Okologie kompakt
Wolfgang Nentwig, Sven Bacher, Roland Brandl
Okologie kompakt 2. Auflage
Autoren Prof. Dr. Wolfgang Nentwig Institut fur Okologie und Evolution Universitat Bern Baltzerstr. 6 CH-3012 Bern e-mail:
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Prof. Dr. Roland Brandl Tierokologie/Pb Biologie Philipps-UniversitatMarburg D-35032 Marburg
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PD Dr. Sven Bacher Department of Biology Ecology& Evolution Unit Universityof Fribourg Ch. du Musee 10 CH-1700 Fribourg e-mail:
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Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de 2. Auflage 2009 © Spektrum AkademischerVerlag Heidelberg 2009 Spektrum AkademischerVerlag ist ein Imprint von Springer 09 10 II 12 13
54321
Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschiitzt. Iede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Obersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Planung und Lektorat: Dr. Ulrich G. Moltmann, Martina Mechler Satz:TypoDesign Hecker,Leimen Umschlaggestaltung: SpieszDesign, Neu-Ulm Titelfotografie: © Sascha Rosner,www.fotouristen.de. Das Umschlagbildzeigt Blattwespenlarven (Nematus sp., Tenthredinidae) beim FraB.
ISBN 978-3-8274-2304-7
Inhalt
Organismen
1
1.1
1 1
1.2
1.3
1.4
2
Organismen und Arten 1.1.1 Eigenschaften von Organismen 1.1.2 Phanotyp, Genotyp, Okotyp 1.1.3 Artbegriff und Artenzahl Die Umwelt der Organismen 1.2.1 Anpassung 1.2.2 Einstrahlung und Photosynthese 1.2.3 Temperatur 1.2.4 Feuer 1.2.5 Wasser als Ressource 1.2.6 Biogene Elemente als Ressourcen 1.2.7 Boden als Ressource Raumliche und zeitliche Aspekte der Umwelt 1.3.1 Flache und Areal 1.3.2 Zeitliche Aspekte der Umwelt 1.3.3 Das Alter von Organismen Das Konzept der okologischen Nische
3 4 7 7 8 11 15 17 23 30
33 33 35 37 38
Populationen
45
2.1 2.2 2.3
46 49
2.4 2.5
Die fundamentale Gleichung fur die Populationsgrofse Die Populationsgrofse Populationsdynamik 2.3.1 Ungebremstes Populationswachstum 2.3.2 Logistisches Populationswachstum 2.3.3 Kontinuierliches Populationswachstum 2.3.4 Populationswachstum und Altersstruktur Evolution von Lebenszyklen Dichteregulation und Populationsschwankungen 2.5.1 Intraspezifische Konkurrenz 2.5.2 Regulation und Limiti erung 2.5.3 Stochastizitat 2.5.4 Dichteregulation in naturlichen Populationen 2.5.5 Zyklen und Chaos
53 53 56 61 62 71 75 75
78 80 82 84
VI
Inhalt
2.6
Systeme von Populationen 2.6.1 Immigration und Emigration 2.6.2 Die Metapopulation 2.6.3 Das Areal
3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten 3.1
3.2
3.3 3.4
3.5
3.6
3.7
86 86 89 92
95 Nahrungserwerb 96 3.1.1 Spezialisierung 96 3.1.2 Optimaler Nahrungserwerb 100 Praferenz oder Wechsel der Nahrung 100 Dichteabhangigkeit: Funktionelle Reaktion 102 Dichteabhangigkeit: Numerische Reaktion 107 Die trophischen Ebenen 108 3.2.1 Zersetzer, Destruenten, Detritivoren 108 3.2.2 Primarproduzenten: Pflanzen 110 3.2.3 Primarkonsumenten: Herbivoren 113 3.2.4 Sekundarkonsumenten: Carnivoren 114 3.2.5 Omnivoren 115 3.2.6 Parasiten, Krankheiten, Vektoren 115 Prinzipien der Wechselwirkungen 117 Wechselwirkungen auf derselben trophischen Ebene 119 3.4.1 Interspezifische Konkurrenz 119 3.4.2 Gegenseitige Forderung 125 3.4.3 Mimikry 125 Wechselwirkungen tiber zwei trophische Ebenen 127 3.5.1 Rauber und Beute 127 Auswirkungen aufIndividuen 127 Auswirkungen auf die Population 130 3.5.2 Herbivoren und Pflanzen 138 Auswirkungen auf die Pflanze 139 Reaktion der Pflanzen 140 Auswirkungen auf die Herbivoren 144 3.5.3 Parasiten und ihre Wirte 146 Auswirkungen von Parasiten auf ihre Wirte 146 Epidemiologie von Mikroparasiten 146 Mutualismus 151 3.6.1 Einteilung von Mutualismen 152 3.6.2 Mutualismen sind kontextabhangig 153 3.6.3 Ausnutzung von Mutualismen 154 Wechselwirkungen tiber mehrere trophische Ebenen 155 3.7.1 Kaskadeneffekte einzelner Populationen 156 3.7.2 Nahrungsnetze 159 Darstellung von qualitativen Nahrungsnetzen 159 Beschreibung von qualitativen Nahrungsnetzen durch Indices 160 3.7.3 Kaskadeneffekte trophischer Ebenen 161
VII
Inhalt
4 lebensgemeinschaften 4.1
4.2
4.3 4.4 4.5 4.6
Struktur von Lebensgemeinschaften 4.1.1 Erfassung von Artengemeinschaften 4.1.2 Grundmuster in Artengemeinschaften 4.1.3 Klassifizierung von Artengemeinschaften Klassifizierung der Artenvielfalt Klassifizierung von Pflanzengesellschaften Tiergemeinschaften Computergestutzte Klassifizierung von Lebensgemeinschaften Okologische Prozesse in Lebensgemeinschaften 4.2.1 Lebensgemeinschaften und regionaler Artenpool Inselbiogeographie Arten-Flachen-Beziehung Neutrale Theorie von Hubbell 4.2.2 Die Bedeutung der Konkurrenz in Artengemeinschaften 4.2.3 Die Bedeutung von Pradation und Storungen fur Lebensgemeinschaften Dynamik von Lebensgemeinschaften Gleichgewichte versus Nichtgleichwichte in Lebensgemeinschaften Biodiversitat Biogeographie 4.6.1 Speziation, Extinktion und Artenvielfalt 4.6.2 Grofsraumige Muster der Artenvielfalt Gleichgewichtshypothesen Hypothesen, die kein Gleichgewicht fordern Geographische Randbedingungen 4.6.3 Biogeographische Gliederung der Erdoberflache
5 Okosysteme 5.1
5.2
5.3
Energiefluss 5.1.1 Energieeinstrahlung 5.1.2 Produktion 5.1.3 Nahrungskette und Nahrungsnetz 5.1.4 Okologische Effizienz und Korpergrofse Stofffluss 5.2.1 Wasser 5.2.2 Kohlenstoff 5.2.3 Stickstoff 5.2.4 Phosphor Informationsfluss 5.3.1 Physikalisch ubertragene Information 5.3.2 Chemisch ubertragene Information
165 169 169 170 173 173 174 176 177 178 178 180 186 187 189 193 196 198 199 201 201 206 207 208 208 209 215 215 215 217 220 221 225 226 228 234 237 239 239 241
Inhalt
VIII
6
Grolllebensraurne der Erde Terrestrische Lebensraume 6.1.1 Tropischer Regenwald (feuchttropische Zone) 6.1.2 Tropisch-subtropische Regenzeitenwalder und Savannen (trockentropische Zone) 6.1.3 HeiBe Halbwusten und Wiisten (subtropisch-tropische Wiistenzone) 6.1.4 Mediterran warmtemperate, durre- und episodisch frostbelastete Gebiete mit Hartlaubwaldern 6.1.5 Warm temperate, regenreiche, episodisch frostbelastete Gebiete mit immergriinen Lorbeerwaldern 6.1.6 Kuhltemperate Zone der laubabwerfenden Walder 6.1.7 Winterkalte Steppen, Halbwiisten und Wiisten (kalt-aride Zone) 6.1.8 Winterkalte Nadelwaldgebiete oder Taiga (boreale Zone) 6.1.9 Tundren und polare Wiisten (polare und subpolare Zone) 6.2 Limnische Lebensraume
6.1
6.2.1 Pliefsgewasser 6.2.2 Seen 6.3
Grofslebensraume des Meeres
6.3.1 Pelagial 6.3.2 Benthal
7 Angewandte Okologie 7.1 Von der Naturlandschaft zur Kulturlandschaft 7.2 Nachhaltigkeit in der Landnutzung 7.2.1 Forstwirtschaft, Landwirtschaft und Fischereiwirtschaft
7.3
Forstwirtschaft Landwirtschaft Fischereiwirtschaft 7.2.2 Biologische Schadlingskontrolle 7.2.3 Genetisch veranderte Organismen Naturschutz 7.3.1 Was wollen wir schiitzen? Arten, Populationen, Gene Schlusselarten, Schirmarten, Gemeinschaften, Lebensraume 7.3.2 Welchen Wert hat Biodiversitati Okonomischer Wert von Arten und ihren Produkten Okonomischer Wert von Okosystemfunktionen Wissenschaftlich-informeller Wert von Arten Ideeller Wert von Arten und Okosystemen 7.3.3 Was bedroht Biodiversitati Selektives Iagen und Sammeln Veranderung von Lebensraumen Floren - und Faunenverfalschung
245 245 247 249 250 251 252 253 254 255 256 257 257 258 259 260 261 263 263 266 267 267 267 269 270 274 276 277 277 280 283 284 285 285 286
287 287 289 290
IX
Inhalt
7.3.4
Artensterben Naturschutzkonzepte Schutz auf Artniveau Lebensraumschutz und Pflegemafsnahmen Schutz durch angepas ste Nutzung Integration oder Segregation?
8 literatur 8.1 8.2
Index
Zitierte Literatur Weiterfuhrende Literatur
293 295 295 296 298 299 303 303 316 327
Vorwort zur 1. Auflage
Die erste Definition von Okologie durch Ernst Haeckel erfolgte 1866. Nimmt man dieses Iahr als Geburtstage der Okologe, so hat sich unsere 140 Jahre alte Wissenschaft seither gewaltig verandert. Ausgehend von dem griechischen Wort oikos (= Haus) verstehen wir unter Okologie aIle Interaktionen zwischen Organismen (Individuen, Populationen, Lebensgemeinschaften) und mit ihrer abiotischen und biotischen Umwelt im Hinblick auf Energie-, Stoff- und Informationsfluss. Hieraus ergeben sich auch die verschiedenen 5pezialgebiete der Okologie und damit auch die Gliederung dieses Buches. Der Bereich, der sich mit der Anpassung der Arten an ihre Umwelt befasst, wird als Okophysiologie oder (bio )chemische Okologie (ecophysiology, (bio)chemical ecology) bezeichnet. Die Interaktionen der Individuen in Populationen und Metapopulationen werden in der Populationsokologie (population ecology) behandelt. Uber Interaktionen von zwei und mehreren Arten gelangen wir zur Gerneinschafts- oder Okosystemokologie (community ecology, ecosystem ecology). Grofslebensraume und Landschaften (landscape ecology) bilden schlieBlich die oberste Integrationsebene auf der Erde. Okologie hat in den 140 Iahren den Weg von einer auf Arten konzentrierten, oft deskriptiven Disziplin zu einer auf Konzepten und Hypothesen basierten, experimentell arbeitenden Wissenschaft gefunden. Der eigentliche 5pagat, den Okologen aber standig vollfuhren mussen, liegt zwischen dem berechtigten Anspruch der Gesellschaft, die sich von der Okologie Losungsansatze fur unsere Umweltprobleme erhofft, und der Durchfuhrbarkeit wissenschaftlich stichhaltiger Untersuchungen, die aIlzu oft durch finanzieIle, aber auch durch erkenntnistheoretische Faktoren limitiert sind. Wir konnen z.B. keine Experimente zu den Folgen des Klimawandels durchfuhren, da kein Kontrollplanet ohne Klimaerwarmung zur Verfugung steht . In solchen Fallen greift die okologische Forschung in den letzten Iahren zunehmend auf die Auswertung von langjahrigen Datenaufnahmen mit neuen statistischen Methoden zuruck, die unter dem Begriff Makrookologie zusammengefasst werden. Zwar ist die Umwelt des Menschen nur ein Teilaspekt heutiger okologischer Pragestellungen und viele Losungsansatze von Umweltproblemen sind vordergrundig eher technischer Natur, dennoch sind angewandte Aspekte der Okologie von groBer Relevanz fur unsere Gesellschaft. Die unterschiedlichen Umwelttechnologien werden sich beispielsweise im 21. Iahrhundert zum Motor der Weltwirtschaft und zu einem der
Vorwort zur 2. Auflage
Erfreulicherweise hat das groBe Interesse an unserem Lehrbuch nach kurzer Zeit eine zweite Auflage errnoglicht. Hierfiir haben wir die zahlreichen Ruckrneldungen und Vorschlage weitgehend berucksichtigen konnen und auch Abbildungen erganzt bzw. uberarbeitet. Vor allem aber fugen wir nun ein eigenes Kapitel tiber weiterfuhrende Literatur ein, in dem wir tiber 100 okologische Fachbucher vorstellen und kurz kommentieren. Hierdurch hoffen wir, den Einstieg in die Spezialliteratur zu erleichtern. Weitere Hinweise und Empfehlungen nehmen wir jederzeit gerne entgegen und bedanken uns dafur, Bern, Fribourg, Marburg im April 2009
Wolfgang Nentwig Sven Bacher Roland Brandl
Vorwort
groBten Wirtschaftszweige iiberhaupt entwickeln. Der Grund hierfur ist einfach: Die iiber aIle natiirlichen Grenzen wachsende Menschheit muss zu ihrem eigenen Wohl die von uns allen verursachten Umweltprobleme losen. Es ist daher von zentraler Bedeutung, dass die Grundlagen der Okologie - wie bei allen anderen exakten Wissenschaften auch - auf nachvollziehbaren und moglichst auch testbaren Hypothesen beruhen. Dieser moderne Wissenschaftsansatz muss breit vermittelt werden und wir hoffen mit diesem Buch hierzu einen Beitrag zu leisten. Obwohl die hier vorliegende Fassung auf den ersten Blick wie eine Kurzfassung des Okologiebuches von 2004 aussieht, handelt es sich nicht einfach urn eine abgespeckte Variante. Wir haben den Inhalt stark iiberarbeitet, gestrafft und umgruppiert, so dass er den Anforderungen des modernen Okologieunterrichts besser entspricht. Denn als vor nunmehr 10 Iahren eine Gruppe von Autoren begann, die erste Auflage des dann 2004 erschienenen Buches zu planen, stand im Vordergrund, ein moglichst ausfuhrliches Okologiebuch fur den deutschsprachigen Raum zu schaffen, das fur das Diplomstudium Biologie mit seinen vielen okologischen Spezialisierungsrichtungen breit einsetzbar war. In den letzten Iahren gab es aber eine ausgepragte Dynamik in der biologischen Hochschullandschaft des deutschsprachigen Raumes. Nach einer Phase der Umwidmung vieler okologischer Lehrstiihle zeichnet sich seit kurzem eine Trendwende ab, die wieder zu einer starkeren Beriicksichtigung okologischer Lehr- und Forschungsinhalte fuhrt. Zudem bietet die inzwischen weitgehend umgesetzte Untergliederung des Studiums in Bachelor- und Masterstudiengange neue Chancen, aber auch einige Probleme fur die Gestaltung eines Lehrbuches. 1m Masterstudium finden wir nun iiberwiegend spezialisierte Studiengange und kleine Studierendenzahlen, so dass ein Lehrbuch kaum umfassend oder aktuell genug produziert werden kann, von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ganz zu schweigen . Fur das Bachelorstudium ist die entscheidende Herausforderung, vielen Studierenden ein rnoglichst umfassendes und modernes Basiswissen in Okologie mitzugeben, denn okologisches Fachwissen und okologisch orientierte Denkansatze sind in vielen Disziplinen auBerhalb der Okologie unverzichtbar. Hierfur ist ein neuer Typ von Lehrbuch notwendig, knapp und kompakt, aber auch so umfassend und aktuell wie moglich, Wenn Grundlagenwissen in Okologie breit vermittelt werden solI, aber nur ein begrenzter Stundenumfang im Curriculum verfugbar ist, stellt sich die Frage, was dieser Okologieunterricht beinhalten solI. Wir haben daher Kolleginnen und Kollegen, die an 30 deutschsprachigen Universitaten in die Okologieausbildung eingebunden sind, angeschrieben und urn Auskunft zur Struktur ihres Curriculums bzw. zum Inhalt des erforderlichen Unterrichts gebeten. Die Antworten haben uns sehr weitergeholfen, uns ein umfassendes Bild der Inhaltc aktueller Okologiestudiengange zu machen, und wir danken allen, die uns auf diese Weise unterstiitzt haben. Diese Antworten haben es uns errnoglicht, den Inhalt eines Okologiebuches zu skizzieren, das den Anforderungen und Erwartungen fast aller Dozierenden entspricht. Wir freuen uns daher, heute ein Buch vorlegen zu konnen, das nach diesem Konzept umgestaltet und teilweise auch gezielt neu geschrieben wurde. Natiirlich bedauern wir auch, dass wir wegen der begrenzten Ausbildungszeit im Bachelorstudium einige Anregungen nicht im gewiinschten Urnfang beriicksichtigen konnten,
XIII
XIV
Vorwort
wir haben aber die Gewissheit, mit diesem Buch nun den Rahmen fur eine solide Bachelorausbildung in Okologie vorzulegen. Wir sind uberzeugt, dass es auf dieser Basis auch allen Dozierenden, die in der Bachelorausbildung Okologie vertreten mussen - obwohl ihr eigenes Forschungsgebiet ein anderes ist - leicht moglich ist, eine zwei- oder dreistundige Okologievorlesung zu halten, die die Erwartungen der Studierenden der Biologie und verwandter Disziplinen sowie von Studierenden im Minor- (Nebenfach-) Bereich erfullt. Wir haben uns in diesem Buch urn eine einheitliche Darstellung in leicht verstandlicher Sprache und mit eingangigen Illustrationen bernuht. Die hier vorgelegte hohe Wissensdichte ist hoffentlich dadurch gut zuganglich und Fragen am Ende jedes Kapitels erlauben eine Uberprufung des eigenen Wissensstandes bzw. Lernerfolgs . Wir sind uberzeugt, dass unser Buch fur die Bachelorausbildung eine mehr als solide Basis darstellt und auch fur Studierende der Geographie, Raum- bzw. Landschaftsplanung, Land- und Forstwirtschaft, Umwelttechnik, Sozialwissenschaften und Politologie geeignet ist. Zudem konnen wir uns gut vorstellen, dass einzelne Bereiche des Buches auch fur die gymnasiale Stufe und fur die Masterausbildung von Bedeutung sein werden . Dieses Buch folgt dem inzwischen klassischen Aufbau von Individuen tiber Populationen und Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten zu Gemeinschaften und Okosystemen. Es differenziert nicht zwischen Pflanzen- und Tierokologie, sondern geht von den Gemeinsamkeiten aus. Indem wir die aktuelle Literatur und auch die Umsetzung okologischer Grundlagen bzw. das Ausmaf menschlicher Tatigkeit berucksichtigen, erhalt dieses Buch ein hohes MaB an Aktualitat, In der Arbeit an diesem Buch sind wir von vielen Personen unterstutzt worden und wir mochten uns bei Ihnen herzlich bedanken. Viele Kolleginnen und Kollegen gaben uns Auskunft tiber die Struktur ihres Okologieunterrichts. Auf Seiten des Verlages haben wir durch Ulrich G. Moltmann, Martina Mechler und Birgit Iarosch eine sehr gute Zusammenarbeit und grofses Entgegenkommen erfahren. Viele Freunde und Mitarbeiter haben auf vielfaltige Weise zum Gelingen beigetragen. Wir danken daher Jean-Pierre Airoldi, John Hermann, Christian Hof, Adrienne Kaser, Christian Kropf, Marc LUthi, Martin. Schmidt, Kaspar Peter, Rita Schneider, Christine Tolle-Nolting und Corinne Zurbrugg. Bern und Marburg im Mai 2007
Wolfgang Nentwig Sven Bacher Roland Brandl
Die Auflosungen der Fragen, die im Anschluss an jedes Kapitel gestellt werden, sind im Internet zu finden (http://www.oekologiebuch.unibe.ch). Dort wird auch dargestellt, wie dieses Buch fur den Okologieunterricht im ersten und zweiten Studienjahr einer Bachelorausbildung in Biologie verwendet werden kann.
Kapitel1
Organismen
@ lernziele Eigenschaften von Organismen und Arten Anpassung von Organismen an ihre Umwelt Einstrahlung und Photosynthese Bedeutung der Temperatur Feuer als iikologischer Faktor Wasser als Ressource Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Phosphor Boden als Ressource Raumliche und zeitliche Aspekte der Umwelt Das Konzept der iikologischen Nische
1.1 Organismen und Arten 1.1.1 Eigenschaften von Organismen Organismen sind die funktionellen Elemente okologischer Systeme. Sie sind immer in Zellen organisiert. Am einfachsten gebaut sind die Vertreter der "bakteriellen Organisationsstufe" (Bakterien und Archaea). Zunehmend komplexere Formen reprasentieren neue Organisationsebenen, beispielsweise durch die Ausbildung von Zellkolonien bei manchen Bakterien und Blaualgen, durch eine Kompartimentierung des Zellinhaltes bei den Eukaryoten (Bildung eines Zellkernes, Entstehung von Mitochondrien und Chloroplasten durch Integration von Mikroorganismen in die Zelle u. a.), durch die Entstehung der Vielzelligkeit (Bildung einer extrazellularen Matrix, die den Zusammenhalt der Zellen sowie die Kommunikation und Energieverteilung zwischen ihnen gewahrleistet), durch Differenzierung dieser Zellen und eine dadurch ermoglichte Arbeitsteilung (Porifera, Schwamme), durch die Bildung echter Organe (inner-
2
1 Organismen
halb der Tiere erstmals bei den Cnidaria, Nesseltiere) und Organsysteme (aIle .Jioheren" Vielzeller) . Weitere Ebenen ergeben sich durch die Organisation der Lebewesen in Populationen, Arten, Lebensgemeinschaften und Okosysternen. Mit jeder zusatzlichen Ebene ergeben sich neue, spezifische Eigenschaften und Moglichkeiten fur die jeweils beteiligten Organismen (emergente Eigenschaften). Organismen bestehen aus Aminosauren, Nucleinsauren, Kohlenhydraten, Lipiden und weiteren organischen und anorganischen Molekulen, Organismen sind zur Bewegung befahigt, manchmal allerdings nur in bestimmten Stadien, und sie reagieren mit einer Antwort auf Reize. AIle Organismen nehmen Nahrung auf und betreiben einen Stoffwechsel. Urn dem weniger geordneten und energiearmeren Zustand (Entropie) entgegenzuwirken, mussen sie also Energie aufnehmen (S. 216). DemAufbau organischer Substanz stehen der Abbau energiereicher und die Ausscheidung energiearmer Molekule gegenuber, Im Organismus wird ein ausgeglichenes Verhaltnis (Homoostase) zwischen diesen gegenlaufigen biochemischen Prozessen angestrebt. Diese werden in der Regel durch Enzyme aufrechterhalten und durch Hormone gesteuert, oftmals in komplexen Reaktionskaskaden. Eine besondere Stellung nimmt das Adenosintriphosphat (ATP) ein , das als Energiespeicher die Synthese energiereicher biochemischer Verbindungen sowie aktive Transport- und Bewegungsvorgange errnoglicht. Daruber hinaus zeichnen sich Organismen durch Wachstum, Entwicklung, Vermehrung und Tod aus. Die Erhaltung der genetischen Information eines Individuurn s wird durch die Dbertragung des Erbgutes auf die nachste Generation gewahrleistet (Vererbung). Die meisten Mikroorganismen vermehren sich ohne eigentliche sexuelle Reproduktion durch Zellteilung. Farne, Moose und Pilze verfugen tiber Zyklen mit sexuellen und asexuellen Phasen, "hahere" Pflanzen und Tiere weisen vorwiegend sexuelle Vermehrung auf. Die hierdurch errnoglichte genetische Rekombination fuhrt zu einer stetigen Veranderung des Genpools einer Art, sodass eine kontinuierliche Anpassung an sich verandernde Umweltbedingungen erfolgen kann. Zu den Nachteilen sexueller Reproduktion gehoren jedoch beispielsweise die Abhangigkeit von Bestaubern oder Sexualpartnern und die erforderliche Investition in Geschlechtsorgane. Zudem wird nur die Halfte des Erbgutes auf die Nachkommen ubertragen, und nur die Halfte der Individuen (die Weibchen) reproduziert. Es gibt zahlreiche Alternativen zur sexuellen Reproduktion, unter anderem klonales Wachstum (die neuen Individuen bleiben mit dem Mutterindividuum verbunden), Jungfernzeugung (Parthenogenese) oder Selbstbestaubung bei Pflanzen (Autogamie). Der Ante il von Arten, die sich sexuell fortpflanzen , liegt jedoch bei tiber 95 % (wenn man die Mikroorganismen nicht mitrechnet, die wahrscheinlich einen Grossteil aller Lebewesen ausmachen, aber bisher schlecht erfasst sind). Dies ist ein starker Hinweis darauf, dass die mit der sexuellen Reproduktion gekoppelte genetische Rekombination ein zentraler Mechanismus ist, urn in einer sich stan dig andernden Umwelt den statusquo einer guten Anpassung zu wahren. Bei den vielfaltigen Abhangigkeiten der Arten von Umweltfaktoren und anderen Arten ist es wichtig, schnell auf Veranderungen reagieren zu konnen (S. 127). Oder, urn mit den Worten der Red Queen aus Alice in Wonderland zu sprechen, man muss laufen, urn in einer sich andernden Welt am gleichen Ort zu bleiben (Carrol 1872): »Now, here, you see, it takes all the running you can do to keep in the sameplace.« Dieser Satz beschreibt den Vor-
1.1 Organismen und Arten
tei! von Dynamik so treffend, dass diese zentrale These der Evolutionsbiologie als Rote-Konigin-Hypothese (red queen hypothesis) bezeichnet wurde (Van Valen 1973, Iaenike 1978).
1.1.2 Phanotyp, Genotyp, Okotyp Der Phiinotyp ist als individuelles Erscheinungsbild die Summe der Merkmale eines Organismus. Die Vielfalt seiner Erscheinungsformen wird durch das Erbgut, die individuelle Entwicklung (Ontogenese) und Umweltfaktoren bestimmt. Die Variationsbreite des Phanotyps eines Individuums oder der Individuen einer Population (oder Art) wird also vom Genotyp begrenzt (phanotypische Plastizitat). Als nichtmobile Organismen zeigen Pflanzen besonders auffallende phanotypische Anpassungen an ihre Umwelt. Hochgebirgspflanzen beisp ielsweise zeichnen sich durch gedrungenen Wuchs aus, wahrend Flachlandindividuen derselben Art im Vergleich hierzu deutlich ausgepragtes Streckungswachstum aufweisen (~ Abb. 1.1). Da in der Regel nur ein Teil des Genoms realisiert wird, konnen Genotypen eine spezifische phanotypische Reaktion auf bestimmte Umweltbedingungen errnoglichen, d. h. Genotypen unterscheiden sich unter verschiedenen Umweltbedingungen in ihrer phanotypischen Antwort. Genetisch fixierte Anpassungen an klimatische oder bodenspezifische (edaphische) Standortbedingungen innerhalb einer Art werden als Okotyp bezeichnet. Solche Okotypen miissen nicht an phanologischen Merkmalen zu erkennen sein, allerdings kann sich ein bestimmtes Umweltregime auch in der Morphologie widerspiegeln.
100
em 50
0 4000
m
3000 2000 1000
Sierra Nevada
Great Basin
0 1.1 Okologische Rassen einer Schafgarbe (Achillea lanulosa) aus verschiedenen Hohen ent lang eines Transektes durch die Sierra Nevada. Individuen aus jeder Population wurden an einem Ort auf Seehohe unter gleichen Bedingungen aus Samen herangezogen. Die Diagramme (blau) zeigen die erbliche Variation der Sprosshohe, den Mittelwert (Pfeil) und ein typisehes Individuum aus jeder Population . Aus Sitte et al. (2002).
3
4
1 Organismen
Beim Wiesenlieschgras (Phleum pratense) bildet sich, abhangig von der Landnutzung, eine Weideform und eine Wiesenform mit unterschiedlichem Verzweigungsmuster. SchwermetaHhaltige Boden fuhren zur Selektion entsprechend toleranter Okotypen, ahnliches gilt bei extremer Verfiigbarkeit von Wasser und Nahrstoffen. In der Forstwirtschaft achtet man daher auf die Herkunft der angepflanzten Baumarten, da Arten lokaler Herkunft dem jeweiligen Standort meist besser angepasst sind (local adapta-
tion).
1.1.3 Artbegriff und Artenzahl Die Taxonomie fasst die Organismen in Taxa (Singular Taxon) zusammen. Unter einem Taxon versteht man eine Gruppe von Individuen, die sich durch das konstante Auftreten spezifischer Merkmale von anderen Individuen unterscheiden. Zusammengehorige Geschlechter werden als ein Taxon gezahlt, Taxa werden bestimmten Kategorien (Rangstufen) zugeordnet. Eine zentrale Stellung nimmt die Art (Spezies) ein, die der Gattung (Genus), der Familie, der Ordnung, Klasse usw. als jeweils ubergeordnete Einheit zugeordnet ist. Der Umfang der hierarchisch hoheren Kategorien ist jedoch nicht definiert und daher relativ, sodass die Art die einzige Kategorie ist, deren Grenzen zumindest im Prinzip objektiv uberprufbar sind. Nach der klassischen Definition von Mayr (1967) ist eine Art "eine Gruppe sich miteinander kreuzender naturlicher Populationen, die reproduktiv von anderen solchen Gruppen isoliert ist", Nah verwandte Arten konnen sich unter bestimmten Bedingungen jedoch noch kreuzen (Hybridisierung). Bei einigen Tierarten sind die Hybride steril (Maultier und Maulesel als Kreuzungen aus Hauspferd und Hausesel), bei anderen, offenbar weniger gut getrennten Arten, jedoch fertil (europaischer Rothirsch Cervus elaphus und asiatischer Sikahirsch Cervus nippon). Bei Pflanzen sind Hybride haufiger als bei Tieren. Ein bekanntes Beispiel ist das Englische Schlickgras Spartina anglica, das vor rund 140 Iahren aus dem einheimischen S. maritima und dem aus Nordamerika eingeschleppten S. alternifolia entstanden ist, als der direkte Hybride Spartina x townsendi durch Chromosomenverdopplung zu S. anglica wurde. Als invasive Art hat es sich inzwischen an der europaischen Atlantikkuste stark verbreitet. Arten unterliegen standigen Veranderungen, die sich durch Mutation, Rekombination und Selektion ergeben, sodass innerhalb einer Art eine bestimmte genetische Vielfalt, also verschiedene Genot ypen vorkommen. Als Anpassung an bestimmte Umwelterfordernisse konnen sich aus einer weniger spezialisierten Art schlieBlich mehrere starker spezialisierte Arten entwickeln (adaptive Radiation). Die rasche Aufspaltung einer Art erfolgt beispielsweise dann, wenn neue Inseln entstehen . So entwickelte sich die Familie der Kleidervogel (Drepanididae) auf Hawaii nach der vulkani schen Entstehung der Inseln vor 27 -30 Millionen Iahren vermutlich aus nur einer zugewanderten Art. Diese bildete bis zu 35 Arten, von denen im Rahmen der Besiedlung durch die Polynesier bereits 14 wieder ausgerottet wurden. Die ebenfalls nur auf eine ursprungliche Ausgangsform zuruckzufuhrenden 14 Arten der Darwinfinken (Emberizidae) der Galapagosinseln (Alter der Inseln 0,7-5 Millionen Jahre) sind ein ahnliches, klassisches Beispiel. Die Pflanzengattung Aeonium (Crassu-
1.1 Organismen und Arten
laceae) kommt auf den 2-16 Millionen Jahre alten Kanarischen Inseln mit etwa 35 Arten vor, die sich aus einer Stammform durch die Aufteilung auf einzelne Inseln in einem konkurrenzarmen Inselokosystern entwickeln konnten. Aus der geographischen Verteilung nah verwandter Taxa kann man Ruckschlusse auf das Genzentrum dieser Gruppe ziehen, also auf das evolutive Ursprungsgebiet, denn oft zeigt sich dort die grolste genetische Variabilitat. Das Genzentrum ist meistens die Region mit der hochsten Artenzahl innerhalb einer Gattung oder Familie ( ~Abb. 1.2). Wenn fur die Entstehung neuer Arten die raumliche Trennung wichtig ist, spricht man von allopatrischer Artbildung. Klassische Beispiele ergaben sich durch die Ausdehnung der Gletscher in Europa wahrend der letzten Eiszeit, welche die Refugien vieler Arten in sudwestliche und sudostliche Refugien trennte. In der folgenden Warmzeit trafen beide Populationen, inzwischen in eigene Arten oder Unterarten differenziert, wieder aufeinander. Die westliche Rabenkrahe (Corvus corone corone) bildet im Bereich der Elbe eine Hybridisierungszone mit der ostlichen Nebelkrahe (Corvus corone cornix), sodass beide als Unterarten betrachtet werden. Das westliche Sommergoldhahnchen (Regulus ignicapillus) lebt heute mit dem ostlichen Wintergoldhahnchen (Regulus regulus) in einem grofsen Teil des Areals zusammen, sie verhalten sich aber wie getrennte Arten . Bei sympatrischer Artbildung ging man bisher davon aus, dass eine neue Art nicht tiber geographische, sondern durch genetische Isolation innerhalb der ursprunglichen Stammpopulation entsteht. Die kIassischen Beispiele betreffen etwa die Artbildung der Artenschwarme von Buntbarschen (Cichlidae) in den grofsen ostafrikanischen Seen oder auch drei Apfelschneckenarten (Lanistes solidus, L. nyassanus und L. nasutus, Ampullariidae) im Malawisee (Berthold 1991). Diese Beispiele zeigen aber,
1.2 Mannigfaltigkeitszentrum der Gattung Hauhechel und Anzahl vorkommender Arten (Ononis, Fabaceae). Nach Sitte et al. (2002). .
5
-
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1 Organismen
dass der Begriff der Sympatrie hinterfragt werden muss . Er bedeutet "im gleichen Gebiet vorkommend". Im Fall der Apfelschnecken wurden unterschiedliche Tiefen desselben Sees besiedelt. Die Tiere kommen zwar im gleichen See vor, sind aber durch okologische Barrieren getrennt, die genauso wirksam sind wie eine geographische Trennung. Man sollte daher eher von okologischer Artbildung sprechen. Die jeweils nachst verwandten Arten (Schwesterarten, sibling species), die raumlich oder okologisch getrennt vorkommen, werden vikariierende Arten genannt. Die ursprunglich als Mikroorganismen, Pflanzen und Tiere verstandenen Organismenreiche werden inzwischen wegen der Gemeinsamkeiten zwischen Pflanzen und Tieren sowie der groBen Heterogenitat der Mikroorganismen neu unterteilt. Heute werden drei Domanen als hochste taxonomische Kategorie unterschieden: Bakterien (Bacteria), Archaebakterien (Archaea) und Eukaryoten (Eukarya) ( ~ Kasten 1.1).
Kasten 1.1 Hauptgruppen von Organismen Vor allem im Bereich der Einzeller sind die taxonomischen Zusarnrnenhanqe zwischen Alqen, Pilzen und TIeren noch unklar. AufgefOhrt werden die drei Dornanen mit ihren wichtigsten weiteren Untergliederungen. auf die Nennung von kleineren Gruppen wurde jedoch verzichtet. Zahlen in Klammern beziehen sich auf die unqefahre An zahl bekannter, lebender Arten, insgesamt ca. 1.9 Millionen. Nach Westheide und Rieger (1996) sowie Sitte et al. (2002).
Dornane Bacteria (5000) Dornane Archaea (Archaebakterien) (80) Dornane Eucarya (Eukaryoten) (1 801 000) • Myxobionta (Schleimpilze. Myxarnoben) (700) • Heterokontobionta (Netzschleimpilze. Gold -, Kiesel-, Braunalgen) (14000) • Mycobionta (Chitinpilze. Flechten) (111000) • Rhodobionta (19000) - Rhodophyta (Rotalgen) (4000) - Dinophyta/Dinoflagellata (Dinoflagellaten) (4000) - Apicomplexa (Endoparasiten) (25 00) - Ciliophora (Wimperntiere) (8000) • Chlorobionta (300000) - Chlorophyta (GrOnalgen) (7000) - Euglenophyta/Euglenozoa (800) - Streptophyta (292000) o Streptophytina (GrOnalgen) (6000) o Bryophytina (Moose) (24000)
o Pteridophytina (Barlappe, 5chachtelhalme, Farne) (11300) o 5permatophytina (Samenpflanzen) (251000) • Cycadopsida (Palmfarne) (140) • Coniferopsida (Nadelbaurne) (530) • Magnoliopsida (BIOtenpflanzen) (250000) • Protozoa (tierische Einzeller) (1 000) • Metazoa (mehrzellige Tiere) (1 355000) - Porifera (Schwarnrne) (8000) - Coelenterata (Hohltiere) (8600) - Bilateria (1338000) o Spiralia (1251000) • Plathelminthes (PlattwOrmer) (16000) • Nemertini (SchnurwOrmer) (900) • Mollusca (Weichtiere) (100000) • Annelida (RingelwOrmer) (18000) • Arthropoda (GliederfOBer) (1 115000) o Onychophora (160) o Tardigrada (600) o Chelicerata (Spinnentiere) (60000) o Crustacea (Krebse) (40000) o Myriapoda (13000) o Insecta (1 000000) o Nemathelminthes (20000) o Tentaculata (5000) o Deuterostomia (62000) • Echinodermata (Stachelhauter) (6300) • Chordata (Manteltiere. Wirbeltiere) (55 000)
1.2 Die Umw elt der Organismen
Unsere Kenntnisse der einzelnen Artengruppen sind sehr unterschiedlich. GroBe, auffallige Organismen sowie Schadlinge oder Krankhei tserreger sind gut erforscht, wahrend es noch riesige Wissenslucken bei kleinen Organismen und solchen gibt, die schwer zugangliche Lebensraume besiedeln (Tiefsee, Boden, Kronendach des tropischen Regenwaldes). Wahrend bei den Pflanzen ein groBer Teil der Arten bekannt ist, ist vor allem bei den Mikroorganismen und Pilzen sowie bei lnsekten nur ein Bruchteil der tatsachlich zu erwartenden Arten wissenschaftlich beschrieben. Schatzungen oder Hochrechnungen auf die tatsachli che Zahl existierender Arten sind naturgemafs recht unterschiedlich, belaufen sich aber grofsenordnungsmafsig auf etwa zehn Millionen Arten (S. 294). Hiervon sind heute etwa 1,9 Millionen Arten bekannt (~ Abb. 7.11, S. 295).
1.2 Die Umwelt der Organismen 1.2.1 Anpassung Organismen sind offene Systeme. Sie stehen mit ihrem Energie-, Stoff- und Informationshaushalt im Austausch mit ihrer Umwelt (S. 215). Diese kann in einen unbelebten (abiotischen) und einen belebten (biotischen) Teil untergliedert werden. Beide interagieren in vielfaltiger Weise. Im Verlauf der Erdgeschichte haben Mikroorganismen und Pflanzen tiber ihre Stoffwechselprodukte die Zusammensetzung der Atmosphare (z. B. durch Anreicherung mit Sauerstoff) und die Eigenschaften von Gesteinen maBgeblich beeinflusst (z. B. durch die Bildung von Kalkstein und Kohle). Allerdings wurden auch ohne Lebewesen abiotische Stoff- und Energiekrei slaufe auf der Erde stattfinden. Organismen spiegeln die jeweiligen Umweltbedingungen und deren Entwicklung wider, da sie sich an bestimmte Verhaltnisse angepasst haben. Eine genaue Analyse ihrer Morphologie und Physiologie verrat viel tiber okologische Zusamrnenhange, denn Organismen konnen sich nur dann dauerhaft etablieren, wenn die Umwelt ihren okophysiologi schen Moglichkeiten entspricht. Die Summe aller Umweltfaktoren, die im Lebensraum eines Organismus auf diesen einwirken, bezeichnet man als Standort. Diese abiotischen Rahmenbedingungen des Lebens umfassen also unter anderem Einstrahlung und Temperatur, die Verfugbarkeit von Wasser und chemischen Elementen sowie den Boden. Aus pflanzenwissenschaftlicher Sicht ist der Standort eher abiotisch definiert, aus zoologischer Sicht wird in der Regel auch die Vegetation als Standortfaktor berucksichtigt. Die Umweltbedingungen konnen als Summe einzelner Faktoren oder Ressourcen verstanden werden, die bei Dber - oder Unterangebot Stress auslosen. Organismen haben Strategien entwickelt, urn Ressourcen effektiv zu nutzen und urn Stress zu vermeiden. Sie tolerieren einen breiten Bereich von Umweltbedingungen, konnen ihre optimale Entwicklung aber nur in einem engeren Bereich durchfuhren ( ~ Abb. 1.3). Wird der Toleranzbereich links und rechts des optimalen Bereiches verlassen, begeben sie sich in einen latenten Lebenszustand oder sterb en. Neben dem Zuwenig eines Fak-
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1 Organismen
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Gradient eines Faklors - - -. hoch - .
1.3 1m Gradienten eines okologischen Faktors hat jede Art neben einem Optimum auch ungOnstige Bereiche, in denen sie weniger gut oder nicht existieren kann.
tors (Liebigs 1840 veroffentlichtes "Gesetz" des Minimums) ist ein Zuviel also genauso negativ. Manche Lebewesen stellen groBe Anspruche an ihren Lebensraum und sind nur unter ganz bestimmten Bedingungen anzutreffen (stenok). Euryoke Organismen besitzen hingegen ein breites Standortspektrum. Verandert sich der Standort, werden stenoke Arten starker beeintrachtigt als euryoke . Bezuglich der stofflichen Versorgung konnen hohe (eu- oder poly-), mittlere (meso-) oder geringe (oligo-) Anspruche gestellt werden; Nahrstoffe betreffend handelt es sich dann urn eutrophe, mesotrophe oder oligotrophe Systeme. Werden bestimmte Bedingungen von einem Organismus bevorzugt, dann wird dies mit dem Zusatz -phil bezeichnet (z. B. thermophil fur warmeliebend), wird ein Zustand gemieden, mit -phob (z. B. photophob fur lichtmeidend). Organismen, die ihre eigene Temperatur oder ihren Wassergehalt in einem optimalen Bereich regulieren, sind bezuglich der Temperatur homoiotherm und bezuglich des Wassergehaltes homoiohydr. Poikilotherme bzw. poikilohydre Organismen folgen mit ihrer eigenen Temperatur oder ihrem Wassergehalt den Schwankungen der Umgebungstemperatur oder -feuchte, tolerieren diese also. Durch die Anpassung von Organismen an bestimmte Umweltbedingungen ergibt sich in einem grofseren Verbreitungsgebiet, dass diese in verschiedenen Teillebensraumen unterschiedlich haufig vorkommen konnen, Eine im mediterranen Gebiet haufige Art wird in Mitteleuropa nur an trockenen und warmen Standorten zu finden sein, eine in Nordeuropa haufige Art wird hingegen in Mitteleuropa auf bestimmte Hohenlagen der Gebirge begrenzt sein (relative Standortkonstanz).
1.2.2 Einstrahlung und Photosynthese Die Sonnenstrahlung ist die wichtigste Energiequelle des Lebens auf der Erde. 1m okologisch bedeutenden Bereich der eingestrahlten Wellenlange von 290-4000 nm besteht ihre spektrale Zusammensetzung zu rund 10 % aus UV-Strahlen, zu etwa 45 % aus sichtbarem Licht und zu 45 % aus infraroter Strahlung ( ~Abb. 1.4). Strahlung anderer Wellenbereiche (Radiowellen, Rontgenstrahlung, ionisierende Strahlung) ist normalerweise okologisch nicht relevant . Der Strahlungshaushalt besteht im Wesentlichen aus Einstrahlung und Abstrahlung. Unterscheiden sich Ein- und Abstrahlung nur wenig bis gar nicht , spricht man
1.2 Die Umwelt der Organismen
blau
ultraviolett
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Wellenlange (nm)
1.4 Spektrale Verteilung der extraterrestrischen Sonnenstrahlung, des Sonnenlichtes bei freiem und bei bedecktem Himmel, sowie die Absorptionsspektren von Chlorophyll a und b. Nach Gates (1965).
von Reflexion. Das diffuse Ruckstrahlverrnogen einer Flache wird als Albedo bezeichnet. Okologisch wirksam ist der absorbierte Anteil der Strahlung. Absorption erfolgt vor allem durch Farbstoffe wie Chlorophyll a, ~-Carotin, Phycoerythrin und die Phytochrome P 660 und P 730 (benannt nach ihren Absorptionsmaxima). Ein Teil der Strahlung durchdringt z. B. die Blatter und wird dabei spektral verandert (Transmission). Besonders hoch ist der Anteil transmittierter Strahlung zwischen 500 und 600 nm, also zwischen den Absorptionsmaxima des Chlorophylls (.. Abb. 1.4). Rotalgen vermogen in grofseren Wassertiefen zu assimilieren, weil sie Phycoerythrine besitzen, die in der Lage sind, das mit der Tiefe abnehmende und langwelligere Licht effektiv zu nutzen. Der Bereich eines Gewassers oberhalb der Existenzgrenze fur
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1 Organismen
autotrophes Pflanzenleben wird als euphotische Zone bezeichnet, der Bereich darunter als aphotische Zone. Fur Pflanzen beschreibt die photosynthetisch aktive Strahlung (photosynthetic active radiation, PhAR) den Wellenlangenbereich, in dem photosynthetisch aktive Substanzen absorbieren (380-710 nm). Bei hoheren Pflanzen sind dies Chlorophyll a, Chlorophyll b, Carotinoide und Xanthophylle; bei Braunalgen, Rotalgen und Cryptomonaden Biliproteine (Phycocyane, Phycoerythrine). Die Bakteriochlorophylle der Purpurbakterien konnen noch bei mehr als 850 nm absorbieren. Die PhAR wird in Pflanzen und phototrophen Mikroorganismen zum Aufbau organischer Substanz aus anorganischen Verbindungen genutzt (S. 215). Die sichtbare Strahlung ermoglicht vielen Tieren, je nach Zahl der Farbrezeptoren, ein ausgepragtes Farbensehen. Viele Fische haben vier Farbpigmente und sehen beispielsweise UV, Blau, Griin und Rot. Tagvogel haben eben falls vier Farbrezeptoren, Saugetiere jedoch nur drei (Mensch, Altweltaffen) oder zwei (z. B. Neuweltaffen und Hunde). Menschen sehen Blau (420 nm), Grun (535 nm) und Rot (565 nm). Bei Insekten kann das Farbsehen sehr unterschiedlich ausgepragt sein. Bienen sehen UV, Blau und Grun, wahrend einige Tagfalter auch Rot wahrnehmen konnen. Farbwahrnehmung spielt fur Tiere eine wichtige Rolle bei der Orientierung, Nahrungssuche, Partnerwahl usw. Pflanzen haben sich als Lichtarten und Schattenarten durch vielfaltige Entwicklungen an die jeweils herrschenden Lichtverhaltnisse angepasst . Einige Pflanzen folgen mit ihren Blattern dem Sonnenverlauf (Sonnenblume, Helianthus annuusi, andere entgehen als Pruhlingsgeophyten der sommerlichen Lichtarmut auf dem Boden vieler europaischer Laubwalder (z. B. das Buschwindroschen, Anemonenemorosa). Eigentliche Schattenpflanzen sind an die Lichtknappheit unter dem Kronendach des Waldes angepasst. Bei vielen Laubbaumen zeigt sich aber auch, dass morphologisch und okophysiologisch unterscheidbare Licht- und Schattenblatter an einem Individuum in verschiedenen Hohen vorkommen. Lichtblatter besitzen eine dickere Cuticula und eine hohere Dichte an Spaltoffnungen, ihr Mesophyll besteht aus mehreren Zellschichten und sie sind kraftiger, Einige Mikroorganismen reagieren mit gerichteten Bewegungen auf Lichtreize . Licht ermoglicht Tieren die Orientierung in Raum und Zeit. Tagliche Ablaufe sind bei vielen Tierarten an die Wahrnehmung von Licht gebunden. Als Signal kann Licht Verhaltensweisen auslosen und als Zeitgeber fur die innere Uhr wirken (S.37). Beim Landkartchen (Araschnia Levana), einem in Mittel- und Osteuropa weit verbreiteten Edelfalter (Nymphalidae), steuern Lichtintensitat und Tageslange die ph anologische Entwicklung. 1m Fruhling schlupfen aus uberwinternden Puppen kleine, gelb-rote Schmetterlinge (1. Generation). Aus den von ihnen gelegten Eiern schlupfen Larven, die sich bei zunehmender Tageslange schnell entwickeln und verpuppen. Nach kurzer Puppenruhe schliipft eine 2. Generation grosser, braun-schwarzer Falter. Aus den von ihnen gelegten Eiern entwickeln sich unter abnehmender Tageslange die Larven langsamer, und die Puppen uberwintern bis zum nachsten Fruhjahr, Die ultraviolette Strahlung wird unterteilt in UV-A (320-400 nrn), UV-B (280320 nm) und UV-C (unterhalb 280 nm). Diese energiereiche und mutagene Strahlung wird durch das stratospharische Ozon stark verringert, sodass die Einstrahlung
1.2 Die Umwelt der Organismen
zwischen 220 und 290 nm nahezu vollstandig weggefiltert und die Einstrahlung zwischen 290 und 320 nm stark reduziert wird . Ohne diese Reduktion der mutagenen Anteile des Sonnenlichtes konnte sich das Leben nicht so frei auf der Erdoberflache entwickeln . Mit zunehmender Hohe nimmt der Anteil der UV-Strahlung zu. Pflanzen der Hochgebirge begegnen dem etwa mit weiBfilziger Behaarung und hoheren Konzentrationen von Flavonoiden, Carotinoiden, Wachsen und Anthocyanen, die UVStrahlen absorbieren (Korner 2001). Von Pflanzen ist auch bekannt, dass sie Sensoren fur UV-Strahlung haben. Bedingt durch die zunehmende anthropogene Zerstorung der atmospharischen Ozon schicht verstarkt sich derzeit die Wirkung der UV-Strahlung. Die infrarote Warmestrahlung wird von allen Oberflachen aufgenommen und abgestrahlt. Sie bestimmt den Warmehaushalt von Korpern, aus dem sich der Warmehaushalt von Okosystemen und dam it Verdunstung und Transpiration, somit auch Niederschlage und Wind ergeben . Einige Tiere konnen infrarote Strahlung wahrnehmen : Manche Schlangen erkennen mit ihren Infrarotrezeptoren warrnblutige Beutetiere, einige Insektenarten suchen gezielt frisch abgebrannte Flachen auf (S. 16).
1.2.3 Temperatur AIle physiologischen Vorgange wie Atmung, Verdauung und Wachstum unterliegen thermischer Regulation. Eine Erhohung der Temperatur beschleunigt die Intensitat der Stoffwechselvorgange, niedrige Temperaturen verlangsamen sie ( ~ Abb. 1.5). Diese Zusamrnenhange sind jedoch nicht linear, sondern exponentiell. Die schon im 19. Iahrhundert formulierte .Reaktionsgeschwindigkeits-Temperatur-Regel" von Van't Hoff gibt als Faustregel eine Verdoppelung bis Verdreifachung der Reaktionsgeschwindigkeit Q bei einer Temperaturzunahme urn 10 °C an (QIO von 2 bis 3). Die Entwicklung eines Organismus benotigt daher nicht eine bestimmte Zeit, sondern eine bestimmte "Temperaturmenge", die in der Regel als Taggrade (day degrees) oder Temperatursumme angegeben wird. Diese Temperatur kann uber viele oder wenige Tageverteilt sein, sodass die gleiche, warrneabhangige Entwicklung schnell oder langsam ablaufen kann (physiologische Zeit) . Oberhalb und unterhalb artspezifischer Temperaturgrenzen erfolgt ein Abfall der Korperfunktionen, bis es zum Erliegen des Stoffwechsels kommt. Bei extremen Temperaturen wird zunachst die Latenz- und schlieBlich die Letalgrenze uberschritten, die Individuen sterben. Sehr starke Hitze fuhrt zu irreversibler Denaturierung von Proteinen und damit zu letalen Schadigungen. Anpassungen zum Schutz vor zu starker Aufheizung konnen bei Pflanzen tiber die Blattform (z. B. kleine Blatter fur bessere Angleichung an die Lufttemperatur), uber die Farbe (weiBe Behaarung zur Erhohung der Abstrahlung), die Blattstellung (Kompasspflanzen) usw. erfolgen. Transpiration kann einen Kuhleffekt von meh r als 10°C bewirken, Wasser ist bei hohen Temperaturen jedoch meist limitiert. Kakteen, die zwar Wasser speichern aber kaum transpirieren, konnen daher an Uberhitzung sterben. Tiere konnen hohe Temperaturen ebenfalls durch Transpiration ausgleichen, oft gekoppelt mit Wasserruckgewinnungsmechanismen (S. 23). Durch ihre Mobilitat sind sie auch in der Lage, der Hitze auszuweichen, etwa
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1 Organismen
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Temperatur (0C)
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1.5 Dauer der Embryonalentwicklung der Schildwanze (Eurygaster maura, Pentatomidae) bei verschiedenen Temperatu ren. Nach Tischler (1993).
durch Nachtaktivitat. Eine weitere Strategie zur Vermeidung zu hoher Temperaturen ist die Ausbildung von Uberdauerungsstadien. Da Wasser in allen Organismen vorkommt, kann Frost irreversible und fiir den Organismus todliche Folgen haben. Frostschaden entstehen teils durch das Gefrieren extrazellularen Wassers, sodass das Kristallwachstum zum Wasserentzug der Zellen fiihrt . Die Schaden ahneln Trockenschaden. Teils fuhrt aber auch intrazellulares Gefrieren von Fliissigkeit zur Beschadigung von Zellmembranen. Minustemperaturen (Frost) miissen jedoch nicht zur Eisbildung im Kerper fiihren . Unterkiihlen (Supercooling) kann Kristallisationskeime vermeiden oder maskieren, sodass eine spontane Eisbildung bis in tiefere Temperaturbereiche unterdriickt wird . Dies wird unterstiitzt durch die Einlagerung von Frostschutzsubstanzen. Bei kurzen Frostereignissen ist Supercooling die geeignete Strategie, welche bei Tieren noch durch Verhaltensanpassungen (etwa das Aufsuchen weniger kalteexponierter Mikrostandorte) unterstiitzt wird . Bei Pflanzen ist Supercooling beispielsweise aus den tropischen Hochgebirgen bekannt (Senecio, Lobelia, Espeletia). Bei lang andauerndem Frost ist die Wasserbilanz beim fliissigen Zustand des Korperwassers jedoch durch Transpirationsverluste viel starker belastet, weshalb hier Gefriertoleranz wirkungsvoller ist. Gefriertolerante Organismen lassen kontrolliert Eiskristalle in ihrer extrazellularen Korperflus sigkeit wachsen . Hierfiir produzieren sie so genannte Nucleatoren, welche die kontrollierte Eisbildung so fruh wie moglich induzieren, d. h. den Unterkuhlungsbereich minimieren. Die Toleranz gegenuber intrazellularer Eisbildung ist hingegen eine grofse Ausnahme, da dies meist zu letalen Schadigungen von lebenswichtigen Strukturen fuhrt.
1.2 Die Umwelt der Orga n ismen
Beide Strategien sind bei Wirbellosen etwa zu gleichen Teilen vertreten. Milben und Collembolen sind jedoch auch in polaren Bereichen nie gefriertolerant, sondern betreiben Supercooling. Hierzu lagern sie entweder osmotisch wirksame niedermolekulare Substanzen (Polyhydroxyalkohole, Zucker oder Aminosauren) ein oder sie produzieren hochmolekulare Substan zen (Glykopeptide, Glykoproteine), die dem Maskieren von Kristallisationskeimen oder Embryoeiskristallen dienen. Arten, die eine breite okologische Valenz bezugl ich Temperatur besitzen, werden als eurytherm bezeichnet. Entsprechend gelten Arten mit engen Temperaturanspriichen als stenotherm (... Abb. 1.6). Stenotherme Arten kommen meist in Lebensraumen mit relativ konstanter Temperatur vor, also in Bergbachen, Hohlen, tiefen Bodenschichten oder in der Tiefsee. Bezogen auf die Regulationsfahigkeit gibt es homoiotherme Tiere, die selbst zur Regulation ihrer Eigentemperatur befahigt sind (Vogel und Saugetiere, auch als Endotherme bezeichnet), und poikilotherme Arten, deren Korperternperatur im Wesentlichen der AuBentemperatur entspricht (Wirbellose, Fische, Amphibien und Reptilien, auch Ektotherme genannt) (... Abb. 1.6). Bei sinkenden Umgebungstemperaturen wird der Energieaufwand zur Erhaltung der Korpertemperatur immer groBer. Unter 4 kg Korpergewicht ist es deshalb rationeller, den Winter in einer Kaltelethargie (Torpor) zu iiberdauern und damit den Energieverbrauch betrachtlich zu reduzieren (Heterothermie). Bei sehr kleinen Arten und unter extremen Bedingungen (Permafrostboden) ist jedoch der Energieaufwand selbst zur Erhaltung einer minimalen Korpertemperatur (4-7 °C) zu groB. Daher miissen kleinere Tiere den Winter iiber aktiv bleiben, und Winterschlafer sind in den kalten Bereichen der gemafsigten Zone haufiger als in der Arktis . Aus diesen Uberlegungen geht hervor, dass der Energiebedarf von Saugetieren und Vogeln in erster Linie von Korpergrotse und -oberflache abhangt. In einer kalten Umgebung benotigen groBe Tiere wegen der zum Volumen relativ kleineren Oberflache weniger Energie als kleine . Daher sind Tiere, die in den kalten Gebieten der Erde leben , in der Regel auch groBer als nah verwandte Arten aus warrneren Gebieten, Polarfuchse sind also grofser als Wiistenfiichse. Genauso kann die energieabstrahlende Korperoberflache durch kleine Ohren und kurze Beine reduziert werden,
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1.6 Links: Optimal bereich von stenotherm und eurytherm adaptierten Organismen. Rechts:Temperaturregulation bei homoiothermen (typisch fur groBe Sauqetiere), poi kilothermen (Insekten) und heterothermen (Fledermause) Tieren.
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, Organismen
d. h. Polarfuchse haben kurzere Extremitaten als Wiistenfuchse. Diese Zusammenhange wurden im 19. Jahrhundert, damals noch in Unkenntnis dieser energetischen Beziehungen, als Bergmann'sche "Regel" bzw. Allen'sche "Regel" bezeichnet. Die Allen'sche "Regel" bezieht sich auf eine Verteilung von Proportionen, diirfte daher allgemein zutreffen, wahrend die Bergmann'sche "Regel" weniger allgemein gult ig sein durfte, da sie sich auf die Korpergrofse bezieht, die von vielen Parametern abhangt. Homoiotherme Organismen wirken einem zu starken Warmeverlust in kalteexponierten Organen dadurch entgegen, dass Venen und Arterien nahe beieinander verlaufen und ihre Kontaktzone durch Aufspaltung in viele Seitenzweige vergrofsert wird (Wundernetze, Rete mirabile). Arterielles Blut, das in solche peripheren Organe fliefst, gibt seine Warme an das zuruckfliefsende kalte venose Blut ab und wird abgekiihlt (Warmetauscher). Dieses Gegenstromprinzip erzeugt einen steilen Temperaturgradienten in den Extremitaten und verhindert starken Energieverlust. Zudem kann der Durchfluss gedrosselt werden. Die FiiBe von Mowen und Enten, die auf Eisscholl en stehen, weisen hierdurch bei AuBentemperaturen von unter -10 °C in den Schwimmhauten nur noch 0- 5°C auf. In ahnlicher Weise verhindern Retemirabile in den Flossen und der Zunge von Delfinen und Walen zu grofse Warmeverluste an das kalte Umgebungswasser. Bei Thunfischen (Thynnidae) und einigen Haien (z, B. dem Makrelenhai Isurus oxyrhynchus) finden sich diese Gefafsnetze zwischen Peripherie und Korperkern, sodass ihre Korperternperatur 10-12 °C uber der Wassertemperatur liegt. Bei einem QlO von 3 fur Muskeln erlaubt dies eine dreimal so hohe Schwimmgeschwindigkeit wie bei ihren .Jcaltblutigen" Beutefischen. Innerhalb eines Lebensraumes stehen Lufttemperatur und die Erwarmung bodennaher Luftschichten in direktem Zusammenhang mit Sonnenstand, Breitengrad und Bewolkung eines Gebiets. Fur die Bodentemperatur ist jedoch neben der Vegetationsbedeckung auch Wassergehalt und Struktur des Bodens wichtig. Moore besitzen beispi elsweise eine geringe Warmeleitfahigkeit. Ihre dunkle Oberflache erwarrnt sich tagsiiber, kiihlt aber nachts auch schnell wieder aus, ohne dass Warrne in tiefere Schichten weitergeleitet wird. Boden der polaren Gebiete und des Hochgebirges konnen daher ganzjahrig gefroren sein (Permafrost). Mit zunehmender Bodentiefe werden die tages- und jahreszeitlichen Temperaturschwankungen gepuffert ( ~ Abb. 1.7), sodass sich eine Bodentemperatur im Bereich der Jahresmitteltemperatur einstellt. In stehenden Gewassern , die mehr als etwa 10 m tief sind, ist im Gegensatz zu flachen Teichen eine ausgepragte Temperaturschichtung zu beobachten . Die obere, warmere Wasserschicht des Epilimnions wird pro Meter Wassertiefe urn etwa 1 °C kalter und durch die Sprungschicht (Thermokline) vom kalten Tiefenwasser des Hypolimnions getrennt. Das Hypolimnion weist kaum Temperaturschwankungen im Jahresgang und einen wenig ausgepragten Tiefengradienten auf. In Lebensraumen mit ausgepragtem Jahreszeitenklima fuhrt die thermische Saisonalitat in Gewassern zu typischen Zirkulationsstrornungen, die fur den Stoffaustausch wichtig sind , da Wasser mit 4 °C seine hochste Dichte hat (S. 258). Diese klimatische Charakterisierung von Lebensraumen darf nicht dariiber hinwegtauschen, dass kurzfristige und kleinraumige Temperaturschwankungen zu groBen mikroklimatischen Unterschieden fuhren konnen, Dieses MikrokIima entscheidet letztlich tiber die Eignung eines Lebensraumes fur einen Organism us. Isothermen werden gerne verwendet, urn die Verbreitung von Organismen zu erklaren, und
1.2 Die Umwelt der Organismen
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1.7 Temperaturgang wahrend eines Sommertages in einem Trockenrasen in verschiedenen Bodentiefen. Nach Schubert (1986).
erstau nlieh oft lassen sich aueh plausible Zusam rnenhange darstellen. Es sollte jedoeh nieht iibersehen werden, dass solche Darstellungen auf Temperatur mittelwerten basieren und korrelativ sind.
1.2.4 Feuer Weltweit ereignen sieh taglich zehnta usende Gewitter mit Millione n von Blitzen. Hierdureh kann es bei geeignetem Substrat regelmafsig zu natiirlichen Branden kommen. Auch Vulkanausbriiehe sind oft mit grofsflachigen Brandereignissen verbunden. Die Kanarenkiefer (Pinus canariensis) entwickelte ihre Regenerat ionsstrategie zweifellos in Anpassung an den Vulkanismus ihres Lebensraumes. Neben einer dicken Borke vermag die Kiefer dureh Austrie be auch aus dicken Stammen Feuer zu iiberdauern. In feuergepr agten Lebensraurnen (5. 251) stellt sich also eine spezifische und typische Vegetation ein, die genauso wie die Tierwelt iiber zahlreiche Anpassungen an Feuer verfugt. Feuer ereignen sich regelmafsig in Trockenwaldgebieten, Buschland ern , Savannen, Steppen, Tundren und der Taiga, in der mediterranen Hartlaubvegetation (Macchie oder Chaparra l) sowie in Kiefern - und Eukalyptuswaldern. Haufige Feuer konnen bestimmte Lebensfor men kompl ett ausschlieBen. Die nordam erikanisehen Prarien
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1 Organismen
sind zum Teil durchaus waldfahig, was man in zahlreichen Anpflanzungen und Plantagen sehen kann. Die Etablierung von Laubbaumen wurde in der Vergangenheit jedoch durch natiirliche Feuer verhindert. Graser konnen hingegen aufgrund ihres raschen Regenerationsvermogens mit solchen Verhaltnissen gut zurechtkommen (Collins und Wallace 1990). Feuer bewirkt ein Verbrennen der oberirdischen Biomasse, sofern diese trocken und leicht erreichbar ist. Hierbei entstehen in der brennenden Vegetation Temperaturen von 300-700 "C. Im Bereich der Bodenoberflache betragen die Temperaturen je nach Streuauflage oft nur 100°C und bereits 5-10 ern im Boden ist keine nennenswerte Erhitzung mehr messbar. Feuer fuhrt also zu einem Abbau toter organischer Biomasse und kann in arid en Lebensraumen Destruenten ersetzen bzw. erganzen, Diese beschleunigte Remineralisation bewirkt eine Anreicherung des Oberbodens mit Nahrstoffen, welche das anschlieBende Wachstum der Vegetation beschleunigen. Anpassungen zum Schutz vor Feuereinwirkungen sind bei Pflanzen eine dicke Borke (Korkrinde der Korkeiche Quercus suber, abblatternde Rinde von Eukalyptusarten) oder die Verlagerung sensibler Pflanzenteile in den Boden (Geophyten mit Erneuerungsknospen aus Knollen und Rhizomen). Auch die Fahigkeit zur raschen Regenerierung aus Wurzeln oder Stockausschlagen ist eine haufige Anpassungsstrategie. Okosysteme mit haufigen Branden zeigen sehr spezifische Anpassungen. Die "Grasbaume" Australiens (Xanthorrhoea ssp.), deren Blatter regelmalsig abbrennen, schutzen den Stamm durch nichtbrennbare Harze (Schulze et al. 2002). Lockere Schichten aus langen Kiefernnadeln (Pinus sp.) brennen schnell ab, verhindern also intensive Feuer, die den Baum selbst gefahrden konnten und stellen eben falls eine besondere Anpassung dar. Die Feueradaptation kann bei einigen Arten sehr weit gehen: Nordamerikanische Kiefern (Pinus banksiana, Pinus palustris) bilden harzver siegelte Zapfen aus, welche sich erst nach Feuereinwirkung offnen und die Samen freigeben. Ahnlich reagieren australische Banksia-Arten. Bestimmte Flechtenarten kon nen nur auf verkohlten Stammen wachsen . Tiere meiden Feuer, indem sie fliehen (Vogel, Saugetiere) oder sich unter Borke bzw. im Boden verstecken. Auch sie weisen vielfaltige Anpassungen auf. Einige Heuschreckenarten suchen gezielt kiirzlich abgebrannte Lebensraume auf, urn an der frisch sprieBenden Vegetation ihre Eier abzulegen . Einige Prachtkaferarten (Buprestidae) verfugen tiber Infrarotsensoren, urn verkohltes Holz zu finden . Sie legen ihre Eier in die noch heiBen Baumstamme, in denen aile konkurrierenden Arten verbrannt sind , sodass die schnell schliipfenden Larven sich in einem konkurrenzfreien Raum von diesem Totholz ernahren konnen, Gerade unter holzfressenden Borkenkafern (Scolytidae), Bockkafern (Cerambycidae) und Prachtkafern (Buprestidae) ist die Zahl der an verbrannte Baume angepassten Arten hoch (Markalas 1991). Bedingt durch Bevolkerungswachstum und wirtschaftliche Interessen nehmen durch den Menschen verursachte Brande zu. Wegen der groBen wirtschaftlichen Bedeutung der Kontrolle feuerauslosender Mechanismen ist die Peuerokologie (Goldammer 1993) eine wichtige okologische Teildisziplin. Auch als Pflegemafsnahme im Naturschutz ist kontrolliertes Brennen wichtig, denn wenn natiirliche Feuer vollig unterdriickt werden, verandert sich der zu schiitzende Lebensraum oft in unerwiinschter Weise (S. 297).
1.2 Die Umwelt der Organismen
1.2.5 Wasser als Ressource Verfiigbarkeit Wasser ist gemeinsam mit Kohlenstoffverbindungen das wichtigste Molekiil zur Bewerkstelligung von Lebensablaufen, Lebewesen bestehen zu 70-80 % aus Wasser, manche Pflanzen bis zu 90 % und einige im Wasser lebende Organismen bis zu 98 %. Der geookologische Wasserkreislauf wird durch Niederschlag, Infiltration, Oberflachenabfluss, Evaporation und Kondensation gesteuert (S. 226). Die Organismen, vor allem aber die mit ihrer Biomasse vorherrschenden Pflanzen, tragen tiber aktive Wasseraufnahme, -speicherung und -abgabe in die Atrnosphare (Transpiration) zum Wasserhaushalt bei. Evaporation und Transpiration werden, da sie nur schwer zu trennen sind, als Evapotranspiration zusammengefasst. Der Boden speichert Wasser in Abhangigkeit von seiner chemischen und strukturellen Beschaffenheit durch e1ektrostatische Wechselwirkungen an der Oberflache der Bodenteilchen und kapillar in den Bodenporen. Ein wichtiges MaB fur die Beurte ilung des Wassergehalts ist die Feldkapazitat, welche den maximalen Fiillungsgrad der mittleren Bodenporen mit Wasser angibt, wahrend die Grobporen noch leer sind. Sie hangt von der Beschaffenheit des Bodens und vor allem von dessen Gehalt an Ton und Sand aboEine Bodenmatrix mit engen Poren und groBer Oberflache, etwa bei feinkornigen Lehm- und Tonboden, bindet Wasser starker als ein Sandboden. Die erforderliche Saugspannung zur Aufnahme von Wasser ist folglich hoher, Der permanente Welkepunkt liegt bei einem Bodenfeuchtegehalt vor, bei dem Pflanzen dem Boden kein Wasser mehr entnehmen konnen, d. h. pflanzenverfiigbar ist nur weniger stark gebundenes Bodenwasser. Der Wasserhau shalt der Organismen wird durch Wasseraufnahme, -transport, -speicherung und -abgabe bestimmt. In der Zelle kommt Wasser als Konstitutionswasser in chemischer Bindung vor, als Hydratationswasser (Quellungswasser) ist es an lonen (Hydratationshiille der lonen), geloste organische Stoffe (wie Peptide und Kohlenhydrate) sowie Makromolekiile (etwa bei Pflanzenzellwanden) angelagert, als Depotwasser fullt es Stauraume in Zellkompartimenten, und als interstitielles Wasser iibernimmt es Transportfunktionen in Zellzwischenraumen, im GefaB- und Siebrohrensystem der Pflanzen bzw. im Hamolyrnph- und Gefafssystem der Tiere.
Regulation 1m Depotwasser und im interstitiellen Wasser von Organismen befinden sich osmotisch wirksame Stoffe wie Kohlenhydrate, organische Sauren, lonen und sekundare Pflanzeninhaltstoffe in Losung. Der osmotische Druck wird also durch den Wassergehalt bzw. die Zahl der gelosten , osmotisch aktiven Teilchen bestimmt. Durch Polymerisation (Zucker zu Starke, Aminosauren zu Peptiden) bzw. durch den umgekehrten Vorgang der Hydrolyse oder durch den gezielten (energieaufwandigen) Transport einzelner lonen kann dieses Verhaltnis verandert werden , d. h. die Zelle ist zur Osmoregulation fahig. Osmoregulation bewirkt die Aufrechterhaltung eines inneren lonenmilieus, das Organismen fur die Durchfiihrung ihre r Stoffwechselvorgange benotigen. Die jewei-
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18
1 Organismen
ligen Erfordernisse sind unterschiedlich, aber artspezifisch. Zellmembranen sind fur Wasser durchlassig, nicht jedoch fur Ionen, welche durch Ionenkanale und lonenpumpen transportiert werden mussen. Osmotisch wirksam ist lediglich die Gesamt konzentration (Quantitat) von Anionen und Kationen auf beiden Seiten der Membran, hierbei spielt die Zusammensetzung (Qualitat) der lonen keine Rolle, sodass beispielsweise anorganische lonen durch organische ersetzt werden konnen, Wenn beiderseits der Zellmembran der gleiche osmotische Druck herrscht, wird dieser Zustand als isoton oder isoosmotisch bezeichnet. Ist der osmotische Druck in der Zelle geringer als aufsen, so ist diese hypoton bzw. hypoosmotisch, wahrend das Umgebungsmedium hyperton bzw. hyperosmotisch ist. In hypertone Zellen stromt Wasser von aufsen ein (die Zelle kann platzen) und aus hypotonen Zellen strornt Wasser nach aufsen (die Zelle schrumpft), urn den Gradienten auszugleichen. Organismen , die nur in sehr geringem Umfang zur Osmoregulation fahig sind, werden als stenohalin bezeichnet. Sie konnen sich nur in Lebensraumen aufhalten, deren Konzentration an osmotisch aktiven Substanzen dem inneren Milieu der Organismen entspricht. Die meisten marinen und limnischen Arten sind stenohalin und daher auf ihre Lebensraume begrenzt. Fur euryhaline Arten ist hingegen der osmotische Toleranzbereich viel grofser,d. h. sie konnen sich in unterschiedlichen Lebensraumen oder Lebensraumen mit schwankenden osmotischen Verhaltnissen aufhalten (beispielsweise Brackwasser). Organismen, die ihre innere lonenkonzentration kontinuierlich der aufseren anpassen, sind poikiIosmotisch. Im Unterschied hierzu konnen homoiosmotische Arten in gewissem Rahmen ihr inneres lonenmilieu unabhangig vom aufseren konstant halten ( ~ Abb. 1.8). Die meisten Arten sind stenohalin, weil ihre Toleranz gegenuber Schwankungen der lonenkonzentration ihres Mediums gering ist und sie tiber keine Regulationsfahigkeit verfugen, Unter den euryhalinen Arten gibt es nur wenige, die tiber den ganzen Bereich denkbarer lonenkonzentration regulieren konnen. Die Grenze Meerwasser-Sufswasserist also fur die meisten Arten nicht uberwindbar. Meerwasser zeigt einen Salzgehalt von etwa 34,7 %0, fur den hauptsachlich Kochsalz NaCl verantwortlich ist. Der Salzgehalt unterliegt jedoch vor allem in austauscharmen Seitenmeeren betrachtlichen Schwankungen. Im Roten Meer, das einer intensiven Einstrahlung ausgesetzt ist, und hohe Verdunstungsverluste und nur geringen Austausch mit dem benachbarten lndischen Ozean aufweist, erreicht der Salzgehalt im Golf von Aqaba 40,8 %0. In der Ostsee, die uber groBe Sufswasserzuflusseund eine nur schmale Verbindung mit der Nordsee verfugt, sinkt der Salzgehalt auf 30 %0, im Bottnischen Meerbusen gar auf 7 %0. Organismen, die ihren Wassergehalt so wenig regulieren konnen, dass er im Wesentlichen dem der Umgebung entspricht, sind poikiIohydr (wechselfeucht). Hierzu gehoren Mikroorganismen, Blaualgen, die meisten Algen, Pilze und Flechten sowie einige Moose trockener Standorte. Diese Organismen besitzen kleine Zellen ohne Zentralvakuole, sodass sie ohne Schaden zu nehmen gleichmafsig austrocknen und anschliefsend tiber ihre Oberflache wieder Feuchtigkeit aufnehmen konnen (~ Abb. 1.9). Auch einige tierische Einzeller und Dauereier von Kleinkrebsen konnen ein volliges Austrocknen ihres Kleingewassers uberstehen, Poikilohydrie ist in ariden Lebensraumen mit kurzen feuchten Zeitabschnitten von Vorteil, weil sie eine schnelle Reaktion auf gunstige Umweltbedingungen ermoglicht.
1.2 Die Umwelt der Organismen
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1.8 Fahigkeit der Osmoregulation bei verschiedenen Meeresorganismen. Angegeben ist die relative Anderung der lonenkonzentration der Korperflussiqkeit in Abhangigkeit von der relativen Anderung der lonenkonzentration des Meereswassers. Ein diagonaler l.inienverlauf deutet an, dassder Organismus zu keiner Osmoregulation fahig ist. Je mehr die Linie von der Diagonalen abweicht, desto starker ausqepraqt ist die Osmoregulation. Katzenhai (Scyliorhinus, Chondrichthyes), Aal (Anguilla, Osteichthyes), Meeraal (Conger; Osteichthyes), Nereis diversicolor (Annelida, Polychaeta), Strandkrabbe (Carcinus maenas, Crustacea), Salinenkrebs (Artemia salina, Crustacea), Seespinne (Maja, Crustacea), Miesmuschel (Mytilus, Mollusca), Seestern (Asterias, Echinodermata). Nach Tardent (1993).
Als homoiohydr werden Organismen bezeichnet, die ihren Wasserhaushalt so kontrollieren konnen, dass sie mehr oder weniger unabhangig vom Wasserhaushalt der Umgebung sind . Hierzu verfugen Pflanzen tiber eine groBe Zentralvakuole, die mit ihrem Wasservorrat fur einen konstanten Wassergehalt des Protoplasmas sorgt. AuBerdem verfugen Pflanzen tiber eine abgedichtete Aufsenflache (Cuticula), Spaltoffnungen zur Regulation der Transpiration und ein differenziertes Wurzelwerk zur kontrollierten Wasseraufnahme. Die Entwicklung der Homoiohydrie fand beim Ubergang vom Wasser zum Land statt. Viele Moose und fast aIle Sprosspflanzen (Kormophyten) sind homoiohydr, einige Moose und Fame sind aIlerdings no ch auf feuchte Lebensraume beschrankt. Unter den Tieren sind die meisten Landtiere homoiohydr.
Pflanzen Der Wasserhaushalt der Landpflanzen wird bestimmt durch die Wasseraufnahme der Wurzeln, durch den Wassertransport zu den photosynthetisch aktiven Teilen und dem dam it verb un den en Wasserverlust an die umgebende Luft. Die Wasserabgabe kann unter gesattigten Bedingungen auch tropfenformig (Guttation) erfolgen. Pflan zen sorgen also fur einen standigen Wasserstrom aus dem Boden in die Atrnosphare. Die Wasseraufnahme erfolgt durch Feinwurzeln, die sich im Boden stark verzweigen
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1.9 Veranderung des Wassergehaltes und des CO2-Gaswechsels der Flechte Ramalina maciformis nach einer Nacht mit Taufall. In eine r kurzen Phase mit erhohtern Wassergehalt (oben) und Licht (unten) bet reibt die Flechte f Or w enige Stunden Photosynthese (oben). Nach Lange et al. (1970).
un d dem Wasser folgen. In der Endodermis wird der Wurzeldruck durch energieabhangige, membrangebundene Pumpen gener iert, d. h. die Wasserverschiebung geht in eine energieabhangige Wasserleitung tiber. Die F6rderleistung des Leitu ngssystems hangt aber vor allem vom Wasserpotenzialun terschied zwischen Blattern und Wurzein und vom Leitungswide rstand abo Solange die Sonne scheint und genugend Wasser aufgenommen werden kann, nim mt die Geschwindigkeit des Transpirationsstro ms mit steigender Transpiration sint ensitat zu. Diese Geschwindigkeit stellt sich schnell und auch kur zfristig auf Schwankungen der Einstrahlung ein, sodass eine ausreichende Wasserversorgung gegeben ist (.- Abb. 1.10). Die Geschwindigkeit des Transpiratio nsstroms betragt bei Moosen, Nadelbaumen und mediterraner Hart laubvegetation bis 2 m lr ', bei Krautern und ringporigen Laubbaumen bis 60 und bei Lianen bis 150 m h' (Huber 1956). Der Transpirationsve rlust der Pflanzen erfolgt tiber die gesamte innere und auBere Oberflache. Bei Kormophyten sind dies die Epidermisaulienwande (cuticular e Transpiration) und die Oberflachen der Zellen, die an Interzellularen grenzen. Vom interzellularen Rau m entweicht das Wasser tiber den SpaltOffnungsapparat nach auBen (stom atare Transpiration). Die cuticulare Transpiratio n kann durch Ein- und Auflagerungen der Epidermis auf wenige Prozent der freien Verdunstung redu ziert werden. Bei Hartlaubgewachsen un d Koniferen bet ragt sie nur 0,5 %, bei Kakteen sogar nur 0,05 % der freien Verdunstung. Diese cuticulare Transpiration macht maxi-
1.2 Die Umwelt de r Organismen
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1.10 Tagesgang der Geschwindigkeit des Transpirationsstroms in Pappeln und Birken. Der Verlauf des Wassertransports in den Leitbahnen zeigte eine deutliche Bindung an die lntensitat der eintreffenden Strahlung. Nach Larcher (2001).
mal 30 % der Gesamttranspiration aus, sodass Pflanzen tiber ein SchlieBen der Stomata ihren Wasserverlust recht gut kontrollieren konnen. Das Dilemma der Pflanzen liegt darin, dass ein SchlieBen der Stomata zur Vermeidung von Wasserverlust (Verdursten) auch die Aufnahme von COz verhindert, also die Photosyntheserate reduziert (Verhungern) . Ein gunstiger Kompromiss zwischen Wasserverbrauch und COz-Aufnahme liegt bei C 3-Pflanzen bei maBig verengten SpaltOffnungen. Bei ausgepragtem Wassermangel bzw. in ariden Lebensraumen genugt dies jedoch nicht. Zwei physiologische Entwicklungen bieten verschiedene Losungsmoglichkeiten: C4-Pflanzen nehmen COz mit deutlich hoherer Affinitat auf, sodass sie in kurzerer Zeit und bei geringeren Konzentrationen viel effektiver Photosynthese betreiben konnen. CAM-Pflanzen entkoppeln COz-Aufnahme und Wasserverlust, indem sie nachts bei niedrigeren Temperaturen und tiber weit geoffnete Stomata COz aufnehmen und zwischenspeichern, wahrend die lichtabhangigen Photosyntheseschritte tagsuber bei geschlossenen Stomata ablaufen. Viele Sukkulenten sind CAM-Pflanzen und konnen auf diese Weiseansonsten sehr lebensfeindliche Trockengebiete besiedeln. Die Unterschiede zwischen diesen Photosynthesetypen werden auf Seite 25 besprochen. Nebst den eigentlichen Niederschlagen ist Wasser auch als Luftfeuchtigkeit, Bodennebel und Tau verfugbar, An niederschlagsarmen Standorten kann dieser Beitrag entscheidend fur die Besiedlung sein. Epiphyten des tropischen Regenwaldes leben zwar in einem Okosystem mit hohen Niederschlagen, diese dauern jedoch oft nur kurze Zeit an, sodass Pflanzen ohne eigenes Wurzelwerk bis in den Boden oft in Wasserstress geraten . Wasserspeicher fur das abflieBende Regenwasser oder Saugschuppen, wie etwa bei Tillandsia-Arten (Bromeliaceae), die bei hoher Luftfeuchte Wasser aus der
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22
1 Organismen
Luft gewinnen konnen, sind wichtige Anpassungen an solche Standorte. Wurzeln dienen hier nur zur Fixierung auf dem Wirtsbaum. Xerophyten weisen Anpassungen an Standorte mit Wassermangel auf, z. B. ein tiefreichendes Wurzelwerk, Verstarkung der Cuticula durch Wachse, versenkte Spaltoffnungen, Behaarung und saisonaler Blattabwurf. Viele Wtistenpflanzen zeichnen sich dadurch aus, dass sie ein langes Ruhestadium einlegen konnen, d. h. die oberirdischen Teile konnen absterben und bei Regen wieder austreiben. Eine konsequente Reduktion der transpirierenden Oberflache fuhrt tiber kleinere Blatter, Begrenzung der Assimilation auf Sprossorgane (Platycladien , Phyllocladien) zu einem kompakten, xeromorphen Habitus (ruten-, saulen-, kugelformig), welcher hervorragend zur Wasserspeicherung geeignet ist (Sukkulenz). Hierfur konnen konvergent aIle Pflanzenorgane verwendet werden: Keimblatter (Aizoaceae), Blatter (Aloe, Sedum,Sempetvivum, Agave), Sprosse (Cactaceae, Euphorbiaceae, Stapelia) , Wurzeln (einige Cucurbitaceae,
Asclepiadaceae,Oxalis).
Wasserpflanzen (Hydrophyten) und Feuchtpflanzen (Hygrophyten) sind an die Verhaltnisse in Feuchtgebieten angepasst . Hier ist Wasser kein Mangelfaktor, sondern Lebensmedium. Bei allen anderen Pflanzen fuhren Uberflutung und Uberstauung aber zu einer Verschlechterung der Sauerstoffversorgung (Hypoxie). Zu hohe Wassergehalte in Boden, wie sie temporar bei wechselnder Staunasse und dauerhaft in Grundwassernahe auftreten, fuhren ebenfalls zu eingeschrankter Sauerstoffversorgung (S. 28). Pflanzen reagieren auf diese Einschrankungen der Wurzelatmung beispielsweise mit einer Verlagerung des Wurzelwachstums in die obersten Boden schichten (Fichte, viele Regenwaldbaume). Hohe Salzgehalte des Bodens fuhren aufgrund der osmotischen Wirkung des Salzes zu Problemen im Wasserhaushalt. Pflanzen, die sich mit hohen Salzgehalten arrangieren konnen (Halophyten), verfolgen verschiedene Strategien. Der Kumulationstyp besitzt keinen Regulationsmechanismus, kann jedoch wie die Salzbinse (Juncusgerardii) sehr hohe Salzkonzentrationen tolerieren. Tropische Mangrovenpflanzen wie die Schwarzmangrove (Avicennia germinans) nehmen Wasser schon an der Wurzel sehr selektiv auf, indem durch Lipide, die als Ultrafilter wirken, Salze aus der Bodenlosung ausgefiltert werden (Wurzelfiltrationstyp). Der Europaische Queller (Salicornia europaea), eine typische Salzwiesenpflanze, hingegen nimmt Salz auf und reguliert den osmotischen Druck durch exzessive Wasseraufnahme, sodass diese Pflanzen wie Sukkulenten aussehen . SchlieBlich verfugen Pflanzen wie das SalzSchlickgras (Spartina anglica) tiber spezielle Drusen zur Sekretion von Natriumsalzen an der Blattflache, welche vom Niederschlag abgewaschen werden .
Tiere BeiTieren umfasst die Anpassung an Wassermangel vielfaltige Mechanismen zur Vermeidung von Wasserverlust durch das Integument (Cuticula, Schuppen, Haare, Federn), durch die Atmung und durch die Exkretion . Insekten verschliefsen die Stigmen ihres Tracheensystems mit einem eigenen Schliefsmuskel. Landaktive Crustaccen wie beispielsweise Asseln (Isopoda) tragen ihre Kiemen in geschiitzten , feucht gehaltenen Korperhohlen. Landlungenschnecken, bei denen die Kiemen zuriickgebildet sind, haben die Mantelhohle zur Lunge umgestaltet und das dem Gasaustausch die-
1.2 Die Umwelt der Organismen
nende Kapillarnetz tief in einen feuchten Hohlraum versenkt. Viele gehausetragende Landmollusken machen in der trockenen Jahreszeit einen Sommerschlaf: Sie verschlieBen ihre Mundung mit einem massiven Kalkdeckel, heften sich in Gruppen an trockene Pflanzenstangel und fallen in Sommerpause. Auf diese Weise meiden sie auch die besonders trockene und aufgeheizte bodennahe Luftschicht. Nachtaktivitat und tiefe Erdbauten, in denen eine hohere Luftfeuchtigkeit herrscht, reduzieren ebenfalls den Wasserverlust. Bei Kangeruhratten (Dipodomys) wird die warme Ausatemluft bei der Passage von den Lungen durch die langen Nasenrohren, deren innere Oberflache durch Lamellen vergrofsert ist, zur feuchten Nasenspitze hin abgekuhlt, sodass die Feuchtigkeit kondensiert und nicht durch Ausatmen verloren geht. Durch Einatmen feuchter, kuhler Aufsenluft, die in der langen Nase angewarmt wird, wird das Konden sat dann wieder aufgenommen. Diese Wasserriickgewinnung fuhrt zu einem Wirkungsgrad von 70-90 % (Schmidt-Nielsen 1975). Das primare stickstoffhaltige Exkretionsprodukt des Proteinstoffwechsels ist toxisches Ammoniak (NH 3) , das groBe Mengen Wasser zur Verdunnung benotigt, Dieser Exkretionstyp kommt daher fast nur bei Wassertieren vor. Harnstoff (CO(NHz)z) benotigt deutlich weniger Wasser zur Exkretion und ist das haufigste Exkretionsprodukt vieler Wirbeltiere. Harnsaure (C SH4NP) kristallisiert leicht aus und kann daher im Urin sehr stark angereichert werden. Dieser Exkretionstyp herrscht vor allem bei Reptilien und Vogeln vor. Die nordamerikanische Kangeruhratte Dipodomys, die Taschenmaus Perognathus sowie altweltliche Springmause der Gattung Dipuskonnen ausschlieBlich von trockenen Pflanzenteilen leben, da sie kein freies Wasser benotigen, Beim Abbau von 100 g Kohlenhydraten entstehen 55 g Wasser, welches den Tieren zu genugen scheint. Der Abbau von Fett ergibt pro 100 g Fett 107 g Wasser, sodass Fett nicht nur die kompakteste Energiespeicherform darstellt, sondern auch noch ein Wasserreservoir ist (etwa beim Fett im Hocker der Kamele).
1.2.6 Biogene Elemente als Ressourcen Lebewesen bestehen zu 70-98 % aus Wasser, und ihr Trockengewicht setzt sich zu 95 % aus Kohlenstoff zusammen. Von den 89 bekannten stabilen chern ischen Elemen ten benotigen Organismen rund 30, verschiedene Arten jedoch unterschiedliche Anteile ( ~ Abb. 1.11). Fur die Grundbausteine des Lebens (Aminosauren, Kohlenhydrate, Lipide, DNA) werden vor allem Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff benotigt, in geringerer Menge aber auch Stickstoff, Phosphor und Schwefel. Die so genannten Makronahrstoffe (Magnesium, Natrium, Calcium, Kalium und Chlor) machen zwar durchschnittlich nur 0, I % der organischen Substanz aus, sind aber fur zentrale Funktionen aller Organismen wie etwa Ionentransport, zur Aufrechterhaltung von Membranpotenzialen, zur Osmoregulation oder in Nervensystemen notig. Kohlenstoff ist das wichtigste Element fur Lebewesen, aus dem, zusammen mit Sauerstoff und Wasserstoff, aIle organischen Molekule aufgebaut werden. Grune Pflanzen verrnogen COz aus der Atmosphere biochemisch zu fixieren und somit eine gasformige Kohlenstoffverbindung in feste organische Verbindungen zu uberfuhren. Mit diesem einzigartigen Pro zess der Photosynthese wird Solarenergie genutzt, urn
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1 Organ ismen
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1.11 Die Verteilung der Anzahl der Atome der chemischen Elemente in der Biosphere, Atrnosphere, Hydrosphere und Lithosphere zeigt deut lich die Eigenst andiqkeit der Biosphere auf . Nach Devey (1970).
Biomasse zu produzieren. Dies ist, gemeinsam mit dem sonnengetriebenen Wasserkreislauf, die Antriebskraft fur alle nachgeschalteten okosystemaren Prozesse auf anderen tro phischen Ebenen . Da es sich bei CO 2 urn ein soleh zentrales Gas handelt, ist es erstaunlich, dass seine Konzentration in der Atmosphare mit etwa 280 pp m (vorindustr iell) bzw. tiber 380 ppm (heute) (S. 231) recht niedrig ist. 1m TagesverIauf kann die Kon zentration an CO 2 in dichter Vegetation deutl ich sinken, und nachts bei Windstille erhoht sich die Konzentration an CO 2, das durch Atmungsvorgange frei wird , sodass Tagesschwankungen urn fast 60 ppm vorkommen (~ Abb. 1.12). Es findet also ein stan diger Wechsel von assimilatorischem Einbau und respiratorischer Freisetzun g statt. CO 2 ist zwar schwerer als Luft, innerhalb der Vegetation bildet sich jedoch meist kein Konzentratio nsgradient zum Boden hin aus, da die no rma le Konvektio n dies verhindert. In Bodenn ahe und in Erdspalten kann man jedoch eine stark erhohte CO 2-Konzentration messen, die beispielsweise von Bodentieren spezielle Anpassunge n verlangt. Das Kohlendioxid der Luft ist fur das pflanzliche Wachstum ein potenziell limitierender Faktor. Eine Erhohung des CO 2-Ge halts in der Luft kann zu einer Steigerung der Photosynth eserate und zu verstarktern Wachstum fuhren . Dies wird tiber die
1.2 Die Umwelt der Organismen
320
330
330
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Tag
Nacht
1.12 Tageszeitliche Anderung des Vertikalprofils der CO2-Konzentration in der luft in einem Wald (Angaben in ppm) . Taqsuber wird der luft durch die Photosynthese im Kronenbereich CO2 entzogen, sodass sich bei Windstille Bereiche niedriger CO2-Konzentration bilden. Nachts kommt es durch Atmungsprozesse zu einer CO2-Anreicherung in Bodennahe, Nach larcher (2001).
CO 2-Dungung in Gewachshausem genutzt. Unter Freilandbedingungen findet jedoch nur eine begrenzte Mehrproduktion statt, da viele andere Substanzen limitierend wirken und Photosyntheserate und Wachstum nicht proportional sind . Der Einsatz fossiler Energietrager durch den Menschen ist fur einen Anstieg der CO 2-Konzentration in der Atmosphare urn bisher etwa 35 % verantwortlich. Es gelang jedoch bisher nicht, global eine Erhohung der Biomasseproduktion nachzuweisen. Beim C3-Syntheseweg der normalen Photosynthese wird CO 2 im Calvin-Zyklus als C3-Saure (Phosphoglycerinsaure) durch das Enzym Ribulose-Lfi-bisphosphat-Carboxylase/Oxygenase (RubisCO) gebunden. RubisCO hat eine erstaunlich niedrige Affinitat zu COr Die temperaturabhangige Photorespiration benotigt fast ein Drittel des fixierten CO 2 > und der Wirkungsgrad der Photosynthese nimmt bei steigender Temperatur abo Gut die Halfte der Blattproteine ist an der Photosynthese beteiligt und fur die Synthese dieser Proteine muss ein erheblicher Anteil des fixierten Stickstoffs aufgewendet werden . Dennoch funktionieren rund 95 % aller Pflanzenarten nach diesem Prinzip ( ~Tab. 1.1).
2S
26
1 Organismen
Tabelle 1.1: bkophysiologischer Vergleich zwischen C3-, C4- und CAM-Pflanzen. Nach Larcher (2001).
c)
C4
CAM
optimaIeUmgebungstemperatur (OC)
15-30
30-45
Licht 30-40 Nacht 10-15
Lkhtsattiqunq derCOfAssimiiation
beimittleren Beleuchnmqsstarken
nichterreichbar
beimittleren bis hohen Beleuchtungsstsrken
Wasserbedarf (ml s" Trockengewicht)
450-950
230-250
50-55
Stoffproduktion Nettophotosynthese (pmolCOl m-l maximaIeErtrage (kgm-l a")
mittel
hoch
gering
15-60
50-68
20-34
5-10
5-8
3-5
5- 1)
Beim C4-Syntheseweg wird CO 2 in den Mesophyllzellen durch das Enzym Phosphoenolpyruvat-(PEP- )Carboxylase mit PEP zu einer C4-Saure (Malat oder Aspartat) verbun den. Diese wird in morphologisch differenzierte Bundelscheidenzellen neben den Gefafsbundeln verlagert, in denen der normale C3-Syntheseweg stattfindet. Raumlich separiert wird hier von der organischen Saure ein CO 2-Molekul abgespalten, das dann auf dem C3-Weg weiterverarbeitet wird. Der C4-Syntheseweg ist besonders vorteilhaft, weil PEP-Carboxylase eine hohere Affinitat zu CO 2 hat als RubisCO. Daher kann auch bei niedriger CO 2-Konzentration noch Photosynthese erfolgen bzw. vorhandene Gaskonzentrationen konnen deutlich effizienter genutzt werden. Da pro Zeiteinheit mehr CO 2 fixiert werden kann, ist der Wasserverbrauch pro CO 2 mit durchschnittlich nur einem Drittel deutlich geringer als bei der C3-Fixierung; die Verluste durch die Lichtatmung sind minimiert, und die ungunstige Temperaturabhangigkeit entfallt. C4-Pflanzen weisen nur 1/ 3 bis 1/ 6 des RubisCO-Gehalts von C3-Pflanzen auf. Daher ist ihr Stickstoffbedarf entsprechend geringer, und dies macht sie auch deutlich weniger attraktiv fur Herbivore, die haufig stickstoffreiche Pflanzen bevorzugen (S. 113). C4-Pflanzen benotigen jedoch hohere Temperaturen, sind auf hohe Lichtintensitaten angewiesen und konnen daher im Schatten nicht die volle Produktionsleistung erbringen. C4-Pflanzen dominieren daher in den ariden oder tropischen Gebieten der Welt, C3-Pflanzen in den AuBertropen, kuhl-feuchten bzw. montanen Regionen (~ Tab. 1.1). Zu den C4-Pflanzen zahlen etwa 2 % aller Pflanzenarten, neben vielen Grasartigen (Mais, Zuckerrohr, Hirsen) auch Fuchsschwanzarten (Amaranthaceae) und Gansefufsgewachse (Chenopodiaceae), jedoch keine eigentlichen Baume, die 85 % der globalen Biomasse stellen. CAM-Pflanzen verfugen mit dem crassulacean acid metabolism uber eine Kombination der beiden erwahnten Stoffwechselwege, die vor allem zur Einsparung von Wasser geeignet ist. Sie trennen die Malatbildung von der Photosynthese nicht raumlich, sondern zeitlich. Nachts wird durch die weit geoffneten Spaltoffnungen CO 2 aufgenommen und durch die PEP-Carboxylase als Maleinsaure fixiert. Hierdurch sinkt der pH von durchschnittlich 6 auf 4 deutlich in den sauren Bereich. Tagsuber sind die Spaltoffnungen fest verschlossen, sodass der Wasserverlust minimiert ist, und CO 2 wird wieder aus der Maleinsaure freigesetzt. Dieses wird nun von RubisCO gebunden.
1.2 Die Umwelt der Organismen
Die hohe CO 2-Konzentration im Blattinneren verhindert weitgehend Verluste durch Photorespiration. Etwa 3 % aller Pflanzen sind CAM-Pflanzen und sie verteilen sich auf mindestens 18 verschiedene Pflanzenfamilien. Es sind vor allem Epiphyten feuchttropischer Walder (z. B. Orchideen, Tillandsien), aber auch Arten, die bevorzugt in ariden Lebensraumen mit groBen Temperaturunterschieden vorkommen (~ Tab. U). Die groBen Vakuolen im Mesophyll dieser Pflanzen speichern Wasser und Kohlen stoff. Im Wasser liegt CO 2 als CO 2, HCOj oder als CO~ - vor (S. 228). Die meisten Wasserpflanzen nutzen CO 2, sodass es in dichten Makrophytenbestanden zu einem Versorgungsproblem kommen kann. Wasserpflanzen haben verschiedene Strategien entwickelt, urn diesem Mangel zu begegnen. Sie konnen Luftblatter entwickeln (emerse Makrophyten), CO 2 im Porenwasser des Sediments nutzen (Lobelia, Littorella), ahnlich den CAM-Pflanzen Hell- und Dunkelreaktion entkoppeln und nachts CO 2 fixieren (Hydrilla, lsoetes), oder HCOj verwerten (Myriophyllum, Elodea) (Bowes 1987). Die Atmosphare enthalt 21 % Sauerstoff, und die meisten heute lebenden Organismen sind in dieser Atmosphare entstanden. Sie beni:itigen Sauerstoff zur Atmung, d. h. beim Abbau der Biomolekule zu Hp und CO 2 ist 02 der letzte Elektronenakzeptor. In der Regel ist Sauerstoff fur terrestrische Organismen kein begrenzender Faktor. Mit zunehmender Hohe nimmt der 02-Partialdruck von 24 kPa (Meeresniveau) auf 13 kPa (3000 m Hohe) und auf 10 kPa (5000 m Hohe) abo Lebensraume ab 5000 m Hohe werden daher nicht nur durch die Kalte, sondern auch durch die geringe Sauerstoffverfugbarkeit lebensfeindlich. Zu den Spezialanpassungen gehoren bei den wenigen Saugetieren, die unter solchen Bedingungen noch leben konnen (Lamas, Vikunjas), eine erhohte Erythrocytenzahl im Blut und eine 02-Sattigung schon bei sehr niedrigem 02-Partialdruck. In einen Wasserkorper kann Sauerstoff nur tiber die Diffusion aus der Atrnosphare oder tiber die Photosynthese von Wasserpflanzen gelangen; Sauerstoff ist daher fur viele Wasserorganismen limitierend. Die meisten kleinen Wasserorganismen nehmen 0 2mit der ganzen Korperoberflache auf. Bei grofseren Organismen sind spezialisierte Organe entwickelt, die uber eine vergrofserte innere oder auBere Oberflache den benotigten Sauerstoff aufnehmen konnen (Kiemen). Daneben gibt es fur Lebensraume mit ungeniigendem Sauerstoffgehalt eine Reihe von Spezialanpassungen. Hierzu gehort z. B. das bis 15 em lange Atemrohr der Schwebfliegenlarve Eristalomyia, die in faulendem Milieu leben kann ( ~ Abb. 1.13). Die Wasserspinne Argyroneta aquatica sam melt in einer Gespinstglocke unter Wasser einen Luftvorrat an. Manche Insekten konnen zwischen der Korperbehaarung oder unter Fliigeldecken einen Luftvorrat unter Wasser mitnehmen, der als physikalische Kieme dient, d. h. Sauerstoff diffundiert aus dem Wasser in diese Luftblase nacho GroBe Organismen verfugen zudem uber Proteine mit einer hohen Sauerstoffaffinitat, sodass diese zum Gastransport, aber auch als Sauerstoffspeicher eingesetzt werden konnen (Hamoglobin, Hiimocyanin). Interessanterweise haben auch einige Insekten Hamoglobin, die normalerweise als Tracheenatmer keine solchen respiratorischen Pigmente benotigen, etwa die roten Zuckrnuckenlarven der Chironomidae (Diptera), die mit den hierdurch gebundenen 02-Reserven in ungunstigen Habitaten iiberleben konnen.
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1 Organismen
1.13 Links: Atmungsorgane bei wasserlebenden Insektenlarven. Oben: Eintagsfl iegenlarve (Isonychia sp., Ephemeroptera), unten: " Rat t enschw anzlarven" (Eristalomyia sp., Syrphidae, Diptera). Aus Westheide und Rieger (1996). Rechts: Aerenchym im Rhizom des Fieberklees Menyanthes trifoliata. Nach Brunold et al. (1996).
In nassen Boden nimmt der Sauerstoffgehalt ab bzw. der Gasaustausch mit der Luft ist verzogert , da die Diffusion von 0 2 im Wasser etwa 10OOO-mallangsamer ist als in der Luft. Fur Pflanzen kann die Sauerstoffversorgung im Boden dah er zu einem begrenzenden Faktor werden . Der kriti sche Sauerstoffgehalt in der Bodenporenluft liegt fur viele Arten bei etwa 5 % (Armstrong und Gaynard 1976). Sumpf- und Wasserpflanzen konnen jedoch noch bei wesentlich geringeren Sauerstoffkonzentrationen leben , da sie ein spezielles Durchluftungsgewebe (Aerenchym) in den Wurzeln ausbilden (.. Abb. 1.13). Durch Temperaturunterschiede zwischen Blattern im Luftraum und in den Wurzeln im Boden kommt es aus physikalischem Grund zu Gasbewegungen , die fur eine Durchluftung des Aerenchyms sorgen (Thermo-Osmose) . In grundwasserbeeinflussten Gleyboden sieht man als Folge der Diffusion von Sauerstoff in den Wurzelraum rostfarbene Wurzelbahnen als Zeichen der Oxidation von Eisenverbindungen. Baume der Mangroven, in welchen Sauerstoffarmut im Boden regelmafsig auftritt, haben Atemwurzeln entw ickelt (Pneumatophore), die aus dem Wasser oder Boden herausragen. Stickstoff ist (mit Phosphor) das wichtigste wachstumsbegrenzende Element. Sein Hauptdepot ist die Atmosphare, die zu 78 % aus N 2 besteht. Da die meisten Organis men Stickstoff in dieser Form jedoch nicht aufnehmen konnen, mu ss Stickstoff in eine geeignete Form uberfuhrt werden , meist Nitrat oder Ammonium. Dies geschieht in komple xen Stoffkreislaufen, die besonders vielfaltig sind, da Stickstoff in Oxida tionsstufen von -3 bis +5 vorkommt. Viele Mikroorganismen vermogen atrnospharischen Stickstoff zu binden, sodass er fur hohere Organismen verfugbar wird. Hierzu zahlen freilebende Bakterien wie Azotobacter sp. (in gemafsigten Gebieten) oder Beijerinckia sp. (in den Tropen) sowie Cyanobakterien. Sie arbeiten unter geringem 02Partialdruck besonders effizient, z. B. in uberstauten Sumpfreisboden. Symbiontische Stickstofffixierer bilden zudem enge Gemeinschaften mit einzelnen Pflanzenarten bzw. -familien (S. 234). Heterotrophe nehmen Stickstoff mit der Nahrung auf, beispielsweise als Aminosauren bzw. Proteine, d. h. als organische Verbindungen. Die
1.2 Die Umwelt der Organismen
Ruckfuhrung des organischen Stickstoffs erfolgt durch Heterotrophe bzw. Destruenten, vor allem aber durch Mikroorganismen (S. 236). Organismen benotigen Stickstoff fur Arninosauren und Proteine, Nucleinsauren (DNA), heterozyklische Verbindungen und Azoverbindungen (z. B. in den Porphyrinringen von Chlorophyll und Cytochrom oder in Alkaloiden). Der durchschnittliche Stickstoffgehalt der Phytomasse betragt etwa 2-4 %, Proteine enthalten 15-19 % Stickstoff. Phosphor liegt recht einheitlich als gelostes Phosphat vor und ist in terrestrischen und aquatischen Okosystemen neben Stickstoff das Element, welches das Pflanzenwachstum am starksten begrenzt. Es wird nach der Remineralisation schnell wieder aufgenommen. In terrestrischen Okosystemen kann freies Phosphat (gemeinsam mit anderen Nahrstoffen) beispielsweise durch Feinwurzeln und Mykorrhiza (S. 32) sehr schnell wieder aufgenommen werden. In den Planktongemeinschaften der Gewasser besteht eine intensive Konkurrenz urn Pho sphat, das vom Land eingetragen oder durch Absterben von Biomasse wieder frei wird. Ein Phosphatmolekiil kann daher im Laufe eines Iahres 10- bis 40-mal von Organ ismen aufgenommen werden (kurzgeschlossener Phosphatkreislauf). Iahreszeitliche Umwalzungen des Seekorpers oder entsprechende Wasserstromungen wirken ebenfalls einer raschen Sedimentation entgegen (S. 258). Die Aufnahme von Phosphor erfolgt als HlO:;. In der Zelle liegt es auBerdem als PO~ - vor bzw. ist an andere Molekiile gebunden. Phosphor kommt eine zentrale Bedeutung beim Energiestoffwechsel aller Organismen zu, da chemische Energie durch den Auf- und Abbau von Polyphosphatestern mit Adenosin (AMP, ADP und ATP) ubertragen bzw, gespeichert wird. Strukturell ist Phosphor wichtig fur den Aufbau der DNA als Bnicke zwischen den Desoxyribosebausteinen und fur die Phospholipide der Membranen. Die Aufnahme von Schwefel erfolgt bei Pflanzen meist als SO~--Anion aus dem Boden, er wird dann aber als organische Schwefelverbindung gespeichert. Zudem gibt es eine geringe Aufnahme von S02 iiber die Spaltoffnungen und Interzellularen, das dann zu SO~ - oxidiert wird. Organismen benotigen Schwefel fur SH-Gruppen in Aminosauren (Cystein, Methionin) und somit zur Bildung von Disulfidbriicken, die die Tertiarstruktur der Proteine hervorrufen, ferner fur die reaktiven Bereiche von Proteinen (z. B.Acetyl-CoA, Thiamin und Biotin) . Sulfolipide kommen in allen Mem branen vor. Da das Schwefel-Stickstoff-Verhaltnis in den Proteinen mit 1:10 einiger maBen konstant ist, hangen Stickstoff- und Schwefelbedarf der Organismen meist zusammen. Besonderheiten des Sekundarstoffwechsels einiger Pflanzen fuhren aber zu einem erhohten Schwefelbedarf: Brassicaceae produzieren als Schutz gegen Herbivore Isothiocyanate (R-N-C-S), viele Fabaceae lagern aus ahnlichem Grund schwefelhaltige Speicherproteine in ihre Samen ein. Neben diesen elf haufigeren Elementen werden 10-20 weitere Elemente als Mikronahrstoffe oder Spurenelemente bezeichnet. In vielen Fallen handelt es sich urn Metalle, die das Zentralatom in einem Enzym bilden. Pflanzen benotigen fur ihre Photosynthese zusat zlich Mangan, Eisen, Zink, Vanadium und Kupfer; fur den Stickstoffstoffwechsel Molybdan, Bor, Kobalt, Eisen, Mangan und Kupfer. Das Zentralatom im Vitamin B12 ist Kobalt; der Sauerstofftransport im Blut vieler Tiere benotigt Eisen (Hamoglobin der Wirbeltiere) oder Kupfer (Harnocyanin der Mollusken , Arachniden
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1 Organ ismen
und Crustaceen). BeiWirbeltieren ist Iod unentbehrlich fur das Schilddrusenhormon Thyroxin, und Fluor spielt eine wichtige Rolle bei der Hartung der Knochen und Zahne, Vanadium wird von Seescheiden (Ascidiacea), einigen Stachelhautern (Echinodermata) und einigen Algen benotigt. Silicium wird interessanterweise von den meisten Organismen nicht benotigt, obwohl es das zweithaufigste Element der Erdkruste ist. Fur einige Gruppen ist es jedoch uberlebenswichtig. Einige Algengruppen (bekanntestes Beispiel sind die Kieselalgen) und diverse Radiolarien benotigen Silicium fur ihr Exoskelett. Acantharia, eine Ordnung der Radiolarien, lagern jedoch vor allem Strontiumsulfat ein. Da Kieselalgen Silicium aus dem Wasser aufnehmen, tote Algen jedoch zu Boden sinken, ist gelostes Silicium vor allem zu Zeiten einer sommerlichen Massenvermehrung von Kieselalgen oberflachennah oft nicht genugend verfugbar und daher wachstumsbeschrankend. Die hohe Sedimentationsrate von Diatomeen und die nachfolgende Konservierung fuhren dazu, dass diese die wichtigsten Mikrofossilien der Palaolimnologie wurden. Graser (Poaceae) lagern Silikate als FraBschutz gegen Herbivore ein. In einigen Fallen ist bis heute nicht eindeutig entschieden, ob ein chemisches Element uberhaupt eine biologische Bedeutung hat, da es moglicherweise nur in soleh geringen Spuren benotigt wird, dass die unvermeidbaren naturlichen Verunreinigungen ausreichen. Ein soleher Fall scheint fur Selen zuzutreffen, dessen mogliche Bedeutung fur hohere Tiere nach wie vor kontrovers diskutiert wird. Andererseits werden Elemente wie Quecksilber, Blei und Cadmium, obwohl sie in Organismen vorkommen, von diesen nicht benotigt und sind sogar schadlich.
1.2.7 Boden als Ressource Der Boden ist ein System aus organischen und anorganischen Partikeln , dessen Hohlraume mit Luft bzw. Wasser gefullt sind. Er ist Lebensraum fur Mikroorganismen, Pflanzenwurzeln und Tiere (~ Abb. 1.14). Ie nach Muttergestein, Klima und Pflanzenbestand entstehen unterschiedliche Bodentypen, wobei das Alter der Bodenentwicklung von entscheidender Bedeutung ist. Mit der Zeit bildet sich in ungestorten Boden ein Bodenprofil aus Horizonten aus, das im Wesentlichen in Auflage-, Humus-, mineralischem Verwitterungshorizont und Muttergestein gegliedert werden kann. Fur reife Boden sind Durchmischungshorizonte typisch . Der ober ste Horizont ist in der Regel ein Humushorizont (= stark zersetztes organisches Material), dem die Streu (= unzersetztes organisches Ausgangsmaterial) aufliegt. Der Humushorizont kann auch fehlen. Darauf folgt der durch die Wuhltatigkeit der Bodentiere (oft Regenwiirmer) mit organischem Material vermischte, oberste Mineralhorizont (Oberboden). Dies ist der A-Horizont, der braun bis schwarz gefarbt ist. Dem A-Horizont folgt, sofern entwickelt , nach unten ein B-Horizont (Unterboden), der durch Gesteinsverwitterung (v, a. durch die Bildung bodentypischer Tonminerale) entstanden ist. Das noch unverwitterte Ausgangsgestein bildet schlieBlich den C-Horizont. Neben diesen ublichen Bezeichnungen werden weitere fur besondere Horizonte verwendet, etwa G fur die so genannten Gleyboden, welche durch Grundwassereinfluss gekennzeichnet sind (~ Abb. 1.15).
1.2 Die Umwelt der Organismen
Bodenkolloid
1.14 Bodenstruktur mit Wurzelhaaren, Bodenkolloiden, Bodenluft und Bodenwasser. Nach Sitte et al. (2002).
Rhizodermis mit Wurzelhaaren
Boden sind das Produkt einer oftmals sehr langen Geschichte, die in manchen Gebieten der Erde bis weit ins Tertiar zuriickreichen kann (z. B. in den Tropen) . Die Boden Mitteleuropas sind groBtenteils Waldboden und erst im Zuge der postglazialen Vegetationsentwicklung entstanden. Sie sind insgesamt also rclativ jung und aus Rohboden mit geringer Humusauflage hervorgegangen. Vor allem auf Festgestein findet man noch die aus Rohboden hervorgegangenen AC-Boden wie den Ranker auf kalkfreien Unterlagen und die Rendzinen auf Kalkfels. Weit verbreitet und Produkt langerer Bodenreifung sind die verschiedenen Braunerdetypen und schliefslich die Podsole, die vorwiegend unter Nadelwaldern und Heiden anzutreffen sind. Charakte-
A
Ah
Ah
c
c Ranker Rendzina Schwarzerde
o
Ah
c Pelosol
Braunerde
Ah
Ah
Sw
Go
Sd
Gr
Ah
AI
Ae
Bt
Bhs
c
c
Parabraunerde
Bv
P
c
Rohboden
Ah
Podsol
Pseudogley
Gley
1.15 Schematische Darstellung der haufiqsten Boden Mitteuropas. A Mineralhorizont im Oberboden, B Mineralhorizont im Unterboden, C Gestein, d dichter, Wasser stauender Horizont im Unterboden, e sauer gebleicht, G Unterbodenhorizont im Grundwasserbereich, h huminstoffangereichert, Ilessiviert (an Ton durch Auswaschung verarmt), Oorganischer Auflagehorizont, 0 oxidiert, P schrumpfender I quellender Unterbodenhorizont, r reduziert, S Unterboden mit Stauwasser, s sesquioxidakkumuliert durch Fe-Anreicherung, t tonakkumuliert, v verwittert, w nass gebleicht.
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1 Organismen
ristisch fur die Podsole ist ein Bleiehhorizont, aus dem Humusstoffe oder Eisen- und Aluminiumverbindungen ausgewaschen sind . Diese sind im obersten B-Horizont angereichert und farben diesen schwarz oder rostbraun. Die aus der Verwitterung primarer Silikate hervorgegangenen silikatischen Tonminerale besitzen in Boden besondere Bedeutung. Diese sehr kleinen Mineralkorper sind schichtartig organisiert. Aufgrund der negativen Ladung der Oberflache konnen sie sowohl Wasser (Dipol) als auch positiv geladene Nahrstoffe binden und damit speichem. Ein MaB fur diese Pahigkeit ist die Kationenaustauschkapazitat. Dreischichttonmineralien konnen Kationen in ihrem quellbaren Zwischenraum binden und gut speichem. Die bei langerer Verwitterung entstehenden Zweischichttonmineralien haben jedoch ein deutlieh reduziertes Kationenbindungsvermogen, sodass entsprechend tief verwitterte Tropenboden, in denen diese Tonmineralien vorherrschen, nur beschrankt zum Ionen- und damit zum Nahrstoffaustausch in der Lage sind. Der Kahlschlag eines Tropenwaldes zur anschliefsenden landwirtschaftliehen Nutzung fuhrt daher durch die Verbrennung der Biomasse zu einer massiven Verarmung der Boden, die durch Dungung, anders als bei Boden der gernafsigten Zone, nieht kompensiert werden kann. Humus besteht aus abgestorbenem pflanzlichen und tierischen Material sowie aus den hieraus gebildeten Stoffen. Kurzlebige Bestandteile, die kaum zersetzt und deren Gewebestrukturen noch gut zu erkennen sind, enthalten vor allem Lipide, Proteine, Polysaccharide und Lignin . Huminstoffe stellen demgegenuber stabile und komplexe organische Molekule dar (Blume et al. 2002), die reversibel Nahrstoffe speichem und wieder abgeben. In Boden , die arm an Dreischichttonmineralen sind, sind daher vor allem Huminstoffe fur die Regulierung des Nahrstoffhaushalts verantwortlich. Das Verhaltnis zwischen Kohlenstoff und Stickstoff in der Streu auflage (C/N-Verhiiltnis) informiert tiber die Abbaubarkeit der organischen Substanz. Ie mehr Stickstoff anteilig vorhanden ist, um so schneller erfolgt ihre Zersetzung. Neben der Wasserverftigbarkeit ist die Nahrstoffverfugbarkeit die wesentliche Eigenschaft des Bodens . Sie wird tiber Nahrstoffgehalt und Bodenreaktion gesteuert. Unter sauren Bedingungen ist die Verfugbarkeit von Nahrstoffen schlechter als unter neutralen Bedingungen, auch wenn genugend Nahrstoffe im Boden vorhanden sind. Die Bodenreaktion ist eng an die geochemischen Grundlagen des Bodens gekoppelt. Hohe Niederschlage fordern allgemein die Versauerung von Boden auch auf basenreiehem Substrat, sod ass saure Boden auch in hoheren Lagen und in niederschlagreichen Regionen vorkommen. Der pH-Wert als MaB der Bodenreaktion liegt normalerweise zwischen 3 und 9. Unter sauren Bedingungen konnen Wurzeln direkt geschadigt werden, femer gehen Aluminium- oder Schwermetallionen vermehrt in Losung und wirken dann toxisch. Wahrend einige Pflanzenarten die anorganischen Verbindungen der Bodenlosung direkt aufnehmen, verfugen andere tiber einen zwischengeschalteten Pilzpartner (Mykorrhiza). Der Vorteil fur die Pflanze liegt in einer Verbesserung der Mineralund Wasserversorgung, der Pilzpartner erhalt pflanzliche Kohlenhydrate (S. 152). Mehr als 80 % aller Pflanzenarten verfugen unter bestimmten Bedingungen tiber eine Mykorrhiza, die allerdings selten artspezifisch ist (S. 206). Moglicherweise bezieht sich die Spezifitat der Mykorrhiza mehr auf den Boden und seine spezielle Nahrstoffsituation, denn mit einer Anderung des Bodenchemismus andert sich oft auch die
1.3 Raumliche und zeitliche Aspekte der Umwelt
Zusammensetzung der Mykorrhiza. Krauter und Graser sind meist mit vesikularerarbuskularer Mykorrhiza (VA-Mykorrhiza) assoziiert, das sind Zygomyceten, die Nahrstoffe, vor allem Phosphor, aus dem Boden erschliefsen, Bei Holzgewachsen handelt es sich meist urn eine ektotrophe Mykorrhiza, die ein breites Spektrum organischer und anorganischer Stoffe aus dem Boden aufnimmt und Basidiomyceten, Ascomyceten und auch einige Zygomyceten umfasst. Daneben gibt es Spezialformen einzeiner Pflanzenfamilien, etwa die Ericaceen- und die endotrophe Orchideen-Mykorrhiza. Letztere stellt eine Extrementwicklung dar. Orchideen produzieren die kleinsten Samen aller Pflanzen. Da sie keine Reservestoffe einlagern, ist der Keimling zum Wachstum auf seine spezifische Mykorrhiza angewiesen. Ungewohnlich ist die Situation bei den Pflanzen, die aufgrund spezieller physiologischer Anpassungen auf Schwermetallboden wachsen konnen. Serpentinboden stellen einen solchen Extremstandort dar, der reich an Nickel, Chrom, Kobalt und anderen Schwermetallen ist und dessen Besiedler eine sehr hohe Toleranz gegenuber diesen Schwermetallen entwickelt haben. Aufgrund ihrer exklusiven Prasenz werden sie als Zeigerarten fur den Schwermetallgehalt des Bodens verwendet (etwa die Serpentingrasnelke Armeria maritima serpentini oder die Serpentinstreifenfarne Asplenium cuneifolium, A. adulterinum).
1.3 Raumliche und zeitliche Aspekte der Umwelt 1.3.1 Flache und Areal Flachen weisen eine unterschiedliche Eignung fur die Besiedlung durch Organismen auf. Hierbei ist einerseits die Ressourcenausstattung einer Flache wichtig, andererseits aber auch ihre Ausdehnung. Ober die Mindestgrosse des Lebensraumes eines Individuums, die GroBe eines Nahrungsterritoriums und die Mindestgrosse einer Population sind Angaben tiber den ungefahren Flachenbedarf einer Art moglich . Der Flachenanspruch eines Individuums oder einer Art ist nicht konstant: Keimlinge vieler Pflanzen benotigen in ihrer ersten Lebensphase besonders geschutzte Bereiche (safe sites, Harper et al. 1961). In heranwachsenden Waldbestanden sterben konkurrenzschwachere Baume ab (Selbstausdunnung). Ahnlich ist die Situation bei vielen sessilen aquatischen Organismen, die nach einer anfanglich hohen Dichte junger Stadien niedrigere Dichten groBerer Individuen aufweisen. Vor allem bei Wirbeltieren ist der Aktivitatsbereich (Aktionsraum, home range) von Iuvenilen, Weibchen und Mannchen verschieden . Oftmals durch das Nahrungsangebot bestimmt, benotigen herbivore Arten weniger Flache (4,5 km 2 fur die Weibchen und 8,5 km 2 fur die Mannchen des GroBen Panda Ailuropoda me/anoleuca) als carnivore Arten (500 km 2 beim Weibchen und 1500 km 2 beim Mannchen des Braunbaren Ursus arctos). Die Populationsdichte von Arten mit groBen Territorien ist dann sehr gering. Individuen einer Population konnen mit getrennten Nachbarpopulationen in Genaustausch stehen. Die einzelnen Populationen bilden so gemeinsam eine Metapopulation (S. 89).
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1 Organismen
Die Qualitat einer Flache hangt auch von ihrer relativen Lage etwa in einem Hohengradienten oder in einem anderen klimatischen Gradienten (Ozeanitat bzw. Kontinentalitat) abo Randeffekte (edge effects) entstehen aus okologisch relevanten Faktoren, die sieh in den Randbereiehen von Flachen uberlagern. Hierdurch weisen die Ubergangsbereiche (Okotone, ecotones) zwischen zwei Lebensraumen oftmals Eigenschaften auf, die sie besonders attraktiv fur zusatzliche Arten machen konnen, Solche Ubergangsbereiche konnen daher eine hohere Artenvielfalt haben. Fur die Besiedlung von lnseln ist neben ihrer Flache vor allem die Entfernung zur nachsten lnsel bzw. zum Festland wichtig. Ie geringer die Entfernungen, je grofser die Flachen und je langer die Besiedlungszeit, desto mehr Arten konnen sich ansiedeln. Diese als Inseltheorie (theory of island biogeography) von MacArthur und Wilson (1967) fur Meeresinseln formulierte Beziehung wurde sparer auch auf terrestrische Lebensraume ubertragen (S. 180). Prinzipiell gilt sie also auch fur isolierte Waldgebiete, Bergkuppen, Hohlen oder Seen. Plugunfahige Vogelarten konnen durch einen Meeresteil genauso isoliert werden wie stenoke Berggipfelbewohner durch das Tiefland. Fur monophage Arten ist sogar ihre Wirtspflanze eine lnse!. Das Areal ist das Verbreitungsgebiet einer Art und wird durch die aufsersten Fundorte begrenzt. lnnerhalb des Areals kann die Art in unterschiedlicher Dichte auftreten und Verbreitungslucken aufweisen. Areale werden oft durch physische Hindernisse (z, B. Gebirge, Kusten) oder durch klimatische Gradienten (z. B. Niederschlage) begrenzt. Arten mit einer weltweiten Verbreitung sind Kosmopoliten. Hierzu gehoren Arten mit sehr effektiven Ausbreitungsmechanismen, etwa der Adlerfarn (Pteridium aquilinum) mit seinen leichten Sporen, oder die vom Menschen weltweit verschleppten Unkrauter und Schadlinge. Als Ergebnis der Globalisierung kommen das Einjahrige Rispengras (Poa annua), das Klettenlabkraut (Galium aparine), die Dorrobstmotte (Plodia interpunctella) und die Wanderratte (Rattus norvegicus) heute weltweit vor (S. 290) . Endemiten sind hingegen auf ein sehr kleines Verbreitungsgebiet begrenzt. Einen hohen Anteil an Endemiten findet man in isolierten Gebieten wie ln seln, die nur zufallig von einzelnen Arten erreicht wurden. Diese stehen bald nicht mehr in Kontakt mit ihrer Ursprungspopulation und differenzieren sich von dieser bis sie neue Arten darstellen (adaptive Radiation, S. 41). Inselokosysterne reagieren besonders sensibel auf die Einfuhr konkurrenzstarker Arten, die Endemiten rasch verdrangen konnen, Da diese in der Regel weltweit nur auf ihrer lnsel existieren, konnen sie schnell aussterben. Generell kommen Endemiten jedoch nicht nur auf lnseln vor, sondern in allen Arten von isolierten Lebensraumen. Der weltweite Artenverlust an Endemiten ist daher fur den Artenschutz ein wichtiger Aspekt des globalen Verlusts an Biodiversitat (S. 293). Auch geschlosseneAreale weisen Verbreitungslucken auf, da nieht aile Bereiche fur die Besiedlung durch eine Art geeignet sind. Bestehen jedoch groBe LUcken, die nieht besiedelt oder uberquert werden konnen, spricht man von einem disjunkten Areal (.- Abb. 1.16). Haufig handelt es sich hierbei urn den Rest eine s ehemals grofseren Areals . lnnerhalb Europas ist vor allem die arktisch-alpine Disjunktion bedeutsam, welche sich aus dem Ruckzug der ehemaligen Tundrenvegetation in die arktischen Gebiete beziehungsweise in den Alpenraum ergeben hat. Ein Beispiel fur ein solches
1.3 Raumliche und zeit liche Aspekte der Umwelt
1.16 Disjunkte Areale bei Sauqetieren. Arkto-alpine Verbreitung beim Schneehasen (Lepus tim idus) (hellblau) , auf Gebirge begrenzte Verbreitung der Gemse (Rupicapra rupicapra) (dunkelblau), schraffiert beide Arten . Nach Ziswiler (1976).
Verbreitungsbild ist die Silberwur z (Dryas octopetala) oder der Schneehase (Lepus tim idus).
