremde Bürger losgeht. Es sind grau gekleidete Eminenzen, die im Stile einer „ZeitInquisition“ durch die Lande ziehen. Zeitreisende im wahrsten Sinne des Wortes, die, mit einem klaren Beuteschema vor Augen, von Stadt zu Stadt und Dorf zu Dorf pilgern. Mit entschlossenen Gesichtern ziehen sie ins Gefecht. Ihre Mission: einfangen, wen man kriegen kann. Schon beim ersten Anblick dieser unbeugsamen Sendboten dämmert den meisten: „Die wollen nicht nur guten Tag sagen.“ In einem Halbkreis scheren sie die Anwohner um sich. Mit schneidendem Blick untermauern die Rottenführer ihre Angst einflößende Wirkung. Getreu der Devise „Sprechen ist Macht!“ sprudeln sie los. Ihre Worte sind Angstmacher, Verführer und Scharfrichter zugleich. Dann taxieren sie die erbleichte Menge und schärfen jedem Einzelnen ein: „Wer nichts für seine Zeit tut, wird für sein Leben weniger Lebenszeit abbekommen!“ Das sitzt erstmal. Das sind keine diabolischen Scherze. Das ist erobererhaftes Kalkül. Betretenes Schweigen. Lange Gesichter. Nun ist auch der Letzte eingeschüchtert. Aber das ist nur der erste Schlag dieses pfäffischen Unwesens. Mit Menschenwürde haben diese schamlosen Beichtväter nichts am Hut. Einen teuflischen Plan haben die unbarmherzigen Ordensritter ausgeheckt. Jetzt erst holt man zum Vernichtungsschlag aus und lässt die Katze aus dem Sack. Was für eine Dreistigkeit! Als Herren der Zeit zementieren sie ihr Monopol und verkünden wortscharf: „Unsere Macht über die Zeit ist genauso zeitlos wie grenzenlos! Wir können Zeit nehmen und wir können Zeit geben. Ganz wie es uns beliebt!“ Hier wird das Wort zur Peitsche, mit der man die längst am Boden Liegenden geißelt. Die Zeitpredigt mit ihren schicksalhaften Drohgebärden verfehlt ihre Wirkung nicht. Mit froststarren Mienen blicken die Betroffenen in die Leere. Eine heillose Konfusion durchströmt die Gedanken. Derart aufgeschreckt realisieren die Dorfbewohner, dass die stete Sorge um ihr Hab und Gut – so denn sie überhaupt etwas ihr Eigen nennen können – plötzlich nicht mehr das einzige Leid ist, welches ihnen den Lebensmut raubt. Jetzt muss man auch noch um seine Zeit bangen. Wie ein Scherbenhaufen liegt das Leben plötzlich vor einem, denn Wohlstand und Elend hängen nun auch noch vom Zeitvertreib ab. Die Geschichte
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Eine gewagte Unterstellung – Zeitnot mit dem „Zeitreichtum“ und der „Zeitarmut“ ist allen neu. Eine üble Sache ist das. Eine niederträchtige Vorgehensweise nach dem Motto: „Der Zweck heiligt die Mittel!“ Die Lage ist ohne Hoffnung. Selbst mit dem diskreten Anraten, „man soll doch die Kirche im Dorf lassen“, können die Leidtragenden keine offenen Türen einrennen. Stoßen im Gegenteil auf taube Ohren. Wer beratungsresistent ist und sich uneinsichtig zeigt, dem wird damit gedroht, dass seine innere Uhr zukünftig schneller laufen wird. Zeitschrumpfung also. Mit anderen ist man sofort handelseinig. Bei diesen geht man flugs in die Charm-Offensive. Süffisant und schleimisch umgarnt man die treuen Seelen: „Von uns bekommen Sie nur die allerschönste Zeit!“, heißt es auf einmal zuckersüß. Leise lächelnd und mit blumigen Worten stellt man den willkommenen Neukunden in Aussicht, dass ihre innere Uhr zukünftig langsamer laufen wird. Zeitdehnung also. Dieser aufgezwungenen Erkenntnislehre aus höheren Sphären kann sich letzten Endes kaum einer entziehen. Die Frage ist ohnehin: Wie muss man sich den patenten „Zeitmanager“ jener Zeit vorstellen? Wie sah es seinerzeit aus, das Idealbild eines erfolgreichen Zeitverwalters – das „Zeitmanagement-Ideal“? Lag es nah an einer dieser skurrilen Gestalten, wie sie früher zahlreich auszumachen waren? War es eine bizarre Figur, ein schmieriger Quacksalber in dieser an bizarren Figuren und schmierigen Quacksalbern nicht armen Epoche? Eine sonderbare Erscheinung, die immer irgendwie aus dem Rahmen fällt oder als Querschläger entgleist? Waren es Zeitfanatiker im Stile des schrulligen Zauberers Catweazle, die mit allerlei Hokuspokus jeglicher Zeitvergeudung ein Ende setzten wollten? Die wirres Zeug von sich gaben und ihren Mitmenschen konfuse Lehren über das Ende der Zeit andrehten? Oder thronte der altertümliche Zeitmanager auf einer höherwertigen Idealvorstellung? Hatte er adelige Wurzeln? Glich er einem Ebenbild des damals berühmten „Don Quijote de la Mancha“, vielleicht? Eine furchtlose Gestalt, die an jeder Ecke nach einem ruhmreichen Kampf gegen die widrigen Lebensumstände sucht. Ein tollkühner Ritter in schimmernder Rüstung, dessen Taten auf einer ebenso verzerrten Wahrnehmung beruhen, wie die des literarischen Vorbilds. Ein Vertreter der Renaissance, der die Tugenden des Rittertums hochhält, obwohl die Zeiten sich so drastisch verändert haben. Sie kennen dieses erste RoadMovie der Menschheitsgeschichte. Da reitet ein skurriles Paar über staubige Landstraßen, um einen abenteuerlichen Trip durch die Lande zu unternehmen. Der eine ein Don, ein fahrender Ritter mit einer bunten Lanze in seiner rechten Hand emporgereckt. Der andere ein Knappe, ein gutmütiger Bauerntölpel mit einer Wampe vor sich ausgerollt und einem Esel unter sich mitgeführt. Eine Männer-WG auf Reisen. Landsleute auf gefährlicher Mission. Als der unerschrockene Don plötzlich an die dreißig oder vierzig Windmühlen erblickte, die mit ihren gigantischen Armen in der Luft herumwirbelten, sagte er zu seinem rührseligen Knappen: „Das Abenteuer lenkt unsere Schritte besser als wir wünschen können, denn sieh nur da, mein Freund Sancho Panza, dort warten dreißig oder mehr ungeheure Riesen, die ich zur Schlacht herauszufordern gedenke, bis sie alle ihr Leben ausgehaucht haben.“ Sancho betrachtete seinen Herrn, als hätte sich um dessen Verstand eine plötzliche Sonnenfinsternis gelegt. Irritiert konterte er „Welche Riesen?“, um im gleichen Atemzug seinem augenscheinlich geblendeten Reiseleiter entgegenzuhalten: „Diese Erscheinungen sind keine Riesen, sondern Windmühlen!“ Vergebens. Den umnebelten Adeligen konnte niemand mehr halten. Entschlossen und siegesgewiss gab Don Quijote dem alten Klepper Rosinante die Sporen und blies zum Angriff. Der Ausgang dieser Schlacht ist bekannt: Don Quijotes Lanze bleibt in einem mächtigen Windflügel stecken, der ihn samt klapprigem Gaul durch die Luft wirbelt. Übel zugerichtet landet er auf dem Acker. Die Verletzungen, hervorgerufen durch die unsanfte Landung, halten ihn jedoch nicht davon ab, weitere „Abenteuer“ zu suchen. Die berühmte Windmühlenepisode ist eine Parabel über das verbissene Festhalten an irrigen Vorstellungen, obwohl die Vernunft eindeutig dagegen spricht. Waren also die damaligen
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II Der Hilferuf – S.O.S. Ich bin in Zeitnot „Zeitmanager“ ebensolche draufgängerischen und furchtlosen Streiter, die, anstatt gegen flügelschwingende Riesen ins Feld zu ziehen, zu einem Kampf gegen den unabänderlichen Lauf der Zeit antraten? Abgehalfterte Zeitaristokraten, die sich in ihrer Verzweiflung auf augenscheinlich vollkommen aussichtslose Unterfangen einließen. Herausforderer, die sich der Zeit nie und nimmer ergeben wollten. Ja, so könnte es sich abgespielt haben. Verrückte Zeiten waren das damals. Heute sind wir aufgeklärter und können jenen Mitbürgern, die versuchen, sich der Zeit in den Weg zu stellen, unmissverständlich signalisieren: „Das ist ein Kampf gegen Windmühlen. Den könnt ihr nicht gewinnen. Die Quichoterien sind vergebens.“
Also: Wer hat’s denn nun erfunden – die Zeitnot? War das Problem vor der Lösung da? Oder gab es die Lösung vor dem Problem? Ersteres ist wahrscheinlich. Letzteres wäre eine Katastrophe. Es macht ja keinen Sinn, das Pferd von hinten aufzusatteln – frei nach der Devise: „Für jede Lösung gibt es ein Problem!“ Da könnten wir das mit dem Zeitmanagement glatt in die Tonne treten. Den ganzen Hokuspokus um die Nutzenmaximierung unseres Zeitbudgets müssten wir zum substanzlosen „Handel mit Hoffnungen“ degradieren. Aber selbst dieser Schuss kann nach hinten losgehen. Wenn die Hoffnung ins Spiel kommt, erweisen wir dem Zeitmanagement möglicherweise einen Bärendienst. Damit hätte Zeitmanagement das Zeug zum Selbstläufer, denn die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Wer verzweifelt ist, klammert sich mit Recht an seine Hoffnungen. Eine Lichtgestalt des 19. Jahrhunderts namens Theodor Fontane konnte ein Lied davon singen und hätte am liebsten in Stein gemeißelt: „Der Mensch verzweifelt leicht, aber im Hoffen ist er doch noch größer.“ Wie auch immer. Falls es die Lösung zuerst gab und man dann das dazu passende Problem gesucht hat, wäre dies ein handfester Skandal. Nicht groß genug könnte man diese Dreistigkeit auf einem Plakat anprangern: „Kunden hinter’s Licht geführt! Menschheit genarrt! Zeitnot frei erfunden!“. Die Erfindung der Zeitnot würde höchstwahrscheinlich als größter Etikettenschwindel aller Zeiten in die Annalen der Geschichte eingehen. Aber das Letztgenannte ist – zum Glück für die Menschheit – nicht der Fall. Das jedenfalls wissen heute viele aus persönlicher Erfahrung. Über das Wort Zeitnot lässt sich zwar streiten – dazu später mehr –, aber eine als Zeitdruck in Erscheinung tretende Empfindung gibt es ohne jeden Zweifel. Was hat es auf sich mit der Zeitnot? Was steckt dahinter? Steckt überhaupt etwas dahinter? Klar ist: Das mit der Zeit wird erst problematisch, wenn die Zeitverhältnisse kompliziert werden - und Zeit spielt vor allem dann eine Rolle, wenn sie fehlt. Im schlimmsten Fall verbraucht man dann noch mehr der teuren Ressource, weil man darüber nachdenkt, wo man sie denn unterwegs verloren hat. Denn was macht der ratlose Mensch, wenn ihm etwas abhanden gekommen ist? Klar, er macht sich auf die Suche – auf die Suche nach der verloren geglaubten Zeit. Also: Wie hat der Mensch seine Zeit verloren? Und wie lange schon ist es her? Wann wurde das mit der Zeit zu einem echten Problem? Wann hat sich ein solcher Zeitdruck aufgestaut, dass man es nicht mehr tatenlos hinnehmen konnte? Wann wurde eine annehmbare Schwelle überschritten und somit eine Zeitrevolution im großen Stil in Gang gesetzt? Wann war die gefühlte Not an Zeit derart groß,
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dass sie schließlich in der Erfindung von Zeitplan-Instrumenten gipfelte und das Allheilmittel „Zeitmanagement“ hervorbrachte? Einleuchtend ist: Es muss offenbar zu einer Zeit gewesen sein, als der „Wert der Zeit“ ins öffentliche Bewusstsein gerückt ist. Als sich die Zeit-Wert-Verknüpfung aus ihrem Nischendasein befreit hat, welches sie seit dem 18. Jahrhundert führte. Damals wurde das abstrakte Verständnis von Zeit erstmals mit einer Wertanschauung verwoben. Hat nicht der weitsichtige Benjamin Franklin seinerzeit für viele unverständlich behauptet: „Time is Money!“ Ha. Lächerlich. Jetzt dämmert den meisten: Schlimmer noch ist das Ganze. Zeit ist kostbarer als Geld. Zeit ist sogar unbezahlbar. Geld, das weg ist, kann man wieder neu verdienen. Aber verlorene Zeit? Die ist ein für allemal passé. Auch in anderer Hinsicht hat man’s mit dem Geld leichter. Während man aus Geld viel Geld und daraus noch viel mehr Geld machen kann, funktioniert diese wundersame Vermehrung bei der Zeit nicht. Zeit kann man auch nicht leihen – und kaufen schon gar nicht. Selbst wenn irgendwann mal die ganze Welt zum Ausverkauf steht, wird die Zeit nicht dabei sein. Die Zeit wird es nie im Schlussverkauf zum Schnäppchen-Preis geben. Und sowieso. Benjamin Franklins Aussage wollte nicht wörtlich genommen werden. Sinngemäß versuchte er damit auszudrücken: „Schnelligkeit ist Geld“. Will heißen: Wer sich einen Zeitvorsprung verschafft, kann diesen möglicherweise zu Geld machen. Es ist also nicht die Zeit an sich, die einen Geldwert hat, sondern relative Zeitvorteile. Vergangene Zeit hingegen war einmal und ist nun ein für alle Mal Geschichte. So wurde im Laufe der letzten Jahrhunderte die Zeit zu etwas Kostbarem erhoben. Zeit war nicht einfach nur etwas wert, sondern war mit einem Mal sogar wertvoll. Sehr wertvoll sogar. Nicht ohne Folgen bleibt dies möglicherweise für unser Verständnis von Reichtum. Im 20. Jahrhundert jedenfalls erhob der deutsche Dichter Hans M. Enzensberger die Zeit kurzerhand zum Luxusgut: „Luxus ist, den Wecker nicht stellen zu müssen, weil man Herr über seine Zeit ist.“ Reich ist also, wer reich an Zeit ist! Gilt dann auch: Arm ist, wer arm an Zeit ist? Vielleicht ist diese Wertexplosion der Zeit nicht wirklich überraschend. Wir hätten es vorausahnen können. Es musste einfach so kommen, denn schon von Goldgräberzeiten wissen wir: Der Wert steigt mit zunehmender Knappheit. Von der Knappheit ist es dann nicht mehr weit bis zur Not, denn wenn’s mal eng wird, kommt gleich der Rausch. Nicht der Goldrausch, aber der Zeitrausch. Und eben der hat die Not im Gepäck – die Zeitnot. „Keine Zeit!“, heißt es dann immer öfter. Plötzlich war also das eine weg – die Zeit – und das andere da – die Zeitnot. Wer ist denn schuld an der ganzen Misere mit unserer guten alten Zeit? Dieses Schlamassel auf nur einen Umstand zurückzuführen, wäre ein wenig einsilbig. Anzunehmen, dass man hier sonnenklar einen einzigen Schuldigen präsentieren und an den Pranger stellen kann, wäre zu kurz gedacht. Einleuchtend ist: Das ganze Dilemma nahm seinen Anfang mit der Erfindung der Uhr.
Kapitel 8
Die Uhr schlägt alle – Der Anfang vom Ende der freien Zeit
Verwegen war das Vorhaben zweifellos, die natürliche und gefühlvolle Zeit an technischen und gefühllosen Maßstäben auszurichten. Auf dass die Technik mehr und mehr die Natur sich unterwerfe. Der maschinelle Takt von Stunden und Minuten hat das Drama in Gang gesetzt und treibt es auch heute noch an – mit mechanischer Präzision. Wobei dies wohl ungewollt war, denn die Erfinder der Uhr konnten kaum erahnen, welche Blüten die Uhrzeit treibt und wohin sie die Zeitreise mit der Uhr führt. Es wurde ja nicht sofort alles anders. Aber irgendwann haben sich dann doch Folgewirkungen am Horizont abgezeichnet. Irgendwann hat der Mensch versucht, möglichst viel in die mit der Uhr gemessene Zeit reinzupacken. Das ist ein klarer Nachteil der Moderne: Wer die Zeit in Zahlen sieht – dabei also nur Stunden und Minuten im Kopf hat – tranchiert sie in immer kleinere Fragmente. Und diese Atome will man dann mit möglichst viel Inhalt füllen. Damit nimmt das Zeitunglück seinen Lauf. Klingt irgendwie einleuchtend, denn andere als kurze Zeitspannen kann man mit der Uhr nicht messen. Wussten Sie übrigens, dass das deutsche Wort „Uhr“ vom lateinischen „hora“ – die Stunde – abstammt? Nicht gerade lang – eine Stunde. Was ist schon eine mit der Uhr gemessene Stunde im Vergleich zu den Tagen, Wochen oder Monaten, die man mit dem Kalender misst? Vor der Erfindung der Uhr war der Kalender das Maß der Dinge – Pardon: das Maß der Zeit. Feinere Zeiteinteilungen hat jedes Volk für sich geregelt. Schon die Römer konnten sich mit ihrer 16-teiligen Gliederung des Tages recht präzise verabreden – ohne Uhr. Ein Tag im Frühling wurde dort beispielsweise wie folgt unterteilt: vor Sonnenaufgang (5–6 Uhr), Morgendämmerung (7 Uhr), Morgen (8–9 Uhr), Vormittag (10–11 Uhr), Mittag (12 Uhr), nachmittags (13–15 Uhr), später Nachmittag (16–17 Uhr), helle Dämmerung (18 Uhr), Abenddämmerung (18–19 Uhr), erstes Licht anzünden (20 Uhr), Schlafenszeit (21 Uhr), tiefe Nacht (22 Uhr), vor Mitternacht (23 Uhr), Mitternacht (24 Uhr), nach Mitternacht (1–2 Uhr), Hahnenschrei (3–4 Uhr). Was wollte man mehr? Was hätte es den Römern beispielsweise gebracht, wenn sie die Spiele im Kolosseum nach genauen Zeitvorgaben abgespult hätten? Würde dies das Volk wirklich bei Laune halten? Würde dies mehr gute Stimmung verbreiten, als das lockere Zusammenraufen während der Spielwochen? Unwahrscheinlich. Man stelle sich das Bild vor: Einlass ins Kolosseum um Punkt 10.00 Uhr! Schon Stunden im Voraus bilden sich große Menschentrauben an den geschlossenen Toren. Rechtzeitig Schlange stehen ist angesagt. Warten normal. Sich dann
R. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6_8, C Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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II Der Hilferuf – S.O.S. Ich bin in Zeitnot aber noch der vielen Drängler erwehren, um seinen Spitzenplatz in der Schlange nicht zu verlieren, das zerrt an den Nerven. Sich die aufdringlichen Nachzügler vom Hals zu halten und selbige in die Schranken zu weisen, das schlaucht ganz schön. Bei der wie immer pünktlichen Toröffnung gibt’s kein Halten mehr. Die Menge kennt kaum Pardon. Was jetzt zählt, sind einzig und allein handfeste Argumente und zielsichere Tritte. Wüste Beschimpfungen und schwere Verwünschungen lösen sich von den weit aufgerissenen Mündern. Rücksichtslos wird nach vorne gedrückt. Ein Hauen und Stechen. Ein Wehsal, das so manchen Unterkiefer schief stellt und schmerzverzerrte Gesichter hinterlässt. Der Eingangsbereich ist zur Kampf-Arena geworden. Sehr zum Leidwesen der Gladiatoren, die dies als Außenstehende nur mit Neid zur Kenntnis nehmen können. Viele der Spitzenreiter, die sich frühmorgens angestellt haben, werden zwangsweise von der ersten Position zurückfallen, können bestenfalls mit der Masse mitschwimmen, müssen jedoch stets achtgeben, dass die rauschende Meute nicht über sie hinwegfegt, sie in Grund und Boden trampelt. Jene leidvollen Opfer der Massenhysterie, denen Letzteres zuteil wird, haben schlechte Karten. Auch wenn sie stöhnend am Boden liegen und inständig um Hilfe flehen, werden sie noch vor Spielbeginn eingesammelt und auf direktem Weg in die Löwenkäfige geworfen. Mehr ist nicht drin, in der knappen Zeit. Harte Zeiten eben. Das Theater geht im Amphitheater in die nächste Runde. Mit Schrammen im Gesicht, einem völlig ausgelotterten Überwurf und ramponierten Tretern kann man von Glück reden, wenn man es bis zu den Tribünen schafft. Wer die seltene Gelegenheit hat, einen Blick auf die vordersten Ränge der Tribüne zu erhaschen, wird vielleicht all seine Reserven mobilisieren. Jetzt nur nicht aufgeben. Die Position halten. Auf den anvisierten Ruheplatz zustürmen und die einmal ergatterte Sitzgelegenheit hartnäckig gegen jedwede Eindringlinge verteidigen – so gut es eben noch geht. Traurig ist das Schicksal derer, die vor lauter Euphorie übers Ziel hinausschießen. Weil von hinten ständig gedrückt wird, gibt’s vorne kein Halten mehr. Wider Willen kommen einige der Brüstung an der allerersten Reihe gefährlich nah. Wer ohnehin schon angeschlagen ist, kippt gern mal vornüber und fällt geradewegs in die Arena hinunter. Noch im Fallen realisieren die Unglücklichen: „Das kann nicht gut gehen!“ Für jene, die unsanft auf dem Spielfeld der Gladiatoren landen, ist die Zeit definitiv abgelaufen. Für den großen Rest auf der Zuschauertribüne gilt: Wenn der Rummel abklingt und sich die Lage entspannt, kann man mit schräger Frisur gute Miene zum bösen Spiel machen. Da geht schon im Vorfeld jede Vorfreude verloren. Wenn dann auch noch um 11.00 Uhr der Werbeblock beginnt, geht ein leises Stöhnen durch die Ränge. Das stumpfsinnige und zeitraubende Vorgeplänkel nimmt seinen Gang. Alle wissen genau, was jetzt kommt. Nette Damen fegen mit Bauchläden durch die Kulissen und rufen in die Menge: „Wer will ein Wasser-Eis?“ Toll! Erst verplempert man seine Zeit, und dann wird einem noch das Geld aus der Tasche gezogen. Nervige Spaßbremsen sind das. Jedem ist klar: Man muss dieses Affentheater noch eine Stunde ertragen. Das Warten nimmt kein Ende. Die Stimmung nähert sich dem Tiefpunkt. Kurz vor Spieleröffnung – um 11 Uhr und 50 Minuten, um präzis zu sein – zeigt sich die bunte Motivationstruppe. Genau zum richtigen Zeitpunkt, denn so richtig wohl fühlt sich keiner mehr auf den Zuschauerrängen. Grimassen schneidende Hampelmänner, bunte Paradiesvögel und aufgedrehte Anfeurer erscheinen auf der Matte. Luftikusse, die sich geckigerweise so kostümieren wie das fahrende Artistenvölkchen, vollführen eine alberne Showeinlage. War dies die Geburtsstunde des Kasperle-Theaters? Was ganz Tolles haben die schrillen Narren auf Lager. Im Stile eines Monty Python singen sie aus dem Leben des Brian: „Always look on the bright side of life. . .“. Das findet keiner mehr lustig. Das haut niemanden mehr vom Hocker. Allgemeines Aufstöhnen. Hereinbrechende Schläfrigkeit. Viele hängende Köpfe. Viele schlaffe Körper. Viele schwere Augen. Manch taumeliger
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Schädel ruht mit geschlossenen Augen an des Nachbarn hängender Schulter. Einige kippen vornüber und dösen auf dem Boden weiter. Das grassierende Stimmungstief hat nun endgültig sein finales Stadium erreicht. Aber dann! Endlich! Um exakt 12.00 Uhr. Der befreiende Paukenschlag. Eine gellende Trompetenfanfare schmettert wie ein Donnerschlag durch das Kolosseum. Wiederhallende Fanfarenstöße zerreißen die Stille. Ein Raunen geht allerdings nicht durch die Menge. Vielmehr werden einige abrupt aus dem Schlaf gerissen und erschrecken sich beinahe zu Tode. Orientierungslos gähnen andere in die Runde und stecken ihre Nachbarn gleich mit an. Wieder andere mühen sich kraftlos auf die Beine und blicken betrübt in die Menge. Einer der Langschläfer wurde offensichtlich von einem Albtraum befreit und muss nun im halb wachen Zustand den Schock seines Lebens verdauen. Wie ein Verrückter springt er auf und schreit völlig aufgelöst um sich: „Die letzte Stunde hat geschlagen! Die letzte Stunde hat geschlagen!“ Diesen Spinner hat man als erstes den Löwen zum Fraß vorgeworfen. Seine letzte Stunde hat ihn das Leben gekostet. Ein trauriges Bild gibt die Versammlung mittlerweile ab: zerzauste Haare, gezeichnete Gesichter, aufgeschlagene Lippen, veilchenfarbene Augen, teilnahmslose Blicke, hängende Schultern, steife Gelenke, geschundene Leiber, verschlissene Gewänder, hungrige Mägen, verhaltener Jubel. Das eigentliche Spektakel kann beginnen. Aber eigentlich ist man schon am Ende. Die Regie dieser skurrilen Inszenierung verlangt am Ende nach einem Sieger und einem Besiegten. Aber: „Wer sind die wahren Leidtragenden in dieser Tragödie?“, mag manch einer sich fragen und damit in die Gedankenwelt des göttlichen Kaisers einsteigen. Dieser hat das ganze Schauspiel von seinem schattigen, mit allerlei Früchten dekorierten Logenplatz aus beobachtet. Bequem auf der Chaiselongue liegend und mit dem Antlitz einer römischen Marmorstatue, sah der Imperator auf das Scharmützel herab. Unzweifelhaft war dies seine Lieblingsbeschäftigung, denn die fortdauernden Ränke und die politischen Spielereien im römischen Senat waren nur halb so interessant und die geschickten Winkelzüge der Senatoren sehr viel schwerer zu durchschauen. Auf Dauer konnte das politische Heckmeck kein Normalsterblicher und auch kein Unnormalsterblicher ertragen. Die taktierende Politik war ein Übel und die einseitige Empfänglichkeit für die bunten Spiele im Kolosseum ließ sich in den Augen des römischen Herrschers damit begründen, dass man ihn für nicht ganz dicht halten würde, wenn er nach allen Seiten offen wäre. Undichtigkeiten hin oder her, die dem Machthaber nahestehenden Personen waren sich in einem nie ganz sicher: Sind für den Kaiser tatsächlich die stolzen Gladiatoren, jene also, die tapfer um Glanz und Glorie kämpfen, die Gelackmeierten in diesem zeitgetriebenen Affenzirkus? Oder ist es die sehr viel größere Kulisse, das vorgeführte Volk, der Pöbel, an welchem sich der weltliche Herrscher bei diesem zeitraubenden Geduldsspiel ergötzt?
Auch wenn diese Fragen letztlich unbeantwortet bleiben müssen, da den abgehobenen Kaiser eh niemand für voll genommen hat, ist eines sonnenklar: Hätte sich dieses Theater tatsächlich so abgespielt, hätte dies den im Herzen doch stolzen Bürgern Roms keinen Spaß gemacht. Für sie war es ein wahres Statussymbol, gemessenen Schrittes durch die Gassen zu schlendern. Die Eile überließ man im antiken Rom den Sklaven. Anders als heute, war Hetze früher nicht an der Tagesordnung. Doch der neue Taktgeber trieb Gewitterwolken vor diesen blauen Himmel der Erinnerungen. Ein französischer Schauspieler und Filmregisseur namens Sacha Guitry fand Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts für das Desaster mit dem mechanischen Zeitmesser den richtigen Umgangston. Seine bedrückten Worte schallten durch die Filmkulissen
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jener Zeit: „Das waren noch glückliche Zeiten, als man nach dem Kalender lebte! Jetzt lebt man nach der Uhr.“ Interessant ist auch, dass die ersten, im 13. Jahrhundert erfundenen Uhrwerke, lediglich über einen Stundenzeiger verfügten. Der Gedanke einer gleichmäßig geteilten Zeit drang nur langsam ins Bewusstsein der Menschen. Erst ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erhielten einige Uhren auch einen Minutenzeiger. An den meisten Renaissance-Uhren jedoch wies, gerade umgekehrt wie heute, der große Zeiger die Stunden und der kleine die Minuten, denn noch waren die Stunden das Wichtigste, die Minuten eher beiläufig. Als noch großzügige Zeitwirtschaft herrschte, hat man die überzähligen Viertelstunden außerhalb runder Einheiten nie mitgerechnet, sondern nebenbei verschlungen. Die 30 Minuten wurden als Auftakt zur runden Stunde verstanden und innerlich bereinigt. Diese Zeitkulanz hielt nicht lange an. Jetzt ging es ans Eingemachte. Die Minuten bröckelten, zerfielen zu Sekunden. Was die vormals kleinste Zeiteinheit anbelangte, wich die zähe Wegsparsamkeit des Minutenmessers dem flinken Getrippel des Sekundenzeigers. Die letzte Bastion opulenter Zeitumstände hatte den Rückzug angetreten. Schlimmer ging’s nimmer. Bei der mechanischen Zeit, der gefühllosen Uhrzeit, handelt es sich scheinbar um eine grundsätzlich knappe Zeit. Die vielfache Gliederung und Einteilung des Tages macht diesen kurzweilig – und verkürzt ihn damit in unserer Gedankenwelt. Die Uhr ist ein dubioses Handwerkszeug. „Sie haut uns übers Ohr!“, beäugte man sie skeptisch. Wen wundert’s, dass der neue Taktgeber schon damals bei einigen nicht gut wegkam. „Das Ding wird unseren Tag in Fetzen reißen“, hatten die damaligen Zeitgenossen richtig vorausgeahnt. Ihrem spontanen Zeitsinn nach hätten sie eine derart unbeugsame Apparatur am liebsten auf den Müllhaufen der Geschichte verbannt. Aber daraus wurde nichts. Der Prügelknabe hat sich wacker geschlagen und die mit der industriellen Produktion einhergehende Verbreitung der Uhren hat klammheimlich und unabsichtlich dazu beigetragen, dass wir unsere Zeit immer feinfühliger einteilen und verplanen – „müssen“. Zuverlässig wie ein Uhrwerk – das war von nun an eine neue Stufe der Verlässlichkeit. Vorbei war eindeutig auch die Zeit, in welcher der Rhythmus des Lebens vom Aufgang und Untergang der Sonne im Wandel der Jahreszeiten bestimmt wurde. Die Arbeitszeit wurde gleitend. Das menschliche Leben durfte so wenig stillstehen wie sein neuer Konkurrent auf dem Markt: die Maschine. Und um die Zeit dieser Maschinen auszunutzen, musste der Mensch Tages- und Nachtschichten fahren. Mit zunehmender Industrialisierung vervielfältigen sich die Möglichkeiten, mit denen wir Zeit verbrauchen können. Was lässt sich heute nicht alles mit der Zeit anstellen! Aber: Ist es wirklich ein Segen, dass wir in unserer Zeit über mehr Alternativen verfügen als jede Generation vor uns? Alleine die grenzenlose Mobilität, die Kultur- und Sportvielfalt, die breit gefächerte Medien-Palette, unzählige Technik-Spielereien und der Handlungsspielraum in virtuellen Welten (Foren, Communities, Online-Games) entfachen ein mannigfaches Zeit-NutzungsPotential. In Zeiten von Überangeboten, obligatorischer Flexibilität und „Optionsstress“ kann einem die Zeit schon mal davonrennen. Abgesehen davon muss man den ganzen Luxus, der sich im Laufe der Zeit ansammelt, warten, pflegen
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und erneuern. Da gehen etliche Stunden drauf und es wird deutlich, dass die Annehmlichkeiten des modernen Lebens allein schon deshalb einen hohen Tribut fordern, weil zu ihrer Erschließung und Erhaltung viel Zeit notwendig ist. Auf allen Seiten werden wir von Kräften attackiert, die um unsere Zeit wetteifern. Insofern stellt sich die Frage, ob in der heutigen Zeit der von Notwendigkeiten freigestellte Anteil an unserer Lebenszeit tatsächlich größer geworden ist – wie dies gerne von Zeitmanagement-Autoren ins Feld geführt wird. Haben wir heute tatsächlich mehr „freie Zeit“ als noch vor 50 oder 100 Jahren? Es ist zwar richtig, dass wir heute von allem „mehr“ haben, aber trifft das auch auf die Freizeit zu? Heute steht uns eine große Bandbreite an Nutzungsmöglichkeiten und ein unerschöpfliches Spektrum an Konsumgütern zur Verfügung. Wir haben mehr Kleidung als wir tragen können, mehr Musik als wir hören können, mehr Fernsehprogramme als wir ansehen können, mehr Internetseiten als wir besuchen können, mehr Freizeitangebote als wir wahrnehmen können, einen größeren irdischen Bewegungsradius, als wir durch Reisen erschließen können. Heute müssen wir immer öfter zwischen konkurrierenden Alternativen abwägen. Heute kommen wir immer öfter mit unseren persönlichen Ressourcen in einen Grenzbereich. Heute sind wir an einem Punkt angelangt, an dem das Zeitmanagement der einzig mögliche Ausweg aus der Gleichzeitigkeit ist. Nur Zeitmanagement kann verhindern, dass alles gleichzeitig passiert. Schließlich ist nicht alles gleich gültig – oder ist es Ihnen doch gleichgültig? Sicher nicht. Jedenfalls ist es nicht verwunderlich, dass am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts der Begriff der „Gleichzeitigkeitsfalle“ die Runde macht. Das kann Energie kosten. Das kann Zeit vernichten. Insbesondere wenn die Pflichten überhand nehmen und der Koordinationsbedarf ausufert. Zeit verschlingt ferner das Konsumieren. Für diese Zeit, in der man sich mit Konsumgütern eindeckt, gibt es sogar einen offiziellen Namen – die Konsumzeit. Vollkommen unvorstellbar waren diese Handlungsspielräume und Aktionsradien für einen Fabrikarbeiter aus den frühen Phasen des zwanzigsten Jahrhunderts und dessen Familie. Bei zwölf Stunden Arbeit am Tag in der Fabrik, wobei am Samstag ebenfalls gearbeitet wurde, blieb nur wenig frei verplanbare Zeit übrig. Und mit den seinerzeit bescheidenen Barmitteln konnte man ohnehin nur wenig aus der Zeit herausholen. Ein im Vergleich zu heutigen Maßstäben eher öde und trübselig anmutendes Dasein. Wobei der Schein trügt, denn alles hat bekanntlich zwei Seiten. Aber egal wie man es dreht, fest steht, dass man in diesen Zeiten weniger Nutzen aus dem Zeitsystem ziehen konnte. Es spricht vieles dafür, dass eben jener Facharbeiter mit seiner Familie gefühlsmäßig mehr Zeit zur „freien“ Verfügung hatte. Heute ist das anders. Wir haben – gefühlt – weniger Zeit. Der einstige amerikanische Präsident Franklin Delano Roosevelt sah dies offensichtlich genauso kommen, denn mit markigen Worten beanstandete er seinerzeit aufs schärfste: „Nie zuvor hatten wir so wenig Zeit, um so viel zu tun.“ Historisch betrachtet ist die industrielle Revolution das einschneidendste Ereignis, aus dem heraus sich die Zeitwahrnehmung veränderte und das Tempo angezogen wurde. Damit bekommt der Fortschritt eine Delle und den Beigeschmack eines unumstößlichen Gesetzes: Je entwickelter eine Ära ist, umso weniger freie Zeit pro Tag bleibt den Menschen dieser Epoche – anscheinend. Je komplexer
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unser Netz von Aktivitäten und Beziehungen ist, desto eher hat es den Anschein, dass wir unsere Zeitplanung formalisieren und das Tempo forcieren müssen. Aus diesem Drehmoment heraus entfaltet sich genug Energie, damit das Ganze eine Eigendynamik entwickeln kann. Dies hat offensichtlich auch Sebastian de Grazia, Träger des Pulitzerpreises von 1990, erkannt und sogleich ungeschminkt zur Sprache gebracht: „Je mehr zeitsparende Maschinen es gibt, desto mehr steht der Mensch unter Zeitdruck.“ Wehe wenn einmal in Gang gesetzt – eine unaufhaltsame Spirale. Und heute wissen wir’s sowieso besser: Zeitlos ist diese Zeitlosigkeit! Die Stück um Stück gereifte Zeitknappheit war irgendwann so weit ins öffentliche Interesse vorgerückt, dass sich zuerst bewanderte Denker diesem Thema annahmen und anschließend auch noch einfallsreiche „Erfinder“ auf den Plan gerufen wurden. Es war an der Zeit, die Allgemeinheit aus ihrem Dornröschenschlaf wachzurütteln, denn von nun an sollte niemand mehr Zeit verschlafen. Mit diesem Anspruch ging die Interessengemeinschaft der Zeiterlöser ins Rennen. Und so wie alle Erfindungen unausweichlich mit der Ära verwoben sind, in der sie ihre Wurzeln haben, so ist auch das Zeitmanagement ein Produkt dieser veränderten Zeitwahrnehmung, welche sich in der frühen Mitte des 20. Jahrhunderts abzeichnete. Es war der Anfang einer genauso beispiellosen wie zeitlosen Odyssee, und genau davon berichtet das nächste Kapitel.
Kapitel 9
Die verdeckte Zeitrevolution – Vom leidvollen Einzelschicksal zum trendigen Massenphänomen
Es gab in der jüngeren Geschichte der Menschheit eine Revolution, die so ganz anders war als die lautstarken und farbenfrohen Umstürze, in welche die Gattung Mensch während ihrer Entwicklungsgeschichte immer wieder hineinschlitterte. Hier reden wir über eine jener Umwälzungen, die nicht wie Granaten explodieren, sondern langsam in den Gedanken freier und bewusster Menschen hochsteigen wie der Saft in den Pflanzen. Wir lassen einen leisen, flüsterleisen Umbruch Revue passieren. Ein Aufstand, der kleinlaut aufmarschierte, von einer unsichtbaren Macht angetrieben. Und wenn er vom Menschen Besitz ergriff, so war der Mensch nicht nur Opfer, sondern war zugleich auch unter den Tätern auszumachen. Begeben wir uns also einige Jahrzehnte zurück, zu den Anfängen jener schicksalshaften Geschehnisse – dem Durchbruch der Zeitnot. Wie so manche Trendwende, kommt auch die Zeitrevolution zunächst völlig unschuldig daher. Harmlos erscheint er, der neue Zeitgeist. Als Wolf im Schafspelz verkleidet rückt er verstohlen den nichts ahnenden Opfern auf die Pelle. Heimtückisch und gefährlich sind diese schleichenden und unscheinbaren Veränderungsimpulse. Ihre Wurzeln brauchen Zeit, sich ihren Weg durch die anonyme Masse zu bahnen. Aber sie schreiten voran, dringen unaufhaltsam und stetig in die Köpfe der Menschen vor, und weiten sich am Ende zu einer mächtigen Revolution aus, unumkehrbar wie der Planetenumlauf. Irgendwann ist auch bei der Zeitrevolution ein „Point of no return“ erreicht. Nicht mehr rückgängig zu machen ist dann der wellenschlagende Sinneswandel um die immer knapper werdende Zeit. Das Fass läuft endgültig über. Von wegen Einzelschicksal. Ein zaunbrechendes Massenphänomen setzt ein. Dies ist der „Tipping Point“ – jener magische Moment, bei dem eine Idee, ein Trend oder ein soziales Verhaltensmuster eine Schwelle überschreitet, umschlägt und sich wie ein Wirbelsturm ausdehnt. Gleich einem Dämon, der um sich greift, die Macht an sich reißt und seine Herrschaft mit einer zügellosen Offenheit erklärt. Rasant wie ein Virus, bei dem jahrelang gerade mal eine handvoll Menschen betroffen sind, dann aber binnen kurzem eine Massenansteckung einsetzt – so überfällt der Ansteckungsstoff „Zeitknappheit“ die Gesellschaft. Ein Vordringen der Zeitnot, das geheimnisvollen Schrecken einflößt und auswegsuchende Fluchtgedanken nahelegt. Auch wenn der neue Zeitgeist beim Zeitsinn auf leisen Sohlen daherkommt und sich heimlich einschleichen will, kann er sich nicht völlig unbemerkt einnisten. Man ist ihm auf die Schliche gekommen und hat zeitnah nach Heil bringenden Abwehrmaßnahmen gesucht. Den Anfang machen in gewohnter Manier die Heilkundler. Ungeniert nehmen sie sich Zeit, um das neue Phänomen penibel unter die Lupe zu nehmen. Mit aller gebotenen Vorsicht und nach allen Regeln der medizinischen Kunst wird seziert. Nach eingehender Untersuchung
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II Der Hilferuf – S.O.S. Ich bin in Zeitnot diagnostizieren sie: „Ein Zeitmangelsyndrom!“ Dem glasklaren Befund werfen sie ein genauso kurz gefasstes Urteil hinterher: „Unheilbar!“, heißt es unisono, denn hierfür haben sie nicht die richtige Medizin. An dieser Stelle müssen sie die Waffen strecken. Für weitere Nachforschungen fehlt es den Heilkünstlern plötzlich an Zeit. Mit den trostlosen Worten „Dagegen ist kein Kraut gewachsen“ verlassen sie heillos verwirrt das Schlachtfeld und suchen ihr Heil in der Flucht. Nun ist der Ball wieder bei der Allgemeinheit und damit beginnt im 20. Jahrhundert der Kampf gegen die immer knapper werdende Zeit auf breiter Front. Zwei Fraktionen widmen sich dem Problem der bröckelnden Zeitfront mit ungewöhnlicher Hingabe: Marktbeobachter und Untergangspropheten. Für letztere – das Gold im Tresor, das Tafelsilber im Wald verscharrt – ist eh schon alles viel zu spät. Die anderen halten den Zeitpunkt für passend, um in den Nervositätsausbrüchen der Bevölkerung ihre Marktchancen zu suchen. Über die Ausgestaltung einer Konterrevolution sind sich die Positivdenker schnell einig – sie soll sich marktwirtschaftlichen Prinzipien unterwerfen, mit diesen vereinbar sein. „Ein neuer Marktplatz muss her!“, röhren sie in trauter Eintracht und ziehen als furchtlose Streiter an des furchtsamen Menschen Seite gegen die Zeitknappheit ins Feld. Wer nun denkt, dieser Funkenflug der Wehrhaften werde sich schnell wieder legen und man müsse nur eine Weile die Augen zukneifen, bis auch jene resigniert umkippen, der täuscht sich. Lediglich eine letzte wesentliche Zutat fehlt jetzt noch, um der Gegenbewegung zum frenetischen Siegeszug zu verhelfen – um den Knoten zu brechen und den endgültigen Durchbruch herbeizuführen. Sie ahnen es vermutlich: Eine Prise Marketing. Das mit der Marketing-Idee ist eine feine Sache. Clevere Produktentwickler und findige VermarktungsStrategen haben plötzlich ein Motiv und ein Interesse daran, den neuen Markt emsig zu bearbeiten. Sie tun sich flugs zusammen, um ein neues Problem – das Problem mit der Zeit – zu lösen. Der Bedarf ist bereits in Ansätzen vorhanden. Die Samenkörner schon in der Erde. Man muss das fruchtbare Feld nur noch ein wenig düngen, damit sich alle Pflänzchen kräftig entwickeln. Ein leichtes Spiel haben jene, die elegante Produkte platzierten und Kapital aus diesen zeitlichen Nöten schlagen wollen. Zeitplaner in allen nur erdenklichen Formaten und Gewichtsklassen; für die Jackentasche, für den Aktenkoffer, für den Rucksack. AbreißKalender in allen Größen und Formen; für den Tisch, für die Tür, für die Wand. Die Literatur als Weg zum Verstehen und zur Linderung schlägt in die gleiche Kerbe und springt mit Volldampf auf den fahrenden Zug auf. Aber es ist nicht die reinigende und heilende Wirkung des literarischen Genius, der zum Zug kommt. Die geschriebenen Wörter dieser ersten Stunden treten als Boten des Untergangs in die Pedale. Als geheime Verführer tragen sie ihren Teil dazu bei, der Zeitnot weiteren Auftrieb zu verschaffen und so den geschäftstüchtigen Produktentwicklern in die Hände zu spielen. In lammfrommer Eigennützigkeit bestärken sich die Literaten: „Verpasse nie eine gute Krise, um eine Rolle zu spielen.“ Und so finden sich alle Kunstgriffe der unheilverkündenden Propaganda in den Zeitnot-Kampfansagen und Zeitmanagement-Werbebotschaften der ersten Stunden. Es ist Ihnen vermutlich auch schon aufgefallen. Nichts Gutes kommt einem entgegen, wenn man einen der Vollzeit-Zeitmanagement-Ratgeber aufschlägt. Vor allem in jenen Werken der frühen Epoche, von denen diese Zeitreise erzählt, wird stets ein düsteres Bild der persönlichen Zeitsituation gezeichnet. Auf den ersten Seiten wird ein bunter Korb von dornenvollen Zeitprognosen ausführlichst vor dem Hilfesuchenden ausgebreitet und mit viel Durchhalte-Pathos breitgetreten. In Bezug auf die mit der Zeit verwobenen Lebensumstände bricht ein Schwall verdrießlicher Schlagzeilen über den Ratsuchenden herein. „Herrjeses!“, reagieren da einige erschrocken und sind völlig aus dem Häuschen. Andere ringen nach einem langen, seufzenden Ausatmen erstmal um Luft und sind fürs erste total geplättet. Wieder andere fallen aus allen Wolken. Sie sehen dunkle Gewitterfronten heranziehen und
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den Himmel in eine schwarze Drohkulisse verwandeln. Für sie verbirgt sich die Sonne eilig und ein rauer Wind aus eisigen Gefilden ist im Anmarsch. Der nächste Wolkenbruch mit sinnflutartigen Regenschauern, lautem Donnerhall und zuckenden Blitzen scheint unausweichlich vor ihnen zu stehen. Ist sozusagen eine naturgesetzliche Notwendigkeit – zumindest wenn man weiter ohne Zeitmanagement und Zeitplaner durch die Zeit reist. „So nicht, liebe Leut!“, hätte mein Amtsvorgänger den Finger erhoben und dagegengehalten: „Wenn das Unheil wenigstens elegant verpackt gewesen wäre, wenn ein wenig Ironie mitschwingen würde, wenn dem geliebten Leser die schlechten Nachrichten nur schmunzelnd angedroht würden, dann, und nur dann, könnte man vielleicht damit auskommen.“ Der literarische Geist würde einmal mehr als edelste Erscheinung des Menschheitsgeistes in Erscheinung treten und sich die erlösende Macht der Sprache zu Nutze machen. Ein ironisches Glanzlicht am Anfang könnte das Eis schmelzen: „Sie verlieren ständig Zeit? Sie wollen wissen warum? Wirklich? O Gott!“ Wenn nicht so, dann ließe sich wenigstens mit einem ungläubigen Staunen der Anfang schmerzfreier dekorieren: „Was war das? Vor einer Minute war sie noch da, die angeschlagene Stunde. Und nun? Nun soll sie auf einmal entschwunden sein und gleich 60 Minuten mit sich in den Tod gerissen haben? Das kann nicht sein!“ Pfiffiger Drahtzieher für den Einstieg könnte auch eine geheimnisumwobene KriminalfallOuvertüre in bester Sherlock-Holmes-Tradition sein: „Es begann völlig harmlos, als bedächtige Floßfahrt auf einem fast stehenden Gewässer, die Zeit des Lebens. Auf einmal waren sie da. Völlig unbemerkt. Niemand sah sie kommen. Stromschnellen peitschten das Floß voran, trieben die Augenblicke gnadenlos vor sich her. Und die Zeit, es war schrecklich, sie war spurlos an uns vorübergegangen. Was war passiert?“ So könnte man das Publikum in den Bann ziehen, gefangen nehmen und für sich gewinnen. Doch was viele Zeitmanagement-Ratgeber als Anstoß auftischen, ist wie ein Schlag in die Magengrube. Wenig Erfreuliches erfährt man da. In einem Niederschlag von ungemütlichen Schlagworten wird das Unbehagen wach gerüttelt. Das drückt die Stimmung erstmal auf einen Tiefpunkt. Nach diesem abenteuerlichen Wettersturz droht im nächsten Moment ein Rückfall in ungewisse Zeiten. Ganz so, als ob man ein Feuer mit Benzin löschen würde. Will man hier gleich am Anfang die Standhaftigkeit der Kundschaft auf die Probe stellen? Ein erster Belastungstest vielleicht, oder gar eine Selektion nach der Auslese-Logik: „Wer an dieser Stelle umknickt, wer an dieser Hürde scheitert, der kann auch den folgenden Marathon nicht bewältigen.“ Gut weg kommt in diesem bekümmerten Spiel nur der ewige Optimist. Jene Kategorie Mensch, die ein Glas nur zur Hälfte leer trinkt, damit es immer halb voll bleibt. Tapfer unterstreichen sie ihre eiserne Standhaftigkeit mit den Worten: „Davon geht die Welt auch nicht unter!“. Alle anderen tun sich schwer, wenn innerhalb der Hoffnungslosigkeit für die Hoffnung wenig Raum bleibt. Für jene, die auch mal an einem halb leeren Glas nippen, entwickelt sich die Sache allzu schnell zum gewagten Balanceakt zwischen aufkeimender Resignation und ohnmächtiger Lethargie. Den Auftakt-Parolen diverser Ratgeber will man vielleicht nicht direkt widersprechen, aber sie klingen wie tausendmal gehört. Alle stöhnen sie in das gleiche Horn. Okay, es gibt Ausnahmen. Eine halten Sie in den Händen.
Diese Geschichte – eine Geburtschronik des Zeitmanagements – hinterlässt Nachwehen. Die Motive für das angstuntermalte „Wachrütteln-Wollen“ liegen zwar auf der Hand – und wenigstens darüber lässt sich schwerlich streiten: gleichgültig, ob man die werberischen Unheilsverkündungen verdammt, weil sie aus der Not Vorteile herausarbeiten wollen; ob man sie als Motor von Wirtschaft und
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Wohlstand preist; oder ob man sie im Prinzip bejaht und nur ihre Auswüchse kritisiert. Auswüchse dergestalt, dass der ungeliebte und flammende Einschlag des nichtssagend Bombastischen in den Mittelpunkt der Ansprache gerückt war, anstelle eines motivierenden und positiven Zuspruchs. Und so landen wir bei einer Frage mit existenziellem Touch: Lassen wir uns auf diese Schwarzmalerei ein? Lassen wir uns von der kommerziellen Manipulation umkrempeln und den Kopf verdrehen? Ist das nicht ein wenig so, wie wenn am Morgen beim Aufwachen eben nicht die Sonne aufgeht, eben keine Vögel munter vor sich her zwitschern? Die Farben der Natur werden nicht kräftiger und die Luftströmungen nicht wärmer. Ist das nicht so, wie wenn wir uns vor dem Aufstehen all die widrigen Umstände und mühsamen Probleme ausmalen, die vielleicht vor uns liegen. Wenn wir den Tag schlechtreden, während wir uns langsam aus dem Bett quälen: „Welche Lawine kommt heute auf mich zu? Es steht wieder einiges an, das ich nicht gerne tue. Den heutigen Abgabetermin für eine meiner wichtigsten Aufgaben kann ich sowieso nicht einhalten. Das am Vormittag stattfindende Jour-Fix bringt wieder mal nichts Gutes. Bei der Projektsitzung fehlt heute erneut die Hälfte der Leute und wir kommen wieder nicht voran. Mein Konzept kann ich mir sparen, der Chef winkt es bei unserem Treffen eh ab. Und überhaupt, was kann sonst noch alles an diesem ungemütlichen Tag schief gehen? Pünktlich die Arbeit beenden ist sowieso nicht drin. Unmöglich kann ich das alles bewältigen, was heute vor mir liegt. Das schafft kein Mensch. Und auf dem Heimweg falle ich in einen Gully-Schacht.“ Achten Sie darauf, wie Sie sich unter diesen Umständen fühlen. Würden Sie mit diesen Aussichten im Kopf noch ernsthaft ans Aufstehen denken? Würden Sie dem Tag mit Freuden entgegenfiebern? Kaum. Da bleibt die gute Laune im Hals stecken. Wie will man sich für den anstehenden Tag motivieren, wenn es kein Motiv gibt? So will sich niemand aus dem Bett mühen. Höchstwahrscheinlich werden Sie konsterniert die Segel streichen, wenn Sie sich auf ein solches Trauerspiel einlassen. Jammern Sie nicht! Starten Sie optimistisch in den Tag! Fragen Sie sich, sobald Sie wach werden: Auf was kann ich mich heute freuen? Wenn Sie Antworten in dieser Richtung suchen, werden Sie garantiert fündig. Damit hat die „gefühlte“ Zeitnot weniger Angriffsfläche, um Ihrer Lebensfreude einen Dämpfer zu verpassen. Wer weiß, vielleicht fällt es Ihnen dann richtig schwer, liegen zu bleiben. Als listigster Schachzug überhaupt ist in dem ganzen Vermarktungsgefüge rund um die Zeitnot wohl die Wortschöpfung „Zeitmanagement“ einzuordnen. Ein kurioses Konstrukt und scheinbar harmloses Wortspiel. Schwups hat man es vor den Karren gespannt und mit Ausdauer all jenen an den Kopf geworfen, die die „Zeit im Schneckentempo“ herbeisehnten. Das geflügelte Wort ging immer leichter über die Lippen. Steter Tropfen höhlt den Stein, war die Denke. Aber falsch gedacht! Ganz so einfach ist das nicht! Das Gewicht eines Wortes wächst nicht durch die Anzahl seiner Wiederholungen. Und so wäre es vielleicht bei einem kurzen Gastspiel geblieben, wenn da nicht. . . Ja, wenn da nicht dieses verlockende Versprechen wäre. Mühelos konnte sich die Wortkombination „Zeitmanagement“ vor allem deshalb ausbreiten und zum Modewort etablieren, weil sie etwas geradezu Wunderbares in Aussicht stellt: Dass wir die Zeit kontrollieren können – sie beherrschbar ist. Dieses
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Trugbild lullt das Gewissen ein. Da brennt nicht nur ein Strohfeuer ab. Von wegen. Ein Flächenbrand wird daraus. Derart verheißungsvolle Beteuerungen sind vor allem bei den Themen attraktiv, die die Allgemeinheit betreffen und jeden Menschen irgendwie ansprechen. Erst ist man betroffen und dann wird der Betreffende auch noch zum Opfer trügerischer Illusionen. Denn: Diese Begriffskreation ist und bleibt eine Verdrehung von Tatsachen – Zeit lässt sich nun mal nicht „managen“! Vollends entgleitet die Sache, wenn man „Zeitmanagement“ definieren oder auch nur näherungsweise umschreiben will. Denn als sich der Begriff aus dem Schatten vorarbeitete, haben eine Zeitlang mehrere Zünfte nach dem rettenden Ast gegriffen. Jetzt kommt Bizarres ans Tageslicht. Da liest man beispielsweise, dass Zeitmanagement die Kunst ist, sich selbst zu führen. Aha, Selbstmanagement also. Oder Zeitmanagement auf Abwegen? Zeitmanagement hat zugegebenermaßen viel mit Selbstdisziplin zu tun – aber ansonsten ist es selbstlos. Wie auch immer. Das mit der Zeit und dem Zeitmanagement ist so eine Sache. Das eine hat mit dem anderen ungefähr genauso viel zu tun, wie der donnernde Glockenschlag vom Kirchturm mit dem niedlichen Vogelzwitschern einer putzigen Kuckucksuhr. Mittlerweile sind wir aufgeklärter und wissen, was die Stunde geschlagen hat. Logisch geht es beim „Zeitmanagement“ nicht darum, die Zeit zu managen. Zeitmanagement handelt eher vom individuellen Umgang mit der Zeit. Klar wird nun, dass es überzogene Erwartungen waren, mit denen das abstruse Begriffspaar „Zeit-Management“ von Anfang an überfrachtet wurde. Unter all diesen Vorzeichen war es vermutlich ein Leichtes, jeglichen Widerstand im Keim zu ersticken und einen weitreichenden Trend in Gang zu setzen. Die ModeTorheit verbreitete sich wie ein Bazillus. Den Siegeszug des „Zeitmanagements“ konnte keiner stoppen. Zeitmanagement wurde en-vogue. Es war „in“, wenn man mit einem Terminplaner unterm Arm durch die Etagen der Bürohäuser sauste. Heute ist es Standard – und den Rest der Geschichte kennen Sie allzu gut. Was vielen allerdings verborgen bleibt ist die schwere Last, die da auf einem einzigen Begriff ruht. Frei nach dem Motto: „Wo mehr drin ist, bleibt weniger außen vor“, hat man in das Kunstwort fleißig hineingepackt, was man kriegen konnte. Viel – genaugenommen viel zu viel – wurde und wird in das ZeitmanagementGebilde hineininterpretiert. Wen wundert’s: Zeitmanagement ist inzwischen platt wie ausgewalzter Pizzateig. Es muss für alles Mögliche zwischen zeitheilender Wunderwaffe und zeitloser Rezeptsammlung herhalten. Man kann es sehen als „Richtung gebendes Instrument“ mit einem weiten Horizont – für die Lebensund Lebensabschnittsplanung, die Strategieformulierung und die Zieldefinition. Zeitmanagement ist aber auch ein „operatives Instrument“ – ausgerichtet an allen möglichen Facetten der gerade aktuellen Geschehnisse. Dem hier und jetzt. Diese große Bandbreite – von der visionären und strategischen Bühne zum taktischen Schauplatz – registriert man in der Regel nur unbewusst. Eher beiläufig nimmt man davon Notiz – mit der Konsequenz, dass für den Einzelnen kaum noch erkennbar ist, was nun Zeitmanagement für ihn ganz persönlich bedeutet. Ein Romantiker würde an dieser Stelle wohl resümieren: Zeitmanagement ist gleichsam so unscharf definiert wie das trübe Bild der fernen Gipfel im graublauen Morgendunst. Zeitmanagement ist irgendwie alles – und deshalb nahe am Nichts. So geht mit dem „One size fits all“-Anspruch vieles baden. Irgendwann auch die letzte Hoffnung.
Kapitel 10
Wenn den Stunden die Minuten gestohlen werden – Wo ist meine Zeit geblieben?
„Hast du mal Zeit?“, diese Frage kennen Sie nur allzu gut. Tagtäglich werden Sie mit ihr konfrontiert. Eine der meistgestellten Fragen auf unserem Erdball. Egal, ob Sie derart direkt gestellt oder versteckt ins Feld geführt wird und in Wünschen, Aufträgen oder anderen Äußerungen mitschwimmt – „Kannst du dies mal für mich machen?“, „Das müssten wir noch erledigen!“, „Könnten Sie sich dieser Sache annehmen?“ – und so weiter. Es macht keinen Unterschied, ob im privaten Umfeld nach Ihrer Zeit verlangt wird oder im Rahmen von geschäftlichen Aktivitäten. Wenn am Ende von Besprechungen oder Projekt-Meetings Aufgaben verteilt werden, wird vorausgesetzt, dass man Zeit hat. Die höfliche Nachfrage, ob es zeitlich gerade passt, ist dann rein rhetorisch. Hinzu kommen noch die Dinge, die Sie sich selber auferlegen. Aus eigenem Antrieb. Ihre eigenen Ideen. Ihre persönlichen Wünsche und Ziele. Innere Stimmen, die da rufen: „Tu dies“, „Tu das“, „Tu jenes”. Auch die Gesellschaft spielt ihr Spiel mit der Zeit und macht es uns nicht immer einfach. Einige glauben gar, es wäre heutzutage „schick“, wenn man keine Zeit hat. Also, haben Sie mal Zeit? Kommen Sie mir jetzt nicht mit einem Nein. Sagen Sie mir jetzt nicht, dass die Zeit überall ist, nur nicht bei Ihnen. Damit können Sie bei mir nicht landen, denn ich weiß es besser. Sie haben Zeit! Sie haben immer Zeit! Sie haben sogar „alle Zeit der Welt“, wie es vollmundig aus dem Volksmund tönt. „Zeit ist eine Mangelerscheinung“, beharren Sie. Von wegen! Zeit ist kein Rohstoff, der knapper werden kann. Zeit ist gerecht und demokratisch verteilt. Jeder hat gleich viel Zeit. Keiner ist im Vorteil – und keiner im Nachteil. Kommen Sie mir auch nicht damit, dass früher alles besser war und die Menschen damals mehr Zeit hatten. Zeit ist heute noch genauso präsent wie schon vor tausend Jahren. Sie ist bloß nicht mehr sehr weit verbreitet, könnte man entgegnen. Denn wenige haben genug Zeit und doch hat jeder alle Zeit die es gibt. Zugegeben: Einfach ist das mit der Zeit nicht. Manch einer bemüht sich ein Leben lang, das Wesen der Zeit zu verstehen. Andere beschäftigen sich mit weniger schwierigen Dingen, etwa der Relativitätstheorie. Aber es ist nun mal so, dass man sich den brennenden Fragen rund um die Zeit nicht einfach entziehen kann. Kann denn Zeit überhaupt knapp werden? Kann die Zeit im Laufe der Zeit ihre Geschwindigkeit verändern?
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Kaum. Die Zeit vergeht heute nicht schneller als früher – wenngleich wir vielleicht eiliger an ihr vorbeilaufen. Jeder von uns erinnert sich, wenn wir auf unser Leben zurückblicken, an irgendeine Sache, der wir nicht das nötige Bewusstsein entgegenbrachten. Und wie oft haben wir uns später gedacht: „Ist nicht gerade diese Zeit wie ein Wimpernschlag verflogen?“ Vermutlich fragen sich deshalb einige zu Recht: Wo ist nur meine Zeit geblieben? Hier wird eine Stunde entrissen, dort eine heimlich entzogen, eine andere entschlüpft unbemerkt. Mal ist die Zeit da, mal ist sie weg. Mal ist die Zeit kurzweilig, mal ist sie langweilig. Was für ein Zauber. Wie ein Kaninchen, das der Magier aus dem Hut holt – und wieder verschwinden lässt. Ganz nach der Manier von flinken Taschenspielertricks, denen man nie auf die Schliche kommt – auch wenn man noch so genau hinschaut. Es war wohl das unberechenbare Wesen der Zeit, weshalb ein gewisser Seneca schon vor zweitausend Jahren seinen Zeitgenossen eintrichterte: „Sammle und erhalte dir die Zeit, die dir bisher entweder geraubt oder entwendet wurde oder entschlüpfte.“ Warum also nicht mal ein paar Stunden auf die Seite legen? Zeit gibt‘s nicht im Übermaß, sparen wir also für „Zeiten der Not“. Frei nach dem Volksmund: „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.“ Bringen wir doch ein wenig Zeit auf die Zeitsparkasse. In dem Bestreben, Zeit zu sparen, schnüren wir „Zeitpakete“. Wir alle tun dies – mehr oder weniger bewusst. Die Zeit wird dabei in etwas umfunktioniert, was in der Zukunft geschieht. Ohne Zweifel haben auch Sie schon mal gedacht oder gesagt: „Wenn ich dann mal Zeit habe“, und dabei eine Aktivität vor Augen gehabt, für die Sie sich momentan keine Zeit nehmen wollen oder können. In unserer Vorstellung schnüren wir den gedachten Zeitverbrauch dieser Handlungen in ein Zeitpaket und legen es ab, bewahren es auf – für die spätere Nutzung (am Wochenende, im Urlaub, wenn wir in Rente sind). Schön wär’s. Das funktioniert natürlich nicht. Zeit verrinnt unabänderlich und kann weder gespart noch gewonnen werden. Einmal verflossene Zeit ist unwiederbringlich verloren. Und wenn Sie mal Zeit verloren haben, dann brauchen Sie gar nicht erst zu versuchen, diese wieder aufzuholen. Eine Devise könnte also lauten: „Nimm die Zeit so wie sie ist; es gibt keine andere.“ Und konsequenterweise muss es dann auch heißen: „Nimm die Zeit so wie sie kommt; sie kommt nicht anders.“ Da kann man sich noch so sehnlichst eine Zeitverschiebung herbeiwünschen, frei nach dem Trugbild von Charles Chaplin: „Die Jugend wäre eine schönere Zeit, wenn sie später im Leben kommen würde.“ Von wegen. „Schön wär’s“, dachte er sich vielleicht, „wenn man jedem die Kindheit wie einen Eimer über den Kopf stülpen könnte.“ Aber so läuft’s eben nicht. Stattdessen muss man es nehmen wie es kommt – und das Beste draus machen. So ist das mit der Zeit. „Zeit ist das unerbittlichste und das am wenigsten flexible Element in unserer Existenz.“ Mit dieser Standpauke bringt Ted W. Engstrom, einst Präsident von World Vision International, das Wesen der Zeit auf den Punkt. Die Zeit entzieht sich unserem Einfluss. Wenn es etwas Konstantes in unserem Leben gibt, dann ist es der „Lauf der Zeit“. Beeinflussen können wir lediglich den „Lauf der Dinge“. Die Dinge verändern sich, während die Zeit stetig dahinfließt. Will man die Zeit greifbar machen, wird man schnell ratlos. Selbst jene, die viel Zeit hatten, um sich
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mit der Zeit zu beschäftigen, resignierten irgendwann. So wie auch Kirchenvater Augustinus, aus dem 4. Jahrhundert nach Christus, als er seinem romantisch emotionalen Protest über die Zeit wie folgt Gehör verschaffte: „Die Zeit kommt aus der Zukunft, die nicht existiert, in die Gegenwart, die keine Dauer hat, und geht in die Vergangenheit, die aufgehört hat zu bestehen.“ Aha, so ist das also! Doch diese Perspektivlosigkeit lässt einer der einflussreichsten Theologen und Philosophen der christlichen Spätantike, jemand der das abendländische Denken wesentlich geprägt hat, nicht lange auf sich sitzen. Wenn sich die Zeit schon nicht zähmen lässt, so wollte Augustinus ihr wenigstens die Flügel stutzen. Und prompt lässt er die Katze aus dem Sack. Seine Abrechnung mit der Zeit ist knallhart: „Eigentlich also kann man nicht sagen: es gibt drei Zeiten, Vergangenheit und Gegenwart und Zukunft. Genauer vielleicht wäre zu sagen: es gibt drei Zeiten, die Gegenwart des Vergangenen (Gedächtnis), die Gegenwart des Gegenwärtigen, die Gegenwart der Zukunft (Erwartung).“ Alles läuft also auf die Gegenwart hinaus. Bei der Vergangenheit und der Zukunft handelt es sich weniger um Zeit, sondern viel eher um Projektionen. Ein äußerst geschickter Schachzug war das, knochentrocken und ganz im Stile eines mit allen Wassern gewaschenen Winkeladvokaten. Aber chancenlos, wie wir heute mit klarem Sachverstand wissen. Nur einer hat sich in der Geschichte der zivilisierten Menschheit von Augustinus’ Offensiven gegen die Zeit blenden lassen. Jemand von königlichem Geblüt wollte sich partout nicht damit abfinden, dass man über das Zeitliche keine Gewalt hat. Ein herrschsüchtiger Holzbock, der sich von der Zeit nicht gerne auf der Nase herumtanzen ließ. Mit fadenscheinigen Argumenten ließ er sich stattdessen als „Herr der Zeit“ feiern, der als „Sonnenkönig“ gehuldigte Ludwig XIV. Von wegen „Maitre du temps“! Was er vorzuweisen hatte, war ausgesprochen dünn, um nicht zu sagen hohl. Angeblich beherrschte er durch seine Erinnerung die Vergangenheit, durch seine Weisheit die Gegenwart und durch seine Voraussicht die Zukunft. Ha, das haben wir heute auch drauf. Wir können in die Zukunft vordringen und uns Dinge vorstellen, die noch gar nicht passiert sind. Wir können die Vergangenheit in die Gegenwart holen, indem wir unsere Erinnerungen noch einmal durchleben. Und die Gegenwart, die ist von größerer Dauer, wenn wir sie nicht schnellstens in der Vergangenheit verschwinden lassen. Tolle Sache! Aber was bringt es uns? Gar nichts! Die Zeit steht uns zwar frei zur Verfügung, aber wir können uns die Zeit nicht nehmen. Wir möchten mehr Zeit haben, aber die Zeit lässt sich nicht vermehren. Wir wollen die Zeit festhalten, aber sie lässt sich weder speichern noch einlagern. Wir können die Zeit zwar messen, aber wir können sie nicht verändern. Selbst in Momenten, in denen wir „die Zeit totschlagen“, kommt diese nicht zum Erliegen, sondern verrinnt kontinuierlich weiter – zieht quasi unbemerkt an uns vorüber. Und dennoch, eins ist sonnenklar: Sie können nicht einfach „keine Zeit“ haben. Sorry, das geht nicht. Damit kommen Sie nicht durch. Mit dieser Redensart, die ihren Ursprung im 18. Jahrhundert hat, stehen Sie zwar heute nicht allein auf weiter Flur. In unserer Zeit sind Sie damit alles andere als ein einsamer Ausreißer. Sie befinden sich sogar in bester Gesellschaft. Aber das Argument zieht nicht. Noch von einem Menschen aus dem 17. Jahrhundert hätten Sie ob dieser Aussage, „Ich habe keine Zeit!“, verständnislose Blicke geerntet. Geradezu absurd und vollkommen
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sinnlos wäre ein solcher Gedanke in jener Zeit erschienen. Heute allerdings ist dieser Ausspruch eine gängige und gehaltlose Floskel. Bedeutungsleer steht sie nur noch oberflächlich im Raum, denn einen tieferen Sinn hat sie eh nicht. Und so sehen wir über die Abwegigkeit dieser Plattitüde gedankenlos hinweg – schließlich haben wir keine Zeit, um uns weiter Gedanken darüber zu machen. Ich sage: Nur keine Panik! Und meine: Die Zeit läuft Ihnen nicht davon. Die Zeit kommt immer wieder, so wie die sieben Tage der Woche, die zwölf Monate des Jahres und die Jahreszeiten. Die Zeit kommt immer wieder und bietet Ihnen immer auch neue Chancen und neue Gelegenheiten zur Zeitkonsumierung. Die Zeit kommt immer wieder und erlaubt Ihnen, Dinge besser zu machen, zu lernen und einen höheren Nutzen aus der Zeitnutzung zu ziehen. Die Zeit kommt immer wieder und Sie können diese neuen Zeitabschnitte entweder verschwenden oder – mit Hilfe dieser Rettungsaktion – sicherer, gezielter und effizienter nutzen. Vielleicht verbirgt sich hierin die längst herbeigesehnte Zeit-Manipulation, wie sie schon der begnadete Leonardo da Vinci in Sinn hatte, als er seine Zeitformel auf den Weg brachte: „Die Zeit verlängert sich für alle, die sie zu nutzen wissen.“ Und wir müssen es ihm zugestehen: Wie kaum ein anderer hat er seine Lebenszeit genutzt. Sicher hat auch er seine Lehren aus der Vergangenheit gezogen und das eindringliche Plädoyer des großen römischen Philosophen Seneca immer vor Augen gehabt: „Es ist nicht wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nutzen.“ So schnell können sich die Dinge ändern. Eben noch – im ersten Kapitel dieses Buches – haben wir Ihre Zeitknappheit im allerbesten Licht dargestellt. Und nun heißt es auf einmal, dass es diese Begrenztheit an Zeit nicht geben kann. Von Zeit „en masse“ ist hier sogar die Rede. „Schön und gut“, werden Sie sich denken. Und: „Wie erschließt sich mir diese Zeitfülle? Wie kann ich sie im täglichen Leben erfahren?“ Also, gehen wir der Sache auf den Grund.
Kapitel 11
Zeitnot ist das falsche Wort – Warum Zeitnot kein Zeitproblem ist
Jeder will die Zeit in den Griff kriegen. Vielleicht sogar ein wenig davon einsparen. Schön. Bevor wir aber die Zeit gestalten und uns mehr Zeit nehmen können, müssen wir sie erst im Alltag entdecken. Das ist gar nicht so einfach, wenn das tägliche Leben immer häufiger aus verlorener Zeit besteht. Da lohnt es sich, mal genauer hinzuschauen. Wenn Sie null Zeit haben und Ihre Stimmung deshalb auf dem Nullpunkt ist, dann trifft die Zeit null Schuld. Wenn das Leben wie im Zeitraffer an Ihnen vorbeirauscht, dann ist es nicht die Zeit, die rast. So ungewohnt dies auch klingen mag – die Zeit ist nicht der Verursacher dieser Auflösungserscheinungen. Im Grunde genommen hat sie nichts damit zu tun. Sie ist fein raus, vollkommen unschuldig, das können Sie mir glauben. Hier ist ein anderer Grundsatz, den ich nach vielen Zeitberatungserfahrungen festgezurrt habe: „Zeitnot ist kein Zeitproblem!“ Ist ja auch irgendwie logisch. Was kann denn die Zeit für die Zeitnot? Wen wundert’s, dass sich Zeitprobleme regelmäßig in Luft auflösen, wenn man sie hinterfragt. Wie bei der Oma, die äußerst flott strickt und auf die Frage eines staunenden Beobachters nach dem Beweggrund für diese Hektik antwortet: „Ich will fertig sein, bevor die Wolle zu Ende ist.“ Sie wissen es natürlich, die Zeit ist nicht das Problem. Aber woran liegt es denn, wenn die Zeit mal wieder wie im Flug vergeht? Wenn’s nicht die Zeit ist, wer soll es dann sein? Wem können wir den schwarzen Peter unterjubeln? Wen können wir als Täter in der schwarz-weiß-gestreiften StrafgefangenenKleidung vorführen? Wen können wir als Auslöser unserer Zeitmisere an den Pranger stellen? Den äußeren Umständen können wir nicht ernsthaft die Schuld in die Schuhe schieben. Das wäre zu kurz gedacht. Es sei denn, wir sehen in uns den beherzten Weltverbesserer, der nichts unversucht lässt. Ansonsten ist unser Umfeld fein raus. Die Welt ist wie sie ist. Vielleicht muss man sich nicht ohne Grund immer wieder anhören, dass die Welt selbst weder gut noch schlecht ist. Erst das Denken im Menschen macht sie angeblich zum einen oder anderen. Wenn das stimmt, weh oh weh, denn viele Verdächtige bleiben jetzt nicht mehr übrig. Sie ahnen es vermutlich schon. Das Problem ist hausgemacht. Wir beherbergen es sozusagen, sind der Herbergsvater. Wir selbst sind es. Wir selbst sind der Dieb unserer eigenen Zeit. Nun ist diese Feststellung so neu auch wieder nicht und dennoch werden unsere Gedanken regelmäßig in die verkehrte Richtung gelockt, wenn sich ein Zeitloch
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vor uns auftut. Wir folgen dann einer falschen Fährte, so wie sich auch Napoleon Bonaparte mit seinen Gedanken verrannte, als er aus Verzweiflung jemanden vorverurteilte: „Es gibt Diebe, die nicht bestraft werden und dem Menschen doch das Kostbarste stehlen: die Zeit.“ Potztausend, die Zeit als größter Zeitdieb aller Zeiten – was für ein Trugschluss. Doch sehen wir es wie immer positiv und halten fest: Zeitnot hat zum Glück nichts mit Zeitknappheit zu tun. Zeitnot entsteht in unserem Kopf. Zeitnot ist eine Leistung unseres Gehirns, auf die wir gerne verzichten würden – eine Fehlfunktion sozusagen. Nicht immer kann man diesen „Denkfehler“ von einer auf die andere Sekunde abstellen, aber in jedem Fall lässt sich da was machen. Wir müssen es nur richtig angehen und die richtigen Fragen stellen. Zum Beispiel: „Was hat die Uhr aus unserer Zeit gemacht?“ Es gab und gibt sie noch immer – die Konflikte zwischen Naturzeit und Uhrzeit. Ursprünglich vermittelte die Natur dem Menschen das Zeitgefühl. Vor langer Zeit bestimmte ausschließlich unsere natürliche Umgebung den Takt von Tag und Nacht, Mond-Monaten, Jahreszeiten und Jahresperioden. Zu Urzeiten lebte man im Rhythmus der Naturzeit, im unbewussten Einklang mit dem eigenen Biorhythmus. Zeit war für die Menschen das, was die Natur ihnen vorgab. Und sie war für die Normalsterblichen alles andere als objektiv. Drehen wir mal am Rad der Zeit – entgegen dem Uhrzeigersinn. Mit einem Schritt zurück, einer Zeitreise in die Vergangenheit können wir einem Zeitsinn nachspüren, der uns in der Moderne verschlossen bleibt. Auf den Spuren großer Kulturen – das bringt Licht ins Dunkel der Zeithistorie. Anhand von Vorgängen in diesen Epochen, die sich über mehrere Jahrzehnte hinzogen, können wir uns das damals vorherrschende Zeitverständnis eindrücklich vor Augen führen. Der Bau von Pyramiden im alten Ägypten beispielsweise ist so ein Fall. Das Papyruszeitalter kann uns ein vielsagendes Bild von der Vorgeschichte unserer Zeit vermitteln. Es ist die Stunde der mächtigen Pharaonen. Gott gleichgesetzte Herrscher, die über ein weit verzweigtes Reich regieren. Gigantische Bauvorhaben leiern diese dem Größenwahn verfallenen Könige an. Verbunden freilich mit einem gewaltigen Arbeitseinsatz der Bevölkerung. Heerscharen von Arbeitern ackern Jahrzehnte in brütender Hitze. Unglaubliches leisten sie mit ihren Körpern und Unermessliches erschaffen sie mit bloßen Händen. Dem ägyptischen Volk verlangt man viel ab, damit ihre Gebieter in kolossalen Denkmälern eine angemessene Ruhestätte für die Zeit nach dem Dahinscheiden finden. Majestätisch erheben sich die Monumente vor dem Betrachter. Schon die Baustelle einer Pyramide, mit ihrem Versorgungsstrang zum Nildelta und den Transportwegen zu den Steinbrüchen in der näheren Umgebung, hat eine gewaltige Ausdehnung. Was aus der Ferne wie ein wirres Treiben auf einem Ameisenhaufen gleicht, ist aus der Nähe betrachtet solide durchorganisiert. Und am Schluss, wenn das Wunderwerk vollbracht ist, hat der Bauherr kurzerhand noch geistreiche Chronisten und farbenfrohe Maler angeheuert. Junge Michelangelos und da Vincis. Für ein stilvolles Ambiente im Innern der Pyramide sind sie zuständig. Die geraten manchmal außer Kontrolle. Wachsen in ihren künstlerischen Sphären über sich hinaus. Typisch Kreativschaffende, von Spielregeln wollen die nichts wissen. Sie toben sich regelrecht aus. Kritzeln Wände, Decken und Säulen voll. War das die Geburtsstunde der Graffiti? Immerhin. Nun ist die Nobelherberge bezugsfertig und die getriebenen Handlanger dürfen mit dem Einräumen beginnen. Alles Mögliche karren sie in diesen riesigen Steinhaufen hinein. Ihren Halbgott natürlich zuerst. Den im Stile eines Organspenders ausgeschlachteten Leichnam des Pharao bugsieren sie kurzerhand mitsamt Klamotten ins Grabgewölbe.
