Ich kann nicht von dir lassen Sandra Field
Romana 1366
9/1 2001
gescannt von suzi_kay korrigiert von Mausi
1. KAPI...
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Ich kann nicht von dir lassen Sandra Field
Romana 1366
9/1 2001
gescannt von suzi_kay korrigiert von Mausi
1. KAPITEL Ihr war heiß, sie litt an Jetlag, und sie war spät dran. Die Straße zum Landsitz The Oaks zog sich nicht nur scheinbar endlos lang hin, sondern war noch dazu blockiert von den Limousinen elegant gekleideter Gäste, die möglichst früh bei der Hochzeit zu erscheinen gedachten. Seufzend strich Devon Fräser sich über die Stirn und versuchte, sich zu entspannen. Sie saß in ihrem offenen roten Kabrio und trug noch die Sachen, in denen sie vierundzwanzig Stunden zuvor aus dem Jemen abgereist war: ein grünes Leinenkostüm, das ihr nicht besonders gut stand und außerdem zerknittert war, eine hochgeschlossene Bluse und grüne Pumps, die sie schrecklich drückten. Sie hatte kein Make-up aufgelegt, war übermüdet und freute sich überhaupt nicht auf die kommenden Stunden. Die Trauung, bei der sie zu spät erscheinen würde, war die ihrer Mutter Alicia - deren fünfte, genau gesagt. Diesmal ehelichte Alicia einen reichen Mann namens Benson Holt, dessen Sohn Jared sie - wie sie behauptete - in Angst und Schrecken versetzte. Jared sollte als Trauzeuge seines Vaters fungieren, sie, Devon, die Brautjungfer für ihre Mutter spielen. Ich habe in den vergangenen Tagen mit märchenhaft reichen Arabern erfolgreich verhandelt und lasse mich nicht von einem Playboy aus Toronto, Jared Holt, einschüchtern, sagte Devon sich.
Die Hochzeitsfeier sollte um sechs Uhr beginnen, und es war bereits fünf nach fünf. Am Tor zu The Oaks gab es noch eine mehrere Minuten dauernde Verzögerung, weil kontrolliert wurde, ob die Gäste tatsächlich Einladungen vorweisen konnten. Nun musste schon ein kleines Wunder geschehen, damit Devon sich von einem zerzausten Aschenputtel noch in eine strahlende Brautjungfer verwandeln konnte. Brautjungfern strahlten doch - oder war das die Braut? Devon wusste es nicht, da sie nie Braut gewesen war und auch niemals eine sein wollte. Nein, das Heiraten überließ sie ausschließlich ihrer Mutter. Große alte Eichen säumten die Auffahrt, neben der sich weitläufige Koppeln mit samtweichem Gras erstreckten. Alicias zukünftiger Ehemann war anscheinend sehr reich, was Devon keineswegs überraschte. Ihre Mutter behauptete zwar, Romantikerin zu sein, hatte aber noch nie einen mittellosen Mann geheiratet. Auf den Koppeln weideten Stuten und deren Fohlen, und Devon vergaß vorübergehend, wie eilig sie es hatte. Bei dem nur zehn Minuten dauernden Zwischenstopp in ihrem Apartment in Toronto hatte sie glücklicherweise ihre Reitsachen in den Koffer geworfen, und nun konnte sie sich wenigstens auf einen Ritt auf einem Vollblüter freuen - die einzige Freude, auf die sie hoffen durfte. Die Eichenallee führte zu einem von Hecken umgebenen und mit Statuen geschmückten, ovalen Vorplatz, hinter dem das Haus in Sicht kam: ein eindrucksvolles Gebäude im Stil englischer Herrenhäuser, aus dunklem Backstein mit zahlreichen Fenstern und Kaminen. Devon fuhr direkt vor den Eingang und hielt mit quietschenden Bremsen. Rasch stieg sie aus und nahm den Koffer und einen Kleidersack vom Rücksitz. Jeder einzelne Muskel tat ihr weh, sie fühlte sich scheußlich und sah auch so aus.
Sie eilte zur Haustür und stellte den Koffer ab, doch bevor sie klingeln konnte, wurde geöffnet. "Sieh da", sagte ein Mann spöttisch. "Miss Fräser! Spät, aber doch noch erschienen." Devon strich sich übers Haar. "Ja, ich bin Devon Fräser. Würden Sie mir bitte mein Zimmer zeigen? Ich habe es sehr eilig." Er musterte sie kritisch von der zerzausten Frisur bis zu den staubigen Schuhen. "Sie sind sogar sehr spät dran", fügte er hinzu. Im ersten Moment hatte Devon vermutet, er sei der Butler, aber nun korrigierte sie sich. Dieser Mann nahm keine Befehle entgegen, nein, er gab sie und erwartete, dass sie sofort ausgeführt wurden. Er kam vor die Tür ins Sonnenlicht, und jetzt erst konnte Devon ihn genau betrachten. Überrascht blickte sie ihn an, und ihr Herz begann, wie wild zu pochen. Das war der attraktivste Mann, der ihr jemals begegnet war! Devon war etwa einen Meter fünfundsiebzig groß, aber er überragte sie um etliche Zentimeter, was sie seltsamerweise ärgerte. Sein Haar war schwarz, er hatte dunkelblaue Augen und ein markantes Gesicht - viel zu markant und eigenwillig, um auf herkömmliche Weise als gut aussehend zu gelten. Der Mann würde ihr noch Kummer bereiten. Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich sofort. Viele Männer hatten schwarzes Haar und faszinierende Augen, deshalb brauchte sie nicht gleich die Nerven zu verlieren. Der Unbekannte trug einen maßgeschneiderten Smoking, der die breiten Schultern und die muskulöse Brust betonte. Trotz der kultivierten Erscheinung wirkte er irgendwie ungezähmt und gefährlich, wie ein schwarzer Panther, vor dem man nach dem ersten Blick besser die Flucht ergriff. Und er besaß eine unglaublich männliche Ausstrahlung, der sich bestimmt keine Frau entziehen konnte.
Doch, ich kann es, dachte Devon entschlossen. Was war nur mit ihr los? Sie hatte es sich zum Grundsatz gemacht, sich vom Aussehen oder dem Sex-Appeal eines Manns niemals beeindrucken zu lassen, und war damit bisher immer gut gefahren. Weshalb geriet sie in Verzückung wegen eines attraktiven Fremden, der sie zu allem Übel auch noch aufhielt! Beruhige dich, ermahnte Devon sich. Sie war erschöpft und zugleich aufgedreht, wäre lieber in der Wüste gewesen,als bei der Hochzeit, und ihre Fantasie machte Überstunden. Schwarze Panther, Gefahr, Kummer? So ein Unsinn! Inzwischen war sie sich sicher, dass es sich bei dem Mann um Jared Holt handelte, obwohl er nicht wie ein Playboy wirkte. Dass ihre Mutter von ihm eingeschüchtert war, verstand sie hingegen sehr gut. "Und wer sind Sie?" fragte Devon schließlich kühl. Darauf antwortete er nicht, sondern sagte: "Ich hatte gehofft, Sie würden nicht erscheinen. Dann hätte man diese fatale Hochzeit wenigstens verschieben können." "Pech! Hier bin ich." Devon behielt für sich, dass sie die fünfte Ehe ihrer Mutter ebenfalls als Katastrophe ansah. "Sie sind vermutlich Jared Holt?" Er nickte, machte aber keine Anstalten, ihr die Hand zu schütteln. "Sie sind ganz anders, als ich erwartet habe. Ihre Mutter schwärmt ständig davon, wie schön Sie sind." "Sie möchten meine Mutter nicht in Ihrer Familie haben. Und mich auch nicht, stimmt's?" "Richtig!" "Und ich will Sie und Ihren Vater nicht in meiner haben, Mr. Holt." An seinem markanten Kinn zuckte ein Nerv. "Warum haben Sie dann nicht einfach Ihr Flugzeug verpasst, Miss Fräser? Ihre Mutter hätte die Zeremonie sicher nicht ohne Sie durchgezogen."
"Ich bin nicht die Hüterin meiner Mutter", erwiderte Devon eisig. "Sie geht womöglich eine unüberlegte Ehe ein, aber sie ist volljährig. Ihr Vater, Mr. Holt, ist es ebenfalls." "Sieh mal an, Sie haben ja Krallen. Interessant. Die passen nicht zu Ihrem Aufzug." Wieder musterte er abschätzend ihr zerknittertes Kostüm und die hochgeschlossene Bluse. "Mr. Holt, ich war in den vergangenen vier Tagen beruflich in Arabien und habe mit sehr einflussreichen Männern über Abbaurechte verhandelt. Dort gelten andere Bekleidungsvorschriften für Frauen als bei uns. Der Abflug aus dem Jemen hat sich verzögert, ich habe den Anschluss in Hamburg verpasst, Heathrow war ein Albtraum von endlosen Menschenschlangen und Sicherheitskontrollen, und dann kam zu allem noch ein wilder Streik der Gepäckabfertiger in Toronto hinzu, ganz zu schweigen von dem Verkehr in der Stadt. Ich bin müde und schlecht gelaunt. Warum sagen Sie mir nicht einfach, wie ich mein Zimmer finde, damit ich mich endlich umziehen kann?" "Schlecht gelaunt?" Er verzog die Lippen. "Das ist eine Untertreibung. Sie brodeln förmlich vor Gefühlen - wie alle Frauen." "Verallgemeinerungen sind ein Zeichen von Denkfaulheit", erwiderte Devon honigsüß. "Und die Worte, die meine derzeitige seelische Verfassung am treffendsten beschreiben, verwende ich nicht in Gegenwart von Fremden. Wo ist denn nun mein Zimmer, Mr. Holt?" "Ich hatte Recht - hinter Ihrer unansehnlichen Fassade geht viel mehr vor als nur schlechte Laune. Was haben Sie dagegen, dass Ihre Mutter einen sehr reichen Mann heiratet? Davon profitieren Sie doch auch." Verlier nicht die Beherrschung, ermahnte Devon sich und biss kurz die Zähne zusammen. Das könnte Jared Holt so passen, dass sie fünf Minuten nach der Ankunft wie eine Furie zu schreien begann und sich lächerlich machte. "Meine Mutter
war schon mit wesentlich reicheren Männern verheiratet", informierte sie ihn kühl. "Ich habe keine Ahnung, warum sie sich diesmal mit so wenig begnügt. Außer natürlich, Ihr Vater hat Charme - im Gegensatz zu Ihnen." "Ich kann charmant sein, wenn es mir passt, und ich hasse es, mit Leuten zu reden, die eine Sonnenbrille tragen." Blitzschnell nahm Jared ihr die Brille ab. Flüchtig änderte sich sein verächtlicher Ausdruck, aber nur so kurz, dass Devon sich fragte, ob sie sich das nur eingebildet hatte. "Ich zeige Ihnen jetzt Ihr Zimmer", sagte Jared schroff. "Es liegt neben dem Ihrer Mutter. Nach der Trauung zieht sie natürlich in die Suite meines Vaters." Sie lächelte gespielt unschuldig. "Ach, Sie haben Probleme damit, dass Ihr Vater noch sexuell aktiv ist? Vielleicht brauchen Sie einen guten Psychiater." "Mir ist egal, mit wem er schläft, aber nicht, wen er heiratet." Sie lachte spöttisch. "Warum überrascht mich das nicht?" "Lassen Sie uns eins klarstellen", erwiderte er so wütend, dass sie sich zusammenreißen musste, um nicht einen Schritt zurückzuweichen. "Und richten Sie es auch Ihrer Mutter aus: Ich werde nicht zulassen, dass sie meinen Vater über den Tisch zieht, wenn es zur Scheidung kommt - und die ist, angesichts des bisherigen Lebenslaufs Ihrer Mutter, so sicher wie das Amen im Gebet. Haben Sie verstanden, Miss Fräser, oder soll ich es wiederholen?" Zur Hölle mit dem guten Vorsatz, sich zu beherrschen! Sie war nicht tausende Kilometer gereist, um sich solchen Schwachsinn anzuhören. "Wissen Sie was?" fragte Devon empört. "Ich bin in den vergangenen acht Jahren in ungefähr vierzig verschiedenen Ländern dieser Erde gewesen und habe in keinem einzigen einen Mann getroffen, der so unhöflich und
unsensibel ist wie Sie, Mr. Holt. Sie gewinnen den ersten Preis. Gratuliere." Es gelang ihr nicht, ihn zu verärgern. Er verzog nur die Lippen und sagte: "Ich bin nicht unhöflich, nur ehrlich. Erkennen Sie das nicht? Na ja, vielleicht sind Sie nicht daran gewöhnt." Devon hatte keine Lust, das Spiel, falls es eins war, noch länger mitzuspielen. "Wollen Sie mich durch dieses alberne Wortgefecht aufhalten, weil Sie hoffen, dass meine Mutter annimmt, ich sei nicht gekommen - und die Zeremonie in letzter Minute absagt? Dann muss ich Sie enttäuschen. Ich finde den Weg auch allein. Bemühen Sie sich nicht!" Sie wollte an ihm vorbeigehen, aber er hielt sie am Arm fest. Devon blickte zu Jared auf und kam sich plötzlich klein, unbedeutend und unsicher vor - ein Gefühl, das sie hasste. Ebenso sehr wie diesen Mann. "Lassen Sie mich sofort los!" forderte sie ihn scharf auf. "Beruhigen Sie sich", erwiderte er spöttisch. "Ich möchte Sie nur zu Ihrem Zimmer bringen." Er bückte sich, um ihren Koffer aufzuheben, und kam ihr dabei so nah, dass sie ihm übers Haar hätte streichen können. "Die Zeit wird allerdings knapp, und ich kenne keine Frau, die weniger als eine Stunde braucht, um sich schönzumachen." Ob sich Jareds Haar so seidig anfühlte, wie es aussah? Was ist nur in mich gefahren? fragte Devon sich entsetzt. "Ich bin mir sicher, Sie kennen sehr viele Frauen", meinte sie herablassend. "Ja, das stimmt." "Meiner Meinung nach ist ein Mann, der sich mit seinen Eroberungen brüstet, es nicht wert, dass man sich mit ihm näher befasst." "Und Frauen, die keine Erfahrung mit Männern haben, müssen sich mit Meinungen begnügen, Miss Fräser."
Anscheinend fand er sie zu unattraktiv, um sich vorstellen zu können, dass sie jemals einen Mann interessiert hatte! Mühsam beherrscht erwiderte sie: "Manche Frauen sind wählerisch, mit wem sie ihre Erfahrungen machen. Sie sehen sehr gut aus, das muss ich Ihnen lassen, aber ein Mann sollte wiederum meiner Meinung nach - etwas mehr zu bieten haben als eine ansprechende Verpackung." "Sie haben beachtlich viele Meinungen für eine Frau, deren Verpackung keinen zweiten Blick wert ist!" Das wirst du mir büßen, Jared Holt! dachte Devon empört. Sie würde diesen arroganten Playboy schon dazu bringen, ihr mehr als einen zweiten Blick zu gönnen. Im Koffer waren zwei Kleider für die Feier, zwischen denen sie sich bisher noch nicht entschieden hatte: eins dezent, genau richtig für eine Hochzeit im Kreis der oberen zehntausend, das andere elegant, aber zugleich Aufsehen erregend. Jetzt fiel ihr die Wahl nicht länger schwer. Wenn ich vernünftig wäre, würde ich das langweilige Kleid anziehen, das wäre sicherer für mich, sagte Devon sich dann. Trotz seiner Arroganz und Feindseligkeit fand sie Jared Holt unglaublich attraktiv und fühlte sich wie magisch zu ihm hingezogen. Sein Selbstbewusstsein und seine unglaublich erotische Ausstrahlung reizten sie, vor allem, da er es nicht darauf anlegte, sie, Devon, zu beeindrucken. O nein! Die Zeit und Mühe war sie ihm offensichtlich nicht wert. "Sie sind ja plötzlich so still", spottete er. "Gehen Ihnen etwa die Meinungen aus, Miss Fräser?" "Die wären an Sie nur verschwendet." "Der ganze heutige Tag ist Verschwendung", sagte er heftig. "Da stimme ich Ihnen ausnahmsweise zu, Mr. Holt." Ungeduldig führte er sie endlich ins Haus und durch die weitläufige, sonnendurchflutete Halle zu der schön geschwungenen Treppe. Er hat ziemlich viel Kraft, und Widerstand wäre zwecklos, dachte Devon erschauernd. Da sie
Jared Holts unerträgliche Selbstherrlichkeit etwas dämpfen wollte, sagte sie gespielt beiläufig: "Ich habe Ihnen eben ein Kompliment gemacht." "Das muss ich überhört haben", erwiderte er schroff. "Über Ihr gutes Aussehen. Die attraktive Verpackung. Sie kommen mir übrigens irgendwie bekannt vor, obwohl ich nicht weiß, woher. Haben Sie jemals als Model gearbeitet?" "Das habe ich nicht!" Jetzt hatte sie ihn endlich aus der Ruhe gebracht. Langsam ging sie die Stufen hinauf und betrachtete die Bilder der Rennpferde, für deren Zucht Benson Holt berühmt war. "Was für herrliche Tiere", sagte Devon anerkennend. "Arbeiten Sie in den Ställen für Ihren Vater, Mr. Holt?" "Nein, das tue ich nicht", erwiderte er scharf. Wieder einen Punkt erzielt! "Was tun Sie dann?" "Ich versuche, ihn vor geldgierigen Frauen zu bewahren wobei ich allerdings versagt habe." Jared führte sie in den Seitenflügel des Hauses und öffnete eine Tür. "Ihr Zimmer ist hier, Ihre Mutter wohnt am Ende des Flurs." Bevor Devon protestieren konnte, ging er ins Zimmer und stellte den Koffer vor dem Bett ab. Sie wollte Jared nicht hier haben, nicht in ihrer Nähe - und der des Betts. Freundlich sagte sie: "Versuchen Sie nachher, mal zu lächeln, ja? Außer Sie möchten auf den Fotos aussehen wie ein kleiner Junge, der schmollt, weil er seinen Willen nicht durchsetzen konnte." "Sagen Sie mir nicht, was ich tun soll", erwiderte er leise. "Ich mag das nicht." "Interessant! Ich hasse es ebenfalls, herumkommandiert zu werden. Da haben wir ja noch etwas gemeinsam, außer der Abneigung gegen die Hochzeit meiner Mutter und Ihres Vaters." "Unglücklicherweise werden wir in Zukunft viel zu viel gemeinsam haben. Ich nehme an, dass Sie ebenso wenig meine Stiefschwester sein wollen wie ich Ihr Stiefbruder.
Erntedankfest und Weihnachten im selben Haus, Geburtstage und andere Familienfeiern, und so weiter." Jared lächelte sie zynisch an. "Sie und ich werden aneinander gebunden sein, sobald diese Hochzeit stattgefunden hat. Noch ein guter Grund, warum Sie Ihren Flug hätten verpassen sollen." "Mein Job bringt es mit sich - ich bin übrigens Anwältin, die sich auf das Aushandeln von Abbaurechten spezialisiert hat -, dass ich einen großen Teil des Jahrs im Ausland verbringe. Sie sind vielleicht für Familienfeste verfügbar, ich nicht." Plötzlich schob er ihr eine wirre Haarsträhne hinters Ohr, und Devon musste sich zusammenreißen, um eine ausdruckslose Miene zu bewahren. "Da wir gerade von Hochzeitsfotos gesprochen haben, ich hoffe, Sie haben vor, sich innerhalb der nächsten vierzig Minuten zu frisieren. Aber lassen Sie die Gäste nicht warten, Miss Fraser. Das ist das Vorrecht der Braut." Endlich ging Jared hinaus. Devon ließ den Kleidersack aufs Bett fallen und atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Plötzlich klopfte es, und sie fuhr so heftig hoch, als hätte jemand einen Schuss dicht neben ihrem Ohr abgefeuert. "Ja bitte?" "Darling, bist du das?" "Ja. Komm rein, Mom." "Ich hörte gerade, dass du angekommen bist. Ich habe mir solche Sorgen gemacht, du könntest es nicht rechtzeitig schaffen, und ich brauche doch dringend deine Unterstützung. Jared sieht mich immer so an, als wäre ich ein geldgieriges Flittchen. Er macht mir Angst. Ich kann mir nicht vorstellen, wie Benson zu so einem Sohn kommt und ... Aber Darling, du bist ja noch nicht umgezogen!" "Das liegt daran, dass ich gerade erst hier eingetroffen bin", erklärte Devon, küsste ihre Mutter und betrachtete sie anerkennend. "Du siehst bezaubernd aus." Das meinte sie ehrlich.
"Ich wollte kein weißes Kleid tragen. Das hätte ich irgendwie unpassend gefunden. Sehe ich wirklich passabel aus?" Nervös strich Alicia den Rock des langen cremefarbenen Seidenkleids glatt. Ausnahmsweise hatte sie auf Rüschen, Spitzen und Perlenstickereien verzichtet, für die sie eine Vorliebe hatte. Das Kleid war schlicht und elegant, die Frisur ebenfalls. Devon hatte ihre Mutter fünf Monate lang nicht gesehen, und damals hatte Alicia Benson Holt gerade erst kennen gelernt gehabt. Nun fragte Devon sich, ob er auch andere Veränderungen bei Alicia bewirkt haben könnte als nur äußerliche. "Das Kleid ist wunderschön, Mom! Zeig mir doch deinen Verlobungsring." Zögernd streckte Alicia die linke Hand aus, an der ein großer Brillant funkelte. "Ich hoffe, du wirst sehr glücklich", meinte Devon, um nichts über den Ring sagen zu müssen. Sie fand Brillanten protzig. Alicia blickte gehetzt auf ihre goldene Armbanduhr. "Die Trauung beginnt in fünfunddreißig Minuten." "Dann lässt du mich jetzt besser allein, damit ich mich endlich umziehen kann." Devon lächelte. "Ich wollte eigentlich schon gestern zum Polterabend hier sein, aber es gab auf der Rückreise eine Verzögerung nach der anderen." "Ich musste beim Dinner zwischen Benson und Jared sitzen." Alicia erschauderte. "Weißt du, was er vor drei Tagen gemacht hat? Jared meine ich. Er hat versucht, mich zu bestechen." "Wie bitte?" "Ja, er hat mir eine große Summe angeboten, falls ich auf die Hochzeit verzichte." "Wie konnte er das wagen?"
"Oh, der wagt alles. Er ist der Präsident von ,Holt Incorporated' und besitzt Millionen. Die bekommt ein Mann nicht, indem er zimperlich herumtut." "Jared leitet das Unternehmen?" hakte Devon entgeistert nach. "Er leitet es nicht, es gehört ihm. Er hat ein Vermögen damit gescheffelt und ist fünfzig Mal reicher als Benson." Zu "Holt Incorporated" gehörten ein Hotelunternehmen - in einigen der Hotels war Devon auf ihren Reisen gewesen -, eine Flotte von Kreuzfahrtschiffen, einige Handelsketten und eine äußerst erfolgreiche Computerfirma. "Warum hast du mir das nie gesagt?" fragte Devon heiser. "Wie und wann hätte ich es tun sollen?" konterte ihre Mutter schlagfertig. "Während eines Ferngesprächs? Du reist doch ständig in der ganzen Welt herum. Und ich kenne interessantere Themen als Jared Holt." Devon setzte sich aufs Bett und lachte. "Weißt du was? Ich habe ihn gefragt, ob er in den Ställen seines Vaters arbeite." "Darling, du machst jetzt nur einen Scherz, oder?" "Und vorher habe ich mich erkundigt, ob er jemals als Model tätig gewesen sei." Alicia stöhnte. "Wie konntest du bloß?" "Ganz einfach: Er ist der unhöflichste und arroganteste Mann, den ich jemals getroffen habe. Und ich kenne einige dieser Sorte." "Du solltest dich nicht mit ihm anlegen. Er ist ein unangenehmer Gegner, Devon." Ihre Mutter nannte sie nur dann beim Vornamen, wenn sie es ernst meinte. "Ich habe keine Angst vor Jared", sagte Devon nicht ganz aufrichtig. "Nur davor, zu spät zur Trauung zu erscheinen. Also raus mit dir, Mom! Ich muss mich endlich umziehen." Alicia umarmte sie kurz, aber herzlich. "Ich bin ja so froh, dass du da bist", erklärte sie und verließ das Zimmer.
Devon wünschte sich, sie könnte das von sich auch sagen, nahm die Sachen, die sie brauchte, aus dem Koffer und ging ins Bad.
2. KAPITEL Eine Minute vor sechs Uhr klopfte Alicia an Devons Tür. "Bist du fertig, Darling?" Devon stand vor dem hohen Spiegel und trug Lippenstift auf. "Komm rein, Mom. Ich brauche nur noch zwei Sekunden." Sie befestigte Ohrringe mit schillernden blauen Opalen an den Ohrläppchen. "Ich bin ein nervöses Wrack", klagte Alicia. "Es ist meine fünfte Hochzeit, aber ich liebe Benson wirklich und wünsche mir so sehr, dass es diesmal für immer ist und wir alle eine glückliche Familie werden. Glaubst du, ich soll ihn wirklich heiraten, oder mache ich wieder einmal einen schrecklichen Fehler?" Da Devon den Bräutigam noch nicht kennen gelernt hatte, konnte sie die Frage nicht beantworten. Wenn er allerdings so war wie sein Sohn Jared, dann beging ihre Mutter den schlimmsten Fehler in ihrer Ehelaufbahn. Und der Traum von einer glücklichen Familie war ein Hirngespinst. Weihnachten mit Jared Holt feiern? Nie und nimmer! "Natürlich wirst du glücklich werden", versicherte sie ihrer Mutter beruhigend, als sie sah, dass deren Lippen bebten, und legte ihr den Arm um die Schultern. Gemeinsam betrachteten sie sich im Spiegel. "Und jetzt lass uns die Gäste mit unserem Anblick blenden gehen, Mom!" "Die Bouquets stehen draußen im Flur auf dem Tisch. Wir beide sehen wirklich nett aus, stimmt's?" meinte Alicia naiv.
"Nett" war nicht der Eindruck, den Devon erzielen wollte. Sie trug hochhackige Sandaletten und ein langes Kleid aus schimmernder türkisfarbener Seide, tief ausgeschnitten und seitlich bis zum Schenkel geschlitzt. Auf ihrem Dekollete glänzte eine Kette mit einem Opalanhänger, und sie hatte das Haar aufgesteckt. Einige kleine Strähnen lockten sich im Nacken und an den Schläfen. "Wir sehen umwerfend aus", verbesserte sie ihre Mutter. "Und lass dir von Jared nicht die Hochzeit verderben. Er ist es nicht wert." Alicia lächelte kämpferisch. "Richtig! Ich lerne allmählich dazu. Ich habe Benson gesagt, ich würde bei der Trauung nicht versprechen, ihm zu gehorchen, weil ich zu alt dafür sei. Er hat nur gelacht und gesagt, er möchte ohnehin keine Fußmatte als Frau. Du wirst ihn mögen, er ist ein wirklich netter Mann." Mit genau diesen Worten hatte Alicia den romantischen Italiener, den englischen Lord und den texanischen Ölbaron ihren zweiten, dritten und vierten Ehemann - Devon angekündigt, denn ihr lag viel daran, dass ihre Tochter den jeweils Zukünftigen schätzte. "Ich freue mich schon darauf, ihn kennen zu lernen", sagte Devon diplomatisch. Die Bouquets bestanden aus pastellfarbenen Orchideen, und der Fotograf wartete schon auf Braut und Brautjungfer. Während ihr Herz plötzlich ungewohnt schnell pochte, nahm Devon den kleineren der beiden Sträuße und lächelte gehorsam in die Kamera. Dann ging sie neben ihrer Mutter die Treppe hinunter. "Übrigens, würdest du als Brautführerin füngieren?" fragte Alicia unvermittelt, als sie unten ankamen. "O nein!" Devon wäre beinahe über den Teppich gestolpert. "Bensons Schwager sollte mich zum Altar führen, aber er hatte vor zwei Wochen eine Krampfaderoperation und humpelt noch. Ansonsten käme nur Jared infrage. Bitte sag ja, Devon!"
Dieser zynische, herrische Schuft als Brautführer ihrer Mutter? Niemals! "Dann gern", stimmte Devon zu. Auch vor dem Haus wurden sie fotografiert, wobei Devon sich unauffällig umsah. Weiße Markisen waren zwischen den Bäumen gespannt, um Schatten zu spenden, mit Blumen gefüllte Körbe standen neben den Reihen der Korbstühle, auf denen die Gäste saßen und, begleitet von leiser Harfenmusik, plauderten. Endlich war der Fotograf zufrieden, und Alicia und Devon schritten zwischen den Stühlen nach vorn. Die Harfenistin beendete mit einem Akkord ihre Darbietung, und stattdessen ertönten nun auf der Orgel neben dem mit weißen Blumen geschmückten Altar die ersten Klänge des Hochzeitsmarsches. Er wurde, wie Devon flüchtig bemerkte, ohne Rücksicht auf den richtigen Takt und die richtigen Noten gespielt. "Bensons Schwester sitzt an der Orgel", flüsterte Alicia. "Bessie bestand darauf, und er wollte es ihr nicht abschlagen, um sie nicht zu kränken. O Devon, ich bin so schrecklich nervös! Ich hätte Bensons Antrag niemals annehmen sollen. Warum nur heirate ich immer wieder? Ich bin nicht mehr jung und sollte es inzwischen besser wissen." "Nur Mut, Mom! Jetzt ist es zu spät, etwas daran zu ändern, also lass es uns mit Stil hinter uns bringen." Devon hakte ihre Mutter unter, und sie versuchten, halbwegs im Takt der Orgelmusik zu gehen, was nicht einfach war, sie aber wenigstens vom Lampenfieber ablenkte. Bräutigam und Trauzeuge standen, den Rücken ihnen zugewandt, vor dem Altar. Benson Holt war kleiner als sein Sohn und hatte gepflegtes graues Haar. Bei einem besonders falschen Akkord wandte er sich um, entdeckte Alicia und lächelte sie an. Er war nicht so gut aussehend wie Jared und hatte auch nicht dessen athletische Figur, sondern ein Bäuchlein. Er sieht, im Gegensatz zu seinem
Sohn, direkt menschlich aus, dachte Devon. Und sein Lächeln wirkte liebevoll und freundlich. Freundlichkeit stand auf ihrer Liste erstrebenswerter Tugenden ganz oben, denn es war eine, die man nicht heucheln konnte. Benson war anders, als sie erwartet hatte. "Ich glaube, diesmal hast du das große Los gezogen", flüsterte sie ihrer Mutter ins Ohr und wurde mit einem dankbaren Lächeln belohnt. Die Orgel gab einen unsicheren Triller von sich, dann erklang ein lauter, triumphierender und völlig disharmonischer Akkord, und Devon schauderte. Nun wandte auch Jared sich endlich um. Er sah sie an, und sein Ausdruck wurde starr vor Schock, was sie zufrieden registrierte. Bescheiden senkte sie den Blick, wie es einer Frau mit wenig Erfahrung mit Männern anstand, einer Frau, deren Verpackung, um Jared zu zitieren, keinen zweiten Blick verdiente. Bis kurz vor der Zeremonie hatte Jared geglaubt, er müsse den Brautführer abgeben, und diese Pflicht hätte er formvollendet, wenn auch mit Widerwillen, erledigt. Doch als sie das Haus durch den Wintergarten verließen, sagte sein Vater: "Alicia will Devon bitten, sie zum Altar zu begleiten. Du bist noch mal davongekommen." Jared ärgerte sich, weil er offensichtlich seine Abneigung gegen die Aufgabe deutlich gezeigt hatte. "Ich habe Devon bereits kennen gelernt", erwiderte er kurz angebunden. "Sie ist nicht, wie ich sie mir vorgestellt hatte, sondern reizlos und so bissig wie ein Kettenhund," "Tatsächlich? Alicia hat mir mal ein Foto gezeigt, auf dem Devon sehr attraktiv aussah." "Ein guter Fotograf kann einen Kaktus wie eine Rose aussehen lassen." "Hast du den Ring?" fragte Benson unvermittelt. "Ja, Dad! Das hast du mich schon zwei Mal gefragt."
"Martin winkt uns zu. Zeit, uns zu postieren." Martin war der Butler, und sein Signal bedeutete, dass die Braut bereit war. Jared blickte auf seine Armbanduhr. Es war sieben Minuten nach sechs. Devon Fräser war erstaunlich pünktlich - für eine Frau. Er folgte seinem Vater zum Altar, nickte dem Pfarrer kurz zu und vermied es, die Gäste zu betrachten. Lisa steckte vermutlich irgendwo in der Menge, denn sie hatte ihn um eine Einladung gebeten, und er hatte den Fehler gemacht, ihr eine zu schicken. Ich muss mir demnächst klar werden, wie es mit Lisa weitergehen soll, dachte er und fuhr zusammen, als seine Tante Bessie die Orgel zu traktieren begann: mit Enthusiasmus und unter völliger Missachtung der richtigen Noten. Falls er jemals heiratete - eine unsinnige Vorstellung, denn er beabsichtigte nicht, sich für sein restliches Leben an eine einzige Frau zu binden -, dann würde er sich auf seiner Yacht trauen lassen. Tante Bessie litt an Seekrankheit und würde niemals den Fuß auf etwas setzen, das auch nur entfernt einem Schiffsdeck glich. Sein Vater wandte sich um und lächelte die Braut an, dessen fünfter Ehemann er werden würde. Zorn stieg in Jared auf. Er hatte vergebens versucht, seinem Vater diese unglückselige Heirat auszureden, und es dann sogar mit einer Bestechung bei Alicia probiert, aber auch das hatte nichts genutzt, obwohl er ihr eine beträchtliche Summe geboten hatte. Von der Abfindung bei einer Scheidung konnte Alicia sich mehr erwarten, und das war vermutlich ihr Beweggrund gewesen, sein Angebot auszuschlagen. Nein, er, Jared, würde seine zukünftige Stiefmutter nicht anlächeln! Er würde überhaupt nicht lächeln, solange ihm nicht danach zu Mute war. Devon hatte ihm unterstellt, er würde schmollen, weil er seinen Willen nicht durchgesetzt hatte. Diese Frau war eine richtige Nervensäge.
Misstönend erklang wieder ein falscher Akkord, so entnervend wie das Geräusch von Fingernägeln auf einer Schiefertafel. Bestimmt waren Alicia und ihre Tochter jetzt schon beinah am Altar. In der Zeit, die sie bis jetzt gebraucht hatten, gingen andere Menschen einmal rund um den Central Park in New York! Jared versuchte, seine Ungeduld zu beherrschen, und blickte zurück, um festzustellen, wie weit sie denn gekommen waren. Eine große Frau in einem schimmernden türkisfarbenen Kleid ging auf ihn zu, den Blick direkt auf ihn gerichtet, den Kopf hoch erhoben. Sie war so schön, dass Jared der Atem stockte - als hätte ihm jemand einen Boxhieb versetzt. Ihr locker aufgestecktes Haar glänzte golden wie reifer Weizen, und die Frisur betonte den schlanken Hals. Das Kleid enthüllte schöne Schultern und schmiegte sich eng an die festen runden Brüste. Der tiefe Ausschnitt gab seidenweich aussehende Haut frei, auf der ein blauer Edelstein Funken zu versprühen schien. Aufregend lange Beine, ein anmutiger Gang - und dann diese Augen! Die hatten ihn, Jared, schon fasziniert und erstaunt, als er Devon vor dem Haus die Sonnenbrille abgenommen hatte. Er hatte ein langweiliges Braun oder verwaschenes Grau als Augenfarbe erwartet, nicht dieses strahlende, tiefe Blau. Blau wie das Meer, in dem man ertrinken konnte. Begehren durchzuckte ihn, und Jared war sich klar, dass er nicht locker lassen würde, bis er Devon Fräser erobert hatte. Hatte er wirklich gesagt, ihre "Verpackung" verdiene keinen zweiten Blick? Diese Frau hatte er seinem Vater als reizlos beschrieben? Habe ich denn keine Augen im Kopf - oder etwa nicht mehr alle Tassen im Schrank? fragte Jared sich. Jedenfalls war er noch klarsichtig und verständig genug, um zu merken, dass Devon sich der Wirkung völlig bewusst war, die sie auf ihn ausübte, und seine Verwirrung genoss.