1.3.2 Zeitliche Aspekte der Umwelt VieleVeranderungen der Umwelt wirken sich nur sehr langfr istig aus und sind hochstens indirekt wahrnehmbar. Geologische Veranderungen wie die Kontinentaldrift zahlen zu den langsamsten und waren wichtige Motoren der Evolution. Sie erklaren die aktuellen Verteilungsmuster vieler Taxa, haben aber heute keinen direkten Bezug mehr zu okologischen Fragestellungen. Anders verhalt es sich bei Prozessen der Bodenbildung, die in den Tropen vermutlich seit mehreren 100000 Iahren, im nacheiszeitlichen Mitteleuropa aber erst seit 10000 bis 15000 Iahren ablaufen. Ie nach klimatischer Gegebenh eit und Ausgangsgestein ist die Bodenbildung unterschiedlich weit vorangeschritten und hat eine vielfaltige Bedeutung fur die sich auf diesen Boden entwickelnde Vegetation sowie die im Boden und an der Vegetation lebenden Tiere. In Abhangigkeit vom Boden und einem bestimmten klimati schen Regime entwickelt sich eine charakteristische Vegetation. Durch das Auftreten und Verschwinden einzelner Arten verand ert sich die Vegetation beispielsweise von Pionierarten uber
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Arten spaterer Stadien . Diese Sukzession kann tiber charakteristische Zwischenstadien verlaufen, aber auch durch Feuer,Windwurf und vergleichbare Ereignisse unterbrochen werden . Langfristige Veranderungen der Vegetation ereignen sich in Zeitraumen von 50 bis wenigen 100 [ahren (S. 196). Neben mehrjahrigen Rhythmen, unter denen globale Wetterveranderungen, die im aquatorialen Pazifik mit EI Nino (korrekt "ENSO" El Nino und die Southern Oscillation) und im nordlichen Atlantik als Nordatlantische Oszillation bezeichnet werden, in 3-5-jahrigen Intervallen zu Umverteilungen von Meeresstromungen und Nahrstoffen fuhren, sind vor allem jahreszeitliche Veranderungen ausgepragt. Sieht man von einigen tropischen Bereichen und der Tiefsee ab, gibt es in den meisten Lebensraumen der Erde ausgepragte jahreszeitliche Schwankungen der Sonneneinstrahlung, was sich u. a. in jahreszeitlichen Schwankungen von Temperatur und Niederschlag auBert. Urn sich an solche Veranderungen ihrer Umwelt anzupassen, haben die Organismen vielfaltige Mechan ismen entwickelt . Jahreszeitliche Rhythmen umfassen Ruhephasen in ungunstigen Zeitraumen (Ei-, Puppen-, Diasporen- oder Trockenstadien), Uberwinterung in inaktiver Form oder Uberdauerung mit unterirdischen Speicherorganen, sowie eine aktive Phase, in der Entwicklung und Reproduktion stattfindet. Artspezifische Lebenszyklen (S. 71) dienen unter anderem dazu, uber eine optimale jahreszeitliche Einbindung eine optimale Ressourcennutzung der Umwelt zu errnoglichen. Eine besondere Moglichkeit, jahreszeitlich bedingter Ressourcenknappheit und ungiinstigen Klimabedingungen zu entgehen, besteht in grofsraumigen Wanderungsbewegungen. Am bekanntesten sind die regelmafsigen Wanderungen vieler Vogelarten zwischen den meist subtropischen und tropischen Winterquartieren und den Sommerquartieren in der gemafsigten Zone , in denen die Reproduktion erfolgt. Die Fiugrouten und Winterquartiere sind artspezifisch . Die vielfaltigen Steuer- und Navigationsmechanismen schliefsen genetische Programmierung, Photoperiode, Sonnenstand, Sternenkompass, Erdmagnetfeld und Temperatur ein. Einige Pledermausarten fuhren Wanderungen von Nord- nach Mitteleuropa durch, die jedoch auf einige 100 km begrenzt sind. Vergleichbare jahresperiodische Wanderungen zu Laichgewassem finden sich bei vielen Fischarten, unter anderem bei Aalen und Lachsen mit Distanzen von einigen 1000 km. Bartenwale wechseln im Jahresverlauf von der Nord- auf die Sudhemisphare, urn planktonreiche Gebiete aufzusuchen. Amphibien legen zu den Laichgewassern meist kiirzere Distanzen zuriick. Gnus und andere groBe herbivore Saugetiere Ostafrikas wandern in Abhangigkeit von den Regenfallen und der Vegetationsentwicklung im Jahresverlauf in der Serengeti (Kenia und Tansania) grofsraumig umher. Auch bei den Insekten gibt es Wanderbewegungen. Vor aHem einzelne Schmetterlingsarten (z, B. Monarchfalter Danausplexippus, Admiral Vanessa atalanta, Distelfalter V. cardui) ziehen zwischen den nordlichen und siidlichen Teilen Nordamerikas bzw. dem mediterranen und nordlichen Europa . Einige europaische Schwebfliegenarten iiberwintern siidlich der Alpen und besiedeln die nordlich gelegenen Gebiete jedes Iahr neu. Wegen der begrenzten Lebens- und Fiugdauer dieser Insekten konnen weite Wanderungen oftmals nur im Verlauf mehrerer Generationen durchgefiihrt werden. Diese Wanderungen ahneln also mehr einem StaffeHauf.
1.3 Raurnliche und zeitliche Aspekte der Umwelt
Der Rhythmus der Tageszeiten mit einem regelmafsigen Wechsel zwischen hell und dunkel bzw. warm und kalt ist einer der wichtigsten Regelungsmechanismen bei Pflanzen und Tieren. Photosynthese und Kohlenstofffixierung zeigen eine ausgepragte circadiane (ungefahr 24-sttindige) Rhythmik, viele Tiere nutzen das Tageslicht zu Orientierung, Nahrungssuche und Reproduktion. Circadiane Rhythmen sind genetisch gesteuert und haben eine Periodizitat von 22-26 Stunden (daher "circadian") und erfordern auBere Zeitgeber wie das Sonnenlicht, urn diese "innere Uhr" taglich zu justieren. Bei Einzellern wurden verschiedene Enzymsysteme, bei Pflanzen Synthesen in der Chloroplastenmembran bzw. ihre genetische Steuerung als Schrittmacher erkannt. Bei Tieren wurden Schrittmacherzentren in Teilen des zentralen Nervensystems bzw. der Epiphyse oder in der Retina gefunden. Auch Ebbe und Flut stellen rhythmische Ereignisse dar, die sich zweimal taglich abwechseln und vor allem marine Kiisten pragen, Bedingt durch die Anziehungskraft des Mondes schwankt der Meeresspiegel, was auf der offenen See weitgehend bedeutungslos ist, in Kustennahe aber zu starken Veranderungen der Wasserstromung und damit der Nahrstoffverfugbarkeit fuhrt. An felsigen Steilkiisten und im Wattenmeer haben sich im Wechsel zwischen terrestrischen und aquatischen Verhaltnissen spezialisierte Lebensgemeinschaften entwickelt.
1.3.3 Das Alter von Organismen Bakterien haben in der Regel nur eine kurze individuelle Lebensdauer. Da sie sich aber teilen, sind sie potenziell unsterblich. Zudem gibt es auch Mikroorganismen, welche bei ungiinstigen Umstanden Dauersporen ausbilden und somit lange Zeitraume iiberdauern konnen. Bei Pflanzen werden Einjahrige (Annuelle) , Zweijahrige (Bienne) und Mehrjahrige bzw. Ausdauernde (Perennierende) unterschieden. Bei mehrjahrigen Pflanzen kann man anhand von Zuwachsringen in den Speicherorganen oder im Holzkorper (Wachstumsringe) das Alter ermitteln. Bei Tieren ist es manchmal ebenfalls moglich, das Alter an morphologischen Strukturen abzulesen. Hartkorper wie die Schalen von Muscheln und Schnecken, die Zahne, Gehorne oder Knochen von vielen Saugetieren und die Schuppen von Fischen zeigen ebenfalls regelmafsige Wachstumsringe. Viele Baumarten benotigen 20-50 Jahre, bis sie zum ersten Mal bliihen, die durchschnittliche Lebensdauer von Baumen betragt 200-300 Jahre, in Einzelfallen auch mehr. Vor aHem einzelne Hochgebirgsarten konnen bei geringer jahrlicher Wuchsleistung ein sehr hohes individuelles Alter erreichen. Legendar ist die westamerikanische Grannenkiefer (Pinus longaeva), bei der 4700 Jahre alte Individuen gefunden wurden. Die Lebensdauer von Pflanzensamen betragt oft nur ein oder zwei Jahre. Wenn jedes Iahr 50-90 % der Samen einer Art absterben, entwickelt sich dennoch ein uber mehrere Jahre keimfahiger Samenvorrat (Bodensamenbank), der fur den Erhalt der Art am Standort wichtig ist. Unter giinstigen Lagerbedingungen konnen die Samen von Nutzpflanzen 10 Jahre keimfahig bleiben, in Herbarien wurden noch nach 200 Iahren keimfahige Samen gefunden, die 4 000 Jahre alten Samen als Grabbeigaben in agyptischen Pyramiden haben jedoch ihre Keimfahigkeit verloren.
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38
1 Organismen
Die meisten Insekten werden nur ein [ahr alt, Koniginnen sozialer Insekten konnen jedoch mehrere Jahre alt werden . Einzelne Wirbellose (Tintenfische, Muscheln) erreichen ein Alter, das dem langlebiger Wirbeltiere entspricht. Die meisten Singvogel, kleinen Saugetiere oder kleinen Fische erreiehen ein Alter von nur wenigen Iahren, konnen aber in Gefangenschaft mehrfach so alt werden . Papageien werden in Gefangenschaft tiber 100 Jahre alt, Schildkroten bis 200 Jahre.
1.4 Das Konzept der okoloqischen Nische Der Begriff der okologischen Nische ist eine Abstraktion zur Beschreibung der Rolle und Funktion von Arten in Artengemeinschaften und Okosystemen, meist umschrieben als Summe der Anspriiche einer Art an ihre Umwelt (S. 8). Dabei gibt es eine Reihe von unterschiedliehen Konzepten (Schoener 1989). In der modernen Okologie wird die Nische meist als abstrakter Raum aufgefasst, wobei die Umweltfaktoren und Ressourcen, die letztlich die Existenz einer Art beeinflussen, die Achsen darstellen ( ~ Abb. 1.17). Da eine Art zahlreiche Anspriiche an ihre Umwelt haben kann, ergibt sich ein multidimensionaler Raum. Iede Art wird entsprechend ihrer (autokologischen) Eigenschaften nur einen Teilbereieh einer Nischenachse einnehmen konnen, sodass die Fitness einer Art entlang jeder dieser Nischenachsen variiert. Diese Variation entlang einer Nischenachse wird gern mit einer Glockenkurve beschrieben. Nach diesem Konzept gibt es eigentlich keine freien Nischen, da die Nische durch die Art definiert ist. Es ist aber durchaus rnoglich, ohne Bezug auf eine Art, gewisse Existenzmoglichkeiten zu erkennen. Dies zeigt sieh z. B. auf Inseln, auf den en gewisse Existenzmoglichkeiten nicht realisiert sind (z. B. Pradation). Kuhnelt (1965) pragte daher den Begriff der Planstelle. Planstellen existieren unabhangig von den Arten und konnen daher unbesetzt sein. So gibt es beispielsweise in Australien keine Vogel, die auf holzbewohnende Insekten als Nahrung spezialisiert sind . In der iibrigen Welt ist diese Planstelle von den Spechten (Picidae) besetzt. Entscheidend fur die Besetzung einer Planstelle ist die raumlich-zeitliche Koinzidenz zwischen Planstelle und Arten, die diese Planstelle einnehmen konnen. Planstellen konnen daher in unterschiedlichen Gebieten oder zu unterschiedlichen erdgeschichtlichen Zeiten durch Arten eingenommen werden, die nieht naher miteinander verwandt sind (Stellenaquivalenz). Wolf (Canis lupus) und Beutelwolf (Thylacinus cynocephalus) sind dafur ein gutes Beispiel. Das hier vorgestellte Konzept der okologischen Nische zeigt einen Weg zur formalen Beschreibung der Nische. Man braucht dazu zwei grundsatzlich voneinander unabhangige Kennwerte: die Nischenposition und die Nischenbreite. Die Nischenposition kennzeiehnet die Lage der Nische im Nischenraum. Arten mit einer ahnlichen Nischenposition werden gerne zu Gilden zusammengefasst. Die Nischenbreite kennzeichnet, wie grofs der von der Art eingenommene Teil des Nischenraumes ist. Generalisten haben eine grofse,Spezialisten dagegen eine geringe Nischenbreite (vgl. auch die Vorsilben eury-, oligo- und steno-, S. 8). 1m Freiland ist Fitness schwer erfassbar, daher leitet man aus der Ressourcennutzung einer Art deren Nische ab (Schoener 1989). Beschreibt man die Ressourcennutzung entlang einer Achse mit einer Glockenkurve, so ist der Mittelwert ein MaB fur die Nischenposition, die Standardabwei-
39
1.4 Das Konzept der 6ko logischen Nische
chung gibt Auskunft uber die Nischenbreite und der Uberlappungsbereich von zwei Kurven ist ein MaB der Nischenuberlappung (.- Abb. 1.17). Die Ressourcennutzung ist nicht immer leicht zu messen. Bei ausgestorbenen Arten ist das meist sogar unmoglich. Die Morphologie einer Art kann aber Hinweise auf die Nische geben. Bereits die Korpergrofse sagt viel uber die Nische einer Art aus (z. B. Nentwig und Wissel 1986, Brandl et al. 1994), korreliert doch bei rauberischen Organismen die Korpergrofse und die GroBe der Beute meist gut. Viele Nischendimensionen sind aber nur schwer durch eine kontinuierliche Achse fassbar. Daher wurden Verfahren entwickelt, die Nischenbreite und -uberlappung auch fur Ressourcenklassen wie die Nahrungskategorien zu erfassen. Ein einfaches MaB fur die Nischenbreite ist dann (1.1)
wobei Pi die relative Ressourcennutzung der Ressourcenklasse i ist (von insgesamt m Klassen). Die Nischenuberlappung lasst sich quantitativ durch folgende Formel erfassen: i=m
Ll!;P2; j= !
i=rn
(1.2)
;=m
2 Ll/ Ll2 ;=1 ;=1 I
I
wobei die Indices 1 und 2 die beiden Arten kennzeichnen, deren Nischenuberlappung errechnet werden soli. Der Wert der Nischenuberlappung liegt zwischen 0 (keine Oberlappung der Ressourcennutzung) und 1 (100 % Oberlappung der Ressourcennutzung). Nehmen wir beispielsweise an, dass bei Magenuntersuchungen an zwei
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Nisc henachse 1
1.17 Die okoloqische Nische der drei Arten A, B, C bezogen auf die Nischenachsen 1 und 2. Bereiche der Nischenuberlappunq sind farbig. Nach Schaefer (2003).
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1 Organismen
Fischarten 40 % der Nahrung aus Wasserinsekten, 30 % aus Fischen und 30 % aus Amphibien bei Art 1 bestand. BeiArt 2 fanden sich zu 80 % Insekten und 20 % Fische. Wie groB ist die Nischenbreite von Art 1 und Art 2 bzw. die Nischeniiberlappung zwischen Art 1 und Art 2? Die einzelnen Prozente stellen die Ressourcennutzung von drei Ressourcenklassen dar. Dann ergibt sich fur Art 1 als Nischenbreite (0,42 + OY + OY)-l = 2,94 und fur Art 2 (0,8 2 + 0,22)- 1 = 1,47. Die Nischenbreite von Art 2 ist viel kleiner als die Nischenbreite von Art 1. Bezuglich der betrachteten Ressourcenachse Nahrung ist Art 1 damit eher ein Generalist, Art 2 ein Spezialist. Man beachte, dass die Begriffe Generalist und Spezialist relativ sind und nur im Vergleich zwischen Arten einen Sinn ergeben. Die Nischeniiberlappung zwischen Art 1 und Art 2 ergibt sich zu (0,4 x 0,8 + 0,3 x 0,2 + 0,3 x 0) / ([0,42 + oY + oYJ [0,82 + 0,22])°,5 = 0,79. Nischenposition und Nischenbreite sind keine unabanderlichen GroBen. Den Teilbereich des Nischenraumes, der grundsatzlich von einer Art eingenommen werden kann, nennt man fundamentale Nische. Dieser maximal nutzbare Teilbereich des n-dimensionalen Nischenraumes wird aufgrund von interspezifischen Interaktionen verandert (realisierte Nische). Konkurrenz mit anderen Arten beschrankt die fundamentale Nische. Mutualistische Interaktionen konnen aber die realisierte Nische erweitern. Damit hangt die realisierte Nische von der jeweiligen Lebensgemeinschaft ab (Hutchinson 1957, 1959) und der Vergleich von Nischenposition und Nischenbreite einer Art in verschiedenen Artengemeinschaften kann wichtige Hinweise auf Prozesse geben , die Struktur und Dynamik der Artengemeinschaften bestimmen: Was bestimmt Vorkommen und Haufigkeit einer Art in einer Lebensgemeinschaft? Wie ahnlich konnen zwei Arten in ihrer Ressourcennutzung sein, damit es nicht zum Konkurrenzausschluss kommt (limiting similarity)? Warum sind manche Lebensgemeinschaften artenarm und andere artenreich? Zunachst hangt der Artenreichtum von den verfugbaren Planstellen ab sowie dem Vorhandensein von Arten, die diese Planstelle ausfullen konnen. Eine Artengemeinschaft ist umso artenreicher, je mehr-Planstellen beset zt sind . Sind nicht aIle Planstellen besetzt, spricht man von einer ungesattigten Artengemeinschaft. Sind aIle Planstellen besetzt, dann ist die Artengemeinschaft gesattigt, und es konnen keine zusatzlichen Arten in die Artengemeinschaft eindringen (S. 189). Mitunter konnen sich in Artengemeinschaften direkt oder indirekt durch den Men schen eingefuhrte Arten (Neobiota) etablieren. Dies ist ein Hinweis , dass viele Artengemeinschaften nicht gesattigt sind . Die Artenzahl in einer Artengemeinschaft wird auch davon abhangen, wie sich die Nischenbreite und -uberlappung mit der Artenzahl verandert, Nimmt die Artenzahl zu, so kann das zwei Folgen haben. Zum einen wird die Nischenbreite der Arten kleiner. Damit passen mehr Arten in den verfugbaren Nischenraum. Zum an deren kann sich aber auch die Nischeniiberlappung zwischen den Arten mit zunehmender Artenzahl erhohen, Immer ergibt sich aus der minimal moglichen Nischenbreite bzw. der maximal moglichen Nischeniiberlappung eine Obergrenze fur den Artenreichtum. Die Artenvielfalt ware also limitiert. Nun werden jedoch durch jede neu hinzukommende Art wiederum neue Planstellen geschaffen. Arten selbst stellen Planstellen fur andere Arten zur Verfugung, z. B. als Wirte fur Parasitoide, als Beute fur Rauber und Herbivore oder einfach als Substrat und Lebensraum. Epiphytische Bromelien der neuweltlichen Tropen bilden in ihren Blattachseln kleine Wasseransam mlungen, welche von Insekten und Amphibien genutzt werden. Kommt also eine
1.4 Das Konzept der okoloqischen Nische
solche Bromelie zu einer Lebensgemeinschaft hinzu, sind damit auch neue Planstellen fur weitere Arten verb un den. Die Nischenposition und -breite wird sich auch im Laufe der Evolution verandern. 1m Zuge der Evolution sollte Konkurrenz zu einer Verringerung der Nischenuberlappung und damit zu einer Kontrastbetonung bei Arten einer Gilde fuhren (character displacement; ~ Abb. 1.18; beachte, dass in diesem Beispiel die Morphologie als Hinweis auf die Ressourcennutzung und damit die Nische genutzt wird). Ein weiteres gut untersuchtes Beispiel sind die Galapagos-Finken Geospiza fuliginosa und G. fortis (Lack 1947). Wenn beide Arten auf einer Insel vorkamen, hatte G. fuliginosa deutlich grofsere Schnabel als G. fortis. Kam nur eine der Arten vor, waren sie an hand der Schnabelgrofsc nicht zu unterscheiden. Natiirlich ist es fur eine Art nicht immer einfach, die Nische im Laufe der Evolution zu verandern. Dabei gibt es gewisse Grenzen, die durch das Konstruktionsprinzip der Arten bzw. andere Sachzwange bedingt sind (niche conservatism; z. B. Prinzing et al. 200l). Gelingt aber der Durchbruch, etwa durch den Erwerb von Schlusselmerkmalen, die eine Nutzung noch unbesetzter Planstellen eroffnet, dann kann dies zu einem Evolutionsschub mit Artbildung fuhren (adaptive Radiation; ~ Abb. 1.19). Dieses Phan omen zeigt sich besonders nach Mas senaussterben wahrend der Erdgeschichte. Durch das Verschwinden etablierter Gruppen werden Planstellen frei, die eine adaptive Radiation von anderen Gruppen erlaubt. So ermoglichte das Verschwinden der Saurier am Ende der Kreide eine Radiation der Saugetiere im Tertiar,
L. triangularis
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L. triangularis
L. tenuipalpis
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L. tenuipalpis
2,0
2,5 Prosomabreite (mm)
1.18 Merkmalsverschiebung (Prosomalange) bei zwei Baldachinspinnen (Linyphia tenuipalpis, L. triangularis) bei getrenntem und gemeinsamem Vorkommen. Nach Daten aus Toft (1987).
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42
1 Organismen
Friichte und Samen
Insekten
Insekten und wenig Nektar
Nektar und wenig Insekten
Hemignathus munrai
Hemignathus abscurus
Loxioides bailleui
Telespyza cantans
Ciridops anna
1.19 Adaptive Radiation am Beispiel der Kleidervoqel (Drepanididae) von Hawaii. Nach Perris (1995).
Wenn im Laufe der Erdgeschichte eine Art eine bestimmte Planstelle einnimmt, dann mussen die Anforderungen der Planstelle und Eigenschaften der Art nicht unbedingt aufeinander abgestimmt sein. Durch Evolution werden sich daher Arten auf die Anforderungen einer Planstelle einstellen. Dabei konnen Arten aus unterschiedlichen Verwandtschaftskreisen ganz ahnliche Eigenschaften ausbilden. So mussen groBe Meerestiere, die sich von schnellen Fischen ernahren, Hochleistungsschwimmer sein.
1.4 Das Kon zept der okoloqischen Nische
a
1.20 Aufgrund hydrodynamischer Anpassungen an ihr Medium ahnelt sich die K6rperform von Hochleistungsschwimmern, ohne dass diese verwandt sind (Konvergenz). a) Ichthyosaurier, b) Blauhai (Prionace glauca), c) Delfin (Delphinus delphis), d) Thunfisch (Thynnus thynnus). a) nach Steel und Harvey (1981), b) nach Remane et al. (1980), c) und d) nach Tardent (1993).
Dazu benotigen sie eine hydrodynamische Form sowie eine bestimmte Struktur von
Korperoberflache und Flossen. Hierdurch ergibt sich eine morphologische Ahnlichkeit, die nicht durch phylogenetische Verwandtschaft bedingt ist. Ein gutes Beispiel
sind Ichthyosaurier, Haie, Delphine und Thunfische ( ~ Abb. 1.20). Eine solche Ahn lichkeit, die durch die Anpassung an eine Planstelle entsteht, wird als Konvergenz bezeichnet. Ein weiteres weithin bekanntes Beispiel von Konvergenz zeigen Pflanzen in ariden Lebensraurnen. Wassermangel fuhrt dort zur Ausbildung von fleischigen Organen (Sukkulenz). Sukkulente Arten finden in den nicht naher verwandten Kakteen (Cactaceae), Wolfsmilchgewachsen (Euphorbiaceae) und einigen anderen Familien (5. 22).
43
44
7
•
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13.
1 Organismen
Fragen Erklaren Sie den Unterschied zwischen Phanotyp, Genotyp und Okotyp an einem Beispiel. Was ist der Unterschied zwischen adaptiver Radiation und allopatrischer Artbildung? Wie stellen Sie sich den Lebensraum eines stenoken Organismus vor? Geben Sie Beispiele fur Organismen, die verschiedene Wellenlangen des Lichtes nutzen konnen? Korperflussiqkeit gefriert bei Temperaturen unter - 2 °C. Gibt es trotzdem Moglichkeiten. bei tieferen Temperaturen zu Oberleben? Erklaren Sie einem Naturschutzbeauftragten einer mediterranen Kleinstadt, dass Feuer ein wichtiger okoloq ischer Faktor ist. Wie verhalten sich ein poikilosmotischer und ein homoiosmotischer mariner Organismus im SuBwasser? Erklaren Sie die Vor- und Nachteile von C3-, C4- und CAM-Pflanzen. Warum ist das hauflqste Luftgas Stickstoff in den meisten Okosystemen ein Iimitierender Faktor? Welche Bedeutung kommt dem ClN-Verhaltnis bei Bodenanalysen zu? Wie kann man das disjunkte Areal einer Art erklaren? Gibt es hierfur Beispiele? Kann man die Nischenuberlappung zweier Arten messen und welche Konsequenzen hat eine starke Oberlappung? Erklaren Sie den Unterschied zwischen fundamentaler und realisierter Nische.
Die Auflosungen der Fragen sind im Internet zu finclen (http://www.oekologiebuch.unibe.ch).
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Kapitel2
Populationen
@ Lernziele Die fundamentale Gleichung der Populationsqrofle Bestimmung der Hauflqkeit einer Art Ungebremstes, logistisches und kontinuierliches Populationswachstum Altersstruktur und Lebenstafeln Evolution von Lebenszyklen Dichteregulation und Populationsschwankungen Limitierung und Regulation Stochastizitat, Zyklen und Chaos Systeme von Populationen Die Metapopulation Das Areal einer Population
Als Population bezeichnet man die Summe aller Individuen einer Art, die in einem Siedlungsgebiet leben und dort miteinander in Wechselwirkung treten. Eine Population hat Eigenschaften, die nur fur die .Summe der Individuen" definiert sind (emergente Eigenschaften , S. 2). Dazu gehort die Populationsgrofse (Gesamtzahl der Indi viduen im Siedlungsgebiet), die Populationsdichte (Individuen pro Placheneinheit, auch Abundanz, Individuendichte oder schlicht Dichte genannt), die raumliche Verteilung sowie die Altersstruktur. Die Populationsokologie versucht diese Eigenschaften und ihre Veranderung in Zeit und Raum zu beschreiben. Dazu einige Anmerkungen: • In der Populationsokologie versteht man unter Wechselwirkungen den Wettbewerb zwischen den Individuen der Population urn Ressourcen . Im Gegensatz zum Wettbewerb zwischen Arten (interspezifische Konkurrenz; S. 119) bezeichnet man den Wettbewerb zwischen Individuen einer Population als intraspezifische Konkurrenz.
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2 Populationen
• Die Abgrenzung eines Siedlungsgebiets ist nieht immer einfach. Daher erfolgt die raumliche Abgrenzung meist nach pragmatischen Gesichtspunkten. Die Summe aller Siedlungsgebiete einer Art wird als Areal bezeiehnet (S. 33). • Unsere Definition einer Population geht von Individuen aus. Die Abgrenzung eines Individuums ist nicht immer eindeutig. Sind aIle Polypen eines Korallenstockes als Individuen zu zahlen oder die Korallenstocke selbst? Das Beispiel Koralle verdeutlicht die Unterscheidung von unitaren und modularen Organismen (Harper 1977). Bei unitaren Organismen sind die Individuen die relevanten Elemente der Population und vermehren sich sexuell oder asexuell. Modulare Organismen konnen sich sexuell oder vegetativ vermehren, die genetisch entstandenen Individuen werden als Genet bezeichnet, ihre vegetativen Abkornmlinge als Ramet, zusammen bilden sie einen Klon . 1m Extremfall kann eine aus einem Samen gekeimte Graspflanze (Genet) durch vegetative Vermehrung eine ganze Wiese bilden (Ramet) . Die Population eines modularen Organismus kann also auf zwei Ebenen betrachtet werden, auf der Ebene der Genets und der Ramets. Die meisten Tiere sind unitar, die meisten Pflanzen sind modular, wie auch viele sessile meist auch koloniebildende Tiere (Schwarnrne, HohItiere) sowie viele Pilze. In unserer Einfuhrung werden Populationen unitarer Organismen im Vordergrund stehen.
2.1 Die fundamentale Gleichung fur die Populationsqrolle Ziel der Populationsokologie ist es, von einem Zeitpunkt taus die Populationsgrofse zu einem spateren Zeitpunkt t + tH oder auch t + 3tH zu erschlieBen. Dabei spielen vier primare Populationsprozesse eine Rolle: • die Zahl an Geburten in der Population, • die Sterbefalle in der Population, • die Zuwanderung von 1ndividuen (Immigration), sowie die Abwanderung (Emigration) von Individuen zu anderen Populationen. Daraus ergibt sich die fundamentale Gleichung: N(t+ !:.t) = N(t)
+ Geburten - Sterbefalle + Zuwanderung - Abwanderung (2.1)
1m Folgenden wollen wir die fundamentale Gleichung Schritt fur Schritt ausarbeiten. Bei der Ausarbeitung unterscheidet man zwischen Parametern und Variablen. Die Parameter erfassen die Annahmen und Hypothesen, die fur die Dynamik des betrachteten Systems von Wichtigkeit sein konnen, In der Regel handeIt es sich dabei urn Konstanten, Parameter konnen aber auch veranderlich sein. Unter Variablen versteht man dagegen die Elemente eines Modells, deren dynamisches VerhaIten man untersuchen will. Die Populationsgrofsen N( t) bzw. N( t + tH) sind Variablen.
2.1 Die fundamentale Gleichung fUr die PopulationsgroBe
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Population A
Population B
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Zeitschritte
2.1 Mogliche Zeitreihen von Populationen. Die Zeitschritte konnen je nach Organismus Tage, Wochen oder auch Jahre bedeuten. Aus dem Vergleich der mittleren PopulationsgroBe und der Veranderung der PopulationsgroBe mit der Zeit ergeben sich eine Reihe von Fragen, die es fur reale Populationen zu beantworten gilt. Warum ist die mittlere PopulationsgroBe von Population A groBer als von Population B? Warum schwankt die PopulationsgroBe von Population A mehr als von Population C? Warum kann Population D anscheinend unbegrenzt anwachsen?
In naturlichen Populationen ist es sehr unwahrscheinlich, dass sich in einem Zeitintervall Geburten und Zuwanderung mit Sterbefallen und Abwanderung immer exakt ausgleichen. Die Populationsgrofse N( t) verandert sich im Laufe der Zeit. Daher ist es fur das Verstandnis einer Population wichtig, die Populationsgrofse in regelmaBigen Zeitabstanden zu erfassen (Zeitreihe). Tragt man die Populationsgrofse tiber die Zeit auf, bekommt man einen graphischen Eindruck tiber das "Auf und Ab" der Populationsgrofse. Man spricht von der Dynamik einer Population. Abbildung 2.1 zeigt einige Beispiele, wie die Dynamik naturlicher Populationen aussehen kann (eine Analyse der Populationsdynamik der Weltbevolkerung findet sich in Kasten 2.1). Die Zeitschritte wurden beliebig gewahlt, werden aber in realen Populationen von den Eigenschaften des jeweiligen Organismus abhangen.
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-
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2 Populat ionen
Kasten 2.1 Wachstum derWeltbevolkerung - - - - - - - - - - -.. Abbildung a zeigt das Wachstum der Weltbevol kerung zwischen 1650 und 2000. Dabei stieg die Weltbevolkerung von etwa 0,5 Mi lliarden Men schen um 1650 auf etwa sechs Mil liarden in 2000 (Nentwig 2005). Tragt man die verfOgbaren Zahlen auf, so ko nnte man auf den erste n Blick von einem exponentiellen Populati onsw achst um ausgehen. Bei exponentie llem Wachstum sollte sich nach Logarithmierung der Populationsqrofle ein Iinea rer Zusammenhang zwischen (Ioga rithmierter) Populat ionsqrofse und Zeit ergeben. Die 5teigung ist dabei r. Abbildung b zeigt aber nun, dass dies uber den gesamten Zeitraum zwische n 1650 und 2000 nicht der Fall war. Bis 1950 ergibt sich in etwa ein linearer Zusammenhang, ab circa 1950 fand aber ein Bruch im Wachstumsmuster der Welt population statt . Die Weltbevo lkerung ist zumindest im Lauf des 20. Jahrhunderts iiberexponentiell gewachsen . Die Ste igung der Geraden in Ab bi ldung b, berechnet aus den Punkten von 1600 bis 1950, ist etwa 0,2 % . Aus dieser Wachstumsrate ergibt sich eine Verdopp lungszeit von 350 Jahren (In(2) 1 r; wenn r in %, dann ist das In(2) x 100 /r und dam it 7010,2 =350). Nach 1950 bet rug die Wachstumsra te durchschnittlich 1,7 % (Verdopplungszeit etwa 40 Jahre!). Eine genauere Analyse und deta illiertere Daten zeigen , dassdie Welt bevolkerung 1970 mit 2,0 % wuchs, 1990 mit 1,7 % und 2005 mit 1,3 %. Dabei gibt es erhe bliche Unterschiede zwi schen Regione n. In den lndust riela ndern lag di e Wachst umsrate 2005 unter 0,1 % (in Europa sogar - 0, 1 %), in den Entwicklungslandern bei 1,6 % (in Afrika sogar bei 2,3 %). Es wurde im Lauf der Diskussion uber exponentie lles Wachstum immer wieder darauf hingewiesen, dass in einer begrenzten Umwelt keine Population unbegrenzt wachsen kann. Die Menschhe it scheint dieser logischen Not w endigkeit zu widersprechen . Der Grun d Iiegt wohl darin, dass sich mit dem technischen Fortschritt der M ensch-
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Die Zunahme der Weltbevo lkerung von 1650 bis 2000. a) Iineare, b) logarithm ische Darstellung.
he it stand iq neue Ressourcen eroffnet haben, wobei fossile Ressourcen einen wichtigen Beitrag leisten. Fossile Ressourcen werden z. B. auch genut zt , um Dunqer herzustellen, was die Mog lichkeiten der Produkt ion von Nahrungsmit t el erheblich erweitert hat . Dennoch ist lan gfristig auch fOr den M enschen kein un begrenztes Wachstu m rnoqlich ( ~ Kasten 2.3).
2.2 Die Popu lationsg roBe
49
2.2 Die Populationsqrolle Bevor man die Populationsdynamik untersuchen kann, mu ss die Populationsgrofse tiber mehrere Zeitschritte hinweg bestimmt werden . Am einfachsten ist das Auszahlen der Individuen in einem Siedlungsgebiet. Dies ist nur bei seltenen und groBen Organi smen praktikabel. Daher ist man in den meisten Fallen auf Schatzungen der Populationsgrolse angewiesen. Es gibt grundsatzlich zwei Wege: Auszahlen von Probeflachen und Fang-Wiederfang-Methoden. Das Auszahlen von Probeflachen hat vor allem fur Ptlanzen eine lange Traditio n. Dazu werden Probeflachen angelegt und die Anzahl Individuen in diesen Probeflachen gezahlt (~ Abb. 2.2). Die GroBe der Probeflachen orientiert sich an der untersuchten Art, damit in einer Probeflache nicht zu viele Individuen vorkommen. Iede Probeflache ist eine Stichprobe, und aus den Stichproben berechnet man die mittlere Zahl der Ind ividuen auf den Probeflachen, Damit hat man eine Schatzung der Individuendichte. 1st die Plache des Siedlungsgebiets der Population bekannt, kann die Population sgrofse geschatzt werden . In Abbildung 2.2 sind neben einer zufalligen Verteilung auch Beispiele fur cine gleichm alsige und geklumpte Verteilung der Individuen dargestellt. Bei vollkommen gleichmatsiger Verteilung der Individuen uber den Raum wiirden aIle Probeflachen mehr oder weniger die gleiche Anzahl von Individuen enthalten, sodass bereit s mit einer Probeflache eine brauchbare Schatzung der Populationsgrofse moglich ist. Bei geklumpter Verteilung kann dagegen die Anzahl der Individu en zwischen einzelnen Probeflachen star k schwanken, je nachdem ob eine der Prob eflachen gerade in einen Verbreitungsschwerpunkt von Individu en fallt oder nicht. Dies hat Auswirkungen auf die Schatzung der Population sdichte und -grofse. Eine Analyse der Verteilung der Ind ividuen im Raum ist nicht nur fur die Bestimmung der Population sgrofse wichtig, sondern erlaubt auch Ruckschlusse auf die Biologie und Umwelt der untersuchten Arten. In einer homogenen Umwelt bedeutet eine
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2.2 Mogliche Verteilungsformen von Individuen im Siedlungsgebiet einer Populat ion. Die Beispiele veranschaulichen eine zufalliqe (a), gleichmaBige (b) sowie eine geklumpte Verte ilung (c). In allen dre i Beispielen betraqt die PopulationsgroBe 100 Individuen Gedes Individuum symbolisiert durch einen Punkt). In jedem Gebiet wurde die Zahl der Individuen in funf quadratischen Probefla chen ausqezahlt .
50
2 Populationen
zufallige Verteilung, dass sich Interaktionen zwischen Individuen nicht auf deren raumliche Verteilung auswirken. Viele Interaktionen haben aber eine Auswirkung. Pflanzen benutzen chemische Substanzen, urn die Ansiedlung von moglichen Konkurrenten in einem gewissen Umkreis zu verhindern (Allelopathie, S. 124), was zu einer regelmafsigen Verteilung der Individuen fuhrt. Eine regelmafsige Verteilung der Individuen findet man auch bei Tierarten, die Territorien verteidigen. In ariden Gebieten ist Wasser in Talern besser zuganglich als an Hangen oder hoher gelegenen Plateaus. Pflanzenindividuen siedeln sich daher vor allem entlang der Taler an (kontrahierte Vegetation), was zu einer geklumpten Verteilung fuhrt. Die Verteilung der Individuen ist dabei eine Foige der Verteilung von Ressourcen im Raum. Einen im Vergleich zum Auszahlen von Probeflachen grundsatzlich anderen Ansatz bieten Fang-Wiederfang-Methoden. Dazu werden zu einem Zeitpunkt t Individuen gefangen, markiert und wieder entlassen (M). Nach einer Zeitspanne M werden wiederum Individuen (W) gefangen, und es wird ausgezahlt, wie viele der neu gefangenen Individuen Markierungen tragen (Wmarkiert)' Wird die Zeitspanne M so kurz gewahlt, dass in der Population keine Geburten, Sterbefalle, Immigrationen und Emigrationen auftreten (konstante Populationsgrofse), dann sollte sich die Zahl der beim ersten Termin markierten Individuen zur Populationsgrofse N(t) so verhalten wie die Zahl der beim zweiten Termin markiert wiedergefangenen Individuen zur Gesamtzahl gefangener Individuen. Damit kann man N(t) schatzen. Die Schatzung bezeichnet man gem als N(t), urn sie von der wirklichen Populationsgrofse zu unterscheiden. Es gilt:
N(t)
W
M
Wmarkiert
N(t)
MxW Wmarkiert
und damit
(2.2) (2.3)
Die Annahme einer konstanten Populationsgrofse (closed population assumption) ist sehr restriktiv. Daher wurden Fang- Wiederfang-Methoden ausgearbeitet, die nicht nur die Populationsgrofse schatzen, sondern auch Anzahl von Abgangen und Zugangen (Krebs 1999, McCallum 2000, Southwood und Henderson 2000). Nicht immer ist es notwendig, mit aufwendigen Verfahren die absolute Populationsgrofse zu bestimmen. 1st man nur an der Dynamik der Population interessiert, genugen relative Methoden, solange die Populationsgrofse proportional zum gewahlten Populationsindex ist ( ~Abb. 2.3):
• Haufig wird der Anteil der Flache eines Untersuchungsgebietes, der von der Popu-
lation bewohnt wird (Verbreitung), erfasst. Dazu wird tiber das zu untersuchende Gebiet ein regelrnafsiges Raster gelegt. Danach werden alle Raster auf das Vorkommen der zu erfassenden Art hin untersucht. Als Populationsindex dient der relative Anteil an Rastern, in denen die untersuchte Art nachgewiesen wurde (Rasterfrequenz) . • Der Einsatz von Fallen beruht auf der Annahme, dass die in einer gegebenen Zahl von Fallen gefangenen Individuen streng monoton mit der Populationsgrofse steigt . Ie nach Organismus kommt eine Vielzahl von Fallentypen zum Einsatz
2.2 Die PopulationsgroBe
(Boden-, Licht-, Fensterfallen; Southwood und Henderson 2000). Haufig werden die aus dem Einsatz von Fallen abgeleiteten Indices der Populationsgrofse als Aktivitatsdichte bezeiehnet, da sie nieht nur von der Populationsgrofse abhangen, sondern aueh von der Aktivitat der Individuen. • Der Fangerfolg pro Zeitaufwand ist ein relatives MaB der Populationsgrofse, und kann damit als Index fur die Populationsgrofse dienen (Zeitsammelmethoden). Zu dieser Gruppe von Indices gehoren aueh Iagdstatistiken bzw. Erfassungen von Verkehrsopfern, • Es ist aueh nieht immer notwendig, die Individuen selbst zu erfassen. Manehmal genugt bereits die Zahlung von Anzeiehen der Anwesenheit (Kot, Verbiss, Nester oder aueh Spuren; Southwood und Henderson 2000). 3
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Zeitschritte (Jahre)
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95/96
2000/ 01
Zeitschritte (Jagdsaisan)
2.3 Beispiel fur die Dynamik von Populationen im Freiland: a) Fra13schaden der Einfarbigen Ackerschnecke. Die Frafischaden wurden auf einer Rangskala geschatzt und stell en einen Index fur die Populationsqrofie dar. b) Dynamik des tarchentriebwicklers. Die Ordinate ist logarithmisch skaliert. Die Populationsdichte wurde durch Auszahlen von Larven auf Asten bestimmt. c) Dynamik des Schwarzhalstauchers. Auf standardisierten Exkursionen durch ein Gebiet wurden aile angetroffenen Schwarzhalstaucher gezahlt. Jeder Punkt ist ein Mittelwert aus mehreren Exkursionen. d) Entwicklung der Jagdstrecke des Marderhundes in Deutschland . a) und b) nach Global Population Dynamics Database http://cpbnts1.bio .ic.ac.uklgpdd, c) nach Schmidtke et al. 2001, d) nach Kraft und van der Sant (2002).
51
52
2 Populationen
Tabelle 2.1: Beispiele f Or Ind ividuend ichten einiger Gruppen von Organ ismen. Die angegeben Werte sollen eine Vorstellung der GroBenordnungen verm itteln. Man beachte aber, dassinnerhalb der Gruppen die Dichte n erheblich schw anken konnen , was auch durch den Vergle ich der Individuendichte von Menschen in Kanada und Europa deutlich wi rd. In der ersten Spalte werden die Individu endicht en auf Flachen bezogen, w ie sie f Or die jewei lige Grup pe bevorzugt we rden . In der zweiten Spalte wu rden die Dichten auf einen gemeinsamen Flachenbezug (hier m2) umge rechnet . Dadurch werden die Angaben vergleichbar. Individuendichte
Individuendichte pro m2
Baume
500 ha-1
0,05
Ackerunkrauter
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200
Bodenarthropoden
500000 m-2
500000
Feldrnause
50ha-I
0,005
Reh
10km-2
0,00001
Mensch (Kanada)
2 km-2
0,0000002
Mensch (Mitteleuropa)
100km-2
0,0001
Die Individu endichte kann zwischen Arten enorm schwanken. Die Anga ben reichen pro Quad ratmeter von Bruc hteilen bis hin zu Millionen von Individuen (~ Tab. 2.1). Der Rau mbezug wird meist so gewahlt, dass die Individuendichte Werte grofser als 1 erreicht. Bei tierischen Organismen fallt die Dichte mi t zunehmendem Korpergewicht: Ie groBer eine Art, umso geringer ist die Populationsdichte. Bei Insek ten mit einem Korpergewicht von etwa 1 mg = 10- 6 kg hat man Individuendichten von etwa 106 bis 108 Individuen pro km 2 geschatzt. Bei Saugetieren mi t einem Korpergewicht von etwa 1 kg ist auf einem km 2 mit nur 30 Individuen zu rechnen. Diese Bezieh ung zwischen Korpergewicht und Pop ulationsdichte (bzw. bei gleichem Siedlungsgebiet Populationsgrofse) gilt auch in nerhalb von Organismengruppen (Vog el in Abb. 2.4). 1m Vergleich zum Korpergewicht spiele n andere biologische Eigenscha ften der Organisme n oft nur eine untergeordnete Rolle. So ist in Abbildung 2.4 die Pop ulationsdichte unabhan gig von der Nah ru ngsnische.
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2.4 Beziehung zwischen Populat ionsdichte und KorpergroBe fOr die Brutvoqel Ostdeutschlands (Daten aus Nicolai 1993, Abszisse und Ordinate logarithmisch skaliert ), Die Dichte wurde durch Division der Populationsqrofie durch die Gesarntflache des Kart ierungsgebiete s berechnet (108333 km 2) . Voge l, die vorzugsw eise groBere Nahrungstiere erbeuten (z. B. Greifvoqe l: schwarz gef Ollte Symbole.l haben zwar im Mittel eine groBere Korperq rofie, aber die Dichte unterscheidet sich nicht von anderen Vogelarten gleiche r KorpergroBe.
2.3 Populationsdynamik
2.3 Populationsdynamik Bestimmt man die Populationsgrofse bzw. -dichte uber einen langeren Zeitraum, dann ergibt sich eine Zeitreihe ( ~Abb. 2.3). Dabei stellt sich die Frage, welche Muster in einer Population uberhaupt zu erwarten sind. Wir gehen dabei von unserer Grundgleichung aus und machen zunachst einige vereinfachende Annahmen.
2.3.1 Ungebremstes Populationswachstum Wir betrachten eine Population, bei der es keine Ein- und Auswanderung gibt:
N(t+ M) = N(t) + Geburten - Sterbefalle
(2.4)
Zur weiteren Vereinfachung betrachten wir eine Art, die sich in diskreten Zeitschritten (z, B. Jahresschritten) fortpflanzt. Dann ist es gunstig, die Zeit in Generationen tzu betrachten. N(t) sei dann die Populationsgrofse in der Generation t, N(t+ I) in der folgenden Generation und damit N( t + I) = N( t) + Geburten - Sterbefalle
(2.5)
Geburten und Sterbefalle beziehen sich auf den gewahlten Zeitschritt. Aus dieser Gleichung lassen sich zwei weitere GroBen ableiten, die fur das Verstandnis der Dynamik von Populationen wichtig sind : die Wachstumsrate der Population sowie die Wachstumsrate pro Individuum (Pro -Kopf-Wachstumsrate, relative Netto-Wachstumsrate oder auch individuelle Wachstumsrate). Die Wachstumsrate der Population ist die Veranderung der Populationsgrolse wahrend eines Zeitschrittes, also von t nach t + 1: Wachstumsrate der Population = N( t + 1) - N( t) = Geburten - Sterbefalle
(2.6)
Man beachte, dass auch negative Wachstumsraten auftreten konnen (die Zahl der Sterbefalle ist grofser als die Zahl der Geburten). Die Populationsgrofse wird dann von t nach t + 1 abnehmen. Die individuelle Wachstumsrate ergibt sich aus der Wachstumsrate der Population geteilt durch die Populationsgrofse zur Ausgangszeit: . divid
III IVI
II W h t t - WachstumsratederPopulation - N(t+1)-N(t) ue e ac s umsra e I ' "0 N( ) Popu ationsgrotse t
Geburten - Sterbefalle
Geburten
Sterbefalle
Populationsgrofse
N(t)
N(t)
(2.7)
Die individuelle Wachstumsrate ergibt sich aus der Differenz Geburten minus Sterbefalle pro Individuum. Man bezeichnet diese Parameter als Pro-Kopf-Geburtenrate bzw. Sterberate, die wir mit g und 5 symbolisieren. Man beachte, dass g und 5 von der Lange des gewahlten Zeitschrittes abhangen, 1m einfachsten Fall sind diese Parameter Konstanten und von Zeitschritt zu Zeitschritt gleich. Biologisch bedeutet dies, dass g
53
54
2 Populationen
und 5 weder durch Umweltfaktoren noch durch andere Prozesse in der Population beeinflusst werden. Die absolute Zahl an Geburten in einem Zeitschritt ergibt sich dann aus dem Produkt von g und der Populationsgrofse. Die Pro-Kopf-Sterberate ist die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Individuum wahrend eines Zeitschrittes stirbt. Multipliziert man diese Wahrscheinlichkeit 5 wiederum mit der Populationsgrofse, ergibt sich die Zahl der Sterbefalle. Aus den Uberlegungen ergibt sich dann folgende Gleichung zur Veranderung der Populationsgrofse von Zeitschritt zu Zeitschritt:
N(t+ I) = N(t) + g N(t) - 5 N(t) N(t+ 1) = N(t) + (g- 5) N(t) N(t+ 1) = N(t) + R N(t) = (l + R) N(t)
(2.8) (2.9) (2.10)
Die Differenz g- 5 ist die individuelle Wachstumsrate und wird mit R symbolisiert. Die Wachstumsrate der Population ergibt sich zu N( t + 1) - N( t) = R N( t) und steigt damit linear mit der Populationsgrofse an ( ~ Abb. 2.5) . R ist unabhangig von der
Populationsgrofse,
Letztlich interessiert uns die Dynamik der Population, also die Entwicklung der Populationsgrofse mit der Zeit . Dazu ware es angebracht, wenn man die PopulationsgroBe bei Kenntnis von R fur jede beliebige Zahl von Zeitschritten aus einer anfanglichen Populationsgrofse N(O) berechnen konnte. Die Population im nachsten Zeitschritt t = 1 ist dann N(l) = (l
+ R) N(O)
(2.1 I)
Zur Vereinfachung setzen wir (1 + R) = A: N(l) = A N(O) N(2) = A N(l) = AA N(O) = ).} N(O)
(2.12) (2.13)
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Populationsqrofse
b
Populationsqrolse
2.5 Exponentielles Wachstum der Population : Individuelle Wachstumsrate (a) und Wachstumsrate der Population (b) in Abhangigkeit von der PopulationsgroBe. Man beachte, dass die individuelle Wachstumsrate von der PopulationsgroBe unabhangig ist, aber die Wachstumsrate der Population linear mit der Populationsqrofle ansteigt (positive individuelle Wachstumsrate) bzw. abfallt (negative individuelle Wachstumsrate). Die individuelle Wachstumsrate kann nicht kleiner als -1 werden.
2.3 Populationsdynamik
N(3 ) = A N(2) = 1..1..2 N(O) = 1..3 N(O ) N(T) = AT N(O) = (l + R)TN(O )
(2.14) (2.15)
Wir haben damit ein Mod ell, mit dem die Populationsgrofse nach beliebigen Zeitschritten t = Taus der anfanglichen Populationsgrofse und der individuellen Wachstumsrate errechnet werden kann. Unser Modell hat nur einen Parameter, namlich R bzw. A. Abezeichnet man auch als Wachstumsfaktor, da Asich aus dem Verhaltnis N(t + 1) zu N(t) ergibt. Abbildung 2.6 zeigt die Dynamik von Modellpopulationen mit unterschiedlichem R uber 10 Zeitschritte. In jedem Beispiel war die PopulationsgroBe N(O) = 20 Ind ividuen. Aus Abbildung 2.6 ergeben sich eine Reihe wichtiger Schlussfolgeru ngen: • Fur A > 1 (und damit R > 0) wachst die Populationsgrofse unaufhaltsam und ohne Grenzen an. • Fur A = 1 (R = 0) bleibt die Popul ationsgrofse konst ant. 1000
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8
10
Zeitschritte
2.6 Exponentielles Wachstum der Population: Beispiele fur die Entwicklung der Populationsqrofie fOr verschiedene ind ividuelle Wachstumsraten (a) und (c). Aile Berechnungen wurden mit N(O) =20 begonnen. FOr R > 0 ergibt sich ein ungebremster Anstieg der PopulationsgroBe (a), fOr - 1 < R < 0 ergibt sich eine steter Abfall der PopulationsgroBe (c). Nur fur R =0 bleibt die PopulationsgroBe konstant (c). Tragt man die PopulationsgroBe logarithmisch auf (b), (d), dann ergibt sich ein mit der Zeit linearer Verlauf. Die Steigung dieser Geraden ist logO..) =10g(1 + R).
55
56
2 Populationen
• Fur 0 < A < 1 (-1 < R < 0) verringert sich die Populationsgrofse unaufhaltsam. • Transformiert man die Ordinate logarithmisch, dann ergibt sich ein linearer Anstieg mit der Steigung log(A) = log(l + R). Man spricht daher von exponentiellem Populationswachstum. Urn zu verstehen, warum die Steigung log(A) betragt, muss man sich zunachst vergegenwartigen, dass eine Gerade durch die Gleichung y = a + b x beschrieben wird; a symbolisiert den Achsenabschnitt fur x = 0 und b die Steigung. Logarithmiert man N(t) so ergibt sich: log(N(t)) = log(N(O) At). Aus den Rechenregeln fur Logarithmen folgt: log(N(t)) =log(N(O)) + log(At) = log(N(O)) + log(A) t. Vergleicht man diese Gleichung mit der allgemeinen Gleichung einer Gerade, so ergibt sich a = log(N(O)), x = tund fur die Steigung b = log(A). • Eine wichtige Eigenschaft des exponentiellen Wachstums ist, dass sich die Population unabhangig von der Populationsgrofse in einer festen Zeitspanne urn einen festen Faktor verandert (bei der Zeitspanne 1 urn den Faktor A). Das fuhrt unabhangig von der Populationsgrofse zu einer Verdopplungszeit D, die nur von A abhangt: N(D) = 2 N = NA D • Durch Kurzen von N und Logarithmieren beider Seiten ergibt sich fur die Verdopplungszeit D = In(2)/ln(A). Man beachte, dass A nicht einfach durch einen Faktor auf andere Zeitschritte hin umgerechnet werden kann. Greifen wir eine Population aus Abbildung 2.6 heraus, z. B. fur A = 1,5 (R = 0,5). Verkurzen wir nun die Zeitschritte auf die Halfte, so konnte man dem Gedanken verfallen, A ebenfalls durch 2 zu teilen. Dies wiirde zu einem 1.. 112 Zeitschritt = 0,75 fuhren. Dass dies nicht richtig sein kann, ergibt sich aus der oben dargelegten Regel, die besagt, dass die Population mit A < 1 unaufhaltsam abnimmt. Der richtige Weg fur die Umrechnung wird auf Seite 62 beschrieben. Im Laufe der Ableitung haben wir eine Reihe von Annahmen getroffen, die nochmals betont werden mussen (Gotelli 2001): • Wir betrachten eine Population ohne Ein- und Auswanderung. • Unsere Population wachst in diskreten Zeitschritten. • R und dam it die Pro-Kopf-Geburten- und Sterberaten wurden als konstant angenommen. Damit sind die fur die Population notigen Ressourcen unbegrenzt verfugbar bzw. werden unbegrenzt nachgeliefert. • Unser Modell macht auch eine Reihe von Annahmen, die aus der Gleichung nicht offensichtlich sind . So sind alle Individuen gleich. Wir vernachlassigen dam it die Altersstruktur und genetische Unterschiede zwischen Individuen. • Eine Schwache des Modells zeigt sich bei R < O. Die Population wird zwar unaufhaltsam kleiner, eine Populationsgrofse von 0 wird aber nie erreicht (asymptotische Annahrung an 0). Ganz offensichtlich kann das Aussterben einer Population nicht durch unsere Gleichung beschrieben werden.
2.3.2 Logistisches Populationswachstum Eine wesentliche Annahme fur ungebremstes Populationswachstum war der unveranderliche Wert von A = 1 + R ( ~ Abb. 2.5). Zweifelsohne verbrauchen Individuen Ressourcen, was nicht ohne Riickwirkung auf die Population und dam it R bleiben
2.3 Populationsdynam ik
kann. Wir schreiben daher R(N) statt R, und wir verstehen darunter die in einer Population mit der GroBe N realisierte individuelle Wachstumsrate. Ie groBer die Population, umso knapper werden die verfugbaren Ressourcen. Das wird auf Sterblichkeit und Geburten zuruckwirken. Betrachten wir die in Abbildung 2.7 skizzierte Moglich keit. Dazu benutzen wir ein Achsenkreuz, in dem wir R(N) gegen die PopulationsgroBe auftragen. Solange die Populationsgrofse recht klein ist (N nahe 0, bzw. zur Vereinfachung N = 0) sollte R(N) maximal sein. Wir wollen diese maximale individuelle Wachstumsrate R(O) mit Rm bezeichnen. Mit zunehmender Populationsgrofse neh men die Ressourcen ab, und R(N) sollte ebenfalls abnehmen. Bei einem Wert N = K soll gelten R(K) = O. Die einfachste Form, diese Abnahme zu beschreiben, ist eine Gerade, die durch die zwei Punkte R(O) = Rm und R(K)= 0 eindeutig bestimmt ist. Eine Gerade ergibt sich aus dem Achsenabschnitt (in unserem Fall Rm ) und der Steigung . Die Steigung ergibt sich aus dem Verhaltnis von Rm zu K und somit:
R(N) = R - Rm N(t)
(2.16)
K
m
Setzt man diese Gleichung in die Gleichung fur das Populationswachstum N(t+ 1) = (l + R) N(t) ein, wobei wir fur R nun R(N) verwenden, dann ergibt sich fur die Berechnung der Populationsgrofse im Zeitschritt t + 1 aus der Populationsgrofse zum Zeitschritt t: (2.17)
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N =O b
maximaIe Wachstumsrate
N = K/2
N =K
Popula tionsqrofse
2.7 Logistisches Wachstum der Population: Individuelle Wachstumsrate (a) und Wachstumsrate der Population (b) in Abhangigkeit von der PopulationsgroBe. 1m Gegensatz zum exponentiellen Wachstum geht man von einer linearen Abnahme der in der Population realisierten individuellen Wachstumsrate mit der PopulationsgroBe aus (a). Bei einer PopulationsgroBe nahe 0 ist die individuelle Wachstumsrate maximal, bei der Kapazltatsqrenze K dagegen O. 1st die PopulationsgroBe groBer als die Kapazitatsqrenze K, haben wir eine negative individuelle Wachstumsrate. FOr die Wachstumsrate der Population ergibt sich daraus eine Parabel mit einer maximalen Wachstumsrate der Population fur eine PopulationsgroBe K12.
57
58
2 Populationen
Die Wachstumsrate der Population ist dann: N(t+l) - N(t)=(R m - Rm;(t)) N(t)
(2.18)
Zu diesen Gleichungen sind folgende Anmerkungen wichtig: • Dieses Modell des Populationswachstums hat im Vergleich zum exponentiellen Wachstum zwei Parameter (Rm, K), die das dynamische Verhalten der Population bestimmen. • Die in einer Population realisierte individuelle Wachsturns rate R(N) sinkt linear mit der Populationsgrofse (~ Abb. 2.7). Dies bezeichnet man als Dichteabhangigkeit. Dichteabhangigkeit ist der Schlussel fur das Verstandnis der Regulation (S. 82) von Populationen. Nahezu jeder Prozess in einer Population kann dichteabhangig sein . Die Dichteabhangigkeit muss aber nieht linear verlaufen. • R(N) ist die Differenz aus der Pro-Kopf-Geburten- und Sterberate. Urn eine lineare negative Beziehung zwischen R(N) und Populationsgrofse zu bekommen, muss zumindest die Pro- Kopf-Geburtenrate mit der Populationsgrofse linear abnehmen bzw. die Pro- Kopf-Sterberate mit der Populationsgrofse linear zunehmen. • Die lineare Abnahme von R(N) mit N(t) fuhrt zu einer quadratischen Gleichung fur die Beziehung zwischen der Wachstumsrate der Population und der Populationsgrofse ( ~Abb. 2.7). Der quadratische Term hat ein negatives Vorzeichen und damit ist der Graph eine nach unten geoffnete Parabel. Das Maximum der Wachstumsrate der Population liegt bei K/2 ( ~Abb. 2.7b). • Die Dynamik der Population steigt aufgrund dieser Eigenschaften des Populationswachstums nicht mehr ungebremst an, sondern schwenkt im Laufe der Zeit auf K ein (asymptotische Annaherung an K). K bezeichnet man als Kapazitatsgrenze (carrying capacity) (~ Abb. 2.8) und das Svformige Populationswachstum als logistisches Populationswachstum. Ist die Kapazitatsgrenze erreicht, steht die Population im Gleichgewicht mit ihrer Umwelt. • Wir konnen keine Form der Gleichung angeben, mit der die Populationsgrofse fur eine beliebige Zahl von Zeitschritten taus der Populationsgrofse zu Beginn berechnet werden kann. Man ist gezwungen, die Populationsgrolse von Zeitschritt zu Zeitschritt auszurechnen. Gegenuber dem exponentiellen Wachstum haben wir nur eine Annahme geandert: Die individuelle Wachstumsrate ist nicht mehr konstant. Dadurch werden aber implizit andere Annahmen notig. So mussen wir fur unser logistisches Modell annehmen, dass nun Rm und K unveranderlich sind . Zudem hat das Modell eine "eingebaute" Zeitverzogerung, Die Dichteabhangigkeit wirkt zum Zeitpunkt t, das Populationswachstum findet aber von t nach t + 1 statt. Betrachtet man die Zeitreihen in Abbildung 2.3, so kann man keine Zeitreihe ausmachen, die einen dem logistischen Wachstum ahnlichen Ssformigen Verlauf zeigt. Den S-formigen Verlauf findet man nur; wenn die Zeitreihe bis hin zu den .Anfangen" der Population zuruckreicht. Dennoch gibt es eine Moglichkeit zu prufen, ob eine Population sich gernafs dem logistischen Wachstum verhalt, Eine grundlegende Annahme der Wachstumsgleichung war ja, dass die realisierte individuelle Wachsturnsrate mit der Populationsgrofse abnimmt. Diese Rate kann man aus jeder Zeit-
2.3 Populationsdynamik
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15
Zeitschritte
2.8 LogistischesWachstum der Population: Beispiele fOr logistisches Wachstum (in allen Beispielen N{O) = 2) fur verschiedene Kombinationen der Parameter Rm und K (a und c; entsprechende logarithmische Auftragung in b, und d). Die PopulationsgroBe ubersteiqt niernaIs die Kapazitatsqrenze K. Je groBer Rm, umso schneller nahert sich die Population ihre Kapazitatsqrenze. In einer logarithmischen Auftragung steigt die PopulationsgroBe anfanglich linear mit der Zeit an, d. h. zuerst wachst die Population annahernd exponentiell.
reihe berechnen: (N(t + 1) - N(t))/N(t). Eine negative Beziehung zwischen der so geschatzten individuellen Wachstumsrate und der Populationsgrofse N( t) ware ein Zeichen fur Dichteabhangigkeit, also fur ein wesentliches Element des logistischen Wachstums ( ~Abb. 2.9). Haufig mussen Populationen eine gewisse Mindestgrofse annehmen, damit z. B. Paarung oder Balz geordnet ablaufen konnen. Das gilt besonders bei Organismen mit Sozialstruktur. Ein kleines Lowenrudel ist bei der Iagd sicherlich nicht so erfolgreich wie ein Rudel mit vielen Tieren . Damit wird die individuelle Wachstumsrate anfanglich mit der Population ansteigen und erst nach einem bestimmten Maximalwert wieder abfallen (Allee-Effekt; ~ Abb. 2.10; Courchamp et al. 1999, Stephens und Sutherland 1999). Dieser Allee-Effekt fuhrt zu einer nichtlinearen Beziehung zwischen R(N) und der Populationsgrofse N, wobei es mitunter zwei Schnittpunkte mit der Abszisse (Populationsgrofse) geben kann (Pfeile in Abb. 2.l0a). Damit existieren fur eine Population zwei Populationsgrolsen Kl und K2 mit R(N) = O. Beide Zustande stellen wiederum Gleichgewichte dar, die Eigenschaften dieser Gleichgewichte unterschei-
59
60
2 Populationen
Podiceps nigricollis
2
•
~
•
~I
::::-
0
+
~
-1
0
25
50
75
100
Populationsqrofse
2.9 Test aut Dichteabhangigkeit fur die Zeitreihe des Schwarzhalstauchers (.-Abb. 2.3c). FOr die logistische Wachstumsgleichung wird eine Iineare Abnahme der individuellen Wachstumsrate mit der PopulationsgroBe angenommen. Diese Rate lasst sich aus der Zeitreihe schatzen, indem man die Differenz zwischen zwei aufeinander folgenden Werten auf die PopulationsgroBe bezieht: N(t+ 1) - N(t) N(t)
den sich aber grundlegend. Betrachten wir die Wachstumsrate der Population (.- Abb. 2.10b) . Der Graph dieser Rate gegen die Populatlon sgrofse kann in drei Bereiche gegliedert werden: Bereich 1 mit Populationsgrofsen < K1, Bereich II mit Populationsgrofsen K1
K2. Im Bereich II ist die Wachstumsrate der Population > 0 (.- Abb. 2.lOb) . Damit wird die Population anwachsen, sobald sich die Populationsgrofse in diesem Bereich befindet. Wachst die Population tiber K2 hinaus, dann befinden wir uns im Bereich III mit negativer Wachstumsrate der Population, was bedeutet, dass die Populationsgrofse wieder mit der Zeit sinken wird. Die Populationsgrofse pendelt sich demnach auf K2 ein. K2 ist ein stabiles Gleichgewicht. Das kann man daran erkennen, dass die Pfeile fur die Richtung des Populationswachstums an diesem Punkt aufeinander zeigen. Ein nach
~ ~
E
Qj
~
s: u
~
:~ 00-
- --
N =Kl
N = K2
"' 0
~~ ::l ::l
0
_0-
'" ... 0 .<:
~
u
OJ
~
~~
::l
"tl
's
:c
0 > .;:;
II>
g>
c
.S N =Kl
a
C
--
N = K2
Popu lationsqrolse
b
Populationsqrorle
2.10 Beispiel fur eine nichtlineare Beziehung zwischen realisierter individueller Wachstumsrate und PopulationsgroBe (Allee-Effekt) (a). Aus der nichtlinearen Beziehung zwi schen individueller Wachstumsrate und PopulationsgroBe ergibt sich eine Wachstumsrate der Population, die in drei Bereiche zerfallt (b). Bereich I mit einer Abnahme der Population, Bereich II mit Wachstum der Population und wiederum Bereich III mit einer Abnahme der Population. Zunahme und Abnahme sind durch die Pfeile Ober der Abbildung symbolisiert . Man beachte, dassbei Kl Bereiche aufeinander treffen, bei denen die pfeile des Populationswachstum voneinander wegzeigen (Iabiles Gleichgewicht), bei K2 aber Bereiche mit aufeinander zu zeigenden pfeilen (stabiles Gleichgewicht).
2.3 Populat ionsdynamik
rechts weisender Pfeil steht fur einen Anstieg der Populationsgrofse, ein nach links weisender dagegen fur eine Abnahme (Pfeile in Abb. 2.lOb). K1 ist dagegen ein labiles Gleichgewicht (die Pfeile zeigen vom Gleichgewicht weg). Hat eine Population genau die Populationsgrofse K1) so bleibt die Populationsgrofse unverandert . Doch bereits kleinste Abweichungen fuhren je nach Richtung der Abweichung zu einer unterschiedlichen Richtung des Populationswachstums. Ist eine Population erst einmal im BereichI, wird sie weiter unaufhaltsam abnehmen. In einer realen Population fuhrt das zwangslaufig zum Aussterben. Wird die Population etwas grofser als K1, fuhrt das zu einem Anwachsen in Richtung K2. Die Beobachtung, dass viele populationsdyn amische Prozesse in kleinen Populationen nicht geordnet ablaufen, ist von besonderer Wichtigkeit fur deren Erhalt. Fur Pflanzenpopulationen konnte gezeigt werden, dass Samenansatz und Samenqualitat einzelner Individuen mit der Populationsgrofse ansteigt. So konnten Fischer und Matthies (1998) fur den Deutschen Enzian Gentianella germanica zeigen,dass die Zahl der Fruchte pro Pflanze,der Samen pro Frucht und somit die Gesamtzahl der Samen pro Pflanze mit der Populationsgrotie zunahm . Aufgrund von Experimenten konnte zudem nachgewiesen werden, dass diese Korrelation nicht von der Habitatqualitat abhing. Alsmogliche Faktoren kommen Inzucht aber auch Bestauber in Frage.
2.3.3 Kontinuierliches Populationswachstum Bishererfolgtedas Wachstum der Population in diskreten Zeitschritten. Die Werte der Parameter waren von der Dauer des gewahlten Zeitschrittes abhangig. VieleOrganismen (z. B. Bakterien, Menschen) haben iiberlappende Generationen (kontinuierliches Populationswachstum). Zur Beschreibung des kontinuierlichen Populationswachstums berucksichtigen wir zunachst wieder die Lange des Zeitschrittes. Die Wachstumsrate der Population in einem Zeitschritt !:.tergibt sich zu N(t+t:..t)-N(t) ~t
(2.19)
Wir betrachten nun diese Wachsturnsrate der Population bei immer kleiner werdenden Zeitschritten. Der Differenzenquotient ~N(t) geht dann m . emen . O'f'C .I . dN(t) lib -----;;:t I rerenzia quotienten ~ u er.
(2.20)
Fur exponentiellesWachstum mit diskreten Generationen war die Wachstumsrate der Population R N(t), also proportional zur Populationsgrofse. Ganz entsprechend solI beim kontinuierlichen Populationswachstum die Wachstumsrate der Population proportional zu N( t) sein. Beim diskreten Wachstum war die individuelleWachstumsrate Rein Proportionalitatsfaktor, der von der Langedes Zeitschrittes abhing und der den Beitragjedes Individuums am Populationswachstum beschrieb. Fur das kontinuierlicheWachstum brauchen wir ebenfalls einen Proportionalitatsfaktor, den wir mit r bezeichnen wollen, da er sich auf kleine Zeitschritte bezieht. Oann ergibt sich: dN(t) dt
= r N(t)
(2.21)
61
62
2 Populationen
Fur eine explizite Darstellung wird diese Differenzialgleichung integriert: (2.22)
N(t) = N (O) eT/
Damit konnen wir fur jede beliebige Zeit t die Populationsgrofse aus der anfanglichen Populationsgrofse sowie dem Parameter r berechnen (die Uberfuhrung der diskreten Gleichung fur exponentielles Wachstum in die kontinuierliche Form findet sich in Case 2000). r hat die Einheit Individuen pro Zeit und kann daher aufbeliebige Zeitschritte umgerechnet werden. Vergleicht man die Gleichungen fur exponentielles Wachstum im diskreten und kontinuierlichen Fall, so kann man die Beziehung zwischen A und r ableiten , wobei Tim diskreten Fall die Anzahl der Zeitschritte ist. Da man die kontinuierliche Gleichung fur beliebige Zeitschritte benutzen kann gilt: N(T)
= AT N(O) = N(O) erT
AT = erT
Tln(A) = rT In(A) = r bzw. A = er
(2.23) (2.24) (2.25) (2.26)
Entsprechend kann man auch ein kontinuierliches Populationswachstum mit Dichteabhangigkeit ableiten, indem man r linear mit N abnehmen lasst. Ganz entsprechend wie fur R ergibt sich: dN(t) =r N (t )(l- N(t )) dt m K
(2.27)
Die integrierte Form der Gleichung lautet: N (t )=
K
1+ K-N(O )
-rmt
(2.28)
N(O) e
Meist (zu Ausnahmen kommen wir etwas sparer) ergeben die Modelle fur logistisches Wachstum in der diskreten oder kontinuierlichen Form eine ahnliche Dynamik der Populationsgrofse, sodass wir die kontinuierlichen Gleichungen nicht weiter diskutieren mussen, Die Annahmen entsprechen sich ebenfalls, mit zwei Ausnahmen: Zum einen wurden die diskreten Zeitschritte aufgegeben, zum anderen wirkt die Dichteregulation ohne Zeitverzogerung.
2.3.4 Populationswachstum und Altersstruktur Nahezu aIle physiologischen Phanomene verandern sich in geordneter Weise mit dem Alter eines Individuums (S. 37 und ~ Kasten 2.2). Zudem unterscheidet sich die Lebensgeschichte der Individuen in einer Population (z. B. wann das erste Mal lungtiere geboren werden; in welchen Intervallen ein Individuum Nachkommen hat ). Lebenstafeln (life history tables) erfassen dies in Tabellenform. Wir betrachten zunachst eine Insektenart, die sich uber mehrere Larvenstadien in diskreten Generationen entwickelt ( ~ Tab . 2.2). Wir bezeichnen aIle Individuen, die in einem gewissen
63
2.3 Popu lat ionsdynamik
Tabelle 2.2: Beispiel einer Lebenstafel fur eine Kohorte von Individuen mit diskreten Larvenstadien. Bei diesem Beispiel handelt essich um die Heuschrecke Chorthippus brunneus. Vereinfacht nach Richards und Waloff (1954). FOr die Erklarung der Spalten sieheText. Spaltel Stadium
Spalte 2 x
Eier Larven I
Spalte 3 a,
I,
Spalte 4
44000
Spalte 5
Spalte 6
q,
Spalte 7 k,
1,000
0,920
0,920
1,099
0,286
0,146
d,
2
3500
0,080
0,023
Larven II
3
2500
0,057
0,014
0,240
0,119
Larven III
4
1900
0,043
0,011
0,263
0,133
Larven IV
5
1400
0,032
0,002
0,071
0,032
Imago
6
1300
0,030
0,030
1,000
Spalte 8
Spalte 9
Spalte 10
22000
16,9
0,50
F,
m,
I,m,
Zeitraum geboren werden, als Kohorte. Die Individuen einer Kohorte durchleben Schritt fur Schritt die einzelnen Lebensstadien, in unserem Fall Larvenstadien. In Tabelle 2.2 sind nun in einzelnen Spalten die wichtigen Kennzahlen einer Kohorte fur die verschiedenen Larvenstadien zusammengefasst. Eigentlich enthalten nur zwei Spalten erhobene Daten . Die anderen Spalten wahlen nur einen anderen Betrachtungspunkt, sodass die in den Daten enthaltene Information je nach Fragestellung moglichst offensichtlich wird: • Spalte 1 benennt die Entwicklungsstadien. Spalte 2 nummeriert diese Stadien von I (Eier) bis 6 (Imagines). Wir kennzeichnen diese Stadien oder auch Altersklassen mit x. Beide Spalten sind wichtig fur die Buchfuhrung. • Spalte 3 enthalt einen Teil der Freilanddaten, namlich die Anzahl von Individuen der Kohorte, die bis zum jeweiligen Stadium x uberlebt haben (aJ.
Kasten 2.2 Altersaufbau einer mensch lichen Population - - - - - - - Die menschliche Population besteht aus rund 100 Jahrgangsklassen und zwei Geschlechtern. Obli cherwe ise wird dies in Alterspyramid en aufgetragen, bei denen die JOngsten zuunterst und die AI testen zuoberst , Frauen rechts, Manner links dar gestellt werden . Solche Pyramiden spiegeln wichtige biologische und soziale Aspekte einer Bev61kerung wider. Der Altersaufbau der deutschen Bev61kerung vorn 31.12.20 00 (Abbi ldung oben) zeigt, dass es in der jOngeren Halfte der Bev61kerung einen MannerOberschuss gab (weil mehr mannl iche als weibli che Kinder geboren werden) und in der alteren Halfte einen FrauenOberschuss (wei l die Frauen eine geringere Sterblichkeit haben) . H6here Mortalitatsraten wahrend der beiden Weltkriege zeigen sich zweifach : Ais reduzierte Jahrgangssta rke und
spater als Geburtenausfall. Eine starke Abnahme der Jahrgangssta rke ab etwa 1965 ist auf ein verandertes Reprodukt ionsver halt en und auf ein damals breit verfOgbares neues VerhOtungsmittel (die Pille) zurOckzufOhren (Pillenknick). Die Veranderung des Altersau fbaus im 20. Jahrhundert zeigt, dass zu Beginn ein pyrami denart iger Aufbau bestand (Abbildung unten), d. h. die Bev61 kerung du rch eine hohe Geburtenrate und hohe Mortalitat gekennzeichnet war. Dies entspricht weitgehend dem fur ein heutiges Entwicklungsland typischen Aufbau . Die fo lgenden Abbildungen zeigen, dass die Mortalitat abnimmt und die Lebenserwartung steigt. Die beiden Weltkriege verzerren jedoch den ehemals regelmal3i gen Aufbau der Alterspyramide.
64
2 Popu lationen
Alter in )ahren
M annlich
W eibllch
100
Frau eniib er schu ss
90 ~ Geburt enau sfall
Geburte nausfall im 1. Weltk rieg
Gefallene des 2. Weltkriegs
im 1. Weltkrieg
80
Geburtenausfa ll wah rend der Wirtschaftskrise um 19 32
70
~
Gebu rt enausfall wahren d der Wirtschaftskrise
um 193 2
60
Geburtenausfall Ende des 2. Weltkriegs
50
M ann er iiberschuss - -
40
Pillenknick
/
30
' \ Pillenknick
20
10
.-----.----(''--- .----+
80 0
600
400
200
o
0
o
200
Tausend je Alt ersjahr
100
1910 Manner
400
600
800
Tausend je Alt ersjahr
1925
1961
193 9
1983
Frauen
80 ~
s: 60
'" ...
~
~
<
40 20 0
10 5
0
5 10
10 5
0
5 10
10 5
0
5 10
10 5
0
5 10
10 5
0
5 10
Promille
Oben: Au fbau der Bevolkeru nq Deutschl ands am 31.12.2000. Nach www.destat is.de.; unten : Aufba u der Bevo lk erunq in Deut schland zu f Onf Zeitpunkten von 1910 bis 1983. a) erster Wel tkrie g, b) zw eit er Welt kr ieg. c) Pillenknick. Nach Birg (1989).
2.3 Populationsdynamik
• Die Angaben von Spalte 3 werden naturlich von Untersuchung zu Untersuchung schwanken, sodass ein Vergleich von Lebenstafeln nur schwer moglich ist. Spalte 4 stellt eine Vergleichsbasis her, indem die Eintrage von Spalte 3 auf eine feste Ausgangszahl in der Klasse x = 1 bezogen werden . Meist wahlt man dazu den Wert 1 (manchmal auch 1000). Dieser Wert sei /1 ' Dann ergibt sich: / = Ilax • Fur / = 1 folgt I =
al
x
I
x
~ a
(2.29)
l
Mit /1 = 1 kann jeder Eintrag in Spalte 4 als Wahrscheinlichkeit aufgefasst werden, mit der ein Individuum von der Altersklasse 1 bis hin zur Klasse x uberlebt CUberlebensrate; wir werden im Weiteren immer von II = 1 ausgehen). Man tragt haufig die Werte von /x gegen x auf und erhalt so eine Uberlebenskurve (.. Abb. 2.11). • In Spalte 5 wird nun der Anteil von Individuen dx errechnet, der wahrend cines Entwicklungsstadiums stirbt: dx = /x-/x+I ' Je mehr Individuen in einem Stadium leben , umso mehr Individuen sterben auch, was einen Vergleich von Lebenstafeln erschwert. Man ist daher am Anteil der Individuen interessiert, die wahrend eines Stadiums sterben, und bezieht die im Stadium x sterbenden Individuen auf die Gesamtzahl an Individuen in x (altersspezifische Mortalitatsrate qx; Spalte 6): (2.30) Da /
x
=ax at
und damit a = a j x
/
x
folgt
(2.31) (2.32)
Wie man sieht, kann die altersspezifische Mortalitatsrate aus verschiedenen Spalten der Lebenstafel errechnet werden. • 1m Gegensatz zu den dx-Werten konnen die qx-Werte nicht einfach aufsummiert werden. So ergibt sich die Mortalitatsrate fur die gesamte Larvenperiode nicht einfach aus der Summe %+ q3 + q4 + qs' Dies wird durch Spalte 7 erreicht. Diese Spalte berechnet die so genannten killing power kx mit kx = log(a) -log(ax + I)' Da ax = a l Ix und damit nach den Rechenregeln fur Logarithmen log(a l l) = log(a l ) + 1,0
2
0,1
~
0,01
Qj
C Qj
..0 Qj
-.:: Qj
..0 '::::l
0.001 0,0001 0,00001 0,000001
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Altersklassen
2.11 Oberlebenskurven. Auf der Abszisse werden die Altersklassen, auf der Ordinate die Oberlebensrate ', abgetragen. Die Oberlebensrate wird dabei meist log arithmisch transformiert. Die Daten fur die beiden Beispiele wurden Tabelle 2.2 und Tabelle 2.3 entnommen.
65
66
2 Populat ionen
log(l) folgt kx = log(l) - log (Ix + I)' Die kx-Werte durfen aufsummiert werden, sodass sich der kx-Wert fur die Larvenperiode aus k2 + k, + k4 + k; ergibt. • Damit sind aIle wichtigen Spalten, die das Uberleben der Individuen betreffen, besprochen, und wir wenden uns dem Nachwuchs zu (Spalte 8). Diese Spalte enthalt wie Spalte 3 Freilanddaten. Insekten legen nur als Imagines Eier, sodass ein Eintrag nur fur das letzte Stadium moglich ist. Man findet dort die Summe aller in einer Altersklasse gelegten Eier bzw. produzierten Iungtiere. In Spalte 9 wird diese Angabe auf die Imagines bezogen: mx = Fx / ax' Somit ist mx die mittlere Zahl gelegter Eier pro Imago. Da sich die Eizahl pro Individuum mit dem Alter andem kann, spricht man von altersspezifischer Fekunditat. Aus einer Lebenstafel lasst sich die Populationsdynamik ableiten. Dazu nehmen wir wieder an, dass es sich um eine Population ohne Zu- und Abwanderung handelt. Wir mussen noch zusatzlich festlegen, welches Stadium wir fur die Populationsdynamik betrachten wollen. Es liegt nahe, dass wir uns fur die Imagines entscheiden. Nach der fundamentalen Gleichung ergibt sich N(t+ 1) = N(t) + Geburten - Sterbefalle. Da in unserem speziellen Beispiel keine Imagines von einer Generation zur anderen uberleben und so zur Populationsgrofle der nachsten Generation beitragen, ergibt sich die Populationsgrofse N( t + 1) aus der Anzahl der gelegten Eier, die sich bis hin zum Imago entwickeln konnen. Damit ist N( t + 1) gleich der Anzahl durch die Imagines der Generation t produzierten Nachkommen abzuglich der Zahl an Nachkommen, die wahrend ihrer Entwicklung zum Imago sterben. Die Zahl der Geburten ergibt sich 6
aus der Summe aller Eintrage in Spalte 8
(Llx; im Fall unserer speziellen Lebenstax=1
fel hat diese Summe nur einen Summanden gro6er 0, F6 ) . Die Sterbefalle ergeben sich aus der Summe aller Geburten multipliziert mit dem Anteil aller Individuen, die vom Ei bis hin zum letzten Larvenstadium sterben:
s
LA =
16 ) = (l - 16 ) ,
(II -
(2.33)
x =1
Macht man sich zudem klar, dass N(t) = a6 , so folgt: 6
N(t+ 1)= Llx 1
6
-(l-16)~)X 1
6
=:6 L l x
= ~N(t)
(2.34)
1 I
6
Ro =
Llx _I -
a
I
6
6
6
x x ='" L. F ='" L. mxa a ="'1 L. xmx 1
aI
1
1
1
(2.35)
~ bezeichnet man als Vermehrungsrate (oder Nettoreproduktionsrate). Fur unseren Fall ist Ro = A (man vergleiche das exponentielle Wachstum im diskreten Fall mit obiger Gleichung). Spalte 10 wurde eingefuhrt, um die Nettoreproduktionsrate ein-
2.3 Po p u la t io nsd yn a m ik
fach bestimmen zu konnen. Ro hat zwei unterschiedliche Bedeutungen. Erstens beschreibt Ra die mittlere Anzahl von Nachkommen, die ein durchschnittliches Individuum im Laufe seines Lebens hervorbringt, und zweitens beschreibt Ra auch den Wachstumsfaktor (5. 55) der Population von Generation zu Generation. Die Lebenstafel in Tabelle 2.2 ist ein spezieller Fall, bei dem die Generationen klar getrennt waren. Viele Arten haben aber uberlappende Generationen. Generell ergibt sich die Interpretation dieser Lebenstafel aus den Erfahrungen von Tabelle 2.3 (die Uberlebenskurve fur Tabelle 2.3 findet sich in Abbildung 2.11). Etwas schwieriger ist nur die Interpretation von Ro' Wie in Tabelle 2.2 ist auch im vorliegenden Fall Ro die mittlere Anzahl von Nachkornrnen, die durch ein Individuum im Laufe seines Lebens hervorgebracht wird. Aber welche Bedeutung hat dieses Ro fur das Populationswachstum, also in welcher Beziehung stehen Ro und r (die Seepocke zeigt ein kontinuierliches Wachstum)? 1m Faile der Heuschrecke konnte die Population im Laufe eines Zeitschrittes urn den Faktor Ro = A anwachsen . Ein Zeitschritt entsprach einer Generation. Ro beschreibt also das Populationswachstum in Schritten von Generationen und bezieht sich daher auf die mittlere Dauer T einer Generation. Nach einer Zeit von Tgilt N(T) = Ro No sowie N(D = N(O) erT und damit r = IniRo ).
(2.36)
Man kann aus den Angaben in einer Lebenstafel eine Naherung fur die Generationsdauer ableiten: k
Lx1xrnx y", _l, -;-_ k
_
(2.37)
L1xrnx I
k steht fur die maximale Zahl an Alterklassen. Tabelle 2.3: Lebenstafel fur die Seepocke Balanus glandula. Nach Connell (1970). 1m Gegensatz zu Tabelle 2.2 handelt es sich bei diesem Beispiel aber um eine Art, bei der die Individuen lanqer als eine Generation Oberleben (Oberlappende Generationen). Die Lebensgeschichte der Individuen wird daher nicht nach Stadien sondern nach dem Lebensalter (in Jahren) erfasst. FOr die Erklarunq der Spalten siehe Text.
x
a,
I,
d,
q,
k,
1
1000000
1,0
0,999938
1,000
4,208
0
2
62
0,000062
0,000028
0,452
0,261
4600
0,285
3
34
0,000034
0,000014
0,412
0,097
1600
0,296
4
20
0,000020
0.000004
0,200
0,163
11600
0,320
5
16
0,000016
0,000005
0,313
0,163
12700
0,203
6
11
0,000011
0,000004
0,364
0,196
12700
0,140
7
7
0,000007
0,000005
0,714
0,544
12700
0,089
0,000
8
2
0,000002
0,000000
0,000
9
2
0,000002
0.000002
1,000
m,
I,m, 0
12700
0,025
12700
0,025
67
68
2 Populationen
In unseren beiden Beispielen haben wir aile Individuen gleich bewertet. Bei Seepocken macht das Sinn, da diese Organismen Zwitter sind, also aile Individuen Nachkommen produzieren. Bei den meisten Tierarten gibt es aber Mannchen und Weibchen, die eine ganz unterschiedliche Lebensgeschichte haben konnen, So sind die Uberlebenskurven fur Mannchen und Weibchen haufig recht unterschiedlich, da auf beide Geschlechter unterschiedliche Faktoren wirken (z. B. Risiko der Balz bei Mannchen und Risiko der Brutpflege bei Weibchen; ~ Abb. 2.12 c). Man kann Lebenstafeln fur mannliche und weibliche Individuen getrennt ersteilen. Naturlich entfailen Fx und mx fur Mannchen, sodass auch Ro eigentlich nur fur Weibchen definiert ist. Im Beispiel der Heuschrecken haben wir nicht zwischen Mannchen und Weibchen unterschieden. mx ist dabei ein Mittelwert tiber aile Individuen, also Mannchen und Weibchen. Uberlebenskurven lassen sich in drei Typen einteilen (~ Abb. 2.12a). Beim Typ I sterben die meisten Individuen an Altersschwache, sodass die Uberlebenskurve erst bei den hohen Altersklassen stark abfallt. Beim Typ II ist die Mortalitatsrate fur aile Altersklassen gleich, sodass sich bei einer logarithmischen Auftragung der Oberlebenskurve eine Gerade ergibt . Beim Typ III sterben die meisten Individuen in den
~
~
sc:
~
¢I
.0
~
0;
.0
'::::l
a
1,0 ~
~
sc
~
~
0,1
~
c: ~
¢I
¢I
.0
.0
¢I
-.::: ¢I
.0
¢I
-.::: ¢I
0,01
.0
:::::l
:::::l
0,001
b
1,0
Ciconia ciconia
+--.---r---,--r--.---.---,---.
o
2
4
6
o
8 10 12 14 16
Altersklassen (jahre)
0,1
c
5
10
15
20
25
Altersklassen (zwei Wachen)
2.12 Die drei qrundsatzlichen Typen von Oberlebenskurven (a) sowie Beispiele tOr reale Oberlebenskurven vom WeiBstorch (b) und einer amerikanischen Eidechsenart (c). Beim WeiBstorch ist die Gerade tOr eine konstante Mortalitatsrate eingezeichnet. Beachte, dass keine der realen Oberlebenskurven den idealisierten Typen entspricht. Daten tOr (b) nach Bairlein und Zink (1979), fur (c) nach Tinkle (1967).
2.3 Populationsd ynam ik
jungen Altersklassen. Die Uberlebenskurve fallt in den jungen Altersklassen sehr stark abo Die beiden von uns beispielhaft analysierten Lebenstafeln entsprechen Typ III (vgl. Abb. 2.11 mit 2.12a), wahrend fur Typ I Grofssauger, aber auch der Mensch Beispiele sind. Reale Uberlebenskurven entsprechen aber selten den in Abbildung 2.12a dargestellten Idealisierungen. Vielmehr sind sie Versatzstiicke aus den drei Grundtypen. So ergibt sich beim WeiBstorch fur die mittleren Altersklassen ein linearer Verlauf (Typ II; mit dem Alter konstante Mortalitatsrate; ~ Abb. 2.12b). Fur die junge Alterklasse und die beiden hochsten Altersklassen ergeben sich jedoch Abweichungen. Man kann ~, T und davon abgeleitet r benutzen, urn das Wachstum der gesamten Population naherungsweise zu beschreiben. Da wir keine Riickkopplungen der Populationsdichte auf Geburten und Sterbefalle eingebaut haben, ist das Wachstum der Population exponentiell, solange die Lebenstafel fur den betrachteten Zeitraum reprasentativ ist. Die Dynamik der gesamten Population sagt aber noch wenig uber die Dynamik der einzelnen Altersklassen und damit der Alterstruktur aus. Man kann die Dynamik der einzelnen Altersklassen aus der Lebenstafelleicht mithilfe eines Programms fur Tabellenkalkulation errechnen ( ~Abb. 2.13). Die Anzahl Individuen in der Altersklasse x = 1 zum Schritt t + 1 ergibt sich aus der Summe der alterspezifischen Fekunditaten, multipliziert mit der jeweiligen Individuenzahl der Altersklasse. Die Individuenzahl in Altersklasse x = 2 ergibt sich aus (I - q,) a" in der Altersklasse 3 zu (1 - q) a2 uSW. qx ist die Mortalitatsrate und damit ist natiirlich 1 - qx der Anteil an Individuen, der von x nach x + 1 iiberlebt. Beachte den Unterschied zwischen 1 - qx und Ix: Ix gibt die Uberlebenswahrscheinlichkeit von der ersten Altersklasse bis zur Alterklasse x an , wahrend 1 - qxdie Wahrsche inlichke it des Uberlebens von einer zur nachsten Altersklasse angibt. In Abbildung 2.14 wurde die Berechnung mit einer extremen Altersvert eilung gcstartet: 100 Individuen in Altersklasse 1 (N,(O) = 100); man benotigt neben der Zeit nun noch einen weiteren Index, urn auch die Altersklas-
Nl(l + 1)
N l(1)
N 2(I + 1)
= 1 N 2(1) + 2 N 3(1) + 1 N 4(1)
I
I
I
N 2(1)
N 3(1)
N 4(1)
= 0,8 N~
N l (1 + 1)
0,5
N 2(1 + 1)
N~
0,25
N 3(1 + 1)
N~ N 4 1+ 1
2.13 Populationswachstum mit Altersklassen. Das Schema zeigt das qrundsatzliche Vorgehen tOr vier Altersklassen. Die Oberlebensraten betragen 0,8, 0,5 und 0,25 fOr den Obergang von Altersklasse 1 zu 2, von 2 zu 3 bzw. von 3 zu 4. Danach sterben aile Individuen. Junge werden nur von den Altersklassen 2 bis 4 hervorgebracht und zwar pro Individuum ein, zwei bzw. ein Jungtier.
69
70
2 Populationen
sen spezifizieren zu konnen und keine Individuen in allen anderen Altersklassen. Die Individuenzahlen fur die einzelnen Altersklassen wurden gegen die Zeit aufgetragen, wobei die Ordinate logarithmisch transformiert wurde. Falls das Wachstum exponentiell ist, sollten sich Geraden ergeben. • Nach wenigen Zeitschritten zeigen die Individuenzahlen in allen Altersklassen einen linearen Verlauf. Damit wachst unsere Population exponentiell.
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2.14 Populationswachstum mit Altersklassen fOr die Population in Abbildung 2.13. In (a) wurde die Population mit 100 Individuen in Altersklasse 1 gestartet (N 1(0) = 100, N 2(0) = N 3(0) = N4(0) = 0) und dann fur aile folgenden Zeitschritte die PopulationsgrOBe entsprechend dem Schema berechnet. Damit ergibt sich die Zahl der Individuen in Altersklasse 2 zur Zeit t + 1 mit N/f + 1) =0,8 N,(t). Die Individuenzahl in Altersklasse 1 ist die Summe der Jungtiere, die von den Altersklassen 2 bis 4 hervorgebracht werden. Beachte, dass nach anfanqllchen Schwankungen sich eine Gerade ergibt (Ordinate logarithmisch transformiert). Damit wachst die Population exponentiell. Die kleinen Abbildungen zeigen die Altersstruktur (relative Haufiqkeit der Altersklassen 1 bis 4 zu Beginn sowie nach 20 und 40 Zeitschritten, also auch nach einer Zeit, die in (a) und (b) nicht mehr dargestellt ist). Beachte die Altersstruktur ist nach 20 und 40 Zeitschritten gleich. Startet man die Berechnungen mit 100 Individuen in Altersklasse 4 (N 4(0) = 100; N,(O) =N 2(0) =N 3(0) =0), sind zwar die anfanglichen Schwankungen etwas anders, aber es stellt sich ein identisches Populationswachstum sowie dieselbe Altersstruktur ein (b). Da in (a) und (b) die Population en mit einer extremen Altersverteilung gestartet wurde, kommt es vor, dasseinzelne Altersklassen mit keinem Individuum besetzt sind. Daher kann fur diese Altersklassen kein Logarithmus berechnet werden. Urn dies zu verdeutlichen, sind dann die zeitlich aufeinander folgenden Werte nicht durch Striche verbunden.
2.4 Evolution von Lebenszyklen
• Die Individuenzahlen fur die einzelnen Altersklassen verlaufen parallel. Damit hat sich eine stabile Altersverteilung eingestellt . • Startet man die Population mit einer ganzlich anderen Altersklassenverteilung (z. B. alle Individuen in der hochsten Altersklasse N/O) = 100; ~ Abb. 2.14b), dann stellt sich nach wenigen Zeitschritten das gleiche Populationswachstum und die gleiche Altersverteilung ein. • Durch Veranderungen der Eintrage in die Lebenstafel kann man deren Auswirkung auf die Altersverteilung leicht untersuchen. Fur A> 1 muss bei stabiler Altersstruktur der Anteil der Altersklasse an der Gesamtpopulation mit dem Alter abnehmen ( ~Abb. 2.14). Mit zunehmendem Asteigt der relative Anteil der Individuen in den unteren Altersklassen . Allein aus der Altersstruktur einer Population kann man gewisse Aussagen uber den Zustand der Population treffen . Sind z. B. hohe Altersklassen haufiger als jungere Altersklassen, kann es sich nicht urn eine wachsende Population handeln ( ~Kasten 2.3). Die Lebensaufserungen von Pflanzen hangen meist mehr von der GroBe ab als vom Alter. So muss bei vielen Pflanzen z. B. die Blattrosette eine Mindestgrolse erreichen, bevor Bluten angesetzt werden. Unter ungunstigen Bedingungen kann sogar die Pflanze wieder kleiner werden. Solche komplexen Lebenszyklen kann man mit ganz ahnlichen Methoden, wie im Falle der Altersklassen beschrieben, bearbeiten, nur benutzt man hier nicht Alterklassen sondern z. B. Grofsenklassen . Individuen rnussen nicht zwangslaufig von einer Klasse zur nachsten vorrucken, sondern konnen in einer GroBenklasse verharren bzw. sogar eine oder mehrere Klassen zuruckgestuft werden. Die Wahrscheinlichkeiten fur die Ubergange eines Individuums zwischen den verschiedenen Klassen kann man durch detaillierte Freilandbeobachtungen erfassen und in einer Obergangsmatrix zusammenfassen. Damit lasst sich dann entsprechend wie in Abbildung 2.13 die Dynamik der Pflanzenpopulation beschreiben
2.4 Evolution von Lebenszyklen Unter einem Lebenszyklus verstehen wir die Summe aller im Laufe eines Lebens moglichen Lebensaufserungen eines Individuums und deren okologische Auswirkungen. Lebenszyklen unterscheiden sich zwischen Arten. Ein extremes Beispiel sind iteropare und semelpare Arten. Die meisten Organismen reproduzieren sich im Laufe ihres Lebens mehrmals (iteropare Arten). Es gibt aber auch Arten, die nur einmal, dann meist am Ende ihres Lebens, zur Fortpflanzung schreiten. Derartige semelpare Arten finden sich vor allem bei Pflanzen. Viele einjahrige Pflanzen setzen nur einmal Bluten an . Manchmal muss eine Art Iahrzehnte alt werden, bevor Nachkommen produziert werden und das Individuum dann abstirbt (z. B. Bambusarten). Semelpare Tierarten (z. B. manche Spinnen, Lachs) treten vergleichsweise weniger haufig auf als semelpare Pflanzenarten. Unterschiede im Lebenszyklus beruhen auf Evolution. Durch die Evolution verandern sich immer dann Merkmale (in unserem Fall Elemente des Lebenszyklus), wenn die Auspragung der Merkmale erblich ist, zwischen Individuen genetisch bedingte Variation in der Auspragung der Merkmale auftritt und die Merkmale der Selektion
71
72
-
2 Populationen
Kasten 2.3 Der demographische Obergang Aus Kasten 2.1 geht hervor, dass die menschliche Bevolkerunq exponentielle und Oberexponent ielle Wachstumsphasen aufweist. Gleichzei t ig wird festgestellt, dass Wachstum nicht unbegrenzt andauern kann und dassdie Zuwachsraten in den Indust riest aat en bzw. in den Entwicklungslandern verschieden sind. Dem Iiegen zwar die gleichen zentralen demographischen Parameter von Geburten- und Sterberate zugrunde, beide Parameter sind jedoch nicht konstant, und sie verandern sich in beiden Teilen der Welt unterschiedlich. Die Pro-Kopf-Sterberate nimmt ab, wenn sich die Ernahrunqssltuation und die hygien ischen Lebensbed ingungen verbessern bzw. eine gute gesundheitliche Versorgung qewahrlelstet ist. Hierdurch wird das Oberleben berechenbarer und Familien konnen gezielter geplant werden . Wenn Kenntnisse und Mittel zur EmpfangnisverhOtung vorhanden sind und Kinder wegen stabiler Sozialund Rentensysteme nicht als billige Arbe itskrafte oder zur Altersvorsorge benotiqt werden, sinkt die Geburtenrate. Verbesserte Ausbi ldungschancen fOr Frauen senken ebenfalls den Kinder wunsch; traditionelle Gesellschaften, in denen Kindern (oder mann lichen Nachkommen) Statuswert zukommt, erhohen ihn . Dieser Wechsel von einem Niveau hohe r Geburten- und Sterberate zu einem niedrigen Niveau wird als demographischer Obergang bezeichnet. Da in der M itte des Obergangs die Nettozuwachsrate am grol3ten ist, ist dieser Obergang gleichzeitig der Wechsel von einer niedrigen zu einer hohen Bevolkerunqsqrofse (obere Abbildung) . In Europa und anderen Ind ustriestaaten hatte der demographische Obergang spatestens im 19. Jahrhundert begonnen und ist inzwischen fast Oberall abgeschlossen (mittlere Abbildung). In den Entwicklunqslandern mussten die techni schen und sozialen Errungenschaften weitgehend importi ert werden, sie hatten z. 1. MOhe, sich durchzusetzen, und sind bis heute nicht vollstan dig implement iert. Der demographische Ober-
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Mio.
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1950
2000
gang ist daher dort noch lange nicht abgeschlossen (untere Abbildung) . Die Bevolke runq in den Industriestaaten wachst daher heute nicht mehr, in den Entwicklungslandern weist sie aber imme r noch einen starken Zuwachs auf. NatOrlich gi bt esvon St aat zu Staat bedeutende Unterschiede. Nach Nentwig (2005) und www.dsw-online.de.
2.4 Evolution von Lebenszyklen
unterliegen. Fur viele Elemente des Lebenszyklus ist bekannt, dass sie erblich sind. Da sich in der Evolution immer diejenigen Organ ismen durchsetzen, die in einer bestimmten Umwelt das hochste Vermehrungspotenzial haben, also max
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(2.38)
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maxim ieren, sind von einem naiven Standpunkt aus die wesentIich en Elemente fur einen erfolgreichen Lebenszyklus eigentIich klar : Die Organismen sollten geringe Mortalitatsraten haben, damit sie ein hohes Leben salter erreichen und ein groBes Vermehrungspotenzial besitzen. Dass diese naive Vorstellung in der Natur nicht erfullt ist, zeigt bereits ein fluchtig er Blick auf das Pflan zen- bzw. Tierreich. Wie kann man die Evolut ion der Vielfalt an Lebenszyklen erklare nr Die Energie, die ein Individuum im Laufe seines Lebens aufwenden kann, ist zwangslaufig begrenzt. Dam it steht Energi e, die fur eine Aktivitat verbraucht wurde, fur andere Aktivitaten nicht mehr zur Verfugung. Grundsatzlich kann sie in Nachkommen oder Korperreserven umge setzt werden. Die Produktion von Nachkommen erhoht zwar kurzfristig die Reproduktion, aber auch zwangslaufig die Mortalitatsrate ( ~ Abb. 2.15). Derart ige gegenlaufige Auswirkungen einzelner Aktivitaten im Lebenszyklus bezeichnet man als trade-off(~ Abb. 2.15). Welche der vielen mogl ichen Strategien ub er die gesamte Lebenszeit eines Ind ividuums hinw eg zu mehr Nachkommen fuhrt, hangt von der Umwelt aboIrn Laufe der Evolutio n haben sich je nach Selek-
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10
Altersklassen (jahre)
2.15 Beispiele fur trade-offs zwischen Elementen des Lebenszyklus . a) Trade-off zwischen Reproduktion und Zuwachs fur eine Baumart. Jeder Punkt in der Abb ildung symbolis iert ein Baumindividuum . Je mehr Zapfen ein Individuum produziert, desto weniger Zuwachsleistung zeigt dieses Individuum. Die Zuwachsleistung wurde anhand der Baumringe geschatzt. b) Tradeoff zwischen Oberleben und Reproduktion fur weibliche Rothirsche . Fur aile Altersklassen ist die Mortalitatsrate von Altt ieren mit Kalbern groBer als fur Alttiere ohne Kalber, a) nach Eis et al. (1965), b) nach Clutton-Brock et al. (1983).
73
74
2 Populatione n
tionsregime der Umwelt bestimmte Strategien herausgebildet. Entscheidend ist dabei die Reproduktionsleistung eines Individuums im Laufe seines gesamten Lebens (Fitness) . Stellen wir uns eine Art mit einem trade-off zwischen Korpergrofse und Anzahl von [ungtieren vor: Ie grolser das Individuum beim Eintritt in das Reproduktionsalter ist, desto mehr Nachkommen kann dann das Individuum in jedem Iahr produzieren. Aber urn eine bestimmte Korpergrofse zu erreichen, braucht es eine gewisse Zeit, sodass grofsere Individuen erst spater mit der Produktion von Nachkommen beginnen konnen (~ Tab. 2.4). Nehmen wir fur unser Beispiel an, dass fur jedes zusatzliche Iahr, das fur den Aufbau der Korpergrofie genutzt wird, in den Folgejahren pro Iahr 10 Iungtiere zusatzlich zur Welt gebracht werden konnen. Beginnt ein Individuum im ersten Iahr mit der Reproduktion, so hat es nach einem Iahr 10, nach zwei Iahren 20 und nach sechs Iahren insgesamt 60 [ungtiere hervorgebracht. Beginnt ein Tier erst im dritten Iahr, dann hat es nach ein oder zwei Iahren noch kein Iungtier erzeugt, nach drei, vier und mehr Iahren aber 30, 60 usw. Iungtiere. Iede Spalte in der Tabelle gibt damit die gesamte Reproduktionsleistung bis zum entsprechenden Alter fur verschiedene LebenszykIen an. Vergleichen wir nun zwei Umwelten: eine Umwelt, in der ein Individuum aufgrund harter Bedingungen nur drei Jahre alt werden kann, und eine Umwelt, in der ein Individuum funf Jahre uberleben kann. Untersucht man nun die Spalten fur drei und funf Jahre, so findet man, dass sich die fur die jeweiligen Umwelten besten Lebenszyklen, d. h. die LebenszykIen mit der grofsten Fitness, unterscheiTabelle 2.4: Gedankenexperiment zur Bedeutung von trade-offs fur die Evolution von Lebensstrategien in unterschiedlichen Umwelten. Jede Zeile zeigt eine unterschiedliche Lebensstrategie. Bei Strategie I beginnt ein Individuum bereits im ersten Jahr mit der Reproduktion, wobei die KorpergroBe aber nur die Produktion von zehn Jungtieren pro Jahr erlaubt. Mit zunehmendem Alter steigt damit die Ober die gesamte Lebenszeit produzierte Zahl von Jungtieren um jeweils zehn. Beginnt ein Individuum aber erst im dritten Jahr mit der Produktion dann erreicht diesesIndividuum eine GroBe, die die Produktion von 30 Jungtieren erlaubt. Vergleichen wir nun zwei Umwelten, die durch Fettdruck und Schattierung hervorgehoben sind. Diese beiden Umwelten unterscheiden sich darin, dass die Organismen unterschiedlich alt werden und sich so die Reproduktionsleistung je nach Strategie unterscheidet. Zur Verdeutlichung nimmt die GroBe der Reproduktionsleistung mit dunkler werdender Schattierung zu. Wenn ein Individuum ein Alter von nur drei Jahren erreichen kann, dann ist die effektivste Strategie (= die Strategie mit der im Laufe des Lebensdie meisten Jungtiere hervorgebracht werden konnen) im 2. Jahr mit der Reproduktion zu beginnen. Erlaubt die Umwelt ein Alter von sieben Jahren, dann ist die effektivste Strategie im 4. Jahr mit der Reproduktion zu beginnen.
Strategie
Alter 2
3
4
5
10
20
30
40
50
II
0
20
40
60
III
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30
60
IV
0
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120
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90
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60
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200
250
240
360
2.5 Dichteregulation und Populationsschwankungen
den. [e harter die Umwelt, desto fruher sollte man zur Reproduktion schreiten. Fitness ist ein relatives Konzept. Nur im Vergleich von zwei Umwelten kann entschieden werden, welcher Lebenszyklus zu einer hoheren Fitness fuhrt, 1m Laufe der Evolution kann ein Organismus nicht immer den fur eine Umwelt optimalen Lebenszyklus verwirklichen. Es gibt Sachzwange, die Kompromisse erzwingen. Ein offensichtl icher Sachzwang besteht zwischen Korpergrofse und Generationszeit. [e groBer eine Art , desto langer muss die Iugendentwicklung sein, urn die endgultige Korpergrofse zu erreichen. Das erfordert zwangslaufig eine hohere Lebensdauer und damit eine Iangere Generationszeit. Ie nach Umwelt, trade-offs und Sachzwangen ergibt sich die Vielfalt an Lebensstrategien , die wir im Pflanzen- und Tierreich beobachten konnen. Die Vielfalt lasst sich in eine gewisse Ordnung bringen. Vergleichen wir eine stabile mit einer instabilen Umwelt. Eine stabile Umwelt sei eine Umwelt mit wenig unvorhersagbaren Schwankungen (z. B. Tiefsee). Eine instabile Umwelt ist dagegen eine Umwelt, in der standig nichtvorhersagbare Veranderungen auftreten. In un seren Breiten treten ausgepragte Veranderungen von Temperatur und Niederschlag im Iahreszyklus auf. Diese Veranderungen sind aber vorhersagbar, da sie Iahr fur Iahr in etwa gleicher Weise wiederkehren. Auf derartige Schwankungen konnen sich die Organismen durch Evolution einstellen. In einer stabilen Umwelt kann die Population ihre Kapazitatsgrenze erreichen. Das fuhrt zu intraspezifischer Konkurrenz zwischen den Individuen. Es werden sich dann Individuen durchsetzen, die eine hohe Konkurrenzkraft besitzen bzw. konkurrenzkraftige Iungtiere hervorbringen. Konkurrenzkraftiger sind die grofseren Iungtiere, was mitunter Brutpflege erfordert. In einer stabilen Umwelt sollten sich demnach aile Elemente des Lebenszyklus auf Konkurrenzfahigkeit hin ausrichten. In einer instabilen Umwelt muss ein Organismus jede Gelegenheit fur die Vermehrung nutzen. Es kommt daher mehr auf die Menge, denn auf die Qualitat an. Ie nachdem, ob man wenige groBe oder viele kleine lungtiere hervorbringt, ergeben sich Merkmalskombinationen (Merkmalssyndrom), die mit einer stabilen bzw. instabilen Umwelt korreliert sind . In einer stabilen Umwelt sind vor allem Merkmale gefragt, die es erlauben, die Kapazitat K des Lebensraumes auszufullen, in einer instabilen Umwelt dagegen vor allem Merkmale, die ein moglich st schnelles Wachstum der Population errnoglichen. Man spricht auch von r-Selektion bzw. K-Selektion ( ~Abb. 2.16). Man beachte aber, dass es sich bei reiner r-Selektion bzw. reiner K-Selektion urn die Endpunkte eines Kontinuums handelt (Piank a 1970).
2.5 Dichteregulation und Populationsschwankungen 2.5.1 Intraspezifische Konkurrenz Dichteabhangigkeit ist eine Notwendigkeit, damit Populationen in einer stabilen Umwelt nicht ohne Grenzen anwachsen . Wir gingen bisher einfach davon aus, dass mit zunehmender Populationsgrofse die intraspezifische Konkurrenz ansteigt und diese auf die Geburten- bzw. Sterberate gewisse Auswirkungen hat : Mit zunehmender intraspezifischer Konkurrenz steigt die Sterblichkeit (z. B. Unterernahrung, Anfallig-
75
76
2 Populationen
-
Umwelt und Selektion sreglme
-
K-Selektion
Merkmals syndrom
[ahrllche Reprodukt ionsleistung ger ing
a
wenig Jungtiere Brutpflege moglich
-
Umwelt und Selektionsregime
-
-
Langlebigkeit
wen ige, grol!e Nachkommen
r-Selektion
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b
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Kurzlebigkeit
viele, klein e Nachkommen
2.16 Zusammenhang zwischen Umwelt, Selektionsregime und Merkmalssyndrom fOr
K- und r-Selektion.
keit fur Krankheiten) bzw. sinkt die Geburtenrate. Intraspezifische Konkurrenz urn knappe Ressourcen kann zwei unterschiedliche Formen ann ehmen, die man mit Ausbeutungskonkurrenz (scramble competition) bzw. Konkurrenz durch gegenseitige Beeintrachtigung (interference competition) umschreibt. Bei der Ausbeutungskonkurrenz (scramble competition) kommt es zu keiner direkten Interaktion zwischen den Organismen. Vielmehr reduziert der Verbrauch
2.5 Dichteregulation und Populationsschwankungen
einer Ressource durch ein Individuum passiv die Verfugbarkeit dieser Ressource fur andere Individuen in der Population. So kann es in einer Herde nebeneinander grasender Zebras intraspezifische Konkurrenz geben. Gras, das durch ein Individuum gefressen wird, ist nicht mehr fur andere Individuen verfugbar. Dies fuhrt dazu, dass aile Individuen fur die Nahrungssuche weitere Strecken zurucklegen mussen. Diese Mehraufwendungen schlagen sich letztlich auf die Kondition der Individuen nieder. Eine schlechte Kondition erhoht die Anfalligkeit fur Krankheiten, erhoht das Risiko, Raubern zum Opfer zu fallen bzw. fuhrt im Extremfall zum Hungertod oder dass ein Weibchen weniger Junge zur Welt bringt. Die wichtigste Ressource fur festsitzende Organismen wie Pflanzen ist der Raum. Hat ein Individuum einen freien Raum erobert, steht dieser nicht mehr fur andere Individuen zur Verfugung (eine Form der Ausbeutungskonkurrenz). Steigt die Dichte an Individuen, sinkt der verfugbare Raum fur ein Individuum. Pflanzen konnen auf intraspezifische Konkurrenz besonders flexibel reagieren (Schmid 1991). Das zeigt sich deutlich in Experimenten, bei denen Pflanzen in unterschiedlichen Dichten ausgesat werden. Solange die Keimlinge noch klein sind, kommt es zu keiner Interaktion zwischen Individuen. Erst ab einer gewissen Individuengrofse werden zunehmend Individuen aus der Population eliminiert. Diesen Prozess bezeichnet man bei einer Kohorte als Selbstausdunnung, Pflanzen haben aber neben der Selbstausdiinnung noch eine andere Option, urn auf intraspezifische Konkurrenz zu reagieren: Reduktion der Zahl der Module pro Genet. Damit wird nicht die Individuenzahl in einer Population konstant gehalten, sondern deren Biomasse, eine Beobachtung die man als "Gesetz" vom konstanten Ertrag bezeichnet hat ( ~ Abb. 2.17). Unabhangig von der Ausgangsdichte ausgebrachter Samen ist der Ernteertrag in etwa immer gleich. Bei geringer Ausgangsdichte hat man wenige, aber groBe Individuen, bei groBer Dichte viele, aber kleine Individuen. Bei Konkurrenz durch gegenseitige Beeintrachtigung (interference competition) kommt es im Gegensatz zur Ausbeutungskonkurrenz zur direkten Interaktion zwi8 0 0
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2.17 "Gesetz" vom konstanten Endertrag fur Mais. Ab einer bestimmten Dichte (etwa 30000 Individuen pro ha, vertikaler Strich) bleibt der Ertrag gemessen an Biomasse pro ha trotz zunehmender Individuendichte etwa gleich (7 t ha"). Der Ertrag ergibt sich als Produkt aus Dichte mal mittlerer Biomasse eines Individuums . Damit mussdie mittlere GroBe eines Individuums mit der Dichte abnehmen. Nach Daten aus Donald (1963).
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78
2 Populationen
schen den Individuen einer Population. Raum kann nieht nur passiv besetzt werden, sondern wird von vielen Tierarten (z, B. Singvogel) aktiv verteidigt (Territorien). Bei steigender Populationsgrofse konnen nicht mehr alle Individuen Territorien besetzen bzw. mussen mit Territorien minderer Qualitat vorlieb nehmen. Das schlagt sich in der Sterblichkeit und/oder der Reproduktionsleistung nieder. BeiVogeln konnte man wiederholt nachweisen, dass Inhaber von Territorien eine geringere Mortalitatsrate haben als Individuen ohne festes Territorium. Territorialitat fuhrt zu einer regelmaEigen Verteilung der Individuen im Raum ( ~Abb. 2.2).
2.5.2 Regulation und Limitierung Die Regulation der Populationsgrofse beruht auf dichteabhangigen Prozessen. Als Limitierung bezeichnet man dagegen Prozesse, die das Gleichgewieht selbst beeinflussen. Limitierende Prozesse konnen, mussen aber nicht regulierend wirken. Betrachten wir den Fall einer dichteabhangigen Pro-Kopf-Geburtenrate g(N) und einer von der Populationsgrofse unabhangigen Pro-Kopf-Mortalitatsrate 5 (~ Abb. 2.18). Vergleichen wir zwei Gebiete mit unterschiedlichen Mortalitatsraten 51 und 52' so ergibt sich, dass K von der Hohe der Mortalitatsrate abhangt: Die Mortalitatsrate wirkt limitierend. Natiirlich konnen auch dichteabhangige Prozesse limitierend wirken. Nach unseren bisherigen Uberlegungen sollte die Populationsdichte immer einem festen Wert zustreben. Dies ist aber in natiirlichen Systemen nie der Fall.Populationen schwanken nahezu immer ( ~ Abb. 2.3). Zumindest in Ansatzen kann man Unterschiede in der Variabilitat der Populationsgrofse ( ~ Abb. 2.1) zwischen Populationen
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Populatio nsqro fke
2.18 Limitierung und Regulation: Die individuelle Wachstumsrate setzt sich aus (ProKopf-) Geburten- und -Sterberate zusammen. Eine lineare Abnahme der individuellen Wachstumsrate mit der PopulationsgreBe ergibt sich immer dann, wenn zumindest die Geburtenrate mit der PopulationsgreBe abnimmt bzw. die Sterberate mit der PopulationsgreBe zunimmt. 1m gezeigten Beispiel ist nur die Geburtenrate g{N) dichteabhangig, die Sterberate s dichteunabhanqiq. Der dichteabhangige Prozess reguliert die Population. Der dichteunabhangige Prozess beeinflusst dennoch die Gleichgewichtsdichte. So ist im dargestellten Beispiel in Umwelt 2 die Sterberate groBer als in Umwelt 1. Daher ist auch die Gleichgewichtsdichte in Umwelt 2 kleiner als in Umwelt 1 (K2 < K,). Der dichteunabhangige Faktor wirkt in diesem Fall limitierend.
2.5 Dicht ereg ulat ion und Populat ionsschw ankungen
ebenfalls mit einem graphischen Modell von dichteabhangigen und dichteunabhangigen Prozessen erklaren. Dabei solI die Dichteabhangigkeit der Pro- Kopf-Sterbeund Geburtenrate nicht meh r streng einer Geraden folgen, sondern vielmehr einem Band ( ~Abb. 2.19). Man bezeichnet dies auch als unscharf dichteabhangig (density vague, Strong 1986). Damit ergibt sich kein eindeutiger Schnittpunkt meh r, sondern ein ganzer Bereich, in dem die Pro-Kopf-Sterbe- und Geburtenraten etwa gleich sind. Dam it gibt es auch keinen Gleichgewichtspunkt mehr, sondern vielmehr einen Gleichgewichtsbereich. Ie nach Umwelt, Schwankungen der Umwelt bzw. Empfindlichkeit einer Art oder Population auf Umweltschwankungen wird das Band verschieden breit sein bzw. die Starke der Dichteabhangigkeit ebenfalls von Art zu Art bzw. von Population zu Population schwanken. Dabei ergeben sich verschiedene Kombinationsmoglichkeiten, die zu zwei Kernaussagen fuhren : • Ein Anstieg der Umweltvariabilitat fuhrt zu einem Anstieg der Variabil itat der Populationsgrofse ( ~ Abb. 2.19a, b).
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Populationsgriill.e
2.19 In naturlichen Systemen folgt die (Pro-Kopf-) Geburten- bzw. -St erberat e nicht unbedingt einer Gerade. Es gibt sicherlich Schwankungen, die in den Beispielen durch ein schattiertes Band symbolisiert sind. Diese Schwankungen fUhren dazu, dasses keinen eindeutigen Schnittpunkt mehr zwischen Geburten - und Sterberate gibt, sondern vielmehr die Populat ionsgroBe in einem gewissen Bereich schwanken kann (Doppelpfeile). Dabei sind die rnoqlichen Schwankungen der Populationsqrofle umso groBer, je groBer die Ungenau igkeit der Regulation ist, vergleiche (a) mit (b), und je schwacher die Regulation ist , vergleiche (c) mit (d).
79
80
2 Populationen
• Mit zunehmender Starke der Regulation verringert sich die Variabilitat der Populationsgrofse ( ~Abb. 2.19c, d). Nach diesen beiden Aussagen sollte es systematische Unterschiede in der Variabilitat der Populationsgrofsen bzw. -dichten zwischen Organismen mit unterschiedlicher Lebensstrategie geben. r-Strategen sollten grofsere Variabilitat zeigen als K-Strategen. r-Strategen sind klein, und dam it wirken sich bereits geringere Umweltschwankungen starker aus als bei groBen Arten, die schon allein aufgrund ihrer Korpergrofse Schwankungen besser abpuffern. So konnen grofsere Saugetiere durchaus tiber eine langere Zeit hungern, wahrend kleine Spitzmause nahezu andauernd fressen mussen ( ~ Abb. 5.6). Schoener (1986) verglich die Variabilitat von Zeitreihen der Populationsgrofse von Wirbeltieren (mehr K-Strategen) mit der Variabilitat von Arthropoden (mehr r-Strategen). Entsprechend der Erwartung ergab sich, dass Arthropoden ausgepragtere Populationsschwankungen zeigen, also nach Abbildung 2.1 mehr Population A als Population B oder C ahneln.
2.5.3 Stochastizitat Ganz offensichtlich fuhren unvorhersagbare Umweltschwankungen zu Schwankungen der Populationsgrofse. Man fasst diese Einflusse auf die Populationsgrofse als Umweltstochastizitat zusammen. Diese Schwankungen konnen im Extremfall zum Aussterben einer Population fuhren. Dabei steigt das Risiko des Aussterbens mit sinkender Populationsgrofse ( ~ Abb. 2.20). Die mathematische Behandlung von Stochastizitat verlangt nach anspruchsvollen mathematischen Methoden, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll (Roughgarden 1979, Nisbet und Gurney 1982). Die grundlegenden Ergebnisse sind aber leicht verstandlich und konnen im Computer simuliert werden (Case 2000). Wir wollen in einer Simulation das Risiko des Aussterbens naher untersuchen. Die aktuelle Populationsgrofse liegt dabei weit unter der Kapazitatsgrenze. Daher ist es unnotig, dichteabhangige Prozesse zu berucksichtigen. Wir verwenden daher das Modell fur (diskretes) exponentielles Wachstum. Dazu werden nun Zeitreihen erzeugt, wobei von Zeitschritt zu Zeitschritt der Wachstumsfaktor Anicht mehr konstant ist, vielmehr wird A zufallig aus einem Wertebereich gezogen. Man startet die Population mit 50 Individuen und zieht fur jeden Zeitschritt Aaus einem Bereich zwischen 0,9 und 1,1, wobei jeder mogliche Wert von A mit gleicher Wahrscheinlichkeit auftritt. Dann ist A im Mittel 1 (Case 2000). Nach den bisherigen Erkenntnissen aus dem exponentiellen Wachstum sollte die Populationsgrofse mit A = 1 im Mittel konstant bleiben . Urn das zu prufen, wurden viele derartige Zeitreihen berechnet und fur jeden Zeitschritt die Verteilung der Populationsgrofsen tiber die Zeitreihen erzeugt ( ~Abb. 2.20a). Bereits nach 20 Zeitschritten treten in einzelnen Zeitreihen hin und wieder Werte unter 20 oder auch tiber 70 auf. Der Mittelwert der Verteilung, die erwartete Populationsgrofse, bleibt wie vermutet immer 50, nur einzelne Zeitreihen konnen erheblich von dieser Erwartung abweichen. Statistisch bedeutet dies, dass mit der Zeit die Varianz zunimmt. Diese zufalligen Populationsschwankungen fuhren letztlich bis zum Aussterben (~ Abb. 2.20b).
2.5 Dichteregulation und Populationsschwankungen
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,
500 1000
2.20 Computersimulation zu Umweltstochastizitat, Populationsschwankungen und Aussterberisiko. In (a) wurde eine Population mit 50 Individuen gestartet (N(O) = 50). Dann wurde uber 30 Zeitschritte mit dem Modell des exponentiellen Wachstums die Populationsqrofse fur N(1), N(2) usw. schrittweise berechnet, nur dass nun der Wachstumsfaktor "A. nicht konstant war, sondern aus einem Bereich von 0,9 bis 1,1 zufallig gezogen wurde. Dieser Vorgang wurde wiederholt und uber viele Wiederholungen wurde die Haufigkeitsverteilung der PopulationsgroBen fur jeden Zeitschritt bestimmt. Beachte, dass im laufe der Zeit die Verteilung eine immer groBere Spannweite von PopulationsgroBen umfasst. In (b) wird das Aussterberisiko fOr Population en mit N(O) = 5, 10, 50, 500 und 1000 Individuen Ober 100 Zeitschritte berechnet, wobei "A. nun aus einem groBeren Intervall gezogen wurde (0,5 bis 1,5). Beachte, dassdas Aussterberisiko mit steigender PopulationsgroBe abnimmt. Kleine Populationen haben auch bei einer Wachstumsrate ("A.) > 1 ein erhebliches Aussterberisiko .
