Inferno zwischen Ruinen Kurt Brand
Ren Dhark Band Nr. 71 Version 1.0
Ren Dhark und seine Welt
Im Jahre 2050 ist die ...
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Inferno zwischen Ruinen Kurt Brand
Ren Dhark Band Nr. 71 Version 1.0
Ren Dhark und seine Welt
Im Jahre 2050 ist die politische Lage auf der Erde ausgeglichen, jedoch die Erde ist übervölkert. Da startet der erste Kolonistenraumer „Galaxis" mit 50000 Kolonisten an Bord zur Fahrt in den Weltraum, um neue Siedlungsräume zu suchen. Durch einen Defekt im Antrieb geraten die Kolonisten in einen unbekannten Teil der Milchstraße und wissen nicht mehr, wo sich die Erde befindet. Sie gelangen zu einem bewohnbaren Planeten, den sie „Hope" nennen, gründen hier die Stadt „Catfan" und entdecken auf einer großen Insel Spuren einer hochentwickelten Kultur. Die Insel wird „Deluge" genannt. Ren Dhark, den man zum Stadtpräsidenten gewählt hat, findet in einer riesigen Höhle auf Deluge ein Raumschiff der Ureinwohner, das von ihm den Namen „Point Of" erhält. Es gelingt Ren Dhark, die Point Of startklar zu machen, und er bricht auf, um die Erde wiederzufinden. Die Suche führt schließlich zum Erfolg. Jedoch die Menschen auf der Erde sind von einer Invasorenrasse, den „Giants", überfallen und geistig versklavt worden. Ren Dhark versucht, sie zu befreien. Es gelingt ihm, nach einem mentalen Kampf die Führungsspitze der Eindringlinge, „Cal" genannt, festzunehmen. Sie wird erst wieder freigelassen, nachdem sie das Geheimnis verraten hat, wie man die Menschen wieder zu normalen Erdbewohnern machen kann. Es geschieht mit Hilfe eines Gehirnwellensenders durch Bestrahlung. Die Menschen wachen aus ihrem Trancezustand auf, und die Giants verschwinden von der Erde. Im Brana-Tal befindet sich die „Cyborg"-Station. Dort sind die Wissenschaftler unermüdlich am Werk. Man unternimmt interessante Experimente auf dem Gebiet der CyborgForschung. Die ersten Cyborgs haben bereits ihre Feuerprobe bestanden. Ren Dhark findet auf einem Planeten des Blue Stars-System einen zerstörten Ringraumer, der ihm viele Rätsel aufgibt. Zur gleichen Zeit geschieht in der Riesenhöhle auf Deluge etwas Unerwartetes: Die Mammut-Aggregate und der Groß-
Transmitter beginnen zu arbeiten l Ein Kugelraumer, der Sonnensysteme der Galaxis zu katalogisieren hat, scheint auf die Heimatwelt der Mysterious gesfoßen zu sein. Bevor jedoch die Besatzung die Erde ausführlich benachrichtigen kann, wird der Kugelraumer zerstört, und eine riesige Flotte von 20000 Ringraumern nimmt Kurs auf Terra.
Ast-17 verglühte! Die kampfstarke Station, 120 000 Kilometer über Luna, war nicht mehr zum Schuß gekommen. Acht Ringraumer hatten den siebzig Meter durchmessenden Planetoiden gleichzeitig und von verschiedenen Seiten mit allen Strahlwaffen angegriffen und ihn in eine winzige Sonne verwandelt. Das war der erste Schritt zur Vernichtung Terras! Im Kontrollraum A des Stabes der TF zeigte ein Bildschirm den Untergang von Ast-17. Im gleichen Moment lief die Meldung darüber bei Marschall Bulton ein. Er zögerte keine Sekunde. Während er die verschiedenen Lagemeldungen hörte, zerdrückte sein rechter Mittelfinger die Plastiksicherung über dem roten Knopf. Der Impuls jagte über Hyperfunk an alle Ast-Stationen, Mond- und Planeten-Forts und an alle Schiffe der TF. Angriff! Gegenschlag! Im Nahbereich des Planeten Venus flogen die Ast-Stationen 166 und 167 auseinander. Mehr als hundert Ringraumer hatten leichtes Spiel mit ihnen gehabt. Drei gigantische Pulks rasten auf Terra Der große Suprasensor im Stab der TF spie das Resultat aus: Anfliegende Verbände werden in 13:14 Minuten in 10 000 Metern Höhe über Terra stehen! Marschall Bulton wischte die rohe zur Seite. Uninteressant! Aus dem Lautsprecher sprang die Nachricht: „Unsere Ast-Stationen haben das Feuer eröffnet!" In diesem Augenblick unterbrachen alle Nachrichtensender der Erde ihr Programm. Sprecher, denen die Angst schier die Kehle zuschnürte, gaben mit zitternder Stimme die Nachricht von der bevorstehenden Invasion bekannt. Aber sie selbst glaubten an keine Invasion mehr. Auch sie befürchteten, daß Terra in einem gewaltigen Strahlangriff vernichtet werden würde. Auf den Bildschirmen im Kontrollraum A, die in vier langen Reihen übereinander standen, zeichnete sich ein unbeschreibliches
Drama ab. Die anfliegenden Ringraumer, jeder ein Ebenbild der POINT OF, schenkten den Angriffen der Ast-Stationen keine Beachtung. Die Pulks, die Terra als Ziel hatten, flogen durch das Gewirr der Strahlbahnen, als ob diese hochenergetischen Strahlen nicht existent seien. Der große Suprasensor spie das nächste Resultat aus. Anfliegende Verbände werden in 12:58 Minuten in 10 000 Metern Höhe über Terra stehen! Die ersten Schiffe der TF warfen sich dem übermächtigen, Gegner mit verzweifeltem Mut entgegen. Fünf Sekunden später gab es sechs Schiffe der Wolf-Klasse nicht mehr. Die fünf 100-Meter-Raumer waren in Energie umgewandelt worden. Zwei Kreuzer der Planet-Klasse trieben mit zerfetzter AsOnenanlage durch den Raum. Aus dem Gebiet des Planeten Jupiter hatte ein weiterer feindlicher Verband, der aus ungefähr 5000 bis 6000 Ringraumern bestand, Fahrt aufgenommen und einwandfrei Terra zum Ziel! Und jeder der Ringraumer flog im Schutz seiner Intervallfelder! Jedes der aber tausend angreifenden Schiffe der Mysterious war so stark abgesichert wie die POINT OF! Die hochenergetischen, zum Teil überlicht-schnellen Strahlbahnen der Terraner kamen nicht durch! In wilden Flammenkaskaden prallten die Energien an den Mini-Welträumen ab. Die Offiziere im Kontrollraum A sahen über die Bildschirme den Untergang Terras voraus! In knapp zwölf Minuten war alles zu Ende! Diese gewaltige Übermacht war nicht aufzuhalten ! Wieder las Bulton das nächste Resultat des großen Suprasensors vor: Anfliegende Verbände haben Terra in 11:32 Minuten erreicht! Ast-94, 108, 123, 124 und 137, die die Aufgabe hatten, die Erde vor einem Angriff aus dem Raum zu schützen, existierten nicht mehr. Im Verteidigungsring um Terra klaffte eine gewaltige Lücke, durch die die Pulks der Mysterious hindurchrasten! Einmal warf Bulton seinen Stabsoffizieren einen forschenden Blick zu. Er sah bei einigen Männern den Schweiß auf der Stirn; er sah
andere, deren Gesichtsfarbe grau war. Aber alle hatten eins gemeinsam: keine Hoffnung mehr. Dieser Sturmflut an Ringraumern, die aus den Tiefen der Galaxis über das Sol-System hereingebrochen war, konnte keine Macht mehr Einhalt gebieten. Auch in der großen Hyperfunk-Station Cent Fields gab es nichts mehr zu tun. Alle Frequenzen waren besetzt! Über alle Frequenzen kamen Notrufe herein, die oft mitten im Wort abrissen! Die Kommandanten der Ast-Stationen auf den Monden und Planeten funkten in ununterbrochener Folge: Wir können die Ringraumer nicht aufhaltenl Ein blutjunger Leutnant, der vor drei Tagen erst geheiratet hatte, verlor die Nerven. In einem Anfall von Panik versuchte er einen der Oszillos zu zerstören. Drei Kameraden fielen ihm in den Arm und zerrten ihn zurück. Sie konnten aber nicht verhindern, daß er losbrüllte: „Jetzt, wo es uns allen an den Kragen geht, hat sich dieser Dhark durch die Lappen gemacht!" Er schlug um sich. Er trat um sich. Er brüllte unentwegt, aber seine Worte waren nicht mehr zu verstehen., Einige Offiziere hatten gegen diese Ablenkung nichts einzuwenden. Sie vergaßen für Momente, was ihnen bevorstand. Olje Hanussa aber, zur praktischen Ausbildung an die Hyperfunkstation abkommandiert, saß hinter seinem kleinen Oszillo der Serie F-o und ließ sich nicht ablenken. Trotz seiner Angst. Oder weil er Riesenangst hatte. Seit der gewaltigen Struktur-Erschütterung mitten im Sol-System beobachtete er einen Blip, der alle anderen überlagerte. Ein Super-Blip! Die Schwingungsweite dieser Amplitude sprengte den OszilloRahmen. Das Gerät konnte die Ausschläge nicht mehr komplett erfassen. Und Olje Hanussa konnte sich nicht erinnern, auf der FunkAkademie jemals etwas von Blips dieser Art gehört zu haben. Hastig drehte sich der schmale junge Mann um. Bald, in knapp zehn Minuten, begann für Terra das Ende. Lohnte es sich überhaupt noch, eine Frage an die Haupt-Funkortung zu richten? „Großer Himmel!"
Der Schrei gellte durch die Zentrale der Hyperfunkstation Cent Fields. Auf dem mehrere Quadratmeter großen Bildschirm, der mit dem Kontrollraum A des Stabes in Verbindung stand, waren die drei anfliegenden gewaltigen Ringraumerpulks zu sehen, die plötzlich ihre Formationen veränderten, einen gewaltigen Halbkreis bildeten, dabei aber ihren Kurs auf Terra unverändert beibehielten. Auch Olje Hanussa war zusammengefahren. Auch er hatte diese Formationsänderung gesehen, dennoch wollte er die Funk-Ortung anrufen. Und wenn es die letzte Frage seines Lebens war. Er wollte wissen, was dieser Super-Blip zu bedeuten hatte. Er streckte die rechte Hand zur Verständigung aus. Plötzlich hatte sein Arm keine Kraft mehr. Der Arm fiel herunter, als sei er nach unten geschlagen worden. Und Olje Hanussas Augen waren unnatürlich groß geworden. Er starrte auf die von innen beleuchtete Scheibe seines Oszillos aus der Serie F-o und sein Blick suchte vergeblich nach dem Super-Blip. Es gab ihn nicht mehr. Aber es gab immer noch die anfliegende Riesenflotte unbekannter Ringraumer. * Einunddreißig Lichtminuten vor der Plutobahn war die POINT OF wieder ins normale Raum-Zeitgefüge zurückgekommen. „Das hätten wir geschafft", stieß Ren Dhark erleichtert aus, als der Checkmaster die genaue Position des Flaggschiffes bestimmt hatte. Über die Bordverständigung wandte er sich an Glenn Morris in der Funk-Z und gab ihm die Order, die Ankunft der POINT OF für 22:46 Uhr Norm-Zeit in Cent Field anzukündigen. Dan Riker rührte sich im Ko-Sitz nicht. Sein Gesicht drückte Sorgen aus. Er mußte an die gewaltigen Flottenverbände zwischen den beiden Spiralarmen denken, die laut einer Warnung von Colonel F. Huxley, der sich bei den Nogks aufhielt, wahrscheinlich das SolSystem zum Ziel haben sollten. „Commander, Spruch ist "raus!" meldete Morris lakonisch aus seiner Funk-Z. Dhark schaltete den Sie seines Schiffes hoch. Die Kursregulierung überließ er dem Bordgehirn. Der Sub-Licht-Antrieb kam sofort. Alle M-Konverter des Raumers waren wieder tobit. Ren Dhark zuckte leicht zusammen, als er routinemäßig seinen
Blick über die Kontrollgeräte seines Instrumentenpultes gleiten ließ. Die Hauptwerte aller Ortungen kamen automatisch zu ihm herein. Und in dem Moment, als er den linken Instrumententeil seines Pultes betrachtete, sah er an einem Gerät den ungewöhnlichen starken Ausschlag! Grappa hatte nicht geschlafen. Gellend klang sein Ruf durch die Zentrale. Lauter als sonst. Ein Schrei fast. „Struktur-Erschütterung !" Dan Riker fuhr aus seinem Grübeln auf. Die beiden Offiziere auf der Galerie des Leitstandes drehten sich auf der Stelle herum und starrten nach unten zum Commander. Ren Dhark glaubte, in seinem Kopf würde etwas auseinanderreißen. Unwillkürlich war ihm F. Huxleys Warnung durch den Kopf geschossen, und er erinnerte sich der großen Ringraumerverbände zwischen den Spiralarmen I/a und II/a. Es waren doch Schiffe der Mysterious gewesen — Schiffe ihrer unfreiwilligen Gönner. Aber die Gefüge-Erschütterung, die er gerade an den Instrumenten hatte beobachten können . . . Er wagte seinen Gedanken nicht zu Ende zu denken. Er wagte nicht einmal, eine Frage an Tino Grappa zu richten. Es war auch nicht erforderlich. Der junge Ortungs-Spezialist, der beste, den Terra besaß, gab schon seine Meldung ab. Mit brüchiger Stimme. „Dhark, die Ringraumer . . . die Ringrau-mer-Verbände sind mitten im Sol-System aus dem Hyperspace herausgekommen! Commander, sie fliegen ... sie fliegen mit größter Wahrscheinlichkeit Kurs Terra!" Neben Dhark fuhr sich Riker mit beiden Händen über das Gesicht, als müsse er Spinnfäden fortwischen. Dabei murmelte er etwas, das nicht zu verstehen war. Die drei Offiziere, die am Checkmaster Dienst machten, glaubten ihrem Kameraden Grappa kein Wort. Aber der Commander. Und eine andere Erinnerung war in ihm wach geworden. Major Neeps Bericht über die sagenhaften Erzählungen der Utaren, die in den Mysterious die Geißel der Galaxis sahen — die Crakosf Ein häßlich klingendes Wort: Grakos! Ein Wort aus Haß, Angst und verzweifelter Ohnmacht geboren! Grakos!
Und hinter Ren Dharks Stirn hämmerte eine Vorstellung: Die Grakos sind ins Sol-System eingebrochen ! Dharks braune Augen waren zu Schlitzen geworden. Die leicht gebogene Nase trat stärker als sonst hervor. Er wurde sich nicht bewußt, daß er seine Hände geballt hatte und die Knöchel eine weiße Farbe hatten. Kantig, wie von einem großen Meißel geschaffen, wirkte sein ausgeprägtes Kinn. Über der Nasenwurzel standen zwei steile, tiefe Falten. Fest aufeinander lagen die Lippen, die dadurch wie blutleer wirkten. Plötzlich löste sich seine verkrampfte rechte Hand. Der Zeigefinger kippte einen Steuerschalter in eine andere Lage. Der Antrieb der POINT OF ging übergangslos auf Sternensog. Die Flächenprojektoren des Ringraumers emittierten ein Maximum an Energie zum Brennkreis im Leerraum der Ringröhre. Die Geschwindigkeit des Flaggschiffes schnellte hoch. Titanische Antriebskräfte rissen das Schiff in Richtung auf das Sonnen-System. Gleichzeitig gellte Alarm durch die Decks. Mit einem einzigen Griff zog auch Dhark seinen Klarsichthelm, der gefaltet über seinem Rücken gelegen hatte, über den Kopf. Kaum hatte er sich automatisch geschlossen, als er auch schon halbstabil und transparent war. Über den Funk seines Raumanzuges stand Dhark nach wie vor ungehindert mit allen wichtigen Zentralen seines Schiffes in Verbindung. „Fein-Ortungen!" Dieser Befehl galt Tino Grappa wie Glenn Morris. Im Schiff waren die hochgeschalteten M-Konverter zu hören. Aus dem Triebwerksraum kam Miles Congollons Klarmeldung. Nach ihm meldeten sich die beiden Waffensteuerungen. Noch war von Aufregung unter der Besatzung nichts zu bemerken. Noch ahnte auch Ren Dhark nicht, was wirklich im Sol-System geschehen war. Er konnte sich nicht vorstellen, daß jener gewaltige Verband an Ringraumern, den sie zwischen den beiden Spiralarmen bemerkt hatten, sich ihr System als Ziel ausgesucht haben konnte. In der Funk-Z rief Elis Yogan seinen Kollegen Walt Brugg herbei. Der betrachtete den Super-Blip nur einen Augenblick lang, und dann mußte Glenn Morris sich eine Mammut-Amplitude ansehen, die
alle anderen Amplituden überlagerte. Nein ... !" stieß Morris aus, aber sein Nein half nichts. Dieser Super-Blip blieb. Der Helmfunk übertrug sein erregtes Atmen. Das muß ich mir näher ansehen!" Der Sergeant, der hinter der Funk-Ortung saß, mußte seinen Platz räumen. Fein-Ortung einschalten! Sechs Antennen in der Unitallhaut der POINT OF wurden dafür in Anspruch genommen. Die Waffensteuerungen WS-Ost und West wurden über den Checkmaster von diesem Eingriff unterrichtet. Rückfragen an die Funk-Z erfolgten nicht. Drei Zusatz-Aggregate fuhren an. Walt Brugg mußte Morris assistieren! Knapp waren die Anweisungen, die Morris gab. Noch knapper Bruggs Kopfnicken. Aber dann warf er Morris einen fragenden Blick zu, als dieser auf den Checkmaster schaltete. Durch die Zusatzaufgaben wurde das Bordgehirn der POINT OF nicht überbeansprucht. Dieser Super-Blip wurde unter der Fein-Ortung noch unheimlicher. Da rief Glenn Morris durch einen Kommando-Impuls sämtliche Ortungswerte bei Tino Grappa ab. Erst in einer halben Minute würde der Befehl von Commander Dhark kommen: Fein-Ortungen! Diagramme tauchten vor Morris und Brugg auf der Bildscheibe auf. Darunter ein Gewirr an Kurven und Linien. Rechts Zahlen der Mysterious. Sie lasen sie wie arabische Zahlen. Und darüber wurde es den beiden Männern heiß und anschließend kalt. „Ein Monstrum", hauchte Walt Brugg. „Und das Ding steckt mitten im mittleren Pulk. Mitten drin!" Da kam Ren Dharks Befehl, Fein-Ortungen vorzunehmen. „Himmel noch einmal, hat der Commander eine Nase!" sagte Glenn Morris und hing einen Pfiff an seine Bemerkung. Ein Pfiff, der Anerkennung ausdrückte. Ihr Commander war nicht nur ein großer Könner; er hatte auch sehr oft zur richtigen Zeit den richtigen Einfall. Mit seinem Befehl hatte er es erneut bewiesen.
Und dann konnte ihm Glenn Morris beweisen, mit welchen Männern der Commander flog. Er konnte Vollzug melden. Er gab alle erfaßten Werte seiner FeinOrtung an das Instrumentenpult in der Zentrale. Er ließ sich auch nicht durch die Meldung unterbrechen, daß im Sonnen-System, im Leerraum zwischen den Planetenbahnen, starke Energie-Emissionen zu beobachten seien. Das hieß, Krieg im Sonnen-System! Das hieß, Marschall Button hatte den Befehl zum Gegenangriff gegeben! Glenn Morris hörte vom Commander keine Antwort Dhark hatte keine Zeit dazu. „Dan, übernehmen!" Er trat das Kommando über die POINT OF an seinen Freund ab. Die Bordverständigung zum Triebwerksraum stand. „Doorn, schnellstens zur 002!" Dhark federte aus dem Pilotensitz. Am Waffenschrank stoppte er, riß ihn auf, kümmerte sich nicht um das Erstaunen seiner Offiziere, sondern stopfte so viele Blaster in seine Taschen wie sie fassen konnten Dann krachte hinter ihm das Schott des Leitstandes wieder zu. Er rannte über das Deck. Er jagte zum Depot, in dem der Flash 002 lag. Aus der anderen Richtung sprintete Are Doorn heran. Der konnte keine Ahnung haben, was sein Commander vorhatte, dennoch stellte er keine Frage. Vielleicht gab es dafür später Gelegenheit. Sie standen vor dem Flash. Einsteigen! Einstieg schließen! Keine Zeit, um eine einzige Kontrolle vorzunehmen. Sie kam. Das Intervallfeld stand. Der Flash jagte durch die fünfzig Zentimeter starke Unitallwandung der POINT OF und stieß in den freien Raum. Der Blitz profitierte von der Überlichtgeschwindigkeit des Ringraumers. Ren Dhark schaltete den Hyperfunk ein. Er rief Grappa und Morris an. Alles andere interessierte ihn nicht. Und von seinem Flash aus schaltete er auf den Checkmaster. Nur kurz spielte er mit dem Plan, die Gedankensteuerung zu benutzen.
Morris war im Funk und auf dem kleinen Bildschirm zu sehen. „Morris, ich benötige die exaktesten Daten, die zu erbringen sind. Kontrolle über Checkmaster, Verbindung dahin steht! Kommen! Ende!" Die beiden Männer im Flash 002 saßen Rücken an Rücken. Are Doorn rührte sich nicht. Er war überzeugt, daß ihm der Commander so schnell wie möglich seinen Plan mitteilen würde. Daß er zu einem Himmelfahrtskommando befohlen war, störte ihn nicht. Von seinem Commander war er nichts anderes gewohnt. Über seinen Helmfunk hörte er mit. Da kroch es ihm doch kalt über den Rücken. Er hatte erfahren, was das Ziel ihres überstürzten Fluges mit der 002 war! Und dann begriff er auch, welchen verwegenen Plan Dhark hatte. „Are, Transition in zehn Sekunden!" „Okay!" Die zehn Sekunden schleppten sich dahin. Die 002 raste auf das Sonnen-System zu. Vom Planeten Pluto war auf der Bildprojektion über dem Kopf nichts zu sehen. Er stand in Opposition. „Nadelstrahl-Antennen….. klarmachen,Doorn! Wenn wir..." Die 002 transistierte! Sprung durch den Hyperspace. Nullzeit! Rematerialisation! Sie mit maximaler Leistung auf negative Beschleunigung! Dhark erkannte nicht, was er von seinem Partner und sich selber verlangte. Er erkannte nicht, daß er seinem Reaktionsvermögen die Leistung eines perfekten Roboters zumutete! „Drauf!" schrie Ren Dhark, der den Kopf weit in den Nacken gelegt hatte und auf dem Bildschirm an der Decke des Einstiegs erkannte, wo der Flash rematerialisiert hatte. Mit Vollast arbeitendem Sie, mit heulenden Andruck-Ausgleichern im Blitz schwebte das kleine Beiboot der POINT OF in der Funkzentrale eines Ringraumers, die sich von der Funk-Z des Flaggschiffes nur durch eine Winzigkeit unterschied. Die Funk-Zentrale war leer! „Doorn ..." Dem Commander blieb der Befehl im Mund stecken, sein Griff verfehlte das Ziel. Der Sibirier hatte den Ausstieg aufgestoßen und
schwang sich nach draußen. Da lachte Ren Dhark auf, als er sah, wie sein Partner sich kräftig abdrückte, um nicht ' den tödlichen Brennkreis des Sle zu körnten und mit federndem Sprung den Boden erreichte. Er hatte erkannt, was das Ziel seines Begleiters war. Der Gigant-Sender! Drei Kilo schwer! Das Duplikat jenes Gigant-Senders, der auf der POINT OF fehlte, weil er sich bei einem Versuch, der auf Hope in Cattan durchgeführt worden war, selbst zerstört hatte! Der Sender saß als Schachtelsatz in dieser Funk-Zentrale an der gleichen Stelle, die in der POINT OF als viereckiges Loch gähnte. Ren Dhark hatte keine Zeit, Doorns Vorgehen noch länger zu beobachten. Er übernahm die Nadelstrahlwaffe, schaltete sie auf alle Antennen seines Beibootes und wartete nur noch darauf, daß Are Doorn mit dem Gigant-Sender zurückkam. Sie ausschalten! Ausfahren der sechs spinnbeindünnen Auslegerbeine. Weich setzte der Flash auf. Immer wieder wanderte Dharks Blick zum Schott. Er wunderte sich, daß man sie immer noch ungestört ließ. Die Energie- und Massen-Ortung dieses Ringschiffes mußte der Besatzung ihre Anwesenheit längst verraten haben. „Hab' ihn!" hörte er über den Helmfunk Are Doorn sagen. Zu einer Antwort kam Dhark nicht mehr. Das Schott war aufgesprungen! Drei Roboter standen in der Öffnung! Ohne jede Gefühlsregung drückte Ren Dhark den Kontakt. Drei Antennen waren auf diese Konstruktionen gerichtet. Konstruktionen, die ihm in ihrem Aussehen seit seinem letzten Besuch des Transmitter-Raumes im Industrie-Dom nicht mehr fremd waren! Der überlichtschnelle -rosarote Nadelstrahl, von drei Antennen in der Unitallhaut seines Blitzes emittiert, traf sein dreifaches Ziel. Roboteranne, die hochgezuckt waren, fielen herunter. Linsensysteme am oberen Ende des zylindrischen Rumpfes wurden blind und begannen zu glühen. Im nächsten Moment gab es am Schott zur Funkzentrale eine
Explosion. Drei Roboter setzten unter dem Nadelstrahlbeschuß ihre Materie in Energie um. Ren Dhark sah nur noch die grelle Stichflamme. Daß er sein Augenlicht nicht verlor, verdankte er der automatischen Abblendung seines halbstabilen Klarsichtshelms. Dennoch schlug eine so starke Strahlenflut in seine Augen, daß es um ihn Nacht wurde. Die Roboter der Mysterious waren vernichtet. Die ersten drei! Er war überzeugt, daß es Roboter der Geheimnisvollen gewesen waren. Und er war überzeugt, daß dieser Ringraumer von ihren Werften stammte. Die Druckwelle der atomaren Explosion traf den Flash. Er lag seit dem Augenblick nicht mehr im Schutz seines Intervalls, in dem Are Doorn den Ausstieg aufgestoßen hatte. Wie von Riesenfäusten gepackt, begann das unförmige Beiboot der POINT OF auf seinen spinnbeindünnen Auslegern quer durch die Funk-Zentrale zu rutschen und blieb dann mit zwei der Teleskopstützen an einem schweren Aggregat hängen. Der Commander dachte nicht an sich, nicht an die Strahlenflut, die sich in diesem Raum austobte. Davor schützte ihn der Raumanzug der Mysterious, der trotz seines filmdünnen Materials absoluten Schutz vor härtester r-Strahlung bot. Dhark dachte an den bulligen, wortkargen und verwegenen Sibirier — an Are Doorn. „Doorn . . .", keuchte er über Helmfunk und lauschte auf Antwort. Es blieb still. Es blieb um ihn dunkel. Aus seinen Augen lief unaufhaltsam Wasser. Seine Tränendrüsen produzierten große Mengen. Er beachtete es nicht. Noch einmal sein Ruf: „Doorn . . . !" Und wieder nur Schweigen im Empfang „Mein Gott", flüsterte Dhark und dachte an Doris, Are Doorns junge hübsche Frau und deren Kind. War der Sibirier, als der Flash quer durch die Funk-Zentrale rutschte, von einem der Teleskopbeine erfaßt und zerquetscht worden? Doorn mußte doch ebenso stark geblendet worden sein wie er! Der Commander preßte eine Hand gegen die Augen. Die dünne Folie des Klarsichts-helms gab unter dem Druck nach und wirkte
nicht wie ein Fremdkörper zwischen Handfläche und Augenpaar. Schwarze Flecken begannen vor ihm zu kreisen. Die ersten Anzeichen, daß die Blendung langsam nachließ. Da erst wurde er sich bewußt, daß er nicht das Heulen der Sirenen hörte, die Strahlalarm gaben. Das Hauptdeck dieses Ringraumers mußte durch die atomare Explosion der drei Maschinenmenschen strahlverseucht sein. Über die Außenmikrophone seines Anzuges kam kein Geräusch zu ihm herein. Unheimlich still war es, und die Zeit verrann. Zeit, so wertvoll, wie sie es noch nie gewesen war. Eine Sekunde nach der anderen raste dahin, und in diesen Sekunden konnte sich das Schicksal des Sonnen-Systems und der Menschheit entschieden haben. Nadel einsetzen .. . ! Nadel einsetzen .. .1 hämmerte ein Befehl hinter seiner Stirn. Ununterbrochen! Nadelstrahl einsetzen ... ! Aber er sah doch nichts! Und er wußte nicht, was mit Are Doorn geschehen war. Sein intuitives Gefühl kannte keine menschlichen Rücksichten. Nadel einsetzen ... ! Dhark, du mußt die Nadelstrahlwaffe benutzen ...! Er war doch aus der POINT OF mit der 002 ausgeflogen, um in diesem Ringraumer die Funkzentrale restlos zu zerstören. Von dieser Funkzentrale aus wurde der gigantische Verband der Mysterious-Schiffe kommandiert! Der Super-Blip und die exakten Daten, die ihm Glenn Morris geliefert hatte, hatten es ihm verraten. Und jetzt... ? Er steckte mit seinem Flash im Flaggschiff der Mysterious-Flotte und konnte nichts tun. Deshalb nichts, weil er Rücksicht auf ein einziges Menschenleben nahm! Aber brachte er mit dieser Rücksicht nicht aber Milliarden anderen Menschen den Tod und Terra den Untergang? Dhark hörte sich keuchen. Er hörte sich stöhnen. Er hielt immer noch eine Hand gegen die Augen gepreßt. Die tanzenden Flecken rotierten schneller und schneller, aber die Blendung wich nicht schnell genug. Da horchte er auf. Das Dröhnen schwerer Schritte war zu hören!
