Sebastian Pickerodt Informationsgiiterhandel mit Hilfe autonomer Agenten
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Sebastian Pickerodt Informationsgiiterhandel mit Hilfe autonomer Agenten
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Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iiber abrufbar.
Dissertation Universit~it Marburg, 2005
1. Auflage November 2006 Alle Rechte vorbehalten 9 Deutscher Universit~ts-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel/Britta GShrisch-Radmacher Der Deutsche Universit~ts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de
"
Das Werk einschliel~lich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschiJtzt. Jede Verwertung aul~erhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verla.gs unzul~issig und strafbar. Das gilt insbesonderefiJr Vervielf~iltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen,Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten w~ren und daher von jedermann benutzt werden diJrften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, Schel~litz Gedruckt auf s~urefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-IO 3-8350-0401-8 ISBN-13 978-3-8350-0401-6
Geleitwort Anbieter von Informationsgiitern im Internet experimentieren gegenw~tig mit vielf'eiltigen neuen GeschMtsmodellen. Eine einfache 0bertragung der traditionellen, auf physischen Tr~igermedien wie Biichern, CDs, DVDs, Zeitschriften oder Zeitungen beruhenden Modelle erweist sich h~iufig als schwierig, zumindest wird auf diesem Wege keine optimale Nutzung der neuen MSglichkeiten des digitalen Vertriebs erreicht. In der vorliegenden Arbeit wird ein GeschMtsmodell untersucht, das auf der Idee beruht, von jedem Nachfrager genau den Preis zu verlangen, den er zu bezahlen bereit ist. Dadurch kann zum einen der Anbieter seinen Gewinn gegeniiber der Situation eines Einheitspreises steigern, zum anderen entstehen aber auch ffir die Nachfrager insgesamt Vorteile, da auch diejenigen mit einer Zahlungsbereitschaft unterhalb des sonst geforderten Preises bedient werden kSnnen. Die Ermittlung der Zahlungsbereitschaft wird durch Programme realisiert, die im Auftrag von Verkiiufer und K~iufer in Verhandlungen treten. Diese Idee wird hier mit Hilfe einer Simulation iiberpriift. Zur Entwicklung dieser Simulation wird ein interdisziplin~irer Ansatz gewfi~hlt, der Gesichtspunkte der 5konomischen Theorie mit Ergebnissen und Methoden aus dem Bereich der (Wirtschafts-)Informatik verkniipft. Es werden zwei miteinander in Beziehung stehende 5konomische Fragen erSrtert: Zum einen ist zu kl~iren, auf welchen Preis sich rationale Verhandlungspartner aus theoretischer Sicht in Verhandlungssituationen wie der oben angedeuteten einigen werden und welche Einflussfaktoren die Einigung beeinflussen. Zum anderen ermSglicht die 5konomische Spieltheorie auch eine Untersuchung des Verhaltens der Akteure, der Verhandlungsstrategien also, die zu den prognostizierten Ergebnissen ffihren. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse flie~en sowohl in die Auswahl des in der Simulation eingesetzten Verhandlungsprotokolls ein als auch in die Algorithmen, die das Verhalten der Verhandlungsprogramme bestimmen. Informatik und Wirtschaftsinformatik besch~ftigen sich bereits seit einiger Zeit mit der Koordination mehrerer autonomer Programme, wobei
VI
Geleitwort
auch Verhandlungen als mSgliche Koordinationsmethode betrachtet werden. WfiJarend ffir die Forschung im Bereich verteilter kiinstlicher Intelligenz zun/ichst die Reduktion der Komplexit/it eines von den unabh/ingigen Einheiten gemeinsam zu 15senden Problems im Vordergrund stand, werden in der Literatur zu Multiagentensystemen bereits Zielkonflikte und daraus entstehende Konflikte beziiglich der Allokation von Ressourcen thematisiert. Ein unmittelbarer Einsatz der dort entwickelten Verfahren, insbesondere der vorgeschlagenen Standards zu Kommunikationssprachen, ist jedoch aufgrund der generell kooperativen Ausrichtung der Agenten hier nicht ohne Weiteres mSglich. Bereits existierende Systeme, in denen dezentrale Preisverhandlungen zwischen eigeninteressierten Agenten stattfinden, bilden in der Regel polypolistische Marktstrukturen ab, w/ihrend in dem hier untersuchten Fall ein einzelner Verk/iufer, der Inhaber der Urheberrechte an den Informationsgiitern ist, mehreren K/iufern gegeniiber steht. Die in der 5konomischen und spieltheoretischen Literatur identifizierten LSsungsans~itze und die auf die Problemstellung anwendbaren Prinzipien der Agentenliteratur aus der Informatik flietgen in die Entwicklung eines eigenen Simulationssystems ein. Beim Entwurf dieses Systems mit Hilfe der Beschreibungssprache UML und der Implementierung in Java greift der Verfasser auf aktuelle Methoden der Wirtschaftsinformatik zuriick. Die Ergebnisse der Simulation best/itigen die vermuteten Vorteile der verhandlungsbasierten Preisdifferenzierung und lassen eine weitere Beschfigtigung mit dem Ansatz in Richtung einer ,,produktionsreifen" LSsung lohnend erscheinen.
Paul Alpar
Vorwort
Die Idee zu der vorliegenden Arbeit entstand in der Blfitezeit der ersten Generation der MusiktauschbSrsen im Internet. Es war absehbar, dass aus dieser Entwicklung ffir die Anbieter von Giitern, die hier als Informationsgiiter bezeichnet werden, erhebliche Probleme entstehen kSnnten. Unmittelbar war zuerst die Musikindustrie betroffen, deren Produkte durch die Entwicklung des MP3-Kompressionsverfahrens plStzlich in grot~en Mengen fiber die damals bestehende Netzinfrastruktur verteilt werden konnten. Allerdings war das Problem anfangs kaum spfirbar, da die Zahl der Konsumenten, die fiberhaupt das Internet nutzten, noch relativ gering war. Alle Tendenzen deuteten aber darauf hin, dass die Zahl der Nutzer in den kommenden Jahren schnell wachsen und die Leistungsf~ihigkeit der Infrastruktur erheblich gesteigert werden wfirde. Damit wfirde sich das Problem sowohl fiir die einzelnen betroffenen Branchen vergrSt~ern als auch weitere Branchen, z.B. die Filmindustrie, erreichen. Die Abhilfen, die damals in erster Linie diskutiert wurden, waren entweder technischer oder rechtlicher Natur: Durch technische Kopierschutzbzw. Rechtemanagementsysteme sollte die Verbreitung urheberrechtlich geschfitzen Materials erschwert werden, und die Versch~ixfung von Gesetzen sollte von der Nutzung illegaler Verbreitungsformen abschrecken. In beiden Bereichen wurden inzwischen einige Fortschritte erzielt, die zwar aus Anbietersicht m6glicherweise zu einer Linderung fiihren, aus den verschiedensten Griinden jedoch nicht unumstritten sind. Erw~hnt seien hier nur die mangelnde Herstellerneutralit~it einiger der genutzten Kopierschutzverfahren, die Einschr~h-lkung der von vielen Bfirgern als legitim erachteten Rechte zur Anfertigung privater Kopien sowie die Quasi-Kriminalisierung zahlender Kinobesucher durch drastische Hinweise auf juristische Konsequenzen der Filmpiraterie. Als Okonom mit einer Spezialisierung in Wirtschaftsinformatik und Doktorand an einer Professur fiir Electronic Commerce interessierten mich nicht so sehr die Mittel zur Symptombeldimpfung, sondern die Frage, ob sich nicht durch den Einzug des Internet und des PC in immer mehr Haushalte
VIII
Vorwort
grunds/itzlich neue MSglichkeiten der Vermarktung von Informationsgiitern bieten. Der in dieser Arbeit vorgestellte Ansatz ist das Ergebnis meiner Bemiihungen, 5konomische Theorie und Methoden der Wirtschaftsinformatik (und teilweise der angewandten Informatik) zu einer LSsung zu verkn/ipfen, die sowohl fiir die Anbieter neue Potenziale erschliefgt als auch aus Sicht der Nachfrager gentigend Vorteile bietet, um den Anreiz zur Beschaffung von Raubkopien zu verringern. Im Laufe meiner Besch~fftigung mit der Thematik musste ich feststellen, dass die Verbindung verschiedener Elemente aus zwei in ihren Erkenntniszielen und ihren wissenschaftlichen Paradigmata recht verschiedenen F~ichern zu einer in sich geschlossenen Argumentationen eine ganze Reihe von Fallen und Stolpersteinen bereit h/ilt. Ob es mir dennoch gelungen ist, mSchte ich dem Urteil des geneigten Lesers anheimstellen. Meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Paul Alpar, habe ich, neben vielem anderem, besonders dafiir zu danken, dass er mir die Freiheit lieIg, diesen Versuch, dessen Schwierigkeiten er sicherlich genauer vorhersehen konnte als ich selbst, dennoch zu unternehmen. Herrn Prof. Dr. Ulrich Fehl mSchte ich dafiir danken, dass er ohne ZSgern bereit war, die Zweitbegutachtung meiner Arbeit zu iibernehmen. Viele Anregungen, Ermutigung und Unterstiitung fand ich in zahlreichen fruchtbaren Diskussionen mit meiner Kollegin Dr. Annette Kleinbrod und meinen Kollegen Dipl.-Wirtschaftsmath. Patrick Noll, Dr. Markus Pfuhl, Dr. Dr. Marcus Porembski sowie Dr. Nils Stieglitz. Ihnen gilt mein besonders herzlicher Dank. Allen Kollegen am Institut fiir Wirtschaftsinformatik danke ich fiir die stets angenehme, konstruktive und freundschaftliche Arbeitsatmosph/ire. Einige Menschen haben in unschiitzbarer Weise zum Abschluss meiner Arbeit beigetragen, indem sie mich immer dann merken lieIgen, dass sie an mich und mein Vorhaben glaubten, wenn meine eigenes Vertrauen zu schwinden drohte. Von ihnen seien hier nur Agnieszka Wi~niewska, Johanna und Gerhart Pickerodt sowie Daniel Bormuth namentlich genannt. Ihnen und den nicht namentlich Erwiihnten gilt meine grotge Dankbarkeit.
Sebastian Pickerodt
Inhaltsverzeichnis
1
1
Einleitung
1.1
Ausgangsproblem
1.2
Fragestellung der Arbeit u n d Vorgehensweise . . . . . . . . . .
4
2
I n f o r m a t i o n als W i r t s c h a f t s g u t
9
2.1
Der Begriff I n f o r m a t i o n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.1
Umgangssprachliche Bedeutung
2.1.2
D i m e n s i o n e n des wissenschaftlichen Informationsbegriffs . . . .
.........................
1
9
.................
9 10
2.1.2.1 Informationstr~iger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
2.1.2.2 Zweckbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
2.1.2.3 Semiotische Dimension
15
......................
2.1.2.4 Zeitbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
2.1.2.5 N e u h e i t s g r a d . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
2.1.2.6 W a h r h e i t s g e h a l t
20
..........................
2.1.3
Der Informationsbegriff dieser Arbeit
..............
21
2.2
Eigenschaften von I n f o r m a t i o n s g i i t e r n . . . . . . . . . . . . . .
25
2.2.1
I n f o r m a t i o n in der S y s t e m a t i k der Gfiter
2.2.2
Information und Knappheit ....................
27
2.2.3
T y p e n von I n f o r m a t i o n s g i i t e r n . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
2.2.4
Digitale I n f o r m a t i o n s g i i t e r
31
2.3
Z a h l u n g s b e r e i t s c h a f t fiir I n f o r m a t i o n s g i i t e r
2.3.1
Q u a n t i t a t i v e A s p e k t e von I n f o r m a t i o n . . . . . . . . . . . . . .
2.3.1.1 E n t r o p i e
............
25
.................... ...........
33 34
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
2.3.1.2 Logon u n d M e t r o n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
2.3.2
38
MikroSkonomische Nachfraget heorie . . . . . . . . . . . . . . .
2.3.2.1 Pr~ferenzen u n d N u t z e n f u n k t i o n e n . . . . . . . . . . . . . . . .
38
2.3.2.2 V o n - N e u m a n n - M o r g e n s t e r n - N u t z e n f u n k t i o n . . . . . . . . . . .
41
2.3.2.3 A b l e i t u n g der Nachfrage aus den P r M e r e n z e n . . . . . . . . . .
44
2.3.3
T h e o r i e der H a u s h a l t s p r o d u k t i o n . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
2.3.4
K~iuferverhalten aus der P e r s p e k t i v e des M a r k e t i n g
......
48
X
Inhaltsverzeichnis
2.3.5
Normative Bestimmung des Informationswertes in Entscheidungssituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.5.1 Der Einfluss der Flexibilit~it . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51 53
2.3.5.2 Der Einfluss der Ergebnis- und der Nutzenfunktion . . . . . . 2.3.5.3 Der Einfluss des Grades der Ungewissheit ...........
54 55
2.3.5.4 Der Einfluss der Informationsstruktur . . . . . . . . . . . . . .
56
2.3.6 2.4
Probleme bei der Bewertung yon Informationsgiitern Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 3.1
Vermarktung von Informationsgiitern Preisdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
.....
57 62 65 65
3.2
Die Coase-Vermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3 3.3.1
Intertemporale Preisdifferenzierung mit dauerhaften Giitern Das Grundmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
3.3.2 3.3.3
Rationale Erwartungen der Konsumenten . . . . . . . . . . . . Kontinuierliche vs. diskrete Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.5
Biindelung und Abonnements . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen zur Bfindelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modelle mit zwei Gfitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modelle mit mehr als zwei Giitern . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78 78 80 87 91
4 4.1
Spieltheoretische Verhandlungsmodelle Grundbegriffe der Spieltheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93 94
4.1.1 4.1.2
"Spiele" und rationales Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . Kooperative und nicht-kooperative Spieltheorie . . . . . . . . .
94 97
4.1.3 4.1.4
Formale Darstellung von Spielen . . . . . . . . . . . . . . . . . Strategien und die strategische Form eines Spiels . . . . . . . .
98 104
.
69 69
77
4.1.5
Gleichgewichte, Gleichgewichtspunkte und LSsungen . . . . . .
107
4.2
Verhandlungen aus 5konomischer Perspektive . . . . . . . . . .
108
4.3 4.3.1 4.3.2
Einstufige Verhandlungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . Modell der Verhandlungssituation . . . . . . . . . . . . . . . . Axiomatische LSsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
110 110 112
4.3.3 4.4
Nicht-kooperative LSsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Sequentielle Verhandlungsmodelle mit vollst~indiger Information 117
4.4.1
Grundmodell sequentieller Verhandlungen mit abwechselnden Angeboten
.............................
117
Inh al tsverzei chnis 4.4.2
XI
ZeitprMerenzen und Auszahlungsfunktionen der Akteure
. . . 120
4.4.3
Nash-Gleichgewichte des sequentiellen Verhandlungsmodells
4.4.4
Teilspiel-perfekte Gleichgewichte . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.4.5
T P G fiir sequentielle V e r h a n d l u n g s m o d e l l e - allgemeiner Fall . 126
. 123 124
4.4.6
Spezielle F~ille des sequentiellen Verhandlungsmodells . . . . .
132
4.4.7
Variationen des sequentiellen Verhandlungsmodells . . . . . . .
134
4.5
Verhandlungsmodelle mit einseitig u n v o l l s t ~ d i g e r Information 137
4.5.1
Die Rolle von Informationen in spieltheoretischen Verhand-
4.5.2
Das Grundmodell
lungsmodellen
...........................
137
.........................
140
4.5.3
Sequentielles und stationiires Gleichgewicht . . . . . . . . . . .
141
4.5.4
Einseitige Gebote durch den Verkiiufer
144
4.5.5
Exkurs: Weitere Ergebnisse zum Monopol mit dauerhaften
4.5.6
Abwechselnde Gebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
151
Giitern
.............
...............................
147
4.6
Zweiseitige unvollst~indige Information . . . . . . . . . . . . . .
154
4.7
Anreizkompatible Verhandlungsmechanismen . . . . . . . . . .
156
4.8
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
159
5
A u t o m a t i s i e r t e Verhandlungen zwischen Softwareagenten
161
5.1
Softwareagenten und M u l t i a g e n t e n s y s t e m e
161
5.1.1
Der Begriff Softwareagent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
...........
161
5.1.2
Typologie von Softwareagenten . . . . . . . . . . . . . . . . . .
165
5.1.3
Systeme mit mehreren Agenten . . . . . . . . . . . . . . . . . .
168
5.1.3.1 Verteiltes ProblemlSsen vs. M u l t i a g e n t e n s y s t e m e . . . . . . . .
168
5.1.3.2 Koordinationsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
169
5.1.3.3 Koordinationsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
170
5.1.4
172
Direkte Kommunikation zwischen Softwareagenten . . . . . . .
5.1.4.1 Transportschicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
173
5.1.4.2 Sprachschicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
174
5.1.4.3 Kommunikationsrichtlinien und Protokolle
...........
175
5.1.4.4 Architektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
176
5.1.5
179
Agentenkommunikationssprachen . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.1.5.1 Exkurs: Theorie der Sprechakte
.................
179
5.1.5.2 Nachrichtentypen in Agentenkommunikationssprachen . . . . .
180
5.1.5.3 Nachrichteninhalte in Agentenkommunikationssprachen . . . .
188
Inh al ts verzei chnis
XII
5.1.5.4 Zur Anwendbarkeit von ACL in automatisierten Verhandlungen 189 5.2
Verhandlungen zur Koordination in Multiagentensystemen
5.2.1
Taxonomie automatisierter Verhandlungen
5.2.1.1 Kardinalit~it der Verhandlung 5.2.1.2 Merkmale der Agenten
. . 190
...........
190
..................
191
......................
5.2.1.3 Merkmale der U m g e b u n g und der Giiter
192 ............
192
5.2.1.4 Ereignisparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
193
5.2.1.5 I n f o r m a t i o n s p a r a m e t e r
193
5.2.1.6 Allokationsparameter
...................... .......................
193
5.2.2
Verhandlungsprotokolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
193
5.2.3
Entscheidungsmodelle fiir Agenten in automatisierten Verhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2.3.1 Handlungsoptionen
195
........................
195
5.2.3.2 Spieltheoretisch motivierte Entscheidungsmodelle
.......
197
5.2.3.3 Heuristische Entscheidungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . .
204
5.3
211
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
Automatisierte Verhandlungen: eine Simulation
213
6.1
Spezifikation des Verhandlungsprotokolls
213
6.1.1
Nachrichtentypen
6.1.2
Ablauf der Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
............
.........................
6.2
Operationalisierung der Verhandlungsstrategien
6.2.1
Strategie des Anbieters
213 213 ........
......................
6.2.1.1 Einfaches Modell der Nachfrage
.................
217
6.2.1.2 E r m i t t l u n g der Gebote und Anpassungsmechanismus 6.2.2
Strategie der Nachfrager
.....
.....................
6.2.2.1 E r m i t t l u n g der E r w a r t u n g e n
...................
6.3
Architektur und Implementierung der Simulation 0bersicht
.............................
219 220 220
6.2.2.2 Entscheidungsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1
216 216
222 .......
223 223
6.4
Simulationsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
229
6.4.1
S t r u k t u r der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
229
6.4.2
Einfluss der P a r a m e t e r
......................
6.4.2.1 Die P a r a m e t e r a l p h a und d e l t a
.................
230 230
6.4.2.2 Der P a r a m e t e r q . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
235
6.4.3
236
Homogene Zahlungsbereitschaft
.................
Inhal tsverzei chnis 6.4.4
XlII
Anwendungsszenario Nachrichtenagenturen . . . . . . . . . . .
6.4.4.1 Nachrichtenagenturen und ihre Dienstleistungen
239
........
240
6.4.4.2 Die K u n d e n der Nachrichtenagenturen . . . . . . . . . . . . . .
243
6.4.4.3 Das g e g e n w ~ t i g e Gesch~iftsmodell der Nachrichtenagenturen 6.4.4.4 Bepreisung von Einzelnachrichten mittels Verhandlungen 6.5
Zusammenfassung
7
Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
.........................
. 245
. . . 248 255 257 265
Abbildungsverzeichnis 2.1
Signifikationsebenen
.........................
32
2.2
Informationsgehalt einer Nachrichtenquelle
2.3
E r w a r t u n g s n u t z e n eines risikoaversen Akteurs . . . . . . . . . . .
43
3.1
Monopolsituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
............
36
3.2
Optimale Kaufzeitpunkte im dynamischen Monopol
3.3
E r w a r t u n g s p f a d e im dynamischen Monopol
.......
3.4
Einzelbepreisung und Biindelung durch einen Monopolisten
3.5
Aggregierte Nachfrage vs. Btindelnachfrage
71
............
76 . . .
............
81 85
4.1
B a u m s t r u k t u r eines Spiels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2
Gefangenendilemma
4.3
Vereinfachtes Roulette-Spiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
101
4.4 4.5 4.6
Gefangenendilemma in Normalform . . . . . . . . . . . . . . . . . Menge m6glicher Verhandlungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . Axiomatische Ableitung der Nash-LSsung . . . . . . . . . . . . .
107 111 113
4.7
Nash-Verhandlungsprozess als extensives Spiel . . . . . . . . . . .
115
4.8
Verhandlungsprozess mit abwechselnden A n g e b o t e n
120
4.9
Teilspiele und abh~ingige Teilb~iume
99
.........................
100
.......
................
4.10 MSglichkeiten von Spieler 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11 Konstruktion der Menge E k . . . . . . . . . . . 6.1
Z u s t a n d s d i a g r a m m des Verhandlungsprotokolls
6.2
Klassendiagramm InfoBargain . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
125 128
. . . . . . . . . .
..........
131 215 225
6.3
Ergebnisse eines Simulationslaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.4
Einfluss von a l p h a und d e l t a auf die Einigungspreise
...... ......
230 231
6.5
Einfluss von a l p h a und d e l t a auf die Einigungspreise
6.6
Einfluss von a l p h a und d e l t a auf die Verhandlungsdauer
6.7
Einfluss von a l p h a und d e l t a auf die Gegenwartswerte der K~iuferagenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
235
6.8
Der Einfluss von q auf die Einigungspreise . . . . . . . . . . . . .
236
....
233 234
A bbildungsverzeichnis
XVI
6.9
Leistungsf'&higkeit der Strategien
..................
6.10 Z a h l u n g s b e r e i t s c h a f t e n eines N a c h f r a g e r a g e n t e n 6.11 K o n s u m e n t e n - u n d P r o d u z e n t e n r e n t e . . . . . . . . . . . . . . . .
238 .........
250 253
Tabellenverzeichnis
5.1 Typen von Vermittleragenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
178
6.1 Nachrichtentypen in InfoBargain . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
214
6.2 Verwendete Nachfragefunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
237
6.3 Ressortkennungen bei dpa
242
......................
6.4 Vom I P T C empfohlene Kateogrien ffir Nachrichten . . . . . . . . .
242
6.5 Vergleich von Produzentenrente, Konsumentenrente und deren Summe
.................................
251
Abkiirzungsverzeichnis
ACL . . . . . . . . . . . . .
Agent Communication Language
AFP .............
Agence France Presse
AP . . . . . . . . . . . . . .
Associate Press
CD . . . . . . . . . . . . . .
Compact Disc
CORBA . . . . . . . . .
C o m m o n Object Request Broker Architecture
DAI . . . . . . . . . . . . .
Distributed Artificial Intelligence
dpa . . . . . . . . . . . . . .
Deutsche Presse-Agentur
DPS . . . . . . . . . . . . .
Distributed P r o b l e m Solving
DVD . . . . . . . . . . . .
Digital Versatile Disc
EP
Einigungspreis
..............
FIPA . . . . . . . . . . . .
Foundation for Intelligent Physical Agents
FLBC
Formal Language for Business Communication
...........
FTP .............
File Transfer Protocol
GE . . . . . . . . . . . . . . GW ............. HTTP ...........
Geldeinheit Gegenwartswert H y p e r t e x t Transport Protocol
IP . . . . . . . . . . . . . . .
Internet Protocol
IPTC ............
International Press Telecommunications Council
ISO . . . . . . . . . . . . . .
International Organization for Standardization
ITAR-TASS
Information Telegraph Agency of R u s s i a - Telegraph
.....
Agency of the Soviet Union KQML . . . . . . . . . . .
Knowledge Query and Manipulation Language
KR . . . . . . . . . . . . . .
Konsumentenrente
MAS . . . . . . . . . . . .
Multiagentensystem
MINLP . . . . . . . . . .
Mixed Integer Nonlinear P r o g r a m m i n g
MPI . . . . . . . . . . . . .
Message Passing Interface
NewsML . . . . . . . . .
News M a r k u p Language
PC
..............
Personal C o m p u t e r
PR
..............
Produzentenrente
P REE . . . . . . . . . . .
Perfect Rational Expectations Equilibrium
PTG .............
Potenzieller Tauschgewinn
A bMirzungsverzeichnis
XX
REE .............
Rational E x p e c t a t i o n s Equilibrium
SEP .............
S u m m e der Einigungspreise
SGW ............
S u m m e der G e g e n w a r t s w e r t e
sid . . . . . . . . . . . . . . .
Sportinformationsdienst
SMB . . . . . . . . . . . . .
Server Message Block
SMTP
Simple Mail T r a n s p o r t P r o t o c o l
...........
SZB . . . . . . . . . . . . .
S u m m e der Zahlungsbereitschaften
TCP .............
Transmission Control P r o t o c o l
TPG .............
Teilspiel-perfektes Gleichgewicht
UML
............
UNESCO ........
Unified Modeling L a n g u a g e United Nations Educational, Scientific and C u l t u r a l Organization
UPI
.............
VNMN
..........
United Press I n t e r n a t i o n a l Von-Neumann-Morgenstern-Nutzentheorie
vwd . . . . . . . . . . . . .
Vereinigte W i r t s c h a f t s d i e n s t e
WWW
World Wide Web
...........
ZB . . . . . . . . . . . . . . .
Zahlungsbereitschaft
1 Einleitung 1.1 A u s g a n g s p r o b l e m Immer mehr Arten von Informationsgiitern werden in jfingerer Zeit ohne Einsatz physischer Datentrgger wie CDs (compact discs) oder DVDs (digital versatile discs) direkt fiber Computernetzwerke - insbesondere fiber das I n t e r n e t - vertrieben. Zu den Angeboten, die heute online erhgltlich sind, zghlen unter anderem Anwendungsprogramme fiir Computer, Musikaufnahmen und Spielfilme, Nachrichten und andere journalistische Produkte sowie wissenschaftliche Fachartikel. Diese Entwicklung wird ermSglicht und begiinstigt durch die stetige Steigerung der 0bertragungsbandbreiten von Netzen und der Speicherkapazitgten von Personalcomputern (PCs) sowie durch die Nutzung dieser Techniken in immer weiteren Teilen der BevSlkerung. Wfihrend bereits seit den achziger Jahren des vorigen Jahrhunderts textuelle Informationen wie Marktdaten, Nachrichten und Datenbankinhalte fiber propriertgre Computernetzwerke an bestimmte- fast ausschliet~lich professionelle- Benutzergruppen verbreitet werden, sind die technischen Voraussetzungen zur 0bertragung audiovisueller Informationsgiiter etwa seit Mitte der neunziger Jahre gegeben. Erst in den letzten Jahren beginnen Musikund Filmindustrie als klassische Produzenten solcher Inhalte das Internet als Vertriebskanal in grot~em Mat~stab zu nutzen. Zuvor behinderten vor allem die Sorge um den Schutz der Urheberrechte, Probleme mit geographisch orientierten Lizenzierungspraktiken im globalen Internet sowie die relativ geringe Verbreitung ausreichend schneller Zugangstechniken bei den privaten Haushalten eine intensivere Entwicklung des Onlinevertriebs. In diesem Sektor des elektronischen Geschgftsverkehrs, der als direkter digitaler Vertrieb bezeichnet werden kann, haben sich verschiedene Gesch~ftsmodelle etabliert. Manche Anbieter setzen vollst~indig auf den Einzelverkauf ihrer Inhalte, andere bieten ausschliet~lich Abonnements an, die sich auf einen Zeitraum oder auf eine bestimmte Anzahl von Informationsgiitern beziehen kSnnen. Teilweise setzen dieselben Anbieter Einzelverkauf und Abonnement parallel ein, wie das Beispiel wissenschaftlicher Verlage
2
1 Einleitung
zeigt, die h/iufig sowohl Abonnements ffir die Online-Ausgaben ihrer Zeitschriften als auch die MSglichkeit zum Bezug einzelner Artikel anbieten. Zudem existieren viele ffir den Nutzer freie Angebote, bei denen die Finanzierung der Inhalte fiber Werbung und teilweise auch fiber Quersubventionierung aus den Ums/itzen mit anderen Giitern erfolgt. Schlief~lich gibt es diverse Mischformen. So offerieren z.B. viele Nachrichtenmedien ein aktuelles Nachrichtenangebot kostenlos, w~ihrend umfassendere Hintergrundartikel und Archivmaterialien verkauft werden. Die Geschgtsmodelle entsprechen also weitgehend denen, die auch beim Verkauf von Informationsgiitern auf physischen Medien genutzt werden. Der wesentliche Unterschied besteht in der GrSf~e der einzeln verkauften Informationseinheiten. Statt ganzer Zeitungen oder Zeitschriften werden einzelne Artikel angeboten, und wfi~hrend Plattenfirmen die Mehrzahl der Stiicke, abgesehen von den sogenannten Singles, auf Tontr/igern lediglich zu Alben gebiindelt anbieten, sind online alle Stficke einzeln erh~iltlich. Wenn Informationsgfiter einzeln verkauft werden, geschieht dies auch beim direkten digitalen Vertrieb meist zu einem festen Preis. Manchmal werden aber Mengenrabatte gew~ihrt, z.B. wenn Online-Musikh~indler ganze Alben zu Preisen anbieten, die unter der Summe der Einzelpreise der in ihnen enthaltenen Stficke liegen. Die Gebfihren ffir Abonnements stehen in der Regel ebenfalls fiber l~kngere Zeit fest, wobei der resultierende Stfickpreis bei zeitgebundenen Abonnements von der Nutzungsintensit/it des jeweiligen Abonnenten abh~i~gt. Diese Preispolitik ist jedoch aus 5konomischer Sicht nicht optimal. Der Grund liegt in der Kostenstruktur des direkten digitalen Vertriebs. Wfi~hrend beim Vertrieb auf physischen Medien die Herstellungskosten des Tr/igermediums einen (mehr oder weniger grof~en) Teil des Preises ausmachen und somit variable Kosten darstellen, gehen beim digitalen Vertrieb die variablen Kosten gegen Null. Die Kosten zur Erstellung des Inhalts fallen nur ein einziges Mal an, es handelt sich um fixe Kosten. Die Kosten der Infrastruktur zur digitalen 0bermittlung sind im Prinzip sprungfixe Kosten, die sich nur bei 0berschreiten bestimmter Kapazit/itsgrenzen erhShen. Insgesamt ergibt sich eine subadditive Kostenstruktur, die totalen Durchschnittskosten sinken mit jeder weiteren verkauften Kopie des Informationsguts. Volkswirtschaftliche Effizienz wfirde unter diesen U m s t ~ d e n erreicht, indem jeder Nachfrager, dessen Zahlungsbereitschaft ffir das betreffende Gut
1.1 A usgangsproblem nur marginal fiber Null liegt, bedient wird, denn durch die einmal entstandenen Kosten wfirde auf diese Weise der grSf~te volkswirtschaftliche Nutzen gestiftet. Wenn das einzige mSgliche Gesch~iftsmodell darin bestiinde, das Gut zu einem festen Preis anzubieten, miisste dieser praktisch bei Null liegen. Damit kSnnte natfirlich kein privater Anbieter dauerhaft iiberleben, da er ja die Kosten ffir die Erstellung des Informationsguts zu tragen hat. Jeder Preis, der deutlich fiber Null liegt, schlief~t aber einige Nachfrager aus, obgleich sie praktisch ohne zus~tzliche Kosten ebenfalls bedient werden kSnnten. Eine hypothetische LSsung dieses Problems bestfinde darin, Informationsgfiter als 5ffentliche Giiter zu betrachten und durch Steuern oder Gebfihren zu finanzieren. Wenngleich dies in vielen Staaten teilweise- z.B. in Gestalt 5ffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten oder Nachrichtenagenturengeschieht, kann es doch aus den verschiedensten Grfinden - man denke nur an die Unabh~ingigkeit der Berichterstattung oder die Freiheit der K u n s t kein erstrebenswerter Weg ffir alle Informationsgfiter sein. Werden Informationsgfiter privat produziert, so ist der Produzent, bezogen auf das Angebot eines bestimmten Informationsgutes, in aller Regel Monopolist, da ihm das Urheberrecht die (weitgehend) alleinige Verwertung seines geistigen Eigentums garantiert. Er ist also frei, den Preis zu verlangen, der ihm ad~iquat erscheint. Die mikroSkonomische Theorie prognostiziert, dass er den gewinnmaximalen Preis wfi~hlen wird. Auch aus individueller Sicht des Anbieters ist diese Situation jedoch nicht wfinschenswert, da einerseits Nachfrager mit durchaus positiver, aber eben nicht ganz ausreichender Zahlungsbereitschaft ausgeschlossen werden, andererseits die mSglicherweise ebenfalls vorhandene besonders hohe Zahlungsbereitschaft mancher Nachfrager nicht ausgeschSpft wird. Ideal w~e es ffir den Anbieter, wenn er die Zahlungsbereitschaft jedes Nachfragers kennte und von jedem genau den dieser entsprechenden Preis verlangen kSnnte, eine Politik, die auch als perfekte Preisdifferenzierung bezeichnet wird. Volkswirtschaftlich w~re diese IdeallSsung fibrigens ebenso effizient wie ein Preis von Null, da alle Nachfrager bedient werden, es ~i~dert sich lediglich die Verteilung der Tauschgewinne zu Gunsten des Anbieters. Dieser Zustand ist aber nicht ohne Weiteres erreichbar.
4
1 Einleitung
1.2 Fragestellung der Arbeit und Vorgehensweise In der vorliegenden Arbeit wird eine MSglichkeit untersucht, der oben angedeuteten Idealvorstellung perfekter Preisdifferenzierung ein St/ick n~iher zu kommen. Ausgangspunkt ist die VorsteUung einer Preisverhandlung zwischen dem Anbieter und jedem einzelnen Nachfrager. Dies erscheint auf den ersten Blick angesichts der grofgen Anzahl notwendiger Einzelverhandlungen und dem relativ geringen ,,Streitwert", den der Preis eines einzelnen Informationsguts in der Regel darsteUt, illusorisch, wenn sich Anbieter und Nachfrager persSnlich gegen/ibersitzen m/issten. Die Idee, deren Umsetzbarkeit in dieser Arbeit gepr/ift werden soll, besteht darin, Anbieter und Nachfrager in den Verhandlungen durch sogenannte autonome Agenten vertreten zu lassen. Als autonome Agenten bezeichnet man in der (Wirtschafts-)Informatik Computerprogramme, die in bestimmten, meist eng umgrenzten Situationen f/Jr ihren Benutzer handeln kSnnen, ohne dass f/ir jede einzelne Entscheidung dessen Intervention notwendig ist. Damit ein Agent Entscheidungen im Sinne des Benutzers treffen kann, muss er fiber eine Repr~entation der PrMerenzen des Benutzers verf/igen, d.h. er muss dessen Ziele und Bed/irfnisse kennen. A ufgerdem muss er in der Lage sein, Handlungsalternativen danach zu beurteilen, in welchem Ma~e sie zur Erreichung der Ziele oder zur Befriedigung der Bed/irfnisse beitragen. Ein Nachfrager stattet also in dem angestrebten System einen Agenten mit einem Profil seiner Interessengebiete in Bezug auf den fraglichen Typ von Informationsg/itern aus. Dies versetzt den Agenten in den Stand, die vermutliche Zahlungsbereitschaft seines Benutzers fiir ein bestimmtes angebotenes Informationsgut zu bestimmen. Als Grundlage dient ihm dazu neben dem Interessenprofil des Benutzers eine Beschreibung des Informationsgutes, die der Agent des Anbieters zu Beginn des Verhandlungsprozesses /ibermittelt. In der anschlies Verhandlung besteht die Aufgabe des Benutzeragenten darin, einerseits einen mSglichst g/instigen Preis herauszuschlagen, andererseits aber den Kauf von f/Jr den Benutzer besonders wichtigen Informationsg/iten nicht fiber Geb/ihr hinauszuzSgern. Der Anbieter setzt seinerseits einen Agenten ein, der versucht, in den Verhandlungen mit den Agenten der Nachfrager Preise zu erzielen, die mSglichst nahe an deren jeweiliger tats~ichlicher Zahlungsbereitschaft liegen, und gleichzeitig mSglichst vielen Nachfragern das Gut zu verkaufen. Da der Ein-
1.2 Fragestellung der Arbeit und Vorgehensweise satz von Softwareagenten von den oben bereits angedeuteten Tendenzen immer leistungsf~ihigerer und gleichzeitig kostengiinstigerer Computersysteme und -netzwerke ebenfalls profitiert, scheint zumindest unter Kostengesichtspunkten ein solches GeschMtsmodell im Rahmen des MSglichen zu liegen. Es ist leicht zu erkennen, dass zur vollst~digen Realisierung des skizzierten Systems eine grof~e Zahl von Einzelproblemen gelSst werden muss. Die vorliegende Arbeit kann sich nur einem kleinen Teil von ihnen widmen, kann daher nicht bereits zu einem einsatzreifen System fiihren, wohl aber zu einer Simulation des Verhandlungsprozesses, die allerdings schon mit einer Reihe wichtiger Charakteristika ausgestattet ist, welche die zukiinftige Anwendung besitzen sollte. Diese Arbeit besch~tigt sich haupts/ichlich mit solchen Aspekten des Gesamtproblems, die ffir verschiedene Typen von Informationsgiitern gleichermaf~en relevant sind. Der Begriff des Informationsguts wird pr~izise gefasst und deren Nachfragebedingungen werden erSrtert. Unter Rfickgriff auf spieltheoretische Verhandlungsmodelle wird anschlief~end die Frage eines geeigneten Verhandlungsprotokolls- nach welchen Regeln sollen die Verhandlungen ablaufen- und geeigneter Verhandlungsstrategien fiir die Agenten beider Seiten untersucht. Weitgehend ausgeklammert wird hingegen die Frage, wie die Pr/iferenzen eines Nutzers hinsichtlich eines bestimmten Typs von Informationsgiitern in dessen Agenten repr/isentiert werden kSnnen und wie der Agent mittels dieser Wissensbasis die Bewertung konkreter angebotener Informationsgfiter vornimmt. Dies ist offenkundig ein Problem, ffir das unterschiedliche LSsungen gefunden werden mfissen, je nachdem ob das System fiir schriftliche Nachrichten, Musikaufnahmen, Spielfilme oder irgendeine andere Art von Informationsgut eingesetzt werden soll. Hier wird stattdessen mit einem einfachen Modell der Beschreibung eines Informationsguts gearbeitet, das nur dazu benStigt wird, im Rahmen der Simulation das vorgeschlagene Verhandlungsprotokoll und die erarbeiteten Strategien zu evaluieren. Im Folgenden wird der Inhalt der einzelnen Kapitel und deren Funktion im Kontext der Arbeit kurz erl/iutert. Das auf diese Einleitung folgende zweite Kapitel besch/iftigt sich mit den Begriffen ,,Information" und ,,Informationsgut". In der Literatur wird ,~Informationsgut" zwar verschiedentlich in der Weise verwendet, wie der Begriff auch in dieser Einleitung bisher
6
1 Einleitung
benutzt wurde. Es zeigt sich jedoch, dass der Begriffsbestandteil ,,Information" hier nicht ohne Weiteres dem Verst~indnis von Information entspricht, wie es andernorts in den Wirtschaftswissenschaften, der Wirtschaftsinformatik oder der Informatik fiblich ist. Es wird daher eine Definition des Begriffs zu entwickeln sein, die mit der verbreiteten Vorstellung von Informationsgiitern als Bitfolgen kompatibel ist. Anschlief~end werden wichtige Eigenschaften von Informationsgiitern erSrtert, und schlief~lich wird der Frage nachgegangen, welche Einflussfaktoren auf die Zahlungsbereitschaft fiir Informationsgiiter wirken.
Das dritte Kapitel beschMtigt sich mit den Chancen eines monopolistischen Anbieters dauerhafter Gfiter, zu denen - zumindest im Sinne der mikrSkonomischen Theorie- auch die Informationsgiiter gehSren, Preisdifferenzierung zu betreiben. Nach einer Einfiihrung in die mSglichen Formen der Preisdifferenzierung steht dabei die Gfiltigkeit der sogenannten CoaseVermutung im Mittelpunkt, nach der ein solcher Anbieter in sehr kurzer Zeit dazu gelangen wird, einen Preis in HShe der Grenzkosten zu verlangen, und demnach keine Monopolgewinne erzielen kann. Es wird eine Reihe formaler Modelle dargestellt, deren Annahmen stets zu einer Best~itigung der Coase-Vermutung fiihren. Auf~erdem werden in diesem Kapitel die Auswirkungen der Biindelung mehrerer Informationsgiiter, z.B. in Form eines Abonnements, auf die Gewinnsituation des Monopolisten und auf die volkswirtschaftliche Effizienz des jeweiligen Marktes diskutiert. Es zeigt sich, dass durch Bfindelung unter bestimmten Bedingungen, die vielfach, aber nicht in allen F~illen gegeben sind, sowohl die Gewinne des Anbieters als auch die Effizienz gesteigert werden kSnnen. Damit bietet sich das Verfahren der Biindelung als Vergleichsmaf~stab fiir das im sechsten Kapitel entwickelte Verfahren zweiseitiger Verhandlungen an. Im vierten Kapitel werden spieltheoretische Ergebnisse zu zweiseitigen Preisverhandlungen referiert. Zun~ichst wird dazu eine kurze Einfiihrung in die Grundlagen der spieltheoretischen Methode gegeben. Dies erscheint notwendig, da die Spieltheorie nicht zu den iiblichen Methoden der Wirtschaftsinformatik z~ihlt. Anschlief~end werden Modelle bilateraler Verhandlungen in der Reihenfolge aufsteigender Komplexit~it erSrtert, beginnend bei einstufigen Modellen von Nash fiber sequentielle Modelle mit vollst~indiger Information zu sequentiellen Modellen mit unvollst~indiger Information der Akteure. Die detaillierte theoretische Diskussion dieses Kapitels soll einer-
1.2 Fragestellung der Arbeit und Vorgehensweise seits dazu beitragen, ein geeignetes Verhandlungsprotokoll ffir das im sechsten Kapitel zu entwickelnde Agentensystem zu schaffen. Zum anderen soll sie die 0berlegungen beleuchten, die rational handelnde Akteure bei ihren Entscheidungen in Verhandlungen leiten, und damit eine Grundlage fiir die Spezifizierung geeigneter Verhandlungsstrategien der Agenten legen. Den Stand der Forschung im Bereich der Verhandlungen zwischen Softwareagenten fasst das fiinfte Kapitel zusammen. Zun/ichst werden dazu Grundlagen zu Softwareagenten und sogenannten Multiagentensystemen, in denen mehrere Softwareagenten zur Erreichung ihrer individuellen Ziele interagieren, dargestellt. Anschliet~end wird der Schwerpunkt auf Systeme gelegt, in denen eine Koordination mittels Verhandlungen stattfindet, und es wird eine Reihe existierender Implementierungen vorgestellt. Im sechsten Kapitel wird schlief~lich auf der Basis der Erkenntnisse aus den vorangehenden Kapiteln ein Simulationssystem entwickelt. Zun/ichst werden der allgemeine Aufbau des Systems, die Implementierung der einzelnen Agenten, das genutzte Verhandlungsprotokoll und die von den Agenten genutzten Strategien erSrtert. Anschlief~end werden Ergebnisse von Simulationsl/iufen mit verschiedenen Parametern dargestellt. Schlief~lich wird eine Evaluierung des Systems vorgenommen. Dazu wird als Beispieldom/ine das Gesch/iftsfeld der Nachrichtenagenturen gew~ihlt. Diese bieten ihre Meldungen zur Zeit fiberwiegend gebiindelt in Form von Abonnements an. Anhand von Simulationsl/iufen wird nun die Situation des Anbieters und der Nachfrager im Fall der Biindelung und im Fall des Einzelvertriebs der Nachrichten mittels des Verhandlungssystems verglichen. Konkret werden die Konsumentenrente, die Produzentenrente und deren Verh/iltnis zu den gesamten potenziellen Tauschgewinnen in den beiden F~illen einander gegeniibergestellt. Das abschlief~ende siebte Kapitel fasst wichtigsten Ergebnisse noch einmal zusammen, versucht in Form eines Ausblicks, die weiteren AnwendungsmSglichkeiten des entwickelten Systems abzusch/itzen, und gibt Hinweise auf mSgliche weiterffihrende Forschungsfragen.
2 Information als Wirtschaftsgut Information tritt in dieser Arbeit in doppelter Gestalt auf: einerseits als Objekt des Handelns wirtschaftlicher Akteure, andererseits als Determinante ihrer Handlungsplanung, also der Auswahl kiinftiger Handlungen. In diesem Kapitel geht es um ersteres: Information als Gegenstand des Handelns und Entscheidens, Information als wirtschaftliches Gut. Der Einfluss von Information auf die Entscheidungen bzw. die Strategie von Akteuren wird sp/iter im Kapitel 4 untersucht. In diesem Kapitel werden zun/ichst einige mSgliche Definitionen des Begriffs Information diskutiert, um auf dieser Basis eine ffir diese Arbeit geeignete Definition zu entwickeln. Anschliet~end werden im Abschnitt 2.2 einige wichtige Eigenschaften von Informationsgiitern und insbesondere den in dieser Arbeit behandelten digitalen Informationsgiitern betrachtet. Im Abschnitt 2.3 werden die Einflussfaktoren untersucht, die die Zahlungsbereitschaft von Informationsgfitern bestimmen. 2.1 D e r Begriff Information
2.1.1 Umgangssprachliche Bedeutung Der Begriff Information leitet sich ab von dem lateinischen Wort '~informare", das sich wSrtlich mit "in eine Form bringen" fibersetzen 1/isst. Bereits in der antiken Philosophie findet sich das Substantiv '~informatio", das in etwa die Bedeutung trug, die heute dem Ausdruck "Bildung~' zukommt. Es kann sowohl den Vorgang der Unterrichtung oder Belehrung durch einen Lehrer bezeichnen als auch dessen Ergebnis, also das Gebildetsein. Eine weitere Verwendung des Begriffs "informatio" sieht von einer Schfiler-Lehrer-Beziehung ab und meint "Bildung" durch Darlegung, Erl/iuterung oder Erkl/irung. 1 In der heutigen Umgangssprache hat sich am ehesten die zuletzt genannte Bedeutung des Begriffs erhalten. Information wird verbunden mit der Aufnahme von Kenntnissen, die oft praktischer Natur sind (Abfahrtszeit 1ygl. Seiffert, 1968, S. 25ff.
10
2 Information als Wirtschaftsgut
von Ziigen, BSrsenkurse, das Wetter morgen, etc.) oder jedenfalls einem bestimmten Zweck dienen. Dariiber hinaus werden auch die Kenntnisse selbst als Informationen bezeichnet, sowohl vor ihrer Aufnahme ("Informationen beschaffen") als auch nach ihrer Aufnahme ("fiber Informationen verfiigen", "Informationen besitzen"). Der umgangssprachliche Informationsbegriff besitzt also sowohl einen prozessualen als auch einen statischen Aspekt. 2.1.2 Dimensionen des wissenschaftfichen Informationsbegriffs Eine allgemein giiltige wissenschaftliche Definition des Begriffs Information existiert nicht. Jede der zahlreichen Disziplinen, in denen er eine - h~iufig zentrale - Rolle spielt, betont andere Aspekte, und selbst innerhalb einzelner Disziplinen wird er unterschiedlich verwendet. 2 Auch im engeren fachlichen Umfeld dieser Arbeit, der Betriebswirtschaftslehre, der Wirtschaftsinformatik sowie der 5konomischen Theorie, existieren verschiedene Definitionen. Ein ausfiihrlicher Vergleich all dieser Informationsbegriffe ist nicht Ziel dieser Arbeit. Im folgenden Abschnitt werden sechs a Dimensionen dargestellt, in denen sich verschiedene Definitionen des Informationsbegriffs unterscheiden und die somit das Begriffsfeld aufspannen. Im Rahmen der Diskussion der einzelnen Dimensionen werden beispielhaft bestimmte Definitionen dargestellt. Daran anschliet~end wird diskutiert, welche Auspdigungen entlang der einzelnen Dimensionen gewfi~hlt werden sollten, um einen fiir die Fragestellung dieser Arbeit geeigneten Informationsbegriff zu formulieren. 2.1.2.1 Informationstr~iger S/imtliche Definitionen des Informationsbegriffs stimmen darin iiberein, dass Information einer physischen, d.h. energetischen oder materiellen, R e p r ~ e n tation bedarf. Sie unterscheiden sich jedoch darin, w o u n d wodurch Information physisch repr~entiert wird. Wfi~hrend nach manchen Definitionen 2Fiir einen ~lberblick fiber einige alternative Definitionen des Informationsbegriffs vgl. Rowley, 1998. Eine breit angelegte Gegeniiberstellung der Informationskonzepte verschiedener Disziplinen von der Bibliothekswissenschaft bis zur Systemtheorie enth~lt Machlup und Mansfield, 1983a. 3Fiinf der hier gew~hlten sechs Dimensionen entsprechen den von Maier und Lehner in einem Vergleich von Informationsbegriffen in der Wirtschaftsinformatik genutzten, vgl. Maier und Lehner, 1995, S. 253. Ahnliche Dimensionen verwendet Bode in einem Vergleich betriebswirtschaftlicher Informationsbegriffe, vgl. Bode, 1997, S. 451ff. Von dort wird die Dimension des Wahrheitsgehaltes iibernommen.
2.1 Der Begriff lnformation
11
Information an das menschliche Gehirn gebunden ist, kann sie nach anderen auch unabh/ingig vom Menschen in Form von Zeichen existieren, die in Schriftstiicken oder Computerspeichern, auf Daten-, Ton- oder Bildtr/igern gespeichert sind. Menschengebundene Informationsbegriffe betonen, dass jede Wahrnehmung einer Nachricht, einer Handlung oder bestimmter Umweltbedingungen der Interpretation durch ein Individuum bedarf, bevor sie zu Information wird. a Fiir Hesse et al. ist Information ein "aufgenommener oder mitgeteilter Wissensbestandteil", 5 wobei sie unter Wissen die Gesamtheit der Wahrnehmungen, Erfahrungen und Kenntnisse eines Menschen oder einer Gruppe von Menschen fiber sich und seine bzw. ihre Umwelt verstehen. Da die Wissensebene menschengebunden ist und Information als Wissensbestandteil aufgefasst wird, ist folglich auch die Information menschengebunden. 6 Gegen eine Verortung von Information ausschliet~lich im menschlichen Gehirn spricht jedoch, dass im Verlauf der technischen Entwicklung mehr und mehr Veraxbeitungsfunktionen, die friiher ausschliei~lich Menschen vorbehalten waxen, auch maschinell durchffirbax werden. 7 Die Frage ist, ob die Informationen, auf die sich z.B. der Angestellte einer Bank bei der Priifung einer Kreditvergabe stfitzt, zu Daten werden, nur weil die Kreditprfifung von einem Expertensystem durchgeffihrt wird. Ungeachtet der unterschiedlichen inneren Funktionsweise von Gehirn und Maschine kSnnen beide im Hinblick auf die Ausfiihrung bestimmter Aufgaben substituierbax sein. 8 Daxiiber hinaus ist fraglich, ob ein Informationsbegriff, der Information auf das menschliche Gehirn beschr/inkt, terminologische Vorteile bietet gegenfiber einem weiter gefassten Informationsbegriff. Werden Informationen (auch) aui~erhalb des Gehirns lokalisiert, stellt sich die Frage nach ihrer Repr/isentation. H/iufig wird die Sprache als Informationstr/iger angesehen. So schl/igt Bode folgende Definition vor: "Informationen sind Wissensbestandteile, die in Form menschlicher Sprache repr/isentiert sind. ''9 Wissen wird hier als "jede Form der Repr/isentation von 4Vgl. Maier und Lehner, 1995, S. 259ff. 5Hesse et al., 1994, S. 42. 6Vgl. Hesse et al., 1994, S. 42. 7Vgl. Bode, 1997, S. 458. SVgl. hierzu die 0berlegung von Simon, nach der Computer und das menschliche Gehirn zu einer gemeinsamen Kategorie gehSren, den Symbol-Systemen (engl. symbol systems). Vgl. Simon, 1996, S. 21f. 9Bode, 1997, S. 459, Hervorhebung im Original.
12
2 Information Ms Wirtschaftsgut
Teilen der realen oder gedachten (d.h. vorgestellten) Welt in einem materiellen Tr~igermedium ''1~ aufgefasst. Als Sprachen werden alle natfirlichen und kiinstlichen, verbalen und non-verbalen Sprachen verstanden, die eine 0bertragung zwischen Menschen erlauben. Auch Computersprachen werden als menschliche Konstruktionen ausdrficklich eingeschlossen. In der Informationswissenschaft 11 wird die Unabh~ingigkeit von Information vom menschlichen Gehirn besonders betont. Ihr Untersuchungsobjekt stellt die Informationsarbeit dar, womit die Entwicklung und Betreuung von Informationssystemen im Sinne von On-Line-Retrieval-Systemen, Wissensbanken u./i. gemeint ist. Die Informationsarbeit umfasst die Stufen Informationserarbeitung, Informationsaufbereitung, Informationsverarbeitung, die fiber die Zwischenprodukte Relevanzinformation und aufbereitete Information schlief~lich Handlungsinformation hervorbringen, die zur LSsung von Problemen geeignet ist. 12 Zwischenprodukte und Handlungsinformation kSnnen im Rahmen der Informationsverwaltung gespeichert und wieder abgerufen werden. Letzteres zeigt, dass hier Information offenbar an die physischen Informationstr~ger gebunden ist, aus denen die jeweiligen Informationsprodukte bestehen, und nicht an das Gehirn der einzelnen Bearbeiter. 13 Am weitesten entfernt von jeglichem Bezug auf den Menschen als Informationstr~iger ist der Informationsbegriff der mathematischen Kommunikationstheorie bzw. der Informationstheorie. 14 Hier wird ausschliet~lich der technische Aspekt der 0bertragung von Nachrichten dutch Kommunikationskan~ile mit gegebener Kapazit~it und gegebenem Rauschverhalten betrachtet. Die Bedeutung der fibertragenen Information ffir menschliche
l~ 1997, S. 458. 11Die Informationswissenschaft kann als Schnittmenge von Informationstheorie, Bibliothekswissenschaft und Informatik betrachtet werden, vgl. Machlup und Mansfield, 1983b, S. 18. 12Vgl. Kuhlen, 1995. 13Vgl. Maier und Lehner, 1995, S. 227. 14Mit Informationstheorie wird hier eine formale Disziplin bezeichnet, die aus der Erweiterung der auf Shannon zuriickgehenden mathematischen Kommunikationstheorie hervor gegangen ist; vgl. Shannon und Weaver, 1949. Sie besch~iftigt sich unter anderem mit Verfahren zur Kompression von Daten sowie der Entwicklung yon Fehlerkorrekturcodes fiir die Dateniibertragung; fiir einen 0berblick vgl. MacKay, 2003. Im weiteren Rahmen der Informationstheorie wurden auch Informationsbegriffe entwickelt, die versuchen, mit formalen Methoden semantische Aspekte der Information zu erfassen; vgl. z.B. Hintikka, 1970 sowie Jamison, 1970.
2.1 Der Begriff lnformation
13
Adressaten wird dabei g~inzlich auger Acht gelassen, i5
2.1.2.2 Zweckbezug Manchmal wird als konstitutive Eigenschaft des Informationsbegriffs der Zweckbezug der Information genannt: Information sind nach dieser Auffassung nur Nachrichten oder Wissensbestandteile, die einem bestimmten Zweck dienen. In den wirtschaftswissenschaftlichen Disziplinen wird der Zweck von Information h~iufig in der Vorbereitung bzw. Verbesserung von Handlungen gesehen. Dies wird z.B. in der viel zitierten Definition von Wittmann deutlich, der Information beschreibt als "zweckorientiertes Wissen [...], das zur Erreichung eines Zweckes, n~imlich einer mSglichst vollkommenen Disposition, eingesetzt wird. ''i6 Unter Wissen versteht er Inhalte der menschlichen Vorstellung, die sich auf die Wahrheit bzw. die Wahrscheinlichkeit von Feststellungen beziehen, i7 .~hnlich bezieht sich die Informationswissenschaft direkt auf einen Zweck: Information ist hier "die Teilmenge des Wissens, die von einer bestimmten Person oder einer Gruppe in einer konkreten Situation zur LSsung von Problemen benStigt wird [...],,.is Andere Autoren halten eine solche Abgrenzung fiir zu restriktiv, da alle Verwendungen des Begriffs ausgeschlossen werden, in denen das durch Information erworbene Wissen nicht zur Vorbereitung von Entscheidungen dient, sondern z.B. den Ablauf von Prozessen steuert, aus blogem Erkenntnisinteresse erworben oder aufgrund gesetzlicher Regelungen aufbewahrt wird. Darfliber hinaus wird kritisiert, dass das Kriterium der Zweckorientierung nicht beriicksichtigt, dass Unternehmungen auch Wissen produzieren, das nicht eigenen Zwecken dient, sondern den Zwecken ihrer Kunden. i9 Gelegentlich wird der Zweck von Information in der Reduktion yon Unsicherheit gesehen. Dem liegt die Vorstellung eines pr~zise modellierten Entscheidungsproblems zu Grunde, in dem einige der relevanten GrSfgen nicht i5Vgl. Shannon und Weaver, 1949, S. 3. 16 Wittmann, 1959, S. 14. iZwittmann ist sich durchaus der Problematik bewusst, dass die Wahrheit einer Aussage nur in seltenen F~llen sicher festgestellt werden kann. Er unterscheidet daher zwischen sicherem und wahrscheinlichem Wissen, das auf Vermutungen und Meinungen beruht, aber dennoch eine notwendige Grundlage ffir Entscheidungen darstellt, vgl. Wittmann, 1959, S. 15ft. 18Kuhlen, 1995, S. i9Vgl. Bode, 1997, S. 455f.
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2 Information als Wirtschaftsgut
genau bekannt sind und daher durch Wahrscheinlichkeitsverteilungen repr~sentiert werden mfissen. Bei den unbekannten GrSgen kann es sich um Umweltzust~inde oder um die Auswirkungen bestimmter Entscheidungen handeln. Eine Reduktion von Unsicherheit liegt vor, wenn neu erlangte Kenntnisse die angenommenen Wahrscheinlichkeitsverteilungen in eine bestimmte Richtung pr~izisieren, d.h. wenn einzelne Zust~inde bzw. Handlungswirkungen wahrscheinlicher werden und andere demnach unwahrscheinlicher. 20 Dass es sich hier um eine sehr enge Begriffsabgrenzung handelt, wird daran deutlich, dass neu hinzukommende Kenntnisse die bestehenden Annahmen ebenso gut in Frage stellen und damit die Unsicherheit vergrSgern kSnnen. 21 Ob sie in die eine oder andere Richtung wirken, ist aber oft erst dann zu beurteilen, wenn sie bereits vorliegen. Ob neue Erkenntnisse Information darstellen oder nicht, entschiede sich demnach erst nach ihrer Beschaffung und Verwendung. VSllige Zweckfreiheit ist auch mit dem kybernetisch-biologischen Informationsbegriff nicht vereinbar, der Information als nicht-energiegetriebene Wechselwirkung betrachtet. Eine Interaktion zwischen zwei Systemen ist nach diesem Verst~indnis in/ormationsbasiert, wenn sie in ihrer makroskopischen Auspr~gung nicht direkt auf die Wirkung physikalischer KrMte zuriickgeffihrt werden kann. Information ist dann das vermittelnde Element einer solchen Interaktion. "[...] it is what links the particular features or pattern in the source system A with the specific changes caused in the structure of the recipient B. ''22 Eine informationsbasierte Interaktion kann jedoch nur zustande kommen, wenn mindestens eines der Systeme A und B einen Zweck verfolgt. 23 Die notwendige Komplexit~it, um an informationsbasierten Interaktionen teilnehmen zu kSnnen, besitzen nur entweder biologische Systeme, bei denen ein evolutionsgeschichtlicher Zweck ffir diese F~ihigkeit unterstellt werden kann, oder von Menschen zu einem bestimmten Zweck geschaffene Systeme. 24 Bei einer begrilllichen Abgrenzung ist letztlich die Frage zu be2~ Nutzen zus~itzlicher Information in solchen Situationen wird in Abschnitt 2.3.5 n~iher untersucht. 21Vgl. fiir eine ~hnliche Kritik Machlup, 1983, S. 649f. 22Roederer, 2003, S. 11. 23Vgl. Roederer, 2003, S. 9f. 24Seine Erfahrung mit dieser Art technischer Systeme fiihrt Wiener zu der These, dass zwischen den Informationsverarbeitungsprozessen in Automaten und Lebewesen Analogien bestehen, die, im Rahmen der Kybernetik, eine Untersuchung mit dem gleichen Instrumentarium zulassen; vgl. Wiener, 1961.
2.1 Der Begriff lnformation
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antworten, wie weit oder eng die Zwecke gefasst werden, die als konstitutiv fiir Information angesehen werden. 2.1.2.3 Semiotische Dimension In der Semiotik 25 wird der Prozess, in dem etwas als Zeichen fungiert, als Zeichenprozess oder Semiose bezeichnet. Dieser Prozess umfasst vier Faktoren: Das Objekt, das als Zeichen wirkt, wird Zeichentriiger genannt. Das Objekt bzw. die Klasse von Objekten, auf die das Zeichen verweist, heist Designat. Bei dem Rezipienten des Zeichens, den Interpreten, wird ein Effekt ausgelSst, durch den der Zeichentr~iger fiir ihn Zeichencharakter besitzt. Dieser Effekt wird als Interpretant bezeichnet. Vom Designat ist ein mSglicherweise vorhandenes reales Objekt zu unterscheiden, auf das das Zeichen verweist und das als Denotat bezeichnet wird. Das ErtSnen einer Feuersirene wirkt z.B. als Zeichen eines Feuers und kann bei den Rezipienten Fluchtreaktionen oder Panik auslSsen, obgleich tats~ichlich kein Feuer ausgebrochen ist. Der Zeichenprozess wird in drei Dimensionen analysiert: Syntaktik als Analyse der formalen Beziehungen zwischen mehreren Zeichen, Semantik als Analyse der Beziehung zwischen Zeichen und Designat sowie Pragmatik als Analyse der Beziehung zwischen einem Zeichen und seinem Interpreten. 26 Diese drei Dimensionen der semiotischen Analyse, die urspriinglich in einem orthogonalen Verh~iltnis zueinander stehen, werden in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur h~ufig vereinfachend als auf einander aufbauende Zeichen-, Bedeutungs- und Verwendungsebene der Sprache aufgefasst. 27 Nur in diesem Sinne kSnnen sie Auspr~gungen entlang einer Dimension des Informationsbegriffs darstellen. Ein Beispiel fiir einen Informationsbegriff, der ausschlie~lich die syntaktische Ebene berfihrt, ist derjenige der mathematischen Kommunikationstheorie. Nachrichten werden hier als Folgen von Symbolen aus einem Symbolvorrat betrachtet. 2s Die Bedeutung der Nachrichten wird, wie oben bereits festgestellt wurde, explizit nicht beriicksichtigt, da sie unter dem nachrich25Die Semiotik ist die Wissenschaft von den Zeichen, vgl. Morris, 1972b. 26Vgl. Morris, 1972b, S. 21ff. 27Vgl. z.B. Bode, 1997, S. 451, Maier und Lehner, 1995, S. 223. Eine ~ihnliche hierarchische Sichtweise sieht die Syntax als die Beziehung zwischen Zeichen und Daten, die Semantik als Bindeglied zwischen Daten und Information und die Pragmatik als Mittler zwischen Information und Wissen, vgl.Augustin, 1990, S. 16. 2SVgl. Shannon und Weaver, 1949, S. 7.
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tentechnischen Blickwinkel dieser Theorie unerheblich ist. Die Reihenfolge der gesendeten Zeichen unterliegt aus der Perspektive eines Empfangsger~ites dem Zufall, andernfalls w ~ e die Nachricht bereits beka~nt und eine 0bertragung iiberfliissig. Allerdings kSnnen aus den syntaktischen Regeln, die bei der Erzeugung giiltiger Nachrichten befolgt werden, die Wahrscheinlichkeiten des Auftretens jedes einzelnen Zeichens abgeleitet werden. So tritt z.B. in einer natiirlichen Sprache jeder Buchstabe mit einer charakteristischen durchschnittlichen H~iufigkeit auf, dasselbe gilt fiir Buchstabentupel und ganze WSrter. 29 Information wird in dieser Theorie gleichgesetzt mit der 0berraschung, die das Auftreten eines bestimmten Zeichens verursacht, und ist somit umgekehrt proportional zu dessen Wahrscheinlichkeit. Eine besondere Eigenschaft dieses Verst~indnisses besteht darin, dass es, wie unten in Abschnitt 2.3.1 gezeigt wird, eine Quantifizierung erlaubt. Dies hat vermutlich dazu beigetragen, dass oft versucht wurde, den kommunikationstheoretischen Informationsbegriff auch in breiteren Zusammenhfiagen nutzbar zu machen. 30 Der Erfolg dieser Versuche ist jedoch umstritten, eben weil semantische Aspekte hier auger Acht gelassen werden. 31 Ein semantischer Informationsbegriff betrachtet Information als Abbildung von Teilen der realen oder gedachten Welt, ohne zu untersuchen, welche Effekte diese Abbildung auf den Empf&ager hat. Ein Beispiel stellt der Versuch von Carnap und Bar-Hillel dar, den kommunikationstheoretischen Informationsbegriff mit einer semantischen Interpretation zu versehen. 32 Dabei thematisieren sie insbesondere die Natur der Wahrscheinlichkeiten, auf denen der kommunikationstheoretische Begriff beruht. Wfi~hrend in der Kommunikationstheorie die Wahrscheinlichkeiten des Auftretens von Zeichen als H~iufigkeiten interpretiert werden kSnnen und ausschliet~lich vom Verhalten der Informationsquelle, z.B. von den syntaktischen Regeln der 29Vgl. Shannon und Weaver, 1949, 10ft. 30 Weaver spekuliert bereits in einem frfihen Kommentar zu Shannons grundlegendem Artikel zur mathematischen Kommunikationstheoriefiber deren griigeren Anwendungsbereich, vgl. Shannon und Weaver, 1949, S. 97f. Ein Uberblick findet sich z.B. in Tribus , 1983. 31Sehr kritisch ~iugern sich z.B. Machlup und Mansfield, die von einem methodologischen Desaster sprechen. Weiter schreiben sie: "In actual fact, the theory of signal transmission or activation impulses has nothing to teach that could be extended or applied to human communication, social behavior, or psychology, theoretical or experimental." Machlup und Mansfield, 1983b, S. 56. 32Vgl. Hintikka, 1970, S. 4f.
2.1 Der Begriff lnformation
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benutzten Sprache, bestimmt sind, werden hier die Erwartungen des Empfiingers betrachtet, die als subjektive Wahrscheinlichkeiten von dessen vorherigem Kenntnisstand abh~ingen. Auch die oben dargestellte Definition von Bode, nach der Information in Form menschlicher Sprache repr~entiertes Wissen ist, stellt einen semantischen Informationsbegriff dar. Ein pragmatischer Ansatz hebt auf die Wechselwirkung zwischen der Information und dem Adressaten ab. Dies wird teilweise mit einem Zweckbezug gleichgesetzt. So f'~illt fiir Bode die Dimensionen des Zweckbezugs mit der pragmatischen Auspr~igung der semantischen Dimension zusammen, Pragmatik wird mit Pragmatismus gleichgesetzt. In diesem Sinne folgt z.B. die bereits dargestellte Definition von Wittmann dem pragmatischen Ansatz, ebenso wie der unten n ~ e r zu erSrternde prozessuale Informationsbegriff, den Kb'nig et al. ffir die Wirtschaftsinformatik entwickeln. Dem ursprfinglichen semiotischen Verst~indnis nach ist es allerdings nicht zwingend, in der Wechselwirkung die Erfiillung eines Zwecks zu sehen. Die wissenschaftstheoretischen Grundlagen der Semiotik liegen im Behaviorism u s . 33 Das semiotische Zeichen ist als Reiz zu verstehen, auf den stets ein bestimmtes Verhalten folgt. Sein Zeichencharakter driickt sich darin aus, dass das bei seinem Auftreten beobachtbare Verhalten demjenigen gleicht, das beobachtet werden kann, wenn ein Objekt der designierten Klasse von Objekten auftritt. 34 Eine Definition von Information, die im ursprfinglichen, behavioristischsemiotischen Sinne pragmatisch sein sollte, miisste also ein beobachtbares Verhalten nach dem Eintreffen der Information als konstitutive Bedingung aufnehmen. Erst wenn z.B. auf der Basis der zur Kenntnis genommenen Wissensbestandteile tats~ichlich eine Entscheidung f'~illt, kSnnte von Information gesprochen werden. Es ist kaum zu sehen, welchen Nutzen eine solche Einschr~inkung im Gebrauch des Informationsbegriffs bieten sollte. Folgt man dieser Argumentation, liegt es nahe, sich mit der semantischen Ebene zu 33Vgl. Fliickiger, 1995, S. 23. Beim Behaviorismus handelt es sich um eine Spielart des Positivismus, ffir die wissenschaftliche Erkenntnisse fiber Lebewesen und insbesondere Menschen nur gewonnen werden kSnnen, indem gezeigt wird, dass auf einen bestimmten Reiz (Stimulus) stets eine bestimmte Reaktion (Response) folgt. Der Versuch, interne psychologische Mechanismen zu ergriinden, die vom Auftreten des Reizes zur Beobachtung der Reaktion fiihren, wird explizit abgelehnt, da solche mentalen Zust~inde nicht beobachtbar sind. Vgl. Graham, 2002. 34Vgl. Morris, 1972b, S. 21.
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begn/igen. Es zeigt sich aber auch, dass die Pragmatik gewissermagen der Feststellung des Zeichencharakters dient: Wenn es keinen Adressaten gibt, bei dem eine wie auch immer geartete, beobachtbare oder unbeobachtbare Reaktion erfolgt, sobald ein vermeintliches Zeichen erscheint, ist nicht zu begriinden, weshalb es sich um ein Zeichen handelt. Da aber weder das syntaktische Verst~indnis von Information noch die diskutierten semiotischen Begriffskonzepte den Zeichencharakter der Informationselemente in Frage stellen, sind in diesem Sinne alle Informationsbegriffe pragmatisch. 2.1.2.4 Zeitbezug Information kann, wie schon bei der Betrachtung der umgangssprachlichen Bedeutung deutlich wurde, prozessual, also als Vorgang der Aufnahme von Kenntnissen, oder statisch, als Voraussetzung oder Ergebnis dieses Vorgangs, aufgefasst werden. In dem Versuch, die Begriffe Daten und Information abzugrenzen, deftnieren KSnig et. al. z.B. Information als "Prozefl der individuell-zweckorientierten Interpretation von Daten ''35, wfiahrend Daten als "standardisierte und dauerhafte Darstellungen beziehungsweise Abbildungen von Sachverhalten ''36 beschrieben werden. Als Tr~iger von Information kommen hier also nur Menschen in Frage. Eine Konsequenz dieser Definition besteht darin, dass Information in diesem Sinne keinen Sachcharakter besitzt und demnach auch nicht als Ressource bezeichnet werden kann. 37 Ahnlich bezeichnen Ferstl und Sinz Daten als ein Ergebnis der Modellierung eines Realit~itsausschnitts. Durch Anwendung einer Interpretationsvorschrift kSnnen aus Daten Informationen gewonnen werden. Damit ein erfolgreicher Informationsfluss stattfinden kann, m/issen Sender und Empf'~nger die gleiche Interpretationsvorschrift anwenden. Gegenstand der Ubertragung sind aber nur die Daten. 38 Auch der kommunikationstheoretische 35KSnig et al., 1990, S. 48, Hervorhebung im Original. 36KSnig et al., 1990, S. 48. 37Vgl. KSnig et al., 1990, S. 49. 38Ferstl und Sinz, 1998, S. 126f. Eine ~ihnliche Position wird von Boisot und Canals vertreten, die den Zusammenhang zwischen Daten und Information wie folgt charakterisieren: ,,Information constitutes those significant regularities residing in the data that agents attempt to extract from it.", Boisot und Canals, 2004, S. 47; Hervorhebung im Original. Ihr Hauptargument gegen eine Gleichsetzung von Daten und Informati-
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Informationsbegriff, wie er oben erl~iutert wurde, stellt auf den prozessualen Charakter von Information ab. Als Tr~iger der Information fungieren hier die fiber den 0bertragungskanal gesendeten Signale. Den Gegenpol beziiglich des Zeitbezuges bilden solche Definitionen, die Information in der einen oder anderen Weise mit Wissen identifizieren. Hier sind z.B. Wittmanns zweckbezogenes Wissen und Bodes in menschlicher Sprache repdisentiertes Wissen zu nennen.
Fliickiger stellt fest, dass die beiden eben unterschiedenen Sichten, die er als funktionell-kybernetische bzw. strukturell-attributive Sicht bezeichnet, jeweils unterschiedliche Aspekte des Informationsbegriffs abdecken. Er strebt daher die Entwicklung eines Informationsbegriffs an, in dem beide Gesichtspunkte beriicksichtigt werden. 39 2.1.2.5 Neuheitsgrad Informationsbegriffe lassen sich auch danach unterscheiden, ob unter Information nur das verstanden werden soll, was fiir den Adressaten subjektiv neu ist, oder ob alles das als Information aufgefasst wird, was den Kenntnisstand eines beliebigen Adressaten erhShen kSnnte, also in einem gewissen Sinne objektive Information ist. 4~ Von den bisher erSrterten Definitionen verlangen z.B. die kommunikationstheoretische Definition und das davon abgeleitete Konzept semantischer Information, dass Information fiir den Empf'~nger neu sein miisse, da dies offensichtlich untrennbar mit der Vorstellung von Information als Uberraschung verkniipft ist. Der Anteil einer iibertragenen Nachricht, der durch die syntaktische Struktur der Sprache bestimmt ist und demnach vom Sender nicht frei gew~ihlt werden kann, wird aus dieser Sicht als redundant bezeichnet. 41 Aus der Sicht des kommunikationstechnischen Problems, mSglichst viel Information fiber einen gegebenen Kanal zu iibertragen, stellt Redun..
on besteht in dem Hinweis, dass bei der Chiffrierung von Informationen zwar Daten erkennbar blieben, jedoch die Information vor einem Betrachter verborgen bleibe, der nicht fiber den Schliissel verfiige. Es bleibt aber weiterhin eine Frage der Definition des Informationsbegriffs, ob die Information, wie es der Definition von Boisot und Canals entspricht, aus den Daten rekonstruiert wird, oder eben doch, fiir einen Empf'~nger, der fiber den richtigen Schlfissel verfiigt, in den Daten enthalten ist. 39Vgl. Fliickiger, 1995, S. 63. 4~ Bode, 1997, S. 453. 41Vgl. Shannon und Weaver, 1949, S. 25f.
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danz lediglich ein Problem suboptimaler Kodierung dar. 42 Indirekt wird Neuheit auch zum Kriterium im Informationsbegriff von Kb'nig et. al.: Wenn Information eine situations- bzw. zeitpunktbezogene Interpretation von Daten ist, so wird diese Interpretation in jeder neuen Entscheidungssituation erneut vorgenommen werden m/issen. So kann sich auch aus denselben Daten neue Information ergeben, wenn sich die Interpretationsvorschrift vor dem Hintergrund der neuen Situation ge~ndert hat. 43 Auch in der Betriebswirtschaftslehre existieren Definitionen von Information, die Neuheit fiir den Adressaten zum Kriterium f/Jr Information machen. 44
Sei~ert dagegen interpretiert Redundanz als Ergebnis des bereits vorhandenen Wissens des Informationsempf~ngers. Mit zunehmendem Wissenstand wird die Welt also fiir einen individuellen Empf'&nger informations/irmer. 45 Gleichzeitig ermSglicht aber erst Redundanz Kommunikation, da nur auf der Basis von Redundanz Dinge wiedererkannt und somit verstanden werden kSnnen. Damit verschiebt Seiffert die Systemgrenze bei der Feststellung von Redundanz vom Sender auf den Empf'~nger. 46 2.1.2.6 Wahrheitsgehalt Gelegentlich wird der Wahrheitsgehalt einer Mitteilung als Kriterium zur Begrenzung des Begriffsumfanges der Information verwendet. Nach einem wahrheitsabh~ngigen Informationsbegriff w/ire demnach nur Information, was der Realit~it entspricht, w/ihrend wahrheitsunabhiingige Begriffe auch unabsichtlich oder vors/itzlich falsche Mitteilungen als Information akzeptieren. Von den bisher vorgestellten Informationsbegriffen macht lediglich derjenige von Wittmann den Wahrheitsgehalt zu einem Abgrenzungskriterium. Es existieren jedoch auch neuere wahrheitsabh/ingige Formulierungen des Informationsbegriffs. 47 Gegen einen Wahrheitsanspruch an Information kann vorgebracht werden, dass die Wahrheit von Aussagen oft schon auf der praktischen Ebene 42Vgl. Fliickiger, 1995, S. 17. 43Vgl. Maier und Lehner, 1995, S. 220f. 44Vgl. z.B. Oft, 1992, S. 477. 45Vgl. Seiffert, 1968, S. 73ff. 46Fliickiger, 1995, S. 17. 47Vgl. Floridi, 2003, S.134f.
2.1 Der Begriff Information
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nicht mit Sicherheit ermittelt werden kann, ganz abgesehen davon, dass aus philosophischer Perspektive ein sicherer Wahrheitsanspruch auch theoretisch problematisch ist. 4s Dariiber hinaus kSnnen in einem weiter gefassten Informationsbegriff Formen von Information existieren, denen, unabh~ingig v o n d e r Frage der Feststellbarkeit, gar kein Wahrheitswert zugewiesen werden kann. Dies gilt z.B. fiir die S~tze eines Romans oder die Kl~i~ge und Melodien eines Musikstiicks.
2.1.3 Der Informationsbegriff dieser Arbeit Im folgenden geht es darum, eine ffir die Fragestellung dieser Arbeit geeignete Abgrenzung des Begriffs Information zu wiihlen. Entlang jeder der oben dargestellten Dimensionen ist dabei eine Positionierung zu finden. Da in dieser Arbeit Information als Tauschobjekt behandelt werden soll, muss der Begriff so gew~ihlt werden, dass Information Objektcharakter besitzt. Dies hat offensichtlich Konsequenzen ffir die Dimensionen des Informationstriigers, indem eine menschenbezogene Sicht ausscheidet. Informationen kSnnen also im Sinne dieser Arbeit auch aut~erhalb des menschlichen Gehirns existieren. Die Fragestellung dieser Arbeit bezieht sich ausschliefAich auf solche Informationsgiiter, die potenziell an mehrere Abnehmer verkauft werden kSnnen, nachdem sie einmal erstellt wurden. Das spricht dafiir, einen objektiven Informationsbegriff zu w~hlen. Die subjektive Neuheit einer Information wird
4SAlbert erl~iutert die theoretische Schwierigkeit ~iuf,erst pr~ignant: Es bedarf einer Begriindung, weshalb eine Aussage fiir wahr gehalten wird. Jede Begrfindung kann aber angezweifelt werden, so dass es einer Begriindung der Begriindung bedarf. Eine sichere, nicht mehr bezweifelbare Grundlage kann nur auf drei Arten erreicht werden, die alle gleichermai~en unbefriedigend sind, weshalb Albert vom Miinchhausen-Trilemma spricht: 1. In einem infiniten Regress der Begriindungen wird fiir jede Begrfindung eine weitere Begriindung geliefert. Dies ist in endlicher Zeit offensichtlich undurchffihrbar. 2. Es wird in einem logischen Zirkel zur Begriindung einer Begriindung auf einen Grund verwiesen, der bereits in einem friiheren Schritt als begrfindungsbediirftig identifiziert wurde. Auch diese LSsung wird nicht fiberzeugen, wenn das ManSver entdeckt wird. 3. Die Folge der Begriindungen wird willkfirlich abgebrochen, indem eine Aussage als offensichtlich wahr bzw. nicht hinterfragbar pr~entiert wird, was jedoch eine Suspendierung des Prinzips der zureichenden Begriindung bedeutet und letztlich einer dogmatischen LSsung gleich kommt; vgl Albert, 1991, S.15.
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damit jedoch nicht als prinzipiell unwichtig betrachtet. Sie flietgt vielmehr in die Bestimmung der Zahlungsbereitschaft eines potenziellen K/iufers fiir ein Informationsgut ein. Wie groig ihr Einfluss dabei ist, h~iagt jedoch davon ab, um welche Art von Informationsgut es sich handelt. Die Forderung eines unmittelbaren Zweckbezugs von Information, z.B. im Sinne der Vorbereitung bzw. Verbesserung von Entscheidungen, ist fiir die Zwecke dieser Arbeit eher hinderlich, da auch solche G/iter in die sp/iteren Betrachtungen einbezogen werden sollen, die aus rein konsumptiven Motiven erworben werden, wie z.B. Musikaufnahmen oder belletristische Literatur. Folglich muss der Informationsbegriff hier weit genug gefasst werden, um auch solche Produkte einzuschlieigen. Hinsichtlich des Zeitbezuges steht fiir diese Arbeit der statische Aspekt der Information im Vordergrund, da es um den Absatz vorfabrizierter Informationsgfiter geht, die in digitaler Form gespeichert vorliegen. Dementsprechend wird Information hier als Objekt, nicht als Prozess verstanden. Eine strikt prozessuale Sicht auf Information kSnnte auch nur den Zweck erfiillen, die Wichtigkeit der Interpretation eingehender Daten durch den Adressaten zu betonen. Werden statt dessen semiotische Zeichen als Elemente der Information betrachtet, so impliziert dieser Zeichenbegriff bereits die Notwendigkeit einer Interpretation. Der Wahrheitsgehalt soll hier nicht als konstituierend fiir Information betrachtet werden. Dies schliefot selbstverst~indlich nicht aus, dass das Vertrauen eines Nachfragers, dass bestimmte angebotene Informationen den Tatsachen entsprechen (wenn ihnen denn iiberhaupt ein Wahrheitswert zugewiesen werden kann) seine Bewertung dieser Informationen und damit seine Zahlungsbereitschaft beeinflusst. Der Semiotik kommt eine Schliisselrolle bei der Formulierung des Informationsbegriffs dieser Arbeit zu. Wie bereits oben erl/iutert wurde, stellen Syntaktik, Semantik und Pragmatik in ihrer urspriinglichen Bedeutung keine Auspr~igungen einer einzelnen Dimension dar, sondern spannen vielmehr ihrerseits den Raum auf, in dem sich die semiotische Untersuchung von Zeichen bzw. Zeichenprozessen vollzieht. Es geht also im Folgenden nicht darum, zwischen einem syntaktischen, semiotischen oder pragmatischen Informationsbegriff zu w~ihlen, sondern darum, genauer zu formulieren, wie die drei Dimensionen und ihr Verh~iltnis zueinander in dieser Arbeit verstanden werden.
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In der syntaktischen Dimension werden die Beziehungen von Zeichen untereinander untersucht, insbesondere die Regeln, nach denen mehrere Zeichen zu einem neuen Zeichen verkniipft werden kSnnen. Die Zeichen der Semiotik sind nfixnlich nicht nur ein Synonym fiir Buchstaben oder anderweitige Zeichen im Sinne von elementaren Bestandteilen eines Alphabets, sondern der Zeichenprozess, aufgrund dessen semiotische Zeichen existieren, kann mehrfach auf verschiedenen Ebenen stattfinden. So stellen Buchstaben eines Alphabets tats~ichlich Zeichen dar: Zeichentr~iger ist die graphische Form des Buchstabens, Designat ist ein Laut. 49 Ein aus Buchstaben gebildetes Wort ist seinerseits aber wiederum ein Zeichen, dessen Designat eine Menge von konkreten oder abstrakten Objekten enth/ilt. Auch ein ganzer Satz fungiert wieder als ein von seinen Elementen unterscheidbares Zeichen. Daraus entsteht ein Abgrenzungsproblem zwischen Syntaktik und Semantik. 5~ Wfi~hrend aus der Sicht eines zusammengesetzten Zeichens die Beziehungen zwischen den Einzelzeichen, aus denen es aufgebaut ist, als syntaktische Beziehungen identifiziert werden kSnnen, gehSrt das zusammengesetzte Zeichen aus der Perspektive eines untergeordneten Zeichens zu dessen Designat. ~1 Die Beziehung zwischen Einzelzeichen und zusammengesetztem Zeichen liegt damit in der semantischen Dimension. Syntaktische Regeln, denen die Beziehungen zwischen Zeichen unterworfen sind, dienen aus dieser Perspektive demselben Zweck wie semantische Regeln, nfi~nlich der Zuordnung zwischen Zeichen und Designat. Zur Pr~izisierung der semantischen Dimension wird deren formale Darstellung durch Szaniawski herangezogen. 52 Eine Information bzw. ein Informationselement ist danach ein Element y, das aus einer Menge Y von potenziellen Informationstr~igern ausgewfiahlt wurde. Die Elemente von Y kSnnen mit den Zeichen im Sinne der Semiotik gleichgesetzt werden, es kann sich also z.B. um in einer natiirlichen oder formalen Sprache formulierte S~itze handeln. Mit X wird eine Menge von Objekten, Zust~iaden oder Ereignissen bezeichnet und mit Oy die Tatsache, dass das Element y ausgew~hlt wurde. Oy ist eine Information iiber X, wenn eine Verbindung 49Dies gilt fiir phonetische Alphabete wie das lateinische; in anderen Schriftsystemen verweisen bereits einzelne Schriftzeichen auf WSrter oder Wortbestandteile, vgl. Wikipedia contributors, 2005. 5~ Fliickiger, 1995, S. 26ff. 51Die Verwendung von Abkfirzungen in Texten veranschaulicht dies: ein einzelner oder wenige Buchstaben fungieren hier als Zeichen fiir ein gesamtes Wort. 52Vgl. Szaniawski, 1998.
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2 In?ormation Ms WirtschMtsgut
zwischen X und Y besteht, die y relevant fiir die Identifikation des tats~ichlichen Zustands x E X macht. Eine solche Verbindung kann zum einen durch eine sog. semantische Informationsstruktur 18 = (X, Y, s) hergestellt werden, zum anderen durch eine sog. probabilistische Informationsstruktur
Ip = (X, y,p).53 In einer semantischen Informationsstruktur bezeichnet s e i n e Funktion s : Y --. 7~(X), die jedem y E Y eine Menge s(y) aus der Menge aller Untermengen von X, also aus der Potenzmenge 7~(X), zuordnet. Die Menge s(y) kann als Designat des Zeichens y betrachtet werden. Eine Informationsstruktur vermittelt generische Information, wenn s die Menge der mSglichen Zust~inde einschrfiaakt, also ffir jedes y mindestens ein Element aus X enth~lt, andererseits aber nicht mit X identisch ist, d.h. wenn gilt Vy E Y :0 ~ s(y) C X. Dies entspricht zwar der oben als Zweckkriterium diskutierten Reduktion von Unsicherheit, die Verwendung des qualifizierenden Adjektivs ,,generisch" fiir diese Situation zeigt abet, dass dieser Informationsbegriff generell auch S~itze einschlief~t, die alle mSglichen Zust~ade zulassen, ffir die folglich gilt s(y) - X. In einer probabilistischen Informationsstruktur Ip = (X,Y,p) wird die Verbindung zwischen den Mengen X und Y dutch eine gemeinsame Wahrscheinlichkeitsverteilung p(x,y) =_ P(Ax A Oy) hergestellt, die die Wahrscheinlichkeit daffir angibt, dass gleichzeitig x den tats~ichlichen Zustand darstellt und das Zeichen y ausgewfiahlt wird. Die bedingte Wahrscheinlichkeit p(x [y) bezeichnet dann die Wahrscheinlichkeit, dass x der Fall ist, wenn das Zeichen y auftritt. Probabilistische Informationsstrukturen fiahneln der von Carnap und Bar-Hillel entwickelten semantischen Variante des kommunikationstechnischen Informationsbegriffs. Wie Szaniawski zeigt, liegt der Unterschied zwischen semantischen und probabilistischen Informationsstrukturen lediglich in der Sicherheit der jeweiligen Aussagen. Der pragmatischen Dimension des Zeichenprozesses kommt ffir den Informationsbegriff dieser Arbeit ein geringeres Gewicht zu. Es wird auf den behavioristischen Anspruch verzichtet, die Zeichenwirkung anhand einer beobachtbaren, ~iugeren Reaktion des Interpreten bzw. Informationsempf'&agers sicherstellen zu wollen. Statt dessen wird gewissermagen eine Innensicht des Interpreten eingenommen: Sobald ein beliebiger Interpret, wobei es sich hier ausdrficklich auch um eine Maschine handeln kann, fiber eine Informa53Vgl. Szaniawski, 1998, S. 227.