Zur Hölle mit dir, Devon Fräser, dachte Jared rachsüchtig. Sie hatte ihn schön hinters Licht geführt mit der hochgeschlossenen Bluse, dem zerknitterten Kostüm und dem blassen Gesicht. Das würde ihr aber nicht noch mal gelingen! Er würde ihr eine Lektion erteilen. Wie, das wusste er noch nicht, doch es würde ihm schon etwas einfallen. Noch bevor diese lächerliche Posse einer Hochzeit vorbei war, würde Devon bereuen, ihn zum Narren gehalten zu haben. Jared fuhr zusammen, als der Pfarrer sich räusperte, und bemerkte, dass sie jetzt zu viert vor dem Altar standen. Konzentrier dich auf die Zeremonie, ermahnte er sich, und vergiss Devon Fräser wenigstens für die kommenden Minuten. Sie hatte die erste Runde gewonnen, aber das Spiel begann jetzt erst richtig. Es würde sich ja zeigen, wer letztlich Sieger blieb. Während der Priester die feierlichen Worte der Trauungszeremonie sprach, blickte Jared unauffällig zu Devon. Ihr Profil war bezaubernd, und die Frisur stand ihr gut. Am liebsten hatte er ihr die Nadeln aus dem glänzenden Haar gezogen, damit es ihr duftig auf die Schultern fiel. Dann die Finger hineinschieben - und sie dann weiter zu ihren Brüsten gleiten lassen. Er wollte Devon auf Satinlaken ausgestreckt sehen und sich auf sie legen ... Jetzt denke ich schon wieder an sie, tadelte er sich. Was war bloß mit ihm los? Sie war doch nur eine Frau, eine wie viele. Und sie würde sich ihm willig hingeben. Wie alle anderen. Genau das war sein eigentliches Problem. Frauen fühlten sich unwiderstehlich zu ihm hingezogen. Er war reich und hatte Einfluss, außerdem sah er gut aus - das wusste er, ohne sich etwas darauf einzubilden. Jede Frau zwischen achtzehn und fünfundvierzig fühlte sich herausgefordert, ihn zu erobern.
Nein, nicht mich, sondern den erfolgreichen, vermögenden Unternehmer, dachte Jared zynisch. Frauen hatten immer nur das eine im Sinn: sich einen reichen Mann zu angeln. Wie langweilig dieser Kampf der Geschlechter war! Jared kannte mittlerweile alle Taktiken, Strategien und Schachzüge, und obwohl er von Anfang klarstellte, dass eine Beziehung nach seinen Regeln ablaufen würde oder gar nicht, fühlten die meisten Frauen sich dadurch erst recht aufgestachelt, Erfolg zu haben, wo andere versagt hatten. Wenn sie dann einsahen, dass ihm wirklich nichts an einer Bindung lag, kam es unvermeidlich zur Trennung, einer wütenden oder tränenreichen, je nachdem. In den vergangenen Jahren hatte er auf dieses Spiel immer häufiger verzichtet. Lisa war nur ein Schutzschild, das gestand er sich ehrlich ein. Solange man vermutete, dass er mit ihr eine Affäre habe, hielten sich andere Frauen zurück, ebenso die Klatschreporter. Niemand würde ihm glauben, dass er mit Lisa nicht schlief, und sie würde es bestimmt nicht ausplaudern. Sie benutzte ihn ebenso unverfroren wie er sie. Es schmeichelte ihrem Selbstbewusstsein, für die Geliebte Jared Holts gehalten zu werden, und förderte ihre Karriere als Schauspielerin. Ja, in den letzten Jahren hatte er seine Energie lieber für sein Unternehmen verwendet und an Sex nicht viel gedacht. Bis jetzt jedenfalls. Seit er Devon in dem verführerischen Kleid erblickt hatte, konnte er an nichts anderes denken. Er wollte sie, und das bald. Das Kleid hat ein hübsches Sümmchen gekostet, dachte Jared verächtlich. Diese umwerfende Kombination von Eleganz und erotischer Provokation war nicht billig zu haben. Wollte Devon ihn ködern? War sie, wie alle anderen Frauen, auf ein Vermögen aus? Wie die Mutter, so die Tochter? Alicia hatte sich Benson ohne große Mühe geangelt. Sollte Devon sich den Boss des Unternehmens sichern, den Mann mit
dem ganz großen Geld? Ging sie dabei nur etwas subtiler vor als die anderen Frauen, die er kannte? Subtiler? Oder gerissener? Bleib auf dem Teppich, ermahnte Jared sich. Man konnte nicht sagen, dass sie ihn vorhin ermutigt hätte, weder durch ihre Kleidung noch durch ihre Unterhaltung. Irrte er sich vielleicht? Mochte sie ihn womöglich genauso wenig leiden, wie es den Anschein hatte? "Willst du, Alicia, Benson zum Mann nehmen, ihn lieben und ehren ..." Jared riss sich zusammen und richtete die Aufmerksamkeit auf die Zeremonie. Wenn er sein Stichwort verpasste, würde er wie ein Narr wirken. Er hatte sich schon vor Devon zum Narren gemacht, aber zwei Mal würde ihm das nicht an einem Tag passieren. "Ihn lieben und ehren ..." Die Worte gingen Devon nahe, obwohl sie schon bei vielen Hochzeiten gewesen war. Wer hat mich denn jemals geliebt, außer mein Vater vielleicht, an den ich mich fast nicht erinnere? dachte sie traurig. Ihre Mutter sicherlich nicht. Die war immer zu sehr damit beschäftigt gewesen, Romanzen zu suchen. Ihren Stiefvätern war sie, Devon, gleichgültig geblieben. Mit Steve hatte sie drei Jahre lang ein Verhältnis gehabt, aber wirklich geliebt hatte er sie nicht. Dass Peter für sie keine echte Zuneigung empfand, hatte sie glücklicherweise rechtzeitig gemerkt und war nicht mit ihm ins Bett gegangen. Na und? Wer brauchte schon Zuneigung? Sie, Devon Fräser, bestimmt nicht! Sie war eine intelligente, unabhängige Frau von zweiunddreißig Jahren, die einen schwierigen Job ausgezeichnet erledigte und die ihr ganzes Leben darauf abgestimmt hatte, zu große Nähe und echte Beziehungen zu meiden. Warum war sie dann jetzt zu Tränen gerührt? " ... bis dass der Tod euch scheidet."
Alicias Ehen hatten vor dem Scheidungsrichter geendet, abgesehen von der ersten. Devons Vater war - laut Alicia - die große Liebe ihres Lebens gewesen, und an dieser Behauptung hielt sie fest. Devon war sieben Jahre alt gewesen, als ihr Vater starb. Sie erinnerte sich noch genau daran, dass sie im Garten gewesen war, als ihre Mutter es ihr mitteilte. Die Brombeeren waren reif gewesen, und auf dem Nussbaum hatte eine Drossel gesungen ... Nein, ich werde jetzt nicht weinen, schwor Devon sich. Das würde Jared Holt nur in seiner Meinung bestärken, dass Frauen krankhaft gefühlsbetont seien, unlogisch, irrational und ihren Empfindungen hilflos ausgeliefert. Ganz anders als er. Er reichte nun seinem Vater den Ehering für Alicia, und Devon streifte nervös den für Benson von ihrem Daumen, auf den sie ihn gesteckt hatte, da ihr Kleid keine Tasche hatte. Plötzlich rutschte er ihr aus den Fingern und fiel in den Blumenstrauß. Sie suchte zwischen den Orchideen danach und zerdrückte in ihrer Hast die zarten Blüten, fand den Ring aber nicht. Ungeduldig schüttelte sie das Bouquet und stöhnte insgeheim, als er herausfiel und auf dem Boden wegrollte - zu Jared hin. Erstaunlich schnell bückte der sich, hob den Ring auf und reichte ihn ihr, wobei er ihr in die Augen sah. Seine wirkten so kalt und unergründlich wie der Himmel in einer Winternacht. Vorsichtig, um seine Finger bloß nicht zu streifen, nahm sie den Ring entgegen und hörte das leise, amüsierte Lachen der Gäste. Hoffentlich ist das alles bald vorbei, und ich blamiere mich nicht noch mal, dachte Devon. Niemand durfte merken, wie niedergeschlagen sie sich fühlte, vor allem Jared nicht. Wahrscheinlich war es ihm aber schon aufgefallen, denn diesem Mann entging nichts! Nun küsste Benson feierlich seine frisch angetraute Ehefrau, die aufgeregt und sehr glücklich aussah. Tante Bessie griff
wieder in die Tasten und zog alle Register. Lächelnd nahm Benson Alicia bei der Hand und führte sie den Mittelgang zwischen den Stühlen entlang. Und jetzt bin ich mit Jared dran, dachte Devon. Sie wandte sich ihm zu und hakte ihn unter. Er legte seine Hand über ihre, und die Berührung schien ihr die Haut zu verbrennen. Devon sah zu ihm auf, und das unverhohlene Begehren in seinen Augen erfüllte sie mit Panik. Plötzlich blickte Jared wieder kühl und unbeteiligt. Nimm dich bloß in Acht, warnte eine innere Stimme Devon. Sie wandte mühsam den Blick ab und sagte beiläufig: "Mit dieser musikalischen Darbietung übertrifft Ihre Tante sich selbst." "Es hat Ihnen richtig Spaß gemacht, mir vor Augen zu führen, wie sehr ich mich in Ihrem Aussehen getäuscht habe, stimmt's?" "Jared, wir werden von etwa hundert illustren Gästen beobachtet. Versuchen Sie bitte, Ihre schlechte Laune zu beherrschen. Was Ihre Tante betrifft, jeder halbwegs fähige Musiker müsste improvisieren können." "Tante Bessie kann nur improvisieren - und ich hasse es, wonn man mich zum Narren hält." Der Fotograf postierte sich vor ihnen und zückte die Kamera. "Etwas näher an die Dame, Mr. Holt - und bitte lächeln! So ist es schön." Geblendet vom Blitzlicht, stolperte Devon über eine Falte im roten Teppich. Rasch legte Jared ihr den Arm stützend um die Taille. Er könnte mich mühelos aufheben und tragen, eng an seine Brust gepresst, dachte Devon unwillkürlich. Hatte sie jetzt völlig den Verstand verloren, sich das auszumalen? Sie machte sich von Jared los, versuchte, sich zusammenzureißen, und sah erleichtert, dass Benson und Alicia auf sie warteten.
"Herzlichen Glückwunsch, Mom", sagte Devon herzlich und küsste Alicia auf die Wangen. Dann schüttelte sie Benson die Hand. "Ich freue mich, Sie endlich kennen zu lernen. Schade, dass ich darauf warten musste, bis Sie mit meiner Mutter vor dem Altar standen." Benson küsste sie auf die Wange. "Ich freue mich auch. Und sag bitte Benson zu mir, ich bin doch jetzt dein Stiefvater. Du bist übrigens beinah so schön wie deine Mutter." Alicia lachte erfreut, Jared atmete hörbar scharf ein. "Und du bist viel attraktiver als dein Sohn", erwiderte Devon liebenswürdig. "Ich wünsche dir und Mom alles Glück der Welt." Während Alicia Devon nochmals umarmte und ihr gestand, wie froh sie sei, dass die Zeremonie überstanden war, zog Benson seinen Sohn beiseite. "Du brauchst eine Brille, mein Junge", meinte er scherzend. "Devon soll reizlos sein? Das Mädchen ist umwerfend!" "Du hättest sie vorhin sehen sollen", rechtfertigte Jared sich leise. "Sie sah aus, als hätte sie in ihrer Kleidung eine Woche lang geschlafen, ihr Haar war zerzaust und ..." "Ja, eine Brille gegen Kurzsichtigkeit", unterbrach Benson ihn und klopfte ihm auf die Schulter. Jared unterdrückte eine Erwiderung. Schlimm genug, dass er sich in Devon geirrt und sie ihm das genüsslich vor Augen geführt hatte! Er konnte gut darauf verzichten, dass sein Vater es ihm auch noch unter die Nase rieb. Aber das wird Devon mir büßen, schwor er sich. Sie hatte das reizvolle Kleid angezogen, um ihn zu ärgern, er würde sie verführen, um ihr zu zeigen, dass sie nicht ungestraft mit dem Feuer spielte. Und er würde jeden einzelnen Moment seiner Rache auskosten. "Du bist ja so schweigsam, Jared", sagte Alicia herausfordernd. Jared riss sich zusammen, rang sich ein Lächeln ab und gratulierte seiner Stiefmutter und seinem Vater formvollendet
zur Hochzeit. Ein neutraler Beobachter hätte an seinen tadellosen Manieren nichts auszusetzen gehabt, aber Devon merkte, wie verspannt er war und wie kühl seine Stimme klang. Anscheinend meinte er kein Wort ehrlich. Sie standen zu viert da, während die Gäste an ihnen vorbeidefilierten und dem Paar gratulierten. Jared benahm sich weiterhin vorbildlich und sagte immer wieder: "Darf ich Ihnen Alicias Tochter, Devon Fräser, vorstellen?" Tante Bessie hob sich von den übrigen Gästen augenfällig ab. Sie trug einen hellgrünen Hut zu einem Kleid aus orangefarbenem Shantung, und ihre Finger waren dermaßen mit Ringen überladen, dass Devon sich fragte, wie sie überhaupt hatte Orgel spielen können, sei es falsch oder richtig. Bessie küsste ihren Neffen und sagte mit durchdringender Stimme: "Höchste Zeit, dass du auch in den Hafen der Ehe einläufst, mein Lieber. Du wirst nicht jünger." "Du hast doch Onkel Leonard geheiratet, statt auf mich zu warten", erwiderte Jared. "Seitdem leide ich an gebrochenem Herzen." Bessie lachte schallend. "Diese junge Dame sieht aus, als wäre sie dir gewachsen. Sie müssen Alicias Tochter sein." "Ja, ich bin Devon." "Lassen Sie sich von Jareds Gehabe nicht täuschen. Er hat ein Herz aus purem Gold. Und die Taschen voll Gold. Sind Sie auf sein Vermögen aus?" "Ich bin, trotz Ihrer warmen Empfehlung, überhaupt nicht auf ihn aus", entgegnete Devon kühl. "Das ist genau das, was du brauchst, Jared: eine Frau, die sich behaupten kann. Wissen Sie, Devon, zu viele Frauen lassen sich von ihm alles gefallen, und das ist nicht gut für ihn." "Tante Bessie, du hältst die anderen Gäste auf!"
"Wir reden später weiter, meine Liebe", sagte Bessie zu Devon, dann steuerte sie zielstrebig auf den nächsten Kellner zu und ließ sich ein Glas Champagner geben. Nicht wenn es nach mir geht, Tante Bessie, dachte Devon und lächelte den nächsten Gast an, dessen Name ihr entging. Sie bekam Kopfweh und hätte gern auch Champagner getrunken, am liebsten eine ganze Flasche. Plötzlich sagte eine Frau zärtlich: "Darling, schade, dass ich dich nicht schon vor der Trauung sprechen konnte." Devon sah erstaunt, wie die Frau Jared umarmte und auf den Mund küsste. Der Mann gehört zu mir, sollte das eindeutig heißen. Und warum bin ich nicht erleichtert, weil er schon vergeben ist? fragte Devon sich.
3. KAPITEL Die Frau, die Jared küsste, war zierlich und auffallend schick. Das zartrosa Seidenkostüm stammte sichtlich von einem Pariser Nobeldesigner, der Schnitt des schimmernden schwarzen Haars von einem Meister seines Fachs. Jared ließ sich anscheinend nicht ungern küssen. Als er schließlich den Kopf hob, sah Devon rosa Farbspuren auf seinen, schön geschwungenen, zugleich sinnlich und fest wirkenden Lippen, wie sie widerstrebend zugab. "Hallo, Lisa", sagte Jared. "Vor der Trauung habe ich meinem Vater seelischen Beistand zu leisten versucht. Darf ich dich mit der Tochter der Braut bekannt machen? Devon Fräser. Devon, das ist meine Freundin Lisa Lamont aus New York. Sie ist Schauspielerin am Broadway." Lisas Augen waren blassblau und wirkten etwas farblos und vor allem sehr kühl. "Freut mich, Sie kennen zu lernen, Miss Lamont", sagte Devon höflich. "Ich habe Sie in Stan Nialls neuestem Stück gesehen - eine schwierige Rolle, die Sie wunderbar gemeistert haben." Lisa neigte den Kopf wie eine Königin, die das ihr zustehende Lob gnädig entgegennahm. "Danke. Jared hat mir während der Saison Rückhalt gegeben. Ich dachte, die würde nie enden. Du warst wirklich wunderbar, Darling."
Jared und Lisa waren demnach schon länger zusammen, und sie machte eindeutig Besitzansprüche auf ihn geltend. Jedes ihrer Worte und jede Geste bedeutete so viel wie "Hände weg!" Indirekt sein kann ich auch, dachte Devon und sagte beiläufig: "Ich bin froh, dass ich den Theaterbesuch damals noch zwischen eine Reise nach Argentinien und eine nach Südafrika einschieben konnte." Damit wollte sie deutlich machen, dass sie Besseres zu tun hatte, als ihre Hände von Jared Holt zu lassen - oder nicht. Lisa lächelte. "Das neue Stück von Marguerite Hammlin müssen Sie unbedingt sehen. Ich hatte das Glück, die Hauptrolle zu bekommen - eine wirklich starke Rolle." Sie legte Jared die Hand auf den Arm. "Ich sehe dich dann nach dem Festessen, Darling." Eine Duftwolke teuren Parfüms hinterlassend, schlenderte Lisa weiter. Nach ihr waren zwei Offiziere und einige Pferdezüchter an der Reihe zu gratulieren, und als Letzter kam ein schlaksiger junger Mann mit intelligent blickenden grauen Augen hinter einer großen Hornbrille. Sein Anzug hätte dringend gebügelt werden müssen. "Hallo, Jared, schön, dich zu sehen. Ich bin gerade erst angekommen, weil es heute Morgen in Nanasivik geschneit hat und das Flugzeug deswegen Verspätung hatte." Er lächelte Devon an. "Sie müssen Alicias Tochter sein. Sie sehen ihr sehr ähnlich." "Devon, das ist mein Cousin Patrick Kendall, Tante Bessies Sohn", stellte Jared den jungen Mann vor. Patrick war ihr sofort sympathisch. "Was haben Sie denn auf Baffin Island gemacht?" erkundigte sie sich. "Probebohrungen. Ich bin Geologe." "Ich war letzten Monat dort", erzählte Devon und erklärte dann Einzelheiten ihres Jobs.
Patrick stellte einige Fragen dazu, und schließlich fiel Jared ihm ins Wort. "Deine Mutter winkt dir zu, Patrick. Solltest du sie nicht begrüßen?" "Ach ja. Wir unterhalten uns nach dem Essen weiter, Devon. Okay?" Endlich war die Gratulationscour überstanden. Devon taten die Füße weh. "Ich mag Ihren Cousin", sagte sie und blickte zu Jared auf. "Übrigens, Ihre Freundin hat Lippenstift auf Ihrem Mund hinterlassen." "Ja, Patrick ist in Ordnung, aber er wird immer nur ein unbedeutender Geologe sein." "Und dabei glücklich und zufrieden", bemerkte Devon kühl. "Ja, doch er besitzt keinen Groschen." "Sie sind offensichtlich von dem Gedanken an Geld besessen", meinte sie. "Eins möchte ich klarstellen: Ich bin nicht an Ihrem Vermögen interessiert, nicht einmal an einem einzigen Ihrer vielen Dollars. Ich ziehe es vor, mein Geld selbst zu verdienen." "Wir sollten uns jetzt duzen, da wir doch zu einer Familie gehören, Devon." Er zog ein Taschentuch aus der Hosentasche. "Würdest du mir den Lippenstift abwischen? Bitte." Anscheinend glaubte er ihr nicht, dass sie an seinem Geld nicht interessiert war. Kurz überlegte sie, ob sie ihm die Bitte abschlagen sollte, aber das Glitzern in seinen Augen verriet ihr, dass er sie dann für feig halten würde. Sie nahm das Tuch und wischte Jared den orangeroten Abdruck von der Wange, den Tante Bessie dort hinterlassen hatte, und das dezentere Rosa von den Lippen, wobei sie Gedanken und Gefühle streng beherrschte. "Du hast keinen Abdruck hinterlassen", bemerkte Jared, als sie fertig war. "Und werde es auch nicht." "Schade." Er hob ihre Hand an die Lippen und küsste ihre Finger, einen nach dem anderen.
Ihr Herz schien einen Schlag lang auszusetzen und die Berührung ihr die Haut zu versengen. Heiße Sehnsucht durchflutete Devon unvermittelt. Sie ließ den Blumenstrauß fallen und strich Jared übers Haar, das sich tatsächlich dicht und seidig anfühlte, ganz wie sie erwartet hatte. Plötzlich schien die Welt um sie her zu versinken, und nur sie beide waren da: der Verführer und die Verführte. Er hob den Kopf, ließ ihre Hand los und sagte kühl: "Du bist also genauso willig wie alle anderen Frauen." Das war wie ein Schlag ins Gesicht. Devon wurde rot vor Scham und erwiderte schroff: "Für dich ist das nur ein Spiel, stimmt's?" Ja, ein Spiel namens Rache, antwortete er im Stillen. "Wie dein Auftritt in diesem Kleid", fügte er laut hinzu. Das konnte sie nicht leugnen. Sie hatte ihn ärgern und schockieren wollen. "Dann sind wir jetzt quitt, Jared. Ich möchte nicht weiterspielen. Ende der Vorstellung." "Für mich nicht!" "Du bist doch schon vergeben. Das hat Lisa ganz deutlich durchblicken lassen." "Ich gehöre keiner Frau", behauptete Jared brüsk. "Sag das Lisa, nicht mir. Ich bin ohnehin nicht an dir interessiert." "Ach nein?" "Jared, die Gäste sehen zu uns und spitzen die Ohren. Was ich jetzt brauche, und zwar sofort, ist ein Glas Champagner." "Dann müssen wir das Gespräch später weiterführen." "Es gibt nichts mehr zu besprechen!" Jared winkte einen Kellner herbei, nahm zwei Gläser Champagner von dessen Tablett und reichte eins Devon. "Willkommen in der Familie, Devon!" Sie hob ihr Glas und sagte leise: "Scher dich zum Teufel, Jared!"
Er lachte. "Eins muss ich dir lassen: Deine Taktik ist ungewöhnlich clever." "Es steht schlimm um dich, wenn du Wahrheit mit Taktik verwechselst." "Wahrheit und Frauen sind unvereinbare Kategorien." "Wahrheit ist etwas Abstraktes, Frauen sind etwas Konkretes, insofern hast du Recht." "Geld ist ebenfalls etwas Konkretes, deshalb sind Frauen so sehr darauf aus, einen reichen Mann zu heiraten." Jetzt lachte Devon. "Du meinst, alle Frauen seien von Natur aus geldgierig? Was für ein Klischee! Der Präsident von Holt Incorporated' müsste in der Lage sein, scharfsinnigere Analysen zu liefern." "Wenn du weißt, dass das Unternehmen mir gehört, warum hast du mich dann gefragt, ob ich in den Ställen meines Vaters arbeite?" "Aus dem einfachen und einleuchtenden Grund, weil ich es vorhin noch nicht wusste, Jared." "Und wann hast du es erfahren?" "Meine Mutter hat es mir erzählt, kurz nachdem du mein Zimmer verlassen hattest." "Woraufhin du dieses verführerische Kleid angezogen hast. Damit ist einmal mehr bewiesen, dass Frauen nur auf reiche Männer aus sind." "Ich habe das Kleid angezogen, um dir zu zeigen, dass meine ,Verpackung' durchaus einen zweiten Blick wert ist, anders gesagt, um dir zu zeigen, dass auch du dich irren kannst. Ich wollte dich von deinem hohen ROSS herunterholen, aber du sitzt zu fest im Sattel. Dein Selbstbewusstsein ist unerschütterlich." "Vielleicht hatte Tante Bessie Recht, und ich habe in dir eine ebenbürtige Gegnerin gefunden." Devon trank einen großen Schluck Champagner und nieste, weil ihr die Bläschen in die Nase stiegen. Dann sagte sie stolz:
"Mein Selbstbewusstsein ist verglichen mit deinem nur ein winziges Sandkorn neben einem Felsen. Würdest du mich jetzt bitte entschuldigen. Ich habe Besseres zu tun, als mit dir Beleidigungen auszutauschen." Sie wollte weggehen, trat dabei auf den Blumenstrauß, den sie vorhin hatte fallen lassen, und funkelte Jared an. Wag es bloß nicht, mich auszulachen, befahl sie im Stillen. "In einem hattest du allerdings Recht, Jared", sagte sie laut. "Ich hätte meinen Rückflug verpassen sollen." Dann bückte sie sich, hob die zerdrückten Blumen auf und ging zu ihrer Mutter, wobei ihr überdeutlich bewusst war, dass Jared ihr nachsah. Endlich verkündete der Butler, das Dinner sei im Festzelt serviert. Das Zelt war mit Dutzenden Blumengestecken geschmückt, ein Kammerorchester spielte fröhliche Weisen von Mozart. Devon sollte am Tisch des Brautpaars sitzen und stellte bestürzt fest, dass man sie zwischen Benson und Jared platziert hatte. Sie lächelte ihren frisch gebackenen Stiefvater an, obwohl ihr nicht nach Lächeln zu Mute war, und setzte sich. Ein Kellner stellte einen Teller mit Muscheln in Blätterteig vor sie. Sie betrachtete das Gericht, wünschte sich, sie hätte nicht schon Champagner getrunken, und fragte sich, wann sie die letzte richtige Mahlzeit zu sich genommen hatte. Es war schon lang her, zu lang. Ihr wurde schwindlig. Rasch bückte sie sich und ließ den ruinierten Blumenstrauß unter dem Tisch verschwinden. Sie wollte nie wieder eine Orchidee sehen - oder Muscheln ... Plötzlich spürte sie einen festen Griff um den Arm und wurde hochgezogen. "Alles in Ordnung mit dir?" erkundigte Jared sich schroff. Starr sah sie ihn an. "Mir geht es ausgezeichnet", erwiderte sie undeutlich. "Ich kann mich nur nicht erinnern, wann ich das
letzte Mal etwas Richtiges gegessen habe. Im Jemen, glaube ich. War das gestern?" Zuvorkommend reichte er ihr ein Brötchen. "Hier, iss erst mal das“ "Danke." Er winkte einen Kellner herbei und sagte etwas zu ihm. Kurz darauf wurden die Muscheln weggenommen und stattdessen eine Schale Kraftbrühe hingestellt. "Versuch das", sagte Jared. "Es wirkt Wunder." "Was du möchtest, bekommst du sofort", bemerkte Devon. "Iss die Suppe!" "Hauptsache, du möchtest mich nie! Okay?" "Tu, was ich sage, Devon!" "Du überhörst geflissentlich, was dir nicht passt, stimmt's?" erwiderte sie und aß einen Löffel Bouillon. Sofort breitete sich angenehme Wärme in ihr aus. Leise sagte Devon: "Du hast versucht, meine Mutter mit Geld abzufinden, falls sie auf die Hochzeit verzichtet." "Richtig." Dass er es nicht leugnete, machte sie wütend. "Das war ekelhaft von dir." "Nein, vernünftig. Warum beschwerst du dich überhaupt? Es hat doch nicht geklappt." "Weil sie zu den Frauen gehört, die man nicht kaufen kann. Hast du das nicht kapiert?" "Nein, ich denke vielmehr, es war ihr nicht genug." Zynisch verzog Jared die Lippen. "Scheidung kann sehr lukrativ sein." "Deine Einstellung ist verachtenswert, Jared." "Ach ja? Ich habe in den achtunddreißig Jahren meines Lebens einiges gelernt, Devon. Jeder Mensch ist käuflich." Er spießte eine Muschel auf die Gabel. "Meistens bekommt man freilich nicht das, wofür man bezahlt." "Ja, weil du dafür bezahlst", konterte Devon heftig.
"Hast du noch nicht bemerkt, dass alles im Leben mit einem Preisschild versehen ist?" Sie dachte an ihre Beziehungen zu Steve und zu Peter und sagte schärfer als beabsichtigt: "Natürlich habe ich das bemerkt. Du machst allerdings den Fehler, den Preis mit Geld gleichzusetzen. In Beziehungen geht es aber darum, Gefühle mit Gefühlen zu begleichen." "Ich habe kurz geglaubt... aber du bist auch nicht anders als die anderen Frauen, Devon." Kühl lächelte sie ihn an. "Weißt du, dass du mir gerade ein Kompliment gemacht hast?" "Wenn dir meine Komplimente schon gefallen, wie werden dich dann erst meine Küsse begeistern?" Beinah hätte Devon den Löffel fallen lassen. "Willst du Lisa eifersüchtig machen? Geht es dir darum?" "Lass Lisa aus dem Spiel!" erwiderte Jared schroff. "Dir liegt an Treue also ebenso wenig wie an Gefühlen", stellte Devon fest. "Und du stellst Vermutungen über Dinge an, die dich überhaupt nichts angehen." "Na gut. Hauptsache, du denkst daran, dass ich dich nichts angehe, Jared." "Darling", mischte Alicia sich plötzlich ein. "Mochtest du die Muscheln nicht?" Devon war klar, dass ihre Wangen vor Wut gerötet waren, und ihre Augen blitzten. Rasch antwortete sie: "Nicht so kurz nach dem Champagner, Mom." "Benson und ich haben gerade darüber gesprochen, wie sehr wir uns über Enkelkinder freuen würden", sagte Alicia schalkhaft. "Ach wirklich?" "Ich wünschte, du würdest dir einen anderen Job suchen, Darling. Weißt du, Jared, Devon ist fast nie zu Hause. Und wie
kann man sich verlieben, wenn man ständig in Borneo und Timbuktu ist?" "Mom, ich war noch nie in Timbuktu." "Sei doch nicht so pedantisch! Du weißt, was ich meine." "Mir gefällt mein Beruf", erklärte Devon. "Und wenn ich mich schon verlieben muss, kann ich das genauso gut in Arabien tun wie in Toronto." "Man kann doch keine Beziehung aufbauen, wenn man sich immer nur an Flughäfen trifft." Das meinte Alicia jetzt ernst. Devon sagte abweisend: "Dann müsst ihr euch wegen der Enkel an Jared wenden." "Jared denkt leider nicht an eine feste Beziehung", warf Benson ins Gespräch. "Lisa sieht heute übrigens ganz bezaubernd aus." "Es liegt nur daran, dass Frauen auch Karriere machen wollen", erklärte Alicia missmutig. "Zu meiner Zeit blieben sie zu Hause." Devon biss sich auf die Lippe. Ihre Mutter hatte sozusagen das Heiraten zum Beruf gemacht und mehr als ein Zuhause gehabt, aber es war nicht der geeignete Zeitpunkt, sie darauf hinzuweisen. Die Kellner räumten die Teller ab und servierten Schweinemedaillons, bei deren Anblick Devon flau wurde. Um sich abzulenken, fragte sie Benson nach seinen Pferden, und das Gespräch kam gut in Gang. Das Festessen, die Reden und den obligatorischen Brautkuss nahm Devon wie durch einen Schleier wahr. Sobald alles vorbei war, stand sie auf und suchte Patrick. Er stellte sie einigen seiner Freunde vor, und nun begann Devon, sich endlich zu amüsieren. Lachend tauschten sie Schauergeschichten über Auslandsreisen aus, als Jared zu ihnen kam. Wieder war Devon von seiner Ausstrahlung beeindruckt und ermahnte sich sofort, auf der Hut zu sein.
"Devon, wir sollen zusammen mit dem Brautpaar den Tanz eröffnen." Mit Jared tanzen? Lieber würde sie barfuß durch die Wüste marschieren! "Ich komme gleich zur Tanzfläche", versprach sie. "Nein, sofort!" Wenn sie keine Szene machen wollte, musste sie nachgeben. "Sie müssen nachher auch mit mir tanzen, Patrick", bat Devon und ging, den Kopf hoch erhoben, an Jared vorbei. Während sie den Rasen überquerten, legte Jared den Arm um sie, und ihr war, als würde die Berührung sie verbrennen. "Nur noch zwei Stunden, und der ganze Zirkus ist vorbei", sagte er schroff. "Keine Sekunde zu früh für mich." Für mich ebenfalls, bestätigte Devon im Stillen. Inzwischen war es dämmrig geworden, und das weiße Tanzzelt leuchtete geisterhaft unter den hohen Ulmen, umwunden von Efeu und erfüllt vom Duft der unzähligen Rosen, mit denen es geschmückt war. Drinnen glitzerten kleine Lichter an der Decke wie Sterne. Devon entspannte sich und vergaß, dass sie sich erst vor einer Minute gewünscht hatte, das Fest möge endlich zu Ende gehen. "O Jared, das ist ja zauberhaft", sagte sie leise und lächelte ihn an. Kurz presste er die Lippen zusammen, dann sagte er: "Lass uns tanzen." Er nahm sie so widerwillig in die Arme, als würde sie an einer ansteckenden Krankheit leiden. Auch Devon hasste jeden einzelnen Augenblick, obwohl Jared ein ausgezeichnete Tänzer war. Als der Walzer verklang und die Gäste applaudierten, erklärte sie kühl: "Damit habe ich meine Pflicht erfüllt. Danke für die Aufforderung." "Den nächsten Tanz tanzen wir zu unserem Vergnügen." "Es gibt kein ,wir', Jared!"
Nun stimmte die Band eine langsame, träumerische Melodie an. Devon versuchte, sich von Jared zu lösen, aber er umfasste sie fester, ließ eine Hand zu ihrer Hüfte gleiten und presste sie an sich. Dann schmiegte er die Wange in ihr Haar und begann zu tanzen. Mit einem Mal durchflutete unwiderstehliches Verlangen Devon. Sie begehrte Jared, sie wollte nackt an ihn geschmiegt daliegen und mit ihm die Freuden der Leidenschaft auskosten. Ihr Herz schlug schneller, als sie deutlich spürte, dass auch er nach ihr verlangte. Dabei hasste sie ihn doch und alles, was er repräsentierte! Wie konnte sie bloß daran denken, mit ihm ins Bett zu gehen? Bestürzt versuchte sie, ihn wegzuschieben, aber er umfasste ihr Kinn und neigte den Kopf, um sie zu küssen. Wie gebannt wartete Devon mit geschlossenen Augen und spürte den leichten Druck von Jareds Lippen auf ihren. Unwillkürlich öffnete sie sie und legte ihm die Arme um den Nacken. Jared flüsterte etwas, das sie nicht verstand, und ließ die Zunge über ihre Lippen gleiten. Von brennender Sehnsucht erfüllt, erschauerte Devon, als er sie leidenschaftlich küsste. Der Kuss dauerte nur kurz, aber ihr kam es wie Stunden vor. Schließlich hob Jared den Kopf. Seine Augen wirkten dunkel und unergründlich, und Devon hatte keine Ahnung, was jetzt in ihm vorging. Er ist ein völlig Fremder für mich, dachte sie panisch. Mehr noch: ein Gegner. Und sie hatte ihm Freiheiten erlaubt, die sie sonst selten einem Mann gestattete. Das musste sofort aufhören! Erstaunlich ruhig sagte sie: "Das wird mich lehren, keinen Champagner mehr auf nüchternen Magen zu trinken." "Soll das heißen, du küsst mich nur, wenn du beschwipst bist?" fragte Jared rau und lockerte den Griff. Rasch trat sie einen Schritt zurück und strich sich übers Haar. "Wir sollten uns nichts vormachen, Jared. Du magst mich
nicht, und ich mag dich nicht. Ich habe in den letzten zwei Tagen weniger als vier Stunden geschlafen und Hochzeiten vor allem die meiner Mutter - lassen bei mir sämtliche Sicherungen durchbrennen. Such du Lisa, und ich frage Patrick, ob er mit mir tanzt." "Ach so, du möchtest einen Mann, den du an der Leine führen kannst." "Ich möchte einen, der mich nicht bedrängt wie ein unerzogener junger Hund." "Weißt du, was du brauchst, Devon? Einen Mann, der dich zähmt und..." "Du denkst wohl, eine Frau, die dich ablehnt, sei nicht ganz richtig im Kopf?" unterbrach sie ihn. "Und ich bin genau der Richtige für diese Aufgabe", beendete Jared seinen Satz. "Geh und zähme Lisa! Oder sonst eine Frau hier, die dumm genug ist, sich dir auf zehn Meter zu nähern -, aber wage nicht noch einmal zu sagen, du wolltest mich zähmen -, als wäre ich nichts weiter als ein ungebärdiges Schoßhündchen! Weißt du, was dein Problem ist, Jared? Du bist nicht daran gewöhnt, dass eine Frau Nein zu dir sagt." Sie atmete tief durch. "Oh, da ist Patrick ja. Tschüs, Jared. Die Begegnung mit dir war sehr lehrreich. Und du kannst deinen letzten Dollar darauf wetten, dass ich dieses Jahr Weihnachten am Südpol verbringe." Sie verließ die Tanzfläche und ging zu dem Tisch, an dem Patrick und seine Freunde sich mit einem ausreichenden Vorrat an Wein niedergelassen hatten. Sie freuten sich, sie zu sehen, und als sie sich das nächste Mal umblickte, konnte sie Jared nirgends entdecken. Den bin ich glücklich los, dachte sie und hoffte, dass ihre Mutter und Benson nicht gesehen hatten, wie hingebungsvoll sie Jared geküsst hatte. Einen Moment lang überlegte Jared, ob er Devon folgen und sie vor den Augen aller Gäste so lange küssen sollte, bis sie nachgab. Und das würde er schaffen, denn er hatte beim
Tanzen gefühlt, wie sie unerwartet ihren Widerstand gegen ihn aufgegeben hatte. Ja, sie begehrte ihn ebenso sehr wie er sie. Und warum stand er dann jetzt allein mitten auf der Tanzfläche? War es eine ausgeklügelte Taktik von Devon, ihn gerade so weit zu reizen, dass er interessiert blieb, und sich dann zurückzuziehen? Oder wollte sie wirklich nichts mit ihm zu tun haben? Nein, sie hatte sich gern von ihm küssen lassen, darauf würde er jeden Eid schwören! Seine Schultern fühlten sich verspannt an, und er hatte, wie er plötzlich bemerkte, die Hände zu Fäusten geballt. Einige der Gäste sahen ihn schon neugierig an. Jared atmete tief durch und begab sich auf die Suche nach Lisa. Während der Feier hatte er sie bisher gemieden, als er aber nun auf sie zuging, lächelte sie ihn verführerisch an, und es hätte ein geschulteres Ohr als seins gebraucht, um Verärgerung aus ihrer Stimme herauszuhören. Ja, Lisa war eine sehr gute Schauspielerin, und er wusste ganz sicher, dass sie an ihm interessiert war. Verbissen bemühte er sich, sich zu amüsieren, aber es war ihm zu Mute, als würde Devon neben ihm stehen, jede seiner banalen Bemerkungen registrieren und zählen, wie oft Lisa ihn mit "Darling" ansprach. Es war ein Wort, das er hasste! Würde er jemals vergessen, wie begeistert Devon beim Anblick des Tanzzelts gewesen war? Und wenn sie das geheuchelt hatte, war sie eine noch bessere Schauspielerin als Lisa und hätte an deren Stelle am Broadway Karriere gemacht. "Zauberhaft" hatte Devon den Anblick genannt. Und ich war von ihr bezaubert, gestand Jared sich ehrlich ein. Er hatte sich vorgenommen, sie zu verführen, um ihr den Auftritt in dem aufreizendem Kleid heimzuzahlen. Als er sie aber während des Tanzens geküsst hatte, hatte er vergessen, dass er ihr eigentlich
eine Lektion erteilen wollte. Vielmehr hatte er sich sehnlichst gewünscht, Devon für sich zu gewinnen. Lisa legte ihm die Hand auf den Arm, und Jared versuchte, sich auf das Gespräch zu konzentrieren. Trotzdem schweiften seine Gedanken immer wieder ab. Wenn er eine Frau traf, die ihm gefiel, behielt er, so dachte er jedenfalls, stets die Kontrolle. Er bekam, was er wollte. Zu seinen Bedingungen. Lisa könnte er jederzeit haben. Zu seinen Bedingungen. Vielleicht wollte er Lisa deshalb nicht? Weil es zu einfach wäre? Seit zwei Jahren gingen sie miteinander aus, aber nicht ins Bett. Es hatte immer einen guten Grund gegeben, diesen Schritt aufzuschieben - plötzliche Reisen ins Ausland, Krisen in der Firma, Probleme auf dem Aktienmarkt. Nein, keine Gründe, sondern Ausreden, dachte Jared wütend. Ausflüchte, um die unangenehme Wahrheit zu verschleiern, dass etwas, was so leicht zu bekommen war, den Besitz nicht lohnte. Außerdem sagte ihm sein Gefühl, dass Lisa im Bett zwar geschickt, aber leidenschaftslos sein würde. Ihr ging es nicht um ihn, sondern um sein Geld. Der Ruhm einer Bühnenschaupielerin war vergänglich, und sie eignete sich nicht zum Filmstar, deshalb strebte sie nach finanzieller Sicherheit und einem Platz in der Gesellschaft. Als seine Frau wäre ihr beides beschieden. Deshalb spielte sie ihre Karten geschickt aus, bedrängte ihn nicht und wartete darauf, dass er eines Tages seine Meinung bezüglich einer festen Bindung mit ihr ändern würde. Seit er Devon getroffen hatte, war es allerdings äußerst unwahrscheinlich, dass er jemals daran denken würde, Lisa zu heiraten. Devon war nicht einfach zu haben. Sie besaß ein hitziges Temperament, was sie nicht einmal zu verbergen versuchte, eine messerscharfe Zunge ... und einen traumhaften Körper. Sie hatte behauptet, ihr liege nichts an seinem Geld.