Roboter-Schritte! Die Mysterious hatten erneut Maschinenmenschen eingesetzt l Die Schritte wurden lauter und kamen schnell näher. Roboter, die über das Hauptdeck des Ringschiffes rasten! Tonnenschwere Konstruktionen! Und er, Ren Dhark, sah immer noch nichts. Und von Are Doorn keine Spur, nicht einmal ein Stöhnen zu hören! Wo war das Schott? Genau hinter ihm, oder hatte sich sein Flash, als er quer durch die Funkzentrale rutschte, gedreht? Ren Dhark, du mußt.. .1 Er riß die Hand herunter, die er gegen seine Augen gedrückt hatte. Mit beiden Händen griff er blind zu. Nicht das geringste Zögern kam auf, als er die beiden Steuerschalter betätigte. Alle Antennen auf Nadelstrahl geschaltet! Für alle Antennen Feuer frei! Zweihundertzehn Sekunden Dauerbeschuß waren erforderlich, um das Unitall unter dem überlichtschnellen, rosaroten Strahlbeschuß in Energie verwandeln zu können! „Und wenn dieses Schiff dabei in Atome zerrissen wird!" keuchte er und dachte keine Sekunde lang, daß auch er dabei ums Leben kommen würde. Dieser Ringraumer mußte vernichtet werden. Das KommandoSchiff der Geheimnisvollen. Er hatte die Aufgabe zu erfüllen, mit der Vernichtung wenigstens den Angriff der Mysterious auf Terra zu stoppen. Den Menschen mußte er die Chance geben, sich mit den Angreifern in Verbindung setzen zu können. Hier lag doch ein Mißverständnis vor. Hier mußte ein Mißverständnis vorliegen! Aber wenn die Mysterious nun tatsächlich die Grakos sind, wie die Utaren behaupten? schoß es Dhark durch den Kopf. Alles in ihm sträubte sich gegen diese Annahme. Selbst in dieser Minute konnte er es nicht glauben. „Dhark.. .« In seinem Empfang hört« er Are Doorns Schrei. „Dhark, Nadel aus! Aus! Verdammt, ausschalten, ich kann sonst nicht zurück!" Aber die Roboter auf dem Deck hatten fast das offenstehende
Schott zur Funkzentrale erreicht. Zwei Steuerschalter kippten in andere Stellung. Hinter Ren Dhark krachte etwas auf den zweiten Sitz. Dröhnende Schritte über die Außenmikrophone. Metallschritte. „Drauf!" gellte es in Dharks Ohren. Und dann waren die Geräusche, mit denen sich der Einstieg schloß, schöner als die herrlichste Musik. Automatisch stand das Intervall um den Flash 002. Der Mini-Weltraum. „Dhark, können Sie nicht sehen?" Hastige Frage des Sibiriers. „Nichts..." „Ich übernehme ... Großer Himmel, da sind sie ja ... !" Und Ren Dhark sah die ersten Schatten, sah, daß diese Schatten immer schärfere Umrisse bekamen und daß sie sich bewegten. Er sah das Schott. Über die Bildprojektion. Seine Sehkraft kam zurück. Roboter stürmten auf den Flash zu. Ihre Metallarme waren Strahlwaffen. Sie versuchten das Beiboot der POINT OF anzugreifen. Wieder handelte Ren Dhark gefühlsmäßig. Sie einschalten! Teleskopbeine einfahren! Der plumpe, 4,7 Tonnen schwere Blitz flog mit seiner platten Front, die jeder aerodynamischen Form Hohn sprach, die Roboter der Mysterious an. Sein Intervall riß die nicht leichten Konstruktionen von ihren Beinen. Dhark konnte inzwischen wieder Einzelheiten erkennen. Der Sibirier hatte die Roboter unter Nadelstrahlbeschuß. Der Commander handelte. Sein Dazwischenfahren geschah in letzter Sekunde. Er wollte keine zweite atomare Explosion in nächster Nähe erleben, aber die gesamte Einrichtung dieser Funkzentrale mußte zerstört werden. Er steuerte seinen Flash, als beschäftige er sich mit einem vertrauten Spielzeug. 4,7 Tonnen Unitall krachten aus mehr als einem Meter Höhe auf die am Boden liegenden Roboter. Das hielten sie nicht aus. Gräßliches Krachen und dumpfe Schläge, begleitet von zischenden
Kurzschlüssen, erfüllten die Zentrale. Dreimal, viermal fiel der Flash zu Boden. Jedesmal wurden zwei oder drei Roboter plattgedrückt. Jedesmal heulte der Andruckausgleicher im Blitz kurzfristig auf. Die beiden Männer in der 002 merkten von den schweren Stößen nichts, die durch ihr Beiboot gingen. „Ohne Intervall?" fragte Doorn. „Natürlich!" Die knappe Antwort des Commanders. „Are, und jetzt zum zweitenmal: Nadel auf die Funkeinrichtung!" Er hatte keine Zeit zu fragen, was mit dem Sibirier passiert war, als sich die drei Roboter im Schott der Funkzentrale in Energie verwandelt hatten. „Nicht mehr nötig, Dhark. Die liegt lahm ..." Das war eine typische Bemerkung des Sibiriers. Manchmal fiel er mit seiner Wortkargheit anderen Menschen auf die Nerven. Dem Commander nicht. Der glaubte ihm jedes Wort. Nur wie sein Partner es angestellt hatte, konnte er sich nicht einmal vorstellen. „Dann zum Leitstand!" Hinter seinem Rücken grunzte Doorn. „Werden die Mysterious sich über unseren Besuch wundern." Das Intervall ließ den 002 durch die Unitallwände des Ringschiffes fliegen. Der Brennkreis des Sie hinterließ auch hier keine Schmelzspuren. Eine Tatsache, die terranische Metallurgen bis zum Tag noch nicht hatten erklären können. „Achtung!" Dharks kurzer Zuruf. Seine Fingerspitzen lagen auf den wichtigsten Steuerschaltern. Auf seinen Partner konnte er sich verlassen. Für Are Doorn war ein Flash auch ein Instrument, das er meisterhaft beherrschte. Da durchflog der Flasch die letzte Wandung, die sie noch von der Kommandozentrale des Ringschiffes getrennt hattte. Sie flogen in eine menschenleere Zentrale ein! Hier gab es nicht einmal einen Roboter. Aber auch keinen Checkmaster! Der Platz, den er auf der POINT OF einnahm, war hier leer! Vor dem langgestreckten Instrumentenpult gab es keine Pilotsessel, und über dem Pult keine Bildkugel! Und in der 002 gab es zwei Männer, die sprachlos waren. Und auf erneut ausgefahrenen Teleskopbeinen setzte das Beiboot der POINT OF auf.
* Holger Alsop wurde wach. Wilder Schmerz raste durch seinen Körper. Ein Stöhnen quälte sich über seine Lippen, aber er brachte die Kraft nicht auf, seine Augen zu öffnen. Das Rauschen in seinen Ohren hielt unvermindert stark an. Wie der Schmerz. Kälte fraß sich in seinen Leib — Kälte, die wie mit tausend Nadeln stach. Unbarmherzig. Er lag. Irgendwo. Er lag hart und versuchte sich zu drehen. Aber er konnte es ebensowenig wie die Augen öffnen. Nur seine Gedanken wurden klarer, und mit ihrer Klarheit wurde der Schmerz größer, wilder, unerträglicher. Robonen hatten ihn verschleppt. Aus Madlain Isaires Bungalow am Provo-See im Ingo-Tal, Er war von Bernd Eylers, dem Chef der GSO, persönlich eingesetzt worden, in Nordamerika nach denjenigen Dunkelmännern zu suchen, die aus den Cyborgs F. G. Mildan und P. P. Dordig Entartete gemacht hatten. Er, Cyborg Holger Alsop, war in Denver dem Lockvogel Madlain Isaire ins Garn gegangen. Wie ein grüner Junge. Wie ein Verliebter. Wie ein Narr. Und dann hatte ihn der Schockerstrahl mit maximaler Kraft getroffen, als sich draußen sieben Männer dem Bungalow näherten und er von seinem zweiten System auf sein normales zurückgeschaltet hatte. Im Moment der Rückschaltung hatten sie seine Existenz gefühlt — hatten sie sich ihm als Robonen verraten und er sich ihnen als Cyborg. An Madlain Isaire dachte er nicht mehr. Nur an die Schmerzen, die er aushaken mußte. Umschalten, sagte er sich, auf das zweite System schalten! Aber die Umschaltung gelang nicht. Sein zweites System mußte durch den Schockerbeschuß schwer gestört worden sein. Der Schmerz blieb. Mit Aufbietung aller Energie versuchte er die Umschaltung doch noch zu erreichen. Nichts geschah! Der Schmerz blieb. Die Kälte fraß sich in seinen Körper, und in seinen Ohren hielt das Rauschen ununterbrochen an. Aber durch das Rauschen hörte er Sprechen. Zwei Männer unterhielten sich. Er verstand ihre Worte nicht. Das Rausdien war zu stark. Sie sprachen auch zu leise. Sie standen zu
weit von ihm entfernt. Mildan .., Diesen Namen hatte er jetzt verstanden. F. G. Mildan, einer der beiden entarteten Cyborgs, die im IndustrieDom auf Deluge von einem Roboter, der aus der Kreisfläche der Transmitter-Antenne getreten war, unter Strahlbeschuß genommen worden waren. Und im Beschuß waren sie dann spurlos verschwunden. Sie sprechen von Mildan, dachte Alsop trotz seiner Schmerzen, kam aber mit seinen Überlegungen nicht weiter. Eine starke Faust hatte ihn gepackt, hochgerissen und schüttelte ihn hin und her. „Augen aufmachen, Alsop! Ihr Theater zieht bei uns nicht. Wir wissen längst, daß Sie wieder bei Bewußtsein sind!" Aber er war nicht in der Lage, dem Befehl nachzukommen. Seine Augenlider waren schwer wie Blei und ließen sich nicht öffnen. Die Hand, die ihn hochgerissen hatte, ließ ihn los. Holger Alsop schlug zurück, schlug mit dem Hinterkopf gegen eine harte Unterlage. Er sah Sterne, und er wand sich unter dem aufflammenden Schmerz in seinem Kopf und — öffnete die Augen. „Na also!" Ein breitschultriger Mann, der eine schlechte BioplasMaske trug, grinste ihn hämisch an. Ein zweiter stand breitbeinig vor ihm, die Hände tief in den Taschen. Sein Gesicht war auch maskiert. Holger Alsop konnte nicht sagen, ob diese beiden zu der siebenköpfigen Gruppe gehört hatten, die ihn aus Madlain Isaires Bungalow verschleppt hatten. Es interessierte ihn auch nur am Rande. „Sehen Sie sich in Ruhe alles an", wurde ihm mit ironischem Unterton in der Stimme gesagt. »Wir haben es nicht eilig. Zigarette?" Alsop betrachtete sich. Die Kleider hatte man ihm gelassen. Aber warum lag er auf einem OP-Tisch? Du kannst nicht mehr auf das zweite System schalten, schoß es ihm durch den Kopf. Ein Kälteschauer schüttelte seine Glieder. Der OP-Tisch war eiskalt. Und seine Beine wurden durch Magnetfesseln gehalten. Er konnte nicht einmal ein Knie bewegen. „Keine Zigarette?" Der Breitschultrige steckte die Packung wieder ein, rauchte mit Genuß und betrachtete Alsop wie ein Forscher, der ein ihm bis dahin unbekanntes Tier zum erstenmal in seinem Leben
sieht. Der andere hatte kehrtgemacht, um den Raum zu verlassen. Dieser Raum gab Holger Alsop Rätsel auf. Befand er sich überhaupt noch auf der Erde? Die Instrumentenwand war nicht terranischen Ursprungs. Die Möbelstücke ebenfalls nicht. Fünfeckig war der Raum, aber er stellte kein regelmäßiges Fünfeck dar. Er blickte zu Boden. Er sah zur Decke hinauf. Diese Art der Beleuchtung — diese Art, Licht aus der Decke zu strahlen! Unwillkürlich zuckte er zusammen, warf im nächsten Moment seinem Bewacher einen forschenden Blick zu und sah dessen Grinsen. „Na, Alsop?" Er gab abermals keine Antwort. Er war nun etwas klüger als vor Sekunden. Wahrscheinlich befand er sich noch auf Terra, aber in einem Raum, den seinerzeit die Giants bei ihrer Invasion angelegt hatten, der jedoch nach der Vertreibung der Raubtierköpfe von den Menschen nicht entdeckt worden war. Aber Robonen hatten ihn entdeckt. Und Robonen hatten ihn — Holger Alsop — nach hier verschleppt. Der Breitschultrige trat an den OP-Tisch. Er winkelte den linken Arm an, drehte seine halb geschlossene Hand und öffnete sie. „Interessant, nicht wahr, Alsop?" In seiner Hand lag das kleine Adhesive-Steuergerät! Im gleichen Moment glaubte Alsop die Stimme des alten Echri Ezbal im Brana-Tal zu hören, der ihm in beschwörendem Ton gesagt hatte: Das Adhesive-Steuergerät darf unter keinen Umständen in unbefugte Hände fallen! Er aber hatte es durch seinen bodenlosen Leichtsinn Robonen in die Hände gespielt. Er war kein Cyborg mehr. Er war nur noch ein gewöhnlicher Mensch mit den Ruinen eines zweiten Systems in seinem Körper. Er konnte nicht einmal auf das Wissen seines Programm-Gehirns zurückgreifen. Die fremde Hand schloß sich wieder. Das Steuergerät verschwand in einer Tasche. Das Grinsen der Maske wurde noch breiter. „Die Analyse läuft, Alsop. Schade, daß wir nicht schon bei Mildan und
Dordig darauf gekommen sind, was sich hinter diesem Gerät verbirgt. Wir wären inzwischen schon ein nettes Stück weiter." Eine Tür flog auf. Drei Männer stürmten herein. Sie warfen Alsop keinen Blick zu. Der vergaß seine Schmerzen, die eine Nachwirkung seines paralysierten Zustandes waren. Er hörte nur das eine Wort: Invasion! Und dann glaubte er Giants vor sich zu haben. Die Robonen benutzten die Sprache der Raubtierköpfe. Widerlich klang das Schlangenzischen in Alsops Ohren. Zugleich brachte es ihm auch die Erkenntnis, daß er es mit jenen Robonen zu tun hatte, die nie umgeschaltet worden waren. Für sie war Terra ein fremder Planet. Sie besaßen nach der Verschleppung durch die Giants nach Robon keine Erinnerung darüber, daß sie auf der Erde geboren waren. Der Maskierte hörte nur kurz zu, unterbrach die drei anderen, die durcheinander sprachen. Laut klang sein Schlangenzischen. Alsop ahnte, daß er plötzlich Gesprächsthema geworden war. Dann standen auch schon zwei Mann neben seinem OP-Tisch, lösten die Magnetfesseln an seinen Beinen und rissen ihn hoch. Ein schwerer Blaster, der auf ihn gerichtet war, sorgte dafür, daß er nicht einmal mit einem Fluchtgedanken spielte. Man trieb ihn hinaus. Hinter seinem Rücken flammte ein Scheinwerfer auf und beleuchtete einen dunklen Gang. „Schneller!" rief man ihm zu, und ein Stoß in den Rücken brachte ihn fast zu Fall. Der Gang war dunkel und feucht, einfach in den Fels geschmolzen. „Rechts abbiegen!" Ein Labyrinth tat sich vor Holger Alsop auf. Aber es war nicht kompliziert genug, um sein im Brana-Tal trainiertes Gedächtnis allzusehr zu beanspruchen. Achtzig Schritte nach rechts, siebenundzwanzig nach links, dann dritte Abzweigung rechts, und wieder nach achtundvierzig Schritten rechts abbiegen — alles brannte sich in sein Gehirn ein. Dann standen sie vor einem A-Grav-schacht. Über die Minus-Sphäre nach unten! Hier konnte Holger Alsop die Strecke nur noch schätzen. Keiner der vier Robonen kümmerte sich um ihn. Im Schacht war jede Flucht unmöglich. Es hatte auch keinen Sinn, in die Plus-Sphäre überzuwechseln. Die Geschwindigkeit aufwärts wie abwärts war zu
gering. Sie sanken immer tiefer. Dreihundert Meter schon. An acht Stollen oder Etagen waren sie vorbeigeschwebt. Die Giants mußten während ihrer Invasionszeit eine gewaltige Anlage errichtet haben. Holger Alsop verstand nicht, daß sie nach der Befreiung der Erde von den Suchtrupps, die mit erstklassigen Energie-Ortungsgeräten ausgerüstet gewesen waren, hatte übersehen werden können. Der A-Gravschacht endete in einem Felsdom. Feuchte Kälte schlug Holger Alsop entgegen, die ihn frösteln ließ. Gesundheitlich befand er sich noch nicht wieder in bester Verfassung. Auch lag ihm noch das unangenehme Rauschen in den Ohren, obwohl es inzwischen an Intensität verloren hatte. Das A-Gravfeld brachte sie nach unten. Ein einziger Scheinwerferstrahl machte den Felsboden mit seinen deutlichen Schmelzspuren sichtbar. Aber auch in der Zwielichtzone einen Kugel-Raumer — ein 100-Meter-Schiff! „Nach rechts, Alsop! Schneller!" Der Maskierte zeigte Ungeduld. In seiner Stimme schwang ein gefährlicher Unterton mit. Nach rechts abbiegen bedeutete, auf den 100-Meter-Raumer zugehen. Zwischen den Teleskopbeinen gab es fußhohe Pfützen. Von der Felsdecke tropfte Wasser. Der Scheinwerferstrahl zeigte Alsop den Weg. Er wich keiner Pfütze aus. Aber seine vier Begleiter. Unmerklich wurde sein Vorsprung größer. Eiskalt rechnete er sich seine Chance aus, aber dann mußte der Maskierte seine Gedanken gelesen haben. „Alsop, stehenbleiben, sonst.. ." Holger Alsop gehorchte. Er gehorchte auch dem Befehl, schnellstens zu den anderen zu kommen. Und dann hatten sie die ausgefahrene Rampe der offenen Nordschleuse erreicht. Ohne einen neuen Betern abzuwarten, eine Alsop als erster hinauf. Der Scheinwerferstrahl irrte im Rhythmus des Schreitens mal nach rechts, mal nach links. Dicht hinter dem ehemaligen Cyborg ging der Maskierte. In etwas größerem Abstand stiegen die anderen der Robonen die Schräge zwischen den Teleskppstützen hinauf. Alsop lauschte wie noch nie in seinem Leben. Er durfte sich nicht umdrehen. Er hätte damit nur erreicht, vom Scheinwerferstrahl geblendet zu werden.
Die Hälfte der Rampe lag hinter ihnen. Unter ihnen gut vier Meter Tiefe. Alsop dachte an sein Adhesive-Steuergerät, das sich in-einer Tasche des Maskierten befand. Beim nächsten Schritt glitt Holger Alsop aus. Das harte Training im Brana-Tal machte sich nun bezahlt. Er stieß gegen den Maskierten, der diesen Zwischenfall nicht erwartet hatte. Er wirbelte herum. Der Lichtstrahl war gerade nach rechts ausgewandert. Die anderen drei konnten demnach nicht sehen, was sich, ein paar Schritte vor ihnen, abspielte. Mit der Linken brachte Alsop einen trockenen Haken an einer Kinnspitze an, mit der Rechten riß er den Maskierten zur Seite, über die Kante der Rampe und stieß ihn in die Tiefe. Er aber sprang im gleichen Moment auch. Bei einem Höhenunterschied von vier Metern konnten sich beide sämtliche Glieder brechen. Alsop dachte nicht eine Sekunde daran. Nur an sein Steuergerät. Er mußte es wieder in seinen Besitz bringen. Unbedingt! Der Maskierte schrie. Auf der Rampe schrie man. Alsop und sein Robone stürzten. Alsop konnte gerade noch ausstoßen: „Federnd aufspringen!", als schon der Aufprall kam und ein brutaler Schlag durch seinen Körper ging. Aber er verknackste sich nicht einmal einen Knöchel. Der Robone hatte weniger Glück. Als der zur GSD Abkommandierte im Dunkel nach ihm greifen wollte, faßten seine Hände ins Leere. Über ihm wurde es laut. Alsop wußte, daß er nur noch zwei oder drei Sekunden zur Verfügung hatte. Da bekam er den anderen zu fassen. Riesenkräfte entwickelte er, und das Sträuben seines Gegners konnte ihn nicht daran hindern, ihn unter die Rampe zu zerren. Hier konnte er nicht einmal die Hand vor Augen sehen, und er gab voll und ganz seinem Gefühl nach, als er zuschlug, um den Robonen außer Gefecht zu setzen. Dessen Widerstand brach blitzartig zusammen. Weich wie ein halbleerer Sack fiel er gegen Alsop. Der stemmte ihn hoch, warf ihn sich über die Schulter und rannte mit der schweren Last und trotz der Dunkelheit unter den Rumpf des hundert Meter durchmessenden Kugelraumers.
Flüche gellten durch den dunklen Felsdom. Schritte polterten die Rampe herunter. Alsop lief mit seiner menschlichen Beute um sein Leben. Er war sich darüber klar, daß, seine Chancen gleich null waren, solange er hier ein normaler Mensch war und nicht auf sein zweites System geschaltet hatte. Nur als Cyborg konnte er von den Robonen nicht aufgespürt werden. Holger Alsop stolperte mit seiner Last. Der Maskierte kam wieder zu sjch und versuchte ihn zu Fall zu bringen. Der Terraner verwünschte seine Rücksichtnahme. Er hätte vorhin stärker zuschlagen sollen. Und seine Verfolger waren von der Rampe herunter. Der Scheinwerferstrahl stand in seiner Fluchtrichtung und suchte ihn. Da warf Alsop seine Last ab. Jetzt ging es um Alles oder Nichts. Er kniete über dem Maskierten, brachte blitzschnell eine Doublette an, suchte dann in den Taschen des Robonen nach seinem AdhesiveSteuergerät. In der dritten Tasche fand er es. Ein Griff überzeugte ihn, daß alle Anschlüsse noch vorhanden waren. Da erfaßte ihn voll der Lichtstrahl und blieb an ihm hängen. Seine Verfolger hatten ihn entdeckt! Aber er war nicht mehr waffenlos. Er besaß Blaster und Schocker des Robonen. Die schwersten und modernsten Modelle. Drei Meter weiter ragte eine mächtige Teleskopstütze nach oben. In zwei großen Sprüngen erreichte er sie und warf sich dahinter in Deckung. Vielleicht hatte er damit fünf Sekunden gewonnen, bevor er sich seiner Haut zu wehren hatte. Reichten diese fünf Sekunden aus, sein Steuergerät wieder anzuschließen, damit er auf sein zweites System umschalten konnte? Er riß seine Jacke auf, das Hemd hoch, und er fühlte schon die Haut, als ein Blasterstrahl fußbreit über ihm an der Teleskopstütze sein Vernichtungswerk begann. Wilde Hitze schlug ihm wie eine breitflächige Hand ins Gesicht. Ducken, sagte er sich. Nicht aus der Ruhe bringen lassen. In diesem Augenblick dankte er Echri Ezbal, daß dieser im BranaTal von jedem Mann, der Cyborg werden wollte, zuerst ein eisenhartes Training verlangt hatte, um sie körperlich fit zu machen. Auch Holger Alsops Nerven waren fit.