2.2 Eigenschaften yon Informationsgiitern
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tionsstruktur verfiigt, um Zeichen der Menge X zu interpretieren, werden solche Zeichen als Information betrachtet. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Informationsstruktur allgemein anerkannt ist oder lediglich von einem einzelnen Individuum oder einer Gruppe als giiltig betrachtet wird. Eine solche Innensicht erscheint insbesondere beziiglich der maschinellen Verarbeitung von Information vollkommen legitim, da die inneren Vorg/inge einer Maschine der Beobachtung entweder direkt zug/inglich sind oder mindestens aufgrund ihres prinzipiell bekannten, deterministischen Funktionsmechanismus nachvollzogen werden kSnnen. Im Fall menschlicher Informationsempf'~nger wird das Problem der Beobachtbarkeit des Zeichenprozesses dadurch entsch/irft, dass es in dieser Arbeit in erster Linie um Information als Tauschobjekt geht. Die Tatsache, dass ein Individuum bereit ist, ffir ein Zeichen bzw. eine Zeichenfolge etwas zu bezahlen, kann als hinreichendes Indiz dafiir gewertet werden, dass es sich im Besitz einer Informationstruktur glaubt, die eine Interpretation der Zeichen zul/isst. 2.2 E i g e n s c h a f t e n von Informationsgiitern 2.2.1 Information in der Systematik der GSter
Giiter dienen als "Biindel nutzbringender Eigenschaften in Form eines dinglichen oder organisatorischen Ganzen T M direkt oder indirekt der Befriedigung menschlicher Bediirfnisse. Sie werden eingeteilt in Sachgiiter, Dienstleistungen und Nutzungen. Alle Giiter lassen sich weiterhin nach ihrer Verwendung unterscheiden in Produktionsgiiter, die von Unternehmen erworben werden und in die Produktion anderer Giiter eingehen, sowie in Konsumgfiter, die von Haushalten erworben werden und entweder der direkten Befriedigung von Bedfirfnissen dienen oder in Produktionsprozessen des Haushalts eingesetzt werden. Sachgiiter werden weiterhin anhand ihrer typischen Nutzungsdauer in dauerhafte und nichtdauerhafte unterteilt. Dienstleistungen und Nutzungen dagegen sind nie von Dauer, sie lassen sich nicht lagern oder transportieren. W/ihrend Dienstleistungen das Ergebnis von Produktionsprozessen sind, fallen unter die Nutzungen z.B. die Nutzung menschlicher Arbeitskraft, dauerhafter Produktionsmittel, immaterieller VermSgenswerte, z.B. Patente, sowie dauerhafter Konsumgfiter. 5~ Weitaus differenziertere
54Breyer_Mayldnderund Werner 2003, S. 31. 55Vgl. z.B. Stobbe, 1989, S. 2f.
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2 Information als Wirtschaftsgut
Giitersystematiken finden u.a. in der amtlichen Statistik Verwendung. Informationsgiiter, h~iufig auch als Medieng/iter bezeichnet, sind Sachgiiter bzw. materielle Giiter. Selbst wenn sie, wie z.B. Rundfunkprogramme oder Onlinemedien, immateriell verbreitet werden, kSnnen sie sowohl beim Sender als auch beim Empf~inger in materieller Form gespeichert und gelagert werden. 56 Ihre generelle Zuordnung zu den Produktions- oder Konsumgiitern ist ebenso wenig mSglich wie eine generelle Aussage fiber ihre Nutzungsdauer. Aus Sicht der mikroSkonomischen Theorie kSnnen sie jedoch deshalb zu den dauerhaften Giitern gerechnet werden, weil ein einzelner Nachfrager in den meisten F~llen nur genau eine Einheit nachfragt. Eine andere, in der Konsequenz vergleichbare Sichtweise betrachtet Informationsgiiter als sog. unteilbare Giiter. 57 Welches sind nun die ,dmtzbringenden Eigenschaften", die Information zu einem Gut werden lassen? Nach dem Verst~hadnis von Information, das oben entwickelt wurde, kSnnen sie aus zwei Quellen stammen. Zum einen kann sich der Nutzen von Information aus der Tatsache ableiten, dass sie hilft, bessere Entscheidungen zu treffen bez/iglich der Produktion oder Beschaffung von G/itern, die unmittelbar der Bed/irfnisbefriedigung dienen. Dies ist der Aspekt, der in dem oben diskutierten Aspekt der Zweckgerichtetheit von Information zum Ausdruck kommt. Kihlstrom formuliert dies im Hinblick auf die Informationsnachfrage von Konsumenten folgendermatgen: ,,Consumers demand Information because it helps them to make better purchases of other commodities. But information is a commodity that possesses none of the desirable attributes which make other commodities attractive to consumers. ''58 Der zweite Aspekt dieser Aussage l~isst sich jedoch mit dem hier zugrunde gelegten Informationsverst~indnis nicht vereinbaren. Information wurde bewusst ohne Rfickgriff auf das Zweckkriterium definiert, um auch solche Giiter unter dem Begriff Informationsgut erfassen zu kSnnen, die der unmittelbaren Befriedigung von Bed/irfnissen dienen. Dabei handelt es sich um kiinstlerische Produkte wie Romane, Spielfilme und Musikaufnahmen. W~ihrend solchen Giitern in der InformationsSkonomik kaum Beachtung geschenkt wird, werden sie in der Semiotik durchaus als Gebilde verstan-
56Vgl.Breyer-Maylander und Werner, 2003, S. 31f. 57Vgl. Arrow, 1962, S. 615. 5SKihlstrom, 1974, S. 414.
2.2 Eigenschaften von Informationsgiitern
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den, die sich aus Zeichen zusammensetzen. 59 Da semiotische Zeichen hier als Grundbausteine der Information verstanden werden, fallen auch diese Giiter in die Gruppe der Informationsgiiter. Die beiden eben abgegrenzten Gruppen werden im weiteren Verlauf als Produktionsgiiter und Konsumgiiter bezeichnet. Eine andere Systematik, die hier zur K l ~ u n g der Gutseigenschaften eines Informationsgutes herangezogen werden soll, ist die Mengersche Gfiterordnung, die Giiter nach dem Grad ihrer Konsumferne ordnet. Giiter, die unmittelbar dem Konsum dienen, werden als Gfiter erster Ordnung aufgefasst, Produktionsgiiter, die unmittelbar zur Produktion des Konsumgutes dienen, werden als Giiter zweiter Ordnung betrachtet, und Gfiter, die zur Produktion der Produktionsgiiter eingesetzt werden, sind Gfiter entsprechend hSherer Ordnung. Giiter zweiter und hSherer Ordnung gewinnen in der Mengerschen Vorstellung ihren Wert ausschliefolich aus dem Beitrag, den sie zur Produktion von Konsumgiitern leisten. 6~ Information im Verst~.dnis dieser Arbeit kann also einerseits ein Gut erster Ordnung darstellen, andererseits ein Gut hSherer Ordnung, indem sie zur Herstellung bzw Verbesserung oder Vermehrung von Konsumgiitern bzw. Produktionsgiitern beitr~igt. 61 Allerdings ist eine Ableitung des Wertes von Information aus den Giitern erster Ordnung problematisch, da Information in vielen F~illen lediglich die Verteilung vorhandener Gfiter beeinflusst, also einen Wert fiir einen Akteur besitzt, solange sie exklusiv ist.
2.2.2 Information und Knappheit Manche Gfiter, z.B. Atemluft, sind so reichlich vorhanden, dass sehr viele oder alle Menschen sie verbrauchen oder nutzen kSnnen, ohne dass es zu gegenseitigen Beeintr~ichtigungen kommt. Die meisten Giiter sind jedoch knapp in dem Sinne, dass sie nicht in ausreichender Menge vorhanden sind 59Vgl. hierzu z.B. die Abhandlung von Morris fiber ,~sthetik und Zeichentheorie", deren Hauptthese lautet, dass Kunstwerke Zeichen seien, die auf sich selbst verweisen, die also ihren eigenen Zeichencharakter in die Aufmerksamkeit des Betrachters rficken, dabei aber nichtsdestotrotz gleichzeitig auch Zeichen ffir etwas anderes, z.B. fiir Ausschnitte der von dem Urheber des Kunstwerks wahrgenommenen Realit~it oder seiner psychischen Befindlichkeit, sein kSnnen. Vgl. Morris, 1972a, S. 97ff. 6~ Menger: Grunds~itze der Volkswirtschaftslehre. 61Vgl. Hopf, 1983, S. 71f., wo Informationen generell als Gfiter dritter Ordnung bezeichnet werden.
28
2 Information als Wirtschaftsgut
oder hergestellt werden kSnnen, um alle bestehenden Bediirfnisse nach ihnen befriedigen zu kSnnen. Der Umgang mit dem Ph~inomen der Knappheit steht im Zentrum wirtschaftlichen Handelns, daher werden knappe Giiter auch als wirtschaftliche Giiter bezeichnet. 62 Viele Giiterarten sind durch Rivalit~it im Konsum gekennzeichnet, d.h. ihre Nutzung durch eine Person schlie~t andere Nutzer aus. Bei Informationsgiitern besteht Konsumrivalittit lediglich insofern, als sie an physische Medien wie Druckerzeugnisse oder CDs gebunden sind. Die Information selbst wird jedoch in der Regel ffir einen Akteur nicht dadurch in ihrem Nutzwert beeintr~ichtigt, dass sie auch von anderen rezipiert wird. Es gibt aber auch F~ille, in denen der exklusive Besitz bestimmter Informationen einen erheblichen Vorteil darstellt. So zahlt es sich z.B. fiir einen BSrsenhfiadler aus, friiher als andere fiber Ereignisse informiert zu sein, die den Kurs eines Wertpapiers beeinflussen kSnnen, da er entsprechende Kaufoder Verkaufstransaktionen durchfiihren kann, bevor andere dies tun. 63 A1lerdings ist ein Vorteil in diesem Beispiel nur realisierbar, wenn die entsprechende Information spiiter auch die anderen Marktteilnehmer erreicht, so dass die antizipierte Kursreaktion auch tats~ichlich eintritt. 64 Auch der gegenteilige Effekt ist denkbar, also ein Anstieg des Wertes der Information fiir einen Nachfrager, wenn andere Nachfrager dieselbe Information ebenfalls konsumieren. Viele Unterhaltungsmedien gehSren in diese Kategorie, da das Interesse der Nutzer solcher Medien nicht zuletzt von der Tatsache abh~ingt, sich mit anderen Nutzern fiber die Inhalte austauschen zu kSnnen. Dies betrifft z.B. Kinofilme, Fernsehsendungen, Musik und Romane. Aber auch Nachrichten fiber das Weltgeschehen (,~Stammtischgesprtiche") oder fiber Prominente (,,Regenbogenpresse") kSnnen diese Form von Netzwerkeffekten hervorrufen. In der Regel sind Informationsanbieter Monopolisten. Allerdings kSnnen sie aus dieser Stellung nur dann 5konomischen Gewinn ziehen, wenn es gesetzliche Regelungen gibt, die es anderen Akteuren, die bereits ein Exemplar des Informationsgutes erworben haben, verbieten, dieses ihrerseits zu vervielf'eiltigen und damit in Konkurrenz zu dem urspriinglichen Anbieter zu 62Vgl. Samuelson und Nordhaus, 1992, S. 8. 63Vgl. Hop f, 1983, der das Beispiel des Bankiers Nathan Rothschild zitiert, der friiher als andere Marktteilnehmer an der Londoner BSrse fiber Napoleons Niederlage bei Waterloo informiert war. 64Vgl. Hirshlei.fer, 1971, S. 565.
2.2 Eigenschaften yon Informationsgfitern
29
treten. Solche gesetzlichen Regelungen existieren ffir viele Typen von Informationsgiitern in Gestalt des Urheberrechts. Die Entwicklung derselben Techniken, die die Fragestellung dieser Arbeit fiberhaupt interessant gemacht haben, ermSglichen es allerdings auch, zu geringeren (technischen) Kosten als je zuvor gegen das Urheberrecht zu verstof~en und damit die Monopolstellung des Urhebers und die 5konomische Verwertbarkeit von Informationsgiitern generell infrage zu stellen. Im Folgenden werden die hiermit verbundenen schwierigen Probleme ausgeklammert, indem unterstellt wird, dass entweder technische LSsungen existieren, um das geistige Eigentum des Urhebers zu schfitzen, z.B. in Form sog. Digital Rights Management-Systeme, oder dass im Zuge einer fortschreitenden Sensibilisierung des Rechtssystems fiir die Urheberrechtsproblematik die Entdeckungswahrscheinlichkeit bei Zuwiderhandlungen oder das zu erwartende Strafmag derart erhSht werden, dass potenzielle T~iter in ausreichendem Maf~e abgeschreckt werden. Tendenzen in beide Richtungen sind gegenw~irtig erkennbar.
2.2.3 Typen yon Informationsgiitern Das im vorigen Abschnitt entwickelte, abstrakte und welt gefasste Verst~indnis yon Informationsgiitern wird in diesem Abschnitt mit konkreten Beispielen gef/illt, gleichzeitig werden einige Kriterien zur Typisierung solcher Giiter diskutiert. Informationsgiiter kSnnen danach klassifiziert werden, ob sie unmittelbar der Befriedigung yon Bed/irfnissen dienen, oder ob sie bei der Herstellung bzw. beim Erwerb yon anderen Giitern eingesetzt werden. Im ersten Fall kann man yon konsumptiver Verwendung sprechen, im zweiten Fall yon produktiver Verwendung. Konsumptiv verwendete Informationsgiiter dienen h~iufig der Unterhaltung oder der Befriedigung eines Bildungsbediirfnisses, sofern letzteres nicht bereits als Investition in das HumanvermSgen des Informationsnutzers betrachtet wird. Oft geht es um kiinstlerische Produkte, aber auch redaktionelle Erzeugnisse wie Tageszeitungen, Zeitschriften, Magazine oder Fernsehnachrichten werden nicht selten zur direkten Befriedigung bestimmter Bediirfnisse eingesetzt. Eine produktive Verwendung liegt z.B. bei Bbrsenkursen vor, an denen ein H~indler seine Kauf- und Verkaufsentscheidungen ausrichtet, oder dann, wenn eine Unternehmung technische Dokumentationen beschafft, die zur Produktion einer neuen Produktver-
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2 Information als Wirtschaftsgut
sion oder -kategorie benStigt werden. Die Einteilung in konsumptive und produktive Verwendung ist jedoch situationsgebunden und l~st nur in eingeschr~inktem Ma~e Rfickschlfisse auf die Natur der Informationsgfiter selbst zu, die der einen oder anderen Verwendung zugeffihrt werden. Informationsgfiter kSnnen auch danach klassifiziert werden, ob sie mit der Zeit an Aktualit~it verlieren oder ob sie keinen unmittelbaren Aktualit~tsbezug aufweisen. W~ihrend z.B. Nachrichten, BSrsenkurse und Wetterinformationen ffir die meisten Nutzer kurz nach dem Zeitpunkt, auf den sie sich beziehen, kaum noch von Interesse sind, ist z.B. die technische Dokumentation zu einer Maschine fiir die gesamte Lebensdauer der Maschine nfitzlich. Andere Informationsgfiter verlieren fiber viele Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte hin kaum an Bedeutung oder unterliegen zyklischen bzw. modischen Schwankungen in dem Interesse, das ihnen entgegen gebracht wird. Auch die Kategorie des Aktualit~itsbezuges ist jedoch situationsabh~ingig. So mag fiir die meisten Personen das Wetter von vor zehn Jahren absolut bedeutungslos sein, ein Klimaforscher wird dagegen gerade an solchen und noch ~ilteren Wetterdaten sehr interessiert sein, ~ihnlich wie fiir einen charttechnisch orientierten Analysten die BSrsenkurse vergangener Monate oder Jahre keinesfalls wertlos sind. Eine weitere Facette des Aktualit~itsbezuges von Informationsgfitern besteht in der Frage, ob sie ffir ein Individuum wertlos werden, wenn es sie einmal zur Kenntnis genommen hat, oder ob sie auch mehrfach genutzt werden kSnnen. Nachrichten sind in der Regel nur interessant, wenn sie ffir das Individuum neu sind, eine zweite oder dritte Wiederholung ist redundant, es sei denn, das Individuum h~itte den Inhalt der Nachricht inzwischen wieder vergessen. Anders ist es mit vielen kfinstlerischen Produkten, die auch bei mehrfacher Betrachtung bzw. Vorffihrung nicht an Faszination verlieren. Ein relativ eindeutiges Merkmal zur Typisierung von Informationsgiitern stellt deren Repr~isentation dar. Im wesentlichen sind die vier Formen Text, Bild, Ton und Video zu unterscheiden. Nicht selten werden gleiche oder ~ihnliche Inhalte in verschiedenen Repr~entationsformen publiziert, z.B. Nachrichten als Zeitungsartikel, Radiobeitr~ige und Fernsehbeitr~ige, oder Konzertmitschnitte als reine Tonaufnahme und als Videoaufnahme. Die unterschiedlichen Repr~entationsformen unterscheiden sich stark darin, welche Bandbreiten bzw. Speicherkapazit~iten zu ihrer Ubertragung bzw. Lagerung erforderlich sind. ~
2.2 Eigenschaften yon Informationsgiitern
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Schlieglich sei noch das Medium als Unterscheidungsmerkmal erw~hnt, auf bzw. in dem Informationsgfiter angeboten werden. In der Regel unterscheidet man zwischen Printmedien, Rundfunk, Ton- und Bildtdigern sowie Onlinemedien. Diese Arbeit konzentriert sich ausschlieglich auf digitalisierbare Informationsgfiter, ffir die alle Schritte der Beschaffung einschlieglich der Lieferung des Gutes fiber Onlinemedien- damit ist heute in den allermeisten F~illen das Internet gemeint- abgewickelt werden kSnnen. 65
2.2.4 Digitale Informationsgiiter In dieser Arbeit werden ausschlief~lich digitale, fiber Computernetzwerke vertriebene Informationsgfiter betrachtet. Digitale Informationsgfiter sollen hier, in der oben erSrterten Terminologie der Semiotik, als Folgen von ausschlief~lich zwei Zeichen aufgefasst werden, die meist als '0' und '1' geschrieben werden. 66 Die Darstellung ist also zweiwertig oder bin~ir. Ein Element einer solchen Folge wird als Bit bezeichnet. Der Grund der Konzentration auf digitale Informationsgfiter liegt darin, dass ausschlief~lich diese Art von Giitern sich ffir eine Speicherung in Computersystemen und einen Transport fiber Computernetzwerke eignet. 67 Diese Lagerungs- und Vertriebsform stellt die bestmSgliche Ann~iherung an eine der Grundannahmen dieser Arbeit dar, nfimlich dass Herstellung und Vertrieb einer zus/itzlichen Kopie eines Informationsgutes marginale Kosten in der Nfihe von Null verursachen. Lagerhaltungskosten fallen nicht an, da jede abgesetzte Kopie unmittelbar im Augenblick der Auslieferung von einer einzigen Vorlage auf dem zur Auslieferung verwendeten Computersystem (Server) hergestellt wird. Die dabei benStigte Rechenkapazit~it muss im Voraus zur Verfiigung gestellt werden und kann daher nicht zus~itzlichen Kopien angelastet werden. Gleiches gilt 65Vgl. Alpar, 1998, S. 254. 66Auch bei dieser Darstellung handelt es sich um einen Vorgang der Signifikation, denn tats~ichlich werden die beiden Zeichen in den Systemen, in denen sie gespeichert und verarbeitet oder durch die sie fibertragen werden, auf sehr unterschiedliche Arten physisch repr~sentiert. Das Spektrum der MSglichkeiten reicht dabei von zwei unterschiedlichen Ladungszust~inden in den mikroskopisch kleinen Kondensatoren von Speicherbausteinen fiber dynamische Variationen in elektromagnetischen Feldern bis zu winzigen mechanischen Vertiefungen in optischen Speichermedien. 67Auch andere Arten von Informationsgfitern werden fiber Netzwerke vertrieben, z.B. existiert zur Zeit (Ende 2004) noch analoges Fernsehen sowohl in terrestrischer Funkfibertragung als auch in Fernsehkabelnetzen. Keine dieser Ausstrahlungsformen kann jedoch als Computernetzwerk bezeichnet werden.
2 Information als Wirtschaftsgut
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A
r
B
C
T
T
T
65
66
67
~
~
01000001
r
~
01000010
r
01000011"
Abbildung 2.1" Signifikationsebenen (eigene Darstellung) ~176
im Prinzip fiir die notwendige Ubertragungskapazit~it des zur Auslieferung verwendeten Computernetzes. 6s Bevor eine Folge von Bits fiir menschliche Benutzer interpretierbar wird, durchl~iuft sie in der Regel mehrere Ebenen der maschinellen Interpretation, die als sehr praise semiotische Zeichenbeziehungen aufgefasst werden kSnnen. Der erste Schritt ist h~iufig eine Zusammenfassung mehrerer Bits, z.B. 8 oder 16, zu einem Zahlenwert im Bin~system. Die Zahlenwerte bezeichnen dann, je nach Art des Informationsguts, sehr unterschiedliche Gegenst~inde. Bei textuellen Informationsgiitern in Schriftform wird ein Code eingesetzt, der jedem Zahlenwert einen bestimmten Buchstaben (oder ein Interpunktionszeichen) zuordnet, wie es in Abbildung 2.1 dargestellt ist. Akustische A ufzeichnungen werden im einfachsten Fall in Form von sog. Samples abgelegt: Die Amplitude des kontinuierlichen Ausgangssignals, einer elektrischen Spannung, die analog zu den urspriinglichen Schallwellen verl~iuft, wird in regelm~igen Zeitabst~inden gemessen und in einen Zahlenwert umgewandelt. Die Pr~ision der Messung bestimmt, wie viele Bits benStigt werden, um einen einzelnen Messwert zu speichern; im Fall der CD werden z.B. 16 Bit verwendet. Im Prinzip in fi~hnlicher Weise lassen sich die Farb- und Helligkeitswerte von Fotos bzw. von Videosequenzen digitalisieren. Der Speicherbedarf solcher digitalisierter akustischer und insbesondere visueller Aufzeichnungen ist sehr groig. Auch bei den aktuell verfiigbaren Speicher- und Obertragungstechniken wiirde die Nutzung des digitalen Rohmaterials noch in vielen F~illen prohibitive Kosten verursachen. Die Verbrei68Tats~ichlich entstehen in beiden F~illen sprungfixe Kosten je nach GrSgenordnung der (erwarteten) Nachfrage.
2.3 Zahlungsbereitschaft f//r Informationsgiiter
33
tung von Audio- und Videoaufzeichnungen fiber Computernetze in kommerziellem Ma~stab wird erst durch Verfahren mSglich, mit deren Hilfe der Speicherbedarf erheblich reduziert werden kann. Auf die Funktionsweise dieser Verfahren soll hier nicht im Einzelnen eingegangen werden; als verbindendes Prinzip aller dieser Techniken l~st sich jedoch festhalten, dass sie die Grenzen der Wahrnehmungsf'~higkeit der menschlichen Sinnesorgane nutzen, um nicht bzw. kaum wahrnehmbare Informationsbestandteile aus dem Ausgangsmaterial zu entfernen. Aus der komprimierten bzw. reduzierten Bitfolge 1/isst sich das urspriingliche Signal nicht exakt rekonstruieren, weshalb auch von verlustbehafteten Kompressionsverfahren bzw. von Datenreduktion gesprochen wird. Diese Kompressionsverfahren funktionieren zwar gut, aber je hSher das angestrebte Kompressionsverh~ltnis ist, desto mehr fallen Qualit~itsverluste gegen/iber unkomprimierten bzw. schw~icher komprimierten Informationsgiitern auf. Daraus ergibt sich fiir die Anbieter bestimmter Informationsg/iter eine MSglichkeit, verschiedene Qualit~itsstufen anzubieten.
2.3 Z a h l u n g s b e r e i t s c h a f t f'tir I n f o r m a t i o n s g t i t e r
Von besonderer Bedeutung im Rahmen der Fragestellung dieser Arbeit ist es, wie die Zahlungsbereitschaft eines Nachfragers f/ir ein Informationsgut zustande kommt und welche Faktoren sie beeinflussen. In Abschnitt 2.3.1 werden zwei Konzepte betrachtet, die den Informationsgehalt von Nachrichten bzw. Aussagen zu quantifizieren versuchen. Es zeigt sich jedoch, dass diese Versuche einer immanenten Messung des Informationsgehalts nicht geeignet sind, den Wert einer bestimmten Information fiir ein bestimmtes Wirtschaftssubjekt zu bestimmen, da dieser stets vom Kontext abh~ingig ist, also der Situation, in der sich das Wirtschaftssubjekt gegenw~irtig befindet. F/Jr konsumptiv genutzte Informationsgiiter stellt die Bestimmung der Zahlungsbereitschaft aus 5konomischer Sicht einen Anwendungsfall der mikroSkonomischen Nachfragetheorie des Haushalts dar, deren Grundz/ige in Abschnitt 2.3.2 erl~iutert werden. F/Jr viele Informationsg/iter gilt, dass ihr Nutzen ffir ein Individuum abh~ingig ist von dessen Vorkenntnissen oder dessen GewShntsein an den Konsum solcher Gfiter. Autgerdem erfordert der Konsum der meisten Informationsgiiter einen gewissen Aufwand an Zeit. Beide Aspekte kSnnen mit Hilfe der Theorie der Haushaltsproduktion in
34
2 Information als Wirtschaftsgut
den Rahmen der mikroSkonomischen Nachfragetheorie integriert werden, die daher kurz in Abschnitt 2.3.3 dargestellt wird. Erg/inzend zu der mikro5konomischen Sicht, die das Verhalten von Wirtschaftssubjekten betrachtet, fiir die vollkommene Rationalit/it angenommen wird, geht Abschnitt 2.3.4 auf das eher betriebswirtschaftlich orientierte Kaufverhaltensmodell tier Marketingliteratur ein. Wesentlich besser als die konsumptive Nach~age nach Informationsgiitern ist die Bewertung von Informationen untersucht, wenn diese zur Verbesserung von Entscheidungen eingesetzt werden. Einige diesbeziigliche Ergebnisse werden in Abschnitt 2.3.5 dargestellt. Einige besondere Eigenschaften yon Informationsgiitern, die deren 5konomische Bewertung durch die Wirtschaftssubjekte erschweren, werden in den bislang erSrterten Theorien jedoch nicht explizit beriicksichtigt. Abschnitt 2.3.6 widmet sich diesen Problemen und zeigt einige MSglichkeiten auf, wie diese in der Praxis iiberwunden werden kSnnen.
2.3.1 Quantitative Aspekte yon Information Versuche, den von Informationsquellen produzierten bzw. in Nachrichten enthaltenen Informationsgehalt quantitativ zu bestimmen, lassen sich nach MacKay in zwei Kategorien einteilen: Mage fiir den selektiven Information~ gehalt fragen danach, wie viel Information bei der Auswahl einer Nac~icht bzw. der Bestimmung eines Zustands aus einer Menge prinzipiell bekannter Nadmchten bzw. Zust~inde vermittelt wird. 69 Der deskriptive Informationsgehalt quantifiziert dagegen den Beitrag, den eine empfangene Information, z.B. aus einer wissenschaftlichen Beobachtung, dazu leistet, beim Empffinget Wissen fiber einen bisher unbekannten Zustand zu konstruieren.
2.3.1.1 Entropie Der erste und bis heute einflussreichste Versuch, Information quantitativ zu erfassen, wurde im Rahmen der mathematischen Kommnnikationstheorie unternommen. TM Wie oben bereits erSrtert, wird Information hier als Folge 69Vgl. MacKay, 1950, sowie MacKay, 1954. 7~ Shannon und Weaver, 1949. Shannon grfindet seine Theorie auf Arbeiten von Nyquist, 1924, 1928 und Hartley, 1928.
2.3 Zahlungsbereitschaft /fir InformationsgSter
35
von Symbolen aufgefasst, deren Bedeutung ausdriicklich nicht beriicksichtigt wird. Das Grundmodell der Theorie von Shannon besteht darin, dass eine Informationsquelle Nachrichten aus einer endlichen Menge X auswSahlt, die dann von einem Sender fiber einen 0bertragungskanal zu einem EmpfAnger geschickt werden. Ist jede Nachricht gleich wahrscheinlich, so stellt eine monoton steigende Funktion der Anzahl mSglicher Nachrichten ein quantitatives Mag fiir die Information dar, die durch die Informationsquelle produziert wird, wenn eine bestimmte Nachricht ausgew~ihlt wird. Wird der Logarithmus zur Basis 271 als funktionaler Zusammenhang gewfildt, dann ergibt sich daraus als Einheit der Information das Bit (yon engl. binary dig~t).72 Wird eine yon zwei mSglichen Nachrichten iibertragen, so betr~igt die iibertragene Information ein Bit (log 2 2 = 1). Stehen zehn Nachrichten zur Verfiigung, ergeben sich ca. 3,32 Bit (log 2 10 ~ 3, 32). Sind die einzelnen Nachrichten jedoch nicht gleich wahrschein!ich, so wird der Informationsgehalt einer ausgewfilflten N ~ c h t als u m ~ grSger betrachtet, je weniger wahrscheinlich ihre Auswahl ist. Sei xi eine Nachricht aus der Menge X -- { x l , . . . , x n } und sei Pi = P(xi) mit ~']~ P(xi) = 1 (fie Wahrscheinlichkeit, dass xi ausgewfilllt wird, so besitzt xi den ShannonInformationsgehalt 73 1
h(xi) - log2 --. pi Neben dem Informationsgehalt einer bereits ausgewfilxlten Nachricht ist auch der Informationsgehalt der Informationsquelle von Bedeutung. Dieser ergibt sich als Erwartungswert des Shannon-Informationsgehaltes H(X)-
1 Z p , log--, i Pi
(2.1)
indem die Shannon-Informationsgehalte der einzelnen Nac/u'ichten mit der Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens gewichtet werden. Der Ausdruck in Gleichung 2.1, der auch als Entropie bezeichnet wird, gibt an, welcher Informationsgehalt yon einer Informationsqueile mit bekannten Eigenschaften, also Wahrscheinlichkeiten der einzelnen N ~ c h t e n , erwartet werden kann, be71Kfinftig wird der Logarithmus zur Basis n a l s logn geschrieben. 72Vgl. Shannon und Weaver, 1949, S. 3f. 73Vgl. MacKay, 2003, S. 32.
36
2 Information als Wirtschaftsgut
1
'
~
~
..-(p Id'p + q Id q)
0.9 0.8 0.7 0.6 0.5 0.4 0.3 0.2
/
0.1 0 0
i 0.2
!
0.4
;.6
' 0.8
Abbildung 2.2: Informationsgehalt einer Nachrichtenquelle mit zwei mSglichen Nachrichten (MacKay, 2003, S.2) vor eine Nachricht empfangen wurde. TM An einem Beispiel mit zwei mSglichen Nachrichten Xl,X2 l ~ s t sich das Prinzip verdeutlichen, pl sei die Wahrscheinlichkeit, mit der die eine Nachricht gesendet wird, w~ihrend die andere Nachricht mit der Wahrscheinlichkeit P2 - Pl - 1 auftritt. Die Entropie der Nachrichtenquelle ist nun H -- Pl log ~1 + P2 log2 ~ . Die Abbildung zeigt, wie sich der Informationsgehalt mit steigendem pl, also sinkendem P2 entwickelt. 2.3.1.2 Logon und Metron Ein Konzept deskriptiver Ma~e fiir den Informationsgehalt wurde von MacKay entwickelt, der es zun~ichst auf die quantitative Messung des Informationsgehaltes wissenschaftlicher Informationen beschr~i~kte. 75 Sp~iter versuchte er, sein Konzept auch auf den allgemeineren Zusammenhang menschlicher Kommunikation anzuwenden. 76 Den Ausgangspunkt seiner 0berlegun74In der Nachfolge Shannons wurden in der Informationstheorie mehrere Familien strukturell ~ihnlicher Informationsma$e entwickelt. Die hier knapp erl~iuterte ShannonEntropie steUt ein spezielles Exemplar einer solchen Familie dar. Einen 0berblick fiber neuere Entwicklungen der mathematischen Informationstheorie geben Ebanks et al., 1998. 75Vgl. MacKay, 1950. 76Vgl. MacKay, 1954.
2.3 Zahlungsbereitschaft fSr Informationsgiiter
37
gen stellt die von Wittgenstein in seinem Tractatus Logico-Philosophicus vertretene These dar, sprachliche Aussagen, insbesondere wissenschaftliche Aussagen, lief~en sich stets auf eine Reihe grundlegender, atomarer Aussagen reduzieren, die lediglich wahr oder falsch sein kSnnen. Die Grundlage idealer wissenschaftlicher Aussagen bilden in MacKays Verst~i~dnis Beobachtungen, die das Ergebnis definierter Experimente darstellen. Der a priori bzw. strukturelle Informationsgehalt ist die Anzahl atomarer grundlegender Aussagen, die benStigt werden, um eine Beobachtung beschreiben zu kSnnen. Die Einheit des strukturellen Informationsgehaltes bezeichnet MacKay als ,,Logon''77 und definiert sie als ,,that which enables us to .formulate one independent proposition, describing one independent feature of the result". 7s Als Beispiel fiir den Logon-Gehalt eines Experiments kann eine mikroskopische Beobachtung dienen. Das Mikroskop hat einerseits eine begrenzte Auf15sung, zum anderen kann bei der Beobachtung ffir jeden unterscheidbaren Bildpunkt nur eine begrenzte Anzahl von Helligkeits- oder Farbwerten unterschieden werden. Zusammengenommen 1/isst sich daraus eine Kette von elementaren Aussagen formulieren, die den Logon-Gehalt des Experiments angeben. Dem strukturellen Informationsgehalt stellt MacKay den metrischen Informationsgehalt gegeniiber. Dieser quantifiziert die empirische Evidenz, durch die eine Aussage gestiitzt wird und stellt somit ein a posteriori Mafb dar. Die Einheit der metrischen Information nennt MacKay ,,Metron". Jede elementare Aussage, also jedes Logon, kann unterschiedlich gut durch Beobachtungen gestiitzt sein und besitzt demnach einen unterschiedlichen Metron-Gehalt. Der Metron-Gehalt der Gesamtaussage w~ichst, je h/iufiger ein Experiment ausgeffihrt wird. 79 In einer geometrischen Formulierung des Konzepts kann der Informationsgehalt einer Aussage als Vektor in einem /-dimensionalen Raum interpretiert werden, wobei 1 den Logon-Gehalt der Aussage angibt. Der Informationsgehalt stellt nun den Vektor vom Ursprung des Raums zu dem Punkt dar, der durch den Metron-Gehalt der einzelnen Elementaraussagen bestimmt wird. Die L/inge des Vektors gibt den MetronGehalt der Gesamtaussage an. s~ 77MacKay iibernimmt diesen Ausdruck von Gabor, vgl. Gabor, 1946. 7SMacKay, 1950, S. 296, Hervorhebung im Original. 79Vgl. MacKay, 1950, S. 294. S~ MacKay, 1950, S. 298.
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2 Information als Wirtschaftsgut
2.3.2 MikroSkonomische Nachfragetheorie 2.3.2.1 Pr/iferenzen und Nutzenfunktionen Die mikroSkonomische Nachfragetheorie untersucht, wie Nachfrager ihr Einkommen auf die am Markt verfiigbaren Giiter verteilen. Giiter werden definitionsgem~ erworben, um Bediirfn_isse zu befriedigen. Welche Giiter die Bediirfnisse eines konkreten Individuums befriedigen, h/iagt von dessen Pr/iferenzen ab. Da diese einer direkten Beobachtung nicht zug~nglich sind, sl geht die mikroSkonomische Nachfragetheorie yon einigen sehr allgemeinen Annahmen fiber die Pr~ferenzordnung aus, die ftir alle Individuen gelten sollen. Wean insgesamt n Giiter existieren, dann steUt die Menge aller Giiterbiindel X eine Tei!menge des nicht-negativen Orthanten von R n dar, d.h. es gilt X C_ R~+. Formal ausgedriickt stellt die Pr/iferenzordnung eines Nachfragers eine Relation ,,wird vorgezogen gegeniiber" fiber der Menge X dar, fiir die im Folgenden das Symbol >- benutzt wird. Fiir die Relation >- wird Asymmetrie angenommen, d.h. fiir zwei Giiterbiindel -~, i ] E X gilt hie zugleich 2~ >- i ] mad i ] >- -~. Diese Annahrae bedeutet, dass Nachfrager sich in ihren Pr/iferenz/iugerungen konsequent verhalten, also hie zugleich das Biindel -~ dem Biindel ~i] vorziehen und umgekehrt. Damit wird jedoch nicht ausgeschlossen, dass sich ein Konsument auf keine der beiden MSglichkeiten festlegen kann. In diesem Fall wird iiblicherweise davon ausgegangen, dass die Giiterbiindel -~ und i ] gleichwertig sind, wofiir das Symbol ,,~ verwendet wird. s2 Augerdem wird angenommen, dass >- negativ traasitiv ist, d.h. wenn gilt -~ ~- i], dann gilt fiir jedes :Z* E X entweder -~ ~- ~ oder :2' ~- i ] oder SXAussagen fiber die Pr~ferenzen lassen sich bestenfalls indirekt aus den nachgefragten Gfitermengen ableiten. Im Rahmen der Theorie der offenbarten Pr~ferenzen wird zum einen untersucht, inwieweit empirisch beobachtete, nachgefragte Preis-MengenKombinationen mit einer Nutzenmaximierung bei stabilen Pr~ferenzen vereinbar sind, zum anderen werden Methoden erforscht, wie aus einzelnen Beobachtungen konsistente Nutzenfunktionen abgeleitet werden kfnnen. Einen Uberblick fiber die Entwicklungen auf diesem Gebiet gibt I/arian, 2005. Zu einer neueren Methode der e m p ~ e n Untersuchung yon Pr~ferenzen vgl. Bagnoli et al., 2004. S2Formal gilt also -~ ,,~ ~ r -~(-~ >- ~ ) A -~(i] >- -~). Streng genommen existiert aber auch die Mfglichkeit, dass zwei Gfiter als unvergleichbar betrachtet werden. Kreps stellt in Anlehnung an Fishburn dar, wie die PrMerenzrelation definiert werden kann, ohne diese Mfglichkeit auszuschliegen, vgl. Kreps, 1990, S. 22.
2.3 Zahlungsbereitschaft [fir Informationsgiiter
39
beides. 83 Demnach kann ein Konsument nicht nur gesonderte Paare von Giiterbiindeln bewerten, sondern ist auch zu einer konsequenten Reihung mehrerer Giiterbiindel in der Lage. Beide Annahmen werden in der Literatur einer ausfiihrlichen Kritik unterzogen. In der Hauptsache bezieht sich diese Kritik darauf, dass die Annahmen in bestimmten F~llen empirisch wiederlegt werden kSnnen. Auf die Kritik wird hier nicht weiter eingegangen, da im Rahmen der Fragestellung dieser Arbeit das empirische Verhalten menschlicher Entscheidungstr~iger eine untergeordnete Rolle spielt. Das Konzept der Pr'~ferenzordnung kann auf zwei Arten dargesteUt wetden, um es fiir die Untersuchung der Nachfrage des Individuums nach einzelnen Giitern zu nutzen. Die lndi~erenzkurvendarstellung fragt danac~, welche Giiterbiindel ein N a d ~ a g e r als gleichwertig betrachtet. Fiir eine Zwei-Giiter-Welt lassen sich die gleichwertigen Biindel in einem Koordinatensystem abtragen, dessen Achsen die Quantit~iten der beiden verfiigbaren Giiter angeben. Ein gleichwertiges Biindel bildet dann eine (im Standardfall konkave) Kurve in dem Koordinatensystem, die als Indifferenzkurve bezeichnet wird. Ffihrt man die zusiitzliche Annahme ein, dass Individuen grunds~tzlich grSgere Mengen von Giitern ldeineren vorziehen, s4 so liegen Indifferenzkurven, die einen hSheren Grad von Bediirfnisbefriedigung verschaffen, stets weiter augen im Koordinatensystem. Eine Indifferenzkurve gibt dariiber hinaus an, welche Menge des Gutes Xl ein Konsument freiwillig bereit ist, fiir eine bestimmte Menge des Gutes x2 aufzugeben. Das Verh~iltnis, in dem Xl gegen x2 eingetauscht wird, wird als Grenzrate der Substitution bezeichnet. In der Regel nimmt diese zu, je mehr der N achfrager bereits von dem Gut x lbesitzt. Die andere MSglichkeit, die Pr'Aferenzordnung eines Individuums darzu83H~ufig wird anstelle der strikten Pr~ferenz ~ zungchst die schwache Pr~ferenz eingefiihrt (vgl. z.B. Feess, 1997, S. 191), die den Fall der Indifferenz des Konsumenten zwischen zwei Gfiterbfmdeln einschliegt. Diese wird als transitiv angenommen, d.h. -~ ~_ 3] A i] ~ T ~ ~ ~ T . Davon ausgehend wird dann die strikte Pr~Lferenz als Negation der entgegengesetzten schwachen Pr~ferenz definiert, d.h. ~2~ >- if ~ --(~] ~_ 2i~). Hier wird der Darstellung yon Kreps gefolgt, der zungchst >- einfiihrt und davon ausgehend ~ Ms Abwesenheit einer strikten Pr~ferenz fiir das Gegenteil definiert, also ~ ~_ if ~ --(~ >- -~). Negative Transitivit~t yon >- ist dann ~luivalent zur Transitivit~t yon ~_. Die h~ufig zus~tzlich flit ~ getroffene Annahme der Vollst~ndigkeit ist durch die Asymmetrie yon >- bereits impliziert. Vgl. Kreps, 1990, S. 24. 84Diese Annahme wird auch als Nicht-S~ttigungsaxiom bezeichnet, vgl. Feess, 1997, S. 192.
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2 Information als Wirtschaftsgut
stellen, besteht in der Formulierung einer Nutzenfunktion u : X --, R, die jedem Giiterbfindel aus X einen reellen Zahlenwert zuordnet. Gelegentlich wird auch der Ausdruck N u t z e n i n d e x f u n k t i o n verwendet, dem die Vorstellung zugrundeliegt, dass jeder der (unendlich vielen) Pr/iferenzkurven eines Individuums ein Index zugeordnet wird, der um so hSher ist, je weiter aufoen im Koordinatensystem die Kurve liegt. In der heute iiblichen Interpretation handelt es sich bei dem Nutzen somit um eine ordinale Gr5tge: s5 gr5fgere Nutzenwerte bezeichnen stets ein h5heres Matg an Bedfirfnisbefriedigung als niedrigere, aber der Abstand zwischen den Nutzenwerten ist nicht interpretierbar, da die PrMerenzkurven ebenso gut mit beliebigen anderen aufsteigenden Indizes versehen werden kSnnten. Nutzen kann somit nicht kardinal gemessen werden, d.h., ein doppelter Nutzenwert bedeutet nicht, dass der Nachfrager doppelt so zufrieden ist. Auch ein Vergleich von Nutzenwerten zwischen verschiedenen Personen ist nach dieser Vorstellung nicht m6glich. Formal 1/isst sich zeigen, dass die oben angefiihrten Annahmen eine ordinale Nutzenfunktion bestimmen, allerdings nut bis zu einer monoton steigenden (ordnungserhaltenden) Transformation, d.h., wenn u(-~) fiir eine Nutzenfunktion steht, die eine bestimmte PrMerenzordnung abbildet, dann bildet z.B. auch v(-~) -- u(Eff)3 dieselbe Pr~ferenzordnung at). s60ffensichtlich bleiben bei einer solchen Transformation die Verh/iltnisse zwischen den Nutzenwerten nicht erhalten. Hinsichtlich der Gestalt einer Nutzenfunktion sind nur wenige allgemeine A ussagen m6glich. In der Regel wird angenommen, dass Konsumenten grStgere Mengen desselben Gutes kleineren Mengen vorziehen. Der Grenznutzen jedes Gutes xi ist demnach positiv, und fiir die partiellen Ableitungen der Nutzenfunktion nach x~ gilt ou > 0 ffir i = 1, ..., n. Auigerdem wird oft die Gfiltigkeit des ersten Gossenschen Gesetzes 87 angenommen, das besagt, dass der Grenznutzen einer zus~itzlichen Menge desselben Gutes abnimmt, je mehr yon diesem Gut bereits konsumiert wurde. Somit gilt ffir die zweiten 85Frfihere Vertreter der Nutzentheorie hingen einer kardinalen Theorie an, d.h. sie hielten es im Prinzip fiir mSglich, den Nutzen einer Person zu messen. Vgl. Fehl und Oberender, 2002, S. 307f. S6Vgl. Giith, 1992, S. 10. STVgl. Fehl und Oberender, 2002, S. 307. Urspriinglich wurde das erste Gossensche Gesetz im Zusammenhang einer kardinalen Nutzentheorie formuliert. Streng genommen ist die Bildung von Ableitungen einer nicht kardinalen Nutzenfunktion nicht mSglich, da der Differenzenquotient, der ja auf Verh~iltnisse von Funktionswerten abstellt, keine sinnvolle Definition besitzt.
2.3 Zahlungsbereitschaft fiir Informationsgfiter
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partiellen Ableitungen ~r57<~ 0.ss 2.3.2.2 Von-Neumann-Morgenstern-Nutzenfunktion Die beiden bisher gezeigten MSglichkeiten zur Abbildung einer Pr~iferenzordnung gehen davon aus, dass zum Zeitpunkt der Konsumentscheidung Sicherheit darfiber besteht, welche Gfiterbiindel erworben werden kSnnen. Um auch Situationen behandeln zu kSnnen, in denen das zu konsumierende Gfiterbfindel unter Unsicherheit zusammengestellt werden muss, ist eine Erweiterung der Annahmen der Nutzentheorie notwendig. Die Von-NeumannMorgenstern-Nutzentheorie (VNMN) ist die heute am weitesten verbreitete Form einer solchen Erweiterung. Bei der VNMN wird die erste der oben getroffenen Annahmen, n~imlich dass ein Akteur in der Lage ist, fiir beliebige Paare von Giiterbiindeln anzugeben, welches er vorzieht bzw. ob er beide gleich bewertet, in einem entscheidenden Sinne erweitert. In der VNMN wird vorausgesetzt, dass nicht nur Giiterbiindel verglichen werden kSnnen, deren Erhalt sicher ist, sondern auch ,,Lotterien", also Situationen, in denen verschiedene Giiterbfindel mit gegebenen Wahrscheinlichkeiten gewonnen werden kSnnen. 89 Formal stellt eine Lotterie w eine Wahrscheinlichkeitsfunktion auf einer Untermenge von X dar, die als Tr~iger von w, geschrieben als supp(w), bezeichnet wird. Fiir jedes -ii? E supp(w) existiert dann eine Zahl w(-~), so dass insgesamt gilt ~--~~Esupp(w) W ( " ~ ) - - 1. W(X) sei die Menge aller Lotterien fiber den Giiterbiindeln in X. Mit Hilfe zweier zus~itzlicher Annahmen 9~ l~isst sich zeigen, dass der Nutzen einer Lotterie dem Erwartungsnutzen entspricht, d.h. dem ErwartungsSSVgl. z.B. Gabisch, 1995, S. 8. S9Diese Annahme ist ffir Lotterien noch umstrittener als fiir den Fall sicherer Giiterbiindel. Hier sei nur auf die sog. Framing-Anomalie hingewiesen, bei der es von der Formulierung einer im Kern identischen Entscheidungssituation abh~ingt, wie sich die Mehrzahl der Individuen entscheidet, vgl. Kahneman und Tversky, 1979. 9~ Kreps, 1990, S. 75: 1. Beim Vergleich zweier Lotterien, in denen einer der Gewinne gleich ist, gibt der ungleiche Gewinn den Ausschlag fiir die Bewertung, unabh~ingig von den Gewinnchancen. 2. Gilt w ~- w ~ ~- w" fiir drei Lotterien w, w ~, w" E W, so existieren immer zwei Werte c~,~ aus dem offenen Intervall (0, 1), so dass gilt a w + (1 - a ) w " ~- w I )-~w -+- ( i -
~)w".
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2 Information Ms Wirtschaftsgut
wert, der sich aus den gegebenen Wahrscheinlichkeiten unter Berficksichtigung der Nutzenwerte der sicheren Ereignisse ergibt. Dabei handelt es sich um die zentrale Aussage der VNMN, ffir die oft auch der Begriff Erwartungsnutzenhypothese verwendet wird. 91 Es existiert dann also eine NutzenfunktionU 9W ~ R, ffir die gilt 92 =
(2.2)
"~Esupp(w) Ffir eine Lotterie w, bei der mit einer Wahrscheinlichkeit von 0.5 das Gfiterbfindel -~ E X ausgezahlt wird und mit der gleichen Wahrscheinlichkeit das Gfiterbiindel ~ E X gilt dann U(w) = 0.5u(-~) + 0.5u(~). Die Erwartungsnutzenfunktion U gilt auch ffir sichere Gfiterbfindel in X, dies entspricht einfach dem Fall einer Lotterie w mit w(-~ t) = 1 und w(2ff) = 0 fiir alle 2ff E X mit 2ff ~ -~t. Vereinfachend wird ffir diesen Fall kfinftig auch U (-~) mit -~ E X geschrieben. Es gilt dann U ( ~ ) - u ( ~ ) . Ein weiteres wichtiges Ergebnis der VNMN besteht darin, dass die Erwartungsnutzenfunktion erheblich enger definiert ist als die Nutzenindexfunktionen fiber sichere Gfiterbfindel, d.h. es existieren weniger Funktionen, die dieselbe Pr~iferenzordnung abbilden. Formal drfickt sich dies darin aus, dass die Erwartungsnutzenfunktion bis auf eine linear-affine Transformation definiert ist: Wenn gilt V ( w ) = a + bU(w) ffir a, b E R und b > 0, so bildet V dieselbe PrMerenzordnung ab wie U. Bei dieser Art von Transformation bleiben jedoch die Verh~iltnisse zwischen Nutzenwerten erhalten. Dadurch erh~lt die Erwartungsnutzenfunktion einen quasi-kardinalen Charakter, was zumindest formal die Schwierigkeit ausr~iumt, dass ordinale Nutzenfunktionen nicht differenzierbar sind. Ein intersubjektiver Vergleich der Nutzenwerte ist jedoch weiterhin nicht mSglich. 93 Schlief~lich erlaubt die VNMN auch Aussagen darfiber, welchen Einfluss die mit einer Lotterie eingegangenen Risiken auf den Nutzen eines Akteurs haben. Dazu wird der Erwartungsnutzen einer Lotterie mit dem Nutzen ver-
91Vgl. Holler und Illing, 2000, S. 37. 92Einen ersten Beweis liefern bereits yon Neumann und Morgenstern, 1953. Ein Beispiel ffir einen sehr ausffihrlich dokumentierten modernen Beweis finder sich in Giith, 1992, S. 26ff. 93Uber die Tragfiihigkeit der Annahme der Kardinalit~it ffir die Erwartungsnutzenfunktion besteht in der Literatur weiterhin Uneinigkeit, einen 0berblick fiber einige der Argumente gibt Weymark, 2005.
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2.3 Zahlungsbereitschaft f//r Informationsgiiter u,U
U(w)
Xw,1
Xd E w)
x~,2
Abbildung 2.3: Erwartungsnutzen eines risikoaversen Akteurs (Modifiziert nach Holler und Illing, 2000, S. 39) glichen, den der sichere Erhalt des Erwartungswertes der Lotterie bringen wfirde. Damit ein solcher Vergleich mSglich ist, muss es natiirlich mSglich sein, einen sinnvollen Erwartungswert fiir die Lotterie zu bilden, was oftensichtlich dann der Fall ist, wenn die Lotterie sich ausschliet~lich auf zwei verschiedene Quantit~ten desselben Gutes, z.B. Geld, bezieht. Das Prinzip soll an einer einfachen Lotterie w erl~iutert werden, in der mit der Wahrscheinlichkeit w(xw,1) - 1 der Geldbetrag Xw,1 gewonnen wird und mit der Wahrscheinlichkeit w(xw,2) = ~1 der Betrag x~,2. Der Erwartungswert der Lotterie ist E(w) = ~Xw,1 1 1 + ~x~,2, der Erwartungsnutzen der Lotterie betr~igt U(w) = 89 + ~lu(xw,2), wobei u eine Nutzenfunktion des Akteurs ffir sichere Geldbetr~ige darstellt. Abbildung 2.3 zeigt die Situation, wobei die horizontale Achse Geldbetdige repr~entiert und die vertikale Nutzen- bzw. Erwartungsnutzenwerte. Die durchgezogene konkave Kurve bildet die Nutzenfunktion u ab. Die gestrichelte Linie zwischen den Nutzenwerten der beiden mSglichen Gewinne gibt die Erwartungsnutzenfunktion U(w) wieder, die bezogen auf die Wahrscheinlichkeiten w(x~,2) = 1 - W(Xw,1) linear verl~iuft. Der Schnittpunkt dieser Linie mit der gepunkteten Linie fiber dem Erwartungswert E(w) gibt den Erwartungsnutzen U(w) an, wo die Verl~ingerung der gepunkte-
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2 Information als Wirtschaftsgut
ten Linie auf die Nutzenfunktion u trifft, ergibt sich der Nutzen des Erwartungswertes u(E(w)). Es zeigt sich, dass der Akteur den sicheren Erhalt des Erwartungswertes der Lotterie vorzieht, denn es gilt u(E(w)) > U(w). Ein Akteur, ffir den dies zutrifft, wird risikoavers genannt. Die Risikoaversion resultiert aus dem konkaven Verlauf von u: wfirde u linear verlaufen, dann ki4me die gestrichelte Linie genau auf u zu liegen und es wfirde gelten u(E(w)) = U(w), der Akteur w~ire risikoneutral; verliefe u konvex, dann wfirde gelten u(E(w)) < U(w) und es wfirde sich um einen risikofreudigen Akteur handeln. Die Abbildung zeigt weiterhin, dass der Akteur einen sicher erhaltenen Betrag Xd gleich hoch bewerten wiirde wie die Lotterie w. Anders ausgedriickt w~ire er bereit eine Risikopr~imie in HShe von E(w) - Xd zu zahlen, um anstelle der Lotterie ein sicheres Einkommen zu erhalten. Ein risikoneutraler Akteur wfirde keine Pr~znie leisten, ein risikofreudiger Akteur wfirde die Lotterie nur aufgeben, wenn er eine entsprechende Zahlung erhielte.
2.3.2.3 Ableitung der Nachfrage aus den Pr~ferenzen Um aus der Indifferenzkurvendarstellung Aussagen fiber die Nachfrage abzuleiten, tr~igt man im gleichen Koordinatensystem die sog. Budgetgerade des Konsumenten ab, also die Menge der Gfiterkombinationen, die er mit seinem Einkommen Y gerade erwerben kann. Diese ist durch die Gleichung Y - plXl + p2x2 definiert, wobei xl und x2 die Mengen und pl und p2 die Preise der beiden Gfiter bezeichnen. Der Berfihrungspunkt der hSchsten gerade noch erreichten Indifferenzkurve mit der Budgetgeraden gibt dann die optimale (mengenm~if~ige) Gfiterkombinationen ffir den Nachfrager an. In dieser Darstellung lassen sich sowohl die Auswirkungen einer Anderung der relativen Preise der Gfiter als auch einer .ii.nderung des Einkommens auf die Nachfrage nach den beiden Giitern untersuchen. Auf eine genauere Darstellung der Indifferenzkurvenanalyse wird hier verzichtet. 94 Ein theoretischer Vorteil der Indifferenzkurvendarstellung liegt darin, dass keine unzul~sigen Ableitungen einer Nutzenfunktion benStigt werden, um zu Ergebnissen fiber die Nachfrage des Individuums zu gelangen. Ein Problem der Indifferenzkurvendarstellung liegt darin, dass die fibliche grafische Darstellung nur fiir 94Fiir eine ausfiihrliche Darstellung der Indifferenzkurvenanalysevgl. z.B. Fehl und Oberender, 2002, S. 318ff. sowie Moritz, 1993, S. 13ft.
2.3 Zahlungsbereitschaft f//r Informationsgiiter
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zwei, hSchstens drei Giiter mSglich ist. 95 Sind die Preise der n Giiter als Preisvektor -~ im positiven Orthanten von R n, also mit -~ E R~_, gegeben, besteht das Problem des Haushalts darin, bei gegebenem Einkommen Y und gegebenen Preisen ~ ein Gfiterbfindel -~ E X zu wfihlen, das u ( ~ ) maximiert, bzw. eine Lotterie w E W zu w ~ len, die U(w) maximiert. Eine Maximierung mittels der iiblichen Methoden der Differentialrechnung ist im ersten Fall streng genommen nicht zul~issig, da die Differentialrechnung auf die Abst~inde zwischen den Nutzenwerten abstellt, also auf die Differenzierbarkeit einer Funktion, die gem~if~ der ordinalen Interpretation der Nutzenfunktion gerade nicht gegeben ist. 96 Teilweise wird dieses Problem dadurch umgangen, dass die Differenzierbarkeit der Nutzenfunktion einfach angenommen wird. Eine andere, etwas weniger willkiirliche M6glichkeit ergibt sich durch die Verwendung der VNMN.
2.3.3 Theorie der Haushaltsproduktion In der eben dargestellten klassischen mikroSkonomischen Haushaltstheorie wird angenommen, dass alle Giiter des Biindels, das ein Konsument am Markt erwirbt, unmittelbar der Bediirfnisbefriedigung dienen und somit Nutzen stiften. Viele Giiter, die Haushalte erwerben, bedfirfen allerdings eines weiteren Verarbeitungsprozesses, bevor sie konsumiert werden kSnnen: Zuerst mag man hier an eine ganze Reihe von Nahrungsmitteln denken, die in nicht unmittelbar konsumfertiger Form angeboten werden, z.B. Mehl, Hefe, rohes Fleisch oder viele Sorten von Gemiise. Ihre Verarbeitung in konsumreife Produkte setzt mindestens Zeit voraus, dariiber hinaus aber in der Regel auch bestimmte Kenntnisse und Fertigkeiten. Ausgehend von dieser 0berlegung entwickelt Becket eine Theorie der Haushaltsproduktion, in der der Einfluss der haushaltsinternen Produktionsprozesse auf die Nachfrage nach Marktgiitern untersucht wird. Die ursprfingliche Intention der Theorie besteht darin, vermeintlich sprunghaftes Nachfrageverhalten, dass im Rahmen der Standardnachfragetheorie nur als .~nderung in der PrMerenzordnung der Nachfrager gedeutet werden kann, auf .ii.nderungen 95Gelegentlich wird in der Literatur auch eine Welt mit beliebig vielen Giitern in einem Zwei-Giiter-Modell abgebildet, indem eines der beiden betrachteten Giiter als repr~isentatives Einzelgut interpretiert wird, w~ihrend das andere als Zusammenfassung aller iibrigen Gfiter aufgefasst wird. 96Vgl. Moritz, 1993, S. 31.
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in den relativen Preisen der in die Haushaltsproduktion eingehenden Faktoren zuriickzufiihren. 97 Im Haushaltsproduktionsansatz wird zwischen so genannten Marktgiitern (goods) Xi, i E {1,...,n}, die am Markt erh/iltlich sind, und konsumreifen Giitern (commodities) Z j , j E {1, ..., m } 98 unterschieden, die aus der Kombination von Marktgfitern und Zeit t sowie F/ihigkeiten, Ausbildung und anderen Aspekten des Humankapitals S entstehen. Der interne Produktionsprozess des Haushalts ist durch eine Produktionsfunktion fi je konsumreifes Gut beschrieben. Die Prgerenzordnung ist fiber den konsumreifen Giitern definiert. Die Einkommensrestriktion der iiblichen Nachfragetheorie wird durch eine Ressourcenrestriktion ersetzt, in die auch die gesamte dem Haushalt zur Verfiigung stehende Zeit eingeht. Um die Ressourcenrestriktion als monet/ire GrSf~e ausdrficken zu kSnnen, wird das so genannte ,,volle Einkommen" eines Haushalts bestimmt. Es bezeichnet das Einkommen, das der Haushalt erreichen kSnnte, wenn er sich nicht als Nutzenmaximierer, sondern als Einkommensmaximierer verhalten wfirde, also seine gesamte Zeitverwendung an der Maximierung des Einkommens ausrichten wiirde. 99 Durch den Riickgriff auf das ,,voile Einkommen" kSnnen die monet/iren Opportunit/itskosten der Zeitverwendung fiir konsumptive Zwecke bzw. fiir die Haushaltsproduktion als marginaler entgangener Verdienst gegeniiber der Situation der Einkommensmaximierung bestimmt werden. Damit wird es m6glich, ,~qchattenpreise" 7ri fiir die konsumreifen Gfiter anzugeben, die dann bei der Bestimmung des optimalen Biindels konsumreifer Gfiter herangezogen werden kSnnen: Die Grenznutzen der konsumreifen Giiter mfissen deren Schattenpreisen entsprechen , d.h. , ov~ oz, = 7ri. Der Haushaltsproduk9tionsansatz nimmt also nicht nur Riicksicht auf die haushaltsinternen Produktionsprozesse, sondern endogenisiert gleichzeitig die Entscheidung des Nachfragers fiber die Aufteilung seiner Zeit zwischen dem Erwerb monet/iren Einkommens und anderen Zeitverwendungen. Fiir die Bewertung von Informationsgiitern ist der Haushaltsprodukti97Nur wenn relative Stabilit~it der Pr~iferenzen fiber die Zeit hinweg unterstellt wird, ist eine empirische Priifung des nutzenmaximierenden Verhaltens durch die Nachfrager m6glich, denn anderenfalls kann nie unterschieden werden, ob Preis/inderungen oder eine Ver~tnderung der Pr/iferenzen eine beobachtete Ver~tnderung des Verhaltens bewirken, vgl. Stigler und Becket, 1977, S. 76f. 98In manchen Darstellungen wird ffir direkt zum Konsum geeignete Gtiter der Ausdruck ,,finale Giiter" verwendet, vgl. z.B. Moritz, 1993, S. 39. 99Vgl. Becket, 1965, S. 497.
2.3 Zahlungsbereitschaft ffir Informationsgiiter
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onsansatz deshalb von Bedeutung, weil er die Kenntnisse und Ffihigkeiten beriicksichtigt, die benStigt werden, um Marktgiiter konsumieren zu kSnnen. Dieser Aspekt spielt bei Informationsgiitern eine groge Rolle. Stigler und Becket diskutieren dies am Beispiel ,,guter" Musik: Je mehr Musik eines bestimmten Typs ein Konsument in der Vergangenheit genossen hat, desto grSger wird sein Konsum in der Gegenwart sein. Zur Erkl~irung dieses Ph/inomens, das die Autoren auch als ,,zutr~igliche" Sucht (,,'beneficial' addiction ''1~176bezeichnen, wird die These aufgestellt, dass der Konsument ein Gut ,Musikwahrnehmung" (,4nusic appreciation"), bezeichnet mit dem Symbol M, selbst aus Zeit tm, die er der Musik widmet, sowie seiner F/ihigkeit zur Musikwahrnehmung Sm herstellt, die ein Teil seines Humankapitals ist. Die Produktionsfunktion ffir Musikwahrnehmung lautet also Mm (tm, Sin), wobei angenommen wird, dass sowohl OMmotm> 0 als auch OM~os~> 0 gilt. Weiterhin wird angenommen, dass die F/ihigkeit zur Musikwahrnehmung in Periode k, Sink, durch friihere Musikwahrnehmung erh6ht wird. Die Produktionsfunktion lautet Sink = h(Mk-l,Mk-2,...,Ek), wobei Ek den Einfluss von Erziehung und anderen Bestandteilen des Humankapitals auf die F~ihigkeit zum Musikgenuss bezeichnet. Der in jeder Periode produzierte OSm~ ~ ..., Musikgenuss tr~igt zu Smk bei, es gilt also OUk_~ > 0 ffir u E {1 k - 1}. Ceteris paribus, insbesondere bei gleichbleibender Pr~iferenz ffir das konsumfertige Gut M, wird fiber die Zeit hinweg tin, der Einsatz von Zeit in der Produktion von M, lohnender, da die marginale Produktivit/it des Zeiteinsatzes aufgrund des Anstiegs von Sm steigt. 1~ Dies ffihrt auch zu einer Verringerung yon 7rm, des Schattenpreises von M. Ob hieraus tats~ichlich eine Steigerung von tm in sp~iteren Perioden resultiert, h~ingt einerseits yon der Elastizit~it der Nachfrage nach M ab, andererseits vom Alter des Konsumenten. Wenn die Elastizit~it der Nachfrage nach M gering ist, wird die Verringerung von 7rm keinen grogen Einfluss auf die konsumierte Menge von M haben. Dies kann sogar zu einem Rfickgang von tm in sp/iteren Perioden ffihren. Umgekehrt begiinstigt eine groge Elastizit/it der Nachfrage nach M eine Steigerung von tm im Zeitablauf. Der Effekt des Alters auf die Zeitverwendung h/ingt damit zusammen, dass die ebenfalls mit trek verbundene Investition in Sink+,, also die F~higkeit zur Musikwahrnehmung in der Folgeperiode, weniger wichtig wird. Je geringer das investive Element in tin,
l~176
und
lOiVgl. Stigler
Becket, 1977, S. 78. und Becker, 1977, S.
79.
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2 Information als Wirtschaftsgut
desto hSher f'eillt 7rrn aus, da ein immer geringerer Anteil der Opportunit~itskosten der Zeit durch den zukiinftigen Minderaufwand an Zeit aufgewogen wird. 2.3.4 Kguferverhalten aus der Perspektive des Marketing Die neoklassische Haushaltstheorie setzt, ebenso wie die darauf aufbauende Theorie der Haushaltsproduktion, vollkommen rational entscheidende Konsumenten voraus, die ihren Nutzen, bezogen auf eine feststehende Prgferenzstruktur, optimieren. Psychische und soziale Faktoren zur Erkl~rung des Verhaltens der Nachfrager werden dabei vollst/indig ausgeklammert. Einen anderen Weg geht die empirische Forschung zum Konsumentenverhalten, deren Wurzeln in der empirischen Psychologie und in der Soziologie liegen, die aber heute zumeist, insbesondere wenn sie sich mit dem Verhalten einzelner Individuen besch~tigt, im Rahmen der Marketingforschung in einem betriebswirtschaftlichen Umfeld betrieben wird. Ziel der Forschung zum Kgufer- bzw. Konsumentenverhalten ist zum einen die empirische Ergrfindung der psychischen und sozialen Faktoren, die Personen zum Kauf bestimmter Konsumgiiter veranlassen, zum anderen die Ausarbeitung yon Techniken, wie das Verhalten der Nachfrager mit Hilfe yon Kommunikationspolitik bzw. Werbung und anderen dem Unternehmen zur Verfiigung stehenden Magnahmen beeinflusst werden kann. 102 Weiterhin ist auch eine rationale Verbraucherpolitik auf eine mSglichst praise Kenntnis des tats~ichlichen Konsumentenverhaltens angewiesen. 1~ Fiir die empirische Forschung zum Konsumentenverhalten besteht die Schwierigkeit, dass nicht alle Faktoren, die das Handeln der Individuen beeinflussen, unmittelbar beobachtbar sind. Insbesondere die Vorg~inge, die sich innerhalb der sog. Black Box des Organismus abspielen, kSnnen nicht direkt erfasst werden, w~ilarend ~iut~ere Einflussfaktoren (sog. Stimuli) wie demographische und sozialSkonomische Merkmale, das soziale und 5konomische Umfeld ebenso wie die Reaktionen des Individuums, also der Kauf bestimmter Giiter zu bestimmten Zeitpunkten an bestimmten Orten, der Beobachtung zug~inglich sind. TM Dieser Problematik wird auf zweierlei Weise Rechnung getragen. Zum einen werden sog. Strukturmodelle aufgestellt, l~ l~ l~
Trommsdorf, 2003, S. 1. Kroeber-Riel und Weinberg, 2003, S. 685ff. Bdnsch, 2002, S. 4f.
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die versuchen, die Vorg~iage im Inneren der Black Box nachzuvollziehen, indem hypothetische Konstrukte zu deren Strukturierung eingefiihrt werden. Zum anderen werden stochastische Modelle genutzt, in denen ein Zusammenhang zwischen Stimuli und Reaktionen lediglich fiber Wahrscheinlichkeiten hergestellt wird, ohne Hypothesen fiber die innere Funktionsweise des Organismus heranzuziehen. Strukturmodelle kSnnen einerseits als sog. TotaJmodelle versuchen, s~izntliche denkbaren Stimuli in allen mSglichen Entscheidungssituationen mit allen mSglichen Reaktionen zu verkniipfen und somit in jeder Situation brauchbare Erkl~irungen bzw. Vorhersagen zu liefern. Aufgrund der gro~en Komplexit~it, die sich aus der Vielzahl der Einflussfaktoren und HandlungsmSglichkeiten ergibt, sind solche Modelle jedoch kaum hinreichender empirischer Priifung zug~inglich. Daher ist auf absehbare Zeit die Arbeit mit Partialmodellen notwendig, die jeweils nur Einflfisse bestimmter Stimuli auf bestimmte theoretische Konstrukte bzw. bestimmter Konstrukte auf bestimmte Reaktionen untersuchen, io5 Die zur Erkl/irung des Konsumentenverhaltens verwendeten Konstrukte lassen sich in zwei Gruppen einteilen. Einerseits werden die kognitiven Prozesse der Informationsaufnahme und-verarbeitung betrachtet, andererseits werden weitere Eigenschaften des Individuums betrachtet, die teilweise als aktivierende Prozesse, i~ teilweise als Zust~inde 1~ bezeichnet werden. Dabei handelt es sich, in der Reihenfolge aufsteigender Komplexit~it, um Involvement bzw. Aktivierung, Gefiihle, Motive, Einstellungen, Werte und Lebensstile. Aktivierung stellt eine grundlegende Voraussetzung fiir jede Reaktion, aber auch jeden bewussten oder unbewussten kognitiven Prozess dar, wobei Involvement fiir eine Art der Aktivierung steht, die insbesondere die Bereitschaft fiir kognitive Prozesse schafft. Aus Sicht des Marketing muss daher zun~ichst ein Involvement des Konsumenten bestehen oder erreicht werden, bevor irgendeine Mafgnahme einer Unternehmung einen Effekt hervorrufen kann.
Gefiihle sind Zust~inde innerer Erregung, die sich hinsichtlich ihrer Intensit~it, ihrer Richtung (positiv oder negativ) und ihrer Art unterscheiden i05Vgl. Trommsdorf, 2003, S. 29f. i~ Kroeber-Riel und Weinberg, 2003 i~ Trommsdorf, 2003, S. 34ff.
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k6nnen. Ihnen wird einerseits ein grot~er Einfluss auf das empirisch beobachtbare Entscheidungsverhalten zugeschrieben, andererseits sind sie durchaus in Grenzen von aut~en beeinflussbar. Motive kSnnen zum einen gefiihlsgesteuerte Affekte sein, zum anderen kann es sich um rational definierte Ziele handeln. In jedem Fall werden sie als unmittelbar das Verhalten beeinflussende Zust~inde betrachtet. Langfristiger als die Motive wirken Einstellungen, die generelle situationsbedingte Beurteilungen bestimmten Verhaltens zwischen Ablehnung und Zustimmung verkSrpern. Sie gelten als prinzipiell im Rahmen der Kommunikationspolitik durch das Marketing ver~derbar. Bei Werten handelt es sich um Biindel von miteinander verflochtenen und sich gegenseitit stabilisierenden Einstellungen, die eine hohe normative Verbindlichkeit fiir das Individuum aufweisen und daher kaum durch Marketing-Mat~nahmen zu vedindern sind. Die vorgenannten psychischen, aber auch physische und soziale Faktoren werden zum Konstrukt des Lebensstils zusammengefasst. Ffir die Fragestellung dieser Arbeit sind die Ergebnisse der Konsumentenverhaltensforschung von begrenzter Bedeutung. Eine Modellierung des Entscheidungsverhaltens der in dieser Arbeit betrachteten Softwareagenten, die dem Konsumenten ja die unmittelbare Kaufentscheidung abnehmen sollen, nach dem realen Verhalten von Konsumenten erscheint kaum wiinschenswert; fiir die Akzeptanz der Agenten durch Konsumenten scheint im Gegenteil eher ein mSglichst einfach kognitiv nachvollziehbares Verhalten notwendig zu sein. MSgliche Beitdige kSnnte die Theorie des Konsumverhaltens evtl. zu der Frage leisten, auf welche Weise eine mSglichst gute Abbildung der Prgerenzen des Nutzers fiir eine jeweils in Frage stehende Kategorie von Informationsgiitern in den Bewertungsmechanismen des Softwareagenten erreicht werden kann. Die Mehrzahl der Arbeiten in diesem Feld besch~iftigt sich allerdings mit klassischen physischen Konsumgiitern. Zu konsumptiv genutzten Informationsgfitern liegen lediglich einzelne Studien vor. 10s
l~
z.B. das (Skonometrische Modell des Auswahlprozesses fiir Erfahrungsgiiter in Neelamegham und Jain, 1999, S. 374f.
2.3 Zahlungsbereitschaft f//r Informationsgiiter
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2.3.5 Normative Bestimmung des Informationswertes in Entscheidungssituationen Wenn Information zur Vorbereitung von Entscheidungen dient, so 1/isst sich ihr Wert im Prinzip in eine einfache Formel fassen: Es ist die Differenz zwischen dem Nutzen aus der Alternative, die ohne die Information gew/ihlt worden w/ire, und dem Nutzen der Alternative, die aufgrund der Information gew/ihlt wurde. Um diesen Z u s a m m e n h a n g genauer zu erSrtern, soil zun/ichst ein einfaches Standardmodell einer Entscheidungssituation formuliert werden. Es wird angenommen, dass sich der relevante Realit/itsausschnitt zum Zeitpunkt der Entscheidung in einem Zustand x E X befindet, wobei X die Menge aller m6glichen Zust/inde bezeichnet, x* sei der Zustand, in dem sich die Welt tats/ichlich befindet. Der Entscheider kennt x* nicht mit Sicherheit. S t a t t dessen ordnet er jedem x eine subjektive Wahrscheinlichkeit
p(x) = P ( x =_ x*) zu, mit der er annimmt, dass x der tats/ichliche Zustand ist. 1~ Es gilt ~-:~xp(x) = 1. A ist die Menge mSglicher Handlungen, zwischen denen sich ein Akteur entscheiden kann. Das Ergebnis einer Handlung a E A h/ingt vom Zustand x ab, in dem sich die Welt zum Zeitpunkt der Ausf/ihrung der Handlung befindet. Eine Ergebnisfunktion w : X x A ~ Z ordnet jeder Kombination von Zustand und Handlung ein Ergebnis z zu. 11~ Die Nutzenfunktion u " Z ~ R ~ ordnet schliefglich jedem Ergebnis z E Z einen Nutzen u(z) zu. Ein vollkommen rationaler, nutzenmaximierender Akteur wird die Handlung ausw/ihlen, die den Erwartungswert des Nutzens maximiert, also el : ma~xA ~-~x p(x)u(w(x,a)). l~
subjektive Wahrscheinlichkeiten werden Erwartungen von Akteuren bezeichnet, die nicht durch eine H~iufigkeitsinterpretation gerechtfertigt werden k6nnen. Einen h/iufig zitierten Ansatz, diese Verwendung des Konzepts der Wahrscheinlichkeit zu rechtfertigen, formuliert Savage, 1954. Die weit verbreitete und auch im Folgenden in dieser Arbeit angewandte Praxis, Methoden bzw. Theoreme der Wahrscheinlichkeitstheorie auf subjektive Wahrscheinlichkeiten anzuwenden, ist jedoch nicht unumstritten, vgl. z.B. MacKay, 2003, S. 26. 11~ Funktion w wird hier als bekannt vorausgesetzt. Damit scheint zun/ichst der in der Realit~it durchaus denkbare Fall ausgeschlossen, dass Unsicherheit fiber die Folgen einer Handlung besteht, obgleich der Zustand der Welt vor der Handlung bekannt ist. Uber einen Umweg l~st sich dieser Fall jedoch auch in dem hier diskutierten Modell abbilden: Die Unsicherheit fiber Handlungsfolgen kann als Unsicherheit darfiber interpretiert werden, welche Theorie aus einer Reihe verschiedener Theorien, die jeweils unterschiedliche Handlungsfolgen vorhersagen, tats/ichlich ,,wahr" ist. Die ,,wahre" Theorie stellt jedoch einen Aspekt des Ausgangszustands dar, dessen Ungewissheit ja im Modell enthalten ist.
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Wird nun aufgrund einer Information ~, die die Ungewissheit des Entscheiders hinsichtlich des Zustands x* verringert, eine Handlung a2 anstelle der Handlung a l ausgeffihrt, so entspricht der Wert von ~9 der Differenz u(w(x, a 2 ) ) - u(w(x, ai)). Dieser Wert kann jedoch erst ex post ermittelt werden, wenn die Information y bereits bekannt ist. In der Regel ist ~) aber in dem Augenblick noch nicht bekannt, wenn ermittelt werden muss, bis zu welchem Preis die Beschaffung zus/itzlicher Informationen im Hinblick auf die ursprfingliche Entscheidung lohnend ist, d.h. welche Zahlungsbereitschaft ffir das Informationsgut ~) besteht. Der Anbieter der Information w/ire schlecht beraten, dem Entscheider ~ bereits vor dem Kauf zug/inglich zu machen, denn dieser kSnnte dann bereits die neue optimale Handlung a2 wfiahlen und h/itte anschlief~end kein Interesse mehr, ~9auch zu bezahlen. Da der Entscheider ~ also in der Regei nicht im Detail kennt, benStigt er eine andere Grundlage, um seine Zahlungsbereitschaft zu ermitteln. Eine solche Grundlage stellt die Kenntnis der Informationsstruktur i l l l dar, aus der ~ stammt. I verknfipft die Menge der Zust~de X mit einer Menge mSglicher Informationen Y. Es wird angenommen, dass die bedingten Wahrscheinlichkeiten p(x lY ) = P(x - x* A y -- ft) bekannt sind, also die Wahrscheinlichkeiten, dass x der tats/ichliche Zustand der Welt ist, wenn die Informationsstruktur die Information ~ liefert. Um den Wert von I bestimmen zu kSnnen, mfissen auf~erdem die ex ante Wahrscheinlichkeiten p(y) ffir das auftreten jeder Information y bekannt sein. Nun gilt ffir den Wert der Informationsstruktur 1112
U(I) = Z yEY
max ~ aEA
xEX
u(w(x, a))p(s lY)P(Y) - max ~ aEA
u(w(x, a))p(x).
xEX
Es handelt sich hier also um den Erwartungswert fiber alle mSglichen Informationen des oben dargestellten Erwartungswertes bei bekannter Information. Vier wesentliche Faktoren beeinflussen den Wert einer Informationsstruktur: 111Der Begriff Informationsstruktur wurde bereits in Abschnitt 2.1.3 eingefiihrt. 112Vgl. Hilton, 1981, S. 58, wobei die Symbole den Konventionen dieser Arbeit angepasst wurden. Augerdem wird dort der Begriff Informationssystem (in/ormation system) anstelle von Informationsstruktur verwendet. 0berdies betrachtet Hilton den Fall beliebiger, also auch nicht-abz~ihlbar unendlicher, Mengen X und Y, in dem die Summenzeichen durch Integrale zu ersetzen sind und die Wahrscheinlichkeitsfunktion p(.) als Dichtefunktion zu interpretieren ist.
2.3 Zahlungsbereitschaft f~r Informationsgfiter
53
1. Die Struktur der Menge der Handlungen A, also die Flexibilit~it des Akteurs, 2. die Struktur der technologischen Voraussetzungen und der Umweltvoraussetzungen des Akteurs, die durch die Funktion w repr~entiert sind, sowie seiner PrMerenzen fiir bestimmte Handlungsergebnisse, die durch die Funktion u dargestellt sind, 3. der Grad der Ungewissheit der Umwelt, der sich in den Wahrscheinlichkeiten p(x) ausdriickt, sowie 4. die Wahrnehmung des Entscheiders von den Eigenschaften der Informationsstruktur, insbesondere der Abbildung von X auf Y, also von den Zust~inden der Welt auf bestimmte Informationen. Der Einfluss dieser vier Faktoren wird im Folgenden genauer untersucht. 2.3.5.1 Der Einfluss der Flexibilit~it Die Flexibilit~it des Akteurs erhSht sich, wenn er mehr HandlungsmSglichkeiten gewinnt, d.h. wenn sich die Anzahl der Elemente in A vergrS~ert, umgekehrt wird sie vermindert, wenn Elemente aus A wegfallen. Pr~isere quantitative Aussagen sind ohne Betrachtung der Ergebnisfunktion nicht mSglich. Es besteht kein allgemeiner Zusammenhang zwischen einer Vedinderung der Anzahl von Elementen in A und dem Informationswert U(I). 113 Beide Terme der Definition von U(I) kSnnen durch eine solche ti.nderung in entgegengesetzter Richtung beeinflusst werden. Wenn gerade die a priori optimale Handlung wegf'~llt, sinkt dadurch der Erwartungswert vor der Berficksichtigung der Informationsstruktur I, also der Term nach dem Minuszeichen in der Definition. In diesem Fall steigt U(I) immer dann, wenn die a priori optimale Handlung a posteriori unter keinen Umst~inden ausgeffihrt worden w~ire.114 U(I) kann jedoch auch sinken, n~znlich dann, wenn eine der a posteriori optimalen Handlungen wegf~llt und damit der Term vor dem Minuszeichen sinkt. ll3Vgl. H i l t o n , 1981, S. 59. ll4Wenn beim Auftreten eines oder mehrerer Signale y die ex a n t e optimale Handlung auch ex p o s t ausgefiihrt wird, h~ngt es von den ex a n t e Wahrscheinlichkeiten der Signale und von der GrS~e des Unterschieds zur jeweils n~ichstbesten LSsung ab, ob U(I) steigt oder sinkt.
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2 Information als Wirtschaftsgut
In speziellen Fiillen liisst sich jedoch ein Zusammenhang zwischen der Flexibilit~it des Akteurs und dem Informationswert zeigen. So untersucht Merkhofer eine Preis-Mengen-Entscheidung einer Unternehmung unter Unsicherheit beziiglich der Nachfrage und der Produktionskosten. In diesem Modell steigt der Informationswert in einer Situation mit sehr grot~er Flexibilittit gegeniiber einer Situation mit geringer Flexibilit~it. 115 Hilton analysiert eine Entscheidung fiber die Produktionsrate, bei der Unsicherheit hinsichtlich der Parameter der Produktionsfunktion herrscht. Es ergibt sich ein nicht fallender Informationswert, wenn die obere Schranke der mSglichen Produktionsraten erhSht wird, was einer VergrSf~erung der Flexibilit~it entspricht. 116 Wie Merkhofer betont, verringert sich die Flexibilit~it im Verlauf eines Ent scheidungsprozesses. 1t 7 2.3.5.2 Der Einfluss der Ergebnis- und der Nutzenfunktion Der Einfluss der Funktionen w und u auf U(I) lmnn ebenfalls nicht in einer allgemeinen Aussage zusammengefasst werden. Ein Faktor, der die Nutzenfunktion u eines Akteurs wesentlich beeinflusst, ist dessen Risikoneigung. Auch deren Einfluss auf den Informationswert l~st sich nicht eindeutig bestimmen. 118 Dieses Ergebnis mag auf den ersten Blick erstaunlich erscheinen, da die Intuition eher zu der Annahme fiihrt, dass der Informationswert fiir einen risikoaversen Akteur stets hSher sei als fiir einen risikoneutralen Entscheider. Es muss jedoch zwischen dem Einfluss der Information auf den Erwartungswert der Entscheidung und dem Einfluss auf das mit der Entscheidung verbundene Risiko unterschieden werden. Wenn Information den Erwartungswert der Entscheidung erhSht, wird dies von risikoneutralen wie risikoaversen Entscheidern gleichermat~en begriif~t. 119 Ein hSherer Erwartungswert bedeutet jedoch nicht zwangsl~iufig ein geringeres Risiko a priori, also bevor zus~itzliche Information beschafft wird. 12~ So kann z.B. der Fall eintreten, dass ein Entscheider ohne zus~itzliche Information eine bestimmte Investition nicht t~itigt und damit einen Erwartungswert von Null erzielt. XlSVgl. Merkhofer, 1977, S. 718f. ll6Vgl. Hilton, 1979, S. 414. llrVgl. Merkhofer, 1977, S. 716. 118Vgl. Hilton, 1981, S. 60. 119Vgl. Eeckhoudt und Godfroid, 2000, S. 386. 12~ Willinger, 1989, S. 320.
2.3 Zahlungsbereitschaft /'fir Informationsgiiter
55
Ffihrt nun die Beschaffung dazu, dass die Investition stattfindet, ist dies a priori, also vom Zeitpunkt der Entscheidung fiber die Informationsbeschaffung aus gesehen, mit einem hSheren Risiko verbunden. Dieses Risiko l ~ s t den Nutzen des h5heren Erwartungswertes ffir einen risikoneutralen Entscheider unver~indert, w~ihrend es den Nutzen eines risikoaversen Akteurs vermindert. Folglich ist in diesem Fall der Wert der Information fiir den risikoaversen Akteur geringer als ffir den risikoneutralen. 121 Die Ergebnisfunktion w kann nur ffir ein konkretes Entscheidungsproblem pr~izise formuliert werden. Ein Einfluss, der in w beriicksichtigt wird, ist die Gfiterausstattung bzw. das VermSgen des Entscheidungstr~igers vor der Entscheidung. Es existiert allerdings kein allgemein gfiltiger monotoner Zusammenhang zwischen dem Reichtum eines Akteurs und dem von ihm wahrgenommenen Wert einer Informationsstruktur. La Valle zeigt an einem Beispiel, dass der Informationswert mit dem VermSgen zun~chst zunehmen und ab einem gewissen Wert wieder abnehmen kann. 122 Verantwortlich ffir diesen Effekt ist die Annahme einer Nutzenfunktion mit zunehmender Risikoaversit~it. Mit zunehmendem VermSgen wird die Entscheidung, Informationen zu beschaffen, in einen Bereich der Nutzenfunktion verlagert, in der, wie im vorigen Abschnitt gezeigt, die Risikoaversion den Zusatznutzen durch die ihrerseits riskante Informationsbeschaffung zu kompensieren beginnt. Kihlstrom untersucht in einem Modell, das an das neoklassische Standardmodell der Konsumnachfrage angelehnt ist, die optimale Entscheidung eines Konsumenten, der sein gegebenes Einkommen zwischen Gfitern und Informationen fiber die Qualit~it der Gfiter aufteilt. Unter den Annahmen dieses Modells steigt der Informationswert monoton mit steigendem Einkommen. 123
2.3.5.3 Der Einfiuss des Grades der Ungewissheit Um diesen Einfluss ermitteln zu kSnnen, muss zun/ichst definiert werden, was unter dem Grad der Ungewissheit verstanden werden soll. Eine MSg121Vgl. Eeckhoudt und Godfroid, 2000, S. 384ff., die diesen Zusammenhang am Beispiel des sog. Newsboy-Problems er6rtern, bei dem es um eine einfache Investitionsentscheidung unter Unsicherheit beziiglich Nachfrage geht, sowie Willinger, 1989, S. 326, der ein Portfolio-Modell untersucht. Vgl. ferner auchOhlson, 1975, S. 279. 122Vgl. LaValle, 1968, S. 275. 123Vgl. Kihlstrom, 1974, S. 420f.
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2 Information als Wirtschaftsgut
lichkeit hierzu stellt das Rothschild-Stiglitz-Kriterium 124 dar, das es ermSglicht, verschiedene ungewisse Situationen mit demselben Erwartungswert in Bezug auf den Grad der Ungewissheit zu ordnen, der jeweils in ihnen herrscht. Wie Gould zeigt, besteht jedoch kein allgemein giiltiger monotoner Zusammenhang zwischen dem Grad der Ungewissheit gem~i~ dem Rothschild-Stiglitz-Kriterium und dem Informationswert. 125 A uch hier werden durch Einschr~h~kungen Aussagen mSglich. So findet Hilton in dem dell einen steigenden Wert der Information produzierter Einheit, wenn die Ungewissheit nimmt. 126
der Modellstruktur genauere bereits oben erw~ihnten Mofiber die variablen Kosten je in der Ausgangssituation zu-
2.3.5.4 Der Einfluss der Informationsstruktur Zu untersuchen bleiben die Eigenschaften der Informationsstruktur selbst. Dazu gehSren z.B. Attribute wie deren Aktualit~it und Genauigkeit. Genauigkeit bezeichnet in diesem Zusammenhang, wie pr~izise ein bestimmter Ausgangszustand bestimmt werden kann, nachdem ein Signal aus der Informationsstruktur empfangen wurde. Entscheidend hierffir ist die subjektive Erwartung des Entscheidungstr~igers in Bezug auf die Funktion p(y Ix ), d.h. die Wahrscheinlichkeit, mit der er das Auftreten eines bestimmten Zeichens erwartet, wenn ein bestimmter Ausgangszustand vorliegt. 127 Nach dem Blackwell-Theorem ist eine Informationsstruktur /2 mindestens so wertvoll wie eine Informationsstruktur/1, wenn eine stochastische Transformation zwischen den Signalen aus I1 u n d / 2 existiert, fiir die gilt p(y
=
E
T(yl, Y2)P(Y2 Ix), Yl e Y l , x e X,
Y2E~2 124Rothschild und Stiglitz zeigen, dass drei mSgliche Kriterien, um Situationen mit gleichem Erwartungswert in Bezug auf die mit ihnen verbundene Unsicherheit zu ordnen, ~iquivalent sind. Wenn X und Y Zufallsvariablen sind, sind folgende drei Formulierungen ~iquivalent: (i) Y entspricht X mit zus~itzlichem Rauschen, (ii) jeder risikoaverse Akteur zieht X gegeniiber Y vor oder (iii) Y hat mehr Gewicht in den R~ndern der Verteilung als X. Vgl. Rothschild und Stiglitz, 1970, S. 226. 125Vgl. Gould, 1974, S. 76f. 126Vgl. Hilton, 1979, S. 431. 127Mit Hilfe der Bayesschen Formel kann die bedingte Wahrscheinlichkeit p(ylx ) mit der a priori Wahrscheinlichkeit p(x) zu der a posteriori Wahrscheinlichkeit p(x lY) kombiniert werden, die in die Definition von U(I) eingeht.
