Gemini 01
Thorn Forrester: Krisenherd Partos
Sie befanden sich außerhalb des erforschten Bezirks der Galaxis, also au...
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Gemini 01
Thorn Forrester: Krisenherd Partos
Sie befanden sich außerhalb des erforschten Bezirks der Galaxis, also außerhalb der sogenannten »250Jahr Kugel«. Eine rötliche Sonne hatte ihren Plan umgeworfen, noch weiter hinauszufliegen. Eigentlich war es der Planet, der ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Die Strukturtaster der CONTACT hatten einen Riesenkonti nent gemeldet, der zu drei Fünfteln die Planetenoberfläche bedeckte, der reiche Erzvorkommen versprach und intelligente Bewohner. Zumindest war die Wahrscheinlichkeit groß gewesen, daß er künstliche Bauten beherbergte. So war es dann auch. Abgesehen von den Bergen, Seen und Wäldern, war der Kontinent eine einzige Stadtlandschaft. Mitten auf dem Kontinent landete die CONTACT auf einem Platz, auf dem unbeschädigt und gut gepflegt an die zweihundert Flugzeuge standen. Flugzeuge, wie man sie aus der terra nischen Vergangenheit kannte. Flugkörper mit langen Rümpfen, mit Flügeln, Pilotenkanzeln und Rädern. Die Temperatur auf dieser Welt lag etwas unter dem ter
ranischen Durchschnitt. Der Planet schien sehr interessant zu sein, terranischen Verhältnissen zu ähneln und keine Rätsel aufzugeben. Aber darin täuschte sich die Mannschaft der CONTACT. Ein Mann stand vor dem Panoramaschirm der Zentrale und beobachtete interessiert die archaisch anmutenden Flugzeuge. Zwei andere und eine Frau traten zu ihm. Ihre Blicke waren verstört und wanderten aufmerksam hin und her, so, als müßte jeden Augenblick irgendwo etwas ge schehen. Aber es geschah nichts. Und das war der Grund, weshalb sich die Kontakter - wie sich die Besatzung der CONTACT bezeichnete - nicht so wohl in ihrer Haut fühlten, wie man annehmen sollte. Der Flugplatz war und blieb unbelebt - so wie der ganze Planet. Diesen Planeten hatten vernunftbegabte, zivilisierte We sen bewohnt. Sie hatten ihre Welt urbanisiert,und das auf höchst menschliche Art und Weise, was die Architektur der Gebäude und die Technik in Form der Flugzeuge bewiesen. Die Beweise waren da, die Bewohner nicht. Diese Welt war verlassen. Ein größeres Rätsel konnte eine Welt nicht aufgeben. Tausend Meter von der CONTACT entfernt umrundeten vier Kontakter gerade einen monumentalen Häuserblock. Ungewöhnlich interessant war er gerade nicht, denn die Bauweise ähnelte der irdischen, von Kleinigkeiten abge sehen. Der Häuserblock - man konnte ihn auch als ein einziges Gebäude bezeichnen - war kreisrund. Im Abstand von fünfzig Metern führten Türen ins Innere, die jedoch ver schlossen waren. Glatte, unverzierte Wände ragten hoch
auf und endeten etwa in zweihundert Meter Höhe. Der dreißigstöckige Bau überragte alle anderen Gebäude. »Heh, hier!« Einer der vier schrie laut auf und winkte die anderen zu sich heran. »Diese Tür ist offen!« »Eine Tür nennst du dieses Tor?« Die vier kamen sich klein und häßlich vor neben dem gewaltigen Portal, das wohl, wenn überhaupt, nur mecha nisch geöffnet wurde, aber in der Mitte eine kleine, mit der Hand zu öffnende Tür besaß. Sie war aus Metall und mit Malereien bedeckt, die abstrakte Muster oder Symbole, genausogut aber auch Schriftzeichen sein konnten. »Was sagt der Metallograph dazu?« Der Metallograph und Vorsitzende der CONTACT ant wortete ungeduldig: »Das Metall interessiert mich im Moment nicht. Die Tür geht auf, das ist viel wichtiger. Gehen wir doch endlich hinein.« Die anderen stimmten zu. Ein kleiner dicklicher Mann mit einer Halbglatze und einer antiken Nickelbrille auf der Nase drängelte sich vor. »Sehr interessant«, murmelte er. »Unheimlich interes sant.« »Heh, Doc, warum so eilig?« fragte der Vorsitzende. »Besser, du läßt Kai, unseren Planetologen, vorangehen, Kai, nimm deinen Nadelstrahler zur Hand!« Kai Aplos streckte vorsichtig seine Hand mit dem klei nen Hitzestrahler durch die Türöffnung, bevor er eintrat. Der untersetzte schwarzhaarige Planetologe verschwand in einem dunklen Gang, dann rief er seinen Kameraden zu, ihm unauffällig zu folgen. Als letzter betrat Harlan Regi nald Isaac Klim den Gang. Er schloß hinter sich die Tür.
Sie tasteten sich durch die Dunkelheit, bis sie wieder gegen eine Tür trafen, die sich öffnen ließ. Vor ihnen tat sich ein gewaltiger Parkhof auf. Bäume, Sträucher und mit Steinplatten bedeckte Wege verliehen ihm den Charakter eines Gartens, in dessen Mitte sich ein gewaltiges Monument in den Himmel reck te. Suchend blickten sie sich um. Auch hier zeigte sich kein Lebewesen. Sie wandten sich nach rechts, wo der Parkhof im Schatten lag. Der Schiffsarzt und Kosmobiologe Caspar Brixlas lief voran und verschwand vor ihnen um eine Biegung des schmalen Pfads, dem sie folgten. Er war bewaffnet, also konnte ihm kaum etwas geschehen. Hinter ihm unterhiel ten sich seine Kameraden über die blühende Flora dieser Welt. Ihn interessierte augenblicklich etwas ganz anderes. Nach hundert Metern teilte sich der Weg, und Caspar folgte dem linken, der zur Mitte des Parks führte. »Die Pflanzen unterscheiden sich von irdischen nur un wesentlich«, bemerkte Kai Aplos. »Es fällt auf, daß die Stämme der Bäume dünner sind und dafür die Kronen weit ausladende Äste und Zweige haben. Aber laßt uns erst mal weitergehen.« Der Vorsitzende Haag Zborr winkte Harlan. »Halte dich nicht so lange mit den Aufnahmen auf. Wir haben nicht genug Zeit. Beschränke dich auf das Wesentliche.« H. R. I. Klim atmete erleichtert auf. Seine Funktion war es, alles, was ihnen vor die Augen kam, mit einer über seinem Kopf schwebenden Kameralinse, deren drei Ob jektive das ganze Panorama einfingen, auf einen Film zu bannen. Durch das linke Glas einer sogenannten Ka merabrille sah er, was die Kamera gerade aufnahm, und das war jener Ausschnitt, den er durch gewisse Manipula
tionen an der Brille von der Hauptlinse des Kameraauges aufnehmen ließ. Ein langweiliger Job. Von der Mitte des Parkhofs gellte ein Schrei zu ihnen herüber. Sie liefen schneller. Am Ende des Pfades, den Caspar eingeschlagen hatte, ragte das Monument in die Höhe. Auf einem mannshohen und kunstvoll verzierten Sockel stand in einer Siegespose ein kunstvoll aus Stein gemei ßelter Mann. Die Gestalt verdeckte die rötliche Sonne des Planeten, so daß sie nichts Genaues erkennen konnten. Ihre Begeisterung war nicht gespielt. »Phantastisch! Der erste Beweis, daß wir es mit Homini den zu tun haben«, rief Harlan. »Das war ja wohl von vornherein klar«, dämpfte Kai seinen Enthusiasmus. »Schlangenwesen oder andere Un geheuer könnten diese Häuser nie gebaut haben. Was hätten sie damit auch anfangen sollen! Erstaunlich ist es trotzdem, da hast du recht.« »Ob hier vielleicht die Auswanderer .«, murmelte Haag. » . leben, die vor fünfhundert Jahren verschollen sind?« vollendete Kai Aplos. »Ausschließen könnte ich es nicht.« »Ich . nein, das ist Wahnsinn!« keuchte Caspar, der sich bis jetzt nicht von der Stelle gerührt hatte. Er wandte sich um, und den anderen verging das Lachen. Caspar Brixlas' Gesicht war von Furcht gezeichnet. »Was ist?« Verdutzt drehte Haag Zborr sein glanzloses Gesicht dem Podest zu, auf dem ein versteinerter Hominide die Welt zu umarmen schien. Und dann sah er es. Auf der ihnen abgewandten Seite des Podestes war eine
Tafel in die Steinwand eingelassen worden. Auf ihr stan den Zeichen und Buchstaben, die nicht zu entziffern wa ren. Doch das war nicht weiter verwunderlich. Befrem dend dagegen war, was dort in terranischer Schrift zu lesen stand: MIR ZU EHREN. - Es war mir eine Verpflichtung, das Volk der Parteken vor dem Untergang zu retten. Und so tat ich, was in meiner Macht stand. »Ich . ich muß verrückt sein!« schrie Caspar auf, dann hetzte er in langen Sätzen den Pfad zurück und ver schwand schreiend in der Ferne. »Wir sind wohl alle verrückt«, konstatierte Haag mit tonloser Stimme. »So etwas gibt es nicht.« »Es gibt so manches nicht«, flüsterte Kai Aplos. »Und dann stellte sich heraus, daß es so etwas geben mußte.« Harlans Kameraauge nahm die Szene auf. Nicht, weil H. R. I. Klim so geistesgegenwärtig gewesen wäre, an das Kameraauge zu denken, sondern weil es permanent auf nahm und Harlan es nicht abgeschaltet hatte. Mit unsiche ren Schritten liefen sie einige Meter beiseite, blickten nun hinauf zu der steinernen Gestalt. Die Sonne blendete sie nicht mehr. Unverkennbar war es Doc Brixlas, der seine Augen gen Himmel schweifen ließ und dessen Arme sich ihm entgegenreckten. Niemand sprach ein Wort. Sie verließen den Parkhof und kehrten zurück zur CONTACT. Am Rande des Flugfeldes saß schluchzend Caspar Brixlas und vergrub sein Gesicht in den zitternden Händen. Die Kontakter ergriffen ihn. Gemeinsam schleppten sie ihn ins Schiff und verarzteten ihn mit einem VitaminLiquid und SedativPräparaten. Minuten später entspannte sich der Arzt und lehnte sich seufzend in sei nem Stuhl zurück.
»Nein, so etwas gibt es nicht«, stellte er wieder fest. Die anderen brachten noch immer kein Wort heraus. »Berichtet endlich«, forderte Kubus John, der Pilot und Spezialtechniker an Bord. Yafi Neral, die Ökologin, Jata Neral, ihre Schwester und Ethnologin, und Mick Ronda, der Kosmograph und Astrogator der CONTACT, nickten gleichzeitig fordernd. Sie ahnten, daß etwas Unvorherge sehenes passiert sein mußte. Kai Aplos faßte sich ein Herz und erzählte ihnen von der Unmöglichkeit, die sie vorgefunden hatten. Die Kontakter beschlossen daraufhin, eine Besprechung abzuhalten. In Momenten wie diesen wurde die Zentrale der CONTACT umgetauft in »Rathaus«. Müde nahmen sie am Ratstisch Platz. Der Mannschaftsvorsitzende Haag Zborr vergaß sogar, wie es sonst üblich war, die Diskussi on mit den Worten einzuleiten, daß die Sitzung eröffnet sei. Er wußte nicht, was er sagen sollte. Als er sprach, hörte er sich kaum selber zu; es schien ihm, als spräche ein ganz anderer. »Wir sind vollzählig versammelt. Wir müssen die Sache diskutieren, Freunde. Also, wer meldet sich zu Wort? Niemand? - Wie Doc schon sagte: Es gibt so etwas nicht! Aber Kai hat auch recht, wenn er sagt: Meistens stellt sich heraus, daß es so etwas geben mußte! Ich schlage vor, Harlan führt uns seine Aufnahmen vor, so daß wir mit etwas Abstand mit der Sache noch einmal konfrontiert werden. Vielleicht hilft uns das weiter.« Harlan veranlaßte den Bordcomputer, mit dem sein Kameraauge in Verbin dung stand, die Aufnahmen über die TeleMonitoren abzuspielen, die über dem Instrumentenbord des Piloten hingen. Lange Zeit danach dachten sie schweigend über das Ge
sehene nach. Auf einer Welt, die Caspars Fuß noch nie
betreten hatte, befand sich dessen Denkmal. Und eine
Inschrift behauptete, daß der in Stein gemeißelte Mann ein Volk vor dem Untergang bewahrt hätte. Und noch dazu ging aus dem Text hervor, daß dieser Mensch ihn selbst verfaßt haben mußte. Ein wohl unlösbares Rätsel! Dann war es der Schiffsarzt selbst, der einen Entschluß faßte. »Wir gehen noch einmal hin. Irgend etwas müssen wir tun. Ich schlage vor, in drei Gruppen zu marschieren. Jede Gruppe durchstreift die Stadt, um Hinweise auf den Verbleib der Bewohner zu finden. Ich meine . diese Parteken.« »Es existiert ein humanoides Volk«, sagte Haag leise. »Und es ist sogar möglich, daß es sich dabei um die ver schollenen Auswanderer von der Erde handelt, obwohl es nicht gerade wahrscheinlich ist. Aber wo sind die Ein wohner? Das Volk kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben!« »Das ist richtig«, erwiderte Mick Ronda. Der dürre, kurzgeschorene Mann wirkte verstörter als die anderen. »Das deutet, meine ich, auf eine Katastrophe größten Ausmaßes hin. Vielleicht hat eine Seuche das ganze Volk dahingerafft.« »Und wo sind die Leichen? Nein, ich glaube nicht an die KatastrophenVersion«, sagte Kai. »Da steckt was anderes dahinter. Ich finde Docs Vorschlag gut. Denn wenn wir hier rumsitzen, lösen wir das Problem bestimmt nicht« »Also gut.« Haag Zborr schien seine alte Entschlußkraft zurückgewonnen zu haben. »Die Zweiergruppen. Kubus bleibt im Schiff, denn als Pilot muß er uns vielleicht aus einer ausweglosen Lage herausmanövrieren. Jata und Yafi
bleiben ebenfalls hier.« Zusammen verließen sie die CONTACT. Gemeinsam wiederholten sie die Kurzexpedition zu dem geheimnis vollen Monument im Parkhof des kreisförmigen Bau werks. Von dort aus liefen sie dann in drei Gruppen durch die weitläufige Stadtlandschaft, die hin und wieder von Parks aufgelockert wurde. Sie hatten kaum Blicke für die betonierten Straßen und die am Rand stehenden Räder fahrzeuge übrig. Sie suchten nach etwas anderem, von dem sie nicht wußten, was es war. Zwei Terraner waren am Ratstisch der CONTACT sitzen geblieben. Ratlos tauschten sie Blicke und versuchten, mit gedanklicher Logik das Rätsel zu lösen. Schnell stellten sie fest, daß das eben nur möglich war, wenn man die Logik über den Haufen warf und wild spekulierte. Sie stellten des weiteren fest, daß ihre Phantasie erstaunlich rege war und kein Maß kannte. Aber das nutzte ihnen auch nichts. Yafi Neral, eine grünhaarige Schönheit, wußte Rat. »Es gibt eine Möglichkeit, die wir ausnutzen sollten«, sagte sie. »Wir sollten den Bordcomputer befragen. Aus seinen Antworten müßte zumindest ersichtlich werden, wo der Haken bei der Sache ist und welche Möglichkeiten in Betracht kommen.« »Du hast recht«, antwortete Kubus. »Er sollte uns wenigstens sagen können, wonach wir suchen müssen.« Sie fütterten den Bordcomputer mit allen verfügbaren Daten und Informationen über den Planeten und über das Denkmal, das nicht hierher gehörte. Der Bordcomputer summte leise, dann spuckte er seine Antwort aus. »Die Antwort ist weise«, erklärte Kubus verächtlich,
nachdem er sie ausgewertet hatte. »Aber natürlich hat er recht. Er sagt: Caspar war hier und hat das Denkmal ge baut. Oder ein anderer hat es hier errichtet, weil Caspar ihm hier half. Oder weil Caspar ihm anderswo half. Oder beide bauten es, weil sie . o je, so geht das ins Unendli che weiter. Daraus geht immerhin eins hervor: Doc Brixlas muß jemandem Hilfe geleistet haben, erinnert sich nur nicht daran.« »Hältst du das für möglich?« fragte Yafi. »Muß ich ja.« Sie nahmen wieder am Ratstisch Platz und verleibten sich lustlos eine Mahlzeit ein. Daraufhin entschloß sich Kubus, eine Verbindung zu Caspar Brixlas herzustellen und ihm das Ergebnis der Computerbefragung mitzuteilen. Aber es existierte keine Verbindung mehr zu dem Arzt. Genausowenig zu seinem Begleiter Haag. Kubus schaltete auf Rundempfang und rief alle Expeditionsmitglieder. Nur Mick und Kai meldeten sich auf den Funkkontakt hin. »Wißt ihr, was mit den anderen los ist?« wollte Kubus wissen. »Nein, wir haben untereinander keinen Kontakt gehabt. Meldet sich außer uns denn niemand?« »Niemand, das ist es ja.« »Wir werden sofort umkehren und suchen. Wir halten euch auf dem laufenden. Ende.« Die Zeit verging in quälender Langsamkeit, und die fünfminütigen Meldungen Kais waren negativ. Schließlich blieben auch sie aus. Kubus rief stundenlang nach den sechs Mannschaftsmitgliedern, doch ohne jeden Erfolg. Sie waren und blieben verschwunden. Und es gab keine einleuchtende Erklärung dafür. Kubus John und Yafi Neral wußten sich keinen Rat
mehr. Allein waren sie nicht in der Lage, das Rätsel zu lösen. Den Planeten verlassen, war für sie keine Alternati ve. Also beschlossen sie, weiter zu warten. Was sollten sie anderes tun? *
H. R. I. Klim und Jata Neral überquerten in nördlicher Richtung eine mächtige Hängebrücke, von deren Mitte aus sie über die Dächer der Häuser die Spitze der CONTACT leuchten sahen. Sie verhielten und bewunderten die Schönheit der Stadt. Nach allen Seiten hin zogen sich in vielfachen und unsystematischen Windungen breite, gelb glänzende Fahrstraßen dahin, eingerahmt von niedrigen Büschen. Inmitten der blauen Rasen standen kleine und große Häuser, jedes verschieden vom anderen, mit ausge dehnten Veranden und eingesäumt von blühenden Bäu men. Dazwischen glänzten überall Teiche. Nach längerem Beobachten sahen sie hin und wieder etwas Lebendiges über den Rasen huschen und in den Baumkronen herumspringen. »Es existieren Tiere. Um so erstaunlicher, daß die Ein geborenen einfach verschwunden sein sollen«, meinte Harlan. »Eine Möglichkeit können wir wohl von vornherein aus schalten. Ich meine die Aussterbetheorie, an die man als erstes denkt«, überlegte Jata. »Daran glaube ich bestimmt nicht. Laß uns weiterge hen.« Sie überquerten die Brücke. An ihrem Ende passierte etwas Merkwürdiges. Es war, als sollte ihnen das Fleisch von den Knochen gerissen werden. Das Gefühl verstärkte
sich noch, als sie wieder auf die Straße traten, die sich auf dem festen Erdboden zu einem großen Platz verbreiterte, in dessen Mitte ein Springbrunnen stand, der jedoch ver siegt war. Seine Ränder zierten exotische Tierskulpturen. Sie liefen darauf zu. Nach wenigen Schritten zwang sie ein unheimliches Ge fühl zu Boden. Ihre Körper zitterten. Harlan stemmte sich empor und zog Jata mit sich. Im nächsten Augenblick war es vorüber. Aber etwas hatte sich verändert. Die Umge bung war noch die gleiche, doch jetzt war sie belebt. Auf dem eben noch freien Platz drängten sich Wesen auf drei Beinen und mit tellerartigen, flachen Köpfen. Im Spring brunnen sprudelte Wasser. Stimmengewirr, Fußgetrappel und plötzlich verdunkelter Himmel verwirrten sie vollends. Überall standen diese dreibeinigen Wesen und wandten sich ihnen zu, rote Stiel augen auf sie richtend. Das Stimmengewirr verebbte, leises Flüstern ging durch die Menge. Und dann sah Har lan eines der Wesen auf dem sprudelnden Rand des Springbrunnens stehen und drei Arme in die Luft stoßen. Aus dem dreieckigen Mund des Wesens kam ein kräch zender Laut, der sich in ein langes Heulen verwandelte. Daraufhin erstarb jeder Laut in ihrer Umgebung. Die Wesen, deren Haut braun und porös aussah und die kei nerlei Kleidung zu tragen schienen, näherten sich innen langsam. Von allen Seiten kamen sie, und Harlan bemerkte erstaunt, daß sie auch von hinten kamen - von dort, wo ihnen irgend etwas das Fleisch von den Knochen hatte reißen wollen. An dieser Stelle schienen die Wesen nichts zu verspüren. Lange Zeit, sich darüber zu wundern, hatte er nicht, denn die Wesen umringten sie jetzt und stießen kurze Laute aus. Ihre Stilaugen pendelten hin und her,
beäugten die Kontakter von oben bis unten. Dann stürzte eines der Lebewesen vor und ließ seine drei Hände mit etwa dreißig Zentimeter langen Fingern gegen Harlans Brust klatschen. Harlan hielt sich nur mit äußerster Mühe aufrecht. Gesti kulierend versuchte er, den von neuem heranspringenden Stieläugigen zu beruhigen. Der zweite Schlag war noch kräftiger, und Harlan ging zu Boden. »Los, wir müssen erst einmal hier weg!« rief er Jata zu, die wie versteinert dastand. Harlan ergriff ihre Hand und rannte los, zurück zur Brücke. Die Brücke war inzwischen von herbeiströmen den Neugierigen versperrt worden. Sie hetzten rechts an der Brücke vorüber in eine Straße, die dicht am Kanal entlangführte. Die Straße war in der Ferne wie leergefegt. Entgegen kommende Eingeborene stieß Harlan so rücksichtslos beiseite, wie man ihn zuvor gestoßen hatte. Hinter einer Biegung tat sich nichts. Hier lag alles friedlich und so ausgestorben da, wie vor kurzem noch der ganze Planet. Hinter ihnen ertönten aggressive Schreie, die sie ansporn ten, noch schneller zu laufen. Vor sich sahen sie eine Kreuzung und bogen rechts ein. »Hat alles keinen Zweck. Irgendwo treffen wir doch wieder auf Eingeborene«, keuchte Jata. »Wir verschwinden erst einmal in einem der Häuser«, schlug Harlan außer Atem vor. »Dann sehen wir weiter. Es muß doch möglich sein, sich mit diesen Wesen friedlich zu einigen!« Sie keuchten über einen blauen Rasen und sprangen über eine Treppe auf die Veranda des Hauses, das ihnen am nächsten stand. Die Tür war offen. Harlan riß sie weit auf
und stieß Jata voran.
*
Grrof rekelte sich behaglich in seinem breiten VisorSessel und schlug seine drei Beine übereinander. Mit einer Hand griff er nach einem Erfrischungsgetränk, mit der anderen öffnete er die Flasche, und mit der dritten bediente er die TelevisorArmatur. Im Holzkasten vor ihm leuchtete der Bildschirm auf. »Wollt ihr einen Historienfilm sehen?« fragte er nach hinten gewandt. Seine Familie antwortete ablehnend. Grrof schaltete einen anderen Kanal ein. »Was ist denn das?« rief seine Frau. »Das ist ein Programm der Antis. Wahrscheinlich wieder so eine MonstrositätenShow. Sieh dir das an, wie scheuß lich! Lall, bring die Kinder solange hinaus!« »Du willst dir das doch nicht ansehen?« »Ich bin Kommandant der Zonenwehr. Ich muß über alles informiert sein. Wann soll ich das denn tun? Am besten kann ich das während meines Urlaubs, nicht wahr?« Lall griff mit ihren drei Armen die drei Kinder und ex pedierte die nörgelnden Kleinen ins Nebenzimmer. Als sie zurückkehrte, hörte sie Grrof gereizt fluchen. »Das ist einfach scheußlich. Nun sieh doch mal!« »Ich sehe.« Auf dem Bildschirm des Televisors lief die wöchentliche MonstrositätenShow des AntiästhetenSenders. Seltsame und abstoßende Gestalten stellten sich vor und zeigten, was sie mit ihren seltsamen Gliedern und Körperformen anstellen konnten. Eine mächtige Kugel rollte ins Bild.
Plötzlich fuhr sie mehrere Spitzen aus, die sie abbremsten. Seitlich ging eine Spitze in eine Hand mit extrem langen Fingern über. Die Finger griffen nach oben und hoben einen flachen Teil der Kugel hoch. Aus der entstandenen Öffnung schoß ein dünner und langer Kopf hervor, der auf einem extrem langen Hals saß. Vier Spitzen unter der Kugel entpuppten sich plötzlich als Beine, die den schwe ren Kugelkörper des Parteken seitlich aus dem Bild tru gen. Der Arm, der den flachen Oberteil der Kugel noch in der Hand hielt, winkte mit ihm wie mit einem Hut. »Widerlich, einfach widerlich!« stöhnte Grrof. »Ich ver stehe nicht, wie Parteken sich das ansehen können, ohne daß ihnen schlecht wird« »Gewöhnung, Grrof, alles Gewöhnung«, belehrte Lall ihren Mann. »Auch uns wird ja nicht mehr schlecht dabei. Nur unseren Kindern noch.« »Wir werden dafür sorgen, daß das auch so lange wie nur möglich so bleibt, hörst du? Hast du mit den Kindern eigentlich das Schlafengehen geübt?« Das war eine sehr wichtige Frage, denn Grrofs Kinder hatten erst vor wenigen Tagen ihre neuen Körper erhalten - die aus und verwechselbaren. Im Gegensatz zu anderen Zonen auf Partos war es in der TraditionalZone gesetzlich niedergelegt, daß man nur eine Körperform als erlaubte Volkskonvention anzusehen hatte, und das war jene, die auch schon die Urväter als am praktischsten erkannt hat ten. Und die Sitten der Traditionalisten waren streng; sie waren ein Maß für jedermann. Schlafen ging ein TraditionalParteke nur auf eine Art und Weise. Er schnallte seine Beine ab - weil es sich so gehörte - und einen Arm, ein Ohr und die Nase. Nur die KörperSegmente, die er des Nachts vielleicht
würde brauchen können, durfte er anbehalten. Und für Grrofs Kinder war das neu, mußte also eingeübt werden. Grrofs Stielaugen versteiften sich wieder. Der Bildschirm war praktisch leer bis auf einen dünnen Strich, der ihn vertikal teilte. Dann geschah etwas für einen Traditionalisten Fürchterliches. Der Strich begann sich langsam zu drehen, und man erkannte, daß dieser »Strich« keiner war. Ein unvorstellbar breitgequetschter Körper kam zum Vorschein. Der »Strich«, den man zuvor gesehen hatte, war also nur ein Parteke gewesen, den die Kamera von der Seite aufgenommen hatte. Er drehte nun den Zuschauern seine Vorderseite zu, die zwangsläufig das ganze Bild mit ihrer DreiMeterBreite ausfüllte. Dieser Parteke, der einen Strich und eine drei Quadrat meter große Fläche gleichzeitig war, fiel nun um wie ein Brett. Aus seinem Rücken wuchsen kleine Beine, die den liegenden Parteken von der Bühne trugen. Im Zuschauer raum des Studios gärte es. Die anwesenden Parteken brüllten vor Begeisterung. Für sie war das eine gelungene Show. Plötzlich erklang ein merkwürdiges Geräusch aus dem Vorraum. Jemand rumorte dort, und da es die Kinder nicht sein konnten, sie kein Haustier hielten und nieman den eingeladen hatten, mußte es ein Fremder sein, der keine Berechtigung dazu hatte. Grund genug, daß Grrof ärgerlich in seine Fleischtasche auf der Brust griff und mit einer Schußwaffe, die ihn als ZonenwehrKommandanten auswies, in den Vorraum stürzte, um dort zu Tode er schrocken die beiden fremden Eindringlinge aus den Augen zu verlieren. Lall schrie auf. Grrof schaffte es, seine Stielaugen wieder einigermaßen in Blickhöhe zu bekommen und warf Lall ein Auge zu.