Der zweite Blasterstrahl traf ebenfalls die Stütze und verstärkte die Hitze, die sich schnell nach allen Seiten ausbreitete. Der dritte Anschluß — okay! Noch zwei! Aber dazu kam Alsop im Moment nicht mehr. Von links erhielt er Blasterbeschuß. Die Robonen wollten ihn vernichten. Sie kannten keine Gnade. Aber Alsop war ein Mensch mit ethischen Grundsätzen. Er nannte sich in Gedanken wohl einen ausgewachsenen Narren, benutzte aber dennoch nur den schweren Schocker, dessen Reichweite mit dem eines Blasters nicht konkurrieren konnte. Nur hinter dem Teleskopbein konnte er nicht länger bleiben. Hier wurde er buchstäblich geschmort. Mit einem Griff stopfte er sein Hemd in die enganliegende Hose, holte tief Luft und hoffte seine Gegner mit einer unerwarteten Reaktion zu verblüffen. Nur zwei Sekunden sollte ihm dieser Bluff einbringen! Er konnte ihn auch das Leben kosten! Holger Alsop sprang auf. Rechts an der Teleskopstütze vorbei. Links versuchten zwei Blasterstrahlen, sie zu zerstören. Nur drei Schritt hinter ihm stand der Strahl suchend in der Luft, der von dem dritten Robonen kam, und der ihn nun gezwungen hatte, seine Stellung zu wechseln. Alsop sprang! Mitten hinein ins volle Licht. Dicht vorbei an zwei Energiebahnen. Er sprang und rannte mit fast zugekniffenen Augen. Er mußte wenigstens etwas erkennen können. Ganz wenig nur, aber etwas! Er durfte nicht mit voller Wucht gegen die nächste Teleskopstütze rennen. Das würde dann sein Untergang werden. Er stieß sich vorwärts. Er sah nichts. Die Blendung war zu stark. Er hatte sich zu lange in der Dunkelheit aufgehalten. Und er hatte das Reaktionsvermögen seiner beiden Gegner unterschätzt. Einer der beiden Blasterstrahlen sprang ihn an. Zu tief. Die Bahn wurde korrigiert. Alsop verstand sein Glück selbst nicht. Die Energiebahn ging dicht an seiner linken Hüfte vorbei — zwischen Hüfte und schwingendem Arm. Da war der Lichtstrahl nach rechts gezuckt. Dunkelheit um ihn.
Zwei Sekunden gewonnen! Noch drei Schritte, und er hatte die schwere, teils hohl liegende Auflegerplatte der Stütze erreicht. An seiner Seite lag sie einen halben Meter frei über dem Boden. Das war die Deckung, die er sich gewünscht hatte. Rücksichtslos warf er sich in die Pfütze. Was kümmerte es ihn, daß das Wasser eiskalt war. Er drehte sich auf den Rücken, riß sein Hemd aus dem engen Hosenbund und zwang sich dazu, mit ruhigen Bewegungen die beiden letzten Anschlüsse einzuschieben. Und dann phantete er mit dem Steuergerät auf sein zweites System. Im gleichen Moment waren die Robonen mit ihrem System nicht mehr in der Lage, seine Existenz zu fühlen. Er war für sie einfach nicht mehr vorhanden, und dennoch wußten sie, wo er sich versteckt hielt. Die beiden erbeuteten Strahlwaffen, die Holger Alsop in die Taschen gestopft hatte, lagen nun wieder in seiner Hand. Dicht vor ihm spiegelte der Kegel des Scheinwerferstrahles. Als Cyborg nahm er die Pfütze, in der er lag, und die Kälte des Wassers nicht mehr wahr. Die Dunkelheit machte ihm auch nichts mehr aus. Über sein Augensystem sah er auch im Infrarotbereich. Die schwachen Wärmeausstrahlungen seiner Verfolger reichten aus, sie gut erkennen zu können. Das Programm-Gehirn arbeitete auf logistischer Basis. Allein damit war er jetzt seinen Gegnern überlegen. Und Holger Alsop nutzte seine Überlegenheit radikal aus. Der Robone, der ihn gezwungen hatte, seine Deckung hinter einer Teleskopstütze aufzugeben, weil er ihn von der Seite her unschädlich machen wollte, brach im gut gezielten Schockerstrahl lautlos zusammen. Die anderen hatten von diesem Zwischenfall nichts bemerkt. Sie waren zu sehr mit der Jagd auf ihn beschäftigt. Alsop nahm den Kopf so hoch, bis er gegen die Bodenplatte stieß, unter der er lag. Der Lichtkegel vor ihm wanderte. Der Cyborg verzog sein Gesicht nicht. Angst und Ungeduld waren in seinem Programm-Gehirn nicht enthalten. Erschlaffen oder Ermüden seiner Muskeln gab es auch nicht. Die Muskeln seines zweiten Systems glichen hochwertigen Federpaketen, die in der Lage waren, ihm physische Fähigkeiten zu verleihen, die man bei einem Menschen nie erwartete.
Da gellte eine wutbehende Stimme durch den Felshanger, in dem ein kleiner Kugelraumer versteckt lag. „Alsop, geben Sie auf! Zum letztenmal .. . kommen Sie raus, und Ihnen wird kein Haar gekrümmt!" Holger Alsop aber sah den Schreier deutlich im Infrarotbereich seines cyborgschen Augensystems. Holger Alsop drückte den Kontakt an seiner Schockerwaffe Der winzige, schwach leuchtende Zeiger stand auf maximale Energie-Abgabe. Um den Abstrahlpol herum entstand schwaches Zischen. Die Distanz war etwas zu groß gewesen, um den paralysierenden Strahl voll zur Wirkung zu bringen Der getroffene Robone schrie auf, krümmte sich und versuchte einen Satz nach der Seite zu tun. Holger Alsops Programm-Gehirn arbeitete wunderbar präzise. Es hatte ihm schon gesagt, wie weit der Getroffene springen konnte, bevor dieser auf seinem Vorsatz die Tat folgen ließ. Der Robone lief genau in den Schockerstrahl hinein. Jetzt reichte die Dosis aus, ihn vollständig zu paralysieren Alsop beobachtete seinen Sturz nicht mehr. Er hatte es nur noch mit einem Gegner zu tun, doch der schien gefährlicher und klüger als alle anderen zu sein. Er hatte sich versteckt. Er hatte seinen Handscheinwerfer irgendwo fest angebracht und den Lichtkegel auf Alsops Versteck gerichtet. Ober Infrarot kam der Cyborg im Moment nicht weiter Das löste in seinem auf logistischer Basis arbeitenden Gehirn Alarm aus, aber es konnte ihm nicht angeben, wie er sich nun verhalten sollte Der seltene Fall war eingetreten, nun auf sein normales Gehirn zurückschalten zu müssen. Die Rückschaltungs-Phase war die einzige Verbindung. Ununterbrochen gab das Programm-Gehirn Alarm! Der letzte aktive Robone mußte einen Plan verfolgen, der erstens vom Prograrrim-Gehirn nicht erkannt werden könnte, und der zweitens gefährliche Folgen habern mußte, wenn er durchgeführt wurde. Molger Alsop wurde wieder Mensch. Er war von seinem Gegner wieder zu erfassen, zu erfühlen, zu orten. Er fühlte das kalte Wasser, in dem er lag. Er fühlte die Anspannung und die Anstrengungen, die hinter ihm lagen.
Er fühlte als Mensch. Er dachte als Mensch. Kein Strahlbeschuß erfolgte. Aber dann lief ein Geräusch durch den Felshanger, das ihm beinahe das Blut in den Adern erstarren ließ. Die Rampe des Kugelraumers wurde eingefahren! Der letzte aktive Robone hatte sich ins Raumschiff zurückgezogen! Und ringsherum klangen dazu auch noch Geräusche auf, als ob überall Schotts geschlossen würden. Ich muß ins Schiff kommen! dachte Holger Alsop, der sich in diesem Augenblick daran erinnerte, daß es Janos Szardak einmal gelungen war, dicht über einem Raumhafen auf dem Planeten Hidplace seinen 400-Meter-Raumer aus dem Landemanöver als einziger aktiver Mann an Bord in einen Fluchtstart zu bringen. Und dieses Schiff hätte nur einen Durchmesser von hundert Metern. Erneutes Umschalten auf sein Cyborg-System. In jeder Hand eine Strahlwaffe. Wie ein Katapult schnellte er aus seinem Versteck heraus. Er sah über Infrarot, als er in vielen meterweiten Sprüngen auf die einfahrende Rampe zujagte. Und um ihn herurn herrschte jener Lärm, der ihm eindeutig verriet, daß überall Schotts geschlossen wurden. Wozu? Sein Programm-Gehirn gab sich mit diesem Problem nicht ab. Sieben Meter über ihm befand sich schon die Rampenkante, die in immer größerem Tempo hochklappte, um sich zusammen mit dem großen Schiffsschott zu schließen. Seine Cyborg-Muskeln spannten sich. Er schnellte hoch. Seine Waffen steckten in den Taschen. Er flog durch die Dunkelheit in die Höhe. Doch über die Augen seines Cyborg-Systems konnte er sein Ziel sehen. Und das verfehlte er um einen halben Meter. Wie eine Katze kam er wieder auf dem Boden an. Neuer Versuch, der noch aussichtsloser war als der fehlgeschlagene. Er konnte den Wettlauf gegen die hochfahrende Rampe und sich schließende Schleuse kaum noch gewinnen. Wenn er sie erreichte, dann würde er höchstens von der Rampe zerquetscht. Sein zweiter Sprung! Seine Arme würden zu Klammern, als sie gegen die breite Kante
krachten. Nur noch zwei Meter weit war er von der fußtiefen Falzung entfernt. Und da rutschte er gegen das Schott, das sich bis auf das letzte Drittel schon geschlossen hatte. Er ließ sich fallen! Er stieß sich auch noch ab. Und wie ein Projektil, das von einem Spannmechanismus katapultiert worden ist, schleuderte er sich durch den Schleusenschlitz. Er sah seinen Gegner! Sein Gegner war Robone, die im Gegensatz zu den Menschen durch die Behandlung der Giants ein erstaunliches Reaktionsvermögen mitbekommen hatten; aber gegen einen Cyborg kam der blitzschnell Handelnde nicht an. Wie eine Katze hatte Alsop ihn angesprungen. Der Vorteil lag auf seiner Seite, weil er in der dunklen Schleuse so gut sehen konnte, als ob der letzte Winkel beleuchtet wäre. Ein Cyborg-Faustschlag streckte den anderen zu ßoden. Alsop schleuderte den Mann zur Seite. Seine Hand lag um den Schleusenschalter. Blockiert! Und da leuchteten vor ihm Kontrollen auf. Die Rampe war eingefahren worden Und die Schleuse geschlossen! Der 100-Meter-Raumer war startklar! Außer den Robonen, die er kampfunfähig macht hatte, mußten sich noch weitere Regner im Schiff befinden! Sieben Robonen hatte er doch auf Madlain Isaires Bungalow zugehen sehen. Sein Programm-Gehirn ließ dieses Problem in dem Augenblick fallen, als der kleine Bildschirm neben den Schleuseninstrumenten aufleuchtete. Die Decke des unterirdischen Hangars war ein einziges Schleusentor! Und durch diese sich öffnende Schleuse brachen Wassermassen ein. Tausende Tonnen! Aber Tausende! Alles wurde überflutet! Und in diesen Fluten ertranken jetzt drei geschockte Robonen! Da liefen auch schon die Energie-Erzeuger im Schiff an. A-Grav! Und mit rasender Geschwindigkeit stieg das Wasser im FelsHangar.
Darum waren überall die Schotts zu den unterirdischen Gängen geschlossen worden. Das Wasser sollte nicht ins Labyrinth eindringen! Start verhindern, befahl das Programm-Gehirn Holger Alsop! Einen Kontrollblick auf den Bildschirm. Die Außenscheinwerfer der Raumers waren nicht mehr in der Lage, die einstürzenden Wassermassen zu durchdringen. Aber am Schwanken des Schiffes stellte Alsop fest, daß der Kugelraumer stieg. Start verhindern, befahl ihm das Programm-Gehirn! Er raste aus der Schleusenkammer, jagte dem Liftschacht zu und ließ sich in der Plus-Sphäre zur Zentrale des Raumers tragen. Start verhindern! Mehr hatte ihm sein Programm-Gehirn nicht zu sagen. Der Raumer krängte stark, als Alsop das Deck zur Zentrale betrat. Im nächsten Augenblick hatte das Schiff wieder seine normale Lage eingenommen. Dann stand der Cyborg vor dem starken Schott, das ihm den Zutritt in die Kommandozentrale verwehrte. In der linken Hand den schweren Schocker, betätigte er mit der anderen den Öffnungskontakt. Krachend sprang das Schott auf. Zwei Männer in den Steuersesseln. Ein dritter hinter den Ortungen. Und dei sah auf und erkannte ihn. Auch Holger Alsop hatte ihn schon einmal gesehen. Vor Madlain Isaires Bungalow am Provo-Stausee bei Denver. Ein Cyborg trat in Aktion. Ein Robone kam nicht mehr dazu, auch nur einen Laut über die Lippen zu bringen. Und dann sackten auch die beiden ahnungslosen anderen in den Steuersitzen zusammen. Einen riß Alsop heraus. Er nahm darin Platz. Vor ihm ein Bildschirm! Er war noch immer Cyborg, der nun über die RückschaltungsPhase auf sein normales System ging. „Großer Himmel", stöhnte er auf, und seine Augen konnten den Blick vom Schirm nicht nehmen. Wohin er auch sah — Wasser — die hohe Dünung eines Ozeans. Und in diesem Wasser, langsam heraussteigend das 100-Meter-Schiff, das nun ihm allein gehörte. Nur konnte er keinen Kugelraumer fliegen. Aber funken. Und das
war zur Zeit am wichtigsten. Cent Field mußte benachrichtigt werden. Cent Field mußte ihm Hilfe schicken. Er suchte die Funk-Zentrale auf, die unbesetzt war. Hyperfunk ein. Der garantierte ihm, daß ihn die große Station in Cent Field bestimmt hörte. Sie kam. Sie ließ ihn seine Meldung abgeben. Und dann hörte er die Antwort: „Okay, wir wollen es versuchen, Alsop, aber ob es noch Sinn hat? Sie scheinen wohl die Tatsache verschlafen zu haben, daß die Mysterious mit einer unvorstellbar großen Ringraumer-Flotte über Terra stehen und den letzten Ast-Gürtel durchbrochen haben." Cent Field hatte, ohne sich zu verabschieden, abgeschaltet. Kopfschüttelnd stand Holger Alsop vor dem Funkaggregat. Also diese Invasion hatte die Robonen veranlaßt, ihr Versteck auf Terra fluchtartig zu räumen. Die Mysterious waren da! Aber waren die Geheimnisvollen nicht immer als die uneigennützigen Gönner und Freunde der Terraner angesehen worden? Kamen sie jetzt, um Terra wie eine reife Frucht zu pflücken? Holger Alsop ahnte nicht, welch ein Optimist er war. * Die Nachricht hatte trotz der dramatischen Entwicklung wie eine Bombe im Stab der TF eingeschlagen. Cormnander Dhark hat Point Of mit Flash 002 verlassen. In seiner Begleitung Are Doorn! „Ja ...", sagte Marschall Bulton, als er die Nachricht gelesen hatte. Mehr nicht. Es war doch alles egal. Die Flotte hatte sich zurückgezogen. Die Ast-Stationen rührten sich nicht mehr. Jeder Kommandant konnte nach eigenem Ermessen handeln, wenn es die Lage erforderte. Ein Fall in der TF, der nicht vorgesehen war. Bulton griff zu seinem Wasserglas und trank es auf einen Zug leer. Er wußte nicht einmal, daß er getrunken hatte. Er und seine Stabsoffiziere beobachteten das Geschehen auf dem großen Bildschirm. Die Zangenformation der Mysterious-Flotte war nicht zu verkennen. Dreiviertel der Oberfläche Terras lag in ihrem Würge-
griff! Ein Ordonnanzoffizier stieß den Marschall an. Er deutete auf eine Folie, die gerade durch den Schlitz ausgestoßen und auf seinen Schreibtisch geworfen worden war. „Was denn?" fragte er und griff nach der Folie. Holger Alsop befindet sich allein mit vier geschockten Robonen in einem 100-Meter-Schiff und bittet um Hilfe. 110 Kilometer nördlich von Grönland. Unbekannter Rob-nen-Raumer steigt langsam mittels A-Grav. Zur Zeit keine Möglichkeit, Alsop zu helfen. „Robonen ...?" Es kostete Bulton Kraft, seine Gedanken darauf zu lenken. Robonen, die im Trüben fischten, gab es doch nicht mehr. Und wie sollte ein unbekanntes 100-Meter-Schiff der terranischen Ortung durchgerutscht sein? Aber hatte es das vor Monaten nicht bald jeden Tag gegeben, bevor die Nor-ex aufgetaucht waren und auf Hidplace die gesamte Robonen-Clique samt ihren technischen Einrichtungen hatten verschwinden lassen? Und Alsop, das war doch der erste Cy-borg, der im Brana-Tal geschaffen worden war. Hatte er von der GSO nicht eine SpezialAufgabe erhalten? Plötzlich war das alles dem Marschall zu viel. Die Erde steckte im Würgegriff, und ihn belästigte man mit diesen Bagatellen. Sein cholerisches Temperament brach durch, als er seine Ordonnanz anfauchte: „Nächstens fragt man mich noch um Erlaubnis, ob sich Sergeant Piependeek seinen Weisheitszahn ziehen lassen darf. Entscheiden Sie!" Es gab nichts zu entscheiden. Die fremde Ringraumer-Flotte hatte überall Position bezogen und den Ring um Terra bis auf eine winzige Lücke geschlossen. Leise sagte Bulton: „Das Schicksal sei uns gnädig, wenn die Mysterious doch die Grakos sind!" Er mußte an Neep denken, den Kommandanten der BERNHARDTS STAR, der diese Angaben bei den Utaren auf Esmaladan gehört und sie nach Terra gebracht hatte. Da flammte es im Bereich der Flotte grell auf. Vom großen Bildschirm im Stab der TF sprangen Blitze in den Raum, die die Offiziere blendeten.
Kam jetzt das Ende? Waren die Mysterious mit den Grakos identisch? Auf der Erde gab es ein paar Männer, die ich nicht von ihrer Arbeit abhalten ließen, als die Alarmnachrichten über die drohende Invasion einliefen. Der Astrophysiker Professor Monty Bell gehörte zu ihnen. In seinen Händen lag die wissenschaftliche Leitung des unter Alamo Gordo liegenden Forschungskomplexes, aber er drückte sich an dieser Aufgabe, so gut er konnte, vorbei und überließ nur zu gern dem Verwaltungsapparat die Entscheidung. Doch in seine Arbeit konnte ihm kein Mensch hineinreden. Nicht einmal eine drohende Invasion. Die Gefahr aus der Galaxis war viel größer als diese lächerliche Ringraumer-Flotte über Terra. Spence Bentheim und Yve Ossorn, die als Astrophysiker eigentlich zur- Besatzung der POINT OF gehörten, waren auf Hope umgestiegen und hatten die Erde mit einem Kugelraumer erreicht, um hier ihren Jahresurlaub zu nehmen. Das galaktische Magnetfeld hatte sich um ihre Urlaubspläne nicht gekümmert und sie mit seinen hochschnellenden Werten zunichte gemacht. Seit zwei Tagen und zwei Nächten saßen sie siebenhundert Meter tief unter Alamo Gordo, hatten zwischendurch einmal eine Handvoll Schlaf genommen und hockten jetzt wieder vor ihren Diagrammen, Berichten und Meßtabellen. Invasion? Achselzucken hatten sie dafür übriggehabt. Was in der Milchstraße los war, übertraf in seiner Katastrophenwirkung einige Millionen Invasionen. Es betraf alle. Es traf jeden — jeden biologischen Organismus. Die Vipho-Verbindung zum Brana-Tal stand seit Stunden. Dort gab es ebenfalls Experten, die sich durch die Invasionsgefahr nicht hatten aus der Ruhe bringen lassen. Echri Ezbal zählte auch zu diesem Personenkreis. Echri Ezbais Gesicht war auf der Bildscheibe zu sehen. Bell, Ossorn und Bentheim hörten aufmerksam zu, was er ihnen als Arzt zu sagen hatte. „ ... Wenn diese elektro-magnetische Sturmflut noch achtzig bis
hundert Stunden anhält, haben wir mit epidemisch auftretenden Mutationen zu rechnen. Wir können nur hoffen, daß die zur Zeit festgestellten Maximalwerte innerhalb der nächsten zehn Stunden wieder absinken ..." Monty Bell, der seine Augen durch einen transparenten grünen Schirm vor dem grellen Licht geschützt hatte, verzog sein Gesicht zu einer Grimasse. „Sie Optimist, Ezbal. Wir haben das Maximum noch nicht erreicht. Noch längst nicht. Zum Donnerwetter, haben Sie denn mit Absicht vergessen, daß die Störungseinbrüche stärker denn je über den Hyper-space zu uns hereingebrochen sind und immer noch über diesen Teufelsweg hereinkommen? Sie haben doch von uns vor sieben Stunden die letzte umfassende Zusammenstellung erhalten. Ich will Ihnen mal verraten, wie hoch der Wert auf Kappa-05 inzwischen gestiegen ist — auf 156! Na, gefällt der Ihnen auch nicht?" Echri Ezbais eindrucksvolle dunkelblaue Augen zeigten Bestürzung. „Vielleicht interessiert uns das alles bald nicht mehr." Er spielte auf die bevorstehende Invasion an. Aber diese Anspielung zeigte deutlich, wie ratlos er als Mediziner war. Die drei Astrophysiker wußten schon seit vielen Stunden nicht mehr ein und aus. „Möglich", gab Monty Bell eiskalt zu, „aber dann sollen sich diese Mysterious nur nicht einbilden, sie bekämen nichts ab. Die werden auch ihres Lebens nicht mehr froh sein und sich über die Mutationen in ihrem Volk entsetzen. Was sagten Sie, Ezbal — die elektromagnetische Sturmflut würde bei anhaltenden Höchstwerten die Pryo-Kette in C4-Bereich verändern?" „Sie muß sie verändern, aber das darf nicht geschehen, Bell. Kennen Sie denn auf der ganzen Erde keinen einzigen Menschen, der uns vor diesem Strahlorkan und seinen Folgen schützen kann? Idi..." Spence Bentheim unterbrach ihn. Er deutete auf die Fernanzeige des sensorischen Magnetometers, das 1068 Lichtjahre von Terra entfernt auf dem atmosphärelosen Planeten TR-107 stand. Über ToFunk hatte es gerade die neuesten Meßdaten durchgegeben. Kappa05 hatte dort den Wert 182 erreicht. Bell teilte es Ezbal mit. „Aber der Planet TR-107 hat doch keine Atmosphäre", warf Ezbal mit deutlich erkennbarer Erregung ein. „Das macht ungefähr 20
Einheiten aus ..." „Würde es ausmachen, Ezbal, wenn der Einbruch nicht wieder über den Hyperspace käme. Wollen Sie mir mal erklären, welche Rolle da ein Luftmantel spielt?" „Aber Terra liegt noch nicht im Bereich dieser hohen KappaWerte?" „Noch nicht..." In diesem Augenblick kam die Meldung aus dem Stab der TF durch, daß sich die Ringraumer-Flotte zum Zangenangriff auf die Erde formieren würde. Die drei Astrophysiker waren wie gelähmt. Die Nachricht hatte sie wie ein Schock getroffen. Voll und ganz mit ihrer Arbeit beschäftigt, hatten sie die Tatsache, daß eine gewaltige Raumerflotte ins Sonnen-System eingebrochen war, vergessen. Jetzt waren sie daran erinnert worden. Laut stieß Yve Ossorn den Atem aus, lehnte sich zurück und sagte im schleppenden Tonfall: „Na, dann werden wir wohl in der nächsten halben Stunde alle keine Sorgen mehr haben. Zum Teufel, den Besuch der Mysterious habe ich mir doch etwas anders vorgestellt." „Wem sagen Sie das?" knurrte Spence Bentheim. Seine Hand zitterte leicht, als er eine Zigarette aus seiner Packung klaubte, sie zwischen die Lippen schob, sie drehte und dann hastig zu rauchen begann. Als alle drei der Bildscheibe des großen Viphos wieder einen Blick zuwarfen, bestand die Verbindung zum Brana-Tal nicht mehr. Echri Ezbal hatte abgeschaltet. „Machen wir weiter?" fragte Monty Bell in die Stille hinein. Ossorn und Bentheim nickten. Es war das beste, was sie tun konnten. * Es dauerte ein paar Sekunden, bis sich Ren Dhark und Are Doorn von ihrer Überraschung und Enttäuschung erholt hatten. „Leer! Kein Mysterious hier? Großer Himmel, Dhark, wo im Schiff stecken sie denn?" Der Flash hatte seine sechs Ausleger weit zur Seite geschoben und das Beiboot der POINT OF befand sich knapp einen Meter über dem blauschimmernden Unitallboden der Kommandozentrale.
Ren Dhark rührte sich nicht. Hinter seiner Stirn rasten Gedanken, Fragen und Vermutungen. War er das Opfer eines Denkfehlers geworden? Hatte er in dem Super-Blip, der einwandfrei von diesem Raumer ausgegangen war, mehr gesehen als sich in Wirklichkeit hinter ihm verbarg? Während sein Blick durch die leere Zentrale schweifte, wurde er sich klar, mit seinem. Handeln alles auf eine Karte gesetzt zu haben. In diesem Ringraumer der Mysterious, in dem sie sich aufhielten, hatte er das Kommandoschiff der riesigen Flotte gesehen. Er hatte geglaubt, der Super-Blip sei nichts anderes gewesen als der Einsatzbefehl an alle anderen Schiffe. Und damit, daß er diese Zentrale hatte lahm legen wollen, sollte der Angriff auf Terra wenigstens gestoppt werden. Die Menschen mußten doch Gelegenheit bekommen, ein entsetzliches Mißverständnis aus der Welt zu schaffen — ein Mißverständnis, das an den Grundlagen ihrer Existenz rüttelte. Und das war alles falsch gewesen? Es mußte falsch sein. Wo waren denn die Mysterious? Warum war kein einziger in dieser Zentrale zu sehen? „Komisch", sagte Are Doorn, aber er sagte nicht was er komisch fand. Drei Antennen der 002 waren auf das Schott gerichtet. Ren Dharks Zeigefinger lag auf dem Steuerschalter, um ohne Verzögerung, falls es errderlich war, das Feuer eröffnen zu können. „Keine Bordverstandigung . .. " Wieder eine Bemerkung von Doorn. Wieder stellte der Commander keine Frage, aber hinter seiner Stirn würde seine Wachsamkeit noch größer. Er kannte wie kein zweiter die eigenartigen Fähigkeiten des Sibiriers, zu fremden Techniken Kontakt zu finden. Und Doorn hatte entdeckt, daß es in dieser Zentrale ohne Pilotsessel, ohne Checkmaster und Bildkugel, auch keine Einrichtung gab, mit der man sich über die Bordverständigung mit allen wichtigen Zentralen des Raumers in Verbindung setzen konnte. „Are, übernehmen", sagte Dhark, der sich entschlossen hatte, auszusteigen, um sich gründlicher im Leitstand umzusehen. „Wir halten uns schön fünf Minuten im Schiff auf, Dhark", machte ihn Doorn aufmerksam.