2.3 Zahlungsbereitschaft fiir Informationsgiiter
57
wobei Y1 und ]I2 die Mengen der Signale der Informationsstrukturen I1 bzw. /2 bezeichnen. Fiir Transformation T muss dabei gelten T(yl, y2) = 1Vy2 E Y2
ylEY1 sowie
0< ~
T(yl,y2) < ocVyl E Y1.
y2 GY2
Die Funktion T legt also, bildlich gesprochen, eine weitere Schicht von Zuf/illigkeit fiber die bedingten Wahrscheinlichkeiten p(y2 Ix). Daher kann die Informationsstruktur I1 nicht pr/iziser sein als/2.12s
2.3.6 Probleme bei der Bewertung yon Informationsgiitern Die Bewertung von Informationsgfitern birgt eine Reihe von spezifischen Problemen, die in diesem Abschnitt n/iher zu untersuchen sind. Das grundlegende Problem liegt in dem Informations- bzw. Inspektionsparadoxon: 129 Um vor dem Kauf eine Bewertung eines Informationsgutes vornehmen zu kSnnen, wfirden Nachfrager dieses Gut gerne, wie andere Gfiter auch, vor dem Kauf genau untersuchen. Allerdings erlangen sie bei dieser Inspektion Kenntnis von den Inhalten des Informationsgutes. Wenn die Inhalte bereits bekannt sind, besteht aber in vielen F~illen keine Zahlungsbereitschaft mehr, was ,,das entsprechende GeschMt an sich obsolet machen wfirde". 13~ Selbst wenn Informationsgfiter ohne Gewinninteresse frei zur Verfiigung gestellt werden, besteht das Problem der Inspektion dadurch fort, dass in der Regel ffir die griindliche Qualit/itsbeurteilung eines Informationsgutes ein erheblicher Einsatz an Zeit erforderlich ist, der Opportunit/itskosten mit sich bringt. Ob dieser Aufwand gelohnt hat, steht ebenfalls erst fest, nachdem er bereits entstanden ist. In realen Situationen liegt h~iufig eine Kombination aus der Sorge des Anbieters um den Wertverlust seines Produkts bei vollst/indiger Inspektion vor dem Kauf und dem Problem des Inspektionsaufwands des Nachfragers vor. Den tats/ichlichen Nutzen eines Informationsguts kann ein K/iufer also erst 128Blackwell liefert einen formalen Beweis hierffir, vgl. Blackwell, 1951. 129Vgl. Arrow, 1962, S. 615f. 13~ und Opitz, 2003, S. 204.
58
2 Information als Wirtschaftsgut
bestimmen, wenn er das Gut bereits erworben und genutzt hat. In diesem Sinne handelt es sich bei Informationsgiitern um sog. Erfahrungsgiiter. TM Die Unsicherheit, der der Nachfrager vor dem Kauf ausgesetzt ist, bezieht sich auf zwei Aspekte, die als Qualit/itsunsicherheit und Nutzenunsicherheit charakterisiert werden, t32 Qualit~itsunsicherheit bezieht sich auf Eigenschaften eines Gutes, die fiir jeden Nachfrager gleichermagen von Bedeutung sind. 0bliche Qualit~itskriterien f/ir Information, die in Entscheidungssituationen genutzt wird, sind Aktualit~it, Korrektheit, Genauigkeit, Aggregationsgrad sowie die P r ~ e n t a t i o n der Information. 133 Ausgehend v o n d e r Feststellung, dass Qualit~itsunsicherheit bzw. die ihr zugrunde liegende Informationsasymmetrie zu einem Marktversagen f/ihren kann, indem Giiter schlechter Qualit~it bessere Giiter verdr~ingen, 134 werden in der Literatur Mechanismen untersucht, die auf M ~ k t e n wirken um solche negativen Folgen zu vermeiden oder jedenfalls zu verringern. Insbesondere wird dabei auf die Bedeutung der Reputation des Anbieters, der Werbung und schliefolich von Garantieleistungen hingewiesen. Die in der Literatur iibliche Behandlung von Reputation geht v o n d e r Annahme aus, dass es f/ir ein Unternehmen hShere Kosten verursacht, qualitativ hochwertige Giiter zu produzieren als qualitativ schlechtere. Aufoerdem wird angenommen, dass die Zahlungsbereitschaft (eines Teils der) Nachfrager f/Jr qualitativ hochwertige Giiter hSher ist. Das Unternehmen weig in diesen Modellen, fiir welche Produktionsweise es sich entscheidet. Es besteht eine Informationsasymmetrie zwischen Unternehmen und Verbrauchern. Die Reputation wird erworben, indem zun~ichst qualitativ hochwertige Giiter zu 131Vgl. Breyer-Mayl~nder und Werner 2003, S. 34f. Die Autoren weisen darauf hin, dass einige Typen von Informationsg/itern recht gut im voraus bewertet werden kSnnen, z.B. Musik-CDs, die der Kunde vor dem Kauf vollst~indig inspizieren kann. Vgl. auch Mantwill, 1995, S. ??. 132Vgl. Kiefer, 2001, S. 334ff. 133Vgl. Alpar et al., 2002, S. 10f. 134In seinem grundlegenden Artikel stellt Akerlof die Folgen der Qualit~.tsunsicherheit fiir Erfahrungsgfitermiirkte dar. Haben die K~ufer keinerlei MSglichkeit, die einzelnen Angebote vor dem Kauf hinsichtlich ihrer Qualit~it zu differenzieren, mfissen sie sich an der durchschnittlichen Qualit~it orientieren, die auf dem Markt angeboten wird, und werden auch ihre Zahlungsbereitschaft daran ausrichten. Dies f/ihrt jedoch dazu, dass die Anbieter qualitativ hochwertiger Produkte aus dem Markt verdr~ingt werden, da sie nicht fiir die hShere Qualit~.t ihrer Produkte entsch~.digt werden. Die durchschnittliche Qualitiit und damit die Zahlungsbereitschaft der K~iufer sinkt weiter, was den Prozess noch verst~irkt. Im Extremfall kann es zu einem vollst~.ndigen Zusammenbruch des Marktes kommen. Akerlof, 1970, S. 489f.
2.3 Zahlungsbereitschaft fiir Informationsgiiter
59
einem (relativ zu den Mitbewerbern) niedrigen Preis angeboten werden. Die Nachfrager stellen bei wiederholten K/iufen fest, dass die Qualit~it der Erzeugnisse dieses Anbieters gut ist. Dies verschafft dem Anbieter einen Spielraum zur PreiserhShung, da die Zahlungsbereitschaft zumindest eines Teils der Nachfrager ffir Giiter besserer Qualit/it hSher ist als ffir Gfiter schlechterer Qualit~it. Die Aussagen der Modelle unterscheiden sich darin, ob die so geschaffene Pr~mie der Reputation grof0 genug ist, um einen dauerhaften Anreiz zur Produktion hochwertiger Gfiter darzustellen. 135 Unabh~ingig davon, ob und unter welchen Bedingungen der Reputationsmechanismus zur Qualit~itssicherung ausreicht, steht seiner Anwendung auf einzeln zu erwerbende Informationsgiiter die Tatsache im Wege, dass es sich nicht im eigentlichen Sinne um Wiederholungskiiufe handelt. In aller Regel steht ein Nachfrager nicht vor der Frage, das gleiche - bzw. in Bezug auf den Informationsgehalt dasselbe- Informationsgut noch einmal zu beschaffen, sondern bestenfalls vor der Frage, ob er von demselben Anbieter weitere Informationsgiiter kaufen soll. Aufgrund des gleich zu erSrternden Problems der Nutzenunsicherheit ist aber eine 0bertragung der guten Erfahrungen mit einem Informationsgut auf ein anderes nicht ohne Weiteres mSglich. Leichter scheint der Reputationsmechanismus bei der Zusammenstellung von Informationsgfiterbiindeln, z.B. einer Tageszeitung, wirksam werden zu kSnnen, da hier die individuellen PrMerenzunterschiede der Nachfrager durch die Bfindelung aufgefangen werden, wie unten in Abschnitt 3.4 dargestellt wird, und somit die nachfrager/ibergreifenden Qualit/itskriterien st/irker zum Tragen kommen. Die andere Form von Unsicherheit, die eben bereits angesprochene Nutzenunsicherheit, bezieht sich auf die 0bereinstimmung des Informationsguts mit den Pdiferenzen eines individuellen Nachfragers bzw. mit den Erfordernissen der spezifischen Entscheidungssituation, in der er die Information benStigt. Ob einem Kinobesucher ein Film gef/illt oder ob eine Information fiir einen Entscheider n/itzlich ist, kann er in der Regel erst endgiiltig beurteilen, wenn er den Film gesehen hat bzw. die Information kennt. Anders 135Fiir Modelle, in denen die MSglichkeit des Aufbaus von Reputationskapital durch gute Produkte untersucht wird, vgl. z.B. Shapiro, 1982, Shapiro, 1983 sowie Mailath und Samuelson, 2001. Allerdings kSnnen K~ufer bestimmte Firmen i.d.R, nur anhand ihres Namens identifizieren. Firmen- bzw. Markennamen kSnnen jedoch auch den Besitzer wechseln, wobei nicht sicher ist, dass nur gute Produzenten gute Namen kaufen, vgl. Tadelis , 1999.
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2 Information als Wirtschaftsgut
als im Fall der Qualit~itsunsicherheit handelt es sich hier jedoch nicht um eine Informationsasymmetrie sondern um ein beiderseitiges Informationsdefizit, da auch der Anbieter eines Informationsguts keine Kenntnis dariiber hat, welchen Nutzen das angebotene Gut diesem bestimmten K~iufer liefern kann. Die Nutzenunsicherheit kann im Prinzip nur dadurch gemildert werden, dass der Verkiiufer vorab bestimmte Metainformationen fiber das Informationsgut liefert oder dem K~iufer Teile des Informationsguts zur Inspektion fiberl~st. Wie gut ein Informationsgut durch Metainformationen charakterisiert werden kann, h ~ g t von verschiedenen Faktoren ab. Einerseits spielt die Redundanz der Information hier eine wichtige Rolle. Metainformationen kSnnen nur dann interpretiert werden, wenn bestimmte Aspekte des Informationsguts, auf das sie sich beziehen, bereits bekannt sind. So helfen StichwSrter zu einem wissenschaftlichen Artikel einem Laien in der Regel wenig, wfi~hrend ein Wissenschaftler der entsprechenden Fachrichtung in der Regel selbst dann entscheiden kann, ob der Artikel ffir ihn interessant ist, wenn er kein Experte in dem speziellen Themengebiet ist..~hnliches gilt ffir das h~iufig verfiigbare Abstract, in dem Fragestellung und Ergebnisse eines Artikels zusammengestellt werden: Ohne Kenntnis des wissenschaftlichen Paradigmas, 136 in dessen Kontext der Artikel geschrieben wurde, sind die Angaben wenig hilfreich. Ffir Kinofilme gilt die Besetzung mit bestimmten bekannten Schauspielern als ein wesentliches Kriterium, das einzelnen Nachfragern hilft, die Nutzenunsicherheit zu mindern. 137 Eine weiterer Faktor ffir die Pr~ision, mit der Metainformationen ein Informationsgut beschreiben kSnnen, ist dessen strukturelle Komplexit~it. Einfach strukturierte Informationen wie Wetterdaten, BSrsenkurse etc. kSnnen eindeutig beschrieben werden, z.B. ,,Die Temperatur am Frankfurter Hauptbahnhof am 28.07.2004 um 15:30 Uhr" oder ,,Der Kurs der AMD-Aktie auf 136Vgl. Kuhn, 1996, S. 43ff. 137Vgl. hierzu Franck und Opitz, 2003, S. 204ff., die die Beteiligung von Stars sowohl als Indikator fiir die Ausfiihrungsqualit~it als auch fiir die inhaltliche Qualti~t und Ausrichtung von Filmen sehen. Durch die Auswahl einzelner Projekte aus einer Vielzahl yon Angeboten kontrollieren Filmstars die Qualit~it der Inputs, ihre unabdingbare Pr~enz am Drehort macht sie zu idealen Monitoren im Sinne der Prinzipal-Agenten-Theorie, die das Anstrengungsniveau der iibrigen Beteiligten kontrollieren (im eigenen Interesse, da qualitativ minderwertige Produktionen auch den Marktwert der beteiligten Stars mindern). Hinsichtlich der inhaltlichen Ausrichtung fungieren Stars als Wegweiser, die Zuschauer mit bestimmten Filmen zusammenfiihren.
2.3 Zahlungsbereitschaft f//r Informationsgiiter
61
XETRA am ... um ..." Die 0berlassung von Teilen des Informationsguts zur Inspektion findet sich in den verschiedensten Formen: Zeitschriftenh~indler gestatten in der Regel den Besuchern ihres Ladens, die ausliegenden Zeitschriften durchzubl~ittern. 1as Fiir Kinofilme wird mit sog. Trailern geworben, also Werbespots, die Originalszenen aus dem Film enthalten. Musik wird sogar frei im Radio gespielt, wobei die Stiicke jedoch, jedenfalls im Bereich der Unterhaltungsmusik, in der Regel nicht von Anfang bis Ende gespielt werden bzw. Anfang oder Ende oft von Wortbeitr/igen der Moderatoren iiberlagert werden. Gerade im Bereich konsumptiv genutzter Informationsgiiter kann vermutet werden, dass der beschreibenden Beurteilung neuer Werke durch die Film-, Literatur- bzw. Musikkritik eine wichtige Rolle zukommt. Eindeutige empirische Ergebnisse fiber den Einfluss der Kritik auf die Absatzerfolge von Informationsgiitern liegen jedoch nicht vor. 139 Insbesondere der Einfluss der Kritik auf den Erfolg von Kinofilmen wird von vielen Autoren untersucht. In manchen Studien spielt die Meinung von Kritikern nur eine untergeordnete Rolle in der Selbsteinsch/itzung des Entscheidungsverhaltens befragter Konsumenten. 14~ Andere Studien zeigen, dass die Anzahl positiver bzw. negativer Kritiken keinen unmittelbaren Einfluss auf den Kassenerfolg eines Films in den ersten Wochen nach seinem Erscheinen hat, andererseits aber relativ gut mit den sp/iteren Einnahmen sowie mit den kumulierten Einnahmen korreliert. Kritiker h~itten demzufolge weniger die Funktion der Entscheidungsbeeinflussung als die einer Vorhersage zukfinftiger Einspielergebnisse. TM Auch eine direkter Einfluss sowohl guter als auch schlechter Kritiken auf die Einspielergebnisse der ersten Wochen geht jedoch aus manchen Arbeiten hervor, 142 so dass insgesamt bislang kein einheitliches Bild existiert. Ein Grund dafiir mag darin liegen, dass sich die Konsumenten der Tatsache bewusst sind, dass die Meinung des Kritikers nicht unbedingt ihren persSnlichen Prgerenzen entsprechen muss, und daher eigene 0berlegungen fiber die Aussagekraft einer Kritik anstellen, in die u.a. die Reputation des Kritikers und seine Einstellung zu frfiheren Filmen eines Regisseurs einflie138Vgl. Shapiro und Varian, 1999, S. 5. 139Vgl. z.S. den Literaturfiberblick in Eliashberg und Shugan, 1997, S. 69f. 14~ Levene, 1992, hier zitiert nach Eliashberg und Shugan, 1997, S. 70. 141Vgl. Eliashberg und Shugan, 1997, S. 74f. 142Vgl. Basuroy et al., 2003, S. 109ft.
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2 Information als Wirtschaftsgut
f,en. 143 Zwei weitere Effekte fiir die aus der Alltagserfahrung heraus ein Einfluss auf die Zahlungsbereitschaft fiir Informationsgfiter vermutet werden kann, sollen noch kurz angefiihrt werden. Einen solchen Effekt stellt die Mode dar. Aus 5konomischer Sicht ka~n sie als ein Netzwerkeffekt beschrieben werden, d.h. je mehr Konsumenten ein bestimmtes Informationsgut bereits gekauft haben, desto interessanter wird es unter Umst~inden fiir andere. Dieses Ph~nomen ist h~iufig in Bezug auf Bestseller zu beobachten: Wenn erst einmal viele Bezugspersonen eines Individuums von einem bestimmten Roman, z.B. ,,Harry Potter", sprechen, kann dies allein Anlass genug sein, dieses Buch ebenfalls zu erwerben. Schliefolich mag fiir manche Konsumenten eine Sammelleidenschaft AuslSser fiir die Nachfrage nach bestimmten Informationsgiitern werden. Besonders im Bereich der Musikaufnahmen scheint ein Verhalten verbreitet zu sein, das auf den vollst~indigen Besitz aller Werke eines bestimmten Interpreten oder Komponisten abzielt, unabh~ingig davon, wie die Qualit~it der einzelnen Werke beurteilt wird. 2.4
Zusammenfassung
Zun~ichst werden in diesem Kaptiel verschiedene Definitionen des Informationsbegriffs verglichen mit dem Ziel, eine Definition zu finden, die dem breiten Verst~indnis von Information entspricht, das in dieser Arbeit zugrunde gelegt werden soll. Als geeignet erweist sich das Zeichenkonzept der Semiotik, das die Interpretierbarkeit 144 durch den Empf's den Interpreten in semiotischer Terminologie- zum konstitutiven Element der Definition des Zeichens macht. Damit kann Information als Folge von Zeichen definiert werden. Die Zeichenfolge kann dann unmittelbar auch zum Informations gut werden, sobald sie Gegenstand eines Tauschvorganges wird. Informationsgiiter kSnnen sowohl konsumptiv als auch produktiv genutzt werden. Es handelt sich in dem Sinne um dauerhafte Gfiter, dass sie, von speziellen F~illen abgesehen, nur ein mal in genau einer Einheit beschafft werden, unabh~ingig von ihrer tats~ichlichen einmaligen oder dauerhaften Nutzung. 143Vgl. hierzu z.B. d'Astous und Touil, 1999. 144in einer streng behavioristischen Perspektive, die hier jedoch nicht eingenommen wird, ist sogar die tats~ichliche Interpretation und damit das Hervorrufen einer Reaktion beim Interpreten konstitutiv fiir den Zeichencharakter.
2.4 Zusammenfassung
63
Hinsichtlich der Determinanten der Zahlungsbereitschaft lassen sich keine klaren Aussagen treffen: Zum einen unterscheiden diese sich grundlegend fiir konsumptiv und produktiv genutzte Informationsgiiter, zum anderen kommen fiir verschiedene Typen von Informationsg/itern sehr verschiedene Verfahren in Frage, um das Arrow'sche Inspektionsparadox zu iiberwinden bzw. in seinen Auswirkungen zu mildern.
3 Vermarktung von Informationsgiitern Dieser Abschnitt nimmt die Perspektive der Anbieter von Informationsgiitern ein, indem untersucht wird, wie diese auf die besonderen Eigenschaften von Konsumgiitern, die subadditive Kostenstruktur sowie die bereits genannte Erfahrungsguteigenschaft, reagieren. 3.1
Preisdifferenzierung ,,price discrimination is present when two or more similar goods are sold at prices that are in different ratios to marginal costs." 1
Grunds/itzlich mfissen drei Bedingungen erfiillt sein, damit ein Anbieter Preisdiskriminierung betreiben kann: (1) der Anbieter muss eine gewisse Marktmacht besitzen, (2) er muss die MSglichkeit haben, den Markt in Gruppen homogener Nachfrager zu separieren und (3) schlief~lich muss er die MSglichkeit haben, Weiterverk/iufe auszuschliefoen. 2 Nach Pigou werden drei Formen der Preisdiskriminierung unterschieden. 3 Preisdiskriminierung ersten Grades oder per]ekte Preisdiskriminierung liegt vor, wenn jede Einheit eines Gutes zu einem Preis verkauft wird, der der maximalen Zahlungsbereitschaft ffir diese Einheit entspricht. Als Preisdiskriminierung zweiten Grades werden Preismodelle bezeichnet, bei denen der Durchschnittspreis fiir eine Einheit des Gutes vonder Gesamtmenge abh/ingt, die ein K/iufer abnimmt. In diese Kategorie fallen z.B. Mengenrabatte oder Grof~kundentarife bei Versorgungsunternehmen. 4 Unter Preisdiskriminierung dritten Grades versteht man schlief~lich Verfahren, bei denen von unterschiedlichen Konsumenten unabh/ingig v o n d e r konsumierten Menge verschiedene Preise verlangt werden. 0bliche Beispiele fiir diese Kategorie sind altersabg/ingige Preise wie Schiller- oder Seniorentarife oder Preise, die von der Tageszeit des Konsums oder dem Wochentag abhfingen. 1Stigler(1987), zitiert nach Varian, 1989, S. 598. 2Vgl. Varian, 1989, S. 599. 3Vgl. Varian, 1989, S. 600; die Unterscheidung wurde urspriinglich in Pigou, 1920, eingefiihrt. 4Ffir eine ausfiihrliche Diskussion solcher nichtlinearer Preismodelle vgl. Wilson, 1993.
66
3 Vermarktung yon Informationsgiitern
3.2 Die Coase-Vermutung Ausgangspunkt der 0berlegungen ist die von Coase aufgeworfene Frage, welche Konsequenzen es ffir einen Monopolisten hat, wenn er dauerhafte Gfiter anbietet, die ein einzelner Nachfrager im Laufe seines Lebens relativ selten oder gar nur ein einziges Mal nachfragt. Er gelangt zu der als CoaseVermutung bekannt gewordenen These, 5 dass die Dauerhaftigkeit der Gfiter unter bestimmten Bedingungen dazu ffihrt, dass auch im Monopol ann~ihernd Preise erreicht werden, wie sie unter Polypolbedingungen herrschen wfirden und damit jegliche Monopolgewinne eliminiert werden. Informationsgfiter fallen, wie oben in Abschnitt 2.2 begrfindet wurde, in die Kategorie der dauerhaften Gfiter. Die intuitive Begrfindung dieser Vermutung wird im Folgenden dargestellt. Abbildung 3.1 zeigt die Preisbildung auf einem Markt mit einer Nachfrage D und konstanten Grenzkosten c entsprechend dem statischen Modell fiir die Markttypen des Polypols und des Monopols. Im Polypolfall entspricht der Gleichgewichtspreis/3 den Grenzkosten c, die hier als konstant angenommen werden. Zu diesem Preis wird die Menge 9 abgesetzt. Jeder Anbieter, der als einzelner versucht, einen Preis fiber/3 durchzusetzen, verliert sofort sfimtliche Nachfrager, da diese zu anderen Anbietern wechseln, die gfinstigere Preise bieten. Aus der Sicht jedes einzelnen Anbieters weist die Nachfragefunktion oberhalb von p also eine unendliche Elastizit/it auf. Existiert nur ein einziger Anbieter, wird dieser nach der herkSmmlichen Theorie seinen Gewinn maximieren, indem er seine Produktionsmenge so wfi~hlen wird, dass der GrenzerlSs R ~ gleich den Grenzkosten ist, in der Abbildung also die Menge xc, die zum Preis i~c, dem so genannten Cournot-Preis, abgesetzt wird. Coase argumentiert nun, dass der Anbieter eines dauerhaften Gutes in dem Augenblick, in dem er die Menge xc abgesetzt hat, versuchen wird, auch noch einen Teil der Menge 9 xc zu einem Preis pc2 unterhalb von Pc abzusetzen. Der Anreiz, weitere Teilmengen von ~ - xc zu allm~lich sinkenden Preisen pc2,pc3, ... zu verkaufen, besteht, solange ein positiver Grenzgewinn p c ~ - c erzielt wird. Die Kosten dieses Vorgehens, nfimlich der ,,Verfalr' des Preises von Pc nach/3, treffen nur die Nachfrager, die zu Preisen oberhalb von i~ gekauft haben, aber nicht den Monopolisten selbst. Die 5Vgl. Coase, 1972.
3.2 Die Coase-Vermutung
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67
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Abbildung 3.1- Monopolsituation (in Anlehnung an Coase, 1972, S. 146) Ausweitung des im Markt befindlichen Bestandes hat fiir ihn keine Konsequenzen, da er wegen der Dauerhaftigkeit des Gutes nicht auf Folgekiiufe Riicksicht nehmen muss, bei denen er selbst unter dem niedrigeren Preis leiden wfirde. Sieht man von Kosten und Zeit ffir die Anbahnung der entsprechenden Verkiiufe ab, wird sich diese Ausdehnung der Angebotsmenge fiber die ursprfinglich angebotene Monopolmenge hinaus in sehr kurzer Zeit -,~n the twinkle of an eye''6 -vollziehen. Antizipieren die Nachfrager das Vorgehen des Monopolisten, werden sie sich weigern, zu einem hSheren Preis als p zu kaufen, so dass sich der Monopolist oberhalb dieses Preises einer unendlich elastischen Nachfrage gegeniiber sieht. Wenn Giiter absolut dauerhaft sind, wird der Preis also unabh~ingig vonder Anzahl der Anbieter und entspricht stets dem Polypolpreis. 7 Der Monopolist kann, wie Coase anmerkt, eine Reihe von Magnahmen ergreifen, um seinen Monopolgewinn zu erhalten. Wenn dies mSglich ist, kann der Monopolist eine vertragliche Bindung eingehen, keine grSgere Menge als xc zu produzieren und somit keinen nachtr~iglichen Preisverfall auszulSsen. Diese Strategie ist in der Realit~it h~iufig zu beobachten, wenn limitierte Auflagen verschiedener Arten von Sammelobjekten, von Miinzen bis hin zu Sportwagen, angeboten werden. Eine andere MSglichkeit besteht darin, die Leistungen, derentwegen die Nachfrager das dauerhafte Gut erwerben, ausschlief~lich durch Vermietung zur Verffigung zu stellen. In diesem Fall
6Coase, 1972, S. 143. 7Vgl. Coase, 1972, S. 144.
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3 Vermarktung von Informationsgiitern
muss nfimlich der Monopolist bei der Entscheidung fiber seine Produktionsmenge die HShe der kfinftig am Markt erzielbaren Mieten beriicksichtigen. Damit erfolgt eine Selbstbindung des Monopolisten an die Menge Xc, denn produzierte er mehr, miisste er sp~itestens in der zweiten Mietperiode mit geringeren Mietpreisen rechnen. Andererseits ist fiir Mietarrangements mit erheblich hSheren Transaktionskosten zu rechnen, die unter Umst~inden sogar den dadurch gesicherten Monopolgewinn iiberwiegen kSnnen. 8 Der Monopolist kann auch versuchen, das Problem dadurch zu mildern, dass er das Gut weniger dauerhaft produziert. In diesem Fall gilt ebenfalls, dass der Monopolist bei seiner Mengenentscbeidung auch auf seine Situation in der Zukunft, nfimlich dann, wenn die Nachfrager ffir die nicht vollkommen dauerhaften Gfiter Ersatz beschaffen werden, Riicksicht nehmen muss. A1lerdings ist auch dieses Vorgehen nicht kostenlos, da zum einen die Nachfrager die geringere Dauerhaftigkeit beriicksichtigen werden und nur geringere Preise zu zahlen bereit sein werden, zum anderen bei der Produktion der Ersatzgiiter wieder Kosten entstehen, die nicht zwangsl~iufig durch die geringeren Kosten der Produktion eines weniger dauerhaften Gutes aufgewogen werden. 9 Die gerade erSrterte intuitive Begriindung der Coase-Vermutung mag einleuchten, Coase e r h ~ t e t sie jedoch weder durch empirische Beispiele, noch liefert er eine strikte formale Herleitung. Empirische Beobachtungen sind es, die in jiingerer Zeit eine intensivere Betrachtung der dynamischen Eigenschaften der Marktform des Monopols angeregt haben, deren Ergebnisse im folgenden Abschnitt diskutiert werden. Dabei ist in jedem Fall der Kerngedanke der Coase-Vermutung zu berficksichtigen, dass ein Monopolist ein glaubwiirdiges Mittel zur Selbstbindung benStigt, wenn er vorgibt, die Produktionsmenge einschdi~ken zu wollen.
sVgl. Coase, 1972, S. 145. Mietarrangements kiinnen auch aus anderen Grfinden unm6glich sein, z.B. wenn es sich bei dem dauerhaften Gut um ein Zwischenprodukt wie Stahl handelt, das fiir seine weitere Verwendung in spezifischer Weise ver~indert werden muss, so dass eine Rfickgabe in unver~indertem Zustand an den Vermieter ausgeschlossen ist, vgl. Bulow, 1982, S. 315. 9Es h~ingt von den speziellen Gegebenheiten ab, ob der Leistungsstrom, an dem die Nachfrager letztlich interessiert sind, auf lange Sicht kostengiinstiger durch ein vollkommen dauerhaftes Gut gedeckt werden kann oder durch die periodische Neuanschaffung von Einheiten eines weniger dauerhaften Gutes.
3.3 Intertemporale Preisdifferenzierung mit dauerhaften Gfitern
69
3.3 Intertemporale Preisdifferenzierung eines Monopolisten m i t d a u e r h a f t e n Giitern Bestimmte Informationsgiiter werden zun~ichst zu hohen Preisen eingeffihrt, die dann allm~ihlich sinken. Der eben dargestellten Coase-Vermutung zufolge w~ire eine solche Preispolitik nur dann haltbar, wenn bestimmte exogene Faktoren existieren, die eine anf'~ngliche Mengenbeschr~i~kung glaubwiirdig machen. Als Beispiel sei der Fall sinkender marginaler Produktionskosten genannt. Kann der Monopolist absehen, dass seine Produktionskosten im Laufe der Zeit durch Skalen- oder Lernkurveneffekte sinken werden, wird er zun~ichst hShere Preise verlangen, die dann allm~ihlich sinken. Hier steht jedoch die Frage im Mittelpunkt, ob es auch ohne solche exogenen Faktoren fiir einen Monopolisten vorteilhaft sein kann, im Zeitablauf Preissenkungen vorzunehmen, um Konsumenten mit unterschiedlich hoher Zahlungsbereitschaft zu unterschiedlichen Preisen zu bedienen, oder, mit anderen Worten, die Zeit als Medium ffir eine Preisdifferenzierung einzusetzen. Diese Frage wurde in einer Reihe von Variationen in der Literatur untersucht, die im Folgenden dargestellt werden sollen.
3.3.1 Das Grundmode11 Modelliert wird das Verhalten eines Monopolisten, der ein neues dauerhaftes Gut anbietet, sowie das Verhalten der Nachfrager nach diesem Gut. Es wird angenommen, dass kein Konsument je mehr als eine Einheit des Gutes kaufen mSchte und dass weder Substitutions- noch Komplement~giiter zu dem Produkt des Monopolisten existieren. Das Problem des Anbieters besteht darin, eine Preisstrategie zu wfi~hlen, die seinen auf den Zeitpunkt to der Markteinffihrung des Gutes abdiskontierten Strom von Gewinnen maximiert. Die Konsumenten mfissen gem~t~ ihrer Informationen bzw. Erwartungen beziiglich der Preisstrategie des Anbieters entscheiden, ob und wann sie das Gut erwerben. 1~ Es existiert eine Menge von Konsumenten B, die durch ihren Reservationspreis il b E [0, b] gekennzeichnet sind. Wenn kiinftig von einem K~iufer b gesprochen wird, so ist damit der K~iufer mit dem Reservationspreis b gemeint. In der zun~ichst diskutierten Variante des Modells wird i~ Stokey, 1979, S. 356. i iIm Folgenden werden die Begriffe Reservationspreis und Zahlungsbereitschaft bzw. marginale Zahlungsbereitschaft synonym verwendet.
70
3 Vermarktung von Informationsgiitern
angenommen, dass B ein Kontinuum von K~iufern umfasst. Die Dichte der Verteilung der K~iufer wird mit f(b) bezeichnet, 12 F(b) =_ f : f(b) ist ihre kumulative Verteilungsfunktion. Aus der Verteilungsfunktion ergibt sich zu einem Angebotspreis p die Nachfrage D(p) =_ F(b) - F(p) ffir p E [0, b]. Der Nutzen eines Nachfragers b im Zeitpunkt to, wenn er das Gut im Zeitpunkt t _> to erh~lt, sei mit U(t, b) bezeichnet, wobei die in Abschnitt 4.4.2 diskutierten A n n a h m e n hinsichtlich der ZeitprMerenzen gelten. Die marginalen Kosten des Monopolisten werden als konstant und, ohne Beschr~inkung der Allgemeinheit, als Null angenommen. 13
Stokey untersucht ein Modell, dem die folgenden A n n a h m e n zu Grunde liegen. Annahme
3.3.1. Nach~age und Zeit sind kontinuierlich.
Demnach kSnnen sowohl die nachgefragte Menge als auch die Zeit in infinitesimale Einheiten unterteilt werden. Nur unter dieser Voraussetzung kSnnen Fuktionen, deren unabh~i~gige Variable eine dieser GrSgen ist, als differenzierbar betrachtet werden. 3.3.2. Der Zeithorizont ist endlich, d.h. alle KSu/e finden in einem Intervall [to, tl] start.
Annahme
t0bezeichnet den Einfiihrungszeitpunkt des neuen Produktes, wfihrend irgendein von den Akteuren vorhergesehenes ~iugeres Ereignis oder eine vertragliche Regelung K~iufe nach t l unmSglich macht. Annahme
3.3.3. Anbieter und Nach/rager ver/iigen iiber per/ekte In/or-
mationen, d.h. 12Die Verteilung der Reservationspreise h~ingt zum einen vonder Verteilung der Pr~iferenzen und zum anderen vonder Verteilung des verfiigbaren Einkommens bzw. Verm6gens ab, vgl. Abschnitt 2.3.2. 13Der Fall marginaler Kosten von Null bildet auch den Fall konstanter marginaler Kosten ab, indem Preise und Zahlungsbereitschaften der Konsumenten als Nettowerte betrachtet werden, von denen die konstanten marginalen Kosten bereits abgezogen sind, vgl. Gul et al., 1986, S. 158. Fiir den Fall mit der Produktionsrate steigender marginaler Kosten gilt das Coase-Theorem nicht in seiner extremen Form. Durch den Anstiegt der marginalen Kosten bei einer Ausweitung der pro Periode produzierten Menge wird es fiir den Monopolisten unwirtschaftlich, den gesammten Markt in der ersten Periode zu bedienen. Es kommt zu einer zeitlichen Streckung der Produktion, mit der eine eingeschr~inkte M6glichkeit der Preisdifferenzierung einhergeht. Unter diesen Umst~inden wird zwar in jeder Periode weniger angeboten, als im Polypolfall, aber dennoch mehr als im Fall eines Monopolisten, der sich an eine Beschr~nkung der Gesamtmenge binden kann, vgl. Kahn, 1986.
3.3 Intertemporale Preisdifferenzierung mit dauerhaften Giitern
71
b, b b0
hi
b2 to
tl "t
Abbildung 3.2: Optimale Kaufzeitpunkte im dynamischen Monopol (Stokey, 1979, S. 358)
1. den Konsumenten ist die gesamte Preisstrategie p(t) des Anbieters bekannt und 2. der A nbieter verfiigt iiber per fekte In formationen beziiglich aller Eigenschaften des betrachteten Marktes, insbesondere kennt er die kumulatire Verteilung der Reservationspreise F(b) und die Nutzenfiunktion U(t,b). Der Nettowohlfahrtszuwachs eines Konsumenten, der das Gut im Zeitpunkt t bei bekannter Preisstrategie p(t) und einem Marktzinsatz yon r kauft, ist W(t, b) = U(t, b) - e-~tp(t). (3.1) Ein Nachfrager wird das Gut nur dann erwerben, wenn eine Zeitspanne existiert, w~ihrend der W(t, b) nichtnegativ ist. Innerhalb dieser Zeitspanne wird er den Kaufzeitpunkt T(b) w/ihlen, zu dem W(t, b) maximiert wird. Dabei zeigt sich, dass alle Anbieter, deren Reservationspreis einen Weft bo fibersteigt, immer im Zeitpunkt t = 0 kaufen, w/ihrend alle Nachfrager, deren Reservationspreis unterhalb eines Wertes bl, abet oberhalb des Reservationspreises b2 des marginalen Nachfragers liegen, im Zeitpunkt tl kaufen. 14 Abbildung 3.2 zeigt die optimalen Kaufzeitpunkte in Abh/ingigkeit des Reservationspreises b. Da der Anbieter die Nutzenfunktionen annahmegem/if~ kennt, kann er f/ir 14Vgl. Stokey, 1979, S. 358f.
3 Vermarktung von Informationsgiitern
72
eine vorgegebene Preisstrategie p(t) die Kaufzeitpunkte 0(b) bestimmen. Damit ist sein diskontierter Gesamtgewinn in Abh~ingigkeit der gewfi~hlten Preisstrategie p(t) durch das folgende Funktional gegeben: r ({p(t)}) = ~2 e-r~(b)P [0(b)] f(b)db.
(3.2)
Der Zusammenhang zwischen Preisstrategie des Anbieters und Wahl des optimalen Kaufzeitpunktes durch die Nachfrager kann auch in Form einer Umsatzstrategie b(t) ausgedrfickt werden, die angibt, welche K~iufer zu welchem Zeitpunkt kaufen: 15
b(t)=
b0 O-l(t)
t = to to
bl
t=tl.
(3.3)
Gleichung 3.2 kann unter Verwendung yon Gleichung 3.3 umgeformt werden16 zu dem Funktional 7r ({b(t)}) = D(b2)U(tt, b2) - ft~ 1 D [b(t)] ~-~U [t, b(t)] dr. 0
(3.4)
Der erste Term in Gleichung 3.4 reprfisentiert den GesamterlSs, wenn alle Verkiiufe zum Zeitpunkt t l und zum Reservationspreis des marginalen Nachfragers b2 get~itigt werden. Der Zweite Term zeigt den kumulierten zus~itzlichen Nutzen aus den Verkiiufen vor dem Zeitpunkt tl. D[b(t)] entspricht der Nachfrage, die zum Zeitpunkt t bereits entfaltet worden ist, w~ihrend die partielle Ableitung ~ V [t,b(t)] die .~nderung des Nutzens je nachgefragter Einheit mit der Zeit angibt. t5Der Begriff Umsatzstrategie bezieht sich hier und im Folgenden nicht auf den monet~iren Umsatz, sondern auf den Umsatz in abgesetzten Einheiten des Gutes. Zu einem Zeitpunkt t haben alle Nachfrager gekauft, deren Reservationspreis b(t) entspricht oder iibersteigt. Die insgesamt in den H~inden der Nachfrager befindliche Menge entspricht in diesem Zeitpunkt also D(b(t)). 16Zun~ichst wird Gleichung 3.2 partiell integriert, wobei die Extremalbedingung erster Ordnung ffir Gleichung 3.1 sowie der Zusammenhang f(b) = -dD(b)/db genutzt werden. Anschliegend wird die Umkehrfuntion 3.3 eingesetzt, wobei die Randbedingungen T(b) = To sowie r(b2) = T1 genutzt werden und die Integrationsvariable ge~indert wird. Schlief,lich wird W(TI,x2) - U(TI,x2)- e-rTlp(T1) -- 0 eingesetzt. Fiir die ausffihrliche Herleitung vgl. Stokey, 1979, S. 359ff.
3.3 Intertemporale Preisdifferenzierung mit dauerhaften Giitern
73
Dadurch, dass nach dem Zeitpunkt t t keine Verldiufe mehr stattfinden k5nnen, befindet sich der Anbieter in t t in der Situation eines klassischen Monopolisten, denn er kann den zu diesem Zeitpunkt geforderten Preis nicht mehr revidieren. 17 Dies erlaubt ihm, den Preis b2im Zeitpunkt t t und damit den marginalen Nachfrager so zu w~ihlen, dass er seinen Gewinn optimiert. Die Frage ist nun, ob eine Preisdifferenzierung vor dem Zeitpunkt tt fiir den Anbieter profitabel ist.
Stokey zeigt zun/ichst, dass zwar die Preisstrategie des Anbieters vom Zinssatz r abh/ingig ist, nicht aber die Umsatzstrategie. Eine Steigerung des Marktzinssatzes fiihrt also nicht dazu, dass Verldiufe in der Zeit vorgezogen werden, sondern lediglich zu einer Anderung der jeweiligen Angebotspreise. 18 Autgerdem beeinflusst eine Verschiebung des Beginns der Verkaufsperiode von to nach t~ weder die Erl5s-, noch die Preisstrategie fiir den Zeitraum (t~, ti]. Lediglich die Verldiufe, die im Zeitraum [to, t~] stattgefunden h/itten, finden jetzt alle im Zeitpunkt t~ statt. Eine Verschiebung des Endpunktes t l auf einen Zeitpunkt t~ gndert ebenfalls nichts an der Umsatzstrategie in der Periode davor, wgahrend die gesamte Preisstrategie vom Zeitpunkt ti abh/ingt. oo
Das zentrale Resultat von Stokey besteht nun darin, zu zeigen, dass fiir eine breite Klasse von Nutzenfunktionen sg~mtliche Verl~ufe bereits im Zeitpunkt to stattfinden, i9 Es handelt sich um Nutzenfunktionen, fiir die gilt
dg U(t, b) = g(t)b, g(t) > 0, -~- < 0.
(3.5)
Unter dieser Bedingung/indern sich die zeitpunktbezogenen Reservationspreise e~tU(t,b) aller Konsumenten, unabh~ingig yon ihrem Reservationspreis b, mit derselben proportionalen Rate g(t)/g(t) + r. Der Preis, zu dem im Zeitpunkt to verkauft wird, ist dann p(to) - g(to)x2. Die vielfach angenommene Nutzenfunktion mit einem gemeinsamen Diskontierungsfaktor (~b E [0, 1] fiir die Nachfrager, so dass gilt g(t) = 5~, entspricht den Bedingungen in Gleichung 3.5. Das Modell best~itigt die Coase-Vermutung in sofern, als alle Verldiufe sofort bei Einfiihrung des Produktes stattfinden. Da der Zeitpunkt, zu dem 17Vgl. Giith und Ritzberger, 1998, S. 216. iSVgl. Stokey, 1979, S. 361f. igVgl. Stokey, 1979, S. 362f.
74
3 Vermarktung von Informationsgiitern
der Absatz des Produktes endet, hier exogen bestimmt ist, muss der Preis jedoch nicht den Grenzkosten entsprechen, sondern der Monopolist kann seine Marktmacht von dem vorgegebenen und bekannten Endzeitpunkt auf den Zeitpunkt iibertragen, zu dem die Vertdiufe stattfinden. Anders formuliert, konkurrieren die Verldiufe vor dem Zeitpunkt t l nicht mit potenziellen Verl~ufen nach diesem Zeitpunkt, da diese per Annahme ausgeschlossen sind. Eine interessantere Einschr~inkung fiir die Giiltigkeit der Coase-Vermutung besteht in der zus/itzlich notwendigen Annahme hinsichtlich der ZeitprMerenzen der Akteure, n~mlich dass diese unabh~ingig von den Reservationspreisen der einzelnen Konsumenten zum Zeitpunkt to sind. Gleichung 3.5 muss nicht in jedem Fall gelten. Wenn ein positiver Zusammenhang zwischen der Zeitpr/iferenzrate der Konsumenten und den Reservationspreisen im Zeitpunkt to besteht, kann eine Preisdifferenzierung fiir den Monopolisten profitabel sein. 2~
3.3.2 Rationale Erwartungen der Konsumenten Zwei Annahmen, die den im vorigen Abschnitt erSrterten Ergebnissen zugrunde liegen, bediirfen einer genaueren Betrachtung. Zum einen geht es, wie oben schon ausgeffihrt, um die exogene Bestimmung des Zeithorizonts. Im Folgenden wird ein Modell diskutiert, in dem der Zeithorizont unbeschr~inkt ist und das Datum, zu dem die Verk~ufe enden, endogen bestimmt wird. Zum anderen geht es um die sichere Information der Konsumenten fiber die Preis- bzw. Umsatzstrategie des Monopolisten. Erstens ist es nicht selbstverst~indlich, dass der Monopolist diese Information iiberhaupt verbreiten mSchte, zweitens ist es fraglich, ob eventuelle Ankfindigungen hinsichtlich kiinftiger Preise glaubwiirdig sind, da bereits die Diskussion der Coase-Vermutung gezeigt hat, dass sich die Interessenlage des Monopolisten nachdem er einen gewissen Teil der Nachfrage befriedigt hat, yon der vor den Verldiufen unterscheidet. In dem in diesem Abschnitt diskutierten Modell bilden daher die Nachfrager Erwartungen hinsichtlich der Preis- bzw. Umsatzstrategie des Anbieters, kennen diese aber nicht mit Sicherheit. Wie die intuitive Begriindung der Coase-Vermutung zeigt, verweigern Nachfrager immer dann den Kauf zu einem friihen Zeitpunkt und einem 2~
Stokey, 1979, S. 368f.
3.3 Intertemporale Preisdifferenzierung mit dauerhaften Gfitern
75
hohen Preis, wenn sie befiirchten, dass die von ihnen gekaufte Einheit des Gutes durch sp~iter zu einem giinstigeren Preis verkaufte Einheiten entwertet wird. Diesem Entwertungseffekt stehen jedoch die Kosten des Wartens bzw. der entgangene Nutzen bei einem sp~iteren Kauf gegeniiber. Wichtig ist im Kalkiil der Nachfrager also nicht nur, ob der Monopolist sp~iter weitere Verk~ufe t~itigt, sondern auch, zu welchem Zeitpunkt. Die ZielgrSt~e der Erwartungsbildung der K~iufer ist also die Entwicklung des Bestands bereits verkaufter Einheiten fiber die Zeit. In dem hier vorgestellten Modell werden rationale Erwartungen als Funktion H(s, t, Q) mit 0 _< t _< s dargestellt, welche die zum Zeitpunkt s an die Konsumenten verkauften Einheiten des Gutes angibt, wobei t den Zeitpunkt der Erwartungsbildung bezeichnet und Q = D(b(t)) die Menge angibt, die im Zeitpunkt t bereits verkauft wurde. Es wird angenommen, dass die Nachfrager die Menge Q beobachten kSnnen, so dass fiir jeden Zeitpunkt t >_ 0 gelten muss H(t, t, Q) = Q. Auf~erdem sollten die Erwartungen in sich konsistent sein, d.h., solange sie sich erfiillen, sollten sie nicht revidiert werden. Formal entspricht dies der Bedingung H(s', t, Q) = H(s', s, H(s, t, Q)) mit
O
76
3 Vermarktung von Informationsgiitern
tl
-t
Abbildung 3.3: Erwartungspfade im dynamischen Monopol (Stokey, 1981,
s. 116) Der Pfad, in dem Erwartungen und realisierte Verkiiufe iibereinstimmen, wird als Gleichgewichtspfad bezeichnet. Stokey zeigt, dass fiir jede monoton fallende Nachfragefunktion sowie fiir jeden Pfad der Verkiiufe ein REE existiert. In jedem Fall kann eine Erwartungsfunktion H konstruiert werden, die in allen Paramentern kontinuierlich ist und die Existenz eines REE gew~iahrleistet.21 Das REE genfigt also als Gleichgewichtskriterium nicht, um eine Aussage fiber die Giiltigkeit der Coase-Vermutung in diesem Modell zu treffen. Das REE kann zu einem perfekten Gleichgewicht unter rationalen Erwartungen (perfect rational expectations equilibrium; PREE) verfeinert werden. Gegeniiber dem REE wird hier zus~itzlich verlangt, dass die Erwartungen der Nachfrager nicht nur entlang des Gleichgewichtspfades erfiillt werden, sondern auch dann, wenn durch einen externen Schock der bereits verkaufte Bestand des Gutes ver~indert wird. Das PREE ist also gegeniiber dem REE in sofern stabiler, als auch unter unerwarteten Umst~inden eine gleichgewichtige Situation erhalten bleibt. Formal l~st sich das PREE durch eine Funktion H(.,., .) darstellen, die zugleich die Erwartungen der Nachfrager und den optimalen Verkaufspfad des Monopolisten unter Berficksichtigung dieser Erwartungen beschreibt. Allerdings kann weiterhin zu jeder Verkaufsstrategie, bei der die verkaufte Menge mit der Zeit steigt, ein PREE konstruiert werden. Die dazu konstru21Vgl. Stokey, 1981, Theorem 1, S. 118.
3.3 Intertemporale Preisdifferenzierung mit dauerhaften Giitern
77
ierten Erwartungsfunktionen sind jedoch nicht kontinuierlich in der Menge, die zum Zeitpunkt der Erwartungsbildung bereits verkauft wurde, eine Einschr~inkung, die diese PREE aus 5konomischer Sicht wenig plausibel erscheinen lassen. 22 Setzt man voraus, dass die Erwartungen der Nachfrager fiber die kfinftige Menge sich kontinuierlich mit der bereits verkauften Menge ~hndern, existiert lediglich ein PREE. Dieses PREE best~tigt die CoaseVermutung: Die K/iufer erwarten in jedem Fall, dass der Monopolist sofort die gesamte Nachfrage befriedigt, und dass zu einem Preis, der den angenommenen konstanten marginalen Kosten von Null entspricht. 23 3.3.3 Kontinuierliche vs. diskrete Zeit In den bisher diskutierten Varianten des Modells wurde die Zeit als kontinuierliche GrSf~e betrachtet. Diese Formulierung setzt implizit voraus, dass der Anbieter in der Lage ist, den Angebotspreis in beliebig kleinen Zeitabst~nden zu variieren. Es wird davon abgesehen, dass stets ein Minimum an Zeit erforderlich ist, um ein neues Angebot an die Abnehmer zu fibermitteln. Augerdem wird die Anderung des Angebots in der Regel nicht kostenlos sein, wenn z.B. neues Werbematerial erstellt werden muss oder die Abnehmer anderweitig informiert werden miissen. Um diese Faktoren zu berficksichtigen, bietet sich eine Formulierung des Modells an, in der Angebote des Monopolisten nur zu diskreten Zeitpunkten stattfinden kSnnen, zwischen denen jeweils eine festgelegte Zeitspanne vergeht. Die genaue L~inge der Zeitspanne wird zu einer exogenen Variablen des Modells, die variiert werden kann, um den Einfluss unterschiedlich langer Angebotsperioden zu untersuchen. 24 In einem Modell mit diskreter Zeit finden Verk~iufe nur zu Zeitpunkten t E T statt, wobei die Menge der mSglichen Zeitpunkte als T =- {0, 7, 27, ... } definiert wird und 7 E R + die L~inge einer Periode bezeichnet. Stokey zeigt, dass in einer diskreten Version ihres oben dargestellten Modells ebenfalls genau ein P REE existiert. Die pro Periode abgesetzte Menge variiert kaum mit der L~inge der Periode. Da mit abnehmender Periodendauer mehr Perioden pro Zeiteinheit durchlaufen werden, geht die Zeit, bis die maximale Menge verkauft ist, gegen Null, wenn die Periodendauer gegen Null geht. 25 22Vgl. Stokey, 1981, Theorem 2, S. 120. 23Vgl. Stokey, 1981, Theorem 3, S. 121ft. 24Vgl. z.B. Stokey, 1981; Bulow, 1982; Gul et al., 1986. 25Vgl. Stokey, 1981, Theorem 4, S. 124ff.
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3 Vermarktung von Informationsgfitern
Damit gleicht sich das Ergebnis ffir eine abnehmende Periodendauer praktisch dem Ergebnis des Modells mit kontinuierlicher Zeit an, und damit der Coase-Vermutung. Je lfinger eine Periode dauert, desto mehr weicht der Gleichgewichtspfad davon ab. Die Dauer wirkt als Vehikel, das es dem Anbieter erlaubt, seine Produktion fiir diese Zeit glaubhaft zu beschr~nken. Ffir einen Teil der Nachfrager iiberwiegt dann der Nutzenzuwachs, der aus dem frfiheren Kauf des Gutes entsteht, die Nutzeneinbuf~e, die sich aus der sp~iteren Zunahme des Gesamtbestands auf dem Markt ergibt, so dass sie zu einem friiheren Zeitpunkt kaufen. In diesem Fall gilt die Coase-Vermutung also nur eingeschr~inkt. 3.4 Biindelung und A b o n n e m e n t s
3.4.1 Grundlagen zur Biindelung Als Biindelung (engl. bundling) wird ein Vorgehen bezeichnet, bei dem ein Anbieter einen gemeinsamen Preis fiir mehrere Giiter verlangt. Im t~iglichen Leben finden sich viele Beispiele. Offensichtliche Biindel stellen z.B. Abonnements fiir Zeitungen, Zeitschriften, Theaterauffiihrungen, Sportveranstaltungen und fi~hnliches dar. Nicht nur gleichartige und voneinander unabhfingige Giiter werden als Biindel angeboten, sondern auch in der Wahrnehmung und evtl. in der Bewertung der Konsumenten zusammenh~ingende Giiter. So stellen Pauschalreisen, die Flug und Hotelaufenthalt enthalten, ebenso Biindel dar wie pauschale Kontofiihrungsgebiihren einer Bank, die verschiedene Dienstleistungen umfassen, oder Menfis in Restaurants, deren Bestandteile h~iufig auch einzeln erh~iltlich sind. Auch, wenn ein Hersteller Gebinde unterschiedlicher GrSf~e desselben Produkts verkauft, handelt es sich bei dem grSf~eren Gebinde im 5konomischen Sinne um ein Bfindel. Reine Biindelung (engl. pure bundling) liegt vor, wenn die Giiter ausschlief~lich im Paket angeboten werden. Von gemischter Bfindelung (engl. mixed bundling) wird dagegen gesprochen, wenn die Giiter sowohl zu einem gemeinsamen Preis als auch einzeln angeboten werden. 26 Bei gemischter Biindelung ist es dariiber hinaus von Bedeutung, ob der Anbieter die K~iufe der einzelnen Nachfrager beobachten und somit verhindern kann, dass die Bestandteile des Biindels einzeln erworben werden, oder ob diese MSg26Die Terminologie sowie einige der zu Beginn dieses Abschnitts genannten Beispiele gehen zuriick auf Adams und Yellen, 1976, vgl. dort S. 475.
3.4 BiJndelung und Abonnements
79
lichkeit nicht besteht. Offensichtlich ist nur im ersten Fall ein Bfindelpreis mSglich, der die Summe der Einzelpreise iibersteigt. 27 MSgliche Erkl~irungen fiir das Angebot von Biindeln sind Kostenvorteile bei der Produktion der Biindel oder Abh~kngigkeiten in der Nachfrage nach den gebiindelten Giitern, insbesondere Komplementarit~it der gebtindelten Gfiter. 28 Ein Beispiel fiir eine Kosteneinsparung durch Btindelung aus dem Bereich der Informationsgiiter stellt eine einzelne Ausgabe einer Zeitung dar: Wollte man jeden in der Ausgabe enthaltenen Artikel einzeln drucken und vertreiben, enstfinden vielfach hShere Herstellungs- und Transaktionskosten als bei der gebiindelten Zeitung. 29 ti.hnliche Kostenvorteile entstehen bei der Biindelung meherer Musikaufnahmen auf einem Tontdiger (Album), wobei diese offenbar nicht grof0 genug sind, um die Entstehung eines Marktes fiir Tontdiger mit einzelnen Musikaufnahmen (Singles) vollsttindig zu unterbinden. Je geringer solche Kostenvorteile ausfallen, desto geringer ist, ceteris paribus, der Anreiz zur Bfindelung. Auf0er um Kosten einzusparen kSnnen Biindel auch wegen der komplement~en Beziehung der Einzelkomponenten angeboten werden. Dies gilt, wenn starke technologische Komplementarit~iten vorliegen- als extremes Beispiel kSnnen Automobile dienen, die in der Regel gebiindelt mit R~idern verkauft werden-, oder wenn die wahrgenommene Qualit~it der Produkte durch das Angebot eines Btindels steigt. 3~ Biindelung kann jedoch auch dann ffir den Anbieter vorteilhaft sein, wenn die Gfiter von einander unabh~ingig sind und keine Kostenvorteile durch die Bfindelproduktion erzielt werden kSnnen. Unabh~kngigkeit der Giiter bedeutet hier, dass weder eine Substitutions- noch eine Komplementarit~itsbeziehung zwischen den Giitern besteht und somit, sieht man von Einkommenseffekten ab, die Nachfrage nach Gut 1 nicht durch den Preis fiir Gut 2 beeinflusst wird. 31 Der Reservationspreis fiir ein Biindel entspricht dann der 27Vgl. McAfee et al., 1989, S. 372. 2SVgl. Adams und Yellen, 1976, S. 475f. 29Vgl. Bakos und Brynjolfsson, 1999, S. 1622. 3~ Aufzughersteller Otis verkauft Wartungsvertdige im Biindel mit dem Kauf und der Installation eines Aufzugs. Ein zu einem sp~iteren Zeitpunkt separat erworbener Wartungsvertrag wird erheblich teurer angeboten. Auf diese Weise kann Otis einerseits Skalenvorteile in seiner Serviceorganisation erzielen, andererseits fiihrt die Wartung durch das spezialisierte eigene Personal zu einer besseren Gesamtleistung der Aufztige, die von den Kunden positiv wahrgenommen wird. Vgl. Eppen et al., 1991, S. 11. 3iVgl. Schmalensee, 1984, S. 213f.
3 Vermarktung von Informationsgiitern
80
Summe der Reservationspreise fiir die Einzelgiiter. Unter diesen Umst~inden kann eine B/indelungsstrategie dann profitabel sein, wenn die Varianz der Zahlungsbereitschaften der Nachfrager fiir das Biindel geringer ist als f/Jr die einzelnen enthaltenen Giiter. Das ermSglicht es dem Anbieter, einen grSf~eren Teil der potenziellen Einigungsgewinne zu realisieren. 32 Dies kann einerseits aufgrund eines Verteilungseffektes zulasten der Konsumentenrente erfolgen, andererseits a b e r auch durch eine Steigerung der Nettowohlfahrt in Folge einer Reduktion des dead weight loss. Im folgenden Abschnitt werden zun~ichst einige Modelle dargestellt, die sich auf den Effekt der Biindelung von zwei Giitern durch einen Monopolisten konzentrieren. In Abschnitt 3.4.3 werden dann Modelle mit mehr als zwei G/item erSrtert. Teilweise behandeln diese auch den Einfluss eines wettbewerblichen Umfelds auf den Effekt der Biindelungsstrategie.
3.4.2 Modelle mit zwei Giitern Allgemein giiltige Bedingungen f/Jr die Profitabilit/it bzw. die gesamtwirtschaftliche Effizienz einer Bfindelungsstrategie sind nicht leicht zu ermitteln. Die entscheidenden Einflussfaktoren sind zum einen die marginalen bzw. St/ickkosten, die bei der Produktion der beiden Giiter anfallen, zum anderen die Verteilung der Zahlungsbereitschaften der Nachfrager fiir die beiden G/iter. Einer ganzen Reihe der in der Literatur bislang untersuchten Modelle liegen folgende Annahmen zugrunde: 9 Der Anbieter ist ein Monopolist. 32Dieser Aspekt der Bfindelung wird zum ersten Mal von Stigler am Beispiel der Vermarktung von Filmkopien an Kinobetreiber untersucht, wobei stets Kopien unterschiedlicher Filme gemeinsam verliehen bzw. verkauft wurden, was ein amerikanisches Gericht als unzul~sige Kombination eines Monopols betrachtete (,,"The antitrust laws do not permit a compounding of the statutorily conferred monopoly."", Stigler, 1968, S. 165). Die Kinobetreiber diirften nicht gezwungen werden, einen unpopul~iren und damit (nahezu) wertlosen Film mit zu erwerben, um einen popul/iren Film vorffihren zu kSnnen. Stigler weist dagegen darauf hin, dass, wenn der zweite Film tats/ichlich wertlos sei, fiir das Bfindel kein h6herer Preis erzielt werden kSnne als fiir den popul~.ren Film allein und somit keine Ausiibung zus~itzlicher, fiber das Monopol f~r die einzelnen Filme hinausgehender Marktmacht vorliegen kSnne. Er fiihrt die Praxis der Bfindelung auf die Unsicherheit der Verk~iufer fiber die Popularit/it einzelner Filme in bestimmten St/idten und damit die jeweilige Zahlungsbereitschaft der Kinobetreiber fiir einzelne Filme zur/ick. Die mittlere Zahlungsbereitschaft der Kinobetreiber kSnne demgegenfiber leichter ermittelt werden. Der Anreiz zur Bfindelung besteht hier also in einer Reduktion der Unsicherheit des Anbieters hinsichtlich des Verlaufs der Nachfragekurve, vgl. Stigler, 1968, S. 166.
81
3.4 Biindelung und Abonnements
(a)
b2
b2 A
p~
(b)
b2 W (c) '
,,
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p';
"bl
Abbildung 3.4: Einzelbepreisung und Bfindelung durch einen Monopolisten (Modifiziert nach Adams und Yellen, 1976, S.478, S. 479 und S. 480) 9 Es existieren keine Kostenvorteile durch Biindelung, d.h. es gilt C B - cl + c2, wobei Cs fiir die konstanten marginalen Kosten des Biindels steht und cl, c2 fiir die konstanten marginalen Kosten der beiden einzelnen Giiter. Es existieren genau zwei voneinander unabh~gige Giiter, die entweder einzeln, unter reiner oder unter gemischter Biindelung angeboten werden kSnnen, d.h. es gilt bB -- bl + b2, wobei bl, b2 die Zahlungsbereitschaften der Nachfrager fiir die einzelnen Giiter und bB die Zahlungsbereitschaft fiir das Biindel bezeichnen. Die Giiter sind unteilbar (bzw. dauerhaft), d.h. ein einzelner Nachfrager fragt von jedem Gut entweder eine oder keine Einheit nach. Die modellierte Situation ist in Abbildung 3.4 dargestellt. Auf den horizontalen Achsen werden jeweils die Zahlungsbereitschaften der Konsumenten und die Preise fiir Gut 1 abgetragen, auf den vertikalen Achsen diejenigen ffir Gut 2. Aus dem Koordinatensystem (a) geht hervor, wie sich die K~iufer bei separatem Angebot der beiden Gfiter verhalten. Die vertikale Linie bei p~ gibt den aus Sicht des Anbieters optimalen Einzelpreis ffir Gut 1 an, die horizontale Linie bei p~ den fiir Gut 2. 33 K~iufer, deren 33Die in der Grafik gezeigten Konsumenten k,l,m und n stellen willkiirlich gew~hlte Beispiele dar. Die Preise p~ und p~ sind allein fiir diese Konsumenten nicht optimal, sie basieren auf der Pr~isenz weiterer, in der Abbildung nicht gezeigter Nachfrager.
82
3 Vermarktung yon Informationsgfitern
Zahlungsbereitschaften im Bereich A liegen, rechts von p~ und oberhalb von p~, kaufen beide Giiter, K~iufer im Bereich B, links von p~ und oberhalb von p~, z.B. k und l, kaufen lediglich Gut 2, im Bereich C wird keines der beiden Gfiter gekauft und im Bereich D wird lediglich Gut 1 gekauft, z.B. von den Konsumenten m und n. Verkauft der Anbieter die Gfiter 1 und 2 ausschlieglich geb/indelt, so ergibt sich ein Verhalten, wie es im System (b) zu sehen ist: K/iufer, deren addierte Zahlungsbereitschaften fiir beide Giiter den optimalen Biindelpreis p~/iberschreiten, befinden sich in der Abbildung rechts oberhalb der diagonalen Linie im Bereich A und kaufen das B/indel, w~ihrend K~iufer im Bereich B nichts kaufen. Einen Vorteil, den die Biindelung bieten kann, erkennt man am Beispiel der Konsumenten k,l,m und n. Durch B/indelung gelingt es dem Anbieter, deren gesamte Zahlungsbereitschaften auszuschSpfen, was bei einem separaten Angebot der Giiter nicht mSglich w~re. 34 Das Koordinatensystem (c) zeigt schlieglich den Fall gemischter Bfindelung. Fiir das Biindel wird wieder der Preis p~ verlangt, w~i~hrendgleichzeitig die einzelnen Gtiter zu den Preisen p~ sowie p~ angeboten werden. Hier wird das Btindel von solchen Nachfragern gekauft, deren Reservationspreise fiir beide Giiter rechts oberhalb des Streckenzuges WXYZ liegen. Ausschlieglich Gut 1 wird von Nachfragern in dem Gebiet rechts unterhalb des Streckenzuges p~YZ gekauft, w~i,hrend Nachfrager links oberhalb von p~XW nur Gut 2 erwerben. Wie aus der Abbildung hervorgeht, stellt der Btindelpreis hier eine Art Rabatt dar, da er geringer ist als die Summe der Einzelpreise. Ein Vorteil gemischter gegeniiber reiner Biindelung kommt unmittelbar in den Dreiecken p*sP~X sowie YP~P*B zum Ausdruck: die Nachfrager in diesen Gebieten kSnnen bei einer reinen Biindelstrategie nicht bedient werden, w~ihrend sie bei gemischter Biindelung immerhin das Angebot jeweils eines einzelnen Gutes wahrnehmen. Ein weiterer Effekt, der reine Biindelung weniger profitabel macht als gemischte Biindelung, kann zum Tragen kommen, wenn die marginalen Produktionskosten positiv sind (Cl, c2 > 0): Bei reiner Biindelung kann es vorkommen, dass ein Konsument i das Gut 2 auch dann erwirbt, wenn er es geringer bewertet als die entstehenden Produktionskosten (r2 < c2 - e ) , weil sein Reservationspreis fiir das Gut 1 hoch genug ist, um ihn den Biindelpreis dennoch akzeptieren zu lassen (rl + r2 _> p~). Mittels der gemischten Biindelungsstrategie kann ein solcher Nachfrager dazu 34Vgl. McAfee et al., 1989, S. 371.
3.4 B f i n d e l u n g u n d A b o n n e m e n t s
83
bewegt werden, nur das von ihm hoch bewertete Gut 1 zu einem Preis von pl - p ~ - c 2 +e zu erwerben, was einen Stfickgewinn von p l - C l = P*B--CB +e generiert, der fiber dem Stfickgewinn aus dem Verkauf eines Bfindels von P*B - Cs liegt. 3~ A d a m s und Yellen zeigen anhand von Beispielen, dass kaum allgemein-
gfiltige Aussagen hinsichtlich der Profitabilitiit der drei Strategien Einzelverkauf, reine Bfindelung und gemischte Biindelung ffir einen Monopolisten getroffen werden kSnnen. Ihre Beispiele unterscheiden sich hinsichtlich der (diskreten) Verteilung der N achfrager und der Stiickkosten ffir die Produktion der beiden Gfiter, und sie finden fiir jede der drei Strategien eine Kombination dieser Faktoren, in der diese Strategie den hSchsten Gewinn abwirft. Fest steht lediglich, dass gemischte Bfindelung in jedem Fall mindestens so profitabel ist wie reine Bfindelung, wobei dies im Einzelfall bedeuten kann, die Einzelpreise auf ein ffir alle Konsumenten prohibitives Niveau zu setzen und damit effektiv eine reine Bfindelung zu erreichen. 36 Weiterhin l ~ s t sich zeigen, dass gemischte Biindelung praktisch immer profitabler ffir den Anbieter ist als ein separates Angebot der Gfiter, wenn der Anbieter verhindern kann, dass Nachfrager beide Gfiter zu den jeweiligen Einzelpreisen kaufen, wenn diese insgesamt niedriger sind als der Bfindelpreis. 37 Schmalensee untersucht das Zwei-Gfiter-Modell von A d a m s und Yellen
mit der zus~tzlichen Annahme, dass die Reservationspreise der Nachfrager ffir beide Gfiter einer bivariaten Normalverteilung folgen. 3s Dadurch wird es mSglich, die Profitabilit~t des Bundling in Abh~ngigkeit von einer relativ kleinen Zahl von Parametern, n~imlich den marginalen Kosten Cl, c2 und den durchschnittlichen Zahlungsbereitschaften #1, #2 ffir beide Gfiter, deren jeweiligen Standardabweichungen al, a2 sowie der Korrelation der Zahlungsbereitschaften p zu diskutieren. 39 Wenn die Verteilung der Zahlungsbereitschaften und deren Verhiiltnis zu den Kosten symmetrisch ist, d.h., wenn gilt a = Crl = a2 und #1 - c 1 = # 2 - c2 , dann lassen sich folgende Aussagen 35Vgl. Adams und Yellen, 1976, S. 483. 36Vgl. Adams und Yellen, 1976, S. 483 sowie Fuf~note 13 auf S. 484. 37Vgl. McAfee et al., 1989, S. 380. Dieses Resultat tiberrascht nicht, da es in diesem Fall mSglich ist, anstelle eines Bfindelrabatts auch einen Bfindelaufschlag durchzusetzen. 38Die Randverteilungen dieser bivariaten Verteilung, also die Verteilungen der Zahlungsbereitschaften der einzelnen Giiter, folgen dann jeweils einer univariaten Normalverteilung. Vgl. Weisstein, 2005. 39Vgl. Schmalensee, 1984, S. 218.
3 Vermarktung yon Informationsgiitern
84 fiber den Einfluss von p machen: 4~
9 Wenn p - 1 gilt, also eine perfekte Korrelation der Zahlungsbereitschaften ffir beide Gfiter vorliegt, dann sind reine Bfindelung und Einzelangebot ~iquivalent: alle Konsumenten kaufen unter beiden Strategien entweder beide Gfiter oder keines. 9 Immer, wenn p < 1, ist die Standardabweichung der Reservationspreise fiir das Bfindel (rB geringer als ffir die Einzelgfiter. Dieser Effekt wird um so stoker, je kleiner p ist. Ob er genfigt, um reine Biindelung gegeniiber dem ungebiindelten Angebot ffir den Anbieter vorteilhaft zu machen, h~ingt von dem Verh~iltnis a
_ 1 --~
I ~ I - - C l _~. #2--C21 a a
ab, das als ein Maf~ ffir das Niveau der Nachfrage ffir die beiden Gfiter dient. 41 Ist 5 hoch genug, dann ist reine Bfindelung ffir jeden Wert p < 1 profitabler als Einzelangebot. Wenn die genannten Symmetriebedingungen nicht erffillt sind, vermindert dies die relative Profitabilit~it der reinen Bfindelung gegenfiber der separaten Bepreisung, da bei dieser Strategie beide Gfiter immer symmetrisch behandelt werden. Tendenziell muss 5 in diesem Fall ffir jedes p < 1 hShere Werte annehmen, damit reines Bundling weiterhin profitabler als ein gesondertes Angebot der Gfiter bleibt. Gemischte Bfindelung erweist sich dagegen bereits ab wesentlich niedrigeren Werten ffir 5 als profitabler gegeniiber ungebiindelten Verkiiufen, da diese Strategie es erlaubt, die Vorteile reiner Biindelung und separater Bepreisung zu kombinieren. 42 McAfee et al. zeigen in einer weiteren Variante des Modells mit zwei unabh~gigen Gfitern, dass gemischte Biindelung ffir beliebige unabh~ingige Verteilungen der Reservationspreise profitabler ist als das ungebfindelte Angebot, solange die marginalen Produktionskosten mit Null angenommen werden. Darfiber hinaus geben sie eine weitere Bedingung an, unter der die 4~ Schmalensee, 1984, S. 219f. 41Wenn die genannte Symmetriebedingung #1 -Cl = #2 -c2 erfiillt ist, dann reduziert sich der Term fiir ~ auf a = m-ci - ~,2-c2. o" o" 42Schmalensee, 1984, S. 227f.
85
3.4 Biindelung und Abonnements
~
j
Aggregierte Komponentennachfrage
chfrage
,q Abbildung 3.5: Aggregierte Nachfrage nach Einzelkomponenten vs. Bfindelnachfrage bei unabh~ngiger, linearer Nachfrage nach Einzelgiitern (Salinger, 1995, S. 90) Bfindelstrategie auch in einem weiten Bereich von Korrelationskoeffizienten p ~- 0 profitabler ist, auf die hier jedoch nicht n~i~her eingegangen werden soll.a3
Salinger untersucht die Profitabilit~it reiner Biindelung im Zwei-GfiterModell mit positiven marginalen Kosten, indem er die Nachfragekurve des Bfindels mit der vertikalen Summe der Nachfragekurven der beiden beiden Einzelgiiter (aggregierte Komponentennachfrage) vergleicht. Abbildung 3.5 stellt diesen Vergleich am Beispiel unabh~ingig gleichverteilter Reservationspreise und damit linearer Nachfragekurven fiir die Einzelgiiter dar. Salinger zeigt zun~ichst, dass die Fl~iche unter den beiden Kurven gleich ist: Die Fl~iche unter der aggregierten Komponentennachfrage gleicht der Summe der Fl~ichen unter den beiden einzelnen Nachfragekurven, und da die Zahlungsbereitschaft jedes einzelnen K~iufers ffir das Bfindel die Summe seiner Zahlungsbereitschaften fiir die Einzelgiiter darstellt, ist auch die Fl~iche unter der Bfindelnachfragekurve gleich der aggregierten Zahlungsbereitschaft fiber die gesamte Nachfragerpopulation. Wenn die Fl~ichen unter beiden Kurven gleich sind, mfissen sie entweder fibereinstimmen, oder sie 43Vgl. McAfee et al., 1989, S. 377 sowie
86
3 Vermarktung yon Informationsgiitern
miissen sich in mindestens einem Punkt schneiden. Anschlie~end demonstriert er, dass die Fl~iche unter der Biindelnachfragekurve links von einem beliebigen Punkt 0 < q* < 1 auf der auf das Intervall [0, 1] normierten Mengenachse stets kleiner als die oder maximal gleich der Fl~iche unter der aggregierten Komponentennachfrage ist. Die Begriindung liegt darin, dass beim Bundling zum Teil Konsumenten mit beiden Giitern bedient werden, obwohl sie eines der beiden geringer bewerten als andere Nachfrager, die nicht zum Zuge kommen. In der grafischen Darstellung ~iu~ert sich dies darin, dass an einem bestimmten Punkt der Mengenachse immer die aufsummierten Zahlungsbereitschaften desselben Konsumenten abgetragen sind. Die aggregierte Komponentennachfrage zeigt dagegen den Fall, in dem diese Form der Verteilungsineffizienz nicht auftritt: Die Nachfrager sind entlang der Mengenachse nach ihren separaten Zahlungsbereitschaften ffir beide Giiter geordnet, wobei an einem Punkt die Zahlungsbereitschaften zweier unterschiedlicher Konsumenten ffir Gut 1 und Gut 2 aggregiert werden kSnnen. Salingers Resultat beziiglich der Profitabilit~it von Bundling lautet wie folgt: Reine Biindelung ist immer dann fiir d e n Anbieter profitabler ist als ein separates Angebot, wenn der optimale Biindelpreis (unter Beriicksichtigung der Kosten) in dem Bereich liegt, in dem die Biindelnachfragekurve die aggregierte Komponentennachfrage iibersteigt. Die Modelle mit zwei Giitern deuten darauf hin, dass unter bestimmten Umst~inden Biindelung bereits bei beliebigen, unabhingigen Verteilung e n d e r Zahlungsbereitschaften profitabler als ein ausschlie~lich separates Angebot sein kann. Eine negative Korrelation der Zahlungsbereitschaften verst~kt diesen Effekt tendenziell, w~ihrend eine positive Korrelation ihn abschw~icht. Je hSher die marginalen Produktionskosten der Einzelkomponenten ausfallen, desto eher kann eine Biindelungsstrategie unvorteilhaft sein. Allerdings muss Bfindelung auch im Fall sehr niedriger marginaler Kosten keineswegs immer zu hSheren Profiten fiihren. 44 Keines der untersuchten Modelle gibt einen expliziten Algorithmus an, wie optimale Biindel 44Vgl. hierzu auch Altinkemer und Bandyopadhyay, 2000, S. 219f., wo die Autoren, die in einem Zwei-Giiter-Monopol-Modell marginale Kosten yon Null annehmen und die Effekte der Biindelung auf die Profite des Monopolisten untersuchen, zeigen, dass insbesondere dann, wenn ein hoher Anteil von Konsumenten nur eine geringe Zahlungsbereitschaft fiir eines der Giiter aufweist, Biindelung diese Konsumenten ausschliegt und damit eine verlorene Gelegenheit fiir den Verk/iufer darstellen.
3.4 Biindelung und Abonnements
87
bzw. Bfindelpreise abgeleitet werden kSnnen, wenn die marginalen Produktionskosten bekannt sind und Annahmen beziiglich der Verteilung der Reservationspreise bestehen. 3.4.3 Modelle mit mehr als zwei G/itern Im Folgenden werden einige Modelle dargestellt, in denen ein Bfindel mehr als zwei Giiter umfassen kann. Hanson und Martin entwickeln ein Modell, das es erlaubt, fiir einen Monopolisten gleichzeitig optimale Biindel und optimale Preise ffir eine bekannte diskrete Verteilung von Reservationspreisen und bekannte Kosten zu bestimmen. Sie nehmen an, dass M Kundensegmente existieren, wobei das kte Segment Nk Kunden umfasst (1 _< k _< M). Wie oben kaufen Nachfrager maximal ein Exemplar von jedem Einzelgut, es findet keine Preisdiskriminierung dritten Grades statt, d.h. fiir jedes Nachfragersegment gelten dieselben Preise, ein grS~eres Bfindel wird zum gleichen Preis stets mindestens ebenso hoch bewertet wie ein kleineres, und die marginalen Produktionskosten ffir ein Biindel sind (schwach) subadditiv, d.h. Biindelkosten fibersteigen nie die Kosten der einzelnen Giiter. Au~erdem kSnnen Konsumenten ohne zus~itzliche Kosten grS~ere Bfindel aus kleineren zusammenstellen. Zun~ichst zeigen die Autoren, dass unter diesen Annahmen jeder nutzenmaximierende K~iufer hSchstens ein Bfindel kaufen wird. 45 Die Zielfunktion ihres Modells lautet dann M
L
max
k---1 i - 1
wobei zki ffir den marginalen Umsatz steht, der durch einen Kunden im Segment k generiert wird, der das Bfindel i kauft. Sie optimieren diese Funktion unter einer Reihe von Nebenbedingungen, die aus den oben genannten Annahmen folgen, mit Hilfe nichtlinearer gemischt-ganzzahliger Programmierung (engl. mixed integer nonlinear programming; MINLP). Aufgrund der gro~en Anzahl mSglicher Kombinationen sind jedoch der Anzahl von Komponenten, die mit diesem Modell behandelt werden kSnnen, durch die Kapazit~t des genutzten Computersystems Grenzen gesetzt. 46 45Vgl. Hanson und Martin, 1990, S. 159. 46Vgl. Hanson und Martin, 1990, S. 157ff. sowie S. 162f. Die Anzahl der mSglichen Biindel fiir n Elemente, die mindestens ein Element enthalten, betr~igt 2 n - 1.
3 Vermarktung yon Informationsgiitern
88
Bakos und Brynjolfsson entwickeln ein Modell, mit dem sich der Effekt der Biindelung auch fiir eine sehr groi~e Anzahl von Informationsgiitern analysieren l ~ s t , deren marginale Produktionskosten mit Null angenommen werden. ~ bezeichnet die Menge der Konsumenten. Die Zahlungsbereitschaft eines Konsumenten w E ~ ffir ein Gut i in einem Bfindel mit n Giitern ist vni(w), d.h. die Zahlungsbereitschaft ffir ein einzelnes Gut kann mit der Biindelgr6~e variieren. Sie treffen zun~ichst folgende Annahmen47 9 Fiir alle n sind die Zahlungsbereitschaften vni unabh~i~gig und gleichfSrmig b e s c h r ~ k t verteilt, mit kontinuierlichen Dichtefunktionen und nichtnegativem Tr~iger, einem Mittelwert von #hi und einer Varianz 2 (Tni . 9 Ein zus~itzlich erworbenes Gut verursacht den Konsumenten abgesehen vom Preis keinerlei Kosten, d.h. ein grSgeres Bfindel wird nie geringer bewertet als ein kleineres (formal: ffir alle n > 1 gilt ~-~=1 vnk >_ n--1
E k - I V(n-1)k)" Die Autoren verwenden das (schwache) Gesetz der gro~en Zahlen, um aus diesen Annahmen ihr zentrales Resultat abzuleiten: Wenn die Anzahl gebiindelter Informationsgiiter n steigt, konvergieren dead weight loss und Konsumentenrente gegen Null, wShrend der Gewinn des Verkiiufers sein Maximum erreicht. Allerdings ist mit diesem Resultat nicht gesagt, dass diese Ann~iherung an den Idealzustand (aus Sicht des Anbieters) monoton mit steigender BiindelgrSge erfolgt; es kSnnte im Prinzip ein unendlich groges Biindel erforderlich sein, um diesen Zustand zu erreichen. Mit Hilfe der zus~itzlichen Annahme, dass die Nachfragekurven der Einzelgiiter jeweils nur einen einzigen Schnittpunkt aufweisen, as zeigen sie, dass, ausgehend von einem profitablen Biindel mit ~ Giitern, der Gewinn fiir grS~ere Biindel mit n > fi Giitern monoton steigt. Damit ist, unter den gesetzten Annahmen, 47Vgl. Bakos und Brynjol#son, 1999, S. 1616. 48Die Annahme lautet formal P([xn- ~n[ < e) < P([xn+l- jun+l[ < e), wobei 1 die Zahlungsbereitschaft pro Gut ffir ein Biindel mit n Giitern bezeichnet. Angenommen wird damit faktisch, dass die spezifischen Zahlungsbereitschaften gr6f,erer Biindel stii.rker um den jeweiligen Mittelwert konzentriert sind als die kleinerer. Bakos und Brynjolfsson halten fest, dass diese Annahme fiir die meisten iiblichen Nachfragefunktionen wie lineare, logarithmische und auf einer Normalverteilung der Zahlungsbereitschaften basierende erfiillt sei, vgl. Bakos und Brynjolfsson, 1999, S. 1618.
89
3.4 B i i n d e l u n g u n d A b o n n e m e n t s
die Profitabilit~it endlicher Bfindel gesichert. Unter der restriktiveren Annahme unabhiingig und identisch verteilter Zahlungsbereitschaften vni mit dem Mittelwert #n und der Varianz a,~2 lautet die Untergrenze der Gewinne pro Gut 7r(n) ffir ein Biindel mit n Giitern 49
7r(n) > #n
1- 2
an
n
+
/
...... n
.
In dem Modell von B a k o s und B r y n j o l f s s o n reduziert eine substitutive Beziehung zwischen den Informationsgiitern c.p. den Anreiz zur Bfindelung, w~ihrend eine komplement~ire Beziehung ihn verstMkt. Budgetrestriktionen der Konsumenten ffihren dazu, dass die Varianz der Zahlungsbereitschaften ffir das Biindel rascher mit der BfindelgrSf~e abnimmt, wobei die gesamte Zahlungsbereitschaft ffir das Bfindel gegen die Budgetrestriktion konvergiert. Wird die Annahme identischer #n und a,~2 der Verteilungen der Reservationspreise fiir die Einzelgiiter aufgehoben, so ist es ffir den Anbieter nicht in jedem Fall vorteilhaft, ein weiteres Gut zum Biindel hinzuzufiigen: Existiert ffir ein fragliches Gut i z.B. eine hohe durchschnittliche Zahlungsbereitschaft #il beim Einzelverkauf, so kann es profitabler sein, diese Zahlungsbereitschaft durch einen separaten Verkauf abzuschSpfen. Aui~erdem kann das Hinzuffigen eines Gutes mit einer hohen Varianz der Zahlungsbereitschaften den varianzreduzierenden Effekt des bereits bestehenden Biindels konterkarieren und damit das Bfindel insgesamt weniger profitabel machen. 5~ Die Aufhebung der Annahme unabhiingiger Verteilung der Zahlungsbereitschaften ffihrt B a k o s und B r y n j o l f s s o n zu zwei F~illen: Einerseits kSnnen die Zahlungsbereitschaften korrelieren, ohne dass gemeinsame zugrunde liegenden Variablen existieren, andererseits ist es auch mSglich, dass es solche Variablen gibt. Der erste Fall kann am Beispiel eines BSrsenhiindlers verdeutlicht werden: Dieser interessiert sich besonders fiir aufeinander folgende Meldungen zu bestimmten Branchen, so dass eine starke Korrelation zwischen seinen Bewertungen dieser Meldungen zu erwarten ist. Je weiter sich die Thematik einer Meldung jedoch vom Zentrum seines Interesses entfernt, desto geringer wird die Korrelation. In diesem Fall l ~ s t sich die Kernaussage 49Vgl. Bakos und Brynjolfsson, 1999, S. 1620. 5~ Bakos und Brynjolfsson, 1999, S, 1621ff.
90
3 Vermarktung von Informationsgfitern
der Varianzreduktion durch VergrSf~erung des Biindels weiterhin aufrechterhalten. ~x Korrelieren dagegen die Bewertungen mit einer gemeinsamen zugrunde liegenden Variablen, z.B. ob es sich bei dem Nachfrager um eine Privatperson oder ein Unternehmen handelt, dann gilt die zentrale Aussage nicht mehr: Die Verteilung der Biindelbewertungen wird in diesem Fall zwei H/iufungspunkte aufweisen, die den jeweiligen Nachfragertyp repr/isentieren. Hier ist, wenn die unterliegende Variable identifizierbar ist, eine Preisdiskriminierung dritten Grades mSglich, wobei die Biindel den verschiedenen Nachfragergruppen zu unterschiedlichen Preisen angeboten werden. Eine weitere MSglichkeit besteht darin, eine Selbstselektion der Nachfrager zu veranlassen, indem verschiedene Biindel angeboten werden, von denen jedes die fiir eine Nachfragergruppe essenziellen Informationsgiiter enth~ilt, die jeweils in den iibrigen Biindeln nicht enthalten sind. Schlief~lich existieren einige Ans/itze, die die Effekte der Biindelungsstrategie unter Wettbewerbsbedingungen analysieren. Diese werden hier nur kurz betrachtet, da auch das in dieser Arbeit entwickelte Verhandlungsmodell von einem monopolistischen Informationsanbieter ausgeht. Fishburn und Odlyzko beschreiben die Konkurrenz zwischen zwei Informationsanbietern, von denen einer seine Inhalte immer in Form eines Abonnements, also eines zeitlich gestreckten Biindels, anbietet, w/ihrend der andere stets ungebiindelte Giiter verkauft. Die Konsumenten haben in jeder Periode die M6glichkeit, den Anbieter und damit das Preismodell zu wechseln. Die Nachfrager unterscheiden sich in ihrer Nutzungsrate, d.h. der Anzahl der Informationsg/iter, die sie pro Periode erwerben bzw. nutzen, sind aber indifferent zwischen den Giitern des einen und des anderen Anbieters. 52 H~iufig kommt es in diesem Modell zu einem ruinSsen Preiskampf zwischen den beiden Anbietern, sofern kollusives Verhalten ausgeschlossen wird. In den F/illen, in denen stabile Gleichgewichtspreise existieren, liegen die aggregierten Ums/itze beider Firmen unterhalb des Monopolniveaus, und der Anbieter des Abonnements hat einen leichten Vorteil gegen/iber dem Anbieter der Einzelgfiter. 53 Ein deutlicherer Vorteil fiir den Anbieter des Biindels ergibt sich, wenn die Annahmen von Bakos und Brynjolfsson (siehe oben) gelten. 54 51Vgl. Bakos und Brynjolfsson, 1999, S. 1623. 52Vgl. Fishburn und Odlyzko, 1999, S. 449ff. 53Vgl. Fishburn und Odlyzko, 1999, S. 469. 54Vgl. Bakos und Brynjol#son, 2000, S. 72.
3.5 Zusammenfassung
91
In der Konkurrenz zweier Verleger, die nicht in direkter Konkurrenz um Nachfrager stehen, sich aber einen Preiskampf um weitere Inhalte von Zulieferern, z.B. Autoren, liefern, gewinnt unter den Voraussetzungen des oben dargestellten Modells von Bakos und Brynjolfsson derjenige Verleger die Oberhand, der bereits das grSgere Gfiterbfindel anbietet, da er stets bereit ist, mehr an die Produzenten der Informationsgfiter zu zahlen. 55 Kephart und Fay simulieren eine Reihe von Anbietern, die jeweils ein Bfindel anbieten und fiber die Zeit hinweg sowohl die Zusammensetzung als auch den Preis ihres Bfindels variieren kSnnen. Die einzelnen Elemente der Biindel sind Informationsgfiter bestimmter Kategorien, die direkt gegeneinander substituierbar sind, w~i~hrend Gfiter aus unterschiedlichen Kategorien nicht substituierbar sind. Die Anbieter kSnnen entscheiden, welche Kategorien in ihrem jeweiligen Bfindel enthalten sind. Abweichend von den Annahmen der bisher dargestellten Modelle entstehen den Konsumenten hier Kosten ffir jedes einzelne erworbene Informationsgut, ,,zu vier' erworbene Gfiter kSnnen also nicht kostenfrei auger Acht gelassen werden. Wenn die Anbieter eine myopische Strategie verfolgen, also in jeder Periode ihre individuell optimale Antwort auf den Zustand des Marktes in der Vorperiode als neues Verhalten annehmen, in der Annahme, dass sich das Verhalten der fibrigen Marktteilnehmer nicht ~indert, dann kommt es h~iufig zu zyklischen Bewegungen in der Zusammensetzung der Bfindel und in den Preisen. Insgesamt kSnnen aber fiber die Zeit hinweg positive Profite realisiert werden. 56 3.5 Z u s a m m e n f a s s u n g Nach einer kurzen Einffihrung in die Begriffiichkeit der Preisdifferenzierung wird das Grundproblem dargestellt, mit dem ein Monopolist als Anbieter dauerhafter Gfiter konfrontiert ist. Es wird erSrtert, wie Coase zu der nach ihm benannten Vermutung gelangt, in einer solchen Situation sei der Anbieter nach kurzer Zeit gezwungen, seine Preise auf das Niveau eines Wettbewerbsmarktes zu senken. Anschlie~end werden einige formale Modelle dargestellt, die detaillierter das Verhalten eines Monopolisten mit dauerhaften Gfitern analysieren. Diese best~itigen weitgehend die Gfiltigkeit der CoaseVermutung. 55Vgl. Bakos und Brynjolfsson, 2000, S. 69. 56Vgl. Kephart und Fay, 2000, S. 118 sowie S. 122ff.