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Zeitnot ist das falsche Wort – Warum Zeitnot kein Zeitproblem ist Todschick sieht er aus. Im gleichen Atemzug löst man seinen Hausrat auf und verfrachtet den ganzen Krempel aus seinem Palast unisono ins neue Gotteshaus. Das zutiefst verunsicherte Gefolge des Pharaos folgt auf dem Fuß – allerdings nicht ganz so folgsam, wie es sich für anständige Gefolgsleute geziemt. Lamentieren hilft da gar nichts. Einmal Diener, immer Diener. Im Diesseits wie im Jenseits. Zur allgemeinen Beruhigung dürfen deshalb auch sie ihren Plunder mitnehmen. Ohne Skrupel lockt man die ehemals ergebene Dienerschaft mit den blühendsten Versprechungen in die Falle, um sie kurzerhand in der unterirdischen Gruft einzubuchten. Als Treueprämie und Hoffnungsschimmer dürfen sie sich zuvor ein edles Teil aus der Haushaltsauflösung des verblichenen Budenbesitzers aussuchen. Anschließend melden sich dann die hohen Priester am Check-In. Selbst die haben eine Menge Trödel im Schlepptau, dafür geht bei ihnen das Einchecken sang- und klanglos über die Bühne. Sie meutern nicht groß, sondern bahnen sich stumm ihren Weg ins Pyramideninnere. Jetzt muss man nur noch die Geheimnisträger drankriegen. Jene genialen Konstrukteure und findigen Tüftler, die einen Großteil ihres Lebens damit verbracht haben, im Innern der Pyramide an geheimen Gängen und Verschlussmechanismen zu arbeiten. Selbst einen löchrigen Schweizer Käse hätten diese begnadeten Labyrinthbauer und Verriegelungszauberer zu einem diebessicheren Panik-Raum umfunktionieren können. Die Strategie, um eben jene zu ködern und irgendwo einzubuchten, hat sich förmlich aufgedrängt. Anlässlich der Schlüsselübergabe vor der Grabkammer erzählt man den talentierten Kunstwerkern beiläufig von den fein gearbeiteten Miniaturmodellen der Pyramide, die in Kürze an die werten Baufachleute und Sicherheitsingenieure abgegeben werden. Präzisionsmechanik mit Einlagen aus Blattgold. Pfiffige Vorläufer des Rubik’s Cube – pyramidenförmig zwar, aber mit drehbaren Steinlagen. Was haben die gejauchzt. Kaum zu glauben, wie schnell diese Haptiker vor der Ausgabestelle im Innern des Grabgewölbes Schlange stehen. Das war die letzte Menschenschlange. Die Schwachstelle „Mensch“ ist hiermit zu Grabe getragen. Ganz am Schluss werden lediglich noch die zahlreichen Schätze, welche der raffgierige Möchtegern-Gott zeit seines Lebens angehäuft hat, irgendwo im Keller der Pyramide gebunkert – anstatt an den Wohlstand der Nation zu denken und das schmucke Zeugs unters Volk zu bringen. Mit all dem Ramsch im neuen Heim steht einem glamourösen Comeback der überirdischen Nationalfigur nichts mehr im Wege. Völlig neue Möglichkeiten tun sich da auf. Mit seinem edlen weißen Leinengewand und seiner klobigen Totenmaske kann er zukünftig in der „Halle des ewigen Lebens“ einen gespenstischen Spuk treiben. Als authentischer Grabräuber-Schreck könnte er sich mit dieser Masche in seinem neuen Leben etwas hinzuverdienen. Ach ja, ein paar schicke Sonnenboote gibt‘s zudem als Dreingabe – für die stilvolle Reise ins Schlaraffenland und die feuchtfröhliche Freizeitgestaltung im nächsten Lebensabschnitt. Nun ist alles an Bord und flugs hat man die Luken dichtgemacht. Das war’s! Jetzt kommt keine Maus mehr raus, und schon gar nicht rein. Einen „Tag der offenen Tür“ wird es hier nicht mehr geben. Rien ne va plus! Nix geht mehr! Ein Wahnsinn war das! Gut über 12.000 Leiharbeiter haben da Hand angelegt und auf einer Grundfläche von 53.000 Quadratmetern weit über zwei Millionen einzelne Steinquader in zweihundert aufeinander geschichteten Steinlagen verbaut. Mit einer Höhe von etwa 150 m hat man für die folgenden 4000 Jahre das höchste Gebäude der Welt vorgelegt. Addiert man die vier Grundseitenlängen der untersten Steinschicht, ist man bei über einem Kilometer Länge. Das ganze Prachtstück bringt es auf ein Volumen von annähernd drei Millionen Kubikmetern und ein Gesamtgewicht von etwas über sechs Millionen Tonnen. Ein bischen viel für einen vielleicht 160–170 cm großen Haudegen, der hier seine letzte Ruhe finden will. Diese halbe Portion Gott! Allen Ernstes glaubten die zu Fleisch gewordenen Götter im alten Ägypten, dass sie auf diese Weise im Jenseits so bedeutungsvoll ankommen, wie sie die Welt im Diesseits verlassen. Dabei ist doch vor dem höchsten Herrn jeder gleich! Aber das haben die damals offensichtlich noch nicht geschnallt. Und überhaupt – die letzte Ruhe in allen Ehren –, wie groß müssen wohl die Friedhöfe in jenen Zeiten gewesen sein?
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II Der Hilferuf – S.O.S. Ich bin in Zeitnot Für die Ewigkeit waren sie bestimmt – diese diebessicheren Bauwerke – und oft hat es eine Ewigkeit gedauert, bis sie fertiggestellt waren. Für manch einen war es eine Plackerei auf Lebzeiten. Aber wie viel Zeit dauerte damals ein Leben? Wie viel Lenze konnte man auf dem Buckel vertragen? Könnte man als Zeitreisender die Zwangsarbeiter im alten Ägypten danach befragen, wie viele Jahre sie sich denn nun schon am Bau einer Pyramide schinden, würde man an den Antworten verzweifeln. Jeder der Befragten hätte eine andere Auskunft auf Lager. Dreißig Jahre, kann man von einigen der gut Gebauten und Kräftigen hören. Andere sagen fünfzig Jahre, dabei sehen sie selbst nicht viel älter aus als vierzig. Die nächste Gruppe wirft die Sechzig in die Runde: „Seit sechzig Jahren nun schon, ziehen wir tonnenschwere Steinquader hinter uns her.“ Unsinn! Da hätten die ja schon im zarten Kindesalter, als sie kaum richtig gehen konnten, Steine ziehen müssen. Wieder andere behaupten, vor siebzig Jahren selbst die ersten Blöcke ins Fundament gelegt zu haben. Völlig daneben! Klar gehörten Letztere zur älteren Generation – aber deutlich mehr als siebzig Lenze auf dem Buckel, das kauft man ihnen dann doch nicht ab. An einen der umstehenden Steinestapler, Pardon: Baufachleute, will man noch herantreten. Man schaut in die Runde, denkt sich aber schon beim ersten Blickkontakt, „Ach, vergiss es!“, und winkt resigniert ab, „Ich weiß, achtzig Jahre.“ Mit den widersprüchlichen Zeitaussagen dieser verhinderten Tempelbauer tut sich der Zeitnomade aus der Neuzeit so richtig schwer. Das ist ganz und gar nicht nach seinem Geschmack. Natürlich will man nicht um jedes einzelne Jahr feilschen, aber gesicherte Tatsachen gibt‘s hier wohl trotzdem nicht. Wem konnte man Glauben schenken? Wer war näher an der Wahrheit? Will hier denn niemand Farbe bekennen? Geht hier alles mit rechten Dingen zu? Haben die Strapazen das schuftende Volk in die Irre getrieben? Ticken die noch richtig? Die Darstellungen der damaligen „Zeitzeugen“ kann man offensichtlich nicht für bare Münze nehmen. Da können leicht mal ein halbes Dutzend Jahre zu viel oder zu wenig auftauchen. Niemand der Befragten konnte mit Sicherheit sagen, wann die Knechtschaft begonnen hat. Wie auch? Die Menschen maßen die Zeit damals nicht erstrangig anhand von Jahren, sondern nach dem, was sie beim Baubeginn noch zu tun in der Lage gewesen waren: Welche Strecken konnten sie an einem Tag zurücklegen? Wie schnell konnten sie gehen? Wie lässig konnten sie im knietiefen Nilschlamm den Strohlehm treten? Wie geschickt konnten sie in den niedrigen und verwinkelten Gangsystemen im Herzen der Pyramide krabbeln? Wie gut konnten sie im Dunkeln der Pyramidengänge sehen? Wie viel hatten sie auf dem Rücken tragen können, welche Lasten anheben, wie kräftig den Stein behauen, wie lange ohne Pause schuften, wie sicher Treppen steigen, wie hoch klettern, wie lange am Abend feiern, wie früh am Morgen aufstehen? Diese Vergleiche waren das Maß der Zeit. Subjektiv geprägt natürlich, denn ein jeder nimmt das Vergehen der Zeit und das damit verbundene Älterwerden anders wahr. Ein Zeitbegriff, der über ein Jahr hinausging, war den Altägyptern im Grunde wesensfremd und unverständlich. Mit jedem neuen Jahr begann neue Zeit. Der eigene Körper musste gewissermaßen als Uhrersatz herhalten. Aber diese dem eigenen Leben naheliegende Wahrnehmung der Zeit sollte nicht ewig Bestand haben. Lediglich die bewundernswerten Denkmäler der überaus fleißigen Hochstapler, die scheinen in der Tat zeitlos zu sein. Diese quasi unzerstörbare Bauweise hat vermutlich auch den Ausspruch hervorgebracht: Der Mensch fürchtet die Zeit, die Zeit fürchtet die Pyramiden.
Die Verstetigung der Zeit – seit der Mensch damit begonnen hat, die Zeit zu messen, indem er die Uhr mit der Zeit verheiratete und daraus die „Uhrzeit“ schuf, seitdem hat sich auch unsere Wahrnehmung der Zeit verändert. Natürlich nicht
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sofort, aber „im Laufe der Zeit“. Da heißt es immer so lapidar „Die Zeiten ändern sich.“ Und der Mensch? Er etwa nicht? Ist in uns alles beim Alten? Sind wir gleich geblieben? Von wegen! Die Uhr hat uns den Marsch geblasen. Hat uns gezeigt, wo’s langgeht. Der Siegeszug der mechanischen Uhr als halbwegs kompakter Alltagsgegenstand, der zum Ende des 16. Jahrhunderts einsetzte, hat aus uns einen anderen Menschen gemacht. Die Uhr wird zum Automaten und schlagartig vergeht die Zeit automatisch. Stillschweigend und leise tickend wurde unsere persönliche Zeitstruktur unterwandert und klammheimlich unser Zeitverständnis umprogrammiert. Die Zeitmesser haben uns einen neuen Zeitrhythmus eingetrichtert. Obschon das Uhrwerk dafür einiges an Kritik und Prügel einstecken musste. Beispielsweise als Charles Warner um etwa 1884 zerknirscht lamentierte: „Das Zerhacken der Zeit in starre Perioden ist ein Angriff auf die persönliche Freiheit und lässt keine Unterschiede in Temperament und Wahrnehmung zu.“ Und genau so ist es auch gekommen. Die Rhythmik der Natur wurde in die Wüste gejagt. Der Blick in den Himmel, zu jenem scheinbaren Gewölbe, welches die Sonne und Gestirne zu tragen scheint, hat sich verabschiedet. Zeit ist für uns eine definierte Größe, etwas, das konstant – im Sekundentakt – verrinnt. Die Dauer einer Sekunde ist in der Tat physikalisch exakt festgelegt. Wer’s genau wissen will: Sie entspricht 1192631700 Schwingungen der Strahlung beim Übergang zwischen zwei Energiestufen des Isotops Cäsium 133. Wenn wir schon dabei sind: Ein Tag dauert nicht ganz genau 24 Stunden, beziehungsweise 86,400,000 Sekunden. Ein Tag erstreckt sich über 23 Stunden, 56 Minuten und 4,099 Sekunden. Das sind 86,164,099 Sekunden. 235,901 Sekunden fehlen also für den vollen 24-Stunden-Tag. So, jetzt wissen Sie’s genau. Darauf aufbauend erleben wir Zeit heute als Ablauf von Sekunden, Minuten und Stunden. Unser Tagesablauf wird nicht mehr von der inneren biologischen Uhr dominiert, sondern von einem standardisierten technischen Zeitsystem bestimmt – der pulsierende Takt des Lebens. Die moderne Technik in Gestalt eines Uhrwerks schirmt uns gewissermaßen von der ursprünglichen, natürlichen Zeit ab. Die natürliche Zeit ist Geschichte – nur noch für Historiker von Interesse. Der Normalbürger hat genug damit zu tun, tagtäglich die tickende Zeit „in den Griff“ zu bekommen. Wortschöpfungen und Modewörter wie „Fastfood“, „Last-Minute“ und „Realtime“ verdeutlichen diesen Gesinnungswandel. Während die Zeit früher mit dem Naturgeschehen „verbunden“ war, erleben wir sie nun nicht mehr als Verbündeten, sondern als Gegenspieler. Wir leben nicht mit der Zeit, sondern gegen die Zeit. Die mechanische Zeit; ewiger Prügelknabe oder glücksbringende Segnung? Fest steht: Wenn wir die Zeit heute nur auf eine einzige Zeitform reduzieren – die mechanische Zeit –, beschränken wir uns selbst. Wer Zeit als abstrakte Größe einstuft, auf deren Veränderung er ohnehin keinen Einfluss hat, wird auf den Versuch, die Zeiger in die Hand zu nehmen, verzichten. Wenn die wesentlichen Merkmale dieser absoluten Zeit – ihre Gleichförmigkeit und ihre Nichtumkehrbarkeit – unser Leben dominieren, haben wir schlechte Karten. Wenn wir Zeit heute als etwas ansehen, das jenseits unseres Einflussbereiches liegt, ist genau dies die Fehleinschätzung.
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Nicht der Zeitmangel sollte uns deshalb Sorgen bereiten, sondern die allgemeine Tendenz, unsere Denkmechanismen auf die mechanische Zeit auszurichten und unseren Erfahrungshorizont daran festzumachen. Dieser Grundhaltung folgend suchen wir den Heilsweg einseitig in einem schnelleren oder effizienteren Umgang mit der Zeit. Unter den Tisch fällt dabei, dass sich auch in unseren Anschauungen übers Zeiterleben ein grundlegender Wandel vollziehen muss. Beginnend bei der Art und Weise, wie wir unser alltägliches Leben abspulen. Das frei überlieferte Zwiegespräch zwischen einem Zen-Meister und seinem Schüler sagt alles. Der Lehrer stellt ungefärbt klar: „Wenn ich sitze, dann sitze ich. Wenn ich stehe, dann stehe ich. Wenn ich gehe, dann gehe ich. Wenn ich esse, dann esse ich.“ Der Schüler bestätigt, dass er dies genauso halte. Woraufhin der weise Meister ihn zurechtweist: „Wenn du sitzt, dann stehst du schon wieder. Wenn du stehst, dann läufst du schon. Wenn du läufst, dann bis du mit deinen Gedanken schon am Ziel.“ Das ist unser Problem. Wenn wir nach dem Aufstehen duschen, sind wir schon beim Ankleiden. Wenn wir frühstücken, sind wir schon beim Zähneputzen. Wenn wir die Zeitung überfliegen, fahren wir schon Auto. Wenn wir unterwegs sind, sitzen wir schon im Büro. Kaum im Büro ankommen, sind wir mit unseren Gedanken schon mitten in der ersten Sitzung. Halt! So geht das nicht. Wenn unsere Aufmerksamkeit immer auf den nächsten Moment fixiert ist, wenn unser Fokus immer in der Zukunft liegt, versäumen wir das gegenwärtige Geschehen. Wenn es hauptsächlich darum geht, Dinge möglichst schnell hinter uns zu bringen, ohne sie zu genießen und bewusst auszukosten, hat die Zeit wenig für uns übrig. Das kommt einer Gegenwartsflucht gleich, bei der wir einen ziemlich großen Anteil unseres Lebens verpassen. In der Erinnerung schrumpft die Zeit dahin. Das Leben besteht aber aus einer beständigen Abfolge von Momenten. Nur wenn wir mental auf diese Augenblicke ausgerichtet sind und uns die Gegenwart erhalten, stellt sich ein Gefühl der Zeitdehnung ein. Nur dann zieht sich die Zeit dahin. Und nur dann erscheinen uns auch in der Erinnerung die Erlebnisse deutlich intensiver und länger. Konzentrieren Sie sich immer nur auf eine Sache – auf das, was sich im Moment abspielt. Elfriede Hablé, eine österreichische Musikerin, hat dies mit einer einprägsamen Momentaufnahme ihrer Gedanken verdeutlicht: „Nur wer den Augenblick erfasst, hat die Chance, Herr über seine Zeit zu sein.“ Gesagt werden muss an dieser Stelle freilich auch: Unsere Erziehung und unsere Schulbildung basieren auf einem zeitgemäßen Weltbild, aber einem unvollständigen Zeitbild. Unsere Bildungskultur bringt zwar sehr viele Sachverständige auf die Welt, aber sehr wenig Zeitverständige. So verbringen wir Jahre damit, uns einen soliden Sachverstand anzueignen. Hingegen wird ein dienlicher Zeitverstand ganz einfach vorausgesetzt. Dabei ist gerade der durch die Zeitmessung zementierte absolute Blick auf die Zeit ist eine Stolperfalle, wenn es um den richtigen Umgang mit der Zeit geht. Darauf hatten sich die Kollegen der Uhrmacher-Gilde eingeschworen: „Zeit ist das, was man an der Uhr abliest.“ So hätten diese Spitzbuben es gerne gesehen. Raffiniert. Mit jeder Uhr wollte man die Zeit gleich mitverkaufen. Aber für den Menschen ist Zeit eben nicht nur eine Form gleichzeitiger und zyklischer Abläufe, so wie es die Erfinder der Uhr im Sinn hatten. Das mechanische Zeitbild blendet die so wichtige subjektive Zeiterfahrung aus. Manch einer mag es vielleicht als Segen
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deuten, wenn man resümiert, dass wir Menschen heute über mehr Taktgefühl als Zeitgefühl verfügen. Aber so mir nichts, dir nichts sollten wir unseren eigenen Zeitsinn nicht abschreiben. Es ist an der Zeit, dass wir falschen Vorstellungen über die Zeit entgegensteuern und andere Zeitformen als die der mechanischen Zeit nicht länger unter den Tisch fallen lassen. Aus einer entspannten und kooperativen Haltung gegenüber der Zeit erwachsen Erkenntnisse und Nutzen. Nicht die Zeit ist unser Problem, sondern unsere Wahrnehmung von Zeit und unser Umgang mit ihr. Zeit ist nicht nur Mechanik, sondern auch eine Sichtweise. Wenn’s alleine nach dem gefühllosen Zeitmesser geht, veranschlagt eine Minute immer genau den sechzigsten Teil einer Stunde. So wie in einem Dialog von Thomas Manns Zauberberg: „Eine Minute ist so lang. . .sie dauert so lange, wie der Sekundenzeiger braucht, um seinen Kreis zu beschreiben.“ Der Konter folgt im Roman auf dem Fuße: „Aber er braucht ja ganz verschieden lange – für unser Gefühl.“ So ist es. Für unser Bewusstsein läuft die Zeit nicht gleichmäßig ab, wir nehmen nur der Ordnung halber an, dass sie es tut. Zeit ist aber auch eine persönliche Wahrnehmung des vorbeiziehenden Lebens – im Kleinen, also den Minuten, Stunden und Tagen, wie im Großen, also den Wochen, Monaten und Jahren. Wenn Johann Wolfgang von Goethe dem Benehmen einen Spiegel vor das Gesicht hält, dann sage ich: „Die Zeit ist ein Spiegel, in dem jeder sein Bild ausstellt.“ Damit steht fest: Jeder von uns trägt einen Maßstab in sich, an dem er seine „ureigene Zeit“ misst – das subjektive Zeitempfinden, die Eigenzeit des Bewusstseins. Wenn wir Zeit als beeinflussbare Erfahrung von Dauer und nicht als mechanisches Diktat sehen, stolpern wir auch nicht mehr über die Unzeit. Ja, auch dieses unschöne Wort hat mit der Uhrzeit ihr Debüt hingelegt. Plötzlich war sie da, diese zweite, gänzlich unpassende Zeit. So wie der Saturn mit zwei Monden daherkommt, musste unsereins auf einmal mit zwei Zeiten klarkommen. Ein Unding ist das, diese Unzeit. Die natürliche Zeitordnung kennt nichts dergleichen und auch im mechanischen Zeitbild der Uhrwerker war sie nicht vorgesehen. Dennoch hält sie sich hartnäckig und gibt sich kämpferisch. Wie Unkraut wuchert sie und wie Ungeziefer grassiert sie – die Unzeit. Zu einer Unsitte hat es geführt, weil man dieses Unwort immer öfter denkt, gebraucht und unterstellt. Da gönn ich mir lieber eine Auszeit. Diese Zeit gefällt mir weitaus besser. Mit der Auszeit geh ich gerne aus. Die Unzeit fällt bei mir in Ungnade. Und da sind wir prompt beim ewigen Spiel mit der endlichen Zeit – und bei der Erkenntnis, dass der Begriff „Zeitnot“ ein verkorkstes Konstrukt ist. Eine Not an Zeit kann und wird es nicht geben. Not haben wir, wenn etwas fehlt – und sei es der Durchblick. Was uns aber in der Zeitnot fehlt, ist ganz sicher nicht die Zeit. Wie auch? So mir nichts, dir nichts kann sie sich nicht in Luft auflösen. Dennoch liegt der Zeitnot eine Mangelerscheinung zugrunde – ohne Zweifel. Aber den Mangel tragen wir in uns. Er nährt sich einerseits an unserer Einstellung gegenüber der Zeit. Vorausgesetzt natürlich, dass diese Einstellung falsch programmiert ist. Er nährt sich andererseits an einem Kontrollverlust. Beispielsweise wenn wir die Übersicht über unsere Pflichten verlieren. Wenn wir das gesamte Spektrum der anstehenden Dinge als tonnenschwere Last empfinden. Immer wenn uns die Dinge irgendwie aus dem
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Ruder gleiten, wird das Kontrolldefizit unseres Verstandes zum Nährboden für den Zeitmangel. Eine scheinbare, weil subjektiv begründete, Knappheit an Zeit ist das leidvolle Resultat. Wie lässt sich unter diesen Gesichtspunkten das Wort „Zeitnot“ einordnen? Eine „Lean Time Management“-Zeitregel bringt es auf den Punkt: „Zeitnot ist keine Not an Zeit, sondern resultiert entweder aus einer ungünstigen Ansteuerung unseres Zeitempfindens oder aus einem Mangel an Kontrolle über unsere Angelegenheiten.“ Fälschlicherweise geht unser Unterbewusstsein davon aus, dass auch die Zeit aus den Fugen gerät, wenn wir alles andere nicht im Griff haben. Sinngemäß bringt Ihnen diese Zeitrettung die Mechanismen näher, mit denen Sie Ihr Zeitempfinden in einem gewissen Umfang steuern und Ihr Tätigkeitsspektrum beherrschen können. Die „gefühlte“ Zeitnot können Sie damit bereits im Keim ersticken. Sie sehen, wir packen das Problem direkt an, und zwar bei der Ursache. Auf eine kosmetische Symptombekämpfung lassen wir uns nicht ein.
Kapitel 12
Gummizeit: Warum jeder Mensch anders tickt – und Ihre Einstellung Sie auszeichnet
„Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?“, spricht die böse Königin in Grimms Märchen Schneewittchen. Alle kennen die Antwort des Spiegels und den weiteren Fortgang der Erzählung. Aber nur wenige wissen, dass sich die Geschichte in Wahrheit nicht so abgespielt hat, wie sie uns die Märchenerzähler zutragen. Tatsächlich ist der mit harten Bandagen geführte Schönheitswettbewerb in eine Vorgeschichte eingebunden, von der noch nie berichtet wurde. So rückt der magische Spiegel nicht direkt mit den Fakten heraus, sondern kontert auf die Frage der Herrscherin genervt: „Schon wieder dasselbe Spiel! Immer im Wetteifer messen und vergleichen müsst Ihr euch! Wer ist die Reichste? Wer ist die Mächtigste? Wer ist die Gebildetste? Wer ist die Vornehmste, wer die Unterhaltsamste, wer die Vielseitigste? Wer ist die Höflichste, die Galanteste, die Großzügigste, die Bekannteste, die Geselligste, die Erfolgreichste, die Flexibelste, die Interessanteste, die Begehrteste, die Spontanste, die Unternehmungslustigste, die Geduldigste? Ganz zu schweigen von den Zeiten, als die äußeren Werte bei euch der Renner waren. Wer ist am besten gekleidet, wer am besten geschminkt, wer am besten frisiert? Wer trägt den edelsten Schmuck? Wer hat die grazilste Figur, wer die zartesten Hände, wer das makelloseste Dekolleté, wer das liebreizendste Gesicht, wer die sinnlichsten Lippen, wer den weißesten Teint? Und immer bin ich es, der eure Konkurrentinnen anschwärzen muss.“ Zunehmend steht der Zauberspiegel als Projektionsfläche der Gegensätze zwischen den Fronten in diesem Fegefeuer der Eitelkeiten. Für ein altgedientes Magier-Requisit ist dies wahrlich kein hinnehmbares Leben. Schon seit längerer Zeit hat der Spiegel die listigen Absichten der unzufriedenen Hoheit durchschaut. Die ganze Welt soll ihr zu Füßen liegen. Die höchste Wertschätzung aber soll man ihr nicht wegen Amt oder Besitz entgegenbringen, sondern einzig für das, was sie ist – oder besser: sein will. „Hoffnungslos ist dieser Fall“, weiß der Spiegel. Einziger Trost sind seine Gedanken. „Wenn die wüsste, welche Vergleiche ich mit ihr anstelle“, triumphiert er seelenfroh in sich hinein. Weil ihm die Vergleicherei der Königin tierisch auf den Senkel geht, bleibt er mit seinen Parallelen zwangsläufig in der Tierwelt hängen. „Stur wie ein Maultier, dumm wie eine Kuh“, damit wärmt er sich auf. Weiter gehts mit: „Hässliches Entlein, blöde Gans, bockige Ziege, falsche Schlange, lästige Fliege, giftige Kröte.“ Aber egal wie er auch austeilt, dieses Mal findet er darin keinen Trost. Das Fass ist übergelaufen. Der Kragen ist ihm geplatzt. Von dieser uneinsichtigen Idealistin will er sich nicht länger wie eine Zitrone auspressen lassen. So wie er im Spiegelglas gefangen ist, schwebt für ihn die inzwischen nicht mehr ganz taufrische Königin im Inneren einer Seifenblase, die er nun zum Platzen bringt. Diesen Knaller hat er sich schon des Öfteren vor seinem geistigen Auge ausgemalt. Schon einige
R. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6_12,
C Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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II Der Hilferuf – S.O.S. Ich bin in Zeitnot Male wollte er es offiziell ankündigen, aber jetzt macht er ernst. Der Spiegel hat das ewige Trauerspiel und das krankhafte Verlangen der Königin nun endgültig satt und redet sich jetzt erst richtig in Rage: „Nimmt diese Vergleichssucht denn kein Ende? Meine Geduld jedenfalls wurde genug strapaziert. So geht das nicht weiter. Sucht euch doch einen anderen Tippgeber für eure durchtriebenen Spielereien! Ich bin es überdrüssig, für euch die Suchmaschine zu spielen und tagein tagaus die ganze Welt nach möglichen Rivalinnen abzugrasen. Ich will auch nicht länger als Routenplaner herhalten, um die Aufenthaltsorte all jener Opfer aufzuspüren, die Ihr mit euren hinterlistigen Anschlägen um die Ecke bringen wollt. Von euch lasse ich mich nicht mehr hinters Licht führen. Zieht doch eine Maske auf, dann erkennt jeder euer wahres Gesicht!“ Und noch einen Hammer bringt er hervor: „Jahrelang seid Ihr allen möglichen Idealen hinterhergerannt. Eure Lebenszeit ist dabei auf der Strecke geblieben. Ausgerechnet jetzt, zu dieser späten Stunde in eurem Dasein, wollt Ihr auch noch die Allerschönste sein? Ha, dass ich nicht lache. Von wegen ewige Schönheit – die habt Ihr nicht gepachtet. Möglicherweise wart Ihr mal die Attraktivste. Kann gut sein. Vor langer Zeit vielleicht, in euren besseren Tagen. Doch nun ist eure Zeit abgelaufen. Die jugendlichste Frau werdet Ihr nie und nimmer mehr sein. Das könnt Ihr in den Wind schreiben. Dieser Zug ist abgefahren. Keine Chance.“ Jetzt kommt sein Trumpf: „Unter dem weltlichen Schönheitsportal steht eine blühende Senkrechtstarterin, die euch um Längen schlägt. Als angestaubtes Teenie-Idol bleibt euch heute nur noch die Rolle der Randerscheinung. Der neue Stern am Himmel ist das Schneewittchen, dort hinter den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen. Den Weg kann ich euch gerne vorsingen: Über sieben Brücken müsst Ihr gehen. Durch sieben Wälder müsst Ihr streifen. Sieben Schluchten müsst Ihr durchqueren. An die sieben Raststätten müsst Ihr hinter euch lassen. Und an sieben Giftplantagen müsst Ihr standhaft vorbeiziehen – fürs Vergiften ist später immer noch Zeit. Jetzt sind es nur noch sieben Bergüberquerungen, und Ihr werdet euer blaues Wunder erleben.“ Dieses Mirakel packt er in ein poetisches Bild: „Eine zarte Versuchung, ein Wesen voller Liebreiz, welches vor meiner Entdeckung ein schmachvolles Aschenputtel war und ein Dasein als Mauerblümchen fristete. Jung und bildhübsch seh ich es vor mir, dieses Unschuldslamm. Nicht alt und runzlig, wie Ihr mich anblickt. Selbst den Trostpreis könnt Ihr nicht mehr einheimsen, so wie euer Gesicht inzwischen von Missstimmung gezeichnet ist! Und übrigens: In einen eurer sauren Äpfel beißen wird jenes süße Früchtchen allemal nicht. So, diese bittere Pille müsst Ihr nun schlucken!“ Da bleibt der völlig verdutzten Hausherrin glatt die Spucke weg. Dieser Sturzbach zungenfertiger Lästerungen verschlägt ihr die Sprache und versetzt sie für einen flüchtigen Moment in eine Schockstarre. Doch dann schießt ihr Mund auf und posaunt mit bebenden Lippen ein lauthals kreischendes „W-a-s!!!“ heraus. In allen Tonlagen hallt es durch die Gänge des alten Märchenschlosses und lässt die Mauern erzittern. Mit hochrotem Kopf und weit aufgerissenen Augen, den Körper angespannt wie eine Bogensehne und die zu Fäusten geballten Hände wild vor sich wirbelnd, ist sie kurz davor, jegliche Contenance zu verlieren. Der totale Ausraster scheint unausweichlich. Alle Gesichtszüge sind ihr entglitten, denn das war ein derber Schlag ins Gesicht der erfolgsverwöhnten Herrscherin. Die ungeschminkte Wahrheit hat ihr der Spiegel wie ein nasses Handtuch um die Ohren gehauen. Ihre monarchische Aura hat er rücksichtslos durch den Schlamm gezogen und mit Füßen getreten. So viele Jahre hat er ihr die Treue gehalten – und nun ein solcher Affront. Mit einer derartigen Hiobsbotschaft hat sie nie und nimmer gerechnet. Diese Respektlosigkeit hat sie nicht verdient. Dabei war diese Katastrophe in ihrem verkorksten Lebensentwurf bereits angelegt und es war einzig und allein eine Frage der Zeit, wann sie mit aller Härte über die unzufriedene Königin hereinbrechen würde. Aller Illusionen beraubt und kreidebleich steht sie nun da. Das gefrorene Blut in den Adern hat ihr die Zornesröte aus dem Gesicht getrieben und verhilft ihr langsam zu klaren
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Gedanken. Für die uneinsichtige Herrscherin stellt sich die Sache völlig anders dar. „Die Schöne und das Biest“ – daran fühlt sie sich bei diesem garstigen Angriff unwillkürlich erinnert. Sie die Schöne, ihr dreistes Gegenüber das Biest. Dieser neidgeplagte und gehässige Spiegel stellt nicht nur ihr makelloses Äußeres in Abrede, sondern macht sich auch noch über ihre Zeit her. Wenn er nicht schon aufgehängt wär, würde er spätestens jetzt hängen, und zwar am Galgen. Voller Groll und mit giftigem Blick wirft die schwer Angeschlagene zurück: „Du Spottgeburt! Du abtrünniger Flachmann! Meine Zeit soll abgelaufen sein? Pah, wo ist sie denn geblieben, hä? Nicht ganz bei Trost bist du wohl! Ich regier hier über Land und Leute. Ich bestimm hier über die Zeit meiner Untertanen. Jederzeit! Da kann doch meine Zeit nicht so einfach unter den Tisch fallen. Und du! Ausgerechnet du rebellierst und willst mir zukünftig nicht mehr Rede und Antwort stehen! Die größte Lust hätte ich, dich in einen Sack zu stecken und in den tiefsten See zu werfen – auf dass niemals mehr ein Lichtstrahl sich auf deiner Oberfläche spiegeln kann!“ Doch der Spiegel hat vorausgeahnt, dass er aus dieser Nummer nicht so einfach herauskommen wird, und ist auf einen offenen Schlagabtausch vorbereitet. Diese Retourkutsche kann er parieren. Seinen Plan „B“ wirft er nun auf den Tisch. „Also gut“, kontert er flugs in gemäßigterem Ton und offenherziger Rhetorik. „Eine Frage könnt Ihr noch an mich richten, werte Herrin. Aber überlegt sie euch wohl!“ Zum Überlegen ist jetzt allerdings keine Zeit, denkt sich die gebeutelte Königin. Sollte der Spiegel im Recht sein, sollten ihre Tage tatsächlich gezählt sein, ist Eile geboten. Die Zeit rennt offensichtlich nur so davon. Konsequenterweise ist die letzte Frage der betrübten Herrscherin: „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer hat am meisten Zeit im ganzen Land?“ Hinterlistig wie sie ist, spekuliert sie insgeheim: „Genau! Jener Person kann ich genügend Zeit abknöpfen.“ Der Spiegel aber sieht die durchtriebenen Gedanken im Gesicht der Herrin und zieht kurzerhand die Reißleine. „Diese linke Bazille“, denkt er sich, „jetzt ist Sense.“ Auf dieses gemeine Spiel will er sich endgültig nicht mehr einlassen. In diesem aberwitzig anmutenden Possenstück darf er nicht als der trottelige Narr enden, denn damit würde er seine zauberlastige Daseinsberechtigung verspielen. Schlagfertig stell er ein für alle Mal klar: „Beinahe jede Frau und jeder Mann hier im Land hat mehr Zeit als Ihr, die Ihr alles haben wollt. Niemand kann alles leben, alles machen und alles sein. Eure höfischen Pflichten, eure außeramtlichen Vergnügungen und eure trügerischen Sehnsüchte konkurrieren gnadenlos um jeden Augenblick eurer Zeit und erschweren den Blick auf das Wesentliche in eurem Leben. Kein Wunder, kommt euch da die Zeit abhanden. Alles haben zu wollen, heißt alles zu verlieren. So war es auch nicht wenig Zeit, die Ihr hattet, sondern vielmehr viel Zeit, die Ihr nicht genutzt habt. Diese Zeit kann euch keiner mehr geben. Und was euer Zeitguthaben betrifft, so würdet Ihr heute besser dastehen, wenn Ihr bewusster ausgewählt hättet, womit Ihr eure Zeit verbringt – oder eben nicht verbringt. Das war’s, womit ich euren Untergang ausmalen will. Und jetzt verschwendet wenigstens meine Zeit nicht länger. Mit einem Happy End könnt Ihr eh nicht rechnen!“ Mit diesen für die Königin düstren Aussichten hat sich das Trio auseinandergelebt. Wie vom Winde verweht wurde die Schicksalsgemeinschaft in alle Himmelsrichtungen zerschlagen. Das Spiegelbild löste sich in Schall und Rauch auf. Das Schneewittchen lebte glücklich bis an sein Lebensende. Die Königin versank in Elend und Verachtung. Einzig der Zauberspiegel, dem ein ewiges Leben beschieden war, schmollte gedankenverloren vor sich her und behielt sich vor, eines Tages wieder in Aktion zu treten – wenn ein rechtschaffener Mensch ihn anblickt.
Wo war die Zeit der Königin geblieben? Ihr persönliches Laster, die jahrelange Suche nach Erfüllung zügelloser Wunschvorstellungen, hat die Zeit dieser
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unzufriedenen Person dahingerafft. Sie hat sich selbst um ihre Zeit gebracht und subjektiv gesehen ist ihre Zeit vermutlich für sie schneller vergangen, als die meisten ihrer Untertanen dies für sich einschätzen würden. Austin Dobsons Zeitparadoxon hätte sie mit voller Wucht getroffen: „Die Zeit vergeht, sagen Sie? Ach nein, leider nicht: Die Zeit bleibt; nur wir vergehen!“ Bedenken auch Sie: Das Leben ist Ihr Spielfeld und die Zeit ist Ihr Spielball. Der Ball liegt in Ihren Händen. Es liegt ja auch auf der Hand. Haben Sie nicht schon Zeiten erlebt, in denen die Zeit regelgerecht an Ihnen vorbeirauscht? Und Zeiten, in denen die Zeit endlos wirkt und kaum vergeht? Je nachdem, was wir gerade machen, kann die Zeit schnell oder langsam verstreichen. Mal können wir das Tagesgeschehen im Zeitraffer an uns vorbeirasen sehen. Mal zieht der Tag, wie unter der Zeitlupe betrachtet, gemächlich an uns vorüber. Das ist eine Tatsache. So wie selbst 30 Sekunden zu einer halben Ewigkeit werden, wenn man auf der falschen Seite der Toilettentür steht. Da schleicht die Zeit nur so dahin. Da scheint die Frist endlos. Albert Einstein hat dies in einem treffenden Bild umschrieben: „Wenn man mit einem netten Mädchen 2 Stunden zusammen ist, hat man das Gefühl, es seien 2 Minuten; wenn man 2 Minuten auf einem heißen Ofen sitzt, hat man das Gefühl, es seien 2 Stunden. Das ist Relativität.“ Die Ausdehnung, die diese an und für sich winzigen, bezogen auf den 24Stunden-Tag vernachlässigbaren Einheiten, unter bestimmten Umständen erfahren können, polarisiert. Je nach Situation versetzt es einen in ungläubiges Staunen oder in blankes Entsetzen. Es ist wohl eine Ironie des Schicksals, dass die Zeit ultralangsam vor sich her dümpelt, wenn wir sie im Turbo-Mode erleben möchten, und dass sie wie ein Pfeil an uns vorbeischießt, wenn wir sie möglichst lange festhalten wollen. Welten, sage ich da nur, Welten können zwischen diesen beiden Zeitempfindungen liegen. Spielen wir doch mal „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ und beginnen mit letzteren, damit die guten Nachrichten am Schluss kommen. Schlechte Zeiten – Wenn wir die Zeit ausschließlich als etwas Konstantes in unserem Leben ansehen, unterliegen wir einem folgenschweren Irrtum – hervorgerufen durch einen langersehnten Menschheitstraum: den Verbrauch der Zeit zu messen. Ein Fallstrick also, den wir uns selbst gelegt haben. Was wir als Zeitknappheit erleben, hat mit der objektiven Existenz der Zeit nichts am Hut, sondern ist einzig und allein ein psychologischer Effekt, basierend auf unserer subjektiven Wahrnehmung – dem individuellen Zeitempfinden. Alle Menschen haben ein synchrones Zeitverständnis, aber ein völlig asynchrones Zeitempfinden. Beim Blick auf die Uhr herrscht innigste Eintracht – wie bei den weltbesten Synchronschwimmern. Aber sobald es darüber hinausgeht, ist’s vorbei mit der trauten Eindeutigkeit. Jeder Mensch tickt anders – der eine schneller, der andere langsamer. Trotzdem können wir keinem unterstellen: „Der tickt nicht richtig!“, denn ein jeder tickt auf seine Weise richtig. Für manchen Menschen ist halt der Tag immer ein paar Stunden zu kurz, während andere offenbar endlos Zeit haben. Manch einer auf unserem Planeten scheint eben ein Zeit-Millionär zu sein, manch anderer hingegen ein ZeitLoser. Wenn Sie sich in Ihrer Umgebung umschauen, werden sich nicht einmal bei zwei Personen die Zeiger der Uhr am Ende eines Tages zur gleichen Zeitsumme
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addieren. Wer vor lauter Arbeit kein Land mehr sieht, bei dem scheint die Zeit dummerweise nur so zu verfliegen. Wenn wir von Termin zu Termin hetzen und jedes Mal 5 Minuten zu spät kommen, rast die Zeit buchstäblich an uns vorbei. Wir sind arm an Zeit. Aber man kann es besser machen. Man kann anders ticken – nicht mechanisch richtiger, aber gefühlt besser. Gute Zeiten – Stop! Drehen wir das Ganze einmal um. Stellen Sie sich vor, dass Sie dem Reisebericht eines Bekannten gefolgt sind und eine von der modernen Zivilisation unberührte Insel in der Karibik besuchen. Die wenigen Bewohner dieser Insel leben von dem, was ihnen die Natur bietet, und wohnen in einfachen Behausungen. Eine Uhr bringt hier gar nichts. Wenn man sich verabreden will, reichen die aus längst vergangenen Zeiten bekannten „Tagmarken“ aus. Eine solche Tageseinteilung in acht dreistündige Abschnitte – im Wesentlichen basierend auf dem Stand der Sonne – ist von vielen alten Kulturen überliefert. Um nur einige davon zu nennen: Zum Morgengrauen, zum Zeitpunkt des Aufstehens, zur Tagesmitte, zur Mitte des Nachmittags, am Abend, zur Dämmerung. Einen Kalender benötigen Sie auch nicht, da sie einfach in den Tag hinein leben können. Was für ein Zeitgefühl werden Sie unter diesen Umständen wohl erfahren? Sie werden sich wie ein Zeitkönig fühlen und wahrlich alle Zeit der Welt besitzen! Sie sind reich an Zeit. Dies ist Zeit, so ganz nach meinem Geschmack. Zeit, wie ich sie liebe. Schön und gut. Wie macht man aus schnellen Zeiten langsame Zeiten? Wie entkommt man der Zeitfalle? Was müssen Sie tun, um mehr von Ihrer Zeit zu haben? Wäre es jetzt nicht an der Zeit, vorbereitend auf die anstehende Rettungsmission, dem individuellen Verständnis der „Zeit“ auf den Zahn zu fühlen? Schließlich sind die Umstände, unter denen wir Zeit wahrnehmen, kräftig geprägt durch persönliche Erfahrungen und Erinnerungen. Eine passive Haltung gegenüber dem stetigen Zeitverfall sollten Sie zukünftig abschreiben – das können Sie sich buchstäblich „nicht mehr leisten“. Ob man Zeit hat oder nicht, ist eine Frage der Einstellung. Neben äußeren Bedingungen ist auch die innere Haltung dafür verantwortlich, ob sich jemand gehetzt fühlt und Zeitmangel empfindet. Deshalb ist der Weg zu mehr Zeit auch ein innerer Weg. In die richtige Richtung geht es nur, wenn man sich von dem mechanischen Erscheinungsbild der Zeit löst. Sein persönliches Zeitempfinden kann nur steuern, wer seine eigenen Gedanken über die Zeit kontrolliert. Ein unbekannter Vordenker hat uns diese subjektive Wahrnehmung schon in die Wiege gelegt und mit geschraubten Worten festgehalten: „Wir nehmen die Dinge nicht wahr, wie sie sind, sondern wie wir meinen, dass sie sind.“ Mit der richtigen mentalen Haltung bekommt man die Zeit in den Griff. Im Spiel mit der Zeit ist es einzig und allein Ihre Einstellung, die Sie auszeichnet. Sie können es schaffen. Nein, Sie schaffen es! So wie es auch eine Einstellungssache ist, ob Sie etwas als Problem oder Chance betrachten. Begreifen Sie Zeit als eine persönliche Empfindung. Als eine Wahrnehmung, die Sie zwar nicht vollumfänglich beeinflussen, sich aber ein Stück weit zurechtlegen können – und zwar je nachdem, wie Sie selbst mit der Zeit umgehen, wie Sie sich organisieren und welche unterstützenden Maßnahmen Sie für das Zeitmanagement heranziehen. Glücklicherweise ist es nicht so, dass wir ein gänzlich unbeschriebenes Blatt sind, wenn’s um den Zeitreichtum geht. Früher, in unseren jungen Jahren, hatten
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wir es noch drauf, das lässige Spiel mit der Zeit. In den Kinderjahren wachsen wir zunächst durch die zeitlos scheinende Eroberung unseres Umfelds, bevor wir nach und nach unsere Haltung und unser Verhalten an die Zeit der Erwachsenen anpassen. Auf unserem Blatt steht also alles schon mit unsichtbarer Tinte geschrieben. Das Rechte wie das Schlechte. Sache dieser Rettungsmission ist es nun, das Rechte entschieden zu entwickeln, das Falsche aber, das hervortreten will, durch sachgemäße Einwirkung auf immer auszulöschen. Halten wir fest: Wir lernen in unserem Leben vieles, nur nicht, wie man mit der Zeit umgeht, das verlernen wir eher. Charles Swindoll hat in einer in den USA oft zitierten Radioansprache folgendes Bild über die Wahrnehmung der Dinge gezeichnet: „Je länger ich lebe, desto mehr begreife ich die Wirkung, die unsere persönliche Einstellung auf das Leben hat. Persönliche Einstellung ist für mich wichtiger als Tatsachen. Sie ist wichtiger als die Vergangenheit, als Erziehung, als Umstände, als Geld, als Erfolge, als das, was andere Menschen sagen oder tun. Sie ist wichtiger als Aussehen, Begabung und Können. Die persönliche Einstellung ist das A und O für eine Firma ... Gemeinde ... Familie ... für einen Menschen. Bemerkenswert daran ist, dass wir jeden Tag neu entscheiden können, mit welcher Einstellung wir dem Tag begegnen wollen. Wir können unsere Vergangenheit nicht verändern... Wir können auch die Tatsache nicht ändern, dass Menschen in einer bestimmten Weise handeln werden... Ich bin davon überzeugt, dass mein Leben zu 10% aus dem besteht, was mit mir geschieht und zu 90% aus dem, wie ich darauf reagiere.“ Und es geht doch! Unsere innere Einstellung zu den äußeren Umständen ist die Lösung vieler Zeitprobleme. Der Zeitmisere entrinnen können wir nur, wenn wir diese subjektive Komponente, das individuell verfärbte Zeiterleben, stärker in den Vordergrund rücken und bewusster registrieren. Im Bewusstsein wird Zeit anders erfahren als das Ticken der Uhr. Hier kann die Zeit aufgehalten werden. Sinneseindrücke können die Zeit stillstellen, wenn ein außergewöhnlicher Moment besonders intensiv erlebt wird. Fakt ist: Mit Ihren Gedanken können Sie Ihr Zeitempfinden beeinflussen und dem mechanischen Zeitdiktat etwas entgegensetzen. Im Zeiterleben des Bewusstseins erhält Zeit eine besondere Qualität, die die mechanisch messbare Zeit der Uhren nicht hat. Das ist eine Art der Zeitverzögerung. Eine wichtige, wenn nicht sogar die wichtigste, Zeitverzögerungstaktik. Wir haben es nun vor Augen, welchen gewichtigen Einfluss wir selbst auf die Wahrnehmung unserer Zeit haben. Kann denn da überhaupt noch die Rede davon sein, dass uns ein chronischer Zeitmangel objektiv in die Wiege gelegt worden ist? Oder ist Zeitnot viel eher eine Illusion, die sich jeder selbst aufbaut – weil er sich als Opfer äußerer Umstände betrachtet oder – schlimmer noch – sich selber permanent zu viel aufhalst? Und falls dem so ist, wie kann man es denn besser machen? Also, das Ganze mal griffig, in Form eines konkreten Ansatzpunktes. Als ersten Grundstein für eine bewusste Steuerung Ihres Zeitempfindens können Sie die folgende „Lean Time Management“-Zeitregel heranziehen. Ein Grundsatz mit zwei Kernaussagen. Teil I: „Die Zeit vergeht um so schneller, je mehr Sie sich vornehmen; je gedrängter und deshalb auch (zeit-)intensiver das Programm ist, welches Sie abspulen.“ Man kann buchstäblich von einem „zeitraubenden Programm“ sprechen. Zeitnot entsteht folglich dann, wenn wir uns übernehmen. Deshalb den zweiten
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Teil der Zeitregel beachten. Teil II: „Die Zeit vergeht um so langsamer, je (zeit-) verträglicher das Programm ist, welches Sie sich auferlegen.“ Das ist eine Art, sich vom Zeitsklaventum zu lösen. Eine wichtige, wenn nicht gar die wichtigste Zeitsklaventumbefreiung. Viele Menschen planen falsch, organisieren sich unzureichend und geraten deshalb unnötig unter Zeitdruck. Diese Rettungsaktion kommt dann buchstäblich zur rechten Zeit. Zeitnot können aber auch irrgeleitete Gedanken auslösen. „Ich muss unbedingt. . .“, „Ich muss sofort. . .“ Mit solchen und ähnlichen Vorstellungen setzt man sich unter Druck. Das ist eine innere Haltung, die vielen Menschen Zeit raubt. Trifft dies bei Ihnen zu, so wären meine Fragen an Sie: „Müssen Sie wirklich unbedingt? Müssen Sie wirklich sofort? Was spricht dagegen, dass Sie Dinge jetzt sofort und unbedingt tun müssen? Was ist das schlimmste, was passieren kann, wenn Sie etwas nicht tun?“ Damit will ich zum Gegenteil führen, denn es gibt nicht nur Gründe, die für das „Muss“ sprechen. Ich bin mir sicher: Sie finden Argumente, warum Sie nicht unbedingt. . ., warum Sie nicht sofort. . . Das lenkt Ihre Gedanken in die richtige Richtung. Stellen Sie die scheinbare Notwendigkeit und die zwanghafte Eile in Frage. Arbeiten Sie an Ihrer Einstellung. Wo wir schon bei der Einstellungssache sind. Interessant ist auch eine andere Beobachtung: Menschen schätzen die Bearbeitungsdauer von erfolgreich abgeschlossenen Arbeiten im Nachhinein als wesentlich kürzer ein, als die Ausführungsdauer von solchen Aufgaben, an denen sie scheitern. Also. Neue Strategie! Bauen Sie ab jetzt nur noch Mist – und Sie sind reich an Zeit. Spaß beiseite. Behalten Sie für den Moment das oben formulierte Zeitgesetz (zeitverträgliches Programm) im Auge und nehmen Sie es als Ausgangspunkt, um einem veränderten Zeitgefühl nachzuspüren. Die in den folgenden Buchteilen eingeleitete Rettungsmission baut auf diesem Mechanismus auf und ist Ihr Schlüssel zu einem neuen Zeiterlebnis. Die Rettungsaktion führt Sie in zwei Schritten zu einem Leben ohne Zeitdruck. Sie haben spürbar mehr Zeit, Ruhe und Gelassenheit.
Teil III
Die Einsatzbesprechung – Leitgedanken zur bevorstehenden Zeitrettung
Kapitel 13
Zeitplanung nach Rumpelstilzchen-Manier – Das war einmal!
Wer kennt es nicht, das Rumpelstilzchen? Ein kantiger Gnom aus dem gleichnamigen Märchen der Gebrüder Grimm. Die Rolle des Bösewichts wird ihm dort zugeschrieben, obwohl es zunächst als „Retter in der Not“ in Erscheinung tritt. Ausgestattet mit einer außergewöhnlichen Gabe ist dieses Kerlchen. Völlig unkompliziert bietet es seine Dienste der Müllerstochter an und verwandelt für sie das dürre Stroh des Königs in lupenreines Gold. Was blieb der bettelarmen Tochter in der Verzweiflung auch anderes übrig, als auf die Hilfe des Rumpelstilzchens zu setzen? So weit, so gut für den zudringlichen Mitstreiter. Doch im Laufe seiner dreisten und von Hintergedanken getragenen Handreichung begeht das Rumpelstilzchen einen folgenschweren Planungsfehler. Ein Kardinalfehler des „Zeitmanagements mit Vollausstattung“, von dem ein Lean Time Manager verschont bleiben soll. Die nachfolgende Zeitreise führt uns den kapitalen Bock des Rumpelstilzchen vor Augen und sollte uns zu denken geben. Doch berichten wir von Anfang an. Dem Moment, als das Schicksal seinen Lauf nimmt, weil der mittellose Vater behauptet, sein schönes Kind könne Stroh zu Gold spinnen. „Mit diesem gewichtigen Argument“, so denkt er, „müsste doch die umweglose Vermählung meiner Tochter mit dem König gelingen.“ Die Misere seines Lebens will der arme Schlucker offensichtlich durch eine vorteilhafte Partie seiner Tochter wettmachen. Die Zeit für die sehnsüchtig erwartete Wende im Leben der Müllers ist endlich gekommen. Von diesem Schachzug sollen beide profitieren. Die Behauptung des Müllers schlägt beim stets klammen König ein wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Ebenso ungläubig wie hoffend beginnen in seinem Kopf die Gedanken zu kreisen: „Die kann Stroh zu Gold spinnen? Wenn die so spinnt, dann muss ich mir diese Goldader zu Eigen machen.“ Den größten Goldcoup aller Zeiten will er damit landen. Das ist definitiv seine Stunde! Der mit plötzlicher Blindheit geschlagene Landesherr springt auf den ausgelegten Köder an wie ein gefräßiger Fisch auf den schleimigen Wurm an einem glitzernden Angelhaken. „Wenn’s auch eine Müllerstochter ist“, so denkt er, „eine reichere Frau finde ich in der ganzen Welt nicht.“ Getrieben durch sein Verlangen, sich eine goldene Nase zu verdienen, degradiert er sich unwissentlich zur Marionette in der Müllerischen Wahnwelt. Wird zum willenlosen Spielball eines plumpen Ehearchitekten. In der Aussicht auf einen sofortigen Gewinn möchte der König die vielversprechende Naturgabe umgehend auf die Probe stellen. Wie bereits erwähnt, läuft am Anfang alles gut
R. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6_13,
C Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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III Die Einsatzbesprechung für die liebreizende Müllerstochter. Ein echter Glücksgriff ist das unerwartete Hilfsangebot des quirligen Wichts, der urplötzlich, wie aus dem Nichts, vor ihr erscheint. Kommt gerade zur rechten Zeit. Mit offenen Armen empfängt man den putzigen Helfershelfer und allzu gerne vertraut man sich seinen Versprechungen an. Unbürokratische Hilfe stellt der Günstling in Aussicht und säuselt der jungen Müllerin andauernd etwas von einem Kavaliersstart vor. Dank dem fremden Beistand läuft in der Tat alles wie am Schnürchen. An den ersten beiden Abenden kann man das alchimistische Wunder vollbringen und emsig Gold spinnen. Eine feine Sache ist dieses Goldspinnen und ein Goldschatz im doppelten Sinne ist denn auch der fürsorgliche Wegbereiter für die Müllerstochter. Das mit der Hochzeit wähnt man schon in trockenen Tüchern. Am dritten Abend kommt dann die Wende. Eine böse Überraschung ist das. Völlig unerwartet legt der kleine Teufel den Hebel um und zeigt sein wahres Gesicht. Ohne Deal geht bei diesem hinterlistigen Wurzelzwerg plötzlich nichts mehr. Die Goldgewinnung gerät ins Stocken. Jetzt kommt’s knüppeldick und augenblicklich wird klar: Wenn’s um’s Geschäft geht, versteht dieses ausgekochte Schlitzohr keinen Spaß! Egal wie man ihm zuspricht, es ist, als ob man gegen eine Wand redet. Dieser schräge Vogel hat offensichtlich ein Brett vorm Kopf, gegen welches er, wie ein Specht beim Wohnungsbau, seine Stirn schlägt. Das hinterlässt natürlich Spuren und erklärt so manches, denn derart durchgeschleudert bleibt bei einem Zwergenhirn nicht viel intakt. Ein dauerhafter Spechtschaden ist das mildeste Übel. Ausgestanden ist die Sache noch längst nicht. Das haben sich die Müllers anders vorgestellt. Eine solche Gemeinheit hat man dem heuchlerischen Sprengsel nicht zugetraut. Wenn dieser Rüpel ein reines Gewissen hat, dann nur deshalb, weil er es nie benutzt. Wie ein zwielichtiger Wunderheiler nutzt er hingegen die Gunst der Stunde. Den Müllers ist jetzt klar: Falsch eingeschätzt hat man diesen unersättlichen Raffzahn. Nach dem man ihn Nacht für Nacht mit ausgestreckter Hand empfangen hat, zeigt sich nun, dass dieser scheinfromme Knirps nicht die Absicht hat, Händchen zu halten. Einen Zwergenaufstand hat man nun am Hals, was die Müllers im Gegenzug veranlasst, ihren Schmusekurs einzustellen. Und an allem ist dieser rotzfreche und unberechenbare Aufschneider schuld, der nun sogar noch Rätselraten spielen will. Was ist das nun für eine Nummer? Seit ewigen Zeiten ist sein Name angeblich das größte Geheimnis. Ausgerechnet den soll man nun herausfinden. So ein Witz! Als ob’s hier nichts Wichtigeres zu tun gäbe. Ein völliger Schwachsinn ist das. Und lächerlich dazu. Kommt nicht in Frage! Dieser bockige Prahlhans soll sich gefälligst noch einmal ins Zeug legen und dann wieder von der Bildfläche verschwinden – ohne weiteres Murren bitteschön. Das kann doch nicht zu viel verlangt sein, jetzt, wo man sich ja nur noch eine Nacht um die Ohren schlagen muss. Und außerdem: Hier geht es um das königliche Wohl, das zählt doch was! Von einem absurden Mysterium war nie die Rede. Und von einer dusseligen Namens-Knobelei im Stile eines heiteren Beruferatens erst recht nicht. Dumm nur, dass dieser vermaledeite Dreikäsehoch das Säbelrasseln nicht einstellt. Hartnäckig ist wohl sein zweiter Vorname. Sturkopf vielleicht sein Spitzname. Aber sein richtiger Name? Was denkt sich dieser Gernegroß eigentlich? Was für ein Spiel wird hier gespielt? Ein Teufelsbraten ist das! Augenscheinlich badet dieser ungehobelte Scharlatan in dem Frust und im Zorn, der sich über ihn ergießt – im Epizentrum der Aufregung steht kein anderer als er selbst. In hohem Bogen hinauswerfen würde man den Unhold am liebsten, aber dann müsste man ihm vermutlich das ganze Gold auch gleich hinterherwerfen. Das kann’s nun auch nicht sein. Die Sonne will wohl doch nicht aufgehen für diese wohlberechnete Komplizenschaft zwischen Vater, Tochter und Goldspinner. In eine dunkle Sackgasse hat man sich stattdessen hineinmanövriert. Anstelle des höchsten Aufstiegs droht nun der tiefste Fall. Mal wieder
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liegen Erfolg und Misserfolg Seite an Seite. Und nun? Soviel steht fest: Die Luft wird dünn für den Müller-Clan. Die Sache läuft aus dem Ruder. Sei’s drum. Das Kind ist schon in den Brunnen gefallen. Ein Rückzieher ist eh nicht mehr drin, denn auch der König ist nicht zu Späßen aufgelegt, wenn’s um seine Kröten geht. Schwups ist der Handel beschlossene Sache. Jetzt zeigt sich, was für ein ausgebufftes Kerlchen dieser Gartenzwerg doch ist. Auf das erste Kind der zukünftigen Königin ist er aus. Reicht man dem Lump den kleinen Finger, so nimmt er die ganze Hand. Was sich zunächst als merkwürdige Mischung zwischen Redlichkeit und Eigennützigkeit andeutete, entpuppt sich jetzt als die pure Schlitzohrigkeit. Diese Seifenoper stinkt zum Himmel. Was in den ersten beiden Nächten noch nach einem Niedrig-Lohn-Job aussah, wird jetzt zum unvorstellbaren Wucher. Diese Preistreiberei stellt alles in den Schatten. Vom Goldspinner zum Kinderdieb also, darauf läuft dieser Kuhhandel hinaus. Und was für einen raffinierten Plan hat sich diese erzinfame Wichtelausgabe dafür zurechtgelegt: „Heute back ich, morgen brau ich, übermorgen hol ich der Königin ihr Kind.“ Geschickt eingefädelt war das, und ganz im Sinne eines „Zeitmanagements mit Vollausstattung“. Das Rumpelstilzchen hat in bester Vollausstatter-Manier nicht nur das Heute, sondern auch gleich das Morgen und das Übermorgen festgezurrt. Aber was hat’s dem verschrobenen Winzling gebracht? Ha, überhaupt nichts! Bei seinem einsamen Singsang im Wald wird er belauscht. Von wegen: „Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß.“ Dieser Sprücheklopfer! Hätte er bloß seine vorlaute Klappe gehalten. Aber einmal Spruchbeutel, immer Spruchbeutel. Kaum zu glauben, dass sich diese Backpflaume somit selbst ans Messer liefert. Wer ein derart loses Mundwerk hat und so leichtfertig mit seiner Identität herumwirft, sollte besser nicht auf einen starren Plan setzen. Wenn man dann auch noch die Exitstrategie sträflich vernachlässigt, sieht man plötzlich ganz alt aus. Sein blindes Vertrauen in den einmal gefassten Plan wird dem durchtriebenen Halsabschneider letztendlich zum Verhängnis und hat ihm das Genick gebrochen. Die anvisierte Kindsübernahme war für die Katz und das knorrige Rumpelstilzchen ist mitsamt Plan sangund klanglos untergegangen. Wenig flexibel war es mit der Planung seiner Aktivitäten.
Auch wir können das gut: Pläne schmieden. Zum Glück, denn wichtig ist es heute geworden, mit einem guten Plan in der Hand ans Werk zu gehen – „planerisches Handeln“, wie man so schön sagt. Aber dabei kann man es schnell mal auf die Spitze treiben und den Bogen überspannen. Einige Zeitmanagement-Ratgeber suchen ihr Heil in aufeinander abgestimmten Plänen von langfristigen, mittelfristigen und kurzfristigen Zeiträumen. Was investiert man da an Zeit in die Planung. Kann man das wieder rausholen? Vermutlich haben auch Sie schon vieles ausprobiert. Vermutlich haben auch Sie die Erfahrung machen müssen, dass viele gängige und handelsübliche Planungsansätze eher ungeeignet erscheinen, um mit der Vielseitigkeit, der Komplexität, dem Tempo und den wechselnden Prioritäten der heutigen Arbeitswelt Schritt zu halten. Ist es denn angemessen, die Zeit als Planungsauftrag zu erleben, in dem Bestreben, möglichst viel möglichst genau festzulegen? Nein, von einer Rumpelstilzchen-Planung müssen wir uns über kurz oder lang verabschieden. Klar ist jedoch: Ganz ohne Planung geht es heute nicht mehr. Meine Meinung ist: Planung ist wichtig. Projektplanung ein Muss. Alltagsplanung ja, aber kurzfristig bitteschön. Denn meine bisherigen Erfahrungen sagen mir: Zu viel
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III Die Einsatzbesprechung
Planung ist Zeitverschwendung – weil sich heutzutage die Gegebenheiten von Tag zu Tag ändern und den Plan sowieso durchkreuzen. Wohlgemerkt: Beim Projektmanagement ist der längerfristige, wochen- oder monatsübergreifende Planungsgedanke berechtigt. Die solide und weit vorausschauende Zeitplanung ist dort sogar unverzichtbar. Man muss wissen: Der Projektmanager steuert mit der Projektplanung nicht nur seine eigene Zeit, sondern auch die der am Projekt Beteiligten. Wegen dieser koordinierenden Funktion ist die weitschweifende Zeit- und Aufgabenplanung ein wichtiger Bestandteil des Projektmanagements. Aber beim persönlichen, alltagsorientierten Zeitmanagement? Ich hab’s aufgegeben, meine Zeit damit zu verbringen, Pläne für die verschiedensten Planungszeiträume zu schmieden. Jahresplan, Quartalsplan, Monatsplan und Wochenplan – da winke ich dankend ab. Das ist nichts für mich. Da bräuchte ich ja einen Plan für die Pläne, denn sonst hätte ich vor lauter Plänen bald „keinen Plan mehr“. Wo bleibt denn da die Luft zum Atmen? Die Planerei erhält schnell einen bürokratischen „Touch“, wenn ständig Einträge zwischen den Listen hin und her geschoben werden wollen. Und wo bleibt die Flexibilität, wenn Pläne und Erwartungen vom Alltagsgeschehen oder Zufallsereignissen durchkreuzt werden. Denken Sie an das Rumpelstilzchen in unserer Märchen-Adaption – und an John Lennon. John Lennon? Ja, John Lennon. Er hat den Plänen einst die Leviten gelesen und wohl nicht ohne Grund ins Feld geführt, dass Leben das ist, was passiert, während wir gerade andere Pläne machen. So läuft also der Hase. Es ist heute nun mal so, dass wir uns immer weniger auf eingefahrenen und stabilen Pfaden bewegen. Was kann man von einem vorab festgelegten Wochen- oder Monatsplan erwarten, wenn sich schon eine im Voraus festgelegte Aufgabenliste für den folgenden Arbeitstag nicht so ohne weiteres einhalten lässt. Erhält man beispielsweise um die fünfzig E-Mails pro Tag – und der Chef die doppelte Menge –, dann hat dies meist deutliche Auswirkungen auf den Tagesablauf. Das hinterlässt Spuren, denn das elektronische Kommunikationsmedium ist auf der Berufsebene ein verpflichtendes Medium. Jede eintreffende Mail muss mindestens zur Kenntnis genommen werden – egal wie viele Nachrichten auf dem elektronischem Weg einwirbeln. Weitere Wechselwirkungen, die vielen Plänen einen Strich durch die Rechnung machen, ergeben sich durch die intensiven Vernetzungen innerhalb der Unternehmen. Silodenken ist längst passee. Man kooperiert quer über mehrere Abteilungen hinweg. Oft ist man sogar mit der Unternehmensumwelt verdrahtet. Kurzfristige Richtungswechsel bzw. Prioritätenverschiebungen sind Normalität. Auf unvorhersehbare Strömungen und Tendenzen im dynamischen Alltagsgeschehen muss man stets gefasst sein und flexibel darauf eingehen können. Beim Versuch, den jeweiligen Tag in Angriff zu nehmen, hat man meistens das Gefühl, dass einen mehrere Tage auf einmal überfallen. Wer will da schon darauf setzen, dass eine einmal ausgearbeitete, zeitorientierte Tagesplanung nach dem ersten Anruf, E-Mail oder der ersten Unterbrechung durch den Chef noch Bestand hat. Das kommt einer Wunschvorstellung gleich. Viel eher muss man während des Tagesverlaufs öfters Dinge annehmen, die man weder gewollt, noch geplant hat. Daran führt kein Weg vorbei. Damit muss man umgehen können. In einem
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solchen Fall geht man unweigerlich mit einer Rumpelstilzchen-Planung baden. Prioritäten können sich stündlich verschieben – egal ob der Richtungswechsel von Dritten vorgegeben wird oder von Ihnen selbst ausgeht. Ohnehin erscheint es heute in vielen Fällen nicht mehr sinnvoll, einzelne Aufgabenstellungen vom Start weg mit einer Priorität zu versehen. Da muss man zu oft revidieren. Stattdessen fährt man besser, wenn man sich einmal pro Tag oder einmal pro Woche die bestehenden Pflichten vergegenwärtigt und dann entscheidet: „Was ist heute bzw. in dieser Woche wichtig?“ Wie sieht es also aus mit der Tagesplanung? Wie baut man diese am besten auf? Sollen wir uns etwa auf unsere Schulzeit zurückbesinnen? Schön war das damals. Da gab’s den Stundenplan. Der Tag wurde in viele kleine – fix vorgegebene Zeitfenster eingeteilt und jeweils mit einem Thema ausgefüllt. Und wehe, man kommt zu spät zum Unterrichtsbeginn! Glauben Sie im Ernst, das funktioniert im Berufsleben? Illusion, sage ich. Natürlich gibt es zeitlich gebundene Termine. Etwa Besprechungen, Projekt-Meetings, Telefon- oder Video-Konferenzen, Reviews innerhalb der Abteilung, Verabredungen zum Mittagessen etc. Aber muss man deshalb den ganzen Tagesablauf einer starren, vorab definierten Zeiteinteilung unterwerfen? Von 08.00–08.45 dies tun, von 08.45–09.30 jenes tun – und so weiter. Nein, so will ich meinen Tag nicht abwickeln. Ich möchte auch nicht erst durch eine Biorhythmus-Analyse geschleust werden und ein persönliches Leistungskurven-Diagramm aufzeichnen, damit ich weiß, wie ich tunlichst mein Tagesprogramm abzuspulen habe. Im „guten Glauben“ habe ich das alles ausprobiert. Funktioniert hat das überhaupt nicht. Wenn es mal einen zeitgebundenen Termin gibt, dann steht der in meinem elektronischen Kalender – und ich werde sozusagen automatisch daran erinnert. Für alles andere möchte ich gerne zeitlich frei sein – und nicht wie ein Zug in Schienen gefangen. Bei mir muss nicht immer alles stur nach Plan verlaufen. Flexibilität ist mir wichtiger. Der Spontanität gebe ich gerne mal eine Chance. Mit jeder angebrochenen Minute kann man sein Leben neu gestalten, seiner Zukunft eine neue Richtung geben, die Wende einläuten. Fazit: Tagesplanung ist grundsätzlich okay – und wichtig. Aber bedingt durch die Dynamik im betrieblichen Alltag erscheint es immer weniger sinnvoll und zielführend, diese im Stile von starren Zeitfenstern vorzunehmen. Da bekommt selbst das absolute Minimalprogramm plötzlich einen gewissen Charme: flexibel abzuarbeitende Tätigkeitslisten. Als ein passables Fragment eines persönlichen Zeitmanagements kann man derartige Listen insbesondere dann in Betracht ziehen, wenn sie auf einem verlässlichen Fundament beruhen. Unter solchen Bedingungen erscheint es reizvoll, diesen Schlankheitsgedanken aufzugreifen und für ein Lean Time Management ernsthaft in Betracht zu ziehen. Das kann die Renaissance einer stimmigen und erfolgsausgerichteten Schmalspurlösung einleiten. Zwanghaft an einer vorausschauenden Aufgabenplanung festhalten, sich an einer minutiösen Zeiteinteilung des Arbeitstages entlanghangeln, ja sogar mehrere Tage im Voraus zu planen, wird wenig Erfolge einbringen. Mehr liegt drin, wenn man situativ auf eine Liste aller unerledigten Dinge zurückgreifen kann und sich die Prioritäten vergegenwärtigt. Sobald Sie wissen, auf was es ankommt, was für
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III Die Einsatzbesprechung
Sie wichtig ist, erledigt sich das mit der Planung von selbst. Es ist dann nicht mehr notwendig, mehrere Tage oder gar Wochen im Voraus zu planen. Vielmehr reicht es aus, wenn Sie sich zum Ausklang eines Arbeitstages eine Liste derjenigen Tätigkeiten zurechtlegen, die Sie am nächsten Tag ausführen wollen. Wenn Sie sich dann noch kurz über eine sinnvolle Bearbeitungsreihenfolge Gedanken machen, haben Sie einen soliden Rahmen und eine optimale Orientierung für den Folgetag. Die festgelegten Tätigkeiten werden Stück für Stück abgearbeitet. So wie es eben passt und so gut es eben möglich ist. Wenn sich die Dinge mal anders einstellen als gedacht, wirft Sie das nicht komplett aus der Bahn – und zieht auch keine Kettenreaktion von Planungsänderungen nach sich. Ändern sich etwa Ihre Prioritäten, können Sie flexibel darauf reagieren, ihre heutigen Tätigkeiten umdisponieren und den folgenden Arbeitstag entsprechend ausgestalten. Das sind die gewichtigen Vorteile eines flexiblen Planungsgedankens. Wenn Sie wissen, was zu tun ist, können Sie den Fokus der Planung auf die kleinste „Planungseinheit“ – den Tag – legen. Somit bleiben Sie stets beweglich in der Abwicklung Ihrer aktuellen Aktivitäten – und darauf kommt es heute an. Einer, der unsere Rede und Denke so gelenkig zu Papier bringt wie kaum ein anderer, der deutsche Aphoristiker Thomas Romanus Bökelmann, hat einen kreativen Augenblick spontan genutzt und die heute so gefragte Agilität stilvoll auf den Punkt gebracht: „Lebenskunst besteht darin, den Tag zu planen, aber im Augenblick improvisieren zu können.“
Kapitel 14
Tausendundeine Nacht – Wenn 1.001 Gedanken ihr eigenes Spiel spielen
Es gibt sie: Die Nächte der Gedanken. Viele von uns kennen die Geschichten um die schlaflosen Nächte und erfahren sie bisweilen am eigenen Leib. Wie viele Gedanken gehen einem in einer solchen Nacht durch den Kopf? Sind es zehn, sind es hundert, sind es tausend? Gefühlt verbucht man diese endlosen Wachstunden in der Tat als die Nächte der tausend Gedanken. Das Gedanken-Karussell dreht sich im Kreis. Die Gedanken-Spirale windet sich im Gehirn. Nach einer solchen „durchzechten“ Nacht hat man genug. Da will man nicht mehr. Da wird einem angst und bange, wenn man von den Vorfahren hört, die im Lande von Tausendundeiner Nacht weilten. Dort reihte sich eine schlaflose Nacht an die andere. Aber die Nächte in jenen Zeiten standen unter anderen Vorzeichen, wie Sie in der folgenden Geschichte erfahren werden. Es waren zauberhafte Märchen, die damals auf 1.001 lange Nächte verteilt waren. Kunstvoll verwobene Erzählungen, mit denen Scheherazade ihren königlichen Gemahl Nacht für Nacht in den Bann zieht und uns in die orientalische Welt der farbenfrohen Basare und endlosen Karawansereien, der mächtigen Kalifen und verschlagenen Händler, der verwegenen Helden und klugen Ehefrauen entführt. Geschichte geschrieben hat beispielsweise ein tollkühner Bursche namens Sindbad. Seines Zeichens Leiter der hiesigen Reederei und Fährbetriebe. Als entdeckungsfreudiger Seefahrer reiste er zwecks Akquise neuer Kunden bis ans äußerste Ende der Welt. Verbrachte dort Zeit mit Menschen, denen bei Neumond Flügel wachsen. Fand dort einen verzauberten See mit bunten Fischen und einem schwimmenden Schloss mit einem Jüngling, der zur Hälfte aus Stein besteht. In den weit schweifenden Erzählungen von Scheherazade treffen wir auf die edelsten Schätze, mit fein gearbeiteten Smaragden und Rubinen, wie sie sich heute selbst die getreuesten Juweliere nicht reicher und vollkommener ausmalen könnten. Wir begegnen dudelnden Schlangenbeschwörern, die ihre züngelnden Tiere über die Zukunft befragen. Diese Tierbändiger nahmen ihre Schlangen jeden Tag mit in die Stadt und sandten sie dort aus, um die Verpflegung für die gesamte Familie zu stibitzen. Eine ganz gewiefte Art der Nahrungsmittelbeschaffung war das. Von Dschinnis ist in Tausendundeiner Nacht auch die Rede. Flaschengeister, die in Wunderlampen gefangen sind und dem Lampenbesitzer alle Wünsche erfüllen. Heute würde jeder Flaschenpost-Finder vor Neid erblassen, wenn er seinen wertlosen, mit schrumpeligem Papier gefüllten Fund mit dem mächtigen Flaschenzauber der damaligen Zeit vergleicht. Wieso findet man einen derart mächtigen Zauber in unserer Zeit nicht mehr? Hingegen verschlägt es einem noch heute die
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Beneidenswert, was die orientalischen Teppichflicker hervorgezaubert haben. Nichts weniger als die Erfindung des flippigsten Fortbewegungsmittels aller Zeiten – der fliegende Teppich. Einfach genial. Da ging bereits beim Probesitzen die Post ab. Des Verkäufers Teppich war die reinste Höllenmaschine, rasend schnell, schneller noch als ein gedoptes Rennpferd. Des Käufers Teppich war dann aber eine lahme Gurke, eine echte Krücke. So entwickelte sich das Gebaren dieser Branche zu einem Geschäftsmodell mit vielen Tücken. Egal, hätte es schon damals einen Öko-Trend gegeben, wären die Pioniere dieser Bewegung vor Freude glatt an die Decke gesprungen, ob diesem bahnbrechenden Einfall und ressourcenschonenden Vehikel. Nicht mal der findige Daniel Düsentrieb aus unserer Zeit konnte da nachlegen und dem phantasievollen Konstrukt etwas Überlegenes entgegensetzen. Keine Chance. Wie ein farbenprächtiges Feuerwerk versetzt die exotische Kulisse mit ihrer Fülle und ihrem Glanz den staunenden Tausendundeiner-Nacht-Leser in Verzückung. Die Gedanken müssen wohl vollkommen frei gewesen sein, um auf derart packende, bildgewaltige und zeitlose Ideen zu kommen, wie sie in Tausendundeine Nacht gesponnen wurden. Geschichten, die Ewigkeiten überdauern. Geschichten, die unsere Gedanken noch heute beflügeln und uns mit ihrem geistreichen Charme immer wieder aufs Neue verzaubern. Fantastisches konnte man damals erleben – im Lande von Tausendundeiner Nacht. Wunderbar. Traumhaft.