Na klar, das musste sie ja sagen, dachte er. Aber niemand konnte unbeeindruckt von einem so riesigen Vermögen sein. Nicht einmal Devon. Je eher er sie vergaß, desto besser! Nachdem er diesen Entschluss getroffen hatte, tanzte Jared mit Lisa und anderen Frauen, er sorgte dafür, dass eine große Anzahl leerer Blechdosen an die Stoßstange der Limousine gebunden wurden, mit der Alicia und Benson in die Flitterwochen starteten, und er winkte gemeinsam mit den Gästen dem Brautpaar nach, als es schließlich losfuhr. Während er Devon so flüchtig betrachtete, als wäre sie nur irgendein Gast, neigte er den Kopf, um zu hören, was Lisa ihm sagte: "Darling, hättest du etwas dagegen, wenn ich hier übernachte? Ich möchte nicht mit den Westens zurückfahren. Sie sind grässlich langweilig." "Fahr trotzdem", erwiderte Jared beiläufig. "Ich muss morgen sehr früh aufstehen und nach Tokio fliegen." Einen Augenblick lang meinte er, Wut in ihren blassblauen Augen aufblitzen zu sehen, dann sagte Lisa: "Wie du meinst. Wir sehen uns aber doch so selten." "Ich bin in vier oder fünf Tagen wieder zurück." "Gut, dann treffen wir uns am Freitag in New York im Plaza zum Abendessen. Um die übliche Zeit an unserem üblichen Tisch." Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf den Mund. Jared empfand nichts dabei. Absolut nichts. Was war nur mit ihm los? Die meisten Männer hätten sonst etwas dafür gegeben, von der schönen und berühmten Lisa Lamont geküsst zu werden, doch er wünschte sich nur, sie würde endlich gehen. Er benötigte zehn Minuten, um sie und das Ehepaar Weston zu deren Auto zu bringen, sie zu verabschieden und ihnen nachzuwinken. Dann belegten ihn andere Gäste mit Beschlag,
und als er die endlich losgeworden war, eilte er zum Tanzzelt. Die Band spielte jetzt laute Rockmusik, und er konnte Devon nirgendwo entdecken. Patrick und seine Freunde sahen aus, als wollten sie die ganze Nacht durchmachen. Bei seinen seltenen Abstechern in die Zivilisation neigte Patrick dazu, ausgiebig zu feiern. Jared ging zu seinem Cousin und fragte ihn, ob er wisse, wo Devon sei. "Die habe ich zuletzt beim Tanzen mit Gerry gesehen. Mehr kann ich dir leider auch nicht sagen, alter Junge." Jared sah überall nach, obwohl ihm klar war, dass seine Suche hoffnungslos war. Devon hatte in den vergangenen Tagen wenig geschlafen und war vermutlich in ihr Zimmer gegangen, da das Fest ohnehin so gut wie vorbei war. Weshalb hätte sie ihm, Jared, Gute Nacht wünschen sollen? Sie hatten sich vom ersten Moment an doch nur gestritten. Vielleicht war Devon bereits nach Toronto zurückgefahren? Immerhin hatte sie sich von ihm schon im Tanzzelt verabschiedet. Dabei hatten ihre blauen Augen gefunkelt wie der Opalanhänger an ihrer Kette. Jared eilte zur Vorderseite des Hauses und stellte fest, dass das rote Kabrio noch dort stand. Flüchtig legte er die Hand auf das Autodach, als könnte er dadurch etwas über dessen Besitzerin erfahren. Dann schüttelte er, über sich entsetzt, den Kopf, nahm die Krawatte ab und lief, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Freitreppe hinauf.
4. KAPITEL Devon putzte sich die Nase, wischte sich die Tränen von den Wangen und strich der Stute noch einmal über die Stirn. "Danke, altes Mädchen!" Dann verließ sie den Stall und verabschiedete sich am Tor vom Wachmann, der sie ohne Schwierigkeiten eingelassen hatte, da sie ja jetzt die Stieftochter des Besitzers war. Draußen hörte sie die Musik vom Tanzzelt her. Devon lehnte sich an den Zaun und blickte starr vor sich hin auf den sauber geharkten Reitplatz. Seit Alicias Ehe mit dem britischen Earl hatte sie, Devon, viel Trost aus dem Umgang mit Pferden geschöpft. Damals war sie auf eine schreckliche Schule geschickt worden, wo man sie wegen ihres kanadischen Akzents und ihres Mangels an Weltgewandtheit ausgelacht und zur Außenseiterin gestempelt hatte. Abends jedoch gab ihr der Stallmeister des Earls Unterricht im Reiten und Springen, wofür sie ein angeborenes Talent besaß. Er lehrte sie auch, jedes Tier als Individuum zu behandeln, das ihr etwas zu geben hatte. Die Beschäftigung mit den Pferden hatte ihr das seelische Gleichgewicht bewahrt, auch nachdem es sie nach Texas verschlagen hatte, wo Alicia den Ölbaron heiratete, der ebenfalls Pferde besaß. Die Tiere schenkten ihr, Devon, bedingungslose Zuneigung, und das half ihr, die erdrückende Einsamkeit zu ertragen, die ihr Leben, wie sie jetzt wusste, lange Zeit geprägt hatte.
Nachdem Devon an diesem Abend das Tanzzelt verlassen hatte, war sie zu erschöpft gewesen, um an Schlaf zu denken. Sie ging in ihr Zimmer, zog sich Jeans und ein altes T-Shirt an und flüchtete sich in den Stall, nur um den tröstlichen Duft des Heus zu atmen und den Pferden die samtweichen Nüstern zu streicheln. Warum sie dabei geweint hatte, wusste sie nicht. Wahrscheinlich lag es an der Hochzeit, auf keinen Fall an Jared. Devon richtete sich auf. Sie war noch immer zu ruhelos, um ins Haus zu gehen. An Jared würde sie aber nicht denken, o nein! Seine erotische Ausstrahlung hatte sie zwar kurz schwach werden lassen, aber seine Einstellung zu Frauen im Allgemeinen und Alicia und ihr, Devon, im Besonderen, ließ sie schaudern. Langsam ging sie zum Rosengarten hinüber. Nur noch einige Momente des Alleinseins, und sie würde bereit sein, ins Bett zu gehen. "Hier bist du also!" Sie wirbelte herum und sah einen Mann aus dem Schatten der Rhododendren neben dem Stall treten. Jared! Wer sonst? Das Licht, das aus dem Stallfenster fiel, ließ seine Züge wie gemeißelt aussehen. "Ich bin müde und gehe jetzt ins Haus", verkündete Devon scharf. "Du gehst in die falsche Richtung." Das klang spöttisch. "Warst du im Stall?" "Riecht man das aus der Entfernung?" erwiderte sie ironisch. "Tut mir Leid. Französisches Parfüm ist wohl eher nach deinem Geschmack." Jared kam näher und blieb so dicht vor ihr stehen, dass sie ihn hätte berühren können. Rau bemerkte er: "Du hast geweint." "Nein, das habe ich nicht."
Plötzlich sah er wütend aus. "Hat jemand dich gekränkt, dir wehgetan?" "Dein Vater hat meine Mutter geheiratet. Das ist doch zum Heulen, oder?" konterte sie sarkastisch. Jared lachte und sah nun jünger und noch attraktiver aus. "Ich kenne ein perfektes Mittel gegen die Nachwirkungen von zu viel Hochzeit." "Wie stehen wohl die Chancen, dass meine Mutter diesmal glücklich wird?" fragte Devon bedrückt. "Ist das abschreckende Beispiel deiner Mutter der Grund dafür, dass du einen Job hast, der sich mit einer engen Beziehung nicht vereinbaren lässt?" erkundigte er sich. "Verwandelst du dich um Mitternacht immer in einen Seelenklempner?" Wieder lachte er, und seine weißen Zähne blitzten. "Du hast mich noch nicht nach dem Mittel gegen Hochzeitsnachwirkungen gefragt." "Ich traue mich nicht", erwiderte sie und sah ihn finster an. "Es ist ein ganz einfaches Hausmittel. Ich bin hungrig, trotz der Delikatessen und des Hochzeitskuchens. Jetzt könnte ich einen deftigen Hamburger vertragen. Was hältst du davon, wenn wir beide die Küche plündern?" Unwillkürlich lächelte Devon. "Meinst du das ernst?" "Ja, Gnädigste!" Er nahm sie bei der Hand. "Komm mit." Beim Zubereiten von Hamburgern gerate ich bestimmt nicht wieder in eine verfängliche Situation, sagte Devon sich. Hackfleisch und Erotik waren unvereinbar. Jared führte Devon durch den Seiteneingang ins Haus und einen Flur entlang in die Küche, die wie ein Ausstellungsraum für modernste Kochutensilien aussah. "Deine Mutter möchte hier Vorhänge mit Rüschen aufhängen", bemerkte Jared.
"Sie liebt Rüschen", bestätigte Devon trübsinnig. "Du hättest das Schloss des englischen Earls sehen sollen, nachdem sie vier Jahre dort gewohnt hatte." "Spitzengardinen am Fallgatter?" "Und geblümter Chintz an der Verliestür. Weißt du was, Jared? Ich habe auch Hunger. Wo sind die Zwiebeln?" Die Hamburger schmeckten großartig, und nach dem letzten Bissen seufzte Devon zufrieden. "Mein Cholesterinspiegel ist jetzt wahrscheinlich haushoch, aber ich fühle mich wesentlich besser." Jared hatte einen Fettfleck auf dem Hemd, und das ließ ihn irgendwie menschlicher erscheinen. Da er innerhalb der vergangenen sechzig Minuten nicht versucht hatte, sie zu berühren, war sie nicht alarmiert, als er ein Blatt von der Küchenrolle abriss und sagte: "Halt mal still, du hast Ketchup am Kinn." "Nur Ketchup, keinen Käse oder Zwiebeln?" Er wischte ihr das Kinn ab, dann zog er mit der Fingerspitze die Konturen ihres Munds nach. "Du bist wunderschön", bemerkte Jared heiser. Jetzt müsste ich aufstehen und weglaufen, dachte Devon. Laut fragte sie: "Obwohl ich uralte Jeans trage und meine Frisur eine Katastrophe ist?" Eindringlich betrachtete er sie. Ihr Haar war tatsächlich zerzaust, zu den Jeans trug sie ein eng anliegendes T-Shirt, das ihre Brüste betonte, und sie war barfuß in den flachen Sandalen. "Du würdest mit einem Kartoffelsack als Kleid noch zehn Mal besser aussehen als alle anderen Frauen auf der Hochzeitsfeier heute", meinte er schließlich. "Sieh mich nicht so an. Das macht mich ganz unsicher", sagte sie leise. Er zog sie vom Stuhl hoch und küsste sie fordernd. Sie stöhnte vor Lust, und die Gedanken an Flucht waren wie weggeblasen, als brennendes Begehren sie durchflutete.
Hingebungsvoll erwiderte sie den Kuss, während Jared ihre Brüste umfasste, und sehnte sich danach, seine Haut an ihrer zu spüren. Unvermittelt hob er sie hoch und trug sie aus der Küche. Devon spürte sein Herz wie wild pochen. "Lass mich runter, Jared." Er stieg die Hintertreppe hoch. "Pass auf deine Ellbogen auf, die Treppe ist schmal." "Du sollst mich runterlassen! Wohin bringst du mich?" "Ins Bett natürlich." "Das können wir nicht tun, Jared!" "Was sollte uns denn abhalten?" Sie wand sich in seinen Armen und fühlte sich hilflos wie ein Fisch am Haken. "Wir können uns doch gegenseitig nicht leiden!" "Dir wird trotzdem gefallen, was wir miteinander tun", versprach Jared ihr zuversichtlich. Inzwischen waren sie in einem langen Flur angelangt, an dessen Wänden alte Drucke mit Jagdszenen hingen. Hier bin ich anscheinend in einem anderen Flügel des Hauses, dachte Devon verwirrt. "Wir gehen doch nicht etwa ..." "Wir sind fast da", sagte Jared und drückte mit dem Ellbogen eine Klinke herunter. Die Tür schwang auf, und man sah eine Suite, deren Fenster auf die Koppeln und den Wald hinausgingen. Mit dem Fuß stieß Jared die Tür zu, dann stellte er Devon auf den Boden und küsste sie leidenschaftlich. Ihr wurde schwindlig vor Verlangen, während Jared ihr die Hände über den Rücken gleiten ließ. Unwillkürlich schmiegte sie sich eng an ihn und legte ihm die Arme um den Nacken. "Sag mir, dass du mich begehrst, Devon", flüsterte Jared an ihren Lippen. Widerstrebend löste sie sich von ihm. "Natürlich begehre ich dich, aber..."
"Ich will dich auch. Mehr, als ich sagen kann. Diese Nacht gehört uns, Devon. Es gibt kein Gestern, kein Morgen, nur heute Nacht." Langsam ließ sie den Blick über sein Gesicht gleiten und fragte sich, ob sie diesen Mann jemals würde ergründen können, der sie wie magisch anzog und ihr zugleich als ein unbekannter, erschreckender und feindseliger Gegner erschien. Geh mit ihm ins Bett, das ist die beste Methode, einen Mann wirklich kennen zu lernen, flüsterte eine innere Stimme ihr zu. Nein, lauf davon, so schnell du kannst, meldete sich eine andere zu Wort. Devon dachte daran, dass sie sieben Jahre zuvor geschworen hatte, sich nie mehr mir einem Mann einzulassen, und es seitdem auch nicht mehr getan hatte. Ja, Jared war umwerfend und brachte ihre Sinne in Aufruhr, aber das war nur körperlich bedingt. Eine Frage der Hormone. Jared stand so dicht vor Devon, dass sie seine Wimpern hätte zählen können. Seine Hände lagen auf ihren Schultern, und Wärme durchflutete sie. Er war unwiderstehlich. Wann hatte jemals ein Kuss in ihr so verzehrende Leidenschaft geweckt? Plötzlich wurde ihr klar, dass sie trotz ihrer vielen Reisen ein sicheres Leben führte, seit Steve sie so schmerzlich getäuscht hatte. Sie hatte alle auf Abstand gehalten, Beziehungen gemieden, ihre Gefühle beherrscht: Kurz gesagt, sie war kein Risiko eingegangen - was Männer betraf. Ich habe mich hinter einem Schutzwall verschanzt, aber Jared hat die Befestigungen im Sturm überrannt, dachte sie. "Ich werde gut zu dir sein, Devon, das verspreche ich dir." Es klang beinah ungeduldig. "Und wenn ich jetzt gehen möchte, würdest du mich aufzuhalten versuchen?" "Gewalt und Zwang liegen mir nicht." War er jetzt gekränkt? Nein, nicht Jared! "Ich bin wirklich nicht hinter deinem Vermögen her", versicherte sie ihm.
"Hier geht es um Sex, Devon, nicht mehr und nicht weniger. Zwischen dir und mir sprühen Funken. Ich weiß nicht, warum, und es ist mir auch gleichgültig. Glaub mir aber bitte, dass ich sonst nicht so direkt, sondern subtiler bin." Devon respektierte ihn dafür, dass er so schonungslos ehrlich war - und dass er ihr die Entscheidung überließ, denn das war aus seinen Worten herauszuhören. Was sollte sie tun? Mit einem Mal wurde ihr klar, dass sie es leid war, auf Gefühle zu verzichten. Sie hob die Hand zu seinem Gesicht und strich ihm sanft über die markanten Wangenknochen, das kantige Kinn und die warmen Lippen. Hitze durchströmte sie, und dann zog sie seinen Kopf zu sich und küsste ihn so ungehemmt, wie sie es nicht für möglich gehalten hätte. Einen Moment lang blieb Jared so regungslos stehen, als wäre er völlig überrascht, dann zog er sie an sich und erwiderte den Kuss fordernd und stürmisch. Devon stöhnte leise. Sie gab sich den Empfindungen ganz hin, die sie jahrelang unterdrückt hatte. Schließlich hob Jared den Kopf und löste ihr aufgestecktes Haar, so dass es ihr locker auf die Schultern fiel. Er zog ihr das T-Shirt aus und streifte ihr den BH ab, den er achtlos zu Boden fallen ließ. Dann berührte er ihre Brüste und streichelte sie, bis die Spitzen hart wurden. Devons Atem ging schneller. Im sanften Mondlicht, das durch die Fenster fiel, wirkten Jareds Augen dunkel und unergründlich wie zwei tiefe Brunnen. Wer in einen Brunnen fällt, ist verloren, ging es Devon durch den Kopf, aber bevor Panik sie überwältigen konnte, knöpfte sie Jared das Hemd auf und strich ihm über das raue Haar auf der muskulösen Brust. Ungeduldig zog er das Hemd aus und warf es zu ihren Sachen auf den Boden. Sie schmiegte sich an ihn, und die Berührung ließ sie lustvoll erschauern.
Er umf asste ihre Brust und umspielte die Knospe mit der Zunge, bis Devon sich fragte, ob man vor Lust vergehen könne. Sie presste seinen Kopf an sich und schmiegte die Wange in sein Haar, ihr Körper wurde von süßen Empfindungen durchströmt. Noch nie war sie so erregend liebkost worden. Sie sehnte sich danach, sich mit Jared zu vereinen und ihm ebenso viel sinnliche Freuden zu schenken wie er ihr - und jeden einzelnen Moment zu genießen. Jared streifte ihr die Jeans ab und presste Devon so eng an sich, dass sie deutlich spürte, wie erregt er war. "Komm ins Bett", sagte er heiser und hob sie wieder auf die Arme. Devon flüsterte: "Ich begehre dich so sehr, dass ich kaum atmen kann." Er trug sie ins Schlafzimmer hinüber, durch dessen Fenster das Mondlicht flutete. Dann lag sie auf dem Bett, Jared auf sich, und er bedeckte ihre geschlossenen Lider, ihren Hals und ihre Brüste mit heißen Küssen. Endlich streifte er ihr langsam den Slip ab und streichelte die seidenweiche Haut an der Innenseite ihrer Schenkel und schließlich ihre empfindsamste Stelle. Devons Erregung wuchs ins Unermessliche. Ungeduldig öffnete sie seinen Gürtel, und Sekunden später war auch Jared nackt. "Du bist umwerfend", flüsterte sie bewundernd. "Berühr mich", bat er und schob ihre Hand über seinen flachen Bauch und immer tiefer. Als sie ihn liebkoste, stöhnte er erfreut, und nun wusste sie, dass sie keine Hemmungen zu haben brauchte. Sie kniete sich über ihn und vereinigte sich mit ihm. Sie fand es herrlich, ihn endlich in sich zu spüren. "Das geht mir zu schnell", sagte Jared leise und drehte sich mit ihr auf die Seite. "Ich möchte, dass du ..." Sie umschlang ihn mit den Beinen, weil sie ihn noch tiefer in sich spüren wollte. "Nein ... jetzt ... sofort." Sie stöhnte. "Bitte, Jared."
Endlich gab er alle Zurückhaltung auf, und sie liebten sich leidenschaftlich, bis Devon einen Höhepunkt erlebte, wie sie ihn noch nie erfahren hatte. "Ja, Jared, ja!" rief sie und spürte, dass auch er den Gipfel der Ekstase erlebte. Danach lagen sie eng umschlungen da, und sie fühlte sein Herz wie wild pochen. Nun wusste sie, was es bedeutete, sich mit einem Mann wirklich zu vereinigen. Seltsam, dass sie so lange gebraucht hatte, um es herauszufinden. "Devon", sagte Jared unsicher. "War es schön für dich?" . "Schön? Nein." "Das tut mir Leid. Ich hatte lange nicht ... ich war zu schnell..." Sie lachte zärtlich. "Schön ist nicht das richtige Wort, weil es mehr als schön war. Es war herrlich, es war hinreißend, ich fühle mich großartig, und mir fehlen die richtigen Worte." Eng schmiegte sie sich an ihn und küsste ihn lang. Er erwiderte den Kuss hingebungsvoll, und sie merkte, dass sie durchaus wieder von ihm hingerissen werden wollte. "Wir könnten es noch mal tun", flüsterte sie an seinen Lippen. "Wenn du möchtest." "Mit Vergnügen", erwiderte Jared und lächelte so jungenhaft, dass eine Welle der Zärtlichkeit sie durchflutete. "Ist es bei dir auch schon eine Weile her, dass du ..." "Ja. Sieben Jahre, um genau zu sein." Er legte sich auf sie, die Ellbogen neben ihr aufgestützt. "Du möchtest also wirklich noch mal?" Sie ließ die Hände über seinen Rücken gleiten. "Dass du es möchtest, fühle ich deutlich." "Ja, das lässt sich schwer verbergen." Jetzt lächelte er nicht mehr. "Du gibst mir das Gefühl, als hätte ich das noch nie getan", gestand er zögernd. "Was ist so Besonderes an dir, das dich von anderen Frauen unterscheidet?" Devon wollte jetzt nicht an die anderen Frauen denken, die Jared geliebt hatte und noch lieben würde. Sie legte ihm einen
Finger auf die Lippen. "Sag nichts", bat sie leise. "Worte sind überflüssig. Heute Nacht gehören wir einander, Jared. Nur diese eine Nacht. Liebe mich ... und lass mich dich lieben." Sanft küsste er sie auf die Stirn, dann auf die Wangen und ließ schließlich die Lippen ihren Hals entlanggleiten. Sie streichelte Jareds muskulösen Rücken und die breiten Schultern, während sie den Duft seiner Haut einatmete. Jared liebkoste sie erregend, bis sie vor Lust stöhnte. Dann stand er auf und hob sie vom Bett. Er trug sie zum Spiegel und stellte sie dort auf den Boden, wobei er sie von hinten umarmte. Devon erkannte ihr Spiegelbild beinah nicht wieder: Ihre helle Haut schimmerte, ein Kontrast zu seinen sonnengebräunten Armen. Er umfasste ihre Brüste und schmiegte das Gesicht in ihr seidiges Haar. Sie wandte sich ihm zu und küsste ihn, bis ihr der Atem verging. Wieder liebkoste er sie mit den Lippen, bis sie es vor Verlangen nicht mehr aushielt, und endlich trug er sie zum Bett zurück. Nun erforschte sie langsam seinen Körper mit Lippen und Händen, und dass er - ein stolzer und eigenwilliger Mann - ihr das erlaubte, empfand sie wie ein Geschenk. Und auch sie schenkte sich ihm, schenkte ihm so viel Freude, wie er ihr gab. Als er sich endlich erneut mit ihr vereinigte, wusste sie, dass er zugleich siegte und besiegt war - ebenso wie sie. In völligem Einklang liebten sie sich, bis sie gemeinsam den Höhepunkt erlebten - und den Frieden danach. Wir sind einander ebenbürtig, dachte Devon glücklich. Wirkliche Partner. Sie umarmte Jared, schloss die Augen und schlief befriedigt ein.
5. KAPITEL Als Devon aufwachte, war es noch dunkel. Sie lag still da und blickte durchs Fenster auf das Laub der Bäume, das im Mondlicht glänzte. Wo war sie? Plötzlich bemerkte sie den Druck einer Hüfte gegen ihre, das muskulöse Bein, das über ihrem lag, den Atem an ihrer Wange. Ich liege neben Jared, dachte Devon entsetzt und war schlagartig hellwach. Starr blickte sie ihm ins Gesicht und hoffte, er würde irgendwie verschwinden und sie in ihrem Bett aufwachen und feststellen, dass es nur ein Traum gewesen war. Traum oder Albtraum? Sie war nur wenige Stunden nach dem Kennenlernen mit einem Mann ins Bett gegangen, der alle Frauen - und ganz besonders sie selbst - als raffgierige Opportunistinnen einschätzte und verachtete. Mit einem Mann, der jetzt ihr Stiefbruder war und dem sie immer wieder im Familienkreis begegnen würde, solange Alicias fünfte Ehe dauerte. Beinah hätte Devon hysterisch gelacht. Zum ersten Mal war sie für Scheidung. Je eher, desto besser. Wie konnte ich nur so dumm, so kurzsichtig ... und so hemmungslos sein? fragte sie sich. Sie wagte nicht an das zu denken, was sie und Jared kurz zuvor in diesem Bett erlebt hatten - denn dann wäre sie verloren!
Sie musste weg, und zwar schnell. Falls Jared aufwachte und sie nur ein einziges Mal küsste, würde sie sich ihm wieder hingeben. Vorsichtig zog sie ihr Bein unter seinem hervor und schob sich zur Bettkante. Er bewegte sich und murmelte etwas. Devon blieb regungslos liegen und hielt den Atem an, bis sie sicher war, dass Jared weiterschlief. Sie setzte sich auf, und beim Anblick ihrer Sachen, die zerknüllt auf dem Boden lagen, wurde sie rot, und Verlangen regte sich erneut in ihr. Hör auf! befahl sie sich streng. Sie durfte jetzt nicht daran denken, wie herrlich es gewesen war, Jared zu lieben - nicht, bevor sie kilometerweit von ihm und The Oaks entfernt war. Endlich stand sie auf, ging auf Zehenspitzen durch den Kaum und hob ihre Kleidung auf. Nackt eilte sie ins Wohnzimmer und zog sich die Jeans und das T-Shirt an. Die Schuhe und die Unterwäsche in der Hand, kam sie sich vor wie eine Figur in einer französischen Boulevardkomödie, während sie sich hinausschlich. Statt die Treppe zur Küche zu benutzen, ging sie den Flur entlang und kam in eine Diele, von der aus sie den Weg zu ihrem Zimmer kannte. Dort angekommen, warf sie ihre Sachen hastig in den Koffer. Wo waren die Autoschlüssel? Ihre Hände wurden eiskalt, und einen Moment lang konnte sie keinen klaren Gedanken fassen. Dann entdeckte sie den Schlüsselbund auf dem Schreibtisch und nahm ihn aufatmend an sich. Mit dem Koffer in der Hand öffnete sie vorsichtig die Tür und sah hinaus. Niemand war in der Diele! Devon hatte befürchtet, Jared würde draußen stehen und ihr den Weg versperren. Rasch eilte sie nach unten, entriegelte die Tür und verließ das Haus. Ihr Auto stand noch da, wo sie es am Vortag geparkt hatte - vor weniger als vierundzwanzig Stunden. Ihr kam es wie eine halbe Ewigkeit vor.
Der Koffer schlug ihr gegen das Knie, während sie zum Auto lief. "Kann ich Ihnen behilflich sein?" fragte jemand. Beinah hätte Devon erschrocken aufgeschrien, dann sah sie den Wachmann, der sie am Tag zuvor in den Stall gelassen hatte, näher kommen. Sie zwang sich, einen kühlen Kopf zu bewahren, und sagte ruhig: "Ich bin froh, Sie hier zu sehen. Ich muss einen frühen Flug von Toronto aus erreichen, hatte gestern jedoch zu viel Champagner getrunken, um noch abends loszufahren. Brauche ich einen Passierschein, um das Grundstück verlassen zu können?" "Nein, nicht nötig, Miss. Ich rufe den Wachmann am Tor an und sage ihm, dass Sie Mr. Holts Stieftochter sind." "Danke!" "Gute Reise, Miss." Am dem großen, schmiedeeisernen Tor winkte Devon dem dort postierten Wachmann zu, verließ das Grundstück und gab auf der Straße Gas. Zwei Stunden später betrat sie ihr Apartment in Toronto, verriegelte die Tür und stellte den Koffer ab. Sie war zu Hause - in Sicherheit. Plötzlich fühlte Devon sich völlig erschöpft. Müde trug sie den Koffer ins Schlafzimmer, einen luftigen, mit hellen Möbeln eingerichteten Raum, dessen riesige Fenster einen Ausblick auf den Ontariosee boten. Warum hatte ich solche Angst, dass Jared mir folgen könnte? fragte sie sich. Er würde ihr doch nicht um Mitternacht auf den Landstraßen nachrasen. O nein! Er hatte gesagt, er wolle nur eine Nacht mit ihr verbringen. Kein Morgen. Und nur Sex, nicht mehr - aber auch nicht weniger. Sie hatte den leidenschaftlichen Sex im Stillen als Lieben bezeichnet, statt ihn beim richtigen Namen zu nennen: ins Bett hüpfen, ein One-Night-Stand. Devon wurde rot und presste die Hände an die heißen Wangen. Wenn sie doch nur die
vergangenen zwölf Stunden ausradieren könnte! Warum war sie nicht im Jemen geblieben? Dann hätte sie Jared nicht kennen gelernt und wäre nicht, ganz durcheinander von der Reise und dem Stress durch die Hochzeit ihrer Mutter, mit ihm willig ins Bett gestiegen. Ich habe meine Prinzipien verraten, dachte Devon und fühlte sich billig. Und das alles nur, weil ein unwiderstehlich attraktiver Mann sie geküsst und in sein Bett getragen hatte. Wie konnte ich nur? fragte sie sich schockiert. Jared wachte auf, weil ihm die Sonne ins Gesicht schien. Ihm war kalt, und er streckte die Hand nach Devon aus, um ihren warmen Körper an sich zu ziehen, fand aber nur zerknüllte Laken. Rasch öffnete er die Augen und stellte fest, dass er allein im Bett lag. Leise fluchend setzte er sich auf und war sofort hellwach. Aus dem Bad hörte er nichts. Ihre Sachen waren vom Fußboden verschwunden. Jared stand auf und zog die Hose an. Vielleicht war Devon in die Küche gegangen, um sich etwas zu essen zu machen, ohne ihn wecken zu wollen. Natürlich, das war es! Gestern Abend hatte sie den Hamburger, wie er amüsiert beobachtet hatte, mit großem Appetit genossen. Lisa hätte sich niemals dabei ertappen lassen, wie sie sich Senf von den Fingern leckte. Im Erdgeschoss ging Jared in einen der Salons auf der Vorderseite des Hauses und zog die Vorhänge zurück. Devons rotes Kabriolett stand nicht mehr vor dem Eingang. Sie war tatsächlich weggefahren. Irgendwann nachts war sie aufgestanden, ohne ihn zu wecken, und hatte The Oaks verlassen. Üblicherweise wachte er beim geringsten Geräusch auf - aber nichts war letzte Nacht wie üblich gewesen. Langsam, wie unter einem Schock stehend, ging er in sein Zimmer zurück.
Nur diese eine Nacht, kein Gestern, kein Morgen - das hatte er Devon als Bedingung gestellt. Von einer halben Nacht hatte er nicht gesprochen. Wie hatte Devon es wagen können, ihn zu verlassen, bevor es wenigstens dämmerte? Ohne sich zu verabschieden. Plötzlich blickte er hoffnungsvoll zum Nachttisch. Nein, keine kurze Notiz, kein Zettel mit Adresse und Telefonnummer! Devon war spurlos verschwunden. Ihm blieb nur die Erinnerung an ihr Lachen, ihre strahlenden Augen, ihren herrlichen Körper. Noch nie war er bisher von einer Frau so überwältigt gewesen, dass er seine Regeln vergessen hätte, all die ausgeklügelten Züge in dem Spiel namens Verführung. Von dem Augenblick an, als er Devon in dem türkisfarbenen Kleid gesehen hatte, hatte er sie besitzen wollen. Darüber hinaus hatte er sich keine Gedanken gemacht. Warum auch? Er hatte es bislang ja nie getan. In der Hitze des einen Wortgefechts hatte er ihr gesagt, er wolle und würde sie zähmen. Dann hatten sie sich ungehemmt und wild geliebt, was zumindest für ihn völlig untypisch war. Er wusste nicht, wie Devon sonst war. Vor vierundzwanzig Stunden hatte er sie nicht einmal gekannt. Rache, darauf war er aus gewesen. Deutlich erinnerte er sich an Devons triumphierendes Lächeln, als sie sich ihm in dem Aufsehen erregenden türkisblauen Kleid präsentierte: kein Aschenputtel mehr, wie er zuerst gedacht hatte, sondern eine strahlend schöne Frau. Hatte er sie nur deshalb verführt, um es ihr heimzuzahlen? Nein, jetzt, in der Kühle des Morgens, glaubte er es nicht. Er hatte Devon verführt, weil er nicht anders konnte. Er mochte sie. Wie bitte? fragte Jared sich bestürzt. Er begehrte sie, das war alles.