92
3 Vermarktung yon Informationsgiitern
Die daraufhin untersuchte Literatur zur Bfindelungsstrategie als einer alternativen MSglichkeit, eine Selbstselektion der Nachfrager zu induzieren, hat bislang keine einfachen Kriterien f/ir die Profitabilit~it bzw. die gesamtwirtschaftliche Vorteilhaftigkeit von B/indeln hervorgebracht. Dies gilt selbst dann, wenn der Einfluss der marginalen Kosten und eventuell vorhandener substitutiver oder komplement/irer Beziehungen zwischen den G/item nicht betrachtet wird. W/ihrend unter bestimmten Annahmen fiber die Verteilung der Reservationspreise der Nachfrager gro~e Vorteile hinsichtlich beider Aspekte realisierbar erscheinen, existieren andere Umst~inde, unter denen eine B/indelung sowohl die Profite des Anbieters als auch die insgesamt realisierten Tauschgewinne reduziert. Offenbar benStigen Anbieter eine recht genaue Kenntnis des Nachfragepotenzials, um eine optimale Bepreisungsstrategie w/ihlen zu kSnnen.
4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
Verhandlungen werden in mehreren wissenschaftlichen Disziplinen untersucht, u.a. in der Politologie, der Soziologie, den Wirtschaftswissenschaften und in jfingerer Zeit im Forschungsgebiet der Multiagentensysteme. 1 Viele dieser Ans~itze behandeln den Gegenstand in seiner ganzen Komplexit~it, indem sowohl soziale und psychische Faktoren Berficksichtigung finden als auch die MSglichkeit mehrdimensionaler Verhandlungen, in denen eine Einigung nicht nur entlang einer einzigen Dimension gesucht wird, sondern eine Vielzahl von Faktoren umfasst. Auch Verhandlungen zwischen mehr als zwei Teilnehmern werden in den genannten Disziplinen erSrtert. Fiir die Fragestellung dieser Arbeit sind jedoch die Einflussfaktoren von besonderer Bedeutung, die sich auf die Ergebnisse reiner Preisverhandlungen zwischen zwei Akteuren auswirken. Daher konzentriert sich dieses Kapitel auf die Ergebnisse einer Reihe von spieltheoretischen Modellen, in denen Verhandlungssituationen zwischen zwei Akteuren untersucht werden. Da die Spieltheorie nicht zu den Standardmethoden der Wirtschaftsinformatik gehSrt, wird in Abschnitt 4.1 eine kurze Einfiihrung in deren Methodik gegeben, um ein grundlegendes Verst~indnis der anschliet~end dargestellten Modelle zu vermitteln. Abschnitt 4.2 erSrtert das Grundproblem der 5konomischen Untersuchung von Verhandlungen, n~imlich das Bestehen eines beidseitigen Monopols bzw. das Fehlen von alternativen Vertragspartnern, deren Vorhandensein in anderen F~illen eine wichtige Grundlage des 5konomischen Erkl~irungsmodells bildet. In den folgenden Abschnitten wird zun~ichst die VerhandlungslSsung von Nash dargestellt (Abschnitt 4.3), bevor anschiiet~end sequenzielle Verhandlungsmodelle bei vollst~indiger (Abschnitt 4.4), einseitig unvollst~indiger (Abschnitt 4.5) und beidseitig unvollst~indiger Information (Abschnitt 4.6) betrachtet werden.
1Ergebnisse aus diesem Gebiet werden unten in Abschnitt 5.2 referiert.
94
4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
4.1 Grundbegriffe der Spieltheorie 4.1.1 "Spiele" und rationales Verhalten
Die Idee, 5konomische Situationen mit Hilfe einer "Mathematischen Theorie der Gesellschaftsspiele''2 zu modellieren, geht zurfick auf John yon Neumann und Oskar Morgenstern. 3 Ziel dieses Vorgehens ist es, pr/izise theoretische Vorhersagen f/ir eine Klasse von Situationen zu ermSglichen, die mit dem bis dahin verf~gbaren Instrumentarium der 5konomischen Theorie nur unzureichend behandelt werden konnten. Es handelt sich um solche Situationen, in denen sich lediglich eine kleine Zahl von Individuen gegen/ibersteht, im Extremfall nur zwei. Um die besondere Komplexit/it dieser F/ille zu begr/inden, die, betrachtet man die Summe aller sozialen bzw. 5konomischen Interaktionen, eher die Regel als die Ausnahme sein d/irften, rekurrieren die Autoren auf das allgemeine Erkl/irungsprinzip der 5konomischen Theorie, die Annahme rationalen Verhaltens. Diese Annahme besagt, dass sich ein Konsument, der sich vor die Wahl zwischen verschiedenen Alternativen gestellt sieht, so entscheiden wird, dass seine Bediirfnisse bestmSglich befriedigt werden. Ist von einem Unternehmer als Entscheidungstr/iger die Rede, wird eine Entscheidung postuliert, durch die dessen Gewinn maximiert wird. Fiihrt man zur Bestimmung des Grades der Bediirfnisbefriedigung eine Von-Neumann-Morgenstern-Nutzenfunktion ein, wie sie oben in Abschnitt 2.3.2.2 dargestellt wurde, wird auch das Problem des Konsumenten zu einem Maximierungsproblem, in seiner Struktur analog dem Problem des Unternehmers. Im Prinzip werden theoretische Vorhersagen in der neoklassischen 0konomik dann nach folgendem Muster abgeleitet: Ffir ein Modell der zu untersuchenden Situation, das die Zusammenh~inge zwischen den (Nutzen- bzw. Gewinn-)Positionen der Akteure exakt abbildet, wird ein Zustand der Entscheidungsvariablen gesucht, in dem das eben beschriebene Optimierungsproblem fiir alle Akteure simultan gelSst ist. In einem solchen Zustand, so er existiert, hat keiner der Akteure ein Interesse, seine Entscheidung zu revidieren, da ihn dies schlechter stellen wiirde gegeniiber dem Zustand, in dem alle Optimierungsprobleme gelSst sind. Da ein solcher Zustand also stabil ist, solange keine Anderung ~iui~erer Umst~inde eintritt, wird er als o.
2yon Neumann, 1928. 3yon Neumann und Morgenstern, 1953.
4.1 Grundbegriffe der Spieltheorie
95
Gleichgewicht bezeichnet. Gleichzeitig ist dies der Zustand, der, ausgehend vonder Hypothese rationalen Verhaltens, als wahrscheinliches Ergebnis der untersuchten Situation prognostiziert wird. Die Existenz eines Gleichgewichts ist es auch, die es erlaubt, das individuelle Verhalten der Akteure auf dem Weg zu einem Gleichgewicht schliet~lich durch die Nutzen- bzw. Gewinnposition der Akteure nach dem Erreichen des Gleichgewichts zu charakterisieren. Solange sich alle Akteure rational verhalten, ist die Nutzenposition 4 eines Akteurs im Gleichgewicht das Maximum dessen, was er erreichen kann. Die Handlungen, die er unternehmen muss, um diese Position zu erreichen, wird er also unternehmen, sofern er nach diesem Maximum strebt. Gleichzeitig existiert in der Regel nur eine einzige Kette von Entscheidungen, die dem Akteur das Erreichen einer bestimmten Gleichgewichtsposition sichert. Damit ist also durch die Gleichgewichtsposition auch die Reihe der vorher getroffenen Entscheidungen bzw. der ausgefiihrten Aktionen determiniert, was die Gleichsetzung von erwartetern Wert einer Situation ffir die Beteiligten und Vorhersage des Verhaltens der Beteiligten in dieser Situation ~ gestattet. Wie sp~iter zu erSrtern sein wird, impliziert rationales Verhalten, wie es bis hierher beschrieben wurde, jedoch keineswegs, dass jede denkbare Situation nur ein oder mindestens ein Gleichgewicht zul~st. Im Gegenteil wird ein erheblicher Teil der sp~teren Diskussion in diesem Kapitel damit befasst sein, den plausibelsten einer (teilweise sehr grot~en) Anzahl mSglicher Gleichgewichtspunkte zu identifizieren. Dabei wird insbesondere eine erhebliche Verfeinerung des Konzepts der Rationalit~it notwendig werden. Von Neumann und Morgenstern weisen nun auf folgende Schwierigkeit hin, die bei der Anwendung rationalen Verhaltens als Erkl~ungsprinzip auftritt: Im Allgemeinen setzt rationales Verhalten aus Sicht der Akteure mehr voraus als die LSsung eines Optimierungsproblems im iiblichen Sinne. Denn die jeweilige Entscheidungssituation eines Akteurs wird in diesem Fall u.a. dutch das Verhalten aller iibrigen Akteure determiniert. Da dies ffir alle Akteure gilt, muss jeder Akteur die Verhaltens~nderungen der iibrigen 4Da es sich sowohl bei dem hier betrachteten Nutzenkonstrukt, als auch bei monet~rem Gewinn um kardinal messbare GrS~en handelt, wird in Zukunft der Kiirze halber nur noch von Nutzen gesprochen, wenn tats~ichlich Nutzen oder Gewinn betrachtet werden kSnnte. In den sp~iter diskutierten Verhandlungsmodellen wird der Verhandlungsgegenstand ohnehin als monet~ire GrSge modelliert, womit der Unterschied zwischen Konsument (Nutzen) und Unternehmer (Gewinn) noch weniger ins Gewicht f'~llt. 5Vgl. Abschnitt4.2.
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4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
Akteure beriicksichtigen, die durch sein eigenes Verhalten induziert werden. 6 Die Autoren stellen diese Situation der einer sog. Robinson-CrusoeOkonomie gegeniiber, in der eine einzelne Person vor dem Problem steht, die ihr zur Verfiigung stehenden Ressourcen optimal zur Befriedigung ihrer Bedfirfnisse einzusetzen, ohne jegliche Form des Austausches mit anderenNot a single datum with which he [i.e., the Robinson-Crusoeactor; SP] has to deal reflects another person's will or intention of an economic kind-based on motives of the same nature as his own. A participant in a social exchange economy, on the other hand, faces data of this last type as well: they are the product of other participant's actions and volitions (like prices). His actions will be influenced by his expectations of these, and they in turn reflect the other participants' expectation of his actions. 7 Der letzte Teil dieser Aussage entspricht genau jenem Problem, vor dem die Spieler in Strategiespielen wie Schach, aber auch in Spielen mit einem Zufallselement wie Backgammon, SLut oder Doppelkopf stehen. Um diese Schwierigkeit zu umgehen, macht sich die 5konomische Theorie oft das "Gesetz der grof~en Zahr' zunutze: 8 Wenn die Zahl der Akteure gro~ genug wird, dann wird der Einfluss der Entscheidungen eines einzelnen Akteurs auf jeden anderen Akteur gering genug, um ihn g~inzlich auSer Acht zu lassen. Am deutlichsten ist dieses Prinzip im Modell der vollkommenen Konkurrenz (engl. perfect competition) verkSrpert: Die Annahme einer atomistischen Marktstruktur sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite schlief~t eine Anderung des Marktpreises durch eine _~nderung der von einem einzelnen Anbieter angebotenen Menge oder der von einem einzelnen Nachfrager nachgefragten Menge aus. Der Marktpreis kann somit von den Akteuren als Datum betrachtet werden, wenn sie ihre individuellen Produktions- bzw. Nachfrageentscheidungen treffen. In der Theorie des (einseitigen) Monopols sind die einzelnen Nachfrager ebenfalls gezwungen, den Preis des Monopolisten als Datum zu betrachten, da eine Anderung oo
6In der Tat ist bereits friiher, insbesondere in der Oligopoltheorie, bemerkt worden, dass
solche Situationen Eigenschaften aufweisen, die Strategiespielen ~ihneln. Die Rede ist hier vonder sog. Aktions-Reaktionsverbundenheit, vgl. Fehl und Oberender, 2002, S. 69f. 7yon Neumann und Morgenstern, 1953, S. 12. 8Vgl. yon Neumann und Morgenstern, 1953, S. 13ft.
4.1 Grundbegriffe der Spieltheorie
97
ihres individuellen Nachfrageverhaltens nicht genfigend Einfluss auf die aggregierte Nachfrage hat, um den Monopolisten zu einer .Anderung seiner Preispolitik zu veranlassen. Der Monopolist sieht sich zwar einer Reaktion der Nachfrager auf seine Preisentscheidung gegeniiber, deren Parameter jedoch nicht von seiner Entscheidung abh~ingen, sondern von ihm als Datum betrachtet werden kSnnen. In der Oligopoltheorie dagegen ~indert sich die Nachfrage, der sich ein Anbieter gegeniibersieht, mit ji.nderungen in den Preis- bzw. Mengenentscheidungen der anderen Anbieter. Gleichzeitig wissen die fibrigen Anbieter, dass dieser eine Anbieter auf ihre Entscheidungen reagieren wird. Hier ist also bereits genau die oben beschriebene Situation einer strategischen Interaktion gegeben, obgleich ffir die Nachfrageseite noch das "Gesetz der grot~en Zahr' gilt. Reduziert man die Zahl der Akteure weiter, wird die Verflechtung der gegenseitigen Abh~i~gigkeiten immer grS~er und die Pr~ision der Aussagen der 5konomischen Theorie nimmt ab. Von Neumann und Morgenstern hoffen nun, mit Hilfe einer pr~zisen mathematischen Formulierung dieser Spiele, also solcher Situationen, in denen strategische Abh~ngigkeit zwischen den Entscheidungen der Handlungstr~iger vorliegt, den Grundstein ffir eine fundamentalere und damit, jedenfalls auf lange Sicht, zu pr~iziseren Aussagen fiihrende Theorie zu legen. 9 Das Fundament ihrer Theorie bildet die Ableitung des oben erl~iuterten Erwartungsnutzens. Rationales Handeln wird in dieser Arbeit kiinftig mit der Wahl von Handlungsalternativen gleichgesetzt, durch die der in diesem Sinne definierte (Erwartungs-)Nutzen eines Individuums im Rahmen der gegebenen MSglichkeiten maximiert wird. 1~
4.1.2 Kooperative und nicht-kooperative Spieltheorie Nash trifft als erster eine Unterscheidung zwischen den zwei grundlegenden spieltheoretischen Methoden:ll Die nicht-kooperative Methode untersucht, wie sich rationale Spieler verhalten, wenn sie keinerlei MSglichkeit haben, 9 Von Neumann und Morgenstern entwickeln ihre Theorie zun~chst fiir Spiele mit zwei Teilnehmern und weiten sie anschlie~,end auf mehrere Teilnehmer aus. In dieser Arbeit wird allerdings der Fokus auf 2-Personen-Spiele gelegt, die der in Abschnitt 4.2 dargestellten Verhandlungssituation entsprechen. l~ Handeln in diesem Sinne ist streng genommen nur in abstrahierten Modellwelten mSglich. Vgl. z.B. Simon, 1996, S. 25f. llVgl. Nash, 1950, 1953, fiir eine weitergehende ErSrterung vgl. auch Binmore und Dasgupta, 1987, S. 4ft.
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4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
w~hhrend des Spiels auf~erhalb des in den Spielregeln gestatteten Rahmens zu kommunizieren bzw. zu kooperieren. Die kooperative bzw. axiomatische Methode ermittelt eine LSsung, ohne die konkrete Formulierung der Regeln des Spiels zu betrachten. Es werden vielmehr bestimmte Kriterien als Axiome postuliert, die fiir jede denkbare LSsung gelten sollen. Jedes Axiom schr~i~kt die Menge der in Betracht kommenden LSsungen ein, und mit einer ausreichenden Anzahl sinnvoll gewfi~hlter Axiome bleibt lediglich eine LSsung iibrig. Natiirlich sollten die Axiome eine sachliche Rechtfertigung besitzen, um die so gewonnene LSsung akzeptabel erscheinen zu lassen. Die Axiome kSnnen als allgemeine Vernunftprinzipien aufgefasst werden, auf die sich die Akteure berufen, w ~ r e n d sie im Vorfeld des eigentlichen Spiels dariiber verhandeln, wie sie sich im Spiel verhalten werden. 12 In dieser Arbeit stehen Ergebnisse der nicht-kooperativen Spieltheorie im Vordergrund, da es nicht p r i m ~ um die Vorhersage von Verhandlungsergebnissen geht, sondern um ein pr~iziseres Verst~indnis rationalen Verhaltens im Rahmen gegebener Verhandlungsprotokolle. Dennoch wird zum einen zur Illustration der Unterschiede zwischen den beiden Mehtoden die Ableitung der sog. Nash-VerhandlungslSsung sowohl auf axiomatische als auch auf nicht-kooperative Weise dargestellt (vgl. Abschnitt 4.3), zum anderen wird kurz auf die mit der axiomatischen Methode verwandte Theorie anreizkompatibler Mechanismen eingegangen, die es erlaubt, Grenzf'eille fiir Verhandlungsergebnisse unter unvollst~diger Information zu ermitteln (vgl. Abschnitt 4.7).
4.1.3 Formale Darstellung yon Spielen An einem Spiel nehmen I Spieler teil, die mit arabischen Zahlen 1,2, ..., I bezeichnet werden. 13 Ein Spiel besteht aus einer endlichen Anzahl von Ziigen. 14 Ein Zug konfrontiert jeweils einen Spieler mit einer genau abgegrenz12Vgl. Binmore, 1992, S. 195. 13Unter der Perspektive dieser Arbeit werden allerdings in den folgenden Abschnitten ausschlief,lich Zwei-Personen-Spiele betrachtet. 14Das bedeutet nicht, dass die Anzahl der tats/ichlich durchlaufenen Ziige zu Beginn des Spiels feststeht. Fiir die Endlichkeit der Ziige geniigt es, dass ein Abbruchkriterium existiert, durch das das Spiel in jedem Fall zu einem Endpunkt gelangt, vgl. z.B. yon Neumann und Morgenstern, 1953, S. 58f. und Kuhn, 1997, S. 49. Im Schachspiel, das prinzipiell durch die Wiederholung von Stellungen unendlich viele Ziige lang fortgesetzt
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4.1 Grundbegriffe der Spieltheorie 1
1,0
2,3
0,1
-1,0
Abbildung 4.1: Baumstruktur eines Spiels (eigene Darstellung) ten Auswahl von Alternativen, die entweder zu weiteren Ziigen desselben oder eines anderen Spielers ffihren oder zu einem Endpunkt des Spiels, an dem jeder Spieler eine A uszahlung in Form von Nutzeneinheiten bzw. Geld erh~lt. Manche Zfige sind keinem der Spieler zugeordnet, sondern repr~isentieren Zufallsereignisse im Spielverlauf, bei denen die Alternativen mit bestimmten, feststehenden Wahrscheinlichkeiten eintreten. Es wird vorausgesetzt, dass diese Wahrscheinlichkeiten allen Spielern bekannt sind. Diese Beschreibung eines Spiels entspricht einer Baumstruktur, wie sie exemplarisch in Abb. 4.1 gezeigt wird. Die Abbildung ist folgendermat~en zu interpretieren: Die Zahl neben einem Knoten steht fiir den Spieler, der am Zug ist. Das Spiel beginnt an dem nicht ausgefiillten Knoten, der mit "1" beschriftet ist. Spieler 1 beginnt also das Spiel und muss seine Wahl zwischen den Alternativen L und R treffen. W~ihlt er L, wird das Spiel bei dem Knoten fortgesetzt, der auf die mit "L" beschriftete Kante folgt, w~ihlt er R, geht es bei dem rechten Knoten weiter. Spieler 2 muss sich nun zwischen den Alternativen a und b bzw. c und d entscheiden, je nachdem, welche Alternative Spieler 1 gewfi~hlt hat. Mit der Entscheidung von Spieler 2 endet das Spiel und die Spieler erhalten die Auszahlungen, die am Ende der Kanten verzeichnet sind. Die Auszahlung, die Spieler 1 erh~ilt, wird durch den ersten Wert repr~isentiert, diejenige fiir Spieler 2 durch den zweiten. Diese Darstellung eines Spiels gibt dessen Regeln wieder, nicht den Verlauf einer konkreten Partie, denn es werden jeweils die MSglichkeiten aufgezeigt, die sich den Spielern bei ihren Ziigen erSffnen, aber es wird keine Aussage fiber die tats~ichlich getroffenen Entscheidungen gemacht. Im Englischen werden kSnnte, besteht z.B. bei Vorliegen solcher Wiederholungen die M5glichkeit der Beendigung durch ein Remis.
100
4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle 1
B
/ -5, -5
\ 3, - 8
S
/ -8, 3
\ 0,13
Abbildung 4.2: Gefangenendilemma (eigene Darstellung) wird hier zwischen game fiir ein Spiel im Sinne eines Satzes von Spielregeln und play fiir einen konkreten Spielverlauf unterschieden. 15 Im Folgenden wird fiir diese Unterscheidung das Begriffspaar Spiel und Pattie verwendet. Spielregeln enthalten oft Elemente, die den Informationsstand der Spieler bei ihren Entscheidungen betreffen. In dem Spiel in Abb. 4.1 weig Spieler 2 im Augenblick seines Zuges, welche Alternative Spieler 1 gew~ihlt hat. In einem der bekanntesten Spiele, dem in Abb. 4.2 gezeigten Gefangenendilemma, 16 ist dies nicht der Fall. Spieler 1 und 2 sind eines Verbrechens angeklagt. Sie stehen beide vor der gleichen Entscheidung, den anderen Spieler zu beschuldigen (B bzw b) oder zu schweigen (S bzw. s). Beschuldigen beide Spieler einander, erhYt jeder eine Strafe von 5 Jahren, ausgedriickt als ein negativer Nutzen von-5. Schweigen beide, kommen sie ohne Strafe davon, ausgedriickt als ein Nutzen von 0. Beschuldigt schlieglich einer seinen Kumpanen, der hartn~ickig schweigt, so wird er freigelassen und kann sich einen grSgeren Anteil an der Beute sichern (Nutzen 3), w~ihrend der andere eine l~iaagere Strafe von 8 Jahren erh~ilt. Entscheidend fiir den Ausgang des Spiels ist, dass Spieler 2 nicht weit~, wie Spieler 1 entschieden hat, bevor er seine Entscheidung trifft. Dies wird durch die mit "2" beschriftete gestrichelte Linie zwischen den beiden Knoten symbolisiert, die auf den Zug von 1 folgen. Sie besagt, dass Spieler 2 seine Entscheidung treffen muss, ohne zu wissen, an welchem der durch die gestrichelte Linie verbunden Knoten er sich befindet. 17 Man sagt, diese
15yon Neumann und Morgenstern, 1953, S. 49. 16vgl. z.B. Kreps, 1990, S. 503f. 1TAuch die Alternativen an allen in einem Informationsbezirk zusammengefassten Knoten miissen identisch sein, da der Spieler sonst in der Lage w~ire, die Knoten anhand der verfiigbaren Alternativen zu unterscheiden.
101
4.1 Grundbegriffe der Spieltheorie
1
o
c
~a
N
~0
-- 1 I)
z t!
N
-- 1 I)
-- 1 11
.'~(41)
-- 1 I)
-- I fl
-- 1 fl
9.~1
Abbildung 4.3: Vereinfachtes Roulette-Spiel (eigene Darstellung) Knoten befinden sich im selben In formationsbezirk, is Viele Spiele enthalten darfiber hinaus Zufallselemente. Auch diese werden als Knoten im Spielbaum abgebildet, die jedoch keinem der Spieler 1, 2, ..., I zugeordnet sind, sondern der "Natur", reprfisentiert durch das Symbol N. Ein Spiel eines einzelnen Spielers gegen N wird in Abb. 4.3 dargestellt. Es handelt sich um ein Roulette-Spiel, in dem der Spieler jedoch darauf beschr~inkt ist, auf "Rot", "Schwarz" oder "Null" zu setzen. Anschlie~end wird das Roulette gedreht und eine der drei MSglichkeiten, hier mit R, S und 0 bezeichnet, tritt ein. Bei Zufallsereignissen werden die Eintrittswahrscheinlichkeiten der mSglichen Ergebnisse jeweils in geschweiften Klammern angegeben, im Beispiel also { ~is} fiir "Rot" und "Schwarz", sowie {~7} fiir "Null". Die Auszahlungen in der Abbildung beziehen sich auf einen Einsatz von 10 Geldeinheiten. Die graphische Darstellung eines Spiels kann, in allgemeiner Form, in ein mathematisches Modell gefasst werden. 19 Ein Spiel besteht dann aus folgenden Komponenten: 1. Eine Menge von Spielern, bezeichnet mit 1, 2, ..., I fiir ein I-Personen18Der englische Begriff information set w~ire im mathematischen Sinne mit Informationsmenge zu fibersetzen. Um die sich im Deutschen aufdr~ingenden Assoziationen mit einer bestimmten Quantit/it von Informationen zu vermeiden, die insbesondere angesichts des Themas dieser Arbeit Verwirrung stiften kSnnte, wird im Folgenden in Anlehnung an Giith, 1992, S. 37f., der Begriff Informationsbezirk verwendet. 19Die geometrische Formulierung eines Spiels als Baum wird in Kuhn, 1997, eingefiihrt, w/ihrend yon Neumann und Morgenstern, 1953, diese MSglichkeit der Darstellung zwar kurz erw~ihnen, vgl. S. 77f., sonst aber eine etwas andere Darstellung w~ihlen. Die Darstellung in dieser Arbeit ist angelehnt an Kreps, 1990, S. 363-371, wobei einige Symbole ge~ndert wurden, um deren m5glichst einheitliche Verwendung in der gesamten Arbeit zu erreichen.
102
4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
Spiel. Ein typischer Spieler wird mit i bezeichnet, fiir Zufallsereignisse nimmt die "Natur", bezeichnet mit N, die Rolle eines Spielers ein. 2. Ein Spielbaum, der aus einer Menge K und einer bin/iren Relation -~ auf K besteht. Ein typisches Element von K wird mit k bezeichnet und Knoten genannt. Die Relation -~ wird als '~ist Vorg/inger von" gelesen. -~ ist a) asymmetrisch, d.h. ffir kein Paar k, k t E K gilt gleichzeitig k -~ k ~ und k t -~ k, b) transitiv, d.h. fiir alle k, k t, k" E K gilt, wenn k t -~ k" und k -~ k t, dann gilt auch k -~ k", und es gilt c) wenn k -~ k" und k ~ -~ k", dann gilt entweder k -~ k t oder k t -~ k. Diese Eigenschaften von -~ garantieren, dass der Baum keine Ringe enth/ilt, also Zweige, die wieder in einen ihrer eigenen Vorg~ingerknoten miinden, und dass keine Knoten, die sich auf verschiedenen Zweigen des Baums befinden, gemeinsame Nachfolger besitzen. Jeder Knoten hat unter diesen Bedingungen hSchstens einen unmittelbaren Vorgiinger, der, falls vorhanden, mit p(k) bezeichnet wird. Daneben werden die folgenden Begriffe definiert: 9 P(k) - {k' E K : k' -~ k} bezeichnet die Menge aller VorgSnger eines Knotens, Elemente der Menge 9 W - {k E K : P(k) = q}}, also Knoten, die keine Vorg~inger besitzen, werden Anfangsknoten oder Wurzeln genannt, 2~ 9 S(k) - {k' E K : k -~ k'} ist die Menge aller Nach]olger yon k, s(k) bezeichnet den unmittelbaren Nachfolger und 9 Z - {k E K : S(k) = q}} bezeichnet die Menge aller Endknoten bzw. Ergebnisse des Spiels.
Aus den Bedingungen ffir -~ folgt weiterhin, dass fiir jeden Knoten k it W genau ein Pfad zu genau einem Anfangsknoten w E W existiert. 2~ dieser allgemeinen Formulierung kann ein Spiel mehrere Anfangsknoten besitzen. An welchem der Anfangspunkte das Spiel tats/ichlich beginnt, h~ngt vom Zufall ab, die Wahrscheinlichkeiten sind aber, wie bei Zufallsereignissen im Spielverlauf, bekannt, vgl. Nr. 7. Ebenso gut kSnnte also ein Zug, der N zugeordnet ist, vor diese Anfangsknoten geschaltet werden.
4.1 Grundbegriffe der Spieltheorie
103
3. Eine Funktion ~ : ( K \ Z ) ~ {N, 1, 2, ...,I} ordnet jedem Knoten, der kein Endknoten ist, einen der Spieler oder N zu, der an diesem Knoten entscheidet, welche Alternative ausgew~ihlt wird, d.h., bei welchem Nachfolgeknoten das Spiel fortgesetzt wird. 4. Zu jedem k E (K\Z) existiert eine Menge ausf/ihrbarer Handlungen A(k) sowie eine Funktion a : s(k) ~ A(k), die jedem unmittelbaren Nachfolgeknoten von k einer der Handlungsalternativen zuordnet. Jede Handlung f/ihrt zu einem bestimmten Knoten k, und jeder Nachfolger von k wird wiederum von einer bestimmten Handlung erreicht. 5. Die Partition H teilt die Menge (K\Z) in disjunkte Untermengen auf, wobei ein typisches Element h _C H als Informationsbezirk bezeichnet wird. Fiir ein beliebiges Paar k, k ~ E h sollen folgende Eigenschaften gelten: a) k ~ P(k') und k' ~ P(k), d.h. kein Element von h daft zu den Vorg~ingern eines anderen Elements aus h gehSren, b) ~(k) = ~(k'), d.h. alle Elemente von h sind demselben Spieler bzw. der Natur zugeordnet, und c) A(k) = A(k'), d.h. an allen Knoten in h stehen dieselben Alternativen zur Auswahl. Wegen der Bedingungen b) und c) wird auch ~(h) f/ir den Spieler geschrieben, dem die Knoten des Informationsbezirks h zugeordnet sind, sowie A(h) fiir die dort verf/igbaren Handlungsalternativen. Jeder Entscheidungsknoten k E (K\Z) gehSrt zu einem Informationsbezirk. Manche Informationsbezirke enthalten nur einen Knoten. Es besteht eine Verbindung zwischen einem Informationsbezirk und dem Verlauf des Spiels bis zu diesem Informationsbezirk: Aus der Sicht eines Spielers i, der keine vollst~indigen Informationen fiber alle im Spielverlauf getroffenen Entscheidungen besitzt, repr~sentiert ein Informationsbezirk genau den Informationsstand, den i fiber den bisherigen Verlauf des Spiels hat, d.h. i weif~ nicht mehr, als dass er sich an einem der Knoten k E h befindet, h wird deshalb unten auch als Symbol fiir den Verlauf bzw. die Geschichte (history) einer Partie verwendet.
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4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
6. Eine Funktion U 9 {1,2, ...,I} • Z -~ R ordnet jedem Spieler den Nutzen U(i,z) zu, den er erh~ilt, wenn das Spiel an dem Endknoten z E Z endet. Kfinftig wird statt U(i,z) auch die Schreibweise Ui(z) verwendet. 7. Eine Wahrscheinlichkeitsfunktion p existiert fiber der Menge von Anfangsknoten W, und fiber den Alternativen A(k) jedes Knotens k E ( K \ Z ) mit e(k) = N ist eine Wahrscheinlichkeitsfunktion Pk definiert. p(w) gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass das Spiel im Knoten w beginnt, und pk(a) gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass die Alternative a E A(k) eintritt. Mit diesen Elementen ist die Definition eines Spiels vollst~iadig. Sie sind ausreichend, um eine sehr breite Klasse von Spielen bzw. 5konomischen Situationen zu modellieren, von denen in dieser Arbeit nur ein kleiner Ausschnitt betrachtet wird. Ein in dieser Form beschriebenes Spiel wird auch als extensives Spiel bezeichnet. Im folgenden Abschnitt wird kurz auf die MSglichkeit eingegangen, extensive Spiele in die sog. strategische Form oder Normalform zu fiberffihren, wobei von den Einzelheiten des Spielverlaufes abstrahiert wird und lediglich die Ergebnisse verschiedener Spielverliiufe betrachtet werden. Die Verhandlungsmodelle, die den eigentlichen Grund zu einer Beschiiftigung mit der Spieltheorie in dieser Arbeit darstellen, sind jedoch zumeist als extensive Spiele formuliert.
4.1.4 Strategien und die strategische Form eines Spiels Die im vorigen Abschnitt beschriebene Darstellung eines Spiels legt die Regeln des Spiels fest und die Auszahlungen, die die Spieler erhalten, wenn das Spiel an einem bestimmten Endpunkt endet. Das Verhalten der Spieler unter den Bedingungen eines bestimmten Spiels wird in Form von Strategien erfasst. Eine Strategie des Spielers i gibt ffir jeden Informationsbezirk h mit ~(h) = i an, welche der mSglichen Handlungen A(h) beim Erreichen von h ausgeffihrt wird. Sei Hi die Menge aller Informationsbezirke, an denen i handelt, Hi - {h e H[~(h) = i}, und Ai die Menge aller Handlungen an Informationsbezirken in Hi, Ai - {a E A(h)lh E Hi}, dann kann eine Strategie als Funktion 7ri(h) : Hi ~ Ai formuliert werden. Eine Strategiekombination -i? = (Tri,~r2, ..., rI) enthiilt genau eine Strategie ffir jeden Spieler.
4.1 Grundbegriffe der Spieltheorie
105
Strategien in der gerade definierten Form werden als reine Strategien bezeichnet, da an jedem Informationsbezirk h genau eine Alternative gewfi~hlt wird. Ein Spieler kann jedoch auch eine gemischte Strategie formulieren. 21 In diesem Fall existiert eine Wahrscheinlichkeitsfunktion ai fiber allen reinen Strategien 7ri des Spielers, so dass ai(Tri) die Wahrscheinlichkeit angibt, mit der in einer Partie die Strategie 7ri gespielt wird. Es gilt ~-~., ai(n~) = 1, d.h. mit Sicherheit wird eine der Strategien 7ri gew~ihlt. Wird ~i in einer Partie angewendet, dann gilt diese Strategie ffir alle Ziige der Partie, die Mischung erfolgt also zwischen vollst~indigen reinen Strategien. Reine Strategien sind ein Sonderfall der gemischten Strategien, in dem ai(~vi) = 1 ffir ein beliebiges hi. Eine Strategiekombination gemischter Strategien ist = (~1, ~2, ..., ~ I ) .
In sog. Verhaltensstrategien 22 existiert eine gesonderte diskrete Wahrscheinlichkeitsverteilung 3h fiber den Alternativen A(h) an jedem einzelnen Informationsbezirk h, wobei 3h(a) die Wahrscheinlichkeit angibt, dass Alternative a E A(h) g e w ~ l t wird. Es gilt ~'~eA(h) 3h(a) = 1, d.h. mit Sicherheit wird eine der Handlungen a E A(h) gewiihlt. Fiir Informationsbezirke, in denen ein Zufallsereignis stattfindet, ffir die also gilt t(h) - N, ist 3h(a) = pk(a) mit k E h. Eine Verhaltensstrategie des Spielers i ist ein n-Tupel -~i E I-IhEH~ ~h mit n = [Hi[. Eine Strategiekombination von Verhaltensstrategien ist -~ = (-~1,-~2, ...,-~I). Reine Strategien sind als Sonderfall in den Verhaltensstrategien enthalten. Ffir alle Informationsbezirke mit ~(h) = 1,...,I, also ffir alle Zfige, die persSnlichen Spielern zugeordnet sind, ist dann die Wahrscheinlichkeit der Ausffihrung der in der reinen Strategie 7ri vorgesehenen Handlungen 1, w~hrend die aller fibrigen 0 ist, demnach gilt also 1, ~i(h) = a /3h(a) = O, ~i(h) ~ a " Der Erwartungswert der Auszahlung des Spielers i in einer Partie, in der die Kombination von Verhaltensstrategien -~ gespielt wird, kann ermittelt werden, indem die Summe der Erwartungswerte aller Endknoten z E Z gebildet wird. Der Erwartungswert eines Endknotens ist das Produkt der Wahrscheinlichkeiten, mit der die auf dem Pfad zu diesem Endknoten liegenden Handlungen ausgeffihrt werden, und der Auszahlung, die i an diesem 21Vgl. yon N e u m a n n und Morgenstern, 1953, S. 143ff. 22Vgl. Kuhn, 1997, w
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4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
Endknoten erhglt. Wie oben definiert, gibt a(k) die Handlung an, die gewfiJllt wurde, um zu Knoten k zu gelangen. P(z) ist die Menge aller Knoten auf dem Pfad, der zu dem Ergebnis z ffihrt. Es sei ~k = ~hlk3h. Ffir den Erwartungswert gilt dann
Schlieiglich ist auch eine gemischte Verhaltensstrategie denkbar, bei der eine Wahrscheinlichkeitsfunktion ~i fiber mehrere 7 i existiert, so dass ~i (-gi) die Wahrscheinlichkeit angibt, dass in einer Partie die Verhaltensstrategie -~i gew~ihlt wird. Wieder gilt ~ - g ~ ~i = 1. Der Ausgang einer Partie h~hngt letztlich von den Strategiekombinationen ~ , ~ , -~ oder ~ ab, also von der Interaktion der von den Spielern gewfi,hlten Strategien. Kuhn zeigt, dass in Spielen mit vollkommener Erinnerung 23 der Spieler ffir jede gemischte Verhaltensstrategie ~i eine fiquivalente Verhaltensstrategie 7 i existiert. 24 Daher ist es mSglich, die 0berlegungen in den Abschnitten 4.4 und 4.5 auf Verhaltensstrategien zu beschr~inken. In der strategischen bzw. Normalform eines Spiels werden lediglich die Strategiekombinationen der Spieler und die resultierenden erwarteten Auszahlungen jedes Spielers betrachtet. Ffir Zwei-Personen-Spiele kSnnen sog. Auszahlungsmatrizen aufgestellt werden. Abbildung 4.4 zeigt das Gefangenendilemma aus Abbildung 4.2 in der Normalform. Es existiert zwar, wie eben erSrtert, eine eindeutige Vorschrift zur Ableitung der Normalform aus einem Spiel in der extensiven Form. Umgekehrt kann aber eine Normalform fiir eine Vielzahl extensiver Spiele stehen. Es findet also beim 0bergang auf die Normalform ein Verlust an P r ~ i s i o n der Modellierung statt. W~ihrend diese VergrSberung in manchen F~llen unproblematisch ist, kommt es 23Spiele mit vollkommener Erinnerung sind dadurch gekennzeichnet, dass die Spieler, wenn sie am Zug sind, wissen, wie sie an jedem vorigen Informationsbezirk, an dem sie am Zug waren, entschieden haben. Gegenbeispiele sind Spiele wie Bridge oder Doppelkopf, in denen im Normalfall jeweils zwei Teilnehmer gemeinsam spielen. Diese Spiele kSnnen als Zwei-Personen-Spiele aufgefasst werden, in denen jeder Spieler auf zwei sog. Agenten aufgeteilt ist. In solchen Spielen kommt es vor, dass ein Spieler bei seinem folgenden Zug (der yon einem anderen Agenten ausgefiihrt wird) nicht weir,, was er bei seinem vorigen Zug wusste; z.B. kennt der eine Agent nicht die Karten des anderen. Vgl. yon Neumann und Morgenstern, 1953, S. 53. 24Vgl. Kuhn, 1997, w5.
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4.1 Grundbegriffe der Spieltheorie
Spieler 1 Spieler 2 b s
-5,-5 3,-8
-8,3 0,0
Abbildung 4.4: Gefangenendilemma in Normalform (eigene Darstellung) in den hier untersuchten Verhandlungsmodellen sehr auf die dynamischen Details des Verhandlungsverlaufs an. Daher sind diese als extensive Spiele modelliert. 4.1.5 Gleichgewichte, Gleichgewichtspunkte und L5sungen
Das Ziel der Spieltheorie ist es, aus der formalen Darstellung eines Spiels, wie sie in den vorangehenden Abschnitten erl/iutert wird, eine Vorhersage fiber das Verhalten rationaler Akteure in einer solchen Situation abzuleiten, d.h. welche Strategien die Spieler w/ihlen, und damit, welche Auszahlungen realisiert werden. Das am h/iufigsten genutzte Kriterium ist das sog. Nash-Gleichgewicht. 2~ Ein Nash-Gleichgewicht liegt dann vor, wenn jeder Spieler eine Strategie verfolgt, die gegeniiber den gew~hhlten Strategien der iibrigen Spieler optimal ist. Solange also keiner der anderen Spieler seine Strategie/indert, hat ein Spieler keine Veranlassung, seinerseits eine andere Strategie zu w~ihlen. Gilt dieses Kriterium gleichzeitig fiir die Strategie jedes einzelnen Spielers, so hat kein Spieler eine Veranlassung, seine Strategie zu/indern. Damit befinden sich die Strategien aller Spieler in der Tat in einem Gleichgewicht. Formal kann das Nash-Gleichgewicht folgendermaf~en formuliert werden: Sei (-Y, o~) _- (O'1,a2, ..., Oi, ..., aI) fiir i = 1, ..., I, also eine Kombination gemischter Strategien -~, in der die Strategie des /-ten Spielers durch oi ersetzt ist. Ein Strategieprofil -~ ist ein (Nash-)Gleichgewichtspunkt genau dann, wenn ffir jedes i gilt 26 -
-
oi
25Vgl. Nash, 1951. 26Vgl. Nash, 1951, S. 287.
108
4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
Dies entspricht genau dem oben beschriebenen Sachverhalt: durch Ersetzen der (gemischten) Strategie ai durch eine beliebige andere Strategie oi kann i keine hShere Auszahlung erzielen. Als Gleichgewichtspunkt wird das Tupel (U1, U2, ..., UI) von Erwartungswerten bezeichnet, das durch die Strategiekombination -~ induziert wird, wenn -~ ein Nash-Gleichgewicht darstellt. Nash zeigt, dass jedes n-Personen-Spiel mindestens einen Gleichgewichtspunkt in gemischten Strategien besitzt. 27 Der Begriff ,,LSsung" kann im Kontext der Spieltheorie einerseits als Vorhersage fiber das tats~ichliche Verhalten 5konomischer Akteure in einer so charakterisierten Situation verstanden werden, andererseits als eine Bestimmung des Wertes, den ein Akteur der MSglichkeit beimessen wird, an einer solchen Verhandlungssituation teilzunehmen. 2s 4.2 Verhandlungen aus 5konomischer Perspektive Die Situation, die in diesem Kapitel untersucht wird, definiert John Nash in seinem grundlegenden Beitrag "The Bargaining Problem" folgenderma~en: A two-person bargaining situation involves two individuals who have the opportunity to collaborate for mutual benefit in more than one way. 29
Zwei Elemente sind es, die eine Verhandlungssituation kennzeichnen. Zum einen kann ein bestimmtes Nutzenpotenzial ffir beide Akteure erschlossen werden, wenn diese bestimmte Handlungen aufeinander abstimmen. Zum anderen gibt es mehrere Kombinationen von Handlungen, die das Nutzenpotenzial erschliet~en. Die Frage ist nun, welche Kombination von Handlungen die Akteure realisieren werden. Dabei ist zu beachten, dass neben dem Kooperationspotenzial in der Regel auch ein Konflikt besteht, nfimlich darum, wie das durch die Kooperation gewonnene Nutzenpotenzial verteilt wird. In dieser Arbeit interessiert ausschlie~lich ein spezieller Fall der Verhandlungssituation: Ein Anbieter und ein Nachfrager stehen sich gegenfiber und verhandeln fiber den Preis eines Gutes. Beide kSnnen gewinnen, wenn sie 27Vgl. Nash, 1951, S. 288. 2SVgl. z.B Nash, 1950, S. 155; yon Neumann und Morgenstern, 1953, S. 31 ft. 29Nash, 1950, S. 155, Hervorhebung im Original.
4.2 Verhandlungen aus 6konomischer Perspektive
109
sich auf einen Preis einigen und der Tausch stattfindet. Allerdings h~agt die Verteilung des mSglichen Tauschgewinns zwischen den beiden Parteien davon ab, zu welchem Preis der Tausch tats~ichlich stattfindet. Lange Zeit sah sich die 5konomische Theorie auf~er Stande, n~here Vorhersagen fiber diesen Preis zu machen. Es schien, als sei er mehr von psychologischen oder soziologischen Faktoren wie dem individuellen Verhandlungsgeschick bzw. der Verhandlungsmacht der Parteien bestimmt, als von Faktoren, die dem g~ingigen 5konomischen Rationalwahlmodell zug~inglich sind. Von Neumann und Morgenstern schr~inken auf der Grundlage spieltheoretischer 0berlegungen die mSglichen LSsungen auf die Menge pareto-optimaler und individuell rationaler Einigungen ein, ermitteln aber keine eindeutige LSsung. 3~ Nash gelingt es als erstem, eine eindeutige LSsung ffir das Verhandlungsproblem abzuleiten. 31 Diese LSsung wird im Abschnitt 4.3 beschrieben.
In den darauf folgenden Abschnitten werden spieltheoretische Verhandlungsmodelle dargestellt, in denen einige der restriktiven Annahmen des Modells von Nash schrittweise ausgeweitet werden. In Abschnitt 4.4 werden Modelle diskutiert, in denen der Einfluss der Struktur des Verhandlungsprozesses auf dessen Ergebnis untersucht wird. Unter anderem spielt es eine Rolle, ob Angebote und Gegenangebote von beiden Verhandlungspartnern abwechselnd abgegeben werden kSnnen oder ob nur ein Partner Angebote machen kann, die der andere lediglich annehmen oder ablehnen kazan. Auch die Zeit, die zwischen den Angeboten vergeht bzw. die zur 0bermittlung der Angebote benStigt wird, hat einen Einfluss auf das Ergebnis. Die Modelle gehen vonder Annahme aus, dass die Akteure eine positive Zeitpr~ferenzrate aufweisen, also eine frfihere Einigung einer sp~teren vorziehen. Der Unterschied in der "Geduld" der Akteure, also die Relation der ZeitprMerenzraten, hat einen entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis. Abschnitt 4.5 behandelt Modelle, in denen die Informationen der Akteure in dem Sinne unvollst~indig sind, dass eine oder beide Parteien einzelne Determinanten der Situation zu Beginn der Verhandlungen nicht genau kennen. Dabei handelt es sich um Faktoren wie die GrSf~e des zu verteilenden Tauschgewinns und die Zeitpr~ferenzrate des anderen Akteurs.
Binmore, 1992, 176ff. 31Nash, 1950, 1951, 1953.
3~
110
4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
4.3 E i n s t u f i g e V e r h a n d l u n g s m o d e l l e
Nash pr/isentiert als erster spieltheoretische LSsungen ffir ein Modell des in Abschnitt 4.2 beschriebenen 5konomischen Problems. In den folgenden drei Abschnitten wird zun~ichst gezeigt, wie Nash die Verhandlungssituation in ein formales Modell fasst, anschlief~end werden die beiden LSsungsmethoden dargestellt.
4.3.1 Modell der Verhandlungssituation Es existieren zwei Akteure, ein Nachfrager B und ein Anbieter S, die fiber den Preis eines zu tauschenden Gutes verhandeln. B ist bereit, maximal einen Preis b ffir das Gut zu bezahlen. S entstehen Kosten in HShe von s, um das Gut herzustellen. Der Tauschgewinn betr~igt also b - s. Der Preis p bestimmt die Aufteilung des Tauschgewinns. Die Verhandlung kann entweder mit einer Einigung auf einen Preis p enden, oder damit, dass keine Einigung zustande kommt. Formal ist die Menge der mSglichen Ergebnisse X _= {p [p E ]R } U {| wobei das Symbol | ffir die Situation steht, in der kein Tausch stattfindet. 33 Die Akteure sind aber auch in der Lage, Lotterien im Sinne von Abschnitt 2.3.2.2 fiber den Elementen der Menge X als Einigung zu formulieren. Konkret bedeutet dies, dass sie sich z.B. auch darauf einigen kSnnen, mit einer Wahrscheinlichkeit a zum Preis p zu tauschen, w~ihrend mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 - a kein Tausch stattfindet. Auch kompliziertere Lotterien mit mehreren Preisen sind mSglich. Der VNM-Nutzen der Akteure ist dann Ui(w), wobei w E W ( X ) fiir die ausgewfihlte Lotterie steht. Die Menge mSglicher Auszahlungen entspricht dann Z =_ {(UB(w),Us(w))[w E W}. Wird weiterhin angenommen, dass die Akteure risikoavers oder hSchstens risikoneutral sind und ihre VNMNutzenfunktionen daher konkav verlaufen, so ergibt sich, dass Z konvex 32Diese Menge enth~lt bewusst auch Ergebnisse, die auf den ersten Blick wenig wahrscheinlich sind, n~imlich sowohl negative Preise als auch Preise, die grSf~er sind als b. Solche Einigungen von vornherein auszuschlief~en, hief,e jedoch, bereits bestimmte Annahmen fiber das Verhalten der Akteure vorauszusetzen, die im Folgenden erst schrittweise eingeffihrt werden. 33In Nashs ursprfinglicher Formulierung ist das Modell nicht auf monet~re Verhandlungen beschr~nkt, es kann ebenso gut auf Naturalgfiter bezogen sein. Im Rahmen dieser Arbeit steht der Fall von Preisverhandlungen im Vordergrund.
4.3 Einstufige Verhandlungsmodelle
111
Us ~
"!..
Abbildung 4.5: Menge der mSglichen Verhandlungsergebnisse (in Anlehnung an Binmore, 1992, S. 180) und
kompakt ist. a4
In Abbildung 4.5 ist die Menge X der gesamte Bereich links unterhalb der schwarzen Kurve. Auf der vertikalen Achse sind die Nutzenwerte von B abgetragen, auf der horizontalen Achse die von S. Zus/itzlich ist der Punkt -~ - (Us (| Us (| abgebildet. Er zeigt den Nutzen, der den Akteuren bleibt, wenn sie sich nicht einigen kSnnen. Dieser muss nicht zwangsl/iufig im Ursprung liegen, da die Akteure fiber alternative HandlungsmSglichkeiten verffigen kSnnen, die anderweitig Nutzen stiften, wenn der infrage stehende Tausch nicht zustande kommt. Der Punkt -~ wird auch als Drohpunkt bezeichnet, da jeder der Verhandlungspartner glaubhaft machen kann, dass er keiner Einigung zustimmen wird, die ihn schlechter stellt als der Verzicht auf eine Einigung. Ein Nash-Verhandlungsproblem besteht nun darin, der Kombination aus einer Menge mSglicher Verhandlungsergebnisse und einem Drohpunkt eine bestimmte Kombination von Nutzenwerten als Verhandlungsergebnis zuzu34Eine Menge von Tupeln ist konvex, wenn alle Tupel auf der Strecke, die zwei beliebige Tupel aus dieser Menge verbindet, ebenfalls Elemente dieser Menge sind. Da die Wahrscheinlichkeits- bzw. Linearkombinationen beliebiger Tupel aus X per Definition der VNMN ebenfalls in X liegen, ist X konvex. Eine Menge von Tupeln ist kompakt, wenn sie begrenzt (alle Elemente kiinnen von einem geniigend gro~en Quadrat in der Fl~iche umschlossen werden) und geschlossen (alle konvergierenden Folgen von Elementen der Menge konvergieren gegen ein Element der Menge) ist.
112
4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
ordnen.
4.3.2 Axiomatische L6sung Mit Hilfe einer Reihe von Axiomen, die zu den Annahmen der VNMN hinzutreten, ist es mSglich, einen einzelnen Punkt -~ E Z als LSsung zu isolieren. 35 Die erste Annahme besteht darin, dass jede VerhandlungslSsung individuell rational sein soll, d.h. kein Akteur 1/isst sich auf eine Einigung ein, bei der er sich individuell schlechter stellt. Formal lautet das Axiom wie
folgt" A n n a h m e 4.3.1. Fiir jede Lb'sung -~ muss gelten -~ > ~ . s 6 In Abbildung 4.6 a) wird die Wirkung dieses Axioms durch die beiden vom Drohpunkt ausgehenden gepunkteten Linien verdeutlicht: Die LSsung muss sich in dem Bereich innerhalb von Z befinden, der rechts der senkrechten und oberhalb der waagerechten gepunkteten Linie liegt. Augerdem soll jede VerhandlungslSsung pareto-effizient sein, d.h. eine LSsung kann kein Punkt sein, an dem es mSglich ist, einen der beiden Akteure besser zu stellen, ohne dass der andere verliert. Als formales Axiom heigt dies: A n n a h m e 4.3.2. Wenn ein Punkt -~t E Z existiert, fiir den gilt -~' > -~,
dann gilt - ~ = -~. In der Abbildung 4.6 (a) bleiben nach Anwendung dieses Axioms nur die Punkte in dem fett dargestellten Abschnitt der Grenze von Z zwischen deren Schnittpunkten mit den gepunkteten Linien fibrig. Um aus diesem Bereich einen Punkt als eindeutige LSsung zu bestimmen, werden drei weitere Annahmen herangezogen: Zun/ichst soll das Ergebnis der Verhandlungen ausschlieglich von den relativen Pr/iferenzen der Akteure in Bezug auf die mSglichen Ergebnisse abh/ingen. Wenn eine Anderung der numerischen Nutzenwerte das Ergebnis beeinflussen wiirde, dann w/iren die Nutzenfunktionen durch weitere Faktoren determiniert, die nicht 35Vgl. Nash, 1950, 1951. Die Darstellung hier stiitzt sich auf,erdem auf Binmore, 1992, S. 180if, wobei die dortige Diskussion in einigen Punkten vereinfacht wird. 36Fiir zwei Vektoren ~ = (xo, xl, ...,xn), -ff = (Yo,Yl, ...,Yn) wird hier und im Folgenden -~ > ~ geschrieben, wenn gilt xi :> yi, Vi - 0.... , n, wenn also jedes einzelne Element des Vektors -~ grSf~er oder gleich dem entsprechenden Element im Vektor ~ ist.
4.3 Einstufige Verhandlungsmodelle
113
uB,
iii!iiiiiiii;
(b)
\
.....
:
\
....%~i.. ~iil~ . ....
~-~1.... \\\ i
Us
Abbildung 4.6: Axiomatische Ableitung der Nash-LSsung (in Anlehnung an Binmore, 1992, S. 187) durch die VNMN erfasst werden. Aus der VNMN abgeleitete Nutzenfunktionen sind, wie in Abschnitt 2.3.2.2 er5rtert, nur determiniert bis zu affinen Transformationen. Das folgende Axiom besagt, dass auch die Eigenschaft eines Punktes, ein L5sungspunkt des Verhandlungsproblems zu sein, bei einer affinen Transformation erhalten bleibt. A n n a h m e 4.3.3. Lineare Trunsformationen der Nutzenfunktionen in der Form Ti(Ui) = aiUi + b~ mit as > 0 fiir i e {B, S}, bei denen die Reihenfolge der PrSferenzen erhalten bleibt, haben keinen Einfluss au] die relative Position der L5sung. Wenn -~ E Z die LSsung des Verhandlungsproblems (Z, ~ ) ist, dann ist -~' = (TB(SB),TS(SS)) die L6sung des Verhandlungsproblems (Z', (Ts(ds), ~'s(ds))), wobei Z '=_ {(TB(ZB), Ts(Zs)), I-F e Z}. Diese Annahme l ~ s t es zu, wie in Abbildung 4.6 (b) gezeigt, die urspriingliche Menge Z so zu transformieren, dass der Drohpunkt -~ im Ursprung zu liegen kommt und die Diagonale, die durch den Punkt (0, 1) auf der horizontalen Achse und den Punkt (1, 0) auf der vertikalen Achse verl/iuft, eine Unterstiitzungslinie der Bildmege Z I bildet. Die Menge Z I liegt somit vollst/indig links und unterhalb dieser Linie. Nun wird zus/itzlich angenommen, dass die L5sung symmetrisch ist. Sie wird durch keine mit den Spielern verbundenen Faktoren beeinflusst aut~er denen, die in dem Verhandlungs/
problem (Z, ~ \
\
/
enthalten sind. Insbesondere bestehen keine Unterschiede
114
4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
in der F~ihigkeit der Spieler, die in dieser Beschreibung enthaltenen Informationen zu interpretieren und optimal ffir sich zu nutzen. A n n a h m e 4.3.4. Die LSsung ist symmetrisch im Hinblick auf das Spiel,
d.h. sie hSngt nicht davon ab, welcher der Spieler als Spieler B bzw. S bezeichnet wird. s7 Schliet~lich wird angenommen, dass wegfallende alternative Einigungen, die selbst keine LSsungspunkte darstellen, keinen Einfluss auf die Lage des LSsungspunktes haben. Dieses Axiom wird auch als ,,Unabh~i~gigkeit von irrelevanten Alternativen" bezeichnet, as A n n a h m e 4.3.5. Sei-~ die LSsung eines Verhandlungsproblems ( Z ~, ~ ) ,
c I
Z t"
Wiirde die Menge m6glicher Einigungen den gesamten Bereich links unterhalb der Diagonalen (0, 1)(1,0) umfassen, dann w ~ e offenbar die einzige LSsung, die die Annahmen 4.3.1, 4.3.2 und 4.3.4 erfiillen wfirde, der Punkt -~' = (1, 1), an dem die Nutzenwerte beider Spieler vertauscht werden kSnnen, ohne dass dies einen Einfluss auf die Lage der LSsung hat. Da aber die transformierte Einigungsmenge Z t eine Untermenge dieser Menge ist, stellt - ~ gem~it~ Axiom 4.3.5 auch die LSsung fiir diese Menge dar. Von dem LSsungspunkt - ~ der transformierten Menge Z t gelangt man durch Anwendung der Umkehrfunktionen zi = T[I(z~) = z~-b, ~ zum LSsungspunkt der ursprfinglichen Menge Z. Die entscheidende Folgerung aus den vorhergehenden Uberlegungen besteht darin, dass die Nash-LSsung 7 dort liegt, wo das Produkt der Nutzen der beiden Spieler maximal ist, d.h.
-~ = max ZBZS. --Zez 37Die von Nash eingefiihrte Annahme der Symmetrie ist keine positive Annahme fiber die Rationalit~it der Spieler, sondern entspricht der Annahme, dass die nicht n~iher in der Definition des Spiels beriicksichtigte ,,Verhandlungsmacht" der Akteure gleich sei. Asymmetrische Nash-LSsungen sind ebenfalls mSglich, vgl. Binmore, 1987a, S. 35. 3sNash weist darauf hin, dass die Rechtfertigung fiir Axiom 4.3.5 weniger offensichtlich ist als fiir die iibrigen. Vgl. Nash, 1950, S. 159 sowie Nash, 1953, S. 138.
4.3 Einstufige Verhandlungsmodelle
115
fiir (PB, PS) ~- X fiir (PB, PS) ~ X
Abbildung 4.7: Nash-Verhandlungsprozess als extensives Spiel (eigene Darstellung, vgl. Nash, 1953, S. 130f.)
4.3.3 Nicht-kooperative L6sung Die Ableitung der LSsung aus einem nicht-kooperativen Spiel erfordert eine exakte Spezifikation des Spielablaufs und der Alternativen der Spieler. Nash modelliert den Verhandlungsprozess als extensives Spiel, das in Abbildung 4.7 gezeigt wird. Das Spiel enth/ilt ein bisher noch nicht erl/iutertes Darstellungselement: Die dreieckigen grauen F1/ichen repr/isentieren jeweils ein Kontinuum von Alternativen, die darin eingezeichnete schwarze Linie stellt einen repr/isentativen Zug des jeweiligen Spielers dar. Spieler B beginnt das Spiel und w/ihlt eine Drohung dB, d.h. er verkiindet, welche Handlung er ausfiihren wird, wenn keine Einigung zustande kommt. Spieler S w/ihlt ebenfalls eine Drohhung ds. Die Wahl der Drohungen kann auch gleichzeitig erfolgen, in keinem Fall spielt es eine Rolle, ob einer der Spieler zuerst fiber die Wahl des anderen informiert wird oder ob beide diese Information gleichzeitig erhalten. Diese Stufe des Spiels beriicksichtigt, dass die Handlungen, die die Akteure ausfiihren, wenn keine Einigung erreicht wird, durchaus Einfluss auf die Nutzenposition des jeweils anderen Akteurs haben kSnnen. So kann z.B. ein Akteur mit einer juristischen Auseinandersetzung drohen, falls die Verhandlung ergebnislos bleibt. Dieser Aspekt wird in der axiomatischen LSsung nicht explizit betrachtet. Anschlief~end stellen beide Spieler eine Preisforderung Pi, zu der sie zu einer Einigung bereit sind. Wie die senkrechte gestrichelte Linie beim zweiten Zug von Spieler S andeutet, kennt dieser die Forderung von Spieler B nicht, wenn er seine Wahl trifft; das Kontinuum von Knoten, das auf den zweiten Zug von B folgt, befindet sich im selben Informationsbezirk. Falls es einen Punkt -F E Z gibt, ffir den gilt z~ >_ U~(p~) fiir i e {B, S}, dann erh~lt
116
4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
jeder Spieler i seine Forderung. Falls solch ein Punkt nicht existiert, erh~ilt jeder Spieler den Nutzen, den er aus der Umsetzung seiner Drohstrategie di erh~lt, wenn der andere Spieler ebenfalls seine Drohung umsetzt. Die zweite Phase des Spiels, in der beide Spieler ihre Forderungen festlegen, kann als ein eigenes Spiel betrachtet werden, dessen Auszahlungsfunktion in der ersten Phase durch die Wahl der Drohungen bestimmt wird. Allerdings besitzt dieses Spiel eine unbegrenzte Anzahl von Gleichgewichten: Jedes Paar von Forderungen (PB, PS) stellt eine gleichgewichtige Strategiekombination dar, wenn das zugehSrige Nutzentupel (UB(PB),Us(PS)) auf der oberen rechten Begrenzung von Z und weder links noch unterhalb von -~ liegt. Ein Nash-Gleichgewicht muss auf der oberen rechten Begrenzung von Z liegen, da ansonsten einer der Spieler nicht seine optimale Strategie gegenfiber dem anderen anwenden wfirde. Individuell rationale Spieler wfirden sich auf~erdem nie mit einer Einigung zufrieden geben, die ihnen weniger Nutzen verschafft als sie ohne Einigung erhalten kSnnten. Bis hierher verl~iuft die Argumentation also analog zu derjenigen in der axiomatischen Variante des Spiels. Um eine einzige LSsung abzuleiten, wird das Spiel "gegl~ittet". Dazu wird eine kontinuierliche Funktion h(zs, zs) definiert: solange gilt (Zs, ZS) E Z, nimmt h den Wert 1 an, jenseits der Grenze von Z f'~illt h schnell gegen 0, ohne allerdings je 0 zu erreichen. Auf~erdem werden die Nutzenfunktionen der Akteure so transformiert, dass (UB(-~), Us(-~)) im Ursprung zu liegen kommt. 39 Die Auszahlungsfunktionen des gegl~itteten Spiels sind nun kontinuierlich: Ui = hzi. Der Grenzwert dieses gegl~itteten Spiels ffir jenseits von Z immer schneller gegen Null fallende Funktionen h ist das ursprfingliche Spiel (mit in den Ursprung verschobenen Drohpunkten). Ein Punkt (ZB,ZS) stellt ein (Nash-)Gleichgewicht dar, wenn in diesem Punkt Us = hzB gegen ein konstantes zs und gleichzeitig Us = hzs gegen eine konstante Forderung zs maximiert wird. Ein Punkt P, in dem das Produkt zszsh ffir die gesamte Region positiver Zs und zs maximiert ist, stellt ein Gleichgewicht dar. Es bleibt zu zeigen, dass die Bedingungen ffir P nur in einem einzigen Punkt erffillt sind. Wenn h jenseits von X streng monoton f~illt, existiert in jedem Fall nur 39Dies ist mSglich, da VNM-Nutzenfunktionen nur bis zu einer linear-affinen Transformation definiert sind.
4.4 Sequentielle Verhandlungsmodelle mit vollstfmdiger Information
117
ein Punkt, in dem ZBzsh maximal sind. Fiir allgemeinere h verl~iuft die Argumentation wie folgt: Es soll gelten p - max(UBUs) fiir (Us, Us) e Z und Us, Us _> 0. In P gilt dann ZBzS >_ p, da 0 < i~ < 1 und h = 1 auf X. Q ist der Punkt, ffir den UBUs maximal ist. Je schneller nun h jenseits von X gegen Null f'~illt, desto n~her miissen alle Punkte, ffir die die Bedingungen fiir P gelten, an Q rficken. Damit stellt Q den Grenzwert des gegl~itteten Spiels und eine plausible LSsung fiir das urspriingliche Spiel dar. Eine Eigenschaft der Nash-LSsung verdient besondere Beachtung: Um aus dem Kontinuum von Nash-Gleichgewichten des Spiels eine einzelne LSsung auszuwfihlen, war es nStig, die Auszahlungsfunktionen durch die Einfiihrung der Gl~ittungsfunktion kontinuierlich zu machen. Erst dadurch wird es mSglich, die Prominenz der Nash-LSsung zu demonstrieren. Die Gl~ittungsfunktion kann so verstanden werden, dass sich die Akteure fiber die Lage der Grenze von Z nicht vollkommen sicher sind und daher Punkten, die weiter von der vermuteten Grenze entfernt liegen, absteigende subjektive Wahrscheinlichkeiten (die Werte von h) zuordnen. In dieser Interpretation handelt es sich bei dem Nash-Verhandlungsspiel streng genommen um ein Spiel mit unvollst~indiger Information. 4.4 M o d e l l e s e q u e n t i e l l e r V e r h a n d l u n g e n m i t vollst~indiger Information
4.4.1 Grundmodell sequentieller Verhandlungen mit abwechselnden Angeboten Das Nash-Verhandlungsspiel beinhaltet zwar einige wichtige Aspekte der Verhandlungssituation, wirkt aber nicht sehr realistisch. In realen Verhandlungen haben die Teilnehmer in aller Regel nicht nur eine Chance, simultan ihre Angebote zu machen, sondern die Verhandlung besteht aus einer Folge von Angeboten und Gegenangeboten. Solche Situationen lassen sich in spieltheoretische Modelle fassen, die als sequentielle Verhandlungsmodelle bezeichnet werden. Durch die konkretere Modellierung kommt eine Reihe von Parametern hinzu, deren Einfluss auf das Verhandlungsergebnis jetzt untersucht wird. 4~ 4~ Uberblick fiber die Literatur zu nicht-kooperativen Verhandlungsmodellen, insbesondere zu den sequentiellen Verhandlungen, geben Binmore, 1987b,Binmore et al., 1992 und Sutton, 1986.
118
4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
Das anschliegend dargestellte Modell geht auf Rubinstein zuriick 41 und bildet den Rahmen ffir sfimtliche in diesem und im folgenden Abschnitt diskutierten Modelle. Wie in dem Modell von Nash steht den Verhandlungspartnern eine Reihe verschiedener Einigungen zur Verfiigung, die von beiden unterschiedlich bewertet werden. Es geht also wieder um die Aufteilung des Gesamtnutzens, der im Fall einer Einigung erreicht wird. Ein Spieler beginnt die Verhandlung, indem er eine mSgliche Aufteilung vorschl/igt. Der jeweils andere Spieler hat unmittelbar im Anschluss an ein Angebot die MSglichkeit, es anzunehmen oder abzulehnen. Nimmt er an, endet das Spiel mit der angebotenen Aufteilung. Lehnt er ab, kann er nach einer bestimmten Zeit ein Gegenangebot machen. Dann steht der Spieler, der das urspriingliche Angebot gemacht hat, vor der Situation, das Gegenangebot anzunehmen oder, wieder nach einer gewissen Zeit, ein weiteres Gegenangebot zu machen. Die Prozedur wird fortgesetzt, bis die Spieler zu einer Einigung finden. Der Zeithorizont des Spiels ist also unbegrenzt. 42 Die Verhandlungspartner sind ungeduldig im Hinblick auf eine Einigung, d.h. sie ziehen eine frfihere Einigung einer sp/iteren vor. Kfinftig wird der aufzuteilende Einigungsgewinn auf eine VNM-Nutzeneinheit normiert. Wird Risiko-Neutralit/it der Akteure angenommen, entspricht dies einem monet/iren Einigungsgewinn von einer Geldeinheit. Das Modell bildet eine Situation ab, in der ein K/iufer B mit einer maximalen Zahlungsbereitschaft von 1 einem Verki4ufer S mit (marginalen) Kosten von Null gegeniibersteht und beide fiber den Preis verhandeln, zu dem eine Einheit des Gutes an B verkauft wird. Die Menge aller mSglichen Aufteilungen ist dann X = { (XB, XS) E R 2 IXB, XS _~ 0, XB -~- XS _~ 1 }.43 Die Zeitpunkte, zu denen die Spieler Angebote machen kSnnen, stammen aus der Menge T = {to, t l , t 2 , ...}, mit to - 0 und tn+l > tn. Der zeitliche Abstand zwischen zwei Zeitpunkten sei T = tn+l -- tn, fiir n >_ 0. Zun~ichst wird angenommen, dass T = 1 gilt, womit T = No. 44 41Vgl. Rubinstein, 1982. ~ihnliche Verhandlungsmodelle mit endlichem, durch die Regeln des Spiels definiertem Zeithorizont, vgl. Stdahl, 1972. Die Konsequenzen eines endlichen Zeithorizontes werden kurz in Abschnitt 4.4.7 erSrtert. 43Die Notation wurde gegenfiber der in Rubinstein, 1982, abgewandelt, um eine einheitliche Notation innerhalb dieser Arbeit zu gew~ihrleisten. Die hier verwendete Notation ist angelehnt an Mauleon und Vannetelbosch, 1999. 44Nosteht in dieser Arbeit fiir die Menge der positiven ganzen Zahlen einschlieglich Null, also 1% = {0} U N. In Rubinstein, 1982 wird nur der Fall T = No untersucht. Die
42St/aaahl untersucht
4.4 Sequentielle Verhandlungsmodelle mit vollstfindiger Information
119
In jeder Periode tn wghlt einer der Spieler eine Alternative a(n) E A -= X U {akzeptiere}, wobei Spieler B zu den Zeitpunkten t2n, n E No, also den "geraden" Zeitpunkten, am Zug ist, wghrend Spieler S bei t2~+l, n c No, also den "ungeraden" Zeitpunkten, handelt. In to steht die Alternative "akzeptiere" nicht zur Verfiigung, da ja noch kein Angebot vorliegt, a5 Der Verlauf einer Partie bis zum Zeitpunkt tk wird mit -~k bezeichnet. -~0 _ 0 u n d ~ k _ ( a ( O ) , . . . , a ( k - 1 ) ) E H k =- l-Ikn-lo X fiir k > 0. Wenn eine Partie bis zum Zeitpunkt tk fortgesetzt wurde, kann die Handlung "akzeptiere" bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgetaucht sein, da eine Partie ja mit dieser Handlung endet. Daher enth~ilt das kartesische Produkt der bis tk-1 vorgeschlagenen Aufteilungen die Geschichten aller noch nicht beendeten Partien. Es kann daher auch -~k = (xO, xl ' ..., x k _ l ) geschrieben werden, wobei x m die im Zeitpunkt tm vorgeschlagene Aufteilung bezeichnet. Die Menge HB -- UnC~__oH2n,n E No, aller Spielverl~iufe, nach denen Spieler B am Zug ist, fasst alle Geschichten zusammen, die vor einem geraden Zug liegen. Umgekehrt fasst die Menge Hs U,~~176 0 H 2n+1 aller Spielverlgufe, nach denen Spieler S handeln kann, die Geschichten zusammen, die vor einem ungeraden Zug liegen. H = HB U Hs ist die Menge aller mSglichen Spielverlgufe. Eine Strategie si : Hi -+ A fiir Spieler i, i E {B, S} ordnet jeder mSglichen Geschichte, nach der i am Zug ist, eine Handlung zu. Die Menge aller Strategien eines Spielers ist Si und die Menge aller Strategiekombinationen ist S = SB x Ss. Der Gegenspieler von Spieler i wird auch mit - i bezeichnet. Ein Ergebnis des Spiels ist dann ein Tripel -~(-g) = ( X B ( - g ) , x s ( - g ) , t ( - g ) ) , was bedeutet, dass die Strategiekombination -g zu einer Aufteilung ( ( z s ( - g ) , x s ( - g ) ) zum Zeitpunkt t(-g) fiihrt. Die Menge hier verwendete Formulierung wird aus Binmore, 1987b iibernommen, um sp~tter den Einfluss einer Variation von T untersuchen zu kSnnen. Vgl. auch Binmore et al., 1992. 45Diese Formulierung (vgl. Mauleon und Vannetelbosch, 1999, S. 243) beinhaltet eine unwesentliche Vereinfachung der oben verbal beschriebenen und in Rubinstein, 1982, sowieBinmore, 1987b, modellierten Situation: Anstelle zweier aufeinanderfolgender Handlungen in tn (vorliegendes Angebot akzeptieren oder ablehnen) und in tn+l (im Fall einer Ablehnung neues Angebot unterbreiten) w~thlt ein Spieler direkt in tn ein neues Angebot. Beide Formulierungen sind jedoch ~tquivalent, solange angenommen wird, dass beide Spieler w~thrend des Ablaufs von T, also der Zeit zwischen zwei Ziigen, zur Unt~ttigkeit gezwungen sind, der andere also mit Sicherheit erst in tn+l reagieren kann. In diesem Fall spielt es keine Rolle, wann ein Spieler das n~ichste Gebot seines Gegeniibers erf'~thrt.
120
4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
a: akzeptiere . .......
S ? B
....
:
9
. . . . .
.
. . . .
:: Z : E : X : : '
:! ii
(o,o, oo)
, "
s
Abbildung 4.8: Verhandlungsprozess mit abwechselnden Angeboten (vereinfachtes Rubinstein-Modell; eigene Darstellung) aller Ergebnisse ist Z - ~-~es-~(-~)" Mit (0, 0, c~) wird eine Situation gekennzeichnet, in der die Spieler dauerhaft keine Vereinbarung erreichen. Abbildung 4.8 stellt das so formulierte Spiel graphisch dar.
4.4.2 Zeitpr~ferenzen und Auszahlungsfunktionen der Akteure Die entscheidende Rolle bei der Ableitung von LSsungen ffir sequentielle Verhandlungsmodelle kommt den Zeitprgerenzen der Akteure zu. Wie oben bereits angedeutet, wird unterstellt, dass die Akteure ungeduldig sind, also eine frfihere Einigung einer sp/iteren vorziehen, sofern sie in beiden F/fllen denselben Anteil erhalten. Bevor konkrete zeitabh/ingige Nutzenfunktionen formuliert werden, sollen wieder die Annahmen im Einzelnen betrachtet werden, die diesen zugrunde liegen. 46 Dazu werden zwei Pr/iferenzrelationen N-B und >-s auf Z deftniert. 47 Die beiden Relationen symbolisieren die Zeitpr/iferenzen der Spieler B und S, die explizit unterschiedlich sein kSnnen. Folgende Axiome gelten 46Das Vorgehen ist hier analog zu A b s c h n i t t 2.3.2.1. 47Die Relationen >'B und >-s werden auf Z und nicht auf X definiert, da die E l e m e n t e von Z den fiir die Relation relevanten E i n i g u n g s z e i t p u n k t enthalten.
4.4 Sequentielle Verhandlungsmodelle mit vollstgindiger Information
121
fiir --~, 7 E Z,s, t E T und i E {B, S}. 4s Annahme
4.4.1. Fiir --2* - (ZB, zs, t) und -~ = (yB, YS, t) mit z~ > y~ gilt
Von zwei im selben Zeitpunkt t erreichten Ergebnissen zieht ein Spieler also dasjenige vor, bei dem er einen grSfberen Anteil erh~ilt. 4 . 4 . 2 . Fiir 7 = (ZB, zs, tn) und ~ = (Ze, zs, tm) mit ZB, ZS > 0 und tm < tn gilt -ff ~-~ ~ ~-i (0, O, C~).
Annahme
Eine Einigung auf eine beliebige Aufteilung, bei der beide Spieler wenigstens einen minimalen Anteil erhalten (zs und zs sind grS~er als 0), wird von beiden Spielern zu einem friiheren Zeitpunkt derselben Aufteilung zu einem sp~iteren Zeitpunkt vorgezogen. Eine solche Einigung, zu welchem Zeitpunkt auch immer, wird von beiden Spielern dem dauerhaften Ausbleiben einer Einigung vorgezogen. A x i o m 4.4.3. Fiir zwei Zeitpunkte tm ~ tn gilt (ZB, Zs, tin) )"i (YB, YS, tm + T) dann und nur dann, wenn (ZB,ZS, tn) ~-i (YB,YS,tn + T). Wenn ein Spieler die Aufteilung (ZB, ZS) ZU einem bestimmten Zeitpunkt der Aufteilung (YB, YS) zu einem um r sp~iteren Zeitpunkt vorzieht oder zwischen beiden indifferent ist, dann zieht er auch zu keinem anderen Zeitpunkt die um 7 sp~iter erzielte Aufteilung (YB, YS) der Aufteilung (zs, zs) vor.
4.4.4. Wenn YB --~ y~und (ys,1 -- y s , t m ) ~_i (ZB,1 -- Zs,tn), dann gilt auch (y~, 1 - y~, tin) ~ (Zs, 1 - ZB, tn).
Annahme
Diese Annahme fordert Kontinuit~it in den Zeitpr~iferenzen und wird aus technischen Grfinden benStigt, um die Existenz bestimmter Gleichgewichtspunkte zu sichern, stellt aber keine besonders starken Behauptungen auf. Wenn YB beliebig nah an y~ heranriicken kann, ohne dass sich etwas daran ~indert, dass die Aufteilung (YB, 1 - YB) im Zeitpunkt tm einer Aufteilung (ZK, 1 -- Zg) im Zeitpunkt tn vorgezogen oder als gleichwertig betrachtet wird, dann sollte auch die Aufteilung (y~, 1 - y~) vorgezogen oder als gleichwertig eingesch~itzt werden. 4sVgl fiir die hier verwendeten Formulierungen der Axiome B i n m o r e et al., 1992, S. 184ff.
122
4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
A n n a h m e 4.4.5. Je grb'fler der Anteil yon i an einer Auszahlung, desto mehr Kompensation ist erforderlich, wenn die A uszahlung sparer erfolgt.
Eine Reihe von Nutzenfunktionen ist mit diesen Axiomen vereinbar. Zwei wichtige werden hier betrachtet: 9 Konstante Diskontierungsfaktoren: Eine Funktion
bildet Opportunit/itskosten des Wartens auf eine Einigung ab, z.B. durch entgangene Zinsgewinne. 9 Konstante Verhandlungskosten: Eine Funktion der Form Ui(XB,XS,tn) = Xi - ( n -
1 ) , ci
repr/isentiert feste Verhandlungskosten ci pro Periode, die z.B. durch den Einsatz von Anw/ilten oder einfach durch die fiir die Verhandlung aufgewendete Zeit entstehen. Beide Funktionen bediirfen einer kurzen ErSrterung hinsichtlich der verwendeten Diskontierungsfaktoren. Im Fall der konstanten Diskontierungsfaktoren werden die Auszahlungen in Periode tl nicht, bzw. mit dem Faktor 5to _ 1, abgezinst, diejenigen in Periode t2 mit dem Diskontierungsfaktor 5t~ usw. Einleuchtender mag zun/ichst eine Diskontierung mit dem der jeweiligen Periode korrespondierenden Faktor erscheinen. Allerdings geht es bei der Diskontierung darum, die Kosten zu erfassen, die den Akteuren aus einer verzSgerten Einigung entstehen. In t l, dem ersten Zeitpunkt, zu dem nach den Regeln des Spiels iiberhaupt eine Einigung mSglich ist, tritt jedoch noch keine VerzSgerung ein. Anders ausgedriickt: (Xs, xS, tl) ist das friihste Ergebnis, das die Spieler erreichen kSnnen. 49 Gleiches gilt fiir die festen Verhandlungskosten, d.h. bei einer Einigung in Periode t l werden noch keine festen Verhandlungskosten berficksichtigt. 49Diese nicht ganz intuitive Gestalt der Auszahlungsfunktion stellt ein Zugest~ndnis an die vereinfachte Konstruktion des Spiels gegenfiber dem ursprfinglichen Rubinsteinschen Spiel dar. Dort wfirde die Nutzenfunktion ui(z) -- X-i O ~'~ lauten da die i Entscheidung fiber Annahme oder Ablehnung eines Angebots unmittelbar nach dem Angebot, also im selben Zeitpunkt tn, erfolgt.
4.4 Sequentielle Verhandlungsmodelle mit vollstiindiger Information
123
4.4.3 Nash-Gleichgewichte des sequentiellen Verhandlungsmodells Fiir das gerade beschriebene Verhandlungsmodell existiert, fi~hnlich wie ffir das Nash-Verhandlungsmodell, 5~ ein Kontinuum von Nash-Gleichgewichten: Spieler B legt sich darauf fest, in jeder Runde eine bestimmte Aufteilung -~ - (Xs, XS) mit :~S d-XS -- 1 vorzuschlagen, es sei denn, S hat ein Angebot unterbreitet, das ihm einen mindestens gleich grot~en Anteil verschafft wie sein eigenes Angebot (xs _> ;~S); ein solches Angebot wird B akzeptieren. Spieler S verfolge die analoge Strategie, jedes Angebot anzunehmen, fiir das gilt xs _> xs, und ansonsten seinerseits ~ anzubieten. Formal lautet die Strategie von Spieler i also 51 akzeptiere,
x~ > xi
Alle Strategien dieser Form bilden ein Nash-Gleichgewicht, da jeder Spieler mit der Ablehnung seines Gegeniibers rechnen muss, wenn er versucht, ein fiir sich giinstigeres Angebot als -~ zu machen. In diesem Zusammenhang kommt die Annahme zum Tragen, dass -~ eine effiziente Aufteilung mit :~S + XS -- 1 darstellt, bei der kein potenzieller Einigungsgewinn unausgeschSpft bleibt. Auf ein ineffizientes Angebot kSnnte ein Spieler i mit einem Gegenangebot antworten, das fiir beide vorteilhaft ist, und das der andere gem/it~ seiner Strategie s-i in jedem Fall annehmen wird. Die angegebenen Gleichgewichtsstrategien lassen also die Aussage zu, dass sich die Spieler bereits in t l auf eine beliebige effiziente Aufteilung einigen werden. Das Konzept des Nash-Gleichgewichts erlaubt es nicht, eine eindeutige LSsung fiir die Verhandlungssituation zu bestimmen. Nicht alle Gleichgewichtspunkte in Strategiekombinationen -~ = (ss, sS) sind jedoch bei n/iherer Betrachtung plausibel. Das Problem mit einem Teil der oben abgeleiteten Nash-Gleichgewichte besteht darin, dass beide Spieler in ihren Strategien Festlegungen fiir sp/itere Zeitpunkte des Verhandlungsprozesses treffen, die, wenn diese Zeitpunkte einmal tats/ichlich erreicht werden, nicht mehr optimal sind. Die mit den Gleichgewichtsstrategien ver5~ Abschnitt 4.3.1. 51Die Angebote werden abwechselnd unterbreitet, da der Definitionsbereich von si oben als Hi definiert wurde. HB enth/ilt lediglich die Geschichten mit einer geraden Anzahl yon Ziigen (einschliet~lich 0), w/ihrend Hs lediglich Geschichten mit einer ungeraden Anzahl von Ziigen enth/ilt.
124
4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
bundene Drohung, nur ein einziges Angebot, n~imlich -~, anzunehmen, ist unglaubwfirdig. Nachdem beispielsweise Spieler S in tl eine effiziente Aufteilung ~ abgelehnt hat, weil xs < xs, und statt dessen, wie es seiner Strategie ~s entspricht, -~ angeboten hat, muss er mindestens bis t2 warten, bis diese Einigung von Spieler B akzeptiert werden kann, d.h. das Ergebnis w~ire in diesem Fall (XB, &S, t2). Annahme 4.4.2 besagt, dass Spieler S dieselbe Aufteilung in tl strikt vorziehen wiirde, also (~B,&S, tl) >-2 (:~S,I~S,t2)- Gem~i~ Annahme 4.4.4 existiert dann ein ~ * mit x~ = XB + e und x~ = x s - e, fiir das gilt (~*, tl) ~s (-~, t2). 52 Mit anderen Worten, aufgrund der Ungeduld seines Gegeniibers kann Spieler B ein Angebot machen, das ihm einen etwas grS~eren Anteil als -~ zuweist, n~imlich ~*, und das S nicht ablehnen wird, weil der geringere Anteil, den er erhfilt, dadurch aufgewogen wird, dass er ihn friiher erhtilt. Dasselbe gilt umgekehrt natiirlich ebenfalls in Zeitpunkten, zu denen ein Angebot von Spieler S vorliegt, also z.B. in t2. Spieler B wird sich iiberlegen, ob er dieses ablehnt, da ein Gegenangebot seinerseits erst eine Periode sp~iter angenommen werden kann. Im folgenden wird eine Verfeinerung des Gleichgewichtskonzepts von Nash dargestellt, in der diese Art unglaubwiirdiger Drohungen ausgeschlossen wird.
4.4.4 Teilspiel-perfekte Gleichgewichte Als Teilspiel wird ein Spiel bezeichnet, dessen Spielbaum K' ein Teilbaum von K ist, der in einem Entscheidungsknoten k' beginnt und in dem alle Entscheidungsknoten zu Informationsbezirken gehSren, die ausschlieglich Nachfolger von k' umfassen. 53 Ein Teilspiel kann also als vollst~indig unabh~ingiges Spiel interpretiert werden, dessen Auszahlungen unabh~ingig vom urspriinglichen Spiel ermittelt werden kSnnen. Abbildung 4.9 verdeutlicht dieses Konzept grafisch. In Spiel a) bildet der eingekreiste Teilbaum ein Teilspiel, w~rend in b) und c) jeweils fiber Informationsbezirke Abh~ingigkeiten zu anderen Teilbtiumen bestehen. In b) gehSrt der markierte Startknoten des Teilbaums zu einem Informationsbezirk von Spieler 2, der au~erdem einen Knoten des linken Teilbaums umfasst. In c) besteht die Abh~ingigkeit erst eine Stufe sp~iter, in dem Informationsbezirk von Spieler 3. Weder in b) noch in c) kSnnen 52Vgl. Rubinstein, 1982, S. 104.
53Das Konzept eines Teilspiels wird zuerst von Kuhn, 1997, definiert, vgl. S. 56.
4.4 Sequentielle Verhandlungsmodelle mit vollst~diger Information
(a)
1
(b)
~!lspieI
1
~ k e i n
(c)
125
1
Teilspiel ~ k e i n
Teilspiel
9 9
9
.
Abbildung 4.9: Teilspiele und abhkngige Teilb/iume (eigene Darstellung) die markierten Teilb~iume als separate Spiele aufgefasst werden, denn Spieler 2 bzw. Spieler 3 gewinnen durch den Wegfall des anderen Teilbaums wesentliche Informationen hinzu, fiber die sie im urspriinglichen Spiel nicht verfiigen. Im Fall des hier betrachteten Verhandlungsmodells (vgl. Abbildung 4.8) beginnt in jedem Zeitpunkt, also mit jeder HandlungsmSglichkeit der Spieler, ein neues Teilspiel. In einem Teilspiel-perfekten Gleichgewicht (TPG) muss die Strategie jedes einzelnen Spielers nicht nur die beste Antwort auf die vollst~indigen Strategien der anderen Spieler sein, 54 sondern dies muss auch fiir jedes einzelne Teilspiel gelten. Insbesondere gilt dies auch fiir Teilspiele, die in einer Partie gar nicht erreicht werden, wenn alle Spieler ihre geplanten Strategien exakt umsetzen. 55 Damit wird genau der Umstand berficksichtigt, aus dem sich oben das Problem einer Vielzahl von Nash-Gleichgewichten fiir das sequentielle Verhandlungsmodell ergab. Es folgt eine formale Definition des TPG fiir das hier behandelte Modell. 56 (sil-~ k) ist die Strategie des Spielers i, die aus der Strategie si fiir das Teilspiel folgt, das im Zeitpunkt tk beginnt, wenn der bisherige Verlauf der Partie der Geschichte -~k entspricht.
(sil~ k) wird auch als induzierte Strategie bezeichnet. 57 54Dies ist die Bedingung fiir das Nash-Gleichgewicht (vgl. Abschnitt 4.1.5). 55Streng genommen wird damit die Interpretation der Strategien als Handlungspliine der Akteure fragwfirdig, da sie fiir Umst~inde planen, deren Eintreten sie selbst ausschlietgen kSnnen. Eine mSgliche Interpretation besteht darin, dass die Akteure mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit Fehlern bei der Umsetzung der eigenen oder einer fremden Strategie rechnen. Dies fasst Selten, 1997, in sein Konzept des 'q'remblingHands-Equilibrium". Rubinstein, 1991, schl~igt vor, die Strategie eines Spielers als dessen Pl~ine zu interpretieren, wie sie in der Wahrnehmung der anderen Spieler bestehen. 56Vgl. Rubinstein, 1982, wobei die Schreibweise den in diesem Text geltenden Konventionen angepasst wurde. Fiir eine allgemeine Darstellung des Konzepts des TPG vgl. Selten, 1965, 1997. 57Vgl. Selten, 1997, S. 326f.