Das exponentielle Modell ist nicht ideal fur derartige Untersuchungen, da die Populationsgrofse beliebige Werte annehmen kann. Fur die Abschatzung des Aussterberisikos wurde nach jedem Zeitschritt die Populationsgrofse auf ganze Zahlen gerundet. Die Populationen wurden uber 100 Zeitschritte beobachtet. Sobald die Populationsgrofse den Wert 1 unterschritt, wurde die Population als ausgestorben gewertet. Das Aussterberisiko ergibt sich dann aus dem Verhaltnis von ausgestorbenen Modellpopulationen zur Gesamtzahl simulierter Populationen. Bereits derart einfache Untersuchungen zeigen, dass kleine Populationen selbst bei einem A> 1 ein erhebliches Aussterberisiko haben. Wichtig ist, dass man beim Aussterberisiko stets angibt, fur welchen Zeitraum es gelten soll (in unserem Beispiel 100 Generationen). Aus Abbildung 2.20a geht hervor, dass mit der Zeit nicht nur die Schwankungsbreite der Populationsgrofsen steigt, sondern auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Populationsgrofse kleiner als 1 wird: Das Aussterberisiko steigt zwangslaufig mit der Zeit! Betrachtet man sehr lange Zeitraume, dann hat jede Population ein Aussterberisiko von nahezu 100 %. Damit ergeben sich folgende Kernaussagen:
81
82
2 Popu lat ionen
• Das Aussterberisiko steigt mit der Zeit. • Das Aussterberisiko steigt mit sinkender Populationsgrofse, • Das Aussterberisiko steigt mit zunehmender Stochastizitat. Neben der Umweltstochastizitat gibt es aber noch eine weitere Form von Zufallsprozessen, die als demographische Stochastizitat bezeichnet wird . Darunter versteht man, dass Individuen selbst bei konstanter Umwelt nieht immer absolut dieselben Lebensaufserungen zeigen. Die Eintrage in einer Lebenstafel waren immer mittlere Eigenschaften der Individuen. Mittelwerte konnen beliebige Zahlen annehmen. In einer realen Population werden aber manche Weibchen keine Iungen, andere ein Iunges oder zwei Iungtiere hervorbringen. Die Zahl der Iungtiere ist zwangslaufig immer eine ganze Zahl. Solange wir mittlere Eigenschaften betrachten und tiber eine hinreichend groBe Menge an Individuen mitteln, spielt dieses Problem keine Rolle. Aber in kleinen Populationen kann dies zu erheblichen Populationsschwankungen bis hin zum Aussterben fuhren, Man braucht sich dazu nur eine Population von drei schwangeren Weibchen vorzustellen. Iedes Weibchen kann kein, ein oder zwei Iungtiere hervorbringen. Bringen aIle drei Weibchen zwei Iungtiere zur Welt, dann haben wir in der nachsten Generation eine Populationsgrotse von sechs (falls die Weibchen nach der Reproduktion sterben). Bringt keines der Weibchen ein Iungtier zur Welt, fuhrt das zum Aussterben. Dazwischen konnen aIle anderen Populationsgrofsen mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit verwirklicht sein. Bereits ohne Umweltschwankungen kann es in kleinen Populationen zu erheblichen Schwankungen der PopulationsgroBe kommen. Kleine Populationen sind demnach durch demographische Stochastizitat und Umweltstochastizitat in ihrem Bestand gefahrdet, groBe Populationen vor allem durch Umweltstochastizitat,
2.5.4 Dichteregulation in naturllchen Populationen Populationen werden durch dichteabhangige Prozesse reguliert. Bisher haben wir intraspezifische Konkurrenz als wiehtigen Prozess betrachtet, der zu dichteabhangigen Geburten- bzw. Sterberaten fuhrt. Aber auch andere Prozesse in Populationen konnen dichteabhangig sein. GroBe Populationen sind das Ziel von Fressfeind en, die dichteabhangig reagieren konnen, sodass die Mortalitatsrate mit zunehmender Dichte ansteigt. Gleiehes gilt fur Krankheiten, die sieh in dichten Populationen besser ausbreiten konnen. Es ist fur das Verstandnis von Populationen und deren Dynamik wiehtig, dass man dichteabhangige und damit regulierende Prozesse genau kennt. Dazu bedarf es genauer Untersuchungen, da man aus der Dynamik der Population nur einen generellen Hinwei s auf dichteabhangige Prozesse ableiten kann (~ Abb. 2.9). Fur eine detaillierte Untersuchung kann man mit Lebenstafeln tiber einen Iangeren Zeitraum hinweg die Schwankung der Geburten- bzw. Sterberate fur verschiedene Altersklassen untersuchen. Durch Auftragen dieser Raten oder auch abgeleiteter GroBen (k-Werte; ~ Tab. 2.2) gegen die Populationsgrofse ergeben sich Hinweise darauf, welche Prozesse regulierend wirken. Leider ist der Nachweis dichteabhangiger Prozesse aus verschiedenen Grunden nicht sehr einfach, sodass mehrfach angezweifelt wurde, ob reale Populationen uber-
2.5 Dichteregulation und Populationsschwankungen
83
Tabelle 2.5: Vorkommen dichteabhanqiqer Prozesse bei verschiedenen Tiergruppen. Nach Sinclair (1989). Jeder Eintrag gibt an, in wieviel Prozent der untersuchten Populationen Dichteabhangigkeit fur Fertllltat und Mortalitat verschiedener Altersklassen nachgewiesen werden konnte. Alterklasse I umfasst junge Larvenstadien bzw. bei Wirbeltieren Nestlinge. Altersklasse II bezieht sich auf spatere Larvenstadien bzw. groBere Jungtiere. Bei Voqeln sind dies bereits selbststandiqe Individuen nach dem Verlassen des Nestes. Da in einer Population mehrere Stadien reguliert sein konnen, Obersteigen die Summen den Prozentwert 100. Gruppen
Anzahl untersuchter Populationen
Eiproduktion
Fertilitat
Mortalitat AltersklasseI
AltersklasseII
Mortalitat
Mortalitat Adulte
Insekten
47
30
40
28
13
0 21
Fische
35
6
94
0
Vogel
19
26
32
74 92
Kleinsauger
13
0
0
GroBsauger
72
68
49
marine 5auger
41
83
24
8 17
0
2
haupt reguliert werden. Vielmehr wurde behauptet, dass die allgegenwartigen Umweitschwankungen es den Populationen nie erlauben, sich der Kapazitatsgrenze zu nahern, Theoretische Okologen waren dagegen immer iiberzeugt, dass es Regulation geben muss. Die Bedeutung dichteabhangiger Prozesse wird aber auch durch Zusammenstellungen empirischer Befunde unterstrichen, die zeigen, dass Regulation eher die Regel als die Ausnahme ist. Tiergruppen unterscheiden sich aber erheblich darin, auf welche Lebensstadien dichteabhangige Prozesse wirken Tab. 2.5) bzw. welche Griinde diese Dichteabhangigkeit hat ( ~Tab. 2.6). Bei vielen Tiergruppen sind vor allem Larven bzw. Iungtiere von dichteabhangigen Prozessen betroffen. Ausnahmen stellen viele Vogel und Kleinsauger dar, bei denen die Populationen vor allem durch dichteabhangige Mortalitat alterer Iungtiere reguliert werden. Mogliche
o-
Tabelle 2.6: Ursachen der Dichteabhangigkeit fOr verschiedene Tiergruppen. Nach Sinclair (1989). Jeder Eintrag gibt an, in wieviel Prozent der untersuchten Populationen der jeweilige Faktor den dichteabhangigen Prozess bestimmte. Da in einer Population mehrere Faktoren wirken konnen, Obersteigt die Summe der Prozentwerte 100. Gruppen
Anzahl untersuchter Populationen
Insekten
51
Raum
0
Nahrung
Rauber
Parasiten
Krankheiten
Soziale Griinde
45
39
37
10
8
Vogel
15
33
53
0
6
0
47
Kleinsauqer
21
67
24
19
0
0
67
GroBsauger
72
99
0
0
3
0
marine Sauger
10
60
40
0
0
0
0
84
2 Po pulat io nen
Griinde der Dichteabhangigkeit reichen von der Nahrung bis hin zur sozialen Interaktion. Rauber und Krankheiten spielen vor allem bei Insekten eine wichtige Rolle.
2.5.5 Zyklen und Chaos Natiirliche Populationen zeigen neben unregelmafligen Populationsschwankungen auch regelmafsig wiederkehrende Schwankungen ( ~Abb. 2.3b) . • Bei vielen Saugetieren in arktischen Gebieten gibt es Zyklen von etwa 10 Iahren (z, B. Luchs, Schneeschuhhase). • Bei kleineren Nagetieren (z. B. Lemmingen) gibt es in arktischen Gebieten Zyklen von 3 bis 4 Iahren. • Einige Forstschadlinge (z. B. Larchentriebwickler) zeigen Zyklen von 8 bis 10 Iahren o Damit stellt sich die Frage nach den Ursachen solcher Zyklen. Die bisher besprochenen Modelle geben dazu noch keinen direkten Hinweis . Wir benotigen fur eine Erklarung der Zyklen zusatzliche Annahmen und Prozesse: • Zumindest theoretisch konnen regelmafsige Schwankungen der Populationsgrofse durch regelmafsige Schwankungen der Kapazitatsgrenze bedingt sein. 1m Iahresverlauf treten regelmafsige Veranderungen von Temperatur oder Niederschlag auf, die die Kapazitatsgrenze der Organismen beeinflussen. Das erklart aber nicht Zyklen mit Perioden von mehreren Iahren, Die Zyklen des Schneeschuhhasen hat man mit Zyklen von Sonnenflecken in Verbindung gebracht. Sonnenflecken beeinflussen die Sonneneinstrahlung, diese wiederum die Primarproduktion und dam it letztlich die Nahrungsressource (Sinclair et al. 1993). • Regelmafsige Populationsschwankungen treten aber auch dann auf, wenn die dichteabhangigen Prozesse nicht sofort, sondern mit gewisser Zeitverzogerung wirken
.
150
..
~
'0
0. ~
~
100
'0
~ c:
.2
Co
0
"-
~
:;
50
Co
0
"-
ZeitverzOgerung 2 Zeitschri tte 10
a
100
.2
~
:i
150
20
30
Zeitschritte
40
50
Zeitverzoqerunq 3 Zeitschritte
0
50
0
b
10
20
30
40
50
Zeitschritte
2.21 Baut man in die Gleichung fOr diskretes logistisches Wachstum eine weitere Zeitverzogerung ein, dann kommt es zu (hier gedampften) zyklischen Schwankungen der Populationsqrofle, die mit der Lange der Zeitverzogerung zunehmen.
2.5 Dichteregu lation und Popul at ionsschw ankungen
( ~Abb. 2.21). Die Lange des Zyklus, den eine Population durchlauft, steigt mit der Dauer der Zeitverzogerung, Zeitverzogerungen spielen in vielen Populationen eine Rolle, die in saisonalen Klimaten leben. So beeinflusst die Reproduktion in einem Iahr die Populationsgrofse und davon abh angige dichteabhangige Prozesse (z. B. Gebur ten ) im nachsten Iahr, Wenn man eine Zeitverzogerung in die kontinuierliche logist ische Wachstumsgleichung einbaut , entstehen ebenfalls zyklische Population sschwankungen urn K, wobe i die Period e das Vierfach e der Zeitverzogerung betragt (May 1981). Das konnte zumindest die Zyklen der arktischen Kleinsauger erklaren (Gotelli 2001). In die diskrete logistische Wachstumsgleichung ist eine Zeitverzogerung von einem Zeitschritt bereits eingebaut . Die Populationsgrofse zum Schritt t wirkt auf die Populationsgrofse im nachsten Zeitschritt t + 1. Diese Zeitverzogerung hat no ch einen iiberr aschenden Effekt, der auftritt, wen n man Rm zu hoh eren Werten hin verandert ( ~Abb. 2.22). Sobald Rm den Wert 2 erreicht, findet man einen Zwei-Punkt-Zyklus: Die Population schwankt regelrnaisig zwische n zwei Werten.Wahlt man noch gro fsere Wert e fur Rm , entstehen komplexere Zyklen. Ab Rm = 2,57 erscheint die Dynamik ohne wiederkehrendes Muster. Wahlt man den absolut gleichen Startpunkt, so ergibt die Gleichung die gleiche Dynam ik. Aber
.
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c
~
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150
150
..
c
100
~
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Co 0
.2
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0
.
150
150
..
c
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c: .2
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Co 0 e,
0
b
c
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50
"-
c,
a
100
c
c
100
c
.2
:u
:;
50
Co 0 e,
50
i
5
20 Zeitschritte
15 d
i
20
Zeitschritte
2.22 Das Modell fur diskretes logistisches Wachstum zeigt mit zunehmenden Rm ein Oberraschendesdynamisches Verhalten mit Schwankungen zwischen zwei Werten (Zwei-PunktZyklen) (a), Schwankungen zwischen vier Werten (Vier-Punkt-Zyklen) (b) oder auch chaoti sche Dynamik (c) und (d). 1m Faile der chaotischen Dynamik ist die Zeitre ihe bei sonst iden t ischen Parametern von den Antangsbedingungen abhangig. FOr die gezeigten Beispiele wurden die Berechnungen mit gleichen Rm einmal mit zwei Individuen (c) das andere Mal mit drei Individuen gestartet.
85
86
2 Popu lationen
bereits kleinste Abweichungen der Anfangsbedingungen fuhren zu einer ganzlich unterschiedlichen Dynamik der Populationsgrofse (~ Abb. 2.22). Diese Abhangigkeit von den Anfangsbedingungen bezeichnet man als chaotisch. Die kontinuierliche Version des logistischen Wachstums hat keine eingebaute Zeitverzogerung und zeigt dam it auch nicht das reiche dynamische Verhalten der diskreten Version. Da in realen Populationen immer auch stochastische Fluktuationen auftreten, ist die Analyse von Zeitreihen recht kompliziert (Turchin 2003). Es ist daher derzeit noch unklar, ob in realen Populationen uberhaupt chaotische Dynamik auftritt. • Zyklische Schwankungen der Populationsgrofse entstehen auch bei Interaktion mit anderen Organismen (Rauber-Beute-Zyklen: S. 127). So hat man die zyklischen Schwankungen von Luchs und Schneeschuhhase auf Rauber-Beute-Zyklen zuruckgefuhrt. Ein weiterer Erklarungsansatz verlagert die Argumentationsebene auf die Beziehung zwischen dem Schneeschuhhasen und seinen Nahrungspflanzen. Bei hohem Prafsdruck lagern Pflanzen zur Abwehr von Frafsschaden sekundare Pflanzeninhaltsstoffe ein (S. Ill). Dadurch werden die Pflanzen als Futter ungeeignet, was zu einem Ruckgang der Hasendichte fuhrt, 1stder FraBdruck dann gering, wird die Pflanze keine Stoffe mehr einlagern, da die Produktion sekundarer Pflanzeninhaltsstoffe Kosten verursacht. Die Nahrungsgrundlage verbessert sich wieder, und die Populationsgrofse der Hasen kann wieder zunehmen. Populationszyklen ergeben sich auch bei der Interaktion mit Krankheiten und Parasiten (S. 115).
2.6 Systeme von Populationen Bisher gingen wir bei unseren Betrachtungen immer von einer Population ohne Einund Auswanderung aus. Einzelne Populationen sind aber immer in ein System von Populationen eingebunden, zwischen denen ein gewisser Austausch besteht. Letztlich ergibt sich aus der Ausdehnung aller Populationen in der Flache das Areal einer Art (Brown und Lomolino 1998).
2.6.1 Immigration und Emigration Die Grundgleichung fur das Populationswachstum beinhaltet neben Geburten- und Sterbefallen auch noch Ein- und Auswanderung. Diese Prozesse hatten wir bisher vernachlassigt, Die meisten Arten umfassen ein System von Populationen unterschiedlicher Ausdehnung und Populationsgrofse . Iede dieser Populationen zeigt eine Dynamik, die nicht nur durch lokale Prozesse beeinflusst wird, sondern auch durch regionale. Regionale Prozesse sind Prozesse, die nur in einem System von Populationen und damit im raumlichen Kontext von mehreren Populationen einen Sinn ergeben, eben Einwanderung (Immigration) und Auswanderung (Emigration). Einzelne Individuen konnen im Laufe ihres Lebens von einer Population zur nachsten wandern. Das beeinflusst naturlich die Dynamik der Population, von der die Individuen abwandern, aber auch der Population, zu denen die Individuen wandern. Wir hatten festgestellt, dass allein durch Zufallsereignisse kleine Populationen in ihrem Siedlungsgebiet aussterben konnen, In einem System von mehreren Populationen kann
2.6 Systeme von Populat ionen
eine lokale Population durch zugewanderte Individuen vom lokalen Aussterben bewahrt werden (Absicherungseffekt, rescue effect). Die Distanz spielt fur den Austausch zwischen Populationen eine wichtige Rolle. le weiter zwei Populationen voneinander entfernt sind , umso geringer ist die Chance, dass zwischen diesen Populationen Individuen ausgetauscht werden. Fiir einfache Oberlegungen betrachten wir ein System von aneinander grenzenden Siedlungsgebieten ( ~ Abb. 2.23a). In diesem speziellen Beispiel sind dies 17 Siedlungsgebiete. Wir nehmen weiterhin an, dass in jedem Siedlungsgebiet das Populationswachstum exponentiell ist und ein Austausch von Individuen nur zwischen benachbarten Populationen erfolgt (Pfeile in Abbildung 2.23a). Wir nehmen weiterhin an, dass jedes Individuum unabhangig von der Populationsgrofse die gleiche Wahrscheinlichkeit e hat, auszuwandern. Damit ergibt sich die Zahl der zum Zeitpunkt t abwandernden Individuen aus e N j ( t). Wir brauchen hier zwei Indices, t fur die Zeit und i fur die Population. Da die Populationen sukzessive durchnummeriert wurden (z. B. von links nach rechts) wird durch i auch gleichzeitig die Position einer Population erfasst. Die Population i ist nun nicht nur Geber, sondern auch Nehmer und zwar von den benachbarten Populationen, also den Populationen i-I und i + 1. Die von i + 1 nach i wandernde Zahl an Individuen ergibt sich zu 0,5 e N j + I (r). Wir gehen also davon aus, dass je die Halfte der abwandernden Individuen in einer der beiden benachbarten Populationen ankommt (keine Sterblichkeit wah rend der Abwanderung). Damit ist die Populationsgrofse zum Zeitpunkt t + 1: (2.39)
Aj beschreibt das Wachstum der Population i. Ware \ fur aile Populationen gleich, konnte man aile Populationen zusammenfassen und es ergabe sich kein Unterschied zum exponentiellen Populationswachstum. Aj soll daher zwischen den Siedlungsgebieten variieren. 1m Beispiel von Abbildung 2.23 haben die dunkel markierten Populationen ein Aj von 1,05,bei allen anderen Populationen betrage der Wert 0,95. Bei den zentralen Populationen ist A > 1, und damit wachsen die Populationen exponentiell, bei allen anderen Populationen nehmen die Populationsgrofsen exponentiell abo Das Modellsystem starten wir mit jeweils 10 Individuen in den dunkel markierten Siedlungsgebieten (Komplikationen am Rande des Populationssystems werden nicht weiter beriicksich tigt). Ein Vergleich der beiden Beispielrechnungen mit den Wahrscheinlichkeiten e = 0,2 und e = 0,6 zeigt, dass die Abwanderung das Wachstum in einer lokalen Population erheblich behindern kann. Weiterhin zeigt sich, dass sich auch in einigen der hell markierten Siedlungsgebieten eine Population etabliert hat, die auch anwachst, und zwar umso deutlicher, je naher diese Population an den begiinstigteren Populationen legt. Dieses Populationswachstum wird ganzlich durch zuwandernde Individuen getragen. Man bezeichnet Populationen, die netto Individuen an weniger begiinstigte Populationen abgeben, als source- Populationen und aile Populationen, die netto Individuen aufnehmen, als sink-Populationen (source sink-Dynamik). Daraus ergeben sich mehrere Riickschliisse:
87
88
2 Populationen
a
60 OJ
~ N
.s
40
~
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~ C
o
50 40
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30 20 - 10
o
b
-t e = 0,2
60
c
e= 0,6
2.23 Modell fur die Auswirkung von Immigration und Emigration auf die lokale Populationsdichte. Dazu wurden 17 Siedlungsgebiete aneinander gelegt. In jedem Siedlungsgebiet 5011 exponentielles Wachstum rnoqlich sein. In den funf mittleren Siedlungsgebieten (dunkel markiert) sei It. = 1,1 in allen anderen dagegen 0,9. Damit kann eine Population eigentlich nur in den funf mittleren Siedlungsgebieten langfristig existiereno Wenn aber nun Austausch von Individuen zwischen benachbarten Gebieten stattfindet (e = Anteil von Individuen eines Siedlungsgebietes, die emigrieren; b) e = 0,2; c) e = 0,6), findet in den Siedlungsgebieten, die an die gunstigen Gebiete angrenzen, ebenfalls exponentielles Wachstum statt, das durch einwandernde Individuen getragen wird. Der Vergleich von (b) und (c) zeigt, dassje mehr Individuen auswandern, zum einen das lokale Wachstum in den gunstigen Gebieten langsamer ablauft, zum anderen, dasssich mit zunehmender Abwanderung die Individuen auch in unqunstiqe Gebiete ausbreiten.
• Nicht uberall, wo man Individuen einer Art vorfindet, muss en fur diese Art Bedingungen herrschen, die ein positives Populationswachstum erlauben. • Mobile Arten, also Arten mit einem groBen e, kann man langfri stig nicht in wenig optimalen Siedlungsgebieten halten. Eine Abwanderung der Individuen in weniger geeignete Gebiete ist fur die source-Population immer ein Verlust. • Da durch Emigration Individuen fur eine Population verloren gehen konnen, werden im Rahmen der Evolution naturlich Strategien der Emigration bevorzugt, die die Balance zwischen Vorteilen (z. B. Absicherungseffekt, rescue effect) und Nachteilen (eventuell Mortalitat wahrend der Abwanderung) herstellen. Wo diese Balance liegt, hangt aber von der entsprechenden Art und ihrer Umwelt abo
2.6 Systeme von Populationen
• Man kann das Beispiel in Abbildung2.23auch alsModellfur ein biogeographisches Arealauffassen. Eigentlich sind nur die dunkel markierten Bereiche die Kernbereiche des Areals. Dann ergibt sich aus Abbildung 2.23,dass in diesen Kernbereichen die Dichte immer grofser sein sollte als in Randbereichen.
2.6.2 Die Metapopulation Falls ein System von Populationen vorliegt, konnen einzelnePopulationen jederzeitin einem Siedlungsgebiet aussterben, konnen aber auch jederzeitneu gegrundet werden. Man spricht hier von einer Metapopulation (Hanski und Simberloff 1997), einem System von Populationen, bei dem sich durch Aussterben einer lokaler Population sowie deren Neubegrundung durch Immigration ein standiger Wandel der raumlichen Verbreitung einer Art uber die potenziellen Siedlungsgebiete hinweg ergibt ( ~Abb. 2.24). Man kann eine Metapopulation auf zwei Ebenenbetrachten: auf der Ebeneder einzelnen Populationen (lokal) und auf der Ebene der gesamten Metapopulation (regional). Eine Variable fur die Beschreibung der regionalen Dynamik ware z. B. die Summe der lokalen Populationsgrofsen, Bereits das Modell in Abbildung 2.23a war recht kompliziert.Will man die lokale Dynamik einzelner Populationen mit Stochastizitat, Dichteabhangigkeit usw. im Detail modellieren,wurde sich ein recht unubersichtliches Bild ergeben. Es gibt aber einen einfachen Ausweg. Betrachten wir eine Metapopulation als ein Ensemble von potenziellen Siedlungsgebieten ( ~ Abb. 2.24). In jedem Gebiet kann prinzipiell eine Population existieren. Eine erste Beschreibung der Metapopulation ist dann der relative Anteil von Siedlungsgebieten, in denen die Populationsgrofse > 0 ist. Wir wollen diesen Anteil mit p bezeichnen. Aufgabe ist es nun, p aus lokalen und regionalen Prozessen vorherzusagen. Dazu einige Vereinfachungen:
•• • • ••• • Zeit (I) p(t) = 4/8 = 0,5
•• • • ••• • Zeit (I + 1) p(! +1) =4/8 =0,5
2.24 Um eine Metapopulation zu beschreiben, benutzt man als Variable den Anteil von Siedlungsgebieten, in der eine Population zu einem Zeitpunkt existiert (symbolisiert durch blau gefallte Kreise). Von einem Zeitschritt zum nachsten konnen manche der Gebiete ohne Population besiedelt werden bzw. in einigen Siedlungsgebieten sterben die Populationen lokal aus. Damit kann zwar der Anteil besiedelter Gebiet mit der Zeit konstant bleiben, das raumliche Muster besiedelter Gebiete andert sich jedoch standiq (dynamisches Gleichgewicht).
89
90
2 Populationen
• AIle potenziellen Siedlungsgebiete seien gleich grofs, haben also gleiches K. Die Gebiete bleiben prinzipiell uber den interessierenden Zeitraum bestehen und andern ihr Ressourcenangebot fur die lokale Population nicht. DiessolIauch beinhalten, dass das AusmaB der Umweltschwankungen fur aIle GebietegleichgroBist; aber die Umweltschwankungen sollen in den einzelnen Gebieten unabhangig auftreten. • Die lokale Dynamik vollziehtsich viel schneller als die regionale Dynamik. Sobald ein potenziellesSiedlungsgebiet erreicht wird, entwickeltsich in kurzester Zeit die Populationsgrofse hin zur Kapazitatsgrenze. Damit mussen wir fur die Beschreibung der Metapopulation bei den lokalen Populationen nur zwei Zustande unterscheiden: unbesetzt (lokale Populationsgrolse = 0) und besetzt (lokale Populationsgrofse = K). • Die bisher beschriebenen Annahmen haben eine weitere Konsequenz: Die Wahrscheinlichkeit, mit der eine lokale Population ausstirbt, ist fur aIle Populationen gleich. AIle Gebiete haben ja dasselbe Ressourcenangebot, zeigen gleiche, aber nicht gleichzeitige, Umweltschwankungen, und aIle lokalen Populationen haben immer die Populationsgrofse K. Da dasAussterberisiko von der Populationsgrofse abhangt und aIle lokalen Populationen immer bei K sind, ergibt sich zwangslaufig, dass fur aIle Populationen das gleicheAussterberisiko existiert. • Weiterhin nehmen wir an, dass fur Austauschprozesse zwischen Populationen die raumliche Lage der Populationen keine Rolle spielt.Wir vernachlassigen damit die Geometrie des Ensemblesvon potenziellenSiedlungsgebieten. Biologisch bedeutet dies, dass ein Individuum, das aus einer lokalen Population auswandert, mit gleicherWahrscheinlichkeit jedesandere Gebiet erreichen kann. Derartige Modelle fur Metapopulationen bezeichnet man als raumlich implizit. Wir betrachten die Veranderungvon p fur kleine Zeitraume tH. Wird tH immer kleiner, haben wir einen Differenzialquotienten dp
dt'
(2.40)
Die Veranderungin der Zeit wird entsprechend unserer Annahmen von zweiProzessen beeinflusst: Der relativen Anzahlvon unbesiedelten Gebieten,die im Zeitintervall besiedeltwerden (1), sowie dem Anteil an besiedelten Gebieten, in denen die lokalen Populationen im Zeitintervallaussterben (E): dp =1-E dt
(2.41)
Man beachte, dass diese Gleichung in der Struktur der Gleichungfur exponentiellesWachstum mit uberlappenden Generationen entspricht. Wir mussen nun fur 1und E annehmbare Beschreibungen finden. Wenden wir uns zunachst 1 zu. Die relative Anzahlzu besiedelnderGebieteist I - p. Nehmen wir zunachst an, dasswir stets genugend Immigranten haben, also die Wahrscheinlichkeit, dass eine lokale Population von mindestens einem reproduktionsfahigen Immigranten erreicht wird, unabhangig von der GroBe der Metapopulation selbst ist (also von p). Dann ergib sich 1 zu i (l - p), wobei i die Besiedlungswahrscheinlichkeit angibt. Iede Population hat die
2.6 Systeme von Populationen
gleiche Aussterbewahrscheinlichkeit e. Damit ist E das Produkt e p. Insgesamt ergibt sich:
dp =i(l- p)-ep
(2.42)
dt
Ein Gleichgewicht p* ist dann erreicht, wenn es in der Zeit keine Veranderung von p mehr gibt, also
~ = 0 und damit:
(2.43)
o= i (l - p*) - e v:
(2.44)
p" = .L.
(2.45)
l+e
r
Wir haben damit ein einfaches Modell fur eine Metapopulation entworfen. ist immer> 0, solange i> 0 gilt. p" ist ein stabiles Gleichgewicht, das zudem noch dynamisch ist. Dynamisches Gleichgewicht deswegen, weil p zwar konstant bleibt, sich aber das Besiedlungsmuster stan dig andert ( ~Abb. 2.24). i und e sind Konstanten die das Gleichgewicht spezifizieren und die von den Eigenschaften sowohl der Art als auch der Umwelt abhangen. Das kann man sich z. B. im Fall von i dadurch klar machen, dass i zum einen mit der Ausbreitungsfahigkeit der jeweiligen Art ansteigen wird. Zum anderen beeinflusst naturlich auch die mittlere Distanz zwischen den potenziellen Siedlungsgebieten i. le weiter die Siedlungsgebiete auseinander liegen, desto kleiner wird i. Dieser theoretische Ansatz lasst sich beliebig erweitern, indem man die vereinfachenden Annahmen sukzessive aufgibt. Restriktiv ist vor allem die Annahme, dass stets eine ausreichende Anzahl von Immigranten verfugbar ist. Daher wird obiges Modell auch gem als Festland-Insel-Modell (mainland island model) bezeichnet, da es sehr gut der Vorstellung entspricht, dass die Immigranten fur die Wiederbesiedlung aus einer stets groBen Population (Festland, mainland) kommen, von dem aus die betrachteten Siedlungsgebiete (lnseln, islands) besiedelt werden ( ~ Abb. 2.25). Den
a
• • • • ••
• .:1•
I_ I\.r----.....
b
·~7·
2.25 Grundkonzept der Metapopulation. Eine Metapopulation besteht aus einem System von diskreten Siedlungsgebieten. In jedem Siedlungsgebiet kann eine Population existieren, kann aber lokal aussterben. Die Wiederbesiedlung unbesiedelter Gebiete erfolgt entweder (a) von einem von der Metapopulation unabhanqiqen Quelle (das so genannte Festland-Insel-Modell) oder die Individuen stammen aus der Metapopulation selbst (b), das klassische Modell.
91
92
2 Populationen
Begriff Insel sollte man nicht zu wortlich nehmen. Man kann sich darunter jede Art von Habitat in einem ansonsten lebensfeindlichen Umfeld vorstellen. Ein Beispiel waren waldbewohnende Insektenarten, die auch auf isolierten Baumen bzw. Hecken in der Agrarlandschaft vorkommen. Geben wir diese Annahme eines Festlands auf, dann mussen wir berucksichtigen, dass i keine Konstante mehr ist, sondern von der Anzahl bereits besiedelter Gebiete abhangen wird . Im einfachsten Fallist i(p) proportional zu p: i(p) = c p; c ist dabei eine neue Konstante. Setzt man diese Beziehung ein, fuhrt das im Gleichgewicht zu
c-e v:> -c
(2.46)
Ein p* > 0 ergibt sich in diesem Fall im Gegensatz zum Festland-Insel-Modell nur dann, wenn c > e. Somit mussen gewisse Bedingungen erfullt sein, damit eine Art in einem Ensemble von Siedlungsgebieten als Metapopulation uberhaupt existieren kann. Dieses klassische Metapopulationsmodell zeigt damit ein Schwellenverhalten. Daher ist zu erwarten, dass es Systeme von potenziellen Siedlungsgebieten gibt, in den en eine Art nicht existieren kann.
2.6.3 Das Areal Die Flache, in der aIle Populationen einer Art vorkomrnen, bezeichnet man als Areal. Die Struktur und Dynamik von Arealen ist Forschungsgebiet der Biogeographie (S. 209, Brown und Lomolino 1998, Gaston 2003). Fur einen Okologen ist das Areal eine Konstruktion aus einzelnen Populationen, die tiber Individuenaustausch in Verbindung stehen oder standen. Die Populationsdichte in einem Areal kann dabei recht komplexe Muster zeigen (.- Abb. 2.26), die durch lokale und regionale Populationsprozesse, aber auch Interaktionen mit anderen Arten bestimmt werden (Brown und Lomolino 1998). Naturlich ist das Areal einer Art nicht nur das Ergebnis okologischer Prozesse, sondern auch von erdgeschichtlichen Ereignissen (Brown und Lomolino 1998). Betrachtet man die Areale von Arten, so fallt auf, dass Lage, Form und GroBe von Arealen selbst zwischen verwandten Arten stark schwanken konnen. So ist z. B. der Rotmilan (Milvus milvus) auf Teilevon Europa begrenzt, wahrend der nah verwandte Schwarzmilan (Milvus migrans) ein Areal hat, dass (aufser Amerika) nahezu die gesamte Erde umfasst . Was bedingt diesen Unterschied in der Arealgrofse! Urn zu erklaren, warum manche Arten ein grofses, andere dagegen ein kleines Areal haben, gibt es mehrere Hypothesen: • Die GroBe des Areals hangt naturlich vom verfugbaren Raum abo Areale in der Palaearktis konnen zwangslaufig grolser sein als Areal auf Madagaskar. Zudem findet man fur eine Reihe von Taxa eine Zunahme der Arealgrofse mit dem Breitengrad (Rapoport'sche "Regel"; Stevens 1989), was mit der zunehmenden klimatischen Variabilitat hoherer Breiten erklart wird. Dadurch sind Organismen an verschiedene klimatische Verhaltnisse angepasst und konnen so grofsere Gebiete besiedeln (fur alternative Erklarungen siehe auch Gaston and Blackburn 2000).
2.6 Systeme von Populationen
- - Grenze des Beobachlungsgebiets 0 <1 D 2 -3 _ 4 - 10 _ 11 - 30 > 31
2.26 Karte der Dichteverteilung des Blauhahers uber Nordamerika . Vereinfacht nach http://www.mbr-pwrc.usgs.gov/bbslhtmg6/htmra/ra4770.html. Hierbei handelt es sich um relative Dichteangaben, die etwa der Anzahl an Individuen entsprechen, die man innerhalb von 2,5 Stunden entlang von Wegen beobachten kann . Blauhaherzeichnunq von R. Pfeifer.
• Die GroBe des Areals hangt vom Alter der Art abo[e alter aus evolutionsbiologischer Sicht eine Art ist, desto grolser sollte die besiedelte Gesamtflache sein, da genugend Zeit zur Verfugung stand, alle prinzipiell geeigneten Gebiete zu besiedeln (AlterAreal-Hypothese, agearea hypothesis; Willis 1922). • Naturlich sollte der Ausbreitungsprozess umso schneller ablaufen, je grofser die Ausbreitungskapazitat einer Art ist. Damit sollten ausbreitungsfahige Arten ein groBeres Areal besitzen als Arten mit beschrankter Ausbreitungsfahigkeit. In groben Zugen ist das auch erfullt, haben doch Arten mit sehr ausbreitungsfahigen Dauerstadien (z. B. Rotatorien, Tardigraden) haufig kosmopolitische Areale. • Eine Art kann natiirlich nor dort vorkommen, wo es die fur diese Art notwendigen Ressourcen gibt. Unmittelbar einsichtig ist das bei einem spezialisierten phytophagen Insekt . Das Vorkommen der Futterpflanze ist Voraussetzung dafur, dass eine nor auf dieser Pflanze vorkommende Insektenart sich uberhaupt ansiedeln kann. Viele monophage Insekten haben aber ein Areal, das kleiner ist als das Areal der Futterpflanze. • Arten, die eine breite Nische besetzen (S. 38), sind naturlich erheblich flexibler in der Nutzung vorhandener Moglichkeiten. Damit sollte es eine positive Beziehung zwischen der Nischenbreite und der Arealgrofse geben (Nischenbreite-Hypothese, nichebreadth hypothesis). Bei phytophagen Insekten ist die Zahl von Pflanzenarten,
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2 Populationen
die als Wirte dienen, ein einfaches MaB fur die Nischenbreite entlang der Ressourcenachse Nahrung und entsprechend der Nischenbreite-Hypothese ist die ArealgroBe von Schmetterlingen mit der Zahl von Futterpflanzen korreliert (Brandle et al. 2002).
7
•
Fragen
1. Eine TIerart lebt nur einen Sommer und jedes Weibchen bringt immer vier Junge zur Welt. Falls es keine Begrenzung der Ressourcen qibt, nach wie vielen Sommern harte die Population eine GroBe von mehr als 50 Individuen erreicht, wenn die Population zu Beginn aus nur einem befruchteten Weibchen besteht (das Geschlechterverhaltnis sei 1:1)? 2. Eine Pflanzenpopulation besteht aus 300 Pflanzen . Nach sechsJahren hat die Anzahl Pflanzen auf 250 abgenommen . Wie groB war die mittlere Wachstumsrate der Population pro Jahr? 3. Eine Population von 25 Individuen wachst mit einer individuellen Wachstumsrate von 3 % pro Jahr. Wie graB wOrde die Population bei ungebremstem Wachstum nach 200 Jahren sein? 4. Eine Insektenpopulation nimmt innerhalb von fOnf Jahren von 200 auf 1400 Individuen zu . In welchem Zeitraum verdoppelt sich die Anzahllndividuen? S. Bei welcher Populationsqrofle hat eine logistisch wachsende Population die hochste Wachstumsrate? Leiten Sie dies mathematisch ab oHinweis: Bedenken Sie, dass bei Extremwerten die Ableitung null ist. 6. Zeichnen Sie die drei Grundtypen von Oberlebenskurven auf. Beschriften Sie die Achsen. Bei welchen Organismen findet man die jeweiligen Oberlebenskurven? 7. Ein Limnologe verfolgt die Entwicklungsstadien einer Kocherfliegenart in einem TOmpel und findet 1000000 Eier, 1 000 Larven, 100 Puppen und 10 geflOgelte TIere. Berechnen Sie die k-Werte. 8. Erklaren Sie an einem Beispiel den Unterschied zwischen einem lab ilen und einem stabilen Gleichgewicht. 9. Welche Beziehungen bestehen zwischen KorpergroBe einer TIerart sowie Populationsdichte. Alter und int ri nsischer Wachstumsrate? 10. Art A ist relativ klein und bringt viele Junge zur Welt. Art B ist groB und hat nur aile zwei Jahre einen Nachkommen. Charakterisieren Sie die Habitate, in denen die beiden Arten vorkommen konnten . 11 . Erklaren Sie den Unterschied zwischen .Llmitierunq" und "Regulation". Welche Faktoren wirken regulierend? 12. Warum hangt die Wirkung eines dichteunabhangigen Faktors von den Eigenschaften des dichteabhangigen Faktors abo Erklaren Sie dies anhand einer Skizze. 13. Bei der Diskussion mit einem Kollegen erkennen Sie, dass es recht schwierig ist, die Nischenbreite-Hypothese Oberzeugend zu testen. Welchen Grund konnte das haben?
Die Auflosungen der Fragen sind im Internet zu finden (http://www.oekologiebuch.unibe.ch) .
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Kapitel3
Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten (@ Lernziele Optimierung und Dichteabhangigkeit beim Nahrungserwerb Die trophischen Ebenen Prinzipien der Wechselwirkungen zwischen zwei Arten Interspezifische Konkurrenz Gegenseitige F6rderung zweier Arten Mimikry Wechselwirkungen zwischen Rauber und Beute Wechselwirkungen zwischen Herbivoren und Pflanzen Wechselwirkungen zwischen Parasiten und ihren Wirten Mutualismus Trophische Kaskaden Nahrungsnetze
ABe Lebewesen sind in ihrem Dasein beeinflusst durch das Vorhandensein von Individuen nicht nur der eigenen Art, sondern auch von der Anwesenheit anderer Arten. Das Schicksal eines Wiesenklees hangt davon ab, ob er in seiner Iugend von Schnecken gefressen wird. Wenn der Wiesenklee bis zur Blute uberlebt hat , ist er auf blutenbesuchen de Insekten zur Bestaubung angewiesen, urn die Reproduktion zu sichern. Viele Wechselwirkungen zwischen Individuen verschiedener Arten finden allerdings nicht unbedingt wie in diesem Beispiel auf direktem Wege, sondern indirekt (z. B.tiber Verhaltensanderungen) oder tiber dritte Arten statt. So hemmt Raupenfraf im Fruhjahr an Eichen und Birken die Entwicklung von Insekten, die sparer im Iahr an den Baumen fressen, weil die Baume in der Zwischenzeit Abwehrstoffe in ihren Blattern angereichert haben. Viele (aber nicht alle) zwischenartliche Wechselwirkungen werden tiber die Nahrung vermittelt. Nahrung wird daher in diesem Kapitel eine zentrale Rolle spielen .
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3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Art en
3.1 Nahrungserwerb ABe Lebewesen entnehmen ihrer Umwelt Produkte, die sie zum Waehstum, zur Unterhaltung ihres Stoffweehsels und zur Fortpflanzung benotigen. Man teilt die Lebewesen naeh ihrer Ernahrungsweise anhand der Herkunft ihrer Energie- (ehemooder phototroph) und Kohlenstoffquelle (auto- oder heterotroph) in vier Gruppen ein (.- Tab. 3.1). Wahrend die Prokaryoten in allen vier Gruppen vertreten sind, haben sieh die Eukaryoten auf zwei Ernahrungsweisen spezialisiert: die photoautotrophen Pflanzen und die ehemoheterotrophen Pilze und Tiere.
3.1.1 Spezialisierung Die Qualitat der Nahrung hat nieht fur alle Organismen die gleiehe Bedeutung, denn die Lebewesen haben sieh untersehiedlieh spezialisiert. Solche Nahrungsspezialisierungen gehen noeh viel weiter als die Herkunft von Energie und Kohlenstoff und sind besonders im Tierreieh vielfaltig ausgepragt, Dort gibt es von extremen Nahrungsspezialisten, wie z. B. der Bohrfliege Urophora cardui, die in Mitteleuropa ihre Gallen nur in den Stangeln der Aekerkratzdistel (Cirsium arvense) erzeugt, bis zu extremen Generalisten, wie dem Mensehen, der sieh von einer Vielzahl tieriseher und pflanzlieher Produkte ernahrt, alle Ubergangsstufen. Pflanzen haben dagegen im Untersehied zu Tieren reeht ahnliche Anspriiehe an ihre Nahrung; sie benotigen CO 2 aus der Luft und einige Nahrstoffe (hauptsachlich Stiekstoff, Phosphor und Kalium) und Wasser aus dem Boden (bei aquatisehen Pflanzen aus dem Gewasser). Gartner maehen sieh dies zu Nutze und ziehen eine Vielzahl versehiedenster Pflanzenarten in der gleiehen Erde und unter ahnlichen Lichtverhaltnissen auf. In welchen Fallen wir von einem Generalisten und ab welchem Grad der Spezialisierung wir von einem Spezialisten spreehen, ist nicht einheitlieh definiert. Bei phytophagen oder aueh herbivoren (= pflanzenfressenden) Insekten, die etwa 25 % aller bekannten Arten ausmaehen und zu einem grofsen Teil spezialisiert sind, sprieht man in der Regel von monophagen Arten, wenn sie sieh von einer Pflanzenart ernahren, von oligophagen, wenn sie von Arten einer Gattung, und von polyphagen Arten, wenn sie von Pflanzen versehiedener Gattungen leben. Pflanzenfresser werden haufig aueh Herbivoren genannt, Fleisehfresser Carnivoren und Allesfresser Omnivoren. Aueh wenn eine Art ein breites Nahrungsspektrum hat und somit als Generalist gilt, haben haufig die einzelnen Populationen oder sogar Individuen ein relativ enges Nahrungsspektrum und neigen somit zur Spezialisierung (composite generalist) . Unter den Mensehen gibt es z. B. viele Vegetarier, und Inuits in Gronland stellen ihre Nah Tabelle 3.1: Einteilung der Lebewesen nach ihrer Ernahrungsweise. Energiequelle
KohlenstoffausCO 2
Kohlenstoffausorganischer Substanz
Licht
photoautotroph (z. B. Cyanobakterien. Pflanzen)
photoheterotroph (z. B. Purpurbakterien)
chemische Verbindungen
chemoautotroph (z. B. Schwefelbakterien)
chemoheterotroph (z. B. Pilze,Ilere,diemeisten Bakterienarten)
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3.1 Nahr ungserw erb
rung anders zusammen als asiatische Reisbauern. Beim Guppy (Poecilia reticulata) fressen einige Individuen im Wahlversuch bevorzugt Rohrenwurmer (Tubifex), wahrend andere Taufliegenlarven (Drosophila sp.) vorziehen, obwohl beides in gleichen Mengenverhaltnissen angeboten wurde ( ~ Abb. 3.1). Die ganze Population verhielt sich also wie ein Generalist, wahrend sich die Individuen durchaus spezialisiert haben. Allgemein besteht der Nahrungserwerb aus zwei Phasen: dem Suchen von Nahrung und der Handhabung (Uberwaltigen, Fressen, unter Umstanden auch Verdauen und sich hinterher Putzen; handling). Wichtig ist sich klar zu machen, dass ein Tier wahrend der Handhabung einer Beute keine andere, sich vielleicht lohnendere Beute suchen kann. Ein Rauber sollte sich also vor einer Attacke uberlegen, ob er nicht in der Zeit, die er mit der Handhabung dieser Beute verbringt, eine lohnendere Beute finden kann ("Prinzip der verpassten Chance"). Aus diesen Betrachtungen haben MacArthur und Pianka (1966) folgende Schlussfolgerungen gezogen: Rauber mit relativ zu ihren Suchzeiten kurzen Handhabungszeiten sollten ein breites Spektrum an Beutearten akzeptieren, denn die kurze Zeit, die sie mit der Handhabung bereits gefundener Beute verbringen, hat nur einen geringen Einfluss auf die gesamte Suchzeit. Meisen (Parus sp.) z. B., die auf der Suche nach Insekten durch die Vegetation streifen, verbringen einen GroBteil ihrer Zeit mit der Suche nach Beute, wahrend die Handhabungszeit gefundener Beute vernachlassigbar ist. 1m Einklang mit den Vorhersagen haben Meisen (wie iibrigens auch viele andere insektenfressende Vogel) ein breites Beutespektrum. 1m Gegensatz dazu leben z. B. Lowen (Panthera leo) mehr oder weniger in standiger Sichtweite ihrer Beute, verbringen daher kaum Zeit mit der Suche. Bei ihnen wurde die Theorie eine Spezialisierung auf besonders lohnende Beutetypen voraussagen, denn wenn sie eine weniger profitable Beute ignorieren, ist die Wahrscheinlichkeit grofs, dass sie innerhalb kurzer Zeit eine profitablere Beute finden. Tatsachlich spezialisieren sich Lowen auf Beute, die mit einem relativ geringen Energieaufwand uberwaltigt werden kann (kranke, junge und alte Beutetiere). 8
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Muschellange (mm)
3.1 Links: Haufigkeitsverteilung der Nahrungszusammensetzung von Guppys, denen jeweils gleiche Anzahlen von Taufliegenlarven und Rohrenwurmern angeboten wurden. Die Individuen haben sich mehr oder weniger auf eine der beiden angebotenen Beutearten spezialisiert, jedoch haben sich die einzelnen Tiere auf unterschiedliche Beutearten spezialisiert: manche auf Taufliegenlarven andere auf Rohrenwurmer. Nach Murdoch et al. (1975). Rechts: Nahrungswahl von Strandkrabben (Carcinus maenas). Die Tiere bevorzugen die MuschelgroBe, die den groBten Energiegewinn verspricht . Nach Elner und Hughes (1978).
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3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
Eines der Hauptargumente fur eine Spezialisierung ist, dass nicht jede Nahrung gleicheffizient physiologisch genutzt werden kann und daher eine Spezialisierung auf Nahrung, die leichter umgesetztwerden kann, vorteilhaft ist,weilsiedie Fitnessmaximiert (physiologische Effizienzhypothese, physiological efficiency hypothesis). Dieses Argument leuchtet intuitiv ein, denn da verschiedene Pflanzenarten (und auch Individuen) sich in ihren chernischen und physikalischen Eigenschaften sowie ihrer Verbreitung und Phanologieunterscheiden, ist es unwahrscheinlich,dass Insekten an die meisten ihrer Nichtwirtpflanzen angepasstsind. Die Selektion sollte also eine Bevorzugung gut geeigneterWirtspflanzen fordern, Obwohl dieseauf den ersten Blick einleuchtende Hypothese haufigim Zusammenhang mit Nahrungsspezialisierung genannt wird, ist sie keineswegs durch experimentelle Untersuchungen breit abgesichert. Eine der Vorhersagen, die sich aus dieser Hypothese ergeben, ist, dass eine starkere evolutionare Anpassung der Performance (z. B. Wachstum, Uberleben, Fekunditat) der Nachkommen an cine Pflanzenart eine reduzierte Anpassunggegenuberanderen Pflanzenarten nach sich zieht. Einfach ausgedruckt heiBt das, wenn man bestimmte Pflanzenbesonders gut nutzen kann, kann man andere schlechterverarbeiten (ein so genannter trade-off, S. 73). Experimentelle Hinweise fur einen solchen trade-off hat man in vielen Fallen gesucht, aber in der Regel keine derartige negative genetischeKorrelationgefunden (fur eine der wcnigen Bestatigungen der Hypothese bei Spinnmilben siehe z. B.Agrawal 2000). Ebenso sagt die physiologische Effizienzhypothese voraus, dass Spezialisten ihre Wirtspflanze effektiver nutzen sollten als Generalisten. Mit anderen Worten, wenn Generalisten auf der gleichen Pflanzenartwieihre spezialisierten Verwandten aufgezogen werden,solltensiesichschlechter entwickeln oder eine geringereFekunditat haben als die Spezialisten. Doch auch dieseVorhersagehat sich in den meisten Experimenten nicht bestatigt. Ebenfalls aus dieserTheorie hervorgegangen ist eine dritte Argumentation, die zu erklaren versucht,dass Generalisten ihr breites Nahrungsspektrum beibehalten und verschiedene Nahrungstypen mischen, urn eine balancierte Nahrstoffaufnahme zu gewahrleisten (Pulliam 1975, Rapport 1980). Bei Wirbcltierengibt es hierzu einige klassische Beispiele. Elche (Alces alces) suchen ihre Nahrung in zwei unterschiedlichen Habitaten, zwischen denen sie regelmafsig wechseln. 1mWald fressen sie Blattervon Laubbaumen,wahrend sie in Teichen Pflanzen unter Wasser abweiden. Die Laubblatterhaben einen hohen Energie-, aber einen geringenKochsalzgehalt, wahrend es bei den Wasserpflanzen genau umgekehrt ist.Da Elche beidesbenotigen,mussen sie eine gemischte Nahrung zu sich nehmen (Belovsky 1978). Bei phytophagen Insekten gibt es bislang nur bei Heuschrecken Beispiele fur einen Vorteil vom Mischen verschiedener Pflanzenarten (Bernays und Bright 1993). Bei anderen Insekten (Schmetterlingen, Fliegen, Wanzen) scheint eine gemischte Ernahrung nicht generell vorteilhaft zu sein (Singer 2001). Die Theorie stimmt also offensichtlichnicht immer mit der Natur uberein, ist aber trotzdem nicht unbedingt falsch. Wenn man berucksichtigt, dass auch andere Faktoren eine Rolle bei der Nahrungsauswahl spielen konnen, erkennt man bald, dass die Qualitat der Nahrung unter Umstanden gegen andere Faktoren abgewogen werden muss. Dieses wird im Folgenden ausfuhrlicher diskutiert. Insektenlarven konnen sich, besonders wenn sic noch klein sind, haufig nicht weit fortbewegen. Viele phytophage Insekten leben als Larve sogar innerhalb der Pflanze
3.1 Nahrungserwerb
(Minierer oder Gallbildner). Die Larven wahlen daher in der Regel ihre Wirtspflanze nicht selbst aus, sondern sind an die Pflanze gebunden, auf die das Weibchen ihre Eier abgelegt hat. Die Weibchen wahlen also die Wirtspflanze fur ihre Nachkommen aus. Nach unserer Theorie sollte bei Insekten also die Praferenz der Weibchen fur gewisse Wirtspflanzen mit der Performance der Larven korreliert sein (Praferenz-Performance-Hypothese, preference-performance hypothesis). In Experimenten, in denen Pflanzen verwendet wurden, die relativ nahe mit den naturlichen Wirtspflanzen der Insekten verwandt oder ihnen chemisch ahnlich waren, gab es allerdings haufig nur eine schlechte Korrelation zwischen Eiablagepraferenz der Weibchen und der Performance der Nachkommen. Weibchen des Schwalbenschwanzfalters (Papilio machaon) legen z. B. uberhaupt keine Eier auf einige Pflanzenarten, die praktisch ebenso geeignet fur ihre Larven sind wie ihre normalen Wirtspflanzen (Wiklund 1975). Andere Insekten wiederum legen Eier auf Pflanzen, die nahezu ungeeignet als Nahrung fur die schlupfenden Larven sind. Die Weibchen verhalten sich also auch hier in vielen Fallen nicht so, wie es die Theorie vorhersagt. Es gibt inner- und zwischenartliche Grunde, warum Weibchen nicht immer das offensichtlich Beste fur ihre Nachkommen tun, z. B. wenn es ihnen selbst schadet und ihre Fitness herabsetzt. Interaktionen mit anderen Arten konnen eben falls verhindern, dass eine ansonsten gut geeignete Pflanzenart von den Weibchen als Wirtspflanze akzeptiert wird. Dies konnen entweder Konkurrenten (S. 119) oder naturliche Feinde (S. 127) sein. Wenn eine konkurrenzuberlegene Art auf einer ansonsten bevorzugten Wirtspflanze vorkommt, kann dies zur Verdrangung der unterlegenen Art und schliefslich zur Meidung dieser Wirtspflanze fuhren, auch wenn die Weibchen die Pflanze eigentlich anderen Wirtsarten vorziehen wurden. Doch auch die naturlichen Feinde eines Insekts konnen dessen Wirtswahl beeinflussen . So variiert bei vielen Insektenarten die Anfalligkeit gegenuber ihren naturlichen Feinden mit der Pflanzenart, auf der ihre Larven fressen. Auf einigen Wirtspflanzenarten ist die Mortalitat durch Feinde dementsprechend hoher als auf anderen. Experimente mit Minierfliegen (Agromyzidae), die gezwungen wurden, sich auf verschiedenen Pflanzenarten zu entwickeIn, von denen einige normalerweise nicht genutzt werden , haben gezeigt, dass spezialisierte Schlupfwespen (Parasitoide) hohere Parasitierungsraten der Fliegen verursachen, wenn sich diese auf bekannten, normalen Wirtspflanzenarten befinden, als wenn sie sich auf neuen Wirten entwickeln (Gratton und Welter 1999). Soleh ein Schutz vor Feinden (oder allgemeiner: feindfreier Raum, enemyfree space), der durch die Pflanze vermittelt wird, kann zur Spezialisierung fuhren, wenn Anpassung an eine Wirtspflanzenart die Fitness auf anderen Pflanzenarten reduziert. Dies wird deutlich am Beispiel der Krypsis (S. 128 und 239). Larven, die auf einer Pflanzen art schwer zu entdecken sind, weil sie z. B. in Form und Farbe einem Zweig dieser Pflanze ahneln, konnen auf anderen Pflanzenarten, die ein anderes Aussehen haben, leicht entdeckt werden . Auf der ersten Art sind die Larven also vor ihren Feinden getarnt (kryptisch) und uberleben besser als auf den anderen Arten, wo ihr Uberleben, und damit ihre Fitness, reduziert sind.
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100
3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
3.1.2 Optimaler Nahrungserwerb Auch wenn viele Arten zur Spezialisierung neigen, akzeptieren die meisten doch zumindest mehrere Nahrungstypen. Selbst fur monophage Arten ist nieht jedes Nahrungsindividuum gleich gut geeignet. Ackerkratzdisteln, die Wirtspflanzen der gallbildenden Bohrfliege Urophora cardui, unterscheiden sieh z. B. in ihrem Stangeldurchmesser, ihrer Hohe oder ihrem Proteingehalt. Dunne Stangel konnen nur kleine Gallen mit wenigen Nachkommen tragen, werden allerdings auch seltener von Feinden (Schlupfwespen) gefunden. In einem anderen Beispiel unterscheiden sieh Muscheln, die einen Hauptteil der Nahrung der Strandkrabbe (Carcinus maenas) ausmachen, in ihrer GroBe. GroBe Muscheln geben mehr Energie, sind aber auch schwieriger zu knacken als kleine Muscheln . Wahrend der Nahrungssuche begegnet eine Bohrfliege oder eine Strandkrabbe unterschiedliehen Wirtspflanzen oder Beuteindividuen. Welche sollten akzeptiert, welche abgelehnt werden? Tiere, die ihre Wirte effizient nutzen, erreichen gegenuber Artgenossen eine erhohte Fitness. Die naturliche Selektion wird diese Individuen also bevorzugen . 1m Zuge der Evolution sollten sieh also Strategien zum optimalen Nahrungserwerb (optimal foraging) ausbilden. In diesem Kapitel beschaftigen wir uns dam it, wie solche Strategien aussehen konnen, Weiterfuhrende Literatur zu diesem Thema gibt es bei Krebs und Davies (1997).
Praferenz oder Wechsel der Nahrung Kommen wir noch einmal zuruck zur Strandkrabbe. Wenn man Strandkrabben die Wahl zwischen verschieden grofsen Muscheln lasst, zeigen sie eine Praferenz fur die grofste, die den hochsten Energiegewinn pro Zeit zu versprechen scheint ( ~Abb. 3.1). Die grofsten Muscheln enthalten zwar die meiste Energie, doch benotigt die Krabbe so lange, sie zu knacken, dass wiederum kleinere Muscheln mitunter einen grofseren Energiegewinn pro Zeit zu liefern scheinen. Die kleinsten Muscheln sind zwar leicht zu knacken, aber sie enthalten so wenig Energie, dass sich der Aufwand kaum lohnt. Die profitabelsten Muscheln sind also die mittelgroBen. In der Natur werden aber eine Reihe von verschieden groBen Muscheln gefressen und nicht nur die profitabelsten. Warum fressen die Krabben manchmal kleinere und manchmal grofsere Muscheln? Ein moglicher Grund konnte sein, dass die Zeit, die sie brauchen, urn die profitabelsten mittelgrofsen Muscheln zu finden, ihre Wahl beeinflusst. Wenn es lange dauert, urn eine profitable Muschel zu finden, dann kann die Krabbe eine hohere Energieaufnahme pro Zeit erreichen, wenn sie weniger profitable Muscheln frisst, die leichter zu finden sind, als wenn sie langer nach den besten Muscheln sucht. Kasten 3.1 zeigt ein einfaches Modell, mit dem man quantifizieren kann, wieviele Individuen von jedem Beutetyp gefressen werden, wenn ein Rauber die Wahl zwischen zwei Beutetypen mit unterschiedlichem Energiegehalt hat (Charnov 1976). Das Modell sagt voraus, dass, wenn der profitablere Beutetyp haufig angetroffen wird, der Rauber ausschliefslich diesen fressen sollte. Diese Schlussfolgerung erscheint offensiehtlich, denn wenn eine besonders lohnende Beute leicht zu haben ist, sollte man sich nicht mit der weniger profitablen zufrieden geben. Eine weitere Vorhersage ist, dass die Entscheidung, sich auf den besseren Beutetyp zu spezialisieren, unabhangig
3.1 Nahrungserwe rb
101
von der Haufigkeit der Begegnung mit der weniger profitablen Beute ist, denn die funfte Gleichung in Kasten 3.1 enthalt nicht mehr die Variable A.zo Auch dies leuchtet ein: Wenn die lohnende Beute haufig genug angetroffen wird, sodass die schlechtere Beute ignoriert werden kann, ist es unter keinen Umstanden vorteilhaft, sich mit der schlechteren Beute abzugeben, selbst wenn der Rauber dieser haufig begegnet. Die dritte Vorhersage dieses Modells besagt, dass bei geringen Dichten der lohnenderen Beute beide Beutetypen gefressen werden (und zwar bei jeder Begegnung). Wenn aber die Dichte der lohnenderen Beute steigt, sollte es einen abrupten Wechsel von keiner Praferenz (beide Beutetypen werden gefressen) zu einer absoluten Praferenz der lohnenderen Beute (nur diese wird gefressen, die schlechtere wird immer ignoriert) geben. Diese Vorhersage wird auch die Alles-oder-Nichts-Regel (zero-one rule) genannt. In der Natur findet man hingegen selten Tiere, die der Alles-oder-NichtsRegel entsprechen, also keine komplette, sondern eine teilweise Praferenz (partial preference) fur bevorzugte Nahrungstypen zeigen. Einige Tiere lehnen in manchen
Kasten 3.1 Modell der Beutewahl zweier unterschiedlich profitabler - - - Beutetypen Nehmen wir an, ein Rauber sucht wahrend T, Sekunden Beute (T, = Suchzeit) . Er begegnet dabei zwei Beutetypen mit den jeweiligen Begegnungsraten )'1 und ~ (Begegnungen pro Sekunde) . Die Beutetypen enthalten j ew eil s E, und E1 Kilojoule pro Ind ividuum Energie und der Rauber benotiqt h, und h1 Sekunden, die Beute zu handhaben (uberwaltiqen, fressen, verdauen), bevor er w ieder neue Beute suchen kann . Die Prof itabil itat der Beute , also der Energiegewinn des Raubers pro Zeit, wahrend er die jeweilige Beute frisst, ist demnach E/h , und E/h 1 . Wenn der Rauber beide Beutetypen frisst, nimmt er folgende Energ ie zu sich:
Die gesamte Zeit T, die er dazu benotiqt, ist die Suchzeit T, und die Handhabungszeit Th (Th = T,A,h , + T,~hl) zusammen.
Die Rate, mit der der Rauber Energie zu sich nimmt ist demnach
Nehmen wir an, dass der Beutetyp 1 den hoheren Energ iegewinn pro Zeit ver spricht. Wenn der Rauber den gesamten Energ iege w inn pro Zeit EITma xim ieren will, so llt e er sich auf Beutetyp 1 speziaIisieren, wenn der Energ iegewinn vom alle inigen Fressen der Beute 1 grosser ist als der Energiegew inn vom Fressen beider Beutetypen . Oder rnathematisch
~ > 'VI + )'zEz I + A\h, I + )"h, + Azhz Aufqelost erg ibt d iese Gleichung
~I
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(~ hat sich weggekOrzt)
1/)'1 ist d ie durchschn ittliche Suchzeit, die der Rauber benotiqt, um den Beutetyp 1 zu finden. Die Entscheidung, ob ein Rauber nur den profitableren oder beide Beutetypen fressen soli, ist unabhangig von der Haufiqkelt. mit der er die schlechtere Beute antrifft. Das heiBt, auch wenn die we niger profitable Beute sehr haufiq lst, solite er sie nicht fressen, wenn die profitable haufig genug ist.
102
3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
Fallen normalerweise bevorzugte Nahrungstypen ab, wah rend andere wiederum Nahrung akzeptieren, die in der Regel abgelehnt wird. Wie sich ein Rauber entscheidet, eine bestimmte Nahrung zu akzeptieren oder abzulehnen, hangt stark von der individuellen Erfahrung (oder genauer: Einschatzung) des Raubers ab, mit welcher Wahrscheinlichkeit er wohl bessere Nahrung in absehbarer Zeit finden wurde. Weiterhin bestimmt auch sein Hungerzustand (oder Eiablagedruck bei Tieren, die Wirte fur ihre Nachkommen suchen) seine Entscheidung. Ein hungriger Rauber wird eher eine weniger geeignete Beute akzeptieren als ein satter. Basierend auf der Alles-oder-Nichts-Regel haben Courtney et al. (1989) ein allgemeines Modell aufgestellt, das die Nahrungswahl veranschaulicht und auch die in der Natur beobachteten partiellen Praferenzen erklart (Hierarchie-Schwellenwert-Modell, hierarchy-threshold model; ~ Abb. 3.2). Sie nehmen an, dass ein Rauber (immer noch im weitesten Sinn) seine rnoglichen Beutetypen an hand ihrer Profitabilitat hierarchisch in einer Rangliste anordnen kann. Die Profitabilitat korreliert im Modell mit der Praferenz ; die Tiere wissen also, was gut fur sie ist. Da sich die Profitabilitat der Nahrung in der Regel nicht andert, bleibt diese Rangliste gleich. Nun hat der Rauber einen Schwellenwert, anhand dessen er entscheidet, ob er eine Beute bei einer Begegnung ablehnt oder akzeptiert: Beutetypen, deren Rang tiber dem Schwellenwert liegt, werden akzeptiert, andere abgelehnt. Wahrend die Rangfolge der Beutetypen gleich bleibt, andert sich der Schwellenwert mit dem Hungerzustand des Raubers und dessen Einschatzung der Haufigkeit der Beute. Wenn der Rauber z. B. in der letzten Zeit nur Beute von schlechter Qualitat (also unter dem Schwellenwert) ange troffen hat, wachsen sowohl sein Hunger als auch seine Einschatzung, dass qualitativ hochwertigc Beute wohl eher selten ist. Dies muss nicht unbedingt richtig sein; er kann einfach Pech gehabt haben und nur zufallig in letzter Zeit auf schlechte Beute gestoBen sein. Seine ablehnende Haltung gegenuber qual itativ schlechter Beute wird sinken und damit der Schwellenwert. Ietzt liegen Beutetypen uber dem Schwellenwert (und wurden bei der nachsten Begegnung akzeptiert werden), die vorher abgelehnt wurden. Wenn der Rauber nach der nachsten Mahlzeit satt ist, steigt der Schwellenwert wieder und der Rauber wird erneut wahlerischer,
Dichteabhanqiqkeit: Funktionelle Reaktion Nicht aIle Rauber haben eine klare Hierarchie in der Praferenz ihrer Nahrung. Manche Beutetypen mogen gleich beliebt sein . Diese werden dann, wenn sie in gleichen Anteilen in der Umgebung vorkommen und gleich leicht gefunden werden konnen, auch zu gleichen Anteilen gefressen. Ein Beispiel zeigt Abbildung 3.2. Wenn Ruckenschwimmern (Notonecta glauca) als Beute Wasserasseln (Asellus aquaticus) und Eintagsfliegenlarven (Cloeon dipterum) in gleichen Anteilen angeboten wurden, haben sie auch beidc Beutetypen gleich haufig gefressen. Wurden aber ungleiche Anteile angeboten, haben sie die haufigere Art bevorzugt. Die Tiere haben sich somit immer auf die Art spezialisiert, die momentan haufiger war. Die Nahrungspraferenz kann also auch von der relativen Haufigkeit der Beute abhangen. Ein wichtigcr Parameter bei der Nahrungsaufnahme ist die Pradationsrate, also die Anzahl Nahrungsobjekte, die ein Tier in einer bestimmten Zeit zu sich nimmt. Die Pradationsrate wurde ursprunglich fur Rauber definiert, gilt aber vom Prinzip fur
3.1 Nahrungserw erb
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100
Asel/us in der Umwelt (%)
3.2 Oben: Das Hierarchie-Schwellenwert-Modell erklart partielle Praterenz fOr bevorzugte Nahrungstypen. Tiere haben eine feste Rangfolge der Praterenz der verschiedenen Nahrungstypen (A - D). Die Tiere X und Y legen aufgrund ihres Hungerzustands einen Schwellenwert (horizontale Linien) fest, der entscheidet, ob ein Nahrungstyp bei einer Begegnung akzeptiert oder ignoriert wird. Da sich der Hungerzustand der Tiere mit der Zeit andert, liegt dieser Schwellenwert mal tiefer (bei einem hungrigen Tier; Y) und mal hoher (bei einem satten Tier; X). Ein hungriges Tier wOrde daher auch Nahrungstypen akzeptieren, die ein sattes Tier ablehnen wOrde. Wahrend das satte Tier X nur den Nahrungstyp A akzeptieren wOrde, akzeptiert das hungrige Tier Y zusatzlkh auch B. Unten: Spezialisierung von ROckenschwimmern (Notonecta glauca) auf jeweils den Beutetyp, der momentan haufiq ist. Die ROckenschwimmerwurden mit einer Mischung aus Wasserasseln und Eintagsflie genlarven (Cloeon sp.) gefOttert, wobei die Gesamtdichte konstant gehalten wurde. Nach Lawton et al. (1974).
jede Form del' Nahrungsaufnahme, also auch fur z. B. Herbivoren. Sie kann eben falls auf die Eiablage von Parasitoiden und phytophagen Insekten angewendet werden . Del' Einfachheit halber werden wir im Folgenden von Rauber und Beute reden. Die Anzahl Beutetiere, die von einem Rauber in einer bestimmten Zeit gefressen wird, hangt von del' Haufigkeit oder Dichte del' Beutetiere abo Diese Abhangigkeit nennt man funktionelle Reaktion (functional response). Warum sollte die Anzahl Beutetiere , die ein Rauber frisst, von del' Beutedichte abhangeni Nehmen wir einmal an , ein Rauber wurde, wenn er konnte, jeden Tag eine bestimmte konstante Anzahl Beutetiere fressen, urn satt zu werden . Wenn genugend Beutetiere vorhanden sind, also bei hoher Beuted ichte, kann er dies wohl erreichen, nicht abel', wenn die Beutedichte gering ist. Del' Nahrungserwerb besteht wie bereits auf Seite 97 erwahnt aus dem Suchen und del' Handhabung del' Beute (handling). Wichtig ist, dass wahrend del' Handhabung in
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-
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3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
der Regelkeine weitere Beutesuche moglich ist. Bei geringer Beutedichte verbringt ein Rauber den GroBtei! seiner Zeit mit der Suche nach Beute. Die Anzahl Beutetiere, die ein Rauber frisst, ist also bei geringer Beutedichte durch die Suchzeit limitiert. Anders ist die Situation bei hoher Beutedichte, denn ein Rauber muss nur wenig Zeit fur die Suche aufwenden. Bei hoher Beutedichte ist die Anzahl Beutetiere, die gefressen wird, durch die Handhabungszeit oder den Sattigungsgrad der Rauber limitiert. Holling (1959) hat als Erster ein mechanistisches Modell fur funktionelle Reaktionen aufgestellt, bei dem die Anzahl der von einem Rauber gefressenen Beutetiere Ne in einem bestimmten Zeitintervall Tvon dessen Angriffsrate a, der Handhabungszeit Th und der Beutedichte N abhangig ist. Die bekannteste und bis heute meist benutzte Gleichung von Holling wird haufig Scheibengleichung (disc equation) genannt ( ~ Kasten 3.2), wei! in den urspriinglichen Experimenten Menschen mit verbundenen Augen (Rauber) auf einer Tischflache nach runden Scheiben aus Sandpapier (Beute) suchen mussten. Die durch die Scheibengleichung beschriebene funktionelle Reaktion ( j-Abb. 3.3b) sagt voraus, dass ein Rauber bei geringen Beutedichten nahezu seine gesamte Zeit mit dem Suchen von Beute verbringt. Die Anzahl gefressener Beutetiere N, ist bei geringen Beutedichten praktisch proportional zur Angriffsrate a, steigt also an fangs linear. Mit zunehmender Beutedichte spieIt jedoch die Handhabung eine immer starkere Rolle, sodass die Kurve abknickt und sich bei hoher Beutedichte einem Plateau annahert. Bei hoher Beutedichte verbringt der Rauber fast die gesamte Zeit mit der Handhabung von Beute. Die maximale Anzahl Beutetiere, die vom Rauber gefressen werden konnen (das Plateau), ist durch T/Th gegeben. Eine solche funktionelle Reaktion
Kasten 3.2 Herleitung der 5cheibengleichung fur funktionelle Reaktionen eines Raubers nach Holling (1959) Ein Rauber auf Nahrungserwerb verbringt seine gesamte Zeit T mit Suchen und Handhaben von Beute: T = Tsuchen + Thandhaben
Nehmen w ir an, dass der Rauber in der gesamten ihm zur Verf uqunq stehenden Zeit T eine bestimmte Anzahl Beutetiere Ne fanqt. Wenn die Handhabungszeit fUr ein Beutetier Th ist, dann ist die gesamte Handhabungszeit des Raubers
Wah rend des Suchens durchstreift der Rauber pro Zeiteinheit durchschnittlich eine Flache a und f risst sarntliche Beutetiere auf dieser Flache. Der Parameter a wird auch haufig Angriffsrate oder
Sucheffizien z (searching efficiency) genannt. Wahrend der gesamten Suchzeit Tsu
_ Ne
suche n - aN
Nun konnen wir das Zeitbudget ausgleichen : N T = Tsuchen + Thand haben =~ + ThNe aN
Aufqelost nach der Anzah l Beutetiere Ne , die der Rauber wahrend T gefressen hat ( ~ Abb . 3.3), resultiert Hollings Scheibengleichung: N _ aTN e - ' + a ThN
3.1 Nahrungserwerb
a
_- -
........................::.:..;:.; ........ ~
~ -
b
c
Anzah l angebotene Beutet iere N
Anzahl angebotene Beutet iere N
3.3 Typen von funktionellen Reaktionen. In der Iinken Spalte ist die Anzahl gefressener Beutetiere N. gegeniiber der Anzahl angebotener Beutetiere N dargestellt, in der rechten Spalte die Pradationsrate, d. h. der Quotient aus der Anzahl gefressener Beutetiere zur Anzahl angebotener Beutetiere N/N gegeniiber der Anzahl angebotener Beutetiere N dargestellt. a) Typ 1: Iinearer Anstieg der funktionellen Reaktion. Die Pradationsrate bleibt in weiten Bereichen konstant (dichteunabhanqiq), b) Typ 2: eine Kurve, die sich asymptotisch einem Schwellenwert annahert, der durch die Handhabungszeit der Beute oder den Sartigungsgrad der Rauber bestimmt wird (z. B. Hollings Scheibengleichung). Die Pradatlonsrate sinkt stetig (negativ dichteabhangig). c) Typ 3: eine sigmoide funktionelle Reaktionskurve, bei der die Rauber bei niedrigen Beutedichten ineffizient die Beute aufspiiren und/oder uberwaltiqen, Mit zunehmend hoheren Beutedichten steigt die Pradationsrate, weil die Rauber zunehmend effizienter werden (positiv dichteabhangig).
ist im Tierreich haufig. Eine wichtige Voraussetzung fur eine derartige funktionelle Reaktion ist, dass sich Such- und Handhabungszeit gegenseitig ausschliefsen, d. h. wahrend ein Rauber Beute handhabt, kann er nicht nach neuer Beute suchen. Generell werden anhand der Form der funktionellen Reaktion drei Typen unterschieden ( ~ Abb. 3.3). Hollings Scheibengleichung gehort zum Typ 2. Der Typ 1 ist durch einen linearen Anstieg der Anzahl gefressener Beutetiere N, gegenuber der Beutedichte N gekennzeichnet (j-Abb. 3.3a). Die funktionelle Reaktion von Typ 1 tritt bei Raubern auf, bei denen das Aufspuren der Beute und deren Handhabung entkoppelt sind. Dies ist der Fall bei Raubcrn, die passiv Beute fangen, z. B. Filtrierern oder Netzspinnen. Wasserflohe (Daphnia sp.) filtern mit ihrem Reusenapparat Plankton aus dcm Wasser. Die vom Reusenapparat aus dem Wasser gefilterte Beute wird aufWimperbandern bis zum Mund transportiert. Der Reusenapparat erzeugt einen konstan-
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3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
ten Durchfluss einer bestimmten Menge Wasser pro Zeit, sodass die Beute (Plankton) proportional zu ihrer Konzentration im Wasser (Dichte) aufgenommen wird. Dasselbe gilt auch fur Netzspinnen, die ebenfalls Beute in ihrem Netz proportional zur Dichte in der Umgebung fangen und fressen (das Netz darf dabei weder anlockend noch abstofsend wirken und auch bei hoher Beutedichte nicht zerstort werden) . Bei hoher Beutedichte wird allerdings mehr Beute vom Reusenapparat oder Netz gefangen, als der Rauber handhaben kann. Bei der Spinne wird das Toten und Aussaugen limitierend, beim Wasserfloh das Schlucken. Der Obergang vom linearen Anstieg zum Plateau geschieht relativ abrupt, denn schon wenn die Anzahl gefangener Beuteobjekte geringfugig die Handhabungskapazitat des Raubers ubersteigt, tritt ein Beutestau im Fangapparat ein. Zu beachten bei funktionellen Reaktionen von Typ 1 ist, dass, wahrend der Rauber die Beute uberwaltigt (z. B. im Reusenapparat), verschluckt (Transport auf Cilien zum Mund) und verdaut, unvermindert weiter nach Beute gesucht werden kann (Durchstrom von Wasser). Die Fangapparate einiger fleischfressender Pflanzen fangen ihre Beute passiv (d. h. sie locken sie nicht an; z. B. Wasserschlauch Utricularia sp., aber nicht Sonnentau, Drosera sp.), analog zu den Netzen der Netzspinnen. Diese Pflanzen sind daher ebenfalls Filtrierer im weitesten Sinn. Tatsachlich zeigen auch sie in der Regeleine funktionelle Reaktion von Typ 1. Die funktionelle Reaktion vom Typ 3 hat eine sigmoide Form ( ~Abb. 3.3 c), d. h. mit steigender Beutedichte steigt die Anzahl gefressener Beutetiere starker als linear an, der Rauber wird also mit zunehmender Beutedichte effektiver. Diese Form der funktionellen Reaktion kann entstehen, wenn der Rauber lernt, effektiver mit der Beute umzugehen. Sigmoide funktionelle Reaktionen werden haufig Raubern mit hochentwickeltem Gehirn zugeschrieben, in erster Linie also Wirbeltieren, sind aber auch im Insektenreich anzutreffen. Populationen der Feldwespe Polistes dominulus reagieren auf die Dichte eines ihrer Beutetiere, Larven vom Distelschildkafer Cassida rubiginosa, in Form einer sigmoiden funktioncllen Reaktion (Schenk und Bacher 2002). Da die Wespe ein Generalist ist und verschiedene Beutetypen nutzt, entsteht die sigmoide funktionelle Reaktion wahrscheinlich haufig durch cine Spezialisierung der Rauber auf das momentan haufige Auftreten dieser Beute (S. 102). Tatsachlich sollten solche Spezialisierungen auf momentan haufige Beute fast zwangslaufig zu funktionellen Reaktionen von Typ 3 fuhren (Murdoch und Oaten 1975). Da bei hoherer Beutedichte der Rauber effektiver im Umgang mit seiner Beute wird, haben Hassell et al. (1977) vorgeschlagen, dass bei sigmoiden funktionellen Reaktionen die Angriffsrate a oder die Handhabungszeit Th selbst eine Funktion der Beutedichte ist. Eine realistische Funktion, die die Angriffsrate in Abhangigkeit der Beutedichte modelliert, hat eine ahnliche Form wie eine funktionelle Reaktion von Typ 2: Wahrend die Angriffsrate a bei niedriger Beutedichte ansteigt, wird sie bei hoher Beutedichte nicht mehr wesentlich gesteigert werden konnen und sich einem Plateau annahern.
bN l+cN
a= -
(3.1)
Setzen wir dies in die Scheibengleichung ein, ergibt sich die sigmoide funktionelle Reaktion:
3.1 Nahrungserwerb
N e
=
2 bTN 1+dN+bThN2
(3.2)
mit b, c und dais Konstanten.
Dichteabhanqiqkeit: Numerische Reaktion Unter einer numerischen Reaktion verstehen wir die Umsetzung von Nahrung in Nachkommen. Ie mehr Beutetiere ein Rauber frisst, desto mehr Energie kann er in Reproduktion investieren, desto mehr Nachkommen kann er erzeugen. Eine Erhohung der Beutepopulation fuhrt also zu einer Erhohung der Rauberpopulation, Wie wir im vorigen Abschnitt gesehen haben, ist die Anzahl gefressener Beutetiere uber die funktionelle Reaktion fiN) eines Raubers von der Beutedichte (und unter Umstanden auch von der Rauberdichte selbst; fiN,P)) abhangig. Die numerische Reaktion gist also uber die funktionelle Reaktion f eben falls von der Beutedichte abhangig (g(N)). Die Effizienz der Konvertierung von Nahrung in Nachkommen wird trophische Effizienz (trophicefficiency) oder Konvertierungseffizienz e genannt (S. 221). Eine Reihe von Arbeiten hat bei einer Vielzahl von Tierarten gezeigt, dass die Anzahl gefressener Beutetiere in der Regel proportional zur Anzahl produzierter Nachkommen ist, d. h. die Konvertierungseffizienz e ist eine Konstante (0 < e < 1).
g(N)
= e . f(N)
(3.3)
Die Rauberdichte kann die numerische Reaktion auf zweierlei Art beeinflussen: uber die funktionelle Reaktion und durch direkte Interaktion der Rauber untereinander. Bei hohen Rauberdichten bringen die einzelnen Rauber z. B.wegen Verletzungen bei aggressiven Auseinandersetzungen oder wegen Dichtestress weniger Nachkommen zur Welt.
g(N) = e . f(N)-hP
(3.4)
Der Parameter h ist ein MaB fur die Starke der direkten Beeintrachtigung der Rauber untereinander. Die numerische Reaktion eines Raubers kann nach oben begrenzt sein. Wenn z. B. die Anzahl Territorien oder Nistplatze begrenzt ist, kann ein Rauber auch bei geniigender Nahrungsversorgung nur eine begrenzte Anzahl Nachkommen zur Welt bringen. Andererseits kann die numerische Reaktion auch nach unten begrenzt sein, sodass trotz geniigender Nahrungsversorgung nicht die durch die Nahrungsmenge gegebene Anzahl Nachkommen erreicht wird . Dies wird der Allee-Effekt (S. 59 und 278) genannt. Bei geringer Rauberdichte haben die einzelnen Rauber mitunter Muhe, Partner zu finden, oder es konnen sich bei kleinen Populationen tiber einen langeren Zeitraum durch Inzucht Letalmutationen anreichern, sod ass diese Populationen genet isch verarmen. Beide Effekte fuhren dazu, dass die Anzahl Nachkommen, die ein Individuum produziert, sinkt.
107
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3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
3.2 Die trophischen Ebenen Ein Teil der von der Sonne auf die Erde eingestrahlten Lichtenergie wird von den Pflanzen aufgefangen und zum Aufbau von organischen Molekulen benutzt, die wiederum Wachstum, Stoffwechsel und Fortpflanzung ermoglichen. Pflanzen stehen dam it an der Basisjeglichen Lebens auf der Erde und gelten daher als Primarproduzenten. Pflanzen wiederum werden von Pflanzenfressern (Herbivoren, Phytophagen) gcfressen, die deswegen als Primarkonsumenten bezeichnet werden. Diese diencn ihrerseits als Nahrung fur Rauber (Carnivoren = Sekundarkonsumenten). Auf diese Weise werden die Lebewesen in trophische Ebenen eingestuft, je nachdem wieviele Organismen seit der eingestrahltcn Sonnenenergie bereits dazwischengeschaltet waren (... Abb. 3.4). Die Einteilung in trophische Ebenen hat also etwas mit dem Energiefluss in Okosystemen zu tun und wird auch in mehr energetischem Zusammenhang auf Seite 215 angesprochen. Abweichend von diesem einfachen Schema gibt es Organismen, die ihre Energie von mehrcren unter ihnen liegenden trophischen Ebenen beziehen (Omnivoren). Hierbei handelt es sich z. B. urn Tiere, die sowohl tierische als auch pflanzliche Nahrung zu sich nehmen. SchlieBlichgibt es die Gruppe der Zersetzer (Destruenten, Detritivoren), die die anfallenden Pflanzenteile und Leichen und deren Zersetzungsprodukte aus allen trophischen Ebenen wieder mineralisieren, sodass diese letztendlich wieder von den Pflanzen aufgenommen werden konnen, Organismen auf allen trophischen Ebenen konnen von Parasiten befallen werden, sodass auch diese Gruppe als Ganzes keiner eindeutigen Ebene zugeordnet werden kann . Einzelne parasitische Vertreter werden jeweils eine Ebene hoher als ihre Wirte eingeordnet.
3.2.1 Zersetzer, Destruenten, Detritivoren Die Gruppe von Organismen, die fur den Abbau von toter organischer Materie sorgt, nennt man Zersetzer, Destruenten oder manchmal auch Detritivoren. Zu dieser Gruppe gehoren Vertreter der Tiere, Pilze und Bakterien, d. h. ausschlieBlich heterotrophe Organismen. Nach dem vollstandigen Abbau (Mineralisierung) liegt die organische Substanz wieder in anorganischer Form vor (C0 2, H 20 und mineralische Nahrstoffe wie Stickstoff-, Schwefcl-, Phosphor- und Kaliumverbindungen sowie Spurenelemente). Sie ist dam it fur die Pflanzen wieder nutzbar und der Nahrstoffkreislauf ist geschlossen. In den seltensten Fallen wird tote organische Substanz von einer einzigen Zersetzcrart vollstandig mineralisiert. In der Regel gibt es einen Artenkomplex an Zersetzern, der sich im Verlauf des Zersetzungsprozesses auch noch verandert, d. h. in den verschiedenen Stadien des Zersetzungsprozesses sind jeweils andere Arten an der Mineralisierung beteiligt (Sukzession, S. 196). Die verschiedenen Zersetzerarten sind also mehr oder weniger in ihrer Nahrungsaufnahme spezialisiert. Die Organismen, die im Zersetzungsprozess als erste eine Rolle spielen, sind die Opportunisten. Viele Bakterien und Pilze nutzen losliche Substanzen (Arninosauren und Zucker) zum schnellen Wachstum . Unter anaeroben Bedingungen kann dies zur Garung fuhren .
3.2 Die trophischen Ebenen
ro:
Carnivoren hiiherer Ordnung
~
~ ra~
@m~ I
/
4. lrophische Ebene
I
Carnivoren 3. trophische Ebene
3.4 Schematische Einteilung von Organismen nach trophischen Ebenen. pfeile bedeuten Energiefluss.
Unter dauerhaft anoxischen Bedingungen (z. B. in Sedimenten) spielen Zersetzer eine Rolle, die zu anaerober Atmung in der Lage sind: denitrifizierende, sulfatreduzierende und methanbildende Mikroorganismen. In den Reisfeldern Asiens wird z. B. durch Zersetzungsprozesse eine betrachtliche Menge des Treibhausgases Methan (CH 4) in die Atmosphare freigesetzt, was zu einer Erhohung des Treibhauseffekts fuhrt (S. 231). Schwer angreifbare Substanzen (Cellulose, Chitin, Lignin, Cutin, Suberin) werden langsam und durch spezialisierte Organismen abgebaut. Bei der Holzzersetzung bauen z. B. Braunfaulepilze Cellulose ab und hinterlassen einen braunen Riickstand aus Lignin, wahrend WeiBfaulepilze Lignin abbauen und dabei einen weiBen Riickstand aus Cellulose hinterlassen. Der eigentliche Abbauprozess durch Mikroorganismen (Mikroflora: Bakterien, Pilze) wird durch Tiere (Meso-, Megafauna), die die tote organische Substanz mechanisch zerkleinern, beschleunigt. Zersetzer spielen eine wichtige Rolle in Symbiosen mit Herbivoren (S. 113 und 152). Sie helfen als Darmbewohner bei der Zersetzung von schwer verdaulichen Substanzen, in erster Linie Cellulose, die fur die Tiere ansonsten unverdaulich ware, z. B. bei Wiederkauern und Termiten. 1m Gegensatz zu allen anderen trophischen Ebenen kontrollieren die Zersetzer nicht die Rate, mit der ihre Ressource (d. h. tote organische Substanz) fur sie verfugbar wird (z. B. sind Rauber- und Beutepopulationen haufig aneinander gekoppelt, d. h. voneinander abhangig, S. 137). Die Zersetzer sind in puncto Nahrung komplett von anderen Faktoren abhangig, die den Umfang, mit dem ihre Ressource verfiigbar wird, bestimmen, wie Alterung, Krankheit und Unfalle (Kadaver) bei anderen Organismen, die Konsumptionsrate anderer trophischer Ebenen (Kot) usw. Zersetzer sind also ressourcen- oder substratkontrolliert (donor-controlled) . Allerdings gibt es eine indirekte Riickwirkung der Zersetzer auf die Ressourcenpopulation, indem sie durch die Zersetzung von toter organischer Substanz die Rate, mit der Nahrstoffe (Mineralien) frei werden, beeinflussen und damit auch die Wachstumsrate der anderen trophischen Ebenen.
109
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3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
In einer sehr einflussreichen Arbeit haben Hairston et aL (1960) bereits daraufhingewiesen, dass die Gruppe der Destruenten global gesehen als Ganzes durch ihre Ressourcen limitiert ist (bottom-up regulation) und nicht durch z. B. Rauber oder Krankheiten (top-down regulation) (S. 157). Dies folgerten sie aus der Uberlegung, dass die Anreicherung von fossilen Energietragem (Erdol, Kohle), also biologisch fixierter Energie, mit einer verschwindend geringen Rate verglichen mit der Fixierung von Energie durch die Photosynthese geschieht. Wenn also praktisch samtliche photosynthetisch fixierte Energie durch die Biosphare flieBt (und sich nicht anreichert), folgt daraus, dass samtliche Lebewesen als Ganzes durch die Menge der fixierten Energie limitiert sind. Insbesondere mussen die Destruenten als Gruppe durch ihre Ressource (totes organisches Material) limitiert sein, denn wenn nicht praktisch samtliches anfallende tote Material zersetzt wurde, wiirden sich fossile Energietrager schnell anreichern. Einzelne Populationen konnen von dieser generellen Regel abweichen, allerdings mussen dann andere Destruenten das ubrig gelassene tote Material zersetzen, denn ansonsten wiirden sich fossile Stoffe rasch anre ichern. Eine weitere Folgerung dieser Uberlegungen ist, dass Konkurrenz innerhalb der Gruppe der Zersetzer haufig auftritt und sehr wichtig sein muss, denn ohne Konkurrenz urn die gemeinsame Nahrungsressource wiirde diese nicht immer fast vollstandig abgebaut werden .
3.2.2 Primarproduzenten: Pflanzen Primarproduzenten sind Organismen, die in der Lage sind, aus anorganischen Stoffen organische herzustellen. Sie gehoren damit zu den autotrophen Lebewesen (~ Tab. 3.1). Die global betrachtet weitaus groBte und bedeutendste Gruppe sind die Pflanzen. Ihnen gemeinsam ist die Fahigkeit zur Photosynthese (S. 23). Weltweit gibt es etwa 330000 Pflanzenarten. Obwohl Pflanzen dam it nur etwa 18 % aller bekannten Arten auf der Erde reprasentieren, stellen sie den weitaus grofsten Teil der Biomasse (> 98 %). Dort, wo Leben moglich ist, besteht dies zum uberwiegenden Teil aus Pflanzen. Warum das so ist, wird auf den Seiten 162 und 221 diskutiert. Die systematische Einteilung der Pflanzen geht aus ~ Kasten 1.1 hervor. Pflanzen konnen eine Vielzahl von komplizierten organischen Verbindungen synthetisieren, die fur sie seiber und fur ihre Konsumenten in den Nahrungsketten von mannigfaltiger Bedeutung sind. Dazu gehoren neben den Strukturbausteinen Lignin und Cellulose auch der Energiespeicherstoff Starke, wichtige Kofaktoren, die das Funktionieren von Enzymen und Redoxketten errnoglichen, Phytohormone, Photosynthesepigmente, Farbstoffe von Bluten und Fruchten, Duftstoffe und Schutzsubstanzen (j-Kasten 3.3). Die Entwicklung von Stutzgewebe (in erster Linie Lignin und Cellulose) und Stoffleitungsbahnen (Phloem, Xylem) erlaubte den hoheren Pflanzen ein enormes GroBenwachstum. Pflanzen stellen die grofsten lebenden Organismen auf der Erde. Als das grofste Lebewesen der Erde wird der General-Sherman-Baum angesehen, der im Sequoia-Nationalpark in Kalifornien steht. Er gehort zu den Riesenmammutbaumen (Sequoiadendron giganteum) und erreicht ein Stammvolumen von etwa 1500 rrr', ein Stammgewicht von 1300 t und eine Hohe von 83,8 m (Stand 2002). Man
3.2 Die troph ischen Ebenen
111
sollte dabei nieht vergessen, dass die unterirdisehe Biomasse noeh nieht mitgereehnet wurde. Bei vielen Pflanzen ist unterirdiseh mindestens noeh einmal soviel Biomasse vorhanden wie oberirdiseh; bei Grasern reehnet man damit, dass sogar nur 10-20 % der Gesamtbiomasse oberirdiseh siehtbar sind. Es gibt allerdings Ausnahmen: Regenwaldbaume haben nur etwa 20-30 % ihrer Biomasse in den Wurzeln. Wenn man Pflanzen mit Tieren vergleieht, fallt als Erstes ihr modularer Autbau (S. 46) auf. Pflanzen sind aus einer Anzahl gleiehartiger Bausteine, den Modulen (z. B. Spross- und Wurzelabsehnitten), zusammengesetzt. Neue Module entstehen aus Anhaufungen von nieht ausdifferenzierten (embryonalen) Zellen, den Meristemen, die an versehiedenen Stellen im Pflanzenkorper verteilt sind. Pflanzen konnen auf den Verlust eines Teiles ihrer Module (z. B. dureh FraB) mit dem Austrieb von neuen reagieren. Ebenso konnen sie veranderten Umweltbedingungen (z. B. Besehattung dureh benaehbarte Pflanzen) mit dem Neuaustrieb an unbesehatteten Stellen begegnen. Dies mag aueh mit ein Grund dafur sein, warum Pflanzen bis zu ihrem Tod weiter waehsen. Der gleiehartige Aufbau ermoglicht den Pflanzen einen auBerst flexiblen Einsatz ihrer Module.
Kasten 3.3 Wichtige von Pflanzen synthetisierte Naturstoffklassen - - - Terpenoide • Terpenoide sind Polymere, die sich aus Cs-Einheiten zusammensetzen. Der Grundbaustein, aus dem die Polymere gebildet werden, ist das Isopentyl -pyrophosphat. Es sind mehr als 100000 verschiedene Terpene bekannt. • Monoterpene: eine C10-Einheit. Leicht verduns tende Substanzen, daher auch der Name athe rische Ole. Beispiel: Menthol aus der Pfefferminze (Mentha piperita, a) schutzt vor Herbivorie, hemmt Bakterienwachstum, Duftstoff zur Anlockung von Bestaubern . • Sesquiterpene : drei Cs-Einheiten . Duftst offe (Plonon in Veilchen, b), Phytohormon (Abscisin-
saure, c).
• Diterpene: zwei C10 -Einheiten. Phytylrest der Chlorophylle, Phytohormon (Gibberellin) . • Triterpene: dre i C1o-Einheiten (Squalen), die durch Ringschluss St eran (d) bilden, den Grund baustein der Steroide (Membranbaustoffe, Tierhormone). Saponine (e) und Cardenolide (f) schutzen vor Herbivorie. • Tetraterpene: vier C1o-Einheiten. Carotinoide, dienen als akzessorische Pigmente in der Photosynthese, Pflanzenfarbstoffe, Provitam in A (f3-Carot in, g). Phenole • Phenole sind aromatische Ringsysteme, die mindestens eine Hydroxylgruppe entha lten.
• Chinon und Hydrochinon (h) sind Bestandte ile von Elektronenubertragungsketten, Salicylaldehyd (i) schutzt vor Herbivorie. • Flavone U, gelb) und Anthocyanid ine (k, rotblau) und deren Derivate bilden BlUtenfarbstoffe, Isoflavone (I) schutzen auch vor Herbivorie. • Losllche (m) und kondensierte Tannine dienen der Frassabwehr und wirken antimikrobiell. • Phenylpropanderivate sind Vorstufen der Ligni ne (n). Alka loide • Alka loide sind Ringsysteme, die Stickstoff enthalten und daher alkalisch reagieren (organische Basen). Man kennt heute einige Tausend verschiedene Alkaloide, die in den meisten Pflanzen vorkommen. Unter den Alka loiden sind viele bekannte Genussmitte l (Coffein 0, Nicotin, p), Drogen (Opium, Kokain), Medikamente (Atropin q, Chinin, Colchicin) und Gifte (Coniin, Gift des Schierlings) . Einige Alkaloide dienen den Pflanzen als FraBschutz gegen Herbivoren (Z. B. Pyrrolizidine r, S. 145). Auch die Nukleot idbasen Pyridin, Purin und Pyrimid in sind Alkaloide.
112
3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
rOH a
~O
Menthol
b
o
II-Ionon
~ -&
COzH
Abscisinsaure
c OH
'OH
d
cxfO Steran
0
OH
0
Hydrochinon
Chinon
¢OH
0
- [2H]
HO HOHzC
+[2H]
CH3
e
RO
Saponin
h
Cardenolid
0
R aCHO ::,..
R
#" R1
HO
9'
::,.. I
0
I
::,..
I
Rl HO
HO
HO
OH 0
Flavon
Salicylaldehyd
II-Carotin
9
OH
Rz
COzH OH
OH
tsollavon
Anthocyanidin
m
q
Lignin
Atrop in
OH
loslichesTannin
p
n
COzH
HO-Q-Q-OH
OH k
OH
Nicolin
Pyrrolizidin
3.2 Die troph ischen Ebenen
Pflanzen sind im Vergleieh zu Tieren reeht immobil. Sie konnen daher ungunstigen Umweltbedingungen (Stress) nieht einfaeh ausweiehen bzw. nur beschrankt Platze mit gunstigeren Bedingungen aufsuehen. Weil Pflanzen nur wenige Ausweiehmeehanismen zur Verfugung stehen, haben sie in erster Linie Abwehrmeehanismen (z, B. Schutz gegen FraBfeinde) odcr Toleranz gegen ungunstige Umweltfaktoren entwiekelt (S. 140). Gerade letzteres setzt einen hohen Anpassungsgrad an die Umweltbedingungen voraus . Pflanzen sind im Vergleieh zu Tieren tatsachlich viel wandelbarer; ein und derselbe Genotyp kann sieh in versehiedenen Umwelten zu ganz versehiedenen Phanotypen entwickeln (phanotypische Plastizitat) (~ Abb. 1.1).
3.2.3 Primarkonsumenten: Herbivoren Primarkonsumenten wird die Gruppe Lebewesen genannt, die sieh von den Primarproduzenten ernahren, Dies ist die erste Ebene von Organismen, die sieh heterotroph ernahren. Es handelt sieh dabei in erster Linie urn Pflanzenfresser (Herbivoren). Herbivorie ist im Tierreich weit verbreitet und kommt in allen Ticrgruppen vor. Herbivoren fressen haufig nieht ganze Pflanzen, sondern zeigen eine Spezialisierung auf bestimmte Pflanzenorgane. Die meisten Sehmetterlingsraupen sind z. B. Blattfresser. Pflanzensaftsauger werden in Phloemsauger (z. B. Blattlause) und Xylemsaftsauger (z. B. einige Zikaden) eingeteilt . Tiere, die sieh mit ihrem ganzen Korper in das Pflanzengewebe einbohren und in der Pflanze (endophytisch) leben, werden Minierer genannt. Man unterseheidet je naeh befallenem Pflanzengewebe Stangel-, Blatt- und Wurzelminierer. Manehe Minierer induzieren morphologisehe Veranderungen in der befallenen Pflanze. Meist handelt es sieh dabei urn Ansehwellungen des Pflanzengewebes urn den minierenden Herbivoren herum. Diese Pflanzenstrukturen werden als Gallen (~ Abb. 3.16) bezeichnet und die Verursacher dementspreehend als Gallbildner. Herbivoren, die Samen bzw. Fruchte fressen, werden Granivoren bzw. Frugivoren genannt. Das Verarbeiten von Pflanzennahrung stellt an Herbivoren einige besondere Anforderungen. 1m Vergleich zu den Herbivoren selbst enthalt Pflanzengewebe einen deutlich geringeren Gehalt an Stickstoff und Phosphor ( j-Abb. 3.5). Dies spiegelt sieh im Verhaltnis von Kohlenstoff zu Stickstoff (C:N-Verhaltnis) wider, das bei Pflanzen in der Regel uber 40:1 betragt, bei Tieren hingegen kleiner als 10:1 ist. Tatsachlich findet bei der Umsetzung von Pflanzen dureh Herbivoren der grofste stochiometrische Dbergang in der gesamten Nahrungskette statt, d. h. es mussen die grofsten Untersehiede in den Anteilen verschiedener Nahrstoffe uberwunden werden. Obwohl Pflanzengewebe relativ energiereieh ist, sind viele Substanzen fur Herbivoren nicht nutzbar. Ihnen fehlen die Enzyme zur Verdauung von Cellulose, einem Hauptbestandteil vieler Pflanzengewebe. Einige Herbivore sind aus diesem Grund Symbiosen mit Mikroorganismen eingegangen, die im Verdauungstrakt der Herbivoren leben und fur sie den Celluloseabbau betreiben (z. B.Wiederkauer), Auch der Wassergehalt der Nahrung spielt fur Herbivoren eine groBe Rolle. Pflanzengewebe mit hohem Wassergehalt (z. B. junge Pflanzenteile) konnen von Herbivoren besser verwertet werden und werden daher in der Regel auch bevorzugt gefressen. Schliefllich sei noeh
113
114
3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
1------11 Samen Angiospermenblatter
Cymnosperrnenblatter
I-------l
I---l
I - - - - - - - - ----i Phloemsaft
I - - - - - - - - - - -- ---li I
i
I
I
0,0001 0,0003 0,001 0,003
I
0,01
I
0,03
I
0,1
Xylemsaft i
0,3
i
3
i
I
10 20
Stickstoffgehalt (%), Trockeng ewicht
3.5 Stickstoffgehalt pflanzlicher und tierischer Nahrung. Nach Mattson (1980).
erwahnt, dass pflanzliche Nahrung in ihrer Zusammensetzung viel variabler ist als tierische .
3.2.4 Sekundarkonsurnenten: Carnivoren Tiere, die andere Tiere fressen, werden Carnivoren genannt. Im Gegensatz zu Zersetzern erbeuten Carnivoren lebendige Tiere, und im Gegensatz zu Herbivoren toten Carnivoren ihre Beute in der Regel. Wir unterscheiden echte Rauber, die wahrend ihres Lebens mehrere Beutetiere toten und verzehren, und Parasitoide, die nur ein Beutetier zur Entwicklung benotigen ( ~ Tab. 3.3). Ein Rauber, der Herbivoren frisst, gilt als Carnivore erster Ordnung, einer, der Rauber erster Ordnung frisst, als Carnivore zweiter Ordnung usw. Wenn Pflanzen also die erste trophische Ebene besetzen und Herbivoren die zweite, kann man Rauber erster Ordnung der dritten trophischen Ebene zuordnen und Rauber hoherer Ordnung entsprechend hoheren trophischen Ebenen. Echte Rauber sind in der Regel grofser als ihre Beute, urn sie leichter uberwaltigen zu konnen. Im Gegensatz dazu sind Parasitoide aus energetischen Grunden kleiner als ihre Wirte, denn sie ernahren sich ja nur von einem Wirt. Carnivoren haben im Gegensatz zu Herbivoren eine homogenere Nahrung, die auch viel eher ihrer eigenen Korperzusammensetzung entspricht, als dies bei Herbivoren der Fall ist ( ~Abb. 3.5). Tierische Nahrung enthalt weniger schwer verdauliche Bestandteile und ist auch nur in seltenen Fallen giftig. Ausnahmen bestatigen hier die Regel, denn einige Tiere pro duzieren sehr potente Gifte (S. 128).
3.2 Die troph ischen Ebenen
3.2.5 Omnivoren Manchmal ist es schwierig, einer Art eine genaue trophische Position zuzuweisen, wei! viele Arten ihre Nahrung aus mehr als einer trophischen Ebene beziehen. Viele rau berische Arten, z. B. Dach se, nehmen nicht nur tierische sondern auch pflan zliche Nahrung zu sich. Man spricht von Omnivorie, wenn sich eine Art von Organismen mehrerer trophischer Ebenen ernahrt. Omnivorie ist im Tierreich weit verbr eitet. Viele Herbivoren erganzen ihre Diat mit tierischer Nahrung, die vie! eiweiBreicher ist, um ihre Stickstoffversorgung zu verbessern. Einige herbivore Insekten sind in fruhen Entwicklungsstadien sogar kannibalistisch, d. h. sie fressen ihre Geschwister und erhalten so durch die hohe Nahrungsqualitat einen Entwicklungsschub (Barros-Bel landa und Zucoloto 2001). Dies ist fur diese Arten vorteilhaft, da besonders die fruhen Entwicklungsstadien anfallig fur abiotische und biotische Mortalitatsfaktoren sind.
3.2.6 Parasiten, Krankheiten, Vektoren Um einen Organismus als parasitisch einzustufen, mus sen drei Bedingungen erfullt sein: • Der Parasit nutzt seinen Wirt als Habitat. • Wahrend der parasitischen Phase des Lebenszyklus ist der Parasit obligatorisch von seinem Wirt in der Synthese von mindestens einem lebensnotwendigen (essenzie!len) Nahrstoff abhangig. • Ein Parasit schadigt seinen Wirt . 1m Gegensatz zu Parasitoiden, toten Parasiten ihren Wirt nicht obligato risch, um sich erfolgreich entwickeln zu konnen, zeigen aber ein breites Spektrum in Bezug auf die Schadigung ihres Wirtes. Zwar gibt es Faile, in denen ein hoher Parasitenbefall den Tod des Wirtes nach sich zieht, jedoch sterben in einem solchen Fall auch die Parasiten , sodass der Tod des Wirtsindividuums nicht zum Vorteil der Parasiten ist (es sei denn, der Parasit wird tiber den Kadaver des Zwischenwirts weiterverbreitet, z. B. Fuchsbandwurm). Ein parasitischer Lebensstil hat sich meh rfach und in vie!en Gruppen unabhangig entwicke!t. Wir kennen Vertreter bei den Mikroorganismen, Pilzen, Pflanzen und Tieren. Die meisten freilebenden Organismen sind Wirte fur mehrere Arten von Parasiten. Gleichzeitig sind viele Parasiten recht spezifisch in der Wahl ihrer Wirte . Wenn man diese beiden Informationen verbindet, ergibt sich, dass ein GroBteil der Lebewesen parasitisch lebt und aile Arten Parasiten haben konnen. Parasitismus muss daher als ein wichtiger Lebensstil angesehen werden , der in der Natur eine groBe okologi sche Bedeutung hat . Eine fur den Okologen wichtige Einteilung von Parasiten in Mikro- und Makroparasiten erfolgt anhand ihres Lebenssti!s. Mikroparasiten vermehren sich direkt im Korper ihres Wirtes, sind demnach klein und stehen in enger Wechse!wirkung zur Wirtsphysiologie. Beispiele fur Mikroparasiten sind viele Bakterien , Viren und Ein-
115
116
3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
zeller wie die Erreger der Malaria (Plasmodium, Sporozoa) und der Schlafkrankheit (Trypanosoma, Flagellata). In all diesen Beispielen werden Wirte nur von einer relativ kleinen Anzahl Parasitenindividuen befallen, die in der Folge innerhalb der Wirte zu hohen Populationsdichten heranwachsen. Haufig leben Mikroparasiten in den Wirtszellen. Bei Makroparasiten unterscheidet man Ekto- und Endoparasiten, je nachdem ob sie auf oder in dem Wirt leben. Endoparasitische Makroparasiten vermehren sich in der Regel nicht in ihrem Wirt, was sie von den Mikroparasiten unterscheidet; hohe Populationsdichten von Makroparasiten in einem Wirt entstehen dadurch, dass sich ein Wirt mehrfach mit dem Parasiten infiziert (multiple Infektionen), also z. B. Fiichse, die viele Beeren mit Bandwurmlarven gefressen haben. Es werden allerdings infektiose Stadien produziert (z. B. Sporen, Eier), die freigelassen werden, urn neue Wirte zu infizieren. Ektoparasitische Makroparasiten sind Zecken (Ixodidae) und F16he (Siphonaptera), wahrend zu den endoparasitischen Makroparasiten viele Spulwiirmer (Nematoda), Saugwurmer (Trematoda) und Bandwiirmer (Cestoda) gehoren. Viele Makroparasiten benotigen fur ihre vollstandige Entwicklung mehrere Wirte verschiedener Arten (Wirtswechsel). Dabei wird der Wirt, in dem die Fortpflanzung experimenteller Wirt
(__------- .~ I~ I experimentelle
natiirlicher Wirt
Infektion
o
Prapatenz: 70-80 d
I~I
t=\
•
--+ Eier(ca. 150 urn) werden mit Kot ausgeschieden
- - -- - 1 -
Redienwerden in Sporocysten gebildet
3.6 Makroparasiten mit Wirtswechsel. Entwicklungszyklus des GroBen Leberegels (Fasciola hepatica) in Schnecken als Zwischenwirt und Sauqetieren als Endwirt. Prapatenz ist der Zeitabschnitt vom Eindringen (Aufnahme) der infektiosen Parasitenstadien bis zum Auftreten von Geschlechtsprodukten . (Bockeler und Walker (Hrsg) (1983) ParasitologischesPraktikum. Mit freundlicher Genehmigung von Wiley-VCH, Weinheim).
3.3 Pr inzip ien der Wechselwirkungen
(genauer die Meiose) stattfindet, als Endwirt bezeichnet, die anderen als Zwischenwirte. In Zwischenwirten entwickeln sich die Parasiten weiter. In dem Beispiel in Abbildung 3.6 entwickeln sich aus den Miracidien in der Schnecke als Zwischenwirt Tochtersporoc ysten, die wiederum Cercarien ins Wasser entlassen. Manche Parasiten werden von anderen Organismen auf neu e Wirte iibert ragen, ohne dass sich die Parasiten in ihnen weiterentwickeln. Diese Ubertrager werden Vektoren genannt. Stechmiicken z. B. konnen auf diese Weise Blutpara siten von einem Wirt zum anderen iibertragen oder Insekten Pflanzenkr ankheiten (z. B. Mehltau) von einer infizierten Pflanze auf gesunde.
3.3 Prinzipien der Wechselwirkungen In der Okologie werden Wechselwirkungen zwischen zwei Arten in fur die Beteiligten positive, negative und neutrale eingeteilt. Aus dieser Einteilung ergeben sich die in Tabelle 3.2a dargestellten Kombinationen. In mutualistischen Beziehungen (S. LSI) Tabelle 3.2: Einteilung der Wechselwirkungen zw ischen Lebewesen an hand ihrer Auswirkungen auf die beteiligten Arten. a) Klassisches Schema: Hier wird angenommen, dass die Wechselwirkungen zwischen zwei Arten immer zu demselben Resultat fuhren . In Klam mern sind die Anzahl Arbeiten angegeben, die zu diesen Interaktionstypen veroffentlicht wurden . Suche in der Datenbank Web of Science mit den englischen Suchbegriffen . b) Realistischeres Schema, in dem das Resultat der Interaktion je nach Umweltbedingung verschieden sein kann. a Art A
+ +
+1+
Mutualismus (348)
'"t: oct
o
+ 1-
+ 10
Trophisch (2776)
Kommensalismus (57)
- /Konkurrenz (7683)
Amensalismus (8)
- /0
0/0
0
Neutralismus (3)
b Konkurrenz
Amensalismus
trophische Beziehung
Art A
o
Art B
+
++
+++
oder Mutualismus
Kommensalismus
Art A
+
o
0
Art B
+
+
++
trophische Beziehung
++
+++
+++
117
118
3 Wechse lwirkungen zwischen verschiedenen Arten
profitieren beide Arten von der lnteraktion, in trophischen Beziehungen (S. 127) profitiert die eine Art, wahrend die andere einen Nachteil hat, und eine Konkurrenzsituation (S. 119) ist fur beide Arten nachteilig . Bei lnteraktionen ist zu beachten, dass die Auswirkungen meist in beide Richtungen gehen , d. h. beide Beteiligte sind betroffen. Eine Ausnahme stellen die einseitig neutralen lnteraktionen Amensalismus und Kommensalismus dar, in den en eine Art keinerlei Auswirkungen auf die andere hat. Hierbei stellt sich oft die Frage, ob die lnteraktion tatsachlich einseitig ist oder ob die Auswirkungen auf die andere Art bis jetzt nur nieht entdeckt wurden. Ebenso stellt sich bei einer beidseitig neutralen Interaktion die philosophische Frage, ob es sieh hierbei uberhaupt urn eine lnteraktion handelt. Eine Einteilung der lnteraktionen zwischen zwei Arten wie sie in Tabelle 3.2a dargestellt ist, erweckt oft den Eindruck, die Auswirkungen seien fur beide Arten festgeschrieben. Dies ist keineswegs der Fall. Ob die Auswirkungen einer lnteraktion fur die beteiligten Arten positiv, negativ oder neutral sind, hangt haufig stark von den Umstanden abo Dazu einige Beispiele: Ob die Beziehung zwischen einem Putzerfisch und seinem Wirt fur den Wirt positiv ist, hangt davon ab, wie viele Parasiten der Wirt tragt und wie viel Gewebe ihm der Putzerfisch entfernt. Ist der Wirt stark parasitiert, ist die Beziehung zum Putzerfisch vorteilhaft fur den Wirt, ist er wenig parasitiert, kann die Beziehung sogar nachteilig werden, denn der Putzer wird, wenn er keine Parasiten findet , unter Umstanden Stucke aus der Haut des Wirtes entfernen, urn auf seine Kosten zu kommen (S. 153). Auch Ameisen, die Blattlause vor ihren Feinden schutzen und dabei die zuckerhaltigen Ausscheidungen der Blattlause (Honigtau) sammeln, konnen von Mutualisten zu Raubern werden , wenn sie anfangen, die Blattlause selbst zu fressen. Die meisten Pflanzen leben in enger Beziehung zu bodenbewohnenden Pilzen, die manchmal tief mit ihren Hyphen ins Pflanzengewebe eindringen (Mykorrhiza). Ob diese Beziehung zum Vorteil (beide Partner tauschen fur sie limitierende Nahrstoffe aus) oder Nachteil (der Pilz parasitiert die Pflanze, die Pflanze wehrt den Pilz ab) fur die Beteiligten ist, hangt in erster Linie von der Nahrstoffversorgung der beiden abo Die Auswirkungen der Beziehung zweier Arten konnen in ihrer Starke also sehr variieren und sich sogar ins Gegenteil umkehren. Man stellt daher die lnteraktion zweier Arten besser als Kontinuum dar, in dem die Auswirkung in ihrem Vorzeichen und in ihrer Starke schwanken kann (..- Tab. 3.2b). Zu den Wechselwirkungen, die haufig ub er die Nahrung vermittelt werden, zahlen trophische lnteraktionen und Konkurrenz. Trophische lnteraktionen sind Beziehungen zwischen einem Konsumenten und seiner Nahrung in Form von lebendigen Organismen. Unter trophische Wechselwirkungen fallen so vielfaltige lnteraktionen wie Rauber-Beute-, Parasit-Wirt- und Herbivore-Pflanze-Beziehungen. Trophische Beziehungen kann man anhand von zwei Parametern, namlich der Intimitat der Beziehung von Konsument und Nahrung und der Letalitat, also dem Grad der Todlichkeit, in vier Klassen einteilen (..- Tab. 3.3). Wahrend Rauber und Weideganger (weideganger ist nicht gleichbedeutend mit Herbivoren, obwohl die meisten Weideganger Herbivoren sind) keine enge physiologische Bindung zu ihrer Nahrung aufweisen, haben Parasiten und Parasitoide in der Regelstarke Bindungen zu ihrem Wirt, d. h. sie verbringen einen GroBteil ihres Lebens mit ein und dem selben Wirtsindividuum. Andererseits toten Rauber und Parasitoide ihre Nahrung, d. h. sie haben eine
3.4 Wechselwirkungen auf derselben trophischen Ebene
Tabelle 3.3: Einteilung trophischer Wechselwirkungen.
tetalitat lntimitat
hoch
niedrig
hoch
Parasitaid
Parasit
niedrig
Rauber
Weideganger
hohe Letalitat, wahrend Parasiten und Weideganger ihren Wirt in einem weitaus geringeren Ausmaf schadigen,
3.4 Wechselwirkungen auf derselben trophischen Ebene 3.4.1 Interspezifische Konkurrenz Zwischenartliche Konkurrenz urn eine gemeinsam genutzte Ressource tritt bei Arten auf, die ahnliche Nischen besetzen . Dies ist haufig bei nahe verwandten Arten der Fall, die wegen ihrer gemeinsamen Stammesgeschichte zwangslaufig eine groBe Nischenuberlappung aufweisen (z. B. verschiedene Seepockenarten, die urn Raum auf Felsen in der Gezeitenzone konkurrieren), aber es konnen auch verschiedenste Arten miteinander in Konkurrenz treten. In Wiistengegenden konkurrieren z. B. Ameisen mit Kleinnagern urn Samen, die die Hauptnahrungsquelle in diesen Gegenden fur beide Gruppen darstellen. Da oft verschiedene Pflanzenarten sehr ahnliche Anspriiche an Nahrung und Habitat stellen (jedenfalls im Vergleich zu Tieren; S. 96), tritt interspezifische Konkurrenz im Pflanzenreich sehr haufig auf. Interspezifische Konkurrenz ist haufig noch starker asymmetrisch als intraspezifische Konkurrenz, d. h. die Individuen der einen Art erleiden grofsere FitnesseinbuBen als die Indiv iduen der anderen Art. Das fuhrt entweder dazu, dass die unterlegene Art vollstandig verdrangt wird oder dass sie nur in einer suboptimalen Nische im Habitat mit der iiberlegenen Art koexistieren kann. Mit anderen Worten: Die Nische, in der man die unterlegene Art im Habitat zusammen mit der Konkurrenzart findet (realisierte Nische), ist kleiner als die Nische, die die Art ohne ihren Konkurrenten belegen wiirde (fundamentale Nische; S. 40). Die konkurrierenden Arten unterscheiden sich bei Koexistenz in ihren Realnischen (niche differentiation), indem sie die gemeinsam genutzte Ressource aufgeteilt haben (resource partitioning). Man findet haufig in der Natur, dass sich koexistierende Arten in ihrer Realnische unterscheiden. Allein diese Beobachtung ist jedoch noch kein schliissiger Beweisfur Konkurrenz zwischen diesen Arten, denn gerade durch die Nischendifferenzierung entgehen sie ja einer Konkurrenzsituation. Nur ein experimentelles Uberprufen, ob die Arten in Abwesenheit der anderen eine erweiterte Nische nutzen wiirden und erhohtes Wachstum, Uberleben oder eine erhohte Fekunditat zeigen, kann den Beweis erbringen.
119
120
3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
Wenn keine Nischenunterscheidung zwischen zwei konkurrierenden Arten moglich ist, wird die konkurrenzschwachere Art von der starkeren verdrangt. Dieses Ergebnis erhielt man in vielen Laborexperimenten, in denen in der Regel zwei Arten urn eine gemeinsame Ressource konkurrieren mussten. Dieser Befund wird das Konkurrenzausschlussprinzip genannt. In Laborexperimenten ist haufig durch die raumliche Begrenztheit und Strukturarmut der Untersuchungsarena keine Differenzierung der Realnische moglich. In der freien Natur hingegen leben Organismen in einer heterogenen Umgebung und konnen so eher interspezifischer Konkurrenz ausweichen als unter den kunstlichen Laborbedingungen. Urn die Auswirkungen von Konkurrenz auf Populationsebene zu verstehen, entwickeln wir am besten ein Modell. Nehmen wir an, die zwei Arten, die konkurrieren sollen, wurden ohne Konkurrenz nach der kontinuierlichen logistischen Gleichung (S. 56) wachsen: dN ='N(K-N) dt K
(3.5)
wobei N die Populationsgrofse, r die spezifische Wachstumsrate und K die Umweltkapazitat darstellt. Urn die Arten zu unterscheiden, verwenden wir fur Parameter und Variablen Indices (fur Art 1 N I , K" r l, fur Art 2 Nz' Kz' 'z). Der Term in der Klammer der logistischen Gleichung ist eine Darstellung der intraspezifischen Konkurrenz und bewirkt, dass das Wachstum der Population von der Populationsdichte N der eigenen Art abhangt; je grofser die Populationsdichte, desto starker wird das Wachstum gehemmt (desto kleiner wird der Betrag in der Klammer; S. 57). Wir konnen nun den hemmenden Einfluss der zweiten Art auf die erste mit einem Faktor alz als Aquivalent der ersten Art darstellen. Nehmen wir einmal an, dass zwei 1ndividuen der Art 2 zusammen den gleichen hemmenden Einfluss auf Art 1 ausuben wie ein Individuum der Art 1, dann ware unser Konkurrenzkoeffizient alz = 1/2• Damit entspricht der gesamte Konkurrenzeffekt aufArt 1 (also der intraspezifische und der interspezifische zusammengezahlt) einer intraspezifischen Konkurrenz bei einer Populationsgrolse von (NI + aJ2N). Urn den Effekt der interspezifischen Konkurrenz auf das Populationswachstum der Art 1 herauszufinden, ersetzen wir also N in der Klammer der logistischen Gleichung durch (N, + alzNz). dN] _ N [KI-(N 1 + CX,zN z)]_ N (KI-NI- CXlzNzJ cit - 'I I K - '\ I K I I
(3.6)
Entsprechend gilt fur Art 2:
(3.7) Mithilfe dieser beiden Gleichungen konnen wir untersuchen, unter welch en Bedingungen Art 1 und Art 2 zu- bzw. abnehmen und ob sie koexistieren konnen oder ob eine Art die andere verdrangt. Am anschaulichsten machen wir dies graphisch. Dazu betrachten wir noch einmal die einfache logistische Gleichung fur nur eine Art, also ohne interspezifische Konkurrenz. Diese gibt fur jede Populationsgrofse Nan, ob die
3.4 Wechselwirkungen auf derselben trophischen Ebene
Population steigen oder sinken wird. Graphisch kann man die Populationsgrofie N als eine Achse darstellen, auf der auch die Kapazitat K eingetragen wird (~ Abb. 3.7). Ist die Population kleiner als K, steigt sie, ist sie grofier als K, sinkt sie. Dies deuten wir durch Pfeile an, die unterhalb von K nach rechts weisen, oberhalb nach links. Diese Pfeile sind fur uns Vektoren, die an jedem beliebigen Punkt auf der Populationsachse angeben, in welche Richtung sich die Population entwickeln wird . Man erkennt deutlich, dass am Punkt K, an dem die Vektorpfeile aufeinander stoBen, das Populationswachstum gleich Null ist, die Population sich also im Gleichgewicht befindet. Zur Erinnerung: Da Abweichungen in beide Richtungen vom Gleichgewicht dazu fuhren, dass sich die Population wieder zuruck zum Gleichgewicht entw ickelt, nennen wir dieses ein stabiles Gleichgewicht (S. 60). Urn unser Zwei-Arten-System mit interspezifischer Konkurrenz zu beschreiben, benotigen wir nun zwei Achsen (ein so genanntes Phasendiagramm). Die Populationsgrofie der Art 1 (N\) tragen wir auf der x-Achse ein, die Populationsgrofse der Art 2 (N) auf der y-Achse ( ~Abb. 3.7). Fur jeden Punkt in der Hache, die von den Achsen umspannt wird, also fur jede Kombination von N) und N 2> konnen wir angeben, ob die jeweiligen Populationen steigen oder sinken werden. Betrachten wir zunachst Art 1. Fur Art 1 wird es auf der Hache einen Bereich geben, in dem ihre PopulationsgroBe steigt, und einen Bereich, in dem diese sinkt. Das Gleiche gilt natiirlich auch fur Art 2, die wir etwas spater betrachten werden. Zwischen diesen Bereichen gibt es eine Trennlinie, auf der das Populationswachstum gleich Null ist, die so genannte Nullisokline. Da auf der Nullisokline die Anderung der Populationsgrofse gleich Null ist, gilt
I
a
0
.
N21
•
I
N
K
N2•
K1 a'2
K2
b
c
3.7 a) Entwicklung der PopulationsgroBe N einer Art, die durch ihre Urnweltkapazitat K begrenzt wird. Wenn die Population kleiner als Kist, wachst sie, wenn sie groBer lst, sinkt sie (angedeutet durch die Pfeile). Eine derartige Population wird z. B. durch die logistische Gleichung beschrieben. b) und c) Phasendiagramme fOr wechselseitige Konkurrenz zwischen zwei Arten N, und N2• b) Nullwachstumsisokline fOr N 1• Rechts von der Isokline sinkt die Population von N" links von ihr steigt sie (angedeutet durch die Pfeile). c) Nullwachstumsisokline fOr N2 . Oberhalb der Isokline sinkt die Population von N 2, unterhalb von ihr steigt sie (angedeutet durch die Pfeile). Weitere Erklarunqen im Text.
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3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
(3.8) Dies gilt fur die trivialen Falle, wenn r l = 0 (eine solche Population kann nicht wachsen) oder N I = 0 (es ist keine Population vorhanden). Es gilt aber auch fur den weitaus intcressanteren Fall, wenn der Term in der Klammer Null wird , und zwar wenn (3.9)
oder umgeformt (3.10)
Die Nullisokline hat also in diescm Fall im Phasendiagramm die Form einer Geraden mit N j-Achsenabschnitt K, und der Steigung -all" Achtung: Die Steigung in Abbildung 3.7b muss in vertikaler Richtung gelesen werden, so als ob N2 auf der x-Achse ware. Die Nullisokline schneidet die Nj-Achse bei K1 (wenn N 2 = 0) und die N 2-Achse bei K/a 12 (wenn N] = 0). Links von der Nullisokline, d. h. bei relativ klein em N I , steigt die Population, rechts sinkt sie. Dies ist durch die waagerechten Vektorpfeile angedeutet (parallel zur Populationsachse von Art 1). Fur die Nullisokline unserer zweiten Art gilt analog: (3.11) Die Nullisokline fur Art 2 ist in Abbildung 3.7 c eingetragen. In diesem Fall mussen die Vektorpfeile, die uns das Wachstum oder die Abnahme von Art 2 angeben, naturlich parallel zur Populationsachse von Art 2 eingetragen werden, hier also senkrecht. Wir konnen jetzt beide Nullisoklinen in dasselbe Achsendiagramm eintragen. Wie wir sehen, gibt es prinzipiell vier Moglichkeiten, wie die Isoklinen zueinander stehen konnen ( ~ Abb. 3.8a-d). Die Isoklinen trennen die Flache in drei (a, b) oder vier Bereiche (c, d). In jedem Bereich kann die Entwicklung der Populationen von Art 1 und 2 durch Addition der Vektoren ermittelt werden. In Abbildung 3.8a und b schneiden sich die Isoklinen nicht. Hier verdrangt jeweils die Art, deren Isokline hoher liegt, die andere. Die ubrig gebliebene Art erreicht dann ihre Kapazitat, Wenn man die Achsenabschnitte der Isoklinen betrachtet, dann gilt in Abbildung 3.8a: -KI > K 2 un d -K 2- < K I
a l2
a 21
(3.12)
oder umgeformt (3.13)
Die erste Ungleichung besagt, dass die innerartliche Konkurrenz bei Art 1 grofser ist als die zwischenartliche Konkurrenz mit Art 2. (KI ist grofser als die Konkurrenz
3.4 Wechselwirkungen auf derselben troph ischen Ebene
d
3.8 Phasendiagramme zu interspezifischer Konkurrenz. Vier Moqlichkeiten, wie sich interspezifische Konkurrenz zwischen zwei Arten (N 1 und N2) auswirken kann . a) N, ist konkurrenzuberleqen und N 2 stirbt aus. b) N 2 ist konkurrenzuberleqen und N, stirbt aus. c) fur beide Arten ist zwischenartliche Konkurrenz bedeutender als innerartliche. sodass abhangig von den Ausgangsdichten eine Art die andere verdranqt, d) stabile Koexistenz der beiden Arten. Weitere Erklarunqen im Text.
durch Art 2, umgerechnet in Aquivalente von Art 1: K2 a12) Die zweite Ungleichung gibt an, dass im Gegensatz dazu die zwischenartliche Konkurrenz fur Art 2 groBer ist als deren innerartliche. Einfach ausgedruckt heiBt es, dass Art 1 ein starker zwischenartlicher Konkurrent ist und Art 2 ein schwacher. In Abbildung 3.8b ist der Fall genau umgekehrt, und hier gewinnt Art 2 die Konkurrenz durch Ausschluss von Art 1. Unser Modell sagt also vorher, dass die konkurrenzstarkere Art die schwachere durch Ausschluss verdrangt, und liefert uns damit eine Erklarung fur das experimentell beobachtete Konkurrenzausschlussprinzip. In Abbildung 3.8 c gilt:
K
_ I
(3.14)
123
124
3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
und damit (3.15) Fur beide Arten ist zwischenartliche Konkurrenz bedeutender als innerartliche, beide Arten sind also starke zwischenartliche Konkurrenten. Es wird immer eine Art die andere verdrangen, welche Art der Gewinner sein wird, hangt aber wesentlich vom Verhaltnis der Ausgangsdichten beider Arten abo Ganz generell kann man sagen , dass Art 1 gewinnen wird, wenn sie im Verhaltnis zu Art 2 deutlich haufiger auftritt (z. B. im unteren rechten Abschnitt in Abbildung 3.8c) . Umgekehrt wird Art 2 die Konkurrenz gewinnen, wenn sie an fangs die Uberhand hat (z. B. im oberen linken Bereich der Abbildung). Der Ausgang der Konkurrenz wird in einem solchen Fall also nicht von den Eigenschaften der Arten selbst bestimmt, sondern allein von deren Zahlenverhaltnis; die haufigere Art hat dabei immer einen Vorteil. Ein konkretes Beispiel von Konkurrenz zwischen zwei Arten, bei denen interspezifische Effekte starker ausgepragt sind als intraspezifische, waren zwei pflanzenarten, die chemische Substanzen absondern, die auf andere Arten toxisch wirken, nicht aber (oder in geringerem Umfang) auf Individuen der gleichen Art. Dieses Phanornen wird Allelopathie genannt. Viele Pflanzenarten besitzen tatsachlich derartige Toxine und geben sie auch an die Umgebung abo Beispielsweise enthalten die Wurzelabscheidungen und abgefallenen Blatter von Walnussbaumen (Juglans regia) das ungiftige Iuglonglycosid, aus dem durch Mikroorganismen das giftige Iuglon gebildet wird, so dass unter Walnussbaumen kaum eine Pflanze wachst, Ahnliches passiert unter Fichten, die durch abgeworfene Nadeln den Boden derart versauern, dass d ie meisten Pflanzen im Unterwuchs von Fichten nicht aufkommen konnen. Bei einigen krautigen Pflanzen hat man sogar nachgewiesen, dass sie wahrend ihres Wachstums durch die Wurzeln Stoffe ausscheiden, die das Wachstum anderer Wurzeln hemmen. Der letzte Fall in Abbildung 3.8d fuhrt zu einer stabilen Koexistenz der beiden Arten; aIle Vektoren fuhren letztendlich auf den Schnittpunkt der beiden Isoklinen. Es gilt:
K >K und _K2 >K[ 2
_ I
a l2
a2\
(3.16)
und wieder umgeformt (3.17) In diesem Fall ist die innerartliche Konkurrenz bei beiden Arten starker ausgepragt als die zwischenartliche. Unser Modell sagt also voraus, dass zwei Arten koexistieren konnen, wenn sie sich selbst starker hemmen, als sie jeweils durch die andere Art gehemmt werden. Dies kann allerdings nur dann der Fall sein, wenn sie sich in ih ren realis ierten Nischen unterscheiden. Sobald sie die gleiche Nische besetzen und eine Art diese Nische nur ein wenig besser nutzen kann als die andere, ubt die uberlegene Art einen starkeren Konkurrenzeffekt auf die andere Art aus als letztere auf sich selbst. Damit wurde die uberlegene Art die unterlegene verdrangen, wie in den in Abbildung
3.4 Wechselwirkungen auf derselben troph ischen Ebene
3.8a und b dargestellten Fallen. Unser einfaches Modell erklart uns eben falls die Koexistenz von konkurrierenden Arten, die Nischendifferenzierung zeigen. Die bisherigen Modelle nahmen an, dass die Umgebung fur die Konkurrenten homogen ist. Haufig leben reale Populationen allerdings in Metapopulationen (S. 89), d. h. unter raumlich heterogenen Bedingungen. In Metapopulationen sterben lokal Arten aus, wahrend Arten anderswo Platze neu kolonisieren. Wenn zwei Arten lokal aufgrund von Konkurrenzausschluss nicht koexistieren konnen, konnen sie in Metapopulationen durch lokale Aussterbe- und Wiederbesiedlungsprozesse unter Umstanden zu einer regionalen Koexistenz kommen. Dies wurde am Beispiel von drei Wasserfloharten (Daphnia sp.) auf schwedischen Inseln gezeigt (Bengtsson 1991).
