Je später der Abend ...
Toni Blake
Tiffany Lieben & Lachen 14 – 05/03
Gescannt von almut K.
Korrigiert von claudi...
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Je später der Abend ...
Toni Blake
Tiffany Lieben & Lachen 14 – 05/03
Gescannt von almut K.
Korrigiert von claudia_L.
1. KAPITEL „Von links nähert sich ein blonder Supermann." Mindy McCrae wandte unauffällig den Blick, der auf der Eingangstür ihrer Partnervermittlung geruht hatte, hinüber zu dem sexy Typen, den ihre Assistentin Jane Watkins gerade entdeckt hatte. Er marschierte zielbewusst über den Hyde Park Square und sah nicht nur gut, sondern auch ziemlich jung aus. Mindy schaute Jane empört an, die neben ihr auf der Bank saß und ebenfalls ein Eis zum Nachtisch schleckte. „Er ist ungefähr zwölf Jahre alt, Jane", übertrieb sie. Jane zog die Augenbrauen hoch. „Er ist nicht jünger als neunzehn, und wer sagt, dass du dir keinen jungen Mann nehmen darfst?" Mindy rümpfte die Nase. Sie hatte nicht vor, etwas mit Minderjährigen anzufangen, aber Jane hatte es sich zur Aufgabe gemacht, einen Mann für Mindy zu finden. Mindy betrieb zwar die erfolgreichste Partnervermittlung in ganz Cincinnati, doch sie selbst war Single. Mindy störte das nicht, sie war ganz zufrieden mit ihrem Leben, so wie es war. Sie hatte Freunde und Eltern, die sie liebten, sie besaß ein kleines idyllisches Haus, und sie führte eine erfolgreiche Agentur. Und da die meisten von Janes Vorschlägen absurd waren, war Mindy ganz froh, dass sie sowieso nicht auf der Suche nach einem Partner war. „Achtung, ein heißer Latin Lover rechts von dir." Mindy blickte auf, und der Typ, der wirklich Janes Beschreibung ent sprach, erwischte sie dabei. Genau wie die Frau, die an seinem Arm hing. Mindy drehte sich zu Jane. „Er ist in weiblicher Begleitung." Jane zuckte mit den Schultern. „Ich bin sicher, das könntest du ändern, wenn du wolltest." Mindy verdrehte die Augen. „Ich bringe Menschen zusammen, nicht auseinander." „Du bist so verflixt nobel", beschwerte Jane sich, aber Mindy wusste, dass sie nur Spaß machte. Jane war seit achtzehn Jahren glücklich mit ihrem Mann Larry verheiratet und hatte drei Söhne mit ihm. Jane betrachtete die Stunden, die sie in der Agentur verbrachte, als ihre ruhige Zeit. Als sie vor drei Jahren bei Mindy angefangen hatte, hatte sie gehofft, an Mindys aufregendem Single-Leben teilzuhaben, das ja theoretisch voller Romanzen sein müsste. Doch sie wurde arg enttäuscht, denn Mindys Lebensstil entsprach ganz und gar nicht Janes Erwartungen. „Oh, sei still, mein Herz." Janes Stimme hatte einen lüsternen Klang bekommen. Der Grund dafür war der untadelig gekleidete Mann, der ge rade sein Mercedes Cabrio parkte. „Direkt vor dir ... groß, dunkelhaarig und sehr sexy", hauchte sie. Mindy konnte Janes Beschreibung nicht widersprechen. Tatsächlich konnte sie nur fassungslos hinstarren. Der Mann besaß ein klassisches Aussehen - dunkles, gut geschnittenes Haar, ein markantes Kinn, ausgeprägte Wangenknochen und Augen, die wahrscheinlich blau waren. Und groß war er auch, wie sie feststellte, als er jetzt ausstieg. Zudem besaß er breite Schultern, und sein schwarzer Anzug war vermutlich maßgeschneidert. „Bond", flüsterte Jane ehrfurchtsvoll. „James Bond." „Pst", zischte Mindy. Er war viel zu nahe, und es war schon schlimm ge nug, dass sie ihn anhimmelten. „Ein Kunde!" entfuhr es ihr kurz darauf, als James Bond über die Straße genau auf „Mindys Partnervermittlung" zuging. Erst hatte sie vermutet, dass er entweder den Juwelier rechts von ihr oder vielleicht die Kunstgalerie links von ihr ansteuerte, denn selbst wenn gut aussehende Menschen ihre Partnervermittlung frequentierten, waren sie äußerst selten so attraktiv. Er griff nach der Türklinke, bevor er das Schild entdeckte. Mindy schnappte sich ihre Handtasche und eilte über die Straße. Sie erreichte den Traummann gerade, als er sich umdrehte und wieder zu seinem Wagen gehen wollte. Auf seinem Gesicht zeigte sich Verärgerung, und seine blauen Augen funkelten. „Warten Sie, ich bin schon zurück."
Er blinzelte, als er merkte, dass sie mit ihm sprach. „Ich war auf der Suche nach ...", er deutete über die Schulter zu dem roten Logo an der Tür, „... Mindy, vermute ich." „Zu Ihren Diensten." Sie lächelte und schaute zu ihm hoch; er war einen Kopf größer als sie. Dann streckte sie die Hand aus, hatte aber nicht bedacht, dass sie darin noch ihr Eis hielt. „Oh", meinte sie und nahm es in die linke Hand, mit der sie bereits ihre Handtasche umklammerte, und musste dann mit ansehen, wie das Eis auf den Bürgersteig direkt zwischen die schwarzen Schuhe des potenziellen Kunden klatschte. Mindy zuckte zusammen. „Verzeihung, eigentlich bin ich gar nicht so ungeschickt." Der Traummann schien nicht überzeugt. „Es ist okay", meinte er schließlich. Das ist in Ordnung, redete Mindy sich ein, nachdem sie den Schlüssel aus der Tasche gefischt und die Tür aufgeschlossen hatte. Einige Kunden waren ein wenig spießiger als andere, doch damit konnte sie umgehen. Sie besaß schließlich eine gute Menschenkenntnis, und einige musste man eben vorsichtiger behandeln. Es war noch nicht zu spät, um diese Begegnung wieder auf den richtigen Pfad zu bringen. Mindy deutete auf einen Stuhl vor ihrem Schreibtisch, warf die leere Eis tüte in den Mülleimer und setzte sich dem Mann gegenüber, insgeheim froh, dass sie jetzt auf Augenhöhe mit ihm war, da er sie irgendwie einschüchterte. „Wie kann ich Ihnen helfen?" fragte sie. „Ich brauche eine Ehefrau." Er sagte das so selbstverständlich, als würde er eine Bestellung in einem Drive- in abgeben. Mindy verkniff sich zu sagen, „das macht vier fünfzig". Stattdessen bemühte sie sich um Gelassenheit, holte tief Luft und deutete zu den vielen Fotos mit glücklichen Paaren, die hinter ihr an einer langen rosa Wand hingen. „Wie Sie an den Fotos sehen können", begann sie, „hat meine Agentur eine erstaunliche Erfolgsquote." „Ja, ich weiß", unterbrach er sie. „Fünfundneunzig Prozent. Ich habe darüber gelesen. Deshalb bin ich hier." Sie senkte den Blick, nicht sicher, ob sie es tat, weil er sie so eindringlich ansah oder weil er anfing, sie aufzuregen. Offensichtlich fand er, sie vergeudete seine Zeit. „Ja, gut, was ich sagen wollte ... trotz der vielen guten Ehen, die durch meine Vermittlung entstanden sind, ist es nicht mein vordringlichstes Ziel, die Leute zu verheiraten. Eine Garantie, dass eine Ehe zu Stande kommt, kann ich schon gar nicht geben. Mir geht es darum, den Menschen zu helfen, jemanden zu finden, mit dem sie eine bedeutungsvolle, langfristige Beziehung aufbauen können. Ich glaube ..." „Ich habe in einer halben Stunde eine Besprechung", sagte er mit einem Blick auf die Uhr. „Wie können wir das hier beschleunigen? Muss ich einen Fragebogen ausfüllen, in eine Videokamera sprechen?" Mindy holte tief Luft. Er klang nicht unbedingt unhöflich, sondern eher wie ein Mann, der darauf aus war, die Dinge erledigt zu bekommen. Selbst solche, die man nicht übereilen sollte, wie zum Beispiel eine Lebensge fährtin zu finden. „Nein. In meiner Agentur wird das Zusammenführen nicht durch moderne Auswahlverfahren erledigt, sondern mit Hilfe eines altmodischeren, sehr viel persönlicheren Ansatzes. Ich stelle alle Vermittlungen selbst her, indem ich meine Kunden ausführlich interviewe. Und zwar in einer entspannten Atmosphäre, damit ich sie samt ihren Vorlieben und Abneigungen, mit ihrer allgemeinen Persönlichkeit, ihrem Alltagsleben sowie ihren Zukunftsplänen kennen lernen kann." Sie griff nach ihrem Terminkalender und blätterte. „Lassen Sie mich sehen, morgen ha be ich bereits einen anderen Termin, aber ich könnte Sie zu einem ausgedehnten Mittagessen am Freitag treffen. Gegenüber bei ,Teller's'? Wir müssten mindestens zwei bis drei Stunden einkalkulieren. Wenn Ihnen das nicht passt, sollten wir auf nächste Woche ausweichen." Als sie zu dem Traummann aufsah, der offen gestanden mit jeder Minute weniger traumhaft wirkte, bemerkte sie seinen grimmigen Gesichtsausdruck. „Ich bin viel zu beschäftigt, um mitten an einem Arbeitstag so viel Zeit zu erübrigen, aber es ist ohnehin nicht nötig. Ich habe alles, was Sie wissen müssen, aufgeschrieben." Er zog ein Blatt Papier aus der
Jackentasche und legte es auf den Schreibtisch. Sie nahm es und begann, die in akkurater Blockschrift geschriebene Liste vorzulesen. „Blond, gut aussehend, elegant, zierlich, intelligent, eine gute Gastgeberin und ...", Mindy konnte es kaum fassen, „... sie muss wissen, wann sie sich meiner Meinung zu beugen hat." Es fiel ihr schwer, ihre freundliche Miene beizubehalten, als sie das Papier wieder auf den Schreibtisch legte und sich eine Strähne ihres kurzen roten Haares hinters Ohr strich. „Sie haben offensichtlich ziemlich ... konkrete Vorstellungen von Ihrer zukünftigen Frau. Aber ich muss Sie trotzdem noch einiges fragen." „Bitte", erwiderte er kurz angebunden. „Dann tun Sie es jetzt." Er schaute erneut auf die Uhr. „Ich habe noch zehn Minuten." „Zehn Minuten sind nicht viel, na ja, warum fangen wir nicht so an. Erzählen Sie mir einfach von sich, Dinge, die eine Frau an Ihnen interessieren könnte." „Okay." Der Ex-Traummann nickte kurz. „Ich bin Benton Maxwell der Dritte." Das klang nach Geldadel. Das passte zu seiner Arroganz. „Ich bin Geschäftsführer einer gut etablierten Investmentberaterfirma mit dreißig Angestellten, und ich verfüge über ein sechsstelliges Einkommen." Das überraschte sie jetzt doch. „Ich lebe nicht weit von hier in einem großen, renovierten Haus mit einem englischen Garten und einem Swimmingpool, und ich besitze zwei Eigentumswohnungen - eine auf den Cayman Islands und eine in Colo rado für die Skisaison. Ich kann meiner zukünftigen Frau alle Annehmlichkeiten bieten, die sie sich wünscht, obwohl...", er hob warnend einen Finger, „... ich keine Katzen mag und immer sehr viel Zeit im Büro verbringe. Deshalb sollte meine Frau selbst auch nicht vorhaben zu arbeiten, da ich viel reise und sie vielleicht als meine Begleitung mitnehmen möchte. Aber sie kann gern ehrenamtlichen Tätigkeiten nachgehen, sofern sie nicht mit meinen Terminen kollidieren. Sie kann das Haus nach ihren Wünschen neu dekorieren, solange es geschmackvoll ist." Mindy atmete tief durch. „Ich war eigentlich mehr daran interessiert, ein paar persönliche Dinge über Sie zu erfahren. Was machen Sie zum Beispiel in Ihrer Freizeit? Wenn Sie ins Kino gehen, schauen Sie dann lieber Komödien oder ernste Filme an? Wo sind Sie aufgewachsen, und wie ist Ihre Familie? Diese Art von Informationen." Benton Maxwell verzog das Gesicht. „Ich arbeite die meiste Zeit, wenn nicht im Büro, dann zu Hause. Was meine Familie betrifft, sie ist mehr oder weniger wie ich. Mein Vater gründete unsere Firma, bevor ich ge boren wurde, und arbeitete ebenfalls sehr viel. Mein Bruder ist Unternehmensberater und im Moment in Tokio im Einsatz, und meine Schwester ist Anwältin für Steuerrecht in New York. Meine Eltern leben jetzt zurückgezogen in Boca, aber wie Sie sehen, hat mein Vater uns allen eine hohe Arbeitsmoral beigebracht. Das erinnert mich, dass ich zu einer Besprechung muss. Sind wir fertig?" Mindy konnte sich nicht länger beherrschen. „Glauben Sie, Mr. Maxwell, dass Sie Zeit für ein paar Verabredungen haben werden, oder wollen Sie darauf auch verzichten? Soll ich Ihre erste Verabredung direkt am Altar arrangieren?" Er warf ihr einen spöttischen Blick zu, der irgendwie sexy war. „Sie brauchen nicht sarkastisch zu werden. Ich werde die Verabredungen einplanen, Miss ..." „Miss McCrae." Mindy begegnete seinem Blick, wobei ihr klar wurde, dass sie ihn trotz seines guten Aussehens nicht gern ansah, weil er sie irritierte. „Sagen Sie mir nur noch eins, Mr. Maxwell, warum möchten Sie heiraten?" Benton Maxwell starrte sie lange an. Die Farbe seiner Augen wirkte jetzt noch intensiver als vorhin draußen in der Sonne. Es waren Augen, in denen man sich verlieren konnte, wenn sie nicht dem schlimmsten Chauvi gehören würden, der ihr je über den Weg gelaufen war. Gerade als Mindy dachte, dass er ihr eine Antwort verweigern würde, sagte er: „Ich brauche eine Ehefrau, Miss McCrae. Können Sie mir dabei helfen, oder soll ich mich an jemand anderen wenden?"
Sie hielt seinem Blick stand, um ihn wissen zu lassen, dass sie ihn durchschaute. Er war ein Mann, der die Liebe verspottete, der einen Wertge genstand heiraten wollte. Er wollte eine Trophäe als Frau, das perfekte Accessoire für sein Luxusleben. Sie hatte noch nie einen so unerträglichen Mann getroffen, und wäre er nicht so reich und gut aussehend, gä be es nichts Positives über ihn zu sagen. Eigentlich wollte sie ihn gar nicht als Kunden. Also hielt sie es wie Benton Maxwell, nahm sich ein Blatt Papier, schrieb eine exorbitante Summe darauf und schob ihm den Zettel zu. „Das ist das Honorar, das im Voraus zu entrichten ist. Dafür bekommen Sie unser Luxus-Partnervermittlungspaket, das bis zu drei handverlesene Kandidatinnen enthält, außerdem Vorschläge für Verabredungen, vorherige Beratung und, wenn gewünscht, eine Abschlussbesprechung." Sie nahm die Finger von dem Zettel, wohl wissend, dass niemand, der noch alle Sinne beisammen hatte, diese Summe zahlen würde. Sollte Benton Maxwell doch zu einer anderen Partnervermittlung gehen! Das war natürlich ihr erster Fehler - anzunehmen, dass der Mann noch alle Sinne beisammen hatte. Nachdem er einen kurzen Blick auf die Summe geworfen hatte, zog er seine Kreditkarte heraus und warf sie ihr zu. „Ich brauche weder Vorschläge noch Beratung. Lediglich eine Frau." Mindy sah ihn mit offenem Mund an. Oh, Himmel, was hatte sie getan? Benton Maxwell fuhr eilig in Richtung Innenstadt. Er würde zu spät zu seiner Besprechung kommen, und er war nie unpünktlich. Er schaltete sein Handy ein und wählte. „Maxwell Group" meldete sich seine Empfangssekretärin Claudia. „Ich bin es, Claudia." „Sie sind zu spät", belehrte sie ihn. „Ja, ich weiß. Können Sie mich mit Miss Binks im Konferenzzimmer verbinden?" Einen Augenblick später nahm seine treue Assistentin Candace Binks den Hörer ab. „Hallo, Miss Binks." „Mr. Maxwell!" Wie immer klang sie glücklich, ihn zu hören. Miss Binks war seit zwei Jahren in ihn verliebt. Vielleicht war „verliebt" auch nicht das richtige Wort - Benton war sich nicht sicher, da er selbst wenig von solchen Gefühlsregungen wusste -, aber auf jeden Fall hatte sie etwas für ihn übrig. „Wir haben schon angefangen, uns Sorgen zu machen." Benton war nicht überrascht. Da er stets pünktlich war, nahmen die Le ute immer gleich an, ihm wäre etwas zugestoßen, wenn er ausnahmsweise doch einmal zu spät kam. „Ich bin auf dem Weg. In höchstens fünfzehn Minuten bin ich da." Nachdem er das Gespräch beendet hatte, steckte Benton das Handy in die Tasche und beschleunigte den Wagen. Als er irgendwann Miss Binks' Zuneigung akzeptiert hatte, war ihm der Gedanke gekommen, ob er sie heiraten sollte. Schließlich war sie mehr als loyal, und wahrscheinlich würde sie bereit sein, ihre Arbeit bei ihm aufzugeben, um all das zu sein, was er von einer Ehefrau erwartete. Sie war eine attraktive Blondine, klein und zierlich, kleidete sich gut, hatte ausgezeichnete Umgangsformen und wusste, wann sie sich „seinem Urteil beugen" sollte, während sie gleichzeitig sein Büro wie eine gut geölte Maschine am Laufen hielt. Außerdem verkehrte sie in den richtigen Kreisen. Aber obwohl Miss Binks seinen Vorstellungen von einer perfekten Ehe frau entsprach, fehlte das gewisse Etwas. Zwischen ihnen knisterte es nicht, es sprühten keine Funken, wenn sie zusammen waren. Auch wenn er sich jetzt seine Frau nicht auf herkömmliche Weise suchte, sondern über eine Partnervermittlung, sollte es zwischen ihm und der Frau, die er heiraten wollte, eine gewisse Anziehungskraft geben. . Der warme Maiwind zerzauste sein Haar, als er im offenen Cabrio zum Büro fuhr. Dabei wanderten seine Gedanken zurück zum Hyde Park Square und dem kleinen Laden mit den albernen Herzen, die überall ge prangt hatten. Einerseits konnte er selbst nicht so recht fassen, dass er, der vernünftige und erfolgreiche Benton Maxwell, eine Partnervermittlung aufgesucht hatte, andererseits war er
ein beschäftigter Mann und hatte keine Zeit, selbst nach einer perfekten Frau zu suchen. Nach allem, was er über diese Mindy gehört hatte, würde es viel einfacher sein, wenn sie die Suche übernähme. Inzwischen fragte er sich, ob es eine kluge Entscheidung gewesen war. Die Unbeholfenheit von Mindy McCrae, als sie ihm das Eis fast auf seine italienischen Schuhe geworfen hatte, konnte er vielleicht noch übersehen, doch erhebliche Zweifel waren ihm gekommen, als sie ihn gefragt hatte, warum er ihre Dienste in Anspruch nehmen wollte. Die kleine Rothaarige hatte zwar ganz nett ausgesehen, auch wenn sie nicht gerade sein Typ war mit ihrem kurzen Haar, das eher keck als elegant geschnitten war, und ihrem lässigen Baumwollrock. Ihre leuchtenden Augen und die zarte Haut waren auffallend gewesen, aber nicht klassisch. Am meisten hatte ihn ihre Haltung gestört. Irgendwie hatte sie ihm das Gefühl vermittelt, dass seine schlichte Bitte, passende Ehekandidatinnen für ihn zu suchen, absurd sei, und als sie versucht hatte, ihm Informationen zu entlocken, hatte der Blick aus ihren smaragdgrünen Augen ihn fast durchbohrt. Dabei wollte Benton doch nichts weiter, als einige Frauen treffen, die die Attribute besaßen, die er sich wünschte. Den Rest würde er schon selbst erledigen. Und er war gewiss nicht in diesen Laden voller Herzen gegangen, um persönliche Dinge mit einer Fremden zu besprechen. Und als Mindy McCrae ihn gefragt hatte, warum er überhaupt heiraten wolle, hatte es fast wie ein Vorwurf geklungen. Tja, warum will ich eigentlich heiraten? überlegte er jetzt. Darauf gab es eine ganz einfache Antwort: Weil er es satt hatte, Geschäftspartys allein zu besuchen. Außerdem hatte er keine Lust mehr, seine Gäste immer allein zu unterhalten. Er war ein reicher Mann und hatte niemanden, mit dem er seinen Reichtum teilen konnte. Sein Haus war wunderschön, aber es war dort stets ein wenig einsam. Und weil mein fünfunddreißigster Geburtstag naht, dachte er, und was auch immer die Liebe sein mag, wenn sie denn überhaupt existiert, er hatte sie bis jetzt nicht kennen gelernt. Benton hatte einfach das Gefühl, dass es an der Zeit war zu heiraten. Aber er fand, dass das alles Miss McCrae nicht unbedingt etwas anging. Zehn Minuten später kam er aus dem Fahrstuhl im fünfundzwanzigsten Stockwerk des Carew Towers und ging in die Empfangshalle der Maxwell Group. Er nickte der silberhaarigen Claudia kurz zu und eilte dann den Flur entlang zum Konferenzraum, wo bereits acht Kollegen auf ihn warteten. „Ich entschuldige mich für meine Unpünktlichkeit. Wollen wir anfangen?" sagte er und setzte sich an das Kopfende des ovalen Tisches. Miss Binks saß zu seiner Rechten, ihr langes dunkelblondes Haar war zu einem lockeren, modischen Knoten hochgesteckt. Über ihre Brille hinweg strahlte sie ihn an. „Sie sind da", sagte sie mit einem kleinen Lächeln. Der junge Malcolm Wainscott, Bentons Assistent, saß weiter hinten am Tisch und warf Miss Binks einen bewundernden Blick zu, den sie wie üb lich nicht bemerkte. „Möchten Sie einen Kaffee, bevor wir anfangen, Mr. Maxwell?" Er sah, dass Miss Binks seinen Ärmel berührte. Das war neu. „Nein danke, Miss Binks." Er zog den Arm weg und hoffte, dass niemand auf merkwürdige Gedanken kam. Dann nickte er Percy Callendar von der Finanzabteilung zu, als Zeichen, dass dieser beginnen solle. Vielleicht, dachte er, während Percy seine Zahlen präsentierte, sollte ich selbst mal ein wenig den Kuppler spielen. Es war ihm bishe r noch nie in den Sinn gekommen, Miss Binks in Malcolm Wainscotts Richtung zu schubsen, und es war auch nichts, womit sich Benton normalerweise beschäftigte, doch da er in den kommenden Wochen selbst mit der Suche nach einer Frau ausgelastet sein würde, schien die Idee gar nicht so abwegig. Er wollte nicht, dass Miss Binks noch tiefere Gefühle für ihn entwickelte, und er hatte schon immer gedacht, dass sie und Malcolm gut zueinander passen würden.
Wer für ihn selbst in Frage käme, nun, da musste er wohl warten und sehen, was die angeblich so erfolgreiche Mindy für ihn bereithielt. Doch aus unerfindlichen Gründen hatte Benton mehr und mehr das Gefühl, einen schrecklichen Fehler begangen zu haben, als er sich Mindy McCrae anvertraut hatte. „Ist etwas nicht in Ordnung, Mr. Maxwell?" Es war wieder Miss Binks, die ihn mit ihren braunen Augen ein wenig entsetzt ansah. Wahrscheinlich ließen die Gedanken an Mindy McCrae ihn irgendwie krank aussehen. „Nein", erwiderte er. „Alles okay." Mit Ausnahme der Tatsache, dass er die Suche nach der künftigen Mrs. Maxwell in die unbeholfenen Hände einer Frau gelegt hatte, die nicht einmal eine Eistüte halten konnte. Er hatte das ungute Gefühl, dass ihr die Sache mit der Partnersuche genauso danebengehen würde.
2. KAPITEL
Am folgenden Nachmittag saß Mindy an ihrem Schreibtisch und begann langsam zu verzweifeln. Seit Stunden durchforstete sie ihre Kartei auf der Suche nach einer Frau, die Benton Maxwells Kriterien entsprach. Aber sie lebten im einundzwanzigsten Jahrhundert, und keine der Frauen, die zu Mindy gekommen waren, um einen Partner zu finden, war darauf aus, der Schoßhund eines Mannes zu werden. Die Frauen von heute hatten Karrieren und Ambitionen. Sie suchten nach Partnern, mit denen sie ihr Le ben teilen konnten, und hatten nicht vor, die „bessere Hälfte" eines Chauvis zu werden. Außerdem mochte Mindy ihre Kundinnen, und eine von ihnen in die Höhle des Löwen zu schicken, sprich mit Benton Maxwell zusammenzubringen, kam ihr vor wie ein Verbrechen. Das Klingeln der herzförmigen Glocke über der Tür riss Mindy aus ihren Gedanken. Jane kam mit zwei Eistüten in der Hand herein. „Du hast ge rade einen scharfen Jungen draußen verpasst, Mindy. Er hatte sogar einen von diesen süßen weißen Hunden dabei. Er wäre perfekt für dich gewesen." Fast hätte Mindy gefragt: „Der Junge oder der Hund?" Doch sie war nicht in der Stimmung, auf Janes Männerjagd einzugehen. „Ich bin erledigt", klagte sie, während sie das Eis entgegennahm. Ein kleiner Teufel in ihr malte sich aus, was gestern wohl geschehen wäre, wenn das Eis auf Benton Maxwells teure Schuhe oder gar auf seiner Anzugshose gelandet wäre. Wenn der Mann jetzt durch die Tür käme, wäre sie fast versucht, genau das geschehen zu lassen. Dann würde er vielleicht sein Geld zurückverlangen und woanders hingehen. Doch so fühlte sie sich gezwungen, ihren Verpflichtungen ihm gegenüber nachzukommen. Immerhin hatte sie sein Geld akzeptiert, nachdem sie erkannt hatte, wie viel er bereit war zu zahlen. „Ist er denn wirklich so schlimm?" fragte Jane und setzte sich hinter ihren Schreibtisch. „Ja, das ist er wirklich." Jane hatte Bentons Besuch ja verpasst und nicht glauben wollen, was Mindy ihr hinterher erzählt hatte. „Aber er war so groß und gut aussehend." Mindy griff nach der inzwischen etwas zerknitterten Liste, die er für sie dagelassen hatte, und wedelte damit in der Luft herum. „Sie muss wissen, wann sie sich meiner Meinung zu beugen hat", erinnerte sie Jane zornig. Jane neigte den Kopf, als wollte sie Mindy bitten, zuzugeben, dass das alles erfunden war. „Und er war so sexy." „Wenn nötig intelligent", fügte Mindy hinzu. „Wenn nötig! Ich bitte dich." „Und vergiss nicht, dass er reich ist. Ich könnte herausfinden, wann es nötig ist, intelligent zu sein, wenn ich mir einen so reichen Mann angeln könnte." „Jane!" schimpfte Mindy fassungslos. „Er ist ein ganz übler Chauvi! Und die ganze Sache war ihm nicht einmal so wichtig, dass er Zeit für ein Interview mit mir aufbringen wollte." Sie leckte ihr tropfendes Eis. „Glaub mir, manchmal gibt es Wichtigeres im Leben, als dass der Mann groß, gut aussehend und sexy ist." „Warum willst du keinen Mann?" fragte Jane unvermittelt. Mindy zuckte überrascht zurück. „Was?" Jane betrachtete sie misstrauisch. „Du hast mich sehr wohl gehört. Warum willst du keinen Mann? Alle anderen wollen einen. Und das bedeutet nicht, dass wir schwach oder rückgradlos oder abhängig sind. Es bedeutet einfach, dass wir einen Mann wollen. Wir wollen Gesellschaft, Liebe. Zumindest Sex. Warum willst du das alles nicht? Wie kann eine Frau, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, für andere einen Partner zu finden, selbst glücklich ohne einen Mann sein?" Mindy verzog verärgert das Gesicht, als sie einen kleinen Stich im Herzen verspürte. Das Eis tropfte inzwischen auf ihre Hand, und wütend warf sie es kurz entschlossen in den Mülleimer. Nachdem sie sich die Finger abgewischt hatte, wandte sie ihre Aufmerksamkeit
wieder dem Laptop zu. „Jane, das ist jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt für eine weitere Lektion über Männer. Ich muss eine Frau für Benton Maxwell finden." „Ah." Jane nickte wissend. Mindy warf ihr einen Seitenblick zu. „Ah? Was heißt das?" „Es bedeutet, dass sich mehr hinter der ganzen Sache verbirgt, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Es bedeutet, dass ich deinen schwachen Punkt entdeckt habe, meine Liebe." „Meinen schwachen Punkt? Wovon redest du?" Jane lächelte selbstzufrieden. „Du weißt genau, wovon ich rede. Wenn du wirklich keinen Mann willst, dann gibt es einen Grund dafür. Aber du willst ihn mir nicht verraten. Ich werde nicht weiter bohren. Ich bin sicher, irgendwann wird es herauskommen, wenn du bereit bist, dich jemandem mitzuteilen." „Jane, du schaust zu viel Fernsehen und liest zu viele Romane. Im wirklichen Leben hat nicht jeder, der den sozialen Trends nicht folgt, ein tief greifendes Problem. Einige Menschen sind einfach anders." Jane riss die Augen auf. „Bist du lesbisch?" „Jane!" „Es wäre doch nichts Schlimmes. Ich dachte nur ..." „Ich bin nicht lesbisch, okay? Ich bin nur nicht so optimistisch, wenn es um Männer geht, das ist alles." Das entsprach der Wahrheit. Es gab keine dunklen Geheimnisse, keine tragische Liebesgeschichte in ihrer Vergangenheit. Aber es gab auch keine große Liebe. Vielleicht wäre ein gebrochenes Herz besser als die Leere in ihrem Herzen. Viele behaupteten ja, es wäre besser, geliebt und verloren zu haben, als niemals geliebt zu haben. Sie hatte jedenfalls noch nie einen Mann getroffen, bei dem ihr Herz höher geschlagen hätte. In den vergangenen Jahren war sie mit Männern ausgegangen, die sie in gewisser Weise an Ben ton Maxwell erinnerten, und das war niemals gut gegangen. Sie war auch mit Männern zusammen gewesen, die das ge naue Gegenteil von Benton Maxwell gewesen waren. Nette, respektvolle, sensible und ... langweilige Männer. Sie hatte Männer getroffen, die irritierend gewesen waren und schlechte Angewohnheiten gehabt hatten oder die sich für weit lustiger hielten, als sie waren. Sie hatte eine Menge Männer kennen gelernt, aber sie hatte noch nie einen gefunden, der wirklich zu ihr gepasst hätte. Auf Grund ihres Jobs glaubte sie natürlich an die Liebe. Sie hatte zu viele glückliche Menschen erlebt, um daran zu zweifeln, und es war ihr großes Talent, die richtigen Menschen zusammenzubringen. Deshalb hatte sie ihre Partnervermittlung eröffnet. Doch mit neunundzwanzig hatte sie für sich selbst die Suche aufgeben. Es gefiel ihr ganz gut, ihr Leben ohne Mann. Manchmal, wenn sie darüber nachdachte, verspürte sie zwar einen Stich in ihrem Herzen, doch alles in allem ging es ihr gut. Sie konzentrierte sich wieder auf den Computerbildschirm, auf den sie den ganzen Nachmittag gestarrt hatte, bevor sie seufzte. „Ich bin zu einer Entscheidung gelangt." „Soll ich den Typ mit dem Hund für dich aufspüren?" fragte Jane. „Nein, ich möchte, dass du in den Hobbyshop gehst und ein paar Dartpfeile für mich kaufst." „Dartpfeile?" Mindy nickte ernst. „Genau." Ohne weitere Erklärung schickte sie Jane los. Und während Jane die Pfeile besorgte, druckte Mindy die Liste all jener Kundinnen aus, die zumindest Benton Maxwells Kriterien in Bezug auf ihr Äußeres entsprachen. Weiter konnte sie die Liste nicht einschränken, also sah sie nur noch eine Möglichkeit, um das Problem zu lösen und sich von ihren Qualen zu befreien. Als Jane zurückkam, klebten sie die Namensliste an die Wand. Mindy nahm das geblümte Tuch vom Hals und bat Jane, es ihr über die Augen zu binden. Dann ließ sie sich von ihr in die richtige Richtung weisen und zielte mit dem ersten Dartpfeil auf die Liste. Er landete auf
dem Boden. Im zweiten Anlauf schaffte sie es zu treffen. Mindy nahm das Tuch ab und ging zur Wand, um zu sehen, wer die Unglückliche war. Doch der Pfeil steckte genau zwischen zwei Namen. „Umso besser", meinte Mindy. „Auf diese Weise haben wir schon zwei Verabredung für ihn." Fünf Minuten später ließ sie sich in Benton Maxwells Büro durchstellen. Obwohl sie nicht darauf erpicht war, mit ihm zu sprechen, wollte sie es so schnell wie möglich hinter sich bringen. Als er schließlich abnahm, klang er wie üblich ziemlich abgehetzt. „Benton Maxwell." Sie hatte vergessen, wie tief und wohltönend seine Stimme war, und das brachte sie ein wenig aus der Fassung. „Mr. Maxwell, hier ist Mindy McCrae. Ich habe zwei Frauen für eine Verabredung mit Ihnen ausgewählt und rufe an, um Ihnen deren Privatnummern durchzugeben. Ich werde die beiden heute Nachmittag noch anrufen, um sie auf Ihren Anruf vorzubereiten." „Sehr gut", sagte er so, dass es sie irritierte. Nachdem sie ihm die Namen und Telefonnummern der Frauen mitge teilt hatte, fragte Ben ton: „Und diese Frauen entsprechen meinen Kriterien?" Mindy seufzte, verärgert über sein Misstrauen, auch wenn sie nicht abstreiten konnte, dass es begründet war. „Ja, es sind beides sehr hübsche, intelligente Frauen." „Was ist mit der Dritten? Sie sagten, ich bekomme drei, oder?" „Ich ... ich arbeite noch daran." Sie versuchte, zuversichtlicher zu klingen als sie war. „Aber vielleicht haben wir Glück, und eine dieser beiden ist schon Ihre Traumfrau." Benton raste bei Gelb über die Ampel, erpicht darauf, die Verabredung mit dieser Kathy hinter sich zu bringen. Er hatte auch nicht vor, sie noch einmal zu treffen. Mindy musste verrückt sein, wenn sie glaubte, dass eine der Frauen, die sie ausgesucht hatte, die Richtige für ihn war. Dieser Abend war ein Albtraum gewesen, sogar noch schlimmer als die Verabredung mit wie hieß sie noch? Anita - Anfang der Woche. „Wollen Sie mich umbringen?" fragte Kathy und bezog sich wohl auf seine Geschwindigkeit, vermutete Benton. Hatte er am Beginn des Abends noch gedacht, sie wäre ganz nett, fand er inzwischen, dass sie eher einem Piranha glich. „Nein, ich versuche nur, diesen Abend so schnell wie möglich zu beenden, damit wir beide von unseren Qualen erlöst werden." Der Abend hatte schon problematisch begonnen, als Kathy erklärte, wenn es nach ihr ginge, wäre es illegal, mit solch einem extravaganten Auto wie seinem durch die Gegend zu fahren, während in Äthiopien Kinder verhungerten. Benton hatte ihr erklärt, dass ein Mann in seiner Position einem gewissen Bild entsprechen müsse. Außerdem fand er, dass man sich für harte Arbeit auch belohnen dürfe, doch davon hatte sie nichts hören wollen. Es wurde jedoch noch schlimmer, als sie ihm erzählte, dass sie Professorin für Kommunikation an der Universität von Cincinnati sei. Sie liebe ihren Job und habe vor, dort bis zur Pensionierung zu bleiben. „Sie wären nicht bereit, diese Lebensplanung zu ändern, wenn etwas Besonderes, wie zürn Beispiel eine Heirat, dazwischen käme? Wenn Sie einen Mann heiraten würden, der Ihre Hilfe bei zahllosen gesellschaftlichen Anlässen benötigte?" Sie hatte ihn nur Verständnis- und fassungslos angestarrt. Okay, er war nicht gerade subtil vorgegangen, aber er hatte gedacht, dass Mindy, die Kupplerin, Kathy darüber aufgeklärt hatte, was er von einer Frau erwartete. Danach hatten sie sich fast während des gesamten Essens nur gestrit ten, und Benton hatte das Gefühl, dass sie ihn offensichtlich hasste, obwohl er nicht wusste, was er getan hatte, um sie zu beleidigen. Vielleicht war es nicht gerade taktvoll gewesen, zu erwähnen, dass er Katzen ablehnte, als sie ihm von der Katze ihrer Schwester erzählte, die gerade mehrere Junge
bekommen hatte. Doch da hatte er schon längst aufgegeben, auf einen netten Abend zu hoffen. Benton hielt vor Kathys Wohnung, bereit, sie zumindest noch zur Tür zu bringen, doch sie stieg aus und meinte nur: „Bis dann", bevor sie hastig verschwand. Das war's, dachte er, während er erleichtert davonfuhr. Mindy McCrae hatte gutes Geld dafür bekommen, dass sie ihn mit Frauen bekannt machte, die ein Leben in Luxus und mit viel Freizeit schätzten, und er bekam nicht, worum er gebeten hatte. Dabei war er davon ausgegangen, dass die Frauen Schlange stehen würden, um diese Rolle auszufüllen. Wie schwer kann es schon sein, jemanden zu finden, fragte er sich. So viel zu Mindy McCraes erstaunlicher Erfolgsrate. Morgen würde er ihr einen kleinen Be such abstatten und ihr seine Meinung sagen. „Ich entschuldige mich noch einmal bei Ihnen, Kathy. Es tut mir wirklich Leid, dass es nicht geklappt hat, und ich werde sicherstellen, dass es nicht wieder vorkommt." Mindy legte den Telefonhörer auf und kam sich zum zweiten Mal in dieser Woche grässlich vor. Anfang der Woche hatte Anita Barker angerufen, um sich zu beschweren, dass Benton überhaupt nicht dem entsprach, was sie sich von einem Mann erwartete. Auch wenn Mindy es nicht offen zugab, wusste sie, dass das die Wahrheit war. „Ich hatte das Gefühl, dass er es ziemlich eilig hatte, die Verabredung hinter sich zu bringen", hatte Anita geklagt. „Wir hasteten zum Restaurant, wir hasteten durchs Essen und - ob Sie es glauben oder nicht - aber er hat sogar für mich bestellt! Haben Sie schon jemals etwas so Verstaubtes gehört?" Nicht vor Benton Maxwell, hätte Mindy am liebsten gesagt, doch sie hielt den Mund. Aber sie war nicht überrascht, dass Benton Maxwell glaubte, er könne das Essen für eine Frau besser aussuchen als sie selbst. Anita war jedoch offensichtlich nicht geneigt, sich Bentons Meinung zu unterwerfen. Mindy konnte es ihr nicht verübeln, auch wenn sie etwas anderes gehofft hatte. Die Telefonate beschämten Mindy. Dabei hatte sie eigentlich gewusst, dass es nicht gut gehen konnte. Die Mehrzahl ihrer Kundinnen war clever und unabhängig, Frauen von heute. Und sowohl Kathys als auch Anitas Profile hatten mit Bentons nicht übereingestimmt. Kathy suchte einen nüchternen Mann, bei dem sie sie selbst sein konnte, während Anita sich jemanden mit Sinn für Humor wünschte. Und Mindy hatte den Nerv besessen, sie mit Benton Maxwell zu verkuppeln! Doch das Problem blieb - keine Frau wollte jemanden wie ihn, und sie hatte ihm drei Verabredungen versprochen. „Lass mich raten", sagte Jane, als sie Mindys Gesichtsausdruck sah. „Das zweite Opfer von Mr. Groß, Gutaussehend und Sexy?" „Genau. Und sie hatte allen Grund, wütend zu sein. Ich hätte niemals zwei gute Kundinnen einem Wolf im Maßanzug opfern dürfen." „Sei nicht so hart zu dir. Es hätte jedem passieren können. Bestimmt haben auch andere Partnervermittler mal einen schlechten Tag." „Aber deshalb fühle ich mich ja so miserabel. Es war kein schlechter Tag. Ich wusste genau, was ich tat. Ich habe die beiden Frauen zur Schlachtbank geführt, nur damit ich viel Geld verdiene." Jane betrachtete sie skeptisch. „Nun übertreibe nicht gleich. Es waren ein paar misslungene Verabredungen, nicht das Ende der Welt. Es ist nie mand zu Schaden gekommen." „Trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich den unausgesprochenen Eid meinen Kunden gegenüber gebrochen habe, nämlich meine Fähigkeiten nach bestem Wissen und Gewissen zu gebrauchen. Wie soll ich denn noch eine arme unvorbereitete Frau mit ihm losschicken? Womöglich haben Kathy und Anita ihr Vertrauen in mich verloren, und ich möchte nicht ris kieren, noch eine Kundin zu verlieren." „Na ja", meinte Jane, „du könntest Benton Maxwell ja ein Drittel seines Geld zurückgeben und ihm Adieu sagen."
