TERRA-Band 75:
Die Zeitspirale von KURT BRAND Vom Böotes-Nebelhaufen waren sie in einem Sprung zum Coma-Sternensystem ...
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TERRA-Band 75:
Die Zeitspirale von KURT BRAND Vom Böotes-Nebelhaufen waren sie in einem Sprung zum Coma-Sternensystem herübergekommen. Sie trafen wohl ihr Ziel, aber es gehörte nicht mehr in ihre Zeit. Sie waren mit ihrem Schiff am richtigen Ort, aber tief in der Zukunft gelandet und fanden den Weg nicht mehr zurück. Ein Weltall, das einfach drei Milliarden Jahre älter geworden war, während dieselbe Zeit spurlos an ihnen vorbeigejagt war, kam ihnen wie ein Ungeheuer vor. Es gab keine Erde und keine Sonne mehr; Mars, Venus und die anderen Welten waren verschwunden. Der ganze Planeten-Verband hatte sich zu einem winzigen, aber gefährlich strahlenden Ding zusammengefunden. Sie blickten in den ewigen Abgrund der Zeit und hörten zum erstenmal den Begriff: Zeitspirale. Zeigt sie ihnen den Weg, daß sie aus dieser Zukunft wieder in ihre Zeit zurückfinden? Dieser kühne Science Fiction-Roman des beliebten Autors Kurt Brand ist ein Leckerbissen für alle Freunde der utopischen Literatur. Ein Werk höchster Spannung.
Moewig-Wildwest-Roman Band 113:
Kehr’ um, Fremder! von FRANK WELLS Ferry Stone regt sich nicht auf, als er die Straße nach Elco durch einen Stacheldrahtzaun gesperrt findet. Er sorgt nur dafür, daß der Boy, der den Zaun zu bewachen hat, für einige Zeit in einen tiefen Schlaf versinkt und setzt dann unbekümmert seinen Ritt fort. Doch der Empfang, der Ferry in Elco zuteil wird, ist auch nicht gerade freundlich. Town-Marshal Agosti ist ein alter Bekannter von ihm, aber wahrhaftig kein Freund. Ferrys Leben ist keinen roten Penny wert, doch ist es Agosti, der sterbend mit erstauntem Ausdruck gegen die Wand eines Hauses sinkt. Die Stadt weiß nun, daß Ferry Stone ein Revolvermann ist, aber sie weiß nicht, auf welcher Seite er steht; und so ist es kein Wunder, daß der machthungrige Rancher Keever ihm auch den Mord an dem alten Major Russell in die Schuhe schiebt. Es wäre für Ferry das beste, den Staub dieser Stadt von den Stiefeln zu schütteln, aber er will den wirklichen Mörder Russells finden, auch wenn es Snake Cane ist, sein alter Freund Cane . . . Zwei gut ausgewählte, spannungsreiche Romane aus dem Moewig-Verlag. Jeder Band ist in der nächsten Woche bei Ihrem Zeitschriftenhändler erhältlich. Preis je 60 Pfennig.
Kommandosache HC 9 von K. H. SCHEER 1. Kapitel „Kennen Sie die Andrejanoffskij-Inseln?“ fragte der Alte wie beiläufig. „Man sagt auch Adreanoff-Inseln dazu, aber Andrejanoffskij ist richtiger.“ Ich kniff etwas die Augen zusammen und kramte in meinen Gehirnwindungen herum. Etwas zögernd entgegnete ich: „Andrejanoffskij-Inseln? Gehören sie nicht zu den Alëuten?“ „Tüchtig, tüchtig“, schmunzelte Reling. „Sie gehören wirklich zu den Alëuten, also zu dem großen Inselbogen zwischen dem Beringmeer und dem Stillen Ozean, genau südwestlich von Alaska. Können Sie sich unter dem Begriff ‚Alëuten-Graben’ auch etwas vorstellen?“ Allerdings, das konnte ich. „Ja. Es handelt sich um eine Senkung des Meeresbodens, weshalb man von einem Graben spricht. Große Wassertiefen, zwischen siebentausend und siebentausendfünfhundert Metern.“ Elis Teefer warf mir einen kurzen Blick zu, der mir aber gar nichts sagte. „Noch besser“, knurrte der Alte, der heute einen sehr unruhigen Eindruck machte. So hatte ich ihn vor Wochen schon einmal gesehen. Es hatte bedeutet, daß irgendwo eine handfeste und ausgesprochen gefährlich erscheinende Sache passiert war. 3
Ich beobachtete ihn lauernd, indessen mir die wildesten Überlegungen durch den Kopf schossen. Weshalb kam er ausgerechnet auf die gottverlassene Inselgruppe hoch im Norden zu sprechen? Da gab es kaum Menschen, geschweige denn etwas, was mich als GWA-Agent hätte interessieren können. In der Hinsicht irrte ich mich aber ganz gewaltig, was ich schon Augenblicke später erkannte. Der Chef nickte Elis zu und brummte: „Fangen sie an, Leutnant. Berichten Sie über Ihre Arbeit.“ Elis wandte mir ihr rassiges Gesicht zu. Sie schien von nun an nur noch die kühle Agentin zu sein, die mit der Präzision einer Maschine ihren Bericht gab. „Ich arbeite seit 4 Monaten als Leiterin des technischen Zeichenbüros SM-8 auf einer Alëuten-Insel. Es handelt sich um die Insel Tanaga, die ihrerseits zur Gruppe der AndrejanoffskijInseln gehört. Im technischen Zeichenbüro mit der Kennummer SM-8 werden die Pläne für die Schleusenanlagen und Pumpstationen angefertigt. Ich habe vor 4 Monaten den damaligen Chef abgelöst und bin dort bekannt als Dr. Mauryn Fiskul.“ Der Alte sagte keinen Ton, doch ich konnte bemerken, daß er mich unter den gesenkten Lidern beobachtete. Elis fuhr fort: „Der Ausbau der Insel Tanaga gilt zur Zeit als Staatsgeheimnis Nummer eins. Normalerweise dürfte und könnte kein Unbefugter darüber informiert sein, daß Tanaga schon seit vielen Monaten mit den allermodernsten Mitteln der Technik zu einem ungeheuer schlagkräftigen Bollwerk in der vordersten Front gegen Asien ausgebaut wird. Für die Geheimhaltung des Bauvorhabens waren alle Voraussetzungen geschaffen. Die dort arbeitenden Wissenschaftler und Techniker haben noch niemals Urlaub erhalten. Als sie abreisten, wußten sie nicht, wohin man sie bringen würde. Sämtliche Material- und Lebensmitteltransporte erfolgten nur durch U-Boote. Auf Tanaga ist in den letz4
ten zwei Jahren kein einziges Flugzeug der Air-Force gelandet. Schiffe liefen die Insel auch nicht an. Die Bauten geschehen ausschließlich unterirdisch. Niemals kommt ein Mensch auf die Oberfläche der Insel, abgesehen von den Spezialsoldaten des Sicherheitsdienstes, die im Zuge der Vorschriften die Insel abgehen. Das sind die Tatsachen, die etwa eineinhalb Jahre auch zur unbedingten Geheimhaltung beigetragen haben.“ Sie machte eine Kunstpause und schien offensichtlich scharf nachzudenken. Ich warf einen Blick zum Alten hinüber, und da bemerkte ich, daß er mich mit einem eigenartig dünnen Lächeln ansah. Wenn General Reling derart die schmalen Lippen verzog, pflegte er seine Pläne fertig im Schädel zu haben. Ich fühlte, daß mir dünne Schweißtropfen auf die Stirn traten, obwohl, ich versuchte, mich eisern zu beherrschen. Ich konnte mir sehr gut vorstellen, was unter den wilden Bergen der fernen arktischen Insel gespielt wurde. Elis knappe Worte hatten mir alles gesagt, denn ich kannte ähnliche Bauarten aus Erfahrung. Dort entstanden gigantische U-Boot-Bunker, Nachschubdepots für alle Waffenarten, unterirdische Abschußpisten für schwere, transkontinentale Atomraketen, Kraftstationen, Radarzentralen, Werftanlagen für Unterwasser-Flotteneinheiten, Versorgungsstationen zur Aufladung der U-Boot-Atommeiler und natürlich auch Lagerdepots für die fürchterlichsten nuklearen Kernwaffen. Das brauchte mir niemand zu erklären, weshalb ich auch gar nicht lange fragte. Ich rief mir das Kartenbild ins Gedächtnis, und so kam ich zu der Erkenntnis, daß Elis Teefer nicht zuviel behauptet hatte, als sie von einem ungeheuer schlagkräftigen Bollwerk in nächster Nähe der asiatischen Grenzen sprach. Auf Tanaga waren wahrscheinlich Tausende von Menschen dabei, ein gigantisches Vernichtungsinstrument unter den tarnenden Felsmassen der großen Insel zu erschaffen. 5
Ganz klar, daß es da unzählige Geheimnisse gab, die den AS-Geheimdienst anlocken mußten, wie ein Honigbrötchen die Fliegen. Relings Lächeln wurde noch intensiver, weshalb ich es vorzog, meine Kollegin anzublicken. „Die Bauarbeiten nähern sich ihrer Vollendung“, fuhr sie ruhig fort. „Die U-Boot-Bunker sind fertiggestellt. Die Schleusenanlagen funktionieren einwandfrei. Die Verbindungswege unter der Insel existieren schon, doch müssen sie noch ordentlich ausgebaut werden. Der Nachschub an allen erdenklichen Gütern klappt einwandfrei, beziehungsweise er klappte einwandfrei. Seit genau 7 Tagen ist der U-Transporter ‚Titan’ spurlos verschwunden. Es handelt sich um einen unserer modernsten Transporter mit Atomantrieb, Besatzung 162 Mann einschließlich Kommandant, 12 200 Tonnen Wasserverdrängung, Aktionsradius unbegrenzt, Geschwindigkeit 42 Seemeilen bei reiner Unterwasserfahrt. An Bord der Titan befanden sich keine Güter, da sie sich auf dem Rückweg nach den Staaten befand. Dafür beförderte das Boot einen unserer bekanntesten Kernphysiker, Professor Edgar D. Morrow, der bei einem vorhergehenden Transport die fachgerechte Lagerung von sechs WasserstoffSprengköpfen, Einbauformat BM-235, überwacht hatte. Professor Morrow sollte mit der Titan nach San Franzisko zurückkehren. Er hatte einige sehr wichtige Unterlagen dabei, die zusammen mit ihm und dem Transporter verschwunden sind. Das wäre an sich alles, Sir.“ Sie lehnte sich in ihren Sessel zurück, und ich wischte mir den rinnenden Schweiß von der Stirn. „Soll ich die Klimaanlage kälter stellen?“ fragte der Alte beißend: Ich warf ihm einen beinahe wilden Blick zu, ehe ich rauh murmelte:
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„Das heißt also mit anderen Worten, daß wir in einer ganz dicken Schmutzbrühe stecken! Ein Atomtransporter der Navy ist verschwunden und mit ihm ein Wissenschaftler, der sein Gewicht in Diamanten wert ist. Soll ich den Fall bearbeiten?“ Der Alte nickte kurz. „Alles vorbereitet, Konnat. Sie werden eine ekelhaft harte Nuß zu knacken haben, doch stehen Ihnen zwei Mitarbeiter zur Verfügung, auf die Sie sich unbedingt verlassen können. Leutnant Teefer fliegt in zwei Stunden nach Frisco ab, und Sie werden am späten Nachmittag folgen. Sie werden dort mit ihr bekannt gemacht und werden Ihre Kollegin als Dr. Mouryn Fiskul ansehen. Agent MA-23 befindet sich bereits auf der Insel. Er ist seit vier Tagen dort und bekleidet die Stellung eines SicherheitsOffiziers der Marine. Das gesamte Bauvorhaben ist der Marine unterstellt Chef der Sektion ‚Alëuten’ ist Vize-Admiral Glenn H. Songal.“ Ich merkte mir die Namen sehr sorgfältig, doch plötzlich wurde ich etwas unruhig. „Sagten Sie Agent MA-23?“ stotterte ich. Der Alte grinste offensichtlich, und Elis’ Lippen begannen zu zucken. Also hatte ich recht vermutet! Agent MA-23, die unmöglichste Figur in den Reihen der aktiven GWA-Beamten, die grauenhafte Nervensäge mit den antiken Vornamen, befand sich bereits in Tanaga. „Ich mache in jeder Hinsicht mit, Chef“, röchelte ich, „aber ersparen Sie mir um Himmels willen die Zusammenarbeit mit diesem Monstrum. Der Bursche mag tüchtig sein, was aber auch auf die totale Zerrüttung meiner Nerven zutrifft. Chef, Sie wissen doch, was ich mit dem Menschen erlebt habe! Der kann mich in Teufels Küche bringen, weil er sein gottloses Mundwerk nicht halten kann. Er muß doch immer jedermann anpflaumen, und das kann nicht immer gutgehen. Ich –!“ „Ersparen Sie sich Ihre Worte, Konnat“, unterbrach mich der 8
Alte. „MA-23 ist bereits dort. Er sitzt in einer Schlüsselposition des Marine-Sicherheitsdienstes. Wir haben genug Mühe gehabt, ihn so unauffällig einzuschleusen, daß noch nicht einmal das FBI, Abteilung Marine, etwas merkte. Sie werden mit ihm arbeiten, denn ich habe feststellen können, daß er für Sie der denkbar beste Mitarbeiter ist. Außerdem kennen Sie sich bereits, und das gab den Ausschlag. MA-23 weiß noch nicht, daß Sie es sein werden, der auf Tanaga eintreffen wird. Seine Freude wird um so größer sein.“ Ich lächelte anscheinend sehr süßsauer, denn Elis schien Mühe zu haben, ihre Heiterkeit zu unterdrücken. Ich merkte kaum, daß plötzlich das Licht ausging. Der Alte schaltete sofort einen automatischen Vorführapparat ein. Auf der gegenüberliegenden Wand lief ein kurzer, aber sehr inhaltsreicher Film ab. Es waren Innenaufnahmen des Stützpunktes Tanaga, und was ich zu sehen bekam, verschlug mir beinahe die Sprache. Ich sah auch den Unterwasserzugang, durch den der Stützpunkt selbst von größten U-Transportern erreicht werden konnte. Die Schleusen waren gigantisch und die Schleusentore waren es ebenfalls. Aus den kurzen Erklärungen des Sprechers ging hervor, daß die beiden Hauptschleusen 82 und 94 Meter unter Wasser lagen. Über dem unterirdischen Stützpunkt wölbte sich ein mächtiges Gebirge aus härtestem Urgestein, das vor unbekannten Zeiten durch vulkanische Gewalten aufgefaltet worden war. Mir war bekannt, daß die Alëuten in junggeologischer Zeit entstanden waren. Sie bildeten die Reste einer ehemaligen Landbrücke, die Amerika und Asien verbunden hatte. Das war bei den sorgfältigen Untersuchungen einwandfrei festgestellt worden, und es war auch sicher, daß der totale Einbruch auf vulkanische Gewalten zurückzuführen war. Deshalb war es gar nicht verwunderlich, daß man unter den wuchtigen, vegetationslosen Bergen der großen Insel sehr viele 9
und teilweise gigantisch große Hohlräume gefunden hatte. Nur mit dieser Tatsache waren die überraschend schnellen Fortschritte der Bauarbeiten zu erklären. Die allmächtige Natur hatte den allergrößten Teil schon geschaffen. Wenn man das alles hätte ausschachten müssen, wären Jahrzehnte darüber hinweggegangen. Der Film lief eine halbe Stunde. Als es wieder hell wurde, wußte ich genug über den Marinestützpunkt Tanaga. „Besser als eine zehnstündige Erklärung“, stellte der Alte sachlich fest. „Leutnant Teefer, Sie können sich langsam fertigmachen. Die Maschine wird in knapp dreißig Minuten landen. Konnat werde ich auch allein informieren können. Sie sehen sich morgen im neuen U-Boot-Hafen von Alameda.“ Elis erhob sich und reichte mir die Hand. „Viel Glück, Sir“, lächelte sie schwach. „Wir werden einen sehr schweren Stand haben, denn in Tanaga muß es Leute geben, die mit unseren ewigen Gegnern in Verbindung stehen. Anders ist das Verschwinden des Transporters mitsamt dem Kernphysiker nicht erklärbar.“ Indessen sie durch die aufgleitenden Türen verschwand und draußen von zwei Leuten in Empfang genommen wurde, meinte der Chef ruhig: „Konnat, Sie haben Ihre letzte Aufgabe so hervorragend gelöst, daß ich in Sie die allergrößten Hoffnungen setze. Es war von jeher mein Prinzip gewesen, meine Leute so unauffällig wie möglich in die Reihen der Gegner einzuschleusen, denn nur dort ist eine Lösung möglich. Sie werden deshalb versuchen, mit den Burschen in Verbindung zu kommen, die unser größtes Geheimnis verraten haben. Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, was in der Arktis auf dem Spiel steht.“ Ich nickte schweigend. In meinem Gehirn tauchten unzählige Fragen auf, die alle noch geklärt werden mußten. „Sie werden in San Franzisko als Kapitän zur See eintreffen. Einwandfreie Papiere erhalten Sie in unserer Ausrüstungsabtei10
lung. Sie müssen zehn Jahre älter wirken, weshalb Sie nachher von unseren Spezialisten vorgenommen werden. Ein Kapitän zu See mit nur 32 Jährchen ist in der Navy ein Unding. Man könnte Verdacht schöpfen, Sie werden ab morgen Robert Liming beißen. Ihre Papiere lauten auf diesen Namen. Sie waren bisher ein engerer Mitarbeiter, von General-Admiral Sethler, Chef der UBoot-Waffe im Navy-Departement. Genaue Informationen über Sethler, sein Aussehen, seine Gewohnheiten usw. erhalten Sie noch. Sie hatten Schwierigkeiten mit Ihrer Frau, und Washington wurde Ihnen verleidet. Sie haben Sethler ersucht, Ihnen ein Kommando zu überlassen, was Sie auch erhielten. Der Kommandant von U-2338 ist vor acht Tagen wegen Krankheit abgelöst worden. Sie sind der neue Kommandant, und Sie werden direkt dem Nachschub-Chef unterstehen. Vize-Admiral Songal ist über Ihre Kommandierung bereits informiert, weshalb Sie sich direkt nach Ihrer Ankunft bei ihm zu melden haben. Sie erhalten einen Atom-U-Kreuzer von Typ ‚Aggression D-XI’, Sie wissen aus Ihrer U-Bootschulung, daß Sie damit einen 6000-Tonnen-Kreuzer von ungeheurer Schlagkraft erhalten. Ich setze voraus, daß Sie Ihre gründliche Ausbildung als U-Boot-Kommandant noch nicht vergessen haben.“ Ich nickte und lächelte ein wenig. Der Alte schien zu wissen, daß mich dieses Gebiet hell begeistert hatte. „Sehr schön. Sie können also mehr und wissen mehr als ein durchschnittlicher Kommandant. Sie werden in der Hinsicht keinesfalls auffallen können. Im U-Boot-Hafen Alameda weiß niemand, daß Sie ein Spezialbeamter der GWA sind. Nur General Admiral Sethler mußte zwangsläufig orientiert werden. Ich darf Ihnen jedoch versichern, daß dieser Offizier zu schweigen versteht. Verziehen Sie nicht das Gesicht, Konnat! Ich weiß effektiv, daß Sethler vollkommen einwandfrei ist. Der alte Haudegen hat aufgeatmet, als ich ihn benachrichtigte. Wenn also Rückfragen an ihn kommen sollten, werden Sie in jeder Hinsicht gedeckt 11
sein. Er hat dafür gesorgt, daß Ihre Unterlagen im MarinePersonalbüro ‚erschienen’ sind. Ist das soweit klar?“ Mir waren noch viele Dinge unklar, doch das verschob ich auf später. Ich wußte ohnehin, daß die halbe Nacht vergehen würde, bis ich über jede Einzelheit informiert sein konnte. Reling war in solchen Dingen ausgesprochen gründlich. Die Stunden vergingen, und in meinem Schädel speicherten sich immer mehr Daten, Namen und technische Bezeichnungen auf. General Reling verschwand zweimal aus seinem Arbeitsraum und tauchte in den Sälen unter, in denen unser gigantisches Elektronengehirn aufgebaut war. Jedesmal kehrte er mit neuen Dingen und Informationen zurück. Es war schon vier Uhr, als er endlich schloß: „Konnat, Sie wissen nun, was Sie zu tun haben, und was Sie nicht tun dürfen. Sie werden mit Ihrem U-Kreuzer sofort auslaufen. Es ist dafür gesorgt worden, daß Sie eine ungemein staatswichtige Transportaufgabe erhalten. Sie werden neben kostbaren Geräten auch vier Kohlenstoff-Bomben befördern, die zum Einbau in unsere neuen Fernlenkraketen bestimmt sind. Sie sind also ein ungemein wichtiger Mann, der eine riesige Verantwortung auf seinen Schultern trägt. Sie haben den harten, kaltschnäuzigen, selten lachenden Vorgesetzten zu spielen. Sie gehören zu den Offizieren, die zwar nicht ungerecht sind, die aber von ihren Leuten alles verlangen. So sind Sie geschildert worden. Ist das auch klar?“ Ich nickte stumm, da ich reichlich erschöpft war. „Gut, das wäre es. Sehen Sie zu, daß Sie mit den Schweinereien aufräumen können.“ Ich erhob mich langsam und mußte mich dabei anstrengen, daß mir die Augen nicht zufielen. Auch Reling war ermattet. Unter seinen Augen lagen tiefe Ringe. „Ruhen Sie jetzt einige Stunden. Sie haben Zeit bis zum späten Vormittag. Dann müssen Sie Ihre Ausrüstung empfangen. 12
Wenn Sie mit Ihrem Boot auslaufen, denken Sie daran, daß Sie die gefährlichsten Vernichtungswaffen der Staaten an Bord haben. Den Wissenschaftlern des AS ist die Kohlenstoff-Bombe in dieser Form noch unbekannt. Lassen Sie sich um Himmels willen nicht übers Ohr hauen, denn diesen Burschen traue ich es zu, daß sie ohne vorherige Warnung angreifen, wenn kein Zeuge in der Nähe ist. Immerhin werden Sie durch diesen Transport in Tanaga als sehr bedeutender Mann gelten. Wenn sich unsere unbekannten Gegner mit einem Marineoffizier in Verbindung setzen wollen, dann werden Sie es bei Ihnen versuchen. Die psychologischen Momente des Kapitäns Robert Liming sind Ihnen doch klar?“ Liming, ja, das war ich nun. Vor meiner Besatzung hatte ich den harten, Disziplin verlangenden Vorgesetzten zu spielen, aber außerhalb des Bootes mußte ich so etwas sein, was man einen verschlagenen und recht geldgierigen Burschen nannte. Laut Plan mußte ich meine Frau über alles lieben und mußte auch Besorgnis heucheln, sie könnte sich mit einem anderen Mann vergnügen. Ein Ausweg aus diesem Dilemma, war für Kapitän Robert Liming Geld, viel Geld, da seine Frau große Ansprüche stellt. Okay, das war mir vollkommen klar, und mit dem Bewußtsein folgte ich den beiden Begleitern, die mich zu den luxuriösen Gästeräumen brachten, die jedem GWA-Mann bei einem Aufenthalt im Hauptquartier zustanden. 2. Kapitel Ich trug die sandgelbe Khaki-Uniform mit den dunkelblauen Schulterstücken eines Kapitän zur See. Ich bemühte mich, eine möglichst kaltschnäuzige und unpersönliche Miene aufzusetzen, so wie es mir von meiner Rolle vorgeschrieben wurde. 13
Sonth blieb dicht vor mir stehen und tippte etwas lässig an den Rand seiner Schirmmütze. Ich musterte ihn aus schmalen Augen und sagte laut: „Mr. Sonth, für einen aktiven Offizier der Navy grüßen Sie recht nachlässig. Das habe ich von Reservisten schon besser gesehen.“ „Jawohl, Sir“, quetschte der I. O. hervor. „Aye, Sir, heißt das“, grinste ich boshaft. Er schlug die Augen zum Himmel und murmelte: „Aye, aye, Sir. Sie haben mich rufen lassen?“ „Nein, ich habe Sie auf die Brücke befohlen“, zischte ich anscheinend gereizt. „Mr. Sonth, mir scheint, als hätte mein Vorgänger keinen Wert auf Disziplin gelegt. Das wird sich von nun an ändern, ist das klar! Ich verlange, daß Sie als I. O. den ebenfalls recht nachlässigen Leuten mit gutem Beispiel vorangehen. Bilden Sie sich meinetwegen ein, Sie wären in West-Point.“ Er sah starr in mein Gesicht, daß sich unter den Händen der GWA-Spezialisten etwas verändert hatte. Ich sah um gut 10 Jahre älter aus. Die grauen Haare in meinen Schläfenpartien wirkten sehr gut. Lieutenant-Commander Sonth schien etwas belustigt zu sein. In seinen dunklen Augen funkelte verhaltener Spott, und dann nahm er Haltung an. „Ihre Befehle, Sir?“ schmetterte er heraus. Ich nickte wohlgefällig, und der Oberfähnrich begann zu grinsen. Die Brüder waren anscheinend bereit, ihren neuen Kommandanten unauffällig aber nachhaltig auf den Ann zu nehmen. Innerlich lachte ich, doch nach außen mußte ich eben meine Rolle spielen. „Zwanzig Uhr seeklar. Mr. Sonth!“ „Zwanzig Uhr seeklar. Jawohl, pardon, aye, aye, Sir!“ Der Oberfähnrich hustete, und der I. O. grüßte stramm. Ich 14
tat das ebenfalls und dann sah ich mich um wie ein Mann, der schon einen beachtlichen Erfolg errungen hat. Das konnte ja noch heiter werden! Der ‚Erste’ blieb plötzlich stehen, ehe er sich zögernd umdrehte. Sehr militärisch fragte er, ob er wohl eine Frage stellen dürfe. Ich nickte, und er meinte: „Ich. bitte um Entschuldigung, Sir, aber ist es sicher, daß der angekündigte Passagier auch um 20 Uhr an Bord ist?“ Ich runzelte die Stirnhaut und entgegnete lässig: „Lassen Sie das bitte meine Sorge sein, Mr. Sonth. Der Passagier wird an Bord sein.“ Er zuckte unmerklich mit den Schultern, worüber ich geflissentlich hinwegsah. Zwei Minuten später tauchte der leitende Ingenieur auf. Er hatte ebenfalls zwei mittelbreite und einen schmalen Goldstreifen über den Schulterstücken, stand demnach im Range eines Kapitänleutnants. Er machte seine übliche Meldung und meinte abschließend: „Sir, vielleicht dürfte ich darauf hinweisen, daß die Reaktionsmasse des Pu-Meilers spätestens in Tanaga erneuert werden muß. Der Meiler arbeitet noch einwandfrei, doch unser Aktionsradius beträgt bestenfalls noch 12 000 Meilen.“ „Das würde ich noch lauter herausbrüllen, L. I.“, fauchte ich ihn unterdrückt an, und diesmal war ich wirklich böse. „Wenn Sie schon den Stützpunkt erwähnen müssen, so gebrauchen Sie gefälligst die Tarnbezeichnung. Sie sind wohl irrsinnig geworden?“ „Verzeihung, Sir“, murmelte der ältere Mann. „Ich dachte aber, wir befinden uns hier im U-Boot-Hafen und da …!“ „Es ist gleichgültig, wo wir uns befinden, L. I.“, zischte ich. „Sie haben den Ort nicht namentlich zu erwähnen. Haben Sie Laderaum T-3 ordentlich sichern lassen? Ladung einwandfrei verstaut?“ 15
Er wurde etwas blaß, da er in dem Augenblick an die höllischen Kohlenstoff-Bomben denken mochte, die das Boot bereits vor meiner Ankunft übernommen hatte. Ich war vor drei Stunden bei meinem Inspektionsgang durch den Kreuzer auch im Raum T-3 gewesen, und da hatte ich die schweren Bleiwalzen gesehen, in denen der milliardenfache Atomtod lauerte. Ich verabschiedete den leitenden Ingenieur sehr unfreundlich. Indessen ich noch vom Turm aus die weitläufigen Anlagen des neuen U-Boot-Hafens von Alameda mit den Blicken überflog, flammte direkt vor mir das Bildsprech-Grerät auf. Auf der Sichtfläche erschien der L. I. Er tippte an den Mützenschirm, ehe er sagte: „Frage an Kommandanten – können die beiden DampfstrahlHaupttriebwerke zum Probelauf angelassen werden?“ „Genehmigt“, entgegnete ich kurz. „Wenn Sie mir aber das Boot gegen die Kaimauer drücken, dann soll Sie der Teufel holen. Ende.“ Der L. I. schaltete ab, und ich hörte gleich darauf der schweren Turbopumpen anlaufen. Das bedeutete, daß der PlutoniumMeiler bereits arbeitete und die angesaugten Kaltwassermassen durch den glühenden Wärmeaustauscher geleitet wurden. Weit hinter mir begann das Hafenwasser zu brodeln. Obwohl die beiden Triebwerke nur mit einem winzigen Bruchteil ihrer Schubleistung liefen, begann der schwere Kreuzer zu erzittern. Besorgt schielte ich zu der nahen Betonmauer des Ausrüstungskais hinüber, doch es passierte nichts. Nach fünf Minuten war der Probelauf beendet, und ich erhielt die entsprechende Meldung. Zusammen mit dem normalen Schrauben-Aggregat verfügte der Kreuzer demnach über drei Triebwerke, die ihm zusammen eine Höchstgeschwindigkeit von 62 Seemeilen verliehen. Die Männer der Besatzung befanden sich bereits vollzählig an Bord, und ich begann unruhig zu werden. 16
Für 20 Uhr hatte ich seeklar befohlen, und jetzt war es bereits 19 Uhr. Es wurde allerhöchste Zeit, daß der ‚Passagier’ kam. Was mochte Elis Teeler aufgehalten haben? Seitdem ich in Frisco angekommen war, hatte ich sie noch nicht gesehen, geschweige denn eine Nachricht von der Zentrale bekommen. Eben wollte ich den zur Wache gehörenden Oberfähnrich anrufen, um ihn mit einem Auftrag an Land zu schicken, als zwischen den Verwaltungsgebäuden des Hafens ein schwerer Turbowagen sichtbar wurde. Ich erblickte durch mein Glas sofort den Admiral-Stander am Kotflügel, doch ich sagte nichts. Das zu erkennen, war eine Angelegenheit des Offiziers der Wache. Der junge Fähnrich brüllte auch prompt: „Admiralswagen kommt achteraus auf, Sir. Läuft mit hoher Fahrt an.“ Ich riß verblüfft die Augen auf und mußte ein amüsiertes Lächeln unterdrücken, als ich den aufgeregten Jungen anfuhr: „Mensch, meldet man so die Ankunft eines Landfahrzeuges? Sie sind doch nicht auf hoher See! Machen Sie gefälligst die Vallreepsgäste munter und lassen Sie ordentlich Seite pfeifen, wenn der Admiral an Bord kommt. Hoffentlich ist da vorn bald die Proviantkiste verschwunden. Runter mit dem Plunder. Nehmen Sie Luk drei.“ „Aye, aye, Sir“, brüllte der Junge, und schon flitzte er. Indessen ich erleichtert aufatmete, tauchte der I. O. auf. Etwas nervös zupfte er an seinem vorschriftsmäßig gebundenen Schlips herum. Dann brüllte er die Leute an, die mit der Kiste noch immer nicht verschwunden waren. Er gebrauchte dabei einige sehr seltene Ausdrücke, die mich beinahe zu einem anerkennenden Pfiff verlockt hätten. Der Wagen hielt vor der leichten Plastik-Laufbrücke, die uns mit dem Kai verband. Ich zuckte mit keiner Miene, als Vizeadmiral Songal, Nachschubchef der Sektion Tanaga, aus dem Fond kletterte. Es war ein langaufgeschossener Mann mit einer 17
fürchterlich großen Nase, die ihm den Spitznamen „The Nose“ eingebracht hatte. Galant war er der jungen Dame behilflich, die nach ihm den Wagen verließ. Hinter mir pfiff einer schrill durch die Zähne, und das konnte nur dieser I. O. sein. Ich drehte mich wütend um und bemerkte somit seine glänzenden Augen. „Mensch, wenn Sie noch einmal pfeifen, dann verwende ich Sie als lebende Kampfrakete“, fauchte ich ihn an. „Richten Sie gefälligst Ihre verbogene Figur auf, wenn ein Admiral an Bord kommt.“ Der Zweite Wach-Offizier grinste so breit, daß ich bequem seine Goldkronen sehen konnte. Das war vielleicht eine übermütige Meute! Unten schrillten die Bootsmannspfeifen, und ich kletterte eilig, aber doch nicht zu schnell, die stählernen Sprossen hinunter. Ich kam eben auf dem achteren Laufdeck an, als der Admiral die Verbindungsbrücke betrat. Er grüßte unsere Flagge und grüßte auch den Offizier der Wache, der wie erstarrt neben den Fallreepsgästen stand. Songal wartete, bis Eli nachgekommen war. Dann kam er mit einigen langen Schritten auf mich zu. „Ah, Liming, ich sehe, Sie haben sich schon akklimatisiert. Wie gefällt Ihnen der Kreuzer?“ „Danke, Sir, ganz ausgezeichnet“, schmetterte ich laut, damit es alle hören konnten. In dem Augenblick war ich entschlossen, mir den ersten „Stein“ im Brett der Mannschaft zu besorgen. Es ging nicht an, daß sie mich für einen bissigen Nörgler hielten. Ich sollte laut Plan hart aber nicht ungerecht sein. Der Admiral schüttelte mir die Rechte und fragte dabei: „Sind Sie mit den Leuten zufrieden, Liming? Ich habe gehört, der Haufen an Bord von U-2338 wäre etwas verwildert.“ „Ausgeschlossen, Sir“, sagte ich laut. „Ich habe selten eine so disziplinierte und mustergültige Besatzung angetroffen. Ich kann mich in keiner Weise beklagen.“ 18
