Höllengift von Lars Urban Babriel nahm das noch warme Gehirn in die hohle Hand und presste die Finger zur Faust zusamme...
10 downloads
444 Views
270KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Höllengift von Lars Urban Babriel nahm das noch warme Gehirn in die hohle Hand und presste die Finger zur Faust zusammen. Der graurote Brei, der daraus hervortropfte, fiel in eine Schale aus mattschwarzem Metall. Dort verschwand die Hirnmasse in einer trüben Flüssigkeit, die auf dem Grund der Schale vor sich hin brodelte. Die Brühe kochte auf. Auf ihrer Oberfläche bildete sich ein zäher, brauner Schaum. Babriel lächelte zufrieden. Doch da seine Augen nicht mitlächelten, schien sich das sonst so makellose Gesicht des gefallenen Engels in eine teuflische Fratze zu verwandeln... * Babriel nahm eine rote Hahnenfeder und tauchte ihre Spitze in den Schaum. In diesem Moment schob sich eine riesige Gestalt aus der Dunkelheit zu ihm heran. Zwei funkelnde Augen blickten aus weit über zwei Metern Höhe auf ihn herab. »Funktioniert es?«, wollte die Dämonin Tyria wissen. Babriel legte die Feder mit einem missbilligenden Seufzer beiseite. »Ich habe dir doch gesagt, dass du mich nicht stören sollst«, fauchte er barsch. »Die Sache hier verlangt höchste Konzentration.« Tyria nickte, doch sie machte keinerlei Anstalten, ihm auch nur einen Zentimeter von der Seite zu weichen. »Kapierst du nicht? Du sollst abhauen. Du wirst schon mitbekommen, wenn hier was passiert. Amüsier dich doch noch ein bisschen mit dem Kerl dort hinten . . .« Die Dämonin schnaubte verächtlich, trottete aber langsam davon. Das Schleifen ihrer ledernen Schwingen war deutlich auf dem Betonboden zu hören. Vor der Leiche mit der geöffneten Schädeldecke blieb sie stehen. Schlecht gelaunt rammte sie dem Toten eine Klaue mitten in die Brust. Dann schleuderte sie ihn mit einer einzigen Bewegung unter eines der auf Backsteinen aufgebockten Autowracks. Die Kisten, die hier im untersten Geschoss der verlassenen Tiefgarage abgestellt waren, bedeckte eine so dicken Staubschicht, dass ihre ursprüngliche Farbe überhaupt nicht mehr zu erkennen war. Bis sich wieder einmal jemand hierher verirren würde, war bestimmt so viel Zeit vergangen, dass von der Leiche nicht viel mehr als ein Häufchen Dreck übrig geblieben war. Und wenn wirklich jemand schon früher hier auftauchte, würde ihn der Kadaver wohl kaum kümmern. Ganz im Gegenteil, wahrscheinlich hatte derjenige selbst etwas dabei, dass es möglichst unauffällig zu entsorgen galt. Babriel hatte inzwischen wieder nach der Feder gegriffen. Er tauchte sie in den schleimigen Schaum und malte dann mit der Spitze ein Quadrat von einem Meter Seitenlänge auf den Boden. Den Rest seines Gebräus verstrich er über die Innenfläche des Vierecks. Schließlich warf er auch sein Malinstrument dort auf den Boden. Babriel richtete sich auf und zupfte seinen weißen Leinenanzug zurecht. Dann streckte er beide Arme vor sich aus. Seine Finger malten flink einige magische Zeichen in die Luft. Zuerst schien nichts zu passieren. Doch dann war plötzlich das Knirschen zerbrechenden Betons zu hören. Die Ränder
des Quadrats glühten auf. Seine Innenfläche senkte sich wie eine Liftplattform in die Tiefe. Kurz darauf war sie im Nichts verschwunden. Ein endloses Loch klaffte wie eine Wunde im Boden der Garage. Ein Geräusch war von dort unten zu hören. Es war eine Art Rauschen - wie ein Zug, der durch einen engen Tunnel rast - das rasch näher kam. Irgendetwas stieg aus der unendlichen Tiefe an die Oberfläche. Dampf und kleine Gesteinsbrocken wurden durch die Öffnung nach oben geschleudert. Der Qualm wurde immer dichter. Fast sah es aus, als sei mitten in der Tiefgarage urplötzlich ein Geysir entsprungen. Eine gewaltige Fontäne schoss aus dem Boden bis zur Decke, wo sie sich nach allen Seiten verteilte. Plötzlich streckte Babriel seine Arme ruckartig auseinander. Der unheimliche Strom aus der Tiefe versiegte augenblicklich. Doch es dauerte noch beinahe eine Minute, bis sich auch der letzte Qualm verzogen hatte. Das Loch im Boden hatte sich wieder verschlossen. Ein Mann stand in der Fläche des Quadrats. Er war eine ausgesprochen attraktive Erscheinung. Etwa 1,95 m groß, schlank, sportliche Figur. Er hatte markante Gesichtszüge, sein dunkles, fast schwarzes Haar war nach hinten zurückgekämmt. Der einzige Makel an ihm waren die schwefelgelben Augen, die wie kleine Feuer in den Höhlen brannten. Tyria war inzwischen doch wieder näher herangekommen. »Er sieht gut aus«, meinte sie anerkennend. »Hast du was anderes erwartet?«, fragte Babriel lässig. Doch seinen Augen war anzusehen, dass ihn das Ergebnis seiner Bemühungen selbst positiv überraschte. Das Wesen, das aus der Tiefe emporgestiegen war, sah verwundert an sich herunter. Offenbar war die Hülle, in der es jetzt steckte, noch ziemlich ungewohnt. »Willkommen in der Welt der Lebenden«, erklärte Babriel feierlich. »Wir haben dich bereits erwartet.« »Wer bist du?« »Nenn mich Babriel. Ich habe dich hierher beschworen. Und ich bin auch derjenige, dessen Befehle du befolgen wirst.« »Was willst du von mir?« Ein satanisches Grinsen machte sich auf Babriels Lippen breit. »Such dir als Erstes ein paar Leute zusammen. Dann komm hierher zurück. Ich habe eine Aufgabe für euch, die ihr erledigen sollt. Eine sehr, sehr wichtige Aufgabe . . .« Er zog aus seiner Jackentasche ein kleines Plastikbeutelchen hervor, das er spielerisch in die Luft warf. * Das dumpfe Wummern der schweren Maschine wurde von den Backsteinwänden der Seitengasse zurückgeworfen. Doch dann erstarb der Lärm auf Knopfdruck. Lediglich das Ticken des heißen Motors war noch zu hören. Bruce bockte die Harley auf und stieg aus dem Sattel. Einen Augenblick später bog ein Porsche mit quietschenden Reifen ebenfalls in die enge Straße ein. Er kam wenige Meter vor Bruce zum Stehen. Der 911er glänzte nachtblaumetallic. Natürlich eine Sonderlackierung. Aber Katrina Stein hatte auch hier wieder einmal ihren extravaganten Geschmack bewiesen. Bruce zog den Reißverschluss seiner schwarzen Lederjacke auf und lehnte sich an seine Maschine. Mit gelangweilter Miene betrachtete er die Frau, die wie eine Schlange aus dem Sportwagen glitt. Katrina Stein trug ein hauteng anliegendes Abendkleid aus einem Stretchstoff. Das Teil musste teuer gewesen sein, sehr teuer. Obwohl sich jeder Zentimeter ihres
makellosen Körpers deutlich darunter abzeichnete, wirkte sie damit für keinen Augenblick billig oder vulgär. Im Gegenteil, sie hätte mit diesem Kleid bestimmt auch in eine Benefizveranstaltung für Kriegswaisen spazieren können, ohne dass sich jemand daran gestört hätte. Katrina hatte einen stilsicheren Geschmack und wusste, dass eine Aura von Klasse sie wie ein warmer Lichtschein umgab. »Meinst du nicht, dass das ein bisschen dick aufgetragen ist?«, fragte Bruce mit einem Kopfnicken in ihre Richtung. »Wäre es nicht auch etwas unauffälliger gegangen?« »Warum? Schließlich kann ich es mir leisten, bemerkt zu werden. Außerdem denke ich nicht, dass ausgerechnet du jemand anderem Modetipps geben solltest«, erwiderte Katrina schnippisch. Sie schüttelte sich das lange, schwarze Haar in den Nacken und legte so die makellose hellbraune Haut ihres Halses frei. »Diese Lederkluft steht dir zwar ziemlich gut. Aber das mittlerweile auch schon reichlich lange . . .« »Geschenkt.« Bruce hob eine Hand. »Von mir aus kannst du rumrennen, wie du willst. Aber als du gesagt hast, ich soll dich zu einer Ausstellung begleiten, habe ich angenommen, es geht dabei um Bilder - und nicht um deine eigenen, üppigen Formen.« »Ach, Brucie-Baby, du willst doch wohl nicht etwa behaupten, dass ich dir damit nicht gefalle?« Sie sah ihm mit ihren riesigen, fast schwarzen Augen lange an. Es war genau der Blick, mit dem sie auch ihre menschlichen Opfer um den Verstand zu bringen pflegte. Er war hypnotisierend, wie der einer Schlange, und dabei so lauernd, wie der einer Raubkatze auf Beutezug. Und genau wie eine Katze liebte es auch Katrina, mit ihren Opfern ein wenig zu spielen, bevor sie ihnen in den Hals biss, um ihr Blut zu trinken. »Ich weiß, dass du mich begehrst. Es gibt nichts, das du dir noch sehnlicher wünschst, als einmal nur mit mir zusammen zu sein. Aber da muss ich dich leider enttäuschen. Du bist auf einem Niveau, das ich schon so lange hinter mir gelassen habe. Ach, was sage ich, auf einer solchen Ebene bin ich niemals gewesen und werde auch bestimmt nicht dort hinkommen.« »An deiner Stelle wäre ich vorsichtiger, bei dem, was du sagst.« Bruce zog die Mundwinkel nach oben und entblößte seine überlangen Eckzähne. »Sonst könntest du nämlich hier ganz schnell alleine dastehen.« »Willst du mir etwa drohen? Oh, da habe ich aber Angst.« Katrina legte theatralisch ihren rechten Handrücken an die Stirn. »Was meinst du, würde wohl der Baron dazu sagen, wenn er erfährt, dass du mich im Stich gelassen hast? Gegen seinen ausdrücklichen Befehl...« »Intrigantes Biest.« Bruce hatte mit jeder Sekunde weniger Lust auf die Nacht, die ihnen bevorstand. Katrina Stein hatte darauf bestanden, zu dieser Vernissage zu gehen. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie sich selbst als Künstlerin sah. Vielleicht war sie es sogar, Bruce hatte davon keine Ahnung. »Spar dir deine Komplimente«, entgegnete Katrina. »Können wir gehen?« Der junge Maler, der nun seine erste größere Ausstellung hatte, war plötzlich in New York in aller Munde. Jeder, der in Künstlerkreisen etwas auf sich hielt, musste sich bei diesem Ereignis sehen lassen. Der einzige Haken an der Sache war dabei nur, dass die Galerie, in der das Ganze steigen sollte, in einer ziemlich üblen Gegend in Brooklyn lag. Viele Künstler hatte sich hierher zurückgezogen, nachdem die Preise für Ateliers in SoHo so in die Höhe geschossen waren, dass sie sich dort nichts mehr leisten konnten. Katrina war zwar als Ränkeschmied absolute Weltklasse, als Kämpferin aber höchstens unterer Bodensatz. Also hatte Boris Baron von Kradoc, der heimliche, aber uneingeschränkte Herrscher New Yorks, entschieden, dass Bruce seine politisch
diplomatische Beraterin bei ihrem Ausflug begleitete. Der hatte sich bestimmt nicht darum gerissen. Er war zwar der Stellvertreter des Barons, aber wenn der eine Bitte aussprach, kam das einem Befehl gleich. Also hatte sich Bruce auf den Weg nach Brooklyn gemacht, und hoffte, dass Katrina schon möglichst bald genug von den Schmierereien hatte. Bruce erhob sich nun von seiner Harley. Wortlos schlenderten sie in Richtung des Galerieeingangs, der sich um die nächste Ecke an der Hauptstraße befand. Genau in diesem Moment bogen vier junge Typen in die Seitengasse ein. Jeder von ihnen trug einen Kapuzenpulli, auf dem der Name ihrer Streetgang stand - »Wardogs «. Als sie Bruce und Katrina bei ihren Fahrzeugen sahen, tuschelten sie aufgeregt miteinander. Dann stoben sie auseinander und verteilten sich eilig über den Gasseneingang. Während Bruce und Katrina näher kamen, versuchten die Kerle, ein möglichst unbeteiligtes Gesicht zu machen. Aber Bruce entging es nicht, dass die Streetgang heimlich jede ihrer Bewegungen aufmerksam verfolgte. Sie hatten die Typen schon beinahe passiert, als sich einer von ihnen von der Stufe erhob, die er sich erst kurz zuvor als Sitzplatz ausgesucht hatte. »He, Mister. ..«, rief der Kerl. Offensichtlich war er der Anführer der Bande. »Du und deine Schnecke, ich glaube, ihr habt was vergessen.« Katrina und Bruce blieben stehen. Katrina verdrehte die Augen. »Erledige du das«, sagte sie. Bruce drehte sich langsam zu dem Knaben um. »Und was soll das sein?« »Ey, Mann, du befindest dich hier im Gebiet der >Wardogs<. Hier bestimmen wir, wo's langgeht.« »Und weiter?« »Das hier ist unsere Straße. Wenn du hier durchgehst, wird Wegzoll fällig.« »Was ist, wenn ich den Mist nicht bezahle?« »Dann wird dir das sehr Leid tun.« Der Anführer sah sich zu den restlichen Mitgliedern seiner Gang um. Die rückten wie auf Kommando ein Stück nach vorn. Ihr Boss holte ein Butterfly aus seiner Tasche. Die anderen folgten seinem Beispiel und brachten ihre eigenen Waffen zum Vorschein. »Aber wenn du gerade knapp bei Kasse bist, nehmen wir dein Babe hier auch gern in Zahlung.« Er nickte in Richtung Katrina. »Geh mir nicht auf die Nerven, Kleiner«, meinte Bruce so ruhig wie möglich. »Ihr lasst uns jetzt sofort durch. Dann ist die Sache für mich erledigt.« »He, Mister, ich glaube, du reißt dein Maul ein bisschen zu weit auf.« Der Anführer baute sich breitbeinig vor Bruce auf. Einer seiner Kumpels stellte sich mit gezücktem Messer neben Katrina. »Wir sind zu viert, und du bist ganz allein.« Bruce seufzte. Für eine weitere Diskussion war ihm seine Zeit einfach zu schade. Seine rechte Hand schnellte nach vorn, packte den Leithund der »Wardogs« an der Kehle und hob ihn einfach hoch. Die Füße des Kerls begannen, etwa dreißig Zentimeter über dem Boden wild durch die Luft zu strampeln. Er wollte etwas schreien, doch aus seiner Kehle drang nur ein leises Krächzen. In seiner Verzweiflung nahm der Kerl sein Messer und rammte es Bruce in den Arm. Der ließ sich davon nicht im Geringsten stören. Er schüttelte den Kerl hin und her, als wäre er nicht mehr als eine einfache Strohpuppe. Dann schleuderte er ihn von sich, gegen die eiserne Brüstung einer Feuertreppe. Der metallische Ton, der entstand, als der Körper gegen die Streben prallte, mischte sich mit dem Knacken brechender Knochen. Als die Leiche des Anführers
anschließend auf den Gehsteig fiel, war in der Brüstung der Feuertreppe eine Delle zu erkennen, die in ihren Abmessungen genau denen des Jungen entsprach. Die restlichen drei »Wardogs« hatten den kurzen Kampf fassungslos mit angesehen. Der Kerl hinter Katrina packte sie und presste ihr sein Messer an die Kehle. Die anderen beiden waren blass wie frisch gekalkte Wände. »Der Typ ist ein Monster«, flüsterte einer von ihnen. »Es gibt keine Monster!«, rief der andere. »Das war irgendein Trick. Los!« Sie wollten sich auf ihren Gegner stürzen, aber Bruce machte einen blitzschnellen Ausfallschritt. Er schnappte sich den Kerl, der ihm am nächsten stand, und versetzte ihm einen so harten Faustschlag in das Gesicht, dass dessen Kopf nach hinten in den Nacken geschleudert wurde. Leblos brach der »Wardog« zusammen. Rasch bückte sich der Vampir, hob das Messer des Toten auf und schleuderte es nach dem dritten Gangmitglied. Die Klinge wirbelte durch die Luft, traf aber mit dem Griff zuerst auf. Trotzdem drang die Waffe tief in den Brustkorb des Ziels ein. »Das ... das ist... Oh Shit!« Blut drang zwischen den Lippen des Jungen hervor. Dann brach er zusammen. Bruce wandte sich dem letzten lebenden Bandenmitglied zu. »Lassen Sie mich in Frieden«, kreischte der Typ. »Wenn Sie mich auch nur anrühren, steche ich Ihre Freundin ab. Nur eine einzige Bewegung, und ihre Kehle ist Hackfleisch.« Bruce blieb stehen. Nun wurde Katrina, die die Auseinandersetzung bisher ohne großes Interesse verfolgt hatte, zum ersten Mal selbst aktiv. Sie wandte den Kopf und sah dem » Wardog« tief in die Augen. »Ich glaube nicht, dass du mir etwas antun willst«, sagte sie leise. Der Streetfighter wollte sich eigentlich sofort wieder Bruce zuwenden, aber es gelang ihm nicht, sich von dem Blick der Frau zu lösen. Ihre dunklen Augen hatten die Anziehungskraft von zwei schwarzen Löchern, aus denen es kein Entkommen gab. Je länger er dort hineinsah, desto stärker wurde das Gefühl, dass sie seinen eigenen Willen förmlich aus ihm heraussaugte. Es dauerte nicht lange, und in seinem Kopf existierte nur noch ein einziger Gedanke - das Verlangen, dieser schönen Frau jeden Wunsch zu erfüllen. »Töte dich!!«, befahl Katrina leise. »Ja .. .«, antwortete ihr Gegenüber tonlos. Er löste das Messer langsam von ihrer Kehle. »Jetzt!!« Der »Wardog« packte den Griff seines Messers mit beiden Händen, richtete die Spitze auf sich selbst. Dann rammte er sich die Klinge bis zum Griff in den Leib. Der Kerl gab keinen Laut von sich. Das Blut begann, in einem breiten Strom aus der Wunde zu fließen. Dem Gangmitglied gelang es noch, das Messer bis zu seinem Brustbein hinaufzuziehen, erst dann brach er tot zusammen. »Immer wieder beeindruckend«, sagte Bruce. »Du solltest dir überlegen, mit der Nummer in Las Vegas aufzutreten.« »Du kannst dir deine neidischen Sprüche sparen. Gehen wir nun endlich?«, fragte Katrina ungeduldig. Sie scharrte gereizt mit ihren Designerpumps über den Boden »Ja doch. Lass uns zu diesem Künstlerhaufen gehen. Je früher wir dort sind, desto schneller haben wir es auch wieder hinter uns.« »Ignorant.«
Ohne sich noch einmal umzublicken, gingen Bruce und Katrina in die Richtung der Galerie davon ... Der muskelbepackte Gorilla am Eingang hatte wissen wollen, ob sie eine Einladung dabei hatten. Katrina sah ihm einfach in die Augen. »Du hast unsere Einladung bereits gesehen!! « Daraufhin ließ der Türsteher die beiden Vampire vorbei. Ich komm mir vor wie bei »Star Wars«, dachte Bruce, als er die Tür öffnete. Drinnen herrschte dichtes Gedränge. Der Laden bestand aus einem einzigen riesigen Raum, scheinbar eine ehemalige Montagehalle. Er war mit beweglichen Stellwänden so unterteilt, dass es mehrere Nutzungsbereiche gab. Im Ersten davon hingen die Bilder. Das Licht war düster, lediglich Halogenspots zeigten wie Finger auf die Gemälde. Im Raum, der sich daran anschloss, waren eine Bar und ein Büfett aufgebaut. Noch etwas weiter dahinter zuckten bunte Lichter, offenbar gab es auch eine Tanzfläche. Das gleichmäßige Pumpen der Bässe, das von dort herüberdrang, mischte sich mit dem Zirpen der elektronischen Klänge, die den Ausstellungsraum beschallten. Die Menge, die die Vernissage bevölkerte, war ein bunt gemischter Haufen. Es gab welche, die sich interessiert in den Anblick der ausgestellten Bilder vertieft hatten, und andere, die die Gemälde lediglich als eine Art von Kulisse betrachteten, vor der sie sich selbst ausgiebig in Szene setzen konnten. Katrina Stein berührte Bruce an der Schulter und schob ihn sacht vor sich her bis zu einem der Bilder. Es war ein gewaltiges Ding von mindestens einem mal zwei Metern Fläche. »Ist es nicht phantastisch?«, seufzte Katrina. »Ich finde, Mychael Bradham trägt seinen Beinamen absolut zurecht - >The Visionist<.« »Kannst du mir auch sagen, warum?«, fragte Bruce schulterzuckend. »Ich sehe hier nichts weiter, als eine gleichmäßige, rotbraune Fläche.« »Ist so viel Ignoranz eigentlich ansteckend?«, erwiderte Katrina. »Das ist eine von Bradhams berühmten >Mo-nochrome-Mares<. Alpträume, die sich dem Betrachter erst auf den zweiten Blick erschließen. Sieh doch mal genauer hin.« Sie schob ihn in eine Position, von der aus das Licht in einem anderen Winkel auf das Gemälde fiel. Da erkannte Bruce, wovon sie gesprochen hatte. Das Bild bestand wirklich nur aus einer einzigen Farbe. Aber der Verlauf der Pinselstriche war so, dass daraus ein Motiv entstand. Wenn man es vom richtigen Standpunkt aus betrachtete, glotzte einem eine dämonische Fratze von der Leinwand entgegen. »Das ist wirklich klasse«, musste Bruce zugeben. »Nanu? Sollte sich vielleicht doch irgendwo im hintersten Eckchen deines Innern ein Rest von Kunstverstand versteckt gehalten haben?«, fragte Katrina spöttisch. » Aber das herauszufinden, ist mir wirklich die Zeit zu schade. Ich werde versuchen, Mychael Bradham hier irgendwo aufzutreiben. Ich muss mich unbedingt mit ihm unterhalten.« Bevor Bruce einen Einwand erheben konnte, war sie in der Menge verschwunden. »Arrogantes Miststück«, knurrte er und trat näher an das Bild heran. Diese Pinselei hatte das gewisse Etwas. Er stand direkt vor dem Gemälde, und beugte sich auch noch vor, als ihm plötzlich der Geruch auffiel, der kaum merklich in der Luft hing. Der Geruch von Blut. Einer spontanen Eingebung folgend, schob Bruce sein Gesicht noch näher an das Gemälde heran. Der Geruch wurde stärker. Zur Verwunderung der anderen Galeriebesucher lehnte sich ein schwarz gekleideter Lederjackenträger so weit nach vorn, dass seine Nase beinahe die Leinwand des Bildes berührte.