Dabei sah er die Kinder. »Lall, schaff die Kinder fort, schnell!« Lall folgte seinem Rat. Es war besser, die Kinder sahen Verunstaltungen, wie einige Parteken sie an sich vornah men und auch noch schön fanden, möglichst nicht, sonst kamen sie noch auf die Idee, es selbst ausprobieren zu wollen. Als sie zurückkamen, hatte sich Grrof wieder in der Ge walt. Er beschimpfte die Eindringlinge und zwang sie, in den Wohnraum hinüberzugehen. Grrof zielte unentwegt mit der Waffe auf sie und hielt einen angemessenen Ab stand zu ihnen. »Wer seid ihr?« fragte er. »Woher kommt ihr?« Die anderen gaben keine Antwort. »Wahrscheinlich seid ihr Provokateure«, mutmaßte Grrof, in dem jetzt mehr und mehr der Zonenwehr Kommandant erwachte. »Agents provocateurs der Antis. Ihr seht scheußlich aus! Glaubt ja nicht, daß ihr uns verun sichern könnt. Dir treibt ein dummes Spiel.« Widerwillig, aber wie von selbst, glitten Grrofs Blicke über die unmöglichen KörperSegmente der Fremden. Zwei Beine und zwei Arme - das ging ja noch. Aber dieser Kopf! Die Augen waren ohne Stiele, ja, sie lagen sogar mehr im Kopf als außerhalb. Über ihnen waren schwarze Striche, zwischen ihnen eine spitze Nase, die nur vier Zentimeter lang war. Ein waagerechter Mund mit Wulsträndern! Auf dem Kopf Haare in dichten Büscheln! Und der eine von ihnen hatte sogar Haare unter dem Kopf! Eine völlig sinnlose Bekleidung! »Sprecht schon!« herrschte Grrof die beiden an. Sie schwiegen. »Die eine Kreatur scheint weiblich zu sein«, vermutete
Lall. »Obwohl man ja bei den Antis nie wissen kann .« »Nein, das weiß man nicht. Sie tauschen oft ihre Ge schlechtsorgane. Das ist auch unwichtig, es sind Antis, das genügt mir!« Jetzt sprachen die beiden. Aber es kamen nur seltsame Laute ohne Sinn und Verstand heraus. Grrof vermutete, daß die beiden Kreaturen entweder aus der nördlichen Hemisphäre stammten oder ihm nur etwas vorspielten. »Kommt ihr aus der NeoistenZone?« Da er keine Antwort erhielt, entschied er sich für den vorgeschriebenen Dienstweg. Er ging hinüber zum Telefon und rief auf der Wehrwache an. Während er seinem Ur laubsvertreter klarmachte, was ihm widerfahren war und was mit den Kreaturen zu geschehen hätte, beobachtete er sie scharf, damit sie ihm nicht doch noch durch die Lap pen gingen. Bei einer falschen Bewegung hätte er ge schossen, denn bei den Antis wußte man nie, was irgend ein noch so harmlos aussehendes Glied alles konnte, wel che Funktion es erfüllte. Die AntiKreaturen sahen sich gehetzt um. Hin und wie der sprachen sie miteinander und gestikulierten sinnlos. Grrof verstand kein Wort, und es interessierte ihn auch nicht mehr. Der Fall war für ihn so gut wie erledigt. Minuten später fuhr ein Gitterwagen der Zonenwehr vor. Vier Beamte traten ins Haus, erkennbar an der Fleischta sche auf der Brust, die jedoch im Unterschied zu Grrofs kleiner war. Mit gezückten Waffen stolperten die Beamten ins Wohn zimmer, salutierten vor Grrof und wandten sich knurrend den Eindringlingen zu. Sie stießen ihre Waffen in die Rücken der beiden und schoben sie aus dem Haus. Dort erwartete sie der Gitterwagen.
Grrof und Lall sahen zu, wie die Antis in den vergitter ten Kasten gestoßen wurden. Die Tür knallte zu. Die Beamten verschwanden im vorderen, abgetrennten Teil des Fahrzeugs und setzten es in Bewegung. Fast ge räuschlos und langsam entfernte es sich. Grrof vergaß ganz, daß die Eindringlinge keinen Versuch gemacht hatten zu entkommen. Hätte er daran gedacht, wäre er vermutlich stutzig geworden. *
GRUPPE EINS. ZEIT: EINHUNDERTDREIUND NEUNZIG JAHRE VOR DER LANDUNG. »Ich sehe schwarz«, brummte Harlan mutlos. »Sie können uns ja nicht einfach umbringen«, beruhigte Jata ihn. »Irgendwann wird sich schon eine Chance bieten, ihnen die wahre Sachlage darzustellen.« »Ich weiß nicht .« Sie starrten durch die sie umgebenden Gitter des Ge fährts, in das sie vier Stieläugige unsanft gestoßen hatten. Die Straße war leer, niemand sah sie. »Weißt du«, begann Harlan erneut, »ich glaube nicht so ganz an eine Rettung. Der Planet war ohne Leben - das heißt, ohne Parteken, bevor uns das komische Gefühl übermannte. Ich weiß nicht, was geschehen ist, aber wir sind bestimmt nicht mehr dort, wo wir hergekommen sind. Sicher erging es den anderen ebenso.« »Was meinst du damit?« »Genaues kann ich nicht sagen. Erinnerst du dich, daß die Parteken, die uns angriffen, anscheinend von diesem Etwas nicht ergriffen wurden? Das könnte ein negatives Zeichen sein. Denn wenn es sich beispielsweise um ein
Transmittertor gehandelt hat, dann steht es jetzt nicht mehr.« »Dann gäbe es . kein Zurück mehr!« »Hoffentlich haben wir unrecht .» »Viele Anzeichen deuteten darauf hin, daß wir die ver schollenen Auswanderer gefunden haben«, meinte Jata. »Aber das halte ich jetzt nicht mehr für möglich. Sie sehen zu fremdartig aus - auch wenn eine Mutation im Bereich des Möglichen liegt.« »Ich glaube es auch nicht.« Der Gitterwagen bog in eine breite und belebte Straße ein. Auf den Bürgersteigen herrschte ein buntes Treiben. Tausende von Parteken hielten sich hier auf. Angesichts des Gitterwagens geriet der Fußgängerfluß ins Stocken. Stielaugen wandten sich ihnen zu, und als die Kontakter entdeckt wurden, war die Antwort ein vielstimmiger Auf schrei. »Achtung!« schrie Harlan. Neben Jata fiel ein Stein auf den Boden des Käfigs. »Warum fahren sie so langsam?« »Ich vermute, das soll ein Spießrutenfahren werden«, antwortete Harlan zerknirscht. Er behielt recht. Immer öfter mußten sie heranfliegenden Steinen ausweichen. Die Steine flogen ungezielt in den Käfig und trafen die Kontakter nicht. Eine aufgebrachte Menge folgte dem Fahrzeug und schrie wutentbrannt. »Wer weiß, mit wem wir verwechselt werden«, meinte Jata. »Sie können doch nicht jeden Fremden einfach stei nigen.« »Sicher nicht.« Zum Glück dauerte die Fahrt nicht lange. Vor einem langgestreckten, flachen Gebäude hielten sie. Die vier
Beamten öffneten den Käfig und expedierten die beiden mit den Waffen auf die ungeschützte Straße hinaus. Im letzten Moment, bevor die wütende Menge sich auf sie stürzen konnte, sprangen zwanzig Bewaffnete aus dem Gebäude und bildeten einen Gang vom Gefährt zum Ein gang des Gebäudes. Die Kontakter rannten durch das Spalier. Gerade rechtzeitig gelangten sie ins Innere, bevor ein Steinhagel sie unter sich begraben konnte. Hinter ihnen schlossen die Beamten einen Kreis und wehrten die Verfolger ab. Sie wurden von den Bewaffneten die Eingangshalle hin abgeschoben, um eine Biegung herum und in die nächst beste Zelle verfrachtet. Es gab keinen Zweifel mehr, sie befanden sich in einem Gefängnis. Ihre Lage war aussichtslos, und sie konnten die Dinge nur nehmen, wie sie kamen. Zwei Stieläugige traten ein und benahmen sich höchst merkwürdig. Sie hatten einige Schwierigkeiten mit der Planetenmontur der Kontakter, die sie betasteten und abnehmen wollten. Harlan kam ihnen entgegen und zog sie aus. Die Stieläugigen wandten ihre Aufmerksamkeit daraufhin seinen Beinen zu, beta steten sie und begannen, sie auf unmögliche Art und Wei se zu verdrehen. Das ruckartige Schieben und Zerren schmerzte so enorm, daß Harlan seinen Unmut deutlich durch Schreie zu verstehen gab. Die Parteken reagierten ratlos und untersuchten auf ähnliche Weise Arme und Schultern. Selbst Kopf und Hals blieben nicht verschont. Das Spiel wiederholte sich jedesmal, bis die Parteken von ihm abließen. Sie wiederholten ihre Experimente an Jatas Hals und zogen sich daraufhin zurück. Jeder Verständigungsversuch war ohne Erfolg geblieben. Hinter den Sinn der Aktionen
kamen die Kontakter nicht. So hofften sie nur noch auf die Einsichtigkeit der Parteken. Durch ein kleines Loch in der Zellenwand beobachteten sie den Sonnenuntergang. Und als draußen die Stadt in tiefrotes Licht getaucht war, öffnete sich die Zellentür erneut. Sie waren nicht in der Lage festzustellen, ob es sich um dieselben Parteken oder um andere handelte, die das glei che Experiment wie vor einigen Stunden wiederholten. Da ihr Studium scheinbar ohne Erfolg blieb, fand ein unver ständliches Gespräch statt, dessen Ergebnis den Kontak tern Hoffnung machte. Sie wurden aus der Zelle geführt und in ein Fahrzeug verfrachtet. Diesmal handelte es sich nicht um einen Gitterwagen. Das Gefährt, in dessen Kabi ne sie allein saßen, fuhr etwa eine halbe Stunde, dann entließ man sie in ein kleines Haus, das von blühenden Bäumen und Sträuchern umgeben war. Um ein Hotel handelte es sich nicht, das konnten sie kurz darauf feststellen, als sie alleingelassen wurden. Sie liefen an ein Fenster. Draußen postierten sich auf der Straße und auf dem Rasen rund um das Haus bewaffnete Dreibeinige. Ein nicht bewaffneter Parteke betrat den Wohnraum, der ähnlich ausgestattet war wie der Raum, den sie schon beim Eindringen in das Haus einer ver schreckten Partekenfamilie kennengelernt hatten. Drei Arme winkten ihnen. Sie folgten dem höflich Abstand haltenden Parteken. Er führte sie durch die fünf Räume des Hauses. Hier und dort führte er ihnen Einrichtungsge genstände vor, die bis auf unwesentliche Kleinigkeiten terranischen entsprachen. Der Parteke - vielleicht auch die Parteke, sie wußten es nicht - führte sie zurück in den Wohnraum. Um einen
runden und flachen Tisch standen sechs kleine Stühle mit weit ausladenden Sitzflächen, wie sie für dreibeinige Parteken erforderlich waren. Er setzte sich demonstrativ und schlug seine drei Beine übereinander. Was nun folgte, wiederholte sich Tag für Tag und dau erte insgesamt zwei Wochen. Der Parteke begann, Sprach unterricht zu geben. Am ersten Abend stellte sich heraus, daß die Kontakter die Sprache kaum würden erlernen können; die Lautbildung war zu eigenartig. Am folgenden Morgen - ihr Lehrer erschien nach dem Frühstück und verließ sie erst wieder vor dem Abendessen - drehte er den Spieß um und ließ sich von den beiden die terranische Sprache beibringen, was erstaunlich schnell ging. Das Essen, das sie viermal täglich bekamen, erwies sich als vegetarisch und sehr gut genießbar. Die Getränke waren ausnahmslos Fruchtsäfte. Die Kontakter - auch Sucher genannt, da ihre Aufgabe darin bestand, neue Planeten mit dringend benötigten Rohstoffen zu entdecken - waren trotzdem nicht zufrie den. Ihr und das unbekannte Schicksal der Kameraden beeinträchtigte ihre Stimmung. An den Abenden aktivierten sie den TelevisorKasten, bekamen aber nur die Sendungen eines Kanals zu sehen das Programm der Traditionalisten. Anhand der Sendun gen erklärte ihnen der Lehrer hin und wieder die nötigsten Grundkenntnisse über Leben, Arbeit und Ansichten der Parteken in diesem Teil des Planeten. Nokkolt, ihr Lehrer und Lernender zugleich, beschränkte sich nur auf unzusammenhängende Einzelheiten. Er er läuterte sein Verhalten mit dem Hinweis, daß ihnen nach Abschluß des Lehrgangs ein bereits zugeteiltes Wissen
schaftlerteam die Zusammenhänge erklären würde. Am zehnten Tag erwartete sie eine Überraschung. Nokkolt bekannte: »Wir sind Auswanderer von Terra. Sicher werdet ihr es vermutet haben.« »Aber .«, stammelte Harlan. » . wie ist das denn möglich? Ihr seht ganz anders aus, sprecht eine fremde Sprache, die wir kaum erlernen kön nen . und sagt uns das erst jetzt?.« »Terra ist für uns nicht mehr wichtig. Ich gehöre bereits der sechsten Generation an. Was kann mir Terra schon bedeuten? Partos ist meine Heimat. Unsere Vorfahren wanderten im Jahre 2222 eurer Zeitrechnung aus. Jetzt sind fünfhundertundacht Jahre vergangen. So viel Zeit verändert eine Sprache oft vollkommen. Was unser Aus sehen betrifft - nun, das will ich euch jetzt erklären.« Die Geschichte der Parteken ähnelte der Geschichte Ter ras. Nachdem das Superraumschiff HOFFNUNG trotz schwerer Havarie eine Landung erlaubt hatte und von der Besatzung in die Sonne geschossen worden war - es war vollkommen unbrauchbar geworden -, begann man mit der Urbarmachung des Planeten. Die Menschen verstreu ten sich in alle Winde. Die Wildnis dieser Welt forderte viele Opfer, Technik degenerierte zu einem Zaubermittel, und Stämme bildeten sich, die sich mitunter nicht freund lich gesinnt waren. Eroberungsfeldzüge fanden statt, der Planet würde kolonisiert. Die Kolonien machten sich selbständig und formierten sich zu Interessenblöcken. Der alte Stand der Technik wurde bald wieder erreicht, der Kontinent konnte urbanisiert werden. Unabhängig von Gebietsbegrenzungen entwickelte sich eine Händlerkaste, die multinational arbeitete. Sie sympa thisierte zwar mehr mit den konservativen >Zonen< - wie
sich Länder und Staaten nannten -, verfolgten aber eine neutrale Politik, um in jeder Zone ihre Handelsgüter ab setzen zu können. Als die Wissenschaft die Möglichkeit des Körpertau sches entdeckte, griff die Händlerkaste ungeniert zu, denn sie witterte ein einmaliges Geschäft. Die Zonenregierun gen billigten ihr die kommerzielle Verwertung zu, und sie errichtete KörpersegmentFarmen im nördlichen Teil des Kontinents. Mit der nun jedem zugebilligten Möglichkeit, seinen Körper wie ein Hemd zu wechseln, wuchsen die Segregations und Partikularinteressen. Dem Trend zu einer übernationalen Vereinigung machten bisher unbe kannte Streitigkeiten einen Strich durch die Rechnung. Die Körpervariationsmöglichkeiten brachten die Probleme der Ethik, Moral, Tradition und Ästhetik zum Kochen. Verschiedene Ansichten entstanden, die die Zonen zu tiefst spalteten. Diese Ansichten und Probleme wurden bald zu regelrechten Ideologien hochgespielt. Mit dem Auftauchen neuer, moderner Auffassungen über Ästhetik und Ethik schrumpften die Zonen, neue bildeten sich. Die noch existierende Gesamtregierung aller Zonen for derte eine neue Zonenordnung. So kam es, daß schließlich nur noch sechs Anschauungen - sechs Zonen - sich heftig angriffen und befehdeten. Genaues erfuhren die Kontakter nur über jene Zone, in der sie sich zufällig befanden. Hier lebten die Traditionali sten und Konservativen des Partekenvolks; jene, die nur eine Körperform als alleingültig ansahen. Das war jene, die unter ihren Vorfahren einst Mode gewesen und als am praktischsten erkannt worden war. Sie verabscheuten die Experimente und Spielereien in anderen Zonen und ganz besonders die monströsen Körpervariationen der soge
nannten Antiästheten, deren einziger Lebenszweck darin zu bestehen schien, die scheußlichsten und unsinnigsten Körper anzulegen und damit zu prahlen. So legte es Nokkolt jedenfalls dar. »Hier herrscht noch Sittlichkeit und Moral«, sagte er am elften Tag ihres Beisammenseins in fehlerfreiem Terra nisch. »Und dafür sorgt die Zonenwehr. Das ist übrigens in jeder Zone so. Sie hatten das Glück am Tage Ihrer An kunft, in das Haus unseres ZonenwehrKommandanten einzudringen.« »Ich verstehe«, erwiderte Harlan überrascht. »Er hat uns natürlich für Antiästheten gehalten. Und genauso die wütende Menge, die uns zu steinigen gedachte. Sagen Sie, was hatte man eigentlich vor, als man unsere Körper so eingehend begutachtete?« »Man hätte, wären Sie Parteken gewesen, Ihnen selbst redend unsere Körpersegmente angepaßt.« »Was war das eigentlich für ein Feld, in das wir am Tag unseres Eintreffens gerieten und durch das wir anschei nend hierher gelangt sind, Nokkolt?« »Feld? Was für ein Feld? Ich verstehe nicht .« »Ein merkwürdiges Gefühl machte uns zu schaffen. Zu vor waren wir in einer Welt ohne Parteken. Danach je doch, als das Gefühl verschwand, da .« »Lassen Sie uns bitte über etwas anderes reden«, wich Nokkolt aus. »Das wird Ihnen jemand anders erklären.« Der folgende Tag verging ebenso schnell wie die ver gangenen elf. Und am dreizehnten Tag staunten sie noch mehr, als sie es bisher schon getan hatten. Der Planet Partos war weitaus phantastischer und fremdartiger, als es den Anschein gehabt hatte.
*
Neun Handlanger und neun Spezialisten schritten langsam auf das Baugelände zu. Sie mußten langsam laufen, weil der Installateur auf seinen drei dicken und kurzen Beinen nicht schneller laufen konnte. Am schwersten fiel das dem Plattenbauer, der mit zwanzig Meter der größte unter der Bauarbeitergruppe war. Vielleicht aber fiel es den Hand langern noch schwerer als ihm, denn es läuft sich nicht besonders gut mit einem fünfbeinigen und zwei Meter fünfzig breiten Körper. Ihr tägliches Pensum war der Bau eines Wohnhauses des normativen Typs. Und um das zu schaffen, mußten sie hart arbeiten. Langsam aber zügig schritten sie über das Baugelände und betrachteten die fertigen Häuser und die wartenden Fundamente. »Das Wetter ist gut«, stellte Quis, der zwanzig Meter große Plattenbauer, fest. »Hier oben weht eine angenehm kühle Brise.« »Mir scheint«, erwiderte der drei Meter große Decken passer, »du hast heute übertrieben große Arbeitssegmente ausgewählt.« »Das ist schon richtig«, fiel Drammata, der siebenarmige Zimmermann, ein. »Das Haus wird einstöckig.« Loigoi, der Installateur, wollte wissen: »Ist das Material an Ort und Stelle, Pfata?« Sein Handlanger beruhigte ihn. »Paß heute besser auf beim Zureichen«, ermahnte ihn Loigoi. »Keine Angst.« »Wir sind da. Quis, du beginnst mit den Wänden, damit
ich die Leitungen einpassen kann!« Quis überlegte nicht lange. Er griff mit seinen fünfzehn Armen hinab auf den Boden, hievte die schwere Hausfront in die Höhe und setzte sie in die vorgesehenen Fugen ein. Sisi, der Versiegler, stolzierte hinzu und begann, die Wand fest zu verankern. Einer der vier wendigen Zimmerleute sprang hinzu und paßte die Tür ein. Auch der Installateur begann mit seinen Vorarbeiten. Als das Erdgeschoß fertig war, traten zwei andere Spe zialisten in Aktion. Der Deckenpasser zog die Decke ein, und der Innenverputzer strich mit acht Armen alle Wände gleichzeitig. Ein unvorhergesehenes Ereignis unterbrach die zügige Arbeit. »Was ist denn das?« rief Drammata, der Zimmermann. Er sah sie zuerst. »Was ist los?« wurde von allen Seiten gefragt. Niemand wollte sich in seiner Arbeit stören lassen, doch es kam anders. Quis, bekannt wegen seiner unbezähmbaren Neu gierde, beugte sich aus luftiger Höhe hinab und spähte durch ein Fenster ins Innere. »He!« rief er. »Da sind zwei komische Kerle. Was wol len sie hier?« Das Klopfen und Hämmern wurde unterbrochen. Durch jedes Fenster blickten jetzt die Spezialisten herein. In dem Raum, der die Küche werden sollte, sahen sie zwei selt same Wesen neben dem Zimmermann stehen. Der Zimmermann hob grüßend den Arm. »Wer seid ihr?« fragte er. Die beiden antworteten nicht. »Komisch«, murmelte Drammata. Mißtrauisch tasteten seine Blicke die ihm völlig unbekannten Körpersegmente
ab, aus denen sie zusammengesetzt waren. Zwei Beine, wie wir Zimmerleute, dachte er. Aber nur zwei Arme. Was wollen sie damit anfangen? »Wer ist es?« wollte Quis wissen. Seine Stimme klang energisch. »Keine Ahnung«, gab Drammata zu. »Sie geben keinen Ton von sich. Übrigens, hast du solche Arbeitskörper schon einmal gesehen?« »Noch nie«, brummte Quis. »Was kann man damit tun?« »Wenn ich das nur wüßte.« Drammata ging auf die beiden zu, die plötzlich mitten im Raum aufgetaucht waren. Wirklich seltsam, dachte er wieder. Was wollen die bloß mit den vielen Haaren am Körper? Und warum tragen sie Kleider? Das ist unsinnig! »Wer seid ihr?« fragte er erneut. Wieder kam keine Antwort. Die Fremden standen still und stumm da und beobachteten ihn erregt. Dann drehte plötzlich der eine, er hatte einen rundlichen Körper, sein Gesicht dem anderen, dem schmal gebauten, zu und sagte etwas. Drammata lauschte aufmerksam. »Ich verstehe das nicht. Sie sprechen eine Sprache, die wir nicht verstehen, und sie verstehen uns anscheinend auch nicht. Irgend jemand muß sie aber zu uns geschickt haben, irgendeinen Auftrag müssen sie doch bekommen haben, oder?« »Laß uns mal nachdenken«, meinte Sisi. »Wenn man von der Segmentkombination ausgeht, können sie unmög lich Bauspezialisten sein, nicht wahr?« »Niemals«, gab Quis zu. »So klein, wie sie sind? Mit nur zwei Armen und mit Haaren und Kleidung? Wißt ihr - sie sehen aus wie Prüfer von der Regierung!«
»Prüfer? Meinst du wirklich?« »Das wäre doch möglich. Es könnten aber auch Bericht erstatter sein.« »Hör mal«, ereiferte sich Loigoi. »Was gibt es denn bei uns zu prüfen oder über uns zu berichten? Das wird doch ein ganz normatives Haus!« »Zu irgend etwas müssen sie aber gut sein«, fuhr Quis dazwischen. »Vielleicht sind sie Maßnehmer.« »Maßnehmer?« »Ja. Dazu reichen doch zwei Arme und zwei Beine. Da bei kann man sogar Kleidung und Haare tragen.« »Er hat recht«, sagte Loigoi überzeugt. »Aber was ist denn ein Maßnehmer?« wollte Sisi wissen. »Hast du noch nie gehört, daß die Händler, bevor sie die Inneneinrichtung liefern, die genauen Maße der Räume abnehmen?« »Das ist ein Normhaus!« »Aber vielleicht haben die vorgemerkten Mieter Son derwünsche.« »Ja, das kann sein, aber die Maßnehmer kommen doch erst, wenn das Haus fertig ist. Die können doch jetzt noch gar nichts messen. Es ist erst das Erdgeschoß fertigge stellt.« »Weiß ich, warum die jetzt schon kommen?« konterte Loigoi aufgebracht. »Im Zuge von Rationalisierungsmaß nahmen, wahrscheinlich.« »Blödsinn«, knurrte Quis. »Das ist verrückt. Aber ich kann mir auch nicht vorstellen, was sie sonst tun könn ten.« Sie traten vor das Haus, öffneten die Tür, traten ein und klopften an die Küchentür. Drinnen tat sich nichts. Quis, der wegen seiner stattlichen Größe hatte draußen bleiben
müssen, lugte wieder durch das Fenster. Er rief den ande ren zu: »Geht ruhig hinein. Die haben sich immer noch nicht von der Stelle gerührt.« Die anderen drängten sich in die Küche. Nun konnte sich wahrhaftig niemand mehr rühren, auch wenn er es gewollt hätte. Sie starrten die Fremden an. Drammata versuchte erneut, eine Verständigung herzustellen. Aber die Fremden schienen stur zu sein. Schließlich verließen sie verstört den Raum und blieben wieder wie angewurzelt stehen. »Sie tun einfach nichts«, stellte Quis verwundert fest. »Ich mache Meldung«, entschied sich Drammata. »Die können da nicht einfach herumstehen.« »In Ordnung«, stimmte Loigoi zu. »Beeil dich.« Drammata eilte auf seinen zwei Beinen durch das Ge lände. Er betrat das Planungsgebäude der Großbaustelle und stürzte unangemeldet in das Büro des Planungsstabes. Die Stieläugigen blickten erstaunt auf. »Was gibt es?« Drammata stotterte erregt. Als er seine Meldung vorge bracht hatte, zuckten die Planer verständnislos die Schul tern. »So etwas gibt es nicht. Aber wir werden nachfragen. Es ist gut.« Drammata verließ das Gebäude. Die Planer setzten sich augenblicklich mit der übergeordneten Stelle in Verbin dung, wo man sich ebenso ratlos zeigte und versprach, der Sache nachzugehen. Drammata erreichte die Baustelle. Die anderen waren bereits wieder bei der Arbeit. Die Fremden standen noch vor dem Haus und beobachteten interessiert die Vorgänge. Drammata knurrte resigniert. »Dort weiß man auch nichts«, teilte er den anderen mit.