Genau in diesem Moment wurde die Ladentür geöffnet, und herein kam ein großer, wütender Mann. „Wenn man vom Teufel spricht", flüsterte Jane, und Mindy warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu, bevor sie aufstand und um ihren Schreibtisch herumging, um Benton Maxwell zu begrüßen. Er sah noch genauso verflixt gut aus, wie sie ihn in Erinnerung hatte, jedes Haar war an seinem Platz, sein dunkelgrauer Anzug unterstrich die Farbe seiner Augen, die im Moment allerdings verärgert blickten. Und leider war er immer noch sehr viel größer als sie - etwas, was sie vergessen hatte -, und sie wurde sich dieses Nachteils schmerzlich bewusst. „Fünfundneunzig Prozent!" stieß er hervor. „Fünfundneunzig Prozent?" Er beugte sich so weit vor, dass ihre Nasen sich fast berührten, und eine Sekunde lang erstarrte Mindy. Sie nahm den Duft seines Aftershaves wahr und - halt! Das war unerheblich. Was dachte er sich eigentlich dabei, so in ihr Geschäft zu kommen und ihr ihre Erfolgsrate an den Kopf zu werfen, als wäre es eine Lüge? Sie holte tief Luft, trat einen Schritt zurück und maß ihn von oben bis unten. „Fünfundneunzig Prozent. Bevor Sie aufgetaucht sind jedenfalls." „In Anbetracht der Auswahl, die Sie für mich getroffen haben, glaube ich nicht einmal an eine Erfolgsquote von fünf Prozent. Ich frage mich, wieso Sie diese Frauen ausgesucht haben. Auf jeden Fall haben Sie sich nicht an dem Anforderungsprofil orientiert, das ich Ihnen gegeben habe." Mindy hatte genug von diesem Mann. „Setzen Sie sich", sagte sie und legte dann die Hand fest auf seine Brust und drückte ihn auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch. Sein Gesichtsausdruck, als er sich setzte, verriet, dass er nicht wusste, wie ihm geschah. Offenbar hatte es noch nie jemand gewagt, ihn so zu behandeln. Was sein Problem ist, entschied Mindy. Es gefiel ihr, ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen, „Das ist schon besser", meinte sie. „Sie, Mr. Maxwell, haben noch eine Menge über Frauen zu lernen." „Tatsächlich?" Er schien sich langsam von seinem Schock zu erholen. „Ja. Zum einen kann man eine Frau nicht auf eine Liste von Eigenschaften reduzieren und dann hoffen, dass man eine Lebensgefährtin findet. Und wenn Sie schon solch eine Liste schreiben, dann hilft es, wenn sie nicht so klingt, als käme sie aus den fünfziger Jahren des letzten Jahr hunderts." Benton Maxwell seufzte. „Ich habe Ihnen einfach nur gesagt, was ich von meiner zukünftigen Frau erwarte, und Sie gebeten, passende Kandidatinnen für mich zu finden." „Leichter gesagt als getan in Ihrem Fall, fürchte ich." „Das heißt, Sie können es nicht? Sie sind nicht in der Lage dazu?" Er neigte den Kopf. „Lassen Sie mich eins fragen, Miss McCrae. Behandeln Sie alle Ihre Kunden so? Belehren Sie sie und kanzeln Sie sie wegen ihrer Vorlieben ab?" Er schaute sich hilflos um und deutete dann vage auf den Stuhl, auf dem er saß, „Und schubsen sie herum?" In dem Moment wurde Mindy etwas klar. Sie schaute in die blauen Augen von Benton Maxwell und verstand es endlich. Er hatte keine Ahnung. Er wusste nicht, dass er anmaßend und uneinsichtig war. Er wusste nicht, dass er ein Chauvi war. Er wusste nicht, dass er eine Frau suchte, die schon seit Jahrzehnten aus der Mode gekommen war. Er hatte ganz einfach keinen blassen Schimmer. Und er ging offensichtlich davon aus, dass sie verrückt war; sein Blick verriet es. Sie hielt diesem Blick einige Sekunden lang stand und hoffte, er würde erkennen, dass sie nicht verrückt, sondern ein netter, normaler, freundlicher Mensch war. Als der Ausdruck in seinen Augen jedoch erstaunt und halb verärgert blieb, gab sie es auf und entschied, dass es ihr egal war, was er von ihr dachte. Welche Frau mit Selbstachtung würde auf die Meinung dieses Mannes schon Wert legen? Trotzdem würde sie ihre Verpflichtung ihm gegenüber einhalten. Sie fühlte sich
herausgefordert und sogar versucht, etwas zu tun, was ein bisschen verrückt war. „Hören Sie zu", sagte sie mit fester Stimme. „Ich werde eine dritte Frau für Sie finden, jemanden, der Ihren Kriterien entspricht." „Offen gestanden glaube ich nicht, dass Sie das schaffen." Typisch. Auch der letzte Anflug von Mitleid, den Mindy verspürt haben mochte, verflüchtigte sich. „Ach ja?" „Ja." Mindy stemmte die Hände in die Hüften und reckte das Kinn vor. „Nun, Mr. Maxwell, das werden wir ja sehen." „Da hast du dir ja einen schönen Schlamassel eingebrockt", meinte Jane ein paar Minuten später, als die Ladentür sich hinter Benton Maxwell schloss. Mindy wandte sich ihrer Assistentin zu. „Nein, ich glaube nicht." Denn Mindy hatte eine Entscheidung getroffen, was Benton Maxwells dritte und letzte Verabredung anging. Es war eine irrwitzige Entscheidung, aber die Eingebung war ihr gekommen, als sie gemerkt hatte, dass er wirklich nicht wusste, wie unsinnig seine Erwartungen waren. „Ich warte", sagte Jane ungeduldig. „Ich werde gehen", erklärte Mindy. „Wohin willst du gehen?" „Ich werde mich mit ihm verabreden." „Was?" „Natürlich kann ich nicht ich selbst sein. Deshalb werde ich als Mandy gehen, meine erfundene Zwillingsschwester." Mindy lächelte triumphierend. „Schau nicht so entsetzt", bat sie dann. „Aber ich bin entsetzt." Mindy schüttelte den Kopf. Anscheinend hatte sie es nicht richtig erklärt. „Pass auf. Es wird perfekt klappen - ich entspreche seinen Kriterien. Ich bin klein, ich habe eine passable Figur, und ich bin intelligent, aber das muss ich ja nicht zeigen. Es sei denn, es ist nötig. Was vielleicht der Fall sein könnte, wenn ich ihm bei einem Problem helfen muss oder er je mandem imponieren möchte. Und ich werde diese blonde Perücke aufsetzen, die ich mir letztes Jahr für deine Halloweenparty gekauft habe, Erinnerst du dich, wie ich mich als Dolly Parton verkleidet habe?" Jane sah völlig entgeistert aus. „Wie kann ich das vergessen? Meine armen Jungs haben noch wochenlang von deinem falschen Busen ge schwärmt. " „Ich werde also die Perücke tragen und vorgeben, meine Schwester zu sein", fuhr Mindy fort. „Und ich werde ihn mein Essen bestellen lassen und mich seinen Entscheidungen beugen, und ich werde vorgeben, dass es mein größter Wunsch ist, geschmackvolle Gartenpartys für die Damen aus seinem Country Club zu organisieren. Ich werde wie die perfekte Kandidatin erscheinen, eine, an der er nichts auszusetzen haben wird. Verstehst du? Es ist perfekt." „Na ja, bis auf ein Problem. Was ist, wenn er dich mag?" Mindy lächelte boshaft. Das war das Beste daran. „Ganz einfach. Das wird er nicht. Denn auch wenn Mandy oberflächlich gesehen die perfekte Frau für ihn sein wird, habe ich vor, im Laufe des Abends seine Welt ein wenig auf den Kopf zu stellen." Jane wirkte skeptisch, aber auch ein wenig fasziniert. „Was meinst du damit?" „Gegen Ende des Abends werde ich, also Mandy, das Gegenteil von dem sein, was er sich von einer Frau erhofft. Auf diese Weise schlage ich mehrere Fliegen mit einer Klappe." „Was für Fliegen?" „Zum einen kann ich ihm so beweisen, dass ich, Mindy, tatsächlich eine Frau finden konnte, die immerhin so schien, als wäre sie das, was er sich wünscht. Aber ich werde ihm auch zeigen können, dass Frauen, selbst wenn sie noch so brav wirken, sehr viel komplexere Wesen sind, als seine alberne Liste es vermuten lassen würde. Und vor allem", schloss sie,
„wenn der Abend zu Ende geht, werde ich meine Verpflichtung gegenüber Benton Maxwell los sein und brauche ihn nie wieder zu sehen."
3. KAPITEL
„Na, gibt es heute Abend wieder eine Verabredung?" wurde Benton von Phil Harper gefragt, mit dem er sich zum Mittagessen verabredet hatte. Der Dritte im Bunde, Mike Kelly, ließ sich gerade auf seinen Stuhl sinken, als Benton kurz und bündig mit „Ja" antwortete. Sie waren seine besten Freunde - sie kannten sich schon seit ihrer Collegezeit -, aber Benton hatte ihnen nicht erzählt, wie seine letzten Verabredungen zu Stande gekommen waren, aus Angst, dass sie annehmen könnten, er wäre verzweifelt und nicht einfach nur beschäftigt. Mike grinste. „Vielleicht klappt es ja diesmal besser als mit den letzten beiden. Carrie meint, es wird allmählich Zeit, dass du dich mit einer netten Frau häuslich niederlässt." Benton nickte. Seine glücklich verheirateten Freunde neckten ihn schon seit Jahren mit solchen Kommentaren, aber er hatte ihnen noch nicht verraten, dass er ihnen in letzter Zeit zustimmte. Es fiel ihm schwer zuzugeben, dass etwas in seinem Leben nicht perfekt war. „Und steht nicht der Fünfunddreißigste kurz vor der Tür?" fragte Phil. „Das ist doch ein guter Zeitpunkt für eine Hochzeit." Wenn sie wüssten, wie sehr seine eigenen Gedanken ihren ähnelten. Mike lachte und fügte hinzu: „Ja, bevor du zu alt bist, um die Flitterwo chen genießen zu können." Wieder ignorierte Benton die Stichelei. „Wir werden sehen." Die traurige Wahrheit war, dass er keine großen Hoffnungen hegte, was diese letzte von Mindy McCrae eingefädelte Verabredung betraf, und er bedauerte schon fast, sie gegenüber seinen Freunden erwähnt zu ha ben. Leider hatte er bei diesem Date ein ganz anderes Gefühl als bei den beiden vorherigen. Denen hatte er hoffnungsvoll und optimistisch entgegengesehen. Doch inzwischen war er nicht mehr so naiv. Und einige Stunden später, als er aus der Dusche kam, war er noch immer skeptisch. Er wusste, entweder instinktiv oder aus Gewohnheit, dass es noch ein Debakel werden würde. Einen Moment lang überlegte er, ob er diese Mandy anrufen und absagen sollte. Am Telefon gestern Abend hatte sie ganz nett geklungen, aber so leicht ließ er sich nicht mehr täuschen. Schließlich hatte dieselbe Frau alle drei Verabredungen organisiert. Das Bild der kleinen rothaarigen Mindy mit den funkelnden grünen Augen schoss ihm durch den Kopf. Ein Hitzkopf, dachte er. Es war nicht das erste Mal, dass er ihr Bild vor Augen hatte. Als sie in ihrem Büro gestanden und sich gestritten hatten, war sie ihm niedlicher vorgekommen, als er sich erinnerte. Sie hatte ein lässiges, aber figurbetontes hellgrünes Kleid getragen, das zwar ziemlich schrill gewesen war, ihr aber gestanden hatte. Nicht dass es für ihn von Interesse war, was solch einer verrückten Person stand, aber an diesem Tag war sie ihm irgendwie anders aufgefallen als bei ihrem ersten Treffen. Wahrscheinlich hatte es daran gelegen, wie sie ihn auf den Stuhl geschubst hatte. Er war es einfach nicht gewohnt, dass Frauen ihn herumkommandierten. Während er den Knoten seiner Seidenkrawatte gerade zog, erkannte er, dass ihn dieser Vorfall noch immer erstaunte. Abgesehen davon, dass er das Gefühl gehabt hatte, in eine ihm völlig fremde Welt geraten zu sein, in der die Dinge nicht nach seinem Willen liefen, hatte die Begegnung ihn auch noch in anderer Beziehung erschüttert. Es hatte Sinn gehabt, dass sein Herz heftig geklopft hatte, als er ge gangen war, schließlich war er sehr wütend gewesen. Aber wieso bekam er Herzklopfen, wann immer er an die Begegnung dachte? Er hatte immer alles unter Kontrolle - sich selbst, sein Leben, seine Be ziehungen. Miss Binks zum Beispiel. Sie war verrückt nach ihm, doch ihre Gefühle beeinflussten ihn in keiner Weise. Und die gleiche Beherrschung besaß er in Geschäftsdingen. Unter Druck blieb er
gelassen. Doch eine kleine Rothaarige schob ihn auf einen Stuhl, und er fing an zu schwitzen. Er schüttelte den Kopf, als er sein Jackett nahm und das Schlafzimmer verließ. Denk nicht an Mindy, ermahnte er sich. Jetzt gab es keinen Grund zu schwitzen. Doch als er einen Finger zwischen Hals und Kragen steckte, wünschte Benton sich bereits, er könnte seine Krawatte lockern. Als der Mercedes vor Mindys Haus hielt, beschleunigte sich ihr Puls. Es hatte sich zwar ganz lustig angehört, als sie die Sache geplant hatte, aber jetzt, da sie sie durchziehen und vorgeben sollte, jemand anderes zu sein, bekam sie kalte Füße. Doch es blieb ihr keine Zeit mehr, das Ganze zu bereuen. Also ließ sie die Gardine sinken und schaute noch einmal in den Spiegel in ihrem Schlafzimmer. Kein einziges rotes Haar lugte unter der blonden Perücke hervor, die ihr bis zu den Schultern reichte. Der hellrosa Lippenstift sowie das rosa Kostüm passten gut zu ihrer veränderten Haarfarbe. Es war ein modernes Kostüm, dessen Rock einige Zentimeter oberhalb des Knies endete, das jedoch äußerst vornehm wirkte, so dass Mindy einen weiteren Haken auf Bentons Liste machen konnte. „Was denkst du, Venus?" fragte sie ihre Katze, die sie von der Fensterbank aus beobachtete. Mindy nahm das Schweigen ihrer Hausgenossin sowie die Tatsache, dass die Katze angesichts ihres veränderten Aussehens nicht in Aufregung geriet, als ein gutes Zeichen. Sie trat in den Flur hinaus und schloss die Tür hinter sich, gerade als es klingelte. Okay, dachte sie. Die Katze ist im Schlafzimmer versteckt. Das Haus sehr viel ordentlicher als sonst, was für Benton vermutlich wichtig war. Ja, alles hatte seine Richtigkeit. Als es erneut klingelte, murmelte sie wütend: „Ungeduldig wie immer", bevor sie zur Tür ging. Sie holte tief Luft und setzte das einstudierte Lächeln auf. Dann riss sie die Tür auf. „Hallo, Sie müssen Benton sein!" sagte sie fröhlich und schluckte dann. Verflixt, sie vergaß immer wieder, wie ungeheuer gut er aussah. Sie war so damit beschäftigt, ihn anzuschauern, dass sie fast seinen ge schockten Gesichtsausdruck übersah. Fassungslos starrte er sie an. „Ah, Mindy?" „Nein, aber es ist ein verständlicher Fehler." Sie sprach mit einer weicheren Stimme als sonst. „Ich bin Mandy, Mindys Schwester." Er sah sie mit offenem Mund an, und Mindy konnte nicht umhin, ein klein wenig Freude zu empfinden. Sie stellte fest, dass es ihr gefiel, ihn aus der Fassung zu bringen. „Mindy hat eine Zwillingsschwester?" Es klang so, als wollte er sagen: „Ein Monster?" Er schien entsetzt, als sie nickte. „Doch wir sind uns gar nicht so ähnlich", beeilte sie sich, damit er sich nicht umdrehte und flüchtete. „Wir haben wenig gemeinsam." „Sie sehen aber ziemlich gleich aus." „Nicht wirklich", beharrte sie. „Vor allem nicht seit Mindy sich ihr Haar hat schneiden und rot färben lassen." Benton blinzelte. „S ie ist eigentlich eine Blondine?" Sie nickte. „Genau wie ich." Sie bedeutete ihm hereinzukommen. „Möchten Sie etwas trinken?" Er schaute auf seine Uhr. „Unser Tisch im ,Greenwood' ist in einer halben Stunde reserviert." Typisch, dachte sie. Immer in Eile. Doch sie war heute ja seine Traumfrau, und Traumfrauen mäkeln nicht, sie lächeln, und genau das tat Mindy dann auch. „In Ordnung. Ich mache schnell das Licht aus, und dann können wir los." Als Mindy durchs Zimmer ging und erst die eine und dann die andere Lampe ausschaltete, konnte sie nicht umhin, zu hoffen, dass Benton ihr nachsah. Schließlich hatte er nach einer kleinen, gut gebauten Frau verlangt, und sie hatte in den letzten Jahren hart daran gearbeitet, ihre Figur in Form zu halten, so dass sie nichts dagegen hatte, wenn er es bemerkte.
„Was machen Sie denn beruflich, Mandy?" Sie drehte sich mit einem engelsgleichen Gesichtsausdruck zu ihm he rum, froh, dass sie diesen Teil ihres Plans vorher überdacht hatte. „Ich bin Empfangssekretärin." Empfangssekretärinnen mussten klug sein, doch Männer, die welche hatten, wie Benton Maxwell sicherlich auch, erkannten oftmals gar nicht, wie klug sie waren. Außerdem war es ein Beruf, der keine lange Ausbildung erforderte, also wäre es völlig glaubhaft, wenn sie ihre Bereitschaft bekundete, ihn aufzugeben. Es war der perfekte Beruf für Mandy. „Sehr gut", sagte er mit diesem ärgerlichen Ton, der so klang, als gäbe er gnädig seine Zustimmung. Trotzdem lächelte sie immer noch. „Und wo arbeiten Sie?" Mindy erschrak. So weit hatte sie nicht gedacht, vermutlich weil sie überhaupt nicht damit gerechnet hatte, dass es ihn interessieren könnte. Doch geistesgegenwärtig nannte sie die größte Firma der Stadt. „Procter & Gamble", und war erleichtert, als er zustimmend nickte. Mindy hatte gar nicht gewusst, dass sie so eine gute Lügnerin war. Aber das war wohl ganz gut so, schließlich musste sie den Rest des Abends weiterlügen. Als Benton ein paar Minuten später die Wagentür aufhielt, schaute er heimlich bewundernd auf Mandys lange, schlanke Beine, während sie einstieg. Und als er den Mercedes in die Innenstadt lenkte, warf er immer wieder einen Blick hinüber auf den Beifahrersitz. Mandy, Mindys Zwillingsschwester. Er konnte es nicht glauben. Abgesehen von den Haaren, war die Ähnlichkeit verblüffend. Er ging immer noch davon aus, dass der Abend ein Desaster werden würde, denn er konnte sich nicht vorstellen, dass eine Schwester von Mindy auch nur annähernd seinen Wünschen entsprechen könnte, aber er konnte auch nicht aufhören, sie fasziniert anzuschauen. Sie war auf eine elegante Art ziemlich sexy, etwas, das Benton durchaus anziehend fand. Ihr Kostüm war modern und doch sehr feminin. Der Stoff betonte ihre gute Figur, ohne aufdringlich zu wirken, und kontrastierte schön mit dem schwarzen Spitzentop, das sie dazu trug. Und ihre glänzenden rosa Lippen waren einfach bezaubernd. Rosa war nicht unbedingt eine seiner Lieblingsfarben, aber Mandy stand sie ausgezeichnet. Alles an ihr war elegant, schlicht und aufregend. „Wie lange arbeiten Sie schon bei Procter & Gamble?" fragte er, an die Unterhaltung von vorhin anknüpfend. „Seit meinem Collegeabschluss." Sie lächelte ihn an. „Acht Jahre." Benton rechnete aus, dass sie ungefähr dreißig war. Perfekt. Erwachsen genug, um sich ihrer sicher zu sein und zu wissen, was sie vom Leben erwartete, doch gleichzeitig jung genug, um attraktiv und voller Leben zu sein, und außerdem jung genug, um Kinder zu bekommen, was er auf jeden Fall wollte. „Und sind Sie zufrieden mit dem Job?" „Ich arbeite gern dort, aber ich möchte es nicht für immer machen." „Nein?" fragte er neugierig. „Was möchten Sie denn noch gern tun?" Sie lächelte zögernd. „Na ja, es klingt vielleicht ein wenig altmodisch, aber wenn ich einmal den Richtigen finde und mich häuslich niederlasse, dann würde ich gern ein einfacheres, weniger hektisches Leben führen. Vielleicht als Ehefrau und Mutter." Errötend schaute sie ihn an und wartete auf seine Zustimmung. Sie konnte nichts ahnen von der puren Freude, die Benton durchströmte. Schon jetzt begann er tiefere Gefühle für diese Frau zu hegen. Sie erregte ihn, und gleichzeitig genoss er ihre Gesellschaft. Er war vielleicht ein wenig voreilig - und er war vernünftig genug, um das auch zu erkennen -, aber noch keine Frau hatte solche Gefühle in ihm ausgelöst, schon gar nicht nach zehnminütiger Bekanntschaft. Und das, obwohl sie Mindys Schwester war. „Ich hoffe, Sie finden nicht, dass es mir an ... Ehrgeiz mangelt", meinte sie. Hastig schüttelte er den Kopf und sah sie an. „Nein, überhaupt nicht. Ich finde das wunderbar." „Benton, Vorsicht!" rief sie erschrocken. Benton konzentrierte sich wieder auf die Straße und sah, dass ein Laster auf der
Überholspur dahinkroch. Er trat auf die Bremse und spürte dann, dass seine Wangen ganz warm wurden. Verdammt, er errötete. Er konnte sich nicht erinnern, wann ihm das zum letzten Mal passiert war. Ohne Mandy anzusehen, entschuldigte er sich. Als er kurz darauf einen Blick zu ihr riskierte und sah, dass sie lächelte, grinste er verlegen und kam sich vor wie ein Sechzehnjähriger bei seiner ersten Verabredung. Er parkte vor dem „Greenwood" und half Mandy beim Aussteigen. Als sie seinen Arm nahm und mit ihm über den roten Teppich zum Eingang schritt, kam Benton sich vor wie ein König - nicht nur, dass er mit einer hübschen Frau in sein Lieblingsrestaurant ging, er mochte diese Frau wirklich. Er ermahnte sich, seine Hoffnungen nicht zu hoch zu schrauben, nach den Erfahrungen, die er mit den bisherigen, von Mindy McCrae aus gewählten Frauen gemacht hatte, aber gleichzeitig musste er zugeben, dass er sich in ihr vielleicht doch getäuscht hatte. Denn wie schlimm konnte sie wirklich sein, wenn sie eine so nette Schwester hatte? Ben ton ent schied, dass er Mindy vergeben würde, wenn das hier klappte. Nachdem sie Platz genommen hatten, bestellte Benton den Wein und spürte dabei Mandys bewundernden Blick auf sich. Dies ist endlich mal eine Frau, die einen Mann mit besonderen Fähigkeiten zu schätzen weiß, dachte er. Als der Kellner ging, und Benton wieder zu Mandy schaute, begegnete sie seinem Blick. Die Luft zwischen ihnen schien auf einmal elektrisch geladen, als sie sich tief in die Augen sahen. Man konnte das Knis tern förmlich spüren. Erst als ein weiterer Kellner an ihren Tisch trat und ihnen die Speisekarten reichte, brach der Bann. „Der gebackene Hummer hier ist ausgezeichnet", begann Benton, doch dann fiel ihm ein, dass die beiden anderen Frauen, mit denen er ausge gangen war, es nicht gemocht hatten, dass er für sie bestellte, und diesmal wollte er die Sache nicht vermasseln. „Wenn Sie Hummer mögen, natürlich nur. Ich bin sicher, dass auch die anderen Gerichte hier gut sind." Über die Karte hinweg lächelte Mandy ihn an. „Ich würde den Hummer gern probieren. Ich mag Männer, die sich in exquisiten Restaurants auskennen. Solche extravaganten Verabredungen sind wundervoll, vor allem, wenn man mit einem Mann wie Ihnen zusammen ist. Das nimmt einem den Druck." Sie lachten beide, und Benton fragte sich, womit er so viel Glück verdient hatte. „Ich habe festgestellt, dass es heutzutage schwer ist, eine Frau zu finden, der es gefällt, gut essen zu gehen. Es freut mich, dass es Ihnen Freude bereitet." Für jemand, der sonst so ernst war, lächelte er heute Abend ziemlich viel. Mandy zog ihn immer mehr in ihren Bann, und aus einem Impuls heraus griff er über den Tisch und umschloss ihre weiche, zarte Hand. „Darf ich Ihnen etwas sagen?" „Natürlich." Ihre Augen leuchteten wie zwei herrlich geschliffene Sma ragde im Kerzenlicht. „Sie haben wunderschöne Augen." Noch während er die Worte sagte, konnte Benton nicht fassen, was er da tat. Er war schon mit Dutzenden von Frauen ausgegangen, aber noch nie waren solche Worte über seine Lippen gekommen. Doch er kam in eine lächerlich romantische Stimmung, wenn er Mandy nur ansah. „O h, danke." Die Röte, die ihre Wangen überzog, gefiel ihm, und er lachte leise, teils über sich selbst und teils über die ungewöhnliche Situation, in der er sich befand. Offensichtlich waren sie beide ein wenig nervös und erstaunt, wie schnell die Dinge sic h zwischen ihnen entwickelten. „Das war es eigent lich gar nicht, was ich Ihnen sagen wollte", gab er zu. „Es ist mir einfach so herausgerutscht." Unverwandt blickte sie ihn an. „Was wollten Sie mir denn sagen?" Benton seufzte. „Die Wahrheit ist, dass ich keine allzu großen Hoffnungen für den Abend gehegt habe, als ich zu Ihnen kam und feststellte, dass Sie Mindys Schwester sind. Wissen Sie, Ihre Schwester und ich kamen nicht ganz so gut miteinander zurecht." Sie nickte. „Das hat sie erwähnt." „Aber Sie hatten Recht. Sie ähneln ihr überhaupt nicht. Und mir gefällt der Abend
ausgezeichnet. Ich hoffe, Ihnen auch." Ihr Lächeln drang bis in sein Innerstes vor. „Ja, Benton, mir auch." Dann drückte sie seine Finger, die sich um ihre geschlossen hatten, und das Blut begann in seinen Adern zu rauschen. Mindy konnte nicht aufhören, in Bentons blaue Augen zu starren. Seine große Hand auf ihrer ließ ihren Puls höher schlagen. Was dachte sie sich eigentlich dabei? Sie gaukelte ihm seine Traumfrau vor, nichts weiter natürlich. Sie gab ihm auf jede Frage die Antwort, die er gern hören wollte, wobei sie ihm bewundernde Blicke zuwarf. Es war alles ein gekonntes Schauspiel. Oder etwa nicht? Natürlich, ermahnte sie sich. Du spielst nur eine Rolle. Doch als er ge sagt hatte, dass ihre Augen wunderschön seien, hatte sie ihm geglaubt. Sie war sogar errötet, verflixt. Zu ihrer Überraschung fand sie Benton viel weniger aggressiv als sonst, und wenn sie es nicht besser wüsste, könnte sie fast annehmen, er wäre daran interessiert, sie besser kennen zu lernen und ihr zuzuhören. Sollte sie ihn etwa zu voreilig verurteilt haben? Doch selbst wenn sie es getan haben sollte, musste sie dieses romantische Gefühl, das sie auf einmal verspürte, unterdrücken. Sie musste ihren Plan durchziehen und zu irgendeinem Zeitpunkt etwas tun, was ihn abstoßen würde. Sie hatte keine andere Wahl, nicht nur, weil es Teil ihres Plans war, sondern auch weil sie sich für eine Frau ausgab, die gar nicht existierte. Ihn zu mögen stand nicht zur Debatte. Zum Glück half es ihr zu hören, wie glücklich er darüber war, dass sie Mindy in keiner Weise ähnelte. Es bestärkte sie darin, zu ihrem Plan zu stehen. Denk immer daran, ermahnte sie sich, während er das Essen für sie bestellte. „Auf einen ganz besonderen Abend", sagte Benton einen Moment später und hob sein Glas. Sie stieß mit ihm an. „Und auf Sie, Mandy, weil Sie diesen zu einem solchen machen." Mindy biss sich auf die Lippen und trank einen Schluck. Fast vergaß sie, was sie gerade gedacht hatte. Er war heute einfach ... zu perfekt. Und im Laufe des Abends blieb er auch weiterhin ein charmanter Unterhalter. Er fragte sie nach ihrem Job, was Mindy dazu zwang, sich neue Lügen auszudenken, sie aber immer wieder daran erinnerte, dass nichts, was heute Abend hier geschah, etwas mit der Realität zu tun hatte. Und als er sie nach ihrer Familie fragte, erwähnte sie die Scheidung ihrer Eltern, doch da sie jetzt ja nicht länger ein Einzelkind war, versuchte sie, die Konversation zu diesem Thema auf ein Minimum zu beschränken. Er erzählte von seinem Job, seiner Firma, und er erzählte Mandy viel mehr von seiner Familie, als er bereit gewesen war, Mindy bei ihrem ersten Treffen anzuvertrauen. Was er Mindy mehr oder weniger als kühle, erfolgsgetriebene Angehörige beschrieben hatte, entpuppte sich jetzt als warmherzige, freundliche Familie. Er berichtete, wie sehr er sich immer auf die Ferien freute, da es bedeutete, dass er seinen Bruder, seine Schwester und seine Eltern sowie die Neffen und Nichten zu sehen bekam. „Wir versuc hen immer, es so einzurichten, dass wir uns im Sommer bei meinen Eltern in Boca treffen können, doch es ist ziemlich schwierig, all unsere Termine entsprechend abzustimmen." „Jetzt, da Ihre Eltern in Florida leben, wo verbringen Sie denn Weihnachten?" „Hier, wo wie alle groß geworden sind", erklärte er. „In meinem Haus. Es gefällt mir, denn das ist die einzige Zeit, in der all die Schlaf- und Badezimmer genutzt werden. Den Rest des Jahres ist das Haus leer, abgesehen von mir, natürlich." Mindys Herz zog sich ein wenig zusammen, als sie hörte, wie traurig er darüber klang. Kein Wunder, dass er eine Frau wollte. Trotz seiner Liste war sein Wunsch zu heiraten vielleicht doch nicht so kalt und kalkuliert. „Warum", fragte sie vorsichtig, „haben Sie solch ein großes Haus? Wegen der Familientreffen oder..." „Als ich es vor fünf Jahren gekauft habe, schien es mir hauptsächlich eine gute Investition zu sein. Aber inzwischen hoffe ich wohl, dass ich es irgendwann einmal mit einer Familie fülle." Mindy antwortete nicht, sondern senkte den Blick auf den Hummer. Das war schlimm,
richtig schlimm. Er mochte sie. Er dachte, sie wäre die Richtige, die Ehefrau, der Preis, die Trophäe. Was natürlich genau das war, was sie ihn hatte glauben machen wollen; sie hatte nur nicht erwartet, dass sie sich dabei so fürchterlich mies fühlen würde. Wie hätte sie auch ahnen sollen, dass er so verflixt nett sein konnte? Als sie eine Stunde später das Restaurant verließen, schlug Benton vor: „Ich dachte, wir könnten noch einen kleinen Spaziergang machen, da das Wetter so schön ist." Er hatte Recht - eine leichte Brise hatte ein wenig Kühle gebracht. Es war inzwischen dunkel, und die Lampen tauchten die Stadt in ein romantisches Licht. Vielleicht kam Mindy das aber auch nur so vor, weil sie zu viel Wein getrunken hatte und ein wenig beschwipst war. Auf jeden Fall ließ sie sich mehr von ihren Gefühlen als von ihrem Plan leiten. Doch sie würde schon noch einen Weg finden, um den Abend zu ruinieren. Aber jetzt noch nicht. „Oder hättest du mehr Lust auf eine Kutschfahrt?" fragte er. Sie hatten während des Desserts beschlossen, sich zu duzen. Eine Kutschfahrt durch die Stadt. Immer wenn Mindy in den letzten Jahren Paare in einer dieser Kutschen gesehen hatte, hatte sie davon ge träumt, mit einem Mann zusammen zu sein, der etwas so Romantisches mit ihr unternehmen würde. Und irgendwann hatte sie dann resigniert festgestellt, dass es einen solchen Mann für sie nicht gab. Sie drückte Bentons Arm ein wenig fester und spürte einen sinnlichen Schauer. Halt! Sie musste damit aufhören. Und zwar sofort, bevor die Sache sich noch weiter entwickelte. Es war an der Zeit etwas zu tun, etwas, was seine Meinung von ihr ändern würde. Es war an der Zeit, zur Anti-Mandy zu werden. Genau in diesem Moment hörte sie dröhnende Discomusik in der Nähe, und die lieferte Mindy eine Lösung. Als sie weitergingen und sich der Musik näherten, schaute sie durch ein Fenster und sah unzählige Menschen, die zu einem alten Song tanzten. „Oder wir könnten tanzen gehen!" schlug sie vor. „Was?" Sie vermied es, Benton anzusehen. Stattdessen griff sie nach seinem Handgelenk und zog ihn durch die offene Tür in den Nachtclub. „Mandy, was hast du vor?" Sie zog ihn einfach hinter sich her, bis sie mitten in dem verräucherten, überfüllten Ra um standen, wo die Musik so laut hämmerte, dass Mindy kaum denken konnte. Sie blieb an der Bar stehen und brüllte dem Barkeeper zu: „Einen Screwdriver!" „Mandy!" rief Benton. „Warum sind wir hier?" „Mir war gerade danach", schrie sie zurück. „Wonach?" Als Mindys Drink gebracht wurde, langte Benton hastig nach seiner Kreditkarte, doch Mindy zog einen Zehner aus der Tasche und warf ihn auf den Tresen. „Das zahle ich", rief sie, nahm das kleine Glas und leerte es in einem Zug. Sie brauchte ein bisschen mehr Mut, um den nächsten Schritt ihres Plans durchzuziehen, in dem sie Benton die dunkle Seite von Mandy präsentieren wollte. „Lass uns tanzen!" meinte sie und zog ihre Jacke aus, unter der eine ge wagte, weit ausgeschnittene schwarze Korsage zum Vorschein kam. Sie hatte sie sich in dem Jahr gekauft, als sie als Madonna zu Janes Halloweenparty gegangen war. Sie schaute gerade rechtzeitig auf, um Bentons weit aufgerissene Augen und sein nervöses Schlucken mitzubekommen. „Mandy", schalt er sie. Doch Mindy warf die Jacke auf den Tresen und schlenderte dann selbstsicher auf die Tanzfläche. „Komm schon, Benton", rief sie ihm über die Schulter zu. „Hab ein bisschen Spaß!" „Spaß?" rief er und folgte ihr zögernd. Benton hatte das Gefühl, von einem Laster überfahren wo rden zu sein. Noch eben war alles wunderbar gelaufen, und dann war er auf einmal von der Straße in das Zentrum von
mehreren Hundert sich windenden Körpern gezogen worden. Doch was ihn noch mehr schockierte, waren Mandys nackte Schultern und ihre unglaublichen Brüste. Das enge miederartige Top, das sie trug, betonte sie sehr. Während des Essens war er ja schon ein wenig erregt gewesen, doch das war nichts im Vergleich zu dem, was sich jetzt bei ihm abspielte. Plötzlich drehte Mandy sich zu ihm, schlang die Arme um seinen Hals und presste ihren Körper gegen seinen. Sie drehte und wand sich rhythmisch, was ihn zwangsläufig dazu brachte, wenn auch sehr steif, sich ebenfalls zu drehen und zu winden. Seit seiner Studienzeit hatte er nicht mehr so getanzt, und es auch nie sonderlich vermisst, aber Mandy fühlte sich viel zu gut an, als dass er sich groß wehren wollte. Als der Song ausklang, wechselte die Musik, und Mandy trat auf einmal von ihm zurück, um verführerische Dinge mit ihrem zierlichen, biegsamen Körper zu vollführen. Sie hatte nur Augen für ihn, während sie tanzte, obwohl diverse Männer ihr mit den Blicken folgten. Jede ihrer Bewegungen war unglaublich sexy, ihre Brüste wippten unter dem schwarzen Spit zenstoff, ihre Hüften wiegten sich im Takt der Musik. Dann, als hätte sie ihn noch nicht genug erregt, glitt sie mit den Händen langsam über ihre Brüste, hinunter über ihren Rock, den sie Stück für Stück hochzog, bis Benton einen Blick auf den Rand von Spitzenstrümpfen erhaschen konnte, die an rosa Strapsen befestigt waren. Einerseits wollte Benton nicht hier sein und das beobachten. Er kam sich völlig fehl am Platz vor. Noch nie hatte er sich zu solch einer Art Frau hingezogen gefühlt, einem wilden, unerschrockenen Vamp, und er hatte keine Ahnung, was aus der süßen, eleganten Frau geworden war, mit der er gegessen hatte. Er sollte verlangen, dass sie zu tanzen aufhörte, und sie nach Hause bringen. Andererseits machte sie ihn ganz verrückt vor Verlangen. Er war schließlich auch nur aus Fleisch und Blut. Plötzlich wurde Benton von einem unbekannten, gefährlichen Gefühl ergriffen. Er kam auf Mandy zu, riss sie an sich, bis sie gemeinsam dem erotischen Takt der Musik folgten. Einen Augenblick lang fragte Benton sich, ob er überhaupt wusste, was er sich von einer Frau erhoffte. Er war drauf und dran, seine Vorstellungen von der perfekten Ehefrau zu vergessen. Wichtig war nur noch das sinnliche Gefühl, das Mandy in ihm auslöste. Er hätte nie gedacht, dass er so etwas wollte, aber vielleicht hatte er sich geirrt! Mindy hatte sich genauso hingegeben - der Musik, dem Mann und der Aufregung, die ihr das Blut schneller durch die Adern trieb. Begierig auf mehr, presste sie sich instinktiv an ihn und stellte fest, dass er ziemlich erregt war. Wow! So schwer es ihr auch fiel, machte sie sich doch von ihm frei und trat zurück. Aber sie hörte nicht auf zu tanzen, und konnte nicht umhin, ihm einen, wie sie fürchtete, eindeutig einladenden Blick zuzuwerfen. Ihr ganzer Plan war über den Haufen geworfen! Ihr wilder Auftritt sollte Benton wütend machen, ihn abstoßen und sein Bild von ihr ruinieren. Er sollte verärgert und verlegen sein, sie aus der Disco zu seinem Wagen zerren und vor ihrer Haustür abladen und froh darüber sein, sie loszuwerden. Er hatte lernen sollen, dass Frauen nicht mit einer kurzen Liste von Merkmalen in eine Schublade gesteckt werden konnten. Stattdessen war er erregt, und er tanzte - tanzte! Und die kleinen Schweißtropfen an seiner inzwischen nicht mehr so perfekten Frisur machten ihn irgendwie noch aufr egender und noch menschlicher. Was sie noch mehr verwirrte als Bentons Reaktion, war ihre eigene. Sie hätte niemals gedacht, dass sie so in der Öffentlichkeit tanzen könnte, ohne sich total lächerlich vorzukommen. Und noch dazu in einem Kleidungsstück, das eigentlich als Dessous zu bezeichnen war! Es war ein verzweifelter Schritt gewesen, um die Stimmung zu verändern. Womit sie nicht gerechnet hatte, war die Tatsache, dass sie es genoss!