4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
126
Definition 4.4.{}. Eine Strategiekombination ) wenn fiir alle ~ k gilt
=
(SBSS)ist
ein TPG,
UB((~BI-~ k) ($Sl'~k)) = max (UB(SB, (~Sl-~k))) '
8B6SB
und US((~BI-~ k) (~sl~k))-- max (Us((~BI-~ k) sS)). '
ssGSs
'
Die induzierte Strategie eines Spielers muss also nach jeder mSglichen Geschichte einer Partie die bestmSgliche Antwort auf die induzierte Strategie des anderen Spielers darstellen.
4.4.5 TPG fiir sequentielle Verhandlungsmodelle- allgemeiner Fall Rubinstein zeigt als erster, dass fiir das sequentielle Verhandlungsmodell mit abwechselnden Angeboten generell TPG existieren und dass es in einer Reihe von wichtigen F/illen genau einen TPG-Punkt gibt. Im Folgenden wird das Grundprinzip eines vereinfachten Beweises ffir diese Feststellung dargestellt, der auf Binmore zuriickgeht. 5s Die nachstehenden Ergebnisse sind unabh/ingig vonder Identit/it des Akteurs, also B oder S, und hfiaagen lediglich davon ab, welcher Akteur das erste Angebot macht. Dieser Akteur wird daher im Folgenden als Spieler 1 bezeichnet, der Akteur, der als zweiter am Zug ist, als Spieler 2. Ausgangspunkt der 0berlegungen ist die Tatsache, das alle aufeinander folgenden Teilspiele des urspriinglichen Verhandlungsmodells in ihrer Struktur identisch sind, sich jedoch in zwei Punkten unterscheiden: Zum einen macht zu den geraden Zeiten to, t2, ... Spieler I das erste Angebot, zu den ungeraden Zeiten t t, t3, ... jedoch Spieler 2. Zum anderen unterscheidet sich, aufgrund der ZeitprMerenzen der Akteure, der aufzuteilende Nutzen, betrachtet aus der Perspektive des Zeitpunktes to. Fiir den hier diskutierten allgemeinen Fall werden zuniichst nur die Annahmen 4.4.1 und 4.4.2 benStigt. Im Folgenden soll X k ffir die Menge der Aufteilungen stehen, die in einem im Zeitpunkt tk beginnenden Teilspiel aus der Sicht des Zeitpunktes to, also nach Beriicksichtigung der Zeitpr~iferenzen, zur Verfiigung stehen, 58Vgl. Binmore, 1987b, S. 78ff. wo sich ausfiihrliche graphische Erl~iuterungen finden, sowie ~ihnlich auch Shaked und Sutton, 1984.
4.4 Sequentielle Verhandlungsmodelle mit vollstgndiger Information
127
es gilt also X k - {(U1,U2)IU1 = U I ( - ~ , k ) ; U 2 = U 2 ( ~ , k ) ; - ~ E X)}. Darfiber hinaus sei mit -Ek die Menge aller effizienten Aufteilungen bezeichnet, die in tk verfiigbar sind, also derjenigen, bei denen kein Spieler einen hSheren Nutzen erzielen kann, ohne dass der Nutzen des anderen Spielers sinkt. Formal gilt also F.k - {-~ e X k l v l > ul A v2 > u2 =~ -ff r X k } 9 Aufgrund der identischen Struktur der Teilspiele kann ein TPG mittels eines rekursiven Vorgehens bestimmt werden: Welche Aufteilungen in einem Teilspiel, das in tk-1 beginnt, TPG-Punkte darstellen, h~ingt davon ab, welche Aufteilungen TPG-Punkte in dem darauf folgenden, in tk beginnenden Teilspiel sind. Denn der Spieler, der in tk-1 am Zug ist, wird jedes Angebot annehmen, das ihm bereits zu diesem Zeitpunkt einen Anteil garantiert, der gem~if~ seinen Zeitpr~iferenzen ~quivalent zu dem maximalen Anteil ist, den er in tk erhalten kann. Andererseits wird er jedes Angebot ablehnen, das fiir ihn nicht mindestens ~iquivalent zu der ungiinstigsten Aufteilung ist, die einen TPG-Punkt in tk bildet. Es wird damit mSglich, zwei Folgen zu definieren, die der Ober- und Untergrenze der Menge der TPG-Punkte bzw. den Ober- und Untergrenzen der Anteile jeweils eines Spielers in jedem Zeitpunkt tk-1 entsprechen. Fallen die Werte beider Folgen im Zeitpunkt to zusammen, so existiert genau ein TPG-Punkt fiir das urspriingliche Spiel. Die folgenden S~itze zeigen das Vorgehen bei der Herleitung dieser Folgen. Satz 4.4.7. Wenn Spieler 1 in tk-1 (k E N, k ~ 1) am Zug ist, und wenn flit jeden TPG-Punkt w des in tk beginnenden Teilspiels m < w2 <_ M gilt, dann ist fiir jeden TPG-Punkt v in einem in tk-1 beginnenden Teilspiel l <_ vl und m <_ v2, wobei gilt: 1. Wenn e]fiziente A ufieilungen f f E =k-1 mit (]2 > M und f f E =k-1 mit U2 <_ M existieren, dann ist
1 - inf { UI" (U1, M) C ~k-1}. 2. Wenn fiir alle f f E ~k-1 gilt U2 > M , dann ist
1 - sup { UI" (U1, V2) E ,~k-1 }.
128
4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
(a)
89 i
!
I
ll u2
M
IL (c)
(b)
89
9 U1
m
I
(d)
89
M
"U1
M
I z ~ I
/=-c~
ll
-U1
,U1
Abbildung 4.10: MSglichkeiten von Spieler I in tk-l" Vier F~ille (eigene Darstellung in Anlehung an mehrere Abbildungen in Binmore, 1987b, S. 80ft.) 3. In allen anderen Fallen ist l = - c ~ .
59
Die Abbildung 4.10 zeigt die Bedeutung der drei F~ille. Dazu wird die Menge der Aufteilungen X k- 1 grafisch dargestellt, indem die mSglichen Aufteilungen (U1, U2) in ein zweidimensionales Koordinatensystem iibertragen werden. Die effizienten Aufteilungen aus Ek-1 liegen auf der rechten oberen Begrenzung der Menge X k-1. Die schraffierte Fl~iche gibt den Bereich an, in dem der Anteil z2 des Spielers 2 in der Folgeperiode liegen muss. Einen An59Ffir formale Beweise dieses und der folgenden beiden S~itze vgl. B i n m o r e , 1987b, S. 79ff.
4.4 Sequentielle Verhandlungsmodelle mit vollstiindiger Information
129
teil unterhalb der Linie U2 = m wird 2 in tk-1 in keinem Fall akzeptieren, wenn er, wie vorausgesetzt, in tk mit einem Anteil m rechnen kann. Daher gilt die Untergrenze m _< U2. Da Spieler 2 in tk hSchstens M erhalten kann, gibt es keinen Anlass fiir 1, ihm in tk-1 mehr anzubieten. Die Untergrenze ffir den Anteil von Spieler 1 in tk-1 wird dann in der Abbildung 4.10 deutlich. Teil a) dieser Abbildung zeigt den ersten Fall, in dem Elemente von sk-1 sowohl oberhalb als auch unterhalb von M existieren. TPG-Punkte sind nur solche Punkte, die auf oder rechts von der Linie U1 = 1 liegen. Fiir jeden Punkt mit U1 < 1 kSnnte Spieler 1 seine Situation verbessern, indem er mehr fordert, ohne dass 2 dieses Angebot ablehnen wird, solange sein Anteil grS~er oder gleich M bleibt. In Teil b) liegen alle effizienten Aufteilungen, die in tk-1 erreicht werden kSnnen, oberhalb von U2 - M. In diesem Fall, dem zweiten in Satz 4.4.7, hat Spieler 2 keinen Anreiz, eine beliebige effiziente Aufteilung abzulehnen. Die Untergrenze 1 des Anteils von Spieler 1 wird daher durch die ~u~erste rechte Grenze von Ek-1 markiert. Es bleibt schliei~lich der in Teil c) der Abbildung gezeigte dritte Fall, in dem alle effizienten Aufteilungen unterhalb von M liegen. In diesem Fall gibt es keine Untergrenze fiir den Anteil von Spieler 1, denn Spieler 2 kSnnte potenziell jedes Angebot ablehnen, das 1 macht, da in tk gfinstigere TPGPunkte fiir ihn verffigbar sind. In den Teilen a) bis c) der Abbildung 4.10 wird eine verh~iltnism~i~ig einfache Gestalt von X k-1 angenommen. Die Verwendung des Infimum (Fall 1) bzw. Supremum (Fall 2) in Satz 4.4.7 schlie~t jedoch auch unregelm~i~igere F~lle ein, wie die konstruierte Menge in Teil d) deutlich macht. Hier enth~ilt die Menge Ek-1 mehrere Punkte, fiir die U2 = M. Derjenige dieser Punkte mit dem kleinsten Anteil UI konstituiert in diesem Fall die Untergrenze l ffir die TPG-Punkte in tk-1. Wie dieser Teil der Abbildung au~erdem zeigt, kSnnen mehrere Punkte auf der Geraden U1 - / liegen. Eine weitere Einschr~inkung hinsichtlich der Untergrenze 1 ist nStig, die im folgenden Satz formuliert wird" Satz 4.4.8. Wenn in Satz ~.~. 7 bekannt ist, dass Wl >_ a/iir alle ~ E =k, dann kann 1 durch ~max (a, l} ersetzt werden. Spieler 1 wird in tk-1 kein Angebot machen, das ihn schlechter stellt als ein in tk erreichbarer TPG-Punkt.
130
4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
Ahnliche Uberlegungen wie die zur Untergrenze des Anteils von I kSnnen im Hinblick auf dessen Obergrenze L angestellt werden. Satz 4.4.9. Wenn in Satz 4.4.7 bekannt ist, das Wl < A fiir alle ~ E =k, dann ist Vl < max {A, L}, wobei:
1. Wenn ein ~ E Z k-1 mit Lr2 > m und ein ~ E "~k-1 mit U2 < m existiert, dann ist L = sup { U I ' ( U I , m ) E Z k - 1 } .
2. Wenn fiir alle -~ E ~k-1 gilt U2 > m, dann ist L = sup {UI" (U1,U2) E E k - 1 } .
3. In allen anderen Fallen gilt L = -co. Die Erkl/irung der drei F/ille erfolgt ~hhnlich wie im Fall der Untergrenze: Wenn Spieler 2 in der folgenden Periode tk einen minimalen Anteil m in einem TPG-Punkt erhalten kann, wird er keiner Aufteilung in tk-1 zustimmen, bei der er weniger erh/ilt. 6~ Keine Aufteilung in tk-1 kann demnach ein TPG-Punkt sein, wenn 2 weniger ads m erh/ilt (Fall 1). Wenn in allen effizienten Aufteilungen der Periode Spieler 2 einen grSgeren Anteil als m erh~lt (Fall 2), wird die Obergrenze durch diejenigen aller eftizienten Aufteilungen konstituiert, bei der 1 den grSgten Anteil erh/ilt. Falls jedoch m grSger ist als alle Anteile, die Spieler 2 in t k - i erhalten kann, existiert kein TPG in dieser Periode, da 2 alle Angebote dieser Periode ablehnen wird (Fall 3, L = -c~). Da Teilspiele, in denen 2 das erste Angebot macht, strukturell identisch sind, kann auch von der Untergrenze 1 fiir den Anteil von 1 in einem TPG der nachfolgenden Periode auf die Obergrenze M fiir den Anteil von 2 geschlossen werden sowie von der Obergrenze L auf die Untergrenze m. Die Menge E k wird durch induktive Anwendung der eben dargestellten Schliisse, ausgehend vonder Menge X k, konstruiert. Abbildung 4.11 verdeutlicht diesen Sachverhalt. 6~ ZeitprMerenzen der Akteure sind in den Elementen der Mengen X k-i und X k bereits beriicksichtigt. Elemente der beiden Mengen kSnnen also ohne Weiteres miteinander verglichen werden.
4.4 Sequentielle Verhandlungsmodelle mit vollstii~ndiger Information
131
X2 n
Abbildung 4.11" Konstruktion der Menge E k (Binmore, 1987b, S. 83) Die horizontalen gestrichelten Linien entsprechen dem Minimum m bzw. dem Maximum M des Anteils w2 in den Perioden, in denen 2 am Zug ist. Die gepunkteten vertikalen Linien entsprechen dem Minimum 1 bzw. dem Maximum L des Anteils vl in den Perioden, in denen 1 ein Angebot unterbreitet. Die Menge E k ist also die Menge der mSglichen TPG, wenn das urspriingliche Spiel bis Periode tk gespielt wurde. Satz 4.4.10. Alle TPG-Punkte (des urspriinglichen Spiels) liegen in der
Schnittmenge E - ~k~=l Ek" Dieser Satz ffihrt die voranstehende 0berlegung fort und dehnt sie auf den unbegrenzten Zeithorizont des Spiels aus. Weiter in der Zukunft liegende Teilspiele kSnnen die Menge der TPG-Punkte des ursprfinglichen Spiels lediglich einschr~inken, aber niemals ausdehnen. Daher kann nur die Schnittmenge der aus den einzelnen Teilspielen in die Periode to projizierten Mengen E k TPG-Punkte des urspriinglichen Spiels enthalten. Satz 4.4.11. Jeder Punkt in der wie in Satz ~.~.10 definierten Menge E
ist ein TPG-Punkt.
4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
132
Zum Beweis dieses Satzes muss gezeigt werden, dass fiir jeden Punkt in E Strategien existieren, die diesen Punkt unterstiitzen. 61 Das Prinzip ist hierbei fihnlich wie im Fall der in Abschnitt 4.4.3 diskutierten NashGleichgewichte. Dort stellen alle Strategien ein Gleichgewicht dar, in denen jeder Spieler plant, einem Angebot x oder jedem fiir ihn giinstigeren Angebot zuzustimmen, aber ungiinstigere Angebote als x abzulehnen und stattdessen in der kommenden Periode x zu bieten. Folgendes Strategiepaar erfiillt die Bedingungen des TPG" Jeder Spieler plant, in der Periode tk ein Angebot fik E X k sowie jedes fiir ihn giinstigere Angebot anzunehmen. Ein ungiinstigeres Angebot lehnt er ab und bietet stattdessen eine Aufteilung fik+l an, die dem fiir ihn ~iquivalenten Angebot in der Folgeperiode entspricht. Formal l~st sich diese Strategiekombination folgenderma~en beschreiben, wobei k _> 0 und i E {1, 2}"
I - f f k E x k, ~i(-~ k) =
O<_k<_~ ~k > ~ ui >_ui;k
akzeptiere, ~
~k-1
_~k ~ ( ~ E ~klu~ = u~
},
~k-1
U~ < U~
.
(4.1)
;k >
Die Angebote in den Perioden to bis t~ miissen nicht zwangsl~iufig effizient sein. Fiir die Existenz eines TPG ist es lediglich notwendig, dass ab einem beliebigen Zeitpunkt t~ eine Serie von Angeboten und Gegenangeboten geplant wird, die dem zweiten und dritten Fall in 4.1 entspricht. Bis zum Zeitpunkt t~ machen beide Spieler beliebige Angebote, die der jeweils andere mit beliebigen Gegenangeboten beantwortet. Eine Einigung in einer sp~iteren Periode als to kann jedoch nur dann ein TPG darstellen, wenn die Menge E Elemente mehrerer X k umfasst, wie z.B. im Fall der Abbildung 4.11 Elemente von X ~ und X 1.
4.4.6 Spezidle Fiflle des sequentiellen Verhandlungsmodells Konstante Verhandlungskosten pro Periode Wenn die Verhandlungspartner einen Geldbetrag zwischen sich aufteilen, der hier, ohne Beschr~nkung der Allgemeinheit, auf einen Dollar normalisiert wird, und ihnen konstante Kosten cl bzw. c2 fiir jede VerzSgerung um 61Fiir einen vollst~indigen Beweis mit grafischen Erl~iuterungen vgl. Binmore, 1987b, S. 84f.
4.4 Sequentielle Verhandlungsmodelle mit vollstfmdiger Information
133
T entstehen (tk = Tk) und augerdem eine risikoneutrale Nutzenfunktion fiir Geld, dann nehmen die Nutzenfunktionen der Akteure folgende Form an"
Ui(X, tk) - x~ - kci ;i E {1,2},k > 0 womit die Menge der mSglichen Aufteilungen in tk mit x k - {(Xl - k c ~ , x 2 - k c 2 ) lX l >~ O, x2 >~ O, Xl + x2 = 1}
definiert ist. Drei F/ille sind fiir diese Variante der Nutzenfunktion zu unterscheiden: I. Cl < c 2
In diesem Fall existiert ein eindeutiger TPG-Punkt" Spieler 1 erh~t den gesamten Dollar, d.h. Xl = 1, und diese Aufteilung wird in Periode t l von 2 angenommen. 2. c 1 > c 2
Der eindeutige TPG-Punkt lautet ~ - (c2, 1-c2), d.h. Spieler I erh~ilt in diesem Fall nur einen Anteil in HShe der konstanten Verhandlungskosten yon Spieler 2. 3. C1 - - C 2 = C
In diesem Fall existiert kein eindeutiger TPG-Punkt, sondern alle Aufteilungen ~ = (xl, 1 - Xl) mit c _ xi _< 1 sind TPG-Punkte. Folgende Argumentation sttitzt diese Aussagen. 62 Zuntichst sei die Obergrenze fiir den TPG-Anteil von 2 in t l nach Beriicksichtigung von k Teilspielen betrachtet. Wenn Cl < c2, dann gilt ffir k _ 1
M(t2k-1) - { --c21 - ,89
1 - 89kcl > -c2 1 - ~ 1 kcl < _ -c2
Wenn k wtichst, stabilisiert sich die Obergrenze also bei -c2. Dies ist ebenfalls der Wert der Untergrenze, unabh/iagig davon, wie viele Teilspiele berficksichtigt werden. Dem zieht 2 jedoch die Aufteilung (1, 0) in to strikt vor. Wenn dagegen cl > c2, dann wird die Untergrenze des TPG-Anteils 62Ein formaler Beweis findet sich in
Rubinstein,
1982, S. 107f.
134
4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
von 2 in t l zum limitierenden Faktor ftir die Angebote yon 1 in to. Es gilt ffir k > 1
m(t2k-1)
1--c2,
lkc1>1_c2
"
Mit wachsendem k wird die Untergrenze also irgendwann bei 1 - c2 stagnieren, dem Wert, den auch die Obergrenze annimmt, unabh/ingig vonder Zahl der beriicksichtigten Teilspiele. Damit ist (c2, 1 - c2) die ffir 1 gtinstigste Aufteilung, die er in to anbieten kann, die von 2 angenommen wird. Wenn Cl = c2 = c, dann gilt M(t2k-1) = 1 - c sowie m(t2k-1) = 0 fiir alle k. Da Ober- und Untergrenze in diesem Fall nicht konvergieren, existiert eine Menge von TPG-Punkten. Konstante Diskontierungsfaktoren Im Fall konstanter Diskontierungsfaktoren weisen die Nutzenfunktionen der Akteure folgende allgemeine Form auf: ui(x;tk) = xiS~ k. Der eindeutige I-5~ 63 TPG-Punkt in diesem Fall ist die Aufteilung (Xl, 1 - Xl) mit xl : i-~1~2" Als allgemeine Aussage l~st sich zum einen festhalten, dass es stets in der ersten Periode zu einer Einigung kommt, zum anderen, dass der geduldigere Spieler einen grSf~eren Anteil erh~t, denn je grbf~er ~1, desto grS~er der Anteil yon 1, je grb~er jedoch ~2, desto kleiner der Anteil yon I. Auf~erdem ist Spieler I im Vorteil, da er das erste Angebot machen darf.
4.4.7 Variationen des sequentiellen Verhandlungsmodells Zeit zwischen Angeboten In den vorangehenden Abschnitten wurde angenommen, dass zwischen zwei Angeboten stets die Zeit T = 1 vergeht. Dies wurde als Teil der Regeln des sequentiellen Verhandlungsspiels betrachtet und nicht n/iher begrfindet. Tats/ichlich sind Situationen, in denen immer genau eine bestimmte Zeit vergehen muss, bis ein neues Angebot unterbreitet werden kann, in der ReMit/it jedoch selten anzutreffen. VerzSgerungen, die infolge technischer Faktoren bei der Ubermittlung von Angeboten entstehen, werden vermutlich nicht von konstanter Dauer seinl sondern eher eine stochastische Natur aufweisen. Die Zeit, die ein Verhandlungspartner verstreichen 1/isst, bis er ein neues 63Vgl. Rubinstein, 1982, S. 108.
4.4 Sequentielle Verhandlungsmodelle mit vollsti~ndiger Information
135
Angebot unterbreitet, kann auch zum Parameter der Verhandlungsstrategie werden. Ein solcher strategischer Einsatz der VerzSgerung von Angeboten wird sp~iter in Abschnitt 4.5.6 untersucht, da eine Motivation, diesen Parameter einzusetzen, nur dann gegeben ist, wenn der Kontrahent keine sicheren Informationen fiber die PrMerenzen des Bieters hat, der ein Angebot absichtlich verzSgert. In diesem Fall kommt der L~age der VerzSgerung eine Signalfunktion hinsichtlich der tats~ichlichen PrMerenzen des Akteurs zu. An dieser Stelle wird zun~ichst weiter mit der Hypothese vollst~ndiger Informationen auf beiden Seiten operiert. Auf dieser Grundlage wird untersucht, was geschieht, wenn der zeitliche Abstand zwischen Angebot und Gegenangebot schrumpft und schlieglich gegen 0 geht. Diese Frage ist deshalb von Bedeutung, weil aufgrund der Ungeduld der Akteure davon ausgegangen werden kann, dass sie Angebote so schnell wie irgend mSglich austauschen, wenn keine unmittelbare Motivation zu absichtlichen VerzSgerungen, wie etwa eine Signalfunktion, besteht. Jedes willentliche HinauszSgern eines Angebots stellt dagegen eine Selbstsch~idigung dar. Wenn T gegen Null geht, n~ihert sich der TPG-Punkt eines Modells mit konstanten Diskontierungsfaktoren (vgl. Abschnitt 4.4.6) der in Abschnitt 4.3 vorgestellten Nash-LSsung, also einer h~ilftigen Aufteilung des Einigungsgewinns, an. 64 Abfolge der Angebote Eine weitere interessante Variation des sequentiellen Verhandlungsmodells besteht in der Anderung der Reihenfolge, in der die Akteure Gebote machen dfirfen. Da es weder mSglich noch sinnvoll ist, die prinzipiell unbegrenzte Zahl denkbarer Abfolgen zu untersuchen, wird der Fall einer eine zufiilligen Reihenfolge untersucht. 65 Im allgemeinen Fall existieren fiir jede Periode gesonderte Wahrscheinlichkeiten, dass 1 oder 2 ein Angebot machen daft. Im folgenden wird ein etwas einfacherer Fall dargestellt, der dem ursprfinglichen Rubinstein-Modell n~her kommt, indem eine Wahrscheinlichkeit ffir die geraden Perioden und eine ffir die ungeraden Perioden angenommen wird. pl gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit der 1 in den Zeitpunkten t2n ein Angebot machen daft (pl + p2 = 1), wfiahrend q2 angibt, mit welcher 64Vgl. Binmore et al., 1986, S. 183, Sutton, 1986 sowie Binmore, 1987b, S. 93ff. 65Vgl. Binmore, 1987b, S. 96ff.
136
4 Spieltheoretische
Verhandlungsmodelle
Wahrscheinlichkeit 2 in den Zeitpunkten t2n+l Angebote machen darf, wobei wieder ql + q2 - 1 gilt. Um eine zufiillige Abfolge von Angeboten untersuchen zu kSnnen, ist eine Modifikation des in Abbildung 4.8 dargestellten Spielverlaufes nStig. Zu Beginn jeder Periode entscheidet ein Zufallsereignis dariiber, welcher Spieler ein Angebot machen daft. Dieser Spieler macht dann ein Angebot, w~ihrend der andere Spieler die MSglichkeit erh~ilt, dieses anzunehmen oder abzulehnen. Dieser Ablauf wiederholt sich in jeder Periode, wobei die Eintrittswahrscheinlichkeiten wechseln, wie im vorigen Absatz beschrieben. Alle Zufallsereignisse sind voneinander unabh~ingig. Werden wieder konstante Diskontierungsfaktoren angenommen und besteht der aufzuteilende Nutzen wieder aus einem Geldbetrag von 1, so dass gilt X ~ = Eo = { ( X l , X 2 ) l x 1 >_ 0;x2 _> 0;Xl -{-X2 ---- 1}, dann existiert ein eindeutiger TPG-Punkt a = (a, 1 - a ) , wobei gilt s6
(1 - (~2)[q1((~2pl + (~1p2) + pl]
(4.2)
a = 1 - ((~2pl + (~1p2)((~2ql + (~lq2)" Fiir F~lle, in denen Spieler 1 in jeder Periode mit einer festen Wahrscheinlichkeit p ein Angebot machen daft, in denen also gilt pl = qt - p, l ~ s t sich 4.2 vereinfachen zu p(1 -
oL = 1 - ((~2P ~- (~1(1 - p))"
(4.3)
Wenn 1 als einziger Angebote machen daft (p = 1), dann erh~ilt e r a = 1-~2 1--62 _ 1 also den gesamten Dollar, da 2 nie die MSglichkeit erhalten wird, ihm mit einem Angebot zuvorzukommen, das er nicht ablehnen kann. Ein interessanter Sonderfall ist p - 89 Bis auf die Diskontierungsfaktoren ist das Spiel in diesem Fall symmetrisch. Es gilt dann oL--
1 - 62 2 -61 -62"
Der Wert, den es ffir 1 hat, mit Sicherheit das erste Angebot machen zu dfirfen, wird deutlich, wenn man seinen Anteil Xl - 1I-~2 - ~ 2 im ursprfinglichen Modell mit dem Anteil in diesem Modell vergleicht. Ffir 61 = 62 = 66Vgl. Binmore, 1987b, S. 98.
4.5 Verhandlungsmodelle mit einseitig unvoHstgndiger Information
137
ist der Anteil von Spieler 1 x l = ~1 - 5 ,-~ 1, wenn er das erste Angebot machen darf, jedoch lediglich a - - 21- -255 -_ 21, wenn das Recht auf das erste Angebot zuf'~illig erteilt wird. Die Reihenfolge der Angebotsabgabe und insbesondere das Recht, das erste Angebot zu machen, hat also in Spielen mit vollkommener Information eine erhebliche Bedeutung. Alternative Optionen In der Realit~it haben Akteure h~iufig die MSglichkeit, zu bestimmten Zeitpunkten die Verhandlungen abzubrechen und eine andere Option wahrzunehmen, der sie einen gewissen Wert beimessen. Sowohl der Wert dieser Alternativen als auch der Zeitpunkt bzw. die H~iufigkeit ihres Auftretens sollten einen Einfluss auf das Verhandlungsergebnis haben. Im Extremfall, wenn sich einem der Spieler zu einem bestimmten Zeitpunkt mit Sicherheit eine Alternative erSffnet, der er grSf~eren Wert beimisst als allen zu diesem Zeitpunkt verfiigbaren Einigungen mit dem andern Akteur, ergibt sich effektiv die Situation eines endlichen Zeithorizontes, da er zu diesem Zeitpunkt keine Motivation mehr haben wird, die Verhandlung fortzusetzen. Jede Alternative, die ffir einen Spieler giinstiger ist als ein Teil der zum Zeitpunkt ihres Auftretens verffigbaren Aufteilungen, begrenzt den Raum der Aufteilungen, denen der begiinstigte Spieler zustimmen wird, auf diejenigen, die aus seiner Sicht mindestens ~iquivalent zu dieser Alternative sind. Eng verwandt mit der Problematik alternativer Optionen ist diejenige eines potenziellen Abbruchs der Verhandlungen aufgrund ~uf~erer Einflfisse. 67 4.5 M o d e l l e sequentieller V e r h a n d l u n g e n mit einseitig unvollst~indiger I n f o r m a t i o n 4.5.1 Die Rolle yon Informationen in spieltheoretischen Verh an dl un gsm od ellen
In den vorangehenden Abschnitten wurden Prognosen fiber den Ausgang verschiedener Verhandlungssituationen abgeleitet. Das statische Nash-Verhandlungsmodell wurde in Abschnitt 4.3 mit Hilfe eines axiomatischen und eines nicht-kooperativen Verfahrens behandelt, und in Abschnitt 4.4 wurden verschiedene Varianten eines dynamischen bzw. sequentiellen Verhand67Diesen Fall untersucht
zuerst
Stdahl,
1 9 7 2 , v g l . S. 33ff.
4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
138
lungsmodells mittels des nicht-kooperativen LSsungskonzeptes des teilspielperfekten Gleichgewichts untersucht. In beiden F~len wurden bestimmte Pr~imissen explizit formuliert, insbesondere beziiglich der Nutzenfunktionen der Spieler. Die Ableitung dieser LSsungen basiert aber auf einer weiteren impliziten Annahme: Es wird unterstellt, dass die Akteure vollst~hndig fiber alle relevanten Parameter der Verhandlungssituation informiert sind. Wie weitreichend diese Annahme ist, wird deutlich, wenn man die verschiedenen Bereiche betrachtet, fiber die die Akteure perfekt informiert sein miissen, damit die getroffenen Ableitungen Gfiltigkeit beanspruchen kSnnen. Akteure besitzen demnach vollst~indige Informationen fiber 9 die Struktur des Spiels, d.h. - eigene und fremde HandlungsmSglichkeiten und -
mSgliche Ergebnisse, sowie
9 Informationen fiber die Spieler, d.h. - eigene und fremde Nutzenfunktionen, also 9 die Beziehung zwischen physischen Ergebnissen und Nutzen 9 der Zeitpr~iferenzen, und deren -
Rationalit~it.
Im folgenden wird die Rolle, die diese verschiedenen Informationen bei der Ableitung spieltheoretischer Ergebnisse spielen, etwas eingehender beleuchtet. HandlungsmSglichkeiten Eine Strategie, wie sie oben definiert wurde, umfasst Handlungsanweisungen fiir den Spieler nach jeder mSglichen Geschichte des Spiels. Um eine Strategie formulieren zu kSnnen, ist es also notwendig, dass die HandlungsmSglichkeiten vollst~h-ldig aufz~ihlbar sind. Da die Ableitung spieltheoretischer Gleichgewichte auf der Formulierung von Strategien basiert, ist diese Informationsannahme zentral ffir die gesamte spieltheoretische Herangehensweise.
4.5 Verhandlungsmodelle mit einseitig unvollstgndiger Information
139
Ergebnisse Die Evaluierung unterschiedlicher Strategien erfolgt nach dem Nutzen, der den Akteuren aus den Ergebnissen entsteht, zu denen ihre Umsetzung fiihrt. Als Mindestvoraussetzung muss daher Klarheit fiber die mSglichen Ergebnisse bestehen. Wie aus den 0berlegungen zur VNMN hervorgeht, muss es sich dabei nicht um sicher eintretende Ereignisse handeln. Es wird unterstellt, dass die Akteure auch Lotterien, also mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeitsverteilung verknfipfte Bfindel von alternativen Ergebnissen, bewerten kSnnen. Die Struktur des Spiels umfasst also weitgehend Informationen, die auch ffir andere rationale Entscheidungen erforderlich sind. Nutzenfunktionen Von besonderer Bedeutung ffir spieltheoretische LSsungsverfahren sind die Informationen, die die Spieler gegenseitig voneinander besitzen mfissen. Betrachtet man das sequentielle Verhandlungsmodell unter diesem Gesichtspunkt, so wird deutlich, dass jeder Spieler seine TPG-Strategie nur formulieren kann, wenn er genaue Kenntnis fiber die Nutzenfunktion seines Gegenfibers hat. Das bezieht sich sowohl auf den Nutzenwert, den der andere Spieler bestimmten physischen Ergebnissen beimisst, als auch auf dessen ZeitprMerenz. Nur so kann ein Spieler eine TPG-Strategie formulieren, die ein Angebot enth~ilt, das ffir den anderen ~iquivalent ist zu dessen bester Alternative in der Folgeperiode. Wie oben gezeigt wurde, ist dies das entscheidende Kriterium zur Ableitung eines TPG. In der Realit~it ist es aber durchaus nicht selbstverst~indlich, dass Akteure fiber diese Art von Wissen fiber ihre Kontrahenten verffigen. Im Gegenteil zeichnen sich viele reale Verhandlungssituationen gerade dadurch aus, dass diese Informationen ganz oder teilweise fehlen. Als Beispiel mag der Konflikt zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften in Lohnverhandlungen dienen. 6s Die Gewerkschaft hat das Ziel, einen mSglichst hohen Lohnabschluss ffir ihre Mitglieder auszuhandeln. Die Arbeitgeber haben dagegen ein Interesse an mSglichst niedrigen Lohnabschlfissen. Allerdings fehlen der Gewerkschaft in der Regel exakte Informationen fiber die tats~ichliche gesch~iftliche Situation der Arbeitgeber und damit deren MSglichkeit, einen bestimmten Lohnsatz tats~ichlich nachhaltig tragen zu kSnnen, ohne ihre Wettbewerbs68Vgl. z.B. Pen, 1952 S. 40f. und Kennan und Wilson, 1993, S. 49f.
140
4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
f'~iahigkeit zu beeintfiichtigen. Umgekehrt hat der Arbeitgeberverband in der Regel nur eingeschfiinkte Kenntnis fiber die tats~ichliche Entschlossenheit und die Kampfl~aft der Gewerkschaften in der Durchsetzung ihrer Forderungen, die u.a. durch die Ausstattung mit finanziellen Mitteln zur Zahlung eines tempor~en Lohnersatzes w~iahrend eines Streiks bestimmt wird. Zusammen fiihrt dies dazu, dass unvollst~indige Informationen fiber die GrSf~e des aufzuteilenden Nutzens bestehen. Die Konsequenzen einer solchen asymmetrischen Informationsverteilung werden unten genauer erSrtert.
Rationalit~it Eine weitere implizite Annahme wird bei der Ableitung von Ergebnissen wie den in Abschnitt 4.4 dargestellten getroffen: Jeder Spieler nimmt an, dass der andere Spieler rational handelt, also die unter den gegebenen Umst~inden optimale Strategie w~ihlt, um seinen Nutzen zu maximieren. Diese Annahme geniigt jedoch nicht. Da die Umst~inde, die der andere Spieler vorfindet, nicht zuletzt durch die eigene Strategie bestimmt sind, muss ein Spieler dariiber hinaus auch annehmen, dass der andere Spieler dieselbe Vermutung fiber ihn hat, d.h. er muss annehmen, dass der andere annimmt, er verhalte sich ebenfalls rational. Dies wird auch als Rationalit~it zweiter Ordnung bezeichnet. Da die TPG-Strategien im sequentiellen Verhandlungsmodell ab einer bestimmten Periode in jedem folgenden Teilspiel ein optimales Angebot vorsehen miissen, dessen Optimalit~it wiederum davon abh~ingt, dass sich der Gegenspieler in der Folgeperiode rational verhalten wird, muss die Annahme gegenseitiger Rationalit~it fiir beliebig viele Perioden gelten. Das TPG griindet sich also auf eine Rationalit~it n-ter Ordnung, wobei n ~ o0. 69
4.5.2 Das Grundmodell Einseitige unvollst~indige Information liegt vor, wenn einer der beiden Teilnehmer vor Beginn der Verhandlung eine Information erh~ilt, die dem anderen vorenthalten bleibt. Hier und im weiteren Verlauf dieses Abschnitts
69Mauleon und Vannetelbosch, 1999, untersuchen, unter welchen Annahmen fiber die Nutzenfunktionen der Akteure begrenzte Grade von Rationalit~it genfigen, um einen eindeutigen TPG-Punkt zu ermitteln.
4.5 Verhandlungsmodelle mit einseitig unvollstgndiger Information
141
soll nur noch der folgende einfache Fall betrachtet werden: 7~ Ein K~iufer B verhandelt mit einem Verlgiufer S fiber den Preis eines Gutes. B besitzt die private Information b, die seine Bewertung des Verhandlungsgegenstandes ausdrfickt. S kennt dagegen lediglich die kumulative Verteilungsfunktion F(b) - f b f(b) der mSglichen K~iufertypen, wobei die Dichtefunktion f(b) w
beschr~inkt ist und das Intervall [b, b] als Tr~iger aufweist. Der Reservationspreis s des Verldiufers sowie die gemeinsame Diskontierungsrate ~ von B und S sind beiden Akteuren bekannt. Zur weiteren Vereinfachung wird im folgenden aungenommen, dass die Kosten des Verldiufers Null sind, d.h. s - 0. Der Zeithorizont der Verhandlungen ist unendlich, so dass jeder Endknoten des Spiels durch ein Tupel (p, k) gekennzeichnet ist, wobei p E R+ den Preis bezeichnet, zu dem eine Einigung zustande kommt, w~ihrend k E N die Periode der Einigung angibt. Der abdiskontierte Nutzen von B bei einem Abschluss (p, k) betr/igt [ b - p] ~n, der von S betr~igt p~n. 4.5.3 Sequentielles und stationiires Gleichgewicht
Durch die eben beschriebene Art der Modellierung ist das sequentielle Verhandlungsmodell nicht mehr in Teilspiele zerlegbar, da alle Entscheidungsknoten eines nicht vollst~indig informierten Spielers zu Informationsbezirken geh6ren, die gleichzeitig Entscheidungsknoten aus anderen Teilb~iumen entha]ten, in denen ein anderer Typ von Gegenspieler agiert. Folglich kann das TPG, das als Verfeinerung des Gleichgewichtskonzepts in Spielen mit vollst~indiger Information herangezogen wurde, um aus mehreren NashGleichgewichten das plausibelste auszuw~ihlen, in dieser Art von Spielen nicht mehr angewendet werden. Es bedarf daher einer anderen Form der Verfeinerung, die als sequentielles Gleichgewicht bezeichnet wird. 71 Die grundlegende Idee des sequentiellen Gleichgewichts ~ihnelt derjenigen 7~ et al., 1985, S. 76ff. Gul et al., 1986, S. 158ff., Ausubel et al., 2002, S. 1909ff. Hier wird im Wesentlichen die Darstellung aus Ausubel et al. verwendet, wobei jedoch folgende Vereinfachung vorgenommen wird: In Ausubel et al. empf'~.ngt der K~iufer vor Beginn des Verhandlungsprozesses ein privates Signal q, das ihn sowohl fiber seine eigene Zahlungsbereitschaft (b = v(q), wobei v(.) als nicht-steigend angenommen wird) als auch die Zahlungsbereitschaft des Verk~ufers (s - c(q)) informiert. Hier wird auf die Untersuchung korrelierter Bewertungen verzichtet, der sich auf die beschriebene Weise abbilden l~isst. Die Kosten des Verk~ufers werden konstant mit s = 0 angenommen. Daher kann das private Signal des K~iufers direkt als seine Zahlungsbereitschaft b E [b, b] modelliert werden. 71Vgl. Kreps und Wilson, 1982 sowie Fudenberg und Tirole, 1991.
142
4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
des TPG" Zun~ichst werden gleichgewichtige Strategien ftir die sp~iten Perioden der Verhandlung ermittelt, aus denen dann im Sinne einer Rfickw/irtsinduktion Gleichgewichtsstrategien fiir den gesamten Verhandlungsprozess abgeleitet werden. W~hrend bei vollst~indiger Information sp~itere Perioden als vollst~indig unabh~ingig von friiheren Perioden behandelt werden kSnnen, ist dies bei unvollst~indiger Information nicht mehr mSglich, da die Informationsbezirke, an denen ein uninformierter Spieler seine Entscheidungen treffen muss, stets mehrere Knoten enthalten. Allerdings kann ein Spieler in Abh~iagigkeit vom bisherigen Verlauf einer Partie Erwartungen dariiber bilden, an welchem Knoten innerhalb des Informationsbezirks er sich befindet. Ein sequentielles Gleichgewicht erfordert nun, dass die Handlungen beider Spieler an jedem Informationsbezirk optimal sind unter Beriicksichtigung der bis dahin gebildeten Erwartungen. Die Erwartungen wiederum miissen konsistent mit dem bisherigen Verlauf des Spiels sein, d.h. wenn die Handlungen des anderen Spielers Riickschliisse auf seinen tats~ichlichen Typ zulassen, miissen diese Informationen in die Erwartungen einbezogen werden, wozu das Bayes'sche Theorem genutzt wird. Das wichtigste Problem des sequentiellen Gleichgewichts besteht darin, dass das Bayes'sche Theorem nicht genutzt werden kann, um konsistente Erwartungen fiir Informationsbezirke abseits des Gleichgewichtspfades abzuleiten, weil diese gem~ig den Gleichgewichtsstrategien der Akteure gar nicht, also mit einer Wahrscheinlichkeit von Null, erreicht werden. Bei einer Anfangswahrscheinlichkeit von Null ist jedoch das Bayes'sche Theorem nicht anwendbar. Das Konzept des sequentiellen Gleichgewichts legt nicht fest, welche Vermutung ein Spieler, der eine Abweichung seines Gegenspielers vom Gleichgewichtspfad beobachtet, daraus fiber dessen Typ ableitet. Dieser Mangel an Spezifit/it ist aber keineswegs harmlos, denn die Vermutungen der Spieler abseits des Gleichgewichtspfades haben Einfluss darauf, welche sequentiellen Gleichgewichtspunkte ein Spiel aufweist. 72 Aus diesem Grund werden in der Literatur h~iufig zus~itzliche Annahmen fiber die Art und Weise getroffen, wie die Spieler zu ihren Vermutungen abseits des Gleichgewichtspfades gelangen. Rubinstein unterscheidet sechs Typen von Vermutungen: 73 1. Optimistische Vermutungen: Ein Spieler, der eine Abweichung vom 72Vgl. Rubinstein, 1985, S. 109ft. 73Vgl. Rubinstein, 1985, S. 105ft.
4.5 Verhandlungsmodelle mit einseitig unvollstiindiger Information
143
Gleichgewichtspfad beobachtet, nimmt an, dass der andere Spieler vom schwiichsten existierenden Typist. Er geht also von dem fiir ihn selbst giinstigsten Fall aus und verh/~lt sich kiinftig entsprechend. 2. Pessimistische Vermutungen: Bei einer beobachteten Abweichung geht der Spieler davon aus, dass sein Gegeniiber vom st~ksten existierenden Typ ist und somit der ungiinstigste Fall fiir ihn selbst vorliegt. .
.
Rationalisierende Vermutungen: Beobachtet ein Spieler eine Abweichung, die fiir den starken Typ vorteilhafter, fiir den schwachen Typ jedoch unvorteilhafter ist als das vorige Angebot, so nimmt er an, dass er gegen einen starken Typ spielt. Obwohl er eine Abweichung beobachtet, geht er dennoch davon aus, dass der andere Spieler hofft, dass sein Angebot angenommen wird. Daher nimmt er an, dass er gegen einen starken Typ spielt, weil ein schwacher Typ ein solches Angebot nie abgeben wird. Passive Vermutungen: Wann immer eine Abweichung vom Gleichgewichtspfad stattfindet und die Bayes'sche Formel nicht angewendet werden kann, beh~lt der Spieler, der diese beobachtet, seine Erwartungen aus der vorigen Periode bei. Monotone Vermutungen: Je stoker sich der vom Gleichgewichtspfad abweichende Spieler verh~ilt, je geringer also sein Angebot, mit desto grSf~erer Wahrscheinlichkeit vermutet der beobachtende Spieler, dass er gegen einen starken Typ verhandelt.
6. Kontinuierliche Vermutungen: Die Erwartungen und Vermutungen eines Spielers stellen ffir jede mSgliche Geschichte des Spiels eine kontinuierliche Funktion dar. Als station~ires Gleichgewicht wird ein sequentielles Gleichgewicht bezeichnet, wenn die Handlung, die ein Spieler an einem beliebigen Informationsbezirk w/ihlt, ausschlief~lich vom augenblicklichen Wert einer Zustandsvariablen abh~ingig ist. Die Entwicklung dieser Zustandsvariablen fiber den Zeitraum vor dem Entscheidungszeitpunkt wird bei der Entscheidung nicht beriicksichtigt. Bezogen auf eine Zwei-Personen-Verhandlung bedeutet dies, dass ausschliei~lich die letzte Handlung des Gegeniibers beachtet und sein Verhalten in friiheren Perioden ignoriert wird. Das station~e Gleichgewicht
144
4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
stellt insofern eine Verfeinerung des sequentiellen Gleichgewichts dar, als es hilft, die Zahl mSglicher Gleichgewichtspunkte eines Spiels einzuschr~inken. Das dazu genutzte Kriterium der Stationarit~it erscheint aber nicht unter allen Umst~inden plausibel.
4.5.4 Einseitige Gebote durch den Verkiiufer Zun~ichst sei der Fall betrachtet, in dem nur die uninformierte Partei, also der Verkiiufer S, Angebote macht. In diesem Fall fiihrt S ein sog. ,~qcreening ''74 durch, indem er mit jeder Periode einen niedrigeren Preis als in der Vorperiode bietet. Ein K~iufertyp, der in Periode k einen Preis Pk ablehnt und somit die Einigung um mindestens eine Periode verzSgert, macht damit glaubhaft, dass seine Zahlungsbereitschaft einen bestimmten Wert be nicht iiberschreitet, weil es sonst fiir ihn vorteilhafter w~ire, das Angebot anzunehmen. Jeder K~iufertyp mit b > be h~itte das Angebot erst recht akzeptiert. Zu jedem Zeitpunkt der Verhandlung ist daher die a posteriori Erwartung von S durch die bei be rechts abgeschnittene Anfangsverteilung charakterisiert, d.h. F(blbe ) = F(b)/F(be) fiir b < be und F(blbe ) = 1 fiir b >_be.75 Die Erwartungen von S zu einem bestimmten Zeitpunkt lassen sich also durch die hSchste (noch) mSgliche Zahlungsbereitschaft des K~iufers be vollst~indig charakterisieren. Aus dieser Uberlegung folgt, dass in jeder Periode eine nicht-fallende Akzeptanzfunktion P(b) existiert, die das Verhalten von B vollst~indig beschreibt, 76 d.h. ein K~iufertyp b akzeptiert jeden Preis p <_P(b) und lehnt jeden Preis p > P(b) ab. Die Akzeptanzfunktion P(b) fungiert als statische Nachfragefunktion fiir S, der nun abw~igen muss zwischen einer feineren Differenzierung der K~iufertypen und den daraus resultierenden Verz6gerungen der Einigung. Entspricht die Erwartung von S in einer beliebigen Periode der Zahlungsbereitschaft be, so optimiert S sein n~ichstes Angebot gem~ig dem dynamischen Programm **
) I " W(be) = b'max
(4.4)
r4Kennan und Wilson, 1993, S. 57f. 75Vgl. Fudenberg et al., 1985, S. 77. Bei der Ermittlung der a posteriori Erwartung handelt es sich um eine Anwendung der Bayes-Formel. 76Vgl. Ausubel et al., 2002, S. 1912.
4.5 Verhandlungsmodelle mit einseitig unvollstiindiger Information
145
B akzeptiert ein Gebot P(b t) mit b' <_ be mit der bedingten Wahrscheinlichkeit F(br wie im ersten Term der Gleichung ausgedriickt Mit der F(b~) , F(b') komplement~en Wahrscheinlichkeit F(br wird er das Angebot ablehnen, was die Erwartung von S auf b~ verschiebt. Dies fiihrt zu einer Auszahlung von W(b') in der Folgeperiode. Definiert man mit Y(be) - F(be)W(be) den ex ante Erwartungswert von S fiir die K~iufertypen im Intervall [b, be), dann l ~ s t sich Gleichung 4.4 zu
V(be) = max {P(b')[F(be) - F(b')] + 5V(b')} b' < be
(4.5)
vereinfachen. Das optimale Folgegebot eines Verkiiufers mit der Erwartung be muss also P(b') fiir ein b' sein, das die Gleichung 4.5 maximiert, fiir das also gilt b' E T(be) mit
T(be) - arg max {P(b')[F(be) - F(b')] + (fV(b')}. b'_
(4.6)
Es l~sst sich zeigen, dass auf~er in der ersten Periode eines Verhandlungsprozesses das optimale Folgeangebot durch die Funktion t(be) = minT(be) gegeben ist, 77 die stets kontinuierlich ist, solange T(be) einwertig ist. Ein K~iufer vom Typ b = be ist indifferent zwischen dem Angebot p = P(be) und dem Angebot P(t(be)) in der folgenden Periode, 7s d.h.
P(be) = (1 - 5)be + 5P(t(be)).
(4.7)
Ein station~irer Gleichgewichtspfad beginnt mit einem Angebot P(be,o), wobei be,o E T(b) gilt. Falls T(b) mehrere Werte beinhaltet, sieht die Strategie von S eine zuf'~llige Auswahl vor. Die weiteren Angebotspreise von S folgen dem Schema P(t(be,o)), p(t2(be,o)), p(t3(be,o)), ..., wobei t2(.) = t(t(.)) usw.. Nacheinander akzeptieren die Spielertypen in den Intervallen (be,o, b], (t(be,o), be,o], (t2(be,o), t(be,o)], (t3(be,o), t2(be,o)] usw. Wenn sichere Einigungsgewinne bestehen, d.h., wenn b > 0, existiert ein eindeutiges station~es Gleichgewicht. 79 Im anderen Fall besteht ein Kon77Vgl. Ausubel et al., 2002, S. 1913. 78Ein Angebot p < P(be) akzeptiert der K~iufertyp be definitionsgem~i~ sofort, w~hrend er bei einem Angebot p > P(be) die n~ichste Periode abwartet. 79Vgl. Fudenberg et al., 1985, S. 81.
146
4 Spieltheoretische V e r h a n d l u n g s m o d e l l e
tinuum sowohl von station~en als auch von nicht-station~en sequentiellen Gleichgewichten. s~ Die intutitive Begrfindung fiir die Existenz eines eindeutigen station~en Gleichgewichts bei sicheren Einigungsgewinnen liegt darin, dass ein rationaler Verkiiufer S niemals einen Anreiz hat, ein Gebot unterhalb der niedrigsten mSglichen Zahlungsbereitschaft b abzugeben, da ein Angebot in dieser HShe jeden existierenden K~iufertyp zu einer Einigung bewegt. Wenn nicht friiher eine Einigung erzielt wird, kommt also im Laufe der Verhandlungen eine Periode N, in der der erwartete Gewinn des Verkiiufers aus einer weiteren Verhandlungsrunde geringer ausf'~llt als der Gewinn aus einer sofortigen Einigung zu einem Preis von b. Ist dieses ,~etzte Angebot" von S bekannt, kann von hier aus die Folge optimaler Angebote riickw~irts konstruiert werden. Die Umkehrfunktion zu der Funktion in Gleichung 4.7 fiir den Fall, dass das Gebot der Folgeperiode auf b fixiert ist, lautet ~e(p) = p-~b 1-5" Der ex ante Erwartungswert des Verkiiufers mit der Erwartung be in der Vorperiode ergibt sich dann in Anlehnung an Gleichung 4.5 als V(b~) = max ([F(b~) - F ( ~ e ( p ) ) ] p + 5 F ( ~ e ( p ) ) b } . (4.8) p In Gleichung 4.8 bleibt die Erwartung b~ zu bestimmen, die sich aus dem n~ichst-friiheren Angebot ergibt, sl Eine wesentliche Eigenschaft des eben untersuchten Falles b > 0 besteht darin, dass die C o a s e - V e r m u t u n g gilt: Je kiirzer die Zeitabst~inde zwischen den Angeboten werden bzw. je grS~er die Diskontierungsrate 5, desto nfiher riickt bereits das erste Angebot von S an b, desto geringer f'eillt also der Anteil des Einigungsgewinns aus, der dem Verl54ufer zuf~illt, s2 Wenn b = 0 und somit keine sicheren Einigungsgewinne zu erwarten sind, kann kein eindeutiges station~ires Gleichgewicht bestimmt werden. Aut~erdem existieren neben den station~iren auch nicht-station~ire sequentielle Gleichgewichte. s3 Der Grund fiir die fehlende Eindeutigkeit besteht darin, dass in diesem Fall jede noch so geringe Chance, in der aktuellen Periode eine Einigung bei pn > 0 zu erzielen, fiir S vorteilhafter ist als ein sicher akzeptiertes Angebot pn+l = 0 in der folgenden Periode. Es existiert also 8~ Gul et al., 1986, S. 167. 81Fiir die genaue Ableitung der Folge von Angeboten vgl. Fudenberg et al., 1985, S. 81ft. 82Vgl. Gul et al. 1986, S. 168. 83Im Fall b > 0 ist das einzige existierende sequentielle Gleichgewicht zugleich station~ir, somit ist Stationarit~it in diesem Fall keine Annahme, sondern eine Implikation.
4.5 Verhandlungsmodelle mit einseitig unvollstiindiger Information
147
keine Erwartung be = b*, bei der S sofort b = 0 bietet und somit gibt es auch keine Periode .N, in der mit Sicherheit sp~itestens eine Einigung erzielt wird. Damit fiillt das sichere ,,letzte Angebot" von S weg, und es besteht kein Anknfipfungspunkt fiir die oben geschilderte Rfickw~ixtsinduktion der optimalen vorhergehenden Angebote. s4 Ffir jedes Gleichgewicht aus dem Kontinuum existierender station~er Gleichgewichte gilt wiederum die Coase-Vermutung. Die Coase-Vermutung gilt dagegen nicht unbedingt fiir die nicht-station~iren sequentiellen Gleichgewichte, die bei b = 0 ebenfalls existieren. Ausubel und Deneckere leiten einen Typ von sequentiellen Gleichgewichten ab, in dem die Strategie von S vorsieht, seinen Angebotspreis so lange langsamer zu senken als in den station~en Gleichgewichten, bis es zu einer Abweichung von diesem Angebotspfad kommt. Nach einer Abweichung wird auf den (vonder Coase-Vermutung betroffenen) Preispfad eines station~iren Gleichgewichts fibergewechselt. B passt sein Verhalten der vorgegebenen Strategie von S an. Die Strategie von S ist glaubwfirdig, da sie fiir ein Abweichen von dem anfangs eingeschlagenen Kurs langsamer Angebotssenkungen eine Art Selbstbestrafung von S vorsieht, indem auf den station~en Pfad fibergewechselt wird, der mit geringeren Gewinnen verbunden ist. Dieser Typ von Gleichgewicht l~st sich so interpretieren, dass S versucht, eine Reputation als starker Anbieter aufzubauen, die jedoch zusammenbricht, wenn er einmal einen Preis unterhalb des angekiindigten Angebotsverlaufs wfi~hlt,s5 In diesem Typ von Gleichgewicht kann der Anbieter jeden Profit bis hin zum statischen Monopolgewinn erzielen, indem er die Rate der Senkung seiner Angebote, die Zeit zwischen den Angeboten sowie das erste Angebot kontinuierlich variiert, s6
4.5.5 Exkurs: Weitere Ergebnisse zum Monopol mit dauerhaften Giitern Die Situation von S bei einer Verhandlung mit einem K~iufer, dessen Zahlungsbereitschaft er nicht kennt, ist strukturell ~ihnlich zu der bereits in Abschnitt 3.3 diskutierten Situation eines Monopolisten, der ein dauerhaftes Gut an eine Menge von Nachfragern verkauft. Der bekannten Verteilung der mSglichen K~iufertypen im Fall der Verhandlung entspricht die als bekannt 84Vgl. Ausubel et al., 2002, S. 1926 sowie Fudenberg et al., 1985, S. 80. 85Vgl. Ausubel und Deneckere, 1989, S. 513. 86Vgl. Ausubel und Deneckere, 1989, S. 519 sowie das Theorem 6.4 auf S. 523.
148
4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
vorausgesetzte Nachfragefunktion im Fall des dynamischen Monopols. 87 Allerdings bestehen zwischen beiden Situationen auch Unterschiede, die im Folgenden diskutiert werden sollen. Fiir die Verteilung mSglicher Nachfragertypen stellt eine kontinuierliche Verteilung ein realistisches Modell dar, da kein Grund besteht, anzunehmen, dass im Voraus von einer bestimmten Stufung der Zahlungsbereitschaften der Nachfrager ausgegangen werden kann. Fiir den Fall des dynamischen Monopols stellt dagegen die Annahme einer kontinuierlichen Nachfragefunktion immer eine Vereinfachung dar. In einem Modell mit einer bekannten, diskreten Nachfragefunktion zeigen Bagnoli et al., dass diese Vereinfachung nicht ohne Konsequenzen fiir die mSglichen Gleichgewichte ist. In dem Modell mit diskreter Nachfragefunktion existiert unter bestimmten Bedingungen ein TPG, das die Autoren als Pacman-Gleichgewicht bezeichnen und das, bei einer Diskontierungsrate nahe Eins, zu einer ann~i~hernd vollkommenen Preisdifferenzierung fiihrt. 88 Es l ~ s t sich dariiber hinaus zeigen, dass dieses Gleichgewicht eindeutig ist. 89 In dieser Variante des Modells wird eine diskrete Menge von Konsumenten B - {bl, b2, ..., bN} mit bg -'- b angenommen, deren Reservationspreise nach dem Index absteigend sortiert sind. Insgesamt weisen die Nachfrager L _< N verschiedene Reservationspreise auf. Der Vektor -ff = ( n l , . . . , n L ) gibt an, wie viele Nachfrager, n&rnlich nt, den/-ten Reservationspreis aufweisen. Auf~erdem wird ein Vektor -fit = (0, ...,0,nt, ..., nL) definiert, in dem die ersten l - 1 Reservationspreisstufen entfernt wurden. Die Strategien, die ein Pacman-Gleichgewicht bilden, sind recht einfach. Der Monopolist verlangt in jeder Periode den Preis p(t) = bmax(t), also den hSchsten Reservationspreis eines Nachfragers, der vor dieser Periode noch nicht gekauft hat. Jeder Nachfrager i akzeptiert immer dann, wenn gilt p(t) <_ bi, wenn also der geforderte Preis kleiner oder gleich seinem Reservationspreis ist. Damit diese Strategien ein TPG bilden, muss fiir die Diskontierungsrate 6 gelten
1
A
s(w)
< ~ < 1,
(4.9)
87Vgl. Gul et al., 1986, S. 157ff. sowie Kennan und Wilson, 1993, S. 59f. 88Vgl. Bagnoli et al., 1989, Theorem 1 und das anschliegende Korollar, S. 1470ff. Wie sich der Verk/iufer an der Nachfragefunktion ,,entlangfrisst", erinnert an die bekannte Figur Pacman aus der Anfangszeit der Videospiele. 89Vgl. yon der Fehr und K~hn, 1995, Theorem 1, S. 791.
4.5 Verhandlungsmodelle mit einseitig unvollst~mdiger Information
149
wobei A = minl ( 1 - ~ ) V . (-if2). Der letzte Term gibt den mSglichen zus~itzlichen Gewinn an, wenn die Nachfrager ab dem zweithSchsten Reservationspreis bereits in der aktuellen Periode bedient werden. Er ist in jedem Fall geringer als die Kosten, die durch den Verzicht auf die Differenz zwischen dem hSchsten und dem zweithSchsten Reservationspreis entstehen. Da A die kleinste Differenz zwischen zwei aufeinander folgenden Reservationspreisen darstellt, gilt diese Beziehung ffir jede Periode, unabh~ingig davon, wie viele Reservationspreisstufen bereits bedient wurden. Daher kann der Monopolist glaubwfirdig die Strategie vertreten, den Preis erst dann zu senken, wenn die Konsumenten mit dem n~ichsthSheren Reservationspreis bereits gekauft haben. Die Annahme einer diskreten Nachfragefunktion kommt also dem Anbieter zugute, da in diesem Fall jeder einzelne Nachfrager einen wahrnehmbaren Einfluss auf die Gewinnsituation des Anbieters besitzt. Eine entgegengesetzte Wirkung tritt auf, wenn die Menge der mSglichen Angebotspreise nicht als Kontinuum, sondern als diskretes Preisraster mit einer kleinsten W~ihrungseinheit k formuliert wird. In diesem Fall hat jede Preissenkung des Anbieters einen wahrnehmbaren Einfluss auf den Anteil des Tauschgewinns, den sich ein Nachfrager aneignen kann. Genau diese Wahrnehmbarkeit gibt den Nachfragern die MSglichkeit, ihrerseits glaubhaft zu machen, dass sie 9~ ffir den Anbieter und die Nachfrager unterschiedliche Diskontierungsraten ~s und ~B angenommen, existiert das Pacman-Gleich~ewicht weiterhin, die Bedingung ver~ndert sich in diesem Fall zu ~s :> 1 - ( 1 - ~ s ) ~ , vgl. yon der Fehr und Kiihn, 1995, S. 792. 91Vgl. Bagnoli et al., 1989, S. 1474.
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4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
auf die n~ichste Preissenkung warten werden. Wird ein diskretes Preisraster und eine kontinuierliche Nachfrage angenommen, ergibt sich ein eindeutiges TPG, das der Coase-Vermutung entspricht, d.h. bei kleiner Periodendauer bzw. Diskontierungsraten (~S und ~s nahe Eins gehen der in der ersten Periode vom Monopolisten angebotene Preis gegen b und seine Gewinne gegen Null. 92 Interessant ist auch der Fall, in dem sowohl die Nachfrage als auch das Preisraster diskret modelliert werden. In diesem Fall ergibt sich in der Regel ein Kontinuum von TPG. 93 Es h~ingt vonder relativen GrSt~e der W~ihrungseinheit k ab, ob die existierenden TPG in enger Nachbarschaft zum Pacman-Gleichgewicht liegen. Je kleiner k, desto n~iher liegen die TPG am Pacman-Gleichgewicht. Es existiert jedoch fiir gegebene ~B, ~S und k immer auch ein eindeutiges TPG, das der Coase-Vermutung entspricht, wenn die Anzahl der Nachfrager grof~ genug ist. 94 Generell gilt, dass es um so schwieriger fiir einen Spieler ist, sein Verhalten glaubwiirdig von einem bestimmten Verhalten des Gegenspielers abh~ingig zu machen, je kleiner der Einfluss ist, den dessen Verhalten auf die eigenen Auszahlungen hat. Abschliegend ist noch eine Anmerkung zum Verh~tnis von Periodendauer und Ungeduld bzw. Zeitpr~iferenz der Akteure zu machen" In den bislang untersuchten Modellen driicken sich beide Faktoren gleichermagen in dem Diskontierungsfaktor ~/aus. Auf diese wirken aber eigentlich zwei Einflussfaktoren, n~ianlich zum einen die Ungeduld des Akteurs, die in Form einer Rate, z.B. ,,Prozent Nutzenverlust pro Zeiteineit", definiert werden kann und andererseits die Periodendauer. Aus dieser Differenzierung folgen weitere Einschr~inkungen fiir die giiltigkeit der Coase-Vermutung. 95 Erstens ist das Vorliegen eines unendlichen Zeithorizonts eine notwendige Bedingung fiir die Coase-Vermutung. Es geniigt nicht, dass unendlich viele, mSglicherweise infinitesimal kurze Perioden mSglich sind. Steht aus irgendeinem Grund fest, dass der Verkauf des dauerhaften Gutes zu einem bestimmten kiinftigen Zeitpunkt (unabh~ingig davon, wieviele Angebotsperioden bis dahin durchlaufen werden) eingestellt wird, so kann der Anbieter seine Monopolmacht von diesem fixen Endzeitpunkt auf die ersten Perioden iibertragen. Zweitens geniigen ein unendlicher Zeithorizont und eine relativ grof~e Geduld 92Vgl. yon der Fehr und Kahn, 1995, Satz 2, S. 794. 93Vgl. yon der Fehr und Kiihn, 1995, Satz 3, Seite 796. 94Vgl. yon der Fehr und Kahn, 1995, Satz 5, S. 798. 95Vgl. Gath und Ritzberger, 1998, S. 216 sowie S. 229.
4.5 Verhandlungsmodelle mit einseitig unvollstg~ndiger Information
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der Marktteilnehmer nicht, um ein Coase-Ergebnis zu garantieren. Damit dieses Ergebnis eintritt, muss vielmehr die Periodendauer gegen Null gehen. Kann der Anbieter sich auf irgendeine Weise selbst an eine minimale Periodendauer binden, so sind, wie auch in den sequentiellen Verhandlungsmodellen, die relativen Zeitpr~erenzraten bestimmend ffir die Aufteilung der Einigungsgewinne.
4.5.6 Abwechselnde Gebote Bisher wurden nur Modelle betrachtet, in denen der Verk~ufer als uninformierte Partei alle Angebote macht, w/~rend der bzw. die K/iufer diese Angebote lediglich annehmen oder ablehnen kSnnen. Aus den Angeboten kaan der K/iufer daher keine Schlfisse auf Informationen ziehen, die nicht bereits vorher allgemein bekannt gewesen sind. Nun ist zu untersuchen, welchen Einfluss es unter sonst gleichen Bedingungen auf die Ergebnisse der Verhandlungssituation hat, wenn auch die informierte Partei Angebote abgibt. In diesem Fall muss S im Allgemeinen seine ex post Erwartungen aktualisieren, da die Angebote des K~iufers potentiell neue Schlfisse fiber dessen tats~ichliche Zahlungsbereitschaft zulassen. 96 Insbesondere mfissen hier auch die Erwartungen spezifiziert werden, die S annimmt, wenn B ein Angebot macht, das vom Gleichgewichtspfad abweicht. 97 Je nachdem, welche Annahmen ffir diese Erwartungen abseits des Gleichgewichtspfades gemacht werden, kann eine Vielzahl unterschiedlicher Gleichgewichte abgeleitet werden. Verffigen beide Akteure fiber vollstiindige Information, so erh~ilt S, wenn er als einziger Angebote machen daft, den gesamten Einigungsgewinn, wie aus Gleichung 4.3 hervorgeht, w~ihrend abwechselnde Angebote ihm lediglich einen Anteil 1/1 + 5 sichern, wenn er das erste Angebot abgeben daft. Aus dieser Tatsache l ~ s t sich ffir den Fall abwechselnder Angebote bei unvollst~indiger Information eine obere Grenze der Verhandlungsdauer ableiten: Mit steigender Verhandlungsdauer kann S sein erstes Angebot erhShen, da 96vgl. Fudenberg et al. 1985, S. 86. 9TSolange nur S Angebote macht, die B entweder annimmt oder ablehnt, kann eine vom Gleichgewichtspfad abweichende Handlung von B nur darin bestehen, ein Angebot anzunehmen, das er gem~if, seiner Strategie eigentlich nicht annehmen wollte, womit die Verhandlung aber sofort beendet ist, so dass die Abweichung keine Auswirkung auf kiinftige Handlungen mehr haben kann, oder darin, ein Angebot unterhalb von b abzulehnen, was aber irrelevant ist, da S ein solches Angebot nie unterbreiten wird.
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4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
schwachen K/iufertypen dann hShere Wartekosten drohen und sie somit bereit sind, anfangs hShere Preise zu akzeptieren. Das Ergebnis des Modells mit vollst~indiger Information stellt eine obere Grenze ftir das erste Angebot von S (sowie fiir alle weiteren Angebote) dar, da kein K/iufer einem uninformierten Verl~ufer mehr zu zahlen bereit ist als einem informierten. Damit ist auch die Zahl der Perioden beschr/inkt, mit denen S den K/iufern ,,drohen" wird. ~ Ein mSgliches Gleichgewicht fiir den Fall abwechselnder Angebote ist das sog. ,,Pooling~'Gleichgewicht. Es zeichnet sich dadurch aus, dass keiner der K/iufertypen von der MSglichkeit Gebrauch macht, durch ein eigenes Angebot seinen wirklichen Typ zu signalisieren. Alle machen so lange ein Angebot von Null, bis der Verldiufer das Angebot unterbreitet, dem sie auch dann zugestimmt h/itten, wenn nur der K~iufer Angebote machen d/irfte. Die Angebote des Verldiufers verlaufen wie im Fall einseitiger Angebote, auger dass als Diskontierungsrate 52 anzusetzen ist, da die Perioden zu berticksichtigen sind, in denen die K~iufer Angebote machen. Die erzielte Einigung gleicht derjenigen bei einseitigen Angeboten, wird aber erst nach der doppelten Anzahl von Perioden erreicht. Dieses Gleichgewicht ist hat jedoch nur dann Bestand, wenn die Erwartungen des Verldiufers abseits des Gleichgewichtspfades einer starken Annahme gentigen: Immer, wenn ein K/iufer ein Angebot grS~er als Null macht, schlief~t der Verldiufer daraus, dass es sich um einen Typ K b handelt, wobei K eine grof~e Zahl ist, also um einen sehr schwachen K/iufertyp, der in den a priori Erwartungen des Verk/~ufers gar nicht auftaucht. Diese Annahme verhindert, dass ein beliebiger K~iufertyp einen Anreiz haben kann, das Kartell des Schweigens, zu dem sich die K/iufer freiwillig vereinigen, 99 zu verlassen. Sie steht aber im Widerspruch zu dem Prinzip des sequentiellen Gleichgewichts, dass die ex post Erwartungen eines Akteurs immer unter Ber/icksichtigung seiner a priori Erwartungen zu rechtfertigen sein sollen. 1~176 98Vgl. Ausubel et al., 2002, S. 1919. 99Vgl. Ausubel et al., 2002, S. 1929. l~176 Fudenberg et al., 1985, S. 87. Ausubel und Deneckere leiten ein PoolingGleichgewicht aus einer Verfeinerung des sequentiellen Gleichgewichts ab, die sie als ,~icher Perfektes Gleichgewicht" (engl. assuredly perfect equilibrium) bezeichnen. Hier werden die mSglichen Abweichungen der verschiedenen K~iufertypen beschr~nkt: st~rkere K~ufer, d.h. solche mit einer niedrigeren Zahlungsbereitschaft, machen demnach h~ufiger Fehler als schw~chere. Damit wird ausgeschlossen, dass S ein unerwartetes An-
4.5 Verhandlungsmodelle mit einseitig unvollstiindiger Information
153
Da die Ergebnisse des eben dargestellten Gleichgewichts denen bei einseitigen Angeboten durch den Verkiiufer gleichen, gilt auch hier die CoaseVermutung: Je kiirzer die Dauer der einzelnen Verhandlungsperioden, desto geringer der Anteil des Einigungsgewinns, den sich S aneignen kann, und desto niedriger sein erstes Angebot. Gul und Sonnenschein zeigen, dass die MSglichkeit einer erheblichen VerzSgerung der Einigung und damit einer wirkungsvollen Preisdifferenzierung durch den Anbieter immer ausschliei~lich v o n d e r Dauer der Perioden abh~ingt, solange nur s t a t i o n ~ e sequentielle Gleichgewichte betrachtet werden und eine schwache Monotonit/itsbedingung fiir die Erwartungen des Verk/iufers abseits des Gleichgewichtspfades gilt. i~ Allerdings kSnnen auch bei abwechselnden Angeboten Reputationsgleichgewichte bestehen, die Ahnlichkeit zu dem am Ende des Abschnitts 4.5.4 fiir den Fall einseitiger Angebote beschriebenen aufweisen. Admati und Perry zeigen dies fiir eine Variante der Verhandlungsprozedur: Wfi~hrend in den bisher dargestellten Modellen die Dauer der Perioden exogen vorgegeben ist, untersuchen sie den Fall, in dem die Akteure selbst entscheiden, wann sie ein Angebot ihres Gegeniibers beantworten. Die Zeit, die ein Akteur bis zu seiner Antwort verstreichen 1/isst, wird somit zu einer strategischen Variablen. Drei F/file lassen sich unterscheiden: 1~ 1. Wenn die anfiingliche Erwartung des Verk/iufers optimistisch genug ist, dass er es mit einem schwachen K/iufer zu tun hat, i~ dann existiert ein eindeutiger Gleichgewichtspfad, bei dem S als erstes den Preis bietet, der das Gleichgewicht bei vollst/indiger Information und einem schwachen K~iufer darstellt. Ist sein Gegeniiber wirklich schwach, nimmt er dieses Angebot sofort an. Der starke Typ dagegen wartet lange gebot von B fiilschlicherweise als Signal fiir einen schwachen Kontrahenten interpretiert. Dies kann nur dann geschehen, wenn die abweichende Handlung fiir den schw~cheren K~iufertyp tats~ichlich rational ist, also mindestens den Nutzen bringt, den die Handlung des schwachen Typs gebracht h~itte, die in der Gleichgewichtsstrategie vorgesehen ist. Vgl. Ausubel et al., 2002, S. 1919. Das dort zitierte Arbeitspapier yon 1998 ist bisher unverSffentlicht geblieben und gegenwirtig (September 2004) auch auf Anfrage beim Autor nicht erh~iltlich. i~ Gul und Sonnenschein, 1988, Theorem auf S. 606f. i~ Admati und Perry, 1987, S. 346f. i~ diesem Modell existieren nur zwei diskrete K~iufertypen, der starke Typ mit einer Zahlungsbereitschaft b sowie der schwache Typ mit einer Zahlungsbereitschaft b, wobei b
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4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle genug, um seine St~irke glaubwiirdig zu signalisieren, d.h. so lange, dass es fiir den schwachen Typ selbstsch~idigend w~e, und bietet anschliet~end den Gleichgewichtspreis bei vollstfiadiger Information und starkem K~iufer, der dann sofort von S angenommen wird. Dieser Fall wird auch als Separierungsgleichgewicht (engl. separating equilibrium) bezeichnet. .
Wenn die anf'~gliche Erwartung von S hinreichend pessimistisch ist, er also mit gro~er Wahrscheinlichkeit davon ausgeht, einem starken K~iufer gegeniiber zu stehen, dann lohnt sich der Versuch einer Preisdifferenzierung aufgrund der damit verbundenen Wartekosten fiir S nicht. Folglich besteht der eindeutige Gleichgewichtspfad darin, dass er sofort den Gleichgewichtspreis der Verhandlung bei vollst~ndiger Information und starkem K~iufertyp bietet, der von jedem K~iufertyp sofort akzeptiert wird. Dies ist der Fall eines Sammlungsgleichgewichts (engl. pooling equilibrium).
3. Es existiert ein Zwischenbereich der ex ante Erwartung des Verldiufers, in dem sowohl das Separierungsgleichgewicht als auch das Sammlungsgleichgewicht mSglich sind. Dariiber hinaus ist in diesem Bereich ein Kontinuum weiterer Gleichgewichte mSglich.
4.6 Zweiseitige unvollst~indige Information Der Fall zweiseitiger unvollst~indiger Information interessiert in dieser Arbeit nur am Rande, da grunds~itzlich davon ausgegangen werden kann, dass den K~iufern die Kostensituation eines Anbieters von Informationsgiitern genau genug bekannt ist, um die eben diskutierten Verhandlungsmodelle mit einseitig unvollst~indiger Information anwendbar zu machen. Um einen Eindruck von den Konsequenzen unvollst~ndiger Information auf beiden Seiten zu vermitteln, sollen jedoch einige Ergebnisse entsprechender Modelle im Folgenden dargestellt werden. In Modellen mit zweiseitiger unvollst~iadiger Information wird die Annahme aufgegeben, dass s, der Reservationspreis des Verldiufers, dem Ktiufer bekannt ist. Stattdessen wird angenommen, der Ktiufer wisse lediglich, dass s einer Verteilung mit der Verteilungsfunktion G(s) entstammt, deren Tr~iger das Intervall Is, ~] ist.
4.6 Zweiseitige unvollstiindige Information
155
Zun~chst wird wieder der Fall einseitiger Angebote durch den Verkiiufer betrachtet. Da auch S nunmehr fiber private Information verfiigt, muss auch er bei seinen Angeboten bedenken, welche Schliisse B daraus hinsichtlich seines tats~ichlichen Reservationspreises ziehen wird. TM S hat einen Anreiz, einen hSheren Reservationspreis vorzut~iuschen, ebenso wie B in Versuchung ist, seine Zahlungsbereitschaft zu untertreiben. Ein mSgliches sequentielles Gleichgewicht besteht, wenn S durch sein erstes ernsthaftes Angebot seinen wirklichen Reservationspreis signalisiert. Dazu w~ihlt er seine Angebote anhand einer streng monoton steigenden Funktion pt(s) in Abh~gigkeit von seinem tats~ichlichen Reservationspreis s. Der K~iufer kann dann anhand der Umkehrfunktion s - pTl(p) auf den tatsiichlichen Typ des Verldiufers schlief~en. Anschlief~end, also wenn B den Reservationspreis aus dem Angebot von S schlief~en konnte, folgt der weitere Gleichgewichtspfad demjenigen im Fall einseitiger unvollst~indiger Informationen, wie er oben dargestellt wurde. Es ist allerdings nicht immer mSglich, dass der Verkiiufer bereits mit seinem ersten Angebot ein glaubwiirdiges Signal sendet, denn es gibt eine Obergrenze der Angebote, die ein potenzieller K~iufer in der ersten Periode annehmen wird, nfimlich pt(sl) = b. Ein Verkiiufer mit einem Reservationspreis s > ~1 muss daher den Verhandlungsprozess erst ffir eine oder mehrere Perioden durch sehr hohe, nicht ernst gemeinte Angebote in die L~hlge ziehen, um die tats~ichliche HShe seines Reservationspreises glaubhaft zu machen. 1~ Wie immer, wenn nur der Verki4ufer Angebote macht, hat der K~iufer keine MSglichkeit zu Handlungen, die vom Gleichgewichtspfad abweichen und dennoch zu einer Fortsetzung der Verhandlung fiihren. Seine einzige realistische Abweichung besteht in der ,,verfriihten" Annahme eines Angebots, mit der die Verhandlung beendet ist. Der Verkiiufer dagegen kann im Laufe der Verhandlung Angebote unterbreiten, die dem urspriinglich eingeschlagenen Gleichgewichtspfad zuwider laufen. Dabei sind zwei F/ille zu unterscheiden: Zum einen die Phase, bevor der Verkiiufer seinen Reservationspreis s glaubhaft offenbaren konnte. In dieser Phase vermutet der K~iufer im Gleichgewicht, dass s E [st,~]. Jedes folgende Angebot pt >_ pt(st+l) wertet B entsprechend dem dargestellten Gleichgewichtspfad als nicht ernst l~ l~
Cramton, 1984, S 585. Cramton, 1984, S. 587.
4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
156
gemeintes VerzSgerungsangebot und aktualisiert seine Vermutungen auf s E [st+t,~]. Bietet der Verl~ufer jedoch pt < pt(st+t), so interpretiert B dies als eine (versp~itete) Offenbarung des Verl6iufers und vermutet von nun an s = p~-t(p), wobei r der Periode entspricht, in der der Verl~ufer im Gleichgewicht ein Gebot gemacht h~itte, das p am n~ichsten liegt. Ist der K~iufer sicher, dass er einen Verlgiufer s - st vor sich hat, und weicht dieser von dem erwarteten Angebot pt(st) nach oben ab, also p > pt(st), so l~st sich der K~iufer nicht von seiner ursprtinglichen Vermutung abbringen und vermutet weiterhin s = st. Bei einer Abweichung nach unten, p < pt(st), passt B jedoch seine Vermutung nach der Regel s = p~-t (p) an, wertet das Angebot also als nachtr~igliches Eingest~indnis einer tats~ichlich schw~heren Position des S.
4.7 Anreizkompatible Verhandlungsmechanismen In den bisherigen Abschnitten dieses Kapitels wurde stets von einem gegebenen Spiel ausgegangen, das als Modell einer Situation betrachtet wurde und fiir das eine Prognose fiber das Verhalten rationaler Akteure in der gegebenen Situation abgeleitet wurde. Ein anderer Zweig der Spieltheorie besch~iftigt sich mit der umgekehrten Fragestellung: Welche Regeln milssen gesetzt werden, damit Akteure in einer bestimmten Situation ein bestimmtes Verhalten zeigen? 1~ Auf diesen Zweig soll hier aus zwei Griinden kurz eingegangen werden. Erstens stellen die bisherigen Anwendungen spieltheoretischer Methoden auf Verhandlungen zwischen Softwareagenten, wie sie unten in Abschnitt 5.2.3.2 dargestellt werden, auf Uberlegungen zu anreizkompatiblen Mechanismen. Zweitens zeigen die im Folgenden erSrterten Mechanismen auf, dass bei unvollst~indiger Information vollkommene Effizienz der Verhandlungsergebnisse auch bei freier Gestaltung der Spielregeln nicht erreichbar ist. Bereits oben wurde das Grundproblem asymmetrischer Informationen dargestellt- Die Tauschpartner sind unsicher fiber die Position ihres jeweiligen Gegeniibers. Im einfachsten Fall kennt der Verldiufer nicht die tats~ichliche Zahlungsbereitschaft des K~iufers, der umgekehrt nicht den tats~ichlichen Reservationspreis des Verldiufers kennt. Auf blof~e Behauptungen der einen oder anderen Partei fiber ihre eigene l~
Jackson, 2001, S. 656.
4.7 Anreizkompatible Verhandlungsmechanismen
157
Situation ist kein Verlass, denn jede Partei hat offensichtlich ein Interesse daran, die andere glauben zu machen, ihre "Schmerzgrenze" sei mit einem bestimmten Angebot erreicht und mehr Zugest~dnisse an die andere Partei seien unter keinen Umst~inden mSglich. Da eine solche Darstellung ohne direkte Kosten und ohne kiinftige negative Konsequenzen fiir denjenigen bleibt, der sie vermittelt, handelt es sich um eine bloke Behauptung, die dem eigenen Vorteil dient und h~iufig als "cheap talk" bezeichnet wird. Glaubwfirdige Informationen fiber die Situation des Kontrahenten kSnnen die Spieler daher nur dann aus dessen Handlungen beziehen, wenn sie ihm tats~chlich Kosten verursachen. Solche Handlungen kSnnen z.B. darin bestehen, eine Einigung hinauszuzSgern, oder, im Fall eines Tarifkonfliktes, in Streiks oder Aussperrungen. Tats~ichlich dienen solche Ma~nahmen also dazu, dem Kontrahenten glaubwiirdige Signale fiber die eigene Situation zu fibermitteln. In der Implementierungstheorie i~ wird unter dem Stichwort Anreizkompatibilit~it (incentive compatibility) die Frage untersucht, welche generellen Beschr~kungen fiir die mSglichen Ergebnisse von Verhandlungen bei asymmetrischen Informationen gelten, unabh~ingig davon, welche Verhandlungsprozedur verwendet wird. i~ Im Zentrum steht der Zusammenhang zwischen dem Verhandlungsergebnis und den Angaben der Akteure fiber ihre jeweilige private Information. An einem einfachen Modell kSnnen die Bedingungen verdeutlicht werden, unter denen es fiir beide Parteien vorteilhaft ist, ihre privaten Informationen wahrheitsgem~it~ zu berichten. Als Mechanismus wird ein Paar von Funktionen (p, 7r) bezeichnet, die den (von den Akteuren angegebenen) privaten Informationen, also der Zahlungsbereitschaft b des K~iufers und dem Reservationspreis s des Ver154ufers, einen Preis p(s, b) sowie die Wahrscheinlichkeit r(s, b) zuordnen, dass es zu diesem Preis zu einem Abschluss kommt. Entsprechend wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 - ~(s, b) keine Einigung erzielt. Ein Mechanismus kann als Verhaltensregel eines Vermittlers betrachtet werden, dem beide Parteien ihre jeweilige private Infromation mitteilen und der dann entsprechend Englischen auch als mechanism design bezeichnet. Ffir eine Einffihrung vgl. z.B. Jackson 2001, fiir eine 0bersicht z.B. Corchon, 1996. i~ der Literatur zur Implementierungstheorie wird eine allgemeinere Klasse von Situationen untersucht als die zweiseitigen Verhandlungen, die hier von Interesse sind. Die folgenden Ausfiihrungen zu zweiseitigen Verhandlungen stiitzen sich haupts~ichlich auf Kennan und Wilson, 1993, S. 66ff. sowie Binmore et al., 1992, S. 217ff. i~
158
4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
den Funktionen p und 7r bekannt gibt, ob und zu welchem Preis ein Tausch zustande kommt. 1~ Ist ein Mechanismus (p, 7r) gegeben, so lassen sich die erwarteten Nutzengewinne der beiden Akteure in Abh~gigkeit von der jeweils eigenen privaten Information als U ( s ) = EbTr(S, b)(p(s, b ) - s) fiir den Anbieter bzw. V(b) = E87r(s,b)(b- p(s,b)) fiir den Nachfrager angeben. 11~ Jeder Mechanismus, der von den Akteuren akzeptiert werden soll, muss mindestens individuell rational sein, d.h. es muss fiir alle s und b gelten U(s) >_ 0 und V(b) >_ O. Damit jeder Akteur seine privaten Informationen wahrheitsgemiit~ offenbart, muss dariiber hinaus da~ Kriterium der Anreizkompatibilitiit erfiillt sein: Fiir alle s, s', b und b~ mit s ~= s ~ und b ~ bt muss gelten V(s) > Ebr(S', b)(p(s', b) - s) sowie Y(b) >_ 7r(s, b')(b - p(s, b')). Fiir einen Anbieter mit dem Reservationspreis s darf es sich also nicht lohnen, einen anderen Reservationspreis s ~ anzugeben, und ein Nachfrager mit der Zahlungsbereitschaft b daft keinen Anreiz besitzen, eine Zahlungsbereitschaft bt zu behaupten. Eine wichtige Fragestellung der Theorie anreizkompatibler Mechanismen zielt auf deren Effizienz. Ein effizienter Mechanismus ffihrt stets zu einer Einigung, wenn ein positiver Einigungsgewinn besteht, wenn also b > s gilt. Ein Ergebnis der Theorie besagt, dass kein effizienter, individuell rationaler und anreizkompatibler Mechanismus existiert, wenn s mit positiver Dichte fiber dem Intervall Is, ~] und b mit positiver Dichte fiber dem Intervall [b, b] verteilt ist, wobei sich die beiden Verteilungen iiberlappen (d.h., es gilt s < b < ~ _< b) und es somit unsicher ist, ob fiberhaupt ein Tauschgewinn realisiert werden kann. 111 Im Umkehrschluss kann ein effizienter, individuell rationaler und anreizkompatibler Mechanismus also nur existieren, wenn beide Akteure im Voraus sicher sind, dass ein positiver Tauschgewinn existiert, dass also in jedem Fall b > s gilt. 112 l~ Ausubel und Deneckere, 1993, S. 438. 11~ Fall korrelierter Bewertungen, in dem die Bewertung eines Akteurs nicht nur von der eigenen, sondern auch von der Information des anderen abh~ingt und in dem sich somit Bewertungsfunktionen u(s, b) und v(s, b) ergeben, wird hier nicht n~her betrachtet, da er fiir die Fragestellung dieser Arbeit von untergeordneter Bedeutung ist. In der Theorie anreizkompatibler Mechanismen spielt er jedoch eine wichtige Rolle, da sich bei korrelierten Bewertungen die Bedingungen fiir eine wahrheitsgemiit~e Offenbarung der privaten Informationen erheblich anspruchsvoller gestalten, vgl. Kennan und Wilson, 1993, S. 69ff. 111Vgl. Myerson und Satterthwaite, 1983, S. 273. 112Vgl. Ausubel et al., 2002, S. 1903.