Erst fünf Minuten? Dhark war es wie eine Ewigkeit vorgekommen. Aber was hatten sie in diesen fünf Minuten erreicht? Nichts! Er stieß den Ausstieg auf, schwang sich nach draußen und ging an den dünnen Teleskopbeinen vorbei auf das Instrumentenpult zu. Ein einziger Blick über die Instrumente bestätigte ihm alles. Sie hielten sich in einem Ringraumer der Geheimnisvollen auf! Die Instrumente auf dem Pult waren die gleichen wie auf der POINT OF! Aber da beugte er sich vor, als sei er kurzsichtig. Über seine Lippen kam ein Schrei. „Doorn, dieses Schiff steht im freien Fall!" Are Doorn antwortete nicht. Er hatte die Bemerkung des Commanders wohl gehört, im Augenblick aber keine Zeit, ihm zu antworten. Auf seinem Schoß lag der nur drei Kilo schwere Gigant-Sender des Ringschiffes. Wie gut er dieses Gerät kannte! Er und Hadrum Ismaran hatten auf Hope mit einem gleichen Modell ihre Versuche gemacht, und bei einem der Versuche hatte sich das Wunder-Werk der Mysterious-Technik selbst zerstört. Er hatte diesen Sender und Empfänger wie einen großen Schachtelsatz aus der Wand der Funk-Zentrale herausgerissen. Mit einem Griff. Und er hatte gleichzeitig damit alle seine Funktionen stillgelegt. Jetzt wollte er den Sender einschalten. Er wollte versuchen mit der POINT OF oder mit Cent Field Kontakt zu bekommen. Warum er in dieser Situation, in der jede Sekunde kostbar war, diesen Versuch machte, hätte er auch nicht erklären können. Einschalten! Er wußte noch, wo der winzige Schalter für den Sender zu finden war. Sendung und Empfang standen. Urplötzlich sprang ihn die Angst an. Irgend etwas an dieser Ausführung war doch anders als er es kannte. Als er sich bewußt wurde, was er getan hatte, war alles wieder auf Null geschaltet worden. Nicht viel mehr als eine Sekunde war die Anlage in Betrieb gewesen. „Doorn, hier gibt es ja auch keine Ortungen!"
Der Sibirier horchte jetzt auf. „Ich ..." Er hatte alle Funktionen übernehmen sollen, und er ließ sich dennoch überraschen. Als er das krachende Aufspringen des Zentrale-Schotts hörte, war er durch die Schrecksekunde nicht in der Läge, aus den Antennen das Nadelstrahlfeuer zu eröffnen. Ren Dhark war auf der Stelle herumgewirbelt. Seine Hände flogen zu den Waffen, aber sie griffen nicht zu. Im geöffneten Schott stand ein Roboter! Ein Maschinenmensch, der sie mit seinem Linsensystem betrachtete; sich aber nicht bewegte. Es war das gleiche Modell, das er im Industrie-Dom aus der Kreisfläche des Transmitters hatte heraustreten sehen, um Manu Tschobe vor dem Mordanschlag durch die entarteten Cyborgs Mildann und Dordig zu retten. „Ich hab' ihn im Visier", kam über den Helmfunk Doorns Bemerkung. Jetzt drehte der Roboter seinen zylinderförmigen Rumpf, setzte seine fremdartigen Metallglieder in Bewegung und ging langsam, mit klirrenden Schritten auf Ren Dhark zu. Den Flash mit Are Doorn darin beachtete er nicht. Oder hatte er mit seinem WeitwinkelAugensystem alles mit einem Blick bemerkt? Der Sibirier ließ die Konstruktion nicht aus den Augen. Ihm war .diese Begegnung unheimlich. Noch zu frisch war in seiner Erinnerung, welchen Ärger sie in der Funk-Zentrale mit Robotern des gleichen Typs gehabt hatten. Ren Dhark verspürte keine Unruhe, als er das seelenlose Wesen auf sich zukommen sah. Er mußte an Tschobes Bericht denken, der seine Abenteuer mit Robotern auf einer fernen Transmitter-Station gehabt hatte; er mußte daran denken, daß der Afrikaner einem Roboter sein Leben verdankte. Warum sollte gerade er von einem Roboter angegriffen werden? Vielleicht war er von den Mysterious geschickt worden, ihn zu dem Kommandanten dieses Schiffes zu bringen. Vielleicht war dieser Ringraumer trotz seiner Ähnlichkeit mit der POINT OF ein viel moderneres Modell und wurde vollautomatisch, nur durch Roboter kontrolliert, geflogen. Vielleicht war der Checkmaster ein Aggregat, das veraltet war?!
Ren Dhark drehte langsam den Kopf. Der Roboter ging an ihm vorbei. Die Konstruktion beachtete ihn nicht. Kein halber Meter trennte sie. Gleichmäßig langsam bewegte der Maschinenmensch seine fünf Gehwerkzeuge; eng an den Zylinderrumpf gepreßt waren die Arme, fünf an der Zahl, und langgestreckt an jeder Greifhand die vier Metallfinger. Über zwei Meter war der Roboter groß, aber er war nicht aus Unitall, wenngleich das Material auch im blauvioletten Ton schimmerte. Das war eine Erklärung dafür, wie schnell die ersten eindringenden Maschinenwesen in der Funk-Zentrale durch Nadelbeschuß hatten vernichtet werden können. Dennoch war die sture Zielstrebigkeit des Roboters unheimlich. Er kontrollierte eindeutig die Steuerschalter! Sterne und Boliden, dachte der Commander ratlos, wieso gibt es in dieser Zentrale Steuerschalter, wenn sich hier nicht einmal ein Roboter aufhält? „Dhark, passen Sie auf. Ich trau' dem Blechkameraden nicht über den Weg!" warnte ihn Doorn über Helmfunk. Dhark traute ihm auch nicht. In Gedanken schalt er sich einen Narren. Roboter konnten nicht heimtückisch sein. Sie hatten es an Tschobe, Acker und Jimmy bewiesen. Kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende gedacht, als das Ungetüm sich erstaunlich schnell umdrehte und auf ihn zuschwebte! Anti-Schwerkraft! Aber auch Antrieb, der ihn genau steuerte! Der Sibirier stieß einen Fluch in seiner Heimatsprache aus. Jetzt konnte er nicht mehr schießen, oder er brachte seinen Commander in Lebensgefahr. Dhark wich Schritt um Schritt zurück. Der Roboter trieb ihn zum offenstehenden Schott. Sein Linsensystem funkelte leicht. Unheimlich war dieses sture Weiterschweben. Und nun bewegten sich drei seiner fünf Armglieder. Alle drei zeigten auf Dharks Brust! In dessen Augen glitzerte es kalt und abwägend. Langsam näherten sich seine Hände den Kolben der beiden Strahlwaffen. Noch langsamer schraubten sich seine Finger um die griffigen Kolben. Dabei mußte er zurückweichen. Über den Funk hörte er Are Doorn in allen Tonarten fluchen. Der
Sibirier tobte, weil er nicht zum Schuß kam. „ ... Diese verdammte Blechkiste scheint zu wittern, was ich vorhabe . .. ! Neunfach geschwänzte Sternteufel, krieg' ich denn den Brocken keine Sekunde lang in die Zielerfassung ...?!" Nur och ein paar Meter trennten Dhark Om geöffneten Schott, als ihm eine Idee durch den Kopf schoß. Are, Flash schließen. Intervall auf und fmir folgen. Verstanden?« „Und wie", knurrte der gedrungene Mann in 'der Flash 002 und ließ den Einstieg krachend zufallen. „Intervall ein! Sie kommen lassen! Teleskopbeine einfahren! Und immer dicht hinter dieser kleinen Gruppe bleiben!" Doorn begriff nicht, daß er seine Gedanken als Worte über die Lippen gebracht hatte. Der Brennkreis des Sie konnte das Unitall dieses Ringschiffes nicht beschädigen. Doorn hätte sich im gegenteiligen Fall auch herzlich wenig daraus gemacht. Er kannte nur eine Aufgabe: Den Com-mander aus dieser Lage wieder herauszubringen! Aber ihm bot sich keine Chance, und Ren Dhark sah auch keine. Er hatte das Hauptdeck erreicht. Weiter bis zum A-Gravschacht! Minus-Sphäre. Stopp erst bei Deck l! Dicht hinter ihm und dem Roboter Are Doorn im Flash. Dhark hatte beide Strahlwaffen gezogen, den Schocker wie den Blaster, und die Abstrahlpole genau auf das Linsensystem seines seelenlosen Bewachers gerichtet. Nach den wenigen Erfahrungen, die er mit Robotern bisher hatte sammeln können, war ihr Linsensystem der schwache Punkt dieser Konstruktion. Doch ein unbestimmtes Gefühl hinderte ihn schon die ganze Zeit daran, den vernichtenden Blasterstrahl auf den schwebenden Metallkörper loszujagen. Dieses Gefühl, nicht zu schießen, wurde so stark, als er Deck l erreicht hatte, daß er Doorn regelrecht untersagte, die Flash-Waffen einzusetzen. „Dhark, Sie verlangen ein bißchen zu viel von mir", knurrte der Sibirier unzufrieden, als er bemerkte, daß Dhark ruckartig den Kopf drehte und zur Seite sah. Der Commander hatte eine Beobachtung gemacht, die ihn
beunruhigte. Dieser Ringraumer war nur in seiner äußeren Erscheinung ein Abbild der POINT OF. Er fand sich plötzlich auf Deck l nicht mehr zurecht. Hier gab es keine Kabinentüren. Hier gab es zu beiden Seiten nur glatte, blauschimmernde Unitallwände. So weit er den schwach gekrümmten Deckgang entlangsehen konnte, hatten alle Flächen das gleiche monotone Aussehen. Da wurde er vom Roboter überholt. Die schwere Konstruktion raste schwebend an ihm vorbei, stoppte ihn ab und drückte ihn regelrecht gegen die Wandung. „Zum Heulen", fluchte Doorn, der hinter der Zielerfassung hockte, seinen Flash auch abgebremst hatte und nicht wagte, den Kontakt zu drücken, um den Roboter in Energie zu verwandeln. Er hatte einfach Angst, durch den energetischen Ausbruch Dharks Leben aufs Spiel zu setzen, wenngleich der Commander einen M-Raumanzug trug. Aber ob der Raumanzug diese r-Belastung und die aber tausend Hitzegrade bei der Explosion aushielt, wußte niemand. Ren Dhark fühlte nur schwachen Druck. Das Verlangen, den Kontakt seines Blasters zu betätigen, wurde übermächtig in ihm. Dieser Metallkoloß brauchte nur eine Bewegung auf ihn zu machen, und ihm wurden alle Knochen im Leib zerbrochen. Da schrie er auf. Die Wand hinter seinem Rücken hatte nachgegeben! Er verlor sein Gleichgewicht Er fiel rückwärts! Er hörte Are Doorn einen unartikulierten Ruf ausstoßen — — und er trat auf der Galerie der POINT OF aus der Wand heraus. Am Geländer hielt er sich fest. Die beiden Offiziere, die auf der Galerie Dienst machten, wichen zurück, als hätten sie ein Gespenst vor sich. Ren Dhark atmete langsam und tief durch. Er drehte sich um und öffnete dabei seinen Klarsichthelm. Die Wand, aus der er herausgetreten war, war glatt und fugenlos! Er mußte an Manu Tschobe, Tim Acker und den Robothund Jimmy denken. Sie waren doch auch von einer fernen Transmitter-Station auf die gleiche Weise zur POINT OF gekommen — auch sie waren durch eine geschlossene Wand einfach nach draußen getreten !
„Commander ...", stieß einer der beiden Offiziere aus und hatte abwehrend seine Arme hochgenommen. Er erhielt keine Gelegenheit, sich an Commander Dhark zu wenden. Aus dem Lautsprecher war Are Doorns Stimme zu hören. Are Doorn, der sich mit der 002 in einem unbekannten Ringraumer befand. Und Are Doorn meldete gerade mit größter Erregung, daß Ren Dhark vor seinen Augen von einem Roboter durch die Unitallwandung des Deck l gedrückt worden sei. „ ... Er ist verschwunden. Spurlos. Er ist..." Ren Dharks Verstand kam kaum noch mit. Die Handlungsweise des Roboters war nicht zu verstehen, doch Are Doorn mußte daran gehindert werden, die Konstruktion durch Nadelstrahlbeschuß zu vernichten. Laut, fast brüllend, rief er in Richtung der Sprechrillen: „Doorn, ich bin auf der POINT OF! Kommen Sie zurück!" Er achtete nicht darauf, daß man ihn als Gespenst auf der Galerie ansah. Er sah nicht, wie Dan Riker im Pilotsessel hochsprang und zu ihm hinaufblickte. Er hörte nur das Gurgeln des Sibiriers, der unter einem Erstickungsanfall zu leiden schien. Der Anfall dauerte nur Sekunden. Wieder war Doorns Stimme zu hören. „Tut mir leid, Dhark, aber ich bin im Moment unabkömmlich. Hier wird's jetzt interessant. Ich melde mich wieder." Doorn hatte die To-Funkverbindung zum Flaggschiff der TF unterbrochen. Are Doorn gehörte zu den wenigen Männern um Commander Dhark, der sich solche Eigenmächtigkeiten ungestraft erlauben konnte. Niemand in der Zentrale wunderte sich darüber, weil niemand dafür Zeit hatte — weil jeder, und auch Dan Riker, den Commander anstarrte, als sei dieser ein Gespenst. Und das Gespenst ging gelassen auf Dan Riker zu. „Ren?!" hauchte Riker, dessen Blick flackerte. Dhark nickte kurz, sagte aber nichts. Er betrachtete die Bildkugel. Er verstand die Wiedergabe nicht. Wo war die gewaltige Flotte der Ringraumer geblieben? Er sah nur ein paar tausend Schiffe. Vielleicht dreitausend oder viertausend. Mehr waren es auf keinen Fall. Irgend jemand muß die Televergrößerung der Bildkugel verstellt
haben, dachte er und kontrollierte die beiden Instrumente, die die Einstellungswerte anzeigten. Aber der Erfassungsbereich war nicht verstellt. Er stand auf Maximum. Dhark fühlte sich plötzlich so hilflos wie selten in seinem turbulenten Leben. Sein Blick verriet, wie es um ihn stand. „Dan", sagte er und seine Lippen zuckten, „wo sind die Schiffe geblieben? Stehen sie alle hinter der Erde?" Riker packte zu, schüttelte ihn. „Ren, du mutest uns allen zuviel zu! Du verschwindest aus dem Schiff mit einem Flash und kommst dann durch eine Wand wieder zurück. In der Zwischenzeit haben die fremden Schiffe nicht nur ihren Angriffskurs gestoppt, sondern ist auch der größte Teil der Flotte in einer Transition auf- und davongezogen. Willst du uns nicht einmal erklären…" Er verstummte, Dharks fassungsloses Gesicht riet ihm, den Freund nicht mit weiteren Tatsachen zu belasten. Der Commander hielt sich an der Rücklehne des Pilotsessels fest. Sein Blick pendelte zwischen Riker und der Bildkugel hin und her. Die übrigen Offiziere in dem Leistand der POINT OF sah er nicht. Was ist hier geschehen, fragte er sich immer -wieder. Wer hat der riesigen Flotte den Befehl zum Abdrehen gegeben? Dan Riker dauerte das Warten zu lange. Auch seine Nerven waren durch die unerwarteten Ereignisse der letzten knappen halben Stunde bis zum Zerreißen belastet. Gegenüber seinem Freund wurde er förmlich. „Commander, wir haben ein Recht zu erfahren…" Ruckartig bewegte Ren Dhark den Kopf. In seinen braunen Augen blitzte es auf. Scharf fiel er Riker ins Wort: „Ich darf auch für mich das Recht in Anspruch nehmen, erst einmal mit den Tatsachen fertig werden zu dürfen!" Er ließ sich in den Pilotsitz fallen. Es kostete ihn Kraft, alle Instrumente abzulesen und ihre Angaben zu verarbeiten. Die Tatsache blieb unverändert, daß der größte Teil der Ringraumerflotte nicht mehr im Sol-System war. Und der Rest des Verbandes stand im freien Fall über Terra. Nichts deutete auf einen Strahlangriff hin. „Das ist doch zum Verrücktwerden!" murmelte er und strich sich
über die Stirn. Hinter ihm stand Riker, ungeduldig, übernervös. „Hast du mit einem der Mysterious gesprochen, Ren?" „Mysterious?" wiederholte Dhark und sah seinen Freund an, als habe er den Begriff zum erstenmal in seinem Leben gehört. „Mysterious? Gesprochen? Ich? Wo?" Riker holte tief Luft. Hinter seinem Rücken wurde das Flüstern der Offiziere lauter. Ihre Unruhe steigerte sich. In dieser Verfassung hatten sie ihren Commander noch niemals erlebt. „Dan, was macht der Super-Blip?" Rikers Lachen klang verzerrt. „Das fragst du uns?" Ren Dhark hatte in diesem Moment das Gefühl, in einem Kopf würde etwas auseinandergerissen. Er wurde sich bewußt, daß er sich von den Ereignissen hatte beherrschen lassen. Er öffnete den Mund zu einer Bemerkung, als sich in diesem Moment Are Doorn über ToFunk meldete. Sein grobporiges Gesicht mit der breiten Nase drückte Grimm aus. „Dhark, der Rob existiert nicht mehr. Aber jetzt besitze ich den zweiten Gigant-Sender. Der Blechfreund wollte in der Funk-Zentrale ein Ersatz-Aggregat einsetzen! Ich sehe mir das Schiff noch etwas genauer an und denke, daß ich in einer Stunde zurück bin, wenn ich bis dahin keinen Mysterious getroffen habe." Eine lange Rede für den sonst so wortkargen Sibirier, der gar nicht abwartete, ob Dhark ihm noch etwas zu sagen hatte, sondern mit dem letzten Wort seiner Meldung abschaltete. Das Wort Gigant-Sender hatte bei Dhark eine Erinnerung geweckt. Sein Verstand begann plötzlich wieder exakt zu arbeiten. „Dan, bitte, alle Vorgänge der zeitlichen Reihenfolge nach!" Diesen Ton kannte man. Hier und da atmete ein Offizier in der Kommando-Zentrale erleichtert auf. Die Bordverständigung zur Funk-Z stand. Die Männer darin hörten mit. Dan Riker erstattete Bericht. „ . . . Und in dem Moment, als der Super-Blip vom Oszillo verschwand, stoppte der Ringraumer-Verband seinen Angriffskurs radikal ab, trieb im freien Fall . .." „Wie lange waren Doorn und ich da schon unterwegs, Dan?" unterbrach ihn Dhark, in dem sich ein gewisser Verdacht immer stärker kristallisierte.
„Vielleicht drei oder vier Minuten. Moment, Grappa . . ." Grappa wußte im voraus, welche Frage an ihn gerichtet werden würde. „Commander, Sie befanden sich nach Ihrer Transition etwa eine Minute im anderen Ringraumer, als der Super-Blip verschwand." Dhark nickte. Ein flüchtiges Lächeln flog über sein Gesicht. Sein Einsatz hatte sich also doch gelohnt. Seine Vermutung war richtig gewesen. Das Raumschiff, das er mit Doorn aufgesucht hatte, war das Kommando-Schiff der gewaltigen Ringraumer-Flotte gewesen, und dessen Kommandos waren über den Gigant-Sender an die anderen Schiffe abgestrahlt worden. Riker setzte seinen Bericht wieder fort. „Dann aber gab es den Super-Blip, nur in stark verändertem Aussehen, noch einmal zu sehen, etwas mehr als eine Sekunde lang. Und dann ereignete sich das, was niemand von uns versteht. Der größte Teil der Ringraumerflotte ging gemeinsam in Transition und verschwand aus dem Sol-System." „Der Super-Blip war noch einmal zu sehen gewesen?" fragte Dhark mißtrauisch, weil diese Angaben schlecht in seine Theorie paßten. Auch Grappa unterstützte Rikers Aussagen. Auch die Männer in der Funk-Z. „Konnte dieser Super-Blip geortet werden?" Frage des Commanders, die auch Glenn Morris in der Funk-Z hörte. Er meldete sich über Bordverständigung. „Wurde von uns genau lokalisiert. Wenn die räumliche Aufteilung in dem fremden Ringraumer die gleiche ist wie auf der POINT OF, dann kam dieser Blip aus der Kommando-Zentrale, Dhark ..." Hastig fiel ihm der Commander ins Wort. „Verbindung mit Doorn, aber sofort, Morris!" Are Doorn meldete sich. Über die Störung war er nicht begeistert. „Ja, was gibt's denn?" Dhark überhörte seinen mürrischen Ton. „Doorn, haben Sie in der Kommando-Zentrale mit dem Gigant-Sender manipuliert?" „Donnerwetter, Dhark, woher wissen Sie das denn?" fragte der Sibirier überrascht zurück. „Ja, hab' ich, aber ich hab's ebenso schnell wieder sein gelassen, weil dieses Aggregat irgendwie doch anders ist als das Gerät, das uns auf Hope zerstört wurde. Es war vielleicht eine Sekunde lang eingeschaltet. Ist denn was?"
Dieser dickfellige Bursche war so schnell nicht aus der Ruhe zu bringen. Gewiß konnte er sich vorstellen, daß der Commander ihn nicht nur aus Zeitvertreib gefragt hatte Wortlos schaltete Dhark aus. Aber er sagte nichts, rieb sich nur sein markantes Kinn. War seine Vermutung vielleicht zu phantastisch, in Are Doorn Manipulation am ausgebauten Gigant-Sender des Kommando-Raumers die Ursache zu der Massen-Transition der Ringschiffe zu sehen? Sollte Are Doorn mit seinem Experiment vielleicht den Kommando-Impuls an die fremde Flotte ausgestrahlt haben, den Angriff abzubrechen und auf Heimatkurs zu gehen? Gab es unter den aber Milliarden Möglichkeiten diesen glücklichen Zufall? Warum waren dann aber nicht alle Schiffe der fremden Flotte verschwunden? Warum hatte dann dieser Befehl nicht für die Raumer gegolten, die noch immer im freien Fall über Terra standen? „Ist was?" fragte jetzt auch Dan Riker. „Ich weiß es nicht", wich Ren Dhark aus. Selbst seinem Freund wagte er nichts von seiner phantastischen Vermutung zu erzählen. So viel Zufall konnte es nicht geben. Er wollte Gewißheit haben. Erneut stellte Glenn Morris mit Are Doorn und der 002 eine Verbindung her. Das Bordgehirn des Blitzes wurde mit dem Checkmaster der POINT OF über To-Funk verbunden. Und dann warf der Checkmaster nach knapp einer Minute das Resultat aus: Alle Kommando-Impulse sind vom Gigant-Sender ausgegangen, Aus großen Augen starrte Ren Dhark die Bildkugel an. „Doorn!" Der Sibirier meldete sich sofort. „Ja?" „Achten Sie darauf, daß unter keinen Umständen in der FunkZentrale ein Ersatz-Sender eingesetzt wird. Gerade hat unser Checkmaster erklärt, daß alle Komando-Impulse an die Invasionsflotte von dem Gerät ausgegangen sind, das Sie ausgebaut haben." „Hm", brummte Doorn, und sein Gesicht auf der Bildscheibe verzog sich kaum. „Aber wir haben nichts mehr zu befürchten. Auf diesem Kahn gibt's nicht einmal mehr einen Rob. Den letzten habe
ich ein bißchen verändert." Er hatte sich vornehm ausgedrückt. Das Wort zerstören hatte er nicht benutzen wollen. Ren Dhark krauste die Stirn. „Im Schiff befindet sich bestimmt kein Mysterious, Doorn?" Nicht einmal ein Roboter! Die waren einmal " „Kontrollieren Sie alle Decks, alle Kabinen und Räume. Kontrollieren Sie, wie Sie in ihrem ganzen Leben noch nie etwas kontrolliert haben, Doorn!" „Okay- Ich melde mich wieder." "Doorn!" Ren Dhark hatte zu spät gerufen. Der Sibirier hatte von sich aus abermals die Verbindung zum Flaggschiff der TF unterbrochen. Der Commander betrachtete erneut die Bildkugel. Der schwarze Raum. Darin die blau schimmernde Erde. Der Mond. Und als scharf gezeichnete, schwach reflektierende Punkte die Ringraumerschiffe, die im freien Fall standen. Ihr Abstand zu Terra veränderte sich nicht. Verschwunden blieb das Gros der fremden Flotte. Dhark nahm im Pilotsitz Platz. Über die Verständigung befahl er Morris in den Leitstand. „Grappa, lassen Sie sich an Ihren Ortungen vertreten." Er sah seinen Freund an. „Ich benötige jetzt ein paar klare Köpfe, Dan, die mir gute Ratschläge geben. Allein wage ich in diesem Moment keine Entscheidung zu treffen." Er sollte nicht dazu kommen. Marschall Bulton aus dem Stab der TF verlangte ihn dringend zu sprechen. * Holger Alsop hatte wieder auf sein zweites System geschaltet. Er war sich nicht sicher, ob sich nicht doch noch eine Handvoll Robonen im Schiff befanden und plötzlich aus irgendeiner Ecke auftauchen konnten. Vom Leitstand, in dem nach wie vor seine geschockten Opfer lagen, raste er wieder zur Funk-Z zurück. Die TF mußte ihm helfen! Oder die GSO! Wie? Das war ihm egal! Vollkommen! Er hatte keine Angst. Sein Zweit-
Gehirn : kannte sie nicht. Wieder saß er hinter dem Hyper-Funk. Wieder hatte er einen Offizier des Stabes auf seiner Bildscheibe. „Alsop, wir können Ihnen nichts versprechen", erklärte ihm der Stabsoffizier. „Wir wissen ja selbst nicht, was uns in den nächsten Minuten erwartet!" Eiskalt unterbrach ihn der Cyborg. „Aber Sie könnten sich durch einen Mann ersetzen lassen, der ein Kugelraumschiff fliegen kann. Den benötige ich und keine Ausflüchte. Darf ich bitten?!" Der andere zögerte. „Ich muß da erst einmal mit Major ..." Das interessierte Holger Alsop noch weniger. „Was Sie müssen, ist mir egal. Schaffen Sie einen Mann an Ihr Funkgerät, der mich anleiten kann, einen Raumer von hundert Meter Durchmesser zu fliegen. Wenn ich bitten darf, ein bißchen schnell, oder Sie lernen die GSO von einer Seite kennen, die Ihnen unangenehm ist!" In diesem Augenblick benutzte er die schwache Rückschaltungs-Phase und schaltete auf normal. Im gleichen Moment blitzte es in seinen Augen auf. Seine Stimme erhielt anderen Klang, und die Form seiner Lippen hatte sich auffallend verändert. „Mein Lieber, der Teufel holt Sie, wenn Sie sich jetzt nicht beeilen!" Er hörte ein Geräusch hinter sich. Alsops Hand zuckte zur EnergieWaffe, aber im Herumreißen lachte er über sich selbst. Es war ein böses Lachen. Das Anlaufen eines kleinen Transformers mit seinen typischen Knackgeräuschen hatte ihn irritiert. Gleichzeitig erkannte er, daß er sich und seinem Nervensystem zuviel zumutete, wenn er nicht umschaltete. Als Cyborg war er bedeutend höher zu belasten, und die menschlichen Unzulänglichkeiten kamen nicht zum Tragen. Er schaltete den Hyper-Funk zur Kommando-Zentrale durch, erhob sich und verließ die Funk-Z. Krachend öffnete sich das Schott des Leitstandes. Cyborg Alsop trat ein und lief in den Strahl eines schweren ParaSchockers. Der konnte sein zweites System nicht angreifen — eine Tatsache, die Echri Ezbal und seine Experten im Brana-Tal noch nicht einwandfrei erklären konnten. Cyborg Alsop riß den Kopf zur Seite. Vor ihm stand der Robone, den er unten in der Schleuse geschockt hatte!