Doch sie stellte fest, dass sie es herrlich fand, mit diesem gut aussehenden und überraschend unberechenbaren Mann zu tanzen. Und genauso herrlich fand sie es, dass sie ihn erregt hatte. Es gab ihr das Gefühl, sexy und begehrenswert zu sein. Ein Gefühl, das sie nicht kannte. Die Mandy, die sie während des Essens gewesen war, die Mandy, die ihn für sich hat te bestellen lassen und die an seinen Lippen gehangen hatte, war nur ge spielt gewesen. Aber die erschreckende Wahrheit war, dass diese Seite von Mandy nicht gespielt war; vielleicht war es ein Teil von ihr, den sie bisher noch nie entdeckt hatte. Als die Musik zu einem langsamen Stück wechselte, zog Benton sie wieder an sich. Sie wiegten sich im Takt, und sie schaute in seine Augen und hörte sich selbst leise den zweideutigen Text mitsingen. Als er mit den Händen von ihren Hüften glitt und ihren Po umschloss, entfuhr ihr ein leises Stöhnen. „Hm." Bentons heißer Atem strich an ihrem Ohr entlang, dann spürte sie seinen Kuss, als sein Mund zärtlich über ihren Hals glitt. Ein sinnlicher Schauer durchströmte ihren Körper, und sie wandte ihm ihr Gesicht zu. Der Kuss, den er auf ihre Lippen hauchte, war zart und flüchtig, allerdings sehr aufreizend. „Mehr", flüsterte sie impulsiv. Langsam' presste er seinen Mund auf ihren, und Mindy küsste ihn mit all der Leidenschaft, die sich anscheinend seit Jahren in ihrem Inneren angesammelt hatte. Ohne darüber nachzudenken, drang sie mit der Zunge in seinen Mund vor und spürte, wie zwischen ihnen die Funken sprühten. Das hier war falsch; sie wusste es. Ihr Verhalten war darauf ausgerichtet gewesen, ihn abzustoßen, nicht ihn zu verführen. Doch richtig und falsch schienen im Moment bedeutungslos, nur Bentons Mund, seine Hände und sein Körper schienen wichtig. Schwer atmend löste er sich von ihr. „Lass uns von hier verschwinden. Lass uns zu mir fahren." Aufhören! Sämtliche Alarmglocken in Mindys Innerem begannen zu schrillen und drängten sie, etwas zu tun, um die Situation wieder unter Kontrolle zu bringen. Dreh dich um und lauf! Lass ihn stehen und vergiss, dass es diesen Abend je gegeben hat. Lass Mindy die Sache ausbaden und Entschuldigungen finden. Nichts war wichtiger, als sofort zu verschwin den! Mindy legte die Hände auf seine breiten Schultern und trat einen Schritt zurück, doch Benton legte ihr zärtlich eine Hand in den Nacken und hie lt sie auf. „Benton, ich ..." Sie schaute in seine vor Verlangen funkelnden Augen und wusste nicht, wie sie ihm einen Korb geben sollte, wie sie es nach allem, was gerade geschehen war, erklären sollte. Als sie zögerte, strich er langsam und sanft mit den Fingerspitzen über ihr Schlüsselbein, bis er am Ansatz ihrer Brust innehielt. „Ja, Darling?" Sie schluckte, entschlossen, es noch einmal zu versuchen. „Ich ..." Dann senkte sie den Blick zu seinen Fingern und sehnte sich nach weiteren Berührungen. „Ich möchte mit dir ins Bett gehen."
4. KAPITEL
Während der Fahrt zu Bentons Haus, die sie in angespanntem Schweigen zurücklegten, ertappte Mindy ihn gelegentlich dabei, wie er sie in der Dunkelheit des Wagens beobachtete. In seinen Augen lag ein Ausdruck von freudiger Erwartung und vielleicht auch ein kleiner Anflug von Angst, weil alles so schnell geschah. Natürlich hatte sie mehr als einmal das Gefühl, dass ihre innere Stimme ihr zurief: „Hör auf damit! Bist du verrückt?" Aber sie konnte im Moment nur an Benton denken und daran, wie sehr sie ihn begehrte. Hand in Hand rannten sie die Treppe zu seinem imposanten Haus hinauf, und Mindys Herz pochte laut. Als sie in die riesige Halle traten, schaute Benton sie an. In seinen Augen spiegelte sich das Feuer, das in ihrem Inneren loderte. „Möchtest du eine Führung durchs Haus?" Sie schüttelt den Kopf. „Nur durch dein Schlafzimmer." Wow, Mandy hatte wirklich kein Schamgefühl! Doch dieses unglaubliche Verhalten beschleunigte Mindys Puls noch zusätzlich, vor allem, als Benton ihr einen glutvollen Blick zuwarf, der besagte, dass er ganz ihrer Meinung war. „Hier entlang." Er führte sie eine geschwungene Treppe hinauf und einen dunklen, ele ganten Flur entlang und ließ dann ihre Hand los, um eine Flügeltür am Ende des Korridors aufzustoßen. Das riesige Eichenbett sah aus, als könnte man gut darin herumtollen. Mindy war noch nie sonderlich akrobatisch im Bett gewesen, doch sie hatte auf einmal das merkwürdige Gefühl, dass Mandy es sein könnte. Benton drehte sich zu ihr he rum und strich ihr sanft über das Gesicht. Versonnen erwiderte sie seinen Blick. Vielleicht hatte sie insgeheim ge dacht, dass die Fahrt von der Disco sie wieder zur Vernunft bringen würde, aber dem war nicht so. „Du bist schön." Seine tiefe, heisere Stimme umschmeichelte sie. „Benton ..." begann sie atemlos. Und dann, wie vorhin im Nachtclub, brach das Verlangen durch, wild und unkontrolliert, so dass sie keine Sekunde länger warten konnte. „Oh, Benton!" Sie schlang die Arme um seinen Hals und begann ihn leidenschaftlich zu küssen. Dann ging alles ganz schnell. Seine Küsse wurden immer begieriger, während er mit den Händen ihren Körper erkundete. Sie stöhnte, als er mit den Daumen über ihre Brüste strich, kämpfte dann mit seiner Krawatte und den Knöpfen an seinem Hemd. Gleichzeitig zog Benton ihr die Jacke über die Schultern. Die Hände um ihre Taille geschlungen, sah er auf das Bustier, das ihren Oberkörper umschloss. „Wie bekomme ich dich aus diesem Teil heraus?" „Von hinten." Sie wirbelte herum, um ihm die kleinen Haken zu zeigen, und bemerkte, dass sie sich in einem Spiegel sehen konnte, während Benton hinter ihr stand. Eine Sekunde lang begegneten sich ihre Blicke, bevor er begann, langsam und sinnlich ihre nackte Schulter zu küssen und gleichzeitig die Ösen öffnete. Kurz darauf lockerte sich das Bustier, fiel zu Boden und Mindy stand entblößt vor dem Spiegel. Voller Erwartung röteten sich Bentons Wangen, als er ihre Brüste betrachtete, und als er die Hände hob, um sie zu umschließen, schwanden auch die letzten Zweifel, die Mindy noch gehabt haben mochte. Sie begegnete Bentons Blick im Spiegel. „Jetzt." Ohne zu zögern, nahm er sie auf die Arme und trug sie zum Bett. Wie sich herausstellte, war Mindys erste Einschätzung des Möbelstücks richtig gewesen, denn sie rollten sich wild auf der Matratze herum, als sie sich damit abmühten, dem anderen die Sachen vom Leib zu reißen. Er zog ihr den Rock und den Slip aus, so dass sie nur noch die Strümpfe und Strapse anhatte. Mindy dagegen gab sich erst zufrieden, als er völlig nackt war. Benton bewegte seine Hände mit unvergleichlicher Kunst über ihren Körper, und sie schaute ihm die ganze Zeit in die Augen, gefesselt, als er den Blick erwiderte. Das Kostüm und das Bustier, die auf dem Teppich la gen, gehörten zu Mandy, genauso wie das blonde
Haar, von dem Mindy hoffte, dass es an seinem Platz blieb, selbst wenn sie ein wenig Akrobatik betreiben sollte. Als er eine Hand hob, um ihr Haar zu berühren, zuckte sie zurück. „Was ist? Habe ich dir wehgetan?" „Nein, nur . . ich bin ein bisschen nervös." Das war keine Lüge. Es gab wirklich eine Menge, was sie nervös machte, allerdings gehörte der Sex mit Benton nicht dazu. Er sah sie bewundernd an. „Dafür besteht kein Grund. Lass mich dich einfach verwöhnen." Und dann war er in ihr, und ihre Welt verwandelte sich und wurde viel wunderbarer, vollkommener als jemals zuvor. Es war, als hätte sie ein Teil von sich gefunden, das immer gefehlt hatte und dass sie jetzt zu einem Ganzen machte. Sie hatte sich auf ein gewagtes Spiel eingelassen, das war ihr bewusst. Aber im Augenblick zählte nur Benton, sein Körper, sein Mund, sein sinnliches Flüstern. Es gab nur noch Benton, der sie liebte. Stunden später erwachte Mindy. Sie drehte sich auf dem Kissen herum, um den sanften Gesichtsausdruck des Mannes zu studieren, der neben ihr schlief. Plötzlich schoss sie hoch. Was hatte sie getan? Okay, sie hatte wunderbaren, traumhaften Sex mit Benton gehabt. Drei Mal, um genau zu sein. Aber was hatte sie sich dabei gedacht? Sie war nicht sie selbst gewesen. Und dann fiel es ihr ein - sie war tatsächlich nicht sie selbst gewesen, sie hatte sich für jemanden ausgegeben, der gar nicht existierte. Sie warf einen Blick auf Benton und schluckte. Sie hatte mit diesem wunderbaren, leidenschaftlichen Mann geschlafen, und sie hatte ihn glauben lassen, sie wäre jemand anderes, jemand, den er lieben könnte. Es war schrecklich, das konnte sie nicht leugnen. Jetzt blieb ihr nur noch eins: verschwinden. Vorsichtig schlüpfte Mindy aus dem Bett, suchte ihre verstreuten Sachen zusammen und schlich ins Bad. Als Erstes rief sie per Handy ein Taxi, bevor sie sich hastig anzog und dann einen Stift und einen Block aus der Handtasche holte. Danke für einen wundervollen Abend schrieb sie. Dann schlich sie wieder ins Schlafzimmer legte den Zettel auf den Nachttisch und ging auf Zehenspitzen zur Tür. Noch einmal drehte sie sich um und betrachtete Benton. Sie wünschte, sie könnte zu ihm zurückgehen, zärtlich seine Wange küssen und sich auf angenehmere Weise von ihm verabschieden als mit solch einer albernen Notiz. Aber sie durfte ihn nicht wecken, also unterdrückte sie ihre Gefühle und schloss leise die Tür hinter sich. Die Sonne schien durch einen Spalt in der Gardine direkt auf Bentons Gesicht. Er brummte frustriert, drehte sich auf die andere Seite und streckte den Arm nach der aufregenden Frau an seiner Seite aus. Sein Arm landete im Leeren. Er öffnete die Augen und stellte fest, dass er tatsächlich allein im Bett war, so wie jeden Morgen. Er hatte die letzte Nacht nicht geträumt, oder? Nein. Sein Unterbewusstsein war nicht in der Lage, sich solche Freuden auszumalen. „Mandy? Wo bist du?" Wahrscheinlich im Bad. Doch er bekam keine Antwort, also rief er noch einmal, diesmal etwas lauter, weil er annahm, dass sie vielleicht zum Frühstücken in die Küche gegangen war. Den Morgenkaffee mit ihr zu teilen, war ein schöner Gedanke, doch er konnte keinen Kaffeeduft wahr nehmen. Und noch immer bekam er keine Antwort. Benton wollte gerade aufstehen, um nach ihr zu suchen, als er den Zettel auf seinem Nachtschrank erblickte. Es dauerte einen Moment, bis er das, was er da las, glauben und akzeptieren konnte. Sie war weg, und er war allein. Wie immer. Er verstand nur nicht, warum.
Benton starrte auf das Kissen neben sich und erinnerte sich an ihre ge meinsame Nacht. Als er mit den Händen über Mandys Körper geglitten war und ihr leises Stöhnen gehört hatte, war er an die sanfte und elegante Frau erinnert worden, mit der er gegessen hatte. Und als sie ihn im Bett auf den Rücken gedreht und sich rittlings auf ihn gesetzt hatte, konnte er nicht umhin, sich an Mandys unerwartete wildere Seite zu erinnern. Zu seiner großen Über raschung merkte er, dass er beide Seiten gleich gern mochte. Vielleicht sogar beide gleich liebte. Das ist zu schnell, ermahnte er sich. Viel zu schnell, um an dieses Wort überhaupt zu denken. Aber jegliche Angst, die er vor diesem Wort gehegt haben mochte, waren Überbleibsel aus seiner Jugend. Die Wahrheit war, dass er bereit war für die Liebe. Und Mindy hatte tatsächlich die ideale Frau für ihn gefunden, obwohl er schon geglaubt hatte, dass es sie gar nicht gab. Doch jetzt war sie weg. Sie hatte ihn verlassen. Er versuchte die Enttäuschung zu verdrängen und schaute auf die Uhr. Es war tatsächlich schon nach neun. Er hatte gestern Abend ganz vergessen, den Wecker zu stellen. In seinem Büro waren seine Mitarbeiter wahrscheinlich schon in heller Aufregung. Seufzend griff er nach dem Telefon und wählte. „Maxwell Group." „Ich bin es, Claudia." Die ältere Frau atmete erleichtert auf. „Freut mich zu hören, dass es Ihnen gut geht. Das tut es doch, oder?" „Ja, es ist alles in Ordnung." „Das wird ja langsam zu einer schlechten Gewohnheit." Es war der spielerische, schimpfende Ton einer Großmutter, doch Benton hatte nicht die Absicht, seine Unpünktlichkeit mit seiner Empfangsdame zu diskutieren, auch wenn sie noch so nett war. „Scheint so. Kann ich mit Miss Binks sprechen?" Kurz darauf meldete sich seine Assistentin: „Mr. Maxwell! Wie schön, von Ihnen zu hören. Ich habe mir schon Sorgen gemacht!" Die Gefühle, die er aus ihren Worten heraushörte, erhöhten seinen Frust noch zusätzlich. Nach der Nacht mit Mandy, in der er erlebt hatte, wie perfekt die Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau sein konnte, fragte er sich, warum er jemals daran gedacht hatte, eine Beziehung mit seiner Assistentin anzufangen. Seine Stimme klang daher streng und geschäftsmäßig, als er erwiderte: „Kein Grund zur Sorge. Es ist alles in Ordnung. Ich bin nur ein wenig spät dran." „Wann werden Sie im Büro sein?" Benton dachte an das, was er noch vorhatte. „Frühestens in ein oder zwei Stunden." „Oh." Miss Binks klang enttäuscht. „Ich wollte mit Ihnen den Monatsbericht durchgehen." „Wissen Sie was?" meinte er. „Warum arbeiten Sie ihn nicht mit Malcolm durch?" Benton war zwar nicht in der Stimmung, jemanden zu verkuppeln, aber dieser Vorschlag würde ihm zumindest helfen, seine Assistentin auf Abstand zu halten. Ihr Zögern war deutlich. „Malcolm?" „Ja, er ist mit den Berichten bestens vertraut. Machen Sie mir anschließend bitte eine kurze Notiz über Ihre Diskussion." „Aber ich ..." Benton erwiderte nichts, weil er wusste, dass Miss Binks äußerst pflichtbewusst und kompetent war und sich schon wieder zusammenreißen würde, wenn er nicht intervenierte. Er hatte Recht. „Natürlich, Mr. Maxwell", sagte sie schließlich. „Sehr gut." Nachdem Benton aufgelegt hatte, schaute er noch einmal auf das leere Bett neben sich. Sofort kehrten seine Gedanken wieder zu Mandy zurück.
Er wusste, dass sie den Zauber der letzten Nacht genauso wie er gespürt hatte, und er würde sie nicht ohne eine Erklärung gehen lassen. Er wusste nicht, warum sie sich mitten in der Nacht aus seinem Bett geschlichen hatte, aber er würde es herausfinden. „Du hast was?" Janes Augen wurden beinahe so groß wie der Doughnut, in den sie gerade beißen wollte. Mindy hatte eigentlich nicht vorgehabt, Jane zu erzählen, was sie getan hatte, aber es zu verheimlichen, schien ihr auch sinnlos. Also war sie mit ihrer Geschichte herausgeplatzt, kaum dass ihre Freundin sich an ihren Schreibtisch gesetzt hatte. „Du hast richtig gehört. Ich habe mit ihm geschlafen." Jane sah sie kritisch an. „Na, das lehrt ihn natürlich, Frauen nicht länger in Schubladen zu stecken und in Stereotypen einzuteilen." Mindy wand sich verlegen. „Ich hatte gar nicht die Absicht, mit ihm zu schlafen. Es ist einfach so passiert." „Und du hast es nicht geschafft, dich so weit unter Kontrolle zu bringen, um zu verhindern, dass der Mann Sex mit einer Frau hat, die gar nicht existiert?" „Anscheinend nicht." Mindy sank tiefer in ihren Stuhl. Jane setzte sich auf. „Okay, zwei Fragen. Wie war es, und was wirst du jetzt tun?" „Die Erde bebte, und ich weiß es nicht." „Ich wusste, dass das Ganze idiotisch ist", schimpfte Jane. „Und dich wegzuschleichen löst deine Probleme auch nicht gerade. Er kennt sowohl deine Adresse als auch deine Telefonnummer." „Ja, das weiß ich, aber vorhin schien es mir die einzige Lösung zu sein." „Und er wird dich nicht einfach fallen lassen, wenn er so verrückt nach dir ist, wie du sagst." „Mandy", sagte Mindy. „Er ist verrückt nach Mandy. Nicht nach mir." Jane neigte den Kopf. „Ist da ein Unterschied?" Mindy breitete die Arme aus. „Da ist ein riesiger Unterschied. Mandy ist eine bizarre Mischung aus Doris Day und Madonna. Und ich bin einfach nur ich, die normale Mindy." „Na ja ...", Jane blickte aus dem Fenster, „... sieh nicht hin, aber dein Traummann kommt dich besuchen." Natürlich sah Mindy doch hin, und tatsächlich, Benton kam über die Straße genau auf ihr Geschäft zu' „Zu mir", sagte sie leise mehr zu sich selbst. „Er kommt zu mir, nicht zu Mandy." Sie hätte nie gedacht, dass es so schwer sein würde, ihre Identitäten auseinander zu halten. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, als sie ihn nach der Türklinke greifen sah. Hastig beugte sie sich über den Computer, doch als die Türglocke klingelte, schaute sie auf. „Benton", hauchte sie. „Maxwell", fügte sie verlegen hinzu. Mindy hatte Benton noch nie mit Vornamen angesprochen, und jetzt damit anzufangen, wäre äußerst verdächtig. Sie hustete und hielt sich die Hand vor den Mund, um ihren Patzer zu vertuschen. „Was kann ich für Sie tun?" „Es geht um Ihre Schwester." Er klang so ernst, dass Mindy Hoffnung schöpfte. Vielleicht war er wütend auf Mandy, dass sie ihn verlassen hatte. Vielleicht hatte er sich daran erinnert, dass er keine wilde Frau wollte, die ihre Dessous zur Schau stellte. Vielleicht war er hier, um sich zu beschweren und sein Geld zurückzufordern. Ermutigt von diesen Gedanken, setzte Mindy ihr Pokergesicht auf. Es war viel einfacher, sich mit dem Mann zu streiten, als ihn anzuhimmeln. „Lassen Sie mich raten. Sie gefällt Ihnen auch nicht." Er schüttelte leicht den Kopf. „Nein, das ist es nicht. Im Gegenteil, ich bin verrückt nach ihr." Mindys Herz klopfte heftig, aber sie versuchte gelassen zu bleiben. „Oh." „Genau genommen ist sie das Beste, was mir je passiert ist", erklärte er feierlich.
Wow! Mindy wusste nicht, was sie davon halten sollte. Bilder von ihrer gemeinsamen Nacht tauchten vor ihren Augen auf. „Tatsächlich? Ich meine, so schnell?" Er nickte. „Erstaunlich, ich weiß. Aber ich muss mich wohl bei Ihnen entschuldigen. Ich habe Sie falsch eingeschätzt. Sie wissen wirklich, was Sie tun. Schließlich haben Sie mich mit Mandy zusammengebracht." Mindy stockte fast der Atem, doch dann sprach sie hastig weiter, weil sie ihn so schnell wie möglich aus ihrem Büro haben wollte. Dann konnte sie in Ruhe weinen oder vielleicht mit dem Kopf gegen die Wand schlagen. „Also kann man sagen, Ende gut, alles gut. Das ist doch wunderbar. Ich gratuliere und wünsche Ihnen viel Glück." „Aber es gibt ein Problem." Sie blinzelte. Wieder und wieder. Oh nein, sie konnte gar nicht mehr aufhören zu blinzeln. „Ein Problem?" Benton sah zu Jane, die ihren Doughnut auf den Schreibtisch gelegt hatte und so tat, als würde sie eine Akte durchsehen, obwohl ihre Hände voller Zuckerguss waren. Dann kam er ein wenig näher zu Mindy heran und senkte die Stimme. „Mandy hat sich mitten in der Nacht aus meinem Haus fortgeschlichen." Mindy sah ihn an und blinzelte erneut. Er beugte sich ein wenig vor und schien verwirrt. „Alles in Ordnung bei Ihnen?" „Nur ...", sie zeigte auf ihr Auge, „... ein Fussel oder so. Wird gleich wieder okay sein." „Na ja, wegen Ihrer Schwester. Sie und ich sind zu mir gefahren und dann ..." „Sie hat mich heute Morgen angerufen", platzte Mindy heraus. Sie wür de nicht zuhören, wie Benton alles ausplauderte, was er mit Mandy ... mit ihr ... getan hatte. „Tatsächlich? Was hat sie gesagt?" Sie hat gesagt, dass sie ihre Meinung geändert hat. Sie glaubt, es war alles ein Fehler. Sie will dich nicht wieder sehen. Mindy fand, all diese Aussagen wären genau das, was sie eigentlich sagen müsste, doch so sehr sie sich auch bemühte, aber sie bekam sie nicht über die Lippen. Benton sah so lieb und hoffnungsvoll aus. Und ihr Herz klopfte so schnell. Sie brachte es nicht über sich, seine Hoffnungen zu zerstören. Es musste seine eigene Entscheidung sein - er musste selbst herausfinden, dass Mandy nicht die Richtige für ihn war. Er musste sie selbst wieder aus seinem Leben verbannen. „Sie sagte, dass sie Angst bekommen hat", erwiderte Mindy schließlich. „Sie hat sich geschämt." „Geschämt?" Eine leichte Röte überzog Mindys Wangen, als sie ihn unter züchtig niedergeschlagenen Wimpern ansah. „Normalerweise geht sie nicht so weit, ... nicht bei der ersten Verabredung." Auch Benton errötete ein wenig. „Sie braucht sich nicht zu schämen. Alles war ... ausgesprochen gegenseitig, wenn Sie wissen, was ich meine." Oh ja, das wusste sie. Bevor sie darauf antworten konnte, lächelte er sie an. „Danke, Mindy." Damit drehte er sich um und wollte, wie sie fand, ziemlich abrupt gehen. „Danke? Wofür?" Er blieb stehen. „Dass Sie mir von Mandys Gefühlen erzählt haben. Das erklärt alles." „Was ... was haben Sie denn jetzt vor?" „Ich werde sie heute Abend anrufen und die Sache bereinigen." Mindy blinzelte wieder. „Dann wollen Sie sie also wieder sehen?" Erstrahlte. „Oh ja, auf jeden Fall." Benton griff nach der Türklinke. „Ich hoffe, Ihrem Auge geht es bald wieder besser." Mindy nickte benommen und sah dem Mann nach, mit dem sie vor licht einmal zwölf Stunden geschlafen hatte. Jane drehte ihren Stuhl herum und funkelte sie wütend an. „Hast du den Verstand verloren?"
„Ja, vielleicht?" antwortete Mindy unsicher. Sie seufzte tief auf und ließ den Kopf hängen. „Jane, ich konnte ihm nicht wehtun. Hast du den Aus druck in seinen wundervollen Augen gesehen?" „Ja, das habe ich. Ihn hat es ganz schön erwischt. Da hast du dir ja verdammt viel Ärger eingehandelt." „Ich weiß", klagte Mindy. „Du könntest ihm natürlich die Wahrheit sagen." Mindy schoss hoch. „Die Wahrheit?" Das war undenkbar. „Hast du jetzt den Verstand verloren?" „Vielleicht wird er es verstehen. Dann könnt ihr glücklich bis an euer Lebensende zusammenleben." Sie schüttelte vehement den Kopf. „Auf keinen Fall. Erstens will er Mandy, nicht mich. Zweitens habe ich das schlimmste aller Verbrechen begangen, das eine Partnervermittlerin begehen kann. Ich kann ihm nie mals die Wahrheit sagen." Sie fühlte sich fürchterlich, trotzdem glaubte sie, aus dem Ganzen unbeschadet herauszukommen. Mehr oder weniger. Die Erinnerungen an ihre gemeinsame Nacht würden bleiben. Und das Wissen, dass sie die Frau seiner Träume hätte sein können - wenn sie nicht solch eine verrückte Lügnerin wäre. Aber all das war zweitrangig im Vergleich zu ihrem Selbsterhaltungstrieb, der ihr riet, dieses Dilemma zu lösen, ohne ge genüber Benton zuzugeben, dass sie etwas falsch gemacht hatte. Und da sie ihm wirklich nicht wehtun wollte, musste er selbst entscheiden, dass er Mandy nicht wollte. Also hob Mindy die Hände. „Warte, hör zu. Ich habe einen Plan." Jane verdrehte die Augen. „Ich hoffe, er ist gut." „Ich muss einfach nur die Anti- Anti-Mandy sein." Jane überdachte Mindys Worte. „Anti-Anti? Theoretisch müsstest das dann ... du sein. Du weißt doch, minus mal minus ergibt plus." Mindy schüttelte verärgert den Kopf. „Ich meine damit, dass ich noch schlimmer als die wild tanzende Frau von gestern Abend sein muss, schlimmer als die Verführerin, die ihm gesagt hat, dass sie mit ihm ins Bett gehen will." Jane hob entsetzt die Augenbrauen. „Das hast du getan? Du hast ihn tatsächlich gefragt, ob ..." „Wechsle jetzt nicht das Thema. Ich muss einfach Sachen anstellen, die ihn noch mehr in Verlegenheit bringen. Er muss sich schrecklich über mich ärgern. Dann will er nichts mehr mit Mandy zu tun haben wollen, und das Leben wird normal weitergehen." „Und? Hast du auch schon eine Idee, was das für schreckliche Dinge sein sollen?" In Mindys Kopf wirbelten verschiedene Möglichkeiten herum. „Na ja, ich habe sie noch nicht bis ins Detail geplant, aber vertrau mir, es wird das optimale Abschreckungsprogramm sein."