Songal schien überrascht zu. sein. Dann begann er versteckt zu schmunzeln. Mir war beinahe, als hätte er mich durchschaut. „So, so … na, das ist ja erfreulich. Übrigens … ah, ja, ich bitte um Entschuldigung …!“ Er fuhr herum, da er sich jetzt erst an Elis zu erinnern schien. Sie trat näher, und er stellte vor. „Das ist Kapitän Liming, Kommandant des Kreuzers. Liming, Dr. Fiskul wird Ihr Passagier und Gast sein, bis Sie im Stützpunkt angekommen sind.“ Ich salutierte und verbeugte mich kurz. Dabei murmelte ich die üblichen Phrasen, und sie sagte ähnliche Dinge. Meine Herren Offiziere standen erstarrt, als wir oben auf der Brücke ankamen. Elis spielte ihre Rolle so meisterhaft, wie man das von einer geschulten GWA-Agentin auch verlangen konnte. Als sie die Sprossen hinaufkletterte, tat sie das nicht zu geschickt, aber auch nicht zu ungeschickt. Ich stellte ihr die Offiziere vor, die mich teilweise aus großen Augen anstarrten. Die Pille mit der ‚mustergültigen Disziplin’ hatte schon gewirkt. Songal wollte mit nach unten, und so betraten wir die schmale Rolltreppe, nachdem wir das vordere Turmluk durchschritten hatten. Wir glitten durch den gesamten Turm hindurch und verließen hinter der Zentrale die Treppe. Mein Steward ließ die stählerne Schiebetür zu der direkt nebenan gelegenen KommandantenKajüte aufgleiten, die für U-Boot-Verhältnisse sehr geräumig war. Der Steward brachte einige Erfrischungen, und dann waren wir allein. Der Admiral wurde plötzlich sehr ernst. In seinen Augen erschien wieder der grübelnde Ausdruck, der mir schon aufgefallen war, als ich mich kurz nach meiner Ankunft bei ihm gemeldet hatte. Er sagte auch unverblümt, was er über mich dachte. 19
„Liming, es kann sein, daß Sie ein eminent tüchtiger U-BootKommandant sind. Das steht jedenfalls in Ihren Papieren. Sie dürfen es mir aber nicht verübeln, wenn ich mißtrauisch bin. Sie haben eine Ladung an Bord, die für unsere Sicherheit mehr als bedeutsam ist. Hoffentlich kommen Sie gut in Tanaga an.“ Ich blickte ihn warnend an, worauf er lächelnd meinte: „Sie können vor Dr. Fiskul ruhig sprechen. Sie gehört zum Planungsstab des Stützpunktes und ist auch über Ihre Ladung informiert.“ Ich verbeugte mich stumm, und sie lächelte höflich. „Ich werde in Tanaga ankommen, Sir. Darauf können Sie sich verlassen“, entgegnete ich ruhig. „Mein Boot ist kriegsmäßig bewaffnet. Falls ich angegriffen werden sollte, werde ich mich meiner Haut wehren, und wenn das nicht mehr möglich sein sollte, dann gehen die C-Bomben hoch.“ Er sah mich starr und etwas blaß an. „Dazu wären Sie fähig?“ flüsterte er fast. Ich sagte nichts, zeigte ihm aber mein starres Gesicht. „Hmm, sieht mir beinahe danach aus.“ „Darf ich mir eine Frage erlauben, Sir?“ Er nickte. „Weshalb bestehen hier Befürchtungen, daß ein Boot der USN angegriffen werden könnte? Ich verstehe das nicht ganz. Wer sollte etwas über mein Ziel erfahren? Wenn ich erst einmal im offenen Pazifik bin, dann kann man wohl lange raten. Außerdem, wer sollte etwas über meine Ladung erfahren haben? Auch das ist mir unbegreiflich.“ Mit den Fragen hatte ich unsere Ermittlungen endgültig aufgenommen. Songal zuckte mit den schmalen Schultern und meinte dazu: „Viele Fragen, Liming, doch ich kann sie nicht einwandfrei beantworten. Überlassen Sie diese Dinge dem Sicherheitsdienst der Navy 20
und den dafür zuständigen Polizeieinheiten. Sie sind Soldat und haben nur dafür zu sorgen, daß Sie sicher in den Bunkern von Tanaga ankommen. Ich kann Ihnen lediglich einen kleinen Tip geben.“ Er sah mich durchdringend an und murmelte leise: „Es sieht so aus, als wäre unser größtes Geheimnis kein Geheimnis mehr. Man scheint auf der anderen Seite etwas über den Ausbau der Insel erfahren zu haben. Halten Sie die Augen auf, und lassen Sie ununterbrochen Ihre Ortungsgeräte spielen, auch wenn Sie mit 50 Seemeilen und in fünfhundert Meter Tiefe nach Norden brausen. Das wäre alles.“ Er erhob sich, nachdem er auf die Uhr geblickt hatte. Zehn Minuten später war der Nachschubchef verschwunden. Als ich oben auf der Brücke ankam, murmelte der I. O, leise. „Danke, Sir. Ich meine die Sache mit der Disziplin.“ Ich knurrte etwas, was er nicht verstehen konnte. Jedenfalls verschwand er, als säße ihm der Teufel im Nacken. Die Männer grinsten, und ich war felsenfest davon überzeugt, daß die Sache schon im ganzen Boot herumgegangen war. Demnach mußten die Leute eingesehen haben, daß der neue Alte doch nicht so übel war, wie es vorher ausgesehen hatte. Indessen der I. O. die Vorbereitungen zum Ablegen traf, glitt ich rasch ins Boot hinunter. Elis hatte die kleine Kabine unseres Funkoffiziers erhalten, und dieser hatte sich bei einem Kameraden einquartieren müssen. Sie begegnete mir auf dem schmalen Gang, und ihre Augen wiesen auf die Schiebetür meiner Kabine. Ich kapierte und forderte sie sehr höflich und sehr reserviert auf, mir für einen Augenblick zu folgen, da ich ihr noch einige Richtlinien zu geben hätte. Als wir allein waren, drückte ich ihr erst einmal die Hand. Sie betrachtete lachend meine grauen Schläfen. „Sehr schön, Sir. Soweit hätten wir es geschafft.“ 21
„Warum sind Sie so spät gekommen?“ fragte ich. „Ich bin schon unruhig geworden.“ Sie wurde plötzlich sehr ernst, Ihr Flüstern wurde noch leiser. „Ich erhielt eine dringende Meldung vom Chef. Die Information wurde von Agent TS-19 persönlich überbracht.“ „Und?“ fragte ich gespannt. „Der verschwundene U-Transporter ist gefunden worden“, raunte sie unruhig. „Hat Ihnen der Chef mitgeteilt, daß der Verdacht bestand, der Transporter könnte im Alëuten-Graben angegriffen worden sein?“ Ich nickte, da ich mich gut an seine Erklärungen erinnerte. Deshalb hatte er mich auch gefragt, ob ich mir unter dem Begriff „Alëuten-Graben“ etwas vorstellen könnte. Mit ihrer Erklärung war ein gänzlich neues Moment aufgetaucht, das mich brennend interessierte. „Es waren dort von einem der Küsten-Wachboote Explosionen und Sinkgeräusche vernommen worden, weshalb man dieses Seegebiet planmäßig absuchte. Es wurden Tiefsee-Boote dazu verwandt, deren Druckkörper aus molekular-verdichtetem Panzerstahl bestehen. Der Transporter ist in der vergangenen Nacht geortet und anschließend gefunden worden. An Bord muß eine schwere Explosion stattgefunden haben, denn das halbe Vorschiff ist weggerissen. Das Boot liegt nur 3800 Meter unter dem Meeresspiegel, da es sich auf einem unterseeischen Plateau gefangen hat, das, von einer Alëuten-Insel ausgehend, weit bis in den Graben hineinragt..“ „Sind die Panzertaucher schon im Boot?“ fragte ich atemlos. „Sie sind dabei. Die Männer sind der Ansicht, daß aus dem Transporter kein Mensch lebend herausgekommen ist. Es ist also möglich, daß Professor Morrows Leiche gefunden wird. Wenn er während der Explosion noch im Boot war, so müßte sie an sich zu finden sein. Mit den neuen Tiefsee-Tauchgeräten kann das ganze Boot abgesucht werden.“ 22
Ich wollte dazu noch etwas sagen, aber hinter mir flammte in dem Augenblick die Bildfläche des Sichtsprech-Gerätes auf. Der I. O. erschien und meldete den Kreuzer klar zum Auslaufen. „Ich muß auf die Brücke“, sagte ich hastig. „Wir unterhalten uns über die Sache, sobald wir die offene See erreicht haben. Gehen Sie besser in Ihre Kabine.“ 3. Kapitel Der Kreuzer hatte bei einer Unterwasserfahrt von 50 Seemeilen genau 51,3 Stunden gebraucht, um die Strecke San Franzisko– Tanaga zu überwinden. Ich stand in der großen, kreisrunden Zentrale, die direkt unter dem Turm eingebaut war, beobachtete die Bildschirme des hochwertigen Unterwasser-Radargerätes, das ununterbrochen das vor uns liegende Seegebiet abtastete. Auf den drei anderen Rundsicht-Bildschirmen erschien der Meeresboden und die seitlich von uns liegenden Wassermassen. Die Nummernskala des Tiefenmessers stand seit Stunden auf der Zahl 500. Diese Tiefe war von den vollautomatischen Kontrollen laufend eingehalten worden. Die technischen Einrichtungen des Kreuzers waren überhaupt zu 90 Prozent automatisiert, weshalb der 6000-Tonnen-Gigant mit einer Besatzung von nur 121 Mann einschließlich Kommandant auskam. Außer Unterwasser-Radar zur Außenbord-Bildaufnahme lief noch das auf der Ultraschallbasis arbeitende Sup-Asdic-Gerät, dessen Tast- und Ortungsergebnisse aber nicht bildlich dargestellt werden konnten. Damit verfügte der Kreuzer über zwei verschiedenartige Ortungsgeräte, die sich in ihren Ergebnissen miteinander ergänzten. Das moderne U-Radar hatte außerdem den Vorteil, daß geortete Körper bildlich sichtbar gemacht werden konnten. Die 23
genauen Echogramme des Asdic-Gerätes waren aber auch verläßlich. Ich konnte durch die vollautomatische Auswertung der Schallwellen an den Instrumenten ablesen, daß der unter uns liegende Meeresboden fast schlagartig nach unten sank. Die Walzenskalen tickten sehr rasch weiter, und das UnterwasserFernbild des Radars begann zu verschwimmen. „Der Alëuten-Graben, Sir“, murmelte der Erste Radaroffizier des Bootes. „Da muß vor unbekannten Zeiträumen ein gewaltiger Einbruch des Meeresbodens stattgefunden haben.“ Ich nickte kurz und mußte wieder an den U-Transporter denken, der nach den Mitteilungen meiner Kollegin in 3800 Meter Tiefe auf Grund liegen sollte. Ich wollte ihn gerade etwas fragen, als er gepreßt meldete: „Ortung, Sir. Fremdkörper etwa 400 Meter unter uns. Liegt noch etwas zurück, kommt aber rasch auf.“ Ich fuhr herum, als hätte mich eine giftige Viper gebissen. Mit zwei Sprüngen war ich vor dem kreisrunden Bildschirm, auf dem die verschwommenen Umrisse des tief unter uns liegenden Meeresbodens zu sehen waren. Doch da war noch etwas zu bemerken, was vor Augenblicken noch nicht sichtbar gewesen war. Es war ein langgestreckter, grünleuchtender Fleck, der sich sehr rasch über den Rand der Bildfläche bewegte. Aus der Gradeinteilung ging hervor, daß dieser Fleck, der nur von einem großen und langgestreckten Körper herrühren konnte, genau in unserem Kielwasser folgte. Der Radaroffizier schaltete schon, und unser spezieller Objekttaster begann zusätzlich zu arbeiten. „Schalten Sie auf Bild“, keuchte ich nervös. Ich fühlte nicht, daß ich mit beiden Fäusten die Sitzlehne des vor mir angebrachten Drehsessels umklammerte. Eine andere, ebenfalls kreisrunde Bildfläche flammte auf. Sie gehörte zu dem Objekttaster. 24
Der tief unter uns aufkommende Körper wurde in seinen Umrissen sichtbar, und es dauerte einige Augenblicke, bis das Bild schärfer wurde. Der Radarmann drehte zart an den Mikrometerschrauben der Feineinstellung, und da war es plötzlich, als schösse der Körper auf uns zu. „Vergrößerungsstufe fünf, Sir. Wahre Entfernung 832. Boot liegt auf Kurs 326 Grad.“ Das war genau unser Kurs. Ich hörte, daß die diensthabenden Männer der Zentrale erregt atmeten, und ich fühlte auch ihre Blicke. Ich stand über dem Bildschirm und starrte auf das naturgetreue Abbild des Bootes, das mit einer unheimlichen Fahrt von achtern aufkam. Der Radarmann maß bereits. Ich hörte die elektronische Rechenmaschine summen. „Fahrt des fremden Bootes genau 68,3 Seemeilen“, meldete er so ruhig, als säße er nicht in der Zentrale eines kampfstarken U-Kreuzers, sondern in der Halle eines gepflegten Hotels. „Können Sie nicht noch stärker vergrößern?“ „Nein, Sir. Fünffach ist die Grenze.“ „Dann versuchen Sie, ob Sie das Bild noch etwas schärfer bekommen. Ich will, daß man den Typ erkennen kann.“ Er schaffte es tatsächlich. Der dunkle Körper zeichnete sich plötzlich noch schärfer ab. „Kenne ich nicht, Sir“, flüsterte der Radarmann, und das glaubte ich ihm gern. Er konnte diesen Bootstyp ja auch nicht erkennen, da er wahrscheinlich niemals in einem chinesischen U-Boot-Hafen herumgeschnüffelt hatte. Ich aber erkannte sehr rasch, mit wem wir es da zu tun hatten. Die plumpe Torpedoform des etwa 140 Meter langen Bootes war mir sehr gut bekannt, da ich gerade in dieser Richtung 25
in Asien gearbeitet hatte. Ich wußte, daß ich es mit einem der modernsten und schnellsten U-Kreuzer des AS zu tun hatte. Ich fuhr wieder einmal herum, und meine Hand krachte auf den roten Schalter. Indessen die anwesenden Männer der Wache zu schwitzen begannen, schrillten im Boot die Alarmklingeln auf. Die Klingeln schrillten noch, als bereits der I. O. in die Zentrale gestürzt kam. Schreckensbleich sah er mich an, und ich ahnte, daß er in dem Augenblick an die vier C-Bomben dachte, die wir an Bord hatten. „Klar Schiff, Mr. Sonth. Ich will die Leute in einer Minute auf Gefechtsstationen sehen.“ Er reagierte sofort und stürzte an die Mikrophone der Rundrufanlage. Ich drückte den Schalter nieder, und vor mir flammten etliche kleine Bildflächen auf. „Maschine“, sagte ich laut in das Mikrophon, „dreimal äußerste Kraft, Fahrtsteigerung auf wenigstens 62 Meilen.“ Der diensthabende Ingenieur bestätigte, und ich sah auf der Bildfläche, wie seine Hände arbeiteten. In das dumpfe Rauschen und Brummen der schweren Dampfstrahltriebwerke mischte sich das orgelnde Aufheulen der Quecksilber-Dampfturbinen. Der Plutonium-Meiler hatte nun für alle drei Triebwerkseinheiten die thermische Aufheizungsenergie zu liefern, was bei den enorm hohen Arbeitstemperaturen innerhalb von Sekunden geschah. Die Turbinen heulten noch schriller auf. In dem Augenblick wurde die Schraube eingekuppelt, die normalerweise nur als Zusatztriebwerk diente. Sie wurde sonst nur bei Aus- und Einlaufmanövern verwandt. „Turbinen laufen Umdrehungen für 13 Meilen“, meldet die Maschine. „Schubleistung der DS-Triebwerke für 50 Meilen.“ Die Meldung war sehr rasch gekommen. Demnach hatten sie 26
die Maschinen auf Leistung ‚gekitzelt’ und U-2338 schoß plötzlich mit 63 Meilen durch die See. „Fremdes Boot kommt auf“, meldete der schwitzende Radarmann. „Aufkommgeschwindigkeit 5,3 Meilen.“ Das gab mir die allerletzte Bestätigung, da ich genau wußte, daß die nagelneuen, kleinen Kreuzer des AS, etwas über 68 Seemeilen laufen konnten. „Was hat der nur vor“, schrie der ‚Erste’ förmlich. „Gleich ist er genau unter uns.“ Darauf hatte ich nur gewartet, da wir auf dem Bildschirm das fremde Boot nun genau von oben betrachten konnten. Ich fühlte, daß sich meine Lippen zu einem bissigen Grinsen verzogen. Wieder drückte ich einen Schalter nieder, and der L. I. erschien auf dem Kontrollschirm. „L. I. klarmachen zum Manöver. Ich wünsche, daß Sie blitzartig reagieren.“ In unserem Ortungstaster tickte es laut, und schon rief der Zentralmaat zu mir herüber: „Wir werden angepeilt, Sir. Ultrakurze Impulse, Lautstärke 13.“ Er war kaum verstummt, als der Radaroffizier erstaunlich ruhig rief: „Fremdes Boot steigt. Hat Fahrstufe der unseren angeglichen.“ Auf der Bildfläche konnte man das noch nicht bemerken, da sich der Bug des kleinen Kreuzers nur unmerklich aufgerichtet hatte. Es waren auch keine entweichenden Luftblasen zu bemerken, so daß der stählerne Fisch dynamisch auftauchte. Das geschah in dem Fall nur mit Hilfe der vorderen und achteren Tiefenruder. „Boot steigt mit drei Meter pro Sekunde“, meldete der Radaroffizier, und das langte mir endgültig. Wenn die Burschen nicht etwas vorhatten, dann wollte ich nicht in der Zentrale von U-2338 stehen. 27
„I. O., sehen Sie genau auf den Schirm. Können Sie auf dem Boot irgendwelche Nationalitätskennzeichen erkennen?“ Der I. O. sagte knapp ‚nein’, und ich begann kalt zu lachen. „Sliter, lassen Sie die automatische Filmkamera anlaufen. Tempo.“ Der Radaroffizier schaltete, und schon surrte die Kamera. Sie hielt das Bild fest, was auf der Spezialbildfläche erschien. „Meine Herren, ich stelle fest, daß wir es hier mit einem Piraten-U-Boot zu tun haben“, sagte ich eisig. „Einwendungen?“ Sie starrten mich schweigend an, und ich konnte bemerken, daß sie sehr blaß wurden. „Also keine Einwendungen. Sie werden später zu bezeugen haben, daß das unbekannte Boot keine Nationalitätsfarben, noch nicht einmal eine Nummer trug. Das wäre alles.“ Ich drückte einen anderen Schalter nieder und sagte ins Mikrophon: „Achtung, Hecktorpedoraum. Klarmachen zum Unterwasserschuß, Viererfächer vorbereiten. Raketen-Strahltorpedos mit Plutonium-Sprengköpfen verwenden. Robot-Zielgeräte in Torpedoköpfen anlaufen lassen. Ausführung.“ Der achtere Torpedooffizier bestätigte mit gepreßter Stimme, und hinter mir keuchte der I. O.: „Sir, um Himmels willen, das können Sie doch nicht!“ „Ich habe Sie nicht um Ihre Meinung gefragt, Mr. Sonth“, fuhr ich ihn hart an. „L. I., dynamisch auftauchen. Steigwinkel 30 Grad. Auf Antennentiefe gehen, klarmachen zum Auffahren der Richtstrahlantenne. Ausführung.“ Die Befehle brüllten aus allen Lautsprechern der Rundrufanlage, und schon im nächsten Augenblick schoß der wuchtige UKreuzer so ruckartig nach oben, daß sich die Leute krampfhaft festhalten mußten. Unsere Maschinen tobten nach wie vor mit höchster Kraft28
entfaltung, und so schossen wir förmlich auf die noch ferne Wasseroberfläche zu. „Sliter, kommt das fremde Boot mit?“ Der Radaroffizier zögerte eine Sekunde. Hinter ihm summte die elektronische Rechenmaschine. Er hatte anscheinend verneinen wollen, doch plötzlich rief er erregt aus: „Boot folgt, Sir.“ Das langte endgültig. Ich war mir zwar noch immer nicht darüber klar, was die Manöver zu bedeuten hatten, aber ich traute dem Frieden nicht mehr. Wir waren nur noch knapp 50 Meter unterhalb der Wasseroberfläche. Unter uns kam der schwarze Stahlrumpf mit steil nach oben gerichtetem Bug angeschossen. Unser L. I. brachte den Kreuzer wieder in waagerechte Lage, und schon klang seine Stimme auf: „L. I. an Kommandanten. Boot befindet sich auf Antennentiefe. Frage: Soll Richtstrahler ausgefahren werden?“ Ich zögerte einige Augenblicke, und da hörte ich plötzlich die pochenden Schläge, die durch den ganzen Rumpf liefen. „Was ist das?“ flüsterte der ‚Erste’. „Das ist aber keine AsdicOrtung. Das klingt anders.“ In mir brach etwas auf. Es war das seltsame Gefühl, die dringende Warnung, die mich immer wieder überkam, wenn irgend etwas faul war. Ich zögerte keine Sekunde mehr. „Heck-Torpedoraum, Achtung!“ brüllte ich gehetzt in die Mikrophone. „Rohr eins klar zum Schuß.“ „Rohr eins klar“, kam es zurück. „Fernsteuergerät zur Zielkurs-Einweisung läuft. Robotsteuerung in Torpedokopf läuft.“ „Rohr eins, los!“ Weit hinten, im achteren Torpedoraum zischte es kurz auf. Zusammen mit einem quirlenden Preßluftstrom schoß der zehn Meter lange Torpedo aus dem Ausstoßrohr. 29
Der Torpedo war mit einem Feststoff-Raketentriebwerk ausgerüstet, das natürlich auch unter Wasser arbeitete, da der zur Verbrennung notwendige Sauerstoff im Treibsatz enthalten war. Diese Torpedos erreichten eine Geschwindigkeit von 122 Meilen und liefen vier Meilen weit. Fehlschüsse waren so gut wie unmöglich, da die vollautomatischen Robot-Zielgehirne jahrelang erprobt und ausgefeilt worden waren. Der Aal verschwand, und unser Kreuzer jagte weiter. Das seltsame Pochen hatte sich zu einem kreischenden Geräusch verstärkt, das den ganzen Bootskörper erzittern ließ.. Wir hielten uns krampfhaft an den Halteschlingen fest, die überall im Boot angebracht waren. Die Sichtgläser der Instrumente führten einen seltsamen Tanz auf. In diesem Augenblick brüllte das Organ des Leitenden Ingenieurs aus allen Lautsprechern: „Sir“, schrie er, „wir werden offenbar mit einem UltraschallStrahler angegriffen. Ich kenne das bohrende Heulen aus den letzten Manövern, da wir ebenfalls Versuche mit einem Unterwasser-Schallstrahler machten. Wenn der Torpedo nicht sitzt, dann …!“ Die Worte verstummten plötzlich, und im nächsten Sekundenbruchteil wurde ich mit größter Wucht auf den Plastikboden der Zentrale geschleudert,. Der I. O. fiel schwer auf meine Beine. Dicht vor mir schrie jemand in gellenden Lauten. Der wuchtige U-Kreuzer war von der verlierenden Druckwelle erfaßt worden, die der Atomsprengkopf des Torpedos soeben erzeugt hatte. Das Licht begann zu flackern, doch die Bildfläche des Objekttasters arbeitete einwandfrei. Ich sah den grellweißen Glutball, der tief unter uns in der nachtschwarzen See aufglutete. Ich bemerkte auch die blutrot leuchtenden Wasserdampfmassen, die infolge der hohen, thermischen Wirkungsgrade der Kernspaltung erzeugt worden waren. 30
Die Explosion fand in einer Wassertiefe von 340 Metern statt. Das war das Ende des fremden Bootes. Ich konnte deutlich bemerken, daß unser Torpedo dicht über dem Buckelturm detoniert war, doch das war auch alles, was ich mit den Blicken noch erhaschen konnte. Der stählerne Fisch verwandelte sich schlagartig in ein zerberstendes Gebilde, das von den unheimlichen Kräften förmlich atomisiert wurde. Im nächsten Augenblick dröhnte unser Kreuzer auf, als wollte er sich ebenfalls in seine Bestandteile auflösen. Es donnerte und krachte derart mörderisch, daß mir der Schädel schmerzte. In dem kurz aufzuwenden Licht bemerkte ich den weit aufgerissenen Mund des I. O. Er schrie sicherlich, doch ich konnte keinen Ton hören. Dann erfaßte uns endgültig die Druckwelle, die sich gewaltsam nach oben durchgearbeitet hatte. Wir konnten uns nur noch am Rand der entfesselten Gewalten befinden, und doch wurde unser 6000-Tonnen-Kreuzer mit unheimlicher Wucht nach oben gerissen. Wir schossen meterhoch aus den brodelnden und verdampfenden Wassermassen heraus, fielen schwer in die Fluten zurück und wurden nochmals hochgerissen. Es war ein Wunder, daß der Druckkörper diesen Kräften trotzen konnte. Ich hörte das schrille Heulen unserer Triebwerke, als sie sekundenlang im Leerlauf rasten. Dann tauchten wir wieder ein, und da wurde es plötzlich ruhiger. Das Boot rollte noch wie ein verwundeter Riesenfisch, doch wir waren endgültig aus dem Randgebiet der Druckwelle heraus. Weit hinter uns stieg es aus der brodelnden See auf. Gischtend, brühheiß und verdampfend schoß es in den wolkenverhangenen Himmel! Als die aufgewühlten Wassermassen wieder zurückfielen, waren wir schon weit entfernt. Stöhnend richtete ich mich vom Boden auf. Unbewußt fuhr 31
ich mit dem Handrücken über mein blutverschmiertes Gesicht. Neben mir taumelte der ‚Erste’ auf die Beine. Sein Gesicht war verzerrt und leichenblaß. Ich achtete nicht auf die erregten Rufe, die überall aufklangen, sondern stürzte an die Mikrophone. „L. I.“, schrie ich hinein, „ist das Boot noch klar? Maschine, sofort Meldung abgeben.“ „Wassereinbruch im achteren Torpedoraum“, gab der ChefIngenieur durch. „Lecksicherungskommando unterwegs. Trimmzellen 8, 13 und 14 anscheinend leckgeschlagen. Das achtere Steuerbord-Tiefenruder klemmt.“ „Trimmen Sie den Hering aus“, rief ich schon ruhiger zurück. „Maschine … wie sieht es bei Ihnen aus?“ „Keine Schäden, Sir“, gab der diensthabende Ingenieur, durch. „Geringfügiger Wassereinbruch kann abgedichtet werden, Fahrt kann gehalten werden.“ „Gehen Sie auf Marschfahrt 50 Meilen. L. I. auf 40 Meter Marschtiefe gehen lassen. Lassen Sie den Kahn ja nicht absacken.“ Die Meldungen aus den anderen Abteilungen kamen sehr rasch. Die Leute waren total verstört, doch sie reagierten einwandfrei. Aus den Meldungen ergab sich, daß die Schäden nur achtern aufgetreten waren, da sich die Druckwelle dort am stärksten ausgewirkt hatte. Ich setzte mich langsam auf den Drehsessel des Kommandanten und blickte die Männer an. Einige von ihnen grinsten schon wieder, und der I. O. murmelte stockend: „Das … das war aber verflucht nahe, Sir! Der Sprengstoff hatte immerhin eine Energieentwicklung von 600 Tonnen TNT. Wenn wir nicht im ‚weichen’ Wasser dicht unter der Oberfläche gewesen wären, hatte es uns zerrissen.“ Ich lachte knurrig, ehe ich entgegnete: „Was denken Sie wohl, weshalb ich vor dem Schuß aufgetaucht bin? Unsere hohe Fahrtstufe hat uns noch rechtzeitig aus 32
dem Hexenkessel herausgebracht. Hängen Sie sich nun den Geigerzähler um den Hals, und gehen Sie mit dem Ortungstrupp das Boot ab. Falls der Druckkörper irgendwo radioaktiv geworden ist, sofort Meldung.“ Er salutierte schweigend und verschwand. Als er gerade die Schiebetür schließen wollte, tauchte Elis Teefer auf. Ich sah ihr leichenblasses Gesicht und bemerkte auch die blutunterlaufene Beule an ihrer Stirn. Fragend sah sie mich an. Ich mußte sie wieder einmal bewundern. Da gab es keine hysterischen Rufe, sondern nur eine stumme Frage. „Hallo, Doktor, habe ich Sie gestört?“ Sie lächelte schwach und meinte: „Ich nehme an, daß wir uns dicht am Zentrum einer Unterwasser-Detonation befunden haben.“ „Genau ausgedrückt“, knurrte ich. „Da gab es jemanden, der sich einbildete, er könnte uns ungestraft mit einem UltraschallStrahler angreifen. Wahrscheinlich hoffte der fremde Kommandant, wir würden lange genug zögern, was wir aber nicht getan haben. Sliter, Ihre Kamera hat doch hoffentlich einwandfrei funktioniert?“ „Darauf können Sie sich verlassen, Sir“, brummte der Radaroffizier, der eben dabei war, den belichteten Film aus der Automatkamera zu nehmen. 4. Kapitel Wir wurden von zwei kleinen Booten der Küstenwache erwartet. Es handelte sich um schwerbewaffnete Tiefsee-Boote, deren schwarze Spindelkörper direkt vor der Einfahrt lagen. Deutlich erschienen sie auf den Bildflächen unserer RadarBreitstrahltaster. Im Empfänger des Unterwasser-Sprechfunkgerätes begann es zu knacken. 33
„CC-215 Commander Furles an U-2338, bitte melden.“ Ich ergriff das Mikrophon und meldete mich. Unser Richtstrahler war genau auf das anrufende Boot eingepeilt. „Verstanden, Sir“, gab der Commander des Wachbootes zurück. „Anfrage im Auftrag von Admiral Porter: Sind Sie voll manövrierfähig? Können Sie ohne fremde Hilfe in die Schleuse einlaufen?“ „Ich bin voll manövrierfähig“, gab ich zurück. „Danke, Sir. Achten Sie auf die Echosender, die auf dem Grund der Einfahrt aufgestellt sind. Sie werden eingeschaltet, sobald Sie die Sperrgebiet-Markierung überfahren. Hauptschleuse II ist für Sie geflutet worden. Wir bleiben hinter Ihnen. Ende!“ Auch ich schaltete ab, und dann achtete ich auf den vorderen Bildschirm, der einwandfrei verriet, daß wir uns den unterseeischen Schluchten und Felsen der Alëuten-Insel Tanaga näherten. „Genau auf 92 Meter gehen“, gab ich an den L. I. durch. „Auf Leuchtboje achten.“ Unsere beiden Haupttriebwerke waren längst abgeschaltet. Mit nur drei Seemeilen Fahrt krochen wir auf die klaffende Schlucht zu, die von zwei schwarzen Basaltwänden gebildet wurde. Das war die Einfahrt zu Hauptschleuse II. Dicht vor uns zuckte das rote Licht der fest angebrachten Grundboje auf. Als wir darüber hinwegglitten, begannen die automatischen Peilsender auf der Ultraschall-Basis zu arbeiten. So kamen wir sicher voran. Immer tiefer ging es in die unterseeische Schlucht hinein, bis wir direkt vor steil aufragenden Felswänden standen. Ich war zum erstenmal hier und staunte ehrlich. Die Männer, die dieses Wunderwerk geschaffen hatten, mußten unter härtesten Bedingungen gearbeitet haben. Ich hatte gar nichts mehr zu tun, da die Einweisung des Kreuzers vollautomatisch vorgenommen wurde. 34
Ich hörte, daß die Maschine für Augenblicke verstummte. Dann öffnete sich dicht vor dem Boot die stählerne Wand, die so geschickt den übrigen Felsmassen angepaßt war, daß ich sie jetzt erst erkennen konnte. Als die Tore geöffnet waren, nahm der Kreuzer wieder Fahrt auf. Sehr langsam schob sich unser Bug in die gewaltige Öffnung hinein. In der Schleusenhalle flammte das Licht auf. Es brach sich in dem dunklen Wasser, mit dem die Schleuse vollkommen gefüllt war. Sie war hundertprozentig geflutet worden. Das halbe Vorschiff war hindurch. An dem kurzen Rucken und Zittern merkte ich, daß die magnetischen Greifer das Vorschiff erfaßt hatten. Unsere Maschine verstummte endgültig, da wir nun automatisch in die unterseeische Halle hineingezogen wurden. Atemlos beobachtete ich die verschiedenartigen Manöver, bis wir plötzlich still lagen. Unter mir polterte und rumpelte es, als der gesamte Bootskörper auf die Magnetschienen gezogen wurde. Vor mir flammte das rote Licht auf, und ich drückte den Schalter nach unten. „Schleusenzentrale“, klang es auf. „Boot ist magnetisch verankert. Wir lenzen die Schleuse.“ Das Wasser umquirlte schaumig den Bootskörper, doch es dauerte gar nicht lange, bis der Wasserspiegel rapide sank. Sie mußten unheimliche Pumpen haben, denn nach knapp fünf Minuten tauchte bereits unser Turm aus dem Wässer auf. Ich gab einige kurze Befehle und betrat die Rolltreppe, die mich nach oben brachte. Leise zischend glitt das vordere Turmluk auf, und ich schwang mich hinaus. Der I. O. folgte, und so standen wir plötzlich in der hellerleuchteten Riesenhalle, in der der Wasserspiegel sehr rasch sank. Ich konnte das dumpfe Heulen schwerer Turbopumpen hören, und als das Geräusch verstummte, war der Kreuzer praktisch aufgetaucht. Ganz hatten 35