Die Augen des Robonen waren vor Entsetzen geweitet. Der Mann konnte nicht begreifen, warum Alsop auf den Schockerstrahl nicht reagierte und wie ein gefällter Baum zu Boden brach. Holger Alsop tat einen Cyborg-Sprung. Er flog seinen Gegner, der dicht neben dem Bordgehirn stand und fast zehn Meter von ihm entfernt war, in einem Satz an. Aufkommen und zuschlagen waren eine Aktion. Der entsetzte Robone stieß einen gellenden Schrei aus, riß beide Hände deckend vor sein Gesicht und versuchte dem blitzschnellen Haken auszuweichen. Es half ihm nichts. Holger Alsops Cyborg-Faust durchschlug die Deckung des anderen. Der Schocker flog im hohen Bogen, sich dabei ständig überschlagend, quer durch den Kommandoraum des 100-MeterSchiffes. Dann traf die Faust. Punktschlag! Holger Alsops Zweit-Gehirn stellte sachlich das Resultat fest. Schocken, befahl es mitleidlos. Seit die Menschen Waffen erfunden hatten und sie benutzten, gab es keine humanere Waffe als den Para-Schocker, wenn er nicht auf maximale Leistung gestellt worden war und das Opfer viele Sekunden lang im vollen Strahl lag. Die Paralyse hatte keine Nachwirkungen zur Folge. Gelassen steckte Alsop seine Waffe wieder ein. Er zuckte nicht einmal zusammen, als er über den Lautsprecher den begeisterten Ausruf hörte: „Hölle und Sterne!" Auf dem Bildschirm sah er ein junges, ihm unbekanntes Gesicht. Die Augen des Offiziers funkelten vor Begeisterung. „Das war ein sauberer Sachlag, Alsop. Aber wir wollen es kurz machen. Ich soll Sie über Funk nach Terra herunterholen. Hoffentlich brechen Sie sich trotz meiner gutgemeinten Tips nicht den Hals." Der Leutnant im Stab der TF war -von herzerfrischender Offenheit. Nur konnte er damit einen Cyborg nicht beeindrucken. Für Alsops Programm-Gehirn galten nur sachliche Tatsachen. Keine Emotionen. Er nahm im Pilotsessel Platz. „Alsop, lassen Sie vorläufig A-Grav stehen. Rühren Sie nur das an,
was ich Ihnen erlaube anzufassen. Klar?" Holger Alsop nickte. Dann kamen die Anweisungen des Leutnants, der es für überflüssig gehalten hatte, sich vorzustellen. Konverter anfahren! Energie auf die As-Onentriebwerke schalten! Bordgehirn aktivieren! Sperre an der Not-Taste beseitigen! „Aber um alles in der Welt nicht durchdrücken, Alsop!" Der hatte für jede Anweisung nur ein Nicken übrig. Ihm kam nicht zum Bewußtsein, daß er dem jungen Leutnant im Stab der TF, der zum erstenmal in seinem Leben mit einem Cyborg zu tun hatte, immer unheimlicher wurde. Gemütsbewegungen kannte Alsop im Bereich seines zweiten Systems nicht. „Was zeigen die beiden Instrumente in der zweiten Reihe auf Position vier und fünf an, Alsop? Geben Sie mir die Werte durch.« Er gab durch. „Jetzt können Sie A-Grav wegnehmen. Aber passen Sie auf, wenn Sie die Triebwerke höher schalten!" Er paßte auf. Er tat nur das, was ihm vom Stab der TF aus über ToFunk gesagt wurde. Jeder Vorgang kostete Zeit. Der Leutnant in Cent Field ging nicht das kleinste Risiko ein. Und Holger Alsop drängte nicht. „Höhe jetzt noch 131 600 Kilometer über NN." „Nicht viel", meinte der Leutnant, „aber ich glaube, daß ich Sie heil herunterbringe, nur, daß Sie auf Cent Field landen wollen, gefällt mir nicht." Alsop hatte darauf nichts zu sagen. Die nächste Anweisung kam. Aber sie wurde nicht durchgeführt. Krachend war hinter dem Rücken des Cy-borgs das Schott der Zentrale aufgeflogen. Und über To-Funk schrie ihm der Leutnant aus dem Stab der TF etwas zu, das Holger Alsop im Krachen nicht verstand. Er riß sich herum. In jeder Hand eine Waffe. Und dann jagte vom Abstrahlpol der Schockerstrahl los. Gegen die Decke.
* Are Doorn nahm den Befehl des Commanders, sich jeden Raum in diesem Schiff anzusehen, sehr genau vor. Mit seinem Flash kein allzu großes Problem. Das Intervall um seine 002 erlaubte es ihm, alle Wände und Decken zu durchfliegen, und der Sie, der mit minimalster Kraft lief, hinterließ im Unitall keine Schmelzspur. Alle Waffen der 002 waren feuerbereit. Und es paßte zu dem gedrungenen Are Doorn, daß er darauf verzichtete, die Gedankensteuerung einzusetzen, die viel schneller und präziser arbeitete als der reaktionsschnellste Mensch und in allen Fällen auch noch schneller als der schnellste Cyborg war. Doorn ließ alle Aufnahmegeräte laufen. Was er in den Depots und Räumen auf diesem Schiff zu sehen bekam, könnt* kein Mensch behalten. Je mehr Decks er kontrollierte um so sicherer wurde er in seiner Meinung, es mit einem robotisch gesteuerten Schiff zu tun zu haben. Und er verstieg sich sogar zu der Behauptung, daß mit diesem Ringraumer noch nie ein biologisch intelligentes Wesen geflogen war. Ren Dhark hatte sich von der POINT OF seit der letzten Viertelstunde nicht mehr über To-Funk gemeldet. Doorn hatte auch keinen Wunsch, sich mit dem Commander zu unterhalten. Seine ganze Aufmerksamkeit galt den Depots dieses Ringraumers, der von außen betrachtet eine Zweitausgabe des Flaggschiffes der TF war. „Nur drinnen nicht", hatte Doorn ein paarmal geknurrt und über die Bildprojektion über seinem Kopf die aber tausend gestapelten Roboter betrachtet, die in langen Reihen übereinander bis zur Decke lagen. „Wenn die über Terra marschieren", murmelte er, als er das zwanzigste oder fünfundzwanzigste Depot dieser Art durchflog und es aufgegeben hatte, die Zahl der Metallkonstruktionen zu schätzen. Daß er all das, was er zusammen mit dem Commander erlebt hatte, auf keinen Nenner bringen konnte, bereitete ihm noch keine Beschwerden. Zu viele Eindrücke stürzten auf ihn ein. Sein Flash durchflog Deck 7! Ein einziges Roboter-Depot! Der gesamte Ringraum war in acht große Lagerräume unterteilt, und es gab auch nur acht breite Tore, durch die diese Robs, wenn sie
einmal aktiviert waren, die Lager verlassen konnten. Zu jeder Sekunde war Doorn darauf vorbereitet, erneut auf einen Roboter zu treffen, der ihm Schwierigkeiten machen könnte — wie jener letzte, der den Commander gegen eine Deckwand gedrückt hatte, um ihn zugleich per Transmitter zur POINT OF zurückzuschicken, während die Blechkonstruktion bis zu diesem Moment von ihm und seinem Flash keine Notiz genommen hatte. Der Ärger war erst in dem Moment entstanden, in dem der Roboter nach seinem Verschwinden mit einem Ersatz-Gigant-Sender wieder aufgetaucht war und sich auf den Weg zur Funk-Z machte. Doorn hatte versucht, ihm den Weg zu verlegen. Mit seinem Flash. Der Roboter hatte versucht, dem Flash auszuweichen, und als das nicht gelingen wollte, ihn durch Strahlbeschuß zu vernichten. „Nee, Freundchen", hatte Doorn gebrummt, „das hab’ ich nicht gern", und aus zwei Antennen sein Strahlfeuer eröffnet. Dabei galt sein größtes Interesse dem Ersatz-Gigant-Sender, den der Roboter unter einem seiner Metallarme trug. Nun lag dieser Gigant-Sender neben dem Gerät, das er in der FunkZ dieses Schiffes ausgebaut hatte, während sich der Commander mit den Robotern am Eingang zum Funkraum herumgeschlagen hatte. Hin und wieder warf Doorn einen Blick auf die Energie-Ortung. Die Werte waren unverändert. Das beruhigte ihn, weil er immer noch befürchtete, eine weitere Begegnung mit einem aktiven Roboter zu haben. Als er auch das letzte Deck kontrolliert hatte, flog er auf kürzestem Weg zum Triebwerksraum, seiner Domäne auf der POINT OF. Er wollte das Triebwerk dieses Schiffes studieren und kontrollieren, in welcher Beziehung es sich von der Anlage auf dem Flaggschiff unterschied. Mit abgeschaltetem Sie, nur von schwachen A-Gravkräften gehalten, schwebte seine 002 in dem großen Raum, der fast die gesamte Höhe der Ringröhre für sich in Anspruch nahm. Er war schon im Begriff, auszusteigen, als er den winzigen Ausschlag an der Funk-Ortung bemerkte. Ein To-Funkstrahl war es nicht. Den hätte er nur empfangen können, wenn er mit seinem Flash genau in dessen enggebündeltem Bereich gelegen hätte. Doorn schaltete den Empfang ein. Der Frequenzsucher hatte die Wellenlänge schon justiert.
Are Doorn kniff die Augen zusammen. Er konnte nur eine Station hören, aber der Mann hinter dem Sender war ausgesprochen mundfaul. Und was er hin und wieder zu sagen hatte, klang eigenartig. Wie jemand, der Anweisungen wiederholt. Der Sibirier schüttelte den Kopf. Diese Stimme kam ihm bekannt vor. Und die Anweisungen, die selten wiederholt wurden, auch. „Großer Himmel, das ist doch . . . !" und schon hatte Doorn vergessen, daß er nach Durchführung seines Auftrages unverzüglich zur POINT OF zurückkommen sollte. Er flog; aus dem Robot-Raumschiff aus. Distanz- und MassenOrtung gaben ihm sein neues Ziel an. Die 002 beschleunigte. Der Flash raste an der Kette fremder Ringraumer vorbei, die im freien Fall über Terra standen. Keines der Schiffe nahm von dem kleinen Blitz Notiz. Kein Ortungsstrahl griff nach der 002. Auf keinem Schiff der TF wurde der Kurswechsel des Beibootes der POINT OF bemerkt. Alle Besatzungen starrten wie gebannt auf die weit auseinandergezogene Restflotte der Ringschiffe. Doorn erreichte sein Ziel. Immer noch unbemerkt. Aber als vor ihm das Schott zu einer Schiff s-Zentrale krachend aufflog, duckte er sich doch leicht. Der Strahl aus einem Para-Schocker, der ihm galt, traf die Decke. Daß er alle seine Sinne behalten durfte, verdankte er der ausgezeichneten Reaktionsfähigkeit des Cyborgs Alsop. „Ich bin schon freundlicher empfangen worden", sagte Are Dporn, und über sein grobporiges Gesicht flog ein leichtes Lachen. Alsop hatte immer noch auf sein zweites System geschaltet. „Wie kommen Sie in dieses Schiff? Wer hat Sie geschickt, Doorn?" „Mit meinem Flash. Leider hat dieser Kahn jetzt in seiner Zelle ein Loch. Und wer mich geschickt hat? Niemand. Ich habe nur Ihren einseitigen Funkverkehr ..." Da sah er die geschockten Männer am Boden liegen. Männer, die nicht die Uniform der TF trugen. Alsop deutete seinen Blick richtig. „Robonen." „Nicht umgeschaltete?" Are Doorn zeigte sich oft als Geizhals, wenn es darum ging, reden zu müssen. „Ja." „Okay, dann lassen Sie mich mal." Er stand schon neben Alsop und
nahm dessen Platz ein, nachdem dieser den Pilotsessel geräumt hatte. „Hallo, Harris!" rief er dem jungen Leutnant im Stab der TF über Funk zu, dessen Gesicht er auf der Bildscheibe sah. „Bestellen Sie Bulton einen schönen Gruß von mir. Er soll eine Handvoll stabiler Männer zu diesem Kahn schicken. Auf welchem Platz kann ich landen? Leutnant Harris schluckte ein paarmal, u" s er in der Lage war zu reden. „Sie haben doch gar kein Raumflug-Patent, Doorn. Ich kann Ihnen nicht erlauben .. ." Doorn hatte schon gehandelt. Armer Tropf, dachte er nur, während seine Hände blitzschnell hintereinander ein gutes halbes Dutzend Schaltungen durchgeführt hatten, du hättest damals auf Hope sein müssen, als wir in der Höhle die POINT OF entdeckt hatten und kein Mensch wußte, wie dieses Ding zu fliegen war. Damals hatten die nach dem Planeten Hope verschlagenen Kolonisten und die mit ihrem Raumschiff GALAXIS gestrandete Besatzung Wunderdinge vollbracht. Sie hatten nicht nur Dank einem glücklichen Geschick dem Ringraumer einen Teil seiner Geheimnisse entrissen, sondern — was die Besatzung dieses Schiffes anging — auch gelernt, Raumschiffe zu fliegen. Und hinterher war es dann von den einzelnen, die diese Kunst beherrschten, regelrecht vergessen worden, sie sich durch eine Prüfung oder ein Diplom bescheinigen zu lassen. Und Are Doorn bewies dem jungen Leutnant Harris im Stab der TF, daß er ein 100-Meter-Kugelschiff fliegen konnte. Als auf einem der großen Bildschirme schon Alamo Gordo und der gewaltige Raumhafen Cent Field auftauchten, fragte Are Doorn mit unverkennbarer Ungeduld in der Stimme: „Na, auf welchem Platz denn, Harris?" Der mußte erst einmal nachfragen. Und dann kam seine Antwort zu spät. Wenngleich dem Sibirier der Schweiß auch in dicken Perlen auf der Stirn stand, so hatte er dennoch den 100-Meter-Raumer sicher auf Platz B/18, nur ein paar hundert Meter vor dem Stab der TF, gelandet. Daß bei der Landung drei Teleskopstützen eingeknickt waren, spielte keine Rolle. Schließlich hatte er die Landung allein durchgeführt. „So", sagte Doorn, während er die As-Onentriebwerke auf Null
schaltete und es im Schiff schlagartig still wurde, „den Rest müssen Sie erledigen. Ich habe mich sowieso verspätet. Bis dann, Alsop!" Der sah ihm nach. Hinter Doorn schlug das Schott der Zentrale wieder krachend zu. Leutnant Harris war immer noch in der FunkVerbindung. „Alsop, sagen Sie jetzt nur, Doorn will mit seinem Flash wieder ausfliegen!?" „Anzunehmen, Harris." „Aber dann brennt er ja noch ein zweites Loch in die Zelle!" „Anzunehmen, Harris." Der hatte keinen Humor. „Ich werde diesen Vorfall unverzüglich dem Marschall melden. Die Folgen hat sich Doorn selbst zuzuschreiben." „Meinen Sie?" fragte Holger Alsop. „Are Doorn ist nicht irgendwer, Leutnant. Aber haben Sie veranlaßt, daß man die Geschockten von Bord holt? Ich habe es nämlich auch eilig. Bei der GSO erwartet man mich." Leutnant Harris war überfordert worden. Sein Gesicht drückte Ratlosigkeit aus. Halblaut murmelte er: „Ich habe dennoch dem Marschall Meldung zu machen. Warten Sie ab, Alsop!" Der hatte in diesem Moment auf sein normales System zurückgeschaltet. „Ich werde nicht abwarten, sondern die GSO anrufen. Ende, Harris!" Er stand auf, um die Funk-Z aufzusuchen. Bernd Eylers, der Chef der GSO, mußte von seiner Rückkehr unterrichtet werden. „Was haben Sie an Bord? Nicht umgeschaltete Robonen? Habe ich midi jetzt auch nicht verhört, Alsop? Nicht umgeschaltete Robonen?" „Ja, und diese Burschen gehören zu der Clique, die aus Mildan und Dordig Entartete gemacht haben. Ich sollte das gleiche Schicksal erleiden." Eylers hatte schon seinen Entschluß getroffen. „Gut. In spätestens zehn Minuten bin ich mit ein paar kräftigen Männern bei Ihnen. Schlafen diese Robonen auch gut?" Das hörte sich besorgt an. Und ebenso teilnahmsvoll erwiderte Holger Alsop: „Sie schlafen traumlos und tief wie Babys." „Bande!" fluchte Bernd Eylers, nickte Alsop noch einmal zu, und dann wurde der Bildschirm in der Funk-Z des erbeuteten Robonen-
Schiffes grau. Alsop machte sich auf den Weg zur Polschleuse, um sie zu öffnen. * Professor Monty Bell schob die Arbeit zur Seite. Nacheinander sah er seine Kollegen Bentheim und Ossorn an. Sie nickten. Ihnen erging es nicht anders. Auch sie waren unruhig geworden, weil seit gut einer Stunde keine Nachrichten über die Lage Terras mehr durchgekommen waren. Dieses ständige, halb unbewußte Warten auf Meldungen hatte ihre Arbeitswut im Laufe der Stunde gelähmt. „Wir aber haben etwas zu melden", sagte Monty Bell mit sarkastischem Unterton und deutete auf die letzte Endauswertung, die sie vor zehn Minuten durch einen SupraSensor erhalten hatten. „Und ob es Bulton recht ist oder nicht — ich rufe ihn jetzt an." Bentheim und Ossorn waren damit einverstanden. Sie schauten zu, wie Bell das große Stand-Vipho einschaltete und den Stab der TF tastete. Er verlangte, den Marschall der Terranischen Flotte zu sprechen. Dringend. Die drei Männer, die ein paar hundert Meter tief unter Alamo Gordo ftn größten wissenschaftlichen Forschungszentrum der Erde saßen, erwarteten nicht, daß sich der Marschall ans Vipho holen lassen würde. Bulton meldete sich sofort. Der Ausdruck seines Gesichts überraschte. Er sah wohl müde, aber auch entspannt aus. Und Bulton konnte sogar ein winziges Lächeln aufbringen, als er den Astrophysiker Monty Bell erkannte. „Sie warten auf Nachrichten, Bell? Wir auf die Ihren!" Die Experten horchten unwillkürlich auf. Das Militär Terras hatte plötzlich Zeit, sich für wissenschaftliche Resultate zu interessieren? „Ich will Sie nicht auf die Folter spannen", begann Bulton leutselig. „Der größte Teil der Ringraumerflotte hat sich in einer Transition, die fast das Gefüge unseres Sonnen-Systems zerrissen hat, abgesetzt. Erster Eintauchpunkt: einwandfrei zwischen den Spiralarmen I/a und II/a. 3782 Ringraumer befinden sich nach wie vor im freien Fall über Terra, aber auf den Schiffen tut sich nichts. Der Commander weiß
auch nichts Genaues. Unsere Flotte hat neue Positionen bezogen und wartet ab, wie wir alle abwarten. Was aus uns wird, steht nach wie vor in den Sternen. Das ist zur Stunde unsere Lage. Und nun zu Ihnen. Wie sieht es um uns herum aus?" „Schlecht! So schlecht wie noch nie!" konnte ihm Monty Bell nur sagen, und dann bemühte er sich, seine Ausführungen so zu formulieren, daß sie der Marschall auch verstand. Auf dem Bildschirm des großen Stand-Viphos wurde Bultons Gesicht immer strenger. Jetzt spiegelte es auch die physischen Anstrengungen wider, die dieser Mann in den letzten Tagen und Stunden hatte durchstehen müssen. Dennoch hörte er mit aller Aufmerksamkeit zu. Er begann mit den Fingern auf seinem Schreibtisch zu trommeln. Er hob einmal ruckartig den Kopf, als Bell von der Mutationsgefahr sprach. Dann schloß er die Augen und schien zu schlafen, während ihm der Astrophysiker zu erklären versuchte, warum gerade dieser Orkan elektromagnetischer Störungen, die galaktisches Format hatten, eine Bedrohung für jedes biologische Leben darstellte. „Die Durchschlagskraft dieser Strahlen ist so enorm, Marschall, daß wir hier unten mit einigen sehr empfindlichen Meßgeräten schon Schwierigkeiten hatten. Es ist noch zu früh, daraus Schlüsse zu ziehen, aber diese Erscheinungen öffnen den Hypothesen Tür und Tor, daß der rätselhafte Abzug der unbekannten Ringraumer-Flotte vielleicht auf die Störungen im elektromagnetischen Feld der Milchstraße zurückzuführen ist." Da winkte Bulton ab. „Nonsens", sagte er und sah Monty Bell kopfschüttelnd an. Deshalb Nonsens, weil der Checkmaster der POINT OF eindeutig erklärt hat, der Abzug des größten Teiles der unbekannten Flotte beruhe auf Komando-Impulsen eines ganz bestimmten, kaum drei Kilo schweren Gigant-Senders, den Are Doorn ausgebaut hat." „Wie bitte?!" warf Ossorn fassungslos ein. „Sie dürfen meinen Worten schon Glauben schenken", erklärte Bulton, „wenngleich es mir anfangs auch schwerfiel, diese Nachricht zu glauben. In diesem Fall spielt ein außergewöhnlicher Blip — eine Super-Amplitude — eine wichtige Rolle. Der Commander ist aufgrund vorliegender Ortungs-Resultate zusammen mit Doorn in Einsatz gegangen, hat den Ringraumer angeflogen, von dem die
Hyper-Blips ausgingen, und durch Doorn den Sender in der FunkZentrale des Schiffes ausbauen lassen. Übrigens, meine Herren, soweit bisher durch die Beiboote der POINT OF festgestellt werden konnte, haben wir es mit robotischen Ringraumern zu tun, die alle nur von ein paar Robotern an Bord überwacht werden. In den Depots der Schiffe jedoch liegen aber tausend nicht aktivierte Roboter, die ganz gewiß »einsatzbereit sind. Damit ist aber das Rätsel nicht gelöst, warum der größte Teil der Flotte abgezogen ist und der Rest aus 3782 Schiffen nach wie vor im freien Fall über Terra steht." „Und was geschieht nun?" fragte Bentheim, der über den Auslassungen des Marschalls vergessen hatte, daß die gesamte Galaxis von einer viel größeren Gefahr bedroht wurde als sie jemals durch eine noch so große Flotte hätte bedroht werden können. „Wir wissen es nicht", gab Bulton unumwunden zu. „Ich weiß, daß der Commander dieser Situation ratlos gegenübersteht. Und ich kann es ihm nachempfinden. Noch sind die Beiboote der POINT OF damit beschäftigt, zu kontrollieren, ob wir es ausschließlich mit Robot-Schiffen der Mysterious zu tun haben oder auf einigen Schiffen nicht doch Mysterious anzutreffen sind. Doch zurück zu Ihrem Arbeitsgebiet: Was werden Sie Trawisheim berichten?" „Das gleiche!" erklärte Monty Bell. „Mit der Empfehlung, der Bevölkerung nichts über die Störungen im Galaktischen Magnetfeld mitzuteilen. Man würde die Menschen damit nur beunruhigen. Ein Abwehrmittel gegen diese Strahlung gibt es nicht, es sei denn, man würde an Bord eines Raumschiffes hinter einem energetischen Schutzschirm leben." „Wann werden Sie Trawisheim Vortrag halten, Bell?" fragte Bulton. „In genau fünfzig Minuten, Marschall." „Okay, ich werde versuchen, um diese Zeit bei Trawisheim zu sein. Sollte sich etwas an unserer Lage ändern, lasse ich Sie unverzüglich informieren." Er war zu diesem Zeitpunkt selbst schlecht informiert! * Are Doorn war über Funk schon gesucht worden. Weil er sich nicht gemeldet hatte, waren zwei weitere Flash unter
Mike Doraner und Pjetr Wonzeff mit Ziel auf das Kommando-Schiff der Ringraumer angesetzt worden. Ihre Meldung, im Schiff keine Spur von Doorn und der 002 zu finden, lief mit der Meldung aus dem Flash-Depot zusammen ein, daß Doorn gerade eingeflogen sei. Unter jedem Arm einen Gigant-Sender, betrat Are Doorn die Kabin« des Commanders. Dhark saß mit Riker, Grappa und Morris um den runden Schwebetisch. Freundlich wurde der Sibirier nicht empfangen. Und Doorn reagierte nicht auf diese betont zur Schau gestellte Unfreundlichkeit. Er legte erst einmal mit äußerster Sorgfalt die beiden Sender zu Boden. Er hatte sich dafür einen Platz ausgesucht, wo sie keinem Menschen im Weg liegen konnten. Dann streifte er seinen M-Raumanzug ab, nahm Platz und legte ihn über seinen Schoß. Gelassen erwiderte er den durchdringenden Blick des Commanders. Dessen Vipho meldete sich. Der Stab der TF verlangte ihn zu sprechen. Ein Colonel meldete dem Commander Are Doorns Bravourtat. „Der aus gigantischer Fertigung stammende 100-Meter-Raumer der nicht umgeschalteten Robonen erlitt bei der Landung auf Cent Field nur leichte Beschädigung an drei Teleskopstützen. Aber der Stab der TF legt Wert darauf, daß Are Doorn so schnell wie möglich sein großes Raumfahrerpatent ablegt. In den hier vorhandenen Unterlagen ...« Das war auch dem Commander etwas zuviel Bürokratie. Verärgert unterbrach er den Colonel. „Bestellen Sie Ihrem Super-Pedanten, der sich wegen dieses Fehlers aufgeregt hat, einen herzlichen Gruß von mir. Ich persönlich werde allen Männern der POINT OF, die unter anderm auch verstehen, das Flaggschiff zu fliegen, das Große Raumfahrer-patent ausstellen." Vorsorglich hatte Walt Brugg in der Funk-Z an dieser Stelle die Verbindung zwischen Cent Field und Commander unterbrochen. Am Tonfall hatte er vernommen, daß Ren Dhark für diese Kleinigkeitskrämereien im Stab der TF kein Verständnis aufbringen wollte. „So", sagte Dhark und blickte den Sibirier mit anderen Augen an. „Ja", sagte Are Doorn und glaubte, damit alles gesagt zu haben. Dan Riker grinste verstohlen. Glenn Morris und Tino Grappa
warteten ab, wie der Commander auf diese einsilbige, nichtssagende Erklärung reagieren würde. Sie hatten Grund, sich zu wundern. Ren Dhark war mit Are Doorns Erklärung zufrieden. „Kommen wir zu unserer Lage zurück", nahm er den Faden erneut auf. Jetzt war er es, der darauf verzichtete, den Sibirier zu informieren, worüber sie vorher gesprochen hatten, als er noch wie eine Stecknadel zwischem dem fremden Ringraumer und Terra gesucht wurde. „Wir müssen uns Klarheit verschaffen, warum der Rest von rund viertausend Schiffen im System geblieben ist. Wenn mein Verdacht sich bewahrheitet, dann kann der Grund dazu nur in einem dieser beiden Gigant-Sender liegen, die Doorn mitgebracht hat. Als der Sender in der Funk-Z des Kommando-Schiffes aus seiner Schachtelung herausgenommen wurde, verschwand der SuperBlip. Alle Schiffe der Ringraumer-Flotte waren von diesem Moment an ohne Kommando-Impulse. Die Flotte stoppte ihren Angriffskurs auf Terra. Und dann .. ." Er sah Doorn an. „Was dann durch Ihre Manipulationen am Gigant-Sender geschah, während wir uns im leeren Leitstand aufhielten, haben Sie mir noch zu berichten." Ren Dhark hatte sich ungenau ausgedrückt. Den anderen war es nicht aufgefallen, aber Doorn. Er erlaubte sich, den Commander zu verbessern. „In welcher Form ich am Sender hantierte, Dhark? Okay, das ist schnell gesagt." Damit hatte Doorn auch den Commander überschätzt. Es hatte nur zwei Experten gegeben, die ein wenig Einblick in die Arbeitsweise eines Gigant-Senders der Mysterious bekommen hatten: Hadrum Ismaran und Are Doorn. Ismaran war tot. Der Sibirier war der einzige noch lebende Experte für dieses Gerät. „Ich schaltete ein, aber beim Einschalten überkam mich das Gefühl, daß dieser Sender anders war als das Ding, das Amer Wilkins auf Deluge zwischen Felsbrocken gefunden hatte. Was sind aber Gefühle? Auch ich gab nicht viel darauf, bis mir plötzlich heiß wurde. Ich hatte einfach Angst, Angst davor, dieses Aggregat durch mein Einschalten ebenso zerstören zu können wie seinerzeit auf Hope, als Ismaran und ich Versuche anstellten. Deshalb schaltete ich wieder ab."