Das war einmal. Aus der Traum. Unser Traumschiff segelt auf einer anderen Route, schwebt kaum noch auf Wolke Sieben. Wie auch. Das TausendundeineNacht-Gefühl haben viele schon längst abgeschrieben. Anstelle der herrlichen Magie aus „Tausendundeine Nacht“ bleibt uns heute oftmals nur die trübe „ruhelose Nacht“. Und die kann lang sein, eine gefühlte Ewigkeit dauern. Leider. Warum plagen uns unsere Pflichten, wenn wir schlafen wollen? Die Uhr tickt, 1 Uhr, 1.30 Uhr, 2 Uhr und das Gehirn ist gnadenlos aktiv: „Das habe ich heute schon wieder vergessen. Jenes muss noch getan werden. Morgen darf ich in keinem Fall vergessen, dies zu erledigen.“ Es ist eine Gedankenkette um Pflichten und behaltenswerte Ideen verschiedenster Art, die einfach nicht abreißt – Verrichtungen, Besorgungen, von dritter Seite ausstehende Arbeitsergebnisse oder Informationen etc. Die Dinge entwickeln sich immer öfters in eine verkehrte Richtung. Auf schleierhafte Weise werden die Tage kürzer und kürzer, die Nächte länger und länger, unser Leben leerer und leerer. Dem Volksmund gefällt dies so gar nicht. Wacker klammert er sich an eine Redensart, die da lautet: „Die Gedanken sind frei!“ Da bleibt uns ein müdes Lächeln, denn Stück für Stück werden wir dieser Freiheit beraubt. Immer weniger bleibt uns davon erhalten. Stattdessen gibt es immer öfter Zeiten, in denen zu viel Unerledigtes in unseren Köpfen herumschwirrt. Viel zu viel, genaugenommen. Und zeitraubend ist es auch noch, denn es ist dieser Umstand, der dazu führt, dass wir manchmal „weniger vom Leben haben“. Noch einen Aufschlag also auf die subjektive Empfindung, die den gefühlten Zeitmangel in unseren Köpfen nährt – magere Zeiten eben. Erschwerend kommt hinzu, dass wir heute nicht mehr seriell vorgehen können. Kaum etwas geht schön der Reihe nach. Eine Aufgabe abschließen und dann erst mit der nächsten beginnen – eine Illusion. Das große Nebeneinander – längst gang und gebe. Wir alle haben stets mehrere Dinge, welche wir im Prinzip parallel voranbringen müssen. Die heute verbreiteten Matrixorganisationen, mit zwei Vorgesetzten für einen Mitarbeiter, tragen ungewollt zu einer weiteren Verschärfung dieser Situation bei.
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III Die Einsatzbesprechung
Viele verschiedene Angelegenheiten synchron voranzutreiben ist heute Standard und hält unsere Gedanken ganz schön auf Trab. Von Multitasking ist da die Rede – fälschlicherweise, aber nicht unberechtigt. Für unseren Verstand liegen die Schwierigkeiten längst nicht mehr bei den einzelnen Vorhaben alleine. Es ist eher die schiere Massen, die einen erdrückt, denn die Kombination der unzähligen Anliegen birgt eine gewisse Komplexität, die unsere Gedanken verkrampfen und uns besorgt dreinblicken lässt. Unser Gehirn kann die Aufmerksamkeit nicht so teilen, dass wir alle Dinge mit gleicher Qualität und Konzentration erledigen können. Es wird hin und her gerissen, weil der Fokus ständig zwischen größeren Vorhaben und Heerscharen kleinerer Aufgaben pendelt. In der alltäglichen Hektik die Übersicht zu behalten, ist alles andere als einfach. Einfacher hat man es mit der Feststellung, dass längt nicht mehr jeder weiß, warum die Gedanken manchmal wie wild gewordene Pferd durchgehen. Die Zeiten mehren sich, in denen zu viele Dinge unsere Gedanken auf Trab halten. Es sind unruhige Zeiten, denn alles, was sich im Privat- und Berufsleben abspielt, wird in unserer Gedankenwelt, wie ein Omelett in der Pfanne, hin und her geschoben. In den Gehirnwindungen zeigen die Dinge eine erstaunliche Präsenz, ob bewusst oder unbewusst. Sie legen eine Ausdauer an den Tag, wie wir sie selbst von übermütigen Dopingsündern nicht erwarten würden. Schwierig ist es, die vielfältigen Impulse, die unsere Gedanken beschäftigen, so zu beschwichtigen, wie wir es gerne möchten. Es behagt uns ganz und gar nicht, wenn die Lage unüberschaubar wird – unbehaglich ist die Unüberschaubarkeit. Und die vielen Wahlmöglichkeiten der heutigen Zeit, die uns so manches Mal überfordern, machen die Sache auch nicht einfacher. Wer foltert unsere Gedanken? – Obwohl wir bestrebt sind, unsere Gedanken produktiv einzusetzen, gibt es offensichtlich eine kleine Armee von Störenfrieden, die ab und an zuschlagen, unsere Gedanken auf Abwege führen oder unseren Verstand an einen Marterpfahl binden um ihn zu malträtieren. Sogar unsere unterbewussten Gedankenströme lassen diese Übeltäter wie auf einem Hamsterrad im Kreis drehen. Sie torpedieren unsere besten Vorsätze. Sie lenken unsere schöpferische Kraft von Dingen ab, die momentan unsere Aufmerksamkeit erfordern. Angelegenheiten, an denen wir im Moment arbeiten. Angelegenheiten, denen wir unsere volle Konzentration widmen sollten. Ruck, zuck sind wir in der Opfer-Rolle und damit Leidtragende einer nicht ausgeschöpften Geistesleistung – anstelle Täter einer produktiven Arbeitsweise. Wer sind diese Ruhestörer, die unsere Gedanken immer wieder auf Abwege führen? Wer sind diese Saboteure, die unser Denkvermögen beeinträchtigen? Wer sind diese Aufwiegler, die sich uns immer wieder quer in den Weg stellen und für Kopfzerbrechen sorgen? Es gibt drei Querulanten: Die wissentlich unerledigten Dinge, die unwissentlich unerledigten Dinge und die zahlreichen „Beschäftigungsimpulse“, die tagtäglich auf uns einströmen. Beschäftigungsimpulse? – Okay, das sollten wir vielleicht noch klären. In unserem Alltag – insbesondere im Berufsleben – gibt es täglich eine Vielzahl von Dingen, die auf uns einströmen und nach unserer Aufmerksamkeit verlangen. In
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der Regel handelt es sich hierbei um Dinge, die von außen an uns herangetragen werden. Von „Dritten“, die mit uns in Kontakt treten – zum Beispiel per Telefon, via E-Mail, auf dem Postweg, mittels mündlicher Kommunikation oder gesteuert über ein Workflow-System etc. Es können aber auch unsere eigenen Gedankenimpulse sein, die hin und wieder anklopfen, uns auf Trab halten und verarbeitet werden wollen. Für all diese Informationen, Botschaften, Aufforderungen, Ideen und Gedankengänge verwenden wir bei dieser Rettungsmission den Dachbegriff „Beschäftigungsimpuls“. Beschäftigungsimpulse sind deshalb von eminenter Bedeutung, weil sie der Ursprung unserer Verrichtungen sind. Jede auch noch so kleine Aktion, die wir ausführen, wurde ursächlich durch einen Beschäftigungsimpuls ausgelöst. Und schon kommen die Ruhestörer ins Spiel. Ruhestörer 1 – Von den wissentlich unerledigten Dingen: Wir kennen das Wesen und das Leidwesen. Das Wesen der Arbeit ist, Dinge von einem Ist-Zustand in einen Soll-Zustand zu überführen. Das Leidwesen des Menschen ist, dass er vor allem im Beruf zu viel Arbeit und zu wenig Zeit hat. Ein unlösbares Dilemma – hält jeden auf Trab, kann den ein oder anderen sogar auf die Palme bringen. Zu oft festigt sich der Eindruck, dass wir uns einerseits mit zu vielen Dingen befassen müssen und das uns andererseits zu wenig Zeit dafür zur Verfügung steht. Und meistens täuscht diese Vermutung nicht. Aber irgendwie passt das nicht. Die Rechnung geht nicht auf. Und schon passiert es. Ob wir es wollen oder nicht. Wir geraten ins Grübeln und unsere Gedanken ins kreisen. Gefolgt vielleicht von einem mehr oder weniger intensiven Gefühl der Machtlosigkeit und Überforderung, welches sich langsam Raum verschafft und von uns ganz allgemein als „Stress“ abgetan wird. Es liegt in der Natur des Menschen, dass er sich in seinen Gedanken viel zu oft mit Dingen beschäftigt, die er vergessen könnte, und mit Dingen, die anders sind als sie sein sollten. Es ist nun nicht ungewöhnlich, wenn diese „Lasten“ vor unserem geistigen Auge in respektloser Manier Pirouetten drehen. Es ist auch nicht weiter verwunderlich, wenn, wie bei einem Silvesterfeuerwerk, mal das Eine oder mal das Andere hochkommt und Funken sprühend die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Das zehrt an unseren Nerven und an unserer Schaffenskraft, obwohl es nicht sein dürfte, denn idealerweise sollten wir uns doch immer nur mit einer Sache beschäftigen – und zwar der, an der wir momentan gerade arbeiten. Aber das interessiert ja den Ruhestörer Nr. 1 nicht. Nicht viel leichter macht es uns Ruhestörer Nr. 2. Ruhestörer 2 – Von den unwissentlich unerledigten Dingen: Auch sie gibt es noch, die nicht so wichtigen Dinge, die Dinge, die keine Priorität haben und jene Dinge, die wir immer und immer wieder zurückstellen. Kleinigkeiten vielleicht. Oder Nebensächlichkeiten. Oder eigene unbedeutendere Ideen, die uns immer wieder in den Sinn kommen. Nettigkeiten, durch deren Erledigung man jemandem einen Gefallen tun oder eine Freude bereiten will. All das vergessen wir naturgemäß leichter als die wichtigeren und größeren Angelegenheiten in unserem Leben. Nichts destoweniger ist diese Horde Vergessener in unserem Unterbewusstsein verankert. Jeder einzelne von ihnen zwickt dort an den verschiedensten Ecken und Enden. Auch wenn wir sie nicht bewusst wahrnehmen, sind sie unterschwellig immer vorhanden. Egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Ab und an dringen sie an die Oberfläche – unsere Bewusstseinsebene. Meist haben sie so weit oben nur ein
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III Die Einsatzbesprechung
kurzes Gastspiel, tauchen schnell wieder in der Masse unter und mimen dort den Untergrundaktivisten. Das ganze Spiel ähnelt einem niedergebrannten, aber noch glimmenden Lagerfeuer. Wenn der Wind über die Glut hinwegstreicht, züngelt mal da und mal dort eine Miniflamme auf. Würden wir in einem ruhigen Zeitfenster über unerledigte, ungeregelte oder wünschenswerte Dinge nachdenken, könnten wir sie alle ans Tageslicht befördern. Dann zeigt sich, dass wir mehr Pflichten und behaltenswerte Ideen mit uns herumtragen, als uns im ersten Moment bewusst ist. Dann ist augenscheinlich, dass unser Unterbewusstsein stärker belastet ist, als wir gedacht haben. Und wo liegt das Problem? Unwissentlich unerledigte Dinge rauben unsere geistige Energie; meistens ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Offenkundig wird es erst dann, wenn wir in die typischen Denkimpulse einsteigen, die unsere innere Ruhe stören: Da war doch noch irgendwas? Aber was? Was war das noch mal, das mir gestern in den Sinn gekommen ist? Was war das noch mal, das mir neulich aufgetragen wurde? Irgendwas wollte ich doch noch tun? Ach ja, Ihnen vom Ruhestörer Nr. 3 erzählen. Ruhestörer 3 – Von den zahlreichen Beschäftigungsimpulsen: Eine nicht so störende, aber dennoch unerwünschte Beschäftigungstherapie für unseren Gedankenkosmos resultiert aus den Errungenschaften des Informationszeitalters – geschuldet einem beschleunigten Datenaustausch durch die „trendigen“ Informations- und Kommunikationstechnologien. Dieses mediale Feuerwerk hat dazu geführt, dass die Menge der Beschäftigungsanreize und insbesondere das damit einhergehende Informationsvolumen in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind. Wenn die „E-Mail-Flut“ anrollt, kommt keine Freude auf. Dieser Schuss ging nach hinten los, denn was ursprünglich als Entlastung geplant war, entlastet heute keinen mehr. Und wer hätte schon gedacht, dass das Papier den Bits auf den Fersen bleibt. Auch hier hat man sich vergaloppiert. Die Gutenberg-Galaxie ist nicht implodiert. Der Print-Bereich hat nichts von seiner Attraktivität eingebüßt. Unversehens schwappt die zweite Flut über uns herein – die „Papierflut“. In Bezug auf die Beschäftigungsimpulse, die uns erreichen, kristallisieren sich somit zwei grundverschiedene Tendenzen heraus, die unsere Gedankenleistung auf den Prüfstand stellen. Erstens: Die Vielschichtigkeit. Die verschiedenen Kanäle, auf denen uns Informationen erreichen. E-Mails am PC oder Notebook, E-Mails auf dem Smartphone oder Blackberry, Anrufe und Voicemails auf unserem Festnetz- oder Mobiltelefon, Fax, Posteingang. Dann noch das ein oder andere digitale Vogelgezwitscher, ein putzmunteres Social-Network und natürlich die natürlichste Kommunikationsform – das gesprochene Wort, die mündliche Rede, „Face 2 Face“ – von Angesicht zu Angesicht. All diese Kanäle müssen wir „managen“. Zweitens: Die Geschwindigkeit. Es ist manchmal atemberaubend, wie sich die Dinge entwickeln, wie das eine das andere überholt. In der agilen Wissensgesellschaft tun wir uns zunehmend schwerer damit, zeitnah den Umständen zu folgen, die auf uns einwirken. Je nach Berufsbild muss man höllisch aufpassen, damit nichts unbemerkt an einem vorbeirauscht.
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Diese beiden Entwicklungen belasten unsere Gedanken-Welt insbesondere dann, wenn die Situation unübersichtlich wird. Wir wollen die Übersicht zurückgewinnen wenn wir den Durchblick verloren haben. Dafür opfern wir sogar unsere Aufmerksamkeit. Die Beschäftigungsimpulse lenken uns ab. Sie tendieren dazu, uns in einen reaktiven Arbeitsmodus zu versetzen, statt dass wir pro-aktiv agieren können. Wenn Ruhestörer die Ruhe stören – richtige Spaßbremsen sind die drei vorgestellten Ruhestörer. Ihr rücksichtsloses Verhalten gleicht dem der räuberischen Seefahrergilde längst vergangener Zeiten, als die Weltmeere noch mit Segelschiffen befahren wurden. Wie raue Freibeuter entern sie mit beutegierigem Gehabe unser psychisches Deck und rauben uns den letzten Nerv oder gar den Verstand. Wie eine steife Brise fegen sie über die Planken unseres Verstands hinweg, jagen schwarze Regenböen vor sich her, orgeln in der Takelage. Und ganz am Schluss, wenn die Sause vorbei ist, nehmen sie uns auch noch den Wind aus den Segeln. Dann läuft nichts mehr rund. Dann geht’s nur noch mit Mühe vorwärts. Dann tritt der ein oder andere vielleicht auf der Stelle. Es ist nun mal so, wenn die Gedanken ständig ihre eigenen Spiele mit uns spielen, können wir uns nur schwerlich auf unsere Aufgaben und Ziele konzentrieren. Aber halt mal! Sollten wir unsere Gedanken nicht gebrauchen, um kreativ zu sein, um unser Bestes zu geben, um mit 100 Prozent bei der Sache zu sein? Wieso auch sollen wir ständig die Dinge mit uns herumschleppen, die wir nicht vergessen wollen, die anstehen oder schon längst erledigt sein sollten? Was macht es für einen Sinn, dass wir uns immer und immer wieder mit den gleichen Gedanken befassen? Kaum Gedankenruhe finden viele Mitmenschen insbesondere dann, wenn es um das Management ihrer Verrichtungen geht – privat wie auch beruflich. Sei es, weil sie schlicht und ergreifend keine Zeit für die Organisation finden oder die Dinge unkontrolliert über sie hereinbrechen. Sei es, weil sie immer wieder verschiedene Experimente machen, um ihre Aufgaben zu verwalten. Einfache To-Do-Listen, unschlüssig aufgeteilte Übersichtslisten, analoge Zeitplanungsinstrumente und elektronische „Organizer“. Planung à la Notizzettel oder mithilfe von dutzendweise aufgeklebten Post-It’s. Verschiedenste Projektpläne, redundante Terminpläne und und und. Meistens halten die Systeme nicht lange durch und man befindet sich ständig in einem Wechselbad der Verbesserungsansätze. Eine nachhaltige Lösung für eine dauerhafte Entlastung der Gedanken ist nicht in Sicht. Desillusion macht sich breit. Unübersichtlichkeit sind die sichtbaren Folgen. Zerstreutheit ist das nach außen getragene Bild. Im schlimmsten Fall geht es zum berüchtigten Chaos-Management über. Die Grenzen sind fließend und schnell überschritten. In mancherlei Hinsicht gleicht dies einem Abenteurer, der im Treibsand steckt und sich der Sogwirkung nicht entziehen kann. Obwohl er dagegen ankämpft, zieht es ihn unaufhaltsam nach unten. Jedes Mal, wenn er sich mit letzter Anstrengung aufbäumt und einen rettenden Ast greifen will, wird er umso tiefer in den Morast zurückgeworfen. Auf die Idee, die Lösung in der Reduktion der eingeleiteten Zeitsparmaßnahmen zu suchen, kommt man nur selten. Dabei steckt ein großes Potential in der Ausrichtung an einigen wenigen robusten Grundkonzepten, mit denen wir unsere persönlichen Arbeitsabläufe organisieren.
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III Die Einsatzbesprechung
Wenig helfen da die bekannten Durchhalteparolen: „Es gibt viel zu tun, packen wir’s an!“ Leicht gesagt. Schöner Spruch. Aber wie bitte kommt man voran, wenn man vor lauter Wald keine Bäume sieht. Wenn sowohl Start als auch Ziel nur verschwommen im Nebel erscheinen. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren. Aber wie soll man da die Ruhe bewahren? Gelassenheit ist leider nicht nur eine Frage der Einstellung. Die „innere Ruhe“ ist auch an bestimmte äußere Voraussetzungen gekoppelt. Wenn uns die äußeren Umstände fordern – oder sogar überfordern –, wird das innere Gleichgewicht strapaziert. Was in Vergessenheit geraten könnte, was unklar oder unerledigt ist, was wir immer wieder vor uns her schieben, nimmt uns Energie. Diese Dinge fordern ihren Tribut. Sie machen aus uns einen trägen Packesel, anstelle des agilen Leistungsträgers, der wir sonst sind. Sonnenklar steht es uns ins Gesicht geschrieben: Je mehr, desto mehr. Je mehr von diesen unliebsamen Themen in Ihrer Gedankenwelt rumgeistern, desto mehr Energie wird unserem Verstand geraubt. Energiesparen wär die glasklare Lösung, aber das ist so eine Sache. Unser Körper hat es schon seit eh und je drauf – den perfekten Energiehaushalt. Da macht ihm keiner was vor. Da hat die Evolution gute Arbeit geleistet. Die Menschen hingegen haben sich erst seit einem guten halben Jahrhundert Energiesparziele auf die Fahnen geschrieben. Immerhin, man hat viel gelernt und solide Fortschritte gemacht. Und unsere Gedanken? Sie sind die Wackelkandidaten. Unser Gedankenkosmos hinkt hinterher, steckt noch in den Kinderschuhen und tut sich unheimlich schwer damit, der Energieverschwendung den Hahn zuzudrehen, dem Wildwuchs einen Riegel vorzuschieben. Nicht mehr lange. Eine Kampfansage – Diese kräftezehrende Ressourcenvergeudung, diese Verschwendung unserer Zeit und unserer Energie muss ein Ende finden. Den Kollaborateuren muss das Handwerk gelegt werden. Einhalt gebieten, in die Schranken weisen und unseren Gedanken einen besseren Weg zeigen, hierfür ist jetzt der richtige Moment.
Kapitel 15
Den Poltergeist in die Schranken weisen – Wie man die innere Ruhe von den äußeren Umständen abschirmt
Denken wir zu viel? Vermutlich ja, denn die zuvor beschriebenen Ruhestörer lassen nicht locker und sorgen für ordentlichen Dampf im Kessel. Heimtückisch ist das. „Frau Schmidt, könnten Sie mir bitte eine Packung Whiteboard-Stifte besorgen, ich brauche sie gleich morgen früh für die Projektsitzung.“ Schön, das ist schon mal erledigt, jetzt an die anderen Arbeiten. Aber bereits eine Stunde später: „Frau Schmidt, sind die Whiteboard-Stifte schon da?“ – „Noch nicht. Sie benötigen diese doch erst morgen früh, dachte ich. Nachher bringe ich die Tagespost nach unten und dabei wollte ich die Stifte mitbringen.“ – „Frau Schmidt, ich brauche die Stifte unbedingt, am liebsten sofort. Ich bin einfach zu unruhig, solange dieser Vorgang ausstehend ist. Es macht mich nervös. Es quält mich solange, bis ich es erledigt weiß.“ Soweit das Intermezzo. Sie kennen das? Wusst ich’s doch. Und wie die Tragödie endet, wissen Sie auch? Dacht’ ich mir. Hier also das furiose Finale: „Herr Kaiser, hier, hier haben Sie Ihre Stifte!“ Mit einem eleganten Handwurf der eingeschnappten Überbringerin landen diese unsanft auf dem Schreibtisch. „Danke“, die erleichterte Reaktion. Beruhigt sind aber nicht alle Gemüter. Frau Schmidt hat beim Verlassen des Büros barsch die Türe zugeworfen und schon längst resigniert ob der menschlichen Schwächen: „Wieso um Himmels willen muss er immer alles in seinen Gedanken hin und her drehen? Da rotiert er doch ständig. Das macht mich noch wahnsinnig.“ Eine Vorstellung wie „Whiteboard-Stifte fehlen“ und „bei der Projektsitzung steh ich morgen ohne Stifte vor der Tafel“ können die meisten Menschen nicht loswerden. Dieser abschreckende Gedanke lässt nicht locker. Obwohl diese Anzeichen von Gefahr keine reale Notsituation darstellen, denn Frau Schmidt hätte bis zum Feierabend die Stifte besorgt. Beunruhigt hat uns nicht so sehr das potenzielle Problem, sondern die ständigen Warnhinweise, die im Geiste aufblinken. Sie pulsieren als Schrecken im Körper – und so ist es mit vielen Dingen. Hierbei gelassen zu bleiben, fällt einem nicht nur gelegentlich, sondern immer häufiger schwer. Warum? Wer denkt denn da? Wer ist es, der ständig seine Spielchen mit unserer inneren Ruhe treibt? Wer poltert fortwährend im Untergrund? Sie ahnen es. Der eigentlich Leidtragende steckt tief in uns drin: Unser Unterbewusstsein. Der Unruhestifter. Der Schattenboxer. Das Sorgenkind der Nation. Die Schwachstelle schlechthin für die Fähigkeit zum Entspannen und Konzentrieren. Unsere Gedanken setzten sich mit den verschiedensten Pflichten, denen wir R. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6_15, C Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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III Die Einsatzbesprechung
nachkommen müssen, eben nicht nur an der Oberfläche – unserem Bewusstsein – auseinander, sondern werkeln auch unter der Bildfläche. Im Untergrund, im Reich ewiger Finsternis. Ersteres, also die Bewusstseinsebene, können wir noch halbwegs kontrollieren. Manchmal haben wir sie besser im Griff, manchmal weniger gut, weil sich viele Dinge letztendlich doch nicht verdrängen lassen. Was jedoch unter unserer Bewusstseinsschwelle geschieht, entzieht sich vollständig unserem Einfluss. Eine leichte Beute für unsere Ruhestörer. Diejenigen Dinge, die noch nicht zu unserer vollen Zufriedenheit geklärt sind, bei denen noch Unsicherheiten vorliegen, werden von unserem Unterbewusstsein weiterverfolgt. Das Gefährliche daran ist, dass wir es nicht bewusst wahrnehmen. Wie ein schwarzes Loch zieht das Unterbewusstsein unsere Energie ab. Dort macht sich der hohe Kesseldruck bemerkbar. Dort setzen sich die vielen wunden Punkte fest – wie kleine Stachel mit Widerhaken. Was unter der Oberfläche geschieht, entzieht sich unserer bewussten Wahrnehmung und Steuerung. Es kann ein echter Störfaktor sein, das unbewusste Denken. Wenn wir keine Übersicht über die laufenden Angelegenheiten, wenn wir Hinweise auf optional anzugehende Angelegenheiten nirgendwo unterbringen können, will wenigstens das Unterbewusstsein am Ball bleiben. Für uns legt es sich, wenn es sein muss tage- und nächtelang, ins Zeug. Sind wir schlecht organisiert und können deshalb die vielen Beschäftigungsimpulse, die uns täglich erreichen, nicht sinnvoll aufnehmen und verarbeiten, so beschäftigt sich unser Unterbewusstsein mit diesem ungemütlichen Zustand – ob es uns nun passt oder nicht. Haben wir bei umfassenderen Aufgabenstellungen noch kein klares Bild wie wir sie anpacken oder wie es weitergeht, so wälzt unser Unterbewusstsein diese ungeklärten Dinge hin und her – auch wenn wir davon nichts wissen wollen. Es sind also häufig organisatorische Defizite, die ablenken und unnötig unsere Verstandesleistung blockieren. Vermeiden oder leiden – Ohne die entsprechende Unterstützung von außerhalb können wir unsere Gedanken nicht von diesen unnötigen Ablenkungen und Zwängen befreien. Die unbewussten Gedankenimpulse sind vergleichbar mit einer fremden Macht, die uns ständig nachspürt und überwacht. Die Umstände beherrschen uns, statt dass wir die Situation kontrollieren und die Oberhand haben. Typische Denkanstöße, die unsere innere Ruhe stören und an die wir von unserem Bewusstsein ständig ermahnt werden, sind: Hast du an dies gedacht? Wann erledigst du jenes? Was machst du als nächstes bei diesem Projekt? Was bei jenem? Denkst du auch daran, dass jener Kollege dir noch eine Rückmeldung schuldig ist? Du hast deine E-Mails immer noch nicht durchgesehen. Wann tust du es? Diese Angelegenheit muss noch bearbeitet werden! Jener Punkt ist noch nicht geklärt! Das muss noch erledigt werden! Hier weißt du noch nicht weiter! Bei dieser Sache wolltest du noch mal nachhaken! Jenes willst du eventuell angehen. Nicht vergessen! Denk daran, dass du bei jener Abteilung eine Anfrage gestartet hast, aber ein Ergebnis noch aussteht! Darüber bist du jemandem noch eine Rückmeldung schuldig! Hier weißt du noch nicht weiter! Da war doch noch was? Was war noch mal der überzeugende Einfall von neulich? Kurzum, oftmals sind es weniger die Dinge an sich, die uns beunruhigen, sondern die Gedanken, die wir uns darüber machen. Wenn wir unserem Unterbewusstsein
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nicht überzeugend darlegen können, dass wir den Durchblick haben, dann läuft die Sache gerne aus dem Ruder. Die unbewussten Gedankengänge beschäftigen sich dann mit allem Möglichen, nur nicht mit dem, was momentan auf dem Programm steht, was wir gerade erledigen möchten. Die Konzentration ist wie weggeblasen, denn damit wir das Richtige richtig tun, müssen sich auch unsere Gedanken mit dem Richtigen beschäftigen. Tun sie das nicht, arbeiten wir buchstäblich mit angezogener Handbremse. Wir sind wieder mal nicht „bei der Sache“. Unsere Gedanken wieder mal nicht dort, wo sie gerade hingehören. Im ungünstigsten Fall, wenn wir mal völlig abwesend sind, werden wir total ausgebremst und stecken im Morast fest – und unsere geistige Schaffenskraft findet sich im Niemandsland. Das kostet Zeit. Folglich gilt: Wer unter Gedankennot leidet, bei dem klopft die Zeitnot an die Tür, steht schon auf der Schwelle oder ist bereits eingetreten. Je mehr auf uns einströmt, je schneller die Aufgaben auf uns zukommen, je mehr wir faktisch gleichzeitig statt lässig hintereinander bewältigen müssen, desto schwerer fällt es uns, Freiräume für inspirierende Gedanken zu bewahren. Möglicherweise lässt dann auch das Glück auf sich warten. Zumindest wenn der römische Philosophenkaiser Marc Aurel mit seinen Worten „Das Glück deines Lebens hängt von der Beschaffenheit deiner Gedanken ab“, Recht behält. Und davon bin ich überzeugt. Gelassenheit beginnt bei den Gedankenströmen – Aber so einfach ist das nun auch wieder nicht. Anstatt dass wir friedlich schlummernd von den reizvollen Märchen aus Tausendundeiner Nacht träumen, verfolgen uns im bitteren Wachzustand tausend andere Dinge. Die Unruhestifter halten nicht nur unsere Gedanken in ständiger Bewegung, sondern auch unseren Körper. Ein Hin und Herdrehen – geistig wie körperlich. Das macht erstens keinen Spaß und ist zweitens schlecht genutzte Zeit. Drittens bleiben uns dann auch noch die zauberhaften Träumereien verwehrt. Dabei ist doch der glücklichste Mensch derjenige, der die interessantesten Gedanken hat. So jedenfalls hat es Timothy Dwight gesehen – ein amerikanischer Gelehrter, Dichter, einstiger Präsident der Yale-Universität und Lichtgestalt des 18. Jahrhunderts. Wie wäre es, wenn wir keine unnötigen Gedanken daran verschwenden müssten, was alles zu tun ist und was wir alles tun könnten? Wie würden wir uns fühlen, wenn wir insofern abgesichert wären, als das uns nichts, aber auch gar nichts, entgehen kann? Was wäre, wenn wir uns voll und ganz auf das konzentrieren können, was gerade anliegt; was wir momentan erledigen? Würde uns das nicht beruhigen? Wären wir dann nicht befreiter? Könnten wir dann nicht gelassener nach vorne blicken? Ohne eine schlüssiges Konzept für die Verarbeitung neu aufkommender Beschäftigungsimpulse und die Pflege der bereits laufenden Dinge können wir unsere Gedanken nicht wirksam entlasten. In der Tat lassen die Radaubrüder und Krawallmacher locker, wenn uns ein solides „Arbeitsgerüst“ zur Seite steht, Rückhalt gibt und Sicherheit vermittelt. Unser Gedankenkosmos scheint auf ein Sicherheitsnetz angewiesen zu sein, bei dem wir nichts leichtsinnig übersehen und nichts ungewollt vergessen. Nichts darf durch ein zu grobes Raster oder ein zu löchriges Netz fallen. Dann erst geben die Störenfriede Ruhe.
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III Die Einsatzbesprechung
Dieses Sicherheitsempfinden stellt sich bei unseren Gedanken unter anderem dann ein, wenn wir im Bedarfsfall auf eine kompakte und aktuell gehaltene Übersicht unserer laufenden Pflichten und behaltenswerter Ideen zurückgreifen können. So wie in einem Unternehmen beispielsweise alle Projekte und Projektideen in einem „Projekt-Portfolio“ geführt werden, benötigen wir für das Management all der kleinen und großen Dinge, welche wir erledigen müssen, ein einfaches „PflichtenPortfolio“. Eine sinnvoll strukturierte Gesamtsicht auf alle Angelegenheiten, denen wir nachkommen müssen. Und ergänzend dazu für alle Wahlmöglichkeiten, die als „Ideen“ in unserem Gedankenraum schweben, ein Rückhaltebecken. Damit entziehen wir unseren Gedanken die belastende „Alleinverantwortung“ für diese Dinge. Bildlich gesprochen sollen uns schließlich nicht die Aufgaben über den Kopf wachsen, sondern der Kopf über die Aufgaben. Diese Rettungsmission will deshalb in einer einfachen Art und Weise einer möglichen Zerstreutheit Paroli bieten. Ihre Zeitrettung gewährleistet, dass Sie auf einströmende Dinge zügig reagieren können. Sie gibt Ihnen die Absicherung, dass Sie zu jeder Zeit den vollen Blick auf Ihre verschiedenen Pflichten und Ideen haben. Wenn Sie ein gut aufgebautes Gesamtbild aller laufenden Pflichten und behaltenswerten Ideen vor sich haben, beruhigt das spürbar. Sie wissen: Nichts bleibt unberücksichtigt. Nichts fällt versehentlich unter den Tisch. So werden Sie zum Fels in der Brandung. Sie sind Sie konzentrierter, können mehr Aufgaben abschließen und erledigen diese auch besser und schneller als vorher. Wer Erfolg haben will, muss sich in Ruhe auf seine Verrichtungen konzentrieren können, muss von Ablenkungen abgeschirmt sein, muss seine Gedanken auf eine einzige Sache lenken können – auf das, was gerade läuft. Klare Gedanken sind die unmittelbare Folge Ihrer Zeitrettung – ein lastfreier Lebensstil resultiert daraus. Dann sind Sie es, die die fabelhaften Märchen von Tausendundeiner Nacht fortschreiben können. Dann erfahren Sie die inspirierende Wirkung von freien Gedankengängen. Dann bleibt Ihnen der Strom der Ideen erhalten. Ah, da fällt mir ein. Hat nicht der schweizer Psychiater Gottlieb Guntern diese Zusammenhänge ebenso durchschaut und mit Bestimmtheit zur Sprache gebracht: „Entspannung ist das A und O, damit kreative Gedanken blühen.“ Kreativität braucht Raum – Unser kreatives Potenzial kann sich nur unter bestimmten Bedingungen entfalten. Reine Gedanken sind hierbei eine unabdingbare Voraussetzung, denn kreatives Denken ist in erster Linie befreites Denken. Wenn Ihre Gedanken ständig mit unerledigten Dingen beschäftigt sind und über bohrende Fragen grübeln, dann blockiert dies das freie Assoziieren – das GedankenSchweifen-Lassen. Die anstehende Rettungsmission wird deshalb sowohl Ihre Bewusstseinsebene, aber noch wichtiger, Ihr Unterbewusstsein entlasten. Wenn wir Ihre Gedanken von störenden Denkimpulsen befreien, legt sich der Aufruhr in Ihrem Innern. Sie sind beruhigt, können auf positivere Weise denken und auf produktivere Art handeln. Wer mit sich und seinen Gedanken im Reinen ist, fühlt sich leichter und befreit – diese zwingende Logik leuchtet jedem ein. Diese Befreiung bewirkt einen Energie- und Kreativitätsschub. Sie können klar fokussieren und da wo der Fokus, die mentale Aufmerksamkeit ist, da ist die Energie. Sie verfügen über einen Freiraum, in welchem sich Ihre kreativen Gedanken ausbreiten
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können. Ihr geistiges Leistungspotenzial kann sich besser entfalten. Eine freie Bahn für schöpferische Denkprozesse und Gedankenblitze aus dem Unterbewusstsein. Ich fordere deshalb ganz allgemein: Freiheit für unsere Gedanken! Drehen wir den Spieß um! Die pechschwarze Nacht soll dem blaugrauen Morgen weichen und dieser schließlich einem goldgelben Tag. So soll es sein!
Kapitel 16
Warum zwei Rettungsmaßnahmen den Erfolg ermöglichen – und wie uns das „Teile und herrsche“ ins richtige Fahrwasser bringt
An diesen Punkten – die Gedanken entlasten und gedankliche Flexibilität herbeiführen – setzt nun der erste Schritt unserer Rettungsmission an. Eine spürbare Erleichterung ist angesagt, Gelöstheit bahnt sich an, denn wenn Sie eine schwere Last ablegen, fühlen Sie sich sofort wohler. Schluss mit dem ungewollten und lästigen „Rotieren“. In der Ruhe liegt bekanntlich die Kraft. Nicht ohne Grund gehört die sinngemäße Redewendung, die uns auf das Spannungsverhältnis zwischen innerer Gelassenheit und potenzieller Schaffenskraft aufmerksam macht, zu einem oft zitierten Leitspruch unserer Gegenwart. Das oberste Gebot der Rettungsaktion ist: Keine bürokratischen Kapriolen. Wir wollen nicht übers Ziel hinausschießen. Ein klares Konzept für klare Gedanken! Mit diesem Leitmotiv tritt die Rettungsaktion in den Ring. Einfache und rasche Umsetzbarkeit ist oberstes Gebot. Praktikabilität, Alltagstauglichkeit und Griffigkeit stehen im Vordergrund, sowohl was das Ziel betrifft, als auch die Art und Weise der Umsetzung – der eingeschlagene Weg. Die folgenden Maximen stehen bei Ihrer Zeitrettung im Vordergrund. Lean Time Management engt nicht ein, sondern befreit! Es gilt: Freiräume schaffen anstatt ein Korsett anzulegen. Beweglichkeit zurückgewinnen und Agilität im Hinblick auf ungeplante oder spontane Ereignisse herbeiführen. Lean Time Management belastet nicht, sondern entlastet! Es gilt: Mit minimalem Aufwand denkbar viel erreichen. Ein entspanntes Leben und ein stressfreies Arbeiten ermöglichen. Lean Time Management lenkt nicht ab, sondern lenkt! Es gilt: Von Ablenkungen abschirmen und fokussiertes Arbeiten fördern anstatt die Aufmerksamkeit auf das Zeitmanagement ziehen. Lean Time Management nimmt keine Zeit, sondern gibt Zeit! Es gilt: Schneller vorankommen und Aufgaben effizient bearbeiten – anstatt zeitraubender Selbstadministration. Damit die Rettungsaktion genauso vonstatten geht, wie oben angedacht, greifen wir auf eine altbewährte Taktik zurück. Eine Allzweck-Waffe für geschickte Schachzüge. Historischen Ursprungs ist diese, und viele Wurzeln werden ihr zugeschrieben. Wahrheit und Dichtung liegen da gerne mal nah beieinander. Mutmaßungen sind an der Tagesordnung. Ein Urheber mehr spielt wohl keine Rolle mehr. Der Ausspruch „Teile und herrsche“ könnte auch von einem frühzeitlichen R. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6_16, C Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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III Die Einsatzbesprechung
Spitzenkoch aus dem Lande der „Haute Cuisine“ stammen. Einem Meister seines Fachs vielleicht, der erstmalig in seinem Zeitalter moniert hat, dass man nicht alles in einen Topf werfen darf – wie nach althergebrachter und teils stümperhafter Manier gerne gekocht wurde. Wenn’s nach dem köchelnden Querdenker geht, von dem diese Geschichte aus ferneren Zeiten erzählt, gleicht der in die Jahre gekommene und über dem offenen Feuer hängende Suppenkessel einer Frevelei an den menschlichen Gaumenfreuden. Da denkt niemand an die Leckermäuler. Da regiert noch die pure Willkür in der Küchenstube. Es wird ungeteilt einfach alles hineingeworfen, was auch nur im Entferntesten etwas mit der täglichen Essensration zu tun hat. Und diese pampige Brühe muss man dann hinunterschlingen. Jegliches Wohlwollen der Essensbezieher gegenüber ihren Versorgern löst sich bei diesem Gestopfe des Öfteren in Luft auf, sinkt in sich zusammen wie ein zu früh aus dem Ofen gezogenes Soufflee. „So kann es nicht weitergehen!“, folgert unser Rebell mit essigsaurer Miene. Auf die Rolle des Suppenkaspers will er seinen Job nicht länger reduziert sehen. „Der Mensch ist, was er isst“, so sein Credo, und der Appetit, der soll seinen adeligen Essensbeziehern zukünftig nicht mehr vergehen. Nur den Mund, den will er ihnen jetzt erst recht stopfen. Von wegen Einheitsbrei. Getrennte Dinge gehören nun mal nicht in denselben Pott. Auch was die Land- und Wiesenköche mit den Eiern fabrizieren, ist für unseren Spitzengastronom ein Graus. Da macht man kein großes Aufheben. Ob minderwertiges Hühnerei oder delikates Wachtelei – was soll’s. Fasziniert von der Chance, diese zwei Eier zu einem üppigen Omelette zu verquirlen, haut man beides grobschlächtig in die Pfanne. Das zweite mitten in das erste hinein. „Die Mischung macht’s!“, ruft man sich scheinheilig zu. „Geschmacksreinheit hin oder her: Ein Ei ist ein Ei!“, damit hat man sich aufgeputscht. Ha, von wegen. Grottenschlecht ist das! Ein konfliktgeladener Eierschaum unterschiedlicher Geschmacksrichtungen, der keinem auf der Zunge zergeht. Nicht die Eier gehören hier geschlagen, sondern der Pfingstochse von Koch, der an einer Kochstelle genaugenommen nichts zu suchen hat. Was man in jener Zeit erst recht suchen muss, ist geschmackliche Erfüllung. Im Sog der kulinarischen Unzulänglichkeiten und des sauertöpfischen Einerleis kann es leicht passieren, dass man der Versuchung gewisser Sinnesnerven durch die Riechstoffe erlag. Wer sich, so wie unser Reinheits-Verfechter, zur wohligen Riechbarkeit hingezogen fühlt, kann eher im Tabakschnupfen die Erfüllung finden, als in den Kochtöpfen der Nation. Von der differenzierten Geschmackswelt verführt, findet man letzten Endes Trost in einem Schnupferclub. Die haarsträubenden Irritationen des Riechorgans und anderweitige Defizite kann man in geselliger Runde kompensieren. Mit einem weiteren großen Trostspender: Wird in diesem Kreis eine Einladung zum Essen ausgesprochen, wundert sich niemand, wenn die geladenen Gäste schon vor dem Essen die Nase voll haben. Nichts desto weniger: Die plumpen Küchenmarotten und geschmacklosen Fehltritte sind nicht länger zu verzeihen. Die Zeit der kruden Nahrungsaufnahme, aus der reinen Physiologie heraus, ist eindeutig vorbei. Die „gesegnete Mahlzeit“ soll stattdessen an der Tagesordnung sein. Da kann man die Tischgesellschaft nicht einfach mit dem plumpen „Essen fassen!“ zusammentrommeln, sondern nur mit einem kultivierten „Es ist angerichtet!“ zu Tisch bitten. Nicht mehr „den Wanst vollschlagen“, sondern „schlemmen wie Gott in Frankreich“, das ist die standesgemäße Zukunft – und die Götterspeise das erstrebenswerte Ziel. Ganz in diesem Sinne strebt unser Küchen-Revoluzzer auch die alleinige Herrschaft über die Kochinseln an, denn deutlich lag vor seinen Augen: Zu viele Köche verderben den Brei! Aber das Hauptaugenmerk des Küchendragoners liegt woanders. Im Zentrum seines kulinarischen Universums hat sich unverrückbar die Erkenntnis eingenistet: Zu viele Zutaten verderben den Brei erst recht!
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Niemand ahnte in jener Zeit, dass diese harmlos anmutende Küchenrevolte die Keimzelle für ein ganz großes Ereignis von weltpolitischer Bedeutung werden sollte – die Französische Revolution. Von dieser schicksalshaften Verbindung der damaligen Ereignisse wurde bis heute nicht berichtet. Über dreihundert Jahre schwelt diese Initialzündung, dieser heimliche Auslöser, dieser ursächliche Quell allen Widerstands und aller revolutionären Gedanken, in den Mägen des französischen Volkes. Bevor der Keim schließlich im achtzehnten Jahrhundert unkontrolliert überschwappt und es zum ganz großen Ausbruch kommt. Ein wirkungsgeschichtliches Hauptereignis auf dem europäischen Kontinent, welches wie kaum ein anderes die Moderne geprägt hat – und alles nur wegen ein paar Essensresten, die plötzlich nicht mehr zusammenpassten. Doch zurück zum fünfzehnten Jahrhundert, in welchem unser Gourmetvorreiter nicht nur den Nerv der Zeit, sondern auch den Geschmack des damaligen französischen Königs traf. Das edle Süppchen nach der „Teile-und-herrsche-Philosophie“ avanciert zum letzten Schrei am königlichen Hof und entspricht ganz und gar dem hoheitlichen Gusto. Eine Parademahl in bester „Tischlein-deck-dich“-Manier. Bei diesem Drahtseilakt kommen viele auf den Geschmack. Vergessen sind die kulinarischen Nöte, die scheußlichen Geschmacksverirrungen der Küchenheinis. Geschmacksreinheit ist von nun an das Salz in der Suppe der Kochkünste. Inspiriert und revolutioniert hat unser „Enfant terrible“ aus dem Küchengewerbe damit nicht nur die Welt der Gastronomen in Frankreich, sondern auch die der Bierbrauer in Deutschland, denn das delikate Reinheitsgebot schwappt auf die teutonische Braukunst über. Der ewigen Panscherei im Germanen-Land hat man endlich einen Riegel vorgeschoben und so die älteste Lebensmittelverordnung der Welt hervorgezaubert. Wasser, Hopfen und Gerstenmalz – das war’s. Ein schmackhaftes Beispiel länderübergreifender Kooperation. Unser Gourmand zieht aus diesen für ihn erfreulichen Entwicklungen seine eigenen Schlüsse. Leichten Herzens kann er sich nun dazu durchringen, seinen Herrschaften endlich etwas einzuschenken, was nicht an jeder Theke verkauft wird: reinen Wein. Denn nicht mehr übers Herz bringt er es, jenes öde Gesöff aufzutischen, welches in seinen Augen die Bezeichnung „Wein“ nicht annähernd verdient. Ein bitterer Mischmasch aus allerlei Traubensorten. Ob weiß, rot oder sonst wie, es wurde alles miteinander vermatscht, was wie eine Weinrebe daherkommt. Den schludrigen „Winzern“ bleibt die einzige Hoffnung, dass aus diesem gepanschten Most zu guter Letzt doch so etwas wie Wein wird. Nur unser „Teile und herrsche“-Erfinder weiß es besser: Daraus wird nichts. Diese Traubenmaische bekommt niemals gute Noten. Das bleibt ein bitterer Verschnitt zum Zähneziehen. Besser dazu geeignet, die Mühlräder im ganzen Land anzutreiben, als die Gurgeln der Aristokraten zu erfreuen. Und weil sich selbst das Volk immer wieder den Schädel anrennt, beginnt es über dieses Gemisch herzuziehen. Bockige Stimmen vernimmt man landauf und landab in den Schenkstuben: „Die Trauben von der Sonne verwöhnt. Der Wein bei den Trinkern verpönt.“ Für unseren Revolutionär ist damit klar: „Die Wende muss her! Kein weiterer Jahrgang soll so abgeschmackt in den Keller gefahren werden.“ Wie zu Aschenputtels Zeiten wird von nun an handverlesen – die weißen erstmal in den Zuber, die roten sofort in die Kelter. Geboren war die „Weinlese“ und ein erlesenes Naturprodukt, das auf ganzer Linie überzeugt. Was für ein Traubenzauber. Mit leuchtenden Augen steht man vor dieser neuen Wahl: Eine Bouteille Weißwein oder Rotwein? Das glühende Verlangen fördert sogar eine dritte Sorte zutage – den Glühwein. Doch dieser muss erst eine Feuerprobe über sich ergehen lassen, was manchmal in Branntwein gipfelt. Egal, die entzückten Herrschaften waren bei diesen süffigen weißen oder roten Tropfen nicht zu bremsen. Kaum etwas fließt vollmundiger und gaumenfreudiger die Kehlen hinunter als dieser edle Rebensaft. Derart heiter und wohlgestimmt hat man die Herrschaften lange nicht erlebt. Ab jetzt gilt die Zecherei als die reinste Freude und mit weinseliger Unbekümmertheit genießt man die fließenden Übergänge vom Tagwerk ins
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Abendprogramm. Die Nächte – eine schnell vergängliche Zeit nebeliger Berauschtheit. Selbst der König ist nicht zu bändigen und hat jetzt öfters einen in der Krone. In den monarchischen Küchen aber ist hiermit das Kochrezept für alle weiteren Leckereien gefunden und fortan munden den Majestäten die Speisen des neuen Sternekochs gleich doppelt so gut. So gut sogar, dass sich Ludwig XI mit beschwipster Leichtigkeit den neuen Leitsatz des innovativen Küchenchefs einverleibt und selbigen zum Oberaufseher über die französische Küche erhebt. Ab nun wird unser Gusto im ganzen Lande bekannt und erntet weltweiten Ruhm. Sein Name ist noch heute in aller Munde – gepriesen sei Monsieur Michelin. Ganz im Sinne des „Teilen und herrschen“ gibt es fortan zwei bedeutende Herrscher im Königreich. Ein Platz auf dem Olymp der Kochgeschichte ist dem überzeugten Trennkostzubereiter sicher. Auf die rhetorische Frage des Königs „Wer hat’s erfunden – das Teile-und-herrsche?“ gibt’s wenig Gegenrede. Den einzigen Einwand bezüglich des Copyrights der chinesischen Kriegskünstler aus grauer Vorzeit fegt die erhabene Majestät durch eine lässige Handbewegung vom Tisch. Das lässt er nicht gelten. Jetzt ist er am Drücker, und der undankbare Widersprecher unterm Fallbeil der nimmersatten Guillotine – nun einen Kopf kürzer. Einfach lächerlich ist diese aberwitzige Geschichte mit der drohenden TerrakottaArmee, welche die Urheberrechte der asiatischen Fürsten wahrt und alles in Schutt und Asche legen kann. Nur Dummköpfe schlucken einen solchen Blödsinn. Von namenlosen Laienkriegern, die nicht mal ein Geschreibe, sondern nur ein ärmliches Gekritzel zu Papier bringen, lässt sich der Landesherr nicht einschüchtern. Schwachsinnig ist so was. Diese aus Tonfiguren wieder auferstandene Schlägertruppe aus einem weltabgewandten Kontinent ist weit weg und hat in seiner Zeit sowieso nichts mehr zu melden. Auch die Römer und die feinen lateinischen Schreiberlinge mit ihrem gekünstelten „divide et impera“ können ihm gestohlen bleiben. Mit seinen eigenen Worten – diviser pour régner – und in seiner eigenen Sprache hört sich das Ganze gleich viel genüsslicher an. Fortan hat man’s dem französischen König in die Schuhe geschoben. Diese Taktik historischen Ursprungs, diese Wunderwaffe der Strategie und Problemlösung, die noch heute – bei unserer Zeitrettung – wertvolle Dienste leistet. Schon Aristoteles hat uns gelehrt: „Was dem Teile nützt, nützt auch dem Ganzen.“ In diesem Fall ist „das Ganze“ unsere Rettungsmission, und „die Teile“ unsere beiden Sofortmaßnahmen – Sie wissen schon. Zwei sinnvolle Teile fügen sich zu einem wirkungsvollen Ganzen.
Wenn man zusammenwirft, was nicht zusammengehört, sind nicht nur Geschmacksirritationen, sondern auch andere unglückliche Vermischungen vorprogrammiert. Abgrenzung hingegen schafft Klarheit und Ordnung, verleiht hin und wieder auch Flügel. Das „Teile und herrsche“ greift beispielsweise dann ganz gut, wenn der Alltag erfolgreich gemeistert werden soll. Um es auf den Punkt zu bringen: Zwei verschiedene Dinge müssen Sie beachten und ihr Weg wird unbeschwerlicher – vielleicht sogar ein leichter sein. Wesentlich ist zum einen, dass Sie eine gesamthafte Vorstellung von dem haben, was Sie erledigen müssen oder bei Bedarf aufgreifen möchten. Ihre laufenden Pflichten und Ihre behaltenswerten Ideen müssen Sie überschauen können. Diese Dinge müssen Sie „im Griff“ haben. Erfolgsentscheidend ist zum anderen Ihre Zeitnutzung und Zeiteinteilung. „Carpe diem“ – nutze den Tag. Der Tag sollte sinnvoll gestaltet sein und die Erledigung Ihrer Aufgaben sollte durchdacht vonstatten gehen – und wenn mal sehr viel ansteht, nach einem Plan ablaufen.
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Das war’s. Diese beiden Aspekte, das Tätigkeitsspektrum verwalten einerseits und den Tag gestalten andererseits, beeinflussen merklich und auf direktem Weg Ihren persönlichen Erfolg. Zusammengenommen tragen somit die beiden Säulen der Rettungsaktion einen gewichtigen Anteil an den Früchten Ihrer Arbeit. Ganz Im Sinne unseres revolutionären Kochs und seinem „Teile und herrsche“-Prinzip haben wir einen umfassenden und schwer greifbaren Gesamtkomplex in zwei beherrschbare Fragmente gegliedert – zwei leichtgängige Maßnahmen für die Rettung Ihrer Zeit. Der Durchblick beim Tätigkeitsspektrum – Die erste Maßnahme dieser Rettungsmission widmet sich der Organisation Ihres Tätigkeitsspektrums. Sie verschafft Orientierung und Übersicht in diesem wichtigen Bereich. Sie gibt Ihnen Transparenz über alles, was von Ihnen erledigt werden muss oder potenziell einmal angegangen werden soll. Wenn Sie alles zusammentragen, kommt vermutlich einiges zusammen. Einen Bericht über das vergangene Geschäftsjahr verfassen. Eine Präsentation über den neuen Produktlaunch ausarbeiten. Eine Vertriebsleiterkonferenz einberufen. Die Büroflächen der Abteilung neu einteilen. Den „Tag der offenen Tür“ für unsere Firma organisieren. Eine neue Projektmanagement-Methodik einführen. Eine vierteilige Artikelserie für die Unternehmenskommunikation abfassen. Einen Kurs über die neu eingeführte ERP-Software besuchen. Ein Treffen mit dem Kollegen aus der Stabsabteilung vereinbaren. Die Kollegin von der Einkaufsabteilung anrufen. Auftaktbesprechung für das neue Projekt planen. Brennpunkte mit dem Chef besprechen. Die neuen Organisationsrichtlinien lesen. Die Spesenabrechnung für den vergangenen Monat zusammenstellen. Das Problem mit den fehlerhaften E-Mail-Anhängen melden. Und einiges mehr. Im Wesentlichen geht es also bei der Organisation Ihres Tätigkeitsspektrums um Fragestellungen wie: Was steht an? Welche Dinge habe ich momentan am Laufen? Was muss ich augenblicklich erledigen? Worum muss ich mich aktuell kümmern? Welche Dinge möchte ich in nächster Zeit möglicherweise in Angriff nehmen? Was lege ich vorerst „auf Halde“? Was parke ich für den Moment auf einem Abstellgleis? Ein reibungsfreier Tagesablauf – Die zweite Maßnahme der anstehenden Rettungsmission ist direkt am Puls der Zeit. Für die Einteilung Ihrer Zeit benötigen wir einen übergeordneten Rahmen – einen „Zeitrahmen“, den wir möglichst optimal ausgestalten. Dass wir uns dabei am wichtigsten Rhythmus orientieren, den Sie in Ihrem Arbeits- und Privatleben erfahren, erscheint nur konsequent. Hier dreht sich alles um den Tag – um Ihren Tag. Dieser ist die Drehscheibe Ihres Lebens und Sie haben definitiv mehr vom Leben, wenn Sie das Beste aus ihm machen und ihn sinnvoll mit Inhalten ausgestalten. Eine wirkungsvolle, zielorientierte und gleichsam zufriedenstellende Rahmensetzung soll Sie durch den Tag führen und somit die Geschehnisse und Abläufe in diesem so wichtigen Zeitfenster steuern. Schlußendlich zählt aber auch: Sie sollen zufrieden sein mit jedem Tag. Die Abarbeitung Ihrer vielfältigen Pflichten strukturieren, sie in eine sinnvolle Bearbeitungsreihenfolge bringen, sind weitere Anliegen dieses zweiten Bausteins. Als Ziel der Rahmensetzung soll das Tagesgeschäft möglichst zuverlässig abgespult und reibungslos über die Bühne gehen. Zentrale Fragen in dieser Hinsicht sind: Wie gestalte ich meinen Tagesablauf? Welches sind meine Prioritäten für den jeweiligen
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III Die Einsatzbesprechung
Tag? Was möchte ich während des Tages bearbeiten? Was soll am Ende des Tages erledigt sein? – All das fällt von nun an unter die Rahmensetzung. Zwei Bausteine für eine klare Kante beim Zeitmanagement – Die nach dem „Teile und herrsche“-Prinzip vorgenommene Differenzierung in zwei übersichtliche Teilbereiche ist deshalb sinnvoll und hilfreich, weil diese beiden Säulen Ihrer Zeitrettung einem grundverschiedenen Zweck dienen. Im ersten Fall ist es die Übersicht über Ihr gesamtes Spektrum an Pflichten und Ideen, verbunden mit der Gewissheit, dass Ihnen nichts entgeht. Im zweiten Fall ist es die durchdachte und gezielte Nutzung Ihrer Zeit durch eine aktive Gestaltung Ihres kleinsten wiederkehrenden Zeitfensters – dem Tag. Ziel der Rahmensetzung ist es, Ihre Verrichtungen zu steuern und dem Tagesgeschehen eine sinnvolle Ordnung zu verleihen. Die tagesbezogene Rahmensetzung liefert ein ergebnisorientiertes „Programm“, welches Sie durch den Tag führt. Der Vorteil dieser zweigliedrigen Vorgehensweise ist, dass Ihnen just in den Momenten, in welchen Sie den Tagesablauf ausmalen, immer auch eine vollständige Sicht auf alle zu erledigenden Angelegenheiten zur Verfügung steht. Das Grundübel leuchtet jedem ein: Wenn man ein Tagesprogramm absteckt und dabei nur einen Teil dessen, was getan werden muss, im Hinterkopf hat, dann ist das Programm ungefähr so wertvoll wie die Fäden in einem löchrigen Flickenteppich. Und wenn schon die Tagesgestaltung lückenhaft ist, dann sind auch Ihre Verrichtungen stets nur die halbe Miete. Kein Wunder, wenn man da von Zeitnöten heimgesucht und von ständigem Zeitdruck geplagt wird. Mit Lean Time Management können Sie reibungslos den Alltag meistern. Lean Time Management ist ein Konzept mit operativem Fokus. Ein ganzheitlicher Ansatz, beginnend bei der systematischen Verwaltung aller laufenden Pflichten und behaltenswerten Ideen, bis zur Ausgestaltung des Arbeitstages – oder einer anderen für Sie aussagekräftigeren Planungsperiode, zum Beispiel die Arbeitswoche. Ein auf dieses Ziel verdichtetes und dennoch durchgängiges Organisationskonzept konnte man in dieser Deutlichkeit bisher noch nicht am Zeitmanagement-Horizont erkennen. In dieser konkreten Form der Arbeitsunterstützung und dem damit einhergehenden hohen praktischen Nutzen liegt die Stärke der vorliegenden Rettungsmission. Es muss durchgängig sein. Es muss einfach funktionieren. Es muss sofort greifen. Und es darf ruhig Spaß machen. Das sind die umgangssprachlichen Antreiber, unter deren Licht Ihre Zeitrettung steht. Für den Lebensalltag eines Lean Time Managers soll zukünftig gelten: Maximale Entlastung, trotz maximaler Belastung! Negative Einflüsse ausradieren und positive Energie freisetzen – Diese Rettungsaktion befreit Ihren Gedankenkosmos von unliebsamen Denkimpulsen. Damit sind jene gedanklichen Ablenkungen gemeint, die Ihre vielfältigen Pflichten betreffen und somit Ihre Geistesleistung reduzieren oder völlig blockieren. Aus der hier eingeleiteten Zeitrettung erwächst auf den folgenden Seiten ein Konzept, mit dem Sie all Ihre Pflichten vollständig aufnehmen, sinnvoll strukturieren und effizient verwalten können. Egal ob klein oder groß; egal ob verbindlich zu erledigen oder erst später – eventuell einmal – relevant. Eine Systematik, welche die kalendarische Dimension gleichfalls mit einbezieht. Beim Lean Time Management ist dies der
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Tag. Hierbei wird die stets aktuelle Sicht auf das gesamte Spektrum Ihrer laufenden Pflichten und Ideen zum Fundament, mit dem Sie dieses kleinste, regelmäßig wiederkehrende Zeitfenster stichhaltig ausfüllen können. Immer einen Schritt voraus – Mit den zwei Bausteinen dieser Rettungsmission sind Sie immer den entscheidenden Schritt voraus. Es ist nun mal so: Wer etwas bewegen will, muss sich bewegen – also etwas tun. Aber was? Die lückenlose Verwaltung Ihres Tätigkeitsspektrums erlaubt Ihnen, alle Angelegenheiten angemessen voranzutreiben und somit Ihren Zielen geordnet näherzukommen. Bei der Rahmensetzung – der Gestaltung Ihres Arbeitstages – bauen Sie dann einzelne Ausführungsschritte in das Tagesgeschehen ein. Schritt für Schritt, Tag für Tag, nähern Sie sich somit konsequent dem angestrebten Endzustand – und gestalten dabei stets unter Einbeziehung all Ihrer Pflichten und Ideen. Auch wenn in fast allen Situationen der Tag ein sinnvolles Zeitfenster für die angedachte Rahmensetzung darstellt, darf man eines nicht vergessen: Der Gestaltungsgedanke mit Schwerpunkt „Arbeitstag“ will den Umstand nicht unterschlagen, dass sich größere Aufgaben über einen mehrtägigen, ja mehrwöchigen Zeitraum erstrecken. Folglich müssen diese tagesübergreifend oder sogar monatsübergreifend gesehen und geplant werden. Diese „Projektplanung“ für die Erledigung von größeren und längerfristigen Aufgaben ist eine eigenständige Disziplin, die wir bei Ihrer Zeitrettung nur in Ansätzen streifen. Rettung ohne Grenzen: Beruflich wie Privat – Lean Time Management im Berufsleben und im Privatleben – macht das einen Unterschied? Nein! Funktioniert es in beiden Lebensbereichen? Ja! Wir geben unserem Leben zwar Struktur, indem wir Grenzen ziehen zwischen dem, was zuhause, in unserer Freizeit passiert, und dem, was sich in unserem Beruf während der Arbeitszeit abspielt. Aber am Ende des Tages lautet das ermüdende Fazit immer: Arbeit ist Arbeit. Da spielt es keine Rolle, ob Sie etwas in der Firma erledigen müssen oder zuhause. Egal, ob Sie die Garage aufräumen oder einen Statusbericht für ein Projekt verfassen müssen – beides zaubert Schweißperlen auf Ihre Stirn. Beides ist ein Kraftakt – einmal körperlich, ein anderes Mal geistig. Lean Time Management passt für beide Lebensbereiche. Was in Ihrem beruflichen Umfeld vor sich geht, müssen Sie genauso im Griff haben wie das, was innerhalb Ihres persönlichen Radius getan werden muss. Gehen wir die Zeitrettung also an. Fällen wir die Entscheidung zum Handeln. Kommen wir zur Sache, denn auch wenn wir mit unseren Gedanken das subjektive Zeitempfinden beeinflussen können, gilt: Den Fluss der Zeit können wir nicht beeinflussen, den „Lauf der Dinge“ jedoch sehr wohl. Frei nach dem ungehemmten und aktivierenden Credo von Thomas Alva Edison, einem der bedeutendsten Erfinder und Produktentwickler in der Neuzeit und Mitbegründer des Konzerns General Electric: „Erfolg hat der, der etwas tut, während er auf den Erfolg wartet.“
Teil IV
Die Rettung – Maßnahme 1: Platz da! Selektives Outsourcing für Ihre Gedanken
Kapitel 17
Entlastung ist angesagt – Ein klares Konzept für klare Gedanken
Outsourcing ist Ihnen fremd? Dieser Kelch geht an Ihnen vorbei. Damit haben Sie nichts am Hut. Nicht gestern, nicht heute und auch nicht morgen. Falsch! Ein schwerer Irrtum. Jeder von uns betreibt Outsourcing, täglich und ganz selbstverständlich. Wer würde schon auf die Idee kommen, ein Haus in eigener Regie zu bauen? Oder Möbel und Einrichtungsgegenstände für seinen Hausstand selbst herzustellen? Kleidung und Schuhwerk lassen wir ebenso extern fertigen. Papier fürs Schreiben produziert niemand „inhouse“. Oder wollen Sie im Keller eine raumfüllende Papiermaschine stehen haben? Die Wäschereinigung delegieren wir an die Waschmaschine. Blusen, Hemden und Anzüge kommen in die Reinigung. Den Hausmüll lassen wir von der Müllabfuhr abholen. Reparaturen am Haus übernimmt der Hausmeister. Brot backt die Fraktion der Frühaufsteher. Obst- und Gemüsebauern kümmern sich um den gesunden Teil der Nahrungskette. Musik trillert fixfertig aus dem MP3-Player. Manches Gericht ist genauso fertig – das Fertiggericht. Informationen sammeln Radio, Tageszeitungen und Nachrichtensender. Unterhalten lassen wir uns von Zeitschriften und Fernsehprogrammen. Die Post bringt die Post. Den mit Spannung erwarteten Strom liefert der ständig unter Spannung stehende Energieversorger – oder der hitzige Planet im Zentrum unseres Sonnensystems. Sommer- und Winterreifen wechselt der nette Typ von der Kfz-Werkstatt – und einmotten tut er diese auch gleich. Kleinkinder betreut der nächstgelegene Kindergarten oder die hoffentlich belastbare Tagesmutter. Und unzähliges mehr. Ist das nicht toll? Zweifellos. Das kostet zwar in vielen Fällen Geld, erleichtert jedoch unser tägliches Leben ungemein und schafft Zeit sowie Platz in der Garage oder im Kopf. All das ist Outsourcing, wir verwenden den Begriff nur nie. Schon seit Jahrhunderten machen die privaten Haushalte intensiv davon Gebrauch. Jeder einzelne kann sich somit auf seine Kerninteressen und -kompetenzen konzentrieren. Man kann das tun, was einem liegt. Man kann sich selbst besser verwirklichen und dort einbringen, wo man wertvolle Beiträge leisten kann. Man vergeudet keine Energie, die man anderswo besser einsetzen kann. Das ist gut so! Das ist richtig so! Denn Realität ist auch, dass für alles, was bei Ihnen ansteht, jemand existiert, der nahezu perfekt dafür geeignet ist. Ein idealer Partner für’s Outsourcing also. Was Ihnen Mühe bereitet, ist für ihn ein Kinderspiel. An was Sie sich die Zähne ausbeißen, läuft bei ihm wie geschmiert. Was Ihnen R. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6_17, C Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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IV Die Rettung – Maßnahme 1
jegliche Lebensfreude raubt, ist für ihn überhaupt kein Leidensgrund. Was Sie nur mit großem Ressourcenverbrauch, mit reichlich Zeit und mit viel Geld umsetzen können, erledigt er prompt und höchst effizient. Was Sie nicht schaffen, schafft er. Einen solchen Sparring-Partner lernen Sie bei dieser ersten Rettungsmaßnahme kennen. Er soll Ihr Gehirn unterstützen – beim „Sich-Erinnern-Müssen“. Warum wir uns gern falsch erinnern, oder auch mal überhaupt nicht – Wenn schon mal das Erinnerungsvermögen im Diskussionsmittelpunkt steht, können wir uns an dieser Stelle auch gleich von einem weit verbreiteten Irrtum verabschieden: Sie meinen, das menschliche Gedächtnis ist ein Speicher? Die verlässlichste Festplatte aller Zeiten? Wie in Stein gemeißelt? Vergessen Sie’s. Erinnerungen sind eher Rekonstruktionen als Abrufe. Da ist Bewegung drin: Im Gedächtnis abgelegte Inhalte werden kontinuierlich verändert und umorganisiert, so wie es den aktuellen Bedürfnissen und der Lebenssituation am besten entspricht. Da wird fleißig umgedeutet: Es vermischt sich die Außenwelt in der Umdeutung der Realität mit der im Gehirn bereits gefestigten Innenwelt. Zurückliegende Erinnerungen werden uminterpretiert und uminszeniert, um sie für die persönliche Identität des Einzelnen passend zu machen. Da wird vernetzt: Einzelne Inhalte unseres Gedächtnisses sind assoziativ miteinander verknüpft, was einen ungemein schnellen Aufruf persönlich relevanter Information erlaubt – nur dass persönlich relevant nicht immer sachlich relevant bedeutet. Und da wird vergessen: Das „aktive Gedächtnis“ ist genauso zwiespältig wie unsere geistige Sparsamkeit. Es toleriert Irrtümer und wirft permanent Dinge über Bord. Zu weiteren Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Ach was! All das wird Sie von nun an nicht mehr stören, denn dank Ihre Zeitrettung können Sie vieles gelassener hinnehmen und sich mit leichten Gedanken für die anstehenden Rettungsschritte Mut machen: „Lieber eine angenehme Entlastung als eine andauernde Belastung!“ Die Lösung: Externalisieren – Externalisieren lautet das deutschsprachige Äquivalent, um das es in diesem Teil, der ersten Maßnahme Ihrer Zeitrettung, geht. Wir gehen dabei äußerst selektiv an’s Werk. Die Rede ist von einem selektiven Externalisieren, wohlgemerkt. Einen Teil Ihrer Gedanken sehen wir für’s Externalisieren vor. Alles dreht sich um die einfache, aber ungemein wichtige Frage: „Wie komme ich zu klaren Gedanken und wie bleibt es dabei?“ Dem mitteilsamen Management-Berater Peter F. Drucker ging diese Knacknuss offensichtlich nicht aus dem Kopf. Für ihn zum Leidwesen, denn er hat verzweifelt nach Ausgängen gesucht. Für uns zum Glück, denn er hat einen Ausweg gefunden. Erleichtert hat er es sogleich mit erhobenem Zeigefinger in die Welt hinausposaunt: „Wenn es ein Geheimnis der Effektivität gibt, so heißt es Konzentration!“ Daran kann ich nur anschließen: „Das, meine Damen und Herren, erfordert jedoch klare Gedanken.“ Deshalb heißt es hier: Entlastung ist angesagt! Denn ich weiß, es liegt Ihnen am Herzen. Es ist Ihnen schon immer ein sehr wichtiges Anliegen gewesen: Einen
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Entlastung ist angesagt – Ein klares Konzept für klare Gedanken
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klaren Gedanken fassen. Pardon. Natürlich nicht nur einen. Sie wollen mehr. Ich verstehe. Sie wollen immer klare Gedanken fassen können. „Da spielen wir nicht mit!“, vernimmt man prompt ein Rufen aus dem Gedankenraum. Derart unverblümt quittieren die angesprochenen des Öfteren den Dienst. Da kann auch mal eine Sicherung durchbrennen. So nicht! Das können wir nicht länger dulden. Das müssen wir abstellen. Dieser erste Schritt in Richtung einer zeitreichen und lastfreien Lebens- und Arbeitsweise bezieht sich auf die Organisation Ihres Tätigkeitsspektrums – die Art und Weise, wie Sie mit eintreffenden Informationen und bestehenden Pflichten umgehen. Pflichten – Ach ja, bei Ihrer Zeitrettung steht das Wort „Pflichten“ stellvertretend für all diejenigen Angelegenheiten, bei denen Sie etwas tun müssen. Würden Sie eine persönliche Aufstellung aller laufenden Dinge erstellen, so wäre jeder Eintrag in dieser Liste eine „Pflicht zum Aktiv-Werden“. Unerheblich, wie arbeitsintensiv diese Angelegenheit ist. Jede Besorgung, die noch aussteht; jede Sache, die Sie regeln möchten, jeder Anruf, den Sie tätigen wollen; jede Abklärung, die Sie vornehmen sollen; jede Information, die Sie weitergeben müssen; jede Aufgabe, die Sie sich selbst auferlegt haben; jeder Auftrag (ob gross oder klein), den Sie von Weisungsbefugten erhalten; jedes Projekt, in welchem Sie mitarbeiten. All das sind Pflichten, denen Sie nachkommen müssen – Sie müssen in irgendeiner Form „aktiv werden“. Mitunter kann dies auch mal bedeuten, dass Sie eine dieser Pflichten nicht erledigen und sie stattdessen ersatzlos streichen. Das wäre eine Unterlassungshandlung. Wichtig ist, dass Sie solche Entscheidungen – etwas zu unterlassen – bewusst treffen. Auch in dieser Hinsicht unterstützt Sie die hier eingeleitete Rettungsmission. Ihre Zeitrettung und die damit verbundene Organisation Ihres persönlichen Tätigkeitsspektrums umschließt folglich alle Pflichten, unabhängig vom zeitlichen Umfang. Die Bandbreite reicht von der einfachsten Aktion, die innerhalb weniger Minuten ausgeführt werden kann – beispielsweise jemanden anzurufen, um eine Information weiterzugeben –, bis zur langfristig vorgesehenen Mitwirkung in einem größeren Projekt. Ideen – Beachtenswert sind fernerhin auch Ihre Gedanken über mögliche Aktivitäten in der Zukunft. Einfälle, die sich erstmal verschwommen andeuten. Dinge, die Sie eventuell einmal erledigen möchten. Optionale Angelegenheiten. Vergessen wollen Sie diese Punkte nicht, schließlich möchten Sie früher oder später darüber befinden. Soll die Idee zur Ausführungen kommen, sollen die Gedanken hierzu konkretisiert werden oder soll das Thema vom Tisch verschwinden? Sie müssen eines Tages Farbe bekennen, Stellung beziehen. Solange Sie dies nicht tun und das Thema vor sich hin schieben, steht es zur Disposition und gehört somit auf Ihren Radarschirm – bis Sie endgültig darüber entschieden haben. Lautet Ihre Entscheidung, dass Sie den Gedanken nicht weiterverfolgen oder die Idee fallen lassen, dann erst sind Sie davon entbunden. Geht Ihre Entscheidung in die andere Richtung, Sie wollen oder müssen etwas tun, dann ergibt sich daraus etwas Verbindliches. Jetzt müssen Sie aktiv werden. Die vormalige „Option zum Handeln“, der Eventual-Fall, wird damit zum Pflicht-Fall.
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IV Die Rettung – Maßnahme 1
Warum von der Übersicht vieles abhängt – Wer die Symptome von Zeitnotleidenden analysiert, stellt fest, dass da noch etwas anderes im Spiel ist. Es kriselt nicht nur an der Zeitfront, sondern auch an der Gedankenfront. Ein schicksalhafter Zusammenhang, der den meisten nicht bewusst ist: Menschen, die sich mit Zeitmanagement beschäftigen, leiden nicht nur unter Zeitmangel, sondern auch unter Platzmangel! Es ist das Gerümpel in der Gedankenwelt, welches die Betroffenen hemmt und die Zeitnot mit ankurbelt. Wenn große Unordnung herrscht, hilft nur eins: Entrümpeln! Ihre Gedanken wirksam befreien bedeutet deshalb in erster Linie: das Management Ihrer Pflichten externalisieren! „Klare Gedanken schaffen“, so lautet zunächst das Gebot der Stunde. Damit Sie stets klare Gedanken fassen können, gehen wir beim selektiven Externalisieren strikt nach Werthaltigkeit vor. Wobei wir die wertvollen Gedanken dort belassen, wo sie sind. Sie sind in Ihrem Kopf am besten aufgehoben. Die kritische Masse für Ihre Zeitrettung finden wir bei den weniger werthaltigen Gedanken. Wobei „weniger werthaltig“ noch ausgesprochen manierlich formuliert ist. Wir stürzen uns auf die Gedanken, die Sie unnötig plagen. Es ist nachvollziehbar, dass Ihre Gedanken umso befreiter sind, je besser Sie sich aufgestellt wissen, was Ihre Pflichten und Ideen betrifft – bestehende wie neu hinzukommende. Eine vollständige Sicht auf diese Dinge beruhigt. Das schafft Vertrauen. Ihre Gedanken können loslassen. Das ständige Grübeln darüber ist wie weggewischt. Eine stimmige Übersicht ist ein entscheidendes Element für eine belastungsfreie und stressreduzierte Arbeitsweise. Beim Blick auf Ihre verschiedenen Angelegenheiten wird Ihnen außerdem klar: Vieles bekommen Sie nicht mit einem Wisch vom Tisch. Wäre ja auch zu einfach. In den heutigen Zeiten gibt es immer öfter Angelegenheiten, die Sie in mehreren Arbeitsgängen ausführen müssen. Das treibt den Koordinationsaufwand manchmal leicht, in vielen Fällen aber deutlich spürbar nach oben. Da kommt eine Gesamtsicht über Ihr Tätigkeitsspektrum gerade recht. Darauf aufbauend können Sie für alle laufenden Angelegenheiten ableiten, in welcher Reihenfolge Sie vorgehen und was konkret zu unternehmen ist. Auch das kann Gedanken ruhig stellen. Es wurde an anderer Stelle schon erwähnt: Wer in Gedankennot ist, der wird auch von Zeitnöten nicht verschont bleiben. Das ist ein Lean-Time-ManagementGrundgesetz. Deshalb erscheint es sinnvoll, dass wir die Verwaltung Ihrer Pflichten und Ideen einer schlüssigen und zuverlässigen Aufzeichnungsmöglichkeit überlassen. Mit ihrer Hilfe beaufsichtigen wir Ihr gesamtes Tätigkeitsspektrum. Alles was diejenigen Dinge betrifft, die Sie erledigen müssen oder eventuell zu einem späteren Zeitpunkt angehen möchten, vertrauen wir im Zuge dieser Rettungsmaßnahme zwei verlässlichen „Helfern“ an. Eine Premiere: Vorhang auf für das Erfolgs-Duo – Der eine Helfer bietet sich beim Thema „Pflichten“ nahezu von selbst an. Was halten Sie von einem Pflichtenheft? Jawohl, ein Pflichtenheft! Zugegeben, das hat man beim Zeitmanagement noch nicht gesehen. Das gab’s noch nie im Zeitmanagement-Umfeld. Dennoch ist es für viele ein Vertrauter, denn es stammt aus der Welt des Projektmanagements. Im Projektgeschäft ist das Pflichtenheft täglich Brot. Dort ist es Dreh- und Angelpunkt für den Gegenstand des Projekts. Immer wieder kommt man darauf zurück
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und jeder Projektmanager wird Ihnen blindlings bestätigen: „Ohne Pflichtenheft geht gar nichts!“ Aber beim Zeitmanagement? Für’s Zeitmanagement ist das ein Novum. Ein neuer Anwendungsfall oder wenn Sie so wollen: eine Zweckentfremdung. Ein Pflichtenheft beim Zeitmanagement: Das ist neu. Das bündelt vieles. Das ist kompakt. Das ist pflegeleicht. Und das ist vor allem eins: schlank – wie wir gleich sehen werden. Deshalb wage ich vorauszusagen, dass eines Tages gestandene Lean-Time-Manager dem Erfolgsrezept der Projektmanager zustimmen und in deren vorausgegangener Wortmeldung einstimmen können: „Ohne Pflichtenheft geht gar nichts!“ Unser zweiter Helfer ist hingegen kein Unbekannter. Man sieht ihn ab und an im Zeitmanagement. Er hat Tradition. Aus gutem Grund. Die Rede ist von einem Ideenspeicher. Das ist etwas Etabliertes, was wir sinnvoll in unser Konzept einbinden können. Als angehender Lean-Time-Manager werfen Sie in die Waagschale: „Ist denn das noch Lean? Sind wir noch im richtigen Fahrwasser? Befinden wir uns noch auf dem schlanken Weg?“ Ich bejahe, denn bei diesen beiden Partnern handelt es sich letztlich um nichts anderes als eine einfache, aber wohl durchdachte und sinnvoll strukturierte Zusammenstellungen, der wir alle tätigkeitsorientierten Aspekte anvertrauen. Ein schlankes Instrumentarium, aber ungemein wirkungsvoll. Es spielt keine Rolle, ob Sie diese Zusammenstellung – Ihr Pflichtenheft und Ihr Ideenspeicher – handschriftlich führen oder ob Sie auf eine elektronische Unterstützung zurückgreifen. Wichtig ist nur: Gehen Sie einheitlich vor. So wird ein Notizbuch, ein Heft oder eine Datei zu Ihrem persönlichen Werkzeug für das Externalisieren. Wesentlich ist schlussendlich, dass Sie über ein robustes, durchgängiges und wartungsfreundliches Konzept verfügen, mit dem Sie all das, was Ihre Pflichten oder Ideen betrifft, lückenlos und vor allen Dingen effizient verwalten können. Neu aufgekommene Pflichten vermerken und Hinweise auf die Dinge, die Sie eventuell einmal aufgreifen wollen, festhalten. Das war’s im Grunde genommen schon. Nicht viel also, aber eminent wichtig für Ihre Gedanken, denn nur so verfügen Sie über eine grundsolide Rückgriffsmöglichkeit für alle laufenden Pflichten und behaltenswerten Ideen. Ganz in diesem Sinne will ich auf das eingangs erwähnte Ideal zurückzukommen: Klare Gedanken fassen. Sie erinnern sich. Was Ihre Gedanken betrifft, sind Sie nach dieser Rettungsmaßnahme auf Zack. Sie sind schnell bei der Sache. Folglich kann Ihnen nicht das passieren, was Henning Mankell seinem Protagonisten im Krimi „Der Mann mit der Maske“ zugemutet hat. Ich zitiere: „Bevor er einen klaren Gedanken fassen kann, wird er von hinten niedergeschlagen.“
Kapitel 18
Ist das denn möglich? – Nur zwei aufeinanderfolgende Schritte, und Sie sind perfekt aufgestellt
Wo soll uns die Zeitrettung hinführen, wenn es um die möglichst schlanke Organisation unserer Tätigkeiten geht? Auf welchen Pfaden sollen wir wandeln? Sollen die flinken Helfer aus dem Vollen schöpfen und weit in die Ferne schweifen? Selbst dann, wenn es naheliegende Organisationsmuster gibt, die jedem von uns – zumindest unbewusst – vertraut sind? Soll es kompliziert werden, damit es nach was ganz Tollem aussieht, oder darf der Ball flach gehalten werden und das Ganze mit einigen wenigen Schritten über die Bühne gehen? Ja, definitiv! Zwei einfache Schritte für klare Verhältnisse – Also. Machen wir es kurz. Bleiben wir bei den „natürlichen“ Mechanismen, mit denen wir unsere Arbeit für gewöhnlich angehen. Ein zweistufiger Ablauf, bei dem wir zunächst darüber entscheiden, welche Auswirkungen die Dinge haben, die auf uns einströmen. Bei dem wir zweitens festhalten, was wir erledigen müssen oder eventuell einmal angehen wollen. Das war’s. Das hält uns nicht lange auf, hilft uns aber trotzdem auf die Sprünge (Abb. 18.1).