sie die Halle nicht leergepumpt, da das auch gar nicht erforderlich war. Es genügte vollständig, wenn der Turm und die Landeluken frei waren. Ich sah zu dem Teil der sauber ausbetonierten Halle hinüber, wo sich soeben ein halbrundes Panzerschott öffnete. Die breiten Fahrbahnen auf beiden Seiten der Halle waren frei vom Wasser, weshalb der kleine Wagen bequem hineinfahren konnte. Es war ein offener Militärwagen, vergleichbar mit einem alten Jeep. Ich erkannte einige uniformierte Männer, die auf den Ärmeln ihrer dunkelblauen Uniformjacken die weißen Armbinden des Marine-Sicherheitsdienstes trugen. Mit kreischenden Bremsen hielt der Wagen vor der langen Auslegerbrücke, die augenblicklich noch eingefahren war. Als die Leute ausstiegen, begann es leise zu summen. Die Brücke aus einem leichten, aber sehr stabilen Plastikmaterial senkte sich herab. Es dauerte nur Augenblicke, bis sie sachte auf der vorderen Laufbrücke aufschlug. Sie schob sich noch etwas auseinander, bis sie fest und sicher auflag. „Das ist Tanaga, Sir“, sagte der I. O. beinahe ehrfurchtsvoll. Und in diesem Augenblick konnte ich ihn gut verstehen. Als ich dann aber den Mann sah, der da mit seltsam hüpfenden Schritten über die Laufbrücke kam, mußte ich mich ganz gewaltig zusammennehmen. Der Bursche hatte sich weiß Gott nicht verändert! * Hinter mir hüstelte jemand, und ich erkannte aus den Augenwinkeln, daß Elis Teefer nach oben gekommen war. Vor dem Turm öffneten sich die Luken. Die Leute kamen heraus. Sie sahen sich nicht besonders verwundert um, da sie schon oft in Tanaga gewesen waren. Ich achtete kaum auf sie, da ich meine ganze Aufmerksam36
keit auf den Zwerg richtete, der da über die Verbindungsbrücke gehüpft kam. Die Leute, die sich unten vor dem Turm zu schaffen machten, begannen unverhohlen zu grinsen, was ich ihnen gar nicht verübeln konnte. Agent MA-23 war schließlich erst seit sieben Tagen in Tanaga, und so konnten sie ihn vorher nicht gesehen haben. Ich schielte zu den Männern des Navy-Sicherheitsdienstes hinüber, die hinter ihrem Korvettenkapitän herschritten. Tatsächlich, der liebe Hannibal hatte drei mittelbreite Goldstreifen an den Ärmeln, und das verschlug mir bald die Sprache. Wenn das mal gut ging! Wie war der Alte nur auf den Gedanken gekommen, ausgerechnet Hannibal als Korvettenkapitän in den Sicherheitsdienst von Tanaga einzuschleusen. Den nahm doch niemand ernst! Seine Männer grinsten, und meine Leute husteten erstickt. Utan machte seinem Namen alle Ehre, als er wie ein Affe die stählernen Sprossen zum Turm hinaufflitzte. Unten lachte einer. Ich warf ihm einen drohenden Blick zu. Hannibal tänzelte auf mich zu, und sein Runzelgesicht schien eitel Freude zu sein. Die Armeepistole an seiner Hüfte sah sehr schön aus, doch mußte man sich unwillkürlich fragen, ob der Kleine mit seinen Kinderhänden auch fähig war, die schwere Waffe zu bedienen. Dicht vor mir riß er seine verbogene Figur zusammen, salutierte, und dann klang seine Stimme auf, die im Sinne des Wortes überwältigend war. Hannibal röhrte so, daß man es bequem in der ganzen Halle hören konnte. „Korvettenkapitän Ridgeman, Sir“, bellte er. „Zweiter Sicherheitschef Tanagas, Sektion Schleusenkammern. Willkommen, Sir.“ Ich legte die Hand an die Mütze und sagte gefaßt: 37
„Captain Liming. Freut mich, Sie kennenzulernen, Ridgeman.“ „Ganz meinerseits, ganz meinerseits. Sir“, bellte Hannibal begeistert. „Ist Ihr Boot tatsächlich noch voll manövrierfähig?“ „Wie Sie sehen, bin ich ohne fremde Hilfe eingelaufen.“ „Ausgezeichnet. Admiral Porter möchte Sie sofort sehen. Ihre rasche Abwehr hat allerhand Staub aufgewirbelt. Dürfte ich Ihre Transportpapiere sehen?“ Seine unheimlich breiten Lippen grinsten, aber seine Augen blickten sehr ernst. In dem Augenblick erkannte ich wieder einmal, wie sehr man sich in Utan täuschen konnte. Seine äußere Erscheinung, sein ganzes Gebaren, der bewußt einfältige Ausdruck seines Gesichtes … alles war nur Maske. Sogar eine ganz vorzügliche Maske, wie ich zugeben mußte. Ich bat ihn höflich nach unten, und er forderte Elis auf, ebenfalls zu folgen, da er auch ihre Papiere zu überprüfen hätte. Ich gab dem I. O. einige kurze Anweisungen und glitt dann die Rolltreppe hinunter. Sehr sorgfältig verschloß ich die Schiebetür, und als ich mich umwandte, war Hannibal sehr ernst geworden. Sein faltiges Gesicht hatte sich verhärtet. Der ganze Kerl wirkte plötzlich gar nicht mehr lächerlich. Seine wäßrigen Augen hatten sich ebenfalls verändert, und so meinte er gedämpft: „Sehr schön, Langer, daß du endlich hier bist. Hast du schon einmal den Begriff ‚Kommandosache HC-9’ gehört?“ Ich blickte ihn stirnrunzelnd an und wunderte mich über die Frage. HC-9 war meine Codenummer, und mein Auftrag lief unter der Tarnbezeichnung Kommandosache HC-9. „Was soll das, Kleiner? Machst du einen deiner seltsamen Scherze?“ „Mir ist nicht danach zumute“, entgegnete er mit dem schwachen Anflug eines Lächelns. „Ich habe nur danach gefragt, damit du dich rechtzeitig daran erinnerst, daß du nicht 38
nach Tanaga gekommen bist, um mit der Tür ins Haus zu fallen.“ „Das betrifft wohl die U-Boot-Sache, nicht wahr?“ „Natürlich. Kein Mensch macht dir einen Vorwurf, daß du den Kahn abgeschossen hast. Es war überhaupt die einzige Lösung, denn wir haben inzwischen festgestellt, daß der verschwundene Transporter ebenfalls durch den Beschuß aus einer sehr starken Ultra-Schall-Kanone angegriffen worden ist. Die Unterwasseraufnahmen kannst du dir später ansehen. Daraus geht hervor, daß das Schicksal deines Kreuzers an einem Fädchen gehangen hat. Du hast noch rechtzeitig geschaltet.“ „Schon, daß man das einsieht“, sagte ich ärgerlich. „Ich hatte schließlich vier C-Bomben an Bord.“ „Sicher, hattest du. Trotzdem bist du mit der Tür ins Haus gefallen, denn die andere Seite wird einen Kommandanten, der derart hart und schnell schaltet, vielleicht nicht für geeignet halten. Es ist doch wohl deine Hauptaufgabe, dich mit den Burschen in Verbindung zu setzen!“ Ich lachte ihn dünn an. „Kein Grund zur Besorgnis. Die Leute werden sich fragen müssen, ob ich nun aus purer und ehrlicher Vaterlandstreue gehandelt habe oder auf Grand einer anderen Überlegung. Ich war verantwortlich für die Ladung, also mußte ich unter allen Umständen handeln. Damit ist noch lange nicht gesagt, daß ich ein unbedingt verläßlicher Offizier bin. Meine Erfahrungen mit den führenden Köpfen des AS-Geheimdienstes gehen dahin, daß man solche Punkte genau beachtet und testet. Das ist ein psychologisches Rechenexempel, sonst nichts.“ Er blickt mich etwas zweifelnd an, und ich setzte ruhig hinzu: „Laß das meine Angelegenheit sein, Kleiner. Ich werde schon dafür sorgen, daß man mich nicht für so unbedingt verläßlich hält, wie es augenblicklich noch den Anschein hat. Wie 39
weit bist du mit deinen Nachforschungen? Vor allem … was macht dein Sender?“ „Aufgebaut und sicher untergebracht. Bisher konnte ich noch keine direkte Verbindung aufnehmen, da mir der Richtstrahler fehlte. Habt ihr ihn mitgebracht?“ „Dafür bin ich schließlich ins Hauptquartier gefahren“, warf Elis ruhig ein. „Die Antenne ist in meinem Gepäck, getarnt als persönlicher Bedarf. Sorgen Sie dafür, daß der Schrankkoffer gut an Land kommt.“ „Wird erledigt. An der Quelle sitzt der Knabe“, lachte er leise. „Wie ist es mit der Verbindungsmaschine? Mit den SupUltrakurzwellen komme ich nur dann bis nach Washington durch, wenn wir eine Relaisstation dazwischenschalten.“ „Der Atombomber wird in diesen Minuten starten“, entgegnete Elis. „Die Maschine wird so lange über Tanaga kreisen und als Relaisstation dienen, bis die Sache erledigt ist.“ „Ist die Besatzung zuverlässig?“ „Garantiert. Agent TS-19 ist persönlich an Bord. Wenn die Maschine nach 24 Stunden durch einen anderen Ato-Bomber abgelöst wird, wird sich ein anderer Agent als Kommandant in der Maschine befinden. Die Direktverbindung ist damit gesichert.“ Hannibal nickte zufrieden, doch ich hatte meine Bedenken. „Paß nur auf, daß der Spezialsender nicht durch einen dummen Zufall entdeckt wird“, murmelte ich unruhig. „In dem Fall hättest du deine GWA-Marke zu zeigen, und das wäre gleichbedeutend mit einer Vereitlung des ganzen Unternehmens.“ „Er wird nicht entdeckt werden, und eine Abhörgefahr besteht nicht. Ich kann unbesorgt funken, da es in ganz Tanaga kein einziges Gerät gibt, mit dem man die Sup-Ultra-Welle abhören kann. Sie ist immer noch ein sorgfältig gehütetes Geheimnis der GWA. Die Funkabwehr läuft zwar auf Hochtouren, aber das kann uns nichts schaden. Habt ihr eure Kleinsender, 40
damit wir zu jeder Zeit miteinander in Verbindung treten können?“ Ich nickte stumm, und Elis bejahte ebenfalls. Hannibal wollte einige Erklärungen abgeben, doch ich unterbrach. ihn mit einer Handbewegung. „Keine Zeit dafür. Wir werden uns später sehen. Suche mich in meinem Quartier auf und erstatte Bericht. Wir dürfen uns hier nicht zu lange aufhalten.“ „Okay“, meinte er. „Wie steht es mit deinen Leuten? Zuverlässig?“ Ich zuckte mit den Schultern, da ich trotz schärfster Aufmerksamkeit nichts hatte bemerken können. „Die Gauner sitzen in unserem Stützpunkt, aber es muß auch Verbindungsleute in Washington oder in Frisco geben“, raunte er. „Von dem Transport der vier C-Bomben war hier nichts bekannt, das weiß ich bestimmt. Noch nicht einmal Porter war darüber informiert. Demnach muß in den Staaten jemand sitzen, der über den Transport orientiert war und die Nachricht brühwarm weitergegeben hat. Was hältst du von Vize-Admiral Songal?“ „Undurchsichtig, aber zweifellos ein tüchtiger Offizier. Der Alte ist eben dabei, ihn und seinen näheren Stab unter die Lupe zu nehmen. Vielleicht finden die Jungen etwas. Im NavyDepartement sitzt Chefadmiral Sethler. Er hat die Einschleusung von zwei Agenten ermöglicht, und so werden wir auch dort feststellen können, ob einer schief tritt. Rückendeckung ist also vorhanden. Was macht die Sache mit dem Transporter? Ist Professor Morrow gefunden worden?“ Ich hatte bereits den Daumen auf dem Öffnungskontakt der Schiebetür, als er knapp entgegnete: „Vor zwei Stunden. Es ist kein Mensch aus dem Transporter herausgekommen. Morrow wurde hier einwandfrei identifiziert. Die Unterlagen wurden mitsamt seiner Mappe gefunden.“ 41
Wir wechselten einige nachdenkliche Blicke, und ich ließ die Tür aufgleiten. Hannibal nahm die Transportpapiere an sich, und so gingen wir zur Kabine hinüber. Er stellte das Gepäck zusammen und ließ es von den Männern des Sicherheitsdienstes nach oben bringen. Der zweifellos ermordete Wissenschaftler tat mir leid, und doch war mir ein Stein vom Herzen gefallen. Plötzlich glaubte ich zu wissen, warum ein verwegener U-Boot-Kommandant den Versuch gemacht hatte, meinen schwerbewaffneten Kreuzer anzugreifen. Er mußte gewußt haben, daß ich vier Bomben an Bord hatte, die für die asiatische Wissenschaft einen unschätzbaren Fund dargestellt hätten. Bei dem Angriff auf den Transporter mußte ein Fehler unterlaufen sein, der zur vorzeitigen Vernichtung des Bootes geführt hatte. Vielleicht hatte der Kommandant auch im letzten Augenblick geschaltet, indem er das ganze Boot opferte. Das konnte wohl kaum noch festgestellt werden, es sei denn, die gefundenen Bänder der Sprechverbindung waren noch in Ordnung. Vielleicht hatte er einige kurze Hinweise auf ein Band gesprochen. Ich folgte meinen beiden Mitarbeitern nach oben und rief den I. O. an. „Mr. Sonth, ich melde mich bei Admiral Porter. Sorgen Sie dafür, daß die Ladung ordentlich gelöscht wird. Ist das geschehen, haben alle Mann das Boot zu verlassen, da es von den Technikern des Stützpunktes untersucht wird. L. I … .!“ Der Chef-Ingenieur kam näher. „Beantragen Sie sofort die Frisch-Aufladung des Reaktors. Das Boot kommt ohnehin in die Werft, da kann das gleich erledigt werden.“ „Aye, Sir.“ „Sie finden mich in meinem Quartier. Ich werde Bescheid geben, über welche Leitung Sie mich erreichen können.“ 42
Ich tippte flüchtig an die Mütze und verschwand nach unten. Indessen ich Hannibal über die Verbindungsbrücke folgte, stellte ich zufrieden fest, daß die Männer des Sicherheitsdienstes mein Gepäck auf einen zweiten Wagen verluden. Auf den Gepäckstücken prangten die leuchtenden Siegelfolien des Sicherheitsdienstes. Nach menschlichen Ermessen konnte nun niemand mehr auf den Gedanken kommen, daß der Inhalt nicht vollkommen einwandfrei war. Er wäre sehr peinlich gewesen, wenn ein Unbefugter meine Spezialausrüstung gesehen hätte. Ich klemmte mich neben Hannibal in den Wagen. Dieser spielte wieder den etwas leichtfertigen Burschen, was zu seiner Rolle als Zweiter Sicherheitschef, Sektion Schleusen, eigentlich gar nicht paßte. Ich bückte ihn warnend an, und er meinte flüsternd: „Keine Sorge, die sind schon an mich gewöhnt. Ich komme in zwei Stunden zu dir. Dein Quartier habe ich ausgesucht. Liegt günstig und etwas abseits. Ich habe noch einige Neuigkeiten. Vorsicht, wenn du vor dem Admiral stehst. Ein verflucht scharfer Bursche.“ 5. Kapitel Wir fuhren einen laugen, sauber betonierten Stollen hinunter, der parallel zu der langen Schleusenhalle lief. Die Fahrbahn war ganz ausgezeichnet. Hoch oben, unter der gewölbten Decke, konnte ich die Rohrschlangen der FrischluftAnlage bemerken. Ich schnupperte in der Luft herum, konnte aber keine störenden Gerüche feststellen. „Der Ausbau ist sauber und tadellos, Sir“, meinte Hannibal in respektvollem Ton, da vor uns der Fahrer und ein Sergeant des Sicherheitsdienstes saßen. „Sie werden sich noch wundern, wenn Sie die Anlagen näher 43
sehen. Das hier ist erst der Anfang. Tanaga ist eine große Insel, fast vollständig vegetationslos. Sie besteht praktisch nur aus wilden Bergen, die fast das ganze Jahr über von dichten Nebelschwaden und Wolken verhangen sind. Draußen ist es ausgesprochen ungemütlich, das kann ich Ihnen aus meiner Erfahrung versichern.“ Der vor uns sitzende Sergeant lächelte verhalten. Wahrscheinlich dachte er an die Figur, die Hannibal abgegeben hatte, als er in den unwegsamen Felsschluchten herumgekrochen war. Der Sicherheitsdienst mußte ja in bestimmten Abständen hinaus. Der Stollen bog scharf nach Norden ab. Nach einigen Minuten schneller Fahrt kamen wir plötzlich in einer riesigen Felsenhalle heraus, die strahlend hell erleuchtet war. „Verteilerring II-H“, konnte ich auf dem Leuchtschild lesen. Wir bogen in den Kreisverkehr ein und hielten dann vor einer Kraftwagenkolonne, die auf einem weitläufigen Platz geparkt hatte. Es waren alles Dienstwagen der Navy, die den ankommenden Offizieren zur Verfügung gestellt wurden. Ich erhielt einen nagelneuen Turbowagen und einen Begleitoffizier des Sicherheitsdienstes, der mich zum hiesigen Hauptquartier bringen sollte. Hannibal verabschiedete sich in strammer Haltung, und ich setzte mich neben den blutjungen Leutnant, der sich unter dem seltenen Namen Brown vorgestellt hatte. „Wie gefällt Ihnen der Kapitän, Sir?“ fragte er lachend, indessen er die Verbrennungsturbine anließ. Sie lief weich, fast lautlos und erschütterungsfrei. „Das ist der seltsamste Abwehroffizier, den ich jemals gesehen habe“, lachte ich. „Der Mensch hat mich doch tatsächlich gefragt, ob ich etwa hochprozentigen Stoff in meinem Gepäck hätte. Der scheint auch nur dann auf den dürren Beinen stehen zu können, wenn er betrunken ist, was?“ 44
Der Leutnant grinste, und daraus erkannte ich, daß Hannibal seine Rolle gut spielte. „Hm … ich will nichts gesagt haben, Sir, aber Sie haben ungefähr recht. Der Sicherheitsbulle hat bald einen Tobsuchtsanfall bekommen, als Ridgeman hier ankam. Das ist auch so ein typischer Vertreter aus dem Navy-Departement. Vielleicht hat er dort einen Onkel sitzen.“ Ich machte ebenfalls „Hm …“ und bemühte mich, den jungen Burschen nicht anzufahren. Was er da gesagt hatte, war eine ausgesprochene Frechheit gewesen. „Fahren Sie los, der Admiral wartet“, bemerkte ich etwas reservierter. Mit summender Turbine ruckte unser Wagen an, und Brown bog in einen riesigen Stollen ein, der mehr als zwanzig Meter hoch sein mochte. Es gab hier vier Fahrbahnen, und über mir bemerkte ich die Schienen einer Hochbahn. Sie verschwanden in einem Nebenschacht. Als ich dorthin sah, kam aus der düsteren Öffnung gerade ein blitzendes Etwas hervorgeschossen. Die Wagenschlange. jagte mit einer enormen Fahrt durch die scharfe Kurve, und schon war die Maschine über uns. Ich hörte das heller werdende Heulen schwerer Elektromotoren, und schon ruckte der ganze Zug nach vorn. Die Wagenschlange schoß über uns hinweg, und ehe ich sie noch richtig mit den Blicken erfaßt hatte, verschwand sie schon weit vorn. Brown lachte so selbstgefällig, als wäre er es gewesen, der diese wundervolle Anlage erschaffen hatte. „Ein Materialzug, Sir. Der rast jetzt zwanzig Meilen weit nach Norden, denn dort wird noch gearbeitet. Das ist am nördlichen Ende der Insel. Sie wollen da auch noch zwei Großschleusen bauen. Die Verbindungswege sind auch noch nicht vollkommen fertig, denn die Geologen entdecken fast jeden Tag neue Hohlräume, die teilweise 600 Meter unter der Wasseroberfläche liegen. Das ist hier ein gigantisches Labyrinth von natür45
lichen Hohlräumen, die wie Blasen im Fels liegen. Wir haben sogar einen alten Krater gefunden, dessen Tiefe noch nicht einmal mit den Radar- und Echogeräten feststellbar war. Hoffentlich fängt der nicht eines Tages an zu spucken.“ „Was wird dagegen getan?“ „Nun … sie legen in der engsten Stelle einen unheimlich starken Pfropfen aus Stahlbeton an. Er soll 500 Meter stark werden. Die Geologen behaupten, der Krater wäre nur sehr klein. Wenn es wirklich einmal, losgehen sollte, wird der Pfropfen wohl halten. Sie sagen, die Gasmassen und Lavaströme würden sich dann einen bequemeren Weg suchen, denn auf der kleinen Nachbarinsel gibt es einen mächtigen Krater, der wohl mit dem unseren in einer unterseeischen Verbindung stehen dürfte.“ Für die Auskünfte war ich ihm recht dankbar, da ich schließlich wissen wollte, wo ich mich eigentlich befand. Indessen er erklärte und unentwegt plapperte, schossen wir mit hoher Geschwindigkeit durch den Hauptstollen, der uns direkt zum Hauptquartier bringen mußte. Alle Augenblicke bemerkte ich die hellerleuchteten Öffnungen von Nebengängen, die recht wahllos in den Hauptstollen mündeten. Das kam anscheinend durch die gänzlich unterschiedliche Größe und Lage der aufgefundenen Hohlräume, die ja alle nur miteinander verbunden worden waren. Der Verkehr wurde dichter. Wir mußten unsere Fahrt drosseln, da weiter vorn rote Ampeln aufzuckten. Schließlich erreichten wir die Öffnung des Hauptstollens. „Vielleicht halten Sie sich fest, Sir“, murmelte Brown mit glänzenden Augen. „So etwas haben Sie bestimmt noch nicht gesehen.“ In dem Augenblick schoß er aus dem Stollen heraus, und da hatte ich wirklich allen Grund, mich krampfhaft festzuklammern. 46
Vor mir lag eine Stadt, eine Stadt mit Hochhäusern, Grünanlagen, kleinen, villenartigen Rundhäusern, Verwaltungsbauten und Kaufhäusern. Es gab reguläre Straßen und Plätze … es war einfach unheimlich. Nur langsam hob ich den Kopf, und da erst bemerkte ich die gewölbte Decke des gigantischen Felsdomes, den die Natur hier unter den Inselbergen geschaffen hatte. „Gut 280 Meter hoch, Sir“, meinte Brown. „Die Halle ist fast kreisrund. Sie durchmißt etwas mehr als zwei Meilen. Wenn Sie zu Fuß hindurch wollen, brauchen Sie eine Viertelstunde.“ „Toll“, staunte ich, „wirklich toll. Wo liegt nun das Hauptquartier?“ „Rechts von uns, Sir. Dort drüben der große Betonblock.“ *
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Ich ging an den beiden schwerbewaffneten Posten vorbei und kam in einen kleinen Raum, der der eigentlichen Halle vorgelagert war. Ich wurde durchleuchtet und damit sorgfältig kontrolliert. Als ich durch eine lautlos aufschwingende Stahlpforte weitergehen konnte, wurde ich auf der anderen Saite von einem Offizier des Sicherheitsdienstes erwartet. Er lächelte sehr höflich und forderte mich dann auf, meine Dienstwaffe abzugeben. Ich sah ihn starr an, bis mir einfiel, daß ich ja eine kleine Automatik in der Tasche trug. Nur gut, daß ich vorläufig darauf verzichtet hatte, meine GWA-Spezialwaffe einzustecken. „Ich bitte um Entschuldigung, Sir, aber das Hauptquartier darf mit Schußwaffen nicht betreten werden“, erklärte der Kapitänleutnant. „Sie erhalten Ihre Pistole zurück, sobald Sie das Gebäude verlassen. Darf ich bitten …!“ Er wies auf eine breite Rolltreppe. Leutnant Brown mußte in der gepanzerten Wachstube warten. Obwohl er zum Sicher47
heitsdienst gehörte, durfte er ohne besonderen Auftrag nicht weitergehen. Ich folgte dem Kapitänleutnant, der neben mir auf die Rolltreppe trat, die uns rasch nach oben beachte. Aufmerksam fragte ich: „Weshalb haben Sie hier so strenge Sicherheitsmaßnahmen? Fürchten Sie für das Leben des Admirals, oder sind schon Versuche unternommen worden, in das Hauptquartier einzudringen?“ Er lächelte undurchdringlich und meinte dazu: „Nun, Sir, Sie wissen aus eigener Erfahrung, daß hier nicht alles so ist, wie es eigentlich sein sollte. Hier befinden sich wichtige Aufzeichnungen und Pläne, die wir nicht genug sichern können. Wir sind schon so weit, daß wir keinem Menschen mehr trauen. Ich bin ermächtigt, Ihnen diese Auskünfte zu geben, da Sie durch Ihr rasches Handeln bewiesen haben, daß Sie zu den Offizieren gehören, zu denen man offen sprechen kann. Darf ich Ihnen einen Rat geben, Sir?“ Ich nickte zögernd, und er meinte etwas leiser: „Admiral Porter ist ein hervorragender Offizier, aber etwas eigenartig. Er empfindet es als eine persönliche Beleidigung, wenn man über gewisse Dinge spricht, die leider passiert sind; Er fühlt sich sozusagen als Vater des Stützpunktes, da er von Anfang an über diesen das Kommando hatte. Vielleicht sind Sie etwas zurückhaltend, wenn die Sprache auf den Vorfall kommt. Der Chef kann sehr bissig werden, wenn unbewiesene Verdachtsmomente ausgesprochen werden. Sie verstehen doch, Sir.“ Ja … ich verstand sogar sehr gut. Admiral Porter schien jedenfalls ein Mann zu sein, der es verstand, unklare Gerüchte von wahren Tatsachen zu unterscheiden. Ich wußte aus meinen Erfahrungen, wie unangenehm es ist, wenn man sich alle Augenblicke die phantastischsten Hirngespinste anhören muß. 48
Wir glitten bis zum achten Stockwerk hinauf, wo die Rolltreppe vor einem schmalen Betongang mündete. Der Offizier meldete uns an, und wir mußten etwa drei Minuten warten, bis uns der Zutritt genehmigt wurde. Über uns flammten grüne Lampen auf, die uns bewiesen, daß die automatische Abwehr abgeschaltet worden war. Mein Begleiter beobachtete mich verstohlen, doch ich zuckte mit keiner Miene. Er konnte ja nicht ahnen, daß ich noch an ganz andere Sicherheits-Vorrichtungen gewöhnt war. Wir durchschritten eine aufschwingende Stahltür und befanden uns in einem dürftig möblierten Vorraum, den wir ebenfalls durchschreiten mußten. Dahinter lagen erst die Räume des Stabes. Ich nahm meine Mütze ab und grüßte einen Kapitän, der mit einigen Schriftstücken neben einer älteren Frau vom MarineHelferinnen-Corps stand. Er schien mich sofort zu erkennen, denn ein Lächeln huschte über seine Lippen. „Ah … Kapitän Liming, nicht wahr? Ich habe Ihr Einlaufmanöver über die Bildschirme beobachtet. Ein Wunder, daß Sie es noch aus eigener Kraft geschafft haben. Lewrik ist mein Name. Erster Stabsoffizier.“ Ich schüttelte ihm die Hand. Die ältere Frau im Range eines Oberleutnants beobachtete mich mit mißtrauischen Augen. „Warten Sie hier“, wandte sich Lewrik an meinen Begleitoffizier, und dann faßte er mich freundschaftlich am Arm. „Der Chef erwartet Sie bereits. Wir sehen uns später, nicht wahr? Ich möchte gerne einige nähere Details hören. Haben Sie schon etwas über den Vorfall ‚Alëuten-Tief’ erfahren?“ Ich beherrschte mich und zeigte ein erstauntes Gesicht. „Alëuten-Tief“ war die Tarnbezeichnung für den verschwundenen Marine-Transporter. „Noch nicht! Schön … Porter wird Sie vielleicht aufklären. 49
Ich möchte mit Ihnen darüber sprechen. Der Adjutant soll Sie dann zu mir bringen.“ Ich sah auf die vier goldenen Streifen an seinen Ärmeln, die mir bewiesen, daß er ebenfalls im Range eines Kapitäns stand. Der Mann sah äußerlich gut aus, doch wollte es mir nicht gefallen, daß er sofort den Vorfall „Alëuten-Tief“ erwähnt hatte. Als vor mir die Doppeltüren zum Arbeitsraum das Admirals aufschwangen, faßte ich die Aktentasche fester, in der sich meine Unterlagen befanden. Ich wurde vom Adjutanten des Admirals empfangen, der mich durch ein weiteres Vorzimmer brachte, das anscheinend sein Domizil war. Augenblicke später stand ich in dem großen, taghell erleuchteten Raum, der nur zwei sehr kleine Fenster aufwies. Ich erkannte, daß sie aus meterstarker Panzer-Plastik bestanden. Hinter dem riesigen Schreibtisch saß ein grauhaariger Mann mit scharfen Augen und einem faltigen Gesicht. Auf seinen Ärmeln leuchteten ein breiter und drei mittelbreite Goldstreifen. Ich grüßte sehr respektvoll, indessen der Adjutant meinen Namen murmelte und sich anschließend zurückzog. Porter musterte mich schweigend, und seine Augen verengten sich dabei. Als er langsam aufstand, bemerkte ich, daß er untersetzt und etwas füllig war. „So … Sie sind also der Mann, der sich mitten im tiefsten Frieden nicht scheute, ein anderes U-Boot zu vernichten“, kam es grollend aus dem schmallippigen Mund. „Hat man Ihnen in Washington entsprechende Anweisungen gegeben, oder haben Sie aus eigener Initiative gehandelt?“ Er blickte mich durchdringend an, und ich überlegte, welche Antwort ich nun geben sollte. Ob es vorteilhaft war, auch diesem Admiral gegenüber den unbedingt vaterlandstreuen Offizier zu spielen? Es erschien mir riskant, da ich nicht wissen konnte, wie der Mann wirklich dachte. Ich war also sehr vorsichtig. 50
„Sir … ich hatte vier C-Bomben an Bord, und wahrscheinlich wäre mein Boot vernichtet worden“, entgegnete ich kurz. Er runzelte die Stirnhaut und kam langsam auf mich zu. „Ah … interessant! Ich hoffe, daß Sie diese Ansicht begründen können.“ „Allerdings, Sir. Mir war von Admiral Songal, Nachschubchef für Tanaga, dringend ans Herz gelegt worden, vorsichtig zu sein. Als das fremde Boot geortet wurde, dachte ich lediglich an die vier C-Bomben, weshalb ich angriff, als mir diese Sache zu gefährlich erschien. Wenn Sie meinen Kreuzer untersuchen lassen, werden Sie zweifellos porös gewordenes Metall finden, da ich mich im Aktions-Strahl einer Ultra-Schallkanone befand.“ Seine Mundwinkel verzogen sich etwas, und seine Gegenfrage kam sofort: „Woher wußten Sie das? Was wissen Sie über Ultra-Schallkanonen? Diese Unterwasser-Waffen sind noch nicht verwendungsreif.“ „Ich bitte um Entschuldigung, Sir, aber sie sind verwendungsreif!“ Ich sagte das sehr fest und sicher, da ich an den Ersten Stabsoffizier denken mußte. Lewrik war mir etwas verdächtig erschienen, weshalb ich Wert darauf legte, daß er mich für einen sehr gut orientierten Mann hielt. Es konnte gar nicht zweifelhaft sein, daß er das erfuhr, was ich nun mit dem Admiral besprach. Es war meine Aufgabe, den unbekannten Gegner auf mich aufmerksam zu machen, weshalb es nur gut sein konnte, wenn man bei mir ein großes Wissen über geheime Neuentwicklungen vermutete. Um das zu erreichen, war mir jedes Mittel recht, und es war mir in dem Augenblick gleichgültig, ob ich hinsichtlich Lewrik verkehrt tippte oder nicht. Ich versuchte es eben. „Was ist die Kanone …?“ flüsterte der Admiral fast. Er stand 51
nun dicht vor mir, und ich hatte meine stramme Haltung noch nicht gelockert. „Was haben Sie eben behauptet? Wiederholen Sie das, Liming.“ „Ich sagte, Sir, die Ultra-Schallkanone wäre verwendungsreif.“ „Woher wissen Sie das? Oder besser gesagt … woher wollen Sie das wissen?“ „Ich war ein unmittelbarer Mitarbeiter von General-Admiral Sethler, Sir. Schon vor einem halben Jahr erhielt ich den Geheimauftrag, die neue Ultra-Schallkanone zu testen, was im südlichen Atlantik geschah. Ich wußte also sofort, daß mein Kreuzer mit einer solchen Waffe angegriffen wurde, da mir die damit verbundenen Geräusche genau bekannt sind.“ Er sah mich sehr nachdenklich an. „Sethler scheint viel von Ihnen zu halten, Liming. Ihre Papiere sind schon hier. Sie kamen mit einem Boot an, das drei Tage vor Ihrem Kreuzer aus Alameda auslief. Ich habe hier etwa 150-U-Boot-Kommandanten unter meiner Befehlsgewalt, doch ich bin sicher, daß es keiner gewagt hätte, so rasch und bedenkenlos zu schießen. Haben Sie sich in dem Augenblick nicht überlegt, daß Sie die allergrößten Komplikationen heraufbeschwören konnten?“ „Verzeihung, Sir, aber das war mir vollkommen gleichgültig. Ich war verantwortlich für die C-Bomben, und das befreite mich von allen unnützen Überlegungen, die mich kostbare Sekunden gekostet hätten. Ich sah unter mir ein Boot, das keine Nationalitäts-Kennzeichen trug. Der Bursche war für mich ein Pirat, und deshalb schoß ich. Außerdem vernahm ich die Geräusche der auftreffenden Schallwellen.“ „Wenigstens ein guter Grund“, knurrte er. „Haben Sie das Ortungsbild filmen lassen?“ „Selbstverständlich, Sir. Der entwickelte Film befindet sich in meiner Tasche.“ 52