5. KAPITEL
Benton schaute von dem Finanzbericht in seiner Hand auf die Uhr auf seinem Schreibtisch, einem viel zu teuren Weihnachtsgeschenk von Miss Binks. Es war zehn nach sechs, höchste Zeit für seine Assistentin, nach Hause zu gehen. Doch Benton wusste, dass sie noch da war, denn sie verabschiedete sich immer, bevor sie ging, und fragte stets, ob es noch etwas zu erledigen gäbe. Sie war in letzter Zeit mutiger geworden, nachdem sie neulich zum ersten Mal in der Besprechung seinen Ärmel berührt hatte, und ihre bewundernden Blicke waren noch eindringlicher geworden. Die Tatsache, dass sie Überstunden machte, obwohl alle anderen schon gegangen waren, gab ihm das Gefühl, ihr ausgeliefert zu sein. Vielleicht bemerkte er ihre Aufmerksamkeiten nur deshalb, weil er in letzter Zeit ein sehr viel feineres Gespür für all die Frauen in seinem Le ben entwickelt hatte. Es war ja auch nahezu unmöglich gewesen, nicht zu bemerken, wie Anita und Kathy, die ersten beiden von Mindys Kandidatinnen, auf ihn reagiert hatten, nämlich mit völliger Abneigung. Mandy dagegen war genauso wild auf ihn gewesen wie er auf sie, und seine Unterhaltung mit Mindy heute Morgen hatte das bestätigt. Die Partnervermittlerin selber dagegen war irgendwo in der Mitte einzuordnen. Manchmal glaubte er, sie hasste ihn, dann wieder schien es so, als mochte sie ihn. Dann gab es Momente, so wie heute, da war sie in seiner Gegenwart nervös, was völlig im Gegensatz zu seinem ersten Eindruck von ihr stand. Merkwürdig. Nicht, dass er sich in seinen Gedanken sonderlich mit ihr beschäftigte. Es gab schließlich keinen Grund, warum er an den kleinen Rotschopf mit dem feurigen Temperament und dem ernsthaften Augenpro blem denken sollte. Nein, seine Gedanken wurden einzig von ihrer wunderbaren Schwester beherrscht. Sobald Miss Binks endlich gegangen war, wollte er Mandy anrufen. Er hätte auch seine Bürotür schließen und damit Miss Binks zu verstehen geben können, dass er sie heute nicht mehr brauchte, aber er wollte sich ganz auf das Telefongespräch konzentrieren. Er wollte Mandy erklären, dass sie keine Angst zu haben brauchte, dass nichts, was sie gestern Abend getan hatte, ihn in irgendeiner Weise gestört hatte. Was zwar erstaunlich, aber zutreffend war. Es beunruhigte ihn, dass sie mitten in der Nacht aus seinem Haus geeilt war und sich Sorgen über ihr Verhalten ge macht hatte. Er musste das Missverständnis aufklären, damit sie ihre Be ziehung fortsetzen konnten. „Mr. Maxwell." Benton schaute auf und sah Miss Binks im Türrahmen stehen. Es war nicht direkt eine verführerische Pose, aber wie sie da in der Tür lehnte, eine Hand auf der Hüfte, sah sie entspannter aus als sonst. Er befürchtete, dass sie schon einige Zeit dort gestanden und ihn beobachtet hatte. Die Dinge gerieten langsam außer Kontrolle. „Miss Binks, Sie arbeiten heute aber lange." Sie senkte den Blick und meinte zögernd: „Es gibt da etwas, was ich gern mit Ihnen besprechen würde." Es waren weniger die Worte, die Benton in Alarm versetzten, als vielmehr ihr Blick, als sie ihn wieder anschaute. Nicht unbedingt verführerisch, aber nahe dran. Er konnte nicht zulassen, dass sie ihre berufliche Zusammenarbeit gefährdete, indem sie ihre wahren Gefühle für ihn offenbarte. Also wandte er sich dem Computer zu. „Leider bin ich im Moment sehr beschäftigt und erwarte zudem noch jeden Moment einen wichtigen Anruf. Wir müssen das auf ein anderes Mal verschieben." Das war zwar ein wenig kühl, aber wohl kalkuliert gewesen. Und Miss Binks war besser als jeder andere mit seinen Launen vertraut, wenn er sich in irgendeine geschäftliche Angelegenheit vertieft hatte. Normalerweise fügte sie sich solch einer Aussage und ging, doch heute, das spürte Benton ohne aufzusehen, blieb sie in der Tür stehen und himmelte ihn an. „Wenn Sie noch länger
arbeiten wollen, soll ich Ihnen dann etwas zu essen besorgen?" fragte sie. „Nein danke, Miss Binks. Warum gehen Sie nicht heim? Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend." Er vermied es, sie anzusehen, und begann, Unsinn in seinen Computer einzugeben, damit er beschäftigt aussah. „In Ordnung, Mr. Maxwell", meinte sie seufzend. Sie zögerte nur noch kurz, bevor sie schließlich ging. Als er den Fahrstuhl hörte, war er erleichtert, endlich allein zu sein. Er hätte gern Mitleid mit Miss Binks gehabt, doch er war so sehr darauf aus, die Sache mit Mandy wieder ins Reine zu bringen, dass er keinen weiteren Gedanken an seine Assistentin verschwendete. Er nahm das Telefon und wählte. „Hallo?" Die vertraute, fröhliche Stimme war wie Musik in seinen Ohren. „Mandy." Er sprach mit tiefem, entschlossenem Ton. „Hier ist Benton." „Oh, Benton. Es tut mir so Leid wegen gestern Abend." „Es tut mir Leid, dass du gegangen bist. Aber alles andere, was gestern geschehen ist, tut mir nicht Leid, und ich hoffe, dir auch nicht." Er hörte, wie sie am anderen Ende der Leitung nervös schluckte. „Es ist nur so ... ich habe mich so wegen meines Verhaltens geschämt. Und nicht, weil ich mit dir ins Bett gegangen bin, sondern auch wegen meines Verhaltens in der Disco. Ich bin sonst nicht so." „Nein?" „Es muss am Wein gelegen haben. Und am Drink hinterher. Ich war wohl ein wenig beschwipst, fast so, als wäre ich ... jemand anderes." Sie hustete und klang, als ob sie sich verschluckt hatte. „Alles in Ordnung?" „Ja, ja, ich bin okay." „Pass auf, nichts, was du gestern getan hast, ändert etwas daran, was ich für dich empfinde." Ihre Stimme klang ein wenig höher als sonst. „Und das wäre?" „Ich habe es dir doch heute Nacht gesagt", erinnerte er sie neckend und musste lächeln. „Mehrmals sogar. Weißt du es nicht mehr?" „Na ja, ich war wirklich beschwipst." Benton fand ihre Offenheit unglaublich süß. „Ich bin verrückt nach dir, Mand y. Und ich kann es nicht erwarten, dich wieder zu sehen." „Oh. Ich verstehe." „Du klingst nervös." „Nein. Es ist nur so, dass ich ... dass ich ..." Er dachte schon, sie würde ihren Satz gar nicht beenden, doch schließlich seufzte sie und meinte: „Benton, die Wahrheit ist, dass ich ebenfalls ganz verrückt nach dir bin!" Mindy dachte verzweifelt über ihr letztes Telefonat mit Benton nach, während sie vor dem Spiegel stand und ihre Perücke zurechtzupfte. Sie hatte überhaupt nicht vorgehabt, ihm zu sagen, dass sie verrückt nach ihm war. Genauso, wie sie nicht mit ihm hatte schlafen wollen. Anscheinend war es in seiner Gegenwart nicht besonders gut um ihre Selbstbeherrschung bestellt. „Aber jetzt ist Schluss damit", versprach sie sich selbst. „Heute wird Benton den Tag bereuen, an dem er angefangen hat, mir zu vertrauen. Und ich werde mich ganz sicher an den Plan halten." Wie ein Mantra wiederholte sie immer wieder: „Ich werde mich an den Plan halten." Genau so, wie Jane es ihr eingeschärft hatte. „Weißt du, was die letzten drei Male passiert ist, als ich mich nicht an meinen Plan gehalten habe?" hatte Jane sie gefragt. Schon ein wenig eingeschüchtert, hatte Mindy den Kopf geschüttelt. „Ich habe drei Kinder gekriegt, das ist dabei herausgekommen. Ich liebe sie alle, aber sie
haben unser Leben völlig verändert, bevor wir bereit dazu waren. Möchtest du so enden?" „Benton hat ein Kondom benutzt", warf Mindy hastig ein. Jane verdrehte die Augen. „Ich habe das im übertragenen Sinne ge meint." „Alle drei Male", fügte Mindy hinzu und hätte sich dann am liebsten auf die Zunge gebissen. Jane schaute sie geschockt an. „Drei Mal? Wer ist er? Superman?" Mindy zuckte mit den Schultern. „Keine Angst, heute wird es nicht dazu kommen." Und das wird es auch nicht, versprach sie sich jetzt, auch wenn sie das aufreizendste Kleidungsstück trug, das sie besaß. „Aber dafür gibt es einen Grund!" rief sie und zeigte mit dem Finger auf ihre Katze, als wenn Venus sie mit Anschuldigungen bombardiert hätte. Himmel, langsam drehte sie wirklich durch. Das enge Kleid war aus hautfarbenem Stretchmaterial gefertigt. Sie hatte es damals erstanden, als sie zu Janes Halloweenparty als Marilyn Monroe gegangen war. Als Mandy musste sie häufig in ihrer Verkle idungskiste stöbern, da Mindy nicht so ausgefallene Kleidung trug, wie ihre angebliche Zwillingsschwester. Dieses Kleid war völlig ungeeignet für ein Essen in einem vornehmen Restaurant, doch es war ein Teil ihres Plans, der darauf abzielte, dass sie sich Mut antrank, um dann schreckliche Dinge tun zu können, die ihr unter normalen Umständen peinlich wären. Sie hatte Benton am Telefon gesagt, dass ihr gestriges Verhalten völlig untypisch für sie gewesen war, und sie hoffte, dass das, was sie heute tun wollte, damit umso schockierender für ihn sein würde. Seine tiefe, wohlklingende Stimme hatte dazu geführt, dass sie weich geworden war und als Mindy reagiert hatte. Das war schlecht. Sehr schlecht sogar. Sie musste lernen, diese beiden Persönlichkeiten auseinander zu halten. Als es an der Tür klingelte, zuckte Mindy zusammen. Und auch Venus schrak auf, sprang vom Bett und raste aus dem Zimmer. Verflixt. Das fehlte ihr gerade noch. Die Katze riss aus, während draußen ihr katzenhassender Freund wartete. Plötzlich kam ihr eine Idee. Sie hatte eine Katze, und sie wollte Benton vergraulen. Wieso hatte sie so lange gebraucht, zwei und zwei zusammenzuzählen? Venus auf hohen Absätzen hinterher zu jagen war nicht so einfach, zumal Benton bereits zum zweiten Mal ungeduldig klingelte, aber als sie die Tür eine Minute später öffnete, hatte sie ihre Katze im Arm. Benton riss entsetzt die Augen auf. „Du hast eine Katze", meinte er vorwurfsvoll. Sie neigte den Kopf und zuckte mit den Schultern. „Mir scheint, die Katze ist sozusagen aus dem Sack." Sie kicherte ein wenig. „Mindy hat mir erzählt, was du von Katzen hältst, deshalb war Venus beim ersten Mal im Schlafzimmer versteckt." „Venus?" „Die Göttin der Liebe", erklärte sie und trat zurück, um Benton hereinzulassen. „Ich fand, es ist ein perfekter Name für eine Katze, die einer ...", sie blinzelte nervös, „... einer Frau gehört, deren Schwester Partnervermittlerin ist." Du meine Güte, fast hätte sie alles verraten. Benton blinzelte ebenfalls, und Mindy fragte sich schon, ob es wohl ansteckend war. Sie fuhr hastig fort. „Mindy hat sie mir geschenkt, verstehst du, also macht es Sinn, oder?" Zu ihrer Überraschung grinste Benton. „Na ja, ich vermute, es gibt keine Göttin der Empfangssekretärinnen, also macht es absolut Sinn." Automatisch erwiderte sie sein Lächeln. Was ging hier vor? Hasste er Katzen etwa nicht mehr? Und was war mit ihrem aufreizenden Kleid? Warum bemerkte er nicht, wie unpassend sie angezogen war? „Also, meinst du, du kannst mit jemandem ausgehen, der eine Katze besitzt? Denn wenn nicht, habe ich wirklich Verständnis dafür. Ein Mensch hat schließlich seine Grenzen." Nicht dass sie welche hätte. Aber Mindy hatte noch nie jemanden getroffen, der so offensichtlich Grenzen setzte wie Benton.
Trotzdem zuckte er nur mit den Schultern. „Sicher, warum nicht?" Dann streckte er die Hand aus, um Venus hinter den Ohren zu kraulen. So einfach war die Sache mit der Katze? Das ergab doch keinen Sinn. Doch da Venus sich als ungeeignetes Mittel zur Abschreckung entpuppt hatte, setzte Mindy sie wieder auf den Boden und lenkte damit Bentons Aufmerksamkeit auf ihr Kleid. Zurück zu meinem Plan, ermahnte sie sich. „Du siehst umwerfend aus", bemerkte Benton. Mindy blinzelte wieder. „Findest du?" Er ließ den Blick bewundernd über ihren Körper gleiten und nickte dann so vehement, dass sie eine Gänsehaut bekam. „Mir war heute nach etwas Waghalsigem zu Mute. Aber ich fürchtete schon, es wäre etwas zu auffällig für das, was wir vorhaben." Er hatte nicht erwähnt, wohin er sie ausführen wollte, doch sie wusste instinktiv, dass dieses Kleid für alle Örtlichkeiten, die Benton mit seiner Anwesenheit beehrte, ungeeignet wäre. Doch wieder zuckte er nur mit den Schultern. „Ich finde, du siehst toll aus. Das würde jeder Mann denken." In dem Moment wurde Mindy etwas bewusst. Sie hatte einen riesigen Fehler begangen: Sie hatte vergessen, dass sie es mit einem Mann zu tun hatte! Jede Frau, die bei Verstand war, würde wissen, dass sie albern aussah. Aber die meisten Männer, anscheinend sogar Benton mit seinem ausgezeichneten Geschmack, sahen nur, wie sinnlich ihre Figur wirkte. Und das hieß, dass sie sich völlig unnötig so aufgedonnert hatte! Beruhige dich, ermahnte sie sich. Bleib bei deinem Plan. Und der sah vor, dass sie ein paar Drinks zu sich nahm, um ihre Hemmungen abzubauen. Und dann würde sie weitersehen. „Lass uns gehen", meinte sie. „Auf die Romantik", sagte Benton und hob sein Glas. Mindy starrte ihn an, während sie ebenfalls ihr Glas hob. Bentons blaue Augen funkelten im Kerzenlicht. Wenn sie ihn nur nicht so begehren wür de! „Auf die Romantik." Die sie nicht haben konnte. Jedenfalls nicht mit ihm. Sie musste endlich aufhören, ihn mit den Augen zu verschlingen. Natürlich wäre alles viel einfacher, wenn es so laufen würde, wie sie es wollte. Erst war die Sache mit der Katze fehlgeschlagen, dann die mit dem Kleid. Sämtliche Männer im Restaurant hatten es bemerkt, und das machte Benton stolz wie einen Pfau. Mindy trank ein halbes Glas Wein auf einmal aus. Es wurde Zeit, dass sie die Sache in Gang brachte, und wenn sie sich undamenhaft benahm, würde das Benton hoffentlich endlich die Augen öffnen. „Wie ist der Wein?" Er lächelte sie an. „Köstlich." Sie nahm noch einen großen Schluck. „Tolles Zeug." In dem Moment kam der Oberkellner an den Tisch. Er schaute Mindy unsicher an, als er eine schwarze Strickjacke hinter dem Rücken hervorholte. „Entschuldigen Sie, Madam. Möchten Sie vielleicht eine Jacke aus leihen, während Sie essen?" Sein Blick verriet Verachtung. Wahrscheinlich hatte er anfangs geglaubt, sie wäre nackt, als sie hereinspaziert gekommen war. Endlich ein Mann, der erkannte, wie fehl am Platze sie war! Hier bot sich eine Gelegenheit, die sie beim Schopf packen musste. „Möchten Sie vielleicht einen Schlag auf die Nase bekommen?" erwiderte sie. Der Oberkellner machte einen Schritt rückwärts, und Benton zuckte zusammen. Hatte Mandy tatsächlich gedroht, den armen Mann zu schlagen? Offensichtlich hatte sie zu viel Wein getrunken. Doch er würde nicht zulassen, dass der Oberkellner sie beleidigte. Benton bemühte sich, seine Überraschung zu verbergen, bevor er den Mann ansah und mit ruhiger, aber fester Stimme antwortete: „Die Dame sieht heute Abend ausgesprochen reizend aus. Sie braucht keine Jacke." Der Mann schien angemessen beeindruckt von Bentons Ton. „Natür lich nicht, Sir. Entschuldigen Sie."
Benton nickte kurz, als der Oberkellner sich umdrehte und davonging. Er kam sich fast grausam vor; schließlich verstand er, dass der arme Mann nur seinen Job tat, und er schätzte Restaurants mit gewissen Standards. Es hatte schon seine Gründe, warum er keine FastfoodRestaurants oder Bars frequentierte - ihm gefiel ein vornehmes Ambiente, und er nahm an, das traf auch auf die Aufmachung der Gäste zu. Und doch hatte er einen unerklärlichen Drang verspürt, Mandy zu beschützen. Selbst wenn sie sich manchmal etwas ausgefallen verhielt, fand er, dass sie unterhaltsam und aufregend war, ganz zu schweigen davon, dass sie in diesem eng anliegenden Kleid einfach umwerfend aussah. Allein ihr Anblick versetzte ihn in Erregung. Dieses Kleid zu bedecken wäre ein Verbrechen gewesen. Er beugte sich vor. „Ich hoffe, dass dich das nicht in Verlegenheit gebracht hat." Was ist jetzt schon wieder passiert? dachte Mindy. Sie hatte gedroht, einen Mann zu schlagen, und Benton war nicht böse? Himmel, es war schon schlimm genug, dass sie es nicht schaffte, ihm zu missfallen. Jetzt verspürte sie auch noch den dringenden Wunsch, ihn zu küssen, weil er so unglaublich nett und zuvorkommend war. Sie hätte nie gedacht, dass Benton Maxwell so schwer zu verärgern sein würde. „Nein", sagte sie benommen. „Aber danke, dass du mich verteidigt hast." Er hob eine Augenbraue. „Es hatte ganz den Anschein, als könntest du das auch allein." Und das amüsierte ihn? Sie konnte es immer noch nicht glauben, dass es ihm nichts ausmachte, mit einer nur spärlich bekleideten Frau auszugehen, die sich mit dem Oberkellner anlegte. „Ich brauche noch mehr Wein", entschied sie. Drei Gläser später - vielleicht auch vier, aber wer zählte schon -schwankte Mindy immer noch zwischen ihren beiden Persönlichkeiten. Als Benton begann, ihr mehr von seiner Familie zu erzählen und wie sehr er sie vermisste, plauderte sie ebenfalls mehr von sich selbst aus, als sie wollte. Und als er kurz darauf erklärte, dass er sich eine eigene Familie mit mehreren Kindern wünschte, wusste Mindy, dass er sie mit ihr wollte - er war da ziemlich offen. Jetzt wäre also ein guter Zeitpunkt für Mandy, um ihm zu sagen, dass sie bei ihrer ersten Verabredung gelogen hatte, als sie erklärt hatte, sie wäre gern Mutter, ein guter Zeitpunkt, um ihm mitzutei len, dass sie diese Verantwortung nicht übernehmen wolle, doch sie brachte die Worte nicht über die Lippen. Insgeheim wünschte Mindy sich nichts sehnlicher, als zusammen mit Benton und zwei oder drei wundervollen Kindern in seinem Haus zu leben. „Natürlich hast du es damit vielleicht nicht so eilig wie ich, da du deine Familie ja noch in der Nähe hast", meinte er schließlich. Sie war dankbar für die Wendung des Gesprächs. „Ja, meine Mutter lebt am anderen Ende der Stadt." „Und dann ist da noch Mindy", erinnerte er sie. „Oh ja." Wie konnte sie nur ihre geliebte Zwillingsschwester vergessen? „Seid ihr zwei euch nahe?" Mindy griff nach dem Weinglas und trank einen großen Schluck. „Sehr." „Ihr scheint so verschieden." „Nicht immer. Aber manchmal..." Sie verzog das Gesicht und erinnerte sich, dass sie anfangs behauptet hatte, sie hätte mit Mindy nichts gemeinsam. Verflixt! Sie musste besser aufpassen. Glücklicherweise lachte Benton. „Keine Angst ich verstehe, wie das mit Geschwistern ist. Es ist manchmal so eine Art Hassliebe." „Genau! Manchmal sind Mindy und ich uns so ähnlich, dass es fast so scheint, als wären wie eine Person. Und dann gibt es Zeiten, da hat sie wohl das Gefühl, dass sie mich gar nicht kennt." Benton nickte, offensichtlich interessiert. Mindy merkte, dass sie zu viel redete. Sie musste
aufhören, bevor sie zu viel preisgab. „Wollen wir ge hen?" fragte sie ablenkend. „Gern." Er winkte dem Kellner zu, beglich die Rechnung und kam zu ihr, um ihr beim Aufstehen zu helfen. Mindy war entsetzt, als sie merkte, dass ihre Knie nachgaben. Sie hatte das überwältigende Gefühl, sich an Benton klammern zu müssen, zum einen, weil sie traurig war, dass sie nicht zusammenbleiben konnten, vor allem aber, um sich zu stützen. Sie hatte wohl ein bisschen zu viel Wein getrunken. Gern hätte sie ihm die Wahrheit gesagt, so wie Jane ihr geraten hatte, aber sie brachte es nicht über sich. Es war einfach zu beschämend, und sie wollte diesen Mann, der echte Gefühle für sie - besser gesagt, für ihre imaginäre Zwillingsschwester - hegte, nicht wehtun. Er hielt ihre Hand, als sie durch das Restaurant in das Foyer gingen. Mindy konzentrierte sich auf jeden Schritt, eifrig darauf bedacht, mit ihren hohen Absätzen nicht umzuknicken. Das gelang ihr auch, bis Benton zärtlich mit dem Daumen über ihren Handrücken strich und ihr ins Ohr flüsterte: „Ich dachte, wir könnten vielleicht zu mir fahren." In dem Moment stolperte Mindy und fiel der Länge nach auf den Boden. Sie hörte, wie mehrere der Umstehenden nach Luft schnappten. Es war beschämend, doch Mindy erkannte auch das Positive an der ganzen Sache. Sie hatte Benton schockieren wollen, oder nicht? Nun, das war ihr jetzt wohl gelungen. „Mandy! Bist du okay?" Sie hob den Blick und bemerkte, dass Ben ton neben ihr kniete und sie besorgt ansah. Oh, Himmel, jetzt war er auch noch voller Verständnis! Als wäre das alles nicht schon schlimm genug, kam jetzt auch noch ein Hotelangestellter herbeigeeilt und fragte: „Ist alles in Ordnung, Miss? Sind Sie verletzt? Soll ich einen Krankenwagen rufen?" „Verflixt, nein", zischte sie und hob den Kopf. „Ich bin nur betrunken, nicht verletzt." „Du bist ziemlich hart gefallen." Benton streichelte ihr zärtlich die Schulter. „Bist du sicher, dass alles okay ist?" „Ja", erwiderte sie, obwohl ihr ganzer Körper wund war, und sie bestimmt Schwierigkeiten beim Aufstehen haben würde. Sie kam auf Hände und Knie und nahm an, dass sie von hinten wahrscheinlich einen ziemlich gewagten Anblick bot, aber was machte das jetzt noch? Benton war viel zu besorgt um sie, um zu bemerken, wie lächerlich sie sich vorkam. Leise meinte sie: „Du wirst dich hier nie wieder blicken lassen können." Er half ihr beim Aufstehen und zwinkerte ihr zu. „Doch, doch. Ich besitze viel Geld." Mindy war noch nie in ihrem Leben so froh gewesen, ein Restaurant zu verlassen. Die frische Abendluft belebte sie wieder und half ihr, die Be schämung ein wenig zu überwinden. Du hast das doch gewollt, erinnerte sie sich. „Na, was meinst du?" fragte Benton. Sie schaute in seine Augen und hatte keine Ahnung, wovon er redete. „Was?" „Wollen wir zu mir?" Gerade diese Einladung war es, die sie ins Stolpern gebracht hatte. Sie biss sich auf die Lippen und seufzte. Zu ihm zu fahren klang so ve rlockend. Sie könnte ihren zerschundenen Körper ein wenig ausruhen und dann ... „Ich könnte dir den Rücken massieren", flüsterte er, als könnte er ihre Gedanken lesen. „Vielleicht könnten wir sogar ein entspannendes Bad zusammen nehmen, dann könnte ich dich ins Bett tragen und ..." „Nein!" rief sie. Benton wirkte überrascht und etwas enttäuscht. „Nein?" Sein Gesichtsausdruck brach ihr das Herz. „Na ja, so war es auch wieder nicht gemeint. Ich meinte, wir könnten doch auch noch einen Spaziergang durch die Stadt machen, so wie wir es eigentlich beim letzten Mal tun wollten." Seine Miene hellte sich auf, und Mindy durchzog eine wohlige Wärme. „Vielleicht wäre es
wirklich ganz gut für dich, wenn wir ein Stück laufen, damit deine Muskeln nicht steif werden nach dem Fall eben." „Ja, das habe ich auch gedacht", log sie, als sie vom Restaurant weggingen. „Wir wäre es, wenn wir zum Fountain Square gingen und die Kutschfahrt machen, über die wir neulich gesprochen haben?" Wieder erfüllte dieser Vorschlag Mindy mit unendlicher Zuneigung und Erwartung. Doch eine rosafarbene Neonreklame erregte ihre Aufmerksamkeit und erinnerte sie an ihren Plan. „Oder wie könnten hier hineingehen", meinte sie und blieb vor Cincinnatis einzigem Sexshop stehen. Ha, jetzt hatte sie ihn! Keine Frau, die Benton Maxwell heiraten wollte, würde sich jemals in solch einem Laden erwischen lassen, genauso wenig wie Benton selbst. Er war ein bekannter Geschäftsmann, er hatte einen guten Ruf zu verlieren, und in einem Sexshop gesehen zu werden käme einem beruflichen Selbstmord gleich. Als Mindy vorsichtig vom Schaufenster zu Benton blickte, musterte er sie skeptisch. „Du willst hier hinein?" Ihr Plan zeigte endlich Wirkung! Jetzt musste sie ihn nur noch durchziehen. „Ja, Be nton, das will ich wirklich." Benton schaute rechts und links die Straße entlang, warf noch einen Blick auf die äußerst spärlich bekleidete Schaufensterpuppe, bevor er Mindy wieder ansah. Ein kleines, abenteuerlustiges Lächeln spielte um seine Mundwinkel. „Na, was soll's. Komm." Ehe sie noch wusste, wie ihr geschah, griff er nach Mindys Hand und zog sie hinein in den hell erleuchteten Tempel der Sünde. „Oje!" Zahllose zylindrische Objekte baumelten in allen erdenklichen Farben und Größen an der Decke. Mindy verspürte den Drang, sich zu ducken, und wusste gar nicht, wohin sie schauen sollte. Auf der rechten Seite war alles voller Brüste, die diverse Videos und Zeitschriften zierten. Links sah sie etwas, was ein wenig annehmbarer war - Dessous. Nur, dass bei den meisten Kleidungsstücken an strategischen Punkten der Stoff fehlte. Mindy wand sich geradezu vor Verlegenheit. Es lief überhaupt nicht wie geplant. Benton sollte doch derjenige sein, dem die ganze Sache furchtbar peinlich war, während sie sich wild und weltgewandt hatte zeigen wollen. Andererseits hatte sie nicht damit gerechnet, dass Benton tatsächlich mit hineinkommen würde. Sie hatte es vermieden, ihn anzuschauen, seit sie den Laden betreten hatten, doch als sie jetzt zu ihm sah, warf er ihr einen mitfühlenden Blick zu und lächelte verschmitzt. „Ich ... ich ...", begann sie. „Benton?" „Ja, Kleines?" „Können wir wieder gehen?" Er grinste. „Sicher. Das erspart mir, dir die Augen zuzuhalten, wenn du das ... das Objekt da hinten in der Ecke entdeckst." Instinktiv drehte sie sich herum, doch er blockierte ihr lachend die Sicht mit seinem Körper. „Glaub mir. Du würdest es nicht sehen wollen." Mindys Erleichterung, als sie das Restaurant verlassen hatten, war nichts im Vergleich zu dem, was sie jetzt empfand. Sie kam sich vor wie eine völlige Idiotin. Was war nur aus dem Mann geworden, der vor kurzem in ihre Partnervermittlung gekommen war und eine Frau aus den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts gesucht hatte? Dies war er jedenfalls nicht. Allerdings fragte sie sich auch, was aus der vernünftigen und ehrlichen Heiratsvermittlerin geworden war. Sie war ratlos, denn gleichgültig, welchen Unsinn sie anstellte, Benton schien unerschütterlich in seiner Zuneigung. Sie musste etwas Unvorstellbares tun. Etwas, was alles andere, was heute Abend geschehen war, in den Schatten stellte. Und zwar schleunigst, denn so wie er ihre Hand hielt und sie anlächelte, machte er sie ganz schwach. „Und? Was unternehmen wir als Nächstes?" fragte er amüsiert.
Mindy war, wenn auch widerstrebend, entschlossen, dieses Lächeln von seinem Gesicht zu vertreiben. In diesem Moment erspähte sie den teuren, knallroten Sportwagen, der unbeaufsichtigt vor dem exklusiven Restaurant gegenüber stand. Anscheinend sollte er gleich von einem Portier auf den Parkplatz gefahren werden. Ja! Das ist es, dachte sie triumphierend. Das wird ihm endgültig zeigen, was für eine Verrückte Mandy ist. „Lass uns eine kleine Tour durch die nächtliche Stadt machen", meinte sie atemlos und zeigte auf das Cabrio. „In dem Auto. Lass uns alle Be denken in den Wind schlagen und es einfach tun!" „Du willst, dass wir uns den Lamborghini dafür stibitzen?" fragte Benton und klang dabei gelassener, als sie erwartet hatte. „Ja, das ist genau das, was ich jetzt gern tun würde!" Zu Mindys Erstaunen meinte Benton: „Warte hier", und ging ruhig über die Straße. Er verschwand unter dem Vordach des Restaurant, und tauchte einen Moment später in dem roten Cabrio wieder auf. Er hielt direkt vor ihr und winkte ihr zu. „Dann lass uns eine Spritztour machen."
6. KAPITEL
Es hatte Benton noch nie so viel Spaß gemacht, jemanden zu schockieren. Mandy und er sausten in dem Sportwagen über den Columbia Parkway. Sie schrie ihn an: „Du hast den Wagen gestohlen? Bist du verrückt? Man wird uns ins Gefängnis stecken!" Er wandte sich lachend an sie. „Das hast du doch gewollt, oder nicht?" „Im Gefängnis landen? Nein!" Sie schüttelte vehement ihren Kopf, während sie mit beiden Händen krampfhaft die Perücke hielt. „Ich sprach von dem Lamborghini. Ich dachte, du wolltest eine kleine Tour damit machen!" Er beschleunigte das Tempo und erfreute sich an ihrem entsetzten Gesichtsausdruck. Sie bemühte sich immer, so ausgeflippt zu tun, doch dann kam wieder die tugendhafte Frau zum Vorschein, die er bei seinem ersten Treffen kennen gelernt hatte, und er war gespannt, wie weit sie wohl gehen würde. „Aber ich ..." „Du siehst wunderbar aus in diesem Auto." Er zwinkerte, bevor er sich wieder auf die Straße konzentrierte, die vom Vollmond erhellt wurde. „Ist das nicht herrlich?" „Nein! Ist es nicht!" Benton warf den Kopf zurück und lachte laut. „Wir werden es gar nicht bis ins Gefängnis schaffen, weil du uns vorher umbringen wirst! Warum bin ich nur in dieses Auto gestiegen?" „Es wäre ziemlich unhöflich gewesen, es nicht zu tun. Nachdem du mich gebeten hast, es zu stehlen, meine ich." „Ich habe dich nicht gebeten, es zu stehlen! Ich sprach von einer kleinen Tour durch die nächtliche Stadt. Das ist eher ein Ausleihen." „Leihen, stehlen, was macht das schon für einen Unterschied? Jetzt ist es ohnehin zu spät, also kannst du dich auch zurücklehnen und die Fahrt genießen. Wollen wir doch mal sehen, was in diesem Baby steckt", fügte er hinzu und griff nach dem Schaltknüppel. Er drückte aufs Gaspedal, so dass der Wagen wie eine Rakete davonschoss. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zum letzten Mal so viel Spaß gehabt hatte. Vergessen waren all der Druck und die Verantwortung, die die Leitung einer Firma mit sich brachten. Nie hätte er gedacht, dass eine Spritztour solch eine angenehme Beschäftigung sein könnte, und er hatte nicht widerstehen können, Mandy auf den Arm zu nehmen. Obwohl der Abend sich völlig anders entwickelte, als er es sich ausge malt hatte, fühlte Benton sich immer mehr zu Mandy hingezogen. Er konnte es nicht einmal richtig erklären - er wusste nur, dass ihm in ihrer Gegenwart viel leichter ums Herz war und er sich viel jünger fühlte. Allerdings saß sie im Moment neben ihm und hatte einen panischen Ausdruck im Gesicht, und da er wollte, dass sie die Fahrt ebenfalls genoss, war es wohl an der Zeit, ihr die Wahrheit zu sagen. „Ich kenne den Typen!" rief er über das Dröhnen des Motors hinweg, als sie gerade eine besonders enge Kurve nahmen. Mandy funkelte ihn wütend an. „Was für ein Typ? Wovon redest du? " „Der Typ, dem dieser Wagen gehört. Ich kenne ihn. Wir haben ge schäftlich miteinander zu tun. Ich habe ihn gerade noch erwischt, bevor er ins Restaurant ging, und habe ihn gefragt, ob ich den Wagen für eine kurze Zeit fahren könnte." Er grinste sie an und erwartete, dass sie auch lächelte, doch stattdessen schaute sie ihn entsetzt an. Plötzlich begann sie, seinen Arm mit ihren Fäusten zu malträtieren. Der Wagen kam ins Schlingern. „Hey, ich fahre gleich gegen einen Baum." Sie hörte auf, ihn zu schlagen - er war erleichtert, dass sie wenigstens so vernünftig war -,
begann aber zu schreien: „Du elender Schuft! Du hast mich glauben lassen, du hättest ihn gestohlen! Du hast mich glauben lassen, wir würden verhaftet! Ich habe mich schon in quergestreiften Kla motten gesehen, und die steht mir überhaupt nicht!" Er fuhr ein wenig langsamer und sah sie zufrieden an. „Ein Punkt für mich, stimmt's?" „Was?" Er grinste sie noch immer frech an. „Ich habe dir Angst gemacht. Du tust immer so wild, dabei bist du eigentlich gar nicht so, oder, Mandy?" Noch nie war Mindy so verwirrt gewesen. Sie hatte gedacht, sie würde Benton Maxwell verstehen, doch je mehr Zeit verstrich, desto rätselhafter kam er ihr vor. Sie wusste nicht, ob er eine wilde Frau oder eine biedere gehorsame wollte. Das ist genau der Grund, warum ich mit meinen Kunden immer ausführliche Interviews führe, hätte sie ihm am liebsten gesagt. Doch statt ihre Identität preiszugeben, nach all der Mühe, die sie sich ge geben hatte, sie zu verheimlichen, wägte sie ihre Antwort genau ab. „Wie wild möchtest du mich denn gern haben?" Seine Augen funkelten im Mondlicht, während der Fahrtwind sein dichtes Haar zerzauste. „Sei so wild oder so zahm, wie du willst. Es ist egal. Ich bin verrückt nach dir." Oh nein. Das hieß ja, egal, was sie tat, sie würde ihn nicht loswerden. Wie hatte das geschehen können? „Aber warum bist du verrückt nach mir?" wollte sie wissen. Einen Moment lang fuhr Benton schweigend weiter, bevor er schließlich nach links in eine kleine Seitenstraße im Wald einbog und den Wagen parkte. Dann drehte er sich zu Mindy herum und schaute ihr tief in die Augen. „Warum ich verrückt nach dir bin?" Seine Miene war voller Wärme. „Du hast mich daran erinnert, was ich alles versäume; dass man langweilig wird, wenn man immer nur arbeitet, aber nie Spaß hat. Mit dir fühle ich mich so lebendig wie schon seit Jahren nicht mehr." Sie hielt den Atem an. „Wirklich?" Er nickte ernsthaft. „Wirklich." Mindy versuchte, ihre Gefühle zu unterdrücken. Beinahe hätte sie angefange n zu weinen, denn das hier war viel ernster, als sie gedacht hatte. Sie veränderte ihn. Sie brachte ihn dazu, dass er über sein Leben nachdachte, und fürchtete, dass die Sache auch für sie langsam zu ernst wur de. Vielleicht war es das sogar schon. Schließlich ging sie sonst nie mit jemandem ins Bett, den sie kaum kannte, und doch hatte sie schon bei der ersten Verabredung mit Benton geschlafen. Sie hatte gedacht, es hätte an der Atmosphäre gelegen, an der Rolle, die sie gespielt hatte. An Mandys gespielt er Verführungskunst. Doch als sie in Bentons Augen schaute, fing sie an zu verstehen, dass sie die wilde, abenteuerlustige Frau mochte, zu der sie in seiner Gegenwart wurde - selbst wenn sie es nicht lange im Sexshop ausgehalten hatte. Es war aufregend, gewagte Kleidung zu tragen, sich nicht darum zu scheren, was andere von einem dachten, und Erfahrungen zu machen, die sie sonst nicht gemacht hätte. Und vor allem war es aufregend, all das mit Benton zu teilen. Sie hielt die Tränen zurück, weil ihr etwas einfiel, was viel mehr Spaß machte. „Küss mich", flüsterte sie. „Gern." Er klang atemlos, als er ihr Gesicht mit beiden Händen umschloss und seinen Mund auf ihren presste. Mindy schloss die Augen und verlor sich in ihren Gefühlen. Benton, der Mondschein, diese verrückte Fahrt ... das alles überwältigte sie. Ein sanfter Kuss führte zum nächsten, bis sie immer leidenschaftlicher wurden und ihre Zungen sich zu einem wilden Tanz fanden. Mindy schlang die Arme um seinen Nacken. Zärtlich strich er über ihre Brüste, und eine wohlige Wärme durchströmte sie. Sie küsste ihn voller Verlangen und keuchte auf, als er mit dem Daumen die empfindsamen Spitzen liebkoste. Keck setzte sie sich rittlings auf ihn, was in dem Kleid nicht ganz so einfach war, und genoss seine Berührungen an ihren Oberschenkeln und ihrem Po. Gleichzeitig begann er, ihre Brüste durch den Stoff hindurch zu küssen, und Mindy stöhnte auf. Als er sie dann auch noch
zärtlich zwischen den Beinen streichelte, drängte sie sich ihm verlangend entgegen. Doch als er ihr den Spitzenslip abstreifen wollte und sie auf einmal erkannte, dass es gleich kein Zurück mehr geben würde, fielen ihr auf einmal Janes Worte wieder ein: „Halt dich an deinen Plan!" „Stopp!" rief sie. Benton zuckte zurück. „Was?" Es war schrecklich, seine wunderbaren Berührungen nicht mehr zu spüren, trotzdem erklärte sie: „Wir können das nicht tun." Fassungslos erwiderte er: „Können wir nicht?" Sie schüttelte den Kopf. „Warum nicht?" Gute Frage. Sie hatte keine vernünftige Antwort. „Weil... weil... dieses Auto deinem Bekannten gehört, deshalb." Er seufzte. „Stimmt." Erleichtert registrierte sie, dass er sich doch noch nicht auf einmal radikal verändert hatte. „Also sollten wir den Wagen zurückbringen." „Und dann steigen wir in mein Auto und tun es da." Er warf ihr ein verführerisches Grinsen zu. Wer hätte gedacht, dass Benton so verwegen sein könnte? Es war irgendwie erregend, und Mindy wollte schon zustimmen, doch sie beherrschte sich. Der Plan sah vor, dass sie heute auf keinen Fall mit ihm Sex haben würde. „Nein", erwiderte sie. Er blinzelte. Anscheinend war dieses Blinzeln doch ansteckend. „Was?" Sie konnte ihm wohl kaum erklären, weshalb sie ihn abwies, also über dachte sie ihre Möglichkeiten. Sie könnte bei ihrem Nein bleiben und ihm sage n, dass ihr die Sache zu schnell ging, dass es ein Fehler gewesen sei, gleich beim ersten Mal miteinander zu schlafen, und klüger wäre, wenn sie sich erst einmal besser kennen lernten. Oder sie könnte all das vergessen und noch eine letzte Nacht voller Leidenschaft mit ihm verbringen. „Die Sache ist die, Benton ..." „Ja?" „Wir können weder in diesem noch in deinem Wagen Sex haben." Er verspannte sich, bevor er langsam die Arme sinken ließ. Es brach Mindy fast das Herz, nicht nur weil er so enttäuscht aussah, sondern weil sie erkannte, dass sie verrückt war, gegen ihr Verlangen anzukämpfen. Schließlich hatte sie sich ebenfalls Hals über Kopf in Benton verliebt. Trotz der Lügen fühlte es sich gut und richtig an, wenn sie mit ihm zusammen war. „Wir könnten stattdessen zu dir fahren", fuhr sie hastig fort, „damit wir die ganze Nacht zusammen haben, ohne unterbrochen zu werden." Benton lag nackt im Bett, die Decke bis zur Taille hochgezogen, und wartete ungeduldig auf Mandy. Als sie ihn beim Verlassen des Badezimmers so entdeckte, sah sie ihn erstaunt an. Er lehnte sich gegen das Kopfteil und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. „Ich dachte mir, ich erspare dir die Mühe des Ausziehens." Sie errötete leicht, und das gefiel ihm. „Danke. All diese Knöpfe waren beim letzen Mal ziemlich lästig." Sie ging auf das Bett zu, bis er sagte: „Stopp." Sie blieb stehen. „Warum?" Benton griff zu dem kleinen CD-Player, den er auf den Nachtschrank ge stellt hatte, während sie im Bad gewesen war. Es ertönte das Lied, zu dem sie für ihn bei ihrer ersten Verabredung getanzt hatte. „Die ..." „Habe ich uns gekauft", erklärte er grinsend. „Ich konnte die Melodie nicht mehr aus dem
Kopf bekommen, genauso wenig wie ich vergessen konnte, wie du dazu getanzt hast." Sie wirkte verlegen, und auch das gefiel ihm. Es war schwierig zu sagen, wer sie wirklich war, die sittsame Frau, mit der Mindy ihn verkuppelt hatte, oder die viel hemmungslosere Frau, auf die er immer wieder einen Blick warf. Eins stand jedoch fest, Mandy trug ihr Herz auf der Zunge. Es war leicht, ihre Gefühle zu erraten, und da Benton sonst hauptsächlich berufliche Kontakte pflegte, wo jeder Mensch ein Pokerface zeigte, fand er es besonders erfrischend, eine Frau zu treffen, die einfach nur sie selbst war. „Komm her", sagte er. Doch stattdessen begann Mindy langsam sich zu dem sinnlichen Rhythmus zu bewegen. Benton stöhnte leise auf. Die Hüften schwingend, kam sie auf ihn zu und ging dann wieder ein Stück zurück. Einmal stolperte sie, doch schnell hatte sie sich wieder ge fangen und tanzte weiter. Schließlich hielt sie sich mit einer Hand am Bettpfosten fest, bog den Rücken zurück und bewegte sich langsam auf und ab. Beim zweiten Mal verlor sie fast das Gleichgewicht. Trotzdem fand Benton sie unheimlich erotisch. Den Blick auf ihn gerichtet, hob sie die Arme über den Kopf und tanzte dann genauso aufreizend, wie sie es in der Disco getan hatte. Und als sie hinter sich griff, hörte er, wie sie den Reißverschluss herunterzog. Sein Mund wurde trocken, als sie die Arme vor der Brust verschränkte und dann ganz langsam und verführerisch begann, das Kleid über ihre Brüste herunterzuziehen. Benton unterdrückte ein Stöhnen. Und endlich kam der Augenblick, auf den er gewartet hatte - sie griff nach unten und hob spie lerisch den Saum dieses sündigen Kleides. Ungeduldig wartete er, während sie Zentimeter für Zentimeter ihre langen Beine entblößte, und gerade, als er fast den Verstand verlor... ließ sie es wieder fallen. Oh nein! Jetzt hatte Benton genug vom Tanzen, egal wie sexy sie sic h bewegte. Entschlossen warf er die Bettdecke zurück. Mandy schnappte nach Luft, was er als Kompliment betrachtete, angesichts der Tatsache, worauf ihr Blick gerichtet war. Ohne zu zögern, zog er sie zu sich aufs Bett und drehte sie auf den Rücken. „Oh, Benton", flüsterte sie, als er über ihre Schenkel strich. Den ganzen Abend lang hatte ihn dieses Kleid fast in den Wahnsinn ge trieben, nun wollte er es endlich los sein, also schob er es hoch, bis das dünne Material auf ihren Hüften lag. Ein winziges Stück hautfarbener Spitze kam darunter zum Vorschein. Als er ihren Po umfasste, merkte er, wie klein der Slip war. Lachend fragte er: „Verrate mir eins, trägst du immer solche Dessous?" „Nein, aber bei diesem Kleid geht es nicht anders, alles andere würde sich darunter abzeichnen." „Meinetwegen kannst du so etwas gern öfter tragen." Benton strich zärtlich mit den Fingern über die hauchdünne Spitze und hörte Mandy leise stöhnen, bevor er mit den Daumen unter den Elastikbund glitt und ihr den Slip auszog. „Komm hoch", murmelte er und zog ihr auch das Kleid aus. „Jetzt...", er lächelte ihr zu, „... lehn dich zurück und genieß es." Noch nie hatte er etwas so Schönes gesehen wie Mandy, die nackt in seinen Kissen lag, die vollen Lippen leicht geschwollen von seinen Küssen, die Augen geschlossen vor Entzücken. Nachdem sie beim letzten Mal so leidenschaftlich übereinander hergefallen waren, wollte er es diesmal langsamer angehen lassen. Zärtlich ließ er die Hände über ihren Körper gleiten und folgten mit seinem Mund dieser Spur von ihrem Hals zu ihren Brüsten. „Oh", stöhnte sie. Er hob eine Hand und schob ihr Haar zur Seite, bevor er ihr ins Ohr flüsterte: „Entspanne dich, Liebling. Wir haben noch eine lange Nacht vor uns." Als er seine Wanderung über ihren Körper wieder aufnahm, verharrte er einen Moment an ihrem Nabel, bevor er die Innenseite ihrer Schenkel küsste und dabei einen niedlichen kleinen
herzförmigen Leberfleck in ihrer linken Kniekehle entdeckte. Sanft strich er mit dem Daumen darüber, bevor er seine Lippen darauf presste. Das Blut pochte in seinen Adern, als sie auf einmal unvermittelt zum Höhepunkt kam. Auch Benton konnte nicht länger warten. Mühelos drang er in sie ein, und während er sich in ihr bewegte, wusste er, dass er noch nie solch eine enge Verbindung zu einem anderen Menschen verspürt hatte. Er hatte schon mit vielen Frauen geschlafen und war auch häufig mit einer Frau monatelang zusammen gewesen. Immer wieder hatte er dann vergeblich gehofft und darauf gewartet, etwas so Unglaubliches zu empfinden wie das, was er jetzt für Mandy empfand. Es war wunderbar, eins mit ihr zu werden, und als er den Gipfel erreichte, wurden die tiefen Gefühle, die er für Mandy hegte, noch verstärkt. Ich liebe dich, hätte er am liebsten gesagt, fand es dann jedoch zu früh. Außerdem hatte er etwas Merkwürdiges entdeckt, was seine ganze Aufmerksamkeit beanspruchte. Bildete er es sich nur ein oder lugte da tatsächlich ein Büschel roter Haare unter der blonden Mähne hervor?