Abb. 18.1 Zwei einfache Schritte schaffen klare Verhältnisse
Der erste Schritt: „Entscheiden“ – Achtung, es kommt was auf Sie zu! Irgendetwas schlägt immer bei Ihnen auf, kommt immer in Ihnen hoch. Ist es nicht so? Ist es nicht der Alltag, der ständig irgendwelche Neuigkeiten und Überraschungen für Sie parat hält? Bringt nicht jede Woche und manchmal selbst ein einzelner Tag so einiges mit sich? Insbesondere im Berufsleben gibt es täglich eine Vielzahl von Dingen, die auf Sie einströmen und nach Ihrer Aufmerksamkeit verlangen. In der Regel sind es Dinge, die von außen aktiv an Sie herangetragen werden. Beispielsweise von „Dritten“, die mit Ihnen in Kontakt treten – per Telefon, via E-Mail, auf dem Postweg, mittels mündlicher Kommunikation, gesteuert über ein Workflow-System etc. In anderen Fällen sind Sie selbst im „Driver-Seat“ und reagieren selbstständig auf Schlüsselereignisse. Sie machen sich Notizen in R. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6_18, C Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Projektbesprechungen oder bringen Unterlagen von einer Geschäftsreise oder einer Schulung mit. Es können aber auch Ihre eigenen Gedanken sein, die anklopfen und Sie auf Trab halten. Für all diese Informationen, Botschaften, Aufforderungen, Anreize, Ideen und Gedankengänge verwenden wir bei unserer Rettungsmission den Dachbegriff „Beschäftigungsimpuls“. Beschäftigungsimpulse sind deshalb von eminenter Bedeutung, weil sie der Ursprung all Ihrer Verrichtungen sind. Jeder Sinnesreiz, der Sie gedanklich beschäftigt, jede auch noch so kleine Aktion, die Sie ausführen, wurde ursächlich durch einen Beschäftigungsimpuls ausgelöst. Deshalb setzt Ihre Zeitrettung an dieser Stelle an. An vorderster Front benötigen Sie ein leichtgängiges Reaktionsmuster, damit Sie ohne große Klimmzüge mit all den Dingen jonglieren können, mit denen Sie beruflich oder privat konfrontiert werden. Entscheidungen spielen dabei eine tragende Rolle, denn die logische Folgereaktion auf einen Beschäftigungsimpuls sollte stets eine bewusste Entscheidung Ihrerseits sein. Wer Entscheidungen an der Frontlinie umgeht, setzt sich einem undurchsichtigen Vakuum aus und sieht sich unversehens mitten in einem gewichtigen zeitraubenden Phänomen. Dem wollen wir vorbeugen. Damit von Anfang an die Dinge in die richtige Bahn laufen und Ihre Gedanken nicht strapaziert werden, stellt Ihnen diese Rettungsaktion einen Entscheidungs-Lotsen zur Seite. Eine Logik, die Sie in die Lage versetzt Sie in die Lage, auf alle Beschäftigungsimpulse mit klaren Entscheidungen zu reagieren. Der Lotse führt Sie durch ein schlüssiges und durchgängiges Entscheidungsschema, innerhalb dessen Sie lediglich vier einfache Entscheidungen treffen. Das geht in Sekunden über die Bühne und hält Sie nicht unnötig auf. Dieser erste Schritt gleicht einem effizienten Filtermechanismus, bei dem Sie als erstes feststellen, was ein Beschäftigungsimpuls für Sie bedeutet: „Was liegt an? Handelt es sich um eine Information, die ich lediglich zur Kenntnis nehmen muss oder steckt mehr dahinter? Muss ich aktiv werden?“ Damit trennen wir die Spreu vom Weizen, denn weitere Entscheidungen stehen nur dann an, wenn der Beschäftigungsimpuls „verrichtungsorientiert“ ist. Doch dazu später mehr. Der zweite Schritt: „Externalisieren“ – Der zweite Schritt steht in engem Zusammenhang mit den im ersten Schritt getroffenen Entscheidungen. Aus diesen Entscheidungen geht hervor, was Sie festhalten müssen. Gleichzeitig steht der Schritt im Zentrum der ersten Rettungsmaßnahme – dem Externalisieren, dem Outsourcing für Ihr Gehirn. Er bezieht sich direkt auf das externe Verwaltungsinstrument, mit dem Sie zukünftig Ihr Tätigkeitsspektrum organisieren. Alle bestehenden Pflichten und Ideen sind dort in einer zweckmäßigen Struktur festgehalten. Das sorgt für eine klare Vorstellung von dem, was zu tun ist. Die im ersten Schritt gefällten Beschlüsse bestimmen die Inhalte dieser Zusammenstellung. Aus den aufkommenden Beschäftigungsimpulsen können sich neue Einträge ergeben, die Sie der Auflistung hinzufügen. Oder es ergeben sich Hinweise, anhand derer Sie bestehende Einträge in Ihrer Zusammenstellung streichen können. Die Alternativen sind dünn gesät. Natürlich könnten Sie stattdessen zwanghaft versuchen, alles Mögliche ständig in Ihren Gedanken mit sich zu tragen. Das geht selten gut. Das hat bleischwere Folgen für Ihre Gedankenwelt. Das wird Ihre Konzentrationsfähigkeit in Mitleidenschaft ziehen. Da könnte sich selbst Ihr
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Ist das denn möglich?
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Verstand irgendwann verabschieden. Je weniger Sie zulassen, dass Beschäftigungsimpulse, die auf Sie einströmen, Ihre Aufmerksamkeit beanspruchen, desto befreiter und konzentrierter können Sie arbeiten. Genau dies erreichen wir mit dem Externalisieren. Kaum zu glauben, aber wahr: In dem Moment, in dem Sie etwas notieren, müssen sich Ihre Gedanken nicht weiter mit diesen Dingen herumplagen. Ihre Gedanken können loslassen, denn schließlich können Sie sich jetzt überzeugt behaupten: „Mir entgeht nichts mehr!“ Nur so können Sie das Stresspotenzial wirksam reduzieren und Ihre Konzentration aufrechterhalten. Eine komplementärer Vorgang: „Vergegenwärtigen und Aktualisieren“ – Dieser ergänzende Vorgang hat einen Sonderstatus. Er übernimmt die Funktion eines „Triggers“, soll also in bestimmten Intervallen oder zu bestimmten Zeitpunkten etwas auslösen. Er trägt dafür Sorge, dass Sie in passenden Zeitfenstern oder in frei wählbaren Zeitabständen die externalisierte Zusammenstellung Ihrer Pflichten und Ihren Ideenspeicher auf Aktualität überprüfen. Das liegt in der Natur der Sache und ist in Ihrem Interesse. Vergegenwärtigen – Unabhängig von dem, was auf Sie einströmt und was an Sie herangetragen wird, findet sich in Ihrem Pflichtenheft das gesamte Portfolio der bestehenden Pflichten. Diese sind Ihnen manchmal stärker und vielleicht auch mal lückenlos präsent. Ein andermal schweben sie nur unscharf und unvollständig vor Ihrem geistigen Auge. Was auch in Ordnung ist, denn schließlich soll das Externalisieren Ihre Gedanken entlasten. Was das betrifft, können Sie sich dank dieser Rettungsaktion erstmal „fallen lassen“. Das in Ihren Aufzeichnungen geführte Spektrum an Pflichten ist jedoch ab und an einen kurzen Blick wert. Der ergänzende Schritt „Vergegenwärtigen“ fungiert deshalb als Auslöser für die turnusmässige Durchsicht Ihres Pflichtenhefts. „Was liegt gerade an? Was ist zu erwarten?“, diese Fragen werden hiermit erschlagen. Das gilt natürlich auch für den Ideenspeicher. Wenn Sie sich Ihre gesamten Pflichten und Ihren Vorrat an Ideen von Zeit zu Zeit vergegenwärtigen, wird Ihr Fokus auf diese unerledigten oder möglicherweise anzugehenden Dinge ausgerichtet. Sie erhalten einen aktuellen Gesamteindruck. Und das bringt einen weiteren Vorteil mit sich: Es beruhigt ungemein, denn bestätigt wird erneut: Bei mir kann nichts anbrennen! Ich übersehe nichts! Aktualisieren – Auch bei den gerade laufenden Angelegenheiten tut sich ständig was. Da ist Bewegung drin. Ein Eintrag in Ihrem Pflichtenheft könnte beispielsweise lauten: „Innerbetriebliche Weiterbildungen für nächstes Jahr planen.“ Vor einigen Tagen haben Sie diese Angelegenheit in Angriff genommen. Nun erfahren Sie von Ihrem Vorgesetzten, dass Sie im Zuge dieser Aufgabe auch das Schulungsprogramm für die Außendienstmitarbeiter aufsetzen sollen. Den ursprünglichen Eintrag in Ihrem Pflichtenheft können Sie entsprechend ergänzen oder einen neuen Eintrag hinzufügen. Allein aus derartigen Gründen müssen Sie ab und an Bestandspflege beitreiben. Will heißen: Die Inhalte in Ihren Pflichtenheft und in Ihrem Ideenspeicher kurz überfliegen. Dabei fällt Ihnen sofort auf, ob und wo sich Veränderungen ergeben. Nutzen Sie diese Gelegenheit, um „reinen Tisch“ zu machen: Erledigtes aussortieren, Neues aufnehmen, bestehende Einträge anders einordnen.
Kapitel 19
Erster Schritt: Entscheiden – Vier Entscheidungen für Ihr persönliches Wohl
Was wir bei Ihrer Zeitrettung als erstes anpacken müssen, ist das in unserem Zeitalter allgegenwärtige „Mengenproblem“. Damit einher geht die Fragestellung: Wie erreichen wir, dass uns selbst große Informationsmengen nicht an die Wand drücken? Es ist heute nun mal so, dass wir im Berufsleben, und hin und wieder auch im Privatleben, mit einer Fülle an Informationen konfrontiert werden. Ohne ein darauf ausgerichtetes Konzept, mit einer verlässlichen Gliederungssystematik im Huckepack, haben wir einen schweren Stand. Wenn man’s wie Goethe sieht, so bleibt einem jeden immer noch so viel Kraft, das auszuführen, wovon man überzeugt ist. Gut, denn das gibt Mut. Das verleiht Kraft, vielleicht sogar Flügel. Selbstgesteuerte Entscheidungen über Ihre Beschäftigungsimpulse bringen uns in die Fahrspur von Goethes Kraftquelle. Wer über ein schlüssiges Entscheidungsschema verfügt, um das zu verarbeiten, was auf ihn einströmt, agiert überlegter und weniger fremdbestimmt als jemand, der auf jeden Zuruf hin aufschreckt und unvermittelt, wie von einer Wespe gestochen oder von einem Elefanten getreten, loslegt. Wer bewusst entscheidet, sieht die Dinge ganzheitlicher, plant fundierter und bestimmt selbst darüber, wann und in welcher Reihenfolge er die Dinge abarbeitet. Differenzierende Einordnungen in Bezug auf die vielfältigen Beschäftigungsimpulse geben Handlungssicherheit und befreien von Zeitdruck. Das bringt naturgemäß Vorteile auf mehreren Seiten mit sich. Erstens: Ihnen stärkt es die Machtfülle über die Disposition Ihrer Aufgaben, denn Sie bestimmen, was wann passiert (den Fall ausgenommen, dass eine an Sie herangetragene Angelegenheit keinerlei Aufschub duldet). Zweitens: Ihre Vorgesetzten und Kunden werden Ihre effiziente und robuste Arbeitsweise positiv zur Kenntnis nehmen, denn auch sie profitieren indirekt davon. Drittens: Sind Sie in einem Unternehmen angestellt, kann Ihre professionelle und stabile Arbeitstechnik andere anstecken oder diese zumindest anspornen, es Ihnen gleichzutun. Das kann ein Unternehmen insgesamt stärken. Beim „Entscheiden“ werden die angenommenen Informationen in einer sinnvollen Weise gefiltert. Hierzu werden die aufkommenden Impulse hinsichtlich ihres Bedeutungsgehalts unterschieden. Bereits die erste Entscheidung ist wegweisend für die stufenweise Filterung der Informationen.
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Beschäftigungsimpulse verarbeiten und filtern: So nicht! – Mit dieser ersten Entscheidung könnten wir den Hebel an der Stelle ansetzen, die vom klassischen Zeitmanagement als Allheilmittel verabreicht und als vordergründiges Differenzierungsmerkmal postuliert wird. Ein Rezept, welches ZeitmanagementRatgeber gerne ausstellen. Wie wäre es also, wenn wir als erstes Wichtiges von Unwichtigem trennen und Dringendes von weniger Dringendem. „Toll! Das kenne ich!“, schlagen Sie begeistert ein. Aber bedenken Sie: Diese Unterscheidungen haben im heutigen Alltagsgeschehen so ihre Tücken. In einer dynamischen Welt ist es nicht ungewöhnlich, wenn sich Prioritäten von heute auf morgen verschieben. Was gestern noch als „Top-Priority“ gehandelt wird, kann schon heute als Ladenhüter ein Schattendasein fristen. Was heute noch absolute Vorfahrt genießt, kann bereits morgen auf dem Abstellgleis landen. Prioritäten, die sich auf die operative Arbeit beziehen, waren noch nie so wechselhaft und unberechenbar wie in unserer Zeit. Das war mal anders. In vergangenen Zeiten, als sich die Zeitmanagement-Kultur etablierte, war noch mehr Statik drin – im Tagesgeschäft. Heute aber werden die Weichen öfters verschoben. Operative Prioritäten werden kurzsichtiger hin und her geschubst. Und selbst diese Schubser sind nicht immer statisch. Erst wird etwas von der Prioritätenspitze verdrängt, ein paar Tage später geht’s wieder aufwärts, zurück an die Spitzenposition. Dennoch sind die Kriterien „Wichtig“ und „Dringend“ hilfreich für das Zeitmanagement. Absolut. Ohne Zweifel. Sie sind es nur nicht hier, an der Stelle, wo wir uns gerade befinden. Die Merkmale „Wichtigkeit“ und „Dringlichkeit“ ziehen wir später heran, im nächsten Teil der Rettungsmission, dem Storyboard für den Tag. Dann also, wenn es um das Tagesprogramm, die Gestaltung eines Arbeitstages geht. Beschäftigungsimpulse verarbeiten und filtern: So klappt’s! – Wir nutzen deshalb ein anderes Kriterium als übergeordneten Informationsfilter, wenn wir unsere Entscheidungen treffen. Denn eines ist klar, unterscheiden müssen wir, wenn wir die Fülle von Informationen, die heute auf uns einströmen, effizient bewältigen wollen. Wer in unserer Zeit handlungsfähig bleiben will, befreit sich am besten so schnell wie möglich von den Fesseln der überbordenden Information – und genau das tun wir mit der ersten Entscheidung. Also ran ans Werk! Die erste Entscheidung: Viele Beschäftigungsimpulse die Sie „von aussen“ erreichen oder wie „aus dem Nichts“ aus Ihrem Innern auftauchen, haben rein informativen Charakter. Sie müssen diese lediglich zur Kenntnis nehmen. Beispielsweise die Absage einer Sitzung, ein vom Lieferanten erhaltenes Produktprospekt, die treffende Idee für ein Mitbringsel bei der nächsten Essenseinladung im Bekanntenkreis, eine Inspiration für ein künstlerisches Bild etc. Das zieht keine Verrichtungen nach sich. Das löst auf Ihrer Seite keine neuen Pflichten aus. Und darum sollten wir solche Beschäftigungsimpulse zuoberst aussortieren. Die allererste Frage, die Ihnen eine Entscheidung abverlangt, lautet deshalb: Bezieht sich ein neu aufgekommener Beschäftigungsimpuls auf eine Verrichtung? Resultiert daraus etwas, das Sie tun müssen? Das ist eine äußerst wirksame Informationsdiät, denn zur nächsten Entscheidung gelangen nur Beschäftigungsimpulse, die mehr drauf haben. Beschäftigungs-
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Erster Schritt: Entscheiden
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impulse, die etwas auslösen, die Vorgänge anstoßen, die Ihnen etwas aufbürden – irgendeine Pflicht auferlegen. Die zweite Entscheidung: Die zweite Entscheidung stellt Sie vor die Frage: „Will oder muss ich zum jetzigen Zeitpunkt aktiv werden oder parke ich die Sache zunächst?“ – Beschäftigungsimpulse können Vorschläge, Anregungen oder Ideen sein, die man nicht umgehend anpacken will, die aber durchaus interessant sind und vielleicht später zur Ausführung kommen. Da derartige Beschäftigungsimpulse für den Moment nicht in eine Verrichtung münden, verwalten wir sie gesondert von den „aktiven Pflichten“ – den Verrichtungen, die tatsächlich zur Ausführung kommen. Was Sie vorerst parken wollen, was Sie eventuell einmal angehen möchten, kommt in einen „Ideenspeicher“. Die dritte Entscheidung: Die dritte Entscheidung stellt Sie vor die Frage: „Erledige ich es selbst oder delegiere ich den Vorgang?“ – Mit dieser Entscheidung isolieren wir alles, was von Dritten erledigt wird. Da sind nicht Sie selbst in Zugzwang. Ausnahmsweise sind mal nicht Sie der „Kümmerer“, sondern ein Außenstehender kümmert sich. Es kann ja nicht alles an Ihnen hängen blieben. Dennoch stehen diese „ausgelagerten Verrichtungen“ mit Ihnen in schicksalshafter Beziehung. Sie müssen ein Auge drauf haben. Diese Dinge müssen auf Ihrem Radarschirm bleiben – und deshalb verwalten wir sie gesondert. Die vierte Entscheidung: Die vierte Entscheidung stellt Sie vor die Frage: „Sind mehrere Arbeitsgänge notwendig, damit ich ein Ergebnis erreichen kann, oder genügt eine einzige Aktivität?“ – Bei dieser Entscheidungsinstanz angelangt ist klar: Sie selbst müssen etwas tun. Nun kommt’s drauf an. Können Sie die Sache mit einer Einzelaktion abschliessen oder nicht? Angelegenheiten, die Sie über mehrere Arbeitsgänge hinweg zu einem Ergebnis führen, müssen etwas länger auf Ihrem Radarschirm bleiben. Mit der vierten Entscheidung trennen wir deshalb umfassendere Angelegenheiten von denjenigen Vorgängen, die Sie in einem einzigen Arbeitsgang „erschlagen“ können.
Abb. 19.1 Die Entscheidungskette für eine klare Kante bei Ihrer Zeitrettung
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Damit steht der erste Blick auf die Entscheidungen, anhand derer Sie zukünftig die aufkommenden Beschäftigungsimpulse einordnen (Abb. 19.1). Dieses sequenzielle Entscheidungsmuster klingt simpel – und so ist es auch! Nach diesen vier Entscheidungen ist alles klar – und das ist auch gut so! Klar geworden ist auch: Wenn ein Beschäftigungsimpuls aufkommt, müssen Sie Farbe bekennen. Sie sollten nichts ungeregelt links liegen lassen. Damit ist Ihren Gedanken nicht geholfen. Entscheiden Sie, denn die Entscheidungen bringen Klarheit mit sich. Entscheidungen treffen heißt nun nicht, dass Sie die Dinge auch gleich angehen und erledigen. Der Sinn und Zweck dieser Entscheidungssystematik liegt einzig in der Beurteilung und Einordnung neuer Beschäftigungsimpulse. Sie sollen erkennen, worum es sich bei einem Beschäftigungsimpuls handelt. Sie sollen abschätzen, was der Beschäftigungsimpuls für Sie konkret bedeutet. Wie gehen Sie mit der Sache um? Wie gehen Sie vor? Kurzum, Sie müssen sich lediglich auf etwas festlegen, aber noch nichts anpacken. Treffen Sie vier Entscheidungen für Ihr persönliches Wohl!
Kapitel 20
Die erste Entscheidung – Was liegt vor?
„Was hat es damit auf sich? Was steht da eigentlich an? Muss ich in irgendeiner Form aktiv werden?“, dies sind die typischen Einstiegsfragen, die sich jeder bewusst oder unbewusst stellt, wenn neue Beschäftigungsimpulse aufkommen. Als da wären: Sie haben einen Projektstatusbericht für ein Projekt aus Ihrer Abteilung erhalten. Der neue Organisationsleitfaden Ihres Unternehmens ist bei Ihnen eingegangen. Sie erhalten eine Einladung zu einer Vernissage. Sie erhalten einen Werbebrief über Weingeschenke. Sie sollen Vorschläge für neue Lagerhaltungskennzahlen ausarbeiten. Sie müssen eine Präsentation über mögliche Optimierungen im logistischen Bereich erstellen. Sie haben eine Idee, wie man die Wirtschaftlichkeitsanalysen in Ihrem Unternehmen verbessern könnte. Der soeben eingetroffene Quartalsbericht über die Kundenreklamationen zeigt zwar ein stabiles Bild, aber eine Verbesserung erachten Sie als möglich. Ein ausführlicher Leitfaden über die in Ihrem Unternehmen verbindliche Projektmanagement-Methode wurde Ihnen zugestellt. Als Projektleiter müssen Sie den genau unter die Lupe nehmen – also durchlesen. Beschäftigungsimpuls ist verrichtungsneutral – In einigen der zuvor genannten Fälle müssen Sie lediglich etwas zur Kenntnis nehmen, ansonsten gibt es für Sie weiter nichts zu tun. Diese Impulse sind verrichtungsneutral. Zum Beispiel: Den neuen Organisationsleitfaden Ihres Unternehmens haben Sie während der Entstehungsphase schon inspiziert. Sie müssen ihn nur noch ablegen. Den Projektstatusbericht überfliegen Sie kurz und legen ihn dann ebenfalls zu den Akten. Da sich in Ihrer Nachbarschaft ein Weingut befindet, fällt der Werbebrief über die Weingeschenke dem Papierkorb zum Opfer. Ebenso die Einladung zur Vernissage, da Sie an dem genannten Termin bereits belegt sind. Beschäftigungsimpulse, die nicht mit einer Verrichtung in Verbindung stehen, können Sie auf zwei Arten weiterverarbeiten. Weg 1 – Ablage: Es gibt Dinge, die Sie gerne aufbewahren möchten oder müssen. In solchen Fällen nutzen Sie geeignete Ablage- oder Archivierungssysteme um diese Sachen aufzubewahren. Elektronische Dokumente beispielsweise in einem Verzeichnis des E-Mail Systems. Schriftliche Dokumente in einem Regal, Schrank oder Sideboard neben Ihrem Schreibtisch. Der Aufbewahrungsort und die Aufbewahrungsmethode hängen auch davon ab, ob Sie die Unterlagen nur für einen
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kurzen Zeitraum bereithalten wollen (z. B. für die nächsten drei Monate) oder ob eine dauerhafte Lagerung notwendig ist. Wichtig ist in jedem Fall, dass Sie für papierbasierte Unterlagen eine Unterbringungsmöglichkeit außerhalb Ihres Schreibtisches nutzen. Somit bleibt Ihr Schreibtisch für diejenigen Unterlagen frei, die Sie für Ihre Verrichtungen benötigen. Weg 2 – Papierkorb / Löschen: Alles was Sie weder aufbewahren, noch später einmal weiterverfolgen möchten, entsorgen Sie am besten gleich. Weg damit! Papier in den Papierkorb. E-Mail mit der Entf-Taste löschen. Beschäftigungsimpuls ist verrichtungsgebunden – Nun geht es um die Fälle, in denen Sie aktiv werden müssen oder können. Diese Impulse sind verrichtungsgebunden. Sie müssen etwas erledigen oder nachverfolgen. Sie können etwas angehen. Ein paar Beispiele gefällig: Sie sollen neue Lagerhaltungskennzahlen erarbeiten. Sie sollen eine Präsentation über mögliche Optimierungen im logistischen Bereich vor bereiten. Sie wollen Ihre Idee zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeitsanalysen in Erinnerung behalten – je nach Zeit, nehmen Sie sich dieser Sache eventuell einmal an. In Lauerstellung bleibt vorerst auch die mögliche Verbesserung der Kundenreklamationen – Sie wollen hier erstmal abwarten und vielleicht später aktiv werden. In diesen Fällen ist Ihre Antwort auf die Frage „Bezieht sich der Beschäftigungsimpuls auf eine Verrichtung?“ ein klares „Ja!“ Hier gilt: „Von nichts kommt nichts.“ Wenn Sie nichts tun, passiert auch nichts. Liegt ein solcher verrichtungsgebundener Beschäftigungsimpuls vor, so stehen weitere Einordnungen an. Das ist Sache der nachfolgenden Entscheidungen. Informationsfilterung steht an erster Stelle – Teile und herrsche, Sie erinnern sich an unseren Küchen-Revoluzzer. Nicht alles in einen Topf werfen. Differenzierung ist heute unerlässlich. Die Funktion dieses ersten Entscheidungsschrittes entspricht der eines Informationsfilters. Er sondert aus der gesamten Informationsmenge, mit der Sie konfrontiert werden, einen spürbaren Teil aus. Diese quantitative Erleichterung wird sich im praktischen Einsatz als Vereinfachung für Sie bemerkbar machen und ist zudem ein effizienter Lösungsansatz für das „Mengenproblem“ des Informationszeitalters. Was Sie nicht weiter benötigen, wird weggeworfen. Was Sie zwecks dauerhafter Aufbewahrung behalten wollen, wird abgelegt. Die Hürde ist klar: Nur das, was jetzt noch übrig ist, was sich direkt auf Ihre Pflichten oder Ideen bezieht, geht in die nächste Instanz – zur zweiten Entscheidung (Abb. 20.1).
Abb. 20.1 Zur zweiten Entscheidung geht’s nur im Ja-Fall
Kapitel 21
Die zweite Entscheidung – Will/Muss ich es angehen?
Der Beschäftigungsimpuls hat die erste Entscheidung hinter sich. Sie müssen etwas erledigen oder nachverfolgen. Eine neue Pflicht, der Sie sich irgendwann stellen müssen oder der Sie sich vielleicht schon jetzt nicht mehr entziehen können. Egal, es lässt sich nicht vom Tisch reden: Sie können etwas tun. Sie müssen etwas tun. Nicht unbedingt sofort, aber irgendwann! Die wegweisende Frage an dieser Stelle ist deshalb: Kommt es jetzt zur Ausführung? Schreiten Sie umgehend zur Tat? Ja oder nein? Diese Entscheidung ist ein weiterer Filter, mit dem wir all diejenigen Dinge abfangen, die Sie eventuell einmal tun möchten, nicht heute und auch nicht morgen – aber eines Tages. Es gibt sie nun mal, diese Angelegenheiten, bei denen Sie zwar momentan nicht aktiv werden müssen oder nicht aktiv werden wollen, bei denen Sie sich aber alle Möglichkeiten offenhalten wollen. Dinge, von denen Sie sich sagen: „Wer weiß, vielleicht komme ich später darauf zurück.“ Ihre „optionalen“ Angelegenheiten also. Interessante Ideen, die Sie allenfalls längerfristig umsetzen können. Dinge, die vielleicht einem Reifeprozess unterliegen und sich möglicherweise in einiger Zeit konkretisieren. Dinge, die Sie möglicherweise an einem günstigen Zeitpunkt angehen wollen. Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Das ist jetzt noch nicht klar. Lautet Ihre Antwort auf die Eingangsfrage „Nein, ich führe es vorerst nicht aus“, dann besteht kein unmittelbarer Verrichtungszwang und demnach auch keine direkte Pflicht zum „Aktiv-Werden“. Vielmehr ist Ihre „Pflicht“ bei diesen Dingen dergestalt, dass Sie früher oder später endgültig darüber entscheiden müssen, ob Sie die Sache nun angehen oder ob Sie ihr „adieu“ sagen, ein Lebewohl für immer. Erst wenn Sie beschließen, etwas zu tun, lebt die Verrichtung auf. In der Zwischenzeit darf eines nicht passieren: Ähm, was wollte ich an dieser Stelle schreiben? Ich hab’s vergessen. Deshalb müssen Sie die „optionalen“ Dinge – egal ob Wünsche, Vorschläge, Anregungen, Absichten – vorerst irgendwie festhalten. Externalisieren war schließlich unser Stichwort – Sie wissen noch. Eine neue Heimat haben wir für sie schon vorgesehen. Derartige Angelegenheiten kommen in den Ideenspeicher. Damit haben Sie eine persönliche Ideenfundgrube ins Leben gerufen. Eine Aufstellung, welche Sie entweder in einer elektronischen Datei oder ganz klassisch in Papierform führen können. Das Schöne an einem solchen „Ideen-Portfolio“ ist, dass sich manche
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Einträge in Fäden verwandeln, die man sozusagen weiterspinnt. Manchmal kommt man auf diesem Weg von einem Thema zum anderen – überraschende Wendungen oder unangemeldete Geistesblitze sind also nicht ausgeschlossen. Ein weniger geeigneter Ort für Ihren Ideenvorrat ist der Kalender. Natürlich könnten Sie dort einen Erinnerungs-Eintrag vornehmen. Frei nach dem Motto: „Soll er mich doch nach einem bestimmten Zeitraum (z. B. in vier Wochen) wieder darauf aufmerksam machen.“ Nur hat ein jeder stets mehrere solche EventuellVermerke im Raum stehen, weshalb die Übersicht leidet, wenn diese querbeet im Kalender verstreut sind. Verloren geht der Gesamtblick auf alle eventuell anstehenden Themen und damit auch die Kontrolle über diese Dinge. An dieser Stelle angelangt ist deutlich geworden: Die Funktion des zweiten Entscheidungsschrittes entspricht ebenfalls der eines Filters. Er sondert aus der Informationsmenge diejenigen Dinge aus, die Sie erstmal „auf Halde“ legen wollen. Die Hürde ist klar: Nur wenn Ihre Antwort lautet: „Ja, was da vor mir liegt führe ich aus“, „Ja, ich mache mich an die Arbeit“. Nur dann geht‘s weiter in die nächste Instanz – zur dritten Entscheidung (Abb. 21.1).
Abb. 21.1 Zur dritten Entscheidung geht’s auch hier nur im Ja-Fall
Kapitel 22
Die dritte Entscheidung – Will/Muss ich es selbst tun?
Sie sind zum Glück nicht der einzige auf dieser Welt, der sich ins Zeug legt und rackert. Andere schuften auch. Und wer weiß, vielleicht müssen Sie nicht alles selbst ausführen. Sie können Dinge abgeben – beruflich wie privat. Zum Beispiel soll wie jedes Jahr der Gärtner die Frühjahrspflege Ihrer Außenanlage übernehmen. Oder der Steuerberater die Steuererklärung. Wenn Sie im organisatorischen Sinne weisungsbefugt sind und Pflichten weiterreichen können – dazu sagt man auch „delegieren“ –, sollten Sie dies ebenso in Betracht ziehen. Geht aus einem Beschäftigungsimpuls beispielsweise hervor, dass die Energiebilanz Ihres Geschäftsgebäudes optimiert werden soll, können Sie einen Projektleiter für dieses Vorhaben bestimmen. Neben dem Delegieren, gibt es noch andere Gegebenheiten, bei denen dritte Akteure ins Spiel kommen. Vielleicht haben Sie eine Anfrage gestellt, die gerade von einer Person bearbeitet wird oder Sie haben irgendwelche Daten angefordert, die demnächst in Ihrem Postfach landen sollten. Irgendetwas hat man immer in der „Da-kommt-noch-was“-Pipeline. Ein oder mehrere Dinge sind immer ausstehend, das wird auch bei Ihnen nicht anders sein. Was andere tun, erleichtert Ihr Leben zu einem großen Teil. Aber da bleibt noch etwas für Sie übrig. „Dacht’ ich’s mir doch, die Sache hat einen Haken!“, werfen Sie ein. Richtig, hat sie. Sie benötigen in der Tat einen Aufhänger, denn Dinge, die Sie „aus der Hand“ geben, dürfen Sie nicht aus den Augen verlieren. Und wenn Sie schon ein Auge hergeben, liegt es an dieser Rettungsmission, Schlimmeres zu vermeiden. Beispielsweise dass Sie Ihre Energie unnötig an solche Dinge verschwenden, weil Sie diese ständig in Gedanken mit sich tragen, hin und her wälzen. „Krieg ich die Rückmeldung? Krieg ich sie nicht?“, denkt Ihr Denkapparat und hält sich so auf Touren. Es könnte ja sein, dass Sie die Rückmeldung nicht in der gesetzten oder sinnvollen Zeitspanne erhalten. Es soll auch vorkommen, dass delegierte Arbeiten nicht so schnell bearbeitet werden, wie es erwünscht ist. Sie müssen also definitiv dran denken, eventuell nachhaken. Das ist der Haken an der Geschichte. Das ist die Verantwortung – die Pflicht – des Delegierenden. Deshalb sondieren wir mit einer dritten Entscheidung „ausstehende Dinge“ von andersartigen Pflichten. Wollen oder müssen Sie etwas selbst erledigen? Liegt die Handlung bei Ihnen? Dass sind hier die wegweisenden Fragen.
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Das Konzept der „ausstehenden Dinge“ leistet in vielerlei Hinsicht gute Dienste und kommt uns immer wieder gelegen. Ein Beispiel: Sie haben einen Auftrag abgearbeitet, rechtzeitig geliefert, die Rechnung gestellt – und trotzdem sind Sie mit Ihrer Arbeit noch nicht am Ende: Wirklich abgeschlossen ist ein Auftrag erst dann, wenn die Rechnung bezahlt ist. Und das ist keine Selbstverständlichkeit. Und mal wieder bleibt es an Ihnen – oder besser an Ihren Gedanken hängen: „Zahlungseingang kontrollieren“, wird gedacht oder auch vergessen. Ab jetzt nicht mehr! Wo solche Dinge in Zukunft hängen, erfahren Sie in Kürze – beim zweiten Schritt, dem eigentlichen „Externalisieren“. Hier bereiten wir nur die Bühne. Doch halt! Ist diese dritte Entscheidung nicht auch eine treffende Gelegenheit, um gelegentlich einen größeren Bogen zu spannen und kurz die grundsätzliche Stimmigkeit Ihrer Aufgabenverteilung zu hinterfragen. Was wollen Sie zukünftig nicht mehr selbst tun? Was können Sie generell delegieren? Auch diese weiter gefasste Denkrichtung kann in einem dynamischen Umfeld für Zeitgestalter aufschlussreich sein. Auch den dritten Entscheidungsschritt kann man als ein Sieb ansehen. Hier werden diejenigen Dinge aussondiert, bei denen Sie außerhalb der Schusslinie sind. Arbeiten, bei denen andere ins Schussfeld treten. Verrichtungen, um die sich in erster Linie Dritte kümmern müssen. Nur wenn Sie bei dieser dritten Entscheidung zum Schluss kommen: „Ja, ich führe es aus“, geht es weiter in die entscheidende Runde – zur vierten und letzten Entscheidung (Abb. 22.1).
Abb. 22.1 Zur vierten und letzten Entscheidung geht’s wie immer nur im Ja-Fall
Kapitel 23
Die vierte Entscheidung – Was ist zu tun?
Dringt ein Beschäftigungsimpuls bis zu dieser Entscheidung vor, sind Sie selbst in der Pflicht. Der Ball liegt eindeutig bei Ihnen. Sie müssen sich ans Werk machen und sagen sich vielleicht: „An mir bleibt es wieder hängen.“ In dem Moment, in dem Sie einen Beschäftigungsimpuls verarbeiten und die dazugehörigen Informationen aufnehmen, erhalten Sie naturgemäß auch ein Gefühl für das Resultat und die „Dimension“ der Angelegenheit. Vor Ihrem geistigen Auge formt sich ein Bild der Sachlage. Der erforderliche Bearbeitungsaufwand kann ein breites Spektrum einnehmen. Was Sie erledigen müssen, kann am oberen Ende der Zeitaufwand-Skala angesiedelt sein und ein Projekt oder eine umfangreiche Aufgabenstellung darstellen. In einem anderen Fall kann das genaue Gegenteil der Fall sein. Es kann sich um eine Sache handeln, die Sie in null Komma nichts erledigen, und die folglich am unteren Ende der Zeitaufwand-Skala liegt. An dieser Stelle angelangt müssen Sie im Wesentlichen zwei Punkte klären. Einerseits müssen Sie sich darüber klar werden, welches Ergebnis von Ihnen erwartet wird. Was ist das Ziel? Was soll erreicht werden? Was genau ist meine Pflicht? Andererseits müssen Sie beurteilen, ob Sie die Sache direkt erledigen können – in einem Arbeitsgang zum Ziel – oder ob mehrere Arbeitsgänge notwendig sind. Differenzierung anhand der notwendigen Arbeitsgänge – Manche Beschäftigungsimpulse stehen für Angelegenheiten, die mehrere Arbeitsgänge nach sich ziehen. Eine Sequenz von Einzelmaßnahmen, die aufeinander aufbauen. Zum Beispiel wenn Sie für Ihre Wohnung in verschiedenen Geschäften neue Teppichböden aussuchen und Angebote für eine fachgerechte Verlegung einholen. Oder wenn Sie mit verschiedenen Beteiligten den Geschäftsprozess für Kundenreklamationen verbessern wollen. Andere Beschäftigungsimpulse verkörpern Angelegenheiten, die Sie in einem Arbeitsgang erledigen: In Ihrem Garten den luftbefüllten Swimmingpool aufstellen. Die Detailzahlen des vergangenen Fiskaljahres aus der Datenbank abrufen und versenden. Das macht einen Unterschied: Ob Sie etwas mit einer Einzelmaßnahme abschließen können oder ob nur aufeinanderfolgende Arbeitsgänge zum Ziel führen. Bei allem, was Sie selbst in einem Rutsch erledigen können, haben Sie mehr Flexibilität. Es besteht die Chance, dass Sie sich diese Angelegenheit relativ schnell vom Hals schaffen können. Notfalls lässt sie sich vielleicht sogar auf Zuruf erledigen – quasi
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augenblicklich: „Herr Brugger, den Datenbankauszug mit den Geschäftszahlen habe ich gestern Abend nicht von Ihnen erhalten.“ „Oh, das habe ich übersehen. Tut mir leid. Sie haben die Zahlen in fünf Minuten in Ihrer E-Mail-Inbox.“ Noch mal Glück gehabt. Passiert ein solches Missgeschick bei einer Angelegenheit, die Sie nur in einer Serie von Arbeitsgängen zum Ziel führen können, sind die Patzer unverzeihlich: „Herr Brugger, die vom Projektteam erarbeiteten Prozessalternativen zur Verbesserung der Reklamationsbearbeitung müssen heute dem Steuerungsausschuss vorgestellt werden.“ So Herr Brugger, nun müssen Sie Ihr Eigentor verdauen: „Oh, das Projektteam habe ich noch gar nicht zusammengestellt.“ Jetzt hat Herr Brugger wirklich schlechte Karten. Es macht also Sinn, dass wir bei Ihren Pflichten eine klare Einteilung vorsehen. Ganz im Sinne des „Teile und herrsche“ nehmen wir mit der vierten Entscheidung eine Gewaltenteilung vor und bilden zwei Fraktionen. Auf der einen Seite all jene Vorgänge, die Sie „in einem Rutsch“ abschließen können. Diese Vorgänge bezeichnen wir zukünftig als „Aktivitäten“. Davon grenzen wir jene Vorgänge ab, für deren Erledigung mehrere Arbeitsgänge notwendig sind. Solche Aufgabenstellungen überdauern in aller Regel Tage, Wochen oder Monate. Da Sie sich nur in Etappen dem Ziel nähern können, müssen Sie hier fortlaufend am Ball bleiben. Diese Vorgänge bezeichnen wir als „Aufgaben“. Und wie verfahren wir mit Projekten? Umfassende Vorhaben erhalten im Allgemeinen die formelle Bezeichnung „Projekt“, um ihre eigenständige Bedeutung und die Unabhängigkeit vom operativen Tagesgeschäft zu verdeutlichen. Projekte werden ebenfalls mit einer Serie von Einzelmaßnahmen zum Ziel geführt. Wir können Sie deshalb ohne weiteres den Aufgaben gleichsetzen. Keine Schnellschüsse – Vielleicht würden Sie am liebsten sofort mit einer Sache loslegen, die Sie erreicht. Halt! Kein blinder Aktionismus! Keine Jump-Starts! Das vorrangige Ziel der vier Entscheidungen ist es, neue Beschäftigungsimpulse schlüssig einzuordnen. Wer mal dies und mal jenes beginnt, weil es ihm gerade in die Hände fällt, hat vermutlich zu viele Sachen gleichzeitig am Laufen, verfolgt keine klare Linie, bewegt sich stattdessen auf einem Zickzack-Kurs und bringt womöglich nie etwas wirklich zu Ende. Das kann’s nicht sein. Ihr Motto bei neuen Beschäftigungsimpulsen sollte sein: Erst externalisieren, dann realisieren! Mit einer Ausnahme: Dinge, die Sie in kürzester Zeit erledigen können. Kinokarten reservieren. Empfangsbestätigung unterschreiben und wegschicken. Blumen gießen. Was hindert Sie daran, dies sofort zu tun? Aus Beschäftigungsimpulsen können sich kleinere Aktivitäten ergeben, die Sie zügig abhaken können. Verrichtungen, die sich innerhalb von wenigen Minuten erledigen lassen, sollten Sie direkt ausführen, anstatt diese „Kleinigkeiten“ auf die lange Bank zu schieben.
Kapitel 24
Zweiter Schritt: Externalisieren – Alles im Blick heißt alles im Griff
Wie man beim Externalisieren vom Grundsatz her vorgeht, ist eigentlich jedem vertraut. Steckt in uns allen drin. Die Handhabungsweise entspricht dem geläufigen Krisenprinzip bei Arbeitsüberlastung. Wenn es ganz, ganz viel zu tun gibt, dann hat man meistens gar keine andere Wahl mehr, als alles in einer Aufstellung zu vermerken. Gedächtnisstützen haben den Menschen schon immer begleitet. Ob aus Papier oder in elektronischer Form, sie sind aus unserem Alltag nicht wegzudenken – und so auch nicht beim Lean Time Management. Aber keine Angst! Hier erwartet Sie kein ausufernder Verwaltungsakt und schon gar kein ermüdender Organisationsmarathon. Hier wird auf kleiner Flamme gekocht – auf Sparflamme. Hier nehmen wir den schnellsten Weg zum Ziel. Hier gehen wir mit minimalem Aufwand ans Werk. Der hier beschriebene Schritt steht in direkter Verbindung mit dem zuvor erläuterten Entscheidungsschritt. Es ist ein natürlicher Folgeschritt. Sie entscheiden über neu aufkommende Beschäftigungsimpulse und vermerken etwaige Pflichten oder Ideen, die daraus resultieren. Das war‘s. Damit ist sichergestellt, dass Sie nichts aus den Augen verlieren und Ihre Gedanken sich nicht weiter damit beschäftigen. Für Ihre Gedanken wären solche Dinge eine unnötige Last. Mit dem Wissen um die menschlichen Schwächen und der Aussicht auf das Vergessen würden Ihre Gedanken nur ungern loslassen wollen, wenn Sie Ihrem Verstand alle möglichen Pflichten und Ideen als „Merkposten“ aufbürden. Das „Dran-Denken“ führt zu unnötigen Gedankenströmen die Ihre geistige Energie verzehren und Ihre Konzentration beeinträchtigen. Also gibt‘s nur eins, wenn Sie mit einer neuen Pflicht konfrontiert oder einer behaltenswerten Idee beglückt werden: Externalisieren, Sie erinnern sich. Pflichten und Ideen werden aufgezeichnet, in einer zweckmäßig strukturierten Zusammenstellung vermerkt. Dann gibt‘s das ersehnte Befreiungssignal und die Dinge werkeln nicht mehr in Ihrem Bewusstsein oder Unterbewusstsein. Halten wir uns konkreter vor Augen, was vor sich geht, während Sie Ihre Entscheidungen treffen. Gehen wir kurz durch, was die vier Entscheidungen jeweils mit sich bringen: Sie erhalten einen Beschäftigungsimpuls und sind schon bei der ersten Entscheidung.
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(1) Die erste Entscheidung setzt einen Filter für all jene Dinge, die keiner speziellen Aufzeichnung bedürfen: Was liegt an? Bezieht es sich auf eine Verrichtung? Lautet Ihre Antwort: „Nein, im konkreten Fall gibt es nichts für mich zu tun“, dann müssen Sie auch nichts zu notieren. Es bleiben im Grunde genommen nur zwei Möglichkeiten: wegwerfen oder archivieren. Papierkorb – Was Sie nicht weiter benötigen, fliegt weg. Da wird nicht lange gefackelt. Das ist schnell erledigt. Das werfen Sie in den Papier korb. Archiv – Im Falle einer dauerhaften Aufbewahrung nutzen Sie Ihre hierfür angedachten Stauräume und Ablagemechanismen. Alles was Sie kurz- oder längerfristig aufbewahren möchten, bringen Sie an einem passenden Ort in einem Ihrer Archivierungssysteme unter. Dies können Organisationshilfsmittel unterschiedlichster Art sein: Aktenordner in einem Schrank, Hängemappen in einer Hängeregistratur, Stapelboxen in einem Regal. (2) Die zweite Entscheidung isoliert die Dinge, die vorerst nicht zur Ausführung kommen: Will/Muss ich es angehen? Lautet Ihre Antwort, „Nein, vorerst unternehme ich im konkreten Fall nichts, aber wer weiß, eventuell später“, dann ist es allemal eine Notiz wert. Ideenspeicher – Was Sie als „Eventuell“ bzw. „Optional“ klassifizieren, gehört in einen Ideenpool. Wünsche, Vorschläge, Anregungen und Absichten ebenso. Da sich Ihre Gedanken zukünftig nicht unnötig mit solchen Dingen beschäftigen sollen – des puren Erinnerns wegen – notieren Sie diese am besten in einer papierbasierten oder elektronischen Zusammenstellung. Eine Aufstellung, die zu Ihrem persönlichen „Ideenspeicher“ wird. Auf diese Weise vergessen Sie Ihre wertvollen Ideen nicht, belasten sich aber auch nicht ständig damit. Bei Gelegenheit können Sie darauf zurückkommen. Wenn die Zeit reif ist, können Sie die „Ideen“ erneut aufgreifen und darüber entscheiden. Das ist ein weiterer Vorteil dieses Speichers: Er verlangt keine umgehenden Entscheidungen von Ihnen. Er kann damit leben, wenn Sie mal Entscheidungen aussetzen wollen. Ihre Gedanken nicht unbedingt. (3) Die dritte Entscheidung sondiert die Dinge, die von Dritten bearbeitet werden. Will/Muss ich es selbst tun? Ja oder Nein. Im Nein-Fall können Sie wie folgt verfahren. Pflichtenheft: Schlagwort „Ausstehend“ – Diese Rubrik des Pflichtenhefts habe ich „Ausstehend“ getauft, weil Außenstehende im Spiel sind. Wir reden hier beispielsweise über Angelegenheiten, die Sie delegieren oder Projekte, für die Sie einen Projektleiter ernennen. Da brauchen Sie zwar nichts in eigener Regie umsetzen, dennoch müssen Sie solche Dinge nachverfolgen. Loslassen können und dürfen Sie erst dann, wenn eine Sache abgeschlossen ist. Folglich: Was Sie delegieren, notieren Sie in Ihrem Pflichtenheft unter dem Schlagwort „Ausstehend“. Schließlich ist es nicht garantiert, dass Sie bei delegierten Angelegenheiten eine Benachrichtigung über die ordnungsgemäße Erledigung erhalten. Bedenken Sie: Auch der Delegierende hat eine Verantwortung. Ist in der Pflicht.
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Ebenfalls gehören Dinge, die Sie von einer Dritten Stelle erwarten bzw. erhalten sollen, in Ihr Pflichtenheft unter das Schlagwort „Ausstehend“. Egal ob Rückmeldungen, Rückgaben oder Fälle, in denen Ihnen jemand etwas „schuldet“. Die Informatik-Abteilung schuldet Ihnen die neue Projektmanagement-Spezifikation. Von der Auslandsniederlassung sollte in Kürze der Revisionsbericht eintreffen. Der ERP-Software-Lieferant muss Ihnen ein Sicherheitsupdate mailen. Und so weiter. Wenn Sie beispielsweise etwas angefordert haben, gibt es immer Rest-Unsicherheiten. Erhalten Sie es in der geforderten Zeit? Stimmt die Qualität? Trifft es Ihre Anforderungen? Wenn jegliche Rückmeldung ausbleibt, müssen Sie selbst nachhaken. Das ist Ihre Pflicht! Deshalb: externalisieren. (4) Die vierte Entscheidung ist in vielerlei Hinsicht weichenstellend. Auf den ersten Blick trennt sie umfassendere Angelegenheiten (Aufgaben/Projekte) von einfacheren (Aktivitäten): Können Sie das, was aufgrund eines Beschäftigungsimpulses zu tun ist, in einem Arbeitsgang erledigen? Behandeln wir zuerst den Nein-Fall Ihrer Entscheidung: „Nein, es kann nicht in einem Arbeitsgang erledigt werden.“ Es handelt sich folglich um eine Aufgabe oder ein Projekt. Pflichtenheft: Schlagwort „Aufgaben/Projekte“ – Angelegenheiten, die mehrere Arbeitsvorgänge benötigen, betreffen die Kategorie „Aufgabe/Projekt“. Diese vermerken Sie sinnvollerweise in Ihrem Pflichtenheft unter der gleichlautenden Rubrik. Zum Beispiel könnte dort stehen: „Vorschläge für neue Lagerhaltungskennzahlen ausarbeiten.“ Da müssen mit wichtigen Leuten Gespräche geführt werden. Da müssen Lösungsalternativen ausgearbeitet werden. Da müssen Machbarkeitsüberlegungen einfließen etc. Definitiv mehrere Arbeitsgänge. Oder: „Präsentation über mögliche Optimierungen im logistischen Bereich erstellen.“ Da müssen Sie von verschiedenen Abteilungen Informationen beschaffen. Abklärungen vornehmen. Zwischenresultate mit Ihrem Chef besprechen etc. Nun zum anderen Fall – dem Ja-Fall Ihrer Entscheidung: „Ja, es kann in einem Arbeitsgang erledigt werden.“ Wer weiß, vielleicht ist das auch Ihr Lieblingsfall. Ihr persönlicher Favorit, auf den es leider nicht immer herausläuft – Pflichten, die Sie mit einem einzigen Arbeitsvorgang erledigen können. Dieser zweite Blick auf die vierte und gleichzeitig letzte Entscheidung bringt die weiteren Facetten ans Tageslicht, welcher dieser bedeutungsschweren Entscheidung innewohnen. Es geht hier um die verschiedenen Konstellationen, die den bescheidenen Angelegenheiten zugrunde liegen. Manchmal sind es Wahlmöglichkeiten, ein andermal sind es Zwänge. Und folglich sieht Lean Time Management mehrere Möglichkeiten vor, wie man mit diesen einfacheren Verrichtungen verfahren kann oder auch muss. Sofort erledigen – Lässt sich diese Sache in wenigen Minuten erledigen? Wenn ja, dann tun Sie’s gleich. Erledigen Sie es umgehend! Bringen Sie’s hinter sich, dann ist es vom Tisch! Zum Beispiel: Einen Anruf tätigen. Einen Bericht ausdrucken und versenden. Die nächste Besprechung für das Projektteam terminieren. Pflichtenheft: Schlagwort „Aktivitäten“ – Wenn die Aktivität nicht an einen konkreten Termin gebunden ist, notieren Sie diese in Ihrem Pflichtenheft unter
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dem gleichlautenden Schlagwort. Zum Beispiel: Den neuen ProjektmanagementLeitfaden durchlesen. Die Abweichungen der Messwerte mit dem Kollegen Brugger besprechen. Kalender – Wenn die Aktivität termingebunden ist (konkreter Tag und/oder konkreter Zeitpunkt), dann tragen Sie diese in Ihrem Kalender ein. Zum Beispiel: Am 15. des aktuellen Monats den Quartalsbericht versenden. Der Aufbau Ihrer Aufzeichnungssystematik liegt nun deutlich vor Ihnen. Die Zutaten beim Externalisieren sind knapp gehalten, gering an der Zahl. Notwendig sind lediglich zwei Dinge. Eine Aufzeichnungsmöglichkeit für die verschiedensten Pflichten – Ihr Pflichtenheft. Ein Rückhaltebecken für Ihre behaltenswerten Ideen – Ihr Ideenspeicher. Beides können Sie entweder elektronisch oder in Papierform führen. Und dann brauchen wir noch einen Kalender. In diesem halten Sie Ihre termingebundenen Aktivitäten fest. Alles, was an einem bestimmten Termin stattfinden muss. Verrichtungen, die Sie an vorgegebenen Kalendertagen ausführen müssen. Das Pflichtenheft und der Ideenspeicher bilden das Herzstück der ersten Rettungsmaßnahme – dem Externalisieren. Ihre Bedeutung ist vergleichbar mit der Rolle des Navigators auf einem alten Segelschiff. Der Navigator bestimmt die aktuelle Position, den weiteren Kurs – und zeigt somit, wo’s lang geht. Der Kapitän gibt die entsprechenden Befehle: „Kurs nord-nord-west“, „Topsegel setzen“. Die Mannschaft führt die Anweisungen ruck, zuck aus; der Rudergänger dreht am Steuer, die Seemänner greifen in die Takelage und klettern in die Rah. Der Wind faucht in die herabgleitenden Segel und das Schiff gleitet sanft in die vom Navigator vorgegebene Richtung. Navigatoren waren die heimlichen Kapitäne der Seefahrt. Das wusste auch Edward Gibbon, einer der bedeutendsten britischen Historiker, als er diesen verdienstvollen Wegweisern, diesen Fernfahrern der Meeresstraßen, mit folgenden Worten ein Denkmal für alle Ewigkeit setzte: „Wind und Wellen sind stets auf der Seite der fähigsten Steuerleute.“ Klar, dass jene von dramatischen Breitseiten verschont bleiben. Die haben‘s schließlich im Griff. Im übertragenen Sinn nutzen wir die Fähigkeiten der Navigatoren, indem wir unser Erfolgs-Duo, bestehend aus Pflichtenheft und Ideenspeicher, als Steuerelement heranziehen. Was für den Navigator die Seekarten sind, ist für uns die sinnvoll strukturierte Zusammenstellung alle Pflichten und Ideen. Sie zeigt wo’s lang geht bzw. wo es lang gehen könnte. Sie bringt uns in ein sicheres Fahrwasser. Unser Verstand spielt als Kapitän mit und gibt die entsprechenden Befehle aus. Schon ist unsere geistige und körperliche Anstrengung auf das Ziel ausgerichtet und wir legen los. Seekarten hatten eine Struktur, folgten standardisierten Konventionen. Es wurden nicht nur Land und Wasser unterschieden. Man kennzeichnete auch Untiefen und Strömungen. Auch unsere Aufzeichnung aller laufenden Pflichten und behaltenswerten Ideen ist durchstrukturiert, folgt einem sinnvollen Ordnungsschema. Würden wir alle Einträge einfach „in einen Topf werfen“, könnten wir unsere Pflichten und Ideen nicht gezielt einsehen. Mit den durch die vier Entscheidungen herausgearbeiteten Differenzierungsmerkmalen, bleibt die Zusammenstellung Ihrer Pflichten und Ideen stets übersichtlich. Der Ideenspeicher ist ein Platz für all jene Angelegenheiten, die Sie möglicherweise einmal angehen. Das Pflichtenheft ist in
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Rubriken unterteilt und beherbergt: „Aufgaben/Projekte“ – Alle Angelegenheiten die mehrere Arbeitsgänge benötigen. „Aktivitäten“ – Alle Tätigkeiten die in einem einzigen Arbeitsgang erledigt werden können. „Ausstehend“ – Alle Arbeiten, die von dritter Stelle bearbeitet werden; Rückmeldungen oder Rückgaben, auf die Sie warten; Fälle, in denen Ihnen jemand etwas „schuldet“ (nach dem Motto: XY schuldet mir noch eine Antwort). Und was ist mit dem Kalender? Nicht in Ihr Pflichtenheft und schon gar nicht in Ihren Ideenspeicher gehören terminabhängige Verrichtungen. Aktivitäten etwa, die Sie an einem bestimmten Tag und womöglich zu einer bestimmten Uhrzeit ausführen. Wenn Sie ohnehin einen Terminkalender pflegen, sind diese Tätigkeiten dort am besten aufgehoben. Der Kalender erinnert Sie „automatisch“ daran, wenn der Ausführungszeitpunkt eintritt. Das wäre die Empfehlung; so sollten Sie es handhaben: Alles was termingebunden ist – aber nur das und nichts anderes –, wird in einen Kalender eingetragen. Ein kurzes Resümee – Das war’s schon zum zweiten Schritt, dem eigentlichen Externalisieren. Entsprechend der von Ihnen getroffenen Entscheidungen zu einem Beschäftigungsimpuls haben wir hier Dinge aussortiert oder in Ihrem Pflichtenheft oder Ideenspeicher festgehalten. Wenn Sie diesen Schritt hinter sich gebracht haben, ist eine Menge geschehen. Dinge, die Sie aufbewahren möchten, haben Sie abgelegt. „Schön!“ Was Sie nicht weiter benötigen, haben Sie weggeworfen beziehungsweise gelöscht. „Noch schöner!“ Sie wissen um diejenigen Angelegenheiten, die Sie eventuell einmal angehen möchten. „Interessant!“ Was Sie nicht selbst erledigen müssen oder wollen, haben Sie delegiert. „Wird schon gut gehn!“ Was Sie in wenigen Minuten abschließen konnten, haben Sie erledigt. „Hurra!“ Was darüber hinaus an Ihnen selbst hängen bleibt, ist nun auch klar. „Klasse!“ Sie haben alles externalisiert, was festgehalten werden muss. Sie haben eine Gesamtsicht auf alle laufenden Vorgänge und optionalen Angelegenheiten. Ihre Gedanken können loslassen, weil Sie wissen, dass eine Gesamtsicht aller Pflichten und Ideen abrufbereit ist. Daraus können Sie auch in anderer Hinsicht einen Nutzen ziehen. Beispielsweise wenn während eines Tages unerwartet Zeitfenster frei werden. Etwa weil eine Sitzung kurzfristig abgesagt oder ein Termin verschoben wurde. Dann können Sie spontan aus Ihrem Pflichtenheft oder Ihrem Ideenspeicher Einträge herausgreifen und ausführen. Sie verschwenden keine Zeit, sind stets produktiv. Diese Transparenz über Ihr Tätigkeitsspektrum und die damit einhergehende Entscheidungsflexibilität sind ein wichtiges Fundament für die in Kürze anlaufende zweite Rettungsmaßnahme Ihrer Zeitrettung – dem Storyboard für den Tag.
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Vergegenwärtigen und Aktualisieren – Ganz spontan, so wie es Ihnen beliebt
Aus den Augen, aus dem Sinn. So ist das nun mal. Und es passiert uns immer wieder. Vielleicht hätten wir den dezenten, aber deutlichen Wink von Gotthold Ephraim Lessing, einem bekannten deutschen Schriftsteller aus dem 18. Jahrhundert, doch nicht in den Wind schlagen sollen. Mit einem Plädoyer für den Sichtkontakt hat er in seiner kecken und wortscharfen Aufsässigkeit seinerzeit klargestellt: „Der Langsamste, der sein Ziel nicht aus den Augen verliert, geht noch immer geschwinder als jener, der ohne Ziel umherirrt.“ Aha, ich sehe, da ist was dran. Was Sie in Ihrem Pflichtenheft und Ihrem Ideenspeicher vermerkt haben, sollten Sie tunlichst nicht aus dem Blickfeld verlieren. „Verwalten“ ist ja nicht gleichbedeutend mit „Archivieren“. Und „Verwalten“ bedeutet auch nicht, dass Sie die unerledigten Dinge „auf Nimmerwiedersehen“ von Ihrem Radarschirm verabschieden. Höchstwahrscheinlich würden Sie es auch unaufgefordert tun, vermutlich ist es für Sie ein Automatismus: Sich zu geeigneten Zeitpunkten oder in bestimmten Zeitabständen das Spektrum Ihrer Pflichten und Ideen vor Augen führen. Dank der externalisierten Gesamtsicht, dank Pflichtenheft und Ideenspeicher ist es für Sie schließlich ein leichtes, sich alle laufenden Pflichten und behaltenswerten Ideen zu vergegenwärtigen. Wenn Sie dies tun, profitieren Sie in besonderem Maße von den Erleichterungen, die diese Rettungsmission mit sich bringt. Auf einen Blick, wann immer Sie wollen, sind Sie im Bilde. Und diese Gelegenheit sollten Sie auch nutzen. Daran erinnert Sie sicherheitshalber der Vorgang „Vergegenwärtigen und Aktualisieren“. Dieser komplementäre Schritt nimmt einen Sonderstatus ein und ergänzt die zwei sequenziellen Schritte „Entscheiden“ und „Externalisieren“. Seine Funktion entspricht der eines „Triggers“. Er soll in bestimmten Intervallen oder zu bestimmten Zeitpunkten etwas auslösen: Die turnusmäßige Durchsicht der externalisierten Aufzeichnungen betreffend Ihren Pflichten und Ideen. Es ist ein Impuls, der dafür sorgt, dass Sie in regelmäßigen Abständen diese Zusammenstellung auf ihren Aktualitätsgehalt überprüfen. Ein Impuls, der Sie darauf aufmerksam macht, dass Sie die Dinge, die gerade am Laufen sind und die Dinge, die Sie eventuell einmal angehen möchten, Revue passieren lassen. Ihr Pflichtenheft ist ein ganz persönlicher Begleiter, der Ihnen Anhaltspunkte für die Gestaltung des Tagesablaufs gibt. Im gleichen Atemzug ergeben sich aus dem Tagesgeschehen Rückkopplungen auf die Inhalte Ihrer Aufzeichnungen. R. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6_25, C Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Beispielsweise, wenn Sie Dinge erledigt haben. Dann können Sie Einträge in Ihrem Pflichtenheft abhaken, streichen oder löschen. Schließlich müssen Sie noch Ihren Ideenspeicher im Auge behalten und auch diesen ab und an nachführen. Befindet sich unter den dortigen Einträgen eine Sache, die Sie nun doch endlich anpacken wollen? Möchten Sie eine Angelegenheit definitiv nicht angehen und streichen sie deshalb ersatzlos aus Ihrem Ideenpool? Achten Sie vor allem auf eins: auf Vollständigkeit. Ihr Pflichtenheft darf keine Lücken aufweisen. Ihr Ideenspeicher sollte kein Leck haben. Stellen Sie sicher, dass Ihre laufenden Pflichten und behaltenswerten Ideen vollumfänglich repräsentiert sind. Ihre Gedanken müssen darauf vertrauen können, dass alles, was festgehalten werden soll, am richtigen Platz ist. Setzen Sie vom Start weg einen hohen Standard. Akzeptieren Sie keine Restunsicherheiten. Wenn Sie Dinge unterschlagen, wenn Sie Einträge auslassen, werden Ihre Gedanken misstrauisch und fallen in alte Gewohnheiten zurück. Grenzen überwinden, neue Horizonte erkunden – Bedenken Sie, dass die bestehenden Dinge uns gerne fiktive Grenzen setzen und die Reichweite unserer Denkarbeit beschränken. Häufig beschäftigen wir uns so intensiv mit den gegenwärtig verankerten Angelegenheiten, dass Chancen und Möglichkeiten, die sich uns bieten, unbemerkt vorüberziehen. Umgangssprachlich sagt man auch: „Man rennt mal wieder mit Scheuklappen durch die Gegend.“ Das soll so nicht sein. Das kann diese Rettungsmission vermeiden. Sie kennen das vom Autofahren bei Nacht. Meistens leuchtet das Abblendlicht den Weg. Da sehen Sie alles, was sich unmittelbar vor Ihnen befindet. Kaum zünden Sie das Aufblendlicht, wird die Nacht zum Tag, die Nahsicht zur Fernsicht. Toll ist dieser Moment, in dem man buchstäblich erleuchtet wird. Um beim Lean Time Management von einem Tunnelblick auf Weitblick umzustellen, steigen Sie mit folgenden Fragen in den umfassenderen Aktualisierungsvorgang ein: „Was ist wichtig? Auf was kommt es an?“ Neben dem eher sporadischen und vom Tagesgeschehen abhängigen „Up-todate“-Halten Ihres Pflichtenhefts und Ideenspeichers, sollten Sie mit diesem Fragen unterm Arm von Zeit zu Zeit einen Blick über den Tellerrand gönnen. Ihr Spektrum an Tätigkeiten und Ihr Beschäftigungsfeld von einer höheren Warte aus betrachten, grundlegende Fragen aufwerfen, interessante Einsichten gewinnen oder neue Rückschlüsse ziehen. Dies kann ein äußerst kreativer Prozess sein. Sich zurücklehnen, die Dinge mit etwas Distanz betrachten, deren Bedeutung hinterfragen und aus verschiedenen Blickwinkeln beurteilen. Blicken Sie aus einer höheren Warte auf Ihr Pflichtenheft und Ihren Ideenspeicher. Vielleicht können Sie bei dieser Gelegenheit neue Lasten von Ihren Gedanken nehmen. Welche Gedanken bezüglich unerledigter Dinge oder Ideen bezüglich möglicher Tätigkeiten verfolgen Sie noch, weil sie noch nicht externalisiert sind? Für alles was hierbei ans Tageslicht kommt, wenden Sie die Schritte „Entscheiden“ und „Externalisieren“ an. Das dauert jeweils nur ein paar Sekunden. Auch ein prüfender, kritischer Blick auf alle Einträge in Ihrem Pflichtenheft und Ihrem Ideenspeicher ist hin und wieder angebracht. Gibt es Vermerke, die in irgendeiner Form auf der Kippe stehen? Einen Eintrag in einer bestimmten Rubrik
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Vergegenwärtigen und Aktualisieren
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des Pflichtenhefts vornehmen, heißt nicht, dass er auf immer und ewig in diesem Bereich verbleiben muss. Entscheidungen sind gefragt. Dies gilt insbesondere für die Pflichtenheft-Einträge unter der Rubrik „Aktivitäten“. Entscheiden Sie bei Einträgen, die schon länger darin vermerkt sind, ob sie überhaupt noch aktuell sind. Falls nicht, dann verschieben Sie diese in Ihren Ideenspeicher oder streichen Sie den Eintrag. Prüfen Sie weiterhin ob es bei den Aktivitäten Grenzgänger gibt. Liegen Verdachtsfälle vor, die eine Einordnung in einer anderen Rubrik sinnvoller erscheinen lassen? Steckt mehr als erwartet in einer Aktivität drin? Handelt es sich eher um eine Aufgabe, weil ein größerer Bearbeitungsaufwand damit verbunden ist, als Sie zunächst angenommen haben? Dann gehört dieser Eintrag in die Rubrik „Aufgaben/Projekte“ Ihres Pflichtenhefts. Bei dieser Gelegenheit sollten Sie auch Ideenspeicher kurz überfliegen. Hier können sich ebenfalls Verschiebungen ergeben. Wollen Sie eine Sache aus Ihrem Ideenpool realisieren? Entscheiden Sie sich dafür, eine Eventuell-Angelegenheit anzupacken, so können Sie diese aus Ihrem Ideenspeicher entfernen und stattdessen einen korrespondierenden Eintrag in Ihrem Pflichtenheft vornehmen. Entweder unter dem Schlagwort „Aufgaben/Projekten“ oder „Aktivitäten“. Falls Sie die Bearbeitung delegieren, unter dem Schlagwort „Ausstehend“. Einträge, die sich seit einiger Zeit in Ihrem Ideenspeicher tummeln, sollten Sie kritisch hinterfragen. Wollen Sie eine optionale Angelegenheit definitiv fallen lassen und sich deshalb „auf Nimmerwiedersehen“ von diesem Eintrag verabschieden? Das war’s auch schon. Im Grunde genommen standen hier lediglich zwei Aspekte im Vordergrund. Einerseits umfasst das Vergegenwärtigen und Aktualisieren alles was Sie tun müssen, damit Ihre Gedanken nicht unnötig belastet werden. Andererseits geht es darum, dass Sie sich das gesamte Spektrum Ihrer Pflichten vor Augen führen – ein kurzes Reflektieren. Schlank und rank, denn nichts anderes hätten Sie von einem Lean Time Management erwartet.
Kapitel 26
Die Bestandsaufnahme – Ihr ganz persönlicher Start ins Externalisieren
Sind Sie Ballonfahrer? Falls ja, dann ist es für Sie sonnenklar: Wenn Sie weiter nach oben wollen, der Sonne entgegen, müssen Sie Ballast abwerfen, unnötiges Gewicht über Bord – pardon über den Korb – kippen. Das ist nicht nur eine platte Ballonfahrerweisheit. Von wegen. Das hat was. Mit einem überladenen Frachtraum kann schließlich kein Flieger vom Boden abheben. Und wenn Sie mit Ihren Gedanken überlastet sind, geht’s ebenso wenig bergauf. Dafür trudelt man in stürmischen Zeiten umso rascher bergab, wenn man zu viel Gewicht an Bord hat. Schnell trägt man heute eine schwere Gedankenlast mit sich herum. Damit es nicht soweit kommt, und in guten Zeiten die Dinge erst recht rund laufen, müssen wir für Entlastung sorgen. Oder gehören Sie zu den wenigen Ausnahmen, die immer an alles denken? Jederzeit alles abrufen können? Nie und nimmer etwas übersehen? Perfekt wie ein schweizer Uhrwerk funktionieren? Schwer vorstellbar. Viel eher haben Sie, wie die meisten Ihrer Artgenossen auch, momentan mehr Dinge am Laufen, als Sie spontan aufzählen können. Manch einer behauptet sogar, er hat zuviele Dinge „am Hals“. Kaum jemand kann all das überblicken, was sich im privaten und beruflichen Umfeld in der Pipeline befindet oder möglicherweise einmal aufgegriffen werden soll. „Nichts anbrennen lassen“, wird immer schwieriger. Und nebenbei: Dem zuvor genannten Ideal zwanghaft nachzustreben, macht sowieso keinen Sinn. Tun Sie sich da keinen Zwang an. Es wäre ein gewichtiges Unterfangen mit fraglichem Ausgang. Aus dem Nichts – Sind wir ehrlich, auch wenn wir scheinbar immer alles im Griff haben, taucht plötzlich und unerwartet – wie aus dem Nichts – doch noch etwas auf, was wie ein Schatz in unserer Gedankenwelt verborgen war. Und spätestens dann wissen wir, wo all die Dinge stecken, die uns nicht präsent sind. Sie sind im Unterbewusstsein verankert und sorgen dort – mal mehr, mal weniger – für Unruhe. Nervensache könnte man meinen. Belasten tut es aber trotzdem, denn was im Unterbewusstsein rumort, kann man nicht einfach wie einen nassen Mantel an der Garderobe abgeben. Und so wird aus der „reinen Nervensache“ letztendlich die „pure Energieverschwendung“. Doch damit soll nun Schluss sein. Befreien Sie sich von der Last unnötiger Gedanken. Werfen Sie Ballast ab. Ein einmaliger Befreiungsschlag – Wir alle kennen das: Wenn wir gelegentlich aufräumen – die einen öfters, die anderen weniger oft – vermittelt uns das Ergebnis dieser Mühe ein gutes Gefühl. Wir haben für Ordnung gesorgt. Auch was R. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6_26, C Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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IV Die Rettung – Maßnahme 1
unseren Gedanken betrifft, ist eine gewisse Ordnung erstrebenswert. Wie man diesbezüglich klare Verhältnisse schafft, ist eigentlich jedem vertraut. Steckt in uns allen drin. Wenn es ganz, ganz viel zu tun gibt, dann hat man meistens gar keine andere Wahl mehr, als alles in einer Aufstellung zu notieren. Auf diese Weise räumen viele auch auf, bevor sie in den Urlaub gehen. Man trägt noch mal alle Dinge in einer übersichtlichen Aufstellung zusammen. Man trifft anhand der gewonnenen Gesamtsicht letzte Regelungen oder vereinbart Terminverschiebungen. Dank dieser Zusammenstellung muss man nicht dauernd über die Arbeit nachdenken und kann den Urlaub entspannt genießen. Das entspricht genau der zugrunde liegenden Idee dieses einmalig vorgesehenen Befreiungsschlags – Ihrem persönlichen Start in ein gedankenleichtes Zeiterleben. Wir gehen gnadenlos ans Werk und notieren alles, was wir erledigen müssen – restlos. Gedanken freistellen – Für den Volksmund ist es schon seit eh und je eine durchsichtige Sache und deshalb mahnt er aus weiser Voraussicht: „Aus den Augen, aus dem Sinn.“ Das hat was. Damit Sie zukünftig nicht mehr in diese Abseitsfalle tappen, nehmen Sie als erstes ein leeres Blatt zur Hand und tragen alles zusammen, was Sie beschäftigt. Jede unerledigte Sache, die Ihre Gedanken auf Trab hält. Alles, bei dem Sie in irgendeiner Form aktiv werden sollten. Alle Vorgänge, die sie angefangen, aber nicht abgeschlossen haben. Alle Dinge, die Sie eventuell einmal anpacken möchten. Alle Themen, bei denen Sie noch nicht entschieden haben, was Sie damit überhaupt anfangen wollen. Alle Dinge, die Sie schon lange mit sich herumtragen. Alle Vorgänge, bei denen Sie Zuarbeiten müssen. Lassen Sie Ihren Gedanken freien Lauf und bringen Sie auch die Dinge an die Oberfläche, die an den verschiedenen Ecken und Enden Ihres Unterbewusstseins kleben. Krempeln Sie sämtliche Schubladen in Ihrem Stübchen um. Holen Sie restlos alles hervor und bringen Sie es in einem Brainstorming-Modus zu Papier. Diese Sätze, die meistens anfangen mit: Ich sollte. . . Ich müsste. . . Ich könnte. . . Ich wollte schon immer. . . Physisches sammeln – Hier liegt was, dort liegt was, überall liegt was. Mal legen wir Unterlagen auf dem Schreibtisch oder dem Beistelltisch ab, mal im oder auf dem Sideboard, mal im Regal hinter uns, mal im Schrank neben uns. Zuhause gibt‘s ebenso viele Örtlichkeiten, wo Unerledigtes seinen Platz finden kann. In der Diele, in der Küche, im Arbeitszimmer, in Umzugskartons oder Schuhkartons etc. Klappern Sie deshalb in einem zweiten Schritt Ihr Umfeld nach Hinweisen über mögliche Pflichten ab. Diese Hinweise können verschiedener Natur sein. Irgendwelche Unterlagen, die Sie noch nicht an ihrem endgültigen Platz verstaut haben, die Sie schnell mal irgendwo hingetan haben, weil Sie später darüber entscheiden wollen, was genau damit passiert. Post-It Kleber, die Tätigkeitsvermerke enthalten und möglicherweise an verschiedenen Stellen in Ihrer Wohnung verteilt sind (neben dem Telefon, auf dem Küchentisch, an einer Pinnwand im Flur). Regelmäßig aus der Reihe tanzen auch die in Ihrem unmittelbaren Arbeitsumfeld verteilten Unterlagen. Hier müssen Sie all jene Schriftstücke zusammentragen, die mit konkreten, ausführbaren Verrichtungen in Verbindung stehen. Beispielsweise wenn Sie eingegangene Briefe als Erinnerungshilfe für noch ausstehende Antwortschreiben verwenden. Oder wenn Visitenkarten an ausstehende Rückrufe erinnern sollen.