»Man will sich erkundigen.« Mit einem Seitenblick auf die Fremden fügte er hinzu: »Seltsame Käuze!« Dann ging auch er wieder an die Arbeit. *
GRUPPE ZWEI. ZEIT: EINHUNDERTZWÖLF JAHRE VOR DER LANDUNG. »Um die Auswanderer kann es sich nicht handeln«, be merkte Haag Zborr überzeugt. »Ganz ausgeschlossen!« Caspar Brixlas knurrte zustimmend. Schweiß sammelte sich auf seiner Stirn. »Wo sind wir?« murmelte er. »Besser gefragt, wie kommen wir wieder zurück?« »Ich sehe schwarz«, brummte Haag. Caspar blickte ihn verängstigt von der Seite an. Mit zit ternden Fingern fummelte er an seiner Nickelbrille herum, rückte sie zurecht. »Ich weiß weder ein noch aus«, gab er zu. »Das geht nicht mit rechten Dingen zu. Zuerst dies Monument und nun .« Sie hatten sich in westlicher Richtung vom Denkmal aus durch die Stadt bewegt. Plötzlich hatte sie ein seltsames Ziehen überfallen, etwas hatte ihnen das Fleisch von den Knochen ziehen wollen. Dann hatte das Gefühl abrupt geendet und sie hatten sich in einem leeren Raum wieder gefunden. Der Schreck hatte sich noch vergrößert, als sie sich einem riesigen, unförmigen Wesen gegenübergesehen hatten. Inzwischen hatten sie sich jedoch wieder soweit beru higt, daß sie in der Lage waren, die Umgebung und die Vorgänge am Haus in sich aufzunehmen. Aber die Unge wißheit darüber, was eigentlich geschehen war, zehrte an
den Nerven. Haag beobachtete den Bau des Hauses mit gemischten Gefühlen. »Fertigbauweise«, kommentierte er lustlos. »Jeder Ar beiter scheint die optimal günstigste Körperform für seine Arbeit zu haben. Verstehst du das, Caspar?« »Es ist unmöglich.« »Einleuchtende Erklärungen gibt es sicher dafür. Aber mich interessiert das jetzt weniger. Wir müssen etwas unternehmen, denn diese Wesen - ich nehme an, daß es sich um Parteken handelt - kümmern sich nicht mehr um uns.« »Ich wüßte nicht, was wir tun könnten.« »Dort . ein Fahrzeug!« Den hellen Sandweg entlang glitt ein vierrädriger Wagen heran und stoppte vor ihnen. Drei Wesen, zwei Meter groß, mit drei Armen und Beinen, mit Stielaugen und ohne Bekleidung, entstiegen ihm. Vorsichtig näherten sie sich, während sie leise miteinander sprachen. Einer von ihnen trat vor. »Haben wir es mit Terranern zu tun?« fragte er. Haag japste nach Luft. »Ich werde noch verrückt!« brüllte Caspar auf. »Ich träume! Haag, was ist mit mir los?« Haag mußte sich stark zusammenreißen, um nicht so unkontrolliert zu handeln wie der Kosmobiologe. Caspar zitterte am ganzen Körper. Dann fuhren seine Arme plötz lich hoch und krallten sich in Haags Planetenanzug fest. Der riß sie beiseite und versetzte dem keuchenden Schiffs arzt einen Schlag ins Gesicht. Caspar schluckte, sein Gesicht verzog sich zu einer bösartigen Maske, das Zittern verließ ihn. Ungläubig sah er Haag an. Er spuckte sich vor
die Füße und murmelte: »Ich nehme mich zusammen.« Dann tat er etwas gänzlich Unerwartetes. Haag Zborr hatte sich soeben entschlossen, dem Parte ken entgegenzugehen und seine Frage zu beantworten, als Caspar ihm zuvorkam. Eben noch unfähig, die Situation zu begreifen, nahm er sie nun in die eigene Hand, um sie zu meistern. Haag ließ ihn gewähren, denn er wußte, daß Caspar durchdrehen würde, konnte er sich dem scheinbar Unmöglichen nicht stellen. »Wir sind Terraner«, stellte Caspar mit fester Stimme fest. »Ihr . seid Parteken?« »Wir sind Parteken«, erwiderte sein Gegenüber. »Jedoch waren unsere Vorfahren Terraner wie ihr. Wir sind Nach kommen der Auswanderer von der Erde. Doch wir werden später darüber sprechen. Ich heiße unsere Retter willkom men - es befindet sich doch ein Arzt namens Caspar Brixlas unter euch?« »Ich bin Arzt«, sagte Caspar unbewegt. Der Stieläugige verneigte sich. »Nehmt bitte in unserem Wagen Platz. Wir werden euch einen Teil von PartosStadt zeigen. Unterdessen erkläre ich euch, was ihr wissen möchtet.« Der Wagen wendete und fuhr auf eine feste Straße, die stark befahren wurde. Sie sahen hier ausschließlich stie läugige Parteken und nur selten Wesen mit anderen Kör performen. »Mein Name ist Safaro«, erklärte der Sprecher der Ab ordnung. »Dies sind Kilt und Mukrra. Wir sind Abgeord nete der partekischen Gesamtregierung, beauftragt, uns um eure Sicherheit zu kümmern.« Die Kontakter sagten kein Wort. Viel zu neu und un glaublich war alles, um sich sofort mit der neuen Situation
abfinden zu können. Ungläubig musterten sie den Fahrer des Wagens, der aus einem zylinderförmigen Rumpf, einem hohen Kopf mit sechs nach allen Seiten blickenden Augen auf Stielen und vier Armen zu bestehen schien. Safaro saß mit seinen Begleitern auf einer gepolsterten Bank ihnen gegenüber. Er wies mit zwei Armen aus dem Wagen und sagte: »Der ganze Kontinent wird von dieser Stadt bedeckt. Werke und Plantagen befinden sich zum Teil unter der Erde. Aber unser Leben werdet ihr noch kennenlernen. Andere Dinge sind jetzt wichtiger. Wir wissen, daß ihr vor einem Rätsel steht und nicht wißt, wie ihr hierhergekommen seid. Habe ich recht?« Caspar stimmte zu. »Dafür scheint ihr um so genauer zu wissen, was vor sich geht.« »Wir wissen es seit achtzig Jahren. Erfahren haben aber auch wir es erst von zwei Besatzungsmitgliedern eures Raumschiffes. Von ihnen haben wir auch die Sprachkennt nisse. Und seit achtzig Jahren warten wir auf die Ankunft des Arztes. Endlich ist es soweit. Es ist höchste Zeit!« Die Kontakter waren sprachlos. Doch ihr Staunen sollte sich noch steigern. Das Geschehen war so phantastisch, daß sie bereit waren, auch die unglaublichste Erklärung widerspruchslos hinzunehmen. »Wir wissen, daß ihr mit eurem Raumschiff CONTACT unserer Welt einen Besuch abstattet. Wir wissen, daß ihr ein Denkmal eures Arztes entdecktet und daraufhin eine Expedition in drei Gruppen durch die Stadt unternahmt. Und während dieser Expedition geschah es. Alle drei Gruppen verschwanden spurlos und tauchten in der Ver gangenheit unserer Welt wieder auf. Ich werde euch die Erklärung dafür später geben. Vorerst erzähle ich euch, was weiter geschah. Zwei von euch, Harlan Reginald Isaac
Klim und Jata Neral, landeten am weitesten in der Vergan genheit. Von ihrer Ankunft konnten wir nichts ahnen. Durch sie erlernten wir Terranisch, denn während der vergangenen fünfhundert Jahre wandelte sich unsere Spra che vollkommen. Genauer gesagt, unsere Vorfahren lern ten Terranisch und durch sie wir. Durch sie erfuhren wir von eurem Schicksal und auch, daß euer Kosmobiologe unser Volk vor dem Aussterben bewahren würde, von dem wir damals bereits bedroht waren. Seitdem rechneten wir mit eurer Ankunft. Aber erst dreiundfünfzig Jahre darauf - wir rechnen mit terranischen Jahren; für uns sind das etwa vierzig Jahre - tauchte die zweite Gruppe auf, beste hend aus Mick Ronda und Kai Aplos. Wir versuchten, sie in die Zeit eurer Landung zurückzuversetzen, aber sie erschienen schon fünf Jahre später wieder. Wir hoffen jedoch, daß der zweite Rückversetzungsversuch geklappt hat.« »Und nun sind wir hier«, knurrte Caspar. »Wie weit zu rück befinden wir uns von unserem Ausgangspunkt?« »Unseren Berechnungen zufolge handelt es sich um ein hundertzwölf Jahre, die ihr zurückgefallen seid. Wir sind sicher, euch genau zurückversetzen zu können. Unsere Zeittechniker glauben, die Zeit genau bestimmen zu kön nen.« »Hoffentlich.« »Und nun zum Wesentlichen. Vor rund zweihundert Jah ren entdeckten unsere Wissenschaftler die Möglichkeit, unsere ursprünglichen Körper gegen künstliche zu tau schen. Künstlich sind sie insofern, als sie eigens zu diesem Zweck produziert werden. Sie sind insofern nicht künst lich, als sie aus Fleisch und Blut sind und genetisch ge züchtet werden. Für jede spezielle Arbeit konnte man
seither die optimal geeignetsten Körpersegmente einset zen. Wie wertvoll diese Entdeckung ist, könnt ihr am Fahrer dieses Wagens sehen. Er sieht nach allen Seiten gleichzeitig, sitzt unverrückbar fest und hat genug Hände für jeden nötigen Handgriff. Wenn er nach Hause geht, kann er jederzeit andere Segmente anlegen. Leider haben wir nicht nur vernünftige und praktisch denkende Parteken auf unserer Welt. Partos spaltete sich in sechs Hauptzonen, in denen jeweils eine andere Auffassung über Gebrauch und Sinn des Segmentwechsels vorherrscht. In der Zone, in der ihr aufgetaucht seid, zum Beispiel, wohnen die Traditionalisten, die nur eine Körperform für das öffentli che Leben zulassen. Das ist die, die ihr an uns seht. Wir mußten sie anlegen, sonst hätte uns die Zonenwehr nicht hereingelassen. In der Zone, in der ihr leben werdet, woh nen die vernünftigen Parteken - unserer Ansicht nach. Sie denken praktisch und wählen ihre Körper sinnvoll aus.« »Welch eine komplizierte Welt!« »Terra«, schaltete sich Haag ein, »ist auf andere Weise nicht weniger kompli ziert.« »Was erwartet man eigentlich von mir?« fragte Caspar neugierig. Sataro fuhr fort: »Das Verkaufsmonopol für die Seg mente haben selbstredend die Händler. Ihr werdet verste hen, daß jeder Parteke möglichst ein SegmentSortiment nur einmal in seinem Leben erwerben will. Deswegen kam es zu Absatzschwierigkeiten. Da die Händler aber das lukrative Geschäft nicht verlieren wollten, gingen sie einen illegalen Weg, um es wieder anzukurbeln. Seither sind wir zum Aussterben verurteilt. Sie heizten den Ver kauf wieder an, indem sie die SegmentQualität ver schlechterten. Sie halten nur hoch einige Jahre und gehen
dann auseinander. Sie erreichten das, indem sie die Seg mente mit Viren verseuchten, die nach einiger Zeit zum Verfall des Gewebes führen. Die künstlich gezüchteten Viren entglitten aber der Kontrolle ihrer Erzeuger und mutierten. Und seit rund hundert Jahren vermehren sie sich unabhängig von jeder genetischen Kontrolle wie rasend. Niemand kann ein Gegenmittel finden. Seitdem stellen die Händler wieder einwandfreie Segmente her, aber das nützt nichts mehr. Wir alle werden von den Viren befallen. Glücklicherweise bleiben unsere Gehirne ver schont, sie haben sich als resistent erwiesen. Alle halbe Jahre müssen wir nun die Segmente wechseln. Die Händ ler machen ein großes Geschäft damit, aber auch ihnen nützt es nichts mehr. Die Seuche ist unaufhaltbar.« »Eine wahnsinnige Geschichte«, rief Caspar entsetzt »Doch wie soll ich in der Lage sein, die Seuche aufzuhal ten, wenn ihr es nicht könnt?« »Das Monument bezeugt es, Caspar«, sagte Haag. »Das überzeugt nicht«, antwortet der Arzt. »Die terranische Medizin wird weiterentwickelt sein«, meinte Safaro. »Eine andere Erklärung gibt es nicht. Wir arbeiten natürlich an einem Serum. Und nicht nur das. Unsere Forscher fanden die Zeitmanipulation. Sie experi mentieren seit hundert Jahren mit einem Zeittor, das unser Volk in die Zukunft führen könnte. Wir nehmen an, daß ein Zeitsprung die Seuche besiegt; hundert Jahre zum Beispiel könnten eine weitere Mutation der Viren bedeu ten. Diese Mutation könnte für uns Menschen ungefährlich geworden sein. Es bleibt jedoch die Schwierigkeit, die verseuchten Segmente, die wir mitnehmen müssen, zu entseuchen. Das ist deine Aufgabe, Caspar Brixlas.« Caspar wandte sich an Safaro.
»Seid ihr nicht praktisch unsterblich geworden durch die KörperwechselMethode?« »Nur theoretisch«, behauptete Safaro. »Viele Parteken werden nur hundert, andere vielleicht zweihundert Jahre alt. Der Körperwechsel hinterläßt Spuren, die Gehirne nutzen dabei ab.« In der Ferne ragte ein Häuserblock in die Höhe, der ih nen bekannt vorkam. Und als der Wagen vor einem mäch tigen bemalten Portal hielt, waren sie sicher. Das war der Häuserblock, in dessen Parkhof das Monument stand. *
Caspar ging zielsicher auf das Tor zu und öffnete die kleine Tür in dessen Mitte. Er schloß es sofort wieder. Der Parkhof sah beinahe unverändert aus. Nur, in dieser Zeit existierte noch kein Denkmal. Es war nur logisch, und doch war Caspar froh darüber. Er haßte das kitschige Monument, und er verfluchte denjenigen, der es hatte errichten lassen. Die Parteken führten die Kontakter in einen Lift, der sie weit hinauf brachte. Safaro geleitete sie in ein Laboratori um, in dem zehn Parteken arbeiteten. Sie hatten drei kurze Arme mit kleinen Händen und langen Fingern und standen auf drei Beinen. Ihre braune Haut glänzte wie von Lack überzogen. Caspar vermutete, daß es sich dabei um eine Schutzschicht handelte, wie sie für die Arbeit in einem Laboratorium höchst vorteilhaft sein mußte. Er stöhnte entsetzt auf. »Es vergehen Jahre, bis ich mich eingearbeitet habe«, murmelte er. »Wir haben Zeit«, erwiderte Haag müde. »Alle Zeit die
ser Welt, würde ich sagen.« Sie wurden dem Laboratoriumsleiter Berr vorgestellt, der ebenfalls Terranisch beherrschte. »Wir haben euch sehnsüchtig erwartet. Und wir hatten Zeit, ein Programm auszuarbeiten, mit dem wir die Einar beitung rationell verkürzen können. Ich bin sicher, es wird nur wenige Tage dauern. Ich stehe voll und ganz zur Ver fügung.« Berr verbeugte sich. »Nennen wir uns beim Vornamen, das vereinfacht die Sache.« Safaro verneigte sich und erwiderte: »Ich danke. Ihr kennt unsere Namen bereits. Ihr braucht keinerlei Forma litäten zu beachten.« Nach einer Führung durch das Labor drängte Safaro: »Es wäre wünschenswert, wenn du sofort mit der Arbeit be ginnen könntest, Caspar!« Caspar schwieg nachdenklich. Er verstand es, daß sich die Parteken keinen Geduldsübungen hingeben wollten, denn sie waren vom Aussterben bedroht. Mit einem Seuf zer der Ergebenheit stimmte er zu. Safaros Begleiter verabschiedeten sich. Safaro wandte sich Haag zu. »Ich werde dich in das Haus bringen lassen, das euch zugeteilt wurde. Es wartet seit achtzig Jahren darauf.« Das Haus war klein, aber erstaunlich »terranisch« einge richtet. Möglicherweise hatte man es vor achtzig Jahren nach Harlans und Jatas Angaben ausgestattet. Haag been dete seinen Rundgang mit befriedigten Gefühlen. Das Leben versprach hier angenehm und ruhig zu werden. Am Ende der schmalen Diele entdeckte Haag eine kleine Tür, die er übersehen hatte. Neugierig öffnete er sie. Im Raum dahinter leuchtete eine helle Lampe auf.
Überrascht schloß Haag die Tür hinter sich. Er stand vor einer merkwürdigen und komplizierten Maschine, in deren Mitte eine Kabine war. Rundherum an den Wänden des Raumes entdeckte er eine SegmentSammlung. Anschau ungsmaterial? überlegte Haag. Er trat näher heran und bemerkte, daß die Segmente luftdicht in durchsichtigen Behältern verschlossen worden waren. Anschauungsmaterial! entschied Haag. An der hinteren Wand hing ein großes Plakat. Auf ihm stand in terranischen Schriftzeichen: 211 SEGMENTE. Darunter folgte in kleinen Buchstaben eine Aufzählung, begleitet von einer Systematik: PANDEKTISCHE SEGMENTE
(lebenswichtige Segmente)
PARATAKTISCHE SEGMENTE
(nebengeordnete Segmente)
SIMULTANE SEGMENTE
(gemeinsam wirkende Segmente)
PARTIZIPIERENDE SEGMENTE
(teilhabende Segmente)
PARTIELLE SEGMENTE
(untergeordnete Segmente)
Abbildungen illustrierten die Angaben. Das Zusammen wirken und die Verbindung einzelner Segmente sowie der Organe war stilisiert dargestellt worden. Haag wandte sich der Maschine zu. Es konnte nur eine Erklärung für sie geben: In ihr wurden vollautomatisch die Segmente angepaßt. Haag entdeckte in der Tat einen Computer. In ihn programmierte man die gewünschte Zusammensetzung ein. Haag öffnete die Kabine. Er ent deckte mehrere Öffnungen am Boden. Die Kabine wurde also mit einer Nährflüssigkeit gefüllt, bevor die schwierige
»Operation« vorgenommen wurde. Aus den Wänden, die fast einen Meter dick waren, ragten seltsame mechanische Hände heraus. Vom Computer gesteuert, würden sie die Segmentanpassung vornehmen. Haag entdeckte mit der Zeit so viele Einzelheiten, daß er sich den Vorgang ungefähr vorstellen konnte. Insgesamt jedoch erschien er ihm wie die Ausgeburt einer über spannten Phantasie. Er zweifelte jedoch nicht daran, daß die Maschine funktionierte. Auf der Erde war man noch nicht soweit, auf dem Programm der Wissenschaftler stand solch ein Projekt jedoch schon lange. Haag verließ eine Stunde später den Raum. Eine eindrucksvolle Ausstellung, lobte er innerlich. *
GRUPPE DREI. ZEIT: EINHUNDERTVIERZIG JAHRE VOR DER LANDUNG. Sie krümmten sich vor Schmerzen, die wie elektrischer Strom durch ihre Knochen jagten. Das Fleisch schien von innen heraus zu verbrennen. Und plötzlich war alles vor über - keine Schmerzen mehr, kein Unwohlsein. Alles war wie zuvor . Nein - alles war anders! Mick Ronda und Kai Aplos standen nicht mehr auf einer leeren Straße, wo sie ohne jedes Interesse ein Haus be trachtet hatten. Sie standen plötzlich auf einem Podium oder auf einer Bühne. Und vor ihnen bewegten sich Lebe wesen verschiedenen Aussehens in hellem Rampenlicht. Lautes Gemurmel und tosendes Klatschen verriet ein im Dunkeln sitzendes aufgeregtes Publikum. Sie standen tatsächlich auf einer Bühne eines riesigen Saals.
Die Wesen, die etwas größer als Menschen waren, tän zelten unbeirrt über die Bühne. Gemeinsam war allen der abgerundete, quaderförmige Rumpf. Genauso das Vorhan densein von Armen, Beinen und des Kopfes, nicht aber die Anzahl der Extremitäten. Auch deren Form variierte bei jedem Wesen. Kleider trugen sie nicht, und nur eines der Wesen trug langes, bis zum Boden reichendes Haar. Ihre Finger verliefen in Spiralen, jeder Muskel schien absicht lich plastisch hervorzutreten. Besonders die Köpfe wiesen auffallende Merkmale auf. Die Nasen waren meist sehr lang und kunstvoll gebogen. Die Ohren hingen tief herab oder standen hoch auf, arteten oft in wahre Traubengebilde aus, die sich dauernd rhythmisch bewegten. Ein Wesen nach dem anderen verneigte sich leicht vor dem unsichtbaren Publikum, und jedesmal brandete lauter Jubel auf. Die Kontakter waren jedenfalls sicher, daß es sich um Jubel handeln mußte. Die Bühne wurde von den sich zur Schau stellenden We sen geräumt. Leise murmelte das Publikum. Die Kontakter beschlossen, die Gelegenheit zu nutzen und die Aufmerk samkeit auf sich zu lenken. Die Situation, in die sie so unfreiwillig geraten waren, gefiel ihnen nicht. Sie heisch ten nach Aufklärung. Als sie vortraten, sank der Geräuschpegel kurz und stieg dann wieder an. Die Laute, die aus dem Zuschauerraum zu ihnen drangen, waren diesmal anderer Art. Lange, ge dehnte, unsaubere Laute und ein Zischen sagte ihnen, daß ihre äußere Gestalt nicht sehr beifallerregend wirken mußte. Sie hatten eher den Eindruck, als sei ihre Erschei nung für die unsichtbaren Voyeure ein beleidigender An blick. »Wir brauchen eure Hilfe!« schrie Mick Ronda.
»Das nützt nichts«, flüsterte Kai irritiert. »Sie verstehen uns nicht. Was verlangst du denn?« »Daß sie uns nicht für eine Zirkusnummer halten«, erwi derte Mick. »Das werden sie nun erst recht tun.« Mick starrte verwirrt ins Dunkel. Die Rufe verstummten. Langsam setzte wieder die Mißfallenskundgebung ein. Mick sah ein, daß es zu nichts führte, stehenzubleiben. Sie wußten nicht, wo sie sich befanden und wie es geschehen war. Was konnten sie jetzt tun? »Hier ist eine Treppe«, flüsterte Kai. Sie stiegen langsam in den Zuschauerraum hinab. Unten erkannten sie dichtbesetzte Bänke und tausend auf sie gerichtete Augen. Und auch hier hatten sie es mit Wesen zu tun, von denen jedes eine eigene, unverwechselbare Körperform besaß. Ohne darauf Rücksicht zu nehmen - sie konnten sich in dieser Situation einfach nicht darum kümmern -, began nen beide zu reden. Sie sprachen die vorn Sitzenden an, um ihre Aufmerksamkeit auf die Tatsache zu lenken, daß sie nicht hierhergehörten und auch gar nicht hier sein wollten. »Wir haben keine Gegenstände dabei, mit denen wir be weisen könnten, daß wir nicht zu ihnen gehören.« »Doch, die Strahler«, erwiderte Mick hoffnungsvoll. Er zog seinen Nadelstrahler hervor und ließ ihn kurz aufblit zen, den Lauf an die Decke gerichtet. Ein Aufstöhnen ging durch die Reihen. Irgendwo rief jemand etwas. Immer wieder ertönte der Ruf aus den hinteren Reihen. Schließlich schob sich ein Wesen an sie heran, das graziös tänzelte und irgendwie formvollendet aussah. Drei parallel angeordnete rote
Augen richteten sich auf Mick und drei lange Arme reck ten sich ihm beschwichtigend entgegen. »Seid ihr die Terraner?« fragte das Wesen. Die Kontakter erstarrten offenen Mundes. »Ja«, keuchte Mick schockiert. »Wir sind Terraner!« »Ihr müßt mir folgen«, fuhr das Wesen fort. »Ich bringe euch fort von hier.« Mit diesen Worten drehte es sich um. Die Kontakter folgten ihm willig. Es war ein höchst beruhigender Ge danke, diesen Ort verlassen zu können. Die Rätsel, die ihnen diese Welt aufgab, würden sich klären lassen, wenn sie dem Wesen folgten, das ihre Sprache beherrschte. Als sie durch eine Tür traten, standen sie auf einer Stra ße, auf der der Verkehr brodelte und die Bürgersteige fast überquollen. Niemand beachtete sie, als sie mit dem We sen in ein vierrädriges Vehikel stiegen. Ihr Führer klopfte gegen eine Scheibe, welche die Sitze der Fahrgäste vom Fahrerabteil trennte. Vorn saß ein Wesen, das auf das Zeichen hin das Gefährt in Bewegung setzte und sich geschickt in den brodelnden Verkehr einordnete. Ihr Führer stellte sich als Glaas vor und erzählte ihnen die unglaubliche Geschichte einer Zeitmaschine, in deren Zeittore, die durch Experimente unbeabsichtigt in der Zukunft entstanden sein mußten, die Kontakter geraten waren. Sie erfuhren von der weit zurückliegenden Ankunft H. R. I. Klims und Jata Nerals. Der Parteke gehörte einer sogenannten Sonderabteilung »Retter« an, die sie bereits erwartet hätte. Glaas beendete seinen Bericht mit der Bemerkung, er würde sie in seinem Haus bewirten und seinen Kollegen vorstellen. Danach schwieg er mitfühlsam. Der Wagen benötigte eine Stunde, um an das angegebe
ne Ziel zu gelangen. Während dieser Zeit taten die Kon takter ihr Bestes, um Neuigkeiten zu verdauen. Vieles war geklärt - aber die Erklärungen zu akzeptieren, dazu brauchte es mehr ab nur Logik. Sie betraten das kleine Haus und nahmen dankbar auf den angebotenen Stühlen Platz. Ein Parteke betrat den Raum, den Glaas als seine Frau Gub vorstellte. Gub kehrte mit einem Tablett zurück und teilte Gläser mit einer blauen Flüssigkeit aus. »Ich biete euch eine Mahlzeit an«, sagte Glaas. Mick nickte, obwohl er eigentlich ablehnen wollte. Das Gericht schmeckte so vorzüglich, daß die Kontakter ein zweites Mal zugriffen. Glaas erhob sich nach dem Essen und verließ das Haus. Gubs ovaler Mund öffnete sich zwischendurch und ver zog sich eigenartig. Mick wertete es als ein Lächeln und erwiderte es. Gub blieb jedoch schweigsam. Kurze Zeit später kehrte Glaas in Begleitung von fünf Parteken zurück. Sie erkannten Glaas an den parallel angeordneten roten Augen wieder. Die Erscheinungen seiner Begleiter ähnelten dem seinen. Die Unterschiede lagen in der Verteilung der Gesichtsmerkmale. Die Parteken musterten die Terraner interessiert, ver neigten sich höflich und setzten sich auf die von Gub herbeigeschafften Stühle. Glaas nahm neben ihnen Platz. »Das sind meine Kollegen von der Sonderabteilung«, stellte er vor. »Wir sprechen alle Terranisch. Diese Spra che zu erlernen, hatten wir ja dreiundfünfzig Jahre Zeit. Die Ankunft eurer Freunde erlebten wir als Kinder mit.« »Das sagt uns nicht viel, da eure Jahre den unsrigen nicht entsprechen werden«, klärte Kai Glaas auf. Doch
jener schüttelte den Kopf.