Nein, ich mag und begehre sie, verbesserte er sich dann. Ihre Intelligenz hatte ihn fasziniert, ihr lebhaftes Temperament hatte er erfrischend gefunden, ihr Humor hatte ihn amüsiert. Ja, er schätzte sie und empfand Zuneigung für sie - und nie gekannte Leidenschaft. Er musste völlig den Verstand verloren haben! Das kam der Sache schon näher. Er hatte den kühlen, analytischen Verstand verloren, auf den er so stolz gewesen war. Devon hatte ihn verhext. Verführt. Verzaubert. Und verlassen, ohne ein Wort des Abschieds. Wahrscheinlich, um sich für seine anfangs geringschätzige Meinung von ihr zu rächen. Oder konnte es sein, dass ihr die leidenschaftlichen Stunden nicht gefallen hatten? War er so langweilig gewesen, dass sie auf eine Wiederholung gern verzichtete? Er hatte nicht mehr an seine ausgeklügelte Technik gedacht, die sicherstellte, dass auch die Frau auf ihre Kosten kam, denn darauf achtete er. Technik? Das war das falsche Wort in Bezug auf Devon. Sie hatte in ihm eine so brennende Leidenschaft entfacht, dass Regeln und Taktik unsinnig geworden waren - und Beherrschung ein Ding der Unmöglichkeit. Vielleicht hatte Devon ihm etwas vorgespielt? War das lustvolle Stöhnen nur Theater gewesen, die Hingabe nur vermeintlich? Was wusste er über sie? Nichts. Womöglich hatte sie jede Woche einen neuen Liebhaber. Aber ihre Augen, diese wunderbaren, leuchtend blauen Augen konnten nicht gelogen haben. In ihnen hatte sich Freude und Zärtlichkeit gespiegelt. Oder konnte eine Frau auch das heucheln? Verzweifelt verdrängte Jared die Erinnerungen, die ihn nun überfielen: an ihre festen Brüste, ihre sanft gerundeten Hüften, die aufregend langen Beine. Er strich sich übers Gesicht und bemerkte, dass Devons Duft noch an seinen Händen haftete, und plötzlich begehrte er sie so heftig wie in der Nacht zuvor.
Wütend auf sich und Devon, ging er ins Bad und duschte zuerst heiß, dann kalt. So, jetzt ist auch die letzte Spur verschwunden, dachte er grimmig. Nun brauchte er diese Frau nur noch zu vergessen. Einfach nicht mehr daran denken, dass er sie getroffen hatte und mit ihr ins Bett gegangen war. Und hoffen, dass sie Weihnachten tatsächlich am Südpol verbringen würde. Zehn Tage später lag Jared auf dem Sofa in seinem Apartment in New York und las einen Börsenbericht. Es war zehn Uhr abends, draußen vor den deckenhohen Fenstern mit Blick auf den Central Park glitzerten die Lichter Manhattans heller als die Sterne am Himmel. Jared unterstrich einige Zeilen und runzelte die Stirn, als das Telefon läutete. Wer rief so spät noch an? Hoffentlich war es nicht Lisa, denn er hatte keine Lust, sich mit ihr zu befassen. An dem Freitag im Anschluss an seinen Trip nach Tokio war er, wie verabredet, zum Abendessen im Plaza erschienen, hatte sich den ganzen Abend lang allerdings gewünscht, nicht Lisa, sondern Devon würde ihm gegenübersitzen. "Hallo?" meldete er sich kurz angebunden. "Jared..." "Oh, Dad! Ihr seid zurück aus Europa?" "Ja, seit gestern Abend. Wir hatten wunderbare Flitterwochen. Alicia hat die Reise sehr genossen." Das kann ich mir vorstellen, dachte Jared verächtlich. "Seid ihr noch in Toronto?" "Nein, zu Hause. Devon ist in Chile, deshalb gab es keinen Grund, in Toronto zu bleiben. Sie kommt am Freitag zurück." "Chile ..." wiederholte Jared ausdruckslos. "Ja, es geht um Abbaurechte für Kupfer. Sie legt auf dem Heimweg einen Zwischenstopp in New York ein. Vielleicht könntet ihr euch treffen."
Auf gar keinen Fall, dachte Jared und fragte: "Mit welcher Linie fliegt sie?" Beiläufig meinte Benson: "Ich war mir bei der Hochzeit nicht sicher, ob ihr beiden euch versteht." "Ach, du weißt, wie Hochzeiten sind: nichts als Stress. Da wirkt man leicht mal ungehalten. Ja, es wäre nett, Devon wieder zu sehen, und wenn es nur kurz am Flughafen ist. Familienbande und all das." Ich entwickle mich zu einem ausgekochten Lügner, dachte Jared. "Moment, ich gebe dir Alicia. Sie weiß die Einzelheiten." "Hallo, Jared", erklang kurz danach Alicias Stimme zögernd aus dem Hörer. Herzlich erwiderte Jared: "Guten Abend, Alicia. Freut mich, dass du schöne Flitterwochen hattest. Du weißt, wann Devon in New York eintrifft?" "Ja, ich bin über ihre Reisepläne immer genau informiert, weil ich mir schreckliche Sorgen mache, wenn sie an diese grässlichen Orte fährt. Ich wünschte, sie würde ihren verflixten Job aufgeben. Moment, wo habe ich es notiert? Ach, hier steht es ja." Alicia gab die Ankunftszeit durch. Jared schrieb sie auf und sagte dann freundlich: "Sie kommt erst so spät an? Dann werde ich sie wahrscheinlich nicht treffen können. Ich gehe abends in das Konzert mit Yo-Yo Ma." "Wirklich?" rief Alicia überrascht aus. "So ein Zufall! Devon liebt Cellomusik über alles, aber sie war in Borneo, als die Karten für das Konzert verkauft wurden, und hat bei ihrer Rückkehr keine mehr bekommen. Na ja, da kann man nichts machen. Ihr trefft euch bestimmt ein anderes Mal." "Tu mir den Gefallen, und verrate ihr nicht, dass ich Karten habe, sonst ist sie doppelt enttäuscht", bat Jared seine Stiefmutter. "Ja, natürlich, wenn du das möchtest." Alicia war hörbar erfreut, dass er sie ins Vertrauen zog.
Kurz danach legte Jared auf. Devon liebte also Cellomusik. Das war eine weitere Facette dieser Frau, die er bisher nicht aus der Erinnerung und aus seinen Träumen hatte verbannen können. Er nahm den Börsenbericht wieder zur Hand und stellte zehn Minuten später fest, dass er noch immer denselben Absatz anblickte, ohne ein Wort davon aufgenommen zu haben. Wütend warf Jared die Zeitung beiseite. Er konnte Devon nicht vergessen. Er begehrte sie brennend. Beim nächsten Mal würde er sie zu seinen Bedingungen haben. Er würde die Kontrolle behalten - und er würde bestimmen, wann Devon ihn verließ. Nicht mehr lange, und ich bin wieder zu Hause, dachte Devon erleichtert, während sie dem Zollbeamten ihren Pass reichte. Sie fühlte sich ausgezeichnet. Die Besprechungen waren gut gelaufen, der abschließende Galaempfang hatte Spaß gemacht, und sie hatte Zeit gefunden, sich Museen und Galerien in Santiago anzusehen. Trotzdem freute sie sich, wie jedes Mal, auf Toronto. Es gab einen weiteren Grund zur Freude: Sie hatte festgestellt, dass sie von Jared Holt geheilt war. Zuerst hatte die Erinnerung an ihn sie überallhin begleitet. Sogar in Santiagos belebten Straßen waren ihr unwillkürlich alle großen dunkelhaarigen Männer sofort aufgefallen, und ihr Herz hatte jedes Mal schneller gepocht. Doch im Verlauf des Aufenthalts in Chile hatte sie die innere Distanz wieder gefunden und dankte ihrem Schicksal, noch einmal davongekommen zu sein. Und dafür, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchte, schwanger zu sein. Sieben Monate zuvor hatte Devon in Bangkok Peter Damien kennen gelernt, der ihr sehr gut gefiel. Sie hatten sich einige Male in Toronto und London getroffen, und als sie sich dann sicher war, eine Affäre mit ihm beginnen zu wollen, hatte sie sich eine Spirale einsetzen lassen, da sie die Pille nicht vertrug.
Kurz darauf hatte Devon von einem von Peters Kollegen zufällig erfahren, dass dieser schon seit langem mit einer Australierin verlobt war. Devon war verstört gewesen, nicht nur, weil Peter sich so schäbig verhalten hatte, sondern auch, weil sie das an ihre Beziehung zu Steve vor so vielen Jahren erinnerte. Steve Danford war ein gut aussehender, kultivierter Herzspezialist von internationalem Ruf, in den Devon sich mit zweiundzwanzig Jahren verliebt hatte. Die Affäre mit ihm hatte drei Jahre gedauert, dann hatte Devon herausgefunden, dass Steve seit Jahren verheiratet war. Sie war wie am Boden zerstört gewesen und hatte sich geschworen, nie wieder einem Mann zu trauen. Die vielen Ehen ihrer Mutter und Peters Verrat bestärkten Devon in ihrem Entschluss. Und dann hatte sie Jared getroffen und war mit ihm ins Bett gegangen, ohne einen Gedanken an Verhütung zu verschwenden, was ja glücklicherweise nicht nötig gewesen war. Jetzt verstand sie freilich, wieso Frauen ungeplant schwanger wurden. Ihr hätte es ebenso ergehen können. Höflich beantwortete Devon die Routinefragen des Zollbeamten, sah zu, wie er ihren Pass stempelte, und ging in die Eingangshalle des Flughafens. Ein großer dunkelhaariger Mann verstellte ihr plötzlich den Weg. "Hallo, Devon!" Sie hätte beinah ihren Laptop fallen lassen. "Jared!" sagte sie ausdruckslos, obwohl sie insgeheim begeistert war, ihn zu sehen. Und sie hatte geglaubt, von ihm geheilt zu sein! "Beeil dich, wir haben nicht viel Zeit", erwiderte er. "Wie bitte?" fragte sie überrascht. "Das Konzert beginnt um acht Uhr. Hast du zufällig ein anständiges Kleid im Koffer, Devon?" "Konzert?" wiederholte sie verständnislos. "Cello. Interpret ist Yo-Yo Ma."
Devon wurde von Erinnerungen heimgesucht, für die ein belebter Flughafen nicht der richtige Ort war, und sie versuchte, sich zusammenzureißen. Sie sagte das Erste, was ihr in den Sinn kam: "Ich konnte keine Karte dafür bekommen." "Alles in Ordnung mit dir?" Sie wurde rot. "Ich ... ich habe nicht erwartet, dich hier zu sehen, Jared." Nimm dich zusammen, befahl sie sich, und hör auf, so deutlich zu zeigen, dass sein Anblick dich beinah überwältigt hat. "Die Limousine steht draußen bereit", sagte Jared und nahm ihr den Koffer ab. "Moment mal, ich bin auf dem Weg nach Toronto, Jared, und mein Flugzeug startet in etwa zwei Stunden von La Guardia aus." "Ich habe deinen Flug umgebucht. Auf morgen früh." "Das kann nicht sein. Ich habe mein Ticket bei mir", protestierte sie. "Und ich spiele Squash mit dem Direktor der Fluglinie", erklärte Jared gelassen. Anscheinend erwartete er jetzt, dass sie ihm vor Dankbarkeit um den Hals fiel. "Du kannst meine Pläne nicht einfach so auf den Kopf stellen", wandte Devon ein. "Das habe ich schon getan. Auf dem Programm des Konzerts stehen zwei Suiten von Bach." "Erpressung", sagte sie. "Nein, Überredungskunst." "Woher wusstest du, dass ich in New York zwischenlande, Jared?" "Deine Mutter hat es mir verraten." "Der drehe ich den Hals um", schwor Devon wütend. "Hast du ein elegantes Kleid griffbereit?" "Nicht das türkisblaue", antwortete sie herausfordernd. "Das ist auch besser so, oder?"
"Lass mich die Situation kurz zusammenfassen: Du hast, mit Beihilfe des Direktors der Fluglinie, meinen Flug von La Guardia streichen lassen?" Als Jared nickte, fügte sie hinzu: "Ohne mich um Erlaubnis zu fragen." Er lächelte schalkhaft. "Du warst doch in Chile." "Jared, ich werde niemals wieder mit dir ins Bett gehen", sagte sie unwillkürlich so laut, dass sich zu ihrer Beschämung einige Leute umwandten und sie neugierig betrachteten. "Ich habe dich nicht darum gebeten, Devon. Komm jetzt endlich. Die Limousine steht im Halteverbot." Devon musste den Drang bekämpfen, Jared entweder den Laptop an den Kopf zu werfen oder schallend zu lachen, und entschied sich dafür, einfach nachzugeben.
6. KAPITEL Natürlich war die Limousine nicht gemietet, sondern gehörte Jared. Devon wunderte sich nur, dass er nicht auch die Fluglinie besaß. Scheinbar gelassen setzte sie sich in den Wagen. Sie trug einen eleganten, knitterfreien Hosenanzug und hatte sich im Flugzeug frisiert und neu geschminkt, wofür sie jetzt dankbar war. Nun brauchte sie nur noch ein Konzert zu genießen, das sie unbedingt hatte besuchen wollen - und sich von Jareds Bett fern zu halten. Das sollte ihr nicht schwer fallen, denn wenn sie auch nicht so vollständig von Jared geheilt war, wie sie gedacht hatte, war es ihr Prinzip, denselben Fehler nicht zwei Mal zu machen. Jared saß mit einem halben Meter Abstand neben ihr und zeigte keinerlei Anzeichen, näher rücken zu wollen. Er hatte sie zur Begrüßung nicht einmal flüchtig geküsst. Vielleicht war er ja von ihr geheilt, und in dem Fall bestand für sie keinerlei Gefahr. "Ich habe eine Kleinigkeit zum Essen im Apartment bereitstellen lassen", sagte Jared. "Nach dem Konzert gehen wir beide in ein Restaurant, und morgen früh fährt dich mein Chauffeur zum Flughafen." "Von meinem Hotel aus!" "In meinem Penthaus gibt es eine Suite für Gäste." "Wie schön für dich", meinte sie kühl. "Sei nicht schnippisch, Devon. Das ist nicht dein Stil." "Woher willst du das wissen?"
"Oh, ich weiß viel über dich", erwiderte er leise und betrachtete sie durchdringend. "Eins ist mir allerdings unklar: Warum bist du mitten in der Nacht verschwunden?" "Möchtest du die Antwort wirklich hören, Jared?" "Deshalb habe ich ja gefragt." Bedächtig sagte sie: "Ich habe mich geschämt und mich billig gefühlt, weil ich meinen Grundsätzen untreu geworden bin. Noch nie bin ich mit einem Mann ins Bett gestiegen, den ich gerade erst kennen gelernt hatte." "Was ist denn an mir so besonders?" Diese Frage wollte sie nicht beantworten. "Du hast damals gesagt: nur diese eine Nacht. Warum zitierst du den Vorfall jetzt, Jared?" "Ich mag keine losen Enden." "Es ist nicht sehr schmeichelhaft, als loses Ende bezeichnet zu werden." "Ich hasse Schmeichelei, Devon. Du nicht auch?" Wir duellieren uns schon wieder mit Worten, dachte sie und fühlte sich belebt wie nach einem Glas Champagner. Es machte Spaß, mit Jared die Klingen zu kreuzen - obwohl es nicht ungefährlich war. Kühl fragte sie: "Lässt sich die Tür des Gästezimmers abschließen?" "Ja, und es steht ein Schreibtisch da, den du zusätzlich davorschieben kannst." "Du liebst es, Spielchen zu treiben, stimmt's, Jared? Jetzt ist Katz und Maus angesagt." Nun lachte er. "Du bist keine Maus, Devon." "Und du bist kein Kater, eher ein Puma." "Jetzt schmeichelst du mir." Ihr stockte der Atem. "Ich schmeichle nie, und ich hoffe, der Schreibtisch ist solide." "Massives Eichenholz."
"Dann kann mir ja nichts passieren. Weißt du, Jared, vor Jahren hatte ich eine Affäre mit einem Mann, der mich nur als Zerstreuung ansah. Vor wenigen Monaten hätte ich beinah denselben Fehler noch mal gemacht. Tu du mir das nicht an, Jared." Er ging nicht darauf ein. "Der Verkehr ist schlimmer, als ich dachte." Devon fühlte sich mit einem Mal niedergeschlagen. Sie hatte die unausgesprochene Botschaft verstanden: Auch Jared sah sie nur als Zeitvertreib an. Eine Frau, die ihn amüsierte und danach problemlos entsorgt wurde. Hoffentlich ist das Konzert wenigstens gut, dachte sie, lehnte sich zurück und schloss die Augen. Einige Minuten später berührte Jared sie am Ellbogen. "Wir sind da." Sie stiegen aus und betraten die Eingangshalle eines eindrucksvollen Gebäudes am Central Park. "Zuerst essen wir eine Kleinigkeit, am besten auf der Dachterrasse", schlug Jared vor, während sie mit dem Lift in sein Penthouse fuhren. Oben angekommen, brachte er Devon in die Gästesuite und ließ sie allein. Anerkennend sah sie sich um. Das Zimmer war in Weiß und Blau gehalten und mit modernen und antiken Möbeln eingerichtet, die perfekt miteinander harmonierten. Rasch hängte sie ihr Abendkleid auf, wusch sich die Hände und zog den Lippenstift nach. Ab jetzt werde ich bestimmen, wie es weitergeht, schwor sie sich. Ja, sie würde die Kontrolle über die Situation behalten, selbst wenn Jared seine Verführungskünste unter Beweis zu stellen beabsichtigte. Die Dachterrasse war wie eine Oase inmitten einer Wüste aus Stein. Efeu überwucherte die Balustrade, und überall standen große Terrakottatöpfe mit kleinen Bäumen und üppig blühenden Pflanzen. Geräucherter Fasan, Salat und frische
Brioches standen auf einem makellos gedeckten Tisch bereit. Jared hatte das Jackett ausgezogen und die Krawatte abgenommen. Devon wandte mühsam den Blick von ihm ab und aß genüsslich. Der Lärm des Verkehrs tief unter ihnen klang seltsam beruhigend. So beiläufig wie einem flüchtigen Bekannten erzählte sie Jared einige Reiseerlebnisse und war fasziniert von seinen Fragen zu Chile und seinen fundierten Ansichten. Viel zu schnell verging das angenehme Zwischenspiel, und es wurde Zeit, sich umzuziehen. Devon duschte kurz, bürstete sich das Haar und zog das langärmlige rosa Kleid an, das sich oben eng anschmiegte und dann in üppigen Falten bis zum Boden reichte. Sie legte eine Kette aus Rosenquarz um und drapierte eine Stola aus feinster Wolle mit Seidenfransen um die Schultern. Heute sehe ich so sittsam aus wie die Heldin eines Romans aus dem vorigen Jahrhundert, dachte Devon und verließ das Zimmer. Dieses Kleid würde Jared bestimmt nicht provozieren. Er wartete schon in der Diele. "Fertig?" fragte er. Dass er keine Komplimente über ihr Aussehen machte, hätte Devon eigentlich beruhigen müssen, aber sie war enttäuscht. Wie eine altjüngferliche Tante wollte sie nun auch nicht behandelt werden! Die Fahrt zur Carnegie Hall dauerte nicht lang. Jared hatte natürlich Karten für die besten Plätze im Haus, aber Devon ließ sich nicht anmerken, wie beeindruckt sie war, sondern las interessiert das Programmheft. Schließlich wurden die Lichter gedämpft, und sie konnte nicht anders: Sie wandte sich Jared zu und lächelte erwartungsvoll, dann widmete sie ihre ganze Aufmerksamkeit dem Konzert. Zwei Stunden später stand sie während des nicht enden wollenden Applauses auf und verließ an Jareds Arm wie verzaubert den Konzertsaal. Immer wenn sie Musik gehört
hatte, die sie tief bewegte, brauchte sie eine Weile der Stille, und sie war Jared dankbar, dass er das respektierte. Das Restaurant war nicht weit von der Carnegie Hall entfernt, und da Jared den Geschäftsführer kannte, hatte man ihnen einen ruhigen Tisch reserviert. Die wunderbare Musik hatte Devon alle kleinlichen Gedanken vergessen lassen, und nun sagte sie aufrichtig: "Vielen Dank, Jared. Das Konzert war ... mir fehlen die Worte, deshalb sage ich einfach nochmals Danke." "Das meinst du ehrlich, oder?" Grüblerisch sah er sie an. "Natürlich! Glaubst du, ich könnte nach so herrlicher Musik etwas anderes als die Wahrheit sagen?" "Du überraschst mich immer wieder", gestand er ihr beinah widerstrebend. "Ich weiß nie, wie du reagieren wirst." "Warum nimmst du mich nicht einfach so, wie ich bin?" konterte sie impulsiv. "Und ich bin so, wie ich zu sein scheine." "Niemand ist so, wie er oder sie zu sein scheint. Deswegen bin ich ja mit Lisa zusammen: Sie gibt das ganz offen zu." "Du hast aber mich ins Konzert eingeladen", bemerkte Devon ruhig. "Ja." Er nahm ihre Hand, betrachtete sie einen Moment lang so durchdringend, als könnte sie ihm ein Geheimnis verraten, dann ließ er sie los. "Wollen wir jetzt bestellen?" "Jared, hat eine Frau dir sehr wehgetan, als du jung warst?" Die Frage war Devon herausgerutscht. Mit laut klopfendem Herz wartete sie auf die Antwort. Jared presste kurz die Lippen zusammen. "Die Ente in Kognaksoße kann ich wärmstens empfehlen." Keine Antwort ist auch eine Antwort, dachte Devon und hakte nicht weiter nach. Nachdem der Kellner die Bestellung aufgenommen hatte, unterhielten sie sich über unverfängliche Themen, und wieder war Devon davon angetan, wie geistreich und gebildet Jared war.
Zum Essen tranken sie eine Flasche ausgezeichneten Bordeaux, als Dessert wählte Devon eine Schokoladencreme, die sie mit großem Genuss aß. Als sie aufblickte, entdeckte sie, dass Jared sie nachdenklich betrachtete, einen unergründlichen Ausdruck in den dunkelblauen Augen, und sie erschauerte unbehaglich. "Wir sollten jetzt gehen", meinte Devon. "Ich muss morgen sehr früh aufstehen. Oder möchtest du noch Kaffee trinken?" "Nein." Jared bedeutete dem Kellner, die Rechnung zu bringen, bezahlte und stand auf. Die Limousine stand vor dem Restaurant bereit, und sie fuhren schweigend zu Jareds Apartment zurück. Ich habe zu viel gegessen, dachte Devon missmutig. Und eins war sicher: Sie brauchte den Schreibtisch nicht vor die Schlafzimmertür zu schieben, denn Jared war ohnehin nicht interessiert. Er hatte sie, Devon, bisher nur flüchtig berührt und nicht versucht, sie zu küssen. Im Apartment angekommen, wandte sie sich Jared zu. "Danke für das ausgezeichnete Dinner. Jetzt möchte ich ..." Er umfasste ihr Gesicht wie ein Blinder, der sich überzeugen wollte, dass sie wirklich vor ihm stand, dann küsste er sie fordernd. Plötzlich erkannte Devon, dass sie sich den ganzen Abend über genau danach gesehnt hatte. Dann dachte sie an nichts mehr, sondern erwiderte den Kuss hingebungsvoll und schob die Finger in Jareds dichtes, seidenweiches Haar. Schließlich ließ er die Lippen ihren Hals entlang bis zu ihren Brüsten gleiten, und ihr wurden die Knie weich. Wie sie von der Diele ins Schlafzimmer gelangt waren, daran konnte sie sich später nicht mehr erinnern, nur an den Anblick von Jareds nacktem, muskulösem Körper. Und sie erinnerte sich, wie Jared gefragt hatte: "Du bist doch vor einer Schwangerschaft geschützt, oder? Letztes Mal habe ich nicht einmal daran gedacht, zu fragen."
"Ja, natürlich bin ich geschützt. O ... Jared, mach das noch mal, bitte." "Das gefällt dir? Sag mir, wie sehr du es genießt, Devon." "Ich liebe es. Spürst du das nicht?" Sie stöhnte vor Lust und presste sich eng an ihn. In dieser Nacht liebten sie sich immer wieder, fast so, als könnten sie nicht genug voneinander bekommen. Als es schließlich dämmerte, schlief Devon erschöpft in Jareds Armen ein und wachte auf, als die raue Stimme eines Radiosprechers im Zimmer erklang. Rasch öffnete sie die Augen. Jared lag, auf einen Ellbogen gestützt, neben ihr und betrachtete sie. Schläfrig lächelte sie ihn an. "Es kann doch nicht schon Zeit zum Aufstehen sein, oder?" Er lächelte nicht. Im schwachen Licht wirkte sein markantes Gesicht wie gemeißelt, und der Ausdruck seiner dunklen Augen war unergründlich. Devon fühlte sich plötzlich unbehaglich. "Wie spät ist es?" "Du musst jetzt aufstehen. Die Limousine steht in einer halben Stunde für dich bereit." Jared wirkte kühl und distanziert wie ein Fremder. Sie setzte sich auf. "Was ist los? Was stimmt nicht, Jared?" "Diesmal bist du nicht mitten in der Nacht verschwunden." Ihr wurde eiskalt. "Ich verstehe nicht ... Was willst du damit sagen?" "Diesmal habe ich die Bedingungen diktiert. Du warst so lange in meinem Bett, wie ich es wollte." Seine tiefe Stimme klang rau. "Wie hattest du es wagen können, mich auf The Oaks zu verlassen, ohne dich zu verabschieden?" Ihr war zu Mute, als würde man ihr ein Messer ins Herz bohren. "Du hast mich letzte Nacht nur geliebt, um dich an mir zu rächen?" flüsterte sie entsetzt. "Geliebt? Wir lieben uns nicht, Devon. Du brauchst das, was wir im Bett tun, nicht mit sentimentalem Gerede zu verbrämen."
Bestürzt rutschte sie von ihm weg. "Das Konzert, das Essen, der wunderbare Abend - das war nur der Köder in der Falle?" "Ich wollte dich in meinem Bett haben, und das ist mir gelungen." "Zu deinen Bedingungen", ergänzte sie wie benommen. Sie fühlte sich, als hätte man ihr eine tödliche Wunde beigebracht, an der sie langsam verblutete. Kurz fragte sie sich, ob sie vielleicht einen Albtraum hätte und gleich in Jareds Armen aufwachen würde, aber sein feindseliger Blick belehrte sie eines Besseren. "War es das, was du mit Zähmen gemeint hast, Jared?" In seiner Wange zuckte ein Nerv. "Red nicht, beeil dich lieber. Du willst doch bestimmt nicht dein Flugzeug verpassen." Tränen brannten ihr in den Augen, aber Devon schwor sich, nicht zu weinen. "Natürlich nicht", erwiderte sie kühl. "Ich möchte auf keinen Fall, dass du nochmals meinetwegen den Direktor der Fluglinie belästigst. Was für ein Meister des Manipulierens du bist, Jared! Du nutzt dein Geld und deinen Einfluss, um zu bekommen, was immer du willst. Ich hasse dich. Und mich verachte ich, weil ich so dumm war, mich von dir hinters Licht führen zu lassen ... und die Nacht mit dir verbracht habe." Rasch stand sie auf. "Es wird nie wieder vorkommen." "Ich müsste dich nur küssen, und du würdest wieder mit mir schlafen." "Ach, erregt es dich, Frauen zu lieben, die dich verabscheuen?" Schnell stand Jared ebenfalls auf. "Ich glaube nicht an die Liebe", rief er heftig. "Die so genannte Liebe ist nichts anderes als Geschäft. Blumenläden, Parfümerien und Romantikhotels profitieren davon. Ich weiß das, weil mir einige gehören, und ich mache ein Vermögen damit. Wahre Liebe gibt es nur in Kitschromanen. Lust, das ist es, was uns zusammengebracht
hat. Hör um Himmels willen auf, sie in etwas anderes umzudeuten." Nun war Devon so wütend, dass sie sich nicht länger mühsam beherrschte. "Um eins klarzustellen: Ich bin nicht einmal ansatzweise in dich verliebt, Jared, und dafür danke ich meinem Schicksal auf Knien. Wenn ich aber mit einem Mann ins Bett gehe, erwarte ich, rücksichtsvoll behandelt zu werden, als Frau mit Gefühlen, nicht wie ein Aktienpaket, das man nach Lust und Laune kauft oder abstößt." "Wenn ich mir eine Frau nehme", sagte Jared rau, "dann so, wie ich will." "Dann bist du bettelarm trotz deines riesigen Vermögens", erwiderte Devon kalt. Einen Moment lang sah er so schmerzerfüllt aus, als hätte sie ihn geschlagen, doch sofort wirkten seine Züge wieder maskenhaft starr. "Du hast keine Ahnung, wovon du sprichst." "Doch - aber du willst nicht zugeben, dass ich Recht habe." Obwohl sie es eigentlich nicht sagen wollte, fügte sie hinzu: "Wie konntest du mich küssen und liebkosen, wenn du nur auf Rache aus warst? Wie konntest du, Jared?" "Das war einfach." "Ja, ich war billig zu haben", stimmte sie ihm bitter zu. "Es hat dich nur eine Konzertkarte und ein Abendessen in einem tollen Restaurant gekostet. Ich hoffe, die Investition hat sich für dich gelohnt, und du hast den vollen Gegenwert für dein Geld erhalten. Auf eine Wiederholung brauchst du allerdings nicht zu hoffen." "Wer sagt denn, dass ich die möchte?" Ja, weshalb sollte er sich die wünschen? dachte Devon. Er hatte erreicht, was er wollte. Plötzlich ertrug sie es nicht länger. Ihr Zorn verflog, und sie fühlte sich völlig erschöpft. Sie drängte die aufsteigenden Tränen zurück und sagte beherrscht: "Am meisten ärgert mich, dass ich so vertrauensselig war, so leicht zu täuschen. Spar dir das Anziehen, ich finde allein
hinaus." Nackt verließ sie das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Bettelarm, trotz des riesigen Vermögens? Nein, das ist nicht wahr, dachte Jared. Er konnte sich alles leisten, er hatte Einfluss, und er konnte jede Frau haben, die er wallte, wann er wollte und wie er wollte. Auch Devon. Diesmal hatte sie ihn erst morgens verlassen, wie es seine Absicht gewesen war. Was wollte er mehr? Devon hatte wie vernichtet ausgesehen, als er ihr klargemacht hatte, dass er sich nur an ihr hatte rächen wollen. Verletzt. Als hätte ihr jemand ein Messer ins Herz gebohrt. Er hörte sie in der Diele. Jetzt könnte er sich anziehen und zu Devon gehen. Sie aufhalten. Regungslos blieb Jared stehen und dachte daran, wie unbefangen sie sich ihm hingegeben hatte ... an ihr Lachen ... wie sie vor Lust gestöhnt hatte. Ja, Lust! Sex! Daran war doch, zum Teufel noch mal, nichts Schlechtes! Aber Liebe? Nein. Er, Jared Holt, hatte sich in achtunddreißig Jahren noch nie verliebt. Er brauchte keinen teuren Psychiater, um zu wissen, woran es lag: Seine Mutter war gestorben, als er erst fünf Jahre alt gewesen war, und sein Vater hatte, blind vor Kummer, Beatrice geheiratet. Wie habe ich die gehasst, dachte Jared. Später waren zahlreiche Frauen hinter ihm her gewesen, nur weil er unglaublich reich war, und das hatte ihn von der so genannten Liebe ein für alle Mal kuriert. Nein, er brauchte keinen Psychiater, er brauchte Devon nicht, und Liebe brauchte er schon gar nicht -, er brauchte sich nur auf den Zusammenbruch des Aktienkurses in Ostasien zu konzentrieren. Das Geschäft ging weiter. Seine eiserne Regel lautete, sich durch Frauen niemals vom Geschäftlichen ablenken zu lassen. Devon würde nicht die Ausnahme von der Regel sein!
Fünf Wochen später kehrte Devon aus Australien zurück. Sie hatte einen erfolgreichen Monat in Sydney und Neuguinea verbracht und war heilfroh, wieder zu Hause zu sein. Allem Anschein nach hatte sie sich eine Virusinfektion zugezogen, trotz ihrer üblichen Vorsichtsmaßnahmen, und nun fühlte sie sich elend. Als Erstes rief sie ihren Arzt an und konnte noch für denselben Nachmittag einen Termin ausmachen, da eine andere Patientin abgesagt hatte. Auspacken. Duschen. Lebensmittel und Blumen kaufen. Normalerweise liebte Devon es, sich in ihrem Apartment wieder häuslich einzurichten, und diesmal standen ihr sogar drei Wochen Urlaub bevor. Als sie aber den beinah leeren Kühlschrank öffnete, Papier und Bleistift für die Einkaufsliste in der Hand, wurde ihr entsetzlich übel. Sie eilte ins Bad und übergab sich - schon zum zweiten Mal an diesem Tag. Danach wusch sie sich das Gesicht und betrachtete sich kritisch im Spiegel. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen und sah blass aus - ganz anders als das strahlende Geschöpf, das einige Wochen zuvor in New York mit einem Mann ausgegangen war, der sie wie magisch anzog. Vielleicht fühle ich mich Jareds wegen so elend, dachte Devon. Diesmal war es ihr nicht gelungen, ihn zu vergessen. Sein Bild verfolgte sie Tag und Nacht, und sie sehnte sich nach ihm, obwohl er so grausam zu ihr gewesen war. Wenigstens hatte sie sich nicht in ihn verliebt. Sie war wie besessen von ihm, das ja, aber nicht in ihn verliebt. Sie ging in die Küche zurück, um die Einkaufsliste zusammenzustellen. Wenn ich erst wieder in die Alltagsroutine gefunden und mich ordentlich ausgeschlafen habe, bin ich wieder wie neu, dachte Devon. Mit etwas Glück würde sie früh genug vom Arzt zurück sein, um den Abend gemütlich vor dem Fernseher zu verbringen und früh ins Bett zu gehen. Auf keinen Fall würde sie an Jared denken.
Schon um Viertel nach fünf war Devon vom Arzt zurück. In ihrem angenehm kühlen, hellen Apartment setzte sie sich aufs Sofa und blickte starr vor sich hin. Sie hatte keine Virusinfektion. Sie war schwanger. Seit sieben Wochen. Jared war natürlich der Vater. Es musste in der ersten gemeinsamen Nacht passiert sein. Der Doktor hatte Devon informiert, dass die Spirale nicht mehr da sei, und da waren ihr die heftigen Menstruationsblutungen eingefallen, die sie vier Monate zuvor in Borneo durchgemacht hatte. Dabei war die Spirale wahrscheinlich aus ihrem Körper geschwemmt worden, aber sie, Devon, war viel zu beschäftigt gewesen, um sich Gedanken über ihre Beschwerden zu machen - und die Notwendigkeit zur Verhütung hatte damals nicht bestanden. Devon stand auf und ging rastlos hin und her. Dann steckte sie eine Ladung Wäsche in die Maschine, kochte sich Nudeln, aß eine Portion davon und gab sie eine Stunde später wieder von sich. Und die ganze Zeit über gingen ihr unaufhörlich dieselben Gedanken durch den Kopf. Heiraten kam nicht in Frage. Sie hasste Jared, und er verachtete sie. Er hatte sie getäuscht und hintergangen, er hatte sie behandelt wie ein billiges Flittchen. Sie würde ihm nie wieder trauen, und deshalb konnte sie ihn unmöglich heiraten. Eine Abtreibung kam ebenso wenig infrage. Devon hatte bei einer Freundin miterlebt, zu welchem seelischen Elend das führte, zu welchen Schuldgefühlen und Depressionen. Nein, das wollte sie nicht erdulden müssen! Abgesehen davon, empfand sie schon jetzt zärtliche Gefühle für ihr ungeborenes Baby und wollte es vor allem Bösen beschützen. War das der viel zitierte Mutterinstinkt? Sie wusste es nicht, sie war sich nur völlig sicher, dass sie eine Abtreibung nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren konnte.
Ich kann meinen Zustand nicht ewig verbergen, überlegte Devon weiter. Jared würde wissen, dass er der Vater war, er brauchte ja nur nachzurechnen. Und wenn das Baby seinem Vater ähnelte, würden auch Alicia und Benson Bescheid wissen. Das Baby zur Adoption freigeben? Aber wie sollte sie sieben Monate lang die Schwangerschaft vor ihrer Mutter geheim halten - dazu müsste sie jeden Kontakt vermeiden, was natürlich nicht ging. Jetzt erst wurde Devon schlagartig bewusst, dass ihr Baby Bensons und Alicias erstes Enkelkind war. Und sie freuten sich schon jetzt auf Enkel. Deshalb kam Adoption auch nicht infrage. Es gab keinen Ausweg. Devon fühlte sich wie ein Tier in einer Falle, das verzweifelt auf eine Fluchtmöglichkeit sann. Das Telefon läutete. Entsetzt blickte Devon es an, denn sie war überzeugt, Jared wolle sie sprechen. Nach dem vierten Klingeln hob sie ab. "Ja, bitte?" "Darling, bist du das?" "Hallo, Mom." "Wann bist du nach Hause gekommen?" "Heute Vormittag." "Darling, du klingst schrecklich elend. Habe ich dich geweckt?" Devon versuchte, etwas lebhafter zu klingen. "Unterwegs habe ich mir eine Virusinfektion zugezogen", log sie. "Ich fühle mich wirklich nicht besonders gut." Alicia stürzte sich in eine Tirade gegen Devons Job und zählte alle Gründe auf, weshalb sie ihn lieber aufgeben solle. Dann fügte sie hinzu: "Benson hat nächste Woche Geburtstag, und den wollen wir mit einem Dinner in Toronto feiern. Bis dahin geht es dir doch besser, oder? Jared wird vermutlich nicht erscheinen, er ist irgendwo in der Karibik. Natürlich sind
Bessie und Leonard eingeladen, und Patrick - an den du dich ja sicher erinnerst - wird auch kommen." "Ich kann jetzt noch nicht definitiv zusagen, Mom", meinte Devon ausweichend. "Mal sehen, wie es mir nächste Woche geht." "Du musst kommen, Devon. Mir liegt so viel daran, dass wir beide mit Bensons Familie vertraut werden und richtig dazugehören. Ach, Darling, ich bin ja so glücklich mit ihm, dass es mir beinah Angst macht." Die Familienbande werden bereits enger geknüpft, hier in meinem Bauch, dachte Devon beinah hysterisch. "Wie gesagt, mal sehen, wie es mir nächste Woche geht", wiederholte sie. "Bring auf jeden Fall die Fotos von den Flitterwochen mit." Das lenkte Alicia, wie geplant, ab, und sie erzählte begeistert von der schönen Zeit in Griechenland. Fünf Minuten später beendete Devon das Gespräch, ohne für das Dinner fest zugesagt zu haben. Wieder blickte sie starr vor sich hin. Eine Lösung ihres Problems war weiterhin nicht in Sicht. Pack den Stier bei den Hörnern, und geh zur Geburtstagsfeier, sagte Devon sich schließlich energisch. Noch sah man ihr die Schwangerschaft nicht an. Und Jared würde nicht zu dem Dinner kommen.