»He, Mister . ..« Einer der Wachleute wollte schon einschreiten. Doch das war nicht mehr nötig. Als Bruce sich wieder aufrichtete, gab es für ihn keinen Zweifel mehr. Das riesige Gemälde vor ihm bestand zu einem kleinen, aber nicht zu unterschätzenden Teil aus Blut... Mychael Bradham war umringt von einer regelrechten Menschentraube. Kunstkenner, Groupies und solche, die hofften, in der Nähe des Malers etwas von dessen Glanz abzubekommen, bildeten einen Kreis, in dessen Mitte Bradham mit unbewegtem Gesicht die Huldigungen entgegennahm. Katrina Stein blieb ein wenig abseits stehen, um das Schauspiel zunächst lediglich zu betrachten. Es würde nicht mehr lange dauern, bevor sie selbst in das Geschehen eingriff. Aber jetzt zog sie es vor - wie eine Raubkatze - ihre zukünftige Beute zu beobachten, um dann in einem günstigen Moment schnell und erbarmungslos zuzuschlagen. Bradham war ein attraktiver Kerl. Sie schätzte ihn auf Ende zwanzig, vielleicht auch jünger. Der Trubel, der in der letzten Zeit um seine Person gemacht wurde, schien nicht ganz spurlos an ihm vorüber gegangen zu sein. In seinem eigentlich jugendlichen Gesicht begannen erste Falten sichtbar zu werden. Aber das stand ihm hervorragend. Die Linien verliehen ihm einen asketischen Ausdruck, der den unglaublichen Glanz seiner Augen noch zusätzlich betonte. Alles in allem war »The Visionist« ein faszinierender Mann - beinahe noch faszinierender als seine Bilder. Katrina fuhr sich heimlich mit der Zunge über die Spitze ihrer Zähne. In diesem Moment war Bradhams Schicksal besiegelt. Sie würde von ihm kosten. Er würde es überleben, aber ein Teil seines köstlichen Lebenssaftes war einfach für sie bestimmt. »Wie kommst du auf die Gesichter in deinen Bildern?«, wollte gerade eine Blondine in einem Schlauchtop wissen. Sie war höchstens siebzehn und hüpfte aufgeregt von einem Fuß auf den anderen. »Die sind immer so ... so gruselig.« Das Girlie kicherte überdreht. »Ich male ausschließlich Dinge, die ich vor mir sehe«, erwiderte der Maler gelassen. »Vielleicht habe ich einen schärferen Blick als andere. Aber schließlich nennt man mich ja auch nicht umsonst >The Visionist<.« »Aber fürchtest du dich denn nicht vor diesen Dingen? Sie sind so furchtbar hässlich.« »Schönheit ist relativ. Und nichts weiter als eine dünne Schicht. Oder meinst du vielleicht, du wärst noch besonders attraktiv, wenn man dir die Haut abziehen würde? « Die Blondine sah ihn entsetzt an. Ihre Mundwinkel zogen sich angeekelt nach unten. Diesen Moment nutzte eine weitere Verehrerin aus, um sich zwischen ihre Konkurrentin und den Maler zu schieben. Doch der beachtete sie überhaupt nicht. Mychael Bradham schien plötzlich noch erschöpfter zu sein. Er wischte sich fahrig mit dem Handrücken über die Stirn und blickte sich prüfend um. Erleichtert stieß er die Luft aus, als er entdeckte, wonach er gesucht hatte. Er gab einem jungen Mann neben der Bar ein kurzes Zeichen mit der Hand. Der nickte. Wahrscheinlich handelte es sich bei ihm um einen Assistenten des Malers. Er holte unter der Bar eine metallene Flasche hervor und goss daraus eine rote Flüssigkeit in ein Glas. Sein Rücken versperrte Katrina die weitere Sicht, aber als er sich dann in Richtung des Malers durch die Menge schob, rührte er mit einem Cocktailquirl den Drink um. Er reichte das Glas Mychael Bradham, der es sofort und mit gierigen Zügen
leertrank. Der Maler hatte es noch nicht wieder von den Lippen genommen, als Katrina ihn auf sich aufmerksam machte. Für einen Augenblick überschwemmte sie den Raum mit ihrer übernatürlichen Ausstrahlung, und zahllose Blicke richteten sich für einen Moment auf sie. Doch die Vampirin blickte nur auf Mychael Bradham. Ihre Blicke trafen sich. Das Glas in der Hand des Malers begann zu zittern. Katrina lächelte, sie wusste, dass sie gewonnen hatte. Die Fesseln, die sie ihm mit ihren dunklen Augen anlegte, hätten nicht fester sein können, wenn sie aus purem Stahl gewesen wären. Sie hatte die Leine ausgeworfen und Bradham hatte den Köder geschluckt. Nun hing er fest an ihrer Angel, und sie brauchte die Beute nur noch einzuholen. Der Maler drückte sein Glas einfach einem verwirrten Groupie in die Hand und schob die Umherstehenden beiseite. Ohne auf deren zögernden Proteste zu hören, kam er direkt auf die fantastische Frau in ihrem raffinierten Abendkleid zu. »Guten Abend«, sagte er höflich. Von der herablassenden Art, mit der er sich mit den anderen unterhalten hatte, war nichts mehr zu spüren. »Ich möchte mich bei dir entschuldigen.« »Entschuldigen? Wofür?« Katrina neigte schelmisch lächelnd den Kopf leicht zur Seite. »Dass ich eine so schöne Frau wie dich noch nicht früher hier entdeckt habe. Ein unverzeihlicher Fehler.« »Ich nehme deine Entschuldigung an«, erwiderte Katrina huldvoll. Sie ließ ihr Gegenüber noch immer nicht aus den Augen. »Und ich gebe dir sogar Gelegenheit dazu, deinen Fehler wieder gut zu machen.« »Was ist es? Was kann ich für dich tun?« »Wie wäre es mit einem Tanz?« Der Maler schien einen Moment zu zögern, doch gegen Katrina kam er nicht an. » Einverstanden.« Er bot Katrina einen Arm an. Untergehakt verließen sie den Barraum in Richtung der dröhnenden Musik. Die Bässe des hämmernden Techno-Sounds fuhren als pulsierender Rhythmus direkt in die Eingeweide der Anwesenden. Die Tanzfläche war dicht bevölkert. Die Plätze unmittelbar unter den bunten Lichtkegeln waren bei den Tänzern besonders begehrt, denn die Strahler garantierten, dass sie auch gesehen wurden, wenn sie ihre Solonummern abzogen. Jeder schien damit beschäftigt zu sein, sich buchstäblich selbst ins rechte Licht zu rücken. Doch das war nicht die Art von Tanz, die Katrina Stein sich vorgestellt hatte. Sie brauchte eine engere Variante, Nähe, Körperkontakt. Als sie den Raum betraten, dirigierte sie Mychael Bradham zum Pult des DJs. Ein Lächeln und wenige Worte von ihr genügten, und der junge Mann begann aufgeregt in seiner Plattensammlung zu wühlen. Er wurde schnell fündig. Eilig wandte er sich wieder seinem Mischpult zu. Die Techno-Musik brach abrupt ab. Stattdessen tönte nun relaxter Barswing aus den Boxen. Ein sanftes Piano vermischte sich mit der einschmeichelnden Melodie eines Saxophons. Das Publikum sah sich verwundert zu dem DJ um. Doch bevor die ersten Proteste laut werden konnten, zog Katrina Mychael Bradham in die Mitte der Tanzfläche. Dort schlang sie die Arme um seinen Hals. Sie begann sich geschmeidig zur Musik zu bewegen. Der Maler presste sich an sie und ließ sich bereitwillig führen.
Als die anderen Tänzer sahen, dass der Hauptakteur des Abends mit der Musikauswahl offensichtlich einverstanden war, hatten auch sie nichts mehr daran auszusetzen. Schon bald fanden sich die ersten Paare zusammen, die Katrinas und Mychaels Beispiel folgten. Wenig später war die Tanzfläche wieder so eng gefüllt wie kurz zuvor. »Du bist die faszinierendste Frau, die mir jemals begegnet ist«, flüsterte der Maler. Er vergrub beim Tanzen sein Gesicht in Katrinas schwarzem Haar. Der betörende Duft, der davon aufstieg, brachte ihn beinahe um den Verstand. »Danke«, erwiderte die Vampirin. Wie zufällig legte sie ihren Kopf an seine linke Schulter. Ihre Lippen waren nur noch wenige Zentimeter von seinem Hals entfernt. Während sie sich noch immer langsam im Rhythmus der Musik drehten, konnte sie eine kleine Stelle an seiner Haut erkennen, die unter seinem Herzschlag gleichmäßig pulsierte. Katrina leckte sich verstohlen über die Lippen. Sie schmeckte das köstliche Blut, das dort strömte, schon regelrecht auf ihrer Zunge. Nun wollte sie sich nicht länger zurückhalten. Sie zog den Maler noch näher an sich heran. Ihre Lippen legten sich an seinen Hals. Sanft grub sie ihre Zähne in seine Ader. Mychael Bradham stöhnte leise, wehrte sich aber nicht - das taten sie bei Katrina nie. Sie schloss die Augen, als der warme, berauschende Lebenssaft in ihren Mund strömte, hätte am liebsten immer weiter getrunken. So lange, bis auch der letzte Tropfen Blut aus den Adern des Malers gesaugt war. Doch das durfte sie nicht riskieren. Mychael Bradham hätte dieses Mahl nicht überlebt. Und was sollte sie hier mitten auf der Tanzfläche - mit der Leiche des Gastgebers anfangen? Sicher, es wäre kein Problem für sie, sich im Trubel, der einsetzen würde, in Sicherheit zu bringen. Aber der Baron hatte die strikte Order ausgegeben, jede Situation zu vermeiden, die die Menschen auf die Existenz von Vampiren aufmerksam machen konnte. Und ein ausgesaugter Künstler bei seiner eigenen Ausstellungseröffnung gehörte zweifellos zu der Kategorie, die Kradoc damit meinte. Katrina Stein zwang sich dazu, die Lippen wieder von Bradhams Hals zu lösen. Der blieb einfach auf der Tanzfläche stehen. »Was ist los mit dir?«, fragte Katrina unschuldig. »Stimmt etwas nicht?« »Ich weiß auch nicht«, erwiderte der Maler. Er fuhr sich mit der Hand durch das Gesicht. »Ich fühle mich auf einmal so... so seltsam. Irgendwie schwindlig.« »Na, du machst ja schöne Komplimente.« Sie sah ihn mit gespielter Entrüstung an. » Ich küsse dich - und dir wird davon schlecht.« Ihre Augen wanderten heimlich zu der Bisswunde an seinem Hals. Zufrieden stellte sie fest, dass ihre Zähne keine großen Spuren hinterlassen hatten. Dort, wo sie sich in seine Haut gegraben hatten, waren lediglich zwei rote Punkte zu erkennen, die Insektenstichen zum Verwechseln ähnlich sahen. »Du hast mich geküsst?«, fragte Bradham erstaunt. »Das habe ich gar nicht richtig mitbekommen. Tut mir Leid. Nimms nicht persönlich, aber ich muss mich unbedingt mal hinsetzen.« »Warte, ich bring dich an die Bar.« Katrina führte den Künstler von der Tanzfläche. Kaum traten sie durch den Durchgang in den angrenzenden Raum, als auch schon Bradhams Assistent angeschossen kam und seinen Boss in Empfang nahm. Ohne Katrina einen weiteren Blick zu gönnen, dirigierte er ihn in ein Nebenzimmer, das für den Rest der Gäste versperrt war. Katrina blickte ihnen amüsiert hinterher. »Machs gut, großer Künstler«, murmelte sie. »Schätze, du wirst dich in den
nächsten Tagen ziemlich schwach fühlen, aber bald wird es dir wieder besser gehen.« Sie wandte sich um, um nun noch die Ausstellung zu genießen - doch genau in diesem Moment setzten die Schmerzen ein ... Bruces Laune wurde mit jeder Minute mieser. Er hatte die Galerieräume schon dreimal durchstreift, aber von Katrina fehlte jede Spur. Wo konnte sie nur stecken? Das letzte Mal, als er sie gesehen hatte, war sie gerade mit diesem Maler auf der Tanzfläche beschäftigt gewesen. Aber nun hatte sie offenbar der Erdboden verschluckt. Hatte sie etwa die Ausstellung verlassen, ohne dass sie es für nötig befunden hatte, ihm Bescheid zu sagen? Das würde Katrina ähnlich sehen. Aber wenn dieses verwöhnte Biest glaubte, sie könne ihre albernen Spielchen mit ihm treiben, war sie bei Bruce an der falschen Stelle. Er schwor sich, dass er sie heute zum letzten Mal auf einen ihrer extravaganten Ausflüge begleitet hatte. Bruce wollte gerade die Galerie verlassen, um nachzusehen, ob Katrinas Porsche noch in der Seitenstraße stand, als ihm plötzlich jemand von hinten auf die Schulter tippte. Als er sich umdrehte, blickte er in das Gesicht einer künstlichen Blondine. Sie war mindestens vierzig, hatte sich aber in das hautenge Outfit eines Girlies gepresst. Ihre Kiefer mahlten auf einem gewaltigen Stück Kaugummi herum. »Bist du Bruce?«, wollte sie wissen. »Warum?« »Weil 'ne Katrina dich sucht«, erklärte die Frau. »Schätze, deine Freundin könnte ein bisschen Hilfe gut vertragen. Sieht nicht besonders gut aus, die Kleine.« »Wo ist sie?« »Dort, wo sich kleine Mädchen die Nasen pudern.« Die Blondine machte eine Kopfbewegung in Richtung der Toiletten. Bruce stieß die Frau beiseite und rannte los. »He, du brauchst dich bei mir nicht zu bedanken«, rief sie ihm verärgert hinterher. » Hab ich doch gern gemacht. Gehört alles zu meinem Service.« Bruce riss die Tür der Damentoilette auf und wollte hineinstürmen. Beinahe wäre er dabei mit einer schlanken Rothaarigen zusammengeprallt, die gerade dabei war, die Räumlichkeiten zu verlassen. Die Frau blieb stehen und versperrte ihm mit einem Arm den Weg. »Hier nicht, Süßer«, meinte sie. »Wenn du einen Blick riskieren willst, halte dich lieber an die Bilder.« Dafür hatte Bruce jetzt keine Zeit. Er fasste die Rothaarige um die schmale Hüfte, hob sie hoch und stellte sie zur Seite. Die Frau starrte ihn überrascht an. »Mistkerl. Das werde ich dem Sicherheitsdienst melden«, rief sie noch, aber Bruce war bereits durch die Tür verschwunden. Der Toilettenraum war vollständig mit mintgrünen Fliesen gekachelt. Auf der rechten Seite standen drei Kabinen, an der linken Wand gab es drei Waschbecken mit den dazugehörigen Spiegeln. Fünf Neonröhren verbreiteten flirrendes, kaltes Licht. Im ersten Moment sah es so aus, als sei der Raum vollkommen leer. Erst dann entdeckte Bruce das Paar Frauenbeine mit Designerschuhen an den Füßen - Katrina. Sie war offenbar hinter dem letzten Waschbecken zusammengebrochen und kauerte in einer Ecke auf dem Boden. Bruce war mit wenigen Schritten bei ihr. »Was ist passiert?« Katrina hob den Kopf und sah ihn an. Sie war in einem Zustand, wie er sie noch nie zuvor gesehen hatte. Um ihre Augen herum waren tiefe, dunkle Ränder. Ihr Lippenstift war verschmiert, und die sonst immer so gepflegten Haare hingen ihr in Strähnen in das Gesicht. »Bring mich hier weg«, flüsterte sie. Sie streckte ihm die Hand Hilfe suchend
entgegen. Bruce half ihr auf die Beine. Katrina stütze sich an einem der Waschbecken ab. Sie drehte einen Hahn auf und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. »Erzählst du mir nun endlich, was dich so fertiggemacht hat?«, drängte Bruce. »Gibt es hier vielleicht einen Jäger, dem du in die Finger gelaufen bist?« »Unsinn.« Die Vampirin schüttelte den Kopf. »Mir ist einfach schlecht geworden.« »Schlecht geworden? Dir? Uns wird nicht mehr schlecht. Oder hast du einfach zu lange nichts mehr getrunken? Schau dich doch um. Hier wimmelt es doch nur so von appetitlichen Hälsen. Alles was du tun musst, ist, dir einen auszusuchen. Wenn du . . . « »Für wie dämlich hältst du mich eigentlich?«, unterbrach ihn Katrina. Sie fuhr wütend herum. »Selbstverständlich habe ich getrunken. Gerade eben. Und genau danach ist mir schlecht geworden.« »Du verträgst kein Blut mehr?« Trotz ihrer Notlage grinste Bruce breit, »heißt das, dass du verhungern wirst? Ich wusste, dass manche Probleme sich von allein erledigen, aber das ...« »Ich verstehe es ja auch nicht.« Katrina zuckte mit den Schultern und überging seine Härme. »Ich hatte plötzlich furchtbare Schmerzen im Magen, mir war schlecht. Also wollte ich mich hierher zurückziehen. Aber kaum war ich hier angelangt, wurde es noch schlimmer und ich habe alles wieder ausgewürgt. Bis auf den letzten Tropfen.« »Aber wer ...« Bruce kam nicht mehr dazu, seinen Satz zu beenden. Die Tür der Damentoilette flog auf. Ein Kerl mit der Statur eines Gorillas kam herein. Hinter ihm schob sich die Rothaarige in den Raum. »Das ist der Kerl, den ich gemeint habe«, stieß sie hervor. Sie zeigte mit dem Finger auf Bruce. »He, Mister ...« Der Mann vom Sicherheitsdienst baute sich vor Bruce auf. Er spannte seine Brustmuskeln so an, dass sein Sakko plötzlich wie eine zweite Haut auf seinem Körper klebte. »Sie sehen jetzt zu, dass Sie so schnell wie möglich von hier verschwinden.« »Ich bin nur wegen ihr hier.« Bruce deutete auf Katrina. »Ihr gehts nicht gut.« Doch der Sicherheitsmann war uneinsichtig. »Raus hier!« Bruce hatte das Gespräch mittlerweile schon viel zu lange gedauert und beschloss, die Diskussion ein bisschen abzukürzen. Er packte den Wachhund blitzschnell am Kragen seiner Jacke, hob ihn ohne Anstrengung vom Boden hoch und schleuderte den Kerl von sich. Der Sicherheitsmann prallte mit dem Rücken gegen die Tür einer der Kabinen. Die Tür sprang auf und der Mann kippte nach drinnen. Das Porzellan der Toilettenschüssel zersplitterte mit lautem Klirren. Der Wachmann blieb stöhnend auf dem Boden der Kabine liegen, während aus der zerborstenen Wasserleitung eine Fontäne auf ihn herabzuregnen begann. Die Rothaarig blieb wie angewurzelt stehen. Sie presste die Hände vor den Mund, gab keinen Laut von sich. »Lass uns endlich von hier verschwinden«, beschloss Bruce. Er wandte sich zu Katrina um. »Schaffst du es bis zum Wagen?« »Wird schon gehen.« Bruce legte ihr schützend einen Arm um die Schulter. So näherten sie sich dem Ausgang. Die Rothaarige sprang mit einem quietschenden Aufschrei beiseite. Bruce konnte spüren, dass Katrina noch immer zitterte, während sie sich ihren Weg durch die Menge bahnten...