3.4.2 Gegenseitige Forderung Es kommt manchmal vor, dass zwei Arten, die um dieselbe Ressource konkurrieren, trotz der gegenseitigen Ausbeutung eine fur beide vorteilhafte Beziehung aufbauen. Diese Art von Mutualismus auf derselben trophischen Ebene ist aber eher selten. Beispiele kennen wir von Raubern, die die gleiche Beute fressen, aber durch ihre Art zu jagen das Verhalten der Beute oder deren Prafsnische andern, weshalb diese fur den jeweils anderen Rauber leichter zu erbeuten ist (predator facilitation). Viele Fische in Korallenriffen (darunter besonders die kleineren Jugendstadien) werden von zwei Kategorien Raubern angegriffen: sesshaften Raubern, die in Hohlen im Korallenriff lauern, und wandernden Raubern, die aus dem freien Wasser die Korallenriffe auf Beutezug durchstreifen . Als Schutz gegen die sesshaften Rauber fluchten die Riffbewohner hinaus ins offene Wasser, als Schutz gegen die wandernden Rauber fluchten sie in die Riffhohlen . Beide Rauber treiben die Rifffische in die Fange des jeweils anderen Raubers, was schliefslich zu einer erhohten Pradationsrate beider Rauber fuhrt. Beide Rauber profitieren also von der Anwesenheit des jeweils anderen. Auch bei Pflanzen gibt es Beispiele fur gegenseitige Forderung von Arten, die am selben Standort unter Konkurrenzbedingungen wachsen . Durch die Ansammlung von Nahrstoffen, Beschattung, Herabsetzen von Storungen und Abwehr von Herbivoren konnen Pflanzen benachbarte Arten fordern. Ob die Interaktion insgesamt negativ oder positiv fur die beteiligten Pflanzenarten ist, hangt von der relativen Starke der Konkurrenz und der Forderung aboObwohl es wenige Untersuchungen gibt, zeichnet sich ab, dass je graBer der Stress an einem Standort ist, umso graBer ist die Bedeutung von positiven Interaktionen. Beispielsweise sind in alpinen Pflanzengesellschaften die Pflanzeninteraktionen zum grofsten Teil positiv, wahrend die gleichen Pflanzengesellschaften in subalpinen Stufen von Konkurrenz dominiert werden (Callaway et al. 2002).
3.4.3
~innikry
Viele Arten schutzen sich durch Giftigkeit oder Gefahrlichkeit vor Feinden und signalisieren ihre Giftigkeit durch Warnfarben (aposematische Parbung) gegenuber potenziellen Raubern (S. 239). Diese Warnflirbung erlaubt einem Rauber, die innere
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3 Wechse lwirkung e n zwischen verschiedenen Arten
Giftigkeit eines Beutetieres mit dessen aufserem Erscheinungsbild in Relation zu setzen. Bei einer zweiten Begegnung mit diesem Beutetier meidet der Rauber aufgrund seiner fruheren Erfahrung die aposematisch gefarbte Art (Gittleman und Harvey 1980). Dieses Beispiel zeigt zwei wichtige Aspekte auf: • Die Giftigkeit eines Tieres darf nicht zum Tod seines Raubers fuhren, denn dann kann der Rauber seine erlernte Erfahrung nicht mehr umsetzen. • Die aposematische Farbung muss einfach und kontrastreich sein, sodass eine Assoziation mit der Giftigkeit der Beute leicht moglich ist. Hieraus ergibt sich, dass die ideale Verteidigungsstrategie eine mittlere Giftigkeit ist, die eher zu Ubelkeit und Erbrechen fuhrt als zu einer Lahmung des Herz-KreislaufSystems. Leicht einpragsame Warnfarben sind kontrastreich, also beispielsweise gelbschwarz oder rot-schwarz. 1m Sinne einer Signalvereinfachung tendieren verschiedene Arten dazu, die gleichen Warnfarben zu benutzen. Oftmals haben Rauber auch eine angeborene Abneigung gegenuber solchen Warnfarben (Lindstrom et al. 1999). Wir bezeichnen dieses auf tatsachlicher Giftigkeit beruhende Phanornen nach seinem Entdecker als Miiller'sche Mimikry. Wespen, Bienen , Hornissen und noch einige andere wehrhafte Hautflugler tragen die gleiche Warntracht. Dies nutzt ihnen allen, denn so meidet ein Rauber nach einem schlechten Erlebnis mit einer Art gleich alle ahnlichen Arten, ohne dass er wiederholt die schmerzhafte Erfahrung mit jeder Art machen muss. Auch fur die Hautflugler ist dies von Vorteil, denn sie werden seltener das Opfer von Raubern, Es liegt nahe, dass eine schutzende Warnfarbung auch von Arten ubemornmen werden kann, die ungiftig sind, also die eigene Gefahrlichkeit nur vortauschen, Wenn ungiftige Nachahmer seltener als die giftigen Vorbilder sind, profitieren die Nachahmer gleichwohl von der aposematischen Farbung. Eine solche vorgetauschte aposematische Parbung wird nach ihrem Beschreiber Bates'sche Mimikry genannt. Bekannte Beispiele hierfur sind viele Schwebfliegen (Syrphidae) , die mit ihrer Schwarz-Gelb-Zeichnung eine Wespenahnlichkeit angenommen haben, aber als Zweiflugler naturlich vollkommen harmlos sind. Hierzu gehoren auch Bluten, die wegen ihrer Ahnlichkeit mit anderen Bluten von Insekten angeflogen werden, obwohl sie keinen Nektar anbieten. Bei diesen beiden Formen der Mimikry wird der Rauber durch ein zutreffendes oder nichtzutreffendes Signal der potenziellen Beute gewarnt, wodurch in der Regel das Uberleben der Beute (und manchmal auch des Raubers) gesichert wird. Wenn jedoch ein Rauber ein anlockendes Signal abgibt, urn eine potenzielle Beute zu ihrem Nachteil zu tauschen, sprechen wir von aggressiver Mimikry, oder, nach ihrem Beschreiber, auch von Peckham'scher Mimikry. Meeresfische wie der Seeteufel (Lophius piscatorius) locken mit Hautlappen, die in Form von Wurmern ausgebildet sind, kleine Fische an, die dann verspeist werden. Auch die Anlockung von Tieren, die eine Dienstleistung fur die nachahmende Art erbringen sollen , gehort hierher. Manche Orchideen haben ihre Blute in Form eines weiblichen Insekts ausgebildet, urn das Mannchen der gleichen Art anzulocken. Beim Versuch, mit dem "Weibchen" zu kopulieren, wird dann die Blute ohne die iibliche Gegenleistung der Pflanze bestaubt.
3.5 Wechselwirkungen uber zwei trophische Ebenen
3.5 Wechselwirkungen fiber lwei trophische Ebenen Wenn zwei Individuen, die verschiedenen trophischen Ebenen angehoren, miteinander interagieren, handelt es sich meist urn eine Situation, in der der Organismus der hoheren Ebene den Organismus der niedrigeren trophischen Ebene als Nahrung benutzt. In diesen Abschnitt fallen daher Rauber-Bente-Beziehungen, HerbivorenPflanzen-Beziehungen und Parasit-Wirt-Beziehungen, Diese Beziehungen sind aIle trophischer Natur.
3.5.1 Rauber und Beute In diesem Abschnitt werden wir uns hauptsachlich mit echten Raubern beschaftigen, die ihre Beute toten und komplett verzehren. Dies ist in der Regel bei Tieren der Fall, die andere Tiere fressen. Pflanzenfressende Tiere (Herbivoren) toten in der Regel ihre .Beute" nicht und werden auf Seite 138 besprochen.
Auswirkungen auf Individuen Wenn ein Rauber ein Beuteindividuum frisst, ist die Beute tot und der Rauber fur eine gewisse Zeit satt. Die aufgenommene Energie vom Fressen der Beute kann der Rauber fur die Erhaltung seines Stoffwechsels oder fur die Erzeugung von Nachkommen nutzen (numerische Reaktion, S. 107). Ein Beuteindividuum solIte den fatalen Ausgang einer Begegnung mit einem Rauber naturlich moglichst verhindern. Dieses Prinzip gilt fur jede Begegnung mit Raubern; Beuteindividuen konnen es sich nicht leisten, hiervon eine Ausnahme zu machen, weil sie ansonsten tot sind. Daher herrscht ein starker Selektionsdruck auf die Beute, effektive MaBnahmen zu entwickeln, urn ihrem Rauber entkommen zu konnen, Anders sieht es auf der Rauberseite aus. Fur den Rauber ist es nicht lebensnotwendig, jedes geeignete Beuteindividuum, das er entdeckt hat, zu uberwaltigen und zu fressen. Entkommt ihm ein Beuteindividuum, kann er immer noch, meist ohne schwerwiegende Konsequenzen fur seine Fitness, ein anderes finden und erlegen. Dies ist das so genannte Oberleben-Abendessen-Prinzip (lifedinnerprinciple), dessen Argumentation etwa so lautet : Ein Kaninchen rennt schneller als ein Fuchs, wei! das Kaninchen urn sein Leben lauft, der Fuchs jedoch nur urn sein Abendessen . Erst wenn es nicht genugend leicht zu entdeckende und zu uberwaltigende Beuteindividuen gibt (z, B. weil die Beute effektive GegenmaBnahmen entwickelt hat), existiert fur die Rauber ein Selektionsdruck, der Individuen bevorzugt, die besser mit den GegenmaBnahmen der Beute umgehen konnen, Man kann daher in vielen Rauber- Beute-Systemen ein koevolutives Wettriisten (coevolutionary arms race) zwischen dem Erwerb von VerteidigungsmaBnahmen der Beute und der Umgehung dieser durch den Rauber finden (Dawkins und Krebs 1979). Grundsatzlich gibt es drei Wege, wie Beutearten ihren Raubern entgehen konnen. Diese setzen an unterschiedlichen Stellen in der Beutesuch- und Fangsequenz des Raubers an. Als Erstes kann die Beute den Kontakt zum Rauber vermeiden. Dies wird als Ausweichen bezeichnet. Die Beute kann sich also in Teilen des Habitats aufhalten, die vom Rauber wahrend der Nahrungssuche nicht aufgesucht werden. Sie kann dem
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3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
Rauber auch zeitlich ausweichen, indem sie einen anderen Tagesrhythmus als der Rauber annimmt oder zu anderen Jahreszeiten vorkommt. Ein zweiter Weg, wie Beute der Pradation entkommen kann, ist, bei einem Kontakt mit einem Rauber zu verhindern, dass dieser sie als Beute erkennt. Dies wird als Tarnung bezeichnet. Auch dafur haben wir schon Beispiele auf Seite 99 kennen gelernt. Ein getarntes Beutetier gibt vor, etwas anderes aus der Umgebung zu sein, sodass Rauber nicht auf die Idee kommen, es sei etwas Essbares. Haufig handelt es sich hierbei urn Krypsis, also eine Form der Tarnung, bei der die Beute praktisch vom Rauber ubersehen wird. Es gibt aber auch das Gegenteil, namlich dass die Beute sehr auffallig ist und die Warnsignale einer giftigen oder wehrhaften anderen Art nachmacht (Bates'sche Mimikry, S. 126). Auch hierbei wird die Beute nicht als solche erkannt, sondern fur eine andere ungenieBbare Art gehalten. Der dritte Weg fur die Beute, urn zu verhindern gefressen zu werden, besteht darin, den Angriff eines Raubers abzuwehren. Dies wird unter dem Begriff Verteidigung zusammengefasst. Eine VerteidigungsmaBnahme kann mechanisch funktionieren, z. B. durch einen Panzer (Schildkroten, Krebse). Sie kann aber auch chemisch wirksam sein, z. B.durch die Absonderung giftiger oder abschreckender Substanzen. Wanzen werden im Volksmund oft als .Stinkwanzen" bezeichnet, weil sie, wenn man sie reizt, eine auch fur den Menschen ubelriechende Substanz ausscheiden, die Rauber davon abhalt, sie zu fressen. Der Bornbardierkafer (Brachinus explodens) produziert mit seinen Drusen Wasserstoffperoxid und Hydrochinon, die er in einer Explosionskammer mithilfe von Enzymen (Peroxidasen und Katalasen) zu Wasser und Sauerstoff einerseits und Chinon andererseits reagieren lasst. Dabei wird Warrne frei, und es baut sich ein groBer Druck auf, sodass dann ein atzendes, 100 °C heiBes und durch das Chinon schwarz gefarbtes Gasgemisch mit einem Knall aus dem Kafer herausschieBt. Wahrend der Rauber verwirrt (oder sogar verletzt) ist, kann der Kafer entkommen. Haufig sind giftige (bzw. wehrhafte) Arten optisch auffallig gefarbt (Aposematismus, S. 125). Eine weitere Art der Verteidigung ist das Abschrecken oder Verwirren durch optische Reize. Schmetterlinge haben auf den Innenseiten ihrer Plugel haufig auffallige Muster (oft Augenzeichnungen), die sie plotzlich und unerwartet dem Rauber prasentieren und ihn dam it in die Flucht schlagen. Tintenfische scheiden auf der Flucht vor einem Rauber eine dunkel gefarbte Wolke aus, die diesen von seiner angestrebten Beute ablenkt. Letztendlich kann eine Verteidigung auch durch das Verhalten der Beute funktionieren. In diese Kategorie fallen Beutetiere, die sich bei einem Angriff wehren, ohne dass sie dafur spezielle Strukturen ausgebildet haben, oder Tiere, die die Flucht ergreifen. Zebras konnen sich mit ihren Hufen zum Teil erfolgreich gegen den Angriff eines Lowen zur Wehr setzen; die Hufe sind allerdings nicht speziell fur die Rauberabwehr, sondern in erster Linie fur die Fortbewegung ausgebildet. Auch das Gruppenleben kann eine Form der Verteidigung sein, da manche Rauber von der Vielzahl der fluchtenden Beuteindividuen verwirrt werden und Schwierigkeiten haben, sich beim Angriff auf ein Einzeltier zu konzentrieren (Konfusionseffekt, Neill und Cullen 1974). Das Gruppenleben kann auch noch weitere Vorteile bezuglich des Schutzes vor Raubern haben. Haufig reduziert sich in der Gruppe allein schon rein numerisch
3.5 Wechselwirkungen uber zwei trophische Ebenen
durch das Zusammenscin mit Artgenossen die Wahrscheinlichkeit pro Beuteindividuum, bei einem Rauberangriff selbst zum Ziel zu werden, denn in der Regelwerden Gruppen von 100 Individuen nicht 100-mal haufiger von Raubern angegriffen als Einzeltiere (Verdunnungseffekt). Auch entdecken Gruppen sich anschleichende Rauber fruher als Einzeltiere, denn viele Augen sehen mehr. Da die Gruppenmitglieder schnell erfahren, wenn cin Individuum einen Rauber entdeckt hat, konnen sie flichen, bevor der Rauber sich nahe genug an die Gruppe angeschlichen hat, urn einen erfolgreichen Angriff zu starten ( ~Abb. 3.9). In der Regel sind bei den Beutearten die Abwehrmechanismen gegen Rauber permanent ausgebildet (konstitutiveAbwehr). Es gibt allerdings auch Beispiele,wo diese Abwehr erst in Anwesenheit des Raubers ausgebildet wird (induzierte Abwehr). Da diese Verteidigungsmafsnahrnen nicht nur Vorteile, namlich den Schutz vor Raubern, haben, sondern deren Ausbildung und Unterhalt die Beutetiere auch etwas kosten (z. B. Energie, Baustoffe), sind die AbwehrmaBnahmen auch mit Nachteilen fur die Beutetiere behaftet. In einigen Fallen scheint es sich daher fur die Beute zu lohnen,
3.9 Verteidigung. Links: Habichte (Accipiter gentilis) sind erfolgreicher, wenn sie kleinere Gruppen von Tauben (Columba palumbus) angreifen (oben), denn grOBere Gruppen haben eine groBere Fluchtdistanz als kleinere Gruppen oder Einzeltiere (unten). Nach Kenward (1978). Rechts: Induzierte Verteidigung: Wenn Wasserflohe (Daphnia sp.) die Anwesenheit von Raubern wahrnehmen, bilden sie helmartige Strukturen aus (ROckenzahne), die Raubern die Oberwaltigung erschweren. Nach Agrawal et al. (1999).
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3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
diese Abwehr erst dann auszubilden, wenn die Pradationsgefahr hoch ist, also viele Rauber in der Umgebung sind . Ein Beuteindividuum, das noch keine Abwehr ausgebildet hat, kann es sich natiirlich nicht leisten, erst einem Rauber zu begegnen, urn dessen Anwesenheit zu registrieren, bevor es AbwehrmaBnahmen ergreift, weil es den ersten Angriff ohne GegenmaBnahmen wohl kaum iiberleben wiirde. Urn eine induzierte Abwehr auszubilden, muss ein Beuteindividuum also indirekte Hinweise aus der Umgebung nutzen, die auf die Anwesenheit von Raubern schliefsen lassen. Rauber, die durch ihr Habitat streifen , hinterlassen Zeichen ihrer Anwesenheit z. B. in Form von Duftspuren (also chemischen Signalen), Trampelpfaden (optischen Signalen) oder auch Gerauschen/Erschutterungen (akustischen/vibratorischen Signalen). Die besten Beispiele fur induzierte Abwehr in Rauber-Beute-Systernen kommen aus dem aquatischen Bereich, wo chemische Signale gut wahrgenommen werden konnen und dementsprechend eine wichtige Rolle spielen. Wasserflohe (Daphnia sp.) bilden in der Anwesenheit von Raubern einen Riickenzahn als Verteidigungsschild aus (Tollrian 1990; ~ Abb. 3.9). Es gibt auch Verhaltensanderungen, die durch Rauber bei der Beute induziert werden konnen. Durch die Anwesenheit von rauberischen Libellenlarven der Gattung Anax reduzieren manche Kaulquappen (Rana sp.) die Zeit, die sie mit der Nahrungsaufnahme verbringen (Peacor und Werner 2000). Dadurch wachsen diese Kaulquappen langsamer und haben eine geringere Fitness. Derartig nichtletale Effekte von Raubern konnen beachtlichen Einfluss auf die Beutepopulation haben, die in derselben Grofsenordnung liegen konnen, wie der direkte Einfluss durch das Toren von Beute. Das liegt daran, dass die Anwesenheit von Raubern (l) sofort und (2) die ganze Beutepopulation beeinflussen kann. Hinzu kommt, dass dieser Einfluss wahrend einer sehr langen Zeitspanne, unter Umstanden sogar wahrend der gesamten Entw icklungszeit der Beute, bestehen bleibt. So konnen auch kleine Verhaltensanderungen der Beuteindividuen mit der Zeit zu grofsen Pitnesseinbufsen fiihren , die, da sie samtliche Beuteindividuen betreffen, die Wachstumsrate der Beutepopulation als Ganzes moglicherweise erheblich reduzieren.
Auswirkungen auf die Population Wenn Rauber Beutetiere fressen, nimmt dadurch die Abundanz der Beute abo Gibt es dann dauerhaft weniger Beutetiere? Diese Frage kann man nicht pauschal beantworten, denn das Ergebnis einer solchen Interaktion hangt von den biologischen Eigenschaften von Rauber und Beute ab, von Umweltgegebenheiten und unter Umstanden auch von den anfanglichen Abundanzen der interagierenden Arten, wie wir im Folgenden sehen werden.
Generalisten als Rauber Ein generalistischer Rauber frisst ausreichend verschiedene Beutearten, sodass er nicht von dem Vorkommen einer bestimmten Beuteart abhangig ist. Daher konnen wir ann ehmen, dass die Anzahl Rauber P (predators) konstant bleibt, auch wenn sich die Abundanz einer Beuteart N andert, Die Dynamik von Rauber und Beute ist also
3.5 Wechselwirkungen uber zwei trophische Ebenen
entkoppelt (ungekoppelte Dynamik). Die Abundanz der Rauber wird von anderen Faktoren geregelt, z. B. der Anzahl vorhandener Territorien. Zunachst mussen wir einige Annahmen tiber unseren Rauber treffen . Viele Tiere in den gemafsigten Breiten leben im Rhythmus der durch die Jahreszeiten vorgegebenen Saisonalitat, d. h. sie haben aktive Zeiten , die sich mit passiven Ruheperioden abwechseln. Dies auBert sich auch in der Reproduktion, die haufig wah rend eines begrenzten Zeitraums im Iahr stattfindet. 50 pflanzen sich die meisten Insekten, aber auch viele Wirbeltiere, in gematsigten Klimazonen einmal im Iahr fort. Bei Insekten kommt noch hinzu, dass die Adulten in der Regel nach der Fortpflanzung sterben und sich die neue Population daher ausschlieBlich aus Nachkommen der vorigen Generation zusammensetzt. Daher gibt es bei Insekten haufig keine uberlappenden Generationen, d. h. aile fortpflanzungsfahigen Tiere einer Population entstammen ein und derselben Generation. Aus diesen Eigenschaften ergibt sich, dass Insektenpopulationen in der Regel nicht kontinuierlich, sondern sprunghaft oder in diskreten Zeitschritten wachsen (5. 53). Da Insekten die artenreichste Tiergruppe sind und viele unter ihnen Rauber bzw. deren Beutetiere sind, arbeiten wir hier bei der Erlauterung von Rauber-Beute-Interaktionen mit Insekten. 1m Gegensatz z. B. zur Konkurrenz unter Pflanzen, die permanent wahrend der gesamten Wachstumsperiode stattfindet und bei der wir daher kontinuierliche Modelle benutzt haben, wollen wir bei der Besprechung von Rauber-Beute-Interaktionen diskrete Modelle anwenden, d. h. Modelle, die die Veranderungen im Populationswachstum von Rauber und Beute von Generation zu Generation betrachten. Nehmen wir an, dass die Beutepopulation N, in Abwesenheit des Raubers exponentiell wachsen wurde, bis sie ihre Umweltkapazitat (die z. B. durch die Ressourcen bestimmt wird) erreicht hat, oder, mit anderen Worten, dass die Nettoreproduktionsrate A> 1 ist. Anschaulich kann man sich vorstellen, dass jedes Beutetier ANachkommen erzeugt. Wir nehmen hier eine parthenogenetische Fortpflanzung an, bei sexueller Fortpflanzung wurde man nur die Weibchen betrachten (5.53). Bei relativ kleinen Beutedichten wird das Wachstum der Beutepopulation noch nicht durch limitierte Ressourcen begrenzt, wachst also ohne den Rauber nach der Formel: (3.18)
Wie tritt ein Rauber nun mit der Beutepopulation in Wechselwirkung? Wir betrachten drei Faile: (1) Ieder Rauber frisst eine bestimmte, konstante Anzahl Beutetiere pro Zeitintervall, (2) jeder Rauber frisst einen bestimmten, konstanten Prozentsatz der Beutepopulation, oder (3) jeder Rauber frisst einen bestimmten Prozentsatz der Beutepopulation, der von der Beutedichtc abhangig ist (funktionelle Reaktion, 5.102). Ieder Rauber frisst eine bestimmte konstante Anzahl Beutetiere. Nehmen wir an, dass jeder der P Rauber eine konstante Anzahl Beutetiere pro Zeitintervall frisst (c, consumption), urn satt zu werden, und zwar unabhangig von der Populationsgrofse der Beutepopulation. Diese Annahme erscheint keineswegs unrealistisch, jedenfalls wenn genug Beutetiere vorhanden sind, die von den Raubern uberwaltigt werden konnen, Wenn jetzt jeder der P Rauber c Beutetiere pro Zeiteinheit frisst, ergibt sich die Rauber-Beute-Gleichung:
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3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
(3.19) Die Beutepopulation wird daher in der nachsten Generation (t + 1) anwachsen, wenn in der jetzigen Generation (r) der Zuwachs grolser ist als der Anteil, der von Raubern gefressen wird, oder mathematisch ausgedruckt, wird Nt + 1 > N, sein, wenn (3.20) Diese Ungleichung sagt uns , dass Beutepopulationen mit einer hoheren Reproduktionsrate Aeher in der Lage sind, in Habitaten mit generalistischen Raubern zu tiberleben, denn je groBer It, desto groBer ist die linke Seite der Ungleichung. Kann der Rauber die Beutepopulation auf ein stabiles Gleichgewicht regulieren? Im Gleichgewicht verandert sich die GroBe der Beutepopulation von einem Zeitschritt zum nachsten nieht (Nt + 1 = NJ Die GroBe der Beutepopulation im Gleichgewieht nennen wir N *. Wenn wir in Gleichung (3.19) N, + 1 und N, durch N * ersetzen, konnen wir die GroBe der Beutepopulation im Gleichgewicht errechnen: N* = cP
A-I
(3.21)
Ein Gleiehgewicht ist zwar moglich, aber es ist instabil. Wenn die Rauber etwas weniger Beute fressen, als die Beutepopulation anwachst, steigt die Beutepopulation in der nachsten Generation an . Da die Rauber ja immer eine konstante Anzahl Beutetiere fressen, werden so von Generation zu Generation immer mehr Beutetiere ubrig bleiben, sodass die Beutepopulation unbegrenzt weiterwachst. Wenn die Rauber umgekehrt nur ein wenig mehr Beute fressen , als der Zuwachs der Beutepopulation ausmacht, gibt es in jeder Generation immer weniger Beutetiere, sodass die Population letztendlich ausstirbt. Generell sind Modelle mit instabilen Gleichgewichten unbefriedigend, da Arten, die ihnen folgen, von der Evolution ausgerottet werden. Ieder Rauber frisst einen bestimmten konstanten Prozentsatz der Beutepopulation. Bei geringen Beutedichten ist es unrealistisch anzunehmen, dass die Rauber genugend Beutetiere finden , urn vollstandig satt zu werden, weil die einzelnen Beutetiere schwieriger zu finden sein werden. Es ist vielleicht realistischer anzunehmen, dass die Anzahl Beutetiere, die von Raubern gefressen werden, mit abnehmender Beutedichte eben falls abnimmt. Dies kann am einfachsten modelliert werden, indem man annimmt, dass jeder Rauber einen konstanten Prozentsatz der Beutepopulation frisst, also seine Konsumptionsrate c einen Prozentsatz darstellt. Aile Rauber zusammen fressen demnach einen Anteil von cP = s Beutetieren (0 < s < 1). Wenn ein Rauber 1 % der Beutepopulation fressen wiirde, dann fressen 10 Rauber 10 % (s = 10 %), d. h. die Rauber wiirden 100 Tiere aus einer Population von 1 000 fressen, aber nur 10 aus einer Population von 100. Mechanistisch kann man sich das vielleicht am besten vorstellen, indem die Rauber nur einen konstanten Prozentsatz s des Habitats der Beute absuchen (Annahme: Die Beute ist gleichmafsig oder zufallig im Habitat verteilt). Unsere Beutegleichung wird damit: (3.22)
3.5 Wechselwirkungen tiber zwei trophische Ebenen
1m Gleichgewicht (Nt + 1 == Nt == N*) gilt:
,t-l==s
(3.23)
Die Beute erreicht einen Gleichgewichtszustand, wenn die Rauber genauso viele Beutetiere fressen, wie diese an Nachwuchsuberschuss produzieren. Auch dieses Gleichgewicht ist instabil, und zwar aus den gleichen Grunden wie im vorigen Abschnitt: Wenn die Rauber etwas weniger Beute fressen, wachst diese unbegrenzt weiter; wenn die Rauber nur ein wenig mehr Beute fressen, stirbt die Population letztendlich aus. Rauber mit funktioneller Reaktion: Dichteabhangigkeit, In den beiden vorigen Abschnitten haben wir gesehen, dass weder ein generalistischer Rauber, der eine konstante Anzahl Beutetiere frisst, noch einer, der einen konstanten Prozentsatz der Beutepopulation frisst, in der Lage ist, die Beutepopulation in einer biologisch sinnvollen Weise zu regulieren. Das deutet darauf hin, dass beiden Modellen unrealistische Annahmen zugrunde liegen. Die grofsten Schwachen liegen bei beiden Modellen in der Beziehung zwischen Beutedichte und Pradationsrate der Rauber. Wahrend das erste Modell (Rauber frisst konstante Anzahl Beutetiere) bei hohen Beutedichten realistisch erscheint (jeder Rauber frisst so viele Beutetiere, bis er satt ist), versagt es bei niedrigen Beutedichten (es werden irgendwann nicht mehr genug Beutetiere fur jeden Rauber vorhanden sein) . Beim zweiten Modell ist es genau umgekehrt: Es scheint bei niedrigen Beutedichten gut die Realitat zu beschreiben, wah rend es bei hohen Beutedichten unrealistisch wird (die Rauber wtirden mit steigender Beutedichte immer mehr Beutetiere pro Kopf fressen, d. h. sie hatten einen unbegrenzten Appetit). Wenn wir die realistischen Eigenschaften von beiden Modellen vereinigen, erhalten wir ein biologisch sinnvolleres Modell. Wenn wir also annehmen, dass unser Rauber bei hoher Beutedichte in der Anzahl Beutetiere, die er fressen kann, limitiert ist (Modell 1: feste Anzahl) und bei niedriger Beutedichte eine geringere Anzahl Beutetiere frisst (Modell 2: proportionale Pradation), erhalten wir ein Modell, in dem der Rauber auf die Beutedichte in Form einer funktionellen Reaktion reagiert (S. 102). Das Modell, das wir gerade beschrieben haben, gleicht in etwa einer funktionellen Reaktion vom Typ 2, also Z. B. Hollings Scheibengleichung. Wenn wir die Scheibengleichung in unser Rauber-Bente-Modell einbauen, erhalten wir: (3.24) wobei a die Angriffsrate, Th die Handhabungszeit und T die gesamte Zeit, wahrend der der Rauber nach Beute sucht, darstellt. Wie ist nun die Dynamik einer solchen Rauber-Beute-Beziehungi Am anschaulichsten konnen wir uns das graphisch vor Augen fuhren, indem wir in einem Koordinatensystem sowohl die Reproduktionskurve der Beute (Reproduktion == ANt) als auch die Anzahl gefressener Beutetiere der Rauberpopulation (die Scheibengleichung) in Abhangigkeit der Populationsgrofie der Beute (Nt) darstellen (~Abb. 3.10). Betrachten wir zunachst eine Beuteart A, deren Reproduktionsrate A niedrig ist und deren Reproduktionskurve dementsprechend flach verlauft. In diesem Fall schneiden
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3 Wechselwirkungen zw ischen verschiedenen Arten
sieh Rauber- und Beutekurven im Punkt N*, d. h. bei dieser Populationsgrofse der Beute werden genauso viele Beutetiere gefressen wie als Uberschuss produziert werden, die Beutepopulation befindet sich also im Gleichgewicht. Allerdings handelt es sich hierbei urn ein instabiles Gleiehgewicht, denn bereits geringe Abweichungen zu einer Seite fuhren entweder zum Aussterben der Beute oder zu deren unbegrenztem Wachstum. Wenn aus irgendeinem Grund die Beutediehte sinkt (z. B. ein Jager erschieBt ein Beutetier ; dies bedeutet in Abbildung 3.10 eine Abweiehung von N* nach links), dann befindet sich die Reproduktionskurve der Beute unterhalb der Pradationskurve der Rauber. Mit anderen Worten, es werden mehr Tiere gefressen als an Geburtenuberschuss erzeugt. Dies hat zur Folge, dass die Beutedichte noch weiter absinkt und damit die Diskrepanz zwischen der Pradations- und der Reproduktionskurve groBer wird; die Beute ist zum Aussterben verdammt. Umgekehrt verhalt es sich, wenn die Beutedichte durch ein Zufallsereignis urn ein Individuum steigt (z. B. durch Zuwanderung). In dem Fall befindet sich die Reproduktionskurve der Beute tiber der Pradationskurve der Rauber, und es werden weniger Tiere gefressen als an Geburtenuberschuss erzeugt, sodass die Beutediehte noch weiter steigt und letztendlich die Beute dem Rauberdruck immer weiter davon wachst. Diese Trends der Populationsentwicklung der Beute sind in Abbildung 3.10 durch die Pfeile in den verschiedenen Abschnitten der Grafik angedeutet. Dass die Pfeile vom Gleichgewiehtszustand zu beiden Seiten weg weisen bedeutet ein instabiles Gleichgewicht. Wenn eine Beuteart (B; ~ Abb. 3.10) von vornherein schon eine derart hohe Reproduktionsrate Ahat, dass sich Pradations- und Reproduktionskurve niemals schneiden, kann sieh kein Gleichgewieht einstellen. In diesem Fall entkommt die Beute immer dem Pradationsdruck des Raubers, Ein generalistischer Rauber mit einer funktionellen Reaktion von Typ 2 ist also nicht in der Lage,die Beutepopulation durch Pradation alleine zu regulieren. Beuteart B
Beuteart A
insta bil
Beutedichte
3.10 Dynamik eines Rauber-Beute-Systerns mit einer funktionellen Reaktion vom Typ 2 (z. B. die Scheibengleichung). Die Beutepopulation wird nur vom Rauber in ihrem Wachstum begrenzt. Es sind die Reproduktionskurven zweier Beutearten mit niedriger (A) und hoher (B) Fortpflanzungsrate A. eingetragen. Der Gleichgewichtszustand N* liegt im Schnittpunkt der Reproduktions- und Pradationskurven . Die pfeile deuten die Populationsentwicklung der Beutepopulation zu beiden Seiten des Gleichgewichtszustands an. FOr die Beuteart mit der hohen Reproduktionsrate gibt es kein Gleichgewicht; sie wachst dem Rauber davon.
3.5 Wechselwirkungen uber lwei trophische Ebenen
Bis jetzt haben wir nur Rauber kennen gelernt, die nicht in der Lage waren, eine Beutepopulation unter biologisch realistischen Bedingungen zu regulieren. Woran liegt das? Die Antwort ist einfach: Aile unsere bisher betrachteten Rauber haben keine positive Dichteabhangigkeit (density dependence) in der Pradationsrate gegeniiber ihrer Beutc gezeigt. Lassen wir sie noch einmal Revue passieren. Der erste Rauber fraB eine konstante Anzahl Beutetiere unabhangig von der Beutedichte, d. h. mit zunehmender Beutedichte sank der Anteil gefressener Tiere an der Gesamtpopulation immer weiter ab ( ~Abb. 3.lla); seine Pradationsrate war negativ dichteabhangig (inverse density dependent). Der zweite Rauber fraB immer den gleichen Prozentsatz der Beutepopulation, seine Pradationsrate war immer gleich oder auch dichteunabhangig (density independent) ( ~Abb. 3.11b) . Rauber Nummer drei zeigt eine funktionelle Reaktion vom Typ 2. Hier sinkt die Pradationsrate mit zunehmender Beutedichte immer weiter ab ( ~ Abb. 3.3b, S. 105). Eine positive Dichteabhangigkeit der Pradationsrate des Raubers kann zum Beispiel durch eine funktionelle Reaktion vom Typ 3 dargestellt werden: N
t +l
=ANt
-cpr l+dNbNlT J +bT. N t
h
(3.25)
2
t
Die Dynamik eines solchen Rauber- Beute-Systems machen wir uns am besten auch wieder graphisch klar, indem wir die Reproduktions- und die Pradationskurven zusammen in ein Koordinatensystem gegen die Beutedichte auftragen ( ~Abb. 3.12). An den Schnittpunkten befindet sich das System im Gleichgewicht, d. h. der Reproduktionsiiberschuss wird genau von den Raubern aufgefressen. Das untere Gleichgewicht (N") ist stabil, d. h . nach kleineren Abweichungen in der Beutedichte Wit die Beutepopulation wieder auf den Gleichgewichtszustand zuriick. Das obere Gleichgewicht ist instabil: Sinkt die Beutedichte ab, wird sie weiter sinken, bis sie den unteren Gleichgewichtszustand erreicht hat. Steigt die Beutedichte hingegen iiber den Wert von Nl hinaus, entkommt die Beute der Regulation durch die Rauber (wei! die Rau-
Raub er 2
Raub er 1
konstant e Anzahl
konstanter Prozentsatz
sc: s..,
~c .g ..,
:~
c..
~
'0
'0
:~
c..
a
Beutedichte negativ dichteabha nqiq
Beut edichte
b
d lchteu nabhanqiq
3.11 Dichteabhangigkeit der Pradationsraten (gefressene Beutetiere im Verhaltnis zur Beutetierdichte) vern Raubertyp 1 (a: frisst eine konstante Anzahl Beutetiere pro Zeiteinheit) und 2 (b: frisst einen konstanten Prozentsatz Beutetiere pro Zeiteinheit). Der Rauber 1 zeigt eine negativ dichteabhanqiqe Pradationsrate, Rauber 2 eine dichteunabhangige.
135
136
3 Wechselwirkungen zwischen versch iedenen Arten
25 c:
.g
"" -6~
20
0'"
~ .~ 15
Repro du ktion
tx: :>
~~
~~ 10 c: .... c:
o
.;:; ~
"'~
~
s:
5 0 ",
o
I
20
I
stabil Beutedichte
40
I
60
instab il
3.12 Dynamik eines RauberBeute-Systems aus einem generalistischen Rauber mit einer sigmoiden funktionellen Reaktion (Typ 3) und einer Beuteart, die nur vom Rauber in ihrem Wachstum begrenzt wird. Es gibt zwei Gleichgewichtszustande N* (stabil) und Nl (instabil), die im Schnittpunkt der Reproduktionsund Pradationskurven liegen. Die pfeile deuten die Populationsentwicklung der Beutepopulation zu beiden Seiten der Gleichgewichtszustande an.
ber mit Beute gesattigt sind) und wird weiterwachsen, bis sie durch andere Faktoren (z. B. ihre Ressourcen) limitiert wird. Dichteabhangigkeit hei der Beutepopulation. Wir hatten schon am Anfang des Kapitels angesprochen, dass natiirliche Beutepopulationen nicht unendlich weiterwachsen, sondern zumindest durch ihre Ressourcen im Wachstum nach oben begrenzt sind. In unseren bisherigen Betrachtungen zur Pradation haben wir diese Tatsache ignoriert, urn ein besseres Verstandnis des Einflusses von Raubern auf Beutepopulationen ohne storende weitere Faktoren zu erhalten. Wenn wir diese dichteabhangige Selbstregulierung fur unsere Beutearten annehmen, dann ist die Fragestellung nun nicht mehr, ob ein generalistischer Rauber die Beutepopulation regulieren kann, sondern • Wie weit unterhalb des durch die innerartliche Konkurrenz gesetzten Gleichgewichts kann ein Rauber die Beutepopulation reduzieren? • Konnen Rauber die Beutepopulation ausrotten? Die Antwort auf diese Fragen lautet: Das hangt von der Art der Rauber und der Art der dichteabhangigen Konkurrenz abo Innerartliche Dichteabhangigkeit druckt sich darin aus, dass die Wachstumsrate der Population Amit steigender Beutedichte kleiner und bei sehr hohen Dichten sogar negativ wird. Eine solche Form der Dichteabhangigkeit haben wir in Form der logistischen Gleichung bereits auf Seite 57 kennen gelernt. Graphisch dargestellt bedeutet dies, dass die Reproduktionskurve nicht mehr wie bisher linear mit der Beutedichte ansteigt, sondern abknickt und im Gleichgewicht ~hne (ohne den Rauber) wieder die x-Achse schneidet. Dies ist in Abbildung 3.13 dargestellt. 1m oberen Teil (a) ist zusatzlich die Pradationskurve eines Raubers, der eine feste Anzahl Beutetiere frisst, eingezeichnet. In den zwei Schnittpunkten befindet sich die Beutepopulation im Gleichgewicht, d. h. die im Uberschuss produzierten Beutetiere werden vom Rauber genau aufgefressen. Allerdings stellt nur der obere Schnittpunkt ein stabiles Gleichgewicht dar. Wenn die Beutedichte unter das Niveau des niedrigeren Gleichgewichtszustands absinkt, stirbt die Beutepopulation unweigerlich aus. Beihoheren Beutedichten kann ein generalistischer Rauber, der eine
3.5 Wechselwirkungen uber zwe i troph ische Ebenen
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3.13 Dynamik eines RauberBeute-Systems aus einem generalisti schen Rauber, der (a) eine konstante Anzahl Beutet iere (constant harvestpredation) oder (b) einen konstanten Prozentsatz Beutetiere pro Zeite inheit frlsst, und einer Beute, die durch ihre Urnweltkapazitat (N~hne) begrenzt wird. Die pfeile deuten die Populat ionsentwicklung der Beutepopulat ion zu beiden Seiten der Gleichqewkhtszustande an.
kon stan te Anzahl Beutetiere frisst, seine Beute auf ein Niveau regulieren, das unterhalb dessen liegt, was die Beutepopulation ohne den Rauber erreichen wur de. In Teil b der Abbildung ist die Pradati on sku rve eines Raubers eingetragen, der einen kon stant en Anteil der Beutepopulation frisst. Hier ergib t sich n ur ein Gleichgew ichtszustand, der zudem stabil ist. Beide Raubertypen sind demnach in der Lage, ihre Beute auf ein Niveau unterh alb der Umweltk ap azitat zu regu lieren .
Spezialisten als Rauber Ein Hau ptgrund, weshalb die Beutepo pulation in den vorige n Abschnitten so haufig der Kont rolle durch den Rauber entkam, war unsere Anna hme , dass die Rauberpopul at ion eine konstantc GroBe hatte, ihre Fahigkeit zur Regulieru ng dah er bei hohen Beutedic hten lim itiert war. Mit anderen Worten, der Rauber zeigte keine numer isch e Reakt ion (S. 107) auf die Beute dic hte. Dies ist eine sinnvolle Anna hme fur einen Gen eralisten, dessen Hau figkeit nicht von eine m bestimmten Beutetyp abha ngt. Kommt die Beute allerdi ngs hau fig in der Umgebung des Raube rs vor, dann wird der Rauber die Beute leicht er und damit auch mehr von ihr fangen und diese in eigene Nachkommen umsetzen. Die Rauberpo pulatio n sollte also bei hoh en Beutedichten ansteigen und bei niedrigen wieder absin ken. P ist in un seren Gleichungen bei Rau-
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3 Wechselwirkungen zw ischen verschiedenen Arten
bern mit numerischer Reaktion auf ihre Beutedichte also keine Konstante, sondern eine Funktion der Beutedichte: P(N). Damit erhalten wir Rauber-Beute-Systerne mit gekoppelter Dynamik, d. h. sowohl Rauber- als auch Beutedichte hangen nicht nur von sich selbst, sondern auch vom anderen Partner abo Urn dieses mathematisch darzustellen, benotigen wir eine Gleichung fur die Anderung der Beutedichte tiber die Zeit und eine weitere fur die Anderung der Rauberdichte. Nehmen wir anfangs der Einfachheit halber wieder an, dass wir auger der Reproduktion und Pradation keine weiteren Faktoren haben, die die Dichte von Rauber und Beute bestimmen (d. h. wir ignorieren Zu- und Abwanderung, innerartliche Konkurrenz usw.), und dass wir wieder diskrete Generationen haben (ohne kontinuierliche Fortpflanzung). Die Dynamik der Beute wird durch ihren Zuwachs in Form von Geburten (ANt) sowie durch ihre Abnahme durch Pradation des Raubers bestimmt. Die Anzahl Beutetiere, die der Rauber frisst, wird durch dessen funktionelle Reaktion fiNt ) multipliziert mit der Anzahl Rauber Pt bestimmt. Die Dynamik des Raubers wird ebenfalls durch seinen Zuwachs, indem er gefressene Beutetiere in eigene Nachkommen umsetzt (numerische Reaktion), sowie durch seine Abnahme, in diesem Fall durch naturliche Mortalitat, bestimmt. Die Umsetzung von gefressener Beute in Nachkommen ist die numerische Reaktion g[fi Nt)], die wiederum von seiner funktionellen Reaktion, namlich der Anzahl gefressener Beutetiere, abhangig ist. Auch die numerische Reaktion muss mit der Anzahl Rauber PI multipliziert werden. Die Todesrate d der Rauber, d. h. die Wahrscheinlichkeit fur ein Rauberindividuum zu sterben, konnen wir in jeder Generation als konstant annehmen. letzt haben wir aile Komponenten fur unser Rauber-Beute-System beisammen: (3.26) (3.27) Die Dynamik des Rauber-Bente-Systems hangt jetzt von den funktionellen und numerischen Reaktionen der Rauber abo Ganz generell kann man sagen, dass ein derartiges Rauber-Beute-System nicht reguliert wird, wenn nicht in mindestens einer Komponente eine positive Dichteabhangigkeit auftaucht. Dabei spielt es keine Rolle, in welcher Komponente die Dichteabhangigkeit vorliegt; ohne sie ist eine langfristige Koexistenz von Rauber und Beute an einem Ort ohne Zuwanderung nicht wahrscheinlich. Die Dichteabhangigkeit musste sich nicht einmal in der funktionellen oder numerischen Reaktion ausdrucken, sondern konnte auch in Form der Rekrutierung der Beute oder der Todesrate der Rauber in das Modell eingehen.
3.5.2 Herbivoren und Pflanzen Viele Herbivoren verhalten sich eher wie Parasiten und weniger wie Rauber, indem sie ein einziges Pflanzenindividuum befressen, dies aber in der Regel nicht toten. In manchen Fallen ahneln sie allerdings eher Raubern und verzehren die Pflanzenindividuen mehr oder weniger vollstandig, Dies ist z. B. bei Samenfressern der Fall, denn jeder
3.5 Wechselw irku ngen uber zwei trophische Ebenen
Samen ist ein Pflanzenindividuum. Auch Keimlinge sterben bei BefraB haufig, Eine eigene Kategorie bilden die Weideganger ( ~Tab. 3.3). Hierunter werden Herbivorenarten zusammengefasst, die mehrere Pflanzenindividuen befressen, diese dabei aber nicht so stark schadigen, dass die Pflanzen sterben. Wenn die meisten Pflanzenfresser anderen trophischen Kategorien ahneln, warum gibt es dann ein eigenes Kapitel uber Herbivoren-Pflanzen-Beziehungeni Wichtige Unterschiede zu tierischen Rauberoder Parasitensystemen bestehen darin, dass Pflanzen durch ihren modularen Aufbau (S. 46) den Schaden durch Herbivoren haufig kompensieren und dass pflanzliche Nahrung im Gegensatz zu tierischer sehr viel heterogener ist. Insbesondere konnen Pflanzen sowohl die Menge (durch kompensatorisches Wachstum) als auch die Qualitat (z. B. durch induzierte Abwehr) der zukunftig gefressenen Menge nach einem Befall durch Herbivoren verandern und damit Wachstum, Reproduktion und Uberleben der Herbivorenpopulation beeinflussen.
Auswirkungen auf die Pflanze Generell werden Pflanzen, wenn sie nicht getotet werden (Herbivore in diesem Fall = Rauber), durch Herbivorenfraf geschadigt (Herbivore in diesem Fall = Parasit, Weideganger) . Dies auBert sich in einem geringeren Wachstum oder einer verringerten Reproduktion. Herbivorie ftihrt bei der Pflanze zu einem Verlust an Biomasse. Da sowohl Wachstum als auch Reproduktion in der Regel proportional zur PflanzengroBe sind, wird die Pflanze schon allein uber den Biomasseverlust geschadigt. Der Verlust von photosynthetisch aktivem Gewebe, insbesondere der Verlust von Blattflache, fuhrt zu einer Reduktion der Nettophotosyntheserate. Von Herbivoren befressene Pflanzen erleiden also einen Nachteil, indem sie tiber eine reduzierte Photosynthese weniger Biomasse fur das Wachstum synthetisieren konnen und so Schwierigkeiten haben, im Kampf urn Licht mit den sie umgebenden Konkurrenten Schritt zu halten. Der tatsachliche Schaden fur die Pflanze geht aber haufig noch uber den bloBen Verlust an Biomasse hinaus (Zangerl et al. 2002). In vielen Experimenten, in denen z. B. Blattverlust durch Herbivoren durch mechanisches Entfernen der gleichen Menge Blattmaterial mit einer Schere simuliert wurde, hat sich gezeigt, dass der Scha den durch Fraf auf die Pflanzen starker war als der kunstlich zugefugte. Dies kann unter anderem damit zusammenhangen, dass die Pflanze beim Fraf durch Herbivoren auch physiologisch durch Sekretabsonderungen (Speichel) beeintrachtigt wird. 1m Speichel vieler Herbivoren befinden sich Substanzen, die bei Pflanzen die Produktion von Stoffen zur induzierten Abwehr auslosen. Die dafur benotigten Energie- und Stoffreserven stehen den Pflanzen dann nicht fur Wachstum oder Reproduktion zur
Verfugung. Das Ausmaf der Schadigung einer Pflanze durch Fraf hangt von vielen Faktoren ab, als Erstes von der Herbivorendichte. Ie mehr Tiere an einer Pflanze fressen, desto groBer ist der Schaden. Der bestimmende Faktor ist hierbei die Praflintensitat. Die Frafsintensitat erhoht sich auch, wenn die Herbivoren langer fressen (FraBdauer) oder haufiger die Pflanze befallen (Prafshaufigkeit). Grofsere Tiere fressen in der Regel mehr als kleinere und konnen ebenfalls die Prafsintensitat erhohen, Auch das von Herbivorie betroffene Pflanzenorgan bestimmt das Ausmaf des Schadens mit. Haufig sind es verschiedcne Herbivoren, die die verschiedenen Organe
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3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
einer Pflanze befallen. So kann man auch sagen, dass die Herbivorenart das SchadensausmaB mitbestimmt. Bei der Goldrute (Solidago altissima) z. B. richtet die Schaumzikade Philaenus spumarius, die das Xylem anzapft, den grofsten Schaden an , der blattfressende Kafer Trirhabda sp. mittleren und die phloemsaftsaugende Blattlaus Uroleucon caligatum den geringsten (Meyer 1993). Durch den Herbivorenfraf wurden die gesamte Blattmasse, die gesamte Blattflache und die Wurzelmasse reduziert. Zusatzlich reduzierte die Schaumzikade die Anzahl der Apikalknospen und die der Seitensprosse sowie die Stangelmasse . Der Schaden, den die Pflanzenfresser anriehteten, fuhrte in erster Linie uber eine Reduktion der Blattflache im Verhaltnis zur Blattmasse, wodurch den befallenen Pflanzen nunmehr eine relativ kleinere Blattflache fur die Photosynthese zur Verfugung stand, was im Endeffekt zu einer geringeren Synthese von Biomasse fuhrte, Ein wichtiger Punkt, der durch dieses Beispiel unterstrichen wird, ist, dass die Auswirkungen von HerbivorenfraB nicht allein am FraBort auftreten. Durch Herbivorie werden Wachstumsprozesse in der ganzen Pflanze beeinflusst. Eine generelle Regel scheint dabei zu sein, dass SprossfraB das Wurzelwachstum reduziert und umgekehrt (Crawley 1997). Durch Stoffumlagerungsprozesse innerhalb der Pflanze kann es auch zu einer Veranderung in den Proportionen der Pflanzenorgane untereinander (Allometrie) kommen. Eine der haufigsten Veranderungen ist das Verhaltnis unterirdischer zu oberirdischer Biomasse (root-shoot ratio).
Reaktion der Pflanzen Wenn Pflanzen von Herbivoren befressen werden, sterben sie in der Regel nieht oder zumindest nicht sofort aboSie haben somit die Moglichkeit, auf FraB zu reagieren und den angerichteten Schaden zu verringern. Diese Pahigkeit zur Kompensation wird Toleranz genannt und kann in unterschiedlichem MaB ausgepragt sein. Pflanzen konnen aber auch im Verlauf der Evolution Mechanismen erworben haben, die die Praferenz oder Performance von Herbivoren herabsetzen. Derartige Mechanismen werden unter Resistenz zusammengefasst. Iede Eigenschaft der Pflanze, die ihre Fitness in Anwesenheit von pflanzenfressenden Tieren erhoht, verstehen wir als Verteidigung. Zur Verteidigung zahlen also sowohl Toleranz von als auch Resistenz gegentiber Herbivoren. Toleranz: Kompensation, Uberkompensation, Pflanzen kompensieren den Schaden durch Tiere auf unterschiedliche Weise. Der Nettoeffekt von einfachem oder wiederholtem Herbivorenfraf auf das kumulative Wachstum von Pflanzen tiber das Iahr hinweg kann Null, negativ oder sogar positiv sein. Dies hangt von der Pflanzen art, der Verfugbarkeit der verbleibenden photosynthetisch aktiven Blattflache, der Anzahl Meristeme/Knospen, der Menge gespeicherter Nahrstoffe, dem Gehalt verfugbarer Nahrstoffe im Boden und der Haufigkeit und Intensitat der Herbivorie abo Die meisten Pflanzen reichern wahrend des Wachstums Kohlenhydrate als Nahrstoffspeicher an. Diese werden zum Aufbau von neuen Pflanzenorganen nach dem Verlust von Biomasse durch Herbivoren oder andere Katastrophen (Feuer, Wind, Frost, Hitze, Trampeln) mobilisiert. Bei Grasern wird haufig beobachtet, dass befressene Triebe eine hohere relative Wachstumsrate haben als unbefressene. Dies kann bis zur vollstandigen Wiederherstellung der verlorenen Biomasse fuhren ( ~Abb. 3.14).
3.5 Wechselwi rkungen uber zwei trophische Ebenen
Kompensation fur verlorene oberirdisehe Biomasse gesehieht in der Regel auf Kosten der unterirdiseh in den Wurzeln gespeieherten Reserven, die ansonsten fur die Produktion von Samen verwendet wurde. Haufiges Abweiden von Grasern kann deren Wurzelwaehstum limitieren, was zu einer verminderten Wasser- und Nahrstoffaufnahme aus dem Boden fuhrt. Bei wiederholtem intensiven HerbivorenfraB ist die Pahigkeit zur Kompensation stark herabgesetzt, und sogar die Mortalitat kann sieh erhohen. Herbivorie kann unter Umstanden aueh die Iahresproduktivitat von befressenen Pflanzen gegenuber unbefressenen steigern ( ~Abb. 3.14). Dies ist insbesondere bei ausdauernden Grasern der Fall, die nur maBig von Weidegangem befressen werden. 1m Allgemeinen ist im Hoehsommer die Biomasse von beweideten Grasflachen zwar kleiner als die von unbeweideten, aber uber das Iahr summiert ist die Produktivitat von beweideten Flachen hoher als die von unbeweideten Flachen. Die unbeweideten Graser bilden Bluten aus, und die oberirdisehen Pflanzenteile sterben danaeh abo Dureh die Beweidung wird die Blute der Graser verhindert, die Pflanzen verbleiben in der vegetativen Phase, und ihre oberirdisehen Teile sterben daher nieht abo Herbivoren konnen unter Umstanden aueh die Uberlebenswahrscheinlichkeit von Pflanzen erhohen. Krauter, die einen zweijahrigen Lebenszyklus haben, produzieren im ersten lahr eine Rosette, die im zweiten Iahr einen Spross treibt, der bluht und Samen produziert. Naeh der Samenreife stirbt die Pflanze aboHerbivoren, die diese Blute verhindern, indem sie entweder das Rosettenwaehstum so stark reduzieren, dass die Rosette keinen Spross treibt, oder den Blutenspross derart befressen, dass dieser nieht bluht, erhalten die Pflanze so langer am Leben. Wenn das Jakobskreuzkraut (Senecio jacobaea) von Raupen des Karrninbaren (Tyriajacobaeae, Lepidoptera) befressen wird, sodass die Sprosse nieht bluhen, uberleben die Pflanzen uber vier Jahre, wahrend ihre unbefressenen Naehbarn bereits naeh zwei Iahren tot sind (Gillman und Crawley 1990). keine Kompensati on / Cli
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3.14 Reaktionsnormen von Pflanzen auf HerbivorenfraB. Mit ansteigender lntensitat des HerbivorenfraBes zeigen Pflanzen folgende Reaktionen: (1) stetiger Abfall der Nettoprirnarproduktion, (2) Pflanzen kompensieren den durch Herbivorie angerichteten Schaden vollstandiq bis zu einem schwellenwert, ab dem die Produktivitat abfallt oder (3) Pflanzen zeigen eine vermehrte Produktivitat bei niedrigem FraBdruck. Es ist zu beachten, dass die y-Achse Nettoproduktion oder Performance und nicht Fitness im Darwin'schen Sinne anzeigt. Nach Crawley (1997).
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3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
Resistenz: Abwehr von Herbivoren. Wahrend Toleranz nicht die Frafsintensitat reduziert, sondern nur den entstandenen Schaden mehr oder minder auffangt, sorgen Resistenzmechanismen dafur, dass die Pflanzen weniger befallen werden. Resistenz setzt daher entweder die Praferenz von Herbivoren fur die Pflanze herab oder reduziert deren Performance, wenn Herbivoren die Pflanze dennoch befressen. Wie wir schon auf Seite 113 gesehen haben, stellen Pflanzen wegen ihres geringen Stickstoffgehalts eine ungunstige Nahrungsgrundlage fur Pflanzenfresser dar. Pflanzen enthalten jedoch auch eine Vielzahl von Substanzen, die fur die meisten Herbivoren unverdaulich sind, wie z. B. Cellulose und Lignin (der Holzbaustoff). Diese Substanzen dienen der Pflanze in erster Linie als Stiitzgewebe, spielen aber auch als Verteidigung gegen FraB eine Rolle. Die meisten Herbivoren zeigen eine ausgepragte Praferenz fur zarte, junge Gewebe, die nur wenig Holz- und Faserstoffe enthalten, und lassen die verholzten Pflanzen oder Pflanzenteile stehen. Ebenso haben viele Pflanzengewebe einen geringeren Wassergehalt als Herbivore und konnen daher schlechter verwertet werden . Die Hauptgrunde, weshalb Pflanzengewebe fur Herbivoren ungunstige Verhaltnisse dieser drei Inhaltsstoffgruppen (Stickstoff, Fasern und Wasser) haben, liegen primar weniger in der Abwehr von Herbivoren als in der Art und Weise, wie Pflanzen wachsen . Pflanzen enthalten relativ wenig Stickstoff, weil Stickstoff in der Umgebung von Pflanzen Mangelware ist. Stutzgewebe dienen den Pflanzen zum Hohen- und Breitenwachstum, urn sich in der Konkurrenz mit anderen Pflanzen ihren Platz an der Sonne zu sichern. Der niedrige Wassergehalt von z. B. Holz ist ein Nebeneffekt des hohen Anteils an Stutzgewebe. Trotzdem ist der Nebeneffekt, den diese Pflanzeneigenschaften auf Herbivoren haben, stark . Pflanzen haben allerdings auch spezielle Eigenschaften entwickelt, die eigens der Abwehr von Herbivoren dienen . Viele Pflanzen tragen auf ihrer Oberflache Strukturen wie Stacheln, Dornen oder Harchen (Trichome), die den an ihnen fressenden Tieren den Zugang zu den essbaren Pflanzenteilen erschweren (meehanisehe Abwehr). Nach der GroBe dieser Strukturen ist ersichtlich, gegen welche Tiergruppen die Abwehr gerichtet ist. In der Regel sind Dornen und Stacheln gegen GroBherbivoren (Saugetiere) wirksam, wahrend Trichome gegen kleinere pflanzenfressende Tiere (Insekten, Milben, Schnecken) gerichtet sind. Pflanzen produzieren auch eine Vielzahl chemischer Substanzen, die zur Abwehr von Herbivoren dienen (ehemisehe Abwehr; S. Ill). Da diese Substanzen nicht dem Primarstoffwechsel der Pflanze dienen (Wachstum, Transport, Fortpflanzung), werden sie als sekundare pflanzliche Inhaltsstoffe zusammengefasst. Ie nach ihrer Funktion konnen diese Stoffe als Gifte (Toxine), abstoBende (Repellents) oder verdauungshemmende Substanzen eingeteilt werden . Wahrend Toxine in der Regel schon in geringen Mengen wirken und damit eine qualitative Verteidigung darstellen, hangt die Wirkung von Repellents und verdauungshemmenden Substanzen von deren Konzentration abo Diese Stoffe bilden daher eine quantitative Verteidigung. Verteidigungsstrategien: Plastisehe Pflanzenreaktionen. Herbivorenbefall ist sehr variabel. Fur einzelne Pflanzenindividuen ist nieht von vornherein sicher, ob und wann sie befallen werden . Die meisten Pflanzen konnen daruber hinaus noch Opfer verschiedener Herbivorenarten werden, die jeweils unterschiedliche Muster in Raum und Zeit aufweisen und aueh verschiedene Pflanzenorgane befallen. Da VerteidigungsmaBnahmen kostspielig sind, ist eine permanente oder konstitutive Verteidi-
3.5 Wechselwirkungen uber zwei troph ische Ebenen
gung nicht immer die beste Strategie (d. h. sie kann zu Einbufsen in der Fitness gegentiber benachbarten Pflanzenindividuen fuhren). Da Pflanzen ebenso wie Tiere das Potenzial haben, auf Veranderungen in ihrer Umwelt zu reagieren, konnen sie auch komplexere und angepasstere VerteidigungsmaBnahmen gegen Herbivoren ergreifen. Pflanzen konnen z. B. ihre Resistenzmechanismen nur dann anschalten, wenn sie erwarten, dass es sich lohnt (urn es einmal anthropomorph auszudrucken), also wenn sie einen auBeren Reiz bekommen, dass ein starker Befall bevorsteht. Ein solcher Mechanismus wird induzierte Resistenz genannt. Damit induzierte Resistenz einen Vorteil fur die Pflanze gegenuber konstitutiver oder auch gar keiner Resistenz darstellt, muss die Pflanze durch Informationen aus ihrer Umwelt das Risiko von zukunftigem Herbivorenbefall moglichst korrekt abschatzen konnen (Karban et al. 1999; S.241). Die Resistenzmechanismen, die Pflanzen zur Abwehr von Tierfraf besitzen, konnen direkt gegen Herbivoren wirksam sein. Hierzu gehoren sekundare Pflanzeninhaltsstoffe wie Toxine, Verdauungshemmer und Repellents und mechanische Barrieren wie Stacheln und Dome, aber auch verholzte, schwer verdauliche Strukturen im Allgemeinen. Aufserdern gibt es Resistenzmechanismen, die indirekt tiber andere Organismen wirken. Einige Pflanzen rekrutieren Ameisen oder rauberische Milben zu ihrer Verteidigung, indem sie ihnen Nektar in extrafloralen Nektarien oder vorgefertigte Nistplatze in Form von hohlen Dornen (Akazien), Tunneln oder knollenartigen Strukturen (Domatien; viele epiphytische pflanzen) zur Verfugung stellen ( ~ Abb. 3.15). Die Ameisen und Raubmilben saubern im Gegenzug ihre Wohnpflanze von schadigenden Herbivoren. Das Zur- Verfugung-Stellen von Nistplatzen fur naturliche Feinde der Herbivoren kann als eine Art konst itutive indirekte Abwehr angesehen werden .
3.15 Die Ameisenpflanze Myrmecodia tuberosa. Die aufgeschnittene knollige Struktur am FuB der Pflanze enthalt Kammern, in denen die Ameisen leben und ihre Nester bauen . (© Nicholas W Plummer, Reproduktion mit freundlicher Genehmigung.)
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3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
Auswirkungen auf die Herbivoren Wie wir gesehen haben, reagieren Pflanzen auf Herbivorie, indem sie die Nahrungsmenge (durch zeitliches und raumliches Ausweichen oder zeitverzogertes kompensatorisches Wachstum) und/oder die Nahrungsqualitat fur ihre Fressfeinde herab setzen. Herbivoren haben verschiedene Moglichkeiten entwickelt, urn negative Konsequenzen fur ihre Fitness weitgehend zu umgehen. Sie konnen gezielt GegenmaBnahmen ergreifen, urn reduzierte Nahrungsmenge und -qualitat auszugleichen. Analog zur Verteidigung der Pflanzen gegen FraB konnen diese MaBnahmen als Angriff der Herbivoren auf die Pflanzen verstanden werden (herbivore offense; Karban und AgrawaI2002). Drei Bedingungen mussen erfullt sein, damit eine Eigenschaft eines Herbivoren als Angriff auf die Pflanze angesehen werden kann: • Die Eigenschaft muss einer Pflanzeneigenschaft entsprechen (z. B. ein Enzym zur Entgiftung im Herbivoren entspricht einem Toxin in der Pflanze). • Die Eigenschaft muss eine messbare Steigerung der Nutzung der Pflanze durch den Herbivoren erlauben (z. B. erhohte Nahrungsaufnahmerate, Verdauungseffizienz,
Eiablagemoglichkeit).
• Die Eigenschaft muss die Fitness des Herbivoren erhohen (d. h. seinen Anteil an Nachkommen in folgenden Generationen). Generell leben Herbivoren und Pflanzen also in einem Spannungsfeld zwischen Angriff und Verteidigung ahnlich dem von Raubern und ihrer Beute. Viele Herbivoren haben die Moglichkeit , einen reduzierten Nahrstoftgehalt ihrer Nahrung zu kompensieren, indem sie einfach mehr Nahrung zu sich nehmen (compensatory feeding). Dies ist naturlich nur dann moglich , wenn sie nicht bereits in ihrer Nahrungsaufnahmekapazitat begrenzt sind . Pflanzenfresser, die normalerweise bereits permanent fressen mussen, urn ihre Nahrstoffbedurfnisse zu befriedigen, stoBen hier fruh an Grenzen. Minierende Insektenarten (Arten, die sich innerhalb von pflanzengeweben entwickeln) scheinen im Vergleich zu ihren freilebenden Verwandten haufig mehr als 90 % ihrer Zeit mit Fressen zu verbringen und konnen daher weniger durch gesteigerte Nahrungsaufnahme kompensieren. Die Nahrung von Herbivoren ist nicht sehr reich an Nahrstoffen, aber deren Gehalt und der von sekundaren Abwehrstoffen ist sehr variabel in unterschiedlichen Geweben, Individuen und Arten (S. 110). Durch die Wahl des FraBortes (fur mobile Herbivoren) oder des Eiablageortes (fur sedentare Herbivoren, z. B. viele Insektenlarven) konnen Pflanzenfresser die Nahrungsqualitat steigern. Fur viele pflanzenfressende Insekten gilt, dass sie schneller wachsen, wenn sie ihre Nahrung selbst wahlen konnen (self-selection offood) als wenn sie gezwungen werden, sich einseitig zu ernahren (Waldbauer und Friedman 1991). Entgiftung von sekundaren Pflanzeninhaltsstoffen durch Enzyme des Herbivoren kann ebenfalls als Angriffsmechanismus aufgefasst werden . Eine wichtige Enzymklasse, die an den Entgiftungsprozessen beteiligt ist, sind die Cytochrom-P-450-mischfunktionelle-Oxidase-(MFO-)Enzyme, die sekundare Pflanzeninhaltsstoffe entgiften, indem sie diverse Oxidationsprozesse katalysieren. Pflanzen enthalten auch verdauungshemmende Substanzen wie z. B. Proteinaseinhibitoren, die die Funktion von prote inabbauenden Enzymen hemmen. Herbivo-
3.5 Wechselwirkungen uber lwei trophische Ebenen
ren, deren spezifische proteinabbauenden Enzyme durch Proteinaseinhibitoren gehemmt werden, konnen andere Proteasen produzieren, die durch die Proteinaseinhibitoren nicht mehr in ihrer Funktion gehemmt werden und somit nur minimale EinbuBen im Wachstum erleiden. Viele spezialisierte Herbivoren konnen die zur Abwehr dienenden sekundaren Inhaltsstoffe ihrer Wirtspflanze in ihrem Korper einlagern (sequestrieren) und sich so selbst gegen ihre Feinde schiitzen. Ein bekanntes Beispiel hierfiir ist der Monarchfalter aus Amerika (Danaus plexippus), dessen Raupen sich von Schwalbenwurzgewachsen (Asclepiadaceae) ernahren, die in ihrem Milchsaft Pyrrolizidinalkaloide (Kasten 3.3, S. III f) enthalten. Wahrend des FraBes nehmen die Larven diese Toxine auf und lagern sie in ihrem Korper aboDer Schutz
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3.16 Beispiele far die Vielfalt an Gallen, die von Gallwespen (Cynipidae) der Gattung Andricus an Stieleichen (Quercus robur) hervorgerufen werden. a) A. hungaricus, b) A. quercustozae, c) A. polycerus, d) A. kollari, e) A. quercusramuli, f) A. fecundator, g) A. coriarius, h) A. gallaetinctoriae, i) A. tinctoriusnostrus, j) A. sekendorffi, k) A. dentimitratus, I} A. quercuscalicis, m) A. testaceipes, n) A. aries, 0) A. solitarius, p) A. inflator, q) A. lignicola, r) A. rhyzomae, s) A. quercuscorticis. Nach Crawley (1997).
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3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
vor ihren eigenen Feinden durch die Toxine halt sogar beim ausgewachsenen Schmetterling an, der ja wahrend des Adultstadiums nur Nektar zu sich nimmt. Zusatzlich sind die Raupen und Adulten auffallig gezeichnet (aposematisch, S. 125) und signalisieren ihren Feinden ih re Giftigkeit. Auch symbiontische Mikroorganismen helfen den Herbivoren, ihre Wirtspflanzen effektiver auszunutzen, indem sie Nahrstoffe zuganglich machen, die Pflanzen fresser ansonsten nicht verdauen konnten. Am bekanntesten sind die Mutualismen zwischen darmbewohnenden Bakterien oder Einzellern, die Cellulose abbauen, und ihren Wirten (kein Tier kann Cellulose eigenstandig abbauen) . Diese kommen in so verschiedenen Herbivorengruppen wie Termiten und Wiederkauern vor. Manche darmbewohnende Mikroorganismen sind auch an der Produktion von essenziellen Aminosauren, die in der Pflanzennahrung fehlen, und an der Entgiftung von sekundaren Pflanzeninhaltsstoffen beteiligt . Manche Herbivoren erhohen ihre Effektivitat sogar durch Manipulation der Wirtspflanze. Die Induktion von Pflanzengallen durch pflanzenfressende Arthropoden ist ein solcher Fall. Gallen sind Pflanzenstrukturen, die von Herbivoren bewohnt und befressen werden. Sie bestehen aus Pflanzengewebe und konnen die unterschiedlichsten Formen annehmen (~Abb. 3.16). Die Gallenform wird durch Substanzen des eiablegenden Weibchens und durch die raumliche Anordnung der fressenden Tiere bestimmt. In den meisten Fallen ist das Innere der Galle von aufserst nahrstoffreichem Gewebe ausgekleidet, von dem sich die Pflanzenfresser ernahren, Gallbildende Herbivoren zwingen die Pflanzen also, ihnen mit der Galle sowohl Schutz als auch ein nahrstoffreiches Substrat zur Verfugung zu stellen.
3.5.3 Parasiten und ihre Wirte Auswirkungen von Parasiten auf ihreWirte Definitionsgernaf hat ein Parasit immer einen negativen Einfluss auf die Fitness (Wachstum, Fekunditat, Uberleben) seines Wirtes. Dieser steigt in der Regel mit der Starke des Befalls, d. h. mit der Anzahl der Parasiten pro befallenem Wirt ( ~ Abb. 3.17). Die Auswirkungen von Parasiten auf den einzelnen Wirt sind also diehteabhangig, Dies kann entscheidende Auswirkungen auf die Population sdynamik von Parasiten und ihren Wirten haben. Sehr stark befallene Wirte (mit vielen Parasiten) haben eine reduzierte Uberlebenswahrscheinlichkeit und damit auch die in ihnen lebenden Parasiten. Der Tod eines stark infizierten Wirtsindividuums kann daher die Parasitenpopulation starker reduzieren als die Wirtspopulation, was zu einer Regulation beider Populationen fuhren kann.
Epidemiologie von Mikroparasiten Wenn man die Populationsdynamik von Mikroparasiten (z. B. Malariaerregern) untersuchen mochte, stoBt man auf das Problem, dass sieh die Anzahl Mikroparasiten in einem Wirt in der Regel nur schwer (oder uberhaupt nicht) feststellen lasst. Die Anzahl Viren in einer an Grippe oder Masern erkrankten Person festzustellen, ist
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3.17 Dichteabhangigkeit der Auswirkungen von Parasitenbefall auf die Mortalitat des Wirts . a) Die Schnecke Lymnaea gedrosiana, parasitiert von den Larvenstadien des Trematoden Ornithobilharzia turkestanicum, b) die aquatische Wanze Hydrometra myrae, parasitiert von der Milbe Hydryphantes tenuabilis, c) Labormaus, parasitiert vom groBen Leberegel (Fasciola hepatica) . Nach Anderson und May (1978).
schier unmoglich, auch wenn sich die Konzentration von Viren im Blut oder die Starke der Immunreaktion tiber den Antikorpertiter feststellen lasst. Anstelle der Anzahl Parasiten untersucht man bei Mikroparasiten in der Regel die Anzahl infizierter Wirte (Pravalenz) . Sehr verbreitet ist dieser Ansatz in dem Zweig der Humanmedizin, der sich mit der Dynamik von Infektionskrankheiten des Menschen (Epide miologie) beschaftigt. Eine weitere Vereinfachung gegenuber den bisher besprochenen Modellen besteht in der Annahme, dass die Populationsgrofse des Wirtes von vielen verschiedenen Faktoren und daher nicht vom Vorkommen einer einzelnen Infektionskrankheit abhangt. Man nimmt daher an, dass die Populationsgrofse des Wirtes konstant ist. In der Epidemiologie betrachtet man also die Ausbreitung einer Krankheit (eines Parasiten) in einer konstanten Population von Wirten. Nehmen wir der Einfachheit halber einmal an, dass ein Mikroparasit durch Kontakt direkt ubertragen wird (oder uber sehr kurze Distanz), eine kurze Infektionszeit hat und der Wirt nach einer Genesung eine lebenslange Irnmunitat erwirbt. Dies trifft auf viele bakterielle und virale Infektionen wie z. B. die Kinderkrankheiten Maseru, Roteln, Mumps und andere zu. Die Ubertragungsrate des Parasiten wird dann unter anderem von der Anzahl der Kontakte zwischen infizierten und empfanglichen Wirten bestimmt. In einer sich frei (d. h. homogen oder zufallig) durchmischenden, geschlossenen Wirtspopulation ist die Anzahl Kontakte II zwischen infizierten und empfanglichen Individuen von der Anzahl infizierter Wirte Y, der Anzahl empfanglicher Wirte X und der Durchmischungsrate fJ l abhangig: (3.28)
Dieses wird in Analogie zu einem idealen Gas in der Epidemiologie auch das Massenwirkungsgesetz (law of massaction) genannt. Die tatsachliche Anzahl Infektionen pro Zeiteinheit I (incidence) , die sich aus diesen Kontakten ergeben, hangt von der Wahrscheinlichkeit fJ2 ab, dass ein Kontakt zwischen einem infizierten und einem ernpfanglichen Wirt tatsachlich zu einer Obertragung des Parasiten fuhrt. Also gilt:
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3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
(3.29) Die Wahrscheinlichkeit einer Ubertragung nach einem Kontakt hangt einerseits von der Pahigkeit des Parasiten ab, sich in dem neuen Wirt zu etablieren (Infektiositat), und andererseits von der genetisch bedingten Empfanglichkeit des Wirtes. Unterschiede in der dem Parasiten eigenen Ubertragungswahrscheinlichkeit (f3) sind dafur verantwortlich, dass sich die verschiedenen Kinderkrankheiten unterschiedlich schnell ausbreiten. Wir sagen, sie sind unterschiedlich ansteckend. Der Koeffizient f3 = f3 1f32 wird Ubertragungsrate (transmission coefficient) genannt. Das Prinzip der Massenwirkung bei der Ubertragung von Mikroparasiten wird von Beobachtungen zur Ausbreitung von bakteriellen und viralen Infektionen bestatigt. Tatsachlich breiten sich diese in dichten Wirtspopulationen (z. B. in Stadten) schneller aus. Es gibt viele Beispiele fur Infektionen, die sich explosionsartig schnell in einer ernpfanglichen Population ausgebreitet haben (z. B. die Maul-und-Klauenseuche, die zuletzt im Iahr 2001 in GroBbritannien und dem angrenzenden Europa Tausende von Rindern, Schweinen und Schafen getotet hat; Haydon et al. 2002) . Es gibt allerdings ebenso Infektionen, die es nicht geschafft haben, in einer Wirtspopulation FuB zu fassen . Dies geschieht wahrscheinlich sehr haufig, bleibt allerdings in der Regel unbemerkt. Welche Faktoren bestimmen, ob sich ein Parasit erfolgreich ausbreiten kann? Intuitiv leuchtet ein, dass die Fahigkeit des Parasiten, sich von Wirt zu Wirt zu verbreiten, kritisch fur eine erfolgreiche Ausbreitung ist. Insbesondere sollte bei einem erfolgreichen Parasiten ein befallener Wirt im Durchschnitt wah rend seines Lebens mindestens einen weiteren Wirt infizieren (andernfalls stirbt der Paras it aus). Stellen wir uns dazu die Nettoreproduktionsrate Ro von Mikroparasiten als die durchschnittliche Anzahl neuer Krankheitsfalle vor, die durch einen mit Parasiten befaIlenen Wirt in einer unbefallenen Wirtspopulation ausgelost werden. Die Nettoreproduktionsrate entspricht dann der Ausbreitung der Krankheit in einer Wirtspopulation unter Idealbedingungen (alle Individuen sind empfanglich). Die Nettoreproduktionsrate Ro hangt nun, wenn wir das Prinzip der Massenwirkung annehmen, von zwei GraBen ab: der Anzahl von Kontakten zwischen dem infizierten Wirt und ernpfanglichen Wirtsindividuen (das Produkt aus der Anzahl ernpfanglicher Wirte X und der Ubertragungsrate f3 der Krankheit oder der Wahrscheinlichkeit, dass ein Kontakt zur Ubertragung fuhrt) und der Zeit D, wahrend der ein infizierter Wirt den Parasiten weiter ubertragen kann. Achtung: Bei manchen Krankheiten kann ein Wirt auch nach seinem Tod infektios sein , wenn z. B. Dauerstadien gebildet werden. Zusammenfassend kann man schreiben:
(3.30) Damit sich eine Krankheit in einer Population ausbreiten kann, muss die Nettoreproduktionsrate ~ > 1 sein . Wenn ~ < 1, fuhrt jeder infizierte Wirt in Zukunft zu weniger als einem neu infizierten Wirt, sodass die Krankheit aussterben wird. Die Bedingung Ro = 1 wird die Dbertragungsschwelle (transmission threshold) genannt. Die Dbertragungsschwelle lasst sich auch als kritische Schwellendichte ~., d. h. als Mindestdichte der empfanglichen Wirtspopulation, die benotigt wird, damit sich die Krankheit noch ausbreiten kann, ausdriicken:
3.5 Wechselwirkungen uber zwei trophische Ebenen
(3.31 ) oder umgeformt: 1
(3.32)
XT = {3D
In Wirtspopulationen mit einer geringeren Diehte empfanglicher Individuen wird die Krankheit aussterben, in Populationen mit hoherer Diehte kann sieh die Krankheit ausbreiten. Wie kritiseh die Wirtsdiehte fur die Ausbreitung von Krankheiten ist, wird besonders in der Tierhaltung (aber aueh in der Pflanzenzueht) deutlieh, wo Wirte in einer unnaturlich hohen Diehte vergliehen mit ihren Freilandvorkommen gehalten werden. Hier breiten sieh Infektionen mit Mikroparasiten explosionsartig aus, die im Freiland praktiseh keine Rolle fur die Wirte spielen. Viele Infektionskrankheiten treten gerade bei Rindern typiseherweise im Winter wahrend der Stallhaltung und nieht im Sommer im Freiland auf (z. B. Lungen- und Darmparasiten). Die Tatsaehe , dass eine Wirtspopulation von einem Parasiten befallen werden kann (Invasionskriterium: > I), heiBt nicht, dass sieh der Parasit aueh in der Population halten kann. Mit fortsehreitender Einwanderung des Parasiten in die Wirtspopulation (epidemisehe Phase) nimmt die Anzahl ernpfanglicher Wirte immer weiter abo Dies gesehieht dureh drei Prozesse:
Ra
• Bereits befallene Wirte konnen zwar erneut befallen werden (wah rend sie noeh den Parasiten in sieh haben), tragen aber nieht zur Ausbreitung des Parasiten bei und fallen damit aus der Reehnung heraus. • Befallene Wirte konnen sterben. • Befallene Wirte konnen (zumindest in ein igen Tiergruppen, aber aueh bei Pflanzen) eine Imrnunitat erwerben, sodass sie bei erneutem Kontakt zu dem Parasiten nieht infiziert werden. Die abnehmende Anzahl empfanglicher Wirte ist daher ein limitierender Prozess fur die Ausbreitung und den Bestand des Parasiten. Damit sieh der Parasit in einer Population von Wirten halten kann (nieht ausstirbt), ist er darauf angewiesen, dass sieh aus der Wirtspopulation neue ernpfangliche Wirte rekrutieren. Dies kann dureh Geburten , Verlust der Imrnunitat oder dureh Immigration gesehehen. Wenn die Rekrutierung neuer ernpfanglicher Wirte nieht ausreieht, urn durehsehnittlieh mindestens ein e Neuinfektion von jeder bereits bestehenden zu garantieren, wird sieh der Parasit nieht in der Wirtspopulation halten konnen, d . h. er wird nieht zu einer endemischen Parasitose werden und schliefslich aussterben. Bei vielen dureh Mikroparasiten verursaehten Krankheiten sind die befallen en Wirte, die die Infektion uberleben, lebenslang immun gegen einen Neubefall (z. B. bei allen Kinderkrankheiten) . Hier ist die hauptsachliche Quelle neuer ernpfanglicher Wirte in der Anzahl Neugeborener zu suehen, die wiederum selbst von der GroBe der Wirtspopulation abhangt. Es tiberraseht daher nieht, dass eine bestimmte Wirtsdiehte benotigt wird , damit Kinderkrankheiten endemiseh in einer Population bestehen konnen. Auf Inseln findet man einen starken Zusammenhang zwisehen der Einwohnerzahl und der Lange von Epidemien (... Abb. 3.18).
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150
3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
Hawaii
550 000
100
10 100 Populationsqrofse der Insel(x 103)
1000
3.18 Zusammenhang zwi schen der Einwohnerzahl und der Dauer von Epidemien auf Inseln am Beispiel von Masern, einer direkt durch engen Kontakt ubertragenen Krankheit. Nach Nokes (1992).
Haufig wechseln sich bei Krankheitsepidemien durch Mikroparasiten Phasen mit niedriger Pravalenz (Anzahl infizierter Wirte) mit Phasen hoher Pravalenz ab Abb. 3.19). Solche regelmalsig schwankenden (oszillierenden) Muster werden durch eine sinkende Anzahl empfanglicher Wirte im Verlauf der Epidemie verursacht, gefolgt von Perioden, in denen sich die Zahl ernpfanglicher Wirte wieder erholt (z. B. durch Geburten). Die Lange der Periode zwischen zwei Krankheitsausbruchen ist direkt abhangig von der Ubertragungsrate (Ro) und der Rate, mit der der Wirtspool wieder aufgefullt wird (z. B.Geburtenrate), und umgekehrt abhangig von der Latenzzeit der Krankheit. Aus diesem Grund zeigen Infektionen in Populationen mit hoher Geburtenrate, wie sie z. B. typisch fur Entwicklungslander ist, in der Regel kurzere Zeitraume zwischen zwei Epidemien als die gleichen Krankheiten in Industrielandern . Viele Krankheiten werden auch durch Bisse von Arthropoden ubertragen (z, B. Malaria durch Mucken, Borreliose durch Zecken). In diesen Fallen konnen wir in der Regel davon ausgehen, dass dem Arthropoden als Vektor eine bestimmte Anzahl Bisse oder Stiche pro Zeiteinheit zur Verfugung stehen (Bissrate), und zwar unabhangig von der Anzahl Wirte in seiner Umgebung. Diese Bissrate kann z. B. bei Bremsen (Diptera, Tabanidae) durch die Zeit bestimmt werden, die eine Fliege zur Verdauung einer Blutmahlzeit benotigt, oder bei Stechmucken (Diptera, Culicidae) durch die Zeit zur Reifung eines Eigeleges. Die Ubertragungsrate von infizierten Arthropoden zu empfanglichen Wirten ist daher von der Bissrate f31 multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit, dass ein Wirt ernpfanglich ist (also erneut XlN), abhangig. Wir haben somit analog zu den sexuell ubertragenen Krankheiten eine Abhangigkeit der Ubertragungsrate von der relativen Haufigkeit der Wirte:
o-
(3.33) In dieser Gleichung steht Y fur die Population der Vektoren. Die gleiche haufigkeitsabhangige Ubertragungsrate gilt ubrigens auch fur die Ubertragung von Parasiten von infizierten Wirten zu Arthropoden. Wenn man also die Population der Wirte erhoht, wird nicht die Ubertragungsrate erhoht, sondern die Anzahl Bisseoder Stiche
3.6 Mutualismus
Zeit
3.19 Populationsdynamik von Wirt und Parasit anhand des Basismodells.
der Vektorenpopulation (die konstant bleibt) wird auf die Wirtspopulation verteilt. Damit verringert sich die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes Wirtsindividuum infiziert wird . Ebenso sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass ein bisher unbefallener Vektor mit Parasiten infiziert wird. Die Nettoreproduktionsrate ~ hangt yom Verhaltnis der Vektorenpopulation zur Wirtspopulation oder, anders ausgedruckt, von der Anzahl Vektoren pro Wirt (NJNh ) ab:
Ro =f3d32N v D N
(3.34)
h
Die kritische Schwellendichte gibt in diesem Fall das Verhaltnis Vektoren pro Wirt an, unter dem sich eine Infektion eines von Arthropoden ubertragenen Parasiten nicht endemisch in einer Population halten kann (Ro = 1): (3.35)
3.6 Mutualismus Als Mutualismus werden Wechselwirkungen zwischen zwei (oder mehreren) Arten bezeichnet, deren Vorteile normalerweise die jeweiligen Nachteile uberwiegen. Man kann sich Mutualismen vielleicht am besten als biologische Markte (biological markets) vorstellen, auf denen Arten ihren Partnern Waren oder Dienstleistungen anbieten, die fur sie selbst relativ billig herzustellen oder zu erbringen sind , im Austausch gegen andere Waren/Dienstleistungen, die fur sie selbst teuer oder sogar unmoglich zu produzieren oder zu leisten sind (Noe und Hammerstein 1994, Schwartz und Hoeksema 1998). In dieser Sichtweise fasst man Mutuali smu s als gegenseitiges Aus-
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3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
beuten (reciprocal exploitation) der Partner auf, wovon in der Summe beide profitiereno
3.6.1 Einteilung von Mutualismen Eine fruhe Einteilung der Mutualismen wurde nach der Starke der Bindung vorgenommen. Wenn eine Art ohne ihren mutualistischen Partner nicht uberlebensfahig ist, spricht man von einem obligaten Mutualismus. Ein Beispiel hierfur waren viele Symbiosen (z. B. Darmbakterien-Wiederkauer, Mitochondrien/Chloroplasten-eukaryotische Zelle, Blattschneiderameisen-Pilz). Haufig konnen Arten allerdings auch ohne ihre mutualistischen Partner uberleben. Derartige Beziehungen nennt man fakultative Mutualismen. Zu diesen zahlen unter anderem viele Ameisen-BlattlausMutualismen. Mutualismen gelten aufserdem als fakultativ, wenn der eine Partner nicht auf eine bestimmte Art als Mutualist angewiesen ist, sondern auf andere Arten ausweichen kann. In Bestauberrnutualismen sind in der Regel sowohl die Pflanzen darauf angewiesen, bestaubt zu werden, als auch die Bestauber, Nektar als Futterquelle zu erhalten. Beide Parteien sind allerdings bis auf wenige Ausnahmen nicht an eine bestimmte Art der mutualistischen Partner gebunden; die Bestauber konnen ihren Bedarf an Nektar von mehreren Pflanzenarten decken, und Pollen kann von mehreren Bestauberarten ubertragen werden. Der Mutualismus ist hier nicht artspezifisch , sondern auf eine ganze Gruppe ausgerichtet. Ahnliches gilt z. B. auch fur den Mutualismus zwischen Pflanzen und Mykorrhizapilzen, die die Pflanzen mit dem fur sie haufig limitierten Mineral Phosphor versorgen und dafur im Gegenzug Kohlenhydrate erhalten. Sowohl Pflanzen als auch Pilze konnen oft mit verschiedenen Partnern eine Beziehung eingehen, dabei kann ein und dasselbe Pilzindividuum gleichzeitig eine Assoziation mit mehreren Pflanzenarten eingehen . Ein Mutualismus kann auch fur die eine Art obligat sein, wahrend er fur die andere fakultativ ist; einige Pflanzen z. B. versehen ihre Samen mit Olkorperchen (Elaiosomen), die von Ameisen als Nahrung in ihren Bau eingetragen werden. Die Pflanzen sind darauf angewiesen, auf diese Weise ihre Samen zu verbreiten (obligat) , wahrend die Ameisen eine Vielzahl von Nahrungsquellen konsumieren und die Elaiosomen nur fakultativ nutzen. Die Vielzahl der in Mutualismen ausgetauschten Waren oder Dienstleistungen teilen sich in nur drei Klassen ein: Schutz vor Feinden, Transport und Nahrung (Bronstein 2001). Zu den Mutualismen, in denen ein Partner dem anderen Schutz gewahrt (Schutzmutualismen), zahlen Ameisen, die Homopteren (Blattlause und andere Pflanzensauger), Blaulingsraupen oder Pflanzen vor ihren naturlichen Feinden schutzen, aber auch Arten, die andere von ihren Parasiten befreien (Putzer). Putzer gibt es unter den Fischen und Vogeln. Transportmutualismen sind solche, in denen der Vorteil des einen Partners daraus besteht, dass entweder er selber oder seine Gameten an einen Ort gebracht werden, der bessere Entwicklungs- oder Reproduktionsmoglichkeiten bietet. Zu den bekanntesten Beispielen dieser Kategorie zahlen Bestaubung und Samenverbreitung durch Tiere (Zoochorie). Die dritte Klasse umfasst Nahrungsmutualismen, in denen eine Art einer anderen Nahrung zur Verfugung stellt. Bestaubung und Samenverbreitung sind aus der Sichtweise der Tiere Nahrungsmutualismen, bei der Assoziation von Pflanzen mit Mykorrhizapilzen sogar aus der Sichtweise beider
3.6 Mutualismus
Partner. Auch die Beziehung zwischen Menschen und Kulturpflanzen und -tieren kann als wechselseitiger Nahrungsmutualismus aufgefasst werden.
3.6.2 Mutualismen sind kontextabhanqlq Mutualismus wird haufig als eine Form der lnteraktion zwischen zwei Arten dargestellt, in der sich unter dem Strich fur beide Partner ein Vorteil ergibt. Wenn wir jedoch Mutualismus aus einer Kosten-Nutzen-Perspektive betrachten, wird schnell klar, dass sowohl die Kosten als auch der Nutzen fur die Beteiligten von okologischen Umgebungsfaktoren abhangen. Wie groB der Vorteil einer Pflanze aus einer Beziehung zu einem Mykorrhizapilz ist, hangt davon ab, ob der Boden, in dem sie wachst, phosphatreich oder -arm ist. 1st er phosphatreich, kann eine mutualistische Beziehung zwischen beiden sogar in eine parasitische umschlagen. Ebenso haben Blaulingsraupen nur dann einen Nutzen von Ameisen, die sie bewachen, wenn ihre Feinde in der Umgebung tatsachlich vorhanden sind. Ansonsten entstehen fur die Blaulingsraupen nur Kosten, denn sie mussen Sekrettropfen produzieren, urn Ameisen als Bewacher zu rekrutieren. Wie hoch nun andererseits die Kosten fur eine Produktion von Sekrettropfen sind, hangt wiederum von der Menge und Qualitat der Nahrung der Raupen abo Wenn also Kosten und Nutzen je nach Situation variieren, wird auch das Resultat der Interaktion nicht immer gleich sein (Bronstein 1994). Der Vorteil, den die Arten aus einer lnteraktion ziehen, mag daher manchmal groB und manchmal kleiner sein, in man chen Fallen wird sogar die mutualistische lnteraktion von einer antagonistischen abgelost, Die Tatsache, dass Kosten und Nutzen variieren, heiBt nicht, dass das Resultat einer derartigen lnteraktion unvorhersehbar ware. Ein wichtiger Faktor ist z. B. das Stadium, in dem sich die Partner befinden, ihr Alter oder ihre GroBe. Einige Pflanzenarten werden von Ameisen, die an extrafloralen Nektarien Nahrung finden, vor ihren Herbivoren geschutzt. Die Nektarmenge als Belohnung fur den Dienst der Ameisen hangt aber von der GroBe der Pflanze ab, dies gilt besonders bei Baumen. Kleine Pflanzenindividuen produzieren dabei so wenig Nektar, dass sie kaum von Ameisen belaufen werden. Dementsprechend werden auch die Herbivorenpopulationen auf kleinen Pflanzen kaum reduziert. GroBe Baume hingegen produzieren zwar genug Nektar, allerdings ist hier die zu patrouillierende Pflanzenoberflache zu grofs, als dass sie effektiv durch Ameisen von Herbivoren geschutzt werden kann. In diesem Fall werden Baume mittIerer GroBe am meisten von einer Assoziation mit Ameisen profitieren. Auch abiotische Faktoren konnen das Resultat einer mutualistischen Interaktion beeinflussen. Pflanzen, die an sehr trockenen Standorten stehen, produzieren z. B. weniger Nektar, der zudem noch einen geringeren Zuckergehalt hat. Auch der Bedarf an Mutualisten kann von den Standortbedingungen abhangen, Pflanzen, die in phosphatreichen BOden wachsen, haben einen geringeren Bedarf an Mykorrhizapilzen als Pflanzen, die in armen Boden wachsen. Tatsachlich versuchen Pflanzen, wenn ihrer Erde Phosphat zugefugt wird, die Verbindung zu ihrer Mykorrhiza zu kappen. Weiter konnen dritte Arten durch ihre Anwesenheit und Haufigkeit einen Mutualismus beeinflussen. Dies gilt insbesondere fur Schutzmutualismen, die nur dann
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3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
einen Vorteil fur den Beschutzten bieten, wenn dessen Feinde anwesend sind und in so hoher Dichte vorkommen, dass der Schutz sein Uberleben wesentlich steigert. SchlieBlich kann das Resultat einer mutualistischen Interaktion von der Haufigkeit der Mutualisten selbst abhangen. Bei geringen Dichten des Partners steigen haufig die Vorteile fur den einzelnen Mutualisten zunachst an, sinken dann aber mit steigender Dichte wieder und konnen sich sogar in Nachteile verwandeln, wenn der Partner sehr hohe Dichten erreicht. Dies gilt besonders fur Interaktionen, in denen ein Partner dem anderen als Belohnung eine Nahrung zur Verfugung stellt. BeiYuccapalmen und ihren Bestaubern steigt zunachst der Vorteil fur die einzelne Pflanze (d. h. ihre Samenproduktion) mit steigender Mottendichte an. Wenn allerdings zu viele Motten eine Yuccapflanze bestauben, nimmt der FraBdruck auf die Samenanlagen zu und die Pflanzen produzieren weniger Samen als bei geringeren Dichten. 1m Gegensatz zu Wechselwirkungen wie Pradation oder Konkurrenz, deren Ergebnis fur die Beteiligten weit weniger variabel ist, scheinen Interaktionen, die wir als mutualistisch bezeichnen, in ihrem Nettoergebnis sehr stark kontextabhangig zu sein. Dies gilt sowohl fur die Starke des Resultats (also die GroBe des Vorteils) als auch fur das Vorzeichen (manchmal kann sich ein Mutualismus auch zu einer einseitig nachteiligen Beziehung entwickeln, .. Tab. 3.2b).
3.6.3 Ausnutzung von Mutualismen Ein grofses Dilemma in unserem Verstandnis von mutualistischen Beziehungen ist, dass theoretische Modelle, die mechanistische Vorstellungen von solchen Beziehungen enthalten, Schwierigkeiten haben , sie als stabile Systeme zu charakterisieren, sowohl im evolutionaren als auch im okologischen Sinn. Somit sollten Mutualismen in unserer Vorstellung langfristig entweder durch andere Formen der Interaktion ersetzt werden (nach den Modellen haufig durch Parasitismus) oder einfach nicht bestehen konnen und aussterben. Diese theoretischen Vorhersagen stehen im Gegensatz zur Allgegenwartigkeit mutualistischer Beziehungen in der Natur, deren Existenz man nur schwer als kurzfristige Ubergangsstadien abtun kann. Urn diese Diskrepanz zu verstehen, mussen wir erst einmal verstehen, warum Mutualismen unserer Vorstellung nach nicht stabil sind . Kommen wir dazu nochmals auf unser biologisches Marktmodell (S. 151) zuruck. Mutualisten bieten hier Waren oder Dienstleistungen an, urn im Austausch fur sie wertvolle oder essenzielle Waren oder Dienstleistungen zuruckzubekomrnen. Ein derartiges System ladt dazu ein, von Individuen unterwandert zu werden, die sich das Angebot der Mutualisten aneignen, ohne dafur im Gegenzug ihrerseits einen Beitrag zu leisten. Dieses Verhalten wird Ausnutzung genannt (exploitation) und ist in vielen Mutualismen beschrieben worden (Bronstein 2001). Mutualismen scheinen fast zwangslaufig zu Ausnutzung zu fuhren, Der Nettoeffekt einer mutualistischen Interaktion ist fur jeden der beiden Beteiligten am grofsten, wenn es ihm gelingt, jeweils den eigenen Vorteil, der vom Partner bezogen wird , bei moglichst geringem eigenen Einsatz zu maximieren. Weil der Einsatz und damit auch die Kosten des einen Partners aber in der Regel direkt den Vorteil des anderen Partners bestimmen, kommt es zu einem Interessenkonflikt zwischen den Beteiligten. Nektar ist z. B. in vielen Bestaubermutualismen einerseits ein Kostenfaktor fur die
3.7 Wechselwi rkungen Ober mehrere troph ische Ebenen
Pflanze, aber andererseits einer der Vorteile fur den Bestauber, Pflanzen und Bestauber entwiekeln daher einen Interessenkonflikt tiber die optimale Nektarmenge pro Blute; die Bestauber hatten gern viel Nektar, die Pflanzen moglichst wenig. Solche Konflikte konnen eine Beziehung im okologischen Sinn destabilisieren. Die Bestauber konnten z. B. Pflanzen mit geringem Nektarangebot nieht weiter besuehen oder versuehen, in einer Weise an die Nektarien zu gelangen, die ihnen eine bessere Nektarausbeute errnoglicht, indem sie z. B. den Kelch von auBen durehnagen (Hummeln). Auf diese Weise gelangen sie zwar an den Nektar, umgehen dabei aber die Antheren und Griffel, sodass die Bestaubung nieht mehr gewahrleistet ist. In beiden Fallen sind die Bestauber keine Mutualisten mehr, sondern verhalten sieh antagonistiseh. Aueh im evolutionaren Sinn sollten Mutualismen anfallig fur Ausbeutung sein. Die Kosten einer mutualistisehen Beziehung fur die Beteiligten sind mannigfaltig und konnen teilweise erhebliehe Ausmafse annehmen. Dazu gehoren Kosten fur Meehanismen, urn Partner anzuloeken und zu belohnen, sowie fur Meehanismen, urn die eigene Belohnung dureh den Partner effizient zu erhalten. Individuen, die die vom Partner angebotenen Vorteile beziehen und gleiehzeitig ihre eigenen Investitionen reduzieren konnen, genielsen gegenuber Artgenossen einen Selektionsvorteil. Es ist also billiger und damit vorteilhafter, den Partner auszunutzen als zu kooperieren . In der Regel findet man in mutualistisehen Beziehungen diverse Meehanismen, die Ausnutzung verhindern. Haufig wird der niehtkooperierende Partner best raft, z. B. Mykorrhiza werden von der Pflanze mit weniger Kohlenhydraten versorgt, wenn diese im Gegenzug nieht genug Phosphat erhalt, oder Bestauber weehseln die Blutenart, wenn diese zu wenig Nektar zur Verfugung stellt. Derartige Bestrafungen fur Nichtkooperieren sorgen fur Stabilitat in Mutualismen.
3.7 Wechselwirkungen uber mehrere trophische Ebenen In den vorangehenden Absehnitten haben wir bereits einige Male gesehen, dass in der Natur haufig mehr als zwei Arten miteinander interagieren. Dureh Erganzung von Zwei-Arten-Interaktionen urn eine oder zwei weitere Arten erhalt man so genannte GemeinsehaftsmoduIe (community modules; Holt 1997; ~ Abb. 3.20). Diese Module bilden die Bausteine von naturlichen Lebensgemeinsehaften bestehend aus vielen Arten, und deren Analyse bildet eine Zwisehenstufe zum Verstandnis des Verhaltens ganzer Gemeinsehaften. Beispiele fur haufige Gemeinsehaftsmodule sind in Abbildung 3.20 dargestellt. Manehe naturliche Systeme ahneln an sieh schon stark bestimmten Gerneinschaftsmodulen, z. B. wenn ein Teil einer naturlichen Artengemeinsehaft, bestehend aus nur wenigen Arten , untereinander starke Weehselwirkungen zeigt, mit anderen Arten jedoeh nur sehwaeh interagiert. Dies ist bei vielen WirtParasit/Parasitoid-Beziehungen der Fall, weil Vertreter dieser Gruppen haufig stark spezialisiert sind und daher mit anderen Arten eher sehwaehe Weehselwirkungen haben. Aueh wenn Gemeinsehaftsmodule noeh nieht die Kornplexitat vieler naturlieher Lebensgemeinsehaften adaquat widerspiegeln, zeigen sie grundsatzliche Prozesse und qualitative Eigensehaften komplexer Gemeinsehaften auf, die aus den Zwei-
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156
3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
r r
A
Rauber Beute
• Ressource a) Nahrungskette
\ / Rauber Beute/Ressource
c) Ausbeutungskonkurrenz
•
Rauber • Beute
b) apparente Konkurrenz
A
Rauber
\/Beute •
Ressource
d) Pradation auf konkurrierende Beute
oberer Rauber
1:>-
mittlerer Rauber
Ressource e) Intraguild predation
3.20 BeispielefOr Gemeinschaftsmodule (community modu les), in denen indirekte Interaktionen zwischen Arten eine wichtige Rolle spielen.
Arten-Interaktionen nicht ersiehtlich waren. Insbesondere wird die Bedeutung von indirekten Interaktionen, also Auswirkungen von einer Art auf eine andere, ohne dass diese jemals direkt in Kontakt kommen, in komplexen Gemeinschaft en deutlich. Wenn innerhalb von Gemeinschaftsmodulen Wechselwirkungen zwischen mehreren Arten tiber mehr als zwei trophische Ebenen verteilt sind, werden sie multitrophische Interaktionen genannt. Im einfachsten Fall haben wir eine lineare Nahrungskette tiber drei trophische Ebenen (tritrophisch; ~ Abb. 3.20). Das bekannteste Beispiel ist die Interaktion zwischen Pflanzen, ihren Herb ivoren und deren naturlichen Feinden. Auch wenn wir die einzelnen Vertreter und ihre paarweisen Interaktionen bereits kennen gelernt haben, konnen wir daraus nieht unbedingt das Verhalten einer Nahrungskette mit drei Arten vorhersagen .
3.7.1 Kaskadeneffekte einzelner Populationen Die uberzeugendsten Beispiele fur trophische Kaskaden kommen aus dem aquatischen Bereich. In Seen, Flussen und auch im Kustenbereich gibt es haufig natiirliche lineare Nahrungsketten, die von wenigen Arten gebildet werden. In der Wassersaule von Seen wird das Phytoplankton, das als Primarproduzent an der Basis steht, von dem etwas grofseren Zooplankton gefressen, welches wiederum planktivoren Fischen als Nahrung dient . Durch ihre Pralsaktivitat halten die planktivoren Fische das Zooplankton in einer niedrigen Dichte, sodass das Phytoplankton grofse Populationsdichten erreicht und das Wasser trubt. Durch Besatz mit grofseren Fischen, die die
3.7 Wechselw irk ungen uber mehrere trophische Ebenen
kleinen planktivoren Fische fressen, lasst sich die Kaskade umkehren (Carpenter und Kitchell 1993): Der primare Rauber (planktivore Fische) wird durch den sekundaren Rauber in Schach gehalten , sodass das Zooplankton sich vermehren kann und das Phytoplankton auf niedrigem Niveau halt; das Wasser des Sees erscheint wieder klar. Eines der beruhmtesten Beispiele fur eine trophische Kaskade aus dem maritimen Bereich ist die Pradation von Seeottern (Enhydra lutris) auf herbivore Seeigel (Echinoidea), die in Abwesenheit der Rauber verhindern, dass sich Walder aus GroBalgen (Nereocystis- und Laminaria-Arten) bilden konnen ( ~Abb. 3.21, Estes und Duggins 1995). Auf Salzwiesen in der Gezeitenzone an der Ostkuste Amerikas wird das Schlickgras (Spartina alterniflora) durch Schnecken der Gattung Littoraria geschadigt , die zwar keine groBen Mengen Gras fressen, aber durch ihren FraBschaden Eintrittswunden fur Faulnispilze schaffen (die Schnecken ernahren sich eigentlich von totem organischen Material) und somit die Primarproduktion drastisch reduzieren konnen (Silliman und Bertness 2002). Salzwiesenbereiche, von denen die naturlichen Feinde der Schnecken (z, B. die Blaue Krabbe, Callinectes sapidus) ausgeschlossen wurden, sind innerhalb weniger Monate komplett von Vegetation befreit ( ~ Abb. 3.21). Auch in rein terrestrischen Systemen sind viele trophische Kaskaden beschrieben (Schmitz et al. 2000). Besonders Ameisen haben sich als effektive Rauber herausgea
b
+
3.21 Beispiele fur trophische Kaskaden. a) marin: Seeotter, Seeigel und Braunalgen , b) terrestrisch: Strandkrabben, Schnecken und Schlickgras. Vergleiche Text.
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3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
stellt, die Pflanzen vor herbivoren Arthropoden schiitzen. Doch auch Vogel oder Eidechsen sowieSpinnen konnen nachweislich diese Rolle iibernehmen. Eine generelle Frage in der Okologie ist, ob Populationen eher durch ihre Ressourcen, also von der unteren trophischen Ebene (bottom-up control), oder durch ihre natiirlichen Feinde, also von der oberen trophischen Ebene (top-down control) , limitiert sind. DieAnhanger von top down-Kaskaden gehen davon aus, dass Pflanzen und Rauber durch ihre Ressource limitiert sind, wahrend Herbivoren durch ihre Rauber begrenzt werden. Die Rauber regulieren die Herbivoren und niitzen damit den Pflanzen. Die Argumentation zu top down-Kaskaden geht auf die Ausfuhrungen von Hairston et a1. (1960) zuruck, die auf Seite162genauer besprochen werden.AIle oben erwahnten Beispiele werden von den jeweiligen Autoren als top down-Kaskaden interpretiert. Doch trotz der vielen direkten experimentellen Hinweise auf das Vorkommen und die Bedeutung von top down-Kaskaden gibt es einige Beobachtungen, die sich nur schwierig mit der Wirkungsweise solcher Kaskaden in Einklangbringen lassen. Einen alternativen Erklarungsansatzfindet man in so genannten bottom up-Kaskaden, die davon ausgehen, dass die Abundanzen hoherer trophischer Ebenen durch die Abundanz der niedrigsten Ebene geregelt wird. In vielen Lebensraumen gibt es Beispiele fur eine Regulierung der Primarproduktion durch die Ressourcen im Boden oder Wasser, alsoeine bottom up-Regulierung der Primarproduktion (Polis1999). Der nahrstoffreichsteOzean enthalt im Durchschnitt nur 0,00005 % Stickstoff, was etwa 1/10000 des Stickstoffs in der oberen Bodenschichtan Land entspricht. Dementsprechend gering ist auch die Dichte an Primarproduzenten (Algen) im Meerwasser, was sich in der generell blauen Farbe des Meerwassers widerspiegelt (d. h. esenthalt kaum pflanz1iche Schwebstoffe). Eine gesteigerte Primarproduktion im Meer und damit eine Verfarbung des Wassers (z. B. so genannte "rote Tiden",verursacht in erster Linie durch Dinoflagellaten) findet nur in Bereichen erhohten Nahrstoffeintragsstatt, z. B. in Bereichen mit Auftrieb von Tiefenwasser oder in der Nahe von Flussmiindungen, die Nahrstoffe aus dem terrestrischen Bereich eintragen (S. 218). Doch die Primarproduktion ist auch in vielen terrestrischen Systemen nahrstofflimitiert. Wahrend sich Bereiche hoher Primarproduktion durch dunkle Boden, die reich an organischenSubstanzen und Nahrstoffensind, auszeichnen,sind nahrstofflimitierte Zonen durch anorganische und mineralische Boden von vielfach roter oder weifser Farbegekennzeichnet. Einbekanntes Beispielist der tropische Regenwald, dessen rote Bodendie Nahrstofflimitierungwiderspiegeln, bcsondersnachdem die Nahrstoffe des Systems verbrannt und weggeschwemmt odcr dem System in Form von landwirtschaftlichen Produkten, Holz oder Viehentrissen wurden. Die Produktivitat bleibt in vielen Systemen nur durch einen Nahrstoffeintrag von aufsen (allochthon) erhalten. Der Regenwald im Amazonaskann z. B.seine Produktivitat nur deshalb erhalten, weiler den grofsten Teil seines Phosphors von Staubpartikeln aus der Sahara erhalt (Swap et a1. 1992). Wenn die Primarproduktion in vielen Systemen durch Zugabe von Nahrstoffen erhoht werden kann, konnen die Pflanzen in diesen Systemen nicht durch Herbivoren limitiert sein, sondern sind durch ihre Ressource limitiert, also durch bottom up-Prozesse. Es stellt sich die Frage, ob in diesen Systemen auch die hoheren trophischen Ebenen durch ihre Ressourcen und damit letztlich durch die Primarproduktion limitiert sind. Befurwortervon bottom up-Kas-
3.7 Wechselwirkungen uber mehrere trophische Ebenen
kaden gehen davon aus, dass Herbivoren und ihre Rauber durch die Pflanzenbiomasse reguliert werden .
3.7.2 Nahrungsnetze Betrachtet man die Nahrungszusamrnenhange einer Lebensgemeinschaft von Arten, erhalt man ein Nahrungsnetz (food web). Nahrungsnetze sind nach dem Prinzip .wer frisst wen" aufgebaut. Sie sind damit komplexer als Gemeinschaftsmodule. In Gemeinschaftsnetzen (community webs) bemuht man sich, aIle Arten eines Standortes zu berucksichtigen. Der Grundgedanke, der hinter den meisten Nahrungsnetzen steht, ist die Beschreibung der kompletten trophischen Beziehungen aller Arten eines Standortes, Habitats oder Lebensraums. Fur manche Fragestellungen wird nur ein Ausschnitt aller vorhandenen Arten des Standortes gewahlt, Manchmal interessiert man sich nur fur die naturlichen Feinde einer Art (Wirt, Beute) oder eines Artenkomplexes (z. B. Parasitoide von Blattminierern). In einem solchen Fall spricht man nicht mehr von Gemeinschaftsnetzen, sondern von Herkunftsnetzen (source webs). Wenn man Nahrungsnetze zusammenstellt, muss man naturlich wissen, welche Art von welcher gefressen wird . Dies korrekt festzustellen, ist in der Praxis nicht immer einfach. Die trophischen Beziehungen, die in einem Nahrungsnetz dargestellt sind, beruhen daher nicht immer auf direkten Beobachtungen von Rauber-Beute-Beziehungen. Besonders bei kleinen oder kryptischen Arten, deren Nahrungserwerb im Freiland schwierig zu beobachten ist, werden trophische Beziehungen haufig indirekt aus FraBexperimenten oder aus Literaturangaben zu dieser oder ahnlichen Arten gefolgert. Man unterscheidet drei Datenqualitaten (Hall und Raffaelli 1997): • Empirische Netze. AIletrophischen Verbindungen (trophic links) basieren auf tatsachlich gefundenen Rauber-Beute-Beziehungen, z. B. durch Darmuntersuchungen, FraBexperimente, Beobachtungen. • Wahrscheinliche Netze. Die meisten Verbindungen basieren auf tatsachlich gefundenen Rauber-Bente-Beziehungen, manche Verbindungen (z. B. schlecht untersuchte Arten) basieren auf Expertenwissen oder Literaturangaben zur Nahrungsbreite der betrachteten Art oder nah verwandter Arten . • Imaginare Netze. Artenaufnahme basiert auf Artenlisten eines Standortes, aIle trophischen Verbindungen basieren nur auf Expertenwissen oder Literaturangaben zur Nahrungsbreite. Darstellung von qualitativen Nahrungsnetzen
In qualitativen Nahrungsnetzen werden aIle trophischen Verbindungen zwischen den Taxa eines Nahrungsnetzes gleich stark gewichtet, also nur ihre An- bzw. Abwesenheit berucks ichtigt (presence-absence) . Qualitative Nahrungsnetze werden haufig als Organigramme dargestellt, in denen Raubertaxa mit ihren Beutetaxa durch Striche verbunden sind. Die Raubertaxa stehen dabei immer uber ihren Beutetaxa, sodass eindeutig ersichtlich ist, wer wen frisst ( ~Abb. 3.22). Die trophische Position eines Taxons wird ermittelt nach der Anzahl Kettenglieder in der langsten Nahrungskette
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3 Wechselwirkungen zwischen versch iedenen Arten
3.22 Qualitatives Nahrungsnetz der 33 wichtigsten Taxa aus dem mesohalinen Okosystem der Chesapeake Bay, Washington als Organigramm. 1 Phytoplankton, 2 Bakterien an Schwebepartikeln, 3 Sedimentbakterien, 4 benthische Aigen, 5 freischwebende Bakterien in der Wassersaule, 6 heterotrophe Mikroflagellaten, 7 Mikrozooplankton, 8 Zooplankton, 9 Ctenophora, 10 Quallen (Chrysaora quinquecirrha), 11 andere Filtrierer, 12 Klaffmuscheln (Mya sp.), 13 Austern (Crassostrea virginica), 14 andere Polychaeta, 15 Nereis sp., 16 Macoma spp., 17 Meiofauna, 18 detritusfressende Crustaceen, 19 Krabben (Callinectes sapidus), 20 Fischlarven, 21 Heringsartige (Clupeidae), 22 Anchovis (Anchoa mitchillt). 23 Menhaden (Brevoortia tyrannus), 24 Amerikanischer Maifisch (Alosa sapidissima), 25 Micropogonius undulatus, 26 Amerikanische Seezunge (Trinectes maculatus), 27 Leiosto mus xanthurus, 28 Seebarsch (Morone americana), 29 Arius felis, 30 Blaufisch (Pomatomus saltatrix), 31 Adlerfisch (Cynoscion aregalis), 32 Flunder (Paralichthys dentatus), 33 Streifenbrassen (Morone saxatilis). Nach Bersier et al. (2002).
von dem betreffenden Taxon zu einem basalen Taxon plus 1. Qualitative Nahrungsnetze sind relativ einfach zu konstruieren und daher auch am haufigsten in der Literatur zu finden. Die unterste Ebene in Nahrungsnetzen wird von den Primarproduzenten besetzt. Diese kann man nach der Herkunft ihrer Energiequelle in autotrophe und heterotro-
3.7 Wechselwirkungen Ober mehrere trophische Ebenen
phe Gruppen einteilen. Die erste Gruppe wird von den Pflanzen besetzt (Ausnahme Chemoautotrophe), die zweite von Zersetzern. Beide Gruppen teilen das Netz in Konsu menten ein, die entweder aufbasalen Ressourcen von Pflanzen oder von Zersetzern angewiesen sind . Detritus und Pflanzen und die von ihnen abhangigen Konsumentenketten bilden zwei Energiekanale (energychannels), und der Grad der Vernetzung zwischen diesen spielt eine wichtige Rolle in der Stabilitat der Lebensgemeinschaft (Moore und De Ruiter 1997) und der Fahigkeit, die Abundanz der Ressource zu kontrollieren (Polis 1999). Wenn die Energiekanale weitgehend getrennt sind, spricht man von kompartimentierten Systemen, sind sie miteinander verzahnt, von vernctzten Systemen. In aquatischen Systemen findet man eher kompartimentierte Strukturen, in terrestrischen eher netzartige.
Beschreibung von qualitativen Nahrungsnetzen durch Indices Nahrungsnetze sind komplexe Objekte. Urn okologisch bedeutsame Schliisse aus dieser Vielfalt ziehen zu konnen, wurden Indices entwickelt, mit deren Hilfe die Zusamrnenhange in Nahrungsnetzen beschrieben werden konnen. Die erste Gruppe von Indices beschaftigt sich mit den Eigenschaften der beteiligten Taxa. In einem Nahrungsnetz kann man Taxa anhand ihrer trophischen Stellung in obere (top), mittlere (intermediate) und untere (bottom) Taxa einteilen. Ein oberes Taxon hat nur Verbindungen zu Beutetaxa (dargestellt als N), aber nicht zu Raubern (P), ein unteres Taxon hat nur Verbindung zu Raubern, aber nicht zu Beutetaxa, und mittlere Taxa haben Verbindungen sowohl zu Raubern als auch zu Beutetaxa . Das Verhaltnis von oberen (% 0) zu mittleren (% M) und zu unteren (% U) Taxa bildet einen Index. Auch das Verhaltnis von Beute- zu Raubertaxa (NIP = [% M + % U] I [% 0 + % M)) wird als wichtiger Index haufig genannt. In verschiedenen Nahrungsnetzen liegt das Verhaltnis Beute- zu Raubertaxa etwa bei 1, was bedeutet, dass Taxa im Durchschnitt etwa genauso viele Rauber- wie Beutetaxa haben. Die Verletzlichkeit V (vulnerability) steht fur die mittlere Anzah1 Rauber pro Beute und wird aus der Anzahl aller Rauber-Beute-Beziehungen (die Anzahl aller Verbindungen I) geteilt durch die Anzahl aller unterer und aller mittlerer Taxa (n u + nm ) berechnet: I V= nu+n m
(3.36)
Die Generalitat G (generality) bezeichnet umgekehrt die mittlere Anzahl Beutetaxa pro Rauber und berechnet sich dementsprechend aus der Anzahl aller Rauber-BenteBeziehungen geteilt durch die Anzahl aller oberen und mittleren Taxa: (3.37)
Eine zweite Gruppe von Indices beschreibt Eigenschaften der trophischen Verbindungen. Diese berechnen sich aus der Anzahl Verbindungen (I) und der Anzahl beteiligter Taxa (s) im betrachteten Nahrungsnetz. Die Verbindungsdichte (link density) wird einfach als II s berechnet. Ein MaB fur die Vemetzungsstarke (connectance) kann man aus der Anzahl tatsachlicher Verbindungen geteilt durch die Anzahl moglicher Verbindungen (inklusive kannibalistischer Verbindungen) bilden (ll s-). Indices zu
161
162
3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
Verbindungseigensehaften von Nahrungsnetzen spielen eine zentrale Rolle in unserem Verstandnis der Stabilitat und Struktur von Lebensgemeinsehaften (Pimm 1984, Martinez 1992). Eine dritte Gruppe Indices betrifft die Eigensehaften von Nahrungsketten. Eine Nahrungskette ist ein Weg im Nahrungsnetz von einem beliebigen Taxon herab zu einem unteren Taxon. Eine Nahrungskette, die ein oberes mit einem unteren Taxon verbindet, wird eine maximale Nahrungskette genannt. Die Anzahl maximaler Nahrungsketten, deren durehsehnittliche Lange und Standardabweiehung (als MaB fur die Variabilitat: bei groBer Standardabweichung gibt es lange und kurze Ketten, bei kleiner Standardabweiehung hauptsachlich Ketten mit einer bestimmten Lange) sowie die Lange der langsten Kette sind haufig benutzte Indices. Diese Eigensehaften von Nahrungsketten sind ein MaB fur die Komplexitat eines Nahrungsnetzes.
3.7.3 Kaskadeneffekte trophischer Ebenen Urn der Vielfalt in Nahrungsnetzen Herr zu werden und generelle Muster besser zu erkennen, werden haufig Arten mit ahnlicher Form der Nahrungsaufnahme zu diskreten trophisehen Ebenen zusammengefasst. Man sprieht also von der Ebene der Primarproduzenten, Primarkonsumenten usw. als Ganzes, d. h. die Gemeinsehaften der Pflanzen , Herbivoren und Rauber werden als einheitliehe trophisehe Ebenen betraehtet (S. 220). Ausgehend von diesem Konzept der trophisehen Gemeinsehaftsebenen wurden zwei bedeutende Hypothesen formuliert, die einen groBen Einfluss auf die Denkweise von Lebensgemeinsehaften und Nahrungsnetzen in der Okologie hatten und bis heute haben. Die erste Hypothese wird als die GrOne-Welt-Hypothese bezeiehnet (green world hypothesis, in der Literatur aueh haufig HSS genannt naeh den Namen ihrer Besehreiber Hairston, Smith und Slobodkin, Hairston et al. 1960). Sie versueht zu erklaren, dass ein GroBteil der Welt grun ist, weil Herbivoren die ihnen zur Verfugung stehende Nahrung (Pflanzen) nieht vollstandig ausnutzen, da sie dureh ihre Feinde (Rauber und Parasiten) in niedrigen Populationsdichten gehalten werden. Die dazugehorige Argumentationskette sieht folgendermaBen aus: Fossile Brennstoffe reichern sieh momentan nicht auf der Erde an, weshalb man sehlieBen kann, dass samtliehe assimilierte Energie dureh die Biosphare flieBt. Daraus folgt, dass die Organismen als Ganzes dureh die fixierte Energie, also ressoureenlimitiert sind. Dies gilt insbesondere fur die Gruppe der Destruenten (S. 108). Herbivoren kommen selten in so groBen Diehten vor, dass sie KahlfraB verursaehen, und limitieren daher die Gruppe der Primarproduzenten (Pflanzen) nieht. Ebenso wenig wird die Klasse der Primarproduzenten dureh Katastrophen auf einem niedrigen Niveau gehalten, denn Katastrophen sind vergleichsweise selten. Folglich mu ssen die Primarproduzenten als Ganzes dureh ihre Ressoureen limitiert sein. Weil Herbivoren unter gewissen Umstan den durehaus in der Lage sind, einen KahlfraB zu verur saehen, werden sie offensiehtlieh normalerweise nieht dureh ihre Ressouree limitiert. Folglich mussen sie dureh ihre naturlichen Feinde beschrankt sein. Weil die Gruppe der Rauber und Parasiten ihre eigene Nahrungsressouree begrenzt, mussen Rauber und Parasiten als Ganzes dureh ihre Ressouree limitiert sein. Zusammenfassend ergibt sieh also folgendes Bild:
3.7 Wechselwirkungen uber mehrere trophische Ebenen
Destruenten, Pflanzen und Rauber/Parasiten sind durch ihre Ressourcen limitiert, wahrend die Gruppe der Herbivoren als Ganzes durch ihre naturlichen Feinde begrenzt ist. Die Struktur von Rauber- und Pflanzengemeinschaften wird daher durch interspezifische Konkurrenz urn die Ressourcen (S. 119) bestimmt, die Struktur von Herbivorengemeinschaften dagegen durch ihre naturlichen Feinde. Die GrOne-Welt-Hypothese geht von der Existenz dreier trophischer Ebenen aus. Diese drei Ebenen findet man auch in produktiven Systemen wie Waldern und ihren Sukzessionsstadien. In unproduktiven Systemen (z. B. Halbwiisten, Tundren) beobachtet man, dass die Pflanzenpopulationen schon von geringeren Herbivorendichten dezimiert werden, als notig waren , urn effektive Rauberpopulationen aufrecht zu erhalten, die die Herbivoren kontrollieren konnten, Aufgrund der Verluste beim Konvertieren von Biomasse von einer trophischen Ebene zur nachsten (trophische/okologische Effizienz, S. 221) konnen sich in unproduktiven Systemen daher haufig nur zwei oder sogar nur eine trophische Ebene halten. Aus diesen Beobachtungen, dass die Anzahl trophischer Ebenen und damit auch die Struktur der Lebensgemeinschaften von der Produktivitat des Standortes abhangt, entwickelte sich die so genannte Fretwell-Oksanen-Hypothese (exploitation ecosystem hypothesis, EEH; Oksanen et al. 1981). Carnivoren konnen sich nur wahrend gelegentlicher Massenvermehrungen von Herbivoren etablieren, nutzen also das zeitweilige Vorhandensein ihrer Ressource nur aus und sind somit ressourcenlimitiert. Die Herbivoren in solchen Systemen sind ebenfalls ressourcenkontrolliert, weshalb Herbivorengemeinschaften durch interspezifische Konkurrenz strukturiert sein sollten, In unproduktiven Systemen sollten Herbivoren eine klare Nischenaufteilung zeigen und diejenigen Arten, die bei geringen Pflanzendichten existieren und Nahrung niedriger Qualitat nutzen konnen, sollten am erfolgreichsten sein. Pflanzengemeinschaften sind einem intensiven FraBdruck ausgesetzt und sollten durch apparente Konkurrenz strukturiert werden. In extrem unproduktiven Systemen (z. B. in Polargebieten) kann die knappe Vegetation keine Herbivorenebene mehr unterhalten. Die einzige trophische Interaktion in diesen Systemen mit einer Ebene findet zwischen Pflanzen und ihren physikalischen Ressourcen statt. Die sparliche Vegetation wird durch Ausbeutungskonkurrenz urn die wenigen vorhandenen Platze, an denen Wachstum moglich ist, strukturiert.
163
164
3 Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arten
'} Fragen
•
1. Nennen Sie oko loq ische GrOnde fOr Nahrungsspezia lisierung . 2. Erklaren Sie, warum Tiere in der Natur suboptima le Nahrung akzeptieren, auch wenn optimale Nahru ng nicht selten ist . 3. Nennen Sie die verschiedenen Typen fu nktioneller Reaktionen. und erklare n Sie, wie sie ent stehen . 4. Beschreiben Sie das Konk urrenzausschlussprinzip, und erk laren Sie, unter welc hen urnstanden Arten koexistieren ko nn en, 5. Nennen und erk laren Sie die verschiedenen Art en von Mimikry mit jew eils einem Beispie l. 6. Welche Wege gibt es fu r eine Beuteart. ih ren Raubern zu entkommen? 7. Unter welchen Urnstanden kann ein Raub er ein e Beutepopulation um ein Gleichgewicht regulie ren? 8. Nennen und erkla ren Sie die drei Wege , wie eine Pflanze au f Herbivorenbef all reagieren kann . 9. Erklaren Sie den Untersch ied zw ischen Mikro- und Makroparasiten. 10. Warum w erden Mutualismen hauf iq als instabil angesehen? W ie kann die Stabilitat erhoht werden? 11. Was ist eine troph ische Kaskade? 12. Erklaren Sie die GrOne-Welt-Hypothese.
Die Auflosungen der Fragen sind im Internet zu finden (http://www.oekoIogiebuch.unibe.ch).