7. KAPITEL In der darauf folgenden Woche kam Jared zwei Tage früher als geplant von den Exumas zurück, wo er eine fertig gestellte Hotelanlage inspiziert hatte. In New York war es ebenso heiß wie in der Karibik, allerdings nicht so schön. Zuerst hörte er die Nachrichten auf dem Anrufbeantworter ab. Eine war natürlich von Lisa, die andere von Alicia. Keine Nachricht von Devon. Warum auch? Sie hatte keinen Grund, anzurufen, und jeden, es nicht zu tun. Rasch wählte Jared die Nummer von The Oaks. Alicia klingt jedes Mal, als würde sie einem ausgewachsenen Grizzly gegenüberstehen, wenn sie mit mir spricht, dachte er gereizt, während sie ihn zu der Geburtstagsfeier seines Vaters einlud. "Ich möchte so gern, dass die ganze Familie zusammen feiert", schloss Alicia. Ja klar, wir sind eine große, glückliche Familie, dachte Jared zynisch und verdrängte die Erinnerung an Devon in seinem Bett. Wenn er nach Toronto flog, würde er sie sehen. Würde ihn das von seinem zwanghaften Wunsch heilen, mit ihr zusammen zu sein, ihren Duft zu atmen, ihr Lachen zu hören sich an ihrer Intelligenz zu freuen, an ihrer warmen Altstimme? Er hatte nicht einmal im Meer schwimmen können, ohne unwillkürlich an die Farbe ihrer Augen zu denken - und den schmerzerfüllten Ausdruck darin, als er Devon gesagt hatte, warum er sie im Penthouse in sein Bett gelockt hatte.
"Um wie viel Uhr findet die Feier statt?" erkundigte Jared sich schließlich schroff. "Um neunzehn Uhr dreißig. Devon kommt mit Patrick. Ist es nicht nett, dass er auch in der Stadt ist?" Jared unterdrückte einen heftigen Anfall plötzlicher Eifersucht und fragte: "Hast du etwas dagegen, wenn ich Lisa mitbringe? Sie ist zufällig auch in Toronto." "Natürlich nicht", erwiderte Alicia. "Je mehr wir sind, desto fröhlicher wird es." Nach einem Austausch banaler Liebenswürdigkeiten legte er auf. Fröhlichkeit stand momentan nicht ganz oben auf seiner Liste. Nicht wenn Devon mit Patrick zu dem Dinner kam. Bedeutete das etwa, dass sie häufig mit seinem Cousin ausging? Warum nicht? Die beiden hatten viele gemeinsame Interessen, und Patrick war ein netter Kerl, der garantiert noch niemals mit einer Frau ins Bett gegangen war, um ihr eine Lektion zu erteilen. Ich habe mich allerdings ins eigene Fleisch geschnitten, dachte Jared mürrisch. Er hatte vermutet, er könnte Devon vergessen, sobald er sie zu seinen Bedingungen verführt hätte doch nun begehrte sie mehr denn je zuvor. Jared und Lisa trafen fünf Minuten vor der verabredeten Zeit im Verdi's ein, einem eleganten italienischen Restaurant mit ausgezeichneter Küche. Lisa sah umwerfend aus: Sie trug ein tief ausgeschnittenes taubenblaues Kleid, und sie klammerte sich Jared so hartnäckig an den Arm, dass er schon bedauerte, sie eingeladen zu haben. Warum hatte er das getan? Auf ihre Gefühle brauchte er keine Rücksicht zu nehmen - sie hatte keine, nur den Ehrgeiz, in ihrem Beruf an die Spitze zu gelangen und einen reichen Mann zu heiraten. Ja, Lisa kam durchaus allein klar. Devon und Patrick verspäteten sich um zehn Minuten, und die kurze Zeitspanne kam Jared wie eine Ewigkeit vor. Er plauderte gerade mit seiner Stiefmutter, als er Devon zum
ersten Mal seit einem Monat wieder sah. Sie trug eine pfauenblaue, reich mit Goldstickerei verzierte Bluse zu einem sehr kurzen pfauenblauen Rock, und ihre Beine schienen endlos lang zu sein. Das seidig schimmernde blonde Haar fiel ihr locker auf die Schultern, und sie hatte sich gekonnt geschminkt. Der Anblick ihrer schlanken Fesseln, der sanft gerundeten Hüften, ja sogar ihre Kopfhaltung erfüllten Jared mit Sehnsucht, Zorn und Schmerz zugleich. Als Devon aus der Eingangshalle ins eigentlich Restaurant gehen wollte, schritt ein junger rothaariger Kellner an ihr vorbei. Sie hielt ihn auf, wechselte einige Worte mit ihm, wobei sie ihn strahlend anlächelte und ihm die Hand auf den Arm legte. Dann ging der junge Mann weiter. Alicia blickte zu Jared hoch und sagte missbilligend: "Das war einer ihrer Schützlinge." "Wie meinst du das?" fragte er scharf. "Devon hat zwei Jahre lang ehrenamtlich in einer Notunterkunft für Straßenkinder gearbeitet, vorher in einem Frauenhaus." Alicia schauderte. "Ich habe mir ständig Sorgen um sie gemacht. Und jetzt habe ich bei ihren Auslandsreisen Angst, sie könnte sich in etwas einmischen, das sie nichts angeht. Sie erträgt es nicht, wenn eine Kreatur misshandelt wird, egal ob Mensch oder Tier." Devon ist tatsächlich nicht hinter meinem Geld her und war es nie, erkannte Jared plötzlich, und ihm war, als hätte er einen Schlag auf den Kopf bekommen. Devon kam zum Tisch, Benson stand höflich auf, und auch Jared erhob sich. Von weitem hatte sie strahlend ausgesehen, aus der Nähe betrachtet, wirkte sie abgekämpft und blass, was auch das geschickteste Make-up nicht verbergen konnte. Devon küsste ihre Mutter, umarmte Benson und begrüßte Tante Bessie, Onkel Leonard und Lisa freundlich. Dann wandte sie sich Jared zu. "Guten Abend", sagte sie so emotionslos, als wäre er ein Fremder für sie.
"Bist du krank?" fragte er unverblümt. Sie hob das Kinn. "Ich habe mir in Neuguinea eine Virusinfektion zugezogen, abgesehen davon, geht es mir gut." "Du siehst aber nicht so aus." "Es reicht mir, wenn meine Mutter sich um mich sorgt", erwiderte sie aufgebracht. Er rückte den Stuhl neben seinem für sie zurecht. "Setz dich, bevor du umfällst." Sie sah, dass Patrick neben Lisa Platz nahm, und fragte scharf: "Treibst du immer noch Spielchen?" Dann ließ sie sich nieder. Jared antwortete nicht. Seine Gefühlslage wurde immer komplizierter. Nun empfand er Besorgnis um Devon. Sie sah so zerbrechlich aus, während sie nervös mit dem Besteck spielte. Bisher hatte er an ihr, neben vielem anderen, ihre Buhe bewundert. "Was stimmt denn nicht, Devon?" fragte er ausdruckslos. "Das habe ich dir doch schon gesagt." Sie lächelte den Kellner an und bestellte Mineralwasser. "Ich möchte einen schottischen Whisky ohne Eis", sagte Jared kurz angebunden. "Woher kennst du den rothaarigen Kellner, Devon?" Zum ersten Mal an diesem Abend sah sie ihn direkt an, aber völlig distanziert, was ihn noch mehr erschreckte als ihre Blässe und Zerbrechlichkeit. "Das geht dich nichts an", erwiderte Devon leise. "Wenn ich gewusst hätte, dass du hier bist, wäre ich nicht hergekommen. In New York hast du mich wie ein Spielzeug behandelt, das man einfach wegwirft, wenn man es nicht mehr haben will. Ich habe dir nichts mehr zu sagen. Absolut nichts." "Was für einen Virus hast du dir geholt? Warst du bei einem Spezialisten für Tropenkrankheiten?" Sie umklammerte das Messer fest, ganz so, als wollte sie es ihm gleich ins Herz stoßen.
"Ich bin auch oft in den Tropen unterwegs und weiß, wie vorsichtig man sein muss", fügte Jared hinzu. Vorsichtig. Genau, dachte Devon. Wenn sie vorsichtiger gewesen wäre, wäre sie jetzt nicht in Schwierigkeiten. "Spar dir deine guten Ratschläge für Leute auf, die sie wollen", erwiderte sie bemüht energisch. Jared erkannte intuitiv - und Intuition war seine starke Seite, wenn es um Aktien und die Börse ging -, dass ihre Probleme nicht nur von einem Virus verursacht wurden. Leider sagte ihm die Intuition nicht, was Devon wirklich fehlte. Warum wollte er sie eigentlich beschützen? Und trösten? Alles in seiner Macht Stehende tun, damit sie sich wohler fühlte, damit sie wieder lachte? Ähnliches hatte er noch für keine Frau empfunden, denn bei den ersten Anzeichen tiefer gehender Gefühle hatte er immer die Flucht ergriffen. Obwohl er sonst nie um Worte verlegen war, fiel ihm jetzt nichts zu sagen ein, und Devon begann, sich mit Onkel Leonard zu unterhalten. Jared trank mürrisch seinen Whisky und studierte die Speisekarte. Als der Kellner kam, bestellte Devon einen Salat und Nudeln mit Sahnesoße. Das Mineralwasser hatte sie noch nicht angerührt. Alicia versuchte tapfer, Jared in ein Gespräch zu verwickeln. Vielleicht war Alicia ebenso wenig hinter dem Geld meines Vaters her wie Devon hinter meinem, dachte Jared. Benson und Alicia schienen wirklich in einander verliebt und sehr glücklich zu sein. Du bist ein Genie an der Börse, aber bei menschlichen Beziehungen ein Versager, sagte eine innere Stimme ihm. Heute ist die Nacht der Selbsterkenntnis, dachte Jared spöttisch. Bis er Devon getroffen hatte, hatte er sich keine Gedanken über die Gefühle anderer gemacht - und seine eigenen ständig unterdrückt. "... das nicht auch, Jared?"
"Entschuldige, ich habe kurz nicht zugehört, Alicia. Was sagtest du?" Er versuchte, sich auf das Gespräch zu konzentrieren. Der erste Gang wurde serviert. Devon stocherte lustlos, den Blick gesenkt, in ihrem Salat. Jared aß seine Kürbiscremesuppe und sagte plötzlich, um wenigstens irgendeine Keaktion zu provozieren: "Ich habe dein Kleid aus New York mitgebracht, Devon." Devon schrak hoch und sah teilnahmslos zu, wie ihr ein Stück Zucchini von der Gabel auf den Teller zurückfiel. Sie atmete scharf ein, stand rasch auf und entschuldigte sich. Dann eilte sie in den Waschraum. "Alicia, ich mache mir Sorgen um Devon", sagte Jared eindringlich. "Ich mir auch, aber sie hasst es, wenn ich zu viel Aufhebens um sie mache, deshalb versuche ich, es nicht zu tun." "Ich fordere sie zum Tanzen auf, wenn sie zurückkommt", bot er an. "Vielleicht kann ich herausfinden, was sie belastet." "Danke, das ist lieb von dir." Alicia klang erleichtert. Jared schämte sich plötzlich, weil er sie bisher nie freundlich behandelt hatte und sich jetzt auch nicht aus Freundlichkeit um Devon kümmern wollte, Oder doch? Als er sah, dass Devon zurückkam, stand er auf und ging zu ihr. "Darf ich bitten?" Auf der Tanzfläche nahm er sie in die Arme, und sie hielt den Blick starr auf seine Krawatte gerichtet. "Willst du mir nicht sagen, was mit dir los ist?" fragte Jared sanft. Devon schloss kurz die Augen. "Nein." Das konnte er ihr nicht übel nehmen. Er hatte sich ihr gegenüber in New York abscheulich benommen. Als er sie nun in den Armen hielt, überfielen ihn lebhafte Erinnerungen - und heiße Sehnsucht. "Ich möchte dir etwas sagen", begann er unsicher.
Sie blickte über seine Schulter hinweg, völlig distanziert und in sich zurückgezogen. Plötzlich stolperte er, als ihm ein schrecklicher Gedanke kam. "Devon, du bist doch nicht ernsthaft krank, oder? Du hast nicht etwa Krebs?" "Nein", erwiderte sie ausdruckslos. Erleichterung durchflutete Jared, aber sein Herz pochte weiterhin wie wild. Er war sich sicher, dass Devon ihn nicht anlog, dass sie ihn noch nie angelogen hatte. Weil sie immer die Wahrheit sagte. "Ich hatte nach einer Reise nach Indien mal Ruhr", sagte er. "Das war auch kein Spaß." Devon schwieg. Sie tanzte mechanisch und irgendwie steif, ohne ihre übliche Anmut. Jared versuchte weiter, sie zum Sprechen zu bringen. "Als deine Mutter mir vorhin erzählte, dass du früher mit Straßenkindern gearbeitet hast, war ich wie vor den Kopf gestoßen. Du ... du bist nie auf mein Geld aus gewesen, das weiß ich jetzt ... Und es tut mir Leid, dass ich dir das unterstellt habe." "Meine Mutter redet zu viel." Devon klang noch immer ausdruckslos. Hatte ich etwa gehofft, dass sie mir um den Hals fällt, sobald ich mich entschuldigt habe? fragte Jared sich. Er hatte sich noch nie bei einer Frau entschuldigt, deshalb kannte er den nächsten Schritt nicht. Dass auf die Entschuldigung nicht sofortige Versöhnung folgte, war ihm allerdings klar. Devon blieb verkrampft und steif. "Ich habe dich falsch beurteilt und möchte dich dafür um Verzeihung bitten", sagte er unbeholfen. Sie senkte den Blick. "Gut." "Ich kann bis morgen in Toronto bleiben. Möchtest du mit mir zu Mittag essen?" "Nein." "Zum Kuckuck noch mal, Devon, sieh mich an!"
Sie blieb stehen. "Ich sagte Nein, Jared. Mit dem Wort hast du ja immer Schwierigkeiten, stimmt's? Es war dumm von mir, heute Abend hierher zu kommen, obwohl Patrick mir gesagt hatte, du würdest auch da sein. Bring mich bitte an den Tisch zurück." Er konnte jetzt einen heftigen Streit mit ihr mitten auf der Tanzfläche anfangen. Er konnte sich Devon über die Schulter legen und sie entführen - was ihm sehr zusagen würde. Er tat weder das eine noch das andere, sondern bemerkte schroff: "Du bist also nachtragend." "Jared, du und ich haben uns in New York eine Nacht lang leidenschaftlich geliebt, und am nächsten Morgen sagtest du mir, es sei dir lediglich darum gegangen, mir zu zeigen, wer der Boss sei. Nenn mir jetzt nur einen guten Grund, warum ich dir und deinem Wort jemals wieder trauen sollte." Nein, wir haben uns nicht geliebt, es war nur Sex, dachte Jared. An Liebe lag ihm nichts, auf Liebe hatte er noch nie Wert gelegt. "Du hast dich gerade eben bei mir entschuldigt - in einem so sachlichen Ton, als würdest du eine Portion Salat bestellen", fügte Devon hinzu. "Das ist wahrscheinlich nur der nächste Schritt in deiner Kampagne gegen mich. Du bist ein schlechter Verlierer, stimmt's? Du erträgst es nicht, dass eine Frau dir nicht sofort bedingungslos verfällt." Plötzlich schwankte Devon und wurde noch blasser. "Du hast mich benutzt und mir die Selbstachtung geraubt - und die Achtung vor dir natürlich auch, was dir allerdings egal ist." Jared hielt sie fest, damit sie nicht umfiel. "Ich bringe dich jetzt augenblicklich nach Hause." "O nein! Ich werde meiner Mutter nicht deinetwegen den Abend verderben. Und wenn mich jemand nach Hause begleitet, dann Patrick."
Nun war Jared eifersüchtig. "Du und ich sind noch nicht miteinander fertig", sagte er aufgebracht und spürte, wie sie erschauerte. Sie hasst mich, dachte er. Sie konnte es fast nicht erwarten, ihn endgültig los zu sein. Daran würden auch hundert Entschuldigungen nichts ändern. Zum ersten Mal würde er nicht bekommen, was er wollte. Er wollte Devon, egal, zu welchen Bedingungen, das war ihm jetzt überdeutlich klar. Und ich hoffe, das ist die letzte Einsicht dieses an Erkenntnissen reichen Abends, dachte er grimmig. Die Nudeln schienen Devons Magen glücklicherweise zu beruhigen. Sie tanzte mit Benson, unterhielt sich höflich mit Lisa, dann tanzte sie mit Patrick, der sie so schwungvoll und mit so wenig Gespür für Rhythmus herumschwenkte, wie seine Mutter Orgel spielte. Patrick ist ein wirklich netter Mann, dachte Devon während sie versuchte, ihre Zehen aus der Gefahrenzone seiner großen Füße zu retten -, aber ich könnte mich niemals in ihn verlieben. Nahm der Abend denn gar kein Ende? Wenigstens hatte Jared sie nicht mehr aufgefordert. Der Lösung ihres Problems war sie noch keinen Schritt näher gekommen. Sie beobachtete Alicia und Benson, ob deren Ehe erste Anzeichen von Auflösungserscheinungen zeigte, aber die beiden wirkten richtig glücklich. Ausgerechnet jetzt, da sie, Devon, auf eine rasche Scheidung ihrer Mutter hoffte, hatte diese anscheinend den Richtigen gefunden. Wieder drehten sich Devons Gedanken - wie so oft in den letzten Tagen - im Kreis: Abtreibung, Ehe, Adoption. Nein, das kam alles nicht infrage! Sie blickte zu Jared und Lisa hinüber, die ebenfalls tanzten, wobei Lisa sich eng an ihn schmiegte. Das ideale Paar! Und was wäre, wenn Jared und Lisa heirateten? Dann würde sie, Devon, vor ihm sicher sein - aber der Gedanke, dass Lisa
dann jede Nacht sein Bett teilen würde, verursachte ihr einen beinah unerträglichen Aufruhr der Gefühle. Schließlich führte Patrick sie an den Tisch zurück und erleichtert sah sie, dass der Kellner Alicia die Rechnung präsentierte. Dem Himmel sei dank, jetzt kann ich nach Hause und so tun, als würde mir nichts fehlen, was Bettruhe und Hühnersuppe nicht kurieren könnten, dachte Devon. Sie verabschiedete sich von den anderen, küsste Alicia und Benson und hörte Jared sagen: "Wir sehen uns dann beim Erntedankfest auf The Oaks, Devon." "Darauf freue ich mich schon", log sie und sah, dass er die Lippen zusammenpresste. Früher oder später musste sie ihm mitteilen, dass sie ein Kind von ihm erwartete - und noch nie hatte sie vor etwas so viel Angst gehabt. Mitte Oktober war The Oaks atemberaubend schön. Das Gras der Koppeln war noch saftig grün, die Eichenblätter hatten sich gelblich verfärbt, das Ahornlaub leuchtete strahlend rot, und von den Birken fielen zarte messinggelbe Blätter. Goldenes Licht lag über allem, die Luft war frisch und duftete nach Herbst. Jared wurde erst am Sonntag des Erntedankwochenendes erwartet, und so konnte Devon zwei Tage ungestört genießen. Sie war jetzt im dritten Monat, und die Übelkeit war weitgehend abgeklungen, die sie nicht nur morgens heimgesucht hatte. Sie sah nicht mehr so blass aus, was ihre Mutter sichtlich erleichterte, aber nicht davon abhielt, sie zu umsorgen und zu verwöhnen. Am Freitag nahm Benson sie auf einen ausgedehnten Rundgang durch die Ställe mit und erlaubte ihr, nachdem er sie reiten gesehen hatte, sich jederzeit jedes beliebige Pferd aus dem Stall zu holen. Da sie eine ausgezeichnete Reiterin war und sich zudem fit hielt, befürchtete sie nicht, dass es dem
Baby schaden könnte. Wie immer fand sie im Umgang mit den Tieren Trost und stellte fest, dass ihr die Bewegung gut tat. Samstags ging sie früh ins Bett und schlief sofort ein. Nach Mitternacht wachte sie jedoch auf und dachte daran, dass sie in wenigen Stunden Jared sehen würde - und ihm endlich sagen musste, dass sie schwanger war. Panik erfüllte sie, denn ihr Leben würde sich ab jetzt grundlegend ändern. Was sollte sie nur tun? Sie konnte nach Australien auswandern, das Baby bekommen und hoffen, dass es seinem Vater nicht ähnelte. Alicia und Benson würden sie aber bestimmt besuchen, und sie war sich zu neunundneunzig Prozent sicher, dass das Kind schwarze Haare und dunkelblaue Augen haben würde. Nein, Australien war keine Lösung. Ich könnte Jared anlügen und ihm sagen, das Kind sei von einem anderen, gezeugt in Borneo oder Timbuktu, überlegte sie. Er hatte sie ja auch getäuscht, oder? Wenn sie ihn jedoch anlog, war sie um nichts besser als er. Nein, so wollte sie nicht sein! Sie würde ihm die Wahrheit sagen, das schuldete sie nicht ihm, sondern sich. Eine weitere Möglichkeit bestand darin, vorerst gar nichts zu sagen, sondern bis Weihnachten zu warten. Dann würde ein Blick auf sie genügen, und jeder würde wissen, dass sie ein Kind erwartete. Devon dachte sich, dass sie bisher immer gut mit dem Motto gefahren sei: Angriff ist die beste Verteidigung. Deshalb beschloss sie, das Geständnis nicht aufzuschieben. Rasch stand sie auf. Sie hatte keine Lust, sich die restliche Nacht von einer Seite auf die andere zu drehen. Stattdessen würde sie in die Küche gehen und sich ein Sandwich machen mit Erdnussbutter und Käse, dazu schwarze Oliven. Und ein Glas Milch wegen des Kalziums. Kurz darauf saß sie in der Küche und aß genüsslich eine Olive. Ja, ich zeige die klassischen Symptome einer
Schwangeren, dachte Devon. Inklusive seltsamer Gelüste, zum Beispiel auf Lebkuchen mit Schlagsahne. Vielleicht konnte sie die Köchin bitten, zum Dessert Lebkuchen zu machen? Die Tür knarrte, und Jared kam herein. Beinah hätte Devon aufgeschrien. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie gehofft hatte, er würde sonntags erst spät eintreffen - oder gar nicht. "Ich dachte mir doch, dass du hier bist", bemerkte er. "Du solltest doch erst im Lauf des Tags herkommen", erwiderte sie und zog sich das lange T-Shirt bis zu den Knien. "Tut mir Leid, wenn ich dich enttäusche." Rasch stand sie auf und legte das Sandwich auf den Teller. "Du ziehst bei italienischem Essen die Nase kraus, aber jetzt isst du Erdnussbutter, Devon?" Der spöttische Ton verärgerte sie, und als unvermittelt plötzlich die Hand nach ihr ausstreckte, zuckte Devon zurück. "Lass das!" Seine Miene verfinsterte sich. "Du kannst mich nicht ausstehen, stimmt's?" Nein, sie ertrug es nur nicht, wenn er sie berührte, weil dann die Gefahr bestand, dass sie schwach wurde, ihm in die Arme sank und ihn hingebungsvoll küsste. Und wie sollte sie sich dann den Selbstrespekt bewahren? "Du kapierst schnell", sagte sie ironisch. Heftig riss ersieh die Krawatte vom Hals. "Warum verschwindest du nicht? Ich bin auch hungrig, möchte die Küche aber nicht mit einer Frau teilen, die mich für einen potentiellen Vergewaltiger hält." Devon nahm das Glas Milch und den Teller. "Und ich nicht mit einem Mann, der Frauen für die niedrigsten Lebewesen hält." "Ich habe mich dafür entschuldigt, dir Geldgier unterstellt zu haben." "Worte sind billig zu haben, Jared!"
Billig! Das Wort gefiel ihm nicht. "Was ich dir an dem Morgen in New York gesagt habe, das ... Ich hätte dich nicht so behandeln sollen, wie ich es getan habe. Es war kurzsichtig von mir." Sie zog die Brauen hoch. "Kurzsichtig? So kann man es natürlich auch ausdrücken." Rasch ging sie zur Tür. "Versuch wenigstens, mich vor den anderen wie ein menschliches Wesen zu behandeln. Andernfalls wird es das unerträglichste Erntedankfest, das jemals stattgefunden hat", sagte er schroff. "Ja, lass uns auf jeden Fall den Schein wahren." "Treib es nicht zu weit, Devon!" "Und du hör auf, mich einzuschüchtern zu versuchen", erwiderte sie heftig. Als Jared wütend auf sie zukam, verließ sie fluchtartig die Küche und lief in ihr Zimmer. Tränen strömten ihr über die Wangen, und sie fühlte sich völlig allein und schutzlos. Jared war ihr Feind, und sie konnte sich nirgendwo vor ihm verstecken.
8. KAPITEL Am Sonntag wachte Devon spät auf. Sonnenlicht flutete durchs Fenster herein, und plötzlich sehnte sie sich nach einem Ausritt, danach, den Wind im Gesicht zu spüren und die Sonnenstrahlen auf der Haut - um sich von Jared abzulenken. Sie stand auf, zog sich an und holte Maharadscha aus dem Stall, einen großen kastanienbraunen Wallach, der seinem Namen alle Ehre machte. Sie brauchte fünf Minuten, um ihm zu zeigen, wer - im wahrsten Sinn des Worts - die Zügel in der Hand hatte, dann galoppierte sie mit ihm über die Wiesen und vergaß alles Belastende. Schließlich zügelte sie bedauernd das Pferd, das zuerst in Trab und unter den Bäumen in Schritt fiel. Plötzlich spitzte Maharadscha die Ohren und wieherte. Devon blickte auf und sah Jared auf dem schwarzen Hengst Starlight herangaloppieren. Hatte sie denn nirgends Ruhe vor Jared? Er zügelte sein Pferd und dachte sich, dass er seine Wut ebenfalls zügeln musste. Als er beobachtet hatte, wie Devon in vollem Tempo einen Graben übersprang, eng an den Hals des großen Wallachs geschmiegt, war ihm fast das Herz stehen geblieben. Maharadscha war, abgesehen von Starlight, das schnellste und am schwierigsten zu bändigende Pferd in den Ställen. War Devon verrückt? Oder nur risikofreudig? Neben ihr hielt er an. Ihre Wangen waren gerötet, und ihre Augen strahlten.
"Wer hat dir erlaubt, Maharadscha zu reiten, Devon?" "Dein Vater, der zufällig der Besitzer ist." "Er hat dir bestimmt nicht gestattet, das Pferd mit sechzig Kilometer pro Stunde über Gräben zu hetzen. Wir sind hier nicht in Texas, und Maharadscha ist ein Vollblut, kein Cowboypony. Du hättest stürzen und dir das Genick brechen können." Unwillkürlich umfasste sie die Zügel fester, und Maharadscha tänzelte nervös. "Wir dürfen nicht streiten, wenn wie beide auf äußerst temperamentvollen Pferden sitzen. Verschwinde, Jared. Du verdirbst mir den bislang schönen Morgen." Sie saß ab und führte Maharadscha zu einem kleinen Bach unter den Bäumen. Auch Jared schwang sich aus dem Sattel, band Starlight an einen Baum und folgte Devon, wobei er um Beherrschung rang. Er war bekannt für seine Beherrschung - warum verlor er sie dann jedes Mal, wenn er mit Devon zusammen war? Sie blickte auf und funkelte ihn an. "Du verstehst einen Wink mit dem Zaunpfahl anscheinend nicht." "Heute siehst du viel besser aus als letztes Mal", bemerkte Jared unüberlegt. So hatte er das Gespräch nicht beginnen wollen. "Bis du aufgetaucht bist, habe ich mich auch sehr gut gefühlt." Er lachte widerstrebend. "Wir können uns jetzt wie Kinder im Sandkasten gegenseitig Beleidigungen an den Kopf werfen oder uns wie Erwachsene benehmen. Ich habe mir wirklich Sorgen gemacht, als ich dich eben mit Maharadscha so tollkühn durch die Gegend reiten sah." "Ich bin nicht tollkühn geritten", erwiderte sie und schlang die Zügel um einen Ast. "Das Pferd ist schwer zu bändigen."
"Das Pferd grast friedlich, und ich bin, wie du siehst, noch heil." "Du gibst wohl nie auch nur ein bisschen nach, oder?" fragte Jared schroff. "Dir nicht!" Vor dem Hintergrund der flammend roten und orangefarbenen Ahornblätter sah Devon in ihrem Reitdress so begehrenswert aus, dass Jared sie am liebsten an sich gepresst und bis zur Erschöpfung geküsst hätte. Rau sagte er unwillkürlich: "Freut mich, dass es dir wieder besser geht." Devon stand reglos da. Sie musste Jared sagen, dass sie schwanger war. Warum nicht hier, an diesem idyllischen Platz, wo niemand sie stören würde? Sie atmete tief durch. Wenn sie ihr Geständnis gemacht hatte, würde es kein Zurück mehr geben. So sachlich, als buchte sie ein Flugticket, sagte sie: "Ich fühle mich besser, weil die morgendliche Übelkeit nachgelassen hat." Einen Moment lang herrschte lastendes Schweigen. "Morgenübelkeit?" hakte Jared dann nach. Diesen Ton hatte sie noch nie bei ihm gehört. Nun musste sie zu Ende führen, was sie angefangen hatte. "Ja, ich bin schwanger." Ihr wurden die Knie weich, und sie erschauerte, während sie auf seine Erwiderung wartete, was eine Ewigkeit zu dauern schien. "Wer ist der Vater des Babys?" fragte Jared schließlich. "Du natürlich." "Natürlich?" wiederholte er leise. "Ich weiß gar nichts über dich. Du könntest Affären mit einem Dutzend anderer Männer gehabt haben." "Ich sagte dir doch, dass ich seit Jahren keine Beziehung hatte." "Während der Hochzeitsfeier war dir schwindlig, und beim Anblick der Muscheln wurde dir übel. Warst du nicht schon damals schwanger?"
Entsetzt sah sie ihn starr an. Mehr als einmal hatte sie sich Jareds Reaktion auf ihre Neuigkeit auszumalen versucht, aber sie hätte nie gedacht, dass er bestreiten könnte, das Kind sei von ihm. "Jared, damals litt ich unter Jetlag, Schlafmangel und emotionalem Stress. Ich war nicht schwanger!" "Das musst du jetzt ja behaupten. Ich bin wesentlich reicher als alle anderen Männer in deinem Leben." "Hör auf!" rief Devon heftig. "Es gibt für mich keinen anderen Mann. Und glaubst du etwa, ich möchte von dir schwanger sein? Denkst du, ich wollte dich zu einer Ehe zwingen? Eins versichere ich dir: Du bist der letzte Mann auf dieser Welt, den ich heiraten würde." Jareds Züge wurden starr vor Zorn. "Und was gedenkst du zu tun? Willst du das Kind abtreiben lassen?" Sie hielt sich am nächstbesten Ast fest, um nicht in die Knie zu sinken, und sagte aufrichtig: "Ich weiß nicht, was ich tun soll." "Und was ist meine Rolle in dem Drama? Soll ich dich aus der Zwickmühle befreien?" "Das Kind ist von dir, Jared. Ein DNA-Test würde es beweisen." "Du hattest mir gesagt, du seist gegen eine Schwangerschaft geschützt", erwiderte er heftig. "Das dachte ich, aber das Mittel hat versagt." "Wie praktisch für dich! Weißt du eigentlich, wie reich ich bin?" Er nannte eine so hohe Summe, dass sie ihn nur erstaunt ansehen konnte. "Ja, das ist ein nettes Sümmchen, stimmt's?" meinte er sarkastisch. "Glaubst du, du wärst die Ente, die mich in die Ehefalle zu locken versucht?" Wütend fuhr Devon ihn an: "Behalt dein kostbares Vermögen! Allmählich langweilt es mich, dir zu sagen, dass ich dein Geld nicht will. Du hast behauptet, du würdest mir das inzwischen glauben, jetzt unterstellst du mir wieder die reine
Geldgier. Das beweist, was dein Wort wert ist: nichts. Absolut nichts! Hör zu, Jared, ich mache Folgendes: Ich gehe für ein Jahr ins Ausland, und wenn ich zurückkomme, sage ich Alicia und Benson, der Vater des Kinds sei Australier oder jemand, den ich im Dschungel von Borneo getroffen hätte! Einverstanden mit meinem Plan?" Jared sah seltsam aus. "Es ist ihr Enkelkind, das sie sich schon lange sehnlich wünschen." "Bravo! Der Kandidat hat hundert Punkte." "Wir müssen heiraten, Devon. Es bleibt uns keine Wahl." "Wir müssen nicht heiraten", widersprach sie ihm aufgebracht. "Du als genialer Geschäftsmann müsstest etwas Originelleres als das vorschlagen können." "Seit Generationen haben alle Männer unserer Familie schwarzes Haar und dunkelblaue Augen. Jeder würde sofort sehen, dass das Kind von mir ist, und ich werde nicht dulden, dass du mich öffentlich zum Narren machst." "Also heiraten wir, und wenn es ein Mädchen mit blondem Haar wird, lassen wir uns scheiden", schlug sie ironisch vor. "Falls wir heiraten, wird es keine Scheidung geben", verkündete Jared leise. "Das wäre aber doch eine mögliche Lösung", sagte Devon, plötzlich hoffnungsvoll. "Wir heiraten und lassen uns in einem Jahr scheiden. Warum ist mir das bisher nicht eingefallen?" "Willst du dann gleich einen anderen heiraten?" "Ich möchte überhaupt niemand heiraten. Wie oft muss ich dir das noch sagen?" "Mein Kind soll niemals bei einem Stiefvater aufwachsen." In Jareds Augen lag ein gequälter Ausdruck. "Du hattest eine Stiefmutter, stimmt's?" "Das spielt doch jetzt keine ..." "Was ist schief gegangen, Jared?" Kurz presste er die Lippen zusammen, bevor er antwortete: "Beatrice hasste mich. Sie war so eifersüchtig auf mich, dass
sie mich in ein Internat abschob, als ich erst sechs Jahre alt war. Ich wurde von den älteren Jungen tyrannisiert, und ich hatte solches Heimweh, dass ich dachte, ich müsste sterben." Er fuhr sich durchs Haar. "Mein Vater war zu sehr mit Beatrice beschäftigt, um zu merken, wie es um mich stand, und ich war zu stolz, es ihm zu sagen. Warum erzähle ich dir das eigentlich? Ich habe noch nie darüber gesprochen." Nun wusste Devon endlich, welche bösen Erfahrungen ihn so verbittert hatten. Vor dem inneren Auge sah sie einen kleinen schwarzhaarigen Jungen, mit dem Rücken zur Wand, bedrängt von größeren Jungen. Und trotz ihrer Wut empfand sie zugleich heißes Mitleid für Jared. "Du bringst mich dazu, alle meine Regeln zu brechen", bemerkte er schroff. "Und dafür hasst du mich", fügte sie hinzu und hätte am liebsten geweint. Er umfasste ihre Ellbogen. "Sag mir ehrlich: Planst du eine Abtreibung?" "Nein. Niemals. Das könnte ich nicht. Zur Adoption kann ich das Baby auch nicht freigeben. Ich behalte es. Irgendwie schaffe ich es schon." "Ja, weil du meine Frau wirst." Sie erschauerte. "Wir dürfen nicht heiraten. Wir hassen einander. Ehrlich gesagt, möchte ich auch keine Scheidung, weil ich das bei meiner Mutter drei Mal erlebt habe, und das will ich keinem Kind zumuten." "Dann heiraten wir also und bleiben Mann und Frau bis ans Ende unserer Tage, wie es in der Trauungsformel heißt?" fragte er brüsk. "Nein, das ist auch keine Lösung. Für ein Kind ist es noch schlimmer, mit Eltern leben zu müssen, die sich nicht ausstehen können. Das habe ich bei Mom und ihrem zweiten, dritten und vierten Ehemann erlebt - all die Spannungen, wenn die Verliebtheit verflogen war, die Auseinandersetzungen, die
Seitensprünge. Dazu die nicht enden wollenden Kämpfe vor Gericht, alles nur wegen des Gelds." Sie atmete tief durch und schauderte. "Du fragst dich, warum ich jedes Mal wie eine Rakete hochgehe, wenn du dein Vermögen erwähnst? Es liegt daran, dass ich gesehen habe, was Geldgier aus Menschen macht. Das werde ich meinem Kind auf keinen Fall antun!" "Es ist unser Kind, Devon. Vergiss das nicht." "Du glaubst mir das?" fragte sie verzweifelt. "Dass es von dir ist und ich mich nicht absichtlich habe schwängern lassen? Es war wirklich nicht geplant. Da müsste ich ja völlig verrückt sein!" "All meine bisherigen Erfahrungen warnen mich davor, dir zu glauben", erklärte Jared. Jetzt erst wurde ihr klar, wie sehr sie sich gewünscht hatte, er würde ihr vertrauen. Mutlos ließ sie die Schultern sinken. "Wenn wir tatsächlich heiraten, sind wir ein Leben lang aneinander gebunden. Und das wäre schrecklich." "Hasst du mich wirklich so sehr?" fragte er widerstrebend. Nein, sie empfand keineswegs etwas so Einfaches wie Hass, ihr Gefühl war wesentlich vielschichtiger. Um Ehrlichkeit bemüht, sagte sie: "Du hast in der Nacht in New York mein Vertrauen in dich zerstört, Jared. Ich werde dir nie mehr glauben können - weder deinem Wort noch deinen Handlungen. Vertrauen ist aber eine Grundlage jeder Beziehung." Sie trat nach einem Stein. "Ich weiß nicht, was ich für dich empfinde, ich weiß nur, dass ich eine Ehe ohne Liebe nicht ertragen würde." "Uns bleibt keine Wahl." Seine Stimme klang kalt. Devon blickte auf und sah, dass sein Ausdruck hart und unnachgiebig war. Ja, der Kern des Problems lag darin, dass die Möglichkeiten so beschränkt waren. "Möchtest du denn, dass ich eine Abtreibung machen lasse?" fragte sie. "Nein!" rief Jared unbeherrscht.