* Timothy Godley staunte nicht schlecht, als die Limousine um die Straßenecke bog. Die riesige Karre wirkte in den schäbigen Gassen der Bronx irgendwie noch gewaltiger, als sie es sowieso schon war. Wie viele Dollars der Besitzer wohl dafür hingelegt hatte? Bestimmt soviel, dass die Nullen kaum auf den Scheck gepasst hatten. Timothy seufzte und sah sich weiter um. Von seiner Verabredung war noch immer keine Spur zu entdecken. Und dabei wusste er noch nicht einmal genau, nach wem er da eigentlich Ausschau hielt. Ein Bekannter von ihm hatte die Verbindung hergestellt. Von dem hatte er auch erfahren, dass seit kurzem ein neuer Stoff im Umlauf war. » Frozen Fire« nannte sich das Zeug - und angeblich war es der absolute Überhammer. Angeblich waren Koks und Crack dagegen nicht mehr als eine dieser bunten »M&M «-Kugeln. »Double-F«, wie das Zeug auch hieß, katapultierte einen raketengleich auf eine andere Ebene. Man war so high, dass man im Vorbeiflug die Sonne streicheln konnte - und dabei hatte die Droge angeblich keine besonderen Nebenwirkungen. Man fiel nicht in dieses dunkle Loch, das sich immer nach einer Prise Schnee auftat. Genauso wenig verwandelte es das Hirn in eine Portion Hackfleisch, wie es bei Crackheads so oft vorkam. Und dann gab es noch einen Vorteil, der alles andere bei weitem übertraf. »FF« war billig - angeblich kostete eine Portion nicht mehr als eine Schachtel Zigaretten. Wenn das stimmte, würde sich das Zeug mit der Geschwindigkeit einer Atomexplosion ausbreiten. Aber Timothy glaubte den Gerüchten noch nicht so recht. Gute Ware hatte ihren Preis, so war das nun einmal - egal, ob es sich dabei um die Wirtschaftverbindungen der hohen Herren in Washington handelte, oder um einen kleinen Dealer in der SouthBronx. Die Limousine blieb vor ihm am Fahrbahnrand stehen. Mit einem leisen Surren glitt die verspiegelte Scheibe im Fond herunter. »Bist du Tim Godley?«, fragte eine Stimme, ohne dass ein Gesicht im Fenster erschien. »Ja.« »Wir sind verabredet. Komm her.« Godley legte die Stirn in Falten. Eines der Gerüchte hatte sich somit schon in Luft aufgelöst. Wer mit einem solchen Wagen in der Gegend herumkutschierte, war bestimmt hinter dem Geld her, wie der Teufel hinter der armen Seele. Und dann würde er alles tun, aber nicht seinen Stoff zu einem Spottpreis auf der Straße verschleudern. Vielleicht war an den anderen Gerüchten genauso wenig dran. Na ja, aber wenn er schon einmal hier war, konnte er sich den Kerl in der Limo auch mal ansehen. Timothy stieß sich von der Wand ab, an der er lehnte, und schlenderte betont lässig zum Wagen. »Was gibts?« Nun konnte er auch den Mann erkennen, der auf dem Rücksitz der Limousine saß. Es war ein sportlicher Typ in dunklem Anzug. Das Haar trug er nach hinten zurückgekämmt, seine Augen waren von einer riesigen, schwarzen Sonnenbrille verborgen. »Ich habe gehört, du interessierst dich für etwas, das ich habe«, sagte der Typ auf dem Rücksitz. »Kann sein«, erwiderte Godley. »Kommt auf die Bedingungen an.« »Steig ein. Schließlich muss nicht jeder mitkriegen, dass wir uns unterhalten.«
Tim Godleys rechte Hand glitt unauffällig an seine Hosentasche. Als er die Ausbeulung der Pistole spürte, die darin verborgen war, entspannte er sich sofort wieder. Die Waffe war so etwas wie eine Lebensversicherung. Klar, es war ein Risiko, in den Wagen zu klettern. Aber wenn der Kerl Schwierigkeiten machen sollte, hatte er mit seiner Bleispritze immerhin ein paar schlagkräftige Argumente parat. Lautlos öffnete sich die Wagentür und schloss sich lediglich mit einem leisen Klicken hinter Timothy, nachdem der eingestiegen war. Als er die Inneneinrichtung der Limousine sah, war es mit Godleys Lässigkeit schlagartig vorbei. Die Nobelkarosse war mit mehr Kram ausgestattet, als er selbst in seinem ganzen Leben jemals besessen hatte. »Is' ja irre«, meinte er, als er sich auf den sofaähnlichen Sitz fallen ließ. »Wie viele Zimmer hat diese Karre denn?« Der Mann mit der Brille erwiderte nichts. Er hob kurz seine linke Hand. Offensichtlich war das ein Zeichen für den Fahrer, denn der Wagen setzte sich augenblicklich in Bewegung. »Wo fahren wir hin?«, wollte Timothy wissen. »An eine Stelle, wo wir ungestört sind«, erklärte sein Gegenüber. »Es ist nicht weit von hier.« Tatsächlich bog die Limousine kurz darauf auf den Parkplatz eines ausgebrannten Supermarktes ab. Zwischen zwei ausgeschlachteten Autowracks hielt sie an. »Nun zum geschäftlichen Teil.« Der unheimliche Kerl wandte sich Timothy Godley zu. Er holte ein Plastiktütchen aus seiner Anzugtasche hervor und hielt es ihm hin. Weiße Kristalle waren darin zu erkennen, die unregelmäßig funkelten, wie die Glut eines heruntergebrannten Feuers. »Das ist das, wonach du schon dein ganzes Leben lang gesucht hast.« »Echt? Sieht aber nach nichts Besonderem aus.« »Wie es aussieht, ist doch egal. Die Wirkung ist die Hauptsache. Was hältst du von einer Kostprobe?« »Und was soll die kosten?« »Nichts. Geht aufs Haus.« »Hast du denn genug Zeit dafür? Keine Ahnung, wie lange ich brauche, um wieder runterzukommen.« »Kein Problem. >FF< lässt sich ganz einfach dosieren. Wenn du's einfach so einnimmst, hebst du pro Kristall für eine Minute ab. Und das sollte eigentlich reichen, um dir einen Eindruck zu verschaffen.« »Okay. Dann her damit.« »Gib mir deine Hand.« Der Mann mit der Brille zog einen goldenen Spatel hervor und holte damit einen der funkelnden Kristalle aus dem Beutel. Er legte das Körnchen vorsichtig auf Godleys Daumennagel. Der betrachtete es einen kurzen Moment. Dann hob er kurz entschlossen seine Hand und leckte sich über den Daumen. Der Kristall hatte seine Zungenspitze kaum berührt, als die Wirkung einsetzte. Es war, als würden in seinem Gehirn tausend neue Tore gleichzeitig aufgestoßen. Alles um ihn herum wurde intensiver. Die Farben, die Geräusche, sogar der Geruch. Erinnerungen an Ereignisse, die er schon längst vergessen hatte, waren mit einem Mal so präsent, als hätten sie sich erst vor wenigen Minuten ereignet. Gleichzeitig strömten ungeheure Energiewellen durch seinen Körper. Neue, geniale Ideen schossen ihm gleich bündelweise in den Kopf. Er fühlte sich plötzlich so stark, dass er es ohne zu Zögern mit der ganzen Welt aufgenommen hätte. Jetzt brauchte er nur noch die Schwingen auszubreiten, und schon nach wenigen Flügelschlägen wäre er in
einem anderen Universum. »Na, gefällt es dir?« Eine dunkle Stimme brachte Timothy Godley wieder zurück in die Wirklichkeit. Er brauchte mehrere Sekunden, bis er begriff, dass er sich immer noch auf dem Rücksitz der Luxuslimousine befand. »Das ... das ist der absolute Hammer«, stammelte Timothy. »So etwas Durchgeknalltes habe ich noch nie erlebt.« »Das dachte ich mir.« Auf den Lippen des Brillenträgers erschien ein breites Grinsen. »Was soll das Zeug kosten? Ich habe gehört, dass du nur ein paar Dollars dafür verlangst.« »Das stimmt nicht.« »Das war mir fast schon klar«, sagte Timothy Godley enttäuscht. »Bei der Qualität lässt du dir den Stoff wahrscheinlich mit reinem Gold aufwiegen. Das kann ich mir nicht leisten.« Er legte die Hand an den Türgriff, um aus dem Wagen auszusteigen. »Nicht so schnell.« Der Kerl packte ihn an der Schulter und zog ihn in das Polster zurück. Dort, wo seine Finger Godleys Schlüsselbein berührten, ächzten die Knochen unter dem Druck. Der Kerl musste Pranken aus reinem Stahl haben. »Das Zeug kostet dich nicht einen einzigen Cent.« »Wie bitte?« Timothy sah ihn überrascht an. War er immer noch high, oder hatte der Riese im Anzug eben wirklich gesagt, dass er für seinen Stoff kein Geld haben wollte? »Du hast mich schon richtig verstanden. Ich gebe dir das >Frozen Fire< vollkommen umsonst.« »Die Sache hat doch bestimmt einen Haken«, meinte Timothy misstrauisch. »Also, rück schon raus damit. Was sind deine Bedingungen?« »Lediglich, dass du mir ein paar Gefallen tust. Zunächst erzählst du ein bisschen rum, was das für ein Höllenzeug ist. Lass deine Connections spielen. Sorge dafür, dass sich die Neuigkeit in der Szene verbreitet. Ich gebe dir genügend von dem Kram mit, dass du ein paar Kostproben verteilen kannst. Aber verteile sie kostenlos. Wenn ich dich dabei erwische, dass du mit dem Kram Geld machst, wirst du dir wünschen, niemals geboren worden zu sein.« »Ist das alles?« »Ja. Und sag den Leuten, wenn sie Nachschub brauchen, sollen sie sich einfach an mich wenden.« »Und wie können sie dich finden?« »Sie sollen nur nach Saaleb fragen. Ich tauche dann bei ihnen auf.« »Saaleb? Ziemlich ungewöhnlicher Name.« »Nicht dort, wo ich herkomme.« »Wo soll das sein? Irgendwo im Süden?« »Nicht direkt, aber es ist 'ne ziemlich heiße Gegend.« Saaleb gab Timothy das Plastiktütchen mit den glitzernden Kristallen. »He, das sind Geschäfte, wie ich sie mag.« Godley ließ das Päckchen sofort in seiner Hosentasche verschwinden. »Ich mache mich dann gleich auf den Weg. Es gibt einiges für mich zu erledigen.« »Gut.« Saaleb nickte. Dabei rutschte ihm die Sonnenbrille ein kleines Stück die Nase hinunter. Sofort schob er sie wieder in ihre ursprüngliche Position zurück. »Nun mach endlich, dass du verschwindest.« »Bin schon weg.« Timothy Godley öffnete die Wagentür und sprang nach draußen. Seine Sneakers hatten kaum den Asphalt berührt, als schon der Motor der Limousine aufheulte. Mit quietschenden Reifen fuhr sie davon und war schon wenige Sekunden
später von dem heruntergekommenen Parkplatz verschwunden. Timothy sah der Nobelkarosse noch lange hinterher. Dieser Saaleb war wirklich ein merkwürdiger Typ. Und was führte er im Schilde? Mit einem von dieser Sorte hatte es Godley vorher noch nie zu tun gehabt. Als ihm die Brille verrutschte, war für den Bruchteil einer Sekunde ein gelbes Augenpaar zu erkennen gewesen. Gelbe Augen was für ein Unsinn. Wahrscheinlich hatte er sich nur getäuscht. Oder es waren einfach noch die Nachwirkungen von dem Kristall, das er eingeworfen hatte. »Ein mörderisches Zeug«, murmelte Timothy Godley gut gelaunt. Dann verschwand auch er von dem Gelände des verlassenen Supermarkts. Jason Carnigan war schlecht gelaunt. Äußerst schlecht sogar. Der Hunger, der an seinen Eingeweiden riss, wurde mit jeder Minute schlimmer. Er hatte in den letzten Nächten zu hart gearbeitet und war einfach nicht dazu gekommen, sich zu ernähren. Heute hatte er - der sich für ein ziemlich moralisches Wesen hielt - zum letzten Ausweg gegriffen und eine Prostituierte kommen lassen. Aber die Schlampe kommt natürlich nicht pünktlich, dachte er. Und einmal mehr ärgerte er sich darüber, dass er nicht wie andere Vampire war... Groß. Beeindruckend. Jason Carnigan steckte noch immer in dieser verdammten, mickrigen Hülle, die ihm bereits als Lebenden das Dasein zur Hölle gemacht hatte. Schon als Teenager war er klein, dick und pickelig gewesen. Und auch zwanzig Jahre später hatte sich nichts daran geändert, mit dem einzigen Unterschied, dass ihm bis dahin auch die meisten Haare auf dem Schädel ausgefallen waren. Um es kurz zu machen, Jason war alles andere als ein Frauentyp. Wenn die anderen Jungs von der Highschool auf Partys unterwegs waren, blieb er lieber zu Hause. Was sollte er auch dort? Es gab weiß Gott angenehmere Abendbeschäftigungen, als sich vor versammelter Mannschaft einen Korb nach dem anderen abzuholen. Deshalb verkroch er sich lieber in seinem Zimmer und steckte den Kopf in seine Bücher - da machte sich wenigstens keiner über ihn lustig. Irgendwann hatte er dann den Computer für sich entdeckt. Und das Internet. Er stellte sehr schnell fest, dass das World Wide Web wie für ihn gemacht war. Hier konnte er mit anderen in Verbindung treten, ohne dass die Gefahr bestand, sich durch sein Äußeres zu blamieren. Hier konnte man Namen annehmen, die nach etwas klangen -»Starrider«, »Magie Messenger«, »Ca-sanova69« -, und deren Rollen man im wirklichen Leben niemals ausfüllen konnte. Natürlich blieben die unzähligen Stunden auf seiner Bude nicht ohne Folgen. Seine Noten in der Schule wurden immer besser, seine Lebensfreude sank beständig. Er machte den Abschluss als der Beste seines Jahrgangs - und hatte trotzdem das Gefühl, eine ganze Menge verpasst zu haben. Das Stipendium, das er prompt erhielt, ermöglichte ihm ein Informatikstudium auf einer der besten Universitäten des Landes. Aber auch hier änderte sich fast nichts in seinem Leben. Die Studentinnen, mit denen er es hier zu tun hatte, waren nicht ganz so direkt, wie die hochnäsigen Girlies in der Highschool. Sie sprachen zwar immer davon, dass Äußerlichkeiten vollkommen unwichtig seien und eigentlich nur die inneren Werte zählten. Aber am Abend hingen sie dann doch in den Armen von irgendeinem Sportstudenten, der zwar den Intelligenzquotient einer Stubenfliege, aber die Figur eines griechischen Gottes hatte. Natürlich schloss er auch sein Studium mit Auszeichnung ab. Es dauerte nicht lange, da hatte er sich eine ordentliche Reputation in der Wissenschaft verschafft, und die freie Wirtschaft wurde auf ihn aufmerksam. Aber nicht nur die . . . Jason konnte sich noch genau an den Tag erinnern, an dem diese Frau plötzlich
neben seinem Schreibtisch gestanden hatte. Es war der dritte August. Der Tag war mörderisch heiß gewesen, und auch am Abend hatte es sich kaum abgekühlt. Draußen war es schon längst dunkel und Jason saß noch immer am Pult in der Universitätsbibliothek. Camilla, das war ihr Name gewesen, war wie aus dem Nichts aufgetaucht. Sie hatte behauptet, für die Personalabteilung einer riesigen Firma tätig zu sein. Ihr Boss habe von Jason und seinen überragenden Leistungen gehört und wäre sehr an einer Zusammenarbeit interessiert. Jason war sich noch immer nicht sicher, ob es die Summe war, die sie ihm dann genannt hatte, oder der lange Blick aus ihren tiefblauen Augen, der ihn dazu gebracht hatte, seine Arbeit an der Universität einfach hinzuschmeißen und ihr Angebot anzunehmen. Die neue Stellung war wirklich interessant. Ihm wurde die Aufgabe übertragen, die gesamte Firma - eigentlich war es fast schon ein Imperium - durch ein ausgeklügeltes Computersystem so miteinander zu vernetzen, dass selbst die NASA auf das Ergebnis neidisch sein konnte. Jason stürzte sich kopfüber in die Arbeit. Er war so beschäftigt, dass ihm zunächst einige Merkwürdigkeiten gar nicht auffielen. Da waren zum Beispiel die Arbeitszeiten. Klar, in jeder großen Firma gab es Projekte, bei denen die Zeit drängte und deshalb rund um die Uhr gearbeitet wurde. Aber immer wenn er in der Zentrale des Unternehmens zu tun hatte, wurde er einfach den Eindruck nicht los, dass dort fast die gesamte Chefetage erst nachts richtig aktiv wurde. Und dann sein oberster Boss - Jason konnte nicht einmal dessen Namen herausfinden. Er bekam den Mann auch niemals persönlich zu Gesicht. An und für sich nichts ungewöhnliches, schließlich konnte er sich nicht um jeden einzelnen seiner Mitarbeiter kümmern. Trotzdem schien er über alles, was Jason tat, ausführlich informiert zu sein. Es war, als ob Kradoc ihn Tag und Nacht beobachten ließ, um über jeden seiner Schritte Bescheid zu wissen. Auch wenn es einiges gab, das Jason nicht verstand, kümmerte er sich nicht weiter darum. Aber dann geschah die größte Merkwürdigkeit. Camilla begann sich für ihn zu interessieren - und das nicht nur beruflich. Jason glaubt zunächst, er hätte etwas missverstanden, als sie ihm Avancen zu machen begann. Doch dann wurden ihre Angebote immer deutlicher. Jason verstand die Welt nicht mehr. Bisher hatte ihn noch keine Frau freiwillig länger, als es unbedingt notwendig war, angesehen. Und nun buhlte plötzlich eine Frau um seine Gunst, die eine der attraktivsten war, die er jemals gesehen hatte. Und dieses Mal war auch ausgeschlossen, dass sie ihn nur umgarnte, weil sie sich andere Vorteile davon versprach. Camilla war schließlich in einer Position, die so weit über ihm stand, dass sie seine Hilfe niemals benötigen würde. Wie dämlich er damals gewesen war. Er war tatsächlich naiv genug, um auf ihre Schmeicheleien hereinzufallen. Sie hatte ihn damit so lange eingelullt, bis er wirklich glaubte, sie sei an ihm - dem Mann Jason Carnigan - interessiert. Sie war es auch gewesen, die ihn dann zu diesem Abendessen eingeladen hatte. In ihrem eigenen Apartment! Doch sie waren gar nicht zum Essen gekommen. Vorher hatten sie sich noch unterhalten - über seine Zukunft, seine Chancen in der Firma ... Dann hatte sie ihm ein unglaubliches Angebot gemacht. Sie bot ihm die Unsterblichkeit für seine Dienste. Und Jason - der Trottel, fügte er in Gedanken an glaubte, herausgehört zu haben, dass sie von einer gemeinsamen Zukunft sprach. Seine Zustimmung folgte sofort. Er hatte keinen Schmerz gespürt, als Camilla ihre Zähne in seinen Hals grub. Im Gegenteil, er war so angefüllt von einem plötzlichen Glücksrausch, dass er nicht
einmal auf die Idee kam, sich zu wehren. Camilla trank so lange, bis sie auch den letzten Blutstropfen aus ihm herausgesaugt hatte. Jason fühlte sich entsetzlich schwach, hatte das Bewusstsein aber noch nicht verloren. Da streckte Camilla den Zeigefinger ihrer rechten Hand aus. Mit dessen rasiermesserscharfem Nagel schnitt sie sich in das linke Handgelenk. Als Blut daraus hervorzusprudeln begann, presste sie die Wunde auf Jasons Lippen. Der wollte zurückweichen, ausspucken. Doch kaum hatten die ersten Tropfen der warmen Flüssigkeit seine Zunge berührt, als er spürte, dass mit einem Mal die Kraft in seinen Körper zurückströmte. Und das Blut schmeckte nicht ekelerregend, im Gegenteil. Es war das Köstlichste, was er bisher getrunken hatte. Er packte Camillas Handgelenk mit beiden Händen, presste es mit aller Kraft gegen seinen Mund und trank mit schnellen, gierigen Zügen. »Das reicht«, sagte Camilla schließlich viel zu früh. Mit einer energischen Bewegung entzog sie ihm ihren Arm. »Was ... was war das?«, hatte Jason von ihr wissen wollen. »Was hast du mit mir gemacht?« »Du bist jetzt einer von uns«, hatte Camilla erwidert. Und dann hatte sie ihre Zähne vor ihm entblößt. Es hatte ein ganze Weile gedauert, bis sein Gehirn wirklich begriff, was sie damit gemeint hatte. Camilla hatte ihn zu einem Vampir gemacht. Zuerst war er erstaunt, dann aber eigentlich ganz zufrieden gewesen. Schließlich war alles andere besser, als das Leben, wie er es bisher geführt hatte. Doch sehr schnell wurde er eines Besseren belehrt. Eigentlich änderte sich für ihn so gut wie gar nichts. Camilla hatte ihn nicht etwa verwandelt, weil sie echtes Interesse an ihm hatte. Nein, seine Tätigkeit war lediglich so wichtig für die Organisation geworden, dass sie nicht mehr auf ihn verzichten konnten oder wollten. Sie sahen das Ganze wohl als eine Art Belohnung. Camilla handelte auf direkten Befehl von Baron von Kradoc - jetzt kannte er wenigstens den Namen seines Chefs - als sie Jason ihr eigenes Blut zu trinken gab. Hinterher verlor sie jegliches persönliche Interesse an ihm. Und auch der Alltag eines Vampirs gestaltete sich für ihn um einiges problematischer, als er es sich vorgestellt hatte. Er musste regelmäßig Blut trinken - so viel war klar. Aber dafür musste er sich auch irgendwie an seine Opfer ranmachen, und was die Kontaktaufnahme mit anderen Menschen betraf, war Jason alles andere als geübt. Er war als Normalsterblicher schon von den Frauen nicht beachtet worden, und als Vampir war es um kein Haar besser. Besondere Aura, der keine widerstehen kann von wegen! Sie machten alle einen Bogen um ihn. Wo andere Vampire ihre Opfer gleich reihenweise abschleppten, holte Jason sich eine Abfuhr nach der anderen. Er hatte darüber nachgedacht, einfach fortzugehen. Doch irgendwie - obwohl er nie mit jemanden darüber gesprochen hatte - hatte Camilla davon Wind bekommen und ihm ziemlich eindeutig klar gemacht, dass es diese Möglichkeit für ihn nicht gab. Er war für immer in einem goldenen Käfig gefangen. Jason wurde immer unruhiger. Warum kam die Nutte nicht endlich her. In diesem Moment klingelte es. Endlich! Der Vampir eilte zur Tür und öffnete. »Hi, ich bin Sandy«, verkündete die Kaugummi kauende Brünette. »Kommen Sie rein.« Jason fühlte sich ein wenig unwohl - wie immer, wenn er mit Prostituierten zu tun hatte. »Oh, sei nicht so verkrampft, Jason«, sagte sie einige Minuten später. »Hier, ich hab
was. Das Zeug ist einfach Spitze. Und wenn du mehr haben möchtest, musst du dich einfach an Saaleb wenden.« »Nein.« Der Vampir schüttelte den Kopf. »Ich würde lieber gleich anfangen.« »Wie du meinst, Süßer. Ich hab schon.« Jason starrte auf die reglos daliegende Sandy. Wahrscheinlich hatte er zu viel getrunken, das kam davon, wenn man so lange gar kein Blut zu sich nahm - die Gier wurde zu groß. Außerdem wurde es bald Tag und er musste seinen sicheren Ruheraum aufsuchen, in den die Sonne nicht eindringen konnte. Er seufzte und wollte gerade zum Telefon gehen, um ein Aufräumkommando zu bestellen, bevor er schlafen ging ... Es war, als hätte eine eiserne Faust nach seinen Eingeweiden gegriffen und wühlte sie nun wild durcheinander. Jason stöhnte und fiel auf die Knie. Er wollte wieder aufspringen, aber dazu fehlte ihm plötzlich jede Kraft. Er spürte, wie das Blut seines Opfers mit einem gewaltigen Schwall aus seinem Magen zurück in die Mundhöhle sprudelte. Der Vampir übergab sich mit rotem, geronnenen Schaum, die Schmerzen in seinem Inneren schienen mit jeder Sekunde schlimmer zu werden. Seine rechte Hand tastete suchend umher, um irgendwo einen Halt zu finden. Doch die Krämpfe, die nun einsetzten, ließen sie zu einer nutzlosen Klaue werden. »Telefon ...«, stöhnte Jason. »Ich ... Hilfe ...« In diesem Moment durchzuckte ihn ein Schmerz, als hätte man ihm ein glühendes Schwert in den Rücken gestoßen. Die Sonne war aufgegangen. Die ersten Strahlen hatten ihren Weg durch die Fenster gefunden. War so viel Zeit vergangen? Jason wollte schreien. Doch ein weiterer Blutschwall erstickte jeden Laut. Die Sonne erfasste ihn jetzt voll. In Sekundenschnelle bildeten sich auf seiner Haut riesige Blasen, die kurz darauf zerplatzten. Grauer Rauch begann von seinem Körper aufzusteigen. Dann entzündete sich der Vampir, als bestünde sein gesamter Leib aus trockenem Stroh, brannte hell wie eine offene Fackel. Jason begann im Todeskampf, um sich zu schlagen, das Bett, auf dem die tote Sandy lag, fing Feuer. Aber das bekam der Vampir schon gar nicht mehr mit. Augenblicke später war von ihm nicht mehr übrig, als ein kleines Häufchen graubrauner Asche ... * »Fütterungszeit!« Babriel stellte den Plastikeimer auf dem fleckigen Betonboden ab. Mit höchster Vorsicht, um seine weiße Kleidung nicht schmutzig zu machen, öffnete er den Deckel. Der Behälter war bis zum Rand gefüllt mit blutigen Fleischbrocken. Babriel nahm einen Spieß aus reinem Silber - ein Material, das ihm selbst zutiefst zuwider war - und rammte dessen Spitze in das oberste Stück davon. Mit dem triefenden Brocken näherte er sich dem Käfig, der von der Decke der verlassenen Tiefgarage hing. Das Wesen, das dort gefangen gehalten wurde, begann zischende Laute von sich zu geben. Es hatte die Größe und den Körper eines ausgewachsenen Schimpansen. Allerdings fehlte ihm jede Behaarung, es war vollkommen mit einer glänzenden, graugrünen Haut überzogen. Wie bei einer Spinne ragten acht Beine aus seinem Leib hervor, die bei dieser Ausgeburt der Hölle jedoch in krallenbewehrten Klauen endeten. Beim Anblick des Fleischs zog die Kreatur gierig ihre Lippen auseinander
und legte die tödlichen Zahnreihen eines Haifischs bloß. Babriel hielt den Fleischbrocken an die Gitterstäbe. Die Klauen packten sofort zu. Ohne dabei den silbernen Spieß zu berühren, zogen sie die Beute in das Käfiginnere. »Friss schön«, sagte Babriel zufrieden. »Du musst bei Kräften bleiben. Denn nur dann bist du mir nützlich.« Er warf einen weiteren Fleischklumpen in die Gitterzelle. Nun kam auch Tyria näher heran. Aber im Gegensatz zu Babriel hielt sie einen deutlich weiteren Abstand von dem Käfig. »Der Garhock ist mir unheimlich«, knurrte sie. »Ich mag ihn nicht.« »Warum denn nicht?« Babriel grinste sie breit an. »Schließlich haben wir es ihm zu verdanken, wenn diese verdammte Vampirbrut endlich ihn ihre Schranken verwiesen wird.« »Trotzdem. Diese Biester sind unberechenbar. Ich glaube nicht, dass du noch lange mit ihm fertig wirst.« »Klar, ein Schoßhündchen ist er wirklich nicht gerade.« Zwischen den Stäben schossen drei Arme hervor, die nach Babriel schlugen. Er wich dem Angriff geschickt aus und schlug mit dem Spieß hart nach den Klauen. Die Krallen verschwanden wieder im Käfig. »Man muss nur wissen, wie man ihn behandelt. Das ist alles.« »Hast du keine Angst, dass du die Gewalt über ihn verlieren könntest?« »He - ich war derjenige, der ihn gefangenen hat«, erwiderte Babriel entrüstet. »Also bin ich sein Herr. Der Garhock wird nur das tun, was ich ihm auch erlaube.« Tyria sagte nichts, sondern nickte bloß stumm. Ihre Skepsis war ihr deutlich anzusehen - wenn man im Gesicht eines Dämons lesen konnte. Wenn sie in der Nähe des Garhock war, wagte sie nicht, ihre ledernen Schwingen an den Körper anzulegen. Ihre Instinkte sagten ihr, dass es für sie besser war, wenn sie sich ständig kampfbereit hielt. Die Kreatur im Käfig presste das Gesicht an die Stäbe und fauchte die weiß gekleidete Gestalt davor hasserfüllt an. Babriel ließ sich davon nicht im Geringsten beeindrucken. »Wenn du dir nicht zutraust, mit ihm zurecht zu kommen, kannst du das gern mir überlassen«, sagte er zu Tyria. »Der Garhock wird sehr schnell erkennen, dass er in mir seinen Meister gefunden hat. Außerdem denke ich gar nicht daran, jetzt mit der Sache aufzuhören. Nicht, nachdem alles so gut angelaufen ist.« »Du wirst dir eine Menge Ärger damit einhandeln.« »Ich glaube nicht, dass ausgerechnet du das beurteilen kannst. Überlass das Denken lieber denjenigen, die auch den nötigen Grips dafür haben.« Tyria funkelte ihn böse an. Babriel tat, als hätte er es nicht bemerkt. »Es wird Zeit, den Garhock wieder mal zu melken«, wechselte er das Thema. »Mach dich endlich nützlich, Tyria, und hol den Kram, den ich dafür brauche.« Die Dämonin verschwand in einer dunklen Ecke der Garage. Ein leises Quietschen war zu hören, dann tauchte sie mit einem Rollwagen wieder bei dem Käfig auf. Auf der Pritsche des Wagens standen ein Generator, ein Kanister Benzin und eine gewaltige, schwarze Metallschale. Tyria ließ den Karren vor Babriel stehen und ging rasch wieder einige Schritte zurück. Babriel nahm die schwarze Schale und plazierte sie direkt unter dem Käfig. Dann griff er sich die beiden Kabel, die aus dem hinteren Teil des Generators kamen, und befestigte sie mit Klemmen an den Gitterstäben. Der Garhock begann aufgeregt zu kreischen. Er rüttelte an den Stäben seines Gefängnisses, doch die ließen sich keinen Millimeter bewegen.