„Stehen Sie endlich bequem“, murmelte er und wandte sich ab. Mit großen Schritten ging er auf die kleinen Fenster zu, die anscheinend einen Ausblick auf das unterirdische StadtZentrum boten. Ich lockerte meine Haltung und wartete auf die Worte, die zweifellos noch kommen mußten. Mein erster Eindruck von dem Admiral war sehr gut. Ich fühlte, daß dieser Mann nur um die Sicherheit des kostbaren Stützpunktes besorgt war. Er wandte mir den Rücken zu, als er leise sagte: „Liming, ich schätze es sehr, wenn man mir offen und ehrlich entgegentritt. Wollen Sie mir eine Frage ganz offen beantworten?“ „Ja, Sir.“ „Schön, wir werden sehen. Sie haben also nur deshalb so rasch reagiert und mit einem Plutonium-Torpedo geantwortet, weil Sie die vier C-Bomben an Bord hatten und weil Sie um Ihre eigene kostbare Haut zitterten. Selbst wenn Sie heil davongekommen wären, hätte man Sie vor ein Kriegsgericht gestellt. Sie hatten die Bomben gut nach Tanaga zu bringen. War das so gewesen?“ Ich fühlte, daß ein Lächeln über meine Lippen zuckte. „Sie haben es genau getroffen, Sir. Wenn ich nicht um meine kostbare Haut gezittert hätte, wäre ich wahrscheinlich nicht so schnell entschlossen gewesen. In dem Fall hätte ich mich sehr eingehend mit den möglicherweise aufkommenden Verwicklungen beschäftigt.“ Er drehte sich langsam am. „Das nenne ich eine ehrliche Antwort. Sie hätten also nicht gefeuert, wenn die vier Bomben nicht am Bord gewesen wären. Das wollte ich mir wissen. Dessenungeachtet haben wir nun die gleichen Schwierigkeiten, denn ich erhielt vor zwei Stunden eine Funkmeldung aus Washington, wonach Peking eine geharnischte Protestnote auf den Weg gebracht hat. Es wird darin 53
behauptet, südlich der Alëuten wäre ein Boot der AS-Marine während einer gänzlich harmlosen Übungsfahrt von einem USKreuzer angegriffen und vernichtet worden. Es wäre ein Schwesterboot des zerstörten Kreuzers in der Nähe gewesen, das sich ebenfalls auf einer Übungsfahrt in den arktischen Gewässern befunden hätte. Die Zeugenaussagen des betreffenden Kommandanten lägen vor. Seine Unterlagen bewiesen, daß sich beide Boote während des gänzlich unmotivierten Angriffs weit außerhalb der Dreimeilen-Zone und damit nicht in amerikanischen Gewässern befunden hätten. Die AS-Regierung fordert eine exemplarische Bestrafung des Kreuzerkommandanten und stellt Schadensersatzansprüche in Höhe von 22 Milliarden Dollar. Was halten Sie davon, mein Lieber?“ Ich sah ihn recht verblüfft an. Mit einer solchen Frechheit hatte ich nun doch nicht gerechnet. „Eine Protestnote, Sir? Ich werde verrückt.“ „Lassen Sie das sein, Liming, wir brauchen Sie noch. Natürlich werden wir die Note scharf zurückweisen. Sind Sie ganz sicher, daß der von Ihnen vernichtete Kreuzer keine Kennzeichen trug? Sie befanden sich nämlich wirklich noch außerhalb der Dreimeilen-Zone.“ Ich sagte nichts mehr und hielt ihm dafür die Filmkassette hin. „Lassen Sie sich den Film vorführen, Sir. Man kann das Boot einwandfrei erkennen. Es trug keine Kennzeichen.“ Er wog den Plastikbehälter in der Hand und bot mir dann einen Sitzplatz an. Das Eis schien endgültig gebrochen zu sein. Als uns der Automat Drinks spendiert hatte, meinte er düster: „Sie sind in einer dummen Lage, Liming. Der Teufel mag wissen, wie man in Washington entscheidet. Unter Umständen stellt man Sie vor ein Kriegsgericht, wenn die Geschichte noch höhere Wellen schlagen sollte. Ich werde für Sie tun, was in meiner Macht steht, dessen dürfen Sie sicher sein. Mir hat Ihr rascher Angriff gewaltig imponiert, und Ihre ehrlichen Worte 54
ebenfalls. Jedenfalls haben Sie dafür gesorgt, daß die vier Bomben gut in Tanaga ankamen. Und das war Ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit. Ich bin nämlich auch davon überzeugt, daß Sie die Hölle erlebt hätten, wenn Sie nicht Ihrem Instinkt gefolgt wären.“ Fast übergangslos kam er auf den verschwundenen Transporter zu sprechen, und ich erfuhr nun aus seinem Mund, was man alles entdeckt hatte. Ich lauschte aufmerksam und gab mit keiner Bemerkung zu erkennen, daß ich über den Vorfall längst orientiert war. Er schloß mit den Worten: „Das soll Ihnen zu Ihrer eigenen Beruhigung und als Beweis dienen, daß Sie durchaus richtig gehandelt haben. Auch der Transporter wurde mit einem Ultraschall-Strahler angegriffen, woraus wir schließen können, daß auch der ‚AS’ diese Waffe entwickelt hat. Wenn es also zu einer Verhandlung kommen sollte, so haben Sie alle Chancen für einen ehrenvollen Freispruch. Notfalls werde ich meine Unterlagen in die Waagschale werfen. Daraus wird man ersehen können, daß Sie richtig gehandelt haben. Haben Sie schon ein Quartier?“ Er hatte das Thema so unvermittelt gewechselt, daß ich ihn etwas erstaunt ansah. „Ja, Sir, aber ich weiß noch nicht, wo ich es finden kann. Korvettenkapitän Ridgeman erledigt das.“ „Ah, Ridgeman“, sagte er grollend. „Der Bursche geht mir auf die Nerven. Tüchtig scheint er ja zu sein, aber mir gefällt es nicht, daß er sich in seiner Freizeit in den Bars herumtreibt. Was halten Sie davon?“ „Gar nichts, Sir“, lachte ich. „Ich habe vor, ähnliche Dinge zu tun.“ Er schmunzelte breit und ließ sich dann meine anderen Unterlagen geben. Das sich danach anbahnende Gespräch betraf nur dienstliche Dinge, die ich hier übergehen kann. Nach einer Stunde wurde ich entlassen Der Film blieb bei ihm. 55
Als ich von dem Adjutanten hinausgebracht wurde, hatte ich das Gefühl, als hätte ich in Admiral Porter einen Verbündeten gefunden. Wenn er nicht um die Sicherheit des Stützpunktes besorgt war, so war es niemand. Der Adjutant brachte mich zu Kapitän Lewrik, der mich ebenfalls mit harten Drinks traktierte. Da wir im gleichen Rang standen, konnte ich es, ohne besonders aufzufallen, wagen, ihm gegenüber etwas anzugeben. Ich erzählte ihm mein Abenteuer und ließ dabei Bemerkungen über die Ultra-Schallkanone fallen, die ich im Südatlantik angeblich gründlichst ausprobiert hatte. Er lauschte interessiert und fragte nach technischen Einzelheiten, die ich aber mit einem Hinweis auf die Geheimhaltung nicht beantwortete. Dessenungeachtet flüsterte ich ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit einige Daten zu, die sogar richtig waren. Er pfiff durch die Zähne, und ich war davon überzeugt, daß er mich für einen etwas geschwätzigen Offizier hielt, dem es ekelhaft schwerfiel, seine Geheimnisse für sich zu behalten. Ich erwähnte auch meine angebliche Frau und das zerrüttete Verhältnis, das mich wieder zu einem Bordkommando getrieben hatte. Gedrückt meinte ich: „Wissen Sie, Lewrik, sie ist zu schön, um nur einem Mann gehören zu können, wenn besagter Mann nicht zufällig vielfacher Millionär ist. Mein Sold im aktiven Taflaga-Dienst ist dreimal höher, und dazu kommen noch die Gefahrenzulagen. Ob das aber ausreichen wird? Meine Frau ist mit einem Pelzmantel für 500 Dollar nicht zufrieden.“ Er bedauerte mich aus tiefster Seele, und ich zeigte ihm die Bilder, die aus dem Archiv der GWA stammten. „Allerhand“, staunte er. „Eine wirkliche Schönheit. Sie sollten sich scheiden lassen, Liming, denn bei der Navy werden Sie niemals Millionär.“ 56
Ich zuckte mit den Schultern und erhob mich. „Schweigen wir darüber! Es ist doch sinnlos, zumal es noch fraglich ist, ob ich mein Kommando behalten kann. Die Protestnote ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Ich werde mir einmal Ihre Vergnügungslokale ansehen. Vielleicht gibt es dort jemand, der …!“ Ich verstummte, da er offensichtlich grinste. „Tun Sie das. Sie werden hier einen wilden Rummelplatz vorfinden. Passen Sie aber auf, daß Sie dem Alten nicht begegnen, wenn Sie zufällig einen glasigen Blick haben sollten. Bei solchen Anlässen kann Porter hochgehen wie eine Wasserbombe.“ Ich verabschiedete mich mit dem Bewußtsein, daß ich alles getan hatte, um so unauffällig wie möglich meine persönlichen Verhältnisse, Bedenken und Wünsche bekanntzumachen. Wenn Lewrik zu den Leuten gehörte, auf die mich der GWA-Chef angesetzt hätte, so rollte die Lawine bereits. Er mußte sich darüber klar sein, daß ich für große Scheine nicht unempfindlich war. 6. Kapitel Ich lag auf der Schaumplastikcouch meines verhältnismäßig geräumigen Wohnzimmers und dachte üben die Dinge nach, die sich nach dem Willen des GWA-Chefs noch ereignen sollten. Ich war etwas skeptisch, obwohl ich aus Erfahrung wußte, wie gut die „Einsickerungstaktik“ war. Wenn ich hier offiziell als GWA-Beamter angekommen wäre, hätte ich von vornherein aufgeben können. Neben mir stand der übliche Erfrischungsautomat und weiter vorn das plastische Fernsehgerät. Man konnte zu jeder Tagesund Nachtzeit die amerikanischen Programme bekommen, da die Sendungen von den beiden Raumstationen in einem wech57
selnden Rhythmus auf die Erde abgestrahlt wurden. Im Stützpunkt Tanaga war alles für die Bequemlichkeit und Unterhaltung der Leute getan, und das schien auch dringend notwendig zu sein. Ich richtete mich auf und griff an den Regulierungsschalter der Klimaanlage. Es war recht warm in dem kleinen Fertighaus, das man in einem kleinen Nebenstollen aufgebaut hatte. Unter den wilden Bergen der Insel wimmelte es von solchen halbrunden Bauten, die mit allem neuzeitlichen Komfort versehen waren. Es gab größere Bauten für ganze Familien und solche mit zwei Zimmern und Bad, die für alleinstehende Personen vorgesehen waren. Ich wußte, daß mehr als tausend der hier schaffenden Männer ihre Familien mitgenommen hatte, was sich auch gar nicht hatte umgehen lassen. Man konnte den Leuten nicht zumuten, jahrelang gänzlich abgeschlossen zu sein. Ich erhob mich langsam und schritt auf das breite Fenster zu, das mir den Blick auf den Stollen ermöglichte. Hier wohnten fast nur Offiziere der örtlichen Dienststellen. Direkt gegenüber lag ein größeres Fertighaus, und ich wußte bereits, daß dort ein Fregattenkapitän aus dem Stab des Admirals wohnte. Der Stollen war nur knapp eine halbe Meile lang und ziemlich schmal. Die zwischen den Hausfronten liegende Fahrbahn war aber recht gut. Schwere Laster verkehrten hier allerdings nicht, weshalb Hannibal auch von einer „ruhigen Lage“ gesprochen hatte. Ich war nun schon seit vier Stunden in meinem Quartier, aber er hatte sich bisher noch nicht sehen lassen. Ich wurde bereits unruhig, da ich ohne seine näheren Informationen überhaupt nichts anfangen konnte. Ich wußte ohnehin, daß ich zu warten hatte, bis sich die andere Seite meldete, und dabei war es noch fraglich, ob sie sich überhaupt melden würde. Ich brauchte Hannibals Informationen, um die ganze Sache beschleunigen zu 58
können. Wenn die hiesige Spionagezentrale gut orientiert war, dann mußten die Leute wissen, daß ich der Kommandant war, den man mit dem Transport der C-Bomben beauftragt hatte. Das war ein erhebliches Lockmittel. Und darüber war ich mir auch klar. Für die Burschen müßte ich der geeignete Mann sein, der infolge des Vertrauens, das ich genoß, unauffällig wichtige Unterlagen aus dem Stützpunkt bringen konnte.. Ich war noch mit meinen Überlegungen beschäftigt, als vor der Tür ein Dienstwagen hielt. Ich konnte beobachten, wie Leutnant Utan gravitätisch über den schmalen Bürgersteig stolzierte. Der Wagen fuhr weiter, und in meiner winzigen Diele klang der Summer auf. Auf einer kleinen Bildfläche erschien sein faltiges Gesicht, das unter der breiten Schirmmütze so lächerlich wirkte, daß ich unwillkürlich lachen mußte. So etwas war nun ein GWA-Agent! Ich öffnete, und Hannibal kam durch die aufgleitende Tür gestolpert! Er grinste über das ganze Gesicht, riß sich die Dienstmütze vom Schädel und bellte dann verhältnismäßig leise: „Bist du allein, Langer?“ Ich nickte, und der Zwerg ließ sich in einen Sessel fallen. Sein Grinsen war wie gefroren, als er murmelte: „Vor fünfzehn Minuten ist dein Chef-Ingenieur tödlich verunglückt.“ Ich fuhr zusammen, als wäre ich mit den bloßen Fingern an eine Hochspannungsleitung gekommen. „Wie war das?“ flüsterte ich. „Dein Chef-Ingenieur ist tot“, wiederholte er ruhig. „Ich bekam gerade noch die Meldung, ehe ich abgelöst wurde. Er ist in Trockendeck III auf die Stromschiene eines Laufkrans gefallen, und dieser ist über ihn hinweggerollt. Er soll sehr unangenehm aussehen. Das wäre alles.“ 59
Ich stand wie erstarrt. Die wildesten Überlegungen begannen sich in meinem Schädel zu hetzen. Deutlich sah ich meinen Chef-Ingenieur vor mir, wie ich ihn vor Tagen erstmalig gesehen hatte. „Verunglückt worden?“ fragte ich ruhiger. „Ganz recht, Langer. Oder glaubst du ernstlich, der Mann hätte sich freiwillig auf eine Stromschiene gesetzt? Ich war kurz dort gewesen und habe mir die Umgebung angesehen. Ein einigermaßen vernünftiger Mensch kann gar nicht auf den Gedanken kommen, die Laufstege im Dock zu verlassen und auf den Kranschienen herumzuklettern. Die liegen sechs bis sieben Meter höher. Aus den Erklärungen der Werfttechniker geht hervor, daß dein L. I. überhaupt keinen Grund hatte, das sichere Gelände zu verlassen. Der eigenartige Unfall passierte an einer recht einsamen Stelle, und es sieht ganz danach aus, als wären bestimmte Leute daran interessiert gewesen, den Ingenieur zu beseitigen.“ Ich musterte ihn schweigend und kam dabei zu der Ansicht, daß Hannibals Verdacht wohl den Tatsachen entsprach. Langsam ließ ich mich in einen anderen Sessel sinken und strich mit den Fingerspitzen über meine grauen Schläfen. „Angenommen, der Unfall wäre geschickt arrangiert worden … welche Motive stecken dahinter?“ Er lachte sehr bissig und meinte leise: „Wenn dein L. I. nicht ausgerechnet ein U-Boot-Fahrer gewesen wäre, könnte man unter Umständen auf den Gedanken kommen, daß er hier rein persönliche Feinde besaß, die ihm ans Leder wollten. Das halte ich aber für gänzlich ausgeschlossen.“ „Das heißt mit anderen Worten, daß Chef-Ingenieur Spencer den Leuten im Wege war, die wir fieberhaft suchen, nicht wahr?“ „Genau ausgedrückt. Ich frage mich nur, weshalb er ihnen plötzlich im Wege war. Es scheint sicher zu sein, daß er für den AS-Geheimdienst gearbeitet hat. Er muß zu den Offizieren ge60
hört haben, die es wagten, wichtige Unterlagen und Nachrichten aus Tanaga hinauszubringen. Nun muß irgend etwas schiefgegangen sein, was zur Folge hatte, daß man ihn schnellstens beseitigen mußte.“ „Von den Gesichtspunkten aus gesehen, hat es den Anschein, als wäre Spencer gewillt gewesen, mir oder dem hiesigen Sicherheitschef einige Mitteilungen zu machen.“ „Möglich. Wir wissen nicht, was in dem Mann vorgegangen ist. Ich nehme aber sehr stark an, daß ihm der Angriff auf deinen U-Kreuzer erheblich auf die Nerven gegangen ist. Vielleicht hat er im Augenblick der größten Gefahr erkannt, worauf er sich eigentlich eingelassen hat. Hast du hinsichtlich dieser Sache Anweisungen zu geben?“ Er sah mich fragend an. Ich überlegte einige Augenblicke. „Du bist jetzt dienstfrei?“ „Ja, für zwölf Stunden. Morgen früh um neun Uhr muß ich wieder antreten.“ „Demnach liegt eine ganze Nacht vor uns. Wir gehen heute zusammen aus. Zeige mir die Lokale, in denen wichtige Leute verkehren, Vorher verschwinde für einige Zeit in dein Quartier und funke den Atom-Bomber an, der in hundert Kilometer Höhe die Insel umkreist.“ „Okay. Wortlaut?“ „HC-9 an GWA-Zentrade. Chef-Ingenieur Spencer U-2338, acht Stunden nach Ankunft Tanaga ermordet worden. TestUnterlagen von Navy-Departement und Geheimer Bundeskriminalpolizei anfordern oder direkt einsehen. Psycho-Analyse beachten und feststellen, ob Spencer beeinflußbar und wankelmütig war. Habe Verdacht, daß Spencer begangene Verfehlungen eingestehen wollte. Anfrage, ob Verdacht begründet.“ Ich hatte die Worte in Hannibals winziges Diktaphon hineingesprochen, das zu seiner GWA-Spezialausrüstung gehörte. Das Gerät war nicht viel größer als ein Uniformknopf seiner Jacke. 61
„Ich gebe den Spruch sofort durch.“ „Ist dein Sender gut getarnt?“ „Darauf kannst du dich verlassen. Ich habe die Felswand hinter meinem Quartier durch Poram-Sprengungen ausgehöhlt, und die sind bekanntlich lautlos, da das Gestein langsam zerpulvert wird.“ „Gut. Laß dir den Empfang bestätigen und schalte den automatischen Aufnehmer ein, falls die Antwort in deiner Abwesenheit durchkommt. Ist dein Mikrosender ebenfalls klar?“ Er tippte an seine linke Achselhöhle, unter der das winzige Gerät verborgen war. Es hatte eine Reichweite von nur wenigen Meilen, was aber vollkommen zu unserer gegenseitigen Verbindung ausreichte. Ich sah auf die Uhr und erhob mich. „Verschwinde nun und ziehe eine frische Uniform an. Du darfst nicht auffallen, wenn du wiederkommst. Es kann sehr leicht möglich sein, daß wir bereits unter Beobachtung stehen.“ „Schön wäre es. Ich habe hier schon etliche hundert Leute in führenden Positionen kennengelernt und so gut wie nichts entdeckt. Man könnte wahnsinnig werden bei dem Gedanken, daß wir hier mitten unter den Burschen stecken, die drauf und dran sind, sämtliche Geheimnisse von Tanaga an den Mann zu bringen. Elis kann dir auch nicht weiterhelfen. Sie sitzt in einer ungünstigen Position.“ „Sie soll sich vorläufig zurückhalten, bis ich weitergekommen bin. Wir werden sie später anrufen und in ein Lokal bestellen. Das kann nicht auffallen, da ich sie immerhin zur Insel gebracht habe. Soll man ruhig annehmen, wir hätten uns etwas angefreundet. Sie ist nachts doch dienstfrei? Oder?“ „Ja. Die Bauarbeiten an den Schleusen sind beendet, und so wird in den Planungsbüros nachts nicht mehr gearbeitet. Sie wartet auf unseren Anruf.“ 62
Er erhob sich seufzend und reckte seine kleine Gestalt. Dabei glitten seine Blicke forschend durch den Raum, der sehr elegant eingerichtet war. „Hier gibt es allerhand versteckte Winkel, in denen man ein Lauschmikrophon unterbringen könnte“, murmelte er. „Paß auf, wenn du zurückkehrst. Es ist fraglich, ob wir dann noch offen sprechen können.“ Ich grinste ihn breit an. „Darauf hoffe ich direkt, Kleiner. Du kannst dich darauf verlassen, daß ich es bemerken werde. Einen größeren Gefallen könnten mir die Burschen gar nicht tun.“ „Wenn sie dich für wichtig genug halten, werden sie wert darauf, legen, deine Gespräche zu belauschen. Sind deine MikroKameras klar?“ „Ich werde eine davon in der Diele anbringen. Verschwinde nun, die Warterei geht mir auf die Nerven.“ „Die sollte ein GWA-Captain aber nicht haben“, grinste er, und seine Lippen verzogen sich so breit, daß ich schaudernd die Augen schloß. Ehe er die Tür aufgleiten ließ, murmelte er noch: „Sei vorsichtig mit deiner Bewaffnung. Du darfst keinesfalls deine GWA-Automatik führen. Wenn man die findet, weiß man, wie der Hase läuft.“ Ich schubste ihn hinaus, and er schritt eilig davon. Ich winkte ihm nach und rief recht laut: „Beeilen Sie sich aber, Ridgeman.“ Er nickte eifrig, und seine dürren Beine setzten sich in Bewegung. Als ich die Tür geschlossen hatte, summte in meinem Wohnzimmer das Bildsprechgerät. Ich drückte den Schalter nieder, und auf der handgroßen Bildfläche erschien das Gesicht eines uniformierten Mannes, in dem ich den Adjutanten des Admirals erkannte. 63
Ich nickte ihm zu, da ich wußte, daß er mich auf seiner Bildfläche ebenfalls sehen konnte. „Gut, daß Sie da sind, Sir“, klang es aus dem kleinen Lautsprecher. „Admiral Porter mochte Sie sprechen. Ich verbinde.“ Sein Bild verblaßte. Augenblicke später wurde das Gesicht von Porter sichtbar. Er erhob grüßend die Hand, und schon polterte seine Stimme aus dem Gerät: „Eine bodenlose Schweinerei, Liming. Sind Sie schon informiert?“ Ich überlegte sehr rasch und beschloß, den Besuch von Hannibal zu erwähnen. „Wenn Sie den Unfall meinen, Sir, so bin ich orientiert. Soeben war Ridgeman vom Sicherheitsdienst bei mir.“ „Ah, Interessant. Was wollte er?“ „Er stellte einige Fragen über die Charaktereigenschaften meines L. I., die ich aber nicht beantworten konnte. Schließlich kannte ich ihn nur knapp drei Tage. Ich konnte nicht feststellen, ob der Mann nun schwermütig war oder nicht. Ridgeman tippt auf Selbstmord.“ „So … tut er das. Nun, wir werden sehen, ob es wirklich ein Unfall war. Die Sache erscheint mir seltsam. Was hatte Spencer auf den Kranschienen zu suchen? Er war lediglich beauftragt worden, die Reparatur-Arbeiten an Ihrem Kreuzer zu überwachen. Haben Sie einen begründeten Verdacht?“ „Nein, Sir, überhaupt keinen. Ich stehe vor einem Rätsel.“ Ich sah seine prüfenden Augen und die zusammengepreßten Lippen. „Schön, lassen wir das also. Das ist der vierte Unfall, der sich innerhalb der letzten drei Monate ereignete. Tanaga scheint für gewisse Leute gefährlich zu werden.“ „Ich verstehe nicht ganz, Sir“, entgegnete ich respektvoll. 64
„Brauchen Sie auch nicht. Sie melden sich morgen früh um neun Uhr bei mir. Es handelt sich um Ihre Sache.“ „Jawohl, Sir. Haben sich neue Gesichtspunkte ergeben?“ „Sieht so aus. Unsere Antwortnote ist sehr scharf zurückgewiesen worden. Ich habe die Meldung eben erhalten. Es ging alles sehr rasch, da man sich bemüht, die Sache unter den Tisch zu bringen. Washington wird nochmals abweisend antworten. Bis morgen früh werden wir sehen, wie sich die Geschichte entwickelt hat. Man stellt immer noch die hohen Schadensersatz-Ansprüche und fordert Ihre exemplarische Bestrafung. Die Angelegenheit sieht für Sie gar nicht gut aus. Sie müssen verstehen, daß Sie für die Politiker nur ein ganz kleiner Mann sind. Die Bomben sind ja in Sicherheit. Ist Ihnen das klar?“ „Vollkommen, Sir“, murmelte ich gedrückt, und schon begann mein Gehirn zu arbeiten, da ich fest gewillt war, die Sachlage zu meinem Vorteil auszunutzen. Wenn ich in dem Augenblick schon geahnt hätte, was dieser Notenwechsel zu bedeuten hatte, dann wäre mir wohl etwas übel geworden. „Wir sehen ums also um neun Uhr. Lassen Sie sich von Ridgeman nicht in allen möglichen Bars herumschleppen. Der Bursche verführt mir sämtliche Offiziere zum Saufen. Ich sehe das nicht gern.“ „Ich werde mich danach richten, Sir.“ „Ah … damit geben Sie zu, daß Sie seine todsicher erfolgte Einladung schon angenommen haben, was?“ Ich schluckte und stammelte ein „Ja“. Porter grollte noch einige undeutliche Worte, ehe er abschaltete. Schmunzelnd drückte ich den Schalter nach unten. Die Bildfläche verblaßte. Von Hannibal schien er wirklich nicht viel zu halten. Unter Porter hätte er lebenslänglich auf eine Beförderung warten können. Interessant war nur die Tatsache, daß auch der Admiral nicht an einen Unfall glaubte. 65
Indessen ich darüber noch nachdachte, öffnete ich mein Gepäck und entnahm einem Koffer meine Spezialausrüstung. Sie war vollständig, es fehlte nichts. Hannibal hatte sorgfältig darauf geachtet. Ich nahm eine der winzigen Spezialkameras und klebte sie in einem Deckenwinkel meiner kleinen Diele so fest, daß das Weitwinkel-Objektiv die ganze Tür bestrich. Den Auslösekontakt der auf der Infrarot-Basis arbeitenden Mikrokamera befestigte ich an den Gleitschienen der Schiebetür und legte anschließend die haarfeine Leitung. Sobald ich den Kontaktgeber einschaltete, mußte jeder unbefugte Eindringling gefilmt werden. Ich brauchte einige Zeit, bis ich die Kamera ausreichend getarnt hatte. Das war eine Kunst, auf deren einwandfreie Beherrschung man auf der GWA-Akademie größten Wert gelegt hatte. Zufrieden betrachtete ich meine Arbeit und ließ die Kamera probeweise anlaufen. Das kleine Wunderwerk aus dem mikromechanischen Werkstätten der GWA arbeitete einwandfrei. Draußen hörte ich einen Dienstwagen vorfahren. Es war Hannibal, der seine Sendung in der Zwischenzeit erledigt hatte. Ich unterbrach den Auslösekontakt und ließ ihn ein. Er trug eine frische Uniform. „Findest, du mich nicht unwiderstehlich?“ fragte der Kleine, und ein breites Grinsen lief über sein Gesicht. Prüfend sah er sich in der Diele um. „Gute Arbeit. Ich kann die Kamera nicht erkennen. Besorge dir ein gutes Versteck für deine Ausrüstung. Wenn hier jemand eindringen sollte, so wird man garantiert dein Gepäck durchsuchen.“ „Wenn überhaupt jemand eindringt“, brummte ich unzufrieden. „Ist dein Spruch gut durchgekommen?“ „Einwandfrei. Der Chef wird jetzt schon informiert sein. Aufnahmegerät ist eingeschaltet.“ 66
„Dann wollen wir uns fertigmachen. Ich bin neugierig, wie es in den Bars und Klubs dieser gigantischen Maulwurfsiedlung zugeht.“ „Du wirst dich wundern. Hat dich Porter angerufen? An sich müßte er dich ja benachrichtigen.“ „Ist geschehen. Er hat mich vor dir gewarnt, da du die Leute zu Saufgelagen verführen würdest.“ Er lachte mit bellenden Tönen, indessen ich meine Ausrüstung anlegte, die ich von nun an immer am Körper trug. Dabei handelte es sich in erster Linie um den winzigen, würfelförmigen Sender, der auf der Sup-Ultrawelle arbeitete, die von keiner Station abgehört werden konnte. Ich entblößte meinen rechten Oberschenkel und er betrachtete fachmännisch die tiefe Narbe, die auf eine geringfügige Schußverletzung zurückzuführen war. Dann war sie von den GWA-Chirurgen entdeckt worden, und schon war ich reif gewesen. Die Wunde wurde erweitert, sauber ausgeschnitten und genau auf die Grüße gebracht, daß einer unserer Mikrosender hineinpaßte. „Sehr gut gemacht“, brummte der Zwerg, als er vorsichtig das winzige Gerät hineingleiten ließ. Er verband es mit der haarfeinen Antenne, die unter der Haut am Bein entlanglief und an meinem rechten Fuß endete. Auch diesen Eingriff hatte ich den medizinischen Könnern der GWA zu verdanken. Die eingeträufelte Plastikmasse hielt den kleinen Sender fest, und darüber kam ein Hautgewebestreifen, der sich natürlich und einwandfrei mit der echten Haut so verband, daß man den Sender mit dem besten Willen nicht mehr entdecken konnte. Diese Geräte, die jeder GWA-Agent bei seinen Unternehmen am Körper trug, bildeten für uns eine gewisse Lebensversicherung. Jedenfalls konnte man damit erreichen; daß andere GWALeute rechtzeitig über die Ermittlungsergebnisse informiert werden könnten. 67
Kritisch betrachtete ich mein Bein, ehe ich wieder in meine Uniformhosen schlüpfte. Ich griff in die rechte Hosentasche und tastete nach der winzigen Erhöhung, die sich unter dem künstlichen Hautstreifen abzeichnete. Sekunden später gab ich mein Rufzeichen durch, das ich fünfmal wiederholte. Hannibal beobachtete mich gespannt, und als das BildTelefon zu surren begann, nickte ich befriedigt. „Da … sie meldet sich schon. Demnach hat sie dein Rufzeichen empfangen. Das Gerät arbeitet einwandfrei.“ Ich schaltete ein, und auf der Bildfläche erschien das Gesicht von Elis. „Hallo, Captain … ich wollte Sie nur einmal anrufen. Haben Sie sich in Tanaga schon umgesehen?“ Ich verneinte und lud sie zu einem Bummel ein, was sie auch planmäßig annahm. Damit war die Funkkontrolle erledigt. Elis war dafür ausersehen worden, für Hannibal und mich als Verbindungsperson zu dienen. Sie hatte einen Empfänger, der auf Sup-Ultra-Wellen unserer Mikrosender ansprach. Wenn wir wirklich in Gefahr kommen sollten, so könnte sie jederzeit handeln. Sehr vorsichtig legte ich meine Spezialuhr an, deren winzige Sprühdüse nur bei einer sehr sorgfältigen Untersuchung zu entdecken war. Innerhalb des ganz normal aussehenden Gehäuses befanden sich wenige Tropfen jener höllischen Säure, die selbst besten Stahl in kochende Materie verwandelte. Die Uhr diente nur als Notwehrwaffe. Die unter Druck stehende Füllung reichte für drei Sprühschüsse, die aber vollkommen genügten, um das Gesicht eines jeden Gegners restlos zu zerstören. Hannibal reichte mir die schöne Schlips-Spange, auf deren Rückseite eine nette Widmung eingraviert war, Sie konnte gut für das Geschenk einer Freundin gehalten werden, und das war auch der Zweck der Übung. Ich drückte auf den kaum fühlbaren Knopf, und die lange 68
Spange klappte auseinander. Darin befanden sich acht winzige, rote Kügelchen, vergleichbar mit den Köpfen von Stecknadeln. In den Hohlräumen der Plastikkügelchen befanden sich geringe Mengen jenes grauen Pulvers, das unsere Wissenschaftler „Thermonital“ nannten. Der Stoff glich dem veralteten Thermit. Sobald er mit dem Sauerstoff der Luft in Berührung kam, brannte das Pulver unter der Entwicklung von 12 000 Hitzegraden ab. Unsere Versuche hatten bewiesen, daß die Füllung einer einzigen Ladung ausreichte, um den kräftigsten Stahlriegel einer Panzertür zu verdampfen. Sehr sorgfältig schob ich die Spange über meinen schwarzen Binder und langte anschließend nach der Waffe, die ich zu meinem größten Bedauern nicht führen durfte. Die schwere Thermo-Rak-Automatik mit dem 50-SchußMagazin wäre bei einer Entdeckung sofort als GWASpezialwaffe erkannt worden, und das hätte den absoluten Verrat meines Unternehmens bedeutet. „Sinnlos, Langer“, warf Hannibal sachlich ein. „Du kannst die Thermo-Rak-Pistole nicht am Körper tragen. Nimm die andere Kanone.“ Schweren Herzens legte ich die wundervolle Waffe weg und ergriff die elegante 7,65-mm-Automatik mit zwölfschüssigem Magazin. Es war meine Dienstwaffe, die ich als Kommandant eines U-Kreuzers auch innerhalb des Stützpunktes Tanaga tragen durfte. Das konnte also keinesfalls auffallen. Ich entleerte das Magazin und griff nach der Schachtel mit der GWA-Spezialmunition, die ich von unserer Ausrüstungsabteilung erhalten hatte. Die blanken Messinghülsen der Patronen unterschieden sich überhaupt nicht von der normalen Munition, und die Ladung war auch die gleiche. Dafür besaßen aber die harmlos aussehenden Nickelmantel-Geschosse eine verhältnismäßig große 69