4.8 Zusammenfassung 4.8
159
Zusammenfassung
Aus der vorangehenden Untersuchung von Verhandlungen mit spieltheoretischen Methoden ergibt sich fiir das Vorhaben dieser Arbeit ein mehrdeutiges Fazit. In Verhandlungsmodellen mit vollst~indiger Information kommt es grunds~tzlich ohne VerzSgerung zu einer Einigung. Der Preis wird dabei im Wesentlichen durch die- beiden Seiten annahmegem~g bekannten- Bewertungen der Akteure, ihre ZeitprMerenzraten und die HShe eventueller Verhandlungskosten bestimmt. Im Fall unvollst~indiger Information fiber die Bewertung des Tauschobjekts durch den K~iufer wird das Bild komplizierter. Zun~ichst zeigt sich, dass es bei exogen vorgegebener Dauer der einzelnen Verhandlungsperioden regelm~t~ig zu einer verzSgerten Einigung kommt. Die VerzSgerung dient dazu, die verschiedenen K~iufertypen voneinander zu trennen, indem ihre unterschiedliche Bereitschaft genutzt wird, auf eine Einigung zu warten: K~iufer mit einer hSheren Bewertung des Tauschobjekts haben durch das Warten mehr zu verlieren als solche, deren Zahlungsbereitschaft geringer ist. In Gleichgewichten dieses Typs wird zwar In der Regel immer eine Einigung erzielt, wenn ein positiver Einigungsgewinn vorliegt, so dass die Ergebnisse in dieser Hinsicht effizient sind. Andererseits fiihrt aber die VerzSgerung selbst zu Nutzeneinbut~en bei den Akteuren. Die Vorstellung einer fixen Periodendauer lfisst sich aber vor dem Hintergrund der Coase-Vermutung nicht ohne Weiteres halten, da der Verl54ufer stets einen Anreiz hat, die Periodendauer zu verkiirzen, um schneller einen niedrigeren Preis bieten zu kSnnen und damit schneller einen grSt~eren Umsatz zu realisieren. Dieser Mangel an Selbstbindungsf'~ihigkeit hat aber die fiir den Verki4ufer unangenehme Konsequenz, dass sein erstes Angebot mit kiirzer werdender Periodendauer immer n~iher an die geringste in der Population der K~iufer vorhandene Zahlungsbereitschaft heranriickt und damit an das niedrigste Angebot, zu dem ein rationaler Verkiiufer iiberhaupt bereit ist. Im Fall eines Verkiiufers mit Grenzkosten von Null wiirde das erste Angebot also ebenfalls in die N~ihe von Null riicken. Damit wiirde zwar nahezu sofort ein effizientes Ergebnis erreicht, allerdings stiinde das langfristige 0berleben des Verki4ufers am Markt in Frage, da er mit ErlSsen nahe Null kaum seine fixen Kosten zu decken in der Lage w~ire. Werden die Ergebnisse der Verhandlungsmodelle auf den Fall eines mo-
160
4 Spieltheoretische Verhandlungsmodelle
nopolistischen Anbieters dauerhafter Giiter iibertragen, scheinen diese zun~ichst der Vermutung von Coase zu entsprechen, dass der Preis schnell auf das Niveau der Grenzkosten sinkt und eine wirkungsvolle intertemporale Preisdifferenzierung nicht mSglich ist. Allerdings muss der Verkiiufer dieses Ergebnis nicht zwangsl~iufig akzeptieren. Wie A usubel und Deneckere zeigen, existieren neben den station~en Gleichgewichten, die ausnahmslos die Coase-Vermutung best~itigen, auch Reputationsgleichgewichte, in denen sich der Verkiiufer einen Anteil am Einigungsgewinn sichern kann, der ungef'~ihr dem entspricht, den er erhalten wiirde, wenn er sich fiir alle Zeiten auf seinen urspriinglichen Monopolpreis festlegen kSnnte. Wird dariiber hinaus beriicksichtigt, dass es sich, jedenfalls im Fall eines Monopolisten, der mehrere Nachfrager zu unterschiedlichen Preisen bedienen mSchte, um eine diskrete Menge von Nachfragern handelt, so gilt die Coase-Vermutung ebenfalls nur zum Teil, wie Bagnoli et al. zeigen. Unter Umst~inden ist in dieser Situation sogar eine voUkommene Preisdifferenzierung zwischen s~ntlichen Nachfragern mSglich. Insbesondere auf die Uberlegungen dieses Modells wird in Abschnitt 6.2 zurfickgegriffen, wenn die Verhandlungsstrategien der Softwareagenten des in der vorliegenden Arbeit entwickelten Systems spezifiziert werden. ,o
5 Automatisierte
Verhandlungen
zwischen
Softwareagenten Ziel dieses Kapitels ist es, einen 0berblick fiber den Stand der Forschung zu Verhandlungen zwischen Softwareagenten zu vermitteln. Der Abschnitt 5.1 ffihrt in die generelle Thematik der Softwareagenten und der Multiagentensysteme (MAS) ein. Abschnitt 5.2 untersucht, welche Rolle Verhandlungen bei der Koordination in MAS spielen, bevor in Abschnitt 5.2.3 die in einigen konkreten Implementierungen verwendeten Entscheidungsmodelle vorgestellt werden.
5.1 Softwareagenten und Multiagentensysteme 5.1.1 Der Begriff Softwareagent Der Begriff Softwareagent, gelegentlich auch nur Agent, manchmal kombiniert mit Adjektiven wie intelligent oder autonom, wird in einer ganzen Reihe von Fachgebieten im Rahmen der Informatik und der Wirtschaftsinformatik verwendet. Eine einheitliche Definition des Begriffs existiert aus diesem Grund nicht. 1 Es handelt sich am ehesten um einen Sammelbegriff, 2 wobei sich jedoch keineswegs widerspruchsfrei eine Schnittmenge aller existierenden Definitionen bilden l~st. Im folgenden sollen zun~chst Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen Agentenbegriffen herausgearbeitet werden, um anschliet~end die Unterschiede in den Konzepten der verschiedenen Forschungsrichtungen zu identifizieren. Eine erste (triviale) Gemeinsamkeit aller Softwareagenten besteht darin, dass es sich um Computerprogramme handelt. Dadurch kSnnen sie von menschlichen Agenten (z.B. dem Mitarbeiter eines Reisebfiros, engl. travel agent) und von Hardwareagenten, also Robotern, abgegrenzt werden. 3 Die verschiedenen Definitionen kSnnen in zwei Klassen eingeteilt werden. In der einen Klasse gilt der Begriff als eine Zuschreibung, w~ihrend die an1Eine umfangreiche Zusammenstellung verschiedener Definitionen findet sich z.B. in Franklin und Graesser, 1997. 2Vgl. Nwana, 1996, S. 208f. 3Vgl. Brenner et al., 1998, S. 21.
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dere Klasse ihn als eine (zusammenfassende) Beschreibung verschiedener Eigenschaften eines damit belegten Systems betrachtet. 4 G e m ~ Definitionen, nach denen der Begriff Agent eine Zuschreibung ist, sind darunter darunter solche Systeme zu verstehen, deren kompliziertes Verhalten am ehesten erkl~t werden kann, wenn man ihnen gewisse mentale Eigenschaften wie Ziele, Wissen, Rationalit~it und aus deren Kombination gewonnene Intentionen zuschreibt, unabh~ingig davon, welche Mechanismen tats~ichlich hinter dem beobachteten Verhalten stehen. 5 Die andere Klasse von Definitionen listet jeweils bestimmte Eigenschaften eines Programms auf, die entscheidend dafiir sind, dass es als Softwareagent bezeichnet werden kann. Brenner et al. nennen z.B. die folgenden Eigenschaften: 6
Reaktivit~it Ein Agent reagiert auf Vedinderungen in seiner Umgebung. Er verffigt einerseits fiber Sensoren, um solche Ver~derungen wahrzunehmen, und andererseits fiber MSglichkeiten, direkt auf die Umgebung einzuwirken. Die Umgebung kann dabei aus anderen Agenten, sonstigen Programmen, die selbst keine Agenten darstellen, sowie menschlichen Benutzern bestehen. Die Eigenschaft der Reaktivit~it weisen z.B. traditionelle Expertensysteme nicht auf, da diese ihre Informationen immer durch einen Menschen erhalten und auf ihre Umgebung auch nut indirekt wirken, indem sie ihre Ergebnisse einem menschlichen Benutzer fibermitteln, der dann evtl. aufgrund dieser Ergebnisse handelt. 4Vgl. Bradshaw, 1997, S. 5. 5Ein Beispiel fiir eine solche Definition findet sich im Konzept der agentenorientierten Programmierung, vgl. Shoham, 1993, S. 53f. Diese Richtung der Defintion geht zuriick auf den Philosophen Daniel Dennet, der drei verschiedene Haltungen (engl. stances) unterscheidet, die Menschen gegenfiber Systemen einnehmen kSnnen. Menschen nehmen Systeme demnach entweder so wahr, als verhielten sie sich gem~ig physikalischen Gesetzen (physical stance) oder gem~g ihrer Konstruktion (design stance) oder als handelten sie gem~g ihren eigenen Intentionen (intentional stance). Welche Haltung Menschen zu einem bestimmten System einnehmen, h~.ngt davon ab, auf welcher Grundlage sie das Verhalten des Systems am einfachsten und verl~slichsten erkl~iren kSnnen, vgl. Bradshaw, 1997, S. 7 sowie Dennet, 1987. 6Vgl. Brenner et al., 1998, S. 26ff. und, sehr ~ihnlich, Franklin und Graesser, 1997, S. 25. Weitere, in Einzelheiten abweichende Listen finden sich u.a. in Bradshaw, 1997, S. 8, Etzioni und Weld, 1995, S. 3f., He und Leung, 2002, S. 258f., Jennings und Wooldridge, 1998, S. 3f., Jennings et al., 1998, S. 8f., Ollmert und Schinzer, 2001, S. 93 und Tolle und Chen, 2000, S. 366.
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Proaktivitlit und Zielorientiertheit Handlungen von Agenten mfissen nicht immer die unmittelbare Folge von beobachtbaren Vergnderungen in ihrer Umgebung sein. Ein Agent, der zum einen fiber ein Modell der relevanten Elemente seiner Umwelt verffigt und zum anderen bestimmte Ziele verfolgt, kann auch selbstgndig aktiv werden, wenn z.B. ein bestimmter Zeitpunkt erreicht ist oder das Ergebnis einer internen Berechnung vorliegt, die zu einem neuen Handlungsplan gefiihrt hat, um das Ziel des Agenten zu erreichen. Der Zusammenhang zwischen Proaktivit/it und Zielorientiertheit liegt darin, dass ein proaktives Handeln ohne explizit definierte Ziele nur zuf'~lig sein kSnnte. Die Eigenschaften der Reaktivit/it und der Proaktivit/it werden teilweise auch unter Begriffen wie Einbettung (engl. situatedness) oder Bewusstsein von der Umwelt (engl. environmental awareness; hier sicherlich ohne 5kologische Konnotation zu versetehen) zusammengefasst.
Schlussfolgerungs- und Lernfiihigkeit Die bisher genannten Eigenschaften sind, mindestens in ihrer Grundform, auch in vielen anderen technischen Systemen anzutreffen, die traditionell nicht als Agenten bezeichnet werden, z.B. bei Thermostaten (Reaktivit/it) oder bei einfachen Zeitsteuerungen (Proaktivit/it). Hgufig wird daher als Eigenschaft ffir Softwareagenten zus/itzlich erwartet, dass sie fiber ein gewisses Mat~ an (kfinstlicher) Intelligenz verffigen. Dazu gehSrt eine Wissensbasis und die Fghigkeit, aus den Inhalten der Wissensbasis Schlussfolgerungen zu ziehen. Diese Fghigkeiten werden hgufig mit in der Forschung zur kfinstlichen Intelligenz verbreiteten Methoden erzielt, in denen zumeist eine explizite Repr/isentation des Wissens in Form von symbolischen Regeln vorliegt. Andere Ans/itze nutzen jedoch auch implizite Repr/isentationen von Wissen in Form von Algorithmen. Die Lernbzw. Anpassungsf/ihigkeit besagt, dass ein Agent sein Verhalten im Laufe der Zeit selbst durch Beobachtung des Verhaltens der Umgebung verbessern kann.
Autonomes Handeln Eine wesentliche Eigenschaft eines Agenten besteht darin, bis zu einem gewissen Grad selbstst/indige Entscheidungen treffen zu kSnnen, ohne dass der Benutzer oder ein anderer Agent jeden einzelnen Schritt anstSf~t bzw. autorisiert. Nur auf diese Weise kSnnen
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5 A utomatisierte Verhandlungen zwischen Softwareagenten Agenten den Benutzer tats~ichlich entlasten. Eine technische Voraussetzung fiir Autonomie (ebenso wie fiir die oben genannte Proaktivit~it) besteht darin, dass das Agentenprogramm dauerhaft l~iuft und nicht nur zu bestimmten Zeitpunkten fiir eine bestimmte, klar umgrenzte Aufgabe gestartet wird. Autonomie eines Agenten gegeniiber anderen Agenten driickt sich darin aus, dass diese nicht einfach bestimmte Funktionen des Agenten aufrufen, wie es in anderen Arten von verteilten Softwaresystemen geschieht, sondern dass ein Agent, der einen anderen zu etwas veranlassen mSchte, diesem eine N achricht mit einer Aufforderung schickt. 0ber die Ausfiihrung der Aufforderung entscheidet jedoch der empfangende Agent nach seinen eigenen Kriterien, z.B. danach, ob er gerade andere, wichtigere Aufgaben zu erledigen hat oder ob der Preis, den der andere Agent evtl. fiir die Ausfiihrung geboten hat, hoch genug ist. 7 Daher ist auch die zuvor genannte Schlussfolgerungs- und Lernf'~ihigkeit wichtige Voraussetzung fiir zielgerichtetes autonomes Handeln des Agenten. Die gelegentlich genannte F~ihigkeit, sich selbst zu reproduzieren, kann als ein weiterer Aspekt der Autonomie aufgefasst werden.
Mobilitiit Mobile Agenten verfiigen fiber die F~ihigkeit, sich selbstst~indig fiber Computernetzwerke von einem Rechner zum anderen zu bewegen, um dort jeweils bestimmte Teile ihrer Aufgaben zu erffillen. Station~ire Agenten sind dagegen an den Rechner gebunden, auf dem sie urspriinglich installiert wurden, und kSnnen lediglich Nachrichten fiber ein Netzwerk an Agenten oder Benutzer an anderen Rechnern versenden.
Kommunikation und Kooperation Agenten sollen in der Lage sein, zur Erfiillung ihrer Aufgaben mit anderen Agenten zu kommunizieren und zu kooperieren. Die Koordination und Kommunikation in Agentensystemen wird unten n~iher erSrtert (vgl. Abschnitt 5.1.4). Charakter Ein eigener Zweig der Forschung zu Softwareagenten beschMtigt sich damit, welche Rolle Anthropomorphismen ffir die Funktion von Softwareagenten spielen. Einerseits bezieht sich diese Frage auf das soziale Verhalten von Agenten bei der Kommunikation und Kooperation mit anderen Agenten. Je grSfoer der Grad der Autonomie, 7Vgl. Jennings und Wooldridge, 1998, S. 4.
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der Agenten zugebilligt wird, desto mehr scheint eine Begrenzung ihres Verhaltens durch allgemeine ethische Normen notwendig, da nicht alle Entscheidungssituationen des Agenten vorhergesehen werden kSnnen und es daher nicht mSglich ist, Verhaltensregeln ffir jeden Einzelfall aufzustellen. Der andere Aspekt der Frage bezieht sich auf die Kooperation mit dem menschlichen Benutzer. Hier werden insbesondere Eigenschaften wie Ehrlichkeit, Vertrauenswiirdigkeit und Zuverl~sigkeit als Voraussetzungen fiir die Akzeptanz von Agenten in ffir den Benutzer wichtigen Aufgabenbereichen genannt. Die F~higkeit, emotionale Zust~inde auszudriicken und den emotionalen Zustand des Benutzers zu modellieren, kann die Kommunikation zwischen Agent und Benutzer verbessern. 5.1.2 Typologie yon Softwareagenten
Je nach Fehlen oder Vorhandensein der aufgez~hlten Eigenschaften werden in der Literatur verschiedene Typologien von Agenten aufgestellt. Als Beispiel soll hier die Typologie von Nwana dargestellt werden, der die sieben Typen kollaborative Agenten, Schnittstellenagenten (engl. interface agents), mobile Agenten, Informations- bzw. Internetagenten, reaktive Agenten, hybride Agenten und schlieglich, als bisher nicht realisierte Vision der Agentenforschung, schlaue Agenten (engl. smart agents) unterscheidet, s Kollaborative Agenten sind reaktiv und proaktiv und besitzen die F~ihigkeit zu autonomem Handeln und zur Kommunikation und Kooperation. Die grundlegende Hypothese bei der Entwicklung kollaborativer Agenten liegt darin, dass ein Verbund von Agenten bei der LSsung bestimmter Probleme eines Benutzers einen hSheren Mehrwert liefern kann als jeder einzelne beteiligte Agent. Dabei kann der Mehrwert in verschiedenen Aspekten liegen, z.B. in der Geschwindigkeit der ProblemlSsung, der Zuverl~issigkeit oder der Genauigkeit. Bei Schnittstellenagenten liegt der Schwerpunkt auf der Zusammenarbeit eines Agenten mit dem Benutzer, wobei den Eigenschaften der Autonomie und der Lernfiihigkeit besondere Bedeutung zukommt. 9 Schnittstellenagenten unterstiitzen den Benutzer z.B. beim Erlernen der Benutzung eines 8Vgl. Nwana, 1996, S. 211ft. 9Eine Einfiihrung in die Forschung zu Schnittstellenagenten gibt u.a. Maes, 1994.
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Computerprogramms. Dazu beobachtet der Agent das Verhalten des Benutzers und schl~igt mSgliche bessere bzw. schnellere Wege zur Erledigung einer bestimmten A ufgabe vor. Schnittstellenagenten lernen auf vier verschiedene Arten: 9 durch Beobachten und Imitieren des Benutzers, 9 durch positive und negative Bewertungen seitens des Benutzers, 9 durch explizite Anweisungen des Benutzers und * indem andere Agenten um Rat gefragt werden, wobei die Zusammenarbeit mit anderen Agenten typischerweise im Vergleich zu kollaborativen Agenten nur in beschr~inktem Mafge stattfindet. Mobile Agenten besitzen neben der begriffspr~igenden Eigenschaft der Mobilit~it die weiteren Eigenschaften Autonomie und Kooperationsf'~higeit. Auf ihrem Weg durch ein Computernetzwerk kSnnen sie z.B. Informationen einsammeln, die sie schlie~lich beim Benutzer abliefern, oder sie kSnnen unterwegs mit anderen Agenten zusammentreffen, um mit ihnen Informationen auszutauschen oder bestimmte Aufgaben von ihnen erledigen zu lassen. Softwareagenten Mobilit~it zu ermSglichen, stellt hohe Anforderungen an die zugrunde liegende Infrastruktur, aber auch im Bereich der Sicherheit und des Datenschutzes. Der wesentliche Vorteil mobiler Agenten wird in einer Verringerung der Netzbelastung gesehen. Ein station~er Agent, der mit der Suche in einer bestimmten Datenbank beauftragt ist, miisste theoretisch den Inhalt der gesamten Datenbank fiber das Netzwerk anfordern, um sie lokal zu durchsuchen, obgleich vermutlich der grS~te Teil der transportierten Daten fiir den Agenten irrelevant ist. Ein mobiler Agent kSnnte sich dagegen zu der Datenbank begeben, dort die benStigten Inhalte heraussuchen und dann auf das System des Benutzers zuriickkehren. Dabei benStigt der Benutzer nicht w~ihrend des gesamten Vorgangs eine aktive Netzverbindung. Im Gegensatz zu den ersten drei Agentengruppen definiert Nwana Informations- bzw. Internetagenten nicht in erster Linie anhand ihrer Eigenschaften, sondern anhand ihrer Aufgabe: Informationsagenten helfen menschlichen Benutzern, mit der Informationsfiberfrachtung umzugehen, die aus der groi~en Menge verfiigbarer Informationen in Computernetzwerken wie
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dem Internet, bzw. dem darauf aufsetzenden WWW resultiert. In der Regel nutzen Informations- bzw. Internetagenten die Dienste von WWWSuchdiensten wie Google und bereiten deren Ergebnisse filr den Benutzer weiter auf. Reaktive Softwareagenten sind, wie es der Begriff nahelegt, im Wesentlichen durch die Eigenschaft der Reaktivit~it gekennzeichnet. Sie zeigen in der Regel kein proaktives Verhalten, besitzen keine explizite Wissensrepr~entation, keine Schlussfolgerungsf'~higkeit und lernen nicht. Nfitzliche Aufgaben ffir Benutzer sollen reaktive Agenten dadurch erbringen, dass sich aus dem Zusammenwirken der einfachen Verhaltensmuster vieler einzelner Agenten ein komplexes Verhalten des Systems als Ganzes ergibt. Beispiele filr Systeme reaktiver Agenten sind in der Natur zu finden, z.B. bei Ameisen, denen es trotz eines sehr beschr~inkten Verhaltensrepertoires des einzelnen Exemplars gelingt, komplizierte Behausungen zu konstruieren. In der Literatur wird filr Ph~inomene dieser Art auch der Begriff Emergenz verwendet. Schlief~lich unterscheidet Nwana hybride Agenten, die sich dadurch auszeichnen, dass sie sich aus Komponenten zusammensetzen, die, einzeln betrachtet, einer der bisher genannten Gruppen zugeordnet werden kSnnen. Hybride Agenten verffigen in der Regel fiber mehrere Verhaltensschichten mit zunehmender Komplexit~it. So ist es z.B. sinnvoll, eine reaktive Komponente, die schnell, ohne komplizierte Folgerungsketten durchlaufen zu milssen, auf bestimmte Umweltreize reagieren kann, mit einer kollaborativen Komponente zu kombinieren, die ffir die l~ingerfristige Planung der Handlungen des Agenten zust~ndig ist. i~ Natfirlich existieren in der Literatur zahlreiche weitere Typologien. Brenner versucht eine Unterteilung, die ausschlieiglich an den Aufgaben der Agenten ausgerichtet ist und unterscheidet so Informationsagenten, Kooperationsagenten und Transaktionsagenten. i i
i~
typische Architektur fiir hybride Agenten ist die sog. InteRRaP-Architektur, vgl.
Fischer et al., 1994. iivgl. B r e n n e r et al., 1998, S. 21f.
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5.1.3 Systeme mit mehreren Agenten
5.1.3.1 Verteiltes ProblemlSsen vs. Multiagentensysteme Wie die oben erwfihnte Eigenschaft der Kommunikations- und Kooperao tionsf'~ihigkeit bereits zeigt, werden Softwareagenten h~iufig nicht einzeln, sondern gemeinsam mit anderen Agenten in einem Verbund eingesetzt. Dadurch wird es mSglich, die inh~ent dezentrale Natur bestimmter Probleme, mehrere Kontrollzentren eines Systems, mehrere Perspektiven oder mehrere konkurrierende Interessen abzubilden. 12 Das gesamte Arbeitsgebiet, das sich mit Systemen dieser Art befasst, wird als verteilte kiinstliche Intelligenz (distributed artificial intelligence; DAI) bezeichnet. Immer, wenn mehrere Softwareagenten interagieren, bedarf es einer Methode um ihre jeweiligen Aktivit/iten zu koordinieren. Ein Charakteristikum aller Systeme mit mehreren Agenten besteht darin, dass keine zentrale Instanz existiert, die die Koordination iibernimmt. 13 Sie erfolgt vielmehr zwischen den einzelnen Agenten. Eine wichtiges Kriterium bei der Klassifizierung von Systemen mit mehreren Agenten bildet die Interessenlage der Agenten bzw. ihrer Benutzer oder Entwickler. Zwei unterschiedliche Perspektiven existieren in der Literatur: Arbeiten zur Problematik des verteilten Probleml6sens (engl. distributed problem solving; DPS) und Arbeiten zu sog. Multiagentensystemen (MAS). 14 In der Forschung zu DPS-Systemen wird davon ausgegangen, dass die Agenten von einem einzelnen Entwicklungsteam zur LSsung eines bestimmten globalen Problems entworfen werden. Das System wird verteilt angelegt, um seine Leistungsf'&higkeit, seine Skalierbarkeit, seine Modularit/it oder seine Zuverl/issigkeit zu verbessern. Auigerdem kann eine Verteilung der Kontrolle im System auf mehrere autonome Entscheidungseinheiten sinnvoll sein, um einer funktionalen oder geographischen Verteilung von Daten bzw. Wissensbest~iaden Rechnung zu tragen. Teilaufgaben werden von spezialisierten Agenten iibernommen, unter denen das aufgabenspezifische Wissen aufgeteilt werden kann. Dadurch kann die notwendige Komplexit~it der einzelnen Agenten reduziert werden. 15 Aufgerdem lassen sich DPS-Systeme fie12Vgl. Jennings et al., 2001, S. 200. 13Vgl. Jennings et al., 1998, S. 17. 14Vgl. Durfee und Rosenschein, 1994, S.101f. 15Vgl. Sycara et al., 1996, S. 37.
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xibel an Anderungen der Aufgabenstellung oder der Umgebung anpassen, indem Agenten hinzugeffigt oder weggelassen werden. Die zentrale Fragestellung in der Forschung zu DPS-Systemen liegt darin, wie eine koh~irente Zusammenarbeit der Agenten bei der LSsung des globalen Problems erreicht werden kann. Die Kommunikationsaktivit~iten sollen so gering wie mSglich gehalten werden, Agenten sollten keine Arbeiten doppelt verrichten, sich nicht gegenseitig stSren und Aufgaben und Teilresultate in einer produktiven Weise teilen. Die Forschung zu MAS geht nicht davon aus, dass die Agenten, aus denen ein System besteht, zentral entworfen wurden und ein gemeinsames Globalziel teilen. Die Agenten werden als individuelle Nutzenmaximierer betrachtet, die nur dann miteinander kooperieren, wenn sie von dieser Zusammenarbeit profitieren kSnnen. 16 Auch im Bereich der MAS ist das Ziel eine Kooperation der Agenten. Allerdings kann das Vorhandensein von MSglichkeiten zur Zusammenarbeit nicht wie in den Systemen der DPS-Richtung vorausgesetzt werden, sondern diese MSglichkeiten zu identifizieren ist eine der Aufgaben, die die einzelnen Agenten in MAS bew~iltigen miissen. Au~erdem kann es, da die Agenten nicht einem Globalziel untergeordnet sind, sondern jeweils individuelle Ziele aufweisen, zu Konflikten kommen. Die Frage, wie die Agenten solche Konflikte autonom 15sen kSnnen, ist ein zentrales Thema fiir die MAS-Forschung. Auch in der Forschung zu DPS kSnnen Konflikte zwischen den Agenten auftreten, wenn diese aufgrund unterschiedlicher Kenntnisse fiber die Umwelt zu unterschiedlichen Folgerungen fiber die richtige Methode zur Erreichung des globalen Ziels gelangen. Hier kSnnen die im Rahmen der MAS-Forschung gewonnenen Erkenntnisse ebenfalls von Nutzen sein. Insgesamt sollten die beiden Forschungsrichtungen also als Extrempunkte eines Kontinuums mSglicher Sichtweisen aufgefasst werden. 17 5.1.3.2 Koordinationsbedarf Die Notwendigkeit zur Koordination in MAS geht in der Regel auf eine der folgenden vier Ursachen zurfick: is 16Dies schlief~t allerdings nicht aus, dass die Nutzenfunktionen der Agenten so gestaltet wurden, dass die Erreichung bestimmter globaler Ziele in das individuelle Nutzenkalkfil eingeht. 17Vgl. Zlotkin und Rosenschein, 1996a, S. 152. lSVgl, z.B. Jennings, 1995, S. 224f.
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1. Koordination ist erforderlich, wenn Interdependenzen zwischen den Aktionen einzelner Agenten bestehen, wenn also die Aktionen eines Agenten einen direkten Einfluss auf diejenigen eines anderen haben. 2. Die Handlungen der Agenten mfissen abgestimmt werden, um globale Randbedingungen des Systems zu erfiillen. Wenn z.B. ein verteilt geplantes Projekt insgesamt innerhalb eines bestimmten Budgets realisiert werden soll, mfissen die einzelnen Agenten informiert sein, wieviel von dem Budget bereits durch andere Agenten verbraucht wurde, wenn sie ihre eigenen Planungsentscheidungen treffen. 3. Manchmal reichen die Ftihigkeiten eines einzelnen Agenten nicht aus, um dessen individuelle Ziele zu erreichen, so dass er sich der Hilfe anderer Agenten versichern muss. 4. Es gibt Situationen, in denen ein einzelner Agent sein Ziel im Prinzip allein erreichen kSnnte, das Ziel aber erheblich leichter bzw. schneller erreichen kann, wenn er mit anderen kooperiert. Ein Beispiel hierfiir sind verteilte Suchvorg~inge, die umso schneller abgeschlossen werden kSnnen, je mehr unabh~iagige Agenten sich daran beteiligen. Eine Koordination zwischen den Agenten setzt in jedem der genannten F~ille voraus, dass ein einzelner Agent die Handlungen der iibrigen Agenten bei der Planung seiner eigenen Handlungen antizipieren kann. 19 5.1.3.3 Koordinationsmodelle In der weiteren, nicht auf Agentensysteme beschrfiakten Forschung zur Koordination verteilter Softwaresysteme wird der Begriff des Koordinationsmodells verwendet, um verschiedene Koordinationstechniken miteinander zu vergleichen. 2~ Ein Koordinationsmodell besteht aus drei Komponenten, n~imlich 1. den Koordinationseinheiten, also den zu koordinierenden Einzelelementen des Systems, 2. dem Koordinationsmedium, fiber das sich die Kommunikation zwischen den Agenten vollzieht sowie 19Vgl. Gmytrasiewicz und Durfee, 2000, S. 320. 2~ Ciancarini, 1996, S. 300f. sowie Bergenti und Ricci, 2002, S. 367.
5.1 So[twareagenten und Multiagentensysteme
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3. den Koordinationsgesetzen, die regeln, wie die Koordination fiber das gegebene Koordinationsmedium erfolgt. Bei den Koordinationseinheiten kann es sich um Prozesse auf Betriebssystemebene, um Threads, z.B. innerhalb einer Java-Virtual Machine, um Objekte oder um Softwareagenten handeln. Im Zusammenhang dieser Arbeit ist nur die Koordination zwischen Softwareagenten von Interesse. Im folgenden werden die Aspekte des Koordinationsmediums und der Koordinationsgesetze n~i~her erSrtert. Als Koordinationsmedium werden insbesondere zwei Verfahren diskutiert. In dem einen Verfahren legen Agenten sowohl gemeinsam zu nutzende Daten als auch Nachrichten an andere Agenten in einem ffir alle Agenten zug~nglichen Datenspeicher ab. Dieser Datenspeicher wird in ~teren Systemen als Blackboard bezeichnet, in jfingeren Systemen, die als Ablageformat ffir die zu speichernden Daten eine Tupelstruktur aus einem Bezeichner und einem zugeordneten Wert vorschreiben, wird er als Tupelraum (tuple space) bezeichnet. 21 Das andere Verfahren setzt eine direkte Datenverbindung zwischen den Agenten voraus und basiert auf dem Austausch von Nachrichten. Hier l~st sich weiter danach unterscheiden, ob die Nachrichten im Rahmen eines festgelegten Protokolls ausgetauscht werden, oder ob die Semantik der einzelnen Nachrichten alle nStigen Informationen enth~ilt, um die Menge geeigneter Antwortnachrichten zu bestimmen. 22 Darfiber hinaus gibt es F~ille von Koordination, in denen kein gesondertes Koordinationsmedium existiert, sondern die Koordination ausschliefAich fiber die Beobachtung der Umgebung und evtl. der Handlungen der fibrigen Agenten in der Umgebung geschieht. Tupelr~iume stellen aus der Sicht des Entwurfs einzelner Agenten in einem verteilten Agentensystem eine gegenfiber der direkten Kommunikation vorteilhafte LSsung dar, insbesondere wenn die Agenten mobil sind, also zur Laufzeit von einem Rechnersystem zu anderen wechseln kSnnen. Aus der Sicht des einzelnen Agenten erfordern Tupelr/iume keine direkte Kopplung zwischen den Agenten, weder in Bezug auf das A uffinden eines Kommunikationspartners (,,Wer ist der Kommunikationspartner?", ,,Wo befindet sich der Kommunikationspartner?") noch in zeitlicher Hinsicht, d.h., wann be21Vgl. Ciancarini et al., 1999, s. 222. 22Vgl. Bergenti und Ricci, 2002, S. 368ff.
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stimmte Interaktionsschritte stattfinden kSnnen. 23 Allerdings setzt diese Betrachtungsweise voraus, dass auf den gemeinsamen Tupelraum stets zugegriffen werden kann. Aus der Sicht des Entwurfs eines Gesamtsystems kann dies jedoch keinesfalls immer vorausgesetzt werden. Im Sinne einer weitgehenden Unabh~ingigkeit von Infrastrukturen, die in der Regel von Dritten bereitgestellt werden miissten, wird daher in den meisten praktischen Umsetzungen von Agentensystemen eine direkte Kommunikation zwischen den Agenten vorgezogen. 24 Die Koordination durch Verhandlungen, die das Thema dieser Arbeit ist, setzt den direkten Austausch von Nachrichten voraus, daher wird dieses Koordinationsmedium unten detaillierter dargestellt. Die Koordinationsgesetze bestimmen, in welcher Weise die Koordinationseinheiten das Koordinationsmedium nutzen. Dies kann auf der Ebene der Softwarearchitektur festgelegt sein, wie es z.B. in Client-Server-Systemen der Fall ist, in Form expliziter Regeln definiert werden oder allein von dem individuellen Verhalten der einzelnen Agenten abh~iagen. Auch Mischformen sind mSglich, in denen die Koordination teilweise auf expliziten Regeln und teilweise auf den individuellen Entscheidungen der Agenten beruht. So ist es z.B. denkbar, dass sich die Agenten darauf einigen, fiir einen Teil der zu koordinierenden Handlungen auf ein vorher definiertes Protokoll zuriickzugreifen. 25 5.1.4 Direkte Kommunikation zwischen Softwareagenten Fiir die Kommunikation zwischen Softwareagenten wird ein Prinzip genutzt, das h/iufig in technischen Kommunikationssystemen eingesetzt wird, nLnalich die Aufteilung des gesamten Kommunikationsvorgangs in einzelne Funktionsbereiche, die durch verschiedene, hierarchisch angeordnete Schichten erfiillt werden. 26 Jede Schicht kommuniziert mit den benachbarten Schichten fiber festgelegte Schnittstellen. Damit ist es im Prinzip mSglich, das 23Vgl. Ciancarini et al., 1999, S. 221. 24Insbesondere beruht das von der Foundation for Intelligent Physical Agents, FIPA, vorgeschlagene Standardmodell zur Agentenkommunikation auf der direkten Kommunikation zwischen Softwareagenten; vgl. FIPA, 2002a. 25Vgl. z.B. die verschachtelten Konversationsrichtlinien in Hanson et al., 2002a, S. 68f. 26Bekannte Beispiele fiir solche Schichtenmodelle sind die Protokolle der TCP/IPFamilie, die die Grundlage des Internet bilden, sowie der ~ihnliche, yon der International Organization for Standardization (ISO) verabschiedete Standard Open Systems Interconnection (OSI).
5.1 Softwareagenten und M u l t i a g e n t e n s y s t e m e
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auf einer Schicht eingesetzte Verfahren gegen ein anderes, ffir einen speziellen Anwendungsfall geeignetes zu ersetzen, ohne dass die Funktionsf~ihigkeit der fibrigen Schichten beeintr~ichtigt wird. Ffir den Bereich der Kommunikation zwischen Softwareagenten existiert bislang kein offiziell standardisiertes Schichtenmodell. Hier wird auf eine Einteilung zurfickgegriffen, die sich in der Spezifikation der Agentenkommunikationssprache KQML 27 (vgl. Abschnitt 5.1.5.2) findet und die ~iahnlich z.B. auch in der Spezifikation einer abstrakten Architektur ffir Agentensysteme durch die Foundation for Intelligent Physical Agents (FIPA) vorgenommen wird. 28 Nach dieser Einteilung existiert eine Transportschicht, eine Sprachschicht, eine Konversationsschicht sowie eine Architekturschicht, die in den folgenden Abschnitten erl~iutert werden. 5.1.4.1 Transportschicht Die Transportschicht ist ffir die (~bermittlung von Nachrichten von einem Agenten zu einem oder mehreren anderen zust~indig. Sie muss dazu eine Reihe von Anforderungen erffillen. Im Rahmen der KQML-Spezifikation werden diese Anforderungen beispielsweise in den folgenden Punkten zusammengefasst: 29 9 Agenten sind durch unidirektionale Kommunikationskan~ile verbunden, die diskrete Nachrichten transportieren, 9 auf dem Transport fiber diese Kan~ile kSnnen Nachrichten verz5gert werden, 9 wenn ein Agent eine Nachricht empf'~ngt, kann er den Kanal identifizieren, auf dem sie eingetroffen ist, 9 wenn ein Agent eine Nachricht versendet, kann er den Kanal bestimmen, auf dem die abgehende Nachricht transportiert wird, 9 Nachrichten an eine einzelne Zieladresse kommen in der Reihenfolge an, in der sie abgesendet wurden und 27Vgl. Finin et al., 1993, S. 4. 28Vgl. FIPA, 2002a. 29Vgl. Finin et al., 1993, S. 6.
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5 Automatisierte Verhandlungen zwischen Softwareagenten * die Ubermittlung von Nachrichten ist zuverl~sig, d.h. der Absender erh~ilt eine Fehlermeldung, wenn eine Nachricht nicht oder nicht vollstfiaadig an den Empf'~nger geliefert werden konnte.
Je nach der r~iumlichen Verteilung der Agenten und den zur Verfiigung stehenden Kommunikationskan~ilen kSnnen auf dieser Schicht unterschiedliche Techniken zum Einsatz kommen. Befinden sich z.B. alle Agenten des Systems auf demselben Rechner, kSnnen klassische Techniken der Interprozesskommunikation wie sog. Pipes oder gemeinsam genutzte Speicherbereiche verwendet werden. Sind die Agenten fiber mehrere Rechner innerhalb eines schnellen lokalen Netzwerks verteilt, kSnnen z.B. Techniken wie CORBA (Common Object Request Broker Architecture) oder MPI (Message Passing Interface) eingesetzt werden. Bei einer regionalen oder globalen Verteilung der Softwareagenten bieten sich verschiedene Protokolle aus der Familie der Internetprotokolle zur Nachrichteniibermittlung an, insbesondere das im WWW genutzte HTTP (Hypertext Transfer Protocol) sowie das fiir die Ubertragung von E-Mail-Nachrichten genutzte SMTP (Simple Mail Transport Protocol). Die auf dieser Schicht eingesetzten Verfahren haben insgesamt ein hohes Maf~ an Stabilit~it erreicht, fiir die Zukunft sind eher graduelle technische Verbesserungen als grundlegende Ver~inderungen zu erwarten. 5.1.4.2 Sprachschicht Auf der Ebene der Sprache geht es um die Gestalt der einzelnen zwischen den Agenten ausgetauschten Nachrichten. Eine Mindestvoraussetzung ist, dass zwischen den unmittelbar an einem Kommunikationsvorgang beteiligten Agenten Einigkeit fiber das Format der Nachrichten besteht. Bei der Entwicklung von agentenbasierten Softwaresystemen wird allerdings das Ziel verfolgt, dass Systeme dynamisch durch die Zusammenarbeit dezentral entwickelter Agenten erweitert werden kSnnen. Dies setzt voraus, dass eine systemiibergreifende, evtl. durch ein anerkanntes Gremium standardisierte Spezifikation von Nachrichten existiert, an der sich alle potenziell kooperierenden Agenten orientieren. 3~ Inzwischen gibt es eine Vielfalt von Sprachen zur Kommunikation zwischen Softwaresystemen oder spezieller zwischen Softwareagenten. Einige 3~
Dignum, 2000, S. lf.
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dieser Sprachen beschr/inken sich auf jeweils einen bestimmten Einsatzbereich, z.B. die Kommunikation zwischen Unternehmen innerhalb bestimmter Branchen oder den elektronischen Gesch~iftsverkehr im Allgemeinen. Mit anderen Sprachen wird das Ziel verfolgt, in mSglichst vielen, wenn nicht gar allen denkbaren Kommunikationssituationen einsetzbar zu sein. Auf die Agentenkommunikationssprachen wird in Abschnitt 5.1.5 n~iher eingegangen. 5.1.4.3 Kommunikationsrichtlinien und Protokolle Die wenigsten Kommunikationsvorg~inge sind mit dem erfolgreichen Versand und Empfang einer einzelnen Nachricht abgeschlossen. Meist ist vielmehr eine Folge von Nachrichten erforderlich, wobei jeder der beteiligten Agenten sowohl Sender als auch Empf~inger einiger Nachrichten ist. Eine solche Folge wird als Konversation oder Dialog bezeichnet. Vorschriften zur Strukturierung von Dialogen werden Konversationsrichtlinien (engl. Conversation Policy; CP) oder Protokolle genannt. H~iufig sind Nachrichten, die im Verlauf eines Kommunikationsvorganges auftreten, nur sinnvoll im Kontext der vorher versandten Nachrichten interpretierbar. Daraus ergibt sich ein Wechselverh/~ltnis zwischen der Komplexit~it der benStigten Nachrichten und der SpezifiQit der befolgten Konversationsrichtlinie. Je genauer die Konversationsrichtlinie Typ und erwarteten Inhalt der folgenden Nachricht vorgibt, desto weniger Kontext m/issen die Nachrichten selbst enthalten. Die in einer ACL formulierten Nachrichten reichen unter Umst~inden nicht aus, um die Agenten in die Lage zu versetzen, ohne Missverst/indnisse komplexere Konversationen zu fiihren. Denn der Zusammenhang, in dem eine Nachricht gesendet wird, also die vorausgehenden, aber auch die erwarteten nachfolgenden Nachrichten, bildet einen wesentlichen Teil des Kontextes, in dem die Interpretation einer einzelnen Nachricht erfolgen muss. 31 Hinzu kommt, dass ACL wie KQML, FIPA-ACL oder auch FLBC sehr komplexe Nachrichteninhalte erlauben und es h~iufig mehrere Wege gibt, eine bestimmte Intention durch eine syntaktisch korrekte Nachricht auszudr/icken. Gleichzeitig kann eine Nachricht auch mehrere Intentionen ausdriicken. 32 31Vgl. Moore, 2001, S. 43. 32Vgl. Greaves et al., 1999, S. 119. Die Autoren sprechen dort auch von dem ,,Grundlegenden Problem" der Agentenkommunikation.
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5 A u t o m a t i s i e r t e V e r h a n d l u n g e n zwischen S o f t w a r e a g e n t e n
Um Mehrdeutigkeiten zu vermeiden, bedarf es Regeln, welche Abfolgen von Nachrichtentypen in einer bestimmten Situation zul~sig sind. Diese Regeln werden als Konversationsrichtlinien (conversation policies) oder auch als Protokolle bezeichnet. Am einfachsten erscheint es, fiir einzelne Anwendungsf'~ille genau zu spezifizieren, welche Abfolgen von Nachrichten mSglich sind. Eine solche Spezifikation kann z.B. in Form von Petri-Netzen 33 oder, einfacher, in Form von endlichen Zustandsautomaten 34 formuliert werden. Eine Reihe von Autoren ist der Ansicht, dass solche starren Spezifikationen nicht die optimale Form fiir Konversationsrichtlinien darstellen. 35 Insbesondere wird kritisiert, dass es diese Form der Spezifikation erschwert, alle Annahmen fiber die Kommunikation zwischen den Agenten explizit zu machen, die der Spezifikation zugrunde liegen. Anstelle spezifischer Ausffihrungsmodelle sollten Konversationsrichtlinien demnach als Mengen von einzelnen Beschr~inkungen formuliert werden, die keiner der beteiligten Agenten bei der Formulierung seiner Nachrichten verletzen daft. Diese Beschr~inkungen betreffen u.a. die Bedingungen zur Beendigung einer Konversation, die Reihenfolge, in der Nachrichten gesendet werden, die Frage, ob auf jede Nachricht eine Empfangsbest~itigung folgen soll, die Ausnahmebehandlung und die Frage der Auswahl aus semantisch equivalenten Nachrichten. Dagegen soll die Konversationsrichtlinie nicht unmittelbar in den Prozess der Nachrichtengenerierung der einzelnen Agenten eingreifen. 38 5.1.4.4 Architektur Die Architektur eines Agentensystems enstpricht etwa der Struktur einer Organisation von menschlichen Individuen. Einerseits wird festgelegt, welche Agenten mit welchen anderen Agenten direkt kommunizieren. Dabei reicht das Spektrum von Strukturen, in denen jeder Agent direkt jeden anderen erreichen kann, bis hin zu strikten hierarchischen Organisationsformen, bei denen eine Kommunikation ausschliei~lich entlang der ,,Linie" zwischen hSherrangigen und niederrangigen Agenten erfolgt. Aui~erdem muss im Rahmen der Architektur die Frage beantwortet werden, wie sich neu hinzukommende Agenten dem System anschlie~en kSnnen. 33Vgl. z.B. Cost et al., 2000, S183ff. 34Vgl. z.B. Barbuceanu und Fox, 1995, S. 20f., Greaves et al., 1999, S. 120 und Hanson et al., 2002b, S. 794. 35Vgl. z.B. Greaves et al., 1999, S. 124. 36Vgl. Greaves et al., 1999, S. 124f.
5.1 Softwareagenten und Multiagentensysteme
177
Dazu sind z.B. bestimmte Registrierungsinstanzen und Verzeichnisdienste vorzusehen. Verzeichnisdienste dienen Agenten dazu, anhand bestimmter Kriterien die Namen bzw. Adressen von anderen Agenten in Erfahrung zu bringen, die in der Lage sind, bestimmte gewfinschte Dienstleistungen zu erbringen. Agenten kSnnen in einem MAS drei Rollen einnehmen: Anbieter (engl. provider) ,die fiber bestimmte F~ihigkeiten verffigen, Nachfrager (engl. requester), die durch bestimmte PrMerenzen charakterisiert sind, und Vermittleragenten (engl. middle-agent), die Nachfrager und Anbieter zusammenbringen, deren Prfiferenzen und Ffiahigkeiten zueinander passen. 37 Der Informationsfluss fiber den Vermittler kann in zwei Richtungen verlaufen. Entweder stellt der Anbieter dem Vermittler von sich aus Informationen zur Verffigung (,,push"), w~ihrend sich der Nachfrager Anfragen nach bestimmten F~ihigkeiten an den Vermittler stellt (,,pull"), oder die Informationen flief~en in die umgekehrte Richtung. 3s Verschiedene Typen von Vermittlern lassen sich im Hinblick auf die Informationen unterscheiden, die den Agenten der drei RoUen zu Beginn des Vermittlungsprozesses zur Verffigung stehen. Tabelle 5.1 illustriert die mSglichen Kombinationen: Die Zeile, in der ein Vermittlertyp in der Tabelle aufgeffihrt ist, weist darauf hin, wer beim Einsatz dieses Typs fiber die Pr~ferenzen der Nachfrager informiert ist. Die Spalte, in der ein Vermittlertyp steht, gibt an, Agenten welche Agenten die F~higkeiten der Anbieter kennen. Wenn weder Anbieter noch Nachfrager einen Vermittler fiber ihre PrKferenzen bzw. F~ihigkeiten informieren wollen oder kSnnen, kann offensichtlich kein Vermittler eingesetzt werden, daher ist das entsprechende Feld der Tabelle leer. 39 In der realen Welt findet eine Vermittlung h~iufig durch Aush~nge an einem viel frequentierten Platz statt, die z.B. Gesuche nach einem Babysitter oder einer Wohnung mit bestimmten Eigenschaften darstellen. In diesem Fall, in dem die Pr~ferenzen der Nachfrager 5ffentlich gemacht werden, w~ihrend zun~ichst nut die Anbieter ihre jeweiligen F~igkeiten kennen (Zeile 3, Spalte 1), wird bzw. werden der oder die Vermittleragenten 37Vgl. Decker et al., 1997. 3sVgl. Wong und Sycara, 2000, S. 465. 39Im linken oberen Feld der Matrix, in der Anbieter und Nachfrager nur jeweils ihre eigenen F~ihigkeiten bzw. Pr~iferenzen kennen, steht im Original in Klammern der engl. Begriff broadcaster (dt. etwa Rundfunksender bzw. Rundfunksprecher), ohne dass dies im Text n~her erl~utert wfirde. Dem Verfasser erscheint in diesem Fall keine T~itigkeit eines Vermittlungsagenten mSglich; deshalb wird das Feld hier leer gelassen.
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5 Automatisierte Verhandlungen zwischen Softwareagenten
Kenntnis der Pr~iferenzen haben anfangs... ...nur d i e Nachfrager ...Nachfrager u. V e r m i t t l e r ... N a c h f r a g e r , V e r m i t t l e r u. Anbieter
Kenntnis der F~ihigkeiten haben anfangs... ...nur d i e ...Anbieter u . . . . Anbieter, Anbieter Vermittler V e r m i t t l e r u. Nachfrager
,,Front-Agenten"
Matchmaker
Annonymisierer
Makler
Empfehlungsgeber
schwarzes Brett
Gew~ihrsmaun/ Leibw~ichter
Schlichter
Tabelle 5.1" Typen von Vermittleragenten (Decker et al., 1997, S. 579, eigene Ubersetzung, leicht modifiziert) als ,,schwarzes Brett" (engl. blackboard) bezeichnet. Der umgekehrte Fall, in dem die F~ihigkeiten der Anbieter 5ffentlich gemacht werden, w~ihrend die Nachfrager ihre PrMerenzen zun/ichst ffir sich behalten (Zeile 1, Spalte 3), wird als ,~VIatchmaker" (dt. etwa ,,Ehestifter") bezeichnet. Dem Vermittler kommt hier eher beratende Funktion zu, da der Nachfrager im Prinzip auch selbst eine Auswahl unter den 5ffentlich gemachten F~ihigkeiten der Anbieter treffen kSnnte. Die dritte wichtige Kategorie der Vermittlungsagenten bilden die ,,Makler", die Pr/iferenzen und F~higkeiten von beiden Seiten erfahren und mit diesem Wissen geeignete Paare von Transaktionspartnern ausw~ihlen. Ein ,flmonymisierer" (Zeile 2, Spalte 1) leitet Anfragen eines Nachfragers nach bestimmten F~ihigkeiten eines Anbieters weiter, ohne, dass der Nachfrager seine Identit/it preisgeben muss. Ein ,~ront-Agent" (Zeile 1, Spalte 2) kann z.B. durch eine Art Katalog mit den F~hhigkeiten verschiedener Anbieter realisiert sein, der selbst nicht fiber eine spezifische Kenntnis der Bedfirfnisse einzelner Nachfrager verffigt. Die Kategorie ,,Gew~ihrsmann" (engl. introducer) bzw. ,~Leibw~ichter" (engl. bodyguard) schfitzt Nachfrager, deren Pdiferenzen allgemein bekannt sind, die aber ihrerseits keinen Uberblick fiber die F~i~higkeiten der Anbieter haben davor, auf ,,Quacksalber", also Anbieter mit unzureichenden Qualifikationen, hereinzufallen. Eine weitere Unterscheidung 1/isst sich hinsichtlich des Ablaufs des eigentlichen Vermittlungsvorganges treffen. So fiben Makler ihre Vermittlerrolle in
5.1 Softwareagenten und Multiagentensysteme
179
der Regel w~ihrend der gesamten Transaktionsabwicklung aus, d.h. Anbieter und Nachfrager kommunizieren ausschlief~lich fiber den Makler. Matchmaker hingegen stellen lediglich den ersten Kontakt zwischen geeignet erscheinenden Partnern her, die eigentliche Transaktion wird jedoch in direkter Kommunikation abgewickelt. 4~
5.1.5 Agentenkommunikationssprachen 5.1.5.1 Exkurs: Theorie der Sprechakte Einen wichtigen Einfluss auf die Entwicklung von Sprachen zur Kommunikation zwischen Agenten hat die linguistische Theorie der Sprechakte ausgefibt. Deshalb sollen Grundzfige dieser Theorie hier kurz dargestellt werden. In der Sprechakttheorie wird jede sprachliche .~uf~erung als eine Folge von Handlungen bzw. Akten aufgefasst. Insgesamt werden vier aufeinanderfolgende Akte unterschieden, die gemeinsam einen Sprechakt ausmachen: 41
Ji.ugerungsakt: 42 Die Hervorbringung einer Lautfolge (oder einer Zeichenkette etc.) in einer bestimmten Sprache. Lokutionfirer Akt: Die 0bermittlung der wSrtlichen Bedeutung des Gesagten an den HSrer. 43 IIIokution~irer Akt: Die 0bermittlung der vom Sprecher der .~uJ~erung verfolgten Absicht. Perlokution~irer Akt: Der Einfluss, den die .~ugerung auf das weitere Handeln des HSrers ausfibt. Damit der .~ufgerungsakt gelingt, genfigt es, dass der HSrer iiberhaupt wahrnimmt, dass der Sprecher etwas gesagt hat, selbst wenn jener dabei eine dem HSrer unbekannte Sprache verwendet. Der lokution~ire Akt kann dagegen nur gelingen, wenn der HSrer die Sprache versteht, in der der Sprecher 4~ Sycara et al., 2004, S. 67. 4zVgl. Moore, 2001, S. 40. 43W~ihrend die linguistische Sprechakttheorie im engeren Sinne auf gesprochene Auf~erungen abstellt, wird in der Literatur zu Agentenkommunikationssprachen in der Regel auf in elektronischer Form iibermittelte schriftliche Nachrichten Bezug genommen. Anstelle der Begriffe 'HSrer' und 'Sprecher' kSnnen daher in den folgenden Ausfiihrungen auch die Begriffe 'Empf'~nger' und 'Sender' eingesetzt werden.
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5 A utomatisierte Verhandlungen zwischen Softwareagenten
seine ji.uf~erung formuliert. Die fiir die Entwicklung von Sprachen zur Agentenkommunikation wichtigste Erkenntnis der Sprechakttheorie besteht nun darin, dass die im Zuge des lokution~en Aktes/ibermittelte Aussage keinen Hinweis auf die eigentliche Absicht des Sprechers enthalten muss. So kann die .~uf~erung ,,Morgen komme ich." eine neutrale Mitteilung sein, aber auch ein Versprechen, eine Warnung oder eine Drohung. 44 Es h~iaagt von der Situation ab, in der diese ./kuf~erung hervorgebracht wird, welchem Zweck sie dient. Der illokution/ire Akt besteht nun genau darin, dem HSrer einer Nachricht den Zweck der Nachricht zu vermitteln. Die Haltung, die mit einer bestimmten Augerung verbunden ist, wird als illokution~ire Rolle (engl. illocutionary force) bezeichnet. Der illokution~e Akt gelingt dann, wenn der Empfiinger der Nachricht die Intention des Senders erkennt, also z.B. realisiert ,,er teilt mir mit", ,,er verspricht mir", ,,er warnt mich" oder ,,er droht mir". Eine abgeschlossene und unumstrittene Liste der mSglichen illokution/iren Rollen existiert in der Linguistik jedoch nicht, wenngleich eine Reihe von Versuchen unternommen wurden, eine solche Liste zusammenzustellen. Wichtige und in vielen Listen enthaltene Rollen sind z.B. ,,Mitteilung", ,,Frage", ,,Aufforderung", ,~Angebot", ,,Versprechen" und ,,Vorhersage". Vom illokution~en Akt sind die Konsequenzen zu unterscheiden, die der Empf'~hager der Nachricht daraus zieht. Wenn der Empf'Rnger gewarnt wird, mag er sich auf den Gegenstand der Warnung einrichten, wenn ihm gedroht wird, mag er sich auf seine Verteidigung vorbereiten etc. Diese mittelbaren Effekte der Auf~erung werden als perlokution~er Akt bezeichnet. Die Aufteilung in Aussage und illokution~ire Rolle wird auch als F(P)Schema bezeichnet, wobei F die illokution~e Rolle (force) bezeichnet, und P die Aussage (proposition). Im Abschnitt 5.1.5.3 wird n~iher auf Methoden zur Formulierung der Aussage P eingegangen, w~hrend im Abschnitt 5.1.5.2 dargestellt wird, wie die illokution~ire Rolle in Agentenkommunikationssprachen reprhsentiert wird. 5.1.5.2 Nachrichtentypen in Agentenkommunikationssprachen In nat/irlichen Sprachen wird die illokution~re Rolle in vielen F~len nicht direkt sprachlich kodiert, sondern der HSrer erschliegt sie aus dem Kontext einer Unterhaltung sowie aus Elementen des /ibrigen Verhaltens des
44Vgl. Austin, 2002, S. 9f.
5.1 Softwareagenten und Multiagentensysteme
181
Sprechers w~hrend der Auf~erung wie Tonfall, Mimik und Gestik. Au~erungen, die die intendierte illokution~ire Rolle, also Mitteilung, Warnung, Aufforderung etc. unmittelbar in sprachlicher Form enthalten, werden als performative .&uI~erungen bezeichnet. Beispiele hierfiir sind ,Ich teile Dir mit, dass...", ,,Ich warne Dich vor..." oder ,,Ich fordere Dich auf...". 45 Die verhaltensbezogenen Anhaltspunkte existieren in der Kommunikation zwischen Softwareagenten in der Regel nicht. Das SchlieI~en auf die illokution~re Rolle einer AuJ~erung aus dem Kontext ist ebenfalls nur bedingt mSglich. Zudem ist es mit grof~en Unsicherheiten verbunden und setzt erhebliche F~higkeiten beim Empfiinger voraus, die, soweit fiberhaupt softwaretechnisch realisierbar, fiir die meisten Agentensysteme zu aufw~ndig w~iren. Daher wird in der Mehrzahl der Agentenkommunikationssprachen die illokution~re Rolle explizit iibermittelt. Dazu wird eine Menge von Nachrichtentypen definiert, die jeweils einer bestimmten illokution~ren Rolle entsprechen. Die Aussage, auf die sich die illokution~ire Rolle bezieht, wird dann in einer sog. Wissensrepr~entationssprache formuliert (vgl. Abschnitt 5.1.5.3). In der Terminologie der Sprechakttheorie handelt es sich also bei den Nachrichten einer Agentenkommunikationssprache um performative .&uI~erungen. Die Nachrichten der meisten in der Literatur vorgeschlagenen bzw. als (Quasi-)Standard definierten Agentenkommunikationssprachen sind nach dem F(P)-Schema aufgebaut. Gro~e Unterschiede gibt es jedoch hinsichtlich der Anzahl und der Art der definierten Nachrichtentypen. Im folgenden werden die beiden meistgenutzen Agentenkommunikationssprachen KQML sowie FIPA-ACL sowie die jiingere Weiterentwicklung FBLC beschrieben. Einige weitere Ans/itze zu Agentenkommunikationssprachen werden im Anschluss kurz genannt. ..
KQML Die Knowledge Query and Manipulation Language (KQML) geht auf die Knowledge Sharing Initiative der Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA), einer Forschungsagentur des Verteidigungsministeriums der USA, zufiick. Rechnet man verschiedene Abwandlungen und Erweiterungen hinzu, handelt es sich um eine der verbreitetsten ACL. Die Struktur der Nachrichten folgt dem F(P)-Schema der Sprechakttheorie, indem eine Nachricht (F) als Einstellung zu einem Wissensfragment (P) ver45Vgl. Austin, 2002, S. 29.
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5 A utomatisierte Verhandlungen zwischen Softwareagenten
standen wird. Die Nachrichten werden als Performative 46 bezeichnet. Das Wissensfragment wird in einer Wissensrepr~sentationssprache dargestellt, z.B. in dem ebenfalls im Rahmen der Knowledge Sharing Initiative entwickelten Knowledge Interchange Format (KIF). Im Gegensatz zu AGENT-0 ist aber explizit auch die Verwendung anderer Wissensrepr~entationssprachen zur Formulierung der Aussage P vorgesehen. Aus der Sicht von KQML sind Agenten durch ihre jeweilige Wissensbasis (Knowledge Base; KB) repr~entiert. Jede KQML-Nachricht stellt eine Handlung in Bezug auf die Wissensbasis eines Agenten dar. 47 Es kann sich z.B. um die Frage nach einem Inhalt der Wissensbasis handeln, die Mitteilung fiber einen Satz, den eine Wissensbasis enth~ilt, die Aufforderung, S~itze zu einer Wissensbasis hinzuzuftigen oder daraus zu 15schen oder die Aufforderung, das in einer Wissensbasis vorhandene Wissen zu nutzen, um Nachrichten an geeignete andere Agenten weiterzuleiten. Syntaktisch besteht eine KQML-Nachricht aus verschachtelten Klammerausdr/icken. Die ~uf~erste Ebene enth~ilt den Namen des Performativs, gefolgt von einer Reihe von obligatorischen und optionalen Parametern. 48 F/ir die meisten Performative ist der Parameter :content obligatorisch, der das Wissensfragment bezeichnet, auf das sich die mit der Nachricht beabsichtigte Handlung bezieht. Der Parameter :language gibt an, in welcher Sprache der Wert des Parmeters :content formuliert ist, falls es sich dabei nicht um KIF, sondern eine andere Wissensrepr~entationssprache handelt. Das benutzte Vokabular wird mit dem Parameter :ontology angegeben. Die Parameter :reply-with und :in-reply-to geben an, ob eine Antwort auf eine Nachricht erwartet wird und welcher Performativname ggf. erwartet wird, bzw. auf welchen Performativnamen eine Nachricht antwortet. Einige einfache Beispiele, die lediglich den Performativnamen und den Parameter :content beinhalten, sollen die Struktur von KQML illustrieren: 49 Wenn Agent A dem Agenten B mitteilen mSchte, dass er davon/iberzeugt ist, dass drei grSf~er als zwei ist, wird er ihm die KQML-Nachricht ( t e l l (> 3 2)) senden. Das gewtinschte Ergebnis aus Sicht von A besteht in diesem 46In KQML erfiillt das Performativ, genauer gesagt der Name des Performativs, die
Funktion eines Operators, dessen Parameter die Inhalte der Nachricht bilden, vgl. Covington, 1998, S. 207. 47Vgl. Finin et al., 1993, S. 8. 4sVgl. Finin et al., 1993, S. 9f. 49Vgl. Genesereth, 1994, S. 52.
5.1 Softwareagenten und Multiagentensysteme
183
Fall lediglich darin, dass B zu seiner Wissensbasis die Aussage ,~A glaubt, dass drei gr6i~er zwei" hinzuffigt. MSchte A erreichen, dass B infolge der tibermittelten Nachricht, d.h. infolge des Sprechaktes von A, ebenfalls an die genannte Aussage glaubt, wiirde seine KQML-Nachricht ( i n s e r t (> 3 2)) lauten. Das Performativ mit dem Namen ,,insert" dr/ickt die Absicht von A aus, dass B die durch den Parameter :content ausgedrfiickte Aussage, also ,,drei ist grSi~er als zwei", zu seiner Wissensbasis hinzufiigt. Ob B dies tut, bleibt ihm aber letztlich tiberlassen, da Autonomie ein kennzeichnendes Merkmal fiir Softwareagenten darstellt. Ein einfacher Dialog, in dem Agent A von Agent B erfahren mSchte, ob ein bestimmter Mikrochip grSi~er ist als ein anderer, und B dies best~itigt, wiirde wie folgt lauten: A an B: (ask-if (> (size chipl) (size chip2))) B an A: (reply true)
Die drei Performativnamen t e l l , a s k - i f und r e p l y gehSren zu den reservierten Namen in KQML. Dabei handelt es sich um eine Liste von 41 Namen, 5~ deren Bedeutung eindeutig und systemiibergreifend definiert ist. Jeder Agent, der der KQML-Spezifikation entsprechen soll, muss Performative mit diesen Namen exakt nach der vorgegebenen Definition interpretieren, aber ein KQML-konformer Agent muss nicht alle reservierten Performativnamen interpretieren kSnnen. Auf~erdem ist es zul~sig, fiir konkrete Systeme weitere Performativnamen zu vereinbaren. Die reservierten Performativnamen stellen also keine abgeschlossene Liste dar. Betrachtet man die Liste der reservierten Performative, so zeigt sich, dass sie keine direkten Aufforderungen zu Handlungen in der physischen Umgebung der Agenten enthiilt. Alle Performative sind, wie oben bereits erw~ihnt, so ausgelegt, dass sie sich auf die Wissensbasis des Agenten beziehen. Lediglich (achieve :content), das den Empf~nger auffordert, daf/ir zu sorgen, dass die im Parameter :content enthaltene Aussage wahr wird, legt eine Handlung in der physischen Umwelt nahe, wenn sich die Aussage auf diese Umwelt bezieht. Die Aufforderung, das Licht einzuschalten, falls es gerade ausgeschaltet ist, wiirde also in KQML ungef~hr so lauten: (achieve 5~ Finin et al., 1993, S. 11. In einem Vorschlag filr eine neue Spezifikation von KQML wird eine Liste von 36 Namen genannt, die in drei Gruppen eingeteilt sind, vgl.Labrou und Finin, 1997, S. 7f.
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5 Automatisierte Verhandlungen zwischen Softwareagenten
( l i g h t on)). Kritisch wird zu diesem Performativ in der Literatur angemerkt, dass es eigentlich auf den Effekt des Sprechaktes zielt und nicht den Sprechakt selbst charakterisiert. 51 Ein weiterer Kritikpunkt an KQML besteht darin, dass die Sprache kein explizites Performativ fiJr Versprechen bereitstellt. Versprechen zukiinftiger Handlungen (oder Unterlassungen) bilden abet die Grundlage jedes Vertrages, also auch der Vertriige, die im elektronischen Gesch~iftsverkehr geschlossen werden. In diesem wichtigen Bereich, der auch das Anwendungsfeld dieser Arbeit umfasst, wird KQML also nur unter Schwierigkeiten einzusetzen sein. Dariiber hinaus wird kritisiert, dass die Menge der Performative zu grof~52 und nicht allgemein genug sei, um als abgeschlossen betrachtet werden zu kSnnen. 53 Aus der in KQML vorgesehenen MSglichkeit, weitere Performative zu definieren, resultiert aber die Schwierigkeit, deren eindeutige Interpretation fiber verschiedene Systeme von verschiedenen Entwicklergruppen hinweg sicherzustellen.
FIPA ACL Die wohl umfassendsten bislang verfiigbaren Spezifikationen zur Kommunikation zwischen Agenten stammen von der FIPA, einer internationalen Organisation mit dem Ziel, durch die offene Entwicklung von Spezifikationen die Interoperabilit~it zwischen Agenten und agentenbasierten Anwendungen zu fSrdern. In frfiheren Versionen der FIPA-Spezifikationen wurde eine Sprache zur Agentenkommunikation (FIPA Agent Communication Language; ACL) geschlossen in einem Dokument dargestellt. 54 Inzwischen wurden die Spezifikationen aufgeteilt in eine Bibliothek von Kommunikationsakten (communicative acts), die den Nachrichtentypen entsprechen, mehrere Sprachen zur Repfiisentation von Wissensinhalten (content languages) und Interaktionsprotokolle (interaction protocols), die die Abfolge von Nachrichten regeln. Letztere werden im Abschnitt 5.1.4.3 n~iher erSrtert. 55 Die Zahl definierter Nachrichtentypen ist mit 22 geringer als in KQML, 51Vgl. Cohen und Levesque, 1995, S. 67. 52Vgl. Covington, 1998, S. 209, wo als LSsung angeregt wird, bestimmte in KQML als unterschiedliche Performative behandelte F~ille statt dessen durch zusatzliche Parameter zu unterscheiden. Vgl. zum Fehlen eines selbstbindenden Performativs ebenfalls Cohen und Levesque, 1995, S. 67. 53Vgl. Moore, 2001, S. 37. 54Vgl. FIPA, 1997. 55Vgl. FIPA, 2002a,c,b.
5.1 Softwareagenten und Multiagentensysteme
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die Liste der Typen wird jedoch als abgeschlossen betrachtet, eine anwendungsspezifische Erweiterung wie in KQML ist nicht vorgesehen. Die Nachrichtentypen lassen sich in die ffinf Kategorien Informationsfibergabe, Informationsanforderung, Verhandlung, Handlungsdurchfiihrung und Fehlerbehandlung einteilen. Zu einigen Nachrichtentypen gibt es zur Vereinfachung erweiterte Typen, die auch durch die Grundversionen desselben Typs ausgedriickt werden kSnnten. So existieren neben dem Typ Inform auch die Typen Inform If, um den Wahrheitswert einer Aussage zu fibermitteln, und Inform Ref, um einen Namen einem bestimmten Objekt zuzuordnen. Ahnliche Abwandlungen finden sich zu den Typen Query und Request. Die Entwickler der FIPA-Spezifikation gehen damit einen Kompromiss ein zwischen weitgehender Orientierung an der Sprechakttheorie, nach der die genannten Erweiterungen eigentlich keine gesonderten illokutioniiren Kr~fte bilden, und der praktischen Erw~igung, bestimmte Komplikationen in den inhaltlichen Ausdrficken zu vermeiden, indem einzelne erweiterte Nachrichtentypen zugelassen werden. Moore kritisiert mit Blick auf die FIPA ACL zwei Punkte. Zum einen sei die Semantik der Sprache so komplex, dass eine akkurate Implementation in realen Systemen in niiherer Zukunft nicht zu erwarten sei. Zum anderen sei trotz der vollst~indig formalen Definition der Nachrichtentypen eine konsistente Interpretation der Nachrichten durch Systeme verschiedener Entwicklungsteams nicht gewiihrleistet, da ein formales Modell der Interpretation der Nachrichten fehle. 56 FLBC Auch die Formal Language for Business Communication (FLBC) basiert auf der Theorie der Sprechakte, nutzt aber dariiber hinaus weitere Erkenntnisse aus der Linguistik. Als syntaktisches Format der Nachrichten der FLBC wird die Extensible Markup Language (XML) gewiihlt. Die Grundstruktur einer FLBC-Nachricht ist im Folgenden dargestellt: 57
<simpleAct speaker="speaker" hearer="hearer"> content 56Vgl. Moore, 2001, S. 37. 57Vgl. Moore, 2001, S. 44.
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5 A utomatisierte Verhandlungen zwischen Softwareagenten context
Die Attribute speaker und hearer im Element simpleAct stehen dabei fiir den Sender und den Empf~inger einer Nachricht. Das Element i l l o c t c t kapselt den illokution~en Akt, wobei das Attribut f o r c e den Nachrichtentyp angibt, der hier in enger Anlehnung an die Sprechakttheorie als illokution~ire Rolle bezeichnet wird, mit der die Aussage im Inhaltsbereich content versehen werden soll. Eine Besonderheit des FLBC-Formates besteht in dem separaten Element context, das genutzt wird, um flexible Informationen fiber den Zusammenhang einer Nachricht zu transportieren. Ein Attribut newConv gibt beispielsweise an, ob mit der Nachricht ein neuer Dialog erSffnet wird oder ob es sich um die Fortsetzung eines bereits laufenden Dialoges handelt. Im zweiten Fall gibt das Element inResponseTo an, auf welche friihere Nachricht diese Nachricht antwortet. Auf~erdem sieht FLBC die Nutzung ungeplanter Unterdialoge vor, z.B. um Nachfragen oder Korrekturen beziiglich bestimmter Aspekte eines laufenden Dialoges zu ermSglichen. Hierzu kSnnen, ebenfalls innerhalb des context-Elements, die Elemente interruption, subordination sowie correction genutzt werden. 5s Die Nachrichtentypen der F L B C umfassen neben iiblichen Typen wie inform, offer, question und request auch in anderen A C L uniibliche Typen wie z.B. promise zur expliziten Ubernahme yon Verpflichtungen, advise zur Erteilung yon Ratschl~igen, describe zur ~)bermittlung yon Beschreibungen sowie permit und prohibit zur Erteilung yon Erlaubnissen und Aufstellung yon Verboten. Aufgrund seines hohen Abstraktionsgrades muss der Satz an Nachrichtentypen bzw. illokution~irenKr~ten nach Einsch~itzung des Autors nur in seltenen F~illenan die Erfordernisse neuer Applikationen angepasst werden. 59 Die wesentliche Neuerung in F L B C besteht aber gegenfiber den bisher dargestellten Sprachen zur Agentenkommunikation in der Spezifikation eines formalisierten Mechanismus zur Interpretation der Nachrichten. 6~ Dieser basiert auf einem yon Bach und Harnish entwickelten Sprechaktszenario
58Vgl. Moore, 2001, S. 51.
59Vgl. Moore, 2001, S. 54. 6~
Moore, 2001, S. 45ff.
5.1 Softwareagenten und Multiagentensysteme
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(Speech Act Scenario; SAS) und wird als FL-SAS bezeichnet. Es handelt sich um eine Folge von Schritten, die jede eingehende Nachricht durchl~uft und w~ihrend derer die Nachricht auf verschiedene Typen von Fehlern gepriift und anschliet~end das Verst~ndnis der Nachricht auf verschiedenen Ebenen gesichert wird. Treten auf einer bestimmten Ebene Probleme auf, kann direkt auf dieser Ebene eine LSsung gesucht werden. Eine Ebene der Prfifung besteht z.B. darin, zu verifizieren, ob alle Begriffe im Inhalt der Nachricht bekannt sind. Ist dies nicht der Fall, kann bereits auf dieser Ebene eine Riickfrage eingeleitet werden. Erst wenn alle Stufen durchlaufen sind, geht das empfangende System davon aus, dass der illokution~ree Akt gegliickt ist und es nun die Intention kennt, die der Sender mit der Nachricht verfolgt. Erst jetzt beginnt der Prozess, in dem der Empf~nger entscheidet, in welcher Weise er auf diesen illokution~ren Akt reagiert, welcher perlokution~re Akt also erfolgt. Den perlokution~ren Akt unterteilt Moore in zwei Phasen, indem er Standardeffekte und erweiterte Effekte unterscheidet. Standardeffekte treten in jedem Fall ein, wenn ein illokutioniirer Akt gegliickt ist. Lautet er z.B. ,~imm an, dass C", so wird der Empf~nger zwei Dinge in seine Wissensbank aufnehmen: zum einen wird er annehmen, dass der Sender will, dass der Empf~nger glaubt, dass die Aussage C wahr ist. Dies gilt in jedem Fall, wenn als Randbedingung des Kommunikationssystems angenommen wird, dass die Agenten immer wSrtlich meinen, was sie sagen. Eine zweites Faktum, das der Empfiinger im Rahmen der Standardeffekte fiir seine Wissensbank in Betracht zieht, ist, dass der Sender glaubt, dass C war ist. Eine ganz andere Frage, die erst im Rahmen der erweiterten Effekte beantwortet wird, besteht darin, ob der Emf~nger kfinftig seinerseits glaubt, dass die Aussage C zutrifft. Weitere A CL Frfihe Vorl~iufer in der Anwendung der Sprechakttheorie im Bereich der Informationssysteme sind die Systeme Coordinator 61 sowie Information Lens. 62 Beide Systeme dienen der Unterstiitzung der Bfirokommunikation, stellen also erweiterte E-Mail-Systeme dar. In beiden F~illen werden jedoch keine autonom handelnden Softwareagenten eingesetzt, sondern es handelt sich um halbautomatische Systeme.
61Vgl. Flores et al., 1988. 62Vgl. Malone et al., 1987.
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5 Automatisierte Verhandlungen zwischen Softwareagenten
Eine der frfihesten Anwendungen der $prechakttheorie im Bereich der Softwareagenten ist die Sprache AGENT-0, die von Shoham im Rahmen seines Konzepts der agentenorientierten Programmierung diskutiert wird. 63 Dabei handelt es sich um eine interpretierte Programmiersprache fiir Agenten, die zugleich Elemente zum Austausch von Nachrichten zwischen den Agenten vorsieht, wobei davon ausgegangen wird, dass alle an einem System beteiligten Agenten in AGENT-0 programmiert sind oder zumindest darin kommunizieren kSnnen. AGENT-0 enthfilt sowohl Elemente zur Formulierung der Aussage P, n~imlich die sog. Tatsachenaussagen (fact statements), als auch Elemente zur Beschreibung von Handlungen, die sog. Handlungsaussagen (action statements). Die auf die Kommunikation zwischen Agenten ausgerichteten Elemente von AGENT-0 werden als 5ffentliche Handlungen (public actions) bezeichnet und beschr~inken sich auf die vier illukotiven Kr~ifte INFORM, um eine neutrale Information zu iibermitteln, REQUEST, um einen anderen Agenten zu einer Handlung auzufordern, UNREQUEST,um eine Aufforderung zuriickzunehmen und REFI~IN zur Ablehnung einer Verpflichtung, wenn diese nicht erffillt werden kann. 5.1.5.3 Nachrichteninhalte in Agentenkommunikationssprachen Zwei Arten von sprachlichen Konventionen sind zur Repr~entation einer Aussage P erforderlich. Zum einen bedarf es eines Vokabulars, mit dem die Elemente der Systemumwelt benannt werden kSnnen. Solche Vokabulare werden in der kiinstlichen Intelligenz auch als Ontologien bezeichnet. Zum anderen wird ein System von Operatoren benStigt, mit denen einzelne Begriffe zu Aussagen verkniipft werden kSnnen. Als grundlegende Begriffssysteme miissen Ontologien einerseits weit genug gefasst sein, um den Agenten eine Kommunikation fiber alle notwendigen Aspekte der Systemumwelt zu ermSglichen, andererseits miissen die Definitionen mSglichst von allen an einem System beteiligten Agenten gleich interpretiert werden. Es existiert eine Vielzahl von Versuchen, fiir einzelne Fachgebiete oder Branchen allgemein giiltige Ontologien zu spezifizieren. In FBCL, FIPAACL und KQML enthalten die Nachrichten ein Feld, in dem die verwendete 63Vgl. Shoham, 1993, S. 70ft. Unter agentenorientierter Programmierung versteht dieser Autor in erster Linie ein Paradigma fiir die Programmierung, das einen Spezialfall der objektorientierten Programmierung darstellt, vgl. Shoham, 1993, S. 55ff.
5.1 Softwareagenten und Multiagentensysteme
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Ontologie bzw. das Vokabular angegeben werden kann. Allerdings ist die Bedeutung dieser Felder in den jeweiligen Spezifikationen nicht festgelegt, sondern wird als anwendungsspezifische Vereinbarung betrachtet. 6a
5.1.5.4 Zur Anwendbarkeit von ACL in automatisierten Verhandlungen Bei der Konzeption von ACL muss grunds~itzlich abgewogen werden zwischen dem Umfang und dem Allgemeinheitsgrad der Liste der Nachrichtentypen bzw. illokution~en Rollen und der Komplexit~it der genutzten Wissensrepr~isentationssprache. 65 Eine umfangreichere Liste von Nachrichtentypen ermSglicht einfacher formulierte Aussagen, wfi~hrend wenige, sehr allgemein gehaltene Nachrichtentypen in manchen F~illen komplexere Aussagen erfordern, um der Intention eines Agenten gerecht zu werden. Dariiber hinaus wird auch bei den ACL deutlich, dass sich die ursprfingliche Forschung zu agentenbasierten Systemen haupts~ichlich mit dem Problem des verteilten, aber kooperativen ProblemlSsens beschMtigt. Erst allmfi~hlich werden die zus~itzlichen Probleme beriicksichtigt, die sich bei der Kommunikation zwischen Agenten ergeben, die teilweise oder vollst~indig unterschiedliche Ziele anstreben und ausschlief~lich zur Verfolgung ihrer eigenen Interessen die Kooperation mit anderen Agenten suchen. Eine wesentliche Forderung aller hier vorgestellten ACL besteht darin, dass Agenten nur Nachrichten senden, an deren Inhalt sie selbst glauben. Ffir viele Anwendungen im Bereich des Electronic Commerce geht diese Forderung jedoch zu weit, da es in 5konomischen Situationen h~iufig nStig ist, andere Agenten wenn nicht direkt zu beliigen, so doch fiber die eigenen Ziele und Intentionen im Unklaren zu lassen, um diese bestmSglich verfolgen zu kSnnen. 66 Im konkreten Fall des in dieser Arbeit entwickelten Systems wird ein Nachfrageragent keinerlei Interesse daran haben, seine tats~ichliche Zahlungsbereitschaft dem Anbieteragenten zu offenbaren. Selbst wenn das Verhandlungsprotokoll einen solchen Akt der Pr~iferenzoffenbarung nicht vorsieht, ist es fraglich, ob die Ablehnung eines Angebots, das unterhalb der eigenen Zahlungsbereitschaft liegt, nicht bereits einen Bruch der ,,Ehrlichkeitsbedingung" bedeutet. 64Vgl. Dignum, 2000, S. 8. 65Vgl. Moore, 2001, S. 37ff. 66Vgl. Dignum, 2000, S. 5f. sowie Pitt und Mamdani, 1999, S. 339.
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Verdeutlicht man sich noch einmal den urspriinglichen Entstehungszusammenhang der diskutierten ACL, n~imlich Systeme, deren wesentliches Ziel die verteilte LSsung gemeinsamer Probleme ist, dann wird jedoch deutlich, dass die ,,Ehrlichkeitsbedingun~' in diesem Zusammenhang lediglich eine unkritische Vereinfachung der Interpretation eingehender Nachrichten ist. Im Zusammenhang des hier entwickelten Systems beriicksichtigen jedoch beide Seiten, dass sie nicht mit der Ehrlichkeit der Gegenseite rechnen kSnnen, und beziehen dies in ihre Handlungsstrategien ein. Daher ist es im Prinzip mSglich, syntaktische und auch Teile der semantischen Spezifikationen einer bestehenden ACL zu iibernehmen, solange explizit die Einschr~inkung gemacht wird, dass fiir Performative wie inform, request etc. keine ,,Ehrlickeitsbedingung" gilt. 5.2 V e r h a n d l u n g e n zur K o o r d i n a t i o n in M u l t i a g e n t e n s y s t e m e n
Verhandlungen stellen eine der wichtigsten Arten der Koordination in solchen MAS dar, in denen die Agenten vorwiegend an der Erreichung ihrer individuellen Ziele interessiert sind und gemeinsame Ziele keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen. In einem solchen System kSnnen die Agenten nicht ohne Weiteres mit der Kooperation anderer Agenten rechnen, sondern miissen fiir Dienste oder Giiter, die sie von anderen fordern, eine Kompensation bieten. Verhandlungen ermSglichen es den Agenten, sich auf eine f~r alle Seiten akzeptable Transaktion zu einigen. In der Literatur zu Multiagentensystemen wird eine Vielzahl unterschiedlicher Verhandlungssituationen untersucht. Die in Abschnitt 5.2.1 dargestellte Taxonomie gibt einen ersten Uberblick. Anschliet~end wird in Abschnitt 5.2.2 die spezifische Rolle von Verhandlungsprotokollen untersucht, die fiber die Rolle der Konversationsrichtlinien in allgemeinen Dialogen zwischen Agenten hinausgeht.
5.2.1 Taxonomie automatisierter Verhandlungen Ein Schema zur Klassifizierung der verschiedenen Arten von Verhandlungen, die prinzipiell innerhalb von MAS stattfinden kSnnen, liefern Lomuscio, Wooldridge und Jennings. Sie beschreiben sechs Gruppen von Parametern, die einen vieldimensionalen Verhandlungsraum aufspannen; jede Kombination von Auspr~igungen der Parameter charakterisiert einen bestimmten Typ
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von Verhandlung. 67
5.2.1.1 Kardinalit~it der Verhandlung Die erste Gruppe von Parametern bezeichnen die Autoren als Kardinalitlit der Verhandlung. Automatisierte Verhandlungen werden in der Literatur als ein verteilter Suchprozess in einem Raum mSglicher Einigungen aufgefasst. 68 Dieser R a u m kann eindimensional sein, also z.B. den Preis als einzige Dimension enthalten, oder viele Dimensionen umfassen, die mSglichen Variationen des Verhandlungsgegenstands und der Konditionen wie z.B. Lieferund Zahlungsbedingungen der angestrebten Transaktion umfassen. Formal ausgedriickt, geht es um die Dimension des Raums der mSglichen Einigungen, den Lomuscio, Wooldridge und Jennings als Verhandlungsdom~ne bezeichnen. Augerdem ist die Kardinalit~it der Interaktion von Bedeutung. Hier ist zu unterscheiden, ob sich lediglich zwei Agenten gegen/iberstehen (Verhandlung im engeren Sinne), ob ein Agent mehreren Kontrahenten konfrontiert ist (z.B. bei einer Auktion) oder ob viele Agenten auf beiden Seiten miteinander verhandeln (z.B. auf einem elektronischen Marktplatz). Dieses Kriterium entspricht, jedenfalls fiir Verhandlungen, die einen Kauf zum Gegenstand haben, 69 der in der Okonomie gebr~iuchlichen Differenzierung der Marktformen in beidseitiges Monopol, Monopol bzw. Monopson sowie Oligopol oder Polypol.
67Vgl. Lomuscio et al., 2003, S. 36ff. Ein anderes Klassifikationsschema ist die von StrSbel und Weinhardt entwickelte Montreal Taxonomy, die such Methoden der elektronischen Unterstiitzung menschlicher Agenten bei Verhandlungen umfasst, vgl. Str6bel und Weinhardt, 2003. 6SVgl. Jennings et al., 2000, S. 24. In der Literatur zu automatisierten Verhandlungen in Multiagentensystemen wird der Begriff Verhandlung in der Regel weiter gefasst als in der Okonomie. Eine Definition von Jennings et. al. lautet z.B. ,,[...] negotiation- the process by which a group of agents come to a mutually acceptable agreement on some matter.", Jennings et al., 2001, S. 199, Hervorhebung im Original. Insbesondere werden such Auktionen unter den Begriff Verhandlung subsummiert, die in der (~konomie meist gesondert betrachtet werden. 69Das hier dargestellte Konzept bezieht sich auch auf F~ille, in denen z.B. Verhandlungen dariiber stattfinden, wie ein gemeinsames Ziel am besten erreicht werden kann, die also nicht unmittelbar in eine Verkaufstransaktion mfinden.
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5.2.1.2 Merkmale der Agenten In der zweiten Gruppe fassen die Autoren Merkmale der Agenten zusammen. Jeder Agent nimmt eine oder mehrere Rollen im Verhandlungsprozess ein. Ein Agent kann z.B. als K~iufer oder Verk~ufer auftreten oder auch je nach Situation beide Funktionen wahrnehmen. Eine weitere Rolle ist der Intermedi/ir, der lediglich Vermittlungsdienste leistet, ohne selbst K/iufer oder Verldiufer zu sein. Die Rationalit~it der Agenten kann, entsprechend der in der Okonomie fiblichen Unterscheidung, vollkommen oder beschr~inkt sein. Verhandlungssituationen sind auch durch das Wissen unterschieden, das die Agenten fiber den Verhandlungsgegenstand sowie die Pdiferenzen der iibrigen beteiligten Agenten besitzen. Bereits bei der Diskussion spieltheoretischer Verhandlungsmodelle wurde deutlich, dass die F~ihigkeit zur Selbstbindung (engl. commitment), z.B. der Verzicht darauf, ein abgegebenes Angebot sp/iter noch einmal zu revidieren, eine wichtige Eigenschaft der Agenten darstellt. Auch das soziale Verhalten der Agenten auf einer Skala von rficksichtslosem Egoismus fiber ein Verhalten, das einen Ausgleich zwischen eigenen und fremden Interessen sucht, bis hin zu purem Altruismus stellt einen Parameter der Verhandlungssituation dar. In engem Zusammenhang zu den bisher genannten Merkmalen der Agenten steht die Strategie, die ihrem Verhandlungsverhalten zugrunde liegt. MSgliche Annahmen bzw. normative Forderungen hinsichtlich der Strategie sind z.B. individuelle Rationalit/it, also die Vermeidung von Handlungen, die zum eigenen Nachteil sind, oder zeitliche Konsistenz, also die Ausrichtung mehrerer aufeinander folgender Handlungen auf ein bestimmtes Ziel.
5.2.1.3 Merkmale der Umgebung und der Gfiter Die Umgebung der Verhandlung kann statisch oder dynamisch sein, je nachdem, ob sich wichtige Zustandsvariablen im Verlauf der Verhandlung ~kndern oder nicht. Zur Umgebung gehSrt auch die Beschaffenheit der Gfiter, fiber die verhandelt wird, und ihr privater Wert fiir die einzelnen Agenten sowie ihr 5ffentlicher Wert, also der Wert fiir die Gesamtheit der Agenten.
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5.2.1.4 Ereignisparameter Zu den Aspekten, die Lomuscio, Wooldridge und Jennings in der Gruppe der Ereignisparameter zusammenfassen, geh6ren Regeln darfiber, welche Gebote als gfiltig betrachtet werden, ob Gebote in einer Verhandlung mit mehr als zwei Agenten ffir andere Agenten sichtbar sind, fiber zeitliche Vorgaben, wann Ergebnisse erreicht werden miissen und wann Informationen fiber den gegenw/irtigen Stand einer Verhandlung an andere Marktteilnehmer weitergegeben werden. 5.2.1.5 Informationsparameter
Informationsparameter beziehen sich auf die MSglichkeit, vor oder w~i~hrend der Verhandlungen neben den Geboten weitere Informationen zu iibermitteln. Dabei kann es sich z.B. um unverbindliche Richtpreise handeln, die ein Verl54ufer auf Anfrage eines K~iufers vor Beginn der eigentlichen Verhandlung nennt. Auch vergangenheitsbezogene Informationen wie die Geschichte bereits abgeschlossener Transaktionen stellen wichtige Informationsquellen dar, allerdings bedarf es zus/itzlicher institutioneller Vorkehrungen in einem Verhandlungssystem, um solche Informationen zu sammeln, z.B. in Form einer unparteiischen Instanz, der jeder erfolgreiche Abschluss gemeldet werden muss. Schlie~lich beziehen die Autoren in die Kateogrie der Informationsparameter auch solche Mitteilungen ein, die als Argumente in Verhandlungen zwischen Menschen eine Rolle spielen kSnnen und mit denen z.B. begrfindet wird, warum ein bestimmtes Angebot nicht angenommen wird (,,Letztes Mal habe ich auch einen besseren Preis bekommen, warum diesmal nicht?"). 5.2.1.6 Allokationsparameter In Verhandlungen mit mehr als zwei Teilnehmern, insbesondere bei Auktionen, werden Regeln benStigt, nach denen ermittelt wird, welche Gebote zum Zuge kommen und wie der tats~ichliche Transaktionspreis ermittelt wird.
5.2.2 Verhandlungsprotokolle Verhandlungsprotokolle legen fest, welche Typen von Teilnehmern eine bestimmte Verhandlung umfasst, welche verschiedenen Zust~inde die Verhand-
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lung einnehmen kann, welche Ereignisse die Verhandlung veranlassen, in einen anderen Zustand zu wechseln, und schlief~lich, welche Aktionen die Teilnehmer in welchem Zustand der Verhandlung ausffihren kSnnen, also wer welche Nachrichten an wen in welcher Phase senden darf. Auf die allgemeine Funktion solcher Konversationsrichtlinen in der Kommunikation zwischen Softwareagenten wurde bereits im Abschnitt 5.1.4.3 eingegangen. In Verhandlungen kommt dem Protokoll noch eine weitere wichtige Funktion zu. In manchen F~illen ist es mSglich, durch eine geeignete Ausgestaltung des Protokolls bestimmte erwfinschte Ergebnisse eines Verhandlungsprozesses sicherzustellen. Die Grundlage dieser Uberlegungen bildet der im Rahmen der Spieltheorie entwickelte Entwurf von Mechanismen. Zu den wfinschenswerten Eigenschaften von Protokollen gehSren u.a. die folgenden: 70
Garantierter Erfolg Verhandlungen unter einem Protokoll mit dieser Eigenschaft ffihren immer zu einer Einigung. Maximierung der sozialen Wohlfahrt Die Summe der Nutzen der einzelnen Agenten ist bei Einigungen, die unter einem Protokoll mit dieser Eigenschaft zustande kommen, immer maximal. Paretoefiizienz Einigungen, die unter einem Protokoll mit dieser Eigenschaft erzielt werden, kSnnen nicht so ver~indert werden, dass ein einzelner Agent einen grSf~eren Nutzen erh~lt, ohne dass gleichzeitig mindestens ein anderer Agent schlechter gestellt wird. Individuelle Rationalit~it Protokolle mit dieser Eigenschaft werden von den Agenten im eigenen Interesse befolgt. Ohne diese Eigenschaft wfirden sich Agenten an einer Verhandlung unter diesem Protokoll nicht freiwillig beteiligen.