"Dann stimmen wir wenigstens in dem Punkt überein." Sie lächelte zaghaft. "Jared, lass uns jetzt zurückreiten. Vielleicht hat einer von uns noch einen Geistesblitz und findet einen Ausweg." "Du möchtest mich wirklich nicht heiraten, stimmt's?" fragte er sachlich. "Hör auf! Ich kann nicht mehr", erwiderte Devon schwach und löste die Zügel vom Baum. "Du wirst das Pferd zum Stall zurückführen", bestimmte Jared. "Wie bitte?" "Devon, du bist schwanger. Glaubst du, ich würde dich jeden Graben zwischen hier und The Oaks im gestreckten Galopp überspringen lassen? Oder hoffst du vielleicht, du stürzt und löst damit dein Problem?" Außer sich vor Wut, fuhr sie ihn an: "Lass uns eins klarstellen, Jared: Ich bin nicht deine Angestellte und nehme von dir keine Befehle entgegen! Ich bin eine ausgezeichnete Reiterin, topfit und würde nie etwas tun, was mein Kind gefährdet." Plötzlich sah sie besorgt aus. "Ich glaube, Starlight hat sich losgerissen." Während Jared herumwirbelte, schwang sie sich in den Sattel und ritt los. Jared holte sie natürlich bald ein. Sie lächelte ihn an und sagte freundlich: "Das war ein so alter Trick, dass ich nicht gedacht hätte, du würdest darauf hereinfallen." "Ja, gut gemacht, Devon. Du bist wirklich eine erstaunliche Frau." "Und ich habe nicht die Absicht, die nächsten sieben Monate auf einem Sofa liegend zu verbringen." "Und zu sticken", fügte er humorvoll hinzu. Sie lachte. "Ich weiß nicht einmal, an welchem Ende man eine Nadel einfädelt."
"Wann ist das Baby fällig, Devon?" Ernst antwortete sie: "Im April." "Hast du schon jemand anders davon erzählt?" "Natürlich nicht." "Ich wünschte ..." begann er, überlegte es sich aber anders. "Ich reite jetzt zum See. Wir sehen uns später." Er drückte Starlight die Fersen in die Flanken, und das Pferd machte einen eleganten Satz vorwärts, dann galoppierte es davon. Es war ein herrlicher Anblick. Jared sieht auch umwerfend aus, dachte Devon. Hasste sie ihn? Nein. Trotz allem, was er ihr angetan hatte, hasste sie ihn nicht. Er aber würde sie bald zu hassen anfangen, wenn sie ihn zur Ehe zwang. Nein, sie durfte ihn nicht heiraten. In den darauf folgenden vierundzwanzig Stunden versuchte Jared nicht, nochmals mit Devon über das Problem zu sprechen. Er verabredete sich jedoch mit ihr für den nächsten Samstag und bat sie um ihre Telefonnummer. Als Devon zögerte, sagte er heftig: "Du bekommst mein Kind, willst mir aber nicht mal deine Nummer verraten?" Rasch sagte sie sie ihm und war erleichtert, als Alicia und Benson kamen, um sich von ihr zu verabschieden. Jared nickte ihr nur kurz zu. Als sie im Auto die Auffahrt entlangfuhr, dachte sie daran, dass er von seinem Kind gesprochen hatte. Hieß das, er glaubte ihr jetzt? Er hatte sie jedoch nicht zu berühren versucht, sie nicht einmal flüchtig zum Abschied geküsst oder ihr wenigstens die Hand geschüttelt. Sex ist das Einzige, was uns zusammenhalten könnte, dachte Devon betrübt. Wenn der auch fehlte, was blieb dann noch? Freitags rief Jared sie kurz an, um das Treffen mit ihr zu vereinbaren, und da sie meinte, ihr Gespräch sei nicht für die Öffentlichkeit geeignet, lud sie ihn für Samstagmittag zu sich ein.
Jared erschien pünktlich. Als sie ihn ins Apartment ließ, hatte sie das unbehagliche Gefühl, sie würde einen Feind hereinbitten. Ihre Privatsphäre, auf die sie so großen Wert legte, war nicht länger unantastbar. Er stellte seine Reisetasche ab und reichte Devon seinen Mantel. Jared trug einen eleganten Anzug und sah nach dem aus, was er war: ein einflussreicher, weltgewandter und unerbittlicher Mann, der jetzt über sie bestimmen konnte - weil sie sich so sorglos mit ihm eingelassen hatte. Ohne ein Wort zu sagen, überreichte er ihr eine Schachtel aus einem Blumenladen. Darin befand sich ein Zweig Orchideen mit rosa und dunkelroten Blüten, die irgendwie sehr sinnlich aussahen. "Warum schenkst du mir die?" fragte Devon rau. "Ich weiß nicht. Ich habe sie im Blumengeschäft am Flughafen gesehen und an dich denken müssen." "Sie sind wunderschön, Jared." "Nicht so schön wie du." Er blickte sie durchdringend an, und sie sehnte sich danach, von ihm umarmt zu werden. "Ich stelle sie gleich in eine Vase. Mach es dir inzwischen bequem." Als sie aus der Küche zurückkam, sah Jared sich interessiert im Wohnzimmer um. Es war hoch, hatte große Fenster und war sparsam möbliert. Auf dem Boden lag ein indischer Seidenteppich, und die wenigen, aber gut gewählten Bilder und Skulpturen, die Devon von ihren Reisen mitgebracht hatte, hoben sich wirkungsvoll von den hellen Wänden ab. "Das ist ein schönes Zimmer, Devon - so hell und luftig." "Möchtest du ein Glas Wein?" "Ja gern." Als sie zum zweiten Mal aus der Küche kam, musterte er gerade einen kleinen Buddha aus Jade. "Ich habe nicht viel Zeit", sagte Jared. "Könnten wir während des Essens reden?"
Und sie hatte zugleich befürchtet und gehofft, er würde sie ins Bett tragen und leidenschaftlich lieben? Nein, danach sah es nun wirklich nicht aus. "Ja, natürlich", antwortete sie und flüchtete sich erneut in die Küche. Nachdem sie Karottensuppe, Brötchen, Pastete und Gemüse auf den Tisch gestellt hatte, setzte Devon sich endlich hin. Nachdenklich blickte Jared sie an. Ihr Wohnzimmer faszinierte ihn. Man musste großes Selbstbewusstsein besitzen, um in so viel freiem Raum zu leben. Lisas Apartment hingegen war derartig voll gestopft mit Möbeln und Andenken, dass er dort manchmal zu ersticken glaubte. Er hätte schon früher bei Devon sein können - aber dann wäre er mit ihr ins Bett gegangen. Und das ging angesichts der schwierigen Situation nicht, auch wenn er sich brennend danach sehnte. Er aß einen Löffel der exotisch gewürzten Suppe. "Ich habe Erkundigungen über dich eingezogen", berichtete Jared dann. "Du hast was getan?" "Sie haben ergeben, dass es in deinem Leben einen Mann namens Peter Damien gab, dem du im Mai den Laufpass gegeben hast, wahrscheinlich, weil du entdecken musstest, dass er bereits verlobt war. Vor sieben Jahren hattest du eine Affäre mit Steve Danford, einem Herzspezialisten. Sonst keine." Inzwischen hatte Devon sich von ihrem Schock erholt. Kühl sagte sie: "Kurz gefasst: Das Baby ist von dir." "Richtig." Gemächlich strich Jared Butter auf ein Brötchen. "Du warst eine überdurchschnittlich gute Studentin, und in deiner Firma hält man viel von dir. Die Leute in dem Unterschlupf für Straßenkinder und im Frauenhaus haben förmlich Loblieder über dich angestimmt." Er lächelte spöttisch. "Alles in allem ein absolut tadelloses Leben." "Das dürfte dich beruhigen."
"Ich bin nur ehrlich", erwiderte er scharf. "Dass ich Erkundigungen eingezogen habe, hätte ich dir ja nicht zu verraten brauchen." "Du hättest auch einfach meinem Wort Glauben schenken können, Jared." Ja, da hatte sie Recht. "Dazu war ich noch nicht bereit. Wir heiraten in zwei Wochen auf The Oaks. Deine Mutter und mein Vater können als Trauzeugen fungieren, und wir können nur hoffen, dass Tante Bessie nichts von der Trauung erfährt." Devon sieht aus, als würde sie mir am liebsten die Suppenschüssel an den Kopf werfen, dachte er amüsiert. "Hast du meiner Mutter schon gesagt, dass ich ein Kind erwarte?" "Nein, das überlasse ich dir. Ich muss für die nächsten zehn Tage ins Ausland." "Soll ich ihnen überhaupt sagen, dass ich schwanger bin?" Jared blickte ihr auf die runden Brüste. "Ich würde es empfehlen, da du es ohnehin nicht mehr lange verbergen kannst." "Es wundert mich, dass du mir nicht Geld angeboten hast so wie meiner Mutter, damit ich dich in Ruhe lasse." "Deine Schwangerschaft macht diese Lösung leider unmöglich." Devon errötete und fuhr ihn an: "Wenn mir irgendeine vernünftige Lösung einfallen würde, säße ich nicht hier. In der Falle." Nun konnte er gleich alle Karten auf den Tisch legen. "Eins noch: dein Job. Ich möchte nicht, dass du dich länger den Gesundheitsrisiken in tropischen Ländern aussetzt. Und wenn das Baby da ist, kannst du auch nicht mehr so viel reisen. Besser, du kündigst." "Ob du's glaubst oder nicht: Darum habe ich mich schon gekümmert", erwiderte sie, nur mühsam beherrscht. "Ich kann ein Jahr Urlaub bekommen und währenddessen Übersetzungen
erledigen. Wie kannst du es wagen, mein Leben zu organisieren und mir Vorschriften zu machen?" "Warum musst du immer streiten und widersprechen?" erwiderte Jared wütend. "Damit du mich nicht bei lebendigem Leib auffrisst", antwortete sie und biss heftig in ein Brötchen. Ein Krümel blieb an ihren Lippen hängen, die er, Jared, so gern geküsst hätte. "Nach der Hochzeit fliegen wir für vier, fünf Tage auf die Bahamas." "Eine Hochzeitsreise? Niemals!" "Ich sagte, wir fliegen auf die Bahamas, Devon!" Ihre Finger bebten, als sie Leberpastete auf ihr Brötchen strich, doch sie klang jetzt wieder völlig beherrscht. "Ich habe auch eine Bedingung, eine sehr einfache, aber wenn die nicht erfüllt wird, wird nichts aus der Hochzeit." Er hatte keine Ahnung, was die Bedingung sein könnte. War er deswegen so von Devon fasziniert, weil sie ihm ein Rätsel blieb und völlig unvorhersehbar war? "Red weiter", bat er sie. "Ich erwarte Treue von dir. Ich kann nicht tolerieren, dass Lisa deine Mätresse ist." "Ich akzeptiere die Bedingung", erwiderte er kurz angebunden. "Und ich verlange dasselbe von dir, Devon: Treue. Immerhin verspricht man sich das bei der Trauung." "Und wie steht es mit ,lieben und ehren'?" Das klang herausfordernd. "Oder pickst du nur die dir genehmen Passagen heraus?" Jared entschloss sich, ehrlich zu sein. "Ich glaube, ich verstehe nichts von Liebe und habe es nie getan. Aber ich werde dir treu sein, das schwöre ich." Es tat ihm weh, zu sehen, dass ihr Tränen in die Augen stiegen. Wenn er Devon jetzt berührte, wäre er verloren. "Dann nehme ich deinen Heiratsantrag an, Jared." "Ich ... ich habe dir keinen Verlobungsring gekauft." Mehr fiel ihm nicht zu sagen ein.
"Diamanten mag ich ohnehin nicht", meinte Devon nachdrücklich. "Gut zu wissen. Dann suche ich dir etwas anderes aus." Sie wischte sich mit der Serviette über die Augen und verschmierte dabei den Lidschatten. "Du brauchst mir überhaupt nichts zu kaufen, Jared. Zum Nachtisch gibt es Obst, und ich muss noch drei Reisen machen, bevor ich den Job kündigen kann. Eine nach Marokko, eine nach London und eine kurze nach Baffin Island." Sie sieht aus wie ein rebellierender Teenager, dachte Jared und spürte ein Gefühl, das er für sich als Belustigung bezeichnete, das aber wesentlich vielschichtiger und verwirrender war. Er würde sich schreckliche Sorgen um Devon machen. Sorgen? Er? Er machte sich doch nie Sorgen um jemand, das war eine seiner Grundregeln. Rasch blickte er auf die Uhr. "Auf das Obst muss ich verzichten. Der Wagen steht in fünf Minuten bereit. Wenn du aus Marokko zurück bist, rufe ich dich an. Die Suppe hat übrigens sehr gut geschmeckt." Scheinbar völlig ernst fügte er hinzu: "Ich bin froh, dass du kochen kannst." Ein Lächeln schimmerte in ihren Augen. Die raschen Stimmungswechsel waren auch etwas, das ihn an Devon faszinierte und ihn zu ihr hinzog. Sie stand auf und begleitete ihn in den Flur, wo sie ihm den Mantel reichte. "Danke nochmals für die Orchideen." Noch nie hatte er eine Frau so gern küssen wollen. "Pass auf dich auf", verabschiedete Jared sich schroff. "Du auf dich auch." Lauf um dein Leben, Jared Holt, sagte er sich, während er die Wohnung verließ und die Tür schloss. Er hatte es geschafft, mit Devon nicht ins Bett zu gehen. Er hatte sie nicht einmal berührt. Und das hatte ihn fast um den Verstand gebracht.
9. KAPITEL Es war der Hochzeitstag. Devon lag auf The Oaks im Bett und lauschte dem Regen. November war noch nie ihr Lieblingsmonat gewesen. Um ein Uhr würde sie Jared heiraten. Alicia und Benson würden die Trauzeugen sein, und Benson hatte darauf bestanden, seine Schwester Bessie und ihren Mann Leonard einzuladen. Nach dem Festlunch - wie Alicia es hartnäckig bezeichnete - flog das Brautpaar auf die Bahamas. Danach wollten sie in Vancouver leben, wo Jared ein Haus besaß. Das Apartment in Toronto hatte Devon vermietet, weil sie noch nicht bereit war, es zu verkaufen, vor allem, da sie bei der herrschenden Lage auf dem Immobilienmarkt einen schlechten Preis dafür erzielt hätte. Die Möbel, die Bilder und Skulpturen waren schon unterwegs nach Vancouver. Die Kollegen in der Firma hatten eine Abschiedsparty ausgerichtet, an der Jared nicht teilnehmen konnte, weil er zu der Zeit auf Hawaii war. Schritt für Schritt hatte Devon sich von ihrem früheren Leben entfernt und alles so organisiert, dass es Jareds Forderungen entsprach. Arbeit, Haus - und Baby. Jareds Baby. Sie wusste jetzt, warum er Millionär war: Wenn er einen Plan gefasst hatte, führte er ihn effizient aus und duldete keinen Widerspruch. Devon fühlte sich ständig wie ausgelaugt und wollte nur noch schlafen. Sie war zu müde, um sich Jared zu widersetzen.
Es war einfacher, ihm in allem zuzustimmen: Ja, Jared, nein, Jared, wie du meinst Jared. Sie kam sich wie eine sprechende Puppe vor, dabei hatte sie bisher stets Durchsetzungsvermögen bewiesen - und Kampfgeist, wenn nötig. Aber auch der würde ihr nichts mehr nützen. Devon zog sich die Decke über den Kopf und dachte daran, wie ihre Mutter auf die Neuigkeiten reagiert hatte. Sie hatte Alicia und Benson am Tag nach Jareds Besuch zu sich eingeladen, ihnen die restliche Karottensuppe als ersten Gang serviert und unvermittelt gesagt: "Jared und ich werden heiraten." "Wie bitte?" rief Alicia. "Wieso?" fragte Benson. Devon rührte ihre Suppe um. "In zwei Wochen. Auf The Oaks, wenn euch das recht ist." "Darling!" Alicia stand auf und küsste Devon auf die Wange. "Natürlich ist es uns recht. Ich freue mich so für dich. Liebe auf den ersten Blick, und ich habe es nicht einmal bemerkt." "Ich hatte nicht gedacht, du, Devon, und Jared würdet überhaupt zueinander passen", meinte Benson scharf. "O doch", log sie tapfer. "Wir haben nur eine Weile gebraucht, um das zu merken." Sie hatte sich genau überlegt, was sie sagen wollte, aber die geprobten Reden fielen ihr plötzlich nicht mehr ein. "Ich bin schwanger. Ihr bekommt ein Enkelkind", fügte sie rasch hinzu. Alicia war - ausnahmsweise - sprachlos, und Benson fragte ausdruckslos: "Liebst du Jared?" "Ich werde ihn lieben - mit der Zeit." "Und liebt er dich?" "Das musst du ihn fragen", erwiderte sie trotzig. "Ich habe einen schweren Fehler gemacht, als er noch klein war, und wahrscheinlich ist Jared deshalb so zynisch geworden, was Frauen betrifft", gestand Benson. "Schon so oft
habe ich mir gewünscht, ich könnte die Vergangenheit ungeschehen machen, meine Blindheit und Dummheit nachträglich korrigieren. Aber das geht ja nicht." "Er hat mir von Beatrice erzählt", sagte Devon. "Tatsächlich?" Forschend sah er sie an. "Das ist interessant, denn mit mir redet er nicht über sie. Wenn er dir gegenüber so offen war, bist du vielleicht die richtige Frau für ihn, Devon." Sie fand das nicht, hatte es aber verschwiegen. Und als sie nun an dem grauen Novembermorgen im Bett lag, hielt sie sich noch immer nicht für die richtige Frau für Jared Holt. Er hatte sie nur noch selten berührt, seit sie ihm gesagt hatte, sie sei schwanger. Vielleicht verabscheute er sie jetzt, weil sie ihn in die Ehefalle gelockt hatte, und begehrte sie nicht länger. Wie sollte sie es vier Tage mit ihm allein auf den Bahamas aushalten? Jemand klopfte an die Tür. "Darling, bist du wach?" "Komm rein, Mom." "Ich bringe dir das Frühstück", verkündete Alicia munter. Sie trug ein Tablett, auf dem, neben Kaffee und frischen Croissants, eine weiße Rose in einer kleinen Vase stand. "Das ist lieb von dir", bedankte Devon sich gerührt. "Ich wünsche dir, dass du glücklich wirst - so glücklich, wie ich mit Benson bin." Nein, ich darf nicht weinen, sonst kann ich nie wieder aufhören, ermahnte Devon sich. "Danke, Mom." "Jared hat sich übrigens bei mir entschuldigt, weil er mich damals bestechen wollte, damit ich seinen Vater nicht heirate", berichtete Alicia. "Er sagte, er hätte es nicht tun dürfen, und er könne sehen, wie gut Benson und ich zueinander passen." "Ach ja?" fragte Devon. "Er war nicht gerade überschwänglich. Jared ist - glaube ich - nicht daran gewöhnt, sich zu entschuldigen, aber er hat es ehrlich gemeint. Er tut nichts, was er nicht wirklich will."
Außer mich zu heiraten, dachte Devon. "Benson hat mir von Beatrice erzählt", fügte Alicia hinzu. "Die muss eine richtige Hexe gewesen sein! Sie hasste Jared, weil er der Sohn einer anderen Frau war und weil Benson ihn liebte." "Ich bin froh, dass Jared sich bei dir entschuldigt hat." Plötzlich fühlte Devon sich ein kleines bisschen zuversichtlicher. "Du bist genau die Frau, die er braucht, Darling." Wenn er das doch auch denken würde! Nach dem Frühstück packte Devon den Koffer für die Hochzeitsreise, badete in aller Ruhe und zog dann das Brautkleid an: einen Rock und ein langes Oberteil aus weißer Seide, das ihre Rundungen kaschierte. Um halb eins brachte ihr der Butler eine Schachtel. "Wurde heute Morgen extra für Sie eingeflogen", erklärte er. In der Schachtel lagen eine einzige, wunderschöne Orchidee und eine Karte, auf der nur "Jared" stand. Weshalb sollte er auch etwas von Liebe schreiben? Es war keine Liebesheirat. Devon wurde das Herz schwer, aber sie riss sich zusammen. Sie befestigte die Blüte in ihrem Haar, trug Rouge auf, um nicht so blass auszusehen, und ging nach unten. Alicia hatte das Wohnzimmer überreichlich mit Blumen geschmückt, um den tristen Anblick des verregneten Gartens vergessen zu lassen. Sechs Leute warteten auf das Erscheinen der Braut: Onkel Leonard und Tante Bessie, die ein zu enges neongrünes Kleid trug, Benson, Alicia, der Pfarrer - und Jared. Jared trug einen dunklen Anzug und sah unnahbar aus, nicht wie ein glücklicher Bräutigam. Devons Befürchtungen verstärkten sich. Trotzdem wünschte sie sich unwillkürlich, sie hätte ihm eine Blume fürs Knopfloch besorgt, und bedauerte, erst jetzt daran gedacht zu haben.
Bisher hatte noch keiner sie bemerkt. Rasch ging sie wieder in die Diele und brach von dem Rosenstrauß dort eine rosa Blüte ab. Zum Kuckuck noch mal, ich werde nicht zum Altar gehen wie ein Lamm zur Schlachtbank, sagte Devon sich energisch. Jared hatte sich bei Alicia entschuldigt, er hatte zugegeben, sich falsch verhalten zu haben. Und seine Leidenschaft war bestimmt noch nicht abgeklungen, sondern nur überlagert von anderen Empfindungen. Immerhin hatte er ihr, Devon, die Orchidee geschickt. Orchideen war sehr sexy ... Den Kopf hoch erhoben, ging Devon ins Wohnzimmer zurück. Beim Klang ihrer Schritte wandte Jared sich ihr zu. Sie umklammerte die Rosenknospe wie einen Talisman, ging lächelnd zu Jared und schob ihm die Blüte ins Knopfloch, die seitwärts kippte. "Sie will nicht", sagte Devon leise. "Ich hätte eine Sicherheitsnadel mitbringen sollen." "Warte, ich hole schnell eine", bot Alicia an. "Mir gefällt die Farbe", bemerkte Jared beiläufig. "Die der Rose oder die von meinem Kleid?" fragte Devon schalkhaft. "Von beidem", erwiderte er. "Du siehst wunderschön aus. "Danke." In dem Moment kam Alicia zurück und reichte ihr die Nadel. Damit befestigte Devon die Blüte an Jareds Revers und trat einen Schritt zurück. "So ist es besser", meinte sie zufrieden. Jared lächelte verhalten. "Wollen wir dann anfangen?" Sie stellte sich neben ihn, und die Zeremonie nahm ihren Lauf. Devons Stimme klang leicht zittrig, als sie versprach, Jared zu lieben und zu ehren, und ihre Finger bebten, als sie ihm den Ehering aufsteckte, auf dessen Innenseite sie die Worte hatte gravieren lassen: "Mein drittes Geschenk an dich." Jetzt wünschte Devon sich, sie hätte das nicht getan.
"Hiermit erkläre ich euch zu Mann und Frau", verkündete der Pfarrer feierlich und lächelte sie freundlich an. "Sie dürfen die Braut jetzt küssen, Mr. Holt." Ihr stockte der Atem, als Jared sich zu ihr neigte und sie küsste. Seine Lippen fühlten sich warm und fest an, und sie erschauerte. Anschließend küsste jeder die Braut, Benson umarmte Jared, und Tante Bessie sagte so selbstzufrieden, als wäre sie für die Hochzeit allein verantwortlich: "Ich wusste schon bei Bensons Hochzeit, dass Devon dir ebenbürtig ist, Jared. Du brauchst eine Frau, die dich am langen Zügel führt. Bei Leonard mache ich das auch. Stimmt's, Liebster?" "Ja", sagte Leonard und zwinkerte Devon zu. "Schade, dass du heute auf Orgelmusik verzichten musstest." Jetzt bin ich wirklich Jareds Frau - bis ans Ende meiner Tage, dachte sie, konnte sich aber die Zukunft nicht ausmalen. Devon versuchte, sich zu amüsieren, redete zu viel und zu schnell, lachte und aß mehr als sonst. Und währenddessen versuchte sie zu begreifen, was sie getan hatte, indem sie Jared heiratete. Hatte sie die Tür eines goldenen Käfigs zugeschlagen oder vielmehr den ersten Schritt auf einem Weg getan, der irgendwann zu einer echten, liebevollen Beziehung führen würde? Wenn sie und Jared sich doch nur ineinander verlieben könnten! "Was meinst du?" fragte Jared. Dass es mich unglaublich glücklich machen würde, antwortete sie im Stillen und wurde rot, als sie merkte, dass sie den Faden des Gesprächs verloren hatte. "Entschuldige, ich hatte kurz nicht zugehört." Jared in sie verliebt? Oder sie in ihn? Sie musste nicht nur den Gesprächsfaden, sondern den Bezug zur Realität verloren haben!
Bald darauf wurde es Zeit für die Abreise. Benson und Alicia fuhren sie zum Flughafen. Alicia weinte ein bisschen, und Benson sagte rau: "Ich freue mich, dass du meinen Sohn geheiratet hast, Devon. Werdet glücklich." Dann gingen Jared und Devon durch die Sperre - und waren allein. Beide wussten nichts zu sagen. Schweigend gingen sie zum Jet, der Jareds Firma gehörte, und nahmen die Glückwünsche der Crew entgegen. Sobald das Flugzeug abgehoben hatte, sagte Jared: "Ich hoffe, es macht dir nichts aus, aber ich muss mich um Papierkram kümmern." "Kein Problem", erwiderte Devon, lehnte sich zurück und schloss die Augen. Eine halbe Stunde vor der Landung wachte sie auf, ging in den luxuriös ausgestatteten Waschraum und frischte ihr Make up auf. Als sie zurückkam, war Jared noch immer mit den Unterlagen beschäftigt, tippte ab und zu etwas in den Laptop und beachtete seine frisch gebackene Ehefrau nicht. Vielleicht will er ja die nächsten vier Tage durcharbeiten, dachte Devon zynisch und blickte auf den spektakulären Sonnenuntergang, der das Meer so rosafarben schimmern ließ wie die Blüte, die Jared noch immer im Knopfloch trug. Sie landeten in Nassau und stiegen in einen Hubschrauber um, der sie zu der kleinen Insel östlich von Exuma brachte, die Jared gehörte und auf der sich eine seiner Hotelanlagen befand. Ein Auto stand an dem kleinen Flughafen für sie bereit, und wenige Minuten später kamen sie zu einem Bungalow, der von den anderen Gebäuden durch eine Reihe Palmen und mit Bougainvilleen bewachsene Mauern abgeschirmt war. Devon folgte rasch dem Chauffeur, der das Gepäck ins Haus schaffte. Sie wollte nicht, dass Jared sie womöglich über die Schwelle trug - ganz so, als würde eine richtige Ehe beginnen. Das Haus war hell, freundlich und mit Möbeln aus Bambus und Teakholz ausgestattet.
"Mach es dir bequem, Devon", sagte Jared. "Ich muss einige Anrufe erledigen, danach können wir draußen essen. Marisha sagte mir am Telefon, sie würde etwas im Kühlschrank bereitstellen." Er war in Gedanken meilenweit entfernt, nicht bei ihr, Devon. "Wie du möchtest", sagte sie und meinte es nicht einmal sarkastisch. Scharf sah Jared sie an. "Ich muss das Geschäftliche zuerst erledigen. Es ist dringend, wird jedoch nicht lang dauern." "Hauptsache, du weißt, was dir wichtig ist." Das hatte sie eigentlich nicht sagen wollen. "Worauf willst du hinaus?" fragte Jared leise, aber es klang drohend. "Erledige lieber deine Anrufe. Ich möchte nicht, dass unser erster Ehestreit ,Holt Incorporated' schadet." "Von meinem Unternehmen hängt jetzt auch deine Existenzgrundlage ab. Vergiss das nicht." "Du kannst mich nicht kaufen, Jared." "Ach so, du suchst mal wieder Streit. Ich stehe dir gern zu Diensten - nachdem ich die Anrufe erledigt habe. Sie sind wirklich wichtig." Und ich bin es nicht, fügte Devon im Stillen hinzu und zog die weißen Pumps aus. "Na schön, jetzt stehe ich barfuß und schwanger in der Küche, dem angestammten Platz der Ehefrau. Du bist sehr konventionell, Jared." "Lass mich eins klarstellen", erwiderte er schroff. "Eine meiner unumstößlichen Regeln lautet, dass niemand, wirklich niemand, mich von meiner Arbeit abhält. Verstanden?" "Es wäre schier unmöglich, etwas so Offensichtliches nicht zu verstehen", konterte sie und verließ den Raum. Jared folgte ihr nicht. Im Flugzeug hatte Devon sich gefragt, ob er sie ins Bett tragen würde, sobald sie im Haus allein wären - so wie er es in New York getan hatte. Jetzt war offensichtlich, dass er es nicht
beabsichtigte. Sie ging von Zimmer zu Zimmer. Im Bad gab es einen Whirlpool, das Schlafzimmer war größer als ihr Wohnzimmer in Toronto und das Bett riesig. Hasch wandte sie den Blick ab und ging ins Esszimmer weiter, von wo aus man auf eine Terrasse unter einer mit Wein bewachsenen Pergola gelangte. Irgendwo hörte Devon Jared telefonieren. Er klang meilenweit entfernt. Wahrscheinlich wäre er lieber weit weg anstatt hier mit mir, dachte sie. Ihr Zorn verflog, und erschreckend heftiger Schmerz erfüllte sie. Sie ging nach draußen. Am Himmel glitzerten die Sterne, so weit entfernt und unnahbar wie Jared. Die Luft duftete nach Blüten und Meer, Wellen schlugen leise an den nahen Strand. Im Pool spiegelte sich der zunehmende Mond, und geisterhaft leuchteten weiße Bougainvilleen an der Mauer. Plötzlich entdeckte Devon das Tor. Dahinter lag der Strand. Dorthin konnte sie sich, wenigstens für eine Weile, flüchten. Jetzt erst wurde ihr bewusst, dass sie sich in dem zauberhaften Garten wie eingesperrt fühlte. Er kam ihr wie ein Gefängnis vor. Sie eilte zum Tor und drückte auf die Klinke, aber nichts rührte sich. Immer wieder versuchte Devon es und drückte mit aller Kraft gegen das Holz, denn sie wollte unbedingt hinaus. Dann sah sie das Schlüsselloch. Das Tor war zugesperrt, und sie hatte keinen Schlüssel! Frustriert schlug sie mit den Fäusten gegen das Holz, und schließlich sank sie auf die Knie, lehnte die Stirn ans Tor und weinte herzzerreißend. Jared verabschiedete sich höflich und legte auf. Michaels hatte einiges vermasselt und würde sich demnächst auf einer weniger wichtigen Position wieder finden. Er, Jared, hielt nichts davon, toten Ballast mitzuschleppen. Er schob die Unterlagen in den Aktenkoffer, zog das Jackett aus und hängte es über die Sessellehne. Ein Drink wäre jetzt
genau das Richtige! Wie auffallend still es im Haus war. Laut rief er nach Devon, aber sie antwortete nicht. Wahrscheinlich schmollte sie. Je eher sie lernte, dass er es nicht ertrug, sich von Geschäftlichem ablenken zu lassen, desto besser für sie. Während er aufstand, sah er zufällig die Rosenknospe in seinem Revers, und aus einem unerklärlichen Impuls heraus stellte er sie in das Glas mit Wasser auf seinem Schreibtisch. Jared ging in die Küche. Sie war leer. Im Schlafzimmer stand Devons Gepäck noch genauso da, wie der Chauffeur es abgestellt hatte. "Devon!" rief Jared wieder, diesmal besorgt. Bestimmt war sie nicht schwimmen gegangen, denn dann hätte sie sich umgezogen. Der Garten! Dort würde sie sein, nachdem sie den ganzen Tag lang hatte stillhalten müssen. Die Terrassentür im Wohnzimmer stand offen, die spiegelglatte Oberfläche des Pools schimmerte im Mondlicht. Das Wasser sah unheimlich aus, dunkel und tief, und kurz durchzuckte Jared nackte Furcht. Dann sah er am Tor die zusammengesunkene Gestalt im weißen Kleid. Hatte Devon sich verletzt? Er lief zu ihr und kniete sich neben sie. Jetzt erst merkte er, dass sie weinte, lautlos und verzweifelt. Einen Moment lang war er wie gelähmt und unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Devon setzte Tränen nicht als Druckmittel ein, so viel wusste er. Nein, sie weinte, weil sie unerträglichen Kummer hatte. Jared wurde schwer ums Herz. Ungeschickt legte er ihr den Arm um die Schultern und versuchte, ihr ins Gesicht zu sehen. Sie wehrte sich gegen ihn und schlug ihm gegen die Brust. "Geh weg!" Devon schluchzte. "Lass mich allein."
"Devon, was ist los?" Eine gute Frage. Kein Wunder, dass ich Präsident eines riesigen Unternehmens bin, verspottete er sich. "Ich wünschte, ich hätte dich nie getroffen und wäre nie mit dir ins Bett gegangen, Jared! O, Himmel, was haben wir nur getan? Wir hätten nicht heiraten dürfen." Ihre Worte trafen ihn tief. Devon wollte nicht mit ihm verheiratet sein. Die Trauung lag noch nicht einmal acht Stunden zurück, und Devon weinte sich die Augen aus, weil sie einen schrecklichen Fehler gemacht hatte. Er hatte auf die Hochzeit bestanden. Er hatte Devons Einwände überrollt und sich keine andere Lösung einfallen lassen. Er hatte Devon bekommen, zu seinen Bedingungen, so wie er noch jede Frau zu seinen Bedingungen bekommen hatte. Aber der Sieg fühlte sich, zum ersten Mal in seinem Leben, wie eine Niederlage an. Was hatte er, Jared, davon, mit Devon verheiratet zu sein, wenn sie wie ein Vogel war, der sich beim Versuch zu fliehen die Flügel an den Käfigstangen brach? Der Käfig war aus purem Gold, aber Devon lag nichts an Geld. Sie war zu unabhängig, sie hatte viel Mut, sie war ... Devon. Und jetzt sah sie weder unabhängig noch mutig aus, sondern gebrochen. Und er, Jared Holt, war schuld daran. Er hatte sie gezähmt, und das hier war das Ergebnis. Und was planst du als Zugabe? fragte eine innere Stimme ihn. Einen Rückzug hinter die Faxmaschine? Einen Flug nach New York unter dem Vorwand, es gebe eine internationale Finanzkrise? Guten Zuspruch, so in etwa: Nimm zwei Aspirin, Devon, und geh ins Bett? Nein, an Devon im Bett durfte er nicht denken! Er konnte sich aber auch nicht hinter seiner viel gerühmten Selbstbeherrschung verschanzen, wenn er Devon trösten wollte.