Thermonital-Füllung, die vollkommen ausreichte, um einen schweren Felsblock in glutflüssige Lava zu verwandeln. „Nimm das Ding schon“, bellte Hannibal ungeduldig. „Sie ist unseren Spezialkanonen zwar unterlegen, doch dafür hat sie ein weitaus größeres Kaliber, was eine achtfach größere Thermonital-Füllung bedeutet. Ich möchte nicht auf dem gleichen Fleck stehenbleiben, wenn so ein Geschoß einen Meter neben mir abbrennt. Du brauchst deinen Mann gar nicht genau auf den Punkt treffen. Was bei einem normalen Geschoß nur einen harmlosen Streifschuß bedeutet, das bringt bei der Ladung den sofortigen Hitzetod.“ „Danke für die Aufklärung“, knurrte ich ihn an. „Bringe mich nun in einen Laden, wo wichtige Leute verkehren. Die Kleinen interessieren mich gar nicht, denn die kriegen wir ohnehin, wenn wir wissen, wo die Großen zu suchen sind.“ „Schön gesagt“, grinste der Zwerg, und sein Gesicht legte sich in tausend Falten. „Glaubst du ernstlich, daß man sich heute schon an dich heranmacht? Die werden dich erst einmal näher unter die Lupe nehmen, wenn sie diese Absicht überhaupt haben. Wir können froh sein, wenn nach Ablauf einer Woche die erste Annäherung erfolgt.“ Ich preßte die Lippen zusammen und sagte nichts mehr. Ich wußte nur zu gut, daß der Kleine recht hatte. Die „Einsickerungstaktik“ war zweifellos gut, doch sie hatte auch ihre Nachteile. Wenn man überhaupt noch nichts wußte, so mußte man wohl oder übel auf den Zeitpunkt warten, wo sich der Gegner von selbst meldete. Damit konnte man schon etwas anfangen, aber vorher hieß es warten … sogar sehr geduldig. So etwas kostete aber Nerven. Ich verstaute die anderen Geräte meiner Sonderausrüstung innerhalb des Fernsehgerätes. Vor den Hohlraum hängte ich ein Amplitudensieb und darunter noch einen Zeilen-F.-Oszillator. Beide Teile hatten in dem Gerät gar nichts zu suchen, denn sie 70
waren schließlich schon vorhanden. Das konnte aber niemand auf den ersten Blick bemerken, und ein Nicht-Fachmann schon gar nicht. Fünf Minuten später verließen wir das Haus. Ehe ich die Schiebetür mit meinem Schlüssel verschloß, schaltete ich den Auslösekontakt der Kamera ein. Wenn ich zurückkam, würde sie zwar auch anlaufen, aber das schadete ja nichts. Bis zur Zentrale waren es nur zehn Minuten zu laufen, weshalb wir keinen Wagen angerufen hatten. Sehr gemütlich schlenderten wir den Nebenstollen hinunter, bis vor uns die gewaltige Höhlung auftauchte, in die man eine regelrechte Stadt hineingebaut hatte. „Da wären wir“, murmelte der Kleine, als wir in den hellerleuchteten Dom traten. „Ich werde dir unter die Arme greifen, Langer.“ „Wozu du dich gewaltig anstrengen müßtest“, grinste ich. „Zeige mir einen teuren Laden und sorge dafür, daß ich in ein Spiel verwickelt werde. Vielleicht Poker, kapiert? Ich möchte, daß man sieht, wie leicht ich mein Geld verliere, wovon ich ohnehin nicht genug habe. Bunt wollen es die Leute haben, verehrter Kollege!“ 7. Kapitel Es hatte sich nichts, aber auch gar nichts ereignet, was mich auch nur um eine Erkenntnis reicher gemacht hätte. Ich hatte eine recht wilde Nacht erlebt, und der liebe Hannibal hatte seinem Ruf alle Ehre gemacht. Ich hatte gepokert und dabei rund elfhundert Dollar verloren. Ich hatte getrunken und war tatsächlich beduselt gewesen. Ich hatte mit hohen Offizieren gesprochen und mit meinem Abenteuer etwas angegeben. Bemerkungen über die neue Schallkanone waren auch gefallen, doch war ich da sehr vorsichtig gewesen. 71
Ich hatte in den Armen einer schönen Bardame geheult und hatte wegen meiner treulosen Frau gejammert. Ich hatte den Bogen so weit gespannt, wie es eben noch möglich gewesen war, ohne besonders aufzufallen. Ich hatte also viel getan und doch nichts erreicht. Hannibal hatte geflucht wie ein Wilder, und dann war er gegen acht Uhr abgefahren, da er seinen Tagesdienst antreten mußte. Ich hatte mich im „Three-Hell-Klub“ erfrischt, und ein Negermixer hatte mir seine Tube mit Bartentfernungs-Creme ausgeliehen. So sah ich nun einigermaßen vernünftig aus, zumal der Kunstfaserstoff meiner Uniform nicht knitterte. In strammer Haltung marschierte ich in Porters Büro hinein und baute dort mein „Männchen“. Der Gruß war sehr schön, doch das Gesicht des Admirals war nicht schön. Er musterte mich mit einem einzigen Blick und schon schossen seine hellen Augen Blitze. „Aha …“ donnerte er, „es hätte mich auch gewundert, wenn Sie ausgeschlafen gekommen wären. Hatte ich Sie nicht vor diesem Ridgeman gewarnt? Hoffentlich haben Sie die Erfahrung gemacht, daß es in den Nachtlokalen von Tanaga auch teuer ist, obwohl Sie hier die Getränke steuerfrei erhalten. Setzen Sie sich.“ Eingeschüchtert tuend, setzte ich mich auf den Rand eines Plastiksessels und umklammerte dabei krampfhaft meine Dienstmütze. Mir war beinahe, als hätte der bissige Admiral versteckt gegrinst. Doch ich konnte mich auch getäuscht haben. Mit einigen Papieren in der Hand kam er näher und nahm ebenfalls Platz. Er schwieg einige Sekunden, ehe er tonlos sagte: „Liming, ich habe vor zwei Stunden den Befehl erhalten, Sie vorläufig zu inhaftieren. Sie dürfen den Stützpunkt nicht verlassen, bis die Sache entschieden ist. Wenn Ihr angeschlagener Kreuzer vorher seeklar sein sollte, hat ein anderer Offizier das 72
Kommando zu übernehmen. Es tut mir leid, aber ich kann daran nichts ändern. Der Befehl kommt aus Washington.“ Ich saß wie erstarrt und sah ihn nur an. Wenn ich nun ein „normaler“ Navy-Offizier gewesen wäre, hätten diese Worte praktisch das Ende meiner Laufbahn bedeutet. Ich dachte rasch darüber nach, was die ganze Geschichte bedeuten sollte, denn ich war mir selbstverständlich darüber klar, daß der GWA-Chef längst über den Notenwechsel orientiert sein mußte. Es sah ganz danach aus, als hielte es General Reling für richtig, die drohende Verhandlung nicht abzubiegen. Und dafür mußte er seine guten Gründe haben. Ich mußte abwarten. Stockend entgegnete ich: „Ich … ich verstehe, Sir. Ich erlaube mir auch keine Kritik an den Anordnungen des Navy-Departements, obwohl ich allerhand zu sagen hätte.“ „Sagen Sie es lieber nicht“, knurrte Porter, und seine Fäuste ballten sich. „Die einzige Sache, die Ihnen das Genick brechen kann, ist die, daß Sie das unbekannte Boot in international offenen Gewässern angegriffen haben. Es wird auf die Zeugenaussagen Ihrer Offiziere ankommen, die aber auch nur bestätigen können, daß der fremde Kreuzer keine Erkennungszeichen trug. Das wird von der AS-Regierung bestritten. Es wird behauptet, die Kennziffer hätte sich seitlich am Rumpf befunden, wonach Sie sie von oben her nicht hätten sehen können. Womit wollen Sie also Ihre Maßnahme begründen?“ Nun begann ich doch zu schwitzen. „Sir … ich war schließlich für die vier C-Bomben verantwortlich.“ „Selbstverständlich waren Sie das, aber das wird man als stichhaltige Begründung nicht anerkennen. Sie müssen den einwandfreien Beweis erbringen, daß Sie angegriffen worden sind. Können Sie das?“ 73
„Natürlich, Sir! Ich vernahm das kreischende Geräusch der auftreffenden Ultraschall-Wellen.“ „So, das vernahmen Sie. Die Erklärung wird man zur Kenntnis nehmen, sie aber nicht als beweiskräftig beurteilen, da Sie schließlich von Ihnen stammt. Sie sind Partei, Liming. Wer kann außer Ihnen bezeugen, daß Sie mit einem Schall-Strahler angegriffen wurden?“ „Mein L. I., Kapitänleutnant Spencer“, warf ich wirklich erregt ein. „Er hat an den Manövern mit unseren neuen Schallkanonen teilgenommen und kannte genau das Geräusch, das beim Auftreffen der …!“ Ich verstummte sehr plötzlich und starrte ihn an. Sein gebräuntes Gesicht war maskenhaft starr. „Liming, Ihr L. I. ist gestern tödlich verunglückt“, flüsterte der Admiral. „Ihr Zeuge ist tot!“ In meinem Gehirn blitzte ein Funke auf, und mir war, als breite jemand die Geschehnisse bildlich vor mir aus. Plötzlich glaubte ich zu wissen, warum Spencer verunglücken mußte. „War das Ihr einziger Zeuge, der über die Arbeitsweise einer Unterwasser-Schallkanons genau orientiert war?“ Ich nickte stumm, und er ließ sich schwer aufatmend in seinem Sessel zurücksinken. „Mann … wissen Sie, was das für Sie bedeuten kann? Sie haben einen Kreuzer der AS vernichtet. Sie behaupten, das Boot hätte keine Kennzeichen geführt, und das wird glaubhaft bestritten. Sie sagen, Sie wären für die C-Bomben verantwortlich gewesen, was man Ihnen genau entgegengesetzt auslegen wird. Die Psychologen des Ministeriums werden Ihre Handlungswelse als überstürzt und unverantwortlich bezeichnen, da Sie wegen der Bombenladung übermäßig nervös gewesen wären. Der Ankläger wird behaupten, daß Sie überhaupt keinen stichhaltigen Grund hatten, den AS-Kreuzer zu vernichten, nur weil er zufällig über Ihren Kurs gelaufen war. Auf die Aussa74
gen Ihrer Besatzung können Sie nicht pochen. Sie sollten wissen, wie vorsichtig die Herren Offiziere sind, wenn sie vor einem Kriegsgericht zugunsten eines Vorgesetzten aussagen sollen, dessen Sache verflucht schlecht steht. Ich habe vor einer Stunde Ihren Ersten Offizier angehört. Soll ich Ihnen verraten, was mir der Mann sagte?“ Er sah mich durchdringend an, und ich saß starr. Natürlich … mein I. O. hatte vor dem Torpedoschuß noch leichenblaß gestammelt: „Sir … um Himmels willen, das können Sie doch nicht!“ Ich konnte mir also lebhaft vorstellen, was er ausgesagt hatte. Seine eigene Haut war ihm entschieden kostbarer als die meine. „Sonth sagte, er hätte Sie noch warnen wollen, aber Sie hätten nicht auf ihn gehört, sondern das Kommando zum Abschuß des Torpedos gegeben. Stimmt das?“ Ich nickte stumm, und er zuckte ergeben mit den Schultern. „Sir … der I. O. kann aber auch bestätigen, daß der fremde Kreuzer keine Kennzeichen führte.“ „Sicher, das gibt er auch zu, Auch der Film beweist das. Nun wird aber behauptet, Sie hätten die Kennzeichen ja gar nicht bemerken können, da das AS-Boot unter Ihnen war. Mensch, Liming, denken Sie gründlich über die Sache nach, oder Sie kommen in Teufels Küche! Lassen Sie Ihre Hände vom Alkohol und bereiten Sie Ihre Verteidigung vor. Man wird Sie in Washington fertigmachen, daß Sie förmlich zusammenschrumpfen. Ich weiß mit dem besten Willen nicht, wie ich Sie aus dieser Geschichte herauspauken soll.“ Zehn Minuten später war ich entlassen. Innerhalb des Stützpunktes durfte ich mich frei bewegen. Sehr langsam wand ich mich durch den Verkehrsstrom der unterirdischen Stadt und bog dann in den schmalen Nebenstollen ein. Dabei arbeitete mein Gehirn auf Hochtouren. Die drohende Kriegsgerichts-Verhandlung war für mich gänzlich uninter75
essant, doch die damit verbundenen Details waren von größter Bedeutung. Ich kam schließlich zu dem Schluß, daß in der hartnäckigen Forderung der AS-Regierung ein tieferer Sinn stecken mußte. Ob man mich damit derart zermürben wollte, daß ich auf alles einzugehen bereit war? Sollte das eine neuartige Taktik über die eigenen, höchsten Dienststellen sein, um einen Offizier zum Verrat zu bewegen? Ich kannte den Geheimdienst des Asiatischen Staatenbundes, und ich wußte auch, daß man dort kein Mittel scheute, um einen wichtigen Mann zu gewinnen. Wenn meine Überlegungen richtig waren, so war das wieder einmal ein ganz typisches Beispiel für die unheimlichen Intrigen hinter den Kulissen. Das Motiv für den plötzlichen Tod meines L. I. schien nun auch klar auf der Hand zu liegen. Man hatte einen Zeugen ausschalten wollen, der mit gutem Gewissen hätte beschwören können, daß mein Kreuzer tatsächlich angegriffen worden war. Nun aber war dieser Zeuge tot, ausgeschaltet, wie man so schön sagte. Er war das Opfer eines Planes geworden, der sich gegen einen Kapitän zur See, einen U-BootKommandanten in der US-Navy, richtete. Als ich mit meinen Schlußfolgerungen so weit gekommen war, zuckte ein Lächeln über meine Lippen. Ich fühlte, daß ich auf dem richtigen Weg war. Meine unbekannten Gegner hatten ein direkt geniales Manöver eingeleitet, um einen bis dahin unbescholtenen, als tüchtig anerkannten Navy-Offizier in den Schmutz zu ziehen. Sie hatten alles wundervoll arrangiert, und ich war felsenfest davon überzeugt, daß eine kriegsgerichtliche Verhandlung zur Vernichtung des Kapitäns Robert Liming führen mußte. Das wußten die führenden Männer auf der anderen Seite auch, doch sie hatten sich in einem einzigen Punkt getäuscht! Sie wußten nicht, daß es einen Kapitän Liming niemals gegeben 76
hat, und sie ahnten auch nicht, daß sie gegen einen Captain der Geheimen Wissenschaftlichen Abwehr antraten, dessen Riesenvollmachten sogar ausgereicht hätten, um notfalls den ganzen Stützpunkt in die Luft zu sprengen. Mein stilles Lächeln verstärkte sich zu einem breiten Grinsen, als ich meine Tür öffnete und die Kamera aus der Tarnung löste. Es waren einige Meter Film abgelaufen, was nicht allein durch meinen raschen Eintritt hatte geschehen können. Demnach hatte ich Besuch bekommen. Beinahe zärtlich steckte ich die winzige Kamera in meine Rocktasche und sicherte sehr sorgfältig die Tür. Vorsichtig betrat ich mein Wohnzimmer, in dem sich anscheinend gar nichts verändert hatte. Ich hustete erneut laut auf, doch dabei forschten meine Augen. Man hatte mich nicht umsonst zehn Jahre lang geschult, ehe ich aktiv in die GWA eintreten konnte. Nach zehn Minuten, hatte ich das winzige, nur knopfgroße Mikrophon entdeckt, das mir mein Besucher hinterlassen hatte. Es hing geschickt getarnt hinter einer Rohrkrümmung der Klimaanlage, und die haarfeine Spezialleitung war hinter der Rohrschlange an die Wand geklebt worden. Der Draht verschwand durch die Rückwand meines kleinen Fertighauses, hinter der in unmittelbarer Nähe der Verstärker stehen mußte. Der ungebetene Gast hatte säuberlich die Kunststoffwand durchbohrt und die Stelle gut getarnt. Trotzdem konnte es sich nicht um einen erfahrenen Mann gehandelt haben, da er sonst auf gar keinen Fall das höchst empfindliche Mikrophon ausgerechnet unter der Rohrschlange der Klimaanlage angebracht hätte. Das mußte laufend Störgeräusche geben, da die Anlage ständig arbeitete. Ich lachte lautlos vor mich hin und suchte dann die anderen Räume ab. Dort war aber nichts mehr zu entdecken. Jetzt war es nur noch fraglich, ob es in der Nachbarschaft ei77
nen Mann gab, der laufend vor dem Lautsprecher saß und lauschte. Wahrscheinlicher war es, daß mein Besucher einen winzigen Mikro-Verstärker zwischen der Rückwand meines Quartiers und der Stollenwandung aufgestellt und ihn direkt mit einem Aufnahmegerät verbunden hatte. Es gab selbst für Privatleute sehr kleine Diktaphone zu kaufen, deren Drahtspulen 24 Stunden lang liefen. Wenn das so war, dann mußte in der nächsten Nacht jemand kommen, um die Spule auszuwechseln und die abgelaufene mitzunehmen. Das erschien mir entschieden wahrscheinlicher. Vielleicht waren die Leute in meiner Nähe ganz harmlos. Mein Gepäck war auch durchsucht worden, was ich sehr rasch feststellen konnte. Das Versteck im Fernsehgerät war aber unangetastet. Sehr zufrieden und von wilden Hoffnungen belebt, nahm ich ein Bad und legte mich dann auf die Couch. „Die Fische haben angebissen“, war mein letzter Gedanke, ehe ich einschlief. *
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Den Mikrofilm hatte ich entwickelt. Unter dem starken Vergrößerungsglas konnte ich die einzelnen Aufnahmen des Streifens sehr gut erkennen, und so stellte ich fest, daß der Eindringling ein junger und sehr hagerer Mann gewesen war. Es verblüffte mich gar nicht, daß er die Uniform des Sicherheitsdienstes trug. An seinen Winkeln auf der Jacke ersah ich, daß er im Range eines Sergeanten stand. Ich rollte den hauchfeinen Streifen sorgfältig zusammen und machte die Kamera wieder „schußfertig“. Nach zehn Minuten klebte sie an ihrem alten Platz, und ich verließ meine Wohnung. Auf dem Zentralplatz nahm ich mir einen Wagen, der mich 78
durch Verbindungsstollen AB-17 zu jenem Teil der unterirdischen Anlage hinbrachte, wo sich die Messehalle für die Wissenschaftler und Offiziere befand, die im östlichen Sektor des Stützpunktes beschäftigt waren. Nach knapp fünfzehn Minuten kamen wir in einer anderen Felsenhalle heraus, die längst nicht so groß war wie der zentrale Felsdom, immerhin aber einer ganzen Reihe von Gebäuden Platz bot. Es war kurz vor dreizehn Uhr, als ich die langgestreckte Halle betrat, die innen mit allen Schikanen und Bequemlichkeiten ausgerüstet war. Es gab einen sehr schönen Vorraum, in dem man sich aufhalten konnte, und der Betrieb war ganz so, als würde man sich in einer Großstadt der Staaten befinden. Ich schritt langsam durch die einzelnen Räume, bis ich weiter hinten Elis entdeckte. Sie saß allein an einem kleinen Tisch, und ein Platz war offensichtlich reserviert. Ich wurde von einigen Leuten begrüßt, die ich in der vergangenen Nacht kennengelernt hatte. Noch sagten mir die Gesichter nichts, aber wenn es planmäßig weiterging, konnte es sehr leicht möglich sein, daß sich einige davon entpuppten. Ich begrüßte Elis sehr höflich und beugte mich über ihre Hand. Ihr Lächeln wirkte vertraut. Ich sah die Blicke der in der Nähe sitzenden Leute, die offensichtlich annahmen, daß ich mit meinem ehemaligen weiblichen Passagier eine etwas engere Freundschaft geschlossen hätte. Sie sagte einige landläufige Dinge, bis unser Essen aufgetragen war. Dann fragte sie raunend: „Besuch gehabt, Sir?“ „Allerdings. Ein Sergeant vom Sicherheitsdienst, Das Mikrophon habe ich entdeckt, so daß wir uns in unserem Quartier nicht mehr unterhalten können. Kommt Hannibal?“ „Noch unbestimmt. Wenn er kommt, ist er spätestens in einer Viertelstunde hier.“ 79
„Wenn er nicht erscheint, so übermitteln Sie ihm den Filmstreifen. Er soll feststellen, wer der Mann ist. Funknachricht vom Chef eingetroffen?“ „Ja, sogar eine sehr interessante. Hannibal hat mich noch informiert, ehe er seinen Dienst antrat.“ Sie unterbrach sich, da eben einige Leute vorübergingen. Wir grüßten höflich, und sie fuhr fort: „Der sinngemäße Wortlaut der Nachricht ist der, daß die genaue Untersuchung der Psycho-Testergebnisse Ihren Verdacht nicht bestätigt. Chef-Ingenieur Spencer war weder leicht beeinflußbar noch wankelmütig. Sein Tod müßte andere Motive haben, als Sie annehmen.“ Ich begann zu lächeln und atmete innerlich auf. „Sehr gut, meine Ansicht hat sich auch geändert. Sonst noch Mitteilungen?“ „Ja, sehr wichtige. Der Chef teilt mit, daß Sie sorgfältig aufpassen sollten, da er den Verdacht hat, daß sich bei Ihnen bald jemand melden würde. Es betrifft die Sache mit der drohenden Verhandlung. Er teilt mit, daß er vorläufig den normalen Gang der Dinge nicht unterbinden wollte. Er vermutet, daß damit auf Sie ein Druck ausgeübt werden soll. Er ist über den Notenwechsel genau informiert. Sie sollen unter allen Umständen den vollständig Verzweifelten spielen.“ „Ist schon geschehen. Er hat demnach die gleichen Ansichten. Wir sind weitergekommen, Doktor.“ Ich gab ihr noch einige Anweisungen hinsichtlich der Nachrichtenübermittlung, als Hannibal auftauchte. Reichlich laut machte er sich bemerkbar und steuerte so prompt auf unseren Tisch zu, wie er es sich als intimer SaufKumpan auch erlauben konnte. Ich spielte den etwas Pikierten, als er lärmend fragte, ob wir zwei „Liebende“ etwas dagegen hätten, wenn er seinen Prachtkörper an unseren Tisch verfrachten würde. 80
Er lärmte und lachte, und so fiel es überhaupt nicht auf, als ich ihm die Information zuflüsterte. Seine Suppe schlürfte er so geräuschvoll, daß ich bald einen Schüttelfrost bekam. Anschließend brüllte er nach einem Eisgetränk, und der Kellner brachte ganz automatisch einen Fruchtsaft, in dem aber ein ordentlicher Schuß Whisky war. Hannibals Schwäche für scharfe Sachen schien in der Messe-Halle ein offenes Geheimnis zu sein. „Nanu, Ridgeman, sind Sie unter die Abstinenzler gegangen“, fragte ich ziemlich laut und mit einem anzüglichen Blick auf den seltsamen Zwerg. Nebenan begann ein älterer Mann zu lachen, in dem ich Dr. Siluk, den Chefgeologen des Stützpunktes, erkannte. „Ich darf im Dienst natürlich keinen Alkohol trinken, Sir“, grinste das Ungetüm und schnüffelte dabei genußvoll an dem Glas herum. Indessen er trank, flüsterte ich ihm zu: „Funknachricht absetzen. Den Sergeant namentlich erwähnen. Du kommst sofort zu mir, sobald dein Dienst beendet ist. Wir werden uns unter dem Mikrophon etwas unterhalten, und ich werde von meinen Sorgen sprechen. Mach Bemerkungen, wonach du den Kram lieber heute als morgen hinwerfen würdest. Mach mir den Vorschlag zur Flucht. Alles klar? Du willst mir behilflich sein. Ich möchte, daß die Unbekanntem zum schnelleren Auftreten verführt werde. Eine Flucht dürfte ihnen nicht gelegen kommen.“ „Alles klar. Ich bin um siebzehn Uhr bei dir.“ „Kennst du den Sergeanten, der mir das Mikrophon ins Haus geschmuggelt hat?“ „Ja. Strubing ist sein Name. Er macht Dienst unter Kapitänleutnant Turlak, Sektion Arsenal-Überwachung.“ Ich stieß einen unbeherrschten Fluch aus, und Elis sah mich warnend an. Da saß dieser Sergeant doch tatsächlich vor den 81
geheimen Bomben-Arsenalen, die er vor unwillkommenen Eindringlingen bewachen sollte. Das war ein starkes Stück. Hannibal lachte, doch in seinen Augen loderte ein drohendes Feuer. Es konnte nun nicht mehr lange dauern, bis sich die Burschen meldeten. Der Ansicht war ich wenigstens, und ich glaubte nicht, daß ich mich darin täuschte. *
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Hannibal kam Punkt siebzehn Uhr. Ich hatte ihn bereits ungeduldig erwartet, und so öffnete ich schon die Tür, als er eben dem Dienstwagen entstieg. Er trat ein und begrüßte mich respektvoll mit der Anrede „Sir“, was von dem Mikrophon garantiert aufgenommen werden konnte. Die Durchgangstür zu meinem Wohnzimmer war offen, und so deutete ich auf die Ecke, wo dieser Sergeant das Gerät verborgen hatte. Hannibal sah mit zusammengekniffenen Augen hinauf. Dann nickte er grinsend. Ich schloß die Tür und sagte betont knurrig: „Mensch, laß die Anrede Sir. Mir wird schon übel, wenn ich das nur höre. Haben wir vergangene Nacht nicht Brüderschaft getrunken?“ „Sicher, haben wir“, lachte der Kleine mit seiner ewig bellenden Stimme. „Das braucht aber nicht zu bedeuten, daß das auch mein Fahrer hören muß. Warum bist du denn so niedergeschlagen? Etwa wegen der blöden Geschichte mit dem U-Boot?“ Ich lachte in hysterischen Tönen und gab ihm dabei einen Wink, in einem Sessel der Couchecke Platz zu nehmen. Das war direkt unter dem Mikrophon. „Setz dich. Der Erfrischungsautomat steht neben dir, und die Whiskybehälter sind gefüllt. Wenn ich gewußt hätte, was mich in diesem Inselladen erwartet, hätte ich das Kommando über 82
U-2338 abgelehnt. Verdammte Geschichte. Laß dir mal erzählen, was ich heute von Porter erfahren habe.“ Das war schon der erste Zug, da es mir verboten war, über die Angelegenheit zu sprechen. Hannibal hörte aufmerksam zu und warf ab und zu einen kräftigen Fluch ein. Ich schloß mit den Worten: „Ich bin jetzt also so weit, daß nicht nur mein Kommando, sondern meine ganze Laufbahn auf dem Spiel steht. Wie beurteilst du meine Chance? Du bist ja schließlich beim Sicherheitsdienst.“ Behaglich feixend lehnte er sich in seinem Sessel zurück und schielte beharrlich auf das Mikrophon, das unser „Hörspiel“ bestimmt mit größter Präzision aufnahm. „Nun, dazu muß ich dir erst einmal sagen, daß ich heute vormittag einen Befehl vom Sicherheitshäuptling erhalten habe, und der hat ihn von Porter. Demnach bist du so gut wie verhaftet, und es kann nur noch eine Frage von wenigen Tagen, vielleicht nur von Stunden sein, bis der Befehl aus Washington kommt, dich nach den Staaten zu bringen. Da Kapitän Orlop, unser Sicherheitschef, schon erfahren hat, daß wir uns angefreundet haben, hat er mir den direkten Befehl erteilt, dich unauffällig zu überwachen, weshalb ich auch so schön zu dir kommen kann. Normalerweise hätte ich jetzt noch Dienst, doch ich bin abgestellt worden.“ Er kritzelte etwas auf einen Zettel, den ich fürsorglich bereitgelegt hatte. „Information stimmt“, konnte ich lesen. Ich runzelte nachdenklich die Stirn und warf dann mit reichlich spöttischer Stimme ein: „Was du nicht sagst! Und warum erzählst du mir das? Du weißt doch, wie man dich bestrafen würde, wenn man erfahren könnte, daß du mich orientiert hast.“ „Ich will dir mal etwas sagen, mein Lieber“, lachte er humor83
los. „Dieses ganze Tanaga läßt mich so kalt und ist mir so gleichgültig, daß es mir verflucht egal ist, was die hier über mich denken. Ich habe dir die Information gegeben, weil du mir leid tust, und weil mir der ganze Laden erbärmlich auf die Nerven geht. Unter Porter komme ich nicht weiter, darüber bin ich mir klar. Ich will aber weiterkommen. Oder glaubst du, ich wollte bis zu meinem Lebensende Korvettenkapitän und obendrein noch in Tanaga bleiben? Dabei lege ich gar keinen Wert darauf, in der Navy Karriere zu machen, was mir wohl auch kaum gelingen dürfte. Ich habe mich nicht nach dem Kommando gedrängt. Sie haben mich aus den Staaten ja auf diesen Posten abgeschoben, weil ich ihnen dort auf die Nerven gegangen bin. Was man jetzt mit dir macht, ist eine bodenlose Schweinerei. Hättest du die dreimal verd… Bomben doch zum Teufel gehen lassen. Du kannst mir doch nicht vormachen, daß du ein heldenhafter Vaterlandsverteidiger bist.“ Ich lachte knurrig und murmelte: „Womit du recht haben dürftest. Ich habe auch nur deshalb das fremde Boot angegriffen, weil ich mir darüber klar war, daß es sonst mein Ende bedeutet hätte. Wenn mir die Leute vorher gesagt hätten: ‚Hör mal, wir sind nur auf deine Ladung wild, dich lassen wir laufen’, dann hätte ich anders gehandelt. Das war aber wohl schlecht möglich gewesen, denn die konnten ja nicht wissen, daß ich mich nur deshalb zu einem Bordkommando gedrängt habe, weil ich mehr verdienen wollte. Der Dienst im Navy-Departement war angenehm, aber die Besoldung war es nicht. Wenigstens nicht vom Standpunkt meiner Frau aus gesehen. Das war der Grund, warum ich Chefadmiral Sethler um das Kommando bat. Und jetzt sitze ich erst recht in der Patsche.“ Hannibal grinste breit, und ich erkannte, daß ihm die Sache Spaß machte. Unsere Gegner sollten auf ihre Kosten kommen. „Hm … jetzt sei mal ganz ehrlich, die Sache bleibt unter uns.“ „Was willst du wissen?“ 84
„Stimmt es wirklich, daß dich der Fremde mit einem Ultraschall-Strahler angegriffen hat? Ich habe da so etwas gehört.“ „Ja, es stimmt. Ich kenne die Geräusche durch meine Versuche im Südatlantik. Ich habe unsere neue Sup-Ultraschallkanone auf Herz und Nieren getestet, und ich weiß auch sehr genau über die konstruktiven Daten Bescheid, da ich alle Unterlagen an Bord hatte. Ich kann dir versichern, daß die Kanone, mit der ich von dem AS-U-Boot angegriffen worden bin, gegen unseren Strahler ein harmloses Gebilde ist. Ich habe mit unserer Kanone riesige Felsblöcke förmlich zerpulvert.“ „Mensch“, sagte er heiser, „du weißt tatsächlich ganz genau, wie das Ding beschaffen ist? Und da sitzt du noch hier?“ „Was willst du denn damit sagen?“ fragte ich gedehnt zurück. „Nicht viel und doch alles. Du hast ein riesiges Vermögen in deinem Schädel! Wenn ich an deiner Stelle gewesen wäre, hätte ich mich wirklich nicht auf das armselige Bordkommando eingelassen. Hast du noch niemals davon gehört, daß es in den Staaten genug Leute gibt, die dir für diese Informationen einige runde Millionen zahlen würden?“ Ich schwieg eine ganze Weile, ehe ich rauh sagte: „Zum Teufel, das brauchst du mir jetzt nicht mehr zu sagen. Daran habe ich auch schon gedacht, aber nun ist es zu spät. Ich sitze in der Tinte, und was mir in Washington blüht, brauchst du mir nicht zu sagen. Man wird mich in Unehren entlassen, mir eine riesige Strafe aufbrummen, und außerdem werde ich für den Rest meines Lebens an der Schuld zu zahlen haben. Du weißt doch, daß Peking 22 Millionen Dollar Schadensersatz fordert, nicht wahr?“ „Ja, das weiß ich genau. Deine einzige Chance liegt in Asien. Wenn die AS die Protestnoten zurückzieht und auf die Ansprüche verzichtet, wird man in Washington nur zu gern beide Augen zudrücken, denn die Leute wissen ja auch, daß du richtig 85