„Sie hatten also den gleichen Schalter betätigt, mit dem man am hopeschen Gerät das Aggregat betriebsbereit machte, Doorn?" vergewisserte sich Dhark durch seine Zwischenfrage. „Ja. Und doch ist an dem Ding etwas anders." Er drehte sich um und warf den beiden Geräten in der Ecke einen mißtrauischen Blick zu. „Der zweite Sender, den ich dem zerstörten Rob abgenommen habe — ich hatte ja kaum Zeit, es mir genauer anzusehen —, dem trau" ich auch nicht." Glenn Morris räusperte sich. Dhark warf ihm einen aufmunternden Blick zu, aber der Funk-Offizier zögerte dennoch. „Morris, reden Sie schon. Wir tasten alle wie Blinde im Kreis umher. Meinen Sie, ich würde mich in meiner Haut wohl fühlen?" „Na, gut", sagte Morris. „Also dieser Super-Blip. Wir sprechen in diesem Fall immer in Einzahl, müßten aber exakt von Amplituden sprechen. Dieses Monstrum also..." Jetzt war er es, der den beiden Gigant-Sendern einen mißtrauischen Blick zuwarf. „Wie schwer sind die Dinger, Doorn?" „Drei Kilo pro Stück. Warum?" „Weil ich mir einfach nicht vorstellen kann, daß ein Gerät von dieser Größenordnung eine Leistung haben soll, die alle Hypersender, über die wir verfügen — stationäre wie bewegliche —, übertrifft." „Sie müssen es sich aber vorstellen!" warf Dhark ein und nickte dazu. „Wir haben auf Hope unsere Erfahrungen damit gemacht. Doch Sie wollten uns etwas sagen, Morris. Bitte." Der rutschte nervös hin und her. „Als nach der Pause der Super-Blip für etwa eine Sekunde wieder auf dem Oszillo zu sehen war, erfaßte unsere Funk-Ortung «inen Richtstrahl, der genau in die Richtung wies, aus der die RingraumerFlotte über ihre Transitionen gekommen war." „Zum anderen Spiralarm, Morris?" fragte Dhark und sah ihn gespannt an. „Ja, aber das war auch alles, was unsere Funk-Ortung feststellen konnte. Und dann, als der Super-Blip nicht mehr zu beobachten war, verschwand ja der größte Teil der Ringraumer-Flotte im Sprung." Jetzt erst erkannte Are Doorn, um welche wichtigen Punkte sich dieses Gespräch in der Kabine des Commanders drehte. Er stieß vor Überraschung ein Grunzen aus, kümmerte sich nicht um die
fragenden Blicke, die die anderen ihm zuwarfen, schüttelte den Kopf und sagte: „Das glaub' ich nicht. Ich soll mit dem Einschalten des Gigant-Senders die Flotte der Mysterious nach Hause geschickt haben?" Nachdenklich blickte der Commander seinen Mann an. Unmerklich war sein Nicken. „Doorn, als Sie den Sender in der Funk-Z des Kommando-Raumers aus der Schachtelung rissen, stoppte die Flotte. Als Sie den ausgebauten Sender in der Zentrale des Ringraumers für rund eine Sekunde einschalteten, war der Super-Blip wieder auf allen Oszillos der POINT OF zu sehen. Als er verschwand, verschwand auch der größte Teil der Flotte. Ich glaube wir müssen uns daran gewöhnen, daß dieser Gigant-Sender zugleich auch ein programmiertes Gerät ist, das bestimmte Kommando-Impulse ausstrahlt, wenn es auf einem bestimmten Sektor aktiviert worden ist. Und Sie haben wahrscheinlich den Sektor aktiviert, der unter anderem auch den Befehl für die Flotte enthielt, sich in Transition abzusetzen." „Zum Teufel", brauste Are Doorn auf, der so selten die Ruhe verlor, „warum sind denn nicht alle Ringraumer verschwunden? Draußen stehen doejh noch vier- oder fünftausend im freien Fall über Terra!" „Man hat sie inzwischen gezählt", entgegnete Ren Dhark gelassen, der sich über das Aufbrausen des Sibiriers im stillen amüsierte, „und es sind genau 3782 Schiffe vom Typ POINT OF. Aber warum sie nicht auch transistiert haben, wissen wir natürlich nicht. Vielleicht gibt uns einer der beiden Sender darüber Auskunft, wenn Sie sich die Geräte etwas genauer angesehen haben." „Ohne mich!" erklärte Doorn energisch. „Man kreidet mir heute noch an, daß ich den Gigant-Sender der POINT OF zerstört hätte. Und dann, wenn das Malheur geschehen ist, soll ich auch nicht schuldig sein, die gesamte Ringraumer-Flotte wieder nach Terra geholt zu haben, Commander? Sie können meine Weigerung auffassen wie Sie wollen — suchen Sie sich jemand anderen, der sich der beiden Sende- und Empfangsgeräte annimmt. Meine Aufgabe hat sich damit erledigt, daß ich sie zur POINT OF brachte." Er redete im Gegensatz zu seinem sonst gewohnten Verhalten erstaunlich viel. „Von dieser Seite her kenne ich Sie gar nicht", spottete Riker und
grinste. Doorn blieb die Antwort schuldig. Die Arme vor der Brust gekreuzt, die Lippen aufeinandergepreßt, demonstrierte er, daß er es mit seiner Absicht ernst meinte. Die Störung kam wieder von Terra. Monty Beils Kopf war auf der Bildscheibe zu sehen. Der Astrophysiker, ein Freund von Ren Dhark aus früheren Zeiten, hatte nichts Gutes zu berichten. Die Werte des galaktischen Magnetfeldes hatten eine einmalige Höhe erreicht. „Ren", sagte der Wissenschaftler, „ich habe bisher" zu den Beschwerden meiner Kollegen geschwiegen, aber nun komme ich nicht mehr umhin, in ihren Chor einzustimmen. Du hast uns jede Möglichkeit verwehrt, nachzuforschen, was der Grund dieser katastrophalen Magnetfeldschwankungen ist..." „Und?" unterbrach ihn Ren Dhark scharf. Der schlanke Monty Bell ließ sich nicht erschüttern. „Erinnere dich unseres Gespräches kurz vor dem Start der GALAXIS, Ren. Damals saßen wir im Kasino des wissenschaftlichen Traktes. Damals schon sagte ich dir, daß das galaktische Magnetfeld eine Entwicklung angenommen habe, die bestürzend sei. Die Ablenkungen elektrischer Ladungen stiegen von Tag zu Tag, und daß an den interstellaren Teilchen ein ungeheurer Energiezuwachs — unerklärlich und beunruhigend zugleich — festzustellen sei. Was ich dir damals im Kasino sagte, habe ich heute in einem Punkt zu berichtigen. Ren, die Ablenkungen der elektrischen Ladungen steigen von Stunde zu Stunde! Und du mit deinem stereotypen Nein hast in den letzten Jahren immer wieder verhindert, daß uns Astrophysikern auch nur ein einziges Raumschiff zur Verfügung gestellt wurde, damit wir der Ursache dieser Schwankungen auf den Grund gehen konnten!" Ren Dhark verlor die Beherrschung. Zuviel war in den letzten Stunden auf ihn eingestürmt. Zu groß war die Verantwortung, die auf seinen Schultern lag. Er brüllte Monty Bell über einige hunderttausend Kilometer Entfernung aus der POINT OF an: „Hätte das etwas an dem heutigen Zustand geändert? Verschone mich mit deinen Vorhaltungen. Geh mit deinen Sorgen zu Trawisheim!" „Von dem komme ich!" erwiderte Professor Bell, keineswegs über
Ren Dharks Gefühlsausbruch überrascht. „Trawisheim teilt meine Ansicht!" „Aber ich seine nicht. Ende, Professor! — Brugg, unterbrechen Sie das ..." Walt Brugg in der Funk-Z hatte schon gehandelt. Die Verbindung zu Professor Monty Bell bestand nicht mehr. Hastig griff Ren Dhark nach einer Zigarette, schob sie zwischen die Lippen, drehte sie und inhalierte den ersten Zug. Nacheinander sah er seine Berater an. Ihr Blick wich dem seinen aus. Die also auch, dachte er verbittert, sie vertreten also auch die Meinung der Astrophysiker Wie schon so oft, kam er sich verlassen UND verraten vor. Jeder wich der letzten Verantwortung aus. Jeder erwartete von ihm, daß er die Entscheidung traf. Zum Teufel", murmelte er, der so selten fluchte, schlug die Taste des Stand-Viphos in die Arretierung und hatte damit die Funk-Z in der Verbindung. „Brugg, geben Sie mir Bulton!" „Was willst du denn vom Marschall?" fragte Dan Riker, der aus seiner Reserve herauskam. Ein wütender Blick traf ihn; das war Dharks Antwort. Er konnte seinem Freund Dan Riker nicht verzeihen, daß er sich auch auf die Seite der Astrophysiker gestellt hatte — mit seinem Schweigen vorhin. Bultons Kopf tauchte auf dem Bildschirm, auf. „Wie sieht es aus?" Der verstand den Commander. „Die Zerstörungs-Kommandos entwickeln Routine. Nach der letzten Gesamtmeldung waren auf 206 Ringraumern die ReparaturRoboter außer Gefecht gesetzt worden. Der Flash 017 landet gleich zum drittenmal auf Cent Field, um weitere 81 Gigant-Geräte abzuliefern. Wenn es zu keinen Zwischenfällen kommt, können wir in etwa sechs Stunden die Aktion als abgeschlossen betrachten." Are Doorn verstand kein Wort, aber er war auch nicht neugierig genug, um Aufklärung zu bitten. Nach wie vor, die Arme vor der Brust gekreuzt, saß er unbeweglich im Sessel. Der Streit zwischen Dhark und Riker hatte ihn kaum berührt. Seiner Meinung war eine scharfe Auseinandersetzung zwischen den beiden Freunden schon
längst überfällig gewesen. „Bei dem kleinsten Zwischenfall unterrichten Sie mich sofort, Bulton!" „Aber selbstverständlich", versicherte der Marschall. „Gut. Mein Leutnant Morris wird sich gleich mit der HyperFunkstation in Cent Field in Verbindung setzen. Veranlassen Sie, daß ihm jede Unterstützung gewährt wird. Ich rufe Sie in etwa einer halben Stunde an. Bis dahin habe ich das erste Kommando zusammengestellt. " Wieder einmal hatte Ren Dhark einen seiner einsamen Entschlüsse gefaßt. Auch Marschall Bulton wußte nicht, was er unter diesem Kommando zu verstehen hatte. Dhark vertröstete ihn auf später. Er sah Glenn Morris an. „Sie haben mitgehört. Suchen Sie Ihre Funk-Z auf, und auch Sie, Grappa, gehen wieder zu Ihren Ortungen. Die Hyper-Funkstation in Cent Field hat Ihnen bei der Aufklärung zu helfen, ob gerichtete Blips und Transitions-Rückzug der RingraumerFlotte auf gleicher Linie liegen. Ich weiß, daß ich fast zuviel verlange, aber manchmal werde auch ich überfordert." Er stampfte hinaus und achtete nicht darauf, ob die anderen auch seine Kabine verließen. Betroffen blieb Dan Riker allein in dem Raum zurück. Er war sich keiner Schuld bewußt. Er hatte nur eindeutig Partei ergriffen — für die Astrophysiker und ihre berechtigten Forderungen. Dann sah er die beiden Gigant-Sender in der Ecke liegen. Doorn hatte seine Ankündigung wahr gemacht und sich um die Aggregate nicht mehr gekümmert. Aber wen außer ihm gab es, der etwas von der Technik dieser ungeheuer leistungsstarken Sende- und Empfangs-Anlagen verstand? Ich werde heute noch ein ernstes und offenes Wort mit Ren sprechen, nahm sich Dan Riker vor, als er nun auch die Kabine des Commanders verließ, um den Leitstand des Flaggschiffes aufzusuchen. * Der erste Teil einer improvisierten Aktion war sechs Stunden später, wie Marschall Bulton es vermutet hatte, abgeschlossen. Alle im Flaggschiff stationierten Flash lagen wieder in ihren Depots. Kein einziger der 3782 Ringraumer verfügte noch über einen
einsatzklaren Repara-tur-Rob oder einen in der Funk-Z installierten Gigant-Sender. Sämtliche aktiven Roboter waren mehr oder weniger zerstört worden. 3782 Gigant- Aggregate befanden sich hinter einem energetischen Schutzschirm unter der Kontrolle der Terranischen Flotte. Als der zweite Teil einer ebenso improvisierten Aktion anlief, war nicht einmal Marschall Bulton darüber unterrichtet. Auch nicht Dan Riker, der die Komandogewalt über die POINT OF übernommen hatte. Niemand, außer den zweiundzwanzig Männern, mit denen Ren Dhark allein in der Messe des Schiffes gesprochen hatte. * Holger Alsops Bericht war längst nicht so ergiebig wie die Funde, die Eylers GSO-Männer in dem erbeuteten 100-Meter-Kugelraumer machten. Während drei Spezial- Jetts nach Alaska unterwegs waren, um die unterirdische Anlage zu suchen, die von den Giants seinerzeit angelegt worden war, als sie noch die Erde beherrschten und die Menschen versklavt hatten, saßen Spezialisten der Galaktischen Sicherheits-Organisation über den aufgefundenen Unterlagen und versuchten sie zu entziffern. Crown, ein vertrocknetes Männchen von mehr als neunzig Jahren, den man nur mit der kalten Pfeife im Mund herumlaufen sah, hatte sich in seinem Labor eingeschlossen und unterzog einen Stapel Folien aus unbekanntem Material ersten Prüfungen. Ihn störte es nicht; daß die Leitung der GSO darauf bestanden hatte, innerhalb von ein paar Stunden entzifferte Unterlagen vorliegen zu haben. Crown wußte aus Erfahrung, daß auch bei der GSO Wunder etwas länger dauerten. Aber dann war die Reihe an ihm, sich zu wundern. Die Folien gaben ihr Geheimnis nicht preis. Sie schienen so leer zu sein, so blitzblank ihr Aussehen war. Crown rief bei anderen Kollegen an. Darunter gab es einige, die rückhaltlos fluchten, weil sie auch keinen Schritt weitergekommen waren. Andere wieder meinten, die Folien würden keine verschlüsselten und verborgenen Aufzeichnungen enthalten. Aber dafür konnten auch sie den Beweis nicht antreten.
Crown hatte plötzlich einen Einfall, den er ohne langes Nachdenken sofort in die Tat umsetzte. Er rief das Brana-Tal an. Cyborg-Station. Er verlangte Manu Tschobe zu sprechen, den bedeutendsten GiantExperten Terras. Den Mann, der herausgefunden hatte, daß diese AllHüter nichts anderes als Roboter gewesen waren; Und der nach wie vor im, Brana-Tal damit beschäftigt war, den giantischen Robotern noch weitere Geheimnisse ihrer biologisch-anorganischen Konstruktion zu entreißen. In der Erforschung ihres Gehirns, das sich in einer kleinen kreisrunden Metallplatte befand und zugleich eine atomare Sprengladung in sich barg war er mit Kollegen noch keinen Schritt weitergekommen. Tschobe meldete sich, hörte zu, schüttelte ein paarmal den Köpf, überlegte zum Schluß und meinte dann: „Crown, sprechen Sie mit Eylers. Der soll Ihnen die Passage für den Transmitter freigeben. Bestellen Sie ihm einen schönen Gruß von mir, und dann kreuzen Sie mit Ihren Unterlagen hier auf. Vielleicht kann ich Ihnen helfen, aber versprechen kann ich Ihnen nichts, Crown.« Eine halbe Stunde später befand sich Crown in der Cyborg-Station und war vom Transmitter-Raum auf dem Weg zu Manu Tschobe. Und er war enttäuscht. Er hatte sich die Benutzung eines Transmitters doch etwas romantischer vorgestellt gehabt. Aber die Benutzung dieses Beförderungswegs war nichts als nackte Technik gewesen: Durch eine graue kreisrunde Transmitter-Antenne steigen und auf der anderen Seite, aber da schon im Brana-Tal, wieder aus der Gegenanlage heraustreten. Daß er dabei einige tausend Kilometer in Nullzeit zurückgelegt hatte, kam Crown nicht in den Sinn. Was sollte er später seinen Kollegen, wenn er wieder in Alamo Gordo saß, erzählen? Die wertvollen und rätselhaften Folien in einer abgesicherten Tragetasche unter dem linken Arm, ging er den Gang entlang, den ihm die Auskunft angegeben hatte. Auch diese Station, in der die Cyborgs entwickelt wurden, enttäuschte ihn. Sie war menschenleer, und als er dem Leuchtzeichen nach nun nach rechts abbog und
abermals einen langen Gang entlangsah, konnte er auch hier niemanden entdecken. Unerwartet für ihn öffnete sich an der rechten Seite eine Tür. Ein Mann trat heraus. Manu Tschobe, der Afrikaner, Arzt und Funk-Experte. Auf beiden Gebieten eine ausgezeichnete Fachkraft. „Crown?" fragte er kurz. Crown, das vertrocknete Männchen, nickte verdattert. „Dann kommen Sie mal", sagte Tschobe und ließ ihn eintreten. Damit begann für Crown, Dechiffrier-Spezialist der GSO, das Wunder. * Als der Kurs der Flash anlag und die Ortungen der POINT OF die Blitze nicht mehr aus ihren Fängen ließen, fiel es den Offizieren in der Kommando-Zentrale des Ringraumers wie Schuppen von den Augen. Jetzt hatten sie begriffen, warum der Commander zweiundzwanzig Mann der Besatzung in die Messe gerufen hatte, um mit diesen Leuten zu sprechen. Ren Dhark war mit dieser Gruppe zu dem Kommando-Raumer der Ringflotte unterwegs. In den meisten Blitzen mußten sich drei Mann befinden, obwohl die Beiboote eigentlich nur für eine zweiköpfige Besatzung gebaut worden waren. Dan Riker fühlte sich im Pilotsessel der POINT OF nicht besonders wohl. Er rief Bulton an. Der hatte auch keine Ahnung. Der hielt Rikers Verdacht für absurd. „Dieses unnötige Wagnis wird der Commander nie eingehen!" behauptete er. Doch Ren Dhark ging das Wagnis ein. Er wollte das Kommando-Schiff der Ringraumer-Flotte nach Cent Field bringen. Mit seinen zweiundzwanzig Männern. Als die Blitze wieder auf dem Rückweg zum Flaggschiff waren, hatte der kleine Trupp schon Stellung bezogen. Verständigung war nur über Funk möglich. Der Klarsichthelm des Raumanzuges konnte nicht geöffnet werden, weil die Luft im Schiff vor unbeschreiblichem Gestank nicht zu ertragen war. Dhark, der eine Nase voll davon eingesogen hatte, würgte immer noch. Er hatte sich nie vorstellen
können, daß atembare Luft derartig stinken konnte. „Große Kontrolle!" befahl er über Helmfunk. Jeder der Männer, der sich an diesem Unternehmen beteiligte, war in der Lage, die POINT OF zu fliegen, aber auch in fast allen Zentralen verantwortliche Positionen zu beziehen. Eine Klarmeldung nach der anderen kam. Dhark stand vor dem langgestreckten Instrumentenpult. Ihn störte es, daß es darüber keine Bildkugel gab — weniger, daß er stehen mußte, weil hier die beiden Pilotsessel fehlten. „Triebwerksraum-Kontrolle!" Darin steckte Are Doorn mit drei weiteren Männern. „Alles klar, Dhark, soweit man es kontrollieren kann. Die Burschen sind sehr sparsam mit Kontroll-Instrumenten umgegangen, aber die Haupt-Anzeigen sind vorhanden." Auf Doorns Angaben konnte er sich verlassen. In einigen anderen Fällen war sich Dhark nicht so sicher. Er verlangte in diesen Fällen doppelte und dreifache Kontrollen. Er drehte sich um, während seine Fingerspitzen auf den Steuerschaltern lagen. „Hergett, nehmen Sie Verbindung mit der Hyperfunk-Station auf!" Der Mann kniete vor einem tragbaren Funkgerät, über dessen kleinem Oszillo der Erkennungs-Blip der großen terranischen Station kam und ging. Er rief Cent Field. Und Cent Field meldete sich sofort. Man schien dort schon über den Einsatz des Commanders unterrichtet zu sein. „Holen Sie uns mit einem Peilstrahl zum Raumhafen herunter!" befahl Ren Dhark, der den Sie langsam anfuhr und an den Instrumenten, erkannte, daß sein Beute-Schiff beschleunigte. Halblaut murmelte er, ohne dabei zu bedenken, daß man in der Hyper-Funkstation Cent Field jedes seiner Worte mithörte: „Ich möchte wissen, warum es dieses Schaltpult gibt, aber keinen Checkmaster und keine Bordverständigung." Der Raumer beschleunigte wie die POINT OF. Hergett vor seinem kleinen tragbaren Gerät gab ununterbrochen die leicht veränderten Kursdaten durch. Ren Dhark ließ sie sich kein einziges Mal wiederholen. Doorn aus dem Triebwerksraum meldete sich: „Hier alles so klar wie auf der POINT OF!"