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Die Bestandsaufnahme
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Ebenso wie Telefonnotizen und Sitzungsprotokolle mit To-do’s, die für Sie relevant sind. Führen Sie alle physischen Gedankenstützen und alle Unterlagen, die sich auf auszuführende Aufgaben beziehen, an einer Stelle zusammen. Gehen Sie alle Orte durch, an denen Sie Hinweise für tätigkeitsrelevante Dinge aufbewahren und sammeln Sie diese ein. Auch wenn Sie sonst nichts von Papierbergen halten, dieses eine Mal können Sie alles getrost auf einen Stapel biegen. Einmal in Ihrem Leben dürfen Sie hochstapeln. Egal wie prächtig dieser Stapel gedeiht, es ist ein Ausnahmefall, für den wir dank dieser Rettungsmission die richtige Medizin parat haben. Und wie geht’s weiter – Was soll ich nun damit? Die hier beschriebene Bestandsaufnahme ist ein einmaliger Vorgang und Ihr ganz persönlicher Start in ein neues Zeiterleben. Ein Rundumschlag, bei dem Sie Ihren Gedankenkosmos durchleuchten, Ihr physisches Umfeld absuchen und alles bereits Existierende zusammenführen. Auf alles, was Sie zu Papier gebracht oder sonst wie zusammengetragen haben, können Sie nun die beiden Schritte „Entscheiden“ und „Externalisieren“ dieser ersten Rettungsmaßnahme anwenden. Und was bringt mir das jetzt? – Sie werden höchstwahrscheinlich überrascht sein, was da so alles zusammengekommen ist. Vieles lag auf der Hand, aber einiges davon war Ihnen sicher nicht bewusst. Auch wenn es jetzt nach viel Arbeit aussieht, darf Sie dies nicht entmutigen. Sie müssen ja nicht mehr tun als vorher. Wir haben lediglich Ihre Gedankenwelt erleichtert und Lücken geschlossen. Wir haben verstreute Hinweise und Dokumente über laufende, zukünftige oder eventuell anstehende Tätigkeiten an einem Ort zusammengeführt, damit Sie darüber entscheiden können. Die Fakten liegen buchstäblich vor Ihnen auf dem Tisch und Ihre Gedanken können loslassen, sobald Sie das Externalisieren abgeschlossen haben. Genau das war der Sinn und Zweck dieser Übung. Diese Entrümpelungsaktion befreit Ihren Gedankenkosmos. Da fallen schon mal Lasten ab. Ein wichtiger Schritt ist gemacht, um das unterschwellige, aber ständig aufkeimende Grübeln, Planen und Verfolgen abzustellen. Wenn Sie alle geistigen und physischen „Marker“ zusammenziehen und darüber entscheiden, können Sie zukünftig mit Ihren Gedanken immer am richtigen Ort sein. Das aufdringliche „Sich-Erinnern-Müssen“ und das halbherzige „Im Auge behalten“, können Sie langsam aber sicher abstreifen. Ohne lebt es sich besser! Beides kostet nicht nur nerven und zerrt an Ihren Energiereserven, sondern raubt Ihren Gedanken auch Zeit. Zeit in der Sie in produktiveren Gedanken schwelgen können. Zeit, in der Sie klare Gedanken fassen können. Zeit, in denen Sie Ihren Gedanken freien Lauf lassen können.
Kapitel 27
Feinstruktur ergänzt Grobstruktur – So hält das Externalisieren jeder Last stand
Was tun, wenn bei Ihnen derart viel auf dem Programm steht, dass die Einträge unter bestimmten Rubriken in Ihrem Pflichtenheft überhand nehmen und die jeweilige Auflistung unübersichtlich wird? Die einfachste Lösung besteht in diesem Fall in einer „Feinstrukturierung“. Sie können innerhalb einer Rubrik beliebige Unterkategorien festlegen und damit die Einträge feiner unterteilen. Das steht Ihnen frei. Sollte sich dies in Ihrem Fall anbieten, stellt sich die Frage, anhand welcher Merkmale Sie eine schlüssige Differenzierung der Rubrikeninhalte vornehmen wollen. Eine mögliche Lösung besteht darin, dass Sie eine kontextabhängige Sichtweise auf die betreffende Pflichtenart einnehmen. Die nachfolgenden Erläuterungen zeigen, wie Sie auf diese Weise interessante Anhaltspunkte für eine tiefergehende Aufschlüsselung erhalten. Unterkategorien für „Aktivitäten“ – Gibt es in Ihrem Pflichtenheft in der Rubrik „Aktivitäten“ eine Reihe von Themen, die Sie mit Ihrem Chef besprechen wollen? Müssen Sie verschiedene Anrufe/Rückrufe tätigen? Stehen Dinge an, die Sie nur dann erledigen können, wenn Sie einen Computer vor sich haben? Kommen Sie mit dem Zug zur Arbeit und möchten diese Zeit für Dinge nutzen, für die Ihnen im Büro keine Zeit bleibt – beispielsweise Berichte durchlesen? Vielleicht sind Sie freiberuflich tätig und haben eine Menge von privaten Dingen, die Sie gerne tagsüber erledigen möchten, damit Sie am Abend kreativen Freiraum für Ihre verdienstvollen Arbeiten haben. Solche kontextabhängigen Differenzierungen sind typisch für „Aktivitäten“. Mögliche Unterkategorien in der Aktivitäten-Rubrik Ihres Pflichtenhefts wären folglich: „Telefon“ – damit Sie alle Telefongespräche/Rückrufe gebündelt vornehmen können. „Web“ – wenn Sie beruflich viel im Internet unterwegs sind und dort recherchieren. „Geschäftsreise/Zugfahrt“ – Dinge, für die Sie im Büro nie Zeit haben. „Computer“ – für alles was Sie an einem Arbeitsplatzrechner erledigen wollen. „Gespräch mit Chef“ – damit Sie bei den seltenen Gelegenheiten auch alles ansprechen, was sich im Laufe mehrerer Tage ansammelt. Um diese Termine müssen Sie nicht selten kämpfen, weil Ihr Vorgesetzter allzu oft ausgebucht ist. Besonders ungünstig ist es dann, wenn Sie aus einem solchen Gespräch rausgehen und Ihnen weitere Punkte einfallen, die Sie vergessen haben. „Privat“ – alle privaten Angelegenheiten.
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Unterkategorien für „Aufgaben/Projekte“ – Klar können Sie weitere oder gänzlich andere Unterkategorien hervorzaubern, wie wir es vorhin bei den Aktivitäten ausgemalt haben. Das steht Ihnen frei. Sie können fachliche Gesichtspunkte heranziehen und so die Sortierung dieses Bereichs in Ihrem Pflichtenheft passgenauer auf Ihr Tätigkeitsfeld abstimmen. Meistens beziehen sich solche thematischen Strukturierungen auf Aufgaben und Projekte, und gliedern demzufolge den gleichnamigen Bereich in Ihrem Pflichtenheft. Gehört etwa die Planung von Anlässen und Kongressen zu dem Bearbeitungsgebiet eines Stelleninhabers, könnten beispielsweise die Unterkategorien „laufende Anlässe und Kongresse“, „bevorstehende Anlässe und Kongresse“ und „angedachte Anlässe und Kongresse“ sinnvoll sein. Ein Stelleninhaber, in dessen Verantwortungsbereich die Genehmigungsvorbereitung von Projekt- und Investitionsanträgen gehört, könnte folgende Unterkategorien führen: „Wirtschaftlichkeitsanalysen“ – für alle Projektkandidaten, die er derzeit analysiert. „Investitionsanträge“ – für alle Anträge, die er zurzeit bearbeitet. „Projektanbahnung“ – für alle Projekte, bei denen er derzeit die Anbahnungsphase unterstützt. Private Angelegenheiten strukturieren – Nutzen Sie die Gedanken dieser Rettungsaktion auch im privaten Umfeld für die Verwaltung Ihrer persönlichen und familiären Pflichten, so sind folgende Unterkategorien für die übergeordneten Bereiche in Ihrem Pflichtenheft denkbar: Besorgungen, Weiterbildung, Wohnung/Haus/ Haushalt, Kinder/Familie, Finanzen/Versicherungen, Garten/Außenanlage, Lesen/ Hobby. Unterkategorien für „Ausstehend“ – In Ihrem Pflichtenheft verwalten Sie unter der Rubrik „Ausstehend“ all jene Vorgänge, die Dritte erledigen. Hier stellt sich ebenfalls die Frage, ob Untergruppen hilfreich sind. Sinn wird dies insbesondere dann, wenn bei Ihnen das Spektrum oder die Themen der delegierten Tätigkeiten sehr weit gefasst sind. Beachten Sie jedoch Folgendes: Bei den ausstehenden Vorgängen kann es sich einerseits um umfangreiche Aufgaben oder Projekte handeln, andererseits aber auch um einfachere Aktivitäten, die in einem einzigen Arbeitsgang erledigt werden können. Sollte man deshalb die Einträge der ausstehenden Vorgänge in dieser Hinsicht unterteilen? Eher nein. Es ist selten im Voraus absehbar, wie sich die Dinge, die Sie aus der Hand geben, entwickeln. Kann sein, dass das Ergebnis bereits beim ersten Mal „sitzt“. Es kann aber genauso gut sein, dass mehrere Diskussionsrunden mit dem ausführenden Mitarbeiter notwendig sind, damit Sie das geforderte Resultat erreichen. Wenngleich Sie anfangs davon ausgegangen sind, dass es sich um eine Aktivität handelt, die in einem Aufwasch erledigt ist. Aber nun werden Ihnen Arbeitsfortschritte wiederholt vorgelegt, damit Sie Hilfestellung geben und die Anforderungen präzisieren. Deshalb sollten Sie in dieser Hinsicht lediglich von „ausstehenden Vorgängen“ sprechen und diese nicht hinsichtlich umfassenderen Aufgaben oder einfachen Aktivitäten unterscheiden. Es bleibt der Person vorbehalten, an die Sie die den Vorgang delegiert haben, wie sie dies angeht und was sie daraus macht.
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Auch das noch: Immer wieder gibt‘s immer öfter – Gibt es bei Ihnen auch diese Vorgänge, die sich in regelmäßigen Zeitabständen wiederholen? Vorgänge, die einem wöchentlichen, monatlichen, 2-monatlichen oder quartalsweisen Rhythmus unterliegen? Bei diesen periodischen Aktivitäten besteht die Gefahr, dass sie ab und an unter den Tisch fallen. Trotz aller Routine werden sie unverhofft übersehen – weil es wieder mal hektisch zugeht. Abhilfe schafft entweder ein sorgfältig gepflegter und weit im Voraus geführter Kalender. Wobei sich dies nur mit einem elektronischen Kalender einigermaßen elegant lösen lässt. Oder aber eine eigene Rubrik in Ihrem Pflichtenheft: „Wiederkehrend“. Unter diesem Schlagwort vermerken Sie alle periodisch anfallenden Pflichten. Diese gesonderte Aufstellung in Ihrem Pflichtenheft hat einen großen Vorteil gegenüber dem Kalender: Sie verschafft Ihnen Übersicht! Auf einen Blick erfassen Sie alle Ihre periodischen Tätigkeiten. Im Kalender setzen Sie dann nur noch einen Merker für den jeweils nächsten Fälligkeitstermin. Ist ein Pflichtenheft-Eintrag immer notwendig? – Die berechtigte Frage eines Lean-Time-Managers ist: „Muss ich eigentlich für alle Pflichten einen eigenen Eintrag im Pflichtenheft vornehmen? Gibt es in bestimmten Fällen nicht einfachere Möglichkeiten? Sind nicht Verkürzungen dieses Ablaufs denkbar, so dass die Notwendigkeit eines manuellen Eintrags – sei es auf Papier oder elektronisch – entfällt?“ In der Tat, es gibt Abkürzungen. Erstes Beispiel: Lesen – Möglich sind Abkürzungen etwa bei Unterlagen, die Sie bei irgendeiner passenden Gelegenheit durchlesen möchten. Sie wollen sich im Moment überhaupt nicht festlegen. Sie legen es einfach auf die Seite. Wenn es etwas Wichtiges wäre – „Unbedingt lesen! – dann wäre ein Eintrag im Pflichtenheft angebracht. Unter der Rubrik „Aktivitäten“. Wenn Sie ein Vielleser sind, führen Sie dort vielleicht die Unterkategorie „Lesen“. Im vorliegenden Fall geht es jedoch um den Lesestoff, den Sie nebenbei lesen wollen. Vielleicht, denn genauso gut kann es sein, dass es nie dazu kommt – und das wäre auch nicht weiter tragisch. Völlig unverbindlich also. Der „Lean Time Management“-Vorschlag ist dann typisch schlank: Kein Eintrag im Pflichtenheft! Kein Eintrag im Ideenspeicher! Sie haben ja bereits eine Gedächtnisstütze: Die Dokumente machen selbst auf sich aufmerksam. Was Sie vielleicht mal lesen möchten, bündeln Sie einfach an einem fix zugewiesenen Ort auf Ihrem Schreibtisch, Beistelltisch oder Sideboard. Vielleicht bewahren Sie diese Schriftstücke in einem eigenen Ablagekorb auf – Ihr Lesekorb. Das ist Ihre Gedankenstütze und damit erübrigt sich jeder Vermerk im Pflichtenheft. Die gebündelte Aufbewahrung dieser Schriftstücke in Ablagekörben oder anderen Sammelbehältern bringt einen weiteren Vorteil mit sich: Sie erhalten einen visuellen Eindruck von dem Lesematerial, welches Sie irgendwann genauer unter die Lupe nehmen möchten. Sie können grob einschätzen, welcher Zeitaufwand damit verbunden ist. Zweites Beispiel: E-Mail-Kopie – Wenn Sie E-Mails versenden, für die Sie eine Antwort erwarten, kann es schon mal vorkommen, dass die erwartete Reaktion ausbleibt. Im vorgesehenen Zeitfenster erhalten Sie keine Rückantwort, kein Resultat.
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In diesem Fall müssen Sie die Rückmeldung aktiv einfordern. Und daran müssen Sie ganz allein denken. Das ist Ihre Pflicht: Zu gegebener Zeit nachhaken! Eigentlich ein klarer Fall für Ihr Pflichtenheft und die Rubrik „Ausstehend“. Dort könnten Sie es vermerken. Aber es geht einfacher. Es gibt eine elegantere „elektronische Erinnerungsfunktion“. Ausnahmsweise mal ein echter ZeitmanagementKlassiker, mit dem Sie sich so manchen manuellen Pflichtenheft-Eintrag ersparen. Nutzen Sie die Möglichkeiten Ihres E-Mail Programms und erstellen Sie einen Ordner mit dem Namen „Ausstehend“. E-Mails, für die Sie eine Rückantwort oder eine Erledigungsmeldung erwarten, senden Sie zukünftig nicht nur an den Empfänger, sondern – quasi in Kopie – auch an Sie selbst. Beispielsweise indem Sie Ihren Namen im Empfängerfeld „Blindkopie“ eintragen. Das E-Mail landet dann automatisch in Ihrer Inbox, von wo aus Sie es direkt in den Ordner „Ausstehend“ verschieben können. Diesen Verschiebevorgang können Sie sogar automatisieren. Dazu einfach eine Regel für den E-Mail-Empfang in Ihrem E-Mail-Programm aufsetzen. Sobald die ausstehende beziehungsweise delegierte Sache erledigt ist, können Sie das „Erinnerungs-E-Mail“ löschen. Übrigens: Eine Zahl am Beginn des Ordnernamens sorgt dafür, dass der Ausstehend-Ordner immer an oberster Stelle in der Ordnerhierarchie erscheint. Nennen Sie ihn einfach „1-Ausstehend“.
Kapitel 28
Ein wichtiges Etappenziel – Klar Schiff! Ihr physisches Deck ist geschrubbt und blankpoliert
An dieser Stelle angelangt, ist ein wichtiges Teilziel der Rettungsmission erreicht. Sie haben die laufenden Dinge im Griff und können ebenso gelassen und locker mit den Dingen umgehen, die auf Sie zukommen. Vergleichbar mit einem geübten Artist im Zirkus, der mit einer beeindruckenden Sicherheit seine Bälle jongliert, können Sie mit Ihren Angelegenheiten hantieren. Sie haben eine verlässliche und einfach handhabbare Methodik kennen gelernt, mit der Sie Ihre Pflichten und Ideen externalisieren. Ein Aufzeichnungsinstrument, mit dem Sie alle laufenden und potentiellen Tätigkeiten schnell und ohne große Umstände verwalten. Damit entlasten Sie Ihre Gedankenwelt spürbar und gewinnen an Lockerheit und Unbefangenheit – eine unverzichtbare Basis für Erfolge im Beruf und Freude am Leben. Die Spatzen haben es von den Dächern gepfiffen und Thomas Robert Dewar, ein erfolgreicher schottischer Unternehmer, hat es mit ungetrübten Worten in ein plastisches Bild transportiert: „Der Geist ist wie ein Fallschirm. Er funktioniert nur, wenn er offen ist.“ Klare Gedanken zu fassen, ist ein wichtiges Anliegen dieser Rettungsmission. Erscheinen neue Gedanken oder Ideen bezüglich unerledigter Dinge auf Ihrem Radarschirm, heißt es Achtung: Erliegen Sie nicht der Versuchung, diese in Ihrem Gedächtnis einzuprägen. Solche „geistigen Zwänge“ belasten Sie unnötig. Vermutlich werden Ihre Gedanken schon von anderen Dingen genug strapaziert, da wollen wir doch das überstrapazieren vermeiden. Zudem nutzen Sie Ihr geistiges Potenzial nicht optimal aus, wenn Pflichten und Ideen nur aus einem Grund in der Welt Ihrer Gedanken Staub aufwirbeln: Damit Sie diese nicht vergessen. Ein fragliches und meist auch aussichtsloses Unterfangen. Sie fahren immer besser, wenn Sie Pflichten und behaltenswerte Ideen in dem Moment externalisieren, in dem sie aufkommen. Das sollte Ihre neue Angewohnheit sein: Vermerke in geordneter und pflegeleichter Form, an einer Stelle, die jederzeit einsehbar ist. Ihre schöpferische Kreativität steht Ihnen dann ohne Einschränkungen zur Verfügung. Ihre Gedanken können sich vollumfänglich und ohne störende Ablenkungen mit den Tätigkeiten befassen, die Sie gerade ausführen, oder auch mal unbelastet in andere wichtige Themen einsteigen und vordringen. Ein intelligenter Informationsfilter entlastet – Ausgangspunkt der ersten Maßnahme dieser Rettungsmission waren all die Dinge, die Sie von außen erreichen oder die Sie selbst durch Ihr Denken hervorbringen. Den Dachbegriff R. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6_28, C Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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„Beschäftigungsimpulse“ haben wir hierfür verwendet. Schlussendlich handelt es sich dabei um nichts anderes als Informationen. Und da jeder heute mit Informationen in großer Menge konfrontiert wird, müssen entsprechende Filtermechanismen für Ordnung und Entlastung sorgen. Entscheidend ist hier eine leichtgängige und intuitive Wegleitung durch den Informationsdschungel. Bei Beschäftigungsimpulsen, die keine Verrichtung nach sich ziehen gibt es nur zwei Möglichkeiten. (A) Wenn Sie etwas aufbewahren wollen, so bringen Sie dies in Ihren Ablagesystemen unter – Regale, Schubkästen, Hängeregistratur etc. (B) Dinge, die Sie nicht weiter benötigen, werfen Sie weg – Papierkorb oder Löschen beim E-Mail. Handelt es sich bei einem Beschäftigungsimpuls um etwas, was Sie zu einem späteren Zeitpunkt eventuell einmal angehen möchten – eine optionale Angelegenheit also –, so notieren Sie dies in Ihrem Ideenspeicher. Handelt es sich bei einem Beschäftigungsimpuls um etwas, was von Dritten erledigt wird, so notieren Sie dies in Ihrem Pflichtenheft unter dem Schlagwort „Ausstehend“. Zu guter Letzt gilt es jene Dinge zu filtern, die von Ihnen selbst erledigt werden. Resultiert aus einem Beschäftigungsimpuls eine umfassendere Aufgabenstellung für die mehrere Arbeitsgänge notwendig sind, um ein Ergebnis zu erreichen, so handelt es sich um eine Aufgabe bzw. ein Projekt. Diese vermerken Sie in Ihrem Pflichtenheft unter dem Schlagwort „Aufgaben/Projekte“. Die einzelnen Bearbeitungsschritte zu solchen Angelegenheiten gehören nicht in Ihr Pflichtenheft. Hierfür eignet sich ein separat geführter Umsetzungsplan besser. In einem solchen Umsetzungsplan können Sie eine chronologische Auflistung von konkreten Einzelmaßnahmen vornehmen und sich damit „Schritt für Schritt“ dem Ergebnis nähern. Können Sie eine Angelegenheit in einem einzigen Arbeitsgang erledigen, so sprechen wir von einer „Aktivität“. Aktivitäten, die Sie in wenigen Minuten erledigen können, führen Sie sofort aus – weg damit. Alle anderen Aktivitäten organisieren Sie auf eine der zwei folgenden Arten. Ist die Aktivität nicht terminbezogen, so vermerken Sie diese in Ihrem Pflichtenheft, in der Rubrik „Aktivitäten“. Müssen Sie die Aktivität an einem bestimmten Tag oder zu einer bestimmten Zeit ausführen, so vermerken Sie sie in Ihrem Kalender. Externalisieren: Ein wichtiger Baustein für mehr Zeit – Diese erste Maßnahme Ihrer Zeitrettung steht im Zeichen des „Externalisierens“, wird gesteuert durch eine pragmatische Informationsfilterung und mündet in einer durchgängigen Aufzeichnungslogik. Dieses Konzept zeichnet sich durch drei wesentliche Komponenten aus. Erstens: Ein differenzierendes Entscheidungsraster. Zweitens: Ein Ideenspeicher. Drittens: Ein Pflichtenheft. Entsprechend dem Lean-Gedanken ein pragmatischer und schlanker Ansatz – dennoch griffig, effektiv und pflegeleicht. Es gab einen, der hat die Marschrichtung vorgegeben – und dessen Pfad sind wir gefolgt. Wir haben den Weg eingeschlagen, den Rollo May, ein Menschenkenner des zwanzigsten Jahrhunderts und wichtigster Vorreiter in der Erforschung der humanistischen Psychologie, vorgezeichnet hat. In seinem Klassiker „Man’s search for himself“ hat er seinen unumstößlichen Leitsatz unter die Leute gebracht und für
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Ein wichtiges Etappenziel
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alle Zeiten festgehalten: „Je größer die Fähigkeit eines Menschen, sein Leben zu kontrollieren, desto eher ist er auch in der Lage, seine Zeit konstruktiv zu nutzen.“ Genau das wollen wir jetzt tun – und Sie haben nun die besten Voraussetzungen dazu. Sie sind ideal aufgestellt für die zweite Maßnahme dieser Rettungsmission, bei der wir den Weg zu Ende gehen, den Rollo May im Sinn hatte: „. . .Zeit konstruktiv zu nutzen.“
Teil V
Die Rettung – Maßnahme 2: Film ab! Das Storyboard für den Tag
Kapitel 29
Das überrascht viele – Die große Wirkung einer schlanken Rahmensetzung
In einem Tag steckt mehr drin als nur ein Tag! Ein Tag hat es in sich! Zugegeben, man sieht es ihm nicht an. Es ist nicht augenscheinlich und deshalb für viele auf Anhieb kaum nachvollziehbar. Manche versperren sich dieser Dreingabe rundweg. Da gibt es zum Beispiel die Fraktion der Astronomen. Eine weitsichtige Truppe, diese Sternengucker, könnte man meinen. Aber was ist denn das? Sie fegen den Tag mit einem Wisch vom Tisch und reduzieren ihn auf eine lapidare Einheit – die Spanne zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. Diese Kurzsichtigkeit hätte man von ihnen nicht erwartet. Sehr bescheiden. Das absolute Minium. Aber es gibt ja noch die Vereinigung der Chronisten. Sie gehören zum fahrenden Volk, sind immer auf Achse – pardon: auf Zeitreise. Der Zeitpfeil führt sie mal in die eine Richtung der Zeitachse und mal in die andere. Mal misten sie in der Vergangenheit aus, mal wühlen sie in der Gegenwart, mal stolpern sie in die Zukunft. Da sie mit Gratwanderungen nichts am Hut haben und bei ihren Zeitwanderungen nicht im Dunkeln tappen wollen, kümmern sie sich vornehmlich um den Kalender. Und damit meinen sie es durchaus ernst. Er ist für sie der Fels in der Brandung. Weil sie in längeren Zeit-Zusammenhängen denken und des Öfteren einen größeren Bogen spannen, sind sie auf ein stabiles Fundament angewiesen. Deshalb geben sie sich auch in kleinen Dingen etwas mehr Mühe und schauen überall genauer hin. Nur lassen sie dabei gerne mal jegliches humane Taktgefühl unter den Tisch fallen. Wenn’s nach ihnen geht, handelt es sich beim Tag um nichts anderes als die simple und gleichförmige Wiederholung von vierundzwanzig gefühllos aneinandergereihten Stunden. Stur und halsstarrig. Nur für den Menschen ist der Tag beileibe keine Kleinigkeit. Nur aus dessen Perspektive erschließt sich der Tag in seiner ganzen Fülle und seinem unermesslichem Reichtum. Im Unterschied zu den anderen Parteien zieht der parteilose Mensch alle Register, wenn es um sein Lebenselixier geht. Für das Individuum steht mehr auf dem Spiel. Für die einzelne Person bringt der Tag all das, was in der Zeit zwischen dem Aufstehen und dem Schlafengehen geschieht. Das kann natürlich mal etwas weniger sein. Das wird aber in aller Regel sehr viel sein, denn im Tagesablauf geschieht ständig irgendwas. Und man kann sich sicher sein: Je kürzer der Tag, desto mehr läuft ab! Wo die Ausdrucksnot auftaucht, weil wir für den Tag nur ein Wort haben, obwohl wir derer mindestens drei bedürften, öffnet sich das Tor für all die Möglichkeiten, die uns das Leben bietet. Ein Tag hat es in sich. Er hat großes mit R. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6_29, C Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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uns vor, wenn wir es denn zulassen. Und genau darum dreht sich alles bei dieser zweiten Maßnahme Ihrer Zeitrettung. So wie auch Johann Wolfgang von Goethe es im Sinn hatte, um seinem unvergleichlichen Erfolg den Weg zu bereiten: „Wer vorsieht, ist Herr des Tages.“ Der einzelne Tag ist die kleinste Einheit für Menschen, die Zeitgestaltung betreiben. Aber er nimmt die größte Rolle ein und teilt sich diese mit dem „Externalisieren“ – dem selektiven Outsourcing für das Gehirn. Der Tag ist ein kleiner Schritt für den Kalender, aber ein großer für den Menschen, denn die Art und Weise, wie ein Mensch seine Tage verbringt, spiegelt seine Lebensführung wieder. Der Tag ist der Zeitraum der genutzten oder verpassten Chancen. Schließlich können wir uns nur durch ihn unseren in der Ferne liegenden Absichten und Zielen nähern. Am Tag führt kein Weg vorbei und viele sehen es als eine Kunst an, das Optimale aus ihm herauszuholen. Warum man besser nicht durch den Tag rutschen sollte – Das hat der Tag eindeutig nicht verdient. Dabei scheint der morgendliche Anfang unverfänglich. Sie wollen heute jemandem eine Freude bereiten, sich für etwas bedanken. Easy, denn Sie wissen genau, welches Geschenk es sein soll und wo man es bekommen kann. Das wollen Sie heute als erstes erledigen. Anschließend, wenn alles in trockenen Tüchern ist, geht’s ran an die Arbeit. So der Plan. Aber es soll ganz anders kommen: Kaum aus der Haustüre gefallen, sehen Sie Ihren – seit längerem nicht mehr gereinigten – fahrbaren Untersatz. „Also gut“, lassen Sie sich hinreißen. Vorher noch schnell zur Waschanlage. Nach der Autoreinigung und mit der nun wieder durchsichtigen Windschutzscheibe springt Ihnen sofort der Steinschlag ins Auge, den Ihr Fahrzeug vor ein paar Tagen abbekommen hat. Klar wollen Sie da kurz bei der nächstgelegenen Fachwerkstatt zur Sofort-Reparatur vorbeischauen. Weil man dort Zeit seines Lebens nur mit klaren Scheiben zu tun hat und deshalb immer den Durchblick hat, sieht man beim ersten Blick auf Ihr Nummernschild: TÜV und ASU sind überfällig. „Auch das noch!“, so Ihre knappe Reaktion und Anzeichen dafür, dass der Kontrollverlust über den Tag erste Spuren hinterlässt. Das hätten Sie schon vor Wochen erledigen müssen. Nun gut, dann halt jetzt zur nächsten Prüfstelle. Prompt müssen Sie mit langem Gesicht einstecken, dass sie kein Profil mehr haben. Nein, nicht Sie, Ihre Reifen. Ugh, jetzt wird’s mühsam. Ein paar Reifenhändler abklappern, beim besten Deal zuschlagen und gleich montieren. Dann noch mal beim TÜV vorbeischauen, bevor dort die Tore zufallen. Und das war’s dann auch. Viel weiter kommen Sie nicht, denn mittlerweile ist es Abend. Ihre ursprüngliche Absicht hat sich irgendwie in Luft aufgelöst – mitsamt Geschenk. Aber morgen ist ja noch ein Tag. Diese bewusst überzeichnete Rutschpartie macht auf einen groben Schnitzer der persönlichen Selbstorganisation aufmerksam, ein grundlegendes Dilemma: planloses Handeln. So sollte Ihr Tag besser nicht ablaufen. „Die gerutschten Übergänge in dieser Geschichte haben doch mit der wirklichen Arbeit nichts zu tun“, werfen Sie ein. Oh doch, haben sie! Da wird mitunter ebenso gerutscht. Klar, auf der Arbeit spielt es sich anders ab, aber das Grundübel ist dasselbe. Im Arbeitsleben lockt das Vagabunden-Leben. Oder etwas milder ausgedrückt: ein „thematisches
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Das überrascht viele – Die große Wirkung einer schlanken Rahmensetzung
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Vagabundieren“. Sie arbeiten an Maßnahme A, werden abgelenkt und beschäftigen sich mit Maßnahme B. Eine Idee steigt auf, C wird in Angriff genommen. Doch wie das Leben so spielt, noch bevor man fertig ist, fällt einem ein, dass zuvor D geplant und durchgeführt sein muss, damit C überhaupt sinnvoll ist. Oh weh! Der Arbeitstag mag vielleicht eine anstrengende Kletterpartie sein, darf aber niemals in eine unkontrollierte und richtungslose Rutschpartie münden. Genau das passiert jedoch bei diesen ständigen, ungeplanten Wechseln der Beschäftigungsfelder. Dies gleicht einem „oszillierenden“ Verhalten, bei dem angedachte oder angefangene Arbeitsschritte nicht wirklich abgeschlossen werden. Durch neue Informationen lässt man sich von vorhandenen Arbeiten ablenken. Das bringt einen „Ad-hocismus“ mit sich, bei dem jeweils aufkommende Tätigkeiten „ad-hoc“ gelöst werden. Entscheidungen zur Tätigkeits-Chronologie werden nicht explizit getroffen, sondern sind „auf einmal da“. Die Folge ist eine planlose Arbeitsweise, ein beinahe willkürlicher Aktionismus mit einer instabilen Tagesstruktur, bei der man im schlimmsten Fall von den objektiven Notwendigkeiten oder den initialen Absichten ausbricht und sich auf Abwegen verirrt. Noch nicht akute, aber eigentlich anzugehende Maßnahmen, bleiben unberücksichtigt, weil ein vorausschauendes Denken nicht vorhanden ist. Um es auf den Punkt zu bringen: „Man tut was man kann, aber nicht was man soll!“ Wie man es besser macht – Entsprechend dem Schwerpunkt unserer ersten Rettungsmaßnahme – dem Outsourcing für das Gehirn – können Sie nun die durch das Externalisieren gewonnene Übersicht auf Ihre Angelegenheiten gewinnbringend nutzen. Sie haben es sozusagen schwarz auf weiß vor sich: Die Dinge, die Ihre Verrichtungen bestimmen. Die Einträge in Ihrem Ideenspeicher. Die Einträge in Ihrem Pflichtenheft unter den Schlagwörtern „Ausstehend“, „Aufgaben/Projekte“ und „Aktivitäten“. Diese Gesamtsicht bietet Ihnen Orientierung und Sicherheit, um einen Tag fundiert und sinnvoll auszugestalten. Egal, ob es sich um private oder geschäftliche Vorhaben handelt. Die vorgelagerte und robuste Systematik aus der ersten Maßnahme dieser Rettungsaktion – dem Externalisieren – ist die stabile Ausgangsbasis, welche die dafür notwendige Übersicht liefert. Schließlich baut auch kein vernünftiger Architekt ein Haus, ohne vorher ein Fundament hinzustellen. Die vorausgegangene erste Maßnahme Ihrer Zeitrettung vermittelt nicht nur eine ausgereifte Grundlage für ein sattelfestes Tagesprogramm. Sie dient auch der Effizienz und gewährleistet, dass Sie einen solchen „Rahmen für den Tag“ in kürzester Zeit auf die Beine stellen können. Beim Lean Time Management geht das in ein paar Minuten über die Bühne. Und keine Angst, ich rate Ihnen nicht zu einer zehnminütigen Meditations- und Entspannungsübung am Beginn eines jeden Tages, damit Sie Ihre geistige Mitte finden. Sie würden‘s vermutlich doch nicht tun. Ein paar Mal vielleicht. Nebenbei erwähnt, da bisher nur vom „Tag“ die Rede war: Unter bestimmten Umständen ist es denkbar, den Gestaltungszeitraum nicht am „Arbeitstag“ festzumachen, sondern an der „Arbeitswoche“ auszurichten. Es hängt einzig und allein von Ihren persönlichen Umständen ab, welche Gestaltungsperiode Ihren spezifischen Bedürfnissen und Anforderungen am besten gerecht wird – der Tag oder
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die Woche. Falls die Tage sehr überschaubar sind und pro Tag nur eine handvoll Dinge erledigt werden, kann bei Ihnen die Woche der geeignete Zeitraum sein. Wir gehen jedoch bei den folgenden Überlegungen vom Normalfall aus – dem Tagesprogramm. Dinge erledigen, darum geht es bei dieser zweiten Maßnahme Ihrer Zeitrettung. Während die erste Rettungsmaßnahme unter dem Banner der Informationsfilterung und der Was-Frage stand, wird es nun konkret. Vom reinen Management Ihrer Pflichten und Ideen geht es nur zur Ausführung Ihrer Pflichten. Die Fragen nach dem „Wann?“ und dem „Wie?“ rücken in den Vordergrund. Wann erledige ich welche Dinge? Wie gestalte ich den Tag? Wie strukturiere ich den Tagesablauf? Diese Fragen sind die Schwerpunkte der nun anstehenden Rettungsmaßnahme. Was wir uns hier erarbeiten, führt uns durch den Tag und steuert unsere Verrichtungen. Vieles dreht sich dabei um einen vorausschauenden Akt, bei dem wir das Tagesgeschehen vorwegnehmen und mit dessen Hilfe wir allen unseren Pflichten geordnet nachkommen. Dabei kommen Zeit und Prioritäten ins Spiel – zwei Punkte, die sich bisher im Hintergrund hielten. Hier ist vieles eine Frage der stimmigen Zeitgestaltung, verbunden mit einer schlüssigen Prioritätensetzung. Wie man es besser nicht macht – Die Angler-Methode: Die Sache hat einen Haken, aber es gibt sie tatsächlich, die Alternative zum Tagesprogramm. Ich will sie Ihnen nicht vorhalten. Aber sie hängt an einem seidenen Faden, hat genauer gesagt sogar einen Haken. Das ist jedoch nicht der Grund, weshalb wir sie hier als „Angler-Methode“ bezeichnen. Die Alternativlösung funktioniert wie folgt: „Einfach spontan die Angel auswerfen und schauen, was dran hängen bleibt. Das wird dann gemacht.“ Frei nach dem Motto: „Es muss ja eh getan werden – also was soll’s!“ Da ist allerdings der Wurm drin, oder besser gesagt, dran. Dieser Ansatz gleicht einem Glücksspiel mit fraglichem Ausgang. Wer gedankenverloren vorgeht, liefert sich den ungewissen Zufällen und den scheinbaren Zwängen des Augenblicks aus. Verschwendet Zeit und Energie unnötig. Wir alle kennen das vom Einkaufen. Wer ohne „Plan“ einkauft, lässt meist eine Menge unnötige Dinge in den Einkaufswagen wandern. Wenn es an Zielstrebigkeit mangelt und man orientierungslos durch den Supermarkt stolpert, gibt man nicht nur mehr Geld aus, sondern auch mehr Zeit. Ein im doppelten Sinne kostspieliger oder sogar verschwenderischer Einkauf. Rahmensetzung und nicht Tagesplanung – Beim „Lean Time Management“ ist keine minutiöse Tagesplanung nach konventioneller Zeitmanagement-Manier vorgesehen. So wie man sie von vielen vollausgestatteten Zeitmanagement-Ratgebern kennt. Derartige Planungen verfehlen gerne ihr Ziel, weil sie zum Korsett werden und die Luft zum Atmen abschnüren. Lean Time Management zielt auf etwas anderes. Henry David Thoreau, ein bekannter amerikanischer Schriftsteller aus dem frühen 19. Jahrhundert, gab uns mit seinen Gedanken einen Wink in die richtige Richtung: „Die Qualität eines Tages zu beeinflussen ist die höchste aller Künste.“ Ungewollt brach dieser weise Zeitgeselle mit seinem stimmigen Qualitätsanspruch eine Lanze für das Lean Time Management. Darauf wollen wir bei dieser zweiten Rettungsmaßnahme hinarbeiten. Etwas Schlankes, das Ihren Kurs bestimmt, während Sie auf der Tagesreise sind. Etwas Richtungsweisendes, dass Sie in der Spur
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Das überrascht viele – Die große Wirkung einer schlanken Rahmensetzung
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hält, während Ihnen der Tag über den Weg läuft. „Tu dies um 9.00, tu jenes um 10.00 und dieses um 11.00“, davon ist hier nicht die Rede. Beim Lean Time Management sind Sie eher kreativer Programmgestalter als penibler Planer. Der Rahmen, um den es auf den nächsten Seiten geht, rückt die Inhalte an die erste Stelle und setzt bei der Zeit nur auf sehr grobe Vorstellungen – in Richtung: was möglichst am Vormittag, was eher am Nachmittag. Schließlich muss es schnell gehen, die Rahmensetzung, denn Zeitmanagement darf so gut wie keine Zeit kosten. Jetzt lautet Ihr Resümee vielleicht: „Also gut, ich verstehe. Es gibt beim Lean Time Management keinen Stundenplan, wie ich ihn als Tageseinteilung von der Schulzeit her kenne.“ Unruhig haken Sie nach: „Gibt’s dann wenigstens einen Wochenplan, einen Monatsplan, einen Quartalsplan und einen Jahresplan, so wie ich es vom vollausgestatteten Zeitmanagement kenne?“ Da antworte ich freimütig: „Nein! Ebenso wenig.“ Ein solcher Planungsmarathon ist beim Lean Time Management nicht vorgesehen. „Im Normalfall nicht notwendig!“, ist meine Überzeugung, zur der mich meine Erfahrungen im Hier und Jetzt geführt haben. Um in unserer Zeit auf Erfolgskurs zu bleiben, haben zwei Dinge Vorfahrt. Erstens: freie Fahrt für Ihre Gedanken, durch eine freie Sicht auf alle Ihre Angelegenheiten. Zweitens: dank einem klaren Verrichtungs-Blick aus jedem Tag das bestmögliche herausholen. Jeder Tag macht den Unterschied – Weil jeder Tag zählt, hört man immer wieder „Carpe diem!“ Nutze den Tag – und zwar jeden Tag. Dies wertschätzt die tagesbetonte Rahmensetzung beim Lean Time Management. Sie ist stets auf die Gesamtheit Ihrer Pflichten ausgerichtet. Wenn Sie Ihr Tagesprogramm festlegen, fahren Sie unter voller Sicht, ein durchsichtiges Spiel anstelle eines Herumstocherns im Nebel der Kurzsichtigkeiten. Das Portfolio Ihrer Pflichten – Ihr Pflichtenheft – liegt vor Ihnen und jeden Tag treffen Sie aufs Neue Entscheidungen darüber, welche Vorhaben Sie mit welcher Intensität vorantreiben. „Das, was heute am besten passt.“ Dieser Rahmen wird Ihr ganz persönlicher „Fels in der Brandung“, wenn Sie sich in das Abenteuer „Tag“ stürzen. Nur so wissen Sie, wofür Sie Ihre Zeit einsetzen sollten. Daraus resultiert nicht nur eingesparte Zeit, sondern auch ein wirkungsvoller Zeiteinsatz, der Ziele verfolgt und deshalb in die gewünschte Richtung wirkt. Das ist nur möglich, wenn Sie nach einem vorstrukturierten Rahmen arbeiten. Dieses „Hoch lebe der Tag“-Weltbild hat historische Wurzeln. Die Ursprünge lassen sich bis zum römischen Reich und einem gewissen Horaz, seines Zeichens Dichter in diesem Imperium, zurückverfolgen. Als er einmal einen guten Tag erwischte, hat er seine Ideale sogleich unters Volk gebracht. Noch heute hört man seine Rufe: „Der ideale Tag ist heute, wenn wir ihn dazu machen.“ Bei diesem Vorhaben unterstützt Sie Lean Time Management gerne. Flexibilität im Tagesgeschehen, die lassen wir uns nicht nehmen – Die tagesbezogene Rahmensetzung nach dem Lean Time Management hat einen weiteren Vorteil: Ein Rahmen lässt Raum für das Unerwartete. Er ist lediglich ein Richtung gebendes Instrument, der die Tage nicht in eine rigide Struktur presst. Eine gesunde Portion Flexibilität müssen Sie so oder so mit in den Tag nehmen. Mit einer gewissen Offenheit für spontane Ereignisse in den Tag zu starten, daran führt
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heute kein Weg mehr vorbei. Das mit der ersten Rettungsmaßnahme eingeführte Organisationskonzept auf dem Niveau Ihrer Pflichten und Ideen bringt einen großen Vorteil mit sich: Sie können während dem Tag jederzeit und sehr rasch Ihren Fokus von einer Sache auf eine andere Sache verlagern. Damit sind Sie immer reaktionsfähig.
Kapitel 30
Denkfehler To-do-Liste – 10 gute Gründe um ihr Lebewohl zu sagen
„Ich versuche immer, den jeweiligen Tag in Angriff zu nehmen, aber manchmal überfallen mich mehrere Tage auf einmal.“ Vom Tag erschlagen, könnte man dazu auch sagen. So hart getroffen wurde offensichtlich Ashley Brilliant, von dem dieses Zitat stammt und der mit jenen Tagen gehadert hat, die völlig aus dem Ruder liefen. Mangels Patentrezept sah er sich als hilfloses Opfer sporadischer Störfeuer. Jetzt mal halblang! Einem solchen Vernichtungsschlag kann man doch vorbeugen, indem man alles, was man sich für einen Tag vornimmt, fein säuberlich und chronologisch notiert. Was will dann noch schiefgehen, wenn erstmal lückenlos auf Papier gebracht ist, was man erledigen muss oder will? So eine Liste ist doch eine feine Sache, oder etwa nicht? Die Einträge lassen sich einer nach dem anderen abarbeiten. Während des ganzen Tages geht es immer schön der Reihe nach. Damit hat man am Ende des Tages die Verrichtungen erschlagen, buchstäblich „seine Pflicht getan“. Was will man mehr? Was gibt’s an dieser Taktik auszusetzen? Da kann keiner meckern. Doch, kann man. Man muss nur die Vorgehensweise betrachten, mit der man üblicherweise zu einer To-do-Liste kommt und einen Blick auf die Inhalte einer solchen Auflistung werfen – dann zeigen sich Konstruktionsmängel. Jedem ist klar: To-do-Listen leben vom Moment, vom Augenblick. Sie werden spontan geführt. Sie arbeiten gerade an etwas, werden unterbrochen, sagen „Okay, mache ich“, schreiben es auf Ihre To-do-Liste und nehmen Ihre Arbeit an der Stelle wieder auf, an der Sie unterbrochen wurden. Wer To-do-Listen führt, notiert die Dinge meistens völlig undifferenziert, einfach mal so, wie sie einem in den Sinn kommen. Die meisten Einträge in der Liste nimmt man beiläufig vor, ohne weiteres Nachdenken. Das Resultat könnte aussehen wie in der exemplarisch abgebildeten To-do-Liste (Abb.30.1).
R. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6_30, C Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Abb. 30.1 Eine durch und durch typische To-do-Liste – wirklich tausendfach bewährt?
Warum die Nummern? Die einzelnen To-do’s in dem Beispiel sind nur aus einem Grund nummeriert: Um bei den folgenden Erläuterungen leichter auf sie verweisen können. Es ist nämlich so, über einige Dinge sollten wir hier dringend reden. Schwachpunkt A – Schwer überwindbare Hürden (bezieht sich auf Nr. 7): Das ist ein mächtiger Happen, der gerne – und mit Recht – in den WohlfühlMantel eines „Projektes“ gehüllt wird. Da sagen Sie sich vielleicht: „Für unser Unternehmen einen Tag der offenen Tür veranstalten. Oh weh!“ Dieser To-do-Eintrag wirkt auf den ersten Blick wie eine echte Knacknuss. Nur hat man gerade keinen Nussknacker zur Hand. Und so sieht man sich vor einem schwer bezwingbaren Berg, der zudem auf halber Höhe in eine Nebelbank gehüllt ist. Die Spitze des Berges – da wäre eigentlich die Zielflagge – kann man nur diffus erahnen und, na klar, der Weg zum Ziel liegt verborgen zwischen den schroffen Gesteinsmassen. „So, jetzt mach mal!“, hört man schelmisch den Dämon sprechen, der mit grinsendem Blick im Nacken eines jeden „Projektverantwortlichen“ sitzt. Da will erstmal ein vernünftiger Anfang gefunden werden. Aber einfach aus dem Stegreif geht hier gar nichts. Und aus dem Ärmel schütteln kann man auch nichts, denn „Asse im Ärmel“ sind bei den heutigen Aufgabenstellungen rar geworden. Ein solcher Eintrag in der To-do-Liste lässt keinen Mut im Stile von „Jetzt pack ich’s an“ aufkommen. Die Angelegenheit ist so auch nicht handhabbar, denn was da steht, kann niemand in eine ausführbare Verrichtung gießen. Weder Sie noch ich können
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heute „einen Tag der offenen Tür“ aus dem Hut zaubern. Was Sie und ich heute tun könnten, wären vielleicht Dinge wie: das Team festlegen; mit dem Vorgesetzten das zur Verfügung stehende Budget klären; die Team-Mitglieder zu einem ersten Brainstorming zusammenrufen etc. Teilschritte eben. Und solche Teilschritte sind es, die man sich für einen Tag vornehmen sollte. Das ist greifbar. Das kann man sich als Tagesziel vornehmen. Das kann man ausführen. Nebenbei erwähnt sind derartige Einträge die häufigsten Auslöser für Arbeitsblockaden. Sie regen in keinster Weise zum Handeln an. Im Gegenteil, die Aufgabe wirkt undurchführbar und baut unter Umständen Hemmschwellen auf. Der Eintrag blockiert, anstelle dass er Antrieb gibt. Was unüberwindbar wirkt, verursacht Kopfzerbrechen – unnötigerweise. Lean Time Management macht es besser: Nach Ihrer Zeitrettung steht eine solche Angelegenheit in Ihrem Pflichtenheft unter dem Schlagwort „Aufgaben/Projekte“. Wenn Sie dann zum Beginn eines Arbeitstags die Rahmensetzung vornehmen, sehen Sie alle diesbezüglichen Einträge vor sich und entscheiden: „Was kann/soll/muss ich heute in der jeweiligen Sache tun?“ Und wenn es was zu tun gibt, dann tun sie es auch. Sie denken und entscheiden ganzheitlicher und kommen jeden Tag Schritt für Schritt Ihren größeren Zielen näher. Schwachpunkt B – Ständiges Neuschreiben: Schwer wiegt bei Einträgen wie dem vorigen auch der Umstand, dass ein solcher Vermerk nicht nur heute auf der To-do-Liste steht. Er findet sich dort noch morgen, übermorgen, nächste Woche, nächsten Monat und vielleicht auch noch im nächsten Quartal. Und da Sie Ihre Todo-Liste in dieser Zeit etliche Male neu schreiben (bei den meisten geschieht dies im Zwei- oder Drei-Tages-Rhythmus), müssen Sie diesen und alle anderen gleichartigen Einträge ebenfalls mehrere Dutzend Male übertragen. Immer und immer wieder. Das nervt gewaltig! Das frustriert irgendwann auch den Geduldigsten unter den Geduldigen. Auf Dauer ist das demotivierend, weil man überhaupt nicht das Gefühl hat, auch nur irgendwie vom Fleck zu kommen. Lean Time Management macht es besser: Aufgaben, die Sie nicht in einem Arbeitsgang erledigen können, tragen Sie nur ein einziges Mal in Ihrem Pflichtenheft ein. Gleiches gilt für Projekte. In Ihrem Pflichtenheft sind diese umfassenderen Angelegenheiten unter dem Schlagwort „Aufgaben/Projekte“ vermerkt. Sie stehen dort solange, bis sie erledigt sind. Da wird nichts zig-mal übertragen. Schwachpunkt C – Mehrfache Einträge für eine Aufgabe (bezieht sich auf Nr. 3, 5 und 8): Diese drei Einträge haben einen gemeinsamen Hintergrund: In den nächsten Ausgaben Ihrer Firmenzeitung eine Artikelserie veröffentlichen. So gesehen stellt sich diese Sache ganz anders dar, denn diese schicksalshafte Verbindung geht aus der To-do-Liste nicht hervor. Offensichtlich handelt es sich hier um eine mehrschrittige Aufgabe. Ein Vorhaben, welches im Grunde genommen aus mehreren To-do’s besteht, weil man es nur in Teilschritten erledigen kann. Stück um Stück eben. Wenn nun aber diese To-do’s in bester Salami-Taktik scheibchenweise auf der Liste verteilt sind, wird’s mühsam. Thematische Zusammenhänge gehen völlig unter und der Blick für das ganze Vorhaben auch. Aber besser bekommt man es mit To-do-Listen nicht hin, weil diese fortlaufend geführt werden. Das ist die Wurzel des Übels: Nehmen Sie einen neuen Eintrag vor, steht dieser ganz unten.
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Selbst wenn Sie es irgendwie schaffen würden, zu jeder umfassenderen Aufgabenstellung und zu jedem Projekt, die Teilschritte halbwegs vernünftig in einer To-do-Liste unterzubringen, wäre das ein echter Hammer. Eine solche Aufstellung würde einen erschlagenden Umfang erreichen. Man kann eigentlich nur verlieren – und zwar die Motivation, die geht bei derart vielen Einträgen baden. Vermutlich befinden sich darunter auch Einträge, die im frühen Stadium einer Aufgabe überhaupt nicht relevant sind. Nachrangige Teilaufgaben, die man erst dann angeht, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben oder vorausgehende Schritte erledigt sind. Diese nachrangigen To-do’s stören doppelt, denn zu allem Übel muss man sie so lange von einer Liste auf die nächste übertragen, bis sie endlich an der Reihe sind. Einfach nur mühsam. Bei diesem Beispiel müssen wir uns zudem fragen, was passiert, wenn wir die drei angesprochenen „Teil-Aktionen“ ausgeführt haben und diese in der To-do-Liste durchstreichen. In diesem Moment gibt es auf unserer Liste keinen Hinweis mehr auf die übergeordnete Aufgabenstellung – die Artikelserie. Und das wird über kurz oder lang zum Problem, denn wenn wir für Dinge, die mehrere Bearbeitungsschritte benötigen, keinen Anker haben, muss unser Verstand permanent Brücken zwischen der Gesamtaufgabe und den Teilschritten bilden. Das belastet uns unnötig. Unser Fazit kann eigentlich nur lauten: To-do-Listen sind ungeeignet für die Steuerung von umfassenden Aufgabenstellungen und Projekten. Schwachpunkt D – Einträge nicht sinnvoll gruppiert (bezieht sich auf Nr. 3, 9 und 6, 12): Wenn man gleichartige Verrichtungen „en bloc“ erledigt, kann man Zeit und Energie sparen. Man arbeitet effizient, weil man nicht ständig den Arbeitskontext wechseln muss, und kann sogar ungeplante Situationen optimal nutzen. Besprechen: Oft gibt es mehrere Themen, die man mit einem Vorgesetzten besprechen will. Es ist für beide Seiten effizienter, nicht wegen jedem Anliegen einzeln beim Chef vorstellig zu werden. Wenn man schon mal einen der, seltenen Gesprächstermine erhascht hat, sollte man gebündelt alles durchsprechen – die Punkte sozusagen mit einem Abwasch erschlagen. Zusammenhängende Besprechungspunkte können sich auf weitere Personenkreise beziehen, zum Beispiel Kunden, Lieferanten oder Projektteams. Telefonieren: Genauso ist es sinnvoll, dass Sie mehrere Anrufe hintereinander tätigen. Ist ein Gesprächspartner besetzt oder gerade nicht erreichbar, wählt man den nächsten an. Innendienst: Ein Außendienstmitarbeiter will vielleicht Bürotätigkeiten gebündelt erledigen, wenn er schon mal in der Firma ist. Besorgungen: Alles was man außerhalb des Büros erledigen will, kann man in einem Aufwasch besorgen. Internetrecherchen: Den zeitraubenden Verlockungen des Internets widersteht man am besten, wenn man jene Anliegen und Aufgaben sammelt, die nur Online lösbar sind. So weit, so gut. Oder eben nicht gut, denn in den typischen To-do-Listen ist keineswegs deutlich erkennbar, welche Verrichtungen nacheinander abzuarbeiten sind. Dazu müsste man mit Gruppen arbeiten. Und genau dies tun die wenigsten, die mit To-do-Listen arbeiten. To-do-Listen werden ad-hoc gepflegt. Neue Einträge einfach unten angehängt. Das sieht man in unserem Beispiel an den Einträgen 3 und 9, die
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für Telefonanrufe stehen, und den Einträgen 6 und 12, die für Besprechungsthemen mit dem Vorgesetzten stehen. Schwachpunkt E – Ungeklärte Aufgaben (bezieht sich auf Nr. 1): „Bericht über das vergangene Geschäftsjahr“ heißt es dort. Aha. Aber was ist damit gemeint? Was wird von uns verlangt? Was ist in dieser Sache zu tun? Offensichtlich handelt es sich um eine Aufgabe – eine solche Sache kann man nur in mehreren Arbeitsgängen erledigen. Was genau die Aufgabe bedeutet, scheint unklar. Fragen, die sich aufdrängen, sind: Welches Ergebnis wird erwartet? Was ist der erste Schritt, um diese Aufgabe anzugehen? Welche weiteren Verrichtungen sind notwendig? Der To-do-Eintrag ist letzten Endes ein lustlos hingeworfener Platzhalter für die verschiedenen unklaren Aspekte. So verhält es sich mit vielen Einträgen in Todo-Listen. Es sind lediglich Aufzählungen von allen möglichen Angelegenheiten. Dinge, über die man nicht weiter nachgedacht hat. Dinge, bei denen der Weg zum Ziel völlig ungelöst ist. Von dem, was effektiv unternommen werden muss, sind sie meilenweit entfernt. Mit dem, was konkret zu tun ist, haben sie nichts zu tun. Ein Kriminalist wird mit Recht sachdienliche Hinweise von seiner To-do-Liste erwarten. Die bekommt er aber nicht, denn diese ins Leere laufenden Gedächtnisstützen sind alles Mögliche, nur keine „To do‘s“! Würde anstelle des obigen Eintrags auf der To-do-Liste stehen: „Den Inhalt des Jahresberichts mit der Bereichsleitung absprechen“, so würde dies aus zwei Gründen mehr Sinn machen. Erstens: Dieser Eintrag beschreibt eine Verrichtung. Im vorliegenden Fall die erste konkret auszuführende Aktion, mit der man sich dem Ergebnis der Aufgabe einen Schritt nähert. Zweitens: Der Eintrag ist nun nicht mehr passiv, sondern ein aktiver „Aufruf zum Handeln“. Ein Impuls zum „Aktiv-Werden“. Erfahrungen in der Praxis zeigen immer wieder, dass Probleme der persönlichen Arbeitsorganisation nicht zwingend durch einen Mangel an Zeit hervorgerufen werden, sondern durch einen Mangel an Klarheit über die Aufgabenstellung. Es sind dann eher „handwerkliche“ Unzulänglichkeiten, die sich in den To-do-Listen 1:1 niederschlagen und das Handeln erschweren. Da steht dann was, aber so schwammig, dass man keine Ahnung hat, was man als nächstes tun kann. Schwachpunkt F – Ideen am falschen Platz (bezieht sich auf Nr. 10, 15 und 16): Diese beispielhaften Einträge stehen für Dinge, die wir vielleicht eines Tages angehen. Vielleicht aber auch nicht. Themen, die wir erst mal vor sich her schlummern lassen. Ideen, die uns spontan in den Sinn kommen, die wir aber erst zu einem späteren Zeitpunkt weiterverfolgen. Wünsche, Vorschläge und Anträge, die jemand ganz allgemein geäußert hat. Alle möglichen Dinge also, die wir nur dann aufgreifen, wenn sich eine günstige Gelegenheit, ein passendes Zeitfenster auftut. Wie allgemein üblich, hat der „To-do-Listen-Ersteller“ diese nur aus einem Grund in die To-do-Liste aufgenommen: Damit er sie nicht vergisst. Schön. Oder nicht schön, denn eigentlich kann oder will man im Moment nichts tun. Solche Einträge blähen die To-do-Liste unnötig auf. Sie lenken uns von den Dingen, an denen wir Tag für Tag arbeiten sollten ab. Sie blähen die To-do-Liste unnötig auf. Sie
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vermitteln einen falschen Eindruck von dem Arbeitsvolumen, welches wir tatsächlich bewältigen müssen. „So viel zu tun! Kaum zu glauben! Wann soll ich das nur alles erledigen?“ Allerdings wäre es genauso verkehrt, wenn man diese „optionalen“ Angelegenheiten unterschlagen und überhaupt nicht festhalten würde. Das ist den meisten klar. Mit dem Resultat, dass sehr inkonsequent verfahren wird. Manchmal notieren wir sie auf einer To-do-Liste, weil wir sie für gute Einfälle halten und/oder weil wir sie nicht vergessen möchten. Ein andermal notieren wir sie nicht, weil sie im Moment nicht so wichtig sind und wir annehmen: „Das werd ich schon nicht vergessen“. Beides, wie gesagt, keine optimale Lösung. Lean Time Management macht es besser: Richtigerweise notieren wir derartige Dinge, damit sich unsere Gedanken nicht damit rumschlagen müssen. Wär ja auch völlig unnötig. Der geeignete Eintragungsort ist der Ideenspeicher, welchen wir mit der ersten Rettungsmaßnahme ins Leben gerufen haben. Schwachpunkt G – To-do-Listen sind unvollständig: Es gibt sie schlicht und ergreifend nicht – die komplette To-do-Liste. Dafür gibt es arme, verwaiste To-do’s, die verloren in den Köpfen der Menschen schweben. Ein Jammer. Was diese To-do’s traurig stimmt, ist die Ungewissheit. Schaffen sie es jemals auf einen der begehrten Listenplätze? Beileibe nicht jedes To-do findet seinen Niederschlag in der für sie angedachten Liste. Dafür gibt es mehrere Gründe. To-do-Listen erreichen schnell einen Umfang, der sie unhandlich macht. „Todo-Listen-Schreiber“ sind deshalb nicht sonderlich erpicht darauf, alle Aktivitäten aufzunehmen, die sie erledigen müssen oder wollen. Gefühlsmäßig wird dann die Liste einfach nur noch lang und unübersichtlich. Beobachtet man Menschen, die To-do-Listen führen, kann man immer irgendwelche Ungereimtheiten ausmachen. Meistens sind sie dem pragmatischen – oft sogar laxen – Umgang mit solchen Listen geschuldet. Inkonsequenzen zum Beispiel dahingehend, dass man kleinere Vorgänge mal notiert, ein anderes Mal nicht. Ausnahmen ohne tieferen Sinn. Im Sinne der ersten Rettungsmaßnahme gebe ich zu bedenken: Was nicht als Eintrag auf der To-do-Liste steht, konsumiert als „Gedankeneintrag“ unsere geistige Energie – ob bewusst oder unbewusst. Schwachpunkt H – Was aussteht, steht nirgends: Sie haben etwas delegiert, etwas angefordert oder warten auf eine Antwort, einen Rückruf? Eine mögliche Gedächtnisstütze hierfür wäre die To-do-Liste. Aber dort notiert man solche Dinge nur ungern, weil man bei jedem Durchlesen darüber stolpert und dann immer wieder Gedanken daran verschwendet. Oder weil man die Einträge ständig von einer alten auf eine neue To-do-Liste übertragen muss. Oder weil man sich sagt: „Es ist ja nicht mein To-do.“ Und weil’s keine Erinnerungshilfe gibt, bleibt’s letztlich irgendwie in unseren Gedanken verwurzelt. Wieder mal bleibt es an Ihnen hängen und wir müssen mit der daraus resultierenden Unruhe leben. Aber es ist ein Leben in Ungewissheit. „Kommt es, kommt es nicht?“, so drehen die Dinge im Bewusstsein und im Unterbewusstsein ihre Kreise, während man auf eine Rückmeldung wartet. Lean Time Management macht es besser: Alles, was Sie in irgendeiner Form als „ausstehend“ ansehen, tragen Sie ein einziges Mal in Ihrem Pflichtenheft unter dem
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gleichnamigen Schlagwort ein. Dort steht es, bis sich die Sache erledigt hat. Da wird nichts zig-mal übertragen. Wenn Sie die Rahmensetzung für Ihren Arbeitstag vornehmen, können Sie einen einzigen kurzen Blick auf diesen Bereich in Ihrem Pflichtenheft werfen, gegebenenfalls eine zielführende Verrichtung beschließen und bei Ihrer Tagesgestaltung berücksichtigen. Das war’s dann auch schon. Sie können diese Dinge wieder vergessen, aus den Augen verlieren, beruhigt fallen lassen. Einen Dank an das Pflichtenheft. Schwachpunkt I – Unnötige Einträge (bezieht sich auf den Eintrag 14): Es gibt auch den Umkehrfall bezüglich der beiden zuvor angeführten Schwachpunkte. Den Fall, dass nicht die Lücken zum Problem werden, sondern das zum Problem wird, was auf der Liste steht. Wer To-do-Listen penibel führt, vermerkt dort auch Dinge, die schnell erledigt sind. „In der To-do-Liste ist schließlich alles gut aufgehoben“, so die Denke. Bei Vorgängen, die man mit minimalem Zeitaufwand abschließen können, sollte das Motto aber sein: „Tue es gleich!“ Alles, was Sie in wenigen Minuten erledigen können, sollten Sie sofort tun – oder in Ihren Ideenspeicher aufnehmen, wenn Sie es unbedingt auf die lange Bank schieben wollen. Es macht wenig Sinn, dass Sie neben all den anderen Sachen, denen Sie nachkommen müssen, auch noch diese Dinge bewusst vor sich her schleppen. Schwachpunkt J – Nicht alles kann an einem Tag erledigt werden: Genauso wie man einen guten Start in den Tag erwischen will, soll auch der Übergang in den Feierabend erfreulich verlaufen. Grundsätzlich will ein jeder bis zum Ende des Tages so viel wie möglich erledigen, um mit sich selbst zufrieden den Heimweg anzutreten. Falls Sie eine To-do-Liste führen, arbeiten Sie diese Stück um Stück ab. Aber egal wie Sie sich auch ins Zeug legen, für gewöhnlich sind auf Ihrer Liste so viele und so gewichtige Einträge versammelt, dass Sie diese unmöglich an einem Tag erledigen können. Da gibt es Einträge, die Sie am heutigen Tag noch nicht angehen können, weil etwa die Voraussetzungen dafür gar nicht erfüllt sind. Da gibt es Einträge für Themen, die morgen oder übermorgen mehr Sinn machen, weil dann Ihre Ansprechpartner im Büro sind. Da stehen Dinge drauf, die aus heutiger Sicht nur zweite Wahl sind, weil etwa die Prioritäten anders liegen. Weitere Einträge auf der Liste beschäftigen Sie wochenlang oder sogar über mehrere Monate hinweg. Das kreide ich der To-do-Liste mit aller Deutlichkeit an: Den fehlenden zeitlichen Bezug! Ihr liegt kein Zeitraum zugrunde. Es ist beispielsweise keine Liste, die sich auf das beschränkt, was man am heutigen Tag erledigen soll. Und auch keine Liste, auf der das steht, was man in dieser Woche tun muss. Das hat Folgen. Die Todo-Liste schürt Hektik und Zeitnot, weil sie keine Aussage darüber trifft, auf welche Zeitspanne sie sich bezieht. Wenn den ganzen Tag eine ausufernde Liste vor uns liegt, an der wir fortwährend arbeiten können, stellt das eine enorme Asymmetrie dar. Wenn wir andauernd eine Großbaustelle vor Augen haben, entwickelt sich das über kurz oder lang zu einer gewichtigen Belastung. Woher soll man auch wissen, ob die Listeneinträge in dieser Woche oder in diesem Monat umsetzbar sind? Wenn wir in den Tag starten, zählt für unsere Gedanken einzig und allein: „Was kann ich heute erreichen, bewirken, umsetzen?“ Diesen Zeithorizont – den einen Tag – beherrschen wir. Wir können hinreichend präzise
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abschätzen, was an einem Tag machbar ist, erst recht, wenn es sich um den gerade anstehenden Tag handelt. Nicht umsonst werden die Arbeitspakete in Projekten mit „Personentagen“ geplant. Wir tun uns aber unheimlich schwer damit, vorauszusehen, was genau in fünf Tagen, gerechnet von heute, erreichbar ist. Die Woche und darüber hinausgehende Zeiträume haben wir bei weitem nicht so gut im Griff wie den bevorstehenden Tag. Jetzt wird langsam klar, dass in dem ganzen Dilemma um die To-do-Liste eigentlich nur eins klar ist. Wer damit in den Tag startet, bekommt noch in der Aufwärmphase einen ordentlichen Dämpfer verpasst, weil er merkt: „Was mir die To-do-Liste da auftischt, ist am heutigen Tag nie und nimmer machbar.“ Da winkt manch einer von vorneherein ab und wirft gedanklich die Griffel hin. Die Idealvorstellung, eine solche Liste komplett abzuarbeiten, können Sie getrost vergessen. Das ist pures Wunschdenken. Wer vor einem Tag steht, verzweifelt auch aus einem anderen Grund an der To-do-Liste. Die zeitlich unbestimmte To-do-Liste verwässert die Bedeutung derjenigen Einträge, die für den aktuell anstehenden Tag wichtig sind. Die Dinge, denen man sich „heute“ sinnvollerweise widmen sollte, muss man zwar nicht wie Stecknadeln im Heuhaufen suchen, aber sie springen einem auch nicht ins Auge. Die für den aktuellen Tag wirklich wichtigen Dinge, gehen in der Menge unter. Jedesmal, wenn man während des Tages auf die To-do-Liste blickt, sieht man einen Jahrmarkt möglicher Verrichtungen – und mit vielen davon will man sich heute eigentlich gar nicht beschäftigen. Das erzeugt ständigen Druck. Da kommen keine Erfolgsgefühle auf, sondern eher Frustration. Wenn man immer wieder vor dieser Wand steht, knallt die Motivation irgendwann dagegen. Und wenn man auf diese Weise den Tag beschließt, erhält man nur eingeschränkte positive Signale, denn zu viele Einträge in der Liste sind am Feierabend noch offen. Die im Stich gelassenen Einträge schauen den Listenschreiber gequält an und in Gedanken gibt er sich ohnmächtig: „Kaum zu glauben, den ganzen Tag geackert und immer noch so viel unerledigt!“ Gehofft hatte man wie immer auf ein gutes Ende. Die durchgestrichenen Einträge sollten einem wieder mal zeigen, wie viel man doch geschafft hat. Aber die nackten Tatsachen der To-do-Liste sprechen eine andere Sprache, folgen einem eigenen Gesetz: Wer To-do-Listen schreibt, bekommt anhand der durchgestrichenen Einträge einen Eindruck davon, wie wenig er jeden Tag schafft. Der einzige Trost in der Trostlosigkeit ist, dass man die an diesem Tag durchgestrichenen Einträge nicht zum x-ten Mal auf eine neue To-do-Liste übernehmen muss. Lean Time Management macht es besser: Anlässlich der tagesbezogenen Rahmensetzung nehmen Sie sich nur das vor, was (a) relevant und (b) machbar ist. Ein solches Tagesprogramm ist wesentlich konkreter und griffiger. Der größte Teil davon, wenn nicht sogar alles, wird am Ende des Tages erledigt sein. Je mehr Routine Sie bei dieser Form der Tagesgestaltung gewinnen, desto verlässlicher ist Ihre Tagesgestaltung aufgebaut und desto selbstzufriedener können Sie die Tage beenden. Innerlich womöglich mit einem freudestrahlenden Energieschub: „Dieser Tag war ein Erfolg!“ Das Fazit – Die ins Feld geführten Argumente werfen Fragen auf. Ist die To-doListe Hilfsmittel oder Folterinstrument? Die geschilderten Schattenseiten, zehn an
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der Zahl, sprechen Bände und bringen Aspekte ans Tageslicht, die Veränderungen nahelegen. Die vielfältigen Pflichten überschaubar ordnen, dass kann eine To-doListe nie leisten. Niemand wird glücklich, wenn er ständig im „Was muss ich noch alles erledigen? Was muss ich noch alles tun?“ gefangen ist. To-do-Listen sind nie fertig, es spielt sich ab wie „am laufenden Band“. In einer nicht endenden Spirale legt man zu lange To-do-Listen an, geht zu viele Dinge gleich an. Sieht so der innerlich geordnete Weg zu mehr Zeit aus? Kaum. Der Druck regiert dieses Modell und die aufgezeigten Defizite machen deutlich, dass die To-do-Liste nicht überzeugen kann, schon gar nicht als Instrument für ein wirksames und effizientes Organisationskonzept. Das Motto dieser Rettungsmission lautet deshalb: „Keine To-do-Listen!“ Alles sich normalerweise in To-do-Listen niederschlagen würde, und sogar noch einiges mehr, können Sie mit Hilfe der zwei Prozessschritte aus der ersten Rettungsmaßnahme – Entscheiden und Externalisieren – in zeitsparender Form organisieren. Das dazu eingesetzte Pflichtenheft ist das Herzstück für ein robustes, zuverlässiges und ganzheitliches Verwaltungsinstrument mit minimalem Pflegeaufwand. Gleichzeitig ist dies die solide Basis für die Ausgestaltung Ihrer Tage im Zuge der hier thematisierten Rahmensetzung. Bunt zusammengewürfelte, endlos lange und permanent neu verfasste To-do-Listen mit mehr oder weniger gleichem Inhalt gehören damit der Vergangenheit an. Die nervenden Übertragungen der unerledigten Listeneinträge auf die jeweils neue Liste sind dann ebenso hinfällig. Dass To-do-Listen ihre Schattenseiten haben, ist beileibe keine neue Erkenntnis dieser Rettungsmission. Und dass man mit ellenlangen To-do Aufzählungen kaum Land sieht, weil einem das Wasser schon mal bis zum Hals steht, ist ebenfalls keine Überraschung. Umso überraschter wird vielleicht manch überzeugter „Todo-Listen-Schreiber“ sein, wenn das Ende des Lieds der folgende Rat ist – eine Empfehlung, wie sie hin und wieder von vollausgestatteten Zeitmanagement-Ratgebern ausgesprochen wird, und die wir hier nur sinngemäß wiedergeben: „Da die Todo-Liste trotz eventueller Bereinigungsaktionen regelmäßig zu lang ist, um sie an einem Tag abzuarbeiten, ist es sinnvoll, wenn man gleich am Morgen einen Tagesplan erstellt.“ Halleluja! Haben wir nicht alle in der Schule gelernt, dass Folgefehler zwar keinen weiteren Punktabzug mit sich bringen, aber nie und nimmer zu einem brauchbaren Ergebnis führen! Wie man es besser machen kann: Ein Vorher-Nachher-Vergleich – Die Transformation der einleitend dargestellten, defizitären To-do-Liste in eine aussagekräftige Aufstellung wird in der an dieser Stelle abgebildeten Grafik verdeutlicht (Abb. 30.2). Entsprechend der ersten Rettungsmaßnahme – dem Externalisieren – orientiert sich die Struktur an dem Aufbau des Pflichtenhefts. In der verbesserten, auf Pflichtenheft-Rubriken basierten Fassung sind kursive Textstellen angefügt – „To-do xx“. Diese stellen Verweise auf die korrespondierenden To-do-Einträge in der eingangs gezeigten To-do-Liste dar. Die vorgenommenen Umsetzungen werden nun grob beschrieben. Einige Einträge in der defizitären To-do-Liste sind Aufgaben bzw. Projekte, die in mehreren Arbeitsgängen erledigt werden. Diese sind nun im Pflichtenheft unter dem Schlagwort „Aufgaben/Projekte“ zusammengefasst.
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Abb. 30.2 Aus der amorphen To-do-Liste erwächst ein Pflichtenheft
In der defizitären To-do-Liste waren an verschiedenen Stellen einfachere Verrichtungen vermerkt, die man „in einem Zug“ abschließen kann. Einmal etwas tun, und erledigt ist es. Sie stehen nun ebenfalls im Pflichtenheft und sind dort unter der Rubrik „Aktivitäten“ zusammengefasst. Diese Rubrik in dem hier illustrierten Pflichtenheft verfügt über eine Unterkategorie für alle jene Dinge, die mit dem Vorgesetzen zu besprechen sind. Wenn wir das Pflichtenheft betrachten wird deutlich, dass im vorliegenden Beispiel offensichtlich einige Vorgänge delegiert wurden. Dritte erledigen diese, jedoch sind die Ergebnisse oder Rückmeldungen noch ausstehend. Aus der To-do-Liste ist das nicht hervorgegangen. Da war wieder mal der Kopf des To-doListen-Schreibers gefordert. Nun herrscht Transparenz bezüglich aller ausstehenden Dinge, denn sie sind im Pflichtenheft unter der Rubrik „Ausstehend“ vermerkt. Auf einen Blick herrscht Klarheit. Manche Einträge aus der To-do-Liste wurden in den Ideenspeicher übernommen (Abb. 30.3). Mit der „Web-Anwendung“ steht sogar eine zusätzliche Angelegenheit im Ideenpool, die nicht in der eingangs gezeigten To-do-Liste enthalten war. Mit etwas Glück befindet sie sich noch im Kopf des To-do-Listen-Erstellers, denn es war eine seiner guten Ideen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass solche optionalen Punkte gänzlich in To-do-Listen unterschlagen werden.
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Denkfehler To-do-Liste – 10 gute Gründe um ihr Lebewohl zu sagen
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Abb. 30.3 Der Ideenspeicher komplementiert das strukturierte Externalisieren
Einen Eintrag aus der kränkelnden To-do-Liste (14 „Dokument zum Thema Datenmanagement an Frau Hase weiterleiten“) finden wir nicht mehr in der neuen Struktur – weder im Pflichtenheft, noch im Ideenspeicher. Der Grund: Es ist eine Aktivität, die sich in wenigen Minuten erledigen lässt. Die schieben wir gar nicht erst vor uns her, sondern erledigen sie umgehend. Ohne zu zögern. Weg damit. Sollten Sie bisher mit To-do-Listen gekämpft haben, dann nehmen Sie bitte jetzt sofort einen letzten Eintrag darin vor: „To-do-Liste abschaffen!“
Kapitel 31
Warum selbst der Terminkalender Grenzen hat – und Eisenhower uns auch nicht weiterhilft!