7. KAPITEL
Normalerweise saß Mindy um acht an ihrem Schreibtisch, obwohl die Agentur erst um neun öffnete. Als sie daher am nächsten Morgen leicht mitgenommen gegen zehn ihr Haus verließ, war das ungewöhnlich. Aber eine Nacht lang Sex mit einem Mann zu haben, der einem griechischen Gott glich, war ebenfalls ungewöhnlich. Was für eine Nacht! Und dabei dachte sie nicht einmal an all das, was geschehen war, bevor sie zu Benton gefahren waren. Immer wieder hatten sie sich geliebt. Sie fing schon an zu glauben, dass er wirklich eine Art Supermann war. Und im Gegensatz zum ersten Mal, hatte sie dieses Mal nicht die geringste Lust verspürt, sich im Morgengrauen davonzuschleichen. Mindy hatte sich ihm so unglaublich nahe ge fühlt, dass es genügte, ihn anzuschauen, und schon hatte ihre Haut zu prickeln begonnen. Der Grund, warum sie über Nacht geblieben war, war derselbe, warum sie überhaupt mit ihm geschlafen hatte - sie konnte nicht anders. Dabei hatte sie sich so fest vorgenommen, sich an ihren Plan zu halten. Was hatte sie nur getan? Abgesehen davon, dass sie ständig Angst gehabt hatte, ihre Perücke könnte verrutschen, war ihr durchaus bewusst, dass ihr Dilemma mit jedem Tag, den sie an ihrer Lüge festhielt, größer wurde. Sie hatte Benton mit einer Frau verkuppelt, die es nicht gab. Gegen Viertel nach zehn schleppte sie sich in die Agentur. Jane saß bereits hinter ihrem Schreibtisch und sah Mindy erstaunt an. „Hast du die Grippe, oder hast du nur eine lange Geschichte zu erzählen?" Mindy ließ sich auf ihrem Schreibtischstuhl nieder, verstaute ihre Hand tasche und schaltete den Computer an. Dann wandte sie sich zu Jane. „Ich glaube, ich habe einen Kater." Janes Blick wanderte plötzlich nach unten. Entsetzt deutete sie auf Mindys Knie. „Was ist passiert?" Mindy wusste, dass sie auf beiden Knien blaue Flecken hatte, doch sie hatte gar nicht mehr daran gedacht, weil andere Stellen ihres Körpers ge nauso schmerzten. „Ich bin ziemlich übel hingeschlagen." Jane zögerte. „Darf ich fragen, wo?" „In einem teuren Restaurant", entgegnete Mindy. „Und ich kann noch froh sein, dass dort ein dicker Teppich lag, sonst wäre es noch viel schlimmer." „Und das war eine von den Taten, die darauf abzielten, Benton zu vergraulen?" Mindy seufzte. „Leider nein." „Hast du Benton denn jetzt vertrieben?" Mindy seufzte noch tiefer und drehte sich zu ihrem Schreibtisch. „Leider ... nein." „Ich vermute", erklärte Jane irritiert, „dass du dich nicht an deinen Plan gehalten hast." Mindy wirbelte verärgert herum. „Wie konnte ich denn? Er ist einfach zu wundervoll!" Verwirrt starrte Jane sie an. „Ist das derselbe Mann, der hier hereinkam und lächerliche Forderungen stellte und deine Fähigkeiten als Partnervermittlerin anzweifelte?" Mindy zuckte mit den Achseln. Sarkastisch meinte Jane. „Hey, vielleicht gibt er sich als jemand anderes aus! Oder vielleicht hat er einen heimlichen Zwillingsbruder!" „Sehr witzig. Außerdem wolltest du doch, dass ich Männerabenteuer habe." Diesmal zuckte Jane mit den Schultern. „Übrigens ...er war vorhin hier und wollte dich sprechen." Mindy zuckte zusammen. „Er war hier? Heute Morgen? Schon?" Er musste direkt, nachdem er sie zu Hause abgesetzt hatte, hierher gefahren sein. „Was wollte er? Hat er was gesagt? War es wegen gestern Abend?" „Er hat nur gesagt, dass er später noch mal vorbeischauen würde."
„Du lieber Himmel, was kann er nur gewollt haben? Von Mindy meine ich." Sie senkte die Stimme und murmelte mehr zu sich selbst: „Nach letzter Nacht bin ich ziemlich sicher, was er von Mandy will." „Du hast also wieder mit ihm geschlafen." Mindy nickte schuldbewusst. „Ich habe ehrlich versucht, es nicht zu tun. Es war aber einfach unmöglich." „Ach ja?" Mindy nickte energisch und berichtete von ihren vergeblichen Versuchen, Benton abzuschrecken. Janes Augen wurden immer größer, als Mindy von dem Sexshop und dem Lamborghini berichtete. „Er hat einfach so einen Lamborghini geklaut?" fragte sie entgeistert. „Na ja, es stellte sich heraus, dass er einem Bekannten von ihm gehörte, doch er hat nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als ich es vorschlug. Und als wir schließlich bei ihm waren, fand ich heraus, dass er eine CD mit dem Lied gekauft hat, zu dem ich in der Disco für ihn getanzt hatte, und da habe ich halt noch einmal für ihn getanzt." Jane begann zu grinsen. „Wenn du tanzen sagst, meinst du dann tanzen, oder meinst du etwas anderes?" Mindy verdrehte die Augen. Das hatte sie nun davon, dass sie ihren Mund nicht halten konnte. „Okay, ich habe mich dabei für ihn ausgezo gen. Na und?" „Du hast einen Striptease für ihn hingelegt?" Statt sie auszuschimpfen, begann Jane lauthals zu lachen. „Du hast tatsächlich gestrippt? Du, Mindy, die glückliche, vernünftige Frau, die keinen Mann braucht? Das ist köstlich. Es ist geradezu perfekt." Tränen liefen ihr über die Wangen, und sie konnte gar nicht mehr aufhören zu lachen. Mindy betrachtete sie böse und wartete, bis sich Janes Lachanfall zu einem Kichern beruhigt hatte. Dann fragte sie: „Und was ist daran so lustig?" „Es ist lustig, dass ich dich endlich durchschaut habe. Dein Geheimnis ist kein Geheimnis mehr." „Wovon redest du?" „Es gefällt dir, Mandy zu sein. Ich glaube sogar, du selbst bist Mandy." Völlig geschockt hob Mindy die Augenbrauen. „Was?" „Denk einmal darüber nach. Jedes Jahr zu Halloween lade ich dich zu einer Party ein, und als was kommst du? Du scheust weder Kosten noch Mühen, um dich als eine tolle Frau wie Marilyn Monroe, Dolly Parton oder Madonna zu verkleiden." Mindy schluckte nervös. Sie verstand noch nicht so recht, was Jane sagen wollte, doch sie gab zu: „Dieses Jahr komme ich als Cher." Jane sprach weiter. „Ich glaube, es gibt eine wilde Seite an dir, die du im normalen Leben unterdrückst, und jedes Mal, wenn du dich verkleidest, dann lässt du diesen Teil von dir heraus. Das Gleiche passiert auch, wenn du zu Mandy wirst. Du kannst am nächsten Tag wieder Mindy sein, also scheint es dir sicher, dich wild und verrückt zu benehmen, so als hät te es keine Folgen." Dasselbe hatte Mindy letzte Nacht auch gedacht, doch sie war noch nicht bereit, gegenüber Jane oder sich selbst zuzugeben, dass sie sich vielleicht doch nicht so gut kannte, wie sie geglaubt hatte. „Deine Aus führungen haben nur einen Fehler, Dr. Jane. Alles, was ich als Mandy tue, hat Folgen." Jane schnaubte verächtlich. „Aber du kümmerst dich nicht darum." Bevor Mindy darauf antworten konnte, klingelte das Telefon, und sie wandte sich erleichtert ihrer Arbeit zu. Benton saß an einem kleinen Tisch am Fenster des Cafes gegenüber von Mindys Partnervermittlung und trank einen Kaffee. Er musste eigentlich ins Büro, aber vorher wollte er Mindy sehen. Er fand es ziemlich verdächtig, dass sie erst einige Zeit, nachdem er Mandy zu Hause abgesetzt hatte, aufgetaucht war. Er war danach direkt zu Mindys Büro gefahren
und hatte gehofft, dass die hitzige kleine Mindy hinter ihrem Schreibtisch sitzen würde und er sich die ganze Sache mit dem roten Haar nur einge bildet hatte. Der leere Schreibtisch sowie das merkwürdige Verhalten ihrer Assistentin, die auch nicht zu wissen schien, wo sie steckte, verhießen nichts Gutes. Er hatte Mandy gegenüber nichts von dem roten Haar erwähnt, einfach weil er nicht wusste, was er sagen sollte. Kaum hatte er es erspäht gehabt, hatte sie sich unter ihm gedreht, und es war nichts mehr zu sehen gewesen. Und er konnte ja nicht direkt danach suchen obwohl er mit ihrem Haar herumgespielt hatte, in der Hoffnung etwas zu entdecken, doch das war vergeblich gewesen. Nach einer Weile hatte er dann entschieden, dass er sich wohl getäuscht hatte. Danach hatte er sich ganz darauf konzentriert, sie zu lieben. Nun saß er hier auf der Lauer gegenüber von Mindys Büro. Er war voller Zweifel aufgewacht und fragte sich noch immer, was er in der schummrigen Beleuchtung gesehen hatte. Er erinnerte sich, dass Mandy gesagt hatte, Mindy hätte ihr Haar rot ge färbt. Hatte sie vielleicht gelogen? War Mandy vielleicht genauso ein Rotschopf wie ihre Schwester und hatte es nicht zugeben wollen? Schließlich hatte er ausdrücklich eine Blondine als Partnerin verlangt. Verlegen dachte er an seinen Liste, doch im Moment gab es Wichtigeres. Er war sich nicht sicher, warum ihm plötzlich Mindy eingefallen war, als er die roten Strähnen entdeckt hatte. War Mandy womöglich Mindy? Eine verrückte Idee. Allerdings war die Ähnlichkeit wirklich erstaunlich. Und beide besaßen sie diese merkwürdige Angewohnheit, ständig zu blinzeln. Jetzt, wo er darüber nachdachte, klang Mandys Stimme, wenn sie nervös war, genau wie die von Mindy. Das musste natürlich nichts heißen. Sie waren Zwillinge. Soweit er wusste, hatten Zwillinge häufig mehr gemeinsam als ihr Aussehen; sie konnten gleiche Angewohnheiten haben, dieselben Gesten, sogar dieselben Gefühle. Und er hatte schon eine Menge Zwillinge kennen gelernt, die er nicht auseinander halten konnte. Trotzdem, so verrückt es auch klang, er war misstrauisch geworden. Wenn sie Angst hatte, entdeckt zu werden, würde das ihr heimliches Verschwinden nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht erklären. Und wenn er ganz ehrlich war, musste er sich eingestehen, dass es zwischen ihm und Mindy auch ein wenig geknistert hatte, bevor sie ihn mit ihrer Schwester verkuppelt hatte. Er hatte sich das bis zu dieser Minute selbst nicht eingestanden, denn zwei Menschen konnten gar nicht weniger zueinander passen, und der Gedanke, sich mit ihr zu verabreden, war einfach absurd. Was erklären würde, warum Mindy sich zu dieser Verkleidung ent schlossen hatte, überlegte er und kam sich vor wie Sherlock Holmes. Was war, wenn sie sich zu ihm hingezogen gefühlt hatte und sich gewünscht hatte, mit ihm auszugehen, nach ihren anfänglichen Problemen aber nicht gewagt hatte, es zuzugeben? Außerdem war er ihr Kunde. Vermutlich hatte sie eine Regel, dass sie sich niemals mit Kunden einließ. Vielleicht hatte sie sich so sehr zu ihm hingezogen gefühlt, dass sie es nicht ignorieren konnte. Vielleicht hatte sie das dazu verleitet, etwas zu tun, was völlig untypisch für sie war. War das alles eine unglaubliche Scha rade, die dazu diente, Zeit mit ihm verbringen zu können? Je länger er darüber nachdachte, desto mehr Sinn ergab es. Er war verrückt nach Mandy, hatte sich aber schon das eine oder andere Mal über ihre sich ständig wechselnde Persönlichkeit gewundert. Und es würde auch erklären, warum sie gestern im Cabrio so krampfhaft ihre Haare festgehalten hatte. Je länger Benton darüber nachdachte, desto entschlossener wurde er. der Sache so schnell wie möglich auf den Grund zu gehen. Er trank seinen Kaffee aus, verließ das Cafe und schlenderte hinüber zu Mindys Büro. Lächelnd trat Benton in den Laden und richtete seine Aufmerksamkeit auf Mindy. War sie
die gleiche Frau, die er vor nicht einmal einer Stunde verlassen hatte? Sie sah süß, wenn auch ein wenig mitgenommen aus. „Guten Morgen, Mindy." Sie riss die Augen auf. „Benton ... ich meine, Mr. Maxwell." Nach die ser etwas nervösen Begrüßung, entspannte sie sich ein wenig und versuchte ihre Überraschung zu überdecken. „Jane erzählte, dass Sie schon einmal da waren. Tut mir Leid, dass ich Sie verpasst habe. Was kann ich für Sie tun?" „Es geht um Ihre Schwester", sagte er und kam näher. Er ging an dem Stuhl vor ihrem Schreibtisch vorbei und blieb neben ihr stehen. Sie schaute zu ihm hoch und blinzelte. „Haben Sie schon wieder was im Auge?" „Ja." „Tut mir Leid." „Sie wollten mich wegen Mandy sprechen?" Sie blinzelte wieder, bevor sie die Augen schloss und krampfhaft versuchte, diesen Tick lo szuwerden. Benton griff in seine Jackentasche, um die Karte herauszuholen, die er vorhin im Geschenkeladen neben dem Cafe besorgt hatte. „Ich bin noch immer ganz bezaubert von ihr, und um meine Dankbarkeit zu zeigen, ha be ich Ihnen eine ..." Er schaute auf die Karte, die in einem Briefumschlag steckte und lachte angesichts seiner vorgetäuschten Vergesslichkeit. „Ach herrje, ich habe ihr eine Karte geschrieben und vergessen, sie zu unterschreiben." „Oh. Hier ist ein ..." Sie hielt ihm einen Kugelschreiber hin, doch Benton fischte hastig den goldenen Stift heraus, den Miss Binks ihm zu seinem letzten Geburtstag geschenkt hatte. „Ich habe schon einen, danke." Er schenkte ihr noch ein Lächeln, als er sich über ihren Schreibtisch beugte und seinen Namen unter die Dankeskarte setzte. Gleichzeitig versuchte er einen Blick auf Mindys Beine zu erhaschen, doch leider steckten sie unter dem Schreibtisch, wo er sie nicht sehen konnte. Jetzt musste er zu drastischeren Maßnahmen greifen. Er musste endlich wissen, ob Mindy Mandy war, oder nicht, und nach wem genau er nun verrückt war. Als er sich daher aufrichtete, um den Kugelschreiber wieder in seine Jackentasche zu tun, ließ er ihn absichtlich auf den Boden unter Mindys Schreibtisch fallen. Hastig bückte er sich, um ihn aufzuheben. „Entschuldigung", murmelte er, als er nach dem Stift zwischen ihren Füßen griff. Endlich schob sie ihren Stuhl zurück. „Mr. Maxwell, was um Himmels willen machen Sie da?" Er schnappte sich den Kuli und kam auf die Knie, während er sie anlächelte. „Ich habe ihn." Dann erklärte er: „Es ist ein besonderer Schreiber. Mein Name ist eingraviert. Sehen Sie?" Er hielt ihn ihr unter die Nase und nutzte gleichzeitig die Gelegenheit, um einen Blick zu ihrem Knie zu werfen, in der Hoffnung, dort das herzförmige Muttermal zu entdecken. Leider hatte sie ihre Knie fest zusammengepresst. Aber etwas genauso Verräterisches stach ihm ins Auge. Er hob den Blick und versuchte unschuldig zu klingen. „Was ist mit Ihren Knien passiert?" Mindy schaute ihn erschrocken an, bevor sie die blauen Flecken mit den Händen bedeckte. „Ich bin gefallen." „Nichts Ernstes, hoffe ich." Er schob seinen Stift in die Tasche, ohne den Blick von Mindy zu wenden. Sie schüttelte energisch den Kopf und antwortete hastig. „Nein, nein." „Das ist ja wirklich ein Zufall. Mandy ist gestern Abend auch gefallen." Er blieb auf den Knien, während er ihre begutachtete. Auch wenn es merkwürdig aussah, aber er war mit seiner Inspektion noch nicht am Ende. Nach einem kurzen Zögern stieß Mindy einen Seufzer aus, der wohl besagen sollte, dass
sie das alles schon mehr als einmal erlebt hatte. „Sie würden nicht glauben, wie oft uns das passiert." Sie verdrehte die Augen. „Es ist diese Zwillingssache. Sie haben bestimmt schon davon gehört, dass ein Zwilling die Schmerzen des anderen fühlen kann? Nun, Mandy und ich kopieren uns häufig. Das heißt, wenn sie fällt, falle ich auch. Es ist ziemlich unheimlich." „Das ist es", stimmte er zu. Es wurde Zeit für den nächsten drastischen Schritt. Er glaubte ihr natürlich kein Wort, wollte aber hundert Prozent sicher sein, dass seine Vermutung richtig war. Also schob er ihre Hand beiseite und umschloss vorsichtig ihre Kniescheibe mit den Fingerspitzen. Wie ein Arzt drehte er sie von einer Seite zur anderen. Noch bevor er das Muttermal entdeckte, wusste er schon, dass sie Mandy war, nicht nur, weil er die Sache mit dem Hinfallen nicht glaubte, sondern weil die Mindy, die er ursprünglich kennen gelernt hatte, ihm unter keinen Umständen erlaubt hätte, sie so ungeniert zu berühren. Doch so sagte sie nur mit zitternder Stimme: „Benton, äh, Mr. Maxwell, was ma chen Sie ...?" Er sah den panischen Ausdruck auf ihrem Gesicht. „Ich versichere mich nur, dass Ihre Knie in Ordnung sind. Schließlich ist Mandy ziemlich heftig aufgeschlagen, also sind Sie das bestimmt auch." Sie antwortete nicht, doch Bentons Mission war erledigt. Er stand wie der auf. Also hatte er Recht gehabt. Mindy gab sich tatsächlich als Mandy aus, sie log ihn an, hielt ihn zum Narren, ließ zu, dass er sich unter Vortäuschung falscher Tatsachen in sie verliebte. Wut stieg in ihm auf. Er mochte es nicht, wenn man ihn übertölpelte. Eigentlich müsste er jetzt vor Zorn toben, sie mit Anschuldigungen bombardieren, vielleicht sogar mit gerichtlicher Verfolgung drohen. Doch die neue, weichere Seite in ihm, die er entdeckt hatte, seit er Mandy getroffen hatte, ließ ihn innehalten und über ihre Motive nachdenken. Und je länger er das tat, desto geschmeichelter fühlte er sich. Sie hatte sich all diese Mühe gegeben, war diese Risiken eingegangen, nur um mit ihm zusammen sein zu können. So sehr hatte sie ihn begehrt. Natürlich blieb er wütend wegen ihrer Lügen und fragte sich, wann sie wohl vorhatte, ihm die Wahrheit zu sagen. Doch ob er es nun wollte oder nicht, er war immer noch verrückt nach dieser Frau. Vielleicht war er ganz froh, herauszufinden, dass er sie beide hatte - den Hitzkopf Mindy, die sich von niemandem herumschubsen ließ, und die leidenschaftliche, abenteuerlustige Mandy mit ihrer erfrischenden Impulsivität. Und das erleichterte zumindest eines - er brauchte sich wenigstens keine Sorgen mehr zu machen, dass er sich in die eine Schwester verliebte, während er eine heimliche Schwäche für die andere hatte. Doch das hieß nicht, dass Benton sie mit einem Lächeln und einem Zwinkern entkommen lassen würde. Auf keinen Fall. Niemand durfte so lange ungestraft solch eine faustdicke Lüge erzählen. Anscheinend mochte Mindy ja Spielchen, also würde er jetzt den Spieß umdrehen und sie eine Weile leiden lassen, bis sie ihm endlich die Wahrheit erzählte. Und er hatte das Gefühl, dass er die Sache sehr genießen würde. Ihm kam eine Idee „Können Sie ein Geheimnis für sich behalten?" fragte er seine Geliebte mit der gespaltenen Persönlichkeit. Mindy starrte ihn an, offensichtlich noch immer verwirrt von der Sache mit dem Knie. „Hm, ja. Sicher." „Und Sie, Jane?" Er wandte sich an Mindys treue Assistentin, die stumm da saß und ihre Wortwechsel beobachtete. Er vermutete, dass die beiden Frauen sich nahe standen, und ging davon aus, dass Jane über Mindys Scharade Bescheid wusste. „Ich?" Sie zuckte überrascht zusammen, als er sie plötzlich in die Unterhaltung einbezog. „Oh ja, natürlich. Ich bin schweigsam wie ein Grab." „Darauf würde ich wetten." Er lächelte die beiden abwechselnd an. „Erzählen Sie es nicht Mandy, aber das nächste Mal, wenn wir uns sehen, werde ich ihr einen Heiratsantrag
machen." Mindy schnappte nach Luft, und Jane ließ den Ordner fallen, den sie in der Hand gehabt hatte. Mindy versuchte, etwas zu sagen, doch es dauerte einem Moment, bevor sie herausbrachte: „Finden Sie nicht, dass das ein bisschen übereilt ist?" Benton lächelte. Das machte ja noch mehr Spaß als die Fahrt im Lamborghini. „Keineswegs. Das war doch schließlich mein Ziel - eine Ehefrau zu finden. Erinnern Sie sich?" „Na ja... aber ... Sie kennen sie doch noch gar nicht!" Benton konterte: „Oh, Sie wären überrascht. Erst letzte Nacht habe ich herausgefunden, dass sie auf sündhafte Sachen steht." Sowohl Mindy als auch Jane schluckten. Er fuhr fort. „Aber warum sollte ich mich beschweren, wenn sie ein wenig mehr Schwung ins Schlafzimmer bringen will?" Er zwinkerte vieldeutig. „Ich denke", begann Mindy langsam, während eine leichte Röte ihr Gesicht überzog, „dass sie wahrscheinlich nur neugierig auf solche Sachen ist. Das heißt nicht, dass sie darauf steht! Ich glaube sogar, dass Sie sie danach fragen und ihr eine Chance geben sollten, es zu erklären." „Nein, nein. Es ist unerheblich. Außerdem werde ich sie bei unserem nächsten Treffen bitten, meine Frau zu werden. Da wird keine Zeit bleiben, etwas anderes zu besprechen." „Aber, Benton, Sie kennen die wahre Mandy doch gar nicht!" beharrte Mindy. „Man kann unmöglich mit ihr zusammenleben! Sie schraubt nie den Deckel auf die Zahnpastatube! Sie hängt niemals ihre Sachen in den Schrank! Und sie ... sie lässt das Geschirr in der Spüle, bis es anfängt zu schimmeln! Es ist wirklich widerlich, kann ich Ihnen sagen!" Benton tat das alles mit einer Handbewegung ab und lächelte. „Ich besorge ihr ein Dienstmädchen. Oder noch besser ...", er hob triumphie rend einen Finger, „... ich werde ihr ein Dienstmädchen-Outfit besorgen. Sie wissen schon, eins von diesen aufreizenden schwarzen kurzen Kleid chen mit weißer Schürze und Netzstrümpfen? Jetzt, da ich weiß, dass sie gern mal etwas Neues ausprobiert, ist das bestimmt perfekt. Danke, dass Sie mich darauf gebracht haben, Mindy. Aber jetzt muss ich wirklich los. Die Arbeit ruft. Passen Sie auf Ihre Knie auf." Mit diesen Worten verließ er den Laden, froh, als sich die Tür hinter ihm schloss, und er endlich in das Lachen ausbrechen konnte, das er seit ge raumer Zeit zurückgehalten hatte. Er amüsierte sich königlich. 1indy saß in Shorts und T-Shirt auf ihrem Sofa und fühlte sich miserabel. Sie hatte eigentlich joggen ge hen wollen, doch bereits nach wenigen Schritten war ihr klar geworden, dass ihre Knie viel zu wehtaten. Sie lief nicht häufig, aber heute hatte sie gehofft, sich damit einen klaren Kopf verschaffen zu können. Andererseits, glaubte sie wirklich, dass es irgend etwas geben konnte, um dieses ganze Durcheinander in ihrem Kopf zu entwirren? Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass sie sich eigentlich daran machen sollte, sich als Mandy zu verkleiden, also ihre blonden Locken überstülpen, ein Mandy-Lächeln aufsetze n und deren Stimme üben. Die Tatsache, dass sie sich nicht auf ihre Verabredung vorbereitete, konnte nur eins bedeuten - sie würde nicht gehen, und damit Benton keine Möglichkeit geben, ihr heute Abend einen Heiratsantrag zu machen. Sie schüttelte den Kopf und dachte noch einmal voller Entsetzen an seinen Besuch in der Agentur heute Morgen. Sie konnte noch immer nicht glauben, dass der Mann tatsächlich um ihre Hand anhalten wollte! Und ihr ein Dienstmädchen-Outfit kaufen wollte! Dabei war noch nicht einmal Halloween. Andererseits wollte er sie in dem Kostüm wohl ohnehin nicht mit auf eine Party nehmen. Höchstens vielleicht auf eine private Party. Gar keine so schlechte Idee, dachte sie. Dann ermahnte sie sich. Was sollten diese Gedanken? Alles war inzwischen so aus dem Ruder gelaufen, dass sie nicht mehr weiter wusste. Aber das Kostüm hatte sie auf eine Idee gebracht. Wenn sie schon nicht ausgehen wollte,
konnte sie ja anfangen, sich Gedanken über ihren Auftritt als Cher zu machen. Sie schaute zum Telefon, dachte daran, dass Benton bald auftauchen würde, und summte die ersten Takte von „If I Could Turn Back Time". Nun, sie konnte zwar die Zeit nicht zurückdrehen, doch sie konnte sie eine Weile einfrieren, zumindest was ihre Beziehung zu Benton anging. Also nahm sie den Telefonhörer und wählte seine Büronummer. Er antwortete nach dem ersten Klingeln. „Benton Maxwell." Mindy hielt sich die Nase zu und versuchte verschnupft zu klingen. „Benton, hier ist Mandy." „Mandy? Ist alles in Ordnung? Du klingst so ..." „Krank. Ich bin krank." „Oh nein, Liebling, wie furchtbar." Die Sorge in seiner Stimme wich der Enttäuschung. „Heißt das, dass du unsere Verabredung verschieben willst?" „Ja, tut mir Leid." Er seufzte. „Mir auch, aber wenn du krank bist, ist es wohl besser, wenn wir nicht ausgehen." Sie hielt sich immer noch die Nase zu. „Ich hatte mich schon so auf heute Abend gefreut, aber ...", sie hustete heftig, „... du hast Recht. Ich sollte zu Hause bleiben." „Ich hoffe, du gibst gut auf dich Acht." „Keine Angst, das tue ich." Vor allem, indem ich diese Verabredung absage, dachte sie. So stellte sie wenigstens sicher, dass sie nicht wieder mit ihm ins Bett ging. „Übrigens, wie geht es deinen Knien?" „Sie tun immer noch weh", meinte sie und stöhnte ein wenig. „Na, dann pflege dich man ordentlich." Als Benton vorschlug, einen neuen Termin abzumachen, erklärte sie ihm, dass sie lieber noch ein paar Tage warten wollte, um zu sehen, wie es mit ihrer Erkältung weiterging. Schließlich legte sie auf und kam sich grausam vor, weil sie Benton ständig neue Lügen auftischte. Venus hüpfte neben sie auf die Couch, und Mindy kraulte sie unter dem Kinn. „Hallo, Venus. Sieht so aus, als wären wir beiden heute Abend allein." Gegen ihren Willen war sie darüber bitter enttäuscht. Sie hatte sich darauf gefreut, Benton zu sehen, denn ob sie wollte oder nicht, sie war verrückt nach ihm. Und sie war es leid, vorzugeben, jemand anderes zu sein, zumal daraus nichts werden würde, egal wie wundervoll diese Beziehung war. Sie nahm die Katze auf den Schoß und beschloss, sich selbst ein wenig aufzuheitern. „Weißt du was? Statt hier herumzusitzen und zu jammern, kann ich lieber an meinem CherKostüm arbeiten." Auch wenn Mai extrem früh war, um ein Halloween Kostüm anzufertigen, entschied sie, dass man niemals rechtzeitig genug beginnen konnte. Außerdem würde es sie von ihren Problemen ablenken. „Dies wird mein Debüt als Brünette sein!" sagte sie, aufgemuntert von der Abwechselung. „Lass uns auf den Dachboden gehen, um zu sehen, was wir dort finden." Zwei Stunden später stand Mindy vor dem großen Spiegel in ihrem Schlafzimmer und bewunderte das lange rote Paillettenkleid, das ihre Mutter sich vor Jahren für irgendeinen formellen Anlass gekauft hatte. Mindy hatte es mit einem sehr viel tieferen Ausschnitt versehen und die Taille eng gesteckt. Sie musste noch einiges ändern, aber mit einem Schlitz an der Seite würde es perfekt zu ihrem Auftritt als Cher, wie sie in den siebziger Jahren ausgesehen hatte, passen. Als Venus sich neben sie gesellte und leise miaute, fiel Mindy endlich auf, warum die Katze sich niemals darüber aufgeregt hatte, wenn sie sich in Mandy verwandelte. Sie hatte Mindy schon zu häufig in irgendwelchen Verkleidungen gesehen. In dem Moment klingelte es an der Haustür. Verärgert fragte sie sich, wer das sein könnte. Wahrscheinlich ihre Nachbarin, Mrs. Weatherby, die sich ständig etwas borgte. Die hatte sich neulich auch gewundert, wieso
Mindy mit einer blonden Perücke herumlief, und hatte sie darauf angesprochen. Mindy hatte Mrs. Weatherby erklärt, sie hätte sie mit ihrer Zwillingsschwester verwechselt. „Das passiert ständig", hatte sie gemeint. Oh, was war das alles verworren! Sie ging zum Fenster, zog die Gardine zur Seite und blinzelte, als die untergehende Sonne ihr in die Augen stach. Trotzdem konnte sie erkennen, dass die Person vor ihrer Tür nicht Mrs. Weatherby war; es war niemand anderes als Benton Maxwell III. Mindys Herz begann zu rasen.