Das erbeutete Schiff traf auf die ersten dünnen Luftschichten der Erde. „Achtung!" rief Dhark über Helmfunk. „Ich gehe für drei Sekunden auf negative Beschleunigung." Er wollte untersuchen, ob die Andrucksgleicher in diesem Ringschiff ebenso präzise arbeiteten wie in der POINT OF. Und' da führte er sein Experiment doch nicht sofort durch. Wie erstarrt stand er vor seinem Instrumentenpult. Erst jetzt war ihm bewußt geworden, daß auf diesem Schiff eine Schwerkraft von einem Gravos herrschte. Wer hatte diesen Wert eingestellt? War das der allgemeine Gravos-Wert auf allen RingraumerSchiffen? Demnach mußten die Mysterious ja auch unter l g leben oder gelebt haben?! Und damit stand wieder jene Frage vor dem Commander, die die Menschen von dem Augenblick nicht mehr verlassen hatte, in dem sie das Höhlen-System auf Deluge entdeckt hatten: Lebten die vor rund tausend Jahren vom Planeten Hope verschwundenen Mysterious noch, oder waren sie damals alle Opfer einer unvorstellbar großen Katastrophe geworden? Dhark riß sich zusammen. Er durfte es sich nicht erlauben, jetzt über Probleme zu grübeln, die zweitrangig waren. „Achtung, angekündigte Kontrolle!" Die Andrucksausgleicher im Schiff arbeiten vorzüglich. Nicht der schwächste Gravitationsstoß brach durch, als das Schiff radikal abgebremst und zum Stillstand gebracht wurde. Herrget rief ihm die neuesten Kurswerte Wie ein Virtuose schaltete Dhark. Da glaubte er, daß der Steuerschalter, den er mit dem linken Ringfinger betätigte, stärkeren Widerstand gezeigt habe als er es gewohnt war. Die Instrumente verrieten ihm alles! Der Sie war abgeschaltet und gleichzeitig blockiert! Das war anders als auf der POINT OF! Das Schiff stürzte ab! Auch der Sternensog kam nicht! Kein Steuerschalter ließ sich bewegen! . Ahnungslos fragte Doorn aus dem Triebwerksraum an: „Fliegen wir neuerdings ohne Energieverbrauch?"
Ren Dhark fühlte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Die Werte der Höhenanzeige rasten in die Tiefe — wie dieser Ringraumer, der auf Terra hinunterstürzte. Dhark versuchte die gesamte Steuerschaltung auf Null zu bringen! Kein einziger Schalter rührte sich. Den Brennkreis im Leerraum der Ringröhre gab es nicht mehr. Mit einem Blick überflog er alle Instrumente. Was hatte er falsch gemacht? Hergett hinter dem tragbaren Hyperfunk-Gerät kam nicht mehr mit, die Kursdaten einwandfrei durchzugeben. Ihre Werte veränderten sich mit einer Schnelligkeit, die ihm als ersten die beginnende Katastrophe anzeigten. Absturz! Um, den Ringraumer herum brüllten und tobten die zur Seite gedrängten, dichter Werdenden Luftmassen Terras. Die beiden großen ineinandersteckenden Mini-Welträume des Ringschiffes wirkten bei dieser Fallgeschwindigkeit wie die Faust eines Giganten, die alles zur Seite wirbelt und keinen Widerstand kennt. Noch einmal kontrollierte Ren Dhark alle Instrumente. Sein Verstand sagte ihm, daß er durch falsches Schalten den Absturz selbst herbeigeführt haben könnte. Aber wo lag der Fehler? Er peßte die Lippen aufeinander. Er hatte die Augen zusammengekniffen. Er konnte Hergetts mißlungene Versuche, ihm die allerneuesten Kursdaten durchzugeben, nicht mehr anhören. „Halten Sie mal Ihren Mund, Hergett!" sagte er viel grober als beabsichtigt. Hergett schwieg und fand endlich Zeit, seinen Kollegen in der Zentrale einen forschenden Blick zuzuwerfen, aber sie ahnten noch nichts von der Katastrophe. Das Brüllen und Heulen der zur Seite gedrückten immer dichter werdenden Luftmassen kam durch die Intervalle und die Unitallzelle nicht bis zur Zentrale herein. Ren Dhark fühlte seine Beine zittern. Und er hörte Are Doorn über Helmfunk brüllen. Der Mann fluchte in seiner Heimatsprache. Und die verstand außer Dhark kein Mensch. Und Ren Dhark lachte. Obwohl er im allgemeinen kein Freund von
besonders kräftigen Flüchen war. Und dann fluchte er auch. „Dieser Idiot", rief er unter anderem, und das war noch ein dezenter Ausdruck. Höhe 6200 Meter! In drei Sekunden mußte die Ringröhre auf die Erde treffen und dann mit ihrem Intervall durch den Globus sausen! Da kam der Sie von selbst! Er sprach wieder an, weil Are Doorn im Triebwerksraum einen gravierenden Fehler seiner Kollegen noch rechtzeitig entdeckt hatte. Alle M-Konverter waren abgeschaltet gewesen! Das gigantische Triebwerk des Ringschiffes hatte nicht mehr ein Atom Energie erhalten. Automatisch waren damit, auch alle Steuerschalter vor Dharks Instrumentenpult blockiert worden. Das eine wie das andere war ein Novum; so etwas war auf der POINT OF nicht möglich. Aber dieses Schiff war ja auch nicht die Zweitausgabe einer POINT OF, sondern ein Ringraumer aus Unitall, der robotisch geflogen wurde. Ein gewaltiger Automat — ohne Checkmaster, ohne Bildkugel und ohne Pilotsessel. In 3900 Metern Höhe wurde der Sturz des Ringschiffes gestoppt. Im Raumer hatten die Andrucksausgleicher keinen Ton abgegeben. Mit diesen Werten waren sie spielend leicht fertig geworden. „Hergett, neue Kursdaten!" Und wie gern dieser junge Mann sie seinem Kommandanten durchgab. Er tat es mit lachendem Gesicht, wenn ihm auch immer noch der Schweiß in die Augen lief. Sie standen achtzig Kilometer westlich von Cent Field. Dhark hielt das Schiff auf Höhe. Jetzt mußte er die Kursdaten ohne Verzögerung erfahren. „Hergett, schalten Sie auf Helmfunk um. Sie sind bis zur Landung ohne Arbeit." Ren Dhark flog die hundertachtzig Meter durchmessende Ringröhre blind zum größten Raumhafen der Erde. Und dann stand" das Schiff genau über dem angegebenen Landeplatz. Weich setzte das violettblau schimmernde Schiff auf seinen fünfundvierzig Paar Teleskopbeinen auf.
Der erste von 3782 Raumern war auf Terra gelandet — durch Terraner! * Der dritte Teil der Aktion war nicht mehr improvisiert. Einundzwanzig Mann seiner Gruppe unterstellte Ren Dhark Marschall Bulton. Sie avancierten zum ersten Sonderkommando innerhalb der TF, wenn man von der eigenartigen Stellung der Besatzung des Flagg. Schiffes absah, die es gewohnt war, Befehle nur vom Commander oder Dan Riker zu erhalten, kaum jedoch vom Stab. Diese einundzwanzig Männer ohne Are Doorn hatten die schier unmöglich zu bewältigende Aufgabe zu lösen, alle im freien Fall über Terra stehenden Ringraumer nach Cent Field oder anderen Häfen der TF herunterzuholen. Während sie die ersten Bergungsmanöver noch allein durchführten, bildeten sie gleichzeitig Offiziere der Kugelraumer aus, damit diese so schnell wie möglich unter eigenem Kommando weitere Robotschiffe zur Erde brachten. Die großen Nachrichtensender Terras zeigten in phantastischen Life-Sendungen mit raffiniertem Bildschnitt eins dieser Bergungsmanöver, und sie sparten dabei nicht an Tricks, um die Milliarden Zuschauer in Bann zu schlagen. Trawisheim war es gewesen, der darauf bestanden hatte, sich dieser Methode zu bedienen und das Massenmedium zu benutzen, um jenen Gerüchten den Garaus zu machen, die keine Gerüchte waren, sondern nackte Tatsachen: Alles Leben auf der Erde ist bedroht! Vor den Höchstwerten der galaktischen Magnetfeldstrahlung gibt es keinen Schutz! Colonel Neep, der erste Terraner, der auf dem Planeten der Utaren, Esmaladan, zwangsweise gelandet war, hatte von dieser Gefahr gehört und den Stab der TF mit seiner Eingabe regelrecht bombardiert. Die Utaren sind in der Lage, einen planetarischen Energieschirm um ihre Welt zu legen. Warum versuchen wir nicht, uns ihrer Technik zu bedienen? Die Utaren werden nicht vergessen haben, daß wir alles veruchten um sie vor der Nor-ex-Gefahr zu schützen! Ren Dhark hatte zufällig von Neeps Eingabe gehört und entschieden: „Neep soll mit der BERNHARDTS STAR nach
Esmaladan fliegen!" Das Unternehmen drohte in seinem Anfangsstadium zu scheitern. Wieder einmal, wie schon so oft bei Störungungen durch das galaktische Magnetfeld, war Esmaladan auch nicht über To-Funk zu erreichen. Die Offiziere im Stab zögerten, dem 400-Meter-Schiff Colonel Neeps Starterlaubnis zu geben. Aber Neep verlor keine Minute. Von der BERNHARDTS STAR aus setzte er sich direkt mit seinem Marschall in Verbindung. „Marschall, meine Mannschaft hat sich einstimmig freiwillig zu dem geplanten Einsatz gemeldet. Haben wir auf der Erde eigentlich so viel Zeit, daß wir stundenlang überlegen können, ob etwas getan werden soll oder nicht?" Verbissen knurrte ihn Bulton an: „Wollen Sie mit Ihrem sturen Kopf wieder durch die Wand? Okay, fliegen Sie in drei Teufels Namen, aber bringen Sie mir alle Männer wieder gesund zurück!" Neep grinste vergnügt ob der netten Empfehlung des Marschalls. „Okay, Marschall, ich werde meinen Leuten sagen, mit welchem Segen Sie uns nach Esmaladan schicken!" und schaltete ab. Verdutzt betrachtete Bulton den grau gewordenen Bildschirm, um dabei vor sich hinzumurmeln: „Das bringt dieser sture Kommißkopf bestimmt fertig. Der erzählt seinen Männern, was ich gesagt habe!" Und Marschall Bulton irrte sich nicht einmal! Doch in keiner einzigen Meldung wurde bekanntgegeben, daß sich der Corrimander der Planeten mit seiner POINT OF nicht im solaren System befand. Wie so oft fand der Stab der TF es nicht für nötig, die Menschen darüber zu unterrichten. Und in diesem Fall hatte der Stab seine Gründe. Trawisheirri, Bulton, Janos Szardak Und Ralf Larsen hatten Ren Dhark gewarnt, seinen Plan in die Tat umzusetzen. „Dhark", hatte Larsen gesagt, „Sie gehen das größte Risiko Ihres Lebens ein. Sie haben oft Glück gehabt. Manchmal unglaubliches Glück. Aber Glück ist kein treuer Freund. Und wer auf sein Glück hofft, der wird von ihm Verraten. Und Sie wissen doch auch, daß es keine Hilfe für Sie gibt, wenn Sie in Not geraten. Dhark, warten Sie ab, bis wir wenigstens hundert Ringraumer einsatzbereit haben!" Der hatte gelacht. „Hundert Ringraumer, Larsen? Was wollen Sie denn damit erreichen? Die werden in einem einzigen Energieangriff
zu kleinen Sonnen, und dafür sind mir diese kostbaren Schiffe wiederum auch zu schade. Meine Herren, versuchen Sie nicht, mich umzustimmen. Es bleibt bei meinem Plan!" Und dann hatte der Commander der Planeten ihn wahr gemacht. Die POINT OF befand sich nicht mehr im Sonnen-System. * Stern vom Typ GO, der von den Bewohnern seines Systems Sol genannt wurde, war auch über die phantastisch arbeitende Vergrößerung der Bildkugel des Flaggschiffes nicht mehr zu sehen. Die POINT OF befand sich im Leerraum zwischen den Spiralarmen I/a und II/a. Sie raste mit hoher Überlichtgeschwindigkeit an einem System vorbei, das elf Planeten hatte. Die nächste Sonne war 1,3 Lichtjahre entfernt, die zweite und dritte stand auf Grün und auf Gelb in 2,2 Lj Entfernung. Innerhalb dieses Raumabschnittes war der große Teil der Ringraumerflotte nach dem Sprung wieder in das EinsteinKontinuum zurückgekommen, um sich von hier aus durch eine zweite Transition in Richtung auf II/a noch weiter abzusetzen. Glenn Morris, Tino Grappa und die Experten in der großen HyperFunkstation Cent Fields hatten mit Hilfe ihrer Suprasensoren die bewundernswerte Leistung erstellt, bis auf eine Mißweisung von plus/ minus drei Lichtjahren angeben zu können, in welchem Teil der Galaxis die unbekannte Flotte sich rematerialisiert hatte. Die Taster-Anlagen der POINT OF liefen mit maximaler Leistung, als der Ringraumer das System mit elf Planeten anflog, und dann durchflog. Der Checkmaster wurde wie gewohnt mit der ihm zugetragenen Aufgabe schnell fertig. Im Bereich dieses Systems gab es nicht den kleinsten Hinweis, daß eine gewaltige Raumerflotte hier wieder ins Normal-Kontinuum zurückgekommen war. Der Raum war im weiten Umkreis frei von jeder langsam zerfallenden Energiefahne. Das Flaggschiff der TF änderte seinen Kurs, schwenkte auf die Koordinate Gelb ein und flog bei gleichbleibender Oberlichtgeschwindigkeit den nächsten Stern an, der 2,2 Lichtjahre entfernt war — eine weiße Sonne vom Typ B, deren Spektrum
dunkle Wasserstofflinien zeigte. In Masse und Größe hatte diese Sonne Ähnlichkeit mit Rigel im Orion. In der astronomischen und astrophysikalischen Abteilung der POINT OF herrschte seit der Transition nervenzerreißende Hochspannung. Es war nicht nur äußerst interessant, daß hier die Werte des galaktischen Magnetfeldes mit denen im Bereich des SolSystems identisch waren, sondern der Erkundungsflug des Ringraumers führte ein für allemal die Behauptung ad absurdum, daß der Raum zwischen den Spiralarrnen sternenarm sei! Davon war nicht die Rede. Hier gab es hundertmal mehr Sterne als im Bereich des Halos. Auffallend war die verblüffend große Zahl an weißen Sternen der Klasse B. Und den ersten Stern dieses Typs flogen sie gerade an. Die Massen-Ortung hatte Schwierigkeiten wegen der galaktischen Magnetfeldstörungen. Vier oder fünf Planeten, behauptete sie, als die POINT OF noch 1,04 Lichtjahre von der weißen Sonne entfernt war. Dann lag die Zahl der Planeten genau fest, als Ren Dhark sein Schiff abbremste und es mit Sie weiterflog. Der vierte, äußere Planet war nicht nur eine Sauerstoffwelt, sondern im Bereich seiner Umlaufbahn waren aber Tausende langsam zerfallende Energiebahnen festzustellen, die erst ein oder zwei Tage Norm-Zeit alt sein konnten. Der Commander drehte sich nach Grappa um und nickte ihm unter Schmunzeln zu. Der junge Mann aus Mailand wurde unter diesem lobenden Blick rot wie ein junges Mädchen. Auf der POINT OF ging man im allgemeinen sparsam mit Lobesbezeichnungen um. Walt Brugg aus der Funk-Z meldete sich. „Echo-Kontrolle aktiv, Commander. Auf dem vierten Planeten steht ein starker Hyper-Sender, der Impulse in Richtung Il/a abstrahlt!" Dem Brennkreis des Sie wurde weniger Energie durch die Flächenprojektoren der POINT OF zugeführt. Die Geschwindigkeit des Schiffes blieb bei 0,3 Licht konstant., In der Bildkugel war eine leicht rötlich strahlende Weltkugel zu sehen, die nur stellenweise unter einer geschlossenen Wolkendecke lag. Mit Betätigung eines Steuersehalters wurde Infrarot wirksam und die Wolkendecke
verschwand. Knapp 600 Millionen Kilometer betrug die Entfernung zwischen dem Sauerstoffplaneten und der POINT OF. Für die Bildkugel keine Distanz, die ihr Schwierigkeiten machte. Männer im Leitstand sahen eine fremde Welt, auf der die Landmassen dominierten und die Wasserflächen eine untergeordnete Rolle spielten. Dhark wunderte sich, daß sich Grappa seit vielen Minuten nicht mehr gemeldet hatte. Sollte er mit seinen Ortungen nichts Neues mehr erfassen können? Gerade in diesem Moment hörte er seinen Ortungs-Spezialisten stöhnen. Bei Grappa hatte das immer etwas zu bedeuten. Aber Dhark verzichtete darauf, sich nach ihm umzudrehen. Die Wiedergabe in der Bildkugel interessierte ihn stark. Er sah einen pulsierenden Fleck! Und Dan neben ihm sah ihn auch, nur verlor Riker darüber kein Wort, wie sie beide seit dem Start von Terra kein Wort miteinander gewechselt hatten. In jeder Sekunde legte die POINT OF 100 000 Kilometer zurück; in jeder Minute näherte sie sich ihrem Ziel um 6 'Millionen Kilometer. Diese Minderung der Distanz machte sich an der Wiedergabe in der Bildkugel bemerkbar. l Der pulsierende Fleck begann mehr Einzelheiten zu zeigen. Zwei Farben waren seine Merkmale: Im Maximum des Pulsierens Orange, im Minimum Grellrot, das in die Augen stach. Pulsationszeit 30,6 Sekunden. Und dieser Fleck befand sich auf dem größten Kontinent des unbekannten Sauerstoffplaneten — mitten in einer Landschaft, die wüstencharakter zu haben schien. Grappa hatte den Fein-Taster der energie-Ortung eingeschaltet. Im stillen verzweifelte er. Seine sonst so empfindliche Apparatur verriet nichts vom Charakter des pulsierenden Flecks. Unmut zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, als er in der Atmosphäre des Planeten Energiebahnen entdeckte, deren strahlende Partikel die gleiche Zerfallszeit aufwiesen wie die Bahnen im freien Raum. Er drehte den Kopf leicht zur Seite und rief den Commander zu: „Dhark, etwa hundert bis zweihundert Schiffe sind vor kurzem auf diesem Planeten gelandet und wieder gestartet. Aber mit der Pein-
Ortung komme ich nicht an den pulsierenden Fleck heran." Er sagte nicht, warum, und der Commander fragte nicht danach. Dan Rikers Seitenblick beachtete er nicht. Die Geschwindigkeit der POINT OF war konstant 0,3 Licht. Der rötlich leuchtende Planet mit den vielen Kontinenten wurde in der Bildkugel langsam größer und nahm bald sein gesamtes Volumen ein. Bei einem Abstand von 320 Millionen Kilometern meldete Grappa überrascht: „Starke energetische Quellen auf und unter der Oberfläche! Alle in relativer Nähe des pulsierenden Punktes." Von einem Punkt zu sprechen war Untertreibung. Der Punkt hatte eine Ausdehnung von mehr als sechzig Quadratkilometern. Über die Bordverständigung fragte Dhark in der Funk-Z nach. Sie hatten nichts Neues zu berichten. Die astronomische Abteilung gab durch: „Durchmesser des Planeten 9168 Kilometer; Maße 1,201; mittlere Temperatur 16,2 Grad Celsius; Rotationszeit 24,01:42 Stunden Norm-Zeit; Umlaufszeit 1639 Tage; Luftmantel ähnlich Terras, aber auffallend hoher Argongehalt von 0,3 Prozent. Schwerkraft 1,201 Gravos." Während der Durchgabe war Ren Dhark durch die Wiedergabe in der Bildkugel abgelenkt worden. Pas Aussehen des pulsierenden Flecks hatte sich schlagartig verändert. Er pulsierte nicht mehr! Er hatte die Farbe gewechselt. Er strahlte ununterbrochen in Blauweiß! „Fremd-Ortung!" schrie Grappa auf. „Fremde Funk-Ortung!" meldete im gleichen Moment Elis Yogan aus der Funk-Z. Über die Bildkugel zog sich ein Schleier, der immer dichter wurde. Die scharf gezeichneten Konturen der Kontinente jenes fernen Platen verwischten. Ein Planet nebelte sich ein? „Energetischer Schutzschirm von planetarischem Format!" meldete Grappa lakonisch. Ren Dhark drückte eine Taste. In den beiden Waffensteuerungen
der POINT OF flammte eine nicht zu übersehende Gelb-Kontrolle auf: Höchste Feuerbereitschaft! Grün kam aus WS-Ost und -West. Dort war man auf alles vorbereitet. Ren Dhark traute seinen Augen nicht, als er die Belastungsanzeige der beiden Intervalle überprüfte. Belastung der Felder 78,4 Prozent! Aber warum meldete Grappa nicht, aus welcher Richtung dieser Angriff auf den Ringraumer erfolgte? Ren Dhark, der leicht verkrampft in seinem Pilotsessel saß und nicht wußte, wje er sich verhalten sollte, kam nicht mehr dazu, eine Rückfrage an Grappa zu stellen. Die Belastung der beiden Intervallfelder fiel unter ein Prozent. Der Schleier um den Planeten verschwand schlagartig. Seine Kontinente waren wieder klar zu erkennen. Nur der pulsierende Punkt, der zum Schluß in Blauweiß gestrahlt hatte, war nicht mehr zu finden! „Großer Himmel", stöhnte Grappa verzweifelt, „war das für ein paar Sekunden ein prtungs-Salat!" Ren Dhark zuckte zusammen. Er erinnerte sich eines unerklärlichen Vorganges, in dem Fremd-Qrtung auch eine wichtige Rolle gespielt hatte. Bei der ersten Begegnung mit 4er fremden Ringraumer-Flotte zwischen den beiden Spiralarmen war die POINT OF von den Automat-Schiffen geortet worden. Und dann war das Flaggschiff der TF nicht nur vor dem Absturz auf eine Sonne bewahrt worden, sondern die ertobiten M-Konverter hatten dazu auch wieder Energie liefern können. Eindeutig war das erneute Arbeiten der Konverter einem Eingriff aus dem Robot-Schiff zuzuschreiben, aber wie nahtgeschlossene Konverter in einer Unitallhülle neu beschickt werden konnten, war mit den physikalischen Erkenntnissen der Terraner nicht zu erklären. War eben die POINT OF als ein Schiff der Mysterious identifiziert worden? Hatte man aus diesem Grund den planetarischen Schutzschirm wieder abgeschaltet? Dharks Frage an Grappa: „Sind auf diesem Planeten einwandfrei Schiffe gelandet und wieder gestartet?" „Ja, hundert bis zweihundert Einheiten, Cqmmander!" Tino Grappa
blieb bei seinen Angaben. In Dharks braunen Augen leuchtete es kurz und unternehmungslustig auf. „Wir sehen uns den Planeten einmal näher an!" Die POINT OF beschleunigte wieder. Sie raste auf ihr Ziel zu. Sie überflog den Planeten, der beinahe fünf Jahre benötigte, um sein Muttergestirn, dieses weiße Sonnenungeheuer, zu umlaufen. Nur seine riesige Distanz von diesem Stern hatte ihn davor bewahrt, ebensolche Gluthöllen zu werden wie die drei anderen Planeten, die zu seinem System gehörten. Als die POINT OF diese Welt zum drittenmal überflog, wurde die Stadt entdeckt! Eine Ruinenstadt, aber Ruinen; die in ihrer phantastischen Größe die Menschen im Ringraumer zwang, den Atem anzuhalten. Zehn Kilometer vor dem Stadtrand, zwischen einer rötlich schimmernden Wüste und Ruinenstadt, setzte die POINT OF auf. Die Bildkugel über dem Instrumentenpult existierte nicht mehr. Sie wurde durch die Reihe von Bildschirmen ersetzt, die einen volländigen Rundblick lieferten. Auch das war ein ungelöstes Rätsel der POINT OF. Warum verschwand die Bildkugel im Schiff wenn es mit den gewaltigen Platten einer Teleskopstützen den Boden eines Planeten berührte? Wenige Minuten später lag die Luftanalyse vor. Der Schwerkraftwert war unverändert mit 1,201 Gravos festgestellt worden. Dhark hatte das Kommando über sein Schiff an Dan Riker abgegeben. Jetzt stand er hinter Grappa, hatte noch drei weitere Offiziere hinzugerufen, und gemeinsam beobachteten sie die Instrumente der Energie-Ortung. In der Stadt gab es ein halbes Hundert starke Energiequellen! Aus der kartographischen Abteilung kam ein Sergeant in die Zentrale und brachte die ersten Karten über die Ruinenstadt. Dadurch bekamen die Männer einen umfassenden Überblick. „Darin müssen ja einmal ein paar hundert Millionen gelebt haben", sagte ein Offizier überrascht. Die Ruinenstadt umfaßte ein Areal von mehr als fünfhundert Quadratkilometern. Die weiße Sonne stand hoch am Himmel, als nach Stunden
schärfster Kontrollen Ren Dhark mit acht Mann die POINT OF verließ, um die riesige Trümmerstadt zu durchforschen. Bewußt verzichtete er darauf, die beiden einzigen Flash, über die das Flaggschiff zur Zeit verfügte, zu benutzen. Sie sollten erst bei eventuellen Katastrophenfällen eingesetzt werden. In zwei Spezial-Jetts verschwand die Gruppe in Richtung Stadt. Are Doorn, der als einziger neben dem nicht mehr dem Bergungskommando angehörte, das alle 3782 Ringraumer zur Erde bringen sollte, flog den zweiten Schweber. Wie verabredet blieb er dicht hinter Dhark. Durch die transparente Kuppel des Jett war der Blick auf die gewaltigen Hochbauten der alten Stadt frei. Wolkenkratzer, deren Etagenblocks immer wieder versetzt waren und den Gebäuden ein bizarres Aussehen gaben, reichten oft trotz ihrer zerstörten oberen Stockwerke über fünfhundert Meter hoch in den grünblauen Himmel hinein. Die Straßen, die aus der Stadt führten, lagen unter Sand begraben oder waren von fremdartigem Unkraut überwuchert. Dennoch zeichneten sie sich unter dem verschiedenartigen Aussehen der Vegetation deutlich ab. Je näher die Gruppe der Peripherie kam, um so intensiver mußte Ren Dhark an die Mysterious denken, und ununterbrochen fragte er sich, warum auf diesem Planeten Robot-Raumer gelandet und nach kurzem Aufenthalt wieder gestartet waren. Hatten sie vielleicht, kaum aus der Transition herausgekommen, von einem anderen Planeten aus den Befehl erhalten, sich diese Stadt genau anzusehen? Wollten die Mysterious vielleicht in Erfahrung bringen, wie weit der der Zerfall vorgeschritten war? Doch warum machten sie sich nicht selbst die Arbeit, nachzusehen. Sie flogen die ersten Gebäude an. Dhark drosselte die Geschwindigkeit seines Jett und setzte dann das Fahrzeug weich auf. Dicht hinter ihm landete Doorn den zweiten Schweber. Der gedrungene Sibirier stampfte mit seinen drei Begleitern heran. Das tragbare Ortungs-Gerät, das über seiner Schulter hing, arbeitete schon mit maximaler Leistung. „Vor uns ist nichts." „Wir bleiben zusammen", ordnete Dhark an. „Das heißt, Doorn, Sie gehen mit Ihren Leuten auf der linken Straßenseite an der Häuserfront Vorbei, und ich bleibe mit meiner Gruppe bei der
anderen. Die eine Gruppe darf die andere unter keinen Umständen aus den Augen verlieren. Alle Viphos einschalten, aber auch auf die Hyper-Frequenz der POINT OF. Bitte!" Glenn Morris in der Funk-Z bestätigte einwandfreien Empfang. Der kleine Trupp teilte sich. Sie gingen an den ersten Hochbauten vorbei — Gebäude in einem supermodernen Stil, die den Männern keinen Moment fremdartig vorkamen, weil die Hausfronten quadratische Fenster besaßen und noch intakte transparente Türen aufwiesen, wenngleich einige im Laufe der Zeit fast bis zur Hälfte verweht waren. Die Straße, die sie entlanggingen, war achtzig Meter breit, mit fremdartigen Sträuchern und Büschen bewachsen. Seit vielen Jahrhunderten mußte diese gewaltige Stadt verlassen sein, wenn auch die Fronten der Häuser aussahen, als ob sie erst vor kurzem errichtet worden wären. Hin und wieder machte einer der Männer über Vipho Bemerkungen, die von allen anderen mitgehört wurden. Regelmäßig gab Are Doorn die Werte durch, die ihm sein Ortungs-Gerät lieferte. Nach wie vor blieb alles unverändert. Die nächste energetische Quelle lag noch gut zwei Kilometer vor ihnen. Plötzlich blieb Ren Dhark, der seiner Gruppe vorausging, abrupt stehen. Er deutete nach vorn, und seine Männer, die sich zu ihm heranschoben, brachten vor Staunen den Mund kaum noch zu. Ein paar hundert Meter weiter war die Straße frei von jeder Verwehung. Im leichten Gelbton leuchtete der Straßenbelag im Licht der weißen Sonne. Und die Farbe der Hausfronten wechselte dort vom bisherigen eintönigen Grau zum angenehmen Lindgrün. Langsam Wanderte der Blick der Männer höher und höher, und dabei immer weiter die Straße entlang. Die Hochbauten standen nicht mehr in einer Reihe. Mal waren sie weit zurückgesetzt, mal schob sich ein Wolkenkratzer bis zur Mitte der Straße vor, die aber dann an der anderen Seite diesem Vor-Sprung durch einen leichten Bogen auswich. Mit Absicht schienen die Erbauer dieser Stadt schnurgerade Straßen vermieden zu haben. Auch mit Brücken, die sich in gewagten Bogen erstreckten, waren sie sehr sparsam gewesen. Nur in weiter Ferne war eine Konstruktion dieser Art zu erkennen, dennoch nur ein Torso. Zwei Drittel des zierlichen weitgespannten
Bogens fehlte, als ob eine Riesenfaust das Filigrangebilde zerschmettert hätte. Dhark gab das Zeichen zum Weitergehen. Die Luft war frisch und die Temperatur V erträglich. Wie bei einem Frühlingstag auf Terra, der die ersten Blumen aus dem Boden lockt. Die Überraschung ließ nicht lange auf sich warten. Sie erreichten die von jeder Verwehung freie Straße, aber die Trümmer, die von den zerstörten oberen Etagen der Hochhäuser in die Tiefe gestürzt waren, lagen überall herum. Und darunter nicht eine Handvoll Sand oder vom Wind herangetragene Erde. „Das verstehe, wer will", stieß Ren Dhark überrascht aus, als er sich wieder einmal bückte und in eine Höhlung tief hineingriff, Um nach angewehtem Erdreich zu suchen. Seihe Finger hatten nur den staubfreien Straßenboden fühlen können. Wieder blieben die Männer stehen. Den Kopf weit in den Nacken gelegt, blickten sie an der Hausfront entlang in die Höhe. Sechshundert Meter hoch. Eine unbeschädigte Hausfront von sechshundert Metern, aber dann — zerfetzte Etagen, geschmolzenes Baumaterial, und Risse, die dreißig oder vierzig Meter breit waren und sich hundert Meter tief erstreckten. Alle Hochbauten waren in ihrem oberen Bereich zerstört. So weit die Männer sehen konnten, nirgendwo entdeckten sie eine Ausnahme Plötzlich gab Are Doorn über sein Vipho Alarm „Dhark, meine Energie-Ortung spielt plötzlich verrückt! Meine Massenortung…schöne Milchstraße, wir bekommmen Besuch. Da kommt etwas auf uns zu, das Hunderte von Tonnen ... das sind ja vieleTausende Tonnen! Sterne und Boliden, was kann das sein?" Kein Mann hatte den Klarsichthelm seines Raumanzuges geschlossen. Auch Ren Dhark fand es nicht für nötig, den Befehl dazu zu geben. Er spähte die breite, mit Trümmern übersäte Straße entlang. Er konnte nichts entdecken, das einige Tausende Tonnen schwer sein sollte und auf sie zukam. „Doorn, irren Sie sich auch nicht?" „Nee!" kam es kurz über Vipho zurück. Der Sibirier saß auf einem
Trümmerstück und beobachtete aufmerksam sein Ortungs-Gerät. Unverkennbar schüttelte er in offenkundig zur Schau getragener Ratlosigkeit den Kopf. „Doorn, was verrät Ihnen denn die Energie-Ortung?" fragte Dhark, der langsam ungeduldig wurde, weil er dem Sibirier wieder einmal jedes Wort abzwingen mußte. „Das ist es ja ... Gehören die kleinen Energie-Quellen nun zu den schweren Brocken, die auf uns zukommen oder nicht?" Auch mit dieser Auskunft konnte Ren Dhark nichts anfangen. „Doorn, kommen Sie 'rüber!" befahl er. »Moment noch!" erlaubte sich der Sibirier zu sagen. Dharks Geduld war zu Ende. „Doorn, ich habe Ihnen befohlen, herüberzukommen, und das sofort!" Da brüllte der Sibirier mit Stentorstimme dazwischen: „Deckung! Deckung nehmen! Heiliger Strohsack, das sind ja Panzer! Panzer-Alarm!" Auch Dhark zuckte zusammen. Er drehte den Kopf nach allen Seiten. Er blickte hinter sich, vor sich, die Straße entlang, in die Höhe, aber nirgendwo sah er etwas, das auch nur eine schwache Ähnlichkeit mit elftem Panzer hatte. Er sah alles unverändert! Und er sah den Sibirier in weiten Sätzen auf die nächste transparente Tür eines Hochhauses zulaufen, und ununterbrochen brüllte der Mann über sein Vipho: „Sucht doch Deckung auf! Verdammt, Ihr Strohköpfe, Deckung! Deckung! Panzer kommen! Niedliche Hundert-Tonner-Brocken!" Are Doorn mußte unter einer geistigen Störung leiden. In dieser Ruinenstadt gab es keine Panzer — nicht einen einzigen! Und es war auch kein fremder Ton zu hören. Über den Ruinen lag die Stille vieler Jahrhunderte! Da warf etwas einen Schatten. Der Schatten kam von rechts zwischen zwei Hochhäusern! Und hinter dem Schatten folgte das Etwas! Ein Panzer! Ein Panzer-Monstrum! Eine blauschimmernde Unitallkuppel mit Antennen und Reflektoren — Antennen und Reflektoren in der Unitallschicht, jedoch anders angebracht als die Antennen der POINT OF!