Wer hätte das gedacht? Ausgerechnet der Terminkalender, der Kosmopolit unter den Zeitplanungsinstrumenten, eines der uralten Werkzeuge für die Entlastung unserer Gedanken, schwächelt bei der Zeitrettung. Der ältere Bruder der To-do-Liste geht in die Knie, wenn wir mehr aus unsrer Zeit machen wollen. Die Tage dieses weltweit etablierten Veteranen sind zwar nicht gezählt, weil nur er die Tage zählt, aber dennoch hängt unser Protagonist angeschlagen und angezählt in den Seilen. Gerade er, der doch die Wochentage stets in der Zange und die Stunden immer im Auge hat. Der Schlag kam von unerwarteter Seite. „Sapperlot!“, so hätte manch Sterblicher diesen hinterrücks eingefahrenen Volltreffer, der durch alle Glieder fährt, quittiert. Aber damit sind wir schon beim nahenden Exitus. Sie wollen die ganze Geschichte erfahren? Von Anfang an? Also gut! Eine pausenlose Odyssee – Unsere Geschichte beginnt dort, wo der „Denkfehler To-do-Liste“ geendet hat. Erschüttert durch das ein oder andere Manko von Seiten der To-do-Liste, oder aus grundsätzlichen Vorbehalten gegenüber diesem Instrument, suchen nicht wenige Zeitnotgeplagte ihr Heil auf der Kalenderseite. Sie wechseln das Lager, konvertieren zum Kalendarium und sehen im Terminplaner ihre letzte Chance. Er spielt bei ihnen die erste Geige. Fortan dreht sich alles um Termine, Termine, Termine. Die nicht grundlegend falsche „To-do-Listen“-Philosophie wird umgedreht und das Pferd von hinten aufgesattelt. Man startet mit Terminen in den Tag, um dann während des Tages die Löcher zu stopfen – wann immer es was zu stopfen gibt. Als Lückenfüller – oder besser gesagt Stopf-Opfer – müssen die diversen Aufgaben herhalten. Von denen hat man immer genug in der Hinterhand, denn seltsamerweise wollen sie bei dieser Weltanschauung nie so richtig abnehmen. Kein Wunder, wenn sie zu einer Nebenrolle verdammt sind und abgestempelt als Statist auf ihren Einsatz warten. Man denkt eben vorrangig in Terminen und nicht in Aufgaben. Man reagiert „termingetrieben“, anstelle aufgabenorientiert zur Tat zu schreiten. Man wird von einem Termin zum nächsten getrieben und ist im schlimmsten Fall geradezu versessen auf zeitliche Planungen. Man angelt sich von Termin zu Termin und hofft darauf, dass sich dazwischen ein Zeitfenster auftut, in dem man seine Aufgaben vorantreiben kann. Aber von alleine öffnen sich solche Fensterchen nur selten. Sie winken nicht mit grünen Fähnchen wild vor dem Kopf des Terminreiters hin und her, um auf sich aufmerksam zu machen und ihm zu signalisieren, dass er für den Moment alles R. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6_31, C Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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andere in den Wind schießen soll. Und so ist die Hoffnung oft vergeblich – und der Tag schneller vergangen, als er angefangen hat. Deshalb: Vergessen Sie’s! So bekommen Sie Ihre Aufgaben nicht gebacken. Am Ende des Tages steht bei dieser Herangehensweise fest: Zu den eigentlich wichtigen Aufgaben kommt man erst nach Feierabend oder am Wochenende, denn mit dieser Herangehensweise bekommt man sein Pensum nicht innerhalb der normalen Bürozeiten geregelt. Ein Limit des Terminkalenders liegt nun auf dem Tisch: Zeit hat man nicht, man muss sie sich nehmen. Und daran ändert auch der Terminplaner nichts. Gefordert ist vielmehr der Mensch – nur mit dem Wissen um diesen Schwachpunkt des ansonsten so treuen Zeitgefährten kann er den Hebel umlegen. Man kann sich nicht ständig von irgendwelchen dringenden Dingen überrollen lassen und immer wieder vergeblich auf passende Gelegenheiten hoffen. Die wichtigen Aufgaben müssen an die Front. Nur so kann man sich Freiräume für die wirklich wichtigen Aktivitäten aktiv zurechtlegen. Lean Time Management, mit der hier besprochenen zweiten Rettungsmaßnahme, leistet genau dies. Wo er wertvolle Dienste leistet, der Terminkalender – Viele von uns nutzen den Kalender sowohl für geschäftliche als auch für private Zwecke. Was wir dort eintragen, müssen wir uns nicht mehr merken – so unsre neunmalkluge Logik. Und tatsächlich. Wenn die Zeit gekommen ist, werden uns diese Sachen schnörkellos an den Kopf geworfen. Elegant! Pünktlich und zuverlässig wie immer, führt uns der Terminplaner die Termine vor Augen – automatisch. Eigentlich klar, denn neben der kalendarischen Übersicht, für die er uns immer zweckdienlich assistiert und auskunftsfreudig zur Seite steht, soll er uns bei termingebundenen Ereignissen unter die Arme greifen. Das ist seine wichtigste Aufgabe. Wir haben’s dann leicht, denn wir müssen’s nur noch so nehmen wie’s kommt. Termingebundene Vorgänge, darum geht es beim Kalender. Angelegenheiten, die an einem bestimmten Tag und meist auch zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. Zeitraum relevant sind. Zwei Arten von Terminen tragen wir für gewöhnlich in unseren Terminkalender ein. Termine, die an ein bestimmtes Datum gebunden sind. Beispielsweise Geburtstage von Verwandten und Bekannten, den Valentinstag, den Hochzeitstag oder den Abgabetermin für unsere Steuererklärung. Darüber hinaus füttern wir den Kalender mit Terminen, die neben einem spezifischen Datum auch einen Uhrzeit-Bezug haben. Beispielsweise vertrauen wir ihm an, dass wir am 11. und 12. dieses Monats, jeweils den ganzen Nachmittag von 13.00–17.00 Uhr, einen Kurs besuchen. Oder dass wir jede Woche am Montagvormittag von 09.00–10.00 Uhr eine Projektsitzung haben. Die morgige Verabredung zum Mittagessen um 12.30 Uhr muss er ebenso schlucken. Und genauso die übermorgen stattfindende Info-Veranstaltung von 15.00–16.00 Uhr. Alles „Termine“, die wir wahrnehmen wollen oder müssen und an die uns der Terminkalender zur rechten Zeit erinnern soll. Das klappt wunderbar. Das war’s dann aber auch! Wo er schon wieder aneckt, der Terminkalender – Je nach Berufsgruppe oder Berufsbild wird die Arbeit mehr oder weniger durch den Kalender gesteuert. Nicht jeder hat einen vollgestopften Terminkalender. Bei manchen Stelleninhabern oder Aufgabenträgern sind Tage, die gänzlich von Terminen belegt sind, die
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Ausnahme. Vom gesamten Spektrum seiner Pflichten kann man aber mit Hilfe des Terminkalenders stets nur diejenigen Dinge organisieren, die datumsbezogen sind – eben die termingebundenen Vorgänge. Diese „Termine“ sind seine Welt, sein „begrenztes“ Universum. Nicht mehr und nicht weniger! Wenn’s um mehr geht, ist er taub auf den Ohren. Für alle anderen Angele genheiten, die zahlreichen Einträge in Ihrem Pflichtenheft ist der Terminkalender blind. Rubriken wie „Ausstehend“, „Aufgaben/Projekte“ und „Aktivitäten“ sind für Ihn böhmische Dörfer. Hier bringt er keine erstrangige Unterstützung, nicht mal eine zweitrangige. Da kommt er nicht mit. Da wartet er zunächst teilnahmslos außerhalb des Schussfelds und wird nur gelegentlich an die Frontline berufen. Fakt ist in diesen Arbeitssituationen, die nicht primär terminorientiert sind: Der Terminkalender deckt nur einen kleinen Teil dessen ab, was man während der Arbeitstage erledigen oder im Auge behalten muss. Hier verliert der durchaus wichtige Terminkalender an Wert und öffnet den Raum für Versuchungen. Es ist nicht abwegig, dass jemand auf falsche Gedanken kommt und die Lücken im Kalender für die Steuerung seiner vielfältigen Pflichten nutzt. Damit würde man sich quasi eine Alternative zu der mit Schwachstellen behafteten To-do-Liste schaffen. Im Terminkalender bucht man dann neben den termingebundenen Einträgen auch alle anderen abzuarbeitenden Vorgänge ein. Man füllt den Kalender mit „künstlichen“ Terminen aus – und voila, nun hat man einen vollen Terminkalender! Aber man hat auch ein Problem, denn bei dieser Strategie geht jegliche Übersicht verloren. Das Ganze läuft am eigentlichen Sinn des Terminkalenders völlig vorbei: Dem Anwender die Dinge vor Augen zu halten die termingebunden sind, und sicherzustellen, dass er nicht unvorbereitet oder verspätet in diese stolpert. Zudem: Wie bitte will man auf Terminanfragen rasch und kompetent reagieren, wenn der Kalender mit allem möglichen zugepflastert ist? „Dates only!“, lautet die Devise für den Terminkalender – Ihr Terminkalender ist das reservierte Territorium für Ihre termingebundenen Vorgänge. Er bleibt denjenigen Einträgen vorbehalten, die feste Tages- oder Zeitvorgaben darstellen. So sinnvoll und unumstößlich diese Bedingung auch sein mag, sie zeigt uns gleichzeitig eine Grenze dieses Organisationsinstruments auf und relativiert dessen Bedeutung für die tagesbezogene Rahmensetzung. Und zwar in dem Sinne, dass der Terminkalender nur einen mehr oder weniger großen Teil dessen abdecken kann, was Sie in Ihrem Leben bewegt, was Sie bewältigen müssen, was von Ihnen an einem Arbeitstag erledigt werden sollte. Nicht jeder durchlebt Tage, die nur aus „festen Terminen“ bestehen – und dennoch steht man den ganzen Tag unter Zeitdruck und ist vollbeschäftigt. Man ist ausgelastet, aber eben nicht mit Angelegenheiten, die termingebunden sind, sondern mit Pflichten, die man nicht mit dem Terminkalender verwalten kann. Ich sage: Fatal ist es, wenn man seine Arbeitsorganisation primär aus der Optik eines Terminkalenders steuert. Wenn er zu stark in den Vordergrund der Zeitmanagement-Anstrengungen tritt, mündet dies in eine Zersplitterung des Lebens. Der Kalender schneidet Arbeits- wie Privatleben in Scheiben und macht daraus gefühllos aneinandergereihte Lebenszeit-Bruchstücke ohne roten Faden.
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Warum Eisenhowers Patentrezept in der Praxis scheitert – Für Alfred Andersch, einen zeitkritischen deutschen Schriftsteller, der auch Zeitschriften herausbrachte, lagen die Fakten auf dem Tisch und ließen sich zu seinen Lebzeiten nicht wegdiskutieren: „Man kann alles richtig machen und doch das Wichtigste versäumen.“ Schnell haben wir so viel um die Ohren, dass wir die wirklich wichtigen Dinge vergessen. Und dabei fragen sich viele immer wieder auf’s Neue: „Wie kann ich das unterscheiden? Wichtig, dringend – woran erkenne ich, was in welche Kategorie gehört?“ Auch noble Persönlichkeiten haben sich diesem dringenden Problem gewidmet und sich an dieser wichtigen Herausforderung die Zähne ausgebissen. Und – wie könnte es anders sein – das klassische „Zeitmanagement mit Vollausstattung“ hält hierzu eine gut ausgestattete Lösung parat: Das Prinzip von Mister Eisenhower. „Ah, na klar! Den Namen kenn ich!“, so Ihr Geistesblitz. „Ist doch eine Persönlichkeit, dieser Dwight D. Eisenhower. Das kann nur funktionieren!“, so Ihre Vorschusslorbeeren. Tut es auch – auf dem Papier. Die Idee von Eisenhower sieht zugegeben todschick aus. Ein Quadrat bestehend aus vier gleich großen, nummerierten Feldern. Quadratisch, praktisch, gut – so sollte sein Wurf sein. Feld 1: wichtig und dringend. Feld 2: wichtig. Feld 3: dringend. Feld 4: weder wichtig noch dringend. Damit steht das viel gerühmte „EisenhowerPrinzip“. Eine wahrhaft meisterliche Einteilung. Wunderprächtig in der Theorie und derart klug in der Praxis, dass man sich damit glatt selbst überlisten kann. Der praktische Einsatz mutiert regelmäßig in einen schlüpfrigen Schlagabtausch. Auf in den Kampf, heißt es dann, wenn jemand seine Angelegenheiten in diesen Feldern unterbringen will. Ist die Sache einfach nur dringend? Oder ist sie eher wichtig? Hat sie etwas von beidem? Oder ist sie doch nicht so wichtig, dafür aber umso dringender? Oder überhaupt nicht dringend, aber enorm wichtig? Ist die Sache echt wichtig, ohne jegliche Dringlichkeit? Oder doch eher nur dringend und halt nicht so wichtig? Ist das eine halb so wichtig wie das andere und das andere dafür doppelt so dringend wie das eine? Oder keins von beiden? Oder doch beides? Ja. Nein. Vielleicht? Stopp! Das geht ja nun gar nicht. Mit diesem Käsekästchen-Spiel kann man sich stundenlang herumschlagen. Unversehens findet man sich mitten in einem großen Rätselraten. Wo soll das denn hinführen? Nicht jeder ist mit dieser Lösung glücklich. Nicht jeder kann diese Hürden meistern. Jenen könnte ein „Zeitmanagement mit Vollausstattung“ wenigstens eine umgangssprachlich ausformulierte Lösung anbieten. Eine griffige Felderlogik in Volkes-Sprachjargon – und zur Abwechslung mal nicht mit Zahlen, sondern mit Buchstaben: (A) Ins erste Feld gehören all die Dinge, die man tun muss. (B) Ins zweite Feld, was man tun sollte. (C) Im dritten Feld steht, was sonst noch so zu tun ist. (D) Und im vierten Feld steht, was man besser bleiben lässt. Da könnte man einlochen. Aber wer weiß, vielleicht animiert dies den Vollausstatter zum weiteren Ausbau des Modells. Möglicherweise gerät er jetzt erst richtig in Fahrt und kommt dabei voll auf seine Kosten. Warum nicht auch ein fünftes Feld (E) für alles, was man irgendwie auf andere abwälzen kann, und ein sechstes (F) für all die Dinge, von denen man gefälligst die Finger lassen soll. Ein siebtes Feld noch (G), für alles, was man dem Chef in die Schuhe schieben kann. A,B,C,D – eine schöne Buchstabensuppe, selbst wenn es bei einem Quartett bleibt.
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Beim Lean Time Management bleibt es aber nicht dabei, denn auch dieser Ball rollt noch nicht rund. In den folgenden Ausführungen finden Sie deshalb keine dieser unrunden Lösungen, die wie ein Achter in der Fahrradfelge ständig an Bremsklötzen schleifen. Hier lautet die Devise ein weiteres Mal: „Weniger ist mehr!“ Hier gibt‘s erneut die klare Kante in Form eines „dualen Systems“. Zwei Zustände nur, damit Sie Wichtiges und Dringendes auseinanderhalten können – dazu später mehr, die Zeit dafür ist hier noch nicht reif.
Kapitel 32
Kaum zu glauben! – Was ein guter Tag wert ist und wie es dazu kommt
Damit Sie voll im Bilde sind, was den Tag anbelangt, müssen Sie sich über eines im Klaren sein: „Heute ist der erste Tag vom Rest Ihres Lebens.“ Diesen klugen Satz hat wohl irgendwann ein restlos Überzeugter geweissagt, um die Bedeutung des Tages ins rechte Licht zu rücken. Ich war‘s nicht, und ich weiß auch nicht, wem wir’s zu verdanken haben. Aber wer immer es auch war, er hat ins Schwarze getroffen und konnte sogar meine skeptische Natur überzeugen. Mich hat er gewonnen. Ich verstehe: Am einzelnen Tag entscheidet sich alles. Kaum etwas ist so viel wert wie der vor uns liegende Tag. Er ist es allemal wert, dass wir ihm einen Rahmen geben, bevor wir uns, wie ein Schwimmer vom Startblock, mit Elan in ihn hineinwerfen. Wenn wir derart präpariert in den Tag starten, ist es nicht ausgeschlossen, dass der Tag für uns in die Geschichte eingeht oder dass wir selbst es sind, die Geschichte schreiben. So wie in dem werthaltigen Erlebnis, welches Sie in der folgenden Zeitreise hautnah mitverfolgen können. Bahnbrechendes kündigte sich an, als das 19. Jahrhundert ausgedient hatte und das 20. Jahrhundert in seinen ersten Zügen war. Was hat man außer Zügen nicht alles gesehen in diesem Jahrhundert, das nun vom Thron gestoßen wurde. Diesem Zeitmaß der industriellen Revolution, dessen Motor die Dampfmaschine war. Qualmende Fabrikschlote, kraftstrotzende Ozeandampfer und natürlich unzählige schnaubende Dampfrösser. Egal wo man hinschaute, überall blickte man in eine Dampfwolke – oder auch mal in einen rauchenden Colt, wenn man sich zu jener Zeit im Wilden Westen vergaloppierte. Der Dampf hatte sich als Antriebskraft durchgesetzt und unvermittelt hieß es: „Ohne Kohle geht gar nichts!“. Das haben wir nun davon. Diese damals aufgetischte Abhängigkeit macht uns auch heute noch arg zu schaffen. Ohne Kohle geht in unserer Zeit noch immer nichts. James Watts Erfindung hat den Menschen im 19. Jahrhundert ordentlich Dampf gemacht. Mensch und Maschine verschmolzen zu einer explosiven Mischung. „Druck machen“ war plötzlich gang und gebe. Wenngleich heute niemand mehr mit Gewissheit sagen kann, ob der Mensch den Maschinen einheizte – wie die offizielle Verlautbarung war –, oder ob nicht klammheimlich die Maschinen dem Menschen ordentlich Feuer unterm Hintern gemacht haben. Fest stand nur: Wenn man mal zu viel feuerte und der Druck im Dampfkessel zu hoch wurde, hat’s mächtig gescheppert. Die ganze Dampfapparatur ist einem mit voller Wucht um die Ohren geflogen. Rechtzeitig „Dampf ablassen“ war deshalb das Gebot der Stunde – und galt fortan auch für den Menschen, wenn er mal wieder mit Hochdruck arbeiten musste oder aus anderen Gründen kurz vorm Explodieren war. Ein solches Ventil hatten die Seelenklempner
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schon lange gesucht, aber nie gefunden. Ausgerechnet ein dahergekommener schottischer Handwerker mit seinen seelenlosen Luftverpestern hat sie vorgeführt und ihnen gezeigt, wie man Dampf ablässt. Auch in anderen Dingen gaben die Maschinen plötzlich den vor – und die Menschen den Taktstock aus der Hand. Die Eisenbahn mit ihrem gewaltigen Hunger nach Kapital, Eisen und Stahl erhob sich zum Katalysator der industriellen Revolution. Diese „eiserne Bahn“ hat die Menschen mit eisernem Griff in die Zange genommen. Die stolzen Dampfrösser wurden zum Maß der Dinge. „Es ist höchste Eisenbahn!“, begann man sich zuzurufen, denn die Züge fuhren stur nach Plan. Und für alle, die zu spät am Gleis erschienen, war der „Zug abgefahren“. Da konnten die im Stich gelassenen noch so ungläubig hinterherschauen. „Mit Volldampf voraus!“, hat man sich damals noch angefeuert, denn das „Vollgas“ war noch nicht erfunden. Diesem Druck musste man erst mal standhalten – klar, dass da auch der Zeitdruck nicht lange auf sich warten ließ. Aber nun, kurz vor Torschluss des Eisenbahn-Zeitalters, war etwas im Kommen, was diesem Jahrhundert-Fass den Boden ausschlägt. Ein Fingerzeig, der es in sich hat. Ein ungewöhnlicher Wink mit einem einfachen Zaunpfahl, eingebunden in die Geschichte zweier Persönlichkeiten, die seinerzeit in schicksalshaftem Beziehungsgeflecht standen. Auf der einen Seite ein mit allen Wassern gewaschener Eisenbahner, Ivy Ledbetter Lee, seines Zeichens Assistent der Geschäftsleitung einer mächtigen Eisenbahn-Gesellschaft, der Pennsylvania Railroad Company. Ein schlagfertiger und sprachgewandter Kerl, der als Begründer der modernen Public-Relations Erfolge feierte und auf diesem Gebiet eine zweite, noch steilere Karriere machte. Auf der anderen Seite Charles Michael Schwab, ein US-amerikanischer Industrieller und Stahlmagnat, mit einer zuweilen etwas unverblümten Art für einen Mann von Format. Lange Zeit war er Präsident der Bethlehem Steel Company, die sich unter seiner Leitung zum größten unabhängigen Stahlproduzenten entwickelte. An diesem eisernen Tropf hingen die Eisenbahngesellschaften wie Kletten am Klettverschluss. Und auch Ivy Lee mit einem stark beanspruchten PR-Beratervertrag, denn in jener Zeit gab es viel zurechtzubiegen. Zuoberst das ramponierte Image der abgebrühten Stahlgießer, die auf offener Flamme ständig ihr eigenes Süppchen kochten und wegen ihrer Hartnäckigkeit immer irgendwelches Porzellan zerschlugen. Egal woran sie ihre Finger verbrannten, das einzige wozu sie fähig waren war, weiteres Öl ins Feuer zu gießen. Und dann die desolate Reputation der raubeinigen Eisenbahner, die es mit der Geradlinigkeit nicht so genau nahmen und sowieso kein Fettnäpfchen ausließen. Äußerst zwiespältig traten sie in Erscheinung, insbesondere bei der Ausdehnung ihres geografischen Machtraums – des Schienen-Netzes. Nicht immer ganz sattelfest, wenn man sie mit Belangen des Naturschutzes konfrontierte, dafür aber umso erdverwachsener, wenn’s um die eigenen Vorteile ging. In der Bevölkerung galten sie als verschlagener Haufen. Man sah sie tagsüber äxteschwingend durch die Wälder ziehen, um Schwellen zu hauen oder auch mal eine Trasse durch die bewaldete Landschaft zu schlagen. Des Nachts zogen sie mit ihrem eingefahrenen Bewegungsdrang fäusteschwingend durch die Lokale, und hinterließen auch dabei so manche Schneise der Verwüstung. „Die haben’s faustdick hinter den Ohren!“, war die einhellige Landmeinung. Kompromisslose Ausbeuter waren sie alle zusammen, Eisenverarbeiter wie Eisenbahner. Aber so war das eben seinerzeit. Seltsame Blüten trieb dieses selbst verschuldete Meinungstief bei den spurtreuen Bahnfachleuten. „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert“, reimten sich jene in die Tasche und hatten fortan nur noch die freie Fahrt im Sinn. Zukünftig sollte ihnen nichts mehr in die Quere kommen. Und ihre diesbezügliche Erfindung war genauso wegweisend wie drakonisch – das Abstellgleis. Darauf musste man
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erstmal kommen. Aber darauf wollte eben niemand kommen, denn wer einmal darauf landete, war vorerst aus dem Weg geräumt. Unsanft am Prellbock ausgebremst. Entsorgt, um sich weitere Sorgen vom Hals zu schaffen. Ausgeschaltet, bis sich die Eisenbahngesellschaft erbarmt und den Abgeschobenen auf die Gleise der einstimmigen Wohlfahrt zurückführt. Man kann sich vorstellen, dass das Ansehen der beiden Schwerindustrien unter Auftritten dieser Art dramatisch rasch irreparablen Schaden nahm. Bei den eigenen Mitarbeitern zuallererst, dann bei den Gewerkschaften landauf und landab, schließlich sogar in weiten Teilen der Bevölkerung. Da kam diese neue PR-Masche von Mr. Lee nicht ungelegen. Eine richtig gute Idee hatte dieser Lee. Den Glanz des Stahls nach außen kehren und nunmehr in der Öffentlichkeit glänzen. „Wer so ideenstark ist, hat vermutlich noch mehr auf dem Kasten“, so die simple Logik von Schwab. Er, der ein Leben auf der Überholspur führte. Er, bei dem es immer allerhöchste Eisenbahn war. In diesen Dingen konnte ihm der findige PR-Berater aus dem Eisenbahn-Gewerbe womöglich in die Hände spielen. Vielleicht eine scheinbar unlösbare Nuss knacken, sein größtes Problem lösen. „Diesen Lee kann man doch mal auf die Probe stellen“, spekulierte Schwab. „Mal schauen, was dieser umtriebige Tausendsassa noch so alles drauf hat.“ Vorgegeben hat er dem zackigen Einfaltspinsel eine ungewöhnliche Aufgabe: „Ich will mit meinem Unternehmen noch mehr erreichen, aber mir und meinen Leuten fehlt es an der Zeit. Zeigen Sie mir eine Möglichkeit, meine Zeit besser zu nutzen“, sagte er. Und weiter: „Ich bezahle Ihnen 1.000 Dollar dafür! Ja, so viel ist mir das wert, denn ich werde einfach das Gefühl nicht los, dass meine Zeit mir ständig unter den Fingern wegrinnt. Immer seltener schaffe ich es, etwas anzupacken was wirklich zählt.“ Lee konterte mit einer genauso ungewöhnlichen Antwort und sagte, dass er die 1.000 Dollar gar nicht wolle. Er gebe ihm den Tipp gerne, und Schwab solle ihm später einfach so viel dafür bezahlen, wie er für richtig halte. Gesagt, getan. Lee bewies auch in dieser Sache ein unglaubliches Fingerspitzengefühl und folgerte richtigerweise, dass Schwab bei diesem Anliegen keine Ansprüche auf Virtuosentum erhob. Hier musste nichts auf die Spitze getrieben werden. Hier wollte man nicht mit Schrotschüssen einen Elefanten erledigen. Hier sollte man besser nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen. Ein gezielter Schlag, darauf kam es an. Lee wusste, dass er zum Erfolg verdammt war. Nur nicht das Gesicht verlieren. Eine zweite Chance würde er nie und nimmer bekommen. Seine Ratschläge durfte er keinesfalls wie Kanonenkugeln abfeuern und sich dann nicht mehr darum kümmern, wo diese landen. Ein Volltreffer musste her. Einmal den Nagel auf den Kopf treffen. Gedacht, getippt. Nach einem halben Jahr bekam Lee von Schwab einen Scheck über 25.000 Dollar! Ein Betrag, der nach heutiger Wertvorstellung nicht weit von der Halbemillion-Dollar-Marke entfernt ist. Kein anderer hat mit einem einfachen Tipp je so viel Geld verdient. Jetzt möchten Sie sicher wissen, was unser famoser Tippgeber auf Lager hatte. Ivy Lee riet Schwab: „Schreiben Sie die wichtigsten Dinge auf, die Sie morgen zu erledigen haben, und nummerieren Sie diese in der Reihenfolge ihrer Bedeutung durch. Fangen Sie dann morgen früh als erstes mit der Aufgabe Nummer eins an und bleiben Sie solange daran sitzen, bis sie erledigt ist. Fangen Sie dann mit Nummer zwei an, und gehen Sie nicht weiter, bis Sie diese erledigt haben. Dann gehen Sie zu Nummer drei über usw. Auch wenn Sie Ihren Zeitplan nicht erfüllen können, ist das nicht tragisch. Am Ende des Tages werden Sie wenigstens die allerwichtigsten Dinge erledigt haben, bevor Sie von Aufgaben von geringerer Wichtigkeit in Anspruch genommen werden. Der Schlüssel dazu ist, es täglich zu tun: Überprüfen Sie die relative Wichtigkeit von Aufgaben, die Sie zu erledigen haben, entscheiden Sie über Prioritäten, listen Sie diese in einem Tagesplan auf und halten Sie sich daran. Machen Sie dies zur Gewohnheit für jeden Arbeitstag.“
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Wunderbar passt dieser markige Tipp zur zweiten Maßnahme unserer Rettungsmission. Harmonisch fügt er sich in das hier beschriebene „Storyboard für den Tag“. Wenn das Ganze nur einmal täglich funktioniert, haben Sie das Wichtigste des Tages bereits als erstes erledigt! Grandios und goldwert, dieser Tipp!
Die Ausführungsselektion: Was ist heute wichtig? – Es gibt sie also, die alles beherrschende Frage: Was ist heute wichtig? Diese Frage ist kein Produkt unserer Ära oder der Zeitmanagement-Vorreiter, sondern ein Anliegen, das den Menschen seit seiner Evolutionsgeschichte verfolgt. „Eine evolutionäre Sache“, ist man fast versucht zu sagen. Die Probleme, die wir heute mit der Uhrzeit haben, hatten unsere Vorfahren mit der Urzeit. In den zwei Millionen Jahren, in denen sich der Mensch als Jäger und Sammler durchschlug, hat sich die Frage nach dem Wichtigen täglich empfindsam im Bauch niedergeschlagen und dort manches Mal zu einer Leere geführt. Die Überlegung, was heute denn zu tun war, hatten unsere jagenden und sammelnden Vorfahren schnell beantwortet: Man wollte was zum Knabbern! Das Tagesmotto hatte man ebenso klar vor Augen: „Arbeiten“, bis man satt ist. Arbeit, die nicht zwingend getan werden musste, blieb zunächst mal liegen. Und das war auch gut so, denn schon unsere Vorfahren mussten mit ihrer Energie haushalten. Wer seine Kräfte in die falsche Sache steckte und mit seiner Energie verschwenderisch umging, hatte schlechte Karten im Kampf der Arten. Er arbeitete im wahrsten Sinne des Wortes bis zum Umfallen – und wer vor einer Million Jahren einmal umfiel und kraftlos auf dem Boden der Tatsachen landete, der stand nicht mehr auf. Um bei Kräften zu bleiben, musste sich der Mensch auf mühsamen Wegen mit Energie versorgen. Die Möglichkeit, Vorräte anzulegen, hatte er nicht. Das Essen gab‘s nicht portionsgerecht und mikrowellenfertig aus der tiefgekühlten Froststarre, sondern war schreckhaft und schnell, oder es hing in Kleinstportionen in der Nähe schwer erreichbarer Baumwipfel. Nur wer jeden Tag selektiv ans Werk ging, wer am Tagesbeginn das Notwendige vom weniger Notwendigen auseinanderhielt, hatte eine Überlebenschance, hatte Energie, um auch den nächsten Tag zu überstehen. Dieser Evolutions-Grundsatz gilt noch heute, wenn auch in abgemilderter Form: Nur wer Wichtiges von Unwichtigem trennt, hat eine Überlebenschance – im Job. Gipfelstürmer oder Durchstarter müssen es tun, Dauerbrenner und andere Ruhelose sollten es tun: Sich morgens die externalisierte Zusammenstellung aus der ersten Rettungsmaßnahme vor Augen führen, sich fünf Minuten Zeit nehmen und unter allen laufenden Pflichten das weniger Wichtige vom Dringenden trennen. Was weder wichtig noch dringend ist, hat im aktuellen Tag sowieso nichts verloren. Übrig bleibt aus Sicht des aktuellen Tages die Top-Liga Ihrer Pflichten. Ich garantiere Ihnen – und auch Ivy Lee würde es Ihnen schriftlich geben: Wenn Sie fünf Minuten aufwenden und sich ein Tagesprogramm zurechtlegen, holen Sie diese Zeit um ein mehrfaches wieder heraus. Sie können sich sicher sein: Eine fünfminütige TagesVorausschau ist nie vergebliche Müh, ist unterm Strich kein Zeitverlust, sondern ein Zeitgewinn. Im Lichte dieser Einsichten kann die Empfehlung nur lauten: Gestalten Sie den Tag bewusst und führen Sie das „Storyboard für den Tag“ als Bestandteil einer erfolgsorientierten, zielführenden Arbeitsweise ein. Eine vorab durchdachte
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Themenauswahl (Ausführungsselektion – Was tue ich heute?) und ein grob skizzierter Tagesablauf (Reihenfolgeplanung – Wann tue ich es?), das sind die beiden Eckpfeiler dieser tagesbezogenen „Rahmensetzung“. Daraus resultiert ein prägnantes Tagesprogramm, welches Sie auf Kurs hält und deutlich wirkungsvoller und zugkräftiger ist als ein spontanes Manövrieren durch den Tag. Eine gute Rahmensetzung beginnt mit einem Blatt Papier und den richtigen Fragen. Spot an! Hier kommen sie, die wichtigsten Frage zur Rahmensetzung. Es sind drei „Was“-Fragen, die Sie zum Fokussieren anregen: Was sind die aktuellen Prioritäten? Was müssen Sie heute voranbringen oder erledigen? Was sind Ihre Schwerpunkte für den heutigen Tag? Prioritäten – Die angeführten Fragen leiten die Ausführungsselektion ein. Es ist der Zeitpunkt, an dem unwiderruflich die Prioritäten ins Spiel kommen. Vielleicht erinnern Sie sich: Bei der ersten Rettungsmaßnahme – dem Externalisieren – haben wir Prioritäten bewusst außen vor gelassen. Das geht jetzt nicht mehr, denn nun geht es um Ihre Verrichtungen, und da können Vorfahrtsregeln durchaus eine Überlegung wert sein. Wenn Sie sich zehn Dinge für den Tag vornehmen, aber bis zum Ende des Tages nur vier davon erledigen, haben Sie Ihr Ziel klar verfehlt. Da kommt keine Freude auf. Wenn Sie sich jedoch zehn Dinge vornehmen und diese in eine Reihenfolge bringen, die Ihren Prioritäten entspricht, sind Sie auf der Gewinnerseite. Wenn Sie der Reihe nach vorgehen, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. Sie können dem Tag selbst dann etwas Positives abgewinnen, wenn Sie nur die ersten vier Dinge erledigt haben – Sie können sich sagen: „Das Wichtigste ist getan!“ Ihr Pflichtenheft ist eine solide und nahezu unverzichtbare Ausgangslage, um das, was Sie tun, an Prioritäten auszurichten. Ihr Pflichtenheft kann dank seiner Einteilung in Rubriken und ggf. Unterkategorien beliebig viele Einträge enthalten. Es kennt kein Limit. Der Tag jedoch schon. Was Sie an einem Tag erledigen können, ist begrenzt. Deshalb müssen Sie eine Auswahl treffen. Überlegen Sie sich, was das Wichtigste ist, dass heute erledigt werden muss. Treffen Sie auf Basis Ihrer externalisierten Zusammenstellung aller Pflichten eine sinnvolle Auswahl über die wichtigen Dinge, denen Sie sich heute widmen wollen oder müssen. Sie können auch eine einfache Frage nach der Bedeutung stellen: Welche Relevanz haben die jeweiligen Einträge in Ihrem Pflichtenheft für den bevorstehenden Tag? Das halten Sie für wachsweich? Bitte, es geht eindringlicher: Was würden Sie heute tun, wenn Ihr Arbeitstag nur zwei Stunden hätte? Wenn Sie heute nur ein oder zwei Sachen tun könnten, um zufrieden nach Hause zu gehen – welche wären dies? Bleiben Sie restriktiv! Ganz im Sinne von Martin Scott, einem englischen Kommunikations- und Zeitmanagementberater. Für Prioritäten als Dutzendware hat er nichts übrig, bestenfalls das Doppelpack toleriert er: „Wer mehr als zwei Prioritäten setzt, hat keine.“ Wichtiges geht vor – Erfolgreiche Menschen nutzen einen Großteil ihrer Zeit für wichtige Dinge. Weniger erfolgreiche Menschen verschwenden einen Großteil ihrer Zeit mit dringenden Dingen. Deshalb gilt bei der Rahmensetzung: AuswahlVorfahrt haben die aktuell wichtigen Angelegenheiten und nicht die dringenden. Damit Sie hier unterscheiden können, bedarf es keiner komplizierten Logik.
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Zwei Sätze genügen dem Lean Time Manager: Wichtig sind die Dinge, die ihn seinen Zielen und Vorstellungen von der Zukunft näherbringen oder das größte Erfolgspotential beinhalten. Als „Dringend“ kommen üblicherweise die Dinge daher, die seine unmittelbare Aufmerksamkeit erfordern. Konzentrieren Sie sich auf das Wesentliche und lassen Sie die weniger wichtigen Dinge außen vor. Wenn Sie das tun, was wirklich wesentlich ist, erzielen Sie automatisch Ergebnisse, die wirklich wesentlich sind – und ganz allein daran werden Sie gemessen, an der Qualität Ihrer Arbeitsergebnisse. Gleichgewichtig – Wie sieht es eigentlich aus mit Ihrer Balance? Nein, nicht Ihr körperliches Gleichgewicht. Ich meinte eher: Wie sieht die Verteilung von harter, schwieriger Arbeit (z. B. Sonderaufgaben mit vielen Schnittstellen und Kommunikationspartnern) und Muße (einfache Arbeit, Arbeit die Ihren Stärken entspricht, Routine) aus? Vermeiden Sie wenn immer möglich bei Ihrer Selektion einseitige Konstellationen. Gestalten Sie Ihren Tag so, dass Sie rundum zufrieden sein können. Ein ganzheitlich positiver Tag berücksichtigt drei Facetten. Hierzu gehören Dinge, die Sie Ihren Zielen näherbringen. Dinge, die Ihnen Freude bereiten. Dinge, die ein Abschalten und Loslassen ermöglichen und den Ausgleich zur beruflichen Tätigkeit. Entscheidungen – Damit Sie wirkungsvoll agieren, müssen Sie sich klar für etwas entscheiden. Und genau darum geht es bei der Ausführungsselektion – um Entscheidungen. Sie müssen sich für Angelegenheiten (Was Sie heute tun) und gegen Angelegenheiten (Was Sie heute nicht tun) entscheiden. Durch die vorausgegangene erste Rettungsmaßnahme und die dabei erlangte ganzheitliche Sicht auf alle Pflichten können Sie robuste Entscheide treffen, belastbare Selektionen vornehmen. Zeitaufwand – Im Zuge der Ausführungsselektion sollten Sie grob abschätzen, welchen Zeitaufwand Sie mit welcher Tätigkeit in Verbindung bringen müssen oder wollen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Ihre Auswahl nicht dem Pensum entspricht, das Sie tatsächlich bewältigen können. Sie nehmen sich entweder zu viel oder zu wenig für den Tag vor. Ein machbarer Rahmen soll nur das enthalten, was Sie an einem Tag erledigen wollen – und auch zeitlich können. Halten Sie angesetzte Zeitlimits ein. Beachten Sie fixe Termine. Sie schränken die Zeit ein, die Sie ausfüllen können. Deshalb der Check: „Wie viel unverplante Zeit steht Ihnen heute zur Verfügung?“ Von einer tagesbezogenen Rahmensetzung profitieren Sie insbesondere dann, wenn sie realistisch ist. Das ist Ihr Gewinn – An der Unterscheidung zwischen wichtig und dringend zeigt sich, ob Sie Ihr Leben gestalten oder gestaltet werden, ob Sie Ihr Leben selbst in die Hand nehmen und es nach Ihren Vorstellungen entwickeln oder ob Sie eher fremdbestimmt handeln und von außen gesteuert werden. Wenn Sie nicht vorsortiert in den Tag gehen und sich auf die entscheidenden Dinge konzentrieren, wird während des Tages das Unwichtige zum Wichtigen. Nebensächlichkeiten, die von außen an Sie herangetragen werden, blähen sich künstlich auf. Sie geraten in eine produktivitäts-vernichtende Spirale, bei der Sie am Ende des Tages vor vielen Baustellen stehen, kaum etwas als erledigt abhaken können. Den üblichen Zeitmangel hatten Sie nur, weil es Ihnen an Prioritäten und einer sinnvollen Vorstellung des Tagesablaufs fehlte.
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Kaum zu glauben!
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Die drei wichtigsten Botschaften an dieser Stelle sind: Stürzen Sie sich nicht unvorbereitet in den Tag. Selektieren Sie bewusst – mit einem Auge für das Wesentliche und die Ausgewogenheit! Identifizieren Sie die wenigen wichtigen Themen, die erfolgsentscheidend sind und schenken Sie diesen die höchste Aufmerksamkeit! Wie das geht, zeigt das folgende Kapitel. Mein Schlusswort an dieser Stelle: Wenn alle in Zeitnot sind, wächst der mit den klügsten Prioritäten.
Kapitel 33
Und es geht doch! – Eine Tagesgestaltung mit Happy-End
„Alles der Reihe nach“, um das geht es hier. Was zu tun ist, haben wir im vorhergehenden Kapitel geklärt. Sobald feststeht, was Sie tun wollen, müssen Sie es in die richtige Reihenfolge bringen. Es ist die Zeit eines Tages, die wir in diesem Kapitel strukturieren. Ein stimmiger Tagesablauf lag auch dem begnadeten Johann Wolfgang von Goethe am Herzen. Das hatte er seinerzeit vielen an den Kopf geworfen, ob sie es hören wollten oder nicht: „Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines Tages sinnvoll zu ordnen, ist alles andere ein Kinderspiel.“ Ein Unikat und Genie in vielerlei Hinsicht – auch und vor allem, was die Nutzung seiner Tage anbelangte. Die Reihenfolgeplanung: Wie läuft der Tag ab? – Es gibt sie, die „optimale Reihenfolge“, mit welcher wir eine wirkungsvolle Ausnutzung des Tages und eine sinnvolle Nutzung der zur Verfügung stehenden Zeit gewährleisten. „Wenige haben genug Zeit, und doch hat jeder alle Zeit, die es gibt“, lautet ein bekanntes Sprichwort. Wir müssen die Zeit richtig nutzen und optimal ausfüllen – so können wir unseren Wirkungsgrad maximieren. „Morgens denkt es sich besser“, daran zweifelt heute keiner mehr. Und schon vor zweihundert Jahren hat der Maler und Dichter William Blake folgende Parole an seine Landsleute ausgegeben: „Denke am Morgen. Handle am Nachmittag. Iss am Abend. Schlafe in der Nacht.“ Dieser Richtschnur, wonach wir während eines Tages unterschiedlich leistungsstark sind, können wir nichts mehr hinzufügen. Lediglich einen Namen haben wir ihr gegeben, sie kurzerhand „Leistungskurve“ getauft und sie im gleichen Atemzug mit ein paar Hochs und Tiefs ausgestattet. Von dieser Hoch-Tief-Kurve hängt die sinnvolle Bearbeitungsreihenfolge im Wesentlichen ab. Unser innerer Rhythmus hält damit eine natürliche Tagesstruktur für uns parat. In Hochphasen sind wir geistig und energiemäßig am besten gestimmt, unsere Willenskraft ist am höchsten. Diese am Morgen angesiedelte Phase ist die kostbarste Zeit des Tages – wir können schöpferisch, konzentriert und mit vollem Einsatz arbeiten. Tiefphasen unmittelbar vor der Mittagspause bis in den frühen Nachmittag hinein können wir bewusst für Pausen, leichtere Arbeiten oder zum Ausgleich nutzen. Der typische Anstieg des Energiepegels am späten Nachmittag ist eine zweite Chance. Sie können das erschlagen, was eventuell am Vormittag auf der Strecke geblieben ist oder anspruchsvolle Routineaufgaben erledigen.
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V Die Rettung – Maßnahme 2
Man muss sich bewusst werden, was zu welcher Tageszeit am besten geht. Es macht keinen Sinn, dass Sie Routineaufgaben gleich als erstes erledigen, wenn Sie sich am Morgen in die Arbeit stürzen. Genauso wenig sollten wir es dem Zufall überlassen, was wann passiert, denn dieser steht nicht immer auf unserer Seite. Legen Sie stattdessen unter Berücksichtigung der bereits gesetzten Termine die ideale Bearbeitungsreihenfolge pro-aktiv fest. Wie eine sinnvolle Tätigkeitsstaffelung aussehen kann, dazu gibt es im wörtlichen Sinne „eine Reihe von“ Überlegungen. Wichtigkeitskurve – Meine erste Frage an Sie gleich am Morgen: Womit beginnen Sie den Tag? Mit wichtigen oder mit dringenden Dingen? Grundsätzlich steht fest: Dringendes ist selten wichtig. Wichtiges ist selten dringend. In der Praxis erlebt man es immer wieder: Vorgänge bekommen ein Martinshorn aufgesetzt und werden Hals über Kopf vorangetrieben. Antreiber fegen mit ihnen blindlings über jede Kreuzung hinweg, ohne dass sie die Szenerie auf der linken oder rechten Seite betrachten. Da ist ein nüchterner Blick durchaus angebracht, statt sich zügellos dem Diktat der Dringlichkeit unterzuordnen und alles, was mit einem Dringlichkeitsmantel daherkommt, vorrangig anzugehen. Deshalb das oberste Gebot: Wichtigkeit geht vor Dringlichkeit. Ein gewisser Eberhard Ewel hat die Umgehung dieses „Erfolgsgrundsatzes“ aufs Schärfste verurteilt und ohne jede Eile folgende Rechtfertigung in die Runde geworfen: „Zu den wichtigen Dingen kommt man nicht, wenn man zuerst die eiligen Dinge erledigt.“ In Ihrer Rahmensetzung sollten Sie deshalb den wichtigen Angelegenheiten Vorrang geben. Das Wichtige gehört in die erste Hälfte des Tages, nur so ist garantiert, dass diese Punkte am Ende des Tages abgehakt sind. Die weniger wichtigen, dafür aber dringenden Angelegenheiten reservieren Sie für den Nachmittag. Damit tragen Sie der Dringlichkeit Rechnung, ohne das Wichtige zu vernachlässigen. Schwierigkeitskurve – Genauso legitim wie die Parole „Zuerst das Wichtige meistern“ ist das Leitmotiv „Zuerst das Schwierige meistern“. Je nach Inhalt Ihres Tagesprogramms können Verschiebungen der Reihenfolge sinnvoll sein. An einem Tag mal das Wichtige an den Anfang stellen, dafür an einem anderen Tag das Schwierige. Davon abgesehen, können Sie sich an folgendem Grundsatz orientieren: Alles, was Ihnen nicht so leicht von der Hand geht oder Überwindung kostet, sollte man auf den Vormittag legen. Aus zwei Gründen sollten Sie es nicht aufschieben, sondern möglichst früh aus dem Weg räumen. Erstens: Ihre Leistungskurve ist am Vormittag am höchsten. Zweitens: Wenn Sie sich solche Angelegenheiten zeitig vom Hals schaffen, geben Ihnen diese zeitigen Erfolge Schwung und Motivation für den restlichen Tag. Die folgende Grobeinteilung ergibt einen runden Tag: Schwierige oder unangenehme Dinge, die Sie sich für einen Tag vornehmen, erledigen Sie in den ersten Stunden des Tagesgeschehens. Machen Sie dann weiter mit den Aufgaben, die Ihnen eher liegen. Schließen Sie die angenehmen Dinge als Belohnung an die unliebsamen Themen an. Störungskurve – Es gibt während des Tages Zeiträume, in denen die Störungshäufigkeit sehr gering ist und Zeiten, in denen Störungen häufiger vorkommen. Wenn Sie hier Einflussmöglichkeiten sehen und gestaltend eingreifen
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Und es geht doch! – Eine Tagesgestaltung mit Happy-End
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können, sollten Sie die Vormittage eher störungsarm auslegen und dafür an den Nachmittagen störungsstärkere Zeiten hinnehmen. Damit haben Sie optimale Voraussetzungen und können Aufgaben, die viel Ruhe und Leistung erfordern, in der ersten Hälfte des Arbeitstages stemmen. Dann passt auch das unterbrechungsreiche Nachmittagsfenster für Routinearbeiten und weniger wichtige Dinge. Glückskurve – Dinge, die Ihnen Spaß machen und die Sie am besten können, gehen oft leicht von der Hand. Die packen Sie in vielen Fällen mit links. Deshalb können Sie bei ihnen durchaus antizyklisch vorgehen und den Nachmittag als ideales Zeitfenster hierfür vorsehen. Ebenso wie Routineaufgaben und lockere Gespräche, die Sie am besten nach dem Mittagessen erledigen, wenn die meisten Menschen ohnehin einen Durchhänger haben. Am späten Nachmittag nimmt die Leistungsfähigkeit wieder zu und Sie können noch einmal wichtigere Aufgaben angehen. Ausklingen lassen sollten Sie den Tag nach Möglichkeit mit einfachen oder erfreulichen Dingen, denn am Nachmittag verringert sich die Leistungsfähigkeit sukzessive, bis sich irgendwann die ersten Erschöpfungszeichen einstellen. Motivationskurve – Was ich Sie auch noch fragen wollte: „Was motiviert Sie heute besonders? Welche Aufgaben verleihen Ihnen heute besonderen Antrieb? Mit welchen Facetten Ihres Jobs identifizieren Sie sich am stärksten? Wo agieren Sie am erfolgreichsten? Derartige Facetten, die mit einem Motivationsschub verbunden sind, sollten Sie bewusst wahrnehmen, gezielt nutzen und in Ihre Rahmensetzung mit einbeziehen. Sie helfen Ihnen, Ihre individuelle Leistungsfähigkeit besser auszuschöpfen. Sinnvoll ist beispielsweise, solche „motivierenden Beschäftigungen“ als Belohnung einzuplanen. Eine Belohnung, die Ihnen zusteht, nachdem Sie weniger motivierende Dinge, die Sie konsequenterweise ebenso vorantreiben müssen, abgeschlossen haben. Schließen Sie den Tag mit motivierenden Beschäftigungen ab und nehmen Sie die dadurch freigesetzten positiven Gedanken mit in den Feierabend. Frei nach dem zukunftsbejahenden Appell von Frohnatur Mark Twain: „Gib jedem Tag die Chance, der schönste Deines Lebens zu werden.“ Mit der ganz in seinem Sinne ausgelegten Rahmensetzung, um die es bei dieser zweiten Rettungsmaßnahme geht, färbt sein grenzenloser Optimismus auf uns ab. Das ist Ihr Gewinn – Das Tagesprogramm enthält alle Aktivitäten, die Sie an einem Tag bearbeiten wollen und in der zur Verfügung stehenden Zeit auch erledigen können. Dieser Rahmen verschafft Ihnen einen schnellen Überblick und stellt sicher, dass nichts in der Hektik des Tages untergeht oder unberücksichtigt bleibt. Er richtet Ihre Gedanken auf das Wesentliche aus und bannt die Gefahr von Verzettelungen. Das Tagesprogramm ist Ihr engster Vertrauter im Tagesgeschehen. Wie die Nadel eines Kompasses, der jeden treu in die vorgegebene Richtung lenkt – und sei es bis ans Ende der Welt. An einem darf es allerdings nicht mangeln – an Ihrer Disziplin. Der Rahmen ist eine Abmachung, die Sie einhalten sollten. „Disziplin ist der wichtigste Teil des Erfolgs“, sagte einst Truman Capote, ein berühmter USamerikanischer Schriftsteller, der sich seinen Erfolg schon in jungen Jahren bahnte. Wenn wir unseren Gestaltungsvorgaben nicht diszipliniert folgen, schieben wir für gewöhnlich die Dinge vor uns her. Frei nach Peter Ustinov, der einem Verschiebebahnhof nichts Gutes abgewinnen konnte: „Die Menschen, die etwas von
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V Die Rettung – Maßnahme 2
heute auf morgen verschieben, sind dieselben, die es bereits von gestern auf heute verschoben haben.“ Mein Rat ist deshalb: Wenn Sie keine Zeit zu verschenken haben, sollten Sie auch keinen Tag hergeben. Wer mittels einer Rahmensetzung den Tag vorab mit Inhalten füllt und das Tagegeschehen in groben Zügen vorwegnimmt, erhöht seinen Wirkungsgrad. Das Tagesprogramm vereinfacht die Ausführung. Wenn die Verrichtungen definiert sind und die Chronologie feststeht, kann alles in einer angemessenen Zeit getan werden. Sie können Ihr Programm geordnet, zügig und zielstrebig abarbeiten. Ein nutzloses und unbändiges Verrennen auf abwegigen Trampelpfaden bleibt Ihnen erspart. Somit machen Sie kontinuierlich Fortschritte in Richtung Ihrer größeren Ziele oder Projekte. Dass man nicht weit kommt, wenn man sich ständig verhaspelt, versuchte uns schon Mark Twain klarzumachen: „Nachdem wir das Ziel aus den Augen verloren hatten, verdoppelten wir unsere Anstrengungen.“ Aber was nützt es schon, wenn man mit doppelter Kraft nur halb so gut vorwärts kommt. Wenn der Rahmen erst mal steht, haben Zeitdiebe, die während des Tages Ihren Stunden die Minuten stehlen wollen, kaum eine Chance. Sie bieten diesen Dieben keine Angriffsfläche. Die Rahmensetzung steigert nicht nur Ihre Effizienz (was Sie leisten), sondern hat gleichzeitig auch einen positiven Einfluss auf Ihre Effektivität (was Sie mit Ihrer Leistung bewirken), da Sie ganzheitlicher denken, gründlicher selektieren und zielgerichteter ans Werk gehen. Abschließende Kernbotschaften – Die wichtigsten Grundaussagen an dieser Stelle sind: Meistern Sie zuerst das Wichtige. Gehen Sie schwierigen oder unangenehmen Dingen nicht aus dem Weg, sondern „schaffen“ Sie diese aus dem Weg. Setzen Sie diese gleichfalls in den frühen Tagesstunden an. Und bitte nur eine Aufgabe zur gleichen Zeit! Wechseln Sie erst zum nächsten Thema, wenn Sie eine Aufgabe abgeschlossen haben. Dadurch sind Ihre Kräfte stets nur auf ein einziges Ziel ausgerichtet und nicht vom Winde in alle Richtungen verweht. Die Chance, selbst schwierige Aufgaben erfolgreich zu beenden, steigt damit wesentlich (Abb. 33.1).
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Und es geht doch! – Eine Tagesgestaltung mit Happy-End
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Zeit
Inhalt
08:00 –10:00
Die Herausforderung – Beginnen Sie den Tag mit den wichtigen Aktivitäten. Ihre Konzentrationsfähigkeit ist um diese Zeit am stärksten. Legen Sie auch schwierige, anspruchsvolle Aufgabenstellungen, die höchste Konzentration erfordern, in diese erste Hälfte des Vormittags. Gleiches gilt für Dinge, die Ihnen weniger liegen. Bleiben Sie fokussiert. Vermeiden Sie Ablenkungen, so gut es geht
10:00 –11:00
Das Luftholen – Gönnen Sie sich eine kurze Erholung. Entspannen Sie sich, indem Sie Konzentration und Fokus für eine kurze Zeit zurückfahren. Gehen Sie nun die etwas weniger anstrengenden Dinge an. Um diese Uhrzeit werden Sie für gewöhnlich stärker von der Hektik um Sie herum eingenommen. So entwickelt sich die zweite Hälfte des Vormittags zum ersten Kommunikationsfenster. Nutzen Sie es für erste telefonische Abklärungen oder Unterredungen. Erledigen Sie anstehende Gespräche oder E-Mail-Kommunikation und Schriftverkehr
11:00 –12:00
Der Zwischenspurt – Geben Sie sich einen Ruck. Fahren Sie Ihre Konzentration noch mal hoch. Machen Sie ggf. weiter mit wichtigen und schwierigen Dingen. Blenden Sie das, was um Sie herum geschieht, aus. Richten Sie ihren Fokus ausschließlich auf die Dinge, an denen Sie arbeiten
12:00 –13:00
Die Regeneration – Tanken Sie neue Energie für den restlichen Tag
13:00 –14:00
Die Administration – Langsam wieder Fahrt aufnehmen. Dringende Angelegenheiten, verschiedene Dinge administrativer Natur, auch mal lästige Details, das passt hier. Sich erneut der Interaktion widmen und Telefonate erledigen, Gespräche führen, EMails bearbeiten, Schriftverkehr abwickeln und kleinere, unkomplizierte Meetings
14:00 –16:00
Die Kommunikation – Besprechungen, Projektsitzungen sind hier am besten untergebracht. Legen Sie auch Arbeiten, die Ihnen liegen, die Ihren Kompetenzen und Stärken entsprechen, die Ihnen leicht von der Hand gehen, die Sie motivieren, in dieses Zeitfenster. Konzentration und Fokus stellen sich in diesem Falle automatisch wieder ein. Ohnehin sind Sie bei Beschäftigungen, die Ihren persönlichen Neigungen entsprechen, am erfolgreichsten. Erfolgserlebnisse sind vorprogrammiert und spornen an
16:00 –17:00
Die Abrundung – Sie haben viel erreicht. Werfen Sie einen letzten gelassenen Blick auf Ihr Tagesprogramm. Entscheiden Sie, was sie in dieser letzten Stunde noch erledigen möchten und was nicht. Nutzen Sie diese Hälfte des Nachmittags auch für abschließende Interaktionen (Telefonate, Gespräche, E-Mail, Schriftverkehr)
17:00 –17:30
Der Rückblick – Wie war der Tag? Reservieren Sie zum Abschluss ein Zeitfenster und lassen Sie den Tag Revue passieren. Verarbeiten Sie Ihre Eindrücke. Machen Sie einen Abgleich zwischen der Rahmensetzung und tatsächlich Erreichtem. Denken Sie auch über den bevorstehenden Tag nach. Entwerfen Sie den Rahmen für den nächsten Arbeitstag
Abb. 33.1 Ein Erfolg versprechender Tagesplan
Kapitel 34
Ein ausgezeichneter Tag – Diese Eckpunkte zeichnen einen guten Rahmen aus
Wer dem Tag keinen Rahmen gibt, hat nicht nur kein Bild des anstehenden Tages vor seinem geistigen Auge, sondern arbeitet während des Tages an Bildern mit, die andere sich ausdenken. Wer „nicht im Bilde ist“, findet sich sehr wahrscheinlich in einem fremden Bild wieder. Ist Akteur in einem Rahmen, den andere setzen. Arbeitet nicht, sondern wird gearbeitet. Gibt das Ruder aus der Hand, darf aber noch fleißig paddeln. Sie wissen, was ich meine. Es ist wie mit der Planung. Wer nicht plant, der wird verplant. Zu einer tagesbezogenen Rahmensetzung, wie sie diese zweite Rettungsmaßnahme aufzeigt, gibt es kaum Alternativen. Allerdings ist nicht jeder Rahmen ein „bestmöglicher Rahmen“. Woran erkennt man ein erfolgversprechendes Storyboard? Welche Merkmale zeichnen ein sinnvolles Storyboard aus? Einige konkrete Hilfestellungen sollen an dieser Stelle Ihre Tagesgestaltung auf ein sicheres Fundament stellen und deren Potenzial maximieren. Schriftlichkeit – Halten Sie die Ergebnisse Ihrer Rahmensetzung in Stichworten fest! Der Schriftlichkeitsgrundsatz ist ein sehr effektiver Mechanismus um konkret zu werden und konkret zu verbleiben. Sie kennen das; wann immer die Schriftform gefordert ist, resultiert daraus eine solide Herangehensweise – und das ist in wichtigen Dingen durchaus angebracht. Die Schriftform hilft, Ihre Gedanken zu ordnen und schnell auf das Wesentliche auszurichten. Ein schriftlich erstelltes Tagesprogramm ist einprägsamer, vollständiger und nachhaltiger als rein imaginäre Willenserklärungen. Was nur im Kopf existiert, ist schnell wieder verworfen. Tagesprogramme, die lediglich in Gedanken manifestiert sind, geraten leichter in Vergessenheit und werden oft nur halbherzig oder teilweise ausgeführt. Zwar ist die Konzeption eines Tagesprogramms im Kopf deshalb noch lange kein „Hirngespinst“, trotzdem ist ein schriftlicher Rahmen der stabilere Wegweiser und die bessere Motivation. Das Geschriebene bleibt überschaubar und entlastet gleichzeitig Ihr Gedächtnis. Dies entspricht voll und ganz dem Grundgedanken unserer Rettungsmission – freie Fahrt durch einen klaren Kopf. Kaum einer kann die Ergebnisse einer Tagesgestaltung ständig im Gedächtnis präsent halten. Zudem kann ein schriftlicher Tagesentwurf gleichzeitig als Kontrollinstrument dienen. Sie können aus Erfahrung lernen und Ihre Gestaltungskompetenz schrittweise verbessern.
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Tagesziel – Der Rahmen ist Ihr Tagesziel! Betrachten Sie das von Ihnen schriftlich konkretisierte Tagesprogramm als eine Zielvereinbarung. Was da schwarz auf weiß vor Ihnen steht, hat einen verbindlicheren Charakter als die meisten Luftschlösser. Das sind konkrete Vereinbarungen, die Sie mit sich selber treffen. Wir Menschen funktionieren nun mal am besten, wenn wir uns an Zielen orientieren können. Ohne Tagesprogramm gäbe es keine „verbindlichen“ Tagesziele. Und ohne Ziele sind die Dinge diffuser und richtungsloser. Besser läuft es, wenn Sie durch die Rahmensetzung den Tag zielorientiert angehen. Das motiviert, die Dinge auch durchzuführen und aus diesen Gründen wird ein fixiertes Tagesprogramm stets wirksamer sein als ein im Geiste ausgemalter und eingeprägter Tagesverlauf. Diese in der Gegenwart verankerten Nahziele dienen als Wegmarken für in der Zukunft liegende Fernziele. Es sind Meilensteine, mit denen Sie sich immer wieder neu motivieren und orientieren können. Sobald Sie an einem Tag die wichtigsten Punkte aus Ihrem Tagesprogramm erreichen, können Sie ein Erfolgserlebnis verbuchen. Das stimmt Sie zuversichtlich. Das lässt Sie die große Kraft der kleinen Schritte hautnah erleben. Dazu müssen Sie wissen: Je größer eine Aufgabe, desto größer ist auch die Hemmschwelle sie anzugehen. Eine derart große Aufgabe können Sie nicht direkt erledigen. Es ist nun mal so: Selbst die größte Aufgabe beginnt mit dem ersten Schritt. Sie können mit einem Schritt in die angestrebte Richtung beginnen – und daran weitere Schritte anschließen. Kleine Veränderungen können das Eis brechen und führen deshalb eher zum Ziel als große Anstrengungen. In kleinen Schritten, Tag für Tag, zum Ziel – diese Stetigkeit ist das Erfolgsrezept. Ein Rat – Beginnen Sie jeden Tag mit einem konkreten Tages-Endziel, auf das Sie sich freuen können. Dies kann eine Verabredung sein, ein interessanter Lesestoff, ein Sportprogramm an der freien Luft, ein gemütliches Beisammensein in Ihrem Stammlokal oder Ihrer Lieblings-Eisdiele, ein Treffen mit gleichgesinnten „Freizeitaktivisten“ oder ein schöner Abendspaziergang mit Ihrem Partner. Dies ist eine simple Erfolgsformel, mit der Sie jedem Tag Lebensfreude einhauchen und die Tage lebenswert machen. Ergebnisorientierung – Rücken Sie Resultate in den Vordergrund! Was Sie sich während eines Tages vornehmen, können Sie aus zwei Blickwinkeln betrachten. Die eine Sichtweise ist verrichtungsorientiert und durch folgende Frage geprägt: „An was möchte ich während des Tages arbeiten?“ Die andere Sichtweise ist ergebnisorientiert und ergibt sich als Antwort auf die Frage: „Was will ich bis zum Ende des Tages erreichen?“ Im ersten Fall denken Sie in Tätigkeiten, also prozessorientiert. Im zweiten Fall fokussieren Sie auf Resultate. Welche „Sprachform“ verwenden Sie für die Einträge in Ihrem Tagesprogramm? Notieren Sie Tätigkeiten oder legen Sie Resultate fest? Sie können dies als eine Sache der persönlichen Präferenz ansehen. Sie können sich aber auch an der allgemeinen Empfehlung orientieren, die da lautet: „In Ergebnissen denken!“ Ein Eintrag im Tagesprogramm stellt dann nicht die Verrichtung in den Vordergrund (z. B. „Telefonat mit Frau Mustermann“), sondern das Ergebnis („Agenda für die nächste Projektsitzung vereinbaren“). Wenn Sie lediglich Tätigkeiten notieren, bleibt es oft bei vagen Vorstellungen, was die Ergebnisse betrifft – nicht unbedingt das, was man unter zielorientiertem Arbeiten versteht.
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Fragen Sie sich schon bei der Rahmensetzung, was das Ziel einer Tätigkeit ist. Was wollen Sie mit der Verrichtung erreichen? Was bezwecken Sie damit? Dies hat den Vorteil, dass Ihre Gedanken auf das Ergebnis – ein Ziel – ausgerichtet sind. Realistisch – Beschränken Sie sich auf die Menge an Dingen, die Sie tatsächlich an einem Tag erledigen können! Eine alte Hausfrauenweisheit besagt: Man soll nie alle Fenster auf einmal putzen, man schafft es sowieso nicht. Sinngemäß enthält eine realistische Rahmensetzung nur das, was an einem Tag machbar ist. Bleiben Sie auf dem Teppich, denn wenn Sie schneller als gedacht vorankommen, können Sie immer noch anhand Ihres Pflichtenhefts weitere Verrichtungen für den Tag einplanen. Vielleicht erachten Sie es auch als lohnenswert, Ihren Ideenspeicher zu konsultieren. Zeitreserven kann man jederzeit auffüllen. Zeitknappheit lässt sich hingegen schwer korrigieren – es sei denn Sie verlängern den Arbeitstag oder kürzen die Mittagspause. Deshalb: Legen Sie keinen Übereifer an den Tag. Verfallen Sie nicht in einen blinden Aktionismus. Nehmen Sie sich nicht zu viel vor. Wenn Sie so vorgehen, werden Sie bis zum Abend alles oder zumindest einen großen Teil dessen, was Sie sich als Tagespensum vorgenommen haben, erledigen können. Das wird Sie für die weitere Arbeit stark motivieren. Je mehr Sie die gesetzten Ziele für erreichbar halten, umso mehr mobilisiert die Rahmensetzung auch Ihre Kräfte. Sie können sich voll und ganz darauf konzentrieren, diese Ziele zu erreichen. Wer sich hingegen übernimmt, tut sich keinen Gefallen. Stress und Frustration sind die unausweichlichen Folgen. Sollte an einem Tag besonders viel anstehen, kann es unter Umständen hilfreich sein, wenn Sie die Tätigkeiten in einen dringenden und einen weniger dringenden Bereich aufteilen. Letzterer lässt sich möglicherweise verschieben oder delegieren. Ihre Leitfrage bei der Vorbereitung sollte sein, ob Zeitbedarf und Zeitbudget einander entsprechen. Zu dieser Frage sollten Sie immer wieder zurückkehren. Beachten Sie auch, dass manche Tätigkeiten sich wie ein Gummi nahezu beliebig ausdehnen. „Die Dinge ziehen sich hin“, so verkündet man die längere Bearbeitungsdauer. Falls Sie diesem Gummi-Effekt vorbeugen wollen, sollten Sie grob festlegen, wie viel Bearbeitungszeit Sie für eine bestimmte Tätigkeit investieren möchten. Ihr Unterbewusstsein wird sich darauf einstellen und es besteht die Chance, dass Sie rechtzeitig zu einem Ergebnis kommen. Gewöhnen Sie sich deshalb an, gesetzte Zeitvorgaben einzuhalten. Wer keine Zeitlimits setzt, wird unter Umständen sein Zeitbudget über Gebühr strapazieren, vielleicht sogar verschwenderisch mit seiner Zeit umgehen. Reserven und Arbeitspausen – Ein guter Rahmen benötigt Raum für Ungeplantes, denn nicht immer läuft alles nach Wunsch. Legen Sie Ihre Tagesplanung flexibel aus! Rechnen Sie mit unvorhergesehenen Ereignissen bzw. Notwendigkeiten! Kalkulieren Sie Pufferzeiten mit ein, damit Ihr Plan nicht schon bei dem ersten außerplanmäßigen Vorkommnis aus dem Ruder gleitet! Das würde Sie unnötigem Zeitdruck aussetzen. Berücksichtigen Sie auch Pausenzeiten, um Ihren Akku wieder aufzuladen. Pausen bringen neuen Schwung. Wer Energie verbraucht, muss auch Energie tanken. Wenn es nach dem beflissenen John Steinbeck geht, ist „die Kunst des Ausruhens, ein Teil der Kunst des Arbeitens.“ Gut möglich, dass dieses Credo
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Wegbereiter für die großen Erfolge dieses amerikanischen Schriftstellers war. Lassen sie neben der großen Mittagspause auch Raum für kleinere „ZwischendurchPausen“, denn bereits kurze Pausen und etwas frische Luft helfen über Leistungstiefs hinweg. So oder so lassen Konzentration und Leistungsfähigkeit nach, wenn Sie längere Zeit ohne Unterbrechung arbeiten. Das kann sich auf die Qualität Ihrer Arbeit niedergeschlagen. Diese Gefahr sah wohl auch der römische Dichter Ovid, als er daran erinnerte: „Was ohne Ruhepausen geschieht, ist nicht von Dauer.“ Generell sollten Sie nicht mehr als 60–80% Ihres Arbeitstages mit Tätigkeiten ausfüllen. Etwa 10–20% sollten Sie für unerwartet auftretende Arbeiten, Probleme, Ablenkungen oder spontane Ideen reservieren. Die verbleibenden 10–20% können Sie für Pausen und Small-Talk (soziale Kommunikation, Gedankenaustausch) mit Arbeitskollegen nutzen. Starten Sie Ihre Gestaltungsarbeit mit dieser Faustregel. Gewinnen Sie damit Erfahrung und prüfen Sie nach einiger Zeit, welche Aufteilung für Sie am sinnvollsten ist (Abb. 34.1). Gleichartige Aktivitäten bündeln – Fassen Sie in Ihrer Rahmensetzung gleichwertige geistige Arbeiten zu Arbeitsblöcken zusammen! Sich von einer Aufgabenart auf eine völlig andere einzustellen, kostet Zeit – die „Umschaltzeit“. Schließlich muss man sich in die neue Arbeit oder Thematik erst einmal hineindenken, bevor man produktiv loslegen kann. Aufgabenpakete mit gleichartigen Inhalten verringern diese geistige Adaptionszeit. Das ist vergleichbar mit der Serienfertigung, bei der sich Verrichtungen gleicher Art hintereinander staffeln und effizient abgearbeitet werden. Gruppieren Sie auf diese Weise beispielsweise Ihre Telefongespräche, die Bearbeitung von E-Mails, Ihre schriftliche Korrespondenz, Ihre fachlichen Gespräche mit Arbeitskollegen und Einzelabklärungen. Sammeln Sie allen Lesestoff, den Sie nur kurz überfliegen wollen, und erledigen Sie dies „en bloc“ (z. B. Fachartikel, Projektdokumentationen, Berichte). Erledigen Sie weiterhin jegliche Detailaufgaben, Routinetätigkeiten und administrativen Dinge in einem Block. Sehen Sie in Ihrem Tagesprogramm ein geeignetes Zeitfenster für derart gebündelte Verrich-
Abb. 34.1 Eine empfohlene Zeiteinteilung für die Rahmensetzung
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tungen. Fassen Sie auch Arbeiten zusammen, die am gleichen Ort stattfinden, denn Wegzeiten sind meistens Leerzeiten. Unerledigtes – Ein spanisches Sprichwort besagt: „Morgen ist meistens der Tag, an dem am meisten zu tun ist.“ Ich weiß nicht, inwiefern dies mit der MañanaMentalität einiger südlicher Länder zusammenhängt, denn diese Tatsache macht an Grenzen keinen Halt. Jeder neigt dazu, unangenehme Angelegenheiten zu verschieben – am liebsten auf die lange Bank. „Aufschieberitis“ ist ein grassierendes Alltagsproblem. Oft sind es Kleinigkeiten – Anrufe, Gespräche. Manchmal steckt mehr drin – Schriftverkehr, Reklamationen. Wer im Aufschieben eine Tugend sieht, die einen vor Hektik und Zeitnot bewahrt, liegt völlig falsch. Alles was Sie jetzt nicht erledigen müssen Sie später tun. Und dieses Wissen wird zur Belastung. Unerledigte und aufgeschobene Dinge rauben Ihnen Energie, ohne dass Sie dies bewusst merken. Dinge auszusitzen, nichts tun nach der Devise „Irgendwas wird schon passieren! Irgendwer wird’s schon erledigen!“ ist keine Option. Die Angelegenheiten bleiben ungelöst liegen und verwandeln sich über kurz oder lang in Zeitdiebe. Einem gewissen Edward Young, seines Zeichens englischer Dichter, muss Zeit auf diese Weise gestohlen worden sein. Warum sonst hätte er seine Zeitgenossen vor selbigem Schicksal gewarnt: „Aufschub heißt der Dieb der Zeit.“ Warum zögern Sie? Was müssen Sie ändern, damit Sie sofort reagieren können? Okay, ich verstehe. Wie jeder Mensch hadern auch Sie mit unliebsamen oder kräftezehrenden Dingen. Deshalb mein Tipp: Falls sich mehrere solche Dinge aufgestaut haben, wählen Sie anlässlich der tagesbezogenen Rahmensetzung nur einen dieser „Aufschiebe-Kandidaten“ aus. Setzen Sie diese eine unliebsame Sache in Ihr Tagesprogramm und bringen Sie es hinter sich. Wenn möglich noch vor der Mittagspause. Das gibt Ihnen ein befreiendes Gefühl für die Nachmittags-Stunden – „Wieder ein Stein aus dem Weg geräumt!“ Den nächsten Stein wählen Sie am folgenden Tag aus. Auf diese Weise baut sich Ihr „Aufschiebe-Stau“ langsam ab – definitiv die verträglichste Art, mit Steinhügeln klarzukommen. Lassen Sie zukünftig nichts links liegen. Zögern Sie nicht, wenn es darum geht, schwierige oder unliebsame Dinge in Angriff zu nehmen. Sie müssen sich dann nie vorhalten: „Hätte ich doch gestern vorgesorgt, dann hätte ich heute ausgesorgt.“ Tagesbilanz – Sie können es tun, während der Eingewöhnungsphase – die bewusste Nachkontrolle. Am Ende des Tages Bilanz ziehen. Eine Rückschau, für die Sie nur wenige Minuten Zeit aufwenden müssen und die Sie bei Bedarf mit der Vorschau verbinden können – der Rahmensetzung für den nächsten Tag. Bei einem Tagesrückblick gleichen Sie Ihre vorab ausgearbeitete Rahmensetzung mit der Realität ab. Sie können Verbesserungspotential erkennen und Rückschlüsse für Ihre weitere Zeitgestaltung gewinnen. Der Sinn des Rückblicks besteht jedoch nicht in Selbstvorwürfen, sondern in konstruktiver Ursachenforschung. Nehmen Sie insbesondere Ihre Erfolge bewusst wahr, genießen Sie das Erreichte. Lassen Sie diese positiven Erfahrungen nicht unter den Tisch fallen. Erfolge bestätigen und sind Motivation. Gehen Sie die folgenden Fragen positiv an. Was habe ich besonders gut gemacht? Was waren meine Erfolge? Welche unerledigten Aufgaben muss ich für den nächsten Tag vorsehen? Warum konnte ich die eine oder andere geplante Angelegenheit nicht erledigen? Was will ich in Zukunft besser/anders machen?
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Habe ich mir zu viel vorgenommen? Habe ich mehr Zeit gebraucht als veranschlagt? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Habe ich den Tag als Ganzes erfreulich gestaltet? Nach einer gedanklichen Auswertung könnten Sie an die Disposition für den nächsten Tag gehen. Wann immer möglich, sollte man bereits am Vortag den Plan für den folgenden Tag aufstellen. Dies ist vor allem aus psychologischer Sicht sinnvoll; man spielt den nächsten Tag in Gedanken durch und verinnerlicht den geplanten Tagesablauf. In unserem Unterbewusstsein bleiben diese Gedanken verankert. Der nächste Tag ist also auch dann in unserem Verstand präsent, wenn wir nicht bewusst darüber nachsinnen. Diese unbewusste Verarbeitung, insbesondere während der Nachtruhe, führt dazu, dass wir bereits mit dem Tag vertraut sind, wenn er beginnt. Ein beruhigendes Gefühl – wir kennen den Tag und unser Unterbewusstsein hält womöglich schon die eine oder andere Idee zu den anstehenden Aktivitäten bereit. Der nächste Tag bietet in jedem Fall neue Chancen. Sehen Sie dies positiv, frei nach der Devise: „Neuer Tag, neues Glück!“
Kapitel 35
Hurra ich bin gerettet! – Die Zeit kann mich nicht mehr überholen
Endlich am Ziel! Sie sind gerettet! Die Zeit ist mit Ihnen. Sie meistern jede Situation. Mit Kampf und Krampf durch den Tag, saft- und kraftlos in den Feierabend – solchen Zeiten können Sie ab jetzt etwas äußerst Wirkungsvolles dagegenhalten: die Rahmensetzung. Sie dient der Ausgestaltung Ihres Tages und der Einteilung Ihrer Zeit. Das daraus resultierende „Storyboard“ ist von nun an Ihr stabilisierender Anker und Ihre führende Hand durch das raue Tagesgeschäft. Wegleitung statt Umleitung! So muss es sein. Die Vorteile einer Rahmensetzung sind gewichtig: Konzentration auf das Wesentliche und Berücksichtigung der aktuellen Prioritäten. Unterscheidung zwischen Wichtigem und weniger Wichtigem. Besserer Überblick und Klarheit über die Tagesanforderungen. Geordnete Ausführung und Rationalisierung durch Aufgabenbündelung. Selbstdisziplin in der Aufgabenerledigung und Reduzierung von Verzettelung. Gelassenheit bei unvorhergesehenen Ereignissen und weniger Stress. Steigerung der Leistungsfähigkeit und Möglichkeit der Selbstkontrolle. Erfolgserlebnisse am Tagesende, höhere Zufriedenheit und Motivation. Die Rahmensetzung gibt dem anstehenden Tag ein Gesicht. Sie haben den Verrichtungs-Durchblick – eine ungetrübte Sicht auf die Dinge, die heute vor Ihnen liegen. Sie haben realistische Tagesziele, die Sie erreichen können. Das sind die Leitplanken Ihres Handelns. Das ist definitiv die beste Art und Weise, mit der Sie sich auf den bevorstehenden Tag einstimmen können. Nur wer vorbereitet in den Tag startet, kann das Beste aus einem Tag machen – und nichts Geringeres haben Ihre Tage verdient. Es gibt alternative Ansätze. Aber es gibt sie nicht ohne Fallstricke. Wer sich in bester Ad-hoc-Manier durch die Tage treiben lässt, ist ein Getriebener. Wer sich ständig von der allgemeinen Hektik vereinnahmen lässt, während er sein Leben abspult, an dem geht das Leben glatt vorbei. Natürlich gibt es auch Lichtblicke bei der „spontanen Herangehensweise“. Spontanität ist nicht grundsätzlich schlecht. Sie hat ihre guten Seiten und deshalb lassen wir für sie in der Rahmensetzung Freiräume offen. Das ist wichtig. Aber wenn man bedenkt, wie kostbar der Tag ist, wer will ihn da noch mit einer unklaren Vorstellung beginnen und sich dann irgendwie durchschlingern? Ich zumindest fühle mich bei diesen Gedanken an die unstrittige Lebensweisheit von Willi Brandt erinnert: „Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu R. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6_35, C Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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gestalten.“ Ohne zu zögern kann ich nachlegen: „Der beste Weg, die Zeit für sich einzunehmen, ist, ihr einen Rahmen zu geben.“ Sie wissen, was ich meine. Sie sind nachhaltig gerettet, weil. . . – Ihre Rettung ist eine Dauerlösung, weil Sie von nun an abschalten können. Wie geht Abschalten – am Ende des Tages? Das eine ist, dass Sie am Arbeitsplatz klare und einhaltbare Vorgaben für den Tag aufstellen und alles dransetzen, diese zu erreichen. Sie haben dann am Ende des Arbeitstages keine unabgeschlossenen Arbeiten vor Ihrem geistigen Auge, die in Ihrem Kopf rumoren. Die andere Sache ist, dass Sie Ihren Verstand von all den Dingen befreien, die Sie abwickeln müssen oder potentiell einmal angehen wollen. Daran sollen Sie ab jetzt keine unnötigen Gedanken verschwenden. Das befreit sowohl Ihr Bewusstsein als auch Ihr Unterbewusstsein. Da können Sie voll und ganz abschalten. Sie sind dauerhaft gerettet, weil Sie von nun an Stress wirksam vermeiden können. Klare Gedanken und ein vorab strukturierter Tag sind die wichtigsten Mittel zur Stressvorbeugung. Stress ist etwas „Selbstgemachtes“ und Erfahrungen aus der Praxis belegen, dass fehlende Übersicht, mangelhafte Planung und ungenügende Disziplin die Hauptauslöser für Stress sind. Durch das Externalisieren können Sie einen dauerhaften Überblick über Ihre Pflichten erlangen. Die Rahmensetzung bringt mehr Selbstdisziplin bei der Aufgabenerledigung mit sich. Wer den Tagesablauf bewusst gestaltet, ist ganz klar im Vorteil und verringert das Stressaufkommen. Sie sind dauerhaft gerettet, weil Sie von nun an die besten Entscheidungen treffen. Dazu müssen Sie sich vor Augen halten: Alles was Sie tun – und sogar was Sie nicht tun – basiert auf Entscheidungen. Sie formen Ihr Leben einzig und allein durch Entscheide. Die Tage, Wochen, Monate und Jahre, die Sie durchleben, sind ein direktes Produkt Ihrer Entscheidungen. Abgesehen davon, welcher vernünftige Mensch würde schon an der Tragweite von Entscheidungen sägen, wenn diese Schützenhilfe von einer ranghohen Stelle erhalten: Von Seiten der Chefetage. Es ist die wohl griffigste Definition des Begriffs „Management“, die hier mauert. Demnach ist Management „der konstruktive Umgang mit Zielkonflikten und die Fähigkeit zur Entscheidung in deren Angesicht“. Ist das nicht eine wunderbare Brücke zu einer ebenso zielsicheren wie schnörkellosen Umschreibung eines fortschrittlichen Zeitmanagements? Demnach wäre Zeitmanagement „der konstruktive Umgang mit Zeitkonflikten und die Fähigkeit zur Entscheidung in deren Angesicht“. Ganz in diesem Sinne können Sie nach Ihrer Zeitrettung die bestmöglichen Entscheidungen treffen, was Ihre Pflichten und Ihre Zeit anbelangt. Es war schon immer so: Wer gute Entscheide treffen will, braucht klare Gedanken und muss seine Optionen kennen. Dafür steht Lean Time Management. Sie haben klare Gedanken – weil Sie externalisieren. Sie übersehen nichts – weil Sie ein Pflichtenheft und einen Ideenspeicher führen. Sie verzetteln sich nicht – dazu haben Sie Ihr Tagesprogramm. Es kann folglich nicht besser um Ihre allgemeine Entscheidungssicherheit bestellt sein. Ausgereizte Leichtigkeit: Leichter geht’s nicht – In der Kürze liegt die Würze, davon kann man mit Recht ausgehen – und so ist es auch beim Lean Time Management. Lean Time Management bringt eine deutliche Erleichterung
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in den Alltag. Die erste Rettungsmaßnahme – das Externalisieren – entlastet Ihre Gedankenwelt. Sie können Ihre volle Konzentration in die Arbeit stecken. Die zweite Rettungsmaßnahme – die Rahmensetzung – richtet Ihr Tagespensum auf die wesentlichen Angelegenheiten aus. Sie können den Tag optimal ausfüllen. Mit diesen beiden Maßnahmen behalten Sie die Oberhand über Ihre Pflichten und die Hoheit über Ihre Zeit. Auf eine äußerst schlanke Art und Weise kann der Lean Time Manager seine Arbeit und seine Zeit ganzheitlich und zielorientiert managen. Damit erzielen Sie schon kurzfristig Fortschritte – von den zeitreichen Stunden und den geistreichen Momenten, die Ihnen zukünftig blühen, ganz zu schweigen. Ich habe gelernt: Ein Mensch, der sich ernsthaft ein Ziel setzt und die entscheidenden Grundregeln beachtet, wird es auch erreichen. In unserem Fall ist das Ziel eine nachhaltige Zeitgestaltung. Und die beiden Grundregeln sind – na Sie wissen schon. In diesem Sinne: Möge die Zeit auf ewige Zeiten mit Ihnen sein.