Stabilit~it Das Protokoll gibt jedem Verhandlungsteilnehmer Anreize, sich in einer bestimmten Weise zu verhalten. Eine Verhandlung ist z.B. stabil, wenn ein (ffir die Agenten identifizierbares) Nash-Gleichgewicht exisitert. Wenn ein Protokoll stabil ist, kSnnen die Strategien der Agenten bereits beim Entwurf eines Systems vorgegeben werden. 7~
Sandholm, 1999, S. 202ff. sowie Rosenschein und Zlotkin, 1994, S. 20f.
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Einfachheit Ein Protokoll mit dieser Eigenschaft erlaubt es den Agenten, mit ihrer verffigbaren beschr/inkten Rechenkapazit/it eine optimale Strategie zu ermitteln. Verteiltheit Ein Protokoll sollte es vermeiden, einen einzelnen Agenten in eine zentrale Position zu riicken, so dass die Fortsetzung der Verhandlung bei einem eventuellen Ausfall dieses Agenten gef~hrdet w~e. Auf~erdem sollte der Kommunikationsanfwand zwischen den Agenten minimiert werden.
5.2.3 Entscheidungsmodelle fiJr Agenten in automatisierten Verhandlungen 5.2.3.1 Handlungsoptionen Ziel einer Verhandlung ist es, im Einigungsraum dieser Verhandlung einen Punkt zu finden, in dem die Auspr/igungen s~xntlicher Parameter der Transaktion fiir alle Beteiligten akzeptabel sind. Jeder Teilnehmer an der Verhandlung betrachtet eine bestimmte Region des Einigungsraums zu Beginn als akzeptabel. Im Gegensatz zu den oben dargestellten spieltheoretischen Verhandlungsmodellen wird hier aber nicht angenommen, dass diese Region fiber die gesamte Dauer der Verhandlung hinweg fixiert ist, sondern sie kann sich im Verlauf der Verhandlung ausdehnen, zusammenziehen oder verschieben, z.B. wenn die Agenten Ver/inderungen in der Umwelt wahrnehmen oder wenn sie sich durch Argumente iiberzeugen lassen, ihre Ansichten zu/indern. Die minimalen F~ihigkeiten, die Agenten besitzen miissen, um an einer Verhandlung teilzunehmen, bestehen zum einen darin, einen Ausschnitt des Einigungsraums als akzeptabel vorzuschlagen, also ein Angebot zu unterbreiten, und zum anderen darin, anf ein solches Angebot zu antworten und mitzuteilen, ob das Angebot akzeptabel ist. 71 Angebote k6nnen dabei entweder yon friiher w/ihrend der Verhandlung abgegebenen Angeboten abh/ingig sein, oder vollkommen unabh~ngig voneinander formuliert werden. In manchen F/illen kann die Effizienz des Verhandlungsprozesses gesteigert werden, wenn die Agenten weitere F~aigkeiten besitzen. So ist es, besonders bei einem mehrdimensionalen Einigungsraum, vorteilhaft, wenn die Antwort auf 71Vgl. Jennings et al., 2000, S. 25f.
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ein Angebot nicht nur in einer Zustimmung oder Ablehnung besteht, sondern auch angibt, welcher Aspekt des Einigungsvorschlags aus Sicht des antwortenden Agenten nicht akzeptabel ist. Dazu existieren zwei MSglichkeiten: eine Kritik des aktuellen Angebots oder ein Gegenangebot. Eine Kritik macht zum einen Beschr~inkungen beziiglich bestimmter Dimensionen des Einigungsraums deutlich und signalisiert zum anderen Zustimmung oder Ablehnung in Bezug auf einzelne Aspekte des aktuellen Angebots. Ein Agent kann so z.B. ausdriicken, dass er mit dem geforderten Preis einverstanden ist, aber ein friiheres Lieferdatum wiinscht. Ein Gegenangebot bezeichnet dagegen einen anderen Punkt bzw. eine andere Region im Einigungsraum, die fiir den antwortenden Agenten vorteilhafter sind als das urspriingliche Gebot. Auch daraus kann der Sender des urspriinglichen Angebots Rfickschlfisse fiir die Formulierung weiterer Gegenangebote ziehen. In einem Teil der Literatur zu automatisierten Verhandlungen werden Agenten mit noch weiter gehenden F~i~higkeiten betrachtet, wobei versucht wird, typische Verhaltensweisen menschlicher Agenten in Verhandlungen auf die Softwareagenen zu iibertragen. 72 Einerseits kann eine von einem Agenten signalisierte BeschrKnkung des Einigungsraums hinsichtlich einer bestimmten Dimension von seinem Gegeniiber unter UmstKnden leichter akzeptiert werden, wenn eine Rechtfertigung dafiir vorliegt. Eine Rechtfertigung kann z.B. in bestimmten objektiven Gegebenheiten bestehen, etwa dass ein Produkt momentan nicht auf Lager ist und daher ein Liefertermin vor einem bestimmten Datum ausscheidet oder dass eine bestimmte Bedingung, z.B. eine bestimmte Form der Rabattgew~ihrung, gesetzeswidrig w~ire. Eine weitere mSgliche F~ihigkeit eines Agenten besteht darin, die fiir den Verhandlungspartner akzeptable Region des Einigungsraumes im eigenen Sinne zu ver~indern, indem er dessen Wahrnehmung der Verhandlungssituation beeinflusst. Dies kann z.B. dadurch geschehen, dass neue Aspekte f~r die Beurteilung des Einigungsraumes durch den Kontrahenten in die Diskussion gebracht werden, indem z.B. neben der Motorleistung auch die Sicherheitsausstattung eines Autos hervorgehoben wird, oder indem den Konditionen neue Aspekte hinzugefiigt werden, z.B. der kostenlose Einbau eines Radios bei sofortigem Gesch~iftsabschluss. 72Vgl. z.B. Kraus et al., 1998, S. 2f. und S.62ff. sowie Sierra et al., 1998.
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5.2.3.2 Spieltheoretisch motivierte Entscheidungsmodelle Dom~nenorientiertes Modell Rosenschein und Zlotkin gehSren zu den ersten, die spieltheoretische ~Iberlegungen auf das Problem der Koordination in MAS anwenden. 73 Die Basis ihrer Arbeit bilden die oben bereits dargestellten 0berlegungen zum Entwurf anreizkompatibler Mechanismen (vgl. Abschnitt 4.7). Ihre Vorstellung ist, dass Vertreter der verschiedenen Unternehmen, die an der Entwicklung von Agenten ffir eine bestimmte Verhandlungsdom~ine interessiert sind, ein Gremium bilden, dessen Ziel es ist, Verhandlungsmechanismen ffir die Interaktion der zu entwickelnden Agenten festzulegen. Das Ziel ihrer eigenen Arbeit sehen die Autoren darin herauszuarbeiten, welche Verhandlungsmechanismen ffir bestimmte Typen von Verhandlungsdom~nen geeignet sind. Mit diesem Wissen kSnnen Agentenentwickler bei der Auswahl passender Mechanismen beraten werden. TM Wenn einmal eine Festlegung auf einen bestimmten Mechanismus erfolgt ist und das in diesem Mechanismus angewandte Protokoll die Eigenschaft der Stabilit~t (vgl. Abschnitt 5.2.2) aufweist, also ffir jeden Agenten jeweils eine optimale Strategie existiert, vorausgesetzt, die anderen Agenten wenden ihre optimale Strategie an, und wenn die optimalen Strategien bereits zum Zeitpunkt des Entwurfs bekannt sind, dann geniigt es, die Agenten jeweils mit der optimalen Strategie zu programmieren, statt sie mit der wesentlich komplizierteren F~ihigkeit auszustatten, eine optimale Strategie w~ihrend der Laufzeit des Systems zu ermitteln. Bei der Ableitung ihrer Ergebnisse treffen die Autoren eine Reihe von Annahmen: 7~
1. Nutzenmaximierung: Die Agenten versuchen, ihren Erwartungsnutzen zu maximieren. 2. Vollst~ndige Information: 76 Die Agenten verffigen fiber alle relevanten 73Ffir einen umfassenden 0berblick fiber ihre Arbeit vgl. Rosenschein und Zlotkin, 1994. Bestimmte Aspekte werden in einer Reihe von Artikeln n~her ausgeffihrt, vgl. Zlotkin und Rosenschein, 1989, 1991, 1996b,a,c. 74Vgl. Rosenschein und Zlotkin, 1994, S. 4f. 75Vgl. Zlotkin und Rosenschein, 1996a, 162. 76Die Autoren verwenden den der Terminologie der KI entsprechenden Ausdruck ,,vollst~ndiges Wissen", der hier aber ~iquivalent zu dem in der Okonomie gebr~iuchlichen Begriff der Information ist.
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Informationen. 3. Isolierte Verhandlung: Ein Agent kann sich in einer laufenden Verhandlung nicht zu einem bestimmten Verhalten in kiinftigen Verhandlungen verpflichten. Auf~erdem kann er nicht erwarten, dass sein gegenw~tiges Verhalten zukiinftige Verhandlungen bzw. das Verhalten anderer Agenten in zukiinftigen Verhandlungen beeinflusst. 4. Zweiseitige Verhandlung: In Situationen, in denen mehrere Agenten aufeinander treffen, finden die Verhandlungen immer paarweise zwischen zwei Agenten statt. 5. Symmetrische F~ihigkeiten: Alle Agenten sind in der Lage, dieselbe Menge von Operationen zu identischen Kosten auszufiihren. 6. Vergleichbarkeit von Nutzeneinheiten: Die Nutzeneinheiten eines Agenten sind mit denen des anderen Agenten vergleichbar. 77 oo
7. Keine explizite Ubertragung von Nutzen: Die betrachteten Einigungen kommen ohne explizite Zahlungen des einen Agenten an den anderen zustande. Eine 13bertragung von Nutzen kann aber implizit dadurch stattfinden, dass ein Agent zur Erreichung eines Endzustandes mehr beitr~igt als der andere. Rosenschein und Zlotkin unterscheiden drei verschiedene Typen von Verhandlungsdom/inen, wobei der erste Typ eine Untermenge des zweiten und der zweite eine Untermenge des dritten Typs darstellt: 7s
Aufgabenorientierte Domlinen (engl. task oriented domains) Jeder Agent hat eine bestimmte Menge von Aufgaben auszufiihren und verfiigt fiber die dazu benStigten F~ihigkeiten und Ressourcen. Es gibt keine negative Beeinflussung der Handlungen der Agenten untereinander (Skonomisch ausgedrfickt also keine externen Effekte). Allerdings gibt es F~ille, in denen ein bestimmter Agent ohne oder mit geringem Zusatzaufwand Aufgaben anderer Agenten mit erffillen kann. Verhandlungen finden in dieser Situation ausschlief~lich dazu statt, eine gegenseitig vorteilhafte Verteilung der Aufgaben zwischen den Agenten auszuhandeln. 77Vgl. Rosenschein und Zlotkin, 1994, S. 126. 78Vgl. Rosenschein und Zlotkin, 1994, S. 19f.
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Zustandsorientierte Domiinen (engl. state oriented domains) Jeder Agent hat die Aufgabe, die Umwelt von einem bestimmten Anfangszustand in einen gewiinschten Zielzustand zu bringen. In dieser Art von Dom~inen existiert die MSglichkeit von Konflikten zwischen den Agenten. Diese kSnnen sich sowohl auf den Einsatz der verfiigbaren Ressourcen beziehen als auch auf den angestrebten Zielzustand. Eine Variante besteht darin, dass zwar ein Zielzustand existiert, der alle Agenten zufrieden stellt, dass die Erreichung dieses Zustands aber von einzelnen Agenten mehr Aufwand verlangt, als sie leisten miissten, um einen Zustand zu erreichen, der sie individuell zufrieden stellt. Uber die Aufgabenverteilung hinaus wird hier auch dariiber verhandelt, welchef Zustand tats~ichlich realisiert werden soll. Wertorientierte Domlinen (engl. worth oriented domains) Hier ordnen die Agenten jedem potenziellen Zustand der Umwelt einen bestimmten Wert 79 zu, womit von den drei Typen dieser Typ die grSt~te Ahnlichkeit zur 5konomischen Nutzentheorie aufweist. Es handelt sich um eine Generalisierung der zustandsorientierten Dom~inen, in denen allen Zust~inden aui~er den unmittelbaren Zielzust~inden der Agenten der Wert 0 zugeordnet ist. In wertorientierten Dom~inen kSnnen die Agenten entscheidungstheoretische Verfahren anwenden. Aut~erdem haben sie die MSglichkeit, Kompromisse hinsichtlich des Erreichungsgrades ihrer Ziele einzugehen. Fiir zustandsorientierte Dom~inen identifizieren die Autoren vier verschiedene Situationen, die sich darin unterscheiden, ob die Agenten von der Anwesenheit eines anderen Agenten profitieren oder nicht: 8~ 9 Eine symmetrisch kooperative Situation liegt vor, wenn beide Agenten v o n d e r Zusammenarbeit profitieren. In aufgabenorientierten Dom~inen ist dies der Normalzustand. 9 Eine symmetrische Kompromisssituation liegt vor, wenn eine oder mehrere Einigungen existieren, die fiir beide Agenten individuell ra79Die Autoren definieren Weft (engl. worth) als die maximalen erwarteten Kosten, die ein Agent zu tragen bereit ist, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, Nutzen (engl. utility) definieren sie als die Differenz zwischen Wert und tats~ichlichen Kosten, vgl. Rosenschein und Zlotkin, 1994, S. 104. S~ Rosenschein und Zlotkin, 1994, S. 105.
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tional sind, aber beiden einen geringeren Nutzen bringen, als wenn sie allein w~ren. 9 In einer asymmetrischen Situation profitiert der eine Agent von der Anwesenheit des anderen, wfihrend der andere lieber allein w~e. 9 Ein Konflikt besteht, wenn keine individuell rationale Einigung ffir die Agenten existiert. Die Autoren konzentrieren sich auf Verhandlungsmechanismen, die zu Einigungen fiihren, bei denen das Produkt der Nutzen maximiert wird, die den Agenten aus der Verhandlung entstehen. Dieses Kriterium entspricht der Nash-LSsung, die in Abschnitt 4.3 diskutiert wurde, sl Sollte es mehrerere mSgliche Einigungen geben, die das Produkt der Nutzen maximieren, wird diejenige ausgew~ihlt, die gleichzeitig die Summe der Nutzen maximiert. Genfigen auch diesem Kriterium mehrere Einigungen, so wird eine dieser Einigungen per Zufall ausgewfi~hlt.82 Das dom~nenorientierte Modell wird vervollst~indigt durch eine Hierarchie von Einigungstypen, 83 die auf ihre Eigenschaften in den oben dargestellten vier Situationen hin untersucht werden. Der einfachste Einigungstyp sind sog. reine Einigungen (engl. pure deals), in denen jeder Agent i seinen Teilplan Pi eines sog. verbundenen Plans (P1,P2) ausfiihrt. Ein Teilplan bezeichnet eine Folge von auszufiihrenden Aktionen. Neben den Teilpl~iaen ffir beide Agenten enth~lt ein verbundener Plan eine Vereinbarung fiber die zeitliche Koordination der Handlungen, damit wirklich der angestrebte Zustand erreicht wird. 84 In kooperativen Situationen existiert immer ein verbundener Plan, der effizient ist. 85 Allerdings kann der Fall eintreten, dass ein effizienter Plan nicht indivduell rational ist, da einer der beiden Agenten mehr leisten muss, damit der Zustand erreicht wird, in dem die Ziele 81Zlotkin und Rosenschein heben hervor, dass sie in ihren Arbeiten, im Gegensatz zum iiblichen Vorgehen in der Spieltheorie, eine diskrete Verhandlungsdom~ne annehmen, vgl. Zlotkin und Rosenschein, 1989, S. 912f. Allerdings fiihren sie einige Seiten sp~iter (S. 915) sog. gemischte Einigungen ein, die eine Randomisierung zwischen zwei diskreten Einigungen darstellen, womit die Menge mSglicher Einigungen kontinuierlich wird. 82Vgl. Rosenschein und Zlotkin, 1994, S. 50f. 83Vgl. Rosenschein und Zlotkin, 1994, S. 125f. 84Vgl. Zlotkin und Rosenschein, 1991, S. 1318. 85Falls keine bessere Kooperationsm6glichkeit besteht, kSnnen die Agenten einfach ihre jeweiligen Ziele getrennt voneinander realisieren, da ein Zielkonflikt in dieser Situation ja per definition nicht besteht.
5.2 Verhandlungen zur Koordination in Multiagentensystemen
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beider Agenten erreicht werden, als er leisten mfisste, wenn er nur sein eigenes Ziel erreichen wollte. Diese Schwierigkeit l~st sich, unter Rfickgriff auf die Annahme, dass die Agenten fiber identische F~ihigkeiten verffigen, durch sog. gemischte Einigungen (engl. mixed deals) fiberwinden. Eine gemischte Einigung (P1, P2) : p besagt, dass mit der Wahrscheinlichkeit p der verbundene Plan (P1, P2) ausgeffihrt wird und mit der Wahrscheinlichkeit (1 - p ) der verbundene Plan (P2, P1). In jedem Fall wird somit derselbe Zustand erreicht. Die erwarteten Kosten kSnnen aber durch den Parameter p kontinuierlich zwischen den Agenten aufgeteilt werden. Die tats~ichliche Verteilung der Kosten erfolgt symmetrisch in Bezug auf die von den Agenten ffir ihre jeweiligen Ziele behaupteten Nutzen. In Situationen, in denen einer der Agenten oder beide einen Kompromiss eingehen mfissen, sind weder reine noch gemischte Einigungen mSglich. In diesen F~illen mfissen die Agenten auf sog. halbkooperative Einigungen (eng. semi-cooperative deals) zurfickgreifen. Eine solche Einigung weist die Struktur (t, (P1, P2), q) auf, wobei t einen Zwischenzustand bezeichnet, den beide Agenten gemeinsam durch die Ausffihrung des verbundenen Plans (P1, P2) erreichen, bevor mit der Wahrscheinlichkeit q das Ziel von Agent 1 realisiert wird und mit Wahrscheinlichkeit (1 - q ) das Ziel von Agent 2. Die Kooperation bis zum Zustand t i s t ffir beide Agenten individuell rational, wenn ihre Chance grofg genug ist, dass anschliefoend ihr Ziel realisiert wird. Die allgemeinste Form von Einigungen stellen sog. Mehrplan-Einigungen (engl. multi-plan deals) dar. Der Nachteil von halbkooperativen Einigungen liegt darin, dass nach dem Zufallsereignis, das entscheidet, wessen Ziel schliefglich realisiert wird, keine Kooperation mehr stattfindet. Es kann aber ffir beide Agenten wfinschenswert sein, dass der jeweils andere ihnen bei der Realisierung des eigenen Ziels hilft. In Mehrplan-Einigungen wird vorab per Zufall zwischen zwei gemischten Einigungen 51 und 52 entschieden, wobei 51 das Ziel von Agent 1 realisiert und 52 dasjenige von Agent 2. Solange an allen oben getroffenen Annahmen festgehalten wird, existiert aufger in der Konfliktsituation immer eine effiziente Mehrplan-Einigung, die stabil und individuell rational ist. Die Autoren weisen jedoch selbst darauf hin, dass insbesondere die Annahme vollst~indiger Informationen problematisch ist. Es zahlt sich n~imlich ffir einen Agenten aus, den Wert, den ein bestimmtes Ziel ffir ihn hat, zu untertreiben, da er auf dieser Weise erwarten kann, dass ihm in der resultie-
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renden Einigung ein geringerer Anteil an der Verwirklichung des verbundenen Plans zugewiesen wird. 86 Daher untersuchen die Autoren auch den Fall unvollstgndiger Informationen. Sie ffihren dazu eine weitere Verhandlungsrunde vor dem produktmaximierenden Mechanismus ein, in der die Agenten simultan ihre Ziele und die ihnen zugeordneten Werte offenlegen sollen. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieses Offenbarungsmechanismus wird dann eine Einigung mittels des produktmaximierenden Mechanismus getroffen. In einigen F~illen haben die Agenten einen Anreiz, in der vorgeschalteten Offenbarungsrunde nicht die Wahrheit zu sagen. Im Idealfall gleichen sich die Ergebnisse der Falschaussagen beider Agenten vollkommen aus, so dass weder die Symmetrie noch die Effizienz des Mechanismus leidet. In anderen Fgllen wird zwar die Verteilung vergndert, aber dennoch ein effizientes Ergebnis erzielt. Schlieglich existieren auch Situationen, in denen bei unvollstgndiger Information kein effizientes Ergebnis mehr erreicht wird. Im Rahmen der in dieser Arbeit diskutierten Fragestellung fiihrt die Theorie von Rosenschein und Zlotkin nicht weiter als die spieltheoretischen 0berlegungen zum Entwurf anreizkompatibler Mechanismen. Der hauptsgchliche Beitrag dieser Theorie liegt in der Anwendung der spieltheoretischen Uberlegungen auf abstrakte Problemsituationen, wie sie fiblicherweise im Bereich der KI untersucht werden. Dazu gehSren z.B. die Optimierung der Aufgabenverteilung bei der Auslieferung von Sendungen (ein graphentheoretisches Problem) und eine sog. Blockwelt, in der die Agenten bestimmte Muster aus B15cken auf einer Menge von Abstellflgchen erzeugen miissen. Unvollstgndige Information wird hier nur fiir symmetrische Situationen untersucht, in denen ein Offenlegungsmechanismus zumindest in einigen F~illen eine Verbesserung bringen kann.
Nicht-kooperative mehrstufige Verhandlungsmodelle Die Arbeiten von Sarit Kraus und einigen anderen Autoren sind ebenfalls direkt von spieltheoretischen Modellen beeinflusst, in diesem Fall von Rubinsteins oben diskutiertem Verhandlungsmodell mit abwechselnden Geboten (vgl. Abschnitt 4.4). 87 Auch hier liegt der wesentliche Beitrag der Forschung in der 0bertragung der sehr abstrakten spieltheoretischen Konzepte auf bestimmte re86Vgl. Rosenschein und Zlotkin, 1994, S. 131ft. 87Vgl. Kraus, 2001, S. 17ft.; diese Monographie liefert auch einen umfassenden 0berblick fiber diese Forschungsrichtung.
5.2 Verhandlungen zur Koordination in Multiagentensystemen
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alt/itsn~ihere, wenngleich in der Regel noch immer vereinfachte Problemstellungen. Kraus untersucht u.a. die Aufteilung von Datenbest/inden in verteilten Datei- bzw. Datenbanksystemen, die Allokation von Ressourcen mit einem und mehereren relevanten Attributen und die Verteilung von Aufgaben. W~ihrend Rosenschein und Zlotkin, ihre Ergebnisse mittels formaler Beweise und einfacher Beispiele demonstrieren, nutzt Kraus zus/itzlich Simulationen zum Vergleich von Implementierungen der verschiedenen diskutierten Verhandlungsmechanismen. Besonderen Wert legt Kraus auf die Konstruktion der Nutzenfunktionen der Agenten, die in friiheren Arbeiten meist nicht nfi~her diskutiert, sondern als bekannt vorausgesetzt worden seien, ss Sie untersucht die Entwicklung von Nutzenfunktionen am Beispiel der einzelnen untersuchten Verhandlungsdom/inen, wobei sie folgende grunds/itzliche Kategorien unterscheidet: 9 Feste Kosten bzw. Gewinne pro Zeiteinheit, 9 eine konstante Diskontierungsrate, 9 ein extern (durch das Finanzsystem) vorgegebener Zinssatz sowie 9 feste Kosten pro Zeiteinheit bei einem endlichen Zeithorizont. Ihre Ergebnisse beziiglich m6glicher Einigungen in diesen F~illen entsprechen weitgehend dem, was bereits in Abschnitt 4.4.6 diskutiert wurde. Den Fall unvollst/indiger Informationen behandelt die Theorie ebenfalls, s9 Auch hier wird dem Verhandlungsmechanismus mit vollst/indiger Information ein Offenbarungsmechanismus vorangestellt und untersucht, in welchen Situationen die Agenten Anreize zu Falschaussagen haben und wie sich diese auf die Eigenschaften des Verhandlungsmechanismus auswirken. Der wesentliche Beitrag der Forschungen von Kraus liegt ebenfalls in der konkretisierenden Anwendung bekannter spieltheoretischer Konzepte auf die Problemstellungen und in der Terminologie der verteilten KI. Wesentliche neue Erkenntnisse fiir die spezifische Fragestellung dieser Arbeit lassen sich auf der inhaltlichen Ebene nicht identifizieren. Allerdings wird auch in der vorliegenden Arbeit die Methode der Simulation genutzt, um die Ergebnisse eines bestimmten Verhandlungsmechanismus' zu evaluieren. 88Vgl. Kraus, 2001, S. 20f. 89Vgl. Kraus, 2001, S. 57-59, S. 64-66, S. 80-93 und S. 192-207.
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5 Automatisierte Verhandlungen zwischen Softwareagenten
5.2.3.3 Heuristische Entscheidungsmodelle
Kasbah Einer der frfihesten Prototypen eines MAS, in dem Agenten miteinander in Kontakt treten, um fiber den Austausch von Gfitern zu verhandeln, ist Kasbah, das am Media Lab des Massachussets Institute of Technology entwickelt wurde. Die Entwickler stellen das System als eine Art Weiterentwicklung des Kleinanzeigenteils in einer Zeitung dar, bei dem die ,,Anzeigen" Agenten sind, die aktiv nach mSglichen Austauschpartnern suchen. Ein menschlicher Benutzer erzeugt einen Agenten, indem er eine Reihe von Parametern angibt, die seine Pr~iferenzen hinsichtlich des angestrebten Gesch~ifts charakterisieren. Zun~chst ist der angebotene bzw. gesuchte Gegenstand zu beschreiben. In dem Prototypen von Kasbah werden die Tauschobjekte durch Spielkarten repr~entiert, die sich durch zwei Angaben, Wert und Farbe, vollst~indig beschreiben lassen. Seine Preisvorstellungen gibt ein Benutzer dem Agenten in Form von zwei Werten bekannt: der Preis, den der Benutzer gerne erzielen bzw. bezahlen wfirde und der minimale Verkaufs- bzw. der maximale Kaufpreis, den er gerade noch akzeptieren wfirde. Darfiber hinaus gibt der Benutzer den Zeitpunkt an, zu dem der Agent sp~itestens eine Einigung erzielen soll, sowie eine Verhandlungsstrategie, die beschreibt, wie der Agent im Zeitablauf seine Preisgebote anpassen soll. Hier wird zwischen einem linearen, quadratischen oder kubischen Verlauf unterschieden, der ffir einen Verk;4uferagenten jeweils fallend, ffir einen K~iuferagenten dagegen steigend verl~iuft. Der Agent gibt dann Angebote ab, die sich entsprechend dem vom Benutzer gew~ihlten Verlauf mit fortschreitender Zeit dem gerade noch akzeptablen Preis ann~ihern. Eine Modifikation des Verlaufs der eigenen Angebote in Reaktion auf die Angebote des anderen Agenten erfolgt nicht.
A VALANCE Das System AVALANCHE (Agent Based Value Chain Experiment) stellt eine Testumgebung zur Erprobung marktlicher Koordination in MAS dar. Ziel ist es, im Sinne des Hayek'schen Katallaxieansatzes Verhandlungen zwischen einzelnen Marktteilnehmern als Ausgangspunkt der Koordination zu untersuchen. 9~ Darin unterscheidet sich das System von solchen elektronischen Marktpl~tzen, bei denen eine zentrale Instanz den Preis 9~
Eymann, 2001, S. 136.
5.2 Verhandlungen zur Koordination in Multiagentensystemen
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bestimmt, der Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht bringt. AVALANCHE bezieht sich daher normalerweise nicht auf monopolistische Angebotssituationen, sondern wird zur Abbildung einer polypolistischen Marktstruktur eingesetzt. In diesem Fall haben Agenten die MSglichkeit, einen anderen Transaktionspartner zu suchen, sollte in der Verhandlung mit einem bestimmten Agenten keine Einigung erzielt werden kSnnen. Bei dem Entscheidungsmodell der Agenten handelt es sich um eine stochastische Strategie, bei der das Angebotsverhalten der Agenten durch die Parameter Acquisitiveness, deltaChange, deltaJump, Satisfaction und WeightMemory bestimmt ist. 91 Acquisitiveness gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass ein Agent in einer beliebigen Verhandlungsperiode eine Konzession macht, also sein Angebot erhSht, wenn es sich um einen K~iufer handelt oder em~igigt, wenn es sich um einen Verkiiufer handelt. Die prozentuale HShe einer Konzession legt der Parameter deltaChange fest, wobei sich der Prozentsatz auf die Differenz zwischen den Startgeboten beider Parteien bezieht. Geht ein Agent in einer Periode keine Konzession ein, so entscheidet anschliegend sein Gegeniiber, ob er die Verhandlung weiterffihrt oder sie abbricht, wobei der Parameter Satisfaction die Wahrscheinlichkeit eines Abbruchs angibt. Der Wert deltaJump dient dazu, nach dem Erreichen einer Einigung das Verhalten eines Agenten in sp~iteren Verhandlungen anzupassen, indem das kfinftige Einstiegsangebot der in der aktuellen Verhandlung erreichten Einigung angepasst wird. Dabei stellt das kfinftige Einstiegsangebot den um den Prozentsatz deltaJump erhShten (Verkiiufer) bzw. reduzierten (Kiiufer) Einigungspreis der aktuellen Verhandlung an. Neben den bisher erl~iuterten Elementen bilden die Agenten in AVALANCHE eine Erwartung des Marktpreises, indem sie jedes Gebot, das sie von einem anderen Agenten erhalten, mittels einer Gl~ittungsfunktion gewichten und mit dem zuvor erwarteten Marktpreis verkniipfen. Das Gewicht der neu hinzukommenden Information wird durch den Parameter WeightMemory festgelegt. Der erwartete Marktpreis wird von den Agenten genutzt, um nicht ernst gemeinte Gebote zu identifizieren. ,,In AVALANCHE werden Gebote, die offensichtlich fiber das Doppelte des fiblichen Marktpreises hinausgehen, als unseriSs betrachtet und ein einseitiger Verhandlungsabbruch eingeleitet. ''92 Bei Angeboten, die zwischen dem Marktpreis und der genann91Vgl. Eymann, 2001, S. 92Eymann, 2001, S. 159.
156 sowie S. 161.
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5 Automatisierte Verhandlungen zwischen Softwareagenten
ten Obergrenze liegen, wird die Verhandlung mit der durch den Parameter Satisfaction festgelegten Wahrscheinlichkeit gleich zu Beginn abgebrochen, ohne dass ein Gegenangebot abgegeben wird.
sMESS In einer Erweiterung des AVALANCHE-Ansatzes wird das sogenannte marktplatzspezifische Verhandlungsverhalten ermittelt und bei der Festlegung der konkreten Angebotsfolge berficksichtigt. Das marktplatzspezifische Verhandlungsverhalten wird dabei durch die drei GrSt~en Verhandlungsspielraum, Verhandlungssymmetrie sowie Verhandlungsabbruch repr~isentiert. 93 Unter dem (individuellen) Verhandlungsspielraum wird der Betrag der Differenz zwischen dem Anfangsangebot eines Agenten und dem schliet~lich erreichten Einigungspreis verstanden, die Verhandlungssymmetrie gibt an, wie der gesamte Verhandlungsspielraum, d.h. die Summe der individuellen VerhandlungsspielHiume, auf die beiden Agenten aufgeteilt wird und der marktplatzspezifische Verhandlungsabbruch betrachtet die typischen Verhandlungsspieldiume der Agenten, wenn die Verhandlung abgebrochen wird, indem den abgebrochenen Verhandlungen fiktive Transaktionspreise zugeordnet werden, die erreicht worden w~iren, wenn die Verhandlung fortgesetzt worden w~re. Es wird unterstellt, dass auf einem bestimmten Marktplatz ein statistischer Zusammenhang zwischen jeder der drei eben beschriebenen GrSf~en und dem schlieglich erzielten Transaktionspreis besteht. Die Parameter des Zusammenhangs zwischen Transaktionspreis und den individuellen Verhandlungsspielr~iumen werden in sMESS mittels linearer Regression gesch~itzt.94 Die gesch~itzten Parameter erlauben dann die Berechnung der beiden iibrigen GrSt~en. Als Quelle fiir die benStigten Daten friiherer Transaktionen kommt ein zentraler Dienstleister, ein Bezug von anderen Akteuren oder die eigene Transaktionsgeschichte in Frage. Die Kenntnis des marktplatzspezifischen Verhandlungsverhaltens erlaubt es einem Agenten, ein diesem typischen Verhalten entsprechendes Initialangebot abzuleiten, indem er sein angestrebtes Verhandlungsergebnis als unabh~ingige Variable in die Sch~itzgerade des Zusammenhangs zwischen Transaktionspreis und individuellem Verhandlungsspielraum einsetzt. 95 Umgekehrt kann ein Agent, der ein Initial93Vgl. Sackmann, 2003, S. 107ff. 94Vgl. Sackmann, 2003, S. 108. 95Vgl. Sackmann, 2003, S. 124.
5.2 Verhandlungen zur Koordination in Multiagentensystemen
207
angebot erh~lt und davon ausgeht, dass sich sein Gegeniiber nach der hier beschriebenen Strategie verh~lt, dessen angestrebten Einigungspreis sch~tzen. Dies wiederum erlaubt es, ein erstes Gegenangebot zu ermitteln, das einerseits den marktplatzspezifischen Verhandlungsspielraum voll ausschSpft und andererseits nicht zu einem Abbruch der Verhandlung ffihrt. 96 Das beschriebene Verfahren als Erg~inzung verschiedener Verhandlungsstrategien, z.B. der zuvor beschriebenen Strategie im AVALANCHE-System, genutzt werden, um ein geeignetes Anfangsangebot bzw. ein erstes Gegenangebot zu ermitteln.
Bazaar Eine prototypische Implementierung eines Verhandlungssystems, die dem in dieser Arbeit entwickelten relativ iihnlich ist, ist das System Bazaar, das am Robotics Institute der Carnegie-Mellon-Universit~t entwickelt wurde. Das System orientiert sich an spieltheoretischen Untersuchungen von Verhandlungssituationen, wie sie oben in Kapitel 4 dargestellt wurden, indem der strategische Aspekt der Situation, also die Abh~ingigkeit der Optimalit~t der Entscheidungen eines Agenten von den kfinftigen Handlungen seines Kontrahenten, explizit beriicksichtigt wird. Besonders die Bedeutung sequentieller Modelle von Verhandlungen mit unvollstiindiger Information (vgl. Abschnitte 4.5 und 4.6) wird betont. 97 Den Autoren von Bazaar kommt es darauf an, ein Modell zu schaffen, das zum einen Lernen in Multiagentensystemen und zum anderen Verhandlungen mit komplexeren Dom~inen als reine Preisverhandlungen abbilden kann. Fiinf Punkte halten sie dabei fiir wichtig: 9s (1) Das Modell soll auf eine pr~zise und gleichzeitig effektive Weise den Kontext einer Verhandlung abbilden. (2) Das Modell soll pr~iskriptiv sein, also als Anleitung ffir den Entwurf konkreter Systeme dienen kSnnen. (3) Die benStigte Rechenkapazit~it, um vernfinftige Angebote bzw. LSsungen zu finden, soll sich in durch reale Systeme erreichbaren Grenzen halten, auch wenn daffir evtl. analytische Strenge und die Optimalit~it der gefundenen LSsungen geopfert werden muss. (4) Die Dynamik von Verhandlungen, also ihr zeitlicher Verlauf, soll abgebildet werden, im Gegensatz zu Verfahren, die aus den Anfangsbedingungen einer Verhandlung direkt mSgliche Ergebnisse ableiten, und 96Vgl. Sackmann, 2003, S. 126. 97Vgl. Zeng und Sycara, 1998, S. 127. 98Vgl. Zeng und Sycara, 1998, S. 128.
208
5 Automatisierte Verhandlungen zwischen Softwareagenten
schliet~lich (5) soil das Modell die MSglichkeit bieten, die Lernf'~ihigkeit der beteilitgten Agenten zu beriicksichtigen. Die formale Beschreibung des Bazaar-Modells weist groge ti.hnlichkeit zu einem spieltheoretischen Modell auf. Ein Tupel mit zehn Elementen (N, M, A, A, H, Q, ~, P, C, G)beschreibt eine Verhandlung. Dabei steht N fiir die Menge aller Agenten und M fiir die Menge aller Themen bzw. Aspekte des Verhandlungsgegenstandes, die in den Verhandlungen berficksichtigt werden. Die Menge A bezeichnet eine Menge von Vektoren, die jeden Aspekt einer mSglichen Einigung definieren, die Menge A umfasst alle Angebote, die im Verlauf der Verhandlung mSglich sind. Die Menge H bezeichnet die mSglichen Verhandlungshistorien, wobei Z die Menge der Geschichten ist, die eine Verhandlung beenden. Q : H \ Z ~ N ist eine Funktion, die bestimmt, welcher Spieler nach einer bestimmten Geschichte als n~ichster ein Angebot abgeben darf, in Q manifestiert sich also das Verhandlungsprotokoll. ~ bezeichnet die Menge relevanter Informationsaspekte der Verhandlung, und jeder Agent i E N unterh~ilt nach jedem Verlauf h E H eine subjektive Wahrscheinlichkeitsverteilung Ph,i fiber ~, die sein Wissen zu diesem Zeitpunkt der Verhandlung repr~entiert. Macht Spieler i nach dem Verlauf h ein Angebot a E A, entstehen ihm Kosten in HShe von Ci,h,a, die als Kommunikationskosten oder durch die Handlung verursachte Wartekosten interpretiert werden kSnnen. Gi : ~ • Z ~ R stellt schlie~lich die PrMerenzfunktion des Agenten i dar. Nach einer Geschichte h E H erwartet Agent i den Zustand x E ~ mit der subjektiven Wahrscheinlichkeit Ph,i(x). Damit ergibt sich sein Erwartungsnutzen als E(xh'i) [Gi(X, h)]. Ein Agent, der k Angebote abgegeben hat, bestimmt sein folgendes Angebot in zwei Schritten: Zun~ichst nutzt er die Bayes'sche Regel, um seine subjektive Wahrscheinlichkeitsverteilung fiber die Elemente von ~, also sein Wissen, an die neuesten verfiigbaren Fakten anzupassen. Dann w~ihlt er die Handlung, die - bezogen auf die neue subjektive Wahrscheinlichkeitsverteilung- den maximalen Erwartungswert verspricht. Die Autoren zeigen auf zwei verschiedene Arten, dass die Nutzung der Bayes'schen Regel vorteilhaft ist. Zum einen zeigen sie analytisch, dass ein Agent, der die Bayes'sche Lernstrategie anwendet, in keinem Fall ungiinstigere Ergebnisse erzielt als ein Agent, der dies nicht tut. 99 Zum anderen fiih99Vgl. Zeng und Sycara, 1998, Proposition 1 auf S. 135.
5.2 Verhandlungen zur Koordination in Multiagentensystemen
209
ren sie ein Computerexperiment durch, bei dem sie Paare von K~ufern und Verld4ufern gegeneinander antreten lassen, deren Zahlungsbereitschaft und Reservationspreis jeweils zuf'~lig bestimmt werden, jedoch so, dass ein Einigungsgewinn garantiert ist. Sie untersuchen drei F~lle- ein nicht-lernender K~ufer gegen einen nicht-lernenden Verk~ufer, ein lernender K~ufer gegen einen nicht-lernenden Verkiiufer und ein lernender K~ufer gegen einen lernenden Verki4ufer. Es ergibt sich, dass die Nutzensumme am grSi~ten ist, wenn beide Agenten lernen. Lernt nur der K~iuferagent, ist die Nutzensumme am geringsten. Die Zahl der Verhandlungsrunden ist ebenfalls am geringsten, wenn beide Agenten lernen, sie ist jedoch dann am gr5t~ten, wenn keiner der beiden Agenten lernt. 100 Im Unterschied zu spieltheoretischen Modellen, die mit der Annahme vollkommener Rationalit~t arbeiten, wird in Bazaar lediglich eine Rationalit~t erster Ordnung angenommen: Die Agenten verffigen zwar fiber ein Modell der relevanten Eigenschaften der fibrigen Agenten, das eine Teilmenge von Ft1~ bildet, und passen dieses Modell entsprechend der Aktionen des jeweiligen Agenten an. 1~ Sie berficksichtigen jedoch nicht den Einfluss eigener Handlungen auf die Modelle der fibrigen Agenten. Insbesondere schliet~t diese Annahme Versuche aus, andere Agenten dutch eigene Aktionen in die Irre zu ffihren, wie sie in den oben diskutierten spieltheoretischen Modellen explizit zugelassen werden. Umgekehrt braucht damit auch kein Agent mit solchen Versuchen seiner Kontrahenten zu rechnen.
I-Help Mudgal und Vassileva beschreiben ein Multiagentensystem, das den Teilnehmern einer universit~iren Lehrveranstaltung dabei unterstfitzen soll, geeignete Helfer bei Problemen mit dem Stoff zu finden und gleichzeitig den Preis ffir die Hilfeleistung in Form virtueller Wiihrungseinheiten pro Zeiteinheit auszuhandeln. Jeder Agent repdisentiert einen Studierenden, der fiber bestimmte Kompetenzen verffigt und evtl. in anderen Bereichen Hilfe benStigt. Der Prozess beginnt mit einer Anfrage des Agenten eines Hilfe suchenden Studierenden bei einer zentralen Instanz, die eine Liste potenl~176 Zeng und Sycara, 1998, S. 139. l~ dariiber hinaus andere ffir die Verhandlung relevante Zustandsparameter, z.B. gesamtwirtschaftliche GrS~en oder GrSt~en,die die Nachfrage nach den Produkten eines Agenten betreffen. l~ Zeng und Sycara, 1998, S. 131f.
210
5 Automatisierte Verhandlungen zwischen Softwareagenten
zieller Helfer liefert, sortiert nach deren Kompetenzen im Hinblick auf das Thema, zu dem Hilfe gebraucht wird. 1~ Aut~erdem liefert die als matchmaker bezeichnete zentrale Instanz einen Standardpreis zur Orientierung, der aus der aktuellen Relation von Angebot und Nachfrage in Bezug auf Hilfeleistungen zu dem gewiinschten Thema sowie dem Schwierigkeitsgrad des Themas berechnet wird. 104 Die Agenten in I-Help entwickeln ein Modell ihrer Situation, indem sie die verschiedenen Faktoren, die den Nutzen aus einer bestimmten Entscheidung im Verlauf der Verhandlung beeinflussen, in einem sog. probabilistischen Einflussdiagramm abbilden. Zu den Einflussfaktoren z~hlt zum einen das eigene Pr/iferenzprofil eines Agenten. Es umfasst dessen maximale Zahlungsbereitschaft, bei einem K/iufer die Dringlichkeit des Hilfegesuchs bzw. bei einem Verl~ufer die Dringlichkeit der gegenw/irtigen T/itigkeit, die unterbrochen werden miisste, um einem anderen zu helfen, die Wichtigkeit, die fiir den jeweilige Benutzer Geld besitzt, sowie das Risikoverhalten des Benutzers (risikoavers oder risikofreudig). Zum anderen bezieht das Modell der I-Help-Agenten auch die mutmaglichen Aktionen des Agenten des Verhandlungspartners in die Ermittlung des eigenen Nutzens ein. Um dessen Handlungen voraussagen zu kSnnen, wird ein analoges Einflussdiagramm, wie es fiir die eigenen Entscheidungen verwendet wird, auch fiir die Entscheidungen des anderen Agenten gebildet. Es werden also Annahmen fiber dessen Geld- und Risikopr~iferenz sowie fiber die Dringlichkeit seiner gegenw/irtigen Entscheidung gemacht. Anfangs werden dabei die mSglichen Auspr/igungen der einzelnen Faktoren als gleich wahrscheinlich betrachtet und die erwartete Antwort des anderen Agenten auf ein eigenes Angebot aufgrund dieser Wahrscheinlichkeiten ermittelt. Weicht die tats/ichliche Antwort des Gegenfibers v o n d e r Erwartung ab, werden, ~hnlich wie im Bazaar-System, mit Hilfe der Bayes'schen Regel die bedingten Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Einflussfaktoren angepasst. l~ l~
Mudgal und Vassilera, 2000, S. 108. Mudgal und Vassilera, 2000, S. 112, wo die Autoren den so ermittelten Standardpreis als ,~in Mar, fiir den tats~ichlichen Wert der Ressource" bezeichnen. Unter anderem dieses Detail l~st erkennen, dass die Autoren aus dem Feld der kiinstlichen Intelligenz stammen und wohl nicht tiber tiefere 8konomische Kenntnisse verfiigen, da heutige (Skonomen in der Regel einen rein subjektivistischen Wertbegriff bevorzugen, der dem Schwierigkeitsgrad des Themas bestenfalls eine mittelbare Rolle l~st, indem fiir Hilfe zu schwierigeren Themen eine grSgere Nachfrage bestehen mag, die aber ohnehin schon in den Standardpreis eingeht.
5.3 Zusammenfassung
211
In Simulationsexperimenten zeigen die Autoren, dass Agenten, die in der beschriebenen Weise ein Modell ihres Verhandlungspartners formen, in der Regel zu besseren Verhandlungsergebnissen kommen als solche, die eine simple Verhandlungsstrategie mit festen Preisanpassungen nutzen. Wenn lediglich die eigene Situation, aber nicht die des Kontrahenten mittels eines Einflussdiagramms modelliert wird, wobei die HandlungsmSglichkeiten des Kontrahenten als gleich wahrscheinlich betrachtet werden, sind die erzielten Abschlfisse ebenfalls weniger gut, als wenn ein Modell des Gegners existiert. Wenn die Agenten beider Seiten, K~iufer und Verkiiufer, jeweils ihre Verhandlungsstrategie mit Hilfe eines Modells des Gegeniibers entwickeln, besteht ein gewisser Vorteil ffir den Verk;4ufer, insofern der K~iufer in diesem System das erste Gebot abgibt und der Verkiiufer dadurch bei dessen Modellierung einen Schritt Vorsprung erh~ilt. Die erste Handlung des Verkiiufers beruht also bereits auf einem besseren Informationsstand als das erste Gebot des K~iufers.1~ 5.3 Zusannnenfassung Nach einer Einffihrung in die Grundlagen der Forschung zu autonomen Agenten und MAS werden in diesem Kapitel einige Ergebnisse herausgearbeitet, die fiir die weiteren Oberlegungen in dieser Arbeit festzuhalten sind. Zum einen sind die bislang existierenden, auf der Sprechakttheorie beruhenden Standardisierungsvorschl~ige fiir Agentenkommunikationssprachen wegen ihrer auf kooperative Systeme ausgerichteten Grundannahme der Wahrhaftigkeit nur bedingt in einem System einsetzbar, das eine wettbewerbliche Verhandlungssituation abbilden soll. Neben diesem grunds~itzlichen Problem sprechen auch praktische Erw~igungen hinsichtlich des Aufwands, der zur ambivalenzfreien Interpretation m~ichtiger Nachrichtentypen erforderlich ist, gegen einen Einsatz dieser Sprachen in dem hier zu entwickelnden System. Zum anderen zeigt die Darstellung einiger bisher (im Forschungsstadium) existierender Verhandlungssysteme, dass die dort verwendeten Entscheidungsmodelle nicht unmittelbar auf die im Zusammenhang dieser Arbeit infrage stehende Verhandlungssituation iibertragbar sind. Einerseits stimmt die Marktform der implementierten Verhandlung nicht mit der hier geforderten fiberein: W~ihrend in den untersuchten Systemen im l~
Mudgal und Vassileva, 2000, S. 116.
212
5 A utomatisierte Verhandlungen zwischen Softwareagenten
Regelfall ein Polypol mit mehreren Anbietern und Nachfragern unterstellt wird, geht es im Rahmen dieser Arbeit explizit um eine Monopolsituation. Wie zu Beginn des vierten Kapitels erSrtert wurde, tritt die strategische Verbundenheit der Akteure in diesem Fall wesentlich deutlicher zutage als im Polypol, wo eine solche im Extremfall gar nicht vorliegt. Andererseits sind in den vorgestellten Systemen ausnahmslos physische Gtiter oder Dienste Gegenstand der Verhandlungen, die inherent knapp sind. Dies gilt aber ftir digitalisierte Informationsgiiter, die in der vorliegenden Arbeit zum Gegenstand der Verhandlungen werden sollen, nicht.
6 A u t o m a t i s i e r t e Verhandlungen" eine S i m u l a t i o n 6.1 Spezifikation des Verhandlungsprotokolls 6.1.1 Nachrichtentypen In der in dieser Arbeit entwickelten Simulation wird auf den Einsatz einer Standard-ACL (vgl. Abschnitt 5.1.5) verzichtet. Dies geschieht aus zwei Griinden, die im Folgenden kurz erSrtert werden sollen: Die in Abschnitt 5.1.5.4 dargestellte Problematik erschwert es, die Semantik klassischer ACL auf (nicht-kooperative) Probleme des elektronischen Gesch~iftsverkehrs zu iibertragen. Obgleich es sicherlich wiinschenswert ist, dieses Problem langfristig zu 15sen und zu einer standardisierten, problemlos auf nicht-kooperative Transaktionen anwendbaren ACL zu gelangen, ist dies nicht die Fragestellung dieser Arbeit. Erste Versuche, die Nachrichtentypen der FIPA-ACL semantisch korrekt und standardkonform auf die Verhandlungssituation in dieser Arbeit anzuwenden, fiihrten nicht zu befriedigenden Ergebnissen. 9 Die Interpretation der komplexen Nachrichten einer Standard-ACL erfordert einigen Aufwand bei der Entwicklung der Agenten, der fiir die Fragestellung dieser Arbeit nicht mit einem zus~itzlichen Erkenntniswert verbunden ist. Aus diesen Griinden wurden fiir die hier entwickelte Simulation eine Reihe einfacher, speziell auf den Anwendungsfall bezogener Nachrichtentypen definiert, die in Tabelle 6.1 aufgelistet sind.
6.1.2 Ablauf der Verhandlung Aus der Analyse der spieltheoretischen Verhandlungsmodelle bei einseitiger unvollst~indiger Information (vgl. Abschnitt 4.5.4) geht hervor, dass Angebote der informierten Seite keinen Beitrag zur Einigungsfindung leisten, da der informierte Agent keinen Anreiz hat, seine private Information, d.h. seine wahre Zahlungsbereitschaft, vorzeitig preiszugeben. Ein informierter
214
6 Automatisierte Verhandlungen: eine Simulation
Tabelle 6.1: Nachrichtentypen in InfoBargain Nachrichtentyp advertise agree
decline
failure offer
quit request
Beschreibung Angebot eines neuen Informationsgutes Annahme einer zuvor mit einer offer Nachricht fibermittelten Preisforderung Ablehnung einer zuvor mit einer offer Nachricht fibermittelten Preisforderung Mitteilung fiber einen Fehler in der Kommunikation Preisangebot bzw. Preisforderung ffir ein zuvor mittels advertise angebotenes Informationsgut Beendigung der Verhandlung Nachfrageragent signalisiert Interesse an einem mittels advertise angebotenen Informationsgut und erbittet ein Preisangebot
Parameter Objekt vom Typ Inf oGoodDe script i on
Objekt vom Typ String mit Fehlerbeschreibung Objekt vom Typ Double mit gefordertem bzw. gebotenem Preis -
Akteur wird also stets Angebote machen, die so niedrig sind, dass er selbst nicht mit ihrer Akzeptanz durch den uninformierten Akteur rechnet. Erst wenn dieser ein Angebot macht, das der informierte Agent tats~ichlich anzunehmen bereit ist, wird er diesem zustimmen. Daher wird fiir die hier entwickelte Simulation ein Protokoll verwendet, das ausschliet~lich Angebote des uninformierten Agenten vorsieht. Abbildung 6.1 zeigt das Verhandlungsprotokoll in Form eines Zustandsdiagramms. Die Ovale stehen fiir die sieben Zust~inde, in denen sich der Verhandlungsprozess befinden kann. Die von einem Oval ausgehenden Pfeile bezeichnen die Nachrichten, die in dem jeweiligen Zustand erlaubt sind, wobei die voranstehende Zahl angibt, welcher Agent die Nachricht sendet (0: Anbieteragent, l:Nachfrageragent). Jede Nachricht bringt den Verhandlungsprozess in den Zustand, zu dem der jeweilige Pfeil fiihrt. Die drei Zust~iade in der untersten Reihe stellen Endzust~iade des Pro-
6.1 Spezifikation des Verhandlungsprotokolls
215
zesses dar. Der Zustand ,~ailed" wird erreicht, wenn einer der Agenten w~iahrend des Prozesses ein Problem entdeckt, also z.B. eine Nachricht des anderen Agenten nicht korrekt interpretieren kann. Er informiert den anderen Agenten dariiber, indem er die Nachricht failure sendet. Wird der Zustand ,agreement reached" erreicht, ist die Verhandlung zu einem erfolgreichen Ende gekommen. Der Zustand ,dao agreement reached" wird erreicht, wenn einer der Agenten die Verhandlung willentlich abbricht, ohne dass ein technisches Problem aufgetreten w~e. Die Verhandlung beginnt mit der Bekanntmachung eines neu angebotenen Informationsgutes durch den Anbieteragenten, der dazu eine advertise Nachricht an alle registrierten Nachfrageragenten sendet. Anhand der in dieser Nachricht enthaltenen Beschreibung des angebotenen Informationsgutes in Form eines Objekts vom Typ InfoGoodDescription entscheiden die
O:advertise role I responsepending 1:request O:failure
/
(,. roleOoffer pending l:failure ~ O:failure
\ O:offer \ l:decline ~
~ l:quit
(,._ rolel agreementpending l:failure [ 1:agree agreement reached
no agreementreached
Abbildung 6.1" Zustandsdiagramm des Verhandlungsprotokolls (eigene Darstellung)
216
6 Automatisierte Verhandhmgen: eine Simulation
Nachfrageragenten, ob sie in eine Verhandlung fiber dessen Preis eintreten mSchten und senden im positiven Falle eine Nachricht vom Typ request an den Anbieteragenten. Ffir jeden interessierten Nachfrager erzeugt der Anbieteragent einen Hilfsagenten der Objektklasse SellerDelegate, der die eigentliche Verhandlung mit einem einzelnen Nachfrager durchfiihrt. Der Hilfsagent sendet anschliegend eine erste offer Nachricht an den ihm zugeordneten Nachfrageragenten. Dieser nimmt das Angebot entweder mit agree an, lehnt es mit decline ab oder beendet die Verhandlung ergebnislos mittels quit. Empf~ingt der Hilfsagent des Anbieteragenten ein decline, so kann er entweder erneut eine offer Nachricht schicken, oder er beendet seinerseits die Verhandlung mit quit. Abbildung 6.1 zeigt den Verhandlungsprozess als Zustandsdiagramm. Nach Beendigung einer Verhandlung informiert der Hilfsagent den Anbieter, der daraufhin diese Information den weiteren Hilfsagenten, die mit anderen Nachfrageragenten verhandeln, weiterleitet. Der in der Abbildung gezeigte Zustandsautomat ist jedoch in den Agenten nicht statisch kodiert. Statt dessen liest jeder Agent bei seiner Initialisierung eine Datei im CpXML-Format, die das zu verwendende Protokoll enth/ilt. Augerdem wird eine weitere Datei in einem ad-hoc ffir diese Anwendung entworfenen Format gelesen, die den einzelnen Zust/inden des Protokolls jeweils ein Objekt der Klasse Behavior zuordnet. Dieses Objekt enth/ilt die Anweisungen, die der Agent bei Erreichen dieses Zustands auszuffihren hat. 6 . 2 0 p e r a t i o n a l i s i e r u n g der Verhandlungsstrategien
6.2.1 Strategie des Anbieters Aus Sicht des Verk/iufers ist die oben in Abschnitt 4.5.5 dargestellte PacmanStrategie ideal. Bei dieser Strategie bietet der Verldiufer in jeder Periode der Verhandlung den Preis, der dem hSchsten Reservationspreis eines oder mehrerer K/iufer entspricht, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht gekauft haben. In dem Modell von Bagnioli et al. folgen die K/iufer der ,,Get-it-while-youcan" (GIWYC)-Strategie, d.h. sie akzeptieren diesen Preis sofort, wenn er das erste Mal geboten wird. Unter den in diesem Modell gemachten Annahmen fiber die Verteilung der Reservationspreise aller K/iufer, insbesondere der Abst~inde zwischen den einzelnen Reservationspreisen, bilden Pacmanund GIWYC-Strategie ein TPG. In diesem TPG werden erstens alle mSglichen Tauschgewinne realisiert, zweitens fallen diese Gewinne vollst/indig
6.20perationalisierung der Verhandlungsstrategien
217
dem Verkiiufer zu. Neben den Bedingungen fiber die Abst~inde zwischen den einzelnen in der Gesamtnachfrage vorhandenen Reservationspreisen setzt dieses TPG jedoch voraus, dass der Verkiiufer perfekte Kenntnis der Verteilung der Reservationspreise in der Nachfrage besitzt. 1 Nur unter dieser Voraussetzung ist seine Drohung glaubwfirdig, den Preis erst dann zu senken, wenn alle K~iufer mit dem entsprechenden Reservationspreis gekauft haben. Diese Drohung ist jedoch notwendig, damit das Strategiepaar Pacman und GIWYC ein TPG bildet. Kennt der Verkiiufer die Nachfrage nicht exakt, kann es vorkommen, dass er einen Preis bietet, der hSher ist als der hSchste Reservationspreis eines K~iufers, der noch nicht gekauft hat. In diesem Fall w~ire es aus Sicht des Verkiiufers selbstsch~digend, auf diesem Preis unbegrenzt lange zu beharren, da kein rationaler K~iufer je zu diesem Preis kaufen wird. In jeder realen Situation ist die Annahme einer perfekten Kenntnis der Verteilung der Reservationspreise nicht sinnvoll haltbar. Der Algorithmus, den der Verl54uferagent zur Ermittlung seiner Angebotspreise einsetzt, muss daher die MSglichkeit beinhalten, Anpassungen vorzunehmen, wenn sich bestimmte anfangs gehegte Erwartungen fiber die Verteilung der Nachfrage nicht best~itigen.
6.2.1.1 Einfaches Modell der Nachfrage Das im folgenden dargestellte einfache Modell der Verteilung der Reservationspreise der Nachfrager lehnt sich an das Modell von Bagnioli et al. an. Aus diesem Modell werden zwei Parameter fibernommen, zum einen die Anzahl der Nachfrager N und zum anderen der hSchste vorhandene Reservationspreis b. W~hrend die Anzahl der Nachfrager dem Anbieter bekannt ist, da sich jeder Nachfrager vor Beginn des Verhandlungsprozesses beim Anbieter registrieren muss, indem er sein prinzipielles Interesse an dem angebotenen Informationsgut signalisiert, ist der Verkiiufer hinsichtlich des hSchsten vorhandenen Reservationspreises b auf eine Sch~itzung angewiesen, der z.B. lWie oben bereits diskutiert wurde, entspricht die Situation, in der die Verteilung der Zahlungsbereitschaften auf der Nachfrageseite bekannt ist, jedoch nicht die Zuordnung der einzelnen Akteure zu den bekannten Zahlungsbereitschaftsklassen der Situation einer zweiseitigen Verhandlung mit einem einzelnen Akteur, dessen Zahlungsbereitschaft unbekannt ist, yon der jedoch bekannt ist, dass sie aus einer bestimmten Verteilung stammt.
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6 Automatisierte Verhandlungen: eine Simulation
frfihere Erfahrungen beim Angebot fi~hnlicher Informationsgfiter zugrunde liegen kSnnen. In Anlehnung an das Modell yon der Fehrs und Kiihns wird auf~erdem eine kleinste W~ihrungseinheit k berficksichtigt, die ebenfalls als allgemein bekannt betrachtet wird. Au~erdem wird die Funktion I(y) definiert als
I(y) - max (vk{v e N; vk < y).
(6.1)
I(y) ist also der n~ichstkleinere in ganzen W~rungseinheiten darstellbare Betrag zu einem Wert y E ]R. Ausgehend von den drei Parametern unterteilt der Anbieter die Gesamtnachfrage in M Klassen bo, bl, ...,bM-1. Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass die Reservationspreis- bzw. Nachfragerklassen in absteigender Reihenfolge indiziert sind, so dass gilt b0 > bl > ... > bM-1. Bei der Aufteilung der Nachfrager auf die Klassen sind zwei F~ille zu unterscheiden: Es gilt entweder 9 M = N, falls b/k>_ N oder aber
9 M = I(b)/k, falls b/k < N. Die Anzahl der Nachfrager in den einzelnen Klassen wird mit no, nl, ..., nM-1 bezeichnet. Jede Klasse enth~t genau einen Nachfrager, solange ffir jeden Nachfrager eine eigene Klasse gebildet werden kann. Ubersteigt andererseits die Anzahl der Nachfrager die Anzahl der in ganzen W~ihrungseinheiten darstellbaren Preise, werden so viele Klassen gebildet, wie separate Preise darstellbar sind. In diesem Fall kSnnen in einzelne oder alle Klassen mehrere Nachfrager fallen. Zun~ichst werden alle Klassen mit gleich vielen Nachfragern bestiickt. Bleibt anschliei~end eine Anzahl r < M Nachfrager iibrig, so werden diese auf die r hSchsten Klassen, also b0, bl, ..., br verteilt. Dieses Vorgehen ist aus Sicht des Anbieters optimistisch, denn es geht davon aus, dass die angenommene Gleichverteilung der Nachfrager im Zweifelsfall zum Bereich der hSheren Reservationspreise hin abweicht. Da aber auf~er den Werten der drei Parameter keinerlei Wissen fiber die tats~ichliche Verteilung der Nachfrage vorhanden ist, kann ebenso gut diese optimistische Annahme getroffen werden wie jede andere. Eine Alternative w~ire eine zuf'~illige Verteilung der iibrigen Nachfrager auf die Klassen. Dies wiirde jedoch bereits
6.20perationalisierung der Verhandlungsstrategien
219
in einfachen Ftillen dazu ffihren, dass Simulationsl~iufe mit gleichen Parametern keine reproduzierbaren Ergebnisse erbrtichten. Da der Unterschied zwischen der in zwei beliebigen Klassen bi und bj befindlichen Anzahl von Nachfragern nicht grSger als eins werden kann, fiillt er bei grSgeren N kaum ins Gewicht. Die einzelnen Reservationspreisklassen werden nach der Formel bi = I ( b ) i ( I ( b ) / M ) ermittelt, wobei i = 0, . . . , M - 1. Ffir die Werte b = 100, M = 10 sowie k = 0, 01 ergeben sich z.B. die Klassen bo = 100, bl = 90, b2 - 80 usw. bis b9 --- 10. _
6.2.1.2 Ermittlung der Gebote und Anpassungsmechanismus Der Anbieter bietet so lange den Preis, der der hSchsten Reservationspreisklasse entspricht, bis alle no Nachfrager in dieser Klasse gekauft haben. Anschlie~end bietet er den Preis der zweithSchsten Reservationspreisklasse, bis alle Nachfrager in dieser Klasse gekauft haben usw., bis er bei der niedrigsten Klasse angelangt ist und alle Nachfrager bedient hat. Solange die Nachfrager sich entsprechend den Erwartungen des Anbieters verhalten, entspricht dessen Verhalten also der Pacman-Strategie. Da der Anbieter jedoch keine perfekte Kenntnis der Nachfrage besitzt, muss er zustitzlich fiber einen Anpassungsmechanismus verfiigen, der in dem Fall aktiviert wird, dass sich seine ursprfinglichen Erwartungen als falsch erweisen. Zwei Probleme sind hinsichtlich des Anpassungsmechanismus zu 15sen. Zum einen muss der Anbieter fiber eine Methode verffigen, um festzustellen, dass seine Erwartungen falsch sind, also nicht der tatstichlichen Nachfrage entsprechen. Zum anderen muss er in der Lage sein, neue Erwartungen zu bilden, wenn sich seine gegenw~tigen Erwartungen als falsch herausgestellt haben. Zuntichst wird die Frage der Feststellung einer Diskrepanz zwischen erwarteter und tatstichlicher Nachfrage diskutiert. Um festzustellen, ob seine Erwartungen falsch sind, verfolgt der Anbieter zum einen die Zahl der bisher gettitigten Verld4ufe fi und zum anderen die Zahl der Ablehnungen di, die er bereits auf ein Gebot bi hin erhalten hat. Er kann sptitestens dann sicher sein, dass sich seine Erwartung nicht mehr erffillen kann, wenn N - ~ - di < ni gilt. In diesem Fall haben so viele Nachfrager das Angebot abgelehnt, dass die Gesamtzahl der ffir diese Klasse erwarteten angenommenen Angebote in jedem Fall unterschritten wird.
220
6 Automatisierte Verhandlungen: eine Simulation
Ein einfaches Verfahren, neue Erwartungen zu formulieren, wenn dies notwendig wird, besteht darin, den erwarteten maximalen Reservationspreis um einen festen Faktor a mit a < 1 nach unten zu korrigieren und anschliegend die Erwartungen wie oben beschrieben zu ermitteln. Die nach der /-ten Anpassung erwarteten Nachfragerklassen seien mit bi,l bezeichnet. Der hSchste urspriinglich erwartete Reservationspreis ist dann b0,0 = b, nach der/-ten Anpassung wird als maximaler Reservationspreis b0,t erwartet. Fiir die Anpassung des maximalen erwarteten Reservationspreises gilt bo,~+1 = I(abo,l). Ausgehend von dem neuen Maximalwert werden die weiteren Klassen dann wie oben nach der Vorschrift bi,t+l = b0,1+l - i(bo,t+l/M) ermittelt, wobei i -- 1, ..., M - 1. Es ist zu beachten, dass der Index l, der die Anpassungen z~ihlt, nicht mit der Verhandlungsperiode t identisch ist. Solange sich in einer Periode t die Erwartungen des Anbieters erfiillen, ist keine Anpassung erforderlich und somit erhSht sich auch der Index 1 nicht. Der Faktor a kann in einem solchen Modell als ein zusammenfassendes Mag ffir die St~ke des Anbieters interpretiert werden. Verschiedene Einzelfaktoren tragen dazu bei, ob ein Anbieter grSgere oder kleinere Korrekturen an seinen Erwartungen vornehmen wird. Zum einen ist vorstellbar, dass der Anbieter andere, im Modell nicht direkt beriicksichtigte Griinde hat, die seine Erwartungen bezfiglich der Nachfrage beeinflussen. Dabei kSnnte es sich z.B. um friihere Erfahrungen mit der Nachfrage nach fi,hnlichen Informationsgiitern handeln. Den zweiten wichtigen Aspekt, der in den Parameter a einfliegt, bilden die Opportunit~itskosten des Wartens, denen sich der Anbieter gegeniibersieht.
6.2.2 Strategie der Nachfrager 6.2.2.1 Ermittlung der Erwartungen Im Rahmen eines Verhandlungsprotokolls, in dem Preisgebote ausschlieglich vom Anbieter ausgehen, besteht fiir den K~iufer das Problem darin, in Abh~ingigkeit von seinem eigenen Reservationspreis die optimale AngebotshShe zu ermitteln, bei der er zustimmt. In dem Modell von Bagnoli et al., in dem der Anbieter die Nachfrage perfekt kennt und die Pacman-Strategie anwendet, haben die Nachfrager keine rationale Alternative zur GIWYCStrategie, bei der sie das erste Angebot annehmen, das gleich ihrem oder geringer als ihr jeweiliger Reservationspreis ist. Denn wenn der Anbieter
6.20perationalisierung der Verhandlungsstrategien
221
einen bestimmten Preis bietet, wird er erst dann ein besseres Angebot unterbreiten, wenn alle Nachfrager, deren Reservationspreis gr5f~er oder gleich diesem Preis ist, das Angebot angenommen haben. Ist der Anbieter dagegen unvollkommen fiber die Verteilung der Reservationspreise informiert, besteht aus Sicht der Nachfrager die Chance, ein besseres Angebot als den eigenen Reservationspreis zu erhalten. Wie im vorigen Abschnitt dargestellt, korrigiert der Anbieter seine Erwartung hinsichtlich der Nachfrage, wenn er davon ausgeht, dass diese nicht der Realit~it entspricht. Daraus folgt fiir die Nachfrager ein gewisser Spielraum, ihre tats~ichliche Zahlungsbereitschaft zu verbergen. Die GrS~e dieses Spielraums h~ingt einerseits von der St~irke der Position des Anbieters ab, die in dem oben dargestellten Modell in dem Parameter a zusammengefasst wurde, andererseits vonder Zeitpr~iferenzrate des Nachfragers. Damit ein rational agierender Nachfrager das Angebot ermitteln kann, dem er zustimmen sollte, muss er zuniichst die Folge der Angebote antizipieren, die der Anbieter unterbreiten wird. Zu Beginn des Verhandlungsprozesses kennt ein Nachfrager jedoch nicht alle Parameter, die die Folge der Angebotspreise determinieren. Daher mfissen auch die Nachfrager im Laufe des Verhandlungsprozesses ihre Erwartungen hinsichtlich der Folge der Angebotspreise mit den tats~ichlich gebotenen Preisen vergleichen und im Falle einer Abweichung Korrekturen vornehmen. Konkret verfiigen die einzelnen Nachfrager fiber das im Folgenden beschriebene Modell des Anbieters.
st bezeichnet das Angebot, das der Nachfrager in Periode t erwartet. Seine Erwartungen bildet der Nachfrager ausgehend yon dem ersten Angebot so = Po, durch das der Anbieter seine hSchste urspriinglich erwartete Zahlungsbereitschaft offenbart. Die Gesamtzahl der Nachfrager ist einem einzelnen Nachfrager jedoch nicht bekannt. Daher kann er nicht einfach das im vorigen Abschnitt beschriebene Vorgehen des Anbieters zur Ermittlung der Angebotsfolge nachvollziehen. Wird unterstellt, dass die Nachfrager wissen, dass der Anbieter stets von einem linearen Verlauf der Nachfragefunktion ausgeht und anschliet~end versucht, die Pacman-Strategie zu realisieren, so ben5tigt ein Nachfrager lediglich einen Parameter /3, der seine Erwartung bezfiglich des Betrages der Steigung der vom Anbieter erwarteten Nachfragefunktion angibt. Die anfiingliche Sch~itzung des Nachfragers beziiglich dieses Parameters sei mit/30 bezeichnet. Nachdem ein Nachfrager das erste Preisgebot so = p0
222
6 A u t o m a t i s i e r t e Verhandlungen: eine Simulation
des Anbieters empfangen hat, ermittelt er seine Erwartungen beziiglich der folgenden Preisgebote nach der Formel si = I ( s o ) - I(~0)i, wobei die Funktion I(.) wie in Gleichung 6.1 auf Seite 218 definiert ist. Da der Nachfrager jedoch unvollkommene Informationen fiber die Anzahl der Nachfrager und fiber die die St~irke des Anbieters, ausgedriickt in dessen Parameter a, besitzt, muss er seine Erwartung ~0 anpassen, sobald er beobachtet, dass die daraus ermittelte erwartete Angebotsfolge nicht den tats~ichlichen Angeboten entspricht. Diese Anpassung wird im hier dargestellten Algorithmus vorgenommen, indem der gleitende Durchschnitt der Abstfiade der letzten q tats~ichlichen Angebote gebildet wird. In den ersten q - 1 Angebotsrunden wird jeweils der Durchschnitt der Abst~nde aller Angebote genutzt. Das tats~ichliche Angebot in der Verhandlungsrunde t sei mit Pt bezeichnet. Es gilt dann =
bzw.
_
t
t <
q,
t
~t = _ ~i=t-(q-1) ( P t - 1 - Pt) , t _> q. q
Ffir diesen Anpassungsmechanismus spielt es keine Rolle, ob er in jeder Periode durchgeffihrt wird oder nur dann, wenn der Nachfrageragent tats/ichlich ein von seinen Erwartungen abweichendes Angebot erh/ilt, denn solange die tats~ichlichen Angebote den auf der Basis von ~t-1 erwarteten entsprechen, gilt ~t = ~t-1. 6.2.2.2 Entscheidungsmechanismus Die Entscheidung, welches der fiir die kiinftigen Verhandlungsperioden erwarteten Angebote der Nachfrager annimmt, trifft er anhand eines einfachen dynamischen Programms. Ein rationaler Anbieter wird nie zu einem Preis unterhalb der kleinsten W~ihrungseinheit k anbieten. 2 Aus der Preissenkungsrate f~t und dem ersten angebotenen Preis p0 ergibt sich die Periode, 2Zu einem Preis von Null und marginalen Produktionskosten von Null ist der Anbieter streng genommen indifferent zwischen Verkaufen oder nicht Verkaufen. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass in der Realit~it minimale marginale Kosten durch einen weiteren Verkauf entstehen. Es ist also realistisch, dass der Anbieter mindestens den Preis k verlangt. Aul~erdem wird hier davon abgesehen, dass je nach dem eingesetzten Zahlungsverfahren allein fiir die Zahlungsabwicklung Transaktionskosten anfallen kSnnen, die erheblich hiiher als ein realistisches k von z.B. 0,01 Euro liegen.
6.3 Architektur und Implementierung der Simulation
223
in der der Nachfrager ein Angebot in HShe von k erwartet, als Tt = - k I-(p~ ot ) " Bei einer Zeitpr~iferenzrate von ~B und einem tats~ichlichen Reservationspreis von b* erh~ilt der Nachfrager einen erwarteten Wert von VTL = ( b * - k ) . Der Wert in jeder frfiheren Periode ergibt sich rekursiv als Vt = max {b* - Pt, ~sVt+l }, da in jeder Periode die Entscheidung zwischen Annahme oder Ablehnung des aktuellen Angebots getroffen werden muss. Vom Zeitpunkt des Verhandlungsbeginns her betrachtet ist der optimale Zeitpunkt, das Angebot anzunehmen, die erste Periode in der gilt b* - p t >_ ~ s Y t + l . 6.3 A r c h i t e k t u r u n d I m p l e m e n t i e r u n g der Simulation 6.3.10"bersicht Ziel dieses Abschnittes ist es, dem Leser einen LTberblick fiber das ffir diese Arbeit entwickelte System InfoBargain zu geben. Das System wurde unter Nutzung der Multiagentenumgebung MadKit 3 erstellt. Dabei handelt es sich um ein Basisgerfist ffir Multiagentenanwendungen, das auf einem Agent-Gruppe-Rolle-Organisationsmodell beruht: Agenten kSnnen systemweit anhand einer spezifischen Adresse, der ZugehSrigkeit zu einer Gruppe sowie einer ihnen zugewiesenen Rolle identifiziert werden. Aufgerdem bietet MadKit Funktionen zur Kommunikation von Agenten, die ohne Modifikation der einzelnen Agenten auch in verteilten Systemen eingesetzt werden kSnnen. In dieser Arbeit werden darfiber hinaus von MadKit bereitgestellte Funktionen zur Unterstfitzung von Simulationssystemen eingesetzt, die die Ablaufkoordination der Agenten auf einem einzelnen Rechner fibernehmen und eine transparente Beobachtung der internen Zust~inde von Agenten erlauben. Die Beobachtungsfunktionen erlauben es, ohne Eingriff in den Programmcode der Agenten die Daten zu sammeln, die ffir die Evaluation des Systems benStigt werden. Abbildung 6.2 zeigt ein Klassendiagramm4 des Systems. Der lJbersicht3Vgl. F e r b e r und G u t k n e c h t , 2002. InfoBargain basiert momentan auf der zur Zeit seiner Programmierung aktuellen Version 3.1b5, im Oktober 2004 wurde Version 4 verSffentlicht. 4Klassendiagramme stellen einen von mehreren in der Unified Modeling Language (UML) enthaltenen Diagrammtypen dar. Auf eine ausffihrliche ErSrterung der UML
6 Automatisierte Verhandlungen: eine Simulation
224
lichkeit h a l b e r w u r d e die D a r s t e l l u n g auf die K l a s s e n n a m e n beschr~inkt. Wichtige A t t r i b u t e u n d M e t h o d e n werden in den folgenden B e s c h r e i b u n g e n der wesentlichen Klassen erSrtert.
Die Klasse A b s t r a c t A g e n t
Die Klasse A b s t r a c t A g e n t ist Teil der M a d K i t -
P l a t t f o r m . Sie kapselt g r u n d l e g e n d e F u n k t i o n e n eines M u l t i a g e n t e n s y s t e m s . I m Wesentlichen h a n d e l t es sich u m F u n k t i o n e n z u m Versand von Nachricht e n an a n d e r e A g e n t e n sowie u m ein Rollenmodell, das es e r l a u b t , a n d e r e A g e n t e n ausfindig zu m a c h e n . Die in I n f o B a r g a i n g e n u t z t e n M e t h o d e n sind:
9 sendMessage(address,message):
Versendet eine Nachricht m e s s a g e
an den A g e n t e n mit der Adresse a d d r e s s .
9 getAgentWithRole(communityName, groupName, roleName): Liefert einen Agenten in der Community mit dem Namen communityName und der Gruppe mit dena Namen groupName, der die Rolle mit der Bezeichnung roleName ausfSllt.Diese Funktion wird yon Agenten der Klasse B u y e r g e n u t z t , u m einen Verkiiufer (einen A g e n t e n der Klasse S e l l e r )
zu finden.
wird hier verzichtet, da es sich um eine weit verbreitete Methode der Modellierung handelt. Stattdessen seien einige knappe Hinweise zur Interpretation der Abbildung gegeben: 9 Umrahmte K~ten stehen fiir Objektklassen, die verschiedenen Verbindungslinien stellen verschiedene Typen von Beziehungen zwischen den Klassen dar. 9 Verbindungen, die in einem nicht gefiillten Dreieck enden, stellen Generalisierungen dar, d.h. die Klasse, auf die das Dreieck zeigt, stellt eine Oberklasse zu der Klasse dar, vonder die Verbindung ausgeht. 9 Verbindungen, die in einem ausgefiillten Rhombus enden, stellen Komponentenbeziehungen dar, d.h. die Klasse, von der die Verbindung ausgeht, ist eine Komponente der Klasse, bei der sich der Rhombus befindet. Komponenten sind zur Funktion der enthaltenden Klasse notwendig. 9 Verbindungen, die in einem nicht gefiillten Rhombus enden, stellen Aggregationen dar. Der Unterschied zu einer Komponentenbeziehung besteht darin, dass die aggregierten Klassen nicht ohne die aggregierende Klasse existieren kSnnen. 9 Zahlenwerte an den Verbindungen bezeichnen die Anzahl der Instanzen, die yon der jeweiligen Klasse vorhanden sein miissen bzw. kSnnen. So bedeutet '1', dass genau eine Instanz existieren muss. '2..*' bedeutet, dass es mindestens zwei Instanzen geben muss, es kSnnen aber beliebig viele sein.
... w e i t e r e S t r a t e g y - K l a s s e n
... w e i t e r e B e h a v i o r - K l a s s e n
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6 Automatisierte Verhandlungen" eine Simulation
226
Die Klasse FSMhgent Dies ist die Basisklasse aller in InfoBargain genutzten Agenten. Die Klasse FSMAgent erbt die Eigenschaften der Klasse A b s t r a c t Agent und stellt zus~itzlich die Funktionalit~it eines finiten Automaten (engl. finite state machine, FSM) zur Verffigung. 5 Das wichtigste Attribut dieser Klasse stellt eine Kollektion s t a t e s dar, die Objekte der Klasse S t a t e beinhaltet. Diese reprfisentieren die einzelnen Zust~nde des finiten Automaten. Jeder Instanz von S t a t e ist eine Instanz der Klasse Behavior zugeordnet. Auf~erdem existieren Felder fiir den Anfangszustand sowie fiir den gegenw~rtigen Zustand des Automaten. Eine Methode d o T r a n s i t i o n ( a c t i o n ) 15st den Ubergang vom gegenw~rtigen Zustand zu einem der mSglichen Folgezust~inde aus, wobei die Transition gewfi~hlt wird, die den Namen a c t i o n tr~igt. Anschlief~end wird das dem neuen Zustand zugeordnete Verhalten ausgeffihrt, das in dem entsprechenden Behavior-Objekt gekapselt ist. o.
Die Klasse Behavior Die abstrakte 6 Klasse Behavior implementiert die Schnittstelle Runnable aus dem Java-Standardpaket j a v a . lang. Diese dient dazu, Fragmente von ausffihrbarem Programmcode zu kapseln. Die einzige Methode, die von der Schnittstelle verlangt wird, ist r u n ( ) und dient dem Aufruf des gekapselten Programmcodes. Daneben enth~ilt Behavior ein Attribut agent, das eine Instanz der Klasse FSMhgent referenziert. Innerhalb der Implementierung der Methode r u n ( ) in einer Unterklasse kSnnen dadurch Methoden des jeweiligen Agenten aufgerufen werden. Aut~erdem ist ein Mechanismus vorgesehen, der die Aufteilung der fiir ein Verhalten notwendigen Berechnungen in mehrere Schritte erlaubt, um die Laufzeit bei einem einmaligen Aufruf der Methode r u n ( ) zu begrenzen. 7 Die Klasse ProtocolAgent Diese abstrakte Klasse beerbt FSMAgent. Sie erweitert deren Eigenschaften um eine Referenz auf eine Instanz der abstrak5Als finiter Automat wird ein System bezeichnet, das eine endliche Menge definierter Zust~inde einnehmen kann. Das System wechselt von einem Zustand in einen anderen, wenn eine entsprechende Verbindung (Transition) aktiviert wird. 6In Java bezeichnet das Schliisselwort abstract Klassen, die nicht direkt instantiiert werden k6nnen, sondern lediglich der Generalisierung von Subklassen dienen. 7Diese Form des kooperativen Umgangs mit der verfiigbaren Rechenleistung ist ein Zugest~indnis an die Tatsache, dass InfoBargain auf Einprozessorsystemen lauff~hig sein soll, auf denen ein wirklich paralleles Arbeiten der Agenten nicht mSglich ist. Zudem bietet das Thread-Modell der Sprache Java keine ausreichenden Garantien in Bezug auf pr~temptives Multitasking, um eine faire Behandlung der Agenten durch den Thread-Scheduler sicherzustellen.
6.3 Architektur und Implementierung der Simulation
227
ten Klasse Strategy. Dariiber hinaus beinhaltet sie Funktionen zum Senden und Empfangen aller in InfoBargain zul~sigen Nachrichtentypen. Die Sendefunktionen dienen dazu, die in den Instanzen der Klasse Behavior enthaltene Logik des Agentenverhaltens mSglichst iibersichtlich zu halten, indem technische Aufgaben wie das Zusammensetzen einer giiltigen Nachricht vor dem Versand in diese Klasse ausgelagert werden. Die Namen der Sendefunktionen folgen dem Schema sendNachrichtentyp (Empf~inger, Parameter), wobei tIachri ch t entyp ftir die einzelnen zul~issigen Typen steht und Parameter ftir evtl. notwendige zus~itzliche Informationen. Ein neues Preisangebot z.B. wird mit der Methode send0ffer(Empf~inger,Preis) versandt. Die Empfangsfunktion sorgt zun~ichst dafiir, dass die der empfangenen Nachricht entsprechende Transition des finiten Automaten ausgelSst wird. Anschlie~end wird, soweit erforderlich, die empfangene Nachricht in der zugeordneten Instanz der Klasse History registriert. Dadurch stehen die Informationen den iibrigen Komponenten des Agenten zur Verfiigung. Insbesondere die Unterklassen der Klasse S t r a t e g y greifen darauf zu. Die Klasse Buyer Die Klasse Buyer stellt den eigentlichen Nachfrageragenten dar. Es handelt sich um eine Unterklasse von ProtocolAgent. Zus~itzlich zu dessen Eigenschaften enth~i/t Buyer Referenzen auf je eine Instanz der Klassen P r e f e r e n c e S t r u c t u r e und Strategy. Die Klasse P r e f e r e n c e S t r u c t u r e dient der Abbildung der PrMerenzen des Nachfragers, wobei das in Abschnitt 6.2.2 dargestellte Modell zum Einsatz kommt. Die Klassen S e l l e r und S e l l e r D e l e g a t e Diese Klasse repr~entiert den eigentlichen Anbieteragenten. Seine Aufgabe besteht darin, eine Nachicht vom Typ a d v e r t i s e an alle Buyer-Agenten zu senden. Fiir jeden Buyer, der mit einer request-Nachricht reagiert, erzeugt der S e l l e r eine Instanz der Klasse SellerDelegate, an die er die Adresse des betreffenden Agenten tibergibt. Diese Agenten ftihren den Hauptteil der Verhandlung mit dem jeweiligen Buyer. Die Klasse S t r a t e g y und ihre Unterklassen Die wichtigste Methode der Klasse S t r a t e g y ist getNextAction(agent ). Diese Funktion wird von den Unterklassen tiberladen und dient dazu, die folgende Handlung des Agenten zu bestimmen. Je nach Protokoll und Situation kann es sich dabei um einen
228
6 Automatisierte Verhandlungen: eine Simulation
Preis fiir das n~ichste Gebot bzw. Gegengebot, um eine Ablehnung des aktuellen Angebots der Gegenseite oder einen Abbruch der Verhandlung handeln. Der Riickgabewert der Methode ist in der aktuellen Implementierung eine reelle Zahl (Java-Datentyp double), wobei die Aktionen Ablehnung und Abbruch der Einfachheit halber durch bestimmte negative Werte dargestellt werden. In den unten beschriebenen Simulationsl~iufen werden im Wesentlichen die Strategietypen PacmaaSellerStrategy fiir den Anbieteragenten und DyaProgBuyerStrategy fiir den Nachfrageragenten verwendet. Zum Vergleich werden noch C o u r n o t S e l l e r S t r a t e g y und GIWYCBuyerStrategy herangezogen. Diese vier Klassen werden im Folgenden nfi~her erSrtert. Hierbei handelt es sich um eine Implementierung der in Abschnitt 6.2.1 beschriebenen Strategie fiir den Anbieter. Die wichtigsten Attribute dieser Klasse sind die drei Arrays buyerClasses [], buy-
PacmanSellerStrategy
erClassPopulations[] und buyerClassDeclines[]. Bei erstererhandelt es sich um eine Liste reeller Zahlen, die die erwarteten Reservationspreise der K~iuferklassen repr~entieren. Die zweite und dritte Liste enthalten ganze Zahlen, wobei die Elemente der zweiten die erwartete Anzahl von K~iufern in der entsprechenden Klasse angibt und die dritte die Anzahl der K~iufer, die das entsprechende Angebot bereits abgelehnt haben. Die drei gerade beschriebenen Listen werden durch die Methode setupBuyerClasses() in Abh~i~gigkeit von der GrSi~e des Parameters maxWillToPay initialisiert, s Riickmeldungen fiber den Verlauf der Verhandlungen erhalten die Klassen durch die Methode n o t i f y D e c l i n e ( ) , die vonder Behavior-Unterklasse S e l l e r 0 n e s i d e d 0 f f e r P e n d i n g aufgerufen wird, wenn von dem zugeordneten Buyer eine Nachricht vom Typ d e c l i n e gesendet wurde. DynProgBuyerStrategy Diese Klasse implementiert die in 6.2.2 beschriebene Strategie fiir den Nachfrager. Die wichtigsten Attribute dieser Klasse sind die reellen Werte beta, d e l t a und willToPay sowie die Liste reeller Werte contValues[]. Letztere enth~ilt die Erwartungswerte des Nachfrageragenten bei einer Fortsetzung der Verhandlungen und wird durch die maxWillToPay() entspricht dem Parameter b in dem abstrakten Modell in Abschnitt 6.2.1. Die Initialisierung der Listen erfolgt, wie in dem angegeben Abschnitt beschrieben.