Babriel machte sich inzwischen wieder am Generator zu schaffen. Er legte einige Schalter um, dann griff er nach der Reißleine. Schon beim zweiten Versuch sprang das Gerät an. Das leise Knattern des Benzinmotors war zu hören. Doch schon kurz darauf, als der Strom durch den Käfig zu fließen begann, wurde das Geräusch vom schrillen Kreischen des gefangenen Dämons übertönt. Der Garhock warf sich wie wahnsinnig immer wieder gegen die Stäbe. Doch es gab keine Möglichkeit, seinem Kerker zu entkommen. Es dauerte nicht lange, und auf der Haut des Dämons begannen sich feuchte Perlen zu bilden. Die Schweißtropfen schlossen sich zusammen und liefen ihm in kleinen Rinnsalen den Körper hinab. Schon bald begann Flüssigkeit aus dem Käfig in die dunkle Schale zu tropfen. Babriel registrierte zufrieden, dass sich eine trübe Lache auf dem Boden des Gefäßes bildete. Der Garhock bog sich unter rasenden Schmerzen. Er tobte wie besessen durch den Käfig. Sein Gebrüll wurde als zehnfaches Echo von den Betonwänden der Garage zurückgeworfen. Plötzlich gab er noch einmal ein gequältes Kreischen von sich dann sackte er leblos zusammen. Babriel schaltete den Generator aus. Als er die Klemmen von den Stäben löste, zuckte der Garhock mehrmals, zu einer weiteren Reaktion gegenüber seinem Peiniger war er zu geschwächt. Babriel zog die Schale unter dem Käfig fort. Zufrieden stellte er fest, dass die Flüssigkeit an den Rändern bereits auszukristallisieren begann. Es würde keine Viertelstunde mehr dauern, bis sich der Dämonenschweiß vollständig in »Frozen Fire« verwandelt haben würde. Nun kam auch Tyria wieder näher heran. Der augenblickliche Zustand des Garhock schien sich kräftigend auf ihren Mut ausgewirkt zu haben. »Ist genug dabei herausgekommen?«, wollte sie wissen. »Sicher«, erwiderte Babriel gut gelaunt. »Genug, damit Saaleb sich wieder auf Tour machen kann. Und auch genug, dass dieser Vampirbrut gründlich der Appetit verdorben wird.« * Baron von Kradoc hatte zu einer Konferenz in seinem Büro im Empire State Building zusammengerufen. Es war eine Zusammenkunft, die sich nur auf den kleinen Rahmen der engsten Vertrauten des heimlichen Herrschers New Yorks zusammensetzte. Natürlich war Bruce Darkness als der direkte Stellvertreter des Barons anwesend. Auch Katrina Stein saß mit ernstem Gesicht auf einem der antiken Stühle. Das Designerkostüm, das sie trug, stand im krassen Gegensatz zu den schweren, alten Einrichtungsgegenständen, mit denen sich der Baron zu umgeben pflegte. Boris von Kradocs Miene verriet wieder einmal keinerlei Gefühlsregung, während er mit langsamen Schritten das Büro durchquerte. Das lange, schwarze Haar hatte er mit einem violetten Seidenband zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Die grauen Strähnen darin waren so kaum zu erkennen. Die blütenweißen Rüschen seines Hemdes quollen wie eine üppige Blumengirlande unter dem Gehrock hervor. Das samtene Schwarz seiner Kniehosen war genauso makellos, wie der Glanz des Leders seiner Schnallenschuhe. Jeder andere hätte im 21. Jahrhundert in diesem Aufzug deplaziert oder sogar lächerlich gewirkt - aber nicht der Baron. Ganz im Gegenteil, die von Boris Baron von Kradoc bevorzugte altertümliche Kleidung betonte die
jahrhundertlange Erfahrung, auf die er zurückgreifen konnte, noch zusätzlich und unterstrich damit seine unanfechtbare Autorität. Es war nicht nötig, dass der Baron eine einzige Silbe sprach, um kundzutun, dass es da etwas gab, das ihm nicht gefiel. Seine Aura, die ihn wie ein Strahlenfeld umgab, brachte seinen Unmut mehr als deutlich zum Ausdruck. Sie war einem dunklen Tuch nicht unähnlich, das sich herabgesenkt hatte und nun sogar das Licht weniger hell strahlen ließ. Natürlich hätte Kradoc auch dieses Phänomen unterdrücken können, aber dafür sah er keine Veranlassung. Nein, Bruce und Katrina sollten ruhig spüren, dass etwas nicht in Ordnung war. »Ich habe euch zu mir kommen lassen, weil es in der Stadt Entwicklungen gibt, die wir nicht länger einfach ignorieren dürfen«, begann der Baron schließlich. » Entwicklungen, die jeden Einzelnen von uns betreffen.« »Wovon sprechen Sie, Baron?«, erkundigte sich Bruce. »Ist Celestine Draven wieder aufgetaucht? Das krieg ich schon hin, bei der Vampirjägerin ist doch die Luft raus.« »Nein, es ist kein Jäger.« Der Baron schüttelte den Kopf. Im Raum war es so leise, dass man das Rascheln der Rüschen hören könnte. »Ich wollte, es wäre so einfach. Denn nur wenn es einen klaren Gegner gibt, kann man sich einen Plan zurechtlegen, was man gegen ihn unternimmt. Das ist bei der Angelegenheit, von der ich spreche, aber nicht der Fall.« »Aber um was dreht es sich denn dann?«, wollte Katrina wissen. »Etwas, das du auch schon am eigenen Leib erfahren musstest«, antwortete der Baron. »Es häufen sich die Fälle, bei denen Vampire offensichtlich das Blut ihrer Opfer nicht mehr vertragen.« »Das ist auch anderen passiert?«, fragte Katrina erstaunt. »Und ich habe schon geglaubt, nur mit mir ist etwas nicht in Ordnung.« Bruce zuckte nur mit den Schultern. Er hielt diese Blutunverträglichkeit für etwas, das nur anderen passierte. »Es hat bereits den ersten Todesfall gegeben, der zumindest indirekt damit in Verbindung gebracht werden muss«, fuhr der Baron fort. »Es gibt einen Toten? Wen?« »Jason Carnigan.« »Carnigan?«, fragte Katrina erstaunt. »Ist das nicht der dicke Zwerg aus dem Networkbereich? Ist mir noch gar nicht aufgefallen, dass er nicht mehr da ist.« Der Baron warf ihr einen tadelnden Blick zu. »Jason Carnigan war einer unserer besten Computerfachleute«, sagte er schließlich. »Er wird nicht so einfach zu ersetzen sein.« »Was ist mit ihm passiert?«, wollte Bruce wissen. »Man hat in seiner Wohnung seine Asche gefunden. Die Sonne hat ihn verbrannt. Obwohl es nur wenige Meter bis zu seinem Schlafplatz waren, hat er es nicht mehr dorthin geschafft. Eine tote, blutleere Dirne lag halb verbrannt in seinem Bett. Glücklicherweise konnte die Sprinkleranlage das Feuer schnell löschen. Wie es aussieht, ist ihm ihr Blut nicht bekommen, und er war zu schwach dazu, sich rechtzeitig vor den tödlichen Strahlen in Sicherheit zu bringen.« »Üble Sache.« Bruce rieb sich nachdenklich über das Kinn. »Gibt es schon einen Anhaltspunkt, was der Auslöser dieser Schwächeanfälle ist?« »Eigentlich gibt es da nur zwei Möglichkeiten«, erwiderte von Kradoc. »Entweder es ist eine Blutseuche, die sich unter uns auszubreiten beginnt. Oder es ist ein künstlich beigemischter Bestandteil des Bluts - ein Medikament, eine Droge - den wir nicht vertragen.« »Ich glaube, die Sache mit der Krankheit können wir vergessen«, meldete sich nun
Katrina wieder zu Wort. »Ich habe heute Abend schon getrunken, und da gab es keinerlei Probleme. Ich habe alles ohne die geringste Schwierigkeit vertragen.« »Also muss es an dem Blut liegen«, schloss Bruce daraus. »Aber was? Könnte es eine neue Krankheit unter den Menschen sein? Eine Art von Epidemie?« »Wir müssen jede Möglichkeit in Betracht ziehen«, erklärte Baron von Kradoc. » Was es auch ist, wir müssen verhindern, dass es sich noch weiter ausbreitet.« »Du bist zusammengebrochen, nachdem du von diesem Maler getrunken hattest«, sagte Bruce zu Katrina. »Ist dir vorher bei ihm etwas außergewöhnliches aufgefallen? Streng dein Köpfchen an, jede Kleinigkeit kann von Bedeutung sein.« Katrina sandte ihm einen giftigen Blick, ging aber nicht weiter auf die Stichelei ein. »Da war nichts Besonderes. Er hat sich einen Drink bringen lassen, kurz bevor er mich ansprach, aber das ist auf so einer Party eigentlich vollkommen normal.« »Einen Drink? Hast du eine Ahnung, was das gewesen ist?« »Nein. Es sah ein bisschen nach einer Bloody Mary aus, aber sicher bin ich mir nicht.« »Und als du von dem Kerl getrunken hast, war dabei etwas anders als sonst?« »Absolut nicht. Er war einfach köstlich.« »Also keinerlei Anhaltspunkte.« Bruce begann mit den Fingern auf der Armlehne seines Sessels herumzutrommeln. »Du wirst diesen Mychael Bradham etwas näher im Auge behalten müssen, Bruce«, ordnete Kradoc an. »Er ist immerhin der Einzige, von dem wir sicher wissen, dass er den Mist im Blut hat, den wir nicht vertragen.« »Ja, Herr.« »Aber Bradham gilt als letzter Schrei in der Kunstszene«, wandte Katrina ein. »Er hat jetzt international Erfolg und ist zurzeit in Europa. Außerdem denke ich nicht, dass ein Trampel wie Bruce zu ihm vorgelassen wird.« Bruce grinste. Den Trampel verzieh er der Vampirin, schließlich hatte er keine Lust, schon wieder irgendwelche Bilder zu begaffen. Doch er hatte Pech, denn der Baron ließ diesen Einwand nicht gelten. »Dann wirst du Bruce in die entsprechende Gesellschaft einführen«, sagte er zu Katrina. * Das »Baxter's« war etwa zur Hälfte besetzt, als Saaleb und seine drei Helfer eintrafen. Das Publikum bestand noch zum großen Teil aus Geschäftsleuten, die auf dem Nachhauseweg aus den Bürotürmen hier Halt gemacht und hängen geblieben waren. Es war erst kurz nach 21 Uhr - viel zu früh für die In-Crowd, die das kleine Bistro zu einem ihrer momentanen Lieblingstreffpunkte erklärt hatte. Und genau diese selbsternannte Partyelite war es auch, auf die Saaleb es abgesehen hatte. Babriel hatte ihm den Auftrag erteilt, »Frozen Fire« so weit wie möglich in der menschlichen Bevölkerung New Yorks zu verbreiten. Also nicht nur unter Junkies, Obdachlosen und anderen Gossengewächsen, sondern auch bis hinauf in die oberen Schichten. Politiker, Richter, Ärzte - sie alle sollten zu dem Klientel gehören, das regelmäßig mit der Droge versorgt wurde. In Künstlerkreisen war »FF« mittlerweile schon bekannt - und beliebt. Jetzt waren die reichen Nachtschwärmer an der Reihe, die bis in die frühen Morgenstunden die Clubs und Lokale in Manhattan bevölkerten. Saaleb hatte sich ein wenig umgehört, und ihm war schließlich das »Baxter's« als die ideale Anlaufstelle genannt worden. Hier sollte er einen gewissen Rick treffen, der die richtigen Leute kannte, um » Frozen Fire« unter den Party-People populär zu machen.
Als Saaleb und seine Begleiter durch die Eingangstür kamen, drehte sich einer der Männer, die auf chromfarbenen Hockern an der Bar saßen, langsam um. Er gab ihnen mit einem kurzen Handzeichen zu erkennen, dass er derjenige war, nach dem sie Ausschau hielten. Sie kamen näher. »Bist du Rick?«, wollte Saaleb wissen. »Die Meisten nennen mich auf jeden Fall so.« »Ich habe gehört, dass du dich für mich interessierst.« »Weniger für dich, als für das Zeug, das du in Umlauf bringst. Soll ja ein teuflischer Stoff sein.« »Wenn du wüsstest, wie Recht du damit hast.« Saaleb grinste ihn breit an. »Hast du Lust auf eine Kostprobe?« Der Kerl an der Theke gab sich betont lässig. »Kommt darauf an.« Er lehnte sich zurück und stützte sich dabei mit beiden Ellenbogen auf dem Tresen ab. »Kommt auf was an?« Hinter den Rücken von Saaleb und seinen Männern erhoben sich nun die anderen Gäste des Lokals beinahe lautlos von ihren Plätzen. So leise wie möglich huschten sie nach draußen. Kurz darauf war das Restaurant bis auf die Personen an der Bar völlig leer. »Auf den Preis. Ich will erst wissen, was ich für das Zeug hinlegen muss.« »Nichts. Du sollst lediglich dafür sorgen, dass >FF< bei den Leuten bekannt wird.« »Und wenn ich genügend davon draufgebracht habe, verlangst du plötzlich Unsummen dafür. Das ist doch die Masche, die du fahren willst.« »Geld interessiert mich nicht«, erwiderte Saaleb. »Also, was ist? Kommen wir ins Geschäft?« »Nicht bei dem Preis. Er ist einfach ... zu niedrig.« Der Kerl machte eine kurze Kopfbewegung. Das war das Zeichen, auf das seine Komplizen an der Bar gewartet hatten. Sie wirbelten herum, rissen ihre Knarren aus den Jacken und richteten sie auf Saaleb und seine Leute. Aus einem Nebenraum stürmten weitere bewaffnete Typen in den Laden. Saalebs Männer griffen ebenfalls nach ihren Waffen. Nur er selbst blieb völlig ruhig. »Was soll der Mist?«, fragte er. »Du bist nicht Rick, stimmts? Pfeif deine Bluthunde zurück, oder du wirst es schwer bereuen.« »In einem Punkt hast du völlig Recht«, erwiderte der Kerl an der Bar. »Rick ist wirklich nicht mein richtiger Name. Der Kerl, den du treffen wolltest, ist ganz plötzlich . . . krank geworden. Aber bei der zweiten Sache irrst du dich ganz gewaltig. Ich habe es mir abgewöhnt, irgend etwas zu bereuen. Und ich werde auch ganz bestimmt nicht wieder damit anfangen.« »Was willst du?«, knurrte Saaleb. »Kannst du dir das nicht denken? Ich und die Jungs, wir haben selbst hier ein paar Geschäfte am Laufen. Hat auch alles wunderbar funktioniert - bis du hier aufgetaucht bist. Du versaust die Preise mit deinem Stoff. Wer soll uns noch was abkaufen, wenn du deinen Kram einfach verschenkst? He, Mann, ich hab 'nen teuren Lebensstil. Da muss was in die Kasse kommen, damit ich mir das leisten kann. Hast du kapiert, was ich meine?« »Es interessiert mich einen müden Dreck, was du in der Kasse hast«, erwiderte Saaleb ungerührt. Dass seine drei Begleiter immer unruhiger wurden, kümmerte ihn nicht. »Beschäftige dich mit deinem eigenen Kram, aber lass mich damit in Frieden. Und jetzt verpiss dich, bevor ich richtig ungemütlich werde.« »Das wird ja immer besser.« Der Dealer lachte laut auf. »Du hast noch immer nicht
gecheckt, dass du hier einfach zu viel in der Stadt bist. He, ein einziger Fingerzeig von mir, und meine Männer verwandeln euch in Siebe.« »Versuchs doch.« »Du hast es nicht anders gewollt.« Er schnippte kurz mit den Fingern. Sofort bellten die Kanonen auf. Die Killer des Dealers nahmen Saaleb von drei Seiten gleichzeitig unter Beschuss. Saalebs Männern gelang es noch, eine Salve aus ihren eigenen Waffen abzugeben. Bevor sie tödlich getroffen zusammensackten, pumpten sie so viel Blei in zwei ihrer Gegner, dass die zu Begleitern auf ihrem Trip ins Jenseits wurden. Natürlich war Saaleb das Hauptziel der Angreifer. Doch dem schienen die Kugeln nicht das Geringste auszumachen. Die Geschosse drangen in seinen Körper, ohne einen sichtbaren Schaden anzurichten. Einige blieben ihm im Leib stecken, andere durchschlugen ihn einfach und traten auf der anderen Seite wieder aus. Der Dealer starrte sein Gegenüber fassungslos an. »Das . . . das kann nicht sein«, stieß er hervor. In diesem Moment fuhr Saalebs Hand nach vorn. Sie packte die Kehle des Mannes und hob ihn mühelos an. »Bist du überrascht?«, fragte Saaleb höhnisch. »Ich habe noch eine ganze Menge mehr für dich auf Lager. Und ich möchte, dass du dir alles bis zum Schluss ansiehst. Und deshalb will ich sichergehen, dass du nicht vorher schon abhaust.« Er packte mit der freien Hand das rechte Bein des Dealers. Mit einer schnellen Bewegung drehte er es so weit um die eigene Achse, bis in der Hüfte ein lautes Knacken zu hören war. Der Dealer kreischte schrill auf. Völlig ungerührt brach ihm Saaleb auch das linke Bein. Dann setzte er sein Opfer so mit dem Rücken an die Theke, dass er einen ungehinderten Blick auf den Rest des Lokals hatte. »Komm nicht auf die Idee, bewusstlos zu werden!«, zischte Saaleb und wandte sich langsam den anderen Angreifern zu. Acht Gegner waren noch übrig. Die Meisten von ihnen hatten scheinbar noch immer nicht begriffen, mit wem sie es hier zu tun hatten. Fünf Kerle nahmen Saaleb auch weiterhin unter Beschuss. Der schnappte sich den Angreifer, der ihm am nächsten stand. Mit einer einzigen Handbewegung zerdrückte er ihm die Kehle zu Brei. Dann ließ er den schlaffen Körper achtlos zu Boden fallen. Drei der Typen hatten mittlerweile erkannt, dass sie gegen den rasenden Dämon nichts ausrichten konnten. Sie versuchten in Richtung des Ausgangs zu fliehen. Doch Saaleb war schneller. Er erwischte den Ersten von ihnen am Kragen seiner Jacke und schleuderte ihn mit einer solchen Gewalt gegen den Tresen, dass seine Wirbelsäule brach, als wäre sie nicht mehr, als ein dürrer Zweig. Saaleb nahm einen der Barhocker und warf ihn nach den anderen Fliehenden. Einer von ihnen wurde von den metallenen Füßen am Rücken getroffen und regelrecht aufgespießt. Er taumelte einige Schritte vorwärts, dann brach er vor seinem Komplizen zusammen. Der wollte über das Hindernis hinwegspringen, aber Saaleb hatte ihn bereits eingeholt. Er brachte den Mann mit einem gewaltigen Hieb zu Fall. Ein Fußtritt in den Nacken besiegelte auch sein Schicksal. Nun versuchten auch die restlichen vier zu fliehen. Sie rannten in Richtung des Hinterzimmers. Saaleb war sofort bei ihnen. Einer der Männer wandte sich um und pumpte ihm die letzten Kugeln, die noch in seinem Magazin waren, in den Leib. Sie
hielten den Dämon nicht mehr auf, als ein Schwarm lästiger Stubenfliegen. Der Kerl hatte seine Knarre noch in der Hand, als Saaleb ihn hochschleuderte und gegen die Decke krachen ließ. Der Dämon wartete nicht, bis die Leiche wieder zu Boden fiel, sondern stürzte sich bereits auf die letzten drei. Sie hatten keine Chance. »So - und jetzt zu dir.« Saaleb wandte sich wieder dem Dealer zu. Der war inzwischen vor Angst beinahe wahnsinnig geworden. Ohne auf den Schmerz in seinen Hüften zu achten, zog er sich mit beiden Armen über den Boden. Natürlich hatte er so keine Chance, dem Dämon zu entkommen. »Du willst mich doch nicht etwa schon verlassen?« Saaleb baute sich unmittelbar vor ihm auf. Er beugte sich tief zu dem verletzten Mann hinunter. »Wir waren doch gerade erst dabei, uns ein bisschen kennen zu lernen. Eigentlich schade, dass aus unserem kleinen Geschäft nun nichts mehr wird. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass wir uns irgendwann wiedersehen werden. In der Hölle ...« Der Dämon nahm seine Sonnenbrille ab und starrte sein Opfer aus glühenden schwefelgelben Augen an. Der Dealer schrie hysterisch auf. Seine Hände tasteten suchend über den Boden. Zwischen den umgestürzten Tischen lagen Servietten, Flaschen und Geschirrteile wild durcheinander verstreut. Plötzlich bekamen seine Finger den Griff eines Messers zu fassen. Es gehörte zu einem teuren Designerbesteck aus echtem Silber. Der Dealer hatte sehr wohl gesehen, dass das Ungeheuer, das da vor ihm kauerte, sogar gegen Kugeln immun war. Es bestand also wohl kaum die Hoffnung, dass er mit einem einfachen Messer etwas gegen ihn ausrichten konnte. Trotzdem rammte er seinem Gegenüber die Klinge des Messers in das Handgelenk. Saaleb schrie auf. Unterhalb seines Handrückens klaffte eine tiefe Wunde auf. Blut tropfte daraus auf den Boden. Der Dämon packte das Messer und zog es sich aus der Hand. »Das hast du nicht umsonst gemacht«, schrie er und schleuderte die Klinge quer durch den Raum. »Die anderen hatten einen schnellen Tod. Aber für dich habe ich etwas ganz Besonderes reserviert.« Wenig später richtete sich Saaleb wieder auf, wischte sich die blutigen Hände an einer der Tischdecken ab und verließ das Restaurant, ohne seinem letzten Opfer noch einen weiteren Blick zu gönnen. * Die Menge, die sich draußen versammelt hatte, wich ängstlich auseinander, als er aus der Tür trat. Nicht einer machte Anstalten, ihn aufzuhalten. Irgendwo in der Ferne waren Sirenen zu hören. Doch als die Polizeiwagen endlich bei dem Restaurant eintrafen, war Saaleb längst verschwunden . . . Der Rahmen, in dem ihr zweites Zusammentreffen mit Mychael Bradham stattfinden sollte, war noch pompöser, als es beim ersten Mal der Fall gewesen war. An diesem Abend fand das ganze Spektakel nicht in irgendeiner Galerie statt, sondern in einem Kongreßzentrum, das die Stadtväter von New York extra für dieses Ereignis angemietet hatten. Hier sollte dem Maler wegen »Besonderer Verdienste« ein Preis der Stadt verliehen werden. Sicher, Bradham hatte sich mit seinen Bildern mittlerweile auch international einen guten Namen gemacht, aber dass er dafür eine besondere Ehrung erhielt, war schon etwas Außergewöhnliches, das nicht alle Tage passierte. Aber es hatte Katrina trotzdem nicht mehr als zwei, drei Telefonate gekostet, um
auch diese Extravaganz möglich werden zu lassen. Auch das Publikum, das zu dem Ereignis erschienen war, war anders, als damals bei der Vernissage. Natürlich gab es auch wieder die bunt schillernden Gestalten, die die Kunstszene üblicherweise bevölkerten. Aber heute waren auch auffallend viele Gesichter in der Menge, die man nicht aus dem Kulturteil, sondern von den Politikund Wirtschaftsseiten der Zeitungen kannte. Die Preisverleihung war wohl eine der Veranstaltungen, auf dem man einfach gesehen werden musste, wenn man nicht riskieren wollte, dass die eigene Karrierekurve schon bald einen deutlichen Knick nach unten machte. Vielen Männern im Smoking und Frauen in teueren Kostümen war anzusehen, dass Mychael Bradham und seine Kunst sie nicht im Geringsten interessierte, sondern sie den Abend lediglich als günstige Gelegenheit dazu ansahen, neue politische oder finanzielle Verbindungen zu knüpfen oder bereits bestehende weiter zu vertiefen. Katrina fühlte sich auf diesem Parkett wie zu Hause. Sie schwebte in einem neuen umwerfenden Abendkleid geradezu durch die Menge und genoss die Blicke, die ihr von allen Seiten über den Körper glitten. Ihrem Begleiter war allerdings deutlich anzusehen, dass er sich hier nicht besonders wohl fühlte. Bruce hatte sich für diesen Anlass in einen Smoking gezwängt, und obwohl er nicht mehr atmete, hatte er das Gefühl, dass die Fliege ihn gerade erwürgte. Und Katrinas: »Bruce, du siehst umwerfend aus. Wenn du so weitermachst, können wir dich in ein paar hundert Jahren der Öffentlichkeit präsentieren« half auch nicht, seine Laune zu heben. »Wir knöpfen uns diesen Jungen vor, dann verschwinden wir wieder von hier«, murmelte er Katrina zu. »Dieser ganze Firlefanz ist ja kaum zum Aushalten.« »Ich habe mir schon beinahe gedacht, dass es dir hier nicht gefällt«, erwiderte die kühl. »Die Leute hier haben nämlich Niveau - ganz im Gegensatz zu dir.« Bruce tat, als hätte er ihre Bemerkung nicht gehört. »Hast du schon eine Idee, wie wir aus diesem Maler rausbekommen sollen, warum er dir so schwer im Magen gelegen hat?« »Lass mich nur machen. Ich werde ihm tief in die Augen schauen, und dann kann ich ihn um den Finger wickeln. Man kann ja nicht alles mit brutaler Gewalt lösen.« »Oh, man kann schon ... Soll mir aber recht sein, mach es auf deine Weise.« Bruce nickte. »Ich werde mich so lange ein bisschen umschauen. Aber ich bin immer in deiner Nähe.« »Da bin ich aber beruhigt«, sagte Katrina ironisch. »Du weißt ja, als Frau fühle ich mich immer so schwach und hilflos.« Für den Bruchteil einer Sekunde bohrte sich ihr Blick in seine Augen und sie wischte seinen Willen zur Seite. Dann lächelte sie Bruce zuckersüß an und verschwand in der Menge der anderen Gäste. Bruce sah ihr einen Moment hinterher, dann zuckte er mit den Schultern. Katrina konnte wirklich ein arrogantes Miststück sein. Er wandte sich ab und schlenderte auf die Treppe zu, die am linken Rand des Saals ins obere Stockwerk führte. Deren mittlerer Absatz war ein idealer Aussichtspunkt. Von dort aus würde er beinahe den gesamten Raum im Auge behalten können. Katrina hatte Mychael Bradham schon bald ausgemacht. Er stand mit mehreren Männern und Frauen zusammen, die alle ausgesprochen teuer, aber langweilig gekleidet waren. Zweifellos handelte es sich bei ihnen um Kunden, die zwar nur mit wenig Kunstverstand, dafür aber mit dem nötigen Kleingeld ausgestattet waren, das mittlerweile gebraucht wurde, wenn man sich einen echten Bradham an die Wand hängen wollte. Dem Maler war deutlich anzusehen, dass ihm seine Gesellschaft nicht besonders behagte. Er plauderte zwar angeregt nach allen Seiten, doch das Lächeln auf seinem Gesicht wirkte künstlich und angestrengt.