Plötzlich kam Jared ein ganz neuer Gedanke: Hatte er sich nicht mehr als einmal gewünscht, eine Frau möge ihn als Menschen ansehen, unabhängig von seinem Vermögen? Als Mann, nicht als unglaublich reichen Mann? Devon war an seinem Geld nicht interessiert. Nun lag es an ihm, ihr den Mann zu zeigen, der sich hinter der Fassade des Unternehmers verbarg, den Mann, den er so lange vor der Welt versteckt hatte. Das war Neuland für ihn. War er bereit, es zu betreten?
10. KAPITEL Jared atmete tief durch, legte Devon die Hand auf die Schulter und sagte leise: "Ich kann dich nicht weinen sehen. Sag mir, was ich tun soll." Sie schlug mit der Faust gegen das Tor. "Du kannst nichts tun. Es ist zu spät. Verstehst du das nicht?" "Ich bringe dich jetzt ins Haus, Devon. Du nimmst ein Bad, und danach serviere ich dir Haferbrei mit Rosinen, Sahne und viel Zucker. Das ist wie ein Beruhigungsmittel." Mit einer Hand wischte sie sich über die Wangen und sah ihn endlich an. "Haferbrei?" rief sie. "Ich sage dir, dass wir den größten Fehler unseres Leben gemacht haben, und du redest von Haferbrei?" Jared war völlig klar, dass er jetzt einen Schritt wagte, den er noch nie gemacht hatte. "Wenn Beatrice mich für etwas bestraft hatte, von dem ich meistens nicht einmal wusste, dass es falsch gewesen war, ging ich zu unserer Haushälterin, und die hat mich mit Haferbrei gefüttert und ihren Kater streicheln lassen. Er war unglaublich hässlich, fuchsrot und hieß Turnip. Ich liebte ihn. Eines Tages hat Beatrice ihn überfahren. Unabsichtlich, wie sie behauptete." "O Jared..." "Ich kann dich nicht weinen sehen", wiederholte er beinah heftig. "Hast du jemals jemand anders von dem Kater erzählt?" flüsterte Devon.
"Natürlich nicht. Weshalb hätte ich das tun sollen?" "Danke, dass du es mir erzählt hast." Er strich sich übers Gesicht. "Haferbrei, Devon. Das ist mein bestes Angebot." "Dann sollte ich es lieber annehmen", erwiderte sie unsicher. Nun lächelte sie endlich, und das ging ihm zu Herzen. Sanft wischte er ihr die Tränenspuren von den Wangen. "Ich mache sehr guten Haferbrei. Der ist wirklich mein einziger Anspruch auf kulinarischen Ruhm." Wir benutzen Wörter, um die Kluft zu überwinden und wieder von den aufwühlenden Gefühlen in den Alltag zurückzukehren, dachte Jared. Ihm war das recht. Was war nur in ihn gefahren, Devon von Beatrice zu erzählen? Die beiden hatten nichts miteinander zu tun. Er riss sich zusammen und hob Devon auf die Arme. "Du bist kein Leichtgewicht", brummelte er, um seine Gefühle zu verbergen. Dass Devon ihm den Arm um den Nacken legte, dass ihr Duft ihn einhüllte, dass sie ihm so nah war, nachdem er so lang auf sie verzichtet hatte, all das betörte ihn. "Und du bist kein Romantiker", neckte sie ihn. "Weil du mir eine Heidenangst einjagst", erklärte er und meinte es nicht scherzhaft. Sie blickte zu ihm auf. "Würdest du das bitte wiederholen?" "Nein." Er trug sie ins Bad und ließ sie dort auf den Boden gleiten. "Ich bring dir den Koffer." Ohne sie anzusehen, wandte er sich um. Ein Blick, und er würde sie küssen und nicht mehr damit aufhören. "Danke", sagte Devon unsicher und sah ihm nach, als er hinauseilte. Sie hatte keine Ahnung, was eigentlich vor sich ging, sie wusste nur, dass ihr Drang, allem zu entkommen, sich verflüchtigt hatte.
Jared hatte durchaus Gefühle, er hatte sie nur von klein auf verdrängt und verborgen, alles wegen Beatrice! Wenn er mich nicht weinen gesehen hätte, hätte er mir nichts davon erzählt, dachte Devon. Er brachte ihr den Koffer und eilte wieder wortlos weg. Konnte es wahr sein, dass sie ihm Angst machte? Ausgerechnet Jared? Stirnrunzelnd betrachtete sie sich im Spiegel. Sie sah schrecklich aus: die Nase gerötet, die Lider geschwollen und die Wangen fleckig vom Weinen. Sie brauchte jetzt eine Dusche, danach würde sie vielleicht das sexy Nachthemd anziehen, das sie sich für die Flitterwochen gekauft hatte. Wenn sie den Mut dazu aufbrachte. Zehn Minuten später ging sie barfuß in die Küche. Jared blickte auf und ließ die Pfanne fallen. An der Tür stand Devon - völlig nackt. "Wir können den Haferbrei ja danach essen, Jared." Sie klang nervös. Sie versucht nicht, zu posieren oder verführerisch zu wirken, dachte er. Im Gegenteil, sie sah aus, als müsste sie aufs Schafott steigen. Sie hat Angst vor mir, erkannte er schlagartig. Und plötzlich wusste er, was er zu tun hatte. Das, wonach er sich schon den ganzen Tag lang sehnte. Er eilte zu ihr und nahm sie in die Arme. Dann küsste er Devon stürmisch, und zu seiner großen Erleichterung erwiderte sie den Kuss. Endlich hob Jared den Kopf. "Du fröstelst. Komm ins Bett, Devon." "Nur weil mir kalt ist?" "Nein, weil mein Herz kalt ist und ich dich brauche, damit du es wärmst." Warum hatte er das jetzt gesagt? Es war kitschig und übertrieben. Devons Lächeln rührte ihn. "Das Argument klingt viel überzeugender. Ich gehe liebend gern mit dir ins Bett, Jared.
Wenn du wirklich willst. Du hast mich seit Wochen nicht berührt." "Weil du schwanger bist. Ich dachte, leidenschaftlicher Sex könnte dir schaden", erklärte er, und das war zumindest die halbe Wahrheit. "War das jetzt ernst gemeint?" fragte Devon ungläubig. "Natürlich. Warum sonst hätte ich dich wie eine Nonne behandeln sollen?" "Ich dachte, du begehrst mich nicht mehr, weil ich dich in die Ehefalle gelockt habe." "Devon, es gehören zwei Menschen dazu, ein Baby zu zeugen. Ich habe auch nicht an Verhütung gedacht, deshalb bin ich ebenso verantwortlich wie du." Er umfasste ihre Hüften und presste sie an sich. "Ich werde ganz behutsam sein, das verspreche ich." Sie erschauerte vor Sehnsucht. "Ja, bitte, liebe mich, Jared." Beim ersten Mal hielt er sich zurück und behandelte Devon so behutsam wie kostbares Porzellan, beim zweiten Mal verführte sie ihn dazu, alle Hemmungen aufzugeben. Als er den Höhepunkt erreichte, hielt sie ihn eng an sich gepresst. Ich liebe dich, Jared, dachte sie - und war schockiert. Hatte sie sich in der Hochzeitsnacht in ihren Ehemann verliebt? Das durfte sie ihm aber nicht sagen, noch nicht. "Ist alles in Ordnung?" fragte sie leise und spürte sein Herz heftig unter ihrer Hand pochen. "Ja - obwohl du die reinste Wildkatze bist, Devon." Unwillkürlich gestand er ihr: "In New York ... da wollte ich dich verführen, um dir eine Lektion zu erteilen, aber als wir dann im Bett waren, gab es nur noch uns beide und unsere Leidenschaft. Am nächsten Morgen fiel mir mein Plan wieder ein." Er schnitt ein Gesicht. "Und dann erzählte ich dir davon und tat so, als hätte ich die ganze Nacht über an nichts anderes gedacht." "Oh" sagte Devon. "So war das."
"Glaubst du mir?" "Ja." Er wollte sie fragen, ob sie ihm auch verzeihen könne, aber ihm war die Kehle wie zugeschnürt. Sanft streichelte er Devon. "Danke, dass du es mir gesagt hast", flüsterte sie. Jared sah Tränen in ihren Augen schimmern, und das machte ihm die Kehle noch enger. Rasch bemerkte er, nur um etwas zu sagen: "Du siehst aus wie Turnip, wenn er eine Maus gefangen hatte." "Du bist wirklich völlig unromantisch, Jared." "Ach, erst wenige Stunden verheiratet, und schon beklagen Sie sich, Mrs. Holt?" Nun lächelte sie strahlend. "O nein, ganz im Gegenteil." Er lachte. "Ich habe ein Geschenk für dich." "Noch eins?" fragte sie bedeutungsvoll. Immer noch lachend, stand er auf und ging zur Kommode, völlig unbefangen, obwohl er nackt war. Devon beobachtete hingerissen seine festen Muskeln. Sein Körper begeisterte sie und die Leidenschaft, die er in ihr weckte. Und jedes Mal, wenn er ein wenig mehr von seinen Gefühlen verriet, fühlte sie sich enger mit Jared verbunden. Er kam zurück zum Bett und reichte ihr ein kleines Schmucketui, wobei er seltsam unsicher wirkte. "Ich hoffe, er gefällt dir." Zögernd öffnete sie die Schatulle. Darin lag ein Ring mit einem tiefblauen Saphir in einer antiken Fassung. "O Jared, wie wunderschön!" "Er gefällt dir?" Mit bebender Stimme antwortete sie: "Du hättest mir den größten Diamanten bei Tiffany's kaufen können, aber du hast mir etwas ausgesucht, von dem du wusstest, dass ich es lieben würde." Wieder stiegen ihr Tränen in die Augen. "Bitte, wein nicht, Devon!"
"Ich weine doch nur, weil ich so glücklich bin. Und weil ich nichts für dich habe, Jared." Er drehte den Ehering am Finger. "Wieso? Du hast mir diesen Ring geschenkt. Was bedeutet eigentlich die Gravur? Das mit dem dritten Geschenk?" Devon wurde rot. "Das erste Geschenk war sozusagen ich in der Nacht auf The Oaks. Das zweite Geschenk ist das Baby." Das sind unschätzbar wertvolle Geschenke, die man mit keinem Geld der Welt bezahlen könnte, dachte Jared, sagte es aber nicht laut. Er hatte schon genug gesagt. Stattdessen nahm er Devon wieder in die Arme und atmete ihren Duft ein, der ihm so vertraut war. "Morgen gehen wir an den Strand und lieben uns im Mondschein", schlug er vor. "Der Plan gefällt mir." Sie küsste ihn so zärtlich, dass ihm schon wieder die Kehle eng wurde. Vor Zuneigung? Er wusste es nicht, er wusste nur, dass er genau da war, wo er sein wollte: im Bett mit Devon, die sich entspannt an ihn schmiegte und deren Atemzüge verrieten, dass sie eingeschlafen war. Sie und das Baby sind wirklich die kostbarsten Geschenke, dachte Jared noch, dann schlief auch er ein. Der Mond schien, und die Sterne sahen zum Greifen nah aus. Jared war schwimmen gegangen, aber Devon hatte keine Lust dazu und folgte ihm erst eine halbe Stunde später an den Strand. Während sie durchs Tor ging, wunderte sie sich, wie anders sie sich jetzt fühlte als am Tag zuvor. Ihr war nicht nach Weinen zu Mute, sondern nach Singen und Tanzen. Vielleicht tanze ich nackt für Jared, dachte sie und errötete. Der Sand war weich und warm, und die Wellen rauschten leise und rhythmisch. Die Brandung glitzerte im Mondlicht. Jared war nirgendwo zu sehen. Da er ein guter Schwimmer war, machte Devon sich keine Sorgen. Vom Hotel her erklang Calypsomusik. Er hatte gemeint, sie könnten am nächsten Abend dort essen, aber sie blieb lieber im Bungalow und aß die
delikaten Mahlzeiten, die die Haushälterin Marisha jeden Tag bereitstellte. Nein, mit anderen Leuten wollte sie sich noch nicht abgeben. Sie blickte aufs Meer hinaus. Wo war Jared? Nun war sie doch besorgt, denn er konnte noch nicht ins Haus gegangen sein. Sein Handtuch lag im Sand, und er hätte ihr begegnen müssen. Er war von einem Zitterrochen gestochen worden. Er hatte einen Krampf gehabt und war ertrunken. Ein Hai hatte ihn angefallen. Alle möglichen Gefahren gingen ihr durch den Kopf, und wieder blickte sie angestrengt aufs Wasser. Nichts. Devon lief, Jareds Namen rufend, den Strand entlang. Es hätte nichts genutzt, ebenfalls ins Meer zu gehen und ihn zu suchen. Nein, es war besser, Hilfe zu holen. Panisch blickte sie sich um und sah ein Licht unter Palmen schimmern. Dort wohnte Marisha, und die würde wissen, was zu tun wäre. Devon lief weiter, und plötzlich war ihr überdeutlich klar, dass sie Jared von ganzem Herzen liebte und ihn immer lieben würde. Wenn sie ihn verlor, würde sie es nicht ertragen. Weiter landeinwärts hörte der Sand auf, und spitze Steine bohrten sich ihr in die Fußsohlen, aber sie lief unbeirrt weiter. Als sie um eine Ecke bog, löste sich eine dunkle Gestalt aus dem Schatten des Gebüschs und stellte sich ihr in den Weg. Erschrocken schrie Devon laut auf und blieb stehen. "Devon?" fragte Jared scharf. "Was ist? Hast du dich verletzt?" Jared war nicht ertrunken, nicht von einem Hai gefressen worden, sondern stand hier mitten auf dem Pfad zu Marishas Haus. Devon schwankte plötzlich, denn ihr war schwindlig geworden. Jared umfasste sie und befahl ihr, einige Male tief durchzuatmen. Allmählich ließ das Schwindelgefühl nach. "Ich bin an den Strand gegangen, und dein Handtuch lag da, aber du warst
nirgendwo." Devon schluchzte. "Ich dachte, du wärst ertrunken." "Ich habe Marishas Mann getroffen, und er wollte mir unbedingt die riesige Muschel zeigen, die er heute aus dem Meer geholt hat. Entschuldige. Ich wusste nicht, dass du mir nachkommen wolltest." Sie umklammerte seinen Arm. "Jared, ich hatte solche Angst um dich! Ich könnte es nicht ertragen, wenn dir etwas passierte. "Devon", sagte er, und seine Stimme klang seltsam. Rasch sah Devon zu ihm auf. Sein Ausdruck war, wie so oft, unergründlich, und sie wusste, dass Jared sich wieder in sich zurückgezogen hatte. Nein, jetzt konnte sie ihm nicht gestehen, wie sehr sie ihn liebte. Wahrscheinlich dachte er, sie wäre hysterisch. "Tut... mir Leid", sagte sie stockend. "Ich habe übertrieben reagiert." "Ich wollte dich wirklich nicht erschrecken", erwiderte er sachlich. "Nur bin ich nicht daran gewöhnt, dass andere so viel Aufhebens um mich machen." "Das habe ich nicht getan, ich hatte nur schreckliche Angst um dich." "Okay, okay. Daran bin ich auch nicht gewöhnt." "Bist du jetzt böse auf mich?" fragte Devon zaghaft. "Nein. Lass uns nach Hause gehen." Zu Hause, das war der Bungalow, in dem sie so glückliche Stunden erlebt hatte. Zu Hause war da, wo Jared war. "Einverstanden, ich wollte nackt am Strand für dich tanzen, aber das muss bis morgen warten." "Ach, wolltest du das wirklich?" Er lächelte sie an, und seine Zähne blitzten weiß auf. "Ich mag dich, Devon. Mir gefällt, dass ich nie vorhersehen kann, was du als Nächstes tun wirst. Mein Leben war viel zu vorhersehbar,- bis ich dich getroffen habe."
Das war keineswegs eine leidenschaftliche Liebeserklärung, aber da Jared fast nie von seinen Gefühlen sprach, bedeuteten seine Worte Devon sehr viel. Während sie Hand in Hand zum Bungalow zurückgingen, war Devon glücklich. Flitterwochen sind doch eine herrliche Erfindung, dachte sie. Vor allem, wenn man sie mit Jared verbrachte! Während der nächsten drei Tage liebten Jared und Devon sich am Strand, nachdem sie nackt im Mondlicht getanzt hatte, sie liebten sich in der Küche, im Whirlpool und manchmal sogar im Bett. Devon sang beim Duschen, stellte überall im Haus Blumen auf, und nicht einmal die Tatsache, dass Jared täglich einige Stunden am Computer verbrachte, konnte ihr Glücksgefühl mindern. Sie war in ihren Ehemann verliebt, und das ließ sie optimistisch in die Zukunft blicken. Jared war so zärtlich und leidenschaftlich, dass sie annahm, er würde sich auch in sie verlieben. Hatte er das vielleicht schon getan? Zuneigung war ein großer Schritt auf dem Weg zu Liebe. Während Devon an ihrem letzten Tag auf der Insel in der Küche stand und Papayasaft zubereitete, dachte sie daran, dass Jared sie nicht nur nach Vancouver begleiten, sondern dort noch einige Tage mit ihr verbringen würde. Eine ganze Woche Flitterwochen! Sie lächelte erfreut. Ja, es war herrlich, verliebt zu sein. Noch immer lächelnd, ging sie in das kleine Arbeitszimmer und stellte ein Glas Saft auf den Schreibtisch. Jared telefonierte gerade und blickte nicht einmal auf. Er war ganz der Geschäftsmann, durch nichts abzulenken. Rasch ging sie in die Küche zurück und begann, Salat fürs Mittagessen vorzubereiten. Eine halbe Stunde später kam Jared herein. "Devon, ich kann doch nicht in Vancouver bleiben, sondern muss sofort nach Singapur weiter", verkündete er unvermittelt.
Sie war bitter enttäuscht, versuchte aber, sich das nicht anmerken zu lassen. "Könnte ich nicht mitkommen? Ich brauche erst nächste Woche nach London zu fliegen." "Ich verbinde niemals Geschäft und Vergnügen." Er klang so distanziert, als würde er über Aktienkurse reden. "Ich bin deine Frau. Das ist doch etwas anderes als nur ,Vergnügen', oder?" Ungeduldig erwiderte er: "Ich kann dich morgen ins Haus bringen und sehen, dass du alles hast, dann muss ich den Nachtflug nehmen." Sie versuchte, vernünftig und erwachsen zu klingen, obwohl sie sich nicht so fühlte. "Was geht denn in Singapur vor?" "Das ist zu kompliziert, um es zu erklären. Ich muss jetzt noch ein, zwei Stunden telefonieren. Ruf mich, wenn das Essen fertig ist." Noch immer klang er ungeduldig. "Jared, ich bin eine intelligente Frau und durchaus in der Lage, eine Krise in Singapur zu verstehen." "Ich habe keine Zeit für Erklärungen." "Gib mir wenigstens einen Kuss, bevor du dich wieder ins Arbeitszimmer zurückziehst", bat sie. "Wenn ich das tue, weißt du, wozu das führt." "Küsse müssen nicht unbedingt zu Sex führen", erwiderte sie unüberlegt. "Bei uns schon." Wahrscheinlich meinte er das als Kompliment, aber ihr wurde eiskalt. "Und was ist... mit Zuneigung?" fragte sie stockend. Gereizt zuckte Jared die Schultern. "Warum müsst ihr Frauen immer Gefühle ins Spiel bringen, egal, worum es geht?" "Ich bin nicht ,ihr Frauen', sondern deine Ehefrau. Und Gefühle sind nun mal wichtig." "Um Himmels willen, Devon, jetzt ist wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, um über Gefühle zu diskutieren. Wenn noch
etwas von dem Garnelensalat übrig ist, hätte ich den gern zum Mittagessen." Ohne ein weiteres Wort ging er hinaus. Devon setzte sich auf den nächstbesten Stuhl. Hausmütterchen in der Küche oder leidenschaftliche Geliebte im Bett, etwas anderes sah Jared anscheinend nicht in ihr. Jedenfalls nicht eine Frau mit Gefühlen. Nein, er war nicht in sie verliebt. Sie hatte sich etwas vorgemacht, als sie sich das hoffnungsvoll ausgemalt hatte. Er begehrte sie, das war offensichtlich, aber er wollte sein Leben nicht mit ihr teilen - nicht die Dinge, auf die es ihm ankam: Geschäfte, Finanzkrisen, Vorstandssitzungen. Wie dumm von ihr, sich in Jared zu verlieben. Wenn er irgendwann einmal das erotische Interesse an ihr verlor, was blieb ihr dann noch? Nichts. Am Nachmittag des folgenden Tags betrat Devon zum ersten Mal das Haus in Vancouver, ein eindrucksvolles Gebäude mit Blick auf einen Golfplatz, die Bucht und die Gipfel der Rocky Mountains, die sich scharf vor dem grauen Himmel abhoben. Das Personal hatte dafür gesorgt, dass es im Haus warm und makellos sauber war. Zu einem echten Willkommen braucht es aber mehr als eine gute Haushälterin, dachte Devon, während sie von Zimmer zu Zimmer ging. Alle Räume waren ziemlich nüchtern möbliert und in neutralen Farben gehalten, die perfekte Umgebung für private Treffen mit wichtigen Geschäftspartnern. Kein Zuhause, in dem man lebte und sich wohl fühlte - mit seinem Mann und seinem Baby. Jared telefonierte schon wieder. Seitdem er ihr gesagt hatte, er könne nicht mit ihr in Vancouver bleiben, war für Devon der Zauber der Flitterwochen verflogen. Sie hatte Jared zwar nachts nicht widerstehen können, aber ihr Zusammensein war irgendwie seelenlos gewesen. Geliebt hatte nur sie ihn, er hatte Sex gehabt.
"Du wirst es hier gut haben", sagte Jared plötzlich hinter ihr. "Die Haushälterin Sally und ihr Mann Thomas, der mein Chauffeur ist und sich um den Garten kümmert, wohnen auf dem Grundstück. Für dich steht ein Auto in der Garage. Thomas wird dir alles zeigen." "In diesem Haus herrscht eine Atmosphäre der Leere", meinte Devon. "Es stand auch zwei Jahre lang leer." Jared lächelte, war in Gedanken offensichtlich aber mit anderem beschäftigt. "Lass uns zum Essen ausgehen, dann muss ich zum Flughafen." Allmählich wütend darüber, dass er sie so einfach in diesem seelenlosen Haus deponierte und sich für unbestimmte Zeit von ihr verabschiedete, erwiderte sie kühl: "Ich bin nicht hungrig." "Du musst aber etwas essen." "Dem Baby zuliebe?" "Richtig." "Jared, liebst du mich?" Seine Züge wurden maskenhaft starr. "Warum fragst du?" Devon wünschte sich, sie hätte es nicht getan. "Weil ich es wissen möchte." "Ich habe dir doch gesagt, dass ich unfähig bin, mich zu verlieben." Nun konnte sie nicht lockerlassen. "Und was empfindest du für mich?" "Zuneigung", antwortete er kurz angebunden. "Was ist los mit dir? Haben dir die Flittertage nicht gefallen?" "O doch. Jetzt sind sie vorbei, und es stellt sich die Frage: Wie geht es weiter? Das möchte ich wissen, Jared." "Ich habe keine Ahnung." Ich hätte nicht damit anfangen sollen, dachte Devon verzweifelt. Sie kam nicht gegen ihn an, das wusste sie doch. "Warum isst du nicht am Flughafen?" schlug sie ruhig vor. "Ich bin müde und möchte mich hinlegen."
Geh mit mir ins Bett, hätte sie ihn am liebsten angefleht. Wenn er sie hier in den Armen halten würde, käme ihr das Haus eher wie ein Zuhause vor. Sie wollte aber nicht darum betteln. Und weinen würde sie auch nicht, wenn er es sah. "Gute Idee! Ich habe alles gepackt. Gregson soll mich am Flughafen treffen, dann können wir noch einige Daten checken", meinte Jared. Devon hatte keine Ahnung, wer Gregson war, und wollte es auch nicht wissen. "Ich wünsche dir viel Erfolg", sagte sie so höflich, als würde sie mit einem Bekannten sprechen, nicht mit dem Mann, der ihr so viel Glück und Erfüllung geschenkt hatte. "Pass auf dich auf, Devon", erwiderte Jared stirnrunzelnd. "Ich ruf dich morgen an." Flüchtig küsste er sie auf die Wange und verließ das Zimmer. Devon ging ins Arbeitszimmer, von wo aus man die Auffahrt überblicken konnte, die von sauber gestutzten Hecken gesäumt war. Ich hasse Hecken, dachte sie, während sie Jared beim Einsteigen zusah. Dann blickte sie starr auf die grauen Wellen der Bucht.
11. KAPITEL Devon versuchte, das Haus zu mögen. Bei seinem ersten Anruf gab Jared ihr völlig freie Hand beim Einrichten und sagte ihr, sie brauche sich wegen der Kosten keine Gedanken zu machen. Sie gestaltete das eine, nach Süden gelegene, Zimmer um, den so genannten Sonnenraum, und erst als sie damit fertig war, fiel ihr auf, dass sie in ihm die Atmosphäre des Bungalows auf den Bahamas hatte nachahmen wollen. Das Haus war aber nicht der Bungalow, und sie war hier nicht glücklich. Wenn Jared anrief, klang er distanziert, und das lag nicht nur an der Entfernung. Devon wurde allmählich klar, dass sie sich etwas vorgemacht hatte, als sie glaubte, seine Gefühle wären lediglich verschüttet - er hatte keine. Nicht für sie, jedenfalls. Sein Aufenthalt in Ostasien dauerte länger als erwartet. Als Jared schon zwei Wochen in Singapur war, rief Patrick Devon an und sagte ihr, dass er bei einem Zwischenstopp in Vancouver auf dem Weg in den Norden vier Stunden Zeit habe. Sie trafen sich am Flughafen zum Lunch, und Devon hatte viel Spaß. Patrick und ich sprechen dieselbe Sprache, dachte sie. Er schloss sie auch nicht von allem aus, wie Jared es tat. Beinah hätte sie Patrick gestanden, wie unglücklich sie war, ließ es aber bleiben. Sie durfte Jared gegenüber nicht illoyal sein.
Dann flog Devon nach London, um zwei Tagungen zu besuchen, anschließend nach Baffin Island, wo sie an den letzten vertraglich festgelegten Verhandlungen teilnahm. Danach war sie offiziell beurlaubt. Der Rückflug nach Montreal musste drei Mal wegen Schneesturms verschoben werden, und als sie endlich in der Stadt landete, war sie vor Müdigkeit völlig benommen. Auf dem Weg durch die Halle sagte Devon sich, sie müsse eigentlich ihre Mutter besuchen, wenn sie schon in der Nähe von Toronto war, aber sie konnte sich nicht dazu aufraffen. Wie hätte sie die glücklich verheiratete Ehefrau spielen können? Und wie hätte sie ihre Mutter täuschen sollen? Nein, sie hielt sich lieber von The Oaks fern. Vor der Gepäckabfertigung entdeckte Devon einen großen schwarzhaarigen Mann, der alle anderen überragte. Jared! Ihr Herz schien einen Schlag lang auszusetzen, und ihre Miene wurde starr. Rasch ging Devon zu Jared und fragte ohne ein Wort der Begrüßung: "Mit Alicia und Benson ist doch alles in Ordnung, oder?" "Ja. Lass uns dein Gepäck holen." "Warum bist du hier, Jared?" "Ich habe von der Verzögerung deines Flugs erfahren und auf dem Weg nach New York einen Abstecher hierher gemacht." . "So habe ich die Frage nicht gemeint." "Ich habe ein Hotelzimmer gebucht. Dort reden wir in Ruhe über alles." Darauf kannst du Gift nehmen, Jared, dachte sie kriegerisch. Sie blickte ihn an und fand es unfair, dass er so groß, maskulin und sexy wirkte, während sie sich alles anderes als sexy fühlte. Sie fühlte sich wie eine schwangere Frau, die nur noch die Füße hochlegen wollte. Eine Dreiviertelstunde später führte Jared sie in eine Suite in Montreals teuerstem Hotel. Die Zimmer, elegant, aber völlig
seelenlos eingerichtet, erinnerten sie so stark an das Haus in Vancouver, dass sie plötzlich Heimweh nach ihrem alten Apartment bekam - und Sehnsucht nach dem Leben, das sie geführt hatte, bevor sie Jared kannte. "Woran denkst du?" fragte er schroff. "An nichts." "Devon, du siehst völlig erschöpft aus. Du musst besser auf dich Acht geben. Ich weiß, dass das Risiko einer Fehlgeburt jetzt nicht mehr so groß ist, aber du darfst dich nicht derartig verausgaben." "Geh zur Hölle, Jared", erwiderte sie ruhig, obwohl sie äußerst wütend war. "Sieh dich doch mal an. Dunkle Ringe unter den Augen, und wenn du dich nicht gleich hinsetzt, fällst du um." Devon funkelte ihn an. "Du sorgst dich doch nur um das Baby!" "Du etwa nicht?" Das war ein Schlag unter die Gürtellinie! "Ich stecke seit zwei Tagen in dieser Kleidung", sagte Devon kurz angebunden. "Jetzt nehme ich erst mal ein Bad. Bestell etwas Leichtes zu essen, ja?" Sie marschierte ins Bad und warf krachend die Tür zu. Jared hatte nicht bestritten, dass er sich nur um das Baby sorgte. Müde ließ Devon sich ein Bad ein und versuchte, sich im warmen Wasser zu entspannen. Ich hätte nicht so aufbrausen dürfen, sagte sie sich. Ab jetzt würde sie vernünftig und distanziert sein - so gefühllos wie Jared. Sie stieg aus der Wanne, hüllte sich in ein großes Badetuch und setzte sich vor den Spiegel, um sich das Haar zu föhnen. Kurz darauf wurde an die Tür geklopft. "Darf ich reinkommen?" Devon zögerte kurz. "Natürlich", rief sie dann.
Jared sah sie vor dem Spiegel sitzen und sich das Haar bürsten, das seidig glänzte. Ihre Brüste waren voller, ihre Haut wirkte weich wie Samt, und ihr Bauch war leicht gerundet. Jared ging zu ihr und kniete sich neben sie. "Man sieht dir die Schwangerschaft jetzt an", bemerkte er rau. "Ich bin im fünften Monat. Halbzeit." "Ich mache mir nicht nur Sorgen um das Baby", erklärte er leise. "Ich war deinetwegen beunruhigt - weil du da oben im Norden warst, meilenweit von ärztlicher Hilfe entfernt inmitten eines Schneesturms." "Ich hätte nicht so aufbrausen sollen." Er lächelte verhalten. "Du wärst nicht du, wenn du es nicht getan hättest." Dann schmiegte er die Wange an ihren Bauch, was Devon rührte. Sie streichelte Jareds Haar, und er berührte ihre Brüste. "Lass uns ins Bett gehen", flüsterte er. "Nur dort kann ich dir zeigen, was du mir bedeutest." "Ja", sagte sie leise und dachte flüchtig daran, dass sie ja nicht ihre gesamte Ehe im Bett verbringen konnten. Beim Frühstück bat Devon: "Lass mich mit nach New York fliegen, Jared. Ich könnte Weihnachtseinkäufe erledigen." "Ich bleibe nur eine Nacht, dann muss ich weiter nach Texas zu einer Vorstandssitzung, anschließend nach San Francisco", erwiderte er. "Ich könnte im Penthouse bleiben, bis du zurückkommst." "Devon, wir haben beschlossen, in Vancouver zu leben, und ich möchte nicht, dass du jetzt mehr als unbedingt nötig fliegst." "Ich bin nicht krank, sondern schwanger! Und das Haus in Vancouver kommt mir vor wie ein Mausoleum." Geduldig sagte er: "Ich weiß, ich war nicht oft dort..." "Du warst überhaupt nicht dort", unterbrach sie ihn.
"Ja, ich war noch beschäftigter als sonst. Wenn sich die Lage auf dem Finanzmarkt beruhigt, kann ich mehr Zeit mit dir verbringen." Devon vergaß ihren Stolz. " Jared, ich bin so einsam in Vancouver." "Gut, dann rufe ich einige Bekannte an, die ich dort habe. Die können dich mal einladen oder ausführen." Trotzig hob sie das Kinn. "Nein! Wenn du mich deinen Freunden nicht persönlich vorstellen willst, bleibe ich lieber allein." "Jetzt bist du unlogisch", bemerkte er kühl. "Du beklagst dich über Einsamkeit, gleichzeitig schlägst du mein Hilfsangebot aus." "Ich will mit dir zusammen sein, nicht mit deinen Freunden, Jared!" "Ich arbeite hart, reise viel - und ich möchte nicht, dass du mich begleitest, solange du schwanger bist." "Und wenn das Kind da ist, wirst du dich ebenso wenig von deinen Geschäften ablenken lassen wie jetzt", hielt sie ihm vor. Jared brach ein Stück Toast in zwei Hälften und griff nach dem Buttermesser. Bisher war er seinen Konkurrenten immer überlegen gewesen, ihnen immer zwei Schritte voraus - wie kam es jetzt, dass eine Frau ihn derart in die Enge trieb? Ihm Schuldgefühle vermittelte? "Ich sichere unserem Kind das Erbe", sagte er kühl. "Vielleicht ist es besser für ein Kind, einen Vater zu haben anstatt eines Erbes", erwiderte sie. "Auch wenn dir nichts daran liegt, mit der Mutter zusammen zu sein." "Ich bin nur deswegen so erfolgreich, weil ich mich niemals vom Geschäftlichen ablenken lasse - und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern." Das hatte sie schon oft gehört, und gegen dieses Argument kam sie nicht an. "Na schön, mach was du willst. Ich esse heute
Abend mit Patrick in Toronto, dann besuche ich Alicia und Benson." "Woher weißt du, dass Patrick in Toronto ist?" "Er hat mir ein Fax nach London geschickt." "Du hast demnach regelmäßigen Kontakt mit ihm?" fragte Jared, und bittere Eifersucht erfüllte ihn. "Natürlich nicht. Wir haben einmal am Flughafen von Vancouver zusammen zu Mittag gegessen, das ist alles. Aber ich mag Patrick. Ich habe viel Spaß mit ihm." "Und mit mir nicht?" "Das habe ich nicht gesagt, Jared." Ihm war elend bei dem Gedanken an Devon mit einem anderen Mann. Was war nur aus seiner Fähigkeit geworden, Geschäft und Vergnügen zu trennen? Devon hatte sie ihm genommen. Er würde seine Regeln aber nicht aufgeben, die ihm so gute Dienste geleistet hatten. Für niemand, nicht einmal für Devon. "Lunch am Flughafen ist nicht dasselbe wie ein Abendessen zu zweit. Wo wirst du in Toronto wohnen?" erkundigte Jared sich schroff. "Wenn du mir nicht vertraust, kannst du ja einen Privatdetektiv auf mich ansetzen", erwiderte sie aufgebracht. Vertraute er ihr nicht? War das sein Problem? Während er das überlegte, sah er, dass sie nicht länger zornig, sondern schmerzlich enttäuscht aussah. Dann setzte sie eine ausdruckslose Miene auf, was ihn seltsamerweise wütend machte. "Natürlich vertraue ich dir", sagte er heftig. "Es klang mir nicht danach." Devon stand auf. Sie war blass. "Ich ertrage das nicht länger. Du hast wieder mal gewonnen, Jared. Ich fliege direkt nach Vancouver. Lass mich wissen, wann du nach Hause kommst. Und jetzt entschuldige mich bitte, ich muss die Fluggesellschaft anrufen."
Sie ging ins Schlafzimmer und schloss die Tür. Jared aß seinen Toast, der plötzlich wie Pappe schmeckte, und überlegte sich Strategien für die Vorstandssitzung. In Vancouver regnete es jeden Tag, der Himmel war so grau und trist, wie Devon sich fühlte. Sie hatte sich höflich von Jared verabschiedet und ihre wahren Empfindungen vor ihm verborgen: Zorn, Gekränktheit und Liebe. Es war der größte Fehler meines Lebens, mich zu verlieben, dachte Devon, aber diese Erkenntnis tat ihrer Liebe zu Jared keinen Abbruch. Sie verbrachte die meiste Zeit im Sonnenraum, der seinem Namen zurzeit nicht gerecht wurde, aber immerhin als einziges Zimmer den Stempel ihrer Persönlichkeit trug. Devon schrieb die noch ausstehenden Berichte über die Tagungen in London und frischte ihre Deutsch- und Französischkenntnisse auf. Dass es mit den vielen Reisen vorerst vorbei war, besagte ihr, denn der Stress des Jobs hatte ihr doch ziemlich zugesetzt. Vier Tage nach ihrer Rückkehr goss sie gerade die Pflanzen im Sonnenraum, als die Haushälterin Sally, eine unnahbare und mürrische Person, Besuch ankündigte. "Eine Lisa Lamont möchte Sie sprechen, Mrs. Holt." Devon verschüttete Wasser und bückte sich mit wild klopfendem Herzen, um es aufzuwischen. "Führen Sie sie bitte hierher. Und bringen Sie uns Kaffee, Sally." Als Lisa hereinkam, fuhr Devon sich durchs zerzauste Haar und wünschte sich, etwas anderes zu tragen als eine alte Jogginghose und einen weiten Sweater. Lisa sah fantastisch aus in einem dunkelblauen Designerkostüm, ihr Make-up war makellos. "Wie nett, dass Sie mich besuchen, Lisa. Sie sehen fabelhaft aus." "Ich bin froh, Sie zu Hause anzutreffen", erwiderte Lisa und lächelte kühl. "Jared sagte mir, dass Sie in Vancouver sind."