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Kapitel4
lebensgemeinschaften
~
Lernziele
Struktur und Klassifikation von Lebensgemeinschaften Okologische Prozesse in Lebensgemeinschaften Inselbiogeographie Neutrale Theorie nach Hubbell Dynamik von Lebensgemeinschaften Gleichgewichte und Nichtgleichgewichte in Lebensgemeinschaften Bedeutung der Biodiversitat Biogeographie Artenvielfalt in Raum und Zeit Speziation und Extinktion
Unter einer Lebensgemeinschaft (Biozonose, community) versteht man aIle Organismen (von Bakterien bis hin zu Saugetieren), die in einem abgegrenzten Gebiet (Biotop) gemeinsam vorkommen und dort in Wechselwirkung treten konnen. Der Begriff Biotop beinhaltet aIle abiotischen Umweltfaktoren, die auf eine Lebensgemeinschaft einwirken. In der Geobotanik wird synonym auch der Begriff Standort verwendet, obwohl der Standort eher ein autokologischer Begriff ist (Schaefer 2003 und S. 7). Aus pragmatischen Grunden werden wir sowohl den Begriff Standort als auch den Begriff Biotop verwenden. In Bezug auf den raumlichen MaBstab (Skala) ist die Definition der Lebensgemeinschaft und damit auch die Definition des Begriffes Biotop vage: Sowohl die Parasiten im Darm einer Maus als auch aIle Organismen im mitteleuropaischen Buchenwald bis hin zur Flora und Fauna ganzer Kontinente fallen unter diese Definition. Auf einer Hache von wenigen Hektar kommen in unseren Breiten vermutlich 2000-3000 Arten an Mikroorganismen, Pilzen, Pflanzen und Tieren nebeneinander in einer Lebensgemeinschaft vor ( ~ Tab. 4.1). Bei der Untersuchung von solchen Lebensgemeinschaften sind Okologen an folgenden Fragen interessiert:
166
4 Lebensgemeinschaften
Tabelle 4.1: Artenreichtum (species richness) mitteleuropaischer Wiesen und Walder. Halbtrockenrasen nach Gigon und Ryser (2000), Hochgebirgswiese mit Baumgruppen (Alp Flix) (Hanggi, pers. Mitteilung), Walder nach Ellenberg et al. (1986). Aile Artenzahlen sind MindestArtenzahlen, und es ist mit 2000-3000 Arten pro Lebensraum zu rechnen. n.b. nicht bestimmt.
Bakterien Algen, Flechten, Moose, Fame
Halbtrockenrasen Hochgebirgswiese Buchenwald
Fichtenwald
3 ha
1 ha
600 ha
1 ha
-100
42
11
11
-15
706
35
24
Bliitenpflanzen
-100
515
23
24
Pilze
-500
286
71
n.b.
Einzeller Wirbellose Wirbeltiere gesamt
n.b.
n.b.
49
49
- 1000
1302
484
690
- 20
123
11 9
11 7
1735
2974
781
904
• Welche und wie viele Arten leben in einer Artengemeinschaft zusammen? Warum sind einige Lebensgemeinschaften artenarm, andere dagegen artenreich? • Bestimmen Wechselwirkungen zwischen Arten die Artenzahl und Artenzusammensetzung von Lebensgemeinschaften? Gibt es Regeln fur die Struktur von Nahrungsnetzen? • Wie entwickeln sich Lebensgemeinschaften nach einer Storungi Die Wechselbeziehungen zwischen Arten sowie die wichtigsten Muster in Nahrungsnetzen wurden schon auf Seite 159 besproehen. Wir konnen uns daher auf die Artenzusammensetzung von Lebensgemeinschaften beschranken, Wie Tabelle 4.1 verdeutlicht, ist es bei der Artenvielfalt von Lebensgemeinsehaften nieht einfaeh , die gesamte Artenzusammensetzung verlasslich zu bestimmen. Daher beschrankt man sieh bei
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Artenzahl Pradatoren
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Artenzahl pflanzen
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Artenzahl Pflanzen
4.1 Beziehung zwischen den Artenzahlen trophischer und taxonomischer Gruppen. a) Artenzahl von Raubern und Beutetieren in 92 aquatischen Artengemeinschaften (Daten aus Jeffries und Lawton 1985). b) Artenzahl von pflanzen und phytophagen Kafern sowie von (c) Pflanzen und carnivoren Kafern fur 58 Laubwaldstandorte in Baden-WOrttemberg . Die Artenzahlen fur (b) und (c) wurde auf Dauerbeobachtungsflachen erfasst. Bei Kafern kamen Bodenfallen zum Einsatz, wahrend die Pflanzen mit klassischen Vegetationsaufnahmen erfasst wurden. Daten der Landesanstalt fur Umweltschutz, Baden-WOrttemberg.
Lebensgemeinschaften
der praktischen Arbeit auf Teile der Lebensgemeinschaft, z. B. nur auf die Pflanzen (Phytozonose, oder PflanzengeseUschaft ) oder die Tiere (Zoozonose). Bei der unuberschaubaren Vielfalt von Tieren mussen sich Zoologen sogar noch auf eine systematische Gruppe (z. B. Laufkafer oder Vogel) oder Gilde konzentrieren. Wie bereits auf Seite 38 besprochen, vereinigen Gilden Arten mit ahnlicher Nische. Mitglieder einer Gilde mussen aber nicht phylogenetisch mitei nander verwandt sein. So besteht in nordamerikanischen Trockengebieten die Gilde der Samenfresser aus mehreren Arten von Kleinsaugern , aber auch samenfressenden Ameisen (Brown and Davidson 1977). Lebensgemeinschaften zeichnen sich durch eine Reihe von emergenten Eigenschaften aus (S. 2). Die beiden fur uns wichtigste n sind : • Die Anzahl der Arten in der Lebensgemeinschaft (species richness) . Wie bereits erwahnt, muss man sich dabei aus arbe itstechnischen Grunden auf eine taxo nomisch definierte Gru ppe beschranken. Zwischen trophisch definierten Gru ppen Tabelle 4.2: Vergleich von zwe i Lebensgemeinschaften I und II mit gleicher Artenza hl, aber unterschiedlicher Verte ilung der Individuen mithilfe des Diver sit atsinde x Hs nach Shannon-Weaver: ;=5
Hs =-L Pi I n( Pi)
(4.1) ;=1 Dazu wird zuna chst fOrjede Art i d ie relat ive Haufiqkeit Pi best immt (Haufiqkeit de r Art dividiert durch die Summe aller erfasste n Individuen). 1m nachsten Schritt berechnet man fOr jede Art Pi In(p) . Summiert man diese Werte fO r a ile Arte n 5 auf und mult ipliziert da nn die Summe mit - 1 ergibt sich der Diversitatsindex, Trot z de r gleichen Arte nzahl ist die Lebensgemeinschaft II d iverser a ls die Lebe nsgemeinschaft I. Dies zeigt sich au ch in den Rang-Abundanz-Kurve, die fO r Lebensgeme inschaft II viel flacher verlauft als fu r Lebensgemeinschaft I ( Abb. 4.2a). Es wurde bisher e ine Vie lzahl von Diversita tsindices entw ickelt. Meist sind die Indices ab er Obe r mehrere Lebensgemeinschaften hinweg gut mite inander korreliert. lebensgemeinschaft II
lebensgemeinschaft I Art ;
Haufigkeit der Art ;
Art 1
Pi
Pi (n(Pi)
Haufigkeit der Art i
P,
Pi (n(Pi)
100
0,7936S
-{l,18342
10
0,13333
-{l,2686S
Art 2
10
0,07937
-{l,201 09
10
0,13333
-Q,2686S
Art 3 Art 4
2
O,OlS87
-{l,06S 78
10
0,13333
-Q,26865
3
0,02381
-{l,08899
10
0,13333
-{l,26865
Art 5
5
0,03968
-{l,1280S
9
0,12000
-{l,25443
0,00794
-{l,03838
8
0,10667
-{l,23872
0,00794
-{l,03838
7
0,09333
-{l,22135
0,02382
-{l,08899
8
0,10667
-{l,23872
0,00794
-{l,03838
3
0,04000
-Q,12876
-Q,8714
75
Art 6 Art 7 Art 8
3
Art 9 Summen Diversitat Hs
126
0,87
- 2,1556 2,16
167
168
4 Lebensgemeinschaften
100
• I in Tabelle 4.2 • II in Tabelle 4.2
\
100
75 ' 0;
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'5
:I: ""
10
50
-
4
2
I
6
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,
8
b
1 2
• Hs = 3.4 p H = 3.2
4
6
• Hs = 1.8 p H = 5.9
25
• H, =3.5 pH = 5.9
'0;
.><
I in Tabelle 4.2 II in Tabelle 4.2
25 0
a
• •
• Hs = 1.0 pH = 3.2
10
10
5
5
2
c
20
40 Rang
I
60 d
4
8 Rang
12
16
4.2 Rang-Abundanz-Kurven fur die hypothetischen Artengemeinschaften aus Tabelle 4.2 sowie reale Lebensgemeinschaften in Waldern. a) Auftragung der Lebensgemeinschaften aus Tabelle 4.2 nach ihrer Haufiqkeit, Dazu wurden die Arten entsprechend ihrer Haufiqkeit sortiert und von der haufiqsten zur seltensten Art entlang der x-Achse aufgetragen. b) Prinzipiell gleiche Auftragung wie in (a), nur wurde die y-Achse logarithmisch skaliert. Damit kann die Haufiqkeit auch seltener Arten gut abgelesen werden. Beachte, dassdie Rang-Abundanz-Kurve umso tlacher verlauft, je groBer die Diversitat ist. c) Rang-Abun danz-Kurve fur in Bodenfallen erbeutete Kater in einem Nadelwald (pH-Wert im Boden = 3,2) sowie einem Laubwald (pH-Wert im Boden = 5,9). Beachte, dasstrotz der Unterschiede in der Bodenreaktion die Rang-Abundanz-Kurven ahnlich verlaufen und beide Lebensgemeinschaften etwa gleiche Diversitst zeigen . d) Ganzlich anders verhalten sich Schneckengemeinschaften. Hier ergeben sich klare Unterschiede in der Rang-Abundanz-Kurve sowie der Diversitat in Abhangigkeit vorn pH-Wert des Bodens.
gibt es eine recht klare positive Beziehung der Artenzahlen (~ Abb. 4.1a), Beziehungen zwischen taxonomisch definierten Gruppen sind hingegen weiter weniger streng (~ Abb. 4.1b, c). Bezeichnet man eine Lebensgemeinschaft als artenreich, sollte man sich immer vergegenwartigen, dass dies jeweils nur fur die untersuchte Gruppe gilt. • Die Diversitat der Lebensgemeinschaft (diversity). Als Diversitat einer Lebensgemeinschaft bezeichnet man die Verteilung der relativen Haufigke it der Arten. Dazu wurden eine Reihe unterschiedlichster Kennzahlen ( ~ Tab. 4.2) bzw. graphischer Darstellungen entwickelt ( ~ Abb. 4.2). Zur Darstellung der Diversitat in RangAbundanz-Kurven werden die Arten nach absteigender Haufigkeit sortiert. Die haufigste Art bekommt den Rang 1 zugeordnet, die zweithaufigste den Rang 2, usw. Danach tragt man den Rang der Arten (x-Achse) gegen ihre Haufigkeit (y-Achse)
4.1 Struktur von Lebensgemeinschaften
auf ( ~ Abb. 4.2a). Haben alle Arten etwa die gleiche Haufigkeit, wie etwa in der Lebensgemeinschaft II in Tabelle 4.2 (hohe Diversitat), dann verlauft die Kurve nahezu horizontal. Sind die Haufigkeiten dagegen ungleich verteilt (geringe Diversitat), bekommt man eine steile Rang-Abundanz-Kurve. Damit auch die Haufigkeit seltener Arten gut abgelesen werden kann , wird die y-Achse meist logarithmisch skaliert (~ Abb. 4.2a und 4.2b).
4.1 Struktur von Lebensgemeinschaften 4.1.1 Erfassung von Artengemeinschaften Der erste Schritt bei der Untersuchung einer Lebensgemein schaft ist die Erfassung des Arteninventars. Hat man dieses erfasst, ergibt sich die Arten zahl der Lebensgemeinschaft (species richness). Fur die Erfassung von Pflanzengesellschaften wurde in Mitteleuropa von Braun Blanquet (1964) die pflanzensoziologische Aufnahmemethodik entwickelt. Dazu wahlt man einen typischen Ausschnitt des Biotops und erarbeitet im Feld eine maglichst vollstandi ge Artenliste mit Angaben uber die Haufigkeit der Arten (kurz meist als Vegetationsaufnahme bezeichn et; releve) . Da die Erfassung der Haufigkeit sehr schwierig sein kann (S. 49), verwendet man eine Rangskala (Artenrnachtigkeit), mit der die Haufigkeit geschatzt wird: r selten, + kommt vor, 1 zu < 5 % deckend, 2 zu 5-25 % deckend, 3 zu 25-50 % deckend , 4 zu 50- 75 % deckend, 5 zu 75- 100 % 120
g, 100 :0
> :<:II> N
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80
-c 60
40 a
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4 8 10 12 Beobachtungstage
150
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Qj
~ 100
z
II> N
c: OJ t:: 50
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0 b
0
500 1000 1500 2000 Individuenzahl
4.3 Beispiele fu r die Abhangigkeit zwischen Artenzahl und Umfang der Stichprobe. a) Auf Exkursionen im Seewinkel (Neusiedler See) wurden taqlich aile Vogelarten notiert. In der Abbildung wurde die Gesamtzahl nachgewiesener Arten nach dem 1. Tag, nach dem 2. Tag usw. gegen die Zahl an Beobachtungstage aufgetragen (maximal 12 Beobachtungstage) . Beachte, dassdie Artenzahl mit den Beobachtungstagen ansteigt, der Anstieg aber mit der Zeit immer geringer ausfallt. Nach neun Beobachtungstagen wurde ein Plateau erreicht. Diese Anzahl der Beobachtungstage ist notwendig, um das Artenspektrum der Voge l im Seewinkel zu erfassen. In (b) wurde die Zahl der an einem Standort mittels Bodenfallen nachgewiesenen Kaferarten gegen die gefangene Individuenzahl aufgetragen ( ~Abb. 4.1). Die Artenzahl stieg mit der Anzahl gefangener Indiv iduen. Obwohl sich auch hier eine Sattiqunq der Artenzahl mit zunehmender Individuenzahl andeutet, ist die Erfassung des Artenspektrums mit mehr als 1 500 gefangenen Individuen noch nicht vollstand iq.
169
170
4 Lebensgemeinschaften
150
150
~ 100
:;:; ~ 100
:;:;
.
.
N
c
c
ClI
«
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ClI
t= 50
20
40 60 Anzahl Gattungen
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•
10
.1.:
15
20
Anzahl Familien
25
4.4 Beziehung zwischen der Zahl der nachgewiesenen Gattungen (a) bzw. Familien (b) und der Artenzahl fOr Kafer in 58 Laubwaldstandorten Baden-WOrttembergs ( ~Abb . 4.1). Man beachte die strengen Beziehungen, die eine Nutzung von Gattungs- und sogar FamiIienzahlen als indirekte Kennzahlen fur den Artenreichtum moqlkh machen.
deckend. Fur Detailuntersuchungen mussen Phytozonosen aber genauer erfasst werden (Greig-Smith 1983, Krebs 1999). Ist es bei der Erfassung von Pflanzengesellschaften noch durchaus moglich, fur Blutenpflanzen in annehmbarer Zeit ein vollstandiges Arteninventar zu erstellen, so ergeben sich bei der Erfassung von Tiergemeinschaften meist erhebliche Schwierigkeiten. Tiergemeinschaften sind sehr artenreieh. Das wirft nieht nur Probleme bei der Auswahl geeigneter Erfassungsmethoden auf, sondern auch bei der Bestimmung der Arten. Man ist auf Stichproben angewiesen, sodass die Erfassung des Arteninventars nie vollstandig und vom Stichprobenumfang abhangig ist (~Abb. 4.3) . Der Stichprobenumfang muss daher beim Vergleich der Artenzahlen von Lebensgemeinschaften stets berucksichtigt werden (Krebs 1999, Gotelli und Colwell 2001). Mag fur Mitteleuropa mit einiger Ubung die Bestimmung der Arten noch moglich sein, so ist in tropischen Gebieten die Bestimmung vieler Taxa aufgrund der mangelnden taxonomischen Bearbeitung haufig unmoglich. Man behilft sich hier mit der Einteilung der Individuen anhand leicht erkennbarer auBerer Merkmale in so genannte Morphospezies. Dies kann nach einer entsprechenden Einarbeitung auch durch lokale Arbeitskrafte ubernommen werden (Parataxonomen). Alternativ werden die Aufsammlungen nicht bis zur Art bestimmt, sondern bis hin zu gut erkennbaren hoheren taxonomischen Einheiten. Meist findet man strenge positive Beziehungen zwischen dem Reichtum auf hoherem taxonomischen Niveau und dem Artenreichtum ( ~Abb. 4.4).
4.1.2 Grundmuster in Artengemeinschaften Trotz erheblicher Unterschiede im Arteninventar gibt es einige allgemeine Grundmuster, die fur viele Artengemeinschaften gultig sind: • In nahezu allen Lebensgemeinschaften gibt es wenige haufige und viele seltene Arten . Dieses Muster wird in den bereits erwahnten Rang-Abundanz-Kurven besonders deutlich ( ~Abb. 4.2).
4.1 Struktur von Lebensgemeinschaften
• Lebensgemeinschaften in Biotopen mit gunstigen Umweltbedingungen sind meist artenreich mit ausgeglichener Verteilung der Haufigkeiten der Arten (1. Thienemann'sche "Regel"). Lebensgemeinschaften in Biotopen mit extremen Umweltbedingungen sind dagegen meist artenarm und einzelne Arten sind besonders haufig (2. Thienemann'sche » Regel", Schaefer 2003) . In Abbildung 4.2d werden RangAbundanz-Kurven fur Schnecken zweier Standorte verglichen. Die Standorte unterschieden sich in ihrer Bodenreaktion. Da Schnecken fur den Aufbau ihrer Schale Calcium benotigen, sind fur Schnecken saure Standorte Extremstandorte. Bei niedrigem pH -Wert des Bodens findet man nur wenige Arten und eine Art ist besonders haufig (2. Thienemann'sche "Regel") , wahrend am anderen Standort mehr Arten leben und die Rang-Abundanz-Kurve viel flacher verlauft (1. Thienemann'sche "Regel"; ~ Abb. 4.2d). • In nahezu allen Lebensgemeinschaften sind klein e Organismen mit wesentlich mehr Arten vertreten als grofse Organismen. Da es auch eine negative Beziehung zwischen Korpergrofse und Dichte gibt, sind kleine Organismen in den meisten Lebensgemeinschaften auch besonders haufig, • Die Artenzahl nimmt mit der Hache des Biotops zu (Arten-Plachen-Beziehung). Die Arten-Flachen-Beziehung gilt nahezu universell, von Kleinstgeb ieten bis hin zu Kontinenten ( ~Abb. 4.5). Dabei steigt die Artenzahl nicht linear mit der Hache an ( ~Abb. 4.5a und b) . Fur Inseln gilt die Faustregel, dass eine Verzehnfachung der Hache zu einer Verdopplung der Artenzahl fuhrt ("Regel" von Darlington). Man hat vielfach versucht, die Beziehung zwischen Flache Fund Artenzahl 5 statistisch zu beschreiben. Meist eignet sich hierzu eine Potenzfunktion:
5=cP
(4.2)
Nach Logarithmierung der Gleichung ergibt sich 10g(5) = log(c) + z 10g(F), wobe i z und c Parameter sind, die mit stati stischen Methoden aus Felddaten bestimmt werden konnen. Der Parameter z, die Steigung der Geraden nach der Transformation, liegt dabei innerhalb enger Gren zen (S. 186). • Der Artenreichtum von Standorten andert sich in regelmafsiger Weise mit Umwelteigenschaften sowie biotischen Faktoren ( ~Abb. 4.6): (a) Der Artenreichtum einzelner Gruppen hangt naturlich von Umweltfaktoren ab, die fur eine Organismengruppe besonders wichtig sind. Bei Pflanzen steigt z. B.der Artenreichtum mit dem Niederschlag. Schnecken benotigen Calcium , das erst bei hoheren pH-Werten verfugbar wird, daher steigt die Zahl der Schneckenarten mit dem pH-Wert des Bodens (~Abb. 4.6a). (b) Eine heterogene Umwelt birgt mehr Ressourcen und bietet somit mehr Arten eine Existenzmoglichkeit als eine homogene. Die Artenzahl steigt daher m it der Strukturvielfalt der Standorte ( ~ Abb. 4.6b; vgl. auch Abb. 4.l6c). (c) Die Arten zahl steigt mit der Produktivitat des Lebensraums. In Trockengebieten ist der Niederschlag ein guter Ind ikator fur die Prirnarproduktion. Fur nordamerikanische Trockengebiete beispielsweise findet man eine Zunahme der Artenzahl samenfressender Ameisen mit dem Niederschlag (~ Abb. 4.6c). Auf kleinem raumlichern MaBstab erreicht die Artenzahl haufig bei mittlerer Produktivitat ihr Maximum. Fur Pflanzengesellschaften wird dies damit erklart, dass bei hohen Nahrstoffkonzentrationen konkurrenzstarke Arten die Gemeinschaft domi-
171
172
4 Lebensgemeinschaften
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500
Hache(10 3 km2 )
4.5 Arten-Flachen-Beziehung far Schmetterlinge in tandem Europas (a und b), Termiten auf kleinen Waldinseln in einem kenianischen Schutzgebiet (c) und Insektenarten auf Adlerfarn in verschiedenen Gebieten der Erde (d), wobei die Flache hierbei die von Adlerfarn bewachsene Flache ist. (a) und (b) sind Darstellungen desselben Datensatzes, nur dass in (b) die Artenzahl und die Flache logarithmiert wurden. Eine logarithmische Transformation uberfuhrt die nichtlineare Beziehung zwischen Flache und Artenzahl in eine Gerade. Man beachte, dass in (d) die Steigung der Gerade (z-Wert) erheblich groBer ausfallt als in (b) und (c). (a) und (b) mit Daten aus Karsholt und Razowski (1996), (c) mit Daten aus Darlington et al. (2001), (d) mit Daten aus Lawton et al. (1993).
nieren. (d) Biotische Faktoren (z. B. die Dichte von Raubern) beeinflussen ebenfalls den Artenreichtum ( ~Abb. 4.6d) . • Der Artenreichtum einer Lebensgemeinschaft hangt vom Artenreichtum des umgebenden Gebietes ab ( ~Abb. 4.7). Ziel der Untersuchung von Lebensgemeinschaften muss es sein, die grundlegenden Prozesse zu erkennen, die letztlich die emergenten Eigenschaften von Lebensgemeinschaften und deren Veranderung in Raum und Zeit bestimmen. Naturlich hangt hierbei die Bedeutung einzelner Prozesse vom Malsstab abo
4.1 Struktur von Lebensgemeinschaften
15
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100 200 300 Dicht e Littorina m-2
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4.6 Beziehung zwischen abiotischen bzw. biotischen Faktoren und der Artenzahl f Or verschiedene Typen von Lebensgemeinschaften. a) Zusammenhang zwischen der Bodenreakt ion und der Artenzahl an Schnecken in Waldern Baden-WOrttembergs (.-Abb. 4.2). b) Beziehung zwischen Strukturvielfalt und Artenzahl an Fischen in 18 nordamerikanischen Seen (nach Tonn und Magnuson 1982). Dazu w urde die relative Haufiqkeit von Strukturelementen bestimmt und diese entsprechend der Vorgehen sweise w ie in Tabelle 4.2 zu einem Diversitatsindex zusammengefasst . 1m Gegensatz zu den Beispielen in Tabelle 4.2 werden jetzt die Strukturelemente als " Art en " betrachtet . c) Arten zahl von Ameisen in Beziehung zum mittleren jahrl ichen Niederschlag ent lang eines Gradienten in nordamerikanischen Trockengeb iete n (nach Brown und Davidson 1977). d) Beziehungen zw ischen der Artenzahl von Aigen in GezeitentOmpeln und der Dichte der algenfres senden Strandschnecke l ittorina littorea (nach Lubchenco 1978). Beachte, dass in diesem Beispiel keine monotone Beziehung zw ischen der Schneckendicht e und der Artenzahl von Aigen besteht ; vielmeh r findet sich die hochste Artenzahl bei mittleren Schneckendichten.
4.1.3 Klassifizierung von Artengemeinschaften Klassifizierung der Artenvielfalt Der Artenr eichtum kann in drei Komp onent en zerlegt werden. Nach Whittaker (1960, 1972) bezeichnet man den Artenreichtum von Lebensgemeinschaften bzw. Gilden an einem Stando rt als Alpha-Vielfalt (a -diversity). Die Gamma-Vielfalt ( y-diversity) erfasst aile Arten der Standor te einer Landschaft. Mit der Beta-Vielfalt (f3-diversity) messen wir den Unterschied im Arteninventar (Arten umsatz, species turnover)
173
174
4 Lebensgemeinschaften
120
§
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I
160
regionale r Artenreichtum
I
180
4.7 Beziehung zwischen regionalem und lokalem Artenreichtum am Beispiel von Vogeln auf den britischen Inseln. Der regionale Artenreichtum ist die Summe der Arten in einzelnen Verwaltungseinheiten, der lokale Artenreichtum ist die mittlere Artenzahl in Rastern von 2 x 2 km. Wenn aile Arten des lokalen Pools in jedem Raster vorkommen warden, rnussten die Punkte auf der blauen Linie Iiegen. Daten aus Gaston und Blackburn (2000).
zwischen zwei Lebensgemeinschaften in der Landschaft ( ~ Abb. 4.8). Beta-Vielfalt kann dabei Unterschiede im Arteninventar ahnlicher Lebensgemeinschaften (z. B. verschiedener kleiner Tiimpel) aber auch von unterschiedlichen Lebensgemeinschaften (z. B. Unterschiede im Arteninventar von Wiesen und Waldern) bezeichnen. Die Beta-Vielfalt ergibt sich aus der Differenz zwischen Alpha- und Gamma-Vielfalt. Ein weiteres MaB fur die Beta-Vielfalt ist die Steigung der Arten-Flachen-Beziehung: Wenn man die Standorte nach und nach zusammenfasst, steigt die Flache und auch die Artenzahl. Der Anstieg der Artenzahl wird umso groBer sein, je unterschiedlicher das Arteninventar der Standorte ist. [e steiler die Arten-Flachen-Beziehung ausfallt, umso grofser ist die Beta-Vielfalt.
Klassifizierung von Pflanzengesellschaften Die Vielfalt an Lebensgemeinschaften hat stets Bemiihungen hervorgerufen, diese Vielfalt nach gewissen Gesichtspunkten zu ordnen. Aufbauend auf den standardisierten Aufnahmen der Pflanzengesellschaften (S. 167) wurde eine Klassifizierung der Vegetation erarbeitet, wobei unter Vegetation die Pflanzendecke eines Gebiets verstanden wird. Dazu hat Braun-Blanquet (1921, 1964) eine Hierarchie von Gesellschaften erarbeitet. Zentraler Begriff ist die Assoziation, eine Pflanzengesellschaft von definierter Artenzusammensetzung, einheitlichen Standortbedingungen und einheitlicher Physiognomie. Braun-Blanquet schlug vor, Assoziationen zu hoheren Einheiten zusammenzufassen: Assoziationen zu Verbanden, Verbande zu Ordnungen und Ordnungen zu Klassen. Iede dieser syntaxonomischen Einheiten ist durch Charakterarten, dies sind Arten, die auf eine solche Einheit beschrankt sind, typisiert. Fiir Assoziationen, Verbande und Ordnungen erlauben Differenzialarten eine weitere Prazisie rung. Urn die syntaxonomischen Einheiten eindeutig zu bezeichnen, wurden Nomenklaturregeln entwickelt. Den Kern bildet der Name einer (oder zweier) besonders bezeichnender Artten), an deren Gattungsnamen bei Assoziationen das Suffix "etum" angehangt wird. Der Buchenwald Mitteleuropas wiirde sich entsprechend von der Rotbuche Fagus sylvatica ableiten, indem von Fagetum sylvatici gesprochen wird. Verbande sind durch das Suffix ,,-ion", Ordnungen durch ,,-etalia" und Klassen durch ,,-etea" bestimmt. Auch der Name des Autors einer syntaxonomischen Einheit wird
175
4.1 Struktur von Lebensgemeinschaften
Landschaft I:
It
.
=3,5; y =4
• o• • • •
~
=0,5 ~
••• o .
0 0
. •••
Landschaf t II: u
o• • 0
= 3,5; y = 7 ~
•
=3,5 ~
• 6. o 0
•
4.B Vergleich von Alpha-, Beta- und Gamma-Vielfalt in zwei Landschaften mit je zwei Standorten. Die ldentitat der Arten wird durch die unterschiedlichen Symbole dargestellt. Die beiden Standorte in Landschaft I haben ein ahnlkhes Arteninventar (Standort 1: drei Arten; Standort 2: vier Arten; mittlere o.-Vielfalt = (3+4)/2=3,5), wenn auch mit unterschiedlicher Haufiqkeit. Insgesamt beherbergt Landschaft I vier Arten. Definiert man ~-Vielfalt mit der Gleichung 0.+ ~=y (additive ~-Vielfalt) , so ergibt sich eine ~-Vielfalt von 0,5. Man kann ~-Vielfalt auch multiplikativ definieren: o.x~=y. Dann erqabe sich fur die ~-Vielfalt ein Wert von y/~ = 4/3,5 = 1,14. FOhrt man die entsprechenden Berechnungen fOr Landschaft II durch, so ergibt sich dart eine ~-Vielfalt von 3,5 bzw. von 2. Trotz gleicher Artenvielfalt in den Standorten unterscheiden sich beide Landschaften erheblich in ihrer ~-Vielfalt (vgl. Perlman und Adelson 1997).
angegeben. Das System der Pflanzengesellschaften macht nur in einem Raum Sinn, der durch eine einheitliche biogeographische Geschichte und damit Flora charakterisiert ist (z. B. Mitteleuropa). Andernfalls ist das Arteninventar von Pflanzengesell schaften fur eine sinnvolle Gliederung zu unterschiedlich. Die naturlichen und naturnahen Pflanzengesellschaften in Mitteleuropa werden in 50 Klassen, 80 Ordnungen, 160 Verbande und 700-800 Assoziationen erfasst (Ellenberg 1996). Neben der Beschreibung der Vegetation mithilfe von Pflanzengesellschaften, die nach dem Arteninventar abgegrenzt werden, kann die Vegetation auch nach der Zusammensetzung von Lebensformen charakterisiert werden. Von der Frage ausgehend, in welcher Form die Sprossvegetationspunkte ungiinstigc Jahreszeiten uberstehen, hat Raunkiaer (1919) fur Pflanzen bestimmte Lebensformtypen unterschieden ( ~ Abb. 4.9). Phanerophyten sind Baume und Straucher, Ihre Sprossknospen sind uber die ganze Pflanze verteilt und der Winterkalte voll ausgesetzt. Die Knospen sind kalteresistent und durch Knospenschuppen vor dem Austrocknen geschutzt, manchmal auch mit Harz versiegelt. Wenn die Blatter frost resistent sind, sprechen wir von immergrunen Phanerophyten, sonst sind sie sornmergrun. Chamaephyten sind Halb- und Zwergstraucher, aber auch Polsterpflanzen, die ihre Erneuerungsknospen in Bodennahe hab en, sodass diese durch die winterliche Schneedecke geschutzt sind. Hemikryptophyten haben ihre Erneuerungsknospen an der Erdoberflache, sodass sie durch die absterbenden oberirdischen Pflanzenteile, durch Falllaub und Schnee geschutzt sind. Hierzu zahlen viele Graser, Rosetten- und Auslaufer- sowie Staudenpflanzen. Kryptophyten (auch Geophyten genannt) haben ihre Erneuerungsknospen im Boden . Bei den Speicherorganen handelt es sich meist urn Zwiebeln, Knollen oder Rhizome. Therophyten haben keine eigentlichen Oberdauerungsorgane, sondern iiberwintern als Samen. Diese sind besonders kalte- und trockenresistent und enthalten auch die fur das Auskeimen erforderlichen Nahrstoffe. Hierzu gehoren die eigentlichen Krauter, bei denen einjahrige (annuelle) und zweijahrige (bienne)
176
4 Lebensgemeinschaften
a
b
c
d
e
9
h
4.9 Lebensformen nach Raunkiaer (1919). Die farbig gezeichneten Pflanzenteile Oberwintern, die Obrigen sterben aboa) Chamaephyt (ImmergrOn, Vinca minor), b) Chamaephyt (Heidelbeere, Vaccinium myrtillus), c) Phanerophyt (Buche, Fagus sylvatica), d) Hemikryptophyt (Rosettenpflanze; Lowenzahn , Taraxacum officinale), e) Hemikryptophyt (Auslauferstaude: HahnenfuB, Ranunculus sp.), f) Hemikryptophyt (Schaftpflanze; Gilbweiderich, Lysimachia vulgaris), g) Kryptophyt (Rhizomgeophyt; Buschwindroschen, Anemone nemorosa), h) Kryptophyt (Knollengeophyt; Krokus, Crocus sativus), i) Therophyt (Mohn, Papaver rhoeas) . Nach Sitte et al. (2002).
unterschieden werden. Diese Einteilung in Lebensformtypen kann man nutzen, urn die Zusammensetzung der Vegetation unterschiedlichster Gebiete zu vergleichen, auch wenn die Pflanzengesellschaften der Gebiete keine Ubereinstimmung im Arteninventar zeigen. Die Zusammensetzung von Lebensgemeinschaften aus Lebensformtypen wird in der Pflanzenokologie als Formation bezeichnet. Iede Formation besitzt gewisse vorherrschende Lebensformen oder eine charakteristische Kombination von Lebensformen.
Tiergemeinschaften Eine Gliederung von Tiergemeinschaften analog zu den Pflanzengesellschaften staBt auf zahlreiche methodische Grenzen (S. 168). Viele Arten erscheinen zudem zeitlich begrenzt, und es sind mehrere Fangkampagnen im Jahresverlauf und an mehreren vergleichbaren Standorten notig, bis das Artenspektrum auch nur annahernd erfasst ist. Eine Gliederung von Lebensgemeinschaften ist aber durch das Leitartenkonzept moglich, Leitarten sind solche Arten, die in einem Biotop signifikant hohere Dichten erreichen als in anderen. Die Benennung von Leitarten ist wie das System der Pflanzengesellschaften nur in einem biogeographisch einheitlichen Raum sinnvoll. Mit gewissen Einschrankungen lassen sich fur Pflanzengesellschaften spezifische Tierarten und Tierartengruppen beschreiben. Unter den Tierarten und Tierartengruppen, die relativ enge Bindungen an Pflanzengesellschaften zeigen, sind unter anderem Landschnecken zu nennen (.- Abb. 4.2d und 4.6a), die auf geringeUnterschiede im pH-Wert des Bodens, aber auch auf feine Warrne- und Feuchtigkeitsunterschiede reagieren. In Relation zur Bodenreaktion bauen sich auch spezifische
4.1 Struktur von Lebensgemeinschaften
Regenwurmzonosen auf. So bevorzugen Lumbricus terrestris und L. castaneus Braunerdeboden mit schwach saurer bis neutraler Reaktion und sind damit in Mitteleuropa an entsprechende Buchenwaldtypen (Melico-Fagetum, Hordelymo-Fagetum) gebunden. In den sauren Boden des Hainsimsen-Buchenwaldes (Luzulo-Fagetum) tritt hingegen allenfalls Lumbricus rubellus auf. Limnologen haben schon fruh ein Ordnungssystem fur Pliefsgewasser aufgestellt, das die wichtigsten Nutzfische als Leitarten nutzt. Man unterscheidet (von der Quelle zur Mundung) eine Forellen-, Aschen-, Barben- und Brachsenregion. Die ersten beiden sind durch das Vorkommen der Asche (Thymallus thymallus) differenziert und werden zur Salmonidenregion zusammengefasst (Lampert und Sommer 1999). Spezielle Beachtung haben in der Limnologie auch Organismengruppen erfahren, die als Leitarten fur Verschmutzungsgrade von Gewassern gelten konnen (Saprobien). Das Saprobiensystem beruht vor allem auf der Empfindlichkeit bestimmter Organismengruppen gegenuber Sauerstoffzehrung durch den Abbau organischer Substanzen. Ober die Lange der Selbstreinigungsstrecke eines Fliefsgewassers kann man anhand dieser Organismen verschieden belastete Bereiche unterscheiden, die den Guteklassen I bis IV (mit steigender Belastung) zugeordnet werden: I oligosaprob (unbelastet bis sehr gering belastet), II u-mesosaprob (gering belastet), III ~-mesosaprob (kritisch belastet), IV polysaprob (ubermafsig verschmutzt) (SchwoerbeI1980, 1999).
Computerqestutzte Klassifizierung von Lebensgemeinschaften Neben der Gliederung von Lebensgemeinschaften anhand von Charakter- bzw. Leitarten bieten sich auch verschiedene computergestutzte Klassifizierungsverfahren (z. B. Ordinationsverfahren) an, fur die inzwischen ein breites Softwareangebot besteht. Diese Verfahren haben vor allem das Ziel, die Ahnlichkeit bzw. Unterschiedlichkeit des Arteninventars graphisch darzustellen und Verschiebungen im Arteninventar entlang von Umweltgradienten zu verdeutlichen. Grundsatzlich mussen fur diese Methoden folgende Schritte abgearbeitet werden : • Zusammenstellung der Artenlisten (Aufnahme, eventuell mit Haufigkeitsangaben) fur alle Lebensgemeinschaften, die in die Klassifizierung einbezogen werden sollen. Diese Gemeinschaftsmatrix ist eine Tabelle mit allen Arten und deren Vorkommen bzw. Haufigkeit in den einzelnen Aufnahmen. • Berechnung der Ahnlichkeit bzw. dem Unterschied von allen moglichen Paarungen von Aufnahmen. Hat man n Lebensgemeinschaften erfasst, so ergeben sich insgesamt n(n - 1)/2 Paarungen von Aufnahmen, deren Ahnlichkeit bzw. Unterschied berechnet werden muss . Ein haufig verwendetes MaB fur den Unterschied von zwei Aufnahmen X und Y ist die euklidische Distanz DX y: D XY =
i=S
~)Xi i=l
yy
(4.3)
Dabei ist Xi = Haufigkeit der Art i in Aufnahme X, ~ = Haufigkeit der Art i in Y. Die quadrierte Differenz der Haufigkeiten wird uber aile Arten S summiert.
177
178
4 Lebensgemeinschaften
• Ordnen der Aufnahmen anhand der DistanzmaBe. Das geschieht, indem in einer graphischen Darstellung Aufnahmen mit geringer Distanz nahe beieinander und Aufnahmen mit groBer Distanz entfernt voneinander zu liegen kommen (Ordinationsdiagramm). Solche Diagramme sind natiirlich immer Kompromisse, die mehr oder weniger die komplexe Ahnlichkeitsstruktur zwischen den Aufnahmen wieder geben. Zur Erstellung dieser Diagramme benutzt man mathematische Verfahren, deren Hintergrund hier nicht weiter besprochen werden soll (z. B. Hauptkomponentenanalyse, principal components analysis, peA). Jedenfalls kann aus einem Ordinationsdiagramm direkt die relative Ahnlichkeit der Aufnahmen und damit die Beta-Vielfalt eingeschatzt werden. Iede untersuchte Lebensgemeinschaft ist auch ein Produkt des Zusammenwirkens von Umweltfaktoren. Man kann versuchen, einzelne Achsen des Ordinationsdiagramms mit Umweltfaktoren in Beziehung zu setzen. Daruber hinaus gibt es spezielle Verfahren (kanonische Ordinationsverfahren), die von einer Gemeinschaftsmatrix (Artenzusammensetzung fur jede Aufnahme) und einer Standortmatrix (Umweltdaten fur jede Aufnahme) ausgehen und dann ein Ordinationsdiagramm erstellen, sodass einzelne Achsen moglichst gut durch Umweltfaktoren erklart werden. Eine fur Anfanger geeignete, gut lesbare Einfuhrung in die verschiedenen Ordinationsverfahren geben Leyer und Wesche (2007).
4.2 Okologische Prozesse in Lebensgemeinschaften In diesem Kapitel wollen wir uns auf einen kleinen raumlichen MaBstab beschranken. Die wichtigsten rezenten Prozesse und Faktoren, die fur Artenzusammensetzung und Artenzahl an einem Standort verantwortlich sind, lassen sich in zwei Gruppen gliedern: biotische (Flora und Fauna der Umgebung) sowie abiotische Faktoren des Standorts. Die Umweltfaktoren wirken als Filter, der nur bestimmte Arten aus der Umgebung zulasst ( ~ Abb. 4.10). Der Standort bestimmt dam it, welche Arten der Flora und Fauna (regionaler Artenpool) aufgrund ihrer autokologischen Eigenschaften grundsatzlich vorkommen konnen, Wechselwirkungen zwischen Arten modifizieren dann die Lebensgemeinschaft. Flora und Fauna setzen den grundsatzlichen Rahmen fur das Arteninventar einer Lebensgemeinschaft. Sie sind dabei nicht nur Spiegel der aktuellen Umweltbedingungen einer grofseren Region oder eines Kontinents, vielmehr spielen auch historische Ereignisse und Zufalligkeiten der erdgeschichtlichen Entwicklung eine bedeutende Rolle, die auf Seite 201 behandelt werden.
4.2.1 Lebensgemeinschaften und regionaler Artenpool Ausgehend von den Uberlegungen zum Vorkommen einer Art in einem potenziellen Siedlungsgebiet lasst sich auch die Artenzahl in diesem Gebiet ableiten. Einfache Metapopulationsmodelle haben gezeigt, dass im Gleichgewicht die Wahrscheinlichkeit fur das Vorkommen einer Art durch zwei Parameter beschrieben werden kann. Fur das Festland-Insel-Modell (mainland island model) war p* = i/(i + e)
179
4.2 Okologische Pro zesse in Lebensgemeinschaften
grol), - - - . Speziation - - - . '--_ _ - ' ~ Immigratio n
----+
---t--g lobaler Artenpool
regionaler Artenpool
Ausbreitung Interaktionen Umwell
' - - - --
----+ Imm ig ration ----+
---1---
----+ gl obale Extinktio n ~
/
Filter
Klim akatasl rophe n
----+ reg ion ale Extinktio n Filter
-'
a-Vielfalt
----+
lokale Extinkt ion
~
!
klein
Int eraktio nen Um w elt
Okosysternp rozesse
4.10 Zusammenfassung der Prozesse und Faktoren, die Artenzusammensetzung und damit -reichtum einer Lebensgemeinschaft beeinflussen. Speziation und globale Extinktion bestimmen den globalen Artenpool. Letztlich wird aus diesen der Artenpool in kleineren raurnlichen Mal3staben durch Immigration und regionale bzw. lokale Extinktion bestimmt. Umweltbedingungen wirken als Filter, sodass an einem Standort nur Arten vorkommen, die mit den Umweltbedingungen zurechtkommen und hinreichende Ausbreitunqskapazitat besitzen. Wechselwirkungen zwischen den Arten verandern lokal die Artenzusammensetzung und -zahl. Die lokale Artenzusammensetzung und Vielfalt bestimmen dann die Okosystemprozesse.
(5.91). Die Artenzahl Sin einem Biotop ergibt sich aus der Sumrne der Wahrscheinlichkeiten des Vorkommens jeder der Arten in der Umgebung, die potenziell einwandern konnen (Artenpool, species pool, Spool) ' Der Artenreichtum an einem Standort hangt damit vom Artenreichtum der Umgebung ab ( ~Abb. 4.7):
L v:
k = Spool
S=
(4.4)
~ =1
Falls aIle Arten ein gleiches p* haben, folgt fur das FestIand-Insel-Modell: S=
r
Spool
= -. I_Spool I+ e
(4.5)
Man beachte, dass wir bei den Oberlegungen keine Wechselbeziehungen zwischen Arten (z. B. Konkurrenz) angenommen haben (nicht-interaktive Artengemeinschaft) und aile Arten zudem gleiche Eigenschaften hatten. Derartige Modelle werden als neutrale Modelle bezeichnet. Weiterhin steigt die Artenzahl von Lebensgemeinschaften mit der Flache ( ~ Abb. 4.5). Auch dieses Phanornen kann mithilfe von neutralen Modellen erklart werden. Ursprunglich wurden diese Vorstellungen anhand von Inseln entwickelt und sind daher mit dem Namen Inselbiogeographie belegt (MacArthur und Wilson 1963, 1967; zur Geschichte dieser Theorie vgl. auch Brown und Lomolino 1998). Die Theorie der Inselbiogeographie beschrankt sich aber nicht
180
4 Lebensgemeinschaften
auf wirkliche Inseln,sondern man kann sie auch auf Gebieteubertragen, die in einer ansonsten anders gearteten Landschaftliegen.
Inselbiogeographie Inseln sind klassische Beispiele fur Standorte definierter Flache und bestimmten Isolationsgrades. Isolation ist dabei die raumliche Distanz zum nachsten Festland,wovon die Inselbesiedeltwird. Das Festlanddefiniert den Artenpool, wobeiwir diesenArtenpool als gegebenannehmen und seine Entstehung zunachst auBerAchtlassen.Damit entspricht die raumliche Situation ganz dem Festland-Insel-Modell in ~ Abbildung 2.25. 1mGegensatz zur Metapopulationstheorie betrachtet die Inseltheorie nicht das Vorkommeneiner Art, vielmehr steht dieVeranderungder Artenzahl uber die Zeit im Vordergrund. DieArtenzahl auf einer Insel hangt von zwei Prozessen ab, der Einwanderung von Arten vom Festland,die noch nicht auf der Inselvorkommen, sowiedem (lokalen) Aussterbenvon Arten auf der Insel.DieVeranderungder Artenzahl mit der Zeit t ergibt sich aus:
-dS = A(S) dt
~(S)
(4.6)
Wie beim kontinuierlichen exponentiellen Wachstum und der Metapopulationsdynamik beschreibt diese Gleichungdie Veranderungder Artenzahl uber die Zeit mit der Hilfevon zwei Parametern. • 1..(5) beschreibt die Einwanderungsrate von Arten, die noch nicht auf der Inselvorkommen. Die Einwanderungsrate ergibt sich aus Gesamtzahl von Arten, die in einer Zeiteinheit neu auf die Insel kommen. Wenn sich auf der Insel noch keine Arten angesiedelthaben (S = 0), ist 1..(0) maximal.Wir symbolisieren diesen Wert mit I: 1..(0) = 1. Ie mehr Arten die Insel erreichen, umso kleiner wird A.(S) . Haben aIle Arten des Artenpools die Insel erreicht, ist 1..( Spool) zwangslaufig 0 ( ~ Abb. 4.11a); es gibt einfach keine zusatzlichen Arten mehr, die die Inselbesiedeln konnten. Nehmen wir zur Vereinfachung eine lineare Abnahme fur A.(S) mit S an (~Abb. 4.11a). Dann ergibt sich aus den Regeln fur die Bestimmung von Achsenabschnitt und Steigungeiner Geraden (4.7)
Man beachte,dass wir Folgendes angenommen haben: (1) es gibt keineWechselbeziehungen zwischen Arten, (2) die Zuwanderung einer Art beeinflusst nicht die Wahrscheinlichkeit fur die Besiedlung der Insel durch eine zusatzliche Art und (3) aIle Arten des Pools finden auf der Insel geeignete Lebensbedingungen. Unsere Theorie geht daher davon aus, dass aIle Arten im Pool in ihren Anspruchen gleich sind. • ~(S) beschreibt das lokaleAussterben, also die Summe an Arten, die wahrend einer Zeiteinheit verschwinden. Sind keine Arten auf der Insel, so konnen keine Arten aussterben (~(O) = 0). Ie mehr Arten die Insel erreichen, umso mehr Arten konnen auch wieder lokal aussterben. Sind aIle Arten des Festlandes Spool auf der Insel, ist
4.2 Okologische Prozesse in Lebensgemeinschaften
I
I
L-
';, -
SPool
a
Artenzahl
S·
c
Artenzahl
b
Spool
Artenzahl
4.11 Einwanderungs- (a) und Aussterberate (b) in Abhangigkeit von der Artenzahl auf Inseln. Zeichnet man Einwanderungs- und Aussterberaten in ein gemeinsames Achsenkreuz (c), dann ergibt sich ein Schnittpunkt, der im Gleichgewicht die Artenzahl (5*) und den Artenumsatz (T*) bestimmt. 5* ist ein stabiles Gleichgewicht, da die pfeile aufeinander zuweisen.
die Aussterberate maximal, symbolisiert mit E: ~(Spool) = E ( ~ Abb. 4.11b). Wiederum nehmen wir eine lineare Beziehung fur ~(S) an , was in diesem Fall zu einer Geraden durch den Ursprung fuhrt: ~(S)
E = -5- 5 Pool
(4.8)
Wieder bleiben damit Wechselbeziehungen zwischen Arten auBer Acht. • Zeichnet man diese beiden Geraden in ein Achsenkreuz ( ~Abb. 4.11c), so ergibt sich ein Schnittpunkt, bei dem sich Einwanderung und Aussterben ausgleichen. Dieser Schnittpunkt definiert das Gleichgewicht 5* fur die Artenzahl auf einer Insel. Fuhrt man Uberlegungen zu den Eigenschaften des Gleichgewichts durch, so crkennt man, dass es sich urn ein stabiles Gleichgewicht handeln muss. Links vom Gleichgewichtspunkt ist die Einwanderungsrate 1.(5) grofser als die Aussterberate ~(S). Damit wird die Artenzahl mit der Zeit steigen. Rechts des Gleichgewichtspunktes iiberwiegt die Aussterberate und damit wird die Artenzahl mit der Zeit wieder fallen. Wie die beiden Pfeile zeigen ( ~Abb. 4.llc), bewegt sich die Arten-
181
182
4 Lebensgemeinschaften
zahl nach einer Auslenkung vom Gleichgewichtspunkt immer wieder auf diesen zuruck, • Bei dem Gleichgewichtspunkt S* handelt es sich urn ein dynamisches Gleichgewicht (vgl. Gleichgewicht der Metapopulation; S. 91). Die Artenzahl bleibt zwar konstant, aber die Artenzusammensetzung andert sich bestandig. Dieser Artenumsatz (species turnover) T* im Gleichgewicht ist der zu S* zugehorige y-Wert (j-Abb. 4.11c). T* ist die Zahl der Arten, die in einem Zeitschritt ausgetauscht werden. Diese graphischen Uberlegungen lassen sich auch analytisch losen, Wir setzen zunachst die Gleichungen fur A(S) und Il(S) ein: dS = I __I_S-~S dt Spool Spool
(4.9)
Fur den Gleichgewichtszustand S*gilt, dass die Veranderung der Artenzahl mit der Zeit 0 ist. dS* =I-_I_S*_~S*=O unddamit S*= _I_SPOOI' dt Spool Spool 1+E
(4.10)
Die Struktur dieser Gleichung ahnelt der Struktur der Gleichung fur die Artenzahl aus der Metapopulationstheor ie, was wenig verwundert, da Insel- und Metapopulationstheorie gemeinsame Wurzeln haben. Das Modell eroffnet uns nun eine Moglichkeit, das Verhaltender Artenzahl in Abhangigkeitvon der Flache sowie der Isolation der Inselnaher zu untersuchen. Dazu muss man sich nur uberlegen,welchen Einfluss Plache und Isolation auf Einwanderungs-, respektive Aussterberaten haben konnten ( ~Abb. 4.12): • Die Aussterberate hangt vor allem von der Inselgrofse abo [e grofserdie Insel,umso mehr Individuen haben auf ihr Platz.Wie wir bereits gesehenhaben (S.80), falltdie Aussterbewahrscheinlichkeit mit steigender Individuenzahl aufgrund abnehmender demographischer Stochastizitat. Die Wahrscheinlichkeit fur das Aussterben einer Art E/S* ist damit auf groBen Inseln geringer als auf kleinen. Daher verlauft fur groBe Inseln die Gerade, die die Abhangigkeit der Aussterberatevon der Artenzahl beschreibt, flacherals fur kleine Inseln (j-Abb. 4.12a).Urn das zu beschreiben, muss man nur die maximaleAussterberateIl(Spool) fur groBeInseln geringer ansetzen als fur kleine Inseln (Eg < ~; k und g stehen fur kleine und groBeInseln). Aus der Formel fur den Gleichgewichtszustand ergibt sich, dass die Artenzahl mit der Flachesteigen muss. E steht im Nenner und fur E < ~ gilt S * > Sk *. Die Inseltheorie macht aber daruber hinaus auch Aussagen zJm Artenu~satz. Wie man Abbildung 4.12aleicht entnehmen kann, ist der Artenumsatz fur kleine Inseln grofser als fur groBe (Tk > Tg) . • Die Einwanderungsrate hangt naturlich vor allem davon ab, wie leicht Arten vom Festland aus eine Insel erreichen konnen: Ie grofserdie Entfernung zum Festland, umso geringer die maximale Einwanderungsrate ( ~Abb. 4.12b). Neben der geographischen Distanz zwischen Festland und Insel kann es auch noch andere Faktoren geben, die die Isolation beeinflussen, wie etwa die vorherrschende Windrich-
4.2 bkologische Prozesse in Lebensgemeinschaften
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4. 12 Mod if ikation der Oberlegungen in Abbildung 4.11. a) Vergleich von lwei unterschiedlich groBen Inseln (Index k kennzeichnet die Parameter f Or die kleine Insel, der Index 9 fOr die groBe Insel). Die Flache der Insel solite sich auf die Aussterberate auswirken: Die Aussterberate sollt e bei groBeren Inseln weniger stark mit der Artenzahl ansteigen als bei kleineren. Dies f Ohrt zu einer Zunahme der Artenzahl mit der lnselfla che. Zudem ist der Artenumsatz auf groBen Inseln ger inger als auf kleinen . b) Vergleich von zwei Inseln, die unterschiedlich we it vom Festland entfernt sind, oder von lwei Inseln, die aufgrund von Meeresstromung unterschiedlich leicht erreicht werden kon nen (Index n f Or nahe Insel, ffOr ferne Insel). Die Entfernung wirkt sich auf die Einwanderungsrate aus. Letztlich erg ibt sich eine Abnahme der Artenzah l mit zunehmender Distanz zum Festland, wobei der Arte num satz auf nahen Inseln groBer ist als auf fernen.
tung oder die Stro mungsverhaltnisse im Meer. Fuhrt man entsprechende Dberlegungen wie beim Einfluss der Flache auf die Aussterberate durch, nur dass nu n die maximale Einwanderungsrate verande rt wird (In > If)' dann ergibt sich (naturlich bei gleicher Hache der Insel), dass die Artenzahl mit zunehmender Isolation sinkt, wobei der Artenu msatz auf entfern ten Inseln geringer ist als auf Inseln, die naher zum Festland liegen (T f < Tn; ~ Abb. 4.12b). Die klassische Inseltheorie ging davon aus, dass Einwanderungsraten allein durch Isolation, die Aussterbera ten allein durch die Plache beeinflusst werden. Das ist aber in dieser Einfachheit sicher nieht richt ig. Vom Festland zuwan dern de Ind ividu en einer Art ko nnen das lokale Aussterben dieser Art auf den Inseln verhind ern . Dieser Absicherungseffekt (rescue-effect, S. 87) hangt yom Isolations grad aboDie Isolation beeinflusst daher auch die Aussterbera te. Damit muss man fur die Betra chtung von nahen un d entfernten Inseln nieht nu r die Abhangigkeit der Immigrationsrate von der Artenzahl verander n, sondern auch die Aussterberate : Fur nahe Inseln mu ss diese flacher verlaufen. Wurde man diese Beziehungen entsprec hend Abbildung 4.12 auftragen, dann ergabe sich, dass die Artenzahl wie im klassischen Modell auf nahen Inseln groBer ist als auf entfern ten, der Unterschied aber groBer wird. Zudem hat der Absicher ungseffekt einen Einfluss au f den Artenumsatz: Anders als im klassischen
183
184
4 Lebensgemeinschaften
Modell ist mit dem Absicherungseffekt der Artenumsatz auf fernen Inseln grofser als auf nahen Inseln. Die Einwanderungsrate kann wiederum auch von der Inselflache beeinflusst werden (Zieleffekt, target-effect). GroBere Inseln lassen sich leichter finden . Die langere Kustenlinie erhoht etwa die Chance, dass Samen oder andere Ausbreitungsstadien angeschwemmt werden. Damit steigt mit der Inselgrofse die maximale Einwanderungsrate. Andert man die klassische Theorie entsprechend ab, dann bleibt die grundlegende Aussage erhalten, dass mit zunehmender Distanz zum Festland die Artenzahl fallt. Doch wiederum wird die Differenz grofser und der Artenumsatz zeigt ein verandertes Bild. Im Gegensatz zur klassischen Theorie ist nach Berucksichtigung des Zieleffekts der Artenumsatz auf grofsen Inseln grofser als auf kleinen . Will man nachweisen, dass ein System der Inseltheorie folgt, muss man prufen, ob der geforderte Artenumsatz, der sich aus den Annahmen des Modells ergibt, auch stattfindet. Findet man keinen Artenumsatz, haben die Muster andere Ursachen! Letztlich muss man ein System tiber langere Zeit beobachten, urn eventuelle Aussterbe- und Einwanderungsereignisse zu erfassen. Weiterhin muss man plausibel machen, dass der Artenumsatz nicht durch Veranderungen im Gebiet bedingt ist. Die Inseltheorie fordert einen Artenumsatz aus stochastischen Grunden und nicht wegen veranderter Standortbedingungen. Von 1947 bis 1975 haben Vogelkundler jahrlich die Brutvogel in einem kleinen Waldgebiet von etwa 16 ha in Sudengland erfasst. Die Einwanderungen und das lokale Aussterben von Arten zeigen die geforderten Beziehungen zur Artenzahl ( ~Abb. 4.13). Auch liegt der Schnittpunkt beider Geraden bei 32 Arten, was dem langjahrigen Mittel der beobachteten Artenzahl nahe kommt (Gaston und Blackburn 2000). Eine genaue Analyse der Daten zeigt aber, dass in dem Gebiet jedes Iahr eine Gruppe von 14Arten brutete. Eine weitere Gruppe von 19Arten konnte im Beobachtungsgebiet aus verschiedensten Grunden nie grofsere Populationen etablieren. Damit sind Einwanderungs- und Aussterbeereignisse nicht stochastisch, sondern haugen von Eigenschaften der Arten ab - ein klarer Widerspruch zur Theorie. Man beachte, dass die Beziehung der Aussterberate zur Artenzahl ( ~ Abb. 4.13) nicht durch den Ursprung verlauft. Abbildung 4.13 macht deutlich, dass zwar die prinzipiellen Mechanismen der Inselbiogeographie wirken , dass aber daruber hinaus Standortfaktoren und auch Eigenschaften der Arten das Arteninventar bestimmen. Die Artenzahl als einfachste emergente Eigenschaft kann solche komplexen Zusammenhange nicht erfassen. Gerade fur isolierte Gebiete spielt die Ausbreitungsfahigkeit der Arten eine entscheidende Rolle. Nur bei hinreichender Ausbreitungsfahigkeit kann eine Art einen Standort besiedeln. Die Artenzahl von Pflanzengesellschaften ist daher haufig allein dadurch begrenzt, dass nicht genugend Arten in das Gebiet zuwandern konnen (ausbreitungsbegrenzte Gemeinschaften, dispersal limited communities). Dies kann man einfach dadurch nachweisen, dass man Arten kunstlich einbringt. Haufig konnen die eingebrachten Samen keimen und die Arten etablieren sich zumindest tiber einige Jahre. Die Inseltheorie macht zudem Aussagen tiber die Beziehung von Artenumsatz zur Inselflache sowie zur Isolation. Eine der ersten Untersuchungen dazu wurde von Diamond (1969) durchgefuhrt, der die Brutvogelarten auf Inseln vor der kalifornischen Kuste 50 Jahre nach einer ersten Untersuchung durch Howell (1917) nochmals erfasste. Entsprechend der Annahmen der Inseltheorie fand er fur den Beobachtungszeitraum von etwa 50 Iahren einen Artenumsatz. Zudem zeichnet sich eine Abnahme
4.2 6kologische Prozesse in Lebensgemeinschaften
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4.13 Einwanderungs- und Aussterberate von Brutvoqeln fur ein Waldgebiet in SOdengland. Entsprechend der Inseltheorie fa lit die Einwanderungsrate (Arten pro Jahr) (a) bzw. steigt die Aussterberate (b) mit der Artenzahl. Der Schnittpunkt beider Geraden (c) Iiegt bei etwa 32 Arten. Das Balkengramm verdeutlicht die wahrend des Beobachtungszeitraums in jedem Jahr festgestellte Artenzahl. Der Mittelwert liegt ebenfalls bei etwa 32 Arten, sodass sich Vorhersage und Beobachtung gut entsprechen. Daten aus Gaston und Blackburn (2000).
des Artenumsatzes mit der Inselflache aboDoch war aufgrund der Datenlage die Auswertung nicht eindeutig. Zudem wurden von anderen Autoren Zweifel geaufsert, ob die beobachteten Aussterbeereignisse tatsachlich stochastischer Natur sind, oder ob nicht vielmehr Urnweltveranderungen fur das lokale Aussterben einzelner Arten verantwortlich waren (Lynch und Johnson 1974). Untersuchungen aufInseln im Gebiet des Panama-Kanals zeigten ebenfalls eine Abnahme des Artenumsatzes mit der Inselflache (siehe Zusammenfassung in Brown und Lomolino 1998). Dagegen war die Beziehung zwischen Isolation und Artenumsatz nicht monoton abnehmend, vielmehr ergab sich ein maximaler Artenumsatz bei mittlerer Isolation. Der Absicherungseffekt konnte dies erklaren,
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4 Lebensgemeinschaften
Arten-Hachen-Beziehunq Die Theorie der Inselbiogeographie bietet eine elegante Erklarung fur die Zunahme der Artenzahl mit der Plache. Es gibt aber auch noch eine Reihe weiterer Moglichkeiten, wie eine Arten-Flachen-Beziehung erklart werden kann. Rosenzweig (1995) unterscheidet vier verschiedene Arten-Plachen-Beziehungen: (a) Arten-FlachenBeziehung zwischen Kleinstflachen in einer Region ; (b) Arten-Flachen-Beziehung zwischen grofseren Flachen innerhalb einer Region; (c) Arten-Flachen-Beziehung zwischen Inseln; (d) Arten-Flachen-Beziehung zwischen Regionen mit unterschiedlicher Evolutionsgeschichte. Ie nach raurnlicher Skala sind fur die Arten-FlachenBeziehungen verschiedene Prozesse verantwortlich. [e groBer die Flache eines Standortes, umso mehr Individuen leben dort. Wir wissen zudem aus Abbildung 4.3b, dass die Artenzahl mit dem Sammelaufwand und damit der Individuenzahl steigt . Da ein Standort der Spiegel der umgebenden Region ist (~ Abb. 4.7) werden demnach umso mehr Arten aus der Umgebung an einem Standort vorkommen, je mehr Individuen dort leben, was zu einer Arten-FlachenBeziehung fuhrt . Falls dieser Stichprobeneffekt der entscheidende Prozess fur die Arten-Flachen- Beziehung ist, sind die z-Werte fur die Arten- Flachen-Beziehung klein (z < 0,1) . Die z-Werte fur die Arten-Flachen-Beziehung liegen fur grofsere Flachen innerhalb einer Region etwa zwischen 0,12-0,25, wahrend sie fur Inseln etwas hoher liegen (0,2-0,4). Der Unterschied zwischen beiden Arten-Plachen-Beziehungen liegt darin, dass Gebiete mit zunehmenden Flachen innerhalb einer Region meist ineinander verschachtelt sind, wahrend Inseln unabhangig sind. Die kleineren z-Werte fur Flachen innerhalb einer Region erklaren sich damit, dass auf klein en Flachen des Festlandes standig Arten aus umliegenden Gebieten zuwandern konnen, obwohl sie auf der Flache selbst keine langfristigen Existenzmoglichkeiten haben (source sink-Dynamik; S. 87) . Damit finden sich auf Festlandflachen mehr Arten als auf Inseln vergleichbarer Flache, Fur beide Arten-Flachen-Beziehungen spielen sowohl die Theorie der Inselbiogeographie als auch die mit der Flache zunehmende Habitatvielfalt eine wichtige Rolle. Mit der Hache steigt die Zahl unterschiedlicher Habitate und damit der verfugbare Nischenraum, sodass auf einer groBen Flache Arten mit unterschiedlichen Habitatanspruchen nebeneinander vorkommen konnen ( ~ Abb. 4.6). Dies fuhrt ebenfalls zu einer Zunahme der Artenzahl mit der Flache. Man kann zwischen beiden Hypothesen unterscheiden, indem man untersucht, ob die Habitatvielfalt eine bessere Beziehung zur Artenzahl zeigt als die Flache selbst . Die Arten-Flachen-Beziehung zwischen Regionen bis hin zwischen Kontinenten zeigt z-Werte, die meist urn 1 liegen . In diesem Abschnitt haben wir den Artenpool des Festlandes als gegeben hingenommen. Dieser Artenpool muss sich aber im Laufe der Evolution erst herausbilden. Auf dieser groBen raurnlichen Skala wandern Arten nicht ein , sondern entstehen in situ durch Speziation. Die Arten-Plachen-Beziehung zwischen Kontinenten ist daher durch Prozesse bestimmt, die das Entstehen (Speziation) und Aussterben (Extinktion) von Arten beeinflussen (S. 201; ~ Abb. 4.10).
4.2 Okoloqische Prozesse in Lebensgemeinschaften
Neutrale Theorie von Hubbell Die Theorie der Inselbiogeographie leitet die Artenzahl in einem (isolierten) Standort aus einem regionalen (Einwanderung) sowie einem lokalen Prozess (Aussterben am Standort) abo Die Artenzahl ist nur eine von mehreren emergenten Eigenschaften einer Artengemeinschaft. Die Theorie der Inselbiogeographie erlaubt keine Aussagen zur Diversitat. Daher hat es nicht an Versuchen gefehlt, Rang-Abundanz-Kurven durch eine Fortentwicklung der Inselbiogeographie abzuleiten. Hubbell (2001) betrachtet dazu ein Gebiet, in dem nur eine begrenzte Zahl von Individuen vorkommen kann. Falls die Obergrenze an Individuen erreicht ist, kann sich erst dann ein neues Individuum im Gebiet etablieren, wenn ein anderes Individuum stirbt bzw. abwandert (Nullsummenspiel; ~ Abb. 4.14a). Nehmen wir zunachst an, dass das Gebiet isoliert ist und neue Individuen aus dem Gebiet selbst rekrutiert werden mussen. Machen wir zudem folgende Annahmen: (1) 1m Gebiet gibt es zu Beginn mehrere Arten mit unterschiedlicher Haufigkeit, (2) aile Individuen haben die gleiche Pro-Kopf-Sterberate; (3) aile Individuen haben die gleiche Wahrscheinlichkeit, dass sich auf einem freien Platz ein Nachkomme etabliert (Pro-Kopf-Etablierungsrate). Damit hangt die Wahrscheinlichkeit, dass ein freier Platz durch ein Individuum einer bestimmten Art besiedelt wird, von deren Haufigkeit abo Man beachte, dass wir keinen Unterschied zwischen Arten eingefuhrt haben, da die Pro-Kopf-Raten (Sterbeund Etablierungsrate) fur aile Individuen, also unabhangig von der Art, gleich sind . Ware das System unendlich groB, bliebe die Diversitat der Artengemeinschaft konstanto1st das System begrenzt, dann ergeben sich aufgrund der Stochastizitat (S. 80) mit der Zeit zufallige Veranderungen. Es werden standig einzelne Arten, meist Arten mit geringer Haufigkeit, aussterben und nach geraumer Zeit wird nur eine Art am Standort iiberleben (okologische Drift, ecological drift). Diese Vorstellung der okologischen Drift entspricht Oberlegungen in der Populationsgenetik, wobei Arten in der Populationsgenetik durch die Auspragungen eines Genortes (Allel) ersetzt werden. In der Populationsgenetik ist schon seit langem bekannt, dass in einer Population endlicher GroBe mit der Zeit ein Allel fixiert wird (genetische Drift; Hartl und Clark 1989). Okologische Drift wurde also zwangslaufig zur Verarmung von Lebensgemeinschaften fuhren. Lebensgemeinschaften sind aber in einen Verbund eingebettet (Metagemeinschaft, metacommunity), sodass von auBen Individuen und damit auch Arten zuwandern konnen und sich ein Gleichgewicht zwischen okologischer Drift und Zuwanderung einstellt. Dieses Gleichgewicht bestimmt Artenzahl und Diversitat der Artengemeinschaft an einem Standort. Das entspricht in der Populationsgenetik der Vorstellung vom Gleichgewicht zwischen Genfluss und genetischer Drift (Hartl und Clark 1989). Arten miissen naturlich irgendwie entstehen, so wie in der Popula tionsgenetik Allele durch Mutation entstehen. Daher wird in das Modell die Artentstehung (Speziation) eingefuhrt. Ohne genauer auf die Details einzugehen, ermoglicht diese Theorie, die Rang-Abundanz-Kurven von Lebensgemeinschaften anhand von zwei Parametern zu beschreiben: ist die Speziationsrate, die in guter Naherung proportional zur Individuenzahl in der Metagemeinschaft multipliziert mit der Speziationsrate pro Geburt ist. Die Artenzahl in der Metagemeinschaft steigt monoton mit e. Der zweite Parameter ist m, die Wahrscheinlichkeit, dass ein Individuum in
e
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4 Lebensgemeinschaften
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Rang
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4.14 Grundgedanke der neutralen Theorie von Hubbell sowie deren wichtigste quantitative Voraussage: die Veranderung der Rang-Abundanz-Kurve mit der Speziationsrate 8. a) Zu Zeitschritt 1 ist die Artengemeinschaft mit 49 Individuen voll besetzt. Die Individuen verteilen sich auf zwei Arten (symbolisiert mit den 20 gefOliten und 29 offenen Kreisen). Ein Ereignis (z. B. Storunq) reiBt nun LOcken, die im 2. Zeitschritt wieder besetzt werden . Diese LOcken werden entweder durch Nachkommen aus der lokalen Artengemeinschaft oder von auBen gefOlit. Dasfarbig markierte Individuum qehort einer anderen Art an, die vorher nicht in der Artengemeinschaft vorkam und daher von auBen eingewandert sein muss. b) 8 bestimmt die Artenzahl in der Metagemeinschaft. Nach der Theorie von Hubbell ergeben sich mit zunehmender Spezialisierung Rang-Abundanz-Kurven, die von steilen Geraden fOr artenarme Metagemeinschaften zu S-formigen Kurven fOr artenreiche fOhren. c) Zeigt nun Rang-Abundanz-Kurven von alpinen (artenarm) bis hin zu tropischen Standorten (artenreich). Man beachte die gute qualitative Obereinstimmung. Nach Hubbell (2001).
einer Lebensgemeinschaft durch ein Individuum von aulserhalb der Gemeinschaft ersetzt wird . Erstaunlicherweise geniigen diese beiden Parameter, urn Rang-Abundanz-Kurven abzuleiten, die realen Kurven sehr gut entsprechen ( ~Abb. 4.14b, c). Nischenunterschiede zwischen Arten spielten bisher in unseren Uberlegungen keine Rolle. Die neutrale Theorie von Hubbell fordert nur Interaktionen zwischen Individuen. Da nur eine begrenzte Zahl von Individuen Platz hat , herrscht in der Lebensgemeinschaft Ausbeutungskonkurrenz (S. 76), was natiirlich nur Sinn fur Gilden macht. Neben einer stochastischen lokalen Dynamik war nur noch Zuwanderung von aufsen notwendig. Diese wenigen Parameter genugten, wichtige emergente Eigen-
4.2 6kologische Prozesse in Lebensgemeinschaften
schaften von Lebensgemeinschaften zu erfassen. Kein noch so vehementer Verfechter neutraler Modelle wird aber Unterschiede zwischen Arten oder biotische Interaktionen verleugnen. Vertreter neutraler Modelle mochten nur betonen, dass es fur das Verstandnis von bestimmten Eigenschaften von Lebensgemeinschaften nicht immer notwendig ist, biologische Details zu berucksichtigen.
4.2.2 Die Bedeutung der Konkurrenz in Artengemeinschaften Wie auf Seite 119 ausfuhrlich gezeigt wurde, gibt es eindeutige Hinweise auf Konkurrenz zwischen Arten. Bei der Untersuchung von Lebensgemeinschaften stellt sich nun die Frage, ob und inwieweit Konkurrenz die Artenzahl bzw. andere emergente Eigenschaften einer Lebensgemeinschaft modifiziert ( ~ Abb. 4.10). Fur nichtinteraktive Lebensgemeinschaften hangt der Artenreichtum an einem Standort vom Reichtum des Artenpools Spool ab (~ Abb. 4.7). Ie groBer der Artenpool ist, desto mehr Arten konnen in einer Artengemeinschaft vorkommen. Betrachten wir Lebensgemeinschaften in verschiedenen Regionen. Zwischen den Regionen wird sich der Umfang des Artenpools (regionaler Artenreichtum) unterscheiden. An einem Standort konnen maximal so viele Arten vorkommen (lokaler Artenreichtum) wie im Pool vorhanden sind (obere Grenzlinie in ~ Abb. 4.7 sowie ~ Abb. 4.15). Da aber etwa aufgrund stochastischer Prozesse nicht alle Arten im Habitat vorkommen werden, sondern nur ein gewisser Prozentsatz (z. B. gegeben durch p*), wird die Beziehung zwischen regionalem und lokalem Artenreichtum fur nichtinteraktive Artengemeinschaften zwar linear verlaufen, doch flacher sein als die Grenzlinie (Typ-I-Beziehung; ~ Abb. 4.15). Geht die Aussterbewahrscheinlichkeit gegen Null, wurden sogar alle Arten des Artenpools in einer Lebensgemeinschaft vorkommen. Aber bereits in der Theorie von Hubbell ist eine Obergrenze fur den Artenreichtum an einem Standort eingebaut: Es konnen grundsatzlich nicht mehr Arten in einer Lebensgemeinschaft vorkommen als Individuen. Daraus ergibt sich eine Obergrenze fur die lokale Artenvielfalt (a-Vielfait) . Eine Obergrenze der Artenzahl fur interaktive Artengemeinschaften kann auch anhand des Konzepts der okologischen Nische von Arten verstanden werden (Cornell und Lawton 1992). Fur interaktive Artengemeinschaften wird der lokale Artenreich-
lokal = regional
Typ I
_ - - - Typ ll
regionaler Artenreichtum
4.15 Moqliche Beziehungen zwischen regionalem und lokalem Artenreichtum. Die farbige Linie gibt die maximale Obergrenze fur den lokalen Reichtum an (Iokaler Artenreichtum = regionaler Artenreichtum). Bei Typ list der lokale Artenreichtum proportional zum regionalen Artenreichtum, wahrend beim Typ II der lokale Artenreichtum sehr bald einen Wert erreicht, ab dem er unabhangig vom regionalen Artenreichtum ist.
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4 Lebensgemeinschaften
tum wegen des begrenzten Nischenraumes nur solange ansteigen, bis der Nischenraum vollstandig besetzt ist (Typ-Il-Beziehung, ~ Abb. 4.15, 4.16a). Da die Nischen der Arten nicht beliebig uberlappen konnen bzw. ein Mindestabstand notwendig ist, werden nie aile Arten aus dem Pool in der lokalen Gemeinschaft koexistieren. Artengemeinschaften, die diese maximale, durch Konkurrenz definierte Zahl an Arten erreicht haben, bezeichnet man auch als gesattigte Artengemeinschaften (saturated communities). Die meisten Beziehungen zwischen regionalem und lokalem Artenreichtum sind vom Typ I (ahnlich ~ Abb. 4.7), was daraufhindeutet, dass viele Arten gemeinschaften nieht gesattigt sind . Da aber aueh interaktive Artengemeinsehaften unter gewissen Umstanden eine Beziehung von Typ I zeigen (Srivastava 1999) ist diese Sehlussfolgerung nieht zwingend. Iedenfalls erlaubt die Beziehung zwischen regionalem und lokalem Artenreichtum noeh keine schlussigen Aussagen, ob Artengerneinschaften gesattigt sind. Falls es eine Obergrenze der Artenzahl fur eine Lebensgemeinsehaft gibt, dann sollte es fur eine neue Art mit zunehmendem Artenreiehtum immer schwieriger werden, sich in dieser Lebensgemeinsehaft zu etablieren (biotischer Widerstand, biotic resistance) . Artenreiche Lebensgemeinsehaften soliten demnaeh resistenter gegenuber
Artenpool Artenzahl
2 2
3 3
4
3
5 3
4.16 a) Schematische Darstellung der Fullung des Nischenraumes mit Arten, wobei angenom men wird, dasssich Arten in ihrer Nische nicht oder nur wenig uberlappen durfen, urn zu koexistieren. Sobald der Nischenraum gefullt ist, konnen lokal auch bei weiter steigenden Artenzahlen im regionalen Pool nicht mehr Arten koexistieren, was zu einer Typ-IIBeziehung zwischen lokalem und regionalem Artenpool fuhrt ( ~ Abb . 4.15). b) Mit zunehmender Artenzahl kann es auch zu einer Beschneidung der Nischenbreite der Arten kommen (Nischen-Verengungs-Hypothese). Dann bestimmt die minimal rnoqliche Nischenbreite die Artensattiqunq, c) Ein groBerer Nischenraum erlaubt die Koexistenz von mehreren Arten.
4.2 Okologische Prozesse in Lebensgemeinschaften
der Einwanderung z. B. fremdlandischer Arten (Neobiota) sein. Diese Aussage lasst sich empirisch prufen, • Auf verschiedenen ozeanischen Inseln haben Siedler europaische Vogelarten ausgesetzt, sodass sich auf diesen Inseln eine mitunter rein fremdlandische Vogelgemeinschaft etablieren konnte. Die Freisetzungen sind gut dokumentiert, der Erfolg bzw. das Scheitern einzelner Versuche ist daher bekannt. Im Prinzip haben die Sied ler ein "Experiment" durchgefiihrt, bei dem schrittweise eine Lebensgemeinschaft aus einem Artenpool aufgebaut wurde. Lockwood et al. (1999) zeigten, dass der Erfolg von Freisetzungen mit der Zahl bereits etablierter Arten abnahm. • Es gibt eine Reihe experimenteller Hinweise, die zeigen, dass die Etablierung fremdlandischer Pflanzenarten mit dem zunehmenden Reichtum heimischer Arten abnimmt (z, B. Tilman 1997, Koops et al. 1999, Naeem et al. 2000; ~ Abb . 4.17). Dazu werden in Experimenten Artengemeinschaften unterschiedlicher Artenzahl zusammcngestellt. Bei Pflanzen ist dies besonders einfach. Man definiert einen Artenpool, aus dem man per Zufall Artengemeinschaften definierter Artenzahl zusammcnstellt. Iede Wiederholung hat immer dieselbe Artenzahl (z. B. zwei Arten), aber die Artenzusammensetzung kann sich von Wiederholung zu Wiederholung andern. Dadurch kann man zwischen dem Effekt der Artenzahl und dem Effekt der spezifischen Artenzusammensctzung unterscheiden. Solche Experimente haben gezeigt, dass es mit zunehmendem Artenreichtum fur eine Art immer schwieriger wird, sich in einer Artengemeinschaft zu etablieren ( ~ Abb. 4.17) Experimente wie in Abbildung 4.17 zeigen, dass die Artenzahl perseKonkurrenzdruck erzeugt, was als diffuse Konkurrenz (diffuse competition) bezeichnet wird. [e mehr Arten in einem System vorhanden sind, desto gefiillter ist der Nischenraum ( ~Abb. 4.16a). Eine neu ankommende Art kann sich dann nur etablieren, wenn entweder ungenutzte Stellen im Nischenraum existieren, in die sich die Art einpassen kann, oder die neu ankommende Art eine Veranderung der Nischenposition und eine Verengung der realisierten Nischenbreite der etablierten Arten erzwingen kann ( ~ Abb. 4.16b). Daher erwartet man auch, dass mit zunehmender Artenzahl die Nischenbreite der Arten abnimmt (Nischen-Verengungs-Hypothese, niche compres-
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4.17 Der Artenreichtum etablierter Artengemeinschaften beeinflusst die Ansiedlung von weiteren Arten . 1m dargestellten Beispiel wurden Pflanzengesellschaften mit definierter Artenzahl experimentell angepflanzt und beobachtet, wie sich viele zusatzliche Arten aus der Umgebung etablieren konnten (Mittelwerte mit Standardfehler). Nach Knops et al. (1999).
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4 Lebensgemeinschaften
sion hypothesis; Abb. 4.16b). Solche Uberlegungen zum Nischenraum und zu seiner Eullung mit Arten erklaren auch die Beziehung zwischen dem Artenreichtum und der Strukturvielfalt bzw. Produktivitat an einem Standort ( ~ Abb. 4.6b, c). Strukturvielfalt und Produktivitat vergrofsern den Nischenraum, sodass sich mehr Arten einpassen konnen (I~ Abb. 4.16c) . Hohere Produktivitat kann ferner erlauben, dass sich Arten mehr spezialisieren und so die Nischenbreite geringer werden kann. Implizit setzen alle Vorstellungen tiber einen begrenzten Nischenraum voraus, dass sich die Nische von Arten nur begrenzt uberlappen durfen und es einen Mindestabstand zwischen der Nischenposition zweier koexistierender Arten geben muss (begrenzende Ahnlichkeit, limitingsimilarity). Besonders innerhalb von Gilden sollte eine ausreichend unterschiedliche Ressourcennutzung der Arten offensichtlich sein (Ressourcenaufteilung, resource partitioning). Ein klassisches Beispiel sind insektivore Kleinvogel in mitteleuropaischen Nadelwaldern ( ~ Abb. 4.18). Die einzelnen Arten nutzen unterschiedliche Bereiche desselben Nahrungsbaumes. Doch ist die Unterschiedlichkeit wirklich ein Ausdruck der Konkurrenz? Die Nische ist durch die Art definiert und da Arten schon aufgrund der Definition des Begriffes "Art" unterschiedlich sind, mussen auch ihre Nischen unterschiedlich sein. Unterschiede in der Nischenposition und Nischenbreite sind damit immer vorhanden. Urn daher zu prufen, welchen Einfluss die Konkurrenz auf Nischenposition und Nischenbreite der Mitglieder einer Lebensgemeinschaft hat, stehen zwei Wege offen: • Man vergleicht Nischenposition bzw. Nischenbreite zwischen Lebensgemeinschaften mit unterschiedlicher Konkurrenzsituation. So untersuchte Roughgarden (1974, 1986) in der Karibik die Nischenbreite von Anolis-Arten bezuglich ihrer Nahrung auf Inseln mit unterschiedlicher Artenzahl (wenige Arten - wenig Konkurrenz; viele Arten - viel Konkurrenz). Entsprechend der Erwartung fand Roughgarden eine Abnahme der Nischenbreite (fur die Nischenachse: GroBe der Beutetiere) mit der Artenzahl. • Nicht immer sind solche Vergleiche moglich, Man ist daher auf statistische Methoden angewiesen. Abbildung 4.19 zeigt ein Beispiel fur den Mindestabstand der Nischenposition von Arten. Dazu definiert man einen Artenpool und stellt aus diesem Artenpool mithilfe des Computers Artengemeinschaften bzw. Gilden zufallig zusammen (Nullmodelle, null models; Gotelli und Graves 1996) Fur diese Gilden werden dann die Abstande zwischen den Nischenpositionen bestimmt. Spielt Konkurrenz fur die Besetzung des Nischenraumes eine Rolle, dann erwartet man, dass in der realen Gilde die Distanzen zwischen den Nischenpositionen der Arten groBer sind als bei zufallig zusammengestellten Gilden ( ~Abb. 4.19). Da die Nischenposition nicht immer einfach zu bestimmen ist, nutzt man haufig die Morphologie als Indikator fur die Nische der Arten. Besonders fur Pradatoren (aber auch fur Samenfresser) findet man eine gute Beziehung zwischen der GroBe des Raubers sowie der mittleren GroBe der Beute (z. B. Peters 1983, Brandl et al. 1994)
4.2 Oko log ische Prozesse in Lebensgeme inschaften
4.18 Nahrungsgilde carnivorer Vogelarten in montanen bzw. nordischen Nadelwaldern. Man beachte die Nischendifferenzierung: Tannenmeise (Parus ater; 1; meist hanqend an Zapfen und Zweigen) und Wintergoldhahnchen (Regulus regulus; 2; sucht die Nadeln ab) nutzen die auBersten Nadelzonen. Die Haubenmeise (Parus cristatus; 3) nutzt vor allem flechtenbewachsene Partien der Hauptaste, die Weidenmeise (Parus montanus; 4) sucht die Nahrung an nichtbenadelten Stellen der Hauptaste, Der Waldbaumlaufer (Certhia familia ris; 5) klettert an Stamm und Hauptasten, was lange Zehen und ein Stutzschwanz erm6glichen. Aus Kratochwil und Schwabe (2001).
4.2.3 Die Bedeutung von Pradation und Storunqen fur Lebensgemeinschaften Arten sind dann in einer Lebensgemeinschaft haufig (dominant), wenn sie mit den Umweltbedingungen gut zurechtkommen und zudem konkurrenzkraftig sind. Falls nun Rauber besonders dominante Art in ihrer Haufigkeit reduzieren (S. 130), schaffen sie Existenzmoglichkeiten fur konkurrenzschwache Arten. Die Artenzahl sollte demnach mit zunehmendem Pradationsdruck steigen ( ~ Abb. 4.6d) . Erst wenn der Pradatorendruck zu stark wird, werden auch seltenere Arten gefressen und die Artenzahl sinkt wieder. Daher ist der Artenreichtum der potenziellen Beutetiere bei mittleren Dichten des Raubers am grolsten . Storung (disturbance) im okologischen Sinne ist ein Ereignis, durch das Organismen entfernt oder so geschadigt werden, sodass Raum geschaffen wird, den Individuen der gleichen oder anderer Arten besetzen konnen, Die Wirkung von Raubern ist damit ganz ahnlich der Wirkung von Storungen. Iedes Individuum, das durch ein St6-
193
194
4 Lebensgemeinschaften
10
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verhaltn ls der K6rpergr6r..e benachbarter Arten
4.19 Beispiel fur die Vorgehensweise bei der numerischen Analyse der Nischenbeziehungen in einer Artengemeinschaft. Fur Trockengebiete Nordamerikas ist bekannt, dassbei samenfressenden Nagetieren Arten recht unterschiedlicher KorpergroBe an einem Standort koexistieren. 1st dieser Unterschied in der KorpergroBe zwischen den Arten groBer als erwartet? Dazu werden aus einem Artenpool zufallig Artengemeinschaften gleicher Artenzahl gezogen und fur diese zufalllqen Artengemeinschaften die Nischenrelationen (z. B. minimaler GroBenunterschied zwischen zwei Arten) bestimmt. Falls Konkurrenz eine Rolle spielt, solite der minimale GroBenunterschied in der realen Artengemeinschaft groBer sein, als der Minimalunterschied in den zufallig gezogenen Artengemeinschaften. Beachte, dassdiese Analyse auf der Annahme beruht, dassmit der KorpergroBe auch die GroBe der Nahrung (= Samen) zunimmt. a) KorpergroBen von vier Arten von Nagetieren, die in einem Trockengebiet Nordamerikas koexistieren. Eingetragen wurde das Verhaltnis der KorpergroBe zwischen den Arten. Das kleinste Verhaltnis war 2,05. 1st diesesVerhaltnis auBergewohnlich groB? b) Verteilung von 20 Arten von Nagetieren, die prinzipiell in diesem Gebiet vorkommen konnten. Zieht man nun uber Zufallszahlengenerator immer vier unterschiedliche Arten aus diesem Artenpool, so kann man fur diese zufalliq zusammengestellten Artengemeinschaften ebenfalls das Verhaltnis der KorpergroBen benachbarter Arten berechnen. c) Hier wurden nun 1 000 zufalliqe Artenkombinationen erstellt und fur jede dieser Artenkombinationen das kleinste Verhaltnis der KorpergroBe in einer Haufigkeitsverteilung aufgetragen. Fur die real koexistierenden vier Arten ist das Verhaltnis auBergewohnlich groB. Dies ist ein Hinweis, dasses fOr die Koexistenz von Arten in einer Artengemeinschaft einen Minimalabstand der Nischenposition geben muss. Nach Bowers und Brown (1977), Daten aus Roff (2006).
rungsereignis aus einer Lebensgemeinschaft entfernt wird, hinterlasst eine Lucke, die durch Individuen der eigenen oder einer anderen Art wiederbesetzt werden kann (Luckendynamik, gap dynamics; vgl. auch neutrale Theorie von Hubbell; ~ Abb. 4.14a) . Treten Storungen aber zu haufig und zu zerstorerisch auf, fuhrt das zu einer Verringerung der Artenzahl. Zwischen zwei Storungsereignissen ist in diesem Fall einfach nicht genugend Zeit fur die Etablierung von Arten. Letztlich erwarten wir ein Maximum der Artenzahl bei mittlerer Storungsintensitat (Mittlere-Storungsintensitats-Hypothese, intermediate disturbance hypothesis; Connell 1978). Lucken und innere Dynamik konnen auch durch klimatische Ereignisse, speziell durch Uberschreitung von Schwellenwerten verursacht werden (Austin 1980). Uberschreitet beispielsweise ein Frost die Resistenzgrenze einiger Arten, fuhrt das zum partiellen Ausfall der entsprechenden Art und dam it zur Veranderung der Artzusammensetzung oder zumindest der Haufigkeitsstruktur, Drei Phanornene beeinflussen die Luckendynamik:
4.2 Okologische Prozesse in Lebensgemeinschaften
• Beim Vorratseffekt (storage effect) produzieren Arten in guten Iahren Nachkommen, die dann auf das nachste Storungsereignis warten (Chesson und Warner 1981). Ein Beispiel hierfur sind Waldbaume. In Mastjahren werden grofse Mengen an Samen und Fruchten produziert. Die Samen keimen sofort. Die Jungpflanzen konnen dann aber sehr lange in diesem Stadium ausharren, bis sich eine Lichtlucke durch einen absterbenden Baum bildet. In den Diasporenbanken von Boden warten oft Tausende von Samen tiber Iahrzehnte, in einigen Fallen sogar Jahrhunderte auf gunstige Bedingungen fur die Keimung . • Arten, die in einer Lucke aufkommen, konnen konkurrenzstark sein (dominanzbestimmte Dynamik). Sie unterdrucken die ebenfalls auflaufenden, weniger konkurrenzkraftigen Arten und bestimmen so die Entwicklung nach dem Storungsereignis. Dominanzbestimmte Dynamik fuhrt zu artenarmen Lebensgemeinschaften. • Griinderbestimmt ist der Regenerationsprozess, wenn es letztlich vom Zufall abhangt, wer sich in einer LUcke ansiedeln kann (Lotterieprinzip; Sale 1977). Die neutrale Theorie von Hubbel beruht auf einem solchen Lotterieeffekt ( ~ Abb. 4.14a). Storungen sind Auslenkungen aus dem Gleichgewicht und geben damit Aufschluss tiber die Stabiiitat von Lebensgemeinschaften. Dabei unterscheidet man zwischen ResiIienz (Elastizitat) und Resistenz. Resiliente Lebensgemeinschaften kehren mehr oder minder schnell wieder in den Ausgangszustand zuruck. Ie schneller dies geschieht, umso groBer ist die Resilienz der Lebensgemeinschaft. Aufgrund der Merkmalssyndrome, die auf Seite 75 diskutiert wurden, konnen sich besonders Lebensgemeinschaften mit vielen r-Strategen schnell von Auslenkungen erholen. In artenreichen Gesellschaften mit Arten unterschiedlicher Eigenschaften gibt es mit grofserer Wahrscheinlichkeit eine Art, die nach einer Storung den Erholungsprozess einleiten und vorantreiben kann. Resistenz charakterisiert die Fahigkeit von Lebensgemeinschaften, Veranderungen durch Storung von Anfang an zu vermeiden bzw. abzupuffern. Besonders grofse Arten konnen Storungen widerstehen. Zudem ist die Resistenz artenreicher Biozonosen grofser als die artenarmer Gemeinschaften. Storungen konnen auf unterschiedlichen raumlichen und zeitlichen Mafsstaben vorkommen. Storungen konnen nur einzelne Individuen erfassen, im Extremfall aber sogar die gesamte Biosphare (S. 204). Klassische naturliche Storungen sind Feuer, Sturme, Lawinenabgange und Flutwellen, wobei nicht einzelne Individuen einer Lebensgemeinschaft beeinflusst werden, sondern gleichzeitig mehrere Lebensgemeinschaften. Dart wo diese Storungen regelmafsig auftreten, finden sich r-selektionierte Lebensgemeinschaften (S. 75), die sich mit der zeitlichen Entfernung vom Storereignis verandern und bei Ausfall des Storereignisses in K-selektionierte Lebensgemeinschaften iibergehen (S. 197). Das Nebeneinander von Storstellen unterschiedlichen Alters oder Entwicklungsstadien, zwischen denen Austausch von Arten moglich ist (Metagemeinschaft), schafft ein in Raum und Zeit dynamisches System.
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196
4 Lebensgemeinschaften
4.3 Dynamik von Lebensgemeinschaften Crofsraumige Storungen lenken Lebensgemeinschaften aus ihrem Gleichwicht und setzen Prozesse in Gang, durch die es zu einer zeitliehen Veranderung der Artenzusammensetzung auf diesen Storstellen kommt. Diese Entwicklung bezeichnet man als Sukzession. Man versteht hierunter die nichtsaisonale, gerichtete und kontinuierliche Veranderung einer Artengemeinschaft. Danach fallen Veranderungen einer Lebensgemeinschaft im Laufe eines Iahres nicht unter den Begriff Sukzession und werden daher mit dem Begriff Phanologie umschrieben. Auch die stetigen Veranderungen im Arteninventar, wie sie im dynamischen Gleiehgewicht auf Inseln vorkommen, fallen nicht unter den Sukzessionsbegriff, da dieser Artenumsatz nieht zu einer geriehteten Veranderung fuhrt, Weiterhin bedeutet "gerichtete Veranderung", dass es je nach Umweltbedingungen eine definierbare Entwicklung (Sukzessionsreihe) sowie einen Endzustand (Gleichgewicht) gibt. Der Gesamtartenpool fur die Sukzession bleibt dabei unverandert, Sukzession unterscheidet sieh folglieh auch grundsatzlich von historischen Ablaufen, z. B. Entwicklungen nach der Eiszeit, wahrend der sich der regionale Artenpool durch Zuwanderung und Evolution veranderte. Die Entwicklung von Pflanzengemeinschaften auf Vulkanboden, die Entwicklungen der Lebensgemeinschaften in einem Kuhfladen oder auf einem stillgelegten Acker werden somit als Sukzession bezeichnet. Man unterscheidet zwischen primarer Sukzession und sekundarer Sukzession. Primare Sukzession tritt auf nahezu sterilem Substrat auf, das z. B. durch Vulkanismus, Gletscherruckgang und damit Freistellung von Moranen entstehen kann. Die Entwicklung der Gemeinschaft von Aasfressern auf einen Kadaver ware ebenfalls eine primare Sukzession. Unter sekundarer Sukzession versteht man die Entwicklung nach Storereignissen, sodass die Sukzession mit einem noch vorhandenen Arteninventar beginnt. Wird ein Acker stillgelegt, so befindet sich im Boden ein Samenvorrat, der neben dem Sameneintrag aus benachbarten Standorten das Arteninventar fur den Start der Sukzession stellt. Daneben unterscheidet man auch zwischen autogener und allogener Sukzession. Allogene Sukzession wird vor allem durch Veranderungen der Umwelt getrieben, wahrend autogene Sukzession durch die Lebensgemeinschaft selbst beeinflusst wird. Bei einer gerichteten Veranderung wird implizit gefordert, dass ein Endpunkt erreicht wird , der aber nicht immer eine Lebensgemeinschaft sein muss . Bei Detritusfressern im Kuhfladen ist der Endpunkt der Sukzession der Verbrauch der Ressource und damit das Ende der Lebensgemeinschaft in diesem Fladen . Solche ephemeren Gemeinschaften existieren nur als Metagemeinschaft und die Arten einer derartigen Lebensgemeinschaft mussen eine ausreichende Ausbreitungsfahigkeit besitzen, urn neue Kuhfladen zu finden. Ein derartiges System existiert nur als raumliches und dynamisches Nebeneinander unterschiedlicher Sukzessionsstadien. Ansonsten wird, insbesondere fur Pflanzengesellschaften, der Endpunkt einer Sukzession als Klimax bezeichnet. Dabei unterstellt man, dass sich Sukzession immer zu einem typischen Endstadium entwickelt, wobei das Endstadium durch die zonalen Biome definiert ist (z. B. in Mitteleuropa laubabwerfender Wald). Oft ist es jedoch gar nicht moglich, ein ganz bestimmtes Endstadium zu prognostizieren, denn die weitere Entwicklung der Sukzession hangt von zufalligen Einzelereignissen oder Erstbesiedlereffekten ab, und
4.3 Dynamik von Lebensgemeinschaften
es konnen verschiedene Richtungen eingeschlagen werden. Auf Gletschermoranen werden beispielsweise durch Lawinen ganze Grassoden abgelagert, die dann an der Ablagerungsstelle die weitere Entwicklung beherrschen. Daneben kann aber eine durch Sameneintrag bestimmte Sukzession ablaufen, die einen anderen Charakter aufweist und zu anderen Endstadien fuhren kann. Mitunter konnen in einer Sukzessionsreihe Stadien auftreten, die lange bestehen bleiben. Dies ist z. B. oft bei der Entwicklung von Brachen der Fall. Erst wenn ein uber viele Jahre bestehendes Stadium aus klonalen Hochgrasern aufgrund von Oberalterung zusammenbricht, kann eine Etablierung von Strauchern oder Iungbaumen erfolgen. Fasst man die Vielzahl von Untersuchungen zur Sukzession zusammen, so findet man einige regelmafsige Muster, die fur primate und sekundare Sukzessionen gelten: • Zu Beginn der Sukzession sind die Lebensgemeinschaften artenarm. Der Bestand ist luckenhaft, die Biomasse gering. Artenzahl und Biomasse steigen im Laufe der Sukzession an, bis ein Plateau erreicht wird. Manchmal sind die Artenzahlen sogar wah rend mittlerer Sukzessionsstadien am grofsten, was sich durch Oberlappung im Vorkommen von Arten fruher und spater Sukzessionsstadien erklaren lasst. • Anfanglich hangt die Artenzusammensetzung stark von Zufallen abo Es etablieren sich Arten mit gutem Ausbreitungsverrnogen aber geringer Konkurrenzstarke. Spater dringen konkurrenzkraftige Arten ein. Die Lebensgemeinschaften verandern sich mit der Sukzession von Gemeinschaften, die von r-Strategen dominiert sind, hin zu Gemeinschaften aus K-Strategen. Zu Beginn der Sukzession sind vor allem r-Strategen bedeutsam, sodass die an fanglichen Sukzessionsstadien vom Zufall gepragt sind. Seit den Anfangen der Sukzessionsforschung wird aber immer wieder diskutiert, inwieweit die dann folgenden Lebensgemeinschaften durch Wechselwirkungen gepragt sind. Die klassischen Vorstellungen gehen davon aus, dass Arten eines Sukzessionsstadiums durch Veranderung der Standortbedingungen die Besiedlung der Folgearten erst ermoglichen (gegenseitige Forderung,facilitation; Connell and Slayter 1977). Das klassische Beispiel hierfur ist die Besiedlung von Pionierarten wahrend einer primaren Sukzession. Pionierarten fuhren zur Bodenbildung, sodass nacheinander Krauter und Graser und schliefslich Wald folgen . Bei der sekundaren Sukzession ist gegenseitige Forderung bei weitem weniger wichtig. Im Gegensatz dazu konnen aber auch Arten eines fruhen Sukzessionsstadiums die Besiedlung spaterer Arten verhindern (Hemmung, inhibition; Connell and Slayter 1977). Damit ware die Sukzessionsreihe davon abhangig, wer zuerst den Standort erreicht (Egler 1954). Wahrend einer Sukzessionsreihe konnen aber auch positive sowie negative Wechselbeziehungen zwischen Arten bedeutungslos sein: Die Sukzession hangt einzig davon ab, wer in einem gewissen Sukzessionsstadium die herrschenden Umweltbedingungen am besten nutzen kann (Toleranz, Connell and Slayter 1977). Im Extremfall kann das Vorkommen von Arten entlang der Sukzession zufallig sein (Zufalliges- Besiedlungs-Modell, random colonization model; Lawton 1987). Dieses Modell entspricht sicherlich nicht der Wirklichkeit, kann aber als Bezugspunkt fur die Abschatzung der Bedeutung der anderen Sukzessionsmodelle sein. Keines der anderen drei Modelle kann fur sich den Verlauf einer Sukzession erklaren. Vielmehr ist Sukzession ein dynamischer Prozess, bei dem je nach
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4 Lebensgemeinschaften
Stadium Ausbreitungsfahigkeit sowie Konkurrenzkraft der Arten von Bedeutung sind .
4.4 Gleichgewichte versus Nichtgleichwichte in lebensgemeinschaften Zu Beginn des letzten Jahrhunderts etablierten sich im angelsachsischen Sprachraum zwei unterschiedliche Ansichten tiber Lebensgemeinschaften. Zum einen vertrat Clements die Auffassung, dass Artengemeinschaften organismengleiche Wesen sind, die entstehen, wachsen, reifen und sterben (Clements et al. 1929). Lebensgemeinschaften sind nach seinem Ansatz klar abgrenzbar, die Arten sind durch eine lange gemeinsame Evolution bis hin zur Koevolution gepragt. Gleason (I917) dagegen vertrat die Ansicht , dass alle Arten des Artenpools in einer Artengemeinschaft zusammenleben, die mit den bestehenden Umweltbedingungen zurechtkommen. Damit werden Lebensgemeinschaften durch die Umweltbedingungen definiert, die am jeweiligen Ort herrschen. Welche Arten an einem Ort aufeinandertreffen, hangt nur vom Artenpool und naturlich auch der Ausbreitungsfahigkeit der Arten aboDiese beiden klassischen aber gegensatzlichen Vorstellungen tiber die Organisation von Artengemeinschaften spiegeln sich noch heute in der Diskussion wider, inwieweit Lebensgemeinschaften im Gleichgewicht sind (Rhode 2005). Storungen fuhren dazu, dass Artengemeinschaften nicht im Gleichgewicht sind. Bestandige Storungen haben zur Folge, dass die Populationsgrofse der Arten nie ihre Kapazitatsgrenze erreicht und so Konkurrenz (intra- und interspezifisch) von untergeordneter Bedeutung ist (Rhode 2005). Der Artenreichtum lokaler Artengemeinschaften hangt damit allein von den jeweiligen Umweltbedingungen sowie der Ausbreitungsfahigkeit der Arten abo Wenn stan dig Sukzessionsreihen in Gang gesetzt und in Gang gehalten werden, konnen Arten nebeneinander vorkommen, die langfristig nicht in einer Artengemeinschaft koexistieren konnten. Das raumliche Nebeneinander unterschiedlich weit entwickelter Sukzessionstadien garantiert den Erhalt der Artenvielfalt. Die lokale Dynamik gewahrleistet, dass fur die Erfullung der Umweltanspruche bestimmter Arten immer an anderen Orten, aber doch zu jedem Zeitpunkt, geeignete Flachen vorhanden sind. Ein raumliches Nebeneinander unterschiedlicher Sukzessionsstadien kann auch dadurch entstehen, dass die Artengemeinschaft selbst einen zyklischen Prozess durchlauft. So kann ein Wald altern und zusammenbrechen, worauf wieder eine Sukzession in Gang kommt (Mosaikzyklustheorie; Remmert 1991). Demgegenuber steht die Vorstellung, dass Artengemeinschaften im Gleichgewicht sind (balance of nature), eine Vorstellung die tief in der abendlandischen Denktradition verwurzelt ist. Gleichgewichtsmodelle erlauben eine einfache mathematische Behandlung, wobei hier Gleichgewicht nicht unbedingt einen unabanderlichen Zustand charakterisiert, sondern vielmehr ein dynamisches Gleichgewicht (S. 91), bei dem zwar Eigenschaften (z. B. Artenzahlen) konstant bleiben, sich aber die Artenzusammensetzung permanent andert. Bringt man Wechselbeziehungen ins Spiel, ergibt sich eine gewisse Konstanz in der Artenzusammensetzung, da nur bestimmte Arten-
4.5 Biodiversitat
kombinationen koexistieren konnen. Interaktionen ergeben Regeln fur erlaubte Artenkombinationen (assembly rules; Diamond 1976, Keddy 1992). Welche der beiden Vorstellungen fur eine spezielle Lebensgemeinschaft von Bedeutung ist, hangt also davon ab, wie haufig und ausgepragt Storungen sind und wie schnell sich eine Lebensgemeinschaft von einer Storung erholen kann.
4.5 Biodiversitat Obwohl das Interesse an Artenzahlen eine lange Tradition hat, wurde erst urn 1980 der Begriff der biologischen Diversitat (biological diversity) gepragt, der schnell in Biodiversitat (biodiversity) verkurzt wurde. In der Konvention tiber die Biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity), auf dem UN-Umweltgipfel in Rio de Janeiro 1992 beschlossen, wurde folgende Definition verabschiedet:
"Biological diversity means the variability among living organisms from all sources including, interalia, terrestrial, marine and other aquatic ecosystems and the ecological complexes of which they are part; this includes diversity within species, between species and of ecosystems." (CBD 2003).
Der Begriff Biodiversitat sollte vor allem politische Entscheidungstrager und eine breite Offentlichkeit ansprechen. Biodiversitat wurde daher von Anfang an in Zusammenhang mit dem Schutz und der Erhaltung der Natur verstanden. Unter dem Blickwinkel der Biodiversitat ordnet man Genen, Arten, Gilden, Lebensgemeinschaften und Okosystemen (S. 215) eine Funktion und damit eine Bedeutung sowie einen Wert zu. Mitunter sind Arten aber recht ahnlich. Brauchen wir daher wirklich aIle Arten, urn die Funktionen der Biodiversitat aufrechtzuerhalten? Wie reagieren Lebensgemeinschaften unterschiedlicher Artenzahl auf Storungeni Sind die seltcnen Arten einer Lebensgemeinschaft wirklich wichtig? Sind Arten redundant? Ohnc ein Verstandnis der wesentlichen Funktionen von Artengemeinschaften und deren Abhangigkeit von Artenzusammensetzung und Artenzahl ist keine nachhaltige Nutzung und auch kcin Schutz von Lebensgemeinschaften moglich (siehe auch S.266). In diesem Abschnitt wollen wir uns mit dem okologischen Wert von Artenviclfalt persebefassen. Folgende Hypothesen wurden formuliert (~ Abb.4.20): • Grundsatzlich kann man den Standpunkt einnehmen, dass aIle Arten gleich wichtig sind und zu einer Funktion beitragen (Gleichwertigkeit-der-Arten-Hypothese, equally important species hypothesis; Vitousek und Hooper 1993). Damit ergabe sich eine lineare Zunahme der Funktion einer Artengemeinschaft tiber die Artenzahl. So kann z. B. die Stabilitat einer Artengemeinschaft mit der Artenzahl zunehmen (Diversitats-Stabilitats-Hypothese, diversity stability hypothesis; May 1974). • Weil meist mehrerc Arten eine ahnliche Funktion haben (funktionelle Gruppe), sind einzelne Arten cntbehrlich (Redundante-Arten-Hypothese, species redundancy hypothesis). Wichtig ist lediglich, dass die Funktion fur die Lebensgemeinschaft erhalten bleibt (Walker 1992). Daher wird die Funktion zunachst mit der Artenzahl steigen, erreicht aber schnell einen Sattigungspunkt, bei dem zusatzliche Arten keine weitere Steigcrung der Funktion bewirken. Es kann aber sein, dass einzelne
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200
4 Lebensgemeinschaften
Arten fur eine Funktion besonders wichtig sind (Schlusselarten, keystone species). Eine Variante der Redundante-Arten-Hypothese ist die Nietenhypothese (rivet popper hypothesis). Diese geht ebenfalls davon aus, dass mehr Arten vorhanden sind, alsfur die Funktion wirklichnotwendig ist.Zur Verdeutlichung haben Ehrlich und Ehrlich (1981) alsAnalogonden Flugzeugbau genutzt. In Flugzeugen sind vie! mehr Bolzen bzw. Nieten angebracht, als fur die Sicherheit der Konstruktion notig waren. Man kann daher ohne weiteres einze!neBolzen weglassen. Nach Herauslosen zu vie!erBolzen verliert ein Teil des Flugzeugs seine Funktion. • Letztlich kann es durchaus sein, dass kein geregelter Zusammenhang zwischen Artenzahl und Funktion besteht (Idiosynkrasie-Hypothese, idiosyncratic hypothesis; Lawton 1994). Diese Hypothese besagt nicht, dass Arten ohne Bedeutung sind, vielmehr erlaubt die Artenzahl alleinkeineVorhersage der Funktion. Eskommt auf die Artenzusammensetzung und damit Identitat der Arten an. Das Flugzeugbeispie! macht auch deutlich, wie schwierig die Entscheidung zwischen diesen Hypothesen ist. Die Problematikliegt darin, dassdie Wichtigkeiteines Bolzens erst dann erkannt wird, wenn das Flugzeug abgesturzt ist.Solange man die spezifische Funktion einer scheinbar redundanten Art nicht kennt, sollte man sicherheitshalber davon ausgehen,dass alleArten wichtigsind. Zudem konnen Qualitat und Sicherheit fur die Ausubung einer Funktion mit der Zahl der Arten steigen (VersicherungsHypothese, insurance hypothesis; Yachi und Loreau 1999). Wenn Redundanz in einem Okosystem vorkommt, ist sie nicht uberflussig, sondern dient als Puffer fur unvorhersehbare Veranderungen, ist also die Ruckversicherung der Lebensgemeinschaft. In den letzten Iahren wurde eine Reihe von Experimenten durchgefuhrt, um die Beziehungen zwischen Funktion und Artenreichtum experimentell zu uberprufen. Wichtig ist, bei diesen Experimenten zwischen dem Effekt der Artenzusammenset-
species
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redundancy
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4.20 Eine Lebensgemeinschaft kann eine bestimmte Funktion mit zunehmender Artenzahl besserausfuhren. Der Zusammenhang zwischen beiden Parametern kann linear sein (Gleichwertigkeit-der-Arten-Hypothese) (a), er kann schnell einen Sattiqunqsbereich erreichen (Redundante-Arten-Hypothese) (a), oder er kann erst bei Vorhandensein einer bestimmten Schlusselart hohe Werte erreichen (b). Die Idiosynkrasie-Hypothese (b) betont, dassein Zusammenhang generell unvorhersagbar ist.
4.6 Biogeograph ie
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Artenzahl
4.21 Zusammenhang zwischen Artenzahl und Funktionen der Artengemeinschaft. a) Oberirdische Biomasse fur kOnstlich angepflanzte Artengemeinschaften von Pflanzen unterschiedlicher Artenvielfalt fOr die Jahre 1998, 1999 und 2000 (Mittelwerte und Standardfehler). Dazu wurden aus einem Artenpool Ober Zufallszahlen fOr jede Stufe des Artenreichtums die benotiqten Arten ausqewahlt, sodass aile Wiederholungen dieselbe Artenzahl aber unterschiedliche Artenzusammensetzung umfassten. Daher wird durch solche Experimente der Einfluss der Artenzahl per se erfasst (aus Tilman et al. 2002). b) Resistenz von Pflanzengesellschaften gegen DOrre in Abhanqiqkeit von der Artenzahl vor dem DOrreereignis (Mittelwerte mit Standardfehler; nach Tilman et al. 2001). Ais MaB fur die Resistenz dient die Veranderunq der Biomasse wah rend der DOrre. In beiden Beispielen steigt die Funktion mit der Artenzahl an, erreicht aber bald ein Plateau und entspricht daher der Redundante-Arten-Hypothese (~Abb. 4.20a).
zung und der Artenzahl zu unterscheiden. Zweifelsohne haben einzelne Arten bcsondere Bedeutung. So werden Leguminosen aufgrund ihrer Moglichkeit, Stickstoff zu fixieren (S. 234), fur bestimmte Funktionen ciner Lebensgemeinschaft (z. B. Nahrstoffhaushalt) besonders wichtig sein. Daher wurde in vielen Experimenten die Artenzusammensetzung zufallig aus einem Artenpool gewahlt, In einer kritischen Analyse von 40 Experimenten stellen Schwartz et al. (2000) fest, dass die Ergebnisse sehr unterschiedlich ausfallen. Meist findet man aber einen Zusammenhang zwischen Artenzahl und Funktion mit einer Sattigung bei relativ geringen Artenzahlen ( ~ Abb. 4.21). Demgegeniiber stehen einige wenige Studien mit einem linearen Zusammenhang zwischen Artenzahl und Funktion.
4.6 Biogeographie 4.6.1 Speziation, Extinktion und Artenvielfalt Bisher haben wir vor allem den Artenreichtum auf kleiner raumlicher Skala betrachtet und erkannt, dass auf diesem MaBstab Einwanderung und stochastische Prozesse, aber auch Konkurrenz und Pradation den Artenreichtum bedingen ( ~Abb. 4.10). Die Einwanderung von Arten hing dabei vom regionalen Artenpool abo Einzig bei der
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202
4 lebensgemeinschaften
Besprechung der neutralen Theorie von Hubbell war es notig, Speziation zu berucksichtigen. Was bestimmt nun die Artenzahl des regionalen Artenpools? Bei Hubbell (2001) war dafur der Parameter e verantwortlich. Mehr war zunachst nieht notwendig. Detailliertere Aussagen zum Artenreiehtum des Artenpools macht die Biogeographie. In der Biogeographie stehen Artengemeinschaften auf regionalen bis hin zu kontinentalen Mafsstaben im Vordergrund. Die wesentlichen Prozesse auf diesen Skalen sind die Neuentstehung von Arten (Speziation) sowie das Aussterben (Extinktion) von Arten (~Abb. 4.10). Aussterben bedeutet hier das ganzliche Verschwinden einer Art. Betrachten wir zunachst das Aussterben von Arten. Nehmen wir an, dass aile Arten in einem Zeitintervall die gleiche Aussterbewahrscheinlichkeit haben, dann steigt fur einen Zeitintervall die Gesamtzahl der ausgestorbenen Arten (Aussterberate) linear mit der Artenzahl an. Sei die Aussterbewahrscheinlichkeit z. B. 0,1 in einer Million Jahre, so wurden bei einem Artenreichtum von 100Arten wahrend einer Million Jahre 10Arten, bei einem Artenreichtum von 1000 aber 100Arten verschwinden. Hier handelt es sich wieder urn ein einfaches, neutrales Modell, bei dem die Aussterbewahrscheinlichkeit fur aIle Arten gleich ist und nicht von der Artenzahl abhangt ( ~Abb. 4.22a). Neue Arten entstehen dadurch, dass aus einer Ursprungsart zwei Schwesterarten entstehen. Entscheidend fur die Artbildung sind Barrieren, die einen Genfluss zwischen den Populationen verhindern und so zu einer Eigenentwieklung der Arten fuhren. Haben aIle Arten die gleiche Wahrscheinlichkeit, zwei Schwesterarten hervorzubringen, dann ergibt sich entsprechend den Oberlegungen bei der Extinktionsrate ein linearer Anstieg der Speziationsrate mit der Artenzahl. Die Auftragung der Extinktions- und Speziationsrate gegen die Artenzahl muss durch den Ursprung gehen . Keine Art im System bedeutet zwangslaufig, dass keine neu en Arten aussterben bzw. entstehen konnen, In Abbildung 4.22a ist ein Beispiel der neutralen und damit linearen Beziehungen zwischen Extinktions- und Speziationsrate und Artenzahl dargestellt, wobei die Speziationsrate oberhalb der Extinktionsrate liegt. Ganz ahnlich wie beim exponentiellen Wachstum (5. 53) ergibt sich ein unaufhaltsamer und streng monotoner Anstieg der Artenzahlen mit der Zeit ( ~Abb. 4.22a, b). Betrachten wir nun die Artenentwicklung im Laufe der Erdgeschichte ( ~ Abb. 4.23). Dabei ist auf der Ordinate nicht die Artenzahl, sondern die Zahl der nachgewiesenen Familien aufgetragen. Der Erhalt einer Art als Fossil ist ein erratischer Prozess und der Zustand vieler Fossilien verhindert die Bestimmung bis zur Art. Die Bestimmung der Familie ist dagegen meist moglich. Es gibt nun, wie bereits erwahnt, eine gute Korrelation des Artenreiehtums mit dem Reichtum an hoheren Taxa ( ~ Abb. 4.4), sodass die Zahl nachgewiesener Familien ein verlasslicher Hinweis auf die Artenzahl ist. Abbildung 4.23 zeigt deutlich, dass die Artenvielfalt seit dem Kambrium stetig zugenommen hat . Entgegen unserem Modell in Abbildung 4.22a, b handelt es sich dabei jedoch nieht urn eine streng monotone Zunahme. In Abbildung 4.23 fallen mehrere Besonderheiten auf: • Im Erdaltertum am Anfang des Kambriums steigt die Vielfalt an Familien zunachst (exponentiell?) an, erreicht aber am Ende des Kambriums ein Plateau. • Am Ende des Kambriums kommt es zu einem Einbruch in der Vielfalt an Familien. Seit dem Beginn des Ordoviciums erholt sich die Vielfalt und erreicht ab dem Silur
4.6 Biogeographie
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4.22 a) Auftragung der Speziations- und Extinktionsrate gegen die Artenzahl. 1st fur jede Art die Pro-Art-Wahrscheinlichkeit dafur qleich, dassdiese Art in einem Zeitabschnitt zwei Schwesterarten hervorbringt bzw. ausstirbt, dann ist die Speziations- und Extinktionsrate fOr aile Arten direkt proportional zur Artenzahl. In (a) Iiegt die Speziationsrate oberhalb der Extinktionsrate, was zu einem exponentiellen Anstieg der Artenzahl Ober die Zeit fuhren muss (schwarze Kurve in b). c) FOr eine konkave Extinktionsrate ergibt sich ein Schnittpunkt mit der Speziationsrate. Dieser Schnittpunkt definiert ein stabiles Gleichgewicht (Pfeile in (c) zeigen aufeinander; vgl. Abb . 4.11). d) Die Extinktionsrate kann im Laufe der Erdgeschichte variieren. Fallssich die Flache eines Gebietes verkleinert hat, hat das Auswirkungen auf die Extinktionsrate und man erwartet eine Abnahme der Artenzahl (S~ < S~).
ein weiteres Plateau, das bis zum Perm erhalten bleibt, obwohl immer wieder Einbruche der Vielfalt auftreten (fur eine detaillierte Auswertung muss man die unterschiedliche Dauer der erdgeschichtlichen Perioden berucksichtigenl), • Am Ende des Perm kommt es zu einem dramatischen Einbruch der Vielfalt und seit dem Beginn des Erdmittelalters (Mesozoikum) steigt die Vielfalt an Familien mit k1eineren Unterbrechungen nahezu kontinuierlich wieder an . Bereits diese vereinfachte Interpretation der Abbildung 4.23 zeigt, dass unser einfaches Modell aus Abbildung 4.22a, b nicht ausreicht, die zeitliche Entwicklung der Artenvielfalt zu verstehen. Offensichtlich gibt es immer wieder Phasen, bei denen die Artenvielfalt konstant bleibt und sich nach Einbruchen wieder erholt (Rosenzweig 1995). Die Entwicklung der Artenvielfalt mit der Zeit ist anscheinend ahnlich dem logistischen Populationswachstum S-formig. Dazu mussen wir die Beziehungen zwischen Speziations- bzw. Extinktionsrate und Artenzahl etwas abandern, Ein Plateau in der Artenvielfalt bedeutet, dass der verfugbare Nischenraum im globalen Mafsstab gefullt ist. Gefullter Nischenraum bedeutet Konkurrenz und daher z. B. einen Anstieg der Aussterbewahrscheinlichkeit pro Art. Dadurch entsteht eine konkave Beziehung
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4 Lebensgemeinschaften
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4.23 Die Vielfalt an Organismen, dargestellt anhand der Zahl fossil nachgewiesener und marin lebender Tierfamilien, hat im Laufe der Erdgeschichte stetig zugenommen. Es gab aber mehrmals Perioden von relativer Stabilitat sowie von massenhaftem Artensterben. Vom Silur bis zum Perm hat sich die Vielfalt nur unbedeutend geandert. Besonders bedeu tende Ereignisse von Massenaussterben fanden am Ende des Erdaltertums (Palaozoikurn) sowie am Ende des Erdmittelalters (Mesozoikum) statt. Beim Obergang Perm - Trias verschwanden z.B. die Trilobiten, beim Obergang Kreide - Tertiar (K-T-Grenze) verschwanden Saurier und Ammoniten. Aufgrund menschlicher EinflOsse (z.B. Abholzung der Regenwalder) ist derzeit mit einer Aussterbewelle zu rechnen, die unter Urnstanden die bisherigen Ereignisse in der Erdgeschichte zu Obertreffen droht. Erganzt nach Erwin (1998).
zwischen Extinktionsrate und Artenzahl. Allein die Annahme einer solchen Beziehung geniigt fur einen Schnittpunkt zwischen der linearen Speziations- und der konkaven Extinktionsrate (zur Vereinfachung wollen wir un sere Uberlegungen auf Extinktionsraten beschranken: .. Abb. 4.22c) . Dieser Schnittpunkt definiert ein stab iles Gleichgewicht. Entsprechend dem logistischen Populationswachstum folgt daraus ein S-formiger Anstieg der Artenzahl bis hin zu einer Obergrenze (.. Abb. 4.21b) . Unser modifiziertes Modell kann nun die Perioden mit konstanter Vielfalt erklaren, versagt aber zunachst beim Verstandnis der kurzfristigen Einbruche in der Artenvielfalt. Das Modell kann auch nicht erklaren, warum das Plateau der Artenvielfalt im Laufe der Erdgeschichte mehrmals angestiegen ist. Wenden wir un s zunachst den Einbruchen in der Artenvielfalt zu. Diese Einbruche sind Phasen mit ungewohnlich hoher Extinktionsrate (Massenaussterben; Hallam und Wignall 1997, MacLeod 2003), die mehrere Ursachen haben konnen: • Katastrophen von globalem AusmaB fuhren zu Massenaussterben. Solche Katastrophen haben sowohl Ereignisse auf der Erde (Vulkanausbriiche) als auch kos-
4.6 Biogeographie
mische Ereignisse (Meteoriteneinschlage) zur Ursache (MacLeod 2003). Zumindest das Massenaussterben am Dbergang Kreide-Tertiar (K-T-Grenze) war die Folge eines Meteoriteneinschlages (Stanley 2001). Hohe Konzentrationen des auf der Erde seltenen Elements Iridium sowie das Vorkommen von Mineralien, die durch hohe Temperaturen und Drucke verandert wurden (geschockte Minerale), in Sedimenten urn die K-T-Grenze , belegen einen Meteoriteneinschlag. 1m Golf von Mexiko hat man auch einen Einschlagkrater geeigneten Alters und ausreichender GroBe gefunden. Durch Meteoriteneinschlage oder auch Vulkanausbruche wird Staub in die Erdatmosphare geschleudert, sodass das Sonnenlicht abgeschirmt wird und fur die Photosynthese hoherer Pflanzen nicht mehr ausreichend Licht zur Verfugung steht. Das vermehrte Auftreten von Farnpollen kurz nach der K-T-Grenze spricht fur ein derartiges Szenario : Farne sind Schattenpflanzen und kommen mit wenig Licht aus (Hallam und Wignall 1997) • Es gibt aber auch Massenau ssterben, die sich mit dem Modell in Abbildung 4.22 c verstehen lassen. Das markanteste Massenaussterben fand am Ende des Perm statt. Damals formte sich der Kontinent Pangaa ( ~ Abb. 4.24), in dem alle Landmassen vereinigt waren . Abbildung 4.23 beruht auf marinen Organismen, da fur sie die Fossilgeschichte viel besser dokumentiert ist. Bei den meisten Familien handelt es sich zudem urn Bewohner der Schelfmeere. Die Bildung von Pangaa bedeutet eine betrachtliche Reduktion der Ausdehnung der Schelfmeere, was sich auf die Extinktionsrate auswirken sollte (~ Abb. 4.22d). Eine geringere Ausdehnung der Schelfmeere fuhrt zu kleineren Populationen und dam it einer Erhohung der Extinktionsrate, was nach dem Modell zwangslaufig zu einer Abnahme der Artenzahl fuhren muss. Kleinere Flachen bedingen auch eine kleinere Speziationsrate, da Genfluss die Aufspaltung der Arten eher verhindern kann. Naturlich gibt es am Ende des Perm noch wcitere Umweltveranderungen, die Ursache des Massenaussterbens sein konnten (Stanley 2001). Bleibt die Beobachtung zu diskutieren, dass im Erdaltertum anscheinend zwei Gleichgewichtsphasen mit unterschiedlichem Niveau existierten. Nach dem Einbruch der Vielfalt am Ende des Kambriums hat sich zwar wieder ein Gleichgewichtszustand eingestellt, das Niveau lag jedoch weit hoher als wahrend des Kambriums. Zudem steigt die Vielfalt seit der Trias bestandig an. Wie lasst sich diese Zunahme der Vielfalt im Gleichgewicht im Laufe der Erdgeschichte erklareni Drei Hypothesen bieten sich an. • Zunachst ist es durchaus moglich, dass diese Zunahme auf einem Artefakt beruht. Sedimente jungerer Perioden sind zwangslaufig haufiger als altere. Sedimente werden stan dig neu gebildet und Ablagerungen aus fruheren Perioden verschwinden in tieferen Schichten. Dadurch verr ingert sich die Wahrscheinlichkeit, dass von Arten weit zuriickliegender Period en Fossilien erhalten sind (Raup 1976). Zudem kann es sein, dass sich im Laufe der Erdgeschichte mehr und mehr Taxa etabliert haben, die Schalen und ahnliche Strukturen besitzen . Fur Organismen mit Hartstrukturen ist der Erhalt als Fossil viel wahrscheinlicher. • 1m Laufe der Erdgeschichte entwickeln Taxa Schlusselmerkmale fur noch unbesetzte Planstellen. Adaptive Radiationen (S. 41) fullen dann den verfugbaren Nischenraum.
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4 Lebensgemeinschaften
vor 225 Millionen jahren
vor 65 Millionen [ahren
vor 1 35 Millionen jahren
Gegenwart
4.24 Kontinentalverschiebung. FOr die Interpretation der heutigen biogeographischen Regionen (~ Abb. 4.28) ist vor allem die weit in die Erdgeschichte zurOckreichende eigenstandiqe Entwicklung des laurasischen Kontinents wichtig, zu dem auch Hinterindien und der GroBteil des Malaysischen Archipels zahlt. Die berOhmte Wallace-Linie zwischen Borneo und Sulawesi trennt die asiatische (Iaurasische) Fauna von der australasiatischen (Gondwanafauna) abo Die Holarktis ist seit lanqerern eiqenstandiq. Nach Whitmore (1993).
• Im Laufe der Erdgeschichte kommt es zu immer engeren Verflechtungen zwischen Organismen. Enge und heute noch existente Abhangigkeiten haben sich schon fruh in erdgeschichtlicher Vergangenheit entwickelt . So lasst sich vesikular-arbuskulare Mykorrhiza bereits bei den ersten Landpflanzen des Devons nachweisen. Schatzungsweise 80 % der rezenten Pflanzenarten leben mit diesem Mykorrhizatyp. Andere Typen wie die Ektomykorrhiza vieler Baume oder die Ericaceen- und Orchidaceen-Mykorrhiza haben sich erst im Mesozoikum herausgebildet. Die Vielfalt an Mykorrhizapilzen ist also eng mit der Entwicklung hoherer Pflanzen verknupft (S. 32). Die ersten Phytophagen treten bereits im Erdaltertum auf und Bliitenpflanzen reichen vermutlich bis in die Trias zuruck. Auffallig ist jedoch, dass viele Herbivoren und Bestauber erst mit der enormen Entfaltung der Blutenpflanzen in der Kreidezeit auftraten.
4.6.2 GroBraumige Muster der Artenvielfalt Die rezente Artenvielfalt zeigt ausgepragte raumliche Muster. Am auffalligsten ist die Abnahme der Artenvielfalt mit steigendem Breitengrad ( ~ Abb. 4.25; Hillebrand 2004). Es gibt nur wenige Ausnahmen - diese dann zumeist auf niederen taxonomischen Niveau (z. B. Weiden der Gattung Salix, Hummeln der Gattung Bombus; Gaston und Williams 1996). Die Abnahme des Artenreichtums mit dem Breitengrad lasst
4.6 Biogeographie
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4.25 Beziehung zwischen Breitengrad und der Artenzahl von Sauqetieren (getrennt far Nord- und SOdamerika (a) sowie far Tiefseeschnecken im Nordatlantik (b). (a nach Kaufmann und Willig 1998; b nach Stuart und Rex 1994). In beiden Fallen nimmt die Artenzahl von den Tropen zur Arktis abo
sich auch fur fruhere Epochen der Erdgeschichte nachweisen (Crame 2001). Eine Vielzahl unterschiedlichster Hypothesen versuchen die Beziehung zwischen Artenzahl und Breitengrad zu erklaren (Willig et al. 2003). Ordnung in der verwirrenden Vielfalt an Erklarungsmoglichkeiten entsteht, wenn man die Hypothesen in drei Gruppen teilt: Hypothesen, die ein Gleichgewicht zwischen Speziation und Extinktion fordern, Hypothesen, die vor allem grofsraumige Sti:irungen (z. B. Klimaschwankungen) fur die Beziehung verantworlich machen, und Hypothesen, die von geographischen Randbedingungen ausgehen.