Katrina bewegte sich auf die kleine Gruppe zu und trat an Bradham heran. »Mychael«, flötete sie, als sie nur noch wenige Meter entfernt stand. Der Maler blickte auf, und ein echtes Lächeln huschte über sein Gesicht, als er sie entdeckte. Er schob die anderen einfach beiseite und kam direkt auf sie zu. »Ich habe gehofft, dass du kommen würdest«, sagte er, noch bevor er sie erreicht hatte. »Du erinnerst dich an mich?« Katrina zog eine Augenbraue in die Höhe. »Ich glaube, ich sollte mich geschmeichelt fühlen.« »Mich an dich erinnern?« Der Maler blieb dicht vor ihr stehen. Ihr verführerisches Parfüm hüllte ihn wie eine sinnliche Wolke ein und verwirrte seine Sinne noch zusätzlich. »Seit wir uns das erste Mal begegnet sind, habe ich immer nur an dich denken müssen. Ich glaube, du bist mir nicht für eine einzige Sekunde aus dem Kopf gegangen.« »Klingt recht hübsch. Ist aber nur ziemlich schwer zu glauben«, antwortete Katrina, die aber genau wusste, dass es die Wahrheit war. Wenn sie es wollte, hatte sie diese Wirkung auf Männer. »Unsere Umarmung auf der Tanzfläche war das Sinnlichste, was ich jemals erlebt habe«, beteuerte Bradham. »Dort wurde ich - im wahrsten Sinn des Wortes - von meiner Muse ge-küsst.« Die Vampirin lächelte geschmeichelt, sagte jedoch nichts. »Glaubst du mir noch immer nicht? Na gut, dann werde ich es dir beweisen.« Der Maler sah auf seine Armbanduhr. »Bis zu dieser Preisverleihung dauert es noch beinahe eine Viertelstunde. Das reicht. Komm mit.« Er wandte sich zum Gehen und reichte Katrina seinen Arm, damit sie sich einhaken konnte. »Wohin?« Sie blieb stehen und sah ihn mit skeptischer Miene an. »Ich möchte dir etwas zeigen. Es wird zwar gleich der Öffentlichkeit präsentiert, aber du sollst die Erste sein, die es sieht. Komm mit, es steht in einem Zimmer hinter der Bühne.« Er fasste Katrina am Handgelenk - eine Taktlosigkeit, die gar nicht zu ihm passen wollte. Doch eigentlich konnte der Vampirin überhaupt nichts Besseres passieren, als dass Mychael Bradham sich mit ihr aus dem Gewühl zurückzog. Es war einfacher, das, was sie von ihm wissen wollte, aus ihm herauszubekommen, wenn nicht mindestens noch tausend andere Leute um sie herumstanden. Sie ließ ihren Blick nur kurz auf seine Finger an ihrem Gelenk gleiten. Dann formten sich ihre Lippen zu einem verführerischen Lächeln. »Du hast mich richtig neugierig gemacht«, hauchte sie. »Ich kann es kaum abwarten, dein kleines Geheimnis zu sehen.« Mit verschwörerischer Miene zog der Maler sie durch die Menge hinter sich her . . . Bruce stand schon eine Viertelstunde auf seinem Posten auf dem Treppenabsatz und musterte die wogende Menge, die unter ihm den Saal bevölkerte. Die Meisten der Gäste hatten noch nicht an den Tischen Platz genommen, sondern flanierten über das hell erleuchtete Parkett, ständig darum bemüht, von den anderen Anwesenden auch bemerkt zu werden. Natürlich war Bruce nicht entgangen, dass Katrina mit Bradham ihn einem Nebenzimmer verschwunden war. Aber das beunruhigte ihn nicht eine Sekunde. Wenn Katrina mit dem Maler allein war, brauchte er sich um sie keine Sorgen zu machen. Der arme Sterbliche hatte gegen sie keine Chance. Bruce ließ seinen Blick weiter über die Menge gleiten. Dort unten im Saal gab es eine Menge wunderschöner Frauen. Der Anblick ihrer tiefen Dekolletes, die zarte Haut ihrer Hälse mit den sanft durchschimmernden Adern darunter erinnerten ihn
daran, dass er heute noch nichts getrunken hatte. Doch er schob den Gedanken beiseite. Er wollte nicht riskieren, sich die Seele aus dem Leib kotzte. Bruce wandte sich ruckartig von der Vorstellung auf dem Parkett ab. In diesem Moment bemerkte er die Stimmen, die von irgendwo am oberen Ende der Treppe kamen. Er hätte sie ignoriert, wenn er nicht ein Wort aufgeschnappt hätte, das sein Interesse weckte - »Blackware Inc.« Bei der Erwähnung des Firmennamens wurde Bruce hellhörig. Bruce hatte in irgendeiner langweiligen Sitzung mitbekommen, dass Baron von Kradoc einer der Hauptanteilseigner der »Blackware Inc.« war. Es war also bestimmt kein Fehler, wenn er sich anhörte, was die beiden Kerle sonst noch zu sagen hatten. Lautlos begann Bruce die Stufen nach oben zu steigen. Die Treppe führte zu einer Galerie, die den gesamten Festsaal umspannte. Säulenpaare bildeten eine Reihe von Logen, von denen im Bedarfsfall das Treiben im unteren Stockwerk beobachtet werden konnte, ohne dass man sich dafür selbst in das Gewühl stürzen musste. Doch heute wurde dieser Teil des riesigen Raums nicht benutzt. Der Zugang zu der Galerie war mit einem verzierten, dunkelroten Seil versperrt. Die gesenkten Stimmen waren von hier deutlicher zu hören. Nun konnte Bruce einen Teil der Unterhaltung verstehen. »Aber ich brauch das Zeug«, sagte eine Männerstimme. »Es bringt mein Hirn auf Hochtouren. Damit bin ich meinen Konkurrenten haushoch überlegen.« »Du kannst so viel davon bekommen, wie du willst«, antwortete eine zweite, tiefere Stimme. »Aber du kennst die Bedingungen.« »Aber das geht nicht. Wenn ich das Gerücht verbreite, dass >Blackware Inc.< zahlungsunfähig ist, werden die Aktien ins Bodenlose fallen. Eine Menge meiner Kunden werden Riesensummen verlieren. Besonders einer von ihnen ...« Das klingt doch ganz interessant, dachte Bruce. Blitzschnell kletterte er über das Seil. Tief in die Schatten geduckt, schlich er den beiden Stimmen entgegen. Es dauerte nicht lange, und er hatte die Quelle des Geflüsters entdeckt. In einer Seitennische standen zwei Männer zusammen. Einer von ihnen trug einen Smoking. Er war von mittlerer Statur und eine eher unauffällige Erscheinung. Er sah aus wie einer der geschniegelten Börsenmakler, die es in Manhattan zu Tausenden gab. Der Kerl schien nervös zu sein. Immer wieder fuhr er sich fahrig durch das Haar und brachte damit seine exakt gescheitelte Frisur durcheinander. Ihm gegenüber stand, die Arme vor der Brust verschränkt, ein Berg von einem Mann. Er war beinahe zwei Meter groß, gewaltige Muskeln drückten von innen gegen den Stoff seines Jacketts. Im Gegensatz zu seinem Gesprächspartner war der Kerl die Ruhe selbst. Trotz des trüben Lichts, das hier herrschte, hatte er eine undurchsichtige Sonnenbrille vor den Augen. Verwundert stellte Bruce fest, dass die Hände des Mannes in schwarzen Lederhandschuhen steckten, die mindestens noch die Hälfte seiner Unterarme bedeckten. »Kapier doch endlich, dass ich es nicht tun kann«, wimmerte der Börsenmakler. Er packte sein Gegenüber am Handgelenk. Der zuckte zusammen, als sei er von einem Schlag getroffen worden. »Was ist, wenn ich dir Geld gebe? Ich kann auch größere Summen auftreiben, das ist kein Problem.« »Du weißt, was ich von dir will«, zischte der Dealer böse. Für einen Moment sah es so aus, als wolle er sich auf den anderen stürzen, doch dann überlegte er es sich noch einmal anders. »Und davon kannst du dich auch nicht freikaufen« »Oh Mann ...« Der Banker fuhr sich erneut durchs Haar. »Als dieser Tim Godley mir die erste Portion zum Probieren gegeben hat, sagte er, ich könnte das Zeug
kostenlos bekommen. Dass ich für >FF< irgendwelche krummen Touren machen muss, davon war nie die Rede gewesen. Wenn das rauskommt, kriege ich in der Börse nie wieder auch nur einen Fuß auf den Boden.« »Dann lass es bleiben.« Der Riese zuckte mit den Schultern. »Allerdings wirst du dann auch auf den Stoff verzichten müssen.« »Schon gut. Ich machs. Wann kann ich das >FF< haben?« »Sobald dein Teil der Abmachung erledigt ist.« »Kannst du mir auch verraten, wie ich das deichseln soll? Soll ich vielleicht Flugblätter verteilen, auf denen steht, dass der >Blackware Inc.< die Puste ausgegangen ist?!?« »Das ist dein Problem.« Der Kerl mit der Sonnenbrille holte einen kleinen Plastikbeutel aus seiner Jackentasche. Ein weißes Pulver war darin zu erkennen. Er hielt es dem Börsenmakler hin. »Hier. . . Das hilft dir vielleicht dabei, auf eine clevere Idee zu kommen.« Der riss es ihm förmlich aus den behandschuhten Fingern. Der Banker starrte den Beutel gierig an. »Danke ...«, murmelte er. »Du hast für die Sache genau zwei Tage Zeit«, meinte der Dealer. »Danach gilt unsere kleine geschäftliche Abmachung nicht mehr.« Sein Gegenüber brachte lediglich ein Nicken zu Stande. Nun wandte sich der Riese von seinem Kunden ab. Er steuerte direkt auf die Treppe zu. Bruce verbarg sich blitzschnell hinter einem Stapel Stühle, die in einer weiteren Nische auf ihren Einsatz bei einer anderen Großveranstaltung warteten. Der Dealer bemerkte ihn nicht. Wer war dieser Kerl? Irgend etwas war an seiner Art, sich zu Bewegen, die Bruce daran zweifeln ließ, dass es sich um einen Menschen handelte. Aber was war das für eine Kreatur, die sich in New York herumtrieb und irgendein Zeug an die Menschen verteilte, dass die offensichtlich süchtig machte? Bruce musste einfach mehr darüber herausfinden. Und dafür gab es eigentlich nur eine Möglichkeit. Als der Dealer von der Galerie verschwunden war, kam auch wieder Leben in seinen Kunden. Er steckte das Plastiktütchen ein und wollte sich ebenfalls auf den Weg zur Treppe machen. Doch er hatte die ersten Stufen noch nicht erreicht, als ihm Bruce den weiteren Weg versperrte. Für einen Moment hielt der Banker erschrocken inne. Doch dann wollte er sich einfach an Bruce vorbeidrängen. Der hielt ihn an der Smokingjacke zurück. »Was soll das?«, fragte der Banker gereizt. »Lassen Sie mich sofort durch.« »Erst wenn du mir den Kram gibst, den dir der Kerl gerade überreicht hat.« »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen«, log der Mann. »Wenn Sie mich nicht augenblicklich gehen lassen, wird das rechtliche Konsequenzen für Sie haben.« »Ich meine das Pulver, das du von diesem Typen erbettelt hast. Was ist nun - rückst du damit raus oder nicht?« Der Banker antwortete nicht. Stattdessen versuchte er, sich aus Bruces Griff zu lösen. Doch dessen Finger hatten sich wie Schraubzwingen im Stoff seiner Jacke festgekrallt. Als der Sterbliche erkannte, dass er sich nicht befreien konnte, setzte er zu einem lauten Hilfeschrei an. Noch kein Laut hatte die Kehle des Bankers verlassen, als Bruces flache Hand nach oben schnellte, und er sein Opfer leicht gegen die Stirn stieß. Sofort verlor der Kerl das Bewusstsein und brach zusammen. Bruce fing ihn auf und ließ ihn sacht und vor allem leise zu Boden gleiten. Ungerührt durchsuchte er die Taschen Bewusstlosen. Der Kerl war doch selbst Schuld, dass er jetzt hier lag. Hätte er ihm das Tütchen gegeben, würde er nachher
nicht mit mörderischen Kopfschmerzen aufwachen. Bruce zog den kleinen Beutel mit dem Pulver hervor und ließ ihn in seiner Lederjacke verschwinden. Dann versteckte er den Banker hinter dem Stuhlstapel, es war ja nicht nötig, dass irgend jemand über ihn stolperte. Bruce sah sich vorsichtig um, um sich zu vergewissern, dass ihn niemand beobachtet hatte. Dann beschloss er, sich auf die Suche nacht Katrina zu machen. Er sprang über das dunkelrote Absperrseil und stieg die Stufen in den Hauptsaal hinunter... * Mychael Bradham hatte Katrina in ein kleines Besprechungszimmer geführt. Die Wände waren mit einem rotbraunen Holz vertäfelt, ein ovaler Tisch der gleichen Farbe stand in der Mitte des Raums. Die zwölf Lehnstühle, die um ihn herumstanden, waren unbesetzt. Als der Maler und Katrina das Zimmer betreten hatten, stand ein Mann gelangweilt in einer Ecke herum. Seinem Uniformhemd nach zu urteilen, gehörte er dem Wachpersonal an. Auf ein kurzes Zeichen von Bradham nahm er seine Schildmütze vom Tisch und verließ wortlos den Raum. »Das ist es, was ich dir zeigen wollte.« Der Maler deutete auf ein Gestell, das auf einem Rollwagen angebracht war. Es war mit einem Samttuch verhängt, unter dem sich ein Rechteck von ca. einem mal zwei Metern Größe abzeichnete. »Lass mich raten«, sagte Katrina. »Es ist dein neustes Werk, das sich darunter versteckt.« »Genau. Ich habe vor, es der Stadt zu schenken. Es wird im Rathaus aufgehängt werden. Heute nach der Preisverleihung werde ich es enthüllen. Aber vorher möchte ich deine Meinung darüber hören.« »Und wie komme ich zu der Ehre?« »Lass dich überraschen.« Der Maler schlug den Samt zurück. »Voilà ...« Im ersten Moment war nichts als eine gleichförmig, flammendrote Leinwand zu sehen. Doch Katrina wusste, dass sie nur ein Stück zur Seite treten musste, um das eigentliche Motiv erkennen zu können. Der Blickwinkel hatte sich nur minimal geändert, als ein Gesicht in dem Rot erschien. Es war das Portrait einer Frau. Sie hatte langes Haar und große, hypnotische Augen. Katrina erschrak, als sie bemerkte, dass die Schönheit, die ihr von der Leinwand entgegensah, ihre eigenen Züge trug. Mychael Bradham musste sie nach ihrer ersten Begegnung aus dem Gedächtnis gemalt haben. Doch das war noch nicht alles. Zuerst glaubte sie, sich getäuscht zu haben, doch je länger sie das Bild betrachtete, desto klarer wurde, dass ihre schlimmsten Befürchtungen zutrafen. Die Frau auf dem Bild hatte ihre sinnlichen Lippen ein kleines Stück geöffnet - und spitze Vampirzähne kamen darunter zum Vorschein. »Na, was sagst du dazu?«, wollte Mychael Bradham wissen. »Gefällt es dir?« »Es ... es ist wirklich sehr außergewöhnlich«, antwortete Katrina. Sie versuchte, sich ihre Überraschung nicht zu deutlich anmerken zu lassen. »Du bist mir doch nicht böse, dass ich dich gemalt habe, ohne dich vorher zu fragen?!« »Natürlich nicht.« Katrina lächelte geschmeichelt. »Aber wie kommst du darauf, mich ausgerechnet ... so zu porträtieren?« »Du meinst die Zähne?« Bradham ließ selbst noch einmal einen Blick über sein Werk wandern. »Ich muss gestehen, das war eine Idee, auf die ich immer noch ein bisschen stolz bin. Irgendwie zeigt es genau das, was du für mich repräsentierst. Diese einzigartige Mischung aus Sinnlichkeit und Geheimnis, die dich wie ein Zauber
umgibt.« »So hat mich bisher wirklich noch keiner gesehen«, meinte Katrina. Zumindest keiner, der sich später daran erinnern konnte, fügte sie in Gedanken hinzu. »Mich würde wirklich interessieren, was dich auf diesen Einfall gebracht hat.« »Man nennt mich schließlich nicht umsonst >The Visionist<. Ich hoffe, ich habe dich mit dieser Darstellung nicht irgendwie beleidigt. Du musst mir glauben, es ist wirklich als ein Kompliment gedacht.« »Daran habe ich keinen Zweifel. Aber es muss doch trotzdem etwas geben, das deine Kreativität irgendwie anregt. Ich schätze, du bist schon einige Zeit in der Kunstszene aktiv. Aber erst vor Kurzem ist deine Karriere als Maler geradezu explodiert. Wie kam es dazu? Was ist da passiert?« »Na ja, wenn ich ehrlich bin, gibt es da schon etwas, das meinen grauen Zellen ein bisschen auf die Sprünge geholfen hat.« Der Maler rieb sich ein wenig verlegen mit dem Handrücken an der Nase. »Wirklich? Davon musst du mir unbedingt mehr erzählen.« »Aber es bleibt unter uns, versprochen? Schließlich muss ja nicht jeder meine kleinen Tricks kennen.« »Ich schweige wie ein Grab. Schließlich wird eine Muse ihren persönlichen Künstler doch nicht verraten.« »Also gut.« Bradham räusperte sich. »Es gibt da seit neuestem ein Pulver, das sich > Frozen Fire< nennt. Und es trägt seinen Namen zurecht. Wenn du davon etwas nimmst, ist es, als würden tausend Feuerwerke gleichzeitig in deinem Schädel explodieren. So etwas habe ich vorher noch nie erlebt.« »Ist das eine Droge?« »So etwas ähnliches. Aber es hat keine Nebenwirkungen. Du nimmst es und fühlst dich plötzlich so energiegeladen, dass du es mit der ganzen Welt aufnehmen könntest. Und wenn es vorbei ist, bist du immer noch topfit. Kein Kater, keine Kopfschmerzen, kein Durchhänger - nichts. Es ist wirklich phantastisch.« »Hattest du auch etwas davon eingenommen, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind? Auf der Vernissage meine ich.« »Klar. Das Zeug ist sozusagen ein Grundnahrungsmittel für mich geworden.« Er holte ein kleines, verziertes Pillendöschen aus seiner Hosentasche. Er klappte den Deckel auf, ein weißes, glitzerndes Pulver kam zum Vorschein. »Siehst du, ich habe immer eine Portion davon griffbereit.« »Interessant.« Katrina begriff, dass sie auf der richtigen Spur war. »Und woher bekommst du das Zeug?« »Ich habe da so meine Verbindungen. Ich kenne einen Kerl, der mir das >Frozen Fire< besorgen kann. Seine Vorräte scheinen unerschöpflich zu sein. Aber ein etwas merkwürdiger Typ ist das schon. Er nimmt kein Geld, sondern verlangt etwas anderes von mir.« »Und was ist das?« »Er möchte, dass ich die Leinwände, noch bevor ich zu malen beginne, mit Blut signiere.« »Mit Blut? Aber wofür soll das gut sein?« »Das kann ich dir auch nicht so genau sagen. Er behauptet, dass ich damit eine ganz bestimmte Klientel anziehen würde. Und weißt du, was das verrückteste dabei ist? Er hat Recht. Seit ich regelmäßig etwas von meinem Blut darauf verteile, rennt mir die reiche Kundschaft regelrecht die Bude ein.« »Das ist ja wirklich merkwürdig«, behauptete Katrina. Aber in Wirklichkeit hatte sie sich schon längst einen Reim auf die Sache gemacht. Bradhams Dealer war