Kapitel 36
Lean Time Management auf den Punkt gebracht – Eine klare Ansage für die Zeitgestaltung
Nach Ihrer Zeitrettung und noch bevor wir in andere Facetten des „Lean Time Management“-Kosmos eintauchen, erlaube ich mir ein kurzes Wort in eigener Sache. Es ist mir ein Anliegen, die vorausgegangenen Ausführungen über Ihre Zeitrettung auf einen Nenner zu bringen. Ihr Rettungspaket möchte ich im Sinne einer bestmöglichen Gesamtverständlichkeit mit knappen Worten reflektieren. Zudem will ich am Schluss dieser Rettungsmission auch mal quer denken. Einen Blick über den Tellerrand scheue ich nie. Bringt er doch oft neue Einsichten und kann in unserem Fall dem Lean-Gedanken zusätzliches Gewicht verleihen, Sie gegebenenfalls restlos überzeugen. In diesem Sinne will ich fremdgehen und Ihnen auf einem anderen Territorium die Kraft der Reduktion vor Augen führen. Wobei ich den rückbezüglichen Brückenschlag zur Zeitmanagement-Reduktion natürlich nicht unterlasse. Und da ist noch etwas: Ich kann es mir nicht verkneifen, Sie aufzuklären, Ihnen in einer kurzen Randnotiz die Geburtsstunden der beiden Rettungsmaßnahmen näher zu bringen und Sie an richtungsweisenden Entwicklungsschritten des Lean Time Management teilhaben zu lassen. Es ist eine Entstehungsgeschichte mit dem beschwingten Touch einer Charakterstudie. Doch lesen Sie selbst. Die Entdeckung des Lean Time Management – Den Ausschlag gaben zahlreiche Einzelgespräche, aus denen ich stets dasselbe heraushören konnte: Für viele lindert das „Zeitmanagement mit Vollausstattung“ die Zeitnot nicht nachhaltig, sondern wird selbst zum Teil der Zeitproblematik. Auch wenn vollausgestattete Ratgeber eine sofortige Zeitfülle in Aussicht stellen, wird den meisten schnell klar: Ganz so einfach funktioniert es dann doch nicht. Anhand solcher realer Beobachtungen fällt es einem immer schwerer, die „volle Ladung“ kritiklos stehen zu lassen. Genauso wenig soll man in verfahrenen Situationen gleich die weiße Fahne hissen und sich seinem Schicksal fügen. Vorschnell resignieren und einfach „nichts tun“ ist keine Lösung – war es nie und wird es nie sein. „Friss oder stirb“ kann man nicht mal einem Tier zumuten. „Alles oder nichts“ ist eine Milchmädchenrechnung. So zog ich für mich den Schluss, dass nur die Vermeidung dieser beiden Extreme zielführend ist. Schließlich will ich nicht polarisieren. Beigebracht hat man mir auch: Innovationen erzielt nur, wer etwas infrage stellt und scheinbar bewährte, aus Tradition überlieferte Muster zum Bilanzziehen herausfordert. Warum also nicht wachrütteln? Warum nicht auf die Bremse treten, R. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6_36, C Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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anstatt in Prinzipkonstruktionen, Rezeptsammlungen, Zauberformeln, Trickkisten und Regelwerken gefangen zu sein? Warum nicht alles rückhaltlos auf den Prüfstand stellen? Man kann ja nach besseren Lösungen suchen. Man kann neue Kombinationsmöglichkeiten ausloten. Die Essenz fassen, sich aufs Wesentliche beschränken und dem Schönheitsschmuck traditioneller Lehren durch schnörkellose Funktionalität Paroli bieten – das ist einen Versuch wert. Selektiv vorgehen und gezielt auswählen – das scheint der produktivere Weg. Das ist das Erfolgsrezept der Natur – die Auslese, aus der unter anderem der Mensch gestärkt hervorging – auf das Zeitmanagement übertragen. Und es war die Morgenröte der ZeitmanagementReduktion. Ich habe mich dieser Herausforderung gestellt. Ich hab Neuland betreten. Ich bin allen möglichen Komplikationen auf den Leib gerückt, hab zahlreiche Versuche unternommen und in den verschiedensten Personenkreisen und Einsatzgebieten immer wieder Nachbetrachtungen durchgeführt. Gründe für Misserfolge wie für Erfolge analysiert. Ich sagte mir: „Wenn man ein Risiko eingeht, kann man verlieren. Aber wenn man kein Risiko eingeht, verliert man auf jeden Fall!“ Also hab ich‘s getan: Alles an die Wand geworfen und geschaut, was kleben bleibt. Es waren zwei Dinge. So konnte ich rigoros die Spreu vom Weizen trennen. Und das hat mich in eine neue Fahrspur gebracht, hat mich zu einem schlanken Weg geführt, welcher letztlich in der Konkretisierung des „Lean Time Management“ mündete. Der Völlerei konnte ich schon vorher nichts abgewinnen, nun habe ich ihr auch beim Zeitmanagement entsagt. Dabei habe ich eines immer im Blick behalten: Die Erfolgsaussichten von „Zeitsanierungen“ sind untrennbar mit der Qualität der ihnen zugrunde liegenden „Sanierungskonzepte“ verbunden. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Aber Sie wissen ja wie das ist. Manchmal sind es gerade die selbstverständlichen Dinge, die sich unbemerkt vom Radarschirm verabschieden. Ihre Offensichtlichkeit, ihre Banalität wird ihnen zum Verhängnis, wenn der Geist sich erstmal in komplexeren Sach-Sphären verfängt. Nicht so bei Lean Time Management. Obige Erfolgsgrundlage war für mich immer die unabdingbare Richtschnur. Ein Kontrollpunkt auf den ich in regelmäßigen Abständen zurückgekommen bin. Diesbezügliche Konstruktionsmängel hätte ich nicht toleriert. Die Mechanismen des „Lean Time Management“ sind schnell aufgezählt. Erstens das Outsourcing: Befreien Sie Ihre Gedanken und externalisieren Sie Ihre Pflichten und behaltenswerten Ideen in einer aussagekräftigen Zusammenstellung. Nutzen Sie diese verlässliche Übersicht, um alle anstehenden Anliegen ausgewogen voranzutreiben. Zweitens das Storyboard: Gestalten Sie Ihre Tage pro-aktiv! Geben Sie jedem Tag einen Rahmen! Ziehen Sie Nutzen aus der gedanklichen Vorwegnahme des Tagesgeschehens, indem Sie den Tagen eine Richtung geben und sich somit Stück um Stück Ihren größeren, langfristigen Zielen und Absichten nähern. Eine klare Ansage für die Zeitgestaltung – Das ist es! Diese zwei Dinge machen den Unterschied. Das sind die beiden Axiome der kopernikanischen Wende beim Zeitmanagement. Perfekt gelangen darin Inhalt und Bestimmung zur Deckung. Das war zumindest das angestrebte Ziel. Eine gelungene Verbindung
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von Prägnanz, Durchschlagskraft und nachhaltiger Wirkung. Ein fein austariertes Destillat. Ein wunderbar einfaches Konstrukt, welches Sie von manchem Meter Zeitmanagementfachliteratur befreien kann. Ein Zeitmanagement mit Happy End. Bei Lean Time Management gibt’s eine genauso klare Linie wie bei Sethos I. Wie? Wer? Sethos I? Ach so, ein ägyptischer Pharao der zwischen 1290 und 1279 v. Chr. regierte. Als er im Alter von 33 Jahren alleiniger Regent über das weite Land am Nildelta wurde, stand er vor der Herausforderung, das ägyptische Reich zu alter Größe zurückzuführen. Seine Amtsvorgänger, gestandene Pharaonen von Echnaton bis Tutanchamun, gaben allesamt keine gute Empfehlung ab. Sie haben sich oft heillos verrannt, meist völlig verzettelt und sind immer wieder kläglich gescheitert. Da war nichts mit „kam, sah und siegte“. Viel eher hatte Ägypten durch sie im Laufe der Zeit an Boden verloren und Macht eingebüßt, weshalb man ungeniert auch von der „Herrschaftsdauer der Sünde“ sprach. Mit Sethos jedoch wendete sich das Blatt. Es gab also auch hier eine Wende – zum Besseren. Sethos ging anders vor und nannte sein erstes Regierungsjahr „Wiedergeburt Ägyptens“. Er setzte lediglich auf zwei bewährte Maßnahmen. Welch Zufall, diese Parallele zu Lean Time Management! Seine Maßnahmen waren: Erobern und Bauen. Beide Stoßrichtungen ergänzten sich wunderprächtig. Ein noch größerer Zufall, diese weitere Analogie zu unserer Rettungsmission! Er eroberte die nahöstlichen Gebiete zurück und sorgte durch Gefangennahme gegnerischer Soldaten für stetigen Nachschub an Zwangsarbeitern für seine Bauprojekte. So konnte er sein Ziel erreichen und den glorreichen Status-quo der Großnation wieder herstellen. Mit nur zwei ineinandergreifenden Maßnahmen wohlgemerkt! Erinnert Sie das an etwas? Nun stellen Sie sich das Gesicht und die Reaktion dieses taktisch klug vorgehenden Gewinnertypen vor, wenn man ihm bei seiner Amtseinsetzung eine „Herrscher-Bibel“ mit „111 Tipps&Tricks für eine blühende Regentschaft“ übergeben hätte. Ein kolossales Werk für den frisch gekürten Machthaber. Wie hätte er diesen Brocken verdaut? Wie hätte er diese Puzzleteile zusammengesetzt? Wie wäre er da vom Fleck gekommen? Wie würde er mit diesem Patchwork-Führungsstil in die Erfolgsspur finden? Höchstwahrscheinlich wäre er erstmal orientierungslos umhergeirrt. Vielleicht hätte er sein Ziel aus den Augen verloren. Vermutlich hätte er sich irgendwann komplett verhauen. Von einer klaren Ansage und einer zielsicheren Marschroute weit und breit keine Spur. Selbst wenn er sich richtig reingekniet und alles gegeben hätte, wäre das noch lange keine Erfolgsgarantie. Dies zumindest legt uns ein Gedanke nahe, den Günter Radtke, Mitbegründer der illustrierten „Stern“, ins Spiel brachte und der eine menschliche Schwäche treffend zur Sprache bringt: „Der Mensch ist ein zielstrebiges Wesen, aber meistens strebt er zu viel und zielt zu wenig.“ Schwerpunkte setzen, dass hat sich für unseren famosen Rückeroberer ausgezahlt. Reduktion, damit hatte er Erfolg. Sonnenklar war für ihn: Dort wo der Fokus ist, ist die Energie. Dort wo die Konzentration auf das Wesentliche ist, ist die Durchschlagskraft. Dieses glanzvolle Beispiel macht Mut, ist ganz im Sinne von Pareto und hat einen langen Atem, der bis in unsere Zeit wirkt. Prioritäten setzen, Kräfte bündeln, Anstrengungen straffen, dass ist heute aktueller denn je.
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Insbesondere beim Zeitmanagement, denn wenn der Preis der Zeit steigt, wenn die Zeit immer höher im Kurs steht, gewinnen die Konzepte und Mechanismen nach denen sie verwaltet wird an Bedeutung. Hinzu kommt: Je umfangreicher unser Spektrum an beruflichen wie privaten Pflichten ist, desto dringlicher wird es, die Zeitgestaltung auf ein solides Fundament zu stellen. Da muss Griffigkeit her. Antriebsstark muss es sein. Unmittelbar ins richtige Fahrwasser und auf direktem Weg zum Ziel. Ein effektives Zeitmanagement mit einer nachhaltigen Zeitgestaltung ist Ihr Ziel ist? Fokussieren Sie. Setzen Sie auf zwei durchdachte und zugkräftige Maßnahmen: Externalisieren und Rahmensetzen. Die Idee von Lean Time Management ist extrem praktisch und an Einfachheit nicht zu überbieten. Eine kompakte Lieferung. Lean Time Management läutet das „Zeitmanagementeinsparen“ ein. Lean Time Management ist die Heilslehre für die nächste Zeitmanagement-Epoche – mit einem erfreulichen Nebeneffekt: Menschen, die ihre Arbeit vernünftig organisieren, haben einfach mehr Spaß an der Arbeit und mehr Freude am Leben! Lean Time Management anzuwenden bedeutet Klarheit inmitten der Verwirrung, Kontrolle im Augenblick des Chaos, Ruhe im Angesicht der Hektik. Diese Attribute sind die so wichtigen Beiträge zu Ihrem Lebensverlauf, die Lean Time Management leisten will und leisten kann. Frei nach dem erfolgsausgerichteten Motto „Finde deinen Stil und ziehe ihn durch“ will ich Ihnen abschließend nahe legen: Machen Sie Lean Time Management zu Ihrem Zeitmanagement-Stil – und ziehen Sie es durch!
Teil VI
Die größten Irrtümer rund um die Zeit – und typische Zeitfallen
Kapitel 37
Das bringt Ihre größeren Aufgaben auf Vordermann – Freie Sicht auf die bevorstehenden Verrichtungen
Jetzt, da Ihre Zeit gerettet ist, sind Sie bestens auf neue Herausforderungen vorbereitet. Da fällt es Ihnen leichter, sich folgenden Tageseinstieg vorzustellen: Sie kommen eines Morgens in Ihr Büro und auf einem Blatt vor Ihnen steht: „Unsere Firma für die neue ISO-Qualitätszertifizierung vorbereiten.“ Oha! Eine mächtige Aufgabe. Die können Sie natürlich nicht an einem Tag erledigen – selbst dann nicht, wenn Sie alles andere stehen und liegen lassen. Was nun? Klar, der Entscheidungsvorgang aus der ersten Rettungsmaßnahme ruft. Soviel steht fest: Sie haben eine neue Pflicht und vermutlich werden Sie diese in Ihrem Pflichtenheft unter der Rubrik „Aufgaben/Projekte“ vermerken – es wäre ja zu schön, wenn man alles delegieren könnte. Dieser kurze Eintrag im Pflichtenheft ist die eine Sache. Die andere Sache ist Ihre Folgereaktion: „Hurra! Ich habe eine große Aufgabe. Und wie geht‘s jetzt weiter?“ Der Stolperstart: Es bleibt immer holprig – Nun, Sie könnten sich natürlich gelassen zurücklehnen und denken: „Das krieg ich schon irgendwie gebacken! Wird schon werden!“ Fahrlässig, sag ich. Ein andere Möglichkeit ist, dass Sie sich in bester Ad-hoc-Tradition der napoleonischen Devise bedienen, die da lautet: „On s’engage et puis on voit!“ Frei übersetzt heißt das soviel wie: „Man fängt einfach mal an, und dann sieht man schon, was man machen kann!“. Vorsicht! Dieses einfach gestrickte „Drauf-los-legen und sich dann irgendwie Durchwursteln“ wird der heutigen Realität kaum gerecht. Diese Haltung umschreibt die vermutlich am weitesten verbreitete Umsetzungs-Philosophie und ist mitverantwortlich für nicht eingehaltene Termine, unerfüllte Zielvorgaben, ausufernde Kosten und einen unverhältnismäßig hohen Arbeitseinsatz, mit nervös durchgearbeiteten Tagen und Nächten kurz vor dem Abschluss. Vielleicht haben Sie auch schon davon gehört? Vom Parouzzi-Prinzip? Von der Feststellung, dass sich angeblich nach einem schlechten Start die Probleme sofort im Quadrat vermehren? Damit ist gemeint, dass Fehler, die in der „Startaufstellung“ gemacht werden, für einen Summationseffekt sorgen, bei dem sich die Ungereimtheiten fortpflanzen und potenzieren. Damit ist auch gemeint, dass wenn am Anfang Verständnislücken und Missverständnisse auftauchen und nicht sofort beseitigt werden, dies Probleme für die gesamte Zukunft des Vorhabens generiert. So ist es in der Tat. Das lässt sich nicht wegdiskutieren. Die Art und Weise, wie Sie eine Sache anpacken, hat einen wesentlichen Einfluss auf die Erfolgsaussichten. Die ersten R. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6_37, C Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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VI Die größten Irrtümer rund um die Zeit
Meter sind wegweisend. Die frühen Phasen entscheiden maßgeblich über Erfolg und Misserfolg einer Aufgabe. Auf einem wackeligen Fundament kann man kein stabiles Haus bauen. Da erwischen wir besser den guten Start und lassen den schlechten links liegen. Vorsehen sollten wir deshalb eine mehr oder weniger ausführliche Strukturierungsphase. Eine mehr oder weniger intensive Einstiegshandlung, in welcher Sie sich gedanklich mit einer Aufgabe auseinandersetzen. Sei es, dass Sie lediglich Anhaltspunkte für Vorabklärungen sammeln: Was wird erwartet? Was muss ich konkret in dieser Sache unternehmen? Und gleich noch eine Frage, damit Sie die Aufgabe angehen können: Was ist der erste Schritt zur Umsetzung dieses Vorhabens? Der Minimalstart: Klarheit über die unmittelbar bevorstehende Verrichtung – Viele Angelegenheiten muten auf den ersten Blick zwar völlig unkompliziert an, sind es aber nicht. Es hat den Anschein, als komme man bereits in einem Arbeitsgang zum Ergebnis. Aber bei genauerem Hinschauen oder in dem Moment, in dem man sich an die Arbeit machen will, entpuppt sich dies als Trugschluss. „Da hängt doch mehr dran“, ist die unerwartete Einsicht. Deshalb macht es durchaus Sinn, dass Sie sich bei einer neuen Aufgabe fragen: Wie packe ich die Aufgabe an? Was kann ich tun, um sinnvoll in die Aufgabenerledigung einzusteigen? Identifizieren Sie konkrete physische Verrichtungen als Ausgangsbasis. Suchen Sie nach möglichen Initialhandlung um diese Angelegenheit zu erledigen. Angenommen als Aufgabe steht an: „Eine Vertriebsleiterkonferenz für das deutschsprachige Verkaufsgebiet organisieren“. Da wäre es wenig hilfreich, wenn Sie notieren: „Veranstaltung durchführen“. Das ist einfach nur schwammig, sehr vage gehalten, nichts sagend. Wie wird die Veranstaltung vorbereitet? Wer wird eingeladen? In welcher Örtlichkeit findet sie statt? Wie lautet das Programm? Erst diese Fragen ergeben Anhaltspunkte für konkret auszuführende Bearbeitungsschritte. Eine erste plausible Verrichtung wäre demnach: „Teilnehmerkreis festlegen und einzuladende Personen benennen.“ Eine Verrichtung sollte immer so formuliert sein, dass Sie eine physisch ausführbare Einzelmaßnahme beschreibt. Beispiele für typische Einstiegsszenarien sind: Weitere Informationen einholen, damit man die Zielvorgaben konkretisieren und die an das Ergebnis gestellten Anforderungen ausloten kann. Die Aufgabe präziser abgrenzen, indem man zusammen mit dem Vorgesetzten den Untersuchungsbereich festlegt und den Aktionsradius absteckt. Sie legen sich in diesem Moment jedoch noch nicht darauf fest, wann Sie dies tun. Dies geschieht erst im nächsten Abschnitt unserer Rettungsmission, der zweiten Maßnahme Ihrer Zeitrettung – dem Storyboard für den Tag. Deutlich wird an dieser Stelle: „Was tue ich?“ und „Wann tue ich es?“ sind zwei getrennte Fragestellungen. Ganze im Sinne des „Teilens und Herrschens“. Was durchaus vorkommen kann: Sie sind sich in einer Sache unsicher, können nicht abschätzen, was genau erwartet wird oder was als nächstes zu tun ist. Solche Dinge werden vorschnell als „unklar“ abgestempelt und landen erst mal auf dem Abstellgleis. „Auf die Seite damit!“, sagt man sich. „Keine gute Lösung!“, sage ich. Wer weiß, wann das wieder hochkommt und mit welcher Wucht es Sie dann trifft. In
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einem solchen Fall müssen Sie einen Platzhalter vorsehen, der auf eine Aktion verweist. Sie müssen etwas unternehmen, um hier eine Klärung herbeizuführen. Ihre nächste Verrichtung fällt unter das Stichwort „Auftragsklärung“ und lautet sinngemäß: „Abklären, was die Angelegenheit genau bedeutet und welche Verrichtungen sich daraus ergeben.“ Ein anderes weitsichtigeres Startmuster sieht vor, dass man als erstes über den geeigneten Weg nachsinnt, mit dem man eine Aufgabenstellung abwickeln kann. Im gleichen Atemzug legt man sich einen Plan zurecht. In diesem Fall ist die erste Verrichtung rein planerischer Natur. Man will ein deutliches, ganzheitliches Bild über die weitere Vorgehensweise und den Gesamtablauf erhalten – einen „Angriffsplan“. Der Kreativstart: Aufgaben ideenreich anschubsen – Möglicherweise stehen auch Sie gelegentlich vor einer Aufgabe, bei der Sie hin und her überlegen, ständig Ideen einschieben und immer wieder verwerfen. Je länger Sie darüber nachdenken, desto aussichtsloser erscheint dieses Wechselspiel der Gedanken und desto tiefer fallen Sie in ein Wechselbad der Gefühle. Die Grübelei führt nicht weiter. Sie treten auf der Stelle. Stopp! Wie wär’s mit einem Quereinstieg? Was wäre, wenn sich Ihre Überlegungen nicht nur um den Start einer Aufgabe drehen, sondern der Gedankenraum weiter gefasst ist? Was wäre, wenn sich Ihre Gedanken an einem beliebigen Punkt der Aufgabe austoben könnten? Was wäre, wenn Sie die Perspektiven wechseln würden und die Aufgabe aus verschiedenen Blickpunkten betrachten? Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Ihren Verstand anregen und neue Impulse auslösen können. Der Perspektivenwechsel: Wie denkt wohl Ihr Chef über diese Aufgabe? Wie sehen Ihre externen oder internen Kunden die Aufgabe? Was denken die Lieferanten darüber? Was zählt für die jeweiligen Beteiligten? Was ist für sie wichtig und was unwichtig? Der Zeitwechsel: Ihre Überlegungen müssen nicht in starrer Linearität auf den Anfang einer Aufgabe ausgerichtet sein. Umkreisen Sie das Thema spielerisch. Bewegen Sie sich zwischen den gegensätzlichen Polen „Low-End“ und „High-End“. Entwerfen Sie extreme Szenarien. Wie könnte die einfachste Lösung aussehen – die Minimallösung? Wie könnte die kostengünstigste Lösung aussehen? Wie die zeitaufwendigste Lösung – die Optimallösung? Wie würde die Lösung aussehen, wenn Sie das Ziel der Aufgabe umdrehen würden: Mit welchen Produkteigenschaften hätten wir den geringsten Markterfolg? Der Stellungswechsel: Greifen Sie auf bekannte, ähnlich gelagerte Situationen zurück. Haben Sie schon gleichartige Aufgaben erledigt? Oder haben Sie mitbekommen, wie Bekannte in Ihrem Arbeitsumfeld in vergleichbaren Situationen vorgegangen sind? Gibt es Vorreiter, die beim aktuellen Thema schon mal aktiv geworden sind? Werfen Sie einen Blick auf die Konzepte von ähnlichen oder vorausgegangenen Arbeiten, damit Ihre Gedanken neuen Schwung erhalten. Lassen Sie Ihren Gedanken freien Lauf. Werfen Sie mit lockerer Schreibe Ihre Einfälle auf Papier. Notieren Sie alle Stichwörter. Gehen Sie vollkommen unstrukturiert und ohne jegliche Wertung vor – nicht Qualität zählt, sondern Quantität. Sie können später über das reflektieren, was Sie hervorgebracht haben.
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VI Die größten Irrtümer rund um die Zeit
Der Optimalstart: Ein „Angriffsplan“ als hilfreicher Einstieg – In der Tat ist es so, dass heute viele Aufgabenstellungen vorbereitender Arbeiten bedürfen. Ein grober Plan muss her. Planen ist eigentlich etwas Einfaches. Beim Planen tut man nicht, sondern überlegt, was man tun könnte. Man denkt über mögliche Aktionen nach, führt sich die Konsequenzen der Aktionen vor Augen und prüft, ob sie eine Annäherung an das gewünschte Ziel erbringen. Wenn einzelne Aktionen dies nicht tun, bildet man längere Aktionsketten. „Erst den Bauer auf D4, dann muss er mit dem Läufer sein Dame decken, und dann kann ich mit dem Springer. . .“, so mag ein Ausschnitt aus einem Planungsprozess bei einem Schachspieler aussehen. Beim Planen für eine größere Aufgabenstellung entstehen mehr oder minder lange Sequenzen von gedachten Aktionen. In Gedanken setzt man Schritt an Schritt und hat irgendwann einen klaren Weg vom Startpunkt bis zum Ziel vor sich. Es ist unerheblich, ob Sie auf Papier planen oder mit dem Computer. Hauptsache ist, dass die Planung ungezwungen vonstatten gehen kann und Sie in Ihrer Kreativität nicht gehemmt werden. Aus der Planung resultiert eine Liste von aufeinander aufbauenden Verrichtungen, die Sie einem geforderten Endzustand näher bringt. Vergleichbar mit einem Projektplan, nur wesentlich einfacher gestrickt – durchaus mal handgestrickt. Aber in jedem Fall zielführend. Wie auch immer Sie in eine Aufgabe einsteigen – durch vorbereitende Abklärungen, durch eine planerische Initialhandlung und ganz allgemein durch die Festlegung der nächsten Einzelschritte gewinnen Sie wichtige Einsichten. Sie können die Aufgabe besser greifen und stabiler umsetzen. Das baut Einstiegsbarrieren ab. Das macht Mut. Den hatte offensichtlich auch Horaz gefunden um bei jeder passenden Gelegenheit laut und deutlich zu verkünden: „Wer begonnen hat, der hat schon halb vollendet.“ Des Volkes Mund hat dafür seine eigenen, direkten und unmissverständlichen Worte gefunden, die ich Ihnen ebenso ans Herz legen kann: „Mit einem guten Anfang ist schon die Hälfte geschafft.“ Aufgabe versus einzelne Verrichtungen, ein anschauliches Beispiel – Geht es Ihnen nicht auch so: Hin und wieder packt einen der Veränderungstrieb. Gut möglich ist es da, dass wir an einem schönen Frühlingstag mehr Farbe in unser Leben bringen wollen. Die weißen Türen in der Wohnung haben uns nun lange genug gelangweilt. Jetzt wollen wir es bunt! Eine peppige Farbe muss her! Das ist die neue Aufgabe: Türen streichen. Wie gehen wir vor? Nun, als erstes besorgen wir uns von einem Maler Farbwahlkarten, um eine passende Farbe auszuwählen. Als nächstes kaufen wir die Farbe und weiteres Verbrauchsmaterial – Pinsel, Roller, Abdeckband etc. Dann richten wir einen Arbeitsraum her. Bevor wir die Türen streichen, entfernen wir die Beschläge – die Drückergarnituren. Und da wir nicht alle Schrauben von Hand lösen wollen, stellen wir rechtzeitig vorher sicher, dass der Akku unseres Elektroschraubers geladen ist. Das Streichen der Türen geschieht in mehreren Arbeitsgängen: Zuerst die Türen schleifen, damit der neue Lack haftet. Dann den ersten Anstrich auftragen und trocknen lassen. Anschließend der Deckanstrich. Gleiches gilt für die Türzargen – schleifen, ein erstes Mal streichen, ein zweites Mal streichen. Wenn die Farbe trocken ist, wird zusammengebaut. Türen wieder einhängen und die Beschläge anbringen. Dann geht‘s ans Aufräumen. Die Abfälle sind wir schnell los – ab damit zur
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Recyclinganlage. Und die zu viel eingekaufte Farbe geben wir beim Maler zurück. Fertig. Das war’s. Wenn wir die Aufgabe „Türen streichen“ erledigen, führen wir die folgenden Teilschritte – „Verrichtungen“ – nacheinander aus: Farbwahlkarten besorgen. Den Akku des Elektroschraubers laden – der ist nämlich immer genau dann leer, wenn man ihn mal braucht. Farbe und Arbeitsmaterial einkaufen. Arbeitsraum einrichten. Beschläge der Türen abmontieren. Türen und Türzargen anschleifen. Erster Anstrich der Türen und Türzargen. Zweiter Anstrich der Türen und Türzargen. Beschläge der Türen montieren. Arbeitsraum aufräumen. Abfälle entsorgen. Überzählige Farbeimer retournieren. Endlich, alles erledigt! Dieses allgemein verständliche Beispiel ist eine gute Illustration dessen, was in einer Aufgabe drinstecken kann. Wer allzu vorschnell urteilt, wird schnell eines Besseren belehrt, wenn’s konkret wird und losgeht. Viele Aufgaben sind heute so ausgelegt, dass der erste Schritt nicht schon in Richtung Lösungsfindung und Ergebnis geht, sondern eher der Auftragsklärung dient. Komplexität, Abstraktheit und das arbeitsteilige Geschäftsleben, aufgrund dessen immer häufiger Dritte eingebunden werden müssen, fordern ihren Tribut. Deshalb ist es in den meisten Situationen sinnvoll, dass man sich bei einer neuen Aufgabe umgehend Klarheit über die nächsten Verrichtungen verschafft. Im Stile einer „Steuererklärung auf dem Bierdeckel“ entspräche das einer „Grobplanung auf der Ansichtskarte“.
Kapitel 38
Der missverstandene Leistungsgedanke – Warum nicht harte Arbeit, sondern die richtigen Ergebnisse entscheidend sind
„Sie sind der Meinung, das war spitze!“ Sollten wir nicht alle Hans Rosenthals Ausruf folgen und dalli dalli von Spitzenleistung zu Spitzenleistung ziehen? Nein, so hatte es das stets fröhliche „Hänschen“ – wie er seinen Anhängern in Erinnerung blieb – sicher nicht gemeint. Untrennbar ist dieser Freudenausbruch mit dem begnadeten Entertainer verbunden. Wenn die Sirene ertönte, zeigte der Showmaster Einsatz und sprang begeistert in die Höhe. Unvergessen ist dieses Markenzeichen noch heute: eben jener Luftsprung mit dem bereits zitierten Freudenschrei, in den das Publikum am Ende einstimmte. Das hat ihm keiner nachgemacht. Das kann uns immer noch anspornen. Aber zu was anspornen? „Zu Spitzenleistungen natürlich!“, werden Sie vielleicht instinktiv entgegnen. Klar doch! Jeder ist gern mal spitze. Was beim Sport spektakuläre Erfolge beschert, kann auch im Berufsleben zünden und ein Karrierefeuerwerk entfachen. Andere sollten da besser in Deckung gehen, wenn die Rakete Funken sprühend in die Höhe steigt. In diese Denke kann man sich schnell hineinsteigern. Manche Unternehmen heizen diesen Leistungstrieb an – sind vielleicht sogar die heimlichen Verursacher. Sie suchen Spitzenkräfte und erheben Höchstleistungen zum Credo. Da heißt die Unternehmensdevise „Einen Gang höher schalten!“ und hängt plakativ über den Köpfen der Mitarbeiter. „Wieder mal!“ werden die meisten denken und spätestens jetzt ist jedem klar: Man kann alles auf die Spitze treiben! Nur was hier eigentlich auf die Spitze getrieben werden soll, ist keineswegs klar. Soll man etwa blindlings jeder Spitzenleistung hinterherrennen und wie von allen guten Geistern verlassen das tägliche Arbeitspensum abspulen? Was genau wird denn erwartet, wenn Höchstleistungen eingefordert werden? Von was ist die Rede, wenn man noch mal eine Schippe drauflegen soll? Die Auffassungen könnten unterschiedlicher nicht sein. Geschwindigkeit zählt – Der eine sieht in der Spitzenleistung so etwas wie eine beschleunigte Arbeitsleistung. Er ist der schnelle Sprinter unter den Spitzensportlern. Für ihn ist einzig und allein die Arbeitsgeschwindigkeit erfolgsentscheidend. Er befindet sich im fortwährenden Wettlauf mit der Zeit. Die Zeit ist sein Gegenspieler. „Zügiges Arbeiten beschleunigt gleichermaßen meine Karriere“, denkt er sich. „Arbeiten im Akkord!“, lautet deshalb sein Credo. Ständiges Gasgeben ist die Konsequenz. Voll und ganz dem Temporausch ist er erlegen. Gibt immer Vollgas und ist ständig auf der Überholspur unterwegs. Zieht mal links und R. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6_38, C Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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VI Die größten Irrtümer rund um die Zeit
ein andermal rechts an seinen Kollegen vorbei. Wahrlich, er ist der Temposünder unter den Spitzenleistern. In seinem Geschwindigkeitsrausch nimmt er’s sowieso nicht immer genau mit der Spurtreue. Verzichtet auf Geradlinigkeit. Reißt mal den einen oder anderen Schlenker. Mal eilt er hierhin und mal dorthin. Und in diesem hektischen Treiben steht er nicht allein, denn in den industrialisierten Ländern wird uns die zeitgetaktete Spitzenleistung quasi in die Wiege gelegt. Das Leistungsempfinden ist dort an die Normen einer Kultur mit schnellem Tempo angepasst. In vielen Fällen kann man von einem intrinsischen Leistungszwang dieser Industrienationen sprechen. Rapido muss es gehen. Allgemeine Hektik breitet sich aus, im hochentwickelten Ländle. Menge zählt – Ein anderer hat bei der Spitzenleistung die schiere Menge im Kopf. In einem seiner früheren Leben hat er am Turmbau zu Babel mitgewirkt. In der Tierwelt findet er im Packesel sein Pendant – nicht wegen dem Esel, sondern wegen seiner vorbildlichen Eigenschaft als Lastenträger. Er ist der Meinung, dass stapelweise Arbeit ein Garant für den ultimativen Karrierekick ist. Wer viel erledigt, erreicht mehr. Deshalb hat er immer viel um die Ohren. Sonnenklar sieht er den Berg vor Augen, der sich da vor ihm auftürmt. Da wird hochgestapelt, bis der Stapel schließlich die gefühlte Höhe des Mount Everest erreicht. Wenn ein solch gewaltiges Programm wieder mal vor ihm liegt, hält er sich an die Strategien der Bergsteiger: „So meistere ich die Eigernordwand!“ In gewohnter Manier spult er ein großes Arbeitspensum ab. Er versetzt Berge, weiß aber oft nicht, worauf es ankommt. Er legt sich mächtig ins Zeug. Wo andere vor lauter Arbeit ins Bodenlose abstürzen oder im Meer ertrinken, fühlt er sich pudelwohl. Das ein oder andere erledigt er zudem aus einem ganz einfachen Grund: damit es gemacht ist. „Einer muss es halt machen“, urteilt er immer wieder. Wenn’s sonst keiner macht, dann ist er da. Konsequenterweise packt er überall mit an. Er übernimmt immer wieder einen kleinen Extra-Job für den Kollegen. Er tut anderen öfter einen winzigen Gefallen. „Die Menge macht’s!“, das ist schließlich sein Leitspruch. „Masse statt Klasse“, vielleicht die Folge daraus. Zeiteinsatz zählt – Der Dritte und Letzte im Bunde reduziert die Spitzenleistung auf seine Arbeitszeit. Wer viel Zeit investiert, wird reichlich belohnt – so sieht er die Sache. Damit trifft er vielleicht nicht den Nagel auf den Kopf, aber den Zeitgeist, den trifft er allemal. Mit dieser Hypothese steht er alles andere als alleine auf weiter Flur. Viele Manager behaupten mit Stolz, sie arbeiten 60–80 Stunden in der Woche. Das mag vielleicht achtenswert erscheinen. Das ist aber kein nachhaltiger Zustand, denn jene arbeiten immer dichter an der Grenze des Überlastungszustandes. Arbeiten bis zum Umfallen. Aber bleiben wir bei unserem Dauerbrenner. Bei ihm geht immer was. Manchmal sogar von frühmorgens, bis spätabends. Sportlich vergleicht er sich mit einem Marathonläufer und sucht die Teilnahme an 24-Stunden-Rennen. Das mit der Zeitbetrachtung ist allerdings so eine Sache. Arbeitszeit und Anwesenheitszeit addieren sich vielleicht zum gewünschten Soll, sind aber freilich zwei Paar Schuhe. Die Spitzenleistung hat viele Gesichter – Da liegen sie also vor uns ausgebreitet, die Facetten der Spitzenleistung. Ein vortreffliches Leistungspotpourri, aus dem man sich nach Lust und Laune bedienen kann. Spitzenleistungen sind heute in vielerlei Hinsicht möglich. Wir können eine Fülle von Aufgaben parallel bearbeiten,
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auf Veränderungen schnell reagieren, Dinge rasch vorantreiben und richtig viel Zeit für unsere Aufgaben investieren. Manch einer schöpft am liebsten aus dem Vollen und sieht alles zusammen – nach dem Motto: „Die Mischung bringt’s!“ Andere wiederum würden gerne frei wählen und sich die Spitzenleistung typgenau zurechtlegen. Für jeden Typ ist schließlich etwas Passendes dabei. Jedem sein „Leistungsstil“, ist man versucht zu schubladisieren. Aber Vorsicht! Sie hat zwar viele Gesichter, die Spitzenleistung. Aber leider liegt jedem Gesicht auch ein fataler Trugschluss zugrunde. Getreu unserem traditionellen Leistungsverständnis rücken die beschriebenen Spitzenleistungen unsere Handlungen in den Vordergrund. Die Art und Weise also, wie wir Leistungen erbringen, wie wir Arbeiten erledigen, wie wir etwas leisten. Das ist der Haken an der Sache, denn unter den Tisch gekehrt wird dabei freilich, was wir da eigentlich fabrizieren, was aus unserer Leistung resultiert, was dabei herauskommt. Dumm ist nun, dass Ersteres – wie Leistungen zustande kommen – letzten Endes kaum jemanden interessiert. Da kann man sich noch so abrackern oder total verausgaben. Am Ende des Tages wird man einzig und allein an Ergebnissen gemessen! Gegenstand der Leistungsbeurteilung sind immer die Resultate, die man erzielt, und nicht die Art und Weise, wie diese zustande kommen. Wenn oberflächliche Leistungstriebe unsere primären Antreiber sind, kann das sogar ordentlich schief gehen, wie die folgenden Schattenseiten der Spitzenleistung zeigen. Das Dilemma des Temposünders – Daneben gehen kann es zum Beispiel bei dem, der sein Heil in der Arbeitsgeschwindigkeit sucht. Der ganz Schnelle. Das ist gefährlich. „Erst mal den Überblick gewinnen“, dafür hat er keine Zeit. Wer mit eingeengtem Blick ins Rennen geht, hat aber schlechte Karten. Das ist, wie wenn man im Nebel Blindekuh spielt. Und wenn’s unterwegs mal glatt wird, ist er der Erste, der ins Schleudern gerät und im Straßengraben landet. Wenn man’s eilig hat, schleusen sich gerne mal Flüchtigkeitsfehler ein. Dafür gibt’s keine Bonuspunkte. Mit der Sorgfalt ist es oft nicht weit her, wenn’s richtig schnell gehen muss. Er erledigt seine Arbeit zwar äußerst speditiv, aber können sich die Resultate auch sehen lassen? Schon kleine Unachtsamkeiten wirken sich womöglich verhängnisvoll auf die Qualität seiner Arbeitsergebnisse aus. Im schlimmsten Fall muss er nachbessern. Das kostet dann nicht nur seine Zeit, sondern auch die Zeit derjenigen, mit denen er seine Arbeitsergebnisse wiederholt besprechen muss (Kollegen, Chefs, Lieferanten, etc.). Wenn sich mal hier und mal da Ungereimtheiten bei den Produkten seiner Arbeit auftun, wird man das nicht lange hinnehmen. Also: Es ist nicht die Geschwindigkeit Ihrer Verrichtungen, die erfolgsentscheidend ist. Wie schnell Sie Ihre Arbeit erledigen, sagt wenig aus. Doch hinsichtlich Qualitätsaspekten müssen Ihre Resultate überzeugen. Gemeint ist hierbei nicht die ausufernde Qualität, sondern die erforderliche Qualität. Die Qualität, die den Ansprüchen gerecht wird. Die Qualität, die sich mit den Qualitätsanforderungen bzw. Qualitätsmaßstäben deckt. Mit Qualität können Sie punkten. Schnelligkeit um jeden Preis kann Ihnen eher schaden. Das Dilemma des Hochstaplers – In Schwierigkeiten kommt auch derjenige, der Spitzenleistungen auf ein großes Arbeitspensum zurückführt. Der Massenverarbeiter. Sicher ist es nicht einfach für ihn, bei den vielen Aufgaben, die er ständig vor Augen hat, den Überblick zu bewahren. Wenn er zusätzlich noch Arbeiten von
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anderen übernimmt, ist das zwar ein netter Zug, aber das nagt umso mehr an seinem Zeitbudget. Sein Tag hat nur 24 Stunden und er bekommt nicht mehr Zeit, weil er sich Arbeit für zwei oder drei auflädt. Er versetzt zwar Berge, weiß aber oft nicht, worauf es ankommt. Kann gut sein, dass er mal den falschen Berg versetzt. Einige Fragen stellen sich dann: Ist alles, was er da tut, auch wichtig? Ist all das, was er anpackt, auch aus der Sicht der Vorgesetzten und Kunden von Relevanz? Widmet er möglicherweise vielen Nebensächlichkeiten mehr Aufmerksamkeit als den erfolgsentscheidenden Hauptaufgaben? Schnell mal wird das Wesentliche unter dem riesigen Aufgabenberg begraben. Leicht verliert er vor lauter Details den Blick für das große Ganze. Er ist nicht mehr in der Lage, stichhaltig Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Für diese Unterscheidung fehlt Vielbeschäftigten gerne mal die Trennschärfe. Einen Schritt zurücktreten und die vielen, vielen Aufgaben von einer höheren Warte betrachten, liegt vielleicht nicht drin, weil er sich vorzugsweise im „Execution“-Modus bewegt. Das Aufgabenspektrum mit anderen Augen sehen (Chef, Kunden) ist vielleicht nicht sein Ding. All das wäre aber ratsam. Denn Achtung: Man sollte keinesfalls dem blinden Größenwahn verfallen und seinen Aktionismus auf die Spitze treiben. Vorgesetzte verstehen sehr wohl, welche Aufgaben wichtig für das Unternehmen und seine Kunden sind und deshalb Vorrang genießen. Quantität um jeden Preis kann Mitarbeitern eher schaden als nutzen. Vorgesetzte sehen es nicht gerne, wenn ihre Mitarbeiter Zeit mit Nebensächlichkeiten „verplempern“. Im schlimmsten aller Fälle interessieren sich nur wenige oder gar keiner für das, was diese Mitarbeiter da fabrizieren. Aber dann ist es eigentlich schon zu spät für jene. Das Dilemma des Zeitarbeiters – In die Bredouille kommt auch gerne mal jener, der auf Biegen und Brechen Stunden scheffelt. Wenn man nicht merkt, dass Zeit alleine relativ wenig aussagt. Man kann abends noch so lange vor dem Schreibtisch sitzen. Wenn die Arbeitsergebnisse nicht überzeugen, zählt der Stundeneinsatz herzlich wenig. Die Anzahl der Stunden, die man benötigt um seine Arbeit zu erledigen, hat nur eine geringe Bedeutung im Vergleich zur Qualität der Arbeitsergebnisse. Ob jemand 40, 60 oder 80 Stunden arbeitet, ist nicht entscheidend. Falls man am Ende des Tages belohnt wird, geschieht dies nicht wegen einem „gewaltigen“ Arbeitseinsatz, sondern einzig und allein wegen der Früchte der Arbeitsleistung. Und was ist eigentlich mit dem Leben außerhalb der Arbeit? Wer zu viel um die Ohren hat, richtet seine Sinnesorgane auf die Arbeitsleistung aus – die Arbeit nimmt einen in Beschlag. Die Wahrnehmung des persönlichen Lebensumfelds wird hin und wieder arg in Mitleidenschaft gezogen. Wir verlieren den Blick auf die wunderbaren Möglichkeiten, die sich uns außerhalb der Arbeit auftun. Das kann sich rächen, wenn man es auf die Spitze treibt. Unstrittig ist: Die Zeit alleine sagt relativ wenig aus. Und die Tatsache, dass eine Aufgabe viel Zeit in Anspruch nimmt, macht sie noch lange nicht wichtig. Viel wichtiger ist die Qualität und Effizienz der geleisteten Arbeit. Sechzig oder siebzig Wochenstunden müssen nicht sein. Wenn es stattdessen jemand schafft, sich bei um die 40 oder 50 Stunden einzupendeln – und das mit hoher Effizienz –, dann setzt er ein größeres Pensum um als der Durchschnitt, d. h. er ist deutlich erfolgreicher als
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der Durchschnitt. Damit bleibt auch noch genügend Zeit für die anderen Dinge im Leben. Eine Spitzenleistung, aber wen interessiert’s? – Das waren die Schattenseiten der Spitzenleistung. Der Leistung um der Leistung willen. Ihr „Bestes geben“ bedeutet nicht, dass Sie ständig richtig Gas geben, permanent hochstapeln oder rund um die Uhr aktiv sein müssen. So hart es auch klingen mag: Spitzenleistungen, die sich auf diese verrichtungsorientierten Antriebe reduzieren, interessieren am Ende des Tages niemanden. Sie können sich noch so abmühen, noch so viel Zeit investieren – es bringt alles nichts, wenn die Güte Ihrer Ergebnisse nicht stimmt. Gesunde Resultate erwartet man von Ihnen. Wenn Ihre Vorgesetzten bzw. Kunden aus Ihrer Leistung nicht den erwarteten Nutzen ziehen können, wenn also die Früchte Ihrer Arbeit nicht genießbar sind, war auch Ihre Leistung vergeblich. Stellen Sie sich vor, ein Bäckergeselle verpasst den Beginn seiner Nachtschicht. Er flitzt in die Backstube, bereitet eiligst den Teig und wirft versehentlich zu viel Salz hinein. Selbst wenn er nun mit den Teigprodukten in der Zeit fertig wird, seine versalzenen Backwaren kann er vergessen. Man kann es nicht oft genug sagen: Trennen Sie Aufwand und Resultat. Diese beiden Größen stehen allenfalls in einem lockeren Zusammenhang. Hinter beachtenswerten Ergebnissen muss nicht unbedingt auch ein riesiger Arbeitsaufwand stehen. Die Quantität der Arbeit ist viel unwichtiger als ihre Qualität. Beachten Sie in jedem Fall: Arbeit ist kein Ziel an sich! Was wollen Sie mit der Arbeit erreichen? Sie werden einzig und allein an der Qualität Ihrer Arbeitsergebnisse gemessen und nie an der Art und Weise, wie diese zustande kommen! Klug sein und das „richtige“ Ergebnis abliefern ist viel besser als einfach nur hart arbeiten. Einem angehenden Lean Time Manager kommt auch folgender Rat wie gerufen: Am besten fährt man, wenn man sich nicht auf die Anstrengungen konzentriert, sondern auf die Resultate. Wechseln Sie vom „Leistungsdenken“ in ein „Wirkungsdenken“. „Ergebnisorientierung“ ist das Zauberwort. Arbeiten Sie nicht automatisch „viel zu viel“. Spulen Sie nicht mechanisch ein riesiges Programm ab. Es ist nicht zwingend die harte Arbeit, die letztendlich den Erfolg im Arbeitsleben mit sich bringt, sondern die Beachtung und Umsetzung einiger wesentlicher Erkenntnisse in Bezug auf die Ergebnisse Ihrer Arbeitsleistung. Deshalb: Konzentrieren Sie sich darauf, Resultate zu produzieren, anstatt mit Einsatz zu glänzen. Da es hier um Ergebnisorientierung geht, können wir auch einen anderen interessanten Gedanken aufgreifen. Was würden Sie von folgendem Test halten? Überprüfen Sie doch mal, ob 80% Ihrer bisherigen Leistungen – der für Sie wichtigen Erfolge – auf vielleicht 20, 30 oder 40% Ihres Aufwands zurückzuführen sind. Diese Prüfung gibt Ihnen Anhaltspunkte, anhand derer Sie Ihren Arbeitseinsatz neu justieren können. Sie können Prioritäten verschieben. Sie können Ihr Spektrum an Aktivitäten neu positionieren und stärker ergebnisorientiert ausrichten, als dies bisher vielleicht der Fall war. Damit verbessern Sie Ihre Erfolgschancen. Sie können zusätzliche Zeit freisetzen und an den wirklich wichtigen Dingen arbeiten. Sie können genau bei den Punkten, die Sie weiterbringen, Zeit investieren um Ihr Bestes geben.
Kapitel 39
Vergessen Sie die Spitzenleistung – Suchen Sie die Spitzenerfahrung!
Ein weit verbreiteter Irrtum – Sie denken, Spitzensportlerinnen und Spitzensportler jagen nach der Spitzenleistung? Weit gefehlt! Ein Trugschluss ist das mit der Spitzenleistung. Eine Illusion. Stellen Sie sich doch mal die folgende „fiktive“ Begebenheit in einer uns unbekannten Parallelwelt vor: Die bedeutendsten Sportler aus mehreren Disziplinen nehmen an einem glanzvollen Sportereignis teil. Weltklasse-Athleten treffen ein. Ein jeder legt sich mächtig ins Zeug. Die Zeiten aber, die werden nicht gestoppt. Treffer und Schläge nicht gezählt. Weder Weite noch Höhe gemessen. Ergebnisse? Fehlanzeige, davon weiß man nichts. Ehrungen werden natürlich auch keine ausgesprochen. Podestplätze? Nie gesehen. Und Medaillen? Wo denken Sie hin! Nada. Stattdessen trudeln die Sportlerinnen und Sportler nach ihren jeweils letzten Einsätzen schlapp in die Umkleidekabinen, ächzen unter der Dusche, werfen sich mit letzter Kraft die Kleider über und machen sich wieder vom Acker. Am Ende des Sportlertreffens wird in einer Randnotiz kommuniziert: „Das Spitzenereignis hat stattgefunden. Es war ein toller Tag.“ Punkt. Ähm, was soll das? Was ist das für eine krumme Sache? Klar ist: Das war kein Aufeinandertreffen von Hobby-Sportlern oder Freizeit-Flitzern, sondern von Athletinnen und Athleten, die Leistungssport betreiben. Aber wo bitte versteckt sich in dieser Parallelwelt der olympische Gedanke. Der sportliche Kampfgeist. Von einem Kräftemessen kann hier keine Rede sein. Ein Wettkampf war das nicht. Der heroische Sportsgeist ist bei diesem Anlass offensichtlich auf der Strecke geblieben. Was macht das für einen Sinn? Für was bitteschön haben die Athleten an diesem Tag ihre Ressourcen verbraucht, ihre Batterien geleert? Was denken Sie, wie sich die ausgelaugten Sportler, die nun wirklich ihr Bestes gegeben haben, nach einem derart ereignislosen Tag fühlen? Wie die Allianz der Nutzlosen vielleicht. Wahrlich, eine merkwürdige Welt ist das. Nehmen wir weiter an, die Athleten in jener Parallelwelt hätten von vornherein gewusst, dass bei diesem Anlass weder gezählt noch gestoppt oder gemessen wird. Sie hätten gewusst, dass es keine Sieger und keine Verlierer gibt. Sie hätten gewusst, dass es keine Podestplätze und keine Medaillen gibt. Sie hätten gewusst, dass man sich bei diesem Ereignis nicht für ein triumphaleres Sport-Event qualifizieren kann. Sie hätten gewusst, dass die Zuschauer keinen Grund für Anfeuerungsrufe hätten
R. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6_39, C Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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und das Geschehen nur mit einer gewissen Neugier beobachten – kein Jubeln, kein Gestikulieren, kein Mitfiebern, kein Zähnezusammenbeißen. Sie hätten gewusst, dass es keinen Olymp gibt, auf dem man für ewige Zeiten in Erinnerung bleibt. Auf der Einladung, welche man den Sportlern im Vorfeld zukommen ließ, würde stattdessen in einfachen Worten stehen: „Wir erwarten, dass Sie Ihr Bestes geben!“ Und das tun die Athleten dann auch. Man muss es ihnen zugestehen: Sie strengen sich an. Und diese Anstrengung wirkt auch glaubhaft. Aber: Glauben Sie wirklich, dass die Sportler voller Euphorie antreten? Glauben Sie wirklich, dass die Sportler mit innigster Leidenschaft bei der Sache sind? Glauben Sie wirklich, dass die Sportler hoch konzentriert an den Start gehen? Glauben Sie wirklich, dass die Sportler buchstäblich explodieren, wenn der Startschuss fällt und sich die aufgestaute Energie freisetzt? Glauben Sie wirklich, dass die Sportler mit Herzblut ihre volle Leistungskraft abrufen? Glauben Sie wirklich, dass die Sportler alle Reserven restlos mobilisieren? Glauben Sie wirklich, dass die Sportler die Energietanks in den entlegensten Winkeln ihres Körpers anzapfen? Glauben Sie wirklich, dass die Sportler nicht nur ihr Bestes, sondern auch ihr Letztes geben? Glauben Sie wirklich, dass sich die Sportler bis zur totalen Erschöpfung verausgaben? Glauben Sie wirklich, dass die Sportler nicht nur bis an ihre Grenzen, sondern auch darüber hinausgehen? Glauben Sie wirklich, dass die Sportler auf den letzten Metern förmlich über sich hinauswachsen? Glauben Sie’s? Ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen. Warum nicht? Weil in den Momenten, in denen die Sportler ihre Leistung erbringen, die maximale Leistungsentfaltung aufgrund fehlender Leistungsanreize ausbleiben wird. Das ist nun mal so. Aber wenn dies die unverrückbaren Begleitumstände in der beschriebenen Parallelwelt sind, so mag man sich damit abfinden. Man könnte es als eine systembedingte Strukturschwäche abtun. Für die Sportler ist es an sich weiter kein Problem. Es handelt sich ja nur um ein momentanes – nennen wir es mal so – Leistungsunvermögen. Vielleicht auch um ein Leistungsdesinteresse. Wesentlich ungünstiger und nachhaltiger wirkt da der Umstand, dass die Sportler an diesem Tag zwar ihre Energie verbrauchen – sie strengen sich ja wirklich an –, aber keine Gelegenheit zum „Energie tanken“ erhalten. Das ist fatal. Das wäre dem beschriebenen System als inakzeptabel anzukreiden. Also: Würden Spitzensportler den Spitzenleistungen nachjagen, so hätten sie diese an dem besagten Sport-Event finden, besser gesagt erbringen können. Aber nein. So ist das nicht. Ganz und gar nicht. Spitzensportler sind nicht auf die Spitzenleistung aus, sondern auf das Erfolgserlebnis. Das Interesse gilt letzten Ende dem Resultat der Spitzenleistung – der Spitzenerfahrung. Und das vollkommen zu Recht, denn die Spitzenerfahrung ist Antreiber, Motivator, Motor – aber vor allem eins, nämlich „Energiespender“! Wie sich Spitzenerfahrungen im Sport ergeben – Lassen wir diese befremdende Parallelwelt hinter uns. Vergessen wir diese Fiktion. Bleiben wir in unserer Realität und gehen den Energiequellen auf den Grund. Wie tanken Sportler Energie? Durch Training? Ja und nein. Die Trainingsanstrengungen bewirken zunächst einen Ressourcenverbrauch – machen sich negativ in der Energiebilanz bemerkbar. Die beobachtbaren Trainingsfortschritte hingegen, die kompensieren den trainingsbedingten Energieschwund. Sie wirken sich positiv auf die Energiebilanz aus. Sie
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stärken. Aber es gibt noch stärkere Energiespender. Hochprozentige Energielieferanten. Das sind die Wettbewerbe und die damit einhergehenden Leistungsvergleiche mit anderen. Anhand der Wettkämpfe wissen die Sportler zweifelsfrei, wo sie stehen. Die möglichen Orientierungspunkte sind vielfältig. Die Athleten kennen nun nicht nur ihren relativen Leistungsstandpunkt. Sie realisieren auch, dass sie mit ihrer persönlichen Leistung wettbewerbsfähig sind. Sie erkennen, dass sie sich verbessert haben. Sie erkennen, dass sie im Vergleich besser als erwartet abgeschnitten haben. Sie erkennen, dass sie eine realistische Chance für die Top Ten haben. Sie sind nur knapp an einem Podestplatz vorbeigeschrammt. Oder sie haben es vielleicht geschafft. Sie haben etwas erreicht, von dem sie nie und nimmer gedacht hätten, dass sie es je einmal erreichen werden. Ein Traum ist in Erfüllung gegangen. Sie sind als Erster durchs Ziel. Sie sind Zweiter oder Dritter geworden. Sie haben eine Medaille geholt. Sie haben sich für die olympischen Spiele qualifiziert. Sie haben eine Bestmarke geknackt. Sie sind dem Weltrekord nun zum Greifen nah. Wie auch immer: Sie haben weitere Perspektiven! Und sie wissen nun: Es ist machbar! Es gibt eine Chance! Das sind Erfahrungen, die motivieren, die beflügeln, die anspornen. Die Aussicht auf ein Erfolgserlebnis verleiht ungewöhnlichen Antrieb und macht außergewöhnliche Leistungen möglich. Jene Erfolgserlebnisse sind die bedeutendsten Energielieferanten. Sie liefern das Quäntchen „Über-Energie“, mit dem man sich immer und immer wieder steigern kann. Diese Erfahrungen sind das, was ich unter „Spitzenerfahrungen“ verstehe. Sie sind ein wichtiges, ja sogar unverzichtbares Element für die Entwicklung und Weiterentwicklung im Sport. Sie sind sozusagen der Motor im Leistungssport. Aber eben nicht nur im Sport. Warum man das Sportgeschehen auf das Berufsleben übertragen kann – Was hat nun die Sportwelt mit der Arbeitswelt zu tun? Gibt es da Parallelen? Oh ja, die gibt es! Auch im Berufsleben werden Höchstleistungen erwartet. Da muss man öfters große Herausforderungen meistern. Immer häufiger erleben wir, dass die Leute härter und härter arbeiten, sich regelrecht in die Arbeit hineinsteigern. Unser Verstand wird stets aufs Neue gefordert. Einen gewissen Leistungsdruck verspüren wir manchmal als unliebsame Nebenerscheinung. Das geht nur an den wenigsten spurlos vorbei. Wer immer voll konzentriert ist, fühlt sich immer öfter angespannt und – wenn wundert’s – ist schnell mal überarbeitet. Dennoch kämpfen sich alle durch – wie Leistungssportler eben. Somit ist unser Verstand in ähnlicher Weise gefordert, wie es die Kondition, Geschicklichkeit und Körperkraft der Athleten ist. In diesem Sinne können auch wir uns ohne schlechtes Gewissen als „Leistungssportler“ bezeichnen. Auch wir erbringen zweifelsfrei Spitzenleistungen. Und natürlich würden auch wir gerne mit der gewissen Flinkheit, Wendigkeit und Ausdauer agieren, mit der das sportliche Treiben auf uns wirkt. Und überhaupt: Ist es nicht so, dass Fachwissen alleine in der Arbeitswelt heute nicht mehr ausreicht? Finden Sie nicht auch, dass heute jene Personen gefragt sind, die es verstehen, ihr Know-how mit einer gewissen Leidenschaft für ihre Aufgaben zu koppeln? Halten Sie es nicht auch für wichtig, dass man sich mit der Tätigkeit identifiziert, die man ausübt? Kann es sein, dass man schon mal die Extrameile gehen muss, um im Beruf voranzukommen?
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Da liegt sie also vor uns, die Spitzenleistung im Beruf. Die kostet Kraft. Da müssen wir Energie reinstecken. Wenn wir aber andauernd nur Energie verbrauchten, wären wir bald ausgelaugt und würden mit leeren Batterien dastehen. Das kann auf Dauer nicht funktionieren. Klar müssen wir unserem Organismus auch Energie zuführen. Das geschieht auf verschiedenen Wegen. Einer davon ist die Spitzenerfahrung. Diese Erfahrung ist insofern von Bedeutung, weil es ohne dieses Quäntchen „Über-Energie“ schlecht bestellt wäre um die Spitzenleistung im Beruf. So wie Spitzenleistungen im Sport auch nur durch Spitzenerfahrungen möglich sind. Wie sich Spitzenerfahrungen im Berufsleben ergeben – Wie können wir bei unserer Arbeit Spitzenerfahrungen einfahren? Im Berufsleben ist es nicht so augenscheinlich. Der Bezug zum Arbeitsergebnis beziehungsweise zum Ziel ist oft abstrakter, ist nicht in so greifbarer Nähe wie beim Sport. Es wird auch niemand durch Anfeuerungsrufe der Arbeitskollegen angeheizt. Im Büro pustet niemand in eine Tröte. Die Sensoren müssen feinfühliger auf Spitzenerfahrungen ausgerichtet werden. Man muss mit mehr Sensibilität ans Werk gehen. Die herbeigewünschten Erfolge kontinuierlich anvisieren und die anstehenden Zielerreichungen bewusster ins Auge fassen. Wenn dann die zwei richtigen Dinge aufeinandertreffen, ergibt sich die Spitzenerfahrung. Wenn (A) ein Erfolgserlebnis auf (B) eine Offenheit gegenüber jenen Potenzialen trifft, die Leidenschaft entfachen oder begünstigen, dann kommt es zur Spitzenerfahrung. Die einfach Formel ist also: A+B=Spitze! Es braucht also das Ereignis (den Erfolg, die Zielerreichung) und eine positive Verbindung, einen emotionalen Bezug zu diesem Ereignis. Ein Erfolgserlebnis können wir verbuchen, wenn wir eine Aufgabe erfolgreich erledigen. Wenn wir ein Projekt erfolgreich abschließen. Wenn wir einen wichtigen Kundenauftrag an Land holen. Wenn wir ein neu entwickeltes Produkt zur Serienreife bringen. Wenn wir eine Gehaltserhöhung wegen guter Leistungen erhalten. Wenn wir befördert werden. Wenn wir das Problem eines Kunden gelöst haben. Wenn wir einen Vortrag, ein Referat gehalten und unter Beifall beendet haben. Wenn wir eine Prüfung bestehen. Jede Aktivität, die wir erfolgreich abschließen, zählt. Wir sehen es als einen Erfolg an, wenn wir Ziele erreichen. Ziele, die wir uns selber gesetzt haben, oder Ziele, die uns von Dritten übertragen wurden. Egal ob kleine oder große Erfolgserlebnisse, alles zählt! Beim Blick auf das Ergebnis bzw. auf das erreichte Ziel zeigt sich: Sie können einen Erfolg verbuchen. Da haben Sie was geleistet. Jawohl! Darauf können Sie stolz sein. Darauf sollten Sie stolz sein. Darauf müssen Sie einfach stolz sein! Reden wir also nun über den zweiten Baustein für die Spitzenerfahrung. Ihre Einstellung zu diesem „Erfolgsereignis“. Wenn Sie von dem Erfolg nicht „berührt“ werden, wird es schwierig für die Spitzenerfahrung. Wenn Sie einfach nur sagen: „Erfolg eingetreten, verbucht und abgehakt“, machen Sie es der Spitzenerfahrung schwer. Wenn Sie Ihren Erfolg umgehend als erledigt unter den Tisch kehren, schnellstmöglich vergessen und nur noch nach Neuem Ausschau halten, wird es eng für die Spitzenerfahrung. Wenn Sie nicht an Ihren Erfolg glauben, kann Sie die Spitzenerfahrung gar nicht erst erreichen. Reden wir deshalb kurz über das, woran Sie glauben, und Ihre Überzeugung. Reden wir auch über Ihre zukünftigen Aussichten. Alle Menschen glauben an etwas,
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und die Sache ist eigentlich ganz einfach: Was Sie glauben bestimmt sowohl, was Sie einmal haben werden, als auch, was Sie einmal nicht haben werden. Wenn Sie glauben, dass eine Situation hoffnungslos ist, verhalten Sie sich anders, als wenn Sie denken, dass es vielleicht doch noch eine Möglichkeit gibt. Wenn Sie glauben, dass Sie keine Zeit haben, dann werden Sie auch keine Zeit haben. Wenn Sie hingegen glauben, dass Sie mit einer Gruppe von Gleichgesinnten ein großes Ziel erreichen können, dann werden Sie entsprechende Mitstreiter finden. Wenn Sie glauben, dass Einsatz belohnt wird, dann werden Sie sich für verschiedene Dinge in Ihrem Leben einsetzen. Wenn Sie glauben, dass man Spaß und Erfolg im Leben haben kann, dann werden Ihnen freudige Ereignisse und Erfolge in Ihrem Leben entgegenkommen. Wer überzeugt ist, traut sich etwas zu. Wer überzeugt ist, riskiert auch mal was – und wirkt damit Verharrungstendenzen entgegen, wie sie wohl Ernst Ferstl, ein österreichischer Autor, im Sinn hatte, als er über menschliche Schwächen Bilanz zog: „Manche legen sich die Latte ihres Lebens genau so hoch, dass sie bequem unten durchspazieren können.“ Ohne Überzeugung hat man es schwer mit dem Weiterkommen. Aus Ihren Glaubenssätzen bzw. Überzeugungen heraus entwickelt sich Ihr zukünftiges Leben und Ihre zukünftigen Erfolge. Glauben Sie an Ihren Beruf, an Ihr Projekt und an Ihr Unternehmen, dann sind Erfolge möglich. Sie müssen überzeugt sein von dem Mehrwert, den Sie mit Ihrer Arbeit erbringen, dann überzeugen Sie auch andere von Ihrem Mehrwert. Je stärker Sie von etwas überzeugt sind, umso besser werden Sie in dem, was Sie tun und umso eher werden Sie für das belohnt, was Sie tun. Überzeugung macht Sie resistent gegen „Umwelteinflüsse“. Wenn man überzeugt sagen kann: „Ich bin, was ich da tue“, dann spielen widrige Umstände nahezu keine Rolle mehr. Marie von Ebner-Eschenbach hat hierzu folgendes Glaubensbekenntnis vorgelegt: „Wenn es einen Glauben gibt, der Berge versetzen kann, so ist es der Glaube an die eigene Kraft.“ Spitzenerfahrungen lassen in einem solchen Fall meist nicht lange auf sich warten. Sie stellen sich vorzugsweise dann ein, wenn man überzeugt ist von dem, was man tut, und entsprechend agiert. Wenn Sie sich also mit Ihren Erfolgen identifizieren und Ihr Handeln danach ausrichten, bereiten Sie die Bühne für die Spitzenerfahrung. Was Sie glauben, kann auch ein „Traum“ sein, den Sie verwirklichen möchten. Sie müssen dabei natürlich nicht so weit gehen wie manche, die Pionierleistungen erbracht haben und selbstlos großen Erfindungen den Weg geebnet haben. Der Traum vom Fliegen war beispielsweise so eine Sache. Er beschäftigte die Erdenbürger nicht erst seit den spektakulären Schwebeversuchen des Anklamer Flugpioniers Otto Lilienthal Ende des 19. Jahrhunderts. Bereits viel früher träumten die Menschen von tollkühnen Flügen auf des Windes luftigen Schwingen – und mussten diesen Traum nicht selten mit dem Leben bezahlen. Auch Lilienthal hat bei seinem letzten Versuch, die Erdanziehungskraft zu überwinden, bedauerlicherweise sein Leben gelassen. Immerhin fand er nach dem Absturz am Gollenberg bei Stölln noch die Zeit, sein halsbrecherisches Tun in ein poetisches Totengewand zu kleiden: „Opfer müssen erbracht werden“, sollen seine letzten Worte gewesen sein. Heute wird er als Begründer der Fliegerei gefeiert. Aber wenn hier von Träumen die Rede ist, muss man selbige ja nicht gleich bis zum letzten Atemzug verfolgen. Sehen
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Sie’s vielmehr im Stile eines erfolgreichen Träumers, der uns Mut zuspricht: „Alle Träume können wahr werden, wenn wir den Mut haben, ihnen zu folgen.“ Walt Disney hatte seine blühenden Fantasiewelten erfolgreich in die Realität umgesetzt und dadurch Weltruhm erlangt. An seinem Credo muss was dran sein. Reden wir von Ihrer Begeisterung. Alle Menschen begeistern sich für etwas. Und viele Hobbys, Liebhabereien und Talente lassen sich heutzutage beruflich einbeziehen. Oft fällt es leichter, eine Leidenschaft zum Beruf zu machen, als sich für einen von anderen diktierten Karriereweg zu begeistern. Entscheiden Sie sich also vorzugsweise für den Bereich, der die größte Begeisterung in Ihnen auslöst. Menschen entfalten vor allem dann ihre Potenziale, wenn sie Begeisterung mitbringen und diese auch einbringen können. Wenn Ihnen etwas Spaß macht, dann sind Sie wohl auch gut darin. Große Leistungen setzen Begeisterung voraus. Begeisterung ist eine starke Leistungsmotivation und führt zu jenen Erfolgen im Leben, welche die so wichtigen Spitzenerfahrungen hervorbringen. Ein klein wenig Herzblut sollte also schon mitschwingen, wenn Sie einen Erfolg erzielen. „Begeisterung ist das Blitzen deiner Augen, der Schwung deines Schrittes, der Griff deiner Hand, die unwiderstehliche Willenskraft und Energie zur Ausführung deiner Ideen.“ In dieser bildlichen Quintessenz von Henry Ford steckt möglicherweise ein großer Teil Selbstbeobachtung. Sie können die Sache auch von der anderen Seite her betrachten. Praktisch alle Leute, die es ganz nach oben geschafft haben, haben dies mit großem Enthusiasmus für ihre Tätigkeit erreicht. Enthusiasmus fördert die eigene Leistung und erzielt durch seine ansteckende Wirkung einen Multiplikatoreffekt. Deshalb legt man bei Führungskräften heute großen Wert darauf, dass sie einerseits Begeisterung und Inspiration mitbringen und andererseits Begeisterung bei ihren Mitarbeitern wecken, sie ermutigen und inspirieren. Wer mit vollem Elan und ganzem Herzen bei der Sache ist, will vielleicht gar nicht bis an die Spitze kommen. Erklimmt ein so aufgestellter Mitstreiter dann doch mal eine Spitzenposition, könnte man ungeniert in seiner Beförderungsankündigung herausstellen: „Sein Erfolg beruht darauf, dass er das, was er tut, liebt.“ Der Aufstieg ist genaugenommen ein „Nebenprodukt“ seiner Arbeit. Er ist nebenbei dorthin vorgedrungen, weil er sich für das begeistern kann, was er tut – das ist sein Hauptantrieb. Deshalb sage ich mit aller Deutlichkeit: Lieben Sie das, was Sie tun! Wer sich voll und ganz mit seiner Tätigkeit identifiziert und Erfüllung darin findet, kann etwas Außerordentliches erreichen. Beispiele gibt es zuhauf. Wobei man natürlich nicht gleich mit großen Künstlern gleichziehen muss, um dann jene gewaltige Ausbringungsmenge hervorzubringen, wie dies ein Picasso, ein Van Gogh, ein Caravaggio oder ein Leonardo da Vinci getan hat. Viele großen Künstler sind in einen Produktionsrausch verfallen und haben sich ununterbrochen ihrer „Kunst“ gewidmet. So weit sollte es nicht kommen. Eine Aufgeschlossenheit gegenüber den zuvor genannten Potenzialen, die Leidenschaft entfachen, führt in Kombination mit einem eingetretenen Erfolgserlebnis zu Spitzenerfahrungen. Wer ein aufgeschlossenes und gleichgewichtiges Verhältnis zu diesen Potenzialen hat, befindet sich in einem guten Fahrwasser. Wenn ein solches Portfolio aus Glauben/Glaubenssätzen, Überzeugung, Begeisterung/Elan und
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Vergessen Sie die Spitzenleistung – Suchen Sie die Spitzenerfahrung!
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Identifikation unterstützt durch Spitzenerfahrungen in Ihnen eine Passion nährt, dann haben Sie den stabilen Dauerkern, der alles zusammenhält und verstärkt. Wenn Sie aber just in jenen Momenten, in denen die Spitzenerfahrung aufflackert, diese nicht bewusst registrieren und ihr keinen Raum zur Entfaltung lassen, dann war Ihre Leistung aus der Sicht Ihres Energiehaushalts „vergebliche Müh“. Ihr Energiespeicher, dem Sie die Energie für die Arbeitsleistung abgezwackt haben, wird sich dann fragen: „Was kommt nun für mich dabei heraus?“ Er würde Ihnen dann höchstwahrscheinlich vorwerfen: „Entschuldige bitte, aber jetzt war alles für die Katz! Für mich bleibt bei diesem Leistungsspiel mal wieder rein gar nichts hängen.“ Für die Spitzenerfahrung ist übrigens nicht zwingend ein eingetretenes Erfolgserlebnis notwendig. Die Spitzenerfahrung stellt sich auch dann ein, wenn wir in einer Aufgabe „aufgehen“. Wenn wir mit Leib und Seele an einer Sache arbeiten. Wenn Denken, Handeln und Fühlen im Einklang sind. Wenn unsere gesamte Aufmerksamkeit auf die Aktivität kanalisiert ist, die wir gerade ausführen. Wenn wir vollkommen in der Tätigkeit versunken sind. Wenn wir eins werden mit dem, was wir tun. Man darf also Anstrengungen nicht zwingend als einen ermüdenden Schlauch sehen, sondern muss sie auch als eine konstruktive Kraft erleben können. Dies gelingt, wenn man die anstehenden Erfolge bewusster einblendet und registriert. Auch dazu gibt es ein Pendant im Leistungssport. Beim Sportler ist es der Moment kurz vor dem Ziel. Eine Sekunde bevor er die Ziellinie beim Hundertmeterlauf übertritt. Wenn er merkt, ich kann Erster, Zweiter oder Dritter werden. Für den Sportler ist es ein Moment äußerster Konzentration. Was um ihn herum passiert, ist – bis auf seine Gegner – ausgeblendet. Da ruft er alles ab. Da legt er noch mal nach. Da kommt es zum Adrenalinstoß. Sie können es in den Gesichtern der Sportler förmlich sehen. Den unbedingten Siegeswillen. Sie wollen es schaffen. Die Spitzenerfahrung stellt sich bei diesen Sportlern, die um den Sieg kämpfen, schon während der Leistung ein. Es ist bereits die Aussicht auf das Erfolgserlebnis, die Flügel verleiht. Es kommt zum Adrenalinschub vor der Zielankunft.