gehandelt hast. Du hast nur keine Beweise, das ist alles. Das muß dir zwangsläufig das Genick brechen. Wenn dein L. I. noch leben würde, dann könnte es gut ausgehen. Laß mich mal eine Minute überlegen, ich hätte da ein Plänchen.“ Ich ließ ihn nachdenken und schielte dabei zu dem Mikrophon hinauf. Ich schrieb einen Zettel und teilte ihm darauf mit: „Komme auf die Flucht zu sprechen. Zwei-Mann-U-Boot.“ Er nickte und begann dann gedämpft zu sprechen. „Rob … ich könnte dich aus Tanaga herausbringen. In meinem Dienstbereich gibt es einige Zwei-Mann-Boote. Sie sind sehr schnell und wendig. Damit wärst du aus allen Dingen heraus. Du hast ein Vermögen in der Tasche, wenn du wirklich ganz genau über den Strahler informiert bist.“ „Weiter“, sagte ich kurz. „Mir ist jeder Strohhalm recht. Wenn du mich aus der Mausefalle hinausbringst, wirst du deinen Teil bekommen. Ich denke nicht daran, mich fertigmachen zu lassen. Besorge mir ein Boot, und ich verschwinde. Gib mir eine Adresse an, wo ich das Geld hinterlegen kann.“ Er lachte meckernd und meinte zynisch: „Stopp, mein Lieber, so weit geht die Freundschaft nicht. Wenn du verschwindest, so bin ich dabei. Kurs Peking, verstehst du? Wir können mit unserem Sender anrufen, ehe wir einlaufen. Ich finde schon Mittel und Wege, damit wir nicht angeschmiert werden. Hier das Geld und da die Informationen.“ „Falsch kalkuliert“, lachte ich hart. „Wir müssen erst nach Washington, wo ich meine Unterlagen habe. Wie stellst du dir den Aufbau eines schweren Ultraschall-Strahlers vor! Das kann ich doch nicht alles im Kopf haben. Da entscheiden winzige Zahlen, ob das Ding auch funktioniert. Ich habe die Unterlagen damals mit einer Mikro-Kamera aufgenommen.“ Von da an sprachen wir stundenlang über den Fluchtplan, den wir dabei so sorgfältig ausarbeiteten, wie es nur möglich 86
war. Unsere unbekannten Freunde durften durch dürftige Angaben nicht stutzig werden. Wir überlegten und planten, daß uns im Sinne, des Wortes die Schädel rauchten. Dafür hatte die Sache aber auch Hand und Fuß. Wir hätten tatsächlich auf dem geplanten Wege aus Tanaga entfliehen können. Wir legten auch fest, auf welche Weise wir die Unterlagen aus Washington besorgen wollten. Die neuen Zwei-MannBoote besaßen Atomantrieb. In ihnen waren erstmalig die Kleinreaktoren eingebaut worden, die auch für leichte Jäger und Jabos der Air-Force in Frage kamen. Die Boote hatten also einen unbegrenzten Aktionsradius, da Wasser als Arbeitsmedium immer zur Verfügung stand. Wir konnten demnach gut um Kap Hoorn herumgehen und die Chesapeake-Bucht anlaufen, von wo aus es nur noch einen Katzensprung bis nach Washington war. Als wir mit der Planung fertig waren, war es kurz nach 21 Uhr. Ich schrieb auf einen Zettel: „Aufhören. Es kann sein, daß Ihr Tonband fast abgelaufen ist. Es muß ausgewechselt werden.“ Hannibal nickte und fuhr sich seufzend über die schweißbedeckte Stirn. „So … das hätten wir. Ich besorge dir die Karten, die du noch haben willst. Wir müssen so schnell wie möglich verschwinden, und dabei spielt es keine Rolle, ob wir draußen helles Tageslicht oder finstere Nacht haben. Ich gebe dir morgen spätestens gegen sieben Uhr genau Bescheid, zu welchem Zeitpunkt wir auslaufen können. Die Boote liegen klar in der kleinen Nebenschleuse mit der Nummer zwölf. Man kann sie innerhalb einer halben Minute fluten, was ich veranlassen werde. Du kannst sicher sein, daß wir gut ins offene Wasser kommen, und wenn wir in einem Zwei-Mann-Boot sitzen, dann sollen sie uns erst einmal finden. Die Dinger können zweitausend Meter 87
tief tauchen und entwickeln eine Höchstfahrt von 81 Seemeilen. Das schafft kein leichter U-Kreuzer.“ Ich machte noch einige Bemerkungen über den einzuschlagenden Kurs, ehe ich warnend einwarf: „Es wäre besser, wenn wir nun aus meiner Bude verschwänden. Im Klub können wir uns auch noch unterhalten. Vielleicht hat der Sicherheitschef noch mehr Leute mit meiner Überwachung beauftragt, und die könnten sich darüber Gedanken machen, wieso es kommt, daß du so lange bei mir bist. Verschwinden wir, und halte mir ja den Mund.“ „Meinst du, ich wollte mich selbst ans Messer liefern?“ fauchte er aufgebracht. Und damit war unsere Unterhaltung beendet. Zehn Minuten später verließen wir das kleine Fertighaus, und ich wußte, daß meine Kamera wieder einsatzbereit war. Wenn alles gut ging, konnten die unbekannten Drahtzieher in spätestens vier Stunden darüber informiert sein, was wir besprochen hatten Wenn sie es aber direkt abgehört hatten, so mußten sie jetzt schon wissen, was wir planten. 8. Kapitel Ich erkannte den Mann sofort, so daß ich wie erstarrt stehenblieb. Seine schwere Dienstpistole drohte zu deutlich. Es war eine vollautomatische „Henderley“, Kaliber 38. Diese neuen Dienstwaffen mit dem zwanzigschüssigen Magazin wurden vom Sicherheitsdienst des Stutzpunktes benutzt. „Ich würde Ihnen raten, Sir, schön ruhig zu bleiben“, murmelte der lange, schlaksig wirkende Mensch. Sein hageres Gesicht war angespannt, die schwere Waffe drohte. Ich stand im Toilettenraum des „Three-Hell-Klubs“. Hannibal war draußen. Ich war beinahe sicher, daß er in dem Augenblick ebenfalls Besuch erhalten hatte. 88
Sergeant Strubing, der Mann, der mir das Mikrophon in die Wohnung geschmuggelt hatte, schien ziemlich unruhig zu sein. Ich schielte auf meine Uhr und stellte fest, daß es kurz nach Mitternacht war. Demnach hatte man den von Hannibal und mir besprochenen Tondraht schon abgehört, und es war so gekommen, wie ich es erhofft hatte. In mir jubelte alles, doch äußerlich gab ich mich gefaßt. Zischend fragte ich: „Soll das bedeuten, Sergeant, daß ich endgültig verhaftet bin?“ „Fragen Sie nicht zu viel, Sir, Sie werden es in wenigen Minuten wissen. Folgen Sie mir und machen Sie keine Dummheiten. Diese Tür! Ihre Rechnung wird beglichen. Kommen Sie.“ Ich drehte mich langsam um und nahm die Haltung eines Mannes an, der alles verloren glaubt. Draußen war es recht dunkel, da wir uns auf der Rückseite des Klubhauses befanden. Einige Meter weiter lief eine schmale Verbindungsstraße direkt an der Felswand entlang, und dort bemerkte ich den schweren Turbowagen, der mit leise surrender Maschine auf uns zu warten schien. Der Sergeant sah sich sehr aufmerksam um, doch hier hinten war kein Mensch. „Gehen Sie weiter, Sir“, sagte er kurz, und ich folgte wortlos. Ich schritt über die von außerhalb herbeigeschaffte Blumenerde hinweg und ging auf den Wagen zu, dessen Fondtür sofort geöffnet wurde. Darin erkannte ich einen Mann, der ebenfalls eine schwere Schußwaffe in der Hand hielt. „Einsteigen, Liming“, klang eine Stimme auf, die mir bekannt vorkam. Ich kletterte in den Fond hinein und ließ mich in die Plastikpolster sinken. Da erst erkannte ich den Mann, der mich dazu aufgefordert hatte. Ich hatte ihn in der vergangenen Nacht ken89
nengelernt. Es war Dr. Tonther, Physiker und erster Assistent vom hiesigen Chef-Physiker, Professor Centrew. Die unfernen Leuchtröhren erhellten etwas das Wageninnere, so daß er wohl mein erstauntes Gesicht sehen konnte. Er lachte leise, doch seine Waffe drohte nach wie vor. „Was soll das bedeuten, Doktor?“ fauchte ich ihn an. „Gehören Sie etwa auch zum Sicherheitsdienst? Wenn ja, dann ist das eine reichlich seltsame Verhaftung. Ich …!“ „Regen Sie sich nicht auf, Liming. Seien Sie vor allem nicht so laut“, unterbrach er mich. „Sie sind nicht verhaftet, aber es kann sehr leicht möglich sein, daß der Sicherheitsdienst diesen Befehl geben wird, sobald er von Ihren Fluchtplänen erfährt, die obendrein noch mit einem handfesten Landesverrat verbunden sind. Bleiben Sie sitzen …!“ Ich war aufgeruckt, und er mußte den Eindruck gewinnen, als wollte ich ihn angreifen. Die Mündung seiner Waffe preßte sich in meinen Leib, und dabei zischelte er mir wütend ins Gesicht: „Sie Narr … haben Sie noch nicht kapiert? Ich spreche offen zu Ihnen, weil wir Sie hundertprozentig in der Hand haben. Ihr Gespräch mit Ridgeman ist abgehört worden, und wenn wir wollten, könnten wir das Band dem Sicherheitsdienst übergeben. Sie würden in spätestens drei Tagen an der Wand stehen.“ Ich stöhnte verhalten und sank in mich zusammen. „Ich … ich verstehe nicht ganz“, stammelte ich zitternd. „Da ist doch dieser Sergeant vom Sicherheitsdienst, und er …!“ „Machen Sie sich darüber keine Sorgen“, unterbrach er mich erneut. „Er gehört zu unserer Organisation. Dort kommt er mit Ridgeman. Klären Sie ihn sofort auf, damit er keinen Lärm schlägt. Bedenken Sie, daß es um Ihre Haut geht. Wir dürfen nicht auffallen.“ „Wer sind Sie? Für wen arbeiten Sie?“ keuchte ich. 90
„Das brauchen Sie wirklich nicht zu fragen, Liming“, spöttelte er. „Ich gehöre zu den Leuten, an die Sie das Geheimnis um Ihren neuen Ultraschall-Strahler verkaufen wollen.“ „Woher wollen Sie wissen, daß ich …“ „Seien Sie doch nicht kindisch“, fauchte er mich anscheinend unruhig an. „Ich sagte Ihnen doch, daß wir Ihr Gespräch mit Ridgeman abgehört haben. Ich würde an Ihrer Stelle nicht auf den Gedanken kommen, diese Tatsache abzustreiten. Klären Sie Ridgeman auf.“ Ich drehte mich langsam um, und da sah ich den Kleinen, der etwas schwankend durch den Garten kam. Hinter einem Zierstrauch stand der Sergeant mit gezogener Waffe. Hannibal war in Begleitung der Bardame, die offensichtlich ebenfalls zu dem Verein gehörte. Ich sah, daß sie Strubing einen Wink gab, indessen Hannibal erfolgreich den Betrunkenen spielte. Augenblicke später war seine Begleiterin verschwunden. Dafür hing Hannibal am Arm des Sergeanten, der ihn recht unsanft in den Wagen stieß. Fluchend richtete sich der Kleine auf, da er schwer auf meine Beine gefallen war. Ich faßte ihn unter den Armen und stauchte ihn neben mich auf den Sitz. Strubing schwang sich hinter das Steuer, und schon ruckte der Wagen an. „He … was soll das heißen?“ brüllte der Zwerg, der schlagartig nüchtern zu werden schien. „Eh … Rob, was willst du von mir? Kitty hat gesagt, ich sollte zu dir kommen und … verdammt“, unterbrach er sich, da er jetzt erst die Pistole bemerkt hatte, „was soll die Knarre? Sind Sie nicht Dr. Tonther?“ „Halte den Mund“, fiel ich tonlos ein. „Ich habe dich nicht rufen lassen, aber wir sind gerufen worden. Unser Gespräch über die beabsichtigte Flucht ist abgehört worden, und …!“ Hannibal spielte seine Rolle hervorragend. Bei meinen Worten zuckte er zusammen, und schon fuhr seine Hand in die Tasche, wo er seine leichte Dienstwaffe trug. 91
Ich umklammerte ihn mit beiden Armen und schrie ihm erregt zu: „Laß das sein, es ist sinnlos. Wir werden nicht vom Sicherheitsdienst abgeholt, sondern von den Leuten, mit denen wir ohnehin Verbindung aufnehmen wollten. Tonther und auch der Sergeant gehören zu einem Spionagering. Laß die Hand von der Waffe.“ Er saß wie erstarrt und sah den Physiker nur an, der in seine Ecke gerückt war und die „Henderley“ auf uns gerichtet hatte. Strubing schien sich gar nicht um uns zu kümmern. Er hatte die unterirdische Stadt bereits durchfahren und bog eben in einen großen Verbindungsstollen ein, der direkt nach Norden führte. Mit hastigen Worten erklärte ich Hannibal das, was ich von dem Physiker erfahren hatte, und die sprungbereite Haltung des Kleinen lockerte sich. Als ich fertig war, begann er derart gekonnt und ausgiebig zu fluchen, daß ich einigermaßen sprachlos die Augen aufriß. Strubing begann zu grinsen, und Dr. Tonther schien aufzuatmen. „Gut, daß Sie vernünftig geworden sind, Ridgeman“, erklärte er laut. „Sie haben ein unverschämtes Glück gehabt, daß Ihr Sicherheitschef, Kapitän Orlop, nicht auf den Gedanken gekommen ist, in Limings Quartier ein Abhörmikrophon einzubauen. Wenn er daran gedacht hätte, dann wären Sie jetzt wirklich verhaftet.“ „Großartig“, lachte ich gellend. „Und was haben Sie mit uns vor? Die Sache sieht mir sehr stark nach einer Entführung aus.“ „Seien Sie froh, daß wir rechtzeitig geschaltet haben. Wenn Sie vernünftig sind, passiert Ihnen gar nichts. Ich habe lediglich den Auftrag erhalten, Sie zwecks einer näheren Aussprache zu einem anderen Ort zu bringen. Sie brauchen sich also nicht aufzuregen.“ 92
„Was verstehen Sie unter Aussprache?“ fragte Hannibal kalt. „Das kommt auf Sie an. Wir werden Ihnen gewisse Vorschläge unterbreiten. Wenn Sie annehmen, sind Sie aus allen Schwierigkeiten heraus. Das kriegsgerichtliche Verfahren gegen Sie wird dann eingestellt werden. Sie können verdienen, was Sie wollen. Natürlich werden Sie unsere Bedingungen erfüllen müssen.“ „Es erscheint mir verwunderlich, daß Sie so frei von Ihrem offensichtlichen Verrat sprechen“, lachte ich rauh. „Das ist gar nicht verwunderlich, Liming. Das sollten Sie wissen. Wir haben Sie todsicher in der Hand. Sie werden sich hüten, auch nur die geringfügigste Bemerkung fallenzulassen. Ist Ihnen das klar?“ Ich schwieg, da ich befürchtete, daß man den Triumph in meiner Stimme wahrnehmen könnte. Die Burschen hatten so prompt angebissen, wie ich es kaum erwartet hatte. „Ich habe kapiert, Doc“, murmelte ich leise. „Was wollen Sie von uns oder von mir? Natürlich die Unterlagen über die amerikanische Ultraschall-Unterwasser-Kanone, nicht wahr?“ „Auch, aber erst in zweiter Linie. Sie werden alles hören. Fahren Sie langsamer, Strubing.“ Der Sergeant nickte und fuhr in einen Stollen ein, der sich serpentinenartig nach unten wand. Es dauerte noch fünf Minuten, bis wir endlich in einen breiten Tunnel einbogen, der offensichtlich mehr Wohnzwecken als dem Durchgangsverkehr diente. Der Wagen hielt vor einem größeren Fertighaus, das sich in seiner halbkugelförmigen Konstruktion an die Felswand anlehnte. Dr. Tonther sah sich vorsichtig um und deutete dann auf das Haus, in dem sich eben eine Seitentür öffnete. Demnach hatte dieser Bau zwei Eingänge. „Verlassen Sie den Wagen und gehen Sie rasch hinein. Das 93
ist mit zwei Schritten getan. Beeilen Sie sich. Sie werden erwartet.“ Strubing öffnete die Tür, und ich gab Hannibal einen Wink. Der Kleine flitzte hinaus, und schon war er in dem Gebäude verschwunden. Ich folgte rasch. Tonther und Strubing kamen hinterher. Ich gelangte in einen kleinen Vorraum, in dem Hannibal bereits wartete. Vor uns glitt eine Schiebetür zurück, und da sah ich die schwarzhaarige Frau, die betont ruhig in einem Sessel saß und in einem Buch las. „Oh … bitte, treten Sie näher“, lächelte Doris Elvador, die ich in der vergangenen Nacht ebenfalls kennengelernt hatte. Sie gehörte zum engeren Stab des Chef-Geologen Dr. Siluk und war die geologische Leiterin eines Bauabschnitts. Hannibal grinste sie breit an und meinte dann wenig höflich: „Sieh mal an, Doktorchen Elvador gehört also auch zu dem Verein. Das hätte ich schon vor Wochen wissen müssen.“ „Was hätten Sie denn in dem Fall getan, Ridgeman?“ fragte die schöne Frau, in deren Adern mexikanisches Blut floß. „Sie hätten sich wohl einen Orden verdient, nicht wahr?“ Ihr voller Mund lächelte, doch ihre dunklen Augen glänzten kalt. Ich mußte mich beherrschen, um nicht ein unbedachtes Wort auszusprechen. Da saßen nun vor mir die Leute, die mit ihrem Wissen die wichtigsten Anlagen des Stützpunktes verraten konnten. Besonders die Frau als Geologin war darüber informiert, an welchen Punkten die Bomben-Arsenale angelegt worden waren. „Nehmen Sie doch Platz, Mr. Liming“, sagte sie höflich. „Es unterhält sich besser, wenn man sitzt. Strubing, schließen und sichern sie die Tür. Edgar, nehmen Sie doch die Hand aus der Tasche. Eine Schußwaffe scheint hier nicht angebracht zu sein.“ 94
„Sie sind bewaffnet“, brummte der andere Bursche, den sie mit Edgar angesprochen hatte. „Sind Sie das wirklich?“ lächelte sie direkt reizend, während ich mich setzte. „Sie werden doch hoffentlich nicht auf dumme Gedanken kommen, Mr. Liming. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß sich das Original-Tonband nicht in meinem Haus befindet. Sollten Sie also so unvorsichtig sein, Ihre Beherrschung zu verlieren, dürfte Ihnen das nicht viel nützen.“ „Wo ist das Band, besser gesagt, das angebliche Band?“ knurrte Hannibal. „Ich glaube Ihnen nicht eher, als bis ich es gehört habe. Denken Sie ja nicht, daß Sie mit uns Katze und Maus spielen können.“ Tonther lachte, und sie lächelte amüsiert. „Mr. Ridgeman, mit Ihnen haben wir erst in zweiter Linie zu tun. Sie sollten also recht froh sein, daß wir gewillt sind, auch Sie in unsere Organisation aufzunehmen. Es dürfte Ihnen auch gar nichts anderes übrigbleiben. Erklären Sie jetzt aber nicht, Ihr kostbares Leben wäre Ihnen gleichgültig, und Sie würden uns trotzdem Ihrem Sicherheitsdienst melden. So heroisch sind Sie gar nicht, was wir langst festgestellt haben. Dessenungeachtet bin ich bereit, eine Kopie des Bandes abspielen zu lassen. Edgar, schalten Sie das Gerät ein.“ Während ich noch überlegte, klang hinter uns ein Lautsprecher auf, und wir hörten das, was wir vor einigen Stunden gesprochen hatten. Ich lauschte einige Minuten und sagte dann müde: „Schon gut, schalten Sie ab. Ich glaube Ihnen.“ „Sehr vernünftig. Kann ich zur Sache kommen? Meine Zeit ist begrenzt. Im geologischen Stab wird auch noch nachts gearbeitet.“ „Wer sind Sie, oder was sind Sie?“ fragte Hannibal wütend. „Wer ist hier eigentlich der Chef? Wenn wir schon verhandeln, dann wollen wir es auch mit Leuten zu tun haben, deren Anweisungen befolgt werden.“ 95
„Ich bin nicht der sogenannte Chef, aber das, was ich Ihnen zusichere, wird auch eingehalten werden. Vorläufig sind wir noch nicht soweit. Ich habe lediglich den Auftrag erhalten, mich über Ihre Gesinnung zu vergewissern. Ihre Aufgaben bekommen Sie später gestellt.“ „Was verstehen Sie unter Aufgaben?“ warf ich sachlich ein. „Ich sehe ein, daß wir uns vollkommen in Ihrer Hand befinden. Sie kennen unseren Plan, und das würde genügen, uns restlos auszuschalten. Insoweit sehe ich klar. Was wollen Sie eigentlich? Wissen Sie nicht, daß mir eine kriegsgerichtliche Verhandlung droht, und daß ich jeden Augenblick verhaftet werden kann? Was kann ich Ihnen unter solchen Umständen nützen? Lassen Sie mich meinen Fluchtplan durchführen.“ Sie musterte mich prüfend, und mir war dabei gar nicht wohl zumute. „Das ist nicht notwendig, Mr. Liming“, entgegnete sie nach Augenblicken. „Wenn Sie auf mein Angebot eingehen, kann das Verfahren niedergeschlagen werden. Die AS-Regierung wird die Protestnoten zurückziehen und auch auf die Schadensersatzansprüche verzichten. Das müßte Ihnen genügen.“ Ich sah sie unsicher an, ehe ich murmelte: „Haben Sie wirklich einen solchen Einfluß?“ „Sind Sie so naiv, oder tun Sie nur so? Der Chef wird das besorgen. Sind Sie einverstanden? Wir garantieren Ihnen für Ihre Sicherheit. Sie werden auch Ihr Kommando wieder erhalten.“ Hannibal lachte bissig, und ich fragte unruhig: „Schön, auch das will ich glauben. Was habe ich dafür zu tun?“ „Für uns zu arbeiten, das ist alles. Wir legen Wert auf eine gute Verbindung zur Außenwelt, was sich bisher außerordentlich schwierig gestaltet hat. Sie wissen selbst, daß Tanaga nur durch U-Boote erreichbar ist. Demnach benötigen wir U-BootKommandanten, die unsere Nachrichten nach draußen bringen. 96
Untergeordnete Besatzungsmitglieder sind für uns bedeutungslos, denn nur ein Kommandant kann die Befehle geben, die zur Übergabe der Nachrichten erforderlich sind.“ Hannibal sah gegen die Decke, und ich begann verhalten zu lächeln. „Interessant. Ich soll also wichtige Unterlagen aus dem Stützpunkt hinausbringen. Ist das alles?“ „Das ist alles. Mehr haben Sie gar nicht zu tun. Die Unterlagen werden nicht sehr umfangreich sein. Es handelt sich immer nur um kleinere Behälter, die Sie auf hoher See zu übermitteln haben. Sie haben die Behälter nur ins Wasser zu werfen, wo sie von einem anderen U-Boot aufgenommen werden. Dafür ist es erforderlich, daß Sie entweder auftauchen oder die Behälter mitsamt Ihren Abfällen aus dem Boot ausstoßen. Ich sage Ihnen offen, Mr. Liming, daß wir einen ganz besonderen Wert auf Ihre Mitarbeit legen. Sie gehören zu den wenigen U-BootKommandanten, denen man allergrößtes Vertrauen entgegenbringt, was Sie in Ihrem Fall durch den Transport der CBomben bewiesen haben. Sie erhalten für jede erfolgte Nachrichtenübermittlung hunderttausend Dollar.“ „Und ich? Was habe ich dabei zu tun?“ fragte Hannibal mit schmalen und noch recht lüsternen Augen. Sie sah ihn kalt an und entgegnete betont: „Nicht so viel, Ridgeman. Es trifft sich gut, daß Sie zweiter Sicherheitschef für die Schleusen sind. Es ist Ihre Aufgabe, darauf zu achten, daß Liming unkontrolliert sein Boot betreten kann, sobald er Nachrichten bei sich hat. Das können Sie doch, nicht wahr?“ „Kleinigkeit springt dabei heraus?“ „Zwanzigtausend, nicht mehr. Wir zahlen schon sehr anständig für eine an sich leichte Arbeit.“ „Die aber ebenso leicht den Kopf kosten kann“, brummte ich. „Waren das Ihre Vorschläge?“ 97
„Vorläufig ja. Wir werden Ihnen den Weg ebnen. Sind Sie einverstanden?“ Ich sah Hannibal an. Er zuckte mit den schmalen Schultern. Zynisch lachend meinte er: „Es dürfte dir wohl kaum ein anderer Ausweg bleiben, mein Lieber! Wenn das Verfahren abgebogen wird, ist ja alles gut. Dann brauchst du auch nicht mehr Hals über Kopf zu verschwinden.“ Ich überlegte einige Augenblicke, indessen sie ungeduldig auf die Uhr blickte. „Geht Ihre Nachricht sofort hinaus? Ich meine, haben Sie jemanden, der Ihre Leute noch rechtzeitig genug verständigen kann, damit die Noten auch zurückgezogen werden?“ „Wenn Sie sich noch lange besinnen, dann ist es zu spät“, sagte Dr. Tonther „Unsere Verbindungen sind äußerst dürftig, zumal wir erst vor wenigen Tagen einen Kommandanten verloren haben.“ „Sprechen Sie etwa von dem Kommandanten des Transporters, der Professor Morrow an Bord hatte?“ Sie warf ihm einen ärgerlichen Blick zu, und er kroch förmlich in sich zusammen. Da hatte der liebe Tonther eine unbedachte Bemerkung gemacht. „Das darf Sie gar nicht interessieren. Mr. Liming“, erklärte sie. „Ich habe Ihnen offen gesagt, daß wir Sie dringend benötigen, was aber nicht bedeuten soll, daß wir nun unter allen Umständen auf Ihre Mithilfe angewiesen wären. Vergessen Sie nie, daß Ihr Schicksal von unserem Willen abhängig ist. Erklären sie sich also zur Mitarbeit bereit?“ „Ja, es bleibt mir keine andere Wahl“, stieß ich hervor. Sie nickte ganz sachlich, und schon bekam dieser Edgar seine Anweisungen. „Machen Sie sich sofort auf den Weg. X-3 soll die Nachricht ‚positiv’ absetzen.“ Der Mann verschwand in größter Hast, was mir bewies, daß 98
er noch den Kommandanten eines U-Bootes erreichen mußte, das anscheinend kurz vor dem Auslaufen stand. Die Bande hatte bereits die ersten, schwerwiegenden Fehler gemacht, die als solche aber noch nicht erkennbar waren. Wenn Sie gewußt hätten, mit wem sie verhandelten! Sie erhob sich abrupt und sah erneut auf die Uhr. „Wir müssen unsere Unterhaltung leider abbrechen. Mein Dienst beginnt. Tonther, bringen Sie unsere Mitarbeiter zum Klub zurück. Wenn Sie gefragt werden sollten, wo Sie waren, so haben Sie mich besucht, um mich zu einem Bummel zu verleiten. Der Wagen kann bemerkt worden sein. Strubing, Sie verschwinden unauffällig.“ Das war kurz und schmerzlos gewesen, überhaupt nicht romantisch. Daran war ich aber längst gewohnt, da ich erfahren hatte, daß es im unterirdischen Kampf der Geheimdienste keine Spur von Romantik gab. Da ging es um das nackte Dasein. Wenn ein Mitarbeiter versagte, oder wenn es nur den Anschein hatte, daß er eventuell versagen könnte, so wurde er rücksichtslos ausgeschaltet. Der Sergeant blieb, und wir fuhren zusammen mit Dr. Tonther zum Klub zurück, wo unsere kurze Abwesenheit überhaupt nicht aufgefallen war. Die Bardame, die Hannibal so fürsorglich zum Wagen gebracht hatte, warf Tonther einen fragenden Blick zu. Er nickte kurz. Sie lächelte mich an, und damit war ich ganz sicher, daß sie ebenfalls zu dem Verein gehörte. Es schien allerhöchste Zeit zu werden, daß mit dieser Spionagezentrale innerhalb von Tanaga aufgeräumt wurde. Die Leute saßen in wichtigen Positionen, und es war unvorstellbar, was alles geschehen konnte, wenn genaue Pläne und Angaben über die geheimsten Daten des Stützpunktes in falsche Hände gelangten. Wir blieben bis vier Uhr. Dann ließ ich einen Wagen anrufen, 99
der uns zu den Quartieren brachte. Ehe wir gingen, raunte uns Tonther noch zu: „Wir ziehen nun am gleichen Strick, Liming. Seien Sie ja wachsam. Mit dem hiesigen Sicherheitschef ist nicht zu spaßen. Wir haben vergeblich versucht, einen Mann in die UnterwasserOrtungszentrale hineinzubringen. Das war auch bei der Funküberwachung unmöglich. Ich rate Ihnen dringend, äußerst wachsam zu sein.“ „Sie sollten den Sicherheitschef in eine schöne Falle locken“, knurrte ich sarkastisch. Das ist Ihnen in meinem Fall doch auch gelungen. Das wäre für Sie der richtige Mann.“ Er zuckte mit den Schultern und sah sich unruhig um. „Leider hat er kein AS-U-Boot versenkt. An den Mann ist nicht heranzukommen, und tüchtig ist er auch. Ridgeman soll nur vorsichtig sein, daß er nicht auffällt. Orlop läßt ihn schneller an die Wand stellen, als er Amen sagen kann.“ Ich hatte das bestimmte Gefühl, daß Tonther mit den Worten die Wahrheit sagte. Er war derart unruhig und nervös, daß dieser Zustand nicht gespielt sein konnte. Als ich mit Hannibal im Wagen saß, der ihn zuerst zu seinem Quartier bringen sollte, fragte ich leise: „Was hältst du von Kapitän Orlop? Könnten wir es riskieren, ihm unsere Marken zu zeigen? Hast du ihn unter die Lupe genommen?“ Er schwieg einige Sekunden, ehe er zurückflüsterte: „Orlop ist zweifellos in Ordnung. Ich habe ihn schon lange aus dem Kreis der Verdächtigen ausgeschlossen. Er gibt sich alle Mühe, die Schweinereien aufzudecken.“ „Ich brauche ihn. Allein kommen wir nicht weiter. Kannst du dafür sorgen, daß ich ihm vorgeführt werde? Er soll mich, wenn möglich, anrufen und mir persönliche Anweisungen geben. Warnung vor unüberlegten Handlungen, Verbot zum Betreten der Schleusen-Sektoren und so weiter. Kannst du ihm suggerie100
ren, daß eine solche persönliche Verwarnung erforderlich wäre? Schließlich bist du ja von ihm mit meiner Überwachung beauftragt worden.“ Er begann breit zu grinsen und flüsterte: „Wird sofort erledigt. Spätestens um acht Uhr hast du den Befehl. Was habe ich zu tun?“ „Sofort Funknachricht an den Atom-Bomber absetzen. Berichten, was vorgefallen ist. Alle Namen erwähnen, die uns bekannt geworden sind. Wir sehen uns um 13 Uhr in der Messe-Halle.“ 9. Kapitel In meiner Hüfttasche steckt das Plastiketui mit der unverkennbaren GWA-Marke. Ich hatte es dem Versteck entnommen und mich dann auf den Weg gemacht. Das Hauptquartier des Sicherheitsdienstes von Tanaga lag ebenfalls in dem riesigen Felsdom und war gar nicht weit entfernt von dem Betonriesen, in dem Admiral Porter residierte. Ich hatte erwogen, ihn ins Vertrauen zu ziehen, doch der Gedanke an den Ersten Stabsoffizier hielt mich davon ab. Kapitän Lewrik erschien mir nicht vertrauenswürdig. Gern hätte ich mich nach ihm erkundigt, doch das war mir zu gefährlich erschienen. So hatte ich es also unterlassen, Admiral Porter einzuweihen. Der Sicherheitschef konnte mir auch viel dienlicher sein, da er alle Machtmittel des Stützpunktes in den Händen hatte. Im Gefahrensfalle war er sogar dem militärischen Chef, Admiral Porter, haushoch übergeordnet. Ehe ich das flache und langgestreckte Betongebäude betrat, tastete ich verstohlen nach meiner Thermo-Rak-Pistole, die ich ebenfalls eingesteckt hatte. Der Sicherheitschef konnte mißtrauisch werden, und es war vielleicht gut, wenn er neben der Marke auch die Waffe sah, über die nur GWA-Agenten verfügten. 101
Ich wurde bereits von einem Offizier erwartet, der mich ins zweite Stockwerk brachte. Nach zehn Minuten wurde ich vorgelassen, und dann stand ich vor dem hochgewachsenen Mann, der auf den Ärmeln seiner vier mittelbreite Goldstreifen trug. Er schickte einen Mitarbeiter hinaus und bot mir dann seinen Platz an. Ich musterte ihn sehr eingehend, und er schien das auch zu tun. „Ja, Liming“, begann er, „es tut mir leid, daß ich Sie so förmlich zu mir befehlen muß. Es bleibt mir aber keine andere Wahl. Sie stecken in einer bösen Patsche.“ Beinahe mitleidig sah er mich an, was mich zu einem Lächeln verführte. Ehe er weitersprechen konnte, fiel ich ein: „Sind wir hier vollkommen ungestört. Kapitän Orlop?“ Er sah mich etwas verständnislos an. „Ich meine … gibt es hier keine Abhör- oder Kontrollanlagen, die unser Gespräch weiterleiten könnten?“ Sein schmales Gesicht wurde sehr hart. Das mitleidige Leuchten in seinen Augen verschwand. Er schien mir plötzlich nicht mehr zu trauen. Wahrscheinlich dachte er, ich hatte eine Dummheit im Kopf. „Was wollen Sie damit sagen, Liming?“ fragte er fast flüsternd. „Wir sind vollkommend ungestört. Was haben Sie vor?“ Ich begann leise zu lachen und fragte ihn dann, ob er etwas dagegen hätte, wenn ich in die Hüfttasche greife. Er schüttelte stumm den Kopf, doch sein Körper spannte sich zum Sprung. Dieser Mann war mehr als mißtrauisch. Ich griff langsam in die Tasche und holte das Plastiketui hervor. „Sehen Sie nicht zu lange auf die Marke. Es dürfte Ihnen bekannt sein, daß sie leicht radioaktiv strahlt“, sagte ich, ehe ich den flachen Behälter aufschnappen ließ. Durch den Arbeitsraum zuckte das unruhig wallende Fluo102