übernatürlich begabt, konnte zaubern oder sowas. Aber was wollte er damit bezwecken? In diesem Moment fiel Katrina auf, dass sich auffällig viele Vampire für Mychaels Bilder interessierten. Hing es damit zusammen? Warum hatte der Dealer dem Maler diesen Tipp gegeben? »Kann man diesen Mann nicht einmal kennen lernen?«, fragte sie. »Nichts leichter als das. Er treibt sich bestimmt hier irgendwo rum. Du kannst ihn kaum übersehen, so ein Großer, Dunkler, mit einer riesigen Sonnenbrille. Er nennt sich . . .« Der Maler kam nicht mehr dazu, seinen Satz zu beenden, da in diesem Moment die Tür des Sitzungszimmers von außen aufgerissen wurde. Der Kopf eines engen Mitarbeiters des Bürgermeisters erschien im Türrahmen. »Sind Sie so weit, Mister Bradham?«, fragte der Mann. »Wir wollen in fünf Minuten anfangen.« »Ich bin sofort bei Ihnen«, erwiderte der Maler. Er klappte schnell das Döschen zu und ließ es wieder in seiner Tasche verschwinden. Dann wandte er sich Katrina zu. » Entschuldige bitte. Aber du siehst selbst, dass die Pflicht ruft.« »Lass dich von mir nicht aufhalten.« »Sehen wir uns nach der Verleihung?« »Vielleicht. . .« Mychael Bradham wandte sich zum Gehen, blieb aber an der Tür noch einmal stehen. »Ich versuche, die Sache so schnell wie möglich hinter mich zu bringen. Und dann unternehmen wir was, das uns wirklich Spaß macht.« Katrina nickte. Bradham wollte noch etwas sagen, aber von draußen erschienen nun drei weitere Männer. Einer von ihnen begann am Jackett des Malers herumzuzupfen und zog ihn dann schließlich in Richtung der Bühne. Die anderen beiden verhüllten das Gemälde erneut mit dem Samttuch, dann schoben sie es mitsamt dem Gestell aus dem Zimmer. »Mychael« rief Katrina den Maler noch einmal an. »Du hast doch bestimmt noch einen Augenblick Zeit. Ich muss dir noch etwas Wichtiges sagen.« Bradham löste sich von den ihn umschwirrenden Assistenten und kam zu ihr zurück. »Ja?« »Wie denkst du über die Unsterblichkeit, die richtige, nicht die deiner Werke?« »Das ist leicht. Sie ist der Tod der Inspiration, ich wollte sie nicht geschenkt. Warum?« »Das habe ich befürchtet«, murmelte Katrina und ignorierte seine Frage. »Dann möchte ich dir Folgendes sagen . . .« * »Wo hast du denn die ganze Zeit gesteckt?«, wollte Bruce wissen. Er hatte bereits an dem Tisch in Bühnennähe, der für sie reserviert worden war, Platz genommen. Der Bürgermeister stand hinter dem Pult, von dem er die Laudatio auf den Maler halten wollte, als Katrina als eine der Letzten zu ihrem Stuhl gehuscht kam. »Ich habe interessante Neuigkeiten«, meinte Katrina, als sie sich setzte. »Ich glaube, Bradham hat mir den Schlüssel zu dem Geheimnis verraten.« Der Bürgermeister warf ihr einen tadelnden Blick zu. Katrina beantwortete seine stumme Rüge mit einem Augenaufschlag, der ihn sichtlich durcheinander brachte. Er räusperte sich nervös, dann begann er mit seiner Rede. »Ladies und Gentlemen, es ist mir eine ganz besondere Ehre, heute Abend hier zu stehen und einen großen Künstler - vielleicht den bedeutendsten Maler der Gegenwart
- mit dem großen Preis unserer Stadt auszuzeichnen. Mychael Bradham hat mit seinen Werken . . .« »Was hast du rausbekommen?«, fragte Bruce mit so leiser Stimme, dass sie einen Meter weiter kaum zu hören war. »Weißt du jetzt, warum du das Blut von dem Kerl nicht vertragen hast?« »Ich glaube schon. Wahrscheinlich liegt es an dem Zeug, das er vorher eingenommen hatte«, antwortete Katrina genauso leise. Dann berichtete sie ihm von der Droge, von der ihr der Maler so begeistert vorgeschwärmt hatte. Bruce unterbrach sie nicht, nickte aber immer wieder wissend. »Aber das ist noch nicht alles«, meinte Katrina schließlich. »Siehst du das verhüllte Bild, das dort neben dem Podium steht? Bradham will es heute der Stadt schenken. Und nun rate, wer das Motiv ist. »Woher soll ich das wissen?« »Die Frau, die darauf zu sehen ist, sitzt neben dir.« »DU?« Einige missbilligende Blicke trafen Bruce, als er vor Überraschung die Stimme gehoben hatte, doch der Vampir ignorierte sie. »Du hast richtig gehört«, fuhr Katrina fort. »Und das Allerschlimmste dabei ist, dass er mich als Vampir dargestellt hat, die Zähne sind deutlich zu erkennen.« »Aber woher weiß er . . .« »Bradham weiß gar nichts«, schnitt Katrina ihm das Wort ab. »Es ist wohl nicht mehr als ein dummer Zufall. Nenn es von mir aus Inspiration, künstlerische Freiheit. Aber mir ist überhaupt nicht wohl bei dem Gedanken, dass ein Portrait von mir, das der Wirklichkeit verdammt nahe kommt, an einem Platz hängt, an dem es jeden Tag von tausend Personen gesehen wird. Es gibt darunter bestimmt welche, die sich ihre eigenen Gedanken darüber machen werden.« »Herrje, das regeln wir schon. Sieht das Zeug, von dem du sprichst, vielleicht so aus?« Bruce griff in seine Tasche und hielt ihr das Plastiktütchen hin, das er dem Banker abgenommen hatte. »Ja, genau.« Katrina sah ihn erstaunt an. »Wo hast du das her?« »Während du mit deinem Maler beschäftigt warst, habe ich mich hier ein bisschen umgesehen. Und dabei bin ich auf einen Typ gestoßen, der mit dem Kram gedealt hat. « »Und er hat dir einfach so etwas davon gegeben?« »Sagen wir's mal so: Der Typ, dem es gehörte, hat sich nicht sonderlich gewehrt, als ich es mir genommen habe.« Bruce zuckte mit den Schultern. »Gut, dann brauchen wir Mychael wirklich nicht...« Bevor Bruce fragen konnte, was sie damit meinte, setzte Applaus ein. Der Bürgermeister war mit seiner Rede zu Ende gekommen. Er bat den Künstler zu sich ans Pult und überreichte ihm eine Ehrennadel samt Urkunde. Unter anhaltendem Beifall des Publikums trat dann Bradham selbst ans Mikrofon. »Herr Bürgermeister, Ladies und Gentlemen, liebe Freunde«, begann er, »es ist wirklich ein ganz besonderer Moment in meinem Leben, hier diese Auszeichnung in Empfang nehmen zu dürfen. Ich wurde heute schon mehrmals gefragt, was mein Geheimnis ist, woher ich meine Inspirationen nehme.« Er holte einen Kasten mit Ölfarben unter dem Pult hervor. »Was ist es, das aus dem Inhalt dieser Tuben und einer leeren Leinwand ein Kunstwerk werden lässt? Ist es Talent? Fleiß? Ich kann es Ihnen nicht genau sagen, Ladies und Gentlemen. Aber ich danke Gott dafür, dass er mich mit dieser Gabe gesegnet hat.« »Gott...«, schnaubte Katrina verächtlich. »Lass doch diesen alten Langweiler aus dem Spiel und gib zu, dass du dich so mit Drogen voll dröhnst, dass sich deine Pinsel
von alleine bewegen.« »... natürlich spielt auch das Umfeld, in dem er sich bewegt, für den Künstler eine sehr wichtige Rolle. Nur dann kann sich seine Kreativität entfalten. Und wenn dann auch noch rechtzeitig eine Muse auftaucht, steht dem Erfolg nichts mehr im Weg.« Bradham zwinkerte Katrina vom Rednerpult aus zu. Sie lächelte geschmeichelt. »Doch. . . doch Talent alleine genügt nicht. Ein Künstler muss mehr sein. Er muss bereit sein, alles für sein Werk zu geben. Er muss bereit sein, neue Wege zu gehen . . . « Ruckartig öffnete er die Kiste mit den Farben und holte mehrere Tuben daraus hervor. Hektisch schraubte er deren Verschlüsse ab. Dann drückte er sich die Farben direkt in die Handfläche, bis dort ein bunt glänzender Berg entstanden war. Bradham verteilte die Farben mit schnellen Bewegungen über Arme, Brust, Gesicht und Haare. Im Saal wurden einzelne erschrockene Rufe laut. Doch der Maler ließ sich davon nicht beirren. »Der Künstler muss eins werden mit seinen Materialien«, schrie Bradham. »Er muss brennen für sein Werk. BRENNEN!« Er holte ein Feuerzeug aus seiner Jackentasche hervor. Er zündete es an und hielt sich die kleine, blaue Flamme an seinen linken Ärmel. Die Ölfarbe fing sofort Feuer. Die Flammen breiteten sich blitzartig über seinen gesamten Oberkörper aus. Nach wenigen Sekunden war Mychael Bradham eine lebende Fackel. Die Zuschauer im Saal begannen nun laut zu schreien. Die Ersten sprangen von ihren Plätzen auf und rannten in Richtung des Ausgangs. Bradham torkelte auf der Bühne hin und her. Er stieß gegen das verhüllte Gemälde, bei dem der Samtüberwurf sofort in Flammen aufging. Der Maler stolperte und riss das gesamte Gestell mit sich zu Boden. Endlich kam einer der Wachleute auf die Bühne gerannt. Er hatte eine Wolldecke dabei, die er über Bradham warf. Erst als ihm zwei seiner Kollegen zu Hilfe kamen, gelang es ihnen, die Flammen zu ersticken. Im Saal hatte inzwischen eine panikartige Flucht eingesetzt. Die Meisten der Gäste waren aus den Notausgängen ins Freie gestürzt, einige wenige standen noch immer regungslos an ihren Plätzen und starrten voller Entsetzen in Richtung der Bühne. Dort war inzwischen auch ein Arzt eingetroffen. Er hatte die Decke beiseite gezogen und mit der Untersuchung von Bradhams verkohltem Körper begonnen. Es dauerte nicht lange, und der Mediziner schüttelte langsam den Kopf. »Wow, sehr spektakulär«, sagte Bruce zu seiner Begleiterin. »Aber wäre es nicht auch eine Nummer kleiner gegangen?« Katrina bedachte ihn mit einem langen Blick aus ihren dunklen, beinahe schwarzen Augen. »Ich bin sicher, das war ein Abgang, wie er ihn sich gewünscht hätte.« * »Verdammt, das ist noch viel schlimmer, als ich es befürchtet habe.« Babriel warf einen besorgten Blick auf Saalebs Handgelenk. Die Wunde, die er sich während des Kampfes in dem Restaurant zugezogen hatte, hatte sich noch weiter ausgebreitet. Sie reichte inzwischen vom Handrücken des Dämons über den gesamten Unterarm bis zum Ellenbogen. Der Einschnitt blutete nicht, sondern die Haut klaffte mehrere Zentimeter auseinander. Rohes Fleisch und graugrüne Adern waren darunter zu erkennen. »Wir müssen versuchen, es irgendwie unter Kontrolle zu bringen.« Er begann, mit behandschuhten Fingern die Wundränder zusammenzuziehen. Saaleb brüllte auf, hob drohend seine unverletzte Hand. Wahrscheinlich hätte er nach Babriel geschlagen, wenn nicht im letzten Moment Tyria näher zu ihnen
herangetreten wäre und seine Faust mit ihrer riesigen Pranke eingefangen hätte. »Danke für deine Bemühungen«, meinte Babriel unbeeindruckt. »Aber das wäre wirklich nicht nötig gewesen. Du weißt, ich habe ihn herbeibeschworen, deshalb steht er unter meiner Macht. Er hätte den Schlag bereut, noch ehe er mich auch nur berührt hätte.« Tyria erwiderte nichts. Sie schnaubte nur verächtlich, ließ Saalebs Hand und trottete zurück in den Halbschatten des Kellerraums. »Und nun zu dir«, wandte sich Babriel an Saaleb. »Ich möchte, dass du deine Aufgabe in der nächsten Zeit ein bisschen unauffälliger erledigst. Kein Gemetzel in der Öffentlichkeit mehr, verstanden? Wir können es uns nicht leisten, noch mehr Aufmerksamkeit zu erregen.« »Aber das Menschengeschmeiß ist einfach unverschämt«, widersprach der Dämon. »Man muss ihnen zeigen, wer der wahre Herrscher ist.« »Lass das mal meine Sorge sein. Du hast dich darum zu kümmern, dass das >Frozen Fire< in der Stadt verbreitet wird. Den Rest erledige ich schon allein. Ansonsten tust du einfach das, was ich dir befehle. Und das möglichst unbemerkt, klar? Wir könnten sonst eine Menge Schwierigkeiten bekommen.« »Was ist, wenn ich mich deinen Befehlen widersetze?« Babriel grinste nur. Dann begann er leise eine Beschwörungsformel zu murmeln. Augenblicklich stöhnte der Dämon auf, begann sich unter Krämpfen zu winden. Babriel unterbrach seinen Bannspruch. »Hat dir das als Antwort genügt?«, fragte er hämisch. Er griff nach einem Stück Stahldraht und einer Zange. »Was machst du da?«, wollte Saaleb wissen. Böse Vorahnungen ließen seine Augen zu dünnen Schlitzen werden. »Ich versuche zu verhindern, dass sich deine Wunde noch weiter vergrößert. Das wird nicht so einfach sein.« Babriel packte den Arm des Dämons. »Halt still!« Er nahm ein Ende des Drahts zwischen die Zange. Dann fädelte er den dünnen Metallstrang abwechselnd durch die einander gegenüberliegenden Wundränder. Zum Schluss zog er ihn so stramm, dass sich die Haut wieder über dem Fleisch schloss. Als er die Drahtenden schließlich miteinander verband, zog sich ein breiter, unförmiger Wulst über Saa-lebs Unterarm. »So, das müsste fürs Erste genügen«, meinte Babriel. Er zog die Handschuhe aus und wischte sich die Finger noch zusätzlich an einem weißen Tuch ab. »Du kannst jetzt verschwinden. Ich sage dir Bescheid, wenn ich dich wieder brauche.« Saaleb stapfte mit grimmiger Miene davon. »Das passt mir gar nicht!« Babriel fluchte. »Das sieht - verdammt noch mal - nach Schwierigkeiten aus.« »Warum?« Tyria kam wieder aus ihrem Schlupfwinkel hervorgekrochen. »Glaubst du, dass ihm seine Wunde zu schaffen machen wird?« »Selbst wenn es so wäre, ist mir das auch egal. Es ist etwas ganz anderes, das mir Sorgen macht. Saaleb ist offensichtlich von einem Silbermesser verletzt worden. Bei ihm bedeutet das, dass die Wunde nicht mehr heilt. Sie ist so etwas wie ein Lücke in der Gestalt, die ich ihm hier gegeben habe. Und diese Lücke wird immer größer werden, so groß, bis die äußere Hülle endgültig reißt. Und dann wird Saaleb in seiner ursprünglichen Form zu erkennen sein.« »Na und? Schließlich soll er an keinem Schönheitswettbewerb teilnehmen.« »Und wie soll er dann das >Frozen Fire< in der Stadt verteilen? Denkst du vielleicht, die Leute nehmen von einem etwas an, der aussieht wie frisch gehäutet?« »Warum suchst du dir nicht einfach einen anderen, der das Zeug verteilt?« »Wen denn? Einen Menschen könnte ich dafür nicht nehmen. Jeder dieser lächerlichen Würmer würde sofort versuchen, ein Geschäft zu seinem eigenen Vorteil
daraus zu machen.« »Und wenn du einfach einen neuen Dämon heraufbeschwörst?« »Unmöglich.« Babriel schüttelte den Kopf. »Saaleb ist ein Blutwandler. Sie sind zwar ihren jeweiligen Herren relativ treu ergeben, dulden aber keine weiteren Sklavenwesen neben sich.« »Und hältst du davon, wenn ich einfach die Verteilung übernehme?« »DU?« Babriel brach in lautes Gelächter aus. »Hast du denn in der letzten Zeit schon einmal in den Spiegel geschaut? Du besitzt zwar die Gabe, fast unsichtbar zu sein, wenn man dich nicht gerade sucht, aber um das >Frozen Fire< zu verteilen, musst du die Leute notgedrungen auf dich aufmerksam machen. Und wenn sie dich dann sehen, glauben sie garantiert, sie würden bereits unter Drogen stehen - und zwar unter ziemlich schlechten. Nein, Tyria, deine Aufgabe ist es, dich um den Garhock zu kümmern. Hast du ihn heute schon gefüttert? Er muss bei Kräften bleiben, denn ich will ihn noch oft melken. Ich kann es kaum erwarten, bis es dieser Vampirbrut endlich an den Kragen geht. Sie sollen verrecken, jeder Einzelne von ihnen.« »Aber ich . . .« »Halt endlich die Klappe. Kümmere dich um deinen eigenen Kram, anstatt dich ständig in meine Angelegenheiten einzumischen.« Tyria funkelte ihn böse an. Doch dann wandte sie sich schließlich ab. Mit wütenden Schritten stapfte sie auf eine Tür zu, hinter der sie einige Leichen aufbewahrten. Wenige Sekunden später schallte das erwartungsvolle, gierige Kreischen des gefangenen Garhock durch die unterirdischen Gänge. * »Bist du Tim Godley?« Die Gestalt am Rand des eingezäunten Basketballfeldes hob den Kopf. »Wer will das wissen?« »Jemand, der dir ein Geschäft vorschlagen möchte.« Bruce betrat mit lässigen Schritten das Spielfeld. Den kleinen Mistkerl hier anzutreffen, bedeutete, dass er bei seiner Suche schon ein gutes Stück vorangekommen war. Ihm war klar, dass Godley innerhalb des Spiels nur eine mickrige Figur war. Aber auf der Preisverleihung hatte er mitbekommen, wie der Banker gesagt hatte, dass er von Godley seine erste Prise von dem weißen Pulver bekommen hatte. Um die Theorie, dass »Frozen Fire« für die Unverträglichkeit des Blutes verantwortlich war, zu testen, hatte Bruce einfach ein paar Schluck von besagtem Banker getrunken. Er bereute seine Experimentierfreudigkeit noch immer, wenn er daran dachte, wie elend er sich gleich darauf gefühlt hatte. Natürlich war Godley nur ein einfacher Junkie, der dealte, um sich seine eigene Ration zu verdienen. Aber er verfügte zweifelsfrei über eine Menge Kontakte und konnte Bruce bestimmt sagen, wo er den Riesen mit der Sonnenbrille finden konnte. Natürlich war es möglich, dass Godley mit dieser Information nicht freiwillig rausrückte - aber Bruce war zuversichtlich, dass der Sterbliche reden würde, ohne dass der Vampir ihm allzu sehr auf die Zehen treten musste. »Ein Geschäft? Worum gehts dabei?« Tim Godley versuchte, so unbeteiligt wie möglich zu klingen. Doch seine Augen nahmen einen gierigen Ausdruck an und verrieten so seine wahren Absichten. »Du willst was von mir, stimmts?« Er zog ein Klappmesser aus der Tasche und fing an, sich betont gelangweilt die Fingernägel mit der Klinge zu säubern. »Bist ein helles Köpfchen.« Bruce baute sich vor ihm auf. »Ich suche jemand. Und