Gleichgewichtshypothesen Urn die Zunahme der Artenzahl mit dem Breitengrad mit dem Gleichgewichtsmodell in Abbildung 4.22b zu erklaren, brauchen wir einen Faktor oder auch mehrere Faktoren, die sich systematisch mit dem Breitengrad verandcrn und dam it die Speziationsrate und/oder die Extinktionsrate beeinflussen. Ein offensichtlich bedeutender Faktor ist die Sonneneinstrahlung. Sonnenlicht ist die Grundlage fur Primarproduktion. Daher findet man eine Abnahme der Primarproduktion mit dem Breitengrad, also von den Tropen hin zu den Polen. Energie ist die Grundlage fur die Nahrungskette, und je mehr Energie vorhanden ist, urnso geringer sollte die Wahrscheinlichkeit sein, dass eine Art aussterben wird: Die Beziehung zwischen Extinktionsrate und Artenzahl in Abbildung 4.22b verlauft in einem solchen Fall flacher, was im Gleichgewicht zu hoheren Artenzahlen fuhrt, Doch genugt diese Erklarungi Man findet auch fur Tiefseeorganismen eine Zunahme der Artenzahl mit dem Breitengrad, doch gibt es dort keine Unterschiede in der Temperatur oder anderen Umweltfaktoren. Es muss also noch weitere wichtige Faktoren geben. Die Plache tropischer Gebiete ist wesentlich ausgedehnter als die anderer Klimagebiete ( ~Abb. 4.26). Zwar haben wir aile eine Karte mit dem riesigen eurasischen Kontinent im Kopf, doch viele Projektionen der gekrummten Erdoberflache auf eine Ebene verzerren die wahren Verhaltnisse (Rosenzweig 1995). Zudem
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4 Lebensgemeinschaften
arktisch boreal
~~~::1 ~
tempera t su btropisch tro pisch subtropisch
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temperat bo real antarktisch relative Hache
4.26 Relative Flachen der Biome von der Sud- zur Nordhalbkugel. Die Tropen nehmen mit Abstand die groBte Flache ein. Nach Rosenzweig (1995).
stoBen die tropischen Gebiete nordlich und sudlich des Aquators direkt aneinander
und bilden so eine einheitliche Hache. Die temperaten Gebiete auf Nord- und Sudhalbkugel sind dagegen voneinander getrennt. Die Hache beeinflusst Speziation und Extinktion:
• Auf grofseren Flachen leben mehr Individuen - damit verringert sich die Wahrscheinlichkeit des Aussterbens (S. 80). • GroBere Flachen werden nur sehr selten in ihrer Gesamtheit von Storungen und Katastrophen erfasst. • Die Arealgrofse von Arten steigt mit der verfugbaren Hache an. Arten mit groBen Arealen zerfallen haufig in Unterarten. Barrieren, die im Lauf der Erdgeschichte auftreten, durchschneiden groBe Areale eher als kleine. Damit sollte auch die Speziationsrate mit der Plache ansteigen. AIle drei Argumente fuhren dazu, dass der Artenreichtum im Gleichgewicht mit abnehmendem Breitengrad und damit zu den Tropen hin, zunehmen sollte.
Hypothesen, die kein Gleichgewicht fordern Die rezente grofsraumige Verteilung der Artenvielfalt muss sich aber nicht im Gleichgewicht befinden. Die Eiszeiten hatten besonders in Regionen hoherer geographischer Breite einen tiefgreifenden Einfluss auf die Fauna und Flora, und viele Arten starben wahrend der Eiszeiten aus. Damit ist die entscheidende Frage nicht, warum die Tropen artenreich, sondern warum die hoheren Breiten artenarm sind . Da die Beziehung zwischen Artenreichtum und Breitengrad jedoch auch fur friihere erdgeschichtliche Epochen nachgewiesen werden konnte, konnen Warm- und Kaltzeiten keine allgemeine Erklarung fur die Abnahme des Artenreichtums mit dem Breitengrad bieten, obwohl Klimaschwankungen den Gradienten sicherlich modifiziert haben.
Geographische Randbedingungen Vor kurzem wurde eine einfache Hypothese fur die Beziehung zwischen Artenzahl und Breitengrad vorgeschlagen, die nur davon ausgeht, dass geographische Notwen-
4.6 Biogeographie
digkeiten die Beziehung bedingen (Colwell und Lees 2000). Urn dies zu verstehen, betrachten wir zur Vereinfachung einen eindimensionalen Kontinent. Areale sind dann naturlich auch eindimensional und konnen beliebig entlang des Kontinents liegen. Es gibt grofse und kleine Areale. Tragen wir nun die Arealmittelpunkte gegen die GroBe der Areale auf, dann mussen aile Punkte im Dreieck von Abbildung 4.27a liegen: Der Mittelpunkt eines Areals, das den ganzen Kontinent einnimmt, muss zwangslaufig auch im Mittelpunkt des Kontinents liegen (Spitze des Dreiecks) . Ie kleiner ein Areal ist, umso mehr Moglichkeiten fur die Lageeines Areals ergeben sich. Legt man nun per Zufall Areale unterschiedlicher GroBe in das Dreieck von Abbildung 4.27a und bestimmt fur verschiedene Positionen entlang des Kontinents die Artenzahl ( ~ Abb. 4.27b), so finden sich die meisten Arten in der Mitte des Kontinents ( ~ Abb. 4.27 c). Da bei vielen Kontinenten der Aquator ungefahr in der Mitte liegt, konnte sich die Artenvielfalt der Tropen rein aus den geographischen Randbedingungen ergeben (Effekt des mittleren Bereichs, mid domain effect). Bisher waren unsere Uberlegungen eindimensional. Man beachte, dass dieser Effekt des mittleren Bereichs isotrop ist, also in jeder Richtung gleicherrnafsen zur Wirkung kommen sollte. Man wurde daher auch in Ost-West-Richtung erwarten, dass die meisten Arten in der Mitte der Kontinente vorkommen, was nicht immer der Fall ist. Der Effekt des mittleren Bereichs kann daher keine allgemeine Erklarung sein. Er liefert aber doch zumindest eine Moglichkeit, die Abweichung realer Muster von der Erwartung des Effekts des mittleren Bereichs zu errechnen. Dies hilft, Fragestellungen zu prazisieren ( ~ Abb. 4.27d.)
4.6.3 Biogeographische Gliederung der Erdoberflache Bei der Besprechung der Entwicklung der Artenvielfalt im Laufe der Erdgeschichte haben wir festgestellt, dass historische und dam it singulare Ereignisse auf die Entwicklung des Lebens erheblichen Einfluss hatten. Solche historischen Prozesse haben dazu gefuhrt, dass Taxa sowohl auf dem Land als auch im Meer ungleich verteilt sind. Die Sichtung dieser Verteilung, insbesondere bei hoheren Taxa (Gattungen, Familien, Ordnungen), zeigt, dass manche dieser Gruppen nur in gewissen Gebieten der Erde vorkommen (endemische Taxa). Taxa, die auf grofsere Gebiete beschrankt sind, charakterisieren biogeographische Einheiten, auf grofser Skala nennt man diese Einheiten Floren- bzw. Faunenreiche. Die Unterscheidung von F1oren- bzw. Faunenreichen wurde schon von den fruhen Biogeographen vorgenommen. Folgende Reiche werden heute unterschieden: (l) Holarktis, (2) Neotropis, (3) Palaotropis, (4) Australis und (5) Archinotis (Antarktis) ( ~Abb. 4.28). Dazu gibt es grofsraumige Ubergangszonen mit hoher Eigenstandigkeit (Mittelamerika: Ubergang Holarktis-Neotropis; Sahara: Ubergang Holarktis-Palaotropis), Diese Grundgliederung gilt sowohl fur die Pflan zen- als auch fur die Tierwelt. In der Pflanzengeographie wird haufig noch als sechstes Reich die Capensis unterschieden, welches das sudliche Afrika abtrennt. Dieses setzt sich auf Gattungsniveau und hier speziell durch die enorme Vielfalt der Gattung Erica und der sudlichen Proteaceae so stark von allen anderen Florenreichen ab, dass eine Eigenstandigkeit auf dem Niveau der Reiche gerechtfertigt erscheint. Aus zoologischer Sicht ist es sinnvoll , einige Reiche in Regionen zu unterteilen: die Holarktis in
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4 Lebensgemeinschaften
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Kontinent
4.27 Grafische Darstellung des Effekts des mittleren Bereichs. a) Betrachten wir einen eindimensionalen Kontinent sowie eindimensionale Areale und tragen die ArealgroBe gegen ihre lage (Mittelpunkt des Areals) entlang des Kontinents (geographisches Gebiet) auf, dann mOssen aile Areale im eingezeichneten Dreieck liegen . Der Mittelpunkt eines Areals der GroBe 1 (Areal so groB wie Kontinent) muss zwangslaufig bei 0,5 liegen. Der Mittelpunkt kleiner Areale kann dagegen nahezu beliebig entlang des Kontinents zu Iiegen kommen. Die Punkte in der Abbildung sind Areale, die zufallig gezogen wurden, wobei die Wahrscheinlichkeit fOr eine Ziehung unabhangig von der ArealgroBe war. b) Der Artenreichtum an einem Punkt x kann nun dadurch bestimmt werden, dass man aile Areal auszahlt, die x zumindest berOhren. Dazu wurde die ArealgroBe parallel zur Abszisse eingetragen (zur Obersichtlichkeit nur fOr einen Tei! der Areale von (a). c) Bestimmt man so den Artenreichtum fur verschiedene Positionen entlang des Kontinents, ergibt sich ein Maximum des Artenreichtums fur den Mittelpunkt des Kontinents. d) Vergleich des Artenreichtums der Flederrnause in Amerika (Symbole) mit der Erwartung aus dem Effekt des mittleren Bereichs (Kurve). Beachte die gute Obereinstimmung aber auch die Abweichungen: In den Tropen gibt es mehr Fledermausarten als erwartet, wohingegen in hoheren Breiten die Artenzahl geringer als erwartet ist. Nach Colwell und Lees (2000); Daten fOr (d) aus Willig und lyons (1998).
die Nearktis (Nordamerika) und Palaarktis (Eurasien, mit Korea, Japan, Kanarischen Inseln, Nordafrika), die Palaotropis in die Athiopis (Afrika sudlich der Sahara), Madegassis (Madagaskar) und Orientalis (Indien, Hinterindien und Teile des indomalayischen Archipels), die Australis in die australische (Australien), die ozeanische, die neuseelandische und die hawaiianische Region (Muller 1981).
4.6 Biogeographie
Antarktis
4.28 Die biogeographischen Reiche der Erde. Blau einqefarbte Gebiete sind als breite Obergangsgebiete zu verstehen. Aus MOiler (1981).
Die Ausdifferenzierung der biogeographischen Einheiten reicht weit in die erdgeschichtliche Vergangenheit zuruck, Gattungen sind zwangslaufig alter als Arten und Familien alter als Gattungen. Daher gilt: [e hoher das taxonomische Niveau ist, mit dem die Abgrenzung der biogeographischen Einheiten erfolgt, umso weiter in der Erdgeschichte rnussen die verantwortlichen Ereignisse zuruckliegen. Reiche und Regionen sind durch Familien und sogar Ordnungen charakterisiert und sind daher eine Blaupause der Kontinentalverschiebung ( ~Abb. 4.24). Feinere Untergliederungen gehen auf Arten und Unterarten zuruck und sind dam it das Produkt von Klimaschwankungen wahrend des Pleistozan und danach. Vor etwa 2,4 Millionen Iahren wuchsen die Eiskappen der Pole derart an, dass sie bis in die gernafsigten Breiten vordrangen. Man bezeichnet den folgenden erdgeschichtlichen Zeitraum gemeinhin als Eiszeit, obwohl das Klima nicht immer dem, was wir uns als Eiszeit vorstellen, entsprach. Vielmehr wechselten sich Kalt- und Warmzeiten ab, die von periodischen Veranderungen in der Umlaufbahn der Erde urn die Sonne abhangen (MilankovitchZyklen). Die letzte Vereisungsperiode begann vor etwa 130000 Iahren . Vor 16000 Iahren setzte dann wieder eine Erwarrnung ein, die zu unserem jetzigen Klima gefuhrt hat. Die Eiszeiten veranderten die raurnliche Anordnung der Klimazonen und damit die Umweltbedingungen. Organismen hatten dam it zwei Optionen. Arten konnten entweder der Umorganisation der Klimazonen folgen oder mussten sich den neuen Gegebenheiten anpassen. Andernfalls war eine Reduktion der Arealgrofse una usweichlich, was letztlich bis zum Aussterben fuhren konnte. Durch die fruhe Trennung Eurasiens und Nordamerikas von der Pangaa wurde die bereits existente laurasische Flora und Fauna weiter ausdifferenziert. Sie charakterisiert das holarktische Reich. Typische Familien mit Entfaltungsschwerpunkt in der Holarktis sind unter den Geholzen die Ahorne (Aceraceae), Birken- (Betulaceae) und
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4 lebensgemeinschaften
Weidengewachse (Salicaceae), unter den Krautigen die Nelken- und HahnenfuBgewachse (Caryophyllaceae, Ranunculaceae), Kreuz- und Doldenbliitler (Brassicaceae, Apiaceae), unter den Tieren die Hechte (Esocidae), Felchen (Coregonidae), Alke (Alcidae), Maulwiirfe (Talpidae) und Biber (Castoridae). Die Eiszeiten hatten zur Folge, dass die Riickzugsroute fur einige Arten vor allem durch die von West nach Ost verlaufenden Alpen sowie das Mittelmeer abgeschnitten wurden und so eine Reihe typisch laurasischer Arten aus Europa verschwand . Ein solches Beispiel sind Magnolien (Magnoliac eae), welche heute auf Ostasien und die ostlichen Vereinigten Staaten beschrankt, aber fossil fur Mitteleuropa nachgewiesen sind. Arten , die die Alpen tiberwinden konnten, iiberdauerten die Kaltzeiten in Refugialgebieten, die im Fall von Europa auf der Iberischen Halbinsel, in Italien und auf dem Balkan lagen. In diesen Refugialgebieten kam es zu evolutiven Veranderungen der dart isolierten Populationen. Mit der Erwarmung setzte dann eine Riickwanderung aus den Refugialgebieten ein. Die Antwort auf die Frage, aus welchen Refugialgebieten die jetzigen mitteleuropaischen Arten kamen, lasst sich tiber genetische Unterschiede ableiten (z. B. Sequenzunterschiede auf dem mitochondrialen Genom; Hewitt 1999). Dabei zeigt sich, dass Arten in drei Gruppen gegliedert werden konnen: • Arten, die aus allen drei Regionen mit Refugialgebieten nach Mitteleuropa zuriickwanderten (z, B. die beiden Igelarten Erinaceus europaeus und E. concolor). • Arten, die Mitteleuropa aus den westlichen und ostlichen Refugialgebieten zuriickeroberten (z, B. Braunbar Ursus arctos, Waldspitzmaus Sorex araneus). • Arten , die vor allem aus den Refugialgebieten auf dem Balkan nach Mitteleuropa kamen (z. B. Gemeiner Grashupfer Chorthippus parallelus; Kammmolch Triturus
cristatus).
Ie nach Art wurden unterschiedliche Kombinationen von potenziellen Ruckwanderungswegen genutzt. Das Aufeinandertreffen der Populationen aus unterschiedlichen Refugialgebieten mit unterschiedlichem Genom fuhrt in Mitteleuropa zu Hybridzonen . Diese Hybridzonen bzw. die Populationen mit unterschiedlicher Herkunft sind manchmal schon aufgrund morphologischer Merkmale unterscheidbar, bzw. werden als eigenstandige Arten anerkannt. Die weiteren Reiche sind samtlich Derivate der Flora und Fauna von Gondwana. Afrika, Sudamerika, Australien , Antarktis sind Bruckstiicke dieses Siidkontinents ( ~Abb. 4.24), auf denen durch die Isolation ein Differenzierungsschub einsetzte. Fur die tropischen Reiche beweisen 59 pantropische Familien und 334 Gattungen an Blutenpflanzen sowie auffallige, geteilte Areale zwischen Siidamerika und Siidostasien (Disjunktionen) die friihere Existenz von Gondwana. Ahnliches gilt fur die warmtemperaten Gebiete des Siidens und der Antarktis mit ihren Siidbuchen (Nothofagus), Proteaceae und bei den Tieren mit den Pinguinen. Die Eiszeiten bewirkten auf dem afrikanischen Kontinent grofse Trockenheit. Regenwalder iiberlebten nur in einigen Refugien, was in Afrika zu einer Verarmung der Regenwaldflora und -fauna fuhrte, In ganz Afrika kommen daher Z. B. nur 50 Palmenarten in 15 Gattungen vor. Dies ist in etwa genauso viel wie auf der kleinen Insel Singapur. Grundsatzlich ist festzuhalten, dass heute viele Arten als Ergebnis historischer Ereignisse nebeneinander existieren. Historische Ereignisse erklaren auch Anomalien
4.6 Biogeographie
213
von grundlegenden Mustern. So nimmt z. B. die Artenzahl der Gattung Salix mit dem Breitengrad zu, was daran liegt, dass sich Salix auf der Nordhalbkugel differenziert hat. Ahnliches gilt fur die Hummelgattung Bombus. Das Entstehungszentrum dieser Gattungen liegt daher auBerhalb der Tropen . Diese historisch bedingten Faunen und Floren stellen den Artenpool fur die lokalen Artengemeinschaften ( ~Abb. 4.10). Die rezenten Lebensgemeinschaften in einer Region sind dam it nicht nur das Produkt von Ereignissen in und urn diese Lebensgemeinschaften, sondern auch das Produkt der verfugbaren Arten und damit der jungeren und ferneren Vergangenheit. Es ist daher nicht nur die Frage zu stellen, wie sich die Lebensgemeinschaften in ihrer Beziehung heute prasentieren, sondern wie es dazu gekommen ist, dass sie so und nicht anders sind . Ohne eine historische Betrachtung kann man Artengemeinschaften nicht verstehen.
7
•
Fragen
1. Wahrend eine r Sa ison wu rden in zwei Gebieten mi t gleicher Hache folgende Arten fe stgestellt: 1m Gebiet A 10, 30, 5 und 50 Individuen der Arten 1,2,3 und 4, im Gebiet B 50, 80, 50 und 1 000 Individuen der gleiche n Arten 1, 2, 3 und 4. 1st die Diversitat der beiden Gebiete unterschiedlich? Erlauben diese Dat en Aussagen zur Eigenschaft der Arten? Hinweis: Erinnern Sie sich an die in Kapitel 2 erwahnte Beziehung zwi schen Dichte und Korperg roBe. 2. Skizzieren Sie in Diagrammen die Beziehung zwischen Artenzah l und Sammelaufwand, Hache, Produkt ivit at und Struk t urreichtum. Vergleichen Sie diese Beziehungen. 3. Diskutieren Sie die Thienemann'schen "Regeln " im Hinblick auf die w ichtigsten Faktoren, die Artengemeinschaften beeinflussen. 4. Auf einer Insel mit der Hache von 10 ha wurden 20 Insektenarten fest gest ellt. Aus vorhergehenden Untersuchungen ist bekannt , dass die Arten-Flachen -Beziehung einen Exponenten von z = 0,2 hat. Wie viele Arten erwarten Sie auf einer Insel mi t 100 ha? 5. Stellen Sie die Arten -Flachen bezieh ung aus Frage 4 grafisc h dar. Vergleichen Sie dabei eine Darstellu ng, bei der x- und y-Achse logarit hmisch transformiert sind. Varii eren Sie nun in geeigneten Schr itten z von 0, 1 bis 1. Diskut ieren Sie die Ergebnisse. 6. Um welchen Faktor steigt die Artenzahl bei einer Verzehnfac hung der Hache fOr Probe f lachen in nerha lb eines Test gebiet es? 7. Sie wollen die Theor ie von MacArthur und W ilson einem Test unterziehen und mOssen dazu ein Forschungsprog ramm konz ipieren, das die natOrl iche Vari at io n der Artenvielfalt nutzt . Welche Erhebungen sind notwendig? 8. Kennen Sie Ausnahmen von der allge meinen Zunahme der Artenzahl mit dem Breit engrad? Diskutieren Sie GrOnde fOr die se A usnahmen. 9. 1m Rahmen eines Forschungsprog ramms haben Sie A rt engemeinschaften von krautigen Pflanzen in der Tundra , der Sahara und im tropischen Regenw ald erho ben . Welche Unterschiede in der Artenzahl und we lche Rang-Ab undanz-Kurven erwarten Sie?
Die Auflosungen der Fragen sind im Internet zu finden (http://www.oekologiebuch.unibe.ch) .
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Kapitel5
Okosysteme
~
lernziele
AusmaB und Bedeutung des Energieflusses Globaler Wasserhaushalt Kohlenstoffhaushalt und Treibhauseffekt stickstoffhaushalt und Eutrophierung Phosphorhaushalt Bedeutung physikalisch Gbertragener Siqnale Chemisch Gbertragene SignaIe
5.1 Energiefluss 5.1.1 Energieeinstrahlung Der iiberwiegende Teil der auf der Erde verfugbaren Energie stammt von der Sonne, wo sie durch Fusion von Wasserstoffatomen entsteht. In sehr geringem Umfang steht auch Energie aus Erdwarme zur Verfiigung, etwa durch Thermalquellen, die im Erdinneren durch radioaktiven Zerfall entstehen. Die meisten Organismen nutzen durch Photosynthese fixierte Energie, lediglich chemoautotrophe Bakterien verwenden anorganische Verbindungen. Energie wird vielfaltig umgewandelt und zum Teil tiber sehr lange Zeitraume gespeichcrt (fossile Energietrager wie Kohle und Erdol). Bei diesen Umwandlungsprozessen kommt es zu beachtlichen Verlusten. Der grofste Teil der eingestrahlten Sonnenenergie geht durch Retlexion, Abstrahlung, Verdunstung oder Konvektion zeitverzogert verloren (S. 8). Die auf der Erde vorhandene Energie bleibt aber annahernd gleich, weil die Sonneneinstrahlung die Verluste standig ausgleicht. Der erste Hauptsatz der Thermodynamik (Energieerhaltungssatz) besagt, dass die Form der Energie verschieden sein kann und dass sie sich von einer Form in eine
216
5 Okosysteme
andere uberfuhren lasst, Energie kann jedoch nicht geschaffen oder vernichtet werden. Durch die Photosynthese wird Sonnenenergie in Biomasse umgewandelt, diese kann sparer zu toter Biomasse, Humus und auch fossilen Energietragern umgewandelt werden, welche thermisch nutzbar sind. Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik (Entropiegesetz) besagt, dass eine Energieumwandlung spontan immer in Richtung eines energiearmeren Zustands erfolgt. Weil ein Teil der Energie als Warmeenergie verloren geht, kann es keine vollstandige Umwandlung geben. Die Entropie, ein MaB fur die Unordnung, nimmt hierbei zu. Das Entropiegesetz erklart also, warum der hohe Ordnungszustand biologischer Systeme ohne dauernde Energiezufuhr nicht aufrechterhalten werden kann und Organismen und Okosysteme standig Energie und Stoffe aus ihrer Umgebung aufnehmen mussen, Es sind also offene Systeme, die ihre innere Entropie zu verringern suchen und hierdurch die auBere Entropie erhohen, Von der eingestrahlten Energie werden 33 % bereits durch die Gashulle der Erde reflektiert, 67 % gelangen in die Erdatmosphare. Diese absorbiert 22 %, sodass nur 45 % die Erdoberflache erreichen. Hiervon wird ein Drittel als Warme zuruckgestrahlt, zwei Drittelleisten beispielsweise Verdunstungsarbeit (und treiben den globalen Wasserhaushalt an) oder stehen fur die Photosynthese zur Verfugung, AuBerhalb der Erdatmosphare betragt die Einstrahlung der Sonne 8,12 J cm- 2 min-I. Diesen Wert bezeichnet man als Solarkonstante; er schwankt allerdings aufgrund der unterschiedlichen Entfernung der Erde zur Sonne und in Abhangigkeit von der Sonnenaktivitat (Sonnenflecken) urn ± 2 %. Die effektiv in einem Okosystem verfugbare Sonnenenergie hangt auch vorn Einstrahlungswinkel ab, ist also uber dem Aquator mit 2,1 bis 2,4 J crrr ' min- I am hochsten und tiber den Polen mit 0,8 J cm' min- I am geringsten. Modifiziert durch Wolkendecke und Jahreszeiten ergibt sich die Globalstrahlung, welche pro Iahr im Bereich der Wendekreise tiber 800 k] cm", an den Polen unter 300 k] cm? betragt ( ~Abb. 5.l). Die spektrale Zusammensetzung der Sonnenstrahlung ist in ~ Abbildung 1.4 dargestellt. Der theoretische Wirkungsgrad der Photosynthese betragt 30 %. Aufgrund einer Reihe von Verlusten sowie jahreszeitlicher Einschrankungen werden aber lediglich 1- 2 % fur die Photosynthese genutzt (okologischer Wirkungsgrad) . Dies ist zwar wenig, die Photosynthese ist aber der einzige Prozess, der mit Licht als Energiequelle zur Synthese organischer Materie und zur Energiespeicherung fuhrt, Organismen, die sich diesen Prozess fur ihre Energiegewinnung zunutze machen, bezeichnet man als phototroph. Daneben konnen Organismen auch auf andere Weise Energie gewinnen (z, B. chemotroph). Wenn eine anorganische Kohlenstoffquelle genutzt wird, handelt es sich urn autotrophe Organismen, bei einer organischen Kohlenstoffquelle urn heterotrophe. Werden anorganische Substanzen als Elektronendonator genutzt, handelt es sich urn lithotrophe, bei organischen Substanzen urn organotrophe Organismen ( ~Tab. 3.1). Fur die ganze Erde betragt die jahrlich eingestrahlte Energiemenge 3,6 x 1024 J. Die gesamten bekannten Vorrate fossiler Energietrager liegen ebenfalls in diesem Bereich. Von der verfugbaren Energie werden jahrlich etwa 102 1 J durch die pflanzliche Photosynthese genutzt und anschlieBend durch Mikroorganismen bzw. tierische Organismen umgesetzt. Die gesamte in Phytomasse gespeicherte Energie betragt ungefahr 1022 J, also das Zehnfache einer Jahresproduktion.
5.1 Energ iefluss
5.1 Jahressumme der Globaleinstrahlung auf der ErdoberWiche (kJ cm-2) . Nach Frey und Losch (1998).
Die Men schheit benotigt mit rund 1019 J etwa ein Hundertstel der photosynthetisch erzeugten Biomas se direkt fur ihre Ernahrung. Addiert man jedoch die aus fossilen und erneuerbaren Bnergietragern verwendete Energie, so bewegt sich die durch Menschen umgesetzte Energie in der Grofsenordnung von 1020 J. In einzelnen Industriestaaten werden auch Energiedichten (Energieverbrauch pro Hache) von einigen Prozent der eingestrahlten Sonnenenergie erreicht. Der Energieum satz (Energieverbrauch pro Zeit) durch den Menschen nahert sich som it der GroBenordnung der natiirlichen Energieumsetzung. Wegen der hiermit verbundenen Nebenw irkungen ist dies okologisch bedenklich (S. 231). Organische Substanzen weisen einen unterschiedlichen Energiegehalt auf. Fette (40 kl g-l) sind mehr als doppelt so energiereich wie Proteine (16,4-17,4 k] s': und Kohlenhydrate (15,5-17,6 kl g-I). Wegen ihres hoheren Fettgehalts ist tierische Biomasse (21-25 kl g-l) meistens energiereicher als pflanzliche (16,8-21 k] g: ' ). Die meisten Tiere legen sich also Fettreserven zu, wenn sie Energie speichern wollen (Unterhautfettgewebe der Wirbeltiere, Fettkorper vieler Arthropoden) , und sie konnen keine Starke speichern ; lediglich Glykogen in geringem Umfang. Starke ist hingegen der wichtigste Energiespeicher der Pflanzen, nur in Samen wird Fett oder 01 eingelagert.
5.1.2 Produktion Die eingestrahlte Sonnenenergie wird in Abhangigkeit von der Vegetationsstruktur unterschiedlich gefiltert. So absorbiert ein Mischwald 88 % der einfallenden Strahlung , rund 10 % werden von der Vegetationsoberflache reflektiert, nur 1- 2 % errei-
217
218
5 Okosysteme
chen den Boden. Ein solcher Wald erscheint uns daher dunkel. Obwohl ein Maisfeld nur etwa 10 % der Hohe dieses Waldes erreicht, absorbiert es durch die waagerecht stehenden Blatter 86 % der Strahlung, also fast genauso viel ( ~Abb. 5.2). Koniferen nutzen ganzjahrig Sonnenlicht, Laubwalder nur im Sommerhalbjahr. Die Photosynthese in Gewassern hangt von der Wassertiefe aboDas Rot der Wellenlangen von 600700 nm ist bereits in 10m Wassertiefe zu 90 % absorbiert, die Wellenlange 500 nm (Grun) ist in 60 m Tiefe zu 90 % absorbiert. Bei weniger als 1 % Einstrahlung ist keine Photosynthese mehr moglich, dies entspricht einer Wassertiefe von 50-150 m. In einem Okosystem wird die Biomasse durch autotrophe Organismen (grtine Pflanzen: Photosynthese, Mikroorganismen: Chemosynthese) und durch heterotrophe Organismen (Tiere, Mikroorganismen) erzeugt. • Die Bruttoprimarproduktion (BPP) umfasst die gesamte photosynthetisch und chemosynthetisch erzeugte Produktion einschliefslich der (unvermeidbaren) Verluste durch die Atmung (Respiration), die meist 30-60 % der BPP betragen. • Die Nettoprimarproduktion (NPP) entspricht der BPP ohne Respirationsverluste. • Die Nettoproduktion eines Okosystems ist die NPP, welche in einem Iahr oder einer Vegetationsperiode von Konsumenten nicht verbraucht wurde, also ubrig blieb. In der Regel nutzen Konsumenten durchschnittlich 1-10 % der NPP. • Die Sekundarproduktion bezieht sich auf alle Konsumenten, welche mit nur wenigen Prozent der NPP ihre eigene Biomasse aufbauen. Wenn man die in einem mehrjahrigen Okosystem akkumulierte Biomasse meint, spricht man von der Bestandsbiomasse (standing crop), ein Vielfaches der NPP. Bei einjahrigen Okosystemen (z. B. Agrarokosystemen) sind beide GroBen identisch. Eine besondere Situation liegt bei aquatischen Okosystemen vor, in den en die Primarproduktion durch kurzlebige Algen erzeugt wird. Diese erreichen bei einer Lebensdauer von wenigen Tagen eine hohe Zahl von Generationen im Iahr, wegen des hohen Pra-
5.2 Einstrahlung in einen Mischwald (a) und ein Maisfeld (b). Die pfeile geben an, wieviel der eingestrahlten Energie in welcher Vegetationsschicht absorbiert wird und wieviel auf den Boden gelangt. R Reflexion . Nach Larcher (2001).
5.1 Energ iefluss
219
dationsdrucks jedoch nicht zwangslaufig hohe Dichten. Dieser hohe Umsatz (turnover) erklart, dass die Biomasse des Bestands in ein bis zwei Wochen produziert werden kann und dass die jahrliche Produktion ein Vielfaches eines aktuellen Bestands sein kann (5. 218). Wegen regionaler Unterschiede von Globalstrahlung, Wasser- und Nahrstoffverfugbarkeit, ist die potenzielle Primarproduktion weltweit sehr verschieden ( ~Abb. 5.3). Diese ist in den feuchten Tropen am hochsten, in den gemafsigten Zonen des Festlandes und den nahrstoffreichen Bereichen der Weltmeere mittelhoch und in den ariden Festlandern sowie weiten Teilen der Ozeane niedrig bis sehr niedrig. Bei einem solchen Vergleich muss jedoch beriicksichtigt werden, dass die Jahresproduktion eines mitteleuropaischen Waldes in etwa sechs Monaten erbracht wird, die eines Tropenwaldes in bis zu zwolf Monaten. Wahrend uns die geringe Produktivitat der terrestrischen Wiisten aufgrund des Wassermangels einsichtig erscheint, erstaunt die geringere Produktion der Weltmeere. Da Photosynthese nur oberflachennah stattfindet und Nahrstoffe schnell in
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5.3 Jahrliche Nettoprimarproduktion von organischer Substanz (gemessen als 9 m-Z) in den Weltmeeren und auf dem Festland. Nach Berlekamp et al. (2001) (http://www.usf.uni-osnabrueck.de/-hlieth).
220
5 Okosysteme
grofsere Tiefen sedimentieren, erklart sich die geringe Produktivitat durch Nahrstoffbzw. Lichtmangel. Nur in Bereichen von Auftriebsstromungen, die z. B. vor den Westkusten Sudarnerikas (Humboldtstrom) und Sudafrikas (Benguelastrom) fur eine Nahrstoffverlagerung an die Oberflache sorgen, oder in flachen Meeresteilen wird mehr Biomasse produziert (S. 237). Bezogen auf die Produktion entsprechen die meisten Bereiche der Weltmeere daher terrestrischen Wu sten.
5.1.3 Nahrungskette und Nahrungsnetz Wie aus den Hauptsatzen der Thermodynamik hervorgeht, setzen Organismen die zugefuhrte Energie mit Verlust urn. Pflanzen nutzen nur einen Teil der verfugbaren Strahlung, Herbivoren fressen nur einen Teilder pflanzlichen Primarproduktion, und Rauber oder Parasiten nutzen nur einen Teilihrer Beute- oder Wirtspopulation. Energetisch betrachtet heiBt dies, dass die Produktion (P) der vorherigen trophischen Ebene durch die nachfolgende trophische Ebene nur zu einem Teil assimiliert wird. Aus Sicht der hoheren trophischen Ebene besteht die vorherige trophische Ebene also aus einem nicht genutzten Teil (N) und einem aufgenommenen Teil (1) (input) ( ~Abb. 5.4). Fur den jeweiligen Organismus unverdauliche Nahrungspartikel werden als Faeces (F) ausgeschieden, worunter meist Kot und Urin zusammengefasst werden. Die aufgenommene Nahrung wird, unter Berucksichtigung der ausgeschiedenen Faeces (I - F), als assimilierter Nahrungsteil (A) bezeichnet. Ein grofser Teilvon A ist die Respiration (R), der unvermeidbare Teil jeglicher Aktivitat fur Stoffwechsel, Bewegung usw. Die eigentliche Produktion (P) des betreffenden Organismus kann unterteilt werden in energetische Aufwendungen fur das eigene Korperwachstum, fur Teile des Korpers, die ausgeschieden oder abgestofsen werden (Haare , Federn, Geweihe, Exuvien, Nektar, Blatter, Rinde) und fur die Reproduktion (etwa Samen/Pollen, Eizellen bzw. Investition in Speicherstoffe oder fur Embryonen). P ist der Teilvon A, der an die nachste trophische Ebene als potenziell nutzbar weitergereicht wird ( ~ Abb. 5.4).
1
t
~,
trophische Ebene 2
3
5.4 Schema des Energieflussdiagramms fur einen Organismus (hier als Black Box gezeichnet) mit der Biomasse 82 und eine trophische Ebene. A Assimilation, 8 Biomasse, I Input, F Faeces, N Nichtgenutzter Anteil, P Produktion, R Respiration . Die Ziffern 1 bis 3 entsprechen den trophischen Ebenen.
5.1 Energiefluss
Naeh dem Tod des Organismus steht P zusammen mit F den Destruenten zur Verfugung. Somit ergibt sieh:
A=I-F=R+P
(5.1)
In einem Okosystem sind versehiedene trophisehe Ebenen (Primarproduzenten, Herbivoren, Carnivoren usw.) (S. 108) naeh dem oben besehriebenen System hintereinander gesehaltet (Nahrungskette). In der Nahrungskette nimmt die Summe der Respirationsverluste kontinuierlieh zu und geht dem System verloren. Der Energiehaushalt ist also offen, d. h. es muss immer neue Energie von aufsen zugefuhrt werden. Die Summe der nieht genutzten Anteile bzw. der Exkrete nimmt ebenfall s kontinuierlieh zu, steht aber noeh den Destruenten zur Verfugung. Dureh den Abbau und die Remineralisation stehen den pflanzliehen Primarproduzenten somit wieder anorganisehe Substanzen zur Verfugung, sodass der Stoffkreislauf gesehlossen ist. Dies kann innerhalb eines Okosystems erfolgen , aber aueh im Verbund mehrerer Okosysteme (.- Abb. 5.5). 1m Allgemeinen werden zwei Grundtypen von Nahrungsketten untersehieden: Herbivoren- bzw. FraBnahrungsketten und Destruenten- bzw. Detritusnahrungsketten . Herbivorennahrungsketten beginnen bei griinen Pflanzen (Produzenten) und gehen von Herbivoren zu deren Raubern (Konsumenten). Destruentennahrungsketten fuhren von Detritus (toter organiseher Substanz) zu Mikroorganismen und anderen Destruenten sowie deren Raubern, haben also keine eigenen Produzenten. In vielen Bachen gibt es kaum pflanzliehe Primarproduktion und organisehe Substanz wird uber das Einzugsgebiet eingetragen. Zudem wird tote organisehe Substanz in die Tiefsee verfrachtet, dureh Fliefsgewasser in Hohlen oder dureh den Wind in niedersehlagsfreie Wusten, wo sieh dureh diese alloehthone organisehe Substanz eine Nahrungskette aufbaut. Beide Typen von Nahrungsketten sind miteinander verb un den, da aIle Bestandteile der Herbivorennahrungskette als tote organisehe Substanz der Detritusnahrungskette ebenfalls zur Verfugung stehen. In der Realitat fuhrt eine soleh enge Verzahnung der Nahrungsketten dazu, dass sie eher als Nahrungsnetze vorliegen, zumal sieh viele Organismen von mehreren trophisehen Ebenen ernahren (S. 159). Die insgesamt eher geringe Zahl trophiseher Ebenen zeigt, dass Nahrungsketten in der Natur meist kurz sind und die Zahl der Vernetzungspunkte in einem Nahrungsnetz begrenzt ist. Dies hat vor allem energetisehe Grunde, da mit zunehmender Kettenlange die Effizienz des Energietransfers sinkt.
5.1.4 Okologische Effizienz und KorpergroBe Bei jedem Ubergang von einer trophisehen Ebene zur nachsten wird die verfugbare Nahrung nur zu einem kleinen Teil genutzt. Naeh einer Faustregel werden durehsehnittlieh 10 % der verfugbaren Energie an die naehfolgende trophisehe Ebene weitergegeben (Effizienz der Nahrungskette) . Wenn drei trophisehe Ebenen vorhanden sind , betragt die Gesamtnutzung bestenfalls einige Promille.
221
222
5 Okosysterne
Sonnenlicht
Photosynthese
Atmung
1-
Prlrnarproduzenten
NPP
Eintrag von organischer Substanz
1
1 Warme
Speicherung vo n to tem o rganischem Material
Gemeinschaft
~
Export
5.5 Energieflussdiagramm eines bkosystems. Warmeverlust durch die Photosynthese (BPP, Bruttoprimarproduktion) und Atmungsverlust bei der Prirnarproduktion (NPP, Nettoprirnarproduktion), Verminderung der verfOgbaren Produktion Ober die trophischen Ebenen von Herbivoren, Carnivoren, Spitzencarnivoren, Akkumulation der organischen Abfalle bei den Destruenten, Akkumulation der Atmungsverluste (R, Respiration). Nach Odum (1999).
Urn die okologische Effizienz analysieren zu konnen, bieten sich nach Abbildung 5.4 folgende Berechnungen an: Die Konsumptionseffizienz K (auch Nutzungseffizienz) misst den Anteil der Nahrung 12 , der von einem Organismus aus dem Angebot der vorherigen trophischen Stufe PI tatsachlich genutzt wird: (5.2)
5.1 Energiefluss
In Graslandokosystemen fressen Herbivoren etwa 25 % der pflanzlichen Biomasse. In Waldokosystemen mit einem hohen Holzanteil sinkt dieser Anteil auf 1-5 %. Sinkt die Dichte der Tiere, sinkt auch ihre Effizienz . Die Effizienz von Zooplankton beim Fressen von Phytoplankton kann bei 50 % liegen. Pradatoren haben je nach Rauberoder Beuteart eine niedrige Effizienz . Die Assimilationseffizienz A (auch Verdaulichkeitsindex) ist der prozentuale Anteil der von einem Konsumenten aufgenommenen Nahrung I z, der fur Produktion und Respiration Az zur Verfugung steht, wahrend der Rest der aufgenommenen Nahrung als Kot und Urin ausgeschieden wird. (5.3) Organismen, die ihre Nahrung extern verdauen und dann vollstandig aufnehmen wie viele Bakterien und Pilze, kommen zu einer Assimilationseffizienz von fast 100 %. Ahnlich gut aufzunehmen ist die tierische Nahrung vieler Carnivoren, die Werte urn 80 % aufweisen konnen. Pflanzenmaterial ist in der Regel schwer verdaulich, sodass Herbivore niedrige Werte zwischen 15 und 70 % aufweisen (bei Holz 15 %, Blattnahrung urn 50 %, Samen und Fruchte bis 70 %). Die Assimilationseffizienz von Detritivoren liegt zwischen 20 und 40 %. Die Produktionseffizienz P misst, nach Abzug der Verluste fur Kot und Urin, den Anteil der aufgenommenen Nahrung Az, der in neue Biomasse Pz investiert wird.
(5.4) Eine hohe Produktionseffizienz liegt vor, wenn die Atmungsverluste gering sind und hohe Energieanteile in Korperwachstum bzw. Reproduktion eingesetzt werden. Die Produktionseffizienz liegt fur Insekten (ohne soziale Arten) zwischen 40 und 60 % (Herbivoren urn 40 %, Detritophagen urn 50 %, Carnivoren bis 60 %). Unter den sozialen Insekten investieren Bienen einen groBen Teil ihrer Energie in die Temperaturregelung ihres Stocks, sodass die Produktionseffizienz mit 10 % sehr niedrig ist, Andere Invertebraten weisen Werte auf, die generell unter denen der Insekten liegen (Herbivoren urn 20 %, Carnivoren bis 30 %, Detritophagen bis 40 %) . In einzelnen taxonomischen Gruppen kann es betrachtliche Abweichungen von diesen Werten geben. Ektotherme Wirbeltiere weisen eine niedrigere Produktionseffizienz auf (Fische urn 10 %), die nur bei endothermen Wirbeltieren noch niedriger ist, da der grolste Teil der aufgenommenen Encrgie zur Erhaltung der Korpertemperatur benotigt wird (Saugetiere 2-3 %). Wenn diese Tiere klein sind, d. h. die Oberflache im Vergleich zum Korpervolumen groB ist, ergeben sich hohe Abstrahlungsverluste und eine extrem niedrige Produktionseffizienz (kleine Saugetiere 1,5 % , Vogel 1,3 %, Insektivoren 0,9 %) (S. 224) . Das Schema in Abbildung 5.5 zeigt die allgemeine Struktur eines Okosystems. Fur ein konkretes Okosystem kann es jedoch hiervon Abweichungen geben. Wie auf Seite 218 erklart wird, ist die Biomasse der Primarproduzenten in marinen Okosystemen relativ klein und die Biomasse der Konsumenten (herbivores Zooplankton, Pradatoren) groB. Der Herbivorennahrungskette und der Destruentennahrungskette kommt also den Energiefluss betreffend die grofste Bedeutung zu, und der wichtigste
223
224
5 Okosysterne
Stoffspeicher befindet sich auf dem Boden und im Sediment. Wei! in limnische Okosysteme viel totes organisches Material aus dem angrenzenden terrestrischen Bereich eingetragen wird, weist die Detritusnahrungskette dort den hochsten Energiefluss auf. Waldokosysteme haben eine hohe Primarproduktion, jedoch eine wenig ausgepragte Herbivorennahrungskette. Auf dem Boden sam melt sich totes organisches Material an und die Detritusnahrungskette nimmt eine zentrale Stellung ein. Im Unterschied hierzu nutzen Herbivoren in Graslandern einen deutlich hoheren Anteil der pflanzlichen Primarproduktion. In beiden Systemen hat die lebende Biomasse jedoch eine grofse Bedeutung als Stoffspeicher. Von reinen Destruentennahrungsketten abgesehen, fliefst der grofste Anteil der Energie in einem Okosystem also von der pflanzlichen Primarproduktion (bzw. durch allochthon, d. h. von au Ben eingetragenes organisches Material) in das Destruentensystem. Mikroorganismen, detritivoren Tieren und deren Raubern kommt daher eine grofsere Bedeutung zu als den Herbivoren. Die GroBe eines Organismus hat beachtliche Auswirkungen auf seinen Energiehaushalt. Kleine Tiere benotigen zwar weniger Energie als grofse,da sie aber pro Volumen eine relativ grofsere Oberflache aufweisen, ist ihr relativer Energiebedarf groBer. Aus dieser Uberlegung heraus konnen Tiere erst ab einem bestimmten Energieumsatz und einer bestimmten Korpergrofse homoiotherm sein. Dies ist bei Saugetieren und Vogeln gegeben, auch bei einigen Fischen mit hoher Stoffwechselintensitat (Thunfische) bzw. bei sehr grofsen Reptilien (Sauriern). Wirbellose konnen hingegen nur poikilotherm sein. Zwischen Energieumsatz oder Stoffwechselrate und Korpergrofse besteht eine allgemeine Beziehung : Stoffwechselrate (Ruhe) = Bo x Korpergewicht 0,75
(5.5)
Hierbei ist Bo ein art- oder gruppenspezifischer Faktor. Diese Beziehung wurde 1932 durch Kleiber fur Vogel und Saugetiere entdeckt und 1960 durch Hemmingsen auf Einzeller, Poikilotherme und Homoiotherme erweitert. Gillooly et al. (2001) und West et al. (2002) formulierten schliefslich die "drei-Viertel-Potenz" des Korpergewichts als allgemeine Gesetzmafsigkeit des aeroben Energiestoffwechsels von Lebewesen. Diese bezieht sich nicht nur auf Organismen, sondern auch auf isolierte Zellen, Mitochondrien und Enzymkomplexe (~ Abb. 5.6) und erstreckt sich tiber eine bemerkenswerte Skala von rund 25 logarithmischen Einheiten. Fur Saugetiere und Vogel bedeutet die aufSeite 223 beschriebene Produktionseffizienz, dass ihre minimale Korpergrofse aus energetischen Grunden nicht unter die einer Spitzmaus oder eines Zaunkonigs fallen kann. Diese Tiere mussen immer Nahrung suchen und die kleinsten Saugetiere haben selten Ruheperioden von mehr als zwei Stun den . Nahrungsketten setzen immer bestimmte GroBenrelationen voraus. Wenn in einem Gewasser kleine, in einem anderen nur grofse Planktonalgen vorkommen, werden die Rauber im ersten Fall kleine Zooplankter, dann grofse Zooplankter und schlielslich Fische sein, im zweiten Fall direkt groBere Zooplankter oder sogar kleine Fische. Die Nahrungskette kann also im zweiten Fall urn ein Segment kurzer sein. Da
5.2 5tofffluss
~ ~ s ... 10
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s: u
.s 10 ~
- 10
s...
E
10-
20
- f - - - - . - - -- - . - - - - - . - - -- - - . - - - - - , - - -- - ,
10- 20
10- 10
10- 5
10
10
Kiirpergewichl (g)
5.6 Stoffwechselrate von Enzyrnen, Mitochondrien, Zel/en, Einzel/ern, Poikilotherrnen (jeweils auf 20 O( korrigiert) und Hornoiotherrnen (bei 39°C) in Abhanqiqkeit vorn Korpergewicht. Nach Gil/ooly et al. (2001) und West et al. (2002).
die Nahrungsketteneffizienz bei durchschnittlich 10 % liegt, kann dies eine urn den Faktor 10 hohere Fischproduktion bedeuten. Die hier beschriebene energetische Basis der Grofsenverteilung von Organismen fuhrt letztlich dazu, dass kleine Arten bedeutend haufiger sind als groBe. Dies wurde fur Landarthropoden verschiedener Lebensraume (Nentwig 1982), fur Saugetiere (Carbone und Gittleman 2002) sowie fur Meeresplankton und Landpflanzen (Belgrano et al. 2002) gezeigt. Dieser Zusammenhang lasst sich nutzen, urn Populationsdichten, Individuenhaufigkeiten oder Artenzahlen abzuschatzen (May 1990).
5.2 Stofffluss Ie nach Element erfolgt der Ein- oder Austrag in bzw. aus einem Okosystem auf verschiedene Weise. Die Zufuhr geschieht oftmals durch die Luft (etwa bei Kohlenstoff und Stickstoff), mit Pliefsgewassernoder durch Verwitterung des Gesteins (typischerweise bei Calcium, Eisen, Magnesium, Phosphor und Kalium). Wichtige Speicher sind Boden und Sediment, vor allern in Gewassern, und die Waldvegetation. Da viele Substanzen wenig mobil sind bzw.langfristig absorbiert werden, konnen Elemente fur grofse Zeitraume lokal oder regional gespeichert werden. Der Austrag erfolgt dann meist mit Pliefsgewassern und gelangt letztlich ins Meer. Fur ein Okosystem ist die Stoffbilanz oftmals nicht ausgeglichen (Likens et aI. 1977, Ellenberg et aI. 1986), denn
225
226
5 Okosysteme
der Abbau organischer Substanz kann temperaturbedingt verlangsamt sein, sodass Tundragebiete eher zur Akkumulation neigen . Erosionsprozesse, Wind und Feuer fuhren hingegen zu Bilanzverlusten, da sie groBe Mengen von Nahrstoffen tiber weite Oistanzen transportieren (Grier 1975).
5.2.1 Wasser Oer Wasservorrat der Erde umfasst 1400 Millionen krn" freies, also verfugbares Wasser, das zu 97 % als Meerwasser vorliegt. Oas Sufswasser ist als Eis und Schnee (74,9 %) oder im Grundwasser (24,5 %) festgelegt, lediglich 0,6 % in Seen, Flussen, in der Atmosphare und in Organismen ( ~Abb. 5.7). Durch Sonnenenergie angetrieben, verdunstet jahrlich eine halbe Million krrr' Wasser und regnet wieder auf die Erde. Der globale Wasserkreisiauf ist ein wichtiger Bestandteil unseres Klimageschehens und der Motor unserer Fliefsgewasser, Da ein Orittel des Landniederschlags von verdunstendem Meerwasser stammt, verbindet der globale Wasserkreislauf marine und terrestrische Okosysteme. Fur terrestrische Lebensraume steht also mehr Wasser zur Verfugung als uber dem Land verdunstet. Oer globale Wasserkreislauf wird durch Niederschlag, Infiltration, Oberflachenabfluss, Evaporation und Kondensation gesteuert. Vor allern Pflanzen tragen tiber aktive Wasseraufnahme, -speicherung und -abgabe in die Atmo sphare (Transpiration) zum Wasserhaushalt bei (S. 17). Niederschlage und Temperaturen sind weltweit verschieden , sodass unterschiedlich viel Wasser verdunstet. Entscheidend fur das Klima ist jedoch weniger die absolute Hohe der Niederschlage, sondern das Verhaltnis zwischen Niederschlag und Verdunstung. In einem humiden Klima ist der Jahresniederschlag hoher als die jahrliche Verdunstung, in einem extrem humiden (perhumiden) Klima sogar doppelt so hoch.
0,04
~
~ ~ ~ luftfeuchtigkeil ~ EiS
...
0,04
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t lthosphare
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~
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~
Grundwas ser
Niederschlag
...........
5.7 Links: Der globale Wasserkreislauf. Angaben in Millionen km 3, pfeile beziehen sich auf den Jahresfluss, Kasten auf die GroBe des Speichers. Nach Berner und Berner (1987). Rechts: Schematische Darstellung der einzelnen Parameter des Wasserkreislaufs in einem Okosystem.
5.2 Stofffluss
U < 250 mm
250 -500 mm
.
500 - 1000 mm
.
1000 - 2000 mm
227
• > 2000 mm Niederschlag
5.8 Globale Verteilung der Niederschlaqe (Jahressumme). Nach Walter und Breckle (1999).
Dies trifft auf etwa 3 % der terrestrischen Oberflache zu, vor allem aquatornahe Bereiche im tropischen Regenwald und einige kustennahe Zonen. Ubertrifft die Verdunstung den Niederschlag, ist das Klima arid, ist die Verdunstung doppelt so hoch wie der Niederschlag, ist das Klima extrem arid . Dies trifft auf etwa 12 % der terrestrischen Oberflache zu, die vor allern im Bereich der Wendekreise und im Regenschatten hoher Gebirgszuge liegen, d. h. hier befinden sich die groBen Wustengebiete der Erde ( ~Abb. 5.8). Neben der Hohe des Niederschlags ist auch seine Verteilung wichtig, denn fast uberall gibt es mehr oder weniger ausgepragte Regen- und Trockenzeiten. Ie Hingerdie niederschlagsfreie Zeit ist, desto starkere Anpassungen sind bei Pflanzen und Tieren erforderlich. In den Tropen und Subtropen sind daher Regen- und Trockenzeiten Zeitgeber fur die Jahreszeiten genauso wie Temperatur und Licht in der gemafsigten Zone. Bei Iahresniederschlagen unter 250 mm im Iahr kann sich nur eine wustenoder halbwustenartige Vegetation entwickeln. Bei Niederschlagen bis 750 mm wachst Grasland, Savanne oder offenes Waldland, bei Niederschlagen bis 1 250 mm entstehen trockene oder laubabwerfende Walder, ab 1250 mm nasse Walder (S. 246). Primarund Sekundarproduktion sind also mit der Niederschlagsmenge positiv korreliert (Smith und Smith 1999).
228
5 Okosysteme
Von den 110000 krrr' Niederschlag auf dem Festland verdunstet zwei Drittel sofort, viel fliefst oberflachlich ab oder fallt fern von menschlichen Siedlungen, sodass nur 9000 krrr' durch den Menschen genutzt werden konnen ( ~Abb. 5.7). Da es viele Regionen mit Wassermangel gibt, ist der Nutzungsdruck durch den Menschen hoch und es gibt entsprechend viele okologisch bedenkliche Auswirkungen des anthropogenen Eingriffs in den Wasserhaushalt (Nentwig 2005). Diese haben regional durchaus gegenlaufigen Charakter: Grofsflachige Rodungen von Tropenwaldern fuhren wegen des Vegetationsverlustes zu weniger Evapotranspiration, also zu verringerten Niederschlagen. Da gleichzeitig auch die Ruckstrahlkraft der Erdoberflache (Albedo, S. 9) grofser wird, nimmt durch die verstarkte Oberflachenaufheizung die Austrocknung weiter zu. In anderen Regionen werden Flusse begradigt und Feuchtgebiete entwassert, sodass es zu beschleunigtem Wasserabfluss kommt, aber auch zu erhohter Hochwassergefahrdung dicht besiedelter Kulturlandschaften. Die anthropogene globale Klimaveranderung (S. 232) fuhrt wegen des Abschmelzens von Gletschereis und polaren Eiskappen zur Ausdehnung des Wasserkorpers (Anstieg des Meeresspiegels), zu einer erhohten Verdunstungs- und Niederschlagsrate und in Verbindung mit Landnutzungsanderungen zu einem beschleunigten Wasserabfluss. Global wird sich der Wasserhaushalt also deutlich andern, wobei dies regional sowohl Zu- als auch Abnahme bedeuten kann. Ubermassige Grundwasserentnahme fuhrt zu einem Absinken des Grundwasserspiegels urn viele Meter und zu Landsenkungen, wie in Regionen Indiens, Chinas, Mexikos oder im kalifornischen San Joaquin Tal. In kustennahen Bereichen dringt Salzwasser in die abgepumpten grundwasserfuhrenden Schichten ein. Bei der kunstlichen Bewasserung landwirtschaftlicher Kulturen wird oft zu wenig Wasser eingesetzt und es fliesst nicht oberflachlich ab, sondern verdunstet auf dem Acker, sodass dort eine Salzkruste entsteht. Bei einem Salzgehalt von 0,3 % und 10000 rrr' Wasser ha'" konnen das jahrlich bis 30 t Salz sein. Ungenugende Bewasserung fuhrt, wenn die Versalzung toxisch fur Pflanzen wird , zu permanentem Verlust landwirtschaftlich nutzbarer Flache.
5.2.2 Kohlenstoff Etwa 0,1 % der Masse der Erde besteht aus Kohlenstoff (C) . Ursprunglich kam der gesamte Kohlenstoff als Kohlendioxid (COz), Kohlenmonoxid (CO) oder Methan (CH 4 ) aus dem Erdinneren. Auch heute noch erfolgt eine Kohlenstoffzufuhr aus tieferen Erdschichten durch Vulkanismus und mineralreiche Quellen. Im Rahmen des geochemischen Stoftkreislaufs wurde der groBte Teil des COz im Wasser der Weltmeere als Kohlensaure gelost. Diese lost Calciumion en aus dem Boden, sodass Carbonat gebildet wird:
COz + Hp
~
H+ + HCO; (Kohlensaure)
Ca z+ + 2 HCO; ~ COz + Hp + CaC03 (Calciumcarbonat)
(5.6)
(5.7)
5.2 Stofffluss
Durch die Evolution der Organismen wurde der rein anorganische Kreislauf des Kohlenstoffs intensiviert, denn durch die Photosynthese (S. 8) wird Kohlenstoff aus dem CO 2 der Atmosphare als organische Biomasse fixiert und durch die Respiration als Gas wieder frei. Dieser biologische Teildes Kohlenstoftkreislaufs ist also primar ein Gaskreislauf. Der Kohlenstoftkreislauf ist gemeinsam mit dem Wasserkreislauf der bedeutendste Kreislauf fur die Erde. Viele limnische und marine Organismen (z. B.Algen, Foraminiferen, Korallen, Bryozoen , Muscheln) entziehen dem Wasser Carbonat und tragen mit ihrem Absterben zur Bildung gewaltiger kalkreicher Sedimente bei. Das wasserunlosliche Calciumcarbonat ist in vielen Mineralien (z. B. Kreide, Kalkstein, Marmor) enthalten und weit verbreitet. Als Sedimentschicht liegen diese Verbindungen heute in vielen durch geologische Prozesse aufgefalteten Gebirgszugen (z. B.Alpen, Pyrenaen, Kaukasus, Himalaja) vor. Bei unvollstandigem bzw. fehlendem biologischen Abbau von Biomasse wird dem atrnospharischen Kreislauf Kohlenstoff entzogen und bildet inerte Depots (Senken, sinks). Im Karbon, das vor 350 Millionen Iahren begann, baute sich die in den damaligen Feuchtgebieten uppig nachwachsende Biomasse unter Wasser, d. h. unter Luftabschluss, nur langsam aboIn grofserer Tiefe kam es durch Temperatur- und Druckanstieg zur Vertorfung und Verkohlung, d. h. der prozentuale Anteil an Wasser, fluchtigen Bestandteilen, Wasserstoff und Sauerstoff nahm ab, der an Kohlenstoff nahm zu. Das hierdurch entstandene Gemisch aus Kohlenstoffverbindungen und mineralischen Anteilen stellte ein Kohlenstoffdepot dar, welches dem direkten Kreislauf entzogen war. Steinkohle ist meist 80-320 Millionen Jahre, Braunkohle 20-60 Millionen Jahre alt (Osteroth 1989). Erdol entstand durch die Ablagerung von Mikroorganismen in Binnenseen und flachen Randmeeren vor 100-500 Millionen [ahren und ein hiermit gekoppelter Prozess bildete Erdgas. Wegen ihrer heutigen energetischen Nutzung fasst man diese Kohlenstoffverbindungen als fossiIe Energietrager zusammen. Unter den biogenen Elementen ist Kohlenstoff das mit Abstand vielseitigste Element, und es kommt in allen Kompartimenten der Erde vor ( ~Tab. 5.1). Kohlenstoff findet sich in der Biomasse als organische Kohlenstoffverbindung und in der Luft als gasformige Verbindung (vor allem COl) ' C0 2 liegt im Wasser zu weniger als 1 % als Kohlensaure vor, vielmehr dissoziiert es pH -abhangig zu Hydrogencarbonat und H+lonen. CO 2 + Hp H 2C0 3 HCO ;
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H lC0 3 (Kohlensaure) (vorherrschend bei pH 4)
W + HCO; (Hydrogencarbonat) (vorherrschend bei pH 8) H+ + CO; - (vorherrschend bei pH 12)
(5.8) (5.9) (5.10)
Diese verschiedenen Formen von gelostem anorganischen Kohlenstoff in Gewassern bezeichnet man als DIC (dissolved inorganiccarbon). Im Unterschied hierzu werden die gelosten organischen Verbindungen, die zumeist durch Abbau toter Biomasse entstehen, als DOC (dissolved organic carbon) bezeichnet. Die Verweildauer von DOC kann im Wasser Jahrhunderte betragen.
229
230
5 Okosysteme
Tabelle 5.1: Globale Stoffflusse und Vorrate von Kohlenstoff (10 15 9 C a') sowie Angaben der jahrffchen Veranderung . Erganzt nach Schlesinger (1997) . Bereich Land
Fluss
Speicher Vorrat in derlebenden Vegetation Vorrat in anderen Organismen undtoter Biomasse Vorrat im Gestein Vorrat alsgewinnbare fossile Energietrager
600 ijahrlich -1) 1500 20000000 4000 ijahrlich -6)
Abgabe an dieAtmosphare durch Vegeta tion (Respiration)
60
Abgabe an dieAtmosphere vom Boden (Respiration)
60
Abgabe andieAtmospheredurch menschliche Aktivitat
6
Austrag durch Fliisse insMeer Meer
Vorrat als KohlendioxidlKohlensaure Vorrat als geloste organische Substanz Vorrat in der Biomasse
40000 ijahrlich +3) 3000 17
Abgabe an dieAtmosphare (Respiration)
90
Abgabe in das Sediment Atmosphere
Vorrat alsKohlendioxid Vorrat alsMethan Vorrat alsKohlenmonoxid Abgabe an die Landvegetation (Photosynthese) Abgabe an das Meer (Photosynthese)
0,1 760 ijahrlich+4) 6 0,2 120 92
Durch Exkretion von Organismen und durch den Abbau toter Biomasse entstehen sowohl niedermolekulare, leicht verfiigbare und (vor allem durch Mikroorganismen) schnell wieder aufnehmbare organische Verbindungen als auch hochmolekulare Humussubstanzen. Als Endprodukte des Abbaus pflanzlicher Substanz stellen diese ein Gemisch aus Fulvosauren, Humussauren und Huminstoffen dar, das von Mikroorganismen nur schwer verwertbar ist und daher nur langsam abgebaut wird . Wenn die Produktionsrate groBer als die Abbaurate ist (wie beispielsweise in der Tundra), kommt es durch Torfbildung zu einem Entzug der Biomasse aus dem aktiven Stofffluss, sodass diese Stoffe fur Millionen Jahre nicht mehr verfugbar sind. Obwohl es einen intensiven Austausch zwischen den meisten Bereichen der Biosphare gibt und etwa so vie! Kohlenstoff durch Respiration freigesetzt wird, wie durch Photosynthese fixiert wird, ist der Kohlenstoffhaushalt der Erde in geologischen Zeitraumen nie vollig ausgeglichen gewesen. Geringfugige Veranderungen der Kohlenstoffbilanz ergaben uber lange Zeitraume grofsere Schwankungen des COz-Gehalts der Atmosphare. Dieser hing vermutlich stark von der Temperatur der Weltmeere und globalen Strornungsverhaltnissen, von der GroBe des vereisten bzw. eisfreien Festlan-
5.2 5tofffluss
des und von der Starke des Vulkanismus aboIn der Kreidezeit (vor 100 Millionen Iahren) war die COz-Konzentration der Atmosphare vier- bis achtmal so hoch wie heute, gleichzeitig herrschte das warmste Klima aller Zeiten. Von einem fruhtertiaren Zwischenmaximum abgesehen ist dann der COz-Gehalt der Atrnosphare kontinuierlich auf etwa 250 ppm gegen Ende der letzten Eiszeit gesunken, urn mit der Industrialisierung wieder anzusteigen. Den Weltmeeren kommt eine wichtige Rolle als Kohlenstoffspeicher zu. COz der Luft lost sich im Rahmen eines komplexen Gleichgewichts im Wasser und kann als Carbonat sedimentieren. Hierdurch konnen die Ozeane als Kohlenstoffpumpe und der Meeresboden als Kohlenstoffsenke wirken. Ein Teil der zunehmenden atmospharischen COz-Belastung, die sich durch die anthropogene Veranderung des globalen Kohlenstoffkreislaufs ergibt, kann somit reduziert werden; allerdings ist es schwierig, dies zu quantifizieren. Vor allem durch die Nutzung fossiler Energietrager greift der Mensch in den globalen Kohlenstoffhaushalt ein, denn Kohlenstoff, der seit Millionen Iahren nicht mehr in der Atmosphare war, wird als COz frei. Als weitere Ursache fur den COz-Anstieg in der Atmosphare gelten die Rodungen der Tropenwalder, die den aktuellen Biomassespeicher reduzieren, die zukunftige COz-Aufnahme verringem und das in den Waldern gebundene COz freisetzen. Beide Prozesse fuhren zu einem kontinuierlichen Anstieg des COz-Gehalts der Atmosphare. Mit Beginn der Industrialisierung 1750 betrug der COz-Gehalt knapp 280 ppm, 1950 waren es 310 ppm, 2006 wurde bei jahrlichen Zuwachsraten von 1,5 ppm 380 ppm erreicht. Dieser jahrliche Zuwachs entspricht sechs bis sieben Milliarden Tonnen Kohlenstoff, von denen funf Milliarden aus der Verbrennung fossiler Energietrager und eine Milliarde aus der veranderten Landnutzung stammen. Wenn dieser Trend anhalt, wird Ende des 21. Jahrhunderts eine Verdopplung des COz-Gehalts der Atmosphere auf etwa 700 ppm erreicht sein C ~ Kasten 5.1). Obwohl der jahrliche Zuwachs nur 6 % der 100 Milliarden Tonnen Kohlenstoff ausmacht, welche die Biosphare jahrlich durch Respiration freisetzt, ergeben sich hierdurch problematische Auswirkungen auf Klima und Biosphere. Etwa 45 % der einfallenden Sonnenstrahlung werden an der Erdoberflache absorbiert und in langwellige Strahlung umgewandelt, die die Atrnosphare erwarrnt, d. h. die Atmosphare wirkt als Strahlungsfalle. Die Absorption hangt von den Gasen ab, die die langwellige Strahlung absorbieren und Treibhausgase genannt werden. Das wichtigste ist Wasserdampf, gefolgt von Kohlendioxid und Methan. Ohne diesen Treibhauseffekt lage die Durchschnittstemperatur der bodennahen Luftschichten bei -18°C und nicht wie jetzt bei ca. +15°C. Eine Zunahme der Konzentration dieser Gase fuhrt daher zu einer Erwarrnung der Erdatmosphare. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist wegen der anthropogen bedingten Zunahme der Konzentration von COz (und CH 4 sowie einiger anderer Treibhausgase) eine Zunahme der Durchschnittstemperaturen zu verzeichnen ( ~Abb. 5.9). 1m 20. Iahrhundert nahm die globale Jahresmitteltemperatur durchschnittlich urn 0,6 °C zu, in Europa aufgrund der groBen regionalen Unterschiede sogar urn 0,8 "C. Gebieten mit starker Erwarrnung (z. B. Arktis, Zentralasien) stehen solche mit gleichbleibender Durchschnittstemperatur (z. B. Teile der Antarktis) gegenuber. Vor allcm die letzten
drei Jahrzehnte brachten in Europa eine fur das letzte Jahrtausend einmalige Erwar-
231
232
-
5 Okosysterne
Kasten 5.1 Den CO 2-Anstieg in der Atmosphere bremsen Der Anstieg des CO2-Gehalts der Atmosphere spiegelt eine vergleichsweise primitive Nutzung fossiler Energietrager durch Verbrennen wider. Zu den zahlreichen Alternativen qehoren eine effizientere Energienutzung und die vorrangige Behandlung von erneuerbaren Energien. Nach wie vor wird der gro13te Teil der nutzbaren Energie ver schwendet und alternative Moqlichkeiten werden kaum genutzt. Das CO2 der Atmosphere kann zudem durch Aufforstungen deutlich reduziert werden . Das Kyoto -Protokoll von 1997 regelt die landerspezifische Senkung der Emission von Treib hausgasen bis 2012 um 5 % unter das Niveau von
1990, Deutschland verpflichtete sich fur eine Reduktion um 21 %, die EU um 8 %. Mit der Unterzeichnung durch Russland trat das Kyoto-Protokolls 2005 in Kraft und Ende 2006 hatten es aile Staaten der We lt auBer Australien, Serbien, Somal ia, Tschad, die USA und Simbabwe ratifiziert. Das Kyoto-Protokoll wird sein Ziel nicht erreichen, denn fur 2010 werden 11 % hohere Emissionen als 1990 erwartet. Dennoch ist es ein grosser Erfolg, weil es der erste globale Versuch ist, die klimarelevanten Emissionen zu reduzieren . Inzwischen sind Verhandlungen uber Nachfolgeregelungen angelaufen.
mung, und das letzte Iahrzehnt des 20. Jahrhunderts war das warmste des Iahrtausends . Die Nachte sind seit 1950 urn 0,2 °CIDekade warmer geworden und die frostfreie Zeit in den hoheren Breiten wurde langer, Das Fruhjahr beginnt heute fruher, der Herbst spater und die Wachstumsperiode ist urn ca. zehn Tage verlangert. Extreme Froste sind seltener geworden und in den tropisehen Hochgebirgen stieg die 0 °C_Isotherme seit 1970 urn 150 man. Der aktuelle Klimawandel wird sich fortsetzen und die Modelle sagen eine weitere globale Erwarrnung im 21. Jahrhundert voraus; urn 2100 mit Temperaturen, die etwa 3°C tiber denen von 2000 liegen werden ( ~Abb. 5.9). In Europa ist im Mittelmeerraum und im Nordosten ein warmeres Klima zu erwarten, weniger entlang der Atlantikkuste. Es wird allgemein feuehter und die Niederschlage werden in vielen Teilen der Erde zunehmen, in Europa vor allem im Norden (IPCC 2007) . Der Meeresspiegel ist im 20. Jahrhundert wegen der thermisehen Expan sion des Meerwas sers bereits urn 18 em gestiegen und wird im 21. Jahrhundert urn weitere 80 em steigen . Flaehe Inseln
6 5 4
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2000
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1900
2000 [ahr
2100
5.9 Durchschnittliche Temperatur der Erdoberflache als gemessene Temperaturdaten 1900-2000 und als berechnete Szenarien von 2000-2100. Die drei oberen Szenarien (A2, A1 und 81) gehen von unterschiedlichen Annahmen aus, das Szenario 2000 nimmt an, dass es nach 2000 zu keiner weiteren Erhohung der Emission von Treibhausgasen kommt (was nicht der Fall ist), Nach (PCC (2007).
5.2 Stofffluss
wie die Malediven, Kustenlander wie Bangladesch und Holland oder viele Kustenstadte wie Bangkok und Dakka sind hierdurch ernsthaft gefahrdet. Auf dem Land hat sich die Erwarrnung besonders auf die vereisten Gebiete ausgewirkt und die schneebedeckte Plache der Erde hat urn 10 % abgenommen. In den Alpen verloren die Gletscher in 150 Iahren 50 % ihres Volumens und werden Ende dieses Iahrhunderts mit wenigen Ausnahmen verschwunden sein. Perrnafrostboden werden auftauen und instabile Bodenverhaltnisse werden vor allem im Gebirge zunehmen. Durch die Klimaveranderung werden vor allem im Norden und in den mittleren Breiten Vegetationsveranderungen auftreten. In Europa konnen immergriine Walder vom Siidwesten vordringen, laubabwerfende Walder expandieren von Mitteleuropa nach Osten und Norden, einige Gebiete (pannonisches Tiefland, ostliches Harzvorland) konnen versteppen, im Norden verliert die Tundra Teile ihres Areals. Daneben wird es aber auch stabile Zonen ohne wesentliche Veranderungen geben, hierzu zahlen die Tropen und manche Regionen Mitteleuropas. Durch diese Veranderung der Lebensraume werden viele Arten aussterben. Endemiten oder Reliktarten besiedeln oft nur sehr kleine Areale und sind stenok, d. h. sie konnen von expandierenden Arten leicht verdrangt werden. Besonders anfallig sind Arten aufInseln und der Hochgebirge. Beispielsweisebetragt der Anteil alpiner Pflanzenarten an der europaischen Flora fast ein Viertel (ca. 2 500 Arten) (Vare et al. 2003), die alpinen Zonen in Europa entsprechen aber nur 3 % der Gesamtflache des Kontinents. In der Sierra Nevada in Spanien, im Sudural, in den Bergen Kretas und Sudgriechenlands sowic Teilen der Alpen ist daher mit starkem Artenverlust zu rechnen (Pauli et al. 2001). Viele Tiere sind mobil und konnen ungiinstige Habitate vermeiden bzw. geeignete aktiv aufsuchen, sie reagieren daher rasch. Das Fehlen geeigneter Habitate bzw. der Verlust von Futterpflanzen fuhren allerdings auch bei Tieren zum Aussterben von Populationen. Fiir 58 europaische und amerikanische Schmetterlingsarten wurde nachgewiesen, dass diese im 20. Jahrhundert ihr Areal urn 35-200 km nach Norden verlagerten, was etwa der klimabedingten Verschiebung entsprach (Parmesan 2001), einzelne Arten verloren jedoch Lebensraume im Suden oder in Hochlagen, ohne neue zu gewinnen. Wahrend die Verbreitung vieler gebietsfremder Arten vor allem durch die Globalisierung gefordert wird, sorgt der Klimawandel dafur, dass sie immer mehr geeignete Lebensraume finden und sich in Europa ausbreiten konnen. Spektakular ist die Ausbreitung von einigen Pflanzen in den wintermilden Lagen urn die Alpen (Walther et al. 2001), in denen sich inzwischen der Kampferbaum (Cinnamomum camphora) aus dem Himalaja, Kirschlorbeer (Prunus laurocerasus) aus Kleinasien und die Hanfpalme (Trachycarpus fortunei) aus Ostasien wie heimische Arten verhalten (Laurophyllisierung). Es wird allgemein angenommen, dass der Druck durch land- und forstwirtschaftliche Schadorganismen (etwa Schwammspinner Lymantria dispar) bzw. von Parasiten und Krankheitserreger (etwa die Erreger von Malaria und DengueFieber) zunehmen wird, auch wenn die Datenlage hierzu noch unbefriedigend ist.
233
5 Okosysterne
234
5.2.3 Stickstoff Die Atrnosphare enthalt 78 % molekularen Stickstoff (N z), der fur die meisten Organismen nieht direkt nutzbar ist, sondern in Nitrat oder Ammonium umgewandelt werden mus s. Zwar oxidieren Blitze und Feuer N z (dies entspricht einem Eintrag von bis zu 5 kg N ha! a-I in die Biosphare), der Haupteintrag erfolgt aber durch Mikroorganismen. Fur die Biosphare sind drei grofse Stickstoffspeicher von Bedeutung, die durch Mikroorganismen verbun den sind: Atmosphare, lebende und tote Biomasse (inklusive Humus, Sediment und Boden) ( ~Tab. 5.2). Fur keinen Bioelementkreislauf sind daher Mikroorganismen so wichtig wie fur den Stickstoffkreislauf ( j-Abb. 5.10). Sie setzen Stickstoffverbindungen hauptsachlich auf drei verschiedenen Ebenen urn. 1. Stickstofffixierung. Mikroorganismen nehmen den molekularen Stiekstoff aus der Atmosphare auf und bilden NH;, zum Teil auch NO) . Hierzu sind verschiedene Gruppen von Prokaryoten in der Lage: • Freilebende Bodenbakterien wie Azotobacter chroococcum (aerob) und Clostridium pasteurianum (anaerob), beide in gemafsigten Gebieten, oder Beijerinckia in den Tropen . • Symbiontische Knollchenbakterien wie Rhizobiumleguminosarum (mit Fabaceae), weit verbreitet bei tropischen Pflanzen. • Cyanobakterien (Anabaena, Nostoc, Calothrix, Mastigocladus), oft symbiontisch in Pilzen, Flechten, Moosen und Farnen. Der Wasserfarn Azolia enthalt Anabaena azoliae in Hohlraumen der Blatter. Da Azolia in Reisfeldern sehr haufig ist, tragt er mit seiner Stiekstofffixierung so viel ein, dass auch bei drei Ernten keine Dungung erforderlich ist. Auch die vor allern im tropischen Regenwald auf Blattern langlebi-
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Nitrocoaus
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energieerfordernde Reduktion
Nz
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Nitrifikation durch
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Cyanobakterien
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organische N -Verbindung
NO
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Nitrit NO z
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t
+ I
Nitra t N0 3
aereobe enerqiefreisetzende Oxidation
anaerobe energieerfordernde Reduktion
5.10 Schematische Darstellung des bakteriellen Stickstoffstoffwechsels.
-
5.2 Stofffluss
Tabelle 5.2: Globale Stoffflusse und Vorrate von Stickstoff (10 12 g N a- 1) . Erganzt nach Schlesinger (1997). Bereich land
Speicher Vorrat in derVegetation Vorrat im Boden
35000 100000
Austrag durch FlUsse insMeer
Meer
36
Abgabe andieAtmosphere durch Denitrifizierung
200
Abgabe andieAtmosphere durch menschliche Aktivitat
140
Vorrat gasformig
20000000
Vorrat alsgeloste anorganische Substanz
600000
Vorrat alsgeloste organische Substanz
200000
Vorrat in derBiomasse
500
Abgabe andieAtmosphere durch Denitrifizierung
110
Abgabe in das Sediment Atrnosphare
Fluss
Vorrat
10 4000000000
Abgabe andas Meer durch biologische Fixierung
15
Abgabe andas land durch biologische Fixierung
140
Transport zum land
15
Transport zum Meer
11
ger Pflanzen wachsenden Cyanobakterien fuhren zu einer zusatzlichen Bereitstellung von Stickstoff, der von den Wirtspflanzen direkt tiber die Blattoberflache genutzt wird. • Das Purpurbakterium Rhodospirillum und andere photosynthetische Bakterien . • Actinomyceten, die in den Wurzelknollen von mindestens 160 Baumarten aus acht Familien vorkommen, welche hierdurch in der Lage sind, stickstoffarme Sand- und Moorboden zu besiedeln , z. B. die Erie (Alnusglutinosa), Casuarina-Arten, Ginkgo biloba, Olweiden (Elaeagnus sp.) und der Gagelstrauch (Myrica gale) . Energetisch ist es ein hoher Aufwand , die Dreifachbindung des molekularen N z zu oxidieren und NO} herzustellen. Zur Fixierung von 1 mg N benotigt das Bakterium Rhizobium leguminosarum 10 mg Glucoseaquivalent (= 0,16 kl), das aus der Photosynthese der Fabaceen stammt, in denen es symbiontisch vorkommt. Das aerob freilebende Bodenbakterium Azotobacter chroococcum benotigt 50 mg (= 0,8 kl), das anaerob lebende Bakterium Clostridium pasteurianum sogar 170 mg Glucoseaquivalent (= 2,7 kJ). Hieraus kann man ableiten , class die Stickstofffixierung von den meisten Prokaryoten (Ausnahme Actinomyceten) aus energetischen Grunden nicht in kalten Okosystemen oder Grenzertragsboden durchgefuhrt werden kann, sondern nur auf dauernd feuchten und warmen Boden lohnend ist, da das Optimum fur die Reaktionen bei 20°C liegt. Die Leistung freilebender Bakterien betragt einige kg N ha 1, kann bei freilebenden Cyanobakterien 50 kg ha- 1 ubcrschreiten und bei symbionti-
schen Cyanobakterien sogar noch hoher sein.
235
236
5 bkosysteme
2. Assimilatorische Nitratreduktion. Sie fuhrt durch die Schlusselenzyme, die assimilatorische Nitrit- bzw. Nitratreduktase, zum Endprodukt NH:, das als Aminogruppe in Aminosauren eingebaut wird . Die Umsetzung erfolgt auf unterschiedliche Weise, da das Stickstoffangebot je nach Boden oder Lebensraum variiert und Pflanzen Stickstoffverbindungen sowohl tiber die Wurzeln als auch tiber die Blatter aufnehmen konnen. 3. Dissimilatorische Nitratreduktion. Sie umfa sst den haufigeren Prozess der Nitratreduktion und den selteneren der Nitratammonifikation. Beide Prozesse werden von weit verbreiteten aeroben Bodenbakterien unter anaeroben Bedingungen durchgefuhrt, wenn sie den Sauerstoff des Nitrats zur Atmung nutzen. Hierbei wird NO; durch verschiedene Enzyme tiber NO zund NO zu Np und N z reduziert (Denitrifikation), d. h. gebundener Stickstoff wird wieder zu molekularem Stickstoff. Bei der Nitratammonifikation wird NO; tiber NO zund NHpH zu NH3' sodass Ammoniak frei wird. Beide Prozesse verhindern, dass das wasserlosliche Nitrat letztlich ins Meer gelangt, wo es fur die Stickstofffixierung nicht mehr verfugbar ist. Fur den Kreislauf des Stickstoffs ist der Abbau zu gasformigen Verbindungen also zentral, denn nur ein groBer Gasspeicher gewahrleistet eine ausreichende Versorgung mit Stickstoff. Geographisch ergibt sich hinsichtlich des Stickstoffangebots eine bemerkenswerte Aufteilung . Bei Stickstoffmangel, sauren Boden und niedrigen Temperaturen dominieren Bodenpilze, die organisch gebundenen Stickstoff direkt aus dem Substrat aufnehmen und ihrerseits den Boden weiter ansauern, Pilze haben einen hohen Stickstoffbedarf, da ihre Zellwand aus N-Acetyl-Glucosamin (= Chit in) besteht, und Stickstoff ist nicht frei nachweisbar. Handelt es sich jedoch urn calciumreiche Boden oder sind pH-Wert bzw. Temperatur hoher, konnen sich Bakterien gegen die Pilze durchsetzen und Stickstoff wird als Nitrat und Ammonium verfugbar. Die anthropogenen Eingriffe in den globalen Stickstoffhaushalt sind gravierend und erfolgen vor allem tiber Verbrennungsprozesse und die mineralische Dungung (Nentwig 2005). Bei der Verbrennung fossiler Energietrager entweicht Stickstoff gasformig in oxidierter Form und wird als NO x (Stickoxid) bezeichnet. Zudem entsteht Np durch den mikrobiellen Abbau von mineralischem Dunger, Als weitere redu zierte Stickstoffverbindung wird Ammoniak (NH:) aus Massentierhaltung, Klaranlagen oder industriellen Prozessen in die Atmosphare abgegeben. Stickoxide in der Atmosphare sind die Hauptursache fur den Sommersmog, der die Atemwege des Menschen angreift , aber auch schon in geringer Konzentration Pflanzen schadigt, Durch Reaktion mit Wasser bilden sich letztlich aus den Stickstoffverbindungen Salpetersaure (HN0 3) und salpetrige Saure (HNO z)' Beide gelangen mit den Niederschlagen wieder in die Biosphare, wo sie als saurer Regen zu einer Versauerung der Okosysteme fuhren. Zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion werden aus Luftstickstoffjahrlich etwa 4 x 107 t Stickstoff nach dem Haber- Bosch-Verfahren fur die Dungerherstellung fixiert. Dies entspricht einer durchschnittlichen Diingung von 50-100 kg ha ' a-I, sie kann aber auch mehr als 100 kg ha- 1 a-I betragen (Schulze und Ulrich 1991). Diese Menge entspricht etwa einem Funftel der Menge, die durch die biologische Stickstofffucierung gebunden wird, und sie fuhrt zur Eutrophierung der Kulturlandschaft und letztlich zu einer Stickstoffanreicherung in den Fliefsgewassem und im Meer, Man schatzt , dass vom mineralischen Stickstoffdunger rund 40 % als Nitrat in die
5.2 Stofffluss
Weltmeere und 55 % als Ammoniak, N 2 und Np in die Atmosphare gelangen (Kuttler 1995). Da Stickstoff ein wichtiger wachstumsbegrenzender Faktor ist, fuhrt die Eutrophierung zu zahlreichen Folgeproblemen. Chronisch uberdungte landwirtschaftliche Boden weisen mehr Unkraut auf (was mehr Herbizideinsatz nach sich zieht), die Kulturpflanzen haben hohere Befallsraten von pathogenen Pilzen und von tierischen Schadlingen (mehr Fungizide und Insektizide) . Die Eutrophierung des Grundwassers fuhrt zu erhohten Kosten bei der Trinkwassergewinnung, in Seen und auch im Meer kommt es vermehrt zu Algenbluten. Letztlich enthalten auch Nieder schlage immer mehr Stickstoffverbindungen, sodass sich ein jahrlicher N-Eintrag von 20-100 kg ha- I auch auf Gebiete erstreckt, die bisher keinem zusatzlichen N-Eintrag ausgesetzt waren. Kleinseggenrasen und Hochmoore verlieren ihren spezifischen Charakter, Heidegebiete vergrasen, und Trockenwiesen verandern sich durch Artenverlust und Ausbreitung anderer Arten. Pflanzenarten, die an nahrstoffarme Verhaltnisse angepasst sind und nur dort konkurrenzkraftig sind, werden verschwinden, sodass die Eutrophierung letztlich zu einem Verlust an Biodiversitat fuhrt.
5.2.4 Phosphor Phosphor kommt recht einheitlich als Pho sphat (PO~ -, Orthophosphat) vor. Da cs im Wasser gut loslich ist, ist die Hydrosphere sein Hauptdepot. Phosphat wird schnell tiber die Flusse ins Meer verfrachtet und durch Sedimentation der Biosphare entzo gen. Somit geht Phosphor in die Lithosphare tiber, aus der es dann erst in geologischen Zeitraumen durch Anhebung des Meercsbodens wieder auf das Festland verlagert wird . Durch Verwitterung und Auswaschung wird Phosphat der Biosphare wieder verfugbar, Die Atmosphare ist an diesem Phosphatkreislauf fast nicht beteiligt ( ~ Tab. 5.3). PO~ - hat mit AP+, Fe3+ und Ca2+- Kationen sehr niedrige Loslichkeitsprodukte und neigt zur Adsorption an Tonmineralien. Im Boden bzw. im Sediment ist dieser Komplex wenig mobil, und Phosphat verschwindet schnell aus wassrigen Losungen, sodass der Konzentrationsunterschied zwischen freiem Wasser und Sediment mehr als das 1000fache betragen kann. Viele Seen enthalten dah er auch deutlich geringere Phos phor- als Stickstoffkonzentrationen, und Phosphor wirkt starker produktionslimitierend als Stickstoff. Unter anaeroben Bedingungen kann PO~ - aus Eisen(III)komplexen wieder freigesetzt werden, sodass es beispielsweise wahrend einer Algenblute, die eine Sauerstoffzehrung bewirkt, zur Phosphatfreisetzung aus dem Sediment kommen kann (innere Diingung von Gewassern). Auf dem Weg zur Sedimentation gibt es mehrere Moglichkeiten fur Phosphor, wieder in die Biosphare eingeschleust zu werden . Generell herrscht starke Konkurrenz urn freies Phosphat, sodass dieses nach einer Remineralisation schnell wieder aufgenommen wird und ein Verlust durch Verfrachtung verhindert wird. Aus dem Boden wird freies Phosphat durch Feinwurzeln und Mykorrhiza schnell absorbiert und im Wasser innerha1b von Minuten vom nachsten Organismus wieder aufgenommen
(kurzgeschlossener Phosphatkreislauf) .
237
238
5 Okosysterne
Tabelle 5.3: Globale Stoffflusse und Vorrate von Phosphor (10 12 g P a'). Erganzt nach Schlesinger (1997). Bereich Land
Speicher Vorrat in der Vegetation Vorrat im Humus Vorrat im Oberboden Vorrat im Gestein
60 200000 4000000000
Austrag durch FlUsse ins Meer
21
Bergbau
12 4
Abgabe andieAtmosphare Meer
Vorrat alsgeloste anorganische Substanz Vorrat als qeloste organische Substanz Vorrat in derBiomasse Sediment Abgabe in das Sediment
Atmosphare
Fluss
3000
90000 650 100 4000000000 10
Transport vom Land zum Meer Transport vom Meer zum Land
0,03
Deposition auf dem Land
3
Deposition aufdem Meer
0,3
Eine vergleichbare Phosphatriickfiihrung erfolgt auch durch die marinen Auftriebsstromungen, die vor allem vor den Westkiisten Sudamerikas (Humboldtstrom) und Sudafrikas (Benguelastrom) fur eine Nahrstoffverlagerung aus der Tiefe an die Oberflache sorgen. Hierdurch wird lokal eine hohe Biomasseproduktion ermoglicht, Ein Teil dieser Biomasse wird durch fischfressende Landvogel genutzt und auf das Land transportiert. Der phosphat- und stickstoffreiche Kot dieser Vogel (Guano) steht hierdurch dem Landokosystem als Nahrstoff zur Verfugung. Die industriell gewonnene Menge an Phosphat ist mit 1,5 x 108 t grolser als die Menge, die jahrlich vom Land ins Meer verfrachtet wird, d. h. es findet eine Anreicherung mit diesem zuvor immer knappen Pflanzennahrstoff statt. Phosphat wird vor allem zur mineralischen Diingung in einer GroBenordnung von 40-50 kg Phosphat ha- t landwirtschaftlicher Nutzflache eingesetzt. Zusammen mit der Stickstoffdungung bewirkt dies zunachst eine Eutrophierung der Boden, dann des Grundwassers und der Pliefsgewasser, schlieBlich auch der Seen und der Meere. MaBnahmen wie eine Reduktion der Diingung oder bessere Reinigung der Abwasser (Phosphatfallung) konnen die Phosphatbelastung der Umwelt jedoch in kurzer Zeit deutlich senken. Die Auswirkungen des ubermafsigen anthropogenen Einsatzes von Phosphor ahneln in vielen Bereichen dem von Stickstoff, sodass auch von einem additiven (vielleicht sogar synergistischen) Effekt ausgegangen wird .
5.3 Informationsfluss
5.3 Informationsfluss Informationen sind Nachrichten, die von einem Sender ausgestrahlt und von einem Empfanger wahrgenommen werden. Solche Informationen werden von einem Organ produziert (z. B. durch ein Sendeorgan wie einen Kehlkopf), konnen aber auch die Eigenschaft eines ganzen Organism us sein (Farbe, Korperternperatur). Der Empfanger hat einen Rezeptor fur diese Information (ein Sinnesorgan) und erhalt in der Regel durch die Information Kenntnisse, die ihm einen Vorteil bringen. Die Trager einer als Nachricht iibermittelten Information sind Signale. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie gezielt ausgesendet bzw. wahrgenommen werden (etwa die Alarmrufe einer Vogelart). Daher sind Signale durch bestimmte Informationskanale bzw. Sinnesorgane gekennzeichnet und lassen sich auch so beschreiben oder klassifizieren. 1m Unterschied hierzu haben aIle anderen Reize im gleichen Lebensraum keinen Informationswert und werden daher als Hintergrundsignal (noise) bezeichnet.
5.3.1 Physikalisch ubertraqene Information Optische Signale werden im elektromagnetischen Wellenspektrum zwischen 300 und 800 nm iibertragen. Einzelne Tiergruppen haben unabhangig voneinander Farbensehen entwickelt, etwa die Mollusken, Arthropoden und Wirbeltiere. Ihr Farbensehen ist jedoch unterschiedlich. Menschen konnen beispielsweise ultraviolettes Licht (280380 nm) im Gegensatz zu manchen Insekten nicht wahrnehmen. Optisch iibertragene Informationen sind wichtig bei der innerartlichen Kommunikation, bei Tier-PflanzeInteraktionen sowie bei der Pradatorenverrneidung. Neben der Wellenlangenzusammensetzung des Lichtes konnen manche Arten auch die Polarisationsrichtung des Lichtes als Informationsquelle nutzen. Honigbienen kennen somit den Sonnenstand auch bei bewolktern Himmel (Sonnenkompass), und marine Krebse des Strandbereichs wissen stets, wo das offene Meer liegt. Viele Tiere weisen mit auffalligen gelb-schwarzen oder rot-schwarzen Farbmustern auf ihre UngenieBbarkeit oder Giftigkeit hin. Fressfeinde assoziieren nach einer ersten schlechten Erfahrung diese Warnfarbung (aposematische Farbung, Warntracht) mit UngenieBbarkeit und meiden diese Art. Andere Arten profitieren vom Schutz dieses Farbsignals, indem sie die Warnfarbung giftiger Arten imitieren, ohne selbst giftig zu sein. Der erste Fall wird als echte Mimikry (Muller'sche Mimikry) bezeichnet, im zweiten Fall handelt es sich jedoch urn Nachahmer (Bates'sche Mimikry) (S. 125). Bemiihen sich Organismen hingegen, unauffallig zu sein, also kein Signal auszusenden (z. B. durch die Annahme der Hintergrundfarbung, Tamfarbung) sodass sie im Hintergrundrauschen verschwinden, wird dies als Krypsis oder Somatolysis bezeichnet . Wird eine Hintergrundstruktur imitiert, etwa eine Rindenstruktur, spricht man auch von Mimese, die Grenze zwischen beiden ist jedoch flieBend (Cott 1940). Viele Lauerjager senden optische Signale aus, die dem Empfanger zum Verhangnis werden konnen (aggressive Mimikry oder Peckham'sche Mimikry). So genannte "Teufelsblumen" (mehrere Arten von Fangheuschrecken, Mantodea) ahneln in Form, Farbung und Haltung Blutenstanden und locken hierdurch bliitenbesuchende Insek-
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5 Okosysteme
ten an. Anglerfische und die Geierschildkrote (Macrochelys temminckii) "angeln" mit einem wurmartigen Zungenfortsatz ihre Beute. Tiefseefische und Leuchtkafer locken mit ihren durch Biolumineszenz produzierten Leuchtsignalen Beute an, und die Larven der neuseelandischen Pilzmiicke Arachnocampa luminosa (Mycetophagidae) fangen ihre Beute gleich mit einem leuchtenden Netz. Viele Pflanzen geben iiber Bliitenfarbe und -form Informationen ab, mit denen sie gezielt bestimmte Bestaubergruppen anlocken: gelbe, weiBe und ultraviolette Farben sprechen Insekten an, rote Bliiten Vogel, braune und violette Farbkomponenten locken Aasbesucher an. Im letzten Fall ist oft eine olfaktorische Komponente mite ntscheidend. Durch einen Farbwechsel ihrer Friichte, oftmals in den UV-Bereich, teilen viele Pflanzen ihren Frucht- oder Samenverbreitern mit, dass ihre Friichte reif sind. Viele insektenfressende Pflanzen wie die Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula) oder Kannenblumen (Nepenthes sp.) locken mit entsprechenden Farbmalen Bliitenbesucher an , die sie dann festhalten und verdauen. Akustische Kommunikation ist weit verbreitet bei Arthropoden und Wirbeltieren. Sie erfolgt iiber Schallwellen, die im fur uns horbaren Bereich zwischen 20 Hz und 20 kHz sowie im Ultraschallbereich bis 2 MHz erzeugt und wahrgenommen werden. Die Ausbreitung erfolgt iiber Luft, Wasser (Schallausbreitung fast funfmal schneller als durch die Luft) oder Substrat (Substratschall). Fledermause erzeugen Ultraschall mit einer Frequenz bis 200 kHz, urn Beutetiere prazise zu orten. Delfine und Wale verwenden zur Echoorientierung Serien von kurzen Klicklauten bis zu 130 kHz. Vergleichbare Ultraschallorientierungssysteme haben Spitzrnause und mehrere hohlenbewohnende Vogelarten wie die Fettschwalme (Steatornithidae) Siidamerikas und die Segler (Apodidae) Siidostasiens entwickelt. Zugvogel und Brieftauben orientieren sich mithilfe des magnetischen Feldes der Erde. Ahnliches ist von Tieren bekannt, die grofse Strecken im Meer zur iicklegen, wie Wale und Meeresschildkroten. Haie besitzen Sinnesorgane in ihrer Haut, mit denen sie Veranderungen des elektrischen Feldes wahrnehmen konnen, wie sie z. B. durch die Muskelaktivitat einer im Sand eingegrabenen Scholle (Pleuronectes platessus) entstehen. Die schwach elektrischen Fische erzeugen lange puls- oder wellenformige Entladungsfolgen mit art- und geschlechtsspezifischen Frequenzen von 0,1 bis 10 kHz und Feldstarken von 1 nV bis 100 mV crrr ', Diese schwachen Wechselfelder benutzen die Fische zur Elektroortung und zur Kommunikation. Zu den schwach elektrischen Fischen zahlen die Nilhechte (Mormyridae) aus schlammreichen Plussen Afrikas und die Messeraale (Gymnotidae) aus den Schwarzwasserfliissen Siidamerikas, die zusam men etwa 350 Arten umfassen. Warmestrahlung kann von einzelnen Gruppen innerhalb der Arthropoden und Wirbeltiere wahrgenommen werden, etwa von Zecken, die mit ihren Temperaturrezeptoren im Infrarotbereich warmbliitige Wirte suchen. Bei Klapperschlangen und Grubenottern finden sich paarig angelegte, zwischen Augen- und Nasenoffnung gelegene Sinnesorgane, die die Warrnestrahlung z. B. einer Maus orten konnen. Durch die hohe Empfindlichkeit der Sinnesorgane konnen Temperaturschwankungen von 0,003 °C wahrgenommen werden. Weibchen des Schwarzen Kiefernprachtkafers (Melanophila acuminata, Buprestidae) fliegen bis zu 50 km entfernte brennende Baume an, deren frisch verkohlte Reste sie zur Eiablage benutzen.
5.3 Inf o rmat io nsf luss
5.3.2 Chemisch ubertraqene Information Obwohl die in einem Duftstoff enthaltene Information eine stoffliche Basis hat , ist diese massenmafsig vernachlassigbar, sodass Duftstoffe eher unter dem Gesichtspunkt der vermittclten Information als unter dem der Stoffmenge gesehen werden . Ahnlich kann auch der Transfer eines Pollens von einem Pflanzenindividuum zu einem ande ren als Informationsfluss bezeichnet werden, da der Stofftransport vernachlassigbar ist, der Informationstransfer (gespeichert als DNA) jedoch tiber Samenansatz und Reproduktion entscheidet. Die Gesamtheit der chemischen Substanzcn, die eine kommunikative Funktion zwischen Organismen haben, werden Infochemikalien (infochemicals) oder Semiochemikalien (semiochemicals, griechisch semeion fur .Zeichen", "Signal") genannt und sie konnen nach dem Bereich, in dem die Information flieBt (innerartlich, zwischenartlich), sowie nach der Absicht der Information (vorteilhaft oder nachteilig fur den Sender) unterteilt werden. Pheromone dienen der innerartlichen Kommunikation; Allomone, Kairomone und Synomone werden zwischenartlich eingesetzt (Dicke und Sabelis 1988) und daher auch AlleIochemikalien (allelochemicals) genannt. Das Forschungsgebiet, in dem diese Zusamrnenhange untersucht werden, heiBt chemische Okologie. Pheromone sind Substanzen, die von exokrinen Drusen abgegeben werden und der innerartlichen Kommunikation dienen ( ~ Kasten 5.2). Primer-Pheromone wirken langfristig auf das Hormonsystem des Empfangers. Bei staatenbildenden Insekten (Hymenopteren, Termiten) dienen sie dazu, ein Kastensystem zu etablieren und damit die Hierarchie im Staat zu erhalten, etwa als Entwicklungshemmstoffe fur Arbeiterinnen, die die Konigin der Honigbiene abgibt. Signalpheromone bewirken kurzfristig Verhaltensanderungen, z. B. als Sexuallockstoffe, Markierungsstoffe fur Territorien oder Nahrungsressourcen, Alarm- und Aggregationspheromone. Viele Bohrfliegen (Tephritidae) bringen nach der Eiablage ein Markierungspheromon auf dem Bereich der Eiablagestelle an, sodass eine weitere Eiablage und dam it larvale Nahrungskonkurrenz vermieden wird (Averill und Prokopy 1989). Bei Parasitoiden markieren viele Arten einen parasitierten Wirt, manche sogar zusatzlich das Mikrohabitat, in dem der Wirt bereits parasitiert wurde. Auf diese Weise wird das erneute Absuchen eines Gebiets vermieden und die Parasitierungsrate erhoht (Waage 1986, Godfray 1994). Allomone wirken zum Vorteil des Senders, und es sind meist Substanzen, die zur Verteidigung gegen eine andere Art eingesetzt werden (Wehrsekrete, Toxine, Pflanzeninhaltsstoffe, Antibiotika). Wie der Fall der Bolaspinne Mastophora hutchinsoni (Araneidae) zeigt, konnen Allomone auch anlockend (attractant) sein. Mastophora produziert zwei Komponenten des Sexualpheromons einiger Mottenarten (Noctuidae) und fangt die anfliegenden Mannchen mit einer Leimkugel (Bola) (~Abb. 5.1l). Die Spinnenragwurz (Ophrys sphegodes, Orchidaceae) produziert eine Mischung aus 14 cuticularen Kohlenwasserstoffen, die dem Sexualpheromon der Wildbiene Andrena nigroaenea (Apidae) verbluffend ahnelt. Mannchen werden hochspezifisch angelockt und wenn diese versuchen, mit der Blute zu kopulieren, kommt es in der Regel zur Befruchtung der Blute (Schiestl et al. 1999). Eine vergleichbare chemische Fehlinformation durfte gerade bei Orchideen bei vielen Arten fur die Bestaubung
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242
5 bkosysteme
- Kasten 5.2 Pheromone zur Schadlinqskontrolle Synthetisch hergestellte Sexualpheromone oder Aggregationspheromone konnen im Rahmen der Schadllnqskontrolle fur Monitoring, Massenfang oder zur Verwirrung eingesetzt werden . Beim Monitoring zeigen Klebfal len das Vorhandensein eines Schadlings und seine Haufiqkeit an. Beim Massenfang werden Teile der Schadlinqspopulation weggefangen, um die Populationsdichte un ter einer schadensschwelle zu halten. 1m Wein und Obstbau haben sich Pheromonfallen gegen einige Kleinschmetterlinge bewahrt, im Maisanbau gegen MaiszOnsler (Ostrinia nubilalis), im
Forst gegen schwammspinner (Lymantria dispar) und andere schmetterlinge. Aggregationspheromone werden gegen verschiedene Borkenkaterarten eingesetzt, Siqnalpheromone gegen die Kirschfruchtfliege (Rhagoletis ceresi) und andere Fruchtfliegen. Bei der Verwirrungsmethode wird im Wein - und Obstbau vor allem gegen Wick lerarten (Tortricidae) das weibliche sexua lpheromon in hoher Konzentration flachendeckend ausgebracht, um die Kommunikation zwischen den Geschlechtern zu storen.
wichtig sein. Beisoleh chemischer Fehlinformation spricht man auch von chemischer Mimikry. Aas- und Kotbluten (u. a. bei Araceae, Aristolochiaceae, Asdepiadaceae, Rafflesiaceae) locken aas- und kotbesuchende Insekten mit typischen Duftkomponenten an. Das, was diese Insekten suchen, wird zwar nicht geboten, dafur kommt es zu einer Bestaubung in den fallen- oder reusenartig gebauten Bluten (Stensmyr et al. 2002). Viele Wirbellose, die als Inquilinen (Einmieter), Parasiten oder Rauber bei sozialen Insekten leben, tauschen durch Allomone eine chemische Identitat mit ihrem Wirt vor, sodass sie von diesem toleriert werden. Die ektoparasitische Milbe Varroa destructor der Honigbiene (Apis mellifera) passt die Zusammensetzung ihrer cuticularen Kohlenwasserstoffe sogar den saisonbedingten Veranderungen ihres Wirtes an. Blaulingslarven (Lycaenidae), die in ihrer Entwicklung auf Ameisen angewiesen sind (myrmecophil), ahneln chemisch ebenfalls so sehr ihrer Wirtsameisenart, dass diese die Raupen von den Futterpflanzen, auf die die Falter die Eier ablegen, in ihr Nest eintragen und wie Ameisenlarven futtern (Akino et aI1999).
5.11 Die vergleichende Antennogramm-Darstellung der Reaktion rnannlicher Lacinipolia renigera (Noctuidae) auf zwei Komponenten des sexualpheromons der eigenen Weibchen (oben) bzw. der volatilen Absonderungen einer Bolaspinne (Mastophora hutchinsoni, Araneidae) (unten) zeigt, dass die Mannchen auf beide Substanzen gleich reagieren . Nach Gemeno et al. (2000).
5.3 Inf ormat ionsf luss
243
Kairomone wirken ebenfalls zwischenartlich, sind aber zum Nachteil des Senders und vorteilhaft fur den Empfanger. Drei Gruppen konnen unterschieden werden (Ruther et al. 2002): • Nahrungssuchekairomone (foraging kairomones) . Ein Organismus sendet ein chemisches Signal aus, das ein Gegenspieler (Rauber, Parasitoid, Herbivoren) nutzt, urn ihn zu finden. Beispielsweise finden vieleHerbivoren ihre Wirtspflanzen durch die volatilen (fluchtigen) Komponenten chemischer Pflanzeninhaltsstoffe. Auf Schnecken spezialisierte Leuchtkafer (Lampyridae) finden ihre Beute olfaktorisch anhand deren Schleimspur. • Feindvermeidungskairomone (enemy avoidance kairomones). Potenzielle Beutetiere nutzen Signalstoffe, die von einem Rauber ausgehen, urn diesen zu meiden, sich gegen ihn zu verteidigen oder urn ihn zu schadigen, Viele Beispiele stammen aus aquatischen Okosystemen, in denen z. B. Arten des Zooplanktons bestimmte chemischeKomponenten mit Fressfeinden assoziieren und fluchtartig wegschwimmen (Chivers und Smith 1998). Bei Wasserflohen (Daphnia sp.) wird das Wachstum des Riickenzahnes als Verteidigungsschild induziert (S. 129, ~ Abb. 3.9). Hierunter fallt auch die induzierte Verteidigung von Pflanzen gegenHerbivore,bei der Pflanzen auf chemische Signale der Herbivoren mit Intensivierung ihrer chemischen Verteidigung reagieren (Hilker und Meiners 2002) (j-Kasten 5.3). • Sexualkairomene (sexual kairomones) . Diese liegen vor, wenn ein Mannchen genauso wie ein Weibchen auf chemische Signale der gemeinsamen Futterpflanze oder eines Wirtes reagiert, es jedoch weniger an der Nahrungsressource als am Weibchen interessiert ist. Synomone wirken in komplexen tritrophischen Interaktionen zum Vorteil von Sender und Empfanger, etwaim System Pflanze-Herbivore-Parasitoid.Ein herbivorer Kafer frisst an seiner Wirtspflanzeund legt seine Eierauf deren Blattern abo FraB und
Kasten 5.3 Chemische Kommunikation zwischen Pflanzen - - - - - - - Bei HerbivorenfraB geben Pflanzen fluchtiqe Substanzen passiv (Diffusion aus verletztem Gewebe) und aktiv (Synthese von Jasrnonsaure. Terpenoide oder Methylsalicylat) abo Es ist aber unklar, ob Pflanzen zwischen artspezifischen und artfremden Signalen unterscheiden und ob sie es mit einer Ursache in Verbindung bringen. Das haufiq nachgewiesene Methyljasmonat beispielsweise ist in Abwehrreaktionen auf Stress (z. B. Herbivore) und Entwicklungsprozesse (Keimung, Blutenentwicklung) involviert, scheint aber auch fUr den Informationsfluss zwischen Pflanzen zentral zu sein (Preston et al. 2001). Zwei Beispiele verdeutlichen die Problematik solcher Befunde: Die arteigenen
Nachbarn befallener Erlen (Alnus glutinosa) haben weniger Herbivore als die in groBerer Entfernung, und windabwarts einer befallenen Pflanze werden vermehrt sekundare Pflanzenstoffe in artfremden Pflanzen synthetisiert (Dolch und Tscharntke 2000, Karban et al. 2000). Aber warum sollen Baume einer Art eine andere Art warnen? Selbst fur Baurne der gleichen Art ist eine Warnung nicht sinnvoll, sofern sie nicht verwandt sind . Moqticherweise konnen befallene Baume nicht vermeiden, Substanzen abzugeben, benachbarte Baurne, egaI welcher Art, horen sie wie Spione ab (listening trees) und intensivieren ihre chemische Verteidigung.
244
5 Okosysteme
Eiablage verursachen durch die Verletzung des Pflanzengewebes und des Speichel des Herbivoren einen Duftgradienten (Metcalf 1987, Turlings et al. 1990). Hierdurch wird ein Parasitoid angelockt, der dann die Eier des Kafers parasitiert. Die Abgabe der Duftstoffe, die als Synomone wirken, ist fur Pflanze und Parasitoid von Vorteil, da sie dem Parasitoid das Finden der Eier erleichtert und den Herbivorenschaden der Pflanze reduziert.
'} Fragen
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1. Wodurch unt erscheiden sich Brutto- und Nettop rimarprodukt ion sow ie Best andsbio masse eines Okosystems? 2. Wieso ist die Lange eine r Nahrungskett e energetisch Iimitiert? 3. Man sagt allgemein, dass Organi smen nur wen ige Prozent einer Nahru ngsressource zum eigenen Wachstum nutzen. Warum eigen tlich? Und was passiert mit dem Rest? 4. In welchen Okosystemen erwarten Sie eine Herbivorennahrungskette, in welchen eine Dest ruent ennahrungskette? 5. Warum gibt es keine Voge l oder Sauqet iere von 1-3 cm Korperlanqe. also etwa de r GroBe von Laufkatern oder Heuschrecken? 6. Die Erde wird gerne als Wasserplanet beschrieben . Trotzdem rnussen sich vie le Organismen an Wasserknappheit anpassen. Wie konnen Sie das erklaren? 7. Beschreiben Sie den globalen Kohlenstoffkreislauf mit seinen gr oBen, heute wichtigen Reservoirs. Wo und warum verandern menschliche Aktivitaten Teil e dieses Kreislaufs und wie wirkt sich das aus? 8. Warum sind Mik roorganisme n fOr den Stickstoffhausha lt von so zentraler Bedeutung? Geben Sie Beispiele. 9. Phosphor und Stickstoff sind beide sehr wichtig fur die " Emahrunq" von Organismen. Was sind die wichtigsten Unt erschiede zwischen beiden Elementen? 10. In welchen Bereichen setzen Organismen chemisch ubertraqene Informati onen ein? 11. Erklaren Sie den Unte rschied zw ischen Pherom onen und Allom onen, und geben Sie je ein Beispiel.
Die Auflosungen der Fragen sind im Internet zu finden (http://www.oekologiebuch.unibe.ch) .
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Kapitel6
GroBlebensraume der Erde
~
Lernziele
Klimadiagramme Charakterisierung der terrestrischen Lebensraume FlieBgewasser und Seen als limnische tebensraurne GroBlebensraume des Meeres
6.1 Terrestrische Lebensraurne Klassifikationsversuche fur Grofslebensraume der Erde verbinden in der Regel Klima parameter mit der Struktur der natiirlichen Vegetation, die durch die vorherrschenden Lebensformen definiert wird (S. 174). Als Klimakenngrolsen gelten der mittlere Jahresniederschlag und die mittlere Jahrestemperatur. In Abbildung 6.1 sind beispielsweise Tundren durch das Vorherrschen von Grasern und Zwergstrauchern und durch Jahresdurchschnittstemperaturen zwischen -5 "C und -10 "C charakterisiert. Die Iahresniederschlage iiberschreiten 1000 mm nur in Ausnahrnefallen. Sommergriine Laubwalder, wie sie fur Mitteleuropa typisch sind, belegen im Diagramm den Bereich von ca. 5-12 "C, bei Niederschlagen zwischen 1000 und 2 000 mm. Der tropische Regenwald ist besonders durch das iippige Auftreten von Cefafspflanzen-Epiphyten gekennzeichnet. Er ist auf Gebiete mit Temperaturjahresmitteln uber 20 "C und Niederschlagsmitteln > 2000 mm beschrankt. Klimatypen werden durch Klimadiagramme definiert, die moglichst viel okologisch relevante Information enthalten ( ~Kasten 6.1). In einem Klimaatlas der Erde haben Walter und Lieth (1967) die Diagramme fur sarntliche Klimamessstationen der Erde zusammengestellt. Darauf aufbauend konzipierten sie ein Klimatypensystem mit neun Grundtypen, die die Klimate der neun Groflebensraume (Zonobiome) der Erde mit relativ einheitlicher Vegetation und Tierwelt charakterisieren. Der Begriff Biom bezieht sich auf die gesamte lebende Welt einer okologisch cinheitlichen Region (z. B. mitteleuropaisches Flach- und Hugelland, Sahara, Pampa).
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6 Grofilebensraurne der Erde
chara kteristische Lebensformen
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immergriine Laubholzer
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[JJ] regengriine taubholzer
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terrestrische Formationen
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4 regengriine Monsunwalder 5 sommergriine Laubwalder
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6 {kalt)temperierte Nadelwalder
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8 Savannen
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2 subtr-warmternp.Reqenwalder 3 kiihltemperierte Reqenwalder
4000
Tundren
Hillewiisten Trockenwiisten Kaltewiisten
45 00
mittle re [ahresnied erschlaqe (mm) 6.1 Die Verbreitung der zonalen Forma t ionen u nd der Lebensformen (Sprossp flanzen) auf der Erde, in Abhangigkeit von der Jahrestemperatur und den Jahresniederschlaqen, Nach Sitte et a l. (2002).
Einen Sonderfall stellen die Gebirge dar (Orobiome). Sie sind tiber alle GroBlebensraum e hinweg verteilt und zeigen du rch die Vertikalerstreckung eine deutliche Hohenzonierung, die mit einer Veranderung des zonalen Klimas einhergeht. Bei Waldern nahe der Baum grenze sprechen wir von subalpiner Stufe, bei der Zone oberhalb der Waldgrenze von alpiner und im Gletscherbereich von nivaler Stufe. Unterhalb der subalpinen Stufe schliefsen die montane, die submontane und die kolline Stufe und schlieBlich die planare Stufe (Flachland) an, die bis zur Meereskuste reicht. Pur eine ausfuhrliche Behandlung der terrestr ischen Grofslebensraume siehe Grabherr (1997).
247
6.1 Terrestrische l.ebensraume
Kasten 6.1 Aufbau und Inhalt eines Kimadiagramms - - - - - - - - Der typ ische Aufbau eines Klimad iagramms nach Wa lter und Liet h (1967) geht aus der Abbi ldung hervor. x-Achse: FOr die Nordhernisphare werden die Monate von Januar bis Dezember aufgetra gen , fur die Sudhern isphare von Juli bis Juni, sodass die warme Jahreszeit immer in der Mitte des Diagramms Iiegt. y-Achse: Die Temperatur (links) w ird in · C angegeben, der Niederschlag (rechts) in mm . Ein Teilstr ich entspricht 10 · C bzw. 20 mm Niederschlag . Die Ziffern auf den Diagrammen bedeuten : 1. Station , 2. Hohe uber dem Meer, 3. Zahl der Beobachtungsjahre (eventuell erste Zahl fOr Temperatur und zwe ite f ur Niederschlaqe), 4. mittlere Jahrestemperatur, 5. mittlere jahr liche Niede rschlagsmenge, 6. mittleres taq liches Minimum des kalt esten Monats, 7. absolutes Minimum (tiefste gemessene Temperatur), 8. Kurve der mittleren Monatstemperaturen, 9. Kurve der mittleren rnonat lichen Niederschl aqe. Befindet sich die Niederschlagskurve unter der Temperaturkurve, liegt fur das betreffende KIimagebiet eine relative DOrrezeit vor (etwa im Klimadiagramm von Harare, S. 249), die punkt iert dargestellt wird . Befindet sich die Niederschlags kurve hingegen Ober der Temperaturkurve, Iiegt
eine relativ feu chte Zeit vor, die vertika l schraff iert dargestellt w ird (10). Obersteigen die mittleren monatl ichen Niederschlaqe 100 mm , so w ird der MaBstab auf 1/10 reduz iert und die relativ perhumide Jahreszeit wird schwarz dargestellt (Klimadiag ramm von Harare, S. 249). 11. Monate mit mittlerem Tagesminimum unter 0 · C (schwarz) = ka lte Jahreszeit, 12. Monate mit absolutem M in imum unter 0 · C (schraq schraffiert), d. h. Spat- oder Fruhfroste sind maglich .
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6.1.1 Tropischer Regenwald (feuchttropische Zone) Klima. Im tropischen Regenwald ( ~ Abb. 6.2) betragt die mittlere Tagestemperatur ganzjahrig ca. 25-27 °C (immer uber 18°C, aber selten mehr als 35°C). Tropische Regenwalder sind frostfrei. Die Tag-Nacht-Unterschiede sind groBer als die Iahresschwankungen des Monatsmittels, daher spricht man von einem so genannten Tageszeitenklima. Temperaturbedingte Iahreszeiten fehlen, aber Niederschlage konnen jahreszeitlich variieren. Die durchschnittlichen Niederschlage betragen 2000-3000 mm und konnen bis zu 10000 mm erreichen. Die Niederschlage ubersteigen das ganze Iahr die Evapotranspiration, d. h. das Klima ist ganzjahrig humid. Pflanzenwelt. Die Baumschicht im Regenwald gliedert sich in drei Stockwerke : die A-Schicht mit den Urwaldriesen, deren schirmformige Kronen mit einer Hohe von 30-60 m das darunter liegende geschlossene Kronendach uberragen, die B-Schicht in etwa 24 m Hohe, deren kugelforrnige Kronen den Hauptteil des geschlossenen Kronendachs bilden, und darunter die C-Schicht in einer Hohe von etwa 18 m, mit Baumen, deren konische Kronen die verbleibenden Lucken in der Kronenschicht schlieBen. Nur etwa 3 % des einfallenden Lichts erreicht den Boden, d. h. unter der Kro-
20
__
248
6 Grof3lebensraume der Erde
nenschicht ist es in der Regelsehr dunkel. Ein groBer Teildes Regenwaldbodens bleibt wegen des Lichtmangels unbedeckt oder ist nur sparlich bewachsen . Regenwalder sind extrem reich an Lianen und Epiphyten, die die Baume als Unterlage fur ihr eigenes Wachstum nutzen. Auffallige Merkmale der Baume sind Blatter mit Traufelspitzen, die fur ein rasches AbflieBen des Regenwassers sorgen. Brettwurzeln verleihen den Stammen Stabilitat, denn wegen der ungenugenden Sauerstoffversorgung der nassen Boden konnen keine tiefer reichenden Wurzeln entwickelt werden. Regenwalder sind durch hohe Phytomasse (standing crop), hohe Jahresproduktion und hohe Zersetzungsraten gekennzeichnet. Der hohe Streuanfall verteilt sich tiber das ganze [ahr, und die Zersetzung der Streu erfolgt in weniger als einem Iahr, Daher gibt es keine tiefen Humusschichten. Symbiosen der Pflanzen mit Mykorrhiza-Pilzen sind weit verbreitet und sorgen fur eine rasche Wiederaufnahme der Nahrstoffe, bevor diese ausgewaschen werden. Tierwelt. Tropische Regenwalder gehoren zu den artenreichsten Okosystemen und umfassen vermutlich rund drei Viertel aller Tierarten der Erde. Die groBte Artenzahl wird im Kronenraum der Baume erreicht. Viele Tiere zeigen morphologische Anpassungen an das Leben in den Baumwipfeln (Krallen des Faultiers, Greifschwanze der Affen, Flughaute der Gleithornchen). Regenwalder sind charakterisiert durch eine groBe Arten- und Individuenzahl von staatenbildenden (sozialen) Insekten wie Termiten (Isoptera), Ameisen, Bienen und Wespen (Hymenoptera). Termiten sind als Holzzersetzer von groBer Bedeutung fur das schnelle Zuruckfuhren toten Pflanzenmaterials in den Stoffkreislauf.
Boqor (240 m)
2S,O' 4117
'C 50
mm 300 200 · 100
40 -
· 80
30
- 60
20
40
10
20
6.7
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(14]
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6.2 Verbreitung des tropischen Regenwaldgebietes (Klimadiagramm von Bogor, Indonesien). Nach Walter und Breckle (1999) und Sitte et al. (2002).
6.1 Terrestrische tebensraume
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6.1.2 Tropisch-subtropische Regenzeitenwalder und Savannen (trockentropische Zone) Klima. Die trockentropische Zone ist durch einen Wechsel von Regen- und Trockenzeit gekennzeichnet ( ~ Abb. 6.3). Die Dauer der Trockenzeit und die jahrliche Niederschlagsmenge bestimmen die Vegetation. Das Monatsmittel der Temperatur liegt meist uber 18°C und die Regenzeit ist die warmere Iahreszeit. Froste treten nur in Randbereichen auf. Feuer ist ein bedeutender okologischer Faktor (S. 15). Vegetation. Die typische Vegetation besteht aus halbimmergriinem Wald (Trockenzeit 3-6 Monate, Niederschlag 1500-2000 mm), regengriinem Wald wie dem Monsunwald in Sudostasien (Trockenzeit 5-8 Monate, Niederschlag 500-1500 mm) oder Savannen (Trockenzeit 7 -10 Monate, Niederschlag 250-600 mm) . Bluhphasen und Laubwechsel sind streng an die jahreszeitliche Rhythmik gebunden. Auffallig sind die vor der Regenzeit synchron bluhenden Baume, In halbimmergriinen Waldern konnen Epiphyten noch zahlreich sein, Brettwurzeln fehlen jedoch. Hochgrassavannen sind oft feuerbedingt, Niedergrassavannen eher klimabedingt bzw. durch den FraBdruck von Megaherbivoren (Antilopen, Zebras , Gnus, Elefanten usw.) verursacht. Tierwelt. Die Tierwelt der halbimmergriinen Walder zeichnet sich durch eine hohe Diversitat aus. Fur die Savannen sind groBe Herden herbivorer Saugetiere charakteristisch , die bis zu 50 % der Primarproduktion konsumieren. Bedeutend sind auch staatenbildende Insekten (Termiten, Ameisen) und diverse andere Insektengruppen wie z. B. schwarmbildende Heuschrecken.
Harare (1472 m) 18.5' 840
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30 20
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6.3 Verbreitung tropisch-subtropischer Regenzeitenwalder und Savannen (Klimadiagramm von Harare, Simbabwe). Nach Walter und Breckle (1999) und Sitte et al. (2002).
250
6 Grofslebensraume de r Erde
6.1.3 HeiBe Halbwusten und Wusten (subtropisch-tropische Wustenzone) Klima. Diese Lebensraume sind ganzjahrig tracken und heiB (~ Abb. 6.4). Die Evapotranspiration ubersteigt in fast allen Monaten den Niederschlag, d. h. das Klima ist arid. Die jahrlichen Niederschlage liegen unter 250 mm und sind sehr variabel (Wusten mit Sommer- oder Winterregen, Nebelwiisten und Extremwiisten, die oft jahrelang regenlos sind). AIle Temperaturmonatsmittelliegen tiber 5°C, wahrend mindestens vier Monaten betragen die Monatsmittel uber 18°C. Die taglichen Temperaturamplituden sind groB, Nachtfroste haufig, Wolkenbedeckung und Luftfeuchte mit Ausnahme der Nebelwusten sehr gering . Vegetation. Abiotische Faktoren bestimmen das Landschaftsbild und die Stoffumsatze. Wusten kommen als Fels-, Schutt-, Sand-, Salz- oder Tonwiisten vor. Halbwiisten weisen bei einem Jahresniederschlag bis ca. 100 mm eine schuttere Vegetation auf, bei Iahresniederschlagen unter 100 mm ist die Vegetation auf wenige Stellen beschrankt (z. B. in Wadis) . Viele Pflanzen haben Trockenheitsanpassungen unterschiedlicher Art ausgebildet wie hartlaubige (skleraphylle), wasserspeichernde (sukkulente) und laubabwerfende Xerophyten sowie wechselfeuchte (poikilohydre) Arten ("Auferstehungspflanzen") zeigen. Therophyten keimen nur nach einem Regen und fuhren zur so genannten Wustenblute. Tierwelt. Besonders in Vollwiisten ist die Primarproduktion sehr gering und auch wenig konstant, sodass die Tierwelt grundsatzlich nur geringe Dichten aufweist. Tiere leben vorwiegend im Boden und sind oft nachtaktiv. Auffallig ist das Vorherrschen von Nagern, giftigen Reptilien und Skorpionen. Schwarzfarbung (Melanismus) ermoglicht Kafern ein Aufheizen in den kalten Morgenstunden, Sanger gewinnen durch komplexe Strukturen der Atemorgane die Luftfeuchtigkeit aus der Ausatemluft zuruck (S. 22).
Kalro (20 m) [37J
20,S' 26
mm
-c
50
300 200 100
40
80
30 20 10 "
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60 40
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6.4 Verbreitung hei13er HalbwOsten und WOsten (Klimadiagramm von Kairo, Agypten). Nach Walter und Breckle (1999) und Sitte et al. (2002).
6.1 Terrestrische l.ebensraume
251
6.1.4 Mediterran warmtemperate, diirre- und episodisch frostbelastete Gebiete mit Hartlauhwaldern Klima. Diese Lebensraume sind durch kuhle, feuchte Winter und trocken-heifse Sommer (Mittelmeersommer) mit feucht -milden Ubergangszeiten (Fruhjahr/Herbst) gekennzeichnet (~ Abb. 6.5). Die Temperaturmittel der Win termonate fallen durchschnittlich nicht unter 5°C, Froste sind aber episodisch moglich, gelegentlich sogar Schnee. Die jahrliche Niederschlagssumme betragt mehr als 400 mm, sodass ein meist waldfahiges Klima vorherrscht. Feuer ist als okologischer Faktor bedeutend (5. 15). Vegetation. Als typische Vegetation herrschen Hartlaubwalder oder Gebiischformationen vor. Letztere sind bekannt als Macchie (Mittelmeergebiet), Kwongan (Sudwestaustralien), Fynbos (Kapland), Chaparral (Kalifornien) oder Matorral (Spanien, Chile). Diese sind sehr artenreich und weisen bei einem hohen Grad an Konvergenz floristisch groBe Unterschiede zwischen den einzelnen Gebieten auf. Als Anpassungen der Vegetation an die haufigen Feuer haben sich hohes Regenerationsvermogen, dicke, korkreiche Borken und Hitzekeimung herausgebildet. Durch die Sommerdiirre ist die Bodenbildung gehemmt und das weit verbreitete Hartlaub schwer zersetzbar. Besonders das Mittelmeergebiet ist ein uralter Kulturraum, in dem Okosysteme wie extensiv genutztes Weideland mit Zwergstrauchern und kurzlebigen Grasern tiberwiegen (Garrigue). Charakteristisch sind auch Geophyten (Liliaceae, Orchidaceae). Tierwelt. Es gibt kaum spezielle Eigenheiten der Tierwelt, abgesehen von generellen Anpassungen an Trockenheit, Hitze und haufig auch an Feuer (5.16). Die Tierwelt weist ahnlich wie die Pflanzenwelt einen hohen Artenreichtum auf. Durch ihre Isolation gibt es in den mediterranen Gebieten viele endemische Arten.
tos Angeles (95 m)
[70-53) 'C
50] 40
30
20
10
mm
17,0' 385
(
300 200 100
80
~1
60
~m ' 40
20
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\
6.5 Verbreitung mediterraner, warmtemperater Gebiete mit Hartlaubwaldern (Klimadiagramm von LosAngeles, USA). Nach Walter und Breckle (1999) und 5itte et al. (2002).