»Wir rechneten mit eurem Maß der Zeit.«
Ein anderer Parteke ergriff das Wort. »Ihr wißt, daß in der Zukunft dem Retter unseres Volkes ein Denkmal errichtet wird, weil er unser Volk von einer schrecklichen Seuche befreite. Wir selbst erfuhren das erst durch eure Freunde.« »Ich begreife das nicht«, unterbrach Mick nervös. »Das wäre ja ein Zeitparadoxon. So etwas ist unmöglich!« »Es ist nur ein Scheinparadoxon«, erwiderte sein Ge genüber. »Stellt euch vor, unser Volk wäre nicht intelli gent, wäre ohne Bewußtsein, begriffe nicht, was vorgeht. Dennoch nähme alles seinen Lauf - mit dem Unterschied, daß es ausstehenden Geschehnissen nicht zu seinem Ein treffen verhelfen könnte. Aber der Lauf der Geschichte würde anders. Doch wenn bekannt ist, daß etwas gesche hen wird, weil zukünftige Lebewesen das Geschehen miterlebt haben, dann bleibt der Lauf der Geschichte in jedem Fall der gleiche, ob wir nachhelfen oder nicht Nachzuhelfen hat dennoch Sinn, denn das Eintreffen des gewissen Geschehens könnte unter Umständen schmerzlo ser werden. Man kann es mit einer Geburt vergleichen. Ohne Arzt hat die Mutter Schmerzen, mit Arzt hat sie keine Schmerzen - aber sie gebiert auf jeden Fall. Wir wären in diesem Vergleich eine Mutter, die schon weiß, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird. Ändert das etwas? Daß wir die Zukunft kennen, verdanken wir einem Zufall, hervorgerufen durch Experimente mit einem Zeittor.« »Wenn unser Arzt eine Hilfe nun aber ablehnen würde?« »Er darf es nicht, er kann es nicht verantworten, denn sein Charakter läßt es nicht zu. Allein wir könnten ihn zwingen. Eure Berichte beweisen, daß er es tat!«
»Zwingende Logik«, gab Mick zu. »Mich stört der dabei auftretende Determinationseffekt etwas.« »Er macht es gerade erst möglich.« »Auch wahr. Alles wird also nur geschehen, weil dieser Arzt nicht fähig ist, das Gegenteil zu tun.« »Nicht befähigt dazu«, bestätigte sein Gegenüber. »Wir können das bezeugen«, meinte Kai Aplos. »Der Doc ist viel zu verantwortungsbewußt und gutmütig, was, Mick?« Mick nickte. Das Gespräch geriet ins Stocken, und kurz darauf erfuh ren die Kontakter, weshalb. Die Parteken erhoben sich langsam von den Stühlen und starrten sie an. Langsam fielen sie auf die Plätze zurück. »Wer von euch«, fragte Glaas, »ist der Arzt?« Die Kontakter blickten sich überrascht an. Eigentlich war es logisch, daß die Parteken glaubten, Doc Brixlas sei unter ihnen. Daran hätten sie gleich denken sollen. »Er ist nicht hier«, antwortete Kai leise. »Ich bin der Planetologe Kai Aplos. Mick Ronda ist Kosmograph und Astrogator der CONTACT. Der Bordarzt ist nicht bei uns.« »Daß der Kosmobiologe noch nicht gekommen ist, ist nicht weiter von Bedeutung, da feststeht, daß er kommen wird. Da ihr unfreiwillig in unsere Zeit verschlagen wur det, genießt ihr selbstverständlich das Gastrecht. Begehrt also, was ihr wollt. Aber wir möchten euch um einen Gefallen bitten.« »Natürlich.« »Es gibt keinen Grund mehr für uns zu schweigen. Das Ausbleiben des Arztes bestätigt unsere Ansichten. Wir haben euch belogen! Ich bin sicher, ihr werdet uns verste
hen. Wir glauben, daß der Arzt zu spät kommen wird, daß wir einen anderen Ausweg suchen müssen. Wir glauben, einen Weg zu kennen und sind bereit, diesen Weg zu gehen.« »Ich begreife nicht«, murmelte Mick verwirrt. »Es ist doch bewiesen, daß der Doc rechtzeitig kommt.« »Gar nichts ist bewiesen. Vielleicht habt ihr gelogen! Wer sagt uns denn, daß ihr nicht ein abgekartetes Spiel treibt? Wer weiß denn, was ihr wirklich vorhabt? Viel leicht stimmt alles, aber ihr kommt nur aus einer mögli chen Zukunft, die nicht unbedingt eintreffen muß! Und trifft sie ein, dann wird unser Volk vielleicht nur gerettet, weil wir gleichzeitig unseren Plan in die Tat umsetzen. Vielleicht sind es nur die Zuchtparteken, die heil in die Zukunft gelangen. Es gibt viele Möglichkeiten. Es ist besser, nicht an eine wunderbare Errettung zu glauben!« Die Kontakter blickten sich sprachlos an. Glaas hatte recht. Niemand wußte, ob die Rettung allein Caspars Werk sein würde. Andererseits hatten die Parteken logisch dar gelegt, weshalb die Rettung stattfinden mußte, gleichgül tig, was sie dazu taten. Das Denkmal bewies es. Aber weshalb gab es keine Parteken mehr, wenn die CONTACT auf Partos landen würde? »Zuchtparteken?« fragte Kai leise. »Es gibt Parteken«, fuhr Glaas fort, »die an folgende Theorie glauben: Findet man kein Serum gegen die Seg mentSeuche, dann müssen die GenetikIngenieure den Fall lösen, indem sie Parteken heranzüchten, die gegen die Viren resistent sind. Das bedeutet: diejenigen unter uns, die sich weniger angegriffen sehen, müssen ihre Segmente abliefern. Diese relativ resistenten Segmente müssen studiert und ihrer Zusammensetzung entsprechend ge
züchtet werden. So lange, bis wir total resistente Segmente herstellen können. Es gibt allerdings noch einen anderen Weg. Unsere Kinder behalten ab jetzt ihre ursprünglichen Körper. Die Segmentmode muß aufhören. Die resistente sten Kinder müssen zur Verfügung gestellt werden. Die GenetikIngenieure kennen eine Methode, um das Heran wachsen von Leben zu beschleunigen. Diese Kinder müs sen schnell wachsen und wieder Kinder bekommen.« »Wir kennen diese Methode«, sagte Mick angewidert. »Das hat man auf Terra auch schon versucht. Es wurde behauptet, man könne und müsse eine Elite heranzüchten, die mit SuperIntelligenz befähigt ist, die immer schwieri ger werdende Regierung der Menschen zu übernehmen. Es konnte glücklicherweise noch rechtzeitig verhindert wer den.« Glaas unterbrach ungeduldig. »Wenn die Verseuchten sterben, bleiben wenigstens ei nige Parteken übrig, die immun sind und unsere Rasse vor dem Untergang bewahren können. Dieses Ziel ist uns alles wert. Wir bitten euch nun, für unsere Idee einzutreten. Wir bitten euch, vor unser Volk zu treten und ihm zu sagen, daß es nur noch diese Möglichkeit gibt. Wenn ihr es tut, werden bald alle für unseren Plan eintreten. Ihr seid die erwarteten Retter, wenn ihr es sagt, werden sie es glau ben.« Die Kontakter wechselten bedeutungsvolle Blicke. Ihnen war klar, daß man sie verschaukeln wollte zugunsten einer fanatischen Machtgruppe. Das war offensichtlich. Es mochte aber gefährlich sein, sich ablehnend zu äußern. »Das will überlegt sein«, sagte Mick schnell. Seine Hand fuhr über seinen Bürstenhaarschnitt. »Wir müssen die Sache miteinander diskutieren. Gewährt uns Bedenkzeit.«
Glaas reagierte freundlich. »Selbstverständlich. Wir lassen euch jetzt allein. Für die Zeit eurer Anwesenheit steht euch dieses Haus zur Verfü gung. Gub wird euch gut versorgen.« Die Parteken erhoben sich, verneigten sich und verließen das Haus. *
GRUPPE EINS. ZEIT: EINHUNDERTDREIUND NEUNZIG JAHRE VOR DER LANDUNG. Mit ihrem Führer Nokkolt verließen H. R. I. Klim und Jata Neral das BioLaboratorium, in dem sie gesehen hatten, wie die Körpersegmente in Vitrinen herangezüchtet wurden. Zuvor hatte sie Nokkolt durch das Zeit Manipulatorium geführt. Letzte Fragen waren beantwortet worden. Die Lösung ihrer Probleme war lückenlos. Jetzt begriffen sie, was geschehen war und was geschehen würde. In aller Eile hatte man eine Sondergruppe aus Wissen schaftlern und Politikern zusammengestellt, die dem Sprachunterricht Nokkolts während der vergangenen vierzehn PartosTage - das waren zwanzig terranische Tage - über einen Lautsprecher gefolgt waren. So gab es nun sechs - mit Nokkolt sieben - Parteken, die der terrani schen Sprache mächtig waren. Die Aufgabe der Abteilung »Retter« war es, die Sprachkenntnisse so lange der Zu kunft zu überliefern, bis der Arzt und Kosmobiologe Caspar Brixlas auftauchte, um den Kontakt zu erleichtern. Nokkolt geleitete sie nach einer Sitzung der Sonderab teilung aus dem kreisrunden Gebäudekomplex - einem öffentlichen Gebäude, das »Antizipatorium« genannt
wurde. In diesem Komplex befanden sich außer For schungsstätten führender Wissenschaftler die Tagungs räume der Politiker vom Wissenschaftsausschuß und der Abteilung »Retter«. Das Gebäude stand in der Zone der sogenannten Progressisten, stand aber allen Parteken offen - arbeitete auf gesetzliche Initiative hin auf interzonaler Basis. Sie bestiegen den Wagen. Nokkolt hatte sie gebeten, in der TraditionalZone wohnen zu bleiben, und sie hatten zugestimmt. Nokkolt gab ein Zeichen, und der Wagen setzte sich in Bewegung. »Wenn Sie nichts dagegen haben«, sagte er, »fahren wir eine andere Route. Unser Fahrer kann einen Bogen fahren, der uns durch insgesamt drei Zonen führt. Es dürfte sehr interessant für Sie werden.« Sie waren einverstanden. Nach wenigen Minuten bog der Wagen auf die äußere Bahn einer vierspurigen Autobahn ein, die einen Kreis bilden sollte. Inmitten der so entstandenen Kreisfläche erhob sich ein mächtiges Bergmassiv, auf dem eine Erho lungsstätte errichtet war. Der Wagen fuhr jetzt langsamer. Nokkolt wies mit sei nen Armen hinüber auf die zweite Fahrspur. Auf ihr be wegte sich ein unendlich langer Zug Menschen. Jeder Parteke trug anscheinend eine andere Körperform, doch hin und wieder entdeckte man Ähnlichkeiten und bekannte Segmente. Unter den Massen befanden sich viele beklei dete Parteken; teilweise waren auch nur Arme und Beine mit Tuch umwickelt. Viele Marschierer trugen Transparente, Fahnen und breitkrempige Hüte, mit denen sie winkten. Ein merkwür diger Gesang erklang vom Zug herüber.
»Was ist das?« fragte Harlan neugierig. »Deswegen sind wir hergekommen. Ich wollte Ihnen das Schauspiel nicht vorenthalten. Es handelt sich um demon strierende Freidenker, die aus allen Zonen stammen. Sie haben sich zusammengetan, seit man sie verfolgt. In der ProgressivZone läßt man sie allerdings in Ruhe - ich verstehe das nicht. Sie stören doch nur. Aber da sie nicht alle in der ProgressivZone leben können, fordern sie, das Freidenkertum zu legalisieren. Von Zeit zu Zeit demon strieren sie auf dem Ring. Auf diese Weise durchlaufen sie drei Zonen. Es kommt allerdings meist zu Kämpfen mit den Zonenwehren.« »Das begreife ich nicht. Was wollen diese Parteken?« »Nun, das ist so: Jede Zone hat ihre eigene Volkskon vention gesetzlich verankert. Wer dagegen verstößt, wird ausgeschlossen oder bestraft. Diese Parteken sind meist noch sehr jung. Sie wollen überall auf Partos so leben, wie sie es sich vorstellen. Ganz Partos soll also zur Progressiv Zone werden. Dagegen wehren sich die anderen natürlich. Daraufhin sind sie zu passivem Widerstand übergegangen. Sie erwerben sich Segmente, deren Talgdrüsen übermäßig stark arbeiten. Wo sie an solche Segmente nicht heran kommen, besorgen sie sich ein Mittel, das es bewirkt.« »Ich verstehe. So etwas Ähnliches gab es auch mal auf Terra. Andersdenkende nannten das den Affeneffekt. Ich mag diese Bezeichnungen nicht, denn Leute ohne Haare könnte man entsprechend als Glatzkörper bezeichnen. Das wäre dann ein sogenannter Schweineeffekt. Diese Argu mentation ist dumm.« »Das gebe ich zu. Aber es ist falsch, was sie tun«, ant wortete Nokkolt. »Partos ist so organisiert, daß jedes Interesse seine Zone hat. Es wäre eine Diktatur, wenn die
Haarigen ihre Forderungen durchdrücken würden. Man stelle sich vor, überall tut jeder, was er für richtig hält .« »Es steht mir nicht zu, dagegen zu sprechen«, erwiderte Jata. »Aber mir erscheint Ihre Bemerkung falsch zu sein, da es doch nur um Körperformen geht. Die Freiheit der Körperwahl existiert in der ProgressivZone doch schon lange, und es funktioniert. Mit Diktatur scheint das nichts zu tun zu haben.« Nokkolt überlegte schweigend. Harlan äußerte: »Vielleicht ist es auch eine Diktatur, Ja ta. Denn es ist verboten, jemanden daran zu hindern, den Körper seiner Wahl zu tragen. Das heißt, es wäre die Diktatur der Freiheit. Das ist keine Wortklauberei, sondern logisch formuliert.« »Wer will, könnte weiter so leben, wie er es immer tat«, fügte Jata hinzu. »Das stimmt. Im Gegensatz zu vorher ist eine andere Lebensweise nicht mehr verboten. Man nennt das Integrität der Kulturen. Eigentlich geht es doch nur darum, anzuerkennen, was schon existiert, nämlich die Vielseitigkeit der Körperkultur.« »Wir fürchten nur«, sagte Nokkolt leise, »daß die Mo dernisierer und Neuerer unsere alte Kultur zerstören.« »Das geschähe nur, wenn diese Kultur schwach ist. Und mit Gewalt sollte man alte und kranke Kulturen nicht konservieren. Eine Legalisierung aller Kulturen hätte zur Folge, daß eine jede neue Impulse empfinge und neu belebt würde.« »Die Vergangenheit lehrt schlechte Beispiele«, erwiderte Nokkolt. »Nachdem der Segmenthandel in Gang gekom men war, entwickelten sich extreme Moderichtungen. Aus ihnen entstanden dann die Zonen. Eine Moderichtung bestand darin, Organe, Drüsen und andere Körperfunktio
nen zu beeinflussen. Schlimmeres kam dabei zustande als heute, wo es sich nur um unterschiedliche Formen handelt. Damals unterschieden sich auch die Eigenschaften der Körper. Die einen ließen die Haare sprießen, andere machten sich hitzeunempfindlich, andere kälteunempfind lich, andere entwickelten aus ihren Körpern Kraftmaschi nen, andere veränderten ihren Körper so, daß er flugfähig wurde. Aber all das brachte schwere Nachteile mit sich. Jeder Körper, der so spezialisiert wurde, verlor andere Fähigkeiten. Fähigkeiten, auf die ein Körper nicht ver zichten kann, um am Leben zu bleiben. Ihr könnt euch vorstellen, daß ein Chaos entstand. Also wurde die Organ beeinflussung verboten. Nur Künstlern blieb es erlaubt. Die kommende Epoche wurde eine Epoche der Kunstver herrlichung. Eine neue Kunst wurde kreiert namens Parte kopoly. Das heißt soviel wie Menschenmacherei. Kennt ihr so etwas?« »Nein«, antwortete Harlan. »Die Künstler entwarfen neue Körperformen, woraus oftmals wahre Monster entstanden. Zwei Richtungen entwickelten sich daraus. Zum einen das Dienstleistungs gewerbe. Man erlaubte, Arbeitskörper zu verkaufen - so ist das noch heute. Zum anderen erlaubte man Luxuskör per anzubieten - auch heute noch. Luxuskörper sind jene, die man zum Vergnügen, zur Bequemlichkeit oder zum Protzen anlegt. Erlaubt ist es nur noch in der Antiästheten Zone, der Zone der Ästheten und der Progressisten.« Der Gesang der Demonstranten verstumte abrupt. Die Kontakter ließen den Wagen halten. Sie sahen, wie von allen Seiten die Zonenwehr auf die Demonstranten zumar schierte. »Wir haben inzwischen die Zone gewechselt«, erklärte
Nokkolt. »Wir sind jetzt in der PragmatikZone. Man liebt hier nur nützliche Körper. Jene Freidenker verabscheut man deshalb. Man wird sie zurück in die ProgressivZone drängen.« Das schien jedoch ein schwieriges Unterfangen zu sein, denn die Demonstranten waren darauf sichtlich vorberei tet. Sie schwenkten ihre Fahnen und Transparente, rückten näher zusammen und bildeten einen mächtigen Block. Die Zonenwehr versuchte, den Zug zu sprengen. In mehreren »Schlangen« griff sie an. Es war erkennbar, daß die Schlangen durch den Demonstrationszug hindurchrennen sollten, um die abgesprengten Teile einzukreisen. Der sich mehr und mehr zusammenhängende Block der Demonstranten wurde größer und undurchdringlicher. In der Ferne riß er auseinander. Das war nicht zu vermeiden, denn zwei Blöcke waren schnell zu bilden. Beide würden wahrscheinlich aufeinander zulaufen und sich zu einen großen vereinigen. Aus den Blöcken flogen der Zonenwehr jetzt Steine ent gegen. Das verlangsamte die Attacke der Beamten, so daß sich die Blöcke ungestört bilden konnten. Die Wurfmuni tion war verbraucht, die Zonenwehr stürmte siegessicher heran. Es war ein seltsamer Anblick. Von allen Seiten stürmten die Beamten im Gänsemarsch auf die geschlos senen Blöcke zu. Aus dem siegessicheren Auftreten der Beamten schlos sen die Kontakter, daß sie dies nicht zum erstenmal taten. »Sie haben nicht die geringste Chance«, murmelte Nok kolt amüsiert. »Die Zonenwehr blieb immer Sieger . Sie scheinen etwas Neues zu versuchen!« Die chaotische Situation nutzten die Freidenker, um ihre Blöcke zu einem zu schließen. Als einheitlicher Block
rannten sie im Gleichschritt und singend den Autobahn ring voran. »Interessant«, murmelte Nokkolt mürrisch. »Eine abso lut neue Taktik. Sie scheint erfolgreich zu sein. Aber die Zonenwehr wird sich darauf einstellen.« Er gab dem Fah rer ein Zeichen, und der Wagen setzte sich in Bewegung. »Ich begreife nicht, weshalb sie zur Zeit der Körperver seuchung solche Ziele verfolgen. Ist ihnen denn die Ret tung unseres Volkes unwichtig?« »Sie werden meinen«, erwiderte Jata, »daß sie ihre Ziele weiterverfolgen können, da sie es nicht in der Hand haben, ein Serum zu finden.« Der Wagen verließ den Ring. Wenig später hielt er vor dem Haus, das die Kontakter vorläufig bewohnten. Die Straße war von Parteken fast verstopft. Vor dem Haus wartete eine sechsköpfige Ab ordnung. Alle trugen Körper, wie sie in der Traditional Zone vorgeschrieben waren: drei Beine, drei Arme, Stiel augen und einen flachen Kopf. Als die Kontakter dem Wagen entstiegen, stellten sie sich als Konspirative Partekische Regierung vor. Nokkolt rümpfte die Nase, jedenfalls sah es so aus. Einer der Abgeordneten trat vor. »Partos ist dem Untergang geweiht«, behauptete er. »Sie haben inzwischen die Verhältnisse unserer Welt kennen gelernt. Sie werden zugeben, daß sie chaotisch sind. Sie werden erkannt haben, daß Parteken nicht fähig sind, Partos zu regieren. Nun - wir haben uns im Untergrund immer für das Wohl unseres Planeten eingesetzt. Jedoch erkennt man uns nicht an. Wir haben uns deswegen ent schlossen, uns an Sie zu wenden. Denn Sie gehören einer höheren Zivilisation an und sind daher prädestiniert für die
Führung unseres Volkes. Wir haben gemeinsame Vorfah ren - das sollte verpflichten. Wir bieten Ihnen die Regie rungsgewalt an. Wir werden durch einen Putsch die Ver hältnisse ändern und Ihnen den Weg frei machen, um die Parteken in eine leuchtende Zukunft zu führen. Vertrauen Sie uns, nehmen Sie das Angebot an - alle Parteken wer den bedingungslos folgen und gehorchen!« H. R. I. Klim verschlug es die Sprache. Solche politi schen Wirrköpfe schien es auf jeder Welt zu geben. Doch es schlug dem Faß den Boden aus, daß man sie zu Regie rungschef machen wollte. Abgesehen davon, daß sie kei nerlei Lust verspürten, jemanden zu regieren, war es un glaublich naiv, irgend jemanden die Führung über einen ganzen Planeten anzubieten. Harlan war sich klar darüber, daß sie nur vorgeschoben werden sollten. Wirkliche Macht würden nur diese Gruppe und ihre Geldgeber besitzen. Jata gewann als erste die Fassung zurück. Sie antwortete den Konspirativen, und was sie sagte, entsprach genau Harlans Überlegungen. Sie fügte hinzu: »Wir beteiligen uns an keinem Putsch, der nicht das Ende der Seuche bedeutet. Helfen kann eurem Volk kein Führer, sondern nur Forscher und pflichtbewußte Politiker, die es zu verhindern verstehen, daß es jemals wieder zu einer solchen Katastrophe kommen kann. Die Regierung, die dafür sorgen kann, wird das Volk wählen, nicht ihr. Streitet euch nicht um Körperformen, sondern um eine gerechte Machtver.« Lautes Gebrüll unterbrach sie. Sie schrak zusammen. Worauf hatte sie sich da eingelassen? Es war ein unver zeihlicher Fehler, sich in die Angelegenheiten der Parteken zu mischen. Doch - man hatte eine Antwort erwartet, und was hätte sie anderes sagen sollen, als was sie dachte?