ich glaube, du weißt, wo ich ihn finden kann.« »Und was springt für mich dabei raus, Mann? Du musst wissen, ich bin der King hier in diesem Bezirk - und deshalb auch nicht gerade billig.« »Soso, der King .. .« Bruce zog die Augenbrauen in die Höhe, als sei er sichtlich beeindruckt. Wenn der Kerl nicht so großkotzig sein würde, hätte er wahrscheinlich einfach bezahlt, aber so ... »Dann schlage ich dir folgenden Deal vor: Du gibt mir den Tipp, den ich von dir haben möchte, und dafür bleibst du am Leben. Hört sich doch nicht schlecht an, oder was meinst du?« Timothy Godley sprang auf wie von der Tarantel gestochen. Das Messer hielt er nun fest in der rechten Hand, die Klinge zeigte auf Bruce. »He, Mann, ich hab keine Ahnung, wer du bist. Aber ich weiß genau, dass es besser für dich ist, wenn du sofort von hier verschwindest. Ist das klar?« Bruce ließ sich durch die Waffe nicht einschüchtern. »Ich bin auf der Suche nach dem Kerl, der diesen Stoff hier verteilt.« Er hielt Godley den Beutel mit den weißen Kristallen unter die Nase. »Du weißt schon, ziemlich groß, dunkle Haare und trägt 'ne Sonnenbrille. Wo kann ich ihn finden?« »He, Mister, bist du taub, oder was? Ich habe gesagt, dass du abhauen sollst.« Tim Godley begann mit dem Messer vor Bruces Gesicht herumzufuchteln. Dessen Hand fuhr blitzschnell nach oben. Er packte Godleys Handgelenk. Seine Finger zogen sich wie ein Schraubstock immer enger zusammen. Godley schrie auf. Das Messer fiel klirrend zu Boden. »Wirst du mir jetzt meine Frage beantworten?«, wollte Bruce wissen. Die Schmerzen waren so stark, dass Godley lediglich ein Nicken zu Stande brachte. »Gut.« Bruces Finger lösten sich von seinem Handgelenk. »Du ... du hast mir den Knöchel gebrochen«, stöhnte der Junkie. Er rieb sich vorsichtig über die schmerzende Stelle. »Sei froh, dass es nicht dein Genick war«, erwiderte Bruce. »Aber jetzt fang endlich an, auszuspucken was du weißt. Und ich warne dich: Geduld ist nicht gerade meine starke Seite.« »Schon kapiert.« Godley krümmte sich, als wolle er sein verletztes Gelenk unter die Achsel klemmen. Doch dann fuhr seine gesunde Hand in die Innenseite seiner Jacke und riss eine Pistole daraus hervor. Ohne weitere Vorwarnung schoss er damit auf seinen Gegner. Bruce sprang reaktionsschnell zur Seite. Doch als der Schuss krachte, konnte er spüren, wie die Kugel seine linke Halsseite streifte und dort eine Wunde riss. Er fühlte, wie ein dünnes Rinnsal von Blut ihm durch den Kragen bis zur Brust lief. Bruce kümmerte sich nicht um die Verletzung. Noch bevor Tim Godley eine weitere Kugel abfeuern konnte, schnellte Bruce nach vorn. Er versetzte dem Junkie einen solchen Schlag, dass der von den Füßen gehoben wurde. Godley flog mehrere Meter durch die Luft, bis er schließlich mit dem Rücken an den Zaun prallte, der das Basketballfeld begrenzte. Die Waffe wurde ihm aus der Hand geschleudert. Godley sackte in sich zusammen und blieb benommen am Fuß des Zauns im Dreck liegen. Bruce war sofort bei ihm. Er packte ihn bei den Haaren und zog ihn daran auf die Beine. »Du hast wohl geglaubt, du könntest unser Gespräch ein bisschen abkürzen«, knurrte Bruce drohend. »Aber da hast du dich getäuscht. Wir werden hier noch so lange miteinander plaudern, bis du alles ausgespuckt hast, was ich wissen will. Und diesmal spielen wir nach meinen Regeln, geht das in deinen Schädel rein?« »Ja«, presste der hervor und stellte sich auf die Zehenspitzen in der Hoffnung,
dadurch den Zug an seinen Haaren etwas zu mindern. »Gut. Also, wie heißt der Kerl, hinter dem ich her bin?« »Er nennt sich Saaleb. Keine Ahnung, wo der herkommt. Er war plötzlich hier in der Gegend. Als wäre er einfach aus dem Boden aufgetaucht.« »Und wo kann ich diesen Saaleb finden?« »Ich hab nicht den blassesten Schimmer.« Godley schrie auf, als Bruce einmal ruckartig an seinen Haaren zerrte. Für einen Moment verlor der Dealer den Boden unter den Füßen. »Überlege dir gut, was du auf meine nächste Frage antwortest. Wenn es nicht das ist, was ich von dir hören will, nagel ich mir deinen Skalp an die Wand. Also, wo kann ich diesen Saaleb finden?« »Wo er jetzt ist, weiß ich wirklich nicht«, stieß der Junkie hervor. »Aber ich bin mit ihm verabredet. Morgen Abend soll ich ihn um zehn Uhr treffen. Im Central Park. An einer Bank direkt beim Nordwesteingang.« »Gut. Warum nicht gleich so?« Bruce schien mit der Auskunft zufrieden zu sein. » Aber wehe, wenn du mich angelogen hast. Dann komme ich zurück und nehme dich auseinander. Und glaube bloß nicht, dass du dich vor mir verstecken kannst. Ich bin eine Nummer zu groß für dich.« Timothy Godley hatte wirklich die Wahrheit gesagt. Es war eine Minute nach 22 Uhr, als Bruce aus seinem Versteck heraus beobachtete, wie Saaleb den Park betrat. Der Dealer war zwischen den anderen Passanten deutlich zu erkennen. Nicht nur, dass er die Meisten von ihnen mit seiner Körpergröße überragte, sondern er war auch der Einzige von ihnen, der trotz der Dunkelheit eine Sonnenbrille trug. Die Handschuhe, die er übergestreift hatte, waren an diesem lauen Abend ebenfalls eine modische Besonderheit. Saaleb blieb an einer der Bänke stehen und schaute sich nach allen Seiten um. Seine Miene blieb ausdruckslos, als Timothy Godley nicht wie verabredet bei ihm auftauchte. Saaleb wartete nicht länger als zwei, drei Minuten, dann wandte er sich bereits wieder zum Gehen. Offensichtlich hatte er einen engen Terminplan, der jede weitere Verzögerung nicht zuließ. Bruce überlegte fieberhaft, wie er weiter vorgehen sollte. Sollte er sich dem Dealer heimlich auf die Fersen heften und ihm folgen, in der Hoffnung, dass der ihn vielleicht bis zum Produzenten der Droge führte? Oder sollte er es lieber mit einem direkten Angriff versuchen? Der Vampir grinste. So schwer war die Entscheidung zwischen einer langen, langweiligen Verfolgung und ein wenig Spaß nicht. Und wenn dieser Saaleb wirklich kein Mensch war, war er vielleicht sogar eine echte Herausforderung. Er sprang aus seinem Versteck hinter einer alten Eiche und trat dem Dealer mitten in den Weg. »Tim Godley wird heute nicht kommen«, verkündete er. »Du wirst wohl mit mir vorlieb nehmen müssen.« Saaleb blieb stehen. »Wo ist Godley?«, wollte er wissen. »Ich konnte ihn dazu überreden, dass ich für ihn einspringe.« »Wer bist du? Ein Bulle?« »Nein, mit diesem Verein habe ich nicht viel am Hut. Sagen wir's doch mal so: Ich bin jemand, der sehr an dem Kram interessiert ist, den du hier so unter die Leute bringst.« »Willst du es für dich?« »Vielleicht. Aber erst muss ich wissen, was das überhaupt für ein Zeug ist.« »Es ist einfach das Beste, was du in der ganzen Szene bekommen kannst. Genügt dir das?«
»Absolut nicht. Wer stellt den Stoff her? Kommt er hier aus der Stadt?« »Du bist mir zu neugierig«, meinte Saaleb. »Such dir jemand anderen, der dir was liefert. Meine Zeit ist mir zu schade, um sie mit einem Schnüffler wie dir zu vergeuden.« Er wollte sich an Bruce vorbeidrängen. Doch der packte ihn am Revers seiner Jacke und hielt ihn fest. »Moment.« Saaleb sah an sich hinab auf die Hände, die sich im Stoff seiner Jacke festgekrallt hatten. Die Lippen des Dealers wurden zu wütenden, schmalen Schlitzen. »Nimm deine dreckigen Pfoten da weg«, meinte er drohend. »Oder . . .« »Oder. . .?« »Oder das.« Saaleb schlug Bruce die rechte Faust ins Gesicht. Der Schlag war so gewaltig, dass Bruce zwei Stofffetzen aus dem Kragen riss, als er nach hinten geschleudert wurde. Bruce kam ins Taumeln, hielt sich aber auf den Beinen. Verdammt, tat das weh! Sein Verdacht, dass es sich bei Saaleb um ein Wesen aus dem Schattenreich handelte, schien sich also zu bestätigen. Saaleb ging erneut zum Angriff über. Bruce duckte sich unter der Faust, die auf ihn zugeschossen kam, weg. Er schnellte nach vorn und rammte dem Dealer seinen Schädel mit aller Kraft in den Magen. Hätte er Saaleb ein Federkissen über den Kopf gezogen, hätte das vermutlich auch nicht weniger Wirkung gehabt, als seine jetzige Attacke. Bruce konnte spüren, wie sein Kopf tief in den Leib seines Gegners drang. Merkwürdigerweise traf er dort nirgends auf auch nur den geringsten Widerstand. Es war so, als hätte der Dealer nicht einen einzigen Knochen im Leib. Bruce spürte, wie er an Schultern und Beinen gepackt wurde. Saaleb hob ihn über seinen Kopf, als hätte er nicht mehr Gewicht als ein neugeborener Säugling. Bruce wand sich nach allen Richtungen und trat wie besessen um sich, doch seine Gegenwehr zeigte kaum Wirkung. Saaleb schleuderte den Vampir von sich wie eine Puppe. Bruce knallte ungebremst auf eine der hölzernen Parkbänke, die unter der Wucht des Aufpralls auseinander brach. Jedes menschliche Wesen hätte diesen Sturz wahrscheinlich nicht überlebt, aber der Vampir sprang sofort wieder auf die Beine. Er schnellte herum, um den nächsten Angriff des Dealers abzufangen. Saaleb kam auf ihn mit der Gewalt einer Lokomotive zugeschossen. Wie beiläufig registrierte Bruce, dass er mit seiner Vermutung Recht behalten hatte. Während er sich gegen die letzte Attacke gewehrt hatte, musste er dem Kerl die Sonnenbrille aus dem Gesicht gestoßen haben. Aus den tiefen Augenhöhlen des Dealers glotzten ihm nun zwei schwefelgelbe Bälle entgegen. Saaleb hatte die Brille nur deshalb getragen, um das verräterische Zeichen seiner dämonischen Herkunft dahinter zu verbergen. Bruce riss mit der Rechten sein Hiebmesser unter der Jacke hervor. In der Linken hielt er plötzlich seine Schrotpistole. Saaleb war vielleicht noch zwei Meter entfernt, als der Vampir beide Läufe gleichzeitig abfeuerte. Beide Ladungen trafen voll. Saalebs Brust verwandelte sich in eine blutige Masse, sein Kopf war nur noch als solcher zu erkennen, weil die schwefelgelben Augen noch immer in ihren Höhlen glühten. Der Dämon taumelte zurück. Er schrie, brüllte. Bruce benötigte einen Moment, um zu begreifen, dass es keine Schmerzenslaute waren, sondern die der blanken Wut. Ups, jetzt ist er böse, schoss es ihm durch den Sinn. Er ließ die leergeschossenen Pistole fallen und sprang vor. In einer weiten kreisförmigen Bewegung ließ er sein Hiebmesser durch die Luft sausen. Er traf, schlitzte seinem Gegner die Bauchdecke auf ...
Da traf ihn ein Schlag des Dämons vor die Brust, der den Vampir weit fortschleuderte. Bruce prallte auf den Rasen, überschlug sich ein paar Mal, rappelte sich dann aber wieder auf die Beine, ohne ernsthaften Schaden genommen zu haben. Sein Messer hielt er noch immer in der Faust. Auch Saaleb stand jetzt wieder ruhig da. Alle seine Verletzungen waren verheilt. »Nicht schlecht, Großer«, sagte Bruce grinsend. »Sieht so aus, als könntest du wirklich eine ordentliche Portion vertragen.« »Komm her, du elender Wurm«, zischte Saaleb heiser. »Damit ich dich am Boden zerquetschen kann.« Er stürmte erneut vor, wollte sich Bruce schnappen, doch der tauchte reaktionsschnell unter den zugreifenden Händen weg. Er packte mit seiner Linken den Arm des Dämons und zerrte daran, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Saaleb blieb auf seinen Beinen stehen, wie ein Fels in der Brandung. Doch seine Kleidung war eine so schweren Prüfung nicht gewachsen. Die Ärmel von Jacke und Hemd lösten sich an seiner Schulter vom restlichen Stoff. Bruce stürzte auf die Knie, als das Gewebe plötzlich seinen Widerstand aufgab. Geistesgegenwärtig rollte er sich zur Seite, und entkam so gerade noch Saalebs zutretendem Fuß. Als der Vampir herumfuhr, fiel sein Blick auf den entblößten Unterarm seines Gegners. Der hässliche Wulst einer Wunde zog sich dort vom Handrücken hinauf bis zum Ellenbogen. Die Verletzung wurde mit einem groben Geflecht aus Draht notdürftig zusammengehalten. Bruce ließ das Messer fallen, seine rechte Hand schnellte vor und packte gleich mehrere der Metallschlaufen. Dann riss er sie mit aller Kraft zurück. Der Draht durchbrach die Haut an den Wundrändern. Sofort klaffte die Verletzung weit auseinander. Eine blutige Masse kam zum Vorschein. Der Dämon begann erneut zu brüllen, doch diesmal überschlug sich seine Stimme im rasenden Schmerz. »Sieh an, sieh an ...« Bruce grinste zufrieden. »Da hat wohl jemand beim Monsterbauen gepfuscht.« Saaleb versuchte, mit seiner unverletzten Hand die Wunde wieder zu schließen. Doch bei jeder Bewegung, die er machte, brach die Verletzung weiter auf. Ein blutroter Riss wanderte seinen Arm hinauf bis zur Schulter. Dort verschwand er unter der Kleidung. Saaleb kümmerte sich nun nicht mehr um Bruce. Sein gesamter Körper zuckte wie unter Krämpfen. Plötzlich begann sich seine Gestalt zu verändern. Seine Haut fing an, Falten zu werfen. Dann rutschte sein Gesicht auf die linke Seite seines Kopfes. In den Augenhöhlen war nun die gleiche blutige Masse zu sehen, wie sie unter der Wunde zum Vorschein gekommen war. Unter Saalebs Haut begannen pulsierende Bewegungen. Es sah aus, als sei etwas darunter verborgen, dass nun endlich an die Oberfläche kommen wollte. Bruce trat vorsichtshalber einige Schritte zurück. Keine Sekunde zu früh, denn in diesem Augenblick platzte die Kopfhaut des Dämons auseinander. Eine blutige Blase wurde sichtbar, die sich durch die Öffnung zwängte. Saalebs menschliche Erscheinung war nicht mehr gewesen, als eine dünne Hülle, die der Dämon nun wie einen lästigen Kokon abstreifte. Ein fast kugelförmiger Leib von einem knappen Meter Durchmesser kam zum Vorschein, aus dem an vier Stellen lange, dünne Beine hervorragten. Obwohl sie genau wie der restliche Körper - aus einer durchsichtigen Substanz bestanden, unter
der man Blut pulsieren sehen konnte, gaben sie der Erscheinung ein spinnenähnliches Aussehen. Auf der höchsten Stelle des Leibes saß ein gelbes Augenpaar, das Bruce hasserfüllt anfunkelte. Von einer verdeckten Stelle zwischen den Beinen kam ein bösartiges Zischen. Offenbar musste es dort so etwas wie ein Maul geben. Blut tropfte von diesem Punkt auf den Boden. Der Dämon wippte aufgeregt mit den Beinen. Es schien, als wolle er sich jeden Moment auf Bruce stürzen. Doch in diesem Augenblick drang Gelächter zu ihnen herüber. Eine Gruppe junger Leute kam durch den Eingang des Parks in ihre Richtung gelaufen. Es waren zehn, zwölf Männer, ihre T-Shirts wiesen sie als die Mitglieder einer Football-Mannschaft aus. Saaleb gab ein weiteres bösartiges Zischen von sich. Dann rannte er auf seinen vier Beinen zum nächsten Baum. Innerhalb weniger Sekunden war er den Stamm hinaufgeklettert und in der Krone verschwunden. Ein Rascheln verriet, dass er von dort in die daneben stehende Eiche sprang. Danach wechselte er in einen weit ausladenden Ahorn. Mit dieser Methode gelang es ihm, von den restlichen Spaziergängern unbemerkt, aus dem Park zu fliehen. Die Footballer kamen an Bruce vorbei, doch sie beachteten den Mann in der schwarzen Lederjacke, der wie gebannt in die Bäume schaute, überhaupt nicht. Bruce wollte gerade die Verfolgung aufnehmen, als sein Handy sich meldete. »Shit!« Er fischte es aus seiner Jackentasche, um es einfach abzustellen, doch auf dem Display stand, das es sich bei dem Anrufer um den Baron handelte. Natürlich nahm er das Gespräch an. »Ja, Herr. Um was geht es?«, fragte er, während er Saaleb langsam folgte. »Katrina war bei mir. Sie hat mir sehr ausführlich darüber berichtet, wie ihr mit den Nachforschungen vorangekommen seid. Sie hat mir auch eine Probe des kristallinen Pulvers gegeben. Basil Dukakis und sein neuer Lehrling, Miss Schrenk, haben herausgefunden, dass es sich um Drüsensekret eines Garhock handelt.« »Garhock? Was soll das sein?« »Ein Dämon«, erklärte Kradoc. »Ziemlich unangenehme Zeitgenossen. Sie ernähren sich vorzugsweise von Blut. Allerdings nehmen sie es nur im Notfall frisch und warm zu sich, sie warten lieber darauf, bis das Blut ihrer Opfer bereits geronnen ist. Damit das schneller geschieht, bringen sie eine Substanz in die Blutbahn ihrer Opfer, die die Gerinnung verstärkt.« »Und das ist wahrscheinlich der Stoff, der uns so auf den Magen schlägt, habe ich Recht?« »Ja. Außerdem versetzt ein Garhock sein Opfer in eine Art Trancezustand, um es so an einer Flucht zu hindern. Auch das würde einige Fragen im Zusammenhang mit dem Pulver erklären.« »Ich glaube, ich habe gerade einem Garhock persönlich gegenübergestanden. Können Sie mir eine Beschreibung geben, wie so ein Vieh aussieht?« »Er ist nicht besonders groß«, berichtete der Baron, »einem durchschnittlichen Menschen reicht er höchstens bis zur Brust. Er hat acht spinnenartige Beine, sein Körper ist mit einer graugrünen Haut überzogen, manchmal ist sie beinahe schwarz. Er hat Zähne, die an das Gebiss eines Hais erinnern.« »Spinnenbeine hatte das Ding eben auch«, sagte Bruce. »Aber das ist auch schon die einzige Ähnlichkeit. Verdammt, ich befürchte fast, dass uns da noch mindestens ein weiterer Dämon ins Handwerk pfuscht.« »Was ist geschehen?« Bruce erstattete seinem Boss Bericht über den Kampf, der vor zehn Minuten im Central Park stattgefunden hatte.