252
6 Grofllebensraume der Erde
6.1.5 Warmtemperate, regenreiche, episodisch frostbelastete Gebiete mit immergriinen Lorbeerwaldern Klima. Iahresniederschlage tiber 1000 mm fuhren zu einem ganzjahrig humiden, warmtemperaten Klima mit Wintermonatsmitteln tiber 5 °C und Sommerrnonatsmitteln tiber 18 °C ( ~Abb. 6.6). Es gibt keine trockene Iahreszeit, der Niederschlag ist ganzjahrig hoher als die Evapotranspiration. Im Winter kommen regelmafsig leichte Froste vor, vereinzelt auch Schnee. Feuer spielt keine Rolle. Vegetation. Vorherrschend sind immergrune Regenwalder (in den feuchtesten Gebieten, z. B. von Mittelchile), Lorbeerwalder, sommergrune Regenwalder und Reliktnadelwalder (z. B.die Sequoia-Walder in Kalifornien und die Araucaria-Walder in Mittelchile). Meist sind diese eher dunklen Walder relativ artenreich. Sie weisen einen gleichmafsigen Autbau mit einheitlicher Baumschicht von maximal 30 m Hohe auf, Gefafpflanzen-Epiphyten oder Lianen spielen aber im Vergleich zum tropischen Regenwald nur eine geringe Rolle. Moose und Hautfarne sind weit verbreitet. Die charakteristische Blattform ist der Lorbeerblatttypus: maBig grofs, ganzrandig, ledrig, immergrun, ohne Traufelspitzen, Brettwurzeln fehlen. Sommergrune, d. h. laubabwerfende Walder haben haufig immergrune Straucher im Unterwuchs, z. B. die sudwestirischen Eichenwalder mit Stechpalmen. Bei vielen dieser Gebiete handelt es sich urn alte Kulturraume, in denen die naturliche Vegetation stark zuruckgedrangt ist. GroBe Urwaldgebiete findet man nur noch in Neuseeland, Chile und Nordjapan. Tierwelt. Die Tierwelt weist in der Regelwenig Besonderheiten auf. Lediglich Neuseeland verfugt aufgrund seiner isolierten Lage tiber eine vielfaltige endemische Vogelwelt mit vielen flugunfahigen Arten wie Kiwi, Kakapo (Eulenpapagei) und Takahe-Ralle. Bemerkenswert waren auch mehrere Arten von groBen Laufvogeln (Moas), die jedoch inzwischen ausgerottet wurden.
Naga. akl (133 m)
[30)
1S.5· 1967
mm
·c
50
300 200 100
40
80
30
60
20
40
10 2.2 - 5,6
20 0
I/..., ,
- -
\rt
6.6 Verbreitung warmtemperater Gebiete mit immergrOnen torbeerwaldern (Klimadiagramm von Nagasaki, Japan). Nach Walter und Breckle (1999) und Sitte et al. (2002).
6.1 Terrest rische t ebensrau rne
253
6.1.6 Klihltemperate Zone der laubabwerfenden Walder Klima. Charakteristisch fur diese Zone ist ein Klima aus vier Jahreszeiten: Winter mit Schnee und obligaten Frosten bis unter -10°C, warme, niederschlagsreiche Sommer und relativ lange Ubergangsphasen (Fruhjahr, Herbst). Die Vegetationsperiode dauert 6-8 Monate, das Temperaturminimum in dieser Zeit liegt uber 5 "C. Der Iahres niederschlag betragt 500-1 500 mm und ist gleichmafsig tiber das Iahr verteilt. Haufig tritt ein unbestandiger Witterungsverlauf durch frontengebundene Niederschlage auf ( ~Abb. 6.7). Vegetation. Vorherrschend sind relativ artenarme, somrnergrune Laubwalder, die einen deutlichen Aspektwechsel mit Laubfall und Laubaustrieb aufweisen. Walder sind in Baum-, Strauch- und Krautschicht gegliedert. Die Waldbodenarten (Hemikryptophyten) sterben im Herbst ab, im Fruhjahr erscheinen Ephemere (meist Geophyten) noch vor dem Laubaustrieb (z. B. Buschwindroschen). Der Laubfall ist primar eine Anpassung an die winterliche Frosttrocknis und fuhrt zu einer Verringerung der transpirierenden Oberflache. Die Stamrne bilden deutliche Jahresringe aus. Die Laubstreu ist leicht zersetzbar und wird rasch abgebaut. Dies fuhrt zu gut ausgebildeten Humusschichten. Die kuhltemperaten Walder wurden durch das pleistozane Kalteklima stark zuruckgedrangt (erzwungene Migrationen) und sind in Europa durch die Nord-Sud-Barrieren der Alpen und des Mittelmeeres begrenzt. Daher ist die europaische Waldgeholzflora wesentlich artenarrner als die Nordamerikas und Ostasiens. Die meisten dieser Gebiete wurden durch den Mensch en stark zuruckgedrangt und durch Acker-, Weide- und Gartenkulturen bzw. urbane Zentren ersetzt. Tierwelt. Bei der Tierwelt handelt es sich im Wesentlichen urn eine typische Waldfauna mit charakteristischen Kalteanpassungen, Viele Vogelarten wandern nach Suden, viele Sanger halten Winterschlaf, wechselwarme Tiere (z, B.Amphibien) fallen in Kaltestarre, Wirbellose weisen spezifische Uberdauerungsstadien auf.
WlShlnglo n D.C. (22 m) [30) 'C 50 40 30 20 10
- 1.7
- 26, 1
13,8' 1053
IJ~l~_~
mm 300 200 100
11~
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80 60 ' 40 20 0
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6.7 Verbreitung der kOhl-temperaten Zone der laubwerfenden Walder (Klimadiagramm von Washington D.C., USA). Nach Walter und Breckle (1999) und Sitte et al. (2002).
254
6 Grofllebensraume der Erde
6.1.7 Winterkalte Steppen, Halbwusten und Wusten (kalt-aride Zone) Klima. Die kalt-aride Zone ist durch kalte Winter mit Frosten unter -10°C und trockene, heifseSommer gekennzeichnet ( ~ Abb. 6.8). Ein Teildes Niederschlags (hochstens 400 mm) fallt als Schnee. Das Schneeschmelzwasser ist wesentlich fur die Bodendurchfeuchtung und bildet einen wichtigen Wasservorrat im trockenen Friihsommer. Die gunstigen Wachstumsbedingungen sind auf nur 2-5 Monate im Friihjahr und Fruhsommer reduziert. Vegetation. Bei Niederschlagen tiber 250 mm bilden sich Steppen, zwischen 100 und 250 mm Halbwiisten , unter 100 mm Vollwiisten. Die Steppen sind als ausgedehnte, artenreiche Wiesensteppen, Hochgras- oder Kurzgrasprarien (great plains) ausgebildet. Eine Entwicklung von Friihlingsbliihern tiber Friihsommerstadien zu trockenem Spatsommeraspekt ist ausgeprsgt. Zum Teil gibt es ausgedehnte Uber gangszonen . Diese sind als Waldsteppen ausgebildet, als Halbwiisten (meist blattlose Straucher, Geophyten; Sukkulenz ist unbedeutend) oder als Vollwiisten mit kontrahierter Vegetation. Die gut zersetzbare Streu wird unter starker Beteiligung von Nagetieren rasch umgesetzt. Steppen und Prarien sind uralte Siedlungsgebiete vor allem von Reiterkulturen. Wegen ihrer hervorragenden Eignung als Ackerboden wurden sie allerdings in jungster Zeit grofsflachig umgewandelt und sind heute nur noch in Resten (meist als Schut zgebiete) vorhanden. Tierwelt. Die Tierwelt war urspriinglich durch umfangreiche Bestande an herbivoren Grofssaugern gekennzeichnet, z. B. Bisons in Amerika , Tarpane (Wildpferde) in Europa oder Saiga-Antilop en in Asien, die heute stark zuruckgedrangt sind. Auch Nager sind von groBer Bedeutung (Ziesel, Wuhlmause, Kaninchen) .
• ·c
Achtuba (5 m) [24.10)
7. 7' 255
mm
30
60
20
40
10 - 13,7 - 37. 7
20
o
- 10
6.8 Verbreitung winterkalter Steppen, HalbwOsten und WOsten (Klimadiagramm von Achtuba, Russland). Nach Walter und Breckle (1999) und Sitte et al. (2002).
6.1 Terrestrische l.ebensraume
255
6.1.8 Winterkalte Nadelwaldgebiete oder Taiga (boreale Zone) Klima. Die boreale Zone ist durch kalte, lange Winter von 6-7 Monaten und Frosten unter -20°C gekennzeichnet ( ~Abb. 6.9). Die Sommer sind kuhl, die Monatsmittel liegen durchwegs unter 18°C und nur 1-3 Monate iiber 10"C. Der Jahresniederschlag ist mit unter 500 mm relativ gering, und ein grofser Teil des Niederschlags fallt als Schnee. Durch die Kalte ist der Niederschlag aber hoher als die potenzielle Evapotranspiration, dadurch entsteht ein humides Klima. 1m Sommer herrschen Langtagbedingungen (Mittsommernacht), im Winter lange Polarnachte. Vegetation. Nadelwalder (Taiga) mit einer einfachen Baumschicht aus Fichten, Tannen, Larchen und Kiefern dominieren. Die Walder weisen einen moos-, chamaephyten-, hemikryptophyten- und geophytenreichen Unterwuchs auf, einjahrige Pflanzen fehlen fast ganz. Eine helle Taiga in den kont inentalsten Bereichen (dominiert von Larchen) wird von einer dunklen Taiga mit immergriinen Nadelholzern unterschieden. Floristisch sind sie jeweils sehr einheitlich. Boreale Laubholzer sind Pioniere in Windwurf- und Brandflachen. Feuer ist als okologischer Faktor in konti nentalen Gebieten von Nordamerika und Sibirien sehr bedeutend. Die Boden sind stark sauer, die Bodenfauna ist artenarm und die Bodenstreu schlecht zersetzbar. Die Boden sind im Winter gefroren, aber auch ganzjahrig gefrorene Boden (Permafrostboden), auf denen z. T. immer noch Wald wachsen kann, sind weit verbreitet. Tierwelt. Die Tierwelt ist durch grofse Saugetiere gekennzeichnet (Hirsche, Baren, Biber, Wolfe, Fuchse, Schneehasen), viele kommen jedoch nur in geringer Dichte vor. Zu den Anpassungen der Tiere gehoren jahresperiodische Wanderungen bei Vogeln, Winterschlaf bei Saugetieren (Erdhornchen, Murmeltiere) bzw. ein Leben unter der isolierenden Schneedecke (Manse, Spitzmause) (S. 13).
• Archong elsk (10m) [61-24 )
'C
40
0.4' 466
mm
80
60 40 20
o
6.9 Verbreitung winterkalter Nadelwaldgebiete (Klimadiagramm von Archangelsk, Russland). Nach Walter und Breckle (1999) und Sitte et al. (2002).
256
6 GroB lebensraume der Erde
6.1.9 Tundren und polare Wiisten (polare und subpolare Zone) Klima. Polartundren und -wiisten sind durch kalte, lange Winter von mehr als neun
Monaten Dauer mit extremen Frosten (unter -30 °C) und einer Vegetationszeit von nur 1- 3 Monaten mit Mitteltemperaturen von iiber 5 °C gekennzeichnet ( ~ Abb. 6.10). Der Niederschlag ist insgesamt gering (unter 250 mm) und fallt vorwiegend als Schnee. Durch die geringe Verdun stung ist das Klima jedoch humid. Starke Vergletscherung und periglaziale Gelandeformen sind bedeutend. Vegetation. Diese Lebensraume weisen ein waldfeindliches Klima auf. Mit zunehmenden Breitengraden geht eine oft sehr ausgedehnte Waldtundra in eine Zwergstrauchtundra, eine Grastundra (Trocken-, Feucht-, Nasstundra) und schliefslich in eine polare Kaltewuste iiber. Die Flora ist relativ artenarm und im Bereich der Nordhemisphare sehr einheitlich. Auf der Sudhemisphare kommen endemische Inselfloren und Tussockgraslander mit groBen Horsten vor. Durch Kalte und Staunasse in den aufgetauten Permafrostboden ist die Zersetzungsrate sehr gering, sodass sich hohe Rohhumusauflagen und Torfbildungen ergeben. Tierwelt. Die Tierwelt ist durch hohe Dichten an Saugetieren (Rentieren, Moschusochsen , Lemmingen) und Vogeln (Watvogeln, Gansen, Enten) und gleichzeitig groBen Artenreichtum gekennzeichnet. An den Kiisten leben Robben, Walrosse, Eisbaren, Tolpel, Alke usw. Zu ihren Kalte- und Schneeanpassungen gehoren Wanderungen (z, B.Vogelzug), Haar- und Federwechsel zu hellen oder weiBen Farben (teils auch ganzjahrig).
Ka"k1 le Vorota (Valgatsch) (11 m)
. C(151
- 7.2· 169
40
mm 80
30
60
20
40
10 - 23.0 '1IIiI1IIIIIl1llllll~ -4 2,5 "" -1 0
20
o
- 20
6.10 Verbreitung der Tundren und polaren WU5ten (Klimadiagramm von Karskije Vorota, Insel Vaigatsch, Russland). Nach Walter und Breckle (1999) und Sitte et al. (2002).
6.2 Limnische t.ebensraume
6.2 limnische tebensraurne Die Gewasser des Festlandes, Fliefsgewasser und Seen, sind mit dem jeweiligen Klima und den umgebenden terrestrischen Lebensraumen verbunden. Eine strenge Parallelisierung mit den Landlebensraumen, beispielsweise im Sinne eines fur eine bestimmte Pflanzengesellschaft typischen Gewassers oder eines "typischen Savannengewassers", ist allerdings nicht moglich. Die Lebensgemeinschaften im Wasser sind primar von dessen physikalischen und chemischen, lebensraumbestimmenden Eigenschaften abhangig. Oft steht ein Faktor im Vordergrund, der von den Lebewesen eine bestimmte Spezialisierung verlangt (z. B. Nahrstoffrnangel, Sauerstoffmangel, Stromung, Eisbildung, hoher Salzgehalt usw.). Verglichen mit den Landlebensraumen werden die Bedingungen im Wasser wesentlich durch dessen hohere Dichte und Viskositat, in Fliissen auBerdem durch die Stromung gepragt. Entsprechend eng sind die Anpassungen, und der Grad an Konvergenz ist sehr hoch. Limnologie und Meeresbiologie unterscheiden daher im Wesentlichen auch nur zwischen zwei Lebensformen des freien Wassers, dem Plankton und dem Nekton. Planktonorganismen schweben im freien Wasserkorper (Pelagial) und nutzen den Auftrieb, wohingegen sich Nektonorganismen aktiv und im Verhaltnis zur Korpergrofse iiber groBe Distanzen bewegen (im SiiBwasser sind dies iiberwiegend Fische). Der Gewassergrund, das Benthal, wird von vielen sedentaren, d. h. festsitzenden Organismen besiedelt (Benthos). Die vagilen Rauber und Weideganger bewegen sich aufgrund des hohen Widerstands langsam. Vertreter aller dieser Lebensformen finden sich auch in der Makrophytenzone (Schilfrohrichte, Laichkraut- und Armleuchteralgenwiesen) des Litorals. In den Fliissen und Bachen verlangt die Stromung Anpassungen in Form stromlinienartiger Korper bzw. Haftorgane fur die Organismen des Gewassergrundes. Planktonorganismen fehlen in rasch strornenden Fliefsgewassern. Unabhangig von floristischen und faunistischen Unterschieden sind daher die Lebensformen des freien Wassers wie auch des Gewassergrundes in GroBe und Form sehr ahnlich und die entsprechenden Lebensgemeinschaften praktisch auf der ganzen Welt aus gleichen Lebensformen aufgebaut (Konvergenz).
6.2.1 FlieBgewasser 1m weltweiten Uberblick kann zwischen zwei Grundtypen unterschieden werden (lilies 1961): Rhithralfliisse und Potamalflusse, Das Rhithron zeichnet sich durch hohe FlieBgeschwindigkeit, niedrige Temperaturen, geringe Temperaturschwankungen und hohen Sauerstoffgehalt aus. Die Abflussschwankungen stehen in enger Beziehung zum Niederschlagsregime und der Niederschlagsmenge im Einzugsgebiet (z. B. Friihsommerhochwasser schneereicher Hochgebirge, Friihling shochwasser schneereicher Mittelgebirge, Monsunhochwasser). Stromungstolerante Lebensgemeinschaften und Lebensformen sind typisch. Dies trifft vor allem fur die Benthosfauna, die Lebewelt am Gewasserboden, zu, fur die abgeflachte Korper, Haft- und Saugapparate kennzeichnend sind . Der sandig-schotterige Gewasserboden mit seinem Liickensystern (hyporheisches Interstitial) bietet zahlreichen strornungsintoleranten Arten
257
258
6 Grof3lebensraume der Erde
Lebensraum. Das Wasser im hyporheischen Interstitial bleibt in der Regel von Eisbildung verschont, bildet somit fur viele Tiere einen Ruckzugslebensraum. Bei den Fischen dominieren Winterlaicher (z. B. Saiblinge und Bachforelle). 1m Potamon fluktuieren die Wassertemperaturen starker und werden von Lufttemperatur und der direkten Sonneneinstrahlung mitbestimmt. Auch der Sauerstoffgehalt variiert starker, bleibt aber allgemein bei eher geringeren Konzentrationen. Die Stromung ist gering, besonders nahe dem Gewassergrund, Hier kommen vor allem eurytherme Arten, die auch mit geringen Sauerstoffmengen leben konnen, vor. Es sind oft dieselben, die auch in stehenden Gewassern gefunden werden. Unter den Fischen dominieren Sommerlaicher.
6.2.2 Seen Bei Seen spielt als okologisches Klassifizierungskriterium die jahreszeitlich abhangige Durchmischung des Wasserkorpers, die durch unterschiedliche Temperaturschichtung zustande kommt, eine wesentliche Rolle. Die Seen unserer Breiten (kuhltemperate Lebensraume) durchmischen sich zweimal im Iahr, im Herbst und im Fruhjahr (dimiktische Seen, ~ Abb. 6.11). 1m Sommer ist das warme Oberflachenwasser durch eine temperaturbedingte Sprungschicht (Thermokline) vom kalten und schwereren Tiefenwasser getrennt. Die Temperaturunterschiede losen sich im Herbst durch die sinkenden Umgebungstemperaturen auf, sodass sich das Wasser durchmischt. 1m Winter bildet sich wieder eine Sprungschicht aus, diesmal allerdings ist das Oberflachenwasser biter als das Tiefenwasser. Wesentlich verantwortlich fur diese Schichtung ist aufser der Temperatur die Tatsache, dass Wasser bei etwa 4 °C sein Dichtemaximumhat. Seen in Gebieten, die ganzjahrig warm (Tropen, Subtropen) oder kalt sind (polare Gebiete), durchmischen sich nie (amiktisch). In Gebieten, in denen die Temperaturen im Winter nicht langere Zeit unter 4 °C absinken (mediterrane und warmtemperate Lebensraume), durchmischen sich die Seen nur einmal im Iahr im Winter (monomiktisch). Ebenso mischt sich das Wasser in tropisch-subtropischen Regenzeitengebieten durch die Dichteunterschiede, die durch den Niederschlags- bzw. Temperaturwechsel bedingt sind, einmal im Iahr, Flache Seen durchmischen sich durch die taglichen Temperaturschwankungen standig (polymiktisch) . Vom Nahrstoffgehalt her ist eine Einteilung in nahrstoffreiche Seen (eutrophe Seen) mit meist flachem Becken und breiter Uferbank, reichlichem Phyto- und Zoo plankton und gut ausgebildeter Ufervegetation sowie in nahrstoffarme Seen (oligotrophe Seen) mit tiefem Becken und schmaler Uferbank, geringer Planktonentwicklung und damit klarem Wasser weit verbreitet. Oligotrophe Seen findet man haufiger in hoheren Lagen, an Gebirgsrandlagen (oft junge, erst nach der Vereisung entstandene Seen) und in der Arktis, eutrophe Seen eher im Flachland und in warmeren Regionen. Wie man die Seen auch einteilt, die vorherrschenden Lebensformen in ihnen (Plankton- und Nektonorganismen) unterscheiden sich praktisch nicht. Der hohe Grad an Konvergenz wird durch die dominierenden Faktoren Wasserdichte und die
6.3 GroBleben sraume des Meeres
Som mer
o
Winter
Friihling
He rbst
6.11 Zirkulation des Wasserkorpers in einem dimiktischen See.
hohe Viskositat des Wassers bestimmt. In Landokosysternen ist die LebensformenvielfaIt wesentlich groBer.
6.3 GroBlebensraume des Meeres Zweifellos sind die Lebensbedingungen in den Tropenmeeren nicht dieselben wie in den Polarmeeren. Eine analoge Gliederung wie fur die Landlebensraume ist aber auch im Meer nicht sinnvoll. Zwischen den Teillebensraumen des Meeres, den Kusten, dem Schelf und der Tiefsee bestehen grofsere Unterschiede als zwischen den Meeren der verschiedenen WeItteile (Ott 1996). Wie im SuBwasser wird zwischen Pelagial, dem Lebensraum des freien Wassers, und dem Benthal, dem Lebensraum am Gewasserboden unterschieden (~ Abb. 6.12). Pelagial- und Benthalgemeinschaften der Seen und des Meeres sind sich in ihrer Lebensformenstruktur ahnlich. Dichte und Viskositat des Wassers sind auch fur die Mobilitat der Meeresbewohner entscheidende Faktoren. Dem SalzgehaIt des Meeres begegnen die Meeresorganismen mit verschiedenen physiologischen Anpassungen.
259
260
6 Grofllebensraume der Erde
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• anaerobe Photoautot rophe .. anaerobe Chemoautot rophe
6.12 Gliederung des Meeres und Verteilung der wichtigsten Produzententypen. Nach Ott (1996),
6.3.1 Pelagial Das Pelagia! des Meeres, dessen Hauptbewohner wie im Sufswasser kleine Planktonund groBe (im Meer auch sehr groBe) Nektonorganismen sind, kann in zwei unterschiedliche Provinzen geteilt werden: jene des Schelfbereichs (neritische Provinz), in der das Licht bis zum Meeresgrund dringt, und jene des offenen Ozeans tiber dem Kontinentalabhang und den Tiefseeboden (ozeanische Provinz). Die neritische Provinz wird besonders in der temperaten Zone durch Zirkulation bis zum Grund erfasst. Es kommt zur Durchmischung des Wassers mit Sauerstoff und Nahrstoffen, Licht, ebenfalls bis zum Grund reichend, errnoglicht photosynthetische Produktion. Insgesamt ist die ArtenvielfaIt des Planktons hoch. Die ozeanische Provinz besitzt eine durchschnittliche Tiefe von 4 000 m, reicht aber in den Tiefseegraben noch bis in Tiefen von mehr als 10 000 m hinab. Mit der Tiefe nehmen die Komplexitat und Vielfait der Lebensgemeinschaften ab, aber noch die grofsten Tiefen sind belebt. Wesentliches Charakteristikum dieser Provinz ist, dass ein GroBteil auBerhalb des photosynthetisch aktiven Bereichs liegt. Als Primarproduzenten leben in dieser aphotischen Zone nur aerobe oder anaerobe chemoautotrophe Organismen ( ~Tab. 3.1), deren Produktion aber nur im Bereich heifer Gasaustritte bedeutend ist. Der NahrstoffgehaIt des ozeanischen Wassers ist durch die fehlende Durchmischung gering (Ausnahme sind Auftriebsgebiete, upwellings, z. B. an den Westkusten Sudamerikas und der Namib). Das gilt auch fur die Schwankungen von Temperatur und Salzgehalt. Einige Verwandtschaftsgruppen haben sich in der ozeanischen Provinz besonders reich entwickelt, so die Foraminiferen, Radiolarien und Coccolithophoriden, deren Schalen einen wichtigen Bestandteil der Meeressedimente bilden.
6.3 Grofllebensraurne des Meeres
6.3.2 Benthal Auch beim Benthal des Meeres sind es die gewaltigen Dimensionen, besonders jene der aphotischen Zone, die es vom Sufswasserbenthal absetzen. Hierzu kommen Wellenschlag und Gezeiten im Kiistenbereich. Kiistenbereiche konnen je nach Form, Sedimentbeschaffenheit (Fels-, Sandkuste), Nahrstoffgehalt und Temperaturschwankungen des Wassers sehr unterschiedlich sein. Einheitlicher ist das Benthal der aphotischen Zone, obwohl auch hier mit den heiBen Gasaustritten (black smokers) im Bereich der Beruhrungsnahte der Kontinentalplatten Lebensraume sehr eigenwilliger Art auftreten. Analog zu den Habitattypen des Festlandes lassen sich auch fur das BenthaI des Meeres charakteristische Standorte mit entsprechenden Lebensgemeinschaften unterscheiden und beschreiben (Ott 1996). Felskiisten konnen in eine Spritzzone (Supralitoral), eine Gezeitenzone (Eulitoral) und eine dauernd wasserbedeckte Zone (Sublitoral) untergliedert werden . Sie sind durch einen Wechsel mariner und atmospharischer Einflusse im Sub- und Eulitoral, hohe mechanische Belastung durch Wellenschlag (Staudruck und Scherkrafte) sowie durch extreme Wechsel von Temperatur und Salzkonzentration vor allem im Supralitoral und Eulitoral (Verdunstung, Aussufsen durch Niederschlag) gekennzeichnet. Wattenkiisten bilden sich bei extrem flacher Kustenneigung, etwa im Innern tiefer Buchten oder hinter barrierebildenden Inseln. Das beste Beispiel ist das Wattenmeer der Nordsee, gegliedert in supralitorale Salzmarschen, das eigentliche Watt (uberflutete Sand- und Schlickflachen) und den Strandwall an der Niedrigwasserlinie. Charakteristisch sind auch die Priele, d. h. Kanale, in denen das Wasser abflieBt. Marschen und Mangroven sind Bestande von aus dem Wasser ragenden GefaBpflanzen. Sie entstehen an geschiitzten Verlandungskiisten und dringen bis etwa zur Mittelwasserlinie seewarts vor. Bei Marschen handelt es sich oft urn Monokulturen von Marschgras (Spartina). Mangroven sind Walder und Gebiische mit Stelzwurzeln (vor allem Rhizophora, Sonneratia und Avicennia). Seegraswiesen wachsen auf standig wasserbedeckten, flachen oder schwach geneigten Sedimentboden der Starklichtzone. Das Seegras ist mit seinen ausgedehnten Rhizomsystemen im Boden verankert und bildet Bestande bis zu 1 m Hohe, Seegraswiesen und Algenmatten bieten in der strukturarmen Umgebung des Meeresgrundes strukturreiche Bestande an und sind ein wichtiger Lebensraum und Laichplatz fur viele Tiere. In Schelfgebieten sind bis zu 40 % des Bodens von Sandboden bedeckt, die gegen den Schelfrand in Silt- und Tonboden iibergehen. Solche Feinsedimentboden enthalten, vor allem im Miindungsgebiet von Flussen, einen hohen Anteil Sedimentfracht. In Buchten und Lagunen bestehen die Schlarnmboden bis zu 90 % aus Ausscheidungen von Suspensionsfressern. Oberhalb der Wellenbasis ist die Tierwelt artenarm und von geringer Dichte, unterhalb der Wellenbasis findet sich ein grofserer Arten- und Formenreichtum, besonders von grabenden Tieren (Muscheln, Schnecken, Borstenwurmern, Krebsen, Stachelhautem). Korallenriffe kommen ausschlieBlich in den warm en Meeren vor. Sie sind extrem stenotherm und auf die Starklichtzone beschrankt, Das Grundgeriist eines Korallenriffes bilden Steinkorallen (Madreporaria), die in enger Symbiose mit Algen (Zoo-
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262
6 Grofllebensraume der Erde
xanthellen) leben. Die Hauptmasse des Kalkes aber wird yon Algen, Foraminiferen, Hydrozoen, Mollusken, sedentaren Polychaeten und Moostierchen (Bryozoa) gebildet. Die Abgrenzung der Tiefsee ist schwierig. Einerseits reichen die Kontinentalsockel bis in 4000 m Tiefe hinunter, andererseits kommen Tiefseearten in den Polarmeeren schon bei 100 m Tiefe vor, Gemeinhin bezeichnen wir den Bereich zwischen dem Kontinentalrand in 200 m Tiefe und dem Kontinentalsockel in 4000 m Tiefe als Bathyal. Die eigentliche Tiefsee (Abyssal) reicht yon 4000-6000 m Tiefe, darunter liegen die Tiefseegraben, das Hadal. Rund 70 % der Weltmeere sind tiefer als 4 000 m. Vollige Dunkelheit, konstante niedrige Temperaturen urn -2 bis +2 DC, hoher hydrostatischer Druck, schwache Wasserbewegung und geringes Nahrstoffangebot kennzeichnen das Leben in der Tiefsee. Hier sind zahlreiche charakteristische Tiefseelandschaften ausgepragt: Kontinentalabdachung mit starken Stromungen und Sedimentumlagerung, steilwandige Canyons mit yon Trubstromen gebildeten Schwemmkegeln, pelagische Sedimentflachen, riesige Flachen yon rotem Tiefseeton in landfernen Becken, Manganknollenfelder und primare Hartboden der zentralen Kamme und Spreizungsachsen. Die Organismenwelt der Tiefsee ist allgemein noch weitgehend unbekannt.
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Fragen
1. Erklaren Sie den Aufbau eines Klimadiagramms. 2. Warum wird zur Einteilung der terrestrischen t.ebensraume die Vegetation, aber nicht die Tierwelt verwendet? 3. Nennen und charakterisieren Sie die neun terrestrischen Grofllebensraume der Erde. 4. Erklaren Sie die okoloqischen Unterschiede zwischen terrestrischen und limnischen Lebensraurnen. 5. Warum lassen sich Lebensraurne im aquatischen Bereich nicht gut anhand von Klimadaten einteilen? 6. Das Weltmeer erscheint uns als ein einheitlicher Wasserkorper. Nach welchen Parametern kann es dennoch untergliedert werden?
Die Auflosungen der Fragen sind im Internet zu finden (http://www.oekologiebuch.unibe.ch).
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Kapitel7
Angewandte Okologie
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Lernziele
Entwicklung von der Natur- zur Kulturlandschaft Bedeutung derNachhaltigkeit der Landnutzung Biologische Schadlinqskontrolle als L6sungsansatz Genetisch veranderte Organismen in der Landwirtschaft Notwendigkeit des Naturschutzes Ziele des Naturschutzes Wert der Biodiversitat Bedrohung der Biodiversitat Naturschutzkonzepte
7.1 Von der Naturlandschaft zur Kulturlandschaft An vielen Stellen der Welt wurden vor uber 10000 Iahren unabhangig voneinander in gunstigen Lagen landwirtschaftliche Systeme entwickelt. Gute Boden in Tallagen von Flusssystemen erlaubten den Anbau von Pflanzen, aus denen im Laufe der Generationen Kulturpflanzen gezuchtet wurden. Gleichzeitig cntwickelten sich durch diese erzwungene Sesshaftigkeit erste Dorfgemeinschaften, aus denen sparer Stadtstaaten und Hochkulturen entstanden. In Mitteleuropa war der Wandel von einer Naturlandschaft, deren nacheiszeitliche Entwicklung noch nicht abgeschlossen war, zu einer Kulturlandschaft mit Rodung von Wald verbun den . Es ist allerdings unklar, wie naturlich dieser Wald war, denn die Hauptbaumarten Buche (Fagus sylvatica) und Eiche (Quercus petraea und Quercus robur) waren fur die Menschen zum Masten der Haustiere und als Baumaterial schon immer wichtig . Mit der Entwicklung des Ackerbaus entwickelten sich daher bald ausgedehnte Rodungsinseln in den gunstigen Lagen, die im Laufe der Jahrhunderte zu zusarnmenhangenden Ackergebieten verschmolzen.
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7 Angewandte Okologie
Vermutlich herrschte bis zum 7. Iahrhundert eine Gras-Feld-Wechselwirtschaft vor, bei der fruchtbare Stellen bearbeitet, eingezaunt und angesat wurden. Nach der Ernte wurde das Feld mehrere Jahre sich selbst uberlassen, und erst nach soleh einer Brachephase erneut genutzt. Der so nutzbare Flachenanteil war aufserst gering, die Ertrage ebenfalls. Ausgehend vom Raum St. Gallen (Schweiz) breitete sich seit dem 8. Jahrhundert die Dreifelderwirtschaft (Dreizelgenwirtschaft) aus, welehe kontinuierlich fest abgetrennte Flurbereiche nutzte. Im Rotationsverfahren wurden einzelne Parzellen im ersten Iahr mit Wintergetreide, dann mit Sommergetreide und im dritten Iahr als Brachland genutzt. Die Vorteile der Dreifelderwirtschaft bestanden in der straffen agrarsoziologischen Struktur (Flurzwang, Siedlungen) und der intensiven Flachennutzung, Typisch war die Kombination von Pflanzenbau und Tierhaltung auf den gleichen Flachen. Als nachteilig erwies sich der hohe Flachenbedarf bei niedrigen Flachenertragen von 0,7-1,0 t Getreide ha ' (~Tab. 7.1). Eine effiziente Dungung kannte man nicht, die Bauern trugen jedoch Laubstreu und Humus aus nahegelegenen Waldern oder Oberboden aus Moorgebieten zur Bodenverbesserung ein. Da die Viehhaltung weitgehend ohne Futtermittelanbau und Stalle erfolgte, gab es auch keinen Stallmist, der in die Felder gebracht werden konnte. Die Weidewirtschaft war auf die Bracheflachen und weitere Gebiete jenseits der Ackerflur (Allmend) angewiesen und daher in groBem AusmaB landschaftspragend. Weidetiere verhinderten in einem weiten Umfeld der Siedlungen Verbuschung und Bewaldung, und auch heute noch weist das Vorkommen bestimmter Pflanzenarten, etwa Silberdistel (Carlina acaulis), Wacholder (Juniperus communis) oder Deutscher Enzian (Gentianella germanica), auf ehemalige Beweidung hin. Die Wanderschaferei, die heute unbedeutend ist, verband Landschaften iiber Hunderte von Kilometern und Schafe verbreiteten in ihrem Fell viele Diasporen zwischen ansonsten isolierten Lebensraumen, Nach wie vor bedeutend ist die AImwirtschaft in den Alpen und anderen Hochgebirgen der Erde. Fur einige Sommermonate werden groBe Viehbestande auf die Almwiesen getrieben, sodass dieser nur jahreszeitlich nutzbare Lebensraum auf dem Entwicklungsstadium eines Weideokosystems bleibt. Diese funktionelle Verknupfung zwischen Hoch- und Tieflagen ist die nachhaltigste Nutzung dieser Hochlagen zur Nahrungsmittelproduktion. Die alte Dreifelderwirtschaft bestand regional fast 1000 Jahre, bis sie im 18. Iahrhundert durch zunehmende Nutzung der Brache verbessert wurde. Der Anbau stickstofffixierender Nutzpflanzen (Luzerne ab 1720, Rotklee ab 1750, Lupinen ab 1780) Tabelle 7.1: Entwicklung der Flachenertrage fOr Weizen in Deutschland bis zur modernen Landwirtschaft. Zeit
Ertrag (t ha'l)
Entwicklungsstadium
vor 700
0,6-
Gras-Feld-Wechselwirtschah
800-1700
0,7-1,0
Dreifelderwirtschah
1900
1,6
Beginn dermineralischen Dungung
1938
2,4
Beginn derindustrialisierten landwirtschah
1980
S-8
moderne landwirtschah mit intensiver Agrochemie
---~-
7.1 Von der Naturlandschaft zur Kult urlandschaft
fuhrte zu einer deutlichen Verbesserung der Nahrstoffsituation im Brachejahr, gleichzeitig ergab sich durch diesen Futtermittelanbau auch die Moglichkeit, Hausvieh in Stallhaltung zu futtern. Da so zum ersten Mal Stallmist in grofserer Menge anfiel, konnte auch gezielt gedungt werden. Als weiteren Nebeneffekt errnoglichte die Stallhaltung eine bessere Kontrolle uber die Haustiere, sodass erst jetzt eine zuchterische Bearbeitung der Haustiere beginnen konnte. Als Alternative zum Futtermittelanbau standen ab 1700 Ruben und ab Ende des 18. Jahrhunderts Kartoffeln fur die menschliche Ernahrung zur Verfugung. Somit war aus einer reinen Getreidewirtschaft eine Getreide-Getreide-Hackfrucht-Fruchtfolge geworden, die auch heute noch die Grundstruktur der mitteleuropaischen Agrarwirtschaft darstellt. Im Unterschied zu Getreide, das im Herbst oder Friihjahr keimt und nur eine moderate Unkrautbekarnpfung benotigt, keimen Kartoffeln und Riiben erst im Fruhsommer. Zu diesem Zeitpunkt hat das Unkraut einen so grofsen Entwicklungsvorsprung, dass Kartoffeln und Riiben nur mit intensiver Unkrautkontrolle heranwachsen konnen, Da diese traditionell durch Hacken erfolgte, werden solche Kulturpflanzen auch als Hackfriichte zusammengefasst. Weitere Hackfriichte sind Mais, Bohnen und Gemusearten. Weitere Meilensteine in der Entwicklung der europaischen Landwirtschaft waren Kenntnisse zur Ernahrung von Pflanzen (Liebig 1840) und seit Ende des 19. Iahrhunderts die Verfugbarkeit von synthetischem Diinger, sodass die Stickstofflimitierung der Kulturpflanzen aufgehoben wurde (S. 234). Die landwirtschaftlichen Enrage lieBen sich hierdurch verdoppeln (.- Tab. 7.1). Parallel erfolgte eine gezielte ziichterische Bearbeitung von Kulturpflanzen, die zur Entwicklung von Hochleistungssorten fuhrte. Seit den 30er-Jahren des 20. Iahrhunderts, vermehrt aber seit den 60er-Jahren, begann man in Mitteleuropa Bewirtschaftungsweisen, die zuvor der grofsindu strieilen Produktion vorbehalten waren , in der Landwirtschaft umzusetzen. Statt mit der Kraft von Mensch und Tier wurden die Felder mechanisch bearbeitet, sodass der in der Landwirtschaft arbeitende Tei1 der Bevolkerung von 90 % (1800) bis Ende des 20. Jahrhunderts auf 2-3 % sank. Urn die Felder den immer groBeren Maschinen anzupassen, wurden die Landschaften entsprechend verandert (Flurbereinigu ng). Feldraine, Flurgehol ze, Hecken und Bachlaufe verschwanden, mit ihnen eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten, wodurch die Landschaft monotoner wurde. Die Landwirtschaft trug so zu einem erheblichen MaB zum Verschwinden vieler Arten und somit zur Artenarmut unserer Kulturlandschaft bei (S. 289). Mit diesen Veranderungen wurde aber auch eine chem ische Spirale in Gang gesetzt, die die Nebenw irkungen dieser industriellen Landwirtschaft noch verstarkte. Durch die Erhohung der Dungergaben war iiberall Stickstoff im Oberschuss vorhanden (S. 236). Das Unkraut wurde ebenfalls mitgediingt und erforderte spezielle chemische Mittel zur Beseitigung (Herbizide). Das immense Langenwachstum der Getreidehalme, welches diese anfallig gegeniiber Windbelastung machte, wurde durch chemische Halmverkiirzer ("Antiwachstumshormone") gebremst. Der hohe Stickstoffgehalt machte die Kulturpflanzen attraktiv fur herbivore Insekten und pathogene Pilze, sodass Insektizide und Fungizide eingesetzt werden mussten. Die Gesamtheit dieser chemischen Hilfsmittel (Dunger, Wachstumsregulatoren und Biozide) wird als Agrochemikalien bezeichnet.
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7 Angewandte Okolog ie
Die moderne, industrielle Landwirtsehaft Mitteleuropas, wie sie sieh in den 80erIahren herausgebildet hatte, produzierte Hochstertrage ( ~ Tab. 7.1), war aber von einem immensen ehemisehen Aufwand abhangig. Zu den Nebenwirkungen zahlen eine vollig veranderte Kulturlandsehaft, ihre Belastung mit Umweltehemikalien (von Grund- und Trinkwasser bis hin zur Atmosphare) sowie eine massive Reduktion der Biodiversitat. Erst die dureh die Uberproduktion nieht mehr finanzierbare Hohe der Agrarsubventionen, die ehemisehen Nebenwirkungen und die okologischen Foigen des Systems erwirkten ein langsames Umdenken zu einer naehhaltigeren Nutzung.
7.2 Nachhaltigkeit in der Landnutzung Die Weltkommission fur Umwelt und Entwieklung der Vereinten Nationen definierte naehhaltige Entwieklung im .Brundtland-Report" (1987) folgendermaBen: "Sustai-
nable development meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs." Eine naehhaltige Entwieklung ist daher
nieht nur eine Aufgabe fur unsere heutige Generation, sondern aueh fur unsere Kinder und Kindeskinder. Wie kann man aber erkennen und messen, ob eine bestimmte Entwieklung naehhaltig ist? Die hier im Wesentliehen vorgestellte naehhaltige Nutzung naturlicher Ressoureen ist nur ein Aspekt einer naehhaltig orientierten Gesellsehaft. Eine okologische Nachhaltigkeit, die sieh auf die Umwelt des Mensehen auswirkt, ist letztlieh nur erreiehbar, wenn sieh das soziokulturelle Umfeld des Mensehen ebenfalls an solchen Werten misst. Entseheidend du rfte aber eine an naehhaltiger Entwieklung orientierte Wirtschaft sein, da diese die Eekpunkte unserer gesellschaftliehen Entwicklung setzt. Die aktuellen Wirtsehaftssysteme basieren im Wesentliehen auf Waehstum, benotigen also Steigerungsraten von Umsatz , Verbraueh und Gewinn. Dies kennzeiehnet sie als im Prinzip nieht naehhaltig und zeigt die Dimension des Umbaus auf, der von unserer Gesellsehaft noeh geleistet werden muss . Naehhaltigkeit ist ein anthropozentriseher Begriff, der dort angebraeht ist, wo der Mensch im Mittelpunkt steht. Natur als solche ist nieht naehhaltig und kann nieht als Beispiel herangezogen werden. Gerade die grofsen Stoffkreislaufe zeigen, dass auf lange Sieht beaehtliehe Versehiebungen uber Lebensraume erfolgen: In Tundren ist die Photosyntheserate groBer als die Dekomposition, sodass es zur Tortbildung kommt. In fruheren Zeiten wurden gewaltige Mengen an Biomasse und Salzen aus der Biosphare abgelagert, wodurch die bekannten Kohle-, Erdol- und Salzlager entstanden . Der Ruf naeh Nachhaltigkeit wird in vielen Bereichen unseres Lebens laut und ist sogar in die Verfassung einiger Staaten aufgenommen worden (z. B. in der Sehweiz). Fur unsere Gesellsehaft zentral sind sieher die Bereiche unserer Versorgung mit Nahrung (Landwirtsehaft, Fisehfang), Energie und Rohstoffen (Waldwirtsehaft, Bergbau). Hiermit eng gekoppelt ist die Art und Weise, wie wir Lebensraume nutzen. Leider gibt es bis heute mehr Beispiele fur fehlende Nachhaltigkeit als positive Vorbilder. Global kann die Energiegewinnung nieht als naehhaltig bezeiehnet werden. Etwa 90 % der weltweit verbrauehten Energie wird dureh Verbrennen von Kohle, Erdol und Erdgas sowie dureh Kernspaltung gewonnen. Dies sind fossile Energietrager, deren
7.2 Nachhaltigkeit in der Landnutzung
Vorrate begrenzt sind und deren Nutzung uns ere Umwelt schwer belastet (z. B. durch den Treibhauseffekt, S. 231). Lediglich 10 % konnen als nachhaltig eingesetzte Energie bezeichnet werden (Wasserkraft, Biomasseverbrennung und son stige regenerative Energieformen). Wie die Entwicklung der letzten Jahre beim Ausbau der Windenergie in Europa gezeigt hat, ist das Potenzial nachhaltiger Energienutzung jedoch urn ein Vielfaches groBer. Es liegt vor allem an machtpolitischen Konstellationen, wenn Nachhaltigkeitskriterien nicht starker berucksichtigt werden.
7.2.1 Forstwirtschaft, Landwirtschaft und Fischereiwirtschaft Forstwirtschaft Unter der nachhaltigen Nutzung eines Systems verstehen wir eine Nutzung, die das System nicht zerstort, sondern langfristig erhalt, sodass es kontinuierlich genutzt werden kann. Das Gegenteil bezeichnen wir als Raubbau. Der BegriffNachhaltigkeit (sustainability, sustainable development) wurde vermutlich zu Beginn des 18. Iahrhunderts in der Waldwirtschaft gepragt, da dort die Folgen einer nicht nachhaltigen Bewirtschaftung nach jahrhundertelanger Misswirtschaft durch akuten Holzmangel deutlich wurden. Wenn mehr Baume gerodet werden als nachwachsen, verringert sich der Baumbestand. Diese Entwicklung kann schnell ein kritisches Ausmaf erreichen, da Baume haufig erst nach 100 und mehr Iahren genutzt werden. Nach einem Kahlschlag kann es zur Bodenerosion kommen, sodass die Standorteigenschaften fur Wald schlechter werden. Wenn keine Baume mehr wachsen, weil der Oberboden fehlt, wird auf lange Zeit kein Holz mehr geerntet werden konnen. Das Kapital ist zerstort, weil vergessen wurde, nur die Zinsen zu ernten. Gepragt durch diese schlechten Erfahrungen setzte sich das Nachhaltigkeitsprinzip urn die Wende vorn 18. zum 19. Iahrhundert innerhalb der Forstordnung durch, und seitdem gilt der Grundsatz einer "geordneten" Waldwirtschaft. Ihre wesentlichen Kriterien besagen , dass die Waldflache erhalten werden muss und eine Nutzung nur in der Grofsenordnung des Zuwachses erfolgen darf.
landwirtschaft Wahrend die Dreifelderwirtschaft mit ihren Abwandlungen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts als traditionelle Landwirtschaft bezeichnet wird, hat sich fur die industrielle Landwirtschaft des 20. Jahrhunderts inzwischen der Ausdruck "konventionell" etabliert. Vor allem durch die vielen Nebenwirkungen dieser Art Landwirtschaft haben sich zwei Richtungen entwickelt, die beide auf ihre Art diese Nebenwirkungen reduzieren wollen: die int egrierte Produktion und die biologische Landwirtschaft. Die integrierte Produktion ist aus der konventionellen Landwirtschaft heraus ent standen, als absehbar war, welche Umweltschaden durch den immensen Einsatz von Agrochemikalien verursacht werden. In den 50er- und 60er-Jahren des 20. Iahrhunderts verfugte die Landwirtschaft uber eine breite Palette von chemischen Mitteln, urn Krankheiten und Schadlinge zu bekampfen. Die chemische Industrie propagierte damals feste Spritzplane, bei denen jedoch ein Wirkungsverlust gegenuber Zielorga-
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7 Angewandte Okoloqie
nismen vorprogrammiert war; zudem waren die Nebenwirkungen auf Nichtzielorganismen enorm. Als Alternative zu diesem intensiven Einsatz von Agrochemikalien proklamierte man daher den integrierten Pflanzenschutz IP (auch integrierte Schadlingsbekampfung oder integrierte Produktion). Ziel des IP ist es, sich von routinemafsigen Anwendungen abzuwenden und stattdessen vermehrt okologische Grundlagen und Schwellenwerte zu beriicksichtigen. Es sind jedoch alle Methoden erlaubt, die einer gesicherten und hohen Produktion dienen. IP verlangt also vermehrt Kenntnisse uber den Einfluss von Nutzlingen, Schadlingen und Wettereinflusse sowie Interaktionen zwischen Boden und Pflanze. IP umfasst den Anbau von geeigneten Sorten in einer sinnvollen Fruchtfolge. Die Dungung muss sich an den lokalen Hochstertragen orientieren und im Boden vorhandene Nahrstoffreserven beriicksichtigen. Die Unkrautbekarnpfung mit Herbiziden erfolgt nur bei hohem Unkrautdruck, die Bekampfung von Pflanzenkrankheiten und Schadlingen mit Fungiziden bzw. Insektiziden nur, wenn der Befall so stark ist, dass ein Schwellenwert iiberschritten wird. Das Konzept der wirtschaftlichen SchadensschweUe geht davon aus, dass mit zunehmender Dichte von Schadlingen der Wert des Produkts (der Ernte) sinkt. [e groBer die Differenz zwischen Wert und Verlust, desto eher lohnt es sich, in eine Bekampfung des Schadlings zu investieren. Die Kosten der MaBnahme miissen jedoch gerin ger sein als die mogliche Wertsicherung. Letztlich muss das Konzept auch berucksichtigen, dass jede MaBnahme eine bestimmte Zeit benotigt, urn wirksam zu werden. Nicht das Erreichen der okonomischen Schadensschwelle, sondern das der niedrigeren Bekampfungsschwelle ist also der Ausloser fur eine MaBnahme ( ~Abb. 7.1). In der Praxis bedeutet dies, dass MaBnahmen zu einem fruhen Stadium der Entwicklung eines Schadlings preisgunstiger und effektiver sind als zu einem spateren Zeitpunkt. Ein weiterentwickeltes Konzept beinhaltet auch, dass es besser (preisgunstiger) ist, MaBnahmen durchzufuhren, die nach einer einmaligen Anwendung zu einer dauerhaften Etablierung eines Gegenspielers fuhren, als Verfahren, die in regelmafsigen Abstanden wieder angewendet werden mussen. IP umfasst auch nichtchemische Bekampfungsmethoden: Unkrauter konnen mechanisch (durch Bodenbearbeitung) kontrolliert, Pilzbefall durch Sortenmischungen oder anbautechnisch minimiert werden. Eine Reduktion der Befallswahrscheinlichkeit von Schadlingen kann durch okologische BegleitmaBnahmen, etwa eine entsprechende Landschaftsgestaltung mit okologischen Ausgleichsflachen, erfolgen. Soleh unspektakulare MaBnahmen waren in Mitteleuropa durch die Versprechungen des chemischen Pflanzenschutzes und die stattlichen Subventionen fur eine Maximalproduktion tiber Jahrzehnte in Vergessenheit geraten. Diese agrarpolitischen Rahmenbedingungen wurden allerdings auch von den Konsumenten lange akzeptiert. IP kann also als ein Riickgriff auf die traditionelle Landwirtschaft gesehen werden, in die jedoch moderne Techniken integriert werden. IP ist ein sehr variables Konzept, das keine Verbote kennt. Dies unterscheidet IP von der biologischen Landwirtschaft, welehe keine synthetischen Diinger und Biozide akzeptiert. IP wird in den meisten Bereichen Mitteleuropas fast flachendeckend angewendet, allerdings in unterschiedlich starker Auspragung. Man kann IP nicht als nachhaltige Bewirtschaftungsform bezeichnen, da Biozide eingesetzt werden, sehr
7.2 Nachhaltigkeit in der Landnutzung
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7.1 Das Schadschwellenkonzept im integrierten Pflanzenschutz.
hohe Ertrage prioritar sind und die Energiebilanz schlecht ist. Sie ist jedoch im Vergleich zu friiheren Bewirtschaftungsformen ein Schritt in die richtige Richtung. Im Unterschied hierzu verzichtet die biologische Landwirtschaft (organic farming) weitgehend auf Biozide, mineralischen Diinger und Hochstertrage. Regional angepasste und robuste Sorten , weite Fruchtfolgen und moglichst geschlossene Nahrstoffkreislaufe sind wichtige Charakteristika dieser Anbauweise, deren Wurzeln bis an den Anfang des 20. Jahrhunderts zuriickreichen und die sich in vielen Regionen Mitteleuropas parallel zur industriellen Landwirtschaft entwickelt hat. Die Bezugseinheit der biologischen Landwirtschaft ist der Betrieb und nicht eine Parzelle, d. h. ganze Hofe funktionieren nach bestimmten Regeln. Fur biologische Betriebc ist es wichtig, das natiirliche Schadlingsregulationspotenzial optimal zu nutzen und zu fordern, sodass artenreiche Lebensraume in einer gut strukturierten Landschaft gefordert werden . Der Ersatz von mineralischem durch organischen Diinger verhindert die Eutrophierung der Umwelt und eine schonende Bodenbearbeitung fordert die Boden fruchtbarkeit. Trotz erhohtem Arbeitsaufwand und geringerer Flachenertrage erzielt die biologische Bewirtschaftung meist hohere finanzielle Ertrage, da der Mittelaufwand geringer ist als beim konventionellen Anbau und hohere Preise erzielt werden (Mader et al. 2002). Biologische Landwirtschaft ist die nachhaltigste aller landwirtschaftlichen Anbaumethoden, macht jedoch in Mitteleuropa nur wenige Prozent der Anbauflache aus (Deutschland 4 o;h, Osterreich und Schweiz 10 % der Anbauflache, Tendenz steigend) .
Fischereiwirtschaft Die Entnahme von Fisch und anderen Produkten aus den Weltmeeren hat sich in der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts mehr als verfunffacht . Durch die weltweit groBe Nachfrage nach tierischem Eiweif fuhrte der stetig wachsende Nutzungsdruck auf die marinen Ressourcen zum Zusammenbruch vieler Fischpopulationen in zahlreichen Meeresteilen der Welt (Nentwig 2005). Durch Verlagerung des Fischfangs auf andere Arten und in andere Regionen war kurzfristig eine gewisse Erholung moglich, lang-
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7 Angewan dte Okol oqie
fristig nahm der Raubbau am Meer aber zu. Der Walfang fuhrte fast zur Ausrottung aller GroBwale, zeigte aber auch, dass Konsumentendruck und internationale Regeln einen effektiven Schutz der Tiere erreichen konnen. Wahrscheinlich wird sich langfristig eine geregelte Bewirtschaftung der GroBwale ergeben. Fur die meisten Bereiche des marinen Fischfangs gibt es heute kaum international verbindliche Vereinbarungen und noch weniger Kontrollen. Wenn kleine Netze nicht genug Ertrag brachten, wurden die Netze bis zu den gewaltigen Treibnetzen vergroBert. Wenn nicht genugend Speisefische gefangen werden konnten, wurde vermehrt Beifang (zu kleine Fische, aber auch fur die menschliche Ernahrung nicht geeignete Arten) als .Jndustriefisch" gefangen und zu Fischmehl (also Tierfutter) verarbeitct. Der heutige Meeresfischfang ist somit nicht nachhaltig und entspricht einem Raubbau an den marinen Ressourcen. Nachhaltigkeit konnte durch ein konsequentes Melde- und Uberwachungssystem der Fange vergleichsweise einfach erzielt werden. Als Regulierungsmoglichkeit haben sich variable Maschenweiten bewahrt, welehe es erlauben, bestimmte Arten und Altersklassen gezielt zu bewirtschaften (.. Abb. 7.2). In der Praxis hat sich, im Unterschied zum derzeitigen Schutzsystem fur Wale, soleh ein Ansatz fur Fische jedoch bisher nicht durchgesetzt.
7.2.2 Biologische Schedllnqskontrolle Unter Schadlingen verstehen wir Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen, die mit dem Menschen direkt oder indirekt urn die gleiche Ressource konkurrieren. Blattlause an Weizen, Klettenlabkraut (Galium aparine) im Wcizenfeld oder Getreiderost sind entsprechende Beispiele. In intensiven Nutzsystemen konnen diese Arten zu Schadlingen werden, haufig weil ihre natiirlichen Gegenspieler durch die ausgeraumte Agrarlandschaft oder durch Agrochemikalien beseitigt wurden. Oftmals werden auch zu empfindliche Pflanzensorten angebaut, oder selbst Minimalschaden (kosmetische Schaden wie Schorf am Apfel oder eine Blattlaus am Salat) werden nicht toleriert. Artcn konnen aber auch schadlich werden, wenn sie in fremde Kontinente verschleppt werden, in denen sie sich dann ohne geeignete Gegenspieler massenhaft vermehren. Da die Menschen im Rahmen der Globalisierung den groBten Teil der Welt als Ressource beanspruchen, nimmt die Zahl moglicher Schadlinge stetig zu. Als Alternative zu einer chemischen Schadlingsbekarnpfung hat sich bereits fruh im 20. Jahrhundert die biologische Schadlingskontrolle (biological control) etabliert. Die deutschen Bezeichnungen verdeutlichen die Absicht: Mit chemischen Mitteln will man Schadlinge bekarnpfen, also ausrotten; wegen ihrer fehlenden Spezifitat, Auswirkungen auf Nichtzielorganismen, Ruckstande und einer moglichen Resistenzbildung ist dies allerdings kein nachhaltiger Ansatz. Mit biologischen Mitteln rottet man hingegen in der Regel Schadlinge nicht aus, sondern strebt ihre Reduktion unter eine wirtschaftliche Schadensschwelle an. Die Spezifitat ist sehr hoch, die Wirkungsdauer haufig sehr lang und Resistenzbildung kommt kaum vor, sodass dieser Ansatz als nachhaltig bezeichnet werden kann .
7.2 Nachhalt ig keit in de r Land nut zung
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15 Jahre
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7.2 Voraussagen t Or die Entwick lung der Kabelja ubestande bei drei verschiedenen Betischungsintensitaten und Maschenweiten als Grundlage fur einen nachhaltigen Fischtang. Nach Pitcher und Hart (1982).
Die biologische Kontroile eines Schadlings kann auf verschiedene Weisen erfolgen: Die klassische biologische Schiidlingskontrolle (classical biologicalcontrol) richtet sich gegen exotische Schadlinge, also Schadlinge, die im Schadensgebiet nicht heimisch sind, sondern durch den Menschen absichtlich oder un absichtlich eingeschleppt wurd en. Ein oder mehrere natiirliche Gegenspieler (Agenten, agents) eines Schadlings aus dessen Herkunftsgebiet werden in das neue Verbreitungsgebiet nachgefuhrt und dort dauerhaft angesiedelt. Diese soilen dann den Schadling, vergleichbar der Situation im gemeinsamen Herkunftsgebiet, unter die okonornische Schadensschwelle driicken. Wenn natiirliche Gegenspieler fehlen , zu spat auftreten oder in zu geringen Dichten vorkommen, urn fur eine effektive Kontrolle des Schadlings zu sorgen, konnen geziichtete nat iirliche Gegenspieler freigelassen werden. Diese so genannte Meth ode der Wirkungsverstiirkung (augmentation) ist angebracht, wenn Gegenspieler keine dauerhafte Population aufbauen konnen, Diese Methode wird vor allem in geschlossenen Systemen wie Gewachshausern eingesetzt, in denen sich betriebstechni sche
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7 Angewandte Okolog ie
Unterbrechungsphasen und neue Infektionsphasen abwechseln. Bei der Inokulationsmethode (inoculation) wird nur eine kleine AnzahlAgenten freigelassen, die sich zunachst vermehren und deren Nachkommen fur den grofsten Teil der Kontrolle verantwortlich sind. Beispiele betreffen etwa den Einsatz von Flortliegen- oder Marienkaferlarven gegen Blattlause. Die Uberschwemmungsmethode (inundation) hingegen setzt eine grofse Zahl von Gegenspielern (oft Mikroorganismen, aber auch Insekten wie den Eiparasitoid Trichogramma aus Massenzuchten) ein, urn direkt einen sehr groBen Teil der Schadlinge zu toten. Fiir Mikroorganismen (einschliefslich Einzellern und Nematoden) als Gegenspieler hat sich der Ausdruck Biopestizid (Bioinsektizid, Bioherbizid) eingebiirgert. Die wahrscheinlich am haufigsten angewandte aber oft nicht als solche bezeichnete Methode der biologischen Schadlingskontrolle ist die Porderung natiirlicher Gegenspieler von Schadlingen (conservation biocontrol). Hierbei werden vorhandene Populationen von Agenten durch MaBnahmen gefordert, die gleichzeitig fur die Schadlinge nicht forderlich sind. Zu solchen MaBnahmen gehoren unter anderem Fruchtfolge (Wechsel der Anbaufrucht), Einsatz von selektiven Pestiziden (Schonung von Nutzlingen), Untersaat und die Etablierung von okologischen Ausgleichsflachen (Spontanbrachen, Buntbrachen), in denen sich Niitzlingspopulationen in der ansonsten strukturarmen Agrarlandschaft halten konnen, Zwei der besten Beispiele fur die erfolgreiche biologische Kontrolle eines Schadlings sind gleichzeitig auch die altesten, Mit Akazientransporten aus Australien gelangte die Schildlaus Icerya purchasi urn 1868 nach Kalifornien, wo sie auf Zitrusbaume iibersprang und groBen Schaden in den dortigen Plantagen anrichtete. Urn 1887 erkannte man, dass der Schadling aus Australien stammen musste, und schickte einen Entomo1ogen dorthin, urn Gegenspie1er der Schild1aus zu suchen . 1888 wurden 500 Marienkafer (Rodolia cardinalis) nach Kalifornien gebracht. Innerhalb kurzer Zeit kontrollierten sie die Schildlaus und hielten sie auf einem niedrigen und unschadlichen Niveau. Opuntien (Opuntia inermis und O. stricta) wurden im 19. Jahrhundert aus Mexiko nach Australien gebracht, urn als Weidezaune eingesetzt zu werden. Die Opuntien iiberwucherten jedoch in wenigen Jahrzehnten 24 Millionen Hektar Land und konnten weder mit chemischen noch mit mechanischen Mitteln beseitigt werden. In den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts suchten Entomologen in Mittel- und Siidamerika nach geeigneten Gegenspielern. Unter rund 150 an Opuntien herbivoren Arten wurde der Opuntienziinsler Cactoblastis cactorum ausgewahlt und zwischen 1926 und 1929 zu mehreren 100 Millionen Exemplaren in Australien freigelassen . Seine Larven schaffen durch ihre Frafstatigkeit Eintrittspforten fur Mikroorganismen in die sukkulente Pflanze, dies lost Faulnisprozesse aus , welche die Opuntie dann schnell zurn Absterben bringt. Die Opuntienziinsler waren iiberaus erfolgreich und 1935 stand der groBte Teil der Flachen wieder als Weideland zur Verfugung. Dieser Zustand halt bis heute an. Beide Beispiele zeigen, dass Schadlinge dann besonders gut kontrolliert werden konnen, wenn sie transkontinental in einen feindfreien Raum verschleppt wurden, d. h. sie wurden erst ohne ihre urspriinglichen Gegenspieler zu Schadlingen, Die Suche nach Gegenspielern im Ursprungsgebiet ist daher der zentrale Bestandteil eines modernen Projekts zur klassischen biologischen Kontrolle eines Schadlings, da ange-
7.2 Nachha lt igkeit in der Landnutzung
273
nommen wird, dass es aufgrund der langeren gemeinsamen Evolutionszeit vor allem im Ursprungsgebiet spezifische Gegenspieler gibt (Herkunftsgebiet-Hypothese, area of origin hypothesis). Haufig ist es sinnvoll, mehrere Gegenspieler freizulassen, denn sie entwickeln sich in verschiedenen Lebensraumen des Schadlings unterschiedlich gut und konnen sich somit gut erganzen . Es ist von zentraler Bedeutung, dass eingesetzte Nutzlinge hochspezifisch sind, denn nur so kann verhindert werden, dass sie ihrerseits zu Schadlingen werden. In modernen Projekten nimmt daher das Screening auf Wirkungsspezifitat eine zentrale Stellung ein ( ~ Kasten 7.1). Da es meist nicht moglich ist, einen einmal freigesetzten Gegenspieler zuruckzuholen, wurden diese Testverfahren in den letzten Iahrzehnten sehr sorgfaltig konzipiert. Die positive Gesamtbilanz der biologischen Unkrautkontrolle, dokumentiert durch Julien und Griffiths (I998), bestatigt den Erfolg solcher Vorsichtsmaflnahmen. Negative Beispiele beziehen sich vor allem auf die vielen eingefiihrten Katzen, Fuchse und Hunde, mit denen die weltweit verschleppten Ratten kontrolliert werden sollten. In der Folge dezimierten die Katzen einheimische Kleinsauger, Vogel und Reptilien, sodass auf Inseln viele endemische Arten ausstarben. Ahnlich verhielt es sich mit der sudamerikanischen Riesenkrote Bufo marinus, die 1935 in Australien unsinnigerweise gegen zwei an Zuckerrohr schadliche Kaferarten freigelassen wurde. Die Kroten vermehrten sich stark und breiteten sich in grolsen Bereichen des Kontinents aus, hatten aber keinen Einfluss auf die Zuckerrohrschadlinge. Stattdessen fraBen sie viele australische Kleintiere, Wirbellose und Wirbeltiere und richteten so betrachtlichen Schaden an. In allen Fallen war bekannt, dass die eingesetzten Agenten ein breites Nahrungsspektrum hatten und daher ungeeignet waren; aus politischen Grunden wurden sie aber trotzdem ausgewahlt. Die Entwicklung eines biologischen Kontrollverfahrens fur einen bestimmten Schadling kann in zehn Iahren abgeschlossen sein, unter gunstigen Bedingungen in wenigen Iahren zum Erfolg fiihren und deutlich billiger als eine chemische Kontrolle
Kasten 7.1 Spezifitatstests von Nutzlinqen - - - - - - - - - - - - Die wichtigste Phase eines korrekt durchqefuhrt en Projekts zur bio log ischen Schad linqskontrolle sind Spezif itats tests. Heute haben sich zentrifugaIe Tests einqeburqert (centrifugal test ing), bei denen zuerst mit jedem potenziellen Agenten mehrere Populatione n des Zielorgan ismus getestet werden. Hierbei 5011 die Wirksamkeit des Age nten geze igt werden . Anschlief3end werden Test s, bei denen sich keine Wirksamkeit ergeben dart, mit nah verwa ndten Arten des Schadlings (gle iche Gattung, gleiche Unterfamilie, gleiche Familie), schlief3lich Tests mit entfernter verwandten Taxa durchgefUhrt. Danach testet man einige hauf ige Arten, die unabhanq iq von einer Verwandtschaft
im gle ichen Lebensraum wie der Zielorgan ismus vorkommen . Bei Pflanzen mit auffall iqen chernischen Inhalt sst offen wird empfoh len, auch nicht verwandte Arten mit den gleichen Inhaltsstoffen zu testen . Zulet zt werden die wichtigsten Nutz pf lanzen der Zielreg ion getestet. Neben no choi ce-Test s, in denen den Agenten nur ein Zielorganismus angeboten wird, sollten zum indest bei kr itischen Fallen auch cho ice-Tests eingesetzt werden. In diesen werden neben der Zielart meh rere andere Nichtzielarten angeboten, sodass uber diese Auswahl eine wirklichke itsnehere Testsituatio n geschaffen w ird .
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7 Angewandte Okologie
sein. Bei den klassischen biologischen Schadlingskontrollprojekten ist die Wirkung dauerhaft, d. h. es handelt sieh urn einen ausgesprochen nachhaltigen Ansatz.
7.2.3 Genetisch veranderte Organismen 1973 gelang es zum ersten Mal, ein fremdes Gen in ein Bakterium einzuschleusen. Nachdem in den Folgejahren vor allem methodische Probleme im Vordergrund standen, ist es inzwischen moglich, Eigenschaften gezielt genetisch zu verandern. Heute konnen Gene aus einem Organismus isoliert, modifiziert und in einen anderen Organismus eingefiihrt werden. Hierdurch wird dieser Organismen urn die Eigenschaft bereichert, die das neue Gen codiert. In der Regel handelt es sich bei den veranderten Arten urn Kulturpflanzen und Nutztiere. Schon fruh wurde der Anspruch erhoben, durch diese gentechnische Veranderung den agrochemischen Aufwand in der Landwirt schaft deutlieh zu senken und durch eine generelle Effizienzsteigerung in der Tierzucht ihre Energiebilanz zu verbessern, sodass diese Verfahren zur Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft beitragen sollten. Bei transgenen Tieren wurden bisher vor allem Eingriffe in das Hormonsystem vorgenommen, sodass es zu Riesenwuchs kommt, weil mehr Wachstumshormone exprimiert werden (Schweine, Fische). Derzeit sind noch keine Tiere zur Nut zung zugelassen. Daneben wird auch gentechnisch hergestelltes Rinderwachstumshormon BST (bovines Somatotropin) und Schweinewachstumshormon PST (porc ines Somatotropin) injiziert, da dies bis 25 % mehr Fleisch- und MiIchproduktion bedeuten kann. Diese Techniken sind in den USA (BST) und Australien (PST) weit verbreitet, aber in der ED nieht zugelassen, da dies die Lebensdauer der Tiere verringert und sie vermehrt Spezialfutter und Tierarzneimittel benotigen. Wegen der negativen Auswirkung auf die Tiergesundheit muss der Ansatz uber mehr Wachstumshormone bei Tieren als nicht nachhaltig eingestuft werden. Bis heute werden bei transgenen Nutzpflanzen vor allem zwei Arten von genetischen Modifikationen grofsflachig angebaut: Pflanzen mit Herbizidtoleranz und mit Insektizidexpression. Der Anbau betrifft uberwiegend die USA (55 % des Weltanbaus), dann Kanada, Argentinien und Brasilien (zusammen 36 %), aber auch Indien und China sowie weitere Entwicklungslander ( ~ Abb. 7.3). Generell zeichnet sich eine Verlagerung des Zuwachses von Nordamerika in die Dritte Welt abo Bisher findet aufgrund restriktiver gesetzlieher Regelungen und einer ablehnenden Haltung der europaischen Bevolkerung gegenuber gentechnisch veranderten Nahrungspflanzen kein nennenswerter Anbau in Europa statt. Betroffene Nutzpflanzen sind vor allem Soja, Baumwolle, Raps und Mais. Von der gesamten Anbauflache fur Soja werden weltweit 64 % mit transgenen Sorten angebaut, bei Baumwolle, Raps und Mais sind dies ca. 20 % (James 2006). Die haufigste gentechnische Veranderung bei transgenen Nutzpflanzen betrifft Herbizidresistenz. Die so veranderten Pflanzen enthalten ein Gen, das den Abbau eines bestimmten Herbizids (vor allem Glyphosat und Glufosinat, beides Totalherbizide) induziert, sodass es nieht schadigend auf diese Pflanze wirkt. SoIche herbizidresistenten Pflanzen erlauben es, auf dem Feld das entsprechende Herbizid einzusetzen. Der Vorteilliegt auf der Hand, denn mit breit wirkenden Herbiziden konnen die Fel-
7.2 Nachhaltigkeit in der Landnutzung
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der im Gegensatz zu fruher nun unkrautfrei gehalten werden. Zu den Nachteilen gehoren die Belastung der Umwelt mit Totalherbiziden, erhohte Erosionsgefahr, Abnahme der Bodenfruchtbarkeit, Reduktion der Biodiversitat in der Kulturlandschaft, Reduktion natiirlicher Gegenspieler von Schadlingen an den Kulturpflanzen und hierdurch verstarkter Einsatz von Insektiziden. Nachdem in den 70er- und 80erIahren des 20. Jahrhunderts verschiedene Methoden alternativer Unkrautkontrolle (wie mechanische Behandlung oder gezielte Einsaat) praxisreif entwickelt wurden, mussen herbizidresistente Nutzpflanzen als Ruckschritt gewertet werden. Ebenfalls sehr erfolgreiche transgene Nutzpflanzen sind solche, die ein Gen aus dem Bodenbakterium Bacillus thuringiensis enthalten, welches Endotoxine codiert. Solche Bt-Pflanzen produzieren hierdurch Bakteriengifte, die toxisch auf die Insekten wirken , welche an der Pflanze fressen. Bacillus thuringiensis verfugt uber mehrere Toxine, die unterschiedlich toxisch gegenuber Kafern, Schmetterlingen und Dipteren sind . Ie nach exprimiertem Endotoxin ergibt sich daher eine spezifische Wirkung gegen bestimmte Insektengruppen. Relevant sind die coleopteren- und lepidopterenwirksamen Toxine in transgenen Sorten der haufigsten Kulturpflanzen. Der Hauptschadling im Mais ist der Maiszunsler (Ostrinia nubilalis, Pyralidae) und zunehmend der Maiswurzelbohrer (Diabrotica virgifera, Chrysomelidae) . Kartoffeln werden vor allem durch den Kartoffelkafer (Leptinotarsa decemlineata, Chrysomelidae) geschadigt und an Baumwolle sind mehrere Schmetterlingslarven schadlich (Baumwollkapselwurmer Pectinophora gossypiella, Gelechiidae, und Heliothis zea, Noctuidae). BtMais und Bt-Baumwolle sind daher die bedeutendsten Bt-Pflanzen. Es sind viele potenzielle Nebenwirkungen transgener Arten genannt worden, insgesamt profitieren wir jedoch heute von einer intensiven Sicherheitsforschung, die in den letzten Iahren in diesem Bereich stattfand. Bei herbizidresistenten Kulturpflanzen kann es durch Auskreuzung der Resistenzgene vorkommen, dass diese auf nahe verwandte Wildarten uberspringen (vertikaler Gentransfer). Wenn sich diese dann als Unkraut in der Kultur halten, ergeben sich Resistenzprobleme und Ertragsausfalle. Solche problematischen Kulturpflanzen sind fur Mitteleuropa Raps (viele wilde Brassicaceen), Hafer (Flughafer), Gerste (Wildgerste) und Ruben (Wildruben), Problematische Gebiete fur Mais und Kartoffeln sind die mittel- und sudamerikanischen
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7 Angew andt e Oko logie
Ursprungsgebiete dieser Arten . Relevante Nebenwirkungen von Bt-Pflanzen auf Mikroorganismen, die Bodenfauna oder andere Organismen in der Kultur wurden bisher nicht nachgewiesen. Die kontinuierliche Ausweitung des Anbaus von transgenen Nutzpflanzen weist darauf hin, dass dies okonomisch lukrativ ist. Die Frage hingegen, ob dies auch okologisch sinnvoll ist, ist schwieriger zu beantworten. Zu den umfassendsten Studien, die eine mogliche Einsparung von Agrochemikalien durch den Anbau transgener Nutzpflanzen analysierten, gehort die dreijahrige Farm Scale Evaluation-Studie in England . Die ausfuhrliche Analyse von drei transgenen Nutzpflanzen auf je 60 Feldern zeigte, dass der Anbau herbizidresistenter Sorten zu keiner deutlichen Reduktion des Herbizidaufwandes fuhrte (Champion et al. 2003). An anderer Stelle konnte jedoch gezeigt werden, dass der Anbau von Bt-Pflanzen einen deutlichen Riickgang des Insektizidaufwandes bewirkte (Fitt et al. 2004). Prinzipiellliegt ein grofses Potenzial in der gezielten Veranderung der physiologischen Eigenschaften und der chemischen Zusammensetzung der Inhaltsstoffe von Nutzpflanzen (plant made industrials). Bei Soja und Raps wird an der Veranderung der Zusammensetzung der Fettsauren gearbeitet, Kartoffeln wurden im Hinblick auf eine veranderte Starkezusarnmensetzung geziichtet. Mit industriellen Enzymen , Biopolymeren oder anderen speziellen Inhaltsstoffen konnten transgene Nutzpflanzen in Zukunft als Produzenten von Chemierohstoffen wieder eine grofsere Bedeutung gewinnen. Der bisherige Fortschritt dieser Arbeiten lasst vermuten, dass klassische Pflanzenziichtung unter Umstanden schneller zu umsetzbaren Ergebnissen kommt als gentechnische Verfahren (www.transgen.de, Schutte et al. 2001). Ob gentechnisch modifizierte Organismen einen Beitrag zur Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft darstellen, lasst sich daher kaum prinzipiell, sondern nur mit Pall-zu-Pall-Analysen beantworten.
7.3 Naturschutz Das iiberexponentielle Wachstum der menschlichen Population fuhrte in den letzten Jahrhunderten zu einer immer starkeren Nutzung und Obernutzung natiirlicher Ressourcen. Die Pro-Kopf-Belastung der Umwelt durch die Industriestaaten erzeugt genauso wie die Bevolkerungsdichte in den Entwicklungslandern einen steigenden Druck auf die Umwelt. Die Veranderungen erfolgen schnell und grofsraumig, sodass ihre urspriingliche Flora und Fauna nicht adaquat reagieren kann. In den letzten Iahrhunderten wurden daher immer mehr Arten, Artengemeinschaften und Lebensraume in ihrer Existenz bedroht und auch ausgerottet. Bei dieser Entwicklung fallt auf, dass sich ein Interesse am Naturschutz im Wesentlichen nur in den industrialisierten Staaten, vor allem in Europa und Nordamerika, entwickelt hat . Dies hat mehrere Ursachen: Diese Gesellschaften konnen es sich leisten, ethisch -rnoralische und asthetische Normen zu formulieren, die als Grundlagen fur den Naturschutz dienen. Die lokale Aufgabe landw irtschaftlicher Flachen kombiniert mit einer stagnierenden oder sinkenden Bevolkerungsdichte ermoglicht auch die Umsetzung solcher Vorstellungen . 1m Unterschied hierzu basieren die Konflikte mit dem Naturschutz in den Entwicklungslandern auf dem Bevolkerungswachstum
7.3 Natursc hutz
(etwa China, Indien, weitere Lander Sudostasiens, Afrikas und Sudamerikas), Zusatzlich verscharften die politisch instabilen oder ungunstigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen oftmals die Naturschutzproblematik. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts breitet sich in den Industriestaaten die Erkenntnis aus, dass die Natur geschutzt werden muss. Geradezu modern ist der Zusatz, dass Naturschutz nicht nur fur die Natur, sondern auch fur den Menschen wichtig ist. Beim Bevolkerungswachstum und der hierdurch verursachten Umweltbelastung handelt es sich urn exponentielle Prozesse, deren Tragweite erst in den letzten 30-40 Iahren erkennbar wurde. Die Verschmutzung der Weltmeere und die Beeintrachtigung der Atmospharenchemie hat globale AusmaBe erreicht, und aus dem ursprunglichen Schutzgedanken fur einen Felsen, Baum oder Lebensraum entstand die Forderung nach dem Schutz der gesamten Biosphare. Es ist das Ziel des Naturschutzes, nicht nur einzelne Arten oder Lebensraume zu schutzen, sondern in allen Lebensraumen der Erde ein Nebeneinander von Natur und Mensch zu errnoglichen, das die Koexistenz von beiden langfristig siehert.
7.3.1 Was wollen wir schutzen? Es gibt sowohl unterhalb als auch oberhalb der Artebene Schutzenswertes, sodass die Antwort auf die Frage, was geschutzt werden soll, durchaus "alles" lauten kann. Als relativ neues Konzept, welches diese schutzenswerte Vielfalt umfasst, bietet sich das Konzept der Biodiversitat an, das aIle Okosysteme und letztlich auch den Menschen einschlieBt (S. 199).
Arten, Populationen, Gene Naturschutz kann bei der Art ansetzen. Dies ist in vielen Fallen berechtigt, denn es gibt genugend Beispiele der gezielten Bedrohung von Arten, die dann durch Artenschutzprogramme wieder gerettet werden konnten, Arten bestehen jedoch aus Individuen, die in Populationen leben und oft als Metapopulationen strukturiert sind (S. 89). Solche Populationen benotigen einen qualitativ und quantitativ geeigneten Lebensraum. Schutzkonzepte setzen daher in der Praxis bei Populationen, Uberlegungen zur Minimalgrofse ihres Lebensraumes und der Vernetzung mit Nachbarlebensraumen an. Allgemein gilt fur viele Lebensraume, dass ihre Artenzahl mit der Flache zunimmt (S. 171, ~ Abb. 7.4). Eine Population weist in der Regel eine genetische Struktur auf, die sich von der einer Nachbarpopulation unterscheidet. Unterhalb einer kritischen Populationsgrofse ist die genetische Variabilitat einer Population stark eingeschrankt. Dies fuhrt zu einer Zunahme der Inzucht und zu einem Verlust an Heterozygotie, also zu einer Zunahme an nachteiligen Eigenschaften und letalen Mutationen (Inzuchtdepression, inbreeding depression). Die Population wird kleiner und stirbt letztendlich aus ( ~Abb. 7.5). Ein solcher Prozess kann beschleunigt werden, wenn eine Population bei niedriger Dichte langsamer wachst als bei hoher Diehte (inverse Dichteabhangigkeit), etwa weil es schwierig ist, Fortpflanzungspartner zu finden. Vor allern bei sozialen Tieren kann das Sozialverhalten gestort sein, bestimmte Ressourcen werden schlechter gefunden
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7.4 Zusammenhang zwischen Artenzahl und GroBe eines Lebensraumes. a) In einer durch Wegraine vernetzen Agrarlandschaft steigt die Zahl der Spinnenarten bis zu einer Mindestbreite der Raine von ca. 5 m (Barthel 1997). b) Die Zahl der Heuschreckenarten in bayrischen Naturschutzgebieten auf Kalkmagerrasen steigt mit der ArealgroBe (Sachteleben 1999). c) Die Zahl der feuchtgebietstypischen Pflanzenarten in Weihern steigt mit der GewassergroBe. Nach Konold und Wolf (1987).
oder Beute ist schwieriger zu uberwaltigen. Dieses Phanomen wird als Allee-Effekt bezeichnet ( ~Abb. 2.10). Urn das Uberleben einer Population zu gewahrleisten, ist es also wichtig, dass sie eine bestimmte GroBe nicht unterschreitet. Hieraus ist das Konzept der Mindestgrofse einer uberlebensfahigen Population (minimum viable population size) entstanden. Viele Arten sind in Unterarten oder Rassen aufgespalten, etwa wegen eines fragmentierten Areals. Tiger (Panthera tigris) haben groBe Teile Asiens, insbesondere den indischen Dschungel, viele siidostasiatische Inseln sowie Sibirien besiedelt und adaptierte Unterarten gebildet. Durch Ausrottung verschwand der Bali-Tiger (ssp. balica) schon 1937, der Kaspitiger (ssp. virgata) in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts und der Java-Tiger (ssp. sondaica) 1972. Die Unterarten auf Sumatra und in China umfassten im [ahr 2000 zwischen 25 und 50 Individuen und werden angesichts einer erforderlichen Minimalgrolse ihrer Population von geschatzten 100 Individuen vermutlich in Kurze aussterben. Vom Sibirischen Tiger lebten 2005 noch etwa 500 Individuen.
7.3 Naturschutz
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7.5 Je groBer eine Population von Dickhornschafen, desto groBer ist die Oberlebenswahrscheinlichkeit der Population. Populationen unter 50 Tieren sind langfristig kaum uberlebensfshiq, erst Populationen mit mehr als 100 Tieren sind nicht aussterbeqefahrdet. Nach Berger (1990).
Auch wenn mit den Unterarten in Indochina und Indien noch geniigend Individuen das Uberleben der Art sichern, wurde ihre genetische Basis in den letzten 100 Iahren dramatisch verschmalert, Durch Domestikation kam es bei Haustieren und Kulturpflanzen zu einer Selektion von Rassen, Sorten und Varietaten. Heute kennt man weltweit 120000 Kulturstarnme von Reis und iiber 30 000 Rebensorten. Werden Sorten nieht gebraucht, dann werden sie nicht mehr angebaut, und ihr Genmaterial geht verloren. Dieser Verlust wird auf jahrlich rund 2 % geschatzt. Bei Haustieren ist die Situation ahnlich, Beim Haushund werden iiber 330 Rassen unterschieden und beim Rind kennt man fast 800, von denen mindestens 135 gefahrdet sind. Weltweit geht man von einigen tausend Nutztierrassen aus, die im Bestand gefahrdet sind. Durch die Globalisierung im Rahmen der modernen Landwirtschaft, durch ziichterische Konzentration auf einzelne Rassen und durch Nutzungsanderung setzen sich einzelne Sorten weltwcit durch, die meisten gehen jedoch verloren. Mit ihnen verschwindet ihre genetische Einzigartigkeit. Diesen Verlust an genetischer Ressource bezeichnet man als genetische Erosion. Sie ist bedenklich, denn fur ziichterische Arbeit ist man auf moglichst verschiedenes Genmaterial angewiesen. In diesem Zusammenhang ist das genetische Ursprungszentrum einer Art oder Gattung besonders schutzwiirdig. Hier ist aufgrund der langen Evolutionszeit haufig die gr6Bte Diversitat an Arten in einer Gattung oder an Lokalrassen innerhalb einer Art zu finden, aber auch die spezifischste Anpassung an einen Lebensraum. 1m Rahmen von Projekten der biologischen Schadlingskontrolle wird die Okologie eines invasiven Schadlings zuerst im Ursprungsgebiet untersucht, da dort die gr6Bte Zahl spezifischer Antagonisten vermutet wird (Herkunftsgebiet-Hypothese, area of origin hypothesis, S. 273). Nach dem russischen Genetiker Nikolai Ivanovich Vavilov (18871943) werden die Domestikationszentren von Nutzpflanzen und Hausticren, in den en die Ursprungszentren der betreffenden Arten und eine menschliche Hochkultur zusammentrafen, Vavilov-Zentren genannt ( ~Abb. 7.6). Solche genetischen Zentren weisen eine hohe genetische Vielfalt bei bestimmten Artengruppen auf und sind besonders schiitzenswert.
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7 Angewandte Okologie
7.6 Die wichtigsten 10 Genzentren der heutigen Ku/turpflanzen (Vavilov-Zentren). 1. China (Hafer, Gerste, Hirse, Soja, Bohnenarten, Bambus, Zuckerrohr, Orangen, Zitronen, Aprikosen, Birnen, Pftaumen, Kirschen, Tee, Mohn), 2. Malaiisches Gebiet (Bananen, Brotfrucht, Kokes, Ingwer, Grapefruit), 3. Indien (Reis, Hirse, Bohnen, Eierfrucht, Gurke, Hanf, Jute, Mango, Taro, Yam, Baumwolle, Pfeffer, Limone) , 4. Mittelasien (Weichweizen, Me/onen, Zwiebel, Spinat, Aprikosen, WalnOsse, Apfel, Birnen, Mandeln, Weintrauben, Senf), 5. Westasien (Weizen, Roggen, Hafer, Linsen, Erbsen, Lein, Mohn, Melonen, KOrbisse, Mohren, Birnen , Kirschen, Datteln, Granatapfel, Mandeln, Weintrauben, Feigen), 6. Mittelmeergeb iet (Einkorn, Erbsen, RunkelrObe, Lein, Kohl , Spargel, Oliven, Chicoree, Hopfen, Salat, Pastinak, Rhabarber), 7. Athiopien (Weizen, Gerste, Hirse, Lein, Kaffee, Okra , Sesam), 8. Mittelamerika (Mais, Bohnen, Guave, Baumwolle, Pfeffer, Papaya, Sisal, SOBkartoffel, Cashewnuss, Sonnenblumen), 9. Anden (Mais, Baumwolle, Kartoffel, Tomate , Tabak, KOrbis, Quinoa, Chinar inde, Gummibaum), 10. Paraguay (Cassava/Maniok, Mate, Kakao, Gummibaum, Erdnuss, Ananas). Nach Nentwig (2005).
SchlUsselarten, Schirmarten, Gemeinschaften, tebensraume Der Schutz einer einzelnen Art hat meist eher den Charakter einer NotmaBnahme. Effektiver ist es, Lebensraume zu schiitzen, in den en sich Artengemeinschaften erhal ten konnen, Der effektive Schutz eines Lebensraums kann verh indern, dass die in ihm lebenden Arten selten werden und schlieBlich aussterben. Durch solchen Schutz von Lebensgemeinschaften lasst sich zudem verhindern, dass durch das Wegfallen einer Art weitere Arten in ihrer Existenz bedroht werden, weil sie in einem (eventuell bis dahin unbekannten) gegenseitigen Abhangigkeitsverhaltnis stehen. Manche Arten uben eine zentrale Funktion in einem Lebensraum aus oder ermoglichen durch ihre Existenz erst das Vorhandensein weiterer Arten. Solche Arten bezeichnet man nach Paine (1969) als Schlussel-, Schlussstein- oder Schirmarten (key species, keystone species, umbrella species). Solche Schliisselarten sind wichtiger als eine durchschnittliche Art ( ~ Abb. 4.20) . Da aber die Wichtigkeit einer Art nicht immer abschatzbar ist, werden solche Beziehungen oftmals als unvorhersagbar bezeichnet (Idio synkrasie-Hypothese, idiosyncratic hypothesis; Lawton 1994). Aus
7.3 Naturschutz
Sicht des Naturschutzes geniefsen Schlusselarten oberste Prioritat und es ist wichtig, sie zu kennen. Pflanzen sind in der RegelSchlusselarten fur spezialisierte Herbivoren und der Einnischungsprozess fuhrt dazu, dass eine Pflanzenart Lebensraum fur Dutzende, manchmal Hunderte herbivore Arten darstellt. Stirbt die Pflanze aus, ist den Herbivoren ihre Lebensgrundlage entzogen, d. h. der Verlust einer Pflanzenart hat den Verlust von weiteren Arten zur Folge. Fur viele Baumarten Europas werden hohe Zahlen von Insektenarten genannt, die eng mit diesen Baumen verbunden sind, etwa 574 Insektenarten fur zwei europaische Birken (Rabotnov 1992) oder 700 phytophage Arten fur Eichen und Weiden Mitteleuropas (Brandle und BrandI200l). Diese hohen Zahlen werden allerdings kleiner, wenn man sie auf monophage Tierarten bezieht : Freese (1995) wies fur verschiedene Kamillearten Mitteleuropas durchschnittlich zehn spezifische Herbivoren nach, Heydemann (1997) gab fur 28 Halophytenarten zehn (2-27) mono- bis oligophage und drei (0-11) polyphage Insektenarten an, Freese (1997) nennt 8-21 Herbivorenarten fur elf rnitteleuropaische Distelarten. Die durchschnittliche Zahl herbivorer Wirbellose, die von einer Pflanzenart abhangt, variiert also stark. Eine Faustregel besagt, dass die Zahl der herbivoren Insekten in einem Lebensraum mindestens das Zehnfache der Zahl der Pflanzenarten dieses Lebensraumes betragt. Da jede herbivore Art ihrerseits Wirt fur einen Parasitoiden sein kann, fuhrt dies pro Pflanzenart zu einem Multiplikator von mindestens 25 (gernafsigte Zone) bis 100 (tropische Bereiche). Bei einer geschatzten Zahl von 100 Pflanzenarten in einem Lebensraum von einem Hektar GroBe konnen somit 2 500 Insektenarten in der gernaEigten Zone und bei 500 geschatzten Pflanzenarten in einem Hektar tropischen Lebensraumes ca. 50000 Insektenarten vorkommen. Urn wieviel mehr tropische Insekten spezialisierter sind als Arten der gemafsigten Zone, ist jedoch unklar (Novotny et al. 2002). Ahnlich essenzielle Wechselbeziehungen bestehen zwischen Pflanzen und obligaten Bestaubern. Der Wegfalleines Partners vernichtet die Lebensgrundlage des anderenoEin Beispiel hierfu r sind die rund 900 Feigenarten (Ficus sp., Moraceae) der Tropen, die jeweils von einer spezifischen Gallwespenart (Agaonidae) bestaubt werden, sodass es weltweit ebenfalls etwa 900 Agaonidenarten gibt. Feigenfruchte stellen in vielen Tropenwaldern cine wichtige Nahrungsressource dar, auf die fruchtefressende Saugetiere und Vogel wahrend mehrerer Monate im Iahr angewiesen sind. Ein Verlust an Agaoniden oder Ficus-Arten kann also Auswirkungen auf fruchtefressende Wirbeltiere haben. Fur die Samen- und Friichteverbreitung kann ahnliches angenommen werden . Pflanzen hangen bei der Verbreitung ihrer Diasporen oft von Tieren abo In der Regel uben mehrere Tierarten diese Funktion aus, es gibt jedoch auch hochspezialisierte Systeme, in denen ein Partner auf den anderen angewiesen ist. Die Dronte (auch Dodo genannt) (Raphus cucullatus) war ein truthahngrofser, flugunfahiger Vogel, der 1598 auf Mauritius entdeckt und schon 1681 ausgerottet war. Als urn 1970 festgestellt wurde, dass zwei auf Mauritius endemische Baumarten (Sideroxylon sessilijlorum und S. grandijlorum) nur noch aus wenigen uberalterten Individuen bestanden und auszusterben drohten, erklarte Temple (1977) dies mit einer engen mutualistischen Beziehung zwischen Baum und Vogel. Dronten waren vermutlich auf hartschalige
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Samen und Fruchte spezialisiert, die nur nach einer Darmpassage keimten. Durch mechanische Behandlung oder durch Verfuttern an Truthahne konnte der gleiche Effekt erzieltwerden.Temples Erklarungtraf in seiner strikten Formulierung nicht zu, denn an einigen Stellen der Insel fanden sich noch jungere Baume,sodass auch nach 1670eine bescheideneVermehrungvon Sideroxylon stattfand. Heute nimmt man an, dassdie Dronte nicht die einzige Art war,die diesen Baumen zur Vermehrungverhalf, denn es gab auf Mauritius Riesenschildkroten, eine Rieseneidechse und eine grolsschnabeligePagageienart, die aIle Samenfresser gewesen sein durften und inzwischen ausgerottet wurden. Die Keimhilfe fur Sideroxylon war vermutlich ihre Gemeinschaftsleistung. Auch Grofsraubtiere (Spitzenpradatoren) wie etwa Wolfe (Canis lupus) sind haufig Schlusselarten. Werden sie ausgerottet, nehmen ihre Beutetierpopulationen drastisch zu, sodass sich Krankheiten und Missbildungen starker verbreiten. Zudem konnen sich solche Populationen explosionsartigvermehren, sodass es zur Uberweidung des Lebensraumeskommt. Dann falltder Jungwuchs der Baumeaus, die Krautschicht wird luckigund stellenweise treten Erosionsschaden auf. DieseVeranderungder Vegetation kann den ganzen Lebensraum beeinflussen. Durch die Kontrolle der Populationsdichte ihrer haufigsten Beutetiere wirken Spitzenpradatoren also auch regulierend auf den Lebensraum insgesamt. In Detritophagengemeinschaften sind Schlusselarten wie zum Beispiel Asseln oder Regenwurmer fur die Umsetzungsgeschwindigkeit von Nahrstoffen entscheidend. Ahnlich ist die Vorstellung, Organisrnenals Okosystemingenieure (ecosystem engineers) zu betrachten (Jones et al. 1994). Hierunter sind Arten zu verstehen, die die physikalische Umweltfur andere Organismen wesentlich gestalten. Ein populares Beispiel stellen Biber mit ihren Dammbauten dar oder herbivore Grofssauger, die das Aufkommen von Wald verhindern. Es ist leicht vorstellbar, dass grofse Herden von Bisons, Elefanten, Gnus und Hirschen eine Landschaftoffen halten und somit einem geschlossenen Wald entgegenwirken. Durch den Schutz von intakten Lebensraumen werden Schlusselressourcen geschutzt,welchefur das Uberleben von Arten wichtig sein konnen. Beispiele betreffen etwa kranke und abgestorbene Baume, welcheLebensraum fur Spechte,Bockkafer, Bienen und Wespen usw. sind. Naturnahe Fliefsgewasser mit Sandbanken sind wichtigfur das Laichverhalten von Fischen, tiefeStellen sind bei lang anhaltender Trockenheit fur die Wasserfauna wichtige Uberdauerungsorte, fur die Landfauna wichtige Tranken. AbschlieBend seien auch noch die Flaggschiffarten (flagship species) erwahnt - fur den Naturschutz besonders wichtigeArten von hohem Prestige- oder Offentlichkeitswert. Arten wie der GroBe Panda, Wale, Tiger, Elefanten, Nashorner, Menschenaffen, Steinadler, Bartgeier, Enziane oder Orchideen sind einem breiten Publikum bekannt. Diese Arten sind oftmals emotions- und konfliktbeladen, lassen sich werbewirksam einsetzen und eignen sichgut zur Durchsetzung politischer MaBnahmen und fur eine Erfolgskontrolle. Grundsatzlich haben diese Arten haufig einen hohen Raumbedarf, sodass grofse Gebiete unter Schutz gestellt werden mussen, was dem Schutz vieler anderer Arten, die in diesen Gebietenebenfalls vorkommen, dient.
7.3 Naturschutz
7.3.2 Welchen Wert hat Biodiversitat? Wie auf Seite 199 aufgefuhrt, kann Biodiversitat als ein Konzept fur die Vielfalt unserer Umwelt bezeichnet werden, das die Vielfalt von Arten mit ihrer genetischen Diversitat, die Vielfalt funktioneller Gruppen (Gilden) und trophischer Ebenen sowie die Vielfalt von Lebensgemeinschaften (Okosysteme) umfasst. Biodiversitat schlieBt aIle Lebewesen, auch den Menschen, und die Leistungen von Okosystemen ein. In Biodiversitatsdiskussionen wird gerne okonomisch argumentiert, und in Verbindung mit dem Naturschutz ist es wichtig, Schutzkonzepten nicht nur Kosten, sondern auch Werte zuzusprechen, Das Biodiversitatskonzept impliziert, dass biologische Arten einen Wert haben, der sich unter anderem auch finanziell messen lasst. Okosysteme erbringen fur den Menschen okonomisch relevante Leistungen, die anders nur schwer zu erbringen waren C~ Abb. 7.7). Der Verlust von Arten und Okosystemfunktionen hat daher gravierende, negative Konsequenzen und sollte unbedingt vermieden werden. Der okonomische Wert der Biodiversitat ist in der klassischen Studie von Costanza et al. (1997) ermittelt worden. Sie berechneten den Wert von Arten und ihren Pro dukten auf der Basis der marktublichen Kosten technischer ErsatzmaBnahmen mit fast 3000 Milliarden US-Dollar jahrlich, der Wert aller globalen Okosystemfunktionen wird mit 26600 und der asthetisch-ideelle Wert mit 3800 Milliarden US-Dollar jahrlich angegeben. Insgesamt ermittelten sie einen Wert von 33000 Milliarden USDollar, der den Leistungen der globalen Biodiversitat jahrlich entspricht. Dieser Wert,
COz·Fixierung 1000000
Reinigung der
Atmosphere 1000 000
Oz·Produktion 1 000 000
Schutzwaldfunktion 100 000 Holzprod uktion 1000
Landwirtschaftliche Produktion 3000 Trinkwasser 10 000 Transportweg 10000
7.7 Der Wert von Arten und okoloqischen Leistungen kann unermesslich groB sein, wenn wir auch die uns selbstverstandlichen Leistungen der Natur finanziell zu erfassen versuchen, wie in diesem fiktiven Beispiel dargestellt. Die Zahlenangaben beziehen sich auf Schatzunqen fOr Euro/Flache und Jahr.
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der als Minimalschatzung bezeichnet wird, ist unvorstellbar grofs und entspricht fast dem Doppelten des globalen Wirtschaftspradukts. Auch wenn solche Berechnungen immer nur auf Schatzungen und Hochrechnungen basieren, weil es fur die meisten dieser Kostenstellen keinen Markt gibt, zeigt die GroBenordnung dieser Summe eindrucklich auf, dass der okonomische Wert der Biodiversitat weit jenseits aller vom Menschen geschaffenen Werte liegt.
Okonomischer Wert von Arten und ihren Produkten Der Nutzen von Kulturpflanzen und Haustieren ist unbestritten und uber ihre vom Menschen nutzbare Praduktion direkt in Geld messbar. .Ahnliches gilt fur jagdbares Wild und Fische, Faserpflanzen und Baume, die Bau- und Feuerholz liefern, Arzneipflanzen usw. Blutenbesucher sichern uber die Bestaubung die Bildung von Samen oder Fruchten, ihr okonomischer Wert ist daher mit der Produktion von Rapsol oder Obst direkt korreliert. Von den 3000 Milliarden US-Dollar jahrlich, die Costanza et al. (1997) als monetaren Wert von Arten weltweit beziffern, entfallen 1386 Milliarden US-Dollar auf den Wert der Nahrungsmittelproduktion, 721 Milliarden US-Dollar beziehen sich auf Rohstoffpraduktion und 117 Milliarden US-Dollar auf den Wert der Bestaubung durch Blutenbesucher, Die genetische Diversitat innerhalb einer Art ist wertvoll fur zuchterische Verbesserungen an dieser oder benachbarten Arten. Daher werden in Genbanken moglichst viele Muster der genetischen Diversitat von Nutzpflanzen gesammelt. Die geringe genetische Diversitat einer Kulturpflanze kann in einer Region zur erhohten Anfalligkeit gegenuber Krankheiten fuhren, Die hierdurch verursachten Ernteausfalle mussen dann als Kosten bzw. Wert der genetischen Diversitat aufgefasst werden. Beispiele fur die Folgen ungenugender Berucksichtigung der genetischen Diversitat sind die Kartoffelfaule in Irland 1846 und die Weizenmissernte 1922 in der ehemaligen Sowjetunion, die zu grofsen Hungersnoten fuhrten. Genauso kann die Wertsteigerung durch den Anbau einer neuen Nutzpflanzensorte als Wert des entsprechenden Genoms aufgefasst werden, d. h. der Wert einer einzigen Pflanzensorte kann unter Umstanden Milliarden Euro betragen. Viele Arten haben einen hohen Wert, weil sie im Rahmen der biologischen Schadlingskontrolle Schadlinge und Unkrauter wirkungsvoll unterdrucken konnen (S. 270). Der Kleinschmetterling Cactoblastis cactorum befreite riesige Gebiete Australiens von eingeschleppten Opuntien, sodass sie wieder als Weideland genutzt werden konnten. Schlupfwespen erwiesen sich als erfolgreiche Gegenspieler von Schildlausen und WeiBen Fliegen, welche den Anbau von Maniok und anderen Nahrungsmitteln im trapischen Afrika stark geschadigt hatten. Costanza et al. (1997) beziffern den Wert von Arten fur biologische Schadlingskontrolle auf 417 Milliarden US-Dollar jahrlich, Wildpflanzen, die Wirkstoffe fur Medikamente enthalten, sind ebenfalls eine fur den Menschen wertvolle Ressource. Die wichtigsten Antibiotika stammen aus Pilzen, der Wirkstoff fur die erste Antibabypille aus einer trapischen Liane (Dioscorea). Etwa ein Viertel aller Medikamente in den Industriestaaten ist direkt oder indirekt pflanzlichen Ursprungs, in den Entwicklungslandern sind es etwa drei Viertel. Der Iahresumsatz der pharmazeutischen Industrie liegt weltweit in der GroBenordnung von
7.3 Nat urschutz
530 Milliarden US-Dollar, ein eindrucklicher Beleg fur den Wert von Arten. Pearce und Moran (1994) geben den Wert wichtiger Medikamente, die auf pflanzlichen Wirkstoffen beruhen, mit einem zwei- bis dreistelligen Millionen-Dollar-Betrag an . Wenn man den durch solche Medikamente vermiedenen Tod von Menschen okonomisch mit berucksichtigt, erhoht sich der Wert des Medikaments (und damit der Pflanze) in den Bereich zwei- bis dreistelliger Milliarden-Dollar-Betrage. Ein auf dieser Basis berechneter Wert fur einen tropischen Regenwald wiirde zu unvorstellbar hohen Sum men fuhren.
Okonomischer Wert von Okosystemfunktionen Okosysteme vollbringen Leistungen (ecosystem services) (Myers 1996), ohne die menschliches Leben nicht denkbar ware und die beim Wegfall der Okosysteme auf andere Weise erbracht werden mussen, Diese technische Ersatzleistung fur die (gemeinhin als gratis erachteten) Okosystemfunktionen hat ihren Preis, der als Wert der Okosystemleistung betrachtet wird . Zu den zentralen Okosystemleistungen gehoren die Regulation des Gashaushalts der Erde, die Steuerung des Klimas, die Produktion von Biomasse, die Regulation des Wasserhaushalts und die Versorgung mit Wasser, die Bodenbildung und die Erosionskontrolle sowie die Aufrechterhaltung von Nahrstoffzyklen und die Gewahrleistung der Abfallentsorgung. Beispielsweise wird die Luft durch Walder gefiltert, CO 2 wird fixiert und Sauerstoff produziert. Durch den Wasserkreislauf werden Abwasser gereinigt und stehen uns zur landwirtschaftlichen und industriellen Produktion, aber auch als Trinkwasser zur Verfugung. Organische Abfalle werden durch detritophage Organismen abgebaut und wieder in den Kreislauf der Primarproduktion einge schleust. Costanza et al. (1997) haben diese Okosystemleistungen quantifiziert: Die Aufrechterhaltung der Nahrstoffkreislaufe entspricht einem jahrlichen Gegenwert von 17 000 Milliarden US-Dollar. Die Wasserregulation und Wasserversorgung entsprechen 2 800 Milliarden US-Dollar, die Entsorgung und Reinigung des Abwassers kosten erneut 2300 Milliarden US-Dollar. Die Steuerung von Gashaushalt und Klimaregulation hat jahrlich einen Wert von 2 000 Milliarden US-Dollar, Erosionsschutz wird mit uber 600 Milliarden US-Dollar veranschlagt. Insgesamt entsprechen die Okosystemleistungen einem Wert von 26600 Milliarden US-Dollar jahrlich.
Wissenschaftlich-informeller Wert von Arten Oftmals werden Arten genutzt, urn bestimmte Informationen, uber die sie verfugen, zu verwenden. Die Arten selbst sind anschlieBend nicht mehr Gegenstand des Interesses, aber Konstruktionsplane, die nach ihrem Vorbild gezeichnet werden, Inhaltsstoffe, die nach einer Strukturanalyse synthetisch produziert werden, oder genetische Informationen, die unabhangig vom Ursprung nun weiter variiert werden, sind weiter nutzbar. Dieser wissenschaftlich-informelle Wert einer solchen Art ist ursprunglich sehr hoch gewesen, sparer aber materiell nur schwer einzuschatzen, Organismische Leistungen in Bau und Funktion liefern eine Fulle von Anregungen fur eigenstandige technologische Entwicklungen (Bionik). Die Ultrastruktur der
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Haut von Haien und Delfinen hat die Aero- und Hydrodynamik von Flugzeugen, Schiffen und Olympiaschwimmern revolutioniert. In der Architektur fuhren Seifenblasen-, Hangenetz- oder Gitterschalenmodelle zu funktional und asthetisch tiberzeugenden Losungen, Das von Fledermausen verwendete Sonarprinzip wird zur Entfernungsmessung benutzt, beispielsweise zur Abstandsmessung zwischen Autostofsstange und Parkmauer oder in Entfemungspeilgeraten. Die selbstreinigende Eigenschaft pflanzlicher Oberflachen wie der Lotusblume (Nelumbo nucifera) (Lotuseffekt) wird intensiv erforscht und in technische Produkte umgesetzt. Wenn Organismen auf eine bestimmte Belastung ihrer Umwelt empfindlich reagieren und leicht einzusetzen sind, konnen sie als Indikatorarten fur diese Belastung verwendet werden. Sie zeigen dann durch ihre An- oder Abwesenheit (also ihr Uberleben oder Sterben) das Fehlen oder Vorhandensein dieser Substanz an. Indikatoren zeigen Schadstoffe oder Schadstoffgemische an, darunter auch neue bzw. unbekannte, und sie verrnogen dies tiber einen langen Zeitraum durchzufuhren, sodass sie technischen Messgeraten uberlegen sein konnen, Moose messen beispielsweise die Schadstoffbelastung der Luft, Pflanzen zeigen Schwermetalle im Boden, seinen Sauregrad oder die Eutrophierung an, wahrend Regenwurrner Indikatoren fur die Verdichtung des Bodens sind. Aufgrund einer Zusammenstellung von Organismen, die Indikatorfunktion fur unterschiedliche Belastungsstufen von Gewassern haben, werden mit dem Saprobiensystem Aussagen tiber die chemische Belastung eines ganzen Gewassersystems gemacht (S. 177).
Ideeller Wert von Arten und Okosystemen Arten haben auch einen Wert "an sich", All das, was existiert, ist aufgrund seiner Entstehungsgeschichte einzigartig, daher wichtig und wertvoll. Dies gilt auch, wenn wir im Einzelnen nicht verstehen oder quantifizieren konnen, warum das so ist. Wir erholen uns gerne an Orten hoher Biodiversitat, Botanische Garten, Tierparks, Naherholungs- und Urlaubsgebiete haben eine wichtige Erholungsfunktion und daher einen hohen Wert. Pearce und Moran (1994) haben den durchschnittlichen Wert eines Urlaubstags mit 30 US-Dollar berechnet, sodass haufig besuchten Erholungsgebieten ein beachtlicher Wert zukommt. Global veranschlagen Costanza et al. (1997) diesen Erholungswert sowie den kulturellen und asthetischen Wert der Biodiversitat auf 3 800 Milliarden US-Dollar jahrlich. In unseren Hausern umgeben wir uns mit Natur. Kleingartner freuen sich tiber bluhen de Zierpflanzen, in Wohnungen, Bures und Labors finden sich Zimmerpflanzen, und Blumenschmuck wird als asthetisch und schon empfunden. Die Zahl der Haustiere ubersteigt in den Industrienationen die Zahl der Einwohner. Oftmals ist daher von einer angeborenen Neigung des Menschen gesprochen worden, biologische Vielfait zu mogen. Diese Biophilie (Orians 1980, Wilson 1992) ist zu allen Zeiten und in allen Kulturkreisen feststellbar. In fruheren Kulturen mag die Liebe zu einer hohen Artenvielfalt direkt der Lebens- und Ernahrungssicherung gedient haben, heute zeigt biophiles Verhalten in einer Industriegesellschaft sicherlich die Sehnsucht nach naturnahen Lebensumstanden. In diesem Sinn muss eine hohe Biodiversitat fur die Menschheit als tiberlebenswichtig bezeichnet werden, zumal auch der Mensch ein Produkt der biologischen Evolution ist.
7.3 Natu rschutz
Die ethische Argumentation betont, dass Menschen als (lediglich) eine Art auf der Erde nicht das Recht haben, andere Arten auszurotten. Es wird auch die Verpflichtung betont, Verantwortung fur unsere Mitgeschopfe zu ubernehmen und unseren Nachkommen annahernd die gleiche Biodiversitat zu hinterlassen, die wir vorgefunden haben.
7.3.3 Was bedroht Biodiversitat? Biodiversitat ist auf vielen Ebenen bedroht. Bekannt sind zahlreiche Beispiele von Arten, die gezielt gejagt und ausgerottet wurden. Die groBte Bedrohung von Arten ergibt sich aber durch die Nutzung, Umwandlung, Fragmentierung und schlieBlich Vernichtung ganzer Lebensraume. Dies kann mechanisch und gut sichtbar durch Nutzungsanderung wie Waldrodung oder grofsflachigen Herbizideinsatz in der Landwirtschaft geschehen, eine Bedrohung erfolgt aber auch schleichend durch zunehmende Schadstoffbelastung der Biosphare, etwa im Rahmen des Klimawandels. Die Globalisierung bringt eine immer schnellere Verbreitung wenig anspruchsvoller Arten mit sich, sodass es zu einer Angleichung zwischen Okosystemen und zu einer Homogenisierung ganzer Lebensraume kommen wird. Letztlich fuhrt dies zu Artensterben und zu einer Reduktion der Biodiversitat.
Selektives Jagen und Sammeln Viele Tierarten wurden im Rahmen der Nahrungsbeschaffung als Iagdwild ubernutzt und somit ausgerottet. Besonders Inselpopulationen wie die der Dronte (S. 281), der Steller'schen Seekuh Kamtschatkas (Hydrodamalis gigas), die 1768, gerade 27 Jahre nach ihrer Entdeckung, durch Seefahrer ausgerottet war, oder des nordatlantischen Riesenalks (Alca impennis), der 1844 ausstarb, sind besonders gefahrdet, In Europa starben die Wildformen einiger Haustierarten nach intensiver Bejagung aus. Dies traf 1627 den Ur oder Auerochsen (Bos primigenius) und ca. 1800 das Wildpferd (Equus ferus) . Als jagdbares Wild wurde der Alpensteinbock (Capra ibex) im 18. Iahrhundert in den Alpen ausgerottet, uberlebte aber im Jagdrevier des italienischen Konigs am Gran Paradiso, sodass er in anderen Alpenteilen sparer wieder eingeburgert werden konnte. 1919 starb das letzte freilebende europaische Wisent (Bison bonasus) im Kaukasus. Der Walfang diente ursprunglich nur der Nahrungsbeschaffung einzelner Volker in Kustennahe. Seit dem 19. Iahrhundert wurden Wale auf allen Weltmeeren aber zunehmend fur eine industrielle Nutzung von Olen, Fetten und Fischbein (Barten der Bartenwale fur Korsettstangen) gejagt. Durch Raubbau an den Walpopulationen ging ihre Zahl bis 1970 weltweit so stark zuruck, dass einige Arten unmittelbar vor dem Aussterben standen. 1985 wurde der kommerzielle Walfang vollig eingestellt. Bis auf Japan und einige wenige andere Staaten haben sich die Walfangnationen auch daran gehalten . Inzwischen haben sich einige Walarten wieder etwas erholt, aber nach wie vor ist die Mortalitat durch Meeresverschmutzung, Hochfrequenzsonarsysteme, Kollision mit Schiffen oder Ersticken in Treibnetzen hoch .
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7 Angewandte Okolog ie
Traditionell wurden Raubtiere als Feinde des Menschen und seiner Haustiere bekampft, Dies traf in Deutschland 1830 den letzten Luchs (Lynx lynx), 1835 den Ietzten Braunbaren (Ursusarctos) und 1900 den letzten Wolf (Canis lupus). Geier waren bereits im ausklingenden Mittelalter ausgerottet, Adler und andere Greifvogel stark zuruckgedrangt. Weltweit ausgerottet wurden der Kaplowe 1865 (Panthera leo melanochaitus, eine Unterart des afrikanischen Lowen), der Atlasbar (Ursus crowtheri) im 19.Jahrhundert, der Tasmanische Beutelwolf (Thylacinus cynocephalus) und der Iapanische Wolf (Canis hodophilax) im 20. Jahrhundert. Die Nutzung von Fellen und Hanten war eine wichtige Ursache fur die Ausrottung von Populationen und Arten. Der europaische Nerz (Lutreola lutreola) wurde im 19. Jahrhundert in Deutschland ausgerottet. Fast aIle GroBkatzen sind ihrer Felle wegen begehrt und werden legal oder illegal gejagt. Lokal wurden viele Populationen von Biber (Castor fiber), Chinchilla (Chinchilla laniger), Vikunja (Vicugna vicugna) und Fischotter (Lutra lutra) durch Pelzjager ausgerottet. Ahnliches gilt fur Krokodile und Schlangen, denen ihrer Reptilienhaut wegen weltweit nachgestellt wird. Auch Elefanten mussen erwahnt werden , da ihr Elfenbein fur Schnitzereien sehr begehrt ist. Professionell organisierte Wildererbanden stellten diesen Grofssaugern in vielen Regionen Afrikas nach und haben viele Populationen ausgerottet oder stark dezimiert. Noch schwieriger ist die Situation, wenn Arten zur Herstellung von Heilmitteln oder Aphrodisiaka begehrt sind . Aile funf Nashornarten Afrikas und Asiens sind extrem gefahrdet, da ihr Horn potenzsteigernde Wirkung haben solI.Vielleicht fuhrt Viagra nun zu einem Nachlassen der Iagd auf diese Tiere. Haiknorpel steht vollig zu Unrecht im Ruf, ein wirkungsvolles Mittel gegen Krebs zu sein. Sammeln gefahrdet Arten, wenn sich ein Markt von zahlungskraftigen Liebhabern entwickelt. Dies kann Schmetterlinge oder andere Insektengruppen betreffen, tropische SiiBwasser- und Korallenfische, Molluskenschalen, Orchideen, Blumenzwiebeln oder Sukkulenten. Manchmal werden Pflanzen, Tiere oder Teile von ihnen nur als Schmuck gesammelt. Wegen ihrer Perlen wurde die Flussperlmuschel (Margaritifera margaritifera) in Mitteleuropa schon vor Jahrhunderten weitgehend ausgerottet. Die Federn einer Kleidervogelart auf Hawaii wurden zu Zehntausenden fur die zeremonielle Kleidung der Konige benotigt, bis diese Vogelart ausgerottet war. Die langen Schwanzfedern des Quetzal (Pharomachrusmocinno) waren ehemals den Inkas als Schmuck vorbehalten, sodass diese Art immer seltener wurde. In den letzten Jahrzehnten setzte die Rodung der Bergwalder dieser Art sehr zu, Auch wenn die oben erwahnten Beispiele neu zeitlich sind, hat der Mensch schon als Steinzeitjager einen starken Druck auf seine Beutetiere ausgeubt, der zur Ausrottung vieler Arten fuhrte, Nach der overkill-Hypothese (Martin und Klein 1984) hat sich der moderne Mensch in Afrika mit der dortigen GroBsaugerfauna zusammen entwickelt, daher kannten diese Arten die Gefahrlichkeit des Menschen. Als vor 13000 Iahren die Besiedlung von Amerika einsetzte , trafen die pleistozanen Jager auf eine urtumliche Fauna groBer Wirbeltiere (Megafauna), die kaum an Feinde gewohnt war. In wenigen 100 Iahren wurden diese Kontinente von einer ersten Besiedlungswelle iiberrollt, der in Nordamerika beispielsweise Riesengiirteltiere, Riesenfaultiere, mehrere Pferde-, Kamel- und Elefantenarten zum Opfer fielen. In Australien wurden vor 20000-40000 Iahren Riesenkangurus, Riesenwombats und ein Riesenwaran ausgerottet. Nach der Besiedlung durch den Menschen starben vor 1500 Iahren auf Mada-
7.3 Naturschutz
7.8 Die Ausbreitung des modernen Menschen fOhrte in den letzten 100000 Jahren zu einer massiven Ausrottung von groBen Wirbeltieren jeweils kurz nach der Besiedlung eines neuen Kontinentes oder einer neuen Insel. Angeben sind Jahre vor heute (BP = before present).
gaskar viele tagaktive Lemuren aus, vor 1000 Iahren in Polynesien 15 % aller Vogelarten und in Neuseeland alle 20 Moa-Arten ( ~ Abb. 7.8).
Veranderung von tebensraumen Auf vielfaltige Weise kann die Nutzung eines Lebensraums zu seiner Zerstorung fuhren. Im Rahmen der modernen Landwirtschaft redu ziert der intensive Pflanzenbau mit hohem Einsat z von Dtingern und Bioziden die Diversitat in Agrarokosysternen (S. 236). Die Dtingung einer Magerwiese fuhrt zum Verlust der auf stickstoffarme Boden angewiesenen Arten. Pflanzen nahrstoffarrner Standorte sind daher ub erproportional haufig in Roten Listen vertreten ( ~Abb. 7.9). Eingriffe in den Wasserhaushalt wie die Entwiisserung einer Feuchtwiese oder die Bewasserung von Trockengebieten, die Begradigung von Uferbereichen oder die Rekonstruktion ganzer Flusssysteme haben den Verlust der auf die jeweiligen Standorte spezialisierten Arten zur Folge. Viele dieser Eingriffe sind mit der Fragmentierung von Lebensraumen verbunden . Diese fuhrt zu kleineren Populationen und zur lokalen Vernichtung von Teilpopulationen (S. 80), also eben falls zur Reduktion der Biodiversitat, Zumindest in Mitteleuropa sind Walder nach der Kulturlandschaft die haufigsten Lebensraume. Ihre Bewirtschaftung fuhrte zu einer Umwandlung in Forste, also Altersklassenbestande einer Monokultur, die durch die ubliche Kahlschlagwirtschaft regelmaisig einen Totalverlust erleiden. Oft erfolgt die Aufforstung zudem mit schnell wachsenden, nicht standortgerechten Arten: In der gematsigten Zone werden tiberwiegend Fichten (Picea abies) angepflanzt, in den Subtropen verschiedene Eukalyp tu sarten (z. B. Eucalyptus globulus) und in den Tropen verschiedene Pinus-Arten.
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7.9 Die Darstellung von 1748 rnitteleuropaischen Pflanzenarten nach ihrem Stickstoffzeigerwert (1 extrem stickstoffarm, 9 ObermaBig stickstoffversorgt, eutroph) und nach den beiden Rote-Liste-Kategorien gefahrdet bzw. nicht gefahrdet zeigt, dass es auf stickstoffarmen Standorten einen hoheren Anteil gefahrdeter Arten gibt. Nach Ellenberg (1985).
23456789 Stickstoffzeigerzahl
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Alternativen waren kleinraumige Parzellierung und Plenterwirtschaft, bei der aus einem natiirlichen oder naturnahen Wald immer nur einzelne Baume entnommen werden . Die natiirliche Verjiingung sichert den Mischwald und eine hohere Diversitat . Der tropische Regenwald ist der artenreichste Lebensraum der Welt, der durch das Bevolkerungswachstum vieler Entwicklungslander einem besonders starken Umwandlungsdruck ausgesetzt ist. Neben der Nutzung als Siedlungsflache erfolgt vor allern eine Umwandlung zu landwirtschaftlich nutzbaren Kulturen. Wegen der geringen Fruchtbarkeit der meisten tropischen Boden (S. 32) (Weischet 1977), der mangelnden Kenntnisse der Bauern, instabiler politischer Verhaltnisse und ungerechter Eigentumsverhaltnisse ist in vielen Teilen der Tropen eine Landwirtschaft nach dem Vorbild der gernafsigten Zone kaum moglich. Der Transformationsprozess fuhrt in der Regel zum Verlust des Regenwaldes und tragischerweise nicht zu einer befriedigenden landwirtschaftlichen Produktion. Alternativen waren durch eine nachhaltige Nutzung des Regenwaldes auch okonornisch sinnvoll , sei es als Labelproduktion bei der Holzwirtschaft, in Plantagen oder durch Waldlandwirtschaft (agroforestry) (S.298).
Floren- und Faunenverfiilschung Unter der Verfalschung einer Flora oder Fauna verstehen wir das beabsichtigte oder unbeabsichtigte Hinzufugen neuer, gebietsfremder Arten (alien species). Oft aus Ubersee kommend und ohne ihre urspriinglichen Gegenspieler oder regulierenden Mechanismen konnten sich einige dieser fremden Arten auf Kosten von einheimischen Arten stark vermehren (invasive Arten, invasive species). Auf Inseln sind flugunfahige Vogel oder Bodenbriiter beispielsweise durch die Einfuhr von Raubtieren gefahrdet. Neue Herbivoren (z. B. verwilderte Haustiere) haben in vielen Regionen die autochthone Vegetation zuruckgedrangt, Ahnliches konnen starkwiichsige Unkrauter, Dornstraucher oder Lianen bewirken. Floren- und Faunenverfalschung wird daher zunehmend als Bedrohung der urspriinglichen Biodiversitat eines Lebensraumes gesehen und negativ bewertet (Nentwig 2007). Pflanzenarten, die vor der Entdeckung Amerikas 1492 in Europa vorkamen, werden als Archaeophyten bezeichnet.
7.3 Nat urschut z
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Wurden sie danach eingeschleppt, nennt man sie Neophyten. Bei Tieren spricht man von Neozoen, der Oberbegriff fur Tiere und Pflanzen lautet Neobiota. Die meisten Einfuhrungen neuer Pflanzen- und Tierarten durch den Menschen erfolgten bei der Besiedlung neuer Lebensraume und bei Transporten. Iede Kultur brachte ihre eigenen Haustiere und Nutzpflanzen mit. Ziegen, Rinder und Schweine verdrangen die einheimische Flora auf Galapagos, Hawaii und anderen Inseln. Schweine fressen die Eier von Leguanen, Schildkroten und bodenbriitenden Vogeln, Die Europaer haben auch Jagdtiere in Ubersee ausgesetzt, urn die dortige Fauna "aufzubessern" (Akklimatisierung, ~ Kasten 7.2). Der zerstorerische Einfluss von Kaninchen auf die Vegetation Australiens ist bekannt. Ratten sind die Ursache fur das Verschwinden von mehreren Vogelarten auf pazifischen Inseln, Hunde vernichteten eine Teichhuhnart auf Tristan da Cunha, Mungos eine Rallenart auf Hawaii und eine Zaunkonigart auf Martinique. Diese Aufzahlung konnte noch lange weitergefuhrt werden. Vielerorts wurden kommerziell nutzbare Fischarten ausgesetzt, urn die Produktivitat von Gewassern zu heben, meist zu Lasten der einheimischen und oft endemischen Fauna . Hierdurch gilt die Fischfauna Madagaskars heute als stark bedroht. Das Einsetzen des Nilbarsches in den Viktoriasee fuhrte, zusammen mit weiteren Eingriffen in die ostafrikanischen Seen, zum Aussterben einiger 100 der tiber 2 000 dort en-
Kasten 7.2 Akklimatisierungsgesellschaften: Professionelle Floren- und Faunenverfalschunq Mitte des 19. Jahrhunderts war die Welt auf die europaischen Kolonialrnachte aufgeteilt, und viele Europaer lebt en in Obersee. Dort vermissten sie die Tier- und Pflanzenwelt ih rer europaischen Heimat, andererse it s entdeckten sie in Obersee Ar ten, von denen sie uberzeuqt waren, dass diese auch fur Europa interessant sein mussten, Neben einem weltweiten Transport von Kulturpf lanzen und Nutztieren, den es durch die Auswan derer schon immer gegeben hatte, kam es jetzt zu einer systematischen Beschattigung mit der Einburqe rung von Arten , die zum Teil auch "wissenschaftIich" betrieben wurde. Man glaubte, dass es moqlich sei, best immt en Arten die Eigenschaften anzuzuchten, die sie fur ein Oberleben in der neuen Heimat benotiqten . Hierzu wurde 1854 in Par is die erste Akklima ti sierungsgesellschaft geg rundet, deren Ziel es war, exotische Tiere und Pflanzen einz ubu rqern . M it unte rschiedlichem Erfolg versuchte man in den folgenden Jahren, Frankreich mit import iert em Bambus und Eukalyptus. Seidenraupe n, Fasanen und Zebras zu bereichern .
Schnell qrundeten sich nach diesem Muster an verschiedenen Orten weitere Akklimatisierungsgesellschaften. 1860 entstand die Acclimatisation Society of the United Kingdom. nach deren Vorbild sich allein in Neuseeland 30 lokale Gesellschaften bildeten. In vielen Regionen der Welt waren sie fur den Import von Tieren und Pflanzen verantwortlich, aus dem sich manch zweifelhafte Bereicherung der Nat ur ergab . Die Beteilig ung von Wissenschaftlern an diesen Gesellschaften. die zudem oftmals aus Fachgesellschaften heraus gegrundet wurden, die DurchfUhrung von Tests und die Diskussion von Sicherheitsmal3nahmen riefen ein GefUhl von Pseudosicherheit hervo r. Es gab kein Unrechtsbewusstsein, und Begr iffe w ie Floren- und Faunenverf alschun g existierten nicht. Erst in der zweiten Halfte des 20. Jahrh undert s andert e sich der Blickwinkel und Importe wurden seltener. Die Akkli mat isierungsgesellschaften wurden an den Pranger gestellt, manche wandelten sich in Jagd- und Ange lvereine, zoologische Garten oder Nat urschut zvereine.