reszenzlicht der GWA-Marke, und in seinen weit aufgerissenen Augen spiegelte sich das rötliche Leuchten. Sein blaß gewordenes Gesicht wurde davon angestrahlt. „Ich bin Captain HC-9, Spezialist der Geheimen Wissenschaftlichen Abwehr, abgestellt zum Unternehmen Tanaga, das die Tarnbezeichnung ‚Kommandosache HC-9’ erhalten hat.“ Damit klappte ich das Etui zu. Er sah mich starr an. Dann ließ er sich schwer aufatmend in seinen Sessel zurücksinken. „Ich werde wahnsinnig“, murmelte er mit zitternder Stimme. „Bringt man uns so wenig Vertrauen entgegen, daß man uns schon einen GWA-Schatten auf den Hals schickt? Sollen Sie mich ablösen, Sir?“ „Wo denken Sie hin. Ich brauche Sie dringend. Mein Kommen hat mit einem Mißtrauensbeweis gar nichts zu tun, aber ich darf Sie trotzdem versichern, daß Sie allein um keinen Schritt weitergekommen wären. Sie ahnen ja gar nicht, mit welchen Elementen wir es hier zu tun haben.“ „Ihre – Ihre Verhandlung, der U-Boot-Angriff – war das alles Tarnung?“ stieß er erschlagen hervor. „Nein, Der Angriff kam gänzlich unerwartet, doch er hat mich in eine Situation hineingebracht, die mehr als wünschenswert war. Wir könnten heute schon zuschlagen, Orlop, wenn wir wüßten, wer der Chef dieser Bande ist.“ Er schüttelte nur noch den Kopf, und langsam kehrte der alte Glanz in seine Augen zurück. „Ich kann das überhaupt nicht fassen! Ich habe hier Unterlagen, aus denen hervorgeht, daß Sie ein fähiger U-Boot-Kommandant sind. Jetzt entpuppen Sie sich als GWA-Captain und behaupten außerdem, Sie könnten schon zuschlagen, wenn …“ Er verstummte und schüttelte erneut den Kopf. Damit er nicht wieder zu zweifeln begann, hielt ich ihm meine ThermoRak-Automatik unter die Nase. 103
„Sind Sie jetzt überzeugt? Diese Waffen kennen Sie doch, nicht wahr?“ „Vom Hörensagen, Sir“, flüsterte er leise, und seine Blicke streichelten förmlich die gefährliche Waffe. „Orlop, ich habe es riskiert, mich Ihnen gegenüber auszuweisen. Ich weiß aber trotzdem noch nicht hundertprozentig, ob Sie auch einwandfrei sind. Sie müssen das verstehen, denn ich habe schon die tollsten Sachen erlebt. Ehe ich Sie weiter informiere, muß ich mich davon überzeugen, daß Sie nichts mit den Leuten zu tun halben, die recht bald vor dem Richter stehen werden.“ Er sah mich starr an und schielte dann auf die Waffe, die ich noch in der Hand hielt. „Wenn Sie mich jetzt abschießen würden, könnte Ihnen kein Mensch etwas wollen, nicht wahr?“ „Reden Sie doch keinen Unsinn, Orlop. Auch ein GWAAgent kann nicht willkürlich vorgehen. Ich werde Ihnen aber vorläufig keine Gelegenheit geben, zu einem Dritten von den Dingen zu sprechen, die ich Ihnen mitgeteilt habe. Ich werde Sie vorher überprüfen.“ „Womit?“ fragte er. „Mit einer Droge, die bei einer einmaligen Anwendung vollkommen harmlos ist. Sie sind in dreißig Minuten wieder in Ordnung. Sind Sie damit einverstanden?“ „Ralowgaltin, nicht wahr?“ flüsterte er rauh. „Ja, genau das. Ich werde die Dosis ganz knapp bemessen. Zwei Kubikzentimeter. Das reicht eben für eine RauschBefragung von knapp zehn Minuten. Ich werde Sie nur nach den Dingen fragen, die mich interessieren. Sonst nichts. Sind Sie einverstanden?“ Er blickte wieder auf meine gefährliche Waffe, und dabei huschte ein Lächeln über seine Lippen. „Schön, ich bin es. Aber nicht deshalb, weil ich mich gezwungen fühle, sondern weil ich mit Ihnen arbeiten möchte. 104
Fangen Sie an. Nein – warten Sie noch. Ich gebe Anweisungen, daß wir nicht gestört werden.“ Er ging ans Bild-Sprechgerät und gab die Anweisung. Anschließend kam er zurück, wobei er schon seine Jacke auszog. Ich atmete innerlich auf und fischte die Injektionsspritze aus meiner Tasche. Sie füllte sich zur Hälfte mit der unheimlichen Droge, die eine totale Ausschaltung des Willens-Zentrums bewirkte. Ein Mensch, der Ralowgaltin im Blut hatte, konnte einfach nicht lügen. Er mußte wahrheitsgemäß auf jede Frage antworten. Ich injizierte ihm den Inhalt in die Armvene und wartete einige Minuten, bis sich die Reaktion einstellte. Fürsorglich füllte ich schon das Gegenmittel ein, das die Wirkung der Droge wieder aufheben sollte. Die Reaktion kam sehr schnell, was ich an den starr werdenden Augen und dem heftigen Schweißausbruch merkte. Als ich dann zu fragen begann, antwortete er so monoton wie eine Maschine. Ich ging sehr gründlich vor, und dabei erwies es auch, daß Kapitän Orlop vollkommen einwandfrei war. Nach zehn Minuten wurde die Reaktion schon schwächer, da ich eine sehr knappe Dosis eingespritzt hatte. Ich gab ihm das Gegenmittel. Während er sich langsam erholte, packte ich mein Gerät zusammen und verstaute es mitsamt den geleerten Ampullen in der Tasche. Nach dem dritten Whisky war er wieder klar, wenn sein Gesicht auch noch leichenblaß war. „Nun“, fragte er keuchend. „Ich bitte um Entschuldigung, Orlop. Alles einwandfrei. Sie müssen verstehen, daß ich sichergehen mußte. Notfalls hätte ich Sie gezwungen, denn es steht zu viel auf dem Spiel.“ Danach begann ich zu berichten. Seine Augen wurden immer größer. Als ich ihm erklärte, daß Hannibal auch ein GWAAgent sei, begann er wie ein Irrer zu lachen. 105
Abschließend meinte ich: „Ich muß nun verschwinden, da man garantiert schon weiß, daß ich bei Ihnen bin. Sorgen Sie dafür, daß diesem Sergeanten Strubing mitgeteilt wird, daß Sie mich eingehend belehrt haben, was ich tun darf und was nicht. Dann stellen Sie fest, welches U-Boot gegen ein Uhr dreißig ausgelaufen ist. Der betreffende Kommandant hat eine Meldung an Bord und gehört demnach zu den Leuten, die wir suchen. Ich bleibe mit Ihnen über Dr. Fiskul in Verbindung, da man uns nicht zusammen sehen darf. Ich werde Sie nur in einem sehr dringenden Fall persönlich anrufen. Meine Mitarbeiterin wird Sie sofort informieren, falls unvorhergesehene Dinge geschehen sollten. Ich bleibe mit ihr über mein Funkgerät in Verbindung. Ist soweit alles klar?“ „Sie können sich auf mich verlassen“, strahlte er und zerquetschte mir bald die Hand. „Ich werde im rechten Augenblick mit allen verfügbaren Mitteln zuschlagen. Sorgen Sie nur dafür, daß Ihre Mitarbeiterin nicht erkannt wird. Wir brauchen sie als Verbindungsperson.“ „Sie wird ganz im Hintergrund bleiben und nur die Vermittlung besorgen. Sobald aus Washington die Nachricht eintrifft, daß das Verfahren gegen Kapitän Liming eingestellt worden ist, können Sie mich nochmals rufen. Das ist ein guter Grund für einen unauffälligen Besuch.“ „Sie können sich auf mich verlassen“, betonte er nochmals, ehe er mich zur Tür brachte. Dort nahm sein Gesicht wieder den kühlen Ausdruck an. Als die Doppeltür geöffnet war, sagte er laut: „Sie sind also eingehend informiert, Liming. Machen Sie mir keine Dummheiten und warten Sie Ihre Verhandlung ab. Bleiben Sie von den Schleusen fern. Ich muß Sie notgedrungen überwachen lassen.“ Die beiden Soldaten im Vorzimmer sahen kurz auf, und schon erschien wieder der Offizier, der mich heraufgebracht hatte. 106
„Kapitän Liming hat nach wie vor seine volle Bewegungsfreiheit“, sagte Orlop. „Die Waffe kann ihm belassen werden.“ „Jawohl, Sir.“ * Ich war knapp eine halbe Stunde in meinem Quartier und wollte mich eben für einige Stunden hinlegen, als das Bildsprechgerät summte. Auf der Bildfläche erschien Dr. Tonther, der verräterische Physiker. „Was wollte man von Ihnen?“ fragte er, ohne zu grüßen. „Sie arbeiten prompt, das muß man Ihnen lassen“, fauchte ich aufgebracht in das Mikrophon. „Es hat mich ins Hauptquartier befohlen und mir stundenlange Belehrungen erteilt. Das war alles. Noch Fragen?“ Tonther lachte und meinte, er hätte nur auf Anweisung angerufen. „Schön das glaube ich Ihnen. Ist Ihre Nachricht durch?“ Er nickte kurz, und dann meinte er noch, ich sollte mit einem baldigen Bescheid rechnen. „Wir sehen uns heute abend im ‚Three-Hell-Klub’.“ Damit schaltete er ab. Ich schlief bis 11 Uhr, nahm ein Bad und suchte dann die Messe-Halle auf. Hannibal war schon da. Während ich meine Speisen auf dem auf dem Tisch stehenden Bestell-Automaten auswählte, flüsterte mir der Kleine zu: „Funkspruch vom Alten. Die AS-Regierung hat die Noten zurückgezogen. Es wäre nachträglich festgestellt worden, daß die Werft vergessen hätte, die Erkennungszeichen auf dem Bootskörper anzubringen. Das wäre bei den gewissenhaften Nachforschungen endlich bemerkt worden. Man bittet um Ent107
schuldigung und gibt formell zu, daß der Kommandant des USKreuzers im Recht gewesen sei. Was sagst du dazu?“ „Phantastisch“, murmelte ich. „Die arbeiten so sicher, daß man darüber ins Schwitzen kommen könnte. Anweisungen vom Alten eingetroffen?“ „Ja. Porter hat jetzt schon den Befehl, deine milde Haft aufzuheben. Der Alte hat über Chefadmiral Sethler dafür gesorgt, daß du ein neues Kommando erhältst. Du bekommst einen 250Tonnen-Kreuzer des Küstenschutzdienstes und wirst Chef der 4. Küstenwach-Flottille. Er meint, daß du damit die schönste Gelegenheit hättest, die Nachrichten der Bande nach draußen zu bringen. Du kannst ein- und auslaufen, wann du willst, da du als Flottillenchef gleichzeitig dem äußeren Sicherheitsdienst angehörst.“ Ich hatte Mühe, mein stilles Grinsen zu verbergen. Das war ja allerhand, was der Alte da wieder ausgeknobelt hatte. Meine „Freunde“ mußten zutiefst befriedigt sein, wenn sie von dem neuen Kommando erfuhren. „Du solltest sofort zuschlagen, sobald du weißt, wo der hiesige Chef der Bande zu suchen ist. In den Staaten haben unsere Jungs einen AS-Agenten gefaßt, der ein Mikro-Tonband mit Geheiminformationen über beabsichtigte Waffentransporte bei sich trug. Unsere Spezialisten haben das Band ausgewertet, und dabei wurde festgestellt, daß es von einem Offizier aus dem Stab von Admiral Songal, Nachschubchef für Tanaga, besprochen worden war. Der Mann steht bereits unter Bewachung, doch vorläufig läßt ihn der Alte noch auf freien Fuß. Nun weißt du auch, woher der Gegner die Information über deinen Bomben-Transport erhielt. Admiral Songal selbst ist einwandfrei. Er weiß nichts davon. Das wäre alles.“ Indessen ich behaglich meine Trüffelsuppe löffelte, flüsterte ich ihm leise zu: „Gut, die Sache macht sich. Nach dem Essen Nachricht an 108
den Alten absetzen. Informiere ihn, daß ich Sicherheitschef Orlop eingeweiht habe. Ich habe ihn mit Ralowgaltin kontrolliert. Ist einwandfrei. Wir können mit ihm rechnen. Der brennt darauf, der Bande das Handwerk zu legen.“ „Ich weiß. Er hat mich vor zwei Stunden persönlich angerufen und mir mitgeteilt, daß heute nacht um ein Uhr vierunddreißig ein 6000-Tonnen-Kreuzer ausgelaufen ist. Kommandant ist Fregattenkapitän Wilson. Er muß die Nachricht zum Zurückziehen der Noten übermittelt haben. Das Netz wird immer enger.“ Als ich mit meiner Suppe fertig war, erschien Elis Teefer. Ich informierte sie, und sie nahm es lachend zur Kenntnis, als hätte ich eine humorvolle Bemerkung gemacht. Dann meinte sie unterdrückt: „Ich komme so spät, weil ich bei Hannibal hineingesehen hatte. Mein Empfänger hatte angesprochen. Ich habe das Band ablaufen lassen. Neue Nachricht vom Chef.“ „Was gibt es?“ fragte ich unruhig. „Etwas, was er offensichtlich erwartet hatte. Ihre angebliche Wohnung in Washington ist von Unbekannten erbrochen und durchsucht worden. Dabei wurde auch Ihr Wandtresor geknackt, in dem sich Unterlagen über eine Unterwasser-Ultraschall-Kanone befanden. Damit befinden Sie sich endgültig in den Fängen des AS-Geheimdienstes, Kapitän Liming.“ Ich riß maßlos verblüfft die Augen auf. Hannibal begann zu grinsen, und sie lachte leise. Das war auch nicht verwunderlich, denn ich hatte weiß Gott nicht gewußt, daß mir der Alte solche Unterlagen in den Tresor einer Wohnung gelegt hatte, die ich niemals betreten hatte. „Teufel auch, da hat er aber schnell geschaltet“, flüsterte ich. „Daran hatte ich gar nicht gedacht.“ „Das ist durch eine Empfehlung unseres Super-Elektronengehirns geschehen. Die Maschine hielt es nach genauer Durch109
rechnung für erforderlich, solche Unterlagen an einem Ort zu verbergen, auf den auch der Gegner kommen könnte. Das Robotgehirn war wieder einmal schlauer als wir.“ Ich sagte nicht mehr, da ich ja aus Erfahrung wußte, daß die Riesenmaschine Lösungen unterbreitete, die direkt verblüffend waren. Zehn Minuten später verabschiedete ich mich, da für mich ein Anruf von Admiral Porter gemeldet worden war. Der Chef von Tanaga wünsche mich sofort zu sehen. Ich ließ mich direkt zur Zentrale fahren, und dort erklärte mir ein freudestrahlender Admiral, daß ich ein direkt unverschämtes Schwein gehabt hätte. Anscheinend hätten die Herren in Washington doch eingesehen, daß sie mir bitter Unrecht getan hätten, und so wäre ich vom General-Admiral persönlich zum Chef einer 500-Tonnen-Kreuzer-Flottille der enorm wichtigen Küstenwache ernannt worden. Er gratulierte mir feierlich und rief in meiner Gegenwart den Sicherheitshäuptling an, der über das ganze Gesicht lachte, als er die Nachricht hörte. Als ich von Porter entlassen wurde, war ich so mit Alkohol vollgepumpt, daß ich nur mit Mühe mein Quartier erreichte. Jetzt rollte die Lawine aber! Wenn es vorher zu langsam gegangen war, so begannen sich die Ereignisse jetzt schon zu überstürzen. 10. Kapitel Gegen 16 Uhr wurde ich angerufen. Es war Sicherheitschef Orlop, der mich diesmal nicht offiziell in sein Hauptquartier befahl, sondern höflich und freundlich darum bat. Ich sagte zu, und dreißig Minuten später stand ich vor ihm. Der Offizier, der midi zu ihm brachte, schüttelte mir die Hand und gratulierte mir zu dem Erfolg. 110
Ich bemerkte das grinsende Gesicht von Sergeant Straubing, der in der Wachstube saß, da er anscheinend Dienst hatte. Er blinkerte mir verstohlen zu, und ich kniff ebenfalls ein Auge zusammen. Er schien schon zu wissen, daß Kapitän Orlop nach mir verlangt hatte. Die Nachricht hatte sich herumgesprochen, und so mußte ich von allen möglichen Leuten Gratulationen entgegennehmen. Als sich die Doppeltüren hinter mir geschlossen hatten, kam Orlop lachend auf mich zu. Etwas außer Atem und glühend vor Begeisterung meinte er: „Bei allen Heiligen, Sir … das nenne ich prompte Arbeit. So etwas habe ich noch niemals erlebt, obwohl ich seit zwanzig Jahren im Sicherheitsdienst der Navy tätig bin. Arbeitet die GWA immer so fix?“ „Diesmal hatte der Zufall seine Hand im Spiel“, schmunzelte ich. „Wenn mich der Kommandant des AS-Bootes nicht angegriffen hätte, dann wäre die Sache anders verlaufen. Der Bursche kam mir wie gerufen. Admiral Porter hat direkt gestrahlt. Es war ihm anscheinend böse auf die Nerven gegangen, daß er mir nicht helfen konnte. Haben Sie einmal die Unterlagen von diesem Ersten Stabsoffizier eingesehen? Ich meine Kapitän Lewrik.“ Er nickte und nahm ein dünnes Aktenstück vom Schreibtisch. „Ist geschehen. Ehe er nach Tanaga versetzt wurde, hat man ihn natürlich sorgfältig überprüft. Aus den Akten geht überhaupt nichts hervor. Da ist nur eine Sache, die mich etwas stutzig gemacht hat.“ „Das wäre?“ fragte ich gespannt. „Er hatte in den Staaten eine sehr unangenehme Affäre. Vergehen gegen das Rauschgiftgesetz. Durch eine schwere Verletzung bei einem Dienstunfall wurde er mit Morphium bekannt, und das hat er sich anschließend schwarz besorgt. Er wurde 111
gewaltsam entwöhnt. Es liegt schon fünf Jahre zurück. Sonst konnte ich keine bedenklichen Angaben finden.“ „Wie lautet der ärztliche Befund? Ist der Mann ein verkappter Süchtiger?“ „Konnte nicht festgestellt werden.“ Das waren Angaben, mit denen ich überhaupt nichts anfangen konnte. Trotzdem wollte mir Lewrik nicht gefallen, da er mich zu offensichtlich ausgehorcht hatte. „Ordnen Sie endgültig eine unauffällige Überwachung an, doch nehmen Sie dazu nur Leute, denen Sie unbedingt vertrauen können. Beauftragen Sie damit Männer, die bisher in der Unterwasser-Ortung arbeiteten. Ich weiß, daß es unseren Gegnern nicht gelungen ist, dort Agenten einzuschmuggeln. Klappt die Verbindung mit Dr. Fiskul?“ „Ausgezeichnet. Ich habe ihr eine Sonderleitung freigemacht, die direkt in mein Arbeitszimmer führt. Abhörgefahr besteht nicht.“ „Sehr gut. Warten wir ab, was der heutige Abend bringt. Nun bin ich ja offiziell der Chef von der 4. Küstenwach-Flottille, und da wäre es für unsere Freunde an der Zeit, endlich Farbe zu bekennen.“ Eine Stunde später stand ich in der riesigen Schleusenhalle I, in der zwölf 500-Tonnen-U-Kreuzer vertäut lagen. Die Besatzung stand angetreten auf den schmalen Decks. Die Offiziere der Boote hatten sich auf dem Kai aufgebaut. Der alte Flottillen-Chef wurde abgelöst, und ich übernahm das Kommando. Kurze Ansprache, Mahnung an die Leute, unbedingt ihre Pflicht zu tun, daran zu denken, daß Tanaga eine Schlüsselposition zur Verteidigung der westlichen Welt wäre. Es dauerte Ewigkeiten, bis die Offiziere und einzelnen Kommandanten vorgestellt waren. Anschließend sprach Porter als militärischer Chef des Stützpunktes, wobei er lobend meine rasche Entschlußkraft erwähnte, die zur Verhütung eines 112
schwerwiegenden Verlustes geführt hätte. Die Entschuldigung der AS-Regierung wurde offiziell bekanntgegeben. Ich war reichlich bedient, als die Sache endlich vorüber war. Admiral Porter gab noch einen kurzen Empfang, und bei diesem mußte ich mir auch noch das entsetzlich seichte Gefasel der anwesenden Damen anhören. Dr. Doris Elvador war auch da. Ihre Augen schimmerten sehr ironisch, als sie mir gratulierte. „Nun, Mr. Liming, wie fühlen Sie sich denn?“ fragte sie, und ihre Mundwinkel verzogen sich spöttisch. Ich knurrte etwas und sah mich dabei unruhig um. „Nicht nervös werden“, murmelte sie. „Es ist alles in schönster Ordnung. Vergessen Sie nur niemals, daß wir ein gewisses Tonband besitzen. Im Auftrag des Chefs habe ich Ihnen mitzuteilen, daß man Ihnen bei einer südamerikanischen Großbank ein Konto unter dem Namen Joe Tefler eingerichtet hat. Man wird Ihnen wahrscheinlich in den nächsten Tagen eine Summe von drei Millionen Dollar überweisen.“ Sie amüsierte sich köstlich über mein sprachloses Gesicht. Ehe ich etwas sagen konnte, gab sie die Erklärung, die ich selbstverständlich erwartet hatte. „Wir haben uns nämlich erlaubt, Ihre Wohnung in Washington aufzusuchen und den Inhalt Ihres Wandtresors an uns zu nehmen. Sehr unvorsichtig, Mr. Liming, sehr unvorsichtig! Wie kann man nur Mikrofilme mit Unterlagen über eine geheime Waffe in einen Tresor legen, der sich in der eigenen Wohnung befindet! Ihre Frau hat natürlich von den heimlichen Besuchern nichts bemerkt. In der Hinsicht können Sie beruhigt sein. Ihre Filme befinden sich zur Zeit auf dem Weg nach China, wo sie überprüft werden. Wenn die Sache Hand und Fuß hat, sind uns die Filme drei Millionen wert. Sind wir nicht anständig?“ „Sehr anständig“, fauchte ich zitternd. „Damit haben Sie noch mehr Beweismaterial gegen mich in den Händen.“ 113
Sie lachte verführerisch und raunte dazu: „Ein Grund mehr für Sie, besonnen und vorsichtig zu sein. Wir können die besten Freunde sein, wenn Sie keine Dummheiten machen. Wir wollen unser Gespräch nun unterbrechen. Kommen Sie gegen 22 Uhr unter allen Umständen in ihren Stammklub. Ich erwarte Sie dort. Bringen Sie aber nicht wieder diese Mauryn Fiskul mit. Die Dame mag Ihnen ganz nett erscheinen, aber uns stört sie. Sie ist unwichtig, und das, was sie weiß, ist uns längst bekannt.“ Ich grinste sie breit an. Die Bemerkung war etwas zu gleichmütig gewesen. Ich wußte, daß sie eine schöne Frau und dazu noch recht oft allein war. „Dann müssen Sie aber mit mir tanzen“, murmelte ich. Sie lächelte unmerklich, und als sie sich umwandte, streifte sie mit ihrem Arm meine Schulter. „Ich werde es mir vielleicht überlegen, Robert Liming“, flüsterte sie. Ich sah ihr nach, wie sie hochaufgerichtet, ganz große Dame, durch den Raum schritt. Der Erste Stabsoffizier, Kapitän Lewrik, fragte schmunzelnd, ob ich nun zufrieden wäre, und ich bejahte zurückhaltend. Danach kam er wieder auf die Ultraschall-Kanone zu sprechen. Ich gab ihm einige Daten, die sehr schön klangen, mit der echten Leistung aber gar nicht vergleichbar waren. Dabei fiel mir ein, daß der GWA-Chef garantiert dafür gesorgt hatte, daß den AS-Agenten ausgezeichnet gefälschte Unterlagen in die Hände gefallen waren. Natürlich hätte er niemals die echten Pläne in meinen Washingtoner Tresor gelegt. 11. Kapitel Um 21 Uhr kam Hannibal. Er sagte mir, daß eine neue Funknachricht über Sup-Ultra-Welle eingetroffen sei. Der Chef teilte 114
mit, daß auf seine Veranlassung hin ein UnterwasserFlugzeugträger ausgelaufen wäre, der 50 Seemeilen südwestlich der Insel über dem Alëuten-Graben für alle Fälle auf Warteposition gegangen wäre. Das verlockte mich zu einem leisen Pfiff, und meine brennende Unruhe steigerte sich noch. Unterwasser-Flugzeugträger waren Riesenboote von 14 000 Tonnen. Sie waren ausgerüstet mit Raketenjägern, die 16fache Schallgeschwindigkeit erreichten und bis zu den Grenzen des Weltraumes vorstoßen konnten. An Bord befand sich ein GWA-Agent, der mit einer SupUltrawelle-Sende- und Empfangsanlage ausgerüstet war. Wenn ich hier funkte, so mußte er innerhalb von wenigen Augenblicken informiert sein, da der hochfliegende Atombomber die Nachricht sofort an den U-Träger abstrahlen würde. An Bord des Trägers befanden sich auch Maschinen zur UBoot-Abwehr, die mit den neuesten Ortungsgeräten ausgerüstet waren. Wahrscheinlich dachte der Chef daran, daß ich draußen in der offenen See eventuell in Schwierigkeiten kommen könnte, weshalb er wohl das Träger-Boot in See geschickt hatte. Um 22 Uhr betraten wir den Klub, wo wir sofort die riesige Bar mit der raffiniert beleuchteten Tanzfläche aufsuchten. Zehn Minuten später kam Doris Elvador. Ich tanzte mit ihr, und indessen sie ihren Körper an mich schmiegte, raunte sie mir ins Ohr: „Wir müssen für etwa eine Stunde weggehen. Sie werden erwartet. Der Chef hat wenig Zeit.“ Ich mußte mich zusammennehmen, um meine überströmende Freude nicht zu verraten. Dabei preßte ich sie unwillkürlich noch fester an mich, worauf sie schwer atmend meinte: „Nicht hier, man beobachtet uns. Ich werde schon genügend kompromittiert, wenn ich mit Ihnen den Klub verlasse.“ „Macht nichts, wir nehmen Ridgeman mit“, flüsterte ich. „Wir machen eben einen Bummel, nicht wahr?“ 115
„Denken Sie etwa, man würde das glauben?“ lachte sie leise. „Lehren Sie mich die Leute kennen! Sie treten doch morgen aktiv Ihr Kommando an, nicht wahr?“ „Ja, um acht Uhr.“ „Fein, da können Sie sofort auslaufen, da Sie ohnehin eine Inspektionsfahrt machen müssen. Der Chef wird Ihnen nachher die Unterlagen geben, die Sie aus dem Stützpunkt bringen müssen.“ „Wohin?“ „Er wird Ihnen die Position bekanntgeben, wo eines unserer Boote wartet. Sie können sich etwas darauf einbilden, daß er Sie persönlich zu sprechen wünscht. Sie haben anscheinend auch auf ihn Eindruck gemacht. Wenn Sie so weitermachen, werden Sie ein sehr bedeutender Mann, und es dürfte nicht lange dauern, bis Ihr Vermögen die Fünf-Millionen-Grenze überschreitet. Was wollen Sie damit machen? Etwa an Ihre Frau hängen, die Sie doch betrügt? Ich kann Ihnen beweisen, daß sie das tut.“ „Erstaunlich, daß Sie sich auch darum gekümmert haben“, lachte ich leise. „Man tut, was man kann. Vielleicht interessiert es mich.“ Sie fuhr mit den Fingerspitzen über die grauen Schläfen, und ich mußte wieder einmal bedauernd feststellen, daß sie leider eine gefährliche Landesverräterin war, die auf den elektrischen Stuhl gehörte. Auch ein GWA-Beamter ist nur ein Mensch, und ich muß hier offen zugeben, daß Doris Elvador eine Frau war, die mein Herz im Sturm hätte erobern können. Wir blieben etwa eine Stunde. Dann verschwanden wir so unauffällig, wie es nur möglich war. Draußen schwangen wir uns in ihren Privatwagen. Sie setzte sich hinter das Steuer. Die Verbrennungsturbine heulte leise auf, und schon schossen wir durch die Straßen der unterirdischen Stadt. 116
Wir bogen in den Hauptstollen ein, der direkt nach Norden führte. Diesmal ging es aber nicht zu ihrer Wohnung, sondern in einen großen Lasten-Aufzug hinein, der uns fünfzig Meter tiefer brachte. Damit kamen wir in den Sektor des Stützpunktes, wo die kernphysikalischen Labors zu finden waren. Die AtomwaffenMagazine lagen noch tiefer. Wir wurden von einem Wagen des Sicherheitsdienstes gestoppt, und es sah beinahe so aus, als wollten uns die Soldaten aufhalten. Als sie mich aber erkannten und obendrein Hannibals Uniform sahen, grüßten sie respektvoll und fragten nur: „Sie wollen doch sicherlich nicht zu den Magazinen hinunter, Sir? Das ist leider verboten.“ „Keine Sorge“, fiel Doris rasch ein. „Wir wollen nur zur physikalischen Abteilung, um Dr. Tonther abzuholen, der über seiner Arbeit wahrscheinlich vergaß, daß er sich mit uns verabredet hatte.“ Der junge Leutnant des Sicherheitsdienstes lachte. Dann konnten wir unangefochten weiterfahren. „Erstaunlich, wie Ihr Gesicht auf die Leute wirkt“, lachte sie. Während ich einige Bemerkungen machte und Hannibal sehr scharf auf den Weg achtete, verschwand meine Rechte in der Hosentasche. Mein Zeigefinger tastete behutsam nach dem winzigen Sendeknopf, der sich auf meinem Bein abzeichnete. Hannibal bemerkte das, und prompt begann er zu schwatzen. Er redete, und ich rief Elis Teefer an, die hinter ihrem Empfangsgerät auf dem Posten saß. „HC-9 an TS-102“, gab ich durch. „Befinden uns auf dem Weg zum Chef SpionageOrganisation. Nähern uns kernphysikalischer Abteilung auf Sohle acht. Fahrtrichtung genau Nord. Orlop anrufen, Alarmstufe I befehlen. Nachricht an Bomber diesbezüglich. Ich schlage zu, sobald Chef wirklich erscheint. Auf Signal fünfmal ‚T’ Einsatzbefehl an Orlop geben. Ende …!“ 117
Ich wiederhole, um ganz sicherzugehen. Hinter mir lachte und lärmte der Zwerg, und Doris schien sich köstlich zu amüsieren. Wir kamen in einen sehr ruhigen Teil der Riesenanlage. Die Stollen wurden immer enger. Hier unten wohnte kein Mensch, da Sohle acht nur für Arbeitsräume bestimmt war. Vor einem schweren Schiebetor hielten wir. Doris fuhr den Wagen dicht an die Felswand heran. Die Tür gehörte zu einem physikalischen Labor, in dem anscheinend dieser Dr. Tonther arbeitete. Jedenfalls hatten sie sich für die Zusammenkunft einen recht abgelegenen Ort ausgesucht. Sie stellte sich vor das Aufnahme-Okular des Fernbildgerätes und murmelte einige Worte. Gleich darauf glitt die Stahltür in den Schienen zurück, und wir traten in einen Vorraum, der hell erleuchtet war. Eine weitere Tür öffnete sich. Darin erschien Tonther, der einen nervösen Eindruck machte. Er musterte mich prüfend. Dann meinte er: „Sie kommen recht spät. Der Chef wartet schon. Folgen Sie mir.“ Als wir die Tür durchschritten, bemerkte ich die drei Männer, die mit schußbereiten Waffen neben der Wand standen. Einer davon war Sergeant Strubing, den zweiten Mann kannte ich auch. Es war der Bursche, den Dr. Elvador mit „Edgar“ angesprochen hatte. Inzwischen hatte, ich herausgefunden, daß er Green hieß und Kranführer in einem U-Boot-Dock war. In mir hatte sich sogar schon der Verdacht gefestigt, daß er es gewesen war, der meinen ehemaligen L. I. auf die Stromschiene geschleudert und anschließend überrollt hatte. Den dritten Burschen kannte ich nicht, doch er schien auch nur eine Bewacherrolle zu haben. 118
Die drei Männer hielten Maschinenpistolen in den Händen, die offensichtlich aus den Beständen der Navy stammten. „Was soll der Unsinn?“ fragte ich stehenbleibend. „Nur eine Vorsichtsmaßnahme“, lächelte Doris beruhigend. „Das ist immer so, wenn man mit dem Chef persönlich spricht. Kommen Sie schon, wir haben keine Zeit zu verlieren.“ Wir gingen durch das Labor hindurch und betraten einen anderen, weitaus größeren Raum. Im Hintergrund fiel mir eine schwere Bleitür auf, die in eine anscheinend meterstarke Betonmauer eingelassen war. „Warnung“, stand darüber. „Versuchslabor Radioaktivität.“ Hinter uns rollten die Stahltüren des großen Raumes zusammen. Tonther deutete auf einige Sessel, die in einer mit durchsichtigen Plastikscheiben abgegrenzten Ecke aufgestellt waren. Wir setzten uns. Die drei Burschen mit den Maschinenpistolen blieben stehen. Sie wußten bestimmt, daß wir bewaffnet waren, doch sie schienen die Anweisung erhalten zu haben, uns die Pistolen nicht abzunehmen. In dieser Annahme hatte ich mich aber getäuscht, denn im gleichen Augenblick trat der Sergeant auf uns zu und streckte freundlich grinsend die Hand aus. „Ich muß um Ihre Pistolen bitten. Das läßt sich leider nicht umgehen.“ Es wäre unsinnig gewesen, wenn wir uns nun lange geweigert hätten, weshalb wir wortlos unsere 7,65 Pistolen aus den Halftern zogen. Strubing steckte Hannibals und meine Pistole in den Plastikgürtel, der zu seiner Dienstuniform gehörte. Ich wurde etwas unruhig, da ich daran dachte, daß beide Automatiks ja mit unserer Spezialmunition geladen waren. Dr. Tonther war durch eine schmale Tür verschwunden, die von der Glaskabine in einen anderen Raum führte. Doris Elvador sah laufend auf die Uhr. Die drei Burschen 119