»Das Wesen, das du mir gerade beschrieben hast, ist ein Blutwandler«, erklärte Kradoc schließlich. »Diese Dämonen sind stark und gefährlich, aber sie sind reine Sklavengeschöpfe. Sie agieren niemals aus eigenem Antrieb. Wenn ein Blutwandler in dieser Stadt unterwegs ist, um die Droge zu verteilen, kann das nur eines bedeuten: Es gibt noch eine dritte Person, die hinter all dem steckt. Finde und vernichte sie, Bruce!« »Ja, Herr.« * Babriel und Tyria hatten den Garhock ein weiteres Mal gemolken. Sie waren gerade dabei, die Gerätschaften, die dabei zum Einsatz gekommen waren, beiseite zu räumen, als sie das Scharren von Füßen auf dem Betonboden hörten. Babriel fuhr herum. In diesem Augenblick schob sich ein blutfarbenes Wesen in das Licht der Neonröhre. Es wippte unruhig auf seinen vier dürren Beinen, gleichzeitig gab es eine Reihe nervöser Zischlaute von sich. »Verdammt«, fluchte Babriel, »da ist etwas schief gelaufen.« Tyria trat näher zu ihm heran. »Kannst du mir erklären, was das ist?« »Das ist Saaleb«, erwiderte Babriel. »In seiner wirklichen Gestalt.« »Hübsches Kerlchen. Was ist mit ihm passiert?« »Seine Wunde muss weiter aufgerissen sein. Und dann ist seine Tarnhülle geplatzt, und er hat sie abgestreift.« Babriel vergrub wütend die Hände in den Taschen seines weißen Anzugs. »Verdammt, jetzt können wir ihn abschreiben. So wie er aussieht, können wir ihn doch nicht durch die Straßen New Yorks laufen lassen.« »Warum gibst du ihm nicht einfach eine neue Verkleidung?« »Geht nicht.« Babriel schüttelte den Kopf. »Jeder, der einen Blutwandler beschwört, kann ihm nur einmal eine andere Gestalt geben. Ist die verbraucht, bleibt nur der eigene Körper des Dämons übrig.« »Sieht so aus, als hättest du ein Problem.« »Halt doch einfach dein dummes Maul«, fuhr Babriel Tyria an. »Das weiß ich selber. Sieh lieber zu, dass du den Garhock in seine Kammer bringst. Und bleib bei ihm. Ich brauche Zeit zum Nachdenken. Und dabei will ich nicht gestört werden.« Tyria knurrte missmutig, doch dann trollte sie sich schließlich. »Und du . . .«, wandte sich Babriel nun an Saaleb. »Geh mir auch aus den Augen. Durch deine Unvorsichtigkeit hast du meinen genialen Plan kaputtgemacht. Versteck dich irgendwo. Ich rufe dich, wenn ich dich wieder gebrauchen kann.« Der Dämon kroch in einen abgelegenen Teil der Tiefgarage davon. Babriel biss sich nachdenklich auf die Unterlippe, Die Ereignisse machten es notwendig, dass er seine weitere Vorgehensweise noch einmal gründlich überdachte. Als Verteiler fiel Saaleb aus, so viel war klar. Aber sollte er ihn deshalb in das Höllenloch, aus dem er hervorgekrochen war, zurückwerfen? Die Antwort war einfach - ja. Saaleb würde jeden weiteren Diener, den Babriel sich beschwor, angreifen. Das war eine eindeutige Schwäche der Blutwandler. Saalebs Zeit in dieser Welt war abgelaufen. Aber wer sollte dann die Verteilung des »Frozen Fire« übernehmen? Ihm blieb wohl nichts anderes übrig, als einen weiteren Dämon zu beschwören, der sich um den Job kümmern konnte. Babriel überlegte noch, durch welchen Dämon er Saaleb ersetzen sollte, als ein Geräusch seine Aufmerksamkeit erregte. Er riss sich von seinen Gedanken los und sah sich um. Wieder drang das leise Scharren von Füßen zu ihm. Irgend jemand schlich in den
Schatten am anderen Ende der Tiefgarage herum. »Saaleb?«, rief Babriel. »Habe ich dir nicht gesagt, dass du mich in Ruhe lassen sollst? Das war ein Befehl, und du hast zu gehorchen, verstanden?« Das Geräusch kam näher. Schließlich trat eine Gestalt in das kalte Neonlicht. Erstaunt stellte Babriel fest, dass es sich dabei nicht um den Blutwandler handelte. »Ich hätte es mir fast denken können, dass du hinter der ganzen Sache steckst«, sagte Bruce. Er und Babriel kannten sich bereits von früheren Begegnungen - und keine davon war jemals angenehm verlaufen. »Die Angelegenheit stinkt zum Himmel. Und das ist schließlich ein Duft, der deine ganz persönliche Note hat, nicht wahr?« »Lass die Schmeicheleien. Sag mir lieber, was du hier willst.« »Spiel nicht den Ahnungslosen. Ich habe mich dem Dämon an die Fersen geheftet, der deinen Stoff so großzügig in der Stadt verteilt. War nicht besonders schwer. Nachdem ich ihm die Hülle vom Leib gezogen habe, hat er eine Blutspur hinterlassen, der ein Blinder hätte folgen können. Also, was soll das Ganze?« »Kannst du dir das nicht denken? Es ist höchste Zeit, dass dein Herr, dieser aufgeblasene Baron, endlich mal seine Grenzen gezeigt bekommt. Er meint, er sei unbesiegbar. Aber wenn seine ganzen Vampire hier nichts mehr zum Aussaugen finden, werden sie ihm die Gefolgschaft aufkünden. Na ja, ein paar von ihnen werden bestimmt bescheuert genug sein, zusammen mit ihrem Boss zu verhungern. Ich hoffe für dich, dass du nicht zu ihnen gehören wirst. Außerdem hast du bestimmt schon festgestellt, dass die Menschen - diese armseligen Missgeburten - ganz verrückt nach >FF< sind. Sie würden alles für ihre nächste Dosis tun. Und da mittlerweile auch ranghohe Politiker und Geschäftsleute zu meinen Kunden gehören, wird auch das restliche Imperium des Barons recht heftig ins Wackeln geraten.« »Und das alles mit Hilfe des Garhocks.« »Oh, ich sehe, du weißt Bescheid.« Babriel hob anerkennend die Augenbrauen. »Ja, ich bin richtig stolz darauf, dass mir einer von ihnen in die Falle gegangen ist. Mehr als fünfzig Jahre habe ich darauf gewartet. Euer Pech, dass es jetzt geklappt hat. Euch stehen magere Zeiten bevor. Aber eigentlich ist es ja auch höchste Zeit, dass ein altertümlicher Haufen wie ihr endlich von diesem Planeten verschwindet. Glaub mir, niemand wird euch auch nur eine Träne nachweinen.« »Du solltest dein verdammtes Maul nicht so voll nehmen«, meinte Bruce drohend. » Es sei denn, du willst, dass ich dir deine eigene Zunge in den Hals stopfe.« Er machte einige Schritte in Babriels Richtung. »Mach keine Versprechungen, die du sowieso nicht halten kannst«, erwiderte der gelassen. »Es gibt da nämlich jemand, der da ein Wörtchen mitzureden hat.« Er stieß einen kurzen Pfiff aus. Fast augenblicklich waren Schritte auf dem Betonboden zu hören. Vier Beine scharrten über den schmutzigen Untergrund und kamen rasch näher. Nur wenige Sekunden später erschien Saaleb im Licht der Lampe. Bruce zog ein Messer - nicht sein Hiebmesser, sondern einen beidseitig geschliffenen Dolch - unter der Jacke hervor und grinste. »Ich nehme an, ihr kennt euch bereits«, sagte Babriel. »Jetzt habt ihr Gelegenheit, was ihr im Park begonnen habt, zu Ende zu bringen. Ihr könnt sicher sein, dass euch dabei keiner stören wird. Ach ja, Bruce, was du vielleicht noch wissen solltest, Saaleb ist so gut wie unverwundbar. Mit deinem Zahnstocher wirst du also nicht viel ausrichten können. Ich wünsche dir aber trotzdem viel Vergnügen bei dem Kampf. Ich bin mir jetzt schon sicher, dass ich mich noch lange an ihn erinnern werde.« »Ganz bestimmt, Babriel. Wenn du irgendwie entkommen solltest...« Saaleb kroch nun bis auf zwei Meter an Bruce heran. Wieder drang ein bösartige
Zischen aus seinem Mundloch. Beide Gegner standen sich lauernd gegenüber. Saaleb duckte sich sprungbereit. Bruce knickte die Knie leicht ein und streckte das Messer vor. Plötzlich schnellte der Dämon nach vorn. Bruce wollte sich wegdrehen, doch dafür war es schon zu spät. Der Aufprall war so stark, dass er Bruce von den Füßen riss. Er fiel seitlich auf den harten Betonboden. Der Arm mit dem Dolch wurde unter seinem Körper eingeklemmt. Der Kugeldämon schob sich augenblicklich über ihn. Seine vier Beine umklammerten Bruce, wie die Spinne ihre Beute. Der Kugelkörper legte sich so fest auf ihn, dass dem Vampir beinahe die Rippen zerquetscht wurden. Er konnte an seinem linken, freien Arm spüren, wie sich das Maul des Dämons öffnete. Saaleb grub seine Reißzähne tief in Bruces Oberarm und raspelte mit seinem breiten Maul Fleischstücke heraus. Der Vampir verzog schmerzverzerrt das Gesicht und versuchte angestrengt, die Hand mit dem Messer freizubekommen. Doch sein eigenes Gewicht drückte den Arm fest auf den Boden. Der linke Arm brannte wie Feuer und die spitz zulaufenden Beine des kugelförmigen Wesens bohrten sich wie Speere an seinen Rippen vorbei tief in den Oberkörper. Bruce brüllte vor Schmerz laut auf. Aus dem Hintergrund hörte er Babriels höhnisches Gelächter. Mit einem Ruck bäumte der Vampir sich plötzlich auf und bekam das Messer frei. Gedankenschnell stieß er mit dem Dolch zu und rammte ihn bis an den Griff in die Seite des Dämons. Der sperrte seinen schrecklichen Rachen vor Schmerz weit auf, brüllte, zog dann die dünnen Beine an sich und rollte blitzschnell von Bruce weg. Der Vampir sprang auf und ging zum Gegenangriff über. Mit zwei raschen Sätzen war er bei dem Dämon und trat mit voller Wucht zu. Saaleb hatte sich schon wieder erholt. Mit einem wütenden Knurren schlug er seine beiden Reihen mächtiger Reißzähne in Bruces zutretendem Lederstiefel und brachte ihn mit einer ruckartigen Bewegung zu Fall. Der Vampir drehte sich noch in der Luft um die eigene Achse und bekam so seinen Fuß wieder frei, bevor er mit einem dumpfen Laut hart auf den Boden prallte. Da stürzte Saaleb mit donnerndem Gebrüll wieder auf ihn zu, das kreisrunde Maul weit aufgesperrt. Bruce riss das Messer hoch, als der Dämon wie ein Blitz über ihn kam. Einen Lidschlag später erbebte die Tiefgarage von einem markerschütterndem Gebrüll. Es verstummte jedoch kurz darauf, bleierne Stille senkte sich wie ein Grabtuch über die Anwesenden. Saaleb rollte von dem Vampir herunter und blieb regungslos liegen. Die rote Haut, die seinen kugelförmigen Körper umspannte, schien zu leuchten, das ganze Wesen pulsierte, an vielen Stellen platzte der Körper auf und dampfende, rote Flüssigkeit ergoß sich auf den Betonboden. Bruce glitt blitzschnell von dem Dämon weg und sprang wieder auf die Beine. Noch immer hielt er den Dolch kampfbereit in der rechten Hand. Doch von Saaleb ging keine Gefahr mehr aus. Von seinem Leib war nicht viel mehr als eine schlaffe Hülle übrig geblieben. Die Beine zuckten noch in Krämpfen nach allen Richtungen, zogen sich dann zu einem wirren Knäuel zusammen. Der Boden unmittelbar unter dem Dämon schien sich in Nichts aufzulösen. Ein schwarzes Loch entstand, durch das Saalebs sterbliche Überreste in die Tiefe fielen. Die Öffnung schloss sich genauso schnell, wie sie entstanden war. Wenige Sekunden später erinnerte nur noch die Blutlache an den Kampf, der hier kurz zuvor
stattgefunden hatte. »Bäh!« Bruce fluchte ausgiebig. Da er genau unter dem Blutwandler gelegen hatte, als er ihn aufgeschlitzt hatte, war der Vampir über und über mit Blut besudelt. »Wie ... wie hast du das gemacht?«, fragte Babriel fassungslos. Bruce hielt seinen Dolch in die Höhe. »Wenn man erst einmal weiß, womit man sich prügelt, wird alles einfacher. Die Klinge ist aus reinem Silber. Bei Vampiren hilft es ja nicht, deshalb lasse ich es sonst in den Motorradtaschen, aber diesmal...« Er näherte sich langsam Babriel. »Und ich habe große Lust, das Ding gleich noch einmal zu verwenden.« »Mach dich nicht lächerlich.« Babriel versuchte, unbeeindruckt zu klingen. Trotzdem sah er sich nervös nach einer Fluchtmöglichkeit um. »Bei mir hilft Silber nichts.« Bruce grinste breit und dreckig. »Ich kann es ja wenigstens mal ausprobieren .. .« Babriel wich weiter zurück, doch der Vampir folgte ihm. Der gefallene Engel sah sich nach einer Rückzugsmöglichkeit um - vergeblich. »Tyria!«, schrie er. »Komm her. SOFORT!« Die Tür des Nebenraums öffnete sich. Die Dämonin musste sich ducken, als sie sich von dort in die Garage schob. Ein dumpfes Knurren drang aus ihrer Kehle, als sie erkannte, wer da vor Babriel stand. »Hallo, Tyria«, begrüßte Bruce sie. »Ich freue mich auch, dich zu sehen. Wenn du nicht aufgetaucht wärst, wäre unsere kleine Runde einfach nicht komplett gewesen.« Die Dämonin blieb lauernd neben dem Durchgang stehen. »Worauf wartest du noch?«, schrie Babriel. »Schnapp ihn dir.« Tyria rührte sich noch immer nicht. Sie kannte Bruce bereits aus vergangenen Kämpfen. Er war ein starker Gegner. Nicht ganz so stark wie sie selbst, aber dafür schneller. Außerdem hatte Babriel sie in der letzten Zeit nicht sehr gut behandelt. Seine herablassende Art ging ihr schon lange auf die Nerven. Warum sollte sie nun für ihn den Kopf hinhalten? Babriel hatte selbst den Plan ausgearbeitet und jeden ihrer Vorschläge dabei als Unsinn abgetan. Sollte er doch selbst sehen, wie er jetzt aus dem Schlamassel wieder rauskam. »Tyria ... Der Garhock!« »Was ist mit ihm?« »Hol ihn! Lass in frei! Er wird sich auf den Kerl stürzen. Das Blut, das überall auf dem Vampir klebt, wird das Vieh anlocken. Und ich ...« Was auch immer der gefallene Engel noch sagen wollte, es ging in ein Gurgeln über. Bruce war vorgesprungen und hatte ihm den Silberdolch in die Kehle gerammt. »Ich habe dich schon viel zu lange quatschen lassen«, knurrte der Vampir, als Babriel röchelnd zusammenbrach. »Komm, Tyria, bringen wir es hinter uns!« Die Dämonin zögerte keinen Augenblick. Was ihr Partner da vorgeschlagen hatte, klang ganz vernünftig. Und was hatte sie dabei schon zu verlieren? Wenn Babriel gerne wollte, dass sein mühsam gefangener Dämon frei rumlief, war das seine Sache. Sie drehte sich flink um, griff sich den Käfig mit dem Garhock und setzte ihn in der Garage ab. Der gefangene Dämon begann hysterisch zu kreischen. Er schien zu befürchten, dass ihm eine weitere Elektroschockbehandlung bevorstand. Tyria stellte den Käfig auf den Boden und zog die Gittertür hoch. Der Garhock nahm die Fluchtmöglichkeit sofort wahr. Doch als er erst einmal außerhalb seines Gefängnisses war, schien ihm die plötzliche Freiheit nicht geheuer zu sein. Er sprang an die Garagendecke, wo er - wie eine Spinne - zunächst kopfüber hängen blieb.
Der Dämon schien zu überlegen. Plötzlich nahm er eine Witterung auf. Seine Nüstern begannen nervös zu zucken. Verdammter Dreck, dachte Bruce. Babriel hat Recht gehabt. Das Vieh kann das geronnene Blut an meinen Klamotten riechen. Er machte einen Schritt über den immer noch am Boden liegenden Babriel hinweg. Dann baute er sich breitbeinig auf, das Messer kampfbereit in der rechten Hand. Der Garhock hing unter der Decke und starrte ihn an. Babriel hatte sich inzwischen von der Verletzung erholt. Sein Hals brannte noch von dem Silber, aber das ignorierte er. Vorsichtig rappelte er sich auf die Beine. Bruce hatte ihn nicht bemerkt. Der gefallene Engel schnellte vor, schlug dem Vampir den Dolch aus der Hand und wich sofort wieder zurück. »Ich wollte, dass es ein fairer Kampf wird«, rief Babriel höhnisch. »Er ist unbewaffnet - und jetzt bist du es auch.« In diesem Moment kreischte der Dämon hell auf, dann kam er blitzartig auf sie zugeschossen. Bruces Hand fuhr unter die Jacke, um sein Hiebmesser hervorzureißen. Es war zwar nicht aus Silber, doch der Baron hatte nichts davon gesagt, dass das auch für den Garhock nötig war. Der spinnenartige Dämon war nur noch wenige Meter von ihnen entfernt. Die Hand des Vampirs schloss sich um den Griff des Messers. Der gefallene Engel begann, höhnisch zu lachen ... Und der Garhock sprang! Babriel schrie entsetzt auf, als sich die Beine des Dämons um seine Brust und den Schädel schlangen. Der Garhock war ausgehungert und blutdurstig. Aber es gab noch ein anderes Gefühl, dass seine Gier weit übertraf - Hass! Hass auf seinen Peiniger, der ihm die endlosen Stunden der Qual in seinem Käfig bereitet hatte. Der ihn mit Elektroschocks gefoltert hatte, nur um dann seinen Schweiß ernten zu können. Der ihn aus purem Sadismus mit dem silbernen Spieß gequält hatte. Selbst wenn der Garhock kurz vor dem Hungertod gestanden hätte, die Gelegenheit, sich für all das zu rächen, hätte er nicht ungenutzt verstreichen lassen. Babriels Stimme überschlug sich panisch, als die Klauen des Dämons erst den Stoff seiner Jacke, dann seine Rückenhaut zerfetzten. Er konnte spüren, wie sich Haifischzähne in seinem Gesicht festbissen. »Tyria«, kreischte er. »Tu was!« Auch für die Dämonin kam der Angriff des Garhocks auf Babriel vollkommen überraschend. Für einen Moment schien sie wie gelähmt zu sein. Doch dann stürzte sie los, um ihrem Partner zu Hilfe zu eilen. Sie bekam den Garhock im Nacken zu fassen und riss ihn hoch. Das Stück von Babriels Gesichtshaut, in das sich der Dämon gerade verbissen hatte, löste sich vom Schädelknochen. Der Garhock wand sich in ihrem Griff, krallte nach ihrem Arm, schaffte es jedoch nur, etwas von ihrem Fell abzusäbeln. Doch er wurde immer wilder. Hecktisch sah Tyria sich um. Was sollte sie nun mit dem Vieh machen. Ihr Blick fiel auf Bruce, der höhnisch grinsend zugesehen hatte, wie der Dämon Babriel zerfleischt hatte - und warf. Einer Kanonenkugel gleich flog der schrill kreischende Garhock auf den Vampir zu. Bruce riss die Augen weit auf, als das zappelnde, um sich schlagende Geschoss genau auf ihn zuraste. Er warf sich zu Boden. Doch er war zu langsam. Zwei der mit Klauen bewehrten Beine des Dämons
erwischten ihn noch, drangen durch das dicke Leder der Jacke und bohrten sich in sein Fleisch. Bruce schrie auf, mehr vor Überraschung als vor Schmerz. Durch den Schwung rissen die Krallen des Garhock aus dem Körper des Vampirs, doch die Jacke hielt, sodass der Dämon herumgewirbelt wurde und auf Bruces Rücken landete. Sofort klammerte er sich fest. Zuerst registrierte der Vampir gar nicht, was geschehen war, doch dann setzte der Schmerz ein. Der Garhock begann, seinen Rücken zu zerfleischen. Aufbrüllend hackte Bruce mit seinem Hiebmesser auf das Wesen ein, das wie eine Klette in seinem Kreuz hing, doch es war vergeblich. Die Schläge hatten einfach nicht mehr genügend Wucht, wenn die Klinge auf den Dämon traf, er war einfach zu schlecht zu erreichen. Der Vampir sah sich um. Ganz in der Nähe war eine dicke Betonsäule, die die Decke der Tiefgarage tragen sollte. Bruce rannte darauf zu. Plötzlich sackte sein rechter Arm runter, hing schlaff nach unten, der Griff um sein Hiebmesser löste sich, und es schepperte zu Boden. Der Garhock musste die Sehnen zerfetzt haben. Doch da hatte Bruce die Säule bereits fast erreicht. Er sprang hoch, wirbelte in der Luft herum und krachte aus vollem Lauf mit dem Rücken zuerst gegen den Beton. Und zwischen ihm und der Säule war der Garhock! Knochen knirschten. Durch den Aufprall waren die Krallen des Dämons noch tiefer in den Körper des Vampirs hineingebohrt worden. »Scheiße!«, fluchte Bruce. Es tat höllisch weh. Doch der Fluch des Vampirs wurde übertönt durch das gepeinigte Gebrüll des Garhocks. Bruce stolperte einige Schritte vorwärts, warf sich dann wieder zurück gegen die Säule. In diesem Moment löste der Dämon seine Klauen von dem Vampir und stieß sich ab, sprang zur Decke. Bruce konnte gerade noch rechtzeitig genug abbremsen, um nicht seine eigenen Knochen an der Betonsäule zu zertrümmern. Trotzdem tat es weh, als er mit seinem zerfleischten Rücken dagegen prallte. Er blickte sich um. »Wo ist das Vieh?« Dann sah er, wie der Garhock mit dem Rücken nach unten von der Decke hing und ihn aus glutroten Augen beobachtete. Eins seiner Spinnenbeine baumelte schlaff und nutzlos nach unten. Bruce prüfte seine Schulter. Er konnte den Arm bereits wieder bewegen. Langsam, als würde er einem wilden Tier gegenüberstehen, griff er unter seine Jacke und holte seine Schrotpistole hervor. Dieser verfluchte Engel hat sich wohl geirrt, als er sagte, dass ich waffenlos bin, dachte er. Trottel! Bruce richtete die Waffe auf den Dämon. Doch der Garhock schien die Gefahr zu spüren, oder er war nicht das Tier, nach dem er aussah. Blitzartig huschte er zur Seite in die Dunkelheit. »Verdammt!«, presste Bruce zwischen zusammen gepressten Zähnen hindurch und sah sich misstrauisch um... Nichts. Er ging zu seinem Hiebmesser und bückte sich, um es aufzuheben. Links von ihm eine Bewegung. Er wirbelte hoch, brachte die Schrotpistole in Anschlag doch da war wieder nichts. Plötzlich erklang hinter dem Vampir ein Brüllen. Er fuhr herum, aber da war der Dämon bereits an ihn heran. Bruce schaffte es nicht mehr, die Waffe zwischen sich und das Monster zu bringen. Doch immerhin konnte er mit der Linken das zuschnappende Haifischmaul von seinem Gesicht fernhalten. Der Garhock schaffte es, den Vampir zu Boden zu werfen und war jetzt über ihm. Bruce bewegte die rechte Hand mit der Schrotpistole, richtete die Waffe in die ungefähre Richtung des Dämons, und drückte ab.
Er verfehlte den Körper des Monsters, dafür rasierte er ihm jedoch drei der vier linken Beine ab. Das Ungeheuer brüllte auf, gelbrotes Blut spritzte aus den Wunden. Bruce wuchtete den Dämon von sich herunter, richtete sich auf den Knien auf, packte den Garhock an einem seiner verbliebenen Beine und schleuderte ihn von sich - genau auf Tyria zu, die gerade den zerschundenen Babriel mit ihren riesigen Pranken hochgehoben hatte. In einer Abwehrreaktion ließ sie ihre Last wieder fallen, fing den Dämon auf und klatschte ihn sofort mit aller Kraft auf den Boden. Babriel hob den Kopf etwas, sah, was sie vorhatte ... »NEIN!« Doch es war zu spät. Tyria packte den Dämon und riss ihn in der Mitte auseinander. Die beiden blutigen Hälften schleuderte sie weit von sich. »Nein ... Was . .. was hast du getan?« Babriel kam taumelnd auf die Beine. Sein weißer Anzug war zerrissen und blutverschmiert. Er schleppte sich zu der Stelle, an der die Überreste des Dämons lagen. »Aber ich ... Er hat dich ...« Tyria sah ihn verständnislos an. »Ich habe fünfzig Jahre gebraucht, um ihn zu finden. Verstehst du - fünfzig Jahre! Und du machst meine Mühe mit einem einzigen Schlag zunichte. Wie kann man nur so dämlich sein?« »Aber du hast mich doch selbst zu Hilfe gerufen.« »Ja, du solltest mir helfen. Aber du solltest ihn nicht töten. Er war verdammt wertvoll. Mit seiner Hilfe hätte ich die Macht in der Stadt übernehmen können.« »Du? Aber hast du nicht die ganze Zeit gesagt, dass wir gemeinsam . . .« Babriel schluckte seinen Zorn einen Moment runter. »Ja, natürlich meine ich uns«, sagte er erzwungen ruhig. »Gut, ich dachte . . .« Es krachte. Tyria machte plötzlich große Augen, stöhnte vor Schmerz. Bruce war während ihres Wortwechsels unbemerkt von den beiden Höllenkreaturen herangekommen und hatte aus nächster Nähe beide Läufe seiner Schrotpistole auf Tyria abgefeuert. Die Dämonin taumelte. Babriel sah den Vampir einen Moment verwirrt an. Der ließ die Schrotpistole fallen und hob die Linke, in der er sein Hiebmesser hielt. Der gefallene Engel packte seine Partnerin. Sofort begannen beide, sich aufzulösen. Bruces Klinge fuhr nieder, doch sie traf auf keinerlei Widerstand mehr. Babriel und Tyria waren verschwunden - wohin auch immer. »Scheiße!« Bruce fluchte vor sich hin, während er einige Schritte machte, um seinen Silberdolch aufzuheben. Dieser verdammte Engel und seine dämliche Partnerin waren ihm schon wieder entkommen. Der Vampir richtete sich auf, sein Blick fiel auf die Blutlache Saalebs, wanderte dann zu dem zerfetzten Garhock. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Andererseits hatte er es geschafft. Nicht, dass er je daran gezweifelt hätte. Der Garhock war tot, und wenn es wieder fünfzig Jahre dauern würde, bis Babriel einen neuen auftreiben konnte, war erst mal Ruhe. Der Ex-Engel würde zwar wiederkommen, aber das würde bestimmt eine Weile dauern, so wie der von seinem eigenen Spinnendämon zugerichtet worden war. Bei dem Gedanken fing Bruce an, innerlich zu lachen. Babriel hatte verloren, und er - Bruce Darkness - hatte gewonnen. Was wollte er mehr? Außer Babriel und Tyria los werden, nicht mehr von irgendwelchen Vampirjägern genervt werden, alle feindlichen Vampire vernichtet sehen ... Für einen Moment verfinsterte sich sein Gesicht, doch nur für einen Moment, dann grinste er wieder breit.
Mann, wäre das langweilig, dachte er, wenn ich keine Herausforderungen mehr hätte. ENDE Die Vampirjägerin Celestine Draven hat endlich eingesehen, dass sie Bruce nicht gewachsen ist. Doch sie ist auf der Suche nach einer neuen Waffe. Das Zepter der Sonne macht die Nacht zum Tag. Und welcher Vampir kann schon der Macht der Sonne widerstehen.