8. KAPITEL
„Was jetzt?" murmelte Mindy und befahl sich nachzudenken. Schnell! Sie ließ die Gardine wieder sinken und zupfte und zerrte dann an dem langen Kleid, bis sie es schließlich über den Kopf gezogen hatte und es zur Seite werfen konnte. Ihr Blick glitt über das Chaos im Zimmer, das mit offenen Kartons vom Dachboden gefüllt war. Wo zum Teufel waren ihre Shorts und das T-Shirt? Aha! Sie entdeckte das T-Shirt unter ihrem Bett und zog es hastig an. Wieder klingelte es an der Tür, das inzwischen vertraute ungeduldige Klingeln. Wo waren jetzt die Shorts? Verflixt! Sie konnte sie nicht finden. Statt weiter zu suchen, riss sie die Schranktür auf und schnappte sich ihren rosa Bademantel, warf ihn sich über und band ihn fest zu. Dann raste sie nach unten, kehrte jedoch auf halbem Weg wieder um, um die Tür vom Schlafzimmer zu schließen, das so gar nicht danach aussah, als würde sie krank im Bett liegen. Vor der Haustür kam sie zum Stehen, genau in dem Moment als Benton zum dritten Mal klingelte. Sie wollte gerade nach der Klinke greifen, erhaschte vorher aber noch einen Blick von sich im Garderobenspiegel. Oh nein! Keine Perücke! „Ich komme sofort!" Sie eilte zurück in ihr Schlafzimmer. „Perücke, Perücke", flüsterte sie. Sie hatte so eine Unordnung angerichtet, dass sie das verflixte Ding nir gends entdecken konnte! „Komm schon, wo bist du?" Panik machte sich in ihr breit, als sie endlich eine blonde Locke unter einem bunten Stück Stoff entdeckte. In aller Eile stülpte sie sich die Perücke auf den Kopf und raste wieder nach unten. Vor dem Spiegel versteckte sie schnell noch die letzten roten Strähnen. „Da hast du ja wieder ein schönes Durcheinander angerichtet", raunte sie ihrem Spiegelbild zu. Zum Glück fiel ihr noch rechtzeitig ein, dass sie ja angeblich krank war. Sie zwang sich, langsamer zu gehen und holte tief Luft, bevor sie nach der Türklinke griff. „Benton", hauchte sie schwach und hüstelte ein wenig. Besorgt sah er sie an. „Warum hast du so lange gebraucht? Ist alles in Ordnung?" „Ich musste ... ich musste erst meinen Bademantel finden. Weil ich keine Shorts anhabe, siehst du?" Mit beiden Händen öffnete sie den Mantel unter dem Gürtel. „Du klingst viel besser als vorhin am Telefon." Er trat über die Schwelle, und ließ ihr keine andere Wahl, als zurückzuweichen und ihn hineinzulassen. „Meine ... Nase ist wieder frei. Das Mittel, das ich genommen habe, hat im Nu gewirkt." Benton schaute sich erstaunt in ihrem kleinen Wohnzimmer um. „Tatsächlich? Wo hast du es? Wenn ich krank bin, hole ich mir alles, was ich vielleicht brauchen könnte, um es parat zu haben." Er sagte das lächelnd, doch offensichtlich hatte er erwartet, Taschentücherpackungen, Medikamente und halbleer gegessene Suppenteller zu sehen, was auch der Fall gewesen wäre, wenn sie wirklich krank wäre. Aber zu ihrem Ärger war das Zimmer in tadellosem Zustand. Nachdem sie für ihre erste Verabredung mit Benton aufgeräumt hatte, war sie bemüht gewesen, es so zu belassen. Und das, nachdem Mindy behaup tet hatte, dass Mandy so unordentlich sei. Noch etwas, das schief ge gangen war. „Es steht im Arzneischrank im Bad. Ich hatte gerade ein wenig aufge räumt, bevor du kamst." „Dabei solltest du dich ausruhen", schimpfte er. „Deshalb bin ich auch hier. Ich werde mich um dich kümmern." Mindy war sich nicht sicher, ob es Schuld- oder Glücksgefühle waren, die sie durchströmten, als sie ihn anschaute, aber sie entschied, dass es Letztere waren. Am liebsten hätte sie die Arme um seinen Hals ge schlungen, doch sie beherrschte sich. „Du bist echt lieb." Lächelnd erwiderte er: „Du machst es einem Mann ja auch leicht. Was ist das?" Behutsam
streckte er die Hand aus und nahm eine einzelne rote Paillette von ihrer Schulter. „Es sieht aus wie eine Paillette." Er wirkte ein wenig verdutzt. „Hast du in letzter Zeit Pailletten getragen?" Sie schluckte und suchte fieberhaft nach einer Antwort. „Ach, bevor ich mich vorhin so schlecht zu fühlen begann, war ich gerade dabei, den Dachboden aufzuräumen. Alte Halloweenkostüme und so etwas. Sie ist wahrscheinlich von einem abgefallen, als ich die Kartons durchwühlt ha be." Benton nickte, und Mindy erkannte, dass das eine ihre vernünftigeren Lügen gewesen war. Es war ihr unangenehm, zu merken, dass sie immer besser darin wurde. Sie war normalerweise eigentlich gar keine Lügne rin sein, und sie wollte auch niemand sein, der diese Kunst perfektio nierte. Zu spät, sagte ihre innere Stimme. Sie wechselte das Thema und deutete auf die Einkaufstüte in seiner Hand. „Was hast du da?" Benton lächelte und ging ins Wohnzimmer. Dort stellte er die Tüte auf den Tisch und griff hinein. „Ich habe uns ein paar Filme ausgeliehen." Er legte vier Videos auf den Tisch. „Und ich habe dir Eis mitgebracht." Eine große Packung Pfefferminzeis mit Schokostücken folgte. „Außerdem habe ich für Venus Katzenleckereien geholt, damit sie sich nicht ausge schlossen fühlt." Mindy starrte ihn entge istert an. Der Mann war einfach zu gut, um wahr zu sein. „Du hast meiner Katze etwas Besonderes mitgebracht, obwohl du Katzen gar nicht magst?" Er neigte den Kopf und lachte leise. „Ich wollte Venus wohl beweisen, dass ich ehrliche Absichten habe." Dann hat das wenigstens einer von uns, dachte Mindy bedrückt. „Was für Filme hast du denn ausgesucht?" „Von allem etwas." Er hob sie hoch und las die Titel vor. „,Harry und Sally' zum Lachen, ,E.T.' zum Trost, .Titanic' wegen der Romantik und ,Casablanca' ... na ja, weil es eben ,Casablanca' ist", schloss er lächelnd. „Ich hatte gehofft, dass dir zumindest einer von ihnen gefällt." Zuzusehen wie Mindy vorgab, Mandy zu sein, und ihn anstarrte, als wäre er das Beste seit der Erfindung von Schnittbrot, reichte fast aus, Benton sein eigenes Täuschungsmanöver vergessen zu lassen. „Ich mag sie alle", erklärte sie. Doch da er überzeugt davon war, dass Mindy nicht krank war, sondern nur versuchte, seinem Heiratsantrag aus dem Weg zu gehen, wollte er ihr eine kleine Lektion erteilen, auch wenn er es im Moment am liebsten vergessen und sie stattdessen nur geküsst hätte. Er machte es sich auf der Couch gemütlich, zog Mindy neben sich und neckte sie weiter. „Wenn ich mehr Zeit gehabt hätte, wäre ich noch in die Stadt zu dem Laden gefahren, in dem wir neulich Abend waren, um eine andere Art von Video zu holen." Er hob viel sagend die Augenbrauen. Es dauerte einen Moment, bis sie begriff, was er da andeutete, doch dann errötete sie. „Das meinst du nicht ernst." Er hätte am liebsten gelacht - ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, könnte man denken, er hätte sie gebeten, in einem dieser Filme mit zuwirken. Genüsslich bohrte er weiter in der Wunde. „Ich dachte, dass du vielleicht auf so etwas stehst. Ich nahm an, dass du mich deshalb in den Laden gezerrt hast." Mindy blinzelte ihn an. „Die Sache ist so. Ich war einfach nur neugie rig, was es in solchen Läden zu kaufen gibt. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich etwas davon haben möchte." „Okay, wie du meinst." Er zwinkerte ihr zu und stand dann auf, um in die Küche zu gehen. „Ich stelle lieber mal das Eis ins Gefrierfach, bevor es schmilzt. Außerdem wollte ich dich noch etwas fragen."
Mindy war mucksmäuschenstill nebenan, und Benton lächelte. Entge gen dem, was er ihr und Jane heute Morgen gesagt hatte, war er noch nicht bereit, Mindy zu heiraten. Erst mussten noch ein paar Dinge geklärt werden. Zum Beispiel, wie sie hieß. Doch unter den gegebenen Umständen fand er es nur fair, wenn er vorgab, es tun zu wollen. Es würde Spaß machen, sie schwitzen zu sehen. Ein klein wenig Folter war das Mindeste, was sie für ihre ganzen Lügen verdiente. Sie wegen des Sexshops zu necken, war nur der Anfang gewesen. Sie hatte ihm noch nicht geantwortet, als er ins Wohnzimmer zurückkam. Er ließ sich wieder neben ihr nieder, schlang den Arm um ihre Schulter und zog sie an sich. Sie drehte sich zu ihm und sah besorgt aus. „Ich bin wahrscheinlich ansteckend", warnte sie ihn. Er grinste. „Ich besitze ein ausgezeichnetes Immunsystem." „Wie schön." „Jetzt zu meiner Frage." Sie schluckte. „Ja?" Er zögerte lange genug, um ihren Blutdruck nach oben zu treiben, bevor er sagte: „Welchen Film möchtest du zuerst sehen?" Als sie die Augen aufriss, musste er ein Schmunzeln unterdrücken. „Welchen Film?" Hastig befreite sie sich von ihm und durchforstete den Stapel Videos auf dem Tisch. Dann bemühte sie sich, mit ruhigerer Stimme zu sprechen. „,Harry und Sally', natürlich. Ich brauche jetzt wirklich etwas Aufheiterndes." Sie schauten sich „Harry und Sally" an und „Casablanca" und entschlossen sich, sich die anderen Filme ein andermal anzusehen, da es schon weit nach Mitternacht war, als Bogie Ingrid Lebewohl sagte. Benton hatte sich auf der Couch ausgestreckt, und Mindy kuschelte sich an seine Brust. Noch nie hatte Benton es so sehr genossen, Videos anzuschauen. Im Laufe des Abends hatte es Momente gegeben, da hätte er ihr am liebsten die blonde Perücke von ihrem hübschen Kopf genommen und ihr gesagt, dass er alles wusste, dass es in Ordnung war und er sie liebte. Denn das tat er. Er hatte sich in Mindy McCrae verliebt, eine Frau, die das absolute Gegenteil von all dem war, was er gedacht hatte zu wollen. Daran gab es nichts mehr zu zweifeln, und dagegen anzukämpfen nützte nichts mehr. Während sie still dalagen und darauf warteten, dass das Video zurückspulte, verstand er, warum er bisher nie eine Frau gefunden hatte, die er lieben konnte; er hatte immer an den falschen Orten gesucht, sich immer die falschen Frauen ausgewählt. Kein Wunder, dass er nichts für Miss Binks empfand. Es hatte Mindy mit all ihren Täuschungs manövern gebraucht, um ihm klarzumachen, dass er keine Ahnung davon hatte, was er sich von einer Partnerin erhoffte. Er wusste lediglich, dass er es in ihr gefunden hatte. Also wollte er natürlich den Schwindel aufdecken, ihre Differenzen beilegen, ihr gestehen, was er trotz allem für sie empfand. Er wollte ihre Be ziehung weiterführen, sie auf ein solides Fundament stellen. Doch als er auf ihren blonden Haarschopf schaute, genügte das, um ihn davon abzuhalten, die Sache sofort aufzuklären. Nein, Mindy würde als Erste beichten müssen, und bis sie es tat, würde er sie weiterhin ein bisschen leiden lassen. Die Wahrheit zuzugeben war wirklich das Mindeste, was er von ihr verlangen konnte. Erst dann konnten sie weitersehen. In dem Moment schaute Mindy ihn an. „Das war richtig nett. Danke, dass du vorbeigekommen bist." Er unterdrückte das mitfühlende Lächeln und schwor sich, dass sie ihn nicht dadurch herumkriegen würde, indem sie einfach bewundernswert war. „Du scheinst dich viel besser zu fühlen." „Das liegt bestimmt daran, dass du da bist." Sie senkte den Blick, seufzte und hob ihn wieder. „Kann ich dir etwas sagen?" „Alles", entgegnete er in der Hoffnung, dass sie ihm endlich sagen würde, wer sie wirklich war. „Manchmal ... habe ich das Gefühl, dass ich gar nicht den Anforderungen der Liste
entspreche, die du Mindy gegeben hast. Ich fühle mich, als ob ich dir anfangs etwas vorgemacht hätte. Ich muss dir so gänzlich anders vorkommen als bei unserer ersten Begegnung." Benton zog Mindy noch enger an sich und küsste ihre Stirn, während sie ein Bein über seine Beine legte. „Vielleicht", flüsterte er, „hast du mir geholfen, zu erkennen, dass meine Liste doch nicht so wichtig war." Er betrachtete sie intensiv. Sag es mir, dachte er eindringlich. Sag mir, dass du Mindy bist. Sag mir die Wahrheit. Stattdessen zog sie seinen Kopf zu sich und gab ihm einen langen Kuss, was, wie Benton fand, das Zweitbeste war. Seine Zunge nahm den Tanz mit ihrer auf und ließ ihn vergessen, dass die Wahrheit wichtig war. Er begehrte sie, alle beide. Mindy und Mandy. Er war nicht zu ihr gekommen, mit der Absicht sie zu lieben, schließlich war sie ja angeblich krank, doch nun schob er die Hände unter ihren Bademantel und umschloss liebevoll ihre Brüste. Zwanzig Minuten später lagen sie - nach einem zärtlichen, wenn auch kurzen Beisammensein - aneinandergeschmiegt auf der Couch. Trotz der Tatsache, dass er gerade eine Frau geliebt hatte, die dachte, dass sie ein großes Geheimnis vor ihm bewahrte, hatte er sich noch nie so ent spannt und glücklich nach einer sexuellen Begegnung gefühlt. Als sie mit einem Finger durch sein Haar auf der Brust strich, griff er nach ihrer Hand. Er schaute ihr tief in die Augen, als er leise meinte: „Ich muss dich noch etwas fragen." In ihren Augen entdeckte er Panik. Sie sah fast so krank aus, wie sie vorgegeben hatte zu sein. „Was denn?" Willst du mich heiraten, Mandy? Die Worte lagen ihm auf der Zunge, doch er sprach sie nicht aus. Stattdessen wanderte sein Blick zu einem gerahmten Foto, das er vorhin auf einem kleinen Beistelltisch entdeckt hatte. Das Foto zeigte Mindy mit drei anderen jungen Frauen, die sich lächelnd um einen Geburtstagskuchen versammelt hatten. „Wer ist das auf dem Foto?" Erleichterung zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, als sie seinem Blick folgte. „Oh, das bin ... das ist meine Schwester und einige Freundinnen an ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag." Benton beschloss, dass er ihr für heute den kleinen Patzer durchgehen lassen würde. Er hatte immer noch vor, Mandy einen Heiratsantrag zu machen, um zu sehen, wie Mindy damit umging. Aber er würde es nicht heute tun. Miss Binks steckte den Kopf durch die Tür zu Bentons Büro. Sie wirkte nervös. Leider war sie das in letzter Zeit ziemlich häufig, nämlich stets dann, wenn sie, wie er vermutete, ihm ihre wahren Gefühle mitteilen wollte. Bisher war es ihm immer gelungen, rechtzeitig das Thema zu wechseln oder vorzugeben, dass er einen dringenden Anruf tätigen musste. Warum verstand sie seine Andeutungen nur nicht? Er wollte Miss Binks nicht wehtun, er fand nur, dass es besser für sie beide wäre, wenn sie das Thema Romanze niemals ansprächen. Er konnte nur vermuten, dass die Liebe zu ihm die Ärmste blind gemacht hatte und sie daher nicht merkte, dass er nicht hören wollte, was sie ihm zu sagen hatte. Inzwischen hatte er fast Mitleid mit Mindy. Sie hatte auch immer so panisch ausgesehen, wenn sie geglaubt hatte, er würde ihr einen Heiratsantrag machen. Es war schon zermürbend, darauf zu warten, dass jemand etwas zu einem sagte, was man nicht hören wollte. Allerdings war Mindy längst nicht so unschuldig wie Benton bei dieser Sache mit Miss Binks, also hielt sich sein Mitleid in Grenzen. „Mr. Maxwell, es tut mir Leid, wenn ich Sie störe, aber ich weiß, dass Sie heute Nachmittag keine Termine haben, und ich muss wirklich ein paar Minuten Ihrer Zeit beanspruchen." Immer wieder hatte er sie abgewehrt, und wenn er nicht allzu genau gewusst hätte, was sie sagen wollte, hätte er sich wirklich wie ein schrecklicher Arbeitgeber gefühlt. Doch ihm war eine Idee gekommen, wie er dem Ganzen ein Ende bereiten konnte. „In Ordnung. Miss Binks.
Kommen Sie, setzen Sie sich." Er deutete auf einen Lederstuhl vor seinem Schreibtisch. Sie nahm Platz, strich ihren Rock glatt und begann: „Mr. Maxwell, ich habe ..." „Miss Binks ...", er unterbrach sie, „... es gibt da etwas, was ich Ihnen anvertrauen möchte." Benton hatte sich entschlossen, Miss Binks die Wahrheit zu sagen, und er hatte vor, es zu tun, bevor sie ihre Zuneigung für ihn in Worte fassen konnte. Sein Geständnis würde ihr wehtun, aber es war etwas, was sie wissen musste, und er bemühte sich, ihr die Neuigkeiten so schonend wie möglich beizubringen. „Ich habe vor kurzem jemanden getroffen. Eine Frau." Als sie nach Luft schnappte, geschah es so leise, dass er vorgab, es nicht gehört zu haben. „Die Beziehung ist ziemlich schnell sehr ernst geworden, und ich fand es besser, Ihnen das zu sagen." Er stellte fest, dass sie weiß wie eine Wand geworden war. „Warum das, Mr. Maxwell?" Die Frage klang unschuldig, wenn auch ein wenig traurig. Er erfand eine Ausrede. „Weil es sein kann, dass ich weniger Zeit im Büro verbringen und daher Ihnen mehr Verantwortung übertragen werde." Sie nickte und stand hastig auf. Anscheinend wollte sie die Unterredung beenden. „Danke, dass Sie es mir gesagt haben." Sie ging zur Tür, drehte sich noch einmal um und meinte mit einem gequälten Lächeln: „Ich wünsche Ihnen alles Gute mit Ihrer neuen Beziehung. " Sie verschwand, bevor er etwas darauf erwidern konnte. Benton seufzte. Er hatte ihr wehgetan, und das tat ihm Leid. Sie war immer in jeder Beziehung so loyal gewesen, so treu. Aber es war besser, ihr auf diese Weise wehzutun. Hätte er zugelassen, dass sie ihm ihre Zuneigung gestand, wäre es noch schlimmer geworden. Zumindest hatte er ihr diese Demütigung und ihnen beiden erhebliche Verlegenheit erspart. Nun konnte er die Sache also als erledigt betrachten. Was ihn zu einem anderen, weit erfreulicheren Thema brachte. Er wählte Mandys Handynummer - was natürlich Mindys Nummer war -und lauschte ihrem fröhlichen „Hallo?" „Hallo, Mandy." Er legte einen verführerischen Klang in seine Stimme. „Hallo, Benton", entgegnete sie voller Wärme. „Hast du schon entschieden, was du morgen machen möchtest?" Es war Freitag, und er hatte ihr gesagt, sie solle sich etwas für das Wochenende überlegen. Normalerweise verband Benton mit einer Verabredung ein Essen in einem exquisiten Restaurant, doch Mindy hatte ihm gezeigt, dass es auch noch andere Möglichkeiten gab, Spaß zu haben. Er hatte beschlossen, seine rigiden Vorstellungen mal ein bisschen zu lockern, und dies schien ihm ein guter Anfang. Außerdem hoffte er, ihr damit endgültig zu verstehen zu geben, dass seine Anforderungsliste nicht mehr wichtig war. Sobald sie das einmal begriffen hatte und es auch wirklich glaubte, gab es keinen Grund mehr, ihre Täuschung weiterhin aufrecht zu erhalten. „Ich dachte mir, dass wir uns das Spiel der ,Reds' anschauen könnten." Hm, ein Baseballspiel. Sein Vater hatte ihn früher ab und zu zu einem Baseballspiel mitgenommen, aber es war nicht die übliche Beschäftigung der Maxwells. Selbst wenn er von einem Kunden Freikarten bekam, gab er sie meist an einen seiner Angestellten weiter. Anscheinend verunsicherte sein Zögern Mindy. „Ich weiß, es ist nicht unbedingt das, was wir normalerweise tun, aber ... meine Schwester hat es vorgeschlagen. Sie mag so etwas und meinte, es würde uns Spaß machen." Er musste lächeln angesichts ihrer Lügen. „Mindy hat es vorgeschlagen? Na, dann gehen wir natürlich." Nein, Baseball war eigentlich nicht sein Geschmack, doch Benton kam schnell zu der Überzeugung, dass es unter den gegebenen Umständen wirklich Spaß machen könnte. Er strich sich nachdenklich über das Kinn, bevor er ziemlich teuflisch zu lächeln begann. Es war Janes Idee gewesen. Zusammen hatten sie und Mindy entschie den, dass Bentons nächste Verabredung mit Mandy an einem öffentlichen Ort stattfinden musste. Irgendwo, wo es laut war und wo er ihr auf keinen Fall einen Heiratsantrag machen konnte. Während sie und Benton ihre Sitze einnahmen, sah Mindy erleichtert, dass sich eine ziemlich große Menschenmenge zu dem Spiel der „Reds" gegen die „Dodgers" eingefunden hatte.
Neulich Abend war sie ein nervliches Wrack gewesen, als sie ständig erwartet hatte, dass er die gefürchtete Frage stellen würde. Doch sie kannte Benton inzwischen gut genug, um zu wissen, dass er ihr niemals in solch einem überfüllten Stadion einen Heiratsantrag machen würde. Trotz aller anfänglichen gegenteiligen Vermutungen, war er im Grunde seines Herzens ein Romantiker, das hatte er immer wieder bewiesen. Und etwas so Wichtiges an einem unromantischen Ort zu tun, war nicht sein Stil. Das hatte ihn wahrscheinlich auch davon abgehalten, sie während ihrer vorgetäuschten Krankheit zu fragen. Er hatte sich bestimmt Wein und rote Rosen für solch eine Gelegenheit ausgemalt, nicht Bademantel und Bazillen. Sie hoffte nur, dass Erdnussschalen und Bierstände auch nicht seinen Standards entsprachen. Sie war überzeugt, dass er auf den richtigen Zeitpunkt wartete, also war ihre oberste Priorität im Moment, ihm diese Gelegenheit nicht zu bieten. Benton hatte Hot Dogs und Bier für sie beide gekauft und darauf bestanden, einen großen roten Schaumstofffinger mit der Aufschrift „Wir sind die Nr. 1" für sie zu erstehen, als sie einen gesehen und gelacht hatte. Dieser Kauf hatte eins klar gemacht. Nichts, was sie jetzt noch tat, konnte ihn anscheinend vergraulen. Normalerweise hätte sie bei dieser Gelegenheit eine abgeschnittene Jeans getragen, doch um ihrem „Mandy-Stil" nicht untreu zu werden, hatte sie stattdessen einen kurzen weißen Rock und ein rotes Top aus gewählt. Benton saß in Shorts und einem burgunderfarbenen Poloshirt neben ihr und sah so gut aus wie immer. Während sie die ersten Spielzüge beobachtete, begann Mindy ihm ein paar Feinheiten des Spiels zu erklären, gab sich jedoch Mühe, nicht zu beschlagen zu wirken. Mehrmals warf sie ein „ich glaube" oder ein Kichern ein und erklärte, sie wüsste das alles, weil Mindy sie manchmal dazu brachte, Baseball mit ihr im Fernsehen anzuschauen. Manchmal wünschte Mindy sich, sie könnte ihre Perücke herunterreißen und sie selbst sein. Sie hatte aufgehört, ihre Stimme zu verstellen, aber sie versuchte, hin und wieder noch etwas von Mandys Persönlichkeit einzustreuen, sei es eine Bemerkung, ein entsprechender Gesichtsausdruck oder indem sie etwas Ausgefallenes tat. Die Wahrheit war nämlich, so beschämend und albern ihre Lügen auch waren, und sosehr sie sich auch wünschte, wieder sie selbst zu sein, es gab einen Teil in ihr, der es wirklich genoss, Mandy zu sein, genau so, wie Jane es ihr gesagt hatte. Mindy war es nur schwer gefallen, das zuzugeben. Mandy war viel femininer, die Art von Frau, auf die die Männer flogen. Kein Wunder, dass Benton verrückt nach ihr war. Und Mandy hatte wirklich mehr Spaß am Leben und war sorgloser. Eben war sie in einer Spielpause aufgesprungen und hatte wild mit dem großen roten Schaumstofffinger, den er ihr als Gag gekauft hatte, zur Melodie eines Popsongs gewedelt und war herumgehüpft. Sonst klatschte Mindy mit der Menge, wenn ein Spiel aufregend wurde, aber nie wäre sie aufgesprungen und im Stadion herumgehüpft. Und die Frau zu sein, die so spontan reagierte, machte viel mehr Spaß. „Danke für den Finger", sagte sie zu Benton, als sie sich wieder setzte. „Wie wär's? Wollen wir uns noch einen Hot Dog teilen?" „Noch immer hungrig, was? Sicher." Er lachte. „Es soll niemand sagen, dass ich meine Freundin nicht in die besten Häuser führe, um sie mit erlesenem Essen zu verwöhnen." Nach der Pause ließ Mindy sich ganz von dem Spiel an diesem sonnigen, warmen Tag mitreißen. In der einen Hand hielt sie den Hot Dog, in der anderen ihren Schaumstofffinger, während sie zusah, wie Ken Griffey zum Schlag ausholte. In dem Moment lenkte das entfernte Brummen eines kleinen Flugzeugs ihre Aufmerksamkeit zum Himmel. Sie erwartete, ein Werbebanner für eins der ansässigen Restaurants oder eine Bar hinterher flattern zu sehen, doch es war eins vo n den Flugzeugen, die in der Luft etwas schreiben. Nachdem sie zugesehen hatte, wie die Buchstaben H und E Form annahmen, begann Mindys Herz sich wieder zu beruhigen. Einen verrückten Moment lang hatte sie doch tatsächlich befürchtet, dass das Flugzeug ihren Namen schreiben könnte. Sie lächelte Benton
kurz zu, bevor sie sich wieder ganz auf das Spiel konzentrierte. Als die Heimmannschaft einen Punkt machte, wedelte Mindy mit ihrem Finger, während auf der riesigen Anzeigetafel das Worte „Superschlag" aufleuchtete. Sie wandte sich dem nächsten Spieler zu, der sich bereit machte. Benton stupste sie leicht an, und deutete nach oben. Sie folgte seinem Blick und las „HEIRATE MICH, MANDY!" auf dem wolkenlosen Himmel. Mindy erstarrte. Ihr stockte der Atem. Falls es nicht noch eine Mandy gab, die heute mit ihrem Freund hier war, dann hatte Benton ihr gerade einen Heiratsantrag gemacht! Vor dreißigtausend Menschen! So viel zu Wein und Rosen. So viel dazu, dass sie ihn zu kennen glaub te. Keine Panik, versuchte sie sich einzureden. Es waren schließlich wirklich dreißigtausend Menschen hier - vielleicht existierte eine echte Mandy. Sie hatte noch nicht den Mut aufgebracht, zu Benton zu schauen und überlegte gerade, was sie tun sollte, als die ältere Dame neben ihr sie anstieß und zur Anzeigetafel zeigte. „Sind Sie das nicht, meine Liebe?" Entsetzt wandte Mindy den Blick zu der riesigen Tafel und sah sich in Großaufnahme mitsamt dem Schaumstofffinger. Die Worte „HEIRATE MICH, MANDY!" leuchteten ebenfalls auf - in roter und gelber Neonfarbe! Sie kam sich vor wie eine in die Ecke gedrängte Ratte. Nein, sie war eine in die Ecke gedrängte Ratte. Ein Blick auf ihr Gesicht sollte das jedem klar machen, aber ein vorsichtiger Blick zu Benton enthüllte, dass dieser liebeskranke Mann mit Blindheit geschlagen war, wenn es um sie ging. Hoffnung zeichnete sich in seiner Miene ab. Er wirkte so süß, so voller Erwartung und sah besser aus als je zuvor. Als Mindy wieder entgeistert zur Anzeigetafel schaute, schlug sie sich versehentlich mit dem großen Finger gegen den Kopf und schmierte sich, als sie automatisch den Kopf senkte, Ketchup von ihrem Hot Dog an die Wange. Benommen erblickte sie auf der spiegelartigen Tafel ihr entsetztes, beschmiertes Gesicht hundertfach vergrößert, so dass alle es sehen konnten. Dann erweiterte sich der Blickwinkel, und auch Benton erschien auf der Anzeige. Sprachlos drehte sie sich zu ihm um. Liebevoll grinsend hob er einen Daumen und wischte ihr den roten Fleck von der Wange. Dreißigtausend Menschen warteten gespannt auf ihre Antwort. Ap plaus begann aufzubrausen, und langsam begriff sie, dass er ihr und Benton galt. Es schien, als wäre das Spiel für einen Moment aufgehalten, so dass Mindy - oder Mandy - dem Mann neben ihr eine Antwort geben konnte, während alle zusahen. Und die Antwort war einfach. Sie konnte Benton nicht in einem Stadion voller Menschen bloßstellen. Sie konnte ihm nicht vor allen Leuten das Herz brechen. Sie ließ ihren Hot Dog fallen und schlang die Arme zusammen mit dem Schaumstofffinger um seinen Hals. Die Menge brach in Jubelrufe aus. Nachdem eine Reihe von fremden Menschen ihnen gratuliert hatte, beugte Benton sich zu Mindy und flüsterte ihr verschwörerisch zu: „Lass uns von hier verschwinden." Mindy erinnerte sich, dass genau diese Worte das alles in Gang gesetzt hatten, in jener Nacht auf der Tanzfläche, als er sie in sein Bett eingela den hatte. Halt! Das stimmte nicht. Benton hatte nichts in Gang gesetzt. Sie hatte die Initiative ergriffen. Sie war niederträchtig. Und sie hatte die Sache zu weit getrieben. Sie musste sie wieder geradebiegen. Ein für alle Mal. Trotz all ihrer Anstrengungen würde es nicht so enden, wie sie es ge plant hatte. Es konnte nicht mehr gelingen, sie nicht zu mögen. Sie wür de ihm erst das Herz brechen müssen, um ihn dazu bringen, sie zu hassen. Die Situation wurde noch dadurch verschlimmert, dass sie in dem Moment, als sie die
Arme um ihn geschlungen und seinen Antrag wortlos angenommen hatte, etwas erkannt hatte. Nämlich dass sie nur zu gerne Ja gesagt hätte, wenn Benton die Wahrheit wüsste und ihr trotzdem einen Antrag machen würde. Es wäre ein Ja aus ganzem Herzen gewesen. Aber das spielte keine Rolle. Nichts schien mehr eine Rolle zu spielen, abgesehen von dem Unausweichlichen. Sie musste das tun, was sie nie hatte tun wollen; das, wozu Jane sie schon die ganze Zeit gedrängt hatte - sie musste ihm die Wahrheit sagen. „Wo hast du geparkt?" fragte Benton, als sie Hand in Hand das Stadion verließen. Sie waren getrennt gekommen, obwohl Benton angeboten hatte, sie abzuholen, doch Mindy hatte vermeiden wollen, länger als nötig mit ihm allein zu sein, und hatte deshalb einen dringenden Fall in der Agentur vorgetäuscht. „Ich hatte Glück und habe auf der Straße noch einen Parkplatz gefunden", erklärte sie und deutete in die Richtung, in der ihr Wagen stand. Sie schaute Benton nicht an, während sie nebeneinander gingen. Sie hatte das Gefühl, die letzten Augenblicke ihres Lebens verstreichen zu sehen. Sie würde zwar nicht sterben, wenn sie Benton die Wahrheit sagte, aber sie wusste, dass etwas in ihr aufhören würde zu existieren, wenn ihre wahre Identität ans Licht kam. Es hatte etwas mit Selbstachtung und Stolz zu tun, aber auch mit Hoffnung ... und Liebe. Vermutlich hatte sie bis zu diesem Moment tief in ihrem Inneren gehofft, dass sich das Ganze irgendwie von selbst klären würde. Vergeblich. Sie marschierte zügig und zog ihn mit sich. Sie wollte rasch bei ihrem Auto sein, um diese entsetzliche Angelegenheit hinter sich zu bringen. „Wie wäre es", schlug Benton vor, „wenn wir deinen Wagen nehmen, irgendwo hinfahren, um zu feiern, und dann später mein Auto hier abholen?" Oh, Himmel! Er streichelte ihre Hand mit dem Daumen auf diese liebevolle Art, die sie immer zum Schmelzen brachte, und für eine Sekunde war sie versucht, es ihm nicht zu erzählen, sondern weiter mit der Lüge zu leben. Nur noch ein bisschen länger, versprach sie sich. Nein! Das war verrückt. Sie musste es jetzt beenden. Es gab keine andere Wahl. Als Mindy Benton um die Ecke zog und vor ihrem Wagen stehen blieb, drehte sie sich um und lehnte sich dagegen. Jetzt rede, ermahnte sie sich. Du musst! Sie zögerte nicht länger. „Benton, ich muss dir etwas sagen." Er trat zu ihr und nahm ihr den großen Finger aus der Hand. Ihr war gar nicht bewusst gewesen, dass sie die Fingernägel darin vergraben und sich wie an einen Rettungsring daran geklammert hatte. Er legte ihn auf die Kühlerhaube und nahm dann ihre beiden Hände in seine. „Was ist, Darling?" Darling? Jetzt nannte er sie Darling? Aber er dachte ja auch, sie wären verlobt. Er dachte, sie würden heiraten. Der Gedanke versetzte ihr einen Stich. Die nächsten Worte waren so schmerzhaft, dass sie Benton nicht in die Augen schauen konnte. Sie senkte den Blick. „Benton, ich ... ich fürchte, ich kann dich nicht heiraten." „Warum nicht?" fragte er. „Weil du in Wahrheit Mindy bist?"