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demischen Buntbarscharten (Cichlidae). In Europa werden immer noch nordamerikanische Regenbogenforellen (Oncorhynchus mykiss) als .Besatzfische" fur Angler ausgesetzt. Nordamerikanische Katzenwelse (Ictalurus nebulosus) und chinesische Graskarpfen (Ctenopharyngodon idella) leben auf Kosten einheimischer Arten. Durch die Verbindung von Flusssystemen (etwa durch den Rhein-Main-DonauKanal) und von Meeresteilen (Suezkanal, Panamakanal), die tiber evolutionare Zeitraume getrennt waren, sowie durch den weltweiten Transport von Ballastwasser durch Schiffe wird ein Artenaustausch errnoglicht, der zum Verschleppen potenziell invasiver Arten fuhrt, die einheimische Arten vollig verdrangen konnen, Die Zebramuschel (Dreissena polymorpha) aus dem Kaspischen Meer ist inzwischen in Europa und Nordamerika weit verbreitet, verdrangt an vielen Stellen durch flachendeckendes Uberwuchern alle anderen Arten und verursacht Millionenschaden durch das Verstop fen von Wasserkraftanlagen und Pumpen. In Containern konnen quasi alle Tiere lebend an jeden Punkt der Welt gelangen. Die unbemerkte Einfuhr der Braunen Nachtbaumnatter (Boiga irregularis) auf die Pazifikinsel Guam urn 1950 fuhrte zum Aussterben von zehn endemischen Vogelarten sowie Fledermausen und Reptilien. Heute beherbergen die Walder der Inseln nur noch drei kleine Eidechsenarten. Die nahezu vollstandige Ausloschung der heimischen Arten war wahrscheinlich wegen des Vorkommens anderer eingefuhrter Beutetiere (z, B. Ratten) moglich, die der Schlange die Aufrechterhaltung ihrer eigenen Population sicherten (Fritts und Rodda 1998) (apparente Konkurrenz, S. 157). Durch die versehentliche Freilassung einer Kreuzung der europaischen Honigbiene mit einer afrikanischen Rasse 1956 in Brasilien breiteten sich die aggressiven Bienen (Morderbienen, killer bees) bis in die USA aus, verdrangten einheimische Wildbienen, gefahrdeten die Imkerei und toteten bisher tiber 1 000 Menschen ( ~Abb. 7.10). Ahnlich ist die Situation bei der argentinischen Feuerameise (Solenopsis invicta), die schon 1891 von Brasilien nach New Orleans verschleppt wurde und sich inzwischen in weiten Teilen der sudlichen USA auf Kosten anderer Arten ausbreitete. Flugzeuge bringen Stechmucken von den Tropen in die gemafsigten Breiten, sodass unter anderem Malaria in Mitteleuropa, wo sie ausgerottet war, in der Nahe von Flughafen wieder auftaucht. In Verbindung mit einer Klimaveranderung ist es nicht ausgeschlossen, dass diese und andere Tropenkrankheiten in Zukunft ihr Areal ausweiten. In Parks und Garten werden viele fremde Pflanzenarten kultiviert. Wenn entkommen de Arten sich in der Natur behaupten und ausbreiten, konnen sie als invasive Pflanzen die einheimische Vegetation verdrangen, sie bieten einheimischen Tieren weniger Nahrungsnischen und sind artenarmer als einheimische nahe Verwandte. Beispiele in Mitteleuropa sind die aus Nordamerika eingeschleppten Goldruten (Solidago canadensis, S. gigantea), der japanische Knoterich (Reynoutria japonica), das drusige Springkraut (Impatiens glandulifera) aus dem Himalaya und der Riesenbarenklau (Heracleum mantegazzianum) aus dem Kaukasus (Pysek et al. 2007).Von den Baumen und Strauchern seien Essigbaum (Rhus typhina), Robinie (Robinia pseudoacacia) und Eschen-Ahorn (Acer negundo) aus Nordamerika sowie Gotterbaum (Ailanthus altissima), Schmetterlingsflieder (Buddleja davidii) und Flieder (Syringa vulgaris) aus China erwahnt, Auf anderen Kontinenten ist das Problem noch gravierender. Bekannt sind das europaische Johanniskraut (Hypericum perforatum) und die mittelamerikanischen Opuntien, die in Nordamerika bzw. Australien grofseWeidege-
7.3 Naturschutz
7.10 Ausbreitung der Honigbiene Apis mellifera nach ihrer versehentlichen Freilassung in Brasilien bis in die USA. Erganzt nach Williamson (1996).
biete iiberwucherten (5. 272) . Die tropische Wasserhyazinthe (Eichhornia crassipes) aus dem Amazonasregenwald wurde weltweit verschleppt und behindert Schifffahrt, Fischfang und Trinkwassergewinnung.
Artensterben Es gehort zum Grundprinzip der Evolution des Lebens, dass neue Arten entstehen und bestehende Arten aussterben. Die durchschnittliche Lebensdauer einer Art wird mit 1-10 Millionen Iahren angenommen, und hieraus leitet sich die natiirliche Aussterberate aboEs gab bisher mehrere globale Aussterbeereignisse, die jeweils durch ein impulsartiges Ereignis ausgelost wurden und etwa eine halbe Million Jahre anhielten, die groBe Krise am Ende des Perm dauerte jedoch elf Millionen Jahre ( ~Abb. 4.23) . Nach jeder Katastrophe stieg die Biodiversitat wieder an, oftmals entstanden neue Artengruppen und fullten die unbesetzten Nischen. Nach dem Aussterben der Dinosaurier begannen beispielsweise die Saugetiere zu dominieren. Die Palaontologie zeigt aber auch, dass Aussterberate und Erholungsrate mit zwei deutlich unterschiedlichen Geschwindigkeitcn erfolgen, denn die Erholungsphase dauert in der Regel 10-50 Millionen Jahre (Kirchner und Weil 2000). Wahrend die bisherigen Aussterbeereignisse meist kosmische Ursachen hatten, die sich klimatisch auf die Erde auswirkten (5. 204), wurde das aktuelle Aussterbeereignis
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7 Angewandte Okoloqie
durch die Eroberung der Erde durch den Menschen und die Zunahme seiner Bevolkerungsdichte ausgelost. Der Auftakt war vor einigen 10000 Iahren die Ausrottung der pleistozanen Megafauna (S. 288). Weitere Ursachen sind grofsflachige Brandrodungen, die schon vor Tausenden von Iahren in vielen Regionen wildreiche Graslander schufen , und die Dmwandlung von Wald in Ackerland. Vor allem aber fuhrten die Entdeckung und Eroberung der uberseeischen Kontinente durch die Europaer dort zu Nutzungsanderungen, die inzwischen ein exponentielles Artensterben zur Folge haben. Aus Naturschutzsieht interessiert, wie viele Arten bereits durch den Menschen ausgerottet wurden und wie viele es in der nachsten Zeit sein werden. Die scheinbar einfache Frage "Wie viele Arten gibt es auf der Welt?" kann jedoch nieht beantwortet werden, denn es gibt kein Register beschriebener Arten, und bis heute sind noch langst nicht alle erfasst. Wahrscheinlich gibt es derzeit 5-15 Millionen Arten, von denen 1,7 Millionen beschrieben sind (Stork 1997). Geht man von 10 Millionen Arten aus und berucksichtigt, dass bei den bisher charakterisierten ein mittlerer Synonymiegrad von 25 % besteht (d. h. Arten wurden doppelt erfasst), so ist weltweit erst jede achte Art entdeckt und beschrieben worden. Derzeit werden jahrlich 15 000 neue Arten charakteri siert, doppelt so viel wie im Durchschnitt der 240 Jahre seit Etablierung der modernen Systematik durch Carl von Linne. Es ist daher kaum vorstellbar, dass die vielen Millionen noch zu entdeckenden Arten mit den derzeitigen Moglichkeiten je wissenschaftlich erfasst werden. Die aktuelle Aussterberate kann ebenfalls nur geschatzt werden , denn fur viele der meist kleinen und unauffalligen Arten gibt es keine Daten . Lediglich bei einigen gut erforschten Tiergruppen liegen relativ verlassliche Quellen vor. So starben in den letzten 400 Iahren mindestens 74 Saugerarten und 139 Vogelarten aus, das sind 1,5 % aller Sauger und 1,4 % aller Vogel (IDCN 2007). Die Tendenz ist steigend, d. h. zu Beginn dieser Periode starb eine Art pro Jahrzehnt aus, in den letzten 100 Iahren war es eine Art pro Iahr, Solche Zahlen konnen nicht auf alle Arten der Welt hochgerechnet werden. Stork (1997) stellt in einer Metaanalyse elf Einzelschatzungen fur globale Aussterberaten vor, die einen Mittelwert von 0,8 % pro Iahr ergeben. Unter der Annahme von zehn Millionen Arten, die es derzeit auf der Erde gibt, und einer mittleren Aussterberate von 0,8 % sterben derzeit jahrlich 80 000 Arten aus. Bezogen auf die 15 000 jahrlich neu beschriebenen Arten bedeutet dies, dass pro neu entdeckte Art vier Arten unentdeckt aussterben. Unter Annahme der naturlichen Extinktionsrate entspricht die aktuelle Aussterberate von 0,8 % einer 8 00080 OOOfach erhohten Aussterbegeschwindigkeit , d. h. eine Kompensation durch die Entstehung neuer Arten ist vernachlassigbar, Wenn diese Aussterberate, die fur den Zeitraum urn die Jahrtausendwende geschatzt wurde, fur 100 Jahre anh alt, wurde sieh die Artenzahl bis zum Iahr 2100 auf 4,5 Millionen Arten reduzieren (~ Abb. 7.11). Die nachsten Jahrzehnte werden nach dieser Berechnung durch einen Artenverlust gekennzeichnet sein, der wahrscheinlich starker sein wird als die Verluste wahrend der groBen Katastrophe im Perm, und die Erholungsphase wird sicher tiber zehn Millionen Jahre dauern.
7.3 Natu rschutz
8 c: QI
3i a;
6
c ~ 4
unbeschriebene Arl en
~
2000
2100
7.11 Mogliche Veranderunq der globalen Biodiversitat bis zum Ende des 21. Jahrhunderts unter der Annahme von 10 Millionen existierenden Arten, einer Ausrottungsrate von 0,8 % pro Jahr sowie 15000 neu beschriebenen Arten jahrlich (Iineares Szenario, ohne BerOcksichtigung rnoqlicher Synonymien und Neuentstehung von Arten, siehe Text).
7.3.4 Naturschutzkonzepte Ahnlich wie die Biodiversitat auf verschiedenen Ebenen und durch verschiedene Mechanismen bedroht ist, setzen Schutzkonzepte auf unterschiedlichen Ebenen an, urn einzelne Arten,Artengemeinschaften oder Lebensraurne jeweils optimal zu schutzen.
Schutz auf Artniveau Das klassische Konzept zum Artenschutz besteht darin, eine Art unter direkten Schutz zu stellen, also Iagd, Nutzung und/oder Handel zu verbieten. Hierzu konnen Zuchtprogramme und Wiederansiedlungsprojekte kommen. Auflistungen von bedrohten Arten sind die Roten Listen, die nach dem ersten RedDataBookder IUeN 1966 zum ersten Mal erstellt wurden. Auf der Basis von Verbreitungsdaten fuhren sie in den inzwischen so ben ann ten Kategorien a (ausgestorben, verschoIlen), 1 (vom Aussterben bedroht), 2 (stark gefahrdet), 3 (gefahrdet) und 4 (potenziell gefahrdet) die betroffenen Arten einer Gruppe oder einer regionalen Flora bzw. Fauna auf. Rote Listen sind wertvolle Entscheidungshilfen bei der Beurteilung von Schutzgebieten, bei Eingriffen in Lebensraume oder bei der Planung von Schutzprogrammen. Auch lasst sich der Erfolg von MaBnahmen anhand Roter Listen uberprufen, sodass sie langfristig ein Spiegel der Naturschutzeffizienz sein konnen. Das Instrument der Roten Liste verbindet also Arten- und Lebensraumschutz (Jedicke 1997). Ein sehr wirksames Instrument zum internationalen Schutz bedrohter Arten besteht darin, ihren Handel zu verbieten. 1975 trat das Washingtoner Artenschutzabkommen CITES (Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora) in Kraft, welches diese Handelsbeschrankung regelt (www.cites.org). Wichtig sind die drei Anhange (Appendices) des Abkommens, welche mehrere 10000 Arten umfassen, vor allem Saugetiere, Vogel und Reptilien, einzelne Amphibien, Fische und Wirbellose sowie viele Pflanzen. Inzwischen haben fast aIle Staaten der Welt das Washingtoner Artenschutzabkommen unterschrieben, sodass von einem weitgehend globalen Schutzkonzept gesprochen werden kann.
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7 Angewa ndte Okologie
CITES klammert ausdriicklich den Handel mit Nachzuchten aus, sodass ein Anreiz zur Gefangenschaftsvermehrung bedrohter Arten besteht. Ein wichtiger Teil von Artenschutzprogrammen kann ein Programm zur Wiedereinbiirgerung einer Art in Regionen sein, in denen diese Art zuvor ausgerottet wurde. Hierzu miissen geniigend Individuen dieser Art entweder aus benachbarten Freilandpopulationen, die dies noch verkraften, weggefangen werden, oder man mu ss in Gefangenschaft geniigend Tiere nachziichten. Zudem ist es notwendig, den vorgesehenen neuen Lebensraum fur die Tiere vorzubereiten bzw. die Grunde, die zur fruhe ren Ausrottung fuhrten, zu beseitigen. Erfolgreiche Wiedereinbiirgerungsbeispiele sind in Mitteleuropa Biber (Castor fiber), in den Alpen Luchse (Lynx lynx) und Steinbocke (Capra ibex). Die Wiedereinbiirgerung des Bartgeiers (Gypaetus barbatus) in den Alpen ist noch nicht geniigend weit gediehen, urn abschlieBend beurteilt zu werden. Wenn eine Wiedereinbiirgerung nicht sinnvoll erscheint, weil die Griinde, die zum lokalen Aussterben der Art gefuhrt haben, unverandert bestehen, kann die Art nur in Gefangenschaft gehalten und so vor dem Aussterben gerettet werden. Das bekannteste Beispiel einer solchen ex situ-Erhaltung betrifft den chines ischen Davidshirsch (Elaphurus davidianus), der in der Natur seit ca. 3 000 Iahren ausgestorben sein solI und nur in Jagdreservaten des chinesischen Adels iiberleben konnte. Bei anderen Arten ist es unsicher, ob es noch Freilandpopulationen gibt bzw. ob diese uberlebensfahig sind. Beispiele sind das Przewalski-Pferd (Equus przewalskii), der Banteng (Bos banteng), der Sumatratiger (Panthera tigris sumatrae), die Mendes-Antilope (Addax nasomaculatus) und der chinesische Flussdelfin (Lipotes vexillifer). Die ex situ-Erhaltung von Tieren ist auBerst problematisch, da nicht alle Tiere in Gefangenschaft reproduzieren und die genetische Variabilitat einer Freilandpopulation nur bei groBen Zoopopulationen und konsequenter Fiihrung von Zuchtbiichern erhalten werden kann. Bei Pflanzen ist die Situation prinzipiell leichter, denn in botanischen Garten konnen viele Individuen bedrohter Arten herangezogen werden und langfristig iiberleben. Moderne Techniken der exsitu-Erhaltung von bedrohten Arten umfassen auch kiinstliche Befruchtung, Embryonentransfer, Zellkulturen, Gen- und Samenbanken.
Lebensraumschutz und PflegemaBnahmen Der Flachenschutz ist ein ebenfalls klassisches Element des Naturschutzes, bei dem ein bedrohter Lebensraum durch staatlichen Schutz vor seiner Zerstorung bewahrt wird. Obwohl es sich urn eine vergleichsweise einfache Vorgehensweise handelt, ist sie sehr effektiv, denn der flachige Schutz (Biotopschutz) betrifft im Idealfall ganze Okosysteme mit allen darin lebenden Arten und deren Funktionsablaufe bzw. Regelmechanismen. In der Praxis gibt es eine Hierarchie von Schutzgebietstypen, die sich durch GroBe, Schutzgrad, Zustandigkeiten usw. unterscheiden. In Deutschland sind dies z. B. folgende Kategorien : Biospharenreservat, Nationalpark, Naturschutzgebiet, Landschaftsschutzgebiet, Naturpark, Naturdenkmal. In vielen internationalen Vereinbarungen werden bestimmte Lebensraume geschiitzt (~Kasten 7.3) Probleme des Flachenschutzes liegen unter anderem darin, dass es einerseits durchaus sinnvoll ist, groBe Gebiete sich selbst zu iiberlassen, etwa urn alte Sukzessionsstadien bzw. komplette Sukzessionszyklen zu schiitzen. Andererseits gibt es in Mitteleu-
7.3 Naturschutz
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Kasten 7.3 Internationale Abkommen zum Schutz von Arten und - - - - l.ebensraumen
• IWC, International Whaling Commission (Internationale Walfangkommission), seit 1946, • Antarctic Treaty (Antarktis-Vertrag), eingerichtet 1959 zum Schutz der Fauna und Flora der Antarktis, • Ramsar-Abkommen, Obereinkommen Ober Feuchtgebiete, insbesondere als Lebensraum fOr Wasser- und Watvogel, von internationaler Bedeutung, 1971 in der iranischen Stadt Ramsar beschlossen, • CMS, Convention on Migratory Species (auch Bonn -Konvention), Obereinkommen zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten, eingerichtet 1979,
• OSPAR-Obereinkommen zum Schutz der Mee resumwelt und des Nordatlantiks, 1992, Grund lage fOr eine Kooperation aller Anrainer der Nordsee und des Nordostatlantiks zur Reduk tion des Eintrags von Schadstoffen und zum Schutz und zur Erhaltung der 6kosysteme und der biologischen Vielfalt des Meeresgebiets, • CBD, Convention on Biological Diversity (Kon vention Ober den Erhalt der biolog ischen Viel fait), 1992 in Rio beschlossen, • Natura 2000, Schutzgebietsnetzwerk der EU zur Umsetzung der Schutzbestimmungen fOr l.ebensraume und Arten der Fauna-Flora -Habi tate -Richtlin ie (FFH), 1992 beschlossen.
ropa kaum noch geniigend groBe Gebiete, auf die kein menschlicher Nutzungsdruck einwirkt. Unabhangig vom Schutzstatus gibt es eine Reihe von Landschaften, die nur durch die Aufrechterhaltung einer bestimmten Nutzungsform fortbestehen konnen, also PflegemaBnahmen benotigen. Heidelandschaften und Trockenrasen benotigen extensive Beweidung, urn nicht durch Verbuschung Charakter und Artenreichtum zu verlieren. Kleine Lebensraume konnen in ihrem Bestand gefahrdet sein, wenn bestimmte Eingriffe nahe an ihrem Rand erfolgen. So sind Feuchtgebiete gegeniiber Entwasserungsmafsnahrnen empfindlich, Magerstandorte gegen Eutrophierung. In diesem Zusammenhang muss auch auf Feuer hingewiesen werden , das in vielen Lebensraumen natiirlicherweise regelmafsig vorkommt und diese gepragt hat (S. 16). Ein vollstandiges Unterdriicken des Feuers durch den Menschen fuhrt zu einer Veranderung der Vegetation: Offene Standorte verbuschen, und schlieBlich breitet sich Wald aus. Gleichzeitig steigt die Feuergefahrdung. Wenn dann ein Feuer ausbricht, wird eine immense Biomasse auf einer groBen Flache vernichtet, und eine Besiedlung durch die friihen Sukzessionsstadien wird deutlich langer dauern, weil weniger Diasporen dieser Stadien uberleben konnten. Feuerangepasste Lebensraume des mediterranen Klimas sollten daher regelmaBig mit kleinraumigen und leichten Feuern gepflegt werden, die natiirlichen Ursprungs sein konnen oder als NaturschutzmaBnahme eingesetzt werden (Goldammer 1993). Bei der Pflege eines Gebiets stellt sich im Rahmen der Restaurationsokologie oftmals die Frage, wie stark eingegriffen werden soli. Bei Renaturierung werden Gebiete iiberwiegend sich selbst iiberlassen, Z. B. nach dem Abbau von Kies oder Sand. Die Plachen solien der natiirlichen Sukzession unterliegen und werden daher ohne menschlichen Eingriff der Natur zuriickgegeben. Auch bei der immensen GroBe von Tagebaulandschaften uberlasst man oftmals grofsere Teile der freien Sukzession. Durch RekuItivierung werden ehemalige Kiesgruben, Miillkippen und ahnlich genutzte Landschaftsteile durch Aufschiitten von Boden, Bodengestaltung und Ansiedlung
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7 Angewandte Okologie
neuer Pflanzen wieder in naturnahe Flachen oder in land- und forstwirtschaftliche Nutzflachen zuruckverwandelt, Wirklich ersetzen kann man die zuvor zerstorte Natur indes nicht. Dennoch sind die Moglichkeiten grofs, durch geeignete Reparaturmafsnahmen fruhere Eingriffe weitgehend ruckgangig zu machen. Entwasserte Gebiete konnen durch VerschlieBen des Entwasserungssysterns erneut vernasst, begradigte Pliefsgewasser wieder mit kurvenreichen Ufern, Altarmen und Inseln ausgestattet werden (Ruckbau), Neue Lebensraume werden durch Anpflanzungen oder ausgebaggerte Teiche geschaffen. Erstaunlicherweise werden die meisten dieser Lebensraume in kurzer Zeit von einer auffallend artenreichen Pflanzen- und Tiergemeinschaft besiedelt. Mit der Neuschaffung von Lebensraumen besteht die Moglichkeit, vorhandene Schutzgebiete zu vergrofsern bzw. diese zu vernetzen (Jedicke 1994). Biotopverbundsysteme nutzen z. B. Hecken und Flurgeholze, urn Waldgebiete zu verbinden, oder eine Reihe von Altarmen und Tumpeln, urn zwei grofsere Gewasser zu verbinden. Hierdurch soIl es Arten ermoglicht werden, in einer Landschaft tiber kleinere, eingestreute Trittsteinbiotope (stepping stones) von einem grofseren Lebensraum aus moglichst viele andere zu besiedeln. Die fehlende GroBe dieser Lebensraume wird durch ihre Nahe kompensiert, sodass auch bei lokalem Aussterben eine Wiederbesiedlung geeigneter Habitate moglich ist (Inseltheorie und Metapopulationskonzept, S. 89,180). Tatsachlich gibt es Lebensraume, die sich gut vernetzen lassen, und einige Arten reagieren positiv darauf. Andererseits hat sich gezeigt, dass die Idee der Vernet zung von Lebensraumen oft uberstrapaziert wurde. Mikroklimatisch unterscheiden sich Hecken von Waldgebieten so deutlich, dass viele ausgesprochene Waldarten Hecken nicht als Lebensraum nutzen. Sinnvoll ist hingegen, zwei Schutzgebiete durch einen Korridor des gleichen Biotoptyps zu verbinden oder Schutzgebiete mit einem groBen Pufferbereich niedrigerer Schutzintensitat zu umgeben.
Schutz durch angepasste Nutzung Die nicht naturvertragliche land- und forstwirtschaftliche Nutzung ist einer der Hauptgrunde fur die Bedrohung der Biodiversitat. Was liegt also naher, als die Nutzung eines Lebensraumes so nachhaltig zu gestalten, dass er erhalten bleibt und durch eine auch okonomisch attraktive Nutzung gleichzeitig ein groBes Interesse an seinem Weiterbestand und Schutz besteht? Das wohl beruhrnteste Beispiel hierzu bezieht sich auf die Waldlandwirtschaft (agroforestry) . Hierbei werden unter dem Schutz von Baumen des tropischen Regenwaldes verschiedene Nutzpflanzen kleinparzellig angebaut. Die Baume liefern zusatzliche Einnahmen durch den Holzverkauf, zudem konnen sie auch selbst regelmafsig beerntet werden (Palmole, Fruchte, Harze usw.). Das ganze System ist vor Wind- und Wassererosion geschutzt, liefert dauerhafte Ertrage, die uber denen von Maisfeldern, groBen Plantagen oder Rinderweiden liegen, und garantiert gleichzeitig das Uberleben einer moglichst hohen Biodiversitat, Pearce und Moran (1994) haben Beispiele fur Waldlandwirtschaft okonomisch analysiert und festgestellt, dass ihre Wertschopfung sieben- bis zwolfmal hoher ist als die einer vergleichbaren Kahlschlagwirtschaft. Waldlandwirtschaft bedeutet trotzdem einen Eingriff in den Regenwald und erfordert ein langfristiges und geplantes Vorgehen, setzt also Ausbildung und Organisation voraus.
7.3 Natu rschutz
Eine nachhaltige Nutzung von Graslandern und Savannen erfolgt durch gamefarming. Hierbei werden nicht etwa europaische Rinder in afrikanischen Stepp en gehalten, was den einheimischen Grofssaugern den Lebensraum nahme, der durch die Rinder gleichzeitig zerstort wurde, sondern es werden eben diese einheimischen GroBsauger extensiv gehalten und genutzt. Pro Plache kann namlich langfristig mehr Antilopen-, Gnu- oder Elefantenfleisch produziert werden als bei Rinderbeweidung. Wildtiere und ihre Lebensraume sind aneinander angepasst und der Fortbestand von beiden ist gewahrleistet, Am Beispiel von Botswana haben Pearce und Moran (1994) gezeigt, dass verschiedene Formen von gamefarming auch okonomisch sinnvoll sind und mehr Gewinn abwerfen als die alternative Rinderzucht. Gamefarmingermoglicht auch, die einheimische Bevolkerung in den Schutz einzubeziehen und okonomisch zu beteiligen, also Wilderei zu verme iden. SchutzmaBnahmen sind dann besonders nachhaltig, wenn neben dem Schutz auch die Nutzung einbezogen wird und somit ein okonomischer Gewinn Schutz und Nutzung verbindet. Wichtig ist, durch eine besondere Kennzeichnung auf diese Zusammenhange aufmerksam zu machen (Labelproduktion). Konsumenten erkennen dann den okologischen Zusammenhang zwischen ihrem Konsum und der Auswirkung auf die Natur, also z. B.der SchutzmaBnahme, und konnen sich bewusst entscheiden. Auch lassen sich so hohere Preise erzielen . Beispiele fur Labelproduktion sind der delfinsichere Thunfischfang, Tropenholzproduktion aus bewirtschafteten Plantagen, die integrierte Produktion in der europaischen Landwirtschaft, welche einen bestimmten Anteil okologischer Ausgleichsflachen erfordert, und der Biolandbau , welcher auf Biozide verzichtet. Das Schaffen von finanziellem Anreiz auf Staatsebene setzt die Idee eines Schulden-gegen-Natur-Tausches (debt-for-nature swaps) urn: Nach Ankauf z. B. durch eine Nichtregierungsorganisation werden einem Entwicklungsland Schulden erlassen, wenn es sich im Gegenzug verpflichtet, fur einen bestimmten Betrag und eine bestimmte Zeit NaturschutzmaBnahmen durchzufiihreno Als mitteleuropaisches Beispiel sei auf die biologische Landwirtschaft hingewiesen, welche durch ihre nachhaltige und standortgerechte Nutzung fur den Erhalt der Kulturlandschaft sorgt. Seit 1994 wird diese umweltvertragliche Bewirtschaftungsform auf der Grundlage der EU-Verordnung 2078/92 zur .Porderung umweltgerechter und den naturlichen Lebensraum schutzender landwirtschaftlicher Produktionsverfahren" und seit 2000 nach den Artikeln 22-24 der EU-Verordnung 1257/1999 "uber die Forderung der Entwicklung des landlichen Raumes" gefordert. Diese Verordnung ist Teil der Agenda 2000 und wird in allen Staaten der Europaischen Union angewandt.
Integration oder Segregation? Vor allem in dicht besiedelten Gebieten Mitteleuropas und in intensiv genutzten Kulturlandschaften stellt sich die prinzipielle Frage, ob Naturschutz uberhaupt moglich ist, denn die Ausgliederung von groBen Schutzgebieten ist oft nicht umsetzbar. Auf dieser Problematik aufbauend, stellt Hampicke (1991) zwei Moglichkeiten, Naturschutz zu betreiben, gegenuber, Naturschutz und Landwirtschaft finden auf derselben Flache (Kombination von Naturschutz und Nutzung auf einer Flache) oder auf jeweils benachbarten Flachen
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7 Angewandte Okoloqie
statt (okologischer Ausgleich der Nutzung durch die benachbarte Schutzflache und Vernetzung der Ausgleichsflachen). Dies entspricht dem Integrationsmodell. Die Aufwertung einer intensiv genutzten Landschaft mit okologischen Ausgleichsflachen entspricht diesem Ansatz (Jedicke 1994, Nentwig 2000). In die gleiche Richtung gehen auch Bestrebungen zur Extensivierung der Landwirtschaft, denn es soll vermieden werden, direkt neben den ungenutzten Schutzflachen eine hochst umweltbelastende Landwirtschaft durchzufuhren. Kritisch muss vermerkt werden, dass Verbesserungen im Landschaftsbild und Reduktion der Nutzungsintensitat zwar generell zu begrufsen sind, den besonders gefahrdeten Arten (etwa mit speziellen Bedurfnis sen bezuglich Nahrstoffarmut, Landschaftsstruktur oder Grolsraumigkeit) aber nieht immer helfen. Die Alternative hierzu wird durch das Segregationsmodell beschrieben, bei dem Naturschutz und Landwirtschaft auf getrennten Flachen unabhangig voneinander stattfinden. Diesem Modell entspricht die Ausweisung klassischer Schutzgebiete . Arten mit komplexen Umweltanspriichen und groBem Raumbedarf konnen so eher erhalten werden. Kritisch muss jedoch vermerkt werden, dass es in Europa nur selten gelingen wird , in einer neuen Situation Naturschutz nach diesem Modell einzufuhren, da in Anbetracht des groBen Flachenbedarfs und der Notwendigkeit, die Nutzung zuruckzunehmen, der okonornische Gegendruck viel zu groB ist. In der Praxis wird daher das Segregationsmodell zwar anzustreben sein, das Integrationsmodell jedoch als Kompromiss umgesetzt werden . Leider ist es so, dass in den meisten Staaten die wirksamsten Typen von Schutzgebieten nur einen kleinen Teil der Gesamtflache umfassen und heute keine relevante Steigerung mehr zu erwarten ist. Daher ist es in jedem Fall wichtig, naturschutzpolitisch immer wieder zu betonen, dass Naturschutz letztlieh auf der gesamten Flache stattfinden muss.
7.3 Naturschutz
7
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Fragen
1. Erklaren Sie Vor- und Nachteile der Dreifelderwirtschaft. 2. Was versteht man unter Agrochemikalien, warum sind sie wichtig und welche Vor- und Nachte ile haben sie? 3. Defin ieren Sie Nachhaltigkeit. Warum ist dieser Begriff heute problematisch? 4. Erklaren Sie fOr Forst-, Wald- und Fischereiwirtschaft die aktuellen Probleme mit der Nachhaltigke it sowie Losunqsansatze. 5. Verfechter der biologischen Schadlingsko nt ro lle legen Wert auf die Fest st ell ung, dass diese ger inge Risiken birgt. BegrOnden Sie dies. 6. Bezogen auf die beiden haufiqsten gentechnischen Anwendungen bei Nutzpflanzen wird behauptet, schadllnq sresistente Nut zpf lanzen seien eher nachha ltig als herbizidresistente. Erklaren Sie dies. 7. Auf di e Behauptung, es genOgten einige Individuen einer bed ro hte n Art, um diese zu schut zen, w ird erwidert, dass genetische Aspek te w ichtig seien. Kon nen Sie das begrOnden? 8. Was hat der Allee -Effekt mit Artenschutz zu tun? 9. SchlOsse larten sollen besonders geeignet fOr Naturschutzmal3nahmen sein. Konnen Sie das an Hand eines Beispiels erklaren? 10. Biodlversitat soli auch einen monetaren Wert haben? Kann man das wirk lich berechnen und was halten Sie davon? 11 . Ein Bekannter empfieh lt , in einem europaischen Lebensraum, der durch unsachqernasse Nutzung bereits viel e (spezialisierte) Arten verloren hat, unempfindliche Arten aus Nord amerika und Ost asien (ahnliches Klima !) einzufOhren, um die Artenzah l wieder zu erhohen , Was halten Sie davon? 12. Es gab immer Artensterben und die meisten Arten, die je auf der Erde entstanden sind, sind bereits wieder ausgestorben . Warum soli uns daher das aktue lle Artensterben besond ers aufregen? 13. Naturschutz bedeutet eigentlich, die Nat ur vor dem Menschen zu schOtzen. Dennoch gibt es Lebensraurne, in denen von Pf legemal3nahmen die Rede ist . Warum? 14. Naturschutz durch angepasste Nutzung klingt w ie ein W iderspruch. 1st es das nicht auch?
Die Auflosungen der Fragen sind im Internet zu finden (http://www.oekologiebuch.unibe.ch) .
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Literatur
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8.2 Weiterfiihrende Literatur Auf den folgenden Seiten listen wir Vorschlage fur vertiefende Literatur zu verschiedenen wichtigenThemenkomplexen der Okologieauf. DieseListeist bei weitem nicht vollstandig und sicherlich auch nicht reprasentativ, Das Gebiet der Okologie ist einfach zu vielfaltig, urn alle relevanteLiteratur kennen zu konnen, Die folgende Listeist als Orientierungshilfe fur interessierte Studierende gedacht, die nach mehr Informationen zu bestimmten Themen suchen. Wir haben die Werkemit einem kurzen, nicht wertenden Kommentar versehen, urn auf inhaltliche Schwerpunkte oder Aufmachungen zu verweisen. Fur welches Buch sich Studierende entscheiden, ist schlieBlich stark von den eigenen personlichen Vorlieben abhangig.Wir hoffen, dass unsere Liste
8.2 Weiterfuhrende Lite ratur
fur diese Entscheidung eine kleine Hilfe ist und sind fur Kommentare und weitere Vorschlage sehr dankbar.
Okologie spezieller Organismengruppen Tiere Bellmann H, Honomichl K (2007) Jacobs/Renner- Biologie und Okologie der Insekten . Spektrum, Heidelberg. Standardwerk zur Biologie und Lebensweise der Insekten
mit vielen Beispielen und Details. Lexikalische Aufmachung mit vielen Querverweisen. Trotz Taschenformat eherein Nachschlagewerk.
Carroll SB, Grenier JK, Weatherbee SD (2005) From DNA to diversity. Molecular genetics and the evolution of animal design. Blackwell,Oxford. Kurze Einfiihrung in
die entwicklungsbiologischen Grundlagen der Bauplane von Tieren..
Dettner K, Peters W (2003) Lehrbuch der Entomologie. Spektrum, Heidelberg.
Empfehlenswerte Einfiihrung in dieLeistungen, Lebensweisen und Vielfalt derInsekten.
Grzimek, B (1985) Grzimeks Tierleben. Enzyklopadie des Tierreichs. 13 Bande. Kindler, Zurich. Trotz seines fortgeschrittenen Alters ein Standardwerk der Lebensweise von
Tieren, mit Schwerpunkt Wirbeltiere.
Pflanzen Crawley MJ (1996), Plant ecology. Blackwell, Oxford. Empfehlenswerte Einfiihrung in
die verschiedenen Aspekteder Pilanzenokoiogie; Schwerpunkt Populationsokologie.
Ellenberg H (1996) Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen in okologischer, dynamischer und historischer Sicht. Ulmer, Stuttgart. Klassisches Standardwerk derVegeta-
tionsokologie Mitteleuropas.
Schulze ED, Beck E, Muller-Hohenstein K (2002) Pflanzenokologie. Spektrum, Heidelberg. Eher bkophysiologisch ausgerichtetes, sehrumfassendes Lehrbuch.
Mikroorganismen Munk K (2008) Mikrobiologie. Thieme, Stuttgart. Lehrbuch zur Diversitiit, okologi-
schen Bedeutung und physiologischen Funktion von Mikroorganismen.
Reineke W, Schlomann M (2007) Umweltmikrobiologie. Spektrum, Heidelberg.
Dieses Buch behandelt Mikroorganismen schwerpunktmiiflig als Ursache und Losung von Umweltproblemen, ihre Anpassung an verschiedene Lebensriiume und Einsatzmoglichkeiten in technischen Verfahren.
Okologie von tebensraumen Wald Barnes BV, Zak DR, Denton SR,Spurr SH (1998) Forest ecology. Wiley, New York. Ein-
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318
8 Literatur
facheEinfuhrungaus pflanzenokologiscner Sicht mit Landschafts- und Sukzessionsaspekten, mit starkem Praxisbezug.
Bartsch N, Rohrig E, von Lupke B (2005) Waldbau auf okologischer Grundlage. 2006, UTB Ulmer, Stuttgart. Ein Klassiker zum Thema mit den Schwerpunkten Artenwahl,
Bestandsbegriindung und -pflege sowie Betriebsarten desWirtschaftswaldes.
Elling W, Heber U, Polle A, Beese F (2007) Schadigung von Waldokosystemen. Spektrum, Heidelberg. Cute Obersicht uber die zahlreichen zusammenwirkenden Fakto-
ren, die Walderschadigen, u.a. zu Ozonschiiden und sauremRegen.
Kimmins JP (2003) Forest ecology. Prentice Hall, New Jersey. Ein umfassendes Lehr-
buch zum Thema, das die vielfaltigen Aspekte der Waldokologie von der abiotischen Umweltbiszur Biodiversitiit mit angewandten Fragen der Forstwirtschaft verbindet.
Thomas PA,Packham JR (2007) Ecology of woodlands and forests: description, dynamics and diversity. Cambridge University Press, Cambridge. Breit angelegtes Lehr-
buchzur Entwicklungund Struktur von Waldgesellschaften, zur Bedeutungvon Boden und Stofffluss, okologischen lnteraktionen von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen, menschlichem Einfluss und natiirlicher Dynamik.
Boden Bardgett RD (2005) The biology of soil: a community and ecosystem approach. Oxford University Press, Oxford. Ein modernes Lehrbuch der Bodenokologie, das
auchfur Anfangergut geeignet ist.
Blum W (2007) Bodenkunde in Stichworten. Borntrager, Berlin. Kompaktes Stan-
dardbuch zur Bodenklassifikation, zu Bodenbestandteilen und zu Bodeneigenschaften.
Coleman DC, Crossley DA, Hendrix PF (2004) Fundamentals of soil ecology. Academic Press, Burlington. lm Zentrum dieses Buches steht die BedeutungdesBodens fur
die Entwicklungund Funktion terrestrischer Okosysteme.
Gisi U (1997) Bodenokologie. Thieme, Stuttgart. Schwerpunktmaiiig stelltdieses Buch
eine Prozessbeschreibung des ungestbrten Bodens dar, zudem werden wichtige Gruppen von Bodenlebewesen und Auswirkungen menschlicher Eingriffe behandelt.
Paul EA (2007) Soil microbiology, ecology, and biochemistry. Academic Press, Amsterdam. Dieses Buch behandelt vor allem Mikrobiologie und Biochemie des
Bodens mit Schwerpunkten zum Zusammenwirken verschiedener Organismengruppen und von Stoffflussen im Boden.
Scheffer F,Schachtschabel P, Blume H, Brummer G, Schwertmann U, Horn R (2002) Lehrbuch der Bodenkunde. Spektrum, Heidelberg. Klassisches und umfassendes
Lehrbuch der Bodenkunde.
Stahr K, Kandeler E, Herrmann L, Streck T (2008) Bodenkunde und Standortlehre. UTB Ulmer, Stuttgart. Boden werden von ihrergeologischen Abhangigkeit bis hin zu
ihren Wirkungen aufdas Pflanzenwachstum besprochen.
Wardle, DA (2002) Communities and ecosystems. Linking the aboveground and belowground components. Princeton University Press, Princeton and Oxford.
Zusammenfassung der komplexen Zusammenhiinge zwischen Prozessen im bzw. uber dem Boden. Fur Fortgeschrittene.
8.2 WeiterfOhrende Literatur
Human- und Stadtokoloqie Bahr J (2004) Bevolkerungsgeographie. UTB Ulmer, Stuttgart. Dieses Buch behandelt
die Struktur und Verteilung der Bevblkerung sowie riiumliche Aspekteder Bevolkerungsbewegung.
Heineberg H (2006) Einfuhrung in die Anthropogeographie / Humangeographie. UTB, Ulmer, Stuttgart. EineEinfuhrung in dieBevolkerungs-, Wirtschafts-, Verkehrs-
und Stadtgeographie.
Marzluff JM, Shulenberger E, Endlicher W, Alberti M, Bradley G, Ryan C, ZumBrunnen C, Simon U (2008) Urban ecology. Springer, Berlin. EineSammlung klassischer
Artikel aus interdiszipliniirer Perspektivezu den Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur in Stiidten. Nentwig W (2005) Humanokologie. Springer, Heidelberg. Standardwerk zur Okologie des Menschen mit den Schwerpunkten Demographie, Ernahrung, Energie- und Ressourcennutzung sowie deren Auswirkungen aufdie Umwelt. Newman P,Jennings I (2008) Cities as sustainable ecosystems. Island Press, Washington DC. In Analysen des Energie-, Stoff- und Informationsjlusses zwischen Stiidten
und dem Umland werden der Ist-Zustand und mogliche nachhaltige Losungen beschrieben.
Agrar- und tandschaftsokoloqie Farina A (2007) Principles and methods in landscape ecology. Springer, Berlin.
Anspruchsvolle Darstellung moderner Methoden zur Modellierung und zum Management von Landschaften. Martin K, Sauerborn J (2006) Agrarokologie, UTB Ulmer, Stuttgart. Dieses Buch behandelt Einjlussfaktoren aufKulturpjlanzen und deren Ertrage, Wechselwirkungen zwischen den Arten derAgrarlandschaft, Bekiimpfung von Schiidlingen und Unkriiutern, Bewirtschaftungsmaflnahmen und Umweltbeeintrachtigung. Steinhardt U, Blumenstein 0, Barsch H (2004) Landschaftsokologie, Spektrum, Heidelberg. lnterdtsziplinarer Ansatz zur Struktur, Funktion und Dynamik von Landschaften.
Turner MG, Gardner RH, O'Neill RV (2001) Landscape ecology in theory and practice: pattern and process. Springer, Berlin. Umfassendes Lehrbuch zum Thema mit
sehrbreitem Ansatz.
Si.iBwasser Giller PS, Malmqvist B (2002) The biology of streams and rivers. Oxford University Press, Oxford. Kompakte Darstellung derBesonderheiten von Flieflgewiissern und den
Anpassungen ihrer Bewohner sowie von Stoff- und Energiejluss und Aspekten von Nahrungsnetzen, Biodiversitiit und Naturschutz. Lampert W, Sommer U (1999) Limnookologie. Thieme, Stuttgart. Schwerpunkte dieses Buches sind die Besonderheiten desaquatischen Lebensraumes und seiner Lebensgemeinschaften sowie evolutionare Anpassungen der dort lebenden Arten und ihre physiologischen Grenzen.
319
320
8 Literatur
Schonborn W (2003) Lehrbuch der Limnologie. Schweizerbart, Stuttgart. Hier stehen
wichtige Bereiche der angewandten Limnologie im Vordergrund: Gewiisserbelastung und Abwasserreinigung, Biotestverfahren, Grenzwerte und Gewiissertherapie sowie Voraussage zum Verhalten limnischer Okosysteme.
Schwoerbel J, Brendelberger H (2005) Einfuhrung in die Limnologie. Spektrum, Heidelberg. Dieser Klassiker zu den Systemeigenschaften von Gewiissern beschreibt den
Zusammenhang zwischen klimatischen, geologischen und physikalisch-chemischen Parametern, Stoffhaushalt, wichtige aquatische Tier- und Pflanzengemeinschaften sowieAspekteder angewandten Limnologie. Uhlmann D, Horn W (2001) Hydrobiologie der Binnengewasser, UTB Ulmer, Stuttgart. Grundlagen zur Struktur, Besiedlung und Funktionsweise von verschiedenen Gewiissertypen und Aspekte der angewandten Okologie besonders aus ingenieurwissenschaftlicher Sicht.
Meer Hofrichter R (2001) Das Mittelmeer - Fauna, Flora, Okologie, Spektrum Heidelberg
Mehrbandiges, sehr umfassendes Werk zu allen marinbiologischen Aspekten des Mittelmeeres mit grofiem Bestimmungsteil. Sommer U (2005) Biologische Meereskunde. Springer, Heidelberg. Einfuhrung in die Meereskunde, eheraufPlankton ausgerichtet. Tardent P (2005) Meeresokologie . Thieme, Stuttgart. Sehr gute Einiuhrung in alle Aspekteder Meeresokologie, ein Klassiker. Tropen Bermingham E, Dick CW, Moritz C (2005) Tropical rainforests: past, present, and future. University of Chicago Press, Chicago. Umfangreiche AuJsatzsammlung zu
den Urspriingen der Tropenwiilder der Erde, ihren evolutioniiren Anpassungen und ihrer Diversitiit sowie der vergangenen und zukunftigen klimaabhiingigen Entwicklung und Gefiihrdung.
Carlson W, Schnitzler S (2008) Tropical forest community ecology. Wiley-Blackwell.
Eine Sammlung von Abhandlungen zur Diversitiit unterschiedlicher Gruppen sowie von theoretischen Konzepten, von trophischen Interaktionen und Naturschutzaspekten. Leigh EG (1999) Tropical forest ecology. Oxford University Press, New York. Fallstudie aus Barro Colorado Island in Panama, einem der am besten untersuchten Regenwalderder Erde, mit den Schwerpunkten Klima und Boden, Primiirproduktion, Phiinologie, Diversitiit und Mutualismen, vor allem von Pflanzen. Linsenmair KE, Davis AI, Fiala B,Speight MR (2001) Tropical forest canopies: ecology and management. Kluwer, Dordrecht. AuJsatzsammlung zur Kronenschicht des tro-
pischen Regenwaldes, dieses bisher erst wenig erforschten Teillebensraumes des Tropenwaldes, in der die grofite Artenjiille lebt.
Nadkarni NM, Wheelwright NT (2000) Monteverde: ecology and conservation of a tropical cloud forest. Oxford University Press, New York. Fallstudie aus dem Nebel-
wald von Monteverde, Costa Rica, einem besonders intensivuntersuchten Regenwald,
8.2 Weiterfuhrende Literatur
mit Portrats zahlreicher Tier- und Pj1anzengruppen sowie deren Interaktionen, unter besonderer Betiicksichtigung der Gefahrdung durch menschliche Aktivitliten wie Landwirtschaft und Okotourismus.
Primack RB, Corlett R (2005) Tropical rain forests: an ecological and biogeographical comparison. Wiley-Blackwell, Oxford. Ausgezeichnete Obersicht iiber die unter-
schiedlichen Ausprligungen der tropischen Regenwaldet derWelt bezuglich Biogeographie, systematischerZusammensetzung, Okologie und Gejahrdungsgrad.
Gebirge Korner, C (2003) Alpine plant life: functional plant ecology of high mountain ecosystems. Springer, Berlin. Weitgespannte okophysiologische Einfuhrung in das Pj1anzen-
leben von Gebirgen. Auchfur denAnflinger geeignet.
Nagy L, Grabherr G (2009) The biology of Alpine habitats. Oxford University Press, Oxford. Beschreibung der weltweit vorkommenden Habitate oberhalb der Baum-
grenze.
Spezielle Kapitel der Okologie Theoretische bkologie Case TJ (1999) An illustrated guide to theoretical ecology. Oxford University Press, New York. Sehr guter Einstieg in die theoretische Okologie. Auch fur Anflinger mit
geringer mathematischer Neigung geeignet.
Hubbell SP (2001) The unifying neutral theory of biodiversity and biogeography. Princeton University Press, Princeton. Einj1ussreiches, aber auch kontrovers diskutiertes
Buch, das dieEntstehung und Verteilung von biologischer Vielfalt als Gleichgewicht von Speziation, okologischer Drift und Dispersionsprozessen beschreibt. Fur Fortgeschrittene.
Kot M (2001) Elements of mathematical ecology. Cambridge University Press, Cambridge. Einjidirung in die theoretische Okologie fur Fortgeschrittene mit mathemati-
schen Grundkenntnissen.
McLean A, May R, (2007) Theoretical ecology: principles and applications. Oxford University Press, New York. SammlungvonAufsiitzen, diein verstiindlicher Form aile
wichtigen Bereiche dertheoretischen Okologie abdeckt. Neuauj1age eines Klassikers der theoretischen Okologie.
Turchin P (2003) Complex population dynamics. Princeton University Press, Princeton. Einfuhrung in die Prinzipien derPopulationsdynamik, die sich bemiiht, Gesetz-
mlifiigkeiten von wenigen Grundannahmen abzuleiten. FurFortgeschrittene.
Chemische bkologie Carde RT,Bell WJ (1995) Chemical ecology of insects. Chapman and Hall, New York.
Klassische Aufsatzsammlung zur Bedeutung chemischer Verbindungen fur Wirtsfindung, Orientierung und Kommunikation, unteranderem beiKlifern, Schmetterlingen und sozialen Insekten.
321
322
8 Literatur
Eisner T, Meinwald I ( 1995) Chemical ecology. National Academic Press, Washington.
Klassische Aufsatzsammlung zur Bedeutungchemischer Verbindungen fur die Verteidigungvon Insekten, soziale Regulation beiAmeisen, Anlockung von Beute und Partnerfindung.
Stoffliisse Baskin VN, Howarth RW (2002) Modern biogeochemistry. Kluwer, Dordrecht. Lehr-
buch der Biogeochemie, das besonders die russische Literaturabdeckt.
Marschner P,Rengel Z (2007) Nutrient cycling in terrestrial ecosystems. Springer, Berlin. Aufsatzsammlung, die den aktuellen Wissenstand iiber wichtige biogeochemische
Prozesse beschreibt.
Populationsokoloqie Begon M, Mortimer M, Thompson DI (1996) Population ecology: a unifying study of animals and plants. Wiley-Blackwell, Oxford. KlassischesLehrbuch derPopulations-
okologie mit vielen detaillierten Beispielen.
Gotelli, N (2008). A primer in ecology. Sinaur Associates, Sunderland. Leicht vet-
stiindliche Einf uhrung in die Grundlagen der Populations- und Gemeinschaftsokologie. Die Inhalte sollten jedem Okologen geliiufigsein!
Lande R, Engen S, Saether B-E (2003) Stochastic population dynamics in ecolog y and con servation. Oxford University Press, Oxford. Beschreibt die Bedeutung und Wir-
kung stochastischer Prozesse fur und in okotogischen Systemen. Nicht fur Anfiinger geeignet.
Rockwood LL (2006) Introduction to population ecology. Wiley-Blackwell, Oxford. Vertieft etwas die in Kapitel2 und 3 besprochenen Themenkomplexe. Rhode K (2005) Nonequilibrium ecolog y. Cambridge University Press, Camb ridge.
Vertritt die Hypothese, dass die meisten okologischen Systeme abseits vom Gleichgewicht existieren.
Gerneinschaftsokoloqie Martin K (2002) Okologie der Biozonosen, Springer, Heidelberg. Gemeinschaftsokoio-
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pakteDarstellung wichtiger physiologischerProzesse.
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sende Darstellung physiologischer Prinzipien und Mechanismen sowie derfunktionellen Strategien, diedie Tiere entwickelten, viele vergleichende Beispiele.
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vorragende Darstellung derbiochemischen und physiologischen Aspekte vonPflanzen.
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behandelt sehr ubersichtlich Kohlenstoff-, Stickstoff-, Mineralstoff- und Wasserhaushalt der Pflanzen sowie Aspekte von Entwicklung und Anpassung, vor allem an extreme Umweltsituationen, besonders an das Klima. Muller W, Frings S (2007) Tier- und Humanphysiologie. Springer, Heidelberg. Sehr umfassende Darstellung physiologischer Prozesse von der molekularen Ebene biszum Organ und zum Organismus. Penzlin H (2009) Lehrbuch der Tierphysiologie. Spektrum, Heidelberg. DerKlassiker mit einerumfassenden Darstellung aller relevanten physiologischen Ablaufe beiTieren mit ihren molekularbiologischen, biophysikalischen und biochemischen Grundlagen. Schopfer P, Brennicke A (2005) pflanzenphysiologie. Spektrum, Heidelberg. Klassisches Lehrbuch mit breitem molekularbiologischem und biochemischem Ansatzhin zu ultrastrukturellen und physiologischen Aspekten. Naturschutzokoloqie Kaule G (2002) Umweltplanung. UTB Ulmer, Stuttgart. Dargesteilt werden okologische
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besprechen.
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aller wichtigen Aspekte biologischer Invasionen unterBeriuksuhtigung unterschiedlicher Organismengruppen und Lebensraume, okosystemarer und gesellschaftlicher Auswirkungen, von Theorie iiber Priivention bis Kontrolle. Primack RB (2006) Essentials of conservation biology. Sinauer, Sunderland. Durch die Kombination von Theorie, Grundlagenforschung und ihrer Anwendung werden Zusammenhiinge zwischen Naturschutzbiologie, Okonomie, Bildung, Ethik, gesetzlichen und sozialen Aspekten verdeutlicht. Leicht verstiindlich und anschaulich.
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ihre konzeptioneilen Grundlagen sowie umweltethische und bkonomische Hintergrunde.
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sende und teilweise sogar unterhaltsame Einiidirung in die Statistik mit dem kostenlosen Programmpaket R, viele biologische Beispiele, kann auch alsNachschlagewerk benutzt werden.
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Modellen, Experimenten und Daten gibt dieses gutgeschriebene Buch Hinweise und Losungsvorschliige.
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lnsektenokologie, behandelt sowohl klassische als auch moderne (z.B. molekulare) Methoden, Schwerpunkt aufVerhalten.
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die dann an einem bkologischen Beispiel angewendet wird, Analysen mit dem ProgrammSAS.
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Index
A
Aal 19,36 Aas 242 Aasfresser 196
Abscisinsaure III f
Absicherungseffekt 87f, 183 Absorption 9, 226,231 Abstrahlung 8,2 15 Abstrahlungsverlust 223 Abundanz 45, 130 Abwanderu ng 46f, 66, 87f, 138 Abyssal 262 Acan tharia 30 Accipiter 129
Acernegundo 292
Acerace ae
211
Achillea lanulosa 3
Ackerba u 263 Ackerkr atzd istel 96, 100 Ackerschnec ke 51 Actin om ycet 235 ada pt ive Radi ation 4, 34, 39, 41, 205
Addax nasomaculatus 296
Adler 288 Adlerfarn 34, 172 Adlerfi sch 160 Admiral 36 Aeonium
Ailanthus altissima 292 Ailuropoda melanoleuca 33
Aizoaceae 22 Akazie 143,272 Akklima tisierungsgese llschaft 29 1 Aktio nsra u m 33 Aktivitatsbereich 33 Aktivitatsdichte 51 aku stisch e Kommun ikat ion 240 Alarmpheromo n 24 1 Albedo 9,228
Alca impennis 287 Alces alces 98
Alcidae 212 Alge 6, 18, 30, 158, 160, 166, 173, 218, 224, 229, 237, 26lf Aigenblii te 237
alien species 290
4
Aerenchym 28 aerob 108f, 224, 234- 236, 260 Aerodynam ik 286 Agaon idae 281 Agave 22
age-area hypothesis 93 agent 271
Agent 271f Aggregationsphero mon
aggressive Mimikry 126, 239 Agrarlandschaft 92, 271,273,279 Agrarokosystern 218, 289 Agrochemikalie 264f, 268, 270, 274 agroforestry 290, 298 Agromyzidae 99 A-Hor izon t 30f Ahorn 211
24 1
Alk 212,256 Alkaloid 29, III Allee-Effekt 59f, 107, 278 Allel 187
allelochemical 241
Allelochem ikalie 24 1 Allelopathie 50, 124 Allen'sche "Regel" 14 Alles-oder-Nichts-Regel Allm end 264 allochtho n 158
101f
328
9 Index
allochthone organische Substanz allogene Sukzession 196 Allometrie 140 Allomon 24lf allopatrische Artbildung 5 Almwirtschaft 264 Alnusglutinosa 235, 243 Aloe 22
221
Alosa sapidissima 160
Alpensteinbock
287
alpha-diversity 173
Alpha-Vielfalt 173-175 alpin 35,125,188,233,246 Alter 30, 37f, 62-64, 69- 75, 93 Alter-Areal-Hypothese 93 Altersaufbau 63f Altersklasse 63-71 , 73,83 Altersklassenbestand 289 Alterspyramide 63f altersspezifische Fekunditat 66 altersspezifische Mortalitat 65 Altersstruktur 45,56,62-71 Altersverteilung 69-71 Aluminium 24,32 Amaranthaceae 26 Ameise 118, ll9, 143, 152f, 157, 167, 171, 173, 242, 248f Ameisenpflanze 143 Amensalismus 117f amiktisch 258 Aminosaure 146,236 Ammoniak 23, 234, 236 Ammonit 204 Ammonium 234-237 Amphibie 295 Ampullariidae 5
Anabaena azollae 234
anaerob
108f, 234-237, 260
Anax 130 Anchoa mitchilli 160
Anchovis
160
Andrena nigroaenea 241 Andricus 145 Anemone nemorosa 10
angepasste Nutzung 298f angewandte Okologie 263-300 Anglerfisch 240 Angriff der Herbivoren 144 Angriffserfolg 129 Angriffsrate 104, 106, 133
Anguilla
19
Annelida 6, 19 annuell 37,175,251
Anolis 192
Anpassung 2-4,7-16,22,24,27,33,43, 98f, 227, 248, 250-259, 279 Antarktis 209,211 Anthocyan 11 Anthocyanidin III f Antibabypille 284 Antibiotikum 241 Antilope 249 Apfelschnecke 5 aphotische Zone 10 Aphrodisiakum 288 Apiaceae 212 Apidae 241 Apismellifera 242, 293 Apodidae 240 aposematisch 125,128,146,239 apparente Konkurrenz 156,163 ,292 Araceae 242 Araneidae 24lf Araschnia levana 10 Araucaria 252 Archaea 1,6 Archaeophyt 290 Archinotis 209 area of origin hypothesis 273,279 Areal 5, 33-35, 46, 86, 89,92-94, 208-210f,233 Argentinische Feuerameise 292 Argyroneta aquatica 27 arid 16, 18,21, 26f, 43, 50, 219, 227, 250, 254 Aristoloch iaceae 242
Ariusfelis
160
arktisch 34, 84, 208 arkt isch-alpine Disjunktion Armeria maritima 33 Art 1-7
Artemia salina 19
34
Artenarmut 265 Artenaustausch 292 Artenentwicklung 202 Arten-Flachen-Beziehung 171,186 Artengemeinschaft 38,40,166-179, 187-213,277,281,296 Arteninventar 173f, 177 Artenkomplex 108,159
9 Index
Artenmachtigkeit 169 Artenpool 178-218 Artenreichtum 40,97,166-174,179, 188-193,200-202,206-210,256,298 Artenschutzprogramm 277 Artensterben 293f Artentstehung 187 Artenumsatz 173, 181-185 Artenverlust 294 Artenvielfalt 34,40, 165f, 173, 189, 198-209,260,287 Artenzahl 4-7,40,166-1 74,179-194, 197-213,225,248, 278f, 295 Artenzusammensetzung 166, 174, 178f, 182,191 ,196-201 Arthropode 6, 52, 225, Asche 177 Ascidie 30 Asclepiadaceae 22,145,242 Ascomycet 33 Asellus aquaticus 102f Aspartat 26 Asplenium 33 Assel 22, 282
ausbreitungsbegrenzte Gemeinschaft 184 184 Ausbreitungskapazitat 93 Auskreuzung 275 Ausnutzung 154f Ausrottung 287-289 Aussterben 89, 180, 186,202,211 ,233, 293-295 Aussterberate 181-185,202-206, 293-295 Aussterberisiko 80-82,89f Aussterbewahrsche inlichkeit 91, 203 Auster 160 Australis 209,211 Auswanderung 53-56,86 Autogamie 2 autogene Sukzession 196 autotroph 96,161, 21M Avicennia 22, 261
Assimilation 220 Assimilationseffizienz 223 assimilatorische Nitratreduktion assimilierter Nahrungsteil 220 Assoziation 174
Bacteriochlorophyll 9f Bakterium 1,6,10,28,37,61 ,96, 108-111 ,115, 146-148, 152, 160, 165f, 215,223, 234-236, 275f
assembly rule 199
Asterias
234,236
19
Atemwurzel 28 atheris ches 01 111 Athiopis 210 Atlasbar 288 Atmosphare 7,1 7, 19,23-28, 109,205, 216,226,229-238,267,278,284 Atmung II, 22, 26 Atmungsorgan 28 Atmungsverlust 222f ATP 2,29 Atropin III f
attractant 241
Auerochse 287 aufgenommene Nahrung 220 Auftriebsgebiet 260 Auftriebstromung 220, 238 Augenzeichnung 128
augmentation 271
Ausbeutungskonkurrenz
76f, 156, 163, 188
Ausbreitungsfahigkeit
Azolla 234 Azotobacter 28, 234f
B
Bachforelle
258
Bacillus thuringiensis 275
balance of nature 198 Balanus glandula 65-67
Baldachinspinne 41 Ballastwasser 292 Bambus 291 Bandwurm 116
Banksia
Banteng Bar 255 Barlapp Barriere Bartgeier
16
296
6 6, 143, 179,202,208,253,261 282, 296 Basidiornycet 33 Bates'sche Mimikry 126,128,239 Bathyal 262 Baumwolle 274f Baumwollkapselwurm 275 Begradigung 289 begrenz end e Ahnlichkeit 192 Beijerinckia 28, 234 Benguelastrorn 220, 238
329
330
9 Index
Benthal 257-262 Benthos 257 Bergmann'sche "Regel" 14 Besiedlungswahrscheinlichkeit 90 Bestandsmasse 218 Bestauber 6,61, Ill, 152-155,206,240, 281 Bestaubermutualismus 152, 154 Bestaubung 152
beta-diversity
173
Beta-Vielfalt 173-175, 178 Betulaceae 211 Beute 39f, 86, 97-107, 114, 118f, 125, 127-138,156-161,166,192,220,240 Beutedichte 103-107,131-138 Beutelwolf 38 Beweidung 141,265,297 B-Horizont 30f Biber 212,255,282,288,296 Biene 126,223,248,282 bienn 37,175 Biliproteine 10 Biodiversitat 199-201,283-300
biodiversity
199
biogenes Element 23-30 Biogeographie 92f, 176,201-213 biogeographisches Areal 89 Biolandbau 299
biological control 270 biological diversity 199 biological market 151
biologische Diversitat 199 biologische Landwirtschaft 267-269,299 biologische Schadlingskontrolle 270-274, 279,284 biologischer Markt 151,154 Biolumineszenz 240 Biom 208,245-262 Biomasse 16f, 24-29, 32, 110f, 139-141, 159,197,201,218-224, 229f, 234 Bionik 285 Biopestizid 272 Biophilie 286 Biopolymer 276 Biosphare 24
bioticresistance
190
biotischer Widerstand 190 Biotop 165,169, 171, 175f, 178 Biotopschutz 296 Biotopverbundsystem 298
Biozid 268f, 289, 299 Biozonose 165,195 Birke 21,211,281
Bison bonasus 287
Bison
254, 282
blacksmokers 261
Blattfresser 113 Blattlaus 113, 118, 140, 152,270,272 Blattm inierer 159 Blattnahrung 223 Blattschneiderameise 152 Blaualge 1 Blaue Krabbe 157 Blaufisch 160 Blauhaher 93 Blauhai 43 Blauling 152f,242 Blei 30 Blutenbesucher 284
Blutenfarbstoff III Blutenpflanze 6
Bockkafer 282
Boden 15,17,22,24,28,30-33,124,158, 173,196,224,234,255,267-269,275, 283,286,290 Bodenbildung 35, 197 Bodenfalle 51 Bodenfeuchte 226 Bodenprofil 30 Bodenreaktion 32, 171 Bodensamenbank 37 Bodentemperatur 14 Bodentyp 30f Bohrfliege 96,100,241
Boiga irregularis 292
Bolaspinne
241£
Bolitophila luminosa 240 Bombadierkafer 128 Bombus 206, 213
Bor 29 boreal 208, 255 Borkenkafer 16 Borreliose 150
Bos banteng 296 Bosprimigenius 287 bottom taxon 161 bottom-up control 158 bottom up-Kaskade 158 bottom-up regulation 110
Brache
264f
9 Index
Brachinus explorens
128
Brackwasser 19 Brassicaceae 29,212,275 Braunalge 6, 10, 157 Braunbar 33,212,288 Braune Nachtbaumnatter 292 Braunerde 31 Braunkohle 229 Breitengrad 92, 206£, 256 Bremse 150
Brevoortia tyrannus 160
Bromeliaceae 21, 40 Brutpflege 75f Bruttoprirnarproduktion 218,222 Bryophytina 6 Bryozoa 229,262 Bt-Pflanze 275 Buche 165,174-177,263
Buddleja davidii 292 Bufo marinus 273
Buntbarsch 5, 292 Buntbrache 272 Buprestidae 16,240 Buschwindroschen 10,253
C
C/N-Verhaltnis 32,113f C3-Pflanze 21,25 C4-Pflanze 21,26 Cactaceae 22, 43 Cactoblastis cactorum 272,284 Cadmium 30 Calcium 23f, 171,225 Calcium carbonat 228f Callinectes sapidus 157,160
Calothrix 234
CAM-Pflanze
21,26f
Caryophyllaceae
212
Cassida rubiginosa 106 Castor fiber 288, 296
Castoridae
Casuarina
Cellulose
212
235
109,113,142,146
centrifugal testing 273
Cerambycidae
16
Certhia familiaris 193 Cervus elaphus 4,73 Cervus nippon 4
Cestoda 116 Chamaephyt 175f,255 Chaos 84-86 Chaparral 15,251
character displacement 41 Charakterart 174 Chelicerat e 6 Chemierohstoffe 276 chemische Abwehr 142 chemische Mimikry 242 chemische Okologie 241 chemoautotroph 96,161,215,260 chemoheterotroph 96 Chemosynthese 218 chemotroph 216 Chenopodiaceae 26 Chinchilla laniger 288
Chinchilla 288 Chin in III Chinon Illf Chironomidae 27 Chitin 109,236 Chlor 23f Chlorophyll 9f, 29, III Chlorophyta 6
choice-Test
273
Canishodophilax 288 Canislupus 38, 282, 288
C-Horizont
Capra ibex 287,296
Chrom 33 Chromensomenverdopplung
Capensis
209,211
Carbonat
228-231 Carcinus maenas 19,97,100 Cardenolid III f
Carlina acaulis 264
Carnivore 33, 96, 108f, 114f, 163, 166, 193, 221-223 Carotin III Carotinoid II, III f carrying capacity 58-60
30f
Chorthippus parallelus 212 Chorthippus brunneus 63-65 Chrysaora quinquecirrha
160
Chrysomelidae 275 Cichlidae 5, 292 Ciconia ciconia 68
Cinnamomum camphora
circadianer Rhythmus
37
233
Cirsium arvense 96 classical biological control 271
4
331
332
9 Index
Cloeon dipterum 102f closed population assumption 50 Clostridium pasteurianum 234f Clupeidae 160 Cnidaria 2 Coccolithophoride 260 Coelenterata 6 coevolutionary arms race 127 Colchicin III Collembole 13 Columba palumbus 129 community 165 community module 155f community web 159 compensatory feeding 144 Conger 19 Coniin III connectance 161 conservation biocontrol 272 constant harvest predation 137 consumption 131 Convention on Biological Diversity Coregonidae 212 Corvus corone 5 Crassostrea virginica 160 Crassulaceae 4f crassulacean acid metabolism 26 Crustacea 6, 19,1 60 Ctenopharyngodon idella 292 Ctenophora 160 Cucurbitaceae 22 Culicidae 150 Cuticula 22 cuticulare Transpiration 20 Cutin 109 Cyanobakterium 28, 96, 234f Cynipidae 145 Cynoscion aregalis 160 Cytochrom 29 Cytrochrom-P-450 144
D
Dachs 115 Danausplexippus 36, 145 Daphnia 105,12 5, 129f, 243 Darlington'sche "Regel" 171 Darmbakterium 152 Darmbewohner 109 Darwinfink 4 Dauerstadium 148
199
Davidshirsch 296 Dekomposition 266 Delfin 14,43 , 286, 299 Delphinus de/phis 43 demographische Stochastizitat 82 demographischer Ubergang 72 Dengue-Fieber 233 Denitrifikation 234, 236 density dependence 135 density independent 135 density vague 79 Deroceras agreste 51 Destruent 108-110,162,221,222 Destruentennahrungskette 221, 223f Detritivore 108-110 Detritophage 223, 282 Deutscher Enzian 61,264 Devon 204 Diabrotica virgifera 275 Diaspore 264, 281, 297 Diasporenbank 195 DIC 229 Dichte 33f, 45, 52, 77, 82, 89, 101, 103, 106, 136, 138, 149, 154, 156, 158, 162, 171-1 76,193 , 219, 223,25 7, 259, 261, 268,27 1,277 Dichteabhangigkeit 58,75, 78f, 83, 102-107,133 -1 38, 146 Dichteregulation 75-86 dichteunabhangig 135 Dickhorn schaf 279 Differenzialart 174 diffuse competition 191 diffuse Konkurren z 191 Diffusion 27f dimikt isch 258f Dinoflagellat 6,158 Dinosaurier 293 Dionaea muscipula 240 Dioscorea 284 Dipodomys 23 Diptere 28,150,275 Dipus 23 discequation 104 disjunktes Areal 34 Disjunkti on 34,212 diskretes Modell 131 disperallimited community 184 dissimilatorische Nitratreduktion 234, 236 dissolved inorganic carbon 229
9 Index
dissolved organic carbon Distel 281 Distelfalter 36 Distelschildkafer
disturbance
Eiablaged ru ck 102 Eiche 145, 263, 281
Eichhorniacrassipes 293
193
Diterpen
229
Eidechse
106
I II Diversitat 167f, 187 Diversitatsindex 167,1 73 Diversitats -Stabilitats- Hypothese 199f diversity stability hypothesis 199f
diversity
168
Domane
6
DNA 29 DOC 229 Dodo 281 Doldenblutler
2 12
Domatium 143 Domestikatio n 279 Domestikatio nszent ru m 279 Dorni na nz-bes timmte Dyna mik donor-controlled 109 Dorn 142f Dorrobstrnotte 34 Dreifelderwirtschaft 264
195
Dreissena polymorpha 292
Drepanididae Dronte 281
89,9 1,182,
E
Ebbe 37 Echino der mata 19, 30 Echinoi dea 157
ecological drift 187 ecosystem engineer 282 ecosystem service 285 ecotone 34 edge effect 34
EEH 163 Effekt des mittleren Bereichs Effizienzsteigeru ng 274
Elaph urus davidianus 296
Elasti zitat Elch 98
195
Eleagnus 235
Elodea
292
Duftstoff I I I Du nger 236, 289 Du ngung 238, 264f, 268f Dynamik 196-198 dynam isches Gleichgewicht 198
34 Einmieter 242 Einstrah lung 8-11 Einstra hlungswinkel 216 Eintagsfliege 28, 102f Einwanderung 53-56,86,180,187 Einwanderungsrate 181- 185 Einzeller 115 Eisbar 256 Eisen 24, 29f, 32, 225 Eiszeit 196, 211, 231 Ektomykorrhiza 206 Ekto parasit 116, 242 ekto ther m 13,223 El Nino 36 Elaioso m 152
Elefant 249,282,288,299 elektrischer Fisch 240 elektrisches Feld 240 Elfenbein 288
4,42
Drosera 106 Drosophila 97 Drusiges Spr ingkra ut Dryas octopetala 35
158
Einjahriges Rispengras
27
Emberizidae 4 emergente Eigenschaft 2, 167, 172, 184, 187- 189 Emig ra tio n 46, 50, 86-89 Empfanger 239 Empfa ngnisverhutu ng 72 em pirisc hcs Netz 159 endemisc h 34, 149-1 51, 209, 233, 256, 273,29 1 endemische Parasitose 149 Endoparasi t 6, 116 endo phytisch 113 endotherm 13, 223 Endotoxi n 275 endotroph 33 Endwirt 117
enemy avoidance kairomone 243 enemy free space 99
209f
Energie 113f,207 Energiebedarf 13, 224 Energiebilanz 269,274
333
334
9 Index
Energiedichte 217 Energieeffizienz 221 Energieeinstrahlung 215-217 Energieerhaltungsgesetz 215 Energiefluss 7, 109,215-225 Energieflussdiagramm 108,220-222 Energiegehalt 100f, 217 Energiehaushalt 221£,224 Energiekanal 161 Energiespeicher 217 Energiestoffwechel 224£ Energieumsatz 217,224
energy channel 161
Englisches Schlickgras 4
Enhydra lutris 157
ENSO 36 Ente 256 Entgiftung 144 Entropie 2,216 Entwasserung 289, 297 Entwicklung 3,7, 10-12, 19,21 ,36, 54f, 66, 1l0, 114, 116f, 121, 195-197,203, 206f, 242,254,263-268 Entwicklungsland 48,63,72, 150,275f, 290 Enzian 282 Enzym 29,113,144,225,276 Ephemeroptera 28 Epidemie 149-151 Epidemiologie 146-151 epidemische Phase 149 Epidermis 20 Epilimnion 14,259 Epiphyt 21,27,248,249,252 equally importantspecies hypothesis 199f
Equus ferus 287 Equus przewalskii 296
Erdatmosphare 216 Erdgas 229 Erdgeschichte 202-206 Erdharnchen 255 Erdoberflache 216 Erdal 229
Erica 209
Ericaceae 33 Ericaceen-Mykorrhiza
Erinaceus 212 Eristalomyia 27f
206
Erie 235, 243 Ernteertrag 77 Erosion 267,2 75,282-285,298
Erythrocyt 27 Eschen-Ahorn 292 Esel 4 Esocidae 212
Espeletia
Essigbaum
12
292
Eucalyptus globulus 289
Eukalyptus 15f,289, 291 Eukaryoten 1, 6 Eulenpapagei 252 Eulitoral 261 Euphorbiaceae 22,43 euphotische Zone 10
Eurygaster maura 12
euryhalin 19 euryok 8 eurytherm 13, 258 eutroph 8, 258, 290 Eutrophierung 236-238,286,297 Evaporation 17,226 Evapotranspiration 17,247,250,252,255 Evolution 5,42,71-75,88,98,100,140, 154~186 ,196, 198,212 ,229,279,286 ex situ-Erhaltung 296 Exkretion 22f, 230
exploitation ecosystem hypothesis 163 exploitation 154
exponentielles Wachstum 48,56 ,58, 61f, 80f, 88, 90 Extensivierung 300 Extinktion 179,186,201-208 Extinktionsrate 203-205,207 extraflorales Nektarium 143, 153
F
Fabaceae 5,29, 234f
facilitation
Faeces 220
197
Fagus sylvatica 263
fakultativer Mutualismus 152 Faile 50f Fangerfolg pro Zeit 51 Fangheuschrecke 239 Fang-Wiederfang-Methode 50 Farbensehen 10, 239 Farbrezeptor 10
Farm Scale Evaluation-Studie 276
Farn 6,234 Fasan 291
Fasciola hepatica
116
9 Index
Faser 142 Faunenreich 209 Faunenverfalschung 290-292 Feige 281 feindfreier Raum 99,272 Feindvermeidungskairomon 243 Feinwurzel 29,237 Fekunditat 66f,98, 119, 146 Felchen 212 Feldkapazitat 17 Feldwespe 106 Felskuste 261 Fensterfalle 51 Pertilitat 83 Festland 91, 180,228 Festland-Insel-Modell 91f 178-180 Fett 217 Pettsaure 276 Fettschwalm 240 Feuchtgebiet 297 Feuer 15f, 36,195,249,251,255,297 Feueradaptation 16 Feuerokologie 16 Fichte 124,255,289 Ficussp 281 Fieberklee 28 Filtrierer 105 Fisch 125, 156, 160, 173, 177,257,269271,274,282,295 Fischereiwirtschaft 267-270 Fischotter 288 Fitness 38, 74f, 98-100,119,127,130, 140-146 Flache 9, 11,33-35,49-52,86,93, 104, 121f, 141, 165, 17lf, 174, 179, 180-187, 198, 207f, 228, 233, 262, 272, 276f, 296230 Flaggschiffart 282 flagship species 282 Flavon l l lf Flavonoid 11 Flechte 6, 20, 234 Fledermaus 13,210,240,292 Flieder 292 Fliefsgewasser 257f Floh 116 Florenreich 209 Florenverfalschung 290-292 Florfliege 272 Fluchtdistanz 129
Flughafer 275 Flunder 160 Fluor 30 Flurbereinigung 265 Fluss 257f,289-292 Flussdelfin 296 Flussperlmuschel 288 Flut 37 food web 159 foraging kairomone 243 Foraminifere 229, 260, 262 Forderung naturlicher Gegenspieler 272 Formation 176 Forst 289 Forstwirtschaft 267 fossiler Energietrager 11 0, 162, 215f, 229-232,236,266 Fragmentierung 289 Prafsintensitat 139-141 FraBschutz 30 Frauenuberschuss 63f Fretwell-Oksanen-Hypothese 163 Frost 12,247-256 Frostschaden 12 Frostschutzsubstanz 12 Frucht 223,284 Fruchtbarkeit 290 Fruchteverbreitung 281 Fruchtfolge 268f,272 Fruchtverbreiter 240 Frugivore 113 Frtihlingsgeophyt 10 Fuchs 255,273 Fulvosaure 230 functional response 103 fundamentale Nische 119,40 Fungizid 237,265 ,268 funkt ionelle Gruppe 199f,283 funkt ionelle Reaktion 102-107,131-138 Fynbos 251
G
Gagelstrauch 235 Galapagos-Fink 41 Galium aparine 34,270 Gallbildner 99, 113 Galle 113, 146f Gallwespe 145,281 gamefarming 299 gamma-diversity 173
335
336
9 Index
Gamma-Vielfalt 173-175 Gans 256 gapdynamics 194 Garrigue 251 gebietsfremdeArt 233, 290 Gebirge 246 Geburt 46£,53 Geburtenausfall 63£ Geburtenrate 72,75£,78£,82 Geburteniiberschuss 134£ Gefriertoleranz 12£ gegenseitige Forderung 125,197 gegenseitiges Ausbeuten 151£ Gegenspieler 243,268-275,284,290 Gegenstromprinzip 14 Geierschildkrote 240 geklumpte Verteilung 49 gekoppelte Dynamik 138 Gelechiidae 275 Gemeinschaft 155£,162,171,188£,195197,280-282
Gemeinschaftsmatrix 177£ Gemeinschaftsmodul 155£ Gemeinschaftsnetz 159 Gemse 35 Gen 274,277-280 Genbank 284 Generalist 38,40,96-98, 106, 130-137 Generalitat
161
generality 161 Generationsdauer 67 Generationszeit 75 Genet 46,77 genetischveranderter Organismus 274--276 genetischeDiversitat 284 genetische Drift 187 genetische Erosion 279 Genfluss 187,202,205 Genotyp 3 Gentianella germanica 61, 264 Genzentrum 5, 280 Geophyt 16,175£,251,253-255 Geospiza fuliginosa 41 Gerste 275 gesattigteArtengemeinschaft 190 geschlossenes Areal 34 Gesetzvom konstanten Ertrag 77 Getreide 264£ Getreiderost 270 Gewachshaus
271
Gewasser 14,29,96,177,218,224£,229, 237,257-259,278,286,291,298 Gezeiten 261
Gibberellin III Giftigkeit 125£, 146,239 Gilde 38,167,173,188,192£,283 Ginkgo biloba 235 Gleichgewicht 58-61,78£,89,91, 121,
132-137,178,181£,187,195-199, 203-208,231 Gleichgewichtspunkt 79 gleichmafsige Verteilung 49
Gleichwertigkeit-der-Arten-Hypothese 199£ Gletscher 233 Gleyboden 28, 30£ Globalisierung 233,270,279,287 Globalstrahlung 216£,219 Glufosinat 274 Glykogen 217 Glykoprotein 13 Glyphosat 274 Gnu 249,282,299 Goldrute 140,292 Gondwana 206, 212 Gotterbaum 292 Granivore 113 Gras 26,30,140f Gras-Feld-Wechselwirtschaft 264 Grashupfer
212
Graskarpfen 292 Grasland 223,227,299 Graslandokosystern 223 greatplains 254 green worldhypothesis 162 Grippe 146 GroBalge 157 GroBenverteilung 225 GroBerLeberegel 116 GroBerPanda 33, 282 GroBiebensraum 245-262 Grubenotter 240 Griinalge 6 griinderbestimmt 195 Grundwasser 22, 226, 228, 266 Grune-Welt-Hypothese 162f Guano 238 Guppy 97 Guttation 19 Gymnotidae 240 Gypaetus barbatus 296
9 Index
H
Habicht 129 Habitat 28,61,92,98,115,119,127,130, 132, 159, 186, 189,233, 241,261,298f Habitatvielfalt 186 Hackfrucht 265 Hadal 262 Hafer 275 Hahnenfufsgewachs 212 tlai 14,240,286,288 Halbwuste 250, 254 Halophyt 22,281 Hamocyanin 27,29 Hamoglobin 27,29 Handhabung 97,103-106,133 handling 97, 103 Hanfpalme 233 Harchen 142 Harnsaure 23 Harnstoff 23 Hartlaubvegetation 15 Hartlaubwald 251 Haubenmeise 193 Hauhechel 5 Hauptkomponentenanalyse 178 Haustier 263,279,284,286,288,291 tlecht 212 heilser Gasaustritt 260f Helianthus annuus 10
Heliothis zea 275
Hemikryptophyt Hemmung 197
175f, 253, 255
Heracleum mantegazzianum herbivore offense 144
292
Herbivore 30,96,108, 113f, 118, 125,138146, 153, 156- 158, 162f, 206, 220, 222224,281 Herb ivorennahrungskette 221,223f Herbivorie III Herbizid 237,265,268,274£,287 Herbizidresistenz 274f Heringsartige 160 Herkunftsgebiet-Hypothese 273,279 Herkunftsnetz 159 heterotherm 13 heterotroph 108,161,160,216£,96 Heterozygotie 277 Heuschrecke 249 Hier archie-Schwellenwert-Modell 102f hierarchy-threshold model 102h
Hintergrundsignal 239 Hirsch 255, 282 Hirse 26 Hochgebirge 3,11£,14 Hochmoor 237 tlohe 3, lOf, 27 Hohenzonierung 246 Hohltier 6,46 Holarktis 206,209-211f Holz 142f, 223, 267, 284, 298
home range 33
Homogenisierung 287 homoiohydr 8, 19 homoiosmotisch 19 homoiotherm 8, 13, 224£ Hornoostase 2 Homoptera 152 Honigbiene 241£,292 Honigtau 118 Hornisse 126 nss 162 Humboldtstrom 220, 238 humid 226,247,252, 255f Huminstoff 32,230 Hummel 155,206,213 Humus 32,230,234,248,264 Humushorizont 30f Humussaure 230 Hund 273,279 Hunger 21,77,80, 102f, 284 Hybridisierung 4 Hybridisierungszone 5 Hybridzone 212 Hydratationswasser 17
Hydrilla 27
Hydrochinon
111£, 128
Hydrodamalis gigas 287
Hydrodynamik 286 Hydrogencarbonat 229 Hydrolyse 17 Hydrophyt 22 Hydrosphare 24,237 Hydrozoa 262 Hygrophyt 22 Hymenoptera 248
Hypericum perforatum
hyperosmotisch 19 hyperton 19 Hypol imnion 14, 259 hypoosmotisch 19
292
337
338
9 Index
hyporheisches Interstitial hypoton 19 Hypoxie 22
257f
I Icerya purchasi 272 Ichthyosaurier 43 Ictalurus nebulosus 292 idiosyncratic hypothesis 200, 280 Idiosynkrasie-Hypothese 200,280 Igel 212 imaginares Netz 159 Immigration 46, 86-89, 179 Immunitat 147,149 Impatiens glandulifera 292 inbreeding depression 277 Indikator 286 indirekte Interaktion 156 individuelle Wachstumsrate 53-58 Individuendichte 45,52 Industrialisierung 231 Industrieland 48,72,150,275,276 induzierte Abwehr 129f, 139 induzierte Resistenz 143 induzierte Vertcidigung 243 Infektion 150 Infektionskrankheit 147-151 Infektionszeit 147 Infektiositat 148 Infiltration 226 infochemical 241 Infochemikalie 241 Informationsfluss 7,239-244 infrarot 9-11,16,240 Inhaltsstoff 86,142-146,241,243,273, 276,285 Inhibition 197 innerartliche Konkurrenz 136 inncre Diingung 237 innere Uhr 10,37 inoculation 272 Inokulationsmethode 272 Inquiline 242 Insekt 6f, 10f,13,22 , 27f, 36, 38, 40, 52, 62,66,83£,92-94,95-99, 103, 106, 115, 117,126,131 ,142 ,144 ,172 ,192,223, 239-242, 248f, 265, 272, 275, 281, 288 Insektivore 223 Insektizid 237,265,268,275 Insektizidexpression 274
Insel 91, 149f, 171, 179" 183-185, 192, 196,233 Inselbiogeographie 179f, 184-187 Inseltheorie 34,180, 182f, 184f, 299
insurance hypothesis 200
Integrationsmodell 300 integrierte Produktion 267- 269 integrierter Pflanzenschutz 268f interaktive Artengemeinschaft 189
interference competition 76-78 intermediate disturbance hypothesis intermediate taxon 161
194
internationales Abkommen 297 interspezifische Konkurrenz 45,119-125 interstitielles Wasser 17 Interzeption 226 Intimitat 118f
intraguild predation
156
intraspezifische Konkurrenz Intrazellulare 20
45,75-78
inundation 272
invasiveArt
290-292
invasivespecies 290-292 inversedensity dependent 135
inverse Dichteabhangigkeit Inzucht 61,107,277 Inzuchtdepression 277 Ionon 111£ Iridium 205
island 91 Isoetes 27
ir
Isoflavon u Isolation 180, 182f, 184
Isonychia 28
isoosmotisch 19 Isopoda 22 Isoptera 248 Isotherme 14 Isothiocyanat 29 isoton 19
Isurus oxyrhynchus 14
iteropar 71 Ixodidae 116
J
Jahresniederschlag 245 Iahresproduktivitat 141 Jahrestemperatur 245-256 Jahreszeit 36, 216 Jahreszeitenklima 14
277
9 Index
Jakobskreuzkraut 141 Iapanischer Knoterich 292 Japanischer Wolf 288 Iasmonsaure 243 Jod 30 Johanniskraut 292
luglans regia 124 [uncus gerardii 22 Juniperus communis 264 Jura
204
K
Kabeljau 271 Kafer 166,168-170,275 Kahlschlag 267 Kairomone 241, 243f Kakapo 252 Kaktus 20-22,43 Kalium 23f,225 Kalkstein 229 Kaltelethargie 13 Kaltzeit 208, 211 Kambrium 202-205 Kamel 288 Kamille 281 Kammmoich 212 Kampferbaum 233 Kanguruhratte 23 Kaninchen 254,291 Kannenblume 240 kannibalistisch 115, 161 Kapazitat 75, 120f, 137 Kapazitatsgrenze 57-60, 74f, 80, 83f, 90, 198 Kapillarnetz 23 Karbon 204, 229 Karrninbar 141 Kartoffel 265, 275f Kartoffelkafer 275 Kaskadeneffekt 156-159 Kastensystem 241 Katastrophe 140,162, 179, 204, 208, 294f Kationenaustauschkapazitat 32 Katze 273 Katzenhai 19 Katzenwels 292 Kaulquappe 130 Kernbereich 89
key species 280 keystone species 200, 280
Kiefer 15f, 37, 255 Kiefernprachtkafer 240 Kieselalge 30
killer bee 292 killingpower 65
Kinderkrankheit 147,149,151 Kirschfruchtfliege 242 Kirschlorbecr 233 Kiwi 252 Klaffmuschel 160 Klapperschlange 240 klassische biolog ischc Schadlingskontrolle 271 Kleidervogel 4, 42, 288 Kleinschmetterling 284 Klettenlabkraut 34,270 Klima 92,179,247-256,285 Klimaatlas 245 Klimadiagramm 245-256 Klimaschwankung 207, 208, 211 Klirnaveranderung 228, 292 Klimawandcl 232f,287 Klimax 196 Klon 46 klonal 2, 197 Knollchenbakterium 234 Kobalt 29,33 Kocvolution 198 kocvolut ivcs Wettriisten 127 Koexistenz 119,123-125,138,190,194, 277 Koffein l l lf Kohlcndioxid 23-27,228-232 Kohlcnhydrat 140, 152, 155, 217 Kohlenmonoxid 228-230 Kohlensaure 228 Kohlenstoff 23-27,225,228-233 Kohlenstoffbilanz 230 Kohlenstoffpumpe 231 Kohlcnstoffsenke 231 Kohlenstoffspeicher 231 Kohorte 63 Kokain III kollin 246 Kommensalismus 117f Kompartimentierung 1,161 Kompasspflanze 11 Kompensation 140f, 269, 294 kompensatorisches Wachstum 139 Kondensation 17, 226
339
340
9 Index
Konfusionseffekt 128 Konkurrenz durch gegenseitige Beeintrachtigung 76-78 Konkurrenz 74,110,117-125,142, 189f, 192, 194, 197f Konkurrenzausschluss 40, 123f Konkurrenzausschlussprinzip 120 Konkurrenzkoeffizient 120 konstante Populationsgrofse 50 Konstitution swasser 17 konstitutive Abwehr 129f konstitut ive Verteidigung 142f Konsument 221 Konsumptionseffizienz 222 Konsumptionsrate 132 Kontinentaldrift 35 Kontinentalitat 34 Kontinentalsockel 262 Kontinentalverschiebung 211 konti nuierliches Populationswachstum 61£ kontrahierte Vegetation 50, 254 Kontrastbetonung 41 Konvektion 215 Konvention tiber die BiologischeVielfalt 199 Konvergenz 43, 251, 257f Konvertierungseffizienz 107 Koralle 46, 229 Korallenriff 261 Kork 251 Korkeiche 16 Korpergewic ht 194, 224f KorpergroBe 13,52,74,171,194,221-225, 257 Korperoberflache 13 Korpertemperatur 13, 223 Korridor 298 Kosmopo lit 34, 93 Kosten-Nutzen-Perspektive 153 Kot 109, 220, 223, 238, 242 Krabbe 19, 97, 100, 157, 160 Krankheit 83,86, 115f Krankheitserreger 233 Krebs 6 Kreide (Mineral) 229 Kreide (Zeitalter) 204- 206,231 Kreuzblutler 212 Krokodil 288 Krypsis 99, 128,239 Kryptophyt 175f
K-Selektion 75f ,195 K-Stratege 80, 197 K-T-Grenze 204f Kulturlandschaft 263-266 Kulturpflanze 274, 280,284,291 Kupfer 29 Kwongan 251 Kyoto-Protokoll 232
L
Labelproduktion 299 Lachs 71 Lacinipolia renigera 242 Lama 27 Laminaria 157 Lampyridae 243 Landkartchen 10 Landlungenschnecke 22 Landnutzung 228,266-276 Landschaft 175 Landwirtschaft 32,158,228,236-238, 263- 269,274,276, 279,283 -290,299 Langlebigkeit 76 Lanistessp. 5 Larche 255 Larchentriebwickler 51,84 laubabwerfender Wald 253 Laufkafer 167 Laurasia 206, 211 Laurophyllisierung 233 law of massaction 147 Lebensalter 67 Lebensdauer 37,74,2 18,274,293 Lebensform 175f, 245, 257 Lebensgemeinschaft 40f, 155-1 63, 165-213, 257, 260f, 284 Lebensraum 7f, 14- 16, 30, 33, 40, 75, 159, 171,236,239,258-261,264,273, 277-282 Lebensraumschutz 296-298 Lebenstafel 62-68,82 Lebenszyklus 36, 71- 75, 115f Leguan 291 Leguminose 201 Leiostomusxanthurus 160 Leitartenkonzept 176f Lemming 84, 256 Lemur 289 Leptinotarsa decemlineata 275 Lepus timidus 35
9 Index
Letalitat
118f
Leuchtkafer 240, 243
Liane 248, 252 Libelle 130 Licht 8-11,260 Lichtart 10 Lichtblatt 10 Lichtfalle 51 Lichtliicke 195 Licht ma ngel 220, 248
life history table 62-66 life-dinner principle 127 Ligni n 109, 11 If, 142
Liliaceae 25 1 Limitierung 78-80 limiting similarity 40, 192 limnischer Lebe nsraum 257-259 lim n isches O kosystem 224
link density 161 Linyphia sp. 4 1 Lipotes vexillifer 296 listening tree 243
Lithosphare 24,226 lithotroph 216 Litoral 257
Littoraria 157 Littorella 27 Littorinalittorea 173 Lobelia 12,27 local adaptation 4
logistische Gleichu ng 136 logistisch e Wachstumsgleichu ng 85 logistisch es Populationswachst um 56-61 , 203 logist isch es Wachs tum 62, 85 Loor beerwald 252
Lophius piscatorius 126
Luze rne 264 Lycaenidae 242
Lymantria dispar Lynx lynx 296
M
Macc hie
233, 242
IS, 251
Macoma 160 Macrochelystemminckii 240
Madegassis 210 Mad reporaria 26 1 Mage rstandort 297 Mag nes ium 23f,225 magnetisch es Feld 240 Magnoliaceae 212 Magnolie 212 Maifisch 160
mainland island model 9 1,178 mainland 91
Mais 26,77, 274f Maiswurzelbohre r 275 Maiszii nsler 242, 275
Maja 19
Makrelenhai
14
Makronahrstoff 23 Makroparasit 1I5f Makrophyt 27,257 Malaria 116,146,150,233 Malat 26 Mangan 29 Manganknolle 262 Ma ngrove 22,28,261 Maniok 284 Man todea 239 Marderhun d 5 1
Margaritifera margaritifera Marienkafer 272
288
Lotteriepri nz ip 195 Lot usblu me 286 Lowe 97 Luchs 84f, 296 Liickendynamik 194f Luft 24 Luft feuc htig keit 226 Lufttemperatur 14
m ar ines Okosystem 223 Markierungspheromon 241 Marmor 229 Marsc h 261 Ma rschg ras 26 1 Mase rn 146f, 150f Masse na ussterben 204f Massenwirkungsgesetz 147f
Lunge 22f Lupine 264
Mastjah r
Lumbricus
177
Lutralutra 288 Lutreola lutreola 288
Mastigocladus
234
195
Mastophora hutchinsoni 24lf
Ma tor ra1 251 Mau1- und Klauenseuche
148
341
342
9 Index
Maulesel 4 Mault ier 4 Maulwurf 212 Maus 255 mechanische Abwehr 142f Medikament 284 mediterran 251,258,297 Meer 158, 182f,205, 209, 219f, 225f, 228232,235-240, 246f, 259-262, 270f, 278, 288,293 ,298 Meeraal 19 Meeresschildkrote 240 Meeresspiegel 232 Meerwasser 19f Megafauna 109,288,294 Megaherbivore 249 Mehltau 117f Meiose 117 Meise 97 Melanismus 250
Melanophila acuminata 240
Mendes -Antilope 296 Menhaden 160 Mensch 10,16,25,34,40,48,52,61,63, 69,72,96,104,128,147,153,204,217, 228, 230f, 235f, 239, 253, 264-207, 27lf, 277£,280,283-295,298 Menschenaffe 282 menschliche Population 63f, 72
Mentha piperita
Menthol
l l lf
III
Menyanthestrifoliata 28
Miesmuschel 19 Mikroklima 14 Mikronahrstoff 29f Mikroorganismus 113, 146, 216f, 234 Mikroparasit 115f,146-151 Milankovitch-Zyklen 211 Milvus sp. 92 Mimese 239 Mimikr y 125f Mindestgrofse einer uberlebensfahigen Population 278 Mineralhorizont 30 Mineralisierung 108 Minierer 99,113,144 Minierfliege 99
minimum viablepopulation size 278
mischfunktionelle Oxidase 144 mittlerer Rauber 156 mittleres Taxon 161 rnittlere-Storungsintensitats-Hypothese 194 Mittsommernacht 255 Moa 252 modularer Aufbau 46,111,139 Mollusca 6, 19 Molybdan 29 Monarchfalter 36,145 Monokultur 289 monomiktisch 258 monophag 34,93,96,100,281 Monoterpen III
Monroe americana
160
Meristem 140 Merkmalssyndrom 75£, 195 Mesofauna 109 Mesophyll 10, 26f mesosaprob 177 mesotroph 8 Messeraal 240
Monsunwald 249 montan 246 Moos 6,234 Moostierchen 262 Moraceae 281 Morderbiene 292 Mormyridae 240
Metagemeinschaft 187 Metapopulation 33,89-92, 125, 178, 180, 277 Metapopulationskonzept 298 Metapopulationstheorie 180,182,299 Meteoriteneinschlag 204£ Methan 228-231 Methylsalicylat 243
Morphospezics 170 Mortalitat 83 Mortalitatsrate 65-68,82 Mosaikzyklustheorie 198 Moschusochse 256 Muller'sche Mimikry 126,239 multiple Infektion 116 mult itrophische Interaktion 156 Mumps 147 Mungo 291
metacommunity 187
Micropogon ius undulatus 160 mid domain effect 209
Morone saxatilis
160
9 Ind ex
Murmeltier 255 Muschel 19, 37f, 97, 100, 160, 229, 261, 288,292 Mutat ion 4,187,277 Mutualismus 117f, 125, 146, 151-155 Mya 160 Mycetop hagidae 240 Mykorrhiza 29,32, 118, 153, 155,237,248 Myrica gale 235 Myriophyllum 27 Myrmecodia tuberosa 143 myrmecophil 242 Mytilus 19
N
N-Acetyl-Glucosamin 236 Nachahm er 126, 239 Nachhaltigkeit 266-276, 299 Nadelbaum 6 Nadelwald 255 Nagetier 194, 254 Nahrstoff 4,8, 16,23,29, 32f, 36f, 96, 98, 108f, 113-1 18, 125, 140f, 144f, 158, 171 , 175, 201, 219f, 226, 237f, 248, 257- 261, 266-270,283,286,290,30 1 Nah rstoffkreislauf 269,285 Nah rstofflimitierung 158 Nahrung 2,10,29,33,37-40,48,52,77, 83-86,93,95-110, 113- 115, 118f, 127, 130,1 39, 142, 144f, 152-1 63, 192- 194, 220-224,24 1,26 7, 274f, 282, 288 Nahru ngserwerb 96-107 Nahru ngsgilde 193 Nahrungskette 113, 156-159, 162,207, 220f, 224f Nahrungsmutualismu s 152 Nahrungsnetz 159-161,1 66,220£ Nahrungsspektrum 96-98 Nahrungsspezialisierun g 96-98 Nahrungssuchekairom on 243 Nashorn 282,288 Natrium 23f Naturlandschaft 263-266 Natur schutz 16, 276-300 Nearktis 210 Nebelkrahe 5 Nebelwuste 250 Nebenwirkung 268 negativ dichteab hangig 135 Nektar 143, 152- 155
Nektarium 155 Nekton 257f Nelkengewachs 212 Nelumbo nucifera 286 Nematoda 116, 272 Neobiota 40, 191, 291f Neophyt 291f Neotropis 209,2 11 Neozoe 291f Nepenthes 240 Nereis 19, 160 Nereocystis 157 neritische Provinz 260 Nerz 288 Nesseltier 2 Nettophotosyntheserate 139 Nettoprimarproduktion 141, 218f, 222 Nettorepro duktionsrate 66, 131, 148, 151 Netzspinne 105f neutra leTheorievon Hubbell 187-1 89, 194f, 202 neutrales Modell 179 Neutralismus 117f niche breadth hypothesis 93 nichecompression hypothesis 191f nicheconservatism 41 nichedifferentiation 119 Nichtgleichgewicht 198f nichtinteraktive Artengemeinschaft 179, 189 Nichtzielorganismus 268 Nickel 33 Niederschlag 17, 171, 173, 226f, 247-262 Nietenhypot hese 200 Nicotin l l l f Nilbarsch 291 Nilhecht 240 Nische 93,11 9,1 67,1 90,1 93, 281,293 Nischenaufteilung 163 Nischenbreite 38-40, 93f, 190- 192 Nischenbreite-Hypo these 93f Nischendifferenzierung 119, 125, 193 Nischenposition 38f, 192, 194 Nischenra um 186, 190, 191f, 203 Nischenuberlappung 39-41,119 Nischen-Verengungs -Hypothese 191f Nitrat 234- 237 Nitratammonifikation 234, 236 Nitrat reduktion 234, 236 nival 246
343
344
9 Index
no-choice-Test 273
Noctuidae
noise 239
Omnivore Ononis
Opium III Opportunist 108 optimal foraging 100 optimaler Nahrungserwerb 100-107 optisches Signal 239 Opuntia inermis 272 Opuntie 272,292 Opuntienziinsler 272 Orchidaceae 241, 251 Orchidaceen-Mykorrhiza 206 Orchidee 27,33,126,282,288 Ordinationsverfahren 177f Ordovicium 202-204
Nostoc 234 Nothofagus 212 Notonecta glauca 102f 12
null model 192
Nullisokline 121-123 Nullmodell 192 numerische Reaktion 107,127, 137f Niitzling 268,272f Nutzpflanze 291,298 Nutztier 274,291 Nutzungsanderung 279,287,294 Nutzungseffizienz 222 Nyctereutes procyonoides 51
organic farming 269
organotroph 216 Orientalis 210 Orientierung 10, 36f, 240 Orobiom 246 Orthophosphat 237 Osmoregulation 17-19 Ostrinia nubilalis 242,275 overkill-Hypothese 288
o
Oberboden 30f oberer Rauber 156 oberes Taxon 161
Oberflachenabfluss 226 obligater Mutualismus 152 offenes System 216 okofunktionaler Typ 245 okologische Artbildung 6 okologische Ausgleichsflache 300
5
Ophrys sphegodes 241
Nomenklaturregel 174 Nordhernisphare 208,247,256
Nucleator
96, 108f, 115
Oncorhynchus mykiss 292
24lf,275
Oxalis 22
268,
272,
okologische Drift 187 okologische Effizienz 163,221-225 okologische Nische 38-43 okologischer Wirkungsgrad 216 Okosystern 2, II, 16,21,24,29,34,38,108, 160,179, 199f, 215-244, 248. 251, 253, 259,264, 277f, 283, 285-289, 296£ Okosysternfunktion 283,285 Okosysterningenieur 282 Okosystemleistung 285 Okosystemprozess 179 Okoton 34 Okotyp 3 01 217 oligophag 96,281 oligosaprob 177 oligotroph 8, 258 Olkorperchen 152 Olweide 235
ozeanische Provinz Ozeanitat 34
260
p Palaarktis 210 Palaotropis 209,211 Palme 212 Palmfarn 6 Pangaa 205f, 211
Panthera leo 97 Panthera tigris 278,296 Papilio machaon 99
Pappel 21 Parabraunerde
31
Paralichthys dentatus
160
Parasit 83,86, 108f, usr, 1I8f, 146-152, 155,162,220,233 Parasitoid 99, 114, 118f, ISS, 159,241,244, 281 Parataxonom 170 Parthenogenese 2 partial preference 10I Parus 97,193
9 Index
PCA 178 Peckham'sche Mimikry
Pectinophora gossypiella
phototroph 216 Phycocyanin 9f Phycoerythrin 9f physikalische Kieme
126,239
275
Pelagial 257-262 Pelosol 31 Pentatomidae 12 PEP-Carboxylase 26 perennierend 37 Performance 98f, 140-142 perhumid 227,247 Perm 203-205, 293f Permafrost 13f, 233, 255f permanente Verteidigung 142 permanenter Welkepunkt 17
physiologische Effizienzhypothese Phytohormon III Phytomasse 29,216,248 Phytophage 96, 108 Phytoplankton 156,160,223 Phytozonose 167,170
Picea abies 289
Perognathus 23
Pfefferminze III Pferd 4,288 Pflanzenfresser 96, 108, 113 Pflanzengesellschaft 174-176 Pflanzeninhaltsstoff 86,143-146,241,243 pflanzensoziologische Aufnahmemethodik 169 Pflanzenzucht 149 PflegemaBnahme 296- 298 pH 26,32, 171, 173, 176,229,236 Phanerophyt 175f Phanologie 98, 196 Phanotyp 3, 113 phanotypische Plastizitat 3, 113 PhAR 10
Pharomachrus mocinno 288
Phasendiagramm 121-125 Phenol III Pheromon 241f Pheromonfalle 242
plant made industrial 276 Plasmodium 116
Plathelminthes 6 Plattwurm 6 Pleistozan 211, 253, 288, 294
Pleuroneetes platessus 240 Plodia interpunctella 34
Poa annua 34
Poaceae
28
30
Podiceps nigricollis 51,60
Podsol
Phloem 114, 140 Phloemsauger 113 Phosphat 237f Phosphor 24, 28f, 113, 152f, 158,225, 237f photoautotroph 96, 260 photoheterotroph 96 Photoperiode 36 Photo respiration 25,27 Photosynthese 8-10,19-27,37, Ill, 139f, 205,215-220, 229f, 260 Photosyntheserate 266
10
photosynthetisch aktive Strahlung
10
98
Picidae 38 Pillenknick 63f Pilz 2,6f, 18,32,46,96, 108f, 115, 118, 152f, 157, 165f, 206, 223, 234-137, 248, 266, 269, 284f Pilzmiicke 240 Pinguin 212 Pinus 15f,37 Pionierart 197 planar 246 Plankton 29, 105f, 257f Planstelle 38, 205
Pneumatophore
Philaenus spumarius 140 Phleum pratense 4
photosyntheticactiveradiation
27
physiological efficiency hypothesis 98
31
Poecilia reticulata 97
poikilohydr 8,19,250 poikilosmotisch 19 poikilotherm 8,13, 224f Polarisationsrichtung 239 Polarnacht 255 Polartundra 256 Polarwiiste 256
Polistes dominulus 106
Pollen 152 Polychaeta 19, 160, 260f Polyhydroxyalkohol 13 Po1ymerisation 17 polymiktisch 258
345
346
9 Index
polyphag 96 polysaprob 177 Pomatomus saltatrix 160 Population 2-5,33,45-93,96,97,106, 110,120,125,130-132,136, 146-147, 150f,156f, 184, 187,202,205,212,233, 271f, 276-279, 288f,292 Populationsdichte 33,45,92, 120-122 Populationsdynamik 53-71 Populationsgrofse 45-62, 120f Populationsschwankung 75-86 Populationswachstum 53-70,87f Porifera 1,6 Potamalfluss 257 Potamon 258 Prachtkafern 16 Pradation 38, 128, 130, 133f, 136-138, 154,157,193-195,201 Pradationsrate 102, 105, 125, 135 Pradator 166, 192f,223, 239, 283 Praferenz 100-103 Praferenz-Performance-Hypothese 99 Prapatenz 116 Prarie 16,254 Pravalenz 147-150 predator facilitation 125 preference-performance hypothesis 99 primare Suzkzession 196 primarer Rauber 157 Primarkonsument 108,113£,162 Primarproduktion 84, 108, 157f,207, 222, 227 Prirnarproduzent 110-113, 156,223, 260 Primer-Pheromon 241 principal component analysis 178 Prionace glauca 43 Probeflache 49f Produktion 217-220 Produktionseffizienz 223 Produktivitat 141, 158, 163, 171, 192,219f, 292 Pro-Kopf-Geburtenrate 53-56,58, 78f Pro-Kopf-Mortalitatsrate 78f Pro-Kopf-Sterberate 54-56,58,71 Proteaceae 209,212 Protein 11,25,27,29,32,217 Proteinaseinhibitor 144 Provitamin A III Prunus laurocerasus 233 Przewalski-Pferd 296
Pseudogley 31 Pseudotsuga menziesii 73 Pteridium aquilinum 34 Purin III Purpurbakterien 10, 96, 235 Putzer 152 Putzerfisch 118 Pyralidae 275 Pyridin III Pyrimidin III Pyrrolizidin III f
Q
qualitative Verteidigung 142 qualitatives Nahrungsnetz 159-162 Quallen 160 quantitative Verteidigung 142 Quecksilber 30 Queller 22 Quercus petraea 263 Quercus robur 145,263 Quercus suber 16 Quetzal 288
R
Rabenkrahe 5 Radiolarie 30, 260 Rafflesiaceae 242 Raile 291 Ramalinamaciformis 20 Ramet 46 Rana 130 Randbereich 89 Randeffekt 34 random colonization model 197 Rang-Abundanz-Kurve 167f, 171, 187f Ranker 31 Ranunculaceae 212 Raphus cucullatus 281 Rapoport'sche "Regel" 92 Raps 274-276 Rasse 3, 278f Rasterfrequenz 50 Ratte 273,291f Rattus norvegicus 34 Raubbau 287 Rauber 39f, 77, 83-86, 97,100 -110, 114-119,125-139, 143f, 156-163, 166, In, 192f,220-224, 242f, 257
9 Index
Rauber-Bente 86, 118, 127, 130- 135, 138, 159,1 61 Raube r-Beute-Zyklus 86 Raubmilbe 143 Raum 77,83,92, 119, 193 raumlich implizit 90 Reaktionsgeschwi ndigkeits-TemperaturRegel II realisierte Nische 40, 119, 124 Rebe 279
reciprocal exploitation 152 Red Data Book 295 redqueen hypothesis 3f
Regulus ignicapillus 5 Regulus regulus 5, 193
releve
169
Respiration 218,220,222,229-23 1 Resp irationsverlust 218, 221f Ressourcena ufteilung 192 ressourcenkontrolliert 109 Ressourcennut zung 38-4 1 Restaurationsokologie 297
Rete mirabile 14 Reynoutriajaponica 292 Rhagoletis cerasi 242
Rhit hralfluss
257
Rhizod ermi s Rhizom 28
31
Rhod ophyta
6
Rhizobium leguminosarum 234f
Redundante-Arten- Hypoth ese 199f Redundan z 199-201 Reflexion 9,2 15 Refugialgebiet 212 Refugium 5 Regeln fur Artenkombination 199 Regenbogenforelle 292 regenera tive Energieform 267 Regenwur m 177, 282, 286 Regenzeit 227,249 Regenzeitenwald 249 Regulat ion der Populationsgrofse 45-66, 70,75,78-82,84 -89 Regulation II, 13, 17, 19, 58, 78-80, 83, 110, 135, 146, 285
Reis 279 Rekombination 2,4 Rekuit ivierung 297 relative Stan dor tkonstanz
resource partitioning 119, 192
Rhizophora 261 Rhodospirillum 235 Rhus typhina 292
Rhythmik 37,249 Riesenalk 287 Riesenbarenklau 292 Riesenfau ltier 288 Riesengurteltier 288 Riesenkanguru 288 Riesenkrote 273 Riesenmammutbaum 110 Riesenwaran 288 Riesenwombat 288 Rind 279,291 ,299 Ringelwurm 6
rivetpopper hypothesis 200
Robb e 8
Remineralisation 16,29 Renatu rierung 297 Rendzina 31 Rentier 256 Repellent 142f Repro duktion 71-75,85, 107, 220 Reprod uktio nsalter 74f Reprod uktionsleistung 74-76 Reprodu ktion srate 133f Reproduktionsve rhalten 63 Reptil 224,273,292,295 rescue effect 87f, 183 Resilienz 195 Resistenz 140-143, 195,201 Resistenzgen 275
256
Robinia pseudoacacia 292
Robi nie
292
Rodolia cardinalis 272
Rodung 228, 231, 263, 287f Rohboden 31 Rohhumusauflage 256 Roh renwurrn 97
root-shoot-ratio 140
Rotalge 6, 9f Rotationsverfah ren 264 Rotatori a 93 Rote Liste 289f, 295
Rote-Konigin-Hypothese 3f
Roteln 147 Rothirsch 4, 73 Rotklee 264 Rotmi lan 92 r-Selektion 75f, 195
347
348
9 Index
r-Stratege 80, 195, 197 Riibe 265,275 RubisCo 25f Riickenschwimmer 102f Riickenzahn 129f,243 Riickstrahlkraft 228
Rupicapra rupicapra 35
S
safe site 33
Saibling 258 Saiga-Antilope 254 Saisonalitat 14,131 Salicaceae 212
Salicornia europaea 22
Salicylaldehyd l l lf Salinenkrebs 19 Salix 206, 213 Salpetersaure 236 Salzbinse 22 Salzgehalt 22, 259 Same 217,223,284 Samenfresser 138, 167, 192 Samenverbreiter 240 Samenverbreitung 152,281 Saponin III f Saprobiensystem 177,286
saturated community 190
Sauerstoff 23, 27f, 128,229 ,236 ,260,285 Sauerstoffgehalt 27f,257f Sauerstoffspeicher 27 Sauerstoffversorgung 22, 28, 248 Sauerstoffzehrung 177,237 Saugetier 10,13,16,27,35-38,41,52,69, 80, 83f, 116, 142, 165f,207, 223, 224f, 249f, 254-256, 274, 282f, 289, 294-296, 300 saurer Regen 236 Saurier 204, 224 Savanne 15,227,249,299 Schachtelhalm 6 Schadensschwelle 268,271 Schadling 7,34,84,237,242,267-275, 279,284 Schafgarbe 3 Schallwelle 240 Schattenart 10 Schattenblatt 10 Schaumzikade 140 Scheibengleichung 104, 133f
Schelfbereich 260 Schierling III Schildkrote 291 Schildlaus 272,284 Schildwanze 12 Schirmart 280-282 Schlafkrankheit 116 Schlange 288 Schleimpilz 6 Schlickgras 22, 157 Schlupfwespe 99f, 284 Schliisselart 200,280-282 Schliisselressource 282 Schlusssteinart 280 Schmetterling 113,146,172 ,275,288 Schmetterlingsflieder 292 Schnecke 5f, 22, 37, 51, 95, 11M, 142, 147, 157,168,170-173,176,207,243,262 Schnee 175,226,233,251-257 Schneehase 35, 255 Schneeschuhhase 84f Scholle 240 Schutzgebiet 295-298 Schutzkonzept 295 Schutzmutualismus 152-154 Schutzprogramm 295 Schutzwaldfunktion 283 Schwalbenschwanzfalter 99 Schwalbenwurzgewachs 145 Schwamm 1,6, 46 Schwammspinner 233, 242 Schwarzerde 31 Schwarzhalstaucher 51,60 Schwarzmangrove 22 Schwarzmilan 92 Schwebfliege 27f, 126 Schwefel 24, 29 Schwefelbakterium 96 Schwein 274,291 Schwellendichte 148,151 Schwellenwert 102-105,141,194,268 Schwermetall 33, 286 Scolytidae 16 scramble competition 76f
Scyliorhinus 19 searchingefficieny 104
Sediment 224,229, 234, 260f Sedimentation 29f,237 Sedum 22 See 258f
9 Index
Seebarsch 160 Seegraswiese 261 Seeigel 157 Seeotter 157 Seepocke 65-67,119 Seescheide 30 Seespinne 19 Seestern 19 Seeteufel 126 Seezunge 160 Segler 240 Segregationsmodell 300 Seidenraupe 291 Sekretabsonderung 139 sekundare Sukzession 196 sekundare Pflanzeninhaltsstoffe 85, 142-146,241,243 sekundarer Rauber 157 Sekundarkonsument 108,114£ Sekundarproduktion 218,227 Selbstausdunnung 33,77
Selbstbestaubung 2
Selektion 4,71,73, 75f, 100, 127, ISS, 195, 279 Selektionsvorteil 155 Selen 30 self-selection offood 144 semelpar 71
semiochemical 241
Semiochemikalie
Sempervivum
Sender
239-243
Senecio jacobaea Senecio 12
Senke 229 sequestrieren
241
22
145
Serengeti 36 Serpentinboden 33 Serpentingrasnelke 33 Serpentinstreifenfarn 33 Sesquiterpen III
110
sexual kairomone 243
Sexualkairomon 243 Sexualpheromon 241f sexuelle Reproduktion 2
Sideroxylon grandiflorum 281 Sideroxylon sessiliflorum 281
Siedlungsgebiet
87-92
sink 229 sink-Population 87f
Siphonaptera 116 sklerophyll 250 Smog 236 Soja 274-276 Solarkonstante 216
Solenopsis invicta 292 Solidago 140,292
Somatolysis 239 Sommergetreide 264 Sommergoldhahnchen 5 somrnergruner Laubwald 253 Sommerpause 23 Sonnenblume 10 Sonneneinstrahlung 207,258 Sonnenenergie 215-217 Sonnenfleck 84,216 Sonnenkompass 239 Sonnenstrahlung 8f, 216, 231 Sonnentau 106
Sonneratia 261 Sorex araneus 212 source sink-Dynamik 87, 186 source web 159 source-Population 87f
141
Sequoia 252 Sequoiadendron giganteum
Signal 126,239-243 Signalpheromon 241 Signalvereinfachung 126 Sikahirsch 4 Silberdistel 264 Silberwurz 35 Silicium 24, 30 Silikat 32 Silur 202
Southern Oscillation 36 Sozialstruktur 59 Spaltoffnung 26 Spartina 4,22, 157,261 Specht 38, 282
species redundancy hypothesis species richness 167 species turnover 173, 182
199f
Speichel 139 Speicher 225f Spezialisierung 96-99 Spezialist 38, 96f, 137 Speziation 179,186-188,201-206, 207f Speziationsrate 187,203,207 Spezifitatstest 273
349
350
9 Index
Spinne 71,158 Spinnenragwurz 241 Spinnentier 6 Spitzencarnivore 222 Spitzenpradator 282 Spitzmaus 80, 255 Sporozoa 116 Springmaus 23 Sprungschicht 14,258 Spulwurm 116 Spurenelement 29f Squalen 111 Stabilitat 155,161,195,199,248 Stachel 142f Stachelhauter 6, 30 standingcrop 218,248 Standort 7f, 125, 159, 165, 178, 289f Stapelia 22 Starke 217,276 Steatornithidae 240 Stechmiicke 117,150 Steinadler 282 Steinbock 296 Steinkohle 229 Steinkoralle 261 Steinzeitjager 288 Stellenaquivalenz 38 Steller'sche Seekuh 287 stenohalin 19 stenok 8, 34, 233 stenotherm 13 Steppe 15,254,299 stepping stones 298 Steran 111f Sterbefall 46f, 53 Sterberate 72,75-79,82 Steroid 111 Stickstoff 24-26,28, 113-115, 142, 158, 201,225,234-237,265 Stickstofffixierung 234-236,264 Stickstofflimitierung 265 Stickstoffzeigerwert 290 Stochastizitat 80-82, 187, 189 Stofffluss 225-238 Stoffhaushalt 7 Stoffkreislauf 221, 266 Stoffspeicher 224 Stoffwechsel 2, 220 Stoffwechselrate 224 stoma tare Transpiration 20
storage effect 195 Storstelle 196 Storung 193-195,199,207 Strandkrabbe 19,97,100 Strandschnecke 173 Streifenbrasse 160 Stress 7f, 113, 125,243 Streu 248, 254f, 264 Stromung 257 Strontiumsulfat 30 Strukturarmut 120 Strukturvielfalt 171, 173, 192 subalpin 246 Suberin 109 Sublitoral 261 submontan 246 substratkontrolliert 109 Substratschall 240 Subtropen 208,227,258 Sucheffizienz 104 Suchzeit 97, 101 Siidbuche 212 Sudhernisphare 208,247,256 Sukkulenz 21f, 43, 254, 288 Sukzession 36, 108, 196-198, 296f Sukzessionsreihe 196-198 Supercooling 12 Supralitoral 261 sustainability 267 sustainable development 267 Symbiose 109,1 13,146,152,234,248,261 sympatrische Artbildung 5 Synomon 241, 243f syntaxonomische Einhcit 174 Syringa vulgaris 292 Syrphidae 28, 126 System von Populationen 86-94
T
Tabanidae 150 Tagesgang 24f Tageszeit 37 Tageszeitenklima 247 Taiga 15,255 Takahe-Ralle 252 Talpidae 212 Tanne 255 Tannenme ise 193 Tannin 111f Tardigrada 6, 93
9 Index
target-effect 184 Tarnfarbung 239 Tarnung 128 Tarpan 254 Taschenmaus 23 Tasmanischer Beutelwolf 288 Taube 129 Taufliegenlarve 97 Taxonomie 4 Teichhuhn 291 teilweisePraferenz 10I temperat 8,208,212, 252f, 258, 260 Temperatur 11-16,26,247-262 Temperaturregulation 13,223 Temperatursumme II Tephritidae 241 Termite 109,113, 146, 172,241, 248f Terpen 111 Terpenoid 111,243 Territorium 50,78,107,131,241 Tertiar 204 Tetraterpen III theoryof islandbiogeography 34 Thermodynamik 215,220 Thermokline 14,258 Thermo-Osmose 28 Therophyt 175f,250 Thienemann'sche "Regel" 171 Thunfisch 14,43,224,299 Thylacinus cynocephalus 38, 288 Thymallus thymallus 177 Thynnidae 14 Thynnus thynnu s 43 Tiefsee 260 Tiergemeinschaft 170, 176,298 Tierhaltung 149 Tierhormon III Tiger 282, 296 Tillandsia 21, 27 Tod 2,115,126,141,146,148,221 ,285 Tolcranz 8,113 ,140,197 TaIpeI 256 Tonmineral 30-32,237 top down-control 158 top down-Kaskade 157f top taxon 161 Torfbildung 230, 256, 266 Torpor 13 Tortricidae 242 Totalherbizid 275
Toxin 142-146,241 Tracheensystem 22 Trachycarpus fortunei 233 trade-off 73- 75, 98 transgen 274 transmission coefficient 148 transmission threshold 148 Transmission 9 Transpiration 11, 17, 20f, 226 Transportmutualismus 152 Treibhauseffekt 109,231,267 Treibhausgas 231f Trias 204-206 Trichogramma 272 Trichom 142 Ttinectes maeulatus 160 Trinkwasser 237,266,283,285,293 Trirhabda 140 Triterpen III tritrophisch 156, 243 Trittsteinbiotop 298 Triturus cristatus 212 Trockenwaldgebiet 15 Trockenwiese 237 Trockenzeit 227,249 Tropen 35,40 ,207-210, 219, 227, 233t 258,281,289-290 Tropenbodcn 32 Tropenwald 32,219,228,231 ,281 trophic efficiency 107 trophic link 159 trophisch e Beziehung 117-118 trophische Ebene 108-118,125,127-163, 220-222 trophische Effizienz 107, 163 trophische Position 159 trophische Verbindung 159, 161 tropischer Regenwald 247f, 290 Tubifex 97 Tundra 15,230,256,266 turnover 219 Tyria jacobaeae 141
U
ilberexponentiell 48 Obergangsbereich 34 Oberkompcnsation 140f uberlappende Generation 61, 67, 90 OberIeben 119 Oberleben-Abendessen-Prinzip 127
351
352
9 Index
Uberlebenskurve 65-69 Uberlebensrate 65, 68f Uberlebenswahrscheinlichkeit 69, 141, 146,279 Uberprodukt ion 266 Uberschwernmungsmethode 272 Ubertragungsrate 148 Ubertragungsschwelle 148 Ultraschall 240 umbrella species 280 Umweltchemikalie 266 Umweltschaden 267 Umweltschwankung 90 Umweltstochastizitat 80-82 Umweltvariabilitat 79 unbegrenztes Wachstum 48 ungekoppelte Dynamik 131 unitar 46 Unkraut 265,268 Unkrautkontrolle 275 unscharf dichteabhangig 79 Unterart 5,208,211, 278f, 288 unteres Taxon 161 Unterkiihlen 12 Untersaat 272 up-down regulation 110 upwellings 260 Ur 287 Urin 220, 223 Uroleucon caligatum 140 Urophora cardui 96, 100 Ursprungsgeb iet 5 Ursprungszentrum 279 Ursus arctos 33,212,288 Ursus crowtheri 288 Uta stansburiana 68 Utricularia 106 UV 8-11, 239f
V
VA-Mykorrhiza 33 Vanadium 29f Vanessa sp, 36
Varroa destructor 242
Vavilov-Zentrum 279f Vegetation 174, 245- 256 Vegetationsaufnahme 169 Vegetationsperiode 218 Vegetationsstruktur 217 Veilchen III
Vektor 115f,150f Venusfliegenfalle 240 Verbindungsdichte 161 Verbindungsstarke 161 Verbuschung 297 Verdaulichkeitsindex 223 Verdauung 11 Verdauungshemmer 142f Verdopplungszeit 48, 56 Verdiinnungseffekt 129 Verdunstung 11, 18,20, 215f, 226-228, 256,261 Verhaltnis von Beute- zu Raubertaxa 161 Verhiitungsmittel 63 Verkohlung 229 Verletzlichkeit 161 Vermehrungsrate 66 Vernetzung 161,277 ,298 Versalzung 228 Versicherungshypothese 200 Verteidigung 128f, 140-146 vertikaler Gentransfer 275 Vertorfung 229 vesikular-arbuskulare Mykorrhiza 206
Vicugna vicugna 288
Vier-Punkt-Zyklus 85 vikariierende Art 6 Vikunja 27,288 Virus 115, 146 Viskositat 257,259 Vogel 10, 13, 16,23, 38f, 5s, 78, 83, 97, 152, 157, 166, 169, 174, 184f, 192, 223f, 238, 240, 255f, 274, 282, 289, 291£, 295f, 298 Vogelzug 256 Vorratseffekt 195 Vulkanismus 196, 204f, 228, 231
vulnerability 161
W
Wacholder 264 Wachstum 1-2,11,16, 24f, 33, 48, 54-62, 66-98,106-108,119-122,131-146,163, 180,202,243,266 Wachstumsfaktor 55, 80f Wachstumshormon 274 Wachstumsrate 48,53-61,78,81,109,120 Wachstumsring 37 wahrscheinlich es Netz 159 Wal 14,240,282
9 Index
Wald 10, 15,25,98,163,168, 173f, 184f, 188,196-198,217,219,227,231-233, 246,249,252-255,261-263,267,283, 285,289,292-294,297 Waldbaumlaufer 193 Waldlandwirtschaft 290, 298 Waldokosystem 223f Waldspitzmaus 212 Waldsteppe 254 Waldwirtschaft 267 Walfang 270,287 Wallace-Linie 206 Walnuss 124 Walross 256 Wanderratte 34 Wanderschaferei 264 Wanderung 36,256 Warmeleitfahigkeit 14 Wiirmestrahlung 11, 240 Warmzeit 208,211 Warnfarbung 125f,239 Washingtoner Artenschutzabkommen 295 Wasser 17-23,226-228, 285 Wasserassel 102f Wasserfarn 234 Wasserfloh 105,125, 129f, 243 Wassergehalt 8, 14, 17- 22, 113, 142 Wasserhaushalt 17-23,216,226-228,285, 289 Wasserhyazinthe 293 Wasserkorper 27 Wasserkreislauf 17, 24, 226, 229, 285 Wasserleitung 20 Wasserpflanze 22, 27f, 98 Wasserriickgewinnung II, 23 Wasserschlauch 106 Wasserspinne 27 Wasserstoffperoxid 128 Wassertiefe 9,14,218 Wasservorrat 19,226,254 Wattenkiiste 261 Watvogel 256 wechse1feucht 18 Wechselwirkung 45,95-163, 165f, 178f, 197 Wehrsekret 241 Weichtier 6 Weide (Baumart) 206,212,281 Weideganger 118f, 139, 141 Weidenmeis e 193
Weideokosystern
264 WeiBeFliege 284 WeiBstorch 68f Wellenlange 9-11,218 Weltbevolkerung 47f Weltmeer 219f, 228-231, 237, 262, 269, 277,287 Wespe 126,248,282 Wickler 242 Wiederbesiedlung 91,125,298 Wiedereinbiirgerung 296 Wiederkauer 109,113,146,152 Wiesenlieschgras 4 Wildgerste 275 Wildpferd 254, 287 Wildriibe 275 Wimp ern tier 6 Windwurf 36 Winter 13, 149, 251- 259 Wintergetreide 264 Wintergoldhahnchen 5, 193 Winterschlaf 253, 255 Winterschlafer 13 Wirbellose 13,38,166,224,242,273,281, 295 Wirbelt ier 6, 23, 30, 33, 38, 80, 83, 98, 106, 131, 166,217,223, 239f, 273, 281, 288f Wirkungsspezifitiit 273 Wirkungsverstarkung 271 Wirt 115-118,146-151 Wirtwechsel 116f Wisent 287 Wolf 38, 255, 282, 288 Wolfsmilchgewachs 43 Wiihlmaus 254 Wundernetz 14 Wurzel 20, 28, 31, 124 Wiiste 219,227,250,254,256
X Xanthorrhoea
16
Xerophyt 22, 250 Xylem 114,140 Xylemsauger 113
y Yuccamotte Yuccapalme
154 154
353
354
9 Index
Z
Zaunkonig 291 Zea mays 77 Zebra 77,249,291 Zebramuschel 292 Zecke 116,150,240 Zeiraphera diniana 51 Zeitgeber 10, 37, 227 Zeitreihe 47,53,58,60,80, 85f Zeitsamm elmethode 51 Zeitschritt 47-7 1,80-86,89, 131f, 182, 188 Zeitverzogerung 58, 62, 84f Zentralvakuole 19 zero-one rule 101 Zersetzer 108-110,114 ,1 61, 222,248 Ziege 291 Zieleffekt 184 Ziesel 254 Zikade 113 Zink 29 Zirkulationsstro rnung 14
Printing: Krips bv, Meppel, The Nether lands Binding: Sturtz, Wurzburg, Germany
Zitrus 272 zonales Biom 196 Zonobiom 245-262 Zoochorie 152 Zooplankton 156,160 ,223,243 Zooxanthelle 261 Zoozon ose 167 Zuckerrohr 26 Zufall 34,49,80-82,87, 102, 132, 134, 147,1 78,1 87,1 91-1 97, 201, 209f zufallige Verteilung 49f Zufalliges- Besiedlungs-Modell 197 Zuwanderu ng 46f, 134, 138, 180, 187, 189, 196 Zwei-Punkt -Zyklus 85 z-Wert 172, 186 zwischenartliche Konkurrenz 119-125 Zwischenwirt 115-11 7 Zygomycet 33 Zyklus 71,73 -75, 84-86, 115, 116, 141, 198