hinter uns standen lässig an die durchsichtige Wand der geräumigen Kabine gelehnt. Die Maschinenwaffen hingen in ihren Armbeugen. Ich gab Hannibal einen Hinweis mit einem verstohlenen Augenwink und sah dabei den Kerl an, den ich nicht kannte. Der Kleine schloß unmerklich die Lider, womit er klar kapiert hatte, daß das im Falle eines Falles „sein“ Mann war. Mit den beiden anderen Burschen konnte ich allein fertig werden. Zehn Jahre langer, regelmäßiger Drill befähigte mich dazu. Ich griff wie absichtslos an meine Spezialuhr, in der sich die höllische Säureladung befand. Ich zog sie mitsamt dem elastischen Metallband ganz nach vorn über das Handgelenk, als hätte sie mich vorher gedrückt. Hannibal tat nach einigen Augenblicken das gleiche. Die Spannung in mir wurde immer unerträglicher. Es schien Ewigkeiten zu dauern, bis Tonther wieder zurückkam. Dann ging alles sehr schnell. Ganz undramatisch und wieder nicht effektvoll. Der wichtigste Mann der Spionage-Organisation erschien so wenig romantisch, daß ich fast enttäuscht war. Ich hatte angenommen, er würde seinen Auftritt etwas geheimnisvoll gestalten. So trat er einfach durch die Tür und sagte: „Guten Abend.“ Das war alles. Hannibal begann zu grinsen, und dahinter verbarg er die maßlose Enttäuschung, die auch mich wie ein angreifendes Raubtier überfallen hatte. Unser „Oberfreund“ war aber trotzdem vorsichtig. Er schien überhaupt keinen Wert darauf zu legen, von uns erkannt zu werden, was von seinem Standpunkt aus gesehen auch vollkommen richtig war. Ich hätte keinesfalls anders gehandelt. Er kam aber nicht in dunkler Kapuze und geheimnisvoller Maske, was auch entschieden lächerlich und unpassend gewesen wäre, sondern trug einen schweren Schutzanzug aus einem grauen Plastikmaterial. Dieser Anzug stammte einwandfrei aus 120
den Schränken der kernphysikalischen Abteilung. Es war eine ganz normale Schutzkleidung gegen radioaktive Strahlungen, wie sie von Wissenschaftlern getragen wurde, wenn sie sich mit radioaktiv heißen Isotopen oder Reaktoren beschäftigen mußten. Unter den weiten Hosen und dem plumpen, sackartigen Überwurf des Oberkörpers konnte man mit dem besten Willen nicht erkennen, welche Figur der eintretende Mann hatte. Selbst die Hände steckten in schweren Schutzhandschuhen. Das Schuhwerk war auch von dem stumpfgrauen Material bedeckt. Über dem ganzen Schädel lag die übliche Schutzhaube mit den angefärbten Blei-Plastikgläsern, die ebenfalls zu einer regulären Schutzkleidung gehörte. War das ein Physiker, der daran gewohnt war, einen derart monströsen Anzug zu tragen? Vergeblich strengte ich mich an, wenigstens einen winzigen Teil des Gesichtes hinter dem schmalen Sichtglas der Haube zu erkennen. Der Mann hatte sich einwandfrei getarnt. Dabei war er in der Auswahl dieser Tarnung so geschickt gewesen, daß er noch nicht einmal lächerlich wirkte. Wenn er mit Maske gekommen wäre, hätte ich schallend gelacht. So aber war ich krampfhaft bemüht, meine Enttäuschung hinunterzuwürgen. Dem Kleinen schien es auch so zu ergehen. Dessenungeachtet grinste ich reichlich spöttisch, weshalb sich der Spionage-Chef anscheinend bemüßigt fühlte, direkt auf seinen Gruß zu sagen: „Ich bitte um Entschuldigung wegen der Maskerade, Mr. Liming. Das ist keineswegs ein Mißtrauensbeweis gegen Sie oder Ridgeman. Aber auch ich habe meine Anweisungen zu befolgen. Meine Vorgesetzten legen keinen Wert darauf, daß ich von allen Mitarbeitern in Tanaga erkannt werde. Das verstehen Sie doch, nicht wahr?“ Hannibal schnaufte und lehnte sich entspannt in seinem Ses121
sel zurück. Ich nickte stumm und lauschte dabei der Stimme nach, die dumpf und recht undeutlich unter der schweren Plastikhaube hervorgeklungen war. Ich war mir darüber klar, daß ich den Mann weder an der Figur noch an dem Organ jemals wiedererkennen würde. Mein Gehirn arbeitete wie rasend. Eine Überlegung jagte die andere. Wenn ich ihn richtig gesehen hätte, wäre ich wahrscheinlich entschlossen gewesen, noch nicht zuzuschlagen. So aber war es gänzlich ungewiß, ob ich den Chef nochmals zu sehen bekäme. Doris hatte ja schon bemerkt, daß ein Auftauchen des Chefs eine Seltenheit bedeutete. Wahrscheinlich trat der Chef nur dann mit seinen Mitarbeitern in Verbindung, wenn diese erstmalig einen Auftrag zu erfüllen hatten. Vielleicht wollte er diese Leute selbst begutachten. Deshalb war es leicht möglich, daß ich ihn niemals mehr zu sehen bekam. Ich machte eine bestimmte Handbewegung, die Hannibal aus den Augenwinkeln erfaßte. Damit war er informiert, daß der Augenblick gekommen war. Ich konnte diesen Mann nicht entkommen lassen. Hannibal wartete, und ich wartete auch noch. Erst wollte ich hören, was der Unbekannte zu sagen hatte. Das konnte der restlosen Aufdeckung des Spionagerings nur dienlich sein. Er setzte sich schwerfällig und legte die Hände auf die Knie. Ich bemerkte, daß er mich sehr sorgfältig musterte. Dann klang wieder die dumpfe Stimme auf: „Ich freue mich, Mr. Liming, daß Sie zugesagt haben. Sie sind für mich zu einem wichtigen Mann geworden! Sind Sie mit unserer Arbeit zufrieden?“ „Ausgezeichnet arrangiert, was ich zugeben muß, Sir. Meine Ernennung zum Chef der 4. Wachflottille war dabei der Gipfel.“ Er lachte, was sich ganz seltsam anhörte. „Ich war auch überrascht, aber angenehm. Es ist für Sie nun 122
eine Spielerei, die Nachrichten nach draußen zu bringen. Sind Sie von Dr. Elvador über den unumgänglichen Einbruch in Ihre Wohnung informiert worden?“ Ich sah ihn etwas böse an und murmelte: „Ja.“ „Sie müssen sich darüber nicht aufregen. Die Anordnung kam von oben, nachdem ich Bericht erstattet hatte, daß Sie Unterlagen über den neuen Schallstrahler der Navy besitzen. Wenn sie brauchbar sind, wird man Ihnen drei Millionen überweisen. Wir sind nicht kleinlich. Ein tüchtiger Mann kann immer mit unserer Hilfe rechnen, sobald er sich vernünftig benimmt und keine Dummheiten macht. Ich denke, mit drei Millionen können Sie sehr zufrieden sein.“ „Sehr schön. Ich frage mich nur, zu welchem Zeitpunkt ich in den Genuß dieser Summe kommen soll. Sagt man nicht immer, ein Mann, der einmal als Spion gearbeitet hat, käme nie mehr davon los?“ „Das sagt man, aber es hängt ganz von den näheren Umständen ab. Es liegt also in Ihrem eigenen Interesse, daß Sie mich niemals ohne Schutzkleidung sehen und niemals zuviel erfahren. Doch darüber sollten Sie sich jetzt keine Gedanken machen, zumal meine Zeit begrenzt ist. Kommen wir zu Ihrer Aufgabe.“ Er erhob die Rechte und gab Dr. Tonther einen Wink, der hinter ihm durch die schmale Nebentür eingetreten war. Wortlos reichte er dem Unbekannten einen etwa 30 Zentimeter langen und 3 Zentimeter durchmessenden Metallstab, der aus einem kräftigen Stahlblech bestand. Der Chef wog ihn in der Hand und bemerkte gedehnt: „Mr. Liming …, in diesem kleinen Behälter befinden sich Mikrofilme und Mikrotonbänder. Diese enthalten alle Ergebnisse über Tanaga, die wir bisher ermitteln konnten. Ich hatte es nicht gewagt, sie einem anderen Kommandanten anzuvertrauen, da 123
der Inhalt zu wichtig ist. Sie erhalten für den Transport die dreifache Normalgebühr, also dreihunderttausend Dollar. Auch daran sollen Sie ersehen, daß wir ehrlich sind. Wenn Sie damit gefaßt werden, bedeutet das Ihr Ende. Darauf mache ich Sie ausdrücklichst aufmerksam. Seien Sie also ganz besonders vorsichtig. Diesen Stab können Sie sehr leicht an Ihrem Körper verbergen, wenn Sie Ihr Boot betreten. Es wird niemand auf den Gedanken kommen, den Held des Tages zu untersuchen.“ Ich nickte und starrte dabei fasziniert auf den Metallstab, in dem sich eine ungeheuerliche Menge von Informationsmaterial befinden mußte. Was denken Sie wohl, was ein Mikrofilm alles enthält! Wenn ich den Inhalt in der Form von Papieren hätte transportieren sollen, dann hätte er einige sehr beachtliche Kisten und Koffer angefüllt. Der Unbekannte fragte nach der Uhrzeit, und Doris antwortete. Danach wurde seine Sprechweise auffallend hastig. „Meine Zeit ist begrenzt, Mr. Liming. Ridgeman, Sie sorgen dafür, daß man den Kapitän keineswegs belästigt. Ist das klar verstanden worden?“ „Okay“, knurrte der Kleine, der fiebernd auf mein Zeichen wartete. „Gut. Mr. Liming …, sehen Sie her. Ehe Sie den Stab über Bord werfen oder ihn durch Ihre Unterwasser-Müllentleerung ausstoßen, müssen Sie diesen Knopf niederdrücken.“ Ich beugte mich vor. Er nestelte unbeholfen mit seinen schweren Handschuhen an dem Behälter herum. Ich hörte einen leisen Fluch, und dann zog er plötzlich den linken Handschuh aus. „Hier …, da ist der Knopf. Sehen Sie ihn?“ Der Zeigefinger sagte mir gar nichts, doch dafür stach mir die Brandwunde in die Augen, die auf dem Handballen prangte. 124
Sie hatte eine seltsame, sternartige Form und war etwas bläulich. Herrgott …, wo hatte ich diese Narbe schon gesehen? Ich kam mit dem besten Willen nicht darauf, welche Person mir dadurch aufgefallen war. Die Wehrnehmung war wohl auch etwas unbewußt gewesen, als ich mit dem betreffenden Mann gesprochen oder ihn nur flüchtig gesehen hatte. Ich war ja daran gewohnt, auf jede Kleinigkeit zu achten. In mir fieberte alles, und wenn ich nicht ein stahlhartes GWA-Training hinter mir gehabt hätte, hätte ich mich jetzt zumindest durch einige hastige Atemzüge verraten. „Wenn Sie den Knopf drücken, strahlt die hier oben angebrachte Linse infrarotes Licht aus. Außerdem beginnt der eingebaute Kleinsender Peilsignale abzusetzen. Die Hülse kann von unserem wartenden U-Boot leicht entdeckt werden, denn dieses Boot ist speziell dafür eingerichtet. Das ist alles, was Sie zu tun haben.“ „Wo soll ich die Hülse ausschleusen? Welche Position?“ „Außerhalb der Dreimeilen-Zone. Genau auf 178 Grad westlicher Länge und 51 Grad nördlicher Breite. Das ist südlich der Insel, direkt über dem Alëuten-Graben. Die Daten sind sehr leicht zu behalten. Wiederholen Sie.“ Seinen Handschuh hatte er schon wieder angezogen. In meinem Schädel tobte es. Ich dachte nur über die sternförmige Narbe nach, doch ich kam nicht auf den rechten Gedanken. Ich überlegte noch, ob ich auf Grund dieser Tatsache doch noch nicht zuschlagen sollte, als es dicht hinter mir hart knallte. Ich fuhr ruckartig herum, und da sah ich, daß dem Sergeanten meine Pistole aus dem Gürtel gerutscht und auf den Boden gefallen war. „Sie Tölpel … passen Sie doch auf“, rief der Vermummte zornig. Strubing bückte sich hastig und verlegen. Er war zittrig, und 125
daher mochte es wohl gekommen sein, daß er beim Ergreifen der Waffe an den Abzug kam, bei dem sich durch den Aufprall die Sicherung der durchgeladenen Pistole herumgeschoben hatte. Ich sah das aufblitzende Mündungsfeuer, und in meinen Ohren gellte der peitschende Knall der Waffe. Im selben Augenblick flammte es rechts von mir auf und dort, wo eben noch die durchsichtige Plastikwand der Kabine gewesen war, begann es zu brodeln. Das Spezialgeschoß mit der großen Thermonital-Ladung hatte natürlich gezündet, und so fraß sich jetzt ein weißglühender Feuerball von 12 000 Hitzegraden in das sofort zerlaufende, glutflüssig zischende Material. Das war das Ende! Entweder jetzt oder nie. In dem Augenblick mußte ich handeln! Thermonital-Geschosse hatte nur die GWA. Ich schnellte aus meinem Sessel nach vorn. Während ich förmlich durch die Luft schoß, taumelte der maßlos erschreckte Sergeant zurück und fiel mir wunderschön in die Fäuste. Ich schlug hart und erbarmungslos zu und stieß mit dem Knie nach. Durch den wuchtigen Genickschlag war er nach vorn gesunken, so daß ich ihn mit dem Knie so hart erwischte, daß er lautlos zu Boden ging. Es war in Bruchteilen von Sekunden geschehen, und Hannibal hatte ebenso rasch gehandelt. Dicht neben mir hörte ich ein sehr durchdringendes, zischendes Geräusch. Im nächsten Sekundenbruchteil begann ein Mensch derart zu schreien, daß ich mir bei einer anderen Gelegenheit schaudernd die Ohren zugehalten hätte. Hannibal wußte, worauf es ankam. Es ging nicht nur um den Erfolg unserer Ermittlungen, sondern auch um unser Leben, weshalb er seine Notwehrwaffe angewandt hatte. Der mir unbekannte Mann ließ die Maschinenpistole fallen und taumelte entsetzlich schreiend zurück. Die teuflische Säure 126
zerfraß sein Gesicht, das sich fast schlagartig in eine widerlich kochende Masse verwandelte. Ich sah, daß der Bursche mit dem Namen ‚Edgar’ seine MP hochriß, weshalb mein Fuß nach oben fuhr. Es peitschten einige Schüsse auf, die aber schon die Plastikdecke der Kabine durchschlugen, da die schwere Waffe durch meinen Fußtritt in die Luft wirbelte. Im nächsten Moment hatte ich auch diesen Mann kampfunfähig gemacht, was durch einen ungemein harten Hieb gegen die Gurgel geschehen war. Unser Angriff war derart überraschend und schnell gekommen, daß die Gegner wirklich keine Zeit gehabt hatten, entsprechend zu reagieren. Ich wollte eben herumfahren, als ich Hannibals gellende Stimme hörte: „Vorsicht, hinwerfen!“ Ich handelte instinktiv und krachte so hart auf den Boden, daß ich dachte, mein Gehirn müßte mir aus dem Schädel gesprungen sein. Hinter mir peitschte ein Schuß auf. Das Geschoß fuhr so dicht über mich hinweg, daß ich den heißen Luftzug verspürte. Mit einem verzweifelten Ruck schob ich mich nach vorn und ergriff die Pistole, die dem Sergeant entfallen war. Eben warf ich mich herum und brachte die Waffe in Anschlag, als schon wieder ein Mensch zu schreien begann. Es war Doris Elvador, die sich in grauenhaften Schmerzen und bereits erblindet auf dem Boden wand. Sie hatte den Schuß abgefeuert, weshalb Hannibal von seiner Notwehrwaffe Gebrauch gemacht hatte. Ihr Gesicht kochte. Mir wurde so übel, daß ich mich beherrschen mußte, um mich nicht zu übergeben. Der elektrische Stuhl war ihr ohnehin sicher gewesen, aber einen so grausamen Tod hatte ich ihr doch nicht gewünscht. Ein Mensch, der von einem solchen Säurestrahl getroffen worden war, konnte auch mit den medizinischen Mitteln des Jahres 1987 nicht mehr gerettet werden. 127
Ich sah mich nach dem Unbekannten um, doch der Sessel, in dem er vor Sekunden gesessen hatte, war leer. Dafür bemerkte ich Dr. Tonther, der eben im Begriff war, durch die Nebentür zu verschwinden. Meine rechte Hand flog nach vorn und schon peitschte die 7,65er auf. Zwischen den Füßen des Physikers wallte der weißglühende Glutball der abbrennenden Thermonital-Ladung auf. Unter gellenden Schreien brach Tonther zusammen, und ich sah, daß seine Beine in der teuflischen Glut verkochten. Der Mann konnte nicht mehr gefährlich werden. „Da draußen ist er“, schrie Hannibal, und ich fuhr vom Boden hoch. Dabei bemerkte ich die vermummte Gestallt, die eben durch die spaltweit geöffnete Bleitür verschwand. Entweder war der Chef nicht bewaffnet gewesen, oder er hatte es trotz Bewaffnung vorgezogen, sein Heil in der Flucht zu suchen. Ich rannte wie ein Wahnsinniger im Amoklauf. Hannibal flitzte dicht hinter mir her, und so erreichten wir die schwere Pforte noch, ehe sie gänzlich ins Schloß gleiten konnte. Ich warf mich förmlich hindurch, und da erblickte ich den Mann, der eben durch eine andere Tür verschwand, die ebenfalls aus einer starken Blei-Wandung bestand. Hinter mir brüllte Hannibal einen wilden Fluch. Ich schoß, ohne lange zu zielen. Ich hatte aber in der Hast um wenigstens drei Meter mein Ziel verfehlt, und so flammte die Thermonital-Ladung des Geschosses in der meterstarken Betonwand auf. Ehe ich noch mal abdrücken konnte, war der Vermummte verschwunden, und die schwere Tür glitt ins Schloß. Draußen hörte ich einige dumpfe Schußdetonationen. Als ich auf den Knopf des elektrischen Öffnungsmechanismus der Pforte drückte, merkte ich erst, was die Schüsse bedeutet hatten. 128
Das bullige Tor bewegte sich überhaupt nicht, und als ich herumfuhr, um nach der anderen Tür zu sehen, bemerkte ich, daß sie sich ebenfalls geschlossen hatte. „Er hat die Leitungen zerschossen“, schrie Hannibal. Dann wurde sein Gesicht leichenblaß. Er starrte auf den Uran-Meiler, der mitten in dem Raum stand, und von dem garantiert eine tödliche radioaktive Strahlung ausging. Er war noch nicht mit der Abschirmung verkleidet, und ich konnte den Graphit-Block erkennen, in dem die Hohlstäbe mit dem spaltbaren Uran-Isotop U-235 eingelagert waren. Was uns aber besonders entsetzte, war die Tatsache, daß der Meiler arbeitete! Jetzt erst bemerkte ich die grellroten Leuchttafeln und hörte das leise Summen der Robotersteuerung, die den einwandfreien Ablauf der Kernspaltung durch eine vollautomatische Regulierung der Neutronen absorbierenden Kadmiumstäbe kontrollierte. Der Meiler mußte ein Versuchsgerät sein, das man ohne die üblichen Abschirmungen in der Felshalle aufgestellt hatte. Jetzt verstand ich auch den Zweck der starken Bleitüren! Der Raum war abgeschirmt, nicht aber der U-Meiler. Ich stierte entsetzt auf die Gitter des Wärmeaustauschers, in dem die atomar erhitzten Natriumdämpfe zirkulierten. Ich sah auch die Rohrschlangen, die in der hinteren Betonwand verschwanden. Der Meiler arbeitete wirklich und strahlte eine tödliche Radioaktivität aus. Auch der Wärmeaustauscher und die Rohrleitungen strahlten, und wir befanden uns ohne Schutzanzüge in dem Raum. „Raus hier“, schrie Hannibal gellend. „Raus, sonst haben wir eine solche Menge Strahlen aufgenommen, daß wir sie nicht mehr aus dem Körper bekommen.“ Zusammen begannen wir zu feuern, nachdem wir uns einige Meter zurückgezogen hatten. Im hellen Krachen unserer Schüsse hörten wir nicht, daß in 129
dem Raum, den wir verlassen hatten, ebenfalls Schüsse aufklangen. Wir bemerkten auch nicht, daß die in Bereitschaft stehenden Männer des Sicherheitsdienstes unter der persönlichen Führung von Kapitän Orlop in das Labor eingedrungen waren, da man die Schußdetonationen gehört hatte. Der Streifenwagen war uns nicht zufällig begegnet, als uns Doris Elvador zu dem Treffpunkt brachte. Wir schossen, und vor uns zerlief die schwere Tür in hellster Weißglut. Das Blei und der darin eingelagerte Stahl zerliefen wie Butter unter einem Schneidbrenner. Als ich meine letzten Schüsse auf die Pforte feuerte, brach sie endgültig zusammen und floß weißglühend davon. Wir sprangen in wilder Verzweiflung über die flüssigen Metallmassen hinweg, und ich weiß heute noch nicht, wie ich diesen irrsinnig weiten Sprung vollbringen konnte. Hannibal schrie gellend auf, da die Hosenbeine seiner Uniform Feuer gefangen hatten. Er wälzte sich auf dem Boden herum und ich trat auf seine Beine, um das Feuer zu ersticken. Es gelang, und so rief ich ihm zu: „Bleibe hier, ich folge ihm.“ Während ich schon weitersprang, sah ich, daß er mir nachsprang. Er mußte irrsinnige Schmerzen haben, doch ich hörte keinen Laut. Als wir eben um eine Ecke des sehr schmalen Stollens herumrannten, tauchten vor uns einige Männer des Sicherheitsdienstes auf. Ihnen voran lief Kapitän Orlop. Wenn ich nicht noch rechtzeitig gerufen hätte, wäre ich von ihm über den Haufen geschossen worden. „Um Himmels willen … wo kommen Sie her?“ schrie er entsetzt. „Doch nicht aus dem Labor mit dem Versuchsmeiler? Wir hörten zahlreiche Schüsse, und so haben wir die ganze Halle umgangen.“ Ich lachte gellend und schrie zurück: „Leider blieb uns keine andere Wahl. Der Bursche floh durch 130
dieses Labor, und wir folgten. Wir mußten die Tür erst aufschmelzen, ehe wir hinaus konnten. Fragen Sie jetzt nicht, das hat Zeit. Die Strahlung haben wir ohnehin aufgenommen. Er aber nicht, denn er trug einen Schutzanzug. Haben Sie einen solchen Mann nicht gesehen? Er kann sich doch nicht aufgelöst haben. Es war der Chef der Bande.“ „Ich weiß“, keuchte er. „Ein Mann, den Sie niedergeschlagen haben, hat es ausgesagt. Wir haben sie alle gefaßt. Dr. Tonther ist besinnungslos. Er hat keine Beine mehr.“ „Wohin führt dieser Stollen?“ fragte Hannibal und deutete dabei auf den etwas breiteren Felsgang, aus dem wir herausgekommen waren. „Da haben ich vor fünf Minuten einen Wagen abfahren sehen, Sir“, rief ein Soldat erregt. „Er ist in Richtung Nordschleuse gefahren.“ „Das war er“, tobte ich außer mir. „Welche Schleusen liegen dort?“ „Nur eine kleine Schleuse für Zwei-Mann-Boote. Die Großschleusen sind noch im Bau“, erklärte Orlop. Augenblicke später saßen wir in einem Dienstwagen. Der Fahrer raste mit einem solchen Zahn durch die gewundenen Stollen und Serpentinen, daß mir bald übel wurde. Neben mir begann Hannibal zu stöhnen. Die Schmerzen schienen jetzt erst richtig zu kommen. Es dauerte gute zehn Minuten, bis wir vor der Schaltzentrale der kleinen Schleuse ankamen. Wir bemerkten sofort einige aufgeregte Soldaten, die wie aufgescheucht umherliefen. Unser Wagen hielt mit kreischenden Reifen. Ich brüllte den ebenfalls umherlaufenden Offizier an: „Was ist hier los? Ist vor fünf bis zehn Minuten ein Mann angekommen?“ Er schien verblüfft zu sein und stotterte: „Aye … aye, Sir. Vor etwa zehn Minuten.“ 131
„Wer war es? Mensch – so reden Sie schon, wer war es?“ schrie ich außer mir. „Admiral Porter, Sir. Er verlangte sofort ein Zwei-MannBoot, da draußen sein persönliches Erscheinen erforderlich wäre. Er hatte es so eilig, daß er mir noch nicht einmal die Papiere unterschrieben hat.“ Ich schrie auf in wilder Wut, denn plötzlich wußte ich, an wessen Hand ich die sternförmige Narbe gesehen hatte! Porter – Admiral Porter, militärischer Chef von Tanaga, war der Mann, den ich so fieberhaft suchte. Es war der Mann, der praktisch an der Quelle saß, denn ihm wurden die geheimsten Pläne zur Kenntnisnahme vorgelegt. Damit hatte ich niemals gerechnet. „Ist er schon aus der Schleuse?“ brüllte ich weiter und sprang dabei in die Schaltzentrale hinein, in der die UnterwasserBildschirme arbeiteten. Ich sah die offenen Tore der gefluteten Halle und bemerkte auch das kleine Zwei-Mann-Boot, das mit wallender Strahldüse hinausschoß. „Klar bei Unterwasserabwehr“, rief ich und sprang dann selbst an die Schalter, mit denen die Abwehrwaffen in unmittelbarer Nähe der Insel bedient werden konnten. „Scheren Sie sich zurück“, sagte Orlop hinter mir. Dabei hielt er den leichenblassen Offizier fest, der mich seinerseits an den Schaltungen hindern wollte. Ich kippte sämtliche Schalter nach unten, und im gleichen Augenblick brach draußen die Hölle los. Es waren die überschweren Wasserbomben, die entlang der einzigen möglichen Schleusenzufahrt auf dem Grund verankert waren. Obwohl es sich um keine atomaren Explosionen handelte, war die Druckwelle so gewaltig, daß die Schleusentore aus den Schienen gerissen wurden. Es war ein Wunder, daß die inneren Schotts hielten, die uns von den Wassermassen des Meeres trennten. 132
Auf den Kontrollschirmen der Außenbeobachtung sah ich den schlanken Torpedokörper des Bootes, das mit furchtbarer Gewalt gegen eine unterseeische Felswand geschleudert wurde, wo es zerschellte. Zusammen mit den aufwallenden Druckwellen wurden die Überreste nach oben gewirbelt, wo sie nochmals mit anderen Hindernissen kollidierten. Das war das Ende für Admiral Porter gewesen, darüber war ich mir klar. Langsam drehte ich mich um. Da sah ich die entsetzten Augen der Soldaten. Für ihre Begriffe hatte ich soeben einen Admiral ermordet, weshalb ich heilfroh war, daß der Chef des Sicherheitsdienstes in der Nähe war. „Sehen Sie mich nicht so drohend an“, sagte ich kalt zu dem jungen Kapitänleutnant, der als diensthabender Schaltoffizier der Schleuse fungierte. „Admiral Porter war das Oberhaupt einer Spionage-Bande, die im Stützpunkt ihr Unwesen trieb. Sichern Sie mit Ihren Leuten die Schleusen. Es kommt mir hier niemand durch. Ist das klar?“ Unsicher sah der Mann auf den Sicherheitschef, der zornig einwarf: „Richten Sie sich gefälligst nach den Befehlen, die Sie erhalten haben und sehen Sie nicht zweifelnd in der Gegend herum.“ „Jawohl, Sir“, entgegnete der Mann schluckend, und schon gellten seine Kommandos auf. Orlop hatte schon das Funksprechgerät in der Hand, und im gleichen Augenblick schlugen seine Soldaten los. Sie waren schon vor dem Hauptquartier und hatten außerdem sämtliche Schlüsselpositionen des Stützpunktes besetzt. Als wir nach rasender Fahrt in dem riesigen Felsdom ankamen, wimmelte die unterirdische Stadt von Soldaten des Sicherheitsdienstes. Die Stabsoffiziere waren in der großen Empfangshalle versammelt. Als wir eintraten, begannen in den 133
Diensträumen des Admirals schon die Thermonital-Landungen zu zischen, mit denen die beiden Mammuttresore aufgeschmolzen wurden, über deren Zahlenkombination nur Porter informiert gewesen war. Es dauerte eine halbe Stunde, bis die Panzertüren aus molekular-verdichtetem Edelstahl aufgeschmolzen waren und wir eintreten konnten. Es war so, wie ich es erwartet hatte. Porter hatte die Frechheit besessen, sämtliche Unterlagen, ohne die er nicht hatte auskommen können, in den Tresoren aufzubewahren. Anschließend hagelte es Verhaftungen. Der Stabsoffizier Lewrik, den ich so verdächtigt hatte, gehörte nicht zu der Bande. Wir räumten so gründlich auf, daß uns kein einziger Mann entging, der mit der Bande zu tun hatte. Funksprüche jagten nach Washington. Ich sprach direkt mit dem GWA-Chef, der die sofortige Verhaftung des U-BootKommandanten Wilson anordnete, der die Nachricht zur Zurücknahme der Noten übermittelt hatte. Dann lieferten sie mich und Hannibal in die Klinik des Stützpunktes ein, wo mich der Chefarzt erbost anfauchte: „Es wir aber langsam Zeit, daß Sie kommen! Sie wollen wohl absolut eine so starke Veränderung Ihres Knochenmarks erreichen, daß wir nicht mehr helfen können, wie?“ Wir bekamen sofort unsere Absorberspritzen, die man Gott sei Dank seit fünf Jahren kannte und so vervollkommnet hatte, daß man Strahlschäden rasch heilen konnte, sobald die aufgenommenen Strahlen nicht 350 Röntgeneinheiten überstiegen. Wir hatten genug aufgenommen, aber es war noch zu helfen. Hannibal lag neben mir. Sein Stöhnen hörte erst auf, als sie ihm schmerzlindernde Injektionen gegeben hatten. Nach zwei Stunden kam Sicherheitschef Orlop. Sein Gesicht war sehr zufrieden. Er schickte die Schwester hinaus und setzte sich auf einen Stuhl zwischen unseren Betten. 134
Ich richtete mich etwas auf und fragte erregt: „Nun … haben Sie das Wrack endlich finden können?“ Er lächelte, griff in seine Aktentasche und hielt mir den etwas deformierten Metallstab unter die Nase. „Wir haben es gefunden. Porter sieht nicht sehr schön aus und das Boot noch weniger. Es gleicht einem flachgedrückten Hering und liegt zwischen zwei scharfkantigen Klippen. Ich gratuliere, Sir. Wir haben die ganze Bande erwischt. Ich soll Ihnen die Glückwünsche von Ihrem Chef ausrichten. Damit hier niemand merkt, daß Sie gar kein Offizier der Navy sind, werden Sie durch einen Befehl aus Washington offiziell abgelöst und zum Kommodore befördert. Außer mir weiß niemand, daß Sie ein Captain der Geheimen Wissenschaftlichen Abwehr sind.“ „Schon wieder eine Ablösung“, jammerte der Zwerg, dessen Beine mit Gewebeplastik umgeben waren. „Sie müssen sich noch einer Frischzellenkur unterziehen, Sir“, fuhr Orlop besorgt fort. „Sie haben eine ganz schöne Strahlungsdosis aufgenommen. Werden Sie übrigens feststellen können, was Admiral Porter dazu verleitete, zum Landesverräter zu werden?“ „Wir werden es versuchen“, flüsterte ich ermattet. „Er war jedenfalls der geschickteste Agent, den ich jemals gesehen habe. Sie hätten einmal hören müssen, wie er mich unter dem Mäntelchen ehrlicher Anteilnahme reif machte. Wie er strahlte, als er mir seine Glückwünsche aussprach. Schade um den Mann.“ „Gar nicht schade“, bellte Hannibal rauh. „Wenn die Unterlagen in dem Behälter durchgekommen wären, dann hätten wir hier allerhand erlebt. Menschen von seiner Sorte werde ich immer rücksichtslos vernichten. Mein Wort darauf.“ Das glaubte ich ihm gern, denn dafür waren wir schließlich Beamte der GWA. „Kommandosache HC-9 ist damit erledigt“, lächelte Orlop, 135
während er sich erhob. „Ansonsten, Sir, werde ich vergessen, was ich von Ihnen erfahren habe.“ „Danke, Orlop“, murmelte ich und winkte ihm nach. Er gehörte zu den Männern, auf die man sich verlassen konnte. Als dann Elis Teefer den Kopf zur Tür ’reinstreckte, war alles gut. An ihrem Lächeln sah ich, daß sie nicht nur eine kühle Agentin, sondern auch fühlende Frau sein konnte. „Übermorgen fahren wir“, sagte sie leise, „übermorgen.“ „Ja … und dann kommt der nächste Einsatz“, grinste der Zwerg, der schon wieder übermütig wurde. Ende
„TERRA“ – Utopische Romane / Science Fiction – erscheint wöchentlich im Moewig-Verlag, München 2, Türkenstraße 24, Postscheckkonto München 139 68. – Erhältlich bei allen Zeltschriftenhandlungen. Preis je Heft 60 Pfennig. Gesamtherstellung: Buchdruckerei A. Reiff & Cie., Offenburg (Baden) – Für die Herausgabe und Auslieferung in Österreich verantwortlich: Farago & Co., Baden bei Wien. Anzeigenverwaltung des Moewig-Verlages: Mannheim N 7, 16 – Zur Zeit ist Anzeigenpreisliste Nr. 3 vom 1. Oktober 1958 gültig. – Printed in Germany 1959 – Scan by Brrazo 05/2010 – Dieses Heft darf nicht in Leihbüchereien und Lesezirkeln geführt und nicht zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden.
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