Und der Panzer flog! Er schwebte dicht über dem Boden! Dennoch besaß er Laufketten — die gleiche Art von Laufketten, wie sie bei terranischen Panzern vor hundert Jahren gebräuchlich waren. Aber diese Ketten bewegten sich nicht. „Deckung!" brüllte Ren Dhark, der jetzt erst erkannt hatte, in welcher Gefahr sie schwebten. Nun war es zu spät, daß er sich Vorwürfe machte, den Alarm des Sibiriers nicht ernst genommen zu haben. „Deckung! Raumhelme schließen!" Aus einem Panzer waren schon eine Handvoll geworden! „Angriff von der Wüste her!" schrie jemand über Helmfunk. Ren Dhark riß sich herum. Seine Augen weiteten sich. Entsetzen spiegelte sich darin wider. Panzer-Monster schwebten von der Peripherie her heran, aber Modelle, die mit den blauschimmernden Ungeheuern keine Ähnlichkeit hatten — Panzer, die aus drei ineinander verschachtelten Kuppeln bestanden, keine Laufketten besaßen, keine Antennen und Reflektoren, dafür aber mannsstarke Warzenerhebungen überall auf dem Kuppelrund, und die Warzenknöpfe waren die Abstrahlpole ihrer Energie-Geschütze! Die ersten Strahlbahnen heulten durch die Straßenschlucht! Bahnen in grellsten, blendendsten Farben. „Deckung!" schrie Ren Dhark noch einmal und schloß krampfhaft seine Augen. Er konnte nichts mehr sehen. Seinen Begleitern erging es nicht anders. Deckung hinter den Trümmern, die überall auf der Straße herumlagen! Die erbärmlichste Deckung, die es gab! Und dazwischen das satanische Heulen und Zischen der energetischen Vernichtungsstrahlen. Jetzt waren auch noch die Panzer-Ungeheuer zu hören! Sie summten! Diese schwebenden Forts! Ein helles, scheußlich anzuhörendes Summen. Neben Ren Dhark lag ein Offizier. Der Commander fühlte das erregte Atmen des anderen. Er fühlte auch seine Angst. Und Dhark fühlte die eigene! In seinem Helmfunk meldete
sich die POINT OF. Glenn Morris in der Funk-Z hatte alles mitgehört, zum Teil über Bild miterlebt. „Sollen wir mit dem Schiff kommen und Sie herausholen, Commander?" Dhark versuchte nach vorn durch einen Schlitz seiner Deckung zu spähen. Die Blendung seiner Augen hatte nachgelassen. Die Filterwirkung des Klarsichthelms verhütete daß er nun abermals kurzfristig nichts sehen konnte. „Nein! Nicht kommen! Nicht kommen!" Er wurde sich nicht klar, daß er diese Anordnung geschrien hatte. Er wußte nur, was er sah! Die Ruinenstadt wehrte sich! Die Ruinenstadt war nicht tot! Ihre Abwehr wenigstens lebte! Eine Abwehr aus blauschimmernden Unitall-Panzern und Strahlgeschütz-Stellungen, die hoch oben in vielen Wolkenkratzern eingebaut waren! Aber wer griff diese Ruinenstadt an? Wer hatte die anderen Panzer, die von draußen gekommen waren und aus drei ineinander verschachtelten Kuppeln bestanden, in Marsch gesetzt? Die ersten Unitall-Ungetüme schwebten aus allen Antennen feuernd an Dhark und seinen Männern vorbei! Das Summen drang über die Außenmikrophone lautstark in die Raumanzüge. Da löste sich nur ein paar Meter vor ihnen ein Trümmerstück unter einem Strahlvolltreffer in Energie auf. Nur der M-Anzug bewahrte die Männer davor, in dieser harten rStrahlung den Tod zu finden. Aber das war erst der Anfang! Eine Kette der von draußen angreifenden Panzer stieg senkrecht hoch. Sie rasten nach oben! Und sie besaßen energetische Schutzschirme! An ihren Schutzschirmen zerplatzten die Energiebahnen der verzweifelt schießenden Unitall-Panzer und der schweren Strahlgeschütze in den oberen Etagen der Hochbauten Keiner der Panzer nahm von den Männern Notiz, die hinter den Trümmern Schutz gesucht hatten und dieses Inferno über sich ergehen mußten.
Da meldete sich Dan Riker aus der POINT OF. Mein Gott, was ist bei euch in der Stadt los? Unsere EnergieOrtung meldet überall freigewordene Quellen." „Nicht kommen!" rief Dhark zurück, der jetzt trotz des Filters in seinem Klarsichthelm die Augen schließen mußte und sein Pech verwünschte, weil er eine Phase des Kampfes nicht mehr verfolgen konnte. Als er wieder in die Höhe blickte, blieb ihm der Schrei im Mund stecken. Es war zu spät, seine Kameraden zu warnen! Vier der senkrecht hochgeflogenen Monster-Panzer hatten eine Strahlgeschützstellung in einem Wolkenkratzer vernichtet. Dessen Ruinenspitze flog auseinander. Und aus der Höhe kamen die Trümmer mit pfeifendem Heulen heruntergejagt — auf die Stelle zu, wo sie hinter ihren wertlosen Deckungen lagen! Um sie herum schlug es ein. Der Boden zitterte, als würde er von einem Erdbeben geschüttelt. Und dann kam die Sintflut! Von rechts und links! Aus den Hausfronten der Wolkenkratzer. Schenkeldicke Wasserstrahlen, die genau justiert waren! In allen allen Regenbogenfarben leuchtende Wasserbahnen, deren Aufgabe es zu sein schien, die Straße von den Trümmern zu säubern! Und die Wasserstrahlen zerplatzten an den Brocken, die gerade erst aus der Höhe zu Boden gekracht waren! Und die Wassermassen verschonten auch Ren Dhark und seine Männer nicht. Auch sie waren als Fremdkörper identifiziert worden! „Das ist doch ein Irrenhaus!" brüllte ein Sergeant, der sich nicht mehr festhalten konnte und vom Druck des Strahls zur Seite gefegt wurde. Und dazwischen die heranschwebenden Unitall-Panzer! Und von oben die zischenden, heulenden Energiebahnen aus den Strahlgeschützstellungen. Und die in immer größerer Zahl senkrecht hochsteigenden PanzerUngeheuer, die von draußen kamen! Mitten in diesem Inferno zwischen den Ruinen Ren Dhark und seine acht Begleiter!
Acht Mann, die die Hölle aus nächster Nähe erlebten! Sie wußten jetzt, warum alle oberen Stockwerke dieser Stadt zerstört waren, und sie wußten auch, warum es unter den Trümmern kein einziges Sandkorn zu finden gab. Die Wasserwerfer in den Hausfronten arbeiteten immer noch. „Diese Idioten!" brüllte jemand über Vipho. „Diese verdammten Sauberkeitsfanatiker! Der Himmel verschone uns vor den Mysterious!" Zehn Zentimeter hoch stand schon das Wasser auf der achtzig Meter breiten Straße. Und es stieg immer höher. Aus mehr als hundert Düsen jagten von beiden Seiten die genau gesteuerten Fontänen heran. Ununterbrochen versuchten sie, die Trümmer von der Straße zu entfernen. Zwischen dem Summen der schwebenden Panzer, zwischen dem Heulen und Zischen der Kampfstrahlen war das Prasseln und Tosen eines Wasserfalls zu hören, der diesem Inferno eine unheimliche Geräuschkulisse verschaffte. Die Zahl der von draußen kommenden Panzer stieg von Minute zu Minute. Die Unitall-Ungeheuer aus der Stadt' schienen nur den Befehl zu haben, den Gegner daran zu hindern, zum Zentrum vorzudringen. Daß aber die Masse der Metallkolosse in einigen hundert Metern Höhe operierte, nahmen sie allem Anschein nach nicht wahr „Ruhe, Männer! Ruhe bewahren!" Mehr konnte Ren Dhark für seine Leute nicht tun Er übersah die Situation auch nicht mehr. Er hatte nur erkannt, daß über kurz oder lang die angreifenden Panzerarmee sich dieser Ruinenstadt bemächtigen würde. Und sie wurden unfreiwillig Zeugen ihres Unterganges. Aber wieso war es dem Gegner nicht schon in den Jahrhunderten vorher gelungen, diese Riesenstadt in seinen Besitz zu bringen? Dhark hatte den Kopf leicht gehoben und spähte über seine Deckung in die Ferne. Auch dort waren die feindlichen Panzer schon. Dort, wo die zerstörte Brücke nur noch ein Drittel ihres weitgespannten Bogens besaß. Und in diesem Gebiet kreuzten sich plötzlich von allen Seiten Strahlbahnen. Sie leuchteten rot, blau, grün und gelb. Eine Farbe war giftiger und tödlicher als die andere. Und dann blitzte es in der Ferne
auf, als ob es dort ein paar neue winzige Sonnen geben würde. Wie von Geisterhand fortgefegt verschwand der Rest des Brückenbogens. Und in nächster Nähe? Drei Unitall-Panzer schwebten summend und aus allen Antennen feuernd heran. Wie auf ein Kommando krachten sie auf die Straße. Im gleichen Moment begannen ihre Laufketten sich zu bewegen. Die vielen hundert Tonnen schweren Kampfmaschinen rollten noch ein paar Meter und blieben dann stehen. „Sie schalten ab! Sie schalten ab!" rief Are l Doorn, der als einziger Deckung in dem Erdgeschoß eines Hochhauses gefunden hatte. „Die Unitall-Kästen erzeugen keine Energie mehr. Ihre Konverter liegen still!" Dhark und seine Männer beobachteten das Geschehen. Alle Unitall-Panzer bewegten sich nicht mehr. Sie hatten auch ihr Strahlfeuer eingestellt. Und die Geschütze in den Hochhäusern schwiegen ebenfalls. Gab die Stadt auf? Wer hatte den Befehl zur Aufgabe gegeben? Lebten hier doch noch intelligente Wesen, die Befehle erteilten? Den Männern um Dhark erging es nicht anders als ihrem Commander. Jeder versuchte vergeblich die Fragen zu beantworten, die ihnen durch das Geschehen gestellt wurden. Dhark sah den Schatten und dann den heranfliegenden gegnerischen Panzer! Sie waren ausgemacht worden. Aus der Höhe stieß der Koloß auf sie herunter! Aus allen Strahlantennen eröffnete er das Feuer auf die Menschen. Jetzt ist es aus, dachte jeder, und die Energiebahnen fraßen sich in den Straßenbelag ein, vergasten ihn und zerhackten regelrecht die immer noch aus den Hausfronten zischenden Fontänen. Ein Teil des Brockens, hinter dem Dhark mit einem Offizier lag, verschwand. Nur noch zehn Meter hoch war das viele hundert Tonnen schwere Ungeheuer, das sich noch zusätzlich mit einem Schutzschirm gesichert hatte. Um Dhark herum eine sich turbulent bewegende Wolke aus glühenden Gasen. Da glaubte er in eine Sonne zu sehen, in weiß leuchtenden, riesengroßen Stern. Die Filltereinrichtung in seinem Klarsichthelm
kam gegen diese grelle Lichtflut nicht schnell genug an. Vorbei, schoß es Dhark durch den Kopf, und erwunderte sich, daß er noch Zeit hatte sich vorzustellen, wie er von diesem Panzer der auf sie herabstürzte, zerschmettert wurde. „Commander!" Die Nachricht aus der Funk-Z seiner POINT OF ging in einem ohrenbetäubenden Krachen unter. Der Panzer war hinter ihnen eingeschlagen! Hundert Meter hinter ihnen! Dabei hatte er sich genau über ihnen befunden! Dhark warf den Kopf in den Nacken. Er schrie. Er sprang auf. Er riß die Arme hoch und wiederholte in einem fort: „Pressorstrahlen! Pressorstrahlen!" Die Ruinenstadt hatte ihr Strahlfeuer eingestellt! Sie griff den Gegner mit Pressorstrahlen an. Sie schleuderte die Mammut-Panzer aber Tausende Meter hoch; sie jagte die sich überschlagenden Kampfmaschinen durch die Straße dem Stadtrand zu! Viele Punkte waren am grünblauen Himmel zu sehen, die immer kleiner und kleiner wurden, bis sie den Blicken der Männer entschwanden. Und dann gab es in ihrer Straße nur noch die blauschimmernden Unitallkuppeln, die gleichzeitig vom Boden abhoben und schwebend in Richtung auf das Zentrum der Stadt verschwanden. Minuten später war alles wie ein Spuk verflogen. Und auch Are Doorn war wieder bei der Gruppe. Are Doorn, der erregt auf sein tragbares Ortungsgerät wies und über die Aussage der Energie-Kontrolle ununterbrochen den Kopf schüttelte. „Sie müßten doch wieder herunterkommen! Alles kommt doch mal wieder runter, aber ich kann nicht einmal mehr einen einzigen Pressorstrahl feststellen." „Lassen Sie sehen", forderte Dhark ihn auf, warf einen Blick auf die Instrumente, und dann war er es, der vor Erstaunen den Kopf schüttelte. „Aber was ist das, Doorn?" Die Energie-Ortung wies eine starke Emissions-Quelle aus, die gar nicht weit von ihnen entfernt sein konnte. „Die war zu sehen, als die Anzeige über Pressorstrahlen auf Null absackte", erklärte der Sibirier.
Dhark verlangte über Vipho Verbindung mit Tino Grappa. Der teilte aufgeregt mit: „Commander, Sie sitzen mit Ihren Männern in der Falle. Die Stadt hat sich abgeschirmt. Um die Stadt liegt ein Intervallfeld!" „Ein was?!" rief Ren Dhark aufgeregt zurück, und sein Herz begann in diesem Augenblick stärker zu klopfen. „Ein Intervallfeld. Eindeutig, Commander! Seine Höhe reicht über 13 000 Meter!" Neben Dhark stöhnte ein Offizier auf. „Kein Wunder, daß keiner der nach oben geschleuderten Panzer wieder herunterkommt. Sie sind längst am Intervallfeld zerschellt!" Dhark hatte auf diese Zwischenbemerkung nicht geachtet. „Grappa, können Sie mir genau angeben, in welchem Planquadrat unserer Stadtkarte die Emissionsquelle zu finden ist, die das Intervallfeld erzeugt?" „Liegt schon fest, Commander. Haben Sie die Karte zur Hand? Planquadrat G, genau auf der Linie zu 48 und 49 im unteren Fünftel. Von Ihrem Standort aus knapp zwei Kilometer." Unwillkürlich blickten die Männer und auch Dhark auf. In zwei Kilometer Entfernung lag eins der höchsten Gebäude dieser Ruinenstadt, die gerade einen mysteriösen Panzerangeriff abgewehrt hatte. Das Gebäude schien im Gegensatz zu allen anderen Bauwerken einen schwachen Blauanstrich zu tragen. Es war aber auch das am stärksten zerstörte Hochhaus. Früher einmal ein Wolkenkratzer mit rechteckiger Grundfläche, fehlte nun der gesamte Mittelteil. Die Ruinen, die rechts und links aufragten, waren dazu unterschiedlich hoch. „Gut, Grappa. Teilen Sie Riker mit, daß ich mir mit meinen Männern den Bau einmal aus der Nähe ansehe. Wir melden uns wieder." Hastig warf Grappa aus der POINT OF ein: „Commander, im Leitstand ist man der einstimmigen Ansicht, daß Sie besser zurückkehren würden, weil noch ungeklärt ist, woher plötzlich die Panzer kamen, die in die Stadt eindrangen." „Ach?" stieß Dhark aus und sah der Reihe nach seine Männer an. Und der Reihe nach schüttelte einer wie der andere den Kopf. Si« waren mit dem Vorschlag aus der Kommando-Zentrale des Flaggschiffes nicht einverstanden. Sie wollten sich zusammen mit
ihrem Commander jenen Bau ansehen, von dem aus das Intervallfeld erzeugt wurde. Und deutete die Existenz eines Mini-Weltraums um diese Ruinenstadt nicht direkt auf die Mysterious? Gelassen erklärte Dhark über sein Vipho: „Ich stelle es der Besatzung anheim, herauszufinden, woher die gegnerischen Panzer gekommen sind. Wir bewegen uns weiter in die Stadt hinein, bleiben aber nach wie vor mit dem Schiff in Funk-Verbindung"" Von Grappa kam kein Echo mehr, und Dan Riker in der Kommando-Zentrale der POINT OF schwieg sich aus. Die kleine Gruppe stand eng zusammen. Erwartungsvoll blickte jeder den Commander an. Die Bemerkung, die dann gemacht wurde, überraschte sie alle. „Die Düsen spucken ja keine Wasserstrahlen mehr aus!" Über Dharks Gesicht flog ein Lächeln. „Wer hat darauf geachtet, wann diese Straßenreinigung eingestellt wurde?" „In diesem Tohuwabohu?" stellte einer der Offiziere die Gegenfrage und hielt sich im gleichen Moment am Arm des Commanders fest. Er wollte noch etwas sagen, doch er brachte nur ein Gurgeln über die Lippen und konnte nur mit dem Kopf in eine bestimmte Richtung deuten. Die Männer drehten sich um. Während sie dem Gespräch zwischen Dhark und Grappa gelauscht hatten, hatte sich hinter ihrem Rücken eine neue Situation entwickelt. Der hundert Meter entfernt liegende feindliche Panzer wurde fortgeschafft. Eine kreisrunde unitallblaue Platte, die in der Mitte einen ausgeprägten Buckel aufwies, stand in einigen Metern Höhe schwebend über dem zerstörten Monstrum. Sie konnte unmöglich die Straßenschlucht benutzt haben, denn sonst wäre ihr Herankommen von einem der Männer bemerkt worden. Zwischen der Unterseite der schätzungsweise zwanzig Meter durchmessenden Platte und dem zerstörten Panzer flimmerte die Luft. Dieses Flimmern wurde stärker, und mit seinem Stärkerwerden veränderte sich das Aussehen des demolierten Kampffahrzeuges« Es begann zu glühen. Es begann zu schmelzen, und dennoch waren
keine Schmelzbahnen zu erkennen. Aber ein nicht zu übersehender, dennoch fast farbloser Stern, der vom Panzer zur Unterseite der schwebenden Fläche lief und im Buckel verschwand. Dhark feuchtete mehrmals seine Lippe mit der Zunge an, bevor er sagen konnte: „Diese Methode, Schrott zu beseitigen, beherrschen wir noch nicht — Auflösung der Materie in Energie, und dann die freigewordene Energie auch noch speichern!" Sie rührten sich nicht vom Fleck. Wie gebannt verfolgten sie diesen unerklärlichen Auflösungsprozeß, und als von dem zerstörten Monstrum nichts mehr vorhanden war, setzte sich die kreisrunde Platte in Bewegung, flog auf die Gruppe zu, flog über sie hinweg und verschwand irgendwo zwischen den Hochbauten. „Menschen scheint sie nicht zu kennen", murmelte Are Doorn. „Diesen Eindruck hatte ich schon von den Panzern beider Parteien", fügte Dhark hinzu, „und deshalb interessiert es mich brennend, was es in dieser Stadt noch alles zu sehen gibt. Nur eine Hoffnung habe ich inzwischen begraben. Ich glaube nicht, daß wir auf ein intelligentes Wesen stoßen werden." „Aber doch wenigstens auf Spuren von Mysterious!" warf ein Sergeant ein. Commander Ren Dhark hatte dafür nur ein Achselzucken übrig. Langsam setzte er sich in Bewegung, und die Männer folgten ihm. —ENDE—