6.4 Simulationsergebnisse
229
Methode getContValues() in Abh~i~gigkeit yon der Erwartung der (negativen) Steigung der Grade der Angebote (beta), seiner Zeitprgerenzrate (delta) und seiner wahren Zahlungsbereitschaft (willToPay) aktualisiert. Die Methode u p d a t e B e l i e f s ( ) wird nach jedem Gebot des Anbieteragenten aufgerufen, um den Parameter b e t a anzupassen. 6.4
Simulationsergebnisse
6.4.1 Struktur der Ergebnisse In jedem Durchlauf der Simulation bietet der Verk/iuferagent ein Informationsgut an. Die Zahl der Nachfrageragenten und in der Regel auch deren Zahlungsbereitschaften werden vorab festgelegt. Als Ergebnis eines Durchlaufs ergeben sich die Preise, denen die Nachfrageragenten schlief~lich zugestimmt haben, sowie die Anzahl der Perioden, die bis zu diesen Einigungen jeweils vergangen sind. 9 Abbildung 6.3 stellt als Beispiel die Ergebnisse eines einzelnen Simulationslaufs im Uberblick dar. In diesem Durchlauf wurden 100 Nachfrageragenten simuliert, deren Zahlungsbereitschaften linear von 100 Geldeinheiten (GE) bis 1 GE verlaufen. Fiir jeden Nachfrageragenten gilt ein Zeitdiskontierungsfaktor delta=0.9 und ein Ged/ichtnisparameter q=l. Hier und, wenn nichts anderes angegeben ist, auch in den folgenden Abschnitten wird angenommen, dass die Anfangserwartungen des Anbieteragenten hinsichtlich des Verlaufs der Nachfrage korrekt sind, d.h. er antizipiert eine hSchste vorhandene Zahlungsbereitschaft von 100 GE und einen linearen Verlauf. Als kleinste W/ihrungseinheit wird stets c-0.01, also ein ,,Cent", verwendet. Jede Einheit der horizontalen Achse steht fiir einen Agenten. An der linken vertikalen Achse sind Zahlungsbereitschaften (Symbol '+') und Einigungspreise (Symbol 'x') in GE abgetragen. Die rechte vertikale Achse ist mit einer zweiten Skala versehen, an der die Verhandlungsdauer in Perioden (Symbol '~') abgetragen ist. Zwischen Einigungspreisen und Verhandlungsdauer besteht, wie deutlich zu erkennen ist, eine gegenl/iufige Beziehung: je niedriger der Einigungspreis, desto 1/inger hat die Verhandlung gedauert. Weiterhin sieht man, dass Einigungen auf denselben Preis immer in 9Im Folgenden werden s/imtliche Angaben zur Verhandlungsdauer ausschlief~lichin Perioden angegeben. Die tats~ichliche Zeit, die bis zur Einigung vergeht, h~.ngt nahezu ausschlief~lich vonder verwendeten Hardware ab und ist daher wenig aussagekr~ftig.
230
6 Automatisierte Verhandlungen: eine Simulation
~oo
i§247247247 . . . . . .
zah,un~;.~ch..'
90~:<<<'-.~:~:++,~. |
++++
+
Einigungspreis bei alpha,,O.9, delta,,O.9, q=l Verhandlungsdauer
x 9
§247247
70
80
:
~o~+§247
..: ,,,~. § ~ §
40
15
. . . . . .
i 0
I 10
"I 20
I 30
I 40
I 50
I 60
20
,..
n
~
I 70
I 80
90
0 00
Agenten
Abbildung 6.3: Ergebnisse eines Simulationslaufs (eigene Darstellung) derselben Periode zustande kommen: die einzelnen Stufen der beiden Kurven liegen jeweils genau fibereinander. Dies ist auf die Tatsache zurfickzuffihren, dass alle Nachfrageragenten den gleichen Zeitdiskontierungsfaktor d e l t a aufweisen. 6.4.2 Einfluss der Parameter
6.4.2.1 Die Parameter alpha und d e l t a Zun~ichst wird der Einfluss der beiden zentralen Parameter alpha und delta untersucht. Alle Ergebnisse in diesem Abschnitt wurden mit einem Wert yon 10 ffir den Parameter q ermittelt. Der Einfluss dieses Parameters wird im folgenden Abschnitt dargestellt. In Abbildung 6.4 sind an der vertikalen Achse die Zahlungsbereitschaften sowie die erzielten Einigungspreise abgetragen. Die einzelnen Symbole entlang der horizontalen Achse stehen ffir jeweils einen von insgesamt 100 Agenten. Exemplarisch werden hier drei Kombinationen der Parameter alpha und d e l t a betrachtet. Die Zahlungsbereitschaften der Agenten (Symbol '§ fallen wieder linear
6.4 Simulationsergebnisse
231
100 I++% . . . . ++% L ++ 8090[ +++%+++%+
~-, 70
.
.
2~ahlungsbereitschaft' + x
Einigungspreisbei alpha-0.9, delta=0.9
bei alpha=0.95 delta=0.9 iii bei alpha=0.9, clelta,,0.95
o
+§247247 --..
*+§247 %. §247
9-
.=_ =~
~
-,-++
~0oo<~
so
/
%+§247247247
,,
30 ......................
4,.
~ooooooooo.~
.................... I IT | ,||,
20
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I
I
50
60
70
~ i "'" "
80
"
"
~
90
100
Agenten
Abbildung 6.4: Der Einfluss der Parameter alpha und delta auf die Einigungspreise in einem Simulationslauf (100 Agenten, q=10) von 100 GE auf 1 GE. Die drei Kurven der Einigungspreise weisen dagegen unterschiedlich breite Stufen auf. Dies resultiert aus der Tatsache, dass der Anbieteragent zwar versucht, die Pacman-Strategie zu realisieren, also von jedem Nachfrager genau dessen Zahlungsbereitschaft zu fordern. Die Nachfrager nehmen aber diese Angebote nicht an, da sie erwarten, dass der Anbieter die Preise in Zukunft senken wird. Erfolgt eine solche Senkung der Preise, dann ist das neue Angebot in der Regel fiir mehrere Nachfrager gleichzeitig akzeptabel, was zu den beobachtbaren Bereichen gleicher Einigungspreise fiihrt. Wie zu erwarten, n~ihern sich die Einigungspreise bei einem st~keren Anbieter (alpha=0.95; Symbol '-~') bei gleichem Diskontierungsfaktor d e l t a den Zahlungsbereitschaften an. Geduldigere Nachfrager (delta=0.95; Symbol '[E') erzielen dagegen bei gleicher St~irke des Anbieters niedrigere Einigungspreise. Dariiber hinaus fiillt auf, dass es dem st~keren Anbieter gelingt, die Nachfrager feiner zu differenzieren. So ergeben sich 21 verschiedene Einigungspreisstufen fiir die Parameterwerte alpha=0.9 und delta=0.9, aber 32 verschiedene Stufen fiir alpha=0.95 bei gleichem delta. Die Erkl~irung hierf/ir ist, dass ein st~irkerer Anbieter seine Erwartungen, und da-
232
6 Automatisierte Verhandlungen: eine Simulation
mit auch seine kfinftigen Angebote, in kleineren Schritten korrigiert als ein schw~icherer. Die Strategie der Nachfrager berficksichtigt dies, da das vergangene Preissenkungsverhalten des Anbieters auf die Zukunft extrapoliert wird. Die Nachfrager sehen sich also bei ihrer Entscheidung einer grSf~eren Zahl mSglicher Einigungszeitpunkte gegenfiber. Nachfrager mit unterschiedlicher Zahlungsbereitschaft w~ihlen daher auch verschiedene optimale Einigungszeitpunkte aus. Umgekehrt finden sich bei den geduldigeren Nachfragern ( d e l t a = 0 . 9 5 ) und einer gegenfiber der Ausgangssituation unver~inderten St~irke des Anbieters (alpha=0.9) nur 12 verschiedene Einigungspreise, die Genauigkeit der Preisdifferenzierung sinkt also. Hier gelingt dem Anbieter also nur eine weniger genaue Differenzierung als in der A usgangssituation. Die E r k l ~ u n g liegt darin, dass die Einigungen in diesem Fall sp~iter erfolgen, wenn der Anbieter bereits eine Reihe von Korrekturen an seinen ursprfinglichen Erwartungen vornehmen musste. Konkret kommt es in der Ausgangssituation ( a l p h a = d e l t a = 0 . 9 ) bereits nach ffinf Perioden zu den ersten Einigungen, w~ihrend in dem hier betrachteten Durchlauf erst nach elf Perioden erste Einigungen stattfinden. In der verbleibenden Zeit liegen weniger Anpassungsstufen durch den Anbieteragenten als in der Ausgangssituation, weshalb auch keine feinere Differenzierung mehr gelingt. Die Abbildung 6.5 zeigt den kombinierten Einfluss der Parameter a l p h a und d e l t a . Insgesamt wurden 100 Durchl~iufe der Simulation durchgeffihrt, wobei die Werte beider Parameter in Schritten von 0.01 im Bereich von 0.9 bis 0.99 variiert wurden. 1~ Abh~ingige GrSf~e in dieser Abbildung ist die l~
Anmerkungen sind zu dieser und den folgenden, ~ihnlichen Grafiken notwendig" 1. Ausschlief,lich die Werte an den Kreuzungspunkten zweier Linien sind durch Simulationsl~iufe ermittelt worden. Die verbindenden Strecken dienen lediglich der Visualisierung, vermitteln darfiber hinaus aber keine weiteren Informationen. 2. Die Beispielwerte der Parameter sind willkfirlich gew~ihlt. Ziel war es, einigermaf,en realistische Werte zu untersuchen. Realistisch sind hohe Werte (bezogen auf das Intervall (0, 1), in dem die Parameter definiert sind) in jedem Fall ffir den Zeitdiskontierungsfaktor der Nachfrager; legt man realistische Marktzinss~itze zwischen 1 und 10 Prozent p.a.(!) zugrunde und berficksichtigt die extrem kurze Echtzeitdauer einzelner Perioden im Bereich von Zehntelsekunden, so mfissten eigentlich noch erheblich hShere Werte genutzt werden. Dies wfirde jedoch einen erheblich grSf,eren Aufwand in den Berechnungsroutinen des Simulationssystems erfordern, da die Genauigkeit des normalen Java-Datentyps double nicht ausreichen wiirde und daher mit speziellen, hochpr~izisen Datentypen gearbeitet werden miisste. Da kaum prinzipiell andere Aussagen mit wirklich realistischen Werten zu erwarten sind, abgesehen yon m6glichen Artefakten durch Rundungsfehler, wird hier auf
6.4 Simulationsergebnisse
233
50OO 450O
~. 4ooo I3500 I"
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2500 "c ._ 2000 I-
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0.99 ~
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Abbildung 6.5: Der Einfluss von alpha und d e l t a auf die Summe der Einigungspreise (100 Agenten, Zahlungsbereitschaften 100 WE bis 1 WE, q=10) Summe der Einigungspreise fiber alle 100 Agenten, deren Zahlungsbereitschaften wie oben von 1 GE bis 100 GE reichen. Da die marginalen Kosten des Anbieters hier immer mit Null angenommen werden, wird die Summe der Einigungspreise im Folgenden auch als Produzentenrente bezeichnet. Die Summe der Zahlungsbereitschaften und damit die obere Schranke der Summe der Einigungspreise bei rational handelnden Nachfragern betr~igt daher in jedem Durchlauf 1 + 2 + ... + 99 + 100 = 5050 G E. Die maximale Summe tats~ichlich realisierter Einigungspreise betr~igt hier 4496.59 GE bei (alpha,delta)=(0.99,0.91); 11 das Minimum liegt bei 949.33 GE und den Parameterwerten (0.9,0.99). Auf den ersten Blick mag es verwundern, dass das Maximum nicht bei delta=0.9- d.h. bei den ungeduldigsten Nachfragern - liegt. Allerdings berticksichtigt die Abbildung 6.5 nicht den Zeitpunkt, zu dem eine Einigung zustande gekommen ist. Ein ungeduldigerer Nachfradiesen zus~itzlichen Aufwand verzichtet. 11in diesem Abschnitt werden die Werte fiir alpha und delta im Folgenden als Tupel der Form (alpha,delta) notiert.
234
6 Automatisierte Verhandlungen: eine Simulation
8O 70 60 5O 40 30 20 10
~176 0.96~ ~ 0.95 9
~ \
~
0.92X_. [ 0.91 \ 1 0.9
~
~ \
~
\
_~r ~"0T92
~
~
\
/
\ 9
....
....
alpha
Abbildung 6.6: Der Einfluss von alpha und d e l t a auf die Verhandlungsdauer (100 Agenten, Zahlungsbereitschaften 100 WE bis 1 WE, q--lO) ger kann aber durchaus bereit sein, einen hSheren Preis zu akzeptieren als ein geduldigerer, solange die Einigung zu einem friiheren Zeitpunkt erreicht wird. Wie die Gratik erkennen l a s t , gibt es noch weitere Bereiche, in denen keine Monotonie in den Parametern gegeben ist. Die Abbildung 6.6 zeigt die mittlere Verhandlungsdauer in Abh~i~gigkeit der Parameter. Sie variiert zwischen 12.73 Perioden bei (0.9,0.91) und 72.71 Perioden bei (0.99,0.99). Wie zu erwarten, steigt die mittlere Verhandlungsdauer also mit der St~irke bzw. Geduld beider Verhandlungspartner. Allerdings existieren auch hier Bereiche, in denen sich diese Beziehung nicht streng monoton verh~ilt. Eine kombinierte Darstellung der Faktoren Einigungspreis und Einigungszeitpunkt liefert Abbildung 6.7 mit der Summe der Gegenwartswerte 12 der Einigungen aus Sicht der Nachfrageragenten in Abh~ingigkeit von den Pal2 z-,i=o~ K'~N ~bi -Pi)5 t~, wobei bi die Zahlungsbereitschaft des Agenten i, Pi den Einigungspreis dieses Agenten,ti den Einigungszeitpunkt, N die Anzahl der Agenten und 5 den Zeitdiskontierungsfaktor je Periode bezeichnet.
6.4 Simulationsergebnisse
3500
235
~-
~ 3000~ ~
0.98
\ _~,----"~-'-'--'~ \
0.97'~
0.~ o~
delta
~- ~ ~ ~ ~ \ ~
0"9~.93x'x~~
~
\ ~
~.~~'~
~
~, I
..~,, ~ 9 8 - "
Abbildung 6.7: Der Einfluss von alpha und d e l t a auf die Summe der Gegenwartswerte der K~iuferagenten (100 Agenten, Zahlungsbereitschaften 100 WE bis 1 WE, q=10) rametern. Diese Summe wird im Folgenden auch als Konsumentenrente bezeichnet. Das Maximum dieses Wertes liegt bei (0.9,0.99) mit 3390.65 GE, das Minimum bei (0.99,0.9) mit 31.99 GE. Die in der Grafik erkennbare Monotonie in beiden Parametern l~st sich auch anhand der numerischen Werte nachvollziehen. 6.4.2.2 Der Parameter q Der Parameter q driickt, wie in Abschnitt 6.2.2 er5rtert, die Zahl der zur/ickliegenden Perioden aus, die ein Nachfrageragent bei der Bestimmung seiner Erwartungen hinsichtlich der St~ke des Anbieteragenten beriicksichtigt. Die Abbildung 6.8 zeigt, wie sich unterschiedliche Werte fiir q auf die Einigungspreise unterschiedlicher Agenten auswirken. Untersucht wurden Werte von 1 bis 20 fiir Agenten mit Zahlungsbereitschaften von 100 GE bis 1 GE, wobei alpha und d e l t a jeweils auf 0.9 gesetzt wurden. W~ihrend extrem ,,vergessliche" Agenten mit q = l mit mittleren und hS-
6 Automatisierte Verhandlungen: eine Simulation
236
100 9-~
80
~
80
:~ u,i
40 20
eitsc,halt
Abbildung 6.8: Der Einfluss von q auf die Einigungspreise (100 Agenten, Zahlungsbereitschaften 100 WE bis 1 WE, alpha=0,9,
delta=O,9) heren Zahlungsbereitschaften einen erheblichen Nachteil haben, nehmen die erzielten Einigungspreise mit hSheren q-Werten sehr schnell ab. Bei Agenten mit niedrigen Zahlungsbereitschaften l~st bereits das individuell rationale Verhalten, keiner Einigung oberhalb der eigenen Zahlungsbereitschaft zuzustimmen, keinen grogen Spielraum, so dass hier der Einfluss eines grSgeren q auf die Einigungspreise gering ist. Auf der anderen Seite tritt bei hohen Zahlungsbereitschaften relativ schnell der Effekt ein, dass die Verhandlungsdauer geringer ist als gem~ig dem jeweiligen Wert fiir q beriicksichtigt werden kSnnte, so dass eine weitere ErhShung von q keinen zus~itzlichen Einfluss ausiiben kann. Dies ist im oberen rechten Bereich der Grafik zu erkennen.
6.4.3 Homogene Zahlungsbereitschaft Alle bisher dargestellten Ergebnisse beruhen auf Nachfragefunktionen, in denen die Zahlungsbereitschaften der Agenten von 100 GE bis 1 GE reichen. In diesem Abschnitt wird untersucht, wie sich die Ergebnisse ~indern, wenn von einer homogeneren Verteilung der Zahlungsbereitschaften ausge-
6.4 Simulationsergebnisse
237
Tabelle 6.2: Verwendete Nachfragefunktionen (jeweils 100 Nachfrageragenten) Max. ZB
Min. ZB
50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100
50 45.1 40.2 35.3 30.4 25.5 20.6 15.7 10.8 5.9 1
Schrittweite
0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1
Summe
ZB 5000 5005 5010 5015 5020 5025 5030 5035 5040 5045 5050
gangen wird. Dazu wurden elf beispielhafte Verteilungen herangezogen; die jeweils maximale und minimale vorhandene Zahlungsbereitschaft (ZB) sind in Tabelle 6.2 angegeben. Es handelt sich jeweils um linear fallende Funktionen mit 100 Nachfrageragenten, die resultierenden Schrittweiten und die Summen der Zahlungsbereitschaften sind ebenfalls in der Tabelle erfasst. Der Anbieter geht in allen in diesem Abschnitt diskutierten Simulations1/iufen anfangs von einer maximalen vorhandenen Zahlungsbereitschaft von 100 GE aus. Als Vergleichsmat~ wurde das Verh/iltnis der Summe der Einigungspreise (SEP) zur Summe der Zahlungsbereitschaften (SZB) einerseits sowie das Verh/iltnis der Summe der Gegenwartswerte (SGW) der Nachfrageragenten zur Summe der Zahlungsbereitschaften andererseits verwendet. Abbildung 6.9 zeigt die beiden Verh/iltniszahlen, abgetragen an der vertikalen Achse, ffir die elf Nachfragebeispiele aus Tabelle 6.2, die an der horizontalen Achse jeweils mit der maximalen vorhandenen Zahlungsbereitschaft abgetragen sind. 13 Das Verh/iltnis SEP/SZB kann als Ma~ ffir die Leistungsf'~Lhigkeit der Strategie des Anbieters aufgefasst werden, denn es gibt an, welchen Anteil 13Die verbindenen Strecken zwischen den Datenpunkten dienen wieder nur der besseren Visualisierung, tragen aber keine zus/itzliche Information.
6 Automatisierte Verhandhmgen: eine Simulation
238
0.7 ' SEP/SZB , SGW/SZB ---x---
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0.4-
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x .. . . . . . . . . . ~. . ..
M- ....... X . . . . . . . . . . . . .
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60
94 . . . . . . . . . ~ . . . . . . , -..
i
i
i
70
80
90
100
Maximale ZB in Nachfrage
Abbildung6.9: Leistungsf'fihigkeit der Strategien bei unterschiedlichen , Nachfragefunktionen (Je 100 Agenten, alpha-0.9,
delta=0.9, q=lO) der vorhandenen Tauschgewinne sich dieser aneignen kann. (Streng genommen miissten dabei die Verluste, die durch die bis zu einer Einigung vergangene Zeit entstehen, beriicksichtigt werden. Davon wird hier abgesehen, da der Parameter alpha in der Strategie des Anbieters bewusst nicht als Zeitdiskontierungsfaktor interpretiert wurde und ein solcher somit nicht explizit Teil des Modells ist.) Es zeigt sich, dass die Leistungsf'fihigkeit zun~ichst abnimmt, je st~irker die tatsiichliche Nachfragefunktion vom Modell des Anbieters abweicht. Dieser nimmt stets einen linearen Verlauf an, dessen Minimum genau der kleinsten W~ihrungseinheit c entspricht (vgl. Abschnitt 6.2.1). Ganz rechts in Abbildung 6.9 trifft diese Annahme ann~ihernd zu, wo die tats~ichlichen Zahlungsbereitschaften von 100 bis 1 GE reichen. Hier kann der Anbieter, sieht man von den Kosten des Wartens ab, mehr als 60% (SEP/SZB ~ 0.626) des vorhandenen Tauschgewinns realisieren. Je weiter man in der Abbildung nach links geht, desto weniger entspricht die tats~ichliche Gestalt der Nachfragefunktion der Erwartung des Anbieters. Bis zu der Beispielnachfrage mit einer maximalen Zahlungsbereitschaft von 80 GE fiihrt dies zu einem Ab-
6.4 Simulationsergebnisse
239
sinken des Gewinnanteils des Anbieters auf ca. 45% (SEP/SZB ~ 0.454). Die Ursache liegt darin, dass der Anbieter die Preise schneller als notwendig senkt, da er die minimale vorhandene Zahlungsbereitschaft untersch/itzt. Ab der Beispielnachfrage mit einer maximalen Zahlungsbereitschaft von 70 GE wird dieser Effekt dadurch aufgewogen, dass ein immer grSf~erer Anteil der Nachfrager aufgrund der hSheren minimalen Zahlungsbereitschaft einem unerwartet friihen Angebot zustimmt. Hier steigt die Leistungsf~higkeit wieder an. Ganz links in der Grafik, wo die Zahlungsbereitschaft aller Nachfrager 50 GE betr/igt, kann sich der Anbieter immerhin wieder mehr als 55% des Tauschgewinns aneignen (SEP/SZB ~ 0.565). Einen Ausreif~er bildet der Wert bei einer maximalen Zahlungsbereitschaft von 75 GE, der etwas oberhalb der benachbarten Punkte liegt. Dass es sich nicht nur um ein Artefakt aufgrund der Vernachl/issigung der Wartekosten handeln kann, zeigt ein Blick auf die untere Kurve, die an der gleichen Stelle eine Abweichung nach unten aufweist. Generell verl/iuft die untere Kurve in Abbildung 6.9, die das Verh~iltnis SGW/SZB zeigt, wie zu erwarten spiegelbildlich zur oberen Kurve, ist jedoch in der vertikalen Achse gestaucht. Daraus wird deutlich, dass die obere Kurve wegen der Vernachl/issigung der Wartekosten die Unterschiede in den Gewinnanteilen iibertrieben wiedergibt.
6.4.4 Anwendungsszenario Nachrichtenagenturen Ein Gesch/iftsfeld, fiir das die in dieser Arbeit entwickelte Verhandlungstechnik besonders geeignet erscheint, ist die Verbreitung aktueller Nachrichten durch Nachrichtenagenturen. Im Folgenden wird beschrieben, was Agenturen sind und worin ihre Dienstleistung besteht, wer ihre Kunden sind und wie das gegenw/irtige Gesch/iftsmodell gestaltet ist. Anschlief~end wird erl/iutert, wie die Bepreisung einzelner Agenturmeldungen mit Hilfe des in dieser Arbeit entwickelten Verhandlungssystems erfolgen kSnnte und es werden weitere Simulationsergebnisse dargestellt, die zeigen, dass ein solches Gesch/iftsmodell im Prinzip aus Sicht der Anbieter rational sein und gleichzeitig zu einer effizienteren Allokation der Informationsgiiter beitragen kann.
240
6 Automatisierte Verhandhmgen: eine Simulation
6.4.4.1 Nachrichtenagenturen und ihre Dienstleistungen Nach He besteht das Hauptziel von Nachrichtenagenturen ,,darin, verschiedenartige Nachrichten mSglichst schnell, genau und zuverl~sig zu sammeln, zu bearbeiten und zu verbreiten. ''14 Darfiber sollte jedoch nicht vergessen werden, dass Nachrichtenagenturen auch wirtschaftliche Unternehmungen sind. Dies wird deutlicher in der folgenden, etwas umfassenderen Definition der UNESCO: ,,A news agency is an undertaking of which the principal objective, whatever its legal form, is to gather news and news material , of which the sole purpose is to express or present facts, and to distribute it to a group of news enterprises, and in exceptional circumstances to private individuals, with a view to providing them with as complete and impartial a news service as possible against payment and under conditions compatible with business laws and usage. - 1 5 Nachrichtenagenturen werden u.a. nach der geographischen Reichweite ihrer Nachrichtenbeschaffung in Weltagenturen, internationale, regionale und nationale Agenturen klassifiziert. Zu den Weltagenturen z~iahlen die Agenturen Agence France-Presse (AFP), Associated Press (AP) sowie Reuters. 16 Andere Autoren rechnen auch die staatliche russische Agentur ITAR-TASS, United Press International (UPI) und die chinesische Xinhua 17 hinzu. 18 Internationale Agenturen wie die Deutsche Presseagentur (dpa) unterscheiden sich nur graduell von Weltagenturen, da sie ebenfalls Nachrichten aus nahezu allen L~iadern der Welt liefern kSnnen, sich dabei aber auf ein kleineres Korrespondentennetz stiitzen. 19 Eine andere Unterteilung erfolgt nach der Rechtsform: 2~ Es existieren private, erwerbswirtschaftlich orientierte Agenturen wie z.B. Reuters, genos14He, 1996, S. 39. 15 UNESCO, 1953, S. 24, Hervorhebung durch den Verf. 16Vgl. Zschunke, 2001, S. 270. 17Auch in der Schreibweise ,,Hsinhua"; die staatliche chinesische Agentur ,~Neues China". lSVgl. He, 1996, S. 40. 19Ein Vergleich der Anzahl festangestellter Journalisten und weiterer Basisdaten grof~er in Deutschland aktiver Nachrichtenagenturen findet sich im WWW, vgl. o.V. (2004a). Im Juli 2005 besch~iftigte Reuters demnach 2250, AP 2000, AFP 1350 und dpa 420 Journalisten. 2~ He, 1996, S. 39ff. sowie Zschunke, 2001, S. 269f.
6.4 Simulationsergebnisse
241
senschaftlich organisierte Agenturen unter der Kontrolle von Medienunternehmen, zu denen z.B. AP und dpa gehSren, 5ffentlich-rechtliche Agenturen wie z.B. AFP sowie staatliche Agenturen, z.B. die russische ITAR-TASS. Dariiber hinaus kann unterschieden werden zwischen allgemeinen Nachrichtenagenturen, die fiber alle wesentlichen Themenbereiche berichten, und speziellen Agenturen, die sich auf bestimmte Themenbereiche (Sport, Wirtschaft etc.), bestimmte Kundenkreise oder bestimmte Formen von Nachrichten, z.B. Fernsehnachrichten, konzentrieren. Wichtige Themenagenturen in Deutschland sind die Vereinigten Wirtschaftsdienste (vwd) sowie der Sportinformationsdienst (sid). Weltweite Bedeutung haben hier insbesondere wirtschaftsbezogene Dienste wie Bloomberg und Dow Jones Telegate. Das Hauptprodukt dieser Unternehmen ist die Bereitstellung aktueller und historischer Kursdaten ffir nahezu alle Finanz- und Gfitermtirkte der Welt fiber eigene Computernetzwerke. Daneben liefern sie auch eigene Wirtschaftsnachrichten in Text, Ton und Bild. Eine ffihrende Rolle nimmt in diesem Gesch~ft auch die Nachrichtenagentur Reuters ein. Zu den Quellen der Nachrichtenagenturen z~ihlen ,,direkte Beobachtung, Mitteilungen von Informanten- sei es in Form organisierter Pressekonferenzen, schriftlicher Pressemitteilungen oder Antworten auf Anfragen - und andere Massenmedien. ''21 Neben dem Verfassen der Nachrichten kommt deren Klassifikation eine gro~e Bedeutung zu. Die einzelnen Nachrichtenagenturen verwenden dazu Schemata, die u.a. thematische und geographische Aspekte sowie den Branchenbezug einer Nachricht berficksichtigen. 22 Am Beispiel der von dpa genutzten Klassifikation soll dies nfi~her erltiutert werden. 23 Eine erste grobe Klassifikation erfolgt anhand einer Ressortkennung. Tabelle 6.3 gibt die z.Zt. verwendeten Kennungen wieder. Eine weitere Eingrenzung erfolgt mit der sog. Stichwortzeile. Hier steht an erster Stelle der Name des Landes, das die Meldung haupts~ichlich betrifft, sofern es sich dabei nicht um die Bundesrepublik Deutschland handelt. Eine Vereinbarung zwischen den deutschsprachigen Nachrichtenagenturen soll eine einheitliche Schreibweise der L~indernamen sicherstellen. Anschlief~end folgt ein Erststichwort aus einer von dpa festgelegten Liste, die in 17 vom IPTC empfohlenen Kateogrien unterteilt ist. Diese sind in Tabelle 6.4 aufgelistet. 21Zschunke, 2001, S. 269. 22Allgemeine Richtlinien finden sich in IPTC, 2003. Einige Details der Klassifikation bei Reuters finden sich in Rose et al., 2002. 23Vgl. dpa, 2003, S.
6 Automatisierte Verhandlungen: eine Simulation
242
Tabelle 6.3: Ressortkennungen bei dpa (dpa, 2003, S. 36) Ressortkennung ck bd ku pl rs sp vm wi
Bedeutung/Verwendung Check, alle technischen Kontrollmeldungen Bildankiindigungen Kultur Politik Redaktioneller Service, wie Kurzdienst, Hinweise, etc. Sport Vermischtes Wirtschaft
Tabelle 6.4: Vom IPTC empfohlene thematische Kateogrien ffir Nachrichten (IPTC, 2003, S.5f.) 01000000 02000000 03000000 04000000 05000000 06000000 07000000 08000000 RIeIIIoIoDIl
Kultur, Kunst, Unterhaltung Justiz, Kriminalit/it Katastrophen & Ungliicke Wirtschaft & Finan=en Bildung Umwelt Gesundheit Buntes
10000000 11000000 12000000 13000000 14000000 15000000 16000000 17000000
Freizeit Politik Religion, Glauben Wissenschaft, Technik Sosiales Sport Krisen, Krieg, Konflikte Wetter
.~J.'~5
Die ErststichwSrter die dpa verwendet gehSren immer zu genau einer der Kategorien. 24 Bei dpa werden neben den ErststichwSrtern, die aus der genannten Liste stammen miissen, Zweit- und weitere StichwSrter verwendet, die ebenfalls aus der vorab definierten Liste stammen kSnnen, um die Nachricht damit weiteren Kategorien zuzuordnen, oder auch nach dem Ermessen des jeweiligen Redakteurs gewghlte Begriffe beinhalten kSnnen, die einen besonderen Bezug zu einem aktuellen Ereignis herstellen. Die technische Ubertragung der Nachrichtendienste erfolgt fiber Satellitenkangle, private kabelgebundene Netzwerke, wie sie insbesondere die grogen internationalen Lieferanten von Wirtschaftsdaten und-nachrichten 24Vgl. dpa, 2003, S. 43ff. Dies entspricht der IPTC-Empfehlung, die die ErststichwSrter den sog. ,~ubject Matters" gleichsetzt, die die zweite Gliederungsebene unterhalb der 17 als ,~ubjects" bezeichneten Kategorien darstellen, vgl. IPTC, 2003, S. 20.
6.4 Simulationsergebnisse
243
Bloomberg und Reuters unterhalten, sowie teilweise fiber das Internet. 25 Bei der Satellitenfibertragung sowie der Nutzung privater Netzwerke stellen die Anbieter in der Regel den Kunden ein spezielles Empfangsger~it zur Verffigung, das die Daten dann fiber eine standardisierte Schnittstelle mit an einem einzelnen Arbeitsplatz bzw. im internen Netzwerk eines Kunden zur Verfiigung stellt. 26 Zur 0bermittlung von Textnachrichten werden in der Regel standardisierte Formate verwendet. Das wichtigste Standardisierungsgremium in diesem Bereich ist der International Press Telecommunications Council (IPTC). Aktuell sind noch bei vielen Agenturen, darunter dpa, Formate im Einsatz, die der Empfehlung 7901 des IPTC entsprechen. 27 Die Weiterentwicklung dieses Formates wurde jedoch 1995 zugunsten eines neuen, auf dem XMLStandard basierenden Formates eingestellt, das als News Markup Language (NewsML) bezeichnet wird. 2s
6.4.4.2 Die Kunden der Nachrichtenagenturen Kunden der Nachrichtenagenturen sind in erster Linie Medienunternehmen wie Tageszeitungen, Fernseh- und Rundfunkanstalten sowie Betreiber von Onlinemedien. Diese Organisationen beziehen Agenturmeldungen, um ausgewfihlte und teilweise be- bzw. verarbeitete Meldungen an ihre Kunden weiter zu verbreiten. Darfiber hinaus beziehen manche Organisationen die Dienste von Nachrichtenagenturen fiir interne Zwecke, z.B. Gewerkschaften, politische Parteien, aber auch private Unternehmen. Unter den zuletzt genannten bilden Banken, Versicherungen, Broker und andere Finanzdienstleister eine wichtige Abnehmergruppe fiir wirtschaftsbezogene, aber auch allgemeine Nachrichten, da diese ffir die Arbeit professioneller H~ndler an den Finanzm~irkten unverzichtbar sind. Die meisten Nutzer sind darauf angewiesen, Agenturmeldungen ~iui~erst aktuell zu erhalten. Dies betrifft noch am wenigsten die Redakteure gedruckter Tageszeitungen. Bereits hier sind aber zeitliche Restriktionen durchaus 25Vgl. z.B. zu den technischen Modalit~iten der Verbreitung der dpa-Dienste dpa, 2002. 26dpa bietet hierzu z.B. den dpa-Medienserver an, der fiber den Satellitenempf~inger eingehende Nachrichten und Bilder fiber mehrere Protokolle (HTTP, FTP und SMB) im internen Netz des Kunden anbietet, vgl. dpa, 2002, S. 6. 27Vgl. IPTC, 1995. 28Vgl. IPTC, 2004.
244
6 Automatisierte Verhandlungen: eine Simulation
gegeben: Da der Kunde die Zeitung friihmorgens am Kiosk bzw. in seinem Briefkasten erwartet, existiert ein Zeitpunkt, zu dem sp~itestens mit dem Versand begonnen werden muss. Bis zum Versandbeginn muss aber zumindest der Druck eine Teilauflage der Zeitung abgeschlossen sein. Vor dem Druckbeginn sind weitere technische Produktionsschritte notwendig, die ebenfalls eine gewisse Zeit benStigen. Daraus ergibt sich schlie~lich ein Zeitpunkt, der sog. Redaktionsschluss, zu dem alle Artikel, die in einer Ausgabe erscheinen sollen, sp~itestens fertig sein miissen. Da auch das Schreiben der Artikel, in denen h~iufig Meldungen mehrerer Agenturen verarbeitet werden oder zus~itzlich zur Erltiuterung von Hintergriinden auf Archivmaterial zuriickgegriffen wird, eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, ist davon auszugehen, dass auch Zeitungsredakteure Meldungen so friih wie irgend mSglich erhalten mSchten. Gewisse Unterschiede in der Zeitpr~ferenz zwischen verschiedenen Zeitungen kSnnen sich z.B. aus unterschiedlich sp~item Redaktionsschluss oder auch aus der thematischen Ausrichtung einer Zeitung ergeben. So benStigt eine spezialisierte Wirtschaftszeitung vermutlich mehr und genauere Meldungen zu Wirtschaftsthemen, um ihre Leserschaft zufriedenzustellen, als dies bei einer allgemeinen Regionalzeitung mit relativ knappem Wirtschaftsteil der Fall ist. Deutlich engere zeitliche Restriktionen ergeben sich bei Online- und Rundfunkmedien. Die Nutzer solcher Medien erwarten eine Aktualittit der verbreiteten Nachrichten im Bereich von wenigen Stunden (klassische Fernsehnachrichten) fiber einen stiindlich aktualisierten Nachrichteniiberblick (typische Radionachrichten) bis hin zu praktisch miniitlicher Aktualittit (Nachrichtensender und Online-Medien). 29 In der letztgenannten Gruppe von Medien werden h~iufig die Meldungen der Nachrichtenagenturen ohne oder mit nur minimalen Bearbeitungen an die Nutzer weitergereicht. Lediglich eine themenbezogene Auswahl und Zuordnung zu bestimmten Rubriken innerhalb des jeweiligen Medienangebots findet statt. Die wohl engsten Zeitrestriktionen liegen aber bei bestimmten individuellen Nutzern von Nachrichtendiensten vor. So beziehen professionelle BSrsenh~indler in der Regel Nachrichten direkt von verschiedenen Agenturen. Verschiedene Arten von Nachrichten fiihren regelm~ig zu sofortigen Reaktionen an den BSrsen, aus denen h~iufig rasche und umfangreiche Kursfiade29Zum Unterschied in den Informationsbediirfnissen von Zeitungslesern und RadiohSrern
vgl. auch Dernbach, 2002, S. 127.
6.4 Simulationsergebnisse
245
rungen resultieren. Dies gilt sowohl fiir Wirtschaftsnachrichten, z.B. Pressekonferenzen nach Sitzungen leitender Gremien von Zentralbanken oder die VerSffentlichung von Quartals- oder Jahreszahlen durch Unternehmen, als auch ffir politische oder sonstige Nachrichten. 3~ In allen drei F~llen ist somit eine wichtige Voraussetzung ffir den Einsatz von Verhandlungen zur Bepreisung gegeben, da einerseits alle Nachfrager eine positive Zeitpr~ferenzrate aufweisen und sich andererseits die Zeitpr/iferenzen verschiedener Nachfrager deutlich unterscheiden kSnnen. 6.4.4.3 Das gegenw/irtige Gesch/iftsmodell der Nachrichtenagenturen Das iibliche Gesch/iftsmodell der Nachrichtenagenturen ist das Abonnement. Die Agenturen bieten eine Reihe thematisch unterschiedener Dienste an, in denen t/iglich eine gewisse Anzahl in die jeweilige Rubrik gehSrender Meldungen verbreitet werden. 31 Fiir den Bezug aller Nachrichten eines Dienstes fiir einen Zeitraum wird ein Pauschalpreis entrichtet. Zur konkreten HShe der fiir die Abonnementpreise gibt es wenig 5ffentlich verffigbare Informationen. 32 Bei Tageszeitungen und anderen Medien orientieren sich die Preise z.B. an deren Auflage bzw. Reichweite. 33 Bei Organisationen, die die gelieferten Nachrichten intern nutzen, wird oft anhand der Anzahl Arbeitspl/itze abgerechnet, von denen aus die Nachrichten zug/inglich sind. 3~ eher anekdotische Schilderung der grot~en Bedeutung aktueller Agenturnachrichten (engl. newswires) fiir professionelle H/indler liefert Scott, 2004. Auch im einschl~igigen Artikel ,,Information: Quellen fiir gewerbliche Nutzer" des Lexikons des Geld-, Bank- und BSrsenwesens wird die Wichtigkeit von allgemeinen und speziellen Nachrichteagenturen unterstrichen, vgl. Marske et al., 1999, S. 968ff. Empirisch wird der Einfluss von Nachrichten auf die Kursbewegungen an den Finanzm~irkten in der umfangreichen Literatur zur Theorie informationseffizienter M~rkte untersucht. Eine knappe Darstellung dieser Theorie findet sich z.B. in Schiereck und Weber, 2000, S.282ff. Fiir eine 0bersicht der empirischen Arbeiten vgl. z.B. Beechey et al., 2000. Eine Analyse aus kommunikations- bzw. medienwissenschaftlicher Perspektive findet sich in Schuster, 2003. 31dpa bietet u.a. einen Basisdienst, zwSlf Landesdienste mit regionalem Schwerpunkt auf bestimmte Bundesl~inder, einen Europadienst, einen Dienst mit Verbrauchernachrichten, fremdsprachige Angebote in Arabisch, Englisch und Spanisch sowie einen Selektionsdienst, der es Kunden erlaubt, nach eigenen thematischen Schwerpunkten aus dem Gesamtangebot von dpa auszuw~ihlen, vgl. dpa, 2005. 32Nach Aussage des Chefredakteurs der ,,Freien Presse", Chemnitz kostete der dpaBasisdienst fiir eine mittelgrot~e Zeitung 1999 zwei Millionen DM, vgl. van Rinsum, 2003, S. 62. 33Vgl. Zschunke, 2001.
246
6 Automatisierte Verhandlungen: eine Simulation
Manche Anbieter liefern den Kunden hierzu spezielle Ger~ite, z.B. die sog. Bloomberg-Terminals. Andere Anbieter koopeln den Bezug der Nachrichten dagegen an die Lizenz zur Nutzung einer speziellen Software, die die Nachrichten auf dem Computer des Nutzers p r ~ e n t i e r t und, wie die HardwareLSsungen, oft noch viele weitere Funktionen beinhaltet, die von der jeweiligen Nutzergruppe benStigt werden, insbesondere zur graphischen Darstellung und Analyse von Daten sowie zur Kommunikation mit GeschMtspartnern. 34 In beiden F~illen ist zu vermuten, dass das strategische Ziel darin besteht, den Wechsel zu anderen Informationsanbietern fiir die Kunden so wenig a t t r a k t i v wie mSglich zu machen, wenn sie einmal die Bedienung der ~iuf~erst komplexen Systeme erlernt haben. 35 Die privaten Anbieter von M a r k t d a t e n wie Bloomberg und Reuters subventionieren in der Regel ihr Nachrichtengesch~ft mittels der in der Verbreitung von M a r k t d a t e n erzielten Ertr~ige. Bei Bloomberg erfolgte die Einrichtung eines e i g e n e n - noch immer im Wesentlichen auf Wirtschaftsnachrichten b e s c h r ~ k t e n - Nachrichtendienstes ohnehin erst als Erg~h~zung zu den bereits angebotenen Marktdaten. 36 Andere Agenturen, so z.B. die AFP, erhalten aufgrund ihres Status als 5ffentlich-rechtliche Unternehmen staatliche Zuschiisse und sind daher nicht auf kostendeckende Bepreisung ihrer Nachrichtenangebote angewiesen. 34Natiirlich ist das Bloomberg-Terminal eine Kombination aus Hard- und Software. Aktuelle Versionen umfassen einen Doppelbildschirm und eine spezielle Tastatur, die an einen herk6mmlichen PC angeschlossen werden, auf dem die Software BloombergProfessional l~iuft. In einer Meldung des Branchen-Fachblatts Electronic Information Report werden fiir das Jahr 2002 fiir die Bloomberg-Terminals monatliche Preise von $1350 bei mehreren installierten Einheiten und bis zu $1700 fiir Einzelinstallationen angegeben, vgl. o.V. (2002). Im Jahr 2003 plante Bloomberg offenbar eine Umstellung der Basis der Bepreisung yon den installierten Arbeitspl~itzen auf die einzelnen Nutzer, vgl. Schroeder, 2003. Eine reine Softwarel6sung bietet Reuters mit der Software Xtra3000, vgl. Reuters, 2003, die der genannten Quelle zufolge $750 im Monat kostet. 2005 sind einem Bericht in Forbes zufolge 201000 Bloomberg-Terminals und 328000 Reuters-Arbeitspl~itze installiert, vgl. Orr, 2005. 35Wie sehr gerade Bloomberg auf die Koppelung yon Hardware und Dienstleistung setzt, wird deutlich an der Tatsache, dass mindestens bis ins Jahr 2002 allen US-Kunden fiir die gesamte Leistung Umsatzsteuer berechnet wurde, obwohl in vielen Bundestaaten der USA nur fiir physische bzw. tangible Leistungen, nicht aber fiir Informationsdienste Umsatzsteuer zu entrichten ist, vgl. McEachern, 2002, S. 14. 36Einen detaillierten, wenngleich eher anekdotischen 0berblick fiber die Geschichte von Reuters, der auch einige Informationen fiber die Entwicklung des derzeitigen Hauptkonkurrenten Bloomberg enth~ilt, geben Mooney und Simpson, 2003. Zur Quersubventionierung des Nachrichtendienstes durch die Ertr~ige der Finanzmarktdaten vgl. a.a.O. S. 99ff.
6.4 Simulationsergebnisse
247
Das auf Abonnements basierende GeschMtsmodell ist jedoch nicht ohne Probleme, insbesondere, da die Hauptkunden der N achrichtenagenturen, die Tageszeitungen, ebenfalls mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert sind, da gleichzeitig Auflagenrfickg~_ge und aufgrund der allgemeinen konjunkturellen Lage Riickg~inge im AnzeigengeschMt zu verkraften sind. Die hohen Kosten ffir den dpa-Basisdienst bewogen z.B. 2003 einige Tageszeitungen zu der Entscheidung, auf diesen Dienst zu verzichten und statt dessen die Dienste anderer Agenturen in Anspruch zu nehmen, sowie verst~irkt eigene Recherchen anzustellen, was teilweise als neues Konzept einer ,,Autorenzeitung" vermittelt wurde. Viele weitere Zeitungen, die groflenteils gleichzeitig Gesellschafter der dpa sind, drohten ebenfalls mit diesem Schritt, sollte dpa sein Preismodell nicht ~i~dern. Unter anderem wurde eine Aufteilung des Basisdienstes in kleinere Teilbiindel verlangt. 37 Auf Druck seiner Kunden fiihrte dpa Ende 2003 ein neues Preismodell ein, in dem die bisherige Kopplung der Preise an die Auflage durch Rabatte ffir l ~ gere Vertragslaufzeiten erg~i~zt wurde. Au~erdem wurden grSflere Rabatte fiir hShere Auflagen gewfi~hrt; eine Stiickelung des Basisdienstes unterblieb jedoch. 3s Obgleich durch diese Schritte die Abwanderung weiterer Kunden gestoppt und einge zur Rfickkehr bewogen werden konnten, hat die Agentur bis jetzt (2005) mit sinkenden Ums~itzen zu ki4mpfen. 39 Viele Agenturen suchen daher bereits seit l~i~gerem nach MSglichkeiten, ihre Leistungen auf vielfiiltigere Weise als bisher zu vermarkten. So entwickelte dpa bereits 1996 ein System, um die klassischen Textnachrichten, angereichert mit Bildern, Informationsgraliken und Hintergrundinformationen an Online-Medien zu liefern. Ziel war es, ,,die Inhalte so online-gerecht und perfekt aufzubereiten, dass sie ohne weitere redaktionelle Bearbeitung vom Kunden automatisiert online gestellt werden konnten. ''4~ Die dpa verzichtete jedoch darauf, ihren GeschMtskunden, also den Anbietern von klassischen und Online-Medien durch ein eigenes, direkt an Endverbraucher gerichtetes Angebot Konkurrenz zu machen. Bei anderen Nachrichtenunternehmen 37Zu den Zeitungen, die 2003 ihren Vertrag mit dpa gekiindigt haben, gehSren u.a. das
Handelsblatt, die Rhein Zeitung aus Koblenz sowie die Rheinische Post aus Dfisseldorf. Auf~erdem kiindigte die Sendergruppe ProSiebenSat.1 den Vertrag mit dpa. Zwei kleinere Zeitungen hatten bereits 1999 den dpa-Basisdienst gekiindigt, van Rinsum, 2003, S. 62. 3sVgl auch o.V. (2004b). 39Vgl. o.V. (2005). 4~ 2002, S.130.
248
6 Automatisierte Verhandhmgen: eine Simulation
fiihrte dagegen die Verfiigbarkeit neuer 0bertragungswege wie Internet und Mobilfunk zu 0berlegungen, neben den bisher belieferten institutionellen Kunden auch Privatkunden direkt mit Nachrichten zu beliefern. 41 Im folgenden Abschnitt wird gezeigt, wie sich ein Bepreisungsmodell auswirken kSnnte, bei dem anstelle der bisher iiblichen Abonnements einzelne Nachrichten mittels automatisierter Verhandlungen vertrieben werden. Als Vergleichsma~stab dient die jeweils erzielte Konsumentenrente, die Produzentenrente sowie die Summe der beiden. 6.4.4.4 Bepreisung von Einzelnachrichten mittels Verhandlungen Folgendes Gesch~iftsmodell motiviert die anschlief~end erSrterte Simulation: Wie im bisherigen Modell ist eine dauerhafte Vertragsbeziehung zwischen Nachrichtenanbieter und-nachfrager notwendig. Diese bezieht sich aber lediglich auf die Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur zur Durchfiihrung der Verhandlungen und zur Ubermittlung der Nachrichten. In der Regel wird hierfiir eine gewisse Grundgebiihr zu entrichten sein, die aber deutlich niedriger ausfallen wird, als der heute iibliche Abonnementpreis. Im bisherigen Modell wird jede neu erstellte Nachricht, die in dem von einem Kunden abonnierten Dienst enthalten ist, sofort und vollst~dig an diesen ausgeliefert. Im dem hier vorgestellten Modell wird dagegen zun~ichst nur die die Nachricht beschreibenden StichwSrter (vgl. Abschnitt 6.4.4.1) iibermittelt. Der Softwareagent des Nachfragers legt anhand eines festgelegten und fiber die Zeit fortw~ihrend angepassten Interessenprofils des Kunden eine maximale Zahlungsbereitschaft fiir die jeweilige Nachricht fest. Anschlie~end beginnt der Verhandlungsprozess, in dessen Verlauf, wie oben in Abschnitt 6.1.2 beschrieben, der tats~ichlich ffir die Nachricht zu zahlende Preis ermittelt wird. Da eine Zahlungsabwicklung fiir jede einzelne Nachricht bei weitem zu hohe Transaktionskosten verursachen diirfte, findet eine monats-, oder quartalsweise Abrechnung der bezogenen Nachrichten statt. Ein Durchlauf der Simulation besteht aus fiinfzig einzelnen Verhandlungsdurchl~iufen, in denen es jeweils um ein einzelnes Informationsgut geht. Zun~ichst soll hier n~iher auf die Modellierung der Pr~iferenzen eines einzelnen Nachfrageragenten eingegangen werden. Ein Nachfrageragent kennt seine persSnliche Zahlungsbereitschaft fiir jede mSgliche Beschreibung eines oo
41Vgl. z.B. Charles, 2005, S. 19.
6.4 S i m u l a t i o n s e r g e b n i s s e
249
Informationsguts. In dieser Simulation existieren 256 mSgliche Informationsgutbeschreibungen. Jede Informationsgutbeschreibung kann mit gleicher Wahrscheinlichkeit in einem Verhandlungsdurchlauf auftauchen. Vor Beginn des ersten Verhandlungsdurchlaufs wird jedem Nachfrageragenten ffir jede mSgliche Informationsgutbeschreibung zufiillig eine Zahlungsbereitschaft zugewiesen. Ist eine zufiillig zugewiesene Zahlungsbereitschaft negativ, wird sie als Null gewertet. Zwei Verteilungstypen werden in unterschiedlichen Durchl~iufen der Simulation untersucht: 9 Eine Gleichverteilung der Zahlungsbereitschaften in einem Intervall von 50 GE oberhalb eines Mittelwertes bis 49 GE unterhalb davon. 9 Eine gausssche Normalverteilung um einen Mittelwert mit einer Standardabweichung von 50 GE. Im ersten Fall werden Nachfrager simuliert, die an den (mSglichen) Elementen eines Biindels in etwa gleich stark (oder gleich wenig) interessiert sind, wghrend der zweite Fall Nachfrager abbildet, die klarere Interessenschwerpunkte aufweisen. Abbildung 6.10 verdeutlicht den Unterschied anhand eines Konzentrationsdiagrammes: auf der horizontalen Achse sind die 256 mSglichen Informationsgutbeschreibungen abgetragen, geordnet nach der fiir sie bestehenden Zahlungsbereitschaft. Die vertikale Achse gibt die Summe der Zahlungsbereitschaften fiir alle links von dem jeweiligen Punkt liegenden Informationsgutbeschreibungen an. Die in der Abbildung dargestellten Werte entstammen einer Gleichverteilung im Intervall [1, 50] sowie einer gausschen Normalverteilung, deren Mittelwert und Standardabweichung 50 GE entsprechen. Die Kurve fiir die normalverteilten Zahlungsbereitschaften (Symbol x) weist einen starker konkaven Verlauf auf als die Kurve fiir die gleichverteilten (Symbol +), was einen hSheren Konzentrationsgrad anzeigt. Insgesamt existieren in der Simulation 100 Nachfrageragenten, deren Erwartungswerte fiir die einzelnen angeboteten Informationsgiiter fiir jeden der beiden untersuchten Verteilungstypen linear von 100 GE bis 1 GE reichen. Damit ergibt sich fiber alle Nachfrageragenten hinweg ein Erwartungswert von 50,5 GE. Werden die 50 betrachteten Informationsgiiter in einem Bfindel angeboten, so ergibt sich daraus ein Abonnements- bzw. Biindelpreis p B -- 2525 GE. Dabei wird vorausgesetzt, dass der Anbieter bei der
250
6 Automatisierte Verhandlungen" eine Simulation
Mittelwen 50 GE 14000
'
'
GleichverteilteZahlungsbereitschaften
+
'
12000
r
10000
i~
~ N
E
m
~ .
-
4000-
0
...............
0
50
i
i
a
i
100
150
200
250
Informationsgutbeschreibungen
Abbildung 6.10: Konzentration der Zahlungsbereitschaften eines Nachfrageragenten Festlegung des Biindelpreises zwar die Parameter der Verteilungen der bei den Nachfragern vorkommenden Zahlungsbereitschaften kennt bzw. korrekt vermutet, jedoch nicht deren in der konkreten Simulation realisierte Auspr/igungen. Weiter wird angenommen, dass die Nachfrager zum Zeitpunkt der Entscheidung fiber den Kauf eines Biindels bereits ihre persSnliche Pr/iferenzstruktur- also ihre Zahlungsbereitschaften fiir alle mSglichen Informationsgutbeschreibungen- kennen, nicht jedoch die Beschreibungen der einzelnen tats/ichlich in dem Bfindel enthaltenen Informationsgiiter. Das Biindel wird dann von solchen Nachfragern gekauft, deren Erwartungswert fiber alle 256 mSglichen Informationsgutbeschreibungen grSi~er oder gleich 50,5 GE ist. Es wurden Simulationen fiir verschiedene Auspr/igungen der Parameter alpha und d e l t a durchgefiihrt. Die Ergebnisse dieser Simulationen sind in Tabelle 6.5 auf der n/ichsten Seite wiedergegeben. In den ersten beiden Spalten sind die jeweils eingestellten Werte der Parameter alpha und d e l t a angegeben. Die Bereiche, in denen die gleichen Werten fiir diese Parameter gelten, sind noch einmal unterteilt in zwei Zeilen, in denen die beiden oben diskutierten F/ille der Verteilung der Zahlungsbereitschaften der Nachfrageragenten unterschieden werden. In der dritten Spalte ist der jeweils ffir
0,99
0,99
0,9
0,99
0,9
0,99
Parameter alpha delta 0,9 0,9
normal
gleich
normal
gleich
normal
gleich
normal
Verteilung der ZB gleich
Produzentenrente (PR) Konsumentenrente (KR) Bundling Verhandl. Bundling Verhandl. 123.725 177.003,69 63.096,44 37.871,45 (0,470) (0,672) (0,240) (0,144) 128.775 179.635,87 62.133,81 59.382,27 (0,453) (0,633) (0,219) (0,209) 131.300 163.857,91 63.678,08 59.122,42 (0,495) (0,624) (0.242) (0,225) 131.300 174.164,85 60.947,69 76.933,01 (0,463) (0,620) (0,217) (0,274) 123.725 46.276,18 62.767,73 178.675,32 (0,474) (0,177) (0,241) (0,685) 126.250 51.954,14 65.090,15 193.605,47 (0,446) (0,184) (0,230) (0,684) 126.250 221.957,76 64.176,93 17.136,96 (0,481) (0,845) (0,244) (0,065) 131.300 217.238,19 66.634,71 46.532,71 (0,453) (0,749) (0,234) (0,161)
Summe PR§ Bundling Verhandl. 186.821,44 214.875,14 (0,710) (0.816) 190.908,81 239.018,14 (0,672) (0.842) 194.978,08 222980,33 (0.737) (0,849) 192.247,69 251.097,86 (0.680) (0,894) 186.492,73 224.951,50 (0,715) (0,862) 191.340,15 245.559,61 (0,676) (0,868) 190.426,93 239.094,72 (0,725) (0,910) 197.934,71 263.770,90 (0,687) (0,9i0)
~"
!
0q
~
b~
o"
~.~~
bo r
ct~ r
252
6 Automatisierte Verhandlungen: eine Simulation
eine Zeile gfiltige Verteilungstyp angegeben. In jeder der (durch horizontale Linien getrennten) Zeilen stehen pro Spalte zwei Werte. Der obere Wert stellt den jeweiligen absoluten Betrag dar. Bei dem unteren, in Klammern stehenden Wert handelt es sich um das Verh/iltnis des absoluten Betrages zu der Summe der insgesamt in diesem Durchlauf vorhandenen Zahlungsbereitschaften, die im Folgenden auch als potenzieller Tauschgewinn (PTG) bezeichnet wird. Die vierte Spalte der Tabelle gibt die tats/ichlich realisierte Produzentenrente (PR) im Fall des Bundling an, die sich als PB x nB ergibt, wobei nB die Anzahl der Nachfrager bezeichnet, die in Kenntnis ihres jeweiligen individuellen Erwartungswerts zu dem Biindelpreis PB kaufen wiirden. Die Variationen des absoluten Betrages in dieser Spalte sind lediglich Ausdruck der fiir jeden Durchlauf neu bestimmten, zuf'~illig generierten Zahlungsbereitschaften. In den gezeigten Durchl/iufen der Simulation kaufen zwischen 49 (49 • 2525 = 123725) und 52 (52 • 2525 = 131300) Nachfrager das Abonnement. Ein besseres Vergleichsma~ stellt das Verh~iltnis P R dar, das in Klammern unter dem absoluten Betrag notiert ist. Es zeigt sich, dass der Anteil des PTG, den der Anbieter mittels Biindelung bei den Nachfragern mit gleichverteilten Zahlungsbereitschaften erzielen kann, stets um ca. 3% gr6f~er ist als bei denen mit normalverteilten, also konzentrierteren Zahlungsbereitschaften. Dies ist auch folgerichtig, da das Bundling keine M6glichkeit bietet, aus dem besonderen Interesse bestimmter Nachfrager an einzelnen Informationsgiitern des Biindels einen Vorteil zu ziehen. Die Werte der Parameter alpha und d e l t a haben natiirlich auf die Ergebnisse des Bundling keinen Einfluss, da sie ausschlief~lich das Verhalten der Agenten bei den Verhandlungen beeinflussen. Betrachtet man die sechste Spalte der Tabelle 6.5, in der die bei einem gebiindelten Angebot realisierten Konsumentenrenten, definiert als die Differenz zwischen Zahlungsbereitschaft eines Nachfragers und dem tats~ichlich gezahlten Preis, angegeben sind, zeigt sich, dass diese durchweg geringer ausfallen als die Produzentenrente. Die Schematische Darstellung in Abbildung 6.11 (a), die die Situation ffir ein einzelnes Informationsgut zeigt, macht den Grund hierffir leicht erkennbar. W~ihrend dem Anbieter das gesamte Quadrat unterhalb der Linie, die den Biindelpreis PB markiert, als Produzentenrente zuf'eillt, kSnnen die Nachfrager lediglich das halb so gro~e Dreieck zwischen der Preislinie und
6.4 Simulationsergebnisse
253
(a)
(b~ i l Konsumentenrente -- Produzentenrente
PB
P,~
n
n
n
n/~
?2
Abbildung 6.11: Schematische Darstellung von Konsumenten- und Produzentenrente (a) im Bundling-Fall und (b) im Verhandlungsfall der Nachfragekurve ffir sich verbuchen. Das in der Abbildung erkennbare GrS~enverh~ltnis von 2:1 kommt auch zwischen den Werten der Spalten vier und sechs der Tabelle 6.5 in etwa zum Ausdruck. Die ffinfte Spalte der Tabelle 6.5 gibt die Produzentenrente im Fall von Verhandlungen an. Es handelt sich hier einfach um die Summe der in den einzelnen Verhandlungsl~iufen erzielten Preise. Der Zeitpunkt der Einigung wird im Fall des Anbieters nicht beriicksichtigt, d.h. es findet keine Diskontierung der Preise statt, da die Zahlungen ohnehin, wie zu Beginn dieses Abschnitts beschrieben, periodisch stattfinden und der Einigungszeitpunkt somit keinen Einfluss auf die finanzielle Position des Anbieters hat. Ein Vergleich mit den Ergebnissen im Bundling-Fall zeigt, dass der Anbieter sich bei Verhandlungen immer dann besser steht, wenn er genau so stark wie oder stoker als die Nachfrager ist. Nur im Fall eines schwachen Anbieters, der einem geduldigen Nachfrager gegenfibersteht, sind die Ergebnisse fiir den Anbieter im Bundling-Fall giinstiger als im Verhandlungsfall. Die Abbildung 6.11 (b) macht deutlich, dass ein (relativ) starker Anbieter im Verhandlungsfall zwar ein Teil des Quadrats, dass der Produzentenrente beim Bundling entspricht, einbii~t, sich dafiir aber ein Teil der Konsumentenrente sowohl oberhalb der Preislinie aneignen kann. Zudem wird der Bereich jenseits des letzten durch Bundling bedienten Nachfragers n B erschlossen und auch hier ein Teil der Konsumentenrente angeeignet. Die untere gestrichelte Linie deutet dagegen die Situation eines (relativ)
254
6 Automatisierte Verhandlungen" eine Simulation
schwachen Anbieters an. Dieser verliert einen wesentlich grSgeren Teil der Bundling-Rente, kann aber gleichzeitig keine neuen Renten oberhalb des Bundling-Preises erzielen. Das kleine Dreieck, dass durch die Bedienung von Nachfragern hinzukommt, die das Biindel nicht gekauft h~itten, genfigt hier nicht, um die Verluste zu kompensieren. Die siebte Spalte gibt die Konsumentenrenten beim Verhandlungsmodell an. Die Konsumentenrente besteht hier aus der Summe der fiber die bis zur Einigung vergangenen Perioden abdiskontierten Differenz zwischen der Zahlungsbereitschaft des Nachfragers und dem erzielten Preis. In diesem Fall ist eine Diskontierung gerechtfertigt, da die Zeitpr~iferenz der Nachfrager nicht unmittelbar monet~ir bedingt ist, sondern sich aus den Gegebenheiten bei der weiteren Be- und Verarbeitung bzw. der Verbreitung der Nachrichten durch die Nachfrager ergibt, die in Abschnitt 6.4.4.2 beschrieben werden. Trotz der entstehenden Wartekosten zeigt sich, dass die aggregierte Konsumentenrente in vielen F~llen nur wenig geringer ausfeillt als im Bundling-Fall. Die (teilweise) Kompensation der hSheren gezahlten Preise und der gegeniiber dem Bundling-Fall verzSgerten Lieferung kommt dadurch zustande, dass auch die Nachfrager bedient werden, die das Biindel nicht gekauft h~itten; in Abbildung 6.11 (b) handelt es sich dabei um das Dreieck zwischen der (gestrichelten) Linie der erzielten Verhandlungspreise und der Nachfragekurve. Stehen geduldige Nachfrager (delta=0,99) einem schwachen Anbieter (alpha=0,9) gegeniiber, dann erzielen die Nachfrager sogar eine hShere Konsumentenrente als im Fall des Bundling. Die beiden letzten Spalten der Tabelle 6.5 stellen schlieglich die Summe von Konsumenten- und Produzentenrente bei Bundling und Verhandlungen gegeniiber. Es zeigt sich, dass diese Summe im Fall der Verhandlungen in allen betrachteten F~illen hSher ist als im Fall des Bundling. Ein vollst~indig effizientes System miisste die potenziellen Tauschgewinne voll ausschSpfen, es miisste also gelten KR+PR _ 1. Dieser Ideahustand kann durch BundPTG ling nicht erreicht werden, da nicht alle Nachfrager mit positiver erwarteter Zahlungsbereitschaft bedient werden. Die (geringeren) Effizienzverluste im Fall des Verhandlungsmodells sind dagegen Ergebnis der Wartekosten, die den Nachfragern bei diesem System entstehen. Fiir das Anwendungsszenario der Nachrichtenagenturen l~sst sich daher ein positives Fazit ziehen: wenn der Anbieter hinsichtlich seiner Einsch~itzung der Nachfrage einigermagen sicher ist und daher seine Erwartungen
6.5 Zusammenfassung
255
nut zSgerlich korrigiert (hoher Wert des Parameters alpha) , dann ist es fiir ihn individuell rational, ein Verhandlungsmodell zu nutzen. In allen F~illen auf~er dem des relativ schwachen Nachfragers kann dabei eine hShere Produzentenrente erzielt werden als mittels des klassischen AbonnementVerfahrens. Ein wichtiger Faktor, der hier nicht beriicksichtigt wird, sind jedoch die Kosten, die durch die Einrichtung der fiir die Verhandlungen notwendigen Infrastruktur entstehen. Es ist jedoch zu erwarten, dass diese aufgrund der st~indig fallenden Preise sowohl fiir Computerhardware als auch ffir 0bertragungskapazit~iten in Netzwerken (die iiberdies ohnehin auch ffir die bisherigen Verfahren benStigt werden, wenngleich mSglicherweise in geringerem Umfang und ohne Riickkanal vom Nachfrager zum Anbieter) kein nennenswertes Hindernis fiir den Einsatz des gerade beschriebenen Verfahrens darstellen sollten.
6.5
Zusammenfassung
In diesem Kapitel werden zun~chst das Verhandlungsprotokoll und die benStigten Nachrichtentypen beschrieben. Eine mSgliche Erweiterung des Verhandlungsprotokolls soll hier noch kurz angesprochen werden: In F~illen, in denen die von den Nachfragern zur Einsch~itzung ihrer Zahlungsbereitschaft benStigten Metainformationen nicht im Voraus so klar spezifiziert werden kSnnen, wie es hier unter Nutzung der bei Nachrichtenagenturen iiblichen Kategorisierung geschieht, kSnnte dem Protokoll eine MSglichkeit hinzugeffigt werden, bestimmte Meta- oder Teilinformationen vom Anbieter zu erfragen. Dieser w~ire dann entweder ohne Weiteres bereit, die gewiinschte beschreibende Information zu liefern, oder er kSnnte hierfiir bereits eine Teilzahlung verlangen und darfiber einen weiteren Verhandlungsprozess, gewissermagen auf einer tieferen Rekursionsebene, anstof~en. Anschlief~end erfolgt die Operationalisierung der Verhandlungsstrategien. Die entwickelten Strategien ffir Anbieter und Nachfrager basieren auf den spieltheoretischen 0berlegungen, die im vierten Kapitel angestellt wurden - insbesondere auf dem Modell von Bagnoli et al. -, stellen jedoch in dem Sinne heuristische Modelle dar, dass sie nicht darauf zielen, eine im Voraus bestimmte VerhandlungslSsung auf direktem Wege zu implementieren. Vielmehr wird aus der spieltheoretischen Analyse eine bestimmte Strukturierung des durch die Agenten zu 15senden Entscheidungsproblems extra-
256
6 Automatisierte Verhandlungen" eine Simulation
hiert und ein Algorithmus entwickelt, um die im spieltheoretischen Modell optimalen Strategien der Agenten n~herungsweise abzubilden. Mehr als eine niiherungsweise Abbildung kann nicht erreicht werden, da ein bedeutender Unterschied zwischen dem zugrundeliegenden spieltheoretischen Modell und der Situation der Agenten in dem hier entwickelten System besteht. Wiihrend niimlich in dem spieltheoretischen Modell der Anbieter die Struktur der Nachfragefunktion kennt und lediglich vor dem Problem steht, den einzelnen Nachfragern eine der bekannten Zahlungsbereitschaften zuzuordnen, muss die hier entwickelte Strategie mit der Situation umgehen, dass immer nur eine Vermutung fiber die tatsiichliche Beschaffenheit der Nachfrage besteht. Aus dieser grSf~eren Unsicherheit des Anbieters erw~hst aber ftir die Nachfrager eine MSglichkeit, einen Teil des Einigungsgewinns zu vereinnahmen, indem sie zuniichst ,~uf Zeit spielen". Die hier entwickelten Strategien brechen den prinzipiell unendlich fortsetzbaren Regress der gegenseitigen Rationalit~itsannahmen an dieser Stelle ab, d.h. der Anbieter bezieht die lJberlegungen der Nachfrager hinsichtlich seiner eigenen Position nicht in seine Entscheidung ein. Eine mSgliche Fragestellung kiinftiger Forschungen kSnnte darin liegen, den Zusatznutzen einer Rationalit~it hSheren Grades, also einer pr~iseren Analyse der strategischen Situation zu ermitteln. Nach der Beschreibung der Implementierung des Simulationssystems werden die damit erzielten Ergebnisse dargestellt. Zuniichst werden die Effekte der Modifikation einzelner Parameter der Verhandlungsstrategien bzw. der Nachfragefunktionen untersucht. Anschlief~end wird ein Exkurs fiber das gegenw~tige Gesch~Ctsmodell der Nachrichtenagenturen eingeschoben, um ein mSgliches Anwendungsszenario des Systems zu verdeutlichen und den darauf folgenden Vergleich zwischen dem Verhandlungsverfahren und einer Biindelungsstrategie zu motivieren. Dieser Vergleich ergibt, dass durch das Verhandlungsverfahren sowohl eine Steigerung der Produzentenrente als auch der Summe aus Produzentenrente und Konsumentenrente gegentiber der Biindelungsstrategie erreicht werden kann.
7 Zusammenfassung und Ausblick Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist der Informationsgiiterhandel mit Hilfe autonomer Agenten. Als Grundlage der dazu angestellten 0berlegungen wird eingangs eine Definition des Begriffs ,,Information" entwickelt, durch die eine Diskrepanz zu der in der Literatur gebr/iuchlichen Verwendung des Begriffs ,,Informationsgut" vermieden wird. W~illrend n/imlich die iiblichen Definitionen der wirtschaftswissenschaftlichen Disziplinen Information, ebenso wie die Informationswissenschaft, als zweckgerichtetes Wissen verstehen, geht es in dieser Arbeit auch um Giiter, die nicht in der einen oder anderen Weise zu Entscheidungen oder - allgemeiner - zur LSsung von Problemen beitragen, sondern konsumptive Bediirfnisse erfiillen und, wie fiktive Texte, Spielfilme oder Musik nur schwerlich unter irgendeine Definition des Begriffs ,,Wissen" zu fassen sind. Insofern erscheint auch eine Bindung von Information an den menschlichen Geist terminologisch unpraktisch, wenn vom Handel mit Informationen als Gut gesprochen wird. Im Sinne der insbesondere in der Informatik gebr/iuchlichen Dreiteilung von ,,Daten", ,,Informationen" und ,,Wissen" miisste eher von ,,Datengiitern" gesprochen werden, was aber weder umgangssprachlich noch in der Literatur verbreitet ist. Daher wird hier ein Informationsbegriff verwendet, der auf dem Zeichenkonzept der Semiotik beruht, nach dem die Interpretierbarkeit durch den Empf/inger konstitutives Element der Definition des Zeichens ist. ,Jnformation" wird als Folge von Zeichen definiert, die zum Informations gut wird, sobald sie Gegenstand eines Tauschvorganges ist. In der an diese Begriffsbestimmung anschlief~enden ErSrterung der Faktoren, die Einfluss auf die Zahlungsbereitschaft fiir Informationsgiiter haben, zeigt sich, dass dies in weiten Teilen davon abh~ingt, welcher Verwendung diese zugeffihrt werden sollen. Bei Informationsgiitern, die zur LSsung von Problemen oder zur Verbesserung von Entscheidungen erworben werden, h/ingt die Zahlungsbereitschaft wesentlich von der Nutzen- bzw. Gewinndifferenz ab, die der Nachfrager zwischen einer uninformierten und einer informierten L6sung bzw. Entscheidung erwartet. Dienen Informationsgiiter direkt der Bedfirfnisbefriedigung, so existiert eine grof~e Vielfalt von
258
7 Zusammenfassung und A usblick.
Einflussfaktoren auf die Zahlungsbereitschaft, die in der Forschungsliteratur theoretisch bisher nur wenig erfasst ist. Ein Aspekt, der in vielen F~illen eine Rolle spielen mag, ist der Gewohnheitseffekt, der gem~ifb der Theorie der Haushaltsproduktion die Zahlungsbereitschaft fiir bestimmte Arten von Informationsgiitern, z.B. Aufnahmen klassischer Musik, dadurch erhShen kann, dass der vorherige Konsum die Rezeptionsf'fihigkeit und damit den resultierenden Musikgenuss in nachfolgenden Perioden steigert. Dariiber hinaus liegt sicherlich h~iufig eine gegenseitige Beeinflussung der Nachfrager im Sinne von Netzwerkeffekten vor, die z.B. durch Mundpropaganda oder das Medienecho auf bestimmte Informationsgfiter hervorgerufen werden kSnnen. Zwei generelle Hypothesen lassen sich festhalten: Erstens ist die Zahlungsbereitschaft fiir einzelne Informationsgiiter vermutlich /iuf~erst heterogen, eben weil sie von sehr vielen Faktoren beeinflusst wird, die auf unterschiedliche Nachfrager in unterschiedlicher Richtung wirken, und zweitens dfirfte in vielen F~illen eine erhebliche Zeitpr/iferenz bestehen, die nicht ausschlief~lich mit einem allgemeinen Marktzinssatz zu erkl/iren ist. Ein wesentliches Problem beim Handel mit Informationsgiitern l i e g t wie bereits in der Einleitung erwfi~hnt - in deren subadditiver Kostenstruktur. Werden einzelne Informationsgiiter zu festen, also fiir alle Nachfrager gleichen Preisen angeboten, resultiert daraus die sowohl aus volkswirtschaftlicher Perspektive als auch aus individueller Sicht des Anbieters unvorteilhafte Situation, dass Nachfrager mit einer Zahlungsbereitschaft unterhalb dieses Preises - die es wegen der vermuteten grof~en Heterogenit/it der Zahlungsbereitschaften in nennenswerter Zahl geben d i i r f t e - ausgeschlossen werden, obgleich sie zu Grenzkosten in der N/ihe von Null bedient werden kSnnten und damit sowohl die allokative Effizienz der Gesamtwirtschaft als auch der Gewinn des Anbieters gesteigert werden kSnnte. Der letzte Teil der Aussage gilt jedoch nur dann, wenn die Gewinne, die mit den zahlungswilligeren Nachfragern gemacht werden, durch den Verkauf an die weniger interessierten nicht beeintr/ichtigt werden. Genau darin besteht die Schwierigkeit bei dem Versuch, differenzierte Preise fiir verschiedene Nachfrager einzufiihren, die im dritten Kapitel thematisiert wird: Da der Anbieter normalerweise zwar, z.B. aufgrund von Erfahrungswerten, eine Vorstellung vonder Gesamtnachfrage nach einem Informationsgut hat, kennt er die Zahlungsbereitschaften der einzelnen Nachfrager nicht. Daher ist es ihm nicht ohne Weiteres mSglich, von jedem ein-
7 Zusammenfassung und Ausblick
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zelnen potenziellen K~iufer einen dessen Zahlungswilligkeit entsprechenden Preis zu verlangen. Er hat allerdings, wie im dritten Kapitel diskutiert, die MSglichkeit, seine Angebote so zu gestalten, dass sich Nachfrager mit unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften freiwillig ffir die Angebote entscheiden, die ihrem individuellen Interesse am ehesten entsprechen. Die CoaseVermutung legt nahe, dass eine intertemporale Differenzierung der Preise, bei der die Nachfrager mit einer hSheren Zahlungsbereitschaft vor denjenigen mit einer geringeren Zahlungsbereitschaft bedient werden, nicht ohne Weiteres mSglich ist, da die Nachfrager die ffir sp~iter geplanten Preissenkungen des Anbieters antizipieren und ihre K~iufe daher auf sp~itere Zeitpunkte verschieben kSnnen. Andererseits zeigt das sp~iter im vierten Kapitel diskutierte Modell von Bagnoli et al., dass der Anbieter unter bestimmten Bedingungen glaubhaft machen kann, dass er seine Preise erst dann senken wird, wenn ein bestimmter Anteil der Nachfrager das Gut bereits gekauft hat. Die Voraussetzung daffir ist, dass die Zahl der Nachfrager relativ klein ist im Vergleich zur Anzahl der verffigbaren Preisstufen bzw. der kleinsten W~hrungseinheit. Eine weitere MSglichkeit, eine Selbstselektion der Nachfrager herbeizuffihren, liegt in der Bfindelung, die in der Realit~it h~iufig eingesetzt wird, wobei die Erscheinungsformen von Zeitungen und Musikalben bis hin zu zeitbezogenen Abonnements reichen. Durch die Bfindelung werden Kaufanreize ffir solche Konsumenten geschaffen, deren Zahlungsbereitschaft ffir die Einzelgiiter heterogen ist, im Durchschnitt aber fiber dem Bfindelpreis liegt. Der Effekt der Bfindelung ist dann besonders groin, wenn die Zahlungsbereitschaft eines einzelnen Nachfragers ffir die gebfindelten Einzelgfiter kaum oder gar nicht mit einer zugrunde liegenden Variablen korrelieren, deren Auspr~igung von Nachfrager zu Nachfrager variiert. Ist der Einfluss solcher Variablen dagegen gro~ - als Beispiele seien das Einkommen eines Konsumenten oder die allgemeine Finanzkraft einer Unternehmung genannt - ist die Wirkung der Bfindelung weniger ausgepr~igt. Die Untersuchung von Verhandlungsprozessen im vierten Kapitel zeigt, dass die wesentlichen 5konomischen Einflussfaktoren auf das Verhandlungsergebnis das Verhandlungsprotokoll sowie die Zeitpr~iferenzen der Akteure sind. Geduldige Akteure, die h~iufiger Angebote abgeben dfirfen, erhalten mehr als undgeduldige, die seltener die MSglichkeit zum Bieten erhalten. Hinzu kommt die Wirkung eventueller Informationsasymmetrien: Kennt ein
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Akteur die Verhandlungsposition seines Gegenfibers, w~khrend der andere fiber die St/irke seines Kontrahenten im Unklaren ist, ergibt sich daraus ein Vorteil ffir den besser informierten Akteur. Ob es zu einer mit der Coase-Vermutung vergleichbaren Situation kommt, in der der uninformierte Verhandlungsteilnehmer keinen Anteil am Einigungsgewinn erh~ilt, hiingt von den Zeitpr/iferenzen der Teilnehmer ab und davon, ob exogen eine bestimmte Zeit vorgegeben ist, die stets zwischen den einzelnen Angeboten im Verhandlungsverlauf verstreichen muss. Generell gilt bei asymmetrischer Information, dass eine Einigung erst nach einigen Perioden erzielt wird und dass es sinnvoll ist, nur den schlechter informierten Akteur Angebote machen zu lassen, da der informierte Akteur keinen Anreiz hat, vorzeitig seine privaten Informationen preiszugeben. Im Anschluss an die 5konomische Situationsanalyse der Kapitel drei und vier wendet sich das fiinfte Kapitel der Forschung fiber autonome Agenten zu. Nach einer Reihe begriffiicher K1/irungen steht die Frage der Koordination in (Multi-)Agentensystemen im Vordergrund. Im Bereich der Informatik bzw. der kfinstlichen Intelligenz existiert eine umfangreiche normativ ausgerichtete Literatur zur Kommunikation zwischen autonomen Agenten, deren Thematik von mSglichen Kommunikationsmedien fiber Sprachen zur Agentenkommunikation, welche Syntax und Semantik einzelner Nachrichten spezifizieren, bis hin zu den Regeln reicht, nach denen Konversationenzusammenh~ingende Folgen von Nachrichten- ablaufen soUten. Ffir die Fragestellung der vorliegenden Arbeit sind allerdings nicht alle dort gewonnenen Erkenntnisse von Nutzen, da ein groger Teil der vorhandenen Forschung sich auf Systeme bezieht, in denen mehrere Agenten kooperativ an Teilfragestellungen eines iibergeordneten Problems arbeiten, w~i~hrend ihr Verh/iltnis in dem hier zu entwickelnden System vorwiegend kompetitiv gepr~igt ist. Dies macht sich insbesondere bei den theoretischen ~lberlegungen zur Interpretation von Nachrichtentypen bemerkbar, die praktisch ausnahmslos vonder Annahme der Wahrhaftigkeit der fibermittelten Aussagen ausgehen: Der Sender glaubt regelm~i~ig an den Inhalt der von ihm iibermittelten Aussagen. Diese Annahme 1/isst sich so fiir die Problemstellung dieser Arbeit nicht fibernehmen, da einzelne Preisangebote, die ja implizit stets die Aussage beinhalten, ein fiir den Sender ungiinstigerer Preis sei fiir diesen nicht mehr tragbar, durchaus in der Absicht abgegeben werden, den Empf~inger wider
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besseres Wissen vonder St~ke der eigenen Position zu fiberzeugen. Da aus diesem Grund die im 0brigen teilweise sehr komplexe Struktur bestehender Agentenkommunikationssprachen nicht ohne Weiteres fiir das hier zu entwickelnde System angepasst werden kann, wird zu Beginn des sechsten Kapitels eine einfache Sprache definiert, deren Nachrichten im Anwendungskontext zweifelsfrei interpretiert werden kSnnen, ohne jedoch zugleich auf eine anwendungsiibergreifende Verwendung ausgerichtet zu sein. Obgleich im Rahmen der Informatik die angesprochenen theoretischen Schwierigkeiten bei der Verwendung existierender Agentenkommunikationssprachen in kompetitiven Zusammenh~ingen erkannt und erste Ans~itze zu deren 0berwindung vorgeschlagen wurden, besteht hier sicherlich weiterer Forschungsbedarf in einem Feld, zu dem auch und gerade die Wirtschaftsinformatik origin~ire Beitr~ige leisten kSnnte. Eine 0bersicht fiber die Entscheidungsmodelle der Agenten in existierenden Systemen, in denen Preisverhandlungen zwischen autonomen Agenten realisiert werden, steht am Ende des fiinften Kapitels. Einige dieser Modelle sind spieltheoretisch motiviert, andere wenden Heuristiken an, denen eine mehr oder weniger tiefgreifende Analyse der Verhandlungssituation ohne spieltheoretisches Instrumentarium zugrunde liegt. Die spieltheoretisch begriindeten Modelle basieren indessen auf der Annahme vollst~indiger Information, bzw. schlagen einen anreizkompatiblen Mechanismus zur Oftenbarung der privaten Informationen vor, der dem eigentlichen Verhandlungsmechanismus vorgeschaltet wird. In jedem der Ans~itze besteht die Leistung der Agenten darin, die existierende LSsung eines spieltheoretischen Modells auf eine konkrete Situation zu fibertragen. Eine selbst~indige strategische Interaktion der Agenten, also eine Beriicksichtigung des Einflusses fremder Entscheidungen auf die eigene oder eigener Entscheidungen auf fremde findet jedoch nicht statt. Die im Anschlu~ dargestellten heuristischen Entscheidungsmodelle unterscheiden sich stark im Hinblick auf die Faktoren, die in das Entscheidungskalkfil Eingang finden. W~ihrend manche Modelle sich ausschlie~lich auf die Pr~iferenzen des Nutzers stiitzen, beriicksichtigen andere auch das Geschehen in der Umwelt, insbesondere die Angebote anderer Agenten, um daraus zu lernen. Keines der betrachteten Entscheidungsmodelle kSnnte jedoch ohne Weiteres in dem hier zur Diskussion stehenden Typ von System eingesetzt werden, weil sie fiir Typen von Verhandlungen entwickelt wurden,
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die sich von der hier betrachteten Situation unterscheiden. Das im sechsten Kapitel entwickelte Entscheidungsmodell basiert auf spieltheoretischen 0berlegungen, stellt jedoch in dem Sinne ein heuristisches Modell dar, dass es nicht darauf zielt, eine im Voraus bestimmte Verhandlungs15sung auf direktem Wege zu implementieren. Vielmehr wird aus der spieltheoretischen Analyse eine bestimmte Strukturierung des durch die Agenten zu 15senden Entscheidungsproblems extrahiert und ein Algorithmus entwickelt, um die im spieltheoretischen Modell optimalen Strategien der Agenten n~iherungsweise abzubilden. Dieses Modell wird zun~ichst mit verschiedenen Parameterwerten und vorgegebenen Nachfragefunktionen getestet. Es zeigt sich, dass die Ergebnisse den Erwartungen aus der theoretischen Diskussion des vierten Kapitels weitgehend entsprechen: Je stoker der Anbieter und je ungeduldiger die Nachfrager, desto grS~er der Anteil, den der Nachfrager an den gesamten Tauschgewinnen erhfilt und vice versa. Anschliei~end werden die Ergebnisse des Verhandlungsverfahrens verglichen mit den Ergebnissen, die sich unter sonst gleichen Bedingungen bei Anwendung einer Biindelungsstrategie ergeben h~itten. Dabei ergibt sich, dass sich - zumindest unter den betrachteten Nachfragebedingungen - im Verhandlungsverfahren in vielen F~illen eine grSf,ere Summe von Konsumentenrente und Produzentenrente ergibt als durch Bfindelung, volkswirtschaftlich gesehen also ein effizienteres Ergebnis. Da in der Regel auch die Produzentenrente allein mindestens gleich groI~ ist wie bei der Biindelung, besteht auch ein Anreiz ffir einen rationalen Anbieter, das Verfahren einzusetzen. Einschr~hakend muss hinzugefiigt werden, dass die in der Simulation gewfiahlten Nachfragebedingungen fiir das Biindelungsverfahren eher ungiistig sind, da die Zahlungsbereitschaften eines einzelnen Nachfragers fiir die angebotenen Informationsgiiter mit einer zugrunde liegenden Variablen korrelieren. Dieser Fall ist aber keineswegs realit~itsfern, bedenkt man die unterschiedliche finanzielle Ausstattung insbesondere von Privatpersonen. Im fiir das Biindelungsverfahren giinstigsten Fall unkorellierter Zahlungsbereitschaften, der hier nicht im Einzelnen untersucht wurde, wiirde dieses vermutlich aufgrund der entfallenden Wartekosten geringfiigig besser abschneiden. Daher ist das hier entwickelte Verhandlungsverfahren weniger als eine Alternative denn als eine Ergfiaazung zu herkSmmlichen Methoden der Biindelung zu sehen. Als praktisches Anwendungsszenario fiir die Evaluation des Verhand-
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lungsverfahrens wurde im sechsten Kapitel die Branche der Nachrichtenagenturen gew~ihlt. In diesem Beispiel ist eine Voraussetzung in besonderer Weise erfiillt, der generell entscheidende Bedeutung fiir den praktischen Einsatz des Systems zukommt: Es muss eine Situation vorliegen, in der die Nachfrager eine besondere Zeitpr~iferenz fiir die angebotenen Informationsgiiter aufweisen. Dies ist offensichtlich fiir Informationsgiiter mit einem Aktualit~itsbezug, wie eben Nachrichten, gegeben. Ein weiteres potenzielles Einsatzfeld liegt bei sogenannten On-Demand-Diensten, bei denen Nutzer bestimmte Informationsgiiter zur einmaligen Nutzung von einem Anbieter bestellen. Seit l~gerer Zeit wird z.B. Video-on-Demand als eine Alternative zu den herkSmmlichen Videotheoken diskutiert, erste, internetgestiitzte Angebote existieren mittlerweile. Hier ist eine Bepreisung mittels des Verhandlungsverfahrens durchaus denkbar, wenn man davon ausgeht, dass die Entscheidung zum Anschauen eines bestimmten Spielfilms im eigenen Wohnzimmer vermutlich oft spontan f'eillt, dann aber innerhalb eines festen Zeitfensters, z.B. noch am selben Abend, umgesetzt werden soll. Ein Benutzer kSnnte seinem Agenten eine maximale Zahlungsbereitschaft und den sp~itesten Zeitpunkt mitteilen, zu dem der Film auf das heimische Empfangsger~it iibertragen werden soll, der Agent wfirde dann mit dem Agenten des Anbieters den genauen Preis und den genauen 0bertragungsbeginn aushandeln. Eine weitere Frage, die sich hinsichtlich der praktischen Umsetzbarkeit stellt, besteht in der Akzeptanz eines variablen Preises durch die Nachfrager, die mehrheitlich an die Kalkulierbarkeit fester Listenpreise gewShnt sind, von denen nur ausnahmsweise, z.B. im Fall von Sonderangeboten, abgewichen wird. Hier kann aber auf den Markterfolg verwiesen werden, den Anbieter in anderen Branchen bereits durch Angebote mit variablen Preisen erzielen konnten. Ein wichtiges Beispiel ist die grof~e Popularit~it des Internet-Auktionshauses Ebay, bei dem Gfiter nahezu jeder Art online versteigert werden, wobei weder Verkiiufer noch K~iufer vor Abschluss der Auktion den Preis kennen, zu dem eine Transaktion zustandekommt. Die Bieter nutzen hier iibrigens bereits heute die Dienste eines einfachen Agenten, der eingehende Gebote anderer Nutzer bis zum Erreichen eines vorgegebenen, aber vor den iibrigen Bietern versteckten HSchstgebotes immer wieder iiberbietet. Zum anderen soll an die Preisstrategien der sogenannten Low-Cost-Fluggesellschaften erinnert werden, die den Preis fiir jeden ein-
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zelnen Flug st~iadig an die aktuelle Auslastung der Maschine, die ffir das Flugdatum erwartete Nachfrage, die verbleibende Zeit bis zum Abflug, teilweise aber auch an die Tageszeit der Angebotserstellung anpassen. Auch hier herrscht erst unmittelbar vor Abschluss der Transaktion Gewissheit fiber den tats~ichlich zu zahlenden Preis, eine Situation, die die Nachfrager aber offenbar in der Aussicht auf ein ,~Schn~ippchen" zu akzeptieren bereit sind. Ohne die Notwendigkeit weiterer Forschungs- und Entwicklungsarbeit untersch~itzen zu wollen, kSnnen die Ergebnisse dieser Arbeit doch bereits als Ermutigung fiir die Anbieter von Informationsgfitern gedeutet werden, im eigenen Interesse ihren Kunden durch variablere Preisgestaltungsmodelle mehr Flexibilittit beim Erwerb und der Nutzung von Informationsgiitern zu gewfihren.
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