"Bitte, setzen Sie sich doch, Lisa. Ist das Wetter nicht furchtbar?" In den folgenden fünf Minuten unterhielten sie sich über den Regen, Chinatown und Skifahren. Nachdem Sally den Kaffee serviert und sich wieder zurückgezogen hatte, begann Lisa: "Sie sind, soviel ich hörte, schwanger?" "Ja, und ich fühle mich sehr wohl. Die morgendliche Übelkeit war natürlich kein Vergnügen." "Und wann kommt das Baby zur Welt?" "Im Spätfrühling." "Das war ein kluger Schachzug von Ihnen." So, jetzt hat sie die Samthandschuhe abgelegt und kommt zur Sache, dachte Devon. "Schachzug? Ich verstehe nicht ganz ..." "Es war clever von Ihnen, Jared in die Ehefalle zu locken. Sie waren natürlich nicht die Erste, die das versucht hat, aber die Einzige, die erfolgreich war." Lisa trank einen Schluck Kaffee. "Ich habe Sie unterschätzt, Devon. Jared hat zwar ein Auge für attraktive Frauen, aber ich hätte nicht gedacht, dass er auf mehr als eine Affäre aus wäre. Das war er bisher noch nie." "Sie sollten Jared fragen, ob er oder ich auf die Heirat gedrängt habe. Vielleicht erleben Sie ja eine Überraschung, Lisa." Lisa kniff kurz die hellblauen Augen zusammen und sah plötzlich nicht mehr schön aus. "Ich kenne die Antwort ohnehin. Sie haben sich geweigert, eine Abtreibung machen zu lassen, und da Jared nicht von der Klatschpresse als unehelicher Vater bloßgestellt werden wollte, hat er Sie natürlich geheiratet. Er ist ein sehr stolzer Mann." Sorgfältig stellte Devon ihre Tasse auf den Tisch. "Jared wird sich niemals von mir scheiden lassen." "Wenn Sie sehen, was ich Ihnen mitgebracht habe, werden Sie vielleicht anders darüber denken", erwiderte Lisa und zog einen dicken Umschlag aus ihrer Schlangenledertasche.
Jetzt kommen wir zum eigentlichen Grund ihres Besuchs, dachte Devon nervös. Sie fühlte sich wie eine Schauspielerin, die in einem Stück spielte, dessen Text sie nicht kannte. "Diese Fotos wurden vor kurzem gemacht", erklärte Lisa und reichte Devon den Umschlag. Das erste Foto zeigte eine belebte Straße in Singapur und Jared, der die neben ihm gehende Lisa anlächelte, ein anderes die beiden vor dem weltberühmten Hotel Raffles. Die übrigen Bilder waren in New York aufgenommen. Jared und Lisa in einer Disco, lachend inmitten von Gästen im Wohnzimmer des Penthouses, Arm in Arm im Central Park. Die beiden wirkten so vertraut miteinander, dass es Devon wehtat. "Die Fotos können sonstwann aufgenommen worden sein. Immerhin kennen Sie Jared seit einigen Jahren", meinte Devon scharf. "Warum wohl wollte er Sie nicht nach Singapur mitnehmen?" fragte Lisa und lachte triumphierend. "Ich hätte ihn auch nach Texas begleitet, hielt es aber für wichtiger, zu Ihnen zu kommen. Es ist doch bestimmt besser für Sie, die Wahrheit schon jetzt zu erfahren." "Wie uneigennützig von Ihnen, Lisa." Devon schob die Fotos in den Umschlag zurück. Sie wollte jetzt nur noch allein sein. “Wenn Sie glauben, Jared würde sich von mir scheiden lassen und Sie heiraten, irren Sie sich. Erstens haben er und ich unter der Bedingung geheiratet, dass es keine Scheidung geben wird. Zweitens hatte er die Chance, Sie zu heiraten ... und die hat er nicht genutzt, stimmt's?" Lisa wurde rot und presste kurz die Lippen zusammen. "Er hat einen schweren Fehler gemacht und hat das mittlerweile eingesehen." "Mir hat Jared das nicht gesagt." "Mir schon. Wenn Sie einen Funken Verstand besitzen, Devon, verschwinden Sie aus seinem Leben. Für Jared gilt: Aus den Augen, aus dem Sinn."
"Dann sollten Sie lieber schnellstens nach New York zurückkehren", erwiderte Devon und stand auf. Auch Lisa erhob sich. "Ich finde allein hinaus", fauchte sie. "Versuchen Sie nicht, sich an Jared zu klammern. Er will Sie nicht." "Ach nein? Er ist nach Bensons Hochzeit und nach dessen Geburtstagsfeier mit mir ins Bett gegangen. Nicht mit Ihnen, Lisa. Leben Sie wohl." Lisa eilte hinaus, kurz darauf fiel die Haustür krachend zu. Devon setzte sich wieder und sah, dass der Umschlag noch immer auf dem Tisch lagen. Sie zog die Fotos heraus und betrachtete sie nochmals. Ihr hatte Jared gesagt, er wolle sie nicht bei sich haben, weil er nicht von seinen Geschäften abgelenkt werden wolle! Stöhnend barg sie das Gesicht in den Händen. Er hatte Lisa nach Singapur mitgenommen, Lisa, die in New York lebte und dort immer für ihn verfügbar war - vor allem, da sie, Devon, viertausend Meilen entfernt in Vancouver saß. Das Versprechen, ihr immer treu zu sein, hatte er offensichtlich schon gebrochen. Wahrscheinlich hatte er nie beabsichtigt, es zu halten. Er hatte sie von Anfang an belogen. Sie konnte ihm nicht trauen. Das wusste sie seit jener Nacht in New York. Warum nur hatte sie ihm dann geglaubt, dass Lisa nicht mehr seine Geliebte sei? Und warum hatte sie sich in ihn verliebt? Schließlich stand Devon auf und ging ins Bad, um sich das Gesicht zu waschen. Kurz überlegte sie, den nächsten Flug nach New York zu nehmen und Jared zur Rede zu stellen. Aber welchen Sinn hätte das? Wenn Jared wirklich Lisa wollte, dann würde sich daran nichts ändern, wenn sie, Devon, ihm eine Szene machte. Oder sich die Augen ausweinte. Außerdem war er noch in Texas. Je eher sie sich damit abfand, dass sie für ihn nur ein Zeitvertreib gewesen war, eine nette Episode, desto besser.
Zuerst hatte Steve sie verraten. Dann Peter. Und jetzt Jared. Devon zog sich eine warme Jacke an und machte einen langen Spaziergang am Strand. Als sie wieder nach Hause kam, fand sie auf dem Anrufbeantworter eine Nachricht von Jared vor: Er sei auf dem Weg nach San Francisco, würde am Wochenende nach Vancouver kommen, und Thomas möge ihn am Flughafen abholen. Seine tiefe Stimme klang so vertraut und völlig gefühllos. Devon setzte sich aufs Bett und ermahnte sich, nicht zu weinen. Dafür war später noch Zeit genug. Zuerst musste sie Pläne schmieden. Ja, sie würde Lisas Rat beherzigen - und aus Jareds Leben verschwinden. Am folgenden Morgen beschloss Devon, bei ihrer Flucht alle Spuren zu verwischen, damit Jared sie nicht ausfindig machen konnte. Nicht einmal mit Hilfe eines Detektivs. Zuerst gab sie Sally und Thomas eine Woche frei, die darüber erstaunt und erfreut zugleich waren und sofort zu einem Besuch ihres Sohns nach Calgary abreisten. Dann schrieb Devon einen Brief. Jared, Lisa hat mich besucht und mir die beigelegten Fotos gezeigt. Sie bedürfen keiner weiteren Erklärung. Ich verstehe jetzt, warum du mich nicht nach Singapur mitnehmen wolltest, ich wünschte mir nur, du hättest mir die Wahrheit gesagt. Ich verlasse dich, Jared, weil ich etwas sehr Dummes getan habe: Ich habe mich während der Flitterwochen in dich verliebt. Deshalb kann ich dich nicht mit einer anderen Frau teilen. Devon Sie adressierte den Brief an Jareds New Yorker Adresse und rief einen Kurierdienst an, der ihn weiterleiten sollte. Dann schrieb sie an Alicia und Benson, um ihnen mitzuteilen, sie
würde für eine Weile verreisen. Den Brief schickte sie mit der Post. Nachdem sie alles erledigt hatte, nahm sie ein Taxi zum Bahnhof, wo sie sich im Waschraum umzog und mit völlig verändertem Aussehen wieder hinausging. Mit einem weiteren Taxi ließ sie sich in die Nähe des Busbahnhofs bringen, dort bestieg sie den Bus nach Vancouver Island. Während der Überfahrt mit der Fähre sprach sie mit niemand, und sobald sie in Victoria angekommen war, suchte sie sich ein ruhiges Zimmer in einer netten Frühstückspension, das sie im Voraus und in bar bezahlte. Bei der Anmeldung gab sie einen falschen Namen an. Diese Vorsichtsmaßnahmen fand sie zugleich lächerlich und notwendig. Dann ging sie in ihr Zimmer und legte sich aufs Bett. Den ganzen Tag lang hatte sie gegen die Tränen angekämpft, aber jetzt konnte sie nicht weinen. Mit brennenden Augen blickte sie starr vor sich hin und fühlte sich so einsam wie noch nie in ihrem Leben. Jared war ihr untreu. Jared liebte sie nicht. Jared hatte gerade den Vorsitz bei der Vorstandssitzung in Austin übernommen, als seine Sekretärin ihm eine Notiz brachte. Es musste etwas Wichtiges sein. Jared entschuldigte sich bei den Direktoren und las den Zettel. Sein Butler hatte aus New York angerufen: Es sei ein Brief von Mrs. Holt per Kurier abgeliefert worden, und er erwarte weitere Instruktionen. Unwillkürlich verkrampfte Jared sich. Warum schickte Devon einen Brief per Kurier? Sie konnte doch jederzeit anrufen. War etwas mit dem Baby? Aber auch das hätte sie am Telefon sagen können. Das Ganze war ein Rätsel. Jared stand auf. "Ich bin sofort zurück", sagte er und verließ das Sitzungszimmer.
Nach dem zweiten Läuten meldete sich der Butler Wallace im Penthouse am Telefon. Da Jared sich auf Wallaces Diskretion verlassen konnte, bat er ihn, Devons Brief zu öffnen und vorzulesen. "Der Umschlag enthält Fotos, Sir", berichtete Wallace. "Von Ihnen und Miss Lamont." Jared umfasste den Hörer fester. "Was für Fotos?" "Aus Singapur, Giorgio's Disco und Ihrem Penthouse, Sir." "Liegt ein Brief bei?" "Ja." Wallace las ihn so ungerührt vor, als würde es sich um Adressen handeln. "Lesen Sie ihn noch mal", bat Jared. Die Worte blieben dieselben. Devon war überzeugt, dass er ein Verhältnis mit Lisa hatte. Devon liebte ihn. Devon hatte ihn verlassen. "Gibt es weitere Nachrichten von Mrs. Holt?" fragte er eindringlich. "Nein, Sir." "Sobald eine kommt, setzen Sie sich sofort mit mir in Verbindung, Wallace", wies er seinen Butler an und legte auf. Dann rief er in Vancouver an, aber niemand hob ab. Wo waren Sally und Thomas? Anschließend versuchte er es bei Benson und Alicia. "Hier Jared, ist Devon bei euch?" "Nein, sie ist in Vancouver, oder?" antwortete seine Schwiegermutter. Takt und Diskretion hätten jetzt nichts mehr genützt. "Sie hat mich verlassen", gestand Jared unverblümt. "Ich weiß nicht, wo sie ist. Ich hatte gehofft, sie hätte sich bei euch gemeldet." "Sie hat dich verlassen?" hakte Alicia nach. "Ja. Sie denkt, ich hätte eine Affäre mit Lisa." Plötzlich wurde ihm klar, was ihn vor allem verletzte: dass Devon seinem Wort nicht traute. Lisa war allerdings eine ausgezeichnete Schauspielerin, und mit den Fotos als Beweis
musste sie sehr überzeugend gewesen sein. Dass sein Verhalten in den vergangenen Wochen ebenfalls Anlass zu Misstrauen gegeben hatte, wollte er sich jedoch nicht eingestehen. "Und stimmt das?" fragte Alicia aufgebracht. "Nein. Ich habe nie mit Lisa geschlafen und werde es niemals tun. Ich versuche, Devon aufzuspüren, Alicia. Und sobald ihr von ihr hört, benachrichtigt mich um Himmels willen. Wallace weiß, wo ich jeweils zu erreichen bin." "Jared, liebst du meine Tochter?" "Ich weiß es nicht." "Dann solltest du dir schnellsten klar darüber werden. Devon ist von Männern tief verletzt worden. Dass du auch mit ihren Gefühlen spielst, braucht sie wirklich nicht." Mit Devons Gefühlen spielen? Was sollte das nun wieder heißen. "Ich werde mein Bestes geben", erwiderte Jared sarkastisch. "Das wird auch höchste Zeit", meinte Alicia. "Nicht alle Frauen sind wie Beatrice oder Lisa - oder ich in meinen heirats- und scheidungswütigen Tagen. Devon ist sehr stolz und kann halsstarrig sein, aber sie ist auch sehr liebevoll." "Sie hat sich während der Hochzeitsreise in mich verliebt", verriet er unwillkürlich, obwohl er mit niemand darüber hatte reden wollen. "Wage ja nicht, meiner Tochter das Herz zu brechen", warnte Alicia ihn und legte einfach auf. Frauen! dachte Jared gereizt und rief die Detektei an, die öfter Aufträge für ihn erledigte. Man versprach ihm, einen Ermittler darauf anzusetzen, Devons Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Dann ging er ins Konferenzzimmer zurück. Die Vorstandssitzung war noch nicht zu Ende, der wichtigste Punkt der Tagesordnung stand noch zur Diskussion.
12. KAPITEL Devon ging spazieren, sah sich einen Film an und kaufte sich einige Romane. Sie ermahnte sich, Ruhe zu bewahren und an das Baby zu denken. Ihm zuliebe durfte sie sich weder körperlich noch seelisch verausgaben. Die Vergangenheit - und Jared musste sie vergessen und stattdessen an die Zukunft denken. Vielleicht lasse ich mich in dieser bezaubernd altmodischen Stadt nieder, überlegte Devon. Bestimmt konnte sie hier als Übersetzerin arbeiten. Als sie nachts im Bett lag, weinte sie vor Sehnsucht nach Jared und wünschte sich, er würde ihr treu sein - aus Liebe. Genauso gut hätte sie sich auf den Mond wünschen können. Am nächsten Tag trank sie nachmittags Tee im Empress Hotel. Jeder, der in Victoria etwas auf sich hielt, ging um fünf Uhr ins "Empress". Die beiden Frauen am Nachbartisch unterhielten sich so laut über die Eheprobleme ihrer Freundinnen, dass Devon einiges von dem Gespräch mitbekam. Es tröstete sie, dass sie mit ihren Schwierigkeiten nicht allein stand, sondern Ehebruch an der Tagesordnung zu sein schien. "Wenn ich die Wahl hätte", sagte die jüngere der beiden Frauen, "würde ich mich jederzeit für Derek entscheiden. Er sagt nicht viel, aber er ist solide. Ihm kann man vertrauen. Harold ist charmant, o ja, aber ich würde keines seiner Worte für bare Münze nehmen. Halt dich an Derek, Marcy. Das ist mein Rat."
Devon saß wie gelähmt da, die Gabel mit Kuchen in der Hand. Harold war anscheinend wie Lisa, oberflächlich charmant und attraktiv, und Derek erinnerte an Jared. Der machte auch nicht viele Worte, aber wenn er etwas sagte, hatte es Gewicht. Denn es war immer die Wahrheit. Devon erinnerte sich daran, wie er ihr von Beatrice und dem hässlichen Kater Turnip erzählt hatte. Sie sah vor dem inneren Auge Jareds Gesicht, wenn er sie umarmte, den zärtlichen Ausdruck in seinen Augen - auch seinen Zorn und seine Eifersucht, als sie ihm sagte, sie wolle Patrick treffen. Ja, er war ehrlich. Offen. Und ich habe Lisa geglaubt, dachte Devon entsetzt. "Ist alles in Ordnung, Madam?" Devon legte die Gabel zurück auf den Teller und sah die Kellnerin nachdenklich an. "Ja, danke. Es ist alles gut. Tatsächlich wird es von Minute zu Minute besser." Ich war eine Närrin, sagte Devon sich. Sie hatte sich von Lisa täuschen und beeinflussen lassen, sie war weggelaufen und hatte sich vor dem Mann versteckt, den sie über alles liebte. Ich fahre so bald wie möglich nach Vancouver zurück, beschloss sie. Dann würde sie Jared sagen, dass sie ihn liebe und bereit sei zu warten, bis er ihre Gefühle erwidere - denn das musste doch eines Tags passieren. Als Devon in Vancouver eintraf, war es schon dunkel. Das Haus wirkte verlassen und unfreundlich, die Zimmer wirkten leer, und ihre Schritte hallten auf dem Parkett wider. An der Tür zum Sonnenraum blieb sie stehen und sah sich unbehaglich um. Sie hatte doch ihr Adressbuch nicht herumliegen lassen, und ihre Papiere waren säuberlich gestapelt gewesen, nicht über den Schreibtisch verstreut? Ihr Herz pochte wild, während sie nach oben ins Schlafzimmer ging. Die Schubladen waren herausgezogen, die Schranktür stand offen, und jemand hatte auf dem Bett
gesessen. Jared musste hier gewesen sein - andernfalls hätte die Alarmanlage die Polizei aufmerksam gemacht. Er war aber nirgendwo, und es stand auch kein Koffer da. Wenn Jared hier gewesen war, war er wieder gegangen. Ohne eine Notiz zu hinterlassen. Kurz überlegte Devon, ob sie in einem Hotel übernachten sollte, aber der damit verbundene Aufwand schreckte sie ab. Sie ging wieder nach unten und betrachtete zweifelnd die Knöpfe der Alarmanlage. War die richtig eingestellt? Sie wollte nicht daran herumspielen, weil sie damit vielleicht Alarm auslöste und die Polizei herbeirief. Und das fehlte ihr nun gerade noch. Sie knipste alle Lichter aus und ging zurück in den ersten Stock. Da ihr nicht danach zu Mute war, allein in dem großen Ehebett zu liegen, beschloss sie, in dem kleinsten der Gästezimmer zu übernachten. Dort würde sie sich vielleicht nicht ganz so einsam fühlen. Nachdem sie den Koffer aufs Bett gestellt hatte, griff sie zum Telefon und wählte die Nummer von Jareds Penthouse. Nach dem vierten Klingeln schaltete sich der Anrufbeantworter ein. "Jared", sagte sie mit bebender Stimme, "ich bin zurück in Vancouver. Rufst du mich so bald wie möglich an?" Devon atmete tief durch. "Ich liebe dich." Dann legte sie auf. Jared müsste doch wieder zu Hause sein, oder? Vielleicht war er mit Lisa ausgegangen? Rasch verdrängte sie den hässlichen Gedanken. Sie hatte sich vorgenommen, Jared zu vertrauen, und dass er nicht in seiner Wohnung war, änderte nichts an ihrem Entschluss. Sie ging ins Bad, duschte und zog ein hübsches Nachthemd an, um sich Mut zu machen. Dann legte sie sich ins Bett und zog die Decke über den Kopf. Fünf Minuten später war Devon eingeschlafen.
Sie träumte, sie sei auf einer Hochzeit. Tante Bessie spielte Ragtime auf der Orgel, und Alicias Exmänner standen Spalier. Sie, Devon, heiratete Steve, Jared gleichzeitig Lisa, deren Brautstrauß aus welkem Kohl bestand. Und dann ließ Steve den Ring in ein Champagnerglas fallen, das klirrend in Stücke zersprang. Devon fuhr hoch. Das Klirren kam von unten! Eine Männerstimme war zu hören, dann fiel eine Tür zu. Schritte hallten auf dem Parkett. Panisch setzte Devon sich auf. Das war kein Traum! Jemand war im Haus. Vorsichtig zog sie das Telefon heran und wählte den Notruf. "Ein Einbruch! Bitte beeilen Sie sich", sagte sie flehend zu dem Polizeibeamten, der sich gemeldet hatte, und nannte die Adresse. Dann stand sie leise auf und ging zur Tür. Der Riegel war eher dekorativ als nützlich. An der Wand stand ein schwerer Schreibtisch aus Mahagoni, und Devon schob ihn - mit der Kraft der Verzweiflung - vor die Tür. Draußen hörte sie raue Stimmen, dann stieß jemand mit der Schulter gegen die Tür, um sie aufzusprengen. Devon biss sich auf die Lippe, um nicht laut zu schreien, und stemmte sich gegen den Schreibtisch. Dann schloss sie die Augen und betete, dass die Polizei sich beeilte. Da Thomas noch in Calgary war, nahm Jared am Flughafen ein Taxi. Er wusste nicht, was er eigentlich in Vancouver tun sollte, er wollte nur an dem Ort sein, an dem man Devon zuletzt gesehen hatte. Laut Auskunft des Detektivs hatte sie ihre Kreditkarte nicht benutzt und war in keinem der nach Osten fahrenden Züge gesehen worden. Nachdem sie ein Taxi zum Bahnhof genommen hatte, war sie spurlos verschwunden. Die Botschaft war klar: Devon wollte nicht gefunden werden.
Warum suche ich trotzdem nach ihr? fragte Jared sich. Und warum fühlte er sich, als wäre das die wichtigste Aufgabe seines bisherigen Lebens? Er dachte an das große Haus über der Bucht. Die Möbel hatte er vor einem Jahr per Katalog bestellt, die Wände waren noch ohne Bilder, auf den Böden lagen noch keine Teppiche. Und dort hatte er Devon einfach gedankenlos abgesetzt, meilenweit von ihrer Familie entfernt, weil er irgendwie gehofft hatte, sie würde das Haus zu einem Heim machen. Ganz ohne seine Hilfe. Er hatte noch nicht einmal eine Nacht mit Devon dort verbracht. Sie hatte ihm gesagt, sie sei einsam ohne ihn, aber er hatte nicht darauf geachtet, weil er Wichtigeres im Kopf gehabt hatte. Vielleicht war sie, ohne dass jemand es wusste, ganz in der Nähe. Oder sie war gar nicht in Kanada. Bestimmt hatte sie viele Freunde im Ausland, da sie beruflich so viel gereist war. Ich habe sie nie nach ihren Freunden gefragt, warf Jared sich vor. Er war zu sehr damit beschäftigt gewesen, mit ihr ins Bett zu gehen. Und Geld zu scheffeln. Vorwürfe und Mutlosigkeit lagen wie schwere Lasten auf seinen Schultern, und er war völlig erschöpft. Seit Wallace ihm Devons Brief vorgelesen hatte, hatte er keine Nacht mehr richtig geschlafen. Weiß man erst richtig zu schätzen, was man hatte, wenn man es verloren hat? überlegte Jared. Devon hatte sich während der Flitterwochen in ihn verliebt, aber hatte er es gemerkt? Nein, er nicht. Er hatte sich nur gesorgt, seine Regeln zu vergessen und die Kontrolle zu verlieren. Für die Gefühle seiner Frau hatte er keinen Gedanken übrig gehabt. Ich war ein selbstsüchtiger Schuft, sagte er sich bitter. Und wenn es jetzt zu spät war, um alles wieder ins Lot zu bringen? Selbst wenn er Devon fand - er konnte sie nicht zwingen, zu ihm zurückzukehren. Sie machte sich nichts aus seinem Geld
und wenn sie das Vertrauen in ihn verloren hatte, war das das Ende. Er wusste nicht viel über Ehe und Gefühle, aber ihm war klar geworden, dass Devon Recht gehabt hatte: Vertrauen war die Grundlage jeder Beziehung. Alles hatte er falsch gemacht. Er, Jared Holt, hatte seine Ehefrau nicht einmal zwei Monate lang halten können. Sie war ihm weggelaufen, und sie trieb kein Spiel mit ihm. So gut kannte er Devon. Seine schöne, leidenschaftliche Devon. Schmerz durchzuckte Jared. Wie hatte er nur so dumm sein können, er, der für seine Intelligenz bekannt war, dafür, jede Situation sofort in den Griff zu bekommen und immer die richtige Entscheidung zu treffen. Wenn es um Devon ging, benahm er sich jedoch wie ein Ahnungsloser. Das Taxi hatte sich durch den erstaunlich dichten Verkehr gequält und wurde nun auf der Straße neben dem Golfplatz endlich schneller. "Biegen Sie nach dem Clubhaus links ab, zum zweiten Haus in der Straße", wies Jared den Fahrer an. Mit quietschenden Reifen nahmen sie die Kurve und hielten an. Jared zog die Brieftasche heraus und blickte auf das Taxameter, da fragte der Fahrer: "Ist das Ihr Haus, wo all die Polizisten davor stehen? Sieht aus, als gäb's ziemliche Probleme." Jared blickte auf. Sein Herz begann, wie wild zu pochen, als er drei Polizeiautos mit blitzendem Blaulicht in der Auffahrt stehen sah. Rasch reichte er dem Taxifahrer einen Geldschein, nahm seinen Koffer und stieg aus. Jared lief zum Haus, wurde jedoch von einem Polizisten aufgehalten. "Tut mir Leid, Sir, aber Sie können da nicht rein." "Das ist mein Haus! Was ist eigentlich los?"
"Einbrecher. Wir haben zwei festgenommen und checken gerade, ob noch mehr drinnen sind." Jetzt erst fielen Jared die beiden Männer neben dem einen Auto auf, die mit Handschellen gefesselt waren. "Die Männer waren bereits im Haus?" erkundigte er sich. "Ja, Sir. Sind Sie Jared Holt?" Er nickte. "Die Alarmanlage hat Sie wahrscheinlich gerufen, richtig?" "Nein, wir wurden von einem Bewohner des Hauses alarmiert." Jareds Herz setzte einen Schlag lang aus. "Es ist niemand zu Hause. Meine Frau ist... verreist." "Soviel ich weiß, hat eine Frau bei uns angerufen. Den Notruf." Jared wurde es eiskalt. "Wo ist sie?" "Wir wissen es noch nicht, Sir. Wir durchsuchen gerade ..." "Um Himmels willen, stehen Sie da nicht so rum, wir müssen sie finden!" Er wollte ins Haus stürmen, aber der Polizist hielt ihn fest. "Sie können mitkommen, oder ich gehe allein rein. Und wehe dem, der mich aufzuhalten versucht." Der Officer rief seinen Kollegen etwas zu und folgte daraufhin Jared ins Haus. "Erster Stock!" rief Jared. "Hat die Frau ihren Namen genannt?" Es konnte nur Devon gewesen sein. Wo steckte sie? Er lief, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hoch. Albtraumhafte Bilder gingen ihm durch den Kopf: Devon vergewaltigt, bewusstlos geschlagen, tot in einer Blutlache liegend. Nein, das durfte nicht sein! Devon durfte nicht tot sein, seine schöne, zärtliche Devon. Er hatte sie hier allein gelassen ...
Im Schlafzimmer war sie nicht, das Bett unberührt. Wieder wurde es Jared eiskalt. "Devon? Bist du hier oben? Du kannst rauskommen, es ist alles in Ordnung." "Da drüben, Sir", rief der Polizist. Jetzt hörte Jared es auch: ein Geräusch aus einem der Gästezimmer. Dann erklang Devons Stimme: "Jared? Bist du das wirklich?" "Ja, und die Polizei ist auch hier. Mach die Tür auf." Holz kratzte auf Holz. Atemlos sagte Devon: "Er ist so schwer! Ich weiß nicht, ob ich es ... So, jetzt." Der Riegel wurde zurückgezogen und die Tür geöffnet. Devon war so weiß wie die Leinentücher auf dem Bett, ihre Augen wirkten übergroß, und sie hielt sich am Türrahmen fest. Mit einem Schritt war Jared bei ihr und nahm sie in die Arme. "Dem Himmel sei Dank, dir ist nichts passiert", flüsterte er rau. Sie zitterte, und er presste sie eng an sich. Ich habe noch eine Chance bekommen, und diesmal werde ich alles richtig machen, dachte Jared. "Zieh dich an, Devon", sagte er leise. "Wir übernachten in einem Hotel." "Ich hasse dieses Haus!" "Ich hätte dich niemals hier allein lassen dürfen. Wo sind deine Sachen?" Sie löste sich von ihm, sah ihn aber nicht an. "Da drin. Ich brauche nicht lang." Die folgende halbe Stunde kam Jared wie eine Ewigkeit vor. Während Devon von einem der Polizisten befragt wurde, hielt Jared sie so fest, als wollte er sie nie wieder loslassen. Offensichtlich hatte sie großes Glück gehabt, da die Einbrecher im Keller gewesen waren und sich am Weinvorrat vergriffen hatten, als sie ankam. Nachdem alles geklärt war, wurden Jared und Devon im Polizeiauto in ein Luxushotel gebracht. Endlich waren sie
allein. Devon sah erschöpft und verunsichert aus. Jared wusste nicht, was er sagen oder tun sollte. Wie lange war es her, seit er zuletzt mit ihr geschlafen hatte? Es kam ihm wie hundert Jahre vor. Aber obwohl er sich brennend danach sehnte, Devon wieder in die Arme zu nehmen, hielt er sich zurück. "Jared, warum bist du heute Nacht ins Haus zurückgekommen?" fragte sie und spielte nervös mit dem Riemen ihrer Handtasche. "Ich habe dich gesucht, Devon", antwortete er ohne Umschweife. Sie stand da und sah ihn ernst an. "Warum?" Damit war sie, wie üblich, direkt zum Kernpunkt der Angelegenheit gekommen. Er suchte nach den richtigen Worten, die Devon veranlassen würden, nie wieder wegzulaufen, und er entschloss sich für die Wahrheit. "Ich musste es tun. Mir blieb keine Wahl." "Weil ich dich in Verlegenheit gebracht habe? Weil du es nicht erträgst, der Verlierer zu sein?" Herausfordernd hob sie das Kinn. "Solltest du nicht in San Francisco sein? Geschäftlich natürlich." "Richtig, aber ich hatte Wichtigeres zu tun: meine Frau zu finden." Jared atmete tief durch und sagte das Einzige, was wirklich bedeutsam war: "Ich liebe dich, Devon." Niemals hätte er gedacht, das jemals zu einer Frau zu sagen. Devon sah ihn schockiert an. Ja, schockiert, nicht erfreut. Sie vertraute ihm nicht mehr. Schlimmer noch, wahrscheinlich liebte sie ihn nicht mehr! "Es ist wahr", beteuerte er ihr. Ihm war zu Mute, als kämpfte er um sein Leben. "Erst nachdem du weggelaufen warst, wurde mir klar, wie viel du mir bedeutest. Mit Lisa habe ich nie geschlafen! Ich lernte sie vor zwei Jahren in Singapur kennen, als sie dort auf Tournee war. Damals wurden auch die Fotos gemacht. Das musst du mir glauben!"
"Warum, denkst du, bin ich hier in Vancouver?" fragte Devon. Er schüttelte hilflos den Kopf. "Ich habe keine Ahnung. Sag es mir. Bitte." "Ich trank Tee im Empress Hotel in Victoria, da ..." "Wie bist du dahin gekommen? Geflogen?" "Nein, mit dem Bus. Am Bahnhof hatte ich mich umgezogen." Zum ersten Mal lächelte sie. "Ich bin besser als James Bond." "Du wolltest wirklich nicht von mir gefunden werden." "Natürlich nicht", bestätigte sie. "Ehebruch ist schrecklich. Um auf meine Geschichte zurückzukommen: Beim Tee im Empress Hotel hörte ich zufällig das Gespräch zweier Frauen am Nebentisch mit an, und was die eine sagte, brachte mich dazu, dein und Lisas Verhalten zu vergleichen, und ich kam zu dem Schluss, dass du vertrauenswürdig bist, Lisa hingegen nicht. Sie hatte mir etwas vorgemacht. Aber wenn du nicht mit Lisa zusammen warst, warum wolltest du mich nicht nach Singapur mitnehmen?" "Weil ich da noch nicht wusste, was es bedeutet, eine Frau zu lieben." Jared ging zu ihr und strich ihr sanft übers Haar. "Ich hätte nie gedacht, dass ich mich verlieben könnte. Das sagte ich dir ja auch. Aber seit Wallace mir deinen Brief vorgelesen hat, habe ich alle meine bisherigen Regeln umgestoßen. Ich habe das Vorstandstreffen vorzeitig verlassen, und die Sache in San Francisco wird von Gregson erledigt. Endlich lerne ich, Aufgaben zu delegieren, statt alles selbst zu machen, und weißt du was? Die Welt geht davon nicht unter." Noch immer blieb sie regungslos. Verzweifelt sagte Jared heiser: "Ich liebe dich, Devon. Ich möchte, dass du mein Leben teilst, mein ganzes Leben, auch geschäftliche Krisen und Vorstandssitzungen." Er atmete tief durch und fragte sich, was er tun solle, wenn sie jetzt Nein
sagte. "Nächsten Monat soll ich in Australien ein neues Hotel eröffnen. Möchtest du mich begleiten?" "Du liebst mich wirklich?" fragte Devon leise. "Ja. Bisher habe ich versucht, dir das im Bett zu beweisen, obwohl es mir gar nicht bewusst war. Mein Körper wusste es aber. Du hattest Recht. Wir hatten nicht Sex, wir haben uns geliebt." Er lächelte sie an. "Ja, ich liebe dich, Devon - mehr als ich sagen kann." Tränen schimmerten in ihren Augen. "Ich träume doch nicht, oder?" Und endlich nahm er Devon in die Arme und presste sie eng an sich. "Nein, ich bin wirklich", flüsterte er rau. "O Devon, ich liebe dich so sehr." "Dann bin ich endlich zu Hause." Sie sah zu ihm auf, und die Tränen liefen ihr übers Gesicht. "Das ist da, wo du bist, egal, an welchem Ort der Welt." Sanft wischte er ihr die Tränen ab. "Bitte, weine nicht, Liebste." "Ich weine, weil ich so glücklich bin. Wir lieben uns, und jetzt sind wir in der Ehe nicht mehr gefangen, sondern frei." "Du warst schon immer klüger als ich", sagte er und küsste sie. dann führte er sie ins Schlafzimmer und liebte sie zärtlich. Danach lagen sie eng umschlungen da. "Ich liebe dich, Devon", flüsterte Jared. Er konnte es ihr gar nicht oft genug sagen. "Und ich liebe dich. Bei dir fühle ich mich geborgen", erwiderte sie leise. "Eigentlich hat Lisa uns einen Gefallen getan." Er lachte. "Das hat sie wirklich. Sollen wir sie zur Taufe einladen?" "Warum nicht?" Sie presste seine Hand gegen ihren Bauch. "Unser Kind wird glücklich aufwachsen, weil seine Eltern sich lieben."
"Ich wusste, dass ich das Richtige tue, als ich auf unserer Hochzeit bestand, ich habe nur alles falsch angefangen", meinte Jared. "Jetzt ist mir klar, dass ich dich vom ersten Augenblick an geliebt habe. Als du in dem scheußlichen grünen Kostüm vor mir standest und mich anfunkeltest." Devon lachte fröhlich. "Zuerst dachte ich, du seist der Butler." "Ich finde es herrlich, dass du mich um meiner selbst willen liebst - und nicht wegen meines Geldes." "Ich liebe dich, weil du halsstarrig bist - und umwerfend sexy." "Sexy?" Aufreizend ließ Jared die Hand über ihre samtige Haut gleiten. "Und unersättlich. Hör auf, Jared!" Er stützte sich auf einen Ellbogen und sah sie an. "Willst du das wirklich?" "Na ja, wahrscheinlich müssen wir verlorene Zeit nachholen." Verführerisch presste sie sich an ihn. "Weißt du, warum ich dich seit heute noch mehr liebe? Weil du mich gesucht hast." "Und du hast beschlossen, mir zu vertrauen, und bist nach Hause gekommen." Er zögerte. "Ich möchte das Haus hier verkaufen, Devon, und eins auf dem Land erwerben, nahe New York. Eins, das wir gemeinsam aussuchen und einrichten. Ein richtiges Zuhause." "Für uns und die Kinder." Sie legte ihm die Arme um den Nacken. "Klingt gut. An wie viele Kinder dachtest du denn?" "An mindestens zwei." Devons Augen glitzerten. "Es ist unsere Pflicht, meine Mutter und deinen Vater mit einigen Enkeln zu versorgen." "Nein, deine vordringlichste Pflicht besteht darin, auf das zu achten, was ich tue." Er presste die Lippen auf ihre Brust. "Oh, das ist keine Pflicht, Jared, das ist ein Vergnügen."
-ENDE