Nokkolt flüsterte ihr zu: »Das wird böse Folgen haben. Du hast mit Händlern gesprochen!« »Das sind Händler?« »Sie waren Händler, bis ihre politischen Ambitionen sie in die Konspiration trieben. Aber sie arbeiten weiter mit der HändlerKaste zusammen.« »Das hätte ich mir denken können«, murmelte Jata. »Die Schuldigen wollen die Macht! Was tun wir jetzt?« »Wir gehen ins Haus. Die Bewachung ist ungenügend. Ich werde zur Sicherheit noch zehn ZonenBeamte anfor dern.« »Du fürchtest um unsere Sicherheit?« »Ja, denn die konspirativen Händler sind sehr mächtig. Sie haben schließlich Geld. Vielleicht nützt die Verstär kung nichts. Viele ZonenwehrBeamte sympathisieren mit den Konspirativen.« Sie gingen ins Haus. Hinter ihnen riegelten die Zonen wehrPosten die Straße ab. Die Menge verlief sich lang sam. Eine Verstärkung der Posten wurde Nokkolt abge schlagen, als er die Wache anrief. Damit erhöhte sich das Risiko. Als Nokkolt vorschlug, heimlich das Quartier zu wechseln, fragte ihn Jata nach der Möglichkeit, diese Zeit zu verlassen. Nokkolt zögerte. »Dem steht nichts im Wege. Die Chance ist allerdings gering, daß ihr in der richtigen Zeit ankommen werdet. Die Zeittechnik ist, wie ihr wißt, praktisch noch im Test stadium. Das Risiko .« » . ist sehr hoch, ich weiß«, vollendete Harlan. »Aber auch ich habe die Nase voll, ehrlich gesagt. Helfen können wir deinem Volk nicht, und bleiben wir hier, erwartet uns eine endlose Flucht. Nein, wir werden es versuchen. In der
Zukunft werden wir landen, das steht fest. Und das genügt. In der Zukunft wird man die Zeittechnik ja hoffentlich beherrschen.« »Gut, dann wollen wir keine Zeit verlieren. Folgt mir ins >Antizipatorium<. Wir wollen es gleich hinter uns brin gen.« Trotz des großen Risikos fuhren sie mit Hochstimmung dem ZeitManipulatorium entgegen. Dort angekommen, begrüßte man sie mit der eben eingetroffenen Nachricht, das Haus, das sie gerade verlassen hatten, sei in die Luft geflogen. Ein Attentat! Es gab kein Zurück mehr. *
ZEIT: ZWEIUNDVIERZIG JAHRE NACH DER LANDUNG. Sie standen im Parkhof des »Antizipatoriums«. Die Zeit reise war für sie unkompliziert. Inwieweit sie glücken würde, war eine andere Sache. Das seltsame Ziehen in den Gliedern und Knochen zwang sie nieder. Kurz darauf setzte es aus. Kaum hatte sich etwas an der Umgebung geändert. Nur die Pflanzen grünten nicht mehr, und die Temperatur war empfindlich niedrig. Die Kontakter liefen zurück ins Gebäude, um ihre An kunft zu melden. Man würde sie - gleichgültig, wie weit sie in die Zukunft versetzt worden waren - erwarten, denn ihre Abreise war in den Annalen des »Antizipatoriums« niedergelegt worden. Sie mußten eine Feststellung machen, die ihnen das Blut in den Adern gefrieren ließ, obwohl sie damit hätten rech
nen müssen. Das Gebäude war unbewohnt und verlassen. Sie stürzten auf die Straße hinaus. Am Horizont ging blutrot die Sonne unter. »Verdammt«, knurrte Harlan resigniert. «Das hat uns noch gefehlt. Jetzt existieren nur noch drei Möglichkeiten, von denen eine als praktisch unwahrscheinlich ausschei det. Entweder sind wir hundertprozentig genau gelandet und die CONTACT erwartet uns, oder die CONTACT ist noch nicht gelandet, oder die CONTACT ist längst nicht mehr hier. Im letzteren Fall bedeutet das, nach einem Zeittor zu suchen.« »Wenn in dieser Zeit zufällig eines existiert«, fügte Jata niedergeschlagen hinzu. »Was ich nicht für wahrscheinlich halte.« Die beiden schalteten die Klimaregler ihrer Planeten kombinationen auf Höchsttouren, denn die Kälte fraß sich beißend durch den Plaststoff. Auf Partos herrschte jetzt Winter, und sie hatten noch Glück, daß die Winter dieses Planeten so mild waren. Hoffungslosigkeit übermannte sie. Dennoch machten sie sich auf den Weg. Sie erreichten den Flughafen. Er sah unverändert aus. Die CONTACT war nicht da. Es wäre ein Wunder gewe sen. Sie untersuchten den Boden des Flugfelds und stellten fest, daß hier ein schweres Raumschiff gelandet sein mußte. Sie waren zu spät gekommen . Die Nacht brach herein. Die Kontakter flüchteten sich in ein Haus und verriegel ten es. Die Nacht verbrachten sie in unruhigem Schlaf, begleitet vom Heulen und Kreischen monströser Tiere. Am nächsten Tag suchten die weiter. Sie trennten sich, um die Chance zu erhöhen, ein Zeittor zu finden, blieben
jedoch in Sichtweite, um sich gegebenenfalls zu Hilfe eilen zu können. Am Abend krochen sie müde in das Bett eines anderen Hauses, weit entfernt vom »Antizipatori um«. »Ich kann es mir nur so erklären«, murmelte Harlan im Halbschlaf, »daß die zurückgelassenen Tiere nach dem Zeitsprung der Parteken unter der Einwirkung der künstli chen Viren mutiert sind. Tiere scheinen anders auf die Viren zu reagieren. Das hat man nicht vorausgesehen.« »Die Umsiedlung des Partekenvolks in eine andere Zeit kann demnach erst nach Ausrottung der Monstren erfol gen«, stellte Jata gähnend fest. »Diese Mutation bestätigt die Theorie der Wissenschaftler, daß die Viren mutieren, wenn man ihre Wirtskörper entzieht. Das bedeutet einen Lichtblick.« Zwei ergebnislose Tage vergingen. Am Nachmittag des dritten Tages geschah es. Die Tiere harten den Abstand zu den Kontaktern bis auf wenige Meter verringert. Jeden Augenblick mußten sie damit rechnen, daß sie angegriffen wurden. Und als es geschah, verjagten gezielte Schüsse aus den Nadelstrahlern die Bestien nur für wenige Stunden. Dann warfen sie sich von allen Seiten gemeinsam auf die Suchenden. Die letzte Zuflucht war ein Haus, das so zu einer Falle wurde. Jata berichtete atemlos von einer Stelle, an der sie beim Laufen ein ziehendes Gefühl verspürt habe. Sie lokalisierten nachträglich den Ort. »Wenn es ein Zeittor ist«, kombinierte Jata, »dann befin det sich sein Fokus genau in den Büschen gegenüber des Hauses - in den Hecken am Straßenrand!« »Wir müssen einen Ausfall wagen«, konstatierte Harlan, »oder wir verhungern hier. Außer Wasser haben wir bisher
nichts zu uns genommen. Wir sind geschwächt genug. Es muß jetzt klappen.« »Ich verzichte auch gern auf das Fleisch der Monstren«, sagte Jata angewidert. »Ich schlage vor, wir versuchen es in der Nacht. Nachts streunen die Viecher zwar auch herum, aber sie erwarten uns nicht.« »Nachts haben wir es mit ganz anderen Tieren zu tun. Die Schwierigkeit ist, daß wir die Nachttiere nicht kennen und nicht wissen, wie gefährlich sie sind.« Die Sonne ging unter, und die sie belagernden Riesen Biber zogen nach und nach heulend ab. Dieser Zeitpunkt war der beste, da die Nachttiere wohl ihre Streifzüge noch nicht begonnen hatten. Insofern war ihr Unternehmen einfach; aber ihre Körper waren stark geschwächt, und draußen herrschte bald Dunkelheit. Licht aus dem Haus hätte die Tiere nur angelockt, deswegen verzichteten sie darauf. Sie öffneten leise die Haustür. Draußen war alles still, und nichts schien sich in unmittelbarer Nähe des Hauses abzuspielen. Bis zur Hecke waren es etwa dreißig Meter. Sie liefen los. Von einem Sprint oder Spurt konnte keine Rede sein, dazu reichte ihre Kraft einfach nicht mehr aus. Ihnen selbst kam es wie eine Bewegung in Zeitlupe vor, und mit jedem Sprung verbrauchten sie den Rest ihrer Kräfte. Ohne nachzudenken, sprangen sie in die Hecke. Hinter den Büschen knurrte etwas tief, brüllte anhaltend laut. Ein mächtiger Schatten schoß auf sie zu. Und sie fühlten ihn und seinen heißen Atem mehr, als sie ihn sehen konn ten. Ihre Körper verkrampften sich, noch während der Erdboden auf sie zukam. Das Gefühl steigerte sich so
schnell, daß sie glaubten, zu explodieren. Ein Tier war über ihnen! Als sie gegen den Erdboden prallten, wurde es taghell. H. R. I. Klim hob seinen Kopf. Um ihn herum standen zahlreiche Glasvitrinen. Und in ihnen befanden sich Kör persegmente. Aus mehreren Vitrinen glotzten ihm Stielau gen entgegen, leblos und kalt. Dann prallte etwas hart gegen seinen Rücken, und sein Kopf wurde schmerzhaft auf den harten Steinboden ge preßt. Ein nicht enden wollendes Klirren hallte in seinen Ohren wider. Heiße Luft umfächelte seinen Hals. Ein ekelhaftes Knurren und Säuseln begleitete das Chaos . *
In der großen Halle summte es wie in einem Bienenstock. Die ZonenwehrBeamten der PragmatikZone hingen mit ihren Blicken an den Visiphonen, über die sie die Meldun gen ihrer Verbindungsmänner empfingen. Die Halle war relativ klein, denn die PragmatikZone war die kleinste Zone auf Partos. Dafür funktionierte hier auch alles rei bungsloser und geregelter. Und darauf waren die »Prag matiker« stolz. Ein Wunder war das nicht, denn was sollte schon schieflaufen, wenn jeder Parteke zur rechten Zeit am rechten Ort den rechten Körper hatte? Auch Mrr war stolz auf seine Zone. Und was er gerade durch sein Visiphon erfuhr, ließ ihn aufhorchen. Eine Chance bot sich. Eine gute Chance, dem ganzen Volk der Parteken die Vorteile des Pragmatismus bezeugen zu lassen. Er lief durch die Halle und stürmte ohne ein Zeichen in das Büro des Kommandanten. Der blickte ihm aufge
schreckt entgegen. »Mrr - was ist los?« »Kommandant Cissel, ich habe eine Meldung besonderer Art zu machen. Wenn es klappt, könnten wir unschätzba res Kapital daraus schlagen. Ich meine natürlich . nun .« »Mrr - zur Sache! Was ist los?« Mrr machte Meldung. »Was?« rief der Kommandant. »Die Terraner sind geflo hen? Ist diese Meldung glaubhaft?« »Die Meldung kommt von unserem VMann aus der ÄsthetikZone. Er ist zuverlässig.« »Nun ja«, brummte Cissel. »Ein Wunder ist es nicht. Die >Retter<Abteilung der Ästheten besteht bekannterweise aus Selektionisten. Sicher wollte man sie zwingen, ihre Theorien zu unterstützen. Wie ging die Flucht vor sich?« »Die Terraner Ronda und Aplos machten sich in der letzten Nacht aus dem Staub. Unser VMann weiß nicht genau, wo sie sich jetzt befinden, aber sie müssen in unse rer Zone sein. Wahrscheinlich durchlaufen sie gerade Sektor A.« »Sektor A«, wiederholte Cissel erleichtert. »Dort kon zentrieren sich viele Parks. Nicht schwer, sie zu fassen.« Cissel legte seine fünf muskulösen Arme auf den Tisch. »Was du sagst, Mrr, ist nicht von der Hand zu weisen. Intelligente Wesen wie diese - rational denkende Men schen - müßten von den Vorteilen des Pragmatismus überzeugt sein. Wir werden es also versuchen.« Der Kommandant sprang auf. »Ich melde einen Wagen ab. Komm mit Poom sofort hinaus.« Mrr befolgte Cissels Befehl. Als er mit Poom auf die
Straße trat, wartete Cissel bereits ungeduldig in einem Einsatzwagen. »Ich habe Befehl gegeben, die Terraner einzukreisen«, erläuterte er gelassen. »Wir werden versuchen, sie zu überzeugen, ihnen ein Haus zur Verfügung zu stellen und gut zu bewirten, verstanden? Kein Wort über unsere Ab sichten; darüber reden wir mit ihnen erst, wenn sie Ver trauen gefaßt haben!« Der Wagen sauste über die Hauptstraße zum Sektor A. Über Funk erhielt Cissel die Nachricht, daß die Terraner die Grenze zum Sektor B in wenigen Minuten überschrei ten würden. Der Einsatzwagen änderte die Fahrtrichtung, und bald darauf erwartete Cissel die Terraner an der Kreu zung, die Sektor A begrenzte. »Ihre Sprache bereitet mir immer noch Schwierigkei ten«, erklärte der Kommandant. »Ich gehöre der Sonder abteilung noch nicht lange an«, fügte er entschuldigend hinzu. Als die Kontakter die Kreuzung erreichten, unterbrach er sein Gemurmel und stieg aus. Er lief auf zwei Beinen zu ihnen hinüber, die beiden anderen ließ er eingezogen; ein schnelles Laufen konnte die Terraner mißtrauisch machen. Als er sie ansprach, bemerkte er ihre Erleichterung. Die Begrüßung war nur kurz. Willig folgten sie seiner Einla dung und stiegen in den Einsatzwagen. Der Wagen fuhr schnell und erreichte Mrrs Haus schon nach wenigen Minuten. Die Terraner schwiegen. Cissel wußte, daß sie erschöpft waren und ließ ihnen ihre Ruhe. Nur Mrr begann unruhig zu werden. Weshalb hielten sie ausgerechnet vor seinem Haus? *
GRUPPE DREI. ZEIT: EINHUNDERTVIERZIG JAHRE VOR DER LANDUNG. »Sehr interessant«, bestätigte Mick Ronda höflich Cissels Erläuterungen. »Und sicherlich von sehr hohem Nutzen für die Produktivität eurer Zone.« »Die Wirtschaft unserer Zone steht an erster Stelle auf Partos«, bestätigte Cissel zum wiederholten Male. »Unser Pragmatismus könnte ganz Partos in ein Paradies verwan deln. Die Forscher dieser DesignWerkstatt optimieren den Nutzeffekt unserer Körpersegmente durch jedes neue Detail, das sie auf wissenschaftlicher Basis ausarbeiten.« Sie waren dem Kommandanten und Abgeordneten der Sonderabteilung »Retter« Cissel zur Führung durch eine sogenannte »DesignWerkstatt für Pragmatische Körper kultur« gefolgt. Viel war nicht zu sehen, dafür bemühte sich Cissel jedoch, mit wissenschaftlichem Vokabular diesen Mangel wettzumachen. Es wirkte lächerlich, was er durch Übertreibung zu verdecken suchte. Das war jedoch die falsche Methode. Die Kontakter begannen zu ahnen, was er bezwecken wollte. »Sehen Sie! Hier zum Beispiel ist eine neue Konstrukti on für die Zonenwehr. Wir haben einen runden Kopf mit sechs Augen, unser Rumpf ist dünn und geschmeidig, die Arme muskelbepackt, und die Zusatzbeine befähigen uns, schneller zu laufen als jeder andere. Bald aber - diesem Entwurf nach - werden unsere Augen mit InfrarotLinsen ausgestattet sein, so daß wir auch nachts so gut sehen werden wie am Tage. In unsere Arme werden Waffen eingebaut sein, die wir jetzt noch in den Fleischtaschen tragen müssen. Dort bringen wir dann die Munition unter.« »Kampfmaschinen«, murmelte Kai. »Ist eure Zone so
unsicher?« »Wir haben viel Ärger mit Freidenkern«, erwiderte Cissel wortkarg. »Leider dürfen wir mit ihnen keinen kurzen Prozeß machen!« Kleine, gedrungene Parteken mit vier Armen und zwei Beinen, riesengroßen Augen, die wie Lupen funktionieren mußten, und eckigen Köpfen arbeiteten intensiv an Ent würfen für Segmente. Durch eine gekrümmte Wirbelsäule hatte man ihre Arbeitshaltung zu einer natürlichen ge macht. »Die Volkskonventionen der anderen Zonen sind alle nur auf Äußerlichkeiten fixiert«, mokierte sich Cissel. »Für den Fortschritt der Produktivität steuern sie überhaupt nichts bei.« »Soweit ich unterrichtet bin«, warf Mick ein, »gibt es in allen Zonen Arbeitskörper, die sich von den Freizeitkör pern gewaltig unterscheiden. Insofern herrscht doch über all Pragmatismus vor. Übertreibt ihr die Lehre von der Nützlichkeit und von nützlichem Handeln nicht, wenn ihr in eurer Zone nur solche Segmente erlaubt?« Cissel konterte mit Formeln, die er auswendig gelernt haben mußte. »Die Nützlichkeit, die Praktikabilität muß immer im Vordergrund stehen. Was bedeutet es schon, wenn man nach der Arbeit Freizeitkörper anlegt? Das ist nur Scheinästhetik. Können denn Arbeitskörper nicht schön sein? Ideal wären Körper, die ästhetisch befriedigen und spezialisiert sind für viele Arbeiten.« »Universalkörper sind nicht zu verachten«, gab Mick zu. Kai sagte nachdenklich: »Dagegen ist gar nichts zu sa gen. Warum aber kann nicht, wer will, den Körper seiner Wahl tragen?« Cissel übertraf sich selbst. »Nutzbringender Universa
lismus ist solange nicht mit schönheitbringendem Univer salismus zu vereinbaren, wie uns eine Synthese von nutz bringenden und schönen Körpern nicht gelungen ist«, behauptete er. »Daran arbeiten wir. Solange es nicht ge lungen ist, herrscht der Pragmatismus vor. Sie sehen ja, was er bringt: Wir sind die führende Zone.« Mick und Kai sahen sich vielsagend an. Das war zwar logisch, aber der Widerspruch blieb. Freiheit der Körper wahl gegen den Nutzeffekt Wohlstand. Es war nur ein Scheinwiderspruch, aber die Parteken setzten andere Prioritäten. Die Kontakter beschlossen, nicht zu antworten. Cissel sah sich am Ziel und ließ die Katze aus dem Sack. »Es wäre ein großes Glück für unser Volk, wenn alle Parteken diese Einsicht teilen würden. Ihr kommt aus einer hochzivilisierten und technisierten Welt. Ihr seid Vorboten unseres Retters. Wenn ihr unsere Anschauung gutheißen würdet, rückte der Sieg .» »Nein!« »Auf euch würde jeder Parteke mit Freude hören. Das würde .» »Nein!« »Weshalb nicht?« fragte Cissel mißmutig. Er sah seine Chance schwinden. Weshalb sträubten sich die Terraner? »Das ist eure Angelegenheit. Ihr müßt eure Probleme selbst lösen. Sprecht mit den Parteken, sie werden euch antworten. Weshalb sollen wir sie beschwatzen? Wir lehnen das Angebot ab.« »Aber . aber was sollen wir denn gegen die Unvernunft der anderen tun? Sie wollen uns nicht anhören!« »Dann habt ihr keine Überzeugungskraft, dann habt ihr keine überzeugenden Argumente.«
Kai war mißtrauisch geworden. Cissel zögerte zu lange, um sich mit ihrer Antwort abzufinden Sie hatten die kurze Bekanntschaft mit den Selektionisten der ÄsthetikZone noch nicht vergessen. Gub hatte ihnen die Pläne der Se lektionisten verraten und sie gewarnt. Sie wußte, daß man Gewalt anwenden würde, wenn sie ablehnten. Daraufhin war ihnen klargeworden, daß sie verschwinden mußten. Welche Pläne schmiedete Cissel jetzt? Die Kontakter erkannten seine Taktik. Seine Selbstherrlichkeit stieß sie ab. Sie würden nur noch geduldete Gäste sein, und ein längeres Verweilen konnte gefährliche Folgen zeitigen. Sie wußten, daß Partos in eine politische Krise steuerte. Die Segmentseuche spülte die verschiedensten und obkursten Meinungsmacher ans Tageslicht, die nicht unbescheiden an der Macht im Staat interessiert waren. Der biologischen konnte eine soziale Katastrophe folgen. Das Seuchenpro blem würde erst gelöst werden können, wenn die politi sche Krise einer Lösung zugeführt werden konnte. Schweigend verließen sie die DesignWerkstatt. Cissel führte sie zu seinem Wagen. Er gab dem Fahrer den Be fehl, sie zurück zu Mrrs Haus zu fahren. Er dachte an Mrrs Frau, die seinen Kummer mit liebevoller Heiterkeit über tönen würde. Dann dachte er an Mrr. Mrr würde genau wissen, was gespielt wurde. Aber Mrr würde schweigen müssen. Während der Fahrt sahen die Kontakter schweigend aus dem Wagenfenster. Dann blickten sie sich in geheimen Einverständnis an. Die Würfel waren gefallen. Es gab nur einen Ausweg, und der war nur mit Gewalt aufzutun, denn Cissel hegte mit großer Wahrscheinlichkeit andere Ab sichten. Sie zogen die Nadelstrahler.
»Bevor uns unsere Waffen abgenommen werden«, sagte Mick, »werden wir die Chance nutzen. Befiehl dem Fah rer, die Richtung zum >Antizipatorium< einzuschlagen, Cissel!« Cissel erstarrte überrumpelt. »Auch wir denken pragmatisch«, spottete Kai. »Finger weg von deiner Fleischtasche!« »Laß deine Muskelpakete lieber ruhen, unsere Strahler sind schneller«, fügte Mick drohend hinzu. Der Fahrer raste los, und zwei Straßenzüge weiter wuchs in der Ferne das »Antizipatorium« in die Höhe. Cissel verhielt sich still. Mit den Terranern hatte er nichts mehr zu schaffen. Und als der Wagen hielt, stieg er bereitwillig aus. »Du wirst die Zeittechniker davon überzeugen, daß wir sofort in das Jahr Null zurück müssen, verstanden?« Cissel wußte, daß das überflüssig sein würde und sagte es ihnen. »Ihr seid in der ProgressivZone. Man wird euren Wunsch hier respektieren.« Die Kontakter glaubten ihm. Gubs Berichten zufolge arbeiteten hier Wissenschaftler und Forscher aus allen Zonen Partos'. Vor allem aber die Progressivisten würden in der ihnen eigenen weltoffenen Art den Wunsch erfüllen. Sie entließen Cissel, der, als er in den Wagen stieg, mit seinen Gedanken schon bei Mrrs Frau weilte. Sie betraten das Gebäude und versuchten, das Zeit Manipulatorium ausfindig zu machen. Früher oder später, das wußten sie, mußten sie auf terranisch sprechende Parteken treffen. Schon im Erdgeschoß begegneten sie einem stieläugigen Parteken, der überrascht aufhorchte, als er ihre Unterhal
tung mitbekam. Er stellte sich als Mukrra vor und lauschte amüsiert ihrem Bericht. »Wir hätten Sie gern noch hierbehalten«, sagte er, als er sie im Lift nach oben brachte. »Andererseits können Sie uns auch nicht weiterhelfen. Aber wir können Ihnen wei terhelfen, indem wir versuchen, Sie in die Zeit der Lan dung auf unserem Planeten zurückzuschicken. Wir erfül len Ihnen den Wunsch also gern.« »Sie wußten von unserem Hiersein?« »Selbstverständ lich. Wir haben alles mitverfolgt. Es konnte gar nicht geheim bleiben. Auch wir haben unsere VMänner. Aus einer gefährlichen Situation hätten wir Sie sofort heraus geholt.« »Es war zweimal kurz davor«, bemerkte Kai. »Das erfuhren wir vor wenigen Stunden. Ihre Flucht vor den Selektionisten war das beste, was Sie machen konn ten. Von der zweiten bevorstehenden Nötigung erfuhren wir durch einen Unbekannten. Er nannte sich Mrr.« »Weshalb tat er es?« »Keine Ahnung. Wahrscheinlich ist er einer von denen, die bald aus ihrer Zone auswandern werden.« Sie verließen den Lift und betraten das Zeit Manipulatorium. Mukrra warnte sie. »Die Zeittechnik ist noch im Anfangsstadium. Wir wis sen also nicht, wo genau und wann sie ankommen werden. Sicher in der Zukunft, und das dürfte genügen, denn dort wird man die Zeittechnik beherrschen.« Die Prozedur war so kurz, daß sie fast enttäuscht waren. Den Raum durchzog ein gewaltiges Tor, unter dessen Bogen sie sich stellen mußten. An den Wänden standen die Apparaturen und die Zeittechniker, die an ihrer Anwe
senheit keinerlei Interesse zeigten. Der Torbogen begann zu glühen, und im gleichen Moment begann das unange nehme Ziehen und Zerren in ihren Körpern. Die Umgebung verschwamm. Das Gefühl zwang sie zu Boden. *
Nin und Rol traten vom Fenster zurück, denn ihre seitli chen Augen hatten einen Besucher erfaßt, und die nach hinten gerichteten Ohren hatten ihn eintreten hören. Nin und Rol gehörten zwar der Sonderabteilung »Retter« an, erfüllten aber außerdem Aufgaben, wie sie alle Regie rungsvertreter zu erfüllen hatten. Denn Terraner waren zur Zeit nicht auf Partos anwesend. Sie sahen merkwürdig aus. Aus ihren spitzen Köpfen leuchteten drei gelbe Augen hervor. Ihre dicken Doppelnasen sahen aus wie Ofenrohre, und die zweiteiligen Ohren ragten wie Schornsteine in die Höhe. An dem zylindrischen, dünnen Rumpf hingen zwei Schlangenarme herab. Die Antiästheten standen auf zwei Beinen, die wie spitze Tüten wirkten, und die auseinander klappbar waren. Aus den zwei Beinen konnten so sechs Beine werden, die, weil jeweils drei zusammengewachsen waren, wie Stative aussahen. So sah sie der Händler Raf, der sie aufgesucht hatte. Sein Revier war die AntiZone, aber wie alle Händler fühlte er sich hier nicht zu Hause. Wie alle anderen hatte er eine andere Zone als Idealzone im Auge, und deren augen blickliche Körpermode machte er aus diesem Grunde auch mit. Nin lächelte Raf zu.
»Ich nehme an, es mit Raf zu tun zu haben?« »Selbstverständlich«, antwortete Raf. »Wie ich sehe, habt ihr euch wieder etwas Originelleres ausgedacht?« »Man tut, was man kann«, lachte Rol. »Diese Kreation hat uns sehr gefallen, also haben wir sofort zugegriffen.« »Sonderanfertigungen?« »Ja. Sie waren auch sehr teuer. Zu teuer, Raf!« »SegmentSonderanfertigungen sind und bleiben teuer. Das ist unvermeidbar. Uns gefällt das auch nicht.« »Ha, ha«, lachte Nin. »Doch nur, weil es angeblich zu wenig abwirft! Dein Körper ist jetzt Mode in der Neo Zone?« Raf bestätigte es. Auf seinem kugelrunden Körper saß ein kugelrunder Kopf mit einem grünen Riesenauge in der Mitte und grauen Haaren am Hals, die wie ein Pelzkragen wirkten. Raf kam zum Thema. »Eure Sammelbestellungen neuer Sonderanfertigungen sind leider nur unter verteuerten Bedingungen ausführbar. Wir können die Preise nicht mehr halten. Die Händler Kaste bittet euch noch einmal, euch der Konvention der Neoisten anzunähern. Es ist doch um so vieles einfacher, eine selbstgewählte Zeit lang eine Modeform einzuführen, als jederzeit für jeden Parteken eurer Zone Sonderwünsche zu erfüllen. Glaubt ihr denn .« »Halt!« stoppte Rol den Händler. »Wir verleugnen unse re Anschauung nicht. Da könnt ihr euch auf den Kopf stellen.« »Wir sind nicht wie ihr. Wäre ja nicht das erste Mal, daß ihr Körper bestellt, bei denen der Kopf unten statt oben ist«, konterte Raf. »Von uns könnt ihr solche Kunststück chen nicht verlangen.«
»Wie hoch ist die Preissteigerung?« »Es handelt sich um einen zehnprozentigen Aufschlag.« »Was soll das heißen? Euer Profit ist unverhältnismäßig hoch. Was macht es aus, wenn er sinkt?« »Ihr seid unhöflich. Also: entweder ihr akzeptiert die neuen Preise, oder die Qualität der Segmente muß schlechter werden!« »Aha, also pure Erpressung. Wie immer!« stellte Rol erbost fest. »Und das, obwohl die Seuche uns zwingt, doppelt so oft neue Segmente zu erstehen als früher. Nein, wir lehnen ab!« »Lassen wir das Gequatsche!« sagte Raf ärgerlich. Er ließ die Maske der Freundlichkeit fallen. »Entweder oder. Vergeßt nicht, daß wir mächtiger sind. Eure Extra wünsche passen uns nicht. Und wenn die Gesamtregierung nicht bald was unternimmt, wird die konspirative Regie rung die Macht übernehmen. Dann geht's anders lang. Es wird Zeit, Partos neu zu ordnen. Diese verweichlichte Gesamtregierung ist unfähig, Partos zu regieren!« »So weit kommt es, daß uns diejenigen regieren, die schuld an der Krise sind«, ereiferte sich Rol. »Was tut die konspirative Regierung eigentlich gegen die Seuche? Nichts, denn es geht ihr nur um die absolute Macht.« »Die Seuche war ein Mißgeschick, nichts weiter. Wir müssen besser aufpassen, das gebe ich zu. Aber wozu eine Angstpsychose? Fest steht, daß Partos von den Terranern gerettet wird.« »Das Volk denkt anders«, redete sich Nin in Wut. »Das Volk fordert die Verstaatlichung des Segmenthandels. Mit gutem Recht, natürlich. Wir halten zwar nichts davon, aber es sieht so aus, als gäbe es keinen anderen Weg. Eure Macht ist zu groß geworden. Und das paßt uns auch
nicht.«. Raf schluckte Nins Kritik wortlos. Er lächelte nur. »Ich bin überzeugt, es wird euch gar nichts anderes üb rigbleiben, ab die NeoistenKonvention anzunehmen. Wenn nicht gleich, dann eben später.« »Was heißt hier eigentlich NeoistenZone?« rief Rol, um abzulenken. »Es sollte KonformistenZone heißen. Eine Anschauung, die der unseren entgegengesetzt ist, werden wir nicht übernehmen, das .« Ein Anti stolperte in den Raum. Er schob Raf unsanft beiseite und flüsterte mit den Regierungsvertretern. Nin und Rol sahen sich resignierend an, seufzten und unter schrieben Rafs Verträge. Raf lachte hinterhältig. Auf Rols Zeichen hin wurde er von dem Neuhinzugetretenen un höflich hinausexpediert, was seine Befriedigung in Wut umschlagen ließ. Nin wandte sich dem Neuen zu. »Du sagst, es sind nicht die erwarteten Terraner, Knillt?« Knillt gehörte ebenfalls zur Sonderabteilung »Retter« der Antiästheten. Er erzählte, was die in einem Segment kaufhaus materialisierten Terraner Ronda und Aplos ihm berichtet hatten. Rol bat Knillt, die beiden einzulassen. Als die Terraner vor ihnen standen, hatten sie ihre Wut auf Raf und die Händler noch immer nicht überwunden. Und das war wohl der Grund dafür, weshalb sie nach einer kurzen Unterhaltung auf ihre Probleme zu sprechen ka men. Das war ein unverzeihlicher Fehler. Doch die Parte ken konnten es nicht ahnen. Die Kontakter stimmten ihrer Meinung über die Kaste der Händler zu. Nin sprach plötzlich von der Aussichtslo sigkeit ihrer Situation und bat die Terraner um Rat. Die Gesprächspartner verhielten sich zurückhaltend und gaben
an, keinen Rat zu wissen. Daraufhin verlegte dich Rol aufs Bitten, weil er von Vertretern der terranischen Menschheit erwartete, daß sie Probleme dieser Art im Handumdrehen lösen könnten. Das war unbedacht. Die Reaktion der Terraner war ein eiskaltes Schweigen. »Wo befindet sich von hier aus gesehen das >Antizipato rium« fragte plötzlich der eine. Verwirrt, wie Rol war, teilte er es ihnen mit. »Wir würden jetzt gern ein Quartier beziehen, da wir müde sind«, sagte dadraufhin der andere. Rol bat Knillt, dafür Sorge zu tragen. Knillt führte die Terraner aus dem Konferenzraum. Die sorgenvollen AntiästhetenVertreter widmeten sich wieder ihrem Hauptproblem und beriefen eine Sondersit zung der ZonenRegierung ein. Bevor die Verhandlung begann, erreichte sie eine alarmierende Meldung. Die Terraner hatten den Fahrer ihres Wagens gezwungen, sie anstatt zu Knillts Haus zum »Antizipatorium« zu bringen. Es war zu vermuten, daß die Terraner diese Zeit wieder zu verlassen gedachten. Dem stand eigentlich nichts im Wege, aber so uneigen nützig dachten selbst die Antis nicht. Von den Terranern mußte einfach eine Lösung ihres Problems zu erwarten sein - und daher zu verlangen. Auf jeden Fall sollten sie Rede und Antwort stehen. Nin und Rol befahlen, die Flüchtenden wieder einzufan gen. Sie verfolgten die Suchaktion über Visiphon. Kurz darauf machte der Aktionsleiter der Zonenwehr Meldung. »Es hat den Anschein, als würde der Wagen der Flüch tenden von einem Unbekannten verfolgt. Was sollen wir tun?«
Nin überlegte nicht lange. Er ahnte, wer das sein würde. »Einkreisung abblasen«, befahl er. »Versucht, schneller zu sein! Ihr müßt sie erwischen!« *
GRUPPE ZWEI. ZEIT: EINHUNDERTZWÖLF JAHRE VOR DER LANDUNG. Die Arbeit ging wider Erwarten zügig voran. Caspar Brixlas hatte sich nach wenigen Tagen in die ihm nicht gänzlich unbekannte Materie eingearbeitet. Die techni schen Assistenten arbeiteten gut und hart, denn es ging um das Überleben ihres ganzen Volkes. Der Leiter des Labo ratoriums Berr stand Caspar willig zur Seite und fungierte neben seiner Funktion als Dolmetscher auch weiterhin als Leiter. Caspar sah einen guten Wissenschaftler in ihm und bestätigte seine Forschungsmethoden und ergebnisse als erfolgversprechend. Die Analyse der künstlich produzierten Viren lag vor, und doch war es schwierig, ein geeignetes Gegenmittel zu finden, denn die Mutation der Viren nahm tagtäglich ihren Fortgang. Immer wieder mußten neue Analysen erstellt werden. Hin und wieder gelang es, ein hemmendes Serum herzustellen, doch es beschleunigte die Mutation nur. Ein Serum mußte gefunden werden, das die Viren nicht nur veränderte und damit gefährlicher machte, sondern sie eliminierte. Caspar hing die meiste Zeit über seinem Elektronenmi kroskop. So auch in dem Moment, als Berr das Laborato rium betrat und Caspar Besuch anmeldete. »Haag?« fragte Caspar. »Nein«, antwortete Berr. »Es ist ein Vertreter eines be
kannten ÄsthetenKlubs. Du scheinst jetzt im Mittelpunkt allen Interesses zu stehen. Ein Lockvogel für Sekten jegli cher Art!« Im winzigen Vorraum stand er einem Parteken mit Hän geohren und blauen Augen gegenüber. Berr stellte sie einander vor. Kurz und bündig formulierte der Ästhet sein Anliegen. »Ich hoffe, Sie finden das Serum«, begann er. »Doch vergessen Sie dabei nicht, den Prinzipien der Ästhetik zu entsprechen. Das Serum sollte nur so wirken, daß jeder Parteke von schmutzigen und unreinen Gedanken gerei nigt wird und beginnt, die Vorteile des ästhetischen Den kens zu sehen. Es muß doch möglich sein, das Serum mit einem entsprechenden Zusatzpräparat zu versehen.« Caspar starrte Berr ungläubig an, der die Worte übersetzt hatte. »Was?« keuchte er entsetzt. »Was ist das für ein Irr sinn?« »Er meint es vollkommen ernst«, erläuterte Berr. »Schicken Sie den Mann fort!« befahl Caspar gereizt. Berr entsprach seinem Wunsch und kehrte mit einem anderen Besucher zurück, dessen Körper nur aus Ecken zu bestehen schien. »Er nennt sich AntiästhetenIdeologe«, stellte Berr vor. »Was will er?« Der Antiästhet forderte von Caspar, zu verlangen, daß nur die antitraditionalistisch denkenden und lebenden Parteken mit Serum versorgt werden sollten. Caspar blieb die Spucke weg. Damit war die Störung noch nicht vorüber. Es warteten noch drei Besucher, die erwarteten, vorgelassen zu wer den. Caspar packte die Neugier.