9. KAPITEL
Mindy starrte Benton entgeistert an, während der Schock sich wie eine Welle in ihrem Körper ausbreitete. „Was hast du gesagt?" Zu ihrem Erstaunen lächelte Benton zufrieden und ein wenig selbstge fällig, das Letzte, was sie erwartet hatte, nachdem sie gerade seinen Heiratsantrag abgelehnt hatte. „Ich habe dich gefragt, ob du deine Meinung geändert hast, weil du in Wahrheit Mindy bist. Das würde das Ganze auch ein wenig schwierig machen, oder? Einen falschen Namen unter die Heiratsurkunde zu setzen wäre illegal, und natürlich wäre es schwierig zu erklären, warum deine Schwester nicht zur Hochzeit kommt. Andererseits würdest du mir vielleicht einfach am Tag der Hochzeit erzählen, dass es dir nicht gut geht, was bedeuten müsste, dass Mindy krank zu Hause im Bett liegt, und du lediglich ihre Schmerzen mitfühlst, so wie Zwillinge es tun. Richtig?" Das Schockierendste an Benton Schmährede war sein ausgesprochen amüsierter Gesichtsausdruck dabei. Mindy verstand überhaupt nichts mehr. Ihr war ganz schwindelig und schlecht - und diesmal täuschte sie nichts vor. „Aber ... wie ...?" Er neigte den Kopf und wirkte immer noch ziemlich zufrieden mit sich. „Deine Erklärung, was die Hinfallerei betraf, war nicht gerade überzeugend, und außerdem habe ich diesen niedlichen kleinen Leberfleck in der Kniekehle bei dir entdeckt. Was deine mysteriöse Krankheit betrifft, hast du ja ganz gut angefangen, doch dann fehlte dir das Durchhaltevermögen, um wirklich überzeugend zu sein. Was dich jedoch am meisten verraten hat, war dein Haar." „Das Haar?" Sie griff nach ihrer blonden Perücke und fürchtete fast, er würde sie ihr jetzt vom Kopf reißen. „Die kleinen roten Strähnen, die an deinem Ohr hervorlugten. Ich habe sie gesehen, nachdem du in meinem Schlafzimmer für mich getanzt hast." Mindy wand sich. „Und neulich, als du vorgegeben hast, krank zu sein, habe ich noch mal eine Strähne entdeckt." „Ich verstehe", erwiderte sie leise. Irgendwann während des Gesprächs hatte Benton ihre Hände losgelassen - oder vielleicht hatte sie sie auch weggezogen, sie wusste es nicht - und sie begann, sie nervös zu ringen. „Ich habe nur eine Frage, Mindy." Sein Lächeln schwand. „Oh?" Sie konnte sich wohl kaum beschweren, dass er nur eine kleine Frage hatte, aber da sie ahnte, was er wissen wollte, war sie nicht besonders erpicht darauf, sie zu beantworten. „Warum hast du es getan? Warum hast du vorgegeben, jemand anderes zu sein?" Ja, das war die Frage, die sie befürchtet hatte. Aber Janes Stimme hallte in ihrem Kopf wider:„Sag die Wahrheit." Und zu diesem Zeitpunkt sah Mindy keinen anderen Weg; außerdem wäre ihr jetzt auch keine weitere Lüge mehr eingefallen. Aber sie musste es alles auf einmal herausbringen, denn sonst würde sie es nie mehr schaffen, die volle Wahrheit zu sagen. Wie schon vorher, brachte sie es nicht über sich, ihm in die Augen zu sehen. Benommen zog sie sich die Perücke vom Kopf. „Es fing damit an, als du in meine Agentur kamst und mir diese Liste mit Anforderungen für deine künftige Frau vorgelegt hast. Ich fand, es waren rigide und überholte Kriterien, und ich wollte dich eigentlich gar nicht als Kunden haben, aber als du bereit warst, diesen absolut überhöhten Preis zu zahlen, den ich dir zur Abschreckung genannt hatte, blieb mir keine andere Wahl. Und als deine Verabredungen mit Kathy und Anita so katastrophal endeten, wollte ich kein weiteres Risiko eingehen. Also ent schied ich mich, als Kandidatin einzuspringen, in dem Glauben, dass du mich am Ende des Abends ebenfalls völlig unpassend finden würdest, und dass die Sache damit zu Ende wäre. Ich hätte meine Verpflichtungen dir gegenüber mit drei Verabredungen erfüllt, und wir hätten uns nie wieder gesehen. Doch dann passierte etwas, womit ich nicht gerechnet hatte. Egal, was ich tat, du mochtest mich immer
noch. Ich habe wieder und wieder versucht, deine Meinung zu ändern, doch es hat alles nicht funktio niert." Ben ton stand total geschockt da. Noch vor einer Minute, als er ihr ge standen hatte, dass er die Wahrheit wusste, war er voller Freude gewesen, dass ihr Verwirrspiel endlich beendet sein würde. Er hatte es nicht mehr abwarten können, bis sie alles zugab, und war sich siegreich vorgekommen. Es hatte nur noch ihre Erklärung gefehlt, warum sie es getan hatte, danach hatte er ihr sagen wollen, dass er sie liebte, egal wer sie war. So hatte sein Plan gelautet. Jetzt wäre es ihm fast lieber gewesen, sie hätte ihm vor den dreißigtausend Zuschauern im Stadion einen Korb gegeben. Er konnte nicht fassen, dass er die Situation so gründlich missverstanden hatte. Sie hatte ihn gar nicht gewollt; sie hatte eine Verpflichtung erfüllt. Es war alles vorgetäuscht gewesen, ihre niedliche, weltgewandte Seite genauso wie ihre wilde, abenteuerlustige. Die langen Gespräche, die sie geführt hatten, ebenso die Leidenschaft, wenn sie sich geliebt hatten. Es war, als hätte er einen Schlag in die Magengrube bekommen. Ihm war schwindelig, und er kam sich wie ein Narr vor. „Oh", sagte er schließlich. Sein Mund war trocken, seine Stimme klang hohl. „Ich dachte, du wolltest mit mir zusammen sein und mochtest das nur nicht zugeben. Ich dachte, ich ... hätte andere Seiten an dir zu Tage gefördert, die du sonst niemandem zeigst. Scheint so, als hätte ich da einiges missverstanden." Mit diesen Worten drehte er sich um und ging davon. Er hatte nichts weiter zu sagen. „Benton, warte!" Doch er reagierte nicht. Er setzte entschlossen einen Fuß vor den anderen, ging um die Ecke und verließ Mindy. Oder Mandy. Wer zum Teufel sie auch war. Für immer. Am Samstagabend rief Benton Phil und Mike an und traf sich mit ihnen in einer kleinen, ruhigen Kneipe in der Nähe seines Hauses. Er hatte ge hofft, dass das Treffen ihn aufheitern würde, doch stattdessen machte es ihn noch missmutiger. Nicht nur, dass die beiden anderen glücklich verheiratet waren, Mike hatte auch noch zwei kleine Söhne, und Phils Frau hatte erst vor sechs Monaten ein kleines Mädchen bekommen. Das hatte Benton natürlich gewusst, als er sich mit ihnen verabredet hatte, aber er hatte nicht geahnt, dass er den ganzen Abend lang hören würde, wie wunderbar so ein Familienleben sei. „Kinder", murmelte er seinen Freunden später am Abend zu, als er dem Alkohol schon kräftig zugesprochen hatte. „Ich werde niemals Kinder ha ben." Er wandte sich an Mike und sah ihn auf einmal hoffnungsvoll an. „Vielleicht hinterlasse ich mein Haus und mein Geld deinen Kindern. Meinst du, ihnen würde das gefallen?" Seine beiden Freunde schauten sich erstaunt an, doch Benton bemerkte es kaum, sondern griff nach seinem Drink. „Das ist sehr großzügig", erwiderte Mike. „Aber findest du nicht, dass du ein bisschen voreilig bist?" „Oder", fügte Phil hinzu, „wäre es nicht besser, wenn du deinen Neffen und Nichten etwas hinterließest?" Benton machte eine abwehrende Handbewegung. „Ach, was soll's! Ich werde nur der alte, einsame Onkel Benton für sie sein. Der arme Alte, der gnädigerweise jeden Feiertag bei einem anderen Verwandten verbringen darf. Der in seinem großen, leeren Haus herumläuft und mit sich selbst redet." „Mir scheint, du bist schon auf dem besten Weg dorthin", meinte Mike lachend. Phil senkte die Stimme und wurde ernst. „Was ist los?" Benton signalisierte dem Barkeeper, dass er noch einen Wodka wollte, und antwortete nicht. „Frauen", murmelte er stattdessen. „Man kann ihnen nicht trauen." „Das ist interessant", erklärte Phil und beugte sich näher. „Erzähl uns mehr." „Ja, alter Junge. Was verheimlichst du uns?" Aber Benton hörte gar nicht richtig zu, er war zu sehr mit seinem Selbstmitleid beschäftigt.
„Sie sind alle trügerisch", murmelte er. „Erst sind sie rothaarig, dann blond, dann wieder rothaarig." „Was?" fragte Mike verwirrt. Phil seufzte. „Okay, das ist ja eher abgedreht als interessant." „Und dann ihre Namen", fuhr Benton fort. „Sie wechseln die Namen, wenn du nicht aufpasst." Phil und Mike tauschten erneut einen Blick aus, und Benton sah, wie Mike sich an die Stirn tippte. . „Hör mal, Kumpel", sagte Phil und legte Benton eine Hand auf die Schulter. „Ich fürchte, deine Worte ergeben heute Abend nicht viel Sinn." „Meine Worte ergeben keinen Sinn?" entgegnete Benton entrüstet. „Sie ist diejenige, bei der nichts einen Sinn ergibt." „Anscheinend hat er genug für heute. Wir fahren ihn besser nach Hause", meinte Mike zu Phil. Der nickte, und gemeinsam sorgten sie dafür, dass Benton heil zu Hause ankam. Am Sonntag schlief Benton fast den ganzen Tag, während Visionen von blonden Perücken und engen, glitzernden Kleidern in seinen Träumen herumschwirrten. Als er aufstand, war er müde, verkatert und niedergeschlagen, Er wusste, er sollte seine Freunde anrufen und ihnen erklären, dass er nicht zu einem Alkoholiker geworden war. Doch da er es nicht gewohnt war, dass ihm Dinge fehlschlugen, weder Beziehungen noch andere Sachen, war er nicht sehr erpicht darauf, seinen alten Freunden von seinem gebrochenen Herzen zu erzählen. Dabei müsste er sie auch anrufen, um die Party abzusagen, die sie für seinen fünfunddreißigsten Geburtstag geplant hatten. Phil hatte ihm letzte Woche erzählt, dass sie eine Fete geplant hatten. „Wenn wir einen Kuchen finden, der groß genug ist, dass alle Kerzen darauf passen", hatte er hinzugefügt. Benton hatte gelacht, weil er glücklich gewesen war. Er war mit Mindy ausgegangen und hatte geglaubt, dass Leben wäre wunderbar. Er hatte auch ihr gegenüber die Party erwähnt, weil er gehofft hatte, dass sie ihn begleiten und seine Freunde treffen würde. Als Mindy oder Mandy - das war ihm da ziemlich egal gewesen. Jetzt wollte er nichts mehr von einer Party wissen. Fünfunddreißig zu werden, ohne Aussicht auf Frau und Familie, was gab da zu feiern? Immer wieder dachte er an den Moment, als Mindy ihm die Wahrheit gesagt hatte. Er war sich so sicher gewesen, dass sie sich als Mandy verkleidet hatte, weil sie mit ihm zusammen sein wollte. Arrogant wie er war, war es ihm nie in den Sinn gekommen, dass es vielleicht einen anderen Grund geben könnte, geschweige denn solch einen beschämenden. Jetzt war er wirklich auf dem besten Wege, zu einem alten, exzentrischen Onkel zu werden, der mit sich selbst redete. Hatte er gestern tatsächlich all seine Besitztümer Mikes und Phils Kindern vermacht? Ein weiterer Grund, warum er sie unbedingt anrufen sollte. Am Nachmittag schleppte er sich jedoch erst einmal ins Fitness Center, das er längst nicht so oft besuchte, wie er sollte. Er hatte gehofft, dass er durch die körperliche Anstrengung seine Frustration überwinden könnte, doch es war nicht so. Mindys Abweisung lähmte seine Energie. Er hatte gewusst, dass sie eine Kraft war, mit der man rechnen musste, aber er hätte nie gedacht, dass diese Kraft ihn eines Tages so treffen würde, als er erkennen musste, dass Mindy sich nichts aus ihm machte. Das Schlimmste an der ganzen Sache war, dachte er, als er vergeblich versuchte, ein paar Gewichte zu stemmen, dass er sie wirklich hatte heiraten wollen, trotz ihres Täuschungsmanövers. Es war ihm gar nicht bewusst gewesen, wie sehr, bis sie ihn unter dem Applaus von Tausenden von Baseballfans umarmt hatte. Er hatte durch Mindy mehr Aufregung und Freude erlebt, als er je in einer Beziehung für möglich gehalten hätte. Er war während der letzten Jahre so in seine Arbeit und seine ehrgeizigen Pläne vertieft gewesen, dass er vergessen hatte, was das Leben sonst noch alles zu bieten hatte. Sein Entschluss, sich
eine Frau zu suchen, mit der er Kinder haben und alt werden konnte, war einer gewissen Ein samkeit entsprungen, und die Beziehung zu Mindy hatte ihm bewusst ge macht, wie schön es zu zweit sein konnte. All diese Dinge hätte er gern auch weiterhin mit ihr zusammen erlebt, und noch tausend andere dazu, von denen er bis dahin nicht einmal geahnt hatte, dass er sie sich wünschte. Doch es hatte anscheinend nicht sein sollen. Als er nach Hause kam, war eine Nachricht auf seinem Anrufbeantworter. „Benton, hier ist... Mindy." Sie klang ein wenig verwirrt darüber, wer sie war, und das war amüsant. Ihre Stimme zu hören war einerseits ein Trost, aber gleichzeitig hatte er das Gefühl, dass die Wunde, die gerade zu heilen begonnen hatte, wieder aufriss. Okay, sie war noch nicht wirklich geheilt, aber er hatte zumindest begonnen zu akzeptieren, dass Mindy nicht länger zu seinem Leben gehörte, dass all die Pläne, die er für die Zukunft gemacht hatte, null und nichtig waren. „Bitte ruf mich an. Es gibt noch so viel zu sagen. Es tut mir sehr Leid wegen gestern. Kannst du mir vergeben?" Ihr vergeben? Für ihre Täuschung? Ja. Dafür, dass sie ihm das Herz gebrochen hatte? Nein. Als Benton sich schließlich am nächsten Morgen ins Büro schleppte, war er von sich selbst angewidert. Zum einen war er schon wieder zu spät. Zum anderen gefiel ihm nicht, wie er mit der Sache umging. Ein vergeudetes Wochenende konnte er ja noch entschuldigen, aber jetzt musste er sich wieder am Riemen reißen. Er hatte eine Firma zu leiten. Menschen waren abhängig von ihm. Kunden, Angestellte, sein Vater, der die Maxwell Group aufgebaut und sie ihm anvertraut hatte. „Schon wieder zu spät", schalt Claudia ihn, als er aus dem Fahrstuhl geeilt kam. Ihre Stimme bereitete ihm Kopfschmerzen. Aber an diesem Morgen schien ihm alles Kopfschmerzen zu bereiten. „Kommt nicht wieder vor", erwiderte er, als sei sie seine Vorgesetzte, und ohne eine Antwort abzuwarten, marschierte er zu der Besprechung, die bereits angefangen hatte. Als er zur Tür hereinkam, richteten alle den Blick auf ihn, auch Miss Binks. „Na, endlich", meinte Percy Callendar lächelnd. „Unser furchtlo ser Firmenleiter." Das verursachte ihm wieder Kopfschmerzen. „Heute vielleicht nicht ganz so furchtlos, Percy." Als seine Aussage mit erschrockenem Schweigen aufgenommen wur de, erkannte" Benton, dass er gerade seine schwache Seite offengelegt hatte. Ein schwacher Benton machte ihnen genauso viel Angst wie ihm selbst. „Was ist los, Benton? Ich meine, Mr. Maxwell." Miss Binks blinzelte nervös. Er fasste sich an den Kopf. Mindy war nicht die Einzige, die schauspielern konnte. „Nur eine leichte Erkältung oder so etwas." „Zu dieser Jahreszeit?" Er seufzte. „Manchmal haut einen etwas um, wenn man es am wenigsten erwartet." „Vielleicht sollten Sie zum Arzt gehen", meinte seine Assistentin besorgt. „Es wird schon gehen, Miss Binks." „Okay, wollen wir dann anfangen?" fragte Percy, und Benton registrierte, wie dessen Blick amüsiert zwischen ihm und seiner Assistentin hin und herwanderte. Genauso wenig entging ihm Malcolm Wainscotts trauriger Gesichtsaus druck, als er den Kopf reckte, um Miss Binks bewundernd anzuschauen. Einer neuen Gewohnheit folgend, wollte Benton wissen, ob seine Bemühungen, die beiden zusammenzubringen, schon Früchte trug. „Lasst uns mit Malcolm und Miss Binks beginnen. Wie kommen Sie mit den Berichten voran?" Malcolm sah seinen Chef ernst an. „Ich wollte Ihnen noch einmal danken, dass Sie mich mit dieser Verantwortung betraut haben, Mr. Maxwell."
Dafür, dass Sie mir Zeit mit Miss Binks ermöglicht haben, meinte er wohl. „Keine Ursache, Malcolm. Sie haben es sich verdient." „Und ich für meinen Teil finde, es war sehr produktiv." Malcolms Eifer rang Benton ein kleines Lächeln ab, das erste seit zwei Tagen. Dann wandte Benton sich an seine treue Assistentin. „Miss Binks, stimmen Sie dem zu?" Sie zögerte und senkte dann den Blick. Das verhieß nichts Gutes. Schließlich sah sie wieder auf und seufzte. „Das geht nicht gegen Malcolm - man kann wunderbar mit ihm zusammenarbeiten, und er verfügt über viel Wissen -, aber ich fürchte, ich finde dieses Arrangement nicht produktiv. Im Gegenteil." Erstaunt hob Benton die Augenbrauen. „Wenn ich die Berichte mit Ihnen durchgehe, Mr. Maxwell, ist das eine effiziente Prozedur. Jetzt treffe ich mich mit Malcolm, dann schreibe ich einen Bericht über den Bericht, gebe ihn Ihnen, erinnere Sie daran, ihn zu lesen, und beantworte mögliche Fragen, die Sie haben. Sie sehen sicherlich ein, dass das vergeudete Zeit ist." Benton neigte den Kopf. Malcolm tat ihm Leid. Diese kühle Äußerung war bestimmt ein arger Dämpfer für ihn. „Okay, Miss Binks, ich werde mir die Sache überlegen und gebe Ihnen dann Bescheid." Er sah die anderen am Tisch an. „Machen wir weiter. Percy, wollen Sie fortfahren?" Alle im Zimmer schienen erleichtert aufzuatmen, als Percy seine Zahlen herunterzubeten begann. Benton war noch nie so froh über seinen aus führlichen Bericht gewesen wie heute, da er sich nicht in der Lage fühlte, die Truppen anzuführen. Während Percy weiterredete, dachte Benton über Malcolm und Miss Binks nach. Seine Assistentin hatte ihm zweierlei klargemacht. Die Neuigkeiten von Bentons neuer Beziehung hatten ihre Zuneigung zu ihm nicht erschüttert. Sie wollte nichts mit Malcolm zu tun haben und blieb seinen Gefühlen gegenüber blind. Und leider war das, was sie gesagt hatte, richtig - Benton hatte ein System, das funktioniert hatte, zu einem ineffizienten umgemodelt, und das alles im Namen der Liebe. Doch was nützte es? Warum versuchte er so krampfhaft, Miss Binks und Malcolm zusammenzubringen, wenn er tief in seinem Herzen genau wusste, dass die Sache zum Scheitern verurteilt war? Und wieso hatte er überhaupt angefangen, an etwas so Verrücktes und Romantisches wie Liebe zu glauben? Bevor er Mindy getroffen hatte, war er nicht einmal sicher gewesen, ob sie überhaupt existierte. Jetzt wusste er zwar, dass es sie gab, aber er wünschte, er wäre weiter ahnungslos ge blieben. Er wünschte, er hätte die ganze Sache gelassen und sich allein eine Frau gesucht. Verdammt, er musste endlich seine Depression abschütteln und wieder er selbst sein. Und das sollte er auf keinen Fall noch eine Sekunde länger hinauszögern. Das ganze Chaos war entstanden, weil er sich eine Frau gewünscht hatte. Er hatte gedacht, es wäre schön, wenn er dabei auch Liebe fand, aber das hatte sich als weit komplizierter herausgestellt als erwartet. Die Dinge waren viel einfacher, wenn er sich nicht von sentimentalen Gefühlen ablenken ließ. Was Miss Binks und Malcolm anging, war es von Anfang an sinnlos ge wesen, sie zusammenbringen zu wollen. Er konnte nichts erzwingen, was nicht da war. Doch er konnte die Umstände so, wie sie waren, akzeptieren und das Beste daraus machen. Genau das würde er jetzt tun. Als die Besprechung sich dem Ende neigte, begann er für jeden der Anwesenden Aufgaben zu verteilen. Dabei sprach er mit neuer Energie, und als alle sich aufrechter hinsetzten und ihn gespannt ansahen, merkte man, dass der alte Benton zurück war. Nachdem er alle Aufgaben delegiert hatte und bis auf Malcolm und Miss Binks alle den Raum verlassen hatten, wandte Benton sich an Malcolm. „Miss Binks hat Recht - ich habe ihr unnötige Arbeit gemacht, indem ich Sie gebeten habe, die Berichte mit ihr durchzusprechen. Wir werden wieder zum alten Verfahren zurückkehren. Aber kommen Sie nachher um drei in mein Büro, dann werden
wir über andere Möglichkeiten sprechen, Ihren Aufgabenbereich mit mehr Verantwortung auszustatten." Benton ignorierte Malcolms Enttäuschung, die ihm deutlich anzusehen war, als er langsam seinen Stuhl zurückschob und das Zimmer verließ, und wandte sich an seine Assistentin. „Miss Binks, haben Sie heute Mittag Zeit, um mit mir essen zu gehen?" Sie wirkte verständlicherweise erstaunt. Es kam so gut wie nie vor, dass sie ihre Mittagspause zusammen verbrachten. „Gibt es eine wicht ige ge schäftliche Sache zu besprechen?" „Wichtig, ja. Geschäftlich, nein." Er könnte lernen, Miss Binks' - Candace, er sollte anfangen, sie Candace zu nennen - Vorzüge zu schätzen. „Es geht um die Beziehung, von der ich letzte Woche sprach." „Oh?" Benton sah keinen Grund, um den heißen Brei herumzureden. „Wir ha ben uns getrennt. Ich denke, es wird mich auf andere Gedanken bringen, wenn ich das Büro mal eine Zeit lang verlasse und mit jemandem spreche." „Möchtest du ein Eis?" fragte Jane mitfühlend, als sie und Mindy sich auf einer Bank im Hyde Park Square zur Mittagspause niederließen. „Ich spendiere eins." Mindy schüttelte niedergeschlagen den Kopf. „Das ist lieb von dir, Jane, aber nein danke." Jane hob hoffnungsvoll die Augenbrauen und sprach so, als redete sie mit einem Kleinkind. „Pfefferminz mit Schokostücken. Deine Lieblings sorte." Mindy schüttelte erneut den Kopf und verkündete theatralisch: „Ich kann nie wieder Pfefferminzeis mit Schokostücken essen. Es erinnert mich zu sehr an ihn." Jane verzog das Gesicht. „Komm schon, Mindy, du hast es Hunderte von Malen gegessen, bevor Benton aufgetaucht ist. Warum denkst du nicht einfach daran? Oder noch besser, warum denkst du nicht einfach daran, wie du ihn kennen gelernt und ihn nicht gemocht hast? Als du fast das Eis auf seine Füße hast fallen lassen! Das war doch lustig, oder? Lass uns doch einfach so tun, als würdest du ihn immer noch nicht mögen." Jane lächelte und nickte enthusiastisch angesichts ihres Vorschlags, doch Mindy runzelte die Stirn. „Jane, ich liebe ihn." Auch Janes Stirn umwölkte sich. „Das ist eine schlechte Einstellung." „Was?" „Erinnerst du dich an die alte Mindy, die sagte ,Liebe ist nichts für mich, ich helfe nur anderen, sie zu finden'? Ich finde, du solltest sie reaktivieren. Sie war lustig. Und sie hat sich viel weniger Ärger eingehandelt. Sie hatte Recht - wer braucht schon einen Mann?" Jane machte eine abwertende Handbewegung. „Mindy jedenfalls nicht. Mindy ist ausgesprochen glücklich mit ihren Freunden, ihrer Katze, ihrer Agent ur. Mindy ist eine tüchtige, selbstsichere Frau, die keinen Mann braucht, der ihr Leben in Unordnung bringt." Mindy schüttelte vehement den Kopf. „Nein, du hattest neulich Recht, Jane. Ich brauche einen Mann. Es ist genau so, wie du gesagt hast, ich brauche ihn als Partner, um Spaß und Sex zu haben. Und für die Liebe. Vielleicht war es mir selbst nicht klar, oder ich wollte es nicht zugeben, aber ich habe mich in Benton verliebt, und es war die glücklichste Zeit meines Lebens." „Wenn es dir nicht gerade schlecht ging." Mindy zuckte mit den Achseln. „Na ja, aber den Rest der Zeit, wenn ich vergessen habe, dass ich eine verrückte, durchgedrehte Irre war, dann war es ... himmlisch." „Okay, meine Liebe, komm zurück auf den Boden der Tatsachen. Ich weiß, dass du im Moment leidest, ich weiß, du hast das Gefühl, dass man dir das Herz aus dem Leibe gerissen und darauf herumgetrampelt hat. Ich weiß, du glaubst, dass du nie wieder glücklich sein wirst, aber das wirst du. Woher ich das weiß? Weil ich auch vor langer Zeit mal an einem gebro chenen Herzen gelitten habe und dachte, ich würde mich nie mehr davon erholen. Aber dann kam Larry in mein Leben, und schau mich jetzt an. Ich bin so glücklich, wie eine
ausgebrannte Hausfrau in mittleren Jahren sein kann!" Sie lächelte, und Mindy versuchte, das Lächeln zu erwidern, weil sie Janes Freundschaft schätzte. Aber es war zu früh, um wieder glücklich zu sein, vielleicht würde es ihr nie mehr gelingen. Vielleicht hatte Jane Unrecht. Vielleicht würde sie für immer darunter leiden. Liebe, so hatte sich herausgestellt, war eine mächtige Kraft. Stärker als sie es sich jemals hatte vorstellen können, wenn sie es nicht selbst erlebt hätte. Sie hatte nie geahnt, dass ein Gefühl einem solche Höhen und solche Tiefen bescheren konnte. „Ich könnte die Agentur schließen." „Wenn du nach Hause gehen möchtest", sagte Jane, „kann ich bis um fünf bleiben." Mindy schüttelte den Kopf. „Nein, ich meinte, ich könnte die Agentur für immer schließen. Ich habe kein Recht dazu, anderen Menschen Ratschläge bezüglich ihres Liebeslebens zu erteilen. Mein eigenes Verhalten hat mich dafür disqualifiziert, also sollte ich die Verantwortung übernehmen und aufhören. Sollen die Menschen doch ihre Partner finden, wie sie es schon seit Jahrhunderten tun. Durch Zufall." Jane stieß einen langen Seufzer aus. „Mindy, Mindy, Mindy. Warum, meine Liebe, hast du die Agentur ursprünglich aufgemacht?" Mindy dachte darüber nach und fand, es war eine gute Frage. „Na ja, ich vermute, es hat eigentlich keinen Sinn ergeben, oder? Ich bin das Produkt einer gescheiterten Ehe, und noch bis vor wenigen Wochen habe ich nicht daran geglaubt, selbst jemals der wahren Liebe zu begegnen. Aber obwohl ich allen Grund dazu hatte, der Liebe zu misstrauen, habe ich immer daran geglaubt, dass es sie gibt und dass sie wichtig ist. Auch wenn ich ihr nie begegnet war. Außerdem habe ich, wie du weißt, ein Talent dafür, Menschen zusammenzubringen." „Genau. Das erinnert mich daran, dass Stacy Hennessey angerufen hat, um sich zu bedanken. Ihre Verabredung mit Greg ist großartig verlaufen, und sie sehen sich heute schon wieder. Ich konnte sie durch den Tele fonhörer direkt strahlen sehen." Mindy lächelte, froh darüber, dass eine ihrer Kundinnen durch ihre Mithilfe einen netten Mann getroffen hatte. Kaum war Greg letzte Woche in ihrem Laden aufgetaucht, da hatte Mindy gewusst, dass er genau der Mann war, auf den sie für die ruhige Stacy gewartet hatte. Dann fiel ihr auf, was sie eben alles gesagt hatte. Sie begriff, was Jane mit ihrer Frage bezweckt hatte. „Na gut, du hast ja Recht. Ich werde die Agentur nicht schließen. Aber trotzdem fühle ich mich furchtbar, was Benton angeht. Und nicht nur, weil ich ihn liebe, sondern weil ich ihm etwas Furchtbares angetan habe, nachdem er mich mit seinem Liebesleben betraut hat. Er hat mich sogar noch dafür bezahlt. Damals habe ich gedacht, er verdient es, aber ich habe mich geirrt, Jane." „Vielleicht fühlst du dich besser, wenn du Benton das Geld zurückgibst." Mindy verdrehte die Augen. „Dr. Jane ist wieder auf Sendung." „War ja nur so ein Gedanke. Vergiss, dass ich etwas gesagt habe." Doch Mindy seufzte und meinte dann: „Mach ihm nachher einen Scheck fertig, und ich schreibe ihm einen kurzen Brief dazu." Eine Woche später litt Mindy noch immer unter ihrer Depression. Sie hatte gedacht, wenn Benton ihren Scheck bekam, dem sie einen Brief mit ihrer aufrichtigen Entschuldigung beigefügt hatte, dass sie dann vielleicht von ihm hören würde. Hatte sie aber nicht. Anscheinend hatte er sich ent schieden, sein Leben ohne sie fortzuführen. Sie saß auf ihrer Couch, schaute sich den Film „Casablanca" an, den sie sich aus der Videothek ausgeliehen hatte, und verschlang den Rest des Pfefferminzeises mit Schokostücken, das Benton ihr mitgebracht hatte. Okay, es stimmte nicht, was sie zu Jane gesagt hatte, dass sie es nie wie der essen könnte - sie hatte immer noch eine echte Schwäche dafür. Und eine noch größere Schwäche für Benton, wie es schien, denn sie konnte ihn nicht vergessen. Sie fuhr fort, ihren großen Schaumstoff-Finger zu umklammern, den sie einfach nicht wegwerfen mochte, und dachte an die Zeit, als sie mit Benton zusammen gewesen war. Sie
dachte sehnsüchtig an das kleine schwarze Dienstmädchen-Outfit, das sie nun niemals für ihn tragen würde, an all die Autos, die sie niemals gemeinsam stibitzen würden, an all die Restaurants, in denen sie ihn nun nicht mehr blamieren konnte. Als der Film zu Ende war, schaltete sie seufzend den Fernseher aus, warf den Eisbehälter in den Müll und schaute sich nach Venus um, die ihr aus dem Weg zu gehen schien. Wahrscheinlich konnte die Katze ihre Verzweiflung spüren, oder sie war es leid, ständig von Mindy in den Arm ge nommen zu werden. Als Venus sie vor ein paar Tagen angefangen hatte zu kratzen, war Mindy dazu übergegangen, den Scha umstofffinger als Ersatz zu nehmen. Schließlich entdeckte sie ihre Katze, hob sie hoch und trug sie in ihr Schlafzimmer, während sie daran dachte, dass Benton ihr zuliebe aufgehört hatte, Katzen zu hassen. Wieder seufzte sie. Als sie Venus aufs Bett setzte, fiel ihr Blick auf das halb fertig genähte Cher-Kostüm - sie hatte seit dem Bruch mit Benton keine Lust gehabt, daran zu arbeiten. Dann stach ihr auch noch die blonde Perücke ins Auge, und sie erinnerte sich daran, wie sie sich verändert hatte, wenn sie sie getragen hatte. Sie hatte dann jedes Mal vor Energie gesprüht und war zu einer anderen, abenteuerlustigen Frau geworden. Allein die Erinnerung daran aktivierte ein wenig von dieser Energie - das erste Positive, was sie seit Tagen fühlte. Aber dann fiel ihr ein, was alles geschehen war, um diese Energie zu zerstören, und sie versank wieder in ihre depressive Stimmung. So konnte es nicht weitergehen. Jane sagte ihr das auch ständig, und sie wusste es selbst. Sogar ihre Katze hatte sich ja schon von ihr abge wandt. Sie hatte ihr Leben vermasselt, indem sie zugelassen hatte, dass Benton sich in sie verliebte, aber durch ihre schrecklichen Lügen hatte sie alles noch schlimmer gemacht. Mindy nahm die blonde Perücke hoch und drehte sich damit zum Spie gel, ohne sie aufzusetzen. Stattdessen betrachtete sie ihr Spiegelbild und stellte sich eine Frage: Was würde Mandy tun?
10. KAPITEL „Jane, ich bin ein nervliches Wrack!" „Hier, probier das mal an. Es wird fantastisch zu dieser schwarzen Jeans passen, die du dir gekauft hast." Jane ignorierte Mindys Aussage und drückte ihr ein hautenges kobaltblaues Top in die Hand. „Oh, du hast Recht." Sie hatten sich in einer großen Einkaufspassage getroffen, um Mindy von ihrem Vorhaben heute Abend abzulenken. Das einzige Problem war nur, dass Mindy immer schrecklich viel einkaufte, wenn sie nervös war. Die vollen Einkaufstüten, die sie beide in den Händen hielten, gehörten allesamt Mindy. Wenn heute Abend alles gut ging, würde sie die neuen Sachen alle nach und nach bei ihren Verabredungen mit Benton anziehen können. Und wenn nicht, nun, dann wäre sie zwar allein, aber immerhin gut angezogen. In Momenten wie diesen musste man positiv denken. Denn das, was sie heute vorhatte, war riskant und konnte leicht schief gehen. Benton hatte vor einigen Wochen erwähnt, dass sein fünfunddreißigster Geburtstag nahte und zwei seiner Freunde für ihn eine Party bei „O'Reilly's" veranstalten würden, einer alten Kneipe in der Innenstadt. „Am zweiten Samstag im Juni", hatte er ihr erzählt. Und heute war der große Tag. Als sie bei „O'Reilly's" angerufen hatte, um sich zu vergewissern, dass die Party wirklich stattfand, hatte man ihr am Telefon gesagt, dass die Feier um acht begann, der richtige Spaß aber erst später losgehen würde, was auch immer das bedeuten mochte. Also hatte Mindy beschlossen, etwas Mutiges zu tun - etwas, das zu Mandy passte. Sie würde zu Bentons Party gehen und ihm sagen, dass sie ihn liebte und ihn heiraten wollte. Sie würde alle Vorsicht über Bord werfen und es einfach tun. So wie Mandy es auch machen würde. Daher kam die Nervosität, die sie nicht bezwingen konnte. Und da sie als sie selbst hingehen wollte, nicht als ihre wilde Schwester, und da Benton ihr wahres Ich nur bei der Arbeit gesehen hatte, war es wichtig, welche Garderobe sie auswählte. Es war eine Art persönliches Statement, um auszudrücken, wer sie wirklich war. Aus diesem Grund hatten sie und Jane beschlossen, dass sie dringend neue Sachen brauchte. Jetzt kam sie in einem blauen Top und einer schwarzer Jeans aus der Umkleidekabine. Eine Hand auf der Hüfte, schlenderte sie wie auf einem Laufsteg durch den Laden. Jane wartete, bis Mindy sich zu ihr umdrehte. „Das ist gut." Sie nickte. „Das ideale Outfit für heute Abend." „Findest du?" Mindy dachte das Gleiche, doch sie wollte Janes Gründe hören. „Es vermittelt Selbstvertrauen, wirkt aber nicht aufdringlich", meinte Jane. „Es hat Stil, ohne dass es aufgetakelt wirkt. Und vor allem drückst du damit aus, ,Ich habe mir mit diesem Outfit keine Mühe gegeben. Es ist einfach das, was ich heute Morgen aus dem Schrank geholt habe.' Es ist perfekt." Gerade als Mindy wieder in die Umkleidekabine schlüpfen wollte, schnappte Jane nach Luft. „Oh, sieh nur! Ein ganzer Ständer mit herabgesetzten Bikinis!" Mindy drehte sich um und sah, dass Jane zwei winzige Stücke Stoff in goldenem und braunem Schlangenhautmuster hoch hielt. Mindy schüttelte den Kopf. „Ich brauche nichts Neues. Ich habe noch diesen schwarzen Einteiler vom letzten Jahr." Jane, das hatte Mindy schon herausgefunden, war erstklassig darin, Dinge zu finden, für die Mindy Geld ausgeben konnte. „Ein Einteiler, also wirklich!" Jane machte eine abwertende Handbewegung. „Du brauchst etwas Aufregenderes." Jane wedelte mit dem Bügel, so dass der Bikini flatterte. „Ich eigne mich nicht als Poolmädchen. Ich bekomme Sommersprossen." Mindy verdrehte die Augen. „Außerdem, wo zum Teufel sollte ich so etwas tragen?"
„Na ja, wenn du die Sache mit Benton nicht wieder einrenken kannst, dann könntest du einen kleinen Urlaub am Strand machen, wo es gut aus sehende Rettungsschwimmer gibt. Du könntest vortäuschen zu ertrinken und dich aus dem Wasser ziehen lassen." „Jane, ich habe in den letzten Wochen so viel vorgetäuscht, dass es für mindestens ein ganzes Leben ausreicht." Mindy stemmte die Hände in die Hüften. „Und willst du damit sagen, dass du meinst, es wird heute Abend nicht klappen? Findest du, ich sollte es nicht tun?" Jane schüttelte den Kopf. „Das will ich überhaupt nicht sagen. So wie ich es sehe, hast du nichts zu verlieren." „Vielen Dank, dass mich daran erinnerst." „So habe ich das nicht gemeint. Aber wenn ich deinen Körper hätte und ihn hierin zur Schau stellen könnte ...", Jane wedelte erneut mit dem Bikini, „ ... zu dem günstigen Preis von nur 19,95, wäre das eine Gelegenheit, die ich mir nicht entgehen lassen würde." „Na gut", meinte Mindy und nahm Jane den Bikini aus der Hand. Es war das Letzte, was sie brauchte, aber andererseits besaß sie ohnehin schon mehrere Einkaufstüten voll mit Sachen, die sie nicht benötigte. Außerdem hatte Jane wohl Recht. Die Dinge konnten sich durchaus anders entwickeln, als Mindy es sich wünschte. Vielleicht sollte sie das Schlimmste einkalkulieren und sich mit neuen Sachen umgeben, während sie zu Hause saß und ihrer Katze etwas vorheulte. Oder vielleicht, dachte sie, als sie den Bikini anprobierte, sollte sie nicht zulassen, dass Janes Zweifel ihre Hoffnungen zerstörten. Sie musste selbstsicher wirken, um die Sache durchzuziehen. Sie musste Mandy sein ... ohne Mindy völlig aufzugeben. Nach einem Blick in den Spiegel stellte Mindy fest, dass Jane wieder einmal Recht gehabt hatte - sie sah toll aus in diesem Python-Look - also fügte sie den Bikini zu ihren anderen Einkäufen hinzu und malte sich aus, dass er auch Benton gefallen würde. Es war kein Dienstmädchen-Outfit, aber es war ein Teil nach Mandys Geschmack, und es zu kaufen stärk te Mindys Selbstvertrauen für den heutigen Abend. Mindy traf ein wenig später als geplant in der Kneipe ein, aber ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass die Party glücklicherweise noch nicht begonnen hatte und sie noch genügend Zeit hatte, um sich fertig zu machen. Sie brauchte nur noch hineinzugehen, die Toilette aufsuchen und sich umziehen. Leider hatten sie und Jane viel länger beim Einkaufen gebraucht als ge plant, und beim Verlassen des Einkaufzentrums hatten sie dann auch noch festgestellt, dass Jane ihre Schlüssel im Wagen hatte stecken lassen. Als Larry mit einem Ersatzschlüssel aufgetaucht war, hatte Mindy nicht mehr genügend Zeit gehabt, um nach Hause zu fahren und sich fertig zu machen. Aber das war okay, hatte sie Jane versichert. Seit dem Kauf des Bikinis hatte sie dem Abend sehr viel optimistischer entgegengesehen. Sich in der Kneipe umzuziehen war nicht so schlimm. Während sie den kurzen Weg vom Auto zur Kneipe ging, stellte sie sich vor, wie der Abend verlaufen würde. Benton würde hereinkommen, sie am anderen Ende des Raumes sehen, und alle anderen würden aufhören zu existieren. Sie würden einander in die Arme fallen, und Mindy würde einem dankbaren und zärtlichen Benton ihre Liebe gestehen. Es war allerdings auch möglich, dass er in eine überfüllte Kneipe kam, wo alle klatschten und „Herzlichen Glückwunsch!" riefen, so dass es eine Zeit lang dauern würde, bis er sie überhaupt bemerkte. Doch ihre Fantasie gab ihr die Kraft, die sie brauchte, um mit ihren Einkaufstüten in die Kneipe zu marschieren. Die altmodische Bar mit den dunklen Holzmöbeln war fast leer. Zwei ältere Männer saßen bei ihrem Bier und diskutierten mit einem bärtigen Barkeeper über das letzte Baseballspiel, und zwei jüngere Männer, einer blond, einer dunkelhaarig, waren gerade dabei, ein Banner mit der Aufschrift „Herzlichen Glückwunsch zum fünfunddreißigsten Geburtstag, alter Junge!" aufzuhängen.