Kapitel 40
Das haben Sie nun davon – Was die optimale Erfahrung bewirkt
Was haben wir davon, von der Spitzenerfahrung? Aus welchem Stoff ist die Spitzenerfahrung? Die Spitzenerfahrung steht als Synonym für Erfolg, Lebensqualität, Erfüllung und Glück. Die Spitzenerfahrung ist eine „optimale Erfahrung“ – also ein Moment im Leben, welcher dem Menschen das Leben äußerst lebenswert erscheinen lässt. Momente der Spitzenerfahrung sind Momente des höchsten Glücks. Momente, in denen die Zeit an Bedeutung verliert. Momente, in denen wir hellwach sind. Momente, in denen es uns so richtig gut geht. Wir erleben Lebensfreude. Wir erreichen einen Zustand absoluter Konzentration, der uns ein Gefühl der Transzendenz vermittelt. Mit der Spitzenerfahrung stellt sich ein als positiv empfundenes Höchstmaß an Aufmerksamkeit ein. Unsere Leistungsfähigkeit wird unmittelbar unterstützt. Die Dinge gelingen uns wie von selbst. Derart beflügelt läuft plötzlich alles rund. Spitzenerfahrungen sind deshalb so beglückend, weil sie gegen die innere „Unordnung“ eines Menschen wirken. Die Gedanken werden neu ausgerichtet, quälerisches Grübeln, Abgelenktheit und Passivität wird unterbunden. Die Spitzenerfahrung ist eine positiv besetzte Triebkraft. Mit der Spitzenerfahrung verbunden ist eine Sogwirkung. Sie zieht uns förmlich zum Ergebnis, zum Ziel. Wie der Adrenalinstoß bei Sportlern vor der Zielankunft können wir durch die Spitzenerfahrung überdurchschnittliche Leistungen erbringen. Die Spitzenerfahrung ist auch eine Herzensangelegenheit. Sie erreicht das Herz. Sie intensiviert die Identifikation mit dem, was Sie tun. Sie kann aus einer Glutstätte ein Strohfeuer machen. Die Spitzenerfahrung schlägt sich als Lust nieder. Durch die Spitzenerfahrung gewinnt man unvermittelt Lust an einer Sache, denn dieser Erfahrung liegt ein Aktivierungsmuster zugrunde, welches man am liebsten sofort in ein Handlungsmuster umsetzen möchte. Man will von ganzem Herzen etwas erreichen. Man brennt. Eine derart geförderte Leidenschaft macht Wege frei, schafft sich die Freiräume, die für ihre Entfaltung notwendig sind. Freude, erlebter Sinn des eigenen Schaffens – auch im Kleinen, im Alltäglichen. Das ist der Nährboden, der Dünger, in dem die Spitzenerfahrung Wurzeln schlagen kann. Lieben Sie Ihre Arbeit, verstehen Sie Ihren Beruf als Berufung – dann stellen sich Spitzenerfahrungen nahezu automatisch ein – Sie vollbringen Spitzenleistungen und werden reich belohnt. In diesem Sinne wirken Spitzenerfahrungen wie ein Leistungsverstärker. Die Begeisterung, die sie in uns nähren, aktiviert und bringt R. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6_40, C Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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VI Die größten Irrtümer rund um die Zeit
Handlungsimpulse mit sich. Jeder damit einhergehende Teilerfolg führt zu einer positiven Rückkopplung – einer weiteren Verstärkung der Spitzenerfahrung. Durch die Spitzenerfahrungen ergeben sich in unserem Gehirn Belohnungseffekte, die uns positiv stimulieren und weiter antreiben. Spitzenerfahrungen betten uns in ein „Rundum-Wohlbefinden“ und werden somit zu einem Schlüsselelement für ein glückliches und befriedigendes Leben. Ihre Rolle geht sogar über die des „Glücksboten“ hinaus. Sie sind nämlich auch wahre Aufbauhelfer. Ein richtiger Zündstoff, der die auf dem Weiterbildungsmarkt angepriesenen Aufbauprogramme neidvoll verblassen lässt. Spitzenerfahrungen verleihen ein Gefühl der Stärke. Sie heben das Selbstbewusstsein auf ein neues Niveau. Sie machen die Grundkompetenz, die jedem innewohnt, spürbar und lassen diese deutlich hervortreten. Sie wecken und stärken die Motivation, der neuralgische Knackpunkt eines jeden Menschen. Mit der Motivation ist es wie bei einem Deo: Man muss sie immer wieder neu auftragen, sonst verflüchtigt sie sich. Bei all dem Lob für die Spitzenerfahrung muss ich an dieser Stelle eine Warnung aussprechen: Vorsicht! Es besteht Ansteckungsgefahr! Die Spitzenerfahrung ist definitiv übertragbar. Sie kann einen wahren Funkenflug in alle Richtungen entfachen – nach links und rechts, nach oben und unten. Wie ein Übersprungsmotor springt sie gerne mal von einem zum anderen über. Wenn Sie selbst Spitzenerfahrungen machen, sind also andere davon nicht ausgeschlossen. Ihre derart genährte Begeisterung und Leidenschaft kann auch andere mitreißen und begeistern. Der Funke kann überspringen. Die Spitzenerfahrung können wir somit definieren als das Produkt einer heißen Affäre zwischen einem Menschen, der offen gegenüber den Potenzialen der Leidenschaft ist, und einem Lebenssinn transportierenden Erfolgserlebnis. Ein Erfolgserlebnis also, welches Sinnaspekte wie Erfüllung, Anerkennung, Status, Glück, Freude, Abwechslung, Spannung, Grenzerfahrung oder Dankbarkeit anspricht. Spitzenerfahrungen müssen nicht mit einem monetären Hintergrund belegt sein. Auch die ehrenamtliche Teilnahme an einer Hilfsmission des Roten Kreuzes ist sinnstiftend und kann deshalb zu Spitzenerfahrungen führen. Extremfälle für Sinnverbundene Erfolgserlebnisse ergeben sich bei Risiko-Sportarten, wie z. B. BaseJumping, Eisschwimmen, Eisklettern, Skydiving, Tieftauchen oder Kitesurfing. Auch wer Grenzerfahrungen sucht, kann mit Spitzenerfahrungen belohnt werden. Spitzenerfahrungen genießen – Feiern Sie Ihre Erfolge? Na klar! Ein Sportler wächst mit den Spitzenerfahrungen, die er sammelt. Sie sollten das auch, mit Ihren Spitzenerfahrungen wachsen. Sonnen Sie sich in Ihren Spitzenerfahrungen. Beglückwünschen Sie sich zu dieser Erfahrung. Schließlich sind diese Erfahrungen eine wichtige Belohnung für das, was man geschafft hat. Führen Sie vielleicht sogar Ihr persönliches „Spitzenerfahrungs-Logbuch“. Kaufen Sie sich dazu ein unbedrucktes Büchlein. Ein Heft im praktischen Format, mit leeren Seiten zwar, aber dafür mit Raum für Ihre Big-Points. Dieses Büchlein wird zum wichtigen Heft in Ihrem Leben, wenn Sie fortan Ihre Spitzenerfahrungen dort notieren. Einmal am Tag oder einmal in der Woche. Bedenken Sie: Es sind nicht unbedingt die großen Spitzenerfahrungen, auf die es ankommt (z. B. der gelungene Start in die Selbstständigkeit). Auch Spitzener-
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fahrungen aus Alltagssituationen heraus zählen (z. B. ein Arbeitskollege bittet Sie um Hilfe, weil Sie im Unternehmen als ausgewiesener Experte für etwas gelten; Sie konnten erfolgreich Hilfestellung geben, haben ein dickes Lob eingeheimst und somit Ihren Ruf als Spezialist im Unternehmen ausgebaut). All die kleinen und großen Erfolge, die Ihre Sinne ansprechen und Sie auf einer Welle der Begeisterung vorantreiben, gehören in Ihr „Logbuch der Spitzenerfahrungen“. Schreiben Sie es auf! Sparen Sie in dieser Hinsicht nicht mit Lob für sich selbst, denn erzielte Spitzenerfahrungen sind ein wichtiges Fundament für das Gelingen Ihrer Zukunft. Deshalb auch mein Rat: Blättern Sie hin und wieder in Ihrem Logbuch! In einem ruhigen Moment, am Abend, am Wochenende. Gönnen Sie sich eine kurze Phase des innerlichen Jubelns. Nehmen Sie sich die Zeit und ruhen Sie sich ein wenig auf Ihren Lorbeeren aus. Wenn Sie die erlebten Spitzenerfahrungen reflektieren, sie immer wieder vergegenwärtigen, geben Sie Ihren Gedanken eine positive Richtung. Je länger und je konsequenter Sie an Ihrem „Logbuch der Spitzenerfahrungen“ schreiben, umso mehr gewöhnen Sie sich an den Erfolg. Mit anderen Worten: Sie beschäftigen sich immer mehr mit Erfolgen und nicht mit Problemen. Ihr Fokus wird auf Erfolg ausgerichtet. Suchen Sie die Spitzenerfahrung. Machen Sie einen Sport daraus. Verschaffen Sie sich diese so wichtige Rückmeldung für Ihre Erfolgserlebnisse und vergessen Sie nie: Die blindlings geleistete Spitzenleistung verausgabt, frisst Energie. Die bewusst registrierte Spitzenerfahrung hingegen ist ein wundersamer Energiespender. Auch retrospektiv gesehen sind Spitzenerfahrungen wahre Zugpferde. Aus der Rückbesinnung auf Ihre bis dato erbrachte Lebensleistung können Sie Kraft schöpfen und Selbstvertrauen gewinnen. Dazu werden vor allen Dingen die registrierten Spitzenerfahrungen herangezogen, denn es sind weniger die Handlungen als solche, die sich in der Leistungsbilanz niederschlagen, sondern primär Resultate und vor allem Erfolgserlebnisse. Dies wird deutlich, wenn wir uns an die Sportler in der seltsamen Parallelwelt erinnern. Was haben die gepustet. Aber für was? Für nichts! Was bleibt folglich in der Leistungsbilanz hängen? Wenig. Das „Tun“ – also der Umstand, dass Sie leisten – ist relativ unbedeutend im Vergleich zu dem, was Sie mit Ihrem Tun letzten Endes erreichen. Deshalb behaupte ich: Wir können es im Stile einer Ursache/Wirkung-Beziehung sehen. Suchen Sie die Spitzenerfahrung – und nicht die Spitzenleistung. Die Spitzenerfahrung ist das, was Sie wirklich weiterbringt. Die Spitzenleistung resultiert daraus. Und in diesem Sinne verbleibe ich: Von wegen Spitzenleistung – die Spitzenerfahrung ist das, was zählt. Sie ist der essenzielle Basisbaustein für Ihren Erfolg. Sie verleiht Flügel! Spätestens wenn Sie dieses Buch zu Ende gelesen haben, vielleicht auch schon jetzt, sind Sie um eine Erfahrung reicher – die Spitzenerfahrung.
Kapitel 41
Denkfalle Perfektionismus – Warum zu viel Perfektion im Job hinderlich sein kann
Sie denken, großartige Leistungen sind immer die „Perfektion in Person“, die Vollendung im wahrsten Sinne des Wortes? Sie denken, man kann die „perfekte“ Entscheidung treffen, den „perfekten“ Text schreiben, das „perfekte“ Bild schießen, den „perfekten“ Film drehen, das „perfekte“ Ergebnis abliefern? Ha, weit gefehlt! Ein Trugschluss ist das mit der Perfektion. Ein perfekter Irrtum sozusagen, mit dem man fast schon irgendwie warm werden könnte, weil es eben ein durch und durch menschlicher Hang ist. Der Drang zum Perfekten gibt sich wie ein Phantom, von dem man annehmen könnte, es wurde dem Menschen absichtlich in die Wiege gelegt, um ihn zu gängeln, ihm den letzten Nerv – und noch einiges mehr – zu rauben. Ein Hirngespinst also, dem wir ewig nachjagen können. Womit man schon in der Perfektionsfalle sitzt. Nicht mit uns! Für uns soll das nur eine weitere Illusion sein, der wir nach Ihrer Zeitrettung auf der Spur sind. Und diese Spur beginnt bei den Freunden der Weisheit. Wer einen Philosophen nach der Perfektion befragt, erhält als Antwort kurz und messerscharf: „Die existiert nicht!“ Jetzt nur nicht den Fehler begehen und widersprechen. Das würden Sie bitter bereuen. Das kommt nicht gut. In diesem philosophischen Diskurs sind Sie chancenlos. Da müssen Sie irgendwann die Waffen strecken. Man kann sich ihr bestenfalls annähern, der perfekten Lösung, sie aber nie erreichen. Belassen wir’s aber mal dabei. Schwenken wir zum Praktischen und zu konkreteren Überlegungen: Haben Sie Zeit zu verschenken? Haben Sie Energie zu verschwenden? Dacht’ ich mir’s doch. Perfektionismus aber verlangt nach beidem – und ist in diesem Verlangen nicht gerade bescheiden. Ein richtiger Hungerleider ist das. Die erste Station im Leben eines Menschen, bei der er Tuchfühlung mit dem Perfektionsgedanken aufnimmt, ist die Schule. Von frühester Schulzeit an werden wir angehalten, nach einer hohen Qualität zu streben. Das gesamte Bildungssystem ist entsprechend ausgerichtet und einem Perfektionsanspruch unterstellt. Noten und Zeugnisse informieren darüber, wie nah wir dran sind an der Perfektion. Wir lernen, unsere Aufgaben sorgfältig, gewissenhaft, akkurat und vollständig zu bearbeiten. Darauf werden wir konditioniert – und daran gibt es auch nichts auszusetzen. Diese schulischen Erfahrungen prägen natürlich. Hinterlassen ihre Spuren in uns, und so steigen wir derart getrimmt ins Berufsleben ein. Dort ist aber alles anders. Dort gelten andere Maßstäbe, andere Gesetze. Den in uns schlummernden R. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6_41, C Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Perfektionstrieb oder den selbst auferlegten Perfektionsanspruch können wir nicht 1:1 auf die neuen Gegebenheiten übertragen. Das kann nicht funktionieren. Das wird nicht funktionieren. Im Berufsleben geht es nicht immer „perfekt“ zu. Natürlich, in einigen Fällen sind allerhöchste Standards unablässig. So gesehen sind „perfekte“ Lösungen in manchen Berufen und Industriezweigen mehr gefragt als in anderen. Im Gesundheitswesen, im Ingenieurswesen (z. B. Luftfahrt), in der Nahrungsmittelindustrie, in der Trinkwasser- und Stromversorgung etc., da muss einwandfrei gearbeitet werden. Keine Kompromisse gibt’s da. Keine halben Sachen. Kein krummer Deal. „Perfektion“ ist dort immer das angestrebte Ziel. Das ist unstrittig. Wenn Akrobaten am Zirkushimmel durch die Lüfte schweben, muss logischerweise alles stimmen. Wenn die ausgezeichnete Garamov-Gruppe am fliegenden Trapez wieder mal die Schwerkraft überwindet, die kühnsten Flugkünste unterm Zirkusdach präsentiert und ihren legendären Grand-Flug mit 14 Meter Weite anvisiert, darf niemand patzen. Am Ende des Tages sollte keiner den Verlust eines Kollegen mit den Worten: „Na gut, da hab ich halt mal daneben gegriffen“ quittieren müssen. Selbst wenn er dann hinterher schiebt: „Das nächste Mal wird’s hoffentlich besser klappen“, ist das nicht wirklich ein Hoffnungsschimmer. In vielen Standard-Situationen steht die Perfektion aber nicht so hoch im Kurs. Und wenn dies der Fall ist, sage ich: In der „definierten Unvollendung“ steckt mehr Wert als in der „zügellosen Perfektion“. Und meine damit: Nicht jede Aufgabe muss bis zum Ultimum ausgeführt werden. Eine verführerische Möglichkeit, die man aus Theorieverliebtheit oft vor Augen sieht. Jede Entscheidung können Sie hundertmal überdenken und jedes Produkt können Sie ebenso oft verbessern. Jeden Text können Sie tausendmal umschreiben und jeden Diskurs können Sie mit ebenso vielen Argumenten weiterführen. Zu jedem Projekt gibt es eine unerschöpfliche Menge an Informationen, mit denen es noch besser ausgeführt werden könnte. Jedes Thema hat tausende von Ästen und Zweigen, denen Sie nachspüren können und jede Ordnung kann zu dem gleichen filigranen Netz verfeinert werden. Jede Angelegenheit kann sich bis ins Unendliche erstrecken, wenn man ihr keine Grenzen setzt, wenn ihr den Mensch keinen Einhalt gebietet. Dummerweise ist der Mensch selbst kein perfektes Wesen, hat so seine Ecken und Kanten. Vielleicht kann er sich deshalb schwerlich mit unperfekten Dingen abfinden. Vielleicht übersieht er deshalb allzu leicht den hohen Stellenwert einer Zielerfüllung mit Augenmaß. Alle großen schöpferischen Leistungen der Menschheitsgeschichte haben sich aus der Unvollkommenheit herausgebildet. So auch im Fall von Bill Gates und seinen Gründerkollegen der Firma Microsoft. Ihre Entwicklung eines Betriebssystems für IBM-Computer hat die Rechnerwelt revolutioniert. Und das, obwohl die erste, im Jahr 1981 erschienene Version alles andere als perfekt war. Sie war sogar derart lückenhaft, dass man sich nicht einmal traute, das Kind mit dem vorgesehen Namen „MS-DOS“ zu veröffentlichen (wobei „MS“ eine Abkürzung des Firmennamens war). Den Bezug zur eigenen Firma wollte man diesem Flickwerk offensichtlich nicht zugestehen. Stattdessen trug die initiale Version den Namen „PC-DOS 1.0.“ Bill Gates aber war Realist. Perfektion hin oder her, er wollte diese Chance nutzen. Er wusste: die Konkurrenz schläft nicht. Wahrscheinlich sagte er sich: „Jetzt oder
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nie!“ Möglicherweise erinnerte er sich an die „Sprüche der Väter“ aus dem Talmud: „. . .wenn nicht jetzt - wann dann?“ Vielleicht hat er intuitiv richtig gedacht: „Lieber mit einem nicht ganz so runden Produkt ins Rennen, als überhaupt nicht bei der Startaufstellung dabei zu sein.“ So muss es gewesen sein. Erst nach zahlreichen Fehlerbereinigungen erschien ein Jahr später das Betriebssystem mit seinem richtigen Namen und der Versionsnummer „MS-DOS 1.25“. Diese Version kam ohne Kinderkrankheiten daher und hatte nun auch den Bezug zum Firmennamen („MS = Microsoft), welcher ihr zuvor vorenthalten wurde. Dreizehn Jahre später war Bill Gates der reichste Mann der Welt. Die Fachwelt ist sich einig: Hätte Bill Gates im Jahr 1981 den kränkelnden Erstling nicht an IBM verkauft, hätte er abgewartet, bis sein Sprössling perfekt dastand, dann würde heute niemand von Microsoft reden und Bill Gates wäre eine völlig unbekannte Nummer. Stattdessen würde vielleicht Fallobst das Digitalzeitalter regieren. Die gesamte Computerwelt würde in ein buntes Apfel-Logo blicken und hätte nie etwas anderes gekannt. Aber Bill Gates hat alles richtig gemacht. Er hat nicht auf die Perfektion gesetzt. Tun Sie es auch nicht! Die Geschichte ist voll von ähnlichen Beispielen, die eindrücklich widerlegen, dass nur jene den Aufstieg schaffen, die perfekte Produkte, Dienstleistungen oder Resultate bieten. In den meisten Fällen hatten die späteren Siegertypen ein distanziertes Verhältnis zur Perfektion. Die Möbel, die Ikea Anfang der 50er Jahre per Versandhandel vertrieb, waren fernab von jeglicher Perfektion (miserabel genau genommen). Und doch zählt Ingvar Kamprad heute ebenfalls zu den reichsten Männern der Welt. Marcel Dassaults Militärflugzeuge vor dem Zweiten Weltkrieg waren weniger leistungsfähig als die von Bréguet, seinem weniger glücklichen Wettbewerber. Auf ewige Zeiten wird der Name Dassault untrennbar mit den Errungenschaften der französischen Nation verbunden sein. Kein einziger dieser ruhmreichen Erfolge lässt sich durch Perfektion erklären. Perfektionsstreben ist eine klassische Denkfalle, hinter der in der Regel eine überhöhte Erwartungshaltung steckt. Weil man alles richtig machen will und Anerkennung erwartet, unterwirft man sich schnell mal einem selbst auferlegten Diktat und strebt nach der Perfektion bis ins letzte Detail. Vielleicht soll sogar das Unerreichbare erreicht werden, die Quadratur des Kreises. Egal, fest steht: Man investiert viel mehr Zeit und Energie in die Aufgaben als nötig. Klar doch, Sie wollen Ihr Produkt „veredeln“. Sie wollen sich nicht mit dem Zweitbesten zufrieden geben. Wenn man aber alles 100% lösen will, ist dies mit einem sehr hohen Zeit- und Energieaufwand verbunden. Besonders der „letzte Schliff“, der haut richtig rein. Abschied von der perfekten Lösung – Dank Signore Pareto wissen wir: Die ersten 80% des Ergebnisses erreichen wir in der Regel in einem akzeptablen Zeitrahmen. Aber dann wird’s happig. Sowohl was die Zeit anbelangt, als auch die eingesetzte Energie. Die letzten 20% muss man sich – relativ gesehen – hart erkämpfen und mit großem Zeiteinsatz erarbeiten. Es kann dann schon mal passieren, dass für einen solchen Endspurt der gleiche Zeitanteil draufgeht, den man für die ersten 80% des Arbeitsergebnisses benötigt hat. Das ist der Haken an der Geschichte. 100%-Lösungen stellen in aller Regel nicht die effizienteste Umsetzung dar. Um es in der Manager-Sprache auszudrücken: 100%-Lösungen sind nicht „wirtschaftlich“,
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sie sind „kostspielig“, manchmal vielleicht sogar verschwenderisch, sie sind ökonomisch weder vertretbar noch gerechtfertigt. Nutzen wir doch die Erkenntnisse von Pareto und loten aus, wie wir es besser machen können. Was können wir ihm nicht alles abgewinnen, diesem magischen Verhältnis von Aufwand und Ertrag. Wie wär’s etwa, wenn Sie sich hin und wieder mit 80%-Lösungen zufrieden geben? Wie wär’s, wenn Sie nicht mehr Zeit als notwendig für eine Aufgabe investieren? Wie wär’s, wenn Sie ein wenig Mut zur Unvollkommenheit entwickeln? Wie wär’s, wenn Sie einen bewusst definierten Erledigungsgrad anstreben, anstelle sich einem zügellosen Vollendungsdrang hinzugeben? Kein Mensch muss immer und überall alles 1000% erledigen. Wer jede Aufgabe ausnahmslos bis ins letzte Detail austüfteln will, legt sich selbst Steine in den Weg, löst möglicherweise Verzögerungen aus, verpasst Abgabetermine oder strapaziert andere Personen (von denen er beispielsweise laufend Informationen anfordert) über Gebühr. Gestatten Sie sich, nicht perfekt zu sein. Lassen Sie sich nicht blenden von dem trügerischen Glanz eines scheinbar perfekten Resultats. Lassen Sie sich von dieser Fata Morgana nicht um den Finger wickeln. Akzeptieren Sie, dass in bestimmten Situationen andere Faktoren über der Perfektion stehen – beispielsweise ein begrenztes Zeitfenster oder begrenzte Zeit-Kapazitäten bei jenen Personen, die Ihnen Material zuliefern. Zögern Sie nicht, eine Aufgabe oder ein Projekt zu beenden, wenn es den gesetzten Anforderungen oder den erwarteten Qualitätskriterien entspricht – auch wenn Sie es noch besser machen könnten. Sehen Sie gelassen darüber hinweg, dass Ihre Arbeitsergebnisse nicht immer Ihrem höchsten Leistungsvermögen entsprechen, Sie dafür aber durch Effizienz und Verlässlichkeit glänzen. Signore Pareto würde uns vielleicht anraten: Erst mal mit ca. 30% des Aufwands ca. 70% des Ergebnisses erreichen. Dann kurz innehalten und die an das Ergebnis gestellten Erwartungen vergegenwärtigen. Wenn Sie nun mit einem weiteren Aufwand von ca. 30% das Ergebnis auf die vielleicht erwarteten 90% hochschrauben können, stehen Sie sauber da. Sie haben in etwa 60% investiert, um ein anforderungsgerechtes Resultat abzuliefern. Ihre gesparte Zeit und Energie (immerhin 40%) können Sie anderweitig einbringen. Danke, Pareto! Eines meiner ersten Spezialgebiete während meiner ProjektmanagementTätigkeit war die Bewertung von Projektvorschlägen. Hierbei werden Analysen ausgearbeitet, die zeigen, inwiefern die Vorschläge wirtschaftlich sinnvoll sind und wie sie im Vergleich mit anderen konkurrierenden Projektkandidaten abschneiden. Ein wichtiges Entscheidungskriterium ist dabei die Wirtschaftlichkeit des geplanten Vorhabens – deshalb die Bezeichnung „Wirtschaftlichkeitsanalyse“. Das Zahlenwerk ist ein durchaus wichtiges Element in einer solchen Analyse. Die geplanten Investitionsausgaben werden den erwarteten Geldmittelzuflüssen bzw. Einsparungen gegenübergestellt. Alle Werte können problemlos in einer Tabellenkalkulation verarbeitet werden. Klar, dass ein mathematisch präzises Ergebnis, mit beliebig vielen Nachkommastellen, dabei herauskommt. Nur handelt es sich dabei allenfalls um eine trügerische Genauigkeit – eine Scheingenauigkeit. Ein „perfektes“ Resultat gibt es bei dieser Übung nicht! Warum? Nun, damit man überhaupt auf Eingabewerte kommt, muss man Annahmen treffen. Wie entwickeln
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sich die zukünftigen Verkaufszahlen, wie die Produktions- oder Lagerkapazitäten etc.? Natürlich müssen diese Annahmen robust, stabil und validiert sein. Aber man kann sie hundertmal hinterfragen, abändern und das Ganze neu kalkulieren. Es bleiben Annahmen! Das Ergebnis der Analyse hat also zwingend Unschärfen. Das ist Fakt und das geht nicht anders. Sie können in einem Tag zum Analyseergebnis kommen, in zwei Tagen, in einer Woche, in einem Monat oder in einem Vierteljahr, aber „perfekt“ wird es nie sein. Damit muss man leben. Damit kann man leben. Entscheidend ist, dass man einen gesetzten Abgabetermin einhält oder die Analyse nach einem angemessenen Bearbeitungsaufwand für fertig erklärt – obwohl man noch endlos Zeit hineinstecken könnte. Das Erfolgsgeheimnis liegt nun offen vor uns: Schlüssel zum Erfolg ist das wohl überlegte Ausbalancieren der Dimensionen „Erstellungsaufwand“ und „Ergebnisgenauigkeit“. Dieses Erfolgsprinzip ist allgemeingültig und lässt sich auf nahezu alle Situationen übertragen (z. B. Bearbeitungsaufwand versus Produktqualität). Manchmal wird es also erwartet, das perfekte Ergebnis, und manchmal eben nicht. Klären Sie die Erwartungshaltung rechtzeitig ab und orientieren Sie sich an diesem Maßstab. Oder geben Sie doch einfach ihr Bestes und belassen Sie es dabei. Lassen Sie dann die Dinge wieder los und nehmen Sie neue Aufgaben ins Visier. Klar, Sie könnten immer ein noch besseres Ergebnis abliefern, wenn Sie mehr Zeit zur Verfügung hätten. Aber so ist es nun mal nicht. Sehen Sie’s deshalb wie ein ganz großer Zeitgenosse dies tat. Johann Wolfgang von Goethe hat den Bodenkontakt nicht verloren und der Perfektion einen Riegel vorgeschoben: „So eine Arbeit wird eigentlich nie fertig, man muss sie für fertig erklären, wenn man nach Zeit und Umständen das Möglichste getan hat!“ Recht hat er! Übrigens: Wenn Sie mit 80%-Ergebnissen die angestrebten Ziele erfüllen, können Sie weitere Herausforderungen angehen, während andere immer noch an den letzten Prozenten ihrer ersten Aufgaben schleifen. Es zeichnet sich nun deutlich ab: Gut ist in vielerlei Hinsicht besser als perfekt. Die Schwächen der Perfektion und wie man sie umschifft – Damit hat im Vorfeld keiner gerechnet. Warum auch? Wer hätte es für möglich gehalten, dass etwas, was so perfekt anmutet wie die Perfektion, mit einem löchrigen Gewand daherkommt? Wer hätte vorausgeahnt, dass unter einem so blendenden Kleid einige Schattenseiten kaschiert sind? Ich muss Ihnen noch etwas Unbequemes über die Perfektion sagen. Sie ist nicht ohne Makel, das will ich Ihnen in einem offenen Gespräch mitteilen. Ich sehe schon die Schadenfreude in Ihnen aufsteigen: „Ha, selbst die hochgelobte Perfektion bekommt ihr Fett ab!“ Wir, die wir immer hervorheben „Nobody’s perfect!“, schmunzeln zufrieden in uns hinein und lassen uns diese Unperfektheiten der Perfektion auf der Zunge zergehen. Perfektion ist relativ: In Fragen bezüglich Perfektion schwingt mehr Subjektivität als Objektivität mit. Von wegen, „alles klar“. Von wegen, „eine Meinung“. Von wegen, „darüber kann man sich nicht streiten.“ Perfektion ist eine Frage der persönlichen Einschätzung. Für Perfektion gibt es keinen einheitlichen Maßstab. Wenn das Ergebnis Ihrer Arbeitsleistung beurteilt wird (von Ihren Kunden, Ihren Vorgesetzten, Ihren Team-Kollegen etc.), können die Meinungen schon mal auseinander gehen.
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VI Die größten Irrtümer rund um die Zeit
Was in Ihren Augen vorbildlich ausgeführt ist, kann sich in den Augen eines anderen als fehlerhaft erweisen. Was wiederum jemand anderem großartig erscheint, kann Ihnen ein müdes Lächeln abgewinnen. Aber nicht nur mit Ihnen kann man geteilter Meinung sein. Verschiedene Anspruchsgruppen können auch untereinander jeweils andere Standpunkte vertreten. Insbesondere herrscht zwischen verschiedenen Hierarchie-Ebenen regelmäßig eine andere Auffassung von „erforderlicher“ Perfektion. Die Schattierungen von „gerade noch akzeptabel; ausreichend; passt noch“ hin zu „tadellos; dem Standard, der Norm entsprechend; Mittelmaß“ und schließlich zu „in jeder Hinsicht mustergültig; alles überragend; großartig; noch nie da gewesen; brillant“ könnten größer nicht sein. Keine dieser drei Abstufungen wird der Empfänger einer Leistung als „unperfekt“ abtun. Es ist ja zumindest insofern perfekt, als es den Anforderungen entspricht – anforderungsgerecht eben. Zu viel Perfektion kann schädlich sein: Gut im Job zu sein bedeutet auch, dass man gekonnt und zielgerecht festlegt, wie viel Einsatz für welche Aufgabe angemessen ist. Ein sinnvoller Mitteleinsatz – solide ausbalanciert zwischen investierter Zeit und erforderlicher Ergebnis-Qualität. Keine blinde und ausufernde Perfektionierung, sondern ein Resultat, welches sich auf einem bewusst festgelegten Niveau bewegt. Diese dosierte Umsetzung, diese realistische Einstellung zu Aufwand und Ertrag schätzen auch Ihre Vorgesetzten. Das Gegenteil – ein völlig überzogener Mitteleinsatz – wird immer weniger gerne gesehen. Bedenken Sie also, dass ein Übermaß an Perfektion sich gegen Sie richten kann. Perfektionismus kann im Beruf ausgesprochen hinderlich sein. Der Hang zur Perfektion hinterlässt Schleifspuren: Die Vorstellung von einem „erstklassigen, brillanten Ergebnis“ wird oftmals als Motivationsquelle bemüht und muss als Antrieb herhalten. Bis zu einem gewissen Grad – solange man realistisch und auf dem Boden des tatsächlich Möglichen bleibt – funktioniert dies auch. Aber wenn man den Bogen überspannt, dann wird’s happig. Dann verkehrt sich diese Denke ins Gegenteil. Was als Motivationsspritze gedacht war, wirkt als Muskelverhärter und Blutverdicker. Der Perfektionswahn belastet dann unsere Psyche, weil es schwierig ist, die damit verbundene „Idealvorstellung“ zu erreichen. Wir werden unzufrieden und verfallen in Mutlosigkeit. Womöglich quälen uns Versagensängste und wir verlieren sogar jegliche Hoffnungen, jeglichen Glauben an uns selbst. Wenn wir uns dann in der Annahme sehen, dass wir ungenügend sind, führen die zerstörerischen Minderwertigkeitsgefühle zu einer unangemessenen Selbstsabotage. Wir sind sauer auf uns selbst. Wir stellen uns ein schlechtes Zeugnis aus – zu Unrecht. Somit hindert uns das Verlangen nach Perfektion eher daran, Neues zu erreichen, als dass es uns dabei unterstützt. Das Perfektionsstreben baut uns sicherlich keine Brücken auf. Im Gegenteil, sie reißt Brücken nieder und legt uns sogar noch Hemmschwellen in den Weg. Wir trauen uns automatisch weniger zu, sind zurückhaltender, können uns im Endeffekt nicht so stark entfalten, wie dies ohne Perfektionstrieb möglich wäre. Durch die vernebelte Sicht nach innen und nach außen verschwimmen unsere Ziele, entgehen uns Chancen. Das Kuriose dabei: Je perfekter Sie sein wollen, desto weniger erreichen Sie. Kennen Sie das
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„Alles-oder-nichts-Syndrom“, welches nur zwei Zustände vorsieht? Mit einer solchen Haltung verdonnert man die Arbeit zum beschränkten Glücksspiel – mit einer 50:50-Gewinn-Chance. Wollen Sie Ihren Beruf als Lotterie betreiben und Ihren Chef zur werbefinanzierten Lottoschein-Annahmestelle umfunktionieren? Perfektion ist wechselhaft: Die Perfektion ist alles andere als standhaft. Sie ist bei weitem nicht „der Fels in der Brandung“, der jedem Brecher standhält. Das Gegenteil ist der Fall. Wie ein Korken im Meer wird sie von Wellen hin und her gespült. Treibt auf und ab. Wird ab und zu von einer überschlagenden Welle geschluckt. Wie ein Pendel bei einer Wanduhr schwankt die Perfektion mal in die eine Richtung und mal in die andere. Perfektion ist sehr situationsbezogen bzw. zeitabhängig. So wie das Wirtschaftsleben in Bewegung ist, so variiert auch der „Perfektheitsgrad“. Je nach Situation und momentaner Lage kann für ein und dieselbe Aufgabe mal ein geringer Qualitätsstandard gelten und mal ein höherer. Manchmal können Sie nahezu beliebig über die Zeit anderer Personen (Informationslieferanten) verfügen, ein andermal lautet die Devise: „Andere Stellen möglichst nicht belasten.“ Manchmal muss es schnell gehen, man kann sich also nur an der Oberfläche bewegen. Ein andermal hat man ausreichend Zeit, etwas mehr Tiefgang ist dann gefragt. Für Sie als Person ist dann Ihre Fähigkeit zur Adaption gefragt und erfolgsentscheidend. Wie gut können Sie sich auf geänderte Umstände einstellen? Können Sie zwischen einem Arbeitsmodus, der Hochqualitatives auswirft, und einem Arbeitsmodus, der schnell gute Ergebnisse hervorzaubert, umschalten? Wie groß ist Ihre Wechselbereitschaft? Wie flexibel sind Sie? Verfügen Sie über ein Repertoire an unterschiedlichen Perfektionsstilen? Es läuft also tatsächlich darauf hinaus: Die Schwächen der Perfektion (ihre Wechselhaftigkeit) müssen Sie mit Ihren Stärken kompensieren. Meine abschließende Empfehlung lautet: Streben Sie nicht nach Perfektion! Perfektionismus muss nicht sein. Investieren Sie nicht mehr Zeit und Energie als (A) notwendig oder (B) sinnvoll. Überwinden Sie den inneren Anspruch, alles bis ins letzte Detail auszuarbeiten. Überprüfen Sie die eigenen Ansprüche an die Erfüllungsgrade Ihrer jeweiligen Aufgaben kritisch und geben Sie sich auch mal mit weniger zufrieden. Das muss nicht Abstriche bei der Qualität nach sich ziehen, sondern kann im Gegenteil bedeuten, dass Sie definierte Qualitätsanforderungen erfüllen. Bedenken Sie, dass die „perfekte“ Lösung meistens nicht die beste Lösung ist. Auch wenn es Sie am Anfang Überwindung kostet, mal nicht perfekt zu sein, werden Sie bald merken, dass Sie mit gezielter Unvollendung in Ihrem Leben tatsächlich weiter kommen und mehr erreichen. Sie können sich beruhigt sagen: „Es passt alles, so wie es ist!“ Abschied von der perfekten Entscheidung – Viele Menschen haben tolle Pläne und reizvolle Ideen. Unternehmen haben sowieso immer etwas am Kochen und manchmal auch Großes vor. Aber bei beiden Parteien hapert’s hin und wieder mit der Umsetzung. Es klemmt im Getriebe, weil man sich nicht zu einer Entscheidung durchringen kann. Man kann es immer wieder beobachten, dass Entscheidungssituationen in einer Blockade münden und handlungsunfähig machen. Logisch, dass da auch so mancher Erfolg auf sich warten lässt, denn wer Erfolge verbuchen will, muss entscheiden.
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Es ist eigentlich kein Geheimnis: Erfolgreiche Menschen treffen gerne Entscheidungen, und erfolgreiche Unternehmungen agieren ebenso entscheidungsfreudig. Warum das so ist, darüber kann man spekulieren. Vielleicht hängt es mit einer Lebensweisheit zusammen, die den Freiheitsgedanken auf ein entscheidendes Fundament stellt: „Die Freiheit eines Menschen bemisst sich an der Zahl der Entscheidungen, die er trifft.“ Nicht abwegig erscheint deshalb der Gedanke, dass Menschen, die gerne Entscheidungen treffen, mit ihrer Entschlusskraft ein Plus an Freiheit und ein Minus an Abhängigkeit verbinden und sich in diese Richtung entwickeln. Halten wir fest: Die Perfektion kann ein Hindernis darstellen, wenn es um Entscheidungen geht. Verabschieden Sie sich von einer Illusion: Die perfekte Entscheidung gibt es nicht! Da können Sie noch so viel analysieren, noch so viel Informationen einholen, noch so viele Datenbanken durchforsten, noch so viel Vergleiche anstellen, noch so viel Annahmen verarbeiten, noch so viele Personen befragen, noch so viele Meinungen abwägen und noch so viel in die Glaskugel schauen. Entscheidungen im Wirtschaftsleben beruhen fast immer auf unvollständigen Informationen oder einem Restrisiko. Auch im Privatleben gibt es die „letzte Gewissheit“ selten. Im Grund genommen kann es 100% richtige Entscheidungen nicht geben. Sie können ja nie im Voraus wissen, ob eine Entscheidung sich in der Zukunft als richtig oder falsch erweisen wird. Das ist unmöglich. Es sei denn, Sie glauben an Wahrsagerei. Falls nicht, dann haben Sie theoretisch gesehen drei Möglichkeiten, um mit diesem Dilemma, mit dieser „Entscheidungsproblematik“ umzugehen. Theoretisch deshalb, weil ich Ihnen leider nicht drei „echte“ Alternativen in Aussicht stellen kann. Es gibt da einen Haken. Eine der drei Varianten hat einen gravierenden Schönheitsfehler. Ihre uneingeschränkten Wahlmöglichkeiten gibt es somit nur auf dem Papier. Aber dennoch, hier sind sie: Erstens: Sie warten einfach mal ab und treffen keine Entscheidung! Sie ignorieren die Entscheidungssituation völlig. Sie sprechen sich weder für etwas aus, noch gegen etwas, und ziehen auch keinen Aufschub in Betracht. Sie machen einfach nichts. Schön. Dann passiert auch nichts. Es passiert vielleicht nichts Schlechtes. Aber es passiert höchstwahrscheinlich auch nichts Gutes. Es passiert – zunächst – rein gar nichts. Aber irgendwann, irgendwann werden Sie von der aufgeschobenen Entscheidung eingeholt. Denn solange Sie Entscheidungen aufschieben oder aussitzen, halten Sie ein Vakuum am Leben – einen unkontrollierten luftleeren Raum, ein schwammiges Etwas, in dem jeder nach Belieben herumstochern kann. Das kann schmerzhaft sein. Das wird schmerzhaft sein. Anhand meiner Beobachtungen in verschiedenen Unternehmen kann ich immer wieder feststellen, dass mehr Geld dadurch verloren geht, wenn Entscheidungen nicht getroffen werden, als durch rechtzeitig korrigierte Fehlentscheidungen. Nur zugeben will es niemand. Zweitens: Sie treffen trotz unvollständiger Faktenlage und dem Wissen, dass ein geringes Restrisiko nicht ausgeschlossen werden kann, eine Entscheidung. Sie entscheiden einfach. Punkt. Anstatt stillschweigendem Aussitzen, anstelle von nebulösen Verzögerungstaktiken oder unschlüssigen Pendelbewegungen schaffen Sie Tatsachen. „Ja wir tun es!“ oder „Nein, wir tun es nicht!“. Aber Achtung. Wenn
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Denkfalle Perfektionismus
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Sie sich „kontrolliert“ gegen etwas entscheiden, ist folgender Gedanke fatal: „Der Entscheid ist ablehnend, also gibt es NICHTS zu tun.“ Falsch! Wer sich bewusst gegen einen Vorschlag ausspricht, lotet im Vorfeld die möglichen Konsequenzen aus, die diese Ablehnung eventuell mit sich bringt. Das ist Ihre Gelegenheit. Sie können sich entsprechend positionieren, Ihre Abteilung oder Ihr Unternehmen darauf einstellen, Vorkehrungen treffen und sich auf die erwarteten Umstände einstellen. Drittens: Sie bedingen sich einen konkret terminierten Aufschub. Sie geben die Entscheidung in die Wiedervorlage – für den nächsten Tag oder die nächste Woche. Eine bewusste und einmalige Fristverlängerung. Aber bitte nicht zu lange aufschieben, nicht unnötig hinauszögern. Wenn Sie eine Entscheidung immer wieder aufschieben, bis die perfekte Information vorliegt, bis der perfekte Zeitpunkt gekommen ist, bis die perfekten Umstände eingetreten sind, bis es garantiert kein Restrisiko mehr gibt, dann werden Sie höchstwahrscheinlich bis in alle Ewigkeit warten müssen. Ob Entscheidungen richtig oder falsch sind, wissen Sie wie gesagt erst hinterher. Also, lieber 90% richtig und schnell als im trügerischen „100%-Anspruch“ relativ sicher und sehr, sehr langsam! Was im schlimmsten Fall passieren kann, wenn man mit einer Entscheidung hadert, verdeutlicht uns ein Gleichnis von Johannes Buridan, einem Philosophen aus dem 14. Jahrhundert. In seiner bildlichen Analogie, die auch als „Buridan‘s Esel“ bekannt ist, steht ein hungriges Maultier zwischen zwei gleich großen Heuhaufen. Am liebsten würde es sofort losfressen, esslustig wie es ist. Das Maultier kann sich aber nicht entscheiden, in welchen der beiden Haufen es als erstes reinbeißen soll. Es tut sich derart schwer mit seiner Wahl, dass es letztendlich den Hungertod erleidet. Das hier bemühte Bild ist natürlich überzeichnet, verdeutlich aber umso besser die möglichen Gefahren der Handlungsunfähigkeit, welche mit aufgeschobenen Entscheidungen einhergehen können. Die Gefahr geht von dem Umstand aus, dass man geneigt ist „nichts zu tun“. Der Maler Edouard Tapissier hat dieses Gleichnis übrigens in ein ausdrucksstarkes Bild umgesetzt und hat sein Gemälde sogar um einen weiteren Entscheidungskonflikt – menschlicher Natur – ergänzt. Die Sache mit den Entscheidungen verfolgt den Menschen seit seiner gesamten Evolution. Immer bewegte er sich zwischen den Polen entscheidungsfreudig und entscheidungsträge – in ganz seltenen Fällen auch mal entscheidungsunfähig. Die Fraktion der Entscheidungsfreudigen kam dabei meistens besser weg, kann deutliche Pluspunkte für sich verbuchen und ist erwiesenermaßen im Vorteil. Tendenziell sind die Mitglieder auf dieser Seite risikofreudiger, während man die Gegenseite eher als risikoabstinent bezeichnen kann. Letzten Endes dürfte das mit ein Grund sein, weshalb erstere öfters auf der Gewinnerseite erscheinen. Mut wird belohnt, könnte man resümieren. Eine interessante und ultimativ prägnante Umschreibung der beiden polaren Entscheidungshaltungen, begegnete mir nicht etwa in einem Sachbuch, sondern in einer geschichtsträchtigen Erzählung – dem von Rafael Sabatini verfassten und 1922 erschienenen Abenteuerroman „Captain Blood“ (2010 im Unionsverlag neu aufgelegt). In einer Szenerie charakterisierte der Autor seinen Akteur wie folgt: „Entscheidungsträgheit war noch nie seine Schwäche. Er sprang wo andere krochen.“
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VI Die größten Irrtümer rund um die Zeit
Deshalb mein Appell: Gehen Sie den Weg der Entscheidungsfreudigen. Verfallen Sie nicht in eine Entscheidungsträgheit. Erliegen Sie nicht den Versuchungen „perfekter Entscheidungen“. Entscheiden Sie! Mein abschließender Rat: Sehen Sie es wie Charles de Gaulle, ein Meister großer Entscheidungen, der in seiner Zeit unmissverständlich zementierte: „Es ist besser, unvollkommene Entscheidungen zu treffen, als ständig nach vollkommenen Entscheidungen zu suchen, die es niemals geben wird.“ Vergessen Sie nicht, dass Sie sowohl eine Verantwortung für das tragen, was Sie tun, aber auch eine Verantwortung für das, was Sie nicht tun! Damit Sie wirkungsvoll agieren können, müssen Sie sich klar für etwas entscheiden. Verabschieden Sie sich aber von der perfekten Entscheidung, denn perfekte Entscheidungen sind längst nicht die besten Entscheidungen. Warum? Ganz einfach: Die besten Entscheidungen sind die, die man trifft!
Kapitel 42
Warum die „lange Weile“ eine gute Sache ist – und sich das „Zeit nehmen“ auszahlt
Hurra, Sie sind gerettet! Und plötzlich ist sie da, die Zeit, die es niemals gab. Nun kann man sich auch mal anderen Dingen zuwenden. Hier geht es darum, den manchmal subtil ausgeprägten, manchmal aber auch zwanghaften Arbeitstrieb im Zaum zu halten. Wenn er die Macht an sich reißt und die Oberhand gewinnt, soll dies keine unbefristete Amtsübernahme sein. Als Dauerzustand macht dieser Zwang wenig Sinn. In einem ausgeglichenen Lebensstil kann es nicht darum gehen, jede Sekunde zu nutzen, nur hart zu arbeiten und sprintend umherzueilen. Deshalb werden hier leisere Töne angeschlagen. Hier geht es um Ruhe, um Gemächlichkeit, um Langeweile und um Geduld. All das hängt irgendwie zusammen und ist ein wichtiger Gegenpol zum achtlosen Beschäftigungswahn und zum pausenlosen Gasgeben. Überhaupt: Wie ist es mit Ihrer Spontanität bestellt? Können Sie für spontane oder ungeplante Dinge im Leben Zeit aufbringen oder sind Sie schon nahe dran, dies zu verlernen? Lassen Sie sich von Ihrem hektischen Umfeld anstecken und nehmen sich eben diese Freiheiten nicht mehr? Fragen Sie sich vielleicht: „Wo soll ich mir die Zeit bloß hernehmen?“ Beobachten Sie einmal erfolgreiche Menschen in Ihrer Umgebung. Sie werden feststellen, dass bei diesem Personenkreis die Gabe, sich spontan „Zeit zu nehmen“, stärker ausgeprägt ist, als man vermutet. Die Gleichung „Erfolg = Keine Zeit haben“ ist falsch. Sich einfach mal „Zeit zu nehmen“ ist ein Teil unseres Lebens. Ein Ritual des Alltäglichen, welches auch in der „Keine Zeit“-Ära nicht untergehen darf und deshalb bewusst gepflegt werden will. Selbst in Situationen, in welchen wir scheinbar keine Zeit haben, kann es sich auszahlen, wenn man sich „Zeit nimmt“. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen hat im 20. Jahrhundert Jules Romains, ein französischer Schriftsteller, die neurotische Zeitlosigkeit mancher Zeitgenossen gebrandmarkt: „Die wirklich tätigen Menschen erkennt man daran, dass sie Zeit haben.“
Ruhe „In der Ruhe liegt die Kraft!“ Warum dieser Spruch mein unvergesslicher Lebensbegleiter wurde, will ich kurz schildern. Eine Geschichte, die sich abspielt, als ich gerade mal neunzehn Jahre alt bin. Ich werde in den Grundwehrdienst einberR. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6_42, C Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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VI Die größten Irrtümer rund um die Zeit
ufen und darf als Geschäftszimmersoldat in der Verwaltung einer Kompanie dienen. Die Verwaltung besteht aus einem sogenannten „Geschäftszimmer“, welches mit zwei Geschäftszimmersoldaten besetzt ist. Daran angegliedert sind die Büroräume für den Hauptfeldwebel und den Hauptmann. In unserer Kompanie gibt es einen Unteroffizier, den man bedenkenlos als „totalen Hektiker und notorischen Schreihals“ charakterisieren kann – wäre sogar ein Kompliment. Eines Tages – besagter Offizier tobt wieder mal wild gestikulierend ins Geschäftszimmer – wird mir sein aufbrausendes Verhalten zu bunt. Ich kann es nicht länger ertragen und entgegne ihm in etwa: „Bleib doch ruhig! Das bringt doch nichts!“ Natürlich schert er sich nicht um das, was ich sage. Einen Tag später und eine Idee reicher. Man könnte ja ein selbst beschriftetes A4-Blatt an die Tür des Geschäftszimmers hängen. Die Tür ist immer geschlossen, jeder würde also das Blatt sehen, bevor er eintritt. Ich sehe es schon vor mir, das Blatt auf dem in fetten Lettern steht: „In der Ruhe liegt die Kraft!“ Gedacht, getan. Das Blatt hängt eines Morgens am vorgesehenen Ort. Einen halben Tag lang läuft alles wie immer. Die Tür geht auf und zu. Leute kommen und gehen. Obschon einige der Offiziere dezente Vorwarnungen anbringen. Ein Offizier redet bei seinem zweiten Besuch auf mich ein, aber ich zeige mich standhaft. Auf einmal. Urplötzlich. Die Tür wird mit einer Wucht aufgerissen und fliegt fast in den Raum. Luft wirbelt auf wie bei einem Tornado. Erstarrt blicken mein Kollege und ich in Richtung Tür. Ich denke: Die Welt geht unter; jetzt ist es aus. Der „betreffende“ Unteroffizier stürmt wie eine Rakete und dazu noch mit hochrotem Kopf ins Geschäftszimmer. Der Oberkörper den Beinen immer einen halben Meter voraus. „B-r-u-g-g-e-r!“, ein lang gezogener, ohrenbetäubender Schrei, „häng sofort das Schild ab!“ Mann, hat der sich aufgeregt. So was hab ich noch nie erlebt. Ich bleibe äußerlich ruhig und kontere standhaft etwas wie: „Nein. Mach ich nicht!“ Gefolgt von einem: „Auf dem Schild steht doch nur so ‘ne allgemeine Lebensfloskel.“ Und hinterher werfe ich noch: „Wenn du es wegreißt, mache ich wieder eins dran.“ Die Augen des Unteroffiziers: Wenn Blicke töten könnten. Mir ist klar: Der kocht; der explodiert gleich. Ich sehe das Feuerwerk in seinen weit aufgerissenen Augen. Ich spüre: Er will mir an die Gurgel. Will mir seine Hände mit eisernem Druck um meinen Hals legen. Die Situation ist wie eingefroren. Die Zeit steht – leider – still. Dann wirbelt er rum und stürmt raus. Die Tür kracht zu und fast in sich zusammen. Noch mehr Staub wirbelt auf. Etwa dreißig Minuten später werde ich zum Hauptfeldwebel zitiert. Trete ins Büro. Mache gar nicht erst den sonst üblichen informellen Gruß – Geschäftszimmersoldaten pflegen für gewöhnlich ein lockeres Verhältnis mit dem Hauptfeldwebel. Melde mich offiziell. Strammstehen und Sprüchlein: „Gefreiter Brugger meldet sich!“ Und dann kommt, was kommen musste: die Standpauke. Aber zum Glück keine Bestrafung. Ich gehe hinaus. Hänge das Blatt widerstrebend ab. Erfahre später noch, dass der Hauptfeldwebel den Hauptmann beruhigen muss und dass dazu mehrere Anläufe und zwei Tage notwendig waren – sonst wäre es für mich schlimmer ausgegangen.
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Einige Tage danach – die Wogen haben sich zum Glück schon etwas geglättet – muss ich dann doch zum Hauptmann. Auch hier gibt’s noch mal eins auf die Mütze. Aber ebenfalls keine Strafe. Vielleicht haben die sich insgeheim in den Bauch gelacht. Ich weiß es nicht. Zurückblickend sage ich mir: „Mann, was war das für ein Erlebnis.“ Zwei Beobachtungen waren hierbei besonders interessant. Erstens: Auf dem Blatt stand kein Name und dennoch wusste der „betreffende“ Unteroffizier haargenau, dass es sich ganz allein auf ihn bezog – und niemanden anders. Zweitens: Alle anderen wussten es auch. Jedem war sofort klar, wer damit gemeint war. Keiner hat sich darüber aufgeregt. Im Gegenteil, gelacht wurde und die Geschichte hat sich zum beliebten Gesprächsthema in der Garnison hochgeschaukelt. Also: Immer mit der Ruhe. Sie ist der edlere Bruder der Zeit – diese stilvoll stillgelegte Zeit. Die Ruhe gewinnt einen großen Teil der ihr gewidmeten Hochschätzung aus dem Umstand, dass es ein äußerst widerliches Gegenstück gibt, die Unruhe. Die können Sie links liegen lassen, denn das Leben ist kein Sprint, bei dem Sekunden-Vorsprünge erfolgsentscheidend sind. Und Viertelsekunden spielen bestenfalls beim Satzbeginn „Wir haben im Lotto. . .“ eine verhängnisvolle Rolle, wenn nämlich der Satz endet mit „. . .wieder nichts gewonnen“. Ich bleibe dabei und hänge im Geiste mein Blatt wieder auf: In der Ruhe liegt die Kraft!
Gemächlichkeit „Gemach, gemach!“ – Diese Redensart bringt es auf den Punkt. Mal langsam! Nichts überstürzen! Nur keine Panik! Alles zu seiner Zeit! Was soll die Hektik? In jungen Jahren haben wir alle die ausgewogene Haltung drauf. Schließlich wird sie dem Menschen in die Wiege gelegt. Von Natur her haben wir eine distanzierte Einstellung zur Hektik. Erinnern Sie sich an Ihre Kindheitstage zurück. Die künstliche Hektik der Erwachsenen haben wir nie so richtig verstanden. Das ging uns nie in den Kopf. Vielmehr hallen in unseren Köpfen noch die Rufe der Eltern: „Nun mach schon!“, „Komm endlich!“, „Trödel doch nicht rum!“, „Du bist ja immer noch nicht fertig!“. So ging das nur allzu oft. Verstehen konnten wir das nie. Wie auch, Kinder leben in einer anderen Zeitwelt als Erwachsene. Für Kinder hat die Zeit eine andere Bedeutung als für ausgewachsene Menschen. An der Zeit kann’s aber nicht liegen. Auch wenn es oft heißt: „Die Zeiten ändern sich, aber der Mensch bleibt.“ In diesem Fall gilt offensichtlich eher das Umgekehrte: „Der Mensch ändert sich, aber die Zeit, die bleibt gleich.“ Es sind die äußeren Umstände unseres ErwachsenenDaseins, die uns von Zeit zu Zeit in einen Temporausch abgleiten lassen. Wenn man in Arbeit ertrinkt. Wenn einem die Zeit davonläuft und man unvermeidbar zu spät in eine Sitzung platzt oder eine Verabredung verpatzt. Wenn man sich im Wettlauf mit der Zeit sieht. Wenn man das „Zeit haben“ und das „frei von Termindruck leben“ vergisst. Ruck, zuck hat es dann den Anschein, dass man nur noch mit „Speed“ durchs Leben kommt. Woran hapert’s denn? Was ist der Fallstrick? Wenn man erwachsen wird, lernt man zwar vieles. Aber das schließt nicht aus, dass wir möglicherweise auch das ein oder andere verlernen. In unserer Tageszeitung wurde neulich über die Schließung einer Dorfschule berichtet.
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Der Besuch dieser Schule war für die Kinder unkompliziert. Sie konnten sich am Morgen zu Fuß auf den Schulweg machen. Nach der Schule hat man sich ungezwungen und in spontanen Gruppen arrangiert und den Schulalltag beim Nachhauselaufen ausklingen lassen. Dann wurden die Klassen an einen anderen Schulort verlegt – und aus dem Ortswechsel wurde auch ein Zeitwechsel. Eine andere Zeit brach herein. Am Morgen musste man beizeiten an der Bushaltestelle sein. War man ein paar Sekunden zu spät – Pech gehabt, Bus weg. Die Tageszeitung hat einige der Schulkinder zu dieser Schul-Schließung befragt und die Antworten abgedruckt. Interessant war die Aussage eines 10-jährigen Schülers, der soeben die 4. Klasse beendet hatte: „Ich bin nur zwei Minuten zur Schule gelaufen, und wenn ich getrödelt habe, zehn. Das war gut.“ Sollten wir in Bezug auf die Geschwindigkeit, mit der wir oftmals unseren Alltag abspulen, den Lernpfad vielleicht umdrehen? Gibt es da möglicherweise etwas, was wir von unseren Kindern lernen können? Was können wir aus der Aussage dieses Schülers mitnehmen? Tappen wir als Erwachsene vielleicht zu oft in die Hektikfalle? Gibt es nicht wichtigere Dinge im Leben, als ständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen? „Entschleunigung“ sollte unser Motto sein. Entschleunigen Sie Ihr Leben! „Runter vom Gas“, denn ständiges Gasgeben ist ohnehin kein nachhaltiger Weg für ein gangbares Leben. Sagen Sie „Nein“ zum Vollgas, denn vielleicht ist was dran an dem Sprichwort, welches da lautet: „Je schneller man rennt, desto weiter fällt man zurück.“ Marilyn Monroe hat mit ihrem Tagebucheintrag einen interessanten Perspektivenwechsel vollzogen und einen inspirierenden Gedanken vorgelegt: „Ich komme eigentlich nie zu spät; die anderen haben es bloß immer so eilig.“ Ihre zukünftige Wegleitung für den Tagesverlauf könnte sein: Wer beim Aufstehen den richtigen Startmodus erwischt, tut sich leichter. Am Morgen entspannt zur Arbeit gehen und bereits beim Einstieg in den Berufsalltag einen ausgeglichenen Rhythmus finden und halten. Wenn das schwerfällt, dann mindestens auf die gesunde Balance von langsameren und schnelleren Handlungen achten. Wenigstens dieses so wichtige Gleichgewicht nicht aufgeben. Sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Nicht die innere Haltung von äußeren Umständen torpedieren und schwächen lassen. Grenzen setzen und diese nicht überschreiten. Ebenso gilt: Wer entspannt den Heimweg von der Arbeit antritt, erlebt den besten Start in das Freizeitgeschehen. Abstand gewinnen. Den ausgewogenen Rhythmus weiterführen. Die innere Haltung aufrecht erhalten. Die Ruhe bewahren und in dieser Top-Form den Tag ausklingen lassen. Dies sind kleine praktische Schritte des Loslassens. Durch sie reift die Überzeugung: Wir können ohne Hektik und ohne Zeitnot leben.
Langeweile Müssen Sie immer etwas tun? Können Sie auch mal nichts tun? Schweben wie auf Wolken in einer Hängematte. Wie war das mit der empfundenen Dehnung und der Schrumpfung der Zeit? Die Zeit vergeht schnell, wenn wir viel erleben, Interessantes erfahren, Neues entdecken und wenn Aufregendes passiert. Dann sind
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alle Sinne gefordert – das Leben erscheint kurzweilig. Wer indes nichts Sinnvolles tut, erlebt Langeweile. Dann dehnen sich im Gefühl die Stunden. Dass Menschen in diesem Fall den Zeitverbrauch als „langweilig“ ansehen, ist ein eher neues Phänomen in der menschlichen Geschichte. Erst als sich die mechanische Uhr verbreitete und die Zeit im Alltagsleben eine größere Rolle einnahm, dann erst entstand das Wort Langeweile. Die lange Weile wird heute tendenziell als etwas Negatives angesehen. Man unterstellt gerne mal, dass diese „freie Zeit“ verschwendet, verloren oder dumm ist. Von wegen! Nicht jeder weiß das süße Nichtstun zu schätzen. Jene sollten wissen: Ohne ein Quäntchen Faulheit ist Kreativität und Energie-Tanken nicht möglich. Der Kontrast von Leistung und Nicht-Leistung hilft uns dabei, unseren Energiehaushalt auszugleichen. Wer die Zeit optimal für sich nutzen will, muss die Seele auch mal baumeln lassen können. Mit Überarbeitung und Müdigkeit kommen Sie nicht weit. Abschalten ist wichtig. Also nicht nur „nicht arbeiten“, sondern auch „nicht an die Arbeit denken“. Denken Sie stattdessen beispielsweise daran, dass wenn Sie die Haustüre aufschließen, der Feierabend anfängt. Wenn sich dann ein Moment der Langeweile einstellt, so kann dies etwas sehr Positives, Befreiendes sein. Man sollte sich nicht dagegen sperren, sondern diese Zeiten als Mußestunden oder schöpferische Pausen genießen. Die Langeweile unterstützt unser Gehirn, nur mit ihrer Hilfe können wir in unserem Verstand das Geschehene bewältigen und die laufenden Gedanken ordnen. Gönnen Sie sich von Zeit zu Zeit eine lange Weile. Dies geht einher mit dem Credo von William M. Jeffers, eine Glanzfigur des amerikanischen Wirtschaftslebens im frühen 20. Jahrhundert und einstiger Präsident der Union-Pacific-Eisenbahngesellschaft: „Man soll nie so viel zu tun haben, dass man keine Zeit mehr zum Nachdenken hat.“ Nette Gespräche führen, schöne Bücher lesen, Kreuzworträtsel lösen, malen, schwimmen, ausreiten, die Natur beobachten, spazieren oder wandern gehen, sich Zeit für alles Mögliche lassen. Was für eine schöne Zeit für die menschliche Psyche. Nah dran an einem Menschenbild, welches einem bekannten buddhistischen Mönch namens Thich Nhat Hanh vorschwebte: „Achtsam zu leben heißt einfach zu leben und mehr Zeit für Genuss zu haben.“ Liegt Ihre letzte „lange Weile“ schon lange zurück? Wenn ja, dann sollten Sie binnen kurzer Zeit etwas gegen die ständige „kurze Weile“ tun. Oder haben Sie sich vom „La Dolce Vita“ verabschiedet? Fällt es Ihnen leicht, einfach mal abzuschalten? Können Sie es auch mal ein bisschen locker angehen lassen? Schnell und produktiv arbeiten ist eine Sache. Etwas anderes ist es, die Früchte der Arbeit auch zu genießen und in den Mußestunden zumindest einen Rest des süßen Lebens zu bewahren. Wie sieht Ihre Verteilung von harter Arbeit und Muße aus? Die folgende „Lean Time Management“-Zeitregel verdeutlicht, dass letzteres keinesfalls verschwendete Zeit ist: „Wenn man nach einem arbeitsreichen Leben Bilanz zieht, wird man feststellen, dass nicht gelegentliches Nichtstun eine Zeitverschwendung war, sondern pausenlose Aktivität.“ Die wichtigsten Voraussetzungen für die Fähigkeit zur Entspannung sind: Erstens, ein freier Geist. Zweitens, Klarheit über die wesentlichen Tätigkeiten des aktuellen oder morgigen Tages – die nächsten Schritte also, welche wir angehen,
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um unsere beruflichen wie privaten Dinge voranzutreiben. Den freien Geist haben wir mit der ersten Rettungsmaßname dieser Zeitrettung – dem Outsourcing für das Gehirn – herbeigeführt. Klarheit über die nächsten Verrichtungen haben wir mit der zweiten Rettungsmaßname – dem Storyboard für den Tag – erreicht. Unser Verstand kann abschalten und sich vollkommen frei den Gedanken hingeben, die da kommen. So wie im Zauberberg von Thomas Manns: „Es ist genau, wie wenn man an der See liegt, dann liest man eben an der See, nicht wahr, und braucht nichts weiter, weder Arbeit noch Unterhaltung.“ Wenn Ihnen beim Innehalten die Übung fehlt, helfen zwei Tipps. Erstens: Mittels Tätigkeiten, die Ihnen Freude bereiten, können Sie Abstand gewinnen und Ihre Fähigkeit zur Entspannung trainieren. Tätigkeiten, in denen Sie voll und ganz aufgehen, sind Distanzhelfer. Das kann ein Sport – also etwas mit Bewegung – oder etwas Gegenteiliges wie zum Beispiel Angeln sein. Eigentlich spielt es keine Rolle, was es ist. Wichtig ist, dass Ihre Gedanken dabei in eine andere Richtung treiben. Wenn sich bei Ihnen dennoch keine Gelegenheit zum Entspannen einstellt, hilft vielleicht der zweite Tipp: Vereinbaren Sie einen Termin für eine Massage – oder bitten Sie Ihren Partner, dies zu übernehmen. Massagen sind Muße pur und sorgen gleichzeitig für ein körperliches Wohlbefinden – Rundum-Entspannung sozusagen. Und schließlich können Sie das Nichtstun auch noch anderweitig planen. Wie wär’s, wenn Sie sich einen Tag vornehmen, an dem Sie eben genau das tun – Nichts!
Geduld Eng verbunden mit der langen Weile ist die Geduld. Das Spiel mit der Zeit ist eben in vielen Situationen eine Geduldsprobe. Jedoch sind Zeit und Geduld ein ungleiches Paar. Geduld ist die Fähigkeit, das Verstreichen der Zeit zu ignorieren, es quasi auszublenden. Das eine – Geduld – hat man also just in den Momenten, in denen man das Andere – die Zeit – hintenanstellt. In einigen wenigen Fällen jedoch kann Geduld auch aus einem Mangel an Zeitgefühl resultieren. Geduld spielt eine wichtige Rolle für die Zufriedenheit mit dem Leben insgesamt. Gelassen sein ist ein wichtiger Bestandteil einer positiven Zeiteinstellung. Mit innerer Gelassenheit lebt man besser. Doch der Weg zur Gelassenheit ist nicht immer einfach. Vielen Menschen fällt es schwer, im täglichen Leben gelassen zu bleiben. Ein großer Stolperstein sind dabei auch die Erwartungen – von anderen und sich selbst gegenüber. Wir werden früh darauf getrimmt, Leistung zu zeigen, besser zu sein als andere und ständig neue Ziele zu erreichen. Einfach zu sein, ist immer seltener eine Alternative in unserer Leistungsgesellschaft. Da bleibt das Talent zur Gelassenheit schnell auf der Strecke – je strenger man mit sich und der Umwelt ist, desto weniger gelassen ist man. Wie steht es mit Ihrer Geduld? Hadern Sie beispielsweise mit der „Langsamkeit“ anderer oder vervollständigen Sie die Sätze Ihrer Gesprächspartner, wenn diese sich mit ihrer Artikulation Zeit lassen? Manchmal müssen Sie einfach Geduld haben. Das Gras wächst ja nicht schneller, wenn man daran zieht. Es dauert auch, bis eine Blume aufblüht.
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Das Interessante an der Geduld ist, dass ihr Vorhandensein (oder eben NichtVorhandensein) sich häufig in eher unbedeutenden Umständen und Lebenssituationen manifestiert, an denen Sie ohnehin nichts ändern können. Oft sind es Alltagssituationen, die unsere Geduld auf die Probe stellen. Sie möchten wegen einer Sache telefonieren und geraten in eine Warteschleife. Sie touren mit Ihrem PKW mal wieder hinter einem LKW her. Sie warten – ungeduldig – vor einer roten Ampel. Der Zug hat Verspätung. Der Autokorso auf der Straße gerät ins Stocken – dazu sagt man auch „Stau“. Und so weiter. Das sind Beispiele alltäglicher Geduldsproben. Sie lassen den Puls steigen, bringen das Blut in Wallung und uns aus der Fassung. Vor allem wenn diese Zeitkiller in einer als „nervig“ empfundenen Häufung auftreten, werfen sie uns schnell aus der „gelassenen“ Bahn. Warum? Man meint, es müsse anders sein. Doch im Prinzip „muss“ gar nichts. Menschen können sich über Geschehnisse, über andere Menschen oder über ihre Lebenssituation aufregen – sie müssen es aber nicht. Auf dem Weg zur Gelassenheit stehen allerdings Denkfallen, in die Menschen in schöner Regelmäßigkeit reintappen. Zum Beispiel, dass ein verpasster Anschlusszug das Ende der Welt ist. Die Grundlage für den Geduldsverlust liegt also in unserem Kopf, denn unser Denken ist die Basis für unser Verhalten. Es sind nicht die Dinge, die uns aufregen, sondern die Art, wie wir sie interpretieren. Wenn uns die Gelassenheit entgleitet, blockieren starke Emotionen unseren Verstand und verdrängen objektives Denken. Im angespannten Zustand denken und fühlen wir in eng begrenzten Bahnen, als hätten wir Scheuklappen. Wir verlieren die Geduld, weil wir in unseren Gedanken das augenblickliche Zeitleiden falsch bewerten. Eine Überbewertung der Umstände mündet in einer Überreaktion – der Geduldsfaden reißt. Es sei denn, wir relativieren die Situation: In spannungsgeladenen Situationen ist es sinnvoll, innerlich kurz einen Schritt zurückzutreten und in Ruhe durchzuatmen. Hilfreich ist es, sich Fragen zu stellen. Was kann denn schlimmstenfalls passieren? Welche Bedeutung wird diese Angelegenheit in einer Woche, in einem Monat, in einem Vierteljahr, in einem Jahr haben? Je weiter der Vergleichszeitraum gespannt wird, desto belangloser erscheint das Ereignis, welches unsere Geduld für einen Moment überstrapaziert hat. Mit Hilfe dieser Relativierung kann man selbst in zeitkritischen Situationen gelassener bleiben. So wie eine Lotusblüte das Wasser abweist und immun gegen jegliche Verschmutzung ist, ist die Relativierung für uns ein Schutzschild, der den Zeitstress einfach abperlen lässt. Bei genauerem und distanzierterem Hinsehen entpuppen sich viele Stress-Situationen nur als Bagatelle. Diese Fähigkeit zur Relativierung ist bei manchen Menschen stärker ausgeprägt, bei anderen weniger intensiv. Interessant ist nun, dass letztere Personen zwar just in den Augenblicken, in denen ihre Geduld auf die Probe gestellt wird, den Relativierungsvorgang nicht einleiten bzw. die Relativierungsgedanken nicht aktivieren können. Aber wenn sie zeitlichen Abstand zu der Gegebenheit gewinnen, wird ihnen die Situation rückblickend doch als relativ harmlos erscheinen. Nachträglich ist es dann für jene nicht immer nachvollziehbar, warum sie der Sache eine solche Bedeutung beigemessen haben – und eben ihre Geduld mehr oder weniger auf der Strecke geblieben ist.
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Ein gelassener Mensch nimmt seine momentane Situation an, verliert sich nicht in Erwartungen und schaut nicht ständig, was er alles sein oder haben könnte. Kurz gesagt: Gelassenheit ist, bei sich und im Moment zu sein. Dazu gehört auch, die nicht beeinflussbaren Dinge ohne inneren Widerstand so zu lassen, wie sie sind. Getreu dem Credo: „Wenn ich etwas nicht ändern kann, nehme ich es hin.“ Zu einem angehenden Lean Time Manager passt im Übrigen auch folgender Rat: Üben Sie sich in Geduld! Jeder Mensch kann gelassen bleiben. Stoßen Sie die Relativierung bewusst an. Akzeptieren Sie das Unabänderliche – frei nach dem Motto: „Love it, change it or leave it!“ Vergessen Sie den ganzen Gedankenrummel. Geben Sie‘s einfach zu: „Letzten Endes ist das eine Lappalie. Also was soll’s!“ Betreiben Sie das Spiel mit der Geduld konsequent. Gelassenheit kann man trainieren. Bewahren Sie die Fassung auch in alltäglichen Dingen, die Ihre Geduld strapazieren. Bedenken Sie auch: Gelassenheit hat echte Vorteile. Gelassenheit lässt Sie souverän und kompetent wirken. Der gelassene Mensch ist in einer positiven Grundspannung und damit leistungsfähig sowie kreativ. Selbst an und für sich nebensächliche Gedulds-Ausreißer deuten letzten Endes auf das Gesamtbild einer Person hin – und dann tritt Konfuzius ins Rampenlicht, der da sagt: „Ist man in kleinen Dingen nicht geduldig, bringt man die großen Vorhaben zum Scheitern.“ Was haben Sie gewonnen, wenn Sie sich über irgendetwas eine Minute ärgern? Nichts. Im Gegenteil. Sie haben dadurch sechzig Sekunden Fröhlichkeit verloren. Sollten Sie partout keine Geduld haben (wollen), dann werden Sie wenigstens langsam rasend. Oder denken Sie einfach an die Venezianer. Diese bezeichnen ihre Heimatstadt als „La Serenissima“ – und sehen in ihr „die Gelassene“.
Vorzeit
Zeitmanagement mit nur zwei Maßnahmen, wie wird man mit einer solchen Idee schwanger? Und wie lange dauert eine solche Schwangerschaft? Zugegeben, es ist etwas sehr Ungewöhnliches. Schlimmer noch, etwas noch nie da Gewesenes. Ich musste deshalb stets damit rechnen, dass jemand eisern dagegen hält: „Das geht nicht!“ War ich demnach zu wagemutig als ich mich auf dieses bizarre Abenteuer einließ? Oder fühlte ich mich einfach nur an folgenden Ausspruch erinnert: „Alle sagten das geht nicht. Dann kam einer, der wusste das nicht und hat’s gemacht.“ Wahrscheinlich liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Wie so oft; von beidem etwas. Vielleicht könnte man dann als barrierefrei denkender Mensch auch leichter mit der Unterstellung leben, man sei mit Blindheit geschlagen – weil man blind für Grenzen ist. Genauso gut könnten Ihre Gedanken in eine völlig andere Richtung tendieren. Sie könnten mutmaßen: „Nur zwei Dinge? Easy, dass kann man einfach so aus dem Ärmel schütteln. Locker. Lässig.“ Schön wär’s. Das Gegenteil ist der Fall. Mein retrospektiver Befund ist ein ganz anderer. Und wiedermal hat sich der hinlänglich bekannte Grundsatz bewahrheitet: „Je einfacher, desto schwieriger.“ Haben Sie beispielsweise schon mal versucht, einen Text, der mit zehn Sätzen vor Ihnen steht, auf ein Zehntel zu reduzieren? Die Aussage des Textes mit einem einzigen Satz transportieren und damit das Wesentliche wiedergeben – das ist eine echte Herausforderung. Von wegen „ruck zuck“. Da ist auch nichts mit einem „hau ruck“ zu machen. Ich verstand also durchaus, auf was ich mich einließ, als die Vorstellung einer schlanken Zeitgestaltung in mir Wurzeln schlug, denn wie vieles, was von Menschenhand erschaffen wird, war auch Lean Time Management am Anfang nichts anderes als ein kühne Idee. Natürlich ahnte ich damals nicht, dass sie sich einmal in einem Buch niederschlagen würde. Die Idee und die ersten Gehversuche liegen nun schon etliche Jahre zurück, denn was Sie in den Händen halten ist mitnichten „von heute auf morgen“ entstanden. Lean Time Management ist das Ergebnis eines langjährigen Reifeprozesses mit einem rigorosen Auswahlverfahren und einem praxisgetragenen Anwenderkreis. Ein Entwicklungsgang, bei dem es keine vorgezeichneten Wege gab, dafür aber eine hohe Messlatte. Nicht nur ein bischen „Lean“ sollte es sein. Nein, das war nicht
R. Brugger, Lean Time Management, DOI 10.1007/978-3-642-14732-6, C Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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gut genug. Eine absolute, bisher ungekannte Reinheit musste her. Ich machte mich auf die Suche nach dem wirklich Neuen – dem ultimativ Reinen. Das Schwierige dabei war vor allem die Reduktion, das Eliminieren, das Herausfiltern, der Verzicht, der Kampf gegen das Übergewicht. Die zweite Zutat war Durchhaltevermögen, Beharrlichkeit, Ausdauer, Stetigkeit, Konsequenz. Offenheit und Experimentierfreude rundeten das Ganze ab. All den zahlreichen Personen, die mit mir in dem Sinne zusammengearbeitet haben, den dieses Buch zu fördern sucht, gebührt an dieser Stelle ein großer Dank. Es gab in der weit zurückliegenden Anfangszeit des „Zeitmanagement-Einsparens“ zudem auch literarische Quellen der Inspiration, von denen ich hier allzu gerne berichten will. Die Motivation für die Zeitmanagement-Verschlankung lässt sich zurückverfolgen bis zu meinen frühen Projektmanagement-Jahren. Irgendwann fiel mir eine Veröffentlichung zum Thema „Persönliche Arbeitstechnik“ in die Hände. Verfasst von Dr. Martin Ochsner und publiziert bei der Schweizerischen Volksbank im Jahre 1987 als Teil der Schriftenreihe „Die Orientierung“. Dort hieß es, dass man sich vor jeder Aktivität die folgenden vier Fragen stellen soll. Frage 1: Ist diese Tätigkeit nötig? Wenn nein, dann sofort einstellen. Frage 2: Muss ich sie selbst tun? Wenn nein, dann folgte eine Dreiteilung für Daueraufgaben, Einzelfälle und komplexe einmalige Aufgaben (Projekte). Frage 3: Muss ich sie jetzt sofort tun? Hier war der Rat: In jedem Fall anstreben, das Wichtige vor dem Dringenden zu tun. Frage 4: Tue ich sie optimal? Falls nein, war der Rat: Arbeit vereinfachen, automatisieren. Methoden, Techniken, Hilfsmittel optimal nutzen. Mit diesen Fragen hat Dr. Ochsner Entscheidungen von den Zeitmanagern eingefordert. Zweifelsfrei ein richtiger und wirkungsvoller Weg. Zumal das Ganze in einem grafischen Schaubild so übersichtlich vorgestellt wurde, dass man es auf einen Blick erfassen konnte. Dr. Ochsner stellte seine Fragen in einem ganz spezifischen Zusammenhang. Sie entsprangen einem arbeitsvorbereitenden Hintergrund. Nach dem Motto: „Denke vor dem Arbeiten!“ Nichts desto trotz habe ich dieses Fragment seiner Arbeitstechnik damals in meine Experimente rund um das Zeitmanagement mit einbezogen und den Grundgedanken in andere Kontexte übertragen. Ich habe immer wieder Überlegungen in verschiedene Richtungen angestellt und mit Anwendern diskutiert. Die Fragestruktur von Dr. Ochsner kann man folglich als eine Inspirationsquelle ansehen. Inspiration insofern, als dass seine Triage mich zu der Überlegung verleitet hat: Inwieweit können Segmentierungen der Arbeitsinhalte einen sinnvollen Dienst in einem schlanken Zeitmanagement leisten? Warum nicht Strukturen verwenden, um das Arbeitsvolumen aufzubrechen? Nach Jahren des Ausprobierens – Antworten suchen, Möglichkeiten ausloten, testen und verwerfen – verdichtete sich diese Frage irgendwann zu etwas Entscheidendem: Den vier Entscheidungen, die beim Externalisieren zum Einsatz kommen. Die Ausgestaltung des Entscheidungsrasters war der Geburtsakt für die erste Rettungsmaßname des Lean Time Management. Dann gibt es noch die zweite Rettungsmaßnahme. Zahlreiche Überlegungen und weit verzweigte Wechselwirkungen verliefen im Sande, bis sich dieser Baustein endlich herauskristallisierte und nach einer Phase der Festigung im vorliegenden
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Buch seinen Niederschlag fand. Die Inspirationsquellen und Gesprächsfäden auf diesem langen Gestaltungspfad waren vielschichtig. Was mir hierbei als Erstkontakt in Erinnerung blieb, ist ein Buch von Stefan Boëthius und Hansruedi Zellweger mit dem Titel „Heute beginnt der Rest deines Lebens“. Aha. Hoppla. Für das „Heute“ hatte ich, bis vor der Begegnung mit dem Buch von Boëthius/Zellweger, nicht allzu viel übrig. Was ist schon ein Tag? Meine spontane Reaktion auf diesen Wachruf des Autoren-Duos war ungefähr die: „Also gut, wenn das so ist, dann mach was draus, aus dem Heute.“ Auf einen Schlag vorbei war damit die unscheinbare Zeit des Jetzt und ich sagte mir: „Alle Achtung vor dem Heute!“ Ich erinnere mich noch, dass man damals immer von der „Tagesplanung“ sprach. Und die war echt kompliziert und richtig zeitaufwendig. Damit nicht genug, sattelte man noch die Wochenplanung obendrauf. Auch die hatte ihren Overhead. All das, um die Gegenwart zu gestalten. Geht es nicht einfacher? Vieles hab ich über Board geworfen, eigentlich alles. Aber etwas Andersartiges ist beim Lean Time Management geblieben, damit Sie aus dem so wertvollen „Heute“ was machen können: Die Rahmensetzung für den Tag.