Ein SelektionistenVorsitzender bat um ein Serum, das auf genetisch »wertvolle« Parteken »normal« wirkt, und um ein Serum, das auf genetisch »wertlose« Parteken »sterilisierend« wirkt. Dann trat der angekündigte ProgressivistenVertreter ein. Caspar lief rot an, schluckte mühsam und schrie mit überschnappender Stimme: »Jata!« In den Vorraum trat Harlan Reginald Isaac Klims Frau Jata Neral. Etwas war an ihr ungewöhnlich. Und das brachte Caspar völlig aus der Fassung. Es war unbegreif lich, ungewöhnlich und - eigentlich unmöglich. Sie war nackt! »Es tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe, Caspar«, sagte Jata. »Das war nicht meine Absicht. Ich glaube, du verstehst nicht ganz. Ich bin nicht die Jata, die du kennst! Ich bin eine der technischen Assistentinnen aus dem La bor. Du kennst mich, genau genommen - andererseits wirst du mich nicht kennen, da wir für dich ja fast alle gleich aussehen. Ich verstehe das.« Caspar blieb stumm. Er begriff nicht. Und er hatte das Gefühl, als wollte er gar nicht begreifen. Jata war nicht Jata? Berr vermittelte. »Sie ist Parteke wie ich, Caspar. Sie arbeitet als techni sche Assistentin in unserem Labor. Sie mag dich sehr leiden und dachte, dir eine Freude zu bereiten, indem sie sich eine Sonderanfertigung machen ließ, die den Maßen der Jata entspricht, die uns vor achtzig Jahren unfreiwillig besuchte. Damals nahmen wir ihre Maße mit ihrer Ge nehmigung. Ich muß sagen, die Sonderanfertigung ist perfekt!« Der Doc fühlte den Schweiß auf die Stirn treten. Er be
griff endlich und hatte sich wieder in der Gewalt. »Das ist ein Ding!« keuchte er. »Darauf wäre ich nie gekommen. Ich nehme es euch nicht übel, bestimmt nicht. Ich verstehe nur nicht, weshalb sie mich mag. Ausgerech net mich?« Die falsche Jata schwieg lächelnd. »Sie kam als Abgeordnete der Progressivisten Regierung«, erinnerte Berr. Caspar schluckte. »Was denn - sie auch?« Ihm kam langsam die Galle hoch. Das ging einfach zu weit. Abgesehen von der Belästigung, war es eine Infamie, ihn mit Jatas Körper beeindrucken und vielleicht sogar überrumpeln zu wollen. Denn sicher handelte es sich wieder um einen »Spezial wunsch« einer Clique. Ihm fiel auf, daß die falsche Jata Terranisch gesprochen hatte. Was verbarg sich dahinter? »Meine Aufgabe hat sich erledigt«, sagte sie. »Ich habe gesehen, daß die anderen Besucher abgeblitzt sind. Und das war es, worum ich dich bitten wollte. Du solltest von mir gewarnt werden, damit du nicht auf diese Verblende ten hereinfällst.« »Verstehe«, lachte Caspar erleichtert. »Und ich dachte, du gehörst auch zu diesen Banden.« Erleichtert wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Er reichte der falschen Jata die Hand. Sie stellte sich mit dem Namen Lim zum zweitenmal vor. »Wir müssen eine Sondersitzung einberufen«, sagte er. »Es ist jetzt völlig klar, daß das Projekt >Serum< erweitert werden muß. Denn wir können nicht davon überzeugt sein, daß euer Volk nur durch die Entdeckung eines Se rums errettet wird. Ein Serum muß gefunden werden, das
mit den Viren mutiert. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Aber .« » . das mutierende Serum wird immer etwas den mu tierenden Viren hinterherhinken«, vollendete Lim. »Was keine Rettung bedeutet.« »Also müssen wir mehrere Projekte ins Auge fassen«, fuhr Caspar fort. »Die Errichtung von Zeittoren gehört dazu. Ich bin überzeugt, daß ein Sprung in ein zukünftiges Jahrhundert notwendig sein wird. Die Zeittechnik ist voranzutreiben.« »Noch ein Projekt?« fragte Berr. »Ja, wir müssen noch ein drittes in Angriff nehmen. Es gefällt mir nicht, und es wird niemandem gefallen außer vielleicht einigen Fanatikern, die darin ein mystisches Heil sehen, was es nicht ist. Ich rede von der Selektion. Helfen die anderen Methoden nicht weiter, dann ist es legitim, die resistenten Parteken auszusondern, um eine resistente Generation zu züchten, die überleben kann. Wir müssen uns allerdings davor hüten, die Ideologie der Selektioni stenKlubs ins Spiel zu bringen, die auf Partos ihr Unwe sen treiben.« Caspar schwirrte der Kopf. Er würde ja sehen - und bis dahin tun, was in seiner Macht stand. Es war ihm eine Verpflichtung, dem Volk der Parteken zu helfen. *
Fast zwei Wochen waren sie jetzt hier. Seit zwei Tagen vertrieb sich Haag die Zeit mit der Nie derschrift ihres Abenteuers. Und auch am dreizehnten Tag machte er seine Eintragungen. Er begann sie mit der Zeit angabe 112 Jahre vor der Landung.
Er blickte aus dem Fenster und beobachtete gelangweilt die Ablösung der ZonenwehrBeamten, die sein Haus bewachten. Einer der neuen Beamten näherte sich dem Haus. Das war nicht ungewöhnlich. Gelegentlich schaute einer von ihnen herein und erkundigte sich nach seinen Wünschen. Haag schlenderte zur Tür, um den Posten abzufangen. Er öffnete die Tür und sah ihm entgegen. Da die Beamten kein Terranisch verstanden, mußten sie sich durch Zei chensprache verständigen. Haag winkte beschwichtigend und lächelte. Aber der zweibeinige und zweiarmige Posten machte nicht kehrt. Als er vor Haag haltmachte, zog er aus seiner Fleischta sche an der Brust eine Schußwaffe. Mit gebieterischen Bewegungen forderte er Haag auf, ihm zu folgen. Das war ungewöhnlich. Haag ahnte Schlimmes. Er war wehrlos, denn seinen Nadelstrahler hatte er abgelegt. Irgendwie mußte sich das aufklären. Dagegen unterneh men konnte er sowieso nichts, also folgte er dem Beamten. Die anderen Parteken gruppierten sich um ihn und gelei teten ihn zu einem am Straßenrand wartenden Wagen. Sie stiegen ein, und der Wagen brauste los. Gesprochen wurde nicht. Die Fahrt dauerte lange, so daß anzunehmen war, daß sie die Zone wechselten. An den Körperformen der Parteken auf den Straßen konnte Haag nicht erkennen, um welche Zone es sich handelte. Sie hielten vor einem zweistöckigen Gebäude. Es war nicht das einzige dieser Art, was darauf schließen ließ, daß es sich um ein Viertel für begüterte Bürger handelte. Er wurde aufgefordert, den Wagen zu verlassen. Sie führten ihn in das Haus und nötigten ihn, sich in einen Sessel zu setzen. Die Waffen blieben weiterhin auf ihn gerichtet.
Ein Parteke mit drei Armen und Beinen und drei Stiel augen betrat den Raum, der luxuriös ausgestattet war. Er schob eine kastenförmige Apparatur vor sich her, an der eine metallene Stange hochragte, die sich zu einer Glocke erweiterte. Er kam hinter Haag zu stehen. Als Haag sich umdrehen wollte, ergriffen ihn zwei Beamte, und die Glocke wurde über seinen Kopf gestülpt. Haag wehrte sich verzweifelt, doch umsonst. Etwas piekte an seinem linken Oberarm, dann durchflutete ihn wohltuende Wärme und Gleichgül tigkeit. Eine Stimme drang von weit her an seine Ohren. »Überall in der Galaxis ist die Dekadenz die Wurzel des Übels. Die Wurzel packen und sie ausreißen - gibt es eine größere und schönere Aufgabe? Auch das Volk der Parte ken hat die Dekadenz heimgesucht. Darum heißt es, die Wurzel der Dekadenz zu packen und auszureißen, um die Rasse der Parteken zu retten. Und die Wurzel der Deka denz ist .« »Die Seuche«, antwortete Haag flüsternd. Zuversichtlich versuchten seine Gedanken, eine Lösung des Problems zu finden. Was mußte man tun, um eine Seuche . » . die verdrehten, dummen, schlechten, gemeinen, unmoralischen, sittenlosen, niederträchtigen und prinzi pienlosen Parteken - das sind die Dekadenten, das sind die Kranken unserer Rasse. Und sie sind nicht zufällig krank, sondern eine lange Zeit und Reihe von Geschlechtern hat ihr Erbgut geschädigt, weil man nicht früh genug daran ging, sie zu säubern. Genetische Wertlosigkeit hat die faulen Stellen zu Krankheitsherden auswachsen lassen. Wir haben versäumt, die Macht der Krankheit zu erken nen, das Vordringen der Kranken bis in unserer Regierung
zu verhindern. Unterparteken führen Partos in den Ab grund. Die Dekadenz regiert, sie ist im Vormarsch. Wir müssen ihr Einhalt gebieten.« »Ja, die Dekadenz ist die Seuche«, wiederholte Haag überzeugt. »Wir müssen sie aufhalten.« »Die Wurzel des Übels packen und sie ausreißen - es gibt keine schönere Aufgabe. Die Dekadenten verderben unsere Rasse. Wir müssen sie .« » . keine schönere Aufgabe. Wir müssen sie ausrot ten.« Es war so klar und eindeutig. Die dekadenten Volksteile mußten verschwinden, sonst verdarb das Volk ganz und ging unter. Haag fühlte die Reinheit des Gedankens. Es gab keinen anderen Weg. Jetzt wußte er, was er tun konn te. Aber wie war das zu bewerkstelligen? Und welche Parteken waren die dekadenten? Jemand flüsterte ihm die Antwort zu. Sie war klar und konkret. Keine Unsicherheit und Zweifel mehr. Die Deka denten, das waren . » . die Progressivsten, die Antiästheten und fast zwan zig Prozent der Bewohner aller anderen Zonen. Zu ihnen gehören die feigen, verrohten, nichtsnutzigen Freidenker. Wir kennen die Dekadenten! Sie müssen ausgerottet wer den, sonst verdirbt der Rest unserer Rasse, der gesunde Teil, der gläubige Teil - denn die Krankheit vererbt sich. Und sie ist ansteckend. Das Volk muß aufgeklärt werden, es muß unterrichtet werden .« »Ich muß das Volk unterrichten, ich muß es überzeu gen.« Es war ganz klar. Er, Haag, mußte die Warnung verbrei ten, dann würden bald alle erkennen, welcher der richtige Weg war. Das war es, was er tun konnte. So und nicht
anders. Und danach - danach würde man daran gehen, die Dekadenten auszurotten. Plötzlich sah er wieder. Hinter ihm summte etwas, dann verstummte das Geräusch. Und alles war in Ordnung. Ein großer Parteke trat vor ihn. »Wie weit ist die Entwicklung des Serums gediehen?« fragte er Haag. »Der Doc kann es jeden Tag fertigstellen«, vermutete Haag. »Es besteht die Möglichkeit, daß es in den nächsten Tagen gefunden wird.« »Wird er es in zwei verschieden wirkende Seren auftei len?« »Es soll nur ein Serum geben.« »Es muß zwei geben, Haag«, entschied der andere freundlich. »Ein normal wirkendes für die gesunden Par teken und ein sterilisierendes für die genetisch Kranken.« »Ja«, wiederholte Haag. »Es muß natürlich zwei Seren geben. Aber Caspar will nur eins herstellen.« »Wir müssen ihn davon überzeugen, laß er einen Fehler begeht. Du mußt ihn davon überzeugen, Haag Zborr. Willst du das tun?« »Ich werde mit ihm sprechen. Aber er wird sich nichts von mir sagen lassen.« »Er wird, Haag, wenn er hierher kommt. Aber er wird nur kommen, wenn du ihn darum bittest. Willst du das tun?« »Ich will.« »Es muß ein triftiger Grund sein, sonst verläßt er das Labor nicht. Es wäre gut, Haag, wenn du ihm eine Nach richt überbringen läßt, in der du glaubhaft erklärst, daß er zu uns kommen müsse, sonst wäre eure Rückkehr gefähr det. Er wird dich nicht im Stich lassen. Und er muß allein
kommen. Schlage ihm am besten als Treffpunkt den Auto bahnring vor.« Der Parteke hielt ihm einen Schreibstift und ein Blatt Papier hin. Haag griff zu. Die Sache forderte ihre Opfer. Auch wenn Docs Opfer nur klein sein würde. Haag war sich völlig im klaren darüber, daß Caspar Brixlas mit einer Droge hypnotisch beeinflußt werden sollte, obwohl ihm nicht klar war, daß mit ihm dasselbe bereits geschehen war. »Er kennt deine Handschrift?« »Ja.« Er schrieb: Rückkehr gefährdet, wenn nicht etwas Spezi elles unternommen wird. Deine Anwesenheit ist dazu erforderlich. Rückkehr ist auch gefährdet, wenn Du nicht allein kommst. Alles hängt von Dir ab, vertraue mir. Begib Dich sofort an den Autobahnring. »An welcher Stelle des Rings soll er warten?« fragte Haag. Er setzte die genauen Angaben unter den Text und unterschrieb. »Das genügt«, sagte der große Parteke und nahm das Papier an sich. »Du wirst jetzt über Television zu unserem Volk sprechen. Hältst du dich für ausgeruht und gut vorbe reitet für diese schwere und verantwortungsvolle Aufga be?« »Ich bin bereit. Es ist nicht schwer. Es ist meine Pflicht.« Der Parteke wandte sich befriedigt an die Wachen, die ihre Waffen längst eingesteckt hatten. »Begebt euch sofort an die genannte Stelle am Ring. Und du«, er zeigte auf einen von ihnen, »überbringst den Brief. Melde über Funk alle Unregelmäßigkeiten. Jeder von euch nimmt einen Wagen, vielleicht müssen wir Ver folger täuschen. Ihr tragt die Verantwortung. Kommt
etwas dazwischen, gebt das Codesignal. Dann greift unse re Garde vorzeitig ein. Wir brauchen den Kosmobiolo gen!« Die Männer leisteten seinen Befehlen Folge. Haag Zborr erfüllte Freude. Er wußte jetzt, was für die Rettung Partos' getan werden mußte. Es gab nur einen Weg, und den würde er gehen. Rassenseleketion . War es nicht schon ein Zeichen der Dekadenz, wenn jemand diesen Weg nicht kannte? War er noch als gesund anzuse hen? Gesund konnte nur derjenige sein, der gesund dachte, und das waren jene Parteken, die diesen Weg sahen und gingen. Sie waren automatisch als lebensfähig zu betrach ten, sie repräsentieren das gesunde Erbgut. Das gesunde Erbgut konnte jedoch nur überleben, wenn der Doc zwei Seren herstellte. *
Im »Antizipatorium« liefen alle Fäden der Gesamtregie rung zusammen. Im obersten Stockwerk tagten in zwei Schichten permanent die ausführenden Regierungsvertre ter. Im Stockwerk darunter hielten sie mit den einzelnen Vertretern der sechs Zonen eine Konferenz ab. An diesem Tag war die Konferenz längst beendet und das Stockwerk verlassen. Im Tagungsraum der ausführenden Vertreter waren sechs Parteken anwesend. Mit dieser Tatsache rechnete die Garde der Selektioni sten. Zweihundert von ihnen warteten an der Grenze zum Sektor A auf den Einsatzbefehl. Dasselbe Bild zeigte sich in allen Zonen in allernächster Nähe der Regierungsge bäude. Dort warteten jeweils fünfzig von der Garde. Der Einsatzbefehl kam früher als erwartet. Das bedeute
te, daß etwas dazwischengekommen war und man um so vorsichtiger, aber rücksichtsloser vorgehen mußte. Die sieben Einsatzgruppen der Selektionisten - was dasselbe war wie die Konspirative Partekische Regierung - schlu gen zur gleichen Zeit zu. Die sechs Regierungsgebäude und das »Antizipatorium« wurden gestürmt und besetzt. Der Televisionssender befand sich praktisch seit Jahren in der Hand der Usurpatoren; er war unterwandert worden. Über die Bildschirme der Zuschauer erfuhren die Parteken von der gewaltsamen Absetzung der alten Regierung. Zu einem Gegeneinsatz der Zonenwehren kam es nicht, da sich die Kommandanten als Selektionisten entpuppten und größere Teile der Beamten sich solidarisch erklärten. Der Putsch war kurz und erfolgreich gewesen. Wenige Stunden später sahen sich die Gegner des neuen Regimes unter den ZonenwehrBeamten entwaffnet und entlassen. Dafür wurden Sympathisanten aus der Bevölke rung eingestellt und bewaffnet. Es herrschte Ausgehverbot. Die Teilnehmerzahl der TelevisionsZuschauer erhöhte sich dadurch zwangsläufig, und es gab wohl kaum einen Parteken, der die Rede des Terraners nicht hörte. Er hieß Haag Zborr und verfocht mit aller Schärfe und Hingebung die Politik der Selektionisten. Erntete er in den ersten Minuten noch Gelächter, konnte er sich am Ende seiner einstündigen Rede sicher sein, daß fünfundneunzig Pro zent der Bevölkerung aller Zonen seiner Meinung waren. Die Gefahr, wegen einer abweichenden Meinung zum Dekadenten gestempelt und liquidiert zu werden, nahm jeder ernst. *
GRUPPE DREI. ZEIT: EINHUNDERTFÜNFUND DREISSIG JAHRE VOR DER LANDUNG. Der Wagen flitzte den Weg zurück, den der Fahrer vom Kaufhaus, in dem sie aufgetaucht waren, zur Verwaltungs villa genommen hatte. Von dort aus hatten sie das »Antizi patorium« sehen können. Und dorthin wollten sie. Es galt, diese Zeit so schnell wie möglich zu verlassen, genauso wie die zuvor unfreiwillig aufgesuchten. Der Wagen bog in den Autobahnring ein, der einen mächtigen Berg umzog. Dann wechselte er auf eine Hauptstraße, an deren Ende sich das Kaufhaus befand. Sie überquerten eine Kreuzung. Bevor sie den Auto bahnring ganz hinter sich gelassen hatten, kreuzte ein anderer Wagen ihren Weg. Der Fahrer mußte scharf brem sen. Der fremde Wagen stellte sich quer zur Fahrbahn, ein Weiterfahren war unmöglich. Der Fahrer hielt und blickte Mick und Kai ängstlich an. »Was ist los?« fragte Mick wütend. Der Fahrer verstand ihn nicht. Er blickte unverwandt in ihre Gesichter, wartete auf ein Zeichen. Die Kontakter beobachteten, wie jemand aus dem frem den Wagen sprang, dessen Segmente denen der beiden AntiästhetenVertreter ähnelte, die sie leben fluchtartig verlassen hatten. Auch er stand auf zwei Beinen, die wie umgedrehte Tüten aussahen. Zwei Arme ringelten sich wie Schlangen zur Erde. Auf seinem Zylinderrumpf stak ein Tütenkopf, ausgestattet mit Schornsteinohren und einer Ofenrohrnase. Drei kleine, blaue Augen fixierten sie. Er rannte auf sie zu. »Ich bin ProgressivistenVertreter«, rief er ihnen zu. »Ich habe den Auftrag, Ihnen in Gefahrenmomenten zur Seite
zu stehen. Sie wissen hoffentlich, daß Sie verfolgt werden.