Von wegen alter Junge, hätte sie am liebsten zu ihnen gesagt. Schafften sie es, drei Mal hintereinander mit einer Frau zu schlafen? Sie hatte da so ihre Zweifel. „Sieht so aus, als wäre ich hier richtig", sagte sie mehr zu sich selbst, doch der blonde Mann sah lächelnd auf. „Oh, gut, dass Sie da sind!" „Die Torte ist hinten." Der dunkelhaarige Mann, der ein schrilles Hawaiihemd trug, zeigte über seine Schulter zu einer Tür. Mindy blinzelte. Sie wurde erwartet? Und wieso erzählten sie ihr etwas von einer Torte? War es nicht normal, dass es zum Geburtstag eine Torte gab? „Hm, okay." „Ich bin übrigens Phil", sagte der Blonde. „Und das ist Mike." Mike nickte, und sie nickte zurück. „Mindy", sagte sie unsicher. „Ist die Damentoilette auch dort hinten?" Sie deutete zu der offenen Tür hinter Mike. Er nickte erneut. „Gut." Sie hob ihre Einkaufstüten hoch. „Ich ... muss mich noch umziehen." Beide Männer grinsten, als hätte sie einen anzüglichen Witz erzählt, und sie verschwand nach hinten, etwas irritiert vom merkwürdigen Verhalten der beiden. Hatte Benton sie erwähnt, in der Hoffnung, dass sie vielleicht kommen würde? Aber wieso erkannten seine Freunde sie sofort? Nun, es war egal. Vielleicht hatten sie schon ein paar Bier getrunken. Sie beschloss, nicht weiter über die beiden nachzudenken, und schlüpfte in ihre neue Jeans, in schwarze Schuhe mit hohen Absätzen und das hautenge, ärmellose Top. Nachdem sie mit den Fingern durch ihr Haar gefahren war, um ihrer Frisur einen leicht verwegenen Touch zu geben, frischte sie ihr Make-up auf und ging zurück in die Bar. Sie hatte gerade auf einem Barhocker Platz genommen und sich einen Drink bestellt, als jemand ihr auf die Schulter tippte. Sie drehte sich um und fand Phil, der sie verwirrt ansah. „Das wollen Sie anziehen?" fragte er. Sie schaute an sich herab. Offen gestanden fand sie, dass sie ganz gut aussah. Mal davon abgesehen, dass es ihn ohnehin nichts anging. Sie wusste, er war Bentons Freund, aber langsam hatte sie genug von ihm und seinem Freund im Partyhemd. „Ja, das will ich anziehen. Was geht Sie das an?" Phil hob die Augenbrauen. „Ich bezahle doch nicht zweihundertfünfzig Dollar, um zuzusehen, wie Sie in einer Jeans aus der Torte hüpfen. Tut mir Leid, wenn ich offen spreche, aber Sie werden schon ein bisschen mehr ausziehen müssen." Mindy schluckte. „Aus einer Torte hüpfen?" Und dann kapierte sie. Sie hatten eine Stripperin engagiert und dachten, sie wäre es! Eine Sekunde lang war sie versucht, in Lachen auszubrechen, erleichtert, das Rätsel gelöst zu haben. Es amüsierte sie, dass die beiden sie für eine Stripperin hielten. Aber dann kam ihr eine gewagte Idee. Wie wäre es, wenn sie sich als die Stripperin ausgab? Wie wäre es, wenn sie noch ein letztes Mal als Mandy auftreten würde, um Benton zu beweisen, wie sehr sie ihn liebte? Schließlich hatte sie sich schon einmal für ihn ausgezogen, also schien es durchaus angebracht. Okay, es war auch verrückt, aber war verrücktes Verhalten nicht genau das, was sie zusammengebracht hatte? „Ja, natürlich. Wenn ich aus der Torte komme, werde ich weniger anhaben." Sie schüttelte den Kopf, als wäre sie einen Moment lang verwirrt gewesen, jetzt aber wieder völlig bei der Sache. „Ich wusste nur nicht, dass wir heute Abend eine Torte benutzen, das ist alles. Und ich wollte noch etwas trinken, bevor ich mich umziehe." Beide Männer sahen sie erstaunt an. Schließlich fragte Mike: „Also ziehen Sie sich um, um einen Drink zu nehmen, bevor Sie sich wieder umziehen?" Mindy blinzelte. Verflixt! „Es ist eine Art Ritual." Sie nickte, so als wür den ihre Worte durchaus Sinn ergeben. „Bevor ich einen Striptease ma che, ziehe ich mich mehrmals um,
damit ich in Stimmung komme." Wie albern. Das würden sie ihr niemals abkaufen. Beide Männer zuckten mit den Schultern, und Mindy seufzte erleichtert auf. Männer waren so einfach, wenn es darum ging, dass eine Frau willig war, die Hüllen fallen zu lassen. „Also, natürlich werde ich zu dieser ... Gelegenheit noch mehr ausziehen. Ich habe ...", sie blickte zu ihren Einkaufstüten und erinnerte sich, „... einen Bikini. Ein Bikini ist doch in Ordnung, oder?" Die beiden sahen sich nachdenklich an. „Ich hatte eigentlich auf Reizwäsche gehofft", meinte Mike. „Aber ein Bikini geht auch", erklärte Phil. Mindy runzelte die Stirn. „Nur noch eine Frage. Wie viele Leute werden heute Abend kommen?" Wenn er fünfzig sagt, verschwinde ich, dachte sie. „Wissen Sie, ich bin noch ziemlich neu im Geschäft und ein wenig nervös." Phil lächelte ihr freundlich zu. „Keine Angst, es wird eine kleine Party, nur ein paar Freunde." Mikes Gesichtsausdruck war ebenfalls mitfühlend, und beide stiegen in Mindys Achtung. „Nette Freunde", fügte Mike hinzu. Mindy lächelte. „Okay, das hört sich gut an." Hinter ihnen wurde die Eingangstür geöffnet, und eine üppige Brünette kam mit einem riesigen Typ herein, der wie ein Leibwächter aussah. Mindy wandte sich hastig an Mike und Phil. „Entschuldigen Sie mich einen Moment, bitte? Ich arbeite mit den beiden zusammen, und will mal hören, warum sie hier sind." „Sicher", meinte Phil. „Lassen Sie sich Zeit. Die Party beginnt ja noch nicht." Mindy war ein wenig schwindelig, als sie vom Barhocker rutschte, doch jetzt war nicht der geeignete Zeitpunkt, um darüber nachzudenken, was sie hier tat, also trat sie der Frau mutig entgegen. „Ich wette, Sie sind die Stripperin", sagte sie lächelnd. Die Frau nickte. „Wo soll ich mich fertig machen?" Mindy biss sich auf die Lippen und betete, dass alles klappen würde. „Es gibt eine kleine Änderung", erklärte sie. „Sieht so aus, als hätten die Typen zwei Mädels engagiert, und dabei brauchen sie nur eine. Aber wenn Sie mir sagen, wie hoch Ihre Gage ist, schreibe ich Ihnen einen Scheck aus, und Ihre Arbeit ist für heute erledigt." Die Brünette wechselte einen überraschten Blick mit ihrem Leibwächter und sah dann wieder zu Mindy. „Ich bekomme Geld fürs Nichtstun? Kein Problem für mich." Sie und Mindy einigten sich, und Mindy sah den beiden hinterher, als sie die Kneipe verließen. Als sich die Tür hinter ihnen schloss, erkannte sie jedoch, dass es jetzt kein Zurück mehr gab, und eine gewisse Nervosität setzte ein. Es wurde Zeit für ein paar aufmunternde Worte ä la Mandy. Sie war hergekommen, um sich mit Benton zu versöhnen, oder nicht? Und was gab es für eine bessere Möglichkeit? Sie konnte sich auf seinen Schoß setzten und „Happy Birthday" singen, und er würde sie für unglaublich sexy halten. Schließlich hatte sie auf Janes Halloweenparty schon Erfahrung im Singen gemacht. Schade, dass sie nicht ihr MarilynMonroe-Kleid dabeihatte. Aber so aufreizend es auch war, wahrscheinlich wäre es nicht das Richtige, um aus einer Torte zu hüpfen. Wie gut, dass sie den neuen Bikini gekauft hatte! Wenn Benton und sie wieder vereint waren, würde niemand bemerken, dass sie nichts weiter auszog. Es wäre also alles in Ordnung. Als Mindy zu ihrem Barhocker zurückkam, waren Phil und Mike noch immer da. „Irgendwelche Probleme?" Anscheinend hatten sie ihr Gespräch mit der echten Stripperin beobachtet. „Nein", versicherte Mindy ihnen. „Nur eine Verwechselung - sie sind zur falschen Adresse gefahren. Aber ich habe ihnen die richtige gegeben, und nun ist alles geklärt." „Was diesen Bikini angeht", sagte Phil und wandte sich wieder dem na he liegenden
Problem zu. „Wie sieht er aus?" „Er hat ein goldenes Schlangenhautmuster." Mike grinste. Auch Phils Gesicht erhellte sich. „Gut, gut. Jetzt sollten wir Sie aber außer Sichtweite bringen, falls der Ehrengast schon früher kommt." Er ge leitete sie nach hinten, und Mike folgte mit ihren Einkaufstüten. Sie führten sie in ein Büro, das im Moment eine riesige, weiße Plastiktorte beherbergte. „Sie haben noch genügend Zeit, um sich fertig zu machen. Also keine Eile." Mindy schluckte. „Das ist gut. Dann kann ich noch mal ein bisschen ... üben." „Hinter der Tür ist ein Spiegel." Phil deutete dorthin. „Und wir kommen dann und schieben Sie in der Torte hinaus, wenn es so weit ist." Als Mindy allein war, schaute sie sich die lächerliche große Plastiktorte an. Sie konnte noch immer nicht so recht glauben, dass sie das tatsächlich durchziehen wollte. Aus einer Torte zu hüpfen, redete sie sich ein, hat ga r nichts mit Strip tease zu tun. Es ist eher eine altmodische, humorvolle Tradition, die gar nicht unbedingt darauf abzielt, die Männer zu erregen. Oder? Hoffentlich hatte sie Recht, denn für Benton in seinem Schlafzimmer zu tanzen war eine Sache, aber für eine Horde von Männern in einer Bar herumzuwirbeln, das war etwas ganz anderes. Ich tue es für Benton, sagte sie sich. Es würde ihm zeigen, wie viel er ihr bedeutete. Und vielleicht hatte sie sich deshalb entschieden, etwas so völlig Verrücktes zu tun. Denn Benton brachte tatsächlich die Mandy in ihr zum Vorschein, genau so, wie er es gesagt hatte. Sie hoffte, ihre Entscheidung, aus einer Torte zu springen, würde ihm beweisen, wie sehr er sie verändert hatte. Sie war hergekommen, um draufgängerisch zu sein, oder nicht? Sie war gekommen, um Benton - und vielleicht sich selbst - zu zeigen, dass Mandy nicht nur eine Rolle gewesen war, sondern dass Mandy wirklich ein Teil von ihr war. Als Mindy in ihrer Tüte wühlte und den winzigen Bikini herausfischte, entschied sie, dass es der beste Weg war, es ihnen beiden zu beweisen. Ihr Plan würde ausgezeichnet funktionieren, und sie hätten eine wunderbare Geschichte, die sie ihren Enkelkindern erzählen konnten. Na ja, sobald die Enkelkinder über achtzehn waren. Benton schaute sich in der Bar um, die mit Luftballons und einem Spruchband geschmückt war, das ihn daran erinnerte, wie alt er schon war. Er wusste, Phil und Mike meinten es gut und scherzten nur, doch sein Geburtstag zwang ihn trotzdem, an seine letzten Fehlschläge zu denken. Er hätte die Party wirklich absagen sollen, aber jedes Mal, wenn er das während seiner Telefonate mit Phil versucht hatte, war er von seinem Freund unterbrochen worden, der nichts davon hören wollte. Benton merkte, dass Phil und Mike sich Sorgen um ihn gemacht hatten, nachdem er sich neulich Abend so betrunken hatte. Er hätte ihnen versichern können, dass er alles unter Kontrolle hatte und wieder ganz der Alte war, aber es war ihm irgendwie zu kompliziert gewesen. Er hatte ihnen auch nichts von Mindy erzählt. Und er wäre sich wie ein Schuft vorgekommen, wenn er die Party abgesagt hätte, wo er doch genau wusste, wie sehr seine Freunde sich darauf freuten. Nicht dass Benton sich von seinen Gefühlen leiten ließ. Wie er es sich versprochen hatte, war er wieder dazu übergegangen, ihnen den ge bührenden Platz zuzuweisen. Es war in Ordnung, seine Freunde zu schätzen, doch sich allzu sehr mit einer Frau einzulassen, das kam nicht mehr für ihn in Frage. Missmutig entdeckte er den Stapel mit Geschenken, der auf der Bar aufgestapelt war. Verflixt, er hatte Mike und Phil doch gesagt, er wolle keine Geschenke. Dem Spruchband nach zu urteilen, musste er sich wohl auf Sachen wie Altherren-Unterhosen und gefälschte Viagrapackungen gefasst machen. Und na türlich würde er feststellen, dass Miss Binks seinen
Namen auf irgendetwas Goldenes hatte gravieren lassen. „Hallo, alter Junge, wie geht's?" Mike schlang einen Arm um Bentons Schulter. Er war entweder betrunken oder machte sich noch immer Sorgen um Benton. „Was hast du denn für ein Hemd an?" Benton deutete auf das Hawaii-Hemd, das normalerweise nicht Mikes Stil war. Mike zuckte mit den Schultern. „Carrie hat es irgendwo als Schnäppchen erstanden und findet, es steht mir gut. Sie meinte, es wäre genau das Richtige für heute Abend, also dachte ich, warum nicht?" Ja, Benton wusste, wie eine Frau es schaffte, die Art, wie man sein Le ben lebte, zu verändern. Es gefiel ihm nicht sonderlich, daran erinnert zu werden, und dass sein Freund dem ebenfalls zum Opfer gefallen war, machte ihn auch nicht glücklicher. Er brauchte dringend etwas zu trinken. „Ich hole mir ein Glas Wein." Mike lachte. „Nichts da. Hier gibt es keinen Wein. Entweder Bier oder Hochprozentiges. Aber seien wir ehrlich, nachdem, was beim letzen Mal geschehen ist, als wir uns gesehen haben, würde ich vorschlagen, dass du beim Bier bleibst." Mike zwinkerte ihm zu, und Benton nickte ergeben. Er unterhielt sich mit einigen anderen alten Freunden und trank dann einen Schluck von dem Bier, das ihm jemand in die Hand gedrückt hatte. Dabei fiel ihm ein, dass er mit Mindy beim Baseballspiel Bier getrunken hatte. Warum konnte er nur nicht aufhören, an sie zu denken? Eine Hand landete auf Bentons Schulter, und er drehte sich zu Phil um, der ihn kurz umarmte. Anscheinend wirkte es sich auf Phil schon aus, dass er jetzt eine Familie hatte. Es verwandelte ihn in einen „sensiblen Mann", Benton hatte seine Emotionen wieder in einen Schrank gesperrt, wo sie hingehörten, und dort wollte er sie auch belassen, aber es wäre einfacher, wenn alle anderen genauso handelten. „Schau dich um, und wenn alle da sind, fangen wir mit dem Unterhaltungsprogramm für heute an." Benton zuckte leicht zurück. „Es gibt ein Unterhaltungsprogramm?" So wie Phil das Wort betont hatte, vermutete er, dass das „Unterhaltungs programm" weiblicher Natur war. „Oh ja!" Plötzlich schien der Familienmann ausgesprochen enthusiastisch über eine Show, von der Benton vermutete, dass sie nicht fürs Familienprogramm geeignet war. Nachdem er seine Überraschung überwunden hatte, schaute Benton sich in der Kneipe um. Einige Freunde aus seiner Collegezeit waren vorbeigekommen sowie ein paar andere Freunde. Aber er sah nicht ... „Die Leute aus meiner Firma, die du eingeladen hast, sind noch nicht da, wir sollten also noch ein wenig warten. Und ich habe auch noch jemanden eingeladen, der noch nicht da ist." Es war ihm eigentlich egal, ob sie auftauchten, aber wenn es eine Show gab, dann konnten sie genauso gut noch ein wenig warten. Der arme Malcolm Wainscott brauchte vermutlich mal solch eine Abwechselung. Und Percy hätte ein paar deftige Witze, die er am Montag im Büro erzählen konnte. Nicht dass Benton besonders scharf darauf war, dass sich eine halb nackte Tänzerin auf seinen Schoß setzte, schon gar nicht vor seinen Angestellten, aber da er das Geburtstagskind war, blieb ihm das wohl nicht erspart. In letzter Zeit wanderte er ohnehin durchs Leben, ohne sich viel um irgendetwas zu kümmern. Nur so schaffte er es, ohne einen gewissen Rotschopf zu leben. Man musste die Dinge eben so nehmen, wie sie waren. Als Mike und Phil in das Büro kamen, hockte Mindy bereits in ihrem Bikini und den hochhackigen Schuhen in der Torte. Sie hatte ihr Heraus kommen mehrfach geübt und entschieden, dass sie es machen konnte. „Bereit?" fragte Mike und schaute zu ihr hinein in die Torte. „Ja", murmelte sie nervös. Phil zwinkerte ihr aufmunternd zu und schloss dann den Deckel. Erst als die große Plastiktorte aus dem Büro und den Gang entlang zur Bar rollte, wurde Mindy auf einmal das Ungeheuerliche dessen, was sie zu tun beabsichtigte, bewusst. Sie
würde wirklich aus einer Torte springen und zwar in einem winzigen Bikini in einem Raum voll unbekannter Männer! Was habe ich nur getan! dachte sie voller Panik. Sie hatte einen riesigen Fehler gemacht, das hatte sie getan! Was zum Teufel hatte sie sich nur dabei gedacht? Hastig hob sie den Deckel und streckte den Kopf aus der Torte. Sie musste hier raus. „Noch nicht", sagte Mike und schob sanft ihren Kopf zurück. Und dann war es zu spät. Mike verkündete: „Meine Herren, ein kleines Geschenk für Benton zum Geburtstag", und Mindy spürte, dass sie durch die Tür in die Bar geschoben wurde. Sie hörte Applaus und anerkennende Pfiffe und hatte das Gefühl, im wahrsten Sinne des Wortes in der Falle zu sitzen. Wo war Mandy? „Deserteur", murmelte Mindy. Anscheinend hatte sie endlich etwas gefunden, was nicht einmal Mandy tun mochte! Die ersten Töne eines erotischen Popsongs erklangen. Aber es nützte alles nichts. Sie steckte hier drinnen, ob es ihr gefiel oder nicht, und sie ermahnte sich, dass zu tun, was sie sich vorgenommen hatte. Es gab keinen anderen Weg. „Mädel!" rief Phil einige Sekunden später, und klopfte leise auf den Deckel. „Wir sind jetzt bereit." Tu es einfach. Für Benton. Er wird es lieben! Er wird dich lieben! Sie nahm all ihren Mut zusammen und stieß den Deckel auf, die Arme über den Kopf erhoben. Sie entdeckte Benton direkt vor sich zwischen zehn, fünfzehn anderen Männern und sah seine Verblüffung. „Überraschung!" rief sie. „Ich werde dich heiraten!" Genau in dem Augenblick bemerkte sie die kleine, adrett aussehende Blondine, die an seinem Arm hing.
11. KAPITEL
Oh, gütiger Himmel - Benton war mit einer Frau da! Einer Frau, die sich an ihn drängte, als gehörte er ihr! Sie war offensicht lich all das, was Benton sich immer von einer Frau gewünscht hatte, auf jeden Fall all das, was er Mindy gebeten hatte, für ihn zu finden. Schlimmer noch, sie war all das, was Mindy nicht war. „Wer ist das?" platzten sowohl Mindy als auch die Frau gleichzeitig heraus. Jemand drehte die Musik aus, und bedrückende Stille legte sich über den Raum. Mindy hatte Benton noch nie verdutzter gesehen, was schon etwas heißen sollte, wenn man an all das dachte, was Mandy angestellt hatte. Langsam räusperte er sich und meinte verlegen: „Das ist Candace Binks, meine Assistentin und Begleitung heute Abend. Und das ist Mindy ... oder ist es Mandy?" Er warf ihr einen viel sagenden Blick zu, der Mindy erröten ließ. In diesem Augenblick wusste Mindy, dass sie einen viel entsetzlicheren Fehler begangen hatte, als sie sich jemals hätte ausmalen können. Benton hatte sich anderweitig orientiert und sich der adretten blonden Miss Binks zugewandt, die neben ihm saß und sie böse anstarrte. Mindys Hoffnungen zerplatzten wie eine Seifenblase. Sie wusste zwar, dass sie sich diese schreckliche Demütigung redlich verdient hatte, aber sie brauchte schließlich nicht länger hier zu stehen und sie zu ertragen. Sie musste hier heraus, weg aus der Kneipe und zwar schnell. Ungelenk kletterte sie hastig aus der Torte heraus, wobei sie sich der eisigen Blicke, die die Männer ihr zuwarfen, bewusst war. Stolpernd landete sie auf dem Boden und brauchte einen Moment, bis sie ihr Gleichge wicht auf den hohen Absätzen gefunden hatte. Dann raste sie durch die Bar zur Tür und betete nur, dass Benton die Tränen nicht gesehen hatte, die ihr über die Wangen liefen. „Mindy!" Benton sprang auf, als die Tür hinter ihr zufiel. „Benton?" Miss Binks - er schaffte es nicht, sie Candace zu nennen, sosehr er sich auch bemühte - kam neben ihm hoch.. „War das ..." Die arme Miss Binks. Benton wusste, dass es ein Fehler gewesen war, sich mit ihr zu verabreden. Trotz all seiner Bemühungen war alles, was sie zusammen machten, irgendwie gezwungen, steif und peinlich, und das Traurigste daran war, dass sie es nicht einmal zu merken schien. Er hatte einen schrecklichen Fehler begangen, sich mit einer Frau einzulassen, der er keine romantischen Gefühle entgegenbrachte, und ein noch größerer Fehler war es, dass er sie heute mit hierher gebracht hatte. Mindy war das Unterhaltungsprogramm gewesen? Er konnte es noch immer nicht glauben. Er wandte sich an seine Assistentin. „Ja, Miss Binks, das war die Frau, von der ich kürzlich erzählt habe." „Und sie ist eine Stripperin?" Miss Binks sah entsetzt aus. Benton hatte nicht die Zeit, das zu erklären, zumal er keine Ahnung hatte, wieso Mindy aus der Torte gesprungen war. „Offensichtlich. Aber wichtiger ist im Moment ...", er schaute ihr direkt in die Augen, „... ich bin ein schrecklicher Mensch. Ich habe Sie letztendlich benutzt, obwohl ich im Grunde meines Herzen wusste, dass Mindy mir noch immer viel bedeutet. Es tut mir Leid, aber ich muss ihr hinterher gehen." Er drehte sich um und sah Malcolm Wainscott, der wie immer mitfühlend zu Miss Binks sah. Als könnte er Bentons Gedanken lesen, kam Malcolm auf sie zu. Vielleicht funkte es ja doch noch zwischen den beiden. Malcolm die Sache überlassend, raste Benton zur Tür und stoppte nur lange genug, um Mike und Phil einen warnenden Blick zuzuwerfen. „Und mit euch beiden spreche ich, wenn ich zurückkomme ..." Phil hob hilflos die Hände. „Hey, wir wussten nicht, dass du die Stripperin kennst, Mr. Casanova."
„Sie ist keine Stripperin", erklärte Benton und fügte dann leise hinzu: „Jedenfalls war sie es bis heute Abend nicht." Als sich die Tür hinter ihm schloss, schaute Benton sich hektisch nach allen Seiten um, doch er sah kein Zeichen von Mindy. Verdammt, er hatte zu lange gewartet. Dann fiel ihm ein, dass sie leicht auszumachen war. Er wandte sich an ein gut gekleidetes Paar, das gerade auf ihn zukam. „Haben Sie eine Frau in einem Bikini gesehen?" Der Mann deutete über seine Schulter. „Sie ist links in die Vine Street eingebogen. Aber Sie sollten sich lieber sputen. Sie war in großer Eile." Mindy hatte keine Ahnung, wohin sie lief oder warum. An ihrem Auto war sie schon vor Ewigkeiten vorbeigelaufen, doch ihre Handtasche mit den Autoschlüsseln lag ja noch in der Kneipe, dem einzigen Ort, an dem sie noch weniger sein wollte als auf der Straße in einem Bikini. An jeder Kreuzung starrten die Leute sie an, hupten oder pfiffen hinter ihr her. Sie sah aus wie eine Stripperin auf der Flucht. Verdammt, genau das war sie! und sie hatte Angst und war allein und wollte nichts lieber, als die Zeit zurückdrehen und diesen Abend anders gestalten. Dann wäre sie klugerweise zu Hause geblieben, hätte nicht Mandy gespielt und wäre nie auf die dumme Idee gekommen, Benton zurückzuerobern, denn das war unmöglich. Allein der Gedanke daran, wie er mit dieser Frau dort ge sessen hatte, versetzte ihr jedes Mal einen neuen Stich. Wahrscheinlich planten sie in dieser Minute gerade ihre Hochzeit. „He, Baby, wo willst du denn so schnell hin?" Ein Auto voller junger Männer fuhr hupend an ihr vorbei, während die Insassen aus dem Fenster lehnten und sie anstarrten. Mindy lief schneller. Vielleicht sollte sie jemanden bitten, ihr genügend Geld zu geben, damit sie Jane anrufen konnte. „Na, meine Schöne ..." Mindy lief an dem älteren Mann vorbei, ohne ihn zu beachten, so als wäre sie nur zum Joggen unterwegs. Aber ihre Schuhe brachten sie fast um. „Mindy!" rief eine Stimme hinter ihr. „Mindy! Warte!" Sie schnappte überrascht nach Luft und schaute über die Schulter. Es war Benton! Er war ihr gefolgt. Aber sie war zu gedemütigt, und er hatte jetzt diese kleine Blondine. Sie drehte sich wieder um und rannte weiter. „Mindy, Liebling, warte! Bleib stehen!" Es war so verlockend - er nannte sie wieder Liebling. Aber das bedeutete nichts. Sie tat ihm Leid, und er war wohl nur besorgt, dass jemand ihr etwas tun könnte. Natürlich hatte sie davor auch Angst, aber das stand jetzt nicht zur Debatte. Sie lief weiter. Bis sie um eine dunkle Ecke bog und sich drei finsteren Gestalten ge genüber sah. Einer hatte eine Narbe auf der Wange, und ein anderer hatte offensichtlich die meiste Zeit seines Lebens in einem Tätowierstudio verbracht. Sie blieb abrupt stehen. „Oh!" Die Typen musterten sie interessiert, und der mit den fettigsten Haaren grinste sie an. „Wie viel, Darling?" „Wie viel?" Dann verstand sie, dass die drei sie für eine Prostituierte hielten. Leider konnte sie es ihnen nicht einmal verübeln. „Oh, ich bin keine ... keine ..." Mindy machte ein paar Schritte rückwärts, aber als die schmierigen Typen hinter ihr her kamen, bekam sie das unangenehme Gefühl, nicht schnell genug zu sein, was bedeutete, dass sie in ernsten Schwierigkeiten steckte! „Mindy." Bentons Stimme zu hören war wie der warme Lichtstrahl eines Leucht turms in stürmischer Nacht. Mindy blickte über die Schulter und atmete beim Anblick seiner breiten Schultern erleichtert auf. Der Typ mit den fettigen Haaren trat vor. „He, Alter, wir haben sie zuerst gefunden."
„Die Dame gehört zu mir", sagte Benton in einem Ton, der keinen Zweifel zuließ. Er warf Mindy seine Jacke über und zog sie mit sich um die Ecke. Keiner von ihnen sprach, während er sie über die Straße zu einer Bank an einer Bushaltestelle führte, wo sie sich sehr viel sicherer fühlte als dort, wo sie vorhin gewesen waren. Schließlich, als sie sich nebeneinander gesetzt hatten, schaute Benton ihr in die Augen und zog sie dann in eine feste Umarmung. „Bist du verrückt geworden?" Sie lehnte sich so weit zurück, dass sie ihn anschauen konnte, und kam sich schrecklich dumm vor. „Ja, ich glaube schon. Wenn nicht, bin ich na he dran." Benton seufzte und ließ sie los. Er sah so müde aus, und Mindy fürchtete, dass das allein ihre Schuld war. Er zögerte einen Moment, bevor er begann: „Liebling, sag mir bitte eins. Was, um Himmels willen, hast du in dieser Torte gemacht?" Mindy biss sich auf die Lippen. Jetzt hatte sie die Gelegenheit, all das zu sagen, was sie ihm hatte sagen wollen, nur dass sie jetzt ein wenig mehr Mut brauchte, denn sie wusste, dass Benton eine andere gefunden hatte. „Na ja, das mit der Torte war nicht unbedingt geplant, aber ich bin heute Abend zu deiner Party gekommen, weil ich dir sagen wollte, wie Leid mir meine ganze Täuschungsaktion tut. Und ich wollte dir erklären, dass ich mich nicht deshalb weiter mit dir getroffen habe, weil ich meine Verpflichtungen dir gegenüber erfüllen wollte. Ich habe es getan, weil du mir wichtig geworden warst. Und ich wollte dir auch sagen, dass ich nicht ganz so verrückt bin, wie ich vielleicht bei vielen Gelegenheiten gewirkt habe, sondern dass mir die Sache irgendwie entglitten ist, obwohl ich versucht habe, sie wieder in den Griff zu bekommen. Ich bin sonst meistens ehrlich, und ich habe noch nie etwas gestohlen." Sie starrte auf ihre Hände und fuhr hastig fort: „Aber ich verstehe, warum du böse bist und mir nicht verzeihen kannst. Ich habe keine Vergebung verdient. Und obwohl du jemand anderen gefunden hast, möchte ich dir noch eins sagen, Benton." „Was denn?" fragte er leise. „Ich liebe dich." Benton schwieg einen Moment und atmete dann tief durch. Dabei wirkte er ungewö hnlich mitgenommen. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Wirklich? Du liebst mich?" Mindy seufzte. Sie hatte immer noch nicht den Mut, ihm nach solch einem Geständnis in die Augen zu schauen. „Ob du es glaubst oder nicht, bei so etwas würde ich nicht lügen. Aber ich freue mich, dass du eine Frau gefunden hast, die deinen Wünschen entspricht, denn ich bin ohnehin nicht das, was du von einer Frau erwartest." „Du kleine Verrückte", sagte er. Das ließ sie aufblicken. Zu ihrem Erstaunen lächelte er. „Liebling, weißt du nicht, dass du ge nau das bist, was ich will?" „Wie?" „Vielleicht war es am Anfang nicht so, aber du hast mir gezeigt, was ich will, es mir sozusagen ins Gesicht geschleudert." Mindy zuckte leicht zusammen. Doch Benton lachte nur. ,,Nein, ich bin froh. Anders hätte ich es sowieso nie geglaubt. Und seit unserer Trennung habe ich versucht, wieder zu dem Mann zu werden, der ich war, bevor ich dich getroffen habe, aber ich bin einfach nicht glücklich. Nicht ohne dich. Und ich weiß genau, was ich dagegen unternehmen muss." Mit diesen Worten fiel Benton vor ihr auf die Knie, nahm ihre Hand und schaute ihr direkt in die Augen. „Mindy McCrae, willst du mich heiraten?" Sie schnappte nach Luft und versuchte herauszubekommen, was hier geschah. Es kam ihr alles so unwirklich vor. „Aber was ist mit Candace Finks oder Plinks oder wie auch immer sie heißt?"
Er schüttelte den Kopf. „Sie bedeutet mir nichts, Mindy. Ich habe sie sitzen gelassen, um dir hinterher zu laufen, und ich glaube, sie ist im Moment dabei, sich mit jemandem einzulassen, der sie viel glücklicher machen wird, als ich es jemals könnte." „Trotzdem", beharrte Mindy, „bist du dir ganz sicher? Bist du sicher, dass du eine Frau heiraten willst, die lügt und in vornehmen Restaurants auf die Nase fällt, in Sexshops geht und im Bikini aus einer Torte hüpft? Und ich bin nicht einmal blond. Überleg es dir, Benton. Du bist ein bekannter Geschäftsmann. Du hast einen gewissen Ruf zu verteidigen." Benton zuckte mit den Schultern und lächelte sie an. „Dann habe ich jetzt eben einen neuen Ruf. Ich werde bekannt als der Mann mit der wildesten, hübschesten und aufregendsten Frau in der Stadt." Mindy konnte es immer noch nicht glauben. Das Blut pochte in ihren Adern, und ihr Herz klopfte wie verrückt. Wenn sie sich nicht irrte, wur den gerade alle ihre Träume wahr. Aber diesmal musste sie zwischen ihr und Benton wirklich reinen Tisch machen; sie würde nicht zulassen, dass noch irgendwelche Geheimnisse zwischen ihnen standen. Sie legte die Hände auf seine Schultern, während er weiterhin vor ihr kniete. „Okay, nur noch ein paar Sachen, bevor ich Ja sage." Er lachte. „Raus damit." „Du musst wissen, dass ich normalerweise nicht so wie Mandy bin, aber du hattest Recht du bringst die wilde Seite an mir zu Tage, also ... Na ja, ich will damit sagen, dass ich ein gemischtes Paket bin. Ich bin so, wie du mich als Mindy erlebt hast, und zu meiner eigenen Überraschung bin ich auch so, wie du mich als Mandy kennen gelernt hast." Benton hob eine Hand und umschloss ihre Wange. „Das ist mir durchaus bewusst. Und ich liebe euch beide gleichermaßen." Wow! Er liebte sie! Er liebte sie wirklich! Dass die Worte ihm so leicht über die Lippen kamen, vermittelte ihr ein wunderbares Gefühl. „Und du musst dich dieses Jahr zu Halloween als Sonny Bono verkleiden." „Was?" Das überraschte ihn jetzt doch ein wenig. „Weißt du, zu Janes Halloweenpartys verkleide ich mich immer als ir gendeine aufreizende Frau wie zum Beispiel Madonna oder Marilyn Monroe, und in diesem Jahr werde ich als Cher gehen." Er lachte erneut und schüttelte leicht den Kopf. „Findest du nicht, dass ich ein bisschen zu groß für Sonny bin?" Lächelnd schaute sie in seine blauen Augen. „Verstehst du denn nicht? Das ist doch das Beste daran! Es ist einfach wahnsinnig komisch." „Na gut, Mindy, für dich werde ich mich als Sonny verkleiden", meinte er ergeben. „Jetzt aber zum letzten Mal, willst du mich heiraten?" Ohne weiteres Zögern schlang Mindy die Arme um Bentons Hals und versäumte es diesmal auch nicht, ein wichtiges Wort in sein Ohr zu flüstern. „Ja, ja, ja!" „Und nicht nur, dass meine zukünftige Frau aufregend ist, sie betreibt auch noch ein lukratives Geschäft mit einer Erfolgsquote von ... wie viel? Sechsundneunzig Prozent jetzt?" Mindy kicherte. „Das beweist es. Ich kann wirklich für jeden den passenden Partner finden." „War ich solch ein schwieriger Fall?" „Ja, das warst du." Sie lächelte. „Aber eigentlich sprach ich von mir." - ENDE