Man hat die Absicht, Sie nicht aus der AntiästhetenZone
herauszulassen. Wenn Sie aber unbedingt heraus wollen, dann steigen Sie schleunigst in meinen Wagen um!« Sie überlegten nicht lange, denn sie wollten unbedingt heraus. Daß VMänner zu ihrem Schutz, in welcher Zone auch immer, abgestellt worden waren, das wußten sie ja. Aber daß dieser »Dienst am Zeitreisenden« auch jederzeit funktionieren würde, schien fast unvorstellbar. Sie sprangen aus ihrem Wagen und stiegen in den ande ren ein. »Ich heiße Fak«, sagte ihr Schutzengel. »Ich gehöre na türlich der .« » . Sonderabteilung >Retter< an«, vollendete Kai grin send. »Natürlich, was denn sonst. Diese Abteilung dient anscheinend nicht nur dem großen Caspar Brixlas, sondern rettet selber Menschen. Vielseitige Abteilung!« »Solange der Kosmobiologe nicht auftaucht, sind die Aufgaben dieser Abteilung vielfältig«, antwortete Fak. »Das ist wirklich ganz natürlich.« Der Wagen bremste vor dem »Antizipatorium«. Hier bestand keine Gefahr mehr für die Kontakter. Fak führte sie in eine kleine Kantine im Erdgeschoß des Gebäudekomplexes. Sie nahmen an einem Fenster Platz. Draußen zogen sich Wolken vor der Morgensonne zu sammen. Eine Schlechtwetterfront zog über den Konti nent. Augenblicke später begann es zu regnen. Sie aßen mit großem Appetit. Es war lange her, daß sie eine anständige Mahlzeit bekommen hatten. Kai mußte grinsen, als er daran dachte, daß es an die fünf Jahre her sein mußte . »Was wollten die Antiästheten eigentlich von uns?«
fragte Mick. »Die Seuche, die latente politische Krise, die dunkle Zu kunftsperspektive, das alles hat zu Spannungen und Que relen zwischen und in den Zonen geführt. Verschiedene Gruppen glauben, den Stein des Weisen gefunden zu haben und versuchen, die Probleme durch eine Macht übernahme zu lösen. Das geht seit vielen Jahren so, und das kann noch Jahrzehnte weiter gehen. Je nachdem, wann die Krise ihren Höhepunkt erreicht, wann das Seuchen problem gelöst wird und so weiter. Helfen kann jedoch nur noch ein Serum auf der einen Seite und politische Refor men auf der anderen.« »Warum reformiert man nicht?« »Es würde Mächtigen viel Macht und Reichen viel Geld kosten«, erwiderte Fak betrübt. »Muß ich noch mehr sagen? Der SegmentHandel muß verstaatlicht werden, das ist inzwischen allen klarge worden. Denn wer den SegmentHandel kontrolliert, beherrscht Partos. Die Händler entscheiden über Löhne und Preise, und damit über Leben und Tod. Sie sitzen in der Gesamtregierung, daher will die Gesamtregierung ihre Macht nicht durch Reformen beschneiden. Dazu kommt der Umstand, daß den Händlern und der Regierung die gegenwärtige Politik sogar noch zu liberal ist. Sie hätten viel lieber eine absolutistische, dirigistische Regierung. Darum gibt es auch eine konspirative Regierung.« »Was tut sie?« »Sie wiegelt auf und wartet darauf, die Macht zu über nehmen. Sie ist mächtig, und die Gesamtregierung ist ihr mitunter hörig. Gegen diese Zustände kann nur die Bevöl kerung etwas tun, indem sie geschlossen für eine Ände rung sorgt. Die Seuche wird dazu beitragen, daß die Parte ken das begreifen. Da bin ich sicher. Es wird lange dauern,
aber die Einsicht kommt.« Sie wechselten das Thema. Fak verstand es, ihnen deutlich zu machen, wie lücken los sich die Epoche des Körperwechsels in die Evolution der partekischen Menschheit einordnete. Es schien beina he, als sei dies der Weg jeder intelligenten Rasse des Universums. Fak sah die Entwicklung der Menschheit als eine Ge schichte von Freisetzungen. Der erste Schritt war die Ausbildung der Klauen zu Händen, also zu natürlichen Werkzeugen. Der zweite Schritt war die Ausbildung der Sprache und der Intelligenz. Und der bisher letzte Schritt war die Ausbildung des Gehirns zum FreiGehirn, wie Fak es nannte. Das hieß, es konnte sich den Körper seiner Wahl anlegen und - das würde die technische Konsequenz sein - seine Lebenszeit selbst bestimmen. Der Mensch hatte die Hände zum Gebrauch freigesetzt, die Intelligenz und nun sogar sein Gehirn, das immer an einen Körper gekettet war und starb, wenn der Körper starb. Das Gehirn hielt das am Leben, was man den menschlichen Geist nannte. Durch die Freisetzung des Gehirns hatte man den Geist freigesetzt. Nicht so, daß er materielos umherschwebte - das gab es nicht -, aber so, daß er mehr Gewalt über die Materie seiner Umwelt er hielt, örtlich wie zeitlich. Fak war sicher, daß die Wissenschaftler die Wechsel methode so perfektionieren würden, daß das Gehirn kei nen Schaden mehr daran nahm - dann war das Gehirn wahrhaftig unsterblich. Mick und Kai hielt nichts mehr in dieser Zeit. Sie wünschten, endlich zurück in das Jahr der Landung zu kommen. Aber noch immer war es fraglich, ob die Rück
kehr gelang. Fak führte sie in das Zeitmanupulatorium. *
ZEIT: EINHUNDERTELF JAHRE VOR DER LANDUNG. Als das Reißen in ihren Gliedern nachließ, stellten sie fest, daß die Technik der Zeitreise inzwischen weiter vervollkommnet worden war. Sie tauchten nicht an einem anderen, unbekannten Ort auf, sondern an der gleichen Stelle im »Antizipatorium« - nur in einer anderen Zeit. Das Zeitmanipulatorium war leer. Sie verließen das glü hende Zeittor und traten an die Fenster. Was sie sahen, verschlug ihnen den Atem. Auf der Straße wanderten Völkerscharen, auf Hunderten mächtiger Lastwagen stapelte sich, von Lebensmittelkisten angefangen bis zu Kleidungsstücken in durchsichtigen Folien, alles. Nur Möbel und Haushaltsgerätschaft ließ man anscheinend zurück. Auf den Bürgersteigen drängten sich Tausende von Par teken. »Wo sind wir jetzt bloß gelandet«, murrte Kai. »Lang sam habe ich diese ungezielten Zeitsprünge satt.« »Sieht ganz nach Auswanderung aus«, vermutete Mick. »Sehen wir uns um.« Sie folgten dem Strom der Parteken, überholten ihn. Nach einem Kilometer erreichten sie einen weiten Platz, in dessen Mitte sich ein Springbrunnen erhob. Auf der ande ren Seite geschah etwas Merkwürdiges. Die Parteken wagten sich nicht weiter. Es war offen sichtlich, daß ein Weitergehen tödliche Gefahr bedeutete,
denn auf dem freien Stück des Platzes, auf den sich nie mand wagte, lagen Leichen. Und zwanzig Meter weiter standen fünfzig Bewaffnete, die die schreienden und ver ängstigten Parteken in Schach hielten. Mick stieß Kai an. »Dort!« rief er. »Auf dem Brunnenrand!« Kai wandte sich um und sah auf dem Brunnenrand einen Parteken stehen, dessen Körperform an Fak erinnerte. Das besagte jedoch nichts, denn Körper wurden hier wie Hüte gewechselt. Der Parteke schrie auf die anderen ein, die sich um den Springbrunnen scharten. Langsam kehrte Ruhe ein, man hörte ihm zu. Bald darauf zogen sie sich zurück, immer wieder Blicke auf die Leichen werfend. Erst als der weite Platz geräumt war, sprang der Parteke vom Brunnenrand und folgte ihnen. Plötzlich verharrte er, denn er hatte zwei Personen bemerkt, die sich ihm näherten. Mick rief ihn an. Jetzt mußte sich herausstellen, ob er war, wem er ähnelte. Die Antwort bestätigte es, und die Kontakter atmeten auf. »Ihr?« rief Fak überrascht. »Wir wären lieber in einer anderen Zeit aufgetaucht«, meinte Mick lachend. Fak erholte sich schnell von der Überraschung. Man hatte damit rechnen müssen, daß die Terraner Ronda und Aplos nicht den richtigen Zeitpunkt erreichten. »Willkommen«, sagte Fak. »Einen günstigen Zeitpunkt habt ihr nicht gerade erwischt.« Er blickte nervös um sich. Mißtrauisch beäugte er die Menge, die sich in die Straße zurückgezogen hatte, die auf den Platz führte. »Aber nicht mehr zu ändern.« »Ich muß zum >Antizipatorium<. Folgt mir bitte«, befahl
Fak, nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß die Par teken sich ruhig verhielten. Sie drängten sich durch die Menge und gingen den Weg zurück, den sie gekommen waren. »Was ist geschehen?« wollte Mick wissen. Fak verstand ihn nicht, und Mick brüllte seine Frage noch einmal. Fak sah ihn mißmutig an. »Die Händler lassen nicht locker. Sie fordern Privilegi en.« Fak lief schneller. Er mußte nachdenken. Kurz darauf erreichten sie das »Antizipatorium«. Auch hier drängten sich Tausende erregter Parteken. Mit ihren Leibern verbarrikadierten sie den Zugang zum Gebäude. Ihre Köpfe hatten sich erhoben, sie brüllten und heulten. Mit vereinten Kräften durchbrachen sie die lebendige Mauer und erreichten den Haupteingang. Doch kaum standen sie vor der kleinen Tür in der Mitte des Portals, da brüllte die Menge auf. Langsam ebbte es ab, und ein Meer von Augen richtete sich auf sie. »Schnell, hinein«, flüsterte Fak den Kontaktern zu. Mick reagierte sofort, denn er hatte die Tür im Auge be halten und wußte, worauf es ankam. Er griff Kai am Arm, riß die Tür auf und sprang hindurch. Fak folgte und knallte die Tür hinter sich zu. Ein Parteke verriegelte sie von innen. Fak lief zum Lift. Sie fuhren in den zweiten Stock hin auf. Dort standen etliche aufgeregt diskutierende Parteken - wahrscheinlich Regierungsvertreter. Fak sprach einige Minuten mit ihnen, dann verließen sie den Flur und ließen sich in einem kleinen Büro nieder. »Was geschehen ist, wollt ihr wissen?« begann Fak. »Da gibt es viel zu berichten.«
»Am besten klärst du uns erst mal darüber auf, in wel cher Zeit wir uns befinden«, forderte ihn Kai auf. Fak rechnete nach. »Ihr habt vierundzwanzig Jahre über sprungen und seid damit noch einhundertundelf Jahre vom Zeitpunkt eurer Landung entfernt. Übrigens - erst vor einem Jahr kamen Haag Zborr und Caspar Brixlas zu uns. Ganz kurz: Ein Serum wurde gefunden, die Seuche kann besiegt werden. Vor dem Aussterben bewahrt uns aller dings nur ein Zeitsprung, da die wild mutierenden Viren uns dann nicht mehr gefährlich werden können.« »Eine gute Nachricht«, meinte Mick. »Welche Schwie rigkeiten haben sich nun aufgetan?« »Zwei, wovon die eine so gut wie überwunden ist. Als wir die Zeittore errichteten, stießen unsere Vortrupps auf Tiermonster. Auf sie findet momentan eine Jagd statt. Die Biester müssen natürlich ausgerottet werden Unsere Häu ser und die Stadt leiden zwar darunter, aber die Auswande rung wird davon nicht behindert. Die Tiermutationen entstanden dadurch, daß wir über hundert Jahre übersprin gen. Die Viren verlieren ihre Wirtskörper und müssen mit den Tieren vorlieb nehmen, die anders auf sie reagieren. Es kommt zu einer Synözie zwischen Tieren und Viren. Das ist eine Art Symbiose, bei der die eine Seite keinen Vorteil davon hat. Die Tiere mutieren.« »Und die zweite Schwierigkeit?« »Händler, Selektionisten und Mitglieder der konspirati ven Regierung sind ein Aktionsbündnis eingegangen. Sie haben überraschend in allen Zonen die Zeittore erobert. Sie lassen niemand heran, geschweige denn hindurch. Sie gehen über Leichen, wie ihr gesehen habt. Sie wollen verhindern, daß das Volk drüben eine neue Regierung aufbaut. Das ist nur zu verhindern, wenn sie als erste in
die Neue Zeit - wie wir sagen - hinüberwechseln und dort die alten Regierungsinstitutionen übernehmen. Wenn das Volk hinübergeht, erwartet sie dort bereits die bewaffnete Macht der alten Konservativen, aller Reaktionäre und der konspirativen Selektionisten.« »Ich verstehe«, fiel Kai ein. »War das nicht vorherzuse hen?« »Nein, denn wir hielten die Selektionisten und ihre Sympathisanten für machtlos. Wir glaubten, sie würden den Putsch von vor einem Jahr nicht wiederholen. Außer dem taten sie völlig uninteressiert.« »Was wollt ihr jetzt tun?« »Wir suchen nach einem Ausweg, noch haben wir kei nen.« »Was tut die Gesamtregierung?« »Sie steht draußen auf dem Flur und palavert, wie ihr gesehen habt. Ein Teil von ihr will die Konspirativen an die Macht lassen, und der andere Teil versucht, ihn mit Reden davon abzubringen.« »Welche Funktion erfüllst du zur Zeit, Fak?« »Ich bin zum Koordinator des Zeitsprungs gewählt wor den.« »Ich nehme an«, sagte Kai, »daß die Konspirativen durch diesen Schachzug der Verstaatlichung des Segment Handels zuvorkommen wollen. Ich könnte mir weiterhin vorstellen, daß sie die oppositionellen Teile des Volkes zurücklassen wollen.« »Ersteres stimmt, das zweite funktioniert nicht. Damit würden sie sich ihr eigenes Grab schaufeln. Denn wenn sie drüben ankämen, nähmen sie die Nachkommen der Oppo sitionellen in Empfang und .« »O ja, du hast recht.«
»Sie nehmen sie mit, aber sie werden sie drüben in Lager stecken. Das weiß das Volk, darum demonstriert es und verlangt Maßnahmen. Ich habe es vertröstet, aber für wie lange?« Sie schwiegen, und jeder hing seinen Gedanken nach. Jeder hoffte, einen Ausweg zu finden. Genauso wie die Konspirativen die Situation zu nutzen verstanden hatten, mußte es doch auch ihnen möglich sein, überlegte Mick. Hier wurde mit den Möglichkeiten der Zeitmanipulation getrickst. Die Tore waren in der Hand der Gegner. Was also konnte man noch tun? »Ich glaubte, einen Ausweg zu sehen, aber es war ein Irrtum«, gab Mick ärgerlich zu. »Dieses Gebäude und das Zeitmanipulatorium stehen unter Bewachung der Konspirativen?« fragte Kai Aplos. »Ja, und sie haben Schießbefehl. Von uns besitzt nie mand Waffen.« »Es gibt dennoch eine Möglichkeit«, behauptete Kai. »Heraus mit der Sprache!« »Veranlasse, daß jene fünf Konspirativen, die bis zum Schluß hierzubleiben gedenken, gegen fünf vertrauens würdige Parteken mit ihren Körperformen ausgetauscht werden.« »Das ginge. Aber um die Zeittore zu beeinflussen, müs sen wir an ein bestimmtes Segment, das sie tragen, heran kommen. Denn nur auf sie reagiert die Apparatur.« »Das wird keine Schwierigkeit sein. Wenn ihr ihnen die se Segmente abnehmt, treten solange die Doppelgänger in Aktion. Später wird noch Zeit sein, die bewußten Seg mente anzulegen. Danach veranlassen die fünf Doppel gänger die Inbetriebnahme der Zeitmaschine, um uns in das Jahr der Landung unserer CONTACT zurückzu
schicken. Das wird niemandem ungewöhnlich scheinen.« »Und dabei verändern wir die Zeitkonstante«, vollendete Fak. »Aber viel wird uns das nicht nutzen.« »Doch«, erwiderte Kai grinsend. »Die Konspirativen verlassen diese Zeit in der Annahme, als erste drüben anzukommen. Aber das Gegenteil wird der Fall sein. Die Zeitkonstante muß so verändert werden, daß die Zeittore etwas in die Vergangenheit verschoben werden - nachdem die Konspirativen diese Zeit verlassen haben. Dann wan dert das Volk aus und taucht in einer Zeit auf, in der die Konspirativen noch nicht dort sind.« »Ich begreife. Das Volk ist zuerst da und wird die Kon spirativen mit einer neuen Regierungsmacht empfangen«, sagte Fak begeistert. »Gut, dann müßt ihr solange warten, bis die Konspirativen drüben sind.« »Dann äußern wir den Wunsch, fortgeschickt zu werden. Damit ergibt sich die Möglichkeit, die Konstante für die Zeittore draußen zu verändern.« Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verließ Fak erregt das kleine Büro. »Eine gute Idee«, lobte Mick. Kai erhob sich und trat an das Fenster. Er blickte auf den Parkhof hinunter, der ihm unvergessen blieb. Er öffnete das Fenster und sah hinaus. Plötzlich sprang er zurück. »Sieh hinaus!« forderte er Mick auf. Mick tat es. Links vom Fenster geriet die Mitte des Parkhofs in sein Blickfeld. Und dort erhob sich das Denkmal, das ihr Abenteuer eingeleitet hatte. »Es steht«, lachte Mick. »Es steht schon dort!« Eilig verließen sie das Büro und fuhren mit dem Lift nach unten. Mit schnellen Schritten näherten sie sich dem Monument, das Doc Caspar Brixlas in Siegerpose dar
stellte. Erst vor einem Jahr hatte er hier gearbeitet. »Schon zu Lebzeiten ein Denkmal«, sagte Mick grin send. »Ob ihn das überheblich machen wird?« »Ich glaube eher, es wird ihm unangenehm sein.« Sie traten an den Sockel heran, suchten mit ihren Blik ken nach der Schrifttafel. Dort war sie. Aber etwas stimmte nicht! Auf der Schrifttafel, die sie kannten, hatte etwas in terranischen Buchstaben gestanden. Diese Zeilen fehlten. »Wie ist denn das möglich?« fragte Mick überrascht. »Sollten sie es vergessen haben?« »Ein Zeitparadoxon gibt es nicht, denke ich«, antwortete Kai. Sicher war er jedoch nicht mehr. »Wir müssen Fak danach fragen.« Sie kehrten in das kleine Büro zurück, wo Fak sie schon erwartete. »Die Vertrauensleute sind eingeweiht«, berichtete er. »Im geeigneten Moment werden die fünf ausgetauscht. Ich bin sicher, daß die Konspirativen noch heute das Startzei chen geben werden.« »Sehr schön«, brummte Mick ungeduldig. »Weshalb steht auf der Schrifttafel des Denkmals kein Spruch in terranischer Sprache?« »Sollte es das?« fragte Fak überrascht. »Das weiß ich auch nicht genau. Wir haben es jedenfalls so in Erinnerung.« »Seltsam«, meinte Fak überlegend. »Vielleicht bestätigt das die Theorie, daß es mehrere wahrscheinliche Zukünfte gibt. Das würde bedeuten, daß ihr nicht mehr in die Zu kunft zurückkehren werden, aus der ihr kamt.« »Sondern in eine, wo wir schon existieren?« fügte Kai wütend hinzu. »Begegnen wir uns dort gar noch selbst?
Ich weiß nicht, aber mir gefällt das gar nicht!« »Es ist ebenso möglich, daß der Steinmetz es vergaß. Es ist auch möglich, daß es ihm noch einfällt. Dann hieße das, es existiert nur eine Zukunft.« »Ein schöner Trost!« fluchte Mick. »Vielleicht, vielleicht .« »Es kann nichts schaden, wenn ich dafür Sorge trage, daß es nachgeholt wird«, entschied Fak. »Einverstanden?« Die Kontakter waren einverstanden. Mick Ronda ging noch einen Schritt weiter und brachte den Spruch, den er rekonstruierte, zu Papier. Fak steckte den Zettel ein. Er nahm die Angelegenheit sehr ernst. Niemand wußte bisher genau das Phänomen Zeit zu erklären. Und solange man nichts Genaues wußte, hielt er es für angebracht, sich genau nach dem zu richten, was er durch die Kontakter über die Zukunft erfahren hatte. Tat er alles, was in seiner Macht stand, um eben diese Zeit auch Wirklichkeit werden zu lassen, dann konnte er nichts Falsches tun. So hoffte er . Eine Stunde später kam der Auswanderungsbefehl für alle Konspirativen und ihre Anhänger. Fak verschwand für eine weitere Stunde und kehrte mit fünf Parteken zurück, die er als die Doppelgänger der Konspirativen vorstellte. Sie täuschten eine Besprechung vor, dann verließen sie die fünf wieder. Nach weiteren zweieinhalb Stunden erreichte Fak die Meldung, daß die Konspirativen diese Zeit verlassen hatten. Sie gingen aus Faks Büro und betraten in Begleitung der fünf Doppelgänger das Zeitmanipulatorium. Die Plomben wurden geöffnet, und das Zeittor im Raum begann zu glühen. Während Mick und Kai sich unter den Bogen
stellten, manipulierten die anderen im Hintergrund an der Apparatur der Zeitmaschine. Fak kam zu ihnen. »Ich kann euch versprechen«, sagte er lächelnd, »daß ihr diesmal zum richtigen Zeitpunkt auf tauchen werdet - sozusagen pünktlich. Wir beherrschen die Zeittechnik inzwischen perfekt. Ich wünsche euch viel Glück. Und habt noch einmal Dank.« Das Zeittor im Raum glühte, die Schmerzen setzten ein, aber sie waren weit weniger stark als die anderen Male. Die Techniker mußten es auch gelernt haben, Zeitreisende örtlich zu versetzen. Denn als das Glühen und der Schmerz verging, standen sie vor der CONTACT. *
GRUPPE ZWEI. ZEIT: EINHUNDERTZWÖLF JAHRE VOR DER LANDUNG. Caspar Brixlas und Lim saßen an einem mit Papier und Gerätschaft beladenen Tisch. Caspar ordnete Versuchsrei hen an. Er resümierte: »Kryptogenetisches Stadium über wunden, Hunderte von Versuchen gemacht - und nichts! Was nun? SegmentTherapie, wie wir sie auf Terra ken nen, kommt nicht in Frage. Segmentresektion findet lau fend statt, hilft auch nichts.« Lim formulierte das Problem. »Die Nekrose, das relativ schnelle Absterben von Seg mentgewebe, muß vom gleichen Augenblick an bekämpft werden, wenn die Segmente die Brutkästen verlassen. Die Virulenz .« Caspar blickte sie an. »Das ist es«, sagte er. »Vom Brutkasten an . Das ist eine Idee!«
»Was?« fragte Lim hoffnungsvoll. »Das ist eine Idee!« rief Caspar und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Der Nährsaft muß .« Er wurde von Berr unterbrochen, der einen Besucher mitbrachte. Begleitet wurden beide von einem bewaffne ten ZonenwehrBeamten. Die Waffe war auf Berr gerich tet. »Was ist los?« fragte Lim entsetzt. »Ein Putschversuch«, kommentierte Berr. »Die Konspi rativen machen ernst. Das >Antizipatorium< und alle Re gierungsgebäude der sechs Zonen sind besetzt worden.« »Und wir haben nichts davon gemerkt?« wunderte sich Caspar. Nervös strich seine Hand über seine Halbglatze. »Was jetzt?« Berrs unbewafmeter Begleiter sagte: »Wir hatten vor, Sie aus dem Gebäude zu locken. Man ließ mich jedoch nicht zu Ihnen vor.« »Eine Vorsichtsmaßnahme nach gewissen Vorfällen«, erwiderte Caspar. »Ich bekam Besuch von Leuten wie Ihnen, nehme ich an.« »Richtig. Da unser Vertreter bei Ihnen keinen Erfolg hatte, mußten wir anders vorgehen. Der Putsch war sowie so vorgesehen. Er fand nun etwas früher statt, das ist alles. Ich bitte Sie, mir zu folgen. Denken Sie daran, daß ich nicht allein hier bin.« Caspar Brixlas hatte keine andere Möglichkeit. Er ver ließ mit den Konspirativen den Raum. Berr und Lim blie ben zurück. »Aus!« kommentierte Lim enttäuscht. »Gerade jetzt. Caspar schien eine Idee gehabt zu haben.« »So?« machte Berr erstaunt. »Auch das noch. Es wäre besser gewesen, er hätte keine gehabt. Jetzt sind die Kon
spirativen in der Lage, sie aus ihm herauszuquetschen und auszuführen - in ihrem Sinne natürlich, also in zweifacher Ausfertigung.« »Du hast recht, Berr. Ein Unglück kommt selten allein.« »Wir könnten dem Spuk ein Ende bereiten, wenn ich jetzt auch eine Idee hätte«, knurrte Berr mutlos. »Du weißt doch, daß das >Antizipatorium< eine Notfallanlage für Fälle wie diesen hat« »Ja, sicher. Dafür wurde sie angelegt. Im Falle eines Putschversuches durchströmt ein Gas den ganzen Kom plex und schläfert alles und jeden ein, der hier nicht täg lich arbeitet und dabei durch winzige Dosen an dieses Gas gewöhnt wurde.« »Natürlich befanden sich Verräter unter den Wissenden um die Anlage. Sie wurde vorher ausgeschaltet. Wenn man sie wieder einschalten könnte .« » . hätten wir eine Chance«, vollendete Lim. »Natür lich! Es wäre so einfach. Aber wie an die Anlage kommen. Wo ist sie überhaupt?« »Im Kellergewölbe. Links befinden sich die Archive, rechts sämtliche technischen Anlagen, darunter auch der Gasometer. Aber du kannst sicher sein, daß sie niemanden auch nur in die Nähe des Kellereingangs lassen werden. Und im Lift werden Wachen stehen.« Im Lift werden Wachen stehen, wiederholte Lim in Ge danken. Das war ihr neuralgischer Punkt. Die Wachen würden abgelöst werden, dabei . Nein, sie kannten sich alle. Das würde nicht gehen. Höchstens, wenn . »Sie lassen uns nicht mal aus den Räumen hinaus, Lim«, dämpfte Berr ihren Enthusiasmus. »Wir können uns nur in diesem Trakt bewegen, der aus diesem Vorzimmer, dem Laboratorium und den Segmenträumen besteht.«
»Das genügt ja«, meinte sie. »Wir müssen unsere Wächter dazu bringen, uns anzusehen, damit sie wissen, wen sie bewachen. Dazu müssen sie von einer Tür weg gelockt werden, damit ich raus kann.« »Das verstehe ich nicht.« »Wenn sie kontrollieren kommen, liegt mein Körper auf einer Liege. Ich versuche inzwischen, in einem anderen Körper aus den Segmenträumen nach unten zu kommen.« Lim stand lächelnd auf. Sie ging in einen der Segmen träume und wählte sich einen unauffälligen Körper aus. Schnell programmierte sie den Computer der Wechselma schinerie und bereitete mit geübten Handgriffen alles für die Operation vor. Während sie in der Kabine lag und die Maschine den Segmentwechsel vornahm, wachte Berr vor der Tür. Ihm war nicht wohl zumute, und als eine drei viertel Stunde später die neue Lim vor ihm stand, atmete er erleichtert auf. Ihr neuer Körper ähnelte stark den Körperformen ihrer Wächter, die ihrerseits den ZonenwehrKörpern ähnelten oder sogar welche waren. Sie füllte ihre Brusttaschen mit Gasampullen, stellte sich an die Tür im Vorraum und wartete. Lim hörte, wie die Posten vor der Tür zum Vorraum ih ren Platz verließen, um ihren Kameraden zu Hilfe zu kommen. Schnell schlüpfte sie hinaus. Sie sah die Posten sich von ihrer Tür entfernen. Zwanzig Meter weiter lagen drei andere am Boden. Berr wartete seelenruhig auf die neuen Gegner. Lim lief zum Lift. Er war nicht da. Die Anzeigetafel ver riet, daß er im Augenblick im Stockwerk über ihr stand. Sie nahm die Treppe. Gemächlich ging sie hoch. Mehrere Konspirative standen auf dem Flur. Niemand kümmerte
sich um sie. Der Lift war offen, und in ihm standen zwei Posten. Sie ging hinein und befahl: »Ins Erdgeschoß!« Als sich die Türen geschlossen hatten, öffnete sie eine Gasampulle. Niemand sah es. Wenige Sekunden später sanken die Posten zu Boden, und Lim fuhr bis in den Keller. Als sich die Türen wieder öffneten, warf sie mehrere Gasampullen in den Gang und warf sich zu Boden. Nichts geschah. Dann erklangen Schritte, die aber nie bis zum Lift gelangten. Sie verließ den Lift und wandte sich nach rechts. Berr hatte ihr den Standort der Gasanlage genaue stens beschrieben. Sie brauchte eine Vierstelstunde, dann hatte sie die Notanlage aktiviert. Erschöpft lehnte sie sich gegen die Wand und wartete fünf Minuten, dann fuhr sie wieder nach oben. Sie begegnete nur betäubten Konspirativen. Kurze Zeit später hatten die Gefangenen ihre Wächter zu Gefangenen gemacht. Fünfzig beherzte Parteken durch brachen mit regierungseigenen Panzerwagen - die dem Medikamententransport gedient hatten - die äußeren Ketten der Bewachung. Sie suchten geheime Waffenarse nale auf. Danach belagerten sie die besetzten Regierungs gebäude in sechs Zonen. Zehn Mann eroberten den Televi sionssender zurück. Über die Bildschirme lief die Verkün dung der Befreiungsaktion. Die Straßen von PartosStadt füllten sich mit hoffnungs vollen Bürgern. Beherzte unter ihnen begannen, mit ge zielten Aktionen die selektionistische Zonenwehr in die Irre zu führen. Schon bald gaben die wenigen wirklich überzeugten Selektionisten auf und streckten die Waffen. Ihre Anhänger zogen die Straffreiheit vor und verweiger
ten jede Hilfeleistung. Die entlassenen ZonenwehrBeamten übernahmen das Kommando. Die Drahtzieher der Konspirativen wurden festgenommen, ihre Anhänger lösten die Organisation restlos auf. In der Villa des obersten Selektionisten Vertreters fand man Caspar Brixlas unter Drogeneinfluß. Ein Gegenmittel holte ihn in die Realität zurück. Seine ersten Worte waren: »Von mir haben sie nichts erfahren. Ich konnte ihnen auch gar nichts sagen, da die Idee, die ich hatte, leider nicht durchführbar ist. Allerdings ist mir dabei eine durchführbare Idee gekommen. Und die hätte ich bestimmt verraten, wenn diese Leute nicht plötzlich so konfus geworden wären, als sie die Nachricht von der Befreiungsaktion erhielten.« *
Haag Zborr hatte kein Zeitgefühl mehr. Es mochte Stun den her sein, daß er sich vor die Kamera im Televisorstu dio der TraditionalZone gesetzt hatte; es mochte aber genausogut erst zwei Minuten her sein. Er wußte es nicht. Vor der Kamera hatte er gesagt, was gesagt werden mußte. Wieder und wieder. Er konnte mit sich zufrieden sein. Dann geschah etwas. Und sein Zeitgefühl kehrte zurück. In chaotischem Stakkato schien jetzt alles auf einmal zu passieren. Wer etwas und wozu tat, wurde ihm nicht klar. Es interessierte ihn auch nicht. Er registrierte nur. Das Licht flackerte. Es ging aus, ging wieder an, verän derte sich. Hände packten ihn. Sie zogen ihn hin und her, stießen ihn, schlugen und schützten ihn. Stimmen fluchten, fragten, antworteten, brüllten und
verstummten wieder. Alles geschah auf einmal und wollte nicht enden. Aber es endete doch. Ganz langsam verschwamm die Umgebung, versickerte das Licht, entfernten sich die Stimmen. Niemand berührte ihn. Dann erwachte er. Haag sprang auf. Er saß auf dem Rand einer weichen Liege. Berr stand vor ihm und drückte ihn zurück, als er aufstehen wollte. »Langsam«, sagte Berr. »Du bist zwar wieder in Ord nung, .aber bewege dich besser nur langsam. Dein Kreis lauf muß sich erst wieder daran gewöhnen.« »Was war los?« »Die SelektionistenGarde zwang dich, für sie über Te levision zu werben. Du hast den Parteken jedoch mehr Angst und Schrecken eingeflößt, als sie für die Ziele der Konspirativen zu gewinnen. Berr und Lim haben unter Einsatz ihres Lebens die Usurpation verhindert. Als unsere Leute den Televisionssender befreiten, fanden sie dich völlig apathisch vor der Kamera sitzen. Sie haben dich hierhör ins >Antizipatorium< geholt.« »Caspar?« stammelte Haag schwach. »Dem geht es gut. Sie hatten auch ihn gekidnapt. Er ist schon wieder im Labor. Es scheint, als hätte er ein Serum gefunden. Am besten, du sprichst selbst mit ihm.« Sie verließen den zwölften Stock des »Antizipatoriums« und suchten das Labor auf. Haags Kräfte kehrten wieder. »Haag!« schrie Caspar auf, als dieser sich ihm näherte. »Schon gut«, murmelte Haag gerührt. »Es ist ja nichts passiert.« »Was ist?« fragte der Doc verständnislos. »Nichts pas siert? Na, ich weiß nicht. Wir haben das Serum entdeckt.
Ist das etwa nichts?« »Ach so«, lachte Haag. »Davon sprichst du. Ja, das ist ein Grund zur Freude. Damit wäre deine Aufgabe hier als beendet zu betrachten, oder?« »Tut mir leid, noch nicht ganz. Was ich dir jetzt mitteile, ist weniger schön. Wir sind auch verseucht. Die künstli chen Viren haben vor unseren Körpern nicht haltgemacht. Wir können sie allerdings nicht gegen neue austauschen.« Haag wurde blaß. »Nun, so ganz unerwartet kommt das ja nicht. Aber du hast doch das Serum. Hilft es uns nicht?« »Es hilft uns nicht. Die Viren wirken auf unsere Körper anders als auf die der Parteken. Die Wirkung läßt wesent lich länger auf sich warten. Ich bin sicher, daß unser Ge webe sich verändern wird.« »Verändern? Du meinst, es mutiert? Es verformt sich?« »Ja, und das wird eine schmerzhafte Prozedur werden.« Lim trat zu den beiden Kontaktern. Das führte dazu, daß Haag sich mit beiden Händen den Kopf hielt und stöhnte. Er glaubte, Halluzinationen zu haben. Caspar erklärte ihm ungeduldig, wer die »falsche« Jata in Wirklichkeit war. Haag beruhigte sich nur langsam. Lim lachte freundlich. Sie sagte: »Ich habe Caspar den Vorschlag gemacht, daß ihr eure alten Körper ablegt und gegen SegmentKörper eintauscht. Das ließe sich ohne weiteres machen.« »Das funktioniert?« fragte Haag verwundert. »Ich muß sagen, mir gefällt diese Möglichkeit nicht besonders.« »Mir auch nicht«, gab Caspar zu. »Deswegen sehe ich nur noch einen Ausweg. Wir nehmen das Serum und verlassen diese Zeit.« »Ich denke, das hat keinen Zweck?« fragte Haag über
rascht. »Es wäre sinnlos, wenn wir hierblieben«, beichtete Cas par. »Es funktioniert, wenn wir gehen.« »Heißt das, du wolltest hierbleiben?« »Äh - ja, das wollte ich. Weißt du, Haag, mein Freund, Lim und ich haben beschlossen, zusammen zu bleiben.« »Daher werde ich mit euch gehen«, fügte Lim lächelnd hinzu. Haag brummte der Kopf von den vielen Neuigkeiten. Caspar wechselte das Thema. »Morgen geht das Serum in Massenproduktion, und man benötigt uns nicht mehr.« Er wandte sich an Lim. »Du erfüllst meinen Wunsch?« »Selbstverständlich«, antwortete sie. Ich werde mich sofort darum kümmern.« Lim ließ die Kontakter allein. »Ich verstehe nichts mehr«, brummte Haag. »Was habt ihr vor?« Caspar flüsterte Haag ins Ohr: »Ich habe mich verliebt, Haag! Da wir zusammen bleiben wollen, habe ich Lim darum gebeten, einige kleine Änderungen an ihrem Körper vorzunehmen. Es wäre mir doch etwas peinlich, wenn ich mit einer Jata vor Jata hintrete. Du verstehst?« Haag blickte irritiert hinüber zu den technischen Assi stentinnen des Laboratoriums, die vor sich hin grinsten. »Verstehe, ja.« »Außerdem will Lim dafür sorgen, daß ich verewigt werde. Ich konnte es ihr einfach nicht ausreden. Das Denkmal befindet sich wohl schon im Bau.« »Du hast also praktisch selbst den Bau deines Denkmals veranlaßt?« fragte Haag erschüttert. »Ich . nur für alle Fälle. Ich möchte nämlich nicht wis sen, was wäre, wenn es nicht gebaut würde.« Caspar grinste. »Pack deine Sachen, Haag. Lange werden wir
nicht mehr hier sein. Die Rückreise wird perfekt funktio nieren. Man beherrscht die Zeittechnik vollkommen.« *
GRUPPE EINS. ZEIT: EINUNDSECHZIG JAHRE NACH DER LANDUNG. Jata schlug die Augen auf. »Damit hat niemand gerechnet«, sagte jemand hinter ihr. Sie starrte gegen die Decke und wunderte sich, weshalb sie es tat Wo war sie? Die Stimme redete weiter: »Damals war es noch sehr gefährlich, Zeitsprünge zu machen. Und das Monstrum? Das wird aus der Zwischenzeit stammen . ja, ich werde es tun.« Mit wem sprach dieser Jemand? Jatas Blickfeld erwei terte sich. Seitlich von sich sah sie jemanden vor einem Visiphon stehen. Der kleine Bildschirm flimmerte, aber sie konnte nichts darauf erkennen. »Sie werden dort nach einem Zeittor gesucht haben . Möglich. Bis nachher!« Das Visiphon erlosch, und ein Parteke mit einem dreiek kigen Kopf, zwei gelben Stielaugen und einer krummen, breiten Nase beugte sich zu ihr herab. »Wie geht es?« fragte er. Jata durchzuckte die Erinnerung. Sie hatten es in der allerletzten Sekunde geschafft, waren durch das Zeitfeld gesprungen, waren bewußtlos geworden. Aber ein Tier war durchgekommen! »Das Tier?« fragte sie mit leiser Stimme. »Unsere Leute halten es in Schach, bis die Zonenwehr kommt.« »Welche Zone ist das?«
»Welche . ah, ich verstehe. Ich habe mich noch nicht daran gewöhnt. Es gibt seit vierzig Jahren keine Zonen mehr. Wir sagen aber immer noch Zonenwehr - eine Angewohnheit, verstehen Sie? Den Lebensgewohnheiten nach existieren natürlich noch Zonen, aber die politischen Grenzen sind gefallen. Sie sind hier im Jahre einundfünf zig der Neuen Zeit. Das dürften einundsechzig Jahre nach der Landung Ihrer CONTACT sein. Sie sind in einer Seg mentFarm aufgetaucht.« Jata dankte dem Parteken für die Angaben und erzählte kurz von ihrem mißlungenen Zeitsprung. Erleichtert stellte sie fest, daß ihre Kräfte zurückkehrten. »Wo ist Harlan?« Der Parteke wies zur anderen Wandseite hinüber. Auf einer Liege bewegte sich H. R. L. Klim. Er schlug die Augen auf. Der Parteke klärte ihn über die neue Situation auf, in der sich beide nun befanden. »Das heißt, die Seuche ist besiegt worden?« wollte Har lan wissen. »Ja«, bestätigte der Parteke. »Ein Serum verstärkte die Abwehrkräfte unserer Segmente und wirkte der Mutation der Viren entgegen. Dazu kam der Zeitsprung über rund einhundertfünfzig Jahre, der uns in eine Zeit brachte, in der die Viren längst ungefährlich geworden sind. Unter diesen Bedingungen genügte eine nochmalige Impfung aller Segmente.« »Wie steht es um die entgegengesetzten Anschauungen über Körperkultur?« »Jede Anschauung wird toleriert, die alle anderen tole riert«, erklärte der Parteke. »Alle diese subjektiven An sichten können einander ja im Grunde nicht ausschließen, wenn sie es nicht sollen - das heißt, wenn Fanatiker ihre
Meinung ideologisieren und mit Waffen es zum Dogma aller machen wollen. Doch jetzt genug davon. Ich habe einen Auftrag zu erfüllen. Partos unterhält seit zwanzig Jahren diplomatische Beziehungen mit unserer Mutterwelt Terra. Ein terranischer Botschafter sitzt im >Antizipatori um<. Ich unterhielt mich vorhin mit ihm per Visiphon. Er bat mich, Sie auf eine Begegnung mit ihm und . und mit sich selbst vorzubereiten.« »Es genügt«, sagte Jata. »Soweit mußte es ja kommen«, lachte Harlan. »Der menschliche Körper mußte ja einmal wieder in Mode kommen.« Der Parteke, der Leiter der SegmentFarm, warf ihm einen verwirrten Blick zu. Die Kontakter konnten in sei nem Gesicht nicht lesen, sonst wäre es ihnen aufgefallen. Der Farmleiter führte sie aus seinem Büro durch die Zuchtabteilung hinaus ins Freie. Die Kontakter musterten unterwegs neugierig die Fruchtvitrinen, in denen aus kleinen Keimen die verschiedenen Segmente heranwuch sen. Entsetzliches Brüllen und Fauchen lenkte sie von der Besichtigung ab. Ihre Blicke schweiften durch die weite Halle, und im Hintergrund sahen sie ein scheußliches Monstrum, das hinter dicken Glaswänden gefangen wor den war. Das Tier, das wie eine Kreuzung zwischen Dra chen und Löwe aussah, tobte wild. Und dann geschah es. Angst und Wut mußten mit ihm durchgegangen sein, denn es stürzte sich blindlings durch das große Fenster, das auf die Straße führte. Die Fensterscheibe zerbrach unter seiner Wucht. »Kommen Sie!« rief der Farmleiter. Sie rannten zum Ausgang und traten auf die Straße. Hier
hatte die Zonenwehr inzwischen alles abgeriegelt. Waffen knatterten, und Befehle wurden gebrüllt. Das Monstrum jagte jedoch längst die Straße entlang, getrieben von den Projektilen, die hinter ihm die Straße aufrissen. »Es ist entkommen«, keuchte der Farmleiter. »Das kann noch heiter werden. « Er führte sie zu einem Wagen. Sie stiegen ein und fuhren los in Richtung »Antizipatorium«. Während der Fahrt sprach der Farmleiter über sich. Er hatte zuvor der Son derabteilung »Retter« angehört, hier, in der Neuen Zeit, hatte er die Aufgabe eines Farmleiters übertragen bekom men. Die Fahrt führte sie am Flughafen vorüber, und hier machten sie eine seltsame Entdeckung. Auf dem Flugfeld stand eine unförmige Kugel, die fast das halbe Feld ein nahm. Und auf der Wandung der Kugel stand in terrani schen Buchstaben CONTACT. Irgend etwas schien sich an der Kugel dauernd zu bewegen. Die Kontakter konnten es nicht erkennen, aber sie hatten den Eindruck, als forme sich das Raumschiff um. Als sie den Farmleiter um Aufklärung baten, druckste er herum und vertröstete sie schließlich auf die Begegnung mit dem Botschafter Terras. Von außen hatte sich das »Antizipatorium« wenig verän dert. Beim Gang ins Innere warfen sie neugierig einen Blick auf den Parkhof. Befriedigt wandten sie sich dem Lift zu. Das Denkmal stand im Hof, so wie sie es in Erin nerung gehabt hatten. Das zwanzigste Stockwerk war der terranischen Bot schaft vorbehalten. Der Farmleiter führte sie in ein wohn lich gestaltetes Zimmer. Aber sie hatten keine Augen für die Ausstattung des Raumes, denn die anwesenden Perso
nen nahmen ihnen den Atem. »Willkommen, ihr Zeitreisenden«, sagte Haag Zborr. H. R. I. Klim grinste säuerlich. »Gute Plagiate«, mur melte er mit gemischten Gefühlen. Die Anwesenden lachten lauthals. »Plagiate ist gut«, kicherte Harlans Doppelgänger und wandte sich daraufhin an den Farmleiter. »Haben Sie sie nicht aufgeklärt?« »Doch«, erwiderte der. »Aber mir scheint, ich bin miß verstanden worden.« »Mißverstanden?« wiederholte Jata verdutzt. Sie begann die Wahrheit zu ahnen und lief rot an. Harlan erging es nicht anders. Wenn es stimmte, was sie vermuten mußten, dann standen sie ihren zukünftigen Ichs gegenüber und nicht irgendwelchen Parteken, die nur ihre Körperformen imitiert hatten. Wenn es stimmte . Harlans Doppelgänger schritt auf Jata zu und umarmte sie. »Ich darf doch?« fragte er. »Wir sind schließlich ver heiratet!« *
Das Eis war gebrochen. Es stimmte, sie standen ihren zukünftigen Ichs gegen über sowie dem zukünftigen Haag Zborr. Sie hatten lange gebraucht, um diese Tatsache zu verdauen. Aber niemand drängte sie. Denn es war zu verstehen, schließlich kam so etwas nicht alle Tage vor. »Es - es ist unheimlich«, krächzte Harlan, als er sich vom Schrecken erholt hatte. »Aber wie kommt es, daß ihr euch . ich meine natürlich wir uns nicht verändert ha ben? Seit unserer Landung auf Partos sind doch einund
sechzig Jahre vergangen?« Harlan begriff, daß er Unsinn redete. Was hieß hier »nicht verändert«; weshalb lebten sie überhaupt noch? Haag Zborr - der Haag Zborr der Zukunft - lachte mit fühlend. »Wir wollen euch nicht auf die Folter spannen. Ich wer de euch einiges erklären. Alles will ich euch nicht erzäh len, weil das Leben keinen Spaß mehr machen würde, wenn man schon alles vorher wüßte. Oder anders herum: Wir hätten keinen Spaß mehr daran gehabt, wenn wir schon zuvor alles erfahren hätten. Da wir es nicht erfahren haben, muß das auch jetzt zutreffen. Ihr dürft nicht alles erfahren!« »Verrückt!« rief Jata. Ihr zukünftiges Ich lächelte ihr aufmunternd zu. Nervös blickte Jata zur Seite. Es war schwer, sich an diese Situation zu gewöhnen. »Wir haben neue Körper«, fuhr Haag fort. »Das sollte alles erklären. Sie erlauben es uns, noch einmal etwa einhundert Jahre zu leben.« »Verstehe«, murmelte Harlan. »Wirklich nicht schlecht. Noch eine Frage. Was ist das für ein seltsames Raumschiff auf dem Flughafen draußen?« »Das ist unsere neue CONTACT. Ein wunderbares Schiff! Es besteht natürlich wie die alte CONTACT aus Fertigteilen, die ausgewechselt werden können. Das ist ja im Grunde dasselbe Prinzip wie bei den SegmentKörpern. Die neue CONTACT jedoch kann noch mehr. Es befindet sich eine Apparatur an Bord, die uns alle Teile, die abge nutzt sind, die ausgetauscht oder ausgebaut werden müs sen, augenblicklich produziert. Das Programm reicht von einfachsten Gegenständen zum Leben bis zu ganzen Schiffswandungen. Man kann sagen, unsere CONTACT
ist total regenerierungsfähig.« »Erstaunlich«, gab Harlan zu. »Doch wie kommt es ei gentlich, daß ihr zur Zeit auf Partos seid?« »Mmh«, machte Haag und grinste belustigt. »Dafür wer det ihr schon sorgen.« Jata interessierte sich für etwas anderes. »Wer ist zu eu rer Zeit noch Kontakter unserer Mannschaft?« Die Gesichter der anderen wurden ernst. Haag winkte ab. »Tut mir sehr leid, Freunde,aber das werden wir besser für uns behalten.« »Dann also zurück zu unserer Zeit«, forderte Harlan, der einsah, daß Fragen dieser Art ein Risiko darstellten. Er sah dem still dasitzenden terranischen Botschafter in die Au gen, dann blickte er hinüber zu dem Farmleiter. »Es scheint, als hätte das Partekenvolk die Krise gut überstan den, die durch die Seuche entfaltet worden war.« Sie unterhielten sich noch lange Zeit. Eine ausgedehnte Mahlzeit stellte Harlans und Jatas alten Gesundheitszu stand wieder ganz her. Der Farmleiter erkundigte sich zwischendurch nach dem Ausgang der Monsterjagd. Das Tier war kurz nach seinem Ausbruch von der Zonenab wehr erlegt worden. Das letzte Relikt einer überwundenen Vergangenheit war damit vernichtet worden. Die Zukunft von Partos war gewonnen, die Krise endgültig bezwungen. »Nun hat auch die KörperwechselMethode seine Kin derkrankheiten überwunden«, sagte der Farmleiter ab schließend. »Die positiven Aspekte eines Lebens mit künstlichen Körpern werden uns unabhängiger machen von störenden Notwendigkeiten, denen man im allgemei nen unterliegt. Und wenn schließlich auch die Scheinpro blematik der verschiedenen Anschauungen überwunden sein wird, dann steht die Wissenschaft nur noch im Dien
ste des Fortschritts.« Als der Abend hereinbrach, nahmen sie voneinander Abschied. Der Abschied war herzlich, und der terranische Botschafter begleitete sie in Zeitmanipulatorium. Er si cherte ihnen eine perfekte Zeitreise zu. Voll angenehmer Eindrücke stellten Jata Neral und Harlan Reginald Isaac Klim sich unter den Zeitbogen. Aufmunternd winkte ihnen der Botschafter zu. Dann glühte die Umgebung. Kein Schmerz durchzuckte sie. Das Glühen umwaberte sie, schmolz dahin. Und als es fort war, standen sie auf einem Kontinent ohne Menschen. Sie erkannten die Umgebung. Sie blickten zu Boden. Hier war die CONTACT gelandet? Sie drehten sich um. Vor ihnen ragte die mächtige Kugel auf, die sie auf diese Welt verschlagen hatte. Sie waren zurückgekehrt. Die Zeitreise war perfekt gewesen. *
Als Harlan und Jata das »Rathaus« der CONTACT betra ten, stellten sie fest, daß sie die letzten waren. Die anderen saßen rund um den Ratstisch verteilt und diskutierten laut. »Hurra!« brüllte Kubus John, als er sie entdeckte. »Sie sind wieder da.« Auch die anderen kamen auf sie zugerannt. Die Begrü ßung war herzlich und kameradschaftlich. Als sie sich setzten, stellten Jata und Harlan fest, daß einer zuviel war an Bord. Doc Caspar Brixlas stand auf und stellte ihnen Lim, die partekesche Ärztin, vor. Lim erklärte daraufhin, daß sie für alle an Bord Keime für künstliche Körper mitgebracht
hätte. »Es sind Nachbildungen eurer alten Körper. Nur zwei Personen werden andere tragen müssen, wenn es soweit ist.« »Das sind Kubus und ich«, stellte Yafi Neral fest. »Wir blieben an Bord. Daher konntet ihr keine Keime nach unseren Körperformen programmieren. Ich glaube nicht, daß es uns etwas ausmachen wird.« »Es besteht auch die Möglichkeit«, sagte Lim, »daß ihr noch einundsechzig Jahre lebt. Dann können wir das Versäumte nachholen.« Caspar teilte den anderen mit, daß sie alle verseucht wa ren. »Ich habe genügend Serum mitgebracht, um damit eine ganze Kompanie zu heilen. Denkt alle daran, daß ihr täglich eine Woche lang damit von mir geimpft werden müßt. Auch ihr, Yafi und Kubus, falls wir euch angesteckt haben. Wir gefährden sonst die ganze Galaxis, und das wollen wir doch nicht, oder?« Haag Zborr blickte Kubus an. »Wie lange waren wir eigentlich fort? Bordzeit, meine ich.« Kubus warf einen Blick auf die Uhr. »Sieben Stunden«, erklärte er. »Als die ersten eintrafen, hatten wir uns gerade entschlossen, einen Rundgang zu machen, um euch zu suchen. Es wäre ein großes Risiko gewesen, aber wir hielten es nicht mehr länger aus hier drinnen.« »Wie lange war jede Gruppe unterwegs?« fragte Haag. »Caspar und ich waren über zwei Wochen weg.« Mick rausperte sich. »Höchstens drei Tage, würde ich sagen. Das waren aber drei Tage zuviel. Ich fürchte, wir haben uns dabei den Verfolgungswahn geholt.« Kai kicherte. Es klang tatsächlich etwas gehetzt. Harlan sagte: »Fünfundzwanzig Tage waren wir in der
Vergangen .« Jata grinste ihn an. Sie verbesserte: »Vierundzwanzig Tage waren wir in der Vergangenheit und einen Tag in der Zukunft.« »Unmöglich«, stellte Haag fest. »Alle Zeittore führten in Partos' Vergangenheit.« »Woher willst du das so genau wissen?« fragte Kubus. »Er kann es nicht wissen«, fuhr Jata fort. »Die Zeittore, die uns entführten, existieren, wie wir wissen, weil die Zeittechniker der vergangenen zwei Jahrhunderte einen Test machten. Und in der Hauptsache entstanden sie wohl glücklicherweise in jener Zeit, die von den Parteken dann übersprungen wurde. Sonst hätte es ein Chaos gegeben. Die meisten führten in die Vergangenheit. Aber es gab einige darunter, die in die Zukunft führten. Und in ein solches gerieten wir bei unserer Rückkehr.« Mick fragte verwundert: »Ihr habt also die Zukunft ken nengelernt?« Jata erzählte ihr Erlebnis. Die Überraschung war perfekt. Das »Rathaus« hallte wider vom Gelächter der Kontak ter. Die allgemeine Spannung löste sich langsam. Lim wies darauf hin, daß die Begegnung mit den zukünftigen Ichs ein Beweis dafür sein mußte, daß sie irgendwann einmal die Keime benutzen würde, die sie mitgebracht hatte. Die fröhliche Stimmung an Bord währte nicht lange. Caspar Brixlas brachte ihr Gespräch auf die Seuche zu rück. »Im Grunde«, stellte er fest, »habe ich das Serum nur zufällig gefunden, was andererseits ein Produkt intensiver Forschung war. Aber ich bin sicher, daß die Parteken es auch allein geschafft hätten. Die Herausstellung meiner
Person als Retter eines Volkes ist, gelinde gesagt, eine Übertreibung. Aber es mußte wohl so kommen.« »Du wirst es schon aushalten, von den Parteken verehrt zu werden«, meinte Mick grinsend. Dies war der Moment, wo Kai sich veranlaßt sah, das Geheimnis um die terranischen Schriftzeichen auf der Schrifttafel des Monuments zu lüften. Er berichtete, daß es Micks Sorge um den Verlauf der Zukunft zu verdanken sei, daß der Spruch schließlich auf die Tafel gemeißelt worden war. Während die anderen lachten, färbte sich Caspars Ge sicht rot. »Dir habe ich das also zu verdanken«, keuchte er. »Was hat er denn?« fragte Mick Ronda verdutzt. »Du hast den dummen, verrückten, idiotischen Spruch also fabriziert!« brüllte Caspar Brixlas wutentbrannt. »Was Besseres ist dir wohl nicht eingefallen, was?« »Aber .« »Mir zu Ehren, mir zu Ehren!« schrie Caspar unbe herrscht. »Es war mir eine Verpflichtung, das Volk der Parteken vor dem Untergang zu retten! Jawohl, das war es! Und so tat ich, was in meiner Macht stand. Richtig und das werde ich auch jetzt tun!« Caspar Brixlas stürzte sich wütend auf Mick. Die ande ren rissen ihn zurück. Mit unbändiger Kraft riß sich Cas par los. »Er entkommt mir nicht!« brüllte er. »Ich lasse es mir nicht gefallen, daß mich ein so grüner Junge lächerlich macht!« Er beruhigte sich erst Stunden später. ENDE
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Thorn Forresters »Krisenherd Partos« ist der erste Band einer neuen ScienceFictionReihe des Martin Kelter Verlags. Viele von Ihnen werden sich vielleicht noch an die REN DHARKSerie unseres Hauses erinnern (die jüngst übrigens in Taschenbuchform fortgesetzt wurde). Die Erfahrungen mit dieser früheren Serie kommen unse rer GEMINIReihe zugute. Wir haben uns vorgenommen, Ihnen ein farbiges, abwechslungsreiches Programm span nender ScienceFiction anzubieten. Um Ihnen immer wieder etwas Neues bringen zu können, haben wir auf einen in jedem Roman wiederkehrenden Serienhelden verzichtet und präsentieren statt dessen abgeschlossene Einzelabenteuer aus dem weiten Gebiet der Utopie und Phantastik. Themenbeschränkungen kennen wir nicht. Aber wir fordern von unseren Autoren, daß sie unsere Leser mit interessanten Schilderungen zu fesseln verste hen. Sie werden deshalb in der GEMINISFReihe nicht nur Weltraumabenteuer, sondern auch z. B. Zeitreise und Dimensionsromane finden. Wir stellen Ihnen nicht nur technische, sondern ebenfalls soziale und sozialkritische ScienceFiction vor, vielleicht gelegentlich sogar Kurzge schichtenbände. Mehrere in und ausländische Grafiker konnten für die regelmäßige Mitarbeit an GEMINI gewonnen werden, so Van Vindt, R. S. Lonati, Robert Peeters u. a., denn wir meinen, daß zu guter ScienceFiction auch hervorragende Titelbilder gehören. GEMINI wird zunächst vierzehntäglich erscheinen.
Wenn Sie uns mit Ihrem Interesse an der Reihe jedoch zeigen, daß wir mit unserem Konzept richtig liegen, soll GEMINI möglichst bald auf wöchentliches Erscheinen umgestellt werden. Wir setzen in jeder Beziehung auf Sie, unsere Leser. Wir erwarten mit großem Interesse Ihre Anregungen und Ihre Kritik. Um Ihnen einen zusätzlichen Service zu bieten, haben wir uns deshalb auch zu einem MagazinTeil entschlossen, in dem Sie Neuigkeiten, Tips, Termine, kurze Artikel und Autorenporträts finden und auch Gelegenheit haben, selbst einmal mit Anregungen und Kritik an die Öffentlichkeit zu treten. Wir wollen Sie an dieser Stelle keineswegs mit trocke nen naturwissenschaftlichen Fakten oder haltlosen Spe kulationen langweilen. Vielmehr finden Sie hier für SF Leser interessante Fakten aus und über ScienceFiction und in einem GEMINISFLexikon werden neuen Lesern die gebräuchlichsten Fachausdrücke der SF erläutert. Und dann haben wir noch eine Überraschung für Sie vorberei tet. Mehr wird jetzt nicht verraten. Aber es kann sich für Sie lohnen, wenn Sie die nächsten GEMINISFHefte aufmerksam verfolgen . Ihre GEMINISFRedaktion
Frederik Pohl, berühmter amerikanischer SFAutor, war kürzlich zu einem Besuch in der Sowjetunion. Auf der Rückreise machte er auch in mehreren Städten der Bun desrepublik Station. Mr. Pohl verteidigte die Science fiction gegen Einwände von Kritikern mit einem bekann ten Spruch seines Kollegen Theodore Sturgeon: »Es ist richtig, daß 90 Prozent aller ScienceFiction nichts taugt aber 90 Prozent von allem taugt nichts.« ***** Wußten Sie, daß es in Amerika über 500 SFAutoren gibt (und zwar solche, die regelmäßig schreiben)? Sie haben sogar vor Jahren einen eigenen Verband gegründet, den SFWA (Science Fiction Writers of America), der eine Zeitschrift herausgibt und jedes Jahr die sogenannten NEBULA Preise für die beste SF vergibt. Die letzten Preisträger: »The Dispossessed« von Ursula K. LeGuin als bester Roman, »Born With The Dead« von Robert Silverberg als beste Novelle und »Der Schläfer« von Woody Allen als bester Film. ***** Die amerikanischen SFFans vergeben ebenfalls einen Preis, den sie nach dem verstorbenen Hugo Gernsback (SFAutor, Redakteur von SFMagazinen, vor allem aber Schöpfer des Namens »Science Fiction«) HUGO nennen. Ursula K LeGuins »The Dispossessed« siegte auch hier in der Rubrik »bester Roman«. Der HUGO für die beste Novelle ging dagegen an George R. R. Martins »A Song For Lya«, den HUGO für den besten Film holte sich »Frankenstein Junior« von Mel Brooks. ***** SFFreunde lesen natürlich nicht nur GEMINI, sondern auch die Taschenbuchserie RICHARD BLADE von Jeffrey Lord, die vom Martin Kelter Verlag herausge
geben wird. Mit dem Schwert in der Hand besteht unser Held farbige Abenteuer in Raum und Zeit. ***** Der bekannte deutsche SFKünstler Helmut Wenske hat einen sehr duften Kalender mit SFMotiven für das Jahr 1976 veröffentlicht. ***** Udo Lindenberg, Chef des Panik Orchesters und Symbolfigur der »Hamburger Szene«, beschäftigte sich bereits auf mehreren Platten mit SF Themen (»Gerhard Gösebrecht« usw.). Seine neueste Langspielplatte setzt diesen Trend fort und widmet sich dem Showbusiness der Zukunft. ***** Alle Jahre wieder pilgern die Freunde des utopischen und phantastischen Films zu »ihrem« Festival in Triest. So auch 1976. Einen weiteren Weg als gewöhnlich haben dagegen dieses Mal die Besucher des EUROCONs. Dieses jährlich stattfin dende europäische Treffen von Fans, Verlegern und Auto ren findet im August 1976 in Polen statt und zwar in Poznan (Posen). ***** Die vor dem zweiten Weltkrieg erstmals erschienene Heftserie ROLF TORRING, die gelegentlich auch utopische Abenteuer brachte, wurde auf der Frankfurter Buchmesse als Nachdruck vorgestellt: in dicken Buchausgaben. Psst, Geheimtip: Wer die GEMINI Hefte jetzt sammelt, spart die Anschaffung der Buchaus gabe im Jahre 2010 .
GEMINISF Nr. 2 Sternenjäger im Kosmos von H. P. HOWARD
GEMINISF Nr. 3 Planet der Ausgestorbenen von W. A. HARY GEMINI Nr. 4 Planet in Ekstase von HARALD BUWERT
In 14 Tagen an Ihrem Kiosk: Sternenjäger im Kosmos von H. P. HOWARD
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts platzt die Erde aus den Nähten. Mehr als zwölf Milliarden Menschen drängeln sich auf dem übervölkerten Planeten und lassen das Leben zur Hölle werden. Die SARAGOSSA unter Captain Ray Gantor sucht nach besiedlungsfähigen Planeten in den Tiefen des Alls. Überall lauern unbekannte Gefahren und unsichtbare Gegner. Nicht nur von außen droht Gefahr. Ein karrieresüchtiger Diplomat an Bord des Schiffes hat eigene Ziele, versucht die Mannschaft der SARAGOSSA zu spalten und löst Konflikte mit unmenschlichen Mitteln. Ein spannender ScienceFictionRoman mit farbigen Schilderungen ferner, exotischer Planeten und versunkener Kulturen. Diese Space Opera wird Sie in Ihren Bann
schlagen, nicht nur wegen der mitreißenden Handlung, sondern auch wegen ihrer humanistischen